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Vorſtellung ſeiner Univerſal-Hiſtorie.
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Zweeter Teil.
Goͤttingen und GothabeyJohann Chriſtian Dieterich1773.

Vorbericht.

Wer ſich einmal in den Kopf geſetzt hat, daß die Vorſtellung meiner Uni - verſalhiſtorie ein Leſebuch, oder ein Com - pendium im eigentlichen Verſtande, ſei: der wird nicht begreifen koͤnnen, wie kri - tiſche und zum Teil polemiſche Unterſu - chungen der zweere Teil dieſes Compen - dii heiſſen ſollen. Wem hingegen gefaͤl - lig iſt, jene Aufſaͤtze fuͤr das zu halten, wofuͤr ich ſie in der Vorrede ausdruͤcklich ausgegeben hatte; naͤmlich fuͤr eine mit Beweiſen (und einer Probe S. 113-222) belegte Vorſtellung des Plans, dem ich in der Behandlung und im Vortrage die - ſer Wiſſenſchaft folge, und folgen zu muͤſ - ſen glaube, und dann fuͤr eine Anfrage an Kenner aus dem Publico, was ſie von der Materie und Form, und der von beiden abhangenden Einrichtung der Weltgeſchich -*teVorbericht. te, halten: der wird den Titel eben nicht unſchicklich finden.

Mit dem Planmachen iſt es freilich ſo eine Sache und Hr. Herder hat voͤllig recht, daß ſich etwas leichter ſagen als thun laſſe. Aberhier, wo von Welt - geſchichte die Rede iſt, meine ich, muß es auch geſagt werden, ehe es gethan wird. Der Begriff von Weltgeſchichte iſt ſo leicht nicht, als mancher waͤhnet; ich weiß ſo gar nicht einmal, ob bereits eine vollſtaͤn - dige und ganz untadelhafte Definition von ihr exiſtire? Jſt man aber in dem Begriffe nicht einmal eins: wie kan man in den praktiſchen Negeln der Einrichtung dieſer Wiſſenſchaft Uebereinſtimmung hoffen? Der eine wird ſie ſo behandeln, der andre anders; der eine wird vorſetzlich Dinge auslaſſen, die der andre durchaus mit hin - ein haben will; der eine wird Dinge hin - einſetzen, die der andre, als gar nicht zur Univerſalhiſtorie gehoͤrig, verſpottet: jeder wird ſeinen Grundſaͤtzen getreu handeln; aber um die Streitenden auseinander zu bringen, muͤſſen dieſe Grundſaͤtze entwik - kelt, muß ein Plan, eine Theorie, ein Jdeal dieſer Wiſſenſchaft, verfaſſet werden.

WennVorbericht.

Wenn nun die Geſchichtkunde, - berhaupt genommen, eine nicht nur jedem Gelehrten von Profeßion unentberliche, ſ[o] ndern auch fuͤr den ganzen cultivirteren Teil des großen Publici brauchbare und intereſſante Wiſſenſchaft iſt, und folglich jeder gelehrte Patriot wuͤnſchen, jeder nach ſeinen Kraͤften das ſeinige dazu beitragen muß, daß dieſe Wiſſenſchaft immer mer und mer in allgemeinen Umlauf komme; wenn ſie, wegen ihrer unermeßlichen Weit - laͤuftigkeit, notwendig eine Art von Jnſti - tutionen, ein Fundamentale, eine allge - meine Grundlegung, erfodert; und wenn ſich alle Menſchen unter dieſen hiſtoriſchen Jnſtitutionen die Univerſalhiſtorie den - ken, ſo ſehr ſie auch uͤbrigens, in naͤherer Beſtimmung dieſes Wortes, von einan - der abweichen moͤgen: ſo kan ich nicht um - hin, mir die Univerſalhiſtorie, aus dieſem Geſichtspuncte betrachtet, als eine ſehr wuͤrdige und wichtige Wiſſenſchaft vorzu - ſtellen; aller Gedanke, daß ſie ein bloſſes Schulſtudium fuͤr Kinder und Knaben ſei, verſchwindet mir; und ich halte es in ho - hem Grad fuͤr der Muͤhe werth, uͤber die moͤglichſt beſte Behandlung dieſer Wiſſen -* 2ſchaftVorbericht. ſchaft nicht nur ſelbſt nachzudenken, ſon - dern auch andre geſcheute Leute zu befra - gen.

Und wenn der Planmacher nicht blos Gemeinoͤrter predigt, ausgeſuchte Phra - ſes haͤuft, und fromme Wuͤnſche decla - mirt, ſondern ſtatt deſſen ins Detail geht, und ſo beſtimmte Vorſchlaͤge thut, daß von ihnen zur Ausuͤbung nur ein kleiner und evident moͤglicher Uebergang iſt; wenn er dabei den in litterariſchen Vorſchlaͤgen aͤuſſerſt eckelhaften Geſetzgeber-Ton ſorg - faͤltig vermeidet; wenn er endlich nicht blos vorſchlaͤgt, ſondern ſelbſt Hand an - legt, und Proben ſeiner Theorien vorzeigt: ſo ſehe ich nicht ab, wie ein Planmacher von der Art Verachtung und Geſpoͤtte verdiene.

Jn dieſen Geſinnungen ließ ich in vori - gem Jahre die Vorſtellung meiner Uni - verſalhiſtorie drucken. Da ſie abſicht - lich eine Anfrage an das Publicum war: ſo geſtehe ich es, ich war aufmerkſam auf die Beurteilungen, die das Buch erhal - ten wuͤrde. Solcher Beurteilungen ſind mir bis jetzo achte zu Geſicht gekommen. SieVorbericht. Sie ſcheinen mir alle von Hiſtorikern von Profeßion zu ſeyn: ich ſage, ſie ſcheinen mir es, denn alle dieſe Beurteiler ſind mir, bis auf einen einzigen, noch bis itzo unbekannt. Alle ihre Erinnerungen waren lehrreich fuͤr mich; ich will ſie alle, keine einzige ausgenommen, in dem naͤchſtfol - genden dritten Stuͤcke dieſer Vorſtellung ſammlen, und bei jeder insbeſondre die Anmerkung machen, entweder: ich ha - be gefehlt, und kan den Feler kuͤnftig ver - beſſern, oder: ich habe gefehlt, allein aus folgenden Urſachen ꝛc. kan ich den Feler nicht verbeſſern, oder: ich glaube, nicht gefehlt zu haben, und dies aus folgenden Gruͤnden ꝛc. Eben ſo werde ich es mit denjenigen freundſchaftlichen Kritiken hal - ten, die mir blos ſchriftlich in Privatbrie - fen bisher zugekommen ſind, oder kuͤnftig noch zukommen moͤchten.

Aber alle die bisher genannten Beur - teilungen durfte ich nicht mit derjenigen zu - ſammenſetzen und verunehren, die der Hr. Conſiſtorialrath Herder in die Frankfur - ter Zeitungen ſetzen laſſen. Dieſe ſticht, nicht nur in Grobheit und Ungerechtigkeit,* 3ſon -Vorbericht. ſondern auch in laͤcherlicher Unwiſſenheit, gegen die uͤbrigen allzu ſehr ab: ihr allein alſo, da ich ihres gleichen anderswo nicht gefunden, beſtimmte ich zur umſtaͤndlichen Analyſe dieſes 2te Stuͤck.

Darf ich ergebenſt bitten, daß dieſe meine Analyſe niemand leſe, der nicht un - mittelbar vorher des Hrn. Conſiſtorial - Raths ganze Recenſion im Zuſammenhan - ge geleſen und erwogen hat? Darf ich bit - ten, auf allen Seiten deſſen eingedenk zu ſeyn, daß ich blos der ſich verteidigende Teil bin, daß ich Hrn. Herdern gar nicht kenne, und ihm nie Gelegenheit gegeben ha - ben kan, uͤber mich mißvergnuͤgt zu ſeyn, noch weniger Urſache, mir im Angeſichte des Publici ſo beleidigend zu begegnen?

Aber warum beantworte ich, ſo um - ſtaͤndlich, eine Kritik, die augenſcheinlich unter aller Kritik iſt? aus der ich nichts lernte, und aus der ſich auch, nicht einmal durch Brandiſche Kuͤnſte, fuͤr den kundigen Leſer ein Phosphor ziehen ließ? eine Kritik von der Art, die heute gemacht und gedruckt, morgen geleſen und belacht, und uͤber - morgen vergeſſen wird?

AusVorbericht.

Aus Furcht und Bangigkeit geſchieht es augenſcheinlich nicht. Die Recenſion iſt ſchon ſeit mer als einem Jare gedruckt; ſo lange wartete ich mit Fleiß mit meiner Antwort. Sie hat gar keinen Ton im Publico, nicht einmal unter ſpaͤteren Recen - ſenten, angegeben. Sicher und ruhig haͤtte ich ſie alſo in ihrer bereits eingetretenen Vergeſſenheit modern laſſen koͤnnen.

Waͤre ſie immer anonymiſch geblieben: ſo wuͤrde ich natuͤrlicher Weiſe noch weni - ger Notiz von ihr genommen haben. A - ber da es, ich weiß nicht durch einen Zu - fall, oder mit Hrn. Herders Vorſatze, all - gemein bekannt wurde, daß die Recenſion von ihm waͤre: ſo war ich ſeinem bekann - ten, und zwar nicht durch Hiſtorie, aber doch durch Belleslettres, beruͤhmten Namen mer Aufmerkſamkeit ſchuldig, als einem namenloſen Unbekannten.

Endlich ſah ich dieſe Recenſion von einer gewiſſen Nebenſeite an, von der ſie mir wichtig ſchien: als eine Urkunde des leidigen Recenſenten-Unfugs, der ſeit etwa zehen Jaren unſre Deutſche Litteratur ſchaͤndet.

* 4ZwarVorbericht.

Zwar ſolche Urkunden werden hie und da alle Wochen gedruckt; und Schrift - ſteller, die ihrer Sache gewiß ſind, und dem deutſchen Publico Einſicht zutrauen, ſcheinen ſichs durchgaͤngig zum Geſetze ge - macht zu haben, dergleichen Ungezogen - heiten zu ignoriren und zu verachten. Sie ſelbſt verlieren augenſcheinlich nichts dabei; und zur Ehre meiner Deutſchen weiß ich wirklich noch kein einziges Beiſpiel, daß ein wirklich ehrwuͤrdiger Gelerter durch Re - cenſenten-Complot um ſeine Achtung ge - kommen waͤre. Allein daß es gut, heil - ſam, und fuͤr die Aufrechthaltung der Wuͤrde unſrer vaterlaͤndiſchen Litteratur notwendig ſei, aus etwa hundert ſolcher Recenſionen jedesmal Eine heraus zu ne - men, wenn ſie ſich durch Unwiſſenheit in hohem und erweislichem Grade, durch vor - zuͤgliche Ungezogenheit, und durch die Per - ſon ihres Verfaſſers, beſonders auszeich - net, und an derſelben ein Exempel zu ſta - tuiren, ſchließe ich aus folgenden Gruͤnden.

I. Der Unfug nimmt kein Ende, und verewigt ſich. Diejenige, die ihn treiben, ſind meiſt Leute in den Jaren der Gaͤhrung, wo Stillſchweigen und großmuͤthige Ver -achtungVorbericht. achtung keine Wirkung thut, ſondern eher fuͤr Furcht oder Feigheit ausgelegt wird. Kommen dieſe Leute endlich zu Jaren und zu ſich, und beſſern ſich ſelbſt: ſo tritt ih - nen eine durch jener ihr Beiſpiel bereits verdorbene und wieder gaͤhrende Genera - tion auf dem Fuße nach; und faͤngt gerade da wieder an, wo jene es mit Schaam und Reue laſſen wollten; und ſtiftet in die Laͤnge wirklich mer Boͤſes, als es beim erſten Anſehen ſcheint.

II. Bei gelerten Leſern zwar macht ei - ne ungerechte und boshafte Recenſion um ſo weniger Eindruck, je mer ſie ungerecht und boshaft iſt. Aber der bei weitem groͤſ - ſere Teil der Leſer ſind junge Leſer, die nicht urteilen koͤnnen; die zwar uͤberhaupt den Satz wiſſen, daß in unſerm Zeitalter Recenſionen nicht zu trauen ſei, die ſich a - ber doch an den Einfaͤllen und Ausdruͤcken des Recenſenten, beſonders wenn er den Styl in ſeiner Macht hat, ergoͤtzen, und den Mann doch fuͤr Etwas halten, von dem mißhandelten Verfaſſer aber unver - merkt laͤcherliche Jdeen bekommen. Wie ge - ſund muß es dieſen jungen Leſern ſeyn, wennmanVorbericht. man ihnen manchmal, durch eine auch fuͤr ſie faßliche Analyſe, den armen Jgnoran - ten, der frech von Schriften urteilt, welche nur zu verſtehen er noch einige Jare lernen muͤßte, von allen Schnoͤrkeleien des Styls entkleidet, in ſeiner Bloͤße zeigt!

III. Noch hat dieſer Recenſenten-Un - fug eine zweite noch nachteiligere Wirkung auf dieſe junge Leſer: er hilft ihren mora - liſchen Character verderben. Sie ver - lieren dadurch das zarte Gefuͤhl gegen an - drer Ehre, dieſes große Principe der Ruhe in der buͤrgerlichen Geſellſchaft; und ge - woͤhnen ſich, ohne Bedenken gegen ande - re die Ungezogenheiten im Privat-Leben zu begehen, welche ſie den feigſten Men - ſchen, mit der groͤſten Publicitaͤt, ſo gar durch den Druck, anonymiſch, ungeſtraft, und ungeruͤgt veruͤben ſehen. Wie heil - ſam wuͤrde es ihnen ſeyn, wenn man ihnen durch faßliche Analyſen Eckel und Abſcheu vor dieſen Ungezogenheiten erregen koͤnnte!

IV. Endlich, was wird der Auslaͤn - der bei dieſem Unfuge denken? wird er nicht allmaͤlich Ungeſchliffenheit jetzo,wieVorbericht. wie Pedanterei ehedem, fuͤr den Na - tional-Character der deutſchen Littera - tur halten? Zwar in Deutſchland ſelbſt wiſſen wir den Unterſcheid zwiſchen deut - ſchem Publico und laͤſternden Zeitungs - ſchreibern: aber den weiß der Auslaͤnder nicht; der ließt vielleicht mer deutſche Re - cenſionen als deutſche Buͤcher; der faͤngt ſo gar an, jene zu uͤberſetzen (ſiehe die Maandelykſche Algemeene Bcoordeeling van Duitſche Boeken, Rotterdam 1773), und beurteilt das ganze heil. Roͤmiſche Reich nach ſeinen lauteſten Journali - ſten: ſo wie wir ſelbſt gewohnt ſind, die Weisheit oder Thorheit eines Volkes nach ſeinen Reichstags-Schluͤſſen zu beſtimmen, ohne zu unterſuchen, ob dieſe Schluͤſſe wirklich der freie Wille der Pluralitaͤt, oder nur das Privatwerk einiger frechen complotirenden Schreier, ſind.

Uebrigens fuͤrchte der Leſer nicht, in denen nun folgenden Bogen lauter Pole - mik zu finden: es kommen auch univer - ſalhiſtoriſche Unterſuchungen vor; wor - unter einige, z. E. uͤber das Periodenma - chen, vielleicht die Pruͤfung der Kennerverdie -Vorbericht. verdienen. Wenn dieſen Kennern die Weit - ſchweifigkeit lange Weile macht, durch die ich meinen Saͤtzen den hoͤchſten Grad der Deutlichkeit zu verſchaffen getrachtet habe: ſo bitte ich, nicht zu vergeſſen, daß dieſes zweite Stuͤck nur fuͤr Anfaͤnger beſtimmt ſei. Jm kuͤnftigen dritten werde ich mich ungleich kuͤrzer faſſen.

Goͤttingen den 17. Sept. 1773.

Druckfehler.

  • S. 289 Z. 7 fuͤr denn ließ den.
  • 2 von unten, fuͤr 253 ließ 235.

Hrn. Johann Gottfried Herders, Gräfl. Schaumburg-Lippiſchen Conſiſtorial-Raths zu Bückeburg Beurteilung der Schloͤzeriſchen Univerſalhiſtorie in den Frankfurter Gel. Anzeig. St. 60, 1772.

mit Auguſt Ludwig Schloͤzers Anmerkungen uͤber die Kunſt, Univerſalhiſtorien zu beurteilen.

[1]

§. 1.

Der Hr. Conſiſtorial-Rath Herder in Buͤckeburg hat im vorigen Jahre, eine Recenſion meiner Vorſtellung der Uni - verſalhiſtorie, in das 60ſte Stuͤck der Frank - furter gelehrten Anzeigen S. 473 478, unter dem 28ten Jul. 1772, einruͤcken laſſen.

Der Jnhalt meines Buchs iſt bekannt - lich hiſtoriſch. Und Hr. Herder iſt bekannt - lich ſo wenig ein Hiſtoriker, als ich ein Belletriſte. Und ein purer puter Belletriſte kann bekanntlich ein großer Jgnorant in der Hiſtorie ſeyn: dies haben, falls es eines Be - weiſes bedarf, ohnlaͤngſt noch die Alten - burger Betrachtungen dem Verfaſſer der kritiſchen Waͤlder gewieſen. Jch begrei - fe alſo nicht, wie Hr. H. an die Beurtei - lung meines Buchs kommt? Hat Hr. H. ehemals Univerſalhiſtorie auf Schulen ge - trieben, oder den Boſſuet geleſen; hat er ſiePgar226[2]gar in Riga gelehrt: ſo wird er doch leicht erachten koͤnnen, daß dieſes zur Beurteilung neuer hiſtoriſcher Schriften nicht hinlaͤng - lich ſei. Jſt etwa bei der Zeitungs-Expe - dition eine Jrrung vorgegangen, daß das zu recenſirende Buch an den unrechten Mann gekommen? oder hat ſich Hr. Herder ungefo - dert zugedrungen? Er ſelbſt weiß es viel - leicht noch, ich weiß es auch.

§. 2

Dieſe Erinnerung mache ich nicht mei - netwegen; denn der Schriftſteller gewinnet faſt immer in den Augen des Publici, wenn ihn ein evident ſchlechter Recenſent hudelt: ſondern des Hrn. Conſiſtorialraths wegen. Wirklich thut es mir leid, daß ein Gelerter von ſeinem Rufe und Stande, durch eine ſo unbedaͤchtige μεταβασιν ἐις ἀλλο γενος auch ſeinen anderweitigen mit Recht erwor - benen Ruhm in Gefar ſetzt; und mit Kennt - niſſen paradiren will, die er ſichtbar nicht hat, und deren Mangel ihm niemand uͤbel deuten wuͤrde, wenn er nur nicht damit pa - radiren wollte; aber dadurch, daß er ſeine Unkunde in dieſem Fache zur Verunglimpfung andrer mißbraucht, das unparteiiſche Pu -blicum227[3]blicum zu Zweifeln nicht nur gegen ſeine Einſichten uͤberhaupt, ſondern auch gegen ſein Herz, berechtiget.

Hatte er Auftrag oder Luſt (doch war - um ſollte er Luſt gehabt haben? er kennet mich ſo wenig, als ich ihn; nie koͤnnen per - ſoͤnliche unmittelbare oder mittelbare Belei - digungen unter uns vorgefallen ſeyn: alſo, hatte er Auftrag ), Feler in meinem Buche aufzuſuchen, und ſie oͤffentlich, bit - ter, und grob, bekannt zu machen: warum ſuchte er nicht einen tuͤchtigen Subdelegirten auf, der im Stande war, die wirklichen Fe - ler aufzufinden, ſie in ihrem ganzen Lichte vorzuſtellen, oder gar zu verbeſſern? Jch ſelbſt haͤtte ihm, wenige Monate ſchon nach dem Abdrucke meiner Schrift, mit ein paar Duzend von mir ſelbſt gefundenen Felern dienen koͤnnen: wie leichter muſte die Arbeit fuͤr jeden andern Hiſtoriker ſeyn, den keine Vaterliebe gegen ſein eignes Kind blendete?

Nun da er dieſe Arbeit ſelbſt uͤbernahm, mußte er notwendig tadeln, wo nichts zu ta - deln war, und ſtatt buͤndiger Gruͤnde Ver - drehungen, Unwarheiten, Einfaͤlle, und Phra - ſes, hinwerfen; mußte er notwendig ſtatt ei -P 2nes228[4]nes denkenden Beurteilers, auf deſſen Spruch das Publicum horcht, ein unbedeu - tender boͤsartiger Witzling werden. Da wo ich in meinem Buche das Product von zehen Citationen in einzelne Zeilen, mit der Ab - ſicht: ament meminiſſe periti, zuſammen gepreßt hatte, konnte er keine Facta greifen, ſondern fand pure Declamation. Jn dem weiten Abſtande zwiſchen ihm und Hiſtorie, kamen ihm, bei ſeinem ungeuͤbten und un - bewaffneten Auge, Koͤrper von einiger Groͤſ - ſe wie Linſenkoͤrner vor (Hirſenkoͤrner wollte er ſagen; denn dieſes Wort ſteht in dem Geſchichtgen in der Acerra philologica, auf welches er hier anſpielt). Bei Stellen, wo andre Hiſtoriker waren ſtehen geblieben, wenn ich ſie gleich nicht durch Engliſche Stri - che darum gebeten hatte, konnte der Hr. Conſiſtorialrath nichts thun, als kleinmei - ſteriſch ſich auf ein Bein ſtellen, und her - umdrehen, und dann weghuͤpfen. Ver - gleichungen alter Begebenheiten mit neuen, die, beſonders bei jungen Leſern, vortrefliche Wirkung thun, kamen ihm bloß wie ge - ſuchte Antitheſen vor. Und an einem Gewebe, das ſeiner Natur nach zart und ſchwach iſt, und folglich eine leichte Handerfodert,229[5]erfodert, nahm er mir uͤbel, daß die Faͤden nicht armsdick wie Anker-Taue waͤren, u. ſ. w.

§ 3

Das alles iſt ſchon ſchlimm fuͤr Hrn. Herder; aber noch ſchlimmer iſt, was nun kommt. Der Mann, der, bei allem Vor - ſatze und guten Willen, durch ein Seiten langes Geſchwaͤtz, keinen einzigen wirk - lichen Feler auf mein Buch erweislich brin - gen kan: dieſer Mann thut noch dazu hoͤh - niſch, ſpoͤttiſch, und bitter!

Zwar laͤcherliche Feler duͤrfen hoͤhniſch und beiſſend geheilet werden: in dieſer Re - gel der Kritik ſind wir eins. Aber ſind denn unter den Felern meines Buchs gerade auch laͤcherliche Feler? Sind ſo viele laͤcherliche Feler darinne, daß ein Recenſent daruͤber Recht haͤtte, das ganze Buch nur auszu - hoͤhnen, anſtatt es zu recenſiren? Und war Hr. H. der Mann, der dieſe Laͤcherlichkeiten auffinden konnte? Und ſchickte es ſich fuͤr ihn und ſeinen Conſiſtorial-Character, in einer oͤffentlichen Zeitung, bei dieſer Gele - genheit, mer auf ſeine als meine Koſten, ei - nen Luſtigmacher zu agiren?

P 3Ehe230[6]

Ehe man wußte, daß der Hr. C. R. Verfaſſer dieſer Recenſion waͤre, ſahen me - rere Leute den ganzen Aufſatz fuͤr weiter nichts als einen literariſchen Pagenſtreich an. Ein mir unbekannter Hr. R. begieng ſo gar die Unvorſichtigkeit, dieſes Urteil ohnlaͤngſt (in dem Schirachiſchen Magazin B. II. S. 30 folg. ) drucken zu laſſen:

Uebertrieben getadelt worden iſt die Schloͤ - zeriſche Univerſalhiſtorie, beſonders von dem Verfaſſer der Frankfurter Gelehrten Anzeigen, einem jungen Manne, wie es ſcheint, bei dem es Schade iſt, daß er glaubt, das Publicum haͤtte ihn gedungen, daß er hinter die Gelehrten herlaufen, und ihnen ſchiefe Geſichter machen ſoll - te, damit es lachen koͤnnte. Die Rolle eines gelehrten Luſtigmachers iſt dop - pelt veraͤchtlich ........

Dieſes Bild iſt etwas derbe: ein Conſiſto - rial-Rath, in Geſellſchaft der beſchriebenen Hinterherlaufenden . Haͤtte Hr. N. den Verfaſſer der Recenſion gewußt; er wuͤrde vermuthlich, aus Achtung fuͤr deſſen Stand und Wuͤrde, ſein Bild verfeinert haben. Aber er urteilte, wie es ſcheint, blos ex me - rito cauſſœ, und war der Perſon wegen gaͤnzlich unbeſorgt.

§. 4.231[7]

§. 4.

Die ganze Herderſche Recenſion betrift 1. den Titel, 2. die Schreibart, 2. das Eigentum, 4. die Materie, und 5. die Form, meiner Univerſalhiſtorie. Die An - merkungen ſtehen nicht in der Ordnung da, wie ich ſie hier klaſſificire: ich wage ſie auch nicht aus einander zu reiſen, weil ein Ge - danke oft Licht oder Schwaͤrze, Nachdruck oder Mattigkeit, von ſeinem naͤchſten Ge - faͤhrten oder ſeiner Stellung erhaͤlt.

Hr. H. ſelbſt hat beliebt, ſeine Recen - ſion nach den 3 Woͤrtgen des Titels meines Buchs: Vorſtellung ſeiner Univerſalhi - ſtorie , in 3 Teile zu teilen. Was Hr. H. in den beiden erſten Teilen S. 473-477 ſagt, iſt blos gewitzelt und gelaͤſtert. Er tadelt, und beweiſt ſeinen Tadel nicht, und nennt die Stellen nicht einmal, auf die ſein Tadel geht; ſondern ſchwaͤtzt Gemeinoͤrter her, und ſetzt ſein Fetwa hin wie ein Mufti, und huͤpft dann weg wie ein Kleinmeiſter: wie laͤßt ſich da antworten! Nur im drit - ten Teile ſteht er manchmal, fuͤhrt Bei - ſpiele an, und wagt ſich ins Detail. Hier laͤßt ſich alſo mit ihm vor dem Publico ein Wort der Unterſuchung ſprechen. UndP 4huͤpft232[8]huͤpft er mir abermals weg, weil ich einige Bogen lang zu ſprechen habe: ſo bleiben mir doch wol einige andre ſtehen, die im vori - gen Jahre ſeine Recenſion geleſen haben.

§. 5.

Den Text meines Hrn. Verfaſſers laſ - ſe ich, zum Unterſcheid, mit lateiniſchen Lettern drucken.

Den dritten Teil dieſes Textes liefere ich vollſtaͤndig, ohne ein Woͤrtgen auszulaſ - ſen: aus den beiden erſten Teilen aber ſchich - te ich nur einige der Kritik faͤhige Stellen ge - legentlich ein, und analyſire ſie.

Die Sprache, in der ich mit ihm ſpre - chen werde, ſoll nicht witzig, nicht unwitzig, ſondern ernſthaft und deutlich, ſeyn; nicht grob, aber offenherzig, kraͤftig, und der Sa - che angemeſſen; nicht leidenſchaftlich, aber mit dem Stempel des Gefuͤhls empfangener grober Beleidigungen gezeichnet: ſo etwa, wie die Sprache, in der vermutlich meine Vorfaren am Rhein gegen Roms beredte Zungendreſcher redeten.

Alles dieß wird einen ſonderbaren Con - traſt zwiſchen Text und Analyſe geben. Hr. H. hat Witz, ſagt man: ich wuͤnſche ihmGluͤck233[9]Gluͤck dazu, und erinnere nur, daß ein Witz ohne Bedaͤchtigkeit und Ueberlegung etwas mitleidenswuͤrdiges, und ein Witz, der zu andrer unverdienten Verunglimpfung gemiß - braucht wird, etwas abſcheuliches ſei. Auch ſeine Recenſion ſoll witzig ſeyn, wie mir zwei bis drei Leute ſagten: das finde ich nun eben nicht; wenigſtens deucht mich, mit ſolchem Herderſchen Recenſions-Witze lieſſe es ſich immer noch aushalten. Doch hievon kann ich nicht feſt urteilen: ich weiß gar nicht, was witziger Styl iſt; mit Unterſuchungen - ber Theorien des Styls habe ich mich niemals abgegeben. Aber koͤnnt ich witzig ſchreiben, oder haͤtte wenigſtens das Ungluͤck, zu glau - ben, daß ich es koͤnnte: ſo thaͤt ich es hier nicht. Compendien-Styl ſoll hier Hr. H. fin - den, den er in meinem Jdeal vermißte; Satz fuͤr Satz, Beweis von jedem Satze, und wei - ter nichts. Laß ſehen, was beim jetzigen deut - ſchen Publico die mereſte Wirkung thun wird: Herders Witz und drolligte Phraſes, oder meine nackte Gruͤnde! Einer meiner Freunde hat den Auftrag, alle Stellen auszumerzen, die in den Verdacht des Witzes kommen koͤnn - ten: jedoch die Stellen ausgenommen, wel - che Hrn. Herdern ſelbſt gehoͤren, wo ichP 5ſeine432[10]ſeine Allegorien nur fortſetze, wo ich ihn mit ſeinem eigenen Fett betraͤufe.

So gern ich ihm ſeinen Witz laſſe, ſo gleichgiltig ſchenk ich ihm auch ſeine Grobheiten. Gegen mich war Hr. H. grob, beleidigend, ungeſchliffen; der Leſer ſehe unten, und urteile: gegen ihn will ich es nicht ſeyn, und ihm hoͤchſtens, wie ich bei ſeinem Witze thue, auch ſeine Grobhei - ten, jedoch ohne landuͤbliche Jntereſſen, zu - ruͤcke geben. Auf dieſe Art handeln wir zwar ſehr verſchieden gegen einander: aber doch vermutlich jeder nach ſeinen Grundſaͤtzen. Jn ſeinen Augen bin ich ein deutſcher Uni - verſitaͤts-Lehrer; das iſt, ein nach ſeinem wie des ſeel. Abbts Begriffe veraͤchtliches We - ſen, deſſen literariſche und moraliſche Ehre mit Zaͤrtlichkeit zu behandeln, Hr. H. eben fuͤr keine Pflicht haͤlt. Jn meinen Augen iſt er ein Geiſtlicher, ein Conſiſtorial-Rath; folglich ein Mann von einem mir ehrwuͤrdi - gen Stande, welcher Stand aus politiſchen Gruͤnden geſchonet werden muß, ſelbſt wo ſich das Jndividunm aller Barmherzigkeit unwuͤrdig macht. Anzeigen alſo darf ich bloß die Suͤnden des Recenſenten! undvergeben235[11]vergeben muß ich ſie dem Conſiſtorial - Rathe!

§. 6

Ein Kenner, der meinem Buͤchlein die Ehre der Pruͤfung goͤnnt, pruͤfet die Materie, und die Form, ſo wol meines Plans, als der verſuchten Ausfuͤhrung deſſelben.

Die Univerſalhiſtorie, als Syſtem im Gegenſatze des Aggregats betrachtet, ſoll aus der ungeheuren Menge der im Aggregat vorhandnen Thatſaͤtze*Darf ich Thatſatz ſtatt des fremden un - biegſamen factum hiſtoricum brauchen? Begebenheit paßt nicht allemal. Ueber - haupt muß man der Weltgeſchichte, wenn ſie ſcientifiſch vorgetragen werden ſoll, ein wenig Neologie nicht uͤbel nemen: ſie hat noch lange nicht ſo viel Kunſtwoͤrter, als ſie zum runden Ausdrucke braucht. Jar - hundert, Jartauſend, wagte noch nicht Buno einmal; noch weniger Jarzehend . Hr. Herder nennt meine Worte ſynchro - niſtiſch, ethnographiſch, und andre, harte Worte, für die er hie und da kei - nen Schleifſtein wiſſe. Allein 1. ſynchro - niſtiſch iſt gewiß nicht nen; ob ethnogra -phiſch eine gewiſſe Anzalheraus -236[12]herausheben. Nun welche Anzal denn? Habe ich richtig beſtimmt, von welcher Art dieſe Saͤtze ſeyn ſollen? iſt meine Foderung an ſich in der Ausuͤbung etwa nicht unmoͤg - lich? oder bin ich wenigſtens, in den weni - gen Proben der unternommenen Ausuͤbung, meiner eigenen Theorie nicht untreu worden? Materie der Univerſalhiſtorie.

Die herausgehobenen Saͤtze muͤſſen, da ihrer, auch nach der geizigſten Auswahl, noch immer eine ſehr groſſe Menge bleibt, und ihre Stellung, wie in der Moſaik-Ma - lerei, das ganze Weſen der Wiſſenſchaft ausmacht, geordnet werden: ſo wie die Bo - tanik zum leichtern Erlernen ein Syſtem,ſo*phiſch neu ſei, weiß ich nicht. 2. Waͤre es neu; ſo iſt es nicht hart, ſondern ganz ana - logiſch, wie zum Ex. geo kosmo hydro graphiſch. 3. Waͤre es neu und hart; ſo bleibt die Frage: iſt es aber nicht notwen - dig? nicht notwendiger als Beſonnen - heit? 4. Jſt es neu und hart, aber not - wendig; nun ſo ſchaffe mir Hr. H. ein wei - cheres. 5. Hat er keines, und doch auch kei - nen Schleifſtein fuͤr meines; nun ſo laß er mirs. Jch weiß keinen Schleifſtein fuͤr ſeine Recenſenten-Sitten: nun ſo behalt er ſie.237[13]ſo wie ein dickes Buch zum bequemern Nach - ſchlagen ein Regiſter, braucht. Habe ich uͤberhaupt richtig beſtimmt, daß dieſe An - ordnung gedoppelt ſeyn muͤſſe, ſynchroni - ſtiſch und ethnographiſch? Habe ich die ſpe - cielle Art dieſer gedoppelten Anordnung richtig beſtimmt? Taugen die Tabellen, die ich von beiden Anordnungen S. 88 94 und 109 112 entworfen habe[?]Taugen die Summarien, die ich bloß von der lez - tern ethnographiſchen Tabelle S. 113 222 zur Probe, unter der Aufſchrift eines An - hangs, habe abdrucken laſſen? Das heiſt nicht: ſind dieſe Tabellen, Summarien ꝛc. vollkommen ohne Feler? wer wird ſich die - ſes von einem erſten Verſuche, einer bloſ - ſen Probe, traͤumen laſſen; ſondern, iſt die Haupt-Jdee richtig, die in ihnen herrſcht? ließe ſich etwa kuͤnftighin, ohne gaͤnzliche Umſchaffung, durch Nachhelfen und Aus - bilden, etwas brauchbareres und vollkom - meneres daraus machen? Form der Univerſalhiſtorie.

So wuͤrde der Kenner pruͤfen; ſo ha - ben mich Kenner gepruͤft. Aber nun, was laͤſt Hr. Herder drucken?

§. 7.238[14]

§. 7.

Univerſalhiſtorie endlich!) und die iſt eine Tabelle, teils ſynchro - niſtiſch, teils nach Völkern.

Ich habe nur den Titel zu erklœren, ſagte Hr. H. am Anfange der Recenſion. Eine aͤrmliche Art zu recenſiren! Sonſt warf man einigen Recenſenten als eine Laͤ - cherlichkeit vor, daß ſie bloß Vorrede und Regiſter anſaͤhen. Hr. H. iſt noch beque - mer, und bleibt bloß beim Titel ſtehen, und geſteht es gar.

Und dieſer Titel heiſt: Vorſtellung ſei - ner Univerſal-Hiſtorie. Kan ein Titel pla - ner, deutlicher, weniger erklaͤrungsbeduͤrf - tig, ſeyn? Da iſt kein Torſo, kein kriri - ſcher Wald, ſondern: Vorſtellung meiner Univerſalhiſtorie. Doch Hil - debrand machte Suͤnden, um etwas zu ſtra - ſen oder vergeben zu haben: und Hr. H. traͤgt Dunkel und Torheit in den Titel mei - nes Buchs hinein, um etwas erklaͤren und ſchimpfen zu koͤnnen.

§. 8.239[15]

§. 8.

Vorstellung ſei ein Theater-Wort, meint Hr. Herder, und denkt ſich alſo beim ganzen Titel und Buche lauter theatrali - ſches und mimiſches. Aber Vorſtellung iſt ein ganz allgemeines Wort, ſo gar ein Kanzelwort (wir wollen eurer Liebe vor - ſtellen ), und nichts weniger als dem Schauplatze eigen. Freilich hat Hr. Baſe - dow eine Vorſtellung an Menſchenfreunde geſchrieben. Freilich ſagt man: heute wird vorgeſtellet ; aber iſt deswe - gen auch heute ein Theaterwort? Hat der Hr. Conſiſtorial-Rath den Kopf ſo voll von Theater, Komoͤdien, Komoͤdianten ꝛc., daß ihm die Woͤrter heute, vorſtellen, nie vors Trommelfell fallen, ohne ihn im Gei - ſte aufs Theater zu verſetzen: ſo mag ers. Nur muß er nicht verlangen, daß ſeine ſo zufaͤllig und individuell determinirte Ein - bildungskraft den Sprachgebrauch des deut - ſchen Publici beſtimme. Bei dem Roͤmi - ſchen Matroſen war conſcendo ein Schiffs - wort, und bedeutete an Bord gehen: aber wer conſcendere equum ſagt, redet deswegen nicht navigatoriſch, will deswegen nicht, mit Mohaͤmmed, das Pferd oder das Kameelver -240[16]verbluͤmt ein Landſchiff nennen. Jn der Geſchichte der Wiedergebornen klagt ein ſo genannter Wiedergeborner ſeinem Beichtva - ter, er koͤnne nie das Vaterunſer mit An - dacht beten, weil ihm jedesmal, bei dem Worte Vater, allerhand garſtige Bilder vor ſeiner wuͤſten Jmagination herumfladder - ten. Daran war doch warlich das Vaterunſer nicht ſchuld! Dieſe ganze Bemerkung iſt aus der Sprachphiloſophie. Der Verfaſ - ſer der Abhandlung uͤber den Urſprung der Sprache haͤtte ſie ſelbſt machen, und ſich vor Schaden huͤten koͤnnen.

§. 9.

Bei der Erklaͤrung, die Hr. H. von dem Worte ſeiner macht, iſt kein Verſehen von der Art, aber ſtatt deſſen vorſetzliche Verfaͤlſchung. Hundert mal iſt ſchon von Univerſitaͤtslehrern auf ihre Programmen ge - ſetzt worden: N. N. Anzeige ſeiner Vorleſungen; und nie habe ich ſo eine Gloſſe uͤber dieſes ſeiner geleſen, als mir Hr. H. mit folgenden Ausdruͤcken macht:

Seine Weltgeſchichte) nennts S., und zeigt uns in der Vorrede noch eigent - licher auf das Beſitztum, auf dieſe Zu -neigung241[17]neigung des Seinigen wir zweifeln, ob mer als Landesherr? oder als Tri - umphator, d. i. als glücklicher Räuber.

I. Unten ſpricht Hr. H. von ſeinem Ge - daͤchtniße. Man wende jene ſeine eigene Gloſ - ſe auf dieſen ſeinen eigenen Ausdruck an, um alles Schaale des Herderſchen Witzes zu fuͤh - len.

II. Wie habe ich in meiner Vorrede noch eigentlicher auf das Beſitztum, auf dieſe Zu - neigung des Meinigen, gezeigt? Hier ſind meine Worte:

Dieſe Bogen ſind bloß eine Vorſtellung meiner Univerſalhiſtorie, das iſt, eine mit Beweiſen belegte Vorſtellung des Plans, der Ordnung, und des zwar etwas erwei - terten, mir aber immer noch zu eugen Um - fangs, wornach ich dieſe Wiſſenſchaft in halbjaͤrigen Vorleſungen noch zur Zeit vorzutragen im Stande bin.

Warum hüpft mir Hr. H. uͤber alle dieſe mit Schwabacher gedruckte Worte weg, und ſetzt eine erweislich falſche und boshafte Ausle - gung davon in ſeine Recenſion, in der Hoff - nung, daß ſein Leſer nicht auf der Stelle mei - ne Vorrede nachſchlagen werde? Schreibe, docire, jeder eine Weltgeſchichte, wie er will;Qich242[18]ich glaube aufrichtig, es giebt 10 Methoden von Weltgeſchichte, und alle 10 ſind gut: aber anzeigen mußte ich, nicht der Welt, ſondern meinem Goͤttingiſchen Publico, wel - cher unter dieſen 10 moͤglichen Methoden ich in meinen Vorleſungen wirklich folgte, und warum ich ihr folgte? Das thut jeder Profeſſor, der entweder ein neues Collegium unter einem alten Namen, oder ein altes un - ter einem neuen Namen, lieſt; das darf jeder thun: mich aber noͤtigten noch auſſerdem Lo - cal-Umſtaͤnde dazu, die ich damals unter - druͤckte, nun aber, da ich ſeitdem gedruckte Texte zu einem Commentar erhalten, an ei - nem andern Orte umſtaͤndlich erzaͤlen darf und muß.

III. Seit der Erſcheinung der Allgem. Hiſtor. Bibliothek hoͤrte ich ſo viel von hiſtoriſcher Geſetzgebung ſprechen. Haͤt - te ich Titel und Ausfuͤhrung meines Plans ſo eingerichtet, daß ich dieſen Plan fuͤr den einzigen richtigen hielte: ganz gewiß haͤtte ein Recenſent, von Hrn. Herders Art, auch mich hiſtoriſcher Geſetzgebung beſchuldiget. Thut es doch Hr. H., bei aller meiner deut - lichen und feierlichen Erklaͤrung, gleichwol, und ſpricht irgendwo in ſeiner Recenſion vonRath243[19]Rath, Befehl, und Vorſchlag. War es nun nicht beſcheidener, zu ſagen: dieſen Plan halte ich fuͤr nuͤtzlich, nach dieſem lere ich dieſe Wiſſenſchaft, als: ſo muß der Plan ſeyn, nach dieſem muͤſſen alle und jede die Weltgeſchichte dociren?

IV. Hr. H. hat Recht: die ganze Ge - ſchichte iſt, nach ſeinem ſtarken Ausdrucke, Rœuberei; und der beſte Geſchichtſchreiber iſt der glücklichſte Räuber. Jch kan ihm Stel - len in meinem Buche (z. Ex. S. 9 12 ꝛc. ) zeigen, wo ich bei mancher einzelnen Zeile ſechs Schriftſteller, alte und neue, beraubt habe: darunter ſind ſo gar kahle Moͤnche, denen Hr. H. gar nicht zutrauen ſollte, daß etwas von ihnen zu holen waͤre. Solche Raͤuber waren auch Maſkou und Schoͤpflin in ihrer Deutſchen und Badenſchen Geſchich - te: ganze Blaͤtter lieſt man weg, wo kaum Eine Zeile dieſer Leute Eigentum, ſondern alles aus Urkunden und Annalen geraubt, iſt. Und dabei ſind ſie noch ſo unverſchaͤmt, und weiſen einem gar die Orte und Winkel nach, wo ſie geraubt haben. Und gleichwol ſtar - ben beide im Frieden, von Juſtiz und Poli - zei unangetaſtet! Dieſe Jdee, daß der Geſchichtſchreiber kein Eigentum habe, ſon -Q 2dern244[20]dern bloß von fremdem Gute lebe, ſchwebt Hrn. H. ſo lebhaft vor, daß er ſie auch an - derswo in ſeiner Recenſion, unter einem an - dern aus der Weberkunſt entliehenen Bilde, anbringt. Er wirft mir vor, mein Buch ſei ein aus mancherlei Schrifften aufgewun - denes ſchönes Krausgewinde; es ſei aus ei - ner andern fremden Textur, wo es eigent - lich ſeinen Sitz hätte. Er hat wieder Recht. Wir Hiſtoriker nemen Zettel und Eintrag von andern, und verweben es nur: wie der Hollaͤnder Linnengarn vom Weſtfaͤlinger kauft, und Battiſt daraus webt. Jn wel - chem Verſtande aber man ſagen koͤnne, daß z. Ex. der Satz: Lukull brachte Kirſchen nach Jtalien, im Plinius oder im Ander - ſon eigentlich ſeinen Sitz habe, verſtehe ich eben ſo wenig, als wenn man oben, dem Hollaͤnder zum Schimpfe, ſagen wollte: das Linnengarn habe eigentlich in Weſtfa - len ſeinen Sitz.

V. Solche Begriffe vom Weſen der Ge - ſchichte hat der Richter hiſtoriſcher Buͤcher, Hr. Herder. Nun erſt begreife ich denn ſonſt wuſte ich nicht, daß jemand dergleichen Begriffe haben koͤnne , warum einige junge Leute, die ſich die Mine von SchoͤnenGei -245[21]Geiſtern geben, und nichts lernen moͤgen, ſo veraͤchtlich von aller Hiſtorie denken, und be - reit ſind, einen Roman jeder Geſchichte, und waͤre dieſe auch eben ſo niedlich, wie ein Ro - man, geſchrieben und gedruckt, vorzuziehen. Der Romanſchreiber naͤmlich, denken ſie, iſt ein ſchoͤpferiſches Genie, das erſchafft ſeinen Stoff aus nichts: der Hiſtoriker hin - gegen erſchaffet nichts, man nimmt es ihm ſo gar uͤbel, wenn er erſchafft; er iſt nur ein compilirendes Weſen, und traͤgt alles, was er ſagt, gibeonitiſch aus andern Buͤ - chern zuſammen. Nun begreife ich auch, warum wir mer ſchoͤne Romane als ſchoͤne Geſchichtsbuͤcher zu leſen kriegen. Ehe der Hiſtoriker Eine Seite durch Aufſchlagung von 10 Folianten berichtiget, macht der Ro - manſchreiber, ohne ſich vom Lehnſtule zu er - heben, einen ganzen Bogen von der Fauſt weg, fertig. Jſt jener einmal im Fluge, ſo wird er alle Augenblicke durch das immer noͤtige Nachſchlagen unterbrochen. Sein Ge - nie ermattet unter den Feſſeln der Kritik oder hiſtoriſchen Warheit; ſein Styl wird holpe - richt, und dem ganzen Vortrage geht Ein - heit und Leichtigkeit verloren: denn die ewi - ge bange Ruͤckſicht auf die Warheit jedesQ 3Bei -246[22]Beiwortes und jeder Verbindungs-Partikel macht Furchen und Abſaͤtze darinnen. Haͤt - te er auch Ueberwindung genug, ſein aus der Kritik herausgearbeitetes Werk Jahre lang liegen zu laſſen, um indeſſen alle Fur - chen auszuglaͤtten, und alle Tropfen des kri - tiſchen-Schweiſes abzuwiſchen: was hat er fuͤr ſeine Muͤhe? Compilator, Raͤuber, Weber, iſt er doch nur, ſagt Hr. Herder: und der Romanſchreiber iſt fuͤr ſeine wolluͤ - ſtige Arbeit Schoͤpfer!

VI. Wem uͤbrigens Hrn. Herders Aus - druck Rauberei, in obberegtem Falle, nicht bloß ſtark, ſondern fuͤr einen Schoͤnen Geiſt zu plump und ungeſchliffen vorkommen moͤch - te; dem dienet zur Nachricht, daß ſchon Pli - nius ſich eben dieſes ſtarken Ausdrucks in Form eines Compliments von ſeinen eigenen Roͤmern bedient habe: er nennet ſie omnium utilitatum et virtutum rapaciſſimos, hist. natur. XXV, 2, 1.

VII. Jch habe mich uͤber die hiſtoriſche Rauberei erklaͤrt, deren Hr. H. mich beſchul - diget. Nun hat ſich der Hr. Conſiſtorial - Rath uͤber eine andere Art von Rauberei zu erklaͤren, deren ihn ohnlaͤngſt ein Recenſent in der Lemgoer Bibliothek, in puncto ſeinerAb -247[23]Abhandlung uͤber den Urſprung der Spra - che, mit bedenklichen Umſtaͤnden angeklagt hat. Kan er ſich eben ſo gut heraus helfen, ſo ſolls mir lieb ſeyn.

§. 10.

Das dritte Wort im Titel meines Buchs, das Hr. H. ſeinem Plane nach erklaͤren ſoll, iſt Universalhistorie. An dieſem Worte war nun ohnmoͤglich etwas zu erklaͤ - ren: es iſt allzu klar, deutlich, und unſchul - dig. Wol mir, daß ich den gewoͤnlichen alt - fraͤnkiſchen Titel beibehalten, und nicht da - fuͤr Weltgeſchichte, oder gar Geſchichte der Menſchheit, Geſchichte des menſch - lichen Verſtandes ꝛc., geſetzt. Hr. H. muß alſo ſeine anfaͤnglich gethane Verſiche - rung aufrufen: ſeine Kritik geht vom Titel auf den Jnhalt, von Worten auf Saͤtze, uͤber, und verſpricht dadurch etwas erheblicheres. Da iſt ſie:

§. 11.

Und die iſt eine teils ſynchroniſti - ſche teils ethnographiſche Tabelle.

Nicht doch. Der Jnhalt meines Buches iſt:

Q 41. An -248[24]
  • 1. Anzeige, Programm, oder zu reden mit Hrn. H., fliegender Anſchlagzettel, nach welchem Plane ich meine pflicht - maͤſſige Vorleſungen einrichte: oder hoͤchſtens Plan, Vorſchlag, unvor - greiflicher Entwurf, wie meinem Be - duͤnken nach die Materie und Form ei - ner Weltgeſchichte, nach den Beduͤrf - niſſen unſrer zeitigen Litteratur, am nuͤtzlichſten eingerichtet werden koͤnne, S. 1-112.
  • 2. Tabellen, einmal uͤber die ſynchro - niſtiſche S. 89-93, und dann uͤber die ethnographiſche Form derſelben S. 109, 110.
  • 3. Summarien, bloß uͤber die letztere, die ethnographiſche Tabelle S. 113 - 222.

Alſo mer als Tabelle, aber lange noch nicht Univerſalhiſtorie. Wer wird Plan, Ta - bellen, und bloße Summarien uͤber bloß Ei - ne Tabelle, Univerſalhiſtorie ſelbſt nen - nen? Wer wird Regiſter und Buch mit einander vermengen? Der Augenſchein leret, was ich ſage; und zum Ueberfluße ſagte ich noch in der Vorrede ausdruͤcklich:

Die249[25]
Die Beſtimmung dieſer Bogen wird, hoffe ich, niemand verkennen wollen: ſie ſind ſo wenig eine Univerſalhiſto - rie, als eine hiſtoriſche Geſetzgebung.

Alſo dem ganzen Buche, ſelbſt die Sum - marien mit eingerechnet, ſpreche ich ſelbſt den Namen einer Univerſalhiſtorie ab: wie kommen die bloßen Tabellen dazu, von Hrn. H. mit dieſem Titel, gegen meine klare Er - klaͤrung, beehret zu werden? Wie wird mein Torſo ein Herkules?

Was mir nicht Hr. H. alle, wider mei - nen Dank und Willen, aus meinem Buͤch - lein macht! Eine Univerſalhiſtorie, ein Compendium, dann gar ein Elemen - tarbuch fuͤr Kinder und Schuͤler (ſiehe un - ten)!

§. 12.

Sie hat wirklich viel ſchönes, erleichterndes, und gedachtes, daß niemanden die Mühe ge - reuen wird, ſie angeſehen zu ha - ben.

Jch danke.

Nur wofuͤr muß ich mich eigentlich be - danken: das iſt, von welcher Tabelle iſt dieQ 5Re -250[26]Rede; von der ethnographiſchen? oder der ſynchroniſtiſchen? oder von beiden? oder gar auch von den Summarien uͤber die erſtere Tabelle? Praͤciſion fodere ich von einem wuͤrdigen Recenſenten, nicht blos wo er ta - delt, ſondern auch wo er lobt.

Und dann, iſt in meiner Tabelle wirk - lich etwas ſchönes, erleichterndes, und gedach - tes, iſt in meiner Schrift wirklich etwas ge - dachtes und nützliches, haͤlt der Hr. Conſiſto - rial-Rath mein Buͤchlein wirklich fuͤr be - trœchtlich, wie er ſich an zwei andern Orten zu aͤuſſern die Guͤtigkeit gehabt; gehen ihm dieſe Zeugniſſe wirklich von theologiſchem Herzen, und muͤſſen ſie nicht aus dem Spru - che: Peſſimum genus inimicorum laudan - tes (dieſen Spruch hat Tacitus, der doch auch kein Barbar war), ihre Auslegung er - halten: warum laͤſt er mir dieſes eingeſtan - dene Credit nicht bei meinem Debet zu gu - te kommen, geſetzt auch, daß das ein wa - res Debet waͤre, was er dafuͤr haͤlt? An - zeigen, bekanntmachen, ſoll er immer, nach Herzensluſt, alle Feler in einem auch ſonſt nuͤtzlichen Buche, wo er welche aufjagen kann: von Schonung und Barmherzigkeit iſt gar die Rede nicht. Aber toͤnen, lermen,poſſen -251[27]poſſenreiſſen, ſoll nur der Hr. Conſiſtorial - Rath nicht, und wegen einiger Feler nicht ein ganzes Buch in die Pfanne hauen.

Mich deucht, ſehr viele Recenſenten ſuͤn - digen gegen dieſe Abrechnungs-Regel der Billigkeit. So eben leſe ich ein neues Bei - ſpiel davon: Chalotais wird von jemanden ausgeſcholten, weil er ſehr ſchwache Stel - len habe, und hin und wieder fuͤr Deutſch - land unanwendbar ſei . Eingeſtanden, Cha - lotais hat ſchwache Stellen, ſo ſchwache, daß ich nicht einmal fuͤr noͤtig hielt, ſie in den Anmerkungen zu ruͤgen: aber hat er nicht ſehr gute, ganz neue, ſehr viele gute und neue Stellen? Und welcher Leſer iſt ſo eckel oder ſo unoͤkonomiſch, der lieber 90 gute Stellen entraten wollte, nur um nicht 10 ſchlechte mit leſen zu muͤſſen?

Eine andre Regel von Recenſentenbil - ligkeit liegt in der Verſchiedenheit der Ma - terie, die die Schriftſteller in gleichem Rau - me von Bogen bearbeiten. Zwanzig Feler in Einem Alphabete alter Nordiſcher Ge - ſchichte machen dem Jrrenden weniger Schan - de, als 10 Feler von der Art in zwei Al - phabeten deutſcher Geſchichte: wie ungleich gut iſt in dieſer, wie ſchlecht in jener, vorge -arbeitet;252[28]arbeitet; wie viel Anſpruch auf Verzeihung hat der Hiſtoriker dort, wie wenig hier! Nun Univerſalhiſtorie, unter allen Arten der Geſchichte allemal die ſchwerſte ; das dachte ich laͤngſt, aber nun erſt hat mich der Greifswalder Recenſent dreiſt gemacht, es laut zu ſagen. Hebe ſich doch der Hr. Conſiſtorial-Rath einmal von den winzigen Teilgen der Geſchichte, mit denen er manch - mal in verlornen Stunden ſpielt, zum Gan - zen der Weltgeſchichte hinauf, und fuͤhle.

Manger wenet ein meiſter ſin
Binnen ſine krenge
Der kume blibe eyn meyſtirlin
Life her die lenge.

§. 13.

Aber hier ſind wieder Zweifel.

Und ich moͤchte die Univerſalhiſtorie ſe - hen, bei der keine Zweifel waͤren! Was giebt es fuͤr Diſpuͤten uͤber die Methoden in der Botanik, Zoologie, und Mineralogie: und doch iſt hier bei weitem ſo viel Schwie - rigkeit nicht, wie bei der Weltgeſchichte.

Einmal, uͤber die Materie der Welt - geſchichte iſt man noch nicht eins: was fuͤr Facta gehoͤren in die Weltgeſchichte? Der ei -ne253[29]ne wird Eſaus Linſengericht und die Koͤnige von Mycenaͤ nicht heraus, und der andre wird die Ankunft des Pfeffers und der Kar - toffeln in Europa nicht hinein, laſſen wol - len. Dem einen wird die Schlacht bei Kar - chemiſch ein Hirſenkorn, dem andern eine Kalabaſſe, ſeyn. Da iſt der Botaniker beſ - ſer an, als der Univerſalhiſtoriker. Jener hat eine ausgemachte Materie ſeiner Wiſſen - ſchaft, alle Kraͤuter: und wo ſich die Herren noch etwas zanken, da betrift es nur Varietaͤten, die einige fuͤr Species halten. Aber alle vorhandene Facta verlangt nie - mand in der Weltgeſchichte, ſondern nur Hauptfacta, nur Weltbegebenheiten, nur große, wichtige, auſſerordentli - che Begebenheiten. Nun aber was ſind Hauptfacta, was ſind große wichtige Bege - benheiten? Unſer Geiſt, ſagt Hr. Hau - ſen, muß das allein entſcheiden . Richtig: aber jeder Menſch, und folglich jeder Uni - verſalhiſtoriker, hat ſeinen eignen Geiſt. Folglich iſt der menſchliche Geiſt fuͤr die Be - ſtimmung der Materie der Weltgeſchichte ein eben ſo allgemeines und daher unbrauch - bares Richtmaß, als die Bibel fuͤr die vie - len chriſtlichen Religions-Parteien, als dieSonne254[30]Sonne fuͤr die Zeitrechner und Kalenderma - cher. So weit ſind wir noch in unſerer Theorie von Univerſalhiſtorie zuruͤck: noch keine ſpecielle Regel iſt einmal beſtimmt, was fuͤr Saͤtze das Syſtem ausmachen ſol - len; wie wird es erſt bei der Anwendung der Regel gehen?

Zweitens, und waͤren auch zwei Leute uͤber die Materie der Weltgeſchichte ſo eins, wie zwei correſpondirende Uhren, und bei - de haͤtten Thatſaͤtze von Einer Art, und bei - nahe einer ſo viel wie der andre, geſamm - let: ſo koͤnnen ſie ſolche gleichwol auf ſehr verſchiedene Art anordnen; ſo wie vielleicht ein Moſaikmaler, aus einer beinahe gleichen Art und Summe farbigter Steinchen, ei - nen Nepomuck, und einen Paulus, bildet. Das iſt, ſie koͤnnen ihnen eine verſchiedene Form geben: und eines jeden Form oder Methode kan Vollkommenheiten haben, die des andern ſeine nicht hat; aber eben des - wegen kan ſie auch Maͤngel haben, von de - nen des andern ſeine frei iſt. Dies nennet man Colliſion der Regeln der Ordnung. Man denke hier abermals an die verſchied - nen Syſteme in der Zoologie und Bota - nik ꝛc.

Auf255[31]

Auf eine natuͤrliche Methode hofft die Botanik, auf den Fall, wenn dereinſt alle Pflanzen des Erdbodens entdeckt und regiſtrirt werden ſollten: bis dahin muß ſie ſich mit kuͤnſtlichen d. i. unvollkommnen Methoden behelfen. Auf eine Wiederentdek - kung aller univerſalhiſtoriſchen Thatſaͤtze kan die Weltgeſchichte niemals hoffen: folg - lich wird die Anordnung der noch geretteten immer nur kuͤnſtlich, willkuͤrlich, unvollkom - men, folglich immer Zweifeln ausgeſetzt, ſeyn. Die Naturkunde hat Species zum Ge - genſtande, die Geſchichte Indiuidua: jene ver - lieren ſich nie aus der Welt, dieſe werden und ſterben. Gienge eine Sammlung neuer Pflanzen aus Otaheiti verloren; der Verluſt waͤre erſetzlich, ein andrer Europaͤer wuͤrde ſie wieder in Otaheiti wachſend finden. Aber vergeſſene Facta, wie eingeſchmolzene Muͤn - zen, ſind auf immer verloren; und leider ſolcher hauptwichtigen univerſalhiſtoriſchen Thatſaͤtze haben wir ſehr viele vergeſſen. Al - ſo mit den bloß uͤbergebliebenen operirt der ſyſtematiſche Univerſalhiſtoriker, und ordnet ſie, ſo gut ſichs thun laͤßt. Solon gab den Athenern, nicht die beſten Geſetze, ſon - dern nur diejenige beſte, welche Athener ver -tragen256[32]tragen konnten. Was hier ein verdorbenes Volk war, ſind dort Bruchſtuͤcke einer zer - truͤmmerten Weltgeſchichte: nichts als ein leidiger Torſo.

Folglich lauft bei jeder Methode der Weltgeſchichte, wenn, nicht Hr. Herder, ſondern ein Mann ſie unterſucht, der die not - duͤrftigen Kenntniſſe hat, und Warheit ſucht, nicht aber bloß tadeln will, alles auf folgen - de Fragen hinaus:

  • 1. Bei welcher Methode ſind die we - nigſten Zweifel: bei der Tournefort - ſchen, Linneiſchen, oder Hallerſchen?
  • 2. Sind die Zweifel Wirklich in der Me - thode, oder etwa nur in der Vorſtel - lungskraft des Zweifelnden, oder gar in ſeinem Willen?
  • 3. Sind dieſe Zweifel, falls ſie wirklich da ſind, ſchlechterdings, ohne Zerſtoͤ - rung der ganzen Methode, nicht zu heben[?]
  • 4. Sind ſie ſo wichtig, daß, falls ſie wirklich nicht zu heben ſind, lieber die ganze Methode daruͤber aufgegeben werden muß? Und waͤre das,
  • 5. Welche andre Methode ſoll nun der verworfenen ſurrogirt werden? denneine257[33]eine Methode muß doch ſeyn. Sol - len die Facta, uͤber die man einmal einig geworden, nach dem Alphabethe, oder nach ihrer innern Aehnlichkeit, oder nach den Jaren ihrer Ereigniß, geordnet werden?

§. 14.

Man ſiehet, ich neme hier als ausge - macht an, I. daß wir bei unſerm heutigen Studiren eine Univerſalhiſtorie brauchen, und II. daß ſolche nach einem gewiſſen Plane verfaßt ſeyn muͤſſe.

Beide Saͤtze ſcheinen mir Axiomen zu ſeyn. Allein Hr. H. macht, in dem 2ten Ab - ſchnitte ſeiner Recenſion, einen Galimathias dagegen, aus dem niemand recht rathen kan, was er eigentlich wolle. Soll gar keine Uni - verſalhiſtorie ſeyn? Soll wenigſtens noch zur Zeit, da wir den Zopf, Eßich, und Boſſuet haben, keine andre geſchrieben werden? Soll keine gewiſſe Methode darinnen feſt geſetzt ſeyn? Jſt der Plan, den ich dazu vorſchla - ge, an ſich unmoͤglich? Oder bin ich wenig - ſtens, noch nicht, gar nie, im Stande, ihn auszufuͤhren? Etwas von dieſen Saͤtzen, oder alle zuſammen, liegen darinn, oderRſcheinen258[34]ſcheinen darinn zu liegen. Damit ich Hrn. H. nicht unrecht thue, will ich, ehe ich weiter gehe, den ganzen Galimathias woͤrtlich aber Saͤtzeweis herſetzen, und analyſiren. Mit Hrn. Herders Worten: ich will ihm ſeine Luftblaſen ganz leicht, ohne Lanzette, es ſind nur Schaumblaſen aufſtechen.

§. 15.

1. Es ſollte leicht ſeyn, eben aus den verunglückten Verſuchen (vieler andren, von denen vorhin geredet wurde) zu zeigen, daß ſich das alles weit leich - ter ſagen als thun laſſe (was ich in den 2 erſten Kapiteln meines Jdeals geſagt).

I. Daß ſich das leichter ſagen als thun laſſe, da hat Hr. H. voͤllig Recht: kein Menſch laͤugnet ihm das. Aber geſagt muß es auch werden, ehe es gethan wird: und ſagen kann es nicht eimal einer, beur - teilen das geſagte kan nicht einmal einer, als wer einige Praͤſumtion vor ſich hat, daß er es auch thun koͤnne. Ein Haus bauen, iſt ſchwerer, als den Riß und Bauanſchlag dazu machen. Aber kein Vernuͤnftiger baut ein betraͤchtliches Haus ohne beides.

II. Aber, ſagte Hr. H. vorhin, ſo ei - nen Plan und Bauriß haben wir ſchon laͤngſt.

Das259[35]

Das Ideal ſeiner Weltgeſchichte als Ideal als Geprænge hat ſchon lange, zu lange, exiſtirt:

und ſelbſt die ſo gelehrt ſcheinende griechiſche Seite aus Polyb, iſt ja, wie das der Verf. warſcheinlich aus der hi - ſtoriſchen Bibliothek weiß, ſchon vom Schottlænder Moor, und zwar zu eben dem Zwecke, benutzt worden.

Die meiſten Feler der gemeinen Weltgeſchichte haben ſchon ſo viel an - dre, und wer mer als Voltaire? und kræftiger als er? gerüget

Und hinter alle dem, was S. hier an Geiſt der Geſchichte, an Plan, an Ide - al das ſeine nennt, iſt doch das gewiſ - ſermaßen ſchon alles (Behandlung der Geſchichte als ein Großes Ganzes, ſyn - chroniſtiſch, ethnographiſch ) auch ſo gar ſchon geſchehen.

Jch antworte: 1. Feler der gemeinen Welt - geſchichte ruͤgen, und den Plan zu einer beſ - ſern machen, ſind doch wol verſchiedene Din - ge! Auf der Kanzel uͤber Teurung klagen, heiſt nicht, der Regierung Plane vorgeben, wie das Brod wolfeiler werden koͤnne. 2. Jdeal und Gepraͤnge ſind nicht Synonyma: aber daß es Hr. H. ſo gebraucht, iſt Grob - heit. 3. Wo exiſtirt dann ſchon mein Jdeal? wo hat es ſchon lange, wo zu lange, exiſtirt? R 2Jch260[36]Jch weiß es nicht: und ſechs Recenſenten meines Buchs, die meiſt Hiſtoriker von Pro - feßion zu ſeyn ſcheinen, wiſſen es gleichfalls nicht; ſie wuͤrden es ſonſt vermutlich ange - zeigt haben. Unerwartet waͤre es immer, wenn ein Unhiſtoriker, der nicht ſucht, durch Zufall auf Buͤcher geraten waͤre, die dem ſuchenden Hiſtoriker entgangen ſind: eben ſo unerwartet, als daß Hr. H., bei aller ſei - ner bekannten Unbekanntheit mit der Natur - kunde, ein Problem (die thieriſchen Kunſt - triebe) aufgeloͤßt zu haben ſich einbildete, das noch kein Reimarus loͤſen koͤnnen. A - ber in dieſem Falle muß der Finder fein an - zeigen, wenigſtens charakteriſiren: ſo hat es der Lemgoer mit dem Memoire uͤber die Sprache gemacht. Hr. H. habe alſo die Guͤte, und weiſe uns gelegentlich die erwaͤhn - ten alten Buͤcher nach, die wir nicht kennen. 4. Nur verſteht es ſich, Gemeinoͤrter, flie - gende Gedanken, Seufzer und Klagen, muß er mir nicht nachweiſen: ich fodere einen Plan. Wer ein Gartenhaus anlegen will, dem ſage man nicht: euer Gartenhaus muß recht ſchoͤn, recht bequem, allerliebſt, Tuſ kulaniſch reizend ſeyn, nicht wie das Gartenhaus dieſes und jenes Nachbars . Dreißig261[37]Dreißig Stellen aus griechiſchen und latei - niſchen Dichtern, uͤber ſchoͤne oder ſchlechte Gartenhaͤuſer, und ganze Oden daruͤber, ſind, in dieſem Falle, nicht Einen Riß des Architects werth. 5. Die Grund-Jdee mei - nes Plans habe ich aus der bekannten Stel - le des Polybs, und eben deswegen lies ich die ganze Stelle woͤrtlich abdrucken. Hr. H. nennt ſie gelehrt ſcheinend. C’eſt du Grec , hieſſe das in der Abbe’-Sprache; ein reiſender Schwede ſollte vor 3 Jaren in Avignon durchaus ein Proſelyt ſeyn, weil er Hebraͤiſch verſtund: aber in Deutſchland erlaubt man noch einem Profeſſor, grie - chiſch und hebraͤiſch zu koͤnnen; er darf ſich ſolches am ſchicklichen Orte auch merken laſſen, ohne zu fuͤrchten, daß man ihn fuͤr einen Pedanten oder Praler halte. 6. Polybs Stelle hat ſchon Simſon, hat ſchon der alte Buno, hat am beſten ein Ungenann - ter in den Hannoͤver. Beitraͤgen 1762 S. 109, zu eben dem Zwecke benutzt. Jch fuͤhrte ſie an, nicht als neu und unbekannt, ſondern als auf meine Materie paſſend. Ob ſie auch in der hiſtor. Bibl. ſtehe, weiß ich, aufrichtig zu geſtehen, bis dieſe Stun - de nicht. Lieſt Hr. H. mein Buch einmalR 3zeilweiſe262[38]zeilweiſe durch, ſo wird er wahrſcheinlich auf Zeilen ſtoßen, die auch im Boſſuet und Huͤbner ſtehen, und ſich freuen, wie ſein Forſchgeiſt meiner Compilation ſo gluͤcklich auf die letzten Spuren kommt. 7. Wo im ganzen Buche habe ich dann etwas das mei - ne an Geiſt der Geſchichte, an Plan, an Ideal genannt? Wo habe ich mir eine un - beſcheidene Sylbe entwiſchen laſſen, um Er - findungs. Recht, Beſitztum, und Eigentum von dem mir beſchriebenen Plane zu behaup - ten (vergl. mit §. 9 oben)? Der Hr. Con - ſiſtorial-Rath iſt bei ſeinem Laͤſtern allzu unvorſichtig: mein Buch beſteht ja nur aus wenigen Bogen, die lieſt vielleicht ein unparteiiſcher Leſer bei der Gelegenheit von Anfang bis zu Ende durch, und ſucht die Stellen, worauf ſich deſſen harte Vorwuͤrfe gruͤnden ſollen; und findet er keine, was muß er alsdenn von des Hrn. Conſiſtorial - Raths ich will nicht ſagen geiſtlichem, ſondern nur moraliſchem Character den - ken? 8. Endlich, weiß Hr. H. eine alte oder neue Univerſalhiſtorie, worinn gewiſ - ſermaßen ſchon alles, was ich in meinem*So oft ich hier und kuͤnftig das pronomenpoſſeſſi -Plan263[39]Plan fodere, ſo gar ſchon geſchehen wœre, und waͤre es auch nur durch verunglückte Ver - ſuche geſchehen: ſo nenne er mir ſie ja. Jch mache mir ſchon lange ein eigenes Studium aus der Litteraͤrgeſchichte der Univerſalhiſto - rie; ich ſtoͤbere alle moͤgliche Compendien aus allen Winkeln zuſammen: aber ſo eins, wie Hr. H. meldet, iſt mir, ich geſtehe es, noch nicht vorgekommen. Dankbar neme ich ſeinen Beitrag an.

III. Doch dem allem ſei, wie ihm wolle, ſo hat Hr. H. der verunglückten Verſuche gar nicht noͤtig, um ſeinen Gemeinort dar - aus zu beweiſen, daß ſich das alles weit leich - ter ſagen als thun laſſe. Das weiß man, auch ehe noch je ein Verſuch angeſtellt wor - den und verungluͤckt iſt. Aber ein verun - gluͤckter Verſuch beweißt auch nicht, daß keiner je gelingen koͤnne. Hrn. Herdern iſt der Verſuch verungluͤckt, Feler in meinem Buche zu finden: iſt es deswegen Felerfrei?

2. Zu

*poſſeſſiuum brauche, will ich einmal fuͤr allemal auf den obigen §. 9 verwieſen ha - ben. Mein Plan, meine Univerſalhiſto - rie, ſage ich, wie Hr. Herder ſagt: mein Gedaͤchtniß, meine Recenſion. R 4

264[40]
2. Zu den meiſten Foderniſſen ſind noch lange nicht Vorarbeiten genug.

Wenn die jetzigen Unhiſtoriker von Grundſaͤtzen der Hiſtoriographie lallen: ſo haben ſie ſolche ſicher aus der Allgem. hiſt. Bibl. Das iſt ihr Promus-Condus, auſ - ſer dem wiſſen ſie nichts. Ein Beiſpiel von Polybs Stelle iſt ſo eben da geweſen.

Und wenn ſie von Vorarbeiten ſprechen: ſo muß man ſich immer darunter, auſſer den gaͤng und geben Compendien, die große Engliſche Welthiſtorie denken; außer der wiſſen die Herren nichts. Dies iſt ihr Maasſtock, wornach ſie alle Hiſtoriker, und mit unter die Hiſtorie ſelbſt, meſſen. Aller - dings iſt die Engliſche Welthiſtorie eine herr - liche Vorarbeit: wo wuͤrden alle Compen - dia ſeit 20 Jaren, mein eignes Buch mit ein - geſchloſſen, ohne dieſe Vorarbeit geblieben ſeyn! Aber außer ihr weiß jeder Hiſtoriker eine Menge andrer Vorarbeiten, von denen kein Pſalmanazar je gehoͤrt hat (Vorſtell. S. 44).

Und waͤren dieſe Vorarbeiten auch noch lange nicht genug: nun ſo nuͤtze und ordne der Univerſalhiſtoriker wenigſtens die bereits vorhandenen. Ein Kaufmann hat 20000Thlr.,265[41]Thlr., er hofft mit der Zeit fuͤnfmal ſo viel zu gewinnen: ſoll er aber nicht einſtweilen das bloße Fuͤnftel zu Buche bringen? Ein Bibliothekar hat 20000 Buͤcher unter Haͤn - den; er hofft mit der Zeit den Vorrath ſuͤnf - mal groͤßer werden zu ſehen: ſoll er aber nicht fuͤrs erſte uͤber den gegenwaͤrtigen Vor - rath einen Catalogum machen? Zuver - laͤßig giebt es jetzo doch mer Vorarbeiten als zu Boſſuets und Huͤbners Zeiten: alſo iſt doch, wenigſtens vergleichungsweiſe, itzo ſchon eine ungleich beſſere Univerſalhiſtorie, als Boſſuets fades Kanzelgeſchwaͤtze, moͤglich. Warum ſollen wir warten, bis alle Vorar - beiten gethan ſind? Und wenn werden ſie alle gethan ſeyn? Noch wiſſen wir nicht einmal, was fuͤr welche noch felen. Das geſchickte Summiren und Anordnen des jetzigen Kapi - tals wird ſeine Circulation vermeren; und durch die Circulation wird ſelbſt das Kapi - tal wachſen. Jch wende des Hrn. Geh. Ju - ſtiz-Rath Puͤtters Ausdruͤcke von der deut - ſchen auf die Weltgeſchichte an: es waͤre nunmero Zeit, einen Blick auf das Ganze zu werfen, um wenigſtens zu uͤberſehen, ob und wo irgend noch ein Stuͤck Feld unbe - baut ſeyn moͤchte, und um allmaͤlig den WegR 5dazu266[42]dazu zu bahnen, daß einmal ein vollſtaͤndi - ges Lehrgebaͤude der Revolutionen des Erd - bodens und Menſchengeſchlechts darauf ge - bauet werden koͤnnte.

Noch bitte ich, die laͤcherliche Eitelkeit zu bemerken, die in Hen. Herders obigem Tadel liegt. Der gute Leſer ſoll glauben, Hr. Herder wiſſe alles, teils was bisher ſchon in der Weltgeſchichte geſchehen, teils was kuͤnftig noch darinn geſchehen muͤſſe! Wie weiß er das eine, wie kan er das zwei - te meſſen? Das ſind Kenntniſſe, die der Him - mel, ſeinen Freunden nicht einmal, im Schla - fe giebt: Studium, langes Studium, ge - hoͤrt dazu. Hiſtoricus non naſcitur, ſed fit.

3. Bei der ganzen alten Geſchichte feh - let noch die ware Reinigung des Grun - des.

Reinigung des Grundes, ein pompeuſer Ausdruck! Platter und verſtaͤndlicher wuͤrde der Einwurf ſo lauten: Viele alte Schrift - ſteller, aus denen wir Facta fuͤr die alte Welt - geſchichte holen, ſind noch zur Zeit ſchlecht edirt (Strabo z. E. und Mela!). Die Her - ausgeber waren meiſt bloße Philologen, und unfaͤhig, dem Hiſtoriker in die Haͤnde zu ar - beiten. Selbſt in der kleinen Kritik iſt denLeuten267[43]Leuten wenig zu trauen: ſie haben ihre Tex - te nicht aus Handſchriften, nicht aus vielen, nicht aus guten Handſchriften, abdrucken laſ - ſen; ſie haben nicht verglichen, falſch gele - ſen, unrecht uͤberſetzt. Es felen uns noch viele Varianten, und auf dieſe kommt manch - mal in der Geſchichte vieles an: an Einer Variante haͤngt die ganze Ehre der Koͤnigin Blanca ..... .

Meint Hr. H. das, ſo gebe ich ihm alles zu. Nur folgt nicht daraus, daß deswe - gen keine Weltgeſchichte, wenigſtens nach meinem Plane nicht, moͤglich ſei. Jmmer - hin baue der Hiſtoriker auf dieſen obgleich noch nicht ganz reinen Grund fort: die Mauer wird nicht weichen. So ein Moſe, Herodot, und Plinius, wie ihn Michae - lis Weſſeling und Harduin edirt oder erklaͤ - ret haben, befriedigen auch den vorſichtigſten Hiſtoriker. Kommen kuͤnftig noch beſſere Ausgaben und Auslegungen zum Vorſchein, dann ſchreibt man neue Weltgeſchichten. Re - volutionen aber erwarte ich von ſolchen neuen Ausgaben nicht: 50000 Kennicottſche Va - rianten werden uns ſo wenig eine neue vor - ſuͤndflutige oder hebraͤiſche Geſchichte, als eine neue Dogmatik, ſchaffen.

Mancher268[44]

Mancher Leſer dachte wol Wunder, was fuͤr Weisheit hinter Hrn. Herders warer Reinigung des Grundes liege! Und nun liegt nichts, weniger als nichts, gar eine falſche Folge aus einer waren obgleich ganz alltaͤg - lichen Praͤmiſſe gezogen, dahinter.

4. Die Puncte der Zuſammenleitung werden ſchwerer, wenn man Hand an - legt, als es bei einer Tabelle ſcheint.

Ja wol ſchwerer! Und gar unmoͤglich fuͤr Hrn. Herder. Alſo lege er nie Hand an: das iſt des Hiſtorikers Werk.

Aber den gedultigen Hiſtoriker ver - ſcheucht das Schwere nicht. Nur der taͤn - delnde Kleinmeiſter hüpft weg, ſo bald man ihm mit Arbeit droht.

Sollte auch wol jemand des Einfalls faͤ - hig ſeyn, daß man von einer bloßen Tabel - le ſogleich zur Handanlegung ausgehen koͤn - ne? Jch neme Sprengels Handwerks-Ta - bellen vor mich vom Schuſterweſen; mir kommt nicht bei, zu ſchließen: der Mann, der dieſe Tabelle gemacht hat, macht eben ſo leicht einen Schuh. Noch weni - ger wuͤrde ich dem Verf. in einer Recenſion den Tadel hingeworfen haben: die Puncte der Zuſammenfügung des Leders werdenſchwe -269[45]ſchwerer, wenn man die Ahle in die Hand nimmt, als es bei dieſer Tabelle ſcheint. Und am allerwenigſten wuͤrde ich geſchloſſen ha - ben: weil ich aus der Tabelle keinen Schuh fabriciren kan, alſo kan gar niemand Schu - he machen. Du biſt ja kein Schuſter, wuͤrde ich denken.

5. In Abſicht der Aggregation vieler einzelnen Geſchichten wird nur zu offt ein Gemiſche, wo die Teile nicht hal - ten wollen, auseinander fließen, o - der auseinander fallen.

Richtig. Es iſt ſchon ſchwer, einzelne Teile zuſammenhaͤngend abzuhandeln (N. 4); aber noch ſchwerer, alle dieſe einzelne Teile in Ein Ganzes zu flechten, in Einen großen Knauel aufzuwinden, das iſt, aus dem Aggregat ein Syſtem, das iſt eine wa - re Univerſalhiſtorie, zu machen.

Aber was ſchwer iſt, iſt nicht unmoͤglich. Was Hrn. Herdern unmoͤglich iſt, iſt des - wegen dem Hiſtoriker nicht unmoͤglich. Und eben deswegen, weil die Sache ſchwer iſt, ſammle ich Stimmen aus dem Publico, ver - ſtehts ſich, Stimmen der Kenner, wie die - ſen Schwierigkeiten am bequemſten abgehol - fen werden koͤnne.

Oder270[46]

Oder iſt Hrn. Herders Meinung dieſe: weil in der Aggregation einzelner Geſchich - ten ſehr oft ein Gemiſche wird; ſo aggregi - re man lieber gar nicht, man ſetze die Voͤl - ker nur ſo inſulariſch nach dem Alphabete hin, man ſchreibe die Weltgeſchichte in Form eines Dictionnaire? Will Hr. H. das? Jſt das ſeine Meinung? Der Einfall waͤre eines franzoͤſiſchen Abbe’s werth.

Die Teile wollen nicht halten, ſie flieſ - ſen auseinander, ſie fallen aus einander: aͤchter Poſtillantenſtyl in einer Recenſion! Wozu 3 Phraſes und 1 Engliſcher Strich zu Einem ganz alltaͤglichen und hier zu einer fal - ſchen Schlußfolge mißbrauchten Ge - danken?

6. Inſonderheit aber iſt es mit dem Einen in der Geſchichte fürs menſch - liche Geſchlecht betrachtet, immer für uns Menſchen eine ſo problematiſche Sache.

Nicht für uns Menſchen, ſondern für mich Conſiſtorial-Rath Herder. Welche Ei - telkeit, ſich und ſeine Wenigkeit mit dem Menſchengeſchlechte zu vermengen! Kan denn nicht fuͤr ihn unendlich vieles problematiſch ſeyn, was es fuͤr andre nicht iſt? BoſſuetsSchuͤler271[47]Schuͤler ſpricht wie ein Hiſtoriker, ſpricht gar wie der Depoſitaͤr der geſammten Ge - ſchichtswiſſenſchaft.

Vermutlich verſteht Hr. H. ſeinen eige - nen hier geaͤuſſerten Zweifel nicht. Jch will ihn ihm erklaͤren; und ihm faßlich machen, daß dieſes Eine in der Weltgeſchichte zwar eine ſchwere, aber doch nicht unmoͤgliche Sa - che, ſei. I. Das Menſchengeſchlecht iſt ei - ne Einheit: es ſtammt von Einem Anherrn, wohnt auf Einem Planeten, behaͤlt bei aller ſeiner Zerſtreuung einerlei Natur, und ſei - ne zerſtreuete Teile wirken durch weite Diſtan - zen von Raum und Zeit, durch Eroberun - gen, Reiſen, und Handel, kenntlich und un - ſichtbar, in einander. II. Dieſe gegenſeiti - ge Wirkungen des einen Teils (oder Volks) in den andern, des andern in den dritten, des dritten in den vierten, u. ſ. w. nach allen Directionen von Oſten nach Weſten, von Suͤ - den nach Norden hin, in den Annalen zu be - merken, zu erklaͤren, zu ſammlen, und in Harmonie zu bringen: das iſt das große Ge - ſchaͤfte der Univerſalhiſtorie. Mohaͤm - med ſchwaͤrmt, und niemand faͤngt ihn ein: in Mecka geht daruͤber eine Bewegung vor, deren Undulationen ſich bis nach Sina, Tur -keſtan,272[48]keſtan, Portugall, und die Kanarien, erſtre - cken. Raleigh bringt A. 1623 eine neue Wurzel aus Virginien nach Jreland; und meine naͤchſte Mitbuͤrger erſparen dadurch im J. 1772, viele tauſend Thaler, und wer weiß wie viele hundert Leben. III. Spuͤrt man ſolchen Vorfaͤllen in ihren Verkettun - gen und Wirkungen durch Laͤnder und Jahr - hunderte, durch Weltteile und Jahrtauſen - de, ununterbrochen nach: ſo zeigt ſich de - ren eine ſo unerwartete Menge, daß der Uni - verſalhiſtoriker endlich Muth genug zu fol - genden dreiſten Saͤtzen bekoͤmmt. Alle Voͤl - ker des Erdbodens ſind immer mit einander in Verbindung geweſen, obgleich die meiſten ſehr mittelbar; alle haben durch 10, 100, oder 1000 Mittelg lieder in einander gewirkt. So wie die Eiferſucht der Haͤuſer Habsburg und Bourbon aus unſerm kleinen Europa Eine Republik erſchuf: ſo hat die Vorſehung von je her, durch obige Mittel, die Men - ſchenkinder auch nach dem Thurnbau in einer ſteten obgleich ſchwer zu bemerkenden Ver - bindung erhalten. Die Gaͤnge dieſer Ver - bindung aber ſuche der Weltgeſchichtforſcher ja nicht bloß, wie bisher geſchehen, auf Heer - ſtraßen, wo Conqueranten und Armeen un -ter273[49]ter Paukenſchall marſchiren; ſondern auch auf Nebenwegen, wo unbemerkt Kaufleute, Apoſtel, und Reiſende, ſchleichen. Rauſchend trug Alexander die Kenntniſſe Griechenlan - des an den Oxus hin; ſtiller ſtal ſich der Koch Kadmus aus Sidon nach Boͤotien, und brachte die Schreibkunſt mit. Jn lautem Triumph verpflanzte Lukull Kirſchen aus dem Pontus nach Jtalien: unbemerkt ſaͤete, ver - mutlich ein Moͤnch, den erſten Weizen in Schweden aus, und niemand ſchrieb ſeinen Namen auf. IV. Aber, wird man ſagen, dieſe allgemeine Verbindung aller Voͤlker und Zeiten wird doch keine Welthiſtorie je - mals vollſtaͤndig zeigen koͤnnen: jeder Welt - teil, in jedem Zeitraume, wenigſtens vor Chriſtoph Colom, wird ſeine große Diſtric - te haben, die, abgeſchieden von allen andern, keine andre als ihre eigne Wirkungs-Sphaͤ - re zu haben ſcheinen. Jch antworte: man - che Nationen koͤnnen in ſehr naher, ob gleich mittelbarer, Verbindung geſtanden ſeyn, oh - ne daß wirs jetzo wiſſen; aber Spuren fin - den ſich doch in den noch vorhandnen Jahr - buͤchern der Welt, in denen manches ſteht, was noch kein Hiſtoriker darinnen geleſen hat. Und waͤren durch die Zeit auch bei vie -Slen274[50]len Voͤlkern alle Spuren verblichen; ſo ſchlieſ - ſe ich analogiſch, etwa wie jener Weltweiſe von den ihm unbemerkbaren Schoͤnheiten der Welt: uͤberall, wo ich Licht und Helle der Geſchichte uͤber den entferntſten Laͤndern fin - de, ſehe ich Verbindung, gegenſeitige Wir - kungen, und Einheit, unter ihnen; ich glau - be alſo, auch da ſind Verbindungen, wo ich keine ſehe. So glaube ich, daß Otaheiti ſchon lange vorher Einfluͤſſe von unſerm Eu - ropa bekommen, ehe neulich das erſte Euro - paͤiſche Schiff an ſeiner Kuͤſte landete. Sei - ne Verbindung mit den Suͤdlaͤndern glaube ich nicht bloß, ſondern weiß ſie aus Annalen, deren Stelle hier die Otaheitiſche Sprache vertritt.

Doch ich muß hier abbrechen: und bit - te nur Hrn. Herdern, das geſagte nicht aber - mals fuͤr bloße Declamation zu halten, weil ers etwa nicht verſteht. Weghüpfen mag er immer: aber allenfalls kan er einen Hiſtori - ker um weitern Beſcheid anſprechen, den ich ihm hier in der Kuͤrze ohnmoͤglich geben kan.

7. Wo ſteht der Eine, groſſe Endpfahl?

Antw. Auf dem Ararat bei Noahs Ka - ſten; oder will Hr. Herder, da er ſchwim -men275[51]men und tauchen kan N. 12, durch die Suͤnd - fluth waten in Eden am Eufrat, bei A - dam und Eva.

8. Wo geht der gerade Weg zu ihm?

Antw. Von Bückeburg und Göttingen durch Ungern übers ſchwarze Meer.

Wie mag aber der Hr. Conſiſtorial-Rath ſo wunderliches Zeug fragen? Und dieſe wun - derliche Fragen gar in die Frankfurter Ge - lerte Anzeigen drucken laſſen? Endpfahl, groſ - ſer Endpfahl, der Eine große Endpfahl des menſchlichen Geſchlechts; wo ſteht er? heiſt in ordentlichem Deutſch: wie heißen die Stamm-Eltern aller Menſchen? Hof - fentlich wird in Hrn. Herders ganzer Ge - meine kein Erwachsner ſeyn, der dieſe Fra - ge nicht zu beantworten wiſſe, wenn man ſie ihm in ordentlichem Deutſch vorlegt. Wo - zu das Herderſche ὑψος am unrechten Orte? Der große Endpfahl macht nur den Ge - fragten ſtutzig, daß ihm, im Schrecken uͤber das fremde Bild humano non dictum ore prius, eine Katechismus-Frage wie die Preis - Aufgabe einer Akademie der Wiſſenſchaften vorkoͤmmt.

S 29.276[52]
9. Was heiſts, Fortgang des menſch - lichen Geſchlechts? iſts Aufklärung? Verbeſſerung? Vervollkommnung? me - rere Glückſeeligkeit .

Jn meinem Buche S. 1 brauche ich den Ausdruck, Veredlung und Verſchlim - merung des menſchlichen Geſchlechts auf allen ſeinen Wegen, zur Erklaͤrung des vorhergegangenen unbeſtimmteren Aus - drucks Revolutionen des menſchlichen Geſchlechts. S. 97 habe ich wieder eben dieſen Ausdruck: ſtufenmaͤßige Vered - lung oder Verſchlimmerung. Noch umſtaͤndlicher ſind dieſe Ausdruͤcke S. 6 und 7 entwickelt.

Veredlung und Verſchlimmerung iſt deutlich und praͤcis geredet. Warum ſetzt mir Hr. H. abermals einen Endpfal vor, Fortgang des menſchlichen Geſchlechtes, und verrammelt dadurch, oder erſchweret we - nigſtens, den ſonſt leichten Zugang zum Ver - ſtaͤndniſſe meines Satzes! Etwa weil er ſonſt nichts wuͤrde zu fragen gehabt haben?

Daß Veredlung ſo viel als Verbeſſe - rung und Vervollkommnung in allen Kraͤften, woraus der Menſch beſteht, ſei; wiſſen alle Menſchen. Daß von einer Univerſal-Ver -edlung277[53]edlung in Kraͤften des Geiſtes, Herzens, und Koͤrpers, merere Gluͤckſeligkeit erfolge, iſt auch bekannt.

Aber warum ſagt Hr. H. von Ver - ſchlimmerung gar nichts? Merkte er et - wa nicht S. 6, daß ich zum Character der Menſchheit mit Reimarus die Unbeſtimmt - heit, das iſt, nicht bloße Perfectibilitaͤt, ſondern auch Deterioribilitaͤt (harte Worte, die ihr Schoͤpfer ſchleifen mag), wolbedaͤchtig angenommen habe? Selbſt Veredlung, wann ſie nur partial oder einſeitig iſt, kan verſchlim - mern. Kein Karaibe hat ſich je durch eine haͤmiſche Recenſion verſuͤndigt: nicht weil er ein tugendhafterer Menſch iſt, ſondern weil er nicht ſchreiben kan.

10. Wo iſt Maas?

11. Wo ſind Data zum Maaße in ſo ver - ſchiedenen Zeiten und Völkern, wo wir die beſten Nachrichten der Auſſenſeite haben?

Entweder ich verſtehe dieſe Fragen nicht; oder ich habe ſie ſchon in meinem Buche S. 44 beantwortet: dieſe Data finden ſich in Winkeln, wo ſie nicht die Pſalmanazars und Herders ſuchen.

S 3Das278[54]

Das muͤſte ſchlecht ſeyn, wenn von der Auſſenſeite eines Volks die beſten Nachrich - ten vorhanden ſind, daß nicht der Hiſtoriker auch hin und wieder richtige Schluͤſſe daraus auf die Jnnenſeite machen koͤnnte. Jener Neiſende fand auf einer Kuͤſte einen Zirkel im Sande: hier wonen Menſchen, ſagte er.

Jn welchem Maaße Menſchen? wird Hr. H. wiſſen wollen. Jch moͤchte es auch wiſſen: aber in Vorfallenheiten unſrer Zeiten fodern wir ſelten Maaß - und Grad - beſtimmungen; und von alten Zeiten wollen wir ſo ſtrenge ſeyn? Die Leſer ſehen durch - gaͤngig aus der Analyſe dieſer Recenſion, daß Hr. H. in Abſicht auf die Geſchichts - wiſſenſchaft ſehr unwiſſend ſei: aber keinem faͤllt wol bei, von mir zu verlangen, daß ich auch das Maaß und den Grad ſeiner hiſtori - ſchen Jgnoranz barometriſch beſtimmen ſolle.

Doch Hr. H. ſehe ſich auf obiger Kuͤſte weiter um: vielleicht findet er merere Figu - ren im Sande, aus denen er, wann er Ma - thematik verſteht, ſicher rathen kan, ob das Volk, oder der Mann, der ſie gemacht, Heka - tomben geopfert haben wuͤrde oder nicht, wenn ihn jemand das Pythagoriſche Theo - rem geleret haͤtte; das iſt, ob ſeine Geome -trie279[55]trie einige Grade hoͤher oder tiefer, als die Griechiſche im 6ten Saͤc. vor Chriſto, ſtehe? Er gebe einem Kenner ein par hundert aͤgyptiſcher, etruſkiſcher, und mexikaniſcher Scherben vor: der Kenner wird in dieſen Scherben Data finden, nicht blos von der Cultur dieſer Voͤlker in der Toͤpferkunſt, ſondern auch von dem Grade der Cultur, auf dem jedes dieſer Voͤlker, verglichen mit dem andern, ſtand.

Von der hiſtoriſchen Hevriſtik hat wol Hr. H. nie was gehoͤrt? Sie iſt das in der Hiſtorie, was bei Romanen das Schoͤpferiſche iſt. Wer dieſe Kunſt kan, oder richtiger zu reden, wer dieſes Talent beſitzt; der fragt dem einfaͤltigſten Annaliſten, wie einem Kinde, Dinge ab, an die er ſelbſt nie gedacht hat: der graͤbt aus den Wundern des heil. Januars eine phyſiſche Geſchichte der Auswuͤrfe des Veſuvs und der Verwuͤ - ſtungen von Neapel heraus: der lieſt auf einer zerbrochnen Scherbe die Saͤtze einer ſchon ſeit Jartauſenden verlornen Dogma - tik. Es verlohnte ſich der Muͤhe, nicht mit hiſtoriſcher Kunſt eine Theorie dieſer He - vriſtik zu verfertigen, ſondern eine Menge treffender Beiſpiele zu ſammlen, wie vieleS 4wichtige280[56]wichtige Thatſaͤtze unabſichtlich auf die Nach - welt gekommen, und ihre Erhaltung blos dieſer Hevriſtik zu danken haben.

12. Der Schwimmer ſchwimmet mit ſeinem Ideal über das alles weg, aber der Taucher?

Der taucht unter, ſammelt auf, und ſchwimmt dann weiter.

Aber auch der Taucher kan ohne Jde - al nicht tauchen. Er muß wiſſen, ob er Per - len, oder Krabben, oder Gries, fiſchen ſoll. Die Taucherkunſt ſoll, wie ich mir habe ſa - gen laſſen, eine eigene Kunſt ſeyn, die ihre viele eigene Kenntniſſe erfodert. Der Jn - begriff von Kenntniſſen und Regeln aber, heiſt Jdeal.

Und denn will doch der Hr. Conſiſtorial - Rath den Leſer nicht glauben machen, als wenn er ein hiſtoriſcher Taucher ſei? Zuverlaͤßig iſt er nie bis an die Knoͤchel in den hiſtoriſchen Ocean gegangen: er ſieht ja als hiſtoriſcher Recenſent ſo trocken aus! Zwar Grimaſſen wird er naͤchſtens machen, als wann er tauchen wollte: aber komm naͤher ans Ufer, Zuſchauer! er legt zwar den Mantel ab, wirft die Arme um ſich, und rudert aber nur in die Zephyrs, nichtin281[57]in die Wellen; er ſchwimmt nicht, er taucht nicht, er geſticuliret nur.

§. 16.

Bisher ſchien Hr. H. uͤberhaupt zu be - ſtreiten, ob eine Univerſalhiſtorie nach mei - nem Plane an ſich moͤglich ſei. Seine Gruͤnde habe ich nach allen 12 Numern be - leuchtet.

Nun dreht er ſich, und kommt auf ei - nen andren Zweifel, ob ich die Univerſal - hiſtorie nach dieſem Plane vorzutragen im Stande ſei? Dieſen Zweifel ſoll ich heben: und vorausgeſetzt, daß ich hiezu verpflichtet ſei, fodert er mich zur Publicirung einer gan - zen Weltgeſchichte ungeſtuͤmmer und unge - zogener auf, als Lavater Mendelsſohnen zur Taufe auffoderte. Bald neckt er bloß, bald wird er arg, bald ganz beleidigend und un - geſchliffen. Es ſei gewagt, ich ſetze die gan - ze grobe Stelle her. Des Hrn. Conſiſtorial - Raths ganzes Herz ergießt ſich darinnen, und petillirt; ſein vorzuͤgliches Talent, den unſchuldigſten oder gar pflichtmaͤßigen Hand - lungen Schwaͤrze und ſeinen eigenen An - ſtrich zu geben, glaͤnzt hier in vollem Lichte.

S 5Wenn282[58]

Wenn S. wirklich ſeine Univerſalhi - ſtorie nach dieſem Deklamationsplan ausgearbeitet hat, wie er ſeine Zuhörer durch dieſen Leitfaden beredet: ſo mache er ſich das Verdienſt auch um die Welt, ſie ganz bekannt zu machen

Welch ein Originalwerk! welch ein großes Verdienſt!

Das wære alsdenn gewiß ſeine Uni - verſalhiſtorie, wie das nur die Reprœ - ſentation derſelben iſt: und jeder gute Apotheker repræſentiret doch nichts an - ders auf Schild und Fenſterlade, als ſeine Apothek wirklich beſitzt.

Vielleicht alſo haben wir næchſtens das Vergnügen, ein gröſſeres Buch an - gezeigt zu ſehen, zu dem dies nur der fliegende Anſchlagzettel, der aufmun - ternde hier iſt zu haben oder hier lœſt ſich ſehen ſeyn ſollte.

Jch will nicht fragen, was ein Leſer von Welt und Sitten von einem Menſchen hal - ten wuͤrde, der in einer guten Privat-Geſell - ſchaft (nicht vor dem Publico), mit einem Unbekannten, in ſolchem Tone, muͤndlich (nicht gedruckt) ſpraͤche. Das will ich nicht fragen, ſondern antworten.

I. Weil ich einen Plan, einen Riß, ei - nen Bauanſchlag, bekannt mache; bin ich deswegen, zum Beweiſe, daß mein Plan et -was283[59]was tauge, ſchuldig, ſelbſt zu bauen, ſo - gleich ſelbſt zu bauen? Weil Hr. H. Klop - ſtocks Oden kritiſirt; iſt er ſchuldig, zum Beweiſe, daß er Faͤhigkeit und Beruf zu einer ſolchen Kritik habe, ſelbſt Klopſtock - ſche Oden zu machen?

II. Wenn auch ich meinen Plan nie aus - fuͤhren koͤnnte: folgte daraus, daß der Plan an ſich nichts tauge? Nein, es folgte nur, daß ich der Ausfuͤhrung nicht gewachſen waͤre. Damit verloͤre ich etwas, aber nicht alles. Ein guter moͤglicher Bauriß auf dem Papier iſt immer etwas: der ihn aus - fuͤhrt, thut mer; aber der ihn gemacht hat, hat doch etwas gethan. Bekaͤme ich auf der naͤchſten Meſſe ſchon eine ganze Weltgeſchich - te nach meinem Jdeal zu leſen; ich wuͤrde mich freuen, und dem Verfaſſer, ohnge - fehr wie der Saͤnger der Alceſte ſeinem Com - poniſten, ſagen: wie machten Sie es, daß Sie ſich des Jdeals ſo geſchwinde bemaͤchtig - ten, welches meinem Geiſte vorſchwebte, und welches in der Ausfuͤhrung voͤllig zu er - reichen, ich noch itzo unvermoͤgend bin, und vielleicht nie vermoͤgend werden werde ?

III. Daß ich mich beſtrebe, nach dieſem Jdeal meine Vorleſungen uͤber die Weltge -ſchichte284[60]ſchichte einzurichten, habe ich in der Vor - rede meiner Vorſtellung geſagt. Jn wie ferne aber mir mein Beſtreben gelingt: bin ich daruͤber Hrn. Herdern oder gar dem gan - zen Publico Rechenſchaft ſchuldig? Weil ich uͤber die Weltgeſchichte Vorleſungen hal - te: bin ich ſchuldig, dieſe Vorleſungen je - mals, oder ſo gleich, oder einen vollſtaͤn - digen Extract daraus, das iſt ein Compen - dium, drucken zu laſſen? Laͤßt jeder Pro - feſſor alle ſeine Collegia, laͤßt der Hr. Con - ſiſtorial-Rath alle ſeine Predigten, drucken? Hr. H. bekleidet ein geiſtliches Amt, und heiſt Conſiſtorial-Rath; meines Wiſſens hat er ſich nie zu dieſem Amte und Titel oͤf - fentlich legitimiret, nie hat er durch Eine Zeile ſeine theologiſche oder Conſiſtorial-Faͤ - higkeit erwieſen. Das fodert auch niemand von ihm; aber warum fodert er von mir in meinem Falle eine Legitimation, die ich ihm in ſeinem Falle willigſt ſchenke?

IV. Daß ich willens ſei, ein größeres Buch uͤber die Weltgeſchichte zu ſchreiben, habe ich bereits in der Vorrede meiner Vor - ſtellung zu verſtehen gegeben: und Hrn. Her - ders ungezogene Auffoderung hat mich in meinem Vorſatze nicht irre gemacht. Nurkoſtet285[61]koſtet ſo ein Buch nach ſo einem Plan, von etwa 50 Bogen, mer Zeit, als eine unwitzi - ge Recenſion von Seiten. Wenn ich mir nun die benoͤtigte Zeit dazu neme, und noch etliche Jare, in taͤglicher Nuͤtzung der hieſigen Bibliothek, darauf verwende; wenn ich vorlaͤufig Stimmen aus dem Publico, uͤber die moͤglichſt beſte Einrichtung eines ſolchen Buchs, durch fliegende Anſchlag - zettel ſammle, und keine einzige Erinnerung, ſie mag mir in gedruckten Aufſaͤtzen oder in Privatbriefen zukommen, ungepruͤft und un - genuͤtzt laſſe; wenn ich durch ſolches Zau - dern, das kein Vernuͤnftiger mir uͤbel deu - ten wird, (da ich mich zu keiner beſtimm - ten Lieferungszeit verpflichtet habe, und dem Publico weder durch angenommene Praͤnu - meration noch Subſcription verhafftet bin), der Ehrerbietung, die ich dieſem Publico ſchuldig bin, und dem Zutrauen, mit dem mich einige Glieder des Publici beehren, ge - maͤß handle: habe ich die Grobheiten und Laͤſterungen verdient, die der Hr. Conſiſto - rial-Rath bei dieſer Gelegenheit gegen mich drucken laſſen? Habe ich es verdient, daß er meiner nicht einmal zweideutigen, ſon - dern erweislich unſchuldigen, und zum Teilpflicht -286[62]pflichtmaͤßigen Handlung, durch eine bos - hafte Auslegung, die unter der Wuͤrde des ehrlichen Manns, und noch tiefer unter dem Decoro des Geiſtlichen iſt, einen laͤcherli - chen und gehaͤßigen Anſtrich giebt?

V. Jch thue, was hundert Profeſſo - res vor mir gethan haben, und hundert nach mir thun werden: ich publicire eine Anzei - ge meiner Vorleſungen, eine umſtaͤnd - liche Erklaͤrung des Plans, dem ich in mei - nen Vorleſungen folge; das nennt Hr. H. einen fliegenden Anſchlagzettel, einen auf - munternden Hier iſt zu haben oder Hier lœſt ſich ſehen. Da ſich der Hr. Conſiſto - rial-Rath wol beſcheiden wird, daß allen und jeden das gegen ihn frei ſteht, was er ſich gegen andre erlaubt; da er vermuten konnte, daß unter 8000 Men - ſchen, die etwa in Goͤttingen ſind, auch wol Ein Genie von ſeinem Witz und Herzen ſeyn moͤchte: warum verſah er ſichs nicht, daß an dem Tage ſeiner zweiten Ankunft in Goͤt - tingen ein ſolches Genie in ein hieſiges oͤf - fentliches Blatt drucken ließ:

Hier in Göttingen iſt zu haben, Heute lœßt ſich ſehen, für einenSkrupel287[63]Skrupel Weihrauch, der weitbe - rühmte Belletriſte, Hr. Conſiſto - rial-Rath Herder!

Daß Hr. H. durch Goͤttingen reiſt, halte ich fuͤr eine voͤllig gleichgiltige Handlung. Daß ich einen Plan meiner Vorleſungen uͤber die Weltgeſchichte drucken laſſe, ſollte Hr. H. auch fuͤr eine wenigſtens gleichgil - tige Sache halten. Aber kan ein Gott, ein Sokrates, eine noch ſo gleichgiltige oder gar lobwuͤrdige Handlung verrichten, die ein Skurre nicht laͤcherlich oder gar ſchwarz machen koͤnnte?

VI. Wenn ich jetzo blos den Plan, und nicht meine Univerſalhiſtorie ſelbſt, drucken laſſe: entſteht daraus ein gegruͤndeter Ver - dacht, daß ich ſie nicht nach meinem Plane in meinen Vorleſungen vortrage? Jeder gu - te Apotheker repræſentirt zwar nichts anders auf Schild und Fenſterlade, als ſeine Apo - thek wirklich beſitzt. Aber 1. Repraͤſen - tiren darf er doch, ohne ſeine Materialien ſelbſt vor den Fenſterladen hinzuſetzen: und das Repraͤſentiren ſelbſt erregt keinen Ver - dacht, daß es bloße Repraͤſentation, daß nichts in der Apotheke ſei. 2. Repraͤſenti -ren288[64]ren muß er gar, manche Materialien darf er gar nicht vor den Fenſterladen ſetzen: die Schmeißfliegen wuͤrden ſie ihm in den Hunds - tagen verderben. 3. Ob er aber nicht falſch repraͤſentire, das iſt, ob die angezeigten Ma - terialien wirklich in ſeiner Apotheke, und zwar in erfoderlicher Menge und Guͤte, vor - handen ſeyn: das muß der bevollmaͤchtigte Viſitator wiſſen. Aber 4. hat denn Hr. H., um bei ſeiner beliebten Allegorie zu bleiben, je meine Apotheke viſitirt? hat er je in mei - ne Buͤchſen geguckt? Und 5. wollte er viſi - tiren: was hat der Buͤckeburger Conſiſtorial - Rath fuͤr Recht, dem Goͤttingiſchen Pro - feſſor ſeine Collegia zu viſitiren? Und 6. wollt ich ihm die Erlaubniß zur Viſitation meiner Collegien freiwillig erteilen, die ich ihm und einem jeden andern hiedurch feier - lich gebe: was hat er fuͤr Geſchicke dazu? Apotheken kan nur ein Arzt, das Kammer - gericht nur ein Rechtsgelehrter, und Univer - ſalhiſtorien kein Herder, viſitiren. Und end - lich 7. der Apotheker, der das allervollſtaͤndig - ſte Diſpenſatorium auf ſeinem Tiſche liegen haͤtte, und ſolches den Leuten etwa auf die Art vorwieſe: alles das muß eine vollſtaͤndi - ge Apothek beſitzen, die meinige ſuche ich all -maͤlich289[65]maͤlich darnach zu completiren, aber es geht langſam, ich muß mich nach meinem Ver - moͤgen und nach dem Abſatze richten ; der Apotheker, der ſo ein Diſpenſatorium gar drucken lieſſe, aber bemeldte Erklaͤrung mit Schwabacher in die Vorrede ſetzte: repraͤſen - tirte der falſch? muͤßte denn Hr. H. laͤſtern?

VII. Aber ich berede bloß meine Zu - hoͤrer, daß ich meine Univerſalhiſtorie nach meinem gedruckten Plane ausgearbeitet ha - be, ſagt Hr. Herder wild und duͤrre weg. Hat der Mann jenes großgedruckte Wort uͤberdacht, ehe er es nieder ſchrieb; oder will er es fuͤr einen Druckfeler erklaͤren? Will er dieſes nicht: ſo beweiſe er. Es iſt ſchon ſchaͤndlich genug, einen ſo harten Vorwurf, ohne Beweis, und nahmenlos, in eine oͤf - fentliche Zeitung hinzuwerfen: aber was hat er fuͤr Data zu dieſem harten Vor - wurfe? er nenne ſie naͤchſtens. Was kan er fuͤr welche haben? Kennt er meine Vorleſungen anders, als vom Hoͤrenſagen zweier oder dreier Leute? Wer ſind dieſe 2 oder 3 Leute? er nenne ſie oͤffentlich, wenn er Herz und Gewiſſen hat. Kein Wort weiter: die erſte Zeile oben S. 253 iſt ſchon abgedruckt, und ich kehre zu §. 13 zuruͤck.

T§. 17.290[66]

§. 17.

I. Erſtlich, iſt die Erleichterung nach ſolchen runden Zeiten und verminderten Perioden dann fürs Gedæchtnis die einzige und be - ſte Hülfe?

Hier und in den naͤchſtfolgenden Erin - nerungen ſind eine Menge ganz verſchiede - ner Dinge voͤllig durch einander geworfen: der Leſer urteile, ob aus Unkunde der Sache, oder aus Vorſatz, um tadeln zu koͤnnen, oder aus beiden Urſachen zugleich? Jch will ſie aus einander ſetzen. Hr. H. faͤngt von runden Zalen an, und ſchiebt ſodann ein - foͤrmige unter, uͤberſieht kleine, wenige, leichte, gar keine Zalen, will viele Pe - rioden, und ſchließt mit Zalenneuerung.

Sind folgende Grundregeln der hiſtori - ſchen Periodirung nicht Axiomen im ei - gentlichſten Verſtande, die mir jeder Kenner der Mnemonik und Menſchenſeele zugeben wird? Schullerer hauptſaͤchlich, welche die Hiſtorie lange Zeit mit jungen Leuten getrie - ben haben, ſollen hierinn Richter zwiſchen Hrn. H. und mir ſeyn. Die meiſten dieſer Saͤtze ſind ſo evident, zum Teil ſo identiſch,daß291[67]daß ich mich faſt ſchaͤme, ſie einzeln herzu - rechnen. Aber wozu noͤtigt einen ein duͤrf - tiger und doch dreiſter Recenſent nicht!

§. 18.

1. Wenige Zalen ſind leichter zu be - halten, als viele.

Mir faͤllt auf der Bibliothek ein Buch vor, in welchem ich 3 mir ſonſt unbekannte Facta, S. 3, 114, 570, finde: ohne ſie aufzuſchreiben, behalt ich dieſe 3 Zalen zu - verlaͤßig, bis ich nach Hauſe komme, und die Citata in meine Heffte eintrage. Aber wollt ich weiter blaͤttern, und faͤnde noch 7 Facta, und wollte von allen die Zalen be - halten: ſo liefe ich Gefar, ſelbſt die 3 erſten mit den 7 letzten zu vergeſſen. Das heißt: 3 Zalen behalte ich leichter und ſichrer, als 7.

2. Kleine Zalen ſind leichter zu be - halten, als große.

Daher rechne ich nicht nach Anno Mun - di. Abraham ward geboren 300 J. nach der Suͤndfluth (A. M. 1947). Sulla ward Dictator 40 J. vor Caͤſarn, 80 J. vor Chriſto, 60 J. nach Karthago’s Untergang (A. M. 3902): man mache den Verſuch mit achtjaͤhrigen Kindern, ob ſie nicht leichter die drei kleinen Zalen 40, 80, 60, als die einzigeT 2große292[68]große 3902, behalten; beſonders wenn mit dem Realzuſammenhange etwas nachgehol - fen wird.

3. Runde Zalen ſind leichter zu behal - ten, als nicht runde.

Urſache: dort ſind wenigere Zalen zu behalten wie hier, nur Hunderte und Zehe - ner, keine Einheiten; oder auch, durch die Ruͤndung werden ſie unter ſich erinnernd (ſiehe unten). Z. Ex. Karthago war

  • klein und unbekannt 375 J. 364
  • groß und uͤbermuͤthig 250 J. 245
  • ungluͤcklich und nichts 125 J. 115

Die erſten runden Zalen behaͤlt mir der Er - wachſene, der die Progreßion darinnen merkt, beim erſten Hoͤren; ſchwerlich aber die an - dren wahren. Ob es aber erlaubt ſei, run - de Zalen ſtatt der wahren zu ſetzen; ob das nicht heiſſe, die Geſchichte verfaͤlſchen, oder einen Hochverrath an der hiſtoriſchen War - heit begehen: beantworte ich hier nicht, weil ich hier nicht gefragt werde; mein Satz iſt nur, daß ſie leichter zu behalten ſind. An einem andern Orte beſpreche ich mich umſtaͤndlich mit ein par hiſtoriſchgeler - ten Recenſenten, denen meine Zalenruͤn - dung anſtoͤßig geweſen iſt.

4. Ein -293[69]

4. Einfoͤrmige Zalen ſind leichter zu behalten, als nicht einfoͤrmige.

Die Hebraͤer waren

  • ein Haufe Nomaden 450 J.
  • eine Demokratie 450 J.
  • eine Monarchie 450 J.

Wenn doch alle Perioden 450 Jahre haͤtten; oder wenigſtens alle Perioden Eines Zeitrau - mes oder nur Eines Volks einfoͤrmig in ihrer Laͤnge waͤren: es thut dem menſchlichen Ge - daͤchtniſſe unendlich ſanfte! Eben ſo

  • Rom entſteht und wehret ſich 250 J.
  • erobert Jtalien 250 J.
  • erobert die Welt 250 J.

Ob eine ſolche Einfoͤrmigkeit Anlaß zur Ver - wirrung geben koͤnne, ſoll nachher unterſucht werden.

5. Leichte Zalen ſind leichter zu be - halten, als nicht leichte (Vorſtell. S. 53 folg.)

Jſt es moͤglich, daß einer, der vor und nach Chriſti Geburt rechnen kan, und im J. 1773 in der Welt lebt, es wieder vergeſ - ſe, daß Jakob und Joſef um das J. 1773 vor Chriſto in der Welt geweſen? Man ſehe die uͤbrigen im Buche gegebenen Pro - ben von leichten Zalen nach. Nur ſchaͤmeT 3man294[70]man ſich nicht, das Gedaͤchtniß mit unter ſelbſt durch kleine Spielwerke zu beſchleichen: auch ein altes Gedaͤchtniß nimmt es nicht - bel, wenn man es manchmal kindiſch trac - tirt, um ihm weſentliche Erleichterungen zu verſchaffen. Nur huͤte man ſich, nicht bloß, nicht zu offt, zu ſpielen: der geſundeſte An - ſchlag, wenn er uͤbertrieben wird, kan laͤ - cherlich und ſchaͤdlich werden. Nur verſtehe man es nicht ſo, daß man dergleichen Za - len Schockweiſe auf einmal der jungen oder alten Seele bieten duͤrfe: ſonſt vernichtet freilich die Verwirrung, die Tochter der Menge, alles Gute wieder, was ſonſt die Leichtigkeit und Einfoͤrmigkeit unausbleib - lich ſtiftet.

6. Gar keine Zalen behalten zu duͤr - fen, iſt leichter, als Zalen merken zu muͤſſen.

Mit andren Worten (Vorſtell. S. 52): man laſſe Zalen gaͤnzlich weg, wenn man ſeine Abſicht (die Einſicht in den Synchro - nismus) ohne ſie erreichen kan , naͤmlich durch den Realzuſammenhang S. 54 57. Wer die Reihe der Perſiſchen Kai - ſer in Ordnung weiß, und nun hoͤrt, daß Pythagoras, bei Gelegenheit der EroberungAegyptens295[71]Aegyptens durch Kambyſen, nach Perſien und Jndien gekommen: der braucht nicht erſt durch Zalen heraus zu finden, ob Py - thagoras aͤlter als Cyrus oder juͤnger als Kodomann ſei; der findet ohne Recherchen, wer Vater zu den Kindern Zebedaͤi ſei.

7. Wenige Perioden ſind leichter zu behalten, als viele.

Aus eben der Urſache N. 1, warum wenige Zalen leichter ſind, als viele. Haner im Koͤnigl. Siebenbuͤrgen teilt die Ungriſche Geſchichte, blos vom J. 997 1540, in 17 Perioden; nach Propor - tion alſo muͤßte die ganze Ungriſche Geſchich - te gegen 30 Perioden haben. Jſt damit etwas fuͤrs Gedaͤchtniß gewonnen? 30 Pe - rioden, oder gar keine in Einem Continuo weg, iſt beinahe einerlei.

8. Perioden, die wieder unter ſich erinnern, ſind leichter zu behalten, als die es nicht ſind.

Dieſe Eigenſchaft, woran ſonſt die hi - ſtoriſchen Periodenmacher eben nicht zu den - ken pflegen, haben meine Perioden von Rom S. 153, von Karthago S. 121, vom Papſte S. 181: ſie fehlt bei Syra - kus S. 137, bei Byzant S. 173, undT 4vielen296[72]vielen andern. Vielleicht fragt mich Hr. H., warum ich nicht, meiner eigenen Theo - rie gemaͤß, alle Voͤlker in ſolche wieder un - ter ſich erinnernde Perioden, denen er ſelbſt (§. 22, II) geneigt iſt, verteilet habe? Jch antworte: ſolche Perioden laſſen ſich nicht im Fluge aus unſern gewoͤhnlichen an Factis armen und an Raiſonnemens reichen hiſto - riſchen Compendien machen; ſondern nur alsdenn erſt, nachdem man eine Voͤlkerge - ſchichte in ihrem ganzen Umfange und De - tail, folglich aus Quartanten, ſtudiret hat. Nun umfaſſet doch die Weltgeſchichte merere Duzende von Specialgeſchichten; und jede einzelne Specialgeſchichte, um ſie, noch nicht aus Quellen, ſondern nur aus vollſtaͤndigen Hauptauctoren im Detail zu ſtudiren, und ſie ſodann in Perioden auf ein paar Seiten zu preſſen, koſtet Gibeoniten-Fleiß mererer Monate. Jch laſſe mir die Arbeit gefallen, und hüpfe nicht weg: aber der Tag iſt in Goͤt - tingen wie anderswo nur 24 Stunden lang; man ſei alſo ſo billig, und laſſe mir Zeit. So oft ich bisher uͤber die Weltgeſchichte ge - leſen habe, habe ich jedesmal ein oder zwei Voͤlker auf die Art ausgearbeitet. Eben jetzo bin ich mit den Longobarden (Vor -ſtell.297[73]ſtell. S. 170) fertig: ich habe mer Tage auf ſie verwandt, als ihre Geſchichte in mei - nem kuͤnftigen Compendio Zeilen machen wird; das werde ich in keiner Note dabei ſagen, aber der Kenner wird es merken, und Hr. H. wird dieſe gepreßten Zeilen wie - der Declamation nennen, und wieder kei - ne Facta finden, wieder vor den vielen Baͤu - men den Wald nicht ſehen koͤnnen.

§. 19.

Nach dieſen ſimpeln und ich wider - hole es ausgemachten Regeln, habe ich meine ſowol chronologiſche als ethnographi - ſche Perioden einzurichten geſucht. Nun kehre ich zu Hrn. Herders obigen Fragen zu - ruͤck.

Iſt die Erleichterung nach runden Zah - len und verminderten Perioden eine Hülfe fürs Gedæchtniß? Zuverlaͤßig iſt ſie es. Doch das ſcheint Hr. H. auch nicht zu laͤugnen oder nur zu fragen.

Sind runde Zalen und verminderte Perio - den die einzige Hülfe fürs Gedæchtniß? Nichts weniger. Aber wer ſagt denn das, und wen fragt der Hr. Conſiſtorial-Rath? T 5Man298[74]Man kan ſich nicht deutlicher daruͤber aus - drucken, als ich S. 51 folg. gethan.

Sind runde Zalen und verminderte Perio - den die beſte Hülfe fürs Gedæchtniß? Nichts weniger. Aber wer ſagt denn das, und wen fragt der Hr. Conſiſtorial-Rath? Hil - debrandiſire er doch nicht immer! Meine beſte Huͤlfe iſt der Realzuſammenhang S. 54: Zalen uͤberhaupt ſind mir nur eine Not - huͤlfe. Auch Perioden mache ich nur, wenn mich die Menge der Begebenheiten dazu zwingt. Aber mache ich auch wieder eine Menge von Perioden: ſo hoͤrt die Huͤlfe auf, eine Huͤlfe zu ſeyn.

§. 20.

Oder wære es nicht weit mne - moniſcher, aus der Geſchichte mer Bild, ganzes Continuum, ma - chen zu können?

Entweder dieſer Vorſchlag iſt warer Nonſenſe; oder er verraͤth einen Projetteur, der ganz friſch von Freyern und Boſſuet her - kommt.

Bild, ganzes Continuum, aus der Ge - ſchichte machen, iſt Abſicht: Perioden ſinddas299[75]das Mittel dazu. Vom allgemeinen Blick, vom Ueberſchauen, vom ὑπο μιαν συνοψιν ἀγειν und σωματοποιειν (c’eſt du Grec, S. 261) des Polybs, habe ich doch im gan - zen Buche genug, und mer als Hr. H. lieb war, geſprochen. Nun iſt die Frage: wie und durch welche Mittel erreicht man dieſe Abſicht?

Ein Endzweck iſt gegeben: nun rath - ſchlagt man uͤber die ſchicklichſten Mittel, zum Endzwecke zu kommen. Ein weiſer Herr huſtet, und votiret mit bedeutender Mine: aber wære es nicht weit beſſer, den Endzwek ohne Mittel zu erreichen?

Viele nutzbare zuſammenhaͤngende Zimmer in Einem Hauſe neben und uͤber einander zu haben, iſt Abſicht: Geruͤſte ſind das Mit - tel, ſie uͤbereinander zu kriegen; Treppen ſind das Mittel, ſie Etagenweiſe zuſam - menhaͤngend zu machen. Aber wære es nicht weit architectoniſcher, die Gerüſte wegzu - laſſen, und ohne Treppen in alle Zimmer zu kommen? Ja wenn wir ein Haus wie das Congreßhaus zu Fokezani bauten. Aber ge - meiniglich muß man nun einmal mit Eta - gen bauen, und dann muß man nun ein - mal Treppen und Geruͤſte haben. Diesiſt300[76]iſt der Fall in der Weltgeſchichte. Moſe, Herodes, Timur, und Doctor Luther, koͤn - nen nicht in einem Stocke wonen. Moſe, Thutmoſis, und Cekrops, wol allenfalls: a - ber auch dieſe muͤſſen doch durch Waͤnde oder Vertaͤfelungen abgeteilte Zimmer haben.

Soll Hrn. Herders Frage ſo viel ſagen, daß Abteilungen oder Perioden nicht nur kein notwendiges, nicht nur kein ſchickliches Mittel, ſondern ſo gar ein Hinterniß, der Abſicht ſind? Dann mag er leider in Ei - nem Falle Recht haben: dann hat er naͤm - lich eine elende Trivial-Schule im Kopf, wo man Perioden, alberne ſchwere viele Pe - rioden, und weiter nichts als Perioden, auswendig lernen laͤßt, und dieſes Ge - ſchichte nennt; wo man ewig Treppen und Geruͤſte baut, und nie ans Haus ſelbſt kommt. Aber ſo braucht man ſie in Han - nover, Weilburg, Darmſtadt ꝛc. nicht. Und wenn von vernuͤnftigen Perioden die Rede iſt; wenn dieſe ausdruͤcklichnicht fuͤr Geſchichte ſelbſt, ſondern nur fuͤr Mittel der bequemern Erlernung der Geſchichte, erklaͤret werden; wenn Hr. H. weiß, daß es in der Weltgeſchichte, beſonders in der alten, ſehr viele inſulariſche Begebenhei -ten301[77]ten giebt, die ihrer Natur nach keiner Continuitaͤt, weder in die Laͤnge noch in die Breite (Vorſtell. S. 50, 57, 58), faͤ - hig ſind; wenn er endlich begreift, daß ſelbſt bei in einander geflochtenen Begebenheiten, wenn deren zu viele werden, die Menſchen - ſeele Ruhepuncte und Abſaͤtze fodert: wird er noch fragen wollen, ob es nicht mnemo - niſcher, weit mnemoniſcher, ſei, aus der Geſchichte Ein Bild, Ein Continuum, ohne alle Abſaͤtze, Ruhepunkte, und Perioden, zu machen?

Wer einmal der allgemeinen Ueberſchau - ung der Weltgeſchichte faͤhig iſt, braucht keine Perioden mer. Jſt das Haus fertig, ſo ſchafft man das Geruͤſte bei Seite. Aber ich zweifle doch, ob je ein Sterblicher dieſer Ueberſchauung ſo maͤchtig werde, ohne ſich mit unter immer noch an Perioden halten zu muͤſſen: ich ſehe daher dieſe Perioden nicht blos wie Geruͤſte, ſondern auch wie Treppen, an. Nun ohne Geruͤſte laͤßt ſich ein hohes Haus nicht fertig machen, und ohne Treppen laͤßt ſich auch ein fertiges Haus nicht nutzen.

Abteilungen muͤſſen uͤberall ſeyn, wo viele Einheiten ſind, deren Vermiſchungſchaͤdlich302[78]ſchaͤdlich waͤre. Da nimmt der Apotheker Buͤchſen, da nimmt der Naturkuͤndige Sy - ſtemen, da nimmt der Recenſent (wie Hr. H. ſelbſt) ſein Erſtlich und Zweitens zu Huͤlfe. Abbt nannte es eine deutſche Pro - feſſor-Pedanterei, wenn man in §phen ſchrieb: Hr. Herder will gar eine Univerſalhiſtorie ohne Abteilungen haben.

Wer jemals Kinder oder Erwachſene in der Geſchichte unterrichtet hat: iſt vollends dieſes Herderſchen Einfalls nicht faͤhig, daß ſich alles durch Continuitæt zwingen laſſe. Man ſage auch dem aufmerkſamſten Zuhoͤ - rer, und waͤre er auch von Hrn. Herders Alter, und minder fluͤchtig und weghüpfend wie er, drei Monate lang in der ſchoͤnſten ununterbrochnen Ordnung, die Begeben - heiten der Araber vor: noch hat er in der 6ten Lection den Faden nicht verloren, aber gewiß in der 16ten, und noch mer in der 60ſten Lection, falls man ihm nicht durch Abteilungen die Wiederfindung des Fadens leicht und moͤglich macht. Wer kann einen dicken, ganz ordentlich geſchriebenen, aber ohne alle Abſaͤtze in Einem fortlaufenden Quartanten, in Einem Zuge leſen, und den Jnhalt am Ende voͤllig uͤberſchauen?

§. 21.303[79]

§. 21.

Der Recenſent urteilt blos nach ſeinem Gedæchtniß, das aller - dings eigenſinnig ſeyn kan, aber hier ehe in den einförmigen Zalen Anlaß zur Verwirrung als zu me - rerer Unterſcheidung findet: und an dieſer war doch gelegen!

Ein neuer von dem vorhergehenden ganz verſchiedener Tadel. Vorhin ſprach Hr. H. von runden Zalen und verminderten Perio - den, und moͤchte lieber gar keine Perioden, ſondern ganzes Continuum. Nun kommt er auf einförmige Zalen, und die Frage iſt: taugen einfoͤrmige Zalen in den Zeitbe - ſtimmungen der Perioden? Z. Ex. die Ge - ſchichte eines Volks ſei 1000 Jahre lang. Wenn ich ſie bequem in 4 Teile zerſchneiden kan, und jedesmal nach 250 Jaren ein ſchickliches Erinnerungsmal finde, derge - ſtalt, daß alle Perioden von gleicher Laͤnge, oder ihre Zalen einfoͤrmig, werden: ſoll ich dieſe Erinnerungsmale begierig ergreifen; oder gerade deswegen andre ſuchen, damit die Diſtanzen ſich ungleich werden, etwa 200, 300, 175, 325?

Die304[80]

Die Mnemonik und Didaktik hat einen Satz, den Hr. Hofrath Michaelis ſchoͤn erlaͤutert hat: eine gewiſſe Art der Un - ordnung iſt oft eine große Huͤlfe, und eine gewiſſe Art von Ordnung, die groͤſſeſte Hinterniß, des Gedaͤchtniſ - ſes. So koͤnnte ein Lerer der Geſchichte glauben, recht ordentlich zu verfahren, wenn er in dem einen Monate lauter Schlachten, im andern lauter Geſetzgeber, im dritten lauter Gelahrte u. ſ. w., beſchriebe: allein ich moͤchte nicht ſein Zuhoͤrer ſeyn.

Dieſen ſehr richtigen und ſehr wichtigen Satz wendet hier Hr. H. ſehr ungluͤcklich auf einfoͤrmige Zalen an. Wenn ich ſage, Roms Geſchichte vor Chriſto hat 3 Perio - den, wovon jede 250 J. lang iſt: gebe ich dadurch zur Verwirrung Anlaß? Kan ich nicht vielmer dadurch die Laͤngen der Pe - rioden auf das allerſicherſte behalten? Haͤtte die erſte Periode 200, die andre 300, und die dritte 250 Jare: dann liefe ich ehe Ge - fahr, die Zal 300 der dritten, und 250 der erſten ꝛc. Periode, aufzuheften, und mich folglich zu verwirren.

Ein305[81]

Ein Gedaͤchtniß, das bei ſolcher Ein - foͤrmigkeit Anlaß zur Verwirrung faͤnde, wuͤr - de ich nicht eigenſinnig, ſondern widerſinnig, unnatuͤrlich, oder krank nennen; denn es han - delte ja allen Gedaͤchtniß-Geſetzen entgegen.

Allerdings iſt an der Unterſcheidung gelegen, recht viel gelegen! Und gerade ei - nes der allerwirkſamſten Mittel, der Ver - wirrung vorzubeugen, (Schade nur, daß es nicht in der Macht des Periodenmachers ſteht, es uͤberall zu gebrauchen), tadelt und widerraͤth Hr. Herder?

§. 22.

Je mehr Erinnerungsmale auſ - gerichtet, und dieſe nur in ein großes Ganze des Bildes gebracht werden können, daß ſie wieder unter ſich erinnern; deſto ſich - rer.

Das war eine Lufftblaſe, die ſo gar mit Farben ſpielt! Sie ſoll mit Vorbereitung aufgeſtochen werden. Zwar ſie verdient es nicht: aber vielleicht habe ich einen Leſer, der ſie voriges Jar zum erſten male ſah, undUanſtaun -306[82]anſtaunte, wie Kinder farbigte Blaſen anſtaunen.

Erinnerungsmale pflegen wir Hiſtoriker, mit einem alten griechiſchen Worte, Epo - chen, zu nennen. Dieſe Epochen ſind al - lerdings Erinnerungsmale fuͤr den be - trachtenden Reiſenden; ſie ſind zugleich Sta - tionen fuͤr den ermuͤdenden Reiſenden. Die Diſtanz zwiſchen zwei ſolchen Epochen heiſt Periode. Begreift der Hr. Conſiſtorial - Rath dieſe Definitionen, und giebt er ſie zu; ſo fare ich nun weiter fort.

I. Erinnerungsmale ſollen alſo doch auf - gerichtet, d. i. Epochen beſtimmt, Perio - den und Abteilungen gemacht, werden? Jch dachte, es waͤre (§. 20) weit mnemoni - ſcher, aus der Geſchichte nur Bild und Con - tinuum zu machen.

II. Die Erinnerungsmale muͤſſen wieder unter ſich erinnern. Eine herrliche Regel! Jch moͤchte wiſſen, wo ſie Hr. H. her hat; denn in den gewoͤhnlichen Buͤchern ſteht ſie nicht. Und wenn ich noch 30 Jare lebe: ſo hoffe ich uͤber alle Voͤlkergeſchichten, die in der Univerſalhiſtorie ſeyn muͤſſen, ſolche wieder unter ſich erinnernde Perioden zu ma - chen. Wollte mir jeder jetztlebender Hiſto -riker307[83]riker nur 2 dazu ſpendiren, ſo wuͤrde ich eher fertig. Jch fodere ſie nicht als Colle - cten: ich erbitte ſie mir als Muſter, wor - nach ich die meinigen formen koͤnnte.

III. Die ganze Univerſalhiſtorie muß nur Ein großes Ganze ſeyn. Dieſes giebt mir alſo Hr. H. zu. Nun um dieſes große Ganze als ganz auf die Seele des Kindes, Schuͤlers, Zuhoͤrers, oder Leſers, aufzutra - gen, muß man ſtuͤckweiſe verfaren, das große Bild in Teile zerſchneiden, aus je - dem Teil ein eignes Bild, ein kleineres Ganze, machen, aber ſchon beim Auftragen da - hin ſehen, daß kuͤnftig ſo viel moͤglich kein Teil inſulariſch da ſtehe, ſondern ſich ſogleich in ſeiner Verbindung mit andern auf allen Sei - ten zeige, und folglich am Ende der Arbeit Ein Bild, aus vielen kleinen zuſammenge - ſetzt, dem Auge entgegen komme. Dies iſt der Gang der Natur bei der Menſchenſeele, die ſo wenig, als das koͤrperliche Auge, ein allzugroßes Bild auf einmal faſſen kan: Trennung des großen in kleinere Bilder, Verweilen bei dieſen einzelnen Bildern, end - lich Ruͤckkehr zum großen Bilde, und Zu - ſammenſetzung aller in Eins, dies iſt der Gang der Menſchenſeele. So lernen unſreU 2Kinder308[84]Kinder Kosmographie: ſie ſollen ſich die Welt als eine Einheit, als ein Continuum, denken lernen; aber ſie fangen von einem Riſſe ihrer Stadt und der umliegenden Doͤr - fer an, gehen ſodann z. Ex. zur Wetterau, dann zu Weſtfalen ꝛc., dann zu Deutſch - land, dann zu Europa, dann zu der Welt fort: jede Karte ſtudiren ſie beſonders, und doch wird zuletzt aus allen Eine Ge - neral-Karte in ihrer Vorſtellung. Aber waͤre es nicht weit mnemoniſcher, aus der ganzen Kosmographie anfangs gleich Ein Bild und ganzes Continuum zu machen , das iſt, nicht viele einzelne Karten vorzulegen, ſondern durch Continuitaͤt und Zuſammen - kleben eine einzige Karte zu verfertigen, die ſo hoch wie ein Thurm, und ſo breit wie eine Straße, waͤre? Da waͤre wirklich gleich ein großes Ganze, aber nur fuͤr Augen der Bewoner des Saturns brauchbar, und fuͤr unſre nicht. Doch vielleicht weiß Hr. H. neue Kuͤnſte, durch die der Docent oder Schrift - ſteller ſeinen Zuhoͤrer oder Leſer faͤhig machen kan, ſich dieſes Ganze ſogleich als ganz, als Continuum, vorzuſtellen. Wir wollen ſie ſorgfaͤltig abhoͤren.

IV. Je309[85]

VI. Je mer Erinnerungsmale aufgerich - tet werden, deſto ſicherer. Wider alle Mne - monik, wider alle Erfarung! Waͤre das, ſo brauchten wir ja gar keine Epochen, Perioden, und Abteilungen: jedes Factum waͤre Er - innerungsmal fuͤr ſich. Alſo glaubt Hr. H., es ſei beſſer, ſichrer, leichter, uͤber die deutſche Geſchichte von Arioviſt bis Joſeph II, 600 Perioden zu machen, oder 600 Erin - nerungsmale aufzurichten, als 6? Jch wuͤn - ſche ihm zu ſeinem Gedaͤchtniße Gluͤck, das ſo viele Laſten traͤgt. Meines thut das nicht: wenn ich von einer mir ganz neuen Geſchich - te viel mer als 6 Perioden auf einmal faſſen ſoll; ſo werde ich gerade wieder ſo verwirrt, als wenn ich gar keine Perioden haͤtte. Ver - ſuche es doch ein Docent der Weltgeſchichte, in der doch wenigſtens 30 Specialgeſchich - ten concentrirt (aus dreißig kleinen Bildern Ein großes gemacht) werden ſoll, und bie - te dem Zuhoͤrer uͤber jede Specialgeſchichte wieder 30 Perioden an, nach Hrn. Herders Grundſatze: je mer Erinnerungsmale aufge - richtet werden, deſto ſichrer! Aber wie, 1) wenn nun der Begebenheiten in Ei - nem Ganzen ſo viele ſind, daß wenn ich ſie auch in 6 Faͤcher lege (und mer als 6 Faͤ -U 3cher310[86]cher will ich nicht, darf ich nicht, machen), gleichwol noch in jedem Fache zu viele Facta liegen? Antw. Dann macht man Unterab - teilungen. Aber 2) wird dadurch die Ge - ſchichte nicht eine Tabelle? Antw. Je nach - dem mans anfaͤngt. Und 3) ſind 6 Perio - den, jede wieder in 4 Unterabteilungen zer - ſchnitten, fuͤrs Gedaͤchtniß nicht eben eine ſolche Laſt, als 24 Perioden? Antw. Nichts weniger. Doch ich ſchreibe ja hier keine Anfangsgruͤnde der Mnemonik, keine vollſtaͤndige Theorie des hiſtoriſchen Perio - denmachens.

V. Die Erinnerungsmale müßen in das große Ganze gebracht werden können. Hat Hr. H. bei dieſem Ausdrucke etwas gedacht, ſo ſage ers: ich kans unmoͤglich erraten. Jn der Syrakuſiſchen Geſchichte z. Ex., einem kleinen Ganzen, ſind Erinnerungsmale Ar - chias, Gelon, Diokles, Dionys, Timo - leon, und Agathokles: dieſe liegen ſchon drinn, ſie ſind nur herausgehoben (zu Epochen gemacht), nicht hineingebracht worden. Wird nun das kleine Bild auf das Große aufgetragen, wird die Syraku - ſiche Geſchichte in die Univerſalhiſtorie ein - geſchichtet: ſo folgen jene Erinnerungsmalevon311[87]von ſelbſten mit; und wenn das Ganze hin - ein paßt, ſo paſſen natuͤrlicher Weiſe auch die Teile ein. Was wollte nun Hr. H. mit aller ſeiner dunkeln Weisheit ſagen?

Die Materie von hiſtoriſchen Perioden iſt feiner Speculationen faͤhig. Aber weil auch in den verworfenſten Handbuͤchern Pe - rioden ſtehen, ſo ſchwatzen alle Menſchen von ihnen. Auch Feur und Waſſer kennt jeder Menſch: aber wenn der Phyſiker von dieſen Gegenſtaͤnden handelt; ſo hoͤrt der Be - griff des Unphyſikers auf, und folglich auch ſein Recht zu urteilen.

§. 23.

Vielleicht fehlt das hier?

Fehlte es aber auch nicht: war dieſe Zalenneuerung des Tons, des Aufhebens werth?

Was fehlt hier? 1) Daß der Erinne - rungsmale zu wenig ſind? Das iſt recht vor - ſetzlich geſchehen, S. 295,7. 2) Daß ſie nicht in Ein großes Ganze gebracht werden koͤn - nen[?]Das brauchen ſie nicht, ſie liegen ihrem Weſen nach ſchon drinne. 3) Daß ſie nicht unter ſich erinnern[?]Verſchiede -U 4ne312[88]ne thun es ja, und warum es nicht alle thun, leret §. 18, 8. 4 ) Daß ich die Di - ſtanzen zwiſchen den Erinnerungsmalen durch runde, einfoͤrmige Zalen angege - ben? Auch dies iſt vorſetzlich geſchehen. Und uͤberhaupt geſtehe ich, daß mir die Begehung der meiſten dieſer Feler manchmal ſauer ge - nug geworden.

Fehlte es aber auch nicht. Warum ſo zwei - felhaft? Vierzehn Bogen, ſollt ich denken, laſſen ſich doch noch durchleſen, wenn man kunſtrichterlich entſcheiden will, ob etwas darinnen fele oder nicht. Und welche Art zu recenſiren: wer A ſagt, der fehlt; ob der Auctor A ſage, weis ich nicht, mag ich nicht nachſehen: genug wer A ſagt, der fehlt.

War dieſe Zalenneuerung. Jſt denn nichts als Zalenneuerung im Buche? Der Perioden, der Abteilungen, und vieler an - dern Dinge, hatte doch vorhin Hr. H. ſelbſt zu erwaͤhnen die Guͤte gehabt.

War ſie des Tons, des Aufhebens werth? Und wer toͤnt denn druͤber, wer macht denn Aufhebens von? Erklaͤrt habe ich meine Neuerung, falls es eine iſt, und meine Gruͤn - de angegeben, und weiter nichts. War ichetwa313[89]etwa zu weitlaͤuftig in meinem Erklaͤren? Aber zu weitlaͤuftig ſeyn, heiſt noch nicht Auf hebens machen. Und dann, ich war wirklich zu kurz: Hr. H. hat mich ja nicht einmal verſtanden. Doch ſchriebe ich ſtatt 4 Blaͤtter 4 Bogen uͤber dieſe Materie: bei ihm gewoͤnne ich doch nichts. Er lieſt ſie nicht, er durchdenkt ſie nicht, er hüpft weg.

Daß indeſſen dieſe Zalenneuerung nicht ganz unerheblich ſei, ſchlieſſe ich aus dem Satze eines alten Paͤdagogen: nichts iſt klein, ohne welches große Dinge nicht erhalten werden. Warum ſehen Schul - knaben die amuſante Univerſalhiſtorie als ei - ne Folter an? Warum hat ſich dieſe unent - behrliche Wiſſenſchaft von ſo vielen deut - ſchen Univerſitaͤten verloren? Das mag wol merere Urſachen haben; aber zuverlaͤßig iſt Eine davon, man frage Junge und Alte: ich kan nicht, ich mag nicht, Zalen behalten.

Noch erheblicher kommt mir das geſchick - te Abteilen in hiſtoriſchen Schriften vor. Seit einigen Jaren ſeufzen deutſche Patrio - ten laut uͤber den einreiſenden Geſchmack an Romanenleſen; und fuͤrchten, unſer vaterlaͤndiſches Publicum werde daruͤber bald ſo fade, wie unſre Nachbarn jenſeitU 5des314[90]des Rheins, und bald ſo barbariſch, wie die Roͤmer zu Ammians Zeiten (ſiehe den Denina), werden. Sie wuͤnſchen daher ſchoͤne Hiſtorien: und warſcheinlich wuͤr - den Ernſt und Gruͤndlichkeit, doch noch immer, falls mich kein Nationalſtolz triegt, der Grundſtoff meiner Nation , ſolche bald zum Surrogato der Romane machen. A - ber bloß ſchoͤn geſchriebene Hiſtorien machen es nicht aus: ſie muͤſſen auch ordentlich geſchrieben ſeyn. Mit zaͤrtlicher Sorgfalt muß, durch allerhand Kuͤnſte, fuͤr das unge - uͤbte Gedaͤchtniß des unſtudirten Leſers (von dem bei ſolchen Schriften eigentlich die Re - de iſt), geſorget werden, damit er nicht bloß leſe, ſondern auch behalte, und im ganzen Zuſammenhange behalte. Sonſt amu - ſirt er ſich nur durch die Lectur,[und] nuͤtzt ſie nicht; ſonſt faͤngt er nur einzelne Hiſto - rietten auf: eine auch noch ſo ſyſtematiſch geſchriebene Geſchichte wird fuͤr ihn eine bloſ - ſe Acerra Philologica; und iſt er am Ende des Buchs, ſo geht es ihm, wie mancher Liſeuſe, die einen dicken Roman nach dem andern von vorne bis hinten woͤrtlich durch - lieſt, und in Empfindungen dahin ſchmilzt, und vor lauter Gefuͤhl am Ende von alledem,315[91]dem, was ſie geleſen hat, kein Woͤrtgen weiß.

Wenn indeſſen ſo wenige, auch ſchoͤne Geſchichtſchreiber, fuͤr dieſe Eigenſchafft (Abteilung, Ordnung, Leichtigkeit im Be - halten und Ueberſchauen des Ganzen) Sor - ge tragen: ſo glaube man nur nicht, daß es par Theorie geſchehe, oder weil ſie die Wichtigkeit des Abteilens nicht wuͤßten; nein, es geſchieht aus Bequemlichkeit. Eine ſaurere Arbeit kenne ich gar nicht in der ganzen Hiſtoriographie. Hat der Geſchicht - ſchreiber einen ganzen Quartanten excerpiret, und in Ein halbes ſchoͤnes Alphabet gepreßt; ſo darf er damit noch nicht in die Druckerei. Nun muß er erſt alles von Anfang bis zu Ende wieder durchgehen, alles wieder durch - denken, und die ſchicklichſten Ober - und Un - terabteilungen ſuchen. Das iſt muͤhſam: alſo laͤßt ers bleiben.

§. 24.

II. dünken uns bei der ſyn - chroniſtiſchen Tabelle die zuſam - mengefügten Namen offt wieder zu ſehr einem Spielwerk,

hie und da einem Gepränge des

Unbe -316[92]

Unbekannten

und Poſſierlichen,

als der ſtarken Kette des natür - lichen Wahren nahe zu kommen,

die allein dem Gedächtniſſe hilft.

Wenn man hier Semiramis und Dodona, Sicyon und die Kabiren, Abraham und Ninus, Jacob und Inachus, Karthago und Athalia, Bo - nifacius Suintila und Moawija, Gut - tenberg Babur Iwan Diaz Ismael und Luther, zuſammen lieſt;

und denn zugleich die vielen Abſchnitte dieſer Zuſammenord - nung lieſt:

ſo denktman, der Autor habe mer ſpielen,

und Bunoniſche Namen-Epigram - men machen,

als dem Gedächtniſſe helfen wollen.

Alſo meine ſynchroniſtiſche Tabelle, oder die in ſolcher ſynchroniſtiſch zuſammen gefuͤg - te Namen, werden von Hrn. H. hier geta - delt, und mit Buno’s Malereien verglichen. Zu meinem Gluͤcke hat Hr. H. Beiſpiele ei -niger317[93]niger Zuſammenfuͤgungen, die ihm anſtoͤßig ſind, angefuͤhrt: ſonſt haͤtte ich ihn, ich ge - ſtehe es, wieder nicht verſtehen koͤnnen.

Was ſind I. meine zuſammengefuͤgte Na - men? Was ſind II. Bunoiſche Namen-Epi - grammen? Beides muß der Leſer wiſſen; damit er, auch ohne mein Buch und den ſel - tenen Buno bei der Hand zu haben, von Hrn. Herders Vorwurf, und meiner Ant - wort, urteilen koͤnne.

§. 25.

I. Niemand verſteht Weltgeſchichte, wer nicht zugleich den Synchronismus weiß. Dies iſt ein Axiom; ſelbſt Hr. H. giebt es zu, denn auch ihm behagt das große Gan - ze. Muß nun zum Aggregat noch Syſtem kommen: ſo muß ich z. E. nicht bloß Timurn und Margareta kennen; ſondern ich muß auch wiſſen, daß beide zugleich mit einander gelebt haben. Jch muß mir das ganze Zeit - alter in Einem Blicke vorſtellen koͤnnen, in dem dieſe beide Perſonen ſich und andern be - gegneten, wenn ſie gleich nicht unmittelbar mit einander agirten.

II. Nun iſt es an ſich unmoͤglich, die Weltbegebenheiten zu gleicher Zeit in dieLaͤnge318[94]Laͤnge und in die Breite zu leſen, oder zu gleicher Zeit ſie ethnographiſch und ſynchro - niſtiſch vorzutragen. Beides aber muß ge - ſchehen. Folglich entſteht die Frage: welche Methode ſoll man zuerſt, welche nachher, brauchen? Die Natur ſpricht: gehe von den Teilen zum Ganzen fort, nicht umgekehrt. Alſo mache ich es, wie faſt alle meine Vor - gaͤnger, und ſchicke die ethnographiſche Ab - handlung in jedem großen Zeitraume voraus.

III. Alſo fange ich, z. E. im dritten Zeit - raume, von Cyrus an, und fare wenigſtens bis auf Kodomannen mit lauter Perſiſchen in einander gegruͤndeten Begebenheiten fort; ſo bin ich ein andermal, von Karan oder Per - dickas an, bis zum falſchen Perſeus, lauter Macedonien, und werfe hoͤchſtens Seiten - blicke auf andre Voͤlker hin, die in Mace - doniens Schickſale eingeflochten waren: und ſpreche diesmal weder von Tarquin in Rom, noch von Ljeupan in Sina.

IV. Die ethnographiſche Arbeit iſt gethan. Jch habe zum Beiſpiel, in einem Zeitraume von 500 Jaren, 6 ethnographi - ſche Parallel-Linien gezogen: das heiſt, ich habe 6 verſchiedene Voͤlker, jedes fuͤr ſich, in ſeinem Realzuſammenhange beſchrieben. Nun319[95]Nun geht die zweite, meiner Meinung nach eben ſo weſentliche, aber gemeiniglich ver - nachlaͤßigte, die ſynchroniſtiſche Arbeit, an. Neue Begebenheiten lere ich nun nicht mer; neue Perſonen fuͤhre ich nun nicht mer auf: alle ſind ſchon da geweſen, nur im Zeit - zuſammenhange hat der Leſer den Xerxes, Perdickas, Servius, und Ljeupan, noch nicht zuſammengedacht; und das ſoll er doch. Deme zufolge

  • 1. mache ich Zeitabſchnitte. Dieſe muͤſ - ſen einfoͤrmig, nicht zu groß, nicht zu klein, ſeyn: alſo nicht Jartauſende, nicht Jarzehende, ſondern, wie faſt al - le meine Vorgaͤnger thun, Jar - hunderte.
  • 2. ſuche ich Namen zuſammen, die ein - ander gleichzeitig, dem Zuhoͤrer oder Le - ſer bereits bekannt, aber von ihm nur noch nicht als gleichzeitig gedacht, ſind, und ſetze ſie fuͤr jedes Jarhundert in Eine Zeile. Und zwar A. Bloße Namen, und weiter nichts, ohne alles Praͤdicat, ſetze ich hin. Denn erklaͤrt und beſchrie - ben waren ſie ſchon in dem ethnogra - phiſchen Curſu. Nun braucht das Ge - daͤchtniß nur einen ſanften Anſtoß: beimbloßen320[96]bloßen Namen kehren ihm alle daran geheftete Begebenheiten zuruͤck. B. Nur wenige Namen. Erſtlich, aus dem ſchon oͤffters angezogenen Geſetze der Sparſamkeit, dem zufolge das Ge - daͤchtniß nicht uͤberladen ſeyn will. Zweitens, weil ich meine Abſicht auch durch wenige Namen erhalte, und ſehr viele der uͤbrigen durch Soriten (Vor - ſtell. S. 55) hinzugeſchloſſen werden koͤnnen. Bei Salmanaſſar z. E. faͤllt mir auch die Zerſtoͤrung von Samaria, und bei Nebukadnezar das Ende des Juͤdiſchen Reichs, ein. Aber eben des - wegen muͤſſen C. alle dieſe ausſortir - te Namen auch hauptwichtig ſeyn.

Haͤlt nun jemand die ſynchroniſtiſche Ueber - ſchauung fuͤr eben ſo wichtig bei Erlernung der Weltgeſchichte, wie ich; und weiß mir gleichwol eine leichtere oder nuͤtzlichere Me - thode, ſie zu leren, anzugeben: der ſoll mir, und vermutlich auch vielen andern Docen - ten der Univerſalhiſtorie, unendlich will - kommen ſeyn.

V. Nach dieſer Theorie iſt meine Tabel - le S. 89-93 gemacht. Wer ſie pruͤfen will, der unterſucht:

1. ob321[97]
  • 1. ob die Namen, die ich in jedes Saͤ - culum gebracht, hiſtoriſch wahr ſind? ob die Leute wirklich exiſtirt haben? Bei der Semiramis z. E. koͤnnte dieſe Frage wol entſtehen.
  • 2. ob ſie chronologiſch wahr ſind? ob die Leute juſt in dem Saͤculo exiſtirt haben, wo ich ſie hingebracht? Beim Pythagoras waͤre dieſe Frage moͤglich.
  • 3. ob nicht unwichtige, unfruchtbare, darinnen ſtehen? z. Ex. Odoacher.
  • 4. ob nicht hauptwichtige darinnen felen, die ſich durch keine mnemoniſche So - riten hinein denken laſſen? Z. Ex. Sal - vino d Armato.

So wird ſie der Kenner kritiſiren, und bei meinem erſten Verſuche Anlaͤße genug zu Verbeſſerungen, Zuſaͤtzen, und Ausſtreichun - gen finden. Aber nun Hr. Herder, wie kritiſiret der?

Doch vorher noch von Buno’s Na - men-Epigrammen. Denn ſchwerlich kennen ſie viele Leſer; und ſie verdienen gleich - wol, gekannt zu ſeyn: nicht bloß, um den Hrn. Conſiſtorial-Rath uͤber einer recht vor - ſetzlichen Unwarheit in flagrante zu ertappen;Xſon -322[98]ſondern auch als eine wichtige Urkunde der unſeeligen deutſchen Paͤdagogik im vorigen Jarhunderte.

§. 26.

Nun gerade vor hundert Jaren gab Jo - hann Buno, Profeſſor der Geſchichte in Luͤneburg, ein Handbuch der Weltgeſchich - te, mit Kupfern, die der Maler Schor - mann nach Buno’s Jdeal inventiret hat - te, in eigenem Verlage, und unter folgen - dem vollſtaͤndigen Titel, heraus:

Hiſtoriſche Bilder, darinnen Idea hiſto - riae univerſalis, eine kurtze Summariſche Abbildung der fuͤrnehmſten geiſt - und welt - lichen Geſchichte durch die vier Monarchien; wie auch der beruͤhmteſten und gelaͤhrteſten Maͤnner, ſampt den merkwuͤrdigſten En - derungen, ſo in der Kirchen, in Koͤnigrei - chen und Regierungen, von den erſten Zei - ten der Welt an biß auf das jetzige 1672te Jahr nach Chriſti unſres Heilandes Geburt vorgangen, kuͤrtzlich verfaſſet, in Mille - narios, Secula und Decennia; in Tau - ſend, Hundert und Zehen Jahre abgethei - let, und in annehmlichen Bildern alſo deut - lich fuͤrgeſtellet, daß ſowol Alte als Jun - ge Leute, auch diejenige, ſo eben keine Pro - feſſion vom ſtudiren machen, eine richtige Ordnung der geiſt - und weltlichen Hiſto -rien323[99]rien leichtlich faſſen und im Gedaͤchtniß be - halten, auch andere Geſchichte hiedurch in ihre Zeiten bringen und ſetzen koͤnnen, verfertigte und gab heraus iohannes bv - no Hiſtor. Prof. und R.

Luͤneburg in Verlegung des Autoris, druckts Bertold Elers 1672, 4, 192 Seiten, ohne 4 Bogen Zuſchrift, Vorrede, und Gluͤckwuͤnſche.

I. Der Profeſſor Buno war ein wol - meinender Mann. Er wollte die Welt - geſchichte leicht und amuſant, und auch un - ter Unſtudirten gaͤng und gebe, machen. Nur, wie fieng ers an?

II. Er teilt erſtlich die ganze Weltge - ſchichte in gleiche Zeitabſchnitte: vor Chriſto in groͤßere, naͤmlich in Jartauſende und Jarhunderte; und nach Chriſto in kleinere, naͤmlich jedes Jarhundert wieder in Jarze - hende. Dieſen Einfall hatte, laut der Vor - rede, zu allererſt, der große Gieſſenſche Paͤ - dagog, D. Helwich, gehabt; außer daß Helwich, ſtatt der Jarzehenden, jedes Saͤ - culum nur in Drittel teilte. Nun zwei - tens, fuͤr jeden ſolchen Zeitabſchnitt macht Buno, ethnographiſch, und technographiſch, 2, 3, oder 4 Reihen von Begebenheiten, die er neben oder untereinander ſetzt. Z. Ex. in Cyri Saͤculo: Koͤnige in der PerſiſchenX 2Monar -324[100]Monarchie, zu Athen, Roͤmiſche Geſchich - te, Gelaͤhrte Leute. Oder im Jarzehend von 1241-1250: geiſtliche Geſchichte, deutſche Kaiſer, franzoͤſiſche Geſchichte, Engliſche Geſchichte, Ungriſche und Ta - tariſche Geſchichte. [Hier ſchon bemer - ke man den Unterſcheid zwiſchen Helwich’s und Buno’s hiſtoriſchem Genie. Was muſte es mit den Abſchnitten in 10 Jare fuͤr ein Ge - hacke geben! Helwich nahm doch immer 33 Jare zuſammen. Jndeſſen Gehacke blieb es doch, bis auf Freyern und Zopfen herab: und wird es immer bleiben, wenn man nicht zwei eigene Curſus der Weltgeſchichte, erſt - lich einen ethnographiſchen, und nachmals erſt einen ſynchroniſtiſchen, macht].

III. Vor allen Dingen muß man wiſſen, worein Buno, und vielleicht alle Menſchen damals, das Weſen der Geſchichtkunde ſetz - ten. Wir haben (ſagt er, hier in Luͤne - burg) einen Knaben von 10 Jahren, welcher darin ſo fertig, daß er die Impe - ratores Romanos ſamt den Jahren, in welchen ſie zum Regiment kommen, und wie viel Jahre ſie regiert, ruͤckwerts, vor - werts, nach und auſſer der Ordnung, ohne Feler zu erzaͤlen weiß; welches denn in Hi - ſtorien325[101] ſtorien kein geringes, und bei denen, ſo der Vorteil unbekannt, fuͤr ein Wunder geachtet wird. [Der Leſer erſchrecke nicht uͤber dieſe Begriffe, die ein Profeſſor der Geſchichte im J. 1672 von der Geſchichte hatte. Wer weiß, giebt es noch A. 1773 hin und wieder in Deutſchland Schulen, wo man ſo denkt, wenigſtens ſo docirt: denn es iſt die bequemſte Art, Hiſtorie zu do - ciren. Auch ich, muſte noch A. 1748 in ei - ner Schule, die keine der ſchlechteſten war, alle Namen von Kaiſern, von Auguſt bis Franz I, auswendig herſagen].

IV. Darauf alſo gieng Buno aus: Na - men der Kaiſer, und Jarzalen, ruͤckwaͤrts und vorwaͤrts, ſollten ſeine Schuͤler wiſſen. A - ber hier fand er eine Schwierigkeit bei den gewoͤhnlichen Helwichiſchen chronologiſchen Tabellen. Weil ſolche Tabellen (ſagt er) einerlei Form, und auf einerlei Weiſe ein - gerichtet; und dann nur Ziffern und Woͤr - ter in denſelben enthalten; ſo moͤgen die Zei - ten und Jahre auf ſolche Art dem Gedaͤcht - niß nicht feſte eingedruckt werden . Dieſe Schwierigkeit zu heben, dieſen feſteren Ein - druck der Zalen oder Zeitrechnung ins Ge - daͤchtniß zu bewirken, hat Buno den Einfall,X 3 ihn326[102]ihn mit zwei Worten zu ſagen , ſtatt der Buchſtabenſchrift Bilderſchrift zu gebrau - chen, oder chronologiſche Tabellen nicht mit Worten, wie Helwich, ſondern mit Bil - dern und Hieroglyphen, mexikaniſch zu ſchreiben. Anſtatt daß Helwich z. E. in Ein Saͤculum hin drucken ließ, die Worte, Kar - thago condita, Lycurgus Spartae Legislator, Athalia imperio deiecta, Sardanapalus Aſ - ſyriorum regum vltimus, oder doch ſo et - was: ſo mahlt Buno die Erbanung von Karthago, die Geſetzgebung des Sparta - ners, die Entthronung der uſurpirenden He - braͤerin, oder den Brand von Ninive, in ein Viereck hin. Den Einfall ſelbſt hatte Buno, wie er ehrlich in der Vorrede geſteht, nicht aus ſich ſelbſt, ſondern von dem poſſirlichen Theologen D. Schupp in Mar - purg, Helwichs Schwiegerſohne: auſſer die - ſem nennt er noch viele andre mit Namen, die dergleichen gemahlte chronologiſche Ta - bellen von allerhand Art inventiret hatten. Aber die neue Wendung, die Buno dem Einfalle gab, ſcheint Buno’s Eigentum zu ſeyn. Der Luͤneburgiſche Kanzler Langer - beck fand ſo viel Geſchmack daran, daß er dem Prof. Buno befahl, beſonders denjungen327[103]jungen Edelleuten im Lande auf dieſe Art Univerſalhiſtorie in den Kopf zu bringen.

V. Ueber den Einfall ſelbſt (gemahlte chronologiſche Tabellen) lache niemand ſchlechtweg: er waͤre immer einer Pruͤfung werth, wenigſtens wenn vom Kinderunter - richte die Rede iſt. Schon manches vier - jaͤhrige Kind iſt faͤhig, ſich von Salomo’s Tempel, von aͤgyptiſchen Piramyden, und vom Homer, etwas vorerzaͤlen zu laſſen. Nun mahle man dieſe drei Gegenſtaͤnde auf Ein Blatt hin, ſage dem Kinde gelegent - lich, daß um eben die Zeit, da Salomo ſeinen Tempel, und die Pharaonen Piramy - miden gebaut, Homer geſungen habe, und laſſe das Kind Wochen lang mit dem gemal - ten Blatte ſpielen: ſo werden ſich, nicht nur dieſe drei Gegenſtaͤnde ſelbſt, der jungen Seele lebhafter durch Gemaͤlde als durch bloßen Discurs einpraͤgen; ſondern auch der Satz von der Gleichzeitigkeit dieſer Gegen - ſtaͤnde, oder der Synchronismus, wird vermoͤge des Geſetzes von der Aſſociation der Jdeen unausloͤſchlich in ſeiner Seele bleiben. Allein ich habe doch zwei Bedenklichkei - ten bei dem ganzen Einfalle. 1. Wo krie - gen wir einen der Hiſtorie kundigen Maler,X 4oder328[104]oder einen der Malerei kundigen Hiſtoriker, zum Jnventiren her? 2. So geſund und unſchuldig der Einfall an ſich iſt: ſo iſt er doch, in den Haͤnden eines taͤndelnden oder unwiſſenden Lerers, allzuleicht dem Mißbrau - che ausgeſetzt, und wuͤrde ſchon in der drit - ten Generation in bloßes Spielwerk aus - arten. Unter dem 2ten Maͤrz 1772 erzaͤlte uns die Frankfurter Zeitung, Hr. Le Mai - tre, Profeſſor der Hiſtorie und Geographie zu Paris, habe ein neues Wuͤrfelſpiel fuͤr Kinder erfunden, durch welches ſie die Uni - verſalhiſtorie lernen koͤnnten.

VI. Aber nun hoͤre man Wundershal - ber die neue Wendung an, die Buno dem Schuppiſchen Einfalle von gemalten chronologiſchen Tabellen giebt. Dem Man - ne iſt einmal in der Hiſtorie an Namen und Zalen alles, oder doch mer als an Sa - chen, gelegen. Nun Namen, ſollte man denken, laſſen ſich doch nicht malen! Aber das iſt eben Buno’s neue Erfindung: er verbindet Bilderſchrift wieder mit Buchſta - benſchrift, und inventirt ſolche Vorſtellungen von den Begebenheiten, daß der Schuͤler aus dem Bilde nicht bloß die Perſon und Sache, ſondern auch den deutſchen Namender329[105]der Sache, mit einigem Nachhelfen erraten kan. Statt alles weiteren will ich einige Exempel herſetzen.

Jm 8ten Jarhunderte des 2ten Jartau - ſends finden ſich: Heber, Peleg, der Thurnbau, und Ninus. Der Leſer wird neugierig, wie man dieſe 4 Dinge malen, und zwar ſo ma - len koͤnne, daß der Anſchauer zugleich die Namen dieſer 4 Dinge errate? Auf Bu - no’s Bilde ſteht ein alter Mann, der uͤber dem Kopf einen Heber, und auf dem Arme ein Kind hat, das er kuͤßt: weiter hin kommt ein Thurm, oben drauf ein Bild mit einem Beil; und weiter hin eine Stadt. Noch immer nicht deutlich genug; nun ſo hoͤre man die Erklaͤrung, die Buno S. 3 woͤrt - lich von ſeiner Zeichnung macht.

Sec. 8. Jm 8ten hundert Jahr iſt geboren

Heber (bedeut der Heber, damit man Wein oder Bier aus den Faͤſſern hebet) von deme die Hebreer:

Peleg (ihn hatt ſeinen Vater ſo lieb, daß er ihn im Kuͤſſen beleckt). Der Babyloniſche Thurn iſt zu dieſer Zeit ge - bauet; auff welchem des Beli Bild hernach geſetzet worden (das Bild hat ein Beil, bedeut Belus, in der Hand). Jnglei -X 5chen330[106]chen ſind die Sprachen verwirret worden; alſo daß die Bauleute anſtatt vernehmlicher Worte Babbelten, das iſt, unverſtaͤnd - lich redeten: welche darumb das Bau - en unterlaſſen, und ein jeder ſeinen Sack nimmet und ſeinen Weg wan - dert, (denn obwol die Sprachen verwir - ret: ſo iſt doch das Wort Sack in vielen Sprachen blieben). Die Bauleute gehen nach der Stadt Ninive, ſo hernach der Aſſyrer Koͤnig Ninus (welcher in der Stadt mit Scepter und Krone ſtehet) gebauet.

Dann folgt im 9ten Saͤc. ein Weib auf ei - ner Mauer liegend, welcher ein Kerl einen Degen in den Leib ſtoͤßt. Das iſt, laut beigedruckter Erklaͤrung, Semiramis, Se oder Sie auf der Mür oder Mauer liegend muß am erſten ſterben, indem ſie von ihrem Sohn erwuͤrget wird, welchem ſie Blutſchande an - gemuthet hatte. Ninias (er ſagte zu ihr: du biſt des Nini Aaß meines Vaters, wel - chen du haſt umbringen laſſen, und willſt mich auch zu Laſtern verleiten) . Jacob hat ja einen dicken Kopf. Ogyges ſchwimmt in ſeiner Fluth, und da er ſeiner Geigen ge - wahr wurde, ſprach er: O Gyge, an dich muß ich mich halten; aber vergebens, denn ſie war zu ſchwach, ihn zu halten. Mo -ſes331[107]ſes liegt auf Mooß. Prometheus brommet auf der eyſern Trompete, und lockt die Leute zum Feur. Ehud, he hat einen ſchoͤnen Hutt auf. Ganymed mußte gahn medde, gehen mit des Tros Sohne, und wird geraubt. Phryxus ſitzt friſch auf dem Widder. Juſti - nus kan juſt in das Schwarze ſtoßen. Eu - tropius hat ein Ey, ſo troppet. Priſcillianus der Ketzer, er pritſchet ſeinen anum, und tritt auf die Bibel. Bonaventura S. 120, Boh - nen wendet bei der Uhr der Moͤnch

VII. Den Menſchen von geſundem Men - ſchenverſtande im 18ten Saͤc. kommt hiebei Eckel und Grauen an. Allein damals fand Buno Nachahmer: Juſt Winkelmann in ſeiner Cæſareologia ſiue quartæ Monar - chiæ deſcriptio (Leipzig 1698, 12°) raſt eben ſo. Z. Ex. um den Namen Julius - ſar und Valerianus einzupraͤgen, mahlt er beim erſtern eine Ule (Eule), die mit den Klauen im Kæſe ſcharrt; und beim leztern ſchreibt er: er ſagt zu ſeinem Sohne vale, und ritt auf einer anus hinweg ....

Nun von Johann Buno und Juſt Winkelmann kehre ich zu Hrn. Herdern zuruͤck.

§. 27.332[108]

§. 27.

I. Die zuſammengefügten Namen bei der ſynchroniſtiſchen Tabelle dünken mir offt wieder zu ſehr einem Spielwerk nahe zu kommen. Jn aller Welt, wie kan Hr. H. hier Spielwerk finden? wie kan uͤberhaupt bei einer Helwichiſchen Art von chronologi - ſcher Tabelle Spielwerk ſeyn? Trockne - de Namen, nichts als Namen, ſtehen in meiner Tabelle in jedem Saͤculo wie in einem Regiſter da: wie kan man in einem trocknen Regiſter Spielen! Was findet Hr. H. dann geſpielt? Daß Ceres und Bacchus neben ein - ander ſtehen, das iſt, daß Getreide - und Weinbau in Einem Saͤculo nach Griechen - land gekommen? dafuͤr kan ich nichts, ſie ka - men nun einmal zu gleicher Zeit dahin. Haͤtten zwei große Eroberer, Namens Kunz und Dunz, in Einem Saͤculo gelebt: ich haͤtte nicht umhin gekonnt, ſie neben einander zu ſetzen; und außer Hrn. H. wuͤrde kein Sterb - licher auf den Einfall geraten ſeyn, ich haͤtte ſpielen wollen, ich haͤtte dieſe zwei Na - men zuſammen geſetzt, etwa weil ſie ſich auf einander reimten.

II. 333[109]

II. Sie dünken mir hie und da einem Gepränge des Unbekannten nahe zu kom - men. Antw. 1) Gerne glaube ich, daß Hr. H. einige Namen in meiner Tabelle vorgefunden, die er all ſein Tage nie gehoͤrt hat. Von Suintila z. Ex., Babur, Ismael Sofi &c. &c. ſteht wol im ganzen Boſſuet nichts. Aber 2) die Regel, wornach ich meine Ta - belle machte, war nicht: in der Tabelle muͤſſen keine Namen ſtehen, die dem Hrn. CR. Herder unbekannt ſind; ſon - dern ganz andre Regeln, ſiehe oben §. 319 Soll das kurze Maaß ſeiner hiſtoriſchen Kennt - niß das Maaß der Univerſalhiſtorie werden? Oder haͤtte ich insbeſondere bei meiner Weltgeſchichte auf ſeine Unwiſſenheit Ruͤck - ſicht nemen ſollen? im Ernſt, verlangt er das von mir? Als er einſt Torſo auf den Ti - tel eines ſeiner Buͤcher ſetzte, wuſte ich noch nicht, was der Torſo waͤre: aber daran kehr - te ſich Hr. H. nicht, und that wol daran; wir ſchreiben ja unſre Buͤcher nicht fuͤr ein - ander. Alſo 3) durft ich, mußt ich, auch Namen hineinbringen, die Boſſuets Schuͤ - ler nicht wiſſen, aber wiſſen ſollten: voraus - geſetzt naͤmlich, daß dieſe Namen univer - ſalhiſtoriſch-wichtig waren. Und 4) wenn334[110]wenn ich es that, that ich es nicht, um zu prangen, wie Hr. H. laͤſtert, ſondern weil es der Grundbegriff einer chronologiſchen Tabelle ſo mit ſich brachte. Hr. H. aber haͤtte 5) bei dem erſten ihm unbekannten Na - men, der ihm hier aufſties, falls er noch einiger Selbſterkenntniß faͤhig war, die na - tuͤrliche Folge ziehen ſollen: nicht einmal alle Namen der Tabelle, folglich nicht einmal die Elemente der Wiſſenſchaft, verſteheſt du; alſo unterſtehe dich nicht, ein Urteil uͤber das Buch auszu - ſprechen, ſondern entweder laß es lie - gen, oder lerne draus . War dieſe Fol - ge nicht weit ſchicklicher, als die: da ſind Namen in der Tabelle, die ich Unhiſto - riker nicht verſtehe; alſo braucht ſie auch niemand zu verſtehen, alſo hat ſie der Verfaſſer nur aus Pralerei hin - geſetzt: denn wer ſich merken laͤßt, daß er in quocunque ſcibili etwas wiſſe, was ich nicht weiß, der prangt und pralet nur . 6) Eine der noͤtigſten Refor - men, deren die Weltgeſchichte bedarf, iſt dieſe: man muß ihre allzuenge Sphaͤre er - weitern, und die unendlich vielen wichtigen Perſonen und Begebenheiten einruͤcken, dienoch335[111]noch immer darinn fehlen. Zacharias Janſ - ſen und Babur ſtehen noch in vielen Compen - dien nicht, wo gleichwol Kedarlaomor und A - jax ſtehen. Den Maͤcen kennt Hr. H. gewiß, den Jlidſchuzaj kennt er gewiß nicht: jener hatte kein anderes Verdienſt, als daß er ſich von hungrigen Poeten beſchmaußen ließ; aber dieſer ? Wenn ich nun zu dieſer durchaus noͤtigen Erweiterung der univerſal - hiſtoriſchen Sphaͤre mein Scherflein beitra - ge: habe ich, zum Danke dafuͤr, die Laͤſte - rung von Hrn. H. verdient, daß ich bloß mit dem Unbekannten Gepränge mache?

III. Dieſe zuſammengeſezte Namen dünken Hrn. H. einem Gepränge des Poſſir - lichen nahe zu kommen. Antw. 1) Wie man mit dem Poſſirlichen prangen koͤn - ne, ſehe ich nicht ein: eher ſchaͤmen muß man ſich deſſen. Hr. H. iſt in ſeiner Re - cenſion hie und da augenſcheinlich poſſirlich: ich denke, nicht mit Vorſatz, nicht aus Ei - telkeit, nicht in Hoffnung, daß ihm vernuͤnf - tige Leſer Beifall dafuͤr zujauchzen werden; ſondern bloß aus Unbedacht, und Vergeſſen - heit ſeines Standes, entfuhren ihm die Schnurren. 2) Aber welches ſind dann die poſſirlichen Stellen in meiner Tabelle? Nenne336[112]Nenne mir doch Hr. H. eine einzige! 3) Und waͤren auch welche poſſirlich, das iſt, waͤren einmal zwei Perſonen in Ein Saͤcu - lum zuſammen gekommen, die mit einander poſſirlich contraſtirten: was kan ich dafuͤr, wenn ſie nun beide univerſalhiſtoriſch wich - tig ſind, und beide in Einem Saͤculo gelebt haben? Der Maler, der einen Aeſop malen ſoll, und ihn dem Ausſehen nach ſo poſſirlich malt, als er wirklich iſt, iſt doch ein guter Maler. Ein Recenſent, der uͤber dieſen 2ten Teil meiner Vorſtellung koͤmmt, und wie Hr. H. bloß deſſen Titel recenſirt, wird den einen Titel vielleicht poſſirlich finden: Her - ders Beurtheilung einer Univer - ſalhiſtorie . Da iſt Subject und Praͤdi - cat beiſammen, wo l un s étonne de l autre: hier ein hiſtoriſches Buch, dort ein Unhi - ſtoriker; hier ein literariſcher mutwilliger Pagenſtreich, dort ein Conſiſtorial-Rath. Aber dieſe poſſirliche Combination habe ich nicht gemacht, ſondern Hr. Herder: der prange damit, oder ſchaͤme ſich ihrer.

IV. Sie kommen nicht der ſtarken Ket - te des natürlichen Wahren nahe. Wieder ei - ne Lufftblaſe, die operirt werden muß: wieder ein Endpfahl, den wir abkippenwollen.337[113]wollen. Zu deutſch hieſſe wol die Herder - ſche Phraſis: die zuſammengefügten Na - men ſind nicht wahr, und das muͤſſen ſie doch, nach meiner eignen Theorie S. 321; ſie muͤſſen hiſtoriſch und chronologiſch wahr ſeyn. Nun ſo nenne mir doch Hr. H. nur ein einziges Beiſpiel von unwahren Na - men in meiner Tabelle!

V. Die ſtarke Kette des natürlichen Wah - ren iſt es allein, die dem Gedæchtniße hilft. Nichts weniger als das. Falſche Namen, und erdichtete Erzaͤlungen, behaͤlt das Ge - daͤchniß eben ſo leicht, als wahre. Roma - nen ſind ſo gar noch leichter zu behalten, als Hiſtorien; dort haͤngt alles zuſammen, der Romanſchreiber ſpricht: es werde eine Kette, und es wird eine. Das muß der Hiſtoriker bleiben laſſen.

VI. Auch uͤber die vielen Abſchnitte mei - ner Zuſammenordnung klagt Hr. H. Antw. 1) Jch mache ſo viel Abſchnitte, als Jar - hunderte: dawider hat doch Hr. H. nichts? denn das thun ja ſeit Helwichs Zeiten alle Verfaſſer chronologiſcher Tabellen. 2) Wenn nun von Moſe zu Chriſto 15 Saͤcula ſind, und von Chriſto zu Luthern eben ſo viel: ſo muß ich notwendig 2 mal 15 Abſchnitte ma -Ychen.338[114]chen. Kan Hr. H. das aͤndern? Jch woll - te, er koͤnnte es. Eine Kunſt, durch die man die ganze Weltgeſchichte ſo ſanft als eine anakreontiſche Ode faßte, waͤre mir mer werth, als Le Maitre’s univerſalhiſtori - ſches Wuͤrfelſpiel. 3) Andre machen noch weit kleinere Abſchnitte, wie ich, und krie - gen folglich deren noch weit merere. Hel - wich teilt jedes Saͤculum wieder in Drittel, und Buno gar in Zehntel. Auch Offer - haus macht kleinere Abſchnitte. Sind aber 4) meine Abſchnitte bloß in Saͤcula, Hrn. H. doch noch zu viel: nun ſo halte er ſich bloß an die Perioden oder groͤßere Abſchnitte S. 86. Nur 5) glaube er nicht, daß er fuͤr ſo gar wenig Aufwand von Muͤhe auch nur eine Elementar-Weltgeſchichte in den Kopf kriegen werde. Univerſalhiſtorie iſt nicht die ſtrengſte Wiſſenſchaft, wie ſie Hr. H. ſehr ungelehrt nennt: aber gelernt will ſie doch ſeyn. Und wer ſo auſſerordentlich be - quem iſt, und nicht einmal Saͤcula behalten mag: der iſt zu dieſer Wiſſenſchaft verdor - ben.

VII. Als Beiſpiele von Namen, die ich zum Spielwerk, zum Gepraͤnge des Un - bekannten und Poſſirlichen, in meinerTabelle339[115]Tabelle zuſammengefuͤgt haͤtte, oder die gar unwahr waͤren, fuͤhrt Hr. H. an: Semi - ramis und Dodona, Sicyon und die Kabi - ren, Abraham und Ninus, Jacob und Ina - chus, Karthago und Athalia, Bonifacius Suintila und Moawija, Guttenberg Babur Iwan Diaz Ismael uud Luther. Wenn man kier, ſagt er, 1. dieſe Namen zuſammen lieſt, und denn 2. zugleich die vielen Ab - ſchnitte dieſer Zuſammenordnung lieſt: ſo denkt man, der Auctor habe a) mer ſpielen, und b) Bunoniſche Namen-Epigrammen machen, als c) dem Gedæchtniſſe helfen wol - len. 1) Zuſammengeleſen ſollen dieſe Na - men werden, dazu ſtehen ſie da. 2) Dem Gedaͤchtniſſe ſollen ſie zur Ueberſchau - ung des Ganzen helfen, dazu ſtehen ſie da. 3) Wie ſie aber ſollen zuſammen geleſen werden, um dieſe Abſicht zu erreichen, weiß jeder, der von chronologiſchen Tabellen nur Begriffe hat, und habe ich noch zum Ueber - fluſſe oben S. 319 naͤher beſchrieben. Man ließt ſie in die Laͤnge und Breite, ruͤckwaͤrts und vorwaͤrts, zuſammen, und denkt ſich weiter nichts als Gleichzeitigkeit, oder Ver - ſchiedenheit der Zeit, und einiges Maaß die - ſer Verſchiedenheit, dabei. Z. Er.

Y 2ABRA -340[116]

ABRAHAM & NINUS, heiſt

  • 1. in die Breite geleſen: abraham vixit eodem Sæc. IV poſt diluuium, quo Ninus Aſſyrium imperium condidiſſe fertur.
  • 2. in die Laͤnge, und zwar
    • a. ruͤckwaͤrts: Ninus duobus fere - culis Mene & Belo junior eſſe perhi - betur, &c.
    • b. vorwaͤrts: Ninus duobus fere - culis ante Inachum, quatuor ante Mosen, regnaſſe dicitur, &c.

Verzeihe mir doch der kuͤndige Leſer, daß ich halbe Seiten mit ſo bekannten Sachen verderben muß. Hr. H. iſt ſchuld daran.

§. 28.

Aber nun halte eben dieſer Leſer meine Tabellir-Art mit der Bunoiſchen §. 26 zu - ſammen, und richte, ob ſich zwiſchen beiden nur die mindeſte Aehnlichkeit finde. Mei - ne Tabellir-Art iſt in der Hauptſache ge - rade die Helwichſche, Schraderſche, Koͤh - lerſche ꝛc. : auſſer daß ich 1) weit mer con - centrire (ſtatt einer Folio-Seite nur Eine oder zwei Zeilen), folglich 2) weniger Facta in jedem Saͤculo bemerke (mit Zuverſichtauf341[117]auf die vorhergegangene ethnographiſche Ab - handlung und auf mnemoniſche Soriten), und 3) nur Subject ohne Praͤdicat hinſetze (Ninus, nicht Ninus condit imperium Aſſy - rium). Mit D. Schuppii neuem Einfalle zur Verbeſſerung des Helwichſchen, habe ich nichts zu thun; und noch weniger mit Bu - no’s neuer Wendung, die er dem Schuppi - ſchen Einfalle giebt. Gerade was bei Bu - no charakteriſtiſch iſt, iſt bei meinen Tabellen nicht: ich ſchreibe meine Namen, und male ſie nicht; noch minder male ich ſie ſo, daß man aus dem Gemaͤlde einen deutſchen Laut erraͤth, der einen auf den hebraͤiſchen, aͤgyp - tiſchen, oder griechiſchen Namen fuͤhrt. Und doch dieſes nur, nicht Helwichiſche Simplicitaͤt, kan man Bunoiſche Na - men-Epigrammen nennen.

Was dachte nun der Hr. Conſiſtorial - Rath Herder, da er mir auf eine ſo augen - ſcheinlich ungerechte Art Bunoiſchen Un - ſinn ſchuld giebt? Warum that er das?

War es Vorſatz? Allein wie unbe - dachtſam! Buno iſt zwar ein ſeltnes Buch, aber vorhanden iſt es doch noch: mußte ers ſich alſo nicht verſehen, daß unter hundert Leſern ſeiner Recenſion Einer das Buch ken -Y 3nen,342[118]nen, und uͤber einen Vorſatz von der Art Gloſſen, nicht zur Ehre des Hrn. Con - ſiſtorial Raths, entweder in der Stille, oder laute, machen moͤchte?

War es Uebereilung und weghüpfende Fluͤchtigkeit? Aber 1) ein vernuͤnftiger und fuͤr ſeine eigne Ehre zaͤrtlicher Mann uͤber - eilt ſich nicht, wo er im Begriff iſt, einem andren Unſinn aufzubuͤrden. Er bedenkt die Folgen, die das Ding haben koͤnnte, wenn er ſelbſt unrecht haͤtte. Zudem 2) iſt hier eine Uebereilung kaum moͤglich. Man le - ge auf die eine Seite meiner Tabellen den Buno, und auf die andre den Helwich, Schrader, oder welche chronologiſche Tabel - len man will: der allererſte Blick muß ihren totalen Abſtand von dem erſtern, und ihre nahe Verwandtſchaft mit den letztern, zeigen. Jſt etwas neues in der meinigen: ſo bringt dieſe Neuerung ſie den Bunoiſchen nicht nur um keinen Schritt naͤher, ſondern entfernt ſie nur noch mer von ihnen.

Doch mir faͤllt eine pſychologiſche Be - merkung ein, aus der ich mir dieſe ſonſt un - begreifliche Uebereilung zu erklaͤren getraue. Hr. H. hat eine ſehr ſpeciell determinirte Einbildungskraft (S. 239 oben), undnicht343[119]nicht Beſonnenheit genug, ſich und das Menſchengeſchlecht fuͤr Maſſen von verſchie - dener Art und Groͤße zu halten (S. 270). Oben las er den Titel meines Buchs Vor - ſtellung: flugs fiel ihm ein, heute wird vorgeſtellt: flugs glaubte er, das fiele al - len Menſchen bei dem Worte Vorſtellung ein, und ſchrieb hin, der Titel meines Buchs ſei theatraliſch, und nannte mein Programm ein Hier læßt ſich ſehen. Nun lieſt er mei - ne chronologiſche Tabellen, vielleicht die er - ſten, die er all ſein Tage geleſen; er findet Abraham und Ninus, Jacob und Inachus, beiſammen; nun dachte er: Was mag der Auctor fuͤr Urſachen gehabt haben, dieſe Namen in Eine Zeile zu ſetzen ? Die wah - re Urſache wußte er nicht: alſo erſann er ſich einige. Jacob und Inachus ſtehen bei - ſammen, vermuthlich weil beide mit einem I anfangen. Abraham und Ninus, was mag da der Auctor gedacht haben? Gleich - wie Abraham : alſo Ninus Nun ſchoſſen ihm ſtromweiſe alberne Bu - noiſche Gleichniſſe und Tertia comparatio - nis zu: und je alberner und Bunoiſcher ſie waren, deſto willkommner waren ſie ihm; denn nun ſetzte er voraus, auch ich haͤtteY 4dieſe344[120]bieſe ungluͤckliche Vergleichungsgruͤnde im Kopf gehabt, und dieſer wegen haͤtte ich Abraham und Ninus, nicht Abraham und Nebukadnezarn, in Eine Zeile gebracht. Aber meine Jmagination und meine Ta - bellen ſind ſo rein von dieſen Herderſchen Tertiis comparationis, als oben S. 240 das Vaterunſer von den ſchmutzigen Bildern war, die vor dem kranken oder geilen Wie - dergebornen herumflad derten.

Ein Original-Exempel, wie eine wirk - ſame Einbildungskraft, wenn ſie nicht un - ter der Vormundſchaft einer hoͤheren Seelen - kraft wirkt, uͤberſchnappen, den vernuͤnftig - ſten Einfall verderben, und die unſchuldigſte Handlung laͤcherlich machen koͤnne! Hr. H. hat Urſache, in dieſem Puncte ſehr auf ſei - ner Hut zu ſeyn. Kaͤme er einſt ganz warm von alten Nordiſchen Bardenliedern her, und fiele von ohngefer auf das Regiſter in der Buͤſchingiſchen Geographie: er liefe Ge - far, den Verfertiger dieſes nuͤtzlichen Regi - ſters fuͤr einen Skald zu halten, und in der alphabetiſchen Anordnung der Namen, æhn - liche Anfangsbuchſtaben zum Anſtoß, zum Schallen des Bardengeſangs in die Schilde, zu erblicken.

Ein345[121]

Ein Vorgaͤnger von Cellarius ſchrieb zu Anfang des vorigen Saͤculi einen lateini - ſchen Liber memorialis, wo natuͤrlicher Wei - ſe die Woͤrter in alphabetiſcher Ordnung ſtanden. Nun kam Vogel, Conrector in Goͤttingen um das J. 1631, und ſchrieb Ephemerides linguæ latinœ, worinn er, um dem Gedaͤchtniſſe zu helfen, die Woͤrter abacus, abdomen &c., in ganze Saͤtze und Phraſes knetete.

Ein Sprachlerer ſammlete alle Woͤrter auf Einen Haufen, welche Ausnamen von ei - ner gewiſſen Regel waren: als panis, cri - nis &c. Ein andrer, um dem Gedaͤcht - niſſe durch das Sylbenmaaß nachzuhelfen, brachte ſie ganz ſchicklich in Hexameter, doch ohne andre Real-Verbindung: als, Maſcu - la ſunt panis &c. Ein dritter wollte es noch beſſer machen, und ſuchte zwiſchen dieſen Woͤrtern, ſo wie ſie der Hexametriſt der Scanſion wegen geordnet hatte, Tertia comparationis und Realverbindungen: als, panis Brod, penis Rehrwiſch; denn wenn man Brod backt, muß man einen Rehrwiſch haben (Evenii Methodus p. 63).

Y 5Der346[122]

Der vernuͤnftige Abclerer, um ſein Kind in der feinen Unterſcheidung zweier oder me - rerer ſonſt verwandten Toͤne zu uͤben, ſucht Woͤrter zuſammen, in denen dieſe Toͤne vor - kommen, und ſtellt ſie bloß einander gegen uͤber. Allein Hr. Baſedow, um dem Ge - daͤchtniße zu helfen, bindet dieſe Woͤrter durch Partikeln, wie durch Kuͤtt, in Saͤtze zuſammen, daß ſie wie Gedanken ausſehen, als: der Schwaan liebt Brei, aber nicht einen Steinwurf oder Quaal.

Es ſollte mir leid thun, wenn jemand meinen Abraham und Ninus ſo zuſammen - kuͤtten wollte, wie in den angefuͤhrten Bei - ſpielen mit abacus und abdomen, mit panis und penis, mit Schwaan und Quaal, geſche - hen. Aber noch mer thaͤt es mir leid, wenn, auſſer Hrn. Herdern, jemand in der Welt mich in Verdacht haͤtte, als haͤtte ich ſelbſt in Gedanken ſo zuſammen gekuͤttet; als haͤt - te ich meine ganze ſynchroniſtiſche Tabelle abſichtlich deswegen drucken laſſen, damit andre ſo zuſammen kuͤtten ſollen.

§. 29.

III. Und denn, iſt ſelbſt bei die - ſer Tabelle alles bewieſen?

nichts347[123]

nichts zu gewagt?

nichts des lieben Einfalls wegen da?

Tabelle nimmt hier Hr. H. in einer ſehr weitlaͤuftigen Bedeutung. Er verſteht auch meine Summarien S. 113-222 mit dar - unter: dies beweiſen die ſogleich folgenden Beiſpiele. De verbibus non curat Recen - ſens.

Albern waͤre der Schriftſteller, der bloß des lieben Einfalls wegen etwas in die Weltgeſchichte braͤchte. Der Raum iſt oh - nehin ſo enge, daß man ſich vor der Menge unentberlicher Thatſaͤtze kaum zu laſſen weiß. Noch alberner waͤre er, wenn er ſo was gar in die Tabelle braͤchte: dieſe muß die Quinteſſenz der ganzen Weltgeſchichte enthal - ten, da muß jedes Woͤrtgen abgewogen ſeyn.

Unvorſichtig waͤre der, der gewagte, unbewieſene, fliegende Gedanken, und bloße Hypotheſen, in die Tabelle ruͤcken wollte: da gehoͤren nur ausgemachte, oder doch allge - mein anerkannte Saͤtze hin. So bloͤde war ich, daß ich den Ninus und die Semiramis noch, aus Achtung fuͤr das Herkommen, in ihrer alten Stelle ließ, ungeachtet ſie miraus348[124]aus Gruͤnden, welche in der Tabelle auszu - kramen unſchicklich war, erſt in das Jar - hundert des Seſoſtris zu gehoͤren ſcheinen.

Aber Allwiſſend muͤßte derjenige ſeyn, der nichts als im ſtrengſten Verſtande bewieſene Saͤtze liefern wollte. Und nur ein Unwiſſender kann ſolche, in den erſten Zei - ten der Welt bis auf den Cyrus, fodern.

Doch Hr. H. ſchwaͤtzt hier nur wieder ins Allgemeine: wir wollen ſeine Beiſpiele, das iſt, ſeine Beweiſe, hoͤren.

§. 30.

Die Umſchaffung der Erde!

Steht der Satz des lieben Einfalls wegen S. 88 in meinem Buche? Meint Hr. H. das? das ſollt er nicht meinen. Er weiß vielleicht, daß ich nicht bloß Revolutionen des Menſchengeſchlechts, ſondern auch Revolutionen des Erdbodens, in die Weltgeſchichte nehme. Folglich iſt ihr eine Nachricht vom Anfange und der Entſtehung der Wonung der Adamiten eben ſo weſent - lich, als die Nachrichten vom Anfange der Menſchen ſelbſt. Faͤngt doch jeder Moͤnch die Geſchichte ſeines Kloſters mit der Erbau - ung deſſelben an, falls er ſie weiß.

Doch349[125]

Doch das UM ſchaffen geht vielleicht Hrn. H. im Kopfe herum: warum nicht ER ſchaffen? Jſt der Satz von Umſchaffung der Erde bewieſen, iſt er nicht zu gewagt? Jch will nicht hoffen, daß Hr. H. im Ernſte glaubt, daß unſre Erde, oder gar das Große All, netto 6 mal 24 Stun - den vor Adam, erſt erſchaffen, erſt aus dem Nichts hervorgerufen, worden? Glaubt ers wirklich: ſo iſt hier der Ort nicht, wo man ihm in Kuͤrze den noͤtigen Unterricht geben kan.

Von der Erſchaffung der Erde weiß die Hiſtorie nichts: nur die Metaphyſik lallt von ihr, wie Hr. H. von Grundesreinigung und Erinnerungsmalen, und wie ich vom Torſo lalle. Aber die letzte Umſchaffung derſelben, oder diejenige große Revolution, da ſie, nachdem ſie vielleicht Myriaden von Jaren ein Ocean geweſen, trocknes, und fuͤr Geſchoͤpfe unſrer Art, (die wir nicht alle ſchwimmen und tauchen koͤnnen), bewonba - res Land geworden, kennt die Tradition im Moſe, Sanchuniathon, Beroſus, und der Orphiſchen Philoſophie, und beweiſen die Urkunden von Muſcheln und Verſteinerun - gen im Jnnerſten der hoͤchſten Berge. Undnoch350[126]noch andre vorhergegangene Umſchaffungen oder Revolutionen des Erdbodens durch Brand und Waſſer, die vielleicht noch laͤn - ger wie die letzte gedauert haben, weiſt uns der Phyſiker augenſcheinlich nach. Auch damals, wie Elefanten in ganzen Horden am Eis-Meer herumzogen, und Amerika - niſche Kraͤuter bei Lyon wuchſen, muß eine andre Erde geweſen ſeyn, als wie ſie neuer - lich ſeit des jungen Adams Zeiten iſt

Doch vielleicht glaubt Hr. H. lieber noch mit Abraham Calovius, (mit dem er doch ſonſt, ſo wenig wie ich, in allen Stuͤcken har - moniren ſoll), daß dieſe Muſcheln und Elefanten, durch Noah’s Suͤndfluth, in ihre heutige Abgruͤnde geſchwemmet worden. O - der er glaubt mit ſeinem lieben Voltaire, daß die Muſcheln erſt von den Pilgrimen aus den Kreuzzuͤgen nach Hauſe gebracht, und in die Europaͤiſchen Alpen verzettelt worden.

Das kan er glauben. Wenigſtens iſt fuͤr ihn die ganze ſchwere Materie von Um - ſchaffung der Erde entberlich: ja er wuͤr - de ſogar unbedaͤchtig und gegen die Paſtoral - klugheit handeln, wenn er beim Predigen oder Katechiſiren davon Gebrauch machenwollte.351[127]wollte. Der gemeine Mann glaubt allzu - gern, daß die Sterngen, die bei heller Nacht da oben am Firmamente flinkern, blos fuͤr ihn da waͤren, wie die Pracht des Dianen - tempels fuͤr Gellerts Fliege. Auch zittert er zuruͤck, ſo bald er von Myriaden Jahren hoͤrt; und meint, beim erſten Schritte jen - ſeits der 6000 Jahre trete man in die Ewig - keit ein ......

Aber mit der Univerſalhiſtorie hat es eine andre Bewandtniß: da finden ſich nicht ſelten Zuhoͤrer ein, die Mineralogie verſte - hen, und bereits Gruben befaren haben, oder ſolches naͤchſtens thun werden. Wenn ich nun denen die ſogenannte Schoͤpfungs - geſchichte auf Caloviſchen Fuß erklaͤre: ſo verachten ſie mich wegen meiner Unwiſſen - heit. Und wenn ich ihnen gar ſage, ſo ſagt Moſe: was fuͤr ſchlimme Folgen kan mein unphyſiſcher Vortrag alsdenn nicht bei gruͤbelnden Koͤpfen haben?

§. 31.

Die Obeliſken und Pyramidenperio - de in Egypten!

Den Ausdruck verſteht Hr. H. wol nicht. Aber was thut man in dem Falle? Manfragt,352[128]fragt, ſtudirt, ſchlaͤgt nach, und faͤhrt nicht zu: das muß nicht wahr ſeyn, daß es in Aegypten eine Obeliſken und Piramyden - Perioden giebt, oder, das muß bloß des lieben Einfalls wegen da ſtehen.

Aegyptens alte Geſchichte lauft 1652 Jahre fort: ihr einer Endpfahl ſteht nicht weit von der Suͤndfluth, ihr andrer ſteht beim Kambyſes. Nun mit Hrn. Herders Erlaubniß ſchlage ich unterwegens, da der Raum ſo gar lang iſt, merere Pfœhle ein. Moͤris und Pſammirich ſind natuͤrliche, und daher auch von vielen andren gebrauch - te, Epochen. Nur weil zwiſchen beiden 700 Jare ſind; ſo ſuche ich zwiſchen ihnen noch einen Pfahl ſchicklich anzubringen. Mir faͤllt kein andrer Teilungsgrund ein, als daß in den letzten 300 Jaren, warſcheinlich nicht fruͤher und nicht ſpaͤter, die beruͤhmten Piramyden, vorher aber ſchon die gleich - falls wichtigen Obeliſken, errichtet wor - den. Da ich nun kurze praͤciſe Trivial-Na - men zu meinen Perioden brauche: ſo nehme ich dieſe Namen von ermeldten beiden Din - gen her. Nun lernt mir noch gelegentlich der Anfaͤnger gleich anfangs zwei Haupt - gegenſtaͤnde der Aegyptiſchen Geſchichte ken -nen:353[129]nen: er lernt zugleich mechaniſch, die bei - den Dinge unterſcheiden, die viele verwech - ſeln: er lernt den Satz, daß Obeliſken aͤl - ter als Piramyden ſind ꝛc. Hat jemand et - was an dieſer Periodirung auszuſetzen, der gebe mir eine beſſere; ich nehme ſie dank - bar an.

Nun wird aber Hr. H. doch noch nicht wiſſen, warum ich Obeliſ ken und Piramy - den fuͤr Hauptgegenſtaͤnde der Aegyptiſchen Geſchichte ausgebe: und fragen will er doch nicht! Hilfft ihm nun ſein guter Boſſuet nicht aus, ſo habe ich zuverlaͤßig in ſeinen Augen abermals Unrecht.

Auch daß ich Aegypten und Piramy - den ſchreibe, hat er entweder gar nicht be - merkt, ſondern iſt daruͤber weggehüpft; oder er haͤlt es fuͤr einen Druckfeler, wie ich ſei - nen Polyp und ſein Bereden.

§. 32.

Hebræer nebſt den Gauren das einzige Volk, deſſen Geſetzgebung und Sitten ſeinen Staat überlebt (und keine Bramanen? keine Scha - manen?)
ZSchama -354[130]

Schamanen kennt Hr. H.? er, der ſei - nem eigenen Geſtaͤndniſſe nach, manche Na - men in meiner Tabelle, die doch alle elemen - tariſch ſind, nicht kennt? Eine unerwarte - te Erſcheinung! wenn er nur nicht wieder eine Schaumblaſe ſiedet.

Schamanen ſind, Hr. H. nehme mirs nicht uͤbel, eine Art von Bettelmoͤnchen und Waldbruͤdern jenſeits dem Ganges. Sie haben nie einen Stat, nie eine Geſetzgebung, ſo wenig als alle Bettelmoͤnche, gehabt. Sehr ungluͤcklich ſetzt ſie Hr. H. mit den Hebraͤern zuſammen: ſehr uͤbel bekommt ihm das Geprænge des Unbekannten; ſo - bel, wie der Torſo dem Verf. der Conſide - rations ſurl Etat preſent de la litterature en Europe*Bloc informe, ſorti des ruines de Torſe, Klo - tzn Acta litteraria III. 1. p. 76.. Noch mer, alt ſind die Scha - manen zwar, denn ſchon Strabo, Klemens, und Porphyr, nennen ſie bei Namen; aber ob ſie ſo alt wie Hebraͤer ſind; ob ihre heu - tige Sitten und Moͤnchs - und Religionsge - ſetze noch ſo viel Uebereinſtimmung mit ih - ren aͤlteſten haben, als die heutigen hebraͤi - ſchen mit den Moſaiſchen: weiß ich ausMangel355[131]Mangel an Nachrichten nicht, und Hr. H. vermutlich noch weniger.

Auch Braminen ſind kein Volk, kein Stat, ſondern eine Secte und Religions - partei. Die Stellen alter Griechen, wo von einer Braminen-Nation geredet wird, und die auch die Rußiſchen Annaliſten kopi - ret haben, kenne ich, und weiß ſie zu erklaͤ - ren. Auch ob die heutigen Braminen zu den uralten ein naͤheres Verhaͤltniß haben, als die heutigen Karmeliter zu denen zu des Propheten Elias Zeiten: weiß ich bis dieſe Stunde nicht.

Bei den Gauren dacht ich mir ſonſt eine eben ſolche Verflechtung der Religion mit der Geſetzgebung, wie bei den Hebraͤern: aber ſeit einiger Zeit bin ich zweifelhaft. Wer Zeit hat, den Hyde und D’Anquetil einige Monate lang durchzuſtudiren, wird die Sache entſcheiden koͤnnen.

§. 33.

Die Ionier ſo gewiß von Iavan?

Ja, Jonier ſind ſo gewiß Javaner (dies iſt mein Ausdruck S. 129: von Javan ſeyn, ſpricht kein Hiſtoriker in einem Com - pendio; das ließe ſonſt, als glaubte er ei -Z 2nen356[132]nen gewiſſen Mann, Namens Javan), als ſich ein Thatſatz aus dem erſten Jahrtau - ſende nach der Suͤndflut nur immer bewei - ſen laͤßt. Jch koͤnnte Hrn. Herdern zwei Hauptſchriftſteller davon citiren: allein es ſind ſchwerfaͤllige Kritiker, keine gute Geſell - ſchaft fuͤr Weghüpfer.

Aber warum zweifelt denn Hr. H. daran? Jch denke, ich errate es. Gleich nachher ſpricht er von Ableitungen. Nun hat er vielleicht einmal gehoͤrt, daß, mit unter den Beweiſen fuͤr die Abſtammung der Jonier von den Javanern, auch der etymologiſche ſtehe, Ιων und[ןוי]waͤren aͤhnliche Namen. Nun meint er wol, daß der ganze Satz auf dieſer Ableitung beruhe. Meint er das?

§. 34.

(Und viel andre Ableitungen mehr).

Wie? Ableitungen haͤtte ich, ſo gar vie - le Ableitungen, in meinem Buche gemacht? das nenne ich in den Tag hinein ſprechen! Entweder Hr. H. gebe mir ein Regiſter von meinen vielen Ableitungen: oder er reibe ſeine Stirne, damit ſie weicher werde.

We -357[133]

Weder etymologiſche, noch geogra - phiſch-hiſtoriſche Ableitungen, ſtehen in meinem Buche. Recht vorſetzlich nahm ich mich, ſelbſt vor den allerwarſcheinlichſten, in Acht. Denn einmal hatte ich den Grund - ſaͤtz, daß in ein ſolches Buch nur ausgemach - te Warheiten kommen muͤßten. Und zwei - tens erwartete ich, daß, weil ich ſonſt ety - mologiſire, man mir hier auf den Dienſt lauern wuͤrde. Dieſe Freude wollte ich kei - nem Laurer machen: aber Hr. H. tappt in die Falle, die ich ihm nicht gelegt hatte.

Es geht mir doch ſonderbar mit meinen Ableitungen. Jn meiner Nordiſchen Ge - ſchichte machte ich einige; ich glaube, am rechten Orte, und ſo vorſichtig, als man immer thun kan. Auch die beſte Ableitung iſt mir nur ein halber Beweis; ſie ſteht und faͤllt mit den Hauptbeweiſen. Nun greift mir Hr. Thunmann meine Ableitun - gen an, haut ſie in die Pfanne, und trium - phirt, und laͤßt mir meine Hauptbeweiſe, oder meine Grundirrtuͤmer, unangeruͤhrt. Mich dauert ſeine verlorne Muͤhe! Greife er doch meine Hauptbeweiſe an: und fal - len dieſe, ſo muͤſſen ſich ihm die halben oh - nehin auf Gnade und Ungnade ergeben. Z 3Hr.358[134]Hr. H. aber ſchilt mich uͤber mein Etymolo - giſiren aus, wo ich nicht einmal etymologi - ſire. Er ſieht Komoͤdie auf meinem Ti - telblatte, er ſieht Vergleichungen zwiſchen Jacob und Inachus, er ſieht viele Ablei - tungen im ganzen Buche: der Seher!

§. 35.

Der Papſt als Pfarrherr, Biſchof, Patriarch, Oberpatriarch, Dalai-La - ma

und wie an andern Orten die Lin - neiſche Nachäffung ſich mehr zeige,

für die Hiſtorie nicht zu geſpielt?

Die beſten Abteilungen in den Staten - geſchichten ſind unſtreitig die genetiſchen, die den ſtuffenmaͤßigen Anwachs und Ver - fall der Staten beſtimmen. Das Paͤpſtliche Reich betrachte ich in der Weltgeſchichte als einen Stat: dieſer faͤngt zwar erſt nach den Franken an, univerſalhiſtoriſch zu werden; allein ich laufe bis an ſeine Wiege zuruͤck, und finde den Monarchen durch vier obbe - meldte Metamorphoſen, wie durch Verhaͤu - tungen, gehen. Hiſtoriſch wahr ſind al - ſo dieſe Gradationen, ich habe ſie aus derWal -359[135]Walchiſchen Geſchichte der Paͤpſte abſtrahirt. Duͤnken ſie dem Hrn. CR. geſpielt zu ſeyn, ſo kan ich nichts dafuͤr: die Natur ſpielt, und ich zeichne ſie, ſiehe oben S. 336.

Oder iſt ihm hier der Ausdruck nicht recht? Fuͤr Pfarrherr lieber Paſtor, fuͤr Patriarch lieber Conſiſtorialpraͤſident? Kan er den Dalai-Lama nicht verdauen? Jch vermute, er kennt den Mann, der Nachbar - ſchaft mit den Schamanen wegen; und be - greift alſo, daß ſich weit und breit kein ſchick - licherer Name auftreiben laſſe, um einen Geiſtlichen zu bezeichnen, der ſich durch den dummſten Aberglauben das Anſehen eines Vice-Gottes, mit allen damit verbundenen Rechten, zu verſchaffen gewußt hat.

Jm Vorbeigehen, oben ſtotterte Hr. H. etwas von Perioden-Theorie; hier tadelt er namentlich eine meiner gemachten Perio - den: warum gab er doch nicht eine einzige Probe von untadelicher Periodirung aus ſei - ner eigenen Fabrike zum Beſten?

§. 36.

Und wie an andern Orten die Lin - neiſche Nachäffung ſich mer zeige,
Z 4Die360[136]

Die andern Orte giebt Hr. H. nicht an; ich muß mich alſo bloß an den gegenwaͤrti - gen, die Periodirung des Paͤpſtlichen Rei - ches, halten. Alſo wem eine genetiſche, aus der Natur der auf einander folgenden Begebenheiten herausgenommene Abteilung gelingt, der æfft Linné nach: oder welches wol einerlei iſt, der iſt Linnés Affe? Noch Linneiſcher, wie ich, teilt Florus die Roͤmiſche Geſchichte ab: alſo iſt Florus Linnés Affe? Haͤtte Hr. H. den Batteux uͤberſetzt, er haͤt - te alſo Dichter Maler und Taͤnzer Affen der Natur genannt. Notoriſch ahmt er Hrn. Hamann im Style nach: wie hieße er da in ſeiner eigenen Sprache? .... Jn gegenwaͤrtiger Recenſion ſind einige charak - teriſtiſche Zuͤge, wo er den Abbé macht: wie hieße er da in ſeiner eigenen Sprache? ..

Der Hr. Conſiſtorial Rath noͤtigt mich, ihm hier unter vier Augen eine Erinnerung zu geben, die ſonſt nur fuͤr die niedrigſte Klaſſe von Recenſenten noͤtig war. Er ſuͤn - digt allzugrob und allzuoft gegen das, was man Lebensart und gute Sitten nennt, iſt plump in ſeinen Ausdruͤcken, hat gemei - ne Schimpfwoͤrter an ſich, und ſcheint gar kein Gefuͤhl vom Decoro zu haben, das ihmgleich -361[137]gleichwol ſein Stand eines renommirten Ge - lerten, eines Belletriſten, und eines Geiſt - lichen, dreifach zur Pflicht macht. Kan man nicht einen andern, dem man ein un - angenemes Stuͤndlein machen will, haͤmiſch und boshaft recenſiren; und gleichwol aus Achtung gegen das Publicum, oder gegen ſich ſelbſt, um nicht ſelbſt eckelhaft zu wer - den, eine gewiſſe Zaͤrtlichkeit gegen den aͤuſ - ſeren Wolſtand beobachten? Haͤtte er mir die Vorwuͤrfe von Rauberei, Bereden, Nach - æffen, nicht eben ſo ſtark in weit geſchliffenern Ausdruͤcken machen koͤnnen? Vielleicht haͤt - ten ſie um ſo viel eher beim Leſer gehaftet, und das war doch Hrn. Herders Abſicht. Doch ſeine Ungezogenheit beſteht nicht bloß in ſchlechten Woͤrtern, die ihm ſo von ungefer entfaren: hier ſind einige Proben von andrer Art.

Einmal, er ſagt dem Gattererſchen hi - ſtoriſchen Inſtitut eine beleidigende Grobheit vor. Vermutlich glaubte er, daß auch ich Mitglied dieſes Jnſtituts waͤre: allein dar - inn irrt er ſich. Waͤre es aber ſo: ſo weiß Hr. H. doch, daß ſein eigener gnaͤdigſter Landesherr dieſem Jnſtitut die Ehre erwie - ſen, von demſelben ein Diplom als MitgliedZ 5anzu -362[138]anzunemen. Und dieſer einzige Umſtand ſchon haͤtte einen Mann von Welt und Sitten, entweder zu einer ehrerbietigeren Sprache, oder doch zum Stillſchweigen, ge - bracht.

Zweitens, er bittet meine Zuhoͤrer, (die ihm uͤberhaupt ſehr am Herzen zu liegen ſcheinen), meine Vorſtellung, die ich, was die Summarien betrift, einen Leitfaden fuͤr ſie genannt habe, als Leitfaden nirgends zu ſtark anzufaſſen*Gleich nachher nennt er dieſen meinen Leitfaden ein Krausgewinde, und klagt ſehr daruͤber. Jn einer niedlichen altdeutſchen Fabel, die Hr. H. ganz kuͤrzlich publiciret hat, klagt gleichfalls S. 55 ein Kunſtrichter: Du machſt mirs kraus, Ich kans in Kopf nicht bringen. . Dieſe Erinnerung findet wol die Brabanter Nonne gegen den Matroſen noͤtig, der ihre Spitzen wie Tau - werk anpackt: aber einem goͤttingiſchen Pro - feſſor koͤmmt kein Valentinianus Funarius ins Collegium.

Drittens, er nennet meine Zuhoͤrer Schüler und Kinder. Kaͤme Hr. Herder, wie Baretti, von Cervera her, wo Schul - knaben Straſſenjungen und Studenten Sy - nonyma ſind: ſo wuͤrde er hier keine Ungezo -genheit363[139]genheit, ſondern nur eine Unwiſſenheit, be - gangen haben. Aber wie er die Recenſion meines Buches machte, kam er ſo eben von Goͤttingen her, und mußte alſo notwendig wiſſen, daß das Wort Zuhoͤrer in Goͤttingen, ſo wie auf allen deutſchen Univerſitaͤten, eine ganz andere Bedeutung als in Spanien und Frankreich habe. Denn nicht zu gedenken, daß es hier in Goͤttingen gar nicht nugewoͤnlich iſt, daß ein Profeſ - ſor bei dem andern ein Collegium hoͤrt, oder deſſen Zuhoͤrer wird: ſo ſind die Fremden, die ſich der Vorleſungen wegen hier einfin - den, keine Kinder, ſondern erwachsne Leu - te, oft aͤlter wie ihr Docent; und unter die - ſen Fremden, die freilich in der Univerſitaͤts - Sprache alle Studenten heiſſen, ſind wirk - liche Kammerherren, auswaͤrtige Profeſſo - ren, Hofraͤthe, Raͤthe, Oberofficiers, und dergl. Nun begreift doch wol Hr. H., daß Zuhoͤrer von der Art von niemand anders als von ihm Schüler und Kinder betitelt wer - den koͤnnen; daß Leute von der Art ſo wenig Objecte der Paͤdagogik, als Conſiſtori - al-Raͤthe, ſind; und daß folglich gegen dieſe keine pœdagogiſche Treue, die er an meinem Buche vermißt, Statt finde.

Ver -364[140]

Vermutlich iſt der geneigte Leſer neugie - rig, die Urſache zu wiſſen, warum ſich der Hr. CR. ſo ungebuͤhrlich gegen meine Hrn. Zuhoͤrer auffuͤhre, die ihn doch wol ſo wenig, wie ich, jemals beleidiget haben? Ein gemeiner Recenſentenkniff ſteckt dahinter. Mein Buch iſt, meinem eigenen Geſtaͤndniſſe nach, fuͤr meine Zuhoͤrer ge - ſchrieben; ſind nun meine Zuhoͤrer Schüler und Kinder, ſo iſt folglich mein Buch ein Elementarbuch; und da es faſt alle Eigen - ſchaften nicht hat, die ein Elementarbuch haben muß, ſo kan nun Hr. H. mit Recht ſeufzen, klagen, und fragen:

So viel wir gerne zugeben, daß in die - ſer Schrift Gedachtes und Nützliches ſei : wo aber pœdagogiſche Treue? Zweck und Würde eines akademiſchen Lerers? Soll der für ſeine Zuhörer! Schüler! Kinder! ſo glänzen wollen?

Aber wenn ich nun Hrn. Herdern ſagte: ein guter Katechismus muß in Frag und Ant - wort ſeyn; es muß kein Endpfahl, kein perlendes Krausgewinde, kein Luftſchwär - mer, noch weniger eine grobe Unwarheit, oder ein pöbelhaftes Schimpfwort, darinnen ſtehen. Alle dieſe Eigenſchaften felen demgedruck -365[141]gedruckteu Auffatze, den ich bisher analy - ſiret habe: wo iſt katechetiſche Treue? Zweck und Würde des Katecheten! ſoll der. Doch ehe ich ausgefragt haͤtte, wuͤrde mir Hr. H. zurufen: ich recensire hier, und katechisire nicht.

Wie wird es meiner Probe Rußiſcher Annalen ergehen, wenn Hr. H. ſie einſt nach den Regeln eines Elementarbuchs pruͤft! Wie ſeinen verſprochnen chriſtlichen Dithyramben, wenn einer ſeiner Collegen ſie wie eine Dogmatik recenſirt?

§. 37.

Bei allem aber zeigt ſchon die Länge unſrer Recenſion, daß wir das Buch beträchtlich halten.

Jch danke.

Siehe oben S. 250.

§. 38.

Und eben deswegen haben wir die Feler eines Autors, der mer als eitel werden ſollte, freier gerügt.
Hr.366[142]

Hr. H. iſt ein wolmeinender Mann: auch dafuͤr danke ich. I. Dunkel giebt er mir zu verſtehen, daß ich entweder bereits eitel ſei, oder doch in Gefar ſtehe, es naͤch - ſtens zu werden. II. Beſcheiden haͤlt er ei - ne Recenſion, wie die ſeinige, fuͤr ein Praͤſer - vatif gegen dieſes Uebel. III. Wolmeinend applicirte er mir dieſes Praͤſervatif.

§. 39. Erſtlich,

Jch waͤre eitel, meint Hr. H. Nun ſo zeige er mir Eine Stelle in meinem gan - zen Buche, wo auch nur ein Haͤkchen waͤre, an die er ſeine Laͤſterung aufhaͤngen koͤnnte! Nur verbitte ich, daß er mir, in unſchuldige Stellen, nicht erſt durch ſeinen Commentar Ei - telkeit hineintrage, wie er bei dem Woͤrtgen ſeiner S. 240 gethan: mit dieſer Logik koͤnn - te man ihm ſonſt jeden Faden, den er am Leibe traͤgt, zur Urkunde ſeiner Eitelkeit de - monſtriren. Auch muß er es nicht Eitel - keit und Geprænge nennen, daß ich in mei - ne Tabellen ihm unbekannte Namen ge - bracht: denn da bin ich nicht eitel, ſondern er iſt unwiſſend und eitel zugleich S. 333.

Widerſinnig iſt es immer, daß mir Hr. H. hier Eitelkeit vorruͤckt, da er mich anders -wo,367[143]wo, wegen meiner nach ſeinem Begriffe zu großen Beſcheidenheit, derbe aushoͤhnt. Jch ſoll den Plan meiner Univerſalhiſtorie nicht erſt dem Kenner vorweiſen, ich ſoll uͤber deſſen moͤgliche Verbeſſerung nicht erſt Stimmen aus dem Publico ſammlen, ich ſoll die Ausfuͤhrung deſſelben nicht nonum in annum premere; ſondern nun gleich, friſch von der Fauſt weg, eine Univerſalhi - ſtorie ſchreiben.

§. 40.

Jch leſe mein Buch nochmals von An - fang bis Ende durch, um Stellen zu finden, auf die Hr. H. ſeinen mir gemachten Vor - wurf von Eitelkeit mit einigem Schein des Rechtens bauen koͤnnte: und finde keine.

Jch leſe nochmals ſeine ganze Recenſi - on im Zuſammenhange durch, um wenig - ſtens eine Spur zu finden, worauf er die - ſen Vorwurf gebauet haben moͤchte: und finde endlich eine, wo ich nicht irre. Mein Jdeal, oder die 7 erſten Bogen meines Buͤch - leins, ſind ein Univerſitaͤts-Compendi - um; ſie ſind fuͤr Kinder und Schuͤler geſchrieben; ſie ſind eine Rede, die ich von dem Lehrſtul gehalten: das ſetzt nun ein -mal368[144]mal Hr. H. trotz alles Augenſcheins, trotz aller meiner Proteſtation in der Vorrede, voraus. Nun aber iſt der Styl darinnen nicht compendienmaͤßig: logiſche Saͤtze ha - be ich manchmal hinten mit einem Fragzei - chen geſetzt; 3 oder 4 Saͤtze habe ich manch - mal in Einen zuſammengezogen; und uͤber - haupt habe ich geſucht, die Magerheit und Dürre zu vermeiden, die Hr. Herder an den deutſchen Compendien lobt oder tadelt? Daruͤber hat Hr. H. ſeinen Gram; er nennt meinen Styl bloße declamation, gar fran - zöſiſche Declamation: und nun iſt freilich der Vorwurf, daß man glänzen wolle, oder der Verdacht der Eitelkeit, nicht mer weit.

Hier ſind Hrn. Herders grobe Worte:

Die erſten Capitel, Begriff der all - gemeinen Weltgeſchichte! Zuſammen - hang der Begebenheiten! ſynchroniſti - ſche Anordnung, und im ganzen Ver - folg alle Stellen, die es nur einiger mas - ſen werden konnten, ſind bloße Decla - mation geworden, und in ſo lautem ge - ſtikulirenden Ton, daß man ſich wun - dern ſollte, wie das der Grundriß zu ei - nem academiſchen Collegio, und Grund - riß zur ſtrengſten Wiſſenſchaft, der Hi - ſtorie , ſeyn ſolle

Wo369[145]

Wo pœdagogiſche Treue? Zweck und Würde eines academiſchen Lehrers? Soll derfür ſeine Zuhörer! Schüler! Kin - der! ſo glœnzen wollen? Antitheſen ſuchen, und Schaumblaſen ſieden, und Linſenkörner ſpieſen ſoll ers? lohnts der Mühe? iſts nützlich und würdig?

Wir Deutſche haben bisher den Vor - zug gehabt, daß unſre Lehrbücher bei aller Magerkeit und Dürre, wenigſtens Richtigkeit, Beſtimmtheit gehabt haben, an der dem Lehrlinge auch gewiß am meiſten gelegen iſt.

Die Academie, auf der der Verfaſſer lehrt, hat dieſen Vorzug vorzüglich, und hat als Lehrbücher betrachtet, in den meiſten Wiſſenſchaften die beſten ih - rer Art.

Iſt die franzöſiſche Declamation nach dieſem Schnitte eine nützliche Neuigkeit? gewinnen oder verlieren unſre Lehrſtüh - le, wenn ſie ſtatt Vorleſungen Reden, und ſtatt Lehrbücher zierliche Feuerwer - ke von Luſtſchwærmern bekommen?

Und nun wie anders, wenn aus dieſen Capiteln Declamation, Capitel voll Facta und Geſchichte (etwa im Ton Tacitus, der doch auch kein Barbar war) gewor - den wæren wie anders! aber auch wie ſchwerer! wir nemen den Verfaſſer ſelbſt zum Zeugen, wie ſchwerer .

Nun iſts ja aber ein zu alter Kunſtgriff, daß wenn der Kleinmeiſter dem GeſpræchA anicht270[146]nicht zu ſtehen weiß, er weghüpfet, die Bulerin ihr Schminkpflæſterchen eben nicht auf den Ort eines Reizes, ſondern einer Blaſe einer Narbe legt, und der Profeſſor gewiß am liebſten declamirt, wenn er nicht lehren will, oder kan, oder mag was weis ich?

Und hier ſind meine kalte Antworten. Doch vorher frage ich noch: was iſt De - clamation? iſt mein Buch ein Compendi - um? muß der Profeſſor gerade uͤber ein Compendium leſen? declamire ich in mei - nem Buche?

I. Aus Roth teile ich allen proſaiſchen Styl der Welt in zwei Klaſſen ein: Com - pendien-Styl, und Nichtcompendien - Styl. Mein Buͤchlein beſteht aus zwei Teilen: 1) den Summarien; die ſind nichts als Mſct fuͤr meine Zuhoͤrer, 2) dem Jdeal; das war hauptſaͤchlich fuͤr Ken - ner der Wiſſenſchaft uͤberhaupt, dann be - ſonders fuͤr einige meiner Hrn. Collegen, denen ich zufaͤlliger Urſachen wegen eine Art von Rechenſchaft uͤber die Einrichtung mei - ner univerſalhiſtoriſchen Vorleſungen ſchul - dig war, und nebenher zugleich mit fuͤr meine Zuhoͤrer. Jn den Summarien iſt Compendien-Styl, das behaupte ich: imJdeal371[147]Jdeal iſt Nichtcompendien-Styl, das geſtehe ich.

II. Bei Univerſitaͤts-Collegien muß nicht allemal ein Compendium in eigentlichem Compendienſtyl zum Grunde gelegt werden. Man lieſt auch uͤber ein Programm, uͤber den Eſprit des Loix, uͤber die Jliade, uͤber den Tacitus de Moribus Germanorum &c. (Hier ſei nur Hr. H. wegen ſeiner falſchen Jmagination auf der Hut, damit er nicht wieder etwa ein falſches Tertium comparatio - nis ertappe, oben S. 343). Haͤtte Hrn. Herders Abhandlung uͤber den Urſprung der Sprache die uͤbrigen weſentlichen Eigenſchaf - ten einer guten Abhandlung (Wahrheit, Be - ſtimmtheit, und Neuheit der Jdeen): ſo wuͤrde kein Univerſitaͤtsdocent Anſtand ne - men, ſie bei Vorleſungen uͤber dieſe wichti - ge Materie zum Grunde zu legen; wenn ſie gleich nichts weniger als im Compendien - ſtyl geſchrieben, und folglich nach Hrn. Her - ders Begriffe kein Lehrbuch, iſt.

III. Bei meinem Jdeal hatte ich folgen - de Abſicht auf meine Zuhoͤrer. Weitlaͤufti - ge Prolegomenen ſcheue ich bei meinen Vor - leſungen; aber ganz ohne Prolegomenen durf - te ich die Weltgeſchichte nicht leſen. JchA a 2mußte372[148]mußte meinen Zuhoͤrern wenigſtens ſagen, was ich zu dieſer Wiſſenſchaft rechnete, und warum ich es dazu rechnete: warum ich umſtaͤndlicher bei der Geſchichte des Feu - ers und Geldes, als bei den Namen der Patriarchen und Roͤmiſchen Kaiſer, waͤre: ſie haͤtten ſonſt glauben koͤnnen, ſie lernten bei mir das gar nicht, was man ſonſt Uni - verſalhiſtorie nennt. Nun uͤber dieſe Pro - legomenen, die mir ſonſt 3 Wochen Zeit verdarben, arbeitete ich den unter dem Namen Jdeal gedruckten Aufſatz aus: 10 Stun - den handle ich jetzo noch im Collegio davon, dann verweiſe ich auf die gedruckten 7 Bo - gen. Kinder und Schüler habe ich nicht zu Zuhoͤrern: viele verſtehen die gedruckten Prolegomenen ſchon ohne alle Vorbereitung; die uͤbrigen verſtehen ſie gewiß, nachdem ſie den 10ſtuͤndigen Discurs angehoͤret ha - ben. Und nun, da mir Hr. H. den 2ten Teil meiner Vorſtellung abgenoͤtiget, das iſt, da er mich gezwungen hat, einiges aus dem Commentar uͤber mein Jdeal, den ich ſonſt fuͤr den Druck zu geringe hielt, drucken zu laſſen, komme ich kuͤnftig ſtatt 10 mit 6 Stunden ab. (Hr. H. laͤchelt doch nicht uͤber mein karges Stundenzaͤhlen?

IV. Mein373[149]

IV. Mein Jdeal iſt nicht in Compen - dien-Styl: was thut das? Schreibe mir doch ein Schoͤner Geiſt eine Univerſalhiſto - rie ſo ſchoͤn wie Uſong und den goldnen Spie - gel: ich daͤchte, es lieſſe ſich mit großem Nu - tzen daruͤber leſen. Der Anfaͤnger ſchluͤge z. Ex. darinn das Buch von alter Aegypti - ſcher Geſchichte auf, und verſtuͤnde nichts: nun hoͤrte er aber 14 Tage lang den Docen - ten, mit ſteter Ruͤckſicht auf jenes gedruckte Buch, von Aegypten plan und methodiſch ſprechen; nun kehrte er zu dem Buche zuruͤck, und verſtuͤnde alles, klaubte Saͤtze aus einzelnen Beiwoͤrtern heraus, merkte die verſteckten Anſpielungen, begriffe die einge - webten Raiſonnemens, und genoͤße dabei das Vergnuͤgen eines Erfinders. So eine Univerſalhiſtorie waͤre kein Lehrbuch, wenn Compendienſtyl einem Lehrbuche notwendig iſt: aber wuͤrde es deswegen Hr. H. ein zier - liches Feuerwerk von Luftſchwœrmern nen - nen?

V. Nichtcompendien-Styl und De - clamation ſind nicht Synonyma. Raͤu - me ich alſo gleich Hrn. Herdern ein, daß die Haͤlfte meines Buchs nicht in Compen - dien-Styl geſchrieben ſey: ſo fodere ich ihmA a 3doch374[150]doch noch den Beweis ab, daß ich darinnen declamire. Meiner Meinung nach liegt das Weſen des Declamirens nicht im Ge - brauche der Figuren, nicht in ungewoͤhnli - chen kraͤftigen koͤrnichten Woͤrtern, nicht im Schmucke des Ausdrucks, nicht im Gedren - ge einzelner Jdeen: ſondern darinnen, wenn unter den helltoͤnenden Woͤrtern entweder gar keine, oder falſche, oder wahre aber nur all - taͤgliche Gedanken ſtecken, oder zwar einzel - ne wichtige und neue Jdeen, die aber am un - rechten Orte ſtehen, und zuſammen geſcho - ben einen Nonſenſe machen. Das faßlichſte Beiſpiel hievon giebt Hrn. Herders Endpfahl oben S. 237. Auch paßt dieſe Definition treff - lich auf deſſen Abh. vom Urſprung der Spra - che. Drei Kenner haben bisher unter der Huͤlle ſeiner Bombaſte Jdeen, neue Jdeen, wahre Jdeen geſucht, und ihm bereits drei oͤffentliche Non-Recepiſſe daruͤber ausgeſtellt. Andre aber lieſſen ſich vors erſte von dem Geraͤuſche der ſchallenden Worte betaͤuben, und ſuchten gar nicht, oder konnten nicht ſu - chen, oder wollten nicht was weiß ich?

VI. Suche nun Hr. H. in allen meinen Stellen, die nicht compendienmaͤßig ſind, un - ter der Huͤlle ſolcher Worte, die ihm ſchwer -faͤllig375[151]faͤllig ſcheinen, nach, ob Jdeen darunter lie - gen, und was fuͤr welche? Doch er hat ſchon geſucht, und nichts gefunden, folglich declamire ich auch ? Um Vergebung, es giebt eine Kunſt zu ſuchen, die Hr. H. erſt lernen muß. Wenn ich in der beſten chy - miſchen Abhandlung, ſogar mit Sorgfalt, Jdeen ſuche: ſo finde ich keine. Nun doch Geſchichtkunde fuͤr ihn, was fuͤr mich Chy - mie!

VII. Das war Ein Paralogismus: wer in Nichtcompendienſtyl ſchreibt, und in ei - ner Hrn. H. voͤllig fremden Sache ſo ſchreibt, daß Hr. H. nichts bei ſeinen Worten denken kan, der declamirt . Nun kommt ein zwei - ter: wer in ſolchem Nichtcompendienſtyl, das Sujet mag ſeyn, wie es will, nicht Facta und Geſchichte anbringt, der decla - mirt . 1) Jch will hoffen, Hr. H. redet blos von meinem Jdeal: denn daß es in den Summarien an Factis und Geſchichte fele, das wird er doch nicht meinen? Das hieße doch wirklich, vor den vielen Baͤumen den Wald nicht ſehen koͤnnen. 2) Ein Jdeal von Welthiſtorie iſt eine theoretiſche Abhand - lung, wie eine Welthiſtorie geſchrieben wer - den ſoll; nicht die Welthiſtorie ſelbſt. AusA a 4die -376[152]dieſem Jdeal moͤchte Hr. H. lieber Capitel voll Facta und Geſchichte etwa im Tone Ta - citus haben. Moͤchte er nicht auch einen Katechismus etwa im Tone Tacitus; oder eine Dithyrambe, die aus lauter Ka - piteln voll Facta beſtuͤnde? K. Johann V von Portugall ließ ſich in Rom einen Riß zu ſeinem Matra machen. Ein Bote brach - te den Riß in der Taſche: wie anders, ſagte ein Portugieſiſcher Herder, wenn der Mann Steine und Kalk, oder das ganze Gebæude fertig, mitgebracht hætte (etwa wie die En - gel das Haus von Nazareth); wie anders! aber auch wie ſchwerer! wir nemen den (tragenden) Boten ſelbſt zum Zeugen, wie (phyſiſch) ſchwerer! *Daß mir doch Hr. H. nicht verzeihen kan, daß ich bloß ein Jdeal, einen Plan, ei - nen Riß gemacht habe, und nicht lieber das ganze Gebaͤude (ſ. oben S. 283)! Ma - chen dann nicht andre Leute auch Jdeale, und niemand ſchmaͤhlt auf ſie, wie Hr. H. auf mich. Eben leſe ich einen beruͤhmten Schriftſteller, der ſchon vor 6 Jaren den Plan zu einer pragmatiſchen Geſchichte der Litteratur entworfen, aber ihn noch nicht ansgefuͤhrt hat, auch nicht einmal verſpro - chen, daß er ihn ausfuͤhren wolle, und daſein 3) Da wo inmei -377[153]meinem Jdeal Facta als Beiſpiele anzubrin - gen waren, oder angebracht werden mußten,da*ſein Plan nur 4 Blaͤtter (eigentlich nur 1 Seite, die ſchoͤnen Phraſes und Similia abgerechnet) fuͤllt, auch gar keinen Ver - dacht von ſich erreget, daß er ihn ausfuͤh - ren koͤnne. Dieſer Schriftſteller braucht ſo gar die Ausdruͤcke: jetzt mache ich den Riß zu dem Gebæude Dies alles zeige ein Kunſtrichter im Plan, der Ge - lerte übe es aus Ich ſehe ſelbſt die Schwierigkeiten ein, die dieſen ſchönen Plan, im Lehnſtul ausgeheckt, ſchwer genug machen; allein unmöglich iſt er nicht Sind das nicht Zeugniße, daß man mit allen Ehren Plane machen koͤnne, und mit dem Ideale wegſchwimmen, und gar geſtehen duͤrfe, daß man deſſen Ausfuͤhrung nicht gewachſen ſei? Nun rathe, lieber Le - ſer, wer iſt der Schriftſteller, der mit mir in Sachen, das Planmachen betreffend, ſo ein - foͤrmig, und von dem Verf. der hier ana - lyſirten Recenſion ſo verſchieden, denkt? Es iſt Hr. Herder ſelbſt, in den Frag - menten S. 7 und 13. Es verlohnte ſich der Muͤhe, dieſe Frag - mente von Anfang bis zu Ende mit dieſer Recenſion zu confrontiren, und die geſun - den Lehren dort, mit den ungeſunden Handlungen hier, auf zwo Kolumnen neben einander, zu vergleichen. Doch ich will esA a 5nicht378[154]da liegen ſie dichte auf einander. Aber was kan ich dafuͤr, daß ſie Hr. H. wieder nicht finden konnte? Er lieſt mir z. Ex. in mei - ner Vorſtellung S. 36:

Rom faͤllt, wie Bagdad und Kai - ro , durch fremde Mietſoldaten. Hlo - dowichs Reich ermattet, wie die Staten Mohaͤmmeds und Dſchinkis Chans , durch Major Domus , Weßire , und Novianen . Der Papſt , der Chali - fe , der Dairo , und der Dalai La - wa , ſind bloß verſchiedene Arten ein und eben derſelben Gattung.

Hier ſind doch Facta, und zwar viele in engen Raum gepreßt: folglich nicht Declamation. Warum griff ſie Hr. H. nicht? entweder weil in meiner Vorſtell. die langen Striche fe - len, die manchmal fuͤr die Weghüpfer Fuß - angeln ſind, um ſie zum Stehen zu brin - gen; oder weil er die ganze Materie nicht verſteht. Jch leſe in einer ſehr guten Diſ - putation die Stelle:

Zinci cryſtallorum cum aceto præpa - ratarum drachmae tres deſtillationi in re -torta

*nicht thun: ein Commentar von der Art uͤber das Dicunt & non faciunt muͤßte ei - nem Prediger zu empfindlich ſeyn, oder ſeiner Gemeine wenigſtens ein zu großes Aergerniß geben.

379[155]torta vitrea commiſſae, ab initio quas - dam aceti puri guttulas dimittebant; li - quor poſtea tranſcendit pondere drachmae ſemis circiter, magis magisque dulceſ - cens, atque empyreuma parum olens; eodem tempore ſublimati quidquam ſub ſorma florum in collo retortae conſpicie - batur.

Mir gehts mit dieſer Stelle gerade ſo, wie es Hrn. Herdern mit den meinigen geht: ich verſtehe nichts von, denn ich bin kein Chy - miker. Aber ich bin Gottlob! des Schluſſes nicht faͤhig, daß der mir unverſtandne Auctor nur declamire, Schaumblaſen ſiede, Linſen - körner ſpieſe.

VIII. Jm Tone Tacitus kan ich nicht ſchreiben: wer kann das? Auch laſſen ſich dogmatiſche Abhandlungen, wie Jdeale, ih - rer Natur nach nicht in deſſen Tone ſchreiben, ſondern nur Hiſtorien: Lebenslaͤufe wol, aber nicht Leichenpredigten. Nur eine Eigenſchaft des Schriftſtellers Tacitus laͤßt ſich bei allen Gattungen von Aufſaͤtzen anbringen, die Gedrungenheit. Mein Styl kan alle moͤg - liche Fehler haben, die Hr. H. nur erſinnen kan: aber ſollte unter dieſen Felern auch Weit - ſchweifigkeit und Jdeen-Leere ſeyn? Uebrigens iſt Tacitus wirklich kein Barbar. ich380[156]ich danke Hrn. H. fuͤr die Belerung: etwas aͤhnliches hatte ich ſelbſt ſchon in meiner Nordiſchen Geſchichte S. 147 geſagt. Zur ſchuldigen Gegenbelerung habe ich die Ehre, Hrn. H. zu melden, daß Homer kein Dummkopf, und Anakreon kein Barden - ſaͤnger, ſei.

IX. Hr. H. ruͤhmt an unſern deutſchen Compendien, daß ſie bei aller Magerkeit und Dürre wenigſtens Richtigkeit und Beſtimmt - heit gehabt, an der dem Lehrlinge auch ge - wiß am meiſten gelegen wäre. Aber 1) kan dann nicht auch in fetten Compendien Richtigkeit und Beſtimmtheit ſeyn? Kan nicht in einem fetten Koͤrper eine richtig denkende Seele wonen? Umgekehrt giebt es doch auch magre und duͤrre Compendia, mit ſehr viel Unrichtigkeit und Unbeſtimmtheit. Mich deucht, ich hoͤre hier einen alten Wolfianer ſprechen, der der Philoſophie und dem Men - ſchenverſtande nahen Untergang weiſſagte, wie man anfieng, Moral und Metaphyſik in andrem als Wolfianiſchem Styl vorzu - tragen. 2) Jch habe bei meinem Aufſatze Magerkeit und Dürre zu vermeiden geſucht: es iſt moͤglich, daß ich daruͤber in entgegen geſetzte noch unausſtehlichere Feler gefallenbin;381[157]bin; dieſe Feler koͤnnen da ſeyn, und doch der Richtigkeit und Beſtimmtheit der Sachen unbeſchadet. Den Mangel der leztern haͤt - te alſo Hr. H. noch beſonders durch Beiſpie - le erweiſen muͤſſen. Endlich 3), was ich ſchon ſo oft erinnert habe, ein Compendium, ein Grundriß, iſt mein Jdeal nicht, und ſoll es nicht ſeyn, ſo wenig als ein Elemen - tarbuch.

X. Hr. H. glaubt, unſre Lehrſtühle würden verlieren, wenn ſie ſtatt Vorleſun - gen Reden bekämen. Das glaub ich auch. Aber meint dann Hr. H., ich haͤtte mein Jdeal vom Lehrſtuhle abgeleſen? Unſre Ka - techiſir-Altaͤre wuͤrden verlieren, wenn man ſie mit Endpfählen (S. 237) verpalliſadirte, und der Paſtor in Herderſchem Recenſenten - Phoͤbus herausdocirte: aber ich denke nicht, daß Hr. H. ſo katechiſirt, wie er recenſirt.

XI. Wenn der Kleinmeiſter dem Geſprä - che nicht zu ſtehen weiß; ſo hüpft er weg. Das iſt der Kleinmeiſter in der Perſon des Docenten. Aber es giebt auch einen Klein - meiſter in der Perſon des Zuhoͤrers, Leſers, und Recenſenten: wenn der ſeinen Lerer oder Auctor nicht faſſen kan, ſo hüpft er gleich - falls weg. Der Auctor will mit Richtigkeitund382[158]und Beſtimmtheit den Deſpotism beſchrei - ben, und ſagt:

Quand les Sauvages de la Louiſiane veu - lent avoir du fruit, ils coupent l’arbre au pié et cueillent le fruit,

und nichts weiter. Nun hüpft er weg? Nicht doch, der Auctor bleibt ſtehen, und denkt weiter, und verlangt, daß auch ſein Le - ſer weiter denken ſoll: aber der Kleinmeiſter unter ſeinen Leſern, deſſen Sache das Wei - terdenken nicht iſt, verſteht ihn nicht, zieht aus, und trillert im Weghuͤpfen, und ſagt den Leuten wol gar, nicht Er ſondern ſein Auctor ſei weggehüpft.

XII. Ob unter dem Schminkpfläſter - chen einer Bulerin immer eine Blaſe oder Narbe liege, ob es nicht manchmal auch auf einem Orte des Reizes angebracht ſei, daran zweifle ich: doch wage ich es nicht, dem Hrn. Conſiſtorial-Rathe hierinne zu wider - ſprechen. Das moͤgen Leute entſcheiden, die in dieſer Art von Grundesreinigung Einſich - ten und Erfarung haben. Aber Beſtimmt - heit fehlt ſeinem Bilde gewiß: ich will ſie in wenig Worten ergaͤnzen. Eine Geſchich - te in Compendienſtyl iſt die ehrbare Ma - trone. Eine Geſchichte in Moͤnchsſtyl iſtder383[159]der Aſchenbuͤdel; ein ganz nuͤtzliches zuͤch - tiges Ding, aber nur ein Aſchenbuͤdel. Eine Geſchichte voll Declamation, Bom - baſt, und Flitterwerk, iſt die Bulerin mit den Schminkpflaͤſterchen. Eine Geſchichte in wirklich ſchoͤnem Styl, Voltairiſch-ſchoͤn und Maſcouiſch-richtig, iſt das Schnitter - mädchen des Himmels. So ein niedliches hiſto - riſches Schnittermaͤdchen kenne ich nun frei - lich noch in keiner Sprache: aber moͤglich iſt es doch. Und meine ganze Bitte iſt, daß Hr. H. dem Linne nach ahme, und im Klaſ - ſificiren keine Spruͤnge thue, keine Glieder auslaſſe: ſo wie er gleich darauf ſich beim Profeſſor nur lehren (im Compendienſtyl ſchreiben) und declami ren denkt; zwiſchen welchen beiden Dingen doch wenigſtens Ein Drittes in der Mitte liegt.

XIII. Es iſt nicht moͤglich, daß Hr. H. dieſes Dritte nicht kennen ſoll. Wenn ich nun alles zuſammen neme, was er hier in einem Odem weg declamirt, im eigentlichſten Verſtande declamirt; wenn ich aus ſeinen Nonſenſen wenigſtens ſeine Abſicht, und was er auf dem Herzen hat, ergruͤnden will: ſo duͤnkt mir ſeine Meinung dieſe zu ſeyn, die mir zugleich auf einmal die Urſache allesauf384[160]auf mich geworfenen Verdachtes der Eitel - keit aufſchließt. Er will einmal nicht, daß ein Hiſtoriker anders als im Annalen - und Compendienſtyl ſchreibe: Facta ſoll er gibeo - nitiſch zuſammenſchleppen, und die Anord - nung, den Schmuck, die gefaͤllige Einklei - dung derſelben, den Schoͤnen Geiſtern und Herders uͤberlaſſen. Das ſind allein die Leu - te von Geſchmack und Genie; die muͤſſen ein ausſchlieſſendes Privilegium haben, je - ner ihre geiſtloſe Compilationen zu verarbei - ten, und im weichen Lehnſtule Betrachtun - gen daruͤber anzuſtellen, wie Abbt mit der Compilation der Engliſchen Weltgeſchichte vorhatte. Jeder bleibe alſo bei ſeinem Fa - che: der Weſtfaͤlinger ſpinne Garn, und der Niederlaͤnder verwebe es; der Spanier ziehe Wolle, und der Britte mache Laken draus; der Hiſtoriker ſchleppe Facta zuſam - men, ganze Capitel voll Facta, und Hr. Herder verarbeite ſie zu ſchoͤnen Geſchichten. Es iſt wider alle gute Polizei, die Staͤnde und Narungsarten unter ſich, den Dorfhan - del mit dem Stadthandel, zu vermengen. Der Flachsbauer, der Schaͤfer, der Hiſtoriker, vielleicht der Profeſſor uͤberhaupt, bleibe bei ſeinem Productenhandel: zum Manufactu -riren385[161]riren ſind andre Leute da. Jſt das Hrn. Herders Meinung, will ers, ſoll ers, iſts nützlich und würdig?

§. 41.

Das war alſo meine Eitelkeit! Weil ich mein Jdeal nicht in Compendienſtyl geſchrie - ben habe: ſo hab ich nur glänzen wollen, nur declamirt, und ſtatt eines Lehrbuchs ein zierliches Feuerwerk von Lufftſchwärmern gemacht. Andre Beweiſe von meiner Eitel - keit hat Hr. H. nicht angefuͤhrt: er muß auch keine andre haben, ſonſt haͤtt er ſie wol an - gefuͤhrt.

Und nun Hrn. Herders Eitelkeit? Von der, deucht mich, habe ich buͤndigere Beweiſe. Vielleicht irre ich mich bei ihm ſo gut, wie er bei mir: allein ich meine es doch nicht, daß ich mich irre. Mit hiſtori - ſcher Heuriſtik (S. 279) grabe ich dieſe Beweiſe aus ſeiner eigenen Recenſion her - aus; und mit eben der muſterhaften Frei - muͤtigkeit, die er ſich gegen mich erlaubt, lege ich ſie der Beurteilung eines ehrſamen Publici vor.

Als Hr. H. im J. 1767 zuerſt ſich in dem Publico ſehen ließ, da war er ein be -B bſcheidener386[162]ſcheidner Mann. Da ſagte er: ich werfe mich nicht zu einem Richter im Namen des Publicum auf, ein Amt, wozu ich mir nicht Beruf genug zutraue (Fragm. Vorr. S. 2). Und da war doch von Belleslettres die Rede, nicht von Geſchichtkunde! Aber da die Supplik fruchtete, die er S. 380 bei fuͤnf Marſchaͤllen des Publici eingab: kam er nach einigen Jaren aus dem Felde des Autor-Ruhms ſiech zurück, und brach - te Belletriſtenſtolz und Autorſtolz mit. Die erſte Art von Stolz muß ich, um eini - ger Leſer willen, erklaͤren.

I. Deutſchland hat in unſern Tagen vie - le wahre Belletriſten, aͤchte Kenner des Schoͤ - nen, die der Stolz unſrer Nation, und die Zierde unſrer Litteratur ſind. Aber ſo wie die woltaͤtigen Ueberſchwemmungen des Nils zugleich Peſt und Gewuͤrme erzeugen: ſo kommt ſeit einiger Zeit hie und da eine Art junger unausſtehlicher Leute zum Vorſchein, die ſich Belletriſten nennen, und ſich durch Traͤgheit, Fluͤchtigkeit, Unwiſſenheit, und andre uͤble Eigenſchafren, am meiſten aber durch einen Stolz von niegeſehener Art, auszeichnen. Dieſe Leutgen haben 1) er - ſtaunlich hohe Begriffe von alle dem, waszu387[163]zu ihrem Gebiete gehoͤret. Theater iſt ih - nen, bei weitem, die allerwichtigſte Staats - Einrichtung: gegen einen naiven Gaſſen - hauer iſt ihnen Metaphyſik, Dogmatik, und Acten nichts: und fuͤr Virgils Culex wuͤr - den ſie das ganze buͤrgerliche peinliche und Stats-Recht hingeben*Schauſpiele z. Ex. verachtet niemand; aber eben finde ich in den Leipz. Zeitung. folgende Ausdruͤcke eines Belletriſten vom Theaterweſen ausgezeichnet: wer erkennet nicht die Schaubühne für die edelſte Schu - le der Tugend und Sitten, für die Zier - de eines Volks, auf deſſen erlangte mora - liſche Größe ſich von der Vollkommenheit ſeines Theaters nicht unſicher ſchließen lœßt. Bei dieſer moraliſchen Größe faͤllt einem Hiſtoriker notwendig der Janhagel von Athen zu Demoſthenis Zeiten, und das panem & Circenſes der ſpaͤteren Roͤmer ein. So wuͤnſcht Hr. Herder (von deutſcher Art und Kunſt S. 52) mit Recht, daß man unſre deutſche Volkslie - der, und waͤre es auch auf Straſſen und Gaſſen und Fiſchmaͤrkten, ſammlen ſolle; aber ſeine Klage, daß ſich niemand darum bekuͤmmert, ſollte er nicht mit dem hoͤhni - ſchen Zuſatze ſchlieſſen: wir haben ja Me - taphyſik und Dogmatik und Acten. Moͤch -B b 2te. 2) Sie vergeſſen,daß388[164]daß Belleslettres zwar ein ſehr ſchaͤtzbarer, aber doch nur ein Teil, von der unermeßli - chen ganzen Gelerſamleit ſei; und waͤhnen, wer Belleslettres verſtuͤnde, der verſtuͤnde alles. Daher lernen ſie nichts. 3) Da zu dieſem Teilgen der Gelehrſamkeit, vorzuͤg - licher als zu andern Wiſſenſchaften, Genie gehoͤrt, aber nur aus dem Grunde, weil ein Belletriſte ohne Genie ein voͤllig un - brauchbares und erbaͤrmliches Weſen iſt, hingegen z. E. ein Hiſtoriker, ein Juriſt etc. auch bei wenigem Genie durch bloßen Fleiß ein ſehr nuͤtzlicher Mann ſeyn kan: ſo ſehen ſich dieſe Herren fuͤr Genies κατ᾽ ἐζοχην an; verachten alle andre Wiſſenſchaften, in denen Fleiß und Studium oft mer als Ge - nie thut; und glauben, ſich alles deſſen, was noch in andren Wiſſenſchaften wuͤrdi - ges iſt, durch ihr Genie bemaͤchtigen zu koͤnnen. Daher 4) fallen ſie, bei aller ih -rer*te er denn in einem Lande leben, wo alle Juſtizbediente aus ihren Stuben liefen, und, anſtatt Acten zu leſen, Volkslieder ſammleten? Eins kan geſchehen, und das andre auch: ſollte aber eins von beiden fe - len; ſo wollt ich doch lieber den Samm - ler von Volksliedern, als den Actenmann, miſſen.389[165]rer Traͤgheit, gleichwol uͤber alles her, fou - ragiren weit und breit**Doch ſcheinen ſie, nach den Zeitaltern, gewiſſe Striche, wie Zugvoͤgel und Heu - ſchrecken, zu halten. Vor 10 Jaren fie - len ſie auf das Gebiete der Malerei und Bildhauerei, und kamen mit Skizzen Grup - pen und Torſen beladen zuruͤck: mit denen ſie ſich eben ſo ungeſchickt ausſtaffirten, wie die Mogolen des Kajuk mit den im Weſten erbeuteten Koſtbarkeiten (Deguignes III, S. 124). Seit einigen Meſſen drohen ſie der Hiſtorie und Naturkunde mit aͤhnlichen Einfaͤllen, recenſiren ſchon hiſtoriſche Buͤ - cher, wollen ſchon die Kunſttriebe der Thie - re erklaͤren u. ſ. w., machen hin und wieder Beute, und ſchleppen es nach Hau - ſe, und meinen bei der Ruͤckkunft, die Laͤn - der, in die ſie Streifereien gethan, waͤren nun ihr Grund und Boden, uͤber den ſie Herr und Meiſter waͤren. Ungerne muß ich hier einige Anwendung auf meinen Hrn. Recenſenten machen. Hr. H. fuͤhlet ſeine Kraͤfte in den ſogenannten ſchoͤnen Wiſ - ſenſchaften: auch ich erkenne dieſe ſeine Kraͤf - te, und reſpectire ſie. Aber denkt Hr. H. von ſeinem Fache nicht gar zu hoch? Siehe das Excerpt von Volksliedern S. 387. Und ſindBelles -B b 3390[166]Belleslettres und Hiſtorie nicht ganz verſchie - dene Dinge? So groß er in jenen ſeyn mag, ſo nichts iſt er in dieſer: das muß ihm ſein Herz ſagen, das verraten alle ſeine Schriften, das beweiſet gegenwaͤrtige Recen - ſion urkundlich. Zwar fouragiret hat er weit und breit in hiſtoriſchen Schriften; das ſehe ich aus ſeinen Fragmenten, und aus ſeiner Abhandl. uͤber den Urſprung der Spra - che. Aber glaubt er nicht, daß es auch Hi - ſtoriker gebe, die Jar aus Jar ein eben ſo viel Gedichte und andre Werke des Witzes, wie er Hiſtorien, zum Vergnuͤgen leſen, und die er doch nimmermer fuͤr Zunftgenoſſen er - kennen wird? Wie kam er nun auf den un - gluͤcklichen Einfall, in einem hiſtoriſchen Buche, das offenbar nur von Zunftgenoſ - ſen verſtanden werden kan und beurteilt wer - den ſoll, nicht zu fouragiren, ſondern ſich daruͤber zum Richter aufzuwerfen, und was noch mer iſt, ſein ihn entehrendes Urteil ſo patzig, ſo ſpoͤttiſch, mit ſo vieler Zuverſicht, mit ſo ſuͤſſer Selbſtgenugſam - keit, abzufaſſen, und es drucken zu laſſen, in eine gelerte Zeitung drucken zu laſſen! Er - klaͤre er mir doch dieſen Einfall anders, als aus der eiteln Jdee, daß ein Belletriſteein391[167]ein Univerſalmann, ein General-Richter aller Wiſſenſchaften, ſei! Fuͤhle er doch leb - haft den laͤcherlichen Stolz, der in dem Schluſſe ſeiner Recenſion liegt: ich Herder habe die Feler des Verfaſſers eines hiſtoriſchen Buchs freier gerügt! Und fuͤhlt er ihn noch nicht: ſo denke er ſich einen guten Homileti - ker, der ſeinem Nachbar, einem Publiciſten, wer weiß warum? zu Leibe will, oder zu Leibe ſoll, und in deſſen Deduction Feler ſucht, und aus leidiger Unwiſſenheit wirk - lich glaubt, Feler darinn gefunden zu haben, und nun ſich auf die Zinne einer Zeitung ſtellt, und herabkraͤhet: ich Homiletiker ha - be die Feler dieſes Publiciſten freier gerügt!

Das ſprech ich nach meinem hohen Verſtand,
Und ob es gölt ein ganzes Land,
So laß ichs ihn verlieren .

II. Vom Belletriſten-Stoltze unterſchei - de ich ſeinen Auctor-Stolz. Jch fuͤrchte, ich fuͤrchte, Hr. H. haͤlt ſich fuͤr einen furcht - baren Mann! hier ſind meine Beweiſe. Ein - mal, Hrn. Herders Betragen gegen mich bei dieſer Recenſion iſt unlaͤugbar ſehr belei - digend: haͤtte er auch in den meiſten Stuͤ - cken Recht, wie er doch in keinem einzi - gen hat; ſo haͤtte er doch nicht ſo grob undB b 4hoͤniſch392[168]hoͤniſch thun ſollen. Zweitens, da ich kei - ne Pflichten gegen ihn habe, die er nicht ge - gen mich haͤtte: ſo mußte er erwarten, daß ich mein Recht der Selbſtverteidigung nuͤtzen, und ihm begegnen wuͤrde, wie er mir. Ent - weder er erwartete dieſes, und ließ ſich gleichwol in ſeinem Vorſatze nicht irre ma - chen: das will ich nicht hoffen. Von der Klaſſe von Leuten, die fertig ſind, an andren alles zu veruͤben, und bereit, auch dagegen alles von andren zu leiden; die kei - ne Zaͤrtlichkeit gegen andrer Ehre haben, weil ihnen ihre eigene voͤllig gleichgiltig iſt: kan ich mir keinen renommirten Gelerten, noch weniger einen Conſiſtorial-Rath, den - ken. Alſo er erwartete es nicht. Nun warum denn nicht? 1) Jch bin ja kein Colle - ge von ihm, daß er haͤtte hoffen koͤnnen, ich wuͤrde aus Eſprit du Corps, oder aus Anerinnerung beſchworner Statuten, mei - nem Rechte Einmal entſagen! 2) Dachte er et - wa, unbekannt zu bleiben? Das wollte er nicht einmal: bald nach dem Abdrucke ſeiner Re - cenſion wußte es jedermann hier und anders - wo, daß er der Verfaſſer waͤre. Alſo bleibt kein andrer als der 3) te Fall uͤbrig: er hielt ſich fuͤr einen furchtbaren Mann, an denſich393[169]ſich nach Klotzens Tode niemand mer, nicht einmal defenſive, wagen wuͤrde. Wo die - ſe Furchtbarkeit herkommen ſolle, weiß ich eben nicht. Commandirt er etwa ein hal - bes Duzend Zeitungen und Journale? Mag ers doch; aber wer ſeiner guten Sache gewiß iſt, wird dadurch im Jar 1773 nicht mer bloͤde. Er laͤſtere, und laſſe laͤſtern, ſo viel er will, und noch mer, als er bereits in der Frankfurter Zeitung auf mich und andre ge - laͤſtert hat. Das deutſche Publicum hoͤret Gruͤnde, und laͤßt ſich nicht durch Recen - ſionen und Laͤſterungen betaͤuben. Hr. Her - der, als ein Nichtdeutſcher, ſcheint dieſes Publicum noch nicht genau genug zu ken - nen; oder er ſieht es immer nur von Einer, und zwar der geringfuͤgigen, der belletriſti - ſchen, Seite an.

§. 42. Zweitens

Doch vorausgeſetzt, daß ich eitel ſei, oder in Gefahr ſtuͤnde, es zu werden: wie konnte Hr. H. glauben, daß mir eine Recen - ſion de ſa façon ein ſchickliches Heilungs - oder Verwarungsmittel dagegen ſeyn wuͤrde? Ungluͤcklicher iſt wol niemand in der Wahl ſeiner Mittel zur Erreichung eines End -B b 5zwecks394[170]zwecks geweſen, als Hr. H. hier: ſein Mit - tel, fuͤr ſich genommen, bringt notwendig die entgegen geſetzte Wirkung hervor. Kein groͤßrer Triumph iſt fuͤr einen Auctor, als wenn ein ſchwacher Recenſent ihn demuͤtigen will, der ihm aber nichts als guten Wil - len bieten kan; keine ſtaͤrkendere Narung iſt fuͤr jenes Eitelkeit, als wenn ihm dieſer mit Toben Schreiben und Hoͤhnen Feler vorruͤckt, die erweislich keine Feler ſind. Dann ſchließt der Auctor: kan ein Recenſent, der aus - druͤcklich darauf ausgeht, dir Feler zu zeigen, keinen einzigen wahren an dir finden; was muſt du nicht fuͤr ein gewaltiger Mann ſeyn ! Und ſo denkt nicht bloß der Auctor, ſondern ſelbſt ein großer Teil des zuſchauenden Pub - lici. Wem anders, ich nehme Hrn. Her - dern ſelbſt zum Zeugen, hat Hr. H. ſelbſt ſeinen ganzen Belletriſtiſchen Ruhm in Deutſchland, folglich ſeine ganze Eitelkeit, zu danken, als der zu ſchwachen Partei, mit der er ſich merere Jare herumbalgte, und der er, eben wegen ihrer ſichtbaren Schwaͤ - che, ſichtbar uͤberlegen war? Er arbeitet hier alſo ſeiner eignen Abſicht ſchnurſtracks ent - gegen: er will mich demuͤtigen, und braucht gerade das Mittel dazu, das ihn ſelbſt eitel gemacht hat.

Doch395[171]

Doch ſei er nicht bange, daß dieſes Mit - tel auch bei mir ſo anſchlagen werde, wie bei ihm: meine ganze Conſtitution iſt nicht darnach. Jch bin von ſeiner Unfaͤhigkeit, gutes oder boͤſes von meinem Buche richter - lich zu ſagen, zu lebendig uͤberzeugt; und alſo ſchlieſſe ich nimmermer: weil mir Hr. H. keinen einzigen Feler darinnen hat weiſen koͤnnen, alſo iſt auch keiner drinnen. Ver - ſchiedene andere Recenſenten haben mich be - reits, obgleich minder abſichtlich, von dem Gegenteile uͤberfuͤhrt. Und ich ſelbſt habe hie - von taͤglich neue Beweiſe gefunden, da, ſeit dem Abdrucke meines Buchs, die Univerſal - hiſtorie noch immer mein taͤgliches Geſchaͤfte geweſen. Dieſe Beweiſe will ich ſelbſt, ohne mich zu ſchaͤmen, in dem kuͤnftigen dritten Teile dieſer Vorſtellung, oder in der neuen Auflage des erſten Teils, regiſtriren: Hr. H. ſoll ſeine Freude daran haben, und nur be - dauren, daß Er dieſe Beweiſe nicht gefun - den hat.

§. 43. Drittens,

aber Hr. H. meinte es gleichwol gut: er hielt einmal das fuͤr wirkliche Feler an mir und meinem Buche, was er dafuͤr ausgiebt;was396[172]was kan er dafuͤr, daß ers nicht beſſer ver - ſtand?

Gut, es ſei ihm verziehen, daß er ſich geirret hat. Jch will nicht einmal unterſu - chen, ob das heiſſe verzeihlich irren, wenn man auf die Art, und unter den Umſtaͤn - den irrt, wie Hr. H. hier geirret hat.

Aber der Ton, in dem er ſeine Jrrtuͤ - mer von ſich giebt, die Mine, die er dabei annimmt: warum ſo ſpoͤttiſch, ſo hoͤhniſch, ſo beleidigend? Wer iſt denn Herr Herder, oder wer glaubt er, daß er waͤre, um mit mir in dieſem Tone vor dem Publico ſprechen zu duͤrfen? Schaut der Mann nicht tief auf mich herab! Spricht er nicht mit mir, wie Doct. Stauzius mit Sebaldus Nothankern, ehe der Major ihn Mores lehrte: ſo vertraut, ſo offenherzig, ſo familiaͤr; und wir kennen doch einander nicht! Non putaram, me ti - bi eſſe tam familiarem, ſagte ein ohnlaͤngſt ver - ſtorbner Superintendent einem Kaufmann, der ihn nicht haͤmiſch recenſirt, ſondern nur auf ein zu kurzes Abendeſſen zu Gaſte gebeten hatte.

Eine Ehre iſt der andern werth. Unge - rufen von mir, arbeitete Hr. H. an meiner Erleuchtung und Beſſerung; gerufen vonihm397[173]ihm ſelbſt, will ich an der ſeinigen arbeiten. Empfange er alſo hier von mir, zum Schluſ - ſe dieſer Analyſe, folgende treugemeinte Vor - ſtellungen, Ermanungen, und Warnungen, die, wenn er ſie gehoͤrig beherziget, ihm als Gelerten, als Schriftſteller, als Recenſen - ten, und als Geiſtlichen, heilſam ſeyn koͤnnen.

I.

Der Recenſions-Unfug, der ſeit zehen Jaren in Deutſchland, zur tiefen Herabſetzung unſrer ganzen vaterlaͤndiſchen Litteratur, getrieben wird, iſt leider bekannt. Nur zum Gluͤcke war es auch bekannt, oder man glaubte es wenigſtens durch - gaͤngig, daß diejenige, die dieſen Unfug trieben, nicht Maͤnner von Wuͤrde, nicht Gelerte von An - ſehen, ſondern junge, unwiſſende, mutwillige, und groͤſtenteils hungrige Leute, waͤren. So ant - wortete ſonſt ein patriotiſcher Deutſcher, wenn ihn Auslaͤnder uͤber dieſen Unfug befragten: und damit war die Ehre ſeiner Nation wenigſtens halb gerettet.

Nun aber, die Recenſion, von der hier die Rede iſt, ein Muſter von Recenſions-Unfuge, voll in die Augen fallender Unwiſſenheit, Unge - rechtigkeit, und Mutwillen, hat zum Ver - faſſer Hrn. Herdern, einen durch Belleslet - tres beruͤhmten Gelerten, einen Geiſtlichen, ei - nen Conſiſtorial-Rath ..... Saul unter den Propheten konnte fuͤr die Hebraͤer kein frappante - rer Anblick ſeyn, als ein Conſiſtorial-Rath mit -ten398[174]ten in Deutſchland unter dieſer verworfenen Re - cenſentenbande fuͤr jeden patriotiſchen Deutſchen ſeyn muß!

Haͤtte er doch wenigſtens, wie bei ſeinen uͤbri - gen Recenſionen geſchehen ſeyn ſoll, verhuͤtet, daß es nicht ſo allgemein bekaunt worden waͤre, daß er der Verfaſſer dieſer ſanbern Recenſion ſei: ſo waͤre das Aergerniß minder groß geweſen. Nun aber, was wird ſeine Gemeine denken! Denn dieſer ihr Heil liegt mir eben ſo am Herzen, wie ihm das Heil meiner Hrn. Zuhoͤrer.

II.

Hr. Herder iſt ein Geiſtlicher, und heißt Con - ſiſtorial-Rath. Hat er gar kein Gefuͤhl fuͤr an - drer Ehre, auch ſolcher nicht einmal, die ihn im geringſten nie beleidiget haben; hat er kein Ge - fuͤhl fuͤr ſeine eigne Ehre: ſo habe ers doch fuͤr die Ehre ſeines Standes. Dieſer Stand muß in Achtung bleiben; jeder Vernuͤnftige, und haͤtte er auch das Ungluͤck, die Religion bloß fuͤr eine Stats-Einrichtung zu halten, behauptet das: er kan es aber unmoͤglich bleiben, wenn die Glieder dieſes Standes ſich durch tadelhafte Auffuͤhrung um alle perſoͤnliche Achtung bringen.

Nun dieſer Eigenduͤnkel, uͤber Dinge zu ur - teilen, die man nicht verſteht; dieſes blinde boͤſe Herz, das Feler an ſeinem Naͤchſten ſieht, wo keine ſind; dieſe Sorgloſigkeit gegen anderer lit - terariſche und moraliſche Ehre; dieſes Brum - migt-witzelnde im Tadel; dieſes Ungeſchliffene im Beſſern: was iſt das fuͤr eine Auffuͤhrungfuͤr399[175]fuͤr einen proteſtantiſchen Geiſtlichen! was wird Hrn. Herders Gemeine denken!

Unſre Kirche hat ſo viel gelitten durch die Heshuſier, die Oſiandre, und viele andre mo - raliſche Schandflecken der evangeliſchen Chri - ſtenheit*)Vorzuͤglich viele, und vorzuͤglich garſtige Leu - te von der Art, finden ſich in der Preußiſchen Re - formations - und Kirchengeſchichte.. Wir ſchaͤmen uns dieſer Leute nun in ſolchem Grade, daß ſo gar der Name Ortho - dox, der den meiſten unter ihnen ſonſt, bei allen ihren moraliſchen Felern, als ein Lobſpruch ge - buͤhrte, daruͤber allmaͤlich faſt ſeine Wuͤrde ver - liert. Aber die jetzigen Skoliodoxen**Heterodox darf ich nicht zum Gegenſatze des Orthodoxen machen, denn es riecht nach dem Scheiterhaufen. Auch ſtehet dem ὀρϑος nicht ἑτερος, ſondern σκολιος, entgegen: dem Geradedenker der Krummdenker. , die - ſe neue Race von Theologen, die ſeit wenigen Naͤchten hervor waͤchſt, dieſe galante witzige Her - ren, die uͤber Kanon Apokalypſe und ſymboliſche Buͤcher kurzweilen, und denen Volkslieder, die auf Straßen und Fiſchmaͤrkten ertoͤnen, ſo in - tereſſant wie Dogmatiken ſind; erbauen die durch ihren Lebenswandel das Corpus Evangelicum mer, als jene alte Orthodoxen?

III.

Faͤhrt Hr. H. fort zu recenſiren: ſo recenſire er keine andre Buͤcher, als belletriſtiſche. Jndem400[176]dem Buche, aus dem er das Hiſtoͤrchen vom Hir - ſenkorn gelernt hat, ſteht auch ein anders: Ne ſutor ultra crepidam.

Hoͤrt er etwas Boͤſes von ſeinem Nebenmen - ſchen: ſo glaube ers nicht gleich, noch weniger laſſe ers drucken. Audiatur et altera pars, iſt nicht bloß eine Regel der Juſtiz, ſondern auch des Menſchenverſtandes. Jmmer denke er in ſol - chem Falle: ich bin doch nicht beſſer wie andre; wie wuͤrde es mir gefallen, wenn andre das ge - gen mich veruͤbten, was ich ihnen zu thun im Begriffe bin ?

Er leihe ſeine Recenſenten-Finger nie her, um fuͤr andre Kaſtanien aus gluͤhender Aſche zu holen. Warum ſoll ER ſich juſt verbrennen?

Endlich laſſe er ſich nie zum Ausleerungsge - faͤſſe fremder Galle verunehren. Haͤlt Hr. H. ſich nicht ſelbſt fuͤr zu gut zu dieſer Vernuehrung: ſo dauret mich doch der Conſiſtorial-Rath.

401[177]

Species Facti

Num. I.

Dieſe Species Facti hat mit der vorhergehenden Analyſe keinen andern Zuſammenhang, als daß ſie gleichfalls, teils meine Univerſalhiſtorie, teils mei - ne Goͤttingiſche Vorleſungen uͤber dieſelbe, betrifft. Nur aus dieſem Grunde alſo fuͤge ich ſie einigen Ab - druͤcken der Analyſe, die nicht auf die Meſſe kom - men, als einen Anhang bei.

Ungeachtet aller Vorſicht und Maͤßigung, die ich ſichtbar bei dieſem Aufſatze gebraucht habe, werden gleich - wol patriotiſche Leſer wuͤnſchen, daß ſolcher, zur Eh - re des Gelehrtenſtandes, ungedruckt geblieben waͤre. Daß auch ich dieſes ernſtlich gewuͤnſcht, erweiſet klar mein langes gedultiges Stillſchweigen. Allein nach Erwaͤgung der Folgen, die dieſes Stillſchweigen be - reits fuͤr mich gehabt, und kuͤnftig noch haben wuͤr - de, uͤberlaſſe ich unparteiiſchen Leſern das Urteil, ob ich ihrem und meinem eigenen Wunſche laͤnger ha - he gemaͤß handeln koͤnnen?

C cVor -402[178]

Vorerinnerungen.

§. 1.

Wir haben hier in Göttingen, Gott Lob! Denk - und Druck-Freiheit. Ohne alle Cenſur darf jeder Profeſ - ſor alles drucken laſſen, was er ſich vor ſeiner Obrigkeit und der ehrliebenden Welt zu verantworten getrauet.

Dieſe glückliche Denk - und Druck-Freiheit gilt natürlicher Weiſe auch unter den Profeſſoren ſelbſt gegen einander, in An - ſehung ihrer Lehrſätze. Jeder darf nicht nur andrer Meinung ſeyn, als ſein College: er darf es auch ſagen und drucken laſ - ſen, er kan öffentlich den Collegen eines Jrrtums zeihen; das indicare diſſenſum, ſi opus eſſe videatur, iſt ihm ausdriicklich erlaubt.

Nur die Art und Weiſe, wie ein College dieſes Recht ge - gen den andern ausüben ſoll, iſt durch unſre Statuten be - ſchränkt, welche jeder Profeſſor bei ſeiner Aufname, meines Wiſſens, beſchwört. Es ſoll modeſte, und tacito collegae no - mine, und ohne Nachteil der Ehre des Jrrenden, geſchehen: nemo de altero vel publice vel priuatim detrahat; nemo al - terius ſententias in riſum contemtumue adducere ſtudeat.

Nuhe der bürgerlichen Geſellſchaft, Würde des Gelehrten - ſtandes, und Wolſtand und gute Sitten, müſſen dieſe Ein - ſchränkung ſchon jedem heilig machen, wenn ihr auch die aus - drückliche Sanction des Geſetzgebers fehlte.

§. 2.

Wenn nun aber 1. ein College dem andern als Jrrtum aufmutzt, was erweislich kein Jrrtum iſt; wenn er 2. dieſes gar nicht modeſte, ſondern mit offenbarer Abſicht thut, den ver - meintlich Jrrenden zugleich verächtlich oder lächerlich zu ma - chen; wenn er 3. ihn nicht bloß Jrrtums zeihet, ſondern ihm weit empfindlichere Vorwürfe macht, und dieſes 4. nicht priua - tim, ſondern mit dem höchſten Grad der Publicität, in gedruck -ten403[179]ten Schriften, und dieſes 5. nicht einmal oder zweimal, ſondern unaufhörlich, zu oft wiederholten malen; wenn 6. dieſe Vor - würfe in Facto erweislich falſch ſind; wenn 7. der vor dem Publico unaufhörlich Angeklagte dem Kläger durchaus keine Urſache zu ſeinem widerrechtlichen Betragen gegeben, auch gegen ihn niemals Repreſſalien gebraucht, ſondern ſich bei allen An - griffen blos leidentlich und ſtillſchweigend verhalten hat; wenn endlich 8. der Veleidiger, nachdem man ihm priuatim Vorſtel - lungen über ſein ſtatutenwidriges Betragen gemacht, anſtatt ſich zu erklären, oder zu beweiſen, daß er recht gehandelt, ent - weder mit der Juſtiz drohet, oder den ihm gemachten Vorwurf von ſtatutenwidriger Aufführung als Chriſt zu verzeihen ver - ſpricht:

was darf, was muß, in ſolchem Falle der Beleidigte thun?

§. 3.

Seit dem J. 1770 habe ich die Ehre, ein wirkliches Mit - glied hieſiger Univerſität zu ſeyn.

Collegia leſen mußte ich; dafür war ich ein deutſcher Uni - verſitäts-Profeſſor. Was ich für Wiſſenſchaften zu meinen Collegien wählen wollte, ſtund bei mir; und nach der Freiheit unſrer Verfaſſung, die jedem auch Privat-Docenten zu Gute kommt, hatte ich von meiner Wahl niemanden Red und Ant - wort zu geben.

Aber ſchicklich iſt es immer, wenn, beſonders auf einer blühenden und ſtark beſuchten Univerſität, der neuankommende Docent bei dieſer Wahl Nückſicht auf ſeine vorgefundene Colle - gen nimmt. Der Applauſus iſt in den Augen mancher ein Götze, den man ohne Stöhrung der geſellſchaftlichen Nuhe nicht antaſten darf: oft iſt er mer wie Götze, und wegen der Hono - rarien, falls ſie bezalt werden, zugleich einträglich, folglich nicht ganz gleichgiltig, auch für ſolche nicht einmal, die auch ohne Honorarien leben können.

C c 2Zwei404[180]

Zwei Lerer waren damals hier, mit denen ich in meinen Vorleſungen unvermeidlich collidiren mußte. Der eine, ſelbſt mein ehemaliger Lerer, las Politik und Statiſtik: mit dem teil - te ich die Politik, doch mit der Vorſicht, daß ich ſie nur in dem - jenigen halben Jahre las, wo er ſie nicht las. Die ungleich ſtärker beſuchte Statiſtik überließ ich ihm gänzlich, ſo lang er lebte. Jch habe Zeugen, daß mich einige dringend auch um dieſes Col - legium angiengen, denen ich aber mer als einmal verſicherte, ich würde es nie leſen, ſo lang der ſeel. A. es läſe. Der andre las hiſtoriſche Collegia: mit dem wollte ich die Univerſalhiſtorie teilen. Dieſe Wiſſenſchaft, unſtreitig ein Studium für alle Studirende aus allen Facultäten, war bisher nur von Einem geleſen worden: auf ſie paßte vorzüglich, was Hr. HR. Gatte - rer noch im Dec. 1770 (in ſeiner Vorleſung auf Münchhauſen S. 16) von dem Nutzen bemerkte, den Wiſſenſchaften und Studirende hätten, wenn merere zugleich Eine Wiſſenſchaft ler - ten. Einträglichkeit konnte hier unmöglich mein Beſtim - mungsgrund ſeyn, weder dieſes Collegium für mich zu wählen, noch es, wie ich bei der Statiſtik gethan, ſeinem alten Beſitzer zu überlaſſen. Die Zal der Zuhörer bei dieſem war ſeit mereren Jahren, wo ich nicht irre, nur zwiſchen 20 und 30: der Ertrag war alſo nicht Nennens werth; und nun vollends, da ſich zwei Docenten in dieſen Verdienſt teilen ſollten, fiel aller Ge - danke von Einträglichkeit weg.

Da Hr. G. bisher die Univerſalhiſtorie alle halbe Jahre ge - leſen hatte: ſo ließ ich ihm, aus erſtbemeldter Urſache der We - nigkeit der Zuhörer, durch einen unſrer Collegen und gemein - ſchaftlichen Freunde, das auch unter andern hieſigen Docenten übliche Abwechſeln antragen, dergeſtalt, daß der eine das Col - legium im Sommer, und der andre im Winter, läſe. Allein Hr. G. verwarf dieſen Antrag.

Jch las alſo mit ihm zugleich im Sommer 1770: in den erſten Tagen für 8, und das ganze halbe Jahr für 12 Zuhörer;jedoch405[181]jedoch, ohne Rückſicht auf die kleine Zahl, mit demjenigen Fleiſſe, den mir das Bewußtſeyn, daß Collegienleſen für einen deutſchen Univerſitätsdocenten eine pflichtmäßigere Arbeit als Bücher - ſchreiben wäre, abnötigte.

Jn den beiden folgenden halben Jaren mehrte ſich all - mälich die Anzal meiner Zuhörer: teils weil fünfe meiner Hrn. Collegen, denen mein Plan aus dem Gerüchte bekannt worden war, mir ihre Söhne zuſchickten; teils weil des verſtorbenen Hrn. Generals von Zaſtrow Exc. das Studium der Weltge ſchichte Jhren Hrn. Officiers empfalen. Weiß jemand, daß ich irgend eine malam artem plauſus quaerendi, wie ſich die Sta - tuten ausdrucken, gebraucht: der melde und beweiſe es, wenn wie und wo er will! Dennoch hörte ich bereits von allerhand Vorwürfen ſprechen, die man dieſem meinem Collegio machte. Allein da dieſes nur noch priuatim geſchah, ſo nahm ich keine andre Notiz davon, als daß ich meinen Plan drucken ließ; zwar eigentlich und abſichtlich als eine Apologie meines ver - läumdeten Collegii, aber eine ſo behutſame Apologie, daß kein einziger auswärtiger Recenſent dieſes Abſichtliche darinnen ge - merket hat.

Seit dem Herbſte 1771 war die Anzal meiner Zuhörer in der Weltgeſchichte über 70, und nachher gegen 100, und in meinen übrigen Vorleſungen nach Proportion, geſtiegen. Und gerade ſeit der Zeit wagten es einige, ihre Unzufriedenheit über mich mit mererer Publicität zu erkennen zu geben.

Der Zeitpunct war übel gewählt. Warum lieſſen ſie mich vorher in Ruhe, und fiengen nun juſt ihren Unfug an? So gewöhnlich von Leuten, die etwas leicht Geld zu verdienen ſchei - nen, der Verdacht iſt, daß es nicht mit rechten Dingen zugehe: eben ſo gewöhnlich iſt von andern, die jene darüber anfeinden, die Vermutung, daß ſie jene nur aus Neid anfeinden, und daß ſie ſelbſt zu der zalreichen Klaſſe von Menſchen gehören, die Hun - ger zu fühlen meinen, ſo oft ſie einen andern eſſen ſehen.

C c 3Hr.406[182]

Hr. G. beſonders machte ſich ſeit der Zeit ein Geſchäfte daraus, faſt in allen ſeinen Schriften und Aufſätzen auf mich zu hacken. Jch erführ die erſten Angriffe, und ſchwieg: mein Schweigen aber, das mir bei meinem hieſigen Publico augen - ſcheinlich nicht ſchädlich, ſondern vorteilhaft, war, machte ihn nur zu neuen und mereren Angriffen dreiſte. Dieſe neuen Verunglimpfungen wußte ich nicht: ich erfuhr ſie, teils durch meine auswärtige Correſpondenten teils durch ein auswärtiges ohnlängſt gedrucktes Zeitungsblatt. Nun ſuchte ich; und oh - ne langes Suchen fand ich wenigſtens 6 Stellen, (ſie ſollen künftig ſpecificiret werden), wo Hr. G., wenn er auf Ehre und Gewiſſen ſprechen will, ſelbſt nicht läugnen wird, daß er auf mich geſtichelt habe; und dies auf eine Art, die kein Unpartei - iſcher den beſondern Pflichten, die wir als Collegen einander gegenſeitig ſchuldig ſind, gemäß finden wird.

§. 4.

Verantworten darf ich mich. Oeffentlichen Angriff ver - wehren unſre Statuta, aber öffentliche Verteidigung nicht.

Verantworten muß ich mich. Wären auch die Din - ge ſelbſt, die man mir fälſchlich aufbürdet, an ſich ſo uner - heblich, daß ich ſie ohne Schaden auf mir ſitzen laſſen könnte: ſo werden ſie mir doch durch den Ton, in dem man mir ſie ſchuld giebt, und die Abſicht, in der man ſie publicirt, erheblicher. Und dann iſt nicht blos von Jrrtümern, ſondern von weit em - pfindlicheren Beſchuldigungen, die Rede. Noch mer, Ein und eben derſelbe Mann ſetzt ſeine Angriffe oh - ne Aufhören fort. Dieſe Beſchuldigungen kommen an Orte, wo ich mich nicht verantworten kann, weil ich nicht gefragt werde. Auswärtige können mir mein beſtändiges Stillſchwei - gen, als Feigheit, und meinem Ankläger ſeine beſtändige unge - rügte Verunglimpfungen, als Furchtbarkeit, auslegen; ſie kön - nen argwohnen, daß wenigſtens etwas wahres daran ſei; ſiehaben407[183]haben wirklich aus der Menge der Angriffe den mir äuſſerſt empfindlichen Schluß gezogen, daß ſehr viele meiner Hrn. Col - legen mit mir unzufrieden wären, weil ſie nicht wußten, daß alle dieſe unaufhörliche Ausfälle nur von zwei oder drei Leuten kämen. Und endlich ſind dieſe meine Ankläger, von denen ich hier ſpreche, nicht namenloſe junge Leute, gegen deren Mut - willen Verachtung ein hinlängliches Mittel iſt: es ſind Leute von Jahren, und die in eben dem öffentlichen Amte ſtehen, wie ich.

Verantworten muß ich mich alſo: und zwar öffentlich, vor eben dem Richter, vor dem man mich ſo oft ſo laut ver - klagt, d. i. vor dem Publico; und zwar mer vor dem auswär - tigen Publico, dem die Data meiner Verteidigung unbekannt ſind, als vor dem hieſigen, welches zwar mir als Bürgern das wichtigſte iſt, das aber aus dem Zuſammenhange der Dinge, den es vor Augen hat, meine Rechtfertigung, auch wenn ich ſchwiege, leſen kann, und bereits bisher geleſen hat.

§. 5.

Wenn ich nun meine Verautwortungen künftig nach de - nen jetzo folgenden Grundſätzen und Regeln einrichte, und kei - ne dieſer Regeln bei der mir abgedrungenen Selbſtverteidigung jemals überſchreite: erfülle ich alsdenn nicht eine Pflicht, die ich mir ſelbſt ſchuldig bin, ohne diejenige zu verletzen, an die mich unſre Statuten binden? brauche ich alsdenn nicht ein mir zuſtändiges Recht, ohne anderer ihre Rechte zu kränken?

I. Freundſchaft und Wolwollen erbitte ich mir als eine Gefälligkeit: aber Ruhe und Sicherheit fodere ich als ein Recht. Das iſt doch das allergeringſte, was ein ſelbſt ruhi - ger Bürger, er ſei in den Wäldern von Kanada, oder am Fuße des Heimbergs, fodern kan!

II. Dieſes Rechtes werde ich auch dadurch nicht verluſtig, wenn ich in Einem Jahre ſtatt 100, 1000 Zuhörer hätte; wenn ich in Einem Jahre ſtatt 100, 1000 Thaler einnähme;C c 4wenn408[184]wenn ich gar das groſſe Loos in der größten Lotterie gewönne: ſo lange man mir nicht beweiſen kann, daß ich dieſes wirkliche oder vermeintliche Glück durch unerlaubte oder doch niedrige Mittel erhalten.

III. Von Verläumdungen, ſo lange ſie ſich in den Schran - ken der Privat-Geſellſchaft halten, nehme ich keine Notiz: aber wenn ſie zur Publicität gedeihen, dann verantworte ich mich.

IV. Giebt man mir öffentlich Schuld, daß ich irre, wo ich nicht irre: ſo beweiſe ich öffentlich, daß ich nicht irre. Thut man dieſes in einem hämiſchen ungezogenen Tone: ſo ant - worte ich nicht in dieſem Tone. Ein Teil des Publici wird freilich alsdenn glauben, daß ich nicht ſo viel Witz wie mein Gegner habe; ein andrer hingegen mir wichtigerer Teil wird, ſo wie ich, an unſre Statuten denken.

V. Macht man mir öffentlich noch härtere Beſchuldigun - gen, die gleichwol in facto erweislich falſch ſind: ſo melde ich dieſes mit gehörigem Anſtande öffentlich. Rache will ich da - durch nicht ausüben. Genugtuung verlange ich nicht. Nur dem falſch berichteten Publico will ich Data melden, die es nicht weiß, und zur Veurteilung der Beſchuldigung wiſſen muß. Nur die Eindrücke will ich tilgen, die wiederholte Verläumdun - gen in die Länge machen müſſen. Nur vor Schaden will ich mich ſelbſt bewaren, nicht andern Schaden thun: und die mir gebührende Genugtuung in dem Richterſpruche der ehrliebenden Welt ſuchen.

Num. I. 409[185]

Num. I. Ueber eine Stelle in dem hieſigen Wochenblatte.

I. Hr. G. klagt, er verdiene jezt wenig Geld mit ſeinen Collegien; und dieſes Geld naͤhme ich fuͤr ihn ein.

Antwort.

  • 1. Nur ein einziges Collegium, die Univerſalhiſtorie, leſe ich gemeinſchaftlich mit ihm: von allen uͤbrigen, die er je teils geleſen teils leſen wollen, habe ich mir kein einziges zugeeignet. Kan der Verluſt eines einzigen Collegii den Profeſſor einer der ausgebrei - tetſten Wiſſenſchaften verlegen machen, oder gar in Schaden bringen?
  • 2. Noch dazu konnte ihm dieſes Collegium, wegen der Wenigkeit der Zuhoͤrer, die er ſchon ſeit merern Jaren hatte, ohnmoͤglich eintraͤglich ſeyn. Und
  • 3. Bei eben dieſem Collegio hatte ich ihm (S. 404) das Abwechſeln angeboten, das er aber von der Hand wies.
  • 4. Ob ich Geld fuͤr dieſes Collegium einnehme, und wie viel oder wie wenig: iſt keine Frage, die ich ihm hier oͤffentlich beantworten muß. Vermutet er nach der Menge der Zuhoͤrer viel: ſo kaͤme dieſes Viele großenteils von der Erhoͤhung des Honorarii von 3C c 5rthlr.410[186]rthlr. auf 1 Louisdor her; dieſe billige Erhoͤhung fand ich, von ihm ſelbſt ſchon vor merern Jaren ge - macht, vor, und durfte ſie alſo nicht aͤndern. Was wuͤrde er vollends ſagen, wenn ich niedrigere Preiſe einfuͤhrte?
  • 5. Nehme ich Geld dafuͤr ein; ſo nehme ich es gewiß nicht fuͤr ihn ein. Das iſt, laͤſe ich von heute an nicht mer: ſo wuͤrden die Louisdors, die dadurch nicht mer an mich kaͤmen, doch nicht an ihn, ſon - dern wer weis wohin? kommen. Die meiſten Stu - direnden wuͤrden vermutlich wieder, wie vor dem J. 1770, die Univerſalhiſtorie ungehoͤrt laſſen.
  • 6. Und naͤhme ich ſie wirklich fuͤr ihn ein: ſo handel - te ich nicht widerrechtlich; ich thaͤte bloß, was ſo gar jeder Privat-Docent thun darf. Collegien-Gel - der ſind Univerſitaͤts-Lerern nicht wie Gnaden-Pen - ſionen angewieſen. Hr. G. ſelbſt las in den erſten Jaren ſeines Hierſeyns Reichshiſtorie: er gab ſie nachher wieder auf; wol nicht aus der Urſache, weil er fuͤr ſeinen Collegen kein Geld einnemen wollte!
  • 7. Die ganze Klage, vor den Ohren des Studenten - Publici von einem Profeſſor ausgeſchuͤttet, hat etwas, das ich fuͤhle, und jeder Profeſſor fuͤhlen wird, da - her ich es nicht ſagen will.

II. Hr. G. nennet mich bei dieſer Gelegen - heit den Profeſſor Quaſimodoge - nitus.

1. Der411[187]
  • 1. Der Name iſt gemeiner und nunmer abgenutzter Studentenwitz. Seit der Abſchaffung des Penna - lismus hoͤrt man ihn ſelten mer.
  • 2. Auch wurde er ſonſt nur von Studenten unter ſich, nie von Profeſſoren unter ſich, gebraucht.
  • 3. Dadurch, daß mir Hr. G. dieſen Namen aufheftete, zog er ſich ſelbſt, wie leicht vorher zu ſehen war, beim ſkurriliſchen Publico den Correlat-Namen Prof. Quaſimodomortuus zu. Jch weiß nicht, wel - cher von uns beiden ſeinen Namen am laͤngſten be - halten wird.
  • 4. Auf mich, in Vergleich gegen ihn, paßt der mir von ihm gegebene Name ſehr ſchlecht. Jm Alter ſind wir 8 Jahre verſchieden. Profeſſor von Goͤt - tingen heiſt er ſeit 1759, und ich ſeit 1764. Meine erſte oͤffentliche univerſalhiſtoriſche Arbeit war die phoͤniciſche Geſchichte im J. 1758; ſeine erſte war ſein Handbuch vom J. 1761: folglich bin ich in die - ſem Studio, wovon hier die Rede iſt, gar 3 Jare aͤlter wie er.

III. Einen naͤchſtfolgenden Vorwurf

uͤbergehe ich ganz. Er iſt ſo hart und grob, daß er verdiente, gerichtlich geahndet zu werden; und zugleich ſo unbeſtimmt, daß er nicht juriſtiſch erwieſen werden kan. Jſt es nur begreiflich, daß ein Mann, der mit einer nie erhoͤrten Publicitaͤt eine Louisdors-Klage ge -gen412[188]gen ſeinen Collegen anſtellt, daß eben der den Colle - gen einer uͤbertriebenen Louisdors-Liebe beſchuldige? Doch ich will den Vorwurf ſelbſt dem oͤffentlichen Beweiſe oder der geheimen Reue des Hrn. G s, und meine Rechtfertigung dem hieſigen Publico, uͤber - laſſen, das uns beide aus unſern Handlungen in der Naͤhe kennt.

IV. Hr. G. ſagt zulezt: er hingegen koͤnne ſich allenfalls durch das Vergnuͤgen bezahlt halten, daß ich doch ſeine Erfindun - gen zu etwas zu gebrauchen wiſſe.

Antw.

  • 1. Bekanntlich hat Hr. G. bis auf den heutigen Tag nur ein einziges hiſtoriſches Hauptwerk geliefert, die Holzſchuherſche Geſchichte. Jch vermute, daß er darinn Entdeckungen gemacht; aber geleſen habe ich dieſes Buch nie: auch wird kein Menſch, ſo wenig wie ich, vermuten, daß in einer Holzſchuherſchen Geſchichte Beute fuͤr die Weltgeſchichte zu machen waͤre.
  • 2. Von andern univerſalhiſtoriſchen Erfindungen des Hrn. G. weiß ich nichts; und hat er welche gemacht, ſo kan ich ehronologiſch beweiſen, daß ich ſolche nicht gebraucht habe. Hier iſt mein Beweis.
  • 3. Von 1761 bis 1773 hat Hr. G. 6 Arten von Com - pendien uͤber die Univerſalhiſtorie drucken laſſen: 4vor413[189]vor dem J. 1770, da ich meine Univerſalhiſtorie zu - erſt durch Vorleſungen publicirte; und 2 nach die - ſem J. 1770. Die vier erſten ſind 1. das Hand - buch 1761, II. der Abriß 1765, III. des Handbuchs zweite Auflage 1765, IV. die Synopſis oder chro - nologiſche Tabellen 1766. Die zwei lezten ſind V. die Einleitung 1772, und VI. des Abriſſes zweite. Auflage 1773.
  • 4. Wegen der vier erſten werde ich auſſer allem Ver - dacht ſeyn, Hrn. G. Erfindungen daraus genommen zu haben. Denn G ſche Erfindungen finden ſich zuverlaͤßig nicht darinne. Das Handbuch iſt, wie der Augenſchein lehrt, nach der Engliſchen Welt - hiſtorie, im inneren und aͤuſſeren, geformt. Zwar wurde damals dieſes Handbuch in den hieſigen Gel. Anz. mit vielen Lobſpruͤchen als etwas neues ange - prieſen: allein dieſe vorteilhafte Recenſion hatte Hr. G. ſelbſt gemacht; in ſeiner eigenen Sache aber kan niemand zeugen. Die neue Auflage die - ſes Handbuchs iſt im Grunde voͤllig wie die er - ſte Ausgabe; ich berufe mich abermals auf den Augenſchein. Der Abriß, nach der erſten Aus - gabe, iſt ein bloßer Auszug aus dem Handbuche[,]folglich ein Auszug aus einem Auszuge. Und was in den chronologiſchen Tabellen der Engl. Welthiſt. nicht abgeborgt iſt, gehoͤrt erweislich teils dem etwas unbekannt gewordenen ſeel. Prof. Haſe, welcher haͤtte genannt werden ſollen, teils dem be - kannten Deguignes.
5.414[190]
  • 5. Wegen der beiden leztern aber muß ich mich etwas naͤher erklaͤren. Beide ſind von den 4 erſten weſent - lich verſchieden: die 2te Auflage des Abriſſes hat mit der erſten nichts als den Namen gemein. Beide ſind nicht mer nach der Engliſchen Welthiſtorie geformt; beide haben mit meiner Vorſtellung eine ſichtbare Uebereinſtimmung.
  • Vorausgeſetzt alſo die unlaͤugbare und von mir ſelbſt eingeſtandene Aehnlichkeit meiner Vorſtellung mit der Einleitung und dem neuen Abriſſe, ſind drei moͤgliche Faͤlle. Entweder ich habe Hrn. G. s Er - findungen gebraucht. Oder Hr. G. hat ſich einige meiner Aenderungen belieben laſſen. Oder zufaͤlliger Weiſe fielen wir beide zugleich auf einerlei Neue - rungen, ohne daß einer den andern nutzte; und ge - rade in dem J. 1770, da ich meine Univerſalhiſtorie durch Vorleſungen publicirte, fieng zufaͤlliger Weiſe Hr. G. gleichfalls an, ſeinen in 4 vorhergegangenen Compendien beliebten Plan gaͤnzlich umzuſchmelzen.
  • Daß ich Hrn. G s neuen Abriß genutzt, iſt nicht moͤglich: denn dieſer iſt jetzo erſt (etwa im Sept. 1773) ausgegeben worden, ungeachtet unter der Vorrede bereits das Datum vom 13 Apr. 1773 ſteht.
  • Meine Univerſalhiſtorie leſe ich ſeit Oſtern 1770. Die Vorſtellung von dem Plan, wie ich ſie damals las, und was das Weſentliche betrifft noch jetzo leſe, fieng ich an um Oſtern 1771 drucken zu laſſen; im Jun. 1771 waren die 6 erſten Bogen (wie ich in der Vorrede bemerkte) ſchon in den Haͤnden aller mei - ner Hrn. Zuhoͤrer: die uͤbrigen 8 Bogen aber kamen erſt allmaͤlig bis zum 4 Jan. 1772 hinzu.
  • Hrn. G s Einleitung ward um eben die Zeit, etwa im Jan. 1772, wo nicht ſpaͤter, fertig; ſie ward ſo gleich in den hieſigen Zeitungen, vermutlich abermals vom Hrn. Verf. ſelbſt (die Parentheſen aus - genommen), recenſirt. Aber die Vorrede hat derſelbe abermals um 9 Monate zu autedatiren, und auf den 15 Apr. 1771 zu ſetzen, beliebt. Dieſes Antedatiren und Verwirren der Zeitrechnung hat einen Recen -ſenten415[191]ſenten in den Altenburger Betrachtungen verleitet, zu ſagen: ich haͤtte in meiner Vorſtell. S. 89 die in Hrn. G. s Einleitung S. 1091 befindliche Tabelle zur Ueberſicht des Ganzen, verbeſſert. Dies iſt nicht moͤglich: denn meine Tabelle war ſchon im Jun. 1771 gedruckt; aber Hrn. G. s ſeine wurde wol nicht vor dem Decemb. gedruckt. Nicht zu gedenken, daß ich eben dieſe Tabelle, bereits im erſten halben Jahre 1770 meiner Vorleſungen, meinen Hrn. Zuhoͤrern zum Abſchreiben preis gegeben hatte.
  • 6. Nichts kommt mir aͤrmlicher vor, als Prozeſſe uͤber das gelehrte Mein und Dein. Pluͤndere mich, wer da will, ſo bald ich etwas habe drucken laſſen: nie werde ich Klage fuͤhren, daß ein andrer meine Er - findungen zu brauchen wiſſe. Nur zum Danke da - fuͤr, wenn ich mich phlegmatiſch von andern pluͤndern laſſe, moͤchte ich nicht den Vorwurf leiden, daß ich ſelbſt der Pluͤndernde, nicht der Gepluͤnderte, waͤre.

V.

Nun wird Hr. G. vielleicht ſpaſſen, und ſagen: er haͤtte mich bei dem bisher beantworteten Aufſat - ze nicht gemeint. Jch koͤnnte wieder ſpaſſen, und ſa - gen: nun ſo haͤtte ich ihn unter dem Hrn. G. auch nicht gemeint. Aber, iſt es anſtaͤndig fuͤr ernſthafte Maͤnner, in einer Sache zu ſpaſſen, die das Betra - gen zweier durch Statuten gebundenen Collegen ge - gen einander betrifft?

Hr. G. nennt den ganzen Aufſatz eine Geſchich - te aus ſeinen Studenten-Jahren. Daran zweifle ich ſchon deswegen, weil er darinn von Louisdors ſpricht; auf derjenigen Univerſitaͤt aber, wo Hr. G. Student geweſen, werden bekanntlich nicht Louis - dors, ſondern Gulden und Kopfſtuͤcke, genannt, wenn von Honorarien die Rede iſt.

Aber waͤre es auch: glaubt dann nicht Hr. G., daß ich zehen Hiſtorien fuͤr Eine von der Art, noch weit aͤrgere aber wirklich geſchehene Hiſtorien, ſo gar im Dionys von Halikarnaß oder Livius befindliche Ht -ſtorien416[192]ſtorien, erzaͤlen koͤnnte, von denen gleichwol unſer ganzes Publicum glauben ſoll, daß ich ſie auf ihn gezogen haben wolle? Dazu gehoͤrt ſo wenig Witz, als damit dem tacito Collegae nomine der Statuten ein Genuͤge geſchieht. Noch mer, dieſe Art, Col - legen zu beleidigen, gehoͤret unter die niedrigſten und heimtuͤckiſchen Arten: ſie zeigt Feigheit des Be - leidigenden, der, ſeiner Sache nicht gewiß, ſich zum voraus eine Ausflucht macht, um durch Laͤugnen der etwa vermuteten Strafe der Verlaͤumdung entwei - chen zu koͤnnen; ſie iſt zweifache Ungerechtigkeit ge - gen den Beleidigten, den man dadurch ſo gar um die Woltat oder das Recht der Verteidigung zu bringen ſucht.

Freilich wenn man Hrn. G. fragt, ob er mich gemeint habe: ſo wird er ſagen, Nein.

Aber die Frage iſt, I. Hat nicht unſer ganzes Publi - cum von dem Aufſatze, ſo bald er im Drucke erſchien, die bisher beſchriebene Deutung gemacht? II. Hat Hr. G. nicht vorausgeſehen, daß es dieſe Deutung machen wuͤrde? III. Hat er dieſes Geſchichtgen nicht abſichtlich, damit das Publicum dieſe Deutung ma - chen moͤchte, anfangs in der deutſchen Geſellſchaft hergeleſen, und nachher in unſer Wochenblatt dru - cken laſſen? eben ſo abſichtlich, als er einem andern unſrer Collegen durch einen andern gleichfalls ge - druckten Einfall Num. 17 einen Hieb verſetzte? IV. Was verlaugt denn nun der Hr. Collega von mir, wenn ich vor ihm Ruhe haben ſoll: ſoll ich in Goͤt - tingen gar keine Collegia mer leſen? oder ſoll ich diejenige Zuhoͤrer, die ungerufen zu mir kommen, wegweiſen? oder ſoll ich keine Honoraria mer von ihnen nemen?

(Die Fortſetzung kuͤnftig).

[193][194]

About this transcription

TextAugust Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie
Author August Ludwig von Schlözer
Extent217 images; 33950 tokens; 7130 types; 238306 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationAugust Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie Zweeter Teil August Ludwig von Schlözer. . [8] Bl., S. [225] - 416 DieterichGöttingenGotha1773.

Identification

SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 H UN II, 510:2 RARA

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Historiographie; Wissenschaft; Historiographie; core; ready; china

Editorial statement

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ShelfmarkSUB Göttingen, 8 H UN II, 510:2 RARA
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