Dem Durchlauchtigſten Fuͤrſten und Herrn, H E R R N Friedrich Anton Ulrichen, Des Heil. Roͤmiſchen Reichs Fuͤrſten zu Waldeck, Grafen zu Pyrmont und Rappoltſtein, etc. Meinem Gnaͤdigſten Fuͤrſten und Herrn.
ES hat GOtt der Allerhoͤchſte Ew. Hoch-Fuͤrſtliche Durchlauchtigkeit Laͤnder unter andern natuͤr -) (3li -lichen Vortheilen auch in die - ſem Stuͤck ſo ſonderlich geſeg - net, daß ſie beydes an gelinden und reichhaltigen minerali - ſchen Waſſern vor vielen Her - ren in Teutſchland unver - gleichliche Schaͤtze der Ge - ſundheit beſitzen.
Was die gelinden Waſſer anbelanget, ſo ſind nach aller Brunnenkuͤndigen Medico - rum Bekaͤnntniß die Wil - dungiſchen mit unter die be - ruͤhmteſten, ſicherſten und angenehmſten zu zaͤhlen, wel - chen es nichts deſto wenigeranan ſonderbaren minerali - ſchen Kraͤfften und heilſa - men Wuͤrckungen nicht feh - let.
Unter denen reichhaltigen Geſund-Brunnen haben die Pyrmontiſchen von Alters her ſo groſſen Ruhm und Nahmen, daß man zu Zei - ten des letzten Grafen von Spiegelberg, durch oͤffentlich angeſchlagene Brunnen-Le - ges verbiethen muͤſſen, daß die Leute dieſem heiligen Waſ - ſer und Wunder-Brunnen) (4nichtnicht gar goͤttliche Ehre er - weiſen ſolten.
Auch iſt von denenſelben noch biß auf dieſe Stunde ſo wohl aus dem fuͤrtrefflichen mineraliſchen Innhalt of - fenbar, als durch die man - nigfaltige Erfahrung und herrliche Curen an unzaͤhlig vielen Hohen und Niedrigen Weltkuͤndig, daß ſolche den Vorzug vor den meiſten, wo nicht vor allen uͤbrigen Sauer-Brunnen mit Fug und Recht verdienen.
Da -Daher es der Muͤhe wohl werth, eine gruͤndliche und umſtaͤndliche Beſchreibung von dieſem heilſamen Waſſer zu verfertigen, wie denn auch bißher zwey beruͤhmte Medici: Herr Bolmann, und der ſelige D. A. Cu - næus, ein ieder ein beſon - der Buch davon geſchrie - ben.
Weil aber dieſe Autores ihren Nachfolgern noch Ma - terie uͤbrig gelaſſen haben, auch eines und des andern Menſchen Leben, Wiſſen -) (5ſchafftſchafft und Erfahrung nicht genung iſt, alles in einer ſo wichtigen Sache zu ergruͤn - den und auszumachen, ſo habe dieſe Arbeit als der Dritte uͤber mich genommen, und uͤbergebe dieſelbe hiermit in tieffſter Ehrerbietigkeit, ſo gut ſolche vor dieſes mahl gerathen wollen. Ich habe das unterthaͤnigſte Vertrau - en, Eure Hoch-Fuͤrſtliche Durchlauchtigkeit werden mein geringes Werck mit ei - nem gnaͤdigen Blick anſehen, und wo ich nicht in allen Stuͤ -ckencken nach Wunſch ein Ver - gnuͤgen geben koͤnnen, den - noch den guten Willen und die Begierde dem Vaterlan - de nach meinem wenigen Vermoͤgen in einer ſo nuͤtzli - chen Sache zu dienen, nicht verwerffen, ſondern durch Dero fernere hohe Gnade und Schutz Anlaß geben, die uͤbrige Lebens-Zeit zu voll - kommenern Entdeckungen, und practiſchen Anmerckun - gen uͤber Dero unvergleichli - che Geſund-Brunnen, an welchen Ew. HochfuͤrſtlicheDurch -Durchlauchtigkeit und ſo viel tauſend Menſchen Hohen und Niedrigen ſo groß gelegen iſt, auffzuopffern.
Indeſſen wolle der Aller - hoͤchſte Ew. Hochfuͤrſtliche Durchlauchtigkeit und Dero ſaͤmtliches hohes Hauß mit allerley himmliſchen Segen reichlich uͤberſchuͤtten, und bey beſtaͤndigem Gluͤck und hohem Wohlſeyn ſo lange er - halten, als dieſe Qvellen das geſegnete Waſſer herfuͤr brin - gen, und die Grundfeſten der Welt beſtehen werden, wel -chesches mit Hertz und Mund von GOTT dem Allmaͤch - tigen bittet, und mit tieff - ſter Ehrerbiethigkeit wuͤn - ſchet
Durchlauchtigſter Fuͤrſt und Herr, Ew. Hochfuͤrſtl. Durchl.
unterthaͤnigſter treu-ge - horſamſter Knecht Joh. Philipp. Seipp, D.
DIe Grafſchafft und Schloß Permunt oder Pyrmont, wie auch die mineraliſchen Ge - ſund-Brunnen deſſelben Nahmens ſind zwar uͤber zweyhundert Jahre in denen meiſten Laͤndern Europaͤ nicht unbekannt; jedennoch wird denenjenigen, wel - che nur den Nahmen ohne ſonderliche Umſtaͤn - de nennen hoͤren, und nicht ſelbſt an dem Orte geweſen ſind, eine kurtze Nachricht von der al - ten und neuen Hiſtorie dieſer Landſchafft, und von der Gegend und Gelegenheit, bey dem weit - beruͤhmten Brunnen nicht unangenehm ſeyn koͤnnen.
Die aͤlteſte Nachricht,*Die alten Einwohner der Grafſchafft Pyrmont. welche von un - terſchiedlichen gelehrten Hiſtoricis auf die Pyr - montiſche Gegend gedeutet wird, iſt daß die Ambrones,**Ambrones. ante C. N. ein altes Teutſches Volck, wel - ches mit denen Cimbris und Teutonibus ohn - gefehr hundert Jahr vor Chriſti Gebuhrt nach Italien gezogen, daſelbſt gewohnet, und den Nahmen von dem Emmerfluß, Ambra oder Emmera, welcher mitten durch den Pyrmonti - ſchen Thal nach der Weſer hinunter flieſſet, ſoll bekommen haben. R. Reinec. in Comment. Meibom. Ferd. Epiſc. in Monum. Paderbor - nenſ. Piderit. Chron Lipp. Part. I. c. 6.
Um das zehende Jahr nach Chriſti Ge - buhrt haben daſelbſt, und in der Gegend auf beyden Seiten der Weſer zwiſchen Hameln und Minden die Cheruſci,***Cheruſci. A. C. 10. eines der ſtreit - bahreſten und beruͤhmteſten Voͤlcker, ſo zu der Zeit Teutſchland bewohnet, ihren Sitz gehabt, welche ſich noch einen groſſen Strich Landes uͤber den Hartz, biß an die Elbe ausgebreitet.
Des tapffern Hertzogs und Feldherrn der Cherusker Hermanns oder Arminii geweſenes Schloß und Reſidence,****Arminii Reſidentz. liegt zwey kleine Stunden von Pyrmont gegen Suͤd-Weſten auf einem hohen Berge, von welchem auch dergroͤſ -3von der Grafſchafft Pyrmont.groͤſſeſte Theil der oͤbern Flaͤche Pyrmontiſch iſt. Sonſten aber ſcheidet ſich daſelbſt die Grafſchafft Pyrmont und Lippe, wie auch das Paderborniſche Gebiethe, und wird biß auf die - ſen Tag noch von denen Benachbarten geheiſ - ſen die Harmes-Hermins - oder Herlings-Borg. Der Berg hat oben im Umkreiß uͤber 1500 Schritte, liegt ungemein vortheilhafftig, und kan man die Uberbleibſel alter Befeſtigungs - Wercke noch gar wohl beobachten, obgleich der gantze Berg mit vielen groſſen Buͤſchen uͤberwachſen iſt.
Wie dieſer Feld-Herr Arminius mit ſeinen Cheruskern und einigen andern Teut - ſchen Voͤlckern im zwoͤlfften Jahr nach Chriſti Gebuhrt,*Wahlſtatt der Roͤmiſchen Niederlage unter Q. Varo A. C. 12. des alten Roͤmiſchen Kaͤyſers Au - guſti General Quintilium Varum, ſamt drey der beſten Roͤmiſchen Legionen ohngefehr 3 Meilen von Pyrmont, an dem Saltu Teuto - burgenſi, nicht ferne von dem Urſprung der Lippe und Embs, oder zwiſchen Dethmolt und Horn, gaͤntzlich geſchlagen und niedergema - chet, ſolches kan nicht allein in denen alten La - teiniſchen Geſchicht-Schreibern C. Tacito, Suetonio, L. Floro, V. Paterculo, D. Caſſio, Victore Strabone &c. umſtaͤndlich nachgeleſen werden; ſondern es ſind auch alle neuere Au - cores, welche von der Hiſtorie der alten Teut -A 2ſchen4Cap. I. Hiſtoriſche Nachrichtenſchen geſchrieben, davon voll, als Cluverius, Stangevolius, Piderit. Erpold. Lindenbruch. Ferdinandus Epiſc. in Monum. Paderb. Nico - laus Schaten. in Hiſt. Weſtphal. D. C. von Lo - henſtein, in ſeinem großmuͤthigen Feldherrn, Waſſerbach. in Diſſert. de Statua Harminii, und andere. Es nimmt alſo die Grafſchafft Pyrmont mit Theil an denen vornehmſten und merckwuͤrdigſten Alterthuͤmern Teutſchlands.
Es ſind auch einige unter denen Hiſto - ricis der Meynung, daß die beruͤhmte Goͤtzen - Statue die Irminſule*Die Irminſule. der alten Francken, Sachſen und Weſtphaͤlinger auf gemeldeter Hermanns-Borg geſtanden habe, ſonderlich weil verſchiedene von denen alten Autoribus dieſes Goͤtzen-Bild gantz deutlich nennen die Er - menſul, Hermanſaul und Hermenſeul, wie bey dem Reginone, Rolvingio, Sigeberto und andern gefunden wird.
Es haͤtten nehmlich die alten Teutſchen nach ihres Feldherrn Arminii Tod, weil er ſie durch ſeine Tapfferkeit von dem Roͤmiſchen Joch ſo gluͤcklich befreyet, demſelben zu Ehren auf ſei - ner Reſidence eine Gedaͤchtniß-Seule aufge - richtet, welcher hernach die Nachkoͤmmlinge goͤttliche Ehre erwieſen, und einen Schutz-Gott daraus gemachet. Waſſerbach Diſſert. de Sta - tua Harminii. Ob nun gleich aus andern Hi - ſtoricis wahrſcheinlicher iſt, daß die Irminſule,welche5von der Grafſchafft Pyrmont.welche Carolus Magnus A. C. 772. zerſtoͤhret, zu Statberg vor Alters die Eresburg (Mons Martis) genannt, an dem Dimel-Fluß geſtan - den, ſo koͤnte doch wohl ſeyn, daß ſolche zuerſt von dem Arminio, und deſſen Burg ihren An - fang genommen haͤtte, und vielleicht nach der Eresburg transportiret, oder daſelbſt reicher und herrlicher als ein Gott des Krieges nachge - machet worden.
Nach des Fuͤrſten Arminii Zeiten biß auf Carolum Magnum*Caroli M. Haupt-Quartier. A. C. 784. findet man nichts un - ter denen alten Geſchichten, welches den Pyr - montiſchen Dictrict ins beſondere mit betref - fen ſolte. Dieſer groſſe Kaͤyſer aber hat A. C. 784. ſein Haupt-Quartier in dem Pyrmonti - ſchen Thal gehabt zu Luidi oder Lüde, welches noch in dem vorigen Seculo zu der Grafſchafft Pyrmont gehoͤret hat, und erſtlich durch den Vergleich Anno 1668. der Biſchoͤfflich-Pader - borniſchen Regierung gaͤntzlich uͤbergeben wor - den.
Denn als im angefuͤhrten Jahre 784. die Nie - der-Sachſen und Weſtphaͤlinger rebellireten, und ſich in dem Gebuͤrge um die Gegend der Emmer und Weſer zuſammen gezogen hatten, gieng Carolus Magnus mit ſeiner Armee noch im Anfang des Winters von Worms nach Weſtphalen gerade auf ſie loß, und nachdem die Rebellen zerſtreuet, verlegete er ſein Kriegs -A 3Volck6Cap. I. Hiſtoriſche NachrichtenVolck in die angenehmen Thaͤler um den Em - merfluß, ſonderlich von Schidroburg oder Schieder biß nach Lüde, an welchem Ort er ſein Quartier genommen, und Weynachten da - ſelbſt gehalten, wie in denen Annalibus Franci - cis Caniſii, bey dem Reginone, Pithæi Vita Caroli M. Hiſt. Weſtphal. Schateni, und an - dern zu finden iſt.
Um dieſelbe Zeit iſt dieſe luſtige Land - ſchafft und Flaͤche um den Emmer-Fluß zwi - ſchen ſtetem Umkreiß hoher Berge die Emmer - gove genannt, und von Carolo M. zur Graf - ſchafft gemachet,*Carolus M. macht eine Grafſchafft an dem Emmer - fluß. auch zu Schidroburg ein Bi - ſchoff eingeſetzet worden. Wie nun damahls die erſten Grafen geheiſſen, und ob ſie mit Ca - rolo M aus Franckreich kommen, auch die uͤbri - gen Umſtaͤnde der Erb-Folge, der Geſchlecht - Regiſter und Veraͤnderungen der Religion und des Regiments, ſolches iſt dieſesmahl unſere Abſicht nicht nach der Laͤnge anzufuͤh - ren.
Wir melden hier alleine, daß nachdem die erſten Pyrmontiſchen Grafen**Unterſchiedliche alte Graͤffliche Linien in der Grafſchafft Pyrmont. Anno 1494. die Spiegelbergiſchen An. 1557. die Graͤfflich Lippiſche Linie An. 1583. und der letzte Graf von Gleichen Johann Ludwig (welcher ſchonAn -7von der Grafſchafft Pyrmont.Anno 1619. mit ſeinem Herrn Bruder Philipp Ernſt die Herrn Grafen von Waldeck, zu Erb - folgern in der Grafſchafft Pyrmont eingeſe - tzet) Anno 1629. geſtorben, das Illuſtre Hauß Waldeck von ſolcher Zeit her, und ſonderlich nach dem Vergleich, welcher An. 1668. mit dem Biſchoff von Paderborn Ferdinando Frey - Herrn von Fuͤrſtenberg getroffen worden, in ruhigem Beſitz dieſer Grafſchafft geblieben, welches hohe Hauß der Allerhoͤchſte biß ans Ende der Welt in allem Vergnuͤgen und hohen Wohlergehen dabey erhalten wolle.
Was aber nun die gegenwaͤrtigen Umſtaͤnde der Grafſchafft anbelanget,*Situation, Graͤntze, und Eintheilung der Graf - ſchafft. ſo wird Pyrmont in denen meiſten neueren Land-Char - ten unter den 53ſten Grad Latitudinis, und den 30ſten Grad Longitudinis geſetzet, wiewohl an - dere den Ort noch unter den 52ſten Grad Lati - tudinis, und 29ſten Grad Longitudinis rech - nen. Es graͤntzet die Grafſchafft gegen Mit - ternacht und Morgen an das Hannoͤveriſche Amt Artzen; gegen Mittag und Abend, an das Wolffenbuͤttelſche Amt Ottenſtein, das Hannoveriſche Amt Polle, das Lippiſche Amt Schwalenberg und Barndorff, wie auch an das Paderborniſche Gebiethe. Es beſtehet dieſelbe aus zehen Doͤrffern, welche ein Amt und zwey Parochias ausmachen, ſo daß 5 Doͤrf -A 4fer:8Cap. I. Hiſtoriſche Nachrichtenfer: Oeſtorff, Holtzhauſſen, Hagen, Loͤwen - hauſſen und Dahl, zu dem niedern Theil der Grafſchafft, und wieder fuͤnff Doͤrffer: Nehr - ſen, Baarſen, Brauersberg, Kleinenberg und Eichenborn zu dem oͤbern Theil, oder der Pfar - re auf dem Berge gehoͤren.
Der niedere Theil der Graffſchafft, inſonderheit der Thal,*Annehmlichkeit des Pyrmontiſchen Thals. in welchem die Ge - ſund-Brunnen, das Schloß Pyrmont, Oe - ſtorff, Holtzhauſſen, Loͤwenhauſſen und die Pa - derborniſche Stadt Luͤde lieget, iſt die ſchoͤnſte und angenehmſte Gegend, welche man ſich vor - ſtellen kan. Wie dann auch alle Fremde ſo dahin und zum Brunnen kommen, ein ſonder - bahres Vergnuͤgen daran nehmen, und beken - nen dergleichen wenig geſehen zu haben.
Es entſpringen zwar insgemein alle kalte und warme mineraliſche Quellen unten an ho - hen Bergen, als in welchen die Schatz-Kam - mern verborgen liegen, woraus die Waſſer ih - re heilſame Kraͤffte hernehmen, indeſſen liegen faſt alle ſo enge zwiſchen dem Gebuͤrge, daß wenig oder gar kein Proſpect dabey gefunden wird. Hingegen iſt in dem Pyrmontiſchen Thal eine Ebene, faſt auf eine Stunde Weges in die Laͤnge und Breite.
Mitten durch dieſe Plaine flieſſet der Fiſch - reiche Emmer-Fluß, und um dieſelben ſind die ſchoͤnſten und beſten Viehweiden und Wie -ſen -9von der Grafſchafft Pyrmont.ſenwachs, ſo irgendswo koͤnnen gefunden wer - den. Das uͤbrige in dieſem Grunde biß an die Berge hinauff ſind Kornfelder und Ackerbau. Und dann iſt dieſes ſchoͤne und fruchtbare Thal, rings umher mit einem Circul gruͤner hoher Berge eingeſchloſſen, und erfahren diejenige, welche nach Permont reiſen zur Gnuͤge, daß es heiſſe Permontes.
Von dem Schloß Pyrmont,*Hiſtorie des Schloſſes Pyrmont. wel - ches in dieſem ſchoͤnen Thal, zwiſchen Oeſtorff und Holtzhauſſen lieget, und nach welchem an - jetzo die Grafſchafft genennet wird, iſt zu be - mercken, daß A. C. 1184. (wie der Original - Fundations-Brieff in dem Hochfuͤrſtl. Walde - ckiſchen Archiv ausweiſet) zuerſt eine Schloß - und Graͤntz-Feſtung auf dem ſo genannten Schellenberg, von dem Coͤllniſchen Ertz-Bi - ſchoff Philippo Grafen von Heinsberg, zu Zei - ten des Kaͤyſers Friderici Barbaroſſæ erbauet worden. Weil nun daſſelbe in der Grafſchafft und Jurisdiction des Widekindi, welcher ein Graf von Permunt und Schwalenberg ſchon vor beſagter Zeit geſchrieben wird, gelegen war, ſo hat es der Ertz-Biſchoff demſelben und deſſen Erben zu ewigem Beſitz damahls uͤbergeben, und es dem heil. Apoſtel Petro conſecriret, und demſelben den Nahmen Petri Mons bey - geleget.
Man nennet den Berg noch biß auf dieſeA 5Stunde10Cap. I. Hiſtoriſche NachrichtenStunde Schell-Permunt, und ſind noch eini - ge alte Mauer-Stuͤcke daſelbſt zu ſehen. Nach - dem aber dieſes alte Schloß zerfallen, und ver - ſtoͤhret worden, hat nach Hamelmanns Bericht p. m. 406. Fridericus Graf zu Spiegelberg und Pyrmont in der Ebene 400. Schritt von dem heiligen Brunnen, ein neues Caſtel ange - leget, das alte Hauß - oder Schloß-Gebaͤude aber auf demſelben, hatte ſein Sohn Herr Graf Philipp der letzte des Spiegelbergiſchen Stammes Anno 1557. im Fruͤhling deſſelben Jahrs, da er zu Ende des Sommers in der Schlacht bey S. Quintin umkommen, zu bauen angefangen, aber nicht vollendet, wie noch auf einem alten Steine kan geleſen werden. Die - ſes Herrn Schweſter Gemahl, Herr Graf Hermann Simon zur Lippe hat endlich Anno 1562 das Schloß voͤllig ausbauen, und nach der damahligen Art ſehr wohl fortificiren laſſen.
Anno 1583. da die Hochgraͤfl. Lippiſche Li - nie mit dem eintzigen Pyrmontiſchen Erben Philippo wieder verloſchen, nahmen die jungen Herren Grafen von Gleichen (deren Frau Mutter Walpurgis auch eine Schweſter des letzten Grafen von Spiegelberg war) das Schloß Pyrmont mit gewaffneter Hand ein, worauf ſie Henricus Biſchoff zu Paderborn und Hertzog von Sachſen-Lauenburg darinnen belagerte, ſie wurden aber von Hertzog Phi - lipp von Braunſchweig-Grubenhagen entſe -tzet,11von der Grafſchafft Pyrmont.tzet, und in dem Beſitz des Schloſſes und der Grafſchafft geſchuͤtzet (ſiehe opera Hamelman - ni p. m. 754.)
Anno 1629. und 1630. da Ferdinandus Her - tzog in Baͤyern und Churfuͤrſt zu Coͤlln, zugleich Biſchoff zu Paderborn worden, und damahls ſchon das Schloß und die Grafſchafft Pyr - mont, an das Hochgraͤfliche Waldeckiſche Hauß kommen war (D. Speneri Op. Herald. Part. Special. Lib. 3. Cap. 39.) wurde dieſe Fe - ſtung von dem Ferdinando zehen Monat lang belagert, und endlich auch eingenommen. Nicht gar lange hernach nahm es ihm Hertzog Georg von Braunſchweig, im Nahmen des Herren Grafen von Waldeck wieder ab. Nachher haben es die Kaͤyſerl. im dreyßigjaͤhri - gen Kriege unter dem General Goͤtzen erobert, und den Biſchoͤffl. wieder eingeraͤumet.
Anno 1646. hat es der Schwediſche Gene - ral Koͤnigsmarck zum letzten mahl weggenom - men, und die Herren Grafen von Waldeck in Poſſeſſion geſetzet, worinnen ſie bey dem Weſt - phaͤliſchen Frieden confirmiret worden, darauf dann nachmahls Anno 1668. ein umſtaͤndlicher buͤndiger Vergleich, wegen der Grafſchafft Pyrmont mit dem Biſchoff Ferdinando, Frey - herrn von Fuͤrſtenberg geſchloſſen worden.
Anno 1706. haben Ihro Hochfuͤrſtl. Durchl. unſer regierender gnaͤdigſter Landes-Herr, das alte Schloß-Gebaͤude, welches 150. Jahr ge -ſtan -12Cap. I. Hiſtoriſche Nachrichtenſtanden, und ſehr baufaͤllig geworden, abbre - chen, und ein neues, ſchoͤn und bequemes Hauß an des vorigen Stelle auffbauen laſſen, wel - ches ſie dann kuͤnfftig noch mit 2. Fluͤgeln ver - groͤſſern, und zu bequemer logirung dero ſaͤmt - lichen Hof-Statt aptiren laſſen wollen.
Oeſtorff*Oeſtorff. iſt derjenige Ort, welcher dem Brunnen am naͤchſten lieget. Es iſt der - ſelbe ſchon ſehr alt, und findet man in denen Monumentis Paderbornenſ. F. E. p. m. 180. ei - nen Brieff, welcher bey 700. Jahr alt, daraus zu ſehen, daß der Ort ſchon damahls Odisthorp genennet worden, und eine Kirche daſelbſt ge - ſtanden habe.
Vor 50. Jahren, da das Dorff 1667. abge - brannt, haben auf ohngefehr 600. Schritt von dem Brunnen keine Haͤuſer geſtanden, es ſind aber von Jahren zu Jahren mehrere Haͤuſer angebauet worden, ſo daß nun die neue Straſ - ſe biß gantz nahe an die mineraliſchen Quellen gehet, und auff 80. Haͤuſer gezaͤhlet werden, von welchen ein groſſer Theil ſo eingerichtet und aptiret iſt, daß die Einwohner die ankommen - de Brunnen-Gaͤſte aufnehmen, und bequem beherbergen koͤnnen.
Den Sommer uͤber iſts an dieſem Ort wie eine kleine Meſſe oder Jahrmarckt, und kommen allerhand Kauffleute, Buchhaͤnd - ler, Weinſchencken, Caffee-Wirthe, Traiteursund13von der Grafſchafft Pyrmont.und dergleichen dahin, welche meiſtentheils ihre Boutiques bey denen Brunnen und um die Allée haben, theils dieſelben hin und wieder auffſchlagen.
Die Herren Brunnen-Gaͤſte finden zu ih - rem Vergnuͤgen Veraͤnderung und Zeitver - treib,*Veraͤnderung bey der Brunnen-Cur. den Vormittag bey dem Trincken die lu - ſtigen Spatzier-Gaͤnge in der ſchoͤnen Linden - Allée, und daſelbſt eine angenehme Muſic ei - ner geſchickten Geſellſchafft Hautboiſten; auch einen freyen und veraͤnderlichen Umgang mit allerley Perſonen, hohen und niedern Standes, Gelehrten, Geiſtlichen und Weltlichen, mit ei - nem Wort, ein jeder findet ſeines gleichen, und converſiret frey mit wem er will.
Des Nachmittags koͤnnen ſie ſpatzie - ren fahren, erſtlich nach den trefflichen Garten des Herrn Schatz-Raths Barons von Muͤnch - hauſſen zu Schwoͤbber, eine Meile von Pyr - mont, woſelbſt ſie die ſchoͤnſten und rareſten auslaͤndiſchen Gewaͤchſe aus Oſt - und Weſt - Indien: Die unvergleichliche Frucht Ananas, Caffée-Baͤume mit reiffen Caffée-Bohnen, den Campher, Dattel, Maſtix - und Cattun - Baum, Arborem Draconis, viele Cereos, In - dianiſche Feigen-Baͤume mit reiffen Fruͤchten, und hundert dergleichen rare Gewaͤchſe, auch bey zweyhundert Arten von Pomerantzen, Ci - tronen und Limonen, zu ſonderbahrer Ergoͤ -tzung14Cap. I. Hiſtoriſche Nachrichtentzung des Gemuͤths antreffen werden. Auch iſt daſelbſt ein wohlbetzter kleiner Thier-Gar - ten, item zwey ſchoͤne ſchattigte Tannen-Alléen, und mehr dergleichen Luſtbarkeiten.
Auff der Zuruͤck-Reiſe von Schwoͤbber be - ſehen ſie die zu Artzen unter des Herrn Ober - Amtmann Voigts Direction angelegte Treſch - Muͤhle, als eine ſehr nuͤtzliche mechaniſche Er - findung, mit welchen 3 Perſonen taͤglich ſo viel Korn austreſchen, als ſonſt 18 mit Hand-Fle - geln kaum thun koͤnnen. Man findet den Ab - riß und die Beſchreibung derſelben in denen Mi - ſcellaneis Berolinenſibus, welche die Koͤnigl. Societaͤt Anno 1710. heraus gegeben, auch in dem 2dern Theil des Muſæi Muſæorum D. Bernh. Valentini.
(2) Fahren ſie auch ſpatzieren, nach der Arminiusburg §. 3. (3) Nach Schelle-Per - munt §. 10. (4) Nach den Erdfaͤllen uͤber Holtzhauſen Cap. 3. §. 26. (5) Nach der alten Stadt Luͤde §. 6. (6) Nach der Glaß-Huͤt - ten in dem Hochgraͤflichen Lippiſchen Biſcher - feldiſchen Walde, 2 kleine Stunden von Pyr - mont. (7) Gehen oder fahren ſie in die naͤchſt - gelegenen anmuthigen Waͤlder, in den Oeſt - berg, Bomberg und andere.
Wer ein Liebhaber und Kenner iſt, allerhand nuͤtzlicher Kraͤuter, wird in der Pyr - montiſchen Gegend die gebraͤuchlich - und kraͤff - tigſten welche auf Teutſchen Boden wachſen,mei -15von der Grafſchafft Pyrmont.meiſtentheils alle finden. Denn weil der Grund und Boden ſo mancherley, und man alle erdenckliche Situationes, hohe und niedrige Berge und Waͤlder, Huͤgel und Felſen, ſteinig - te und duͤrre Oerter, ſo wohl als fette, ſuͤmpffig - te und moraſtige, auch ſauere und ſuͤſſe Quel - len, Baͤche und Fluͤſſe daſelbſt hat, ſo findet ein jedes Gewaͤchſe ſeinen Gebuhrts-Ort, und iſt ſolches die Urſache, daß man eine ſo groſſe Men - ge ſchoͤner Kraͤuter daſelbſt haben kan.
Andere ſuchen des Nachmittags ihr Vergnuͤgen und Zeitvertreib im Buchladen, mit Durchſehung allerhand gelehrter und neuer Sachen; andere bey denen Aſſemblées und Balls, welche von groſſen Herrn und Fuͤrneh - men von Adel in der Allée, oder in dem Ball - hauſe, auch wohl in einigen Haͤuſern wo Gelegenheit und Raum dazu iſt, gegeben werden. Andere divertiren ſich mit Spielen, auf denen Billards, auf dem Brete, mit Kegeln und dergleichen. Summa, es bringet man - cher ſeine Cur-Zeit zu Pyrmont ſo vergnuͤgt und kurtz hin, daß er keine Urſache findet, uͤber eine verdruͤßliche und langwierige Cur zu klagen, ſondern es heiſſet hier oͤffters: Medice vive - re, optime vivere.
Es dienet auch allen, welche Andacht pflegen,*Gottesdienſt. und ſich bey der Cur in Chriſtlichen Ubungen des goͤttlichen Seegens theilhafftigmachen16Cap. I. Hiſtoriſche Nachrichtenmachen wollen, zur Nachricht, daß der oͤffent - liche Gottesdienſt in der Grafſchafft Pyrmont der Evangeliſche ſey, ſo weit man Nachricht gefunden, ſchon von Anno 1552. da der letzte Spiegelbergiſche Graf regieret hat. Es wird alle Sonntage des Morgens auf dem Schloß, und um 10 Uhr in der Oeſtorffiſchen Kirche ge - prediget, wie auch Sonntages Nachmittages Catechiſmus-Examen, alle Montage des Mor - gens Betſtunde, und die Freytage Wochen - Predigt; auch wird den Sommer uͤber oͤff - ters Mittags nach 4 Uhr in dem Waͤyſen-Hau - ſe von einem Candidato Theologiæ Betſtun - de gehalten. Die Roͤmiſch-Catholiſchen fin - den ihre Religions-Ubung zu Luͤde eine halbe Stunde, die Reformirten in der Lippiſchen Stadt Barndorff zwey Stunden von Pyr - mont.
WEil wir bißher die hiſtoriſchen Nachrich - ten von der Grafſchafft Pyrmont, wie auch von der Gegend und Gelegenheit, um und bey denen mineraliſchen Brunnen, ſo viel einem Fremden nuͤtzlich und angenehm ſeyn mag, vor -getra -17von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.getragen haben, ſo wenden wir uns zu dieſen Quellen ſelbſt. Da nun den Sommer uͤber von denen Herrn Brunnen-Gaͤſten am mei - ſten gefraget wird, wie lange dieſe Brunnen bekannt, und wie lange ſolche ſchon zur Geſund - heit gebrauchet worden, ſo will ich alle hiſtori - ſche Nachrichten, von denenſelben, ſo viel mir bißher zu Geſichte kommen, von Jahren zu Jah - ren mit der Autorum eigenen Worten anfuͤh - ren, alle Buͤcher und publicirte Schrifften ſpe - cificiren, auch einige Zeugniſſe gelehrter Medi - corum mit dazu nehmen.
Es liegen aber dieſe Brunnen*Alter der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen. zwi - ſchen dem Schloß Pyrmont und Qeſtorff: daß ſolche unter die Fontes perpetuos, oder im - merwaͤhrende Brunnen gehoͤren, und ſo alt als der Welt Anfang, daran iſt wohl wenig zu zweifeln. Auch koͤnnen dieſe Quellen wegen ihrer merckwuͤrdigen Beſchaffenheit und ſon - derlichen Geſchmacks, ſchon im erſten Seculo, da durch dieſes Thal der Fuͤrſt Arminius mit ſeinem Heer und Bundsgenoſſen, auch ver - muthlich die Roͤmer unter dem Feld-Herrn Germanico, 18 Jahr nach Chriſti Gebuhrt hin und wieder nach der Weſer und der Teuto - burgiſchen Gegend marchiret ſind, nicht unbe - kannt geblieben ſeyn. Indeſſen haben da - mahls Schreiber und Druckereyen in Teutſch - land gefehlet, ſonſten wuͤrde man vielleicht un -Bter -18Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichtenterſchiedliche artige Nachrichten davon ha - ben.
Der aͤlteſte Nahme dieſes Waſſers iſt wohl,*Die aͤlteſte Benennung: Hyllige Borne. daß die alten Nieder-Sachſen daſſelbe den Hylligen Born, und den Grund, und die Wieſe, auf welchem die Quellen entſpringen, den Hylligen Anger genannt haben. Denn alſo wird der Trinck-Brunnen von undenckli - chen Jahren her von den Einwohnern und Nachbahren geheiſſen, und iſt dieſe Benennung noch heutiges Tages unter denſelben gantz ge - braͤuchlich. Im ſechzehenden Seculo iſt er von denen Autoribus der Spiegelbergiſche und Neubrunn, nach ſolcher Zeit der Pyrmontiſche genannt worden.
Ob nun die alte Saͤchſiſche Benen - nung**Woher der Nahme entſtanden. nach einiger Meynung von Goͤtzen-Bil - dern, welche vor Alters von den Heydniſchen Teutſchen um dieſe Brunnen geſetzet, und da - ſelbſt verehret worden, hergenommen, oder von einer Catholiſchen Kirche, welche auf der heili - gen Wieſe zwiſchen dem Brunnen und dem Schloß geſtanden, (von welcher ohngefehr vor 40 Jahren noch einige zerfallene Mauerſtuͤcke uͤbrig geweſen,) wohin die Catholiſchen von Luͤde und andern benachbahrten Oertern an Feſt - und Feyertagen mit Creutz und Fahnen, Proceſſiones und Wallfahrten gehalten, ſol - ches laͤſſet man an ſeinen Ort geſtellet ſeyn.
Es iſt aber wahrſcheinlicher, daß die heydniſchen Goͤtzen, und nach Caroli M. Zei - ten die Chriſten-Kirchen eben darum nahe bey dieſen Brunnen auffgerichtet und erbauet wor - den, weil man dieſelben damit erheben und hei - ligen wollen. Denn man wird aus dem unge - woͤhnlichen, beſtaͤndigen und ſtarcken Auff - brudeln der Quellen, und dem beſondern Ge - ſchmack des Waſſers, wie auch ohne Zweiffel aus denen heilſamen Wirckungen deſſelben, die - ſe Brunnen ſchon damahls hoch, und als ein hei - liges Wunder der Natur gehalten haben.
Da die Niederlaͤnder bereits im erſten Se - culo ihren auffbrudelnden, und nach Eiſen ſchmeckenden Brunnen zu Reinigung des Lei - bes, gegen drey-taͤgige Fieber und Stein-Ge - brechen haben zu brauchen wiſſen, wie Plinius ſecundus in Hiſtoria naturali gedencket, ſo iſt zu vermuthen, daß die Cheruſci, und nach - mahls die Francken und Sachſen, nicht weni - ger von ihren Mineral. Quellen gewuſt, und die - ſelben darum werth und heilig werden gehalten haben.
Von dem achten Seculo giebet der Jeſuit Nicolaus Schaten*N. Schateni Nachricht von A. C. 784. in ſeiner Hiſtoria Weſtphaliæ die aͤlteſte Nachricht von dem Brunnen ſelbſt. Denn als Carolus M. Anno C. 784. ſein Haupt-Quartier zu Luͤgde genom - men, (wie wir Cap. I. §. 6. angefuͤhret haben) B 2mel -20Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichtenmeldet dieſer Autor unter andern folgendes von ihm: Præter Ambram, qui nunc Emme - ra dicitur, Carolum oblectarunt Pyrmonta - næ Aquæ in Conſpectu Ludæ, acore & Mede - la celebres. Ob nun gleich der Autor nicht ſchreibet, woher er dieſe Nachricht genommen, ſo iſt doch zu vermuthen, daß er ſolche aus einem alten Manuſcript gezogen, weil dieſer Jeſuit ein ſehr accurater Autor, und gute Gelegenheit gehabt, dergleichen MSta aus dem Paderbor - niſchen Archiv, und bey dem gelehrten Bi - ſchoff Ferdinando, Freyherrn von Fuͤrſten - berg durchzuſuchen.
Im 14ten Seculo hat Henricus de Her - vordia,*Henricus de Hervordia vom 14. Seculo ein Dominicaner-Muͤnch in dem St. Pauli Cloſter zu Minden gelebet, welcher ver - ſchiedene treffliche MSta hinterlaſſen; von der Saͤchſiſchen Hiſtoria, aus dieſem fuͤhret Ferdi - nandus Epiſc. in Monumentis Paderbornenſ. eine Nachricht an, welche alſo lautet: In Weſtphalia juxta oppidum Lude, diœce - ſis Paderbornenſis Fons eſt, qui dicitur SA - CER FONS, de quo ſi quis pronus biberit, in faciem ejus exſilit, & quaſi expergi videtur. Ibidem eſt & alius fons, qui dicitur FONS BULLIENS. Iſte quaſi quadratus eſt, de qua - tuor lateribus æqualibus, quolibet latere for - te 12 pedum exiſtente, & fundus ſubter rube - us ad pallorem declinans &c. Nil in ipſum in -fluit,21von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.fluit, nec effluit, ſed continue bullit & ſonore ſic ut ad jactum baliſtæ poſſit audiri &c. Die - ſer Muͤnch iſt Anno 1370. zu Minden geſtorben und in der Dominicaner-Kirche begraben, ſte - het alſo leicht nach zurechnen, daß der Trinck - Brunnen nach dieſer Erzehlung ſchon vierdte - halb hundert Jahr der heilige Brunn geheiſſen, und der Bade - oder Brodel-Brunn ſchon da - mahls auffgeraͤumet, und ins Viereck gefaſſet geweſen.
Von Anno 1556. ſchreibet Ferdi - nandus Epiſcopus, von Joh. Seileri Chronico Pyrmont. MSto,*An. 1556. Ferdinandus Epiſc. Seileri Chron. daß derſelbe von dieſem hei - ligen Brunnen erzehle, wie ſolcher damahls durch ſeine wunderbahre Krafft, in Heilung vie - ler ſchweren Kranckheiten ſehr beruͤhmet, und unter groſſem Zulauff der Auslaͤnder und Frem - den ſey beſuchet worden. Auch habe Joh. Gi - gas, gebuͤrtig aus Luͤde, ein trefflicher Medicus und Mathematicus, und Henricus Harius J. C. in ſeiner Beſchreibung des Biſchoffthums Pa - derborn, ſchon lange vor ſolcher Zeit dieſen Brunnen ſonderlich geruͤhmet. Der Biſchoff thut hinzu, daß dieſer edle Geſund-Brunnen noch biß auf ſeine Zeit jaͤhrlich von vielen Fuͤr - ſten und groſſen Herren fleißig beſuchet werde.
Von eben dieſem Jahre 1556. ſchrei - bet Bünting**Bünting von An. 1556. in ſeiner Braunſchweig - undB 3Luͤne -22Cap. II. Hiſtoriſche NachrichtenLuͤneburgiſchen Chronica, gedruckt zu Magde - burg 1586. im dritten Theil fol. 72. Zu der - ſelben Zeit war ein Wunder-Gelaͤuff nach den heiligen Brunnen, ſo ſich um dieſe Zeit in der Grafſchafft Pyrmont und Spiegelberg, etwa zwo Meilen von Hameln, bey einem Dorff Diſtorff (Odistorff oder Oeſtorff) genannt, be - funden, und wider mancherley Kranckheiten gebraucht worden, auch etlichen Leuten geholf - fen. Dahero ein Geſchrey ausgebrochen, als ſolte und koͤnte dieſer Brunn alle Seuchen und Gebrechen heilen, da ſahe man auf allen Straſ - ſen zufahren und reiten, und die Krancken auf Karren, Wagen und Schlitten bringen, die andern gebrechlichen Leute herlauffen, gehen und kriechen.
Welche nahe dabey waren, und durch keine andere Mittel die ihren dahin bringen konten, trugen ſie auf dem Ruͤcken zum Brunnen, und waren offt etliche 1000. Menſchen dabey, daß ſie nicht anders als in einem Feld-Lager um den Brunnen herlagen. Dem Grafen des Orts war nicht allzu wohl dabey, auch andere benach - barten Fuͤrſten und Herren ſich einer Vergad - derung befuͤrchten muſten. Es lieſſen ſich auch alte verlebte Weiber dahin fuͤhren, vermeyn - ten vielleicht jung, oder alter Schaden loß zu werden, die doch nicht lange nach ihrer Wieder - kunfft gelebet.
So ſind auch viel geſunder Menſchen dahingezo -23von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.gezogen und geritten, daß ſie den heiligen Brun - nen ſehen moͤchten. Es wurden auch groſſe Faſſe und Kupffen, Legel, Flaſchen und ande - re Gefaͤſſe bey dieſem Brunnen gefuͤllet, und weit und ferne gefuͤhret und getragen, die ab - weſende Krancke damit zu baden und zu traͤn - cken, halff was es kunte, obgleich etliche dar - uͤber ihrer Gebrechen entlediget wurden, die ihre Kruͤcken daſelbſt am Brunnen hangen lieſſen und davon giengen.
Von eben dieſer Zeit ſchreibet auch Leonhard Thurnheiſſer*Thurnheiſſer von An. 1556. zum Thurn, in ſei - nem Buch, von kalten, warmen, mineriſchen und metalliſchen Waſſern, gedruckt zu Franck - furt an der Oder 1572. in fol. im 9. Buch p. 386. In der Grafſchafft Spiegelberg zwiſchen Ha - meln und dem Metborn an der Weſer, iſt ein ſauerlicher Urſprung Waſſers, aus dem drit - ten Grad der Erden, welcher in ſich haltend iſt: Chalcantum, Eiſen, Alaun, Bitumen, Ni - ter &c.
Dieſes Waſſer wird genannt beym Neu - brunnen, zu dem anfaͤnglich ein ſolch Gelaͤuff war, daß auch Leute aus Sicilien dahin (Ge - ſundheit zu erlangen) reiſeten. Er iſt um das Jahr 1544. (ſolches ſcheinet ein Druckfehler bey dem Autore zu ſeyn, und ſoll heiſſen 1554. 56. ) in groſſem Ruff geweſen, hat aber ſeinen Nah - men bald verlohren, ob es vielleicht GottesB 4Wille24Cap. II. Hiſtoriſche NachrichtenWille alſo, dieweil wir ſeine Gaben ſo undanck - bahrlich brauchen ꝛc. Es iſt ſeines Tempe - raments halben ein gutes Waſſer ꝛc.
Jacobus Theodorus Tabernæmon - tanus*J. Theodorus Tabernæmontanus. inſeinem Waſſer-Schatz, welchen er Anno 1584. geſchrieben, meldet von derſelbi - gen Zeit unter andern folgende Umſtaͤnde: Es war vor 20 Jahren dieſer Sauerbrunnen in einem ſolchen Ruff und Geſchrey, daß auch aus fremden Nationen, als Franckreich, Italien und Sicilien, Leute heraus gezogen, dieſen Brunnen zu beſuchen, dann ein ſolch Gelaͤuff zu dieſem Wunder-Brunnen war, wie vor Zei - ten das wuͤtende und raſende Wallen zu der ſchoͤnen Maria und Nothhelfferin zu Regen - ſpurg, denn es war ſchier kein Blinder, Tau - ber, Stummer, oder von Mutterleib Lahmer, wie auch die Sonder-Siechen oder Auſſaͤtzigen, die nicht verhoffeten, durch dieſen Brunnen ih - re Geſundheit zu erlangen ꝛc. Es muß dieſer Autor, welcher ſonſt den Spiegelbergiſchen Brunnen durch allerhand offenbahr falſche Er - dichtungen verkleinern wollen, doch deſſelben groſſen Ruhm und Flor zu ſeiner Zeit, mit ge - ſtehen und erzehlen helffen.
Sonſten haben auch von ſolcher Zeit, und dem groſſen Nahmen und Ruff des Brun - nens noch geſchrieben, Wernerus**Wernerus, Solenander. in ſeinerMag -25von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.Magdeburgiſchen Chronica, item Solenander in Conſil. 9. Sect. 4. p. m. 337. Am umſtaͤnd - lichſten aber und recht ausfuͤhrlich findet man die Geſchichte von Anno 1556. angezeichnet von Johanne Pyrmontano*Johannes Pyrmontanus von An. 1556. alias Feuerberg Lug - denſi, Scholæ Patriæ Moderatore, in ſeinem Tractaͤtlein FONS SACER genannt, Anno 1697. zu Lemgow gedrucket. Es meritiret ſolches geleſen zu werden, und obſchon das alte Buͤchlein nicht mehr zu haben, ſo findet man doch den Auszug deſſelben in des ehmahligen Herrn Guarniſon-Predigers zu Hameln Jo - hannis Rahts Brunnen-Spiegel Anno 1681. zu Rinteln gedruckt pag. 332. ſeqq. Auch hat der ſelige Herr D. Cunæus dieſes Tractaͤtlein ſeiner Beſchreibung des Pyrmontiſchen Brun - nens angehaͤnget, weil er aber vieles von dem ſeinen mit dazu gethan, ſo kan man den alten Text von dem neuen nicht unterſcheiden.
Weil die wenigſte Zeit und Gelegen - heit haben moͤchten, angefuͤhrte letzte Autores nachzuſchlagen, ſo wird dem geneigten Leſer nicht unangenehm ſeyn, wenn das Vornehmſte von derſelben merckwuͤrdigen Zeit aus dem Jo - hanne Pyrmontano, denen vorgemeldeten Nachrichten noch beygefuͤget wird. Es ſchrei - bet derſelbe unter andern alſo: Anno 1556. war dieſer edle heilige Brunnen eines groſſen Anſehens, Wuͤrden und Nahmens, nicht al -B 5lein26Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichtenlein in Teuſchland, ſondern auch in allen Pro - vincien durch die gantze Chriſtenheit, in Hi - ſpanien, Franckreich, England, Schottland, Norwegen, Schweden, Dennemarck, Poh - len, Ungarn und gantz Italien beruͤhmt, und ſeiner Tugend halber uͤberaus bekannt und ruchtbahr, alſo daß er unverſehens anfieng, zu unzaͤhligen Kranckheiten nuͤtzlich und heilſam gebraucht zu werden. Und gieng es dieſer Or - ten nicht anders zu, als wenns lauter Aqua vi - tæ, Fons ſalutis, ja Chriſtus der lebendige Brunn ſelbſt geweſen, ſo wuͤrcklich in dieſem Waſſer operiret haͤtte. In Summa Men - ſchen-Zungen, Schreiber und Dichter, haͤtten nicht gnugſam ſeine edle Krafft, Tugend und Operation ausreden, ſchreiben oder verfaſſen moͤgen.
Es kamen zu derſelben Zeit dahin aus allen Landen, allerley Nationen ſo breßhafft, und das Waſſer bey Faͤſſern, Tonnen, Wagen und Karren voll uͤber 10, 20, 40, 50, ja hundert Meilen fuͤhreten, und zu denen Kranckheiten de - rer, ſo nicht uͤber Weg kommen mochten, ge - braucheten.
Unter 4 Wochen waren allhier uͤber zehen tauſend Menſchen, ſo dieſes Wunder zum Theil ardore viſendi, zum Theil durch verur - ſachte Nothdurfft viſitirten. Die benachbar - te Doͤrffer, als Odesdorff und Holtzhauſſen waren Tag und Nacht alſo beſchwehret mitKran -27von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.Krancken und Gebrechlichen, daß man die Be - hauſung, und was ſonſt zur Nothdurfft beduͤrf - fend, nicht zu bekommen wuſte.
Die Stadt Luͤgde, dem Biſchoff zu Pader - born zugehoͤrig, war dermaſſen von krancken Leuten, hohen und niedrigen Perſonen behaff - tet und uͤberzogen, daß kein Raum in der Be - hauſung, kein Bier oder Brodt zu bekommen, und die Aufflage ſo theuer ward, daß das Ar - muth ſich nicht mehr zu behelffen wuſte. Un - ter einem Vierteljahr war eine ſolche Menge Volcks daſelbſt vorhanden, daß das Volck La - ger im Walde auffſchlug, oͤffentliche Schar - ren, Fleiſch, Bier und Brodt-Haͤuſer anſtiff - tete ꝛc.
Zu derſelben Zeit kam dahin Frau Hede - wig, Fuͤrſten Joachim zu Brandenburg Ge - mahl, Tochter des Koͤnigs Sigismundi von Pohlen, und lag zu Pyrmont 5 Wochen, curir - te ſich in dieſem heilſamen Waſſer.
Am Fronleichnams-Tage kam dahin Frau Catharina, Hertzog Johann Ernſt zu Sachſen auff Coburg Gemahlin, und badete auch etli - che Wochen, Deßgleichen Graf Conrad zu Tecklenburg, Graf Sigismund von Gleichen, und ſonſt viel andere Graͤfliche Frauens-Per - ſonen, und unzaͤhlige von Adel, reiche Kauffleu - te, Prediger, gelehrte Doctores und Profeſſo - res: Der hochgelahrte Helmericus Bone, Chriſtophorus Studt, Hermannus Huddæus,Rector,28Cap. II. Hiſtoriſche NachrichtenRector, und hernach Paſtor Supremus zu Min - den, welche drey Perſonen groſſe Laͤhmniß und Podagræ-Schaden an ihren Beinen gehabt, ſind aber durch des Waſſers Nutzung naͤchſt GOtt gebeſſert ꝛc.
Uber dieſes gedencket auch Herr Gol - mann eines alten Briefes und Tractaͤtleins 4. Blaͤtter groß, beyderley Anno 1556. geſchrie - ben und gedruckt, von damahligen Gebrauch und merckwuͤrdigen Begebenheiten bey dem Pyrmontiſchen Brunnen. Ob nun die letz - ten Blaͤtter in des ſeligen Herrn D. Cunæi Be - ſchreibung, welche er unter des Herrn Claus von Poſten Briefſchafften gefunden, eines die - ſer Tractaͤtgen ſey, ſolches iſt wohl zu glauben, ſonſten habe bißher, wo ich auch darnach gefor - ſchet und nachſuchen laſſen, dieſelbe nicht antref - fen koͤnnen.
Noch muß ich von derſelben Zeit an - fuͤhren, die artigen hiſtoriſchen Carmina Her - manni Huddæi*H. Huddæi Carmina. Rectoris Mindenſis de Fonte Pyrmuntano ad Albertum Comitem de Hoya. Es iſt dieſer Huddæus einer der gelehrteſten Maͤnner ſeiner Zeit geweſen, hat mit Philippo Melanchthone correſpondiret. Anno 1564. iſt er noch im Leben geweſen, und iſt zu Minden Paſtor Primarius worden. Ob ſchon dieſe Carmina nicht mehr zu haben, ſo findet man doch im angefuͤhrten Tractaͤtlein Johannis Pyr -mon -29von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.montani, von demſelben verſchiedene artige Stuͤcke, von ihm ſind auch bekannt die Pyr - montiſchen Brunnen-Leges:
PERIOCHA LEGVM AD SA - CRVM FONTEM AFFIXARVM Scripta Anno 1556. d. 3. Maji ab Her - manno Huddæo: Iuſtitiæ fines, ne Tu peregrine viator Ignores, LEGES has Tibi ſemper habe: Primum qui ſacrum cupit hunc inviſere fontem, Et quærit vitæ commoda magna ſuæ, Divinos temere exhibeat, prohibemus ho - nores Huic fonti, procul hinc vana ſuperſtitio! Gloria ſed ſummo ſit, dicito, lausque Pa - renti Qui media iſta ſua pro bonitate dedit. Salvum Conductum concedimus omnibus his, qui Imperii Leges non violare ſtudent, Et parcant ſatis, nulli noceantque mone - mus: Pœnas transgreſſor corpore & ære luet. Candida pax noſtris vigeat, mandamus, in oris, Hoſpitii violes jura ſacrata cave! Merces30Cap. II. Hiſtoriſche NachrichtenMerces qui exoticas, vinumque, cibaria vendunt Sint memores æqui, juſtitiæque ſimul. Verum qui hic tales ſtatuerunt vendere merces Treis groſſos nobis pro ſtatione dabunt Has Comes affixit Generoſus in arbore Le - ges, Si violes, certo pœna parata manet.
Dazumahl hat zu Pyrmont regieret, Herr Graf Philipp, der letzte von dem Spie - gelbergiſchen Stamm, welcher das folgende Jahr 1557. den 10. Aug. vor St. Quintin im 24ſten, (andere ſchreiben im 27ſten Jahr) ſei - nes Alters erſchoſſen, und zu Cammerich in der Haupt-Kirche begraben worden.
Daß nun nach ſolcher Zeit dieſer groſſe Nahme und Ruhm*Verluſt des groſſen Nahmens und Geruͤchts von dem Brunnen. des Brunnens auff ein - mahl wieder verlohren gangen, wird von denen meiſten Autoribus einer unmittelbahren Straf - fe Gottes zugeſchrieben, als wenn GOtt wegen der vielen Unordnungen, Undanckbarkeit und Suͤnden, ſo damahls dabey vorgangen, dem Waſſer die Kraͤffte und den Seegen auf eine Zeitlang wieder entzogen haͤtte, gleichwie der Teich Bethesda zu Jeruſalem (Ev. Joh. 5. v. 2. 3. 4. ) nicht allezeit gleiche Wuͤrckung hatte,ſon -31von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.ſondern durch eine ſonderbahre Bewegung des Engels, jedesmahl auffs neue die Krafft em - pfangen muſte.
Ob man nun genugſame Nachricht und Ur - ſache habe, dergleichen von unſerm Waſſer zu gedencken, mag ein jeder ſelbſt urtheilen. Es iſt zwar leicht zu erachten, daß damahls bey der gar groſſen Menge des Volcks viele Unord - nungen und Suͤnden moͤgen vorgangen ſeyn, es bleibet aber doch die Frage, ob die heutige Welt froͤmmer, und ob nach dem ſechzehenden Seculo mehr Danckbahre wegen des goͤttli - chen Segens im Brunnen, und wieder erlang - ter Geſundheit, als vor ſolcher Zeit, gefunden werden.
Andere Urſachen*Urſachen deſſelben. aber der ſchleuni - gen Verachtung des Brunnens nach ſolcher Zeit, ſind offenbahr und am Tage. Als erſt - lich darff man nicht weit nachſuchen, ſondern nur einige Umſtaͤnde, welche angefuͤhrte Auto - res melden, erwegen, ſo wird man bald finden, daß es nothwendig ſo ergehen muͤſſen. Da man angefangen unmoͤgliche Dinge von dem Waſſer zu prætendiren, alte Weiber dadurch wieder jung machen wollen, wie Bünting redet, da alle von Mutterleibe Blinde, Taube, Stum - me, Lahme und Kruͤppeln, als von Chriſto ſelbſt haben wollen curiret ſeyn, auch den Teufel aus Beſeſſenen damit vertreiben wollen, wie einigeNach -32Cap. II. Hiſtoriſche NachrichtenNachrichten geben (dahero in denen Brun - nen-Legibus des Huddæi ſehr notabel, daß das erſte Verbot dahin gehet, daß man keinen Ab - gott aus dem Brunnen machen ſolle,) mit ei - nem Wort, da auf den Ruff vieler moͤglichen, wahrhafften und herrlichen Curen, alle incura - ble, gebrechliche auf einmahl herbey geſchleppet und lauter uͤbernatuͤrliche goͤttliche Wunder er - wartet worden, ſo konte nicht anders geſchehen, als daß die meiſten wieder hinwandern muſten, wie man ſie hergebracht hatte, welche hernach aus Unverſtand das Waſſer allenthalben ver - achtet.
Zum andern verdroß auch einigen Medicis,*Tabernæmontani Verlaͤumdungen. daß der Spiegelbergiſche Brunnen alleine ſo groſſen Zulauff, und ſie in ihrer Nach - barſchafft nicht ſo viel von der Brunnen-Praxi haben ſolten. Jacobus Theodorus Tabernæ - montanus wohnte zu Worms, und waͤre ihm gelegener geweſen, wenn der Schwalbacher Sauer-Brunnen ſo haͤuffig waͤre frequentiret worden. Es war alſo die kuͤrtzeſte und beſte Er - findung, die Leute von dem Spiegelbergiſchen abzuſchrecken, wenn er ſchrieb, daß dieſes Waſ - ſer einen groſſen Theil von Operment (eine Art von Ratten-Pulver) mit ſich fuͤhrte.
Wer dieſes geglaubet, dem wird der Appe - tit darzu bald vergangen ſeyn. Den Beweiß, daß ſolches nicht anders, findet man auch beydie -33von denen Pyrmont. Geſund-Brunnendieſem Autore, nemlich wenn man Fiſche oder Froͤſche hinein werffe, ſtuͤrben ſie auff der Stund. Sie ſterben aber auch in dem Schwal - bacher und allen ſpirituoͤſen kraͤfftigen minera - liſchen Geſund-Brunnen. Noch viel geſchwin - der aber kommen ſie um in gutem Wein und Brandtwein, welches D. Theodorus wohl ge - wußt, und darum doch beydes zu trincken wohl nicht wird geeckelt haben.
Zum Baden haͤlt der Autor unſern Brun - nen vortrefflich, und machet viel Redens und Ruͤhmens davon, da doch die Arſenicalia, Au - ripigment und Reuſchgelb, ſo wol aͤußerlich als innerlich hoͤchſt ſchaͤdlich ſind, dahero offen - bar, daß der Mann ſelbſt nicht geglaubet, was er andere bereden wollen.
Ob nun gleich Herr Theodorus ſeine Sachen ſo abgeſchmackt und ungegruͤndet her - fuͤrbringet, ſo hat er doch ein leichtglaͤubiges Se - culum vor ſich gehabt, und findet man verſchie - dene unter denen aͤltern Medicis, welche theils aus Unwiſſenheit, theils um des lieben Eigen - nutzes willen ihm nachgeleyert haben, und iſt dieſes alberne Gewaͤſche des Tabernæmontani noch biß auf dieſe Stunde Urſache, daß auch noch von denen heutigen Medicis einige gefun - den werden, welche das Ungluͤck uͤber ſolche al - te Troͤſter gefuͤhret, und keine Erfahrung von dem Waſſer ſelbſt haben, deßhalben ſie den Pyrmontiſchen Brunnen fuͤr allen andern ſon -Cder -34Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichtenderlich ſcharff und angreiffend halten, denen a - ber im vierdten und fuͤnfften Capitel durch un - umſtoßliche Beweiß - und Erfahrungs-Gruͤnde ein anders wird gewieſen werden.
Drittens hat auch zu derſelben Zeit unſer Brunnen von Jahren zu Jahren nicht ordentlich beſuchet werden und eine beſtaͤndige Renommée bey Auswaͤrtigen uñ Fremden be - halten koͤnnen, wegen der groſſen und vielen Krieges-Unruhen,*Krieges-Unruhen und Peſt. welche gegen das Ende des 16den Seculi und waͤhrendem 30. jaͤhrigen Krie - ge im folgenden Seculo nicht allein den Nieder - Saͤchſiſchen Creyß und Weſtphalen, ſondern auch den Pyrmontiſchen Diſtrict ins beſondere oͤffters gar hart mit betroffen; wie auch die graͤuliche Peſt damals in Teutſchland aller - hand Zerruͤttungen verurſachet hat.
Wir gehen aber fort zu dem Jahre 1628. von demſelben ſchreibet Herr Bolmann,**Bolmann von An 1628. geweſener Stadt-Phyſicus zu Hameln, in ſei - ner Beſchreibung des Pyrmontiſchen Brun - nens Anno 1661. zum erſten mahl zu Rinteln gedruckt, daß er damahls von dem Kayſerlichen General-Feld-Marechal, Grafen von Pap - penheim, nach Luͤde beruffen worden, da er auf der Durchreiſe den Brunnen beſuchet, und aus dem Geſchmack des Waſſers geurtheilet, daß derſelbe nicht allein zum baden (dazu er damalsmeh -35von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.mehrentheils gebraucht worden) ſondern auch zum Trincken gut ſeyn moͤchte.
Er hat ſich alſo hernach oͤffters zum Brun - nen begeben, und was daſelbſt bey den Brun - nen-Gaͤſten und derſelben Curen vorgefallen, fleißig in Acht genommen und angezeichnet. Das Waſſer hat er 5. mahl abgezogen, und den Brunnen ſelbſt 3. mahl gebrauchet.
Wie nun endlich Anno 1648. der Weſtphaͤ - liſche Friede zum Schluß gebracht, und die Ru - he in Teutſchland wieder erlanget worden, auch die Streitigkeiten zwiſchen Paderborn und dem Hauſe Waldeck, wegen Pyrmont auff gutem Fuß ſtunden, voͤllig beygelegt zu werden, ſo haben nachmahls, ſonderlich Anno 1651. und folgende Jahre wieder viele den Brun - nen beſuchet und innerlich gebrauchet.
Anno 1655.*Anno 1655. & 1660. faͤhret angefuͤhrter Herr Bolmann fort, und Anno 1660. haben den Brunnen Graͤfliche, Adeliche und viele vor - nehme Standes-Perſonen gebraucht, welche ſich alle wohl darnach befunden. Es hat ſich alſo dieſer Autor ſehr verdient um den Bruñen und bey viel tauſend Menſchen, welche ihre Ge - ſundheit nachher durch den Gebrauch deſſelben unter Goͤttlichen Segen wieder erlanget ha - ben, gemacht. Er iſt der erſte Medicus gewe - ſen, welcher den Brunnen aufs neue wieder er - hoben, des Tabernæmontani arſenicaliſcheC 2Ver -36Cap. II. Hiſtoriſche NachrichtenVerlaͤumdungen refutiret, und den ehmahli - gen nuͤtzlichen Gebrauch innerlich ſo wol als aͤußerlich wieder eingefuͤhret hat. Seine Brunnen-Beſchreibung iſt ordentlich, und ſeine practiſche Anmerckungen, was den Gebrauch des Waſſers anbelanget, ſind meiſtentheils richtig und gut. Es iſt auch nach ſolcher Zeit kein Jahr vorbey gangen, daß nicht der Brun - nen von einer groſſen Menge Frembden aller - hand Standes beſucht worden; und wie die Zahl der Jahre, ſo iſt auch der Ruhm deſſel - ben durch mannigfaltige gute Erfahrung jaͤhr - lich angewachſen, bis auf dieſe Zeit.
Anno 1668. hat*Anno 1668. der Hochſelige Fuͤrſt von Waldeck, Georg Friedrich, General-Feld - Marechal der Vereinigten Niederlande, wel - cher ſich ſonderlich ruhmwuͤrdig angelegen ſeyn laſſen, den Ort in guten Stand zu bringen, und denen Cur-Gaͤſten alles Vergnuͤgen und Bequemlichkeit zu verſchaffẽ, eine ſchoͤne Allée**Allée. von 4. Reihen Linden-Baͤumen auf 500. Schritt lang und 40. Schritt breit pflantzen, auch ein groß achteckichtes Brunnen-Hauß***Brunnen-Hauß. 42. Fuß im Diametro und 60. Fuß hoch uͤber dem Trinck-Brunnen aufbauen, und das Waſ - ſer reinlich einfaſſen und ableiten laſſen; wel - ches denn noch bis auf dieſe Stunde in Bau -und37von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.und Beſſerung erhalten wird, damit ſo wol die Qvelle vor aller Unreinigung moͤge bewahret bleiben, als auch, wenn Regen-Wetter ein - faͤllet, man unter Dach ſtehen und trincken koͤnne.
Es wird zwar aus des Johannis Pyrmonta - ni Tractaͤtlein angefuͤhret, daß Herr Graf Phi - lipp Ernſt von Gleichen den Brunnen mit ei - nem ſtatlichen Gebaͤude und mit einer rennli - chen Waſſer-Roͤhre habe verſehen laſſen; weil aber noch viele Leute im Leben ſind, welche gar wohl gedencken, daß der Brunnen unter frey - em Himmel bloß mit Eichen-Holtz eingefaſſet geſtanden, ſo muß entweder ſolches erſtere Ge - baͤude bey denen Krieges-Unruhen gaͤntzlich wieder herunter geriſſen worden, oder dieſe Nachricht muß nicht gar zu richtig ſeyn.
Anno 1677. hat der ſelige Herr D. Andreas Cunæus von Keil,*D. Cunæi Brunnen-Beſchreibung, A. 1677. ein ſehr gelehrter und erfahrner Practicus, gebuͤrtig aus Kalbe in Sachſen, ſeine Beſchreibung des Pyrmon - tiſchen Sauer-Brunnens zum erſten mahl her - aus gegeben, welche nachmahls 3. bis 4. mal wieder aufgelegt, und bißher als ein noͤthiger Unterricht bey dem Brunnen iſt gebraucht worden. Es hat dieſer Herr D. Andræas Cu - næus uͤber 30. Jahr bey dem Pyrmontiſchen Brunnen practiciret, hat denſelben ſelbſt 28. mahl ordentlich gebraucht, und iſt erſt vor 4. C 3Jah -38Cap. II. Hiſtoriſche NachrichtenJahren A. 1713. im 74ſten Jahre ſeines Alters in Sachſen zu Nieder-Roͤblingen auf ſeinen Guͤ - tern geſtorben.
Zu dieſes Medici Zeiten haben auch die beruͤhmten Hochfuͤrſtl. Hannoͤveriſchen und Zelliſchen Leib-Medici,*Andere beruͤhmte Medici bey dem Brunnen. Herr D. Conerding und Herr D. Kotzebu den Brunnen oͤffters be - ſuchet. Noch haben damahls zu Pyrmont or - dentlich practiciret, der ſel. Herr Georgius Cu - næus von Keil (welcher biß 1712, da er geſtor - ben, bey 30. Jahr daſelbſt gewohnet hat,) Herr D. Dreckmeyer von Bilefeld und andere.
Unzaͤhlig viele gelehrte Doctores und Pro - feſſores Medici ſind von Jahren zu Jahren nach Pyrmont kommen, den Brunnen ſelbſt zu ſehen und zu verſuchen, welche alle ſo wol den innerlichen als aͤußerlichen Gebrauch deſſelben gut und nuͤtzlich gefunden und approbirt haben.
Anno 1681.**Anno 1681. iſt das Jahr, da man nebſt der verwittibten Koͤnigin von Denne - marck, Sophia Amalia, Friderici III. Gemah - lin, und gebohrneꝛ Hertzogin von Braunſchweig und Luͤneburg, (welche den 18. Jun. ſt. v. da - ſelbſt angelanget,) 27., etliche melden, 40. biß 50. Fuͤrſtliche Perſonen bey dem Brunnen zu Pyrmont gezaͤhlet. Man findet eine ausfuͤhr - liche Nachricht davon in dem Mercure galant dedié a Monſeigneur le Dauphin; Moisd’Aouſt39von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.d’Aouſt 1681. Imprimé a Paris au Palais, wo - ſelbſt auch die 27. Fuͤrſtlichen Perſonen alle ſpecificiret, und ihre Divertiſſements angefuͤh - ret werden.
Eben daſſelbe Jahr hat Herr Joh. Rath, Guarniſon-Prediger zu Hameln,*Herrn Raths Brunnen-Spiegel. dem Pyrmontiſchen Brunnen zu Ehren, einen Tra - ctat, anderthalb Alphabet lang, durch den Druck heraus gegeben, und denſelben dem da - mahligen Biſchoff zu Oßnabruͤck, Ernſt Augu - ſto, Hertzogen zu Braunſchweig und Luͤneburg, dediciret. Er nennet das Buch einen Brun - nen-Spiegel, und beſtehet aus allerhand theo - logiſchen, hiſtoriſchen und phyſicaliſchen An - merckungen, welche ſich wohl zur Sache ſchi - cken, auch wohl ausgeſuchet, aber ſehr undeut - lich eingetheilet ſind.
Anno 1687. Hat Herr D. à Gehema in einem Send-Schreiben*D. à Gehema Send-Schreiben, A, 1687. an Ihro Hoch - Fuͤrſtl. Durchlauchtigkeit Fuͤrſten Georg Frie - derich hochſel. Andenckens, ſeine Meinung von dem Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen, ans Licht gegeben, darinnen er ſich aber, was den Innhalt des Waſſers anbelanget, gantz mit des ſel. Herrn D. Cunæi Feuer-Proben con - formiret. Indeſſen erinnert er dabey, daß man den Brunnen mit wenig Recht Sauer - Brunnen heiſſe, weil die Saͤurigkeit dieſes undC 4ande -40Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichtenanderer Geſund-Brunnen gantz und gar un - terſchieden ſey, von derjenigen Saͤure, welche unſer Gebluͤth dicke mache und coagulire.
In eben dem Jahre iſt noch ein klein Buͤch - lein Deſiderii Gottfrieds Pyrmontiſches Brunnen-Geſpraͤch genannt,*Brunnen-Geſpraͤch. zu Lemgow ge - druckt, in welchem auf die Art, wie in des Hn. Raths Brunnen-Spiegel einige Materien ab - gehandelt werden.
Anno 1700. hat der gelehrte Herr M. Johann Reiscius,**M. Reiskii Commentatio, A. 1700. Rector Scholæ Guelferby - tanæ, ſeine Commentationem phyſicam & hi - ſtoricam de Acidulis Piermontanis heraus ge - geben. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß dieſer Au - tor die hiſtoriſchen Anmerckungen weitlaͤuffti - ger und umſtaͤndlicher eroͤrtert, und die uͤbrigen Capita denen Medicis uͤberlaſſen haͤtte. Man ſolte gedencken, daß er zu dem erſtern die ſchoͤn - ſte Gelegenheit gehabt, bey der trefflichen Her - tzoglichen Bibliotheck zu Wolfenbuͤttel, da es an alten Chronicken, Annalibus und allerhand MStis nicht fehlet, aus welchen vielleicht eine vollkommenere Hiſtorie de Comitatu & Aquis mineralibus Piermontanis haͤtten koͤnnen zu - ſammen getragen werden.
Anno 1704, hat der ſel. Herr Ernſt Caſimir Waſſerbach, Hochgraͤflicher Lippi -ſcher41von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.ſcher Amtmann zu Barndorff,*Waſſerbachs ſatyriſche Verſe, A. 1704. einige teutſche ſatyriſche Verſe mit unterſchiedlichen hiſtori - ſchen Anmerckungen unter dem Titel, perpetu - um mobile Pyrmontanum æſtivum, heraus gegeben.
Und Anno 1706. ſind des Herrn Sigis - mund Beermanns Holtzmindenſis, nunmeh - ro wohlmeritirten Predigers,**Beermanns hiſtoriſche Nachrichten, A. 1706. hiſtoriſche Nachrichten von der Grafſchafft Pyrmont und denen Sauer-Brunnen gedruckt worden, wel - che kurtz gefaſſet, und unterſchiedliche ſpeciale Anmerckungen in ſich halten, weil der Herr Au - tor ſich eine geraume Zeit zu Pyrmont aufge - halten.
In eben demſelben Jahre hat der Herr D. Andreas Cunæus***D. Cunæi Fragen vom Tabac, Caffée &c. ein paar Briefe drucken und in denenſelben die Fragen gantz kurtz beant - worten laſſen, ob Taback, Caffee und Thee bey dem Brunnen zu gebrauchen, item, von dem Warm-Trincken des Brunnens; ob ſich die mercurialiſche Salivations-Cur bey dem Brun - nen reime? ꝛc.
Endlich wird das Jahr 1716.****A. 1716. billich unter die beruͤhmten Jahre gezaͤhlet werden, weil im Anfang verwichenen Sommers Ihro Czaariſche Majeſtaͤt, Petrus Alexiewitz, re -C 5gie -42Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichtengierender Czaar in Groß-Rußland, als auch acht Wochen hernach Ihro Koͤnigl. Majeſtaͤt von Groß-Britannien, Georg Ludwig, Chur - Fuͤrſt und Hertzog zu Braunſchweig und Luͤne - burg, unſern Brunnen mit dero hohen Gegen - wart beehret haben. Ihro Czaariſche Maje - ſtaͤt haben den Fruͤhling vorher einen Medicum zu den vornehmſten Brunnen und Baͤdern Teutſchlandes voraus geſandt, und dieſelben probiren und examiniren laſſen, worauf dann nachmals nach abgeſtatteten Bericht, von dero hohen Perſon das Pyrmontiſche Waſſer fuͤr andern erwaͤhlet worden. Sie ſind den 6ten Junii bey dem Brunnen ankommen, haben 17. Tage mit mercklichem Vortheil dero Geſund - heit und ſonderbarem Vergnuͤgen das Waſſer ordentlich getruncken, und ſind den 26ſten ejus - dem bey gutem Wohlſeyn wieder abgerei - ſet.
Ihro Koͤnigl. Majeſtaͤt von Groß-Britan - nien langten den 3. Auguſt. zu Pyrmont an, und gebrauchten das Waſſer 15. Tage mit dem gewoͤhnlichen guten Effect, welchen ſie ſchon ſeit Anno 1705. iedesmahl verſpuͤhret, in wel - cher Zeit ſie den Brunnen 6. mahl aus der Qvelle gebrauchet und alle gewuͤnſchte Nutz - barkeit zu dero Geſundheit durch die Cur er - langet haben. GOtt erhalte dieſe hohe Haͤu - pter bey beſtaͤndigem hohen Wohlergehen biß zu den ſpaͤteſten Jahren.
Zum Schluß dieſes Capitels koͤnten nun noch verſchiedene Zeugniſſe aus denen neu - ern Schrifften gelehrter Medicorum*Zeugniſſe in Schrifften der Medicorum. angefuͤh - ret werden, von denen trefflichen Tugenden und Wuͤrckungen des Pyrmontiſchen Brun - nens, als welches hauptſaͤchlich mit zu der Hi - ſtorie deſſelben gehoͤret.
Denn es ſtehet mir ſelbſt, als einem gebohr - nen Pyrmontaner und Einwohner des Orts, nicht wohl an, den Vorzug, welchen unſer Waſ - ſer vor denen meiſten bekannten Sauer-Brun - nen hat, durch groſſe Lob-Reden vorzuſtellen. Ich wolte alſo lieber andern, denen das Pyr - montiſche Waſſer ſo viel angehet, wie mir die entfernteſten Brunnen, in dieſem Stuͤck das Wort thun laſſen. Es moͤchte aber dieſes Werck zu weitlaͤufftig und dem Leſer verdruͤß - lich fallen, daher wir nur mit ein paar Worten eines gelehrten Mannes Urtheil an ſtatt aller uͤbrigen anfuͤhren, und damit zeigen wollen, in was fuͤr Credit dieſes Waſſer nach allerhand Begebenheiten und Meynungen, endlich gera - then, und was von denen gelehrteſten und er - fahrenſten Medicis und Kennern nunmehro zu unſerer Zeit davon gehalten und ſtatuiret werde:
Es ſchreibet Herr Rath Hoffmann, D. & Profeſſor Med. Primarius auf der Koͤniglichen Preußiſchen Univerſitaͤt Halle, in ſeiner gelehr -ten44Cap. II. Hiſt. Nachr. v. den Pyrmont. ꝛc.ten Diſſertation de Acidularum & Thermarum ratione ingredientium & Virium convenien - tia, welche Anno 1712. gehalten worden von dem Pyrmontiſchen Waſſer §. VI. folgendes: Optimi qui virtute OMNES noſtro quidem judicio antecellunt, ſunt Fontes Pyrmontani. §: IX. ſtellet er dieſes Waſſer pro Exemplari, die Proben darnach zu machen, mit folgenden Worten: Placet in medium proferre Fonti - um Pyrmontenſium examen a nobis non ita pridem inſtitutum, qui noſtro judicio OMNES nobis cognitos ſubtilitate & ſpirituum copia antecellunt. Daß dieſer beruͤhmte Mann unter den heutigen Medicis docentibus in Teutſchland ſein Werck am meiſten davon ge - machet, die mineraliſchen Waſſer zu unterſu - chen, auch die groͤßeſte Wiſſenſchafft und Er - fahrung davon habe, ſolches wird niemand laͤugnen, der ſeine uͤbrige gelehrte Schrifften von dieſer Materie geleſen. Es kan alſo dieſe Approbation inſtar omnium vor dieſes mahl gnug ſeyn.
WEnn von der Natur*Nutzen der Natural-Hiſtorie. und dem wahren Inhalt der Waſſer in einer Landſchafft vernuͤnfftig ſoll geurtheilet werden, ſo giebet kein geringes Licht, wenn man die Geographiam phyſicam & ſubterraneam deſſelbigen Orts, oder die Beſchaffenheit des angraͤntzenden Erd - reichs, Grundes und Bodens, aus welchen ſol - che Waſſer herfuͤrqvellen, zuvor wohl gelernet und erforſchet hat.
Wir wollen alſo, ehe wir zu unſern minera - liſchen Qvellen ſelbſt kommen, vorher einige Umſtaͤnde der Natural-Hiſtorie anfuͤhren, und erwaͤgen, welche theils merckwuͤrdig und an - genehm, theils auch unſere uͤbrige Grund-Saͤ - tze und Beweißthuͤmer mehr erlaͤutern und be - ſtaͤtigen koͤnnen.
Es iſt der Pyrmontiſche Thal, wie wir Cap. I. §. 9. erwehnet haben,**Gebuͤrge um den Pyrmontiſchen Thal. rings umher mithohen46Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibungenhohen Bergen, oder vielmehr rechten Gebuͤrgen umgeben, welche ſich ſonderlich Nord-Weſt - und Suͤd-waͤrts weit und ferne erſtrecken, daß man einen ziemlichen Spatzier-Weg uͤber die Berge gehen muß, ehe man wieder in eine ſo niedrige Gegend, als die Pyrmontiſche iſt, ge - langet.
In Abſicht auf unſeren Brunnen kommen hier nur die Berge, Huͤgel und Hoͤhen gegen Norden in Conſideration, weil an dem Fuß dererſelben, ob gleich eine gute Ecke herunter, die Qvellen entſpringen, und alſo ohne Zweifel ihren mineraliſchen Innhalt daher fuͤhren.
Der oberſte Theil dieſer Berge und Hoͤ - hen iſt an denen meiſten Orten ein gut und recht fruchtbares Erdreich,*Das Erdreich. auf welchem allerhand Getrayde und Garten-Gewaͤchſe, wie der Au - genſchein jaͤhrlich lehret, gar wohl kan ange - bauet und gezogen werden. Auf dieſe Erde folget ſchichtweiſe gelber oder weiſſer Leimen, Letten, Mergel, Sand ꝛc. an einem Orte dieſes, an einem andern jenes. Nach ſolchen Stratis oder Schichten, wie auch an verſchiedenen Or - ten gleich oben an, findet man ſehr haͤuffig einen braunen und roͤthlichen Stein, ent - weder in groſſen Stuͤcken oder viel kleinem Gebroͤckel.
Ohngefaͤhr 800. Schritt vom Brun -nen47des Pyrmontiſchen Thals.nen gegen Oſten iſt eine Stein-Grube,*Stein-Grube. wo - ſelbſt noch jaͤhrlich dergleichen Steine in groſſer Menge gebrochen werden, weil ſolche vier - eckigt fallen, und alſo gute Mauer-Steine geben.
Es laſſen ſich dieſelben von der Seiten, wie ſie horizontal gelegen, in viele Splitter und gantz duͤnne Blaͤttlein ſpalten, da denn viele in - wendig wie mit ſubtilen Silber-Feilſpaͤnen be - ſtreuet ſind.
Dieſe Steine liegen in der Grube von Na - tur alle in groſſe Stuͤcke geſpalten und ſind zwi - ſchen denenſelben allenthalben Ritzen, welche mit einer zaͤhen klebrichten und roͤthlichen Erde angefuͤllet. Es iſt ſolche geſtaltet wie eine Terra Lemnia, und ziehet einem, wie alle der - gleichen Eiſen-Erde, den Mund gelinde zu - ſammen.
Ob ich nun gleich in dieſem Steinbruch oͤffters nachgeſucht, in Meynung etwas rechtes von Ertz, Pyrites, Eiſen-Steine oder Kieſe zu finden, ſo habe dergleichen doch bis dato an dieſem Orte nicht antreffen koͤnnen.
Indeſſen iſt gewiß, daß, wenn man in die - ſer Gruben tieffer brechen ſolte, da man bißhero nur fortgefahren horizontal in den Huͤgel hinein zu arbeiten, man endlich auf ein ſchwefelichtes Ertz kommen wuͤrde.
Es48Cap. III. Natuͤrliche BeſchreibungenEs wiſſen auch einige Oeſtorffiſche Einwoh - ner zu erzaͤhlen, daß vor mehr als 20. Jahren an einem Orte etwas tieffer gegraben worden, da denen Arbeitern ein ſo ſtarcker Dunſt entgegen gekommen,*Erſtickende mineraliſche Duͤnſte. daß ſie davon weichen muͤſſen. Auch bin ich vor 2. Jahren an demſelben Ort zu einem Loch kommen, wo etwas Regen-Waſſer zuſammen gelauffen war, von welchem mir ge - ſagt worden, daß oͤffters todte Voͤgel daſelbſt gefunden wuͤrden; daher ich begierig war, ſol - ches ſelbſt zu ſehen, und nach der Urſach zu for - ſchen. Ich habe damahls auf einmahl mehr als zehen Stuͤck allerley kleine Voͤgel, Maͤuſe, Eidexen und Schlangen gezaͤhlet, welche gleich auf der Stelle erſtickt und todt um das Loch herum lagen.
Es haben dieſes Jahr die Steinbrecher auff meine Veranlaſſung an einem Orte wieder an - gefangen in die Tieffe zu brechen, worauff ſich bald die ſchwefelichten Duͤnſte wieder ſpuͤhren laſſen, auch einige Tage angehalten, ob gleich die Oeffnung und Tieffe des Loches noch gar gering war.
Man ſiehet indeſſen hieraus, daß man nicht viel Muͤhe haben wuͤrde, zu Pyrmont eine Grotta del Cane, wie auf dem Lucullianiſchen Huͤgel eine halbe Meile von Napoli gefunden, und von denen Reiſenden bewundert wird, zu verfertigen.
Wie49des Pyrmontiſchen Thals.Wie mir denn dergleichen duͤnſtige Schwe - fel-Gruben und Keller an andern Orten, wo mineraliſche Waſſer ſind, ſonderlich zu Ems und Schwallbach gezeiget worden, welche ei - nige Autores bereits angefuͤhret und beſchrie - ben haben.
Ich bin zwar nicht der Meinung, daß unſere mineraliſche Qvellen von der Oſt-Sei - te, an welcher beſagte Stein-Grube gelegen iſt, herunter kommen, indeſſen dienen doch ſol - che Umſtaͤnde mit zum Beweiß, daß eine gantz unterirrdiſche Gegend mit einem ſchwefelichten Ertz oder Kies angefuͤllet ſeyn muͤſſe.
Damit aber nicht einige, die von der gleichen Effect derer Schwefel-Duͤnſte keine Wiſſen - ſchafft haben, hierbey auf die Gedancken kom - men moͤgen, als wenn ſolches eine Anzeige, daß etwas gifftiges arſenicaliſches in der Erden vor - handen, ſo muß nur kuͤrtzlich dagegen erinnert werden, wie Exempel genung bekannt, daß Leu - te in groſſen Kellern eben auf eine ſolche Art von denen aufſteigenden Duͤnſten eines gaͤhrenden Weines oder Bieres erſtickt ſind, wie ſolches Cap. 4. §. 42. mit mehrern angefuͤhret wird.
Gegen Norden lieget nun ohngefaͤhr 500. Schritt von dem Brunnen der ſo genann - te Bomberg,*Der Bomberg. ein groſſer, hoher und langer Berg, in welchem oder vielleicht in denen naͤchſt - angelegenen Bergen, ſo viel man wahrſcheinlichDmuth -50Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibungenmuthmaſſen kan, ſich das Waſſer zu unſern Qvellen ſammlet, hernach durch den Grund de - rer Berge und die umherliegenden Huͤgel biß an die Oerter, da es Ausgaͤnge und Loͤcher fin - det, ſich herdurch ſencket. Was nun in die - ſen Bergen eigendlich von Mineralien moͤchte gefunden werden, iſt bißhero nicht unterſuchet worden.
Nicht ferne aber von dem Brunnen, auf derſelbigen Seite, oben an dem heiligen Anger findet ſich eine breite, duͤrre, ſteinigte Hoͤhe, welche allenthalben voller Gruben iſt, und ausſiehet, als wenn vor vielen Jahren das unterſte zu oberſt gekehret und tieff hinein gear - beitet worden (welches wohl bey denen offtma - ligen Belagerungen des Schloſſes wird geſche - hen ſeyn.)
Die Art derer Steine iſt daſelbſt loͤchericht und wie ein Toff-Stein*Eiſenhaltige Toff-Steine. anzuſehen, welche von einigen Duff-Steine oder Duck-Steine ge - nennet werden.
Auf dieſer Hoͤhe ſind einige Oeffnungen und Loͤcher, aus welchen man eine Menge Steine mit der Hand heraus brechen kan, welche wie lauter Eiſen-Ruſt ausſehen, einige roͤther, ande - re braun und ſchwartz. Auch habe daſelbſt in einem Loche vor einem Jahr im Fruͤhling ein groſſes Stuͤck petrificirtes oder mit Stein und Eiſen-Ertz eingebeitztes Holtz ge -fun -51des Pyrmontiſchen Thals.funden. *Petrificirtes Holtz.Ich ließ ein paar Loth davon ſtoſ - ſen, und triebe es in meinem Schmeltz-Ofen durch den ſchwartzen Fluß, ließ nachmahls die leichte Schlacken davon abwaſchen, und hielte uͤber das ſchwere getrocknete Sediment einen Magneten, da flogen viele Eiſen-Theilgen an demſelben in die Hoͤhe, und wurde ich alſo des Eiſenhaltes verſichert.
Weil nun viele derer oͤberſten Steine ſol - che Spuhꝛen von Eiſenertz geben, ſo iſt zu vermu - then, daß, wenn man tieffer graben ſolte, man ei - nen groſſen Vorrath von Eiſen und Schwefel - Kieſen antreffen wuͤrde. Viele von beſagten Steinen kommen mir vor als wie ausgelaugete Pyritæ, welche durch Lufft, Regen und Son - nenſchein ihres Schwefelhaltens beraubet wor - den, da denn das Eiſen als ein Crocus oder Ruſt alleine bey der ſteinigten Materie zuruͤck ge - blieben.
Noch etwas weiter hinunter von die - ſer Hoͤhe ohngefaͤhr einen Buͤchſen-Schuß von denen Geſund-Brunnen findet man die Stein - Qvellen,**Stein-Quellen. welche ſich daſelbſt auf einem Huͤ - gel ziemlich weit ausbreiten und rings umher, wo das Waſſer hinflieſſet, den gantzen Boden, Graß, Mooß und andere Sachen mit einer di - cken ſteinernen Kruſte uͤberziehen und bedecken, ſo, daß an etlichen Orten, wenn man etwas da -D 2von52Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibungvon haben will, ſolches mit Beil und Hacken loß - gehauen werden muß.
Nimmt man eine Hand voll von dem ſchwartzen Schlamm aus dieſen Qvellen, ſo riechet ſolches wie ein Hepar Sulphuris oder wie der Geruch,*Schwefel-Geruch in demſelben. welchen das Buͤchſen-Pulver in einem Schieß-Gewehr nachlaͤſſet, ſo bald ſolches loßgeſchoſſen iſt. Eben denſelbigen Geruch verſpuͤhret man, wenn dieſe Steine ſtarck gebrannt und hernach ins Waſſer ge - worffen werden.
Daher denn mit nicht geringer Wahrſchein - lichkeit zu ſchlieſſen, daß das Waſſer von dem Schwefel unter der Erden die Eigenſchafft und Krafft bekommen habe, die ſteinigte Materie aufzuloͤſen und in ſich zu faſſen, welche daſſelbe hernach in der freyen Lufft wieder fallen laͤßet.
Weil nun ein groſſer Strich von dem heiligen Anger, nehmlich von dieſem Ort biß an den Schloß-Graben und uͤber den neuen Ca - nal, auch hinunter biß ans Wayſen-Hauß ei - nen Stein oder Felſen**Felſen um die Brunnen. von ſolcher Art, wie unſere Stein-Qvellen, herfuͤr bringen und an - ſetzen, zum Grunde hat, welcher an etlichen Or - ten kaum mit einem Fuß tieff Erde bedecket iſt, ſo iſt glaublich, daß dieſer Felſen mit einander nach und nach auf eben ſolche Art durch dasWaſ -53des Pyrmontiſchen Thals.Waſſer herfuͤr gebracht und gezeuget worden. Man ſiehet anietzo noch an dem Orte, wo wir die Stein-Qvellen beſchrieben haben, daß ſolche bald an der einen Stelle ſich verliehren, weil die Stein-Materie den Ausgang nach und nach zuſchlieſſet, bald an einer andern wieder herfuͤr brechen.
Alſo haben vielleicht die Stein-Qvellen, wer weiß vor wie viel hundert Jahren ihre Ausgaͤn - ge niedriger gehabt, welche ſich nach und nach geſtopffet und mit der felſichten Materie zuge - ſetzet, ſo, daß das Waſſer immer hoͤher ſteigen und durchbrechen muͤſſen.
Denn daß der Felſen ehemahls weich und aufgeloͤſet geweſen, zeigen die vielen Schne - cken-Haͤußlein an,*Schnecken-Haͤußlein in dem Felſen. welche man mitten in de - nen haͤrteſten Stuͤcken auch in denenjeni - gen, welche Anno 1710. mit Pulver tieff aus dem neuen Canal geſprenget worden, findet.
Es ſind auch dieſelben alle von unſern ein - heimiſchen Gattungen, welche alſo eben nicht mit unter die Reliquien der allgemei - nen Suͤndfluth muͤſſen gezaͤhlet werden; biß - her habe noch keine eintzige Meer-Muſchel darinnen finden koͤnnen, welche ſonſt an vielen anderen Orten in Steinen und Mi - neris in groſſer Menge angetroffen wer - den.
Was die Quellen und Waſſer anbe - langet, welche um die Geſund-Brunnen herum gefunden werden,*Natur der Waſſer in der Nachbarſchafft um die Geſund-Brunnen. und von einigen Hoͤhen und Bergen gegen Norden und Oſten herunter kom - men, ſo iſt von denenſelben anzumercken, daß ſolche alle mit einander etwas von dem ſaͤuerli - chen mineraliſchen Schwefel-Spiritu bey ſich haben, welches ſonderlich diejenigen, welche von andern Oertern herkommen und dergleichen Waſſer ungewohnet ſind, gar eigentlich ſchme - cken koͤnnen.
Nichts deſto weniger da bekannt, daß kein Waſſer ſo rein und lauter, von welchem nicht etwas ſolte zuruͤck bleiben, wenn man es ab - rauchen laͤßt, ſo ſind unter unſern Waſſern die - jenigen, welche von der Oſt-Seite herunter kommen, die ſuͤßeſten, und geben gar ein ge - ringes Sediment. Ich habe von einigen derer - ſelben aus fuͤnff Pfund nur ein Paar Gran bit - terlich Saltz, und das uͤbrige weiſſe Erde, mit einander zehen Gran bekommen.
Wegen der ſuͤſſen Waſſer, welche auff dieſer Seite entſpringen, iſt ein Ort merckwuͤr - dig, woſelbſt vier Quellen nahe bey einander ſind unten an einem Huͤgel, welcher gleich neben der Stein-Grube, die wir §. 4. beſchrieben, gele - gen iſt.
Es55des Pyrmontiſchen Thals.Es iſt ein altes Gewoͤlbe*Altes Waſſer-Gewoͤlbe. oben mit Mooß und Hecken uͤberwachſen, ohne daß man die geringſte Spuhr und Nachricht hat, daß ein Gebaͤude dabey oder daruͤber geſtanden, alſo, daß ſolches allein wegen derer Qvellen angelegt zu ſeyn ſcheinet. Es wird von hieſigen Ein - wohnern der Eichen-Keller genennet, weil auff dem Huͤgel verſchiedene alte Eichen ſtehen. Das Gewoͤlbe iſt uͤber 60. Fuß lang, unten bey dem Eingang 9. Fuß breit, hernach aber zur rechten Hand hinauf die groͤſſeſte Laͤnge nur 5. Fuß weit, biß es endlich oben noch enger zuſammen gehet. Die Hoͤhe iſt auf 7. Fuß, kan aber nicht eigentlich gemeſſen werden, weil gar viel Erde und Schlamm darinnen zuſam - men gefloſſen.
Oben und zur Seiten gegen den Berg ſind 4. Loͤcher ausgemauret, die Qvellen in das Ge - woͤlbe zu leiten. Unten der Abzug wie auch der Eingang ſind ſo angeleget, daß ſolche leicht koͤnnen zugemachet und alſo das Waſſer nach Belieben auffgeſchwellet werden.
Wie alt nun dieſes Gewoͤlbe, und wer es bauen laſſen, ſolches habe bißhero von nie - manden erfahren koͤnnen; indeſſen iſt nach an - gezeigten Umſtaͤnden wahrſcheinlich, daß daſ - ſelbe wohl ehemahls als ein kaltes Bad mag ge - brauchet worden ſeyn, wozu es denn leicht wie - der koͤnte aufgeraͤumet und zubereitet werden.
D 4Es56Cap. III. Natuͤrliche BeſchreibungEs iſt bekannt, daß die alten Roͤmer, und nach denenſelben viele andere Nationes die kal - ten Baͤder in ſuͤſſem friſchem Waſſer oͤffters ge - brauchet haben, wie ſolches Sir John Floyer und D. Baynard in ihrem Buch genannt: The Hiſtory of cold Baching both ancient and mo - dern, ausfuͤhrlich beſchrieben, und allerhand groſſe Curen von ihren jetzigen kalten Baͤdern in England angefuͤhret haben. Alſo mag die - ſes Waſſer-Gewoͤlbe vielleicht von einer ehe - mahligen Herrſchafft des Pyrmontiſchen Di - ſtricts zu gleichmaͤßigen Gebrauch angeordnet und erbauet ſeyn.
Noch iſt an dieſer Seite ohngefehr ein paar hundert Schritt von der Stein-Gru - be und dem alten Waſſer-Gewoͤlbe an dem obern Fahrwege nach der Brauerey in einem Garten ein ſehr ſtarcker Sprung eines ſaͤuerli - chen angenehmen Waſſers,*Berg-Saͤuerling. welches viel von dem ſaͤuerlichen mineraliſchen Spiritu participi - ret, ſonſt aber von Eiſen und andern minerali - ſchen Materien, auſſer etwas bitterlich Saltz, und ein wenig ſubtiliſirte Erde, nichts mit ſich fuͤhret.
Wir haben ſolchem in dieſem Tractat den Nahmen Berg-Saͤuerling gegeben, weil er an einem Huͤgel aus einem ſteinigten Grunde, und viel hoͤher als alle unſere andere Sauerquellen entſpringet.
Es57des Pyrmontiſchen Thals.Es laͤſſet ſich dieſes Waſſer ſonderlich wohl mit dem Wein vermiſchen, efferveſciret und perlet mit demſelbigen und ſchmecket ſehr an - genehm. Man kan es in vielen Stuͤcken mit dem Toͤnnigſteiner Waſſer vergleichen, nur daß es nicht ſo viel Saltz haͤlt. Es iſt Schade, daß man ſolches bißhero ſo wenig geachtet, und nicht zum Gebrauch ſauber eingefaſſet hat; Denn zum wenigſten waͤre es ein ſchoͤnes Waſ - ſer vor diejenigen, welche Waſſer unter dem Wein bey der Cur zu trincken gewohnet ſind, da denen Ungewohnten der ordinaire Sauer - Brunnen uͤber der Mahlzeit zu gebrauchen nicht wohl kan zugelaſſen werden.
Wir gehen weiter zu denen uͤbrigen Waſſern,*Natur der Waſſer an der Nord-Weſt-Seite. welche um den Brunnen gegen Norden und Weſtenwaͤrts entſpringen. Man findet auf dieſer Seite dieſelben insgemein alle ſchwehrer und ſaͤuerlicher als gegen Oſten. Vielleicht daher, weil ſolche viel tieffer als die - ſe hervor kommen, und alſo die Mineralien mehr beruͤhret haben. Es ſind auch hier und da oben auf dem heiligen Anger, wie auch in meinem Garten und Kellern verſchiedene klei - ne Quellen, welche einen ſaͤuerlichen Geſchmack haben, gelbe Eiſen-Erde anſetzen, und ſonſt mit dem Brunnen einerley Halt fuͤhren, doch in ge - ringerer Quantitaͤt.
Auch findet man eine Menge ſolcher Quel -D 5len58Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibunglen auf der andern Seite in denen Wieſen, wel - che um die Papier - und Hamborn-Muͤhle lie - gen, ſind aber alle ſchwach ſo wohl an Quanti - taͤt des Haltes, als auch, daß die Quellen gar klein, und nicht haͤuffig Waſſer geben.
Jedennoch, ſo viel dergleichen Quellen ge - funden werden, ſo viel Spuhren und Beweiß - thuͤmer ſind es, daß eine ſolche gantze Gegend unter der Erden, mit Eiſen - und Schwefel-Ge - ſteine angefuͤllet ſey.
Es iſt noch eines von denen Waſſern, welche nahe um den Haupt-Brunnen entſprin - gen, anzumercken. Nur wenig Schritte hin - ter dem Brunnen-Hauß flieſſen verſchiedene kleine Quellen in einen Graben zuſammen, wo - durch ſolche zu der allgemeinen Brunnen-Ba - che geleitet werden.
In dieſem Graben habe ich im Auguſto ver - wichenen Sommers auf einmahl hin und wie - der uͤber 3 Pfund von dem ſchoͤnſten und reine - ſten Lapide ſelenite,*Anwachs des Lapidis Selenitæ. unter welchen Stuͤcke von 24 Loth gefunden, welche in dieſem Waſſer angeſchoſſen und zuſammen gewachſen waren. Es ſind dieſe Qvellen nicht ſonderlich ſaͤuerlich, ſetzen auch keine gelbe Erde ab. Wenn man das Waſſer abrauchen laͤßt, bleibet ein gar ge - ringes Saliniſches und irrdiſches Sediment zu - ruͤck, indeſſen giebt doch dieſe natuͤrliche gene - ration des lapidis ſelenitæ eine Anzeige auf die -jeni -59des Pyrmontiſchen Thals.jenige cryſtalliniſche Materie, welche durch die Kunſt aus unſeren Geſund-Brunnen geſchie - den wird. Cap. IV. §. 116. 117. ſeq.
Wir kommen aber nun zu unſeren mineraliſchen Geſund-Brunnen ſelbſt:*Situation der Geſund-Brunnen ſelbſt. Es entſpringen dieſelben zwar in Vergleichung de - rer Hoͤhen, welche gegen Norden gelegen, nie - drig und im Grunde. In Abſicht aber auf die uͤbrige Flaͤche gegen Suͤden und um den Emmer-Fluß liegen ſolche noch ziemlich hoch. Denn es gehet von unſern Brunnen biß unter die Allée uͤber 500 Schritt noch immer ziem - lich ſtarck Berg unter, daß ſich alſo auch dieſer Urſachen wegen das fremde Gewaͤſſer nicht zu unſern Quellen ſencken kan.
Der Haupt-Brunnen,**Der Trinck-Brunnen. welcher von Alters her eigentlich den Nahmen eines heili - gen Brunnens fuͤhret, iſt wie wir Cap. II. §. 25. angezeiget haben, mit einem groſſen achtecki - gen Hauß uͤberbauet, und wird dadurch von al - ler Verunreinigung, auch dem Zufluß des Re - gens und aͤuſſerlichen Feuchtigkeiten geſchuͤtzet.
Es iſt ſolcher mit eigenen Bretern oder Boh - len in die Runde eingefaſſet, und hat der Platz, wo die Quellen heraufſteigen nur 4 und 1 hal - ben Fuß im Diametro. Das Waſſer ſtehet uͤber denen Quellen 3 und 1 halben Fuß hoch, weil die Waſſer-Rinne nicht wohl niedriger hatkoͤn -60Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibungkoͤnnen angeleget werden. Indeſſen iſt das Gewicht des vielen uͤber denen Quellen ſtehen - den Waſſers mit eine Urſache, daß dieſer Brun - nen nicht ſo groſſe und ſtarcke Wellen aufſtoͤſ - ſet, als der Brodel-Brunnen, ſondern nur im - mer kleine Blaͤßlein aufwirfft, wie ein Waſſer das eben anfaͤngt zu ſieden.
Sonſten iſt die Quelle ſehr ſtarck und haͤuf - fig, und habe ich in einer Minute 4 groſſe Ey - mer voll an dem Ausfluß geſchoͤpffet, den Eymer zu 30 Pfund, welches eine groſſe Menge Waſ - ſers ausliefert in 24 Stunden, wie ſolches §. 35. mit mehrerem angezeiget wird.
Zwey und viertzig Fuß von dieſer Quelle ſpringet der groſſe Brodel-Brunnen,*Der groſſe Bade-Brunnen. welcher bißanhero allein aͤuſſerlich zum Baden iſt gebrauchet worden, weil er nicht ſo ſpirituös, ſubtil und helle iſt, wie der Trinck-Brunnen.
Es iſt derſelbe 14 Fuß ins Viereck mit Ei - chen Holtz eingefaſſet, das Waſſer ſtehet da - ſelbſt 2 Fuß uͤber denen Quellen. Es finden ſich in dieſem Raum 30 biß 40 groſſe und kleine aufſtoſſende Wellen oder Brodel, welche ein ſo ſtarck Gethoͤn und Geraͤuſch machen, als wenn eine groſſe Brau-Pfanne im ſtaͤrckſten Sud iſt, daß mans bey ſtillem Wetter auf 50. Schritte hoͤren kan.
Ich weiß nicht, ob dieſes Auffbru - deln,**Urſache des Aufbrodelns. welches faſt allen mineraliſchen Quel -len61des Pyrmontiſchen Thals.len, denen warmen ſo wohl als denen kalten ge - mein iſt, und ſich in unſeren Bade-Brunnen ſo ſonderlich findet, wohl genugſam und gruͤndlich von einem Autore mag ſeyn betrachtet worden.
Ich halte daſſelbe vor nichts anders als eine natuͤrliche Waſſer-Kunſt. Es muͤſſen ſo wohl bey dieſen als andern mineraliſchen Qvellen welche in denen Gruͤnden mit Gewalt aufſtoſ - ſen, und in die Hoͤhe brudeln, mitten in denen dabey herum liegenden Bergen und Hoͤhen, un - terirdiſche Teiche*Unterirdiſche Teiche. oder Verſammlungen des Waſſers ſeyn.
Andere Waſſer flieſſen, ſo bald ſich dieſelben verſammlet haben, aus denen Bergen heraus; dieſe Brunnen-Quellen aber haben ſich vorher an einen hohen Ort ſchon wie in ei - nem Keller oder Behaͤlter verſammlet, aus wel - chen ſolche nicht gleich an denen Bergen Loͤcher und Oeffnungen haben, ſondern es wird nach und nach ein Theil des Waſſers durch tieffe un - terirdiſche Adern und Gaͤnge von der druͤcken - den Laſt und Gewicht des hoͤher ſtehenden Waſſers fortgepreſſet, biß ſolches endlich in de - nen Gruͤnden und niedrigen Oertern ſeinen Ausgang findet, da es denn durch die Oeffnun - gen mit einem Sprung und Brodel in die Hoͤhe fahren muß. Fehlet alſo an dieſer natuͤrlichen Fontaine nichts als eine Spring-Roͤhre, welche den Ausgang enger und feſter machte, daß dasWaſſer62Cap. III. Natuͤrliche BeſchreibungWaſſer mehr gezwungen wuͤrde, und nirgends zur Seiten ausweichen koͤnte.
Daß aber dergleichen Waſſer-Hoͤh - len*Erdfaͤlle und Waſſer-Gruben. in denen Bergen gefunden werden, ſolches iſt nicht allein aus verſchiedenen unterirdiſchen Erd-Beſchreibungen bekandt, ſondern wir ha - ben auch in unſerer Gegend, davon 3 gar deut - liche Merckmahle an denen 3 Erdfaͤllen oder Meeren, wie ſolche von dem gemeinen Mann genennet werden. Es liegen dieſelbe 2500 Schritte von dem Brunnen uͤber dem Dorffe Holtzhauſſen an einem Berge.
Der groſſe Erdfall lieget ziemlich hoch, und hat unten, ſo weit das Waſſer ſtehet, im Diame - tro 280 Fuß. Das Ufer iſt an der oͤberen Seite biß man ans Waſſer kommt 130, unten wo es am niedrigſten 56 Fuß hoch. Die Tief - fe hat man bißher unergruͤndlich gehalten, es iſt aber dieſelbe vorigen Sommer in dem groſſen Erdfall gemeſſen worden, da man das Waſſer 7 Klafftern tieff gefunden.
Die zwey kleineren Erd-Faͤlle liegen ein paar hundert Schritte von dem groſſen wei - ter herunter, und laͤſſet ſich aus des Herrn Bol - manns Brunnen-Beſchreibung nachrechnen, daß das letzte Loch erſtlich An. 1645. entſtanden, da ſolches mit einer ſtarcken Erſchuͤtterung und groſſem Gepraſſel eingefallen, und ſoll eben kurtz zuvor, wie erzehlet wird, ein Ackermannmit63des Pyrmontiſchen Thals.mit Pflug und Pferden vom Lande gezogen ſeyn. Es haben auch vor wenig Jahren noch Leute gelebet, die ſolches dencken koͤnnen.
In dieſen Gruben iſt nun iederzeit die Men - ge Waſſer, und leben auch Fiſche darinnen, in - deſſen ſiehet man ſo wenig wie das Waſſer hin - ein koͤmmt, als wie nirgends ein bekanter Aus - fluß verſpuͤhret wird.
Wir kehren aber wieder zu unſerem Geſund-Brunnen,*Der niedere Bade-Brunnen. woſelbſt wir noch einen dritten gegen Weſten 112 Fuß von dem Trinck - Brunnen finden. Es iſt derſelbe auch mit Ei - chen-Bohlen 22 Fuß in die Laͤnge und 16 Fuß in die Breite eingefaßt. Das Waſſer ſtehet in dieſem Raum 4 Fuß tieff. Man ſiehet dar - innen verſchiedene groſſe und kleine Brodel auf - ſteigen. Dieſer Brunn iſt der ſchwaͤchſte an Gehalt, und ſpuͤhret man auch den ſaͤuerlichen mineraliſchen Spiritum am wenigſten darinnen. Wird als ein kaltes Bad von denen Armen gebraucht, welche den Sommer uͤber hinein ſteigen.
Es iſt Schade, daß dieſe Quellen ſo tieff liegen, und von Schlamm und Erden nicht ſo rein koͤnnen gehalten werden, wie die andern beyden Brunnen, daher man das Waſſer im - mer truͤbe findet.
Dieſe Brunnen nun bringen mit ein - ander, ſo bald ſolche aus der Erden kommen,eine64Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibungeine haͤuffige roth-gelbe Erde herfuͤr,*Gelbe Erden in den Brunnen, und um dieſel - ben. welche in denen Brunnen ſelbſt, hernach auch in allen Rinnen und Graben, wodurch das Waſſer flieſſet, biß auf 600 Schritt von denen Qvellen in groſſer Menge kan geſammlet werden.
Auch iſt das gantze Erdreich der Allée, und noch eine gute Breite auf beyden Seiten derſel - ben mit ſolcher gelben Erde angefuͤllet, welche daſelbſt an etlichen Orten gantz rein und lauter uͤber 2. Fuß dick auf einander gefunden und zu einer ſchoͤnen gelben und braun-rothen Farbe ausgegraben und zubereitet wird. Die groſſe Menge dieſer gelben Erde iſt vermuthlich an dieſer Seiten vor undencklichen Jahren, da das Brunnen-Waſſer ſich den Huͤgel hinunter er - goſſen, wo es gewollt und gekonnt hat, mit Laͤnge der Zeit zuſammen gefloſſen. Denn es findet ſich dieſelbe nicht uͤber, ſonder unter den Quel - len auf der niedrigen Seiten gegen Suͤden, auch nicht weiter, als wie man anitzo noch vor Augen ſiehet, daß das Waſſer das Eiſen in der Brun - nen-Bache halten und fuͤhren kan.
Man hat dieſe Erde bißhero eine Ochram oder Ocker-Erde geſcholten,**Was die gelbe Erde ſey. und es haben ſich viele unter dieſem Nahmen etwas ſonderlich Grobes, und mehr Schaͤdliches als Nuͤtzliches vorgeſtellet. Uber dieſes iſt derNahme65des Pyrmontiſchen Thals.Nahme Ochra gar general und dunckel, weil alle gelbe Farben, ſo man aus der Erden graͤ - bet, auch eine gelbe Farbe aus dem Bley unter denen Ocker-Farben begriffen werden. Wenn ich unſere gelbe Erde, ſo wohl diejenige, welche aus denen Quellen und Waſſer-Leitungen ge - ſammlet, als die andere, ſo um die Allée gegra - ben wird, in einem Tiegel in Schmeltz-Ofen bringe, und mit dem Geblaͤſe ſtarck Feuer ge - be, ſo ſchmeltzt dieſelbe zuſammen und wird Eiſen, welches den Magneten anhaͤnget, und wenn ſolche nur von der untergemiſchten Erde und cryſtalliniſchen Cremore (Cap. IV. §. 108.) ge - ſaͤubert iſt, alle Eigenſchafften hat, welche ein vollkommenes Eiſen oder Stahl haben muß.
Es geſchicht dieſes ohne den geringſten Zu - ſatz, da ſonſt nach D. Bechers Experiment aus iedem Leimen mit Zuthuung etwas Lein-Oehls oder einer andern Fettigkeit, Eiſen-Staͤublein koͤnnen herfuͤr gebracht werden.
Man gebe alſo dieſer gelben Materie ihren rechten Nahmen, und nenne ſie Eiſen, oder wenn ſolche ja doch Erde ſeyn ſoll, ſo mag ſie Ei - ſen-Erde heiſſen.
Ob ſich nun gleich dieſe Eiſen-Erde allenthalben, wo das Waſſer herflieſſet, ſo haͤuffig anſetzet, ſo findet man doch bey unſern Geſund-Brunnen*Man findet keinen Toff-Stein in unſern Geſund - Brunnen. weder in denen Waſſer -ERin -66Cap. III. Natuͤrliche BeſchreibungRinnen, noch ſonſt irgendswo den geringſten Tophum oder Toff-Stein, und iſt ſolches um ſo viel merckwuͤrdiger, weil nicht weit von die - ſen Brunnen die Stein-Quellen gefunden wer - den, wie wir §. 2. angefuͤhret haben, welche da - her unter der Erden gar keine Gemeinſchafft mit denen Geſund-Brunnen haben muͤſſen.
In denen warmen mineraliſchen Waſſern iſt der Toff-Stein faſt etwas allgemeines, da ſich um die Ausgaͤnge, in die Roͤhren und allent - halben an die Raͤnde, Bretter und Kaſten, wo - mit dieſelben eingefaſſet, viele Stein-Rinden und groſſe Stuͤcke anlegen, welche oͤffters mit Gewalt muͤſſen weggebrochen werden, damit ſolche nicht alle Gaͤnge und Rinnen verſtopffen und verderben. Daher iſt offenbahr, daß der Halt derer kalten mineraliſchen Waſſer nicht ſo grob und ſchwehr als derer warmen Baͤder ſey.
Wenn die Bewegung der Hitze zu denen Menſtruis*Ein warmes Menſtruum ſolviret ſtaͤrcker als ein kaltes. kommt, ſo ſolviren ſolche viel ſtaͤrcker und hefftiger. Da man zum Ex - empel einen ſchwachen Spiritum Nitri, Vitrio - li &c. uͤber ein Metall gieſſet, und derſelbe ſolches nicht angreiffen will, ſo laͤſſet man es nur auf einem Ofen mit einander erwaͤrmen, als - denn faͤngt der Spiritus bald an zu arbeiten und aufzuloͤſen, auch wohl dasjenige, was er nichthal -67des Pyrmontiſchen Thals.halten kan, ſondern wann es erkaltet wieder fal - len laſſen muß. Auf eben ſolche Art ſtelle ich mir vor, das unterirdiſche Waſſer, wenn ſol - che durch den ſauren mineraliſchen Spiritum der Schwefel-Kieſe geſchaͤrffet, und denenſel - ben eine aufloͤſende Krafft mitgetheilet worden, da ſolche noch uͤber dieſes erhitzet werden, viel ſchaͤrffer grobes und feines, was ihnen unter der Erden begegnet, aufloͤſen und in ſich faſſen. Hingegen kan der mineraliſche Spiritus ohne Erhitzung in kalten Waſſern insgemein nur das ſubtilere und zur Aufloͤſung bequemſte ſolviren, wie hier der Effect und die Erfahrung bezeu - gen.
Aber wieder auf die Eiſen-Erde*Die Quantitaͤt des Eiſens und anderer Materien im Waſſer. zu kommen, ſo iſt nichts mehr offenbahr und vor iedermanns Augen bekannt in unſerem Brun - nen als eben dieſelbige, welche wie ſchon gemel - det, nicht allein in und um die Quellen ſo haͤuf - fig gefunden wird, ſondern ſich auch an alle Ge - faͤſſe, in welchen das Waſſer einige Zeit warm oder kalt gehalten wird, anleget und dieſelben gelb faͤrbet. Deſſen ohngeachtet iſt dieſes Ei - ſen der kleineſte Theil von der ſoliden Subſtantz oder harten Materien, welche dem Waſſer ein - verleibet ſind.
So viel ich bißher erforſchen und nachſu - chen koͤnnen, haͤlt das Pfund Waſſer nur zweyE 2oder68Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibungoder anderthalb Gran Eiſen, wenn ſolches, ſo viel moͤglich, von dem cryſtalliniſchen und alcaliſchen Cremore geſaͤubert, und alſo zu ei - nem reinen lauteren Stahl geſchmoltzen iſt. Das gantze Sediment aber, oder alles, was von harter und trockner Materie, nach Abduͤn - ſtung des friſchen Waſſers aus dem Trinck - Brunnen zuruͤck bleibet, iſt 22 Gran ſchwehr, alſo daß das Eiſen auffs hoͤchſte 1 Eilfftheil aus - machet.
Da nun das Eiſen ein ſo geringer Theil von demjenigen iſt, was unſer Waſſer von ſolider Subſtantz in ſich haͤlt, und doch Cent - ners-weiſe in und um die Brunnen kan ge - ſammlet werden, ſo laͤſſet ſich nachrechnen, was fuͤr einen erſtaunlichen Klumpen die Contenta ſolida mit einander ausmachen wuͤrden, wenn man zum Exempel beyſammen ſehen ſolte, wie viel das Waſſer nur in zehen oder hundert Jah - ren aus denen Bergen heraus gefuͤhret hat.
Es iſt §. 22. angezeiget worden, daß an dem Ausfluß des Trinck-Brunnens*Menge des Waſſers und mineraliſchen Halts. in ei - ner Minute 4 groſſe Eymer voll geſchoͤpffet, den Eymer zu 30 Pfund, ſolches machet in 24 Stunden 172 800 Pfund Waſſer. Da nun ein jedes Pfund 22 Gran harter Materie in ſich haͤlt, wie in folgendem Capitel mit mehreren wird erwieſen werden, und dieſe Materie mehr als ein 350-Theil von dem Gewicht des Waſſeꝛsaus69des Pyrmontiſchen Thals.ausmachet, ſo kommen alle 24 Stunden 500 weniger 7 Pfund heraus, welche 7 Pfund wir auf das Waſſer, welches mir im Schoͤpffen ne - ben dem Eymer gelauffen, rechnen wollen; ma - chet alſo in einem eintzigen Jahre 1825. Cent - ner Materie; wenn dieſe Zahl wieder mit 100 oder mit 1000 Jahr multipliciret wird, ſo kommt eine unglaubliche Menge heraus. Nun ſind der Brunnen drey, unter welchen der Bro - del-Brunnen zum wenigſten noch einmahl ſo ſtarck quillet, als angefuͤhrter Trinck-Brun - nen, auch etliche Gran auf jedes Pfund mehr haͤlt.
Es iſt alſo dieſes ſo wohl bey denen unſrigen, als andern mineraliſchen immerwaͤh - renden Quellen,*Mineraliſcher Inhalt nimmt nimmer ab. Geſund-Brunnen, und war - men Baͤdern, wie auch bey denen Saltz-Brun - nen das unbegreifflichſte, daß ſolche in ſo viel hundert Jahren eine ſo gar groſſe Menge Ma - terien herfuͤr bringen, und dennoch immerfort an einem Ort und Stelle mit gleicher Maaß und Gewicht ihres Inhalts continuiren.
Man mag ſich auch den unterirdiſchen Vor - rath von Eiſen - und Schwefel-Kieſen und von anderen Materien, welche man mit dergleichen Waſſer vermiſchet findet, ſo groß vorſtellen, als man immer will, ſo muͤſte doch ſolcher, wo nicht gaͤntzlich erſchoͤpfft, doch endlich gar ſehr vermindert werden.
Weil aber ſolches nicht geſchicht, und von unſerem Trinck-Brunnen inſonderheit probiret worden, daß ſolcher ohngefehr vor 40 Jahren nach des ſeligen D. Cunæi Proben, das Pfund 20 und 2 Siebentheil Gran gehal - ten, ich aber zwey und zwantzig Gran eher mehr als weniger (doch mit aller moͤglichen Behut - ſamkeit, daß nichts davon verzettelt werde) heraus bringe, ſo ſolte aus dergleichen Umſtaͤn - den wohl wahrſcheinlich werden, daß GOtt der Allmaͤchtige dem unterirdiſchen Mineral-Reiche eben den Segen und die Abwechſelung beygele - get habe, daß in demſelben ſo wohl etwas neues gezeuget, als das alte verzehret, und aus der Erden heraus gebracht werde; wie wir auf ei - ne gleiche Art und Weiſe in dem Reich derer Gewaͤchſe und Thiere taͤglich vor Augen ſehen, wie ſolche vergehen und wieder gebohren wer - den, und man in der gantzen Natur einen im - merwaͤhrenden Circulum und Abwechſelung beobachtet, da das eine erſtirbt und vergehet, das andere aber in deſſen Stelle aus dem Uber - bleibſel der erſtorbenen und aufgeloͤſeten Coͤr - per wiedergebohren und zuſammengeſetzet wird; ob wir gleich die Regenerationes in dem Re - gno Minerali am wenigſten ergruͤnden, und die wahren Urſachen derſelben entdecken koͤñen.
Wie das Waſſer tauſendfaͤltige Ei - genſchafften von allerley Sachen und Materien annehmen und in ſich faſſen koͤnne, ſolches ſehenwir71des Pyrmontiſchen Thals.wir taͤglich vor Augen, und wiſſen ſol - ches alle Koͤche; derowegen iſt kein Wun - der, wenn ein gleiches an Waſſern, wel - che durch mineraliſche Berge fallen, verſpuͤh - ret wird. Auch laͤſſet ſich die Erhitzung des Waſſers in warmen Baͤdern, welche ſonſt An - fangs ſehr fremd und wunderlich ſcheinet, noch wohl begreiffen, und kan ſonderlich deutlich vorgeſtellet werden durch das bekante Experi - ment, da man eine gute Quantitaͤt geſtoſſenen Schwefel und Eiſenfeil mit einander vermi - ſchet, mit Waſſer anfeuchtet, und ſolches in ei - nem Gefaͤß hinſetzet, oder in ein Loch einen Fuß tieff unter die Erde graͤbet, da nach Verlauff zehen oder zwoͤlf Stunden nicht allein eine heff - tige Erhitzung folget, ſondern auch ein Schwe - fel-Rauch Feuer und Flammen aus dieſer Mas - ſa herfuͤr brechen. Journal des Scavants de l’ An 1703. Tom. 2.
Daß aber in denen Bergen bey einer ſo un - geheuer groſſen Conſumtion (wie wir angezei - get haben) ſo wohl derer erhitzenden als ande - cer Materien, welche die mineraliſchen Waſſer in ſich halten, doch in hundert, tauſend und mehr Jahren kein Mangel, ſondern ein