PRIMS Full-text transcription (HTML)
Natur und Gnade / Oder der Unterſcheid der Wercke /
So aus natürlichen kraͤfften und aus den gnaden-würckungen des H. Geiſtes herkom̃en / und alſo eines euſſerlich erbarn und warhafftig Chriſtli - chen gottſeligen lebens / nach der regel Goͤttlichen Worts einfaͤltig aber gründlich unterſucht
D. Mit Churfürſtlich Saͤchſ. Freyheit.
Franckfurt am Mäyn /Verlegts Johann David Zunner /1687.

Denen Hoch-Wol - und Ehr-Würdi - gen / Groß - und Vorachtbarn / Hoch - und Wohlgelehr - ten HERREN SUPERINTEN - DENTEN, ADJUNCTIS, Pfarrherren und DIACONIS der Chriſtlichen Evangeliſchen Kirchen in dem Hochloͤblichen Churfürſtenthum Sach - ſen / Meinen Hochgeehrten / wehrten und vielgeliebten Herren / Brüdern und Freunden wünſche Von dem groſſen GOtt und Vater des liechts / von dem alle gute und alle vollkommene gaben herkom - men / in Chriſto JESU / ſeinem eingebohrnen Sohn / unſerm treueſten Heyland / die kraͤfftige gnade ſeines Heiligen Geiſtes zu treuer amts-verrichtung / den rei - chen ſeegen von oben zu vieler frucht der ewigkeit / und an jenem groſſen tage / wenn der Ertz-Hirt erſcheinen wird / die unverwelckli - che kron der ehren / ſampt allen übrigen ſtücken menſchlicher und Chriſtlicher wolfahrt ihrer ſelbs und der lieben ihrigen!

Hoch -
Hoch-Wol - und Ehr-Würdige / Groß - und Vorachtbare / Hoch - und Wolgelehrte / inſonders Hochgeehrte Her - ren / wehrte Brüder und geliebte Freunde.

JCh habe nicht noth / mit mehre - rem dieſelbe zu erinnern / wie es dem allerhoͤchſten Regierer über uns al - le / nach ſeinemrecht / welches er ſich über ſeine diener vorbehaͤlt / gefaͤllig geweſen ſeye / mich ſeinen geringſten knecht / nach dem er mich erſtlich in Straßburg / nachmahl aber in Franckfurt am Mayn / zu ſeiner Kirchen dienſt verordnet gehabt / vor einem jahr durch ordenliche und von ihm in len - ckung der hertzen regierte beruffung unſers Durchleuchtigſten Chur-Fürſten und Herrn / von der gedachten letſtern gemein - de / an dero ich durch ſeine gnade 20. jahr nach dem vermoͤgen / ſo er verliehen gearbei - tet habe / auch / wo es ſein gnaͤdiger wille ge - weſen / derſelben vollends die letſte tage mei - nes bereits anbrechenden alters auffzuopf - fern / verlangt haͤtte / in dieſe lande als Chur -a 3fürſt -Anſpruch. fürſtlichen Ober-Hoffprediger / Kirchen - und Ober-Conſiſtorial-Rath zu ſenden: Jn dem etwa ſchwehrlich jemand unter ih - nen ſeyn kan / welcher nicht einige wiſſen - ſchafft davon erlangt haben moͤchte.

Es will auch nicht eben noͤthig ſcheinen / ſie zu verſichern / daß ich der Goͤttlichkeit ſo - thanes gnaͤdigſten beruffs (ob mir wol ſol - chen zu erkennen aus vielen urſachen / liebe zu meiner wehrten gemeinde / anſehung mei - ner jahr / ſcheue vor der fremde / und noch un - gewohnter verrichtung / furcht vor ſchweh - rer verantwortung / und erkantnuß / wie viel mir zu ſo wichtiger ſtelle / dieſelbe nützlich zu verwalten / mangle / lange ſehr ſchwer wor - den iſt) gleichwol von dem gütigſten Him̃ - liſchen Vater auff unterſchiedliche art end - lich dermaſſen überzeuget worden ſeye / daß einiger zweiffel nicht übrig ſeyn konte / und alſo dieſelbe ſamt und ſonders ſicher glau - ben doͤrffen / daß ich nicht / allein aus menſch - lichem rath in dieſe lande gekommen / ſon - dern von dem jenigen / in deſſen hand all un - ſer thun und wandel ſtehet / warhafftig ge - ſchicket worden bin: deſſen ſeine wunder - bare Providenz ich in dem gantzen werck / je mehr ich daſſelbe noch ſeither erwogen / nichtandersAnſpruch. anders als mit tieffſter demuth und ver - wunderung zu verehren habe / auch des gu - ten vertrauens lebe / daß Sie nicht weniger die weiſeſte regierung des HErrn HErrn darinnen über und mit mir erkennen wer - den.

Nachdem ich nun hieher gekom̃en / und ſonderlich zu einem mitglied des jenigen Collegii, welches in ſeiner maaß die obere auffſicht der geſamten Churfürſtlichen Kir - chen ihm gnädigſt anvertraut zu verwalten hat / auffgenommen worden bin / dahero er - kenne / daß uns GOtt in einem weinberg auf unterſchiedliche art zu arbeiten geſetzet habe / ſo erkenne ferner billich / daß ein groſ - ſes zu fruchtbarerer verwaltung unſerer geiſtlichen verrichtungen daran gelegen ſeye / daß wir / als brüder / unſere hertzen in rechter liebe und einigkeit des Geiſtes ver - binden / auch unter uns ein ſolches vertrau - en ſtifften / welches nachmals ein mittel und gelegenheit wäre / viel gutes mit zuſammen geſetztem fleiß auszurichten.

Wie ich nun als ein fremdling herein kommende / kaum ein und andern gefunden / welchen anderwerts zu kennen GOtt gele - genheit gegeben hatte / ſo dann die hoffnunga 4auchAnſpruch. auch nicht haben kan / daß ich dieſelbe alle / oder auch nur die meiſte / hier in dieſem le - ben / dem fleiſch nach / werde kennen lernen / damit ich mein gemüth gegen ſie alle münd - lich bezeugen koͤnte; ſo habe bald anfangs eine gelegenheit verlangt / gegen dieſelbe ins gemein / weil es gegen jeden beſonders nicht geſchehen kan / vor dem angeſicht des HEr - ren mein hertz in Chriſtlicher einfalt und Theologiſcher aufrichtigkeit auszuſchüt - ten: deßwegen auch / da ich dieſes tractaͤt - lein / als das erſte an dieſem orte / auffgeſetzt / heraus geben wollen / ſolche meine abſicht in einem vertraulichen und brüderlichen an - ſpruch ins werck zu ſetzen mir in dem Nah - men des HErrn vorgenommen habe.

Daher ich dieſelbe hit mit ſamt und ſon - ders vor den augen unſers groſſen GOttes hertzlich angeredet haben will / und durch dieſe gelegenheit meine ſeele mit den ihrigen ſo viel genauer zu verbinden verlange / dabey den HERRN HERRN / deſſen ehr ich auch in dieſem ſtück warhafftig zum zweck unſerer vertraulichen freundſchafft / nach dero ich begierde trage / um ſeine gnade an - ruffe / daß / was aus treuem hertzen gehet / auch wieder bey ihnen allen treue hertzen fin - de.

An -Anſpruch.

Anfangs trage ſo wol das hertzliche ver - trauen zu denſelben / als bitte auch darum / ſich deſſen verſichert zu halten / wie mir der HErr von jugend auff die groſſe gnade ge - than hat / ihn aus ſeinem Wort in unſerer Evangeliſchen Kirchen zu erkennen / dahero ich ſolche lehr unſern Symboliſchen büchern gemaͤß / von den zarteſten kindes-beinen an gefaſſet habe / in meinen Academiſchen ſtu - diis ferner darinnen bekraͤfftiget worden bin / auch die zeit meines amts ſtaͤts ſolcher reinigkeit der lehre / nach dem liecht / ſo mir der HErr gegeben / mich befliſſen habe: daß alſo auch noch / ſo lang mich die himmliſche güte in dieſem leben / da wir zwar die wahr - heit noch nicht anders / als durch einen ſpiegel in einem dunckeln wort / erken - nen / dort aber erſt alles von angeſicht zu angeſicht ſehen werden / laſſen wird / einiger menſch aus meinem munde nichts hoͤren ſolle / was ſolcher Evangeliſchen Goͤttlichen und in unſern gedachten Kirchenbüchern gegründeten warheit zuwider waͤre. So hoffe ich auch / daß jemand einen rechtmaͤſſi - gen zweiffel hieran zu tragen nicht urſach haben werde / indem meine lehr ſo viel jahr in einer nicht nur an ſich ſelbs volckreichen /a 5ſon -Anſpruch. ſondern ſtaͤts auch mit viel fremden ange - füllten ſtadt offentlich angehoͤret worden iſt / und ich auch von allen unfern glaubens - articuln meine erkaͤntniß und lehre in un - derſchiedlichen von mir herausgegebenen büchern von guter zeit her jederman vor au - gen geleget habe: dawider biß daher mit be - ſtand niemand nichts auffbringen / oder ei - nen gerechten verdacht auf mich ziehen wird koͤnnen: wie ich hingegen / was im finſtern mauſet / und einem ehrlichen mann nicht ge - troſt ſelbs under das geſicht treten darff / bil - lich nicht zu achten habe / oder auch andere rechtſchaffene leute ſich jemal an etwas keh - ren werden / was aus des Fürſten der fin - ſterniß verleumdungs-art herkom̃et. Da - bey doch allezeit mich erboͤtig mache / jedem der in liebe und mit beſcheidenheit / da er ei - nigen ſcrupel aus einigen meinen worten gefaſſet zu haben meynte / zuſage / daß ihn freundlich hoͤren / und ſolche ihm mit grun - de zu benehmen / mich nicht beſchwehren wolle.

Nechſt dem verſichere auch dieſelbe ſamt und ſonders / daß ich nach beſtem meinem wiſſen und allem dem vermoͤgen ſo mir der HErr in gnaden jedesmal geben wird / diemirAnſpruch. mir auffgetragene ſtellen zu der kirchen / an dero geſamtem leib ſie jeder ſeines orts mit mir arbeiten / beſtem und beſſerung zu ver - walten / an meinem fleiß und treue niemahl ermangeln laſſen / ſondern trachten wolle / mit lehr / rath und leben mich alſo zu bezeu - gen / wie der kirchen heils begierige mitbrü - der von mir verlangen ſollen. Jch erkenne meine ſchwachheit / und weiß daß ichs noch nicht ergriffen habe / oder voll - kommen bin / aber dem nach jage / ob ichs ergreiffen moͤchte / was mir der himmliſche beruff vorhaͤlt: dahero ich nicht verſprechen kan / daß ſie nicht manches an mir gewahr werden koͤnnen / wo eine mehre - re weißheit / vorſichtigkeit / eiffer und ſorg - falt in meinem amt erfordert worden waͤre / ſie werden auch beſorglich underſchiedene ſchwachheits-gebrechen in meinem leben ſe - hen / deſſen ich mich ſchon bereits daraus be - ſcheide / weil ich wol weiß / und ſelbs fühle / daß ich noch in dem fleiſch lebe / und in dem - ſelben eben auch nichts gutes wohnet. Jn - deſſen traue ich vor dem angeſicht des HErrn / vor ihnen allen zu bezeugen / daß ich den ernſtlichen vorſatz gefaſſet habe / nach dem maaß der gnaden / welches mir ertheileta 6iſt /Anſpruch. iſt / mein amt nach allen deſſen ſtücken mir hertzlich angelegen ſeyn / und nicht von mir ſehen zu laſſen / daß ich in demſelben und in meinem leben eigene ehre / eigenen nutzen und bequemligkeit eines wollüſtigen lebens ſuchen / ſondern nach allem vermoͤgen trach - ten wolle / zu zeigen / daß ich von grund der ſeelen ſolchen uns angebohrnen lüſten des fleiſches und der welt taͤglichen abzuſterben verlange / und mich wol entſinne / wie viel mir / ja der Kirche ſelbs / daran gelegen ſeye / daß ich mich hüte / damit niemal von mir oder den meinigen / ſo ich under meiner auf - ſicht habe / aͤrgerniß entſtehe.

Wo auch jemand unter denſelben von mir oder den meinigen etwas jetzt oder künfftig hoͤren / oder geſehen zu haben / meinen ſolte / daß ihn deuchtete / dem hei - ligen ampt ſo ich trage unanſtaͤndig zu ſeyn / oder auch wo jemand gedaͤchte etwas zu ſe - hen / und mir an die hand geben zu koͤnnen / worinnen ich mein ampt nützlicher führen / oder das gute klüglicher und nachtrücklicher befoͤrdern koͤnte / habe ich hertzlich um ver - trauliche com̃unication zu bitten / und erbie - te mich auch willig / von einem jeglichen / von dem oberſten biß auff den geringſten (wie -wolAnſpruch. wol ich keinen in dem heiligen amt geringe halte) das jenige anzunehmen / was er ent - weder vor guten rath in dingen / ſonderlich die mir als einem frembdlinge noch nicht ſo bekant ſind / zumbeſten der Kirche mir an hand geben / oder mich über das jenige / ſo ihm mißfaͤllt / erinnern wolte: um ſo wol in jenem die ſache reifflich zu überlegen / ob jede thuende vorſchlaͤge nützlich ſeyen / als auch in dieſem / wie gegründet ich ſeine ge - dancken achte / ihm vorzuſtellen / und alſo entweder ſeinen anſtoß ihn freundlich zu be - nehmen / oder auch ſeinen erinnerungen zu folgen. Wie ichs denn eine ſonderbare freude / und groſſe wolthat von GOtt ach - ten werde / wo er andere treue hertzen auch erwecket / die mir in liebe an hand geben / was ich vor mich nicht erkant haͤtte / ſo dann die an mein und der meinigen beſſe - rung brüderlich arbeiten wollen: daher ſich niemand von mir in dergleichen dingen eines verdruſſes ſondern freundlicher auff - nahm / und nach befinden / dancks und gehorſams / zu verſehen hat: maſſen auch hoffe das zeugniß meines gewiſſens und an - derer Chriſtlicher hertzen zu haben / daß ich bereits anderwertlich dergleichen nichta 7nurAnſpruch. nur von amts-brüdern / fondern eben ſo wol von andern frommen Chriſten mit liebe und ſanfftmuth / nicht aber vor einen eingriff in mein amt auffgenommen / da einige mich über etwas zu erinnern dienlich erachtet ha - ben. Welche hertzliche vertraulichkeit ich unter denen / die an einem leibe Chriſti glie - der ſind / je mehr und mehr eingeführet zu werden / wünſchte / ſie vor ein nicht ge - ringes ſtück der gemeinſchafft der heiligen achte / und von derſelbigen fleißigen übung vielen herrlichen nutzen der Chriſtlichen kir - chen hoffte.

Nechſt deme ſage ich auch aus treuem hertzen allen und jeden zu / wo ich nicht nur in meinem amts-verrichtungen (dero pflicht mich ohne das bereits dazu verbindet /) ſon - dern auch ſonſten jemand unter denſelben zu der kraͤfftigen verwaltung ihren heiligen ar - beiten oder ſonſten befoͤrderung ihrer billi - chen verlangen / und was ſie ſonſten von der liebe eines mit-bruders zu ſuchen haben / freundſchafft und gutes zu erweiſen / gele - genheit bekomme / es an mir nicht erman - geln zulaſſen / daß nicht aus aller treue und nach meinem vermoͤgen mit rath und that an die hand gehen / und alſo meine liebe gernthaͤtigAnſpruch. thaͤtig bezeugen wolte. Jch ſage aber billich nach meinem vermoͤgen / über welches keiner ein mehrers von mir zu fordern recht hat / und ich deswegen alle hertzliche bitte / daß wo nicht eines jeglichen verlangen alle - mal erfüllen kan / es meinem willen nicht zu - zuſchreiben / ſondern zu gedencken / daß es dinge ſeyn koͤnnen / die entweder allerdings über meine gewalt / oder nicht in meiner ei - nigen hand ſtehen / offters auch ſo bewand ſind / daß nicht allen zugleich willfahret werden kan / ſondern da einer allein ſeinen wunſch davon traͤget / die andere nothwen - dig eine weile zurück ſtehen müſſen: zu ge - ſchweigen wo es etwan / welches ich niemal zu geſchehen wünſche / ſolche dinge ſeyn ſol - ten / darinnen nicht ohne ſunde wider GOtt und ſeiner gemeinde / oder auch wider die an - dern ſchuldige liebe eines mannes begehren / willfahret werden koͤnte: welches denn bil - lich niemand zumuthen ſolle.

Wie ich nun hiermit vor dem angeſicht GOttes und ſeiner kirchen meine erklaͤ - rung gegen ſie thue / alſo bitte auch freund - brüderlich und hertzlich / ſie wollen mit gleicher liebe gegen mich geſinnet ſeyn und bleiben / damit unſer umgang unter einan -der /Anſpruch. der / ſo lange uns der HErr beyfammen laſſen will / nichts anders ſeye / als eine lau - tere übung hertzlicher liebe und vertrauens untereinander / welches wol meine iñiglichſte freude ſeyn ſoll / und mein gantzes lebẽ nechſt Goͤttlicher gnade ſelbs / iñig verſüſſen mag.

Laſſet uns aber auch hiemit insgeſamt den bund vor dem HErrn mit einander ma - chen / daß wir gleich wie unter einander in liebreicher freundſchafft zu leben uns vor - nehmen / alſo auch das werck deß HErrn nach unſerer obligenden pflicht / jeglicher nach allen ſeinen beſten kraͤfften zu befoͤr - dern / uns wollen angelegen ſeyn laſſen / und zeigen / daß wir uns thaͤtlich vor die jenige halten / und alſo darſtellen / die der HERR aus der gemeinen verderbnus der welt / des - wegen durch einen heiligen beruff aus - geſondert / und ſeinem dienſt gewidmet habe / damit wir mit Lehre und leben jenem verderben in ſeiner krafft nachtrücklich ſteu - ren / und was ſonſten faſt zuſammen fal - en will / auffrecht erhalten helffen ſollen.

Wir haben darzu urſach über urſach: Wir wiſſen 1. ins gemein / was vor ein ſchweres und wichtiges amt uns der HErr ſamt und ſonders durch ſeinen rath anver -trauetAnſpruch. trauet hat / da es nicht um unſere oder an - derer leute leibliche wolfahrt / ſondern unſerer und der Zuhoͤrer ſeelen ewige ſelig - keit zu thun iſt / da wir auch jene / oder unſer eigen heil / nicht erhalten koͤnnen / wo wir nicht auch die andere zu erhalten uns euſ - ſerſt laſſen angelegen ſeyn. Ach ſo laſſet uns ja keiner einigen ſeelen verluſt gering achten / und uns alſo einer jeden / als viel von uns geſchehen kan / ſo viel als unſerer eigenen / hertzlich annehmen / damit wir vor dem HERRN getroſt dermaleins erſcheinen / und nicht zu ſchanden werden doͤrffen am tage der erſcheinung deſſelbigen / welche uns deswegen billich ohnausgeſetzt vor augen ſtehen ſolle. Wir wiſſen ja / was unſer Heyland allen ſaget / und wir aus ſeinem munde andern vorpredigen / Matth. 16 / 26. Was hilff es dem menſchen / wenn er die gantze welt gewinne / und nehme doch ſchaden an ſeiner ſeele: oder was kan der menſch ge - ben / damit er ſeine ſeele wieder loͤſe? Was würde es alſo auch uns helffen / ob wir unſer leben im ehrenſtand und von je - derman geliebt und geehrt zubraͤchten / und müſten endlich nicht wegen unſers nichttreulichAnſpruch. treulich verwalteten amts zur hoͤlle fahren. Ach daß wir hieran / und daß uns unſer würdiges amt an ſich ſelbs von der gefahr der verdamniß nicht befreye / ja ſie viel eher vermehre / und alſo ein prediger viel leichter als andere ins verderben fahren koͤnne / flaͤts gedencken / und uns ſolches zu einem heiligen ſchrecken und furcht vor GOtt die - nen / daß wir vor allen andern mit furcht und zittern ſchaffen / daß wir ſelig werden. Woluns / wo uns dieſes ſtaͤts vor augen ſtehet!

Laſſet uns bedencken 2. wie uns zu ſo viel rechtſchaffener verrichtung unſerer amts - pflicht auch eben dieſes ferner antreiben ſol - le / daß uns der HErr zu den kirchen dieſer lande geſetzt habe / welche er vor allen an - dern ſo hoch gewürdiget / daß er zu unſrer urgroß-eltern zeiten das helle liecht des Ev - angelii durch ſeinen theuren Rüſtzeug Lu - therum in denſelben zu erſt wieder hervor brechen / und die Paͤpſtiſche finſterniß kraͤfftig vertrieben werden laſſen. Dieſe theure beylage des wahren und Goͤttlichen Evangelii hat der Himmliſche-Vater auch auff uns noch / uneracht bisherigen un - dancks / aus unverdienter gnade erhalten;WieAnſpruch. Wie nun alle auff die beybehaltung deſſen herrlichen Kleinods fleißig gedencken ſollen / ſo liget vor allem uns Predigern / als den verwahrern und theſaurariis derſelben / hoͤchlich und von GOttes wegen ob / daß wir alles / was zu deſſelben erhaltung er - ſprießlich / mit hoͤchſtem fleiß zu thun uns angelegen ſeyn laſſen: und alſo / daß wir weder etwas davon ſelbs verſäumen / noch entweder / wo wir dem Evangelio nicht wür - dig wandelten / oder ſolchen wandel nicht bey unſern zuhoͤrern mit allem fleiß befoͤr - derten / eben dadurch verurſachen / daß der HErr ſeinen leuchter von ſeinem ort bey uns wegſtieſſe. Wie ſonſten gemeiniglich GOtt der HErr die jenige ort und lande am haͤrteſten und mit ſchwehrſtem zorn heimgeſuchet hat / welchen er vorher die reichlichſte gnade ſeines liechts und wahr - heit gegoͤnnet gehabt / dieſe aber ſich derſel - ben nicht danckbarlich gnug gebraucht ha - ben: wie dorten Matth. 12. unſer Heyland den ſtaͤdten Capernaum / Corazin und Bethſaida hart trohet / daß / wie ſie biß an den Himmel erhoben geweſen / ſie wieder biß in die hoͤlle hinunter geſtoſſen werden ſollen / weil ſeine meiſte thaten und pre -digtenAnſpruch. digten bey ihnen geſchehen waren / und ſie al - ſo vor Tyro und Sidon ſo viel mehrere wol - thaten empfangen / aber eben deſto ſchweh - rere ſtraffe erwarten müſſen. Wahrhafftig ich kan an die dieſen landen erzeigteignade nicht gedencken / daß nicht alſobald ein ſchꝛecken bey mir entſtehet / wañ ich dabey be - trachte / wie deroſelben etwa bis daher mag begegnet worden ſeyn. Nun / meine wehrte Brüder / ob wol ſolche allgemeine gerichte um die zeit der ſtraffen uns nicht allein be - treffen / ſondern ein gantzes land / als von dem ſie ins gemein verſchuldet werden / ſo laſſet uns doch gedencken / wir ſeyen unter den erſten / die davon zu leyden haben / und lige uns vor allen andern ob / daß / wie wir bey uns / alſo auch bey andern die buſſe be - foͤrdern / dadurch der zorn des HErrn ver - ſoͤhnet werden mag: Sind wir darinnen ſaͤumig / ſo wird uns mit ziemlichem recht ein groſſes der unglücke zugeſchrieben / wel - che wir in treulicher verrichtung unſers amts auch von andern haͤtten abwenden ſollen und koͤnnen.

Sonderlich laſſet uns hierzu 3. bewogen werden durch das anſehen der ſchweren ge - richte GOttes / welche wir vor augen ſe -hen /Anſpruch. hen / wie ſie unſren geſamten Kirchen tro - hen / da gewißlich unſre Saͤchſiſche auch keine freyheit davor auffzeigen kan. Wir ſehen vor uns / (welches mich faſt mehr als alles andere aͤngſtet) den elenden zuſtand unſerer Kirchen und dero beſchaffenheit in ihr ſelbs: wo wir faſt lange ſchon ſagen müſſen / der feind habe alles verderbet im Heiligthum. Es ſtehet ja alſo mit derſel - ben in vielen ſtücken / daß man auch zu ſor - gen hat / ob ſchon kein euſſerlicher feind uns angriffe / daß es in die harre mit unſerm we - ſen nicht gut thun werde / ſo gar will alles zerfallen / wancket / krachet / und loͤſen ſich manche bande auff / die anderes zuſammen halten ſolten. Will man denn helffen und beſſern / ſiehet man keinen fortgang / ſon - dern thut ſich der zuſtand der gerichte da - rinnen hervor / daß uns GOtt ſcheinet geworden zu ſeyn / wie ein bronnen der nicht mehr quellen will / Jer. 15 / 18. alſo gar / daß manche beſtgemeynte und an ſich wahrhafftig gute vorſchlaͤge in dem ausgang offt mehr ſchaden als nutzen brin - gen müſſen; welches ſehr ſorgliche gedan - cken machet / ob der HErr ſich bereite / von uns zu weichen / und uns allen ſegen zu ent -ziehen.Anſpruch. ziehen. Wie dann gewiß / wer mit etwas er - leuchteten augen den zuſtand aller orten an - ſiehet / mit ſchrecken mehr warnehmen wird / als er faſt zu ſagen getrauet.

Sehen wir ferner um uns / ſonderlich auf das Roͤmiſche Papſtthum / ſo ſehen wir gleichfalls / wie das hochmüthige Babel immer mehr und mehr das haupt empor he - bet / und an dem ſcheinet zu ſeyn / den hoͤch - ſten gipffel ſeiner von GOtt verhengten gewalt zu beſteigen. Daher ihm bey etlichen jahren her alles nach ſeinem willen gelingen müſſen / daß man erſchrickt / ob denn der HErr ſelbs das ihm feindſelige reich erhebe / und damit ſein mißfallen an unſerm un - danck offenbar bezeuge. Wir wiſſen fer - ner / wie ſolche feinde gegen uns geſinnet ſeyen / und daß ſie uns laͤngſten vor verbañ - te ketzer erklaͤret haben: wo nichts mang - let / als daß der HErr nur noch die wenige bande oder daͤmme / damit er ſie etwa zurück haͤlt / zerriſſen werden laſſe / ſo mag uns dero gewalt überſchwemmen / wie eine aus - brechende fluth oder übergieſſender ſtrohm die felder und gründe verderbet. Und dürf - fen wir uns da auff menſchlichen arm nicht viel verlaſſen / dann wo uns der HErr inihreAnſpruch. ihre haͤnde gibet / wer will dann helffen? Viel eher iſt zu ſorgen / daß alles / was wir uns zu retten in dem weltlichen vornehmen moͤgen / uns das verderben nur deſto eher und grauſamer auff den hals ziehen werde. Damit wir ja die gerechtigkeit des HErrn auch an uns fühlen / nach dero es recht iſt / wo man die liebe zur wahrheit (nicht nur der lehr-wahrheit zu buchſtablicher er - kaͤntniß und vertheidigung / ſondern auch des rechtſchaffenen weſens / das in Chri - ſto JEſu / Epheſ. 4 / 21. und in der lebendi - gen erkaͤntniß iſt /) nicht annehmen (oder angelegenlich verwahren und erhalten) wollen / daß man ſelig worden waͤre / daß GOtt kraͤfftige irrthum ſende / daß man darnach glaube der lügen / auff daß gerichtet werden alle / die der wahrheit nicht glauben / ſondern haben luſt an der ungerechtigkeit. 2. Theſſ. 2 / 10. 11. 12. Wie nahe dergleichen uns ins gemein vorſchweben mag / ſiehet auch faſt ein halb blinder / ob wol / wie weit das Goͤttliche verhaͤngniß ſich in zeit und ort erſtrecken werde / ich zu beſtimmen die vermeſſenheit nicht nehmen will. Jn ſol - chem zuſtand / Wehrteſte Brüder / ſtehetunſe -Anſpruch. unſere Kirche. Ach! ſo haben wir ja / ſo lang uns der HErr noch zeit gibet / dahin zu trachten / daß wir dieſe in acht nehmen / und nützlich in unſerm amt anwenden. Wir moͤchten ſagen mit Chriſto Joh. 9 / 4. Wir müſſen wircken die wercke des / der uns geſandt hat / ſo lang es tage iſt / es kommt die nacht / da niemands wirckenkan. Ja laſſet uns gedencken / der HErr ruffe uns ſelber noch zu Joh. 12 / 35. Es iſt das liecht noch eine kleine zeit bey euch. Wandelt / dieweil ihr das liecht habt / daß euch die finſterniß nicht überfalle. Thun wir dieſes / wer weißt / ob und wie viel wir von den Goͤttli - chen gerichten in wahrer buß / da wir ſie ſelbs thun und andere thun machen / von unſern gemeinden und uns ſelbs abwenden moͤgen? Auffs wenigſte wirds uns ein troſt ſeyn am tage ſolcher gerichte / daß wir an unſerer ſeit unſerm Jeruſalem zu helf - fen und zu rathen nichts unterlaſſen ha - ben / und wir alſo der dem lieben Baruch gethanen verheiſſung genieſſen moͤgen / Jer. 45 / 2.5. Wenn wir groſſe dinge nicht ausrichten / und es dabey bleiben ſolle / daß der HErr abbreche / was er gebauet hat /daßAnſpruch. daß er ausreute / was er gepflantzet hat / ſamt ſeinem gantzen eignen lande / und er alſo un - glück kommen laſſe über alles fleiſch / daß er uns doch unſere ſeele zur beute gebe / an welchen ort wir ziehen. Worauff wir uns gewißlich gefaſſt halten müſſen.

Wie uns nun alle dieſe angefuhrte dinge vermahnen ſollen / daß wir alles unſer ver - moͤgen zuſam̃en ſetzen / unſer amt / als lang wir gelaſſen werden / treulich zu thun / ſo ſoll 4. nicht weniger uns zu demſelben auch an - treiben: weil wir ja nicht werden laͤugnen koͤnnen / daß es einmal in unſerer Kirche nicht ſtehe / wie es billich ſolte. Wie es dann nicht ſo ſonderlich erleuchteter augen / ſon - dern allein eines richtigen verſtandes und unpartheyiſcher überlegung / bedarff / wo man die art / wie es in unſerer Kirchen nach Chriſti regel und ordnung / ſtehen ſolte / ge - gen den augenſchein haͤlt / den unterſcheid als zwiſchen tag und nacht zu erkennen. Al - ſo / daß / wo ein Jeſaias nochmahl heut auff - ſtehen ſolte / er von dem geiſtlichen zuſtand unſers Teutſchen Evangeliſchen Juda und Jeruſalem ſagen würde / was er vor deme geſagt c. 1 / 5. 6. Das gantze haupt iſt kranck / das gantze hertz iſt matt / vonbderAnſpruch. der fußſolen biß auffs haupt iſt nichts geſundes an ihm / ſondern wunden und ſtriemen und eyterbeulen / die nit gehefftet / noch verbunden / noch mit oͤle gelindert ſind. Die durchgehung der ſtände wird uns dieſe warheit ſo vorſtellen / daß der jenige muthwillig die augen ſchlieſ - ſen muß / welcher ſie nicht erkennen wolte. Jch hoffe auch nicht / daß uns die eigne liebe ſo weit verblenden ſolle / unſern eignen zu - ſtand von dem allgemeinen verderben aus - zunehmen / der gewiß denen andern gleich / wo nicht gar in demſelben viele urſach auch der übrigen verderbniß anzutreffen iſt. Wie ich nicht laͤugne / wo ich an denſelben geden - cke / daß mir dabey faſt mehr / als bey den an - dern / das hertz entfaͤllet / und mich GOtt in ſolchem anblick ſehr demüthiget. So laſſet uns denn vor dem angeſicht des HErrn mit einander uns verbinden / daß wir die gnade Gottes / uns wiederfahren / nicht wollen vergebens ſeyn / noch uns als miedlinge / ſon - dern getreue hirten erfinden laſſen / denen es in nichts um ihre ehre / würde / gewalt / reich - thum / vortheil / bequemligkeit des lebens / und wornach das fleiſch ſo wol bey uns / als andern menſchen / weil es bey allen einerleynaturAnſpruch. natur hat / gelüſten moͤchte / zu thun ſeye / ſondern lauterlich um die ehre des HErrn und unſrer Kirche beſtes lieber bey deroſel - ben / wo es noͤthig ſeyn wolte / und ihre erbau - ung es erforderte / auch armuth / verachtung ungemach und beſchwehrde zu leyden / ſo dann unſere kraͤfften ſo viel eher bey ihr zu verzehren / als etwas an uns und unſerer treue ermangeln zu laſſen: auf daß die klage Pauli einmal aufhoͤre / wann er ſonſten be - reits zu ſeiner zeit geklaget hat / Phil. 2 / 21. Sie ſuchen alle das ihre / nicht das Chriſti JEſu iſt.

Laſſet uns fleiß anwenden in unſern pre - digten / daß wir doch ſolches heilige amt / wo wir allemal vor der gemeinde des HErrn / die er mit ſeinem Gottes-Blut erworben hat / nicht als bloſſe menſchen / ſondern als geſandte Chriſti / aufftreten / und daher ja nimmermehr unſer eigen / ſondern warhaff - tig das Wort Gottes / rein und lauterlich vortragen ſollen / dermaſſen verrichten / daß es den zweck erreiche / dazu es verordnet iſt. Ach laſſet uns hertzlich ſtudiren / und das je - nige in der furcht des HErrn überlegẽ / was wir an der heiligen ſtaͤtte Gottes reden / und keine ehre darinnen ſuchen / die predigtenb 2ohneAnſpruch. ohne bedacht aus den ermeln heraus zu ſchütteln / wo bey ich wenig ſegen zu ſeyn bil - lich ſorge. Laſſet uns das Wort GOttes ſelbs unſer vornehmſtes buch ſeyn / aus de - me / und nicht ſo viel oder allein aus menſch - lichen büchern / das jenige zu lernen / was wir den gemeinden vortragen ſollen / dann da iſt die qvelle des lebendigen waſſers ohne einige vermiſchung / und die es daraus unmittel - bar ſchoͤpffen / richten gewiß mehr aus / als die es erſt aus den weit hergeleiteten men - ſchen canalen, wo es offt bereits vieles ſeiner rechten krafft verlohren / und gleichſam matt / oder doch ziemlich trübe worden / her zu holen ſich gewehnen. Laſſet uns befliſſen ſeyn / mit einem heiligen vorſatz an die arbeit des meditirens / concipirens und predigens zu gehen / daß wir den willen des HErrn un - ſern anvertrauten nach dem beſten vermoͤ - gen / wie wir es vor GOtt jedesmal zu ihrer ſelgen aufferbauung am nützlichſten erken - nen / und uns allemal der text dazu anlaß gi - bet / ohne aͤnderung vorzutragen. Laſſet uns das ſtraff-amt führen in heiligem eiffer vor GOttes ehre / in brünſtiger liebe zu der men - ſchen ſeligkeit / und in ſanfftmütiger erbar - mung gegen die jenige / welche wir ſtraffenmüſſen:Anſpruch. müſſen: hingegen nicht von uns geſaget werden / daß wir auch einmal ein fremdes feuer menſchlicher affecten, unbeſonnener hefftigkeit oder gar eigene rachſucht auff die Cantzelbraͤchten. Laſſet uns den ſaamen des Evangelii in die bereits umgepflügte hertzen treulich und eiffrig ausſtreuen / daraus doch alle ſaat und erde wachſen muß / und glau - ben / daß wir durch das bloſſe geſetz und don - nerende predigten nicht einen einigen men - ſchen warhafftig bekehret werden / ſondern daß ſolche ehre dem amt des Geiſtes in dem Evangelio gebühre: daß alſo zwar ſtarcke winde / erdbeben und feuer von dem HErrn hergehen / aber der HErr kommt noch nicht dadurch / ſondern in dem ſtillen fanfften ſauſen in die hertzen der menſchen / zu dero heilſamer bewohnung. Laſſet uns den leuten die herrliche gnaden ſchätze / des heils / die ih - nen von ewigkeit zugedacht / ihr theurer JE - ſus erworben / der Heilige Geiſt ihnen in der Tauffe geſchencket / und durch das Wort noch taͤglich vorleget / mit groſſem fleiß und verſicherung vorſtellen / damit ſie / wenn ſie der rechten wahren güter gewahr werden / ſo viel williger die übrige irrdiſche verleugnen / und um derſelben willen der ſünde nicht die -b 3nen.Anſpruch. nen. Laſſet uns aber nicht mit geringerem ernſt zeigen / in welcher ordnung der HErr uns zu ſolcher ſeiner güter genuß führe / und was der gnaden-bund GOttes hingegen von uns vor einen glauben und gehorſam erfordere. Laſſet uns den jenigen / die zu ſchwach ſind / nicht eben ſtarcke ſpeiſe geben / ſondern ſie an die wolverdauliche milch ge - wehnen: und alſo nicht hohe und ſolche din - ge predigen / welche zu begreiffen ſo wol viele ſtudia erfordert werden / als man derſelben zu der eigenen erlernung noͤthig gehabt / ſon - dern die nach der Apoſtoliſchẽ einfalt ſchme - cken / und gewißlich den innern und neuen menſchen am beſten ſtaͤrcken. Laſſet uns unſ - re zuhoͤrer in der erkaͤntnis der rechten war - heit gründen / und ſie hingegen wider die ih - nen gefährliche irrthume nach nothdurfft verwahren / aber die ſtreit-ſachen nicht vor das hauptwerck das wir zu handeln haben / achten / vielmehr wie viel wir davon zu weh - len / nach jeder gemeinde beſchaffenheit ab - nehmen und einrichten / unſer haupt-werck aber ſeyn zu laſſen / wie wir die lebendige er - kaͤntniß unſers HErrn JEſu in die ſeelen durch krafft des Geiſtes eintrucken moͤgen. Laſſet uns die articul von demſelben / ſeinerperſon /Anſpruch. perſon / amt und gütern / gleichſam unſer er - ſtes und letztes ſeyn / ſo dann die rechtferti - gung und heiligung / die wieder geburt und erneuerung unablaͤßlich treiben / wie wir in der rechtfertigung Chriſti verdienſt zu eigen bekommen / in der wieder geburt aus ſeinem ſaamen zu einer neuen natur geboh - ren werden / in der erneuerung aber ſein le - ben in uns ſpühren und üben. Dann dahin kommet endlich alles / und was wir ſonſten zu lehren haben / flieſſet aus dieſen / oder wird zu deroſelben articul gründlicher erkaͤntniß voraus erfordert. Laſſet uns / was wir von glaubens-articuln tractiren, nicht oben hin tractiren, ſondern alle gründlich / aber ein - faͤltig / den zuhoͤrern vortragen / auch die Schrifft alſo anführen / daß ſie allezeit ver - ſichert ſeyen / ſie hoͤren nicht unſer ſondern das lautere GOttes Wort / und daher ih - nen die ſprüche nicht bloß vor ſagen / ſondern fein deutlich / wie jedes in demſelben gegrün - det ſeye / weiſen / und ſie alſo durch die krafft des Worts in ihren ſeelen überzeugen / was die Goͤttliche warheit ſeye / als welches allein einen feſten und gewiſſen grund leget. Laſſet uns alle warheiten / wie ſie auch ihre früchte bringen ſollen / vorſtellen: als zum exempel /b 4daAnſpruch. da wir von Goͤttlichen eigenſchafften han - deln / weiſen / wie jegliche derſelben uns zum troſt dienen / odeꝛ zur ernſtlichen gottſeligkeit auffmuntern müſſe / wie ſie ſich auch in allen Goͤttlichen wercken offenbahr eshandeln wir von den gnaden-mitteln des worts der heil. tauff / des heiligen abendmals / daß wir aus - führen / wozu und warum wir derſelben be - doͤrfftig / und alſo was unſere noth ſeye / wie ſie alle krafft von dem verdienſt und gnug - thuung JEſu Chriſti haben / wie deſſen ge - horſam / leiden / tod / und auferſtehung in die - ſelbe gelegt und uns geſchencket werden / da - her Chriſtus in allen geſucht werden müſſe / was die güter eigenlich ſeye / welche wir dar - innen finden / wie ſie in dieſelbe kommen / wie wir derſelben thaͤtlich theilhafftig werden / wie ſie uns zu troſt und antꝛieb eines heiligen lebens dienen ſollen / wie ſie die mittel und ſie - gel des Goͤttlichen gnaden-bundes ſeyn / was derſelbe hinwieder von uns erfordere: handeln wir von unſerer ſeligkeit / daß wir gründlich ausführen / wie wir dieſelbe allein aus GOttes gnade her haben müſſen / und zwar nach dem wir die anerſchaffene ſelig - keit verlohren / und in die euſſerſte unſelig - keit gefallen ſind / daß uns allein ChriſtusdieſelbeAnſpruch. dieſelbe widerum ohne einiges unſer oder einiger creatuꝛ mitwircken erlanget / wie die - ſelbe in nichts irrdiſches beſtehe / ſondern in der wieder verſoͤhnung mit GOTT um in ſeiner gnade zu ſtehen / in wiedererneuerung des heiligen bildes ſo uns angeſchaffen ge - weſen / in innerſter vereinigung mit dem hoͤchſten gut; wie ſie uns auch ſolche wahre ſeligkeit in dem Wort und Sacramenten nicht nur verſprochen / ſondern thätlich ge - ſchencket werde; welches die güter ſeyen / in denen wir derſelben bereits jetzo würcklich genieſſen / und welcher vollkommene beſitz ſamt geſamter offenbahrung unſer noch warte / in deſſen daß keiner in jenem leben ſe - lig werde werden / der nicht ſchon vorhin ſe - lig geweſen iſt; wie es mit dem jetzigen genuß bewandt ſeye / und wie man ſolchen bey ſich ſpüre; wie uns derſelbe von dem weltweſen abziehe / in was heiligkeit er uns ſchon jetzo ſetze / und hingegen alles andere verleide / und was dergleichen mehr iſt / in dem man an ei - nem exempel alles andere leicht begreiffen kan. Handeln wir auch von tugenden und lebens-pflichten / ſo laſſet uns nicht ſtehen bleiben bey dem namen der ſelben / und etwa anführung einiger ſprüche / ſo darvon hau - deln / ſondern dieſe deutlich erklaͤren / daß un -b 5ſereAnſpruch. ſere zuhoͤrer recht faſſen / was eigentlich ſol - che tugend ſeye / wozu ſie uns verbinde / wie ſie aus unſerm bund mit Gott und aus dem glauben flieſſe / wie der zweck unſerer erloͤ - ſung und heiligung ſolche erfordere / wie ge - wiſſe glaubens-articul vieles gewicht dazu geben / welche mittel und betrachtungen ſie befoͤrdern / was ſie etwa vor grade habe / wo - rinnen der wachsthum deroſelben zu erken - nen / und ins geſamt wie ſie zu üben ſeye. Laſ - ſet uns ſonderlich den heiligen wandel und leben nicht aus dem geſetz eigentlich treiben / ſondern ob wir wol mit demſelben die her - tzen zur buſſe zu bereiten / und ihnen in dem - ſelben als in einem ſpiegel das jenige zu zei - gen haben / was der HErr von uns fordere / die meiſte ſorge laſſen ſeyn / wie wir durch das Evangelium den glauben bey ihnen pflantzen / und alſo den baum ſetzen moͤgen / aus deſſen eigener natur und art nachmal ſafftige und lebendige früchten wachſen moͤgen; ja ihnen immer zeigen / daß keine an - dere / als welche dermaſſen von innen heraus gehen / wahre GOtt gefaͤllige wercke ſeyen. Laſſet uns ihnen eigenlich vorſtellen / wie ſie ſich und ihre wercke zu prüfen haben / ob ſie wercke der natur oder der gnade ſeyen / derendieſeAnſpruch. dieſe allein vor GOtt angenehm ſind / jene a - ber bey allerbeſtem ſchein dañoch nicht war - hafftig gut ſind: zu welcher vorſtellung ich wunſche / daß dieſe meine wenige in deꝛ fuꝛcht des HErrn heraus gegebene arbeit in dem ſegen Gottes einige hülffe geben moͤge / und ich ſie alſo den jenigen unter ihnen / ſo dero - ſelben anleitung ihnen dienlich achten wer - den / hiermit freundlich recommendiret ha - ben will. Es iſt aber hier die gelegenheit nicht von dem jenigen / was wir in den predigten zu handeln haben / ausführliche unterwei - ſung zu geben / derer ſie auch groſſen theils von mir nicht noͤtig haben werden. Wo wir dañ ſolche wichtige und erbauliche materien vor uns haben / ſo laſſet uns nicht ſo wolbe - fliſſen ſeyn / wie wir ſie mit blumen der wol - redenheit und andern dingen / welche von menſchlicher gelehrtheit herkom̃en / viel aus - zihren / ſondern glauben / der deutlichſte und mit andern ſachen untermiſchte vortrag ſeye der nachtrücklichſte / ſo die hertzen am kraͤff - tigſten rühret / und habe gewiß allein das Wort Gottes / nicht aber einiges deſſen was wir andeꝛwerts herholen / die kraft in die ſee - len zu tringen: Wie mich deswegen allezeit die wort Pauli ſehr bewogen / und von allemb 6geſuch -Anſpruch. geſuchten fleiß menſchlicher zierlichkeit und kunſt-reden abgehalten haben / da erſagt 1. Cor. 1 / 17. Chriſtus hat mich geſandt das Evangelium zu predigen / nicht mit klugen worten / (c. 2 / 1. 4. nennet ers mit hohen worten hoheꝛ weißheit / und in vernünfftigen reden menſchli - cher weisheit.) Warum das? auff daß nicht das creutz Chriſti zu nicht wer - de; wie er auch an dem andern ort / denen vernüfftigen reden entgegẽſetzt / die bewei - ſung des geiſtes und der krafft / die er deswegen durch jene gehindert zu werden achten muß. Laſſet uns aber neben unſern predigten die Catechiſmus-information (ſo uns auch ſo gar in allen alten Churfürſtlichẽ Kirchen-ordnungen als ein ſtück unſers am - tes anbefohlen iſt /) treulich angelegen ſeyn / der gewiſſen verſicherung / daß ohne dieſelbe und ohne fleißlige unterꝛichtung der jugend / neben dero aber auch billich die alte mit zuzu - hoͤren haben / unſer predigen wegen der leute unverſtands meiſtentheils fruchtloß abgehe. Laſſet uns die / wie nicht zu leugnen ſtehet / zimlich ſchwere arbeit / ſo dabey iſt / von ſol - cher heilſamen ſache nicht abhalten oder traͤ - ge machen / die wir unſer leben dem HErrnundAnſpruch. und ſeiner gemeinde in unſerm amt auffzu - opffern bekantlich verpflichtet ſind. Laſt uns ſolche übung auch mit aller treue / ſorgfalt / fleiß (in dem wir vielmehr darauf zu ſtudiren haben / wie durch unſere lehr-arbeit die lern - arbeit der lernenden erleichtert werde / und die mühe mehr auff uns bleibe / als auff die lernende geweltzet werde) und ſanfftmuth anſtellen / alſo daß die leute durch eigen er - kaͤntnis des guten / was ſie dabey zu begreif - fen gewahr werden / ſelbſten luſt und verlan - gen dazu bekommen.

Laſſet uns auch in übrigem unſerm amt und verwaltung der geheimniſſen GOttes bey unſern zuhoͤrern / uns als treue haushal - ter erweiſen / mit willen keine ſeele zu verſaͤu - men / ſondern als viel müglich iſt / zu trachten daß wir dertreue Pauli nachahmen / da er von ſich ſagen konte Ap. Geſch. 20 / 27. 31. Er habe nichts verhaltẽ / daß er ihnen nicht verkündiget hätte alle den rath GOttes: und daß er nicht abgelaſſen habe / drey jahr / tag und nacht einen jeglichen mit thraͤnen zu vermahnen: auff daß wir auch ſagen moͤgen / wir ſeyen rein von dem blut derer / die gleichwol verlohren werden. Woriñen ich zwar hertz -b 7lichAnſpruch. lich wünſchete / daß in gewiſſen ſtücken unſe - re kirchen-verfaſſung uns mehrere gelegen - heit das jenige in die übung zu bringen / was des amtes zweck erſordert / an die hand gabe: indeſſen wir auch in entſtehung derſelben gleichwol thun müſſen / ſo viel in dieſem ſtande noch moͤglich iſt. Laſſet uns aber in al - lem dieſem wolbedencken / daß wir in unſerm amt / was uns obliget / ſo wenig aus eigenen kraͤfften verrichten moͤgen / als unſere zuhoͤ - rer auch zu erfüllung deſſen / was wir in Gottes namen von ihnen fordern / von ſelb - ſten unvermoͤglich ſind / und daher unſere zuflucht nehmen zu dem Vater des liechts / von dem alle gute und vollkommene gaben herkommen; daß wir alſo denſelben unab - laͤßlich tag und nacht um ſeine gnade anruf - fen / daß er uns tüchtig mache / zu ſeyn diener des Neuen Teſtaments / nicht des buchſtabens / ſondern des Geiſtes: ſo allein durch ſeinen Geiſt in uns gewircket werden muß: alſo laſſet uns glauben / es lige uns an ſolchem gebet ſo viel / ja mehr / als an allem unſerem ſtudiren und fleiß / als zu dem daſſelbe die gnade uns erlangẽ muß: ja es ſeye unſer gebet vor die gemeinde gleichfalls ei - nes der hauptſtücke unſrer pflicht an der ge -meinde /Anſpruch. meinde / und muß daſſelbe unſere ſaat begieſ - ſen / auff daß ſie durch das Goͤttliche gedeyen glücklich auffwachſe / und zur zeitigung ge - lange. Laſſet uns ja nimmermehr an unſre meditation, auff ſatz oder verrichtung der predigten ſelbs gehen / daß wir nicht auff un - ſern knyen vorerſt den HErrn angeruffen haͤtten / daß er doch in und durch uns reden und wircken wolle: Auch unſre zuhoͤrer fle - henlich um des HErrn und ihrer ſelbs wil - len erinnern / daß ſie doch inbrünſtig auch vor uns beten / und die jenige gnade / welche wir und ſie an uns noͤthig haben / er langen helffen: damit je eines gebet des andern ſchwachheit zu ſtatten komme / und die zu - ſammengeſetzte andacht vor dem thron der gnaden alles erhalte / welches gewiß das kraͤfftigſte mittel ſeyn wird.

Laſſet uns aber ferner auch / weil wir für bilder der heerde ſeyn ſollen / unſer leben al - lerdings nach den regeln unſers JEſu / die wir andern vorhalten / einrichten / und glau - ben / es gehe uns die übertretung derſelben ſo viel weniger / gegen andere gerechnet / hin / daß vielmehr unſers amts wegen jede unſere ſünden ſchwehrer ſind / ja daß wir um allen boͤſen ſchein zu meiden / manches mal gleich -ſamAnſpruch. ſam noch einige ſchritte in den jenigen din - gen zurücke bleiben müſſen / die wir noch an - deren zugeben moͤchten / vor uns aber eher einiges aͤrgernis verurſachen moͤchten. Laſ - ſet uns auch ſtets gedencken / daß wir ohne den fleiß eines heiligen lebens keine werck - ſtaͤte des heil. Geiſtes ſeyen / und alſo gehe beſorglich ſein werck durch uns auch nicht mit der krafft von ſtatten / wie es ſolte in dem wir weder ſein liecht und weißheit alsdenn erlangen / noch tüchtig ſind vor ſeinem ange - ſicht vor uns und unſer amt erhoͤrlich zu be - ten: Daher die verantwortung als denn auf uns kommet / alles des daher bey uns befind - lichen mangels und ausbleibenden ſegens / in dem wir mit ärgernis vielmehr nider ſchla - gen / als mit der lehre erbauen / ja das Wort des HErrn andern zum ſpott machen / und Atheiſtiſche gedancken in ihnen erwecken würden. Laſſet uns auch uns ſelbs ohne ſchmeicheley vor dem Angeſicht des HErrn immer prüfen / (zu welcher prüfung befoͤr - derung ich auch die vor deme unſerm ſtande vorgeſtellte prüfe-puncten hie wieder antrü - cken habe laſſen. ) und uns keine diſpenſati - on von dem jenigen machen / was der HErr in einigen ſtücken ſeinen jüngern von ver -laͤug -Anſpruch. laͤugnung ihrer ſelbs / auffnehmung des ereutzes und ſeiner nachfolge befohlen hat: daher unſer gantzes leben und amt alſo füh - ren / daß man warhafftig ſehe / wie wir der ehr / nutzen und wollüſten dieſes lebens abge - ſtorben ſeyen / alſo daß wir in nichts / am al - lerwenigſten aber in unſern amts-verrich - tungen oder aͤnderungen unſere bedienun - gen / etwas dergleichen ſuchen / vielmehr die ehre unſers theuren Heylandes / und das beſte ſeiner gemeinde lauterlich laſſen unſere abſicht in allen ſtücken ſeyn. Laſſet uns unſe - re haußhaltungen / weib und kinder / ſo viel an uns iſt / alſo anſtellen und goͤttlich regie - ren / daß unſere gemeinden an denſelben ei - nige ſpiegel der nachfolge haben / und nie - mand an denſelben geitz / hoch muth / pracht / welt eitelkeit / oder etwas anders Chriſten unanſtaͤndiges gewahr-werdende glaube / daß wir die gemeinde GOttes zu verſorgen nicht tüchtig ſeyen / weil wir unſere eigene haͤuſer in den gehorſam des HErrn zu brin - gen nicht wüſten. Laſſet uns mit allem ſol - chen / wo man an uns in lehr und leben rechte treue und von aller miedlings-art entfrem - dete Diener Chriſti / und werckzeuge des H. Geiſtes / die ſich von ihm regiren laſſen / ſihet /unſrewünſcheunſre zuhoͤrer befeſtigen / daß ſie deſto eher glauben / es ſeye das kraͤfftige und wahre Wort Gottes / das ſie von uns hoͤren / wel - ches ſo bald zu erſt bey uns ſelbs ſeine himm - liſche krafft erweiſet / hingegen unſern wi - der ſachern das maul geſtopffet werde / wo ſie unſere wahrheit auch um unſerer gebrechen willen laͤſtern wolten / daß ſie dazu keine an - laß finden / ſondern wir auch darinnen die Lehre unſers Heylandes zu rührung der ge - wiſſen derer / die gern wider ſprechen wol - ten / ziehren.

Laſſet uns alſo / ſo wol jeglicher auff ſich ſelbs und ſeine gemeinde acht geben / als auch auf ſeine mit - und amts-brüder / nicht nur die jenige / welchen die aufſicht auf andere al - lerdings auch amtswegen anbefohlen iſt / ſondern auch alle unter einander / daß ein nachbar oder freund / ſo an dem andern amts-bruder dinge ſehen moͤchte / welche er dem heiligen amt zu wider zu ſeyn glaubet / denſelben darüber brüderlich erinnere / oder wo es nicht helffen wil / den obern aufrichtig und aus eiffer vor GOttes ehre / auch der Kirchen beſtes / anzeige / damit allen aͤrger - niſſen vorgebauet / oder ſie bald abgeſtellet werden: worüber dañ keiner des andern / derſolchesAnſpruch. ſolches übel aufnehmen moͤchte (wormit er aber auffs neue ſein unchriſtliches gemüth bezeugte) unwillen und haß zu ſcheuen / ſon - dern vielmehr liebe zu Gott / ſeiner Kirchen / ja des ſündigen mitbruders ſeele / die zu ret - ten geſucht wird / ſeiner fleiſchlichen gunſt vorzuziehen hat. Ohne dieſes / wo nicht je ei - ner auch vor den andern und ſein wolverhal - ten / und alſo alle vor der gantzen Kirchen / und ſonderlich unſres ordinis wahren wol - ſtand / ſorget / iſt nicht alles wol auszurichtẽ. Wir müſſen aber ſolchen wolſtand unſers ordinis nicht dariñen ſuchen / daß mit derer / welche in demſelben leben / groben exceſſen und ſünden gelinde gefahrẽ / und ſie nur ver - tuſchet werden / ſondern daß wir weiſen / wir halten die heiligkeit des amts ſo hoch / daß wir keinen unter uns leyden oder vor einen mitbruder erkeñen wollẽ / der nit würdiglich wandele dem beruff / darzu wir geſetzt ſind.

Jnsgeſamt auch laſſet uns alle mehr und mehr / als rechtſchaffene brüder / unſere her - tzen unter einander verbindẽ in einigkeit des geiſtes mit dem bande des friedens / und - ten vor aller æmulation, mißgunſt / neid / und heimlichen oder offentlichen widerſtand in dem guten / vielmehr / was jeglicher durchGot -Anſpruch. Gottes gnade weißt / verſtehet und erfahren hat / was zu der allgemeinen und unſerer Saͤchſiſchen Kirchen wolfahrt und beſſe - rung dienlich / treulich zuſam̃en tragen / un - ter einander communiciren / und nach einer regel / auch einem lautern zweck der ehre Gottes miteinander an dem weinberg des HErrn arbeiten / und was wir haben / hal - ten / damit uns niemand unſre Crone neh - me / vielmehr wir alle ins geſamt mit groſſer freudigkeit / ſo wol wo die gerichte des HErrn auch bald mehr und ſchwerer über uns kom̃en moͤchten / derſelbigen / wann der HErr unſern glauben und gedult prüffen wolle / ſeines unfehlbaren beyſtandes und endlichen ſieges verſichert / erwarten / als auch vor ſeinem heiligen Thron dermaleins erſcheinen / und das zeugniß treuer Knechte / ſamt dem verſprochenen gnaden-lohn em - pfangen moͤgen.

Zu letſt bitte ich alle ſamt und ſonders / daß ſie dieſen meinen aus einfaͤltigem hertzen und in wahrer liebe / deſſen mir zeugniß gibet vor GOtt mein gewiſſen / gethanen an - ſpruch / in dem ich mich mit ihnen verbinden wollen / mit gleichem hertzen und libe auff - nehmen / und vor mich zu dem HimmliſchenVaterAnſpruch. Vater auch hertzlich beten wollen / daß mir derſelbe in dem liecht ſeines H. Geiſtes zu allen zeiten und bey allen gelegenheiten oder faͤllen ſeinen willen an mich / und an die jeni - ge / zu denen er mich vererdnet hat / lebendig zu erkeñen / und krafft denſelben zu vollbrin - gen geben und verleyhen wollt / daß ich mit freudigem auffthun meines mundes das Wort nicht nür in die ohren ſondern auch hertzen der jenigen rede / die mich hoͤren / zum beſten der hieſigen geſamten Kirche / und wahrem heyl unſerer gnaͤdigſten Herr - ſchafft: Jch verſichere hinwiederum / daß ich auch deroſelben ins gemein / ſo dann wel - cher und dero treue kundſchafft mir der HErr abſonderlich gegeben hat / beſonders vor deſſen heiligem Thron zu gedencken nicht vergeſſen werde / zu ſolchem liebes-werk aber mir und ihnen den Geiſt der gnadẽ und des gebets hertzlich wünſche und verlange.

Nu der groſſe GOtt und Himmliſche Vater / ſo uns aus ſeinem H. rath zuſam̃en gebracht / ſetze auch denſelben in vieler frucht ferner kraͤfftig in das werck: Er rüſte ſie im - mer mehr und mehr aus mit ſeinem Geiſt / mit dem Geiſt der weißheit und des verſtan - des / mit dem Geiſt des raths und der ſtaͤr -cke /Anſpruch. cke / mit dem Geiſt der erkaͤntniß und der furcht des HErrn; damit ſie in ihrem amt einen ſieg nach dem andern davon tragen / und mit vielen ſegen geſchmückt werden: daß ſie ſehen den ſamen des Goͤttl. Worts / den ſie in ſeinem nahmen ausſtreuen / glück - lich aufgehen / und nicht nur graß / ſondern auch aͤhren und zeitigen weitzen in den aͤhren zu reicher ernde bringen: Er wolle auch zu ihrer arbeit ſtaͤts noͤthige leibes - und ge - müths-kraͤfften beſchehren und erhalten / die hertzen der amtleute ſeines reichs und ſaͤug - ammen ſeiner Kirchen / ſo dann ihrer eigenen gemeinden zu ihnen wenden / daß ſie von je - nen aller ihnen noͤthigen hülffe / von allen aber aller würcklichen liebe / ſich getroͤſten moͤgen; ſie mit ſolcher liebe und dero früch - ten / auch übrigem ſegen ihrer haͤuſer / als mit einem ſtück ſeines gnaden-lohns / erfreu - en / und damit die laſt und verdrüßlichkeiten ihres amts verſüſſen: Jhr ſchutz und feurige mauer auch krafft ſein in den vorſtehenden trübſalen / und viele unter denſelben künff - tig wieder ſehen laſſen das heyl des heiligen Sions: insgeſamt aber alle / und mit euch auch mich / zu der ihm über jeglichen beliebi - gen zeit in die ſelige ruhe und herrlichkeit ein -füh -Anſpruch. führen / um unſers einigen Heylandes JE - ſu Chriſti / deſſen todes und aufferſtehung willen. Amen. Jch aber verbleibe ſchließ - lichen E. Hoch-Wol-und Ehrw.

Meiner Hochgechrten Herren und Amts-BrüderDreßden / den 2. Aprilis 1687.zu gebet und Chriſtlichen dienſten ſchuldig-williger
Philipp Jacob Spener / D.
Dem

Dem Chriſtlichen Leſer wünſche GOttes gnade und kraͤfftige deroſelben würckung in dem gantzen leben!

WAs ich in dem Tractaͤtlein von dem Frieden / ſo vor einem jahr / oder etwas drüber / heraus gegeben / gemeldet / wie nemlich daſſelbe aus gelegenheit meines ſo genannten Collegii pieta - tis den urſprung genommen / gleiches habe auch dißmal zu melden / daß die erſte anlaß zu dem gegenwaͤrtigen in eben gedachtem Collegio gege - ben worden ſeye. Denn in dieſem wurde eines mals von einer Chriſtli - chen perſon die frage aufgeworffen / wie man zu der prüfung des gewiſ - ſens die wercke der natur und dergnadeVorrede. gnade unterſcheiden / und alſo auch einige keñzeichen ſeiner wiedergeburt in dero früchten finden koͤnne / darauff ſie ſo bald wegen ihrer wichtigkeit mit fleiß unterſucht zu werden / würdig er - kannt / folgends in mehrern zuſam̃en - kunfften ſtückweiſe gehandlet / von je - dem / was der HErr demſelben zu er - kennen gegeben / offentlich beygetra - gen / und von mir nach der gewonheit allezeit zuſam̃en gefaſſt / von einem Chriſtlichen Holſteiniſchen Studioſo, Herrn NICOLAO Beckmannen / Miniſt. Candidato, der ſonſt in mei - nem hauſe und allemal dabey gewe - ſen / das von mir und andern vorge - tragene aufgezeichnet / endlich mir ſein manuſcript, wie auch das vorige von dem frieden / freundlich überlaſſen worden iſt / daß alſo der Chriſtliche Leſer auch ſolches guten Freundes fleiß vieles deſſen / was er hieraus faſ - ſet / mit zu dancken / davor ihm aber ſocvielVorrede. viel reichlichere gnaden-würckung GOttes / um in deroſelben ſeiner Kir - chen nützliche dienſt leiſten zu koͤnnen / hertzlich anzuwünſchen hat.

Jch habe aber nachmal der ſache offt weiter nachgedacht / und auch von andern guten freunden vernom - men / daß ſie vor ſehr nützlich hielten / da auch ſolche materie andern zu ihreꝛ erbauung offentlich vorgeleget wür - de. Daher ich bereits vor einem jahr die ſache vorgenommen / damal aber durch die zwiſchen gekommene Chur - fürſtliche vocation und verurſachte aͤnderung / annoch von dero werck - ſtelligung abgehalten worden bin.

Gegen das ende vergangenen jah - res aber habe ich gedachtes manuſcri - ptum Herrn Beckmanns wieder für - genom̃en / das meiſte der oꝛdnung und haupt-eintheilung behalten / aber al - les erſt auffs neue / ſo gründlich / als das mir verliehene maaß der gnaden zugegeben / wieder auszuarbeiten an -gefan -Vorrede. gefangen / und was uns damal noch nicht vorgekom̃en / zu erſetzen / folglich die materie alſo zu faſſen mich befliſ - ſen / wie ich hoffte / daß es denen ihrer gewißheit begierigen ſeelen zu einer ziemlichen anleitung (in dem doch darnach alles auf die ſorgfaͤltige prü - fung ſelbs nach dieſen vorgeſtellten regeln ankommen muß) dienen mag.

Es wird der Chriſtliche Leſer ſehen / daß ich mich nach müglichkeit der ein - falt befliſſen habe / und die ſache allein aus H. Schrifft / faſt ohne berührung einiger andern Autorum (ſo ſonſten / wo weitlaͤufftigkeit in dergleichen zu lieben waͤre / unſchwehr geſchehen koͤnte) vorgeſtellet. Da ich mir auch vor der verfertigung vorgenommen hatte / etzlicher Engellaͤnder von der - gleichen materien / die nach dem titel ziemlich auff dieſen zweck zu ziehlen ſcheinen / ausgegebene Schrifften durch zu gehen / und zu ſehen / ob dar - aus auch einiges zu weiterer ausfüh -c 2rungVorrede. rung der ſache und mehrer erbauung entlehnen koͤnte / ſo ſind mir doch der unvermutheten hinderniſſen ſo viele vor-hingegen die meß / in dero ich das wercklein heraus zu geben beſchloſſen hatte / ſo nahe auf den halß gekom̃en / daß auch ſolches unterlaſſen / und faſt ſchlieſſen müſſen / der HErr wolle nicht / daß / was Er vorher gegeben / mit anderm beytrag vermiſchet wür - de / weßwegen ich es / ohne allein / daß etzlicher gottſeliger perſonen erinne - rungen in einigen ſtellen mir zu ſtat - ten gekom̃en / alſo laſſen müſſen / wie es von mir abgefaſſet worden / und es nun in der furcht des HErrn alſo der Chriſtlichen Kirchen vortrage.

Den titul habe beliebt von der Natur und gnade / weil ich davor halte / daß alſo der rechte eigenliche innhalt am beſten ausgetruckt wer - den koͤnne. Zwar hat vor dem auch der berühmte Kirchen-Vater Augu - ſtinus unter eben dieſem titul de na -turaVorrede. tura & gratia ein buch an Timaſium und Jacobum wider die Pelagianer geſchrieben (ſo in Tom. VII. ſeiner wercke zu leſen) es iſt aber die abſicht deſſelben allerdings anders / daß des - wegen mich ſeiner nicht zu gebrau - chen vermocht habe.

Jn der tractation ſelbs habe mich nicht befliſſen / die ſachen nach der kunſt einzurichten / oder mich in einige theoretica tieff einzuſencken / ſondern als viel ich konte / alles auffs begreiff - lichſte / wie es in der praxi anzuwen - den / zu verfaſſen / daher auch die ab - theilung der tugenden nicht accurat (wo es etwan mehrere ſubdiviſiones gegeben haͤtte) ſondern auffs einfaͤl - tigſte angeſtellet worden. Es wird auch zuweilen faſt einerley an unter - ſchidlichen orten vorkommen / ſo ich aber nicht aͤndern wollen / in dem offt bey unterſchiedlichen tugenden einer - ley faſt deswegen wiederholet wer - den müſſen / damit jeder gemeine undc 3abſon -Vorrede. abſonderliche art deſto eigenlicher er - kant würde / wo beſſer iſt / daß etwas ſonderlich wichtiges unterſchiedlich mal wiederholet / als nur an einem ort / da es auch dienlich geweſen waͤre / ausgelaſſen würde.

Jch habe endlich hinden angehen - get / ſo wol die jenige gewiſſens-prü - fung-puncten der beyden obern ſtaͤn - de / welche ich 1686. in der furcht des HErrn meinem tractaͤtlein von dem mißbrauch und rechtem ge - brauch der klagen über das ver - dorbene Chriſtenthum / angehen - get / als auch etzliche ſtellen aus Tau - lero, der Teutſchen Theologia und Thom. de Kempis.

Zu dem erſten hat mich verurſa - chet / weil ich davor gehalten / daß es ſich gar eigenlich hieher ſchicke / und wie ſonſten hie die pflichten derer / wel - che aus der gnade GOttes würcken / in ihrem allgemeinen Chriſtenſtandbeſchrie -Vorrede. beſchrieben werden / denen beyden obern ſtaͤnden / an dero verhalten / ſo ein groſſes gelegen iſt / an die hand ge - ben koͤnte / wie ſie jenes allgemeine auch in ihren ſtaͤnden und dero ab - ſonderlichen verrichtungẽ anzuwen - den haͤtten. So viel mehr / weil ſolche allbereit durch die gnade Gottes nicht ohne nutzen auffgeſetzt zu ſeyn / mich der vortreffliche / hochberühmte und Chriſtliche Staatsmann / Herr Veit Ludwig von Seckendorff / Herr auf Oberzenna und Meu - ſelwitz ꝛc. Hochfürſtl. Saͤchſiſcher Geheimer Rath / mein groſſer Goͤn - ner uud Patron, verſichert / und dieſel - be ſo gar in die additiones ſeines herr - lichen Chriſten-Staats einzuru - cken gewürdiget hat: Jch habe ſie aber (ohne die ſchon bereits in ſolchem nachtruck auf meine anweiſung ge - ſchehene verſetzung der blaͤtter / ſo zu Franckfurt verſehen war worden) inc 4derVorrede. der ſache ſelbs ohngeaͤndert gelaſſen / wie ſie vor dem geweſen / damit durch einige inſerirung neuer fragen nicht zu curioſem nachſinnen urſach gege - ben werde / warum allhier in Sach - ſen ich dieſes und jenes erſt einflicken wollen.

Was aber den andern anhang an - langt / bin ich durch eine Chriſtliche perſon veranlaſſet worden / welche mir auf mein verlangen die ſtellen / da etwas von dieſer materie in ſolchen büchern befindlich / angemercket und zugeſand hat. Die urſach aber iſt die - ſe / den unſrigen zu zeigen / wie gleich - wol dieſe liebe leute / um die zeit / da ſon - ſten das liecht des Evangelii von der krafft der gnade GOttes nicht eben ſo klar / vielmehr ſehr verdunckelt ge - weſen / nicht nur die lehre von der Rechtfertigung und ſeligkeit / wie ſie allein aus der gnade GOttes / und nicht aus den wercken herkommen müſſe (dergleichen ſtellen zwar hiernichtVorrede. nicht / ſonſten aber von andern ange - führet werden / und wir ſagen moͤgen / daß unſer lieber Lutherus aus ſeinem Taulero wie anderes vieles gelernet / alſo auch zu ſolcher warheit aus der Schrifft zu kom̃en / von ihm gute an - weiſung gehabt habe) wohl eingeſe - hen / ſondern auch in der materie von der heiligung und von den wercken ſelbs die natur tieff erniedriget / hinge - gen die gnade allein hoch gehobẽ / und der wercke aus beyden unterſcheid ſtattlich bemercket haben. Solches liecht GOttes in dieſen Chriſtlichen Maͤnnern zu ſehen / hoffte ich / ſolle an - dern GOttliebenden ſeelen auch eine freude ſeyn. Zu geſchweigen / daß ich auch das vertrauen trage / daß der le - ſer aus den angeführten terten (dabey man den lieben leuten auch das jenige in liebe zu gut zu halten wiſſen wird / was ihnen aus ſchuld ihrer Kirchen und zeit annoch anklebet / und ſich un - terſchiedlich einmiſchet) von dieſenaltenVorrede. altẽ Lehrern einiges auch tieffer grün - den werde koͤnnen / als ich mit eignen worten zu thun nicht vermocht / aber auch lieber alle ſolche ſtellen abſonder - lich beyſammen laſſen / als zerſtückelt da und dort hin in das meinige einfli - cken habe wollen; in dem ich jenes er - baulicher gehalten.

Jſt alſo nichtsübrig / als daß ich den Chriſtl. Leſer erinnere / wo er dieſe Schrifft zu leſen würdigen wird / daß er ſich auch derſelben zu ſeiner erbau - ung gebrauche / ſeine wercke nach ſol - chen regeln zu forſchen / und ſtaͤts zu trachten / daß er die jenige proben an ſich habe / die ſeinen wercken der gna - den wirckung / ihm ſelbs aber des gna - den-ſtandes verſicherung geben moͤ - gen / welche gewiß herrlicher iſt / als al - le andere güter dieſer welt: wer aber ſolche kennzeichen erkañt / und ſich nit darnach ſchicket / hat billich zu geden - cken / daß damit ſein gericht nur deſto ſchwerer werde werdẽ / dazu durch die -ſesVorrede. ſes wercklein einige anlaß mit gegeben zu haben / und da es auch einigen ein geruch des todes zum tode werden würde / mir ſonderlich leyd thun ſolte: wie wol ich weiß / daß ſolches der gott - ſeligſten bücher / ſo wol als des Worts Gottes ſelbs / glück oder unglück ge - meiniglich zu ſeyn pfleget. Der HErr HErr / welcher willig iſt / in allen ſol - chen zu würcken / die ihm platz laſſen / ſegne auch dieſe in ſeiner furcht aufge - ſetzte aꝛbeit zu einiger frucht und beſſe - rung in ſtaͤrckung der ſchwachen / und überzeugung derer / welche bis dahin aus unwiſſenheit oder vorſetzlicher nachlaͤßigkeit und unterlaſſung der prüfung ſich ſelbs betrogen habẽ / um alsdeñ fleiß anzuwenden / daß ſie von dem erbarn und ſittlichen leben / in de - me ſie ſich Gottes noch nicht troͤſten koͤnnen / warhafftig zu dem Chriſtli - chen leben des Geiſtes gelangen / und in demſelben den reſt ihrer zeit zubrin - gen moͤgen. Ach daß ſeine krafft ſichmehrVorrede. mehr und mehr ausgieſſe über alles fleiſch / zu erleuchten / was in finſterniß der unwiſſenheit oder irrthume / nicht nur allein was die lehre / ſondern auch dero früchten anlangt / ſtecket / zu len - cken / was widerſpenſtig bißher gewe - ſen / zu ſtaͤrcken das ſchwache: damit wir ſehen / daß die gnade ſtaͤrcker ſeye / als die verdorbene natur und der jeni - ge / der ſeinen ſchlangen-ſaamen in ſie ausgegoſſen hat / und alſo jene endlich ſiegreich überwinde / ja daß Chriſtus mit ſeinem leben / ſo er in den men - ſchen wircket / und in der Goͤttlichen Natur / dero er die ſeinige / welche flie - hen die vergaͤngliche luſt der welt / theilhafftig zu machen zugeſagt / al - lenthalben herrlich hervor leuchte / und es alſo am abend / nach dem jetzi - gen elenden tag / da es weder tag noch nacht iſt / recht liecht werde / zu des Himmliſchen Vaters und ſeinem ewigen preiß / Amen.

Jm1

Jm Nahmen JE SU / Amen!

§. 1.

ES iſt eine ſehr wichtige materie / an dero vieles zur übung des wahren Chriſten - thums und erkaͤntniß unſers zuſtandes gelegen iſt / daß wir / was Natur und Gnade ſeye / wohl zu unterſcheiden wiſſen. Wir nen - nen aber Natur / nicht die jenige art und natur / wie ſie bey dem menſchen annoch in dem ſtande der unſchuld geweſen; denn damal war dieſe vollkommen / heilig und gerecht / und der menſch eine angenehme wohnung GOttes / deſſen bild er trug / daher derſelbe immer in dem menſchen wir - ckete / und alle deſſen wercke / gleich wie des menſchen ſelbs / aus der anerſchaffenen heiligen natur / alſo auch des in ihm woh - nenden und mit-würckenden GOttes wa - ren: Sondern wir verſtehen unter ſolchem nahmen die kraͤffte des menſchen / wie ſie noch nach dem fall übrig ſind / daß derAmenſch /2menſch / wie ſeine leibes-glieder und dero ſtaͤrcke / alſo auch eine ſeele / und dero kraͤff - ten / verſtand / willen / gedaͤchtniß / affecten an und in ſich hat / welche noch etwas zu be - greiffen / zu thun / zu wircken ein vermoͤgen haben / aber doch ſo verdorben ſind / daß / was ſie begreiffen / thun und wircken / nie - mal alſo / wie es ſeyn ſolte / ſondern mangel - hafft und mit ſünden beflecket iſt / daher dem heiligen und gerechten GOtt nicht gefallen kan.

Gnade heiſſet hingegen in dieſer mate - rie / nicht alles / was von Gott koͤmmt / denn ſo waͤre die natur / als auch ein geſchoͤpff Gottes / der uns aus ſeinem gnädigen wil - len geſchaffen hat / eben ſo wohl gnade / dero ſie doch hie entgegen geſetzet wird (dahero einige den unterſcheid unter der gnade des erſten und dritten articuls machen / der gnade der ſchoͤpffung und der heili - gung / auf welche letztere wir aber allhier ſe - hen) ſondern die gnaͤdige wirckung des heil. Geiſtes in uns / darmit er uns heiliget / wie - dergebiehret und erneuert / zuſamt der jeni - gen neuen natur und krafft / welche er in uns in der wieder geburt gewircket und geſchaffẽ hat / daher ſie den nahmen ihres urſprungsauch3auch traͤget / und weil ſie aus der gnade GOttes herrühret / auch gnade genennet wird. Alſo / wo gefragt wird / ob / zum exem - pel / ein werck aus der gnade oder aus der natur herkomme? wird ſo viel gefragt / ob ſolches werck allein aus des menſchen na - türlichen kraͤfften gewircket worden / ohne die heiligende krafft des heiligen Geiſtes? oder ob der heilige Geiſt uns ſelbs zu ſol - chem werck angetrieben habe / und daſſelbe durch die neuen kraͤfften / die er uns in der wiedergeburt gegeben / verrichtet worden ſeye?

§. 2.

Nechſt dem iſt ferner zu mercken / daß in der frage / ob etwas aus der natur oder der gnaden ſeye / der gegenſatz der bey - den nicht ſo abſolutè und bloß dahin ge - nommen werde / daß bey der gnade nichts von der natur waͤre / bliebe / und in dem wir - cken dero kraͤfften gebraucht würden / und alſo alle die menſchliche kraͤfften ſich nicht anders in den Goͤttlichen wirckungen hiel - ten / als ein ſtill-ligender klotz. Welches falſch iſt / und von unſerer Kirche billig ver - worffen wird. Weswegen wir auch in heiliger Schrifft zu den Goͤttlichen wer - cken / die GOtt in uns wircken muß / gleich -A 2wohl4wohl vermahnet werden. Daraus zu ſe - hen iſt / daß es nicht wercke ſeyn müſſen oh - ne einiges mitwürcken der natürlichen kraͤffte / und mit dero voͤlligem ſtillſtand / ſondern daß es wercke GOttes in uns / und durch uns ſeyen. Wir müſſen trachten nach dem Reich GOttes und nach ſeiner Gerechtigkeit. Matth. 6 / 33. wel - ches trachten unterſchiedliche wirckungen unſers verſtandes und willens erfordert / die aber doch nichts vermoͤgen in ſolcher ſache / als was der HErr ſelbs nicht auſſer ſon - dern in ihnen wircket. Alſo werden dann aus den heiligſten wercken / welche aus der gnade geſchehen / ja wo wir auch von denen jenigen reden / welche aus unmittelbarem trieb des heiligen Geiſtes verrichtet werden / die kraͤffte der natur nicht bloß ausgeſchloſ - ſen. Wo Paulus / der nicht etwas reden dorffte / wo daſſelbe nicht Chriſtus in ihm wirckete / Rom. 15 / 18. das Evange - lium in ſolcher krafft des Geiſtes predigte / war es gleichwohl ſein natürlicher veꝛſtand / den das licht des heiligen Geiſtes erfüllet hatte / in dem er ſeine concepten und reden formirte / aus dem er auch / wie er alſo er - leuchtet war / das wort GOttes vortrug:es5es war ſein angebohrner wille / welcher aus der gnade des heiligen Geiſtes mit liebe und eyffer zu GOttes ehre erfüllet / ihn triebe nichts zu achten / und keine gefahr zu ſcheu - en / die einen bloſſen menſchen von der er - kaͤntniß Chriſti und von der predigt des Ev - angelii haͤtte abhalten und abſchrecken koͤn - nen: es war ſeine natürliche zunge und re - dens-krafft / mit dero er redete / was der Geiſt durch ihn ſprechen wolte. Dahero / wie ſonſten die gegenwaͤrtigkeit ſeines leibes ſchwach war / ſo bliebe auch ſeine rede (auch wenn der heilige Geiſt durch ihn redete) veraͤchtlich. 2. Cor. 10 / 10. und hatte umb dieſelbe zeit in dem aͤuſſerlichen nichts beſonders vor andern malen / da er als ein bloſſer menſch redete. Wie daher nicht unbillig bemercket wird / daß der heili - ge Geiſt / wo er durch die heilige menſchen Gottes geredet / und ſie zu reden und ſchrei - ben angetrieben / daher auch die wort ihnen eingegeben gleichwohl es alſo gehalten ha - be / daß bey jeglichem ſein ſonſt gewoͤhnlicheꝛ ſtylus, red - und ſchreib-art (ſo ſich nach jegliches gemüth und ingenio in der natur richtet / daß mit warheit geſagt werden kan: ſermo character animi, die rede ſey einA 3bild6bild und anzeigung des gemüths) geblie - ben / aber durch den heiligen Geiſt geheiliget / und die warheit auffs gewiſſeſte auszutru - cken bequem gemacht worden iſt: dahero der unterſcheid ſolches ſtyli in der Schrifft noch offenbarlich vor augen liget / da er in einem viel hoͤher gehet / in einem anern viel nieberer / in einem leichter und verſtaͤndli - cher / in einem andern dunckeler und ſchweh - rer / in einem / was das N. Teſtament an - landt / in viel reinerem und mit andern Grie - chiſchen Autoren naͤher ũbereinkommen - dem Griechiſchen / in andern in weniger zier - lichkeit und reinlichkeit der ſprache / ſich dar - ſtellet. Welcher unterſcheid / wie er nicht von dem heiligen Geiſt ſelbs kommet / als der in allen einer geweſen / alſo muß er noch aus der natur kommen / und hat alſo die gnade dieſe in den jenigen / welche ſie erfül - let / nicht auffgehoben / ſondern geheiliget / und zu ihrem zweck kraͤfftig gebꝛauchet. So ſehen wir auch dergleichen an andeꝛn Chriſt - lichen lehrern und maͤnnern GOttes / wel - che er ſeiner Kirche zum beſten jeder zeit erwe - cket hat / die auch nach ihrer natürlichen gabe / welche gewißlich von ihw / als dem Schoͤpffer / eben ſo wol gekommen / von ihmauff7auff ſolche unterſchiedliche art ausgerüſtet worden / wie er es zu jederzeit zu der damali - gen leute begriff und zuſtand / auch zu den dingen / dazu er ſie veroꝛdnet / am tüchtigſten erachtet hat. Wo alſo der auch natürlichen gaben eine groſſe mannigfaltigkeit ſich fin - det / die mit groſſer weißheit von GOtt dermaſſen ausgetheilet worden / daß weder einer als haͤtte / noch zu jederzeit es an der jenigen gabe mangelte / welche damal oder auch zu dieſen und jenen geſchaͤfften noth - wendig war. Welches uns ſo wohl auff - muntern mag zum preiß ſolcher Goͤttlichen weiſen regierung / als auch uns vorſichtig machen ſolle / daß wir von jeder lehrer gaben / nicht vermeſſen / ſondern mit demuth gegen Gott / den freyen austheiler derſelben und mit erkaͤntnüß unſerer unwiſſenheit / urtheilen: auff welchem wege allein wir uns vor ſünden in ſolcher ſache hüten koͤn - nen. Alſo werden wir leute finden / durch die GOtt groſſes gethan / und ihnen dabey eine hitzige und feurige natur gegeben / daß auch manche ihre handlungen / wo ſie einer bloß mit natürlichen augen anſiehet / eine allzugroſſe heftigkeit in ſich gehabt zu haben ſcheinen / dergleichen leute aber der HERRA 4zu8zu ſolchen dingen / die er durch ſie verrichten laſſen wollen / als ſtarcke tieffſchneidende pflugſcharen / zu umbrechung hartes erd - reichs / noͤthig erkant hat. Andere hat der HErr mit lauter ſanfftmüthiger art in re - den und ſchreiben begabet / dazu ihre natur und temperament auch geſchickt ſeyn / ſo - dann ſie dergleichen dinge verrichten mu - ſten in welchen dieſe gabe den vorzug haͤtte: und was dergleichen mehrere unterſcheid ſich finden. Wo alſo weder die jenige / wel - che eine gabe gehabt / andere neben ſich / welchen eine andere gegeben / nicht verach - ten haben ſollen oder doͤrffen / noch auch an - dere ſich in die eine ſo verlieben / daß ſie die übrige / die offt der andern entgegen zu ſeyn ſchien / verwerffen haͤtten wollen. Da muß keine rothe oder flam̃en-farbe blume in dem garten GOttes / ſo gleichſam brennet / eine andere / welche weiß / blau / dunckel-farb / grün oder ſonſten gefaͤrbet iſt / noch dieſe hinwieder jene / weil ſie auch anders als ſie ſeye / gegen ſich verachten: noch auch muß ein anderer jede nach ſeiner phantaſie beur - theilen / oder davor halten / daß nur einerley von GOTT ſeyn koͤnne: da doch vielmehr dieſes ein ſtück der ehre GOttes iſt / daßdas9das einige Weſen ſo viel unterſchiedliches wircket / und zu einem zweck weislichſt ord - net. Jndeſſen wie gleichwol bey ſolchen ſonderbahren / ja allen / werckzeugen GOt - tes / dieſe ihre natürliche gaben alſo von der gnade regieret werden / daß der zweck des HErrn dadurch erhalten wird / ſo bleiben ſie dennoch an ſich ſelbs natürliche gaben; wie ſich eben dergleichen auch manchmahl bey andern / dabey keine gnade iſt / finden koͤnnen / daß deswegen in ſolchen wercken natur und gnade mit einander wircken / und alſo gedachter maſſen / jene von dieſer nicht auffgehoben wird. Daher in dieſer mate - rie ein gegenſatz unter beyden zu machen / und die frage alſo zuverſtehen iſt: 1. ob die natur allein ein ſolches werck verrichtet / oder die gnade zu gleich / und in derſelben ge - wircket habe? 2. Ob die natur gleichſam das principium und die erſte urſach des wercks geweſen / daß es alſo ihr zuzuſchrei - ben / oder ob die gnade ſolche erſte urſache ſeye / und den trieb dazu gegeben / hingegen ſich nachmal der natur kraͤfften gebrauchet habe.

§. 3.

Es ſind auch dieſe beyde fragen nicht bloſſer dinges zu vermengen / oder vor einerley zu halten / einerſeits ob derA 5menſch10menſch aus und nach der natur (ſo auff eines endlich hinaus gehet mit dem jenigen / was die Schrifft nennet nach dem fleiſch wandeln. Rom. 8 / 1. 4. ) ſein leben führen / oder aus und nach dem Geiſt / und alſo / ob er unwieder gebohren oder wiedergebohren ſeye? Wo die rede von dem gantzen men - ſchen iſt: So dann auff der andern ſeite / ob dieſe und jene des menſchen handlung oder werck auß der natur oder aus der gna - de und dem Geiſt her flieſſe? Zwar kommen ſie nahe mit einander überein / indem or - dentlich die jenige / welche aus und nach der gnade wircken / auch in derſelben ſtehen müſſen / wie denn auch ſolches ein zeugniß deſſen ſeyn kan / und wiederumb / welche wahrhafftig wiedergebohren / werden ins gemein ihre wercke nach und aus der gnade thun. Jndeſſen iſt es doch nicht bloß dahin einerley: Jener Bileam that ſeine weiſſagung aus des heiligen Geiſtes liecht / ſo ihn angeſtralet hat / war aber dennoch nicht wiedergebohren / und ließ der gnade deſſelben / nicht bey ſich platz / daß dieſelbe in ihm wohnen / und ſonſt durch ihn / ſonderlich was zu ſeinem heyl dienlich geweſen / wir - cken haͤtte koͤnnen. Hingegen finden ſichauch11auch bey denen / wiedergebohrnen handlun - gen / die nicht eben als eigentliche wercke der gnaden angeſehen werden koͤnnen. Es ſind bey ihnen noch einige wercke der bloſſen na - tur übrig / nicht nur unſündliche in den un - tern kraͤfften / (wie / zum exempel / bey einem wiedergebohrnen ſeine dauung / wachs - thum / geſchaͤffte der phantaſie an ſich ſelbs / traͤume / viele arten der natürlichen bewegungen / und der gleichen in ſich ſelbs nicht anders ſind / als auch bey den unwie - dergebohrnen / und alſo nichts ſonderbares dariñen von der gnade herkommendes / oh - ne / daß dieſelbe etwa die in etlichen mügli - che ſünden verhütet / bemercket werden kan) ſondern auch gar ſündliche wercke: Dann wenn in einem wiedergebohrnen Paulo an - noch das geſetz der ſünden in ſeinen gliedern widerſtrebet dem geſetz des Geiſtes in ſei - nem gemüth / und machet / daß er thut / was er nicht will / Rom. 7 / 15. 16. ſo iſt er wieder - gebohren / und finden ſich doch einige hand - lungen in und bey ihm / die nicht aus der gnade und heiligen Geiſt kommen / ſondern aus der verderbten natur und dem fleiſch. Ja es ſtecket dieſes ſo tieff noch in uns / daß deswegen auch die wercke des Geiſtes undA 6der12der gnade in den wiedergebohrnen nicht ſo vollkommen ſind / wie ſie ſolten / ſondern es klebet ihnen viel von ſchwachheiten und ge - brechen an: das reine waſſer des guten / der trieb des heiligen Geiſtes / und was ſie auß der neuen natur thun / nimmt von dem ca - nal / dadurch es gehet / weil gleichwol die wercke von annoch verderbten menſchen herkommen / viel unſauberkeit an ſich: und dannoch bleibet der menſch in ſolcher ſeiner ſchwachheit wahrhafftig wiedergebohren / weil die gnade und neue geburth über das fleiſch die oberhand behalten. Welches gleichwol auch die jenige / ſo in dem gna - denſtand ſtehen / und deſſelben tüchtige zeugniſſen bey ſich haben ſehr vorſichtig ma - chen ſolle / weil es ſo leicht geſchiehet / daß die auch befleckte natur nicht nur ſich in die gu - te wercke ein miſchet / ſondern gar vortrin - get / daß ſie ſtets über ihre ſeelen wachen / und bey jeglichem beſondern wercke achtung ge - ben / wie ihr gemüth dabey bewandt ſeye / und auß welchem brunnen das jenige flieſ - ſe / was ſie itzo zu thun vornehmen.

§. 4.

So iſt nun eigenlich alſo die frage / davon wir dißmal handeln / von den wer - cken / die der menſch thut / ob dieſelbe auß derna -13natur / oder aus der gnade gewircket wer - den? Ob wohl aus beſagtem erhellet / daß nachmal auf gewiſſe art das urtheil von den menſchen ſelbs meiſtentheils auch an dieſem hängen / und darauß kommen müſſe: jedoch daß mit ſolchem urtheil auch auß itzt ange - zeigtem behutſam verfahren werde.

§. 5.

Wo wir alſo in der furcht des HErrn (deſſen gnade und liecht / ſeines hei - ligen Geiſtes wir auch billich in einem ſo ſchweren und wichtigen vorhaben / anruf - fen / damit wir hier innen die warheit recht erkennen moͤgen) dieſe materie anſehen / ſo haben wir auff die kenn zeichen acht zu ge - ben / welche bey den wercken der bloſſen na - tur / oder auch der gnade / vornemlich aber bey dieſen ſich antreffen laſſen: da wir nun dieſe in allgemeine und abſonderliche / um richtiger ordnung willen / abtheilen / und dieſelbe nach einander beſehen und vortra - gen wollen.

§. 6.

Unter den allgemeinen ſtehet bil - lig voran dieſes nothwendigſte / welches ſich bey allen wercken des Geiſtes oder der gna - den findet / nemlich / daß ſie in der ſache / Goͤttlichem worte und geboten gemaͤß ſeyn und auß einem ſolchen hertzen kommenA 7muſ -14müſſen / welches die Goͤttliche gebote / als denſelben gleich geſinnet / oder doch etwas in ſich ihnen gleich geſinntes habende / liebet / und ſie gern alle erfüllen wolte. Hingegen moͤchte ein werck ſo gut gemeynet / und an - daͤchtig vorgenommen ſeyn / als es wolte / wo es Goͤttlichem Wort entgegen iſt / und in eine ſache beſtehet / welche weder ins ge - mein noch abſonderlich von Gott geboten waͤre / ſo vielmehr / wenn es deutlich verbo - ten ſtehet / ſo kan es nicht vor ein werck der gnade oder des Geiſtes gehalten wer - den / ſondern hat ſeinen urſprung auß der verderbten natur. Daher alle die jenige Gottesdienſte / welche auſſer Goͤttlicher ein - ſetzung und offenbarung von menſchen er - funden / und mit ſorgfalt von einigen getrie - ben werden / ob ſie auch und ihr hertz ſo heiſſeꝛ andacht ſind / wie ein back ofen / Hoſ. 7 / 6. 7. ſind dennoch wercke des flei - ſches und der natur / nach ihrem eigenen ſiñ / und verderbter vernunfft. Es heiſſet da - von Matth. 15 / 9. Vergeblich dienen ſie mir / dieweil ſie lehren ſolche lehre / die nichts denn menſchen-gebot ſind. Weswegen wir die andacht ſolcher irren - den und verführten leute / ſonderlich / wo ei -nige15nige abgoͤtterey mit unterlaͤufft / zwar mit hertzlichem mitleyden anzuſehen haben / a - ber ſolche nicht vor eine würckung der gna - de achten doͤrffen / welche zu abgoͤtterey unb ſelbs-erwehltem dienſt den menſchen nicht treibet / ſondern vielmehr dieſe haupt - regel ihm zu erſt vorſchreibet / daß er in al - len dingen den willen ſeines himmliſchen Vaters zur regel ſeines lebens ihm müſſe vorſtellen / und glaͤuben / es ſey dieſes ein ſtück ſeines gehorſams / nichts nach eignem belie - ben und gutdüncken zu thun / ſondern ſeinen verſtand und willen unter den Goͤttlichen zu werffen / dieſen aber aus ſeinem Wort zu erlernen.

§. 7.

Jedennoch iſt dabey wohl in acht zu nehmen / weil gleichwol die menſchliche unwiſſenheit ſo groß / hingegen unſere er - kaͤntniß allhie noch ſehr unvollkommen iſt / daß ein werck wahrhafftig auß der gnade und dem heiligen Geiſt kommen koͤnne / wenn die ſache ſelbs gut / und von GOtt befohlen / auch aus einem hertzen koͤmmt / welches darinn Goͤttlichen willen geꝛn thun will / ob ſchon dabey eine unwiſſenheit und irrthum ſich findet / und wohl ein und an - ders in den umſtaͤnden der ſache verderbet /daß16daß ſie nachmahl nicht mehr ſo voͤllig Goͤtt - lichem Wort gemaͤß iſt. Es glaubten die lieben Jünger in den tagen des fleiſches an ihren JESUM / ſie predigten von ihm / ſie beteten ihn an / und hielten ſich zu ihm / wel - ches lauter wirckungen der gnaden und des heiligen Geiſtes waren / dann fleiſch und blut haben ihnen ſolches nicht of - fenbahret / ſondern der himmliſche Vater / Matth. 16 / 17. und deſſen Geiſt wirckete in ihnen. Jndeſſen / wie ſie ihren Heyland noch ſehr ſchwaͤchlich erkanten / ja in viel wichtigen dingen von dem zweck ſei - ner ſendung / von ſeinem todt und aufferſte - hung / von ſeinem Reich und deſſen art / ſehr mißliche irrthum aus der Phariſeer lehr be - halten hatten / ſo konte es nicht fehlen / daß nicht auch in dem jenigen / was ſie mit dem HErrn vorhatten / und wie ſie mit ihm um - giengen / vieles unfoͤrmliches und unge - ſchicktes ſich mit eingeſchlichen / welches ſol - che dinge / die an ſich ſelbs recht und Goͤttli - chem willen gemaͤß waren / ſehr verderbte / daß alſo vieles in ſolchem guten ſich mit ein - ſchliche / ſo vielmehr Goͤttlichem willen ent - gegen / als demſelben voͤllig einſtimmig ge - weſen. Daß auch der HErr von allem ih -rem17rem vorigen gebet ſaget Joh. 16 / 24. Biß - her habt ihr nichts gebeten in meinem Nahmen / nemlich mit ſolcher voͤlligen er - kaͤntniß und daraus flieſſendem vertrauen / wie es billig ſeyn ſoll / und ihr auch nach em - pſangung des heiligen Geiſtes bey euch ha - ben werdet / da hingegen jetzt alles mit groſ - ſer ſchwachheit vermiſchet iſt. Jndeſſen / wie der HErr ihre ſchwachheit mit groſſer gedult truge / alſo koͤnnen wir nicht ſagen / daß alles ſolches in den lieben Apoſteln nur wercke der natur geweſen / ſondern es wa - ren in ihnen warhafftige wirckungen des heiligen Geiſtes / bey denen ſich jene unwiſ - ſenheit doch zugleich befunden / und die rei - nigkeit derſelben etwas beflecket hat. Alſo kan es noch geſchehen / daß eine ſache an ſich ſelbs recht / gut / und von GOtt geboten iſt / der menſch thut auch dieſelbige aus gehor - ſam gegen Goͤttliches gebot / er hat aber ei - nen irrthum bey einigen umſtaͤnden der ſa - che / welcher alſo Goͤttlichem willen und ge - bot entgegen ſeyn kan; oder er thut etwas darinnen unbedachtſam / darinnen er auch von jener regel abſchreitet: da iſt aber als - dann dieſes noch nicht ein gnugſames zeug - niß / daß das gantze werck allein ein werckder18der natur ſeye / ſondern es kan gar wohl ein werck aus der gnade ſeyn / dem aber ein aus der verderbniß herrührender fehler ankle - bet / welche beyderley gleichwohl zu unter - ſcheiden ſind.

§. 8.

Hieraus folget / daß wir alſo noch nicht alle die wercke der jenigen / welche ei - ner irrglaͤubigen gemeinde zugethan ſeynd / und ſelbs in einigen irrthümen ſtecken / nur der bloſſen natur zuſchreiben / und der wir - ckung des heiligen Geiſtes abſprechen koͤn - nen / wie zuweilen von einigen aus miß - brauch desſpruchs Rom. 14 / 23. geſchiehet. Zwar bleibet freylich wahr / was daſelbſten von dem heiligen Geiſt durch Paulum ge - ſchrieben und bezeuget wird: Was nicht aus dem glauben gehet / daß iſt ſünde. Jch will auch nicht dagegen ſeyn / daß das wort / nicht aus dem glauben gehen / heiſſe nicht nur / wider das gewiſſen et - was thun / ſondern es ſolle billig nach dem gemeinen verſtande des worts glauben / al - ſo gefaſt werden: ſo etwas von jemanden geſchiehet / ohne den wahren ſeligmachen - den glauben an JEſum Chriſtum / der al - les gute in uns wircken muß. Alſo erkenne ich den glauben vor ein nothwendiges ſtück /ohne19ohne welchen kein Gott gefaͤlliges gutes ge - ſchehen kan. Wo alſo dieſer wahre Goͤtt - liche glaube bey einem irrenden ſich nicht ſin - det / ſo iſt freylich alles / was er thut / haͤtte es noch ſo groſſen ſchein der andacht / heilig - keit und tugend / kein Gott-gefaͤlliges gutes / ſondern es bleibet ſünde / und kommt von der natur und fleiſche her. Jndeſſen koͤnnen wir ſolchen Goͤttlichen lebendigen glauben nicht allen denen abſprechen / die auſſer der aͤuſſerlichen gemeinſchafft der ſichtbaren wahren rechtglãubigen Kirchen ſind / und bey denen ſich irrthume finden. Dann wo nur das fundament unſrer ſeligkeit CHri - ſtus JEſus / der einige Sohn GOttes / der uns von GOtt zur weißheit / zur gerechtig - keit / zur heiligung und zur Erloͤſung gema - chet iſt / bleibet / und alſo die grund-warheit von ſeinem unendlichem verdienſt und theu - ren verſoͤhnung / in das hertz eingedrucket iſt / da kan ein ſolcher glaube warhafftig und von dem liecht des heiligen Geiſtes ge - würcket ſeyn / ob wohl in dem erſten ſtück deſſelben / der erkaͤntniß / mehrers von irr - thum in nebens-ſachen noch übrig bleibet / weil es mit unſerer erleuchtung ſo wohl / als mit übrigen ſtücken unſrer heiligung an -noch20noch lauter ſtückwerck iſt. Daher wir auch bey den lieben Altvaͤttern / dero Schrifften wir haben / finden / daß nicht wohl ein eini - ger unter denſelben geweſen / bey dem wir nicht einige irrige meynungen antreffen / ſo aber nicht gehindert hat / daß ſie nicht ſolten theure männer GOttes und in dem glau - ben geſtanden ſeyn / daher ihre wercke auch aus der gnade gehen konten / und ſie ihre irr - thume nicht daran hinderten. Ja es kan GOtt ſolchen wahren glauben des noͤthi - gen grundes nach ſeiner unbegreifflichen barmhertzigkeit auch in den hertzen der jeni - gen erhalten / deren irrthume in glaubens - ſachen ziemlich ſchwer ſind / wichtige dinge betreffen / und an ſich ſelbs ſo bewand waͤ - ren / daß ſie / ohne Goͤttliche verwahrung / den grund des glaubens übern hauffen werffen koͤnten. Weswegen unſre Sym - boliſche bücher zwar die irrige lehren / dero - ſelben hartnaͤckige verfechter und fortpflan - tzer / auch laͤſterer der warheit / verdammen / aber das urtheil der verdammniß über die gantze irrlehrende gemeinden / und alſo alle darinnen enthaltene perſonen / zu ſprechen bedencken tragen / vielmehr ausdrücklich ſolches von ſich ableinen / und alſo geſtehen /es21es koͤnne GOTT ſich noch ſeinen heiligen glaͤubigen ſaamen in jenen kirchen und ſe - cten erhalten haben; ja es mag der HErr ſeine ſondere urſach haben / daß er zuweilen einigen in ſolchen gemeinden / welchen er / was den grund anlangt / ein vortreffliches liecht des ſeeligmachenden glaubens zuge - theilet / darinn ſie ihm mit ernſt dienen / dennoch aus bedencklichem rath gleichſam ſelbs die augen zu halten ſcheinet / daß ſie in übrigen dingen die warheit der lehr nicht eben noch ſo erkennen koͤnnen / ſondern daß was ſie von jugend auff unterrichtet gewe - ſen / ſie daran hindert / damit ſie in ſolchen ge - meinden verharren / und das ſaltz bleiben müſſen / ſo noch das übrige in der verderbten kirche gleichſam vor der aͤuſſerſten faͤulung erhaͤlt. Wie wir denn nun zugeben müſ - ſen / daß bey ſolchen leuten / die in ihrer ein - falt gleichwohl den grund des glaubens ne - ben den irrthumen haben / der wahre ſelig - machende glaube zu ſeyn vermoͤge / ſo koͤn - nen auch ſolches glaubens früchte / das iſt / gute Gottgefaͤllige wercke / ſo aus der gna - de des heiligen Geiſtes kommen / ſich bey ihnen finden / dero glantz zwar durch ihre irrthume verdunckelt wird / daß viel daranklebet /22klebet / ſo man mehr mit erbarmen anſehen muß / als loben darff / aber ihr weſen doch bleibet: indem auch dieſelbe aus dem redli - chen vertrauen auff Gottes gnade in Chri - ſto JEſu herkommen / und in demſelben ge - than werden.

§. 9.

Weil alſo die gute wercke nothwen - dig uem Goͤttlichen Wort müſſen gemaͤß ſeyn / ſo folget ſelbſten / daß man / da man ſie thut und wo ſie gethan ſind / die prüfung nach demſelben immer muß anſtellen / und ſolches ohne einige ſelbs-ſchmeicheley. Es geſchiehet auch wohl zu weilen / daß jemand eine gewiſſe ſache aus GOttes Wort vor unrecht gehalten / und aus redlicher begier - de / GOtt mit willen nicht zu beleidigen / ſich derſelben eine weile enthalten hat. Er wird aber nach mahl überredet / es ſeye ſol - ches eben nicht unrecht / ſondern ein freyes mittelding / und koͤnne mans deswegen wohl thun. Da iſt zwar die ſache müglich / daß man zuerſt geirret / und ſich unnoͤthige ſerupel gemachet habe / und daß / wo man es nachmahl recht haltet / dieſes der wahrheit gemaͤßer iſt. Man hat aber in ſolchem fall ſich ſehr genau und vorſichtig in der furcht des HErrn zu prüfen / ob nicht etwa ſolcheaͤnde -23aͤnderung der meynung von unſerm fleiſch herkomme / welches gerne von GOttes ge - bot diſpenſiret / und ſeine freyheit liebet / und deme das jenige / was dieſelbige erwei - tert / immer beſſer einleuchtet / als was ſie enger ſpannen will: Ja wo uns deuchtet / wir finden das jenige / welches wir vorhin gehalten haben unrecht zu ſeyn / nunmehr er - laubt und GOtt nicht zuwider / ſo iſt wohl zu prüfen / ob nicht ſolche einſicht ſich itzt ge - aͤndert habe / weil wir damahl die ſache mit geiſtlichen und des HErrn willen lauterlich in einfalt anſehenden / nunmehr aber mit fleiſchlichen und der freyheit begierigen au - gen auſchauen / wo die ſache nothwendig eine andere geſtalt gewinnet. Hiernach / ſage ich / haben wir uns ſorgfaͤltig zu prü - fen / und ſoll uns das jenige immer verdaͤch - tig ſeyn / was dem fleiſch am angenehmſten iſt. Daher auch / wo uns die ſache endlich nur zweiffelhafft waͤre / wir lieber davon ab - ſtehen / als ſolche verrichten müſſen. Und waͤre gewiß das jenige nicht aus der gnade oder GOttes wirckung / wo einer etwas / das zwar in der that nicht verboten / und al - ſo erlaͤubet waͤre / er aber / daß es recht ſey / auffs wenigſte zweiffelte / ohneracht deſſenden -24dennoch thaͤte / als welches gerade dem glau - be[n]entgegen ſtehet.

§. 10.

Nechſt dieſem haupt-kennzeichen und requiſito, daß / was Goͤttliche werck ſeyn ſollen / auch ſeinem geoffenbahrten willen nnd geboten gemaͤß ſeyn müſſen / finden ſich noch ferner andere gemeine keñ - zeichen / die wir zu beſehen haben. Wer aus der Goͤttlichen gnade wircket / iſt nicht eigentlich der meiſter in ſeinem werck / ſon - dern der heilige Geiſt iſt ſolcher / ob wohl deſſen werck durch die natürliche kraͤfften in gewiſſer maß geſchiehet (wie wir oben §. 2. beſehen.) Alſo ſind dieſe nichts an - ders / als die werck-zeuge / welche der heili - ge Geiſt zu einem werck gebrauchet / das über ihre kraͤfften gehet. Aber in den wer - cken der natur / iſt unſer verſtand und wil - le / und die ſeele in denſelben / eigenlich die meiſterin und regiererin des gantzẽ wercks. Daher ein treffliches zeichen der gnaden - wirckung iſt / wo wir in einem werck finden / daß der erſte anfang deſſelben nicht aus natürlicher bewegung herkommen / welche allezeit etwas unſers eigenen / nemlich un - ſerer ehre / nutzen / gemaͤchligkeit oder luſt / auffs wenigſte auff eine ſubtile weiſe ſuchet /ſon -25ſondern daß es aus einem hoͤhern ur - ſprung und abſicht auff das jenige her ent - ſtanden / wozu wir von natur keine inclina - tion etwa haben. Da iſt die reineſte abſicht unter allen / und welche am wenigſten von der natur uns erſtlich hat koͤnnen einge - pflantzet werden / ſo wohl in dem werck ſelbſten / als jeglichen deſſen ſonderen um - ſtaͤnden / die ſuchung der ehre Gottes / mit ab ſonderung alles deſſen / was wir vor vortheil dabey haben koͤnten / auch ſo gar / welches der hoͤchſte grad iſt / daß uns auch nicht unſre eigene ſeeligkeit dieſelbe vor - nehmſte abſicht ſeye / als dero begierde auch einiger maſſen aus der Natur herkommen kan. Wo ich dann nach redlicher prüfung finde / daß ich gleich von anfang / da ich dar - an gedacht / in einer ſache die goͤttliche ehre alſo lauterlich angeſehen und verlanget / auch ihrentwegen das weꝛck mir vorgenom - men habe / daß ich nicht nur nichtes irrdi - ſches darinnen geſucht / vielmehr zu frieden und eben ſo willig darzu würde geweſen ſeyn / ob ich ſchon in allem demſelbigen ſolte an dem irdiſchen mehr nachtheil zu ley - den gehabt haben / ſondern auch an mein geiſtliches beſtes nicht eigenlich gedacht /Boder26oder doch dieſes allein um der ehre GOttes willen / damit ſie auch an mir herrlich werden moͤchte / verlanget habe: da ſehe ich den jenigen / der den Vater und Sohn alle - zeit verklaͤret / und dero ehre zum letzſten zweck ſetzet / nemlich den heiligen Geiſt Joh. 16 / 14. billich vor den urheber und regierer ſolches wercks an. Es läſſet ſich aber dieſe redliche abſicht am beſten erkennen / in den wercken / worinnen ich ſonderlich an an - dern / von denen ich nichts hinwieder hoffen kan / die ehre GOttes zu befoͤrdern trachte: als zum exempel in einem ſtaͤten und eiffri - gen gebet vor alle / nicht nur fromme Chri - ſten in der gantzen welt / derer die wenigſte ich nach dem fleiſch kennen werde / oder von ihnen einigen nutzen zu erwarten habe / ſon - dern auch alle übrige menſchen / um dero bekehrung / und zwar nicht nur allein auff gegenwaͤrtige zeit / da ich noch von der ge - meinſchafft ihres gebets etwas hoffen koͤn - te / ſondern auch noch künfftig und ferner hinaus / je nachdem der HErr ſeine zeit zu je - dem beſtimmet hat. Jn einem ſolchen ge - bet / oder wo wir etwas mit rath und ſon - ſten zur befoͤrderung des heils ſolcher leu - te / von welchen wir nichts wieder zu erwar -ten27ten haben / ja die wohl von uns nichts wiſſen werden / oder auch von denen wir / menſchli - chem vermuthen nach undanck und ungele - genheit zu erwarten haͤtten / beytragen und helffen / wird die ehre GOttes lauterlich / ohne vermiſchung etwas eigenen / geſucht / und kan alſo ein ſolches werck von keinem andern urheber und meiſter / als dem heili - gen Geiſt / bey uns herkommen. Welches ſchon nicht ſo gewiß iſt in denen wercken / da wohl die erſte motiv iſt / daß wir etwas zu unſerem beſten / ſonderlich in dem zeitlichen / ſuchen / ob wir wol nachmahl ſolches auch zu Goͤttlicher ehre richten wollen / oder in dem werck ſelbs uns erſt beſinnen / und es auffs neue zu ſolchem haupt - und letztem zweck richten. Wo ich zwar nicht laͤugne / daß auch ein ſolches werck ferner in der gnade verrichtet werden kan / es iſt aber der erſte anfang deſſelben nicht ſo klar gleiches ſeeligen urſprungs.

§. 12.

Alſo auch kan zuweilen ein zeugniß eines Goͤttlichen wercks in uns ſeyn / wo wir bey einer gelegenheit ohne andern vor - bedacht und lange überlegung ploͤtzlich ei - nen tꝛieb zu etwas gutes bekommen / daß wiꝛ uns darzu nicht erſt mit vielem nachſinnen /B 2und28und gleichſam eigenem perſuadiren dis - poniren doͤrffen / ſondern von dem eiffer vor Goͤttliche ehre und brunſt der liebe / da dieſe durch eine gelegenheit ermuntert wor - den / oder gleichſam allein eine gelegenheit darzu geben wird / ſtracks uns entzündet fühlen / daß wir nicht wohl das jenige / ohne uns ſelbs zwang anzuthun / zu unterlaſſen vermoͤchten / was dieſelbe von uns erfor - dern. Sonderlich wo wir eben zu andern mahlen / da uns gleiche gelegenheit auffge - ſtoſſen / nicht einerley gefühlet / welches etwa bey den dingen zu geſchehen pfleget / wozu man eine einige zuneigung hat / ſondern et - wa bedoͤrfft haben / uns mit mehrerm zu dem jenigen auffzumuntern / was unſre pflicht iſt. Bey den alten geſchahe derglei - chen mehrmahl in heroiſchen thaten oder prophetiſchem trieb durch unmittelbare ſon - dere überkunfft des heiligen Geiſtes / davon es unterſchiedlich in heiliger Schrifft heiſ - ſet: Der Geiſt des HErrn geriethe ü - ber ihn: wie von Simſon ſtehet / Richter 14 / 6. 19. 15 / 14 wodurch ſolcher held alle - mahl ſo wol einen trieb / als krafft / über - menſchliche dinge zu thun / bekam. Alſo gerieth auch der Geiſt des HErrn nach desPro -29Propheten Samuel / voranzeige über Saul. 1. Sam. 10 / 10. daß er weiſſagte / und mit den Propheten zum lobe GOttes, anſtimmete. Alſo nachmahl 1. Sam. 11 / 6. als er ſeine erſte koͤnigliche that in rettung der ſtadt Jabes thun ſolte. So wird auch von David nach ſeiner ſalbung ins ge - mein geſagt / 1. Sam. 16 / 13. daß der hei - lige Geiſt über ihn gerieth / das iſt / mehr und mehr ihn trieb / das jenige zu ver - richten / was zu vollbringung des raths GOttes über ihn (der ihn zum koͤnig be - ſtimmet hatte) gehoͤrig waͤre. Mit dieſem moͤgen wir die jenige ſtarcke bewegungen diß und jenes gutes zu thun / welche von gottſeligen hertzen zu weilen noch geſpüret werden / wol vergleichen / und wo ſolche ſich finden / was dadurch geſchehen / vor ein ſonderbar Goͤttliches und Geiſtes-werck achten.

§. 12.

Wie aber nicht alle gute wercke mit einem ſolchen trieb geſchehen / ſo mag alſo der mangel deſſelbigen noch nicht vor ein gnugſam zeugniß geachtet werden / daß das werck nicht aus der gnade komme. Vielmehr mag auch dieſes vor ein zeichen deſſen geachtet werden / wo in andern faͤllenB 3eine30eine ſache nicht gleichſam mit einem impetu und ohne bedacht geſchehen / ſondern vor - hin in der furcht des HErrn wol überleget worden / aber nicht in fleiſchlichen abſich - ten / was wir davon genieſſen werden / wie ſchwer oder leicht uns das werck werde werden / wie es andere zu unſerm vortheil oder nach theil auffnehmen moͤchten / und ſo fort / ſondern allein darnach / ob das werck nicht nur vor ſich ſelbs recht und Goͤttli - chem willen gemaͤß / ſondern auch ob es diß - mahl und mit dieſen umſtaͤnden GOtt an - genehm ſeye / daß ſeine ehre und des naͤchſten beſtes dadurch befoͤrdert / auch dieſem kein anſtoß dadurch geſetzet werde werden. Fer - ner wie unſer hertz dabey ſtehe / warüm es uns / nemlich um uns ſelbs / oder anderer gunſt / oder aber lauterlich um den HErrn / zu thun ſeye / ob es uns nicht etwa in der ab - ſicht betriege; noch weiter / da eine ſache in dem nahmen des HErrn an ſich ſelbs reſol - viret iſt / wie ſie aber am bequemſten / und der Goͤttlichen abſicht an gemaͤßeſten / ange - ſtellet / und alles / was die frucht deroſelben ſchwaͤchen moͤchte / abgeleitet werden koͤnte. Wo alſo dieſes recht vor dem angeſicht des HErrn mit fleiß erwogen / und alsdenn dervoͤlli -31voͤllige entſchluß gefaſſet worden iſt / ſo iſts / gedachter maſſen / eben ſo wol ein werck der gnaden. Denn wie GOtt wol würdig iſt / daß / was wir von ihm thun wollen / ge - nau vorher überleget / und nach ſeinem willen examiniret werde / da hingegen was ohne bedacht geſchiehet (wo uns nicht der im vorigen §. bedeutete ſonderbare trieb zu - gleich durch Goͤttliche gnade und liecht die gantze bewandniß des wercks / und wie es zu GOttes ehren dienlich / auff einmahl vor - ſtellet / und an ſtatt einer berathſchlagung dienet) gemeiniglich leicht mit ſünden ver - miſchet und GOtt mißfaͤllig gemachet wer - den kan: alſo iſt eben die jenige ſorge / und der fleiß mit ſolchem bedacht das ſeinige zu thun / ein zeugniß eines redlichen und Gott treulich meynenden hertzens / ſo ohne den Geiſt GOttes nicht iſt / der ſich eben ſo wol in dieſer bedachtſamen würckung / als jenem ploͤtzlichen trieb / zeiget. Hingegen / wo man etwas gutes thut / weder aus einem ſolchen empfindlichen trieb / noch mit ſolchem be - dacht und überlegung / ſondern in einer nachlaͤßigkeit und ſorgloſigkeit über ſein thun / hat man auffs wenigſte dabey kein zeugniß / daß es ein wahres Goͤttliches werckB 4ſeye /32ſeye / ſondern iſt mehr verdaͤchtig / daß es al - lein der natur heimzugeben.

§. 13.

Wir moͤgen weiter hinzu ſetzen / daß dieſes auch ein zeugnüß der Goͤttlichen würckung ſey / wo wir uns in ſeiner furcht einer ſache / dazu wir einen beruff haben / auch die ehre GOttes und liebe des naͤch - ſten ſie erfordert / unternehmen / die wir alle - zeit uns unmoͤglich geachtet / auch noch diß - mahl keine andere hoffnung dero moͤgligkeit haben / als das vertrauen auff GOttes bey - ſtand / und finden uns nach mahl in der ver - richtung ſo geſtaͤrcket / daß wir es gleichwol[v]ermoͤgen / oder doch von ſolchem vertrau - en noch nicht koͤnnen durch die verzoͤgerung des gehofften effects abgezogen werden. Sonderlich auch / wenn wir nach vollbrach - tem werck in der nochmahligen überlegung uns verwundern müſſen / wie wir ſolches außrichten koͤnnen / und auffs neue nicht ge - traueten / ohne da uns der HErr wieder um dazu gleichſam noͤthigen würde / uns deſſen zu unternehmen. Jn ſolchem zeiget ſich die gnaden-würckung gantz ſcheinbar.

§. 14.

Man moͤchte auch dieſes mercken / es geſchehe zuweilen / daß der menſch eine gute bewegung und trieb zu etwas guteshat /33hat / er achtet aber ſolchen nicht / ſondern aus trägheit oder furcht bleibet er davon zurück: es geſchiehet aber daß nach der zeit ſolcher trieb ſich noch mahl infindet / und ob wol die vorigen hinderniſſen an ſich ſelbs noch vor augen ligen überwindet er dannoch dieſelbe / und hat der menſch kelne ruhe / bis er demſelben folget / hingegen wird das hertz mehr und mehr überzeuget von der ſachen nothwendigkeit / auch zu dem ver - trauen auf GOttes beyſtand / dadurch was im wege ſtehet / überwunden werde werden / mehr gelencket. Da iſt nun nicht nur zu er - kennen / daß die vorige unterlaſſung und traͤgheit ſündlich geweſen / ſondern es iſt die nochmalige antreibung von Gott herkom - mend eine ſonderliche anzeigung wie Goͤtt - liche gnade noch kraͤfftig über dem menſchen halte; daß aber ſie endlich die vorige hin - derniſſen / die ihm zum andern mahl zu ſtarck geweſen / überwindet / iſt ein kennzei - chen / daß ſolches werck aus einem mehrern maß der gnade / damit uns der HErr be - ſeeliget herkomme.

§. 15.

Mit den vorigen kennzeichen koͤm̃t auch dieſes überein / welches von dem in - nerlichen kampff her genommen wird. B 5Nem -34Nemlich / wo etwas iſt / ſo zu unſerer pflicht gehoͤret / es iſt aber unſerm fleiſch und na - türlicher zuneigung ſehr zuwider / daheꝛ uns jenes ſtarck zuſetzet / und uns davon abhal - ten will: wir widerſtehen aber ſolcher des fleiſches widerſetzlichkeit beſtaͤndig / thun was unſere pflicht iſt / und ob wir wohl in waͤhrender handlung nicht wehren koͤnnen daß wir nicht die widrigkeit des fleiſches / und deſſen traͤgheit / noch ſterig fühletẽ / dan - noch ungeachtet deſſen fortfahren / und das werck zu ende führen / da iſt dieſer kampff des fleiſches und geiſtes / den Paulus den glaͤubigen Gal. 5 / 17. zuſchreibet / und was auch in demſelben / da das fleiſch nie - derligen müſſen / geſchiehet / ein zeichen der in uns würckenden gnade / und daß einer in uns ſeye / der ſtaͤrcker iſt / als die beywohnen - de krafft der ſünden: Ja es iſt ſolches gewiſ - ſer vor Goͤttlich zu erkennen / als manche an - dere ſonſt an ſich auch gute werck / die aber mehr mit unbedacht / als reiffer überlegung geſchehen: Sonderlich iſt das kennzeichen deſto gewiſſer / wo man ſich aus ſolcher ü - bung gewehnt / mehr und mehr in dem fall / da wir zum boͤſen gereitzet werden / und uns zweiffelhafftig werden will / ob die ſacheeben35eben ſo boͤſe ſey / das jenige in verdacht zu ziehen / was unſrer natürlichen zuneigung ſonſten am annehmlichſten iſt / und des we - gen lieber daſſelbige zu unterlaſſen / und alſo das ſicherſte zu wehlen. So dann / wo man ſich auch ferner gewehnt / ſo bald wir einen ſolchen kampff und ſtarcke reitzung vor uns ſehen / ſtracks auff unſerer hut zu ſeyn / damit der feind nicht bald anfangs ei - nen vortheil über uns gewinne / daher ent - weder die gelegenheit ſelbs zu meyden / und nicht aus vermeſſenheit / daß wir ſtarck gnug ſeyen / dem feind / dem wir außweichen koͤnten / von freyen ſtücken unter augen zu gehen / uns in dieſelbige zu begeben / oder / wo es eine gelegenheit iſt / die gewiſſer ur - ſach wegen ſich gar nicht vermeyden laͤſſet / mit einer ſteten vorſichtigkeit / als in der groͤſſeſten gefahr / auff uns acht zu ge - ben. Hingegen iſt die ſicherheit und vermeſ - ſenheit / da man ſich / weil man einige mahl überwunden / nun vor unüberwindlich haͤlt / ein gewiſſes zeichen und verbot ſchwe - ren falls: da auff der andern ſeiten der Geiſt GOTTes die ſeinige ſtets ob wohl in einer hertzlichen zuverſicht zu Gott / dennoch auch ſorgfaͤltiger forcht erhaͤlt und ſie lehret mitB 6forcht36forcht und zittern ihre ſeeligkeit zu ſchaffen / Phil. 2 / 12. und wegen des nach - ſchleichenden feindes ſtets nüchtern zu ſeyn und zu wachen / 1. Petr. 5 / 8. damit ſie ihm alsdann auch kraͤfftig im glauben widerſtehen moͤgen.

§. 16.

Es mag den kennzeichen der gna - den-wercke auch 8. dieſes zugeſchrieben wer - den / wo wir bey der unterſuchung des wercks befinden / daß / was wir gethan oder thun wollen / uns von GOtt oder ſeiner ge - meinſchafft nichts abführe / ſondern viel - mehr naͤher zu ihm führe. Wo alſo ein werck von noch ſo groſſem anſehen waͤre / es flicht uns aber in die dinge ein / da unſre ſeele zur eitelkeit verleitet / und mit ihrem GOtt ſtets umzugehen gehindert wird / iſt es uns billig verdaͤchtig / daß ein betrug des fleiſches darunter ſtecke / welches uns unter gutem ſchein aus unſrer feſtung herauß lo - cken und in die Welt mehr verwickeln wol - le. Jndeſſen muß hier innen auch wol acht gegeben werden / daß das fleiſch uns nicht auff eine dieſer entgegen ſtehende aber eben ſo gefaͤhrliche art berücke / und ſich traͤg - heit und eigenwille einmiſche. Welches geſchihet / wo ſich der menſch der jenigengeſchaͤff -37geſchaͤfften / darinn er nach ſeinem abſon - lichen beruff oder pflicht der liebe arbeiten ſolle / wodurch er Goͤttliche ehre und des naͤchſten nutzen zu befoͤrdern hat / ob auch ſolches durch gantz weltliche und leibliche geſchaͤffte geſchehen müſte / deswegen ent - haͤlt / oder wol gar den beruff daruber fah - ren läſſet / weil er bey ſolchen geſchaͤfften nicht ſo viel zeit finde / daß er den betrach - tungen und andern geiſtlichen übungen / die ſonſten an ſich ſelbſt ohne zweiffel erbaulich / und von den jenigen / die ſie haben koͤnnen / nicht zu verachten ſind / nach ſeinem verlan - gen abwarten koͤnte. Jn dem wir wiſſen müſſen / daß uns GOtt zwar die ſorge vor unſre ſeele hoch anbefohlen habe / alſo / daß wir derſelben billig alles nachſetzen / aber auch / daß die ſorge vor unſere ſeele eben die - ſes mit in ſich faſſe / uns von dem HErrn ſelbs führen zu laſſen / nicht aber in eigner wahl einher zu gehen. Daher wir glau - ben ſollen / unſrer ſeele werde nicht beſſer auch vor ſie ſelbs gerathen / als wo ſie in der ordnung bleibet / darein ſie der HErr geſetzt hat / und thut / was er von ihr fordert. So beſtehet der ſeelen erbauung nicht allein in der unmittelbaren behandlung GoͤttlichenB 7Worts /38Worts / mit deſſen leſung / hoͤrung und be - trachtung / oder auch in langwiriger an - dacht des gebets und dergleichen übungen / welche zwar bey denen / welche der HErr darauff weiſet / und ihnen deswegen dazu mehr gnade und zeit giebet / an ſich gut und nützlich ſind / ſondern ſie ſtehen eben ſo wohl in ſtaͤter übung des jenigen / was wir in der wenigen zeit / ſo uns der HErr übrig laͤſſet / von ihm und ſeinem willen erkant haben. Und weil die liebe die hoͤchſte haupt-tugend iſt / in dero wir dem bilde GOttes / welcher lauter liebe iſt / am aͤhnlichſten werden / hin - gegen die liebe nicht nur durch die betrach - tung und dergleichen übungen / bey denen eine abgezogenheit der ſeelen von andern verrichtungen noͤthig iſt / ſondern auch ſelbs durch dero übung gegen GOtt in dem ge - horſam zu ihm / und aus eben dieſem gegen den naͤchſten / waͤchſet / koͤnnen wiꝛ verſichert ſeyn / daß in dem ſtande / da uns der HErr hin weiſet / unſrer ſeelen nicht weniger geiſt - liche krafft zuwachſen wird duꝛch die gottſe - lige abwartung der aͤuſſerlichen geſchaͤffte / als wo wir nach unſerm belieben den be - trachtungen obligen koͤnnen. Ja wo wir uns wider GOttes willen und beruff jenerge -39geſchäffte entſchlagen / und hingegen uns eines ſolchen beſchaulichen lebens / wie mans etwa zu nennen pfleget / befleiſſen wol - ten / iſt zu ſorgen / daß es an dem ſegen Got - tes / ohne welchen wir doch nichts vermoͤ - gen / mangeln / und wir in dem außgang er - fahren moͤchten / daß aus GOttes gericht / weil wir uns nicht nach ſeinem rath / ſon - dern unſerm gutbefinden / richten wollen / an ſtatt der wahren erbauung nuſerer ſeelen eher eine auffblaſende wiſſenſchafft und hochmuth erfolgen dürffte / in dem wir wiſ - ſen müſſen / daß GOtt uns allein in dem je - nigen ſegne / was wir warhafftig in ſeinem nahmen und alſo nach ſeinem befehl und ordnung / mit verleugnung des eignen wil - lens thun / da er hingegen das übrige unge - ſegnet laͤſſet. So iſt es vielmehr eine zaͤrt - lich keit des gemüthes / wo man ſolche an - dacht ſuchet / da wir ohne aͤuſſerliche verun - ruhigung deroſelben leichter genieſſen koͤn - nen / hingegen ein zeugniß eines rechtſchaf - fenen kindlichen gehorſams iſt / wann wir lieber uns unſrer eigenen vergnügung / die eine glaͤubige ſeele bey der andacht mehr be - faͤnde / begeben / als GOttes rath zuwider leben wollen: weswegen auch kein zweiffeliſt /40iſt / daß / wer alſo in ſolchem einfaͤltigen ge - horſam einher gehet / zu ſeiner zeit deß ſee - gens GOttes / und wie er an den rechten tugenden der liebe / demuth / ſanfftmuth / ge - dult / glauben und andern gleichwohl zuge - nommen / gewahr werde werden / wo er ge - meynt / daß ihm vor ſeine ſeele allzuwenig zeit übrig bleibe / aber auch darinnen GOt - tes liebe der ſeinigen hat vorziehen wollen. Und zwar werden ſolche aus der übung wachſende tugenden ſtets mehr ſoliditaͤt und krafft haben / als gemeiniglich die je - nige / ſo man nach eigenem willen durch die betrachtung und andacht geſucht hat. Alſo fuhren uns die geſchaͤffte / ſo in liebe und ge - horſam geſchehen / in der that von GOtt nicht ab / ſondern zu ihm. Die jenige aber führen uns von ihm / dadurch wir uns ge - wehnen uns ſelbs zu ſuchen / und den crea - turen um ihrer ſelbs willen zu dienen. Hie - mit aber wird nicht verneinet / daß gleich - wol / weil der glaube und die erkantniß GOttes die wurtzel ſind / daraus alle übrige tugenden und früchten wachſen ſollen / daß Goͤttliche Wort aber und ſeine handlung dero taͤgliche nahrung ſeyn muß / allen kin - dern GOttes oblige / daß ſie ihren übrigenauch41auch ſonſt noͤthigen beruffs-geſchäfften / o - der vielmehr der von dieſen ihnen noch übri - ger zeit / ſo viel abbrechen / daß ſie doch immeꝛ ſo viel in jenen übungen der betrachtung formlichen gebets thun / als ihrer ſeele in - nerliche ſtärckung noͤthig hat: ſonderlich aber / daß ſie trachten / unter den geſchaͤfften ſelbs ihre hertzen deſto mehrmal zu erheben / nach dem exempel derer / welchen ihre ge - ſchaͤffte nicht zulaſſen / mit guter gelegenheit und ruhe ihre mahlzeiten zu gewoͤhnlichen ſtunden ſitzend einzunehmen / da ſie aber deß - wegen nicht unterlaſſen / wie es ihnen wer - den mag / dann und wann ihr ſtuck brod zu ſtillung ihres hungers zu ſich zu nehmen / oder es unter ihrer arbeit zu eſſen. Aus die - ſem mag ſich ziemlich ſchlieſſen laſſen / wie fleiſchliche zaͤrtligkeit und ruchloſe verſaͤum - niß der ſeelen wohl von einander zu unter - ſcheiden / und beyde zu fliehen ſeyen / weder aus jener die von GOtt auff gelegte arbeiten zu fliehen / noch uns durch die unziemliche vertieffung in dieſelbe in dieſe zu ſtürtzen.

§. 17.

Den obigen moͤchte man auch 9. als ein kennzeichen einer Goͤttlichen wür - ckung zuſchreiben / welches ſich zuweilen er - zeiget / wenn nemlich bey antretung oderver -42verꝛichtung eines wichtigen wercks ſich ſon - derliche zeugniſſen Goͤttlicher ſügniß und regierung zeigen. Wenn man zum exem - pel / etwas zu thun lange verlangt / und die gelegenheit dazu vergebens geſucht / daher die hoffnung faſt verlohren hat / GOtt aber füget nachmals eine ſolche gelegenheit ploͤtz - lich / oder auff eine art / da wir daran nicht dencken / oder drauff hoffen hatten koͤnnen: oder auch der fortgang ergiebet ſich über al - le unſre und anderer vermuthung / daß man ſehen muß / es ſeye mehr als ein menſchlicher rath und krafft dabey geweſen: und was mehr dieſer art begegniſſen ſind / die faſt un - zaͤhlich ſeyn moͤgen. Alſo geſchihets wohl / durch unvermuthete und bedenckliche anff - ſchlagung eines ſpruchs / oder da wir einen in einer predigt hoͤren / und ungewoͤhnlich dadurch gerühret werden / daß wir Goͤttli - chen willens in einer ſache mehr verſichert werden / und alsdann in ſolcher uns ſeiner mitwürckung unzweifflicher getroͤſten moͤ - gen: wie vom Auguſtino bekant / wie die ver - anlaſte auffſchlagung des ſpruchs / Roͤm. 13. Weil wir ſolches wiſſen / nemlich die zeit / daß die ſtunde da iſt / aufzuſte - hen vom ſchlaff / u. ſ. f. zu ſeiner bekeh -rung43rung vieles mit gewürcket / und ihn Goͤtt - lichen willens deſto mehr dadurch überzeu - get hat. Alſo haben wir auch noch heute zu tage nicht alle dergleichen begebniſſen vor aberglauben zu halten / ſondern weil wir wiſſen / daß nichts von GOtt ungefehr geſchihet / auch die jenige zufaͤlle nicht zu ver - ſchmaͤhen / wodurch uns GOtt einige anzei - ge ſeines willens (ich rede bekantlich allein von den dingen / da GOttes wille ins ge - mein erkant / und wir nur in gewiſſen um - ſtaͤnden einer verſicherung oder auffmunte - rung bedoͤrffen) widerfahren laͤſſet. Was alsdenn auß ſolcher beobachtung geſchihet / hat auch darinnen ein mehrers zeugniß der gnaden-würckung. So geſchihet es wohl / daß prediger auff der cantzel / oder andre chriſtliche leute bey gewiſſen gelegenheiten zuweilen etwas reden / und wiſſen faſt ſelbs nicht / warüm ſie es reden / auffs wenigſte konten ſie das nicht vorſehen / was daraus in rührung der hertzen erfolget: ſie werden aber manchmahl gewahr / daß ihr reden ſich ſo eigenlich auff gewiſſe dinge / ſo zu erinnern waren / geſchicket / und die gewiſſen einiger perſonen gerühret haben / gleich als ob ſie alles vorhergegangene gewuſt haͤtten / da ſiedoch44doch von jenen die geringſte vermuthung nicht gehabt / noch an dieſe abſonderlich ge - dacht haben / aber in dem erfolg ſich erſt wundern müſſen / wie ihnen entweder in ih - rem meditiren ſolche dinge vorgekommen / oder in dem predigen ſelbſten ihre eigene aus - und hingegen andere unvorbedachte wort eingefallen ſeyen / die gantz genau das jenige in ſich haben faſſen müſſen / was GOtt ihnen unwiſſend / und da ſie ſolches wiſſend / vielmehr ſorge dabey getragen ha - ben würden / durch ſie hat würcken / und ei - nige gewiſſe regel machen wollen. Wo nun auch dergleichen geſchihet / haben die jenige die gnaden-würckung GOttes dar - innen danckbarlich und zu ihrer auffmun - terung zu erkennen / die ihnen nemlich be - wuſt ſind / daß ſie in ſolcher ſache ſelbs / und was ſie darinnen verſtanden / nach GOtt geſinnet geweſen; da ſonſten / wo ein Cai - phas Joh. 11. 50. 51. in boͤſem vornehmen gleichwohl einige Goͤttliche wahrheit ohne verſtand redet / ihm ſelbſten ſolches keinen troſt geben koͤnte.

§. 18.

Wir moͤgen endlich 10. den all - gemeinen kennzeichen dieſes beyſetzen / und einen trieb oder fürnehmen deſto leichter voꝛein45ein gnaden-werck erkennen / wann zu eben ſolcher zeit / da man ihm ein ſolches fürge - nommen / oder damit im werck ſtehet / man andere heilige gnaden-würckungen ſtaͤrcker in ſich befindet / als zum exempel / daß man etwa eine ſonderliche krafft zu beten bey ſich wahrnimmet / eine groſſe freude des ge - wiſſens / eine wachſende heiligkeit / ſtarcke verachtung des irrdiſchen / mehrere begierde nach dem oͤfftern und würdigen gebrauch des heiligen Abendmahls / ſonderliche liebe zu GOttes Wort / und mehr als zu ande - rer zeit ſich hervorthuende erkaͤntniß deſſel - ben und der gleichen. Dann ſolche krafft GOttes kommt nicht ungefehr / und ſoll unſer hertz billich deſto mehr verſichern / daß / was wir zur ehre GOttes angefangen / wahrhafftig ſeine würckung in uns ſeye / weil wir ſeine heilige einwohnung aus andern deroſelben zeichen oder würckun - gen zu ſolcher zeit kraͤfftiger bey uns füh - len.

§. 19.

Wie dieſes nun etwa allgemeine kennzeichen ſind / ſo ſind noch andere ab - ſonderliche / welche ich alſo nenne / w[o]ein werck aus dieſer und jener abſon - derlichen tugend herkommet / daß die -ſelbe46ſelbe die wahrheit ſolcher tugend / und daß das werck dar aus hergekommen / be - zeugen. Wir machen aber den anfang an der haubt-tugend / dem glauben. Was zwar die kennzeichen des glaubens / dar - aus er ſelbs der wahre und lebendige glaube zu ſeyn erkant werden muß / anlan - get / wird ſolches andere mahl mit mehrerm gewieſen / und iſt deswegen eben nicht noͤ - tig / hier insgeſamt ausgeführet zu werden. Dieſes orts aber iſt eigenlich die rede von den wercken / wie ſie aus dem glauben her - kommen / da wir die obengedachte regel aus Roͤm. 14 / 23. gern gelten laſſen / daß was nicht aus dem glauben koͤmmt / ſünde ſeye. Weswegen wir ſonderlich beflieſſen ſeyn müſſen / zu erkennen / ob unſre werck aus dem glauben herkommen? Deſ - ſen kennzeichen nun iſt / 1. wo wir unſer le - ben führen / und alſo auch abſonderlich dieſes und jenes werck thun / nicht aus ei - ner knechtiſchen abſicht / etwas vor GOtt zu verdienen / oder ſeine gnade damit zu er - werben / und alſo mit einer ſolchen hochhal - tung unſerer wercke / gleich ob waͤren ſie von GOTT an ſich ſelbs ſeiner gnade und allerley vergeltung würdig / ſondern auserkaͤnt -47erkaͤntniß der goͤttlichen gegen uns in Chri - ſto JEſu tragenden liebe und gnade / welche uns die Seeligkeit / und alles was wir be - dürffen / geſchencket habe / und noch ferner ſchencken wolle / daß wir von derſelben erkaͤntniß und vertrauen darauff alſo ein - genommen werden / nichts mehr weiter zu verlangen / als daß wir doch einen ſo liebrei - cheſten Vater und Gutthaͤter hinwieder danckbar zu werden / und ihm in allen ſtü - cken zu gefallen zu leben vermoͤchten: mit dem warhafftigen vertrauen / daß alle ſol - che unſere gute wercke / nicht aus ihrer würdigkeit / ſondern umb Chriſti willen / dem Vater gefallen werden / damit wir alſo geiſtliche opffer bringen / die Gott angenehm ſind durch JEſum Chri - ſtum 1. Petr. 2 / 5. Daher ein ſolcher menſch das vertrauen auch hat / ob er wohl gedencken kan / daß ſeinem werck leicht noch allerhand unvollkommenheit ankleben koͤn - ne / ja gar / ob er wohl würcklich dergleichen daran wahrnimmt / und ſich deswegen vor dem HErrn demüthiget / daß annoch um des HErrn willen / auch ſolches in kindli - chem gehorſam gethane vor Gottes gericht werde angenehm ſeyn. Dieſes iſt derrechte48rechte unterſcheid des kindlichen und knech - tiſchen lebens und gehorſams / indem bey dieſem ſich allezeit eine eigene liebe (da man ſich auffs wenigſte ſein eigen heil / zum letzten ende ſeines gantzen lebens und thuns ſetzet / daher ſelbs der Goͤttlichen ehre vor - zeucht / und wo es ohne die belohnung und den hoffenden nutzen waͤre / des guten ſich wenig befleiſſen würde) und entweder eins theils ein ohnauffhoͤrliches aͤngſtliches ſor - gen und zweiffel / ſo wohl ob dieſes und je - nes / da das gewiſſen uns bald einige fehler daran zeigen kan / GOTT warhafftig ge - faͤllig als meiſtens / ob es damit zur erlan - gung der Goͤttlichen gnad und der ſeelig - keit gnug ſeye / letzlich offters eine eigentli - che verzweiffelung / oder anders theils ein hochmütiges vertrauen auff unſer thun / in hochachtung unſrer eignen kraͤfften / und alſo insgeſamt die dem Allerhoͤchſten ſo verhaßte geiſtliche hoffart ſich findet: bey jenem aber dem kindlichen gehorſam iſt ei - ne ſtaͤte demuth vor GOtt / eine erkaͤntniß der nothwendigkeit ſeiner gnaden / eine rei - ne abſicht allein aus ſchuldiger pflicht und danckbarkeit dem Vater wieder zu dienen / in vertrauen auff ſein Vater-hertz und huld /auch49auch gnaͤdige vergebung der anklebenden fehler / und ſolches alles um des verdienſtes JEſu Chriſti willen / unſers Heylandes: Daher eine ſolche ſeele dieſes als das eini - ge theuerſte gut ſo hoch ſchaͤtzet / daß ſie dar - aus alles erwartet / und immerfort nur des himmliſchen Vaters barmhertzigkeit / und ihres Heylandes unausſprechliche liebe verehret und ewiglich preiſet. Da mag man ſagen / daß in einer ſolchen ſeele ſich befinde die erleuchtung von der erkaͤntniß der klarheit Gottes in dem angeſicht Je - ſu Chriſti / (oder der herrlichkeit GOt - tes / δοξη, wie nemlich derſelbe ſeine weiß - heit / gerechtigkeit / barmhertzigkeit / macht / güte und warheit nirgend klaͤrer und herrli - cher offenbahret als in der erkaͤntnis der er - loͤſung / ſo durch JEſum Chriſtum geſche - hen iſt.) 2. Cor. 4 / 6. Dieſe hochhaltung und vertrauen Goͤttlicher gnade in Chriſto JEſu / die in thaͤtliche danckbarkeit aus - bricht / iſt keine frucht oder geburt des alten oder natürlichen menſchen / ſondern ein zeugniß eines rechtſchaffenen kindes / ſo ſei - nen vater keñet / daher mit dem kindlichen Geiſt Rom. 8 / 15. erfüllet iſt / und auß deſ - ſen trieb ſeine wercke thut. Wo wirs alſoCrecht50recht anſehen / ſo iſt der glaube die ſeele des kindlichen gehorſams / aber der unglaube ſtecket in dem knechtiſchen gewinnſichtigen wercken: dieſer ehret ſich ſelbs / aber jener ehret GOtt / und weiſt von nichts anders / als von deſſelben güte zu ſagen / folglich al - len ruhm von ſich und ſeinem thun weg zu - nehmen / und denſelben dem HErrn beyzu - legen. Dieſes kennzeichen iſt wol eins der allervornehmſten / und kan auch allein be - trachtet / wo ſich warhafftig ſolcher glaube (der von der menſchlichen müßigen und unfruchtbaren einbildung noch wol zu un - terſcheiden iſt) findet / der übrigen ſtelle erſe - tzen. Dieſes iſt das leben in dem glauben Chriſti / davon der liebe Paulus redet / Gal. 2 / 19. 20. 21. Jch bin aber durchs ge - ſetz / dem geſetz geſtorben / auff daß ich GOtt lebe. Jch bin mit Chriſto ge - creutziget. Jch lebe / aber doch nun nit ich / ſondern Chriſtus lebet in mir. Deñ was ich itzt lebe im fleiſch / das le - be ich im glauben des Sohnes GOt - tes / der mich geliebet hat / und ſich ſelbs für mich dargegeben. Jch werffe nicht weg die gnade Gottes. Denn ſo duꝛch das geſetz die geꝛechtigkeit kom -met /51met ſo iſt Chriſtus vergeblich geſtor - ben. Es trucket aber derſelbe auch ander - wertlich den ſinn aus / der bey einem ſolchen glaͤubigen ſich findet / Phil. 3 / 8. 9. Jch ach - te es alles für ſchaden gegen der über - ſchwenglichen erkaͤntniß JEſu Chri - ſti meines HErrn / um welches willen ich alles habe für ſchaden gerechnet / und achte es für dreck / auff daß ich Chriſtum gewinne / und in ihm erfun - den werde / daß ich nit habe meine ge - ꝛechtigkeit / die auß dem geſetz / ſondeꝛn die durch den glauben an CHriſtum koͤmt / nemlich die gerechtigkeit / die von GOtt dem glauben zugerechnet wird. Und ſo kans nicht anders ſeyn / als daß wo der H. Geiſt iſt / Chriſtus einen ſol - chen menſchen alles gelte / und wo man die - ſes von einem mit warheit ſagen kan / bey ei - nem ſolchen der H. Geiſt nothwendig ſeyn müſſe: denn wo derſelbe iſt / zeuget er von Chriſto / und verklaͤret ihn / Joh. 15 / 26. 16 / 14. Das iſt / er erfüllet die hertzen mit der hochhaltung Chriſti / und ſeiner heiligkeit. Selig iſt der / welcher ſolchen glauben in ſei - ner ſeele ſtets fuhlet / ſo ihm an ſtatt aller an - derer kennzeichen ſeiner ſeeligkeit ſeyn kan. C 2Wo52Wo es aber nach Gottes wunderbarer füh - rung und œconomie, an dieſer empfindlig - keit mangelt / müſſen andere kennzeichen fer - ner unterſuchet werden / welche dieſes him - liſche liecht und ſaamen in uns ſeyn / aus denen daher wachſenden früchten bezeugen moͤgen.

§. 20.

Wie nun die ergreiffung des ver - dienſts Chriſti und die verſicherung Goͤttli - cheꝛgnade aus demſelben / welches die danck - barkeit bey uns treibet / das hauptſtücke des wahren glaubens iſt / und unſre wercke aus demſelben kommen müſſen / ſo ſollen ſie doch 2. aus dem glauben auch in dem verſtande kommen / daß wir / wo wir etwas thun wol - len / ſo bald an unſer unvermoͤgen geden - cken / und glauben / daß wir aus uns zu ſol - chem guten nicht tüchtig ſeyen / aber ſtracks uns zu GOtt erheben / und zu deſſen güte das jenige hertzliche vertrauen tragen / ſie werde uns die dazu noͤthige gnade und kraͤf - ten verleihen / daß wir das jenige / was wir aus Goͤttlichem befehl und unſers allgemei - nen oder abſonderlichen beruffs erheiſchen / zu verrichten uns vornehmen / auch vermoͤ - gen ſollen: daher man ſich nicht mit aͤngſt - lichen ſorgen darüber plaget / und an Goͤtt -licher53licher gnaden-krafft zweiffelt / ſondern zwar fleißig in der forcht des HErrn überleget / wie jegliche ſache am beſten koͤnne angegrif - fen werden / darnach aber mit getroſtem hertzen das werck angreifft / und ſich weder die betrachtung unſers unvermoͤgens / noch die allerhand vor augen ſtehende hinder - niſſen und daher beſorgende ungelegenhei - ten / abſchrecken laͤſſet / das jenige zu thun / was unſer aus GOttes Wort recht unter - richtetes gewiſſen dißmal nothwendig / und uns befohlen zu ſeyn / uns vorhaͤlt / (ein an - ders iſts / wo es an dieſer verſicherung man - gelte / da die erwartung Goͤttlichen beyſtan - des zu mißlichen und gefährlichen dingen / einer vermeſſenheit und verſuchung GOt - tes mehr gleich werden würde.) Wo nun dergleichen geſchiehet / ſo geſchiehet ein ſol - ches werck aus und in dem glauben / der ſich ſo viel kraͤfftiger offenbaret / je ſchwerer und uns allein unmüglicher die ſache geſchienen haͤtte. Der grund iſt dieſer: wenn auff ei - ner ſeite eine ſache zu unterlaſſen die erkaͤnt - niß unſers unvermoͤgens / die gefahr / die wir daraus zu erwarten haben / und die ſorge / daß wir doch nichts ausrichten werden / auf der andern aber / ſie zu thun / das GoͤttlicheC 3gebot54gebot ſtehet / und man dieſes bey ſich über - wiegen laͤſſet / ſo iſt es gewiß der glaube / der da überwunden hat / wenn er uns vorge - ſtellet / wie Goͤttliches gebot allen übrigen vorzuziehẽ ſeye / ſo wol als er / der HErꝛ ſelbs der hoͤchſte iſt; ſo dann wann er uns auch be - trachtung Goͤttlicher güte und weisheit veꝛ - ſichert / daß GOtt das jenige nicht ſtecken werde laſſen / was er von uns fordert / ſon - dern / unſerer untüchtigkeit wol bewuſt / die noͤtige gnade uns verleyhen / und alſo ſchaf - fen / daß wir entweder ein werck über unſer vermuthen glücklich vollenden ſollen / oder wo er dieſes nicht folgen laſſen will / er an dem jenigen / was wir gleichwoldariñen ge - than / ein vaͤterlich wolgefallen haben wolle. Wie dann in jeglichem gebot GOttes / da er etwas von ſeinen kindern gethan haben will / dieſer gleichſam heimliche verſpruch ſtecket / daß er einiges vermoͤgen darzu ge - ben / die hinderniſſe wegraͤumen / oder doch den ausgang uns heilſam werden laſſen wolle; an welchem verſpruch / der ſich auff Goͤttliche güte und weißheit gründet / ſich der glaube haͤlt / und damit die gegengeſetzte einwurffe überwindet. Alſo wird der glaube Abrahams gerühmet / da er geglaubetauff55auff hoffnung / da nichts zu hoffen war: da er nicht zweiffelte an der ver - heiſſung GOttes durch unglauben / ſondern ward ſtarck im glauben / und gab Gott die ehre / und wuſte auffs al - lergewiſeſte / daß / was Gott verheiſſet (entweder abſonderlich / oder auch ins ge - mein) das kan er auch thun. Wo unſers lieben Lutheri wort denckwürdig ſind: Wer Gott glaubt / der giebt ihm ſeine ehre / daß er warhafftig / allmaͤchtig / weiſe / gut ſeye. Alſo erfüllet der glaube die erſte drey gebot. Sonderlich aber wird ſolcher glaube und ſeine krafft weitlaͤufftig gerühmet / Hebr. c. 11 / 8. u. f. da wird der glaube benennet / daß durch ihn Abraham aus GOttes befehl und beruff in das land gezogen / das er ererben ſolte / und doch nicht wuſte / wo er hin kaͤme / wol aber viele be - ſchwerligkeiten und elend in der fremde vor ſich ſahe / die aber jener in ihm überwandt. Alſo auch / da er ſeinen ſohn ſchlachten ſolte / und gewiß eine ſtarcke glaubens-krafft noͤ - tig war / die einwürffe der vernunft und na - turlichen liebe zu überwinden. Ferner / daß Moſe aus dem glauben die herrligkeit und ſchaͤtze Egypti / ſo er / als ein ſohn der tochterC 4Pha -56Pharao / haͤtte genieſſen koͤnnen / verachtet / hingegen ſich zu dem volck GOttes geſellet / und daſſelbe mit groſſer kraft aus der dienſt - barkeit gefühꝛet / wozu niꝛgend keine menſch - liche mittel anſchienen / wol aber lauter ge - fahr / und vor gantzer welt zu ſchanden zu werden / vor augen ſtunde: Soͤnderlich a - ber faſſet es daſelbs Paulus zuſammen / v. 33. u. f. wo er von mehrern glaubigen des Alten Teſtaments ſaget: daß ſie haben durch d[e]n glauben koͤnigreiche be - zwungen / gerechtigkeit gewircket / die verheiſſung erlanget / der loͤwen ra - chen verſtopffet / des feuers krafft ausgeloͤſchet / des ſchwerdts ſchaͤrffe entronnen / ſind kraͤfftig worden aus der ſchwachheit / ſind ſtarck worden im ſtreit / haben die fremden heer dar - nieder geleget. Die weiber haben ihre todten von der aufferſtehung wieder genommen / die andern aber ſind zu - ſchlagen / und haben keine erloͤſung angenommen / auff daß ſie die auffer - ſtehung / die beſſer iſt / erlangeten. u. f. w. Welches alles uns auch dieſe krafft des glaubens bezeuget / wie er uns helffe alle im wege ſtehende hinderniſſen überwinden / dieuns57uns ſonſt von einer ſache / welche GOtt und unſer gewiſſen von uns fordern / abſchre - cken und abhalten haͤtten wollen. Alſo wo wir in unſerem gewiſſen verſichert ſind / daß wir ein werck / das der HErr befohlen / an - gegriffen haben / in erkantniß unſers unver - moͤgens / und der ſachen ſchwerigkeit / aber mit vertrauen auff Gottes befehl und hülf - fe / ſo haben wir das zeugniß im glauben ſol - ches gethan zu haben.

§. 21.

Dieſes wird alsdenn ſo viel offen - bahrer / wo unſer glaube auch dieſes von GOtt erlangt / daß unſer werck wol von ſtatten gehet / und wir / was wir gewolt / aus - richten / aber gleichwol iſt ſolches nicht das einige zeugniß des glaubens / ſondern es kan warhafftig aus GOttes heiliger und wun - derbarer regierung geſchehen / daß wir zu - weilen mit einer ſache nicht zu ende kommen / oder das verlangte ausrichten koͤnnen da hat alsdenn der glaube noch ſein werck / und mag auch dieſes ſein 3. kennzeichen ſeyn / daß der menſch erkenne / es ſtehe ſein gang und werck nicht in ſeiner hand / Jerem. 10 / 23. ſondern in der Goͤttlichen regierung / und habe derſelbe ſeine heilige urſachen / warüm er es nicht allemahl nach unſererC 5auch58auch beſten meynung ausſchlagen / ſondern zuweilen das gegentheil erfolgen laſſe: dar - mit der glaube zufrieden iſt. Zwar hat der glaͤubige in ſolchem fall wol die ſache zu unteꝛſuchen / woran es gemangelt / daß es nicht nach wunſch und hoffnung ausge - ſchlagen / ob nemlich entweder wir von un - ſerer ſeiten es an dem hertzlichen gebet und vertrauen zu GOtt / mit verleugnung alles eignen vermoͤgens / an noͤtigem fleiß / eiffer und ſorgfalt / an geziemender vorſichtigkeit / ermangeln haben laſſen / und alſo die ſchuld auff uns faͤllet / oder ob wir andere hinder - niſſen erkennen / oder auch gar die urſach des fehlſchlagens nicht ſehen koͤnnen / indeſſen / daß an uns die eigenliche ſchuld / auffs we - nigſte die haupt-ſchuld nicht ſeye / mit einem zeugniß unſers gewiſſens befinden. Jn bey - derley hat der glaube noch ſein ampt: iſt die - ſes letztere / ſo machet er den menſchen ge - troſt und freudig / daß / unerachtet des wi - drigen ansſchlagens / wo ſchaden an ſtatt nutzens an ſtatt der gehofften erbauung ge - nom̃enes aͤrgernis / an ſtatt des guten zeug - niſſes ſchimpff und verachtung / folget / dan - noch dabey bleibet / er habe in dem nahmen des HErrn / und alſo recht gethan / lãſſet ſichdas59das werck nicht gereuen / verſichert ſich / der HErr laſſe ihm ſolches und ſeine redliche in - tention wohl gefallen / murret nicht wider GOtt / daß derſelbe ihm ſolche hinderniſſen begegnen laſſen / ſondern preiſet ſeine heili - ge regierung und ſreyheit / jedes nicht nach unſerm / ſondern ſeinem willen ausſchlagen zu laſſen / und iſt bereit / wo er Goͤttlichen willen wiederum gleicher maſſen zu andern mahlen ſehen würde / ohneracht deſſen nochmahl eben daſſelbe zu thun / und dem HErrn die ſache zu befehlen. Dieſes kenn - zeichen iſt alsdann ſo viel ſicher er / wenn das vertrauen auff GOtt nicht nachlaͤſſet / oder auch GOTT in der ſeelen voran ſich nicht unbezeuget gelaſſen / daß / wann man nicht zum zweck komme / ihm dannoch der kindli - che redliche wille gefallen ſolle. So dann auch / wann der HErr an ſtatt des geſuchten fortgangs anderweit in ſachen / die ſeine ehre und der menſchê heil betreffen / zu ſolcheꝛ zeit einen ſonderlichen unvermutheten ſegen giebet. Jſt aber das andere / ſo erkennet er folchen ſeinen fehler / mit hertzlicher reue / de - mütiget ſich vor GOtt / und ſucht verge - bung preiſet GOttes gerechtigkeit / der uns mit entziehung des ſucceſſes unſerer fehlerC 6erin -60erinnert) getroͤſtet ſich aber doch dabey der gewiſſen vergebung / um unſers Heylandes willen / und erkennet / daß dennoch die kind - liche abſicht / ihm zu gehorſamen / GOtt ge - faͤllig ſeye / und nimmt ſich vor / dafern er auffs neue wieder ſolte zu ſolchem werck von ihm beruffen werden / mehrern fleiß und vorſichtigkeit zu erbitten und anzuwenden / aber ſich durch das vorige mißlingen von der ſache nicht gantz abſchrecken zu laſſen. Wer dieſes alſo bey ſich findet / hat ein zeug - niß ſeines glaubens / und daß er aus dem glauben das ſeinige gethan / welcher nicht auff ſich oder die ſache ſelbs und dero aus - gang ſondeꝛn lauterlich auf den willen Got - tes / bey welchem er ſo wol / was er von uns fordert / in ſeinem befehl / als was folgen ſol - le in dem ausgang / offenbahr machet / ſie - het / denſelben zu thun und auffzunehmen verlanget / folglich dabey allerdings be - ruhet.

§. 22.

Hieraus flieſſet 4. noch ein ander zeugnis eines wercks / das aus dem glauben geſchehen iſt / wo uns unſer gewiſſen zeugnis giebet / daß wir in demſelben nichts des un - ſern eigentlich geſucht / ſondern auff den willen Gottes / der uns ſolches befohlen /und61und in unſerm beruff von uns erfordert ha - be / geſehen / dieſes alles allein darinnen ver - langende / daß wir dem HErrn darinn ge - fallen moͤchten. Denn dieſes iſt des glau - bens art / ſo uns / wie in den dingen / die ei - gentlich geglaubet werden ſollen von unſꝛer eignen vernunfft und aller menſchen auto - ritaͤt allein auff GOttes Wort weiſet / an daſſelbe uns zu halten / alſo auch in den din - gen / welche unſer leben angehen / lehret den willen unſers himmliſchen Vaters vor die einige richtſchnur unſers thuns zu halten / und uns warhafftig nach der ſelben zu rich - ten. Es iſt auch ſolches deſto klaͤrer / wo wir vorher haben ſehen oder doch vermuthen koͤnnen / wir würden in dem werck und ei - nem ſolchen leben den menſchen nicht ge - fallen / ſondern vielmehr üble urtheil leiden / und vor eigenſinnige fonderlinge / phanta - ſten und heuchler ausgetragen werden / o - der auch andern nachtheil davon haben / und wir fahren gleichwol fort / aus bloſſer ab - ſicht / weil dieſes der wille unſers GOttes an uns ſeye / davon unſer gewiſſen aus deſ - ſen Wort überzeuget iſt / ein ſolches werck zu thun / mit getroſtem erwarten / was der HErr daraus über uns werde verhaͤngenC 7wol -62wollen. Denn da offenbahret ſich der glau - be / ſo viel ſcheinbarer / als deſſen art iſt uns zu lehren / unſre augen in allem von allen creaturen ab und auff GOtt zu wenden / und auch in ſolchem verſtand die welt zu überwinden / 1. Joh. 5 / 4.

§. 23

Auff den glauben folget zu nechſt die ihrer würdigkeit nach hoͤchſte tugend erſte frucht des glaubens / nemlich die liebe als durch welche der glaube thaͤtig iſt / Gal. 5 / 6. davon es auch heiſſet 1. Tim. 1 / 5. Die haupt-ſumma des gebots iſt / liebe von reinem hertzen und von gu - tem gewiſſen / und von ungefaͤrbtem glauben: welche worte nicht nur die wür - de der liebe erweiſen / ſondern auch derſel - ben art andeuten. Da koͤnnen wir nun a - bermahl ſchlieſſen / wo ein werck aus der wahren liebe geſchiehet / daß es denn nicht ein werck der bloſſen natur / ſondern der gnade ſeye: Wie aber nicht alles / was man liebe nennet / eine warhaffte und von GOtt davor erkante liebe iſt / ſo dann auch nicht alles daraus geſchiehet / was man davor ausgiebet / ſo haben wir dieſes kennzeichen abermal genauer anzuſehen und zu be - trachten. Weil auch die liebe nach ihremobje -63objecto, oder mit dem ſie es zu thun hat / zweyerley iſt / die liebe Gottes und des nech - ſten / ſo ſind ſie beyde nach einander zu beſe - hen. So iſt nun ein zeugniß einer wahren liebe GOttes / und eines aus derſelbigen warhafftig herkom̃enden wercks dieſes / wo man in vornehmung und verrichtung einer ſache warhafftig in fleißiger achtgebung auf ſeine ſeele / die allezeit nothwendig iſt / ge - wahr wird / daß wir ſolches eigentlich ümb der urſach willen thun / weil wir wiſſen / daß es Gott gefaͤllig / und von ihm geboten ſeye / dem wir aber gern gehorſamen wolten; daß alſo ſolches werck lauterlich aus einem iñern gehorſam komme / der ein zeugniß der liebe iſt / nach 1. Joh. 5 / 3. Denn das iſt die liebe zu Gott daß wir ſeine gebot hal - ten (alſo wo unſer eigenlicher fleiß dahin ge - richtet iſt / ſo giebet ſolches ein gewiß zeichen der liebe /) und ſeine gebot ſind nicht ſchwer. Woraus wir noch ferner ein zeugniß der liebe ſehen / wenn wir bey uns befinden / daß in ſolchen dingen / an die ſon - ſten fleiſch und blut eben nicht gerne kom̃et / die verrichtung derſelben leichter wird / als ſie ſonſt andern zu werden pfleget / und wir auch ſonſten aus der natürlichen widrigkeitgegen64gegen das gute hätte hoffen moͤgen: denn ſolches zeiget nicht nur die liebe an / ſondern einen ziemlichen grad derſelbigen / der die natürliche zuneigung bey uns überwinde. Der grund dieſes kennzeichens iſt dieſer; es iſt der liebe art / daß ſie gern dem geliebten gefallen moͤchte / und ſich alſo darnach be - ſtrebet / wo wir alſo üm der urſach willen / weil GOTT uns dieſes oder jenes geboten habe / demſelben nachtrachten / ſo ſuchen wir alſo ihm gefaͤllig zu werden / welches der lie - be zukommet. Nachdem aber ſo wol die liebe zu GOtt / als auch die begierde ihm zu gefallen / auff zweyen ſtücken beruhet / einer - ſeits / weil er an ſich / als das hoͤchſte Gut / welches alle vollkommenheiten an ſich hat / würdig iſt / von allen geliebt zu werden / an - der ſeits / weil er mit ſo vielen theuren wohl - thaten in geiſtlich und leiblichem ſich um uns ſo trefflich verdienet hat / und alſo wür - dig iſt / daß wir ihm danckbar werden / ſo ha - ben beyde dieſe abſichten platz / ob wol in der erſten eine hoͤhere ſtaffel iſt: es ſeye dañ nun / daß wir bey uns fühlen / wir thun unſer weꝛck / weil wir das hoͤchſte weſen ſo hoch hal - ten / daß wir ihm gerne / wie alle creaturen ſchuldig ſeyn / gefallen moͤchtẽ / oder daß wirver -65verlangen / ihm vor die empfangene guttha - ten / die uns vor augen ſtehen / und wir aus deroſelben betrachtung einen trieb empfun - den haben / danckbar werden wolten / ſo iſts ein zeugniß / daß ſolches werck auß wahrer liebe geſchehen ſeye. Daß aber das ſtreben darnach / um GOtt wohl zugefallen / ſich in der liebe finde / ſehen wir 1. Corinth. 7 / 32. 33. 34. da der liebe Apoſtel in dieſem punct ei - nen unterſcheid zeiget unter den ledigen und verheyratheten / daß der verheyrathete ſor - ge / was die welt angehoͤꝛet / wie er dem weibe gefalle oder eine veꝛheyrathete / wie ſie dem manne gefalle. Hingegen von den ledigen und jungfrauen heiſt es / ſie ſor - gen / was dem HErrn angehoͤret / wie ſie dem HErrn gefallen / nemlich / daß ſie heilig ſeyn / beyde am leibe und auch am Geiſt. Da ſehen wir / wie die liebe ei - nes Ehegatten gegen den andern dieſes wir - cket / daß daſſelbe jenem zu gefallen ſich be - mühet / daß denn auch dieſes ein zeugnis der liebe gegen GOtt ſeye / wo man trachtet / ihm zugefallen. Dahero kommen die ver - mahnungen und andere reden der Schrifft / 1. Theſſ. 4 / 1. Wie ihr ſollet wandeln / und Gott gefallen / daß ihr immeꝛ voͤl -liger66liger werdet / 2. Cor. 5 / 9. Darüm (weil wir nehmlich gern bey dem HErrn waͤren / ſo auch eine anzeige der liebe iſt /) fleißigen wir uns auch / wir ſind daheim / oder wallen / daß wir ihm wolgefallen / Col. 1 / 10. Daß ihr wa[n]delt würdiglich dem HErrn zu allem gefallen / und fruchtbar ſeyd in allen guten wercken / Hebr. 12 / 28. Wir haben gnade / durch welche wir ſollen GOtt dienen ihm zu gefallen. Dieſes kennzeichen wird ſo viel kraͤfftiger / wenn wir trachten Gott zu gefal - len / auch mit ausſchlieſſung der menſchen wolgefallens / nemlich / daß wir eben ſo wil - lig thun / worinnen wir Gott gefallen / wenn es auch ſchon die menſchen nicht wiſſen oder erfahren werden / ſondern GOtt allein ſie - het / was wir thun / als wir es thaͤten / wenn ſie es wüſten / und wir alſo damit ihre gunſt erlangeten: ja gar / ob wir auch ſchon ſehen / daß wir damit ihre gunſt verlieren werden. Daher trachtet ein liebhaber GOttes gar nicht eigenlich anders / als ſo viel die liebe erfordert / (ſiehe 1. Cor. 10 / 33.) den men - ſchen zu gefallen / ſondern da heiſſet Pauli regel / Gal. 1 / 10. Gedenckeich menſchen gefaͤllig zu ſeyn? Wenn ich den men -ſchen67ſchen noch gefaͤllig waͤre / ſo waͤre ich Chriſti knecht nicht.

§. 24.

Hierzu koͤmmet nun 2. ferner als ein zeugnis der liebe und gnade / wo wir warhafftig bey uns finden / daß wir / was wir thun wollen / üm GOttes ehre wil - len thun / die wir gern preiſen / und nach al - ler moͤglichkeit befoͤrdern wollen: und zwar ohne einmiſchung einiger unſerer eigenen ehre oder ruhms. Zum Exempel / wann es dinge ſind / da wir wiſſen / daß unſer dabey nicht wird gedacht / oder was wir ſelbs da - bey gethan / erkant / ſondern vielleicht gar andern zugeſchrieben werden / oder auch / wo wir vor augen ſehen / daß wir von der welt nur ſchmach und verachtung an ſtatt der ehre davon haben werden. Wo wir in ſolchen faͤllen dañoch redlich die ſache thun / weil wir GOtt gern ehren wollen / ſo iſt es ein zeugniß einer hierinnen reiner liebe: al - ſo auch / wo wir etwas gethan haben / da - durch GOtt geprieſen worden / wenn uns nicht ſo wol freuet / was wir vor vortheil und ruhm davon haben / ja ob uns das ge - gentheil derſelben betreffen ſolte / als viel - mehr / daß doch GOtt davon geprieſen wor - den. Der theure Paulus giebt uns deſſenein68ein exempel / Phil. 1 / 18. da er ſich freuet / daß das Evangelium von Chriſto in Rom ſtarck ausgebreitet worden / und zwar auch von ſolchen / die Chriſtum verkündigten aus zanck / und nicht lauter / indem ſie meyneten / ſie wolten eine trübſal zuwenden ſeinen banden / da es ihm alſo an ſeiner ehre und nutzen abgehen ſolte: aber er ſagt: Was iſt ihm aber dann? daß nur Chriſtus ver - kündiget werde allerley weiſe / ſo freue ich mich doch darinnen / und will mich auch freuen. Das iſt die art eines rechten liebhabers GOttes und Chriſti / der ſich der ehre Gottes freuet / auch mit ſeiner ſchande.

§. 25.

Eben dieſer art iſt auch 3. dieſes kennzeichen der liebe / wo man etwas gutes thut ohne anſehung ſeines nutzens / ja da man warhafftig ſiehet / daß man keinen nu - tzen / wol aber eher ſchaden / davon haben werde. Zwar iſts an dem / daß auch eine ſache kan warhafftig gut ſeyn / und in Goͤtt - licher liebe gethan werden / von dero man thaͤtlich / ſo gar auch in dem aͤuſſerlichen / ei - nen nutzen / vortheil oder luſt haben kan / da - her eine ſache aus vorſehung / was wir auch vor genuß davon haben moͤchten / nicht un - terlaſſen werden darff / wenn ſonſten Goͤtt -licher69licher befehl ſolche von uns fordert: indeſſen iſt nicht nur allein ſo viel ſorgfaͤltiger als - dann acht auff ſich zu haben / damit man nicht etwa eigenlich ſeinen nutzen darinnen ſuche / und ſolches unſre eigentliche abſicht werde / wie ſonſten leider! unſer betrügli - ches hertz ſeine tücke an uns üben kan / daß es uns ſchmeichelt / ob thaͤten wir eine ſache lauterlich zu GOttes ehre und ihm zu gefal - len / da dennoch in dem grund des hertzens / auff den wir nicht acht gegeben / aber wel - cher vor des HErrn augen offenbar / das ei - gen geſuch die vornehmſte antreibende ur - ſach geweſen iſt: Weßwegen gedachter maſſen wol über unſer hertz zu wachen ſte - het / und wir acht geben müſſen / ob wir / weñ ſolcher nutz nicht zu erwarten waͤre / es eben ſo wol / eben ſo willig / eben ſo fleißig thun würde / als wiꝛ nun bey ſolchem nutzen thun: alſo auch / ob wirs warhaſſtig zu andern mahlen ohne ſolchen nutzen gethan haben / damit wir alſo die eigene und Goͤttliche liebe recht lernen von einander ſcheiden. Da - her iſts im gegentheil eine ſo viel leichtere prob einer ſache / die warhafftig aus liebe zu GOtt geſchehen ſeye / wo in der that kein nutzen erfolget / oder auch vorher gehoffethat70hat werden koͤnnen / ja wol gar / daß wir un - ſern verluſt voran geſehen / und gleichwol das gute / was GOtt fordert / würdig ge - achtet haben / es ohne entgeld zu thun / und alſo ſcheinbarlich zu ſuchen / nicht was un - ſer / ſondern was Chriſti iſt.

§. 26.

Ein hoher grad dieſer liebe 4. und alſo auch deren zeugniß iſt / wo man eine ſache thut / ſo lauterlich aus liebe zu GOtt / daß man auch die vergeltung von ihm nicht eigenlich in ſolchem thun ſich vorſtellet. Es iſt zwar an dem / daß GOtt uns hierinnen nachſihet / und auch ſeinen kindern dieſes zugibet / daß ſie neben dem / daß ſie ihm ih - ren kindlichen gehorſam aus liebe und danckbarckeit leiſtẽ / auch in dem guten / was ſie thun / auff die vergeltung ſehen / welche der HErr den jenigen verheiſſen hat / welche ihm treulich dienen wollen. Auff welchem grunde alle verheiſſungen und trohungen in GOttes Wort beruhen / dadurch uns Gott von begehung des boͤſen abziehen / und zu verrichtung des guten anſpohren will. Zwar vermoͤchte er wol den gehorſam von uns nach ſeinem recht / als von ſeinen crea - turen / alſo zu fordern / daß er uns nichts da - vor verſpraͤche / wie denn auch / etwas ihmge -71gefaͤlliges zu thun bereits eine gnugſame ur - ſach iſt / warüm wirs thun: wie er aber ſeine überſchwengliche güte darinnen gegen uns erweiſet / daß er ihm nicht vergebens dienen laͤſſet / ſondern den jenigen allezeit mehr von ſeinen gütern mittheilet / welche ihm treulich gehorſamen / ſo erzeiget er ſie noch ferner eben darinnen auch / daß er ſolche verheiſ - ſungen vorher thut / damit ſie uns durch das jenige / was wir davon zu erwarten haben / auffmuntern / ſo viel mehr / nachdem er un - ſere jetzige ſchwachheit alſo kennet / daß / wo nicht die verheiſſungen waͤren / und unſere eigene liebe / die von natur in uns / aber ſchrecklich verdorben iſt / hingegen Gott die - ſelbe nicht austilgen / ſondeꝛn nur in die rech - te ordnung bringen / und auff die wahre - ter richten will / auffgewecket würde / unſre traͤgheit fort zu treiben / ſonſten der bloſſe befehl GOttes und vorhaltung unſerer pflicht nicht gnugſam ſeyn würde / von uns zu erlangen / was wir thun ſollen. Daher verwirfft er den gehoꝛſam der jenigen nicht / welche neben dem / und da ſie mit dem rech - ten aug auff ihn / ſeinen willen / und ehre ge - zwecket / mit dem lincken gleichwol auch darneben auff das jenige / was er uns indem72dem geiſtlichen und ewigen zugeſagt hat / ſe - hen / und ſich dadurch ſo viel mehr ermun - tern. Daher auch die heiligenſ elbs ſolche mittel offt bedurfft haben / mehr angefri - ſchet zu werden / und fand GOtt nothwen - dig / ihren glauben und gehorſam offt mit verheiſſungen zu ſtaͤrcken. So heiſſets von Moſe / dem trefflichen glaubens-helden / Hebr. 11 / 26. Er achtet / die ſchmach Chriſti vor groͤſſer reichthum / denn die ſchaͤtze Egypti / denn er ſahe an die belohnung. Jndeſſen bleibet dieſes ein - mahl ein hoͤherer grad der liebe GOttes / und haben wir uns auch nach demſelben zu beſtreben / ja es werden rechtſchaffene Chri - ſten zuweilen ſolche bewegung bey ſich fin - den / daß ſie ſo lauterlich etwas um GOttes willen thun / daß ſie dabey an keine / auch nicht die ewige / vergeltung dencken / ſondern es thun wolten / ihrem lieben GOtt zu ge - fallen / wo ſie auch nimmermehr etwas da - von zu erwarten hätten / ja ob kein Himmel und hoͤll / ſtraff und belohnung waͤre. Wel - chen grad jener Jüdiſche Rabbi Antigo - nus von Socho vor augen gehabt haben muß / da er ſeine jünger gelehrt / ſie ſolten ſeyn nicht als die knechte / die ihren Herrndiene -73dieneten mit der bedingung des lohns / ſon - dern als die knechte / die ihren herrn dieneten ohne bedingung des lohns / in der forcht GOttes: ob wol ſeine nach folger die Sad - duceer nach mahl ſolchen ſpruch ſchaͤndlich / und in einen irrigen verſtand / ob waͤre kein ewige belohnung zu erwarten / verkehret ha - ben. Es iſt auch ſolcher grad der liebe GOttes allhier noch in dieſer ſchwachheit müglich / und kan der menſch warhafftig durch Goͤttliche gnade dahin kommen daß er in vielen ſtücken mit einer ſolchen liebe vor GOtt wircke / darinnen ihm ſein gewiſſen zeugniß gebe / ohne abſicht auff die auch geiſtliche und ewige belohnung ſolches zu thun / je mehr auch die wahre liebe GOttes zunimmet / und je reiner ſie wird / ſo vielmehr vergiſſt ſie ihrer ſelbs / ſencket ſich allein in GOtt / und kan vor der abſicht auff ihn faſt desjenigen nicht wol gedencken / was von ihm auff ſie flieſſet. Hiemit wird zwar die - ſes nicht geſaget / daß alle das jenige wercke der natur waͤren / welche mit abſicht auff die Goͤttliche belohnug geſchehen / in dem wir gehoͤret / daß GOtt ſelbs ſeine verheiſſun - gen deswegen gegeben habe / daß ſie uns mit bewegen ſollen / daher der heilige Geiſt ebenDſo74ſo wol dieſe verheiſſungen in unſere ſeelen truckt / und wo wir denn etwas ſehen / da neben der liebe GOttes auch die abſicht der Goͤttlichen vergeltung mit dazu gekom̃en / ſo iſts gleichwol ein werck des heiligen Gei - ſtes in uns / womit wir zwar auch den jeni - gen wercken das wort nicht ſprechen wol - len / da ein menſch zwar ſeiner meynung nach ein werck aus liebe zu GOtt thut / aber dabey warhafftig die abſicht zugleich auff ſeinen nutzen / ruhm / anſehen und vergel - tung von menſchen hat / auch ohne dieſe es nicht / oder doch ſchwerlich / und faſt nicht anders als mit zwang / thun würde / als welcherley wercke nicht fern von der eigen - lichen heucheley und ruhmſucht ſind / nur daß jene etwas ſubtiler iſt / und der menſch den betrug ſeines hertzens nicht ſo warnimt. Wo aber der menſch das gute thut in einer liebe zu GOtt / aber bedarff dabey ſeine traͤgheit durch die vorſtellung Goͤttlicher gnaden-verheiſſungen auffzumuntern / und fühlet / wie ohne dieſe es ſchwer hergehen moͤchte / koͤnnen wir ſolches werck nicht der natur heimweiſen / ſondern es bleibet noch ein werck des Geiſtes und der gnade / ohne allein / daß die liebe noch etwas ſchwaͤcheriſt /75iſt / und der menſch deſto mehr darinnen zu wachſen trachten ſolle: Daher haben wir uns bey allen wercken auch nach dieſem ſtück zu prüfen / wie weit wir in der liebe zu - genommen haben / oder wie ſchwach wir darinnen ſind. Wir haben auch immer darnach zu ſtreben / daß wir in der liebe wei - ter zunehmen / und gleichſam eine ſtaffel nach der andern darinnen auffſteigen: in deme / ob wol alle warhaffte liebe ein zeug - niß der gnaden-würckung iſt / doch ſolches zeugniß immer ſo viel kraͤfftiger wird / als wir einen weitern grad erlangen / dabey wir uns auch wol zu hüten haben / daß wir nach unſerem maaß andere nicht meſſen ſollen / und etwa die jenige gnade / welche wir nicht erreichen / vor unmüglich halten. Daher / ob wir wol vor uns ſo weit nicht gekommen ſind / haben wir doch nicht zu zweiffeln / daß eine ſeele / die ſich in der liebe GOttes treu - lich geübet / endlich durch des heil. Geiſtes würckung ſo weit zu kommen vermoͤge / daß ſie Goͤttlicher ehre die liebe dero eigenen ſee - ligkeit dermaſſen nachſetze / daß ſie lieber ihr eigen heil und genuß der himmliſchen herr - ligkeit entrathen wolte / als daß etwas wider Goͤttliche ehre geſchehe: verſtehe nemlich /D 2wo76wo jenes moͤglich waͤre / und es ohne verle - tzung der tragenden liebe zu Gott / auch deſ - ſen ehre und warheit / geſchehen koͤnte / ſo zwar nicht müglich iſt. Denn hat die liebe der brüder den hocherleuchten Apoſtel Pau - lum ſo weit bringen koͤnnen / daß er Roͤm. 9 / 3. wünſchte verbannet zu ſeyn / von Chriſto vor ſeine brüder: wie ſolte nicht die noch hoͤhere liebe zu GOtt eben ſolches auch würcken? wie ſie auch wohl die jenige geweſen / ſo die bruder-liebe bey ihm der - maſſen geſtaͤrcket / daß er erkannt / wie gleich - wohl durch die ſeligkeit ſo vieler tauſend menſchen mehr als durch ſeine eigene ſelig - keit die ehre ſeines allerliebſten GOttes be - foͤrdert werden koͤnte. Welches anſehen die heroiſche liebe des Apoſtels zu GOtt ſo brünſtig macht / daß man dieſes verlangen faſt nicht ohne erſtaunen anſehen und dar - an gedencken kan. Jedoch läſſet ſich von ſolchem hoͤchſten grad der GOttes-liebe nicht ſo viel ſagen / als eine ſolche ſeele davon empfindet. Wo wir aber von andern davon hoͤren / haben wir gleichwol ſolches unmoͤg - lich zu ſeyn / nicht eben daraus zu ſchlieſſen / weil wir dergleichen grad nicht erreichet / ſondern vielmehr den HErrn ſo viel hertzli -cher77cher anzuruffen / daß er die in unſern hertzen ſo tieff eingewurtzelte eigene liebe dermaſſen ausreutẽ / hingegen ſeine wahre liebe in uns einpflantzen wolle / daß jene weder auff groͤ - bere noch ſubtilere art unſre wercke beflecke / oder doch unvollkommener mache / dieſe aber je laͤnger je mehr brünſtiger werde / alle ſchwachheit / unreinigkeit und lohnſüchtig - keit vollends bey uns zu verzehren daß in al - lem nichts / als die abſicht auff ihn / bey uns lauterlich übrig bleibe.

§. 27.

Es iſt auch 5. dieſes ein kennzei - chen der Goͤttlichen liebe / wenn uns etwas gewiſſes zu thun vorkommet / da wir auch darzu von andern gereitzet werden / oder ei - nigen nutzen dabey ſehen / wir finden aber zweiffel dabey / ob es auch allerdings GOtt gefaͤllig / oder ihm etwa zuwider ſeye / und wir alsdenn ſothane ſache lieber unterlaſ - ſen / auch den daher beſorgenden nachtheil und ungelegenheit willig übernehmen / ehe wir wollen uns nur in die gefahr ſetzen / et - was GOtt zuwider zu thun. Denn gleich - wie in ſolchem fall das anſehen des nutzens / den man haben koͤnte / oder der jenigen gunſt / welchen die ſache wolgefallen wür - de / ſtarcke verſuchungen des fleiſches ſind /D 3und78und leicht geſchehen kan / daß ſie die ſerupel / die man ſich übeꝛ Goͤttlichen willen gemacht hat / überwinden / daß man ſich darnach ſelbs überredet / die ſache ſeye GOTT eben nicht entgegen / ſo daher kommet / weil man ſie nunmehr mit partheyiſchen und von der begierde verblendetẽ augen anſihet / welches ein zeugniß giebet / daß die liebe unſer ſelbs / dadurch wir um ſolche zeit gereitzet werden / ſo weit ſtaͤrcker / als die liebe GOTTES: ſo iſt hingegen das jenige / wo wir in ſolchem kampff überwinden / und uns die ſor - ge / GOtt zu beleidigen / weil wir auffs we - nigſte an ſeinem willen zweiffeln / und einen ſerupel dabey übrig behalten / mehr von ei - nem ſolchen werck abhalten laſſen / als der vortheil oder anderer menſchen gunſt / die wir darauß hoffen / uns dazu bringen kan / ein liebes-zeichen / daß die liebe GOttes red - lich bey uns ſeye / aus dero wir GOtt ſo hoch halten / daß wir ihn nicht nur nicht offenbaꝛ - lich beleidigen wollen / ſondern uns auch ſcheuen / nur in gefahr uns zu begeben / ihm etwas widriges zu thun: wie ſich auch in der welt ein freund hütet / nicht nur ſeinem ſreunde nicht trotziglich leids zuzufügẽ / ſon - dern gar auch nichts zu thun / wobey er nuretli -79etlicher maſſen in ſorgen ſtünde / daß es ihm mißfallen moͤchte.

§. 28.

Den vorigen kennzeichen der liebe GOttes ſetzen wir 6. noch dieſes hinzu: wo der menſch warhafftig an ſeinem GOTT freude hat / und etwas dergleichen meiſtens in ſeiner ſeele fühlet / wenn ihm ein gedan - cken von GOtt einkommet / daher er auch ſo viel lieber ſtaͤts an ihn gedencket / und mehr darinnen / als in einiger andern ſache / ſeine ſreude ſuchet. Wir ſehen dieſen cha - racterem in den Pſalmen offters ausgetru - cket / Pſalm. 43 / 5. Daß ich hingehe zu dem altar Gottes / zu dem GOtt / der meine freude und wonne iſt / und dir GOtt auff der harffen dancke / mein GOtt. Pſalm. 52 / 11. Jch dancke dir ewiglich / denn du kanſts wol machen / und will harren auff deinen nahmen / denn deine heiligen haben freude dar - an. Pſalm. 63 / 6. das waͤre meines her - tzens freude und wonne / wenn ich dich mit froͤlichem munde loben ſolte. Pſ. 73 / 18. Aber das iſt meine freude / daß ich mich zu Gott halte / und meine zu - verſicht ſetze auff den HErrn HErrn / daß ich verkündige alle dein thun. D 4Pſalm.80Pſalm. 91 / 12. Jhr gerechten freuet euch des HErꝛn / und dancket ihm und preiſet ſeine heiligkeit. Pſalm. 40 / 17. Es müſſen ſich freuen und fꝛoͤlich ſeyn / alle die nach dir fragen / und die dein heil lieben müſſen ſagen allewege / der HErr ſey hochgelobet. Pſalm. 68 / 4. Die gerechten abeꝛmüſſen ſich freuen / und froͤlich ſeyn vor GOtt / und von hertzen ſich freuen. Pſalm. 69 / 34. Die elenden ſehen und freuen ſich / und die GOtt ſuchen / denen wird das hertz le - ben. Pſalm. 84 / 3. Meine ſeele verlan - get und ſehnet ſich nach den vorhoͤfen des HErrn / mein leib und ſeele freuen ſich in dem lebendigen GOtt. Pſalm. 105 / 2. 3. Singet von ihm / und lobet ihn / redet von allen ſeinen wundern; Rühmet ſeinen heiligen nahmen / es freue ſich das hertz derer / die den HErrn ſuchen. Pſalm. 118 / 24. Diß iſt dertag / den der HErr machet / laſſet uns freuen und froͤlich darinnen feyn. Pſalm. 119 / 162. Jch freue mich über deinem wort wie einer / der eine groſſe beute krieget. Pſalm. 122 / 1. Jch freue mich des / das mir geredt iſt / daß wirwer -81werden ins haus des HErrn gehen. Pſalm. 132 / 9. Deine Prieſter laſſe ſich kleiden mit gerechtigkeit und deine heiligen ſich freuen. Pſalm. 149 / 5. Die heiligen ſollen froͤlich ſeyn / und preiſen und rühmen auff ihren lagern. Ande - rer gleichlautenden zu geſchweigen. Dieſe ſprüche reden zwar von unterſchiedlichen arten der freude / über GOtt ſelbſten / deſſen thaten und wunder / ſeinen dienſt / wort und dergleichen: Jndeſſen faſſen ſie doch dieſes ins gemein in ſich / daß ſich bey den glaubi - gen eine ſolche art finde / welche eine freude an GOtt und Goͤttlichen dingen auff alle weiſe hat: wie eben dieſes eine eigenſchafft der liebe iſt / daß ſie ſich des geliebten in allen ſtücken / wo ſie an ihn dencket / oder mit ihm umgehet / hertzlich freuet: ja ſolche freude ih - ro das jenige leicht machet / was ihr ſonſten ſchwer ſeyn würde. Daher denn ſolche freu - de an GOtt und Goͤttlichen dingen ſelbs (die ſich auch offenbahret in fleiß und wil - ligkeit mit denſelben umzugehen / auch in ei - ner ſtaͤten begierde und verlangen nach eineꝛ voͤlligen gemeinſchaft und vereinigung mit GOtt /) ſo dann / was man in und mit ſol - cher freude vornimmet und thut / ein zeug -D 5niß82niß iſt einer voͤlligern gnaden-würckung und frucht der Goͤttlichen liebe.

§. 29.

Eine ſonderbahre art ſolcher freu - de / und alſo 7. neues kennzeichen / ſo mit dem vorigen nahe einſtimmet / iſt dieſes / wo ſonderlich der menſch bey ſich hat und fühlet eine hertzliche freude über die dinge / die zu GOttes ehren dienen / und zwar eben um der urſach willen / daß der liebſte Vater dadurch geprieſen werde. Wie ohne das der liebe art ins gemein iſt / daß ſie / wie dem geliebten alles gutes / wo - durch demſelben gefallen erwecket werden kan / goͤnnet / alſo auch ſich freuet / über das jenige / was ſie ihm erfreulich zu ſeyn glau - bet. Daher ſolche art ſich auch bey der Goͤttlichen liebe findet / wenn ſie hertzlich iſt. Solches kennzeichen wird auch ſo viel ver - ſicherter / wenn es ſolche dinge ſind / darüber man ſich freuet / davon wir ſonſten weder leiblich noch geiſtlichen nutzen vor uns ſelb - ſten haben / daher unſre freude entſtehen koͤnte / ohne daß deswegen ſolches aus reiner liebe zu GOtt geſchehe / ſondern ſo viel un - zweiflicher hervor leuchtet / daß wir warhaf - tig um GOttes willen uns freuen. Jn dem ſonſten / weil die eigene liebe ſehr ſubtil iſt /geſche -83geſchehen kan / wo man ſich der dinge / darinnen GOTT geehret wird / freuet / und es ſolche ſind / davon wir auffs we - nigſte in dem geiſtlichen eigenen nutzen ha - ben / daß uns unſer hertz betriege / und in deſſen grund die urſach ſolcher freude nicht ſo wol ſeye / weil GOtt dadurch ge - prieſen werde / als vielmehr weil wir davon etwas erwarten: welches denn nicht ſo wol Goͤttliche als eigene liebe / und dieſe ferner ſo viel reiner oder unreiner feyn würde / als der nutzen bewandt iſt / auff welchen wir ſe - hen. Daher ob zwar ſolche ſachen von dieſer probe nicht gantz aus zuſchlieſſen ſind / ſon - dern ein rechtſchaffener Chriſt nach redli - cher ſeiner prüfung etwa finden kan / wo es ſelbs oder der jenige / den er ſonſten ab ſon - derlich liebet / etwas gutes gethan hat / daß ihn nicht nur dieſes freue / weil er oder ſol - cher freund es gethan / und er davor von dem HERRN gutes ſich zu verſehen / oder auch an des freundes that gewiſſen theil ha - be / ſondern daß der vornehmſte grund ſei - ner freude ſeye / daß ſein liebſter Vater da - rinn geprieſen worden / daher er ſich nicht weniger freuen wolte / wo dergleichen von andern / die ihn ins beſondere nichtsD 6an -84angiengen / geſchehe / alſo auch in den dingen wovon er nutzen und ſonderliche erbauung hat / daß dannoch dieſe abſicht nicht der haupt grund ſeye / vielmehꝛ er ſich ſo iñiglich freuen / wenn er davon auch an ſeiner ſeele nichts zu genieſſen haͤtte / und die ehre ſeines allerliebſten Vaters vor ſeinen hoͤchſten nu - tzen halten wolte: ſo iſt dennoch jenes exem - pel der freude über die dinge / die uns vor un - ſte perſon in nichts angehen / am aller ſicher - ſten / weil es müglich iſt / daß ſich in den an - dern unſer betrügliches hertz ſelbs betriege / und uns die eigene / ſonderlich / wo ſolche nicht grob / ſondern ſubtil / und auch in ſich nicht boͤſe iſt / liebe vor die Goͤttliche anſehen mache: auffs wenigſte komt einer ſeele / die ſorgfaͤltig iſt / dieſer ſcrupeloͤffters ein / ob ſie ſich nicht etwa unwiſſend betriege: Wo ſie aber bey ſich ſo bald eine innige freude em - pfindet / wenn ſie ſiehet oder hoͤret etwas gu - tes zu geſchehen / ſo ſie abſonderlich weder mittelbar noch unmittelbar (als ſo ferne al - le kinder GOttes in einer gemeinſchafft ſte - hen) angehet / daher ſie weder vor ſich noch vor andere / denen ſie allein aus einer abſon - derlichen urſach zugethan / davon vortheil erwartet / auffs wenigſte an ſolchen nicht ge -den -85dencket / ja wo ſie auff einigerley art einigen ſchaden oder gefahr / vorwurff / beſchaͤmung ihrer eigenen nachlaͤßigkeit / daß ſie biß da - hin der gleiche nicht gethan / und ſolche fol - gen / die dem fleiſch eben nicht angenehm ſind / daraus vorſihet / da iſt ſo viel weniger zweiffel / es ſeye dieſe freude die frucht einer reinen liebe / die nur auff GOtt ſehe / und daß deſſen nahme geheiliget werde / ihre hoͤchſte vergnügung ſeyn laſſe / ja alles das ihrige derſelben willig nachſetze.

§. 30.

Wie ſichs nun mit der freude haͤlt / alſo haͤlt ſichs auch mit der Traurigkeit und Zorn / daraus wir das 8. kennzeichen der liebe GOttes hernehmen moͤgen. Es hat nemlich alle liebe dieſes in ſich / daß ſie ſich betrübet über das / was dem geliebten zu wider iſt / und hat einen hertzlichen eiffer gegen alles daſſelbige / welches auch nach bewandnis der dinge in zorn ausbricht. Al - ſo wo die liebe GOttes iſt / ſo wird ſich ſol - cher liebhaber darüber hertzlich betrüben / und es ihm wehe thun / wenn er etwas ſihet / ſeinem liebſten GOtt zu verdruß zu geſche - hen; er haſſet alles ſolches / widerſetzt ſich demſelben / zũrnet / ja brennet vor eiffer da - gegen / und ſolches allezeit ſo viel hefftiger /D 7als86als inbrünſtiger ſeine liebe / und die ſache GOtt dem HErrn und ſeiner ehre wider - licher iſt. Dieſe art wird ſchoͤn in dem 119. Pſalm mit mehrern worten ausgetruckt / v. 13. Jch bin entbrandt über die gott - loſen / die dein geſetz verlaſſen / v. 113. Jch haſſe die fladder-geiſter / und lie - be dein geſetz. v. 136. Meine augen flieſ - ſen mit waſſer / daß man dein geſetz nicht haͤlt. v. 139. Jch habe mich ſchier zu tode geeiffert / daß meine widerſa - cher dein Wort vergeſſen. v. 185. Jch ſehe die veraͤchter / und thut mir we - he / daß ſie dein Wort nicht halten. Des gleichen ſtehet auch etwas Pſal. 139 / 21. 22. Jch haſſe ja HErr / die dich haſſen / und verdreuſt mich auf ſie / daß ſie ſich wider dich ſetzen. Jch haſſe ſie mit rechtem ernſt / daꝛüm ſind ſie miꝛ feind. Daraus wir ſehen / daß ein doppelter affect beyſammen ſeye / oder aus dem anſehen ſol - cher dinge bey der liebhabenden ſeele entſte - he / ein betrübnis und traurigkeit um des ge - liebten willen / daß demſelben zu wider ge - handelt werde / und er das vergnügen an ſei - nem geſchoͤpff nicht finde / was er doch ha - ben ſolte / ſo dann ein unwillen / verdruß undzorn87zorn gegen den jenigen / welcher gegen den geliebten mißgehandelt. Dieſe beyde ſind der rechte eigenliche eiffer / der nothwendig in dergleichen fall aus der liebe kom̃en muß / wiewol er ſich nach mal auch in den ausbrü - chen in ſeinen ſchrancken halten / und mit ſanfftmuth vermiſchet ſeyn ſolle. Hingegen wo man wol damit zufrieden ſeyn kan / ob ſchon Goͤttliche Ehre mit füſſen getreten wird / und man ſolches nicht weꝛth haͤlt / dar - über ſich zu bewegen / wo man auch an den - ſelben keinen ſonderlichen mißfallen hat / die dergleichen thun / iſts einmal ein zeugniß / daß die liebe zu Gott nicht redlich oder doch nicht brünſtig iſt: dann dieſe haͤlt ſich alſo zu GOtt / daß ſie ſich deswegen von andern / die demſelben zu wider ſind / mit dem hertzen trennet / und nicht ſo zu reden neutral unter beyden bleiben will / und glaͤubet / es gelte ihr in dieſem ſtück Matth. 12 / 30. Wer nicht mit mir iſt / und alſo in ſich ſelbs meinen feinden auch zu wider iſt / der iſt wider mich. Wo dann nun dieſer eiffer ſich bey einer ſeelen findet gegen alle das jenige / was GOTT entgegen iſt / iſt ſo wol derſelbe ſelbs / auch auch / was ſie aus ſolcher bewe - genden urſach thut / eine wahre gnaden-wiꝛ -ckung88ckung und auch deroſelben zeugniß: und zwar / ſo viel ünfehlbarer / als empfindlicher der ſchmertze iſt / den die ſeele über das boͤſe / ſo ſie ſehen muß / fühlet / und ſo viel ſtaͤrcker der haß dagegen ſich offenbaret: ſonderlich wo ſolche bewegungen ſich finden / gegen die jenige und dero boͤſes welche man ſonſten und auſſer ſolcher abſicht nicht nur allein nicht haſſet / ſondern ſie gar liebet / und dero freundſchafft werth gehalten hat. Denn damit zeiget ſich / daß die liebe zu Gott ſtaͤr - cker ſeye als die andere / wo dieſe bey uns nicht hindert / daß nicht der eiffer / ſo aus je - ner entſpringet / ſich gegen alles hervor thue / was uns auſſer dem ſo angenehm waͤre als unſer augapffel iſt. Es gehoͤret in gewiſſem verſtand allen liebhabern GOttes zu / was Moſes in ſeinem letzten ſegen zu Levi ſpꝛach: 5. Moſ. 33 / 9. Wer zu ſeinem vater / und zu ſeiner Mutter ſpricht / ich ſehe ihn nit / und zu ſeinem bruder / ich keñe ihn nit / und zu ſeinem ſohn / ich weiß nit / die halten deine Rechte / und bewah - ren deinen bund. Das iſt / die jenige alle lieben GOtt recht / und alſo bewahren ſie den bund GOttes / welche ſich die natürli - che liebe der ihrigen von nichts laſſen abhal -ten /89les / was ſonſten die liebe GOttes von ihnen erſordert / und alſo auch nicht von dem ver - druß miß fallen / welch es ſie an allem ha - ben ſollen / was ihrem GOtt zu wider iſt / wann hingegen einer ſeits die liebe GOttes einen eiffer gegen das boͤſe / dadurch ſie be - leidiget wird / fordert / und die eigene natür - liche liebe gegen den / der es gethan hat / hält ſolchen eiffer zurücke / ſo tringet ja dieſe der Goͤttlichen liebe vor / und hat demnach jene die gehoͤrige ſtaͤrcke nicht. Welches auch eben das jenige iſt / was unſer Heyland ſeine Jünger lehret / Luc. 16 / 24. So jemand zu mir komt / und haſſet nicht ſeinen vater / mutter / weib / kinder / brüder / ſchweſter / auch darzu ſein eigen leben / der kan nicht mein jünger ſeyn. Wo einmal ſolches haſſen mit ſich bringen muß / daß man an ihnen das jenige / was GOTT zu wider iſt / nicht weniger haſſe / als mans an andern eckeln würde. Wo alſo dieſes ſich findet / iſts einzeugnis / daß die natur über - wunden ſeye / und was alſo geſchiehet / von den komme / der uns dieſelbe zu überwinden krafft giebet.

§. 31.

Gleichwol iſt bey dieſem kennzei - chen auch wol acht zu geben / daß man ſichſelbs90ſelbs nicht betriege / welches unſers menſch - lichen betrüglichen fleiſches art iſt / daß es auch die jenige dinge / ſo ihm ſonſt zuwider ſind / zu ſeinem vortheil verkehrt. Es iſt ja nichts gemeiner / als daß an ſtatt des heili - gen feuers / auch fremdes feuer / welches GOtt ein greuel iſt / in das heiligthum ge - bracht werde / und geſchihet alſo offt / daß fleiſchlicher eyffer an ſtatt des Goͤttlichen entbrennet / und dannoch von den unvor - ſichtigen vor dieſen geachtet / daher als et - was heiliges angeſehen wird. Wie aber der Goͤttliche eyffer aus der Goͤttlichen lie - be entſtehet / und von derſelbigen zeuget / al - ſo hingegen entſtehet der fleiſchliche eyffer aus eigen-liebe / und iſt eine traurige anzeige derſelbigen. Weswegen es wiedrum eine ſorgfaͤltige prüfung noͤtig hat / die beyde ar - ten des eiffers zu unterſcheiden. Da moͤch - ten wir nun ſonderlich folgendes mercken: 1. Der Goͤttliche eiffer gehet ohne unter - ſcheid der perſon gegen alles boͤſe / ſo wol bey denen / die wir ſonſten lieben / und die uns angehoͤren / als welche uns fremde ſind / oder wol gar / welche wir vor unſre feinde achten: Wer unter ſolchen unrecht thut / den / oder vielmehr das üble an und von ihmhaſ -91haſſen wir / alldieweil ja der affect eigenlich nicht gegen die perſon / ſondern die that oder die ſünde gehet: wann dann eine ſünde von dem einen ſo wol / als von dem andern / ge - gen den einigen GOtt / deſſen liebe unſer hertz erfüllet haben ſolle / gehet / ſo muß unſer eiffer gegen dieſelbe ohne partheyligkeit ge - hen / und keinen unterſcheid machen / da in der ſache kein unterſcheid iſt. Wo aber der eiffer gegen die jenige allein gehet / zu de - nen ſich ſonſten keine urſach einer natürli - chen liebe bey uns gefunden / oder wol gar / welche mit ihrer widrigkeit uns auch ſonſten gegen ſich gereitzet / daß wir entweder würk - lich in feindſchafft gegen ſie ausgebrochen waͤren / oder doch bekennen müſten / daß un - ſer fleiſch uns dazu treiben wollen / daß wir es / durch voꝛſtellung Goͤttlichen willens / zu - rück zu halten noth gehabt haben / hingegen wo gleiche ſünden bey den fꝛeunden und uns in dem übrigen angenehmen perſonen ſich finden / und wir aber ſolche woltragen koͤn - nen / ohne einen Goͤttlichen eiffer dagegen zu ſpürẽ / auffs wenigſte in viel geringere grad / als bey jenen: da iſt es ſehr verdaͤchtig / daß der eiffer fleiſchlich ſeye / und entweder die alte feindſchafft / ſo ſonſten durch Goͤttlichegna -92gnade getilget geſchienen / wieder hervor breche / oder nunmehr das fleiſch der gele - genheit ſeinen haß / den wir noch zurück ge - halten / ausbrechen zu laſſen / ſich mißbrau - che / und doch in dem gꝛund nicht die ſünde / ſondern den feind haſſe: auffs allerwenig - ſte / daß der eiffer nicht ſeine reinigkeit und krafft habe / wie er ſolle / welcher ſo bald durch den umſtand der perſon / die wir ſon - ſten lieben / zurück getrieben / oder doch ge - ſchwaͤchet werden kan / da einerley ſünden uns von andern in elephanten groͤſſe vor - kommen / bey andern aber kaum als mücken geſehen werden.

§. 32.

Wie nun dieſes kennzeichen den Goͤttlichen und fleiſchlichen eifſer unter - ſcheidet / ſo iſt 2. nicht ein geringers kennzei - chen und unterſcheid / wo man acht giebet / wie ſich der eifſer verhalte gegen die ſünden ſelbs / und ob er unter denſelben unziemli - chen unterſcheid mache. Gehet unſer eiffer gleich durch / wir eiffern ohne unterſcheid gegen alle ſünden / welche und wie fern ſie GOtt zuwider ſind / ſo iſt ſolches (wo es an - derm nicht manglet) ein ſtattliches zeugniß eines Goͤttlichen eiffers: wo wir hingegen nur eiffern gegen gewiſſe ſünden / gegen an -dre93dre aber / die uns aus andern urſachen / na - türlicher zuneigung oder gewonheit ange - nehm ſind / und wir ſelbs damit zu kaͤmpffen haben / keinen eiffer zeigen / und ſie entweder ſelbs belieben / oder vor ſehr geringe achten / da ſie dannoch in Goͤttlichem Wort nicht geringer als jene geachtet werden / ſo iſts ein zeichen / daß auch jener eiffer nicht recht Goͤttlich ſey / und gegen die ſunde nicht lau - terlich nur ſtreite / wie ſie GOtt zuwider iſt / ſondern deswegen / weil etwas darinnen ſeye / ſo uns mißfaͤllig iſt. Denn waͤre es warhafftig die ſünde / als ſünde / gegen wel - che wir eifferten / würden wir keinen ſolchen partheyiſchen unterſcheid machen. Eine gleiche bewandniß hat es damit / wo einige ſünden ſind / davon wir gleichwol bey an - dern einen nutzen haben moͤgen / und das an - ſehen deſſelben hebet unſern eiffer dagegen auff / oder mindert ihn / ſo iſts ein zeugniß / wie tieff die eigene liebe bey uns gewurtzelt / daß ſie die frucht der Goͤttlichen liebe bey uns hindere / welcher urſach wegen auch je - ner eiffer uns billich verdaͤchtig wird: Am allermeiſten aber kan leicht betrug mit vor - gehen / wo wir eiffern gegen die ſünde / wel - che uns ſelbſt ſchaden bringen / oder unmit -telbar94telbar gegen uns begangen werden / wo dañ nichts leichter iſt / als daß unter dem vor - wand eines Goͤttlichen ſich der fleiſchliche eiffer verberge. Daher rechtſchaffene Chriſten in ſolchem fall / wo wider ſie geſun - diget worden / als ihres betrüglichen her - tzens wohl bewuſt / ſich in dem eifer ſo zurück zu halten pflegen / daß man gedencken ſolte / ſie haͤtten urſach vor GOtt wider ſothanes übel mehr zu eiffern / aber ſie trauen theils ſelbs ihrem eigenen hertzen nicht / damit es ſie nicht überliſte / und ſich das fleiſch eines ihm bequemen vortheils bediene / theils - ten ſie ſich / damit nicht andere / ſo die ſache nicht gnug zu unterſuchen vermoͤgen / ſich an ihrem ob wol Goͤttlichem eiffer aͤrgern / und denſelben vor privat affecten achten - de / zur nachfolge reitzen und verführen laſ - ſen. Daher überlaſſen ſie es lieber / daß vielmehr andere / die weniger partheyiſch / oder dergleichen von denſelben geſorget werden kan / gegen ſolche ſünden eiffern / ſonderlich wo es zu einer würcklichen be - ſtraffung kommen ſolle.

§. 33.

Zu den vorigen koͤmmt 3. noch dieſer unterſcheid / daß der Goͤttliche eiffer dem Goͤttlichen exempel auch folget. GOtteiffert95eiffert gegen das boͤſe / und ſolches thut ihm wehe / daher ers haſſet und ſtraffet / aber er bleibet dannoch die liebe ſelbs / und liebreich gegen die ſünder / als lang die von der gerech - tigkeit beſtimmte zeit der gnaden noch waͤh - rer / geſinnet / daher er nicht unterlaͤſſet / ſo viel ohne verletzung ſeiner gerechtigkeit ge - ſchehen kan / denſelben gleichwol gutes zu thun / ſonderlich aber ſie zurecht zu bringen / und auch ſeine züchtigung / damit er ihre ſünden heimſuchet / zu dem zweck ihres be - ſtens zu richten / daß daher immerdar das heiligſte temperament und vermiſchung ſeines ernſtes gegen das boͤſe / und ſeiner lie - be gegen die jenige / welche es gethan / bey ihm anzutreffen iſt. Gleicher art iſt nun auch der wahre Goͤttliche eiffer / daß der je - nige / bey dem dieſer anzutreffen / von grund der ſeelen dem boͤſen und der ſünde feind iſt / ja ihm in ſeiner ſeelen wehe thut / da er daſ - ſelbe anſehen muß / auch daher deſſen nicht ſchonet / ſondern ſich ihm / auch in denen / die er ſonſten liebet / widerſetzet / auch deswegen ſich gegen dieſe dermaſſen bezeuget / daß ſie es wol als eine feindſchafft annehmen moͤgen: indeſſen aber die perſon warhafftig liebet / eine innigliche erbarmung gegen ſiebey96bey ſich führet / wünſchet von hertzen / daß ſie dergleichen nicht gethan haͤtte / wolte gern / wenn es moͤglich waͤre / etwas darum geben / bittet vor ſie hertzlich / um dero buß / vergebung und leitung des heiligen Geiſtes / trachtet / wo er vermag / ſelbs an dero beſſe - rung zu arbeiten / oder andern anlaß darzu zu geben / begegnet ihr auch ſonſten mit al - ler art der liebe / auſſer dem / was ſie von der ſünde abzubringen / und den eiffer gegen die - ſe zu erweiſen / noͤthig iſt. Wo man ſich al - ſo gegen den ſündigen naͤchſten haͤlt / ſo iſt es ein rechter eiffer aus GOtt / und kommt aus der liebe zu dieſem / welche allezeit die liebe des naͤchſten neben ſich hat / und ſolche ſo viel brünſtiger / als ſie gegen Gott innig - lichen iſt. Hingegen bey dem fleiſchlichen eifer iſt allezeit eine bitterkeit und eigenlicher haß gegen den naͤchſten / man freuet ſich wol gar über des naͤchſten ſünde / ſonderlich wo ſich derſelbe / da er vorhin nicht wol mit uns geſtanden / dadurch in ſchimpff und ſchaden geſtürtzet hat / oder wir davon eini - gen vortheil gewinnen / auffs wenigſte einer forcht vor ihm befreyet werden / oder wo es ſo grob nicht wird / mangelts doch an der wehmütigen erbarmung / daß man nichtaus97aus derſelben gewahr wird / wo mit ſich et - wa des nechſten fehler annoch in liebe ent - ſchuldigen lieſſe / ſondern bey dem haͤrteſten urtheil bleibet / man betet nicht ſo flehentlich vor ihn / ſondern ob man ihm nicht gar flu - chet / wünſchet man ihm doch / daß ihn GOtt rechtſchaffen deswegen hernehmen wolle / zwar unter dem vorwand / oder wol auch einbildung / daß die wahre abſicht nur auff ſeine beſſerung gehe / da doch der HErr in dem grund der ſeelen gewahr wird / und wir es auch / wo nicht des fleiſches betrug ſo groß waͤre / bey uns gewahr werden koͤnten / daß uns ſein leiden wohl thut / und wir es ihm goͤnnen: man ſuchet ihm nicht ſo wol zu ſeiner beſſerung zu helffen / als ihn zu ſtürtzẽ / oder ihm wehe zu thun / und zu erkennen zu geben / daß wir nun eine urſach an ihn haͤt - ten: man verſaget ihm auch andere ſchul - dige liebes-dienſte / dadurch er nicht eben in ſeiner boßheit geſtaͤrcket / oder ihm dieſelbe zu üben anlaß gegeben würde / man iſt nicht willig / da nur die ſünde auffgehoben wäre / auch alle widrigkeit auffzuheben; und was andere der gleichen fleiſchlichen haſſes früch - ten mehr ſind. Wo dann dieſe ſich finden / da hat man gnugſame zeugniſſen / daß esEnicht98nicht Goͤttlicher / ſondern fleiſchlicher eiffer ſeye.

§. 34.

Dieſe dinge ſind bey dem eiffer deſto fleißiger in acht zu nehmen / weil uns allen von natur dieſe unart angebohren iſt / daß wiꝛ leicht gegen andere züꝛnen / und in ei - ne hefftigkeit ausbrechen / daher das fleiſch / wenn es ſonſten noch ziemlich in zaum ge - halten wird / gar gern bey einer ſcheinbaren gelegenheit ſein gifft ausſchüttet / und ſich doch mit der einbildung eines Goͤttlichen eiffers betrüglich ſchmeichelt / Chriſtus hin - gegen uns ſonderlich die ſanffemuth auch nach ſeinem exempel / Matth. 11 / 29. 12 / 19. 20. anbefiehlet: Wie er denn ſelbs in den ta - gen ſeines fleiſches / ob er wohl nicht unter - laſſen / auch vor die ehre ſeines Vaters zu eif - fern / und das boͤſe an denen / die es gethan hatten / und nicht erkeñen wolten / mit ernſt - lichen worten zu ſtraffen / daß ihn alſo der eiffer üm das hauß ſeines Vaters gefreſ - ſen / Joh. 2 / 17. dannoch das meiſte ſeines le - bens vielmehr in lauter ſanfftmuth und ge - dult gegen die jenige / welche manches nicht recht machten / zugebracht / als ſtets einen eiffer und hefftigkeit ſpürẽ hat laſſen. Daher wir / ſo offt wir in einen eiffer zu entbrennenan -99anfangen / auff ſeine ſanfftmuth die augen gerichtet behalten müſſen / damit derſelbige durch dieſen ſpiegel / oder das darinnen er - ſcheinende bilde des ſanfftmüthigſten JCſu in ordnung behalten werde.

§. 35.

Wie wir der betrübnis bereits ge - dacht / daß welche GOtt rechtſchaffen lie - ben / ſich darüber hertzlich betrüben / wo ſie ſehen / was GOtt zu wider geſchiehet / ſo fin - det ſich auch eine ſolche betrübnis bey ihnen über ihre eigene ſünde / ſo wir als das 9. kenn - zeichen der wahren liebe anſehen. Es thut einem menſchen ſelbſten wehe / wo er etwa unvorſichtig einen guten freund beleidiget und betrübet hat / auch je hertzlicher er jenen liebt / ſo vielmehr ſchmertzet ihn ſeine that. Alſo auch wo die liebe GOttes in einer ſeele rechtſchaffen iſt / kan es nicht fehlen / daß es ihr nicht ſolte wehe thun / da ſie ihren himli - ſchen Vater beleidiget hat / weil ſie ja denſel - ben liebet. Dieſes iſt die Goͤttliche trau - rigkeit / die da wircket zur ſeeligkeit ei - ne reue die niemand gereuet / 2. Cor. 7 / 10. Und entſtehet ſo wol aus der liebe GOt - tes / als die traurigkeit der welt / die man em - pfindet aus dem verluſt irꝛdiſcher güter / aus dero liebe entſpringet. Zwar iſt hiebey auchE 2wol100wol in acht zu nehmen / daß Gott gleich - wol was dieſes affects fühlung anlangt / ſo wol als in andern ſtücken / es mit ſeinen kin - dern nicht auff einerley weiſe haͤlt / ſondern nach ſeiner weisheit ein jegliches unter den - ſelben alſo führet / wie ers ſeiner ehre an ih - nen am allervortraͤglichſten achtet. Daher ſind einige unter rechtſchaffenen Chriſten / welche in ſehr tieffe traurigkeit ihrer ſünden führet / und etwa lange in ſolcher hoͤlle / haͤlt / daß ſie auch darinnen ihrem Heyland aͤhnlicher werden / und wol auch eine gute zeit kaum etwas von tꝛoſt ſchmecken koͤnnen / ſondern lauter zorn fühlen / wodurch ſie aber ihr Vater gemeiniglich ſo vielmehr laͤutert / und zu hoͤhern graden in ſeiner erkaͤntniß anderem wachsthum ihres iñern menſchen befoͤrdert / worinnen er ſich auch manchmal ihres natürlichen temperaments, ſo zur traurigkeit geneigter gebrauchet / oder viel - mehr ihnen eben deswegen ein ſolches gege - ben hat / ſo zu dem jenigen beqvemer waͤre / was er mit ihnen vor hat. Andre führet der HErr einen andern weg / entweder daß er ſie zu jenem zu ſchwach findet / oder was bey ihnen über einen jeglichen die ſonderba - re urſachen ſeyn moͤgen / daß ſie alſo von ſol -cher101cher traurigkeit über ihre ſünden / es ſeye dañ bey ihrer erſten bekehrung / wenn es daſelbs mit ſchweren geburts-ſchmertzen hergehen müſſen / wenig und ſelten etwas fühlen / ſon - dern ob ihnen wol in der that die ſünden leid ſind / bey deroſelben vorſtellung alſobald die erkaͤntniß der Goͤttlichen gnade / die ihnen in der vergebung widerfahren / hindert / daß die traurigkeit ſie nicht ſtarck faſſen / oder ſo tieff eindringen kan / ſondern die wunde / die ſie haͤtte ſchmertzen werden / weil ihnen die gnade gleich begegnet / alsbald geheilet wird. Ob nun alſo wol die empfindligkeit deꝛ trau - rigkeit nicht einerley iſt / aber eben üm der ur - ſach willen / weder einerſeits die jenige / wel - chen dieſer kelch voͤller eingeſchencket / wo ſie andere mehr verſchonet ſehen / darüber ſich beſchweren / oder einen haß GOttes gegen ſich (da vielmehr gemeiniglich eine ſo viel mehrere liebe gegen ſie abgenommen werden ſolte / weil er ſie / gewiß zu ihrer nicht gerin - gen ehr und nutzen / ſeinem Sohn und deſſen leiden ſo viel aͤhnlicher machet /) daraus ſchlieſſen / noch auch hinwider die andere / weil ſie dergleichen an ihnen nicht fehlẽ / ver - urtheilen / und ihre auffrichtigkeit in zweiffel ziehen / noch auch anderſeits die jenige / deroE 3der102der HErr ſchonet / entweder ſich an der an - dern betrübterem anſehen / aͤrgern / oder ih - nen ſelbs / weil es Gott mit ihnen nicht auff gleiche weiſe halte / unnoͤthige angſt machẽ / ſondern beyderſeits mit der Goͤttlichen lei - tung zu frieden ſeyn ſollen: ſo iſt doch gewiß / daß es bey rechtſchaffenen liebhabern Got - tes nicht gantz ohne betrübnis über ihre ſün - de abgehet / und bleibet auffs wenigſte / wo dieſelbe den zuſtand ihres fleiſches mit Pau - lo anſehen / daß es endlich heiſſet / Rom. 7 / 24. Jch elender menſch / weꝛ wird mich[er]loͤſen aus dem leibe dieſestodes? da iſt nun aber bey ſolcher betrübnis wol zu mercken / daß / ob dero maaß zwar unterſchie - den iſt / gleichwol ihre art einerley bleibe / nemlich / daß es rechtſchaffenen Chriſten wenn ſie entweder mit wehemuth ihre taͤgli - che ſchwachheit / und immer anklebende ſün - den anſehen / oder eines und andern ihres mißtritts gewahr werden / damit ſie wider ihre pflicht gethan / warhafftig in der daher entſtehende reue es nicht ſo wol um die ſtraf - fe / die ſie damit verſchuldet haben / als um die ſünde ſelbs zu thun ſeye: Sie wolten gern des HErrn ſtraffen ausſtehen / ob ihrer noch ſo viel waͤren / wo ſie nur damit machen koͤn -ten /103ten / daß ſie nicht geſündiget haͤtten. Hin - gegen wie die eigenliche reue über die ſünde ſelbs eine frucht der Goͤttlichen liebe iſt / ſo iſt die betrübnis über die verſchuldete ſtraff ei - ne folge der noch eigenen / und meiſtens un - ordentlichen liebe. Nach welcher wir auch allemal unſere betrübnis und reue über die ſünden prüfen müſſen / ob ſie rechter art ſeye / aber uns allemal verſichern koͤnnen / wo die reue und ſolche traurigkeit ſich bey uns fin - de / ſolte es auch mit weniger empfindligkeit hergehen / ſo ſeye ſolche ſamt allem was dar - aus folget / und darinnen geſchiehet / ein zeugnis der Goͤttlichen liebe und eine war - haffte gnaden-würckung.

§. 36.

Zu denen bißher betrachteten zeug - niſſen der liebe Gottes koͤnnen wir noch wol das 10. ſetzen / welches iſt / wo wir alle züch - tigung / die uns GOtt zuſendet / mit hertzli - cher zufriedenheit annehmen / und uns nicht darüber beſchweren / wo nemlich ſolche ge - dult auch auff dem rechten grund beruhet / nemlich nicht ſo wohl / weil es nicht zu aͤn - dern ſtehe / und alſo beſſer ſey ohne widerſetz - ligkeit / die uns doch nichts nütze / hingegen unſer gemüth nur deſto mehr verunruhige / ſich d[e]nſelben zu untergeben / auch nicht ſowol104wol aus einer andern angewehnten haͤrtig - keit des gemüths / daß wir uns gar nichts zu hertzen gehen lieſſen / viel weniger aus einer ruhmſucht / und ſich damit ſehen zu laſſen / als welche urſachen vielmehr alle ein fleiſch - lich hertz zeigen / und alſo von der gnaden - würcknng nicht zeugnis geben koͤnnen: ſon - dern wo / ſage ich / ſolche gedult herkommet aus der erkaͤntnis eines theils unſerer ſün - den / damit wir das leiden verurſacht haben / anders theils der liebreichen hand / die es uns zuſchicket. Unſre ſünden müſſen uns dahin weiſſen: daß es heiſſe / Mich. 7 / 9. Jch will des HErrn zorn tragen / denn ich habe wider ihn geſündiget. Wir müſſen GOttes gerechtigkeit auch ſelbs an uns preiſen / und ſo gar nicht dagegen mur - ren / daß wir uns dieſelbe wolgefallen laſſen. So lautet es bedencklich 3. Moſ. 26 / 41. Da wird ſich ja ihr unbeſchnitten heꝛtz demüthigen / und denn werden ſie ih - nen die ſtraffe ihrer miſſethat gefallen laſſen. Wo unſres theuren Lutheri wort ſehr trefflich ſind: Gleichwie ſie luſt an ihren ſündẽ / und eckel an meinen rech - ten hatten / alſo werden ſie wiederumb luſt und gefallen haben an der ſtraffe /und105und ſagen / ach wie recht iſt uns ge - ſchehen / danck habe unſre verfluchte ſünde / das haben wir nun davon. O recht / lieber Gott / o recht. Und das ſind gedancken und woꝛt einer ernſten reu und buß / die ſich ſelbs aus heꝛtzens - grund haſſen und anſpeyen lehret / pfuy dich / was hab ich gethan. Und bald darauff: Eben ſo iſt es auch zu verſtehen: Dem land gefaͤllet ſeine feyren / v. 43. das iſt / es ſpricht: Gott habe recht in der ſtraffe / daß es wüſte liegen muß / um des volcks willen / nach dem es ſich ſehnet. Wie denn ſol - che willige unterwerffung unter die Goͤttli - che gerichte die rechte reue zeiget / alſo zeiget ſie auch eine rechte liebe zu Gott / daß wir ihn und auch ſeine gerechtigkeit / ob wol dero ge - fühl dem fleiſch wehe thut / dannoch ſo werth halten / daß wir an dieſen gefallen haben. Al - ſo auch / wol die betrachtung / daß das leiden von der hand unſers Vaters komme / zu we - ge bringet / daß wir uns deswegen der züch - tigung nicht wegern / ſondern ſie uns wolge - fallen laſſen / und die ruthe um der hand wil - len / die ſie führet / gleichſam küſſen / iſt auch ſolches ein zeugnis der liebe / und daß unsE 5deſſen106deſſen liebe als die einige liebe angelegener ſeye / in dem wir das jenige nicht haſſen / was dieſer zu wider iſt / weil es von deme komt / an welchem jene ein rechtes gefallen hat. Damit iſt aber mal dieſe gedult / und was darinnen geſchiehet / eine probe der Goͤttli - chen kindlichen und von dem heiligen Geiſt gewirckten liebe.

§. 37.

Damit kommt auch das 11. kenn - zeichen nahe überein / wo man ſich der ley - den um des nahmens des HErrn willen in verfolgung und ſonſten nicht beſchweret / ſondern vielmehr freuet. Daß nun ſolches geſchehe / haben wir / ohne die erfahrung / welche uns gleichwol manche ſtreiter JEſu Chriſti gezeigt / die mit inniglicher freude an die hefftigſte kaͤmpffe und marter gegangen ſind / unterſchiedliche zeugniſſen in der Schrifft hin und wieder. Es heiſſet Rom. 5 / 3. Wir rühmen uns der trübſahl. Jac. 1 / 2. Meine lieben brüder / achtet es eitel freude / wenn ihr in mancheꝛley anfechtung fallet. Matth. 5 / 10. 11. 12. Seelig ſind die üm gerechtigkeit wil - len verfolget werden / denn das him - melreich iſt ihr. Seelig ſeyd ihr / wenn euch die menſchen umb meinet willenſchmaͤ -107ſchmaͤhen und verfolgen / und reden allerley übels wider euch / ſo ſie daran liegen. Seyd froͤlich und getroſt (Luc. 6 / 23. heiſſets / freuet euch alsdenn und hüpffet) es wird euch im Himmel wol belohnet werden. Wo zwar nicht ohne iſt / daß eine ſondere urſach ſolcher freude auch darinnen gezeiget wird / weil ſie künff - tig ſolche belohnung zu erwarten hat / wel - che aber die liebe zu GOTT nicht aus-ſon - dern vielmehr einſchlieſſet. So weiſen die exempel / wenn es von den Apoſteln / nach - dem ſie geſtaͤupet waren worden / lautet / A - poſt. Geſch. 5 / 41. Sie giengen alle froͤ - lich von des Raths angeſicht / daß ſie würdig geweſen waren / um ſeines nahmens willen ſchmach zu leyden. So ſtehet Hebr. 10 / 34. von den glaubigen / daß ſie den raub ihrer güter mit freu - den erduldet. Dieſe freude kommet nun urſprünglich aus der liebe / als welche ſich immerdar dem geliebten gern offenbahret / und ihr alſo auch die gelegenheit des ley - dens / dadurch ſolche offenbahrung ſonder - lich geſchehen kan / angenehm ſeyn laͤſſet. Zwar iſts auch an dem / daß ſolcher grad / das leyden mit freuden zu erdulden / nichtE 6eben108eben von allen erreichet wird / und alſo / wer es nicht ſo weit bringet / nicht eben daraus / daß ſeine liebe nicht rechtſchaffen / wol aber / daß ſie nicht ſo inbrünſtig und ſtarck / wie ſie gleichwol ſeyn ſolte / ſeye / zu ſchlieſſen hat: indeſſen iſt auch ein niederer grad gnug / wo wir nemlich um des nahmens des HErrn willen zu leyden haben / weñ wir / ob wir eben zu jener freude nicht gelangen / dannoch mit ſolcher Goͤttlichen ſchickung zu frieden ſind / und das leyden lieber ausſtehen / als daß wir wider GOtt thun wolten. Dann auch dieſes iſt bereits ein zeugniß der liebe / wo ich das jenige lieber trage und erdulde / woran ſonſten das fleiſch nicht gern kommet / als daß ich mich an meinem GOTT verſündi - gen wolte. Wobey ferner zu beobachten / daß ſolches nicht nur von dem leyden zu ver - ſtehen ſeye / da man eigenlich um des Evan - gelii und deſſen erkaͤntniß willen leyden muß / ſondern auch von allem andern glei - ches zu halten / da man um der nach folge Chriſti / um der gottſeligkeit und gerechtig - keit willen / weil man mit der welt nicht mit - macht / ſein gewiſſen ſorgfaͤltig bewahret / und alſo der gerechtigkeit nach ſtrebet / dar - über aber gehindert / angefeindet / verſpottetund109und betraͤnget wird. Was dann aus ſol - cher gedult geſchihet / und ſie ſelbs / iſt ein zeugniß der liebe GOttes / um deſſen willen wir leyden / und der kraͤfftigen würckung ſeines Geiſtes / als dahin fleiſch und blut / dem alles leyden zu wider / uns nicht treiben würde.

§. 38.

Wir haben §. 28. auch als ein zeug - niß Goͤttlicher liebe angeſehen / die freude / die man an GOtt und Goͤttlichen dingen hat / alſo moͤchten wir ſolches noch weiter ziehen / und das 12. kennzeichen der Goͤttli - chen liebe ſetzen / wo eine ſeele in ſich eine in - nigliche begierde findet / mit GOtt immer mehr und mehr vereiniget zu werden; daher ſie einen trieb bey ſich fuhlet / GOttes wort gern zu hoͤren / zu leſen / zu betrachten / davon zu reden / und ſeine ſüſſigkeit zu ſchmecken. Wo auch ſolcher geſchmack folget / und der menſch warhafftig bey ſich die krafft des Worts zu ſeiner erquickung fühlet. Der - gleichen leſen wir von David Pſ. 19 / 8. 9. 11. wo er aus ſeiner erfahrung ſaget: Das ge - ſetz des HErrn iſt ohne wandel / und erquicket die ſeele. Wiederum: Die be - fehl des HErrn ſind richtig / und er - freuen das hertz. Nochmahl: Sie ſindſüſ -110ſüſſer / dennhomg und honigſeim. Alſo ſagt er auch Pſ. 119 / 47. Jch habe luſt an deinen geboten / und ſind mir lieb / v. 50. Das iſt mein troſt in meinem elen - de denn dein Wort erquicket mich / v. 72. Das geſetz deines mundes iſt mir lieber / deñ viel tauſend ſtück gold und ſilber / v. 103. Dein Wort iſt meinem munde ſüſſer denn ho[n]i[g]. Und was mehꝛ dergleichen in ſolchem laͤngſten Pſalmen zu lob des Goͤttlichen Worts und zeugniſſes / wie David dagegen geſinnet geweſen / be - findlich iſt. Alſo wird auch von denen / die ei - ne weil in der gnade geſtanden / geſagt Hebr. 6 / 4. 5. daß ſie einmahl erleuchtet ſind / und geſchmecket haben die him̃liſche gaben / und theilhafftig worden ſind des heiligen Geiſtes / und geſchniecket haben das gütige Wort GOttes / und die kraͤfften der zukünfftigen welt. Wenn alſo eine ſeele ſolche innigliche be - wegung aus Goͤttlichem Wort / ſolche zu - neigung zu demſelben / und einen geſchmack aus ihm fühlet: ferner auch daher innerlich getrieben wird / gern in denen heiligen ver - ſamlungen / wo man mit Goͤttlichen übun - gen und betrachtungen umgehet / ſich einzu -fin -111finden / des wegen auch von hertzen mit Da - vid ſagen kan: Pſal. 26 / 7. 8. HErr / ich habe lieb die ſtatte deines hauſes / und den ort / da deine ehre wohnet. Was iſt ſolches vor ein ort? Da man hoͤret die ſtimme des danckens / und da man prediget alle deine wunder. Und aber - mahl Pſalm. 42 / 3. 5. Meine ſeele dürſtet nach GOtt / nach dem lebendigen GOtt: Wenn werde ich dahin kom - men / daß ich Gottes angeſichtſchaue? Und ferner: Jch wolte gern hingehen mit dem hauffen / und mit ihnen wal - len zum hauſe Gottes / mit frolocken und dancken un[te] dem hauffen die da feyrẽ. Da hat ſie hieraus ſo wol ein zeugniß ihrer liebe zu GOtt / die von der gnade kom - met / als hingegen der eckel an Goͤttlichẽ din - gen / odeꝛ die kalt ſinnigkeit deꝛ jenigen / ſo ſich an ſolchen orten nur aus der bloſſen gewon - heit und mit verdruß / oder um der leute wil - len einfinden / kein gutes zeugniß iſt. Gleiches moͤgen wir auch ſagen von der liebe zu den heiligen Sacramenten / ſonderlich hunger und durſt nach mehrmaliger würdiger und ſeliger niſſung des heiligen Abendmahls / auch darvon ſchoͤpffender freude / daß nem -lich112lich auch dieſelbe ein zeugniß der liebe GOt - tes und Chriſti ſeynd: deswegen auch ſehr herrlich iſt / wo man mit warheit und einem gefühl ſeines eigenen hertzens ſagen kan / was manche allein den worten nach ſingen: Mein hertz heiſt dich ein lilium / dein ſüſſes Evangelium iſt lauter milch honig. Ey mein blümlein / hoſianna / him̃liſch manna / das wir eſſen / deiner kan ich nicht vergeſſen. Und: O HErr JEſu / mein trautes gut / dein Wort / dein Geiſt / dein leib und blut / mich in - nerlich er quicken. Dahin gehoͤret auch der innerliche trieb zu dem gebet / von wel - cher gnaden-würckung zwar unten noch ſolle gehandelt werden / hier aber allein vor - an dieſes zu melden war / daß die zuneigung zu demſelben / der eiffer dariñen / und die freu - de / ſo man daran hat / ein zeugnis Goͤttli - cher liebe ſeye. Dann gleich wie in der welt / wer mit einem gern offt und lang redet / eben darinnen bezeuget / daß er denſelben liebe / ſo kan auch die liebe gegen GOtt nicht anders mit ſich bringen / als daß man gern denſel - ben mit ſich in ſeinem Wort reden laſſe / hin - gegen auch mit ihme gern in dem gebet rede. Wann dann nun auch dieſes kennzeichender113der Goͤttlichen liebe vorhanden / ſo iſt ſo wol dieſe luſt an Goͤttlichen dingen / Wort / Sacramenten und gebet an ſich ſelbs / als was daraus geſchiehet / ein werck der gna - den.

§. 39.

Wir ſetzen zu dieſen kennzeichen der Goͤttlichen liebe noch das 13. welches iſt / daß man verlangen und begierde hat / mit GOtt auff das allergenaueſte und in - nerſte vereinigt zu werden. Wir wiſſen / wie natürlicher weiß die liebe affectus unio - nis, oder eine ſolche gemüths-bewegung iſt / da der liebende verlangt / mit dem ge - liebten immer naͤher vereiniget zu werden / und in ſolcher vereinigung ſeiner zu genieſ - ſen. Solches findet ſich auch in der Goͤttli - chen liebe: und wie dann GOtt aus liebe ſich zu uns alſo thut / daß er ſich immer mit uns naͤher zu vereinigen ſuchet / und ſich uns gantz zu eigen zu geben bereit iſt / alſo / wo un - ſere liebe rechtſchaffen iſt / ſo ſuchet ſie eben - falls ſolche vereinigung mit GOtt ſo viel ernſtlicher / als eiffriger ſie iſt. Und weil dann unſre vereinigung mit GOtt geſchi - het durch den glauben / und in deſſen früch - ten immer gleichſam enger wird / ſo iſt die - ſes auch ein zeugniß der wahren liebe GOt -tes -114tes / wann wir bey uns finden / wie uns war - hafftig nichts ernſtlicher angelegen ſeye / als wie wir mehr und mehꝛ in dem glauben moͤ - gen geſtaͤrcket werden / und auß dem glau - ben viele früchte des gehorſams bringen / eben zu dem ende / damit wir immer tieffer in GOtt eintringen / und alſo die vereini - gung feſter werden moͤge. Wie auch der heilige Apoſtel ſagt 1. Joh. 5 / 3. Das iſt die liebe zu Gott / daß wir ſeine gebot hal - ten / und ſeine gebot ſind nicht ſchwer. Da wir den gehorſam der gebote Gottes hoͤren als das haupt-zeugniß anführen: welches aber auch unſre gemeinſchafft mit ihm zeugniß iſt / nach 1. Joh. 1 / 6. 7. So wir ſagen / daß wir gemeinſchafft mit ihm haben / und wandeln im finſter - niß / ſo liegen wir / und thun nicht die wahrheit. So wir aber im licht wan - deln / wie er im licht iſt / ſo haben wir gemeinſchafft unter einander. Alſo ſe - hen wir / daß der wandel in dem liecht / und der gehorſam gegen GOtt / von der gemein - ſchafft mit GOTT und ſeiner verenigung unabſonderlich iſt. Wo demnach eine ſeele eben auch deswegen ſich des guten ſo viel eiffriger befleiſſet / damit ſie immer tief -fer115fer in die gemeinſchafft GOttes ſich ſencke / und in das bild ihres Gottes von einer klar - heit zu der andern verneuet werde / ferner auch luſt zu den jenigen dingen hat / die GOtt gefallen / eben deswegen / weil ſie ihm gefallen / ſo hat ſie damit ein zeugniß ihrer redlichen liebe zu GOtt / welche ſamt allen wercken / ſo in ſolcher abſicht und aus die - ſem antrieb geſchehen / wahrhaffte gnaden - würckungen ſind.

§. 40.

Endlich ſchlieſſen wir dieſe mate - rie von der Goͤttlichen liebe mit dem 14. kennzeichen / welches iſt eine heilige begierde unſrer ſeligen auffloͤſung / und dadurch erſt erfolgender vollkommenſten vereinigung mit GOtt. Wir wiſſen / und erfahrens / ſo lange wir hie in dem fleiſch leben / wie weit wir in der vereinigung mit GOtt und Chriſto kommen / daß doch der jenige voll - kommenſte grad in dieſem leben noch nicht müglich iſt / dazu uns gleichwol GOtt be - ſtimmet hat / daß nemlich vollkommen erfül - let würde / was der HErr von ſeinem Va - ter gebeten hat Joh. 17 / 11. u. f. Auff daß ſie alle eins ſeyen / gleich wie du / Va - ter / in mir / und ich in dir / daß auch ſie in uns eines ſeyen. Und ich habe ihnengege -116gegeben die herrlichkeit / die du mir ge - geben haſt / daß ſie eines ſeyen / gleich wie wir eines ſind. Jch in ihnen / und du in mir / auf daß ſie vollkommen ſeyn in eines. Welches zwar / aber in noch ſehr ſchwachen grad / hier in der zeit geſchihet / weil aber die hier uns noch immer ankleben - de ſunde / und was von deroſelben ferner entſtehet / allhier ſtets hindernuß an der ver - einigung machen / daß ſie auff das hoͤchſte und innerſte nicht kommen kan / ſo geſchi - het die letzte erfüllung deſſen / wo auch geſchihet / was der HErr weiter ſagt v. 24. Vater / ich will / daß wo ich bin / auch die bey mir ſeyn / die du mir gegeben haſt / daß ſie meine herrligkeit ſehen / die du mir gegeben haſt. Welches wir alſo wol wiſſen / nicht hie in der zeit / ſondern in der ewigkeit zu erfolgen. Dann hie wal - len wir noch dem HErrn / und ſtehen al - ſo noch nicht in der vollkommeſten vereini - gung mit ihm / aber dort ſollen wir daheim ſeyn bey dem HErrn / 2. Cor. 5 / 6. 8. Nachdem dann die ſeele ſolches weißt / ſo kans nicht fehlen / daß ſie nicht ſolte eine in - gliche begierde haben / bald bey dem HErrn zu ſeyn / damit alſo die gemeinſchafftund117und vereinigung mit ihm ihre hoͤchſte ſtuffe erreiche / davon ſie hier noch das fleiſch ab - gehalten hatte. Da heiſſets mit Paulo Phil. 1 / 23. Jch habe luſt abzuſcheiden und bey Chriſto zu ſeyn / alſo am innig - ſten mit ihm vereinigt zu werden. Jndeſ - ſen iſt nicht alle begierde / aus dieſer zeit ab - zuſcheiden / Goͤttlich und heilig; ſondern manche iſt offt mit groͤberer oder ſubtilerer art ſündlich und fleiſchlich. Nemlich wo der menſch verlangt aus der welt zu gehen / wegen allerley leidens / ſo ihn hier in dem le - ben betrifft / ſonderlich wo er etwa ein ley - den vor ſich hat / von dem er in der zeit keine erloͤſung vor ſich ſihet / oder wo er die art des menſchlichen lebens ins gemein alſo anzu - ſehen angefangen / daß er gewahr wird / wie eitel alles ſeye / wie ſo gar keine vergnügung ſich in einigem irrdiſchen finde / und auch die groͤſſeſte glückſeligkeit vor unglücklich ge - achtet werden koͤnne / ſo dann / daß auffs we - nigſte niemand ſeiner vermeynten glückſe - ligkeit ſich auch nur eine kurtze zeit verſicheꝛn koͤnte. Wie dann / wo ein gemüth den zu - ſtand dieſer zeit recht gelernet einzuſehen / und ſonderlich / wann die leyden ſo viel ſtaͤr - cker anſetzen / nichts gemeiners iſt / als daßauch118auch die jenige nach dem tode ſeuffzen / und ihres lebens überdrüßig werden / bey wel - chen nichts als fleiſch ſich findet: ja es iſt eben die fleiſchliche ungedult / die ſolches verlangen bey ihnen wircket: da ſie hingegen gern immer in der welt bleiben würden / wo es ihnen nach ihrem wunſch ergienge / und ſonderlich / wo ſie einer beſtaͤndigen glückſe - ligkeit nach ihrem verlangen ſich verſe - hen koͤnten. Jndeſſen iſt die begierde keine frucht der liebe GOttes / ſondern zeiget vielmehr eine ſolche an / die GOtt und ſei - nem willen / da er dem fleiſchlichen willen nicht gemaͤß iſt / durchaus nicht liebet / ſon - dern lieber nicht mehr ſeyn / als was dem HErrn auffzulegen beliebet hat / erdulden will. Dieſer art / ſorge ich billig / ſeye die meiſte begierde der menſchen nach dem todt / ob ſie wol bey allen nicht ſo kanntlich iſt / ſondern ſich manche dabey einbilden / daß ihre begierde recht heilig ſeye / welche aber / wo ſie ſich recht / warum es ihnen zu thun ſeye / unterſuchen / aus laut er fleiſchlicher / ob ſchon verborgener / weichligkeit und un - gedult herzurühren / ſich offenbaren würde: da hingegen die §. 37. gerühmte gedultige aushaltung des creutzes und zufridenheitin119in demſelben / als lange es GOtt gefalle / auszuhalten / zu der liebe GOttes gehoͤret. Es verraͤth ſich aber ſolches unordenliche und fleiſchliche verlangen leicht / wo man ge - nau auff die art und urſach acht gibet: zum exempel / ob man alsdann ein ſolches ver - langen habe zu dem ſterben / wo es uns in allen ſtücken wol ergehet / und wir auch kei - ne gefahr des unglücks vor uns ſehen / oder ob daſſelbe ſich allein / oder doch meiſtens re - ge / wo wir dieſes lebens beſchwerde fühlen / und dero noch mehr vor uns ſehen: geſchi - het dieſes / ſo iſt es gewißlich allein fleiſch - lich / und kein gutes zeugniß. Jn dem hin - gegen bey dem gottſeligen verlangen nach der erloͤſung ſich eher begibet / daß daſſelbe brünſtiger ſeye / wo es uns nach willen er - gehet / als unter waͤhrendem creutz / bey wel - chem eine ſeele offt ein hertzliches vergnügen in dem von ihr erkannten heilſamen rath ihres Vaters erkennt / und deſto lieber laͤn - ger leben will / damit der HErr durch ihr leyden deſto mehr geprieſen werde. Was aber das rechte Chriſtliche verlangen nach einem ſeligen ende anlanget / hat ſolches nicht nur bey ſich eine willige unterwerffung unteꝛ Goͤttlichen willen / daß ein Chriſt / ob eꝛwol120wol nach ſeiner vollkommenen ſeligkeit eine hertzliche begierde hat / dennoch ſolche dem rath ſeines lieben Vaters dermaſſen unter - gibet / daß er auch dieſelbe nit eher verlangen wolte / als eben demſelben gefiele / daher ſich nicht beſchwehret / ſeine ehendere verſetzung in die ewigkeit lieber weiter hinaus ſelbs zu ſchieben / als etwas wider den willen deſſen zu begehren / den er allem eigenen wunſch vorzeucht: ſondern es wird auch vornemlich erkannt / aus der urſach / daraus es entſtehet / welche iſt die liebe GOttes / und zwar auff zweyerley art: einmal wie die liebe angezeig - ter maſſen mit dem geliebten ſtets verlangt naͤher vereinigt zu werden / daß alſo die liebe GOttes den Chriſten treibt / zu verlangen bey dem HErrn zu ſeyn / deſſen zu genieſ - ſen / den er ſo innig liebet: auff die andere art komt abermal ſolches verlangen aus der lie - be Gottes: in dem dieſe einen ſolchen mißfal - len an der ſünde würcket / davon auch §. 30. und 35. geredet worden / daß daher der menſch / wann er ſihet / daß er / ſo lang er in dem fleiſch ſeyn werde / nimmermehr in den ſtand kom̃en koͤnne / da er ſich nicht auch noch mit der ſünde ſchleppen müſſe / eben deswe - gen aus dieſer irrdiſchen hütte / die dieſeele121ſeele beſchweret / und den zerſtreueten ſinn trücket / Weißh. 9 / 15. auszugehen ſich ſehnet. Wie wir ſolches an dem lieben Paulo ſehen / Rom. 7 / 23. da er nach lan - ger klage über das boͤſe / das in ſeinem fleiſch wohne / aus dem er nicht thue was er wolle / hingegen was er nicht wolle thue / ſehr be - weglich ausbricht: Jch elender menſch / wer wird mich erloͤſen von dem leibe dieſes todes? Dergleichen wehemütige klage wir ſonſten nirgend finden / daß Pau - lus je um ſeiner verfolgung und leiden wil - len dermaſſen nach der letzten erloͤſung ver - langet haͤtte. Aber das machte / weil er die ſünde ſo ernſtlich haſſete / als er Gott liebte / hingegen ſein leiden nach deſſen willen gern trug / daß jener haß der ſünden und darin - nen ſteckende liebe GOttes allein eine ſolche brünſtige begierde in ihm entzünden konte. Wo alſo noch jetzo bey jemand ein ſolch verlangen nach der auffloͤſung / und zwar aus ſolchen urſachen ſich findet / da iſt auch ſolches ein kennzeichen der liebe GOttes / und ſo wol daſſelbige als was er daraus thut / ein gnaden-werck GOttes.

§. 41.

Nunmehr gehen wir weiter / und nachdem wir beſehen haben die liebe GOt -Ftes /122tes / daß was in und aus derſelben geſchie - her / waꝛhafftig eine gnaden-würckung Got - tes ſeye / ſo ſehen wir 3. die dritte haupt - tugend / welche iſt die liebe des nechſten Wo nun dieſe warhafftig iſt / ſo findet ſich auch eine goͤttliche gnaden-wiꝛkung / die aus der natur nicht kommen kan / und derſelben außbrüche und früchte ſind alle gleicher art. Daß aber der liebe dieſe würde beyzulegen / und ſie vor ein gewiſſes zeugnis der Goͤttli - chen wirckung anzuſehen ſeye / haben wir klahr in der Schrifft / 1. Joh. 4 / 16. GOtt iſt die liebe / wer in der liebe bleibet / der bleibet in Gott und GOtt in ihm. Und vorher v. 7. Jhr lieben laſſet uns unter einander lieb haben / denn die lie - be iſt von GOtt / und wer lieb hat / der iſt von GOTT gebohren / und kennet GOTT. Nochmal v. 12. So wir uns unter einander lieb haben / ſo bleibet GOtt in uns / und ſeine liebe iſt voͤllig in uns. Darzu auch koͤmt / was unſer Hey - land ſagt: Joh. 13 / 35. Dabey wird jeder - man erkennen / daß ihr meine Jün - ger ſeyd / ſo ihr liebe unter einander habt. Auswelchen orten wir mit techt ſchlieſſen 1. Es werde geredet nicht nur vonder123der liebe zu GOtt / oder nach der erſten taf - fel / ſondern auch von der liebe des nechſten und nach der andern taffel. 2. Es ſeye ſol - che liebe andern ein zeugnis / daß ſie / wo ſie ſie an uns ſehen / daraus mit recht ſchlieſſen koͤnnen / wir ſeyen Chriſti Jünger. 3. Es ſeye ein zeugnis nicht nur ſo zu reden unſereꝛ euſſerlichen jüngerſchafft / daß wir uns eben zu der gemeine der jenigen bekennen / welche ſich zu Chriſto halten / ſondern auch unſerer innerlichen wiedergeburt und wahren ge - mein ſchafft mit GOtt / daß er in uns und wir in ihm bleiben. Daß er als das feuer der liebe in uns wohne / und uns warhafftig alſo entzünde / daß wir auch vor liebe bren - nen / und unſern naͤchſten damit erwaͤrmen. Alſo iſt es 4. ein unbetrügliches zeichen / weil es von dem jenigen hergenom̃en wird / wor - an unſer gantzes Chriſtenthum haͤnget / nemlich von der wiedergeburt und goͤttli - cher einwohnenden krafft. Bleibet alſo un - widerſprechlich / wo die wahre liebe des nechſtẽ iſt / da iſt Goͤttliche wir ckung und ſol - che ſelbs mit allen ihren werckẽ iſt eine frucht derſelbigen. Daher unſer liebe Apoſtel ſei - nen Corinthiern 1. Cor. 16 / 14. zuruffet: alle euꝛe dinge laſſet in deꝛliebe geſche -F 2hen /124hen / womit er die liebe zur meiſterin des gantzen lebens / und zur quelle machet / dar - aus alle übrige pflichten kommen müſſen - wie er ſie auch 1. Cor. 13. nicht nur allein nach ihrer art treflich beſchreibet / ſondern ſie auch ſo hoch lobet / daß auſſer ihr alle andere ga - ben vor nichts zu achten ſeyen.

§. 42.

Wie gewiß aber die wahre liebe des nechſten eine gnaden-würckung iſt / ſo iſt doch ferner zu mercken / daß man wol acht geben müſſe / was ſolche liebe ſeye / in deme nicht alle liebe des nechſten eine Goͤttliche wirckung und liebe iſt. Es giebet eine nicht nur in ſich fündliche / und dieſes edlen nah - mens unwürdige / ſondern auch natürliche liebe / nicht uur / welche bloß aus dem geblüt kommet / ſondern auch ſonſten natürliche ur - ſachen und gründe hat / wie wir denn auch bey den Heyden und bekantlich unwider ge - bohrnen viele exempel finden der liebe gegen andere / und dergleichen wercke / welche aus liebe geſchehen ſind / die bey den wieder ge - bohrnen nicht anders als vor wirckungen des heiligen Geiſtes gehalten werden koͤn - nen. Daher ſo wol in dieſem kennzeichen als in andern / ja in die ſem faſt mehr als in den übrigen / genau acht zu geben iſt / daßman125man keinen mißgriff thue / und vor gnaden - wercke halte / was warhafftig alleine von der natur kommet. Jndeſſen bleibets doch dabey / daß die liebe des nechſten ein zeugnis der wiedergeburt und gnaden-würckung ſeye / wenn es heiſſet / 1. Joh. 3 / 18. Meine kindlein laſſet uns nicht lieben mit worten noch mit der zungen / ſondern mit der that und mit der wahrheit. Daran (nemlich wo dieſe liebe dermaſſen bey uns rechtſchaffen iſt) erkennen wir / daß wir aus der warheit / und alſo dar - aus gebohren ſind / und koͤnnen unſer hertz (auch in anfechtung / da es uns ver - damt / daß es demnach ein kraͤfftiges zeugnis ſeyn muß) vor ihn ſtillen. Weswegen wiꝛ ſolches kennzeichen nicht aus zulaſſen ha - ben / ob wol ſo viel fleißigere ſorge in deſſen unterſuchung noͤtig iſt / ſo viel naͤher die na - tur der gnade nach dem euſſerlichen hierin - nen trit. Wañ aber in gewiſſen ſtucken nach der prüfung die ſache noch zu dunckel und zweiffelhafftig bliebe / haben wir dennoch nicht alles fahren zu laſſen / und auff ferne - re puncten zu gehen / in dem in einigen die wahre liebe ſich dermaſſen zeiget / daß die na - türliche liebe ihr eben nit ſo gleich treten kan.

F 3§. 42.126

§. 42.

Damit wir aber die rechte Goͤtt - liche liebe des nechſten erkennen lernen / ha - ben wir ſie auch an ihren kennzeichen war - zuuehmen. Da iſt nun 1. dieſes das vor - nehmſte / daß wir warhafftig bey uns ein ſol - ches hertz haben / worinn die liebe gepflan - tzet ſeye / und es ſich alſo ſo zu reden ohn müh - ſames bereiten und antreiben zu der liebe ſchon ſelbſten gegen alle menſchen / ihnen gu - tes zu goͤnnen / zu wollen und zu thun / neige / daß alſo nach mal alle euſſerliche wolthaten gegen den nechſten warhafftig von innen heraus gehen. Welches heiſſet die war - heit / wie Johannes ſagt / daß wir nicht nur lieben ſollen mit der that / daß wir thaͤtlich dem nechſten gutes erzeigen / ſondern auch mit der warheit / daß unſer hertz in ſich alſo geſinnet ſeye / wie es gegen dem nechſten freundlich redet / und aͤuſſerlich ihme thut / was ihm gut iſt. Daher auch GOtt ſein gebot bedencklich alſo gegeben hat / nicht / wir ſollen dem nechſten gutes thun / welches zwar freylich auch von noͤthen iſt / ſondern wir ſollen ihn lieben / daß wir alſo ſehen / al - les übrige / ſo aͤuſſerlich geſchehe / würde oh - ne die innerliche liebe GOtt nicht gefaͤllig / ſondern nur eine heucheley ſeyn. Zwar iſtnicht127nicht zu laͤugnen / daß bey unſerer verdorbe - nen natur nunmehr in unſer aller hertzen e - ben ſo wol eine innerliche widrigkeit gegen dem nechſten / ſo bald als durch ihn uns et - was abzugehen ſcheinet / ſich findet / als die eine frucht iſt / der verdorbenen eigenen oder ſelbs-liebe / welche in unſern ſeelen durch den fall die ſtelle eingenommen hat / welche der liebe GOttes und des nechſten gebühr - te / daher ſie bey allen unwiedergebohrnen herrſchet / auch deswegen die wiedergebohr - nen in ſtaͤtem ſtreit gegen ſie ſtehen / und ihr meiſter fleiß dahin gerichtet wird / wie ſie die - ſelbige zaͤhmen / weil ſie ſie ja noch nicht von ſich gantz weg bringen koͤnnen. Jndeſſen muß doch nothwendig auch in ihnen eine neue art ſeyn / daraus ſie eben ſo wol ſich in - nerlich gegen den nechſten neigen / welche aus der wiedergeburt kommet / und wo ſie acht geben / gefühlet werden kan. Es ſoll abeꝛ ſolche zuneigung gegen den nechſten ge - ſchehen in der abſicht bloſſer dinges / weil es ſo wol GOtt geboten / und wir alſo in ihm GOtt lieben wollen / als weil er GOttes gefchoͤpff iſt / und von demſelben geliebet wird / daß er ihn auch ſelig machen will / oder doch wolte / woers nicht ſelbs hinderte / da -F 4her128her wir ſchon an dem / weil wir einen men - ſchen an ihm ſehen / gnug haben / daß wir ihn lieben / und der liebe würdig achten / oh - ne weitlaͤufftige überlegung / ob er auch ſon - ſten etwas an ſich habe / woraus er unſerer liebe werth waͤre. Dieſes iſt alſo die rechte heilige liebe des nechſten / die aus der Goͤttli - chen liebe her entſpringet / und alſo darinnen gleich zu erſt von der andern natürlichen lie - be unterſchieden / die nicht eigentlich das Goͤttliche an ihm anſiehet.

§. 44.

Daraus flieſſet 2. daß die Goͤtt - liche liebe des nechſten muß unpaꝛtheyiſch und allgemein ſeyn / das iſt / auff alle men - ſchen ohne unterſcheid gehen / daß niemand unter denſelben ſeye / welchen wir nicht mit ſo redlichem und waꝛhafftigem hertzen liebe - ten / als wir andere lieben. Dieſes erfor - dert das Goͤttliche gebot ſelbſten / welches den nechſten nennet / unter welchem nah - men aber nicht dieſer und jener / ſondern alle menſchen ins geſamt / welche unſer oder wir ihrer bedoͤrffen / oder in einigem fall bedoͤrf - fen koͤnten / nach der anweiſung unſers Hey - landes / verſtanden werden. Es erfordert es auch dieſe betrachtung / weil die wahre liebe nicht dieſes und jenes / etwas abſonder -liches129liches / in dem menſchen anſiehet / ſondern eigenlich bereits darauff gerichtet iſt / daß die perſon Gottes geſchoͤpff / und von ihm geliebet worden ſeye / welches denn / wie of - fenbahr iſt / alle ohne unterſcheid angehet. Und müſſen wiꝛ wie in anderem / alſo auch in dieſem / der Goͤttlichen liebe mit der unſrigen nachahmen / wenn denn GOtt die menſchen liebet / nicht wegen etwas gewiſſes / ſo ſich allein bey etlichen finde / ſondern ſeine liebe gehet bey ihnen auff ihr weſen ſelbs / welches er geſchaffen hat / ſo muß unſre liebe nicht anders geartet folglich ſo wol als die Goͤtt - liche allgemein ſeyn. Wo wir alſo bey uns befinden / daß wir zwar viele unter unſeren nechſten / es ſeye nun wegen geiſtlicher oder leiblicher urſachen / hertzlich lieben / aber ge - gen andere keine liebe vorhanden iſt / ſo koͤn - nen wir mit recht unſre liebe in verdacht zie - hen / daß ſie allein eine natürliche oder fleiſch - liche liebe / welche unter menſchen unter - ſcheid machet / nicht aber eine wirckung des alle gleichliebenden Geiſtes GOttes ſeye. Wenn uns aber unſer hertz nach redlicher prüfung zeugnis gibet / ob wir wol in der lie - be auch einigen unterſcheid der grade haltẽ / daß wir nehmlich einige noch mehr als an -F 5dere130dere lieben / oder vielmehr die liebe gegen ſie in gewiſſen ſrüchten üben / welche nicht eben gegen alle geſchehen oder geſchehen koͤnnen / (wie aber mahl der alle liebende himmliſche Vater nebens ſeiner allgemeinen liebe auch ohne derſelben ſchwaͤchung unter den men - ſchen gegen einige eine noch beſondere liebt faſſet und er zeiget) daß dennoch kein menſch ſeye / den wir nicht von grund der ſeelen und auffrichtig liebeten / daher wo wiꝛ auch dazu gelegenheit haͤtten / ihm jegliche mügliche liebes-thaten auch zu erzeigen willig waͤren / ſo haben wir dieſes zeugnis / daß ſolche liebe nicht von der natur / ſondeꝛn deꝛ gnade kom - me; Dann in dem unter den menſchen ſo viel hundert tauſend ſind / von denen wir nichts wiſſen / oder nichts ſehen oder hoͤren / das eine beſondere liebe erweckte / bey vielen aber ſich eher ſolche dinge weiſen / die uns vielmehr einen eckel als liebe verurſachten / ſo iſt die warhafftig allgemeine liebe von einem andern urſprung als von der natur / die in gegenwertigem zuſtand ſich in allem ſelbs liebet / und alſo wo wir vor unſere liebe nichts finden dabey gleich ſam vorbey gehet.

§. 45.

Dieſes kennzeichen beſtaͤrcket ſich 3. ſonderlich darinnen / wo wir die jenige auchlie -131lieben / an welchen wir nicht allein nichts ſe - hen und finden / welches bey uns eine beſon - dere liebe erwecken koͤnte / ſondern gar das jenige / was widerwillen und haß verurſa - chet: nemlich wenn wir lieben auch die boͤ - ſe und unſre feinde. Was boͤſe und gott - loſe anlangt / haben wir bereits §. 30. gehoͤ - ret / wie die Goͤttliche liebe gegen dieſelbe ei - nen heiligen eiffer erfordere / damit wir ge - gen ſie oder vielmehr gegen das boͤſe / das ſie an ſich haben / brennen müſſen: Wir haben aber §. 33 vernommen / wie ſolcher eiffer die liebe gegen ſolche armſelige nicht ausle - ſchen müſſe. Wo wir dann bey uns befin - den / daß wir zwar einen ernſtlichen haß ge - gen alle boßheit haben / und aus demſelben den jenigen bey welchen wir ſie finden / nach vermoͤgen / ſolte es auch mit unſerm ſchaden geſchehen / wider ſtehen / hingegen unſre freundſchafft mit ihnen des wegen abreiſſen / aber gleichwol dabey fühlen / daß wir ein hertzliches erbarmen über ſie tragen / vor ſie beten / und wenn es uns moͤglich waͤre / ſie zu beſſern / es hertzlich gern thun / und ungeach - tet alles vorhergegangenen uns daruber freuen wolten: ſo zeiget ſich die Goͤttliche warheit unſerer liebe gegen ſolche auch boͤſeF 6leu -132leute hiedurch / daß ſie ſich durch jenen eiffer nicht tilgen laͤſſet / beweiſet aber nicht weni - ger auch deſſelben auffrichtigkeit. Sonder - lich aber / weil die eigene liebe in unſerer ver - derbten natur allezeit eine begierde nach der rache / und ſo bald einen bittern haß wircket gegen die jenige / von welchen wir beleidiget worden / ſo iſt die redliche liebe der feinde ein ſo viel gewiſſer kennzeichen der Goͤttli - chen wirckung. Jch ſage / die redliche lie - be der feinde / und alſo 1. daß wir nicht nur dieſen und jenen feind lieben / bey deme einige andere fleiſchliche urſachen der liebe noch übrig bleiben (als zum exempel / wo uns zwar dißmal einer viel zu wider thut / er iſt aber unſer bluts-freund / wir genieſſen ſeiner auff andere art / oder haben doch wol - thaten von ihm empfaͤngen / oder ſtehen in hoffnung / aufs neue wieder mit ihm verſoͤh - net / ſeiner genieſſen zu koͤnnen / da es geſche - hen kan / daß man gegen ſolche noch eine lie - be behaͤlt / und iſt doch gleichwol nicht die gnade Gottes, daraus dieſelbe herkommet / ſondern daß vielmehr ſolche betrachtung den ſonſt folgenden unwillen natürlicher weiſe zurück haͤlt) ſondern daß wir alle fein - de lieben / und noch ferner zu lieben willigſind:133ſind: und zwar 2. ohn ausgeſchloſſen der je - nigen / welche es am groͤbſten gemacht / uns oder unſrige um leib / ehr / haab und gut zu bringen getracht / oder um das meiſte der - ſelben würcklich gebracht haben / auch noch ferner ſolches zu thun befliſſen ſind / ja wenig hoffnung zu ihrer beſſerung übrig iſt: die gleichwol von der zahl der naͤchſten / welche wir lieben ſollen / damit nicht gantz ausge - muſtertwerden. 3. Gehoͤret dazu / daß es nicht nur ſeye eine unterlaſſung der rache / entweder weil wir ſie nicht ausüben koͤnnen / oder davon mehr ungelegenheit / unruhe / ſchaden oder gefahr ſorgen müſten / oder weil wir von ſolcher unterlaſſung nutzen o - der doch ehre hofften: als welcherley alles bey auch falſcher liebe iſt / ſondern daß die rache unterlaſſen werde / wo wir mittel und gelegenheit dazu haben / (wie dorten GOtt dem Saul den David in die haͤnde zwey - mal 1. Sam. 24 / 5. 6. 26 / 8. 9. gegeben / er aber ſeine rache dennoch unterlaſſen hat) und uns nichts / als die liebe GOttes / und des nächſten davon abhaͤlt. 4. Muß auch warhafftig die liebe da ſeyn / das iſt eine zu - neigung unſers hertzens gegen den feind / in dem wir bey uns gewahr werden / ob wolſich134ſich etwa / da wir ſeiner anſichtig werden / oder auch ſonſt / das geblüt in uns will an - fangen zu wallen / und eine widrigkeit wider ihn erwecken / wir auch wol dergleichen aufzuſteigen fühlen hingegen dennoch auch in unſerer ſeele ſich etwas vor den feind rege / uns ſeine perſon mehr mitleydens als haſ - ſes wurdig vorſtelle / und alsdenn jene na - türliche zorn-bewegung beſaͤnfftige: welche erbarmende / und dem feind noch gutes / ſon - derlich ſeine bekehrung / goͤnnende und ver - langende bewegung eine regung iſt deꝛ wah - ren liebe / und jenes locken des fleiſches zum haß überwinden muß. Damit man ſich aber auch in ſolcher innerlichen regung der liebe nicht heuchle und betriege / ſo muß 5. ſich ſothane liebe / da wir den feind in der war - heit liebẽ / auch in der that / wo es moͤglich iſt / hervor thun / damit dieſe uns und ande - re von der auffrichtigkeit überzeuge. Jn dem ſonſten / welche ſich gern betriegen / dar - zu auch unſer aller hertzen geneiget ſind / ſich gar leicht eine einbildung machen moͤgen / ſonderlich wo ſie dem feind nicht ſchaden koͤnnen / ſie haͤtten in dem hertzen eine liebe gegen ihm / in dem ſie ihm ja nichts boͤſes thaͤten / ſolte aber eine gelegenheit / ihm gu -tes135tes zu thun / ſich auffthun / würden ſie ſich darzu nicht überwinden koͤnnen / aber dar - aus abnehmen ſollen / daß es eine eingebil - dete liebe und ſelbs-betrug geweſen / damit ſie ſich ſicher gemacht hatten. Wie aber alle liebe thaͤtig ſeyn ſolle / ſo iſt eben ſolches auch von der feinde liebe zu verſtehen. So ſagt auch unſer Heyland Matth. 5 / 44. Jch ſage euch / liebet eure feinde (alſo wir moͤgẽ den feinden euſſerlich gutes thun / wie viel wir wollen / ſo muß der grund der liebe ſelbs erſtlich in dem hertzen ſeyn / aber wird ſich alsdann auch unfehlbar in den fol - genden ſrüchten hervor thun) ſegnet / die euch fluchen / (vergeltet ihnen das boͤſe / ſo ſie euch wünſchen / mit gutes goͤnnen und anwünſchen) thut wohl (in allen ſtücken / da ihr das vermoͤgen und gelegenheit dazu habt) die euch haſſen (und aus ſolchem haß / was ſie koͤnnen euch leid zufügen: da - mit aber ſolche eure gutthaͤtigkeit ihnen warhafftig nutzen / und GOttes zorn nicht derſelben frucht ihnen zu nicht machen moͤ - ge / ſo) bittet (um die ihnen zur bekehrung und übrigem ihrem heyl noͤthige gnade / und ſolches von hertzen / weil ihrs ja in ſolchem mit GOtt / ſo in die hertzen ſihet / zu thun ha -bet136bet / damit ihr euer gebet nicht ſelbs zur ſün - de machet) für die / ſo euch (ohne euer ver - ſchulden / ja um der gerechtigkeit willen / und alſo mit hoͤchſtem ihrem unrecht) belei - digen (daher euren todt und verderben ſu - chen /) auff daß ihr kinder ſeyd eures Vaters im himmel / (und man das bilde der himmliſchen liebe euers Vaters euch auch eingetruckt erkenne.) Denn er laͤſſet ſeine Sonne auffgehen (ohne einen un - terſcheid des genuſſes derſelben zu machen) über die boͤſen und über die gut[e]n / und laͤſſet regnen (nicht nur den leiblichen re - gen / ſondern auch alle andere von oben her - ab flieſſende gnaden-güter) über gerechte und ungerechte / ob wol dieſe letztere ſeine offenbare feinde ſind / und ihm ſtaͤts zu wi - der leben: aber ſeine liebe derſelben boßheit überwindet. Aus eben dem Geiſt / daraus der HErr geredet / ſchreibet auch ſein Apo - ſtel Paulus / Roͤm. 12 / 20. 21. So nun dei - nen feind hungert / ſo ſpeife ihn / dür - ſtet ihn / ſo traͤncke ihn / wenn du das thuſt / ſo wirſt du feurige kohlen auff ſein hauptſamlen. Laß dich nicht das boͤſe überwinden / ſondern überwinde das boͤſe mit guten. Wo nun dieſe liebeſich137ſich bey einem findet / die man an dieſen ei - genſchafften kennet / da ſind wir der Goͤttli - chen gnaden-würckung verſichert.

§. 46.

Daß wir aber noch ferner geden - cken der feindes-liebe / weil ſie vor andern eine verſicherteſte probe des innwohnenden Geiſtes der liebe iſt / ſonderlich aber ihre thaͤ - tigkeit bemercken / haben wir in acht zu neh - men / daß ſich dieſelbe zwar auch in leibli - chen wolthaten hervor thue / meiſtens aber in den geiſtlichen. Jene moͤgen nicht aus - geſchloſſen werden / wo wir ſehen / daß da - mit dem feinde warhafftig gutes wieder - faͤhret / in dem man gleichwol ſich dabey vorzuſehen hat / einem gleichſam raſenden nicht ein ſchwerdt in die haͤnde zu reichen / damit er uns und andern mit ſeiner ſchuld veꝛmehrung ſchaden thue / und alſo einem zu dem jenigen nicht zu verhelffen noch zu be - foͤrdern / womit ſeine ſeele durch gelegenheit mehrer ſünden ehe verletzet würde / welcher - ley zwar von ſolchen leuten als ein mangel der liebe / oder wol gar als ein haß / auffge - nommen werden kan / aber der gleichen nicht iſt. Ob alſo / ſage ich / unter der abſicht der liebe der feinde boßheit nicht geſtaͤrcket / oder auch / da ſie meynten / man ſpotte ihr damit /durch138durch vermeynte wolthaten gereitzet wer - den ſolle / ſondern in ſolcher ſache eine vor - ſichtigkeit noͤtig iſt / ſo bleibets doch dabey / daß wir auch in leiblichem den feinden mit redlichem herzen gutes zuzuwenden / ſonder - lich wo ſie in noͤthen ſtecken / und unſerer hulffe bedürftig ſind / mit ſorgfalt ihnen bey - zu ſpringen haben / welches alsdenn / wie uns eine verſicherung der wahren liebe in unſern hertzen wird / alſo manchmahl durch GOttes ſeegen dieſelbe / wo ſie nicht euſſerſt verſtockt ſind / gewinnen / nnd die hertzen er - weichen kan / darnach wir ohne das mei - ſtens zu trachten haben. So ſind dennoch die geiſtliche wolthaten die jenige / welche wir leicht erkennen / daß ſie wegen ihrer boß - heit von uns derſelben am meiſten bedoͤrff - tig ſind / und von denſelben / wo wirſie ih - nen erzeigen / den groͤſſeſten nutzen haben. Es beſtehen aber ſolche geiſtliche wolthaten darinnen / daß wir nicht allein mit gutem exempel / ſonderlich unſerer Chriſtlichen be - gegnuß gegen ſie / welche offt groſſe krafft gehabt / trachten ſie zu beſſern / ſondern auch an anderem fleiß nichts ermangeln laſſen / ſie auff beſſern weg zu bringen. Zuweilen mag eine ernſtliche / aber gleich wol immermit139mit der gehoͤrigen ſanfftmuth gemaͤßigte / beſtraffung vieles dazu ausrichten / und iſt nicht / wie ſie zuweilen von andern angeſe - hen wird / der liebe entgegen / ſondern der - ſelben wahre frucht / auch offtmahl zu über - zeugung der gewiſſen gantz noͤtig. Weil aber die beſtraffung von den jenigen / wel - chen man feind iſt / ins gemein faſt nicht wol / ſondern auch als ein zeugniß eines feindſeli - gen gemüths auffgenommen wird / daher offt mehr aͤrgert als nutzet / ſo wird die recht - ſchaffene liebe auch hierinnen vorſichtig ſeyn / daß / wo ſie dergleichen boͤſen effect vorſihet / oder wol vorſehen kan / ſie eine ſol - che artzney / die an ſich ſtattlich iſt / aber die - ſem patienten bey ſelbiger ſeiner bewandniß mehr ſchaden als nutzen bringen würde / auch lieber unterlaſſe: indeſſen wird ſie lie - ber / ſo viel an ihr und moͤglich waͤre / verſu - chen / ob durch andere ein ſolches boͤſes ge - müth bekehret werden koͤnte. Sonderlich aber neben dieſen geiſtlichen liebes-pflich - ten / und wo etwa keine derſelben erfüllet werden koͤnte / iſt der wahren liebe haupt - ſorge / vor die feinde auch zu beten. Wir haben zwar auch ſo fern wider die feinde zu beten / daß der HErr der jenigen / die ſichnicht140nicht lencken laſſen wollen / muth willen ſteu - re / ihren arm / damit ſie ſchaden thun wür - den / ſchwaͤche / und uns und andere von ih - rer wuth und boͤſem vornehmen errette: welches / wie geſagt / dem anſehen nach wi - der die feinde gebetet iſt / obs wol / recht be - trachtet / auch vielmehr vor ſie iſt / in dem man bittet / daß ihnen die haͤnde gebunden werden / ſich nicht weiter zu verfündigen / und alſo GOttes ſtraffe auff ſich zu laden: unſer meiſtes gebet aber über die feinde muß tigenlich vor ſie geſcheben / nach dem exem - pel Chriſti / der in ſeinen ſchmertzen / welche er von ſeinen feinden lidte / an dem creutz noch bat / Luc. 23 / 34. Vater / vergib ih - nen / deñ ſie wiſſen nicht / was ſie thun / da er ihnen nicht nur gnade erbittet / ſon - dern ſie noch / ſo viel als geſchehen konte / entſchuldiget: Und Stephani / Ap. Geſch. 7 / 60. welcher / in dem er auch die ſtein wird gefühlet haben / nach dem er ſeine ſeele dem HErrn JEſu ſtehend befohlen / mit ſo vielmehr demuth und angelegenheit kni - end ſchrye: HErr / behalte ihnen dieſe ſünde nicht. Daher haben auch wir in der jenigen meynung vor unſre feinde zu be - ten / daß ſich GOtt ihrer erbarmen / die ſun -de141de ihnen vergeben / damit ſie aber der ver - gebung auch faͤhig ſeyn moͤchten / eine wah - re buſſe in ihnen wirken / ſie zu mehrern gna - den künfftig tüchtig machen / und ſo viel - mehr ſie uns zu wider gethan / jedoch eben auch dadurch wo wir den Goͤttlichen rath über uns wargenommen / unſer geiſtliches beſtes in übung unſers glaubens und unſrer gedult / befoͤrdert haben / ſo vielmehr ihnen noch gutes erzeigen / und mit uns gleicher herrligkeit theilhafftig machen wolle. Die - ſes gebet aber muß auch nicht nur mit dem munde geſchehen / ſondern wir warhaff - tig bey uns finden / daß auch das hertz dabey ſeye / und wir aus deſſen tieffſtem grund red - lich verlangen / daß ſolches gebet an ihnen eꝛfüllet / die ſünde / ſo ſie an uns gethan / ihnen nicht eine urſach ihrer verdammniß / ſondeꝛn eine gelegenheit mehrer Goͤttlichen gnade / die ſie zur bekehrung gebracht / und ſie alſo noch erhalten werden. Welches / ob es ei - nem ein ernſt ſeye / und ſich ſeine ſeele alſo in liebe gegen den feind neige / von einem / der fleißig auf ſich acht giebet / wol geprüfet und erkant werden kan. Wo dann nun ſol - ches gebet ſich dermaſſen findet / iſt es ein un - fehlbar zeichen einer Goͤttlichen liebe desnech -142nechſten / und gewißlich nicht von der natur / ſondern von der gnade gewircket. Jn dem es allerdings über jener kraͤffte gienge / daß nicht der ſchmertzen und unwille wegen deſ - ſen / was wir von dem feind haben leyden / ja noch ferner beſorgen müſſen / ſondern die lie - be die oberhand behalte.

§. 47.

Wie alſo die warheit der liebe aus dem jenigen ſich offenbaret / wo ſie ohne unterſcheid ſich über alle erſtrecket / alſo er - hellet nicht weniger 4. ihre warheit daraus / wo ſie ſich nach Johannis worten 1. Joh. 3 / 18. in der that darthut / und wir dem nechſten nach allem vermoͤgen in geiſtlichem und leiblichem gutes und alles das jenige er - zeigen / was wir von ihm uns erzeigt zu wer - den / jemahl verlangeten: und zwar auch in den dingen und faͤllen / wo wir von dem / was wir ihm thun / keinen nutzen noch vor - theil zu erwarten haben / ſondern wol gar ungelegenheit und ſchaden: alſo auch / wo es nicht leicht hergehet / ſondern wo es uns mühe und unkoſten verurſachet / daß wir uns die liebes-thaten auch ſauer werden laſ - ſen: Wo wir ihm einige vortheil / hand - griffe / hülfs-mittel und dergleichen mitthei - len / dadurch er in ſeinen dingen deſto beſſerfort -143fortkommen koͤnne / hingegen ohne dieſelbe ſtecken bliebe / und alſo wo er warhafftig unſer bedürfftig iſt / ob uns wohl etwas da - bey abgehet: ſonderlich wo wir auch keine ehre und ruhm davon zu erwarten haben. Alle dieſe anmerckungen geſchehen deswe - gen / weil uns unſer hertz abermal hierinnen betriegen koͤnte / eine natürliche liebe voꝛ eine Goͤttliche zu achten / wie denn ſolches in dem leben ſehr gemein iſt. Es thut die bloſſe na - türliche liebe dem geliebten auch gutes / aber ins gemein ſuchet ſie dabey das ihrige / und nicht auffrichtig allein was des nechſten iſt: man hat ſeine heimlichere oder offenbahre / ſubtilere oder groͤbere / eigne abſichten da - bey / dero man kaum gewahr wird / wo man nicht mit groſſem fleiß auff ſich ſelbſten acht giebet / und ſein hertz forſchet. Alſo wie - derum iſts ſo ſchwer nicht / daß man dem nechſten einiges gefallen erzeige in den jeni - gen dingen / welche leicht ſind / und weder koſten noch mühe erfordern / ſondern da mag auch eine natürliche gütigkett vieles zu wege bringen / die aber nicht ausreicht / wo es dien - ſte betrift / die von mehrerer wichtigkeit ſind / und da man ſich ſelbs oder an dem ſeinigen ſtarck angreiffen / und etwas des ſeinigenſon -144ſonderlich davon man ſtaat machet / demſel - ben mittheilen ſolle. Sonderlich iſt die be - gierde des ruhms und der ehr die jenige / welche den ſonſten natürlich beſten und ehr - lichſten gemüthern offt noch anklebet / und ſie zu manchem treibet / damit ſie ſich gleich - ſam ſelbſten gewalt thun / um einigen ruhm zu erlangen: wie ich ſorge / das meiſte was von den tugendhafften heyden geſche - hen iſt / und ein gꝛoſſes anſehen hat / ſey gleich - wol ſolcher art geweſen / darinnen ſie ihre eh - re geſuchet. Weiln man ſich dann in allen die ſen faͤllen leicht betriegen kan / ſo iſt hinge - gen das jenige ein ſo viel gewiſſer zeugnis / daß die liebe / aus dero ich das werck thue / recht und Goͤttlich ſeye / wann ich aus der wolthat / die ich dem nechſten erzeige / keinen vortheil / wie er namen haben moͤchte / erlan - ge / oder auch nur ſolchen habe hoffen koͤn - nen / vielmehr aber ſchaden daraus zu leiden oder zu erwarten habe / welches der natürli - chen und eigenen liebe entgegen iſt: wo mich auch ſolche liebes-that viel mühe ko - ſtet / oder ich mich ſonſten dadurch in gefahr / widerwartigkeit und ungelegenheit ſtürtze / oder ſolches vernünfftig fürchten muß: ſon - derlich wo ich ſo gar keine ehre davon habeoder145oder hoffen darff / daß ich vielmehr in der welt ſchimpff und verachtung zu fürchten / weil das werck vor meinen zuſtand zu ver - aͤchtlich gehalten wird / weil man mirs vor eine ſcheinheiligkeit anſehen moͤchte / weil es eine ſache iſt / die nach unſerem alamode Chriſtenthum nicht vor nothwendig gehal - ten wird / und was dergleichen dinge ſind / da nunmehr das gute den nahmen des boͤ - ſen traͤgt. Welche liebe dann durch dieſe hindernüſſen des ſchadens / verdruſſes / ſchande durchtringet / dieſelbe hat ein ſtattli - ches zeugniß / daß ſie rechter art ſeye.

§. 48.

Weil aber gleichwol alle liebes - thaten nicht alſo bewandt / ſondern unter - ſchiedliche ſolcher art ſind / da es müglich iſt / daß wir auch hinwiederum derſelben ge - nieſſen / vortheil oder ehre davon haben / ſo haben wir dieſe gleichwol nicht gantz aus - zuſchlieſſen / aber 5. ſolle dieſes kennzeichen dabey ſeyn / daß der menſch nach redlicher prüfung bey ſich gleichwol befinde / daß er / was er gethan / nicht um ſolches vortels oder ehre willen / ſondeꝛn auß eineꝛ hertzlichen und Goͤttlichen zuneigung gegẽ den nechſten ge - than habe. Welches der menſch theils bey ſich ſelbs finden kan / wo er ſein hertz mitGfleiß146fleiß unterſuchet / dann wie betrieglich das hertz iſt / ſo weiß doch einmal der geiſt des menſchen / was in dem menſchen iſt / 1. Cor. 2 / 11. und kan eine ſeele / welche fleiß anwendet / bey ſich / vermittels Goͤttlicher gnade / unterſcheiden / was redlich oder be - trieglich ſeye. Alſo kan in ſolchen gutthaten der menſch bey ſich fühlen die wahre zunei - gung gegen den nechſten / daß ihn ſein eigen hertzgegen ihn / ihm gutes zu thun / treibe / und daß er an das jenige / was er hinwieder guts davor erwarten koͤnte / nicht gedacht / oder daher die urſach genom̃en habe. Son - derlich auch / daß er ſeine abſicht nicht habe gehabt auff den ſtand / beſchaffenheit / quali - taͤten / und andere umſtaͤnde deꝛ perſonen / an denen man gutes gethan / die ſonſten die na - türliche liebe eigenlich befoͤrdert / ſondern al - lein ſich bewegen laſſen durch die zuneigung welche man in Goͤttlicher oꝛdnung gegen al - le menſchen haben ſolle / und in denſelben ſein fleiſch und GOttes geſchoͤpffe liebet. Dahin gehoͤret auch / das man bedencke / ob man gleiches an andern oder zu andern zeiten auch gethan / wann man dergleichen nicht / ſondern das gegentheil zu erwarten gehabt; denn wo ſolches ſich findet / iſts einſtar -147ſtarckes argument, daß es auch dißmal nicht eben ſolcher vortheil geweſen / ohne den es auch zu andern mahlen gleichwol geſchehen. Alſo auch / daß man nachſinne / ob in dem fall / wenn wir ohne das jenige / ſo wir itzo davon zu erwarten haben / gleiche liebes - thaten erweiſen koͤnten / wir unſer hertz auch darzu ſchicken / und es alſo thun würden. Ob alſo nun wol jener fall / da wir warhaff - tig keinen nutzen davon gehabt / ſo viel offen - bahrer und weniger mißgriffen unterworf - fen iſt / ſo koͤnnen doch die bedeutete zeug - niſſen eben ſo wol auch in dem fall / davon wir hier reden / das gewiſſen ſicher ſtel - len.

§. 49.

Es beſtaͤrckt ſich auch 6. das zeug - niß der liebe / wo wir unſer gutes thun an den jenigen / die es nicht wiſſen daß ſie es uns zu dancken haben / die uns auch keine vergeltung thun werden oder koͤnnen / ja in gewiſſen ſtücken / welche ſolche wolthat von uns nicht verlangen / ſondern vielmehr ſich dadurch beleidiget befinden werden. Wie zum exempel die jenige / welche in ſündli - chem ſtande ſtehen / wo man ſie mit erin - nern / beſtraffen / vermahnen oder ſonſten ſuchet zu beſſern / gemeiniglich ſolches nichtG 2wol148wol auffnehmen / ſondern gegen die jenige wol gar einen baß faſſen / welche ihnen ſol - che liebe erzeigen wollen / da ihnen doch ſol - che erinnerungen rechte gutthaten ſind. Jn ſolchem fall / wo man / ohneracht deſſen / dannoch den nechſten zu gewinnen ſuchet / und ſeinen unwillen darüber nicht ſcheuet / ſondern ziehet deſſen annoch verhoffende beſſerung an ſeiner ſeelen dem jenigen vor / was wir deswegen zu ſorgen hatten / ſo iſts eine probe einer wahren und rechtſchaffenen liebe: Wie auch / wo wir dem nechſten das jenige verſagen / was er zu ſeinem ſchaden von uns begehret / ob er wol ſolches als eine ſonderbare freundſchafft auffnehmen und erkennen wolte: als wo er von uns ſuchet / ihm in ſeinem ſündlichen voꝛhaben befoͤrdeꝛ - lich zu ſeyn / welches nichts anders in der that waͤre / als ihn an der ſeelen morden / und wir alſo ihm ſo wenig darinnen zu - gen haben / wie ſehr er auch ſich uns dadurch verbunden achten wolte / als jener Amale - kiter den Saul auff ſein begehren nicht toͤd - ten ſollen / 2. Sam. 1 / 9. 10. 16. daher / wo wir finden in dergleichen fall / daß wir die liebe zu unſers nechſten heil uns mehr haben laſſen angelegen ſeyn / als ſein unziemlichesver -149verlangen an uns / iſt auch dieſes ein zeugniß der liebe.

§. 50.

Mit dieſem iſt 7. ziemlich ver - wandt das jenige kennzeichen / wo wir uns von dem jenigen / da wir dem nechſten gutes thun ſollen / nicht abhalten laſſen daß er uns nicht danckbar worden iſt / und wir alſo auch künfftig gleichfalls wenig danck von ihm er - warten koͤnnen. Es ſind unterſchiedlich - mahl leute / welche willig andeꝛn guts thun / und in dem ſie es thun / nicht eben ſo bald an die vergeltung gedencken / wo ſie aber nach - mahl keine danckbarkeit ſehen / ſondern daß man die wolthaten nicht erkenne / wol gar zu weilen boͤſes davor vergelte / werden ſie gleich müde / und ob ſie nicht gar zur rache ſich bewegen laſſen / hoͤren ſie doch auff / dem nechſten gutes zu thun / auch in den jenigen ſtücken / worinnen er wahrhafftig ihrer be - darff / und ſie ihm alſo fortfahren ſolten / die liebe zu erweiſen. Wo nun dieſes geſchie - het / iſts entweder ein erweiß / daß auch in den erſten gutthaten das hertz nicht ſo red - lich geweſen ſeye / wie es geſolt / und die eige - ne liebe auff eine ſubtilere art noch einigen nutzen von ſeinem thun erwartet / da der menſch es nicht gemeinet / aber die tücke ſei -G 3nes150nes hertzens daran gewahr wird / daß ihn nunmehr die gefolgte undanckbarkeit ab - haͤlt / daher die hoffnung der danckbarkeit beſorglich den antrieb gegeben hatte: oder wo die erſte abſicht redlich geweſen / iſt den - noch daraus abzunehmen / daß auffs we - nigſte die rechte beſtaͤndigkeit nicht dabey ſeye / welche dabey ſeyn ſolte. Wo aber nach aller erfolgten undanckbarkeit dan - noch die begierde bey uns bleibet / dem un - danckbaren die ſchuldige liebe zu erzeigen / ſo hat unſere liebe ein vortreffliches zeugnis daran / daß ſie von dem jenigen ſeye / der auch gegen die undanckbare ein gütiger GOtt bleibet.

§. 51.

Zu dem obigen haben wir ferner zu ſetzen 8. wo uns auch insgeſamt unſers nechſten geiſtliche heibliche wolfahrt / von hertzen erfreuet / und wir ihm dieſelbige gerne goͤnnen / auch ob wir ſchon einigen nachtheil davon haben ſolten. Denn wie der neid und mißgunſtam offenbarlichſten wider die liebe ſtreiten / ſo iſt hingegen das goͤnnen ſeines guten ein treffliches zeugniß der wahren liebe des nechſten. Alſo auch gehoͤret dazu / wenn wir uns freuen / wo un - ſer nechſter von GOtt mehr gaben bekom -met /151met als wir empfangen haben / item / wo er mit mehr erem ſegen und fortgang etwas zu GOttes ehren ausrichtet / wañs auch ſchon waͤre / daß durch ſeinen zunehmenden ruhm hingegen dem unſꝛigen etwas abginge. Wo nun ſolches geſchiehet / da iſts eine anzeige / gleich wie der liebe zu GOtt / deſſen ehre wir an und von allen befoͤrdert zu werden billig verlangen ſollen / alſo auch der liebe des nechſten / dem wir gern / was ihm GOTT goͤnnet / wo er auch denſelben uns vorzoͤge / gleichfalls goͤnnen wollen.

§. 52.

Alles bißher angeführte beſtaͤrcket und erklāret auch ſtattlich der heilige Apoſtel Paulus / da er 1. Cor. 13. die art der wah - ren liebe des nechſten beſchreibet: daher wir auch ſeine wort etwas betrachten wol - len / als die uns den rechten unterſcheid der von GOtt gewirckten und fleiſchlichen liebe ſchoͤn zeigen. So ſagt er nun: die liebe iſt langmüthig; ſie laͤſt ſich nicht bald erzür - nen / ſondern weißt etwas zu ertragen / daß ſie ſich nicht zu zorn und rach bewegen laͤſt; was auch leute ſind / die ſich in ſie nicht ſchi - cken / oͤder gleich nach kommen koͤnnen / de - nen weiß ſie zuzuſehen und nachzugeben / da - mit ſie nicht vor den kopff geſtoſſen / ſondernG 4all -152allgemach auch zu recht gebracht werden. Und fꝛeundlich / daß ſie mit geberden / woꝛ - ten und wercken ſich gütig bezeiget / und ſich von dem nechſten zu ſeinem beſten gebrau - chen laͤſſet / damit dieſer moͤge nutzen von ihr haben / ohne bitterkeit oder auch zurück hal - ten. Die liebe eifert nicht / das iſt / ſie miß - goͤnnet niemand was er hat / was ihm Gott goͤnnet und giebet / ohne neid / ſondern viel - mehr mit einer freude / daß ihme wol gehet / ob auch ſie hingegen in beſchwerlicherem ſtande lebte. Die liebe treibet nicht muthwillen: daß ſie hinterliſtig mit dem nechſten umgienge / ihn zu betriegẽ / und ihm ſchalckheit zu erzeigen / ſondern befleißiget ſich in allem einer auffrichtigen einfalt. Sie blaͤhet ſich nicht. Das iſt / ſie üherhebet ſich über niemand / noch machet ſich groſſe einbildungen / oder will von andern hochge - halten ſeyn. Sie ſtellet ſich nicht unge - baͤrdig / weder mit zorn / wo man ihr nicht in allen ſtücken zu willen wird / daß ſie in ge - baͤrden und worten ſich grimmig erwieſe / noch auch mit einigen unverſchaͤmten wor - ten und thaten / andere zu beſchämen / und etwas wider Chriſtliche zucht zu thun. Sie ſuchetnicht das ihre. Es iſt ihr um ihreehre /153ehre / nutzen / luſt / beqvemligkeit nicht zu thun / ſondern wie ſie immer dem zweck naͤ - her kommen moͤge / dazu ſie Gott in dieſe welt geſetzet hat / nemlich ſeine ehre zu befoͤr - dern / und ihm an dem naͤchſten zu dienen: daher iſt ihr der nechſte und deſſen geiſilich und leibliches beſtes ſo wol als ihr eigenes angelegen / und wo ſie ſehen ſolte / daß ihr nu - tzen anderer mehrer ſchaden nach ſich zoͤge / begiebet ſie ſich deſſelben gern / ja haͤlt nichts vor ihren nutzen / daran nicht auch der naͤch - ſte ſein theil mit habe / oder davon noch der - maleins etwas hoffen koͤnne. Sie laͤſſet ſich nicht erbittern: ob man ihr wol nicht begegnet wie man ſolte / ſo erzürnet ſie ſich nicht zu des nechſten ſchaden / ſondern wird vielmehr zum mitleiden gegen ihn bewogen / und wo ſie wider das boͤſe um GOttes und des nechſten eigener ſeele willen eifern muß / ſo läſt ſie ſolchen zorn keine bitterkeit in das gemüthe bringen / und ſuchet allein mit dem - ſelben den jenigen / der unrecht gethan hat / zu beſſern / nicht zu verderben. Sie trach - tet nicht nach ſchaden / oder ſtellet dem nechſten nach: eigenlich / ſie dencket nichts arges / ſie iſt nicht argwoͤhniſch / ſondern ge - wohnet alle dinge aufs beſte zu nehmen / undG 5zu154zu entſchuldigen / wie ſie gegen ſich zu geſche - hen verlangte. Sie freuet ſich nicht d[e]r ungerechtigkeit. Sie hat keinen wolge - fallen daran / wenn andre boͤſe ſind / und ent - weder den frommen gewalt anthun / oder ſonſten ihre boͤſe ſtücke ungeſcheuet üben / ob ſie wol gedencken moͤchte / daß neben anderer boßheit ihre froͤmmigkeit deſto mehr her - vor leuchten würde. Sie freuet ſich aber der warheit. Es iſt ihr lieb / wo es recht hergehet / und jederman thut was er thun ſolle. Sie verträget alles: Was moͤg - lich iſt zu vertragen / und GOttes Ehr ſol - ches zulaͤſſet / will ſie lieber tragen / als ſtrei - ten / und ſich widerſetzen. Sie glaubet alles. Wie ſie ſelbs in allen dingen auff - richtig / und ſich der warheit bewuſt iſt / ſo glaubet ſie auch dem nechſten leicht in ſol - chen dingen / da die leichtglaubigkeit nie - mand ſchaden thut. Sie hoffet alles. Ob ſie auch des menſchen boßheit vor ſich ſiehet / wirfft ſie deswegen nicht alle hoffnung von ſeiner beſſerung hinweg / noch unterlaͤſſet daran nach vermoͤgen zu arbeiten. Sie duldet alles. Weil ſie die hoffnung nicht fahren laͤſt / ſo laͤſt ſie ihr auch wehe dabey geſchehen / von denen / an welchen ſie nochzu155zu ihrem beſten in hoffnung arbeitet / und von andern / welche ihre hoffnung veꝛlachen / alles leiden vor wol angelegt achtende / wo nur ins künfftige der nechſte moͤchte nach vieler gedult gewonnen werden. Daher heiſt es auch / nach unſerer dolmetſchung Lutheri / (ob wol nicht ohn / daß nach der grund ſprach es vielmehr lautet. Sie hoͤre nicht auf.) Die liebe wird nicht müde. Nicht nur ins gemein haͤlt ſie nicht davor / daß es gnug ſeye / wo ſie eine weil dem nech - ſten gutes gethan / daß ſie deswegen von ſelbſten ohne urſach auffhoͤren wolte / ſon - dern / ob ſie auch wol ſiehet / wie manchmal ſie veꝛgebens gearbeitet wie ihre gute abſicht fehl geſchlagen / oder wol das gegentheil ge - folget iſt / wie ſie vor das gute boͤſes wieder einnehmen müſſen / unterlaͤſſet ſie doch das gute nicht / ſo offt ſie wiederum gelegenheit darzu findet. Das macht / weil ſie zu der gutthatigkeit nicht durch die hoffnung ei - niges ding es / daß ſie dabey ſuchte / oder er - wartung des andern danckbarkeit / ſich hat bewegen laſſen / ſondern weil ſie ſelbs inner - lich alſo geſinnet iſt / daß ſie ſich nicht viel weniger von dem guts thun koͤnte abhalten laſſen / als das feuer ſich nicht halten kan /G 6daß156daß es nicht anzünde / was brennen mag. Jaje mehr ſie gutes thut / je mehr waͤchſet die begierde / und wird ihr das jenige / wozu ſie geneigt iſt / auch durch die gewonheit leichter. Welche hingegen ſo bald müde weꝛ - den / daß ſie immer ſorgen / ſie thaͤten jedem zu viel gutes / ſondeꝛlich aber die ſich von dem boͤſen überwinden laſſen / und ſo bald ihnen nicht begegnet wird / wie billich geſchehen ſolte / oder ſie ſich deſſen einbildung machen / verrathen ſich damit / daß es allein euſſerli - che urſachen geweſen / die ſie einige zeit zu dem guten angefriſchet / nicht aber / daß ſothane tugend recht in die hertzen gepflan - tzet geweſen waͤre. Nun alle dieſe eigen - ſchafften der liebe / daraus das vorherge - hende / was wir von den kennzeichen der lie - be angeführet / deſto beſſer erklaͤret wird / die - nen abermal zur prüfung und kan jeglicher / w[e]lcher ſeine liebe darnach unterſuchet / er - kennen / ob ſie rechter art ſeye. Denn da die natürliche / menſchliche und tugendliche liebe / ſo auch bey den heiden ſich findet / un - terſchiedliche dergleichen ſtücke nachaͤffen kan / und ſich zu weilen unter entlehnten lar - ven darſtellet / ſo kan ſie doch nicht alles alſo nachmachen / daß ſich nicht der mangel inetli -157etlichen dermaſſen offenbahre / daß man ge - wahr werden kan / es ſeye nicht Goͤttlich / was nur ſolchen ſchein gehabt. Wo dem - nach gedachte eigenſchafften ſich alle finden / ob wol nicht in hoͤchſtem grad / dannoch in wahrer redlichkeit / da iſt ſolche liebe war - hafftig aus GOtt.

§. 53.

Wir moͤchten auch noch aus ei - nem andern ort Pauli dieſe eigenſchafften der liebe behertzigen / da er 1. Tim. 1 / 5. ſchrei - bet: Die haupt-ſumma des gebots iſt liebe von reinem hertzen / und von gu - tem gewiſſen / und von ungefaͤrbtem glauben. Sie ſolle ſeyn von reinem her - tzen daß es uns warhafftig zu thun ſeye um GOttes gebot und um den nechſten / ohne einiges geſuch oder verdienſtliche abſicht / welches ſonſten ſo bald das hertz verunreini - get: eben ſolcher urſachen wegen muß ſie auch unpartheyiſch / und gnug zu der liebe ſeyn / daß es ein menſch ſeye / den uns GOt - tes Wort und gebot (ſo das hertz auch hier - innen reiniget) zu lieben vorgeſtellet hat: Weswegen bekant und unbekante / gut und boͤſe / freunde und feinde einerley wahre liebe ben uns findẽ. Sie ſolle auch ſeyn von gutẽ gewiſſen: wir müſſen ein gewiſſen haben /daß158daß ſich der gnade GOttes und der verge - bung der ſünden in Chriſto getroͤſtet / und alſo weiſt / daß es aus danckbarkeit zu Gott / den nechſten liebe / und ihm das gute gern erzeige / was es GOtt nicht erzeigen kan / welcher ſeines guten nicht noͤthig hat. Al - ſo auch daß uns unſer gewiſſen zeugnis ge - be / wie wirs einmal mit dem nechſten red - lich meynen / und uns alſo keiner heucheley beſchuldigen koͤnne. Endlich von unge - faͤrbtem glauben. Daß was wir in lie - be thun / wir dabey verſichert ſind / GOTT laſſe ihm ſolches wolgefallen / weil wirs aus danckbarem gemüth gegen ihm thun / und uns dabey ſeiner gnade getroͤſten / auch die zuverſicht immer bebalten / daß alle unſerer liebe noch anklebende gebrechen auch um Chriſti willen uns vergeben ſeyen. Wo alſo wiederum dieſe kennzeichen ſich finden / da iſts eine Goͤttliche liebe.

§. 54.

Wir haben auch ferner zu mer - cken / was wir biß daher von der liebe und dero früchten geſagt haben / gehe nicht nur all in an das jenige gute / was wir dem nechſten in dem leiblichen zu erzeigen haben / ſondern noch vielmehr in dem geiſtlichen. Es verlanget je die wahre liebe des nechſtenwar -159warhafftiges beſtes / und zwar allezeit das jenige am eiffrigſten und fleißigſten / woran demſelben das meiſte gelegen iſt. Wann wir Chriſten denn wiſſen / daß gleich wie uns / alſo auch dem nechſten / an dem geiſtli - chen und ſeineꝛ ſeelen heil das meiſte gelegen / ſo muß auch die liebe dieſes ſein gutes nicht weniger als ſeine leibliche oder weltliche wolfahrt ſuchen und verlangen. Daher die jenige liebe / welche ſich allein damit ver - gnugte / das zeitliche wolweſen des nechſten zu befoͤrdern / ohne einige vor deſſelben ſeele habende ſorgfalt und verlangen / würde ſich abermahl verrathen / daß ſie von keinem hoͤ - hern urſprung waͤre / als von der erden und natur / da hingegen / welche ſich auch auff das geiſtliche erſtrecket / ihres Goͤttlichen ur - ſprungs zeugnis eben darinnen hat. Wie wir aber von aller liebe anzeiget / daß ſie thaͤtlich ſeye / ſo muß auch dieſe ſeyn / daß wie ich meines nechſten ſeele und heil lieben ſolle / ich auch nach allem vermoͤgen an dem - ſelben zu arbeiten / mich nicht verdrieſſen laſ - ſe. Es iſt aber ſolche arbeit nicht nur die je - nige / welche gewiſſen ſtanden und amptern obliget / da der prediger hauptwerck iſt zu trachten 1. Tim. 4 / 16. Daß ſie ſich ſelbsſelig160ſelig machten / und die die ſie hoͤren: den Obrigkeiten auch die ſorge nach Goͤtt - licher ordnung obliget / wie ihre unteꝛthanen unter ihnen moͤgen führen / ein geruhig und ſtilles leben / in aller nicht nur er - barkeit / ſondern auch gottſeligkeit / 1. Tim. 2 / 2. Dahero ſie dieſe auff alle weiſe zu befoͤrdern / verbunden ſind / und da ſie chriſt - liche obrigkeiten heiſſen wollẽ / von ſich müſ - ſen ſehen laſſen / daß ſie auff ſolches mit ernſt gedencken: ſo dann eltern und herrſchafften ihre kinder und geſinde zu GOtt zu führen pflichtig ſind; ſondern es gehoͤret dahin auch alles das übrige / was jeder Chriſt an ſeinem nechſten aus ſeinem geiſtli chen prie - ſterthum thun ſolle. Welche pflichten an un - terſchiedlichen orten beſchrieben werden / Col. 3 / 16. Laſſet das Wort Chriſti unter euch reichlich wohnen / in aller weißheit: lehret und vermahnet euch ſelbs mit pſalmen und lobeſaͤngen / geiſtlichen leiblichen liedern. 1. Theſſ. 5 / 14. Wir vermahnen euch lieben brüder / vermahnet die ungezogenen / troͤſtet die kleinmüthigen / traget die ſchwachen. Seyd gedultig gegen je - derman. Hebr. 3 / 13. Ermahnet euchſelbs161ſelbs alle tage / ſo lange es heute heiſſet daß nicht jemand unter euch verſtockt werde durch betrug der ſünden. Hebr. 10 / 24. 25. Laſſet uns untereinander unſer ſelbs warnehmen / mit reitzen zur liebe und guten wercken. Und nicht verlaſſen unſeꝛ veꝛſamlung wie etliche pflegen / ſondeꝛn unteꝛeinan deꝛ eꝛmah - nen / und das ſo viel mehr / ſo viel ihr ſe - het / daß ſich der tag nahet / 1. Theſſ. 4 / 18. So troͤſtet euch nun mit dieſen worten untereinander. Da mag denn nun / wo einer bey ſich befindet / daß er ge - neigt ſeye / nach den gaben die ihm Gott ver - liehen / und der gelegenheit / welche er ihm beſcheret / allezeit an ſeinem neben-menſchen mit lehren / vermahnen / warnen / troͤſten / zu arbeiten / und ſolches in der eintzigen lautern abſicht / ſein geiſtlich beſtes zu befoͤr - dern / ohneracht was er vor danck oder un - danck davon zu erwarten haben moͤchte / ei - nem ſolchen ſeine begierde / ſo daon der fleiß / den er darzu anwendet / ein viel groͤſſer zeug - nis einer Goͤttlichen liebe gegen dem nech - ſten ſeyn / ſo dann was er daraus thut / vor wir ckungen GOttes gehalten werden / als wo der erweiß von andern leiblichen wol - thaten hergezogen wird.

§. 55.162

§. 55.

Es iſt bey dieſen geiſtlichen liebes - pflichten auch in acht zu nehmen / daß unter und neben denſelben die Schrifft ſonder - lich gedencke des beſtraffens der jenigen / welche fündigẽ / und wieder zu recht gebracht zu werden bedoͤrffen / da ſo wol insgemein von dem beſſern ſtehet Gal. 6 / 1. 2. Lieben brüder / ſo ein menſch etwa von einem fehl überetlet würde / ſo helffet ihm wieder zurecht mit ſanfftmüthigem Ge[i]ſt / die ihr geiſtlich ſeyd / und ſihe auff dich ſelbs / daß du nicht auch ver - ſuchet werdeſt. Einer trage des an - dern laſt / ſo werdet ihr das geſetz Chri - ſtierfüllen. Alſo auch beſonders von demſtraffen / Matth. 18 / 15. Sündiget dein bruder an dir / ſo gehe hin / und ſtraffe ihn zwiſchen dir und ihm allei - ne. Ephef. 5 / 11. Habet nicht gemein - ſchafft mit den unfruchtbaꝛen weꝛcken der finſterniß / ſtrafft ſie abeꝛ vielmehꝛ. Sonderlich iſt der ort in dem geſetz Moſis bedencklich / 3. Moſ. 19 / 17. D[u]ſolt dei - nen bruder nicht haſſen in deinem heꝛ - tzen / ſondern du ſolt de[i]nen nechſten ſtraffen / auf daß dunicht ſeinet wegen ſchuld tragen moͤgeſt. Wo wir aber ſe -hen /163hen / daß dieſes ſtraffen dem haß entgegen geſetzet wird / und alſo eine frucht deꝛliebe iſt / und erkant werden ſolle. Es iſt hie der ort nicht außzumachen / wie mit ſolchem ſtraffen umzugehen ſeye / ſonderlich in dem itzigen ſo verderbten Chriſtenthum / da man nicht nur durch das ſtraffen ſo viele unluſt auff ſich la - det / die man endlich wenig zu achten haͤt - te / ſondern vornemlich / da man ſiehet / daß man meiſtentheils durch das ſtraffen die menſchen mehr boßhafft mache / und ihnen alſo zufaͤlliger weiſe nur ſchaden thue / daher einige davor halten moͤchten / man ſolte es allerdings unterlaſſen. Jch faſſe meine meynung davon kurtz / daß uns von der ſchuldigkeit / den nechſten zu beſtraffen / keine verderbnis der zeit bloß dahin entſchuldige / gegen wem aber / wenn und wie ſolches amt zu üben ſeye / gehoͤret gleichwol eine Chriſt - liche klugheit darzu / und ſind die beyde haupt-urſachen des ſtraffens wohl in acht zu nehmen / und nachdem dieſelbe etwas zu thun oder zu unterlaſſen mit ſich bringen / der ſchluß zu machen: ſolche beyde urſachen ſind nun der eiffer vor Gottes ehre / daß dieſelbe gerettet werde / und die erbauung des nechſten. Wo alſo Goͤttliche ehrevon164von jemand beſchimpffet wiod / durch eine Chriſtliche beſtraffung aber dieſelbe wieder etlicher maſſen gerettet / oder doch mehre - re ſchaͤndung abgewendet werden kan / ſo iſts bereits der fall / der ſolche pflicht von uns fordert. Wiederum / wo nur die wenigſte hoffnung iſt / den nechſten zu gewinnen / ihn gantz zu recht zu bringen / oder doch ſeinem ſündlichen muthwillen etwas zu ſteuren / ſo dann bey andern das aͤrgerniß abzuwenden / ſo treiben als - denn ſolche urſachen ein gemüth / darinnen die liebe iſt / von ſelbſten / daſſelbige zu thun / was dieſer gemaͤß iſt. Wo ſich aber faͤlle begeben / da wir Chriſtlich vorſehen koͤn - nen / daß Goͤttliche ehre nicht nur werde da - durch nicht gerettet / ſondern nur die boͤſe zu deroſelben mehrerer laͤſterung gereitzet werden: Jtem / daß wir des nechſten boß - heit nur deſto mehr entzünden / alſo zu mehrer aͤrgerniß anlaß geben / und alſo oh - ne einigen nutzen und haß und ungemach zuziehen werden wird uns nicht nur Goͤtt - liches gebot nicht dazu anhalten / ſon - dern wir vielmehr wider die in demſelben befohlne Chriſtliche klugheit mit unvorſich - tigem beſtraffen fehlen: und gehoͤret eigen -lich165lich hieher / was unſer Heyland ſagt / Matt. 7 / 6. Jhr ſolt das Heiligthum (auch in der pflicht des ſonſt Gott-gefaͤlligen be - ſtraffens / davon eigenlich ſolcher ort han - delt) nicht den hunden geben / und eure perlen nicht für die ſaͤue werffen / auff daß ſie dieſelbe nicht zutreten mit ih - ren füſſen (machen ſolche beſtraffungen nicht nur zu nichte / ſondeꝛn treiben aus Got - tes Wort ihr geſpoͤtt) und ſich wenden / und euch zureiſſen / euch darüber allerley trangſal anthun / in dem ihr nachmal euerer unvorſichtigkeit halber den troſt eines von Gott euch zugeſchickten ereutzes nicht haben würdet. Jndeſſen bleibet dieſes feſt / daß / wie das vor ſichtige ſtraffen (wobey auch nothwendig iſt / daß beſcheidenheit ge - braucht werde / und ſich in worten und ge - berden hervor thue / wie es aus liebreichem hertzen geſchehe / in dem ſonſten abermahl die geſuchte frucht / wo der andere eine heff - tigkeit und bitterkeit gewahr wird / verloh - ren / ja die ſache ſchlimmer gemacht wer - den kan) noͤtig iſt / alſo ſey es auch ein treff - lich zeugniß einer von GOtt gewirckten lie - be / ſonderlich wo wir bey der hoffnung an - noch etwas auszurichten / in dem gegentheilauch166auch alles darüber gern zu leyden / willig ge - weſen ſind: was denn auff ſolche art ge - ſchiehet komt nicht von dem menſchen / ſon - dern von dem Geiſt der liebe. Sonderlich gehoͤret auch dahin / wo man die jenige zu beſtraffen hat / welche uns unterworffen / oder doch ſonſten geringer als wir ſind / daß man ſich befleißige / ſolches mit ſanfftmuth / als viel die ſache ſelbs zugeben will / zu werck zu richten / und alſo den / welcher geſündiget hat / mehr zur überzeugung des gewiſſens zur erkantniß und beſſerung der ſünden zu bringen / als mit betrohung und ſtrenge zur bitterkeit und halsſtarrigkeit zu bewegen: ſo vielmehr / weil gemeiniglich die geringere / und die ſich fürchten müſſen / die haͤrtigkeit gegen ſich nicht ſo wol ihrem verſchulden / als weil ſie verachtet ſeyen / und jeder an ih - nen gern zum ritter werden wolte / zu ſchrei - ben / daher gar leicht / was ſie leyden oder anhoͤren müſſen / dem zorn und hochmuth zuſchreiben / dadurch der zweck der beſſe - rung am wenigſten erhalten wird. Daher man ſich wol zu hüten / daß man / was dem nechſten nutzen ſolle / nicht ſelbs ver - derbe.

§. 56. Weil167

§. 56.

Weil aber einige in dem ſtande ſind / daß ſie nicht vieles / ja gegen einige nichts / ſolcher geiſtlichen pflichten zu leiſten vermoͤgen / ſo dann auch viele davon gegen viele / als zum exempel / mit denen wir ſo ge - nau umzugehen keine gelegenheit haben / nie koͤnnen geübet werden / ſo iſt ferner inacht zu nehmen / daß ſolche nichts deſto weniger eine thaͤtige liebe gegen den nechſten tragen koͤnnen und ſollen. Sie haben ſich alſo nicht nur zu erfreuen / wo ſie ſein gutes / was GOtt an ihm oder durch ihn thut / ſehen; ſich zu betruben / wo ſie von ſeinen ſünden hoͤren oder ſehen / und doch nicht zu h[e]lffen wiſſen; ſo denn ſtaͤts eine innigliche begier - de zu ſeiner ſeelen beſtem zu tragen; ſondern ſie ſind auch ſchuldig / auffs wenigſte ſo viel zu deſſelben geiſtlichen beſtem zu thun / als ſie vermoͤgen / welches geſchie het eines theils mit gottſeligen exempel / da ſie ſich deſſelben eben aus der abſicht auff ſeine erbauung be - fleiſſen / ſo dann in jeglicher gelegenheit / da ſie wiſſen / daß derſelbe acht auff ſie gebe / ſich abermahl eben um der urſach willen ſo viel vorſichtiger halten / ja auch mit ihrer ungelegenheit ſich einiges / daß ihnen ſon - ſten wol erlaubt geweſen waͤre / damit ernicht168nicht widrige gedancken faſſe / oder ſich aͤrge - re / enthalten. (Wie Panlus Rom. 14. lehrt / wie man in mittel dingen mit dem nechſten umgehen / und ſeiner ſchonen ſolle / auch v. 15. austrücklich ſaget: So aber dein bruder über deiner ſpeiſe betrübet wird / wo du dich deiner freyheit alſo ge - braucheſt / daß er einen anſtoß und betrüb - niß davon nehmen mag / ſo wandelſt du ſchon nicht nach der liebe. ) andern theils aber mit hertzlichem gebet vor ſeine geiſtliche wolfahrt / ins gemein und abſonderlich / ſo viel ihnen bekant wird / worinnen ſie ihm et - was zu erbitten vermoͤgen. Alſo ſehen Chri - ſten / daß GOtt jemand eine gnade erzeige / daß ſie ſo wol in ihrer ſeele Gott davor dan - cken / nichts anders / als wann es ihnen ſelb - ſten begegnet waͤre / alſo auch ihn anruffen / daß er ihm ſolche gnade erhalten / und ſchaf - fen wolle / daß er ſich derſelben recht ge - brauche: ſehen ſie / daß einer ſünde thut / daß ſie ſo bald zum HErrn ſeufftzen / daß er ihm ſolche vergeben / und ihn zur wahren buß kommen laſſen wolle: ſehen ſie ihn etwas gutes thun / daß ſie den HErrn bitten / er wolle ihm ſolches laſſen gefaͤllig ſeyn / und zu noch mehrer frucht geſegnet werden. Se -hen169hen oder hoͤren ſie ihn in gefahr und verſu - chung zu ſtehen / daß ſie ſo bald Gott bitten / ihm beyzuſtehen und ihn zu bewahren: und was der gleichen mehr iſt / wie denn ſament - lich der liebreichen art auch dieſe iſt / wo und was ſie ſehen / ihnen zur gelegenheit und ü - bung der andacht und liebe zu machen: ſehen ſie junge leute oder kinder / wird ihnen ſo bald einfallen / daß ſie der HErr doch moͤge in ſeiner gnade laſſen erwachſen / und ſeiner ehre werckzeuge werden: ſehen ſie gantze hauffen leute / daß ſie ſeuffzen / daß doch nie - mand unter denſelben moͤge verlohren wer - den; ſehen ſie ſolche / die mit ihren geſchaͤfften und arbeiten umgehen / daß GOtt nicht nur ihr werck von ſtatten gehen laſſen / ſondern auch gleichen fleiß zu ſchaffung ihres heils bey ihnen wircken wolle: ſehen ſie leute zur kirche oder andern heiligen übungen gehen / daß der HErr ſeinen Geiſt ihnen darzu ver - leihen / und frucht bey ihnen ſchaffen wolle: alſo auch / was ſie in der Kirchen ſehen oder wiſſen vorzugehen / beten ſie allemahl nicht nur vor ſich / ſondern ſtaͤts mit vor alle an - dere / daß GOtt in ſeiner ordnung kraͤfftig ſeyn wolle / in fruchtbringung des Worts ſo itzt geprediget werden ſolle: in würdigerHempfa -170empfahung des heiligen Abendmahls / von denen / ſo ſich zu dem heiligen Tiſch nahen / in ſolcher feſten gründung des Reichs Got - tes / in den hertzen der kinder / oder anderer / welche getaufft werden ſollen / daß es nie - mal künfftig von dem Satan moͤge wieder - umb umgeſtoſſen werden / und dergleichen. Daher dann Chriſtliche hertzen / nicht nur wo ſie in der verſamlung um ſolche vorbit - ten in allerhand art des anligens ihrer mit-Chriſten angeſprochen werden / ſolche hertzlich thun / ſondern auch ſich derſelben pflicht zu hauſe / ſo dann als offt ihnen et - was der noth derſelben vorkommt / treulich erinnern. Wie ich dann davor halte / daß wol dieſes eine der unfehlbarſten proben der wahren liebe iſt / wo auch ohne nach ſinnen / was wir an dem nechſten ſehen / daſſelbe ſtracks in uns einen wunſch / gebet oder danckſagung vor ihn würcket / und welche ihr hertz ſo geneigt befinden / die haben ein zeugniß / daß der Geiſt der liebe wahrhaff - tig darinnen wohne / und alſo ſo wol ſolche gebete / als übrige ihre werck / die ſie in der - ſelben liebe verrichten / aus der gnade ſeyen. Jn dem dieſe würckung der liebe am aller - wenigſten fleiſchliche urſachen haben kan /ſon -171ſonderlich nach dem ſolche gebete gemeinig - lich in dem hertzen geſchehen / und niemand / als GOtt / zu zeugen haben / daher nichts von anderem geſuch darunter verborgen ſeyn mag.

§. 57.

Nun alle die gedachte ſtücke ſind kennzeichen der liebe / und zwar wo ſie richtig ſind / zeugnüſſen einer Goͤttlich-gear - teten liebe: es gehoͤret aber auch dazu / daß man ſich der liebe und ſanfftmuth be - fleißige / nicht aus deme eigenlich / damit wir unſere ſeelen in einer ruhe behalten / ſondern aus liebe zu GOttes gebot und deſſen exem - pel. Sonſten weil ſie bey aller liebe an ſich ſelbs viel mehrere beruhigung eines ge - müths / und demſelben alſo wol dabey iſt / ſonderlich in der ſanfftmuth / da mans mit den jenigen zu thun hat / die uns zu wider - willen reitzen / da hingegen der zorn und heff - tigkeit den jenigen / den er einnimmet / zu erſt und oft mehr verletzet und verunruhiget / als den jenigen / der davon leyden muß / ſo be - greifft der natürliche veꝛſtand ſolchen nutzen auch wol / und wird ein kluger / ob wol un - widergebohrner mann / ſich manchmahl vor zorn hüten / und der ſanfftmuth befleißigen / bey dem dañoch die wahre liebe des nechſtenH 2nicht172nicht iſt / ſondern er allein ſeiner gemüths - ruhe ſchonet: daher ſolches nur eine ſchein - liebe und falſche ſanfftmuth / nicht aber eine warhafftige Goͤttliche würckung iſt / als welche nicht aus eignem ſchohnen / ſondern zuneigung zu dem nechſten / ſanfftmuth übet.

§. 58.

Was wir bißhero von der liebe des nechſten geredet / gehet alles eigenlich die gemeine liebe an / wie ſie S. Petrus nen - net / und von der bꝛüderlichen liebe unter - ſcheidet / 2. Petr. 1 / 7. Jndeſſen haben wir die bruder-liebe von dieſer ſache nicht auszu - ſchlieſſen / ſondern ſie iſt vielmehr in gewiſſer maaß ein noch ſo viel ſtärcker zeugniß / und zeiget ſich auch in allen früchten / die wir bey der gemeinen liebe bemercket / ſo hie wieder - holet werden koͤnten. Es heiſſet aber dieſe bruder-liebe die liebe / damit wir die jenige lieben / welche auch aus GOtt und dem glauben wiedergebohren / daher gleicher in - nereꝛnatur und gleiches erbes mit uns ſind / und zwar / daß eben dieſes auch die urſach der liebe eigenlich ſeye. Hievon redet auch Johannes / 1. Joh. 5 / 1. Wer da liebet den / der ihn gebohren hat / der liebet auch den / der von ihm gebohren iſt. Wir173Wir haben aber etwas weiter die art ſolcher brüderlichen liebe zu betrachten; ſo gehet ſie nun / wo ſie rechtſchaffen iſt / gegen alle kinder GOttes ohne unterſcheid. Wo man die je - nige liebet / mit denen wir bekant ſind / dero lieblicher und erbaulicher umgang uns erfreuet und nutzet / und wir alſo auch ſo bald ihre ſonderbahre liebe gegen uns ſehen / und davon etwas hoffen koͤnnen / ſo iſt zwar ſolches von der brüderlichen liebe nicht auszuſchlieſſen / ſondern gehoͤret freylich dazu / es iſt aber noch kein ſolch unfehlbar es zeugniß / wo es nur dahey bliebe: Hinge - gen wo ich alle / die ich ſehe / oder von denen ich hoͤre / daß ſie kinder GOttes ſeyen / innig - lich zu lieben bey mir befinde / mag dieſes allein eine unfehlbare verſicherung geben. Denn ſo ſind die rechtſchaffenene kinder GOttes geſinnet / wo ſie nur von brüdern und ſchweſtern hoͤren / die ſie dem fleiſch nach niemal gekant / noch auch in der welt werden kennen lernen (daher ſie keinen ab - ſonderlichen nutzen / auch nicht einmahl in dem geiſtlichen / durch liebes-pflichten oder ſonderbares gebet / von ihnen erwarten koͤn - nen) ſo neiget ſich ſtracks ihr hertz gegen ſie / wil ſich im Geiſt mit ihnen verbinden-ſe -H 3hen174hen ſie ſolche / an dero ſchwachheit ſie mehr anſtoß als erbauung haben / und alſo von denen ſie abermal nichts hoffen / ſondern dieſelbe ihrer bedoͤrffen / ſie ſehen aber eini - ge zeugniſſen der Goͤttlichen gnade noch an ihnen / ſo lieben ſie ſie abermal nichts deſto weniger. Ja wie es geſchehen kan / daß auch rechtſchaffene glaͤubige in mißverſtand gegen einander gerathen koͤnnen / wie Ap. Geſchicht 15 / 39. Paulus und Barnabas / da ſie nicht einerley meynung in wahl eines gefaͤhrten waren / ob woͤl beyde die abſicht auff GOttes ehre hatten / ſcharff an einan - der kamen / ſo bleibet dennoch die liebe un - ter ihnen alſo / daß / weil ſie einen ſolchen / als einen bruder oder ſchweſter noch anſe - hen / und die gnade GOttes in ihnen erken - nen / dieſe erkaͤntniß nicht zugiebet / daß we - gen jenes unterſcheids / und da einer an dem andern ſiehet / was ihm mißfaͤllet / die gemü - ther ſich von einander riſſen: ſondern wie ſie gelernet / auch anderer fehler mit gedult und ſantmuth zu tragen / ſo laſſen ſie auch ihre brüder gleicher liebe genieſſen.

§. 59.

Was auch von der gemeinen lie - be geſagt wird / daß ſie ohne einig geſuch ſeyn muß / eben daſſelbige gehet ſo vielmehrdie175die brüderliche liebe an / daß ſie nicht das ihri - ge / ſondern was des nechſten iſt / ſuchet / ja gern zurück ſtehet und ihr abbrichet / damit nur demſelben wol ſeye: in dem wahrhafftig die brüdeꝛ-liebe in ihren fꝛüchten noch etwas in hoͤherm grad über die gemeine liebe iſt. Daher auch ſolche bruder-liebe in gewiſſer maß die geiſtliche brüder den leiblichen an - verwandten vorzeucht. Jch ſage hiermit nicht / daß ein rechtſchaffener Chriſt nicht / auch die bluts-liebe gegẽ ſeine leibliche freun - de habe / indem das Evangelium auch hierin - nen die natur nicht aufhebet / ſondeꝛn beſſeꝛt / und haben die ἄςοργοι, die ſtoͤrrige (wie Lu - therus das wort giebet) oder die ohne natür - liche liebe ſind; Rom. 1 / 31. 2. Tim. 3 / 3. ein ſchlecht zeugniß. Aber dabey bleibets gleich - wol / daß ſie rechtſchaffene Chriſten ihren geiſtlichen brüdern und ſchweſteꝛn nit weni - ger angehoͤrig zu ſeyn glaubẽ / als ihren leib - lichen / und wie ſie dieſen etwa zu gewiſſen pflichten in dem euſſerlichen veꝛbunden ſind / und ſolche auch abſtatten / alſo ziehen ſie in ei - nigen andern dingẽ ihre geiſtliche brüder ſchweſtern den andern vor: deñ es iſt je nicht weniger / nach ſeinem iñern und neuen men - ſchen aus einem geiſt gebohꝛen ſeyn / als nachH 4dem176dem euſſerlichen von einem geblüte herſtam - men / daher jenes band nicht geringer / ſon - dern eher enger iſt: ſo vielmehr / weil / jene ei - nigkeit auch in die ewigkeit ſich erſtrecket / wenn nunmehro die bluts-freundſchafft ein ende hat / und man niemand nach dem fleiſch mehr kennet. Dahero es nicht unrecht iſt / daß in dieſen dingen ein Chriſt ſich in ſeiner ſeelen genauer vereiniget mit dem jenigen / der ihn von haut und haar nicht angehet / a - ber der aus der wiedergeburt ſein bruder iſt / als mit ſeinen fleiſchlichen und fleiſchlich-ge - arteten freunden: ziehet deswegen auch in gewiſſen ſtücken jene dieſen vor / traͤget mehr und inniglicher vertrauen gegen ſie / und würde ſich ehe von dieſen als von jenen tren - nen. Denn jene ſind deſſen Kinder / der ihm befohlen / daß die zu ihm kommende vater / mutter / weib / kind / brüder / ſchweſtern haſſen ſollen / Luc. 14 / 26. Daher ſie ſie und ihre liebe auch in gewiſſer maaß ihren kindern und brüdern nach ſetzen müſſen. Und haben ſie alſo auch in gewiſſer maaß in ver - gleichnug der fleiſchlich-und geiſtlich-ange - hoͤrigen mit Chriſto zu ſagen / Matth. 12 / 50. Wer den willen thut meines Vaters im Himmel / derſelbe iſt mein bruder / ſchweſter und mutter.

§. 60 Es177

§. 60.

Es hat aber auch dieſe brüderliche liebe die art der geſamten liebe / nehmlich daß ſie von innen heraus kommet / ja ſie hat noch einen vorzug vor derſelben / und komt mehr mit der beſondern bluts liebe überein. Wir wiſſen / daß gegen unſere nahe ange - hoͤrige eine ſolche natürliche bluts-liebe uns angebohren iſt / daß wo dieſelbe entweder durch eingewurtzelte boßheit bey uns oder von ihnen durch vieles uns angethanes leid / nicht geſchwaͤchet oder auffgehoben wird / wir bey uns eine innerliche zuneigung gegen dieſelbe vor allen andern menſchen fühlen / alſo / daß uns manches von andern nicht auf gleiche weiſe beweget / wie von bluts-freun - den: ja es ſtecket ſolches ſo tieff in der natur / daß ſich exempel gefunden / daß nahe ange - hoͤrige / eltern und kinder oder geſchwiſtere / ſo durch unglück oder allerley faͤlle von ein - ander gekommen / und einander gantz unbe - kant worden / wo ſie ungefaͤhr einander wie - derumb angetroffen / dergleichen wallen des geblüts gegen einander in ſich empfunden / daß ſie einander an ſolcher bewegung erkant haben. Etwas dergleichen findet ſich auch warhafftig bey den rechtſchaffenen Chri - ſten. Der geiſt / aus dem ſie gebohren ſind /H 5und178und der in ihnen gebohren iſt / iſt in ihnen an ſtatt jenes geblüts. Daher treibet er ſie immer gegen die jenige / wo ſie ihres gleichen finden: und ſo bald werden ſie eines bru - ders oder ſchweſter nicht gewahr / ſo rühret ſich ihr hertz um ſeinet willen mit einer freu - de (oder nach bewandnis des zuſtandes mit mitleiden) mit liebe / mit verlangen gegen ihn. Ja es werden ſich exempel finden / daß einige einander nicht gekant / aber wo ſie faſt nur einander das erſtemal erblicket / in dem hertzen ſo wol gegen einander zu einer heili - gen liebe bewogen worden ſind / und daraus was in jenem ſeye / auff eine geheime art nicht weniger erkant haben / als zu weilen das erſte anblicken zweyer perſonen eine na - türliche oder gar fleiſchliche liebe entzündet hat. Es iſt wie eine geiſtliche Sympathie und geheime regung bey ihnen / weil ein geiſt iſt / welcher in beyden wohnet / und ſo zu re - den an dem andern ſeine eigene geſtalt war - nimmet. Jns gemein aber iſt gewiß / ſo bald ein Chriſt eines andern / auffs wenigſte aus euſſerlichen zeugniſſen / ſo gewahr wird / daß er in ihm die neue geburt erkennet / kan ſein geiſt nicht anders als mit demſelben ſich vereinigen / und ſolches ſo viel brünſtiger /als179als das gute in ihm und dem andern voll - kommen iſt. Daher auch eine begierde iſt mit einander umzugehen / und die gemeinſchafft auch euſſerlich aber im geiſtlichen zu pflegen / ſo dann liebes-thaten zu er zeigen. Alles die - ſes darff nicht erſt genoͤthiget werden / ſon - dern flieſſet aus dem / was in dem menſchen iſt / und alſo aus dem geiſt / deſſen art er mit dem andern gemein hat. Alſo bleibet noch allezeit nach dem grund des hertzens von al - len rechten Chriſten wahr / was in einem hoͤ - hern grad auch des euſſerlichen von den er - ſten Chriſten geheiſſen hatte / Apoſt. Geſch. 4 / 32. Die gemeine der gläubigen war ein hertz und eine ſeele.

§. 61.

Nun dieſe brüderliche liebe iſt ein ſtattliches zeugnis der gnaden-wirckung / weil ſie die unmittelbarſte frucht der Goͤtt - lichen liebeiſt. Denn ob wir wol warhaff - tig den bruder und ſeine perſon auch lieben / ſo iſt dennoch die urſach ſolcher beſondern liebe in ihm die Goͤttliche geburt / der aus GOtt gebohrne Geiſt / das gute ſo Gott in ihm gewircket / wozu er ihn beruffen hat / ja GOtt ſelbs / der in ihm iſt und wohnet / al - ſo / daß unſre bruder-liebe auff dem bruder nicht beruhet / ſondern durch ihn ferner auffH 6GOtt180GOtt durchtringet / und alſo den Vater in ſeinem kinde liebet. So gewiß nun die wahre GOttes-liebe ein zeugnis der gnade iſt / ſo gewiß iſt auch eben ſolches zeugnis in der liebe des bruders / darinnen jene ſte - cket / und dieſe aus ihr kommet. Es iſt auch dieſelbe ſo zu reden natürlicher weiſe ein ſol - ches kennzeichen / weil unſre zuneigung ge - gen ihm weiſet / daß wir mit ihm gleich ge - ſinnet (daher auch eines urſprungs) ſeyn müſſen / wie auch in der welt gemeiniglich aus dem jenigen / mit wem jeder ſich in liebe verbindet / geſchloſſen zu werden pfleget / wie er geſinnet ſeyn müſſe. Welches zeugnis ſich auch noch ſo viel mehr beſtaͤrcket / weil hingegen der welt art iſt / daß ſie die kinder GOttes haſſet / als die ſie gantz anders ge - finnet findet / und zwar ſo vielmehr als der welt geiſt ſtarck in ihr iſt / und hingegen der Geiſt GOttes in den andern ſich kraͤfftig hervor thut. Dahero man die welt recht auch an dieſem kennzeichen des haſſes gegen die fromme / Joh. 15 / 19. 1. Joh. 3 / 1. kennen kan: alſo iſt hingegen die liebe gegen die - ſelbe ein gegenzeugnis eines menſchen / der nicht aus der welt / ſondern aus GOtt iſt. Dahero wo ein menſch nach bißher ausge -führ -181führtem bey ſich findet / wie er zwar auch ſonſten alle menſchen liebe / daß aber den - noch abſonderlich ſich ſein hertz über alle die jenige freue / von dero rechtſchaffenem Chri - ſtenthum er etwas ſihet oder hoͤret / haͤlt ſich gleich dieſelben verbunden / trachtet / wenn es ſeyn kan / mit ihnen weiter vereiniget zu werden / und ſolches nicht nur aus begierde der erbauung von ihnen (welche gleichwol auch nicht ausgeſchloſſen iſt) ſondern nur um der urſach willen / weil ſolches gute in ih - nen ſeye / (wie die liebe auch ohne genuß gern mit dem jenigen umgehet / die ſie liebet) ziehet ſie ſolcher urſach wegen allen andern vor / wolte / wenn es bey ihme ſtünde / lieber aller andern als derſelben entrathen / hat gleich mit ſo vielmehr empfindlichkeit theil an deroſelben gutem und boͤſem / was ihnen begegnet / und betet mit inbrünſtigem geiſt vor ſie / (wo ſie zu weilen in der ſeele etwas ſonders zeiget / welches S. Paulus meinet / Phil. 1 / 4. μετὰ χαϱἄς, mit freuden / und man ſich gewiß nicht allemal in dem gebet / nach dem die noth und perſonen ſind / gleich geſinnet finden wird) da hat ein ſolcher menſch ein zeugnis / daß die wahre Goͤttliche bruder-liebe bey ihm ſeye / und was er in undH 7aus182aus derſelben thut / das thut er aus der Goͤttlichen gnaden-wirckung / in dem die auch betrüglichſte natur dieſe dinge nicht alle alſo nachmachen kan.

§. 62.

Nun gehen wir 4. zu der vierdten haupt tugend / welche iſt die demuth / da - von wir gleich ſagen / es ſeye die demuth eine vortrefliche frucht des geiſtes / die ſich Col. 3 / 12. bey den auserwehlten und geliebten GOttes findet / und was denn in und aus demuth geſchiehet / iſt ſo viel weniger ein werck der bloſſen natur / als tieffer in unſerer verderbnis der hochmuth und hoch haltung unſerer ſelbs uns angebohren iſt / alſo gar / daß auch ſolches laſter bey manchem annoch zwar auff eine ſubtilere und verborgenere art noch herrſchet / in dem die andere ſün - den ziemlich geſchwaͤchet ſind. Wir haben aber der rechten demuth (in dem eben ſo wol ſalſche und betriegliche demuth gefunden wird / und von der wahren wol unterſchie - den werden muß) art gründlich einzuſehen. So beſtehet nun die demuth und zeigetſich darinnen. 1. Wenn wir von dem jenigen werck / was wir vornehmen / uns vorſtellen / ja vielmehr / wo uns ſo bald das hertz ſelbs vorſtellet / als wir etwas vornehmen wollen /daß183daß wirs nicht zu thun veꝛmoͤgen / ſondeꝛn zu allem guten die krafft allein von GOtt her haben müſſen / und daher ſolches / nicht weil wir von unſeꝛn kraͤfften uns gute gedancken machen / ſondern weil der HErr uns die ſa - che befohlen / mit ſeiner anruffung und allein mit vertrauen auff ſeine hülffe / uns unter ſte - hen: Wo wir auch in waͤhrender verrich - tung ſolches unvermoͤgen uns immer vor augen ſtehen laſſen / und uns deſſen eriñern: ſo dann / wo wir nach dem das werck ver - richtet / gleich uns wieder beſinnen / daß es nicht unſere krafft noch werck geweſen / ſon - dern alles dem geber aller guten gaben nicht nur mit worten / oder aus angewehntem ge - brauch / ſondern in wahrer erkãntnis unſrer ſeelen / zuſchreiben und ihm darüber die eh - re geben: alſo gar / daß wir glauben / was ſich vor muth / freudigkeit / gaben / krafft in dem werck bey uns gefunden / ſeye nicht unſer / ſondern des HErrn: er habe uns nicht nur müſſen die natürliche tüchtigkeit dazu geben / wie wir wiſſen / daß wir auch unſer weſen und die natürliche kraͤfften von ihm haben / ſondern wir würden uns auch derſelben dißmahl nicht recht gebraucht / oder auch nur den willen / viel weniger diefer -184fertigkeit und geſchickligkeit darzu gehabt haben / der HErr aber ſeye es / der uns dazu auffgewecket / den trieb gegeben und erhal - ten / ſo dann gelegenheit / mittel / kraͤfften / verſtand / ander er bey-hülffe / und endlich ei - nen guten fortgang verliehen habe: an wel - chem allem GOtt mehr theil habe / als wir ſelbs / alſo das alles ihm zukomme / uns aber nichts davon zuſtehe / ohn allein was vor fehler / maͤngel und unvollkommenheiten ſich dabey finden / die nicht ihm ſondern uns heim zu weiſen ſind. Alſo ſind wir ſein werck geſchaffen / nicht nur erſtlich / was die natur anlangt / ſondern auch nach der neuen ſchoͤpfung und wideꝛgebuꝛt / in Chꝛi - ſto JEſu zu guten wercken / zu dero ver - richtung aber ſolches einmal in uns ge - wirckte gute nicht genug waͤre / ſondern wie uns GOtt nach der ſchoͤpffung noch erhal - ten / und unſer fortwaͤhrendes leben immer - fort ein außfluß aus ſeiner wirckung ſeyn muß / alſo auch hierinnen von noͤthen iſt daß Gott auch die wiedergeborhne / ſo gleichwol die kraͤften zum guten bereits erhalten habẽ / ſtets zu ſolchen guten werken zuberei - tete / daß ſie darinnen wandeln / Eph. 2 / 10. Eriſts / der in uns wircket beyde daswol -185wollen / das thun nach ſeinem wol - gefallen / zu der zeit und in der maaß / wie es ihm gefaͤllig iſt / Phil. 2 / 13. Alſo / daß wir tüchtig ſind / das iſt von GOtt / 2. Cor. 3 / 5. Aber auch / daß wir auß ſolcher tüchtigkeit etwas thun / iſt nicht wenigeꝛ von GOtt. Es heiſt Eſa 26 / 12. Alles was wir ausrichten / das haſt du uns gegeben. Wo dieſes warhafftig erkant wird / und wiꝛ finden / daß wir innerlich alſo geſinnet ſind / in und aus ſolchem erkaͤntnis wircken und gewircket haben / von unſern kraͤfften und haben in uns / ſo fern ſie unſer und in uns ſind / warhafftig gering halten / alles das je - nige / was an uns andern gefället und hoch gehalten wird / in unſern augen klein ſeyn laſſen / oder doch lauterlich dem HErrn / der uns unwürdige einiger gnade gewürdiget habe / zuſchreiben / daher uns von aller ehr aus wahrem hertzens-grund auslaͤhren / ſie GOtt zurück geben / ſonderlich aber / da wir den fortgang und das glückliche gera - then der ſache nicht unſerer vorſichtigkeit / ſorgfalt und geſchickligkeit / ſondern dem ſee - gen Gottes / der durch jedes werckzeug nicht weniger ausrichten koͤnte / allerdings zu - ſchreiben / und in dem jenigen / was verrich -tet186tet worden / eben ſo wol die maͤngel und feh - ler / und wie es billich noch reiner und voll - kommener haͤtte ſeyn ſollen / als was gut da - ran iſt / erkennen / da iſt ſolches alles ein zeug - nis einer Goͤttlichen demuth / und daß der HErr durch ſeine gnade das werck in uns gewircket habe.

§. 63.

Wie wir nun vor / in und nach dem werck vor uns ſelbs mit ſolcher demuth vor GOtt alles thun / und ihm die ehre allein ge - ben müſſen / daß wir mit redlichem hertzen ſagen / Pſal. 115 / 1. Nicht uns / HErr / nicht uns / ſondern deinem Nahmen gib ehre / um deiner gnade und wahr - heit: alſo müſſen wir nach vollbrachtem werck GOtt vielmehr inniglich danck ſagen / daß er uns zu ſeinen werckzeugen in einer ſolchen ſache gebraucht / und das weꝛck unſe - rer haͤnde gefoͤrdert habe / als daß wir davor halten wolten / GOtt waͤre uns wegen deſ - ſelben etwas verbunden / haͤtten wir uns deſſen vor ihm zu rühmen: ſo müſſen wir auch uns fleißig bemühen / daß / ſo viel an uns iſt / wir andere zu gleichen gedancken bringen / nemlich / daß ſie weder ſonſt mehr von uns halten / als nicht an uns iſt: nach den worten Pauli 2. Cor. 12. / 6. Jch ent -hal -187halte mich des / auff daß mich nicht je - mand hoͤher achte / denn er an mir ſie - het / oder von mir hoͤret: als auch / daß ſie uns eben ſo wol die ehre des wercks nicht zuſchreiben / hingegen wo ſie es thun / daß wir ſo bald ſolches nach vermoͤgen von uns abwenden / und ſtracks jederman auf GOtt weiſen / deme / und nicht uns / alle ehr und der vornehmſte danck gebuhret: wie wir ſehen / daß nicht nur Paulus und Barnabas maͤchtig darüber eifferten / die kleider zuriſ - ſen / unter das volck ſprangen / da ihnen die unwiſſende heydniſche leute zu Lyſtra wegen des geſund gemachten mannes / abgoͤttiſche ehre auf eine grobe art erzeigen wolten / Ap. Geſch. 14 / 14. ſondern Petrus ſuchet auch mit einer erinnerung zuvor zu kommen / daß nicht ihm und Johanni / wegen eines wun - derwercks / unziemliche ehre wieder fahre / Ap. Geſch. 3 / 12. Jhr maͤnner von Jſra - el / was ſehet ihr auff uns / als haͤtten wir dieſen mann wandeln gemacht durch unſer eigen krafft und verdienſt. Wie auch Paulus anderweitlich / da er das jenige gute gerühmet hatte / was GOtt ihm / und durch ihn gethan / ſonderlich aber / daß er mehr gearbeitet habe / denn ſiealle /188alle / aus ſorge / daß er entweder ſelbs ſich deſſen überheben / oder daß ihm andere zur ungebuhr mehr zulegen moͤchten / hinzuſe - tzet 1. Cor. 15 / 10. Nicht aber ich / ſon - dern Gottes gnade / die in mir iſt: Wir haben auch das ſchoͤne exempel an unſerm Heyland ſelbs / der an ſich in der that ſehen laſſen / daß er ſeye von hertzen demüthig / Matth. 11 / 29. Daher er / ob er wol ſeine wunder in eigner krafft that / in dem des Vaters und ſeine krafft eine krafft iſt / dan - noch immer den ruhm von ſich abweiſet / und hingegen ſeinem Vateꝛzuwendet / Joh. 5 / 19. Warlich / warlich ich ſage euch / der Sohn kan nichts von ihm ſelber thun / denn was er ſiehet den Vater thun; denn was derſelbige thut / das thut gleich auch der Sohn v. 30. Jch ſuche nicht meinen willen / ſondeꝛn des Vaters willen / der mich geſandt hat. So ich von mir ſelbs zeuge / ſo iſt mein zeugniß nicht wahr. v. 44. Jch nehme nicht meine ehre von menſchen / v. 43. 44. Jch bin kommen in meines Vaters Nahmen / und ihr nehmet mich nicht an. So ein ander wird in ſeinem eig - nen nahmen kommen / den werdet ihran -189annehmen. Wie koͤnnet ihr glanben / die ihr ehre von einander nehmet / und die ehre / die von GOtt alleine iſt / die ſuchet ihr nicht? Wo der HErr ſeine und ſeiner widrigen art und characterem eigenlich einander entgegen ſetzet. Er ſaget ferner von ſich / Joh. 7 / 18. Wer von ihm ſelbs redet / der ſuchet ſeine eigene ehre wer aber ſucht die ehre des / der ihn ge - ſandt hat / der iſt wahrhafftig / und iſt keine ungeꝛechtigkeit an ihm. Nochmal Joh. 8 / 50. Jch ſuche nicht meine ehre / es iſt aber einer / der ſie ſuchet und rich - tet. Und v. 54. So ich mich ſelber ehre / ſo iſt meine ehre nichts. Es iſt aber mein Vater / der mich ehret / welchen ihr ſprecht / er ſey euer GOtt. So redet er auch gegen ſeine eigene jünger / damit ſie nicht an ihm hafften blieben / Joh. 14 / 10. Die wort / die ich zu euch rede / die rede ich nicht von mir ſelbs. Der Vater a - ber / der in mir wohnet / derſelbige thut die werck. Alſo / da der beſeſſene / welchen er zu recht gebracht / bey ihm bleiben / und et - wa aus danckbarkeit ihm dienen wolte / ließ der liebſte und demüthige Heyland ihm ſolches nicht zu ſondern ſprach zu ihm:Gehe190Gehe hin in dein haus und zu den dei - nen / und verkündige ihnen / wie groſſe wolthaten dir (nicht nur ich / ſondern) der HErr gethan / und ſich dein erbarmet hat. Dieſe art iſt ſo Chriſti eigene art / als hingegen des Satans art iſt / alle die ehre des Schoͤpffers zu ſich zu reiſſen / und wol - gefallen daran zu haben / da ihm ſolche beygeleget wird. Welches aber GOt - tes gerechtigkeit auffs euſſerſte zu wider / daß daher auch / als Herodes / da das volck ihm zurieff: Das iſt Gottes ſtimme / und nicht eines menſchen / daſſelbige mit wolgefallen anhoͤrete / er durch einen en - gel geſchlagen / und von den würmen gefreſſen wurde / daß er die ehre nicht GOtt gab / Ap. Geſch. 12 / 22. 23. Da - her / wo der menſch bey ſich findet / daß ſo bald ihm einige ehr widerfaͤhret / er ſich da - gegen in ſeinem hertzen demüthiget / erken - net / daß dieſelbe GOtt gebühre / auch be - ſcheidelich / ſo viel an ihm iſt / ſie dieſem heim - und die menſchen an denſelben weiſet / ſo hat er damit ein zeugnis / daß die art Chriſti / ſo dem zum hochmuth geneigten fleiſch gantz entgegen ſtehet / bey ihm ſeye / und was er in und mit ſolcher demuth gethan / auch ſolchebewe -191bewegung nach der that bey ſich fühlet / von dem HErrn und ſeinem Geiſt gewircket ſeye. Wie hingegen wo er nach der that findet / daß er an ſich ſelbs gefallen habe / ſich darinnen ſpiegelt / was er vor ein mann ſey / was man ihm zu dancken habe / verlanget deswegen auch von andern gelobt zu wer - den / betrübet ſich / wo ſolches unterbleibet / oder doch nicht ſo viel geſchiehet / als er ver - dienet zu haben meinet / auch die darüber an - gewandte mühe ſich dauern laͤſſet / als die er verlohr en ſchaͤtzet: Hingegen wo ihm groſ - ſe ehre darüber widerfaͤhret / ſich damit - tzelt, / in ſich ſelbs und gegen andre brüſtet / auch gern / daß es noch mehr geſchehe / ſie - het und befoͤrdert / nicht aber von hertzen / ob ers wol etwa etlicher maſſen mit dem mun - de thaͤte / auf Gott weiſet / und in ſolcher eh - re die frucht ſeiner arbeit ſuchet / iſt dieſes ein trauriges zeugnis / daß auch die vorige that nicht in rechter demuth geſchehen ſeye / und er ſich damal betrogen habe / als er mein - te / er thaͤte es zu GOttes ehren / in dem eine heimliche ſelbs liebe darinnen geſtecket / die ſie nunmehr verraͤth; alſo war denn alles lauter werck der natur / in eigener liebe und geſuch gethan / oder da Goͤttliche wirckungan -192anfangs noch einen platz dabey gehabt / iſt doch dieſelbe untertruckt / und durch das ge - folgte das gantze werck beſlecket und verder - bet worden.

§. 64.

Dabey iſt gleichwol zu mercken / daß wir die fleiſches reitzung zu der eigenen einbildung und hochmuth hiemit nicht aus - ſchlieſſen / noch die wiedergebohrne von den - ſelben frey ſprechen / ſondern müſſen freylich bekennen / daß ſie noch von der alten art auch an ſich haben / welche gern ihre eigene ehre ſuchet / und bey jeglicher gelegenheit uns darzu locket: daß deswegen gute hertzen ſich nicht darüber zu aͤngſten ha - ben / wo ſie in und nach der that derglei - chen bewegung bey ſich fühlen / daß ſich das fleiſch gern erheben wolte / in dem wir ſe - hen / daß auch bey dem hocherleucheten A - poſtel / und wol geübten ſtreiter JEſu Chri - ſti / Paulo / ſich noch die jenige ſündliche un - art fande / die ſich auch ſo gar die himmli - ſche offenbarungen / und alſo dieſe dinge / dabey er ſelbs nichts gethan haͤtte / zum hochmuth würde haben verleiten laſſen / wo nicht der himmliſche Vater aus gantz heil - ſamen rath / ihm deswegen den pfahl ins fleiſch gegeben / und des Satans Engelihn193ihn mit faͤuſten ſchlagen laſſen / daß er ſich nicht ůberhübe / 2. Cor. 12 / 7. Dahe - ro ſolche zuneigung und reitzung neben den Goͤttlichen würckungen wol ſtehen kan / der kinder GOttes art aber darbey iſt / das ſie denſelben gelüſten ſo wol als andern wider - ſtehen / und ſich trachten / ſo vielmehr in ſich und vor andern zu demüthigem / als das hertz gern in die hoͤhe wolte. Dieſer redli - che kampff gegen dieſelbe iſt ein gnugſam zeugniß / daß die gnade annoch die obhand habe. Wohin auch zu ziehen / bey den jeni - gen / die ſonſten redlich ſind / daß ſie offt bey ſich finden werden / wie ſie das fleiſch wahr - hafftig hierinnen überliſtet und übereilet habe / und ſie alſo nach ſorgfaͤltiger unter - ſuchung gewahꝛ weꝛden / wie ſich einige aufs wenigſte heimliche ſuchung einiger ehre mit eingemiſchet: da wir aber / wann ſo bald bey der entdeckung ihres betrugs der ſünden eine wahre demüthigung und betrübniß über ihr elend ſich in der ſeele oͤffnet / ein ſol - ches werck noch nicht vor allein natürlich verwerffen koͤnnen / ſondern glauben doͤrf - fen / daß es ein von der gnade verurſachtes werck geweſen / wann ſonſten dero zeugniſ - ſen ſich weiſen / nur daß es hingegen auchJvon194von dem fleiſch beflecket worden. Und fin - det ſich ſolches ſonderlich bey den anfaͤng - lingen im Chriſtenthumb / und welche noch ſehr ſchwach ſind. GOtt aber traͤget auch mit dieſer ihrer ſchwachheit gedult / und ü - berſiehet ihrem noch kindiſchem alteꝛ / daß ſie einigerley maſſen mehr ihre eigene ehre ſu - chen / und den eignen kraͤfften / ſo ſie noch nicht recht kennen / mehr zutrauen / als er bey andern ſtaͤrckern zugeben würde / welche ſich beſſer haben einſehen koͤnnen. Wie denn auch bey jenen es mehr eine unwiſſenheit iſt / als ein vorſatz / doch daß ſie ſich mehr und mehr auch ſolches boͤſe abzugewoͤhnen befliſ - ſen ſeyen.

§. 65.

Es muß ſolche demuth 2. ſich nechſt der erkaͤntniß unſers unvermoͤgens auch darinnen zeigen / (ſo gar aus dem vorigen erhellet / und einiges bereits davon mit ein - gemiſchet iſt) daß wir in dem jenigen / was wir thun / warhafftig nicht unſre ehre / oder bey andern uns daduꝛch groß zu machen / de - roſelben lob und hochhaltung uns zu wege zu bringen / und vor andern einen vorzug zu erlangen ſuchen / ſondern daß es uns redlich allein darum zu thun ſeye / dem HErrn und ſeinem befehl zu gehorſamen / in ſeiner ord -nung195nung unſerm beruff nachzugehen / dem nech - ſten nutzen zu ſchaffen und endlich durch al - les ſolches die Goͤttliche Ehre / hindan geſetzt der unſrigen zu befoͤrdern. Wie aber unſer hertz betrüglich iſt / ſo überredet es uns leicht / daß wir ſeine heimliche tücke nicht mercken / daher wir auch die proben dieſer probe wol wahrzunehmen haben: welche etwa dieſe ſeyn moͤchten / wo wir die jenige dinge willig thun / wo von wir gewiß ſind / daß wiꝛ davon keine ehre erlangen werden / und ſie dennoch andern wercken / die uns ehre bringen moͤ - gen / aber nicht ſo nützlich oder noͤthig als je - ne ſind / gern vorziehen: ſo dann / wann wir mit freudigem hertzen auch der jenigen wer - cke uns befleiſſen / davon wir vielmehr bey andern verachtung zu erwarten haben / ent - weder daß man ſie vor zu geringe vor uns haͤlt / oder weil insgeſamt die nachfolge Chriſti in der welt zum ſpott gezogen wird. Geſchichts aber / daß wir zuweilen einiges lob und ehre davon ohne unſern willen er - langen / oder auch ſolches vorſehen koͤnnen / aber deswegen das werck nicht haben unteꝛ - laſſen ſollen / waͤre noch eine probe unſe - rer redligkeit / wenn wir in prüfung unſers hertzens finden / daß wir es auch ohne ſotha -J 2ne196ne ehre und dero erwartung würden gethan haben; ſonderlich da wir die erfahrung würden davon haben / wie wir zu andern malen würcklich dergleichen geleiſtet / das iſt / ſolche wercke auch in den faͤllen verrich - tet haben / wo wir keine ehre erlangt / noch hoffen koͤnnen / ja ſchande haben erwarten müſſen / und aber itzt ein gleiches gemüth bey uns finden. Dahin geboͤret auch / wo wir vieles gutes thun / wo kein menſch / oder je ſo wege / als es ſeyn kan / davon wiſſen. Wann wir nicht nur allein in den dingen / die wir mit GOtt nnmittelbar zu thun haben / mit demſelben am liebſten im verborgenen um - gehen / und ja nicht mit gebet und andern andachten vor andern pralen / und den an - trieb der andacht davon herſuchen / wo es andre wiſſen / von welchem gebet der HErr hart urtheilet Matth. 6 / 5. ſondern auch dem nechſten gerne gutes erzeigen / wann es niemand / als er allein weißt / und wir alſo von niemand damitlob erwerben / wie der HErr ſaget Matth. 6 / 3. daß die lincke hand nicht wiſſen ſolle / was die rechte thut. Ja wo wir zuweilen dem nechſten gutes erzeigen auff einige verdeckte art / da er ſelbs nicht erfaͤbret noch gewahr wird /daß197daß und wie viel wir uns um ihn verdienet haben; und ſolches immerdar eben ſo gern / als wir es zu thun pflegen / da er davon weiß. Alſo auch da wir / wo es moͤglich / unſer gu - tes alſo anſtellen / daß wir andern auch theil geben an der ehre / die auß der ſache auff uns kommet / und wiꝛ eben ſonſten dero mit - wirckung ſo noͤthig dabey nicht gehabt haͤt - ten. Nicht weniger gehoͤret dahin / wo wir in der wahl etwas entweder in dem verbor - genen / oder aber / daß andere auch davon wiſſen / zu thun / lieber jenes erwehlen / es ſeye denn ſache / daß das werck nicht ſo fruchtbar ſeyn würde / oder da wir auff der andern ſei - ten hoffen koͤnnen / daß GOttes ehre deſto nachtrücklicher dadurch werde koͤnnen be - foͤrdert werden. Denn wie wir unſere eh - re nicht ſuchen doͤrffen / ſo iſt uns gleichwol ernſtlich befohlen / Matth. 5 / 16. Laſſet euer liecht leuchten (auch) vor den leu - ten / daß ſie eure gute werckeſehen / und euren Vater im Himmel preiſen. Und 1. Petr. 2 / 17. Führet einen guten wan - del unter den Heyden (alſo nicht nur in den verborgenen / ſondern auch vor den au - gen der menſchen) auff daß die / ſo von euch affterreden / als von übelthaͤtern /J 3eure198eure gute wercke ſehen / und Gottprei - ſen / wanns nun an den tag kommen wird. So dann Phil. 2 / 15. Auff daß ihr ſeyd ohne tadel / und lauter / und Gottes kindeꝛ / unſtraͤflich / mitten un - ter dem unſchlachtigen und verkehr - ten geſchlecht / unteꝛ welchen ihꝛ ſchei - net (und alſo auch dieſes Goͤttlicher wille an euch iſt) als die liechter in der welt. Da - her freylich aus unzeitiger demuth GOtt um ſeine ehre / und der nechſte um die erbau - ung / welche er aus unſerm guten ſchoͤpffen ſolte / nicht zu bringen iſt: abeꝛ das obgedach - te / daß wir auch gern unſer gutes verber - gen / gehoͤret auff die jenige faͤlle / da dieſer zweck nicht ſo ſcheinbar / hingegen mehr zu ſorgen iſt / daß unſer lob uns auffblaſen / o - der von andern mehr die ehre uns / als de - me / welchem ſie allein gebühret / beygeleget werden werde. Dieſe etzliche proben moͤ - gen uns ziemlich zur prüfung in dem jeni - gen / was wir thun / dienen / ob ſolches aus und in wahrer demuth geſchehe / und alſo ob es ein gnaden-werck ſeye oder nicht. Dazu auch noch gehoͤren mag / wenn wir uns des gebrauchs der jenigen gaben / die GOtt in uns geleget hat / und wir davon ſonderlichlob199lob zu gewarten haͤtten / in den faͤllen / wo wir entweder von unſerm betrüglichen her - tzen die ſtaͤrckung des wolgefallens an uns ſelbs / oder von andern allzu vielen ruhm ſorgen müſten / oder auch dennutzen davon ſo groß nicht ſehen / vielmehr davor halten / daß derſelbe von andern kraͤfftiger zu wege gebracht werden koͤnte / als von uns / willig - lich begeben / und die ſache von andern por - nehmen laſſen / ja wol ſelbs darzu denſelben behülfflich ſind: und alſo / nach dem exem - pel unſers He[yl]andes / Phil. 2 / 6. uns da - von[entäuſſern]oder auslaͤhren / worzu wir ſonſtrecht haͤtten / diß mal aber daſſelbe Goͤttlicher ahſicht bey uns nicht ſo gemaß waͤre.

§. 66.

Dieſe bemerckung führet uns 3. zu einem andern kennzeichen der recht Goͤttli - chen demuth / wann wir andern / wer ſie und wie ſie gegen uns im übrigen geſinnet ſeyn moͤgen / welche gleiche oder mehrere gaben / als wir empfangen / die gleiche arbeit mit uns thun / wo ſie ſolches in mehrerem ſegen / mit mehrer geſchickligkeit / klugheit / krafft und nachtruck verrichten / daher auch etwa mehr lob / als wir / dovon tragen / ja das un - ſerige durch das ihrige ziemlich verdunckeltJ 4wird /200wird / daſſelbe nicht mißgoͤnnen / oder uns darüber betrüben: Vielmehr Gott ſo hertz - lich dancken / da er andere zu werckzeugen ſeiner ehre gebraucht / und mehr gedeyen zu ihrem pflantzen und begieſſen verleihet / als wenn er an uns dergleichen thaͤte / auch von hertzen glauben / der HErr habe uns nicht würdig befundẽ / daß er uns dazu gebrauch - te / oder auch geſehen / daß wir nicht ſo treu - lich mit ſeinen gaben umgehen würden / da - her er jene lieber dazu würdigen wollen / über die wir dann nit neidiſch ſeyn / ſondern Got - tes weisheit und gerechtigkeit mit freuden preiſen ſollen. Wo dieſes geſchiehet / offen - bahret es einen redlichen grund der unge - färbten demuth in dem hertzen / ſonderlich da wir auch gern ſolches gute an dem nech - ſten rühmen bey andern davon reden / und es bekant machen / auch da es von andern geſchiehet / ſolches gerne ſchen / und alſo in nichts das lob unſers nechſten / obſchon das unſrige dabey ſchaden leydet / hindern / viel - mehr daſſelbe / und ſonderlich die Goͤttliche thre darinnen befoͤrdern. Hingegen iſts ein gewiſſer hochmuth / ob mans ſchon nicht erkennen wil / wo wir nicht nur bey uns füh - len / daß uns fremdes lob in dem hertzen we -he201he thun will (welche auffſteigende gelüſte auch etwa bey guten ſeelen ſich finden / die ihnen aber kraͤfftig widerſtehen / und mit be - trübniß und demuth vor GOtt daraus die unvollkommenheit ihrer erneuerung erken - nen) ſondern ſolche mißgunſt gegen den an - dern bey uns hegen / auch daraus thaͤtlich des nechſten ruhm zu ſchmaͤlern uns unter - ſtehen. Daher was bey ſolchem hertzen von uns geſchiehet / uns verdaͤchtig ſeyn muß / daß es nicht richtig damit ſeye / weil es uns an der demuth mangelt / welche allein ein bequemer acker iſt / darauff etwas GOtt - gefaͤlliges wachſen kan, / und darauff ſein Geiſt arbeitet.

§. 67.

Wie wir an den heiligen maͤnnern Gottes auch dieſes zeugnis ihrer demuth in ihren ſchrifften antreffen / daß ſie ihre fehler ſelbs auffgezeichnet / und dero gedaͤchtnis / ſo gleichwol ihren ruhm etlicher maſſen ver - dunckeln koͤnte / auf die nach-welt fort ge - pflantzet haben / da ſie darinnen den preiß der ihnen wiederfahrnen barmhertzigkeit Got - tes und die erbauung andereꝛ zu finden hoff - ten / ſo mag auch 4. die wahre Goͤttliche de - muth daran erkant werden / wo wir unſere fehler gern bey andern / auch wol gar oͤffent -J 5lich /202lich / und da es ſo ſeyn koͤnte / in ſchrifften be - kennen: nemlich in den faͤllen da wir davon hoffen koͤnnen / das Goͤttliche gnade vor an - dern dadurch ſo viel hertzlicher erkant / und gerühmet werden / ſo dann andre einiges an unſerem exempel zu ihrer behut ſamkeit oder auch troſt / und demnach erbauung / finden moͤgen. Welches auch zuverſtehen iſt von den jenigen fehlern / die andern an uns nicht bekant ſind / und wir gleichwol von dero of - fenbahrung nicht nur kein aͤrgernis / ſon - dern gar einen geiſtlichen nutzen hoffen koͤn - nen. Alſo auch / wo wir uns und unſer thun von andern / obs geringere leute waͤren / gern ſtraffen und beſſern laſſen / wie denn die weißheit von oben herab ihr gern ſa - gen laͤſſet / Jac. 3 / 17. Und es der kinder GOttes rege / bleibet / Pſalm. 141 / 5. Der gerechte ſchlage mich freundlich / und ſtraffe mich / das wird mir ſo wol thun als ein balſam auff meinem haupte. Und zwar ſolches nicht nur von denen / wel - we ſolches als die gerechte aus liebe und mit guten hertzen thun / ſonderlich welche gar unſre vorgeſetzte waͤren / da wir ihnen noch zu hoͤherem danck uns verbunden erken - nen müſſen / ſondern auchwo einige andreſich203ſich dergleichen mit bitterkeit und aus unrei - nen gehaſſigen hertzen thun: Daraus aber warhafftig demüthige hertzen eben ſo wol ihren nutzen nehmen / manches an ſich ge - wahr werden / was ihnen des feindes luchs - aug gezeiget / welches weder des freundes noch ihr auge vorher erkant hatte / und als - denn ſich auch jenen feinden / oder vielmehr der Goͤttlichen gütigen regierung / die das boͤſe zu unſerm nutzen richtet / verbunden achten / auch ob ſie ihnen damit unrecht zu geſchehen / ſich verſichert halten / dannoch glauben / daß ſie auffs wenigſte mit unvor - ſichtigkeit zu dem ungütigen urtheil moͤgen urſach gegeben haben. Es gehoͤret ferner darzu / wo der nechſte in dem beſtraffen an uns geirret / und uns unrecht gethan / oder doch die ſchrancken der Chriſtlichen beſchei - denheit überſchritten / daß vornehmlich wo es vorgeſetzte ſind / oder wir auffs wenigſte / daß ſie es gleichwol guter meinung gethan wiſſen / wir zu übung unſerer demuth und ſanfftmuth uns ihnen nicht haͤrtiglich widerſetzen / ſondern zwar / da es GOt - tes ehre alſo gemaͤß iſt / und der warheit rettung dergleichen rathet / worinnen wir recht haben / beſcheidentlich zeigen / undJ 6den204den ungegründeten muthmaſſungen ſo fer - ne ſuchẽ abzuhelffen / wo wir aber ſehen / daß auch hiedurch der andere zu mehrern ſünden gereitzet werden moͤchte / im fall ohne ver - letzung Goͤttlicher Ehr und abbruch der warheit geſchwiegen werden kan / und uns ſolches nicht an fruchtbarer verrichtung anderes guten künfftig hindern moͤchte / (wie denn hierzu Chriſtliche vorſichtigkeit und klugheit gehoͤret / weder zu viel noch zu wenig zu thun) lieber / ſonderlich aus betrach tung / daß uns Gott etwa zu erinnerung an - derer und voriger fehler / dißmahl zur unge - bühr habe angegriffen werden laſſen / ſo lange ſchweigen / und bey einigen das anſe - hen behalten / als ob wir unrecht gehabt / als daß wir wolten mit rettung unſerer ehr das band des friedens und eintracht trennen. So wiedeꝛum ein zeugnis deꝛ demut giebet. Dabey iſt noch ferner derſelbigen art / daß man ſich alsdenn in dem / worüber man ge - ſtrafft wordẽ / und auch befindet / daß ſolches ſtraffen grund hat / es ſeye nun aus einem hertzen gekommen / wie es wolle / willig beſ - ſere und aͤndere / auch daß es die jenige ſehen / welche uns ſonderlich aus guten hertzen geſtraffet / damit ſie über uns GOtt denHErrn /205HErrn / der ihre ſorge an uns geſegnet habe / preiſen. So gar / wo man recht gethan / aber wie es der andere haben wollen / noch beſſer waͤre / ſchaͤmet ſich ein demüthiger nicht / auch dieſer erinnerung zu folgen / und wol gegen andere ſolches zu bekennen / und ſeine freude darinnenzu ſuchen / daß andere an uns etwas ausgerichtet haben: insge - ſamt aber ſolle der wille ſtaͤts da ſeyn / ſo offt und viel das ſeinige zu aͤndern / als man von andern oder in eigener überlegung befun - den / daß das vorige nicht ſo gut geweſen / da - mit jederman ſehe / wir halten uns nie vor vollkommen / ſondern ſeyen immer fort be - reit / an uns zu beſſern und beſſern zu laſſen. Hingegen iſt ein gewiſſes zeichen eines hoch - muths / der etwa nach bewandnis der um - ſtaͤnde groͤber oder ſubtiler iſt / wo wir uns von andern nicht wollen ſtraffen laſſen / ſon - dern uns darüber erzürnen / denſelben feind werden / die es thun / und uns ihnen mit bit - terkeit widerſetzen / unſere fehler vertheidi - gen / auf unſerem ſinn beharren / und ob wir wol ſehen / daß das andere beſſer waͤre / je - dennoch aus trutz / jenen die ehre nicht goͤn - nen wollen / daß wir von ihnen erſt lernẽ - ſten / insgeſamt aber auff dem jenigen / wasJ 7wir206wir einmahl erwehlet und angefangen / be - ſtehen / und den ſchimpff nicht haben wollen / daß wirs nicht allezeit recht gemacht haͤtten. Daher wo ſich ſolches gemüth zeiget / hat die gnade nicht die oberhand / und alſo ſind die wercke ſehr verdaͤchtig. Bey wem aber jene demuth ſich zeiget / da iſt dieſelbe / und was in derſelben geſchiehet / eine gewiſſe gnaden - wirckung.

§. 68.

Dieſem kennzeichen der demuth kommet auch 5. ein anders ſehr nahe / wo wir immer gern bekennen / wo wir von an - dern etwas gelernet / und entweder aus ih - rer anweiſung / oder erinnerung / und wie wir gehoͤret haben / beſtraffung / oder aus ih - rem exempel und vorgang weiter gekom̃en ſind: ja ob wir wol eine ſache etwa meiſtens aus dem liecht / das uns Gott ſelbs gegeben / vorgenommen und außgeſühret haͤtten / wo wir nur finden / wie uns andre die geringſte veranlaſſung dazu gegeben / oder wir ohn ihr wiſſen ſolche daher genom̃en haͤtten daß wir auch derſelben gern gedencken / und ſo viel an uns iſt / ein theil des lobes / ſo uns da - von zugewachſen / ihnen willig mittheilen; es waͤre denn fache / daß dero benennung / von denen wiꝛ etwas haben / aus gewiſſenurſa -207urſachen die frucht mehr hindern oder ſchla - gen / und daher dieſelbe nicht rathſam ma - chen mochte. Da hingegen es aber mahl nicht nur eine ungerechtigkeit / ſondern auch ein hochmuth iſt / wo man gern verhaͤlet / von wem man gelernet / es nicht nur willig andern nicht ſelbs bezeuget / ſondern es wol gar laͤugnet / und nur aus ſich ſelbs klug ge - weſen ſeyn will. We aber jenes erſte ſich findet / da iſt / was aus und mit ſolchem her - tzen geſchiehet / warhafftig ein werck Got - tes / und nicht der natur / als welche einmal nie anders kan / als ihre eigne ehre ſuchen / und daran ein miß fallen haben / was ihr zu wider iſt oder ſie ſchmaͤlert.

§. 69.

Ob wol die demuth nichts euſ - ſerliches ſondern eine innerliche tugend des hertzens iſt / iſt doch 6. billich zu mercken / daß ſie ſich auch in dem euſſerlichen hervor thue / und ſo wol was kleidung als auch ſonſten gebaͤrdẽ / wohnung / und ubrige einrichtung ſeines ſtands angehet / nach dem innerlichen ſich richte. Es ſind in ſolcher ſache ſonder - lich zweyerley dinge zu meiden / daß man we - der auff eine noch andere ſeite zu weit gehe oder urtheile. Einmahl ſind einige / welche faſt das gantze weſen der demuth in das euſ -ſerli -208ſerliche ſetzen / davor haltende / es ſeye ſchon gnug zur demuth / wo man nur nidertraͤch - tige gebaͤrden habe / geringe wohnung ge - brauche / keine weitlaͤufftigkeit des ſtaats wegen mache / ſonderlich aber geringe oder wol gar ungewoͤhnlich unformliche kleider trage: da dannoch alles dieſes bey recht hof - faͤrtigen hertzen ſich finden / ja wol gar alles ſolches euſſerliche aus hochmuth eingerich - tet ſeyn kan. Es wird nicht wol zu zweiffeln ſeyn / daß die kleidungen unterſchiedlicher Ordens-leute / von den erſten deroſelben er - findern deßwegen alſo geordnet / daß ſie ge - mein und ſchlecht waren / daher ſich zu der profeſſion der jenigen ſchickten / welche wie anderer welt-eitelkeit abgeſtorben / alſo hin - gegen der wahren demuth von hertzen zuge - than ſeyn / und ſolches auch mit dieſem zeug - nis weiſen ſolten: Jch ſorge aber ſehr / es ſeye nachmal geſchehen / daß bey manchem jetzo ſeine unfoͤrmliche kutte oder mantel / wie ſchlecht ſie ſcheinen / ſo gar nicht mehr ei - ne demuth iſt daß ſie vielmehr ſeines geiſtli - chen hochmuths kraͤfftige nahrung wird / in dem des groͤſtẽ und hochmüthigſten koͤnigs kron purpur gold und edelgeſt ein ihn nicht ſchwülſtiger machen / als einen ſolchen ar -men209men tropffen ſein verſchabner rock / dabey er ſich ein groß verdienſt und ſondere heilig - keit und maͤchtigen vorzug vor allen andern leuten / die ſeine liberey nicht tragen / einbil - det. Dergleichen betrug man ſorglich ſich auch noch bey andern zu weilen finden / wel - che was ſchein oder warheit iſt / noch nicht zu unterſcheiden gelernet / und dennoch gleich - wie in ihrer dem anſehen nach demüthigen tracht wolge fallen an ſich ſelbs haben / alſo andere gegen ſich verachten / die entweder in dem aͤuſſerlichen nichts praͤchtigs an ſich ha - ben / aber doch auch nicht bloß nach jener ei - genſinn und vor geſchnittenem muſter / auſ - ſer welchem alles hoffart heiſſen ſolle / geklei - det einher gehen / oder da ſie einiges koͤſtli - chers tragen / aus bloſſem gehorſam und mit vieler wehemuthes thun müſſen: daher bey deroſelben unzeitigem richten / als bey ihnen ſelbs mehr eigentlicher hochmuth / und ſol - ches frevele richtẽ deſſen gnugſame probe iſt. Wie aber dieſe einbildung / ob ſteckte die de - muth in dem zerriſſenen / geflickten oder ſchlechten kleide / auff einer ſeit zu verhütẽ iſt / ſo iſt gleichwol auff der andern ſeiten der je - nigen ihre art der demuth eben ſo wol entge - gẽ / welche ſie auch in eineꝛbloſſen einbildungoder210oder gedancken / die man ſich machet / ſuchen / und hingegen ſich die freyheit nehmen / in dem euſſerlichen alles das jenige zu thun o - der nach zu machen / was die eitelſte ſtoͤltzling thun oder vornehmen / mit dem vorwand / das hertz henge nicht dran / und koͤnne alſo auch davon nicht veꝛunreiniget werden. Jch ſorge aber / ſolche leute wiſſen insgeſamt von der art der wahren demuth nichts. Dann dieſe gründet ſich eines theils auf die erkaͤnt - nis der eitelkeit alles euſſerlichen gepraͤngs herꝛligkeit der welt / andern theils auf die innerliche erkaͤntnis ſeiner unwürdigkeit nichtigkeit: Wer ſich nun warhafftig ge - ring haͤlt / derſelbe achtet ſich auch nicht wüꝛ - dig euſſerlichen prachts / ob auch etwas waꝛ - hafftiges / und eine rechte ehre drinnen waͤ - re / und würde ſolche lieber andern goͤnnen / die deren würdiger wären / als er ſich zu ſeyn erkennet: Wer auch jene eitelkeit recht mit ſolchen augen eingeſehen als er ſolle / hat ei - nen eckel vor dem jenigen / was er eitel zu ſeyn erkennet / und alſo wird er ſich mit wil - len deſſen nicht befleiſſen. Daher wer mit willen / es ſey nun in kleidung / wohnung / o - der anderem gepräng einen pracht zeiget / deꝛ verraͤth ſich / daß er entweder ſo grob eitelſeye /211ſeye / daß es auch ſolche eitle dinge vor etwas hohes achte / oder er bildet ſich ein / würdig zu ſeyn / vor andern geziehrter einher zu gehen / und hat darinnen wolgefallen an ſich ſelbs. Will ein ſolcher menſch / was man an ihm klar ſiehet / nicht geſtehen / ſondern ſich in dem innerlichen gantz demüthig geachtet ha - ben / frage man nur / warum er ein ſolches / zum exempel von kleidern zu reden / trage[/ und]nicht mit geringerm zu frieden ſeye / da dannoch bey ſolcher pracht / viele koſten / beſchwerden / mühe und anders der - gleichen ſich finde. Jch bin verſichert / er führe urſachen an / welche er wil / wird in dem genauen nach forſchen / ſichs ergeben / daß ſolches nur entſchuldigungen / und die wah - re bewegende urſach nicht ſeye: ſondern die - ſe bleibet einmahl / man geſtehe oder leugne es / dieſe einige / daß man ſo wol ihm ſelbs wol gefaͤllet / als gern auch in ſolchem euſſer - lichen den leuten gefallen / und von ihnen an - geſehen ſeyn will / daß man mehr als andere ſeye / und alſo auch in dem euſſerlichen / weil man der perſon ſelbs nicht eben anſiehet / wo vor ſie gern geachtet waͤre / ſeinen vorzug und hoheit an ſich leuchten laſſen will / auff daß dadurch eine hochhaltung und ehreꝛbie -tung212tung gegen uns erwecket werde. Dieſe ur - ſache wird gewiß ein jeder / wer ſich redlich prüffen / und nicht gern ſich ſelbs betriegen will / in ſeiner ſeele finden / wenn erſeinen ar - men maden-ſack / der des zeugs iſt wie bey andern auch / auff eine ſolche art ziehre und ſchmücke / oder auch auff eine ſolche art wol bedienet ſeyn wolle / wie es andere eben nicht haben oder auff gleiche art thun doͤrffen: Worinnen ſich alſo ſo wol die e[itel]keit des ſinnes / welche etwas in dem enigen ſuchet / was nichts iſt (in der groſſen phantaſie / wie es in dem Griechiſchen von dem Agrip - pa und Bernice / wo in unſerm teutſchen ſte - het / von groſſem gepraͤnge / lautet / und alſo die jenige / welche demüthige Chriſten / vor einfältige tropffen und phantaſten hal - ten / zu haupt-phantaſten machet) als die hoffart des hertzens offenbaret / und ſchnur - ſtracks der demuth entgegen ſtehet. Bleibet alſo dabey / es mag ſich eine perſon / mann o - der weib / von demuth rühmen / wie ſie will / und ſich darauff beruffen / daß ſie doch in ih - rer ſeelen niedrig ſeye / und ihr hertz an dem pracht nicht hange / wo ſie mit willen und ei - gener wahl / oder ohne ehrliche und vor GOtt und dem Chriſtlichen gewiſſen ver -ant -213antwortliche art / ſich praͤchtig kleidet und haͤlt / daher entweder über das jenige darinn gehet / was auch der weit geſetzen nach über ihren ſtand iſt (ſo iſt ein gar grobeꝛ grad) odeꝛ doch nicht lieber in demſelben ſo weit darun - ter bleibet / als ſie ohne verletzung und hin - derniß deſſen / wozu ſie der HErr ſonſten geordnet hat / zu thun vermoͤchte / bey dero iſt die wahre demuth nicht / ſondern was ſie ſich davon einbildet und meynet / nur fleiſch - licher betrug.

§. 70.

Jndeſſen haben wir gleichwol zu einiger geaͤngſteten ſeelen troſt etwas hinzu zu ſetzen / ſo in den vorigen einſchrenckungen unſers aus ſpruchs bereits ſtecket / aber wei - ter ausgeführet zu werden würdig iſt: daß es nemlichen urſachen geben koͤnne / aus de - nen auch demüthigen hertzen mit einigen praͤchtigen kleidungen anderem / das bey den übrigen zu verbotnem pracht gehoͤrete / ſich ſchleppen müſſen. Wir wiſſen / die de - muth gehoͤret den groͤſſeſten in der welt / wo ſie wollen des demüthigen JESU jünger und jüngerinnen ſeyn / ſo wol zu / als andern perſonen: Nachdem aber GOtt dieſelbe zu Obern und Regenten verordnet hat / nicht nur über lauter rechtſchaffene und verſtaͤn -dige214dige Chriſten / ſondern auch über thumme und unverſtaͤndige leute / die ſich zu der ſchuldigen ehrerbietung und furcht gegen die jenige / welche GOttes bild an ſich tra - gen / und ſeine gewalt üben ſollen / nicht durch die bloſſe Chriſtliche urſachen und vorſtellungen bewegen laſſen / ſondern be - doͤrffen / daß die furcht durch einige ſtrengig - keit / ſo dann die ehrerbietung durch etwas euſſerliches und in die augen fallendes an - ſehnliches erwecket und befoͤrdert werde / ſo iſt an ihnen nicht ſtraͤfflich / daß ſie mit klei - dung ihrer ſelbs und der ihrigen auch einige herrligkeit an ſich ſehen laſſen (wie unſer Heyland die herrligkeit in der kleidung Salamonis Matth. 6 / 29. nicht ſtraffet) alſo auch / daß ihre gebaͤude und wohnun - gen / und anderes euſſerliches einen vorzug vor andern habe. Welche dann nun / nicht an ſich ſelbs wohlgefallen zu haben / und ſich damit zu kützeln / ſondern zu befoͤrderung des anſehens / ehrerbietung / und alſo in gewiſſer maaß des gehorſams der unterthanen / ſol - cher euſſerlichen dinge ſich gebrauchen / die bey andern ſtraͤfflicher pracht wären / ſind nicht ſtracks deswegen der hoffart ſchuldig: jedoch wird erfordert / daß ſie gleichwol ihreher -215hertzen wohl dabey prüfen / ob nicht ein ſol - ches gifft / das ſubtil gnug iſt / ſich bey ihnen finde / daß ſie es auch nicht ubermachen und immer lieber unter andern ihres gleichen bleiben / als ſie mit fleiß übertreffen / ja nicht mehr von allem brauchen / als ſie vernünff - tig zu einer ſolchen euſſerlichen ziehrung des an ſich tragenden Goͤttlichen bildes noͤthig achten; ſonderlich wo dergleichen dinge mit koſten und beſchwehrde der unterthanen geſchehen müſten / wäre lieber alles zu un - terlaſſen / in dem / was ſie darinn thun / nicht anders als um derſelben beſtes willen ohne das geſchehen muß. Was nun von ſol - chen / die in eigenem nahmen regieren / ge - ſagt wird / das erſtrecket ſich in gewiſſer maaſſe auch auff die jenige / welche in dero - ſelben nahmen zu regieren / und in gewiſſen ſtücken an dero herrſchafft / als werckzeuge / dahero auch an dero herrlichkeit / theil ha - ben / nemlich daß auch ſie in dem euſſerlichen moͤgen weiter gehen / als andere / aber mit gleichem gemüth / und aus gleichen urſa - chen / wie von den andern geſaget worden. So kan auch eine art ſeyn / die etwas in ſol - chen ſachen erlaubt macht / wo man die din - ge / die ſonſt ins gemein aus hoffart ge -braucht216braucht werden / aus bloſſem gehorſam ge - gen die jenige / welchen man unterworffen iſt brauchen muß: Alſo moͤchte eines Herrn gemahlin / oder auch eines Herrn diener und dienerinnen / aus gehorſam einiges thun / was andern ohne ſünde nicht ſeyn würde. Man moͤchte zwar einwenden / daß man in dem boͤſen keinem Herrn zu gehorſamen ſchuldig ſeye / wie auch die regel unwider - ſprechlich bleibet Ap. Geſch. 5 / 29. Man muß Gott mehr gehorchen / denn den menſchen. Es wird aber dabey wol in acht zu nehmen ſeyn / daß dieſelbe die dinge eigen - lich angehe / welche an ſich gut oder boͤſe ſind / da ich nichts eigenlich boͤſes oder in ſich ſündliches meiner herrſchafft zu gefallen zu thun befugt bin / oder etwas nothwendiges gutes deswegen unterlaſſen darff (ſihe Dan. 6 / 10.) indeſſen / was die dinge an - langt / welche an ſich mittel-dinge ſind / das iſt in ihrer natur weder gut noch boͤſe / ſon - dern erſt durch die umſtaͤnde dazu werden / da mag der gehorſam gegen deꝛobern befehl etwas recht machen / was ohne denſelben ſündlich und unrecht geweſen waͤre. Nun dieſes oder jenes kleid zu tragen / ſo oder ſo zu machen / u. ſ. f. ſind an ſich mitteldinge /und217und iſt die materie des einen ſo wol als des andern kleides ein geſchoͤpff GOttes zum gebrauch der menſchen / ferner keine gewiſ - ſe form derſelben vorgeſchrieben oder ver - boten / daher bleiben ſie mittel dinge / die aus dem gemüth deſſen / der ſich ihrer gebrauchet oder aus andern umſtaͤnden / gut oder boͤſe werden: daher der gehorſam in ſolcher ſacht den / der gehorchet / das jenige erlaubt macht / und er dabey demüthig bleibenkan / was ei - nem andern auſſer dieſer urſach warhafftig zur ſünde und hochmuth gereichte. Dahin auch gehoͤꝛet / wo zum exempel eineꝛ in pꝛaͤch - tig gebautem hauſe oder gemaͤchern woh - net / die er weder dazu gebauet / noch auff ſol - che weiſe verlangte / indeſſen ſich brauchen muß / was er findet: Nicht weniger mag ich auch hieher ziehen den zuſtand derer / welche auf unterſchiedliche art mit leuten umgehen müſſen / und ohne etwas denſelben in dem euſſerlichen gleich foͤrmiges ſolches nicht / o - der nicht mit nachtruck / zu thun veꝛmoͤchten / da die liebe / damit ſie ihrem nechſten in dem jenigen / wo zu ihnen GOtt ſonſten gelegen - heit gibet / zu dienẽ vermoͤchtẽ / ſie dahin wei - ſet / ſich in mittel-dingen anderer ſchwach - heit zu beqvemen / und alſo nicht zwar übelsKzu218zu thun / daß gutes daraus komme (welches verboten bleibet Rom. 3 / 8.) aber um des guten willen etwas zu thun / das oh - ne ſolche urſach boͤſe geweſen waͤre / aus der - ſelben aber gethan / ſolches nicht iſt. Bey allem ſolchen aber / damit das fleiſch ſich ja nicht ſchmeichle / und was zugeſtanden wird / über das jenige ziehe / was das gewiſ - ſen zugebe / ſo fleißig zu verhüten iſt / muß wol in obacht genommen werden / wie bey der - gleichen faͤllen das hertz des jenigen müſſe bewandt ſeyn / ſolle es der demuth zeugniß behalten. Nemlich 1. muß es ſeine unwür - digkeit und nichtigkeit / wie ſie gegen GOtt und den menſchen ſeye / gründlich erkennen / und ſtets vor augen haben / daher ſich deſſen nicht würdig / ſondern vor eine freye Goͤttli - che regierung halten / daß man über andere erhoben ſeye / und einer euſſerlichen herrlich - keit bedoͤrffe / daß alſo der pfau / da er auch ſeine von GOtt ihm angeſchaffene ſchoͤne federn ſiehet / ſeine haͤßliche füſſe dabey an - ſehen ſolle. 2. Muß es deswegen kein belie - ben an ſich tragen / oder auch ſich andern ge - ringern vorziehen / ſondern gedencken / wie - viel wol unter denſelben ſeyen / die vor Got - tes augen in niedereꝛem ſtand / dañoch hoͤhergeach -219geachtet ſeyen. 3. Muß es auch keinen wol - gefallen an ſolchem praͤchtigen weſen / wann er ſich darinnen auff fühꝛen muß / haben / viel - mehr ſich deſto mehr vor GOtt in ſich ſelbs demüthigen / und ſich deſſelben allein zu dem zweck / wozu GOtt ſolches haben will / ge - brauchen / indeſſen daß ſolches nothwendig ſeye / vor ſeine beſchwehrde achten / und herz - lich wünſchen / deſſen entübriget zu ſeyn. 4. Deswegen auch in allem thaͤtlich ſo viel abbrechen / als noch moͤglich iſt / und die ur - ſach / warum ſie dazu genoͤthiget werden / zugiebet. 5. Muß auch ſehr fleißig acht ge - geben werden / daß man das aͤrgerniß der ſchwachen verhüte / welches auch allein das jenige / was in dem gewiſſen ſonſten verant - wortlich waͤre / zu eigenlicher ſünde machen kan. 6. Endlich iſt auch auf das eigne gewiſſẽ zu ſehen / und bey wem in dergleichen faͤllen ſein gewiſſen noch widerſprechen / und das jenige vor einen ſündlichen pracht vorſtellen würde / was andere ſtaͤrckere wol gebrau - chen koͤnten / es lieſſe ſich auch das gewiſſen durch gründliche vorſtellung nicht beruhi - gen / müſte ein ſolcher alsdann auch ſich der - gleichen dinge enthalten / und da ihm das fleiſch-eſſen zu ſtarck waͤre / ſich mit kraut /K 2Rom.220Rom. 14 / 2. vergnügen: in dem nach der all - gemeinen regeldas auch irrende und ſchwa - che gewiſſen alſo verbinden / daß man nicht dawider thun darff. Dieſe regeln / wo ſie wol in acht genom̃en werden / moͤgen durch GOttes gnade (wie dann dieſe / und daß der HErr uns allezeit die noͤthige weisheit darinnen gebe / ſtaͤts demüthig anzuruffen iſt) auch in dieſeꝛ zarten ſache einen menſchen wol verwahren / daß er ſich hierinnen nicht verſchulde. Wir ſehen einige derſelben in dem bekanten exempel der Koͤnigin Eſther (Stück. 2 / 15. 16. ) welche als eine Perſi - ſche Koͤnigin mit herrlichem ſchmuck / aus erforderung ihres Herrn und der Reichs - gewohnheit / einher gehen muſte: Sie be - zeugte aber gegen Gott: Der du alle din - ge weiſſeſt und erkenneſt / daß ich keine freude habe an der ehre / die ich bey den gottloſen habe / auch keine luſt an der Heydniſchen und fremden heyrath / du weiſſeſt / daß ichs thun muß / und nicht achte (nemlich mit belieben meines her - tzens) den herrlichen ſchmuck / den ich auff meinem haupt trage / wenn ich prangen muß / ſondeꝛn halte es wie ein unrein tuch / und trage es nicht auſſerdem221dem gepraͤnge. Wer dieſes mit dem zeugniß ſeines gewiſſens / und alſo mit war - heit / vor GOTT ſagen kan (denn wo man ſich vor menſchen allein darauff berufft / iſt offt viele heucheley dabey) den mag ich wol ſeines euſſerlichen praͤchtigen weſens wegen vor GOtt loßſprechen / und glauben / daß er dabey wahrhafftig demüthiger ſeye / als die meiſte in ihren andern / etwa aus noth tra - genden / ſchlechten und zerlumpten kleidern / die ihn etwa vermeſſen urtheilen. Er wird aber immer dieſes mit rechnen zu dem jeni - gen dienſt der eitelkeit / dem die creatur unter worffen iſt wider ihren willen / um des willen / der ſie unterworffen hat auff hoffnung. Rom. 8 / 20. die des - wegen immer ſeuffzet davon erloͤſet zu wer - den / und ſich ſehnet nach der herrlichen frey - heit der kinder GOttes. Aus allem dieſen hoffe ich klar zu erhellen / was die wahre art der von dem heiligen Geiſt gewirckten de - muth ſeye / und derſelben entweder offenbar - lich entgegen iſt / oder ihr betrüglich nach aͤf - fen will.

§. 71.

Gleich wie eine der Chriſtlichen haupt-tugenden auch die gedult iſt / ſo neh - men wir 5. dieſelbe / als die fünffte / an deroK 3wir222wie die gnaden wirckung mercken koͤnnen / als die ſelbs nach Gal. 5 / 22. eine Frucht des Geiſtes iſt. Es kan aber ſolche gedult zu dieſer probe dienen / 1. wo derj[e]nige hertz - liche und ſtaͤte wille GOtt treulich zu dienen ſich alſo findet / daß / wo wir nach erfor - derung Goͤttlichen willens etwas treulich thun ſollen / wir uns von demſelben nicht abſchrecken laſſen / ob wir ſchon ſorgen müſ - ſen / ja klar vor augen ſehen / daß wir darüber viel haß / ſchaden / ſchimpff / verfolgung zu leyden haben müſten. Denn ſolches iſt ſo wol ein zeugniß der Goͤttlichen liebe / wie dieſelbe ſo viel ſtaͤrcker ſeye als die eigene liebe / welche nach vermoͤgen das leyden al - lezeit fleucht / als auch der gedult / wie die - ſelbe ſich wahrhafftig in unſrer ſeele finde / als eine ſo viel gewiſſer von dem Geiſt Got - tes gewirckte tugend / als freywilliger wir das leyden ſelbs auffnehmen. Es ſind vie - le leyden / die uns alſo betreffen / daß wir den - ſelben unmoͤglich entgehen koͤnten; wie dann die allgemeine bewandniß unſers jetzigen menſchlichen lebens (daran zwahr die ſün - deurſach iſt) nunmehr mit ſich bringet / daß wir nicht immer gute nacht haben koͤnnen / ſondern uns auff allerley weiſe mit be -ſchwer -223ſchwerde / ſchmertzen oder kranckheiten un - ſers leibes / mit wiederwaͤrtigkeiten von an - dern neben menſchen / und was vor allerley zufaͤlle ſich ſonſten ſtaͤts begeben / und zwahr gute und boͤſe betreffen / ſchleppen muſſen. Da iſt nun auch gedult von noͤthen / ſolches leyden auff rechte art zu ertragen: und gehoͤ - ret zu ertragung derſelben / daß der GOtt der gedult und troſtes / Rom. 15 / 5. die - ſelbe in uns wircke. Daher auch dieſelbe gedult ein zeugniß der gnaden-wirckung ſeyn kan; weil aber ſehr viel betrug ſich in ſolcher probe findet / in dem was vor eine Chriſtliche gedult gehalten wird / bey eini - gen ſeyn kan eine bloſſe frucht der menſchli - chen klugheit / daß der menſch mit ſtille und ohne widerſetzen ſein leyden traͤget / weil er gleichwol demſelben nicht / oder doch nicht ohne noch mehr beſchwerde / entgehen kan / und ſolches wolſiehet / deswegen ſich ſo dꝛein ſchicket / daß er ſichs nicht / entweder auch ſonſten durch wider ſetzen / oder auffs wenig - ſte durch mehrere verunruhigung des ge - müths / unnützliches ängſten / betrübniß / zorn / unwillen und anders (damit er ſich nicht helffen kan) noch ſchwerer macht / als es an ſich ſelbſten iſt / ſo dann der menſchenK 4gemü -224gemüther deſto mehr zu ſich ziehe / mitleyden zu haben / ihm beyzuſtehen / und wieder zu helffen / und was dergleichen nutzen von ei - ner ſolchen auch euſſerlichen gedult gehoffet werden kan / aber alles allein von der eigen - liebe herkom̃et / welche ſich in einer menſch - lichen klugheit ihr leyden / weil es auf ande - re weiſe nicht geſchehen kan / auffs wenigſte a ff dieſe art leichter macht / in dem ſie ſich hütet / es durch das jenige zu vergroͤſſern / wodurch es ſonſten vergebens / und alſo thoͤrlich vergroͤſſert würde / und aber doͤch die meiſte / ſo die bloſſe affecten der ver - nunfft vortringen laſſen / durch die offen - bahre ungedult es alſo zu vergroͤſſern / und ſich ſelbs noch mehr zu verwunden pflegen / wie wir wol ſagen moͤgen / daß auch natürli - cher weiſe das unbequeme und widrige tra - gen der laſt / die man nicht abwerffen kan / nicht weniger beſchwerde iſt / als die bloſſe laſt an ſich ſelbſten: welches die menſchliche vernunfft ſelbſten begreifft. Weil denn al - ſo jene art der gedult / da nichts freywilliges in dem leyden iſt / ſo vielem betrug unter - worffen / ja in dem grund des hertzens offt - mal mehr ungedult und wiederwaͤrtigkeit / als gedult dabey vorhanden iſt / wiewol wirdoch225doch nachmal auch verſuchen wollen / die kennzeichen der wahren gedult in jenem fall zu entdecken / ſo ſetze billig dieſe art der ge - dult vorne an / wo man mit willen uns vor - wiſſen das leyden übernimmet / deſſen man ſonſten wohl entübriget ſeyn koͤnte / wo man ſeines GOttes ehre und ſeine pflicht entwe - der gar auff grobe art verletzen / oder doch auff ſubtilere weiſe auffs wenigſte etwas haͤtte davon zurück bleiben wollen: welches denn ein rechtes Chriſten-creutz iſt. Denn wo dieſes geſchlehet / und wir in einem ſol - chen werck / ſo wir la[ut]erlich aus abſicht auff GOtt / und aus liebe gegen ihn und den nechſten / nach den vorigen proben vor - nehmen und alſo / davon wir vor uns keinen nutzen oder ehre ſuchen oder hoffen (in wel - chem fall ſonſten noch eine ziemliche frage waͤre / ob wir nicht etwa unſers eigenen wil - lens maͤrty er waͤren) uns das leyden nicht abſchrecken oder traͤge machen laſſen / ſon - dern lieber leyden / als etwas dem HErrn gefaͤlliges hindan ſetzen ſo iſt dreſes die wah - re gedult / die von fleiſch und blut nicht her - kommet / welcheſ nimmer mehr einiges ley - den mit willen übernimmet / es werde dann ſolches leyden auch hinwieder mit einemK 5vor -226vortheil / welchen es davon hat / etzlicher maſ - ſen erſetzet / ſondern die von GOtt gewircket ſeyn muß / deſſen Geiſt durch die vorhaltung Goͤttlichen willens / und daß die wege des HErrn lauter güte und warheit ſind / alle natürliche wiederſetzligkeit des fleiſches ü - berwindet. Und zwar ſo iſt ſolches kennzei - chen immerdar ſo viel kraͤfftiger / als ſchwe - rer das leyden iſt / dazu man ſich verſtehet / dañ in geringerem leiden mag uns aberma - len das fleiſch betriegen / daß wir deſſen übernehmung der gnade zuſchreiben / da doch auch ein eigener ſinn uns manchmal zu einer reſolution in dingen / da es nicht ſo hefftig wider gehet / bringet / und etwas der oben beſchriebenen gedult nachahmen kan / der aber nicht mehr beſtehet / wo das leyden ſo ſchwer wird / daß keine natürliche tapfferkeit dem ſchrecken und furcht deſſelbẽ mehr zu widerſtehen vermag. Es wird ſol - ches kennzeichen noch weiter beſtaͤrcket / wo man ſolches leyden nicht nur erſtlich getroſt angehet / ehe man erfahren / wie ſchwer es ſeye / ſondern auch da man in der wirckli - chen erfahrung ſtehet / ja gar es ſchwehrer findet / als mans erſtlich gedacht haͤtte / ſo dann keine ſo nahe erledigung und erleich -terung227rung vorſiehet / ſondern alles auff den bloſ - ſen willen und verheiſſung Gottes ankom - men laſſen muß / und dannoch in dem leyden noch feſt ſtehet / nit ablaͤſſet von ſeinem gu - ten / daher das leyden kommet / das gethane deswegen nicht verwirffet / noch es gethan zu haben ſich leyd ſeyn laͤſſet. Dergleichen leſen wir von denen durch Gottes Geiſt re - gierten Apoſteln / daß das leyden ſie nicht weich gemacht habe: wie da ſteht 2. Cor. 3 / 16. Darum werden wir nicht müde (nem - lich in den trübſahlen) ſondern ob unſer euſſerlicher menſch verweſet / ſo wird doch der iñerliche von tag zu tag ver - neuert. Und nimmet alſo die begierde / GOtt treulich zu dienen / durch das leyden nicht ſo wol ab-als vielmehr zu. Derglei - chen zeugniß wird auch dem Engel zu Ephe - ſo gegeben Offenb. Joh. 2 / 3. Du vertraͤ - geſt / und haſt gedult / und um meines nahmens willen arbeiteſt du / und biſt nicht müde worden. Nicht weniger ver - mahnet Paulus ſeine Epheſer 3 / 3. Darum bitte ich / daß ihr nicht müde werdet um meiner trübſal willen / die ich für euch leyde. Wo es anders geſchiehet / nemlich daß der menſch bald müde wird /K 6und228und wieder ablaſſet / wo er das leyden ſo ſchwer ihm unter augen und zu leib zu gehen ſiehet / laͤſſet ſich reuen was er gethan hat / und verderbet es wol ſelbs wieder / da iſts eine anzeigung / entweder / daß es eine fal - ſche und nur natür liche gedult geweſen / in dero manunbedacht oder doch ohne gnug - ſame prüfung deſſen / was man zu erwarten / an den kampff gegangen / oder wo man erſt - lich aus der krafft GOttes das werck ange - fangen / ſich deroſelben nicht recht hertzlich und ſorgfaͤltig gebraucht / und ſie alſo wie - der verlohren habe.

§. 72.

Noch eine weitere probe 2. flieſſet aus der vorigen / oder vielmehr iſt derſelben beſtaͤrckung / wo es gar dazu kommet / daß man ſich des leydens um des Nahmens des HErrn willen erfreuet / davon bereits §. 7. gehandelt worden / wir es aber hier noch ſo fern zu wiederholen haben / als ein ſolches kennzeichen / welches eines der aller - unzweiffen lichſten iſt / und die natur am we - nigſten daran theil hat / ſondern die ſelbs - verleugnung ziemlich weit bey einem ſolchen menſchen gekommen ſeyn muß. Wie aber bereits daſel[b]ſten erinnert worden / daß ſol - cher grad nicht allezeit dermaſſen erreichetwer -229werde / und gleichwol die liebe GOttes da - bey redlich ſeyn kan / ob ſie eben in dem grad noch nicht ſo brünſtig iſt / wie ſie zu wün - ſchen geweſen waͤre / alſo iſt hier auch eben ſolches zu wieder holen / und dabey zu erin - nern / daß aus der ermangelung ſolcher freu - de noch nicht / daß die gedult nicht recht - ſchaffen oder auffrichtig / wol aber / daß ſie noch etwas ſchwach ſeye / geſchloſſen werden moͤge. Wie denn ins geſamt zu mercken iſt / daß die gedult gleichſam in drey ſtaffeln mag getheilet werden. Die unterſte iſt / wo ein Chriſt ſein leyden / es ſeyenun um des guten willen / oder ſonſten ander gemeines leyden / um Gottes willen ertraͤget / und un - ter demſelben ſich ihm nicht boßhafftig wi - derſetzet / noch wider ihn murret / aber ſich doch der ſchwereren traurigkeit nicht ent - ſchlagen kan / und viele reitzungen des flei - ſches zur ungedult bey ſich fühlet / dannoch mit gebet / vorſtellung Goͤttlichen willens / und anderer Chriſtlichen motiven, dage - gen alſo kaͤmpffet / daß er / ob er wol immer lieber des leydens entubriget waͤre / gleich - wol die ungedult uberwindet / und ſich unter die gewaltige hand ſeines vaters demütiget. Jn dieſer art iſt zwar viele ſchwachheit / aberK 7aus230aus dem redlichen kampff gegen die auffſtei - gende ungedultige gedancken iſt nichts de - ſto weniger die verſicherung der Goͤttlichen gnade dabey. Der andere grad iſt / da ein glaͤubiger zwar nach dem euſſerlichen men - ſchen ſein leyden fühlet / aber nach dem in - nerlichen wol damit zu frieden iſt / die ein - ſtreuungen des fleiſches nunmehr leichter niedertrucket / und warhafftig in ſeiner ſee - le findet / daß aus erkaͤntniß Goͤttlichen wil - lens und des geiſtlichen nutzens / der ſich zu ſeiner zeit offenbaren werde / ers nicht an - ders verlangte / und alſo dabey eine ruhe in ſeinem hertzen hat / weil ers gleichwol vor eine wolthat erkennet / auch deswegen im Geiſt Gott davor dancket / nur daß die em - pfindlichkeit des euſſerlichen menſchen keine freude darüber fühlen laͤſſet. Dieſes iſt be - reits ein hoher grad / jedoch iſt 3. dieſer der hoͤchſte / wo der leydende die natürliche wi - derſetzligkeit gegen das leyden dermaſſen ü - berwunden hat / daß er aus der erkaͤntniß / wie er das leyden mit glaubens - und nicht mit fleiſches-augen anzuſehen habe / war - hafftig eine freude in ſeiner ſeele darüber empfindet / und daſſelbe vor eine der groͤſſe - ſten wolthaten haͤlt. Das iſt alsdenn dercha -231character, den St. Paulus bezeichnet 2. Cor. 6 / 10. als die traurige / welche vie - les leyden müſſen / darüber andere ſich hoͤchſt betrübt erzeigen würden / auch daher von andern / die krafft des Geiſtes nicht verſtehen / nicht anders als vor traurige menſchen angeſehen werden koͤnnen / auch etwa ſelbs einige traurigkeit gefühlet / biß ſie dieſelbe überwunden haben / aber allezeit froͤlich / mit einer ſolchen freude / die der traurigkeit gefühl meiſtens in der ſeele über - wunden hat. Nun ob wol dieſer grad der hoͤchſte iſt / iſt er gleichwol nicht der einige / ſo aus der gnade kommet / ſondern auch bey den übrigen koͤnnen die zeugniſſen der Goͤtt - lichen gnaden-wirckungen gefunden wer - den: daß deßwegen / welche noch auf den vo - rigen / ſonderlich erſt auf der erſten ſtaffel / ſtehen / da ſie ſonſten ihr hertz redlich finden / gegen die auffſteigende ungedult mit ernſt ſtreiten / ein mißfallen daran haben / und lie - ber mit mehꝛer freudigkeit das leyden zu tra - gen verlangen / ſich nicht zu aͤngſten / ſondern ihre ſeele zu frieden zu geben haben / mit der maaß der gnaden / ſo ſie beſitzen / ohne allein / daß ſie ſich darinnen auch demüthigen ſol - len / zu glauben / daß ſie vorher nachlaͤſſig ge -weſen232weſen ſeyen / an dem innern menſchen zu wachſen als bey deſſen übꝛigen wachsthum auch die gnade der gedult zunehmen würde. Sie haben auch dabey ſich zu befleiſſigen / auffs wenigſte mit ſolcher gedult / wie viel bey ihnen gewürcket iſt / GOtt zu preiſen / Goͤttlichen willẽ / die creutzes-ordnung / und deſſen wolthat / auch andere hiezu dienliche ſtücke Goͤttlichen worts fleiſſig zu erwegen / damit dadurch der glaube / vertrauen und liebe zu GOtt vermehret werde / wobey ge - wiß auch das maaß der gedult ſtaͤrcker wer - den wird. Dann da wird erfüllet was Pau - lus ſagt Hebr. 12 / 11. Alle züchtigung / wann ſie da iſt düncket ſie uns (ſonder - lich vor der mehrern übung) nicht freu - de / ſondern traurigkeit ſeyn. Aber dar - nach wird ſie geben eine fri dſame frucht der gerechtigkeit / denen / die dadurch geübte ſind. Und damit wird alsdenn die empfindligkeit der traurigkeit ſehr gemindert ja faſt weggenom̃en / hinge - gen kan geſchehẽ / was auch Jacobus ſpricht Jac. 1 / 2. Meine liebe brüder achtet es eitel freude / weñ ihr in mancherley an - fechtung fallet / welche ſonſten gewißlich an ſich keine freude ſind. Aber dabey thutdie233die erfahrung viel / welche der Apoſtel Paulus aus der gedult und dero übung herziehet. Rom. 5 / 4. Daher allein ſolche / die zu der erfahrung gekommen ſind / ſo viel von ſolcher freudigkeit bey ſich empfinden koͤnnen / als ſie in der erfahrung zugenom - men haben. Nun ins geſamt / wo ſich ſolche jetzt beſchriebene gedult in dem leyden / ſo wir um des Nahmens GOttes willen ley - den / und welches alſo das wahre creutz iſt / befindet da iſt dieſelbe / und was in oder aus derſelben geſchiehet / gewißlich eine gnaden - wirckung.

§. 73.

Wie nun dieſe kennzeichen der ge - dult in den arten der leiden ſind / die ſonſt noch in gewiſſer maaß in unſrer macht ge - ſtanden waͤren / und wir mit eigenem willen aufnehmen / ſo gedachter maſſen das wahre creutz ſind / ſo iſt gleichwol auch 3. die gedult hievon nicht aus zuſchlieſſen / welche geübet wird in dem gemeinen menſchlichẽ ley - den / welches in ſolchen dingen ſtehet / denen gute und boͤſe unterworffen ſind / und dero wir uns bloſſer dinges nicht entziehen koͤn - nen: (Als da ſind natürliche gebrechen des leibes / kranckheiten / ſchmertzen / ſchwehr - muth / verluſt / widerwaͤrtigkeit von men -ſchen234ſchen / ſchaden in dem euſſerlichen / verach - tung und dergleichen unfaͤlle / denen die menſchen in dieſem jammerthal meiſtens / ob zwar in unterſchiedlicher maaß / unter - worffen ſind / daher ſie auch GOttes kinder eben ſo wol treffen koͤnnen.) Sondern es ſoll und kan ſich auch in derſelben eine ſolche gedult zeigen / aus welcher die gnaden-wir - ckung erkant werde. Es beſtehet aber ſolche gedult in der übertragung des leidens ohne widerſetzung und murren gegen Gott / ohne bitterkeit gegen den nechſten / ohne unmaͤßi - ges klagen (dann die immer dar klagen murmeln / habẽ Jud. v. 16. ein ſchlecht zeug - niß / und wird ſolcher character denen gege - ben / die nach thꝛen lüſten wandeln / daheꝛ nicht leyden koͤnnen / wañ ſie dariñ verſtoͤret werden) hingegen mit eineꝛ ſo wol beſcheide - nen bezeugung von auſſen in geberden / woꝛ - ten und wercken / als auch ſtilligkeit und ru - he des gemüths / deren jene an uns auch an - dere von auſſen ſehen koͤnnen / dieſes innere aber wird der menſch bey ſich ſelbs gewahr. Dabey iſt aber wolin acht zu nehmen / daß gleichwol / nach dem was §. 71. bereits be - meldet worden / die natürliche vernunfft vie - les vermag / alſo kluge natürlich-tugend - haffte leute / die die affecten ziemlich in denge -235gehorſam der vernunfft zu zwingen geler - net / ſehr vieles dem jenigen nachmachen koͤn - nen / was der Geiſt GOttes bey ſeinen glaͤu - bigen wireket. Daher der unterſcheid / wo mans nur oben hin anſiehet / ſo gar klar nicht iſt. Wer aber auch hierinnen / zu einer mehrern gewißheit zukommen ſuchet / wird am allerbeſten ſolche finden / wo er ſein hertz eigenlich einſichet / aus was urſachen es ſich in die gedult gebe. Findet ſich die urſach darinnen / weil man ja mit wiederſetzen nichts ausrichte / ſondern doch hindurch müſſe / und ſich nur ſonſten das leiden ſchwe - rer mache / daher es am beſten ſeye / da man durch den dornſtrauch muß / ſich ſchmiegen / und ſo gut man kan durchkriechen / als um ſich ſchlagen / und nur deſto mehr an den dornen ſich ritzen: Jtem / wo man gedultig iſt / weil man in der welt davon etwas vor - theil hofft / oder wol gar vor Gott ſich einen verdienſt daraus machen wil / ſonderlich wo man ehre und preiß davon ſuchet / welches wol der ſtaͤrckſte antrieb der natürlichen ge - dult iſt / oder auch wo man aus einer bloſſen langen gewohnheit in elend zu ſtehen es nicht ſonderlich mehr achtet ſo verrathet das hertz mit dieſen ſeinen abſichten ſich ſelbs / daß ſei -ne236ne gedult keine wirckung von oben herab / ſondern allein aus der vernunfft ſeye. Hin - gegen wird jene bezeuget / wo der menſch bey ſich warhafftig befindet / daß er ſein leiden / was er traͤgt / und zwar mit gedult traͤget / in der furcht des HErrn wol überleget / und dabey Goͤttlichen rath unterſucht habe. Daß er auch ſich zu ſolcher gedult reſolvi - ret habe / und dariñen erhalte / durch das an - ſehen / daß er Gott manchmal erzürnet / und demſelben urſach gegeben / ſein kind die ru - the fühlen zu laſſen / daher ihm nicht gezie - men wolle / der mit ſo vieler barmhertzigkeit gemäßigten Goͤttlichen Gerechtigkeit auff einigerley maſſen zu widerſtehen / ſonderñ daran wolgefallen zu haben / davon bereits oben §. 36. mit mehrerem gehandelt wor - den iſt. Ferner / wo die gedult ſich gründet auff das anſehen des Goͤttlichen raths über ſeine creaturen / daß er als ein freyer GOtt wol macht habe / mit ſeinem geſchoͤpff / die ſein thon ſind / umzugehen nach feinem wol - gefallen; daß hingegen dieſem nicht gezie - men wolle / ihm auch nur in dem hertzen fein recht zu diſputiren oder in zweiffel zu ziehen: in dem der thon nicht zu ſeinem Schoͤpffer ſpricht: Was macheſtu? dube -237beweiſeſt deine haͤnde nicht an deinem wercke. Eſa. 45 / 9. Und alſo die ſeele ſich auch hierinnen demüthiget unter ihren GOtt / und ſich willig darſtellt / mit ihr zu machen was ihm gefaͤllig ſeye / als die ſichs eben des wegen gefaͤllig ſeyn laſſen ſolle / und ſich in die ordnung / die unter GOtt und ſeinem geſchoͤpff iſt / ſchickende / ſolches gern thun wolle: ſonderlich da ſie ferner geden - cket / wie GOtt / der ihr gantzes lebenlang ſie in lauter leiden zubringen laſſen dürffte / dennoch die meiſte zeit ihrer ſo gnaͤdig ſcho - ne / hingegen ſo vieles geiſtlich und leibliches / inner - und euſſerliches / gutes ihr wiedeꝛfah - ren laſſe / deſſen betrachtung ſo bald zu we - gen bringen ſolle / daß dann auch ſie es vor werth halte / nach vieler gekoſteter ſüßigkeit auch einen bittern kelch aus ſeiner hand mit willen anzunehmen. Daraus entſtehet / daß eine gläubige ſeele warhafftig ſo geſin - net ſeye / wie Hiob. 2 / 10. Haben wir gu - tes empfangen von Gott / und ſolten das boͤſe nicht auch annehmen? Zu die - ſen zeugniſſen gehoͤret ferner / wo die ſeele dabey bedencket / was vor ein heilſamer rath GOttes in dem leiden und creutz ſeye / und ſich ſonderlich das jenige eintrucket /was238was Paulus lehret / Hebr. 12 / 6. und fol. Welchen der HErr lieb hat / den züch - tiget er / er ſtaͤupet aber einen jeglichen ſohn / den er auffnimmet. So ihr die züchtigung erduldet / ſo erbeut ſich euch Gott als kindern. Deñ wo iſt ein ſohn / den der vater nicht züchtigetꝛ Seyd ihr aber ohne züchtigung / wel - cher ſie alle ſind theilhafftig worden / ſo ſeyd ihr baſtarte und nicht kinder. Auch ſo wir haben unſre leibliche vaͤ - ter zu züchtigern gehabt / und ſie ge - ſcheuet / ſolten wiꝛ denn nicht vielmehꝛ unterth an ſeyn dem geiſtlichen vater / daß wir leben? Und jene zwar haben uns gezüchtiget wenig tage nach ih - rem düncken / dieſer aber zu nutz / auff daß wir ſeine heiligung erlangen. Wo ſich ein hertz durch dieſe betrachtung der Goͤttlichen treue / und des nutzen des creu - tzes / dadurch es ſo trefflich und heilſam ge - laͤutert werde / recht gerührt / und dadurch bewogen befindet / mit der züchtigung ſeines vaters wol zu frieden zu ſeyn / und an deſſel - ben hieraus vorleuchtenden liebe mehr ver - gnügen in dem innerlichen findet / als von dem euſſerlichen ſich verunruhigen laͤſſet / ſoiſts239iſts gewiß eine gedult von oben. So viel - mehr wo es auch dahin kommet / daß man abermahl nicht nur mit worten / ſondern mit dem hertzen dem Hiob nachſprechen kan / Hiob 1 / 21. Der HErr hats (das jeni - ge nemlich deſſen verluſt wir leiden müſſen / ſtand / ehre / güter / geſundheit / weib / kin - der / u. ſ. f.) gegeben / der HErr hats ge - nommen / der nahme des HErrn ſeye gelobet. Und dann / wo es die ſeele gur zu einer freude über ihr leyden bringen kan / davon hieher zu wiederholen / was §. 72. er - innert worden iſt.

§. 74.

Eben zu ſolchen zeugniſſen gehoͤret / wo nach redlicher prüfung ſeiner ſelbs die ſeele eine ſolche willigkeit in ihrem herzen fin - det / unerachtet der fleiſchlichen empfind - ligkeit / welcher das leyde allezeit zu wider iſt / ſich ſo begriffen hat / daß wo es auch in ihrem willen ſtünde / wider GOttes willen ſich des leidens zu entbrechen / oder das verlohrne wieder zu haben / ſie es doch nicht thun / ſon - dern lieber dem willen GOttes ſich unter - werffen wolte: Ja wo ihr GOtt frey ſtel - lete / daß ſie ſolte des leidens frey werden koͤnnen / er wolte aber lieber daß ſie ſich deſ - ſen nicht entſchüttete / ſondern ihn ferner mitund240und unter ihrem leiden preiſe / wenn ſie da wahrhafftig ſagen kan / ſie wolle lieber unter dem leyden laͤnger aushalten / als nur in et - was davon zurück bleiben / was ihrem lieben Vater am angenehmſten an ihr waͤre: daß ſie deswegen von rechtem grunde auch mit - ten unter dem creutz / und in dem ſie daran gedencket / ſprechen mag: Dein / nicht mein oder meines fleiſches / wille geſchehe: und mit ihrem Heyland betet / Matth. 26 / 39. Mein Vater / iſt moͤglich / ſo gehe die - ſer kelch von mir / doch nicht wie ich will / ſondern wie du wilt. Damit ſie al - ſo recht nach ſeinem willen bete / 1. Joh. 5 / 14. Dieſe willigkeit ſolle ſich auch noch ferner hervor thun in den übrigen mitteln / welche man in dem leyden / und gegen daſ - ſelbe gebraucht / die aber auch nicht an ders gebraucht werden müſſen / als daß wir uns / wo es des HErrn wille alſo ſeyn würde / des leidens auch nicht entbrechen wolten. So mag ein krancker in ſeiner ſchwachheit artzney brauchen / ſeine geſund - heit dadurch zu ſuchen / oder doch ſeine ſchmertzen zu ſtillen; ein ander in ſeiner noth ſteckender mag auch hülffe ſuchen: Es muß aber ſolcher gebrauch inner ſeinen ſchran -cken241cken bleiben. 1. Daß keine mittel gebraucht / oder gleichſam zu brauchen nur gedacht werden / als welche bekantlich Goͤttlicher ordnung gemaͤß ſind: Wer alſo wiſſentlich ſich ſolcher mittel bedienet / die GOtt entge - gen ſind / der ſtreitet offenbarlich wider GOttes willen / und bey deme kan keine ge - dult zu ſeyn nur gedacht werden. 2. Die ur - ſach des gebrauchs muß nicht ſo wol haupt - ſaͤchlich ſeyn / die begierde geholffen zu be - kommen / als daß wir unſerm gewiſſen ein gnüge thun / und Goͤttliche ordnung nicht verachten. Daher 3. müſſen ſie nicht mit ſo groſſer ängſtligkeit gebraucht werden / ob ſie den verlangten zweck erhalten würden oder nicht / ſondern mit einer ſtilligkeit des gemüths / daß wir zu frieden wollen ſeyn / weil wir das unſere gethan haͤtten / der HErr moͤge es nun ſchicken nach ſeinem wolgefallen. Und alſo müſſen wir 4. nicht begehren die hülffe GOtt gleichſam abzu - zwingen / ſondern bald anfangs den ent - ſchluß faſſen / den willen unſers Vaters / wie er fallen werde / uns wolgefallen zu laſſen: da - her wo geholffen werde / die hülffe ihm / nicht aber den mittel-urſachen zuzuſchreiben / wo es aber nicht geſchehe / zu glauben / daß esLalſo242alſo beſſer ſein werde: auch mit der reſolu - tion, wo wir den willen des HErrn anders zu ſeyn wiſſen ſolten / daß wir auch das ge - ringſte ferner dagegen zu verſuchen uns nicht unterſtehen wolten. Wo das hertz ſo ſtehet / ſo koͤnnen wir ſagen / daß ein menſch / ob er wol gegen ſein leyden mittel braucht / nichts deſto weniger willig dazu / und alſo vor gedultig zu erkennen ſeye.

§. 75.

Uber die vorige mag auch noch die - fe probe der gedult hinzu geſetzet werden / wo ſie nicht nur eine weile da iſt / wo das ley - den noch gering oder kurtz iſt / ſo bald aber hinfaͤllt / wofern es ſchwerer wird und lan - ge waͤhret / ſonderlich wo alle hoffnung ver - ſchwindet zuleiblicher entledigung. Dann welche gedult alsdenn noch dauret / muß tieffere wurtzeln haben / als aus der natur gewachſen ſeyn. Wiewol dennoch auch da - bey in acht zu nehmen iſt / daß auch bey der wahren gedult / die eine frucht des Geiſtes iſt / bey zunehmendem creutz / welches den euſſerlichen menſchen zu hart mit nimmet / offtermal geſchiehet / daß die glaͤubige füh - len / ob der Geiſt willig / daß doch das fleiſch ſchwach ſeye. Matth. 26 / 41. Da - hero ihnen / da ſie meynen / es ſolle ihnenleicht -243leichter werden / die ſache offt immer ſchwe - rer zu werden beginnet / und ſie vielen kampf dabey ausſtehen / auch ſich küm̃erlich durch die gnade GOttes auffhalten. Ja wir ha - hen das exempel des um ſeiner gedult wil - len Jac. 5 / 11. von dem Heiligen Geiſt ge - rühmten Hiobs / daß auch die ſchwehre des leydens endlich die gedult überwegen moͤ - ge / wie denn der theure mann GOttes nach ſo herrlichen proben einer gewißlich nicht auß der bloſſen natur gehabten / ſondern Goͤttlicher / gedult endlichen ſo weit verfal - len iſt / daß er / nach dem er ſich wieder auff - geraffet / bekennen muß / cap. 42 / 3. 6. Jch habe unweißlich geredet / daꝛum ſchul - dige ich mich / und thue buß im ſtaub und aſchen. Welches der HErr an eini - gen geſchehen laͤſſet / damit ſo wol ſie ſelbs ihrer ſchwachheit / und wie ſie / wo Goͤttliche hand ſie nur ein wenig unter dem leyden zurücke ziehet / nichts mehr ſeyen / kraͤfftig er - innert / und andere an ihrem exempel vor aller vermeſſenheit verwarnet / hingegen zur erkaͤntniß der menſchlichen gebrechligkeit gebracht werdẽ. Jndeſſen traͤget Gott nicht nur mit der ſchwachheit ſeiner kinder / als de - ren vermoͤgen und des leydens groͤſſe er ge -L 2nug244nug erkennet / gedult / da es an ihrer gedult gebrechen will / und haͤlt den jenigen / denen er ſolche verſuchungen zuſtoſſen hat laſſen / die mehr als bloß menſchlich ſind / einige un - gedultige gebaͤrden / harte wort oder unge - ſchickte thaten / was in ſolcher beſtürtzung geſchiehet / zu gut: ſondern ich getraue auch alle kinder GOttes zu verſichern / da ſie nach der maaß der gnade / als ihnen gege - ben geweſen / ihrem Vater in dem leyden gedultig und treulich ſtill gehalten haben / als lang es noch ihrem maaß gemaͤß gewe - ſen / ob es als dann zu einer ungedult bey ih - nen durch die allzu groſſe noth gekommen ware / daß er ſie auch von ſolchem fall wieder auffrichten / und ſie nicht darunter erliegen laſſen werde. Welches ich gewiß erweiſen kan / nicht nur aus dem gedachten exempel Hiobs / ſondern ins gemein aus der ange - rühmten treue GOttes / 1. Cor. 10 / 13. Es hat euch nochkeine / denn menſchliche verſuchung betreten. Aber Gott iſt ge - treu / der euch nicht laͤſt verſuchẽ (nem - lich in anſehung auffs wenigſte des letzten ausgangs) übeꝛ euer vermoͤgen / ſondeꝛn machet / daß die verſuchung (entweder ſo bald überwunden werde / oder wo ihr jeein -245einmal durch dero dem HErrn bekante hefftigkeit / und euer unvermoͤgen fallen ſol - tet / durch eure gnaͤdige wieder-auffrich - tung) ſo ein ende gewinne / daß ihrs (auffs wenigſte letztens wiedrum) koͤnnet ertragen. Welches zwar niemand ſicher machen ſolle / in dem dieſe verheiſſung die je - nige nicht angehen würde / ſo ſich nicht der gegebenen gnade mit gehoͤrigem fleiß vorheꝛ gebrauchet haben / indeſſen den jenigen ſee - len / welche nimmermehr mit willen an dem HErrn untreu werden wollen / ſich aber vor ihrer ſchwachheit fürchten / zum troſt dienen mag / daß ſie ſich auff die Goͤttliche treue mit wahrem glauben verlaſſen doͤrffen.

§. 76.

So haben wir nun hiermit die vornehmſte haupt tugenden betꝛachtet / dañ was die hoffnung anlanget / ſehe ich faſt wenig / daß zu dieſer materie gezogen wer - den koͤnte / ſo nicht bereits auch in dem glau - ben ſteckte: wir ſetzen aber noch einige an - dere geiſtes wirckungen oder tugenden hin - zu / ſo fern dieſelbe auch zu qvellen werden anderer wercke / die daraus flieſſen / oder da - bey ſind. Seye alſo die 6. tugend die ver - leugnung unſers eigenen willens / ſo zwar in den vorigen und bisher betrachtetenL 6ziem -246ziemlich mit inne ſtecket / aber auch wol ab - ſonderlich betrachtet werden mag. So iſt denn auch dieſes ein zeugnis eines gnaden - wercks / was wir mit wahrhafftiger ver - leugnung unſers eigenen willens verrichten die ein ziemlich ſtück der verleugnung un - ſers ſelbs iſt / ſo uns der HErr Matth. 16 / 24. befohlen hat / wie hingegen der eigene wille in den natur-wercken herrſchet. Die proben aber ſolcher wahren verleugnung unſers eigenen willens ſind wol zu mercken / und moͤchten folgende dahin gehoͤren 1. wo wir in abſicht auff GOttes gebot und wil - len einige dinge thun / die ſonſten unſrer na - türlichen zuneigung ziemlich zuwider ſind / auffs wenigſte dazu wir ſonſten keine luſt oder begierde haben. Welches kennzei - chen damit beſtaͤrcket wird / wo wir in einer ſache / die GOttes ordnung erfordert / da a - ber unterſchiedliche mittel dazu moͤgen ge - braucht werden / und uns deren keine ab - ſonderlich befohlen ſind / die jenige erwehlen welche wir nach beſter unſrer überlegung die nachtrüklichſte und kraͤfftigſte finden / ob ſiewol unſerer natürlichen zuneigung mehr zu wider als gemaͤß ſind / ja dieſelbe eben deswegen erwehlen, daß wir verlangen außſolche247ſolche weiſe unſrem alten Adam wehe zu thun / und ſeine vornehmſte krafft / die in dem eigenen willen beſtehet / zu ſchwaͤchen: als welches uns einen vortheil gegen ihn gie - bet / in ſolcher gewonheit ihm immer leichter zu widerſtehen und ihn unter zu trücken / wann es an die faͤlle kommet / wo wir in der natur gegen einige Goͤttliche befehl mehr widerſtand / oder auch mehr zuneigung ge - gen das jenige was verboten iſt bey uns fin - den / wie es denn nichts ſeltzames iſt / daß die boͤſe luſt durch das Goͤttliche gebot nur de - ſto mehr rege und lebendig wird / je ſtaͤrcker daſſelbige wider die ſünde ſich ſetzet / Rom. 6 / 3. 9. 11. damit man nun in ſolchem kampff ſo viel gewiſſer beſtehen moͤge / ſind der glei - chen übungen ſehr nützlich / und zeugniſſen / daß man der gnade bey ſich platz laſſe / wo man in den faͤllen / wo man dem eignen wil - len und zuneigung annoch etlicher maſſen ohne ſünde haͤtte fügen moͤgen / dannoch lie - ber wider und gegen ihn gehet. So etwas mit der übung St. Pauli gemein hat / da er 1. Cor. 9 / 27. bezeuget / wie er ſeinen leib betaͤube und zaͤhme.

§. 77.

Ein ziemlich nahes kennzeichen der verleugnung ſeines willens 2. iſt auchL 4die -248dieſes / wo man in wichtigen die ehre Gottes und unſere pflichten betreffenden dingen / wañ etwas gewiſſes gewehlet werden muß / da auf beyden ſeiten wichtige urſachen ſind / ſo oder ſo zu handeln / und da unſer fleiſch auff beyden theilen etwas finden kan / das ihm angenehm oder auch widrig iſt / und wir alſo zu ſorgen haben / daß daſſelbe uns betriegen / und nach ſeiner regel vielmehr als den wahren auff Gottes willen gerichteten urſachen den ſchluß machen moͤchte / die wahl von ſich giebet / und nach hertzlichem gebet zu GOttum deſſen gewiſſe regierung / gottſeligen freunden das gantze werck über - traͤget / uns darinnen / wie ſie / als die unpar - theyiſcher ſind / und die bewegende urſachen auf dieſe oder jene ſeit beſſer überlegen koͤn - nen / die ſache vor GOttes angeſicht finden würden / ihren rath und ausſpruch zu geben. Wo dieſes geſchiehet / und man nachmal ſolchem ausſpruch / der gleichwol auch von ſolchen freunden mit gründen Goͤttl. worts bekraͤfftiget werden ſolle / gehorſamlich auch in dem jenigen folget / dazu ſonſten der eige - ne wille nicht eben gerne kaͤme / kan ſolches auch vor eine feine probe der verleugnung paſſiren. Und wolte ich dieſe art der wahlmün -249wünſchen / daß ſie offtmal in zweiffelhafften faͤllen / und wo wir unſerm fleiſch nicht wol trauen doͤrffen / gebraucht würde / wie ſie dann ein Chriſtlich gewiſſen ziemlich beru - higen kan. Gleichwol alſo / daß man ſich nicht allerdings den menſchen zu knechten mache / oder ihnen die herrſchafft über das gewiſſen gebe: entweder jemand ſich zu weh - len / dem man in allen ſtücken blinden gehor - ſam leiſten wolte / welcher art das Cloſter - gelübde des gehorſams in dem Papſt - thum / aber eine gefaͤhrliche ſache / und der freyheit / zu dero der HErr JCſus uns be - ruffen hat / entgegen iſt: oder auch / wo man die jenige dinge / worinnen das Goͤttliche gebot uns ſelbs klar vor augen ſtehet / an - derer ausſpruch erſt unterwerffen wolte / welches der ehre Goͤttlichen willens zu na - he getreten hieſſe / dawir denſelben / wo er uns deutlich gnung iſt / nicht eher platz ge - ben wolten / als wo er durch andern beyfall uns erſt beglaubt gemacht würde oder auch wo man gar deroſelben ausſpruch gegen Goͤttlichen befehl folgen wolte / welches ein austrucklicher ungehorſam gegen GOTT waͤre. Sondern dieſer gehorſam / den ich als eine verleugnung des eignen willens ra -L 5the /250the / beſtehet allein darinne / da man Goͤttli - chen willen unzweiffenlich zur regel ſeines lebens und thuns behalten will / und uns aber in erkaͤntniß deſſen das urtheil unſers fleiſches verdaͤchtig vorkommet / daß als dañ anderer Chriſtlicher hertzen erkaͤntniß uns zu ſtatten kommen / und uns den weg / den wir zu wandeln haben / nicht aus ſich / ſon - dern aus GOttes Wort / zeigen ſolle. Da - her ihr rath nicht die eigenliche regel unſers thuns iſt / denn ſolche ehre laſſen wir Goͤtt - lichem willen / ſondern er bleibet allein das mittel / durch deſſen anweiſung wir dieſen erkennen moͤgen. Daher auch der gleichen rath bey keinem andern zu ſuchen iſt / als die wir Goͤttlichen willens kundig / und GOt - tes ehre zu befoͤrdern begierig zu ſeyn erken - nen und glauben / daher wir / daß ſie Gottes Geiſt ſich ſelbs regieren laſſen / ihnen zu trauen / nicht aber billich in verdacht zu zie - hen haben / daß ſie gleichen fleiſchlichen ur - ſachen / die ſich etwa bey uns finden / auch bey ſich platz geben / und unſers fleiſches zur ungebühr ſchonen moͤchten. Denn wie je - ner erſten ausſpruch uns nicht wenig beru - higen kan / ſo bliebe bey dieſer verſonen ur -theil251theil gleiche furcht / wie wir dieſelbe über un - ſere eigne gedancken haben.

§. 78.

Mit der erſten probe hat auch die - ſetz. eine verwandſchafft / wo wir in leiſtung unſrer pflichten / die wir uns obzuligen er - kennen / nicht nur der natürlichen zuneigung entgegen gehen / ſondern auch die widrige gewohnheit uns nicht abhalten laſſen. Es geſchihet wol / daß man ſich einige GOtt mißfaͤllige / und uns an anderem guten hin - derliche dinge eine zeitlang dermaſſen ange - wehnet hat / daß man meinet / man koͤnne nicht davon ablaſſen / oder auch man hat ſich der dinge / die unſerm fleiſch unanmu - thig / aber erfordert ſind / immer enthalten / und ſich dazu deſto ungeſchickter gemacht. Da gehet es nun ſehr hart her / jene zu laſ - ſen / dieſe dinge aber mit ernſt zu thun / und iſt der eigene wille nothwendig dawider. Wo man denn in ſolchem kampff gleichwol überwindet / und von denẽ durch die gewon - heit beſtaͤrckten lüſten ſich loß reiſſet / gegen ſie zu thun ſich zwinget / und auch den ſcha - den / den man an geſundheit / nahrung oder dergleichen / ſo man davon zu ſorgen haͤtte / ſich nicht abhalten laͤſſet / oder auff der an - dern ſeiten ſich gewalt anleget / wider ſeineL 6boͤſe252boͤſe gewonheit das gute / davon man ſich ſo lang enthalten hat / thut / iſt ſolches eine rech - te und ſcheinbare verleugnung ſeines eige - nen willens / und gehoͤret mit unter das von Chriſto gebotene ausreiſſen des auges und abhauen der haͤnde und füſſe / ſo uns aͤrgerlich waͤren / das nicht ohne ſchmer - tzen abgehet / aber ein noͤtiges ſtück unſers ge - horſams iſt / nach Matth. 5 / 29. 30. 18 / 8. 9.

§. 79.

Wir moͤgen auch 4. ein kennzei - chen der verlaͤugnung des eigenen willens erachten / wenn wir das jenige / was Got - tes befehl / die liebe des nechſten und unſer ampt erfordert und mit ſich bringet / bereit und befliſſen ſeyn zu leiſten / ob es auch we - nige oder viele betreffe / ob die jenige / mit wel - chen wir es zuthun haben / reich / vornehm / oder gering und arm ſind / und was ſonſten vor ander anſehen der perſon ſeyn mag. Denn weil abermal die natürliche zunei - gung / auch bey den beſten (die auch ſo gar an und vor ſich ſelbs nicht unrecht iſt) mit ſich bringet / daß wir am liebſten unſre arbeit zu ihrer vieler beſtem frucht zu ſchaffen verlan - gen / wie es auch dem gewiſſen vielmehr ge - maͤß als zu wider iſt / nach müglich keit ſeine arbeiten allemal alſo einzurichten / daß ſoviel253viel mehrere davon nutz haben moͤgen / ſo dann auch GOtt nicht entgegen ſtehet / weñ wir uns deſto mehr freuen / als an mehrern der HErr unſre arbeit geſegnet / und alſo ſei - ne ehre mehr befoͤrdert hat; ſo iſt es doch eine gelegenheit / wo ſich die eigne liebe und wille leicht darunter verbergen kan / und gewiß dahinter ſteckt / wenn wir in dem fall / daß gleichwol dieſesmal goͤttliche fügung die ge - legenheit nicht giebet / an vielen zu fruchten / den jenigen wenigern unſre arbeit / die wir an ihnen nach Goͤttlicher ordnung und ge - bot der liebe zu thun ſchuldig ſind / verſagen / oder ſie an ihnen nicht mit ſolchem fleiß und ernſt thun / ſondern das anſehen der weni - gern perſonen uns laſſen traͤge machen. Denn ſo zeiget ſichs / daß vielmehr hoch - muth und eigner wille als Goͤttlicher befehl uns zu dem fleiß bey den mehreꝛn aufgemun - tert / aufs wenigſte ſich mit eingemiſchet haͤt - te: die wir uns zu gut dazu halten / um weni - ger willẽ einige mühe zu thun. Alſo auch / wo wir nur die dienſte den reichen und vorneh - men willig leiſten / iſt es abermahl kein gutes zeichen / ſondern weiſet ein ſolches anſehen der perſon / bey dem der eigene wille gewiß anzutreffen iſt. Das gegentheil aber magL 7eine254eine feine probe der verlaͤugnung des eige - nen willens ſeyn / ſonderlich wo nicht nur das euſſerliche werck nach der ordnung ge - ſchiehet / ſondern wir auch in der ſeele ſelbs eine gleiche willigkeit finden / und die jenige art an uns haben / daß wir als die bronnen ſeyen / welche ihr waſſer / ſo GOtt in ſie gele - get / ohne vorenthalt flieſſen laſſen / es ſeyen viele oder wenige / reiche oder arme / groſſe oder kleine / ſo ſich deſſelben gebrauchen und daraus ſchoͤpffen.

§. 80.

Den vorigen proben mag auch 5. dieſe hinzu geſetzet werden / wo wir etwas gutes gethan haben / und aber bereit ſeynd / daſſelbe immer wiederum bey gleichem fall nach GOttes willen zu thun. Sonſt kan geſchehen / daß ſich der menſch etwas zu thun reſolviret / wo noch eigener wille iſt / aber et - wa verborgener bey ihm ſtecket / und durch unterſchiedliche abſichten bedecket wird / wo man aber folches mehrmal und immer wie - derum thun ſolle / da jene abſichten nit ſtaͤts ſtatt haben / werden die jenige verdroſſen / welche vorhin aus eigenem willẽ gewircket / deme es nun an ſeiner ſpeiſe mangelt. Wo aber ein gleicher wille und fertigkeit / gleiches ſtets zu thun ſich befindet / da iſt auch ſolchesein255ein zeugnis der belobten verleugnung / und daß die ſache auff einem unbeweglichen grunde ſtehe.

§. 81.

Wie wir §. 77. zur probe der ver - leugnung eignen willens das jenige geſetzet / wo man in zweiffelhafftigen faͤllen auch gottſeliger hertzen ausſchlag gehorſamlich annimmet / alſo mag 6. nicht weniger zu ſol - chem kennzeichen geſetzet werden / daß wir allezeit bereit ſeyen / über das jenige / was wir thun oder gethan haben / auch anderer leute rath und urtheil anzuhoͤren / nicht aber halsſtarrig auf unſerem ſinn und meynung beſtehen. Denn wie dieſes eine anzeigung iſt eines ſehr erſtarckten eigenen willens / und eines hochmuths / da wir davor halten / wir wüſten und verſtünden alles beſſer / als alle andre leut / und haͤtten uns von niemand einreden zu laſſen; ſo iſt hingegen die bereit - willigkeit zu weichen ein zeugnis der demuth wie wir auch §. 67. bemercket / ſo dann ei - ner rechtſchaffnen verläugnung ſeiner ſelbs. Wobey zwar nicht geſagt wird / daß alles vor eigenſinn zu halten waͤre / wo jemand von anderer auch wol gar der allerweifeſten maͤnner meynung abweichet / und ſich we - gen der gnugſamen gründe / welche er in ſei -nem256nem gewiſſen erkennet / davon nicht abtrei - ben laſſen will. Dann es iſt ein groſſer un - terſcheid unter dem eignen willen / und un - ter der beſtaͤndigkeit in dem jenigen / was man aus GOttes gnade erkennet hat. Wo ich etwas Goͤttlichen willen zu ſeyn in mei - ner ſeelen verſichert bin / ſo ſtehet mir davon abzuweichen nicht frey / denn die warheit GOttes iſt ſo viel werth / daß ſie allem an - dern vorgezogen werde / und darff ich deß - wegen davon mich nicht abbringen laſſen / es ſeye dann / daß mir klar aus GOttes Wort ein anders / und daher / daß ich mich in meinem urtheil vorhin betrogen haͤtte / gewieſen wird. Sonſten / wo ich das jeni - ge fahren laſſe / was ich doch Goͤttlichen Willen und Wort zu ſeyn glaube / ſo iſts ei - ne verachtung Gottes / als demich anderer meynung und die hochhaltung derſelben ſei - nem Wort vorziehe / daher ſich vielmehr in ſolchem weichen ein eigner wille befindet / als in der beſtaͤndigkeit. Dieſes iſt die ur - ſach / warum kinder GOttes / die ſich wiſ - ſen / nicht an der menſchen willen / ſondern ihres Gottes Wort verbunden zu ſeyn / und gelernet haben / daß auch viele menſchen ir - ren koͤnnen / daher deroſelben meynung ih -nen257nen zur regel nicht gnug ſeye / lieber auch ihr leben darüber laſſen / als von der ihnen ge - offenbahrten Goͤttlichen wahrheit abwei - chen; wie dann darüber die Apoſtel und al - le märtyrer ihr blut vergoſſen / und dabey von der welt den nahmen eigenſinniger und hartnaͤckiger leut davon getragen haben / da es doch die krafft GOttes in ihnen war. Das jenige aber heiſſet eigenſinn / wo ich auf meiner meynung oder entſchluß behar - re / deſſen ich keinen gnugſamen grund aus GOttes Worthabe / und mir von andern ein beſſers gezeiget / oder auch mein began - gener fehler gewieſen wird / aber entweder die gute meynung / die ich von mir ſelbs ha - be / mich abhaͤlt / daß ich anderer erinnerung von einigeꝛ wichtigkeit zu ſeyn nicht glauben kan / oder der hochmuth / daß ich das anſehen geirret zu haben / auff mich nicht kommen laſſen will / mir im wege ſtehet / underer rath oder beſtraffung anzunehmen: als welches gewiß der rechte eigen-ſinn und fleiſchliche unart iſt / ob ſie ſich wol offt mit dem man - tel einer loͤblichen beſtändigkeit bedecken will. Daß aber auch einer bey ſich ſelbs den unterſcheid finde / dienet dazu / daß er wo er von jemand über etwas erinnert / undbe -258beſtraffet wird / oder wo man ihm einen an - dern rath giebet / als er vor ſich das beſte ge - achtet haͤtte / nicht blindlings zuplatze / ent - weder ſich auff ſeiner meynung zu ſteiffen / o - der ſo bald zu weichen / da gleichwol in allen beyden / ob ſchon auf unterſchiedliche art / ei - gener wille ſtecket. Sondern die rechte art derer / die ſich durch den Geiſt GOttes re - gieren laſſen / iſt dieſe / daß ſie ſo bald in ſich ſchlagen / mit demuth und gebet vor GOtt die ſache auffs neue überlegen / ob unſre oder anderer meynung dem willen GOttes am gemaͤſſeſten ſeye / und ob alſo die jenige / ſo uns ſtraffen / unſre meynung oder Goͤttliche warheit ſtraffen. Wo dieſes geſchiehet / und in der forcht des HErrn der entſchluß nach dem jenigen gefaſſet wird / wie wirs nach unpartheyiſcher prüſung gefunden haben / ſo fehlen wir nicht / und iſt ſolches verfahren bey uns ein zeugniß der weisheit / die ſich lagen laͤſſet. Jac. 3 / 17. und doch auch der jenigen feſtigkeit / daß man ſich nicht wegẽ und wiegenlaſſe von allerley wind deꝛ lehre / durch ſchalckheit der menſchen und teuſcherey / damit ſie uns erſchlei - chen zu verführen. Epheſ. 4 / 14. Alſo kan aus dieſem der eigenſiñ und die loͤblichebeſtaͤn -259beſtaͤndigkeit wol von einander unter - ſchieden werden / da jene zu der natur gehoͤ - ret / dieſe aber mit allem deme / was daraus geſchiehet / ſo dann die geſamte verleug - nung ſolches eignen willens / zu den gnaden - wirckungen.

§. 82.

Weiln unter die früchte des Gei - ſtes und güter des reichs GOttes auch die freude gehoͤret / Gal. 5 / 22. Rom. 14 / 17. ſo koͤnnen wir 7. auch dieſe als ein zeugniß der gnaden wirckung anſehen / oder aus derſelben einige zeugniſſen ſuchen. Derglei - chen iſt nun / wo wir zu der ſache ſelbs / die wir in GOttes nahmen vornehmen / nicht nur einen trieb fühlen / ſondern eine innerli - che freude über das jenige / daß uns GOtt eine gelegenheit kommen habe laſſen / zu ſei - nen ehren etwas auszurichten: wo auch ſol - che freude in dem werck noch fort waͤhret / oder wol gar waͤchſet / ſonderlich da das werck ſo bewandt iſt / daß wir ſonſten natür - licher weiſe eher einen widerwillen dagegen haben würden / wie wir auch oben §. 29. und 56. von der freudigkeit gehoͤret haben. Son - derlich wo nach vollbrachtem werck GOtt uns entweder gantz eine ungemeine ſonder - liche freude etwas ſeiner ſüßigkeit ſchme -cken260cken laͤſſet / oder doch unſer hertz voͤllig dar - über vergnüget / weil wir das unſrige nach dem maaß der gnade GOttes gethan ha - ben / es ſeye darnach die verlangte frucht er - folget oder nicht / mit der verſicherung / daß ſich der HErr das jenige in gnaden gefallen laſſe / was wir gethan / ja daß auch / wo an unſerm werk / welches wir leicht ſorgen müſ - ſen / gleichwol noch mangel erſcheinet / der Himmliſche Vater ſolches uns gnaͤdig ver - gebe / und um Chriſti willen nicht ſo wol un - ſern mangel / als die redliche auffrichtigkeit des hertzens anſehe. Ob nun wol dieſe freu - de nicht allemal bey den wercken gottſeliger hertzen ſich findet / ſondern ſie auch etwa zu - weilen nach vollbrachtem werck mit betrüb - niß und angſt nach GOttes rath ſich befal - len fühlen / daher ſie doch ſich keinen ſcrupel machen laſſen doͤrffen / ſo iſt ſie doch denen jenigen / bey welchem ſie ſich findet / ein ſol - ches zeugniß / daß ſie danckbarlich von der güte ihres Vaters anzunehmen haben. Es läſſet ſich auch dieſe freude von der natürli - chen freude / die ſich nach einem werck ein - finden kan / unterſcheiden / wenn man bedencket / das dieſe auff gantz anderem grund / als jene / beruhet: in dem die na -tür -261türliche freude nur folget / wo die / ſache wol gerathen / oder das geſchaͤffte der maſſen geweſen / daß wir von ſelbs luſt darzu gehabt haben / gründet ſich auch nicht eigenlich darauff / daß wir Gott gehorſamet / ſondern auff das jenige / was wir ausgerich - tet / was wir davon voꝛehre odeꝛ vortheil ha - ben / odeꝛ noch hoffen koͤnnen / und hatimmeꝛ eine eigne liebe mit in ſich / entweder auff eine groͤbere oder ſubtilere art. Dergleichen aber ſich nicht bey der goͤttlichen freude findet. Von den hoͤhern graden der freude aber / davon Paulus redet / Hebr. 6 / 4. 5. die in dem geſchmack der himmliſchen gaben / auch des gütigen Wortes GOttes / und der kraͤfften der zukünfftigen welt beſtehet / laͤſ - ſet ſich nicht hier viel handeln oder reden / als die uns meiſtens zu hoch iſt.

§. 83.

Wir ſetzen endlich noch hinzu 8. das gebet / ſo auch eine gnaden-wirckung / und eine übung des glaubens / der liebe und der demuth iſt. Daher bey demſelben das meiſte wiedrum platz hat / was bey dieſen be - reits erinneꝛt worden. So iſt nun ſo wol das gebet an ſich ſelbs / wo daſſelbe rechtſchaf - fen iſt / (dann ja niemand Chriſtum ei - nen HErrn nennen kan / ohn durch denHei -262Heiligen Geiſt. 1. Cor. 12. / 3.) als auch was aus und mit demſelben geſchiehet / ein Goͤttliches gnaden-werck. Und moͤchte al - ſo erkant werden / wo wir uns bewuſt ſind / daß / wenn wir etwas haben thun wollen / wir es mit dem gebet angefangen / oder viel - mehr GOtt vorhin hertzlich angeruffen ha - ben / daß er uns in das hertze ſelbs geben wolle / ob wir ſolche ſache thun oder laſſen ſolten; wo wir auch nach gefaſſtem ent - ſchluß ihn um ſeine gnade angeruffen / und zwar von ihm verlangt / nicht ſo wol / daß unſer werck nach unſerm willen moͤchte wol von ſtatten gehen / als vornehmlich / daß er uns durch ſeinen heiligen Geiſt regiere / da - mit wir in demſelben nichts gegen ſeinen willen thun und vornehmen / ſondern im̃er eine heilige begierde behalten / zu thun / was ihm gefaͤllig ſeye / auch dabey die gebühren - de vorſichtigkeit haben / in allen umſtaͤnden das werck dermaſſen zu führen / wie es ſei - ner ehr am gemaͤſſeſten iſt / auch keinen an - dern fortgang zu begehren / als wie er den - ſelben in ſeinem gütigen rath werde beſtim - met haben; wo wir mit ſolchem gebet / und einem ſolchen hertzen / deſſen ſtaͤter vorſatz in gewiſſer maß auch ein ſtetes gebet heiſſenmag /263mag / in der arbeit fortgefahren haben / und als viel die art der arbeit zugegeben / unſer hertz immer auff dieſe weiſe zu dem HErrn ſo wol gerichtet behalten / als wir unſere gemüths - und leibes-kraͤfften an das werck anwenden müſſen; ſonderlich wo wir / nach dem das werck verrichtet / wiedrum GOtt nicht nur vor die beſchehene gnade dancken / ſondern ihm gleichſam das werck / oder was ausgerichtet worden / auffopffern / ihm die ehre deſſelben geben / und auffs neue ver - langen / daß er nur vornehmlich darinnen finden moͤge / was ihm darinne zuſtehet / nemlich die befoͤrderung ſeiner ehre. Wo ſage ich / dergleichen gebet ſich findet (wie dann der menſch ſolches wol bey ſich ge - wahr werden kan) ſo iſt gewißlich daſſelbe / und das werck / was auff dieſe weiſe verrich - tet worden / nicht ein natur-ſondern gna - den-werck: denn bey jener kan zwar auch eine art eines in natürlicher andacht geſche - henden gebets ſich finden / es iſt aber weder ſo beſtaͤndig / noch dermaſſen von der eige - nen liebe gereiniget / gleich wie wir dieſes zum kennzeichen angeführte beſchrieben / und wie es in allem allein ſeinen GOtt ſu - che / angezeiget haben.

§. 84. Son -264

§. 84.

Sonderlich aber iſt bey dem recht - ſchaffenen Goͤttlichen gebet in acht zu neh - men / daß es nicht nur den worten nach / ſon - dern was die wahre abſicht und bewandniß des hertzens anlangt / nach GOttes wil - len geſchehe / 1. Joh. 5 / 14. Daher bittet ein kind GOttes nicht nur nichts / was es austrücklich ſeines Himmliſchen Vaters willen entgegen zu ſeyn wiſſen ſolte / ſondern es iſt in allem / was es bitten will / dafern es nicht dinge ſind / welche derſelbe ihm aus - trücklich befohlen hat zu bitten und zu be - gehren / ſehr beſcheiden und vorſichtig: alſo präffet es nicht nur / und zwar eben ſo wol mit anruffung GOttes um ſeine gnade zu der prüffung / bey jeglicher ſache / was des HErrn wille darinnen ſeye / und was es von ihm zu bitten haben moͤchte / ſondern was es zu bitten findet / bittet es mit ſolcher demuth daß es immer fort und fort wahrhafftig die - ſen willen bey ſich behaltet / wo es finden ſolte / daß gleichwohl etwas von ihm begeh - ret würde / ſo ihm unwiſſend dem goͤttlichen willen entgegen ſeyn moͤchte / ſolches nicht weiter zu verlangen / ſondern ſich hertzlich gern ſeiner bitte zu begeben / welches es ſich auch wol mit worten gegen GOtt verneh -men265men laͤſſet / und in ſolchem verſtand auch die bitte ſpricht / dein / nicht mein ob wol beſt - gemeynter wille geſchehe. Davon wir auch §. 74. gehandelt haben. Dahin gehoͤ - ret auch / wo ein kind GOttes eine ſache (ich rede von einer ſolchen / die nicht unzweiffen - lich zu GOttes ehre und unſrer ſeligkeit noͤ - tig iſt) eine gute weil mit hertzlichem gebet vorgetragen / und das jenige geſuchet hat / was es nach ſeinem beſten verſtand ſich und andern am dienlichſten erachtet haͤtte / un[d]aber Goͤttliche erhoͤrung nicht nach ſeinem willen erfolget / vielmehr ſein hertz ihm an - faͤngt vorzuhalten / daß GOttes rath an - ders ſeyn werde / und er gleichſam ihm auch / wie Paulo / damit zuruffen wolle / 2. Cor. 12 / 9. Laß dir an meiner gnade genü - gen: daß ein ſolches kind GOttes in dieſem fall mit ſolcher bitte nicht immer ohne be - dacht fortfahre / ſondern wo es anfangt mehr und mehr des Goͤttlichen willens auff die andre ſeite verſichert zu werden / gar nun - mehr davon abſtehe (wie wir ſonſt um eine ſache zu beten auffhoͤren / wo der ausgang den Goͤttlichen entgegen ſtehenden willen nunmehr geoffenbahret hat) oder wo es noch keine gnugſame verſicherung hat / aufsMwenig266wenigſte mit ſo vielmehr behutſamkeit und allemal austrücklicher ausnahm des Vaͤ - terlichen willens / damit fortfahre. Dann wie dem himmliſchen Vater nicht entge - gen iſt / ſondern er ſelbs an ſolcher gewalt ei - nen wohlgefallen hat / wo ſeine kinder in den jenigen dingen / die er ihnen zu beten befohlen und zu geben verſprochen hat / die alſo allemahl zu ſeinen ehren und ihrer ſee - ligkeit nützlich ſind / immer fortfahren / und ob es ſchiene / daß er ſein angeſicht gantz verborgen habe / dannoch daſſelbe ſu - chen / ja nach dem exempel der armen witt - be / die einen auch ungerechten richter end - lich mit anhaltendem gebet überwunden hat / von dem gebet nicht ablaſſen / bis die er - hoͤrung folge: davon alsdenn die verheiſ - ſung lautet / Luc. 18 / 7. Solte Gott nicht retten ſeine außerwehlten / die zu ihm (nicht nur ein und andermahl / ſondern ohnangeſehen des ſcheinenden beſtaͤndigen ſtillſchweigens und abſchlagens) tag und nacht ruffen / und ſolte gedult darüber haben. Jch ſage euch / er wird ſie erretten in einer kürtze: So würde es hingegen GOTT nicht gefaͤl - lig / und wider unſern gehorſam gegen ihmſeyn /267ſeyn / wo wir in abſonderlichem anligen ihm das jenige / was gerade wir uns vor das be - ſte halten / mit gewalt gleichſam abnoͤtigen / und durchaus unſern willen haben wolten / da er uns auffs wenigſte einigerley maſſen / wie ſein wille anders / als wir vorhin ge - dacht haben / ſeyn moͤchte / angezeiget haͤtte. Alſo iſts am beſten / den HErrn ins gemein in unſern anligen um gnade / hülffe / rath und rettung (denn dero ſind wir von GOtt verſichert) anruffen / von der abſonderli - chen bitte aber um die art der hülffe / die wir erſtmals vor die beſte gehalten / und ſie des - wegen austrücklich geſucht haben / lieber mehr und mehr abſtehen / als nur auch mit verlangen dem willen des Vaters entgegen gehen. Wo dieſes ſich bey dem gebet findet / hat ſolches abermahl ein zeugniß eines hoͤ - hern urſprungs / und was darinnen geſchie - het / iſt ein gnaden-werck.

§. 85.

Bey dem gebet iſt ferner ein kenn - zeichen / daß daſſelbe rechtſchaffen und aus GOtt ſeye / wo wir in demſelben am wenig - ſten die eigene liebe ſich einmiſchen laſſen / und alſo nicht nur beten / wo wir uns / wie in dem leiblichen / welches ohne das noch das wenigſte in dem gebet ſeyn muß /M 2alſo268alſo auch in dem geiſtlichen wohl ſeyn moͤge / ſondern hauptſaͤchlich um das jenige / daran GOtt und unſerm nechſten am meiſten ge - legen iſt. Sonſten in dem gebet allein vor uns ſelbs kan viel eigene groͤbere und ſubti - lere liebe ſich finden / und uns daſſelbe ver - daͤchtig ſeyn / wie viel die natur theil daran habe: was aber das gebet anlangt / wo uns unſer hertz zeugniß gibet / daß es aus deſſel - ben grund gehe / wo wir beten / daß Goͤttli - cher nahme nicht nur an uns / bey uns und zu unſrer zeit (wo wir allemal vor uns eini - ges davon hoffen moͤgen) ſondern ins ge - mein an allen orten und zu allen zeiten ge - heiliget / daher ſeine ehre zum nachtheil aller anderer / auch unſerer eigenen ehre allein er - hoͤhet werde: daß ſein reich komme / nicht nur zu uns / und damit wir / als deſſen genoſ - ſen / ſeine güter genieſſen / ſondern ins ge - ſamt / damit ſeine herrſchafft über alle mehr und mehr kund / und ſonderlich in aller her - tzen gegründet werde: daß ſein wille / nicht nur davon wir nutzen haben / ſondern ins ge - mein / und alſo auch / welcher uns ziemlicher maaſſen moͤchte beſchwerlich ſeyn / dannoch geſchehe / und unſerm und allem übrigen menſchlichen willen vortringe: ferner / wowir269wir auch vor unſern neben-menſchen beten / und zwar vor die jenige / von denen wir we - der auff ein noch andere art vortheil hoffen moͤgen / die nichts von uns wiſſen / ja auch vor die künfftige / die nicht einmal mit gebet uns gleiches vergelten koͤnnen / (ſiehe oben auch §. 10.) ſo dann vor die feinde / die uns lieber fluchen als gutes thun oder wünſchen / und zwar alles ſolches in einer rechten wahr - heit / daß ſeel und mund ſolches gebet vor dem allſehenden GOtt abſtattet: ſo iſt daſ - ſelbe eine unzweiffliche gnaden-wirckung / und kommt unmüglich von der natur: wie ingleichem das gebet vor uns ſolches zeug - niß hat / wenn wir wahrhafftig befinden / daß das gebet vor unſre wolfahrt / welche wir von GOtt verlangen / mit redlicher ab - ſicht ferner auff GOttes ehre und unſers neben-menſchen beſtes gerichtet wird / und wir auch in demſelben nicht auff uns ſelbs bekleben bleiben.

§. 86.

Ehe wir ſchlieſſen / moͤchte noch 9. den vorigen tugenden beygeſetzet weꝛden / die vergnügſamkeit in dem aͤuſſerlichen ge - brauch der creaturen / welche man ins ge - mein vor ein tugend erkennet / aber ſehr offt davor gehalten wird / was in den augenM 3GOt -270GOttes mehr ſünde iſt / als daß es von ihm kommen ſolte. Wie dann faſt bey den mei - ſten / was eine ſolche vergnügſamkeit heiſſet / entweder herkommet aus einem geitz / und ſorge vieles anzuwenden und ſeinen vorrath zu ſchmaͤlern / oder ſie kommet etwa her aus einer natürlichen erkaͤntniß / wie ſolche ver - gnügſamkeit den leib und gemüth nützlich ſeye / jenen nicht etwa mit überladung der ſpeiſen zu ſchwaͤchen / oder ſonſten zu ermü - den / dieſes mit mehrern ſorgen nicht zu belaͤ - ſtigen / oder was dergleichen art überlegun - gen mehr ſeyn moͤgen. Hingegen erweiſet ſich die von Gott in ſeinen kindern gewirckte vergnügſamkeit an den folgenden kennzei - chen: Wo man 1. in dem gebrauch der cre - aturen an ſich haͤlt / und nicht zu viel derſel - ben zu genieſſen trachtet / weil man ſie anſi - het als ſolche geſchoͤpffe und gaben Gottes / die uns von ihm nicht zum überfluß und ver - derbung / ſondern zu unſerer nothdurfft ge - geben / ja dazu erſchaffen ſind. Wie wir uns dann zu verſichern haben / daß die Goͤtt - liche weisheit alle geſchoͤpffe / welche uns dienlich ſeyn koͤnnen / austꝛücklich zu ſolchem zweck und gebrauch verordnet habe / damit ſie darinnen von uns geprieſen / und unſrernoth -271nothdurfft / weil ſie unſre unvollkommen - heit darinnen zeiget / daß wir vieler anderer creaturen / die darzu durch unſern gebrauch ſich verzehren müſſen / zu unſerm auffenthalt noͤthig haben / zu ſtatten gekommen werde: werden ſie dann dazu angewendet / ſo haben ſie den’zweck erreichet / dazu ſie geſetzet wa - ren / und freuen ſich gleichſam ſelbs darüber / daß ſie zu GOttes ehr uns einen dienſt ge - than. Wo wir aber damit üppig und un - nützlich umgehen / bringen wir GOtt umb ſeine ehre / die er drinnen geſucht / und gewiß durch mißbrauch nicht befoͤrdert wird / und ſie verliehren aus unſrer ſchuld den nutzen / dazu ſie uns zum beſten geſetzet waren: daheꝛ ſie über uns gleichſam ſich aͤngſten ſeuff - zen müſſen / da ſie durch unſern mißbrauch der eitelkeit mehꝛ unteꝛworffen werden. Wen dieſe betrachtung vergnügſam ma - chet / deſſen tugend kommt von GOtt. Alſo auch / wo 2. die andere dazu kommt / daß ü - berflüßigeꝛ gebrauch gemeiniglich zu andern ſünden anlaß gebe / oder dieſe daraus ent - ſtehen / als eine wirckung unordentlicher be - gierden / wollüſtrigkeit fleiſches-luſt / dar - aus auch in vielen ſtücken die ſeele mehr und mehr lüſtern / der leib aber geil und dem geiſtM 4deſto272deſto widerſpenſtiger wird. Wie auch die jenige liebe und anhaͤngigkeit an die creatu - ren / welche ſündlich iſt / durch den überflüſ - ſigen gebrauch derſelben ſo viel mehr erſtar - cket / als das hertz in ſeiner ordnung bleibet / wo man ſie allein als diener ſeiner noth - durfft / und nach deroſelbigen maaß / an - wendet: da ſie uns nicht ſo verſtricken koͤn - nen: Dieſe ſorgfalt vor ſünden zeuget aber - mal von der gnaden-würckung. 3. Jch achte auch / es ſeye eben dieſes ein hauptſtück der geiſtlichen armuth / davon es heiſt Matth. 5 / 3. Seelig ſind / die da geiſtlich arm ſind / denn das himmelreich iſt ihr. Dann daß hie von einer ſolchen armuth geredet werde / dero in gewiſſer maaß der leibliche reichthum entgegen geſetzt wird / moͤgen wir aus Luc. 6 / 24. 25. lernen. Jndeſſen kan gleichwol auch nicht bloß die leibliche ar - muth an ſich ſelbs verſtanden werden / weil es eigenlich heiſſet geiſtlich / oder in dem geiſt; iſt alſo ſolche geiſtliche armuth am be - qvemſten davon zu verſtehẽ / wo der menſch / er habe viel mittel oder nicht / und alſo nicht aus noth / ſondern Chriſtlicher wahl / in al - lerhand bedoͤrffnis dieſes lebens ſich mit der nothdurfft vergnügen laͤſſet / und auch vondem273dem mehrern / das er hat / ordenlich nicht mehr vor ſich gebrauchet / als er auch thun müſte / da er keinen überfluß haͤtte. Eine ſol - che geiſtliche armuth auch bey groſſem reich - thum / ſehen wir billich an als eine gnaden - wüꝛckung / in dem der geiſt / ſo uns eine ſolche maͤßigung angibet / über das fleiſch / welches uns immer antreibet / ſo viel uns davon wer - den mag / der creaturen zu unſrer luſt zu ge - nieſſen / die obhand erhalt. 4. Solle auch dieſe betrachtung darzu kommen / welche alsdann auch von der gnade zeuget / daß wir dieſe irrdiſche und euſſerliche dinge nicht hoch und anders / als wie ſie nur zu dem zweck des Goͤttlichen preiſes und unſrer nothdurfft gebrauchet werden moͤgen / ach - ten / und anwenden / glaubende / daß ſie viel zu geringe ſeyen / als daß ſie unſer hertz auff einigerley weiſe gefangen nehmen ſolten / in denſelben ſelbſten und dero genuß ſonderli - ches vergnügen zu ſuchen / die wir ja alſo himmliſch geſinnet ſollen ſeyn / daß die geiſt - liche und ewige güter allein unſer hertz mit liebe gegen ſich erfüllẽ / und wir einen ſolchen hunger und durſt nach denſelben bey uns ha - ben / der uns nicht zulaſſe / uns in jene zu ver - lieben. Zu dem vorigen kommet auch dieſe ü -M 5ber274berlegung bey kindern GOttes / daß ſie allen überfluß des wegen meyden / weil ſie wiſſen / was ſie haben / ſeye ihnen nicht nur vor ſich und die ihrige gegeben / ſondern auch vor ih - ren neben-menſchen / welcher ihnen zur liebe und liebes-thaten hoch anbefohlen iſt: daher weil ſie GOtt vor alles / und alſo auch vor die irrdiſche güter / die ihnen der HErr zu ih - rer verwaltung anvertrauet hat / rechen - ſchafft geben ſollen / ſie wol wiſſen / daß ihnen in ſolcher rechnung alle unnütze verſchwen - dung nicht paſſiret werden koͤnte / als welche von ihrem überfluß (ja nach beſchaffenheit der umſtaͤnde / auch von ihrer nothdurfft) dem nechſten liebe zu erzeigen verbunden ſind / und alſo das jenige an denſelben viel - mehr anzuwenden haben / weil ſolches dem zweck Goͤttlicher ordnung gemaͤß / was ihr ſündliches fleiſch entweder zu buſſung ſeiner lüſten / oder zu pracht und anſehen lieber an - wendete. Wie auch 6. eben dieſes zu ſolcher vergnügſamkeit kommen muß auf daß man endlich ihm ſelbs und andern die ſorge be - nehme / daß ſolche nicht eine geizige ſparſam - keit ſeye / in der that dem dürfftigen nechſten deſto reichlicher gutes zu thun. Wie dann unſer gewiſſen ſich am beſten rathen wird /wo275wo wir abſonderlich das jenige / was wir auf dieſe weiſe unſern lüſten an dem jenigen / was wir ſonſten nach der welt manier über - flüßig anzuwenden gewohnt geweſen / und andere ins gemein ſo zu thun pflegen / abbre - chen / an die nothdurfft dürfftiger mitbrüder anzuwenden befliſſen ſind. Wo nun unſre vergnügſamkeit und enthaltung des über - fluſſes aus den gedachten motiven, darüber wir unſer hertz wol forſchen koͤnnen / heꝛkom - met / und wir damit die ſonſten zu dieſem ge - neigte lüſten zurück treiben / ſonderlich auch den leiblichen vortheil und gewinn / den wir ſonſten aus ſolcher ſparſamkeit ziehen koͤn - ten / an liebes-wercke anwenden / und alſo dem geitz / damit er ſich nicht darein miſche / die thür verſperꝛẽ / ſo mag auch ſolche tugend mit dem / was draus folget / nicht der natur / dero vernünfftige erbarkeit ſo weit nicht rei - chet / ſondern der gnade zugeſchrieben wer - den. Wobey gleichwol auch in acht zu neh - men / daß dieſe vergnügſamkeit und mey - dung des überfluſſes nicht zu einer folter der gewiſſen gemacht / und dieſelben über jegli - ches / was ſie genieſſen / ſich zu aͤngſten getrie - ben ſollen werden. Es ſind kinder GOttes nach dieſen regeln verbunden / alles / was ſieM 6thun267[276]thun und genieſſen / vor ihres Vaters ange - ſicht bedaͤchtlich zu thun / und alſo das jenige zu unterlaſſen / was ihnen die Chriſtliche ü - berlegung und das gewiſſen (zu dero unter - richtung auch Chriſtlicher hertzen erinne - rungen nicht zu verachten ſind) als einen ü - berfluß zeigen / und alſo ſollen ſie mit willen ſich dieſes nicht ſchuldig machen: wie aber ſo haarklein eben nicht abgewogen oder ab - gemeſſen werden kan / wie viel jedes mahl und bey jedem die nothdurfft fordere / ſo ge - brauchen ſie getroſt und in kindlicher einfalt das jenige / was ihnen der HErr gibet / und ſie auch in ſolcher einfalt ihrer nothdurft ge - maͤß zu ſeyn halten: daher ſie / zum exempel / obſie wol nach delicaten und das fleiſch zur geilheit reitzenden ſpeiſen / mit verachtung der gemeinen / nicht trachten / und mit ſon - dern koſten oder ſorgen ſolche ſuchen / ſich gleichwol auch kein gewiſſen machen / da ih - nen GOtt etwas beſſers / als ihre taͤgliche koſt / vorkommen laͤſſet / deſſen zu genieſſen / bey dem anmuthigen geſchmack ſich derſüſ - ſigkeit ihres GOttes / dero ob zwahr gerin - ger ausfluß die auch in den geſchoͤpffen be - findliche ſüßigkeit iſt / zu erinnern / und damit zur freude in ihm und zur danckſagung auf -zumun -277zumuntern. Dann der ſeinen kindern in ſei - nem haus alles gegeben hat / wie ſie es am beſten in ſeiner furcht und zu ſeinem preiß gebrauchen moͤgen / goͤnnet ihnen alles ſol - ches wol / und erkennet / was mit ſolchen her - tzen genoſſen wird / zu ſeiner ehr gebraucht zu ſeyn. Jn dieſer einfalt gehen alſo ſeine kin - der / neben der ſorgfaͤltigen verwahrung vor dem eigenlichen und geſuchten überfluß / dannoch auch in dem gebrauch der geſchoͤpf - fe mit einiger freyheit und ohne ſtaͤte ängſti - gung. Und will uns in ſolcher ſache nicht zu - kommen / ſolche ſtricke ihnen an den hals zu werffen / 1. Cor. 7 / 35. die nicht aus den allgemeinen regeln von ſich ſelbſten fol - gen.

§. 84.

Hiemit haben wir betrachtet / aus was kennzeichen ein menſch ſeine wercke prüfen und erkennen koͤnne / ob und wie ſie aus der bloſſen natur oder auch aus der gna - den wiꝛckung ihren urſprung haben / woran etlicher maſſen auch die pꝛüfung des gna - den-ſtandes ſelbſten haͤnget. Wir haben aber noch ferner zu mercken / daß gleichwol mit ſolcher prüfung auch vorſichtig umzu - gehen ſeye / daß man ſich nicht auff eine oder die andere art dariñen verſtoſſe / und ſich ent -M 7we -278weder in zu groſſen zweifel-muth ſturtze / o - der in der ſicherheit ſtaͤrcke: in dem zwar alle die angedeutete kennzeichen an ſich richtig ſind / aber die vorſtellung derſelben wird ei - nem der acht giebet / ſo bald gewieſen haben / daß manche derſelben in ſich ziemlich ſchwer ſeind / und die natur der gnaden offt ſehr na - he kommet / wo ſie ihr nachahmen will. Da - her die prüfung nicht oben hin / ſondern mit groſſer ſorgfalt / dem ſelbs betrug des flei - ſches nicht platz zu geben / angeſtellet werden ſolle; Es muß die ſeele in derſelben ſtaͤts in ei - ner hertzlichen furcht vor GOtt ſtehen / und mit ſeiner anruffung ſolche vornehmen / daß er ihr ſelbs zeigen wolle / was in ihr ſeye. Denn ob wol ordentlicher weiſe der geiſt des menſchen weiſt / was in dem men - ſchen iſt / 1. Cor. 2 / 11. ſo iſt dennoch auch ſolches liecht ſich ſelbs zu erkennen in der ſee - len maͤchtig durch die eigene liebe und andre affecten verdunckelt / daß es nicht ſo leicht iſt / ſich alles irrthums in dieſem werck zu ent - brechen; auch ſind die Goͤttliche dinge alſo bewandt / daß ſie nicht anders als im Goͤttli - chen liecht ſich erkennen laſſen / daher dieſes dem menſchen ſcheinẽ muß / wo er ſich in dem Goͤttlichen recht erkennen ſolle. Wie derheili -279heilige Apoſtel ſelbs dazu ſetzet: v. 12. Wir haben den geiſt aus Gott empfangen / daß wir wiſſen koͤnnen / was uns von GOtt gegeben iſt. Daher dieſer freylich auch um ſein licht und leitung hertzlich anzu - ruffen / und von ſeiner führung die gewißheit zu erwarten iſt.

§. 88.

Wir haben aber ſonderlich auff die 2. extrema zu ſehen / daß man nemlich ſich nicht in ſicherheit vergehe / und was natur iſt vor groſſe gnaden-werck achte / auff der andern ſeiten / daß man nicht in klein - muth die gnaden-werck vor bloſſe natur - werck anſehe / und ſich über die gebühr aͤng - ſtige. Was das erſte anlanget / ſo iſt zum foͤrderſten zu mercken / wo ſich bey einem menſchen offenbarliche laſter und ſünden / die in ihme herrſchen / er ihnen dienet fin - den / ja auch / wo nur eines / ſo er weißt / und darüber von andern erinnert / oder in ſeinem gewiſſen überzeuget wird / das regiment in ihm hat / daß er daſſelbe fort wiſſentlich und mit willen begehet / ſo iſt ein ſolcher menſch auſſer Goͤttlicher gnade / und alſo auch was er thut / was vor ein anſehen es hat / nur na - turwerck / ja gar fleiſches betrug / nicht aber goͤttliche gnaden-wiꝛckung / daher aller übri -ge280ge fleiß in der nachforſchung über ſeine wer - cke vergebens iſt. Den heiligen Geiſt kan die welt nicht empfangen / Joh. 14 / 17. daher er ſie auch nicht regieret. Zur welt ge - hoͤren aber alle die jenige / ſo noch der ſünden dienen: Denn knechte des verderbens und von der ſünde überwunden ſeyn / ſo dann dem unflath der welt entflohen ſeyn / ſtehen einander entgegen / 2. Petr. 2. / 19. 20. Die weißheit kommet nicht in eine boßhafftige ſeele / und wohnet nicht in einem leib der ſünden unter - worffen. Denn der Heil. Geiſt / ſo recht lehret / fleucht die abgoͤttiſchen / und weichet von den ruchloſen / Weißh. 1 / 4. 5. Ohne dieſen geiſt aber ſind keine wer - cke / 1. Joh. 2 / 4. Wer da ſagt ich kenne ihn / und halt ſeine gebot nicht / der iſt ein lügner / in ſolchem iſt keine war - heit. Alſo mangelts einem ſolchen an dem wahren glauben / und was er vor Goͤttliche erkaͤntnis und glauben bey ſich haͤlt / iſt nur lügen / damit er ſich ſelbs betrieget / daher ſind auch ſeine werck falſche werck / und der jenigen art der erkaͤntniß gemaͤß / aus dero ſie kommen / und weil ſie nicht aus glau - ben gehen / heiſſen ſie ſünde / Rom. 14 / 23. ſo281ſo koͤnnen ſie demnach nicht wahre gnaden - würckungen ſeyn. Jn welchen die ſunde herrſchet / die ihre glieder begeben der ſunde zu waffen der ungerechttgkeit / die ſind nicht unter der gnade / ſondern unter dem ge - ſetz / Rom. 6 / 13. 14. 15. Daher auch was ſie thun / ſind nicht der gnaden-werck ſon - dern auffs hoͤchſte in gewiſſem verſtand ge - ſetzes-werck. Aus welchem allen klar iſt / daß die jenige / welche in ſolchem ſünden-ſtand ſtehen / von allen obigen kennzeichen ſchon voran ausgeſchloſſen ſind / und ſich keines deſſelbigen / ohne ſich muthwillig zu betrie - gen anzunehmen haben.

§. 89.

Was aber die jenige anlangt / wel - che offenbare herrſchafft der ſünden eben nicht bey ſich zu finden meynen / haben ſie gleichwol in den keñzeichen vorſichtig umzu - gehen / daß ſie die prüfung mit allem fleiß an - ſtellen / wozu in dem vorhergehen den davor halte / daß ziemlich anleitung gegeben ſeye / wer in der forcht des HErrn ſich derſelben brauchen will. Sonderlich aber iſt wol acht zu geben / daß man eben nicht auff ei - nem kennzeichen allein kleben bleibe / und ſich ſo bald ſicher mache / wo man davon et - was bey ſich zu finden vermeinet; in demzu282zu weilen das betrigliche fleiſch etwas deſſen nachzuahmen vermag / was ſonſten die gna - de zu thun pfleget: ſondern man hat meh - rere vorzunehmen / und an mehr orten an dem probirſtein alles anzuſtreichen: auff daß man der ſache recht gewiß werde / dar - an uns ſo ein groſſes gelegen iſt. So bald der menſch auch die jenige art des gemüths bey ſich findet / daß es leicht mit jedem ſchein zu frieden iſt / etwas in ſich vor goͤttlich zu er - kennen / und nicht gern viel weiter forſchet / muß ihm bereits daſſelbe verdaͤchtig ſeyn / als eine ſicherheit des fleiſches / ſo ihn gerne betriegen wolle / gegen dem er dann ſich deſto fleißiger verwahren ſolle.

§. 90.

Wo es auch bey einem werck an - faͤngt in dem gewiſſen zweiffelhafft zu wer - den / ob es aus Gott oder gar aus dem fleiſch geweſen / in dem voꝛjenes zwar einigeꝛſchein gefunden wird / dieſes aber auch ſeine ſtarcke vermuthung hat / iſts nicht ſo wol ſicher / ſol - ches vor ein gutes werck und gnaden-wirck - ung zu erkennen / und ſich darauff zu verlaſ - ſen: als vielmehr ſich wegen deſſelben vor GOtt zu demüthigen / und ſeine ſündliche verderbnis darinnen zu bekennen / dadurch man ſeine wirckung / die uns ſich zu zeigenange -283angefangen / gehindert habe / und alſo auch daraus ſeiner unvollkommenheit ſich buß - fertig zu erinnern. Damit verlieret man das gute nicht / was gleichwol GOtt in uns gethan hat / und wir es vor der anklebenden unreinigkeit unſerer gebrechen nicht recht erkennen koͤnnen / ſo wenig als anderes gutes ſo wir zu weilen in demuth an uns nicht ge - wahr werden / und GOtt dannoch ſiehet / und man thut ſich doch auch nicht unrecht / weil wir warhafftig in allem finden werden / daß es gleichwol auch einige maͤngel dabey gebe. Ja dieſe hertzliche demütigung / ſorg - falt vor GOtt und unpartheyiſches gericht über unſre eigne wercke iſt vielmehr ein neu - es zeugnis einer Goͤttlichen ſeligen gnaden - wirckung.

§. 91.

Auff der andern ſeiten haben wir aber auch wol acht zu geben / daß wir dieſer keñzeichen uns nicht mißbrauchen zu unnoͤ - thiger und allzu vieler niederſchlagung un - ſer ſelbſten. Wie dañ gottſelige hertzen / wel - che eben deswegen / weil ſie Goͤttliche hei - ligkeit und gerechtigkeit ſehr tieff einſehen / dabey auch ihre eigne verderbnis ſtaͤts vor augen haben / und ihrem fleiſch / wo es am beſten ſeye / nichts guts zu zutrauen gelernethaben /284haben / ſehr leicht begegnet / daß ſie über ſich und ihre wercke ein allzuhefftig urtheil fül - len: und moͤchte Chriſtus noch manchmal zu einer rechtſchaffenen ſeele ſagen / Hohel. 1 / 8. Kenneſtu dich nicht / du ſchoͤnſte unter den weibern? Welches herkommet zu weilen aus einer natürlichen ſchweꝛmuth und angſthafftigkeit / da in dem tempera - ment des leibes gleichſam viel finſternis iſt / welche / was ſo zu reden von liecht in die ſeele komt / ſtracks etwas verdunckelt / und ſiehet ſie daſſelbe mit geſchwaͤrtzten augen auch ſchwaͤrtzlich an: Weswegen was nach - mal / wie in andern ſachen / alſo auch in dem Chriſtenthum einige angſt oder ſorge ma - chen kan / findet ſchon in der ſeele die natür - liche faͤhigkeit dazu / und faſſet gleich / was a - ber troſt und freudigkeit iſt / hat keinen ſol - chen eingang / oder wird doch gleich durch jene dunckelheit verhindert. Zu weilen a - ber kan es auch auſſer ſolchem temperament und complexion geſchehen / daß GOtt in ſchweren anfechtungen in der ſeele das jeni - ge zurück haͤlt / was ſich deſſen / ſo freudig iſt / annehmen koͤnte / und er ſelbs / da er ſei - ne ſchrecken in die ſelbe empfindlich gedꝛuckt / dadurch die fühlung des troſtes hindert. Wel -285Welcherley exempel wir offt an den gott - ſeligſten perſonen finden werden / uns aber zu verſichern haben / daß der himmliſche Va - ter aus gantz weiſem rath es alſo müſſe ge - ordnet / und dieſes nützlich befunden haben / viele ſeine kinder durch ſchwermuth / anfech - tung und troſtloſigkeit voꝛgeiſtlichem hoch - muth und ſicherheit zu bewahren / hingegen ſie in ſtaͤter wach ſamkeit über ihre ſeelen und wahrer demuth zu erhalten / des wegen ihnen manches des guten / ſo in ihnen iſt / zu ver - bergen / oder deſſen empfindung bey ihnen zu hemmen.

§. 92.

Damit aber ſolche liebe leute durch obige kennzeichen nicht mehr geaͤngſtiget / und in groſſe gefahr durch ihre prüffung ge - führet werden / ſo haben ſie unterſchiedliches dabey zu mercken. 1. Daß die obigekennzei - chen zwar alle kennzeichen Goͤttlicher gna - den-wüꝛckungen ſeyen / aber nicht ebennoth - wendig alle müſſen oder koͤnnen bey jedem werck ſich finden / maſſen gar dieſe nicht alle ſo bewandt ſind / daß bey jedem viele derſel - ben anzutreffen waͤren. Kan alſo eine ihres heils recht begierige ſeele auch damit zu frie - den ſeyn / daſie einige deutliche zeugniſſen der gnaden bey ihrem thun findet / ob ſiewol286wol die andere nicht ſo klar ſiehet / oder auch wegen einiger gar in ſorgen geſtürtzet wird. So ſind ohne das einige kennzeichen ſo be - wandt / daß wenn ſie vorhanden ſind / Goͤtt - liche wirckung ſich daraus wol abnehmen laͤſſet / aber deroſelben abweſen hingegen nicht weiſet / daß ein werck nicht von GOtt ſeye. Daher wer allemal alle beyſammen haben wolte / würde darinnen GOtt und ſich ſelbs unrecht thun.

§. 93.

Es iſt auch von denſelben 2. zu mer - cken / daß von dem mangel des gefühls ſich nicht auf denmangel der ſache gewiß ſchliſ - ſen laſſe / ſonderlich was den glauben und deſſen freudige empfindung anlanget. Sondern dieſe ſinds gemeiniglich / über de - ro vermeinten mangel GOtt mehrmal ſei - ne kinder aus §. 90. etwas angedeuteten urſachen gedemütiget werden laͤſſet. Sie haben aber zu gedencken / daß ihnen alsdann gnug ſeyn koͤnne und ſolle / da ſie in den übrigen ſtücken und früchten des glaubens / in liebe / demuth / gedult und dergleichen das jenige finden / was zum zeugnis der gnaden zu dienen bemercket worden iſt. Alſo / wo uns auch unſer hertz verdammet / und alſo die empfindung des glaubens ſtarckzurü -287zurücke haͤlt / als bey dero ſonſten ſolche verdammung nicht ſtehen koͤnte / ſo heiſ - ſet es dannoch 1. Joh. 3 / 18. 19. 20. daran erkennen wir / daß wir aus der war - heit (aus GOTT und ſeiner gnade wiedergebohren) ſind / und koͤnnen un - ſer hertz vor ihm (ob wol nach ziemli - chem kampff) ſtillen. Woran denn? wo wir nemlich lieben nicht mit worten oder mit der zunge allein / ſondern mit der that und mit der wahrheit. Daß alſo der heilige Apoſtel Johannes die liebe / und zwar die lie - be des nechſten und bruders / als eine gültige verſicherung unſers gnaden-ſtandes / und alſo auch der gnaden-wirckung achtet. So moͤgen wir alſo ſo wol dieſelbe / als an - deretugenden / eben ſo wol zu unſerer verſi - cherung gnugſam halten / und doͤrffen uns nicht über den mangel deſſen / an deſſen em - pfindlichkeit es ſo manchen kindern GOttes fehlet / alſo aͤngſten / als wenn bey demſelben alle die andere von keiner krafft mehr waͤ - ren. Nun bin ich verſichert / es werden in den obigen kennzeichen ſich manche finden / da ſolche angefochtene ſeelen / wo ſie ſich red - lich unterſuchen / ſonderlich aber etwa auch andere verſtaͤndige Chriſten dazu nehmen /die288die ihnen ihren zuſtand forſchen helffen ſol - len / und ſich denenſelben gantz offenbahren / auffs wenigſte auſſer dem zuſtand der heff - tigſten angriffe der anfechtungen / da ſie offt auff natürliche art zu nichts tüchtig ſind / und alſo gar nicht über ſich richten koͤnnen / gewahr werden / daß ſie dieſelbe nach aller ſchaͤrffe / als ſie vorgemahlet ſind / bey ſich antreffen. Daher ſie / als viel die anfechtung ſelbs einen troſt zulaͤſſet / getroſt darauff be - ruhen koͤnnen / ſie leben und wircken in der gnade GOttes / wider alles ſcheinbare ur - theil ihrer kleinmuth / in dero das fleiſch eben ſo wol als in der ſicherheit platz haben / und ſie alſo ſo wol zu unglauben / als andern ſünden reitzen kan / indeſſen nicht würdig iſt / daß ſein urtheil dem jenigen / was aus den andern kennzeichen / die vorhanden ſind / ge - ſchoͤpffet wird / entgegen geſetzet werde. Und zwar iſt zu mercken / daß gedachte tu - genden und dero kennzeichen ſo fern zum grunde ſolcher verſicherung ligen / weil ſie früchte des glaubens / ſo der kinder GOttes eigen iſt / erkennet werden müſſen: daß man alſo aus denen herauswachſenden und fruchtbaren pflantzen und gewaͤchſen / die man ſiehet auch ohnfehlbarlich auf die leben -dige289dige in der erden ligende wurtzel / die man nicht ſiehet / ſchlieſſen kan.

§. 94.

Sonderlich haben ſolche Chriſtli - che ſeelen 3. zu mercken / daß ihre hertzliche ſorgfalt vor ihre ſeligkeit dero gewißheit / die begierde nach der gnade Gottes und der - ſelben verſicherung / das verlangen alle ihre wercke in und aus der gnade zu thun / das innerliche beſtreben in allem dem him̃liſchen Vater treulich zu dienen / und ihn auch an ſich zu ehren / die betrübnis über die ſünde / welche ihnen das gewiſſen vorſtellet / über die verſaͤumnis eines groſſen theils ihres le - bens / ſo ſie etwa ohne ſolche ernſtliche ſorge zugebracht / ja über die ſünde / ſo ihnen immer anklebet / oder über die verderbnus / welche ſie an ſich ſehen / und daraus leicht warneh - men / daß ſie es nimmer ſo weit in dieſem fleiſch bringen koͤnnen / als ſie gerne wolten / um in allem dem HErrn recht zugefallen / die demuth / darinnen ſie ſich deswegen vor Gott ſtaͤts findẽ / ja auch gegen den nechſten / an dem ſie mehr gutes als bey ſich zu ſehen meynen / das heimliche ſeufftzen / ſo faſt im - mer deswegen bey ihnen iſt / auch da ſie eben an das formliche gebet nicht gedencken; daß / ſage ich / dieſes und was mehr dieſer artNſeyn290ſeyn mag / auch alles oben an unterſchiedli - chen orten vorgekommen iſt / denſelben eine unfehlbare probe ihres gnaden-ſtands / und alſo ſo vielmehr ihrer gnaden-würckung ſeye. Alſo rufft ſolchen ſeelen GOtt noch offtmal zu / Eſa 57 / 15. Dann / alſo ſpricht der hohe und erhabene / der ewiglich wohnet / deſſen name heilig iſt / der ich in der hoͤhe und im heiligthum wohne und bey denen / ſo zuſchlagenes und de - müthiges geiſtes ſind / auff daß ich er - quicke den geiſt der gedemüthigten / und das hertz der zerſchlagenen.

§. 95

Weil auch vielmal gottſeligen her - tzen dieſe anfechtung kommet / als ob ſie im - mer boͤſer würden / und ſie meynen / je län - ger ſie ſich prüfeten / je weniger finden ſie rechtſchaffenes gutes an ſich / hingegen immer mehr boͤſes / ſo iſt zu mercken / daß ſie ſich darüber nicht zu aͤngſten / oder des - wegen davor zu halten haben / daß ſie zu - rücke gehen / ſondern es iſt meiſtentheils ſolches ein zeugnis vielmehr eines wachs - thums / und daß ſie mehr und mehr an - fangen gewahr zu werden / was von recht - ſchaffenen Chriſten erfordert werde. Es gehet hiermit gleichſam wie mit dem ſtudi -ren.291ren. Gemeiniglich ſind die jenige in ihren gedancken die gelehrteſte / welche bloß einen rechten anfang des ſtudirens gemacht ha - ben: dann das wenige / was ſie wiſſen / weil ſie / wie viel zu gründlicher gelehrſamkeit ge - hoͤre / noch nicht begreiffen / kommet ihnen ſo groß vor / daß ſie ſich gelehrt zu ſeyn die einbildung machen: Je mehr ſie aber fort - fahren / und ſehen / was es mit der erudition ſeye / und was ihnen gegen andre mangle / werden ſie immer in ihren gedancken unge - lehrter / dann ob wolihre wiſſenſchafft zu - nimmet / ſo ſehen ſie doch auch immer meh - rers / das ihnen noch mangelt / und ſie vor - her daran nicht gedacht haͤtten. Daher bey ſolchen leuten vielmehr dieſes ein zeug - nis iſt / daß ihre gelehrtheit mehr und mehr gründlich wird / je mehr ſie anfangen zu ſe - hen / woran es ihnen mangelt. Alſo gehet es auch offt in dem Chriſtenthum / daß bey dem ernſtlichen anfang eines auffrichtigen Chriſtenthums am erſten die gedancken auffſteigen / daß man weit gekommen ſeye / weil man in ſeiner prüfung das jenige fin - det / was man einen von den hoͤchſten gra - den zu ſeyn vermuthet hat / und noch nichts weiter erkennet. Jn dem fortgang aberN 2wird292wird man gewahr / daß immer noch mehr erfordert werde: Daher meynet man / in der prüfung je laͤnger je weniger zu beſtehen / da man doch immer mehr zunimmet / und e - ben dieſes vor ein gutes zeichen halten mag / daß man je laͤnger je mehr ſeiner gebrechen gewahr wird. Es iſt auch eine ſondere Goͤttliche gütige weißheit dabey: daß er ei - ne ſeele gemeiniglich erſtlich oder bald an - fangs noch nicht alles oder den letzten zweck wohin ſie kommen müſſe / vorſehen laͤſſet / als weichen zu erreichen / ſie gantz unmoͤglich achtete / und wol gar dadurch erſchrecket / das werck mit ernſt anzugreiffen / ſich nicht getrauete / alſo gantz zurücke bliebe. Dar - um fügets GOtt mit ihr ſo / daß ſie ſo zu re - den / erſtlich nur einen berg vor ſich ſihet / den ſie vor den hoͤchſten / und ihn zu erſteigen ſehr ſchwer haͤlt: Wo ſie nun ſolchen erreichet und überſtiegen hat / ſiehet ſie / daß hinder denſelben abermal ein noch hoͤherer berg iſt / das iſt / noch immer weitere grade des guten / darnach ſie ſtreben muß / vor ihr übrig ſind / welche ſie vorher nicht wahrgenommen / und wo ſie ſie geſehen / ſich leicht von weiterem fleiß abhalten haͤtte laſſen. Greifft ſie denn das werck ferner getroſt an / und er -ſtei -293ſteiget auch nochmahl dieſes / deucht ſie ſich abermal ſo zu reden / auff der ebene zu ſeyn / da ſie auffs neue einen hoͤhern berg / den ſie vor dem vorigen nicht ſehen konte / vor ſich habe. Welches immer ſo fort waͤhret / ſie aber den gütigen rath ihres Vaters darin - nen danckbarlich erkennet / daß er ihrer ſchwachheit geſchonet / und ihr allein eine hoͤ - he nach der andern gewieſen habe / um ſie da - mit ſtaͤts in hoffnung noch dieſe als die eini - ge übrige zu erſteigen / zum fleiß anzufri - ſchen / und nicht in verzweifelung zu ſtürtzen. Dieſe beobachtung kan die jenige ziemlich auffrichten / welche je laͤnger je mehr bey ſich / was ihnen noch mangle / in der prüfung ge - wahr werden / wann ſie daraus ſchlieſſen lernen / daß ſolche erkaͤntniß ein ziemliches zeugnis ihres wachsthums ſeye.

§. 96.

Um dieſer urſach willen haben auch die jenige / ſo amts - oder liebe halben mit der gleichen geaͤngſteten und angefoch - tenen perſonen umzugehen haben / wol auff ſich acht zu geben / daß ſie vorſichtig mit ih - nen handeln / um ſie nicht mit ungeſchickter haͤrtigkeit / da ſie ſie auffrichten ſolten / nie - derzuſchlagen / oder weil ſie der wege GOt - tes in dieſer ſache nicht gnugſam kundig /N 3aus294aus unverſtand die jenige ſeelen zum to - de zu verurtheilen / die doch nicht ſol - ten ſterben / Ezech. 13 / 19. Ja es ſolle auch ſich nicht ein jeglicher unterſtehen / mit den - ſelben umzugehen / damit er nicht gedachter maſſen mit unverſtand denſelben ſchaden thue / ſondern es müſſen leute ſeyn / welche mit den müden wiſſen zu reden zu rechter zeit / und nach unſers Heyla[n]des exempel das zuſtoſſene rohr nicht zu zerbre - chen / und das glimmende tocht nicht auszuleſchen / Eſa. 42 / 3. Wozuerfordert wird / daß es leute ſeyen / ſo wol unter predi - gern / als andern Chriſten / welche Gott ent - weder ſelbs / in dieſer ſchul an eigenem exem - pel geübet hat / die als dann mit andern ſo wol ſo vielmehr mitleiden zu haben wiſſen / als auch / wie es denſelben zu muthe ſeye / aus der erfahrung verſtehen / oder doch mit den - ſelben offtmals umgegangen ſind / und alſo darinnen erfahrung gelernet / oder ſenſten aus Goͤttlichem Wort und deſſen erleuch - tung eine gründlichere erkäntnis der wege GOttes und ſeiner regierung bey den ſeelen erlanget haben. Was nun dergleichen leu - te ſind / moͤgen wol ihre liebe an ſolchen an - gefochtenen erzeigen / ja ſie ſind ſchuldig /das295das pfund / ſo ihnen der HErr auch darinnen verliehen hat / gern und treulich anzuwen - den / und zu glauben / daß ſie darinnen ſo viel gutes thun / als von ihnen in einigem andern geſchehen koͤnte. Sie haben aber auch da - bey den HErrn immer und ſeine gnade in - brünſtig anzuruffen / daß ſie in dero liecht al - les thun und reden / und die jenige vorſichtig - keit haben moͤgen / die nothwendig / und ge - wiß ein nicht geringes iſt / alſo mit denſelben zu handeln / daß ihnen nicht etwan mehr an - ſtoß gemachet / ſondern wol gerathen werde. Wie denn ſolche leute offt aus einem eini - gen wort / ſo man ihnen zu geſprochen / und ſie damit aufzurichten gemeinet / leicht ihnen neue ſcrupel machen / oder die vorige vermeh - ren / und alſo mehr ſchaden davon herneh - men. Daher gewiß ein mehr als menſchliche vorſichtigkeit dabey ſeyn will / die dann von dem HErrn erlanget werden muß. Hinge - gen wo ſolche Chꝛiſtliche ſeelen ſind / bey wel - chen eine rechte erkaͤntnis der wege GOttes und erfahrung iſt / da ſollen billig die jenige / welche in anfechtung ſtehen / bey denſelben ihr hertz gern und auffrichtig ausſchütten / ihren rath und troſt anhoͤren / und als GOt - tes ſtimme / ſo viel an ihnen iſt / annehmen.

§. 97. Ob296

§. 97.

Ob wol bereits oben vorgebauet worden / daß ja niemand ſich auff ſeine wer - cke vor GOtt verlaſſe / als welches vertrau - en ſchon an ſich ſelbs nicht von dem Geiſt ſeyn kan / ſondern von dem fleiſch kommen muß: ſo iſt dannoch nicht vergebens / we - gen der wichtigkeit der ſach / nochmal hier zu wiederholen / wo man bey ſich nach redlicher prüfung befunden / daß ein werck von GOt - tes Geiſt in uns gewircket ſeye / daß man ja alſobalden ſich auch alſo vor GOtt demü - thige / zu erkennen / wie alles gutes daran nicht unſer / ſondern ſein ſeye / daher wir uns ja darauff nicht verlaſſen oder uns deſ - ſen überheben doͤrfften / vielmehr aber ſeiner him̃liſchen güte danck zu ſagen haͤtten / wel - che uns gewürdiget / zu werckzeugen etwas gutes zu gebrauchen: welches uns gewiß - lich eine ſonderbahre ehre und theure wol - that iſt. Hingegen muß die bloſſe gnade Chriſti das eintzige ſeyen / auff welches wir uns verlaſſen / und damit vor GOtt zu beſte - hen getrauen: ja auch was unſre werck an - langt / die gut ſind / müſſen wir uns eben ſo wol erinnern / daß ſie auch nicht anders als in Chriſto von GOtt vor gut erkant werden koͤnnen / weil wir nehmlich durch den glau -ben297ben mit ihm vereiniget / und ſeines verdien - ſtes theilhafftig ſind / daher ſein verdienſt und gehorſam die fehler und unvollkom̃en - heit unſrer wercke erſetzen / und dieſe alsdenn dem HERRN gefaͤllig machen muß. Auf dieſe weiſe ſolle das jenige verhütet werden / was ſonſten / was wir gutes gethan haͤtten / allerdings verderben und zu nichte machen koͤnte. Wozu auch noch zu ſetzen iſt / daß nach eben ſo wol oben gethaner erinnerung aller hochmuth gegen andere vermieden werden ſolle / und wir uns ja gegen andere um des jenigen willen nicht erheben doͤrf - fen / was GOtt uns mehr vor denſelben ge - geben / oder mehr durch uns ausgerichtet haͤtte: Jn dem ſonſten ſolcher hochmuth ſo wol ein zeugnis des bey uns noch herſchen - den fleiſches ſeyn / und daher das werck uns billich verdaͤchtig machen müſte / als auch was noch einigerley maſſen gutes daran ge - weſen / allerdings verderben würde.

§. 98.

Wir ſchlieſſen endlich mit noch - maliger wiederholung deſſen / wovon be - reits §. 86. einige anregung geſchehen iſt: nemlich daß das fleiſch bey uns ſo betrüglich und argliſtig / die kennzeichen auch deswe - gen offters ſo zweiffelhafftig / und ſo vieleN 5an -298andre urſachen ſeyen / welche unſere prüf - fung und das urtheil ſchwer machen / daß wir zu einer gewißheit vor GOTT zu kommen / deſſelben eigenen liechts und hülffe unentbehrlich bedürffen. Jſts alſo der heilige Geiſt nicht / der uns auch hierin - nen regieret / ſo wird übriger unſer an die prüfung angewandter fleiß wol nichtes ſeyn / ſondern es bey einem ſelbs-betrug bleiben. Alſo ſeye dem / der ſich nicht gern betriegen will / dieſes das erſte und letzte / daß er unablaͤßlich den himmliſchen Vater / der allein unmittelbar unſer uns ſelbs uner - gründliches hertz biß auff den grund einſie - het / um ſeinen heiligen Geiſt anruffe / wel - cher unſre ſeelen von dem ſelbs-betrug reini - ge / und unſre hertzen und wercke / die wir thun / nach ihrer rechten art uns zu erken - nen gebe / damit wir / was von ihm ſeye oder nicht ſeye / mit gnugſamer verſiche - rung erkennen. Dieſes liecht wird das jenige ſeyn / dabey auch einfaͤltige Chri - ſten die bewandnis ihrer wercke erkennen werden / da ohne daſſelbe auch die aller - ſcharffſinnigſte ſich leicht / aber auch gefähr - lich betriegen moͤgen. Alſo laſſet uns zu dem HErrn ſeufftzen tag und nacht / daß eruns299uns nicht nur ſich / ſondern auch uns ſelbs zu erkennen gebe / weil ja auch ein erkaͤnt - nis nicht wol ohne die andre ſtehen mag. So ruffet eine ihres heyls begierige ſeele von innerſtem grunde allezeit mit der kir - chen:

Erforſchmich SERR / erfahrmein
hertz /
Verſuch all mein gedancken /
Und ſieh ob mein thun hinderwerts
Auff einige ſeit woll wancken /
Ob ich ſey getreten ab der bahn /
Laß mich O GOTT nicht fürbas
gahn /
Auffrechtem weg mich leite /
Der dir gefall und ewig ſey /
Mein gewiſſen / leib und ſeel dir frey
Ewig ſtaͤts ſey bereitet.

Dabey wir endlich zum ſchluß troſt der wort unſers Heylandes uns erinnern: wañ er ſagt Luc. 11 / 13. So ihr die ihr arg ſeyd / koͤnnet euern kindern gute gaben geben / vielmehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geiſt geben / de - nen die ihn bitten. Haben und erlangenN 6wir300wir aber den / ſo haben wir gnug / was uns auch zu dieſer prüfung und allerdings zu unſerer ſeligkeit noͤthig iſt. Der HErr gebe dann denſelben und ſein liecht in unſer aller - ſeelen / Amen.

NB.

NAch dem oben von dem 62. §. mit meh - rerem von der wahren demuth und dero kennzeichen / obs die wahre tugend / o - der nur ein natürlicher ſchein deroſelben und nachahmung ſeye / gehandelt worden / iſt mir ſeiter in dem nachſinnen vorgekommen / daß bey §. 65. noch einiges zu weiterer er - klaͤrung des zeugniſſes dienlich waͤre / wel - ches uns der heilige Apoſtel Paulus an die hand gibet: wann er Phil. 2 / 5. v. f. ſaget: Ein jeglicher ſeye geſinnet / wie Jeſus Chriſtus auch war / und nachmal bezeu - get / wie ſolcher unſer Heyland ſich ſeiner Goͤttlichen geſtalt geaͤuſſert / und dero ge - brauch eine weil abgeleget / hingegen ſich er - niedriget habe / darinnen aber ſeinem himm - liſchen Vater / damit er das jenige verrich - ten koͤnte / worzu er geſetzt geweſen / gehor -ſam301ſam worden ſeye. Nun iſt zwar ſolche euſ - ſeꝛung und ablegung hauptſaͤchlich ein ſtück des loͤſegelds / ſo der HErr vor uns / den raub unſerer erſten eltern / welche ihnen ſelbs die ihnen nicht zukommende Goͤttliche geſtalt nehmen wolten / zu büſſen / bezahlen muſte / indeſſen weiſet uns gleichwol Paulus aus - trücklich auch auff ſolches exempel / und ſtel - let es uns zur nachfolge vor / damit wir alſo einige art der wahren demuth darauß er - keñen lerneten. Dieſe beſtehet nun in dieſem ſtück darinnen; daß der demüthige auch willig iſt / den gebrauch einiger ſeiner gaben / die ihm zwar zugehoͤren / und jener ſonſten auch nützlich ſeyn konte / (wie deñ alles was Chriſtus ablegte / dinge waren / die ihm zu - gehoͤreten / und dero gebꝛauch ſonſten an ſich ſelbs zur ehre ſeines Vaters zu dienen be - qvem war) abzulegen oder eine zeitlang ſich deſſelben zu enthalten / wann ihm GOtt et - was anders anbefiehlet / neben dem jener gebrauch nicht wol ſtehen kan / ſondern jenes hindern würde / oder wo die liebe des nech - ſten uns zu wichtigen dingen fordert / ob wir wol davon weniger ruhm haben / oder wo wir bey unsmercken / daß dieſelbige unſren eiteln ſiñ oder hochmuth innerlich haͤgeten /oder302oder auch bey andern deſſen ziemlichen ſchein erwecken moͤchten. Wo alſo die able - gung des gebrauchs der ſonſten habenden gaben aus einer dieſer urſachen / da wir unſre abſicht darüber wol prüfen koͤnnen / her - kommet / iſt ſolche ein zeugnis einer recht - ſchaffenen und Chriſti liebem exempel ge - maͤſſer demuth. Wobey dannoch in acht zu nehmen iſt / daß ſolche demuth nicht auff an - dere wege der liebe und gehorſam GOttes entgegen ſtehen müſſe. Daher / wo uns GOtt gaben gegeben haͤtte / die / es ſeye nun zu der aufferbauung anderer / oder ſonſten befoͤrderung der dinge und ſtudiorum, wel - che zu des gemeinen weſens beſtem dienlich ſind / etwas gutes hoffen koͤnnen / haben wir gleichwol um ſolcher demuth willen das pfund auch nicht zu vergraben / es ſeye dann / daß eben dergleichen oder noch beſſers von andern ausgerichtet werden kan / als in wel - cher bewandniß wir gar leicht abſtehen moͤ - gen / ſondern wir haben dahin zu trachten / daß entweder beyderley neben einander un - gehindert ſtehen koͤnne / oder das jenige ſo weniger nothwendig iſt / nicht gantz ausge - ſetzt / ſondern allein auff anderezeit verſcho - ben werde (wie unſer Heyland das abgeleg -te303te nachdem er ſein werck verrichtet / wider angetreten hat) oder doch unſre anweiſung von andern das jenige geſchehe / was wir ſonſten ſelbs gethan haͤtten / dißmal aber die vermeidung des anſtoſſens oder verwah - rung vor hochmuth / der gleichen nicht leicht zugeben hat wollen / und wir uns alſo des je - nigen / was wir ſonſten dabey zu thun und einige ehr oder nutzen davon zu erwarten ge - habt haͤtten / in demuth / dero wahrheit ſich auch daraus erkennen laͤſſet / entſchlagen haben.

Der304

Der erſte Anhang. Einiger gewiſſens-prüfung der jenigen / welche in den beyden obern ſtaͤnden leben / ob und wie fern die kla - gen über das verderbte Chriſten - thum ſie auch betref - fen.

1. Jn dem Obrigkeitlichen ſtand.

ERſtlich was ſonderlich hohe ſtan - des-perſonen betrifft: deren hat jeder über folgende ſtück ſein gewiſſen zu unterſuchen.

Ob er erkenne / daß er wol in der welt hoch / doch vor GOtt nichts mehr ſeye / als der geringſte ſeiner unterthanen / und der aͤrmſte bettler / ja als ein armer Erdwurm vor der hohen Majeſtaͤt GOttes?

Ob er ſein amt und gewalt erkenne / allein von GOtt zu haben / dem er davor rechen - ſchaft geben müſſe / oder ob er in etwas glau - be eine eigne macht zu haben / die er nach ei - genem willen führen und brauchen doͤrffe?

Ob er ohne unterlaß / als ſeiner untüch - tigkeit wiſſend / GOtt den HErrn um ſeine gnade und weißheit anruffe (wie ein ſchoͤnformu -305formular Weißheit c. 9. ſtehet) und nichts in ſeinen regierungs-geſchaͤfften anfange / ohne vorhero GOttes gnade dazu inbrün - ſtig erbeten zu haben? Ja ob er auch bete vor die unterthanen?

Ob er alles ſein vertrauen in ſolcher regie - rung auff GOtt allein von gantzem hertzen ſetze / oder ob er ſich auff ſeine macht / groſſe lande / kriegsvolck / veſtungen / bundsgenoſ - ſen verlaſſe / und alſo abgoͤtterey treibe / da - mit aber Gottes gericht auff das land ziehe?

Ob er alle ſeine regierung / leben und amt führe / als vor GOttes angeſicht / mit erin - nerung der künfftigen rechnung / und alles deſſen was Weisheit c. 6. den regenten ge - drohet wird / folglich mit gleicher forcht und ehrerbietung vor GOtt / als er von ſeinen unterthanen erfordert / gegen ihn in ſeiner gegenwart zu geſchehen?

Ob er glaube / daß er / wie hoch er in der welt ſtehe / dannoch an allen die regeln Chri - ſti / die er den Chriſten / was ihr leben an - langt / vorgeſchrieben hat / und von ihnen die verlaͤugnung ihrer ſelbſt / ſanfftmuth / hertz - liche demuth / nüchterkeit / maͤßigkeit / keuſch - heit / fleiß / warheit / gerechtigkeit / gedult und dergleichen / fordert / gebunden ſeyen / nichtanders306anders als der geringſte andere gemeine Chriſt / oder ob er ſich einbilde / daß er von ſolchen regeln oder auffs wenigſte von etli - chen derſelben / diſpenſation habe / und / ob er ſich ſchon derſelben nicht befliſſe / dennoch ein Gottgefaͤlliger Chriſt ſeyn moͤge?

Ob er mit gottſeligem und unſtraͤffli - chem leben nach allen ſtücken den untertha - nen vorleuchte / ſie damit erbaue und auff - muntere / auch damit thaͤtlich bezeuge / daß ſeine aͤuſſerliche ſorge ſür die wahre religion, und was er vor ordnungen in dem geiſtli - chen den unterthanen vortragen / auch dar - über halten laͤſt / aus einem gottsfoͤrchtigen hertzen herkomme / nicht aber nur in einer ſtaats-ration beſtehe (welches ſo es gemerckt wird / ſie nur deſto mehr aͤrgerte) ſo dann durch dergleichen leben ihm ſelbſt eine verſi - cherung gebe / daß er tüchtig ſeye / ein tempel des H. Geiſtes zu ſeyn / und ſich deſſen weiß - heit in der regierung zugetroͤſten?

Ob er mit gottſeligem leben übeꝛ das land ſegen bringe / oder ob durch ſeine boßheit goͤttliche gerichte über ſeine regierung ge - zogen / und er alſo vieles jammers ſchuld worden ſeye?

Ob er davor halte / daß die untertha -nen307nen umb ſeinet willen da ſeyen / damit er groß und ihm wol waͤre / oder ob er erken - ne / daß er umb der unter hanen willen ſeye / damit ihnen deſto beſſer waͤre / dahero auch wo dieſe bey einander entgegen ſtünden / er lieber ſeinen unterthanen als ſich wol ſeyn laſſen wolte? Jndem er ja vor der un - terthanen heyl auch ſein leben auffzuopffern hat.

Ob er ſeine einkünfften ſuche zu erhoͤ - hen / und dergleichen anſchlaͤge von den ſeinigen gern annehme / davon ſeine Cam - mer ſich mehr bereichert / aber an welchen directe oder indirecte die unterthanen nachtheil haben / und auffs wenigſte ihnen vortheile entzogen werden / die ihnen billich gebühreten?

Ob er ſeine unterthanen mit einiger wei - tern laſt von geldaufflagen / frohndienſten und dergleichen belegt / die nicht die wolfahrt des gemeinen weſens und die nothdurft deß regiments erfordere?

Ob er derſelben freyheit mehr einſchren - cke / und ihnen / offentlich oder unvermerckt / einige rechten / welche ihnen ſonſt gehoͤr - ten / entziehe / ohne noth oder nutzen deß gemeinen weſens ſelbs / ſondern allein zuergroͤſſe -308ergroͤſſerung ſeines ſtaats oder hauſes und zu anderem fleiſchlichen zweck?

Ob er mit dem jenigen / was er von den unterthanen erhebt / ſo ſparſamlich umbge - he / daß er einem gottſeligen Chriſten (deſſen urtheil noch bey weitem ſo ſtrenge nicht ge - hen kan / als die rechnung GOttes gehet) davon rechnung zuthun getraute / nemlich nichts anders angewendet zu haben / als zu erhaltung des gemeinen weſens / zu noth - durfft der regierung / zu ſein und der ſeini - gen noͤtigem unterhalt / und einem allein zu erhaltung der nothwendigen autoritaͤt red - lich als vor GOtt erfordertem anſehen?

Ob er hinwider jemahl etwas des jeni - gen / was ſeinen unterthanen ſauer worden iſt / und er von ihnen empfangen hat / unnütz - lich verthan / zu überflüßigem kleideꝛ-pracht / panqueten, balleten, daͤntzen / comœdien, feuerwercken / praͤchtigen auf-und einzügen / luſt-gebaͤuen / überflüßiger hoffhaltung an bedienten / tractamenten / pferden / hunden und dergleichen?

Ob er ſeine zeit fleißig anwende zu Got - tesdienſt und übung der gottſeligkeit / zu den regierungs - geſchaͤfften und ſorgen / auch den jenigen dingen / dardurch er je laͤn -ger309ger je tüchtiger zu ſeiner regierung werden koͤnne / oder ob er nicht viele zeit mit ſchlaf - fen / taffelhalten / ſpielen / jagen / und andern eiteln und nicht eben zur geſundheit des lei - bes und ziemlicher ermunterung des ge - müths noͤtigen erluſtirungen / unnützlich zugebracht / und davor GOtt nicht rechen - ſchafft geben koͤnne?

Ob er ſeine regierung / ſo viel als einem menſchen müglich iſt / und in allen ſtücken / dazu er eine tüchtigkeit hat / befliſſen ſeye in eigener perſon zu verrichten / oder ob ers gern alles auff die raͤthe und bediente ankommen laſſe / umb die verdrießligkeit davon nicht zu haben?

Ob er / weil er nothwendig raͤth und be - diente haben muß / allezeit am meiſten ſich nach ſolchen beſtrebe / wie ſie David Pſalm. 101. beſchreibet / von denen er nicht weniger ihrer gottſeligkeit / daß ſie GOtt und den unterthanen treu ſeyn würden / verſichert waͤren / als ihrer geſchickligkeit / und was die welt an ihnen ſucht? oder ob er nur auff ihre geburt / aͤuſſerliches anſehen und dergleichen ſehe: ſonderlich ob ihm etwa mehr angelegen ſeye / ſolche leute zu haben / die in allen ſtücken ſchmeicheln / oder mehr auff vermehrungdes310des ſtaats und einkünfften / als die ehre Got - tes / des landes beſtes und die gerechtigkeit ſehen werden?

Ob er treuer raͤth guten anſchlaͤgen und erinnerungen folge / oder aber ſeiner ehr da - rinn ſuche alles allein nach eigenem kopff zu thun? ob er auch treue räth / wo ſie die war - heit reden / mit ungnad anſehe / oder gar ab - ſchaffe / und nichts eingeredet haben wolle?

Ob er auff ſolche raͤth und bediente fleiſ - ſig acht gebe / und an die rechenſchafft geden - cke / die GOtt nicht nur von ihnen / ſondern auch von ihm fordern werde?

Ob er ſeine hoffhaltung alſo anrichte / daß ſie ein exempel der gottſeligkeit und tu - gend dem gantzen land gebe / oder ob er da - ſelbs deꝛ weltlichen üppigkeit / augenluſt / flei - ſchesluſt und hoffaͤrtigem leben / oder aller - hand laſtern den ſchwang laſſe / daß die am nechſten umb ihn ſind / das jenige ohne ſtraff begehen / was an den andern unterthanen geſtrafft wird / oder umb ſolches exempels willen auch nicht geſtrafft werden kan / daß alſo ſein hoff der brunn werde / daraus die gottloſigkeit und boͤſes leben des ſcheinbarẽ aͤrgerniſſes in das gantze land ausbricht?

Ob er die jenige / ſo vornehmes geſchlecht und ihm lieb ſind / ſo ſich mit laſtern vergreif -fen /311fen / ohne ſchonen und anſehen der perſon zu deſto ſchwerer ſtraffe ziehe / als mehr ihr aͤr - gerniß ſchadet / oder ob er ſie durchwiſchẽ / ja gar von ihnẽ regieren laſſe: damit er ihre ſün - de auf ſich ladet / (ſihe 1. Koͤn. 20 / 22.) und ſei - ne ſeele vor Gott an ſtatt derer ſtehen muß.

Ob er die wahre lehr / Gottesdienſt und gottſeligkeit bey ſeinen unteꝛthanẽ eiffrig be - foͤrdere / mit fleiſſiger handleiſtung und auf - ſicht auf das predig-ampt (in demſelben die ſaͤumige und ſtraͤfliche zu ſtraffen) durch alle Chriſtl. mittel / die ihm Gott gegeben / damit er ſeine gewalt auch dariñ zu des jenigen ehre heilige / der ſie ihm verliehen hat; oder ob er glaube / daß das geiſtliche ihn nicht angehe?

Ob er neben der Kirchen auch auf die ſchulen fleiſſig acht gebe / daß darinnen mit der jugend recht umgegangen werde.

Ob er ſo wol darüber eiffere / da Gott und deſſen ehr beleidiget und angegriffen wird / als er thut / da es ſeine perſon betrifft? Ob er der religion wegẽ jemand verfolgt und leyds zugefügt / alſo ſich des regiments über die ge - wiſſen angemaßt / Gott eingriffen habe?

Ob er in der ſorge vor das geiſtliche und in ſeiner oberauffſicht auff daſſelbige / in ſei - nen ſchrancken bleibe / und nicht entweder dem predig-ampt die von GOTT ihmgege -312gegebene gewalt nehme oder hemme / alſo GOttes diener zu ſeinen dienern in ambts - ſachen machen wolle / oder der gemeinde das ihr eben ſo wol von GOttes wegen gebüh - rende recht in dem geiſtlichen entziehe oder vorenthalte / und ſich alſo der ſchaͤdlichen Cæſaro-Papiæ ſchuldig mache?

Ob er die von GOtt anbefohlene ſorge vor die kirche darzu gebrauche / davon genuß zu haben / oder ohne einigen nutzen allein zur ehre GOttes und deroſelben beſtem?

Ob er die zu dem geiſtlichen geſtifftete güter / renten und einkünfften treulich ver - walte / und vor ſich nicht einen heller / ſon - dern alles an kirchen / ſchulen und arme (deꝛo ſorge ſonderlich nicht zu vergeſſen) unter ſei - ner genauen obſicht zu dero verpflegung verwendet werden laſſe; oder ob er etwas deꝛſelben zu ſeinem weltlichen gebrauch / wol gar zu pracht / üppigkeit / luſt / anwende / und mit ſolchem den fluch auff ſeine übrige mit - tel, ja gar gantze lande (welchen leider bisher ſo viele erfahren haben und noch erfahren / ob ſie es wol nicht glauben) auff ſeine ar - me ſeele aber die hoͤlliſche flammen herbey ziehe?

Ob er in entſtehung deſſen / daß die or -dentliche313dentliche geiſtliche einkünfften und ſtiffte nicht zu allem erklecklich ſind / was die gemei - ne erbauung der unterthanen erfordert / von ſeinen weltlichen intraden zu ſolchem noth - wendigſten anwende / und lieber an ſeinem ſtaat etwas abgehen / als die dinge verſaͤu - men laſſe / ſo zu der ſeeligkeit der unterthanen noͤthig ſind? weil er ja alle ſeine einkünfften / gewalt / cron und ſcepter von dem groſſen koͤnige JEſu hat / und alſo ſchuldig iſt / alles zu deſſen ehren anzuwenden.

Ob er bey dieſem ſtück und allen unge - rechten laſten / die er den unterthanen auffer - legt haͤtte / ſich erinnere / daß ihm ſeine ſünde niemahl gültig vergeben werden / er ſtatte denn GOTT dem HErrn in den ſeinigen / und denen mit unrecht beſchwerten / das mit unrecht entzogene? Weil die regel / non re - mittitur peccatum, niſi reſtituatur ablatum, nicht nur andere / ſondern auch die groſſe der welt angehet / und auch ihr raub ſo viel er - ſchrecklicher iſt / weil er unter dem namen Gottes / das iſt / mit vorwand der von Gott anvertrauten botmaͤßigkeit / geſchihet.

Ob er jemand ſeiner benachbarten / oder wer der ſeyn mag / einige lande / ort / güter rechten / mit unrecht entzogẽ / entweder durchOunge -314ungerechte kriegs - und ſonſt offenbare ge - walt und vertringung / oder durch furcht / da die andere ſich zu ſchwach wiſſende ſelbſt weichen müſſen / oder unter dem ſchein des rechtens durch proceſſe, oder wie es nahmen haben mag? damit er ſich das goͤttliche bild und obrigkeitliche gewalt über dergleichen acquiſi[t]a, ſo ihm GOtt nicht gegeben / ſelbſt geraubt haͤtte.

Ob er einigen unnoͤthigen krieg angefan - gen / oder ſich darein ohne noth gemiſchet / und das ſchwerdt anders gebraucht / als zu vertheidigung ſeiner von GOtt anbefohl - nen unterthanen / ſondern zu ſeiner ehr und glorie / zu vermehrung land und leut / und der einkünfften / zur rache und aus der glei - chen fleiſchlichẽ urſachen? wo er wiſſen muß / daß in ſolchem fall alles bey der ſeits vergoſ - ſene blut / alles land verderben / alle dadurch veranlaßte ſünden / aller erfolgter jammer / auff ſeine rechnung vor GOtt komme / nicht anders / als haͤtte er alle ſolche dinge mit ei - gener fauſt begangen / und ligen alſo viele tauſend gottloſer leute ſünden warhafftig zugleich auff ihm.

Ob er den ſünden und laſtern bey ſeinen unterthanen / ohn anſehen der verſon / mitallem315allem fleiß und und ernſt / auch mit gnugſa - men ſtraffen / wo nichts anders helffen will / ſteure / oder das boͤſe ungeſcheuet thun und überhand nehmen / daher das land mit ſün - den befleckt / und die Goͤttliche gericht (ſo mit ernſtlichen ſtraffen abgewendet werden koͤnten / über alle gezogen werden laſſe?

Ob er in den ſtraffen mehr auff den dar - von habenden vortheil in den geldſtraffen ſehe / oder au[f][di]e handhabung der gerechtig - keit / verwe[hr]ung der ſünden / anderer ab - ſchreckung und der ſündigenden beſſerung?

Ob er ſonſten recht und gerechtigkeit ohn anſehen der perſon / und ſuchen eines nu - tzens / auffs ſchleunigſte / aber mit wenigſten unkoſten / unter ſeinen unterthanen admini - ſtrire / und von andern adminiſtriren laſſe / auch auff die jenige / welche ſolches thun ſollen / genau acht gebe / daß ſie nichts wi - der die gerechtigkeit thun / und durch die rechts-ſachen und dero ſchein die untertha - nen nicht berauben?

Ob er ſeinen unterthanen einen freyen zugang zu ſich laſſe / welche eine ſache / ſonder - lich aber über ſeine bediente und untergeſetz - te befehlshaber / klagen haben / damit ſie von dieſen nicht unterdrückt werden?

O 2Ob316

Ob er gute geſetz und ordnungen / bey ſei - nen unterthanen nicht nur gemacht / ſondern ernſtlich / daß ſie auch im ſchwang bleiben / darüber gehalten / oder aber ſeine von Gott habende authoritaͤt proſtituiret habe / da er zwar geſetze laſſen einführen / aber keinen fleiß zu dero bewahrung angewendet haͤtte?

Ob er / da er kinder hat / die ſonderlich einmahl ſuccediren ſollen / dieſelbe alſo erziehen laſſe / daß ſie lernen den HERRN fürchten / und von jugend an nicht zu der eitelkeit der welt und hohem ſinn / ſondern zu ſolchen dingen angeführet werden / wel - che ihnen zu ihrem Chriſtenthum nnd loͤb - lichem regiment dienlich ſeyn moͤgen? Wo dieſes nicht geſchiehet / muß er rechen - ſchafft davor geben / was auß ſolcher ver - ſaͤumniß die nachkoͤmmlinge dermaleins ſündigen und boͤſes thun.

Ob er ſeine und ſeiner vorfahren ſchul - den nach vermoͤgen bezahle / daß die jeni - ge / ſo aus gutem glauben das ihrige darge - geben / nicht vor Gott über unrecht zu ſeuff - zen / haben? dann dieſes ſeuffzen druckt hart / und iſt beſorglich die uꝛſach vieles deſſen / daß es bey groſſen nicht fort will / da ſie ſo viel fluch auff ihren rentkammern liegen haben.

Ob317

Ob er in ſolchem ſtande / da die laſt ſol - cher ſchulden groß / lieber vieles ſeines ſtaats ſo lang ablege / bis andern das ihrige wieder gegeben werde / oder ob er von fremden - tern prange / und alſo andern das ihrige lie - derlich verthue?

(Jch muß hierbey ſorgen / daß die meiſte der groſſen in der welt / welchen dieſes gilt / das allermeiſte nicht werden vor noͤtig / ſon - dern es vor eine albere einfalt und abge - ſchmacktes weſen / achten / daß man derglei - chen dinge / die ſo gar von ihren gemeinen maximen entfremdet / ihnen nur zumuthen ſolte. Jch bitte aber um des HErrn / ja um ihrer von dem HErrn erloͤſeten ſeelen willẽ / ſie nehmen die gedult / und unterſuchen ſelbs ob nicht alle dieſe dinge / darüber ſie ſich zu prüfen erinnert werden / in GOttes wort voͤllig gegründet / und glauben alsdann in dem namen des HErrn nicht mir / ſondern ihrem und meinem HErrn / daß ſie nach ih - rem tod nicht nach dem jenigen / was man ſich in der welt vor freyheiten ſelbs genom - men / ſondernnach der ſcharffen regel Goͤtt - licher gebote / müſſen gerichtet werden. Wol allen / die ſich bey zeiten ſolches vorſtellen!

O 32. Andere318

2. Andere regiments-perſonen / in ſtaͤdten und ſonſten / ſo nicht in ei - genem namen die regierung führen.

Deren jegliche prüfe ſich erſtlich nach allen den vorigen prüffungs-regeln / als viel derſelben ſich auff ſeine perſon ſchi - cken: Nechſt deme moͤchten noch etliche folgende ſtücke zu ſeiner fernern prüffung dienlich ſeyn:

Ob er in ſein ambt regentenſtand auff rechtmaͤßige art gekommen / und alſo von GOtt darein geſetzet worden / oder ſich ſelbs eingetrungen / und auff einige unziemliche weiſe / durch gaben und ſonſten dazu gelan - get ſeye? welches ſein gewiſſen auff die gan - tze zeit verletze.

Ob er in ſeinem amt feine ehr / nutzen / luſt und beqvemlichkeit / oder auch der ſeinigen und ſeiner familie zeitliche wolfahrt / vor - nemlich fuche / und denenſelben etwas der gemeinen wolfahrt nachſetze?

Ob er alſo der gemeinen einkünfften zu der ſeinigen bereicherung mißbrauche / und ſich an denſelbigen auff offenbare kantliche oder geheimere art vergreiffe?

Ob319

Ob er in amts-ſachen / ſonderlich wo es die gerechtigkeit oder beſtellung der dienſte / betrifft / einige geſchencke und dero verſpruch annehme / und damit entweder dem gerech - ten unrecht gebe / oder ihm ſein recht / ſo er umſonſt haben und genieſſen ſollen / ver - kauffe / alſo auch die der dienſte würdige ausſchlieſſe / oder zu ungebürlicher vergel - tung anhalte?

Ob er mit andern ſeinen Collegen in freundlicher harmonie ſtehe / oder factio - nen errege / und ihm einen anhang mache / alles nach ſeinem willen durchzutreiben? o - der auch anderer / denen er nicht gewogen iſt / meynungen mit fleiß widerſpreche und ſie hindere / da ſie doch der gemeinen wol - fahrt dienlich geweſt?

(Das übrige iſt alles aus dem vorigen zu wiederholen.)

2. Jn dem ſo genannten geiſtli - chen ſtande.

1. Pfarrherren / Prediger und Super - intendenten.

Deren hat jeglicher ſein gewiſſen als vor GOtt zu unterſuchen:

O 4Ob320

Ob er auch ſein Theologiſches ſtudium in einer redlichen abſicht auff Gottes ehr / und der menſchen ſeligkeit / nicht aber in der welt reichthum und ehre zu erlangen / und in einer vor andern lebens-arten bequemere ſich zu ſetzen / angetreten / und alſo Gott oder ſich ſelbſt zum zweck gemacht habe?

Ob er von der zeit / als er ſich ſolchem ſtu - dio gewidmet / ſo bald getrachtet habe / der welt und ihme ſelbs abzuſterben / und ein tüchtiges gefaͤß goͤttlicher gnaden zu weꝛdẽ?

Ob er ſonderlich die zeit ſeiner academi - ſchen ſtudien dem HErrn recht geheiliget habe / daß er nichts anders / als was zu deſſen preiß / und der zuhoͤrer beſtem und erbauung koͤnte dermaleins angewendet werden / und allemahl unter ſolchen dingen die wichtig - ſte und noͤthigſte am meiſten und fleißig - ſten zu erlernen ſich befliſſen / und in allem ſolchem nicht ſeine ehre und ruhm geſucht habe?

Ob er ſonderlich getrachtet / der Heiligen Schrifft verſtand recht gründlich einzu - nehmen / und alſo die jenige ſtudia am hoͤch - ſten gehalten / die mittelbar oder unmittel - bar dazu führten?

Ob er ſeine ſtudia auch mit hertzlichemgebet321gebet zu GOTT geheiliget und geglaubet habe / daß an dem gebet ſo viel als immer - mehr an ſeinem fleiß gelegen / ohne daſſelbige aber dieſer ohne himmliſchen ſegen und alſo unkraͤfftig waͤre?

Ob er auch ein Chriſtliches leben ſolcher zeit geführet / und ſich der auff hohen ſchulen ſehr gemeinen ſünden der trunckenheit / ſchlagens / prachts / zeitverderb / unreinig - keit / und aller eitelkeit mit allem ernſt ent - halten / und geglaubet / daß zu ſeinem ſtudio er deß H. Geiſtes liechts und einwohnung bedoͤrfftig / derſelben aber kein mit der welt - liebe erfülletes und derſelben dienendes hertz faͤhig ſeye? Und alſo ob er damit zufrieden geweſen / allein ein von menſchen gelehrter Theologus zu werden / oder getrachtet / von Gott aus ſeinem wort und durch ſeine leh - rer gelehret zu werden?

Ob er ſeine Præceptores und Profeſſores, da ſie ihme die einfaͤltige glaubens - und le - bens-lehre ohne hohe wort vorgetragen / und ihn dazu vermahnet / darüber veꝛachtet / und nichts von ihnen lernen wollen / was nicht nach hoher erudition ſchmeckte?

Ob er ſeine in ſolchem Academiſchen le - ben begangene / und nach voꝛigen prüfungenO 5gefun -322gefundene fünden / ſeint dem bußfertig er - kand / GOttes gnade darüber geſucht / und getrachtet habe / in übrigem ſeinem leben eine deſto beqvemere werckſtatt des himmliſchen Lehrers zu werden?

Ob er in ſein ambt rechtmaͤßig eingetret - ten oder ſich eingedrungen / eingeheyrathet / eingebettelt / eingeſchmeichelt / eingekaufft / und alſo gelauffen / da er nicht geſandt wor - den? Da er auch dergleichen ſchier findet / ob er auf eine buß fertige art dieſelbe zu beſſern / und ſich in goͤttlicher gnade wieder zu verſi - chern / ſich befliſſen habe?

Was er abermahl in annehmung folches amts zur abſicht gehabt / ſich ſelbs und das jenige / was ſein fleiſch ſuchen moͤgen / oder mit einer auffrichtigkeit ſeines hertzens GOtt und der menſchen ſeelen?

Ob er in antretung und fernerer führung ſeines ambts allezeit deſſen wichtigkeit und ſchwerigkeit erkandt und fleißig bedacht / oder es vor eine leichte ſache gehalten?

Worauff er ſein vertrauen geſetzt in an - trettung deſſelben / auff ſeine erudition und geſchicktigkeit / patronen / freunde / und an - dere dergleichen fleiſchliche gründe / oder al - lein auff ſeines Gottes führung und willen /ſeinen323ſeinen nahmen aller orten zu verherrlichen / auch auff die darüber gegebene verheiſſun - gen?

Ob er ſeine groͤfte ſorge laſſe ſeyn / daß er nicht ſelbs der jenige ſeye / der aus ſich ſein ambt verrichte / ſondern ſich von GOTT zu einem werckzeug gebrauchen laſſe / und immer mehr und mehr trachte / dem jenigen naͤher zu kommen / daß er Paulo nachſpre - chen moͤchte Rom. 15 / 18. Jch doͤrffte nicht etwas reden / wo daſſelbe nicht Chriſtus durch mich würckete / und 2. Cor. 2. v. 17. Wir ſind nicht wie etliche viel / die das wort Gottes verfaͤlſchen / ſondern als aus lauter - keit und als aus Gott für Gott reden wir in Chriſto?

Ob er von anfang ſeines amts und im - merfort / Gott umb ſeinen geiſt und gnade inbrünſtig angeruffen / und ſolches gebet al - lemahl mit der erkaͤntnis ſeines eigenen un - vermoͤgens gethan / alſo niemal an ſein ſtu - diren / an ſein Bibel leſen / an das meditiren der predigten / an deroſelben offentliche hal - tung / an andere heilige amts-verrichtun - gen gegangen / daß er nicht vorher um goͤtt - liche krafft und licht gebeten / mit ſolchem ge - bet durch erhebung des gemüths und oͤfftere feufftzen / unter aller arbeit fortgefahren /O 6und324und ſie damit beſchloſſen / damit wie er ſtaͤts des himmliſchen einfluſſes bedoꝛfft / auch ſei - ne ſeele als ein dürres land ſtaͤts darnach ge - laͤchtzet und verlanget habe?

Ob er in ſolchem gebet auch allezeit nach Gottes willen gebetet / nichts anders / nichts mehrers / und auff keine andere art / das ver - langte begehrende / als wie es der HERR ihme zu erhaltung des zwecks / dazu er ihn geſetzet / werde nützlich erkennen / nicht aber ſich damit groß zu machen / und in mehr an - ſehen zu kommen?

Ob er auch für ſeine gemeinde unauff - hoͤrlich gebetet / und erkant habe / daß er da - mit derſelben wol ſo viel treue / als mit übri - ger ſeiner arbeit erzeigen koͤnne und ſolle / und zwar vor dieſelbe ſaͤmtlich / und vor die jeni - ge / welcher noth ihm kund worden / abſon - derlich?

Ob er aber auch dabey inbrünſtig gebe - tet / vor die noth der gehorſamen Kirchen / und ob er dero erbaͤrmlichen zuſtand / da er ihn eingeſehen / mit wehmütiger ſeele dem HErrn befohlen / daß er eine hülffe ſchicken und alles beſſern wolle?

Ob er ſeine allein nach der regel goͤttli - chen worts / und wie er deſſen grund nachfleißiger325fleißiger deſſen prüfung erkandt / geführt / und ſo wol wiſſentlich nichts falſches odeꝛ ir - riges gelehrt / als auch allen fleiß angewen - det / nicht unwiſſend etwas falſches vorzuſa - gen?

Ob er in den predigten ſonderlich ſich be - fliſſen / mit einer gewißheit ſeines hertzens das wort vorzutragen / daß er als aus Gott für Gott daſſelbige redete / ja auch ſonderlich was eben dißmal / zu dieſer zeit / bey dieſer ge - legenheit der gemeinde / das erbaulichſte waͤ - re / deßwegen auch Gott ſonderlich angeruf - fen / ſein hertz / hand und zunge hierinn zu re - gieren? oder ob er allein / was ihm obenhin eingefallen / oder er in andern bücheꝛn geſun - den / ohne unterſucht der gewißheit deſſelben oder ob es bey ſeiner gemeinde dienlich / auf - geſetzt und gepredigt / oder ſeinem eignen verſtand getrauet?

Ob er das wort mit hohen worten menſchlicher weißheit / ſeine kunſt damit zu zeigen / und eine ehr darinnen zu ſuchen / ge - prediget / und alſo eben ſo viel an die regeln der rhetoric, als den grund goͤttlichen worts gedacht / oder vielmehr mit einfalt und ver - meidung alles deſſen / was ein pꝛaͤchtiges an - ſehen haben moͤchte / aber in krafft des HEr -O 7ren326ren / vor der gemeinde zu reden getrachtet?

Ob er ſich befliſſen / ſo deutlich und ver - ſtaͤndlich / als es ihm moͤglich / und ſeine gabe mitbringet / zu predigen / oder mit fleiß eine hohe redens-art umb anſehens-willen af - fectiret, und alſo einen ruhm geſucht?

Ob er in ſeinen predigten / den juck enden ohren ein genüge zu thun / oder ſeine geſchik - ligkeit zu zeigen / vieles von weltlicher weiß - heit / weltlichen hiſtorien und dergleichen dingen / die er erkennet / daß ſie zu der erbau - ung nichts thäten / eingeführt / oder ob er ſich bey dem gungreichen wort Gottes auß der ſchrifft allerdings gehalten / und aus deſ - ſen ſchatz ſeine lehr hervorgebracht?

Ob er insgeſamt in ſeinen predigten der menſchlichen gunſt und liebe / und etwas ir - diſches oder Gottes ehr und die erbauung lauterlich ihm zum zweck vorgeſetzt?

Ob er ſeine predigten ohne noth und red - liche urſach / ſeiner zu ſchonen / und müſſigere zeit zu haben / mehrmal andern ſonderlich ſolchen perſonen vertrauet habe / von denẽ er der gemeinde wenig erbauung hoffẽ koͤñen?

Ob er in den predigten gefliſſen geweſen / nicht nur das geſetz zu treiben / ſondern auch vornehmlich das Evangelium / dazuwir327wir eigentlich beruffen ſind / dem volck Got - tes vorzutragen / damit es die liebe Gottes / und ſeine heilsgüter deutlich lernete in dem licht des HErrn erkennen / und alſo der le - bendige glaube / und aus demſelben die liebe Gottes / der grund alles übrigen guten / ge - wircket / geſtaͤrcket und vermehret / folglich nicht ein erzwungener / daher unwilliger und heuchleriſcher geſetzlicher gehorſam bey den menſchen zu wege gebracht / ſondeꝛn in ihnen ein glaͤubiger / lieblicher / williger / freudiger fleiß / nach Gottes geboten einherzugehen / gewircket / alſo des Evangelii krafft erwie - ſen / und die menſchen zu einer beſtaͤndigen liebe und lobe GOTtes auffgemuntert würden?

Ob er unter ſolchen ſchaͤtzen und gütern des Evangelii einiges nothwendiges ſeiner gemeinde entweder mit willen vorenthal - ten / oder ſelbſt nicht verſtanden / ſonderlich weil es ihm an der erfahrung gemangelt / und er daran ſchuld geweſen?

Ob er aber auch des geſetzes nicht ver - geſſen / ob er auch daraus den menſchen den innerſten grund ihres verderbten hertzens recht geoͤffnet und gezeiget / ſo dann ihnen ſonſten das geiſtliche GeſetzGottes328Gottes alſo deutlich erklaͤret / daß ſie in ſol - chem ſpiegel ihr ſündliches weſen klar mer - cken / und zu einer ſeligen reue und buß ge - gen die ſünden bewogen würden / als wel - cherley hertzen / die nicht oben hin ſondern in der warheit ihr boͤſes weſen erkant / allein zu der lebendigen krafft deß Evangelii / ſolche zu fühlen / tüchtig ſind?

Ob er nur allein von der rechtfertigung aus dem alleinigen glauben geprediget / darneben aber nicht / was der rechtfertigen - de glaube ſeye / klar aus der Schrifft vor - geſtellt / oder aber mit gebührendem fleiß / ſolches glaubens / natur / art / eigen - ſchafften / früchten und kennzeichen ſo hell und gründlich vor augen gelegt habe / daß jederman / der ſich prüfen wollen / gewiß ha - be finden koͤnnen / ob er in dem glauben / und ob das / was er davor achtet / eine menſchli - che einbildung oder aber ſolches himmli - ſche liecht ſetze / niemand aber ſich ſelbs in ſei - ner ſicherheit zu betriegen / von ihm anlaß gelaſſen worden? Ja ob er auch gezeiget / wie man in ſolchen glauben in der wahren buß kommen und darinnen geſtaͤrcket wer - den müſſe? Wie dann ohne dieſe lehr die lehr der rechtfertigung aus dem glauben nichtanders329anders als in irrigem verſtand gefaſſet wer - den kan.

Ob er auch die wiedergeburt ernſtlich ge - trieben / wie ſolche keine einbildung / ſon - dern eine warhafftigewirckung oder ſchaf - fung eines neuen menſchen oder neuen na - tur in uns ſeye / und alſo niemanden in der rechtfertigung die gerechtigkeit Chriſti zu - gerechnet werden koͤnne / in dem nicht durch ſolche wiedergeburt der glaube (als die hand / ſo ſolche wolthat annehmen ſolle / und aus dem die übrige kraͤfften der neuen crea - tur / die darnach ſtets erneuert werden ſol - len / ferner entſtehen) gewircket worden waͤ - re? daß alſo zwar unſere gerechtigkeit vor GOTT bloß die zugeeignete gerechtigkeit Chriſti iſt / aber dieſer faͤhig zu werden / muß würcklich in uns das himmliſche licht des glaͤubigen vertrauens aus dem ſaamen Goͤttlichen worts geboren ſeyn / das aber nicht unſere gerechtigkeit ſelbſt iſt / ſondern jenes geſchenck annimmet.

Ob er in deꝛ vorſtellung eines gottſeligen lebens bey dem aͤuſſerlichen geblieben / und meiſtens die aͤuſſerliche ehrbarkeit und tugenden der andern taffel / oder auch mit gebührendem erſt das innerliche getrieben /als330als das jenige / woraus wir vor GOtt ge - richtet werden / ſonderlich unſers hertzens bewandnis gegen GOtt ſelbſt nach der er - ſten taffel / wie daſſelbige im glauben / liebe / forcht / ehrerbietung / vertrauen / vor GOtt ſtehen / und ſich in denſelben ſencken müſſe / damit das leben nicht ein heydniſches mo - ral-leben / ſondern ein wahres Chriſten-le - ben werde?

Ob er auch mit ſeiner lehr dem fleiſch an - laß gegeben / die regeln Chriſti und Goͤttli - che gebot zn vertraͤhen / daß ſie nicht in ih - rer ſchaͤrffe erkant und practiſiret würden? oder vielmehr die jenige ausflüchten und entſchuldigungen / damit man ſich ins ge - mein davon gern ausreden / und ihm alſo pulſter unter die arme legen will / nach allem vermoͤgen zu widerlegen / und alſo den leu - ten der ſchlaff der ſicherheit / ob waͤre die wahre thaͤtliche gottſeligkeit nicht euſſerſt noͤthig (ob wol nicht eine urſach unſerer ſee - ligkeit) auszutreiben getrachtet?

Ob er auch gegen das verderbliche opus operatum und vertrauen auff das bloß aͤuſſerliche und die gnaden-mittel / ohne an - nehmung dero krafft / gebührlich geeiffert und gezeigt habe / daß alles insgeſamt / ver -dienſt331dienſt Chriſti / abendmahl / abſolution / Got - tesdienſt / beten u. ſ. f. keinen menſchen ſelig machen koͤnne / bey dem nicht der wahre glaube / und er alſo in demſelben wiederge - bohren iſt / (ſo ſich in den früchten / die / ob ſie unvollkommen ſind / doch redlich ſeyn müſ - ſen / zeigen ſolle) ſonderlich / daß keine abſo - lution eintziges predigers dem menſchen die vergebung der ſünden gebe / der nicht war - hafftig bußfertig und alſo bewandt iſt / wie er ſich in ſeiner beicht bekennet oder beken - nen ſolte?

Ob er auch die irrthüme / ſo wider die Ev - angeliſche warheit ſtreiten / nach dem maaß der nothdurfft / ſeiner gemeinde fleiſſig ge - ſtrafft und widerleget / daß dieſe davon über - zeuget / und alſo vor der verführung ver - wahret / die irrende ſelbs aber / ſo einige da gewefen / bewogen würden? und zwar ſol - ches alles wie mit goͤttlichem eyffer / alſo auch durch eine mit liebe und ſanfftmuth (die vornemlich die bewegende krafft haben) temperirte beſcheidene art des vortrags / oh - ne einmiſchung fleiſchlicher affecten und bitterkeit.

Ob er auch in den predigten wider die im ſchwang gehende ſünden und laſter hertz -lich332lich geiffert / deroſelben greuel und gefahr be - weglich vorgeſtellet / vielmehr aber mit be - zeugung einer erbarmenden liebe gegen die jenige / welche ihre ſeele ſo gefaͤhrlich ver - letzen / und mit fleiß / ſie zu gewinnen / als ei - nem zorn gegen die jenige / die alſo geſündi - gethaben? oder ob er / gunſt zu behalten / über alles geſchwiegen / oder hingegen pri - vat-affecten in dieſes heilige werck gebracht / damit aber allen deſſen nutzen verdorben habe?

Ob er ſelbs eine andacht habe / und in ſei - nen predigten bewegt werde / wie er ſeine gemeinde zu bewegen verlangt / oder ob es nur zungenwerck ſeye / das ihm ſelbs nicht zu hertzen gehe / ſondern er allein aus gewon - heit / als aus ſeinem handwerck rede?

Ob er in den predigten die leute auch fleißig in ihr hertz über das jenige / was er ihnen vorgetragen / geführet habe / um ſich zu prüffen / wie ſie dieſes und jenes bey ſich finden / zu ihrer kraͤfftigen innerlichen über - zeugung / und damit das angehoͤrte tieff eintringe? oder ob ers bey einem kalten und obenhin gehenden ſagen gelaſſen / daß ſie ſelbs kaum in acht genommen / daß ſie es angehe?

Ob333

Ob er die leute von ſich ab und auff die Schrifft weiſe / von den zuhoͤrern nicht ver - langende / daß ſie ihm um ſeinet willen glau - ben müſten / ſondern ihnen das wort des HErrn ſo kraͤfftig vorſtellende / damit ſie in ihren ſeelen überzeuget würden / es ſeye nicht ſein ſondern das unfehlbare goͤtt - liche wort / deme ſie glauben und gehorſa - men müſſten?

Ob er die Catechiſmus-lehr mit jung und alten offentlich und abſonderlich / als viel er dazu anlaß gehabt / mit hertzlichem fleiß getrieben / wo ſie geweſt / fortgeſetzet / oder / wo ſie nicht geweſen / ſie einzuführen getrachtet / und alſo den jenigen grund treu - lich geleget / auf welchen nachmahl alle ſeine übrige lehr der predigten zu bauen waͤre? oder ob er darinnen mühe / arbeit und ver - druß geſcheuet / und das werck des HErrn verſaͤumet?

Ob er auch in ſolcher ſache klüglich ver - fahren / und das jenige der jugend und ein - falt vornemlich einzutrucken befliſſen ſeye / was ihnen das nützlich - und noͤthigſte zum glauben und leben iſt / davon ſie im leben und tod ihre erbauung haben? oder ob er ſie auff fürwitzige ſachen gewieſen / ſo dannallein334allein die gedaͤchtniß mit auswendig lernen beſchweret / nicht aber den verſtand in die hertzen zu bringen geſucht?

Ob er die jugend bald in ſolcher unter - richtung dahin weiſe / daß ſie den grund ih - res glaubens / den ſie in dem Catechiſmo finden / lernen aus Gottes wort erkennen / daß er ihnen alles daraus klar zeige / und ſie ſelbs nach müglichkeit / in der Bibel ſich zu gründen / und dieſelbe / aufs wenigſte das Neue Teſtament / zu leſen / anführe?

Ob er auch die H. Sacramenten / da er gleichfalls an Gottes ſtelle ſtehet / mit hertzli - cher andacht verrichte / mit vorſtellung der heiligkeit derſelben und der goͤttlichen ge - genwart? oder ob er ohne andacht / ehrerbie - tung / und / welches erſchrecklich waͤre / mit einem überflüſſigen trunck beladen / einigen ſolchen goͤttlichen actum je verrichtet?

Ob er in anhoͤrung der beichte vorſichtig ſeye / und alſo zum forderſten nach ſeinem vermoͤgen dahin trachte / daß die noͤthige Chriſtliche ordnung in der kirchen zu aus - ſchlieſſung der unbußfertigen eingeführt und befoͤrdert würde / nechſt deme in den zuſpruch ſo er jedem thut / ihme beweglich die nothdurfft ſeiner ſeelen vorſtelle / die bußbey335bey ihm zu befoͤrdern / wo er ſorge der un - würdigkeit traͤget / die groſſe gefahr / darein er ſich ſtürtze / deutlich weiſe / ſich an dem heiligen nicht zu vergreiffen / warne / und wie weder abſolution noch communion den un - bußfertigen nutze ſondern ſchade / zu über - zeugung der hertzen einſchaͤrffe / und ſich in allem alſo verhalte / daß ja mit ſeiner ſchuld aus der abſolution der ſichere ſich zu ſtaͤrken keine urſach habe / ſondern er ſein gewiſſen rette? oder ob er etwas deſſen unterlaſſe / was er vor ſeine perſon wider dieſe ſtaͤrckung der ſicherheit zu thun vermoͤchte?

Ob er auſſer ſeinen kirchlichen verrich - tungen auch auff ſeine zuhoͤrer acht gebe / und nach aller müglichkeit ſein hirten-amt an ihnen verrichte / ſo wol die unwiſſende / ſo viel er deren findet / zu unterrichten / als die betrübte und angefochtene zu troͤſten / und die traͤge zu ermahnen? nach dem exempel Pauli Apoſt. Geſch. 20 / 20.30.

Ob er / wo er einige aͤltiſte / vorſteher oder Kirchen-Cenſores zu deſſen behuff hat / die - ſelbe ihres amts auff die gemeinde zu ſehen / treulich erinnere / und ihnen an hand gehe? oder ob er trachte / dergleichen zu bekom - men / oder wo ers nicht haben kan / die ge -meinde336meinde / ſonderlich die Chriſtlichſte unter derſelbigen / ihres geiſtlichen Prieſter - thums / daſſelbe an ihren mit-brüdern de - ſto fleiſſiger ohne unordnung zu üben / an - gelegenlich erinnere / und dazu ſelbs anlei - tung gebe / damit das werck des HErrn von ſtatten gehe? oder ob er ſolches alles vielmehr hindere / und vor einen eingriff hal - ten wolte?

Ob er / da er gelegenheit hat / ſeine zuhoͤ - rer zu dieſem zweck zu beſuchen / ſolches thue / oder die ungefaͤhre gelegenheit / die ihm Gott füget / auch darzu weißlich anwende? Hingegen allen verdacht eines andern fleiſchlichen geſuchs / des nutzens / zeitver - treib / trinckens und dergleichen dabey klüg - lich vermeyde?

Ob er ſonderlich die jenige / welche er ſtraͤfflich weißt / deßwegen ernſtlich zu rede ſetze / und ſolches ohne anſehen der perſon / und alſo die jenige / welche in den ſtricken des teuffels gehen / daraus zu retten ſu - che / oder ſich aus forcht davon abhalten laſſe?

Ob er bey den krancken / beruffen und unberuffen das jenige verrichte / was de - roſelben heil erfordert / ſie zur buſſe zubrin -337bringen / in dem glauben zu ſtaͤrcken / in der gedult zu befeſtigen / und zu ſeligem abſter - ben zu diſponiren; und ſolches nach aller weisheit / die er von Gott erbeten kan? oder ob er alles nur oben hin thue / das Heil. A - bendmahl auff begehren zu reichen / und es dabey bleiben zu laſſen?

Ob er in der gemeinde ſich zu den gottſe - ligſten am freundlichſten und vertraulich - ſten halte / hingegen der boͤſen und hartnaͤ - ckigen / ohne was zu ihrer beſſerung noͤthig iſt / ſich mehr entſchlage / dadurch dieſe heil - ſamlich zu beſchaͤmen / jene auffzumuntern / auch daß er jenen an die hand gehe / unter ſich ſelbſt zur geſamten erbauung eine ſo viel ge - nauere und vertraulichere kundſchafft und umgang zu machen / dadurch eines jeglichen gabe an den andern mitbrüdern deſte mehr frucht ſchaffen / und dero exempel die übrige mehr und mehr überzeugen moͤge?

Ob er hingegen mit laſterhafften perſo - nen / weil ſie reich / und ihm leibliches gutes erzeigen / vertrauliche freundſchafft / zu der andern aͤrgerniß pflege / und ſich damit jener ſünden mit theilhafftig mache?

Ob er in ſeinem eigenen leben ſich befleiſ - ſe / nach den regulen Chriſti treulich einherPzugehen /338zugehen / und der gemeinde ein vorbild zu werden / dem ſie nachfolgen moͤgen? oder / ob er geitz / ehrgeitz / müſſiggang / truncken - heit / delicates tractament, kleider-pracht / koſtbare und praͤchtige haushaltung / neid / haß / ungerechtigkeit / unzucht / an ſich mer - cken laſſe? Sonderlich ob er auff einiger - ley weiſe in ſeinen amts-verrichtungen auff - geld und gaben ſehe / umb derſelben willen eigentlich ſie zu thun / oder gar in denſelben umb ſolcher urſach willen die regel zu über - ſchreiten / ſo dañ aus andern ihm unanſtaͤn - digen ſachen vortheil zuſuchen / und ſich alſo ſchaͤndlichen gewinns ſchuldig zu machen?

Ob er ſich ſonderlich der vertragſamkeit befleiſſe / und ſich mit gedult leide / als ſich in dergleichen einlaſſe?

Ob er gern ſeines luſts wegen zu gaſte - reyen / hochzeiten und dergleichen gehe / ſich dabey luſtig mache / an üppigem geſpraͤch freude habe / ſich mit eſſen und trincken über - lade / oder gar truncken trincke? mit wel - chem aͤrgerniß / obs auch ſchon ſelten und aus veranlaſſung geſchehe (ſo vielmehr / da noch darzu gelegenheit geſuchet würde / und er ſich in den zechen mit niederſetzte) ein ſol -cher339cher ſich zu ſeines ambts ſchandflecken und deſſen allerdings unwürdig machet.

Ob er mit ſpatzier - gehen / haußhal - tungs-geſchaͤfften / oder anderer fremder arbeit (ſolte es auch in ſtudiis ſeyn / die zu dem haupt-zweck nichts thun) die jenige zeit verderbe / welche er zu ſeinen noͤtigen amts-geſchaͤfften anwenden ſolte? denen doch alles übrige weichen / und nichts anders als ohne abgang des noͤtigſten / vorgenom - men werden müſte.

Ob er auff dieſe weiſe geheurathet / daß man keine bloß-fleiſchliche abſichten darin - nen warnehmen koͤnnen / ſondern auff das jenige / was er zu dem hauptzweck ſeines Chriſtenthums und heil. amts am dienſam - ſten erkant?

Ob er ſein weib alſo regiere / daß ſie der gemeinde nicht aͤrgerlich ſeye / ſondern ſein amt ſelbſt mit gutem exempel ziehre? auch ob er mit ihr friedlich und eintraͤchtig lebe?

Ob er ſeine kinder alſo erziehe in der forcht und vermahnung zu dem HErrn / nicht aber zu der welt eitelkeit / daß ſich nie - mand daran zu ſtoſſen habe?

Ob er ſein hauß und geſind alſo regiere / daß ſolches andern häuſern und vaͤtternP 2zum340zum modell einigerley maſſen diene / und ei - ne feine hauß-kirche ſich bey ihme antreffen laſſe?

Ob er ſeine beſoldung und einkünfften / welche ihm zwar von Gott und rechtswe - gen gebühren / auff ſolche art geſucht / daß er ſich geitzes / unvergnügſamkeit / unbarmher - tzigkeit gegẽ die dürfftige / mit groſſem ſchein verdaͤchtig gemacht / oder zure eilen lieber et - was daran zurück gelaſſen / als dergleichen verdacht auff ſich gezogen habe?

Ob er auch gegen die arme nach ſeinen vermoͤgen oder armuth gutthaͤtig und milde ſich erzeiget / und alſo der ſolches ſeine zuhoͤ - rer lehren ſollen / in demſelben eben ſo wol ihnen vorgegangen ſeye?

Ob er von andern mit-brüdern / ja auch ſeinen zuhoͤrern / aus liebe hergekommene / beſcheidene und wolmeynende erinnerun - gen freundlich angenommen / entweder wo ein mißverſtand geweſen / und alſo ſeine un - ſchuld ſolchen gezeiget / oder da er ſich ſchul - dig befunden / ſolches gebeſſert / und es als eine wolthat von den erinnerenden danck - barlich angeſehen / nicht aber deswegen un - willen gegen ſie getragen?

Ob er gegen ſeine obrigkeit ſich gehor -ſam341ſam bezeuget in allen dingen / darinn er dero - ſelben gewalt unterworffen iſt / auch dariñen andern mit gutem exempel vorgegangen? hingegen andenſelben ſein amt auch treulich als vor GOtt gethan / mit einem eiffer vor deſſen ehre / mit einer ehrerbietung ge - gen ſein bild / das ihnen angehaͤnget iſt / und mit einer inniglichen liebe vor ihre ſeelig - keit?

Ob er mit ſeinen Collegis einig und friedlich lebe / als viel es das gewiſſen zulaͤſ - ſet / hingegen mit brüderlichen erinnerungen an ihnen ſein amt thue?

(Alle dieſe ſtücke / denen noch viel andere gleiche moͤgen beygefüget werden / ſind von jeglichem fleißig in acht zu nehmen / ſich dar - nach zu prüfen / was ihm ſein gewiſſen zeug - nis geben werde; mit verſicherung ſo viel es hieran mangelt / ſo viel habe er auch ſeines orts ſchuld an dem gemeinen verderben in dem Chriſtenthum; daher er auch in wahrer buß ſolches zu erkennen und zu beſſern hat.)

P 31. Welche342

1. Welche in hohen und andern ſchulen der jugend zu lehrern verord - net ſind / Profeſſores, Præceptores, Re - ctores, ſchulmeiſter.

Dieſen gelten die meiſte vorige prüffun - gen nicht weniger; es moͤchte aber jeglicher zu ſeines gewiſſens reinigung noch dieſe fer - ner ſetzen:

Ob er die jugend ſtaͤts alſo angeſehen ha - be / als ſolche / welche zu Gottes ebenbild er - ſchaffen / von Chriſto erloͤſet / und in der H. Tauff zu Gottes kindern wiedergebohren worden / daher die wichtigkeit ſeines ambts fleißig erwogen?

Ob er ſich angelegen ſeyn laſſen / nicht nur künſte und ſprachen ſie zu lehren / ſon - dern vornemlich das goͤttliche bild in ihnen zu erneuren / und ſie ferner zu rechtſchaffe - nen Chriſten zu machen?

Ob er alſo alle ſeine arbeit an ihnen nicht nur umb des gelds oder beſoldung willen / ſondern in hertzlicher liebe zu Gott und der jugend / ihr zeitlich undewiges heyl zubefoͤr - dern / verrichte?

Ob er ſich ſorgfaͤltig hüte / daß die an - vertraute jugend an ihm weder in wor -ten343ten / noch wercken einig aͤrgerniß faſſe? der trohung Chriſti eingedenck Matth. 18 / 2. 6.

Abſonderlich ein Profeſſor, ob er ſo wol ſelbſt allezeit trachte / in einem ſolchen ſtande zu ſtehen / daß er ſich der gnaͤdigen einwoh - nung des H. Geiſtes / und alſo deſſen werck - zeug in der bereitung anderer werckzeuge der gnaden zu ſeyn / verſichern koͤnne / als auch ſeine haupt-abſicht dahin richte / aus den ſtudioſis ſolche gnaden-gefaͤße zu - machen?

Ob er denen ſtudioſis treulich und offt vorhalte / daß es mit allem ihren fleiß in dem heiligen ſtudio noch nichts ſeye / wo ſie nicht dabey der wahren Gottſeeligkeit befliſſen ſeyen? weil die wahre erkäntniß Gottes die weißheit / dieſelbe andern wiederumb beyzubringen / nicht mit menſchlichem fleiß erlanget werden kan / ſondern des H. Gei - ſtes liecht darzu noͤthig iſt: dieſes aber un - müglich gefunden werden kan bey den jeni - gen / welche nach der welt weiſe und ihren - ſten wandeln: ja daß die ohne ſolche heili - gung erlangende Theologiſche wiſſenſchafft zu dem zweck / wozu ſie verordnet iſt / bey weitem noch nicht ausrichte / ſondern offt aus GOTTES gerechtem gerichtP 4zu344zu einem ſchwerdt in der hand eines unſin - nigen werde / mehr ſchaden als nutzen zu ſchaffen.

Ob er ihnen deswegen nicht nur / was zu einem rechtſchaffenen Chriſten gehoͤrig / und wie man ſich von dem H. Geiſt zu ſei - nen weiteren wirckungen bequem machen laſſen müſſe / aus Gottes wort fleißig vor - halte / daß ſie es wiſſen / ſondern auch neben dem unterricht des verſtandes den willen zu bewegen ſich befleißige / mit liebreichen / treu - hertzigen und ernſtlichen vermahnungen / zum gebet / verlaͤugnung ſeiner ſelbſt / ſon - derlich auch der eignen ehr / (welches gifft auch bey den beſten am tieffſten ſteckt) ent - haltung alles gleichſtellens der welt / und insgeſamt eines bußfertigen / andaͤchtigen und geiſtlichen leben?

Ob er auch den nach druck ſolcher vermah - nungen zu befoͤrdern / ihnen mit einem glei - chen leben vorgehe / daß ſie an ihm das bilde ſehen / nach welchem ſie ſich arten ſollen? vor - nemlich daß keine ehrſucht in ſeinen verrich - tungen / informationen und ſchrifften her - vorleuchte.

Ob er deßwegen die jenige / welche gott - ſelig ſind / ſolten ſie auch nur gering / ja vonwenigern345wenigern gaben ſeyn / ſeiner mehrern liebe und freundſchafft würdige / gegen die welt - hertzen aber / deren leben ſolchen ihren ſinn verraͤthet / ob ſie ſchon vornehm und gelehr - ter ſeynd / ſein miß-vergnügen und unwillen offenbarlich zeige / dieſe zu beſchaͤmen / jene auffzumuntern / und andere zudem guten zureitzen?

Ob er die ſtudioſos deſſen fleißig erinne - re / daß ſie ihm vor ſeine perſon nicht zu glau - ben / ſondern dahin zu trachten haͤtten / deſſen / was ſie von ihm hoͤreten / aus dem goͤttlichen wort und ſprüchen / die er an - führet und erkläret / in der ſeel überzeuget zu werden / auch des H. Geiſtes verſiegelung darüber zu haben / damit ſie alſo nicht nur von menſchen / ſondern von Gott gelehrte werden moͤgen?

Ob er den ſtudioſis treulich rathe / was jeglichem / nach betrachtung ſeiner perſon / natürlicher faͤhigkeit / mittel und zeit / auff Univerſitaͤten zu bleiben / vermuthlicher hoffnung in dem künfftigen / worzu er etwa moͤchte gebraucht werden / das dienlich - ſte in ſtudiis und collegiis ſeye / damit / als viel an ſeinem rath ligt / jeglicher ſeine zeit wohl und zu ſolchen ſachen anwende /P 5die346die ihm dermaleins in ſeinem amt und leben werden nützlich ſeyn / nicht aber zu ſolchen ſtudiis, die zwar an ſich gut / aber zu ſeinem zweck wenig dienlich? daraus geſchehen moͤchte / daß einer in ſeinem ambt von ſeinen academiſchen ſtudiis keinen vortheil / hin - gegen darüber das jenige verſaͤumet haͤtte / was ihm in demſelben am noͤthigſten iſt / und alſo in dem amt gleichſam erſt zu ſtudiren anfangen müſte? Welchem ziemlich ge - wehret würde / wo man kurtze anleitung ge - be / welche ſtudia und collegia jedem nützlich oder nicht ſo noͤthig ſeyn würden.

Ob er in aller ſeiner information und gantzem ambt ſich gegen die ſtudioſos treu bezeuge / mit rath / oder auch nach gelegenheit mit lehnung der dienlichſten bücher / an - handgebung der vortheil und compendio - rum in den ſtudiis, und insgeſamt mit al - lem / was er in ſolchem zuſtand von ſeinen profeſſoribus verlangen würde?

Ob er die ſtudioſos ſonderlich zu gründ - licher begreiffung der theſeos, meiſtens aber zu gründlichem verſtand der Heiligen Schrifft / als des haupt wercks / führe / deß - wegen ihnen ſolche nicht nur auff eine phi - lologiſche art oder ad finem polemicum indenen347denen in ſtreit gezogenen dictis, ſondern et - wa nach gantzen büchern derſelben erklahre) daß er den handgriff weiſe / wie in jeglichem auff den haupt-zweck der gantzen Schrifft / und auff die aneinanderhaͤngung aller ma - terie / und alſo die gantze œconomiam eines buchs / ſodann in den dictis ſelbſt auff die wort und dero nachdruck achtung zu - geben / wie auß denſelben die rechte ge - braͤuche / zu gründung der glaubens-ar - ticul / widerlegung der irrthüme / darſtel - lung / allerhand nützlicher lehren / wie auch vermahnungen / beſtraffungen / troſt / prüf - fungen u. ſ. f. gezogen / und alſo ein text recht ausgeſucht werden koͤnne / damit die ſtudioſi hieran gewehnet / ihr lebtag mit der ſchrifft alſo umzugehen wiſſen / daß ſie ſich des heiligen Geiſtes ſinnes / ihn gefaſt zu haben / verſichern / und das wort reichlich und deutlich / daß jeder ſehe / daß alles aus der ſchrifft flieſſe / der gemeinde zu ihrer erbauung vortragen moͤgen? Wie dann gewiß dieſes die vortrefflichſte ja einignoͤ - thigſte arbeit ſeyn würde / damit wir recht - ſchaffene Theologos in groſſer zahl bekom - men koͤnten / worzu das an ſich ſelbſt wichtige und noͤthige ſtudium polemicumP 6nicht348nicht gnug iſt / von dieſen übungen aber ſelbſt eine ſtattliche befoͤrderung haͤtte. *

Ob er deswegen den ſtudioſis das ſtu - dium der Griechiſchen und Hebraͤiſchen ſprach fleißig recommendire / als welches zu dem hauptzweck eine vortreffliche berei - tung iſt?

Ob er auch / da er leute an dem tiſch hat / das amt eines Chriſtlichen vaters verrichte / und nicht nur allen ſchein des geitzes fliehe / ſondern insgeſamt als viel an ihm iſt / den - ſelben die gelegenheit zu überflüſſigen ko - ſten / unmaͤſſigem leben und anderer uppig - keit (ob er auch darvon nutzen haben koͤnte) abſchneide / und in ſeinen tiſch-geſpraͤchen ſie nicht aͤrgere / ſondern mehr erbaue?

Ob er mit ſeinen Collegiis ſriedlich und einmüthig lebe / und darinnen eine verträg - lichkeit / ſanfftmuth und gedult zum exem - pel den ſtudioſis von ſich leuchten laſſe / oder durch uneinigkeit zu aͤrgerniſſen mit gele - genheit gebe?

Ob er auch mit teſtimoniis, dieſelbe un - verdienten zu geben / andere betriegen helffe / welche darauff trauende / ſolche leute / die doch untüchtig ſind / zu geiſtlichen ſtellen be - foͤrdern? deſſen verantwortung auff dieunvor -349unvorſichtige / ſo vielmehr wiſſentlich-fal - ſche zeugen / vor GOtt ankommet.

Dieſes waͤre auffs einfaͤltigſte ein mu - ſter / wie wir uns alle / die wir in einem der o - bern ſtaͤnde leben / vor dem HErrn zu prü - fen haben. Jch bin verſichert in meiner ſee - len / alle ſtücke / welche hier vorgeſtellet / ſind ſo bewandt / daß ſie uns / jeglichen in ſeinem beruf / vor Gott obliegen / und lauter unhin - dertreibliche folgen ſind der gemeinen uns von dem HErrn vorgeſchriebenen regeln; welches auch der jenige finden wird / der jeg - lichem abſonderlich nach ſinnen / und alles ei - genlich nach denſelben (aus den augen geſe - tzet / was die welt / ihro in allen ſiänden vor freyheit zu machen / und gleichſaͤm das ge - gentheil zu authoriſiren / ſich unterſtehet) zu examiniren ſich befleiſſen wil. Dahero wir je ſchuldig ſind / uns darnach zu unterſuchen: daraus werden wir aber finden / wieviel ab - ſonderlich jeglicher ſeines ortsſchuld an der allgemeinen verderbnis / die doch von den beyden obern ſtaͤnden ſich ziemlicher maſſen in den dritten ergeuſt / mit habe / und alſo die allgemeine klagen ihn auch betreffen: damit er alsdann derſelben frucht in bußfertiger erkaͤntnis und beſſerung bringe.

P 4Ach350

Ach der HERR HERR gebe uns allen ſeinen H. Geiſt / ſonderlich die auch dieſe einfaͤltige anweiſung leſen moͤgen / daß wir uns nichts ernſtlicher angelegen ſeyn laſſen / als daß wir jeder ſeines orts an ſich und andern beſſern / was ſich noch beſſern laͤſſet / daß wir entfliehen moͤgen dem allen / was geſchehen fol / und freudig ſtehen vor des Menſchen Sohn! Ach ſelige klagen / wie betrübt ſie an ſich ſelbs ſind / wo ſie dieſe frucht bey vie - len (weil an allen die hoffnung zu viel waͤre) braͤchten! Der HErr gebe es / deſſen ehre es iſt / umb ſein ſelbs willen / Ameu. *

NB.

* Weil auff das ſtudium der heiligen Schrifft hier von mir getrieben wird / ſo ha - be nicht undienlich erachtet / hie zu inſeriren / daß dieſes die abſicht der gottſeligen alten Saͤchſiſchen Churfürſten geweſen / welche auff hohen und andern ſchulen bey denen /die351die zu dem ſtudio Theologico ſolten ge - wiedmet werden / und dermaleins der kir - che dienen ſolten / die H. Schrifft vor allen andern ſtudiis getrieben zu werden / verlan - get und angeordnet haben. Hiervon finden ſich in unſerm Corpore Juris Saxonici fol - gende ſtellen / ſo mir in dem leſen unter die hand kommen ſind.

Jn der Landes-ordnung Hertzog (nach - mal Churfurſten) Moritzen 1543. heiſſt es: (Corp. Jur. Sax. p. 12.) Nachdem zu Chriſt - licher lehre und wandel / auch zu allen guten ordnungen und policey von noͤthen / daß die jugend zu Gottes lobe und in gehorſam er - zogen / in den ſprachen und künſten / und dañ vornehmlich in der H. Schrifft geleh - ret und unterweiſet werde / damit es mit der zeit an kirchendienern und andern gelehrten leuten in unſern landen nicht mangel gewin - ne. Nachmal: Nach endung der 6. jahr moͤgen die knaben durch ihre freundſchafft in unſre Univerſitaͤt gegen Leipzig geſchickt werden / allda vornehmlich in der Heil. Schrifft zu lernen / ꝛc.

Jnden General-Articuln Churf. Au - guſti 1580. (Corp. Jur. Sax. pag. 65.) wird von den Ordinandis bey ihrem examine,daß352daß ſie aus dem grunde Gottes Worts ihre lehre in allen arti[c]uln beſtaͤndigen / die angezogene zeugnis ſelbſt in der H. Bibel geleſen / und in derſelben laͤufftig und er - fahren ſeyn / ꝛc.

Jn Churf. Auguſti Kirchen-ordnung (Corp. J. S. p. 209.) heiſſet es von den 300. Stipendiaten / daß ſie alle zugleich / beneben den haupt-ſprachen / der Hebraͤiſchen / Grie - chiſchen / Lateiniſchen / auch den freyen kün - ſten / allein zum ſtudio der H. Schrifft angehalten werden ſollen / ꝛc.

Jn der Schul-ordnung (Corp. J. S. p. 307.) ſtehet von den 3. Fürſten-ſchulen: dar - innen die jugend zu Gottes ehre und in ge - horſam erzogen / in den ſprachen und künſtẽ / und denn fürnemlich in der H. Schrifft gelehret und unterweiſet werde. Alſo auch 331. in H. Schrifft ihre ſtudia zu nutze der kirchen vollführen moͤgen. (dergleichen ſte - het pag. 345.) P. 333. ſtehet in der obligation der Stipendiaten: Verſpreche auch mit die - ſem brieff / hinfürder alſo mit dem ſtudiren nach GOttes ſegen und verleihung fort zufahren / und allein in H. Schrifft zu ſtudiren. P. 336. werden der Stipendiaten privatæ repetitiones auch alſo eingerichtet /damit /353damit / als viel immer moͤglich / in allen le - ctionibus die heilige Schrifft getrie - ben / und ihnen auffs fleiſſigſte eingebildet werde / damit ſie alle ihre gedancken allein auff ſolch ſtudium legen / und alſo foͤrder - lich zu rechtem verſtand und gebrauch der heil. Schrifft gebracht werden moͤ - gen. P. 337. ſtehet von ihren privat predig - ten / daß ſie ſolche allein aus der H. Bibel zuſammen tragen ſollen. Wie nicht weni - ger von den privat-diſputationen / daß ſie nicht gerichtet ſeyn ſollen auff unnütze ſpitz - findigkeit und loſe wort oder ſchulgezaͤnck / ſondern / daß ſie der Heil. Schrifft ver - ſtand eigenlich daraus faſſen / darauff ſte - het p. 338. ein bedencklicher locus: dann da gleich eine groſſe und hohe weißheit fürge - ben / und nach unzaͤhlbaren zeugniſſen und autoritaͤt / nicht allein Ariſtotelis und Pla - tonis, ſondern / welches vielmehr iſt / auch der alten Kirchenvaͤter und lehrer umgehen koͤnte. (Wie leider biß daher in den ho - hen ſchulen diß die einige und vor - nehmſte kunſt geweſen / damit die ju - gend im glauben vielmehr irre ge - macht / dañ berichtet oder im rechten verſtand der Heil. Schrifft geſtaͤrcketund354und bewähret worden. ) u. ſ. w. P. 403. wird von den Licentiatis und Doctoribus Theologiæ oder die ſich dazu angeben vor allen dingen erfordert: ſie ſollen zufoͤrderſt der H. Schrifft alten und neuen Teſta - ments wol erfahren ſeyn. u. ſ. w.

Wie nun dieſe zeugniſſen (denen viel - leicht mehrere beygefügt werden koͤnnen) klar zeigen / daß / was ich ins gemein aus dem haupt-grund unſrer religion angeführet / und in die prüffung der jenigen / ſo mit der ſtudirend in jugend umzugehen haben / geſe - tzet / ebenfals in den geiſtlichen verordnun - gen dieſer lande laͤngſt verfaſſet geweſen ſey: alſo verbinden ſie uns alle ſo viel mehr / und lieget ſo wol den ſtudirenden ob / daß ſie ſolches ihnen einig nothwendige auch am allerfleißigſten ſich angelegen ſeyn laſ - ſen / und das ſtudium der H. Schrifft ge - gen andere ſubtilere vor ſich zu einfaͤltig hal - ten / vielmehr glauben / daß billich die promo - tionen / was die qualitaͤten anlangt / darauff man ſehen ſolle / nachdem ein jeglicher in der Schrifft vor einem andern maͤchtig ſeye / einzurichten ſey; als auch den jenigen / dero regierung und anweifung ſie untergeben ſind / daß ſie auch dieſes herrlichſte ſtudiumbey355bey ihnen das erſte und letſte / darauff ſie ſie führen / warhafftig ſeyn laſſen / und damit den Churfürſtlichen verordnungen / ſo dar - innen warhafftig das beſte der kirchen zum zweck haben / ſchuldige folge leiſten: davon wir / da die ſtudirende jugend mit recht - ſchaffenem grunde und klugheit / auch ge - hoͤriger treue in die Schrifft gefuhret wird / gewiß nicht eine geringe beſſerung in der Kirchen zu hoffen haben; Die der HErr ſelbs / und alles dahin abzielende / kraͤfftiglich beſtaͤrcken wolle!

Der andere Anhang.

Jn der Vorrede an den Chriſtli - chen Leſer habe erinnert / daß ich auch aus Taulero, oder Teutſchen Theologia, und Thomæ à Kempis, einige ſtellen / welche dieſe materie zu erhellen tüchtig ſeyen / an - führen wolle. Alſo moͤgen aus Taule - ro ſonderlich hieher gehoͤ - ren:

Auff den 1. Sonntag in der faſten pag. 220.

HJe ſoll in acht genommen werden / daß die Goͤttliche und na -türliche356türliche liebe einander ſo gleich ſind / wie zwey haar auff einem kopff / was nemlich die aͤuſſerliche wercke anlanget; Aber nach dem innerlichen ſinn und meynung ſind ſie gantz ungleich. Denn die Goͤttliche lie - be / ſo der Heil. Geiſt in das hertz gepflan - tzet hat / erhebt ſich allzeit über ſich zu Gott / ſucht auch und begehret beydes heimlich und oͤffentlich allein die ehre GOttes in al - len dingen; Aber die natürliche liebe ſucht und meynet ſich ſelbſt in allen dingen: Und wenn ſie im menſchen die oberhand und das regiment hat / ſo ſtürtzet ſie ihn in vier todt - ſünden / nemlich in geiſtliche hoffart / in geitz / in füllerey und in unkeuſch - heit: Jn welche ſünde auch Adam im Pa - radieß gefallen iſt / und folgends in und mit ihm das gantze menſchliche geſchlecht.

Jtem pag. 198.

Wer einen ve[]chtlichen habit und klei - der annimmet / und führt ein ſtrenges leben in mancherley übungen der buſſe / ſagt ab ſeinen freunden und verwandten / ſeinen leiblichen gütern und allem / davon er in der welt troſt und freude haben koͤnte / und ſu - chet doch hierinnen mehr ſich ſelbſt / auch mehr ſeinen eigenen nutzen / vortheil undgewinſt /357gewinſt / als Gottes ehr und nahmen / der iſt unbeſtaͤndig / und bereit zu boͤſen dingen / macht ihm auch ſelbſt boͤſe gedancken und einbildungen / auch allerhand geiſtliche ver - ſuchungen und irrthume / von allerley eite - len dingen / ſo ihm zu ſehen oder zu hoͤren vorkommen. Denn alle ſeine wercke thut er aus eigenſchafft ſeiner ſelbſt. Und ob er ſchon Gott liebt / und ihm zu ehren einen dienſt zu verrichten auff ſich nimmt / ſo thut ers doch eigentlich üm ſeines nutzens und gewinſts willen: darum iſt ſeine liebe nicht recht - ſchaffen / und kommther aus der natur / mit nichten aber aus der gnade. Denn ein ſolcher menſch iſt noch nicht ihm ſelbſt abgeſtorben / iſt auch nicht aus bloſſer und reiner liebe dem wolgefallen Gottes auffge - opffert und ergeben: Darum getrauet er auch nicht dem allmaͤchtigen Gott gaͤntzlich zu vertrauen / weil ſeine natur nicht weichen / ſondern in allen dingen gewiß und verſi - chert ſeyn will. Darum begehrt er Gott zu haben nach ſeinem eigenen willen und nu - tzen / nemlich / daß Gott ihm für andern leuten eine ſonderbare gnad und freund - ſchafft beweiſe / nemlich / ihm etwa einen engel oder verſtorbenen heiligen zuſchicke /der358derihm ſage / wie er Chriſtlich leben ſolle / oder ob GOTT ſein bißher geführtes leben wolgefalle; oder daß ihm vom himmel brieffe mit güldenen buchſtaben geſchrieben zukommen / oder zum wenigſten in einem traum oder himmliſchen geſichte ihm ange - zeiget werde / was Gottes wille und wolge - fallen / recht oder unrecht / gut oder boͤß ſey.

Ferner am 4. Sonntag in der Faſten / pag. 244.

Erſtlich finden ſich leute / die der welt gantz ergeben ſind / die alle ihre freude und wolluſt ſuchen nur in den irrdiſchen dingen / nach der beluſtigung ihrer aͤuſſerlichen ſin - ne; und darinnen verzehren ſie nicht allein die edle und unwiederbringliche zeit ihres lebens: ſondern auch alle ihre ſinne / gedan - cken / kraͤffte und vermoͤgen ſind nur daſelbſt hin gerichtet. Aber ſolches weſen iſt nichts anders / als eine ungeheure dicke finſterniß / ſo dem Goͤttlichen liecht ſchnurſtracks zu wider laͤufft. Darnach finden ſich andere / die geiſtliche leute heiſſen / und ein groß an - ſehen / ruff und nahmen haben. Solche ſind zwar aͤuſſerlich ſehr weit über die itzt-ge - meldte grobe finſterniß kommen; aber in ih -rem359rem innerlichen verborgenen grunde ſind ſie rechte Phariſaͤer und heuchler; Dañ ſie ſtecken voll eigener liebe / leben nur nach ihrem willen / und in allen ihren ſachen ſte - hen ſie nur auff ihrem luſt / gewinſt und vortheil. Dieſe leute koͤnnen von auſſen nicht wohl erkant und unterſchieden wer - den von den rechten freunden GOttes. Denn in den aͤuſſerlichen übungen ſind ſie bisweilen viel fleiſſiger / als die wahren freunde Gottes / nemlich im beten / im fa - ſten / im wachen / in haͤrtigkeit des leibes und andern dergleichen dingen; daß ſie alſo / wie geſagt / ſchwerlich zu erkennen ſind. Welche aber den Geiſt GOttes warhafftig haben / die koͤnnen ſie wohl mercken und erkennen. Sie haben aber doch auch etwas aͤuſſerliches an ſich / darbey ſie offent - lich von den wahren freunden GOttes unterſchieden werden koͤnnen. Dann ſie wollen immer dar andre leute / vornemlich aber die freunde Gottes richten / ſich aber richten ſie nimmer mehr. Hingegen aber / die von hertzen fromm und gottesfürchtig ſind / richten andre leute nicht / ſondern nur ſich ſelbſt / weil geſchrieben ſtehet: der menſch prüffe ſich ſelbſt. Nun dieſePha -360Phariſaͤiſche weiſe / da die leute nicht Gott über alle dinge / ſondern vielmehr ſich ſelbſt in Gott und in allen creaturen meynen / lie - ben und ſuchen / hat bey den verderbten leu - ten dermaſſen überhand genommen / und iſt ſo tieff eingewurtzelt / daß nicht ein eini - ges eckelein ihnen iſt / darinnen nicht ſolche ſchaͤdliche wurtzeln gefunden werden. Und moͤchte einer wohl eher durch einen eiſern berg brechen / als ſolche eigene liebe in den obgemeldten heuchlern durch die natur ü - berwinden; doch was der natur unmoͤg - lich iſt das iſt dem allmaͤchtigen Gott moͤg - lich. Dann er kan gar bald und leichtlich ſolche unart aus den leuten austreiben / wenn er nemlich mit ſeiner gnade ihre her - tzen einnimmt und allein beſitzet. Aber diß wieder faͤhret gar wenigen leuten / nicht zwaꝛ durch Gottes / ſondern vielmehr durch der menſchen eigene ſchuld / weil ſie wiſſend und williglich die untugend und laſter in ihre hertzen einkehren laſſen / dadurch aber wird Gott mit ſeiner krafft und gnade gehindert und vertrieben.

Alſo auch Medulla animæ cap. III.

p. 9. 10. u. f.

Weil alle gute und boͤſe wercke aus demgrund /361grund / meynung und liebe / darauß ſie von innen kommen und geſchehen / ihre krafft und belohnung empfangen / auch alle unſre ſeeligkeit an einem guten grund / an ei - nem lautern ſuchen GOttes / und einer ſich ſelbſt verzeihenden meynung gelegen iſt / die doch bey wenigen zu finden: die ſünde a - ber / wie auch die ewige verdamniß / aus ei - nem falſchen ſich ſelbſt ſuchenden ungelaſſe - nem grund entſtehet / als wollen wir mit Gottes hülffe unterſcheid geben / wie ſolcher grund recht zu erkennen.

Und Ferner:

Dieſes aber kan niemand thun / er wiſſe dann zuvor / woran daß er klebet / und was für ein hinderniß zwiſchen GOtt und ihm ſey / damit er ſolcher abkomme und erſterbe. Dann ſo viel der menſch ſich ſelbſt erkennet / ſo viel mag er ſein ſelbſt ausgehen / und ſich ſeiner verzeihen. Und weil viel menſchen hier - iñen fehlen / ſo wil ich etwas von dem grund der boßheit ſagen / aus welchem alles mittel zwiſchen Gott und dem menſchen herꝛühret.

Die erkaͤntnüß dieſes grundes waͤre dem menſchen nutzer / denn ſonſt aller ver - ſtand der Engel. Dieſer boͤſe grund liebetQund362und meynet weder GOtt oder creatur an - ders / denn um ſein ſelbſt willen; und ob er wol etwas liebe gegen Gott und ſeinen nech - ſten traͤget / ſo iſt doch anders nichts / als ei - ne grundloſe falſchheit darunter verborgen / und alle menſchen werden durch ihn betro - gen. Der falſche grund düncket ſich ſelbſt gut zu ſeyn / und berühmet ſich offtmahls ſeines thuns und laſſens / ſonderlich ſol - cher dinge / die tugendlich und gut ſchei - nen / und erhebt ſich darinn / als waͤre es eine groſſe tugend / betreugt ſich aber ſelb - ſten / ſchreibet ihm ſelbſten alle tugenden zu / und nicht GOtt. Er liebet keine tugend / und will doch wegen der tugend geehrt ſeyn. Der falſche grund urtheilet andere menſchen / wegen ihrer gebrechen / und auch offt - mahls wegen ihrer guten wercke: das kom - met daher / daß er vermeynet / es ſey niemand beſſer und tugendlicher / denn er / und will nicht bekennen / daß er gleich andern men - ſchen gebrechlich ſey / er will allezeit etwas ſeyn / ob er wol annoch mit dem grund aller boßheit beladen iſt. Der falſche grund ach - tet keine ſünde groß noch ſchwer / er achtet ſie faſt als nichts. Hierinn aber fehlet er ſehr / und iſt ſo ſehr verblendet / daß er nichtweiß363weiß / was ſünde iſt. Ach ſolte er erkennen / daß die ſünde ein abſcheiden von GOtt iſt / es würde ihm woldas hertz zubrechen / ehe er ſündigte.

Dieſem falſchen grund ſind auch gute wercke leicht zu thun / da er weiß / daß er des - wegen ſoll gut geachtet werden; wann er ſie aber lauterlich zu Gottes ehre thun ſoll / daß es nur GOtt und nicht die menſchen erfah - ren / ſo findet er ſich viel zu ſchwach darzu. Daß aber leyder der wille ſo leichtlich von liebe und leyden der vergaͤnglichen creaturen und den zufaͤllen beweget wird / das kommt alles aus einem falſchen und ſich ſelbſt ſu - chenden grunde: wer auch ſeine wercke hoch achtet / und aus einer kleinern tugend ein groß werck machet / der wird verblendet in ſeinem verſtande / daß er vermeynt reich zu ſeyn / da er doch arm / elend und boͤß iſt. Die - ſer grund will gut ſeyn / ob er ſchon viel boͤſes gethan hat / wiewohl man ihm ſolches aͤuſ - ſerlich nicht zeihen kan: dann er hat es entweder gethan / oder hãtte es moͤgen thun / ſo ihn GOtt durch ſeine güte nicht behütet haͤtte. Viel menſchen wollen auch weder mit worten oder wercken jemand be - trüben / dieweil ſie nicht leyden moͤgen / daßQ 2man364man es wieder thue / und ſie gleicher maſſen ſtraffe. Andere vermeynen / daß ſie GOtt ſo ſehr lieben / daß ſie nichts an ihrem naͤch - ſten leyden koͤnnen / das wider GOttes ehre ſey / und ſtraffen mit haͤrtigkeit anderer leu - te gebrechen. Aber ſolten ſie ihre eigene maͤngel recht erkennen / ſie würden eines je - den gebrechen / wie groß ſie auch ſeyen / wohl vergeſſen / und ihrer ſelbſt wahrnehmen / auff daß ſie ihre eigene maͤngel zuvor beſ - ſerten.

Der falſche grund iſt voll falſches behelffs ſeiner ſelbſt / der weder ende noch grund hat. So man ihn ſtraffet / ſo laͤſſet er ſich nicht unterrichten und weiſen / und ſaget: Andere menſchen ſeyn auch gebrechlich / und ich habe es aus guter meynung / aus unwiſ - ſenheit oder ſchwachheit gethan. Dann / ſo dir jemand deinen grund / wie er von rechter demuth und grundloſer vernichti - gung ſein ſelbſt entfrembdet ſey / auff de - cket / da toͤdtet er dich / daß du es ſelbſt nicht weiſt. Jn allem / darinnen ſich dieſer grund liebet / liebet er anders nichts / als den ſchein / auff daß er groß geachtet werde. Er be - ſchuldiget ſich ſelbſt vor den leuten / auff daß eꝛ gelobet und demüthig geachtet weꝛde;beſchul -365beſchuldiget ihn aber ein andrer / ſo kan er es nicht leyden; Er erzeiget ſich freundlich ge - gen den leuten / auff daß man auch dieſen boͤ - ſen grund an ihm nicht erkenne / ſo klaget er / daß man ihn groß unrecht thut / wann man ihm ſein gebrechen halben ſtraſfet. Greifft man ihn ein wenig an / oder widerſtehet ihm / ſo richtet er ſich alſobald mit zorn dagegen / alſo / daß er alles des guten / das er von Gott und den menſchen empfangen / vergiſſet. So er aber dergleichen an andern menſchen ſiehet / das mercket er gar ge - ſchwind / und verurtheilet ihn / da er doch e - ben ſo tieff darinnen ſteckt.

Nun / wie viel man dieſen grund unter - drücket / ſo erſticket er doch nicht gantz in die - ſer zeit; Wie viel auch der menſch von ſich ſelbſt ausgehet / oder ſich laͤſſet / ſo findet er doch wiederumb gnug / darinn er ſich auff ein neues laſſen und ſterben muß; denn der falſche grund ſuchet ſich in allen dingen; weꝛ - den ihm die leiblichen dinge entzogen / ſo haͤlt er ſich an die geiſtlichen / an gute übungen / mit luſt und annehmligkeit; Er beſitzet die tugend mit eigenſchafft / er beruhet auff den gaben Gottes / und nicht lauterlich auff Gott / der ſie giebt.

Q 3Es366

Es geſchiehet auch / ſo der menſch dieſem grund inwendig abſtirbet / und ihm die wercke in groben dingen benommen weꝛden / daß er ſich gar zart und ſubtil vorſtellet / gar wohl daran zu ſeyn vermeynet / als habe er GOTT in allen dingen geliebet / und ſich ſelbſt zu grund verlaͤugnet / da er doch noch nicht einen einigen ſchritt aus ſich ſelbſt gegangen / ob er wohl meynet / daß er GOtt in allen dingen geſucht habe / da er doch nicht einen augenblick rechte liebe ge - habt.

Dieſe und andere mehr unzehliche ge - brechen kommen alle aus einem falſchen grund / welcher durch den ſünden-fall ver - derbet / und mit eigner liebe / eignem willen / eignem gutdüncken und neigung zu ihm ſelbſt behafftet iſt / nur ſeinen eignen nu - tzen und luſt in allen dingen zu ſuchen / auff tauſenderley weiße / an guth und vergaͤng - lichen dingen / an ſpeiß und tranck / an klei - dern und gemach / an kurtzweil / an neuen zei - tungen und geſellſchafft / an troſt und liebe zu den menſchen / auch an inwendiger innig - keit / ſußigkeit / gebeth und troſt an GOtt / an ruhe auff den gaben GOttes / auch an dem himmelreich und an GOtt ſelbſt / undin367in viel andre wege / da es jammer iſt. Und ſo ihm dieſes entzogen wird / ſo ſuchet er einen andern vorwurff / darauff er mit luſt ruhet.

Wer nun dieſen falſchen grund verſtehen und erkennen wil / der ſoll ſich an dieſe hier nachfolgende lehre halten / und ſo dann GOtt will / und ihm zeit düncket / ſo offen - bahret er demſelben dieſen grund ꝛc.

Jtem Medulla Animæ cap. XI. p. 37.

Nun ſind etliche menſchen von ihrer wol - geordinirten complexion / von ſo gütiger / herrlicher / ſtiller natur / daß ſie mit minde - rer gnaden im leyden gelaſſen und gedultig ſeyn; dann die elementen ſind in ihnen wohl geordnet / das blut iſt in ihnen ge - laſſen / die zornigliche krafft iſt ſtille und ru - hig; und hierum moͤgen ſie leichtlich ohne arbeit gegen alle / und mit allen menſchen einen gelaſſenen friedſamen wandel haben. Diß iſt loͤblich und gut. Aber es iſt für GOtt keines groſſen lohns werth / es ſey dann / daß es mit reicher gnade über güldet werde / denn es iſt nur eine weibliche gelaſ - ſenheit. Ein guter menſch ſoll eine mannli - che gelaſſenheit haben / und die iſt hoͤhereꝛ ſee - ligkeit werth / nemlich / wann die mannlicheQ 4redlig -368redligkeit die zornliche krafft in Goͤttlicher gelaſſenheit regieret / und das blut wird auch in wiederwaͤrtigkeit von euſſerlichen dingen mit euſſeꝛlichem feurigen zorn entzündet; das zornliche feuer ſoll das waſſer der gnaden le - ſchen / ſo ſtehet die natur in Goͤttlicher ord - nung / als ſie Gott geordnet hat.

Ferner moͤchten auch aus demſelben hieher einige dinge übergetragen werden / die ich aber den leſer lieber in ihm ſelbſt aufſchla - gen laſſen will: welcher zu ſuchen haben wird in den predigten p. 168. 169. 200. 221. 426. 435. 436. 437. 438. 439. 844. 845. Wieder in der Medulla die Capitel 13. 15. 17. 26. 30. 65. An welchen orten allen ſich einiges findet / theils ins gemein zu dieſer materie / theils abſonderlich zu den kenn - zeichen gewiſſer tugenden gehoͤriges.

Teutſche Theologia.

Aus derſelben mag nachgeleſen werden c. 23. 24. 39. 40. 41. Sonderlich aber iſt ſehr bedencklich das 38. Cap. p. 41. wel - ches hieher übertrage:

NUn iſt zuvor geredet von einem falſchen liecht / da iſt etwas von zuſagen / wases369es ſey / und was ihm zugehoͤre. Siehe / al - les das / was dem wahren licht zuwider iſt / das gehoͤret dem falſchen zu. Dem wahren licht gehoͤret zu / und muß ſeyn / daß es nicht triegen will oder mag / nicht wollen / daß je - mand betrogen werde / und es mag ſelber nicht betrogen werden. Aber das falſche liecht wird und iſt betrogen / und betreuget fürbas andre mit ihm: dann Gott will nie - mand betriegen / und mag nicht wollen / daß jemand betrogen werde; und alſo iſt es auch um das wahre liecht. Nun mercke: das wahre liecht iſt GOTT / oder Goͤtt - lich / das falſche liecht iſt natur / oder natürlich. Nun gehoͤret GOtt zu / daß er weder diß noch das iſt / oder diß oder das will / begehret oder ſuchet in einem ver - goͤtteten menſchen / ſondern gut als gut / und um nichts anders denn um gut. Alſo iſt es auch um das wahre liecht. So ge - hoͤret der creatur und natur zu / daß ſie et - was iſt / diß oder das / und hat auch in ih - rer meynung und geſuch etwas lieb und werth / diß oder das / und nicht lauter - lich gut als gut / ſondern um etwas / diß oder das. Gleich wie nun GOtt und das wahre liecht ohn alle joheit / ſelbheit / undQ 5ohn370ohn allen eigen-geſuch iſt: alſo gehoͤret der natur / und dem natürlichen falſchen licht zu / ich / mir / mich (das iſt / eigner wille / ehre / nutz / und liebe) alſo / daß es ſich und das ſeine mehr ſuch et in allen dingen / dann gut als gut; diß iſt ſeine eigenſchafft und einer jeglichen natur. Nun mercke man: wo dieſes zum erſten betrogen iſt / ſo will oder erwehlet es nicht gut / als gut / und um gut / ſondern es will und erwehlet ſich ſelber und das ſeine / als das beſte / und das iſt falſch und der er - ſte betrug. Auch waͤhnet es / es ſeye das je - nige / das es nicht iſt; denn es waͤhnet es ſey GOtt / und iſt natur / und daher / daß es waͤhnet / daß es GOtt ſey / ſo nimmt es ſich deſſen an / das GOtt zugehoͤ - ret / und zwar nicht deſſen / das GOttes iſt / als GOtt menſch iſt / oder als GOtt in einem vergoͤtteten menſchen iſt / ſondern es nimmt ſich deſſen an / das GOttes iſt / und ihm zugehoͤret / als er GOttiſt / ohne crea - tur / in ewigkeit. Dann / wie man ſpricht / ſo iſt GOtt dürfftloß / und keines dinges bedürfftig / oder bedarff keines dinges / fondern er iſt frey / müßig und ledig über alle dinge / und dergleichen / welches alles wahr iſt. Er iſt unbeweglich / und nimmtſich371ſich nichts an / und iſt ohn gewiſſen / und was er thut / iſt wohl gethan. Siehe / alſo will ich auch ſeyn / ſpricht das falſche liecht. Dann je gleicher GOtt / je beſſer iſt es / und darum will ich GOtt gleich ſeyn / und will auch GOtt ſeyn / und bey GOtt ſitzen / und ihm gleich ſeyn / Eſa. 14. Allerdings wie Lueifer der Teuffel thaͤt. GOtt in der Ewig - keit iſt ohne leyd leyden und betrübniß / und läſſet ihm mit nichten ſchwer oder leyd ſeyn um etwas / was da iſt oder geſchiehet: Aber da GOtt menſch iſt / und in einem vergoͤtte - ten menſchen / da iſt es anders. Kürtzlich: alles was betrogen mag werden / das muß betrogen werden von dieſem falſchen liecht. Dieweil nun alles von dieſem betrogen wird / ſo unter allen creaturen und naturen betrogen werden mag / und alles das nicht Gott oder Goͤttlich iſt / mag betrogen wer - den: Und weil diß liecht dann ſelber natur iſt / ſo iſt es moͤglich / daß es betrogen wer - de: darumb iſt es und wird betrogen von ihm ſelber. Nun moͤchte man ſprechen: wo - her iſt oder kommt denn das / daß von demſelben alles betrogen wird / ſo betrogen werden mag? Siehe / es iſt von ſeiner übri - gen kündigkeit / liſtigkeit oder gutdünckel /Q 6dann372dann es alſo klug und ſubtil / und behende in ihm ſelber iſt / daß es alſo hoch ſteiget und klimmert / daß es waͤhnet / es ſeye über na - tur / und ſey der natur nnd creatur unmoͤg - lich / alſo hoch zu kommen / darum waͤhnet es / es ſey GOtt. und daher nimmt es ſich alles des an / das GOtt zugehoͤrt / und in - ſonderheit als Gott in Ewigkeit / und nicht als er menſch iſt. Und darum ſpricht es / und waͤhnet / es ſeye über alle wercke / worte / weiſe / ordnung / und über das leibliche leben Chriſti / das er in der menſchheit haͤt - te / darum will es ungerührt und unange - fochten ſeyn von allen creaturen und aller creaturen werck / es ſey boͤſe oder gut / es ſey wider Gott oder nicht / das iſt ihm alles gleich / und ſtehet ſein alles ledig / aller maſ - ſe / wie GOtt in der ewigkeit / und des an - dern allen / das Gott zugehoͤret / und nicht creaturen / des nimt es fich allen an / gleich als gehoͤre es ihm zu / und es ſey aller dinge würdig / und es ſey billich und recht / daß ihm alle creaturen dienen und unterthan ſeyn / und alſo bleibt da kein leyd / leyden und betrübnis / um kein ding oder ſache / dann allein ein leiblich und ſinnlich empfin - den / welches müſſe bleiben bis an den leib -lichen373lichen todt / und was davon leidens kommen mag / und ſpricht: Man ſey über Chriſti leiblich leben kommen / und ſey / und ſolte ſeyn unleidentlich und übernatürlich / als Chriſtus war nach der aufferſtehung / und viel andere wunderliche / falſche irrthümer / ſo hieraus folgen und entſtehen. Und weil dis falſche licht natur iſt / ſo gehoͤrt ihm der natur eigenſchafft zu / das iſt / ſich ſelber und das ſeine meynen und ſuchen in allen din - gen / und das jenige / ſo der natur / und ihm ſelber in allen dingen das bequemſte iſt / das gemachſamſte und luſtigſte: Und darum / daß es betrogẽ iſt / ſo waͤhnet es und ſpricht: was ihm das luſtigſte / beſte und bequemſte ſey / das ſey das allerbeſte. Spricht auch: es ſey das aller beſte / daß ein jeglicher ihm ſelber das beſte thue und ſuche / und erweh - le / und anders von keinem guten wiſſe dann von ſeinem / das ihm gut iſt: wie er es mey - net: und wer ihm ſaget von dem einfaͤlti - gen wahren gut / das weder diß noch das iſt / davon weiß es nicht / und iſt ihm ein ſpott; und das iſt wol billig: dann natur als na - tur mag hie nicht zukommen: weil aber diß liecht bloß natur iſt / ſo mag es auch hiezu nicht kom̃en. Auch ſpricht diß falſche liecht:Q 7Es374Es ſey über gewiſſen und conſcienz kom - men / und was es thut / das ſey alles wohl gethan. Ja es ward geſprochen von einem falſchen freyen geiſt / der in dieſer irrung waꝛ - gleich wenn er zehen menſchen toͤdtete / ſo waͤre es ihm ſo ein klein gewiſſen / als ob er einen hund haͤtte getoͤdtet. Küꝛtzlich / diß fal - ſche betrogene liecht fleucht alles / was der natur zuwider und zu ſchwer iſt / und das ge - hoͤret ihm zu / weil es natur iſt. Und weil es dann alſo gar betrogen iſt / daß es meynet / es ſey GOtt / darumb ſchwüre es über alle heiligen / es erkenne das beſte / und ſeine meynung und geſuch ſtehe auff dem aller - beſten / und darumb mag es nimmer bekeh - ret oder zu recht gewieſen werden / als der Teuffel. Auch ſoll man mercken / in dem das liecht meynet es ſey GOtt / und ſich deſ - ſen annimmt / ſo iſt es Lucifer der Teuffel. Aber in dem als es Chriſtus leben verwirfft / und anders mehr / das dem wahren gut zu - gehoͤrig / das Chriſtus gelehret und gelebet hat / ſo iſt es ein Antichriſt: Urſache / es lehret und lebet wider Chriſtum. Und wie das liecht betrogen iſt von ſeiner kündigkeit und klugheit / alſo wird von ihm alles betrogen / das nicht GOtt oder Goͤttlich iſt / das iſt /alle375alle menſchen / die das wahre liecht und ſeine liebe nicht erleuchtet hat: Dann wo und welche die ſind / die das wahre liecht erleuch - tet hat / die werden nimmer mehr betrogen. Aber wer das nicht hat / und ſoll und will mit dieſem falſchen liecht wandeln / und denſelben beywohnen / der wird betrogen: das komt daher: denn alle menſchen / in denen / das wahre liecht nicht iſt / die ſind auf ſich ſelber gekehret / und halten ſich ſel - ber / und was ihnen nütz / gut und bequem iſt / für das beſte. Und wer ihnen dann daſſelbe für das beſte fürgiebt / fürhaͤlt / und ihnen da - zu hilfft / und lehret ſie es überkommen / dem folgen ſie und halten ihn für den beſten leh - rer. Nun lehret das falſche liecht alles daſ - ſelbe / das dazu gehoͤret: Darum folgen ihm alle die nach / ſo das wahre liecht nicht wiſ - ſen. Alſo werden ſie mit einander betrogen. Man ſagt von Antichriſt / wenn er koͤmmt / ſo wird ihm nach folgen / der Gottes zeichen nicht hat / aber wer es hat / der folget ihm nicht nach / das iſt eben daſſelbe liecht. Es iſt wohl wahr / wer ſein beſtes / wel - ches auch Gottes beſtes iſt / überkemmen mag oder kan / das iſt das beſte: Aber das geſchiehet nicht / dieweil der menſchſein376ſein beſtes ſuchet und meynet. Denn ſoll er ſein beſtes finden und überkommen / ſo muß er ſein beſtes verlieren / als vor geſagt iſt. Und will der menſch ſein beſtes laſſen und verlieren / auff daß er ſein beſtes finde / ſo iſt es aber falſch. Und darum moͤgen wenig menſchen auff dieſen weg kommen. Diß falſche liecht ſpricht: Man ſoll ohn gewiſſen ſeyn / und es ſey eine thorheit / und eine grobheit / daß man damit umgehet / und will das bewaͤhren mit Chriſto / dann der war ohn gewiſſen. Darauff antwortet man: der Teuffel hat auch kein gewiſſen / und iſt darum deſto beſſer nicht. Nun mer - cke / was das gewiſſen ſey. Es iſt / daß man erkennet / daß der menſch iſt abgekehret oder abgewandt worden mit ſeinem willen von GOtt / das man ſü[n]de heiſt / und daß diß des menſchen ſchuld iſt / und nicht Gottes / denn GOTT iſt unſchuldig an der ſünde. Wer iſt nun / der ſich unſchuldig weiß? Allein Chriſtus / und keiner mehr. Siehe / wer nun ohne gewiſſen iſt / der iſt entweder Chriſtus oder Teuffel. Kürtzlich wo das wahre licht iſt / das iſt auch ein wahres rech - tes leben / das GOtt werth und lieb iſt. Und ob ſchon nicht Chriſtus leben in vollkom -menheit377menheit iſt / ſo iſt es doch darnach gebildet und gerichtet / und Chriſtus leben wird lieb gehabt / und alles das geſetzen / ordnungen und allen tugenden zugehoͤret / und da iſt / und wird verlohren alle ſelbheit / und ich und mein / das iſt eigne liebe / ehre und eig - ner wille / und deßgleichen / da wird nichts gemeint oder geſucht / dann gut um gut / und als gut / aber da das falſche licht iſt / da wird man des lebens Chriſti unachtſam / und al - ler tugend / war der natur bequem und lu - ſtig iſt / das wird geſuchet und gemeynet. Daher koͤmt denn falſche ungeordnete frey - heit / daß man unachtſam und ruchloß wird / diß und deß / denn das wahre liecht iſt ein ſaame Gottes / darum bringet es Gottes früchte / und das falſche liecht iſt des Teuffels ſaame / wo derſelbe geſaͤet wird / da wachſen des teuffels früchte / und der teuffel ſelber. Das mag man mercken und verſtehen in dieſen vorgeſchriebenen worten und unterſcheid.

Aus dem 40. Cap. mercken wir noch folgende wort p. 48.

Uber das iſt eine liebe / die iſt gantz falſch / das iſt / ſo man etwas liebet um lohn / als / ſoman378man gerechtigkeit lieb hat / nicht um gerech - tigkeit / ſondern das man etwas damit über - komme / und dergleichen / und wenn eine cre - atur die ander lieb hat / um etwas des ihren: Oder ſo die creatur Gott um etwas lieb haͤt - te / ſo iſt es alles falſch / und dieſe liebe gehoͤ - ret eigentlich der natur zu: Und natur / als natur / vermag oder weiß keine ander liebe / dann dieſe: dann wer es kan mercken / ſo hat natur als natur / nichts lieb / denn ſich ſelber. Siehe / in dieſer weiſe wird etwas erkant für gut / und nicht geliebet. Aber wahre liebe wird gelehret und geliebet / von den wahren licht und erkaͤntniß / und das wahre / ewige / Goͤttliche licht lehret die liebe ſonſt nichts lieb haben / denn das wahre / einfaͤltige voll - kommene gut / und um keiner andern urſach willen / denn das es gut iſt. Und nicht dar - um / daß man etwas zu lohn haben wolle / oder nichts von ihm empfahen / ſondern dem guten zu liebe / und darum / das es gut iſt / und das es rechts-wegen geliebet werden ſolle. Und was alſo von dem wahren licht erkant wird / das muß auch geliebet werden / von der wahren liebe. Nun mag das voll - kommene gut / das man GOtt nennet / nicht erkant werden / dann von dem wahren licht /darum379darum muß es auch geliebet werden / wo es erkant wird / oder erkant iſt.

Thomas von Kempis.

Aus dieſem dient hieher Lib. 1. cap. 3. 9. 16. L. 2. c. 2. 3. L. 3. c. 7. 12. Vornehmlich aber handelt hiervon das gantze 59. Ca - pitel: von unterſcheid und mancherley wirckungen der menſchlichen natur und der gnade Gottes welches alſo lautet:

SOhn / du muſt der natur und gnade be - wegung fleiſſig wahrnehmen / dann ſie ſich gar wiederwaͤrtig und ſubtiler weiſe bewegen / und gar kaum / es ſey denn von ei - nem geiſtlichen / innerlichen und erleuchten menſchen / unterſchieden werden. Alle men - ſchen begehren das gute und wenden auch etwas gutes für in ihren und worten wer - cken / derhalben unter der geſtalt des guten ihrer viele betrogen werden. Natur iſt liſtig und geſchwind / zeucht viel menſchen / ver - ſtrickt und betreugt ſie / und haͤlt ſich ſelbſt al - lezeit für das ende / dahin ſie alle dinge rich - tet. Gnade aber wandelt einfaͤltig / hütet ſich für aller boͤſen geſtalt / hat keinen betrug für ihr / ſondern alle dinge handelt ſie lauter um Gottes willen / in dem ſie auch zuletzt ruhet. Natur380Natur will ungern ſterben / will nicht ge - truckt / nicht überwunden / nicht unterthan ſeyn noch williglich unterworffen / und ge - zaͤmet werden. Gnade aber befleiſſiget ſich der eigenen abſterbung / wieder ſtehet der ſin - nigkeit / ſie ſuchet / daß ſie unterworffen / ſie begehret / daß ſie überwunden werde / wil ih - re eigene freyheit nicht gebrauchen / iſt ihr lieb / daß ſie unter der ruthe und zucht behal - ten werde / ſie begehret über niemandes zu herrſchen / ſondern allezeit unter Gott zu ſte - hen und zu bleiben / und iſt bereit allezeit um Gottes willen ſich aller creatur demütiglich zu unterwerffen. Natur ſchaffet ihren eig - nen nutz / und mercket wo ihr nutz aus einem jeglichen dinge komme. Gnade aber nimmet nicht wahr / was ihr nutz und gelegen / ſon - dern ſie mercket vielmehr / was vielen foͤrder - lich / nutz und dienlich ſey / natur hat gern ehr und würdigkeit / gnade aber leget getreulich alle ehr und würdigkeit zu GOtt. Natur fürchtet ſchande und ſchmach / gnade aber freuet ſich um den nahmen Chriſti ſchmach zu leiden. Natur hat leibliche ruhe und mißiggang lieb / gnade aber mag nicht müſ - ſig ſeyn / ſondern freuet ſich der arbeit. Na - tur ſuchet hubſche und fürwitzige dinge zuhaben /381haben / und ſcheuet was grob und ſchlecht iſt. Gnade aber hat luſt an einfaͤltigen und de - müthigen dingen / an ſcharffen und harten dingen grauſet ihr nicht / und fleucht nicht / daß ſie mit alten und ſchlechten kleidern an - gethan werde. Natur ſiehet an zeitliche dinge / freuet ſich des irrdiſchen und zeitli - chen gewinſt und ſchadens; und gar um eines ſchlechten wiederwaͤrtigen worts wil - len / wird ſie erzürnet. Gnade aber mercket ewige dinge / und hanget nicht an den zeit - lichen / in verluſt zeitlichen guts wird ſie nicht betrübet / noch in harten worten ver - bittert / dañ ſie ihren ſchatz und friede in dem Himmel / da nichts verdirbt / geſetzet hat. Natur iſt geitzig / und nimt lieber / denn daß ſie giebet / und hat lieb beſonders und eige - nes. Gnade aber iſt mild und gemein / flie - het und meidet alles eigene / laͤſſet ſich an ei - nen kleinen begnügen / und erkennet / daß ge - ben ſeliger iſt denn nehmen. Natur neiget ſich zu den creaturen / zu ihrem eigen fleiſch / zu üppigkeit und umlauffen. Gnade aber zeucht zu GOtt / und zu den tugenden / der creaturen entzeucht ſie ſich / die welt fleucht ſie / des leibes-begierden haſſet ſie / des um - lauffens maſſet ſie ſich / und vor vielen zu er -ſchei -382ſcheinen ſchaͤmet ſie ſich. Natur hat gern aͤuſſern troſt / in dem ſie ihren ſinn ergetze und erluſtige. Gnade aber ſuchet allein in Gott getroͤſtet / und über alle unſichtbare dinge im hoͤchſten gut beluſtiget zu werden. Na - tur wircket gantz und gar um eignen nutzes und gewinnes willen / ſie mag nichts verge - bens thun / ſondern ſie hoſſet entweder des - gleichen / oder ein beſſers lob oder gunſt um ihre dienſte zu erlangen / und hat luſt ihr thun und gaben ſehr hoch zu ſchaͤtzen. Gnade aber ſuchet nichts zeitliches / und heiſchet kei - nen andern lohn denn GOtt allein / und be - gehret zeitlicher nothdurfft nicht weiter / dañ als ferne ſie ihr / ewige dinge und güter zu erlangen dienen moͤge. Natur freuet ſich vieler freunde / und geſellen / ſie rühmet ſich ihrer edlen ſtadt und wohnung / und von geburt des geſchlechts erhebet ſie ſich / ſie au - gendienet den gewaltigen / ſie liebkoſet den reichen / und ſchmeichelt denen / die ihr gleich ſind. Gnade aber hat auch die feinde lieb / ſie überhebet ſich nicht der viele ihrer freun - de / ſchaͤtzet für nichts die ſtät und den anfang ihres geſchlechts / es ſey dann / daß ſie gute wercke davor wiſſe / die rühmet ſie / iſt den armen ſo günſtig als den reichen / hat mehrmit -383mitleiden mit einem unſchuldigen / denn mit einem gewaltigen / freuet ſich mit dem war - hafftigen und nicht mit den lügenhafftigen. Sie ermahnet allezeit die frommen men - ſchen / daß ſie des H. Geiſtes ſalbung und die beſſern gaben ſtets lieb haben / und den Sohn Gottes durch die tugend gleich wer - den. Natur klaget leicht über abgang und beſchwerung / gnade aber traͤget armuth be - ſtändiglich. Natur kehret alle dinge zu ihr / ſtreitet für ſich ſelbſten / und ſtraffet jeder - man. Gnade aber wendet alle dinge zu GOtt / von dem ſie urſprünglich herflieſſen. Jhr ſelbſt leget ſie nichts gutes zu / ſie ver - miſſet ſich nichts mit ſtoltzer weiſe / ſie zancket nicht / will nicht / daß ihr ſinn über die andern ſey / ſondern in allem ſinn und verſtand wil ſie ſich der ewigen weißheit / und der Goͤttli - chen prob und erfahrung unterworffen ha - ben. Natur weiß gern heimliche dinge / hoͤ - ret gern neue mehr / will auswendig geſehen werden / viel durch die ſinne erfahren / und wovon lob und verwunderung kaͤme / das begehret ſie zu koͤnnen und zu thun. Gnade aber kümmert ſich nicht neue und fürwitzige dinge zu wiſſen / dann das alles von alter zer - ſtoͤrung der ſünden herkom̃et / dieweil nichtsneues384neues noch bleibliches auff Erden iſt / darum lernet ſie die ſinne zämen / üppiges wolge - fallen / und praͤchtiges erzeigen vermeiden / loͤbliche und ehrwürdige dinge demüthig - lich verbergen / nützliche frucht / lob und ehre Gottes ſuchen / ſich ſelbſt / oder was ihr iſt / will ſie nicht ausſchreyen oder loben laſſen / ſondern ſie begehret / daß GOtt / der alle dinge aus lauter liebe mittheilet / in ſeinen gaben gelobet und gepreiſet werde. Dieſe gnade iſt ein übernatürlich licht / eine ſonder - bare gabe GOttes / und ein beſonders zei - chen der auserwehlten / ein pfand des ewi - gen heils / welches den menſchen von irrdi - ſchen / zu holdſeligen himmliſchen gütern er - hebet / und aus einem fleiſchlichen / einen geiſtlichen menſchen machet. Jemehr nun die natur niedergetruckt und überwunden / je groͤſſere gnade eingegoſſen / und der innere menſch mit neuer heimſuchung nach dem Bildnis GOttes taͤglich herwieder gebracht und gebeſſert wird.

Ord -

Ordnung der Materien.

  • 1. WAs natur und gnade in dieſer mate - rie genennet werde? p. 1.
  • 2. Fernere erleuterung der frage / daß auch in den gnaden-wercken die natur das ihrige dabey habep. 3
  • 3. Es iſt nicht gantz einerley / ob von des menſchen gnaden-ſtand insgemein oder von einiges wercks urſprung geredet werdep. 9
  • 4. Hie von dem zweiten eigenlich gehan - delt / daran gleichwol auch vieles des er - ſten hangetp. 12
  • 5. Die kennzeichen ſind allgemeine und ab - ſonderlichep. 13
  • 6. I. Die allgemeine. 1. Daß die gnaden - wercke allezeit den Goͤttlichen gebot ge - maͤß ſeyn müſſen. p. 13
  • 7. Jedoch kan einige unwiſſenheit dabey unterlauffen. p. 15
  • 8. Daher ſind nicht alle wercke der irrglau - bigen bloß dahin zu werffen. Wie es zu verſtehen Rom. 14 / 23. daß alles ſün -Rde /Ordnungde / was nit aus dem glauben gehet? p. 18
  • 9. Prüffung ſeiner wercke nach Goͤttlichem wort noͤthig. Was zu thun / wo einige ſcrupel dabey übrig? p. 22
  • 10. 2. Daß nicht ſo wol der menſch / ſondern der H. Geiſt des wercks meiſter / wann die abſicht redlich zu GOttes ehren ge - meynet iſt. p. 24
  • 11. 3. Wo wir ohne vielen vorbedacht einen ſtarcken trieb darzu bekommen. p. 27
  • 12. 4. Oder wo wir die ſache ſorgfaͤltig vor GOttes angeſicht erwogen. p. 29
  • 13. 5. Wo wir in vertrauen Goͤttlichen bey - ſtandes das jenige unter nehmen / welches uns ſonſten unmoͤglich vorgekom̃en. p. 32
  • 14. 6. Wo wir nach eine weil gefühlter ſündlicher traͤgheit die ſache mit einem trieb anheben. p. 32
  • 15. 7. Von dem innerlichen kampff des flei - ſches und geiſtes. Erwehlung deſſen / was der eigenen zuneigung entgegen. Sorg - faͤltige forcht. p. 33
  • 16. 8. Was uns naͤher zu Gott führet / oder in die eitelkeit verwickelt. Wercke des be - ruffs und der liebe: ob und wie ſie von GOtt abziehen / und zu unterlaſſen oder nicht? p. 36
17. 9. Zeug -der materien.
  • 17. 9. Zeugniſſen Goͤttlicher führung und regierung. Unvermuthete begegniſſen und einfaͤlle. p. 41.
  • 18. 10. Zu gleicher zeit in andern ſtücken bey ſich fühlende Goͤttliche wirckungenp. 44
  • 19. 11. Die abſonderliche kennzeichen I. Der glaube. 1. Was geſchicht allein aus an - ſehen der Goͤttlichen gegen uns in Chri - ſto tragenden liebe und gnade / und mit eꝛ - greiffung des verdienſts Chriſti in ſol - chem werck / mit dem trieb zur danckbar - keit. p. 45
  • 20. 2. Was geſchicht mit erkaͤntniß unſers eignen unvermoͤgens und vertrauen auff GOttes hülffe und krafft in ſchweren und uns ſonſten unmoͤglichen dingenp. 52
  • 21. 3. Wo wir das verlangte nicht ausge - richtet / und doch mit Goͤttlichem weiſen rath und regierung zu frieden ſind. p. 57
  • 22. 4. Wo wir in dem werck allein Gott zu gefallen getrachtet. p. 60
  • 23. II. Die liebe gegen Gott. Dero zeug - niſſen ſind 1. Wo wir eine ſache warhaff - tig um GOttes und ſeines befehls willen gethan. Die liebe GOTtes / als des hoͤchſten guts / und auch als unſers wolthaͤters. Ausſchlieſſung des menſch -R 2lichenOrdnunglichen wolgefallens. p. 62
  • 24. 2. Die ſuchung Goͤttlicher ehr in un - ſerm werck / und freude über dieſelbe. p. 67
  • 25. 3. Der gehorſam in den dingen / davon wir nicht nutzen / ſondern eher ſchaden ha - ben. p. 68
  • 26. 4. Ausſchlieſſung der abſicht auch auff unſern geiſtlichen nutzen. Wie fern ſolche noͤthig? Der hoͤhere grad der liebe in der - ſelben. Der hoͤchſte in begebung ſeines ei - genen heyls. Rom. 9 / 3. p. 70
  • 27. 5. Unterlaſſung des vorhabens in zweif - felhafften faͤllen / aus ſorge Gott zu belei - digen. p. 77
  • 28. 6. Freude an Gott / goͤttlichen dingen und wort. p. 79
  • 29. 7. Freude an befoͤrderung Goͤttlicher ehre / ohne daher hoffenden oder erwar - tenden nutzen. p. 82
  • 30. 8. Betrübniß und eiffer über die beleidi - gung GOttes / und welche ſolche bege - hen? p. 85
  • 31. Unterſcheid des Goͤttlichen und fleiſchli - chen eiffers 1. Jene iſt unpartheyiſch und gehet gegẽ alle / die Gott zuwideꝛ ſind. p. 89
  • 32. 2. Auch gegen alle ſünden ohne unter - ſcheid. p. 92
33. 3. Jſtder materien.
  • 33. 3. Jſt mit liebe gegen die jenige / die ge - ſündiget / vermiſchet. p. 94
  • 34. Nothwendigkeit der ſorgfaͤltigen un - terſcheidung. p. 98
  • 35. 9. Goͤttliche betrübniß über die ſünde. Unterſchiedliche Goͤttliche regierung ü - ber die ſeinige in ſolcher ſache. p. 99
  • 36. 10. Willige annehmung der Goͤttlichen züchtigungen aus erkaͤntniß der ſünden und der uns züchtigenden vaͤterlichen hand. p. 103
  • 37. 11. Froͤliche oder doch gedultige ertra - gung der leyden um Chriſti willen. p. 106
  • 38. 12. Begierde der vereinigung mit Gott / und liebe Goͤttlichen worts / der Sacra - menten und gebots. p. 109
  • 39. 13. Verlangen nach ſtaͤts genauer verei - nigung mit Gott im glauben und gehor - ſam. p. 113
  • 40. 14. Verlangen nach ſeligem abſchied. Unterſcheid des fleiſchlichen und gottſeli - gen verlangens. p. 115
  • 41. III. Die liebe des naͤchſten. Dieſe iſt ein gewiſſes kennzeichen Goͤttlicher gna - den-wirckung und einwohnung. p. 121
  • 42. Es iſt aber nicht alle liebe des naͤchſtenR 3Goͤttlich /OrdnungGoͤttlich / und dieſe von der natürlichen wol zu unterſcheiden. p. 124
  • 43. Dero kennzeichen. 1. Die innerliche zu - neigung gegen die menſchen / als Gottes geſchoͤpffe / und die der HErr liebet / dar - aus alles äuſſerliche komme. p. 126
  • 44. 2. Daß ſie allgemein ſeye / und auf alle menſchen ohne unterſcheid gehe. p. 128
  • 45. 3. Sonderlich auch gegen die boͤſe und feinde: wie die feindes-liebe bewand ſeyn müſſe. p. 130
  • 46. Muß ſich thaͤtlich erweiſen in leiblichen und geiſtlichen wolthaten / dahin gehoͤren exempel / beſtraffung / gebet. 137
  • 47. Die liebe 4. muß in der that geübet wer - den. Was bey den liebes-thaten zu ver - hüten / nicht eigene ehre / nutzen und vor - theil davon zu ſuchen. 142
  • 48. 5. Wie die Goͤttliche wirckung zu er - kennen / wo wir gleichwol aus unſern wolthaten etwas genieſſen. 145
  • 49. 6. Wolthaten an denen die davon nicht wiſſen / oder dieſelbe nicht verlangen / noch davor dancken werden. 147
  • 50. 7. Von des nechſten undanck ſich nicht abſchrecken laſſen. 149
  • 51. 8. Dem nechſten ſein gutes allezeit goͤn -nen /der materien. nen / und ſich deſſen freuen. p. 150
  • 52. Eigenſchafften der liebe aus 1. Cor. 13. ausgeführet. 151
  • 53. Auch aus 1. Tim. 1 / 5. 157
  • 54. Die liebe ſucht auch das geiſtliche gute des nechſten: welches die pflicht in allen ſtaͤnden. 158
  • 55. Beſtraffung des nechſten der ſündiget / und gehoͤrige klugheit dabey. 162
  • 56. Freude und betrübnis über den nech - ſten / gut exempel / gebet vor denſelben / bey aller gelegenheit. 167
  • 57. Liebe und ſanfftmuth nicht nur um der ruhe des gemüths willen. 171
  • 58. Abſonderlich die Bruder-liebe gegen alle ohn unterſcheid. 172
  • 59. Ohne eigen geſuch. Wie ſie der liebe der fleiſchlich anverwandten vorzuziehen. p. 174
  • 60. Kommet von innen heraus / ſo wol als die natürliche bluts-liebe. 177
  • 61. Wie die bruder-liebe ein zeugnis der gnaden-wirckung. Der welt haß gegen die glaͤubige. 179
  • 62. IV. Die demuth. 1. in erkaͤntnis un - ſers unvermoͤgens in allem was wir ver -R 4richten /Ordnungrichten / vor / in und nach dem werck. 182
  • 63. Noͤtige heimgebung alles ruhms an GOtt dem HErrn / und abwendung al - les deſſen was uns andre zuſchreiben. Chriſti art und des Satans art. p. 186
  • 64. Widerſtand gegen die anfechtungen der ehrſucht über das verrichtete gute. p. 192
  • 65. Jn 2. nicht ſuchung der eigen ehr / ver - richtung der dinge / daraus wir keine ehr erlangen / oder ſolche doch nicht anneh - men. Wie das gute ſo wir thun zu ver - bergen oder oͤffentlich zu thun. p. 194
  • 66. 3. Andern ihre ehre vor uns hertzlich zu goͤnnen. p. 199
  • 67. 4. Bekaͤntnis der eigen fehler / und wil - lige und gehorſame auffnahm an derer beſtraffung. p. 201
  • 68. 5. Bekaͤntnis derer / von denen wir ge - lernet. p. 206
  • 69. 6. Wie ſich die demuth in euſſerlichen dingen / kleidung u. ſ. f. weiſe: wie auff beyden ſeiten zu weit gegangen werden moͤge. p. 207
  • 70. Erinnerung aus was urſachen und in was faͤllen etwas praͤchtig-ſcheinendes gebraucht werden moͤge ohne verletzungderder materien. der demuth. p. 213
  • 71. V. Die gedult. 1. GOttes willen gern zu thun / ob wir auch darüber leiden müſ - ſen / deſſen man ſonſten koͤnte überhaben ſeyn. Natürliche gedult. p. 221
  • 72. 2. Freude über das leiden. Drey un - terſchiedliche gnade der gedult. p. 288
  • 73. 3. Gedult in dem gemeinen menſchli - chen leiden. p. 223
  • 74. Zufriedenheit mit Goͤttlichen willen in dem leiden. Wie man die mittel gegen das leiden gebrauchen moͤge? p. 239
  • 75. Beſtaͤndigkeit in der gedult. W[iede]r - auffrichtung derer die ſich von einiger ungedult überwinden haben laſſen. 242
  • 76. VI. Verlaͤugnung des eignen wil - lens. 1. in verrichtung einer ſachen / dazu wir ſelbs keinen luſt haben / oder die dem alten Adam ſonderlich zu wider. p. 245
  • 77. 2. Ubergebung des entſchluſſes / in zweiffelhafftigen dingen / in anderer un - partheyiſchen ausſpruch. p. 247
  • 77. 3. Ablegung des angewehnten. p. 251
  • 79. 4. Willigkeit unſre pflicht ſo wol an we - nigen als vielen zu thun. p. 252
  • 80. 5. Bereitwilligkeit allemal wiederumglei -Ordnunggleiches zu thun. p. 254
  • 81. 6. Willigkeit anderer urtheil über das jenige anzunehmen / was wir thun oder gethan haben. Was eigenlich eigenſinn ſeye. 255
  • 82. VII. Freude. Wie ſie eine wirckung der gnade. 259
  • 83. VIII. Gebet. Welches von der gnade gewircket / zu erkennen. 261
  • 84. Beten nach Gottes willen. Zufrieden - heit / wo uns GOtt das gebetene verſa - get. 264
  • 85. Gebet um das jenige / wovon wir nicht eben nutzen haben. 267
  • 86. IX. Vergnügſamkeit in dem gebrauch der creaturen und verhütung des über - fluſſes. Aus was betrachtungen? 269
  • 87. Vorſichtigkeit in der prüfung und dero ſchwerigkeit. 277
  • 88. Wider die ſicherheit acht zu geben. Kein gnaden-wirckung iſt bey denen / welche in herrſchender ſünde ſtehen. 279
  • 89. Mehrere kennzeichen in der prüfung zu - ſammen zu nehmen. 282
  • 90. Wo die kennzeichen zweifelhafftig ſind; wie die ſache anzuſehen? 281
  • 91. Zu verhüten / daß die ſchwache in derprü -der materien. prüfung nicht niedergeſchlagen werden. Urſachen ſolcher ſchwachheit und anfech - tungen. p. 283
  • 92. 1. Nicht eben alle kennzeichen doͤrffen allemal beyſammen ſeyn. 285
  • 93. 2. Von dem mangel des gefühls laͤſt ſich nicht auff den mangel der ſachen ſchlieſſen. 286
  • 94. 3. Woran der mangel der empfindlig - keit wieder zu erſetzen. 289
  • 95. Erinnerung wegen derer / die immer zu - rück zu gehen meinen / weil ſie in der prü - fung immer mehr gebrechen finden. 290
  • 96. Noͤtige vorſichtigkeit derer / die mit an - gefochtenen umgehen. 293
  • 97. Wie man ſich wegen verrichteten und befundenen gutes vor GOtt und men - ſchen nicht zu erheben. 296
  • 98. Anruffung GOttes um ſein licht in der prüfung noͤtig. 297
  • Erinnerung wegen eines zeugniſſes der de - muth. 300
  • Erſter anhang / prüffung der beyden obern ſtaͤnde: des Obrigkeitlichen. 304
  • Bemerckung von den Churfl. Saͤchſ. ver - ordnung / wie die Theologi zur Schrifft angeführet werden ſollen. 351
  • Andere anhang / etliche ſtellen aus Tau - lero. 356
  • Der teutſchen Theologi. 365
  • Dem Thoma â Kempis. 379
ENDE.
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About this transcription

TextNatur und Gnade
Author Philipp Jakob Spener
Extent464 images; 79486 tokens; 8968 types; 535428 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationNatur und Gnade Oder der Unterscheid der Wercke Philipp Jakob Spener. . [30] Bl., 384 S., [6] Bl. ZunnerFrankfurt (Main)1687.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Berlin SBB-PK, Cy 3310

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Erbauungsliteratur; Gebrauchsliteratur; Erbauungsliteratur; core; ready; china

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Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:34:55Z
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ShelfmarkBerlin SBB-PK, Cy 3310
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