PRIMS Full-text transcription (HTML)
Europaͤiſches Hoff-Ceremoniel,
Worinnen Nachricht gegeben wird, Was fuͤr eine Beſchaffenheit es habe mit der Prærogativ, und dem daraus flieſſenden Ceremoniel, Welches Zwiſchen Kaͤyſer und Koͤnigl. Majeſtaͤ - ten, Churfuͤrſten, Cardinaͤlen und freyen Republiquen, dero Geſandten und Abgeſand - ten beobachtet wird,
Nebſt beygefuͤgtem Unterricht Was ein Legatus à Latere, Nuncius Apo - ſtolicus, Ambaſſadeur, Envoyé, Plenipotentiarius, Reſident, Conſul, Agent, Secretarius, Commiſſarius, Deputatus, ſo wohl ſeiner Wuͤrde als ſeinem Amte nach ſey, und wie es mit derſelben Character, Creditiv, Inſtru - ction, Paſſeport, Quartier, Inviolabilitaͤt, Immunitaͤt, Reception, Magnificentz, Titulatur &c. beſchaffen, Auch was es wegen des Ceremoniels, auf Frieden-Schluͤſſen und bey Hoͤfen, fuͤr Mißhelligkeiten gegeben, Alles aus dem Grunde der Hiſtorie, auch theils aus eigener Experientz gezogen, und zuſammen getragen
Nebſt vollſtaͤndigem Regiſter.
Leipzig1715. beyJoh. Friedr. Gleditſch und Sohn.
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Vorbericht An den Hochgeneigteſten Leſer.

§. 1.

WEñ man ſich bey Publicirung dieſes Werckes, nach der Mei - nung oder Maxime einiger Ge - lehꝛten haͤtte richten wollen, die da ſagen: Daß kein ander Buch geſchrieben werden ſolle, als bloß das jenige welches der Welt abſolut unentbehrlich; So haͤtte nicht nur dieſe gegenwaͤrtige Arbeit im Winckel verborgen liegen: ſondern auch viel tau - ſend Buͤcher, mit welchen die Bibliothequen und Buchladen angefuͤllet, ungeſchrieben bleiben muͤſ - ſen. Weil aber biß dato noch niemand geſaget, oder auch ſagen koͤnnen, welches die unentbehrli - chen: ob man gleich etwan zu ſtatuiren gewuſt, welches die unnoͤthigen Buͤcher ſind; ſo laͤſſet man es darauf ankommen, zu welcher Gattung man dieſes gegenwaͤrtige rechnen werde. Solches aber wird ſich nicht nur etwan aus deſſelben gu - ten Abgange, (denn dieſer iſt ein bloſſes Acciden - tel-Weſen eines Buches; maſſen die Herren) (2Ver -Vorbericht. Verleger der allerſchlimſten Schrifften, ſolche oͤff - ters mit dem groͤſeſten Debit u. Profit, fuͤr andern guten Buͤcheꝛn loß werden) ſondeꝛn daraus zeigen: Weñ vernuͤnfftige und der Materie kundige Leute, das gute Abſehen, welches man gehabt, erreichen, und ihr unpartheyiſches Judicium daruͤber faͤllen werden. Meines Ortes hoffe, und zwar ohne alle Vanitaͤt, daß gegenwaͤrtiger Tractat, ob - gleich nicht allen unentbehrlich, dennoch vielen zu leſen, und deſſen Jnhalt zu wiſſen nuͤtzlich: auch zu - gleich anmuthig ſeyn werde; in welchem Abſehen er auch in gegenwaͤrtige Forme gebracht worden. Damit ich aber meine Hoffnung, bevor ſelbige noch erfuͤllet werde, erweißlich mache: wird noͤthig ſeyn, dreyerley zu avanciren.

  • 1. Was zu Verfertigung dieſes Hof - Ceremoniels Anlaß gegeben, und in was fuͤr einem Abſehen es geſchrie - ben worden.
  • 2. Wem dieſes Buch nuͤtzlich ſeyn koͤnne.
  • 3. Warumb man ſich der darinnen be - findlichen Methode und Schreib-Art bedienet.

§. 2.

Den erſteren Punct anlangende, ſo iſt ohne Zweifel allen denjenigen, welche Profeſſion von der Hiſtoria, oder ſich derer Leſung nur zu Nutze machen wollen, mehr als zu bekandt: daß das ſo genente Ceremoniel, eines der ſublimeſtenThei -Vorbericht. Theile der Hiſtorie; Die Politici, ſonderlich aber practici, wiſſen zugleich auch, daß die Præroga - tiva oder der Vorzug, welchen die irrdiſchen Goͤt - ter auf Erden, einer fuͤr dem andern zu haben præ - tendiren, in der Politica, nebſt dem Jure Maje - ſtatis, das vornehmſte und wichtigſte Capitul aus - mache: ja ein inſeparabile Annexum und Effe - ctus der Majeſtaͤt ſey: deſſen ſich dieſe Vice-Dei niemahlen zu begeben pflegen; unerachtet ſie an - dere ihnen zuſtehende Jura Majeſtatica, oder ſo genennte Regalia, ihren Staͤnden und Untertha - nen, vielmahl mittheilen, oder auch mit ſelbigen gemeinſchafftlich beſitzen; welches letztere man in den Formis Rerum-Publicarum, und Modis Imperandi der Europaͤiſchen Wahl - und Erb - Reiche, zur Genuͤge findet. Je hoͤher nun aber dieſe Scientz, und je gemeiner derer taͤgliche Pra - xis in und auſſer den Hoͤfen; je noͤthiger, aber auch zugleich beſchwerlicher iſt es, ſelbige auf einen fe - ſten Grund zu ſetzen, und in die Formam eines Syſtematis zu bꝛingen. Denn es erheiſchet gar viel Muͤhe und Arbeit, die das Ceremoniel concerni - rende Facta und Exempel, welche man in der Hi - ſtorie da und dort zerſtreuet, vielmahl auch nach Pasſion der Scribenten mit contrairen Bericht und Umbſtaͤnden aufgezeichnet findet, zuſammen zu bringen: an gehoͤrigen Ort zu placiren: aus ei - nem oder auch vielen Actibus Poſſeſſionis, Præ - judiciis, allegirien Argumentis ſive veris ſive) (3vero -Vorbericht. vero-ſimilibus, Lehr-Saͤtze zu machen; an wel - che man ſich als an eine Regul beſtaͤndig halten, und ſich eine Ideam von der Prærogativa und dem Ceremoniel: endlich auch einen Schluß for - miren koͤnne: Wem die Prærogativa oder Vorſitz fuͤr einem andern gebuͤhre, und was fuͤr ein Cere - moniel man dieſem oder jenem Potentaten zu - geſtehen koͤnne. Dieſes und einiges andere hat verurſachet, daß man nunmehro bey 14. Jahren her immer angeſtanden, ein dergleichen Syſtema, und zwar wie gegenwaͤrtiges gerathen iſt, zu ver - fertigen; unerachtet man allerhand Collectanea von dieſer ſublimen Materie beyſammen gehabt. Uber dieſes hat man immer erwartet, ob nicht et - wan ein anderer, in dem Ceremonien-Werck mehr erfahrner, als man ſelbſten nicht iſt, eine Einlei - tung zu dem Ceremoniel zu verfertigen, ſich die Muͤhe nehmen: und dem publico durch ſolche Verfertigung ſich gefaͤllig machen und dienen wuͤrde. Dieſe Erwartung hat man auch erfuͤl - let zu ſehen gemeinet: nachdem zwey Autores zwey Tractate publiciret, denen ſie dergleichen Titul gegeben, aus welchen man nichts anders, als eine gruͤndliche Anweiſung zu dem Ceremoniel darinnen zu finden, abnehmen koͤnnen. Der eine unter denſelben iſt Gregorio Leti, welcher Anno 1685. il Ceremoniale Hiſtorico & Politico: der andere Herr Friedrich von Winterfeld, wel - cher A. 1700. eine Ceremonial-Politicam an dasLichtVorbericht. Licht gegeben. Alleine keiner unter beyden, hat die Materie nach ihrem Fundament; ſondern der ei - ne, ſelbige nur wie ſie von auſſen ſcheinet, (nemlich bloſſe Facta) vorgeſtellet: Der andere aber hat in VI. Tomis, mehr eine Hiſtoriam univerſalem, als ein Ceremoniel geſchrieben. Nach und nebſt dieſen zweyen Scribenten iſt, ſo viel als mir wiſ - ſende, in dieſer Materia Ceremoniali, in Forma eines Compendii nichts mehreres durch oͤffent - lichen Druck zum Vorſchein: mir aber unterdeſ - ſen Gelegenheit vorkommen, meiner nunmehro habenden Profeſſion gemaͤß, einigen von Adel und hoͤheren Standes, und zwar auf derer Spe - cial-Begehren, Unterricht zu ertheilen: Was doch die Prærogativa und das Ceremoniel, fuͤr eine Beſchaffenheit, Fundament, und Nutzen habe: denen ich nach dem Maaß meiner wenigen Wiſ - ſenſchafft, ein Genuͤgen zu thun, nicht anſtehen koͤn - nen: ſondern ihnen ein Collegium privatiſſi - mum daruͤber gehalten, und gegenwaͤrtiges Sy - ſtema, jedoch in einer viel kuͤrtzeren Form als ſel - biges nun iſt, zu einem Fundament gebrauchet. Selbiges iſt bey drey Jahren her, als ein Manu - ſcript im Verborgenen geblieben, und weiter nie - manden, als meinen Herren Auditoribus be - kandt gemacht, und communiciret worden. Nach dem ich aber die Sehnſucht einiger, (und wenn mir auch gleich dieſe nicht waͤre bekandt worden) dennoch den Nutzen, welchen ſich einer) (4oderVorbericht. oder der ander durch Leſung dieſes Buches ma - chen koͤnte, gemercket; Habe ich reſolviret, es in Druck zu befoͤrdern: nicht aber etwan in der Ab - ſicht, meinen Nahmen in der Welt dadurch be - ruͤhmt zu machen; denn darzu gehoͤren andere und mehrere Meriten, als die Verfertigung eines Bu - ches; ſondern vielmehr darum, weil es einem jeden frey ſtehet das jenige was er verfertiget, andern zu communiciren: welches aber auf keine Art be - qvemer, als durch den Druck geſchehen kan. Gleichwie ich mich aber dieſes Werckes halber nicht zu ruͤhmen; alſo habe mich auch deſſelben nicht zu ſchaͤmen: weil es eine ehrliche Geburth, und meiner Profeſſion zuſtehende Arbeit. Jch verſichere aber gleichwohl einen jeden aufrichtigſt, daß wenn ich gewiß wiſſen oder auch nur muth - maſſen koͤnnen: daß jemand anders, von der Præ - rogativa und dem Ceremoniali etwas zuverlaͤß - liches ſchreiben, und mich meiner Arbeit und Muͤ - he uͤberheben wollen; Jch gewiß zu Verfertigung dieſes Wercks nicht Hand angeleget haben wuͤr - de: weil ich andern meiner Profeſſion zugethanen, immer was mehreres und beſſeres als mir ſelbſten zutraue: auch anbey lieber Unterricht annehmen als geben will. Nun aber trifft mich die Ord - nung, daß ich nolens volens der erſtere Epitoma - tor doctrinæ de Prærogativa & Ceremoniis ſeyn: und folgendlich dieſe meine Arbeit das Jus primogenituræ genieſſen muß; obgleich etwanins -Vorbericht. inskuͤnfftige ein anderer, auch von dieſer Materia, entweder in beſſerer oder ſchlimmerer Form und Methode, ſchriebe.

§. 3.

Was den zweyten Punct oder die An - zeige: Weme dieſes Buch nuͤtzlich ſeyn koͤn - ne, betrifft, ſo kan dieſer Nutzen theils

    • 1. General, theils
    • 2. Special ſeyn.
    • 1. Generalement kan es
      • 1. Allen denen zu ſtatten kommen, welche den Nahmen und die Qualité der Curieux fuͤh - ren. Denn gleichwie dieſen Leuten allerhand Gemuͤths-Speiſe ſchmecket, und ſie nach al - len hungert; alſo verachten ſie auch nichts von dem, was man ihnen vorſetzt: ob ſie es gleich eben nicht in ſuccum & ſangvinem vertiren, und zu ihrem Wachsthumb recht verdaͤuen koͤnnen.
      • 2. Denen welche von der Univerſal-Gelehr - ſamkeit Profeſſion machen: und nicht nur ſo, wie etwan ein Handwercks-Mann, v. gr. Schuſter, Schmidt ꝛc. ſtets uͤber einerley Profeſſion liegen: die ſelbige, weil ſie weiter nichts wiſſen noch wiſſen wollen, allen an - dern vorziehen: und dasjenige was nicht von ihrer Profeſſion oder Handwerck iſt, ſo gleich verachten; meiſtens aber aus keiner andern, als dieſer allgemeinen, und dabey intereſſireten Urſache, quia non de pane) (5lu -Vorbericht. lucrando. Dieſe nun, werden dieſes und andere dergleichen Wercke mit veraͤchtlichen Augen anſehen; Hingegen die, die Univerſal - Gelehrſamkeit liebende, vielleicht auch etwas, obgleich ſchon ſehr weniges finden, welches den Schatz ihrer Gelehrſamkeit vermehren kan.
    • 2. Specialement kan und muß gegenwaͤrtiges Werck denſelben dienen und nutzen:
      • 1. Welche Liebhaber der Zeitungen ſeyn, und ſelbige mit Verſtande leſen wollen; denn in dieſen findet man immer etwas, welches zu dieſer Materia zu rechnen.
      • 2. Denen welche reiſen, den Glantz der Welt und der Hoͤfe anſehen, und was ſie daſelbſt ſehen, auch verſtehen wollen. Jch kan diß - falls aus eigener Experientz reden: Denn man darf ſich nicht uͤbrige Zeit in einer Kay - ſerlichen, Koͤniglichen, Chur - oder Fuͤrſtl. Reſidentz, und bey derſelben Hoflager weh - render ſeiner Reiſen aufhalten; ſo wird man immer einmahl uͤber das andere hoͤren und ſehen: Daß Ambaſſadeurs, oder Envoyès ankommen: ihre publique Entrée halten: zu der Audientz fahren: Competentz - Streit unter einander haben: und endlich wiederumb Abſchied nehmen. Wenn nun ein Reiſender, bey dergleichen Dingen auf ſonſten nichts Achtung giebet, als bloß undalleinVorbericht. allein auf die Pracht und Menge der Caroſſen, der Pferde, der Livrée, &c; ſo hat er zwar wohl etwas, aber noch lange nicht dasjenige, worauf er am meiſten Acht haben ſolte, geſe - hen und gelernet; ſondern es kommt hauptſaͤch - lich darauf an, daß man ſich informire:
        • 1. Was fuͤr eine Qualité ein oder der andere Miniſter habe, ob er Ambaſſadeur, En - voyé, Reſident, Agent.
        • 2. Was ſeine Angelegenheiten, die er auszu - richten, ob ſelbige Etats-Affairen. v. gr. Al - liances zu ſtifften, Commercien-Tracta - te, ꝛc. zu ſchlieſſen: oder nur bloſſe Ceremo - nien-Geſandſchafften. v. gr. zu gratuliren, condoliren, ꝛc.
        • 3. Mit was fuͤr einem Ceremoniel, er bey ſeiner Entrée, Audientz. ꝛc. empfangen werde.
        • 4. Was fuͤr Domeſtiquen er umb und bey ſich habe.
        • 5. Wie deſſen Magnificentz und Menage be - ſchaffen. Denn hieraus lernet man den Glantz der Hoͤfe, und zugleich die Autoritaͤt und den Unterſcheid dieſer Miniſter ken - nen; welchen es aber auf ſeinen Reiſen gluͤcket eine Friedens-Conferentz mit an - zuſehen: der wird bey ſelbiger noch mehr als bey Hoͤfen gewahr, und unterrichtet werden: Was das Ceremonien-Werck zu bedeuten:
        undVorbericht. und wie noͤthig es ſey, wenn man dieſe Co - moͤdien mit anſehen will, zuvor ein Pro - gramma oder Buch zu haben, in welchem der Jnhalt des eroͤffneten Theatri zu finden.
  • 3. Denjenigen die ihr Gluͤcke an den Hoͤſen ſuchen wollen, oder welche man ohn ihr Su - chen etwan nach Hofe ziehen moͤchte. Denn ob es gleich an ſich ſelbſt gewiß genung, daß nicht ſo gleich ein jeder, der von dem Hof-Le - ben Profeſſion machet, Introducteur der Ambaſſadeurs oder Ceremonien-Meiſter wird: auch ſolches zu werden nicht verlanget; So iſt doch dieſes hinwiederumb auch ge - wiß, daß die Cammer-Herren und Hof - Juncker, nicht nur die Ceremonie mit an - ſehen: ſondern ſelbige auch mit machen helf - fen; die Geſandten zur Audientz mit abhoh - len, und bedienen muͤſſen. Bey welcher Gele - genheit nicht ſelten allerhand, die Præroga - tivam und das Ceremoniel concernirende Diſcourſe vorfallen: von welchen ein Hof - Mann doch wenigſtens ſo viel verſtehen muß, daß er den Grund und die Urſache deſ - ſen, was er mit anſiehet, ja gar ſelbſten mit machen hilfft, verſtehe: und auf beduͤrfftigem Fall einem andern erklaͤren koͤnne. Am allermeiſten aber, muͤſſen in dem Studio der Prærogativæ und des Ceremoniels, dieſel -bigenVorbericht. bigen verſiret ſeyn, welche aſpiriren, Lega - tion-Secretairs, Envoyés oder gar Am - baſſadeurs zu werden: zu welchen Chargen nicht nur der hohe und mindere Adel, ſon - dern wohl auch diejenigen, welche von der Theologie und Juris prudentz Profeſſion machen, emploiret werden. Denn was iſt doch heut zu Tage gewoͤhnlichers, als daß man Biſchoͤffe, Praͤlaten, und Abbés, Præ - ſidenten, Geheime - oder Etats-Raͤthe, und en general JCtos, zu Envoyés und Am - baſſadeurs auserwehlet; weil ſonderlich dieſe hieꝛ letzt geneñten am faͤhigſten, die zwi - ſchen Souverains entſtandene Streitigkei - ten, durch Geſandſchafften abzuthun. Weil nun aber, weder in der Bibel und in dem Libro Leviticorum, noch in dem Corpo - re Juris, von dem bey Geſandſchafften ge - braͤuchlichen Ceremoniel, und der ſtreitigen; oder auch ſchon eingerichteten Prærogativa etwas befindlich; So muß ein dergleichen Clericus und JCtus, ſeinen Recours zu de - nen Buͤchern nehmen, in welchen er Grund und Nachricht davon findet: im Fall er nicht etwas veꝛſehen, und ſeines hohen Principals Pas und Point d’honneur, in Gefahr oder decadence ſetzen: ſich proſtituiren: und groſſer Verantwortung unterwuͤrffig ma - chen will. Hiebey aber hat es keineswe -gesVorbericht. ges die Meynung, als hielte man dafuͤr: daß ſolches alles in gegenwaͤrtigem Tractat zu finden: und ſelbiger eine Inſtruction und Manuale fuͤr die kuͤnfftigen Ambaſſadeurs und Envoyés abgeben koͤnte. Weit gefeh - let und gar nicht alſo gemeinet! Denn ſo wenig der Catechiſmus einen Theologum, und die Inſtitutiones Juſtinianeæ einen ICtum; alſo wenig wird auch dieſes Compendium, einen Ceremonien-Mei - ſter, oder gar Ambaſſadeur machen; Aber darzu wird es wohl dienlich und behuͤlfflich ſeyn: daß einer, der es recht lieſet, die Fun - damenta der Prærogativæ, nebſt der Delicateſſe des Ceremoniels verſtehen: und ſich zu præcautioniren lerne, daß er, wo nicht practice, dennoch wenigſtens theoretice, keinen Soloeciſmum Cere - monialem begehe.

§. 4.

Was auch endlich die Methode und Schreib-Art, derer man ſich in dieſem Wercke bedienet, anlanget; ſo dienet zu wiſſen, daß man, was die erkieſete Methode in ſpecie betrifft, eine dergleichen Ordnung, wie etwan die Bau-Meiſter zu thun pflegen, gehalten, nemlich: man hat zum erſten den Grund geleget und gewie - ſen, auf welchen das Theatrum der Præroga - tivæ und des Ceremoniel erbauet werden, und be -ruhenVorbericht. ruhen muß; Und hiervon handelt der gantze erſte - re Theil gegenwaͤrtigen Werckes. Nach ge - legten und gezeigetem Grunde, hat man in dem zweyten Theile, ſo gleich die Principal-Per - ſonen mit ihrem Ceremoniel aufgefuͤhret; jedoch aber nicht alle, ſondern derer nur einige; Weil man nach allem euſerſten Bemuͤhen nicht erfahren koͤn - nen, wie eines jeden Hofes Ceremoniel eigendlich beſchaffen: und demnach hiervon nur ſo viel ſchrei - ben und communiciren koͤnnen, als man gewuſt: das uͤbrige aber einem andern auszufuͤhren uͤber - laſſen: oder wenigſtens ſich bey dem geehrteſten Leſer ſo lange Gedult ausbitten muͤſſen, biß man etwan noch darhinter kommen, und was dißfals fehlet, ergaͤntzen koͤnne. Jn dem dritten Thei - le, oder Auftritt, hat man alle diejenigen Per - ſonen von dem erſten biß zum letzten, welche zu dem Ceremoniel gehoͤrig, und von den Souve - rains dazu pflegen emploiret zu werden, nach ih - rem Eſſentiel und Accident, Wuͤrdigkeit und Nahmen vorgeſtellet: Und mit dieſem dritten Theile, haͤtte auch das gantze Werck koͤnnen be - ſchloſſen werden. Weil aber die Prærogativa und der Ceremonien-Streit, auf Friedens-Con - greſſen am allerkentlichſten und diſputirlichſten gemacht wird; ſo hat man nicht nur bloß fuͤr gut, ſondern fuͤr nothwendig erachtet, umb dieſes Werck deſto vollkommener zu machen, in dem vierdten Theile anzufuͤgen: Was auf fuͤnffen ſoge -Vorbericht. genenten General-Frieden, wegen des Ceremo - niels fuͤr Conteſtation vorgefallen: und auf was fuͤr eine beſondere Art ſelbige beygeleget worden; Da deñ umb deſto beſſerer Verſtaͤndnuͤß beſagter fuͤnff Friedens-Schluͤſſe, man 5. Capitul vorhero, und in ſelbigen die General - uud Special-Requi - ſita eines Friedens, weil ſelbige mit dem Ceremo - niel groſſe Verwandnuͤß haben, angemercket. Da aber nicht nur auf Friedens-Schluͤſſen, ſon - dern auch wohl ſo gar in den Hof-Laͤgern der Sou - verains ſelbſt, einige dem Ceremoniel, der Præ - rogativæ, den Juribus und Conduite der Am - baſſadeurs und Envoyés zuwiederlauffende Dinge vorgefallen, und noch vorzufallen pflegen: So hat man einige, jedoch wenige und dazu nette Exempel, in dem fuͤnfften Theil allegiret: welche entweder die in dem erſten und dritten Theil gewieſene Lehr-Saͤtze confirmiren, oder wie man von denſelbigen abgewichen, notificiren. Und ſo viel von der ausgewehlten Methode. Was nun die Schreib-Art an ſich ſelbſt belanget, ſo verſichert man den Hochgeehrteſten Leſer: Daß man ſich fuͤr allen Expreſſionen, welche etwan eine Partialitaͤt bedeuten koͤnnen, moͤglichſt ent - halten: auch was man vorgebracht und erzehlet, nicht en ton de Maitre (und als koͤnte man der einen Majeſtaͤt den Rang und Præcedentz zu - der anderen hingegen ab-erkeñen) gethan; Durchaus nicht! Denn man weiß, daß in litigio Præroga -tivæVorbericht. tivæ kein Menſch auf Erden zu finden, der den Sententz daruͤber ſprechen koͤnne, er ſey dann da - zu als Arbiter erſuchet worden. Weñ aber gleich - wohl etwas in dem Context den Schein eines Beyfalls, welchen man einem fuͤr dem andern in der Prærogativa gegeben, haͤtte; ſo iſt dieſer Schein nur ein Effect der vorgebrachten Argu - mentorum, derer ſich einer oder der andere Sou - verain bedienet: und weiter fuͤr nichts als eine Conſequentz, welche aus den Præmisſis flieſſet, anzunehmen. Deñ man proteſtiret auf das aller - feyerlichſte wieder alle ungleiche Interpretation, ſo etwan ein Criticus gantz unnoͤthiger Weiſe ma - chen moͤchte; weil weder die allegirten Facta, noch auch die mit eingeſtreueten Raiſonnements ſol - len und koͤnnen eine Deciſion abgeben: ſondern die erſteren nur hiſtorice zeigen was geſchehen; die andern aber das geſchehene politice zu be - trachten, Anlaß geben. Wenn man auch etwan einerley Factum und Materiam in dem Context zweymahl geſetzet faͤnde, darf man ſolches nicht ſo bald fuͤr eine Tavtologie ausdeuten, ſondern nur auf den Modum, wie ſolches geſchehen, acht haben; da ſich denn bald euſern wird, daß von einer Sache in einem Orte als ihrem ſede ex profeſſo zu handeln, derer in einem andern Orte wieder - um nur accidentaliter zu gedencken geweſen: Und gleichwie derjenige Ton oder Note, ſo in einer Aria vielfaͤltig vorkommt, dennoch derſelben Melodie) () (nichtVorbericht. nicht verſtellet; alſo wird auch dieſem Wercke des - wegen keine Deformité zuwachſen koͤnnen. Cs haͤtten im uͤbrigen noch viel mehrere Facta koͤnnen allegiret werden: man hat ſich aber derſelben be - dachtſamlich enthalten; theils weil das Werck nur dadurch waͤre vergroͤſſert: theils auch, weil man dadurch en Hazzard waͤre geſetzet worden, ſich ungleiche Judicia uͤber den Halß zu ziehen. Dieſes iſt es, was ich dem Hoͤchſtgeneigten Leſer zum Voraus melden, und ſelbigen anbey erſuchen wollen, ſich dieſe Arbeit und meine dabey gehabte Intention gefallen zu laſſen: auch wo etwan ein Jrthumb mit untergelauffen ſeyn moͤchte, ſelbi - gen beſtens zu excuſiren, quia errare humanum eſt. Der Nutzen dieſes Werckes, wird ſich im uͤbrigen bey denen welche es recht leſen und ge - brauchen wollen, ſchon finden; im Fall nur alle unzeitige Præjudicia und ungleiche Interpreta - tiones bey Seite geſetzet, und die Leſenden dem Verfaſſer, gleichwie dieſer ihnen, guͤnſtig und mit gutem Willen zuge - than bleiben.

Ein -

Eintheilung des gantzen Werckes.

Erſter Theil.

  • Cap. 1. Von dem Ceremoniel insgemein.
  • Cap. 2. Von den General-Fundamentis, auf welche die Majeſtaͤten ihre Præcedentz gruͤnden, derer achte.
    • 1. Das Alterthumb der Monarchie, oder Souverainetaͤt,
    • 2. Das Alterthumb des Chriſtenthumbs,
    • 3. Die Macht, Potentatus, oder Supre - matus,
    • 4. Die Vielheit der Koͤnigreiche,
    • 5. Die Ehren-Tituln, welche eine Majeſtaͤt fuͤr der andern hat,
    • 6. Die abſolute Gewalt,
    • 7. Die beſondern Wohlthaten und Dien - ſte, welche ein Potentat dem Pabſt und der Catholiſchen Kirche erwieſen,
    • 8. Die Wuͤrdigkeit der Vaſallen, uͤber wel - che eine Majeſtaͤt herrſchet.
  • Cap. 3. Von den Special-Fundamentis, auf welche der Roͤm. Deutſche Kayſer ſeine Præcedentz zu gruͤnden pfleget.
  • Cap. 4. Von den Special-Fundamentis der Koͤnige in Hiſpanien.
  • Cap. 5. Von den Special-Fundamentis der Koͤ - nige in Franckreich.
) () (2Cap.
  • Cap. 6. Von den Special-Fundamentis der Koͤ - nige in Engelland.
  • Cap. 7. Von den Special-Fundamentis der Koͤ - nige in Schweden.
  • Cap. 8. Von den Special-Fundamentis der uͤbrigen Europaͤiſchen Koͤnige, ſc.
    • 1. Deſſen von Daͤnnemarck,
    • 2. von Portugal,
    • 3. von Pohlen,
    • 4. von Moſcau,
    • 5. von Preuſſen,
  • Cap. 9. Von der Prærogativa und Præcedentz der Churfuͤrſten, und von der Compe - tentz, welche ſie mit den Cardinaͤlen und freyen Republiquen haben.

Anderer Theil.

  • Cap. 1. Von dem Congreß hoher Potentaten en general.
  • Cap. 2. Von denen Perſonen, bey welchen die Prærogativa und das daraus flieſſen - de Ceremoniel, am meiſten zu beobach - ten iſt.
  • Cap. 3. Was fuͤr ein Ceremoniel bey Zuſam̃en - kunfft Kayſerl. Majeſtaͤt und eines Churfuͤrſten, gewoͤhnlich iſt.
  • Cap. 4. Was fuͤr ein Ceremoniel bey Congreß eines Koͤniges von Ungarn, oder Boͤh - men, mit einem Churfuͤrſten, beobach - tet wird.
Cap.
  • Cap. 5. Von dem Ceremoniel, wenn ein Churfuͤrſt zu Kayſerl. Maj. nach Wien kommt.
  • Cap. 6. Von den Ceremonien, wenn zwey Chur - fuͤrſten zuſammen kommen.
  • Cap. 7. Von den Ceremonien, wenn ein Ertz-Her - tzog von Oeſterreich mit einem Chur - fuͤrſten zuſammen kommt.
  • Cap. 8. Von dem Ceremoniel bey Congreß ei - nes Churfuͤrſten mit einem Koͤniglichen Bruder.
  • Cap. 9. Von dem Ceremoniel eines Churfuͤrſten mit einem Reichs-Fuͤrſten.
  • Cap. 10. Von dem Ceremoniel eines Churfuͤr - ſten mit einem Fuͤrſtlichen Printzen.
  • Cap. 11. Von dem Ceremoniel eines Churfuͤrſten mit einem Biſchoff.
  • Cap. 12. Von dem Ceremoniel eines Churfuͤr - ſten mit einem Grand d’Eſpagne, de Portugal, oder mit einem Duc und Pair de France, oder Woywoden aus Pohlen.

Dritter Theil.

  • Cap. 1. Von denen Geſandten, und derer Ein - theilung uͤberhaupt.
  • Cap. 2. Von den Legatis oder Nunciis Apo - ſtolicis.
  • Cap. 3. Von denen Ambaſſadeurs und En - voyés, was beyde pflegen mit einander gemein zu haben, nemlich) () (31. Die
    • 1. Die Inſtruction,
    • 2. Das Creditiv,
    • 3. Den Paſſeport, oder Salvum Condu - ctum, und die daraus flieſſende In - violabilitaͤt,
    • 4. Die Admiſſion,
    • 5. Die Immunitaͤt.
  • Cap. 4. Von denen Ambaſſadeurs, Geſandten, Bothſchafftern cum charactere ins beſondere.
  • Cap. 5. Von dem Ceremoniel, mit welchem ein Ambaſſadeur beehret wird, allwo von
    • 1. Dem ſolennen Einzug oder publiquen Entréen,
    • 2. Der Abholung zu der Audientz,
    • 3. Der Behauptung des Rangs,
    • 4. Ablegung der Viſiten, und Annehmung der Re-Viſiten,
    • 5. Der Acceptirung oder Empfangung,
    • 6. Dem Titul Excellentz.
  • Cap. 6. von eines Ambaſſadeurs,
      • 1. Magnificentz, welche beſtehet
        • 1. Jn ſeinem Logement,
        • 2. Seiner Tafel,
        • 3. Seinen Domeſtiquen,
        • 4. Seiner Equippage.
      • 2. Diligentz, welche beſtehet, in
        • 5. Seinem Diario,
        • 6. Seinem Protocoll,
        • 7. Seinen Relationibus, und Depeches.
  • Cap. 7. Von Eintheilung der Ambaſſadeurs in Ordinarios und Extraordinarios.
  • Cap. 8. Von denen Ablegatis, Envoyés oder Abgeſandten,
  • Cap. 9. Von denen Reſidenten.
  • Cap. 10. Von denen Plenipotentiariis.
  • Cap. 11. Von denen Conſuls.
  • Cap. 12. Von denen Agenten.
  • Cap. 13. Von denen Secretariis.
  • Cap. 14. Von denen Commiſſariis.
  • Cap. 15. Von denen Deputatis.

Vierdter Theil. Von denen Streitigkeiten, welche wegen der Prærogativa und dem Ceremoniel, auf Friedens-Congreſſen entſtanden.

  • Cap. 1. Von den Præliminair-Friedens-Con - ferentien, und was in ſelbigen pfleget abgehandelt zu werden.
  • Cap. 2. Von dem Orte, in welchem man einen Frieden ſchlieſſen will.
  • Cap. 3. Von den Mediatoribus und derer ſelben Miniſtern.
  • Cap. 4. Von Ertheilung der Paſſeports.
  • Cap. 5. Von der Sprache, derer man ſich be - dienet,
  • Cap. 6. Von dem Streit, welcher wegen des Ce -remo -remoniels, auf dem Weſtphaͤliſchen Frie - den entſtanden.
  • Cap. 7. Von dem Ceremoniel und Streit bey dem Pyrenaͤiſchen Frieden.
  • Cap. 8. Von dem Ceremoniel und Streit bey dem Akiſchen Frieden.
  • Cap. 9. Von dem Ceremoniel und Streit bey dem Niemaͤgiſchen Frieden.
  • Cap. 10. Von dem Ceremoniel und Streit bey dem Rißwigiſchen Frieden.
  • Cap. 11. Von dem Streit, welcher zu Utrecht wegen der Laqvays entſtanden.

Fuͤnffter Theil.

  • Von der, der Conduite, den Juribus, Pri - vilegiis &c. eines Ambaſſadeurs oder Envoyé, in unterſchiedenen Hoͤfen zu wieder gelauffener Praxi, welche ſich in vergangenen Seculo zugetragen.
Des
1

Des Europaͤiſchen Hoff-Ceremoniels Erſtes Capitel. Von dem Ceremoniel insgemein.

§. 1.

Ob das Wort Ceremonia von

  • 1. dem alten Wort Cerus, welches ſo viel als Sanctus bedeutete,
  • 2. der Stadt Cære, oder von
  • 3. Geremonia, à gerendo, wie man ſich ge - berden ſolle, ſeinen Urſprung habe, uͤberlaͤſ - ſet man denjenigen, welche ihre Gelehrſam - keit mehr in den Worten als in dem Wer - cke ſuchen; Wir halten uns vielmehr nur an die heut zu Tage etablirte Bedeutung dieſes Wortes, wohl wiſſende, quod verba valeant ſicut nummi.

§. 2.

Dieſes aber iſt gewiß, und demnach zu betrachten noͤthig, daß durch den Nahmen Cere - moniel zweyerley verſtanden werden koͤnne:

  • 1. Generaliter alle dasjenige, was man ra - tione
    • 1. Der Stellung des Leibes, v. g. Reve - rentz, Kniebeugung,
    • 2. Der Kleidung, v. g. Trauer-Habit, Burgundiſche Kleidung,
    • 3. Des Gehens, Sitzen und Stehens, v. g. zur Rechten oder Lincken, it. voran oder hinten nach, ꝛc. zu thun gewohnet oder genoͤthiget iſt.
A2. Spe -2Europaͤiſches
  • 2. Specialiter, nur allein die Manier mit wel - cher Potentaten, und derer Geſandten ein - ander zu recipiren pflegen, oder auch geſtal - ten Sachen nach muͤſſen.

§ 3.

Jn dem erſten oder generalen Ver - ſtande findet man, daß bey allen Voͤlckern, in und auſſer der Kirchen GOttes, zu allen Zeiten ge - wiſſe Ceremonien

    • 1. Jn ihrem GOttes-Dienſte
    • 2. Jn Regiments-Sachen
    • 3. Jm Heurathen
    • 4. Jn Begraͤbnuͤſſen ꝛc.
    uͤblich gewe - ſen, und auch zu unſern Zei - ten noch uͤb - lich ſind,

allein von dieſem allem iſt hier nichts zu melden, ſondern die Curieux ſind dahin zu beſcheiden, der - gleichen Authores, an welchen es nicht fehlet, auf - zuſchlagen, welche etwas zuverlaͤßliches de Mo - ribus vel Ritibus gentium geſchrieben.

§. 4.

Jn dem andern oder ſpecialen Ver - ſtande, von welchem hier allein geredet werden ſoll, koͤnte man das Ceremoniel ungefehr alſo beſchreiben: Daß es eine unter den Souve - rains, oder ihnen gleichenden Perſonen, ex Pacto, Conſvetudine, Poſſeſſione eingefuͤhrte Ordnung ſey, nach welcher ſie ſich, derer Geſandten und Abgeſandten bey Zuſam - menkuͤnfften zu achten haben, damit kei - nem zu viel noch zu wenig geſchehe.

§. 5.

Der Urſprung ſolches Ceremoniels, iſt nicht, wie etwan bey den Complimentiſten,die3Hoff-Ceremoniel. die Hoͤflichkeit, denn dieſe hat keine Leges, ſon - dern vielmehr die aus einer groͤſſern Dignitaͤt, ſo man fuͤr einem andern zu haben vermeinet, her - ruͤhrende Superbia, welcher man die Qualitaͤten Juris zugeeignet, und ihr den Titul der Præroga - tivæ oder Præcedentiæ gegeben.

§. 6.

Man wird ſich leicht beſcheiden, daß nicht nur unter unvernuͤnfftigen Creaturen, ſon - dern auch ſo gar unter lebloſen Dingen eines dem andern pfleget vorgezogen zu werden, deñ ein Pferd wird hoͤher als ein Eſel oder Ochſe, ein Diamant werther als ein Kieſel-Stein geachtet; und man lachet demnach noch heut zu Tage die Schweitzer aus, daß ſie den unſchaͤtzbahren Dia - mant fuͤr Criſtal, und die aus Gold und Silber zubereiteten Gefaͤſſe, welche ſie von dem Hertzog von Burgund eroberten, fuͤr Zinn verkaufften. Unter den vernuͤnfftigen Menſchen aber ins be - ſondere, wird der Mann der Frauen, der Vater den Kindern, der Alte dem Jungen, der Herr - ſchende dem Gehorchenden, ſo gar auf goͤttlichen Beſehl vorgeſetzt, ſo daß man ſagen koͤnte, daß eines unter denen hier genenneten Correlatis, natura, & ordine a Deo inſtituto, mehr gelten muͤſſe als das andere, und der weniger geltende dem mehr geltenden nothwendig den Vorzug laſſen muͤſſe, ſo daß es allerdings natura & ra - tione eine Prærogativam giebet, krafft derer ei - nes dem andern vorzuziehen.

A 2§. 7. Aber4Europaͤiſches

§. 7.

Aber unter denen Souverains, derer ſich einer ſo hoch und wuͤrdig duͤncket als der an - dere, weil ſie alle von GOtt, und keiner von dem andern dependiren, giebet es alten, langen, und unaufhoͤrlichen Streit, welcher unter ihnen fuͤr den Groͤſten gehalten werden ſolle, gleichwohl aber mit dem Unterſcheid, daß

  • 1. einige abſolut Digniores ſeyn wollen als andere, und deswegen den Vorzug oder Pas
  • 2. andere nur pares, oder ſo gut ſeyn wollen als einer ihres gleichen, und demnach nur in pari paſſu zu gehen prætendiren, mancher will ſo gut ſeyn als der andere, mancher aber will mehr ſeyn als der andere.

§. 8.

Ein jeder dieſer Gewaltigen auf Erden fuͤhret ſeine Urſachen an, der Lis iſt in dieſem Rang-Proceß in hundert und mehreren Ren - contres conteſtiret, aber weil ſie keinen Superi - orem oder Judicem erkennen, ſo hat noch kein dergleichen daurender Entſcheid gegeben werden koͤnnen, der die ſtreitenden Partheyen aus einan - der geſetzet und in Ordnung gebracht haͤtte.

§. 9.

Man hat zwar, umb allen Hinderniſſen und Melirungen, welche ſowohl in Congreſſen hoher Potentaten ſelbſt, als auch derer Geſand - ten zu entſtehen pflegen, vor zu beugen, ziemlich ge - ſchickte Mittel erſonnen, einem jeden eine Stelle und Rang zu asſigniren, mit welchem er zu frie - den ſeyn koͤnte, und durch welche keinem einigesPræ -5Hoff-Ceremoniel. Præjudiz zugezogen wuͤrde; aber auch dieſes iſt biß dato noch von gar keinem Souverainen, ſon - dern nur von einigen alſo genennten alterniren - den Fuͤrſten in Deutſchland angenommen wor - den. Solche vorgeſchlagene Mittel ſind folgen - de geweſen:

  • 1. Durch Compromiß oder Arbitrage die Parteyen zu accomodiren, und alſo bothe ſich An. 1564. Pabſt Pius IV. an, daß er bereit waͤre den zwiſchen Spanien und Franckreich ſchwebenden Præcedenz - Streit, durch Beyſtand der Cardinaͤle, oder auch des Auditorii Rotæ zu entſchei - den, man hat ſich aber ſeinem Arbitrio nicht unterwerffen wollen; theils
    • 1. Weil der Pas eine allzu delicate Sache,
    • 2. Weil es ein mere Temporale, deſſen Deciſion man nicht gerne von dem Roͤm. Stuhl erwarten will;
  • 2. Durch die Alternativam, daß nemlich einer dieſes mahl, ein ander ein andermahl, oder dieſer in dieſem, jener in jenem Orte vor - gehe, welches Expediens noch Anno 1712. im November, in Deutſchland gelungen. Denn als die zwey Hochfuͤrſtliche Haͤuſer Bareuth und Anſpach in einen Compe - tenz-Streit geriethen, und ein jeder auf ſeiner Prærogativa feſt beſtunde, kam es doch endlich dahin, daß ſie Jhro Durch -A 3lauch -6Europaͤiſcheslauchtigkeit, dem Herrn Landgraffen von Heſſen-Caſſel die Mediation und Arbi - trage auftrugen, welcher auch die Sache gluͤcklich dahin vergliech,
    • 1. Daß in dem Fraͤnckiſchen Creiße, (zu welchem beyde Herren Marggrafen gehoͤrig,) und bey deſſelben Directo - rio, alle 3. Jahr zwiſchen ihnen alter - niret werden, und Bareuth hierinnen den Anfang machen ſolle.
    • 2. Jn Comitiis aber ſolle derjenige un - ter den Herren Marggrafen den Vor - zug haben, welcher der aͤlteſte an Jahren, und gleichwie es mit den Herren Principalen, alſo ſolle es auch mit den Miniſtris gehalten werden.
  • 3. Durch den Senioratum, daß nemlich derje - nige Potentat, welcher an Jahren aͤlter als der andere, allen, ſo juͤnger als er, ohne Un - terſcheid vorgezogen werden ſolte, welches in dem itzt angezogenen Exempel der Herren Marggrafen von Bareuth und Anſpach auch ſtatt gefunden. Jm Fall aber dieſes Mittel haͤtte unter Souverainen generale - ment etabliret werden koͤnnen, ſo wuͤrde der alte Koͤnig Ludwig in Franckreich, nu - mehro ſeines Verlangens gewaͤhret, und weil er der aͤlteſte unter allen Chriſtlichen Poten - taten, auch zugleich der vornehmſte ſeyn. Al -lein7Hoff-Ceremoniel. lein es wuͤrde, wenn auch alle andere zu Ver - meidung des continuirlichen und den pu - blicis negotiis ſo nachtheiligen Rang-Di - ſputs, hierein willigten, dennoch der Roͤmi - ſche Deutſche Kaͤyſer, als welcher umb der Hoheit der vierdten Monarchie, welche er be - ſitzet, allen uͤbrigen Potentaten vorzuziehen, in dieſes Mittel nicht mit condeſcendiren koͤnnen, zu mahlen da er allbereit in der Poſ - ſeſſion des Vorzuges, und mit niemanden mehr deswegen in Litigio iſt.

§. 10.

Sind demnach dieſe ſonſt gute Vor - ſchlaͤge bißhero meiſtens nur Vorſchlaͤge geblie - ben, und werden auch wohl vermuthlich in kuͤnff - tigen Zeiten dergleichen bleiben, dannenhero wohl das ſicherſte Mittel, daß ſich ein und der an - dere Potentate mit der Poſſesſion ſchuͤtze, als auf welche die Rang-Ordnung unter ihnen faſt eintzig und allein gegruͤndet iſt.

§. 11.

Man hat zwar ſchon fuͤr langen Zeiten in Rom eine gewiſſe Rang-Ordnung, oder ſo ge - nantes Ceremoniel, verfertiget, wie die Poten - taten daſelbſt in der Paͤbſtlichen Capelle, und an - deren daſelbigen ſolennen Congreſſen ſolten placiret werden, welches der damahlige Cere - monien-Meiſter Paris de Crasſis A. 1504. publi - ciret, und findet man fuͤr die Europaͤiſchen Koͤnige folgende Ordnung, (welche auch auf dem zu Bo - nonien in itzt gemeldetem Jahre gehaltenen Con -A 4cilio8Europaͤiſchescilio beobachtet worden, wiewohl Pabſt Julius II. bald darauf dieſes Ceremoniel in etwas ver - aͤndert, indem er den Koͤnig von Schottland und Navarren ausgelaſſen)

  • 1. Den Kaͤyſer.
  • 2. Den Roͤm. Koͤnig.
  • 3. Den Koͤnig von Franckreich.
  • 4. von Spanien.
  • 5. von Arragonien.
  • 6. von Portugal.
  • 7. von Engelland.
  • 8. von Sicilien.
  • 9. von Schottland.
  • 10. von Ungarn.
  • 11. von Navarren.
  • 12. von Cypern.
  • 13. von Boͤhmen.
  • 14. von Pohlen.

Aber der Koͤnig

    • 1. von Schweden
    • 2. von Daͤnnemarck
    ob ſie gleich damahlen noch unter der Devotion des Roͤm. Paͤbſtl. Stuhls geſtanden, ſind entweder vergeſſen, oder mit Fleiß ausgelaſſen worden, wie inglei - chen auch
  • 3. Der Czar aus Moſcau. Allein dieſe Rangi - rung wird heut zu Tage weiter nicht als ratio - ne der 4. erſteren obſerviret, auſſer Rom aberhat9Hoff-Ceremoniel. hat es, (den Kaͤyſer ubique ausgenommen und vorgezogen) noch unter den Potentaten dißfalls keine Richtigkeit, auſſer daß Franck - reich in gemeldtem Rom und Vonedig Spa - nien, und vice verſa dieſes jenem im Roͤm. Reich und zu Wien vorgezogen wird.

§. 12.

Damit man demnach die Argumenta, worauf ſich ein jeder Potentat wegen des Rangs gruͤndet, wiſſen, und das daraus entſtehende Ce - remoniel judiciren und verſtehen koͤnne, ſo wird es noͤthig ſeyn in folgenden Capiteln ſolche Be - weißthuͤmer zu unterſuchen.

Zweytes Capitul. Von den General-Fundamentis, Auf welche die Majeſtaͤten ihre Præcedenz gruͤnden.

DJe General-Argumenta, welche dieſem oder jenem Souverain zu Behauptung der Præcedenz fuͤr einen andern, dienen ſollen, wer - den meiſtens aus achterley Fontibus ge - ſchoͤpffet.

  • 1. Aus dem Alterthumb der Monarchie oder Souverainite.
  • 2. Aus dem Alterthum des Chriſtenthumbs.
  • 3. Von der Macht.
  • 4. Von Vielheit der Koͤnigreiche.
  • 5. Aus den Ehren-Tituln.
  • 6. Von der abſoluten Gewalt.
A 57. Aus10Europaͤiſches
  • 7. Aus der beſondern Wolthat und Dienſt, welche dem Pabſt und der Catholiſchen Kirche erwieſen worden.
  • 8. Von Wuͤrdigkeit der Vaſallen, uͤber wel - che eine Majeſtaͤt herrſchet.

§. 1.

Aus dem Alterthumb der Mo - narchie oder Souverainite, und da will faſt ein jeder Potentate erweiſen, daß das Reich welches er beherrſchet, das uhraͤlteſte ſey. Damit man demnach nur en general wiſſe, wie weit einer dem andern (den Principiis der Chronologie und Hiſtorie gemaͤß) vermoͤge der aͤlteren Fun - dation ſeines Reiches, vorſtehen und vorgehen koͤnne, ſo wollen wir eines jeden Reiches Datum oder Anfang kuͤrtzlich hier bemercken.

  • 1. Die vierdte Roͤm. Monarchie, welche nach der meiſten Meynung Julius Cæſar eta - bliret, hat ihren Anfang 48. Jahr fuͤr Chriſti Geburth genommen, und ſich dieſer Julius Cæſar, ungefehr 27. Jahr fuͤr der Geburth Chriſti, zum Haupt und Meiſter der 4ten Mo - narchie gemacht, welche Monarchie endlich in der Perſohn Caroli Magni umb das Jahr 801. auf die Teutſchen gebracht worden, daher ſolche Wuͤrde, ſo nunmehro auf dieſer Nation 912. Jahr gehafftet, in der allerhoͤchſten Per - ſon Caroli des VI. erhalten, und dieſem Mo - narchen der Vorzug fuͤr allen andern billig zu - geeignet wird.
2. Spa -11Hoff-Ceremoniel.
  • 2. Spanien iſt zu Anfang unter Auguſti Regie - rung eine Provinz der Roͤmer, hernach durch Einfall der Gothen, Mauren und anderer Nationen, in viel Theile und Koͤnigreiche zer - theilet worden, und Caſtilien, welches Reich den wuͤrdigſten Theil des gantzen Spaniens ausmachet, nur eine Graffſchafft geweſen, biß ihme endlich Sanctius Major Koͤnig von Navarren an den es gegen das Ende des 10. Seculi erblich gefallen, die Qualitaͤt eines Koͤ - nigreiches beygeleget. Ja es hat in Aſturien und Legion biß 1028. zu Veremondi III. Zei - ten eigene Koͤnige gehabt, biß endlich Ferdi - nandus Magnus, des Sanctii Majoris Sohn und Koͤnig von Caſtilien, ſeinen Schwager Veremund erſchlug, und ſich An. 1036. zum Koͤnige von Legion und Aſturien machte, und nachdem er auch Garſiam III. Koͤnig von Na - varren erſchlagen, A. 1053. die Prætenſion auf dieſes Reich behielte, welchen man einiger maſ - ſen fuͤr den Fundatorem der Spaniſchen Monarchie haͤtte halten koͤnnen, in Fall er nicht, als er 1065. verſturbe, ſeine Laͤnder wie - der unter ſeine Soͤhne in 3. Theile vertheilet haͤtte. Und ob ſich auch gleich Alphonſus VIII. Koͤnig in Caſtilien und Leon, von Inno - centio II. Anno 1135. zu einem Kaͤyſer von Spanien machen ließ, iſt doch dieſer Monar - chiſche Titul auf ſeine Succeſſores nicht con -tinui -12Europaͤiſchestinuiret, ſondern durch Tractaten wiederumb abgeſchaffet worden; So daß man das Alter - thumb dieſer Monarchie, in ſo weit ſelbige einen Vorzug fuͤr andern dadurch behaup - ten wolte, ſchwerlich hoͤher hinauf brin - gen kan, als an die Zeiten Ferdinandi Catho - lici Koͤniges von Arragonien, welcher durch Heurath der Iſabellæ aus Caſtilien, Koͤnig Johannis Tochter, Caſtilien und Leon zu ſei - nem Reiche, und nachgehends auch Granada und andere, nach Vertreibung der Mauren unter ſeine Jurisdiction, und Spanien zu der Hoͤhe brachte, daß es andern Reichen formi - dable und von ſelbigen reſpectiret wurde, welches in das Jahr 1474. faͤlt.
  • 3. Franckreich faͤnget zwar ſeine Monarchie ſchon in der Perſon des Pharamundi an, wel - cher im Jahr Chriſti 420. von den Staͤnden zu einem Koͤnige ſoll erwehlet worden, und ſein Vater Marcomirus General der Frantzoͤſi - ſchen Armée geweſen ſeyn, aber Vallemont in ſeinen Elemens de l Hiſtoire p. 464. und Brianville in ſeiner Abrege de l Hiſtoire de France, geben dieſen Alterthum ihrer Koͤnige gar ſchlechten Beyfall. Der erſtere ſaget von dem Pharamundo: On ignore ſes Actions, le lieu de ſa ſepulture, le nom de ſa Femme, & celui de ſes Enfants, excepté de Clodion qui luy ſucceda. Der andere ſpricht, wenn erdas13Hoff-Ceremoniel. das Leben Pharamundi, Clodions, und Mero - vei beſchꝛeibet, von dem erſtern: Mais tout cela ſans preuve; von dem andern, wenn er ihn fuͤr einen Sohn des Pharamundi ausgiebet: mais on n’en a que de foibles conjectures. Von dem dritten: On preſume que (Mero - veé) etoit fils de Clodion ſon Predeceſ - ſeur, & cette incertitude a fait, qu’on a nommé Merovingiens nos Rois de la pre - miere Race, leur deſcendance n’etant con - ſtante que depuis luy. Dieſer Merovæus pasſiret nun fuͤr den erſten ihrer Koͤnige, und faͤlt der Anfang deſſen Regierung in das Jahr 448. nach Chriſti Geburth, ſo daß die Frantzo - ſen ein ziemlich altes Datum des Anfanges ih - rer Monarchie zu haben vermeinen. Allein wann man acht darauf hat, daß der Enckel die - ſes Merovæi (ein Sohn des Childerici) Clodovæus, welcher das Chriſtenthum An. 496. annahm, das Reich unter ſeine 4. Soͤhne zertheilet, und den
    • 1. Clodomir zum Koͤnige von Orleans,
    • 2. Childebert zum Koͤnige von Paris,
    • 3. Clotarium zum Koͤnige von Soiſſons,
    • 4. Thyerri (der zwar der aͤlteſte aber ein Ba - tard war) zum Koͤnige von Metz oder Au - ſtraſien gemacht, und zwar dergeſtalt, daß einer von dem andern gantz independent, und Childebert als Koͤnig von Paris, al -lein14Europaͤiſcheslein der rechte Succeſſor der von Merovæo angefangenen Monarchie, und dabey von ſchlechten Territorio, auch die Uneinig - keit das Reich zu theilen, noch immer je laͤn - ger je groͤſſer, und bey nahe eine Zerruͤttung des Reichs zu beſorgen war, ſo kan man dieſen Merovæum noch ſchwerlich fuͤr den Fundatorem des Fraͤnckiſchen Reichs aus - geben. Denn obgleich Clotarius Koͤnig von Soiſſons, nach dem Tode Koͤniges Chil - deberti ſeines Bruders, Paris bekam, und die Graͤntzen ſeines Reichs ziemlich erwei - terte, ſo theilete er es doch wieder unter ſeine 4. Soͤhne, und gab
      • 1. Dem Cherebert Paris,
      • 2. Dem Contran Orleans u. Burgundien,
      • 3. Dem Siegebert Auſtraſien,
      • 4. Dem Chilperic Soiſſons, alles in der Qualite independenter Koͤnigreiche.
    Dagobertus continuirete dieſe Thei - lung wieder unter ſeine 2. Soͤhne, und gab
    • 1. Sigiberto Auſtraſien,
    • 2. Clodovæo Neuſtrien und Burgun - dien. Von dieſer Zeit an haben nicht allein die Frantzoͤſiſchen Koͤnige ſehr de - generiret, ſondern es iſt auch die Chro - nologie derſelben dermaſſen verruͤcket, daß man nicht weiß, ob Dagobert im Jahr 639, oder 643. geſtorben, und vonden15Hoff-Ceremoniel. den Zeiten Clodovæi des Dagoberti zwey - tem Sohne an, har es hernach lauter nichts - taugliche Koͤnige gegeben, welche die Fran - tzoſen ſelbſt Feneans nennen, ſo daß die Ma - jores Domus, und unter denſelben Pipi - nus, aus einem vornehmen Geſchlechte in Auſtraſien entſproſſen, ſonderlich aber Ca - rolus Martellus ſein Sohn, und Pipinus Junior des Caroli Martelli Sohn, ſich dergeſtalt groß gemacht, daß ſie nicht allein an ſtatt ihrer Koͤnige regiereten, ſondern auch endlich Childericus III. von dem Pipi - no Juniori des Reiches entſetzet, mit Con - ſens des Pabſtes Zachariæ in ein Kloſter geſtoſſen, und Pipinus von den Staͤnden zu Soiſſons zu einem Koͤnige gewehlet, und von dem Ertz-Biſchoff zu Maintz, dem Herrn Bonifacio, in der Cathedral-Kirchen zu Soiſſons A. 751. geſalbet u. gekroͤnet ward. Weil nun die Merovingiſche oder erſte Fa - milie der Frantzoͤſiſchen Koͤnige, nicht allein, wie wir gehoͤret, in ſo vielerley Koͤnigreiche, ſondern auch dem Gemuͤthe nach unter ſich zertheilet, und die letztern zu dem Regiment gantz untuͤchtig und ihre Chronologie un - richtig waren, ſo folget wohl daraus, daß man den Grund und Anfang ihrer Monar - chie allererſt auf die Carolingiſche oder an - dere Linie, derer Autor gemelter PipinusJu -16EuropaͤiſchesJunior oder Brevis, ein Vater Caroli M. geweſen, ſetzen kan, wiewohl einige gar al - lererſt die juſtam ſeriem der Frantzoͤſiſchen Regenten, und den rechten Anfang ihrer Monarchie von dem Hugone Capeto, der im Jahr Chriſti 987. regieret hat, anfangen, und alſo allererſt der dritten oder Capetin - giſchen Familie das Recht einer Monar - chie zuſchreiben.
  • 4. Engelland, das in Europa liegende, aber doch von ſelbigem durch das Meer abgeſonder - te Theil, und beſondere Welt, hat ohne Zwei - fel ſchon vorlaͤngſt, ehe die Roͤmer und derer Haupt Julius Cæſar, noch 62. Jahr fuͤr Chri - ſti Geburth ſeine Conqueſten in ſelbigem ge - macht, ſeine beſondere Koͤnige gehabt, welche man von dem alten Bruto Britannien genen - net. Denn man weiß, daß ſchon umb das Jahr 177. der Pabſt Eleutherius Fugatium und Damianum in Brittannien geſendet, welche den Koͤnig Lucium getauffet. Al - lein es waren der Koͤnige damahlen nicht nur einer, ſondern viele, welche immer meiſtens ge - gen einander zu Felde lagen, ſo daß die zwar alte doch ungewiſſe Series der erſten Brittan - niſchen Koͤnige, keinen Grund leget, auf wel - chen man die Prærogative dieſer Koͤnige fuͤr andern ſetzen koͤnne. Man muß demnach die Periodos der Engliſchen Regenten kurtz durchge -17Hoff-Ceremoniel. gehen, und ſehen in welchem man ungefehr den Terminum a quo finden moͤchte. Der er - ſte Periodus der Koͤnige von Engelland oder Brittannien iſt
    • 1. Der Brittanniſche, auf welchen
    • 2. der Roͤmiſche gefolget, nachdem Julius - ſar ſich dieſes Reiches guten Theils bemaͤch - tiget, und ſich die Engliſchen Koͤnige tributar gemacht, da die Roͤmer durch vier Secula bis auf die Zeiten Valentiniani III. Herren uͤber einen groſſen Theil dieſes Landes ge - weſen. Wie dann der Kaͤyſer Adrianus und Severus ein Denckmahl, wie weit ſich ihre Herrſchafft darinnen erſtrecket, durch die von Carlile biß Nevvcaſtle vom Hiber - niſchen biß Deutſchen Meere aufgefuͤhrete, nun aber zerfallene Mauer, (die doch einige Geographi in ihren Carten noch bemer - cken,) hinterlaſſen. Nach Abzug der Roͤ - mer wehleten ſich die Britten oder Engellaͤn - der wieder einen Koͤnig aus ihrer Nation, Nahmens Vortigernum, weil aber die Scoti (Schotten) und Picti (welche einige fuͤr die an den Grentzen Engellands wohnen - de Schotten, andere aber fuͤr Jrrlaͤnder hal - ten,) in Engelland einfielen, ſelbiges verhee - reten, und ihnen Vortigerius zu widerſtehen nicht capabel war, ruffte er die Angeln, eine Saͤchſiſche Nation, ſo umb und in Hol -Bſtein18Europaͤiſchesſtein wohnete, zu Huͤlffe, welche auch unter ihren Anfuͤhrern Hengiſto und Horſto er - ſchienen, und alſo den
    • 3. Periodum nemlich den Saͤchſiſchen etabli - reten. Denn an ſtatt daß ſie die Britten haͤtten wieder die Scoten und Picten defen - diren ſollen, welche ſie zwar verjagten, ſo machten ſie ſich Meiſter uͤber die Britten, und beſetzten nicht allein das Land mit An - geln, ſondern ſupprimirten auch ſo gar den Nahmen Britannia, und nennten das Land Angliam, theileten auch ſelbiges in 7. differente kleine Koͤnigreiche, welche Egbert Koͤnig der Weſt-Sachſen, umb das Jahr Chriſti 818. theils zu Provintzen machte, und ſie ihm unterwarffe; theils auch in der Qualitaͤt beſonderer Koͤnigreiche lieſſe, derer Koͤnige doch ſeine Oberherrſchafft erkennen muſten, ſo daß man den Anfang der Engliſchen Monarchie, und was von ſel - biger ratione der Præcedentz dependiren kan, in dieſe Zeiten ſetzen muͤſte. Allein weil die Engliſchen Koͤnige von Saͤchſiſcher Ex - traction, und unter ſelbigen der andere Ethelvvolde geneñt, ein Sohn des Egberti, ſo groſſe Submisſion gegen den Pabſt be - zeugete, daß er nicht nur allein den Peters Penny auf das neue einfuͤhrete, ſondern auch Engelland dem Pabſt zur Lehn offeri -ret19Hoff-Ceremoniel. ret haben ſoll, uͤber dieſes die Daͤhnen dieſes Land durch oͤfftere Einfaͤlle beunruhigten, und die Engliſchen Koͤnige ihnen nicht allein tributar machten, ſondern auch gar unter ſich brachten, und den
    • 4. Periodum, nemlich den Daͤhniſchen umb das Jahr 1008. einfuͤhreten, welcher zwar nicht lange, ſondern nur etwan 40. Jahr ge - dauret; ſo laͤſſet es ſich nicht wohl ſtatuiren, daß man die Souverainité von Engelland, und das Datum der Monarchie weiter hin - aus ruͤcke, als auf den
    • 5. Periodum der Koͤnige aus Normandie, welchen Wilhelmus Conqueſtor umb das Jahr Chriſti 1066. eingefuͤhret.
  • 5. Schweden, von dieſem machen theils ihre eigene, theils aber auch auswertige Scriben - ten, eine unerhoͤrt lange und alte Succesſion der Koͤnige, indem ſie ſelbige uͤber 2200. Jahr fuͤr Chriſti Geburth, und zwar von dem Go - mer oder Magog, derer im 1. B. Moſis am 10. Cap. v. 2. gedacht wird, denen Enckeln des Noaͤ anfangen, ja es fehlet denen Scribenten nicht an den Nahmen, wie jeder Koͤnig von den Zeiten Magog, welcher An. 88. nach der Suͤndfluth zu regieren angefangen, geheiſſen. Allein der Herr Baron von Pufendorf will in ſeiner Einleitung zu der Hiſtorie von Schwe - den dieſem alten Weſen keinen Beyfall geben,B 2und20Europaͤiſchesund es iſt auch augenſcheinlich, daß wenn man ein ſolch Alterthum ſtatuiren wolte, man die Hiſtoriam fabuloſam mit der vera vermen - gen, und dieſe letztere durch ſolchen Miſchmaſch verunehren wuͤrde. Dannenhero wenn man mit einiger hiſtoriſchen Sicherheit etwas von dem Alterthum der Schwediſchen Monar - chie ſtatuiren wil, kan man die Sache ſchwer - lich weiter hinaus treiben, als auf die Zeiten Erici Sancti, welcher ungefehr umb das Jahr 1150. regieret. Andere ſetzen das Datum der Schwediſchen Koͤnigl. Regierung erſt in das Jahr 1292. und in die Perſon des Koͤniges Bir - geri II. Weil aber Schweden mit Daͤnemarck vielmahls verknuͤpffet, wiederumb von einan - der abgeſondeꝛt, abeꝛmahl zuſam̃en unter einem Haupte conjungiret, und wieder ſepariret worden, welches beydes zum letzten mahl unter Chriſtiano I. geſchehen, welchen man 1463. des Schwediſchen Reiches entſetzet, und Carl Cnutſon an ſeine Stelle zum Koͤnige in Schweden gewehlet; (nach deſſen Zeiten es auch ein ſeparirtes Koͤnigreich von Daͤnne - marck geblieben) ſo hat man den ſicherſten Pe - riodum der Succesſion der Schwediſchen Koͤnige erſt in dieſe Zeiten rangiret. Wie - wohl diejenigen, welche am alleraccurateſten gehen wollen, die juſtam ſeriem der Koͤnige in Schweden, in ſo fern ſie ein von Daͤnne -marck21Hoff-Ceremoniel. marck ſepariretes Reich und Regierung er - richtet, erſt in der Perſon Guſtavi I. oder in den Periodum derer von Vaſa, und alſo in das Jahr 1523. lociren.
  • 6. Daͤnnemarck iſt wohl unſtreitig ein Reich, in welchem ſchon geraume Zeit fuͤr Chriſti Ge - burth Koͤnige geherrſchet haben, derer Nah - men und Thaten aber ſehr ungewiß, und dem - nach hieher wohl nicht mehr dienlich und gehoͤ - rig feyn wird, als die Periodos derſelben, derer zehen, anzufuͤhren
      • 1. Fuͤr Chriſti Geburth
        • 1. Der Daͤhniſche, oder Cimbriſche (ſ. Jutlaͤndiſche)
        • 2. Der Daͤhniſch-Schwediſche, welcher im 3200tem Jahre der Welt angefangen, in welchem ein Koͤnig Nahmens Frotho III. zu des Kaͤyſers Auguſti Zeiten und der Geburth Chriſti gelebet, welcher ein maͤch - tiger Herr geweſen ſeyn ſoll.
      • 2. Nach Chriſti Geburth
    • 3. Der Gothiſche, welcher ſeinen Anfang umb das Jahr 444. nach Chriſti Ge - burth genommen,
    • 4. Der Scaniſche oder Schoniſche,
    • 5. Der Norwegiſche, in welchem Koͤnig Haraldus VI. und ſein Bruder, die erſten Chriſtl. Koͤnige geweſen,
    • 22
    • 6. Der Engliſch-Daͤhniſche, welcher ſich An. 1015. in der Perſon Canuti II. ange - fangen,
    • 7. Der Engliſch-Schwediſche, in welchem Haraldus 1074. der erſte, und Walde - mar der zehende geweſen, von welchem Waldemar die meiſten Chronologiſten und Genealogiſten den Anfang einer ſicheren Genealogie der Koͤnige in Daͤn - nemarck machen.
    • 8. Der Pommerſche, welcher in Erico VIII. A. 1396. ſeinen Anfang genom - men, und nur dieſen eintzigen Koͤnig dar - aus gehabt.
    • 9. Der Baͤyriſche, der A. 1439. in der Per - ſon Chriſtophori ſeinen Anfang bekom - men, und auch mit ihm beſchloſſen worden.
    • 10. Der Oldenburgiſche, und noch biß dato herrſchende. Man ſiehet nun wohl hier - aus, daß, obgleich die Succesſion der Koͤ - nige in Daͤnnemarck ſehr alt, und auch ziemlich richtig, dennoch das Datum ih - res Anfangs, ſo weit man aus ſelbigem einen Beweiß ihrer Prærogativæ ziehen wolte, dennoch erſt in den ſiebenden, oder Engliſch-Schwediſchen Periodum ge - ſetzet wird. Und das umb deſto mehr, weil es nicht an Scribenten fehlet, welche be - richten, daß Waldemarus I. im Jahr 1164. zum Kaͤyſer Friderico I. nach Be -ſan -23Hoff-Ceremoniel. ſancon kommen, und ſich von ihme in - veſtiren laſſen. Andere, und nahmentlich Helmoldus in Hiſt. Sclavon. c. 40. ge - dencken eines Koͤniges Nahmens Petri, welchen gedachter Kaͤyſer Fridericus I. aus einem Hertzoge der Daͤhnen zu einem Koͤnige, und deſſen Reich zu einem Feudo Imperii gemacht, wie dann Otto Friſin - genſis dieſen Friedericum I. deſſen coætaneus er geweſen, und 2. Buͤcher de geſtis Friderici hinterlaſſen, dieſen Kayſer redende alſo anfuͤhret: Hominio (ſ. homagio) ac fidelitate nobis fa - cta, Coronam de manu noſtra Petrus Danorum Rex ſuſcepit.
  • 7. Portugal wird in dem oben allegirten Ce - remoniali Romano den Koͤnigen von Engel - land zwar vorgeſetzet, allein ſonder Zweiffel aus andern Urſachen, als daß es eine mehrere Antiquitaͤt und Succesſion ſeiner Koͤnige ha - be als Engelland; maſſen zur Gnuͤge bekandt, daß biß umb das Jahr Chriſti 1139. in Por - tugal nur Grafen regieret, biß endlich Alphon - ſus I. in gemeldtem Jahre fuͤnff Mauritaniſche Koͤnige erſchluge, und zu deſſen Gedaͤchtnuͤß auch die 5. Schilder in ſein Wapen ſetzete, ſich anbey den Titul eines Koͤniges geben, und ſich in ſelbigem von dem Pabſt Alexandro III. An. 1169. confirmiren ließ, welches ReichB 4noch24Europaͤiſchesnoch dazu A. 1580. nachdem es Philippus II. conqueſtiret, gar ſupprimiret und mit Spa - nien vereiniget worden, und allererſt An. 1640. in der Perſon des Johannis, Hertzogs von Braganza, wieder zu einem von Spanien be - ſonderen Koͤnigreiche poſtliminio gediehen, ſo daß man den Urſprung ſeiner Koͤnige nicht von einem hoͤheren Alter als von gemeldtem Alphonſo I. und dem 1139. Jahre deriviren kan.
  • 8. Ungarn. Deſſen Koͤnige haben in der Paͤbſtl. Capelle die zehende Stelle. Einige wollen, daß Attila der Hunnen Koͤnig, welcher unter dem Nahmen des Flagelli Dei in der Hiſtorie be - kandt, der erſte Monarche uͤber das Koͤnigreich Ungarn geweſen, umb das Jahr Chriſti 401. Allein man weiß, daß noch zu den Zeiten des Kaͤyſers Arnulphi umb das Jahr 887. ſieben Fuͤrſten zu gleicher Zeit, ohne alle De - pendentz von einander, in Ungarn regieret, darunter einer Almus, aus dem Geſchlechte des Attilæ, der vornehmſte oder maͤchtigſte geweſen, welchem Zoltan, Toxus, und endlich Gaiſa ſeine Deſcendenten in der qualité der Fuͤrſten gefolget. Und dieſer letz - tere ſoll An. 979. der erſte Koͤnig geweſen ſeyn, wiewohl es ſicherer, daß man deſſen Sohn Stephanum den Heiligen, erſt dafuͤr annehme. Von den Zeiten dieſes Stephani an, (oder viel -mehr25Hoff-Ceremoniel. mehr des fuͤnfften Koͤniges nach ihm, des An - dreæ, welcher ein Deſcendent des Gaiſa war) haben dieſe vom Attila herruͤhrende Koͤnige biß auf Andream III. durch drittehalb Secula, biß A. 1301. in beſtaͤndiger ſerie regieret. Welcher Geſtalt ſich hernach die Ungarn aus allerhand hohen Fuͤrſtl. ja Kaͤyſerlichen Fami - lien Koͤnige gewehlet, iſt hier zu erzehlen nicht noͤthig, ſondern nur bloß noch zu erwehnen, daß nach dem Koͤnig Ludovicus der andere ſein Leben An. 1526. bey Mohats in dem Kriege wieder die Tuͤrcken einbuͤſſete, Ferdi - nandus I. der des Ludovici Schweſter An - nam zur Gemahlin hatte, A. 1527. zum Koͤni - ge in Ungarn erwehlet worden, welcher auf ſei - ne Allerdurchl. Nachkommen die Ertz-Hertzoge von Oeſte[rr]eich dieſes Koͤnigreich gebracht hat. Weil nun von deſſen Zeiten an die Koͤnige in Ungarn auch zugleich immer Roͤm. Deut - ſche Kayſer geweſen, ſo iſt die Dignitaͤt und Prærogative der Ungariſchen Koͤnige von Niemanden leichtlich angefochten worden, auſſer von Franckreich, wovon unten etwas mehreres gemeldet werden ſoll.
  • 9. Boͤhmen hat in dem oben angefuͤhrten Paͤbſtl. Ceremoniel die 13. Stelle, und ſte - het dennoch erſt in der vierdten Staffel unter den Ungariſchen Koͤnigen, wie es dann auch heut zu Tage in dem Titul Kaͤyſerl. MajeſtaͤtB 5wel -26Europaͤiſcheswelche zugleich Koͤnig uͤber Ungarn und Boͤh - men ſind, Ungarn nachgeſetzet wird. Das Alterthum dieſes Koͤnigreichs (denn Fuͤrſten hat es von An. Chriſti 550. und von dem Ze - cho an biß 1086. zwey und zwantzig gegeben) deriviret man von den Zeiten Wratislai I. welchen Kaͤyſer Henricus der IV. zu Mayntz zu einem Koͤnige erklaͤrete, umb das Jahr Chri - ſti 1086. weil Wratislaus dem Henrico wieder Rudolphum Hertzog in Schwaben treulich beygeſtanden, allein die auf ihn folgen - den Regenten in Boͤhmen, haben dieſen Koͤ - nigl. Titul wieder negligiret, und ſind mit dem Hertzoglichen ungefaͤhr 60. Jahr vergnuͤget geweſen, in Meinung wie Æneas Sylvius er - zehlet, cap. 24. quod regni decus homini non provinciæ datum fuiſſet, biß daß Kaͤy - ſer Fridericus Barbaroſſa abermahl den Ula - dislaum III. (andere neñen ihn 2dum) den En - ckel des Wratislai I. zu einem Koͤnige in Boͤhmen auf dem Reichs-Convent zu Regen - ſpurg A. 1159. renunciret, und ihm den ro - then Loͤwen mit dem geſpaltenen Schweiff in einem ſilbernen oder weiſſen Felde in ſein Koͤ - nigl. Wapen zuerkennet. Aber auch des Uladislai 2di oder 3tii Nachfolger unter - lieſſen ſich des Koͤniglichen Tituls zu gebrau - chen, biß An. 1199. Kaͤyſer Philippus zum dritten mahl, dem Premislao die KoͤniglicheWuͤr -27Hoff-Ceremoniel. Wuͤrde renovirete und conferirete, und ihme der Nahme Ottocarus gegeben wurde, von welcher Zeit an auch die herrſchenden in Boͤhmen Koͤnige geblieben, und alſo die Deri - vation Koͤniglicher Wuͤrde und Hoheit zum kuͤrtzeſten von dieſem Premislao anzufangen waͤre. Auſſer dieſem allen iſt mehr als zur Gnuͤge bekandt, daß das Koͤnigreich Boͤhmen
    • 1. Ein feudum Imperii, und obgleich dieſer Koͤnig ratione der Infeudation mit treffli - chen Privilegiis verſehen, ſo iſt er doch eini - ger maßen dem Kayſer und dem Reich vin - culiret, ſo daß er certo reſpectu den Kayſer pro ſuperiori zu erkennen hat, welches viel - leicht eine Urſache gegeben haben mag, daß man ihme den Rang nicht hoͤher geſetzet.
    • 2. Dem Roͤm. Kayſer erblich gehoͤre, und des - wegen, gleichwie in regard der Koͤnige in Un - garn, aller Streit wegen der Præcedentz bey einem Koͤnige in Boͤhmen, als Koͤnige, nicht aber als Churfuͤrſt, gegen andere Sou - verains cesſiret, weil es von den Zeiten Ferdinandi I. und alſo von dem 1527. Jah - re an gar unnoͤthig geweſen, von einem Koͤ - nige von Boͤhmen, eigene Geſandten, die Kaͤy - ſerl. Wahl ausgenommen, wohin zu ſenden, ſondern die groſſe Majeſtaͤt eines Kaͤyſers, hat die Koͤnigl. Boͤhmiſche Wuͤrde allemahl zugleich mit ſouteniret, und Gott gebe, daß esauch,28Europaͤiſchesauch ſo biß an der Welt Ende, wie es noch zu unſern Zeiten iſt, verbleibe.
  • 10. Pohlen hat in der Paͤbſtl. Capelle die letz - te oder vierdte Stelle. Das Alterthumb dieſes Koͤnigreichs wird, wenn man ſelbiges auf das weiteſte hinaus rechnet, nicht eher als von den Zeiten und der Regierung Boleslai Chrobry, welchem der Kayſer Otto III. An. 999. zur Danckbarkeit fuͤr das gute Tractament, ſo ihme Boleslaus auf ſeiner Wallfarth nach dem Grabe des Biſchoffes Adalberti in Gneeſen erwieſen, den Koͤnigl. Titul verehret. Hieraus wollen einige ſchlieſſen, daß Pohlen damahlen dem Roͤm. Reich tributair geweſen, zu mah - len Otto III. dem neuen Koͤnige Boleslao al - les ſein Recht nachgelaſſen, ſo die Kayſer vor - hin auf Pohlen prætendiret. Denn fuͤr den Zeiten Boleslai regiereten dieſes Land Hertzo - ge (manchmahl auch Weywoden) darunter Lechus An. 550. der erſte geweſen. Es ha - ben aber dieſen von Ottone dem Boleslao conferirten Koͤnigl. Titul nicht mehr als drey Koͤnige nach einander, nemlich
      • 1. Boleslaus I.
      • 2. Mieceslaus II.
      • 3. Caſimirus I.
      etwan 60. Jahr lang biß An. 1058. gebrauchet.
    Denn als Boleslaus II. oder Audax den Bi - ſchoff zu Cracau Stanislaum fuͤr dem Altar nieder gehauen, und darauf von PabſtGre -29Hoff-Ceremoniel. Gregorio VII. in den Bann gethan, end - lich unſinnig und ſein eigener Moͤrder ge - worden, ſo gelangete deſſen Bruder Uladis - laus I. zum Regiment, welcher aber aus Furcht fuͤr den Pabſt ſich einen Koͤnig zu nennen nicht getrauete, ſo daß dieſer Titul und Dignitaͤt in Pohlen gantzer 290. Jahr, nemlich biß auf das Jahr A. 1370. non uſu verloſchen, und das Reich und Republic von Fuͤrſten gouverniret worden, biß end - lich Ludovicus Koͤnig in Ungarn, A. 1370. auch zum Koͤnige in Pohlen geweh - let ward. Denn obgleich Premislaus An. 1295. ſchon wieder den Titul eines Koͤni - ges annahm, ſo ließ ihn doch ſein Succeſſor Uladislaus III. wieder fahren, und nahm mit den Titul eines Erben von Pohlen vor - lieb. Wiewohl man auch in faveur der Cron Pohlen ſtatuiren koͤnte, daß der Ti - tul und Wuͤrde eines Koͤniges in Pohlen in der Perſon Premislai An. 1295. poſt - liminio reſtituiret worden, welches alſo das eigentliche Datum des Alterthums der Koͤnige in Pohlen ſeyn koͤnte.
  • 11. Moſcau hat wieder in der Paͤbſtlichen Ca - pelle keinen asſignirten Ort, weil er kein Glied der Lateiniſchen Kirche, deſſen Haupt der Pabſt, ſondern Griechiſcher Religion von An - fang zugethan, und zugleich das Hauptder -30Europaͤiſchesderſelben iſt. Sonſten machen die Hiſtorici gemeinlich den Anfang dieſes Reiches von dem Ruſſo, welcher ein Bruder des Zechi und Lechi, derer jener Boͤhmen, dieſer Pohlen fundiret haben ſoll, geweſen, und ſetzen ihn in das Jahr Chriſti A. 500. Man findet aber hie - von, wie auch wie viel Fuͤrſten, und unter was fuͤr einem Titul ſie dieſes Land regieret, ſchlechte Nachricht, biß gegen das Jahr Chriſti 989. da der Fuͤrſt Volodimer regieret. Dieſer hin - terließ aber 12. Kinder, unter welche das Reich zertheilet wurde, und weil ihre Macht dadurch ſehr geſchwaͤchet, ſie auch unter einander unei - nig waren, geriethen ihre Nachkommen nicht allein mit den Liefflaͤndiſchen Creutz-Herren in ſchwere Kriege, ſondern es fielen auch An. 1224. die Tartarn in das Land, und wurde von derer Koͤnig Batto der Ruſſen Fuͤrſt Ge - orge A. 1237. erſchlagen, und die Rußiſchen Fuͤrſten von den Tartarn dependent und ihnen tributar, in welchem elenden Zuſtande dieſes Reich auch biß zu den Zeiten Juan ſ. Jo - han Baſilovvitz, welcher A. 1450. zur Regie - rung kommen, geblieben, und alſo 2. Secula und druͤber unter der Tartarn Joch geſtanden. Aber dieſer Johannes Baſilovvitz (ein Sohn des blinden Baſilii) brachte nicht allein die klei - nen Fuͤrſten in Rußland, unter welche das Reich vertheilet war, unter ſich, ſondern ver -jag -31Hoff-Ceremoniel. jagte auch die Tartarn, von welchen bißhero die Rußiſchen Fuͤrſten hatten die Lehn nehmen muͤſſen, und etablirete nicht nur den Grund einer Monarchie, ſondern auch den Ti - tul eines Groß-Fuͤrſten von Moſcau, und ſtarb A. 1492. Jhm ſuccedirte Baſilius, welcher A. 1533. ſtarb, weil er aber Smolenſco, Siberien und viel andere Plaͤtze erobert, und das Moſcowitiſche Reich biß an den Fluß Oby und Nova Zembla erweitert, hat er ſich den Titul eines Czares, beylegen laſſen, da zu - vor die Moſcowitiſchen Regenten nur mit dem Titul Welikikneſa, oder Groß-Fuͤrſt zu - frieden geweſen. Ja es haben dieſe Groß - Fuͤrſten, oder ſo genennte Czaars, nachdem ſonderlich der Johannes Baſilides die Tarta - riſche Koͤnigreiche Caſan und Aſtracan ero - bert, und ſein Reich biß an das Caſpiſche Meer und Perſien erweitert, ſich den Titul eines Kayſers oder Imperatoris arrogiret, und da - durch andern Europaͤiſchen Potentaten vor - gezogen werden wollen. Weil nun alhier das eigentliche Abſehen einigen Unterricht von der Prærogativa der Souverains zu geben, ſo wird der Muͤhe werth ſeyn, die Krafft und Be - deutung des Wortes Czaar in etwas, wie es grammaticaliter und auch politice genom̃en wird, zu unterſuchen. Verba n. indicant rem. Nachdem, wie allbereits gemeldet worden, derGroß -32EuropaͤiſchesGroß-Fuͤꝛſt Baſilius ſich den Titul eines Czaars beylegen laſſen, ſo haben die Gelehrten unter - ſuchet, was man wohl unter dieſem Wort ver - ſtehen koͤnne. Einige deriviren es von dem Ebraͤiſchen Worte Zarah, welches 1. Moſ. 37, 25. und Jerem. 51, 8 gefunden wird, und auf deutſch einen Geſalbten bedeutet, maſſen denn bekandt, daß der Czaar, gleich wie andere Ma - jeſtaͤten, gekroͤnet und geſalbet wird. Jn der Rutheniſchen und Sclavoniſchen Sprache und Bibel, hat das Wort Czaar keine andere Bedeutung als Koͤnig, denn man findet in ſel - biger v. gr. Czaar Salomon, Czaar David, Czaar Herodes, ꝛc. und irren demnach dieje - nigen, welche ſtatuiren, daß Czaar ſo viel als Kayſer bedeute, maſſen der Herr Baron von Herberſtein de Rebus Moſcovvit. p. 12. ausdruͤcklich meldet; Quod in omnibus eo - rum (ſc. Ruſſorum) hiſtoriis atque Sacra Scriptura, ubique Regis nomen nomine Czaar, Cæſaris vero nomen nomine Keſ - ſar exprimatur. Es ſcheinet auch, daß die Moſcowitiſchen Regenten zu einigen Zeiten, das Wort und den Titul Czaar durch nichts anders und mehreres als Koͤnig erleutern wol - len, indem ja bekandt, daß der Czaar Fedor oder Theodorus, von Pabſt Clemente dem VIII. An. 1593. den Titul eines Koͤniges, nicht aber eines Kaͤyſers gebeten, welchenihme33Hoff-Ceremoniel. ihme auch der Pabſt zu geben verſprochen, im fall er die Griechiſche Religion verlaſſen, und ſich zu der Catholiſchen bekennen wolle. Jn - zwiſchen aber ſo prætendirten doch ſowohl in vorigen als itzigen Zeiten die Beherrſcher des Moſcowitiſchen Reichs, daß das Wort Czaar mehr gelte als Koͤnig, und dem Worte Cæſar oder Imperator gleichmaͤßig ſey, und man ſie als Kaͤyſer und Imperatores tractiren ſolle; wie man denn bey dem Thuano ad An. 1607. angemercket findet, daß Johannes Baſilides Tyrannus, von den Pohlen keine Geſchencke und Briefe annehmen wollen, weil in den letz - teren der Titul Imperatoris und Monarche nicht befindlich war. Hingegen aber pflegen die Ruſſen zu weilen nicht nur dem Roͤmiſchen Kayſer, ſondern auch dem Pabſt, Koͤnige in Schweden und Daͤnnemarck den Titul - ſaris oder Imperatoris zu ertheilen. Man kan alſo daraus leichte muthmaſſen, daß die Moſcowitiſchen Regenten die Qualitaͤt der Kayſer und Imperatorum affectiret, nach - dem ſie nicht allein dieſem offt gedachten Wor - te Czaar die Bedeutung Cæſaris zuerkennet, ſondern auch, gleich dem Roͤmiſchen Kayſer einen zweykoͤpffigen gelben Adler, welcher doch bloß und alleine das beſondere Inſigne Ro - mani Imperii iſt, zu ihrem Wapen erkieſet: und ſich noch darzu den Titul Samoderſchetz,Cwel -34Europaͤiſcheswelches in ſeinem eigentlichen Verſtande ſo viel als αύ / οϰράτωρ, ipſe Dominans, Impe - rator, Selbſtherrſcher, Selbſtregierer, nicht aber, wie man es im deutſchen Titul des Czaars ſo viel als Selbſterhalter uͤberſetzet, bedeutet. Der Pabſt nun weigert biß dato dem Czaar den Titul eines Kayſers zu geben, dannenhero auch vor einigen Jahren die Moſ - cowitiſchen Geſandten, weil ſie von dem Ti - tul eines Kayſers fuͤr ihren Czaar nicht abſtehen wolten, zu Rom keine Audientz erlangen kun - ten. Der Roͤmiſche und Tuͤrckiſche Kayſer geben ihme auch nicht den Kayſerlichen Titul, weil ſie zwey allein ſelbigen zu fuͤhren berechti - get. Jn dem Weſtphaͤliſchen Frieden, in welchen der Czaar mit eingeſchloſſen wurde, nenneten ihn die Schweden nur Magnum Ducem Moſcovviæ, vid. Art. 17. §. 11. Inſtrum. Pac. woruͤber ſich zwar der Czaar ge - gen Schweden beſchwerete, aber zur Antwort bekam: es waͤre ſeiner nur zufaͤlliger Weiſe in dieſem Frieden gedacht worden. Die Poh - len geben ihm, krafft eines zwiſchen Pohlen und Moſcau aufgerichteten Vergleiches, den Titul Majeſtaͤt. Der Koͤnig in Franckreich aber iſt der Complaiſanteſte, maſſen er ſchon An. 1654. dem Czaar in einem Briefe, welchen er an ihn geſchrieben, folgenden Titul gegeben: Autres haut & tres magnanime Prince, leGrand35Hoff-Ceremoniel. Grand Seigneur, Empereur de Rusſie & Moſcovvie. Jhro Roͤm. Kayſerl. Maje - ſtaͤt haben auch bey der letzten Moſcowitiſchen Ambaſſade nach Wien zugeſtanden, daß dem Czaar der Titul Jhrer Majeſtaͤt von denen Kayſerl. Miniſtris, auch andern Perſonen, ſo gar ſelbſt in Gegenwart ſeiner Kaͤyſerl. Ma - jeſtaͤt, und in denen an die Geſandten geliefer - ten Decretis und Schrifften gegeben werde; allein in denen Schrifften, welche der Kayſer ſelbſten von ſich ſtellet, hat man den Titul Ma - jeſtaͤt dem Czaar noch nicht ertheilet. Welches aber doch nicht hindert, daß der Czaar nicht an ſich ſelbſten eine Majeſtaͤt ſey; denn dieſe hat er nicht nur in optima forma, ſondern auch ab - ſolutisſime und in ſummo gradu; allein der Kayſerl. Stylus Curiæ iſt ſo beſchaffen, daß man einigen Europaͤiſchen Koͤnigen nicht den Titul Majeſtaͤt, ſondern nur Koͤnigliche Wuͤr - de, beyleget. Ob aber offt erwehnter Czaar fuͤr einen Kaͤyſer und Imperator pasſiren und gehalten werden muͤſſe, iſt meines Erachtens noch keine ausgemachte Sache.
  • 12. Der Tuͤrckiſche Kayſer welcher auch Groß - Sultan geneñet wird. Denn ſchlecht weg wer - den auch andere auſſer Europa, und zwar von dem Tuͤrcken dependirende Fuͤrſten, Sul - tans genennet, v. gr. der Sultan in Egypten, zu Tripolis. Den gantzen Anfang des Tuͤrcki -C 2ſchen36Europaͤiſchesſchen Reichs zu erzehlen, iſt hieher nichtgehoͤrig, ſondern nur dieſes noͤthig, daß man davon ſo viel, als zu der Behauptung der Prærogativæ dienlich ſeyn kan, beybringe. Es iſt bekandt, welcher geſtalt der Tuͤrckiſche Sultan Maho - met der II. An. 1453. zu den Zeiten des Oc - cidentaliſchen Kaͤyſers Friderici III. die Re - ſidentz der Orientaliſchen Kayſer Conſtan - tinopel eingenommen, und den Conſtanti - num Palæologum erſchlagen, darauf dieſer Mahomet II. und ſeine Succeſſores immer getrachtet, ſich in die Poſſeſſion und Anſehen eines Kayſers zu bringen, welches ihnen auch endlich gelungen, indem Kayſer Rudolphus II. mit dem Tuͤrckiſchen Sultan Achmet I. An. 1606. einen Vergleich getroffen, daß wenn die Geſandten des Rudolphi mit des Achmets ſeinen wuͤrden zuſammen kommen, dieſe den Kaͤyſer Rudolphum Vater, jene den Achmet Sohn nennen, in dem Credential - und andern Schreiben aber, ſo eine und die an - dere Parthey mitbringen und auswechſeln wuͤrden, beyde, nemlich Rudolphus und Achmet den Titul eines Imperatoris genieſ - ſen ſolten. Von dieſem Jahre nun und Ver - trag an zurechnen, hat es in Europa wiede - rumb zwey Kayſer gegeben, den Occidentali - ſchen und Orientaliſchen, ſo daß es keinen Zweiffel giebet, es muͤſſe der Tuͤrcke die erſteStel -37Hoff-Ceremoniel. Stelle nach dem Roͤm. Deutſchen Kayſer ein - nehmen. Alles was nun bißhero zu Behaup - tung der Prærogativæ aus dem Alterthum der Monarchien angefuͤhret, und irgends ge - wieſen worden, in welchen Zeiten man das Da - tum eines und des andern Koͤnigreiches ſetzen koͤnne, hat nicht die Meynung, daß man eines dem andern vorziehen, ſondern dem Leſer zu urtheilen uͤberlaſſen wolle, welcher unter allen wohl den feſteſten Grund und Beweiß ſeines Alters haben koͤnne.

§. 2.

Aus den Alterthum des Chriſten - thumbs. Denn gleichwie der Nahme eines Chri - ſten einem jeden Menſchen, ſonderlich aber de - nen Souverains, der hoͤchſte und liebſte ſeyn muß; alſo hat man ſonderlich die Bekehrung zum Chriſtenthum, und die davon dependirende Præcedentz in denen Conciliis, in welchen viel Potentaten und derer Geſandten erſchienen, alle - giret, dergleichen ſonderlich in dem Baſiliſchen, wie Æneas Sylvius lib. 11. de geſtis Concil. Baſil. fol. 50. erzehlet, und auch in dem Triden - tiniſchen, nach Bericht des Petri Svavis Hiſt. Concil. Trident. lib. 8. geſchehen, in welchem letztern ſich der Frantzoͤſiſche Geſandte ſehr be - ſchweret, daß man ſeinem Principal, als Primo - genito Eccleſiæ, nicht den Rang fuͤr Spanien einraͤumen wollen. Weil nun dieſes Argu - ment, welches man aus dem Alter des Chriſten -C 3thums38Europaͤiſchesthums hohlet, etwas zu Behauptung der Præro - gativæ gelten ſoll, ſo iſt hier zu zeigen unentbehr - lich, zu welcher Zeit ein oder der andere Potentate und Koͤnigreich den Chriſtlichen Glauben ange - nommen.

  • 1. Unter den Kayſern wird insgemein Conſtan - tinus M. fuͤr den erſten Chriſtlichen Kayſer gehalten, welcher etwan umb das Jahr Chriſti 316. zu regieren angefangen. Man findet aber in dem Euſebio c. 11. & 12. daß ſchon ſein Vater Conſtantinus Chlorus, welcher auch Roͤm. Kayſer war, das Chriſtenthum angenommen. Seine Mutter Helena, des Koͤniges Celi in Engelland Tochter, ſoll nach erſt gemeldten Euſebii Bericht, durch ein Ge - ſichte erinnert worden ſeyn, nach Jeruſalem zu reiſen, und daſelbſt den Ort des Leidens nnd Auferſtehung JEſu Chriſti zu betrachten: welches ſie auch gethan, und daſelbſt das Creutz Chriſti ſampt den Naͤgeln, mit welchen der Heyland an daſſelbige gehefftet geweſen, gefunden. Dieſe letztern hat ſie ihrem Sohne mit zuruͤcke gebracht, der aus ſelbigen Pferde - Gebiſſe und Zaͤune, wie auch eine Stuꝛm-Hau - be oder Helm, ſich deſſen im Kriege zu gebrau - chen, verfertigen laſſen. Dannenhero auch der heil. Ambroſius in dem Sermon, welchen er auf den Todt des Conſtantini M. gehalten, die Worte, welche bey dem Propheten Zacha -ria39Hoff-Ceremoniel. ria c. 14. v. 20. gefunden werden, und alſo lau - ren: Zu der Zeit wird die Ruͤſtung der Roſſe dem HErren heilig ſeyn, allego - riſch auf ihn gedeutet. Welcher Geſtalt ih - me hernach bey hellem und heiterem Himmel, als er gegen Maxentium in den Streit zoge, ein Creutze mit Griechiſchen Buchſtaben, die im Latein in hoc vinces bedeuten, erſchie - nen, wie er die Bibel ſich allezeit vortragen laſſen, viele Kirchen erbauet, it. das Concili - um zu Nicea An. 325. verſammlet, und aller - hand actus Chriſtianiſmi erwieſen, iſt hier anzufuͤhren gar nicht, das aber hingegen zu mel - den ſehr noͤthig, daß Conſtantinus Magnus zwar als ein Chriſt gelebet, und was ein Chriſt glauben ſoll, geglaubet, aber anbey doch ein ungetauffter Chriſt geweſen. Denn weil er ſich vorgenommen hatte, die Tauffe gleichwie Chriſtus, in dem Jordan zu empfangen, zu welchem Waſſer er aber ſo bald nicht gelangen kunte, fiel er endlich in der Stadt Ni - comedia in eine Kranckheit, und als er mer - ckete daß er davon nicht geneſen wuͤrde, ließ er ſich kurtz vor ſeinem Todte von dem alldortigen Biſchoff Euſebio tauffen An. 337. Dan - nenhero einige an dem rechten Chriſtenthumb dieſes Kayſers zweifeln, und das Datum Chriſtianiſmi nicht in ſeine Perſon und Fa - milie ſetzen wollen, zumahlen da Julianus,C 4wel -40Europaͤiſcheswelcher ein Sohn des Bruders Conſtantini Magni war, den Chriſtlichen Glauben wiede - rumb ſo ſchaͤndlich verlaſſen, und das Heyden - thum angenommen. Wenn man nun gleich den Anfang des Chriſtenthums allererſt von der Zeit, da Jovianus (des Juliani Succeſſor) An. 363. regieret, rechnen wolte, weil er und die auf ihn folgende Kayſer immer Chriſtlich geweſen, ſo verliehrten die Kayſer in ihrer Prærogativa deswegen doch nichts, weil ſie doch fuͤr allen andern Potentaten die erſten bleiben, welche ſich zum Chriſtenthum be - kehret.
  • 2. Franckreich iſt durch folgende Gelegenheit zum Chriſtenthum bekehret worden: Weil ſich Clodovæus der Frantzoſen Koͤnig in Clo - tildem des Chilperici Koͤniges in Burgun - dien Tochter verliebet, und ſie ihm die Ehe mit dem Bedinge verſprochen, daß er ſolle ein Chriſt werden; ſo hat er es zwar zugeſa - get, aber zu vollziehen lange aufgeſchoben, biß endlich die Allemannier, die ehmahlen aus Franckreich uͤber den Rhein gegangen waren, und deutſche Sitten angenommen hatten, ihr altes Recht auf Franckreich wieder ſucheten, und ſelbiges mit Krieg uͤberzogen. Als nun Clodovæus dieſen Leuten bey dem Orte Juͤ - lich (andere ſagen Tolbiack) unfern dem Rhein begegnete, und eine Schlacht lieferte,fin -41Hoff-Ceremoniel. fingen die Frantzoſen allbereits an zu weichen; da er aber der Clotildis Gott anrieff, und das Geloͤbnuͤß thate, im fall ihm dieſer Gott den Sieg geben wuͤrde, ein Chriſt zu werden: hat er nicht nur den Sieg erlanget, ſondern auch GOtt ſein Verſprechen gehalten. Daher ließ er ſich An. 496. zu Rheims von dem heili - gen Remigio tauffen, wobey nicht nur eine Taube, oder wie andere wollen, ein Engel das heilige Oehl, oder die ſo genannte Ampullam Rhemenſem, ſoll von Himmel gebracht; ſondern auch die Koͤnige wegen ſelbiger den Titul Primogenitorum Eccleſiæ filiorum, und Chriſtianiſſimorum erworben haben. Es haͤtten ſich aber dieſe Titul weit beſſer fuͤr die Roͤmiſchen Kayſer geſchickt, maſſen ſelbige, von Conſtantino M. anzurechnen, gantzer an - derthalb Secula eher Chriſten worden, als die Koͤnige in Franckreich, und alſo nothwendig Primogeniti Eccleſiæ, oder die Erſtgebohr - nen der Kirchen ſeyn muͤſſen.
  • 3. Spanien hat ſonder Zweifel ein ſehr altes Datum des Chriſtenthums, allein es will ſchwer, ja faſt unmoͤglich fallen, denjenigen Koͤ - nig mit Nahmen zu nennen, welcher den Chriſtlichen Glauben am allererſten angenom - men, und hernach ſelbigen in Spanien einge - fuͤhret: zumahlen da die Scriptores hierinnen einander ſo entgegen, und die alten Zeiten ſoC 5ver -42Europaͤiſchesverwirret ſeyn. Es erzehlet zwar Johannes Va - ſæus in ſeinem Chronico rerum Hiſpanica - rum, die Biſchoͤffe und Praͤlaten, welche ſchon zu und bald nach der Apoſtel Zeiten den Chriſt - lichen Glauben in Spanien fortgepflantzet; allein es iſt auch zugleich bekandt, daß der Ari - aniſmus damahlen dermaſſen ſtarck in Spa - nien eingeniſtelt war, daß man die Orthodo - xiam fidei nicht empor kommen ließ, ſo gar das der Gothiſche Koͤnig Leogildus ſeinen Sohn Hermagid, bloß weil er den Catholi - ſchen Glauben angenommen, und den Ari - aniſmum verlaſſen hatte, etwan umb das Jahr Chriſti 572. toͤdten ließ. Recaredo aber, der zweyte Sohn des Leogildi, welcher An. 586. zur Regierung kam, hat ſich zu dem reinen Catholiſchen Glauben bekennet, und ſeine Unterthanen auch von dem Arianiſchen Jrrthum gerettet, dannenhero er auch Catho - licus & Orthodoxus genennet worden, und fuͤr den erſten recht Chriſtlichen Gothiſch-Spa - niſchen Koͤnig zu achten iſt. Allein die unter Roderico An. 713. angefangene Conque - ſten der Mauren in Spanien, welche die - ſes Land uͤberſchemmeten, hat dem Chriſten - thum gar wenig Platz darinnen verſtattet, biß Pelagius, der aus den Stamm und Ge - bluͤthe der Gothiſchen Koͤnige entſproſſen war, nachdem ſie ihn An. 726. zu einem Koͤnigeauf -43Hoff-Ceremoniel. aufgeworffen, den Mauren wieder in etwas geſteuret, deſſen Nachfolger auch als Chriſtl. Koͤnige dieſen Unglaͤubigen einigen Abbruch gethan, und das Chriſtenthumb wieder in die Hoͤhe gebracht. Jedoch ſind die Mauren nicht eher aus Spanien exſtirpiret worden, biß zu den Zeiten Ferdinandi Catholici.
  • 4. Engelland ſtrecket den Anfang ſeines Chri - ſtenthums gewaltig weit hinaus, indem die Engliſchen Hiſtorici darzuthun trachten, daß Joſeph von Arimathia ſolle den Chriſtli - chen Glauben daſelbſt zu erſt, und zugleich eine Art von Hag-Dorn gepflantzet haben, welcher des Jahres zweymahl, nemlich im May, und Weynachten umb Glaſterburg, allwo dieſer Joſephus geſtorben und begraben ſeyn ſoll, gebluͤhet, welcher aber zu den Zeiten Crom - vvels ausgerottet worden; Sie ſagen auch, daß Simon Zelotes, und Ariſtobulus, deſſen letztern Paulus Epiſt. ad Rom. cap. 16. v. 10. gedencket, die erſten Biſchoͤffe in Engelland geweſen, ja Petrus und Paulus ſelbſt alldort ſollen geprediget haben. Sonſt ſtatuiren ſie, daß Koͤnig Lucius der erſte Chriſtliche Kaͤyſer geweſen, welcher An. 180. von zweyen Prie - ſtern, Fugace und Damiano, welche der Pabſt Eleutherius dahin geſendet, getauffet wor - den, daß er Biſchoͤffe eingeſetzet, Kloͤſter und Schulen geſtifftet, und Muͤntzen praͤgen laſſen,auf44Europaͤiſchesauf welchen ein Creutz zu ſehen geweſen. Und ob auch gleich in folgenden Zeiten, und ſonder - lich bey Regierung Diocletiani, die Verfol - gung der Chriſten biß in Engelland gedrungen, und Albanus ihr erſter Martyr worden, auch Emerita des Koͤniges Schweſter umb des Chriſtlichen Glaubens willen verbrennet, und 11000. Jungfrauen verjaget worden; ſo hat ſich doch die Chriſtliche Religion ſonderlich da - ſelbſt gegen gemeldte perſecutiones erhalten, ſo daß der heilige Bernhardus von dieſem Koͤ - nigreiche geruͤhmet, daß es omnium totius Europæ Monaſteriorum parens & altrix ſey, und Hovvel de Præced. Part. 1. Sect. 2. p. 11. erweiſet, daß Engelland in vielen Paͤbſtl. Schreiben Primogenita Eccleſiæ genennet worden. Als auch nachgehends das Chri - ſtenthum in Engelland wiederum zu fallen be - gonnen, habe der Pabſt Gregorius Magnus zwey, einen des Nahmens Auguſtini, den an - dern Melili, nebſt einigen Benedictiner Moͤn - chen dahin geſendet, welche Chriſtum auf das neue verkuͤndiget, und Ethelbertum der Sachſen Koͤnig im Jahr 506. zum Chriſtli - chen Glauben bekehret.
  • 5. Schweden iſt mit gar ſchweren Umbſtaͤnden und unter folgenden Koͤnigen zum Chriſtlichen Glauben gediehen. Anno Chriſti 829. wurde von dem Kayſer Ludovico Pio, Ansgarius,ein45Hoff-Ceremoniel. ein Muͤnch aus dem Kloſter Corvey, der nach - gehends auch Biſchoff zu Bremen worden, an den Koͤnig in Schweden Biorn geſendet, ihn zum Chriſtlichen Glauben zu bekehren, welchem aber gemeldter Koͤnig ſchlechtes Ge - hoͤr gab, ſondern wolte viel lieber ſeines Rei - ches, wie auch hernach geſchahe, verluſtig, als ein Chriſt werden. Deſſen Nachfolger Amund ſtellete eine groſſe Verfolgung wie - der die Chriſten an, in welcher Hilardus ein Prieſter jaͤmmerlich ermartert wurde. Nach dieſem Amund wurde Olaus I. Koͤnig, zu wel - chem beſagter Anſgarius umb das Jahr 853. wieder kam, und einen neuen Verſuch that, der ihm auch gelunge; maſſen ſich Olaus tauf - fen lieſſe, und viele ſeiner Unterthanen ſeinem Exempel folgeten; allein es bekam ihm der neue Glaube weltlicher Weiſe gar uͤbel. Denn als eine groſſe Theurung in Schweden einfiel, und die noch Heydniſchen Schweden davor hielten, ſelbige wuͤrde nachlaſſen, wenn man den Goͤttern zu Upſal opfferte. Olaus aber es ihnen durchaus nicht verſtatten wolte, wur - de ihm die Schuld des Mißwachſes und Theu - rung beyge meſſen, deswegen von dem Vol - cke ſelbſt den Goͤtzen aufgeopffert, und zu ei - nem Maͤrtyrer gemachet. Jhm folgete ſein aͤlteſter Sohn Ingo, und nach ihm Ericus, welcher der Zauberey ſehr ergeben war, undſon -46Europaͤiſchesſonderlich einen Hut trug, mit welchem er die Winde drehen kunte wie er wolte: ferner Eri - cus Segherſell, und denn ſein Sohn Ericus Stenchil, welcher ſich des Chriſtlichen Glau - bens mit groſſem Eyfer annahm, und von dem Biſchoff zu Hamburg zwey Prieſter, Adel - warth und Stephan nach Schweden, zu den Zeiten Kayſers Ottonis III. beruffete, welche eine groſſe Menge der Heydniſchen Schwe - den tauffeten. Als er aber aus dem Heyden - thum ein Ende zu machen, den Goͤtzen-Tempel zu Upſal zu zerſtoͤren, und bey Lebens Straffe, daß man den Goͤttern nicht mehr opffern ſolte, verbiethen ließ, ſchlugen ihn ſeine Abgoͤttiſche Unterthanen, ſamt oben gemeldten zwey Hamburgiſchen Prieſtern todt, und verbren - neten ſie. Sein Bruder Olaus Scotkonung bliebe gleichwohl der Chriſtlichen Religion affectioniret, und ſendete an den Koͤnig Ethel - red in Engelland, ihn erſuchende, daß er ihme einige Chriſtliche Prediger zuſenden wolle, bekam auch drey Gottsfuͤrchtige Maͤnner, Sig - fried, Eſching, und David von dannen, unter welchen, als ſie ankom̃en waren, Sigfried den Koͤnig Olaum Scotkonnung tauffte, davon man biß dato den Brunnen in Schweden zei - get, bey welchen dieſes geſchehen. Seinem Exempel folgete eine groſſe Menge des Vol - ckes, ſo daß von dieſer Zeit an ſich die Chriſt -liche47Hoff-Ceremoniel. liche Religion durch gantz Schweden ausge - breitet, und auch beſtaͤndig darinnen verblie - ben iſt.
  • 6. Daͤnnemarck rechnets von Haraldo dem VI. an, der aus der Familie der Norwegiſchen Koͤnige der Dritte war, und zu Mayntz durch den Biſchoff von Hamburg Anſgarium (wel - cher auch den Koͤnig Olaum I. in Schweden zum Chriſtenthum bekehret) etwan umb das Jahr Chriſti 814. getauffet worden: wie - wohl auch einige dieſes Lob Erico, des Haral - di Bruder beylegen. Doch Gormo oder Wur - mo hat die Chriſten wiederum hefftig verfol - get, wurde aber etwan umb das Jahr 886. von Kayſer Ottone I. welcher Krieg gegen ihn fuͤhrete, weil die Daͤhnen wieder das Voͤlcker - Recht ſeine Geſandten erſchlagen, uͤberwun - den, und zum Chriſtlichen Glauben gebracht. Sein Sohn Harald der VII. continuirte im Chriſtenthum, aber Haraldi Sohn Svenotto fiel wiederumb ab, und verdraͤngete auch den Vater aus dem Reiche, wurde jedoch von den Wenden gefangen, und nach geſchehener Ranzion, von dem Koͤnig in Schweden Erich dem VII. ins Elend verjaget. Da flohe er zu den Schotten und wurde bey ihnen zum Chriſten - thum angewieſen, daher nach Erichs Tode wie - der auf den Daͤhniſchen Thron erhoben, von dem Biſchoff zu Hamburg Adalgo gegen dasEnde48EuropaͤiſchesEnde des 9. Seculi getauffet, und vom Kaͤyſer Ottone als Pathen aus ſelbiger gehoben, auch ſein Koͤnigreich mit Biſchoffen und Prie - ſtern uͤberall verſehen, und alſo das Chriſten - thum in Daͤnnemarck etabliret.
  • 7. Portugal hat mit Spanien, deſſen es in al - ten Zeiten ein Antheil geweſen, wegen des Chriſtenthums faſt gleiche Beſchaffenheit, denn nachdem Luſitanien, nebſt dem uͤbrigen Spanien unter dem letzten Gothiſchen Koͤnige Roderico in der Mauren Gewalt verfallen, iſt von dem Chriſtenthum in ſelbigem wenig uͤbrig geblieben, biß etwan An. 1089. ein bra - ver Held, Nahmens Henricus von Beſan - con gebuͤrthig, welcher ein Deſcendente des Hugonis Capeti geweſen ſeyn ſoll, zu dem Koͤnige in Caſtilien und Legion Alphonſo kommen, und ihme wieder die Mauren beyge - ſtanden. Dieſem hat Alphonſus zur Danck - barkeit ſeine natuͤrliche Tochter Thereſiam zur Gemahlin, und zum Heuraths Gut dasjenige, was die Chriſten in Portugal den Mauren ab - genommen hatten, gegeben, jedoch mit der condition, daß er ein Vaſall vom Koͤnig - reich Legion ſeyn, und ſein Land unter dem Titul einer Graffſchafft beſitzen ſolle. Die - ſer nun ware zwar fuͤr den erſten Chriſtlichen Regenten, nicht aber fuͤr den erſten Chriſtli - chen Koͤnig in Portugall zu achten, weil aberder49Hoff-Ceremoniel. der Præcedentz-Streit nicht zwiſchen Koͤnigen und Graffen, ſondern zwiſchen Koͤnigen oder Majeſtaͤten ſchwebet, und alſo, wie oben ge - meldet, vor Alphonſo dem erſten Portugiſi - ſchen Koͤnige, und vor dem Jahr 1139. nur Grafen und Fuͤrſten dieſes Reich beherr - ſchet, ſo kan man in regard des Alterthums der Chriſtlichen Religion, dieſen Koͤnigen kein aͤlteres Datum zueigenen.
  • 8. Ungarn ſoll, nach etlicher Meynung, ſchon zu den Zeiten des Ungariſchen Fuͤrſten Zoltan, welcher von dem heiligen Adalberto, etwan umb das Jahr Chriſti 744. getauffet worden, den Anfang zum Chriſtenthum gemacht haben. Andere aber ſetzen denſelben in die Perſon des Gaiſa, und in das Jahr 979. machen auch dieſen zum erſten Koͤnige in Ungaꝛn. Von deſſen Sohne, Stephano dem Heiligen, iſt wohl ge - wiß, daß er von dem Pabſt, oder wie andere behaupten wollen, von dem Kayſer Otto dem III. An. 997. zum erſten Chriſtl. Koͤnige er - klaͤret, und ihme eine guͤldene Crone, nebſt ei - nem doppelten Creutze, welches noch im Unga - riſchen Wapen zu ſehen, zugeſendet worden ſey.
  • 9. Boͤhmen iſt nach Bericht des Ænææ Sylvii cap. 22. p. m. 52. unter dem zehenden ſeiner Hertzoge, welche es regieret haben, nemlich dem Borſivojo, umb das Jahr 995. zu derDZeit50EuropaͤiſchesZeit als der Kayſer Arnolphus in Deutſch - land regieret, von dem heiligen Methodio, Ertz-Biſchoff in Maͤhren zum Chriſtenthum bekehret, und gedachter Fuͤrſt Borſivojus mit ſeiner Gemahlin Ludmilla, welche wegen ih - res heiligen Lebens-Wandels und gethaner Wunderwercke ſehr beruͤhmt iſt, von dem Methodio getauffet worden: Wiewohl Henelius in ſeiner Schleſiſchen Chronica lib. 1. c. 11. p. 32. meldet, daß Boͤhmen ſchon An. 895. und alſo 100. Jahr eher als Æneas Sylvius ſetzet, zum Chriſtenthum bekehret worden, und das bey dem Ænea Sylvio ge - ſetzte Datum fuͤr einen Druckfehler haͤlt.
  • 10. Pohlen iſt unter dem Fuͤrſten Miecislao A. 964. auf folgende Art zum Chriſtlichen Glau - ben bekehret worden. Gedachter Fuͤrſt hat - te ſchon unter feinen Unterthanen einige die ſich zum Chriſtenthum bekenneten, aber aus Furcht fuͤr ihrer Heydniſchen Obrigkeit nur in den Waͤldern und abgelegenen Orten ihren Got - tes-Dienſt halten kunten. Nachdem nun Miecislaus, als ein Heyde, der Viel-Weiberey ergeben war, doch aber keine Erben mit ihnen erziehen kunte, riethen ihm einige Deutſche Chriſtliche Perſonen, welche ſich an ſeinem Hofe befanden, er ſolte das Heydenthum und die Heydniſchen Weiber verlaſſen, und ſich ei - ne Chriſtliche Gemahlin beylegen laſſen, wel -ches51Hoff-Ceremoniel. ches er auch thate, und Dambrovvkam Bo - leslai des vierzehenden Hertzoges in Boͤhmen, der ein Bruder des heiligen Wenzeslai, den er auch erſchlagen hatte, war, heurathete, be - vor er aber mit dieſer Princeßin Beylager hil - te, ſich in Guiſen tauffen ließ. Es ſoll dieſer Miecislaus auch den Gebꝛauch eingefuͤhꝛet ha - ben, daß die Pohlen, wenn bey der Meſſe das Evangelium geſungen wird, den Sebel halb ausziehen, und nicht eher wieder in die Schei - de ſtecken, biß die Worte: Gloria Tibi Do - mine im Chor geſungen werden, dadurch an - zudeuten, daß ſie bereit ſeyn fuͤr den Chriſtli - chen Glauben zu ſtreiten. Wurden alſo den 7. Martii oben bemeldten Jahres, welches da - mahlen der Dienſtag nach dem Sontag - tare war, alle Heydniſche Goͤtzen-Bilder zer - brochen und verbrennet, zu deſſen immerweh - renden Gedaͤchtnuͤß noch biß auf den heutigen Tag, in vielen Orten des Koͤnigreichs Pohlen und Hertzogthums Schleſien, welches damah - len zu Pohlen gehoͤrete, und ebenfalls zum Chriſtenthum bekehret wurde, an dem Son - tag Lætare die Kinder mit Mayen in den Staͤdten ſingende herumb gehen, und auf den Doͤrffern der Todt und Popel ausgetrieben wird.
  • 11. Moſcau ruͤhmet ſich, daß es den Anfang des Chriſtenthums ſchon von dem Apoſtel An -D 2drea52Europaͤiſchesdræa, des Simon Petri Bruder empfangen, welcher uͤber den Pontum Euxinum aus Grie - chenland geſchiffet, und hernach durch den Fluß Boryſthenes biß nach der Stadt Kiovv kom - men, die Jnwohner daſelbſt getauffet, ſie die Erkaͤntnuͤs GOttes, wie auch das Creutze zu machen, und ſich damit zu ſegnen gelehret: von dar waͤre er nach Novogrod gereiſet, allwo er das Chriſtenthum auch gepflantzet: und als ſol - ches geſchehen, ſey er uͤber die Oſt - See, und umb Europa durch das Mittellaͤndiſche Meer nach Rom geſegelt, von dar endlich in Pelo - ponneſo oder Morea ankommen, allwo er unter dem Koͤnige Ægo Antipatre waͤre ge - creutziget worden. Die Jnwohner von No - vogorod aber haben in ihren geſchriebenen Annalibus eine Tradition, daß ein gewiſſer Heiliger, Antonius genennet, uͤber den Belt und den lacum Lodoga, durch den Wolga - Fluß auf einen Muͤhlſtein, welchen er ſtatt ei - nes Schiffes gebrauchet, in ihre Stadt No - vogorod kommen, und das Evangelium da - ſelbſt geprediget, deme zu Ehren die Jnwoh - ner nachmahlen ein ſchoͤnes Kloſter fuͤr der Stadt erbauet, worinnen dieſer Muͤhlſtein biß auf den heutigen Tag verwahret, und denen Pilgrams gezeuget wird. Allein es muß des heiligen Apoſtels Andreæ, als auch des heil. Antonii Bekehrung zum Chriſtenthum, wel -che53Hoff-Ceremoniel. che ſie in Reußland angefangen, nicht lange ge - dauret haben, weil man in der wahren Hiſto - rie findet, daß biß auf das Jahr Chriſti 955. in dieſem Reiche lauter Heydniſche Regenten geherrſchet, biß endlich die Princeßin Ola oder Olga, des Fuͤrſten Igor Gemahlin, nach dem Tode ihres Mannes, die Regierung an ſtatt ihres unmuͤndigen Sohnes Stoslai (andere nennen ihn auch Igor) gefuͤhret, nach Con - ſtantinopel zu dem damahligen Kayſer Johan - ni Zimiſco gereiſet, ſich An. 955. tauffen, und den Nahmen Helena geben laſſen: wel - cher Kayſer ſie als Pathe reichlich beſchencket, und wieder nach Hauſe begleiten laſſen. Dieſe Ola iſt noch heut zu Tage bey den Ruſ - ſen in groſſer veneration, indem ſie nicht al - lein von ihnen imago ſolis, weil ſie das Land gleich einer Sonnen mit dem Licht des Chriſt - lichen Glaubens erleuchtet, genennet, ſondern auch unter die Heiligen gezehlet, und ihr Ge - daͤchtnuͤß-Tag den 11. Julii feyerlich began - gen wird. Jhr Coͤrper iſt in der Kirchen der Stadt Pereslaw begraben. Ob ſie nun gleich als eine Chriſtin geſtorben, ſo hat ſie doch ihren Sohn Stoslaum durchaus nicht bereden koͤn - nen, das Chriſtenthum anzunehmen, weil die Heydniſche Abgoͤtterey ſein Hertze zu ſehr ein - genommen hatte, dannenhero das Chriſten - thum wieder in das ſtocken geriethe, biß desD 3Stos -54EuropaͤiſchesStoslai unaͤchter Sohn Woldemir aufs neue, und zwar durch folgende Gelegenheit das Chriſtenthum angenommen und eingefuͤh - ret. Er hatte ſeine zwey Bruͤder, welche aus ehelicher Geburth waren, Olega und Javo - polck uͤberwunden, und nachdem er den letz - tern erſchlagen, deſſen Frau, die ehemahlen ei - ne Religieuſe in Griechenland geweſen war, beſchlaffen, und anbey wohl 800. Kebs-Wei - ber gehalten, und war mit einem Worte, ein recht Heydniſcher und wilder Regente. Weil er ſich aber gantz Reußland, welches vorher in unterſchiedene Herrſchafften ware zertheilet geweſen, unterwuͤrffig, und ſich bey andern, Potentaten anſehnlich und formidable ge - macht, ſendeten einige an ihn, und lieſſen ihme zu ſeinem maͤchtigen Regiment gratuliren, anbey aber auch erſuchen den Chriſtl. Glau - ben anzunehmen, welches Anſuchen er auch bey ſich ſtatt finden, weil aber im Chriſten - thum allerhand Secten befindlich waren, ſich erkundigen ließ, welche Art der Chriſtlichen Religion die beſte und ihm gefaͤlligſte ſeyn moͤchte, da er dann die Griechiſche oder Con - ſtantinopolitaniſche, welcher ſeine Groß-Mut - ter die Ola auch ſchon war zugethan geweſen, allen andern vorzoge, und demnach an den Conſtantinopolitaniſchen Kayſer Baſilium und Conſtantinum eine Geſandſchafft ab -fer -55Hoff-Ceremoniel. fertigte, und ihnen melden ließ, daß er ſeine Goͤtzen und Kebs-Weiber abſchaffen, und ſich zu dem Chriſtl. Griechiſchen Glauben bekeh - ren, auch ihnen die Stadt Corſum nebſt eini - gen an dem Ponto Euxino habenden Land - ſchafften gutwillig abtretten wolte, wenn ſie ihm ihre Schweſter Annam zu einer Gemah - lin geben wolten. Welches als ſie ihm verſpra - chen, iſt er mit den zweyen Conſtantinopolita - niſchen Kayſern bey Corſum zuſammen kom - men, hat ſich daſelbſt tauffen, trauen und Ba - ſilium nennen laſſen: worauf zu Kiovv ein Metropolitanus, zu Novogrod ein Ertz-Bi - ſchoff, in andern Staͤdten aber Biſchoͤffe und Popen eingeſetzet, das Chriſtenthum etabli - ret, und die Inſpection dem Patriarchen zu Conſtantinopel uͤbergeben worden: Welches etwan umb das Jahr 989. geſchehen. Die - ſes nun iſt das eigentliche Datum des einge - fuͤhrten Chriſtianiſmi in Moſcau, welches der Czaar Jvan Baſilovvitz in der Antwort auff die Bekaͤntnuͤß Johannis Rahitæ, eines Pol - niſchen Theologi, welcher An. 1570. bey der Geſandſchafft nach Moſcau Koͤniges Sigis - mundi in Pohlen, gegenwaͤrtig war, mit fol - genden Worten ſelbſt bekennet: Baptizan - tur noſtri in nomine Dei Patris, Filii & Spiritus Sancti, poſtquam primus Proge - nitor, beatus ille & Magnus Czaar Wolo -D 4dimi -56Europaͤiſchesdimirus, divinitus illuſtratus nomen Ba - ſilii ad myſticam undam nactus eſt, a quo tempore usque ad hanc diem, non Roſ - ſiaca ſed Chriſtiana appellatur Fides no - ſtra.

§. 3.

Von der Macht, krafft derer ein Souverain dem andern uͤberlegen. Perus de Præcedentia Hominum diſputiret zwar in ſei - ner XI. Quæſtion, ob die Fuͤrſten ratione Po - tentatus unter ſich differiren, allein man darff nur die hiſtoriam alter und neuer Zeiten anſe - hen, ſo wird man wohl gewahr und uͤberzeiget werden, daß einer maͤchtiger als der andere, und demnach auch hoͤher geachtet ſeyn will als der ſchwaͤchere. Status enim militaris (in welchen die Macht am meiſten kentlich) prævalet toga - to, quia & invitis leges præſcribit, quod eſt ſignum ſuperioritatis & prærogativæ. Furſte - nerus hat in ſeinem Tractat, welchen er de ſu - prematu geſchrieben, die Billigkeit dieſer Præce - dentz auszufuͤhren, ſich hefftig bemuͤhet. Bodi - nus aber de Republica erzehlet unterſchiedene Arten, wie einer tenuior und per conſequentz inferior als der andere koͤnne genennet werden.

  • 1. Clientela, durch das Schutz - oder Schirm - Recht, vermoͤge deſſen ein Schwacher doch an ſich ſelbſt Souverainer Herr oder Etat, unter der Protection eines andern Maͤchtigern oder ſeinem Patrocinio ſtehet, und deswegen Uꝛſachhat57Hoff-Ceremoniel. hat den Maͤchtigern zu veneriren, oder wie die Lateiniſche phraſis lautet, comiter habere. Dieſe Clienten ſind nun zwar nicht ſub do - minio, ſondern nur patrocinio eines andern, ohne einige Verletzung ihrer Maj. oder Supe - rioritaͤt; jedoch werden ſie, wie Sylla und Pro - culus bey dem Appiano redet, dem, deſſen Clienten ſie ſind, und unter deſſen Patrocinio ſie ſtehen, an autoritate, dignitate und jure nicht gleich gerechnet, weil wie Androni - cus Rhodius geſaget: Amicitiæ inter di - ſpares (ſc. potentia non dignitate,) hoc eſt proprium, ut potentiori plus honori, in - firmiori plus auxilii deferatur. Es laſſen ſich zu Erleuterung der Prærogativæ, welche aus dieſem Jure Clientelæ gezogen werden koͤnte, der Tractat, welchen George Gum - pelzhaim de jure Clientelæ, und Martin Mayer a Schönberg de Advocatia armata geſchrieben, gar nuͤtzlich gebrauchen.
  • 2. Tributi ſolutione. Dieſe diminuiret ſonder Zweiffel die Superioritaͤt oder Paritaͤt eines ſonſt ſummum imperium habenden Fuͤr - ſten, in regard deſſelben er deſſen Penſionarius oder Tributarius iſt, weil es ein unfehlbah - res Kennzeichen der Schwaͤche eines Regen - ten, und alſo nach des Appiani Ausſpruch, talis confeſſio infirmitatis de dignitate aliquid delibat. Denn es werden derglei -D 5chen58Europaͤiſcheschen Tributa doch meiſtens a regibus victis, oder von denen die ſich befuͤrchten uͤberwun - den zu werden, geliefert: nun aber iſt die au - toritaͤt victoris allerdings ſuperior victo, weil dieſer letztere gleichſam Qvartier bitten, und ſeine Freyheit, die in Gefahr ſtehet, durch die penſion ranzioniren muß. Dañenhero die in heil. Schrifft hin und wieder befindliche Re - dens-Arthen: daß ſie ihm Geſchencke brachten, wenn man die Umbſtaͤnde recht betrachtet, nichts anders als dergleichen tri - butarios andeutet, welche den Krieg dadurch abgekaufft, und die Freundſchafft cum po - tentiori zugleich unterhalten. Scheinet auch daß Bodinus nicht unrecht ſaget: Quo - ties offenſionibus acceptis Tributum a victoribus imperatur, victi dignitatis præ - rogativam amiſiſſe videntur, quia non eſt æquum, ut qui jura majeſtatis ac dignita - tem ſine diminutione ſervavit illæſo ſtatu, ei, qui antea ſuperior, poſt, accepta clade in alterius clientelam conceſſit, aut tri - butum ſolvere cogitur, dignitate cedat. Jedoch muß man die abzufuͤhꝛende exſolutio - nem einer penſion oder Tributs, auch nicht ſo hoch ſpannen, und etwan ſtatuiren daß ein Souverain, der einem gewaltigern Tribut erleget, allemahl dignitate inferior ſey. Deñ es kan, und iſt auch etwan ſchon geſchehen,daß59Hoff-Ceremoniel. daß eine gewaltige, unruhige und Conqueten zu machen begierige Nation, unter Anfuͤhrung eines Haupts, ein Reich und deſſen Haupt, mit welchem es ratione der Dignitaͤt und Prærogativ in keinen Vergleich kommet, uͤberwindet, und ſelbiges tributar machet, woraus aber nicht ſo gleich folget, daß ein der - gleichen Conquerant oder victor victo di - gnitate ſuperior ſey, ſonſten wuͤrde das ab - ſurdum daraus folgen, daß zu Zeiten Ludovi - ci IV. oder Infantis, da die Ungarn dieſen Kay - ſer bey Augſpurg ſchlugen, und er genoͤthiget war, ihnen einen jaͤhrlichen Tribut zuerlegen, digniores als die Deutſchen, und ihr Heer - fuͤhrer dem Roͤm. Kayſer vorzuziehen geweſen. Ein gleiches muͤſte man von Spaniẽ in regard der Mauren, welchen letztern jene ſo gar Jung - frauen zum Tribut erlegen muſten, und vie - len andern Koͤnigen und Koͤnigreichen ſagen: denn ſo wenig ein vornehmer Herr, der mit ei - nem Geringeren Proceß fuͤhret, dadurch von ſeiner Præcedentz etwas verlieret, ob er gleich pro redimenda vexa, oder des Litigirens entuͤbriget zu ſeyn, dem Geringeren etwas Geld giebet; alſo wenig iſt auch derſelbe Po - tentat, der einem andern, von allen Anfall be - freyet zu bleiben, Tribut erlegen muß, demſel - ben welcher ihn empfaͤnget, nachgeſetzt. Noch weniger aber kan man einen Tribut erlegen -den60Europaͤiſchesden Potentaten fuͤr einen ſubditum aus - ſchreyen, maſſen der ſubditus ex debito, die - ſer aber ex pacto den Tribut abfuͤhret, und jener ſeinem ſuperiori dieſer aber ſeinem vi - ctori ſelbigen erleget.
  • 3. Nexu feudali, oder durch das Lehn-Recht. Grotius wendet in ſeinem gelehrten und be - ruͤhmten Tractat, welchen er de Jure Belli & Pacis geſchrieben, Lib. 1. c. 3, §. 23. den groͤ - ſten Fleiß an, diejenigen Koͤnige, welche ihre Koͤnigreiche per modum feudi haben, von aller inferioritaͤt in regard eines andern Koͤ - niges zu retten: und meinet, daß dergleichen obligatio feudalis einem Koͤnige ſo wenig Summitatem Imperii, als wenig ſie einem andern Vaſallen von geringer Condition die Libertaͤt benehme: und haͤlt darvor, es ſey eine ſolche Koͤnigliche Lehns-Tragung nichts an - ders als eine ſpecies fœderis inæqualis, quo alter alteri operam pollicetur, alter alteri præſidium & tutelam, und ob auch gleich wegen Begehung gewiſſer criminum, ſonderlich der Felonie, ein ſolch Reich ver - lohren gehen kan, ſo haͤlt er es dennoch pro ſummo, und diſtingviret inter rem (vel regnum ipſum) & inter modum rem (vel regnum) habendi. Andere hingegen ſind gar anderer und dem Grotio entgegen ſtehen - der Meinung, indem ſie ihm entgegen ſetzen:Daß61Hoff-Ceremoniel. Daß ein Koͤnig, welcher ein Reich beneficio feudi beherrſchet, in materia Majeſtatica dem domino directo ſubordiniret, ihn zu ehren, Lehns-Pflicht (ſervitia feudalia) zu thun, und treu zu ſeyn, verbunden ſey, und die Koͤnigliche Wuͤrde dem domino infeudanti zn dancken, folgentlich allerdings einige De - pendentz von ihm habe, und machen daraus folgende Schluͤſſe:
    • 1. Quod id, quod dependet, non poſſit eſſe ſummum.
    • 2. Quod is qui ob feloniam regno privari pœnæque ſubjici poſſit, omnino inferior aut impar ſit pœnam infligenti, imo vix Majeſtate formaliter ſumpta gaudeat.
    Es laͤſſet ſich hier nicht beurtheilen, welche un - ter dieſen differenten Meinungen die ſicherſte, jedoch ſcheinet aus dem oben angefuͤhrten Ce - remoniali Romano, daß in der Paͤbſtl. Ca - pelle die opinion des Grotii prævalire, maſſen man den Koͤnig von Sicilien (unter welchen Nahmen ſonder Zweifel der von Ne - apolis mit verſtanden wird) und den Koͤnig von Boͤhmen, obgleich jener ein Vaſall des Pabſtes, dieſer des Roͤm. Kayſers und Rei - ches, dennoch andern Koͤnigen, die Nieman - des Vaſallen, nicht nur gleich geachtet, ſon - dern auch vorgeſetzet. Wiewohl dieſe Com - petentz der Prærogativæ des Koͤniges vonNea -62EuropaͤiſchesNeapolis und Boͤhmen als zweyer infeudi - reten Koͤnige, mit andern die etwan den Rang fuͤr ihnen prætendiren moͤchten, ziemlich lange ſopiret geweſen, maſſen die Koͤnige in Spa - nien jenes, und die Allerdurchl. Ertz-Hertzoge von Oeſterreich und Roͤm. Deutſche Kaͤyſer dieſes beſeſſen, und ſonderlich in Boͤhmen, der dominus directus mit dem vaſallo meiſtens confundiret geweſen. Man wird aber nun gewaͤrtig ſeyn muͤſſen, was der Hertzog von Savoyen als erklaͤrter Koͤnig von Sicilien, kuͤnfftig fuͤr einen Rang prætendiren und er - halten werde.
  • 4. Legum alterius admiſſione, wenn ein Po - tentate oder Koͤnigreich ſich der von einem aus - wertigen Potentaten gegebenen Geſetze ge - brauchet. Nun iſt es zwar bekandt, daß das jus leges ferendi ein Jus Majeſtaticum ſey, und alſo niemand formaliter Geſetze geben koͤnne, als der oder diejenigen, welche Sum - mum Imperium, oder dieſes Recht ex privi - legio haben: hingegen aber auch ſolchen Geſe - tzen niemand als der ein ſubditus und im ter - ritorio iſt, zu gehorchen verbunden: extra territorium enim jus dicenti impune non paretur. Wenn nun eine Majeſtaͤt, die von einer anderen Majeſtaͤt etablirete leges, wegen der darinnen enthaltenen Gerechtigkeit und Billigkeit, auch in ſeinem Lande einfuͤhret,ſo63Hoff-Ceremoniel. ſo thut er ſelbiges nicht als ein ſubditus, ſon - dern als ein imitator boni, und gelten als - deñ dieſe fremde eingefuͤhrete Geſetze nicht au - thoritate deſſen der ſie gemacht, ſondern deſ - ſen der ſie in ſeinem Reiche eingefuͤhret. Dan - nenhero nicht zu ſchlieſſen, daß ein Potentate oder Reich, welches ſich der Geſetze eines aus - wertigen Potentaten bedienet, jenem inferior ſey. Denn wer wolte doch wohl behaupten koͤn - nen, daß die Roͤmer, indem ſie von den Grie - chen die bekanten leges duodecim tabula - rum holen laſſen, ſich dadurch dem imperio der Griechen unterworffen haͤtten, oder ihnen inferiores worden waͤren? und wo man ſon - ſten keine andere Beweißthuͤmer haͤtte, daß Pohlen ehemahlen dem Deutſchen Reich un - terwuͤrffig geweſen, ſo wuͤrde das Argument, daß ſie ſich des Magdeburgiſchen Rechtes be - dienet, von ſchlechten Nachdruck ſeyn. Ja man muͤſte auch ſtatuiren, daß die Roͤm. Mo - narchie, als ſie unter Regierung des Kayſers Tyberii Claudii, in ſeinem hoͤchſten Flor war, gleichwohl den legem Rhodiam von den Jnwohnern dieſer Jnſul, weil darinnen gute Verfuͤgung wegen der Seefahrenden und Handelſchafft enthalten war, angenom - men, ſich deſſen gebrauchet, und endlich ſelbi - ger Lex ſo gar dem Corpori Juris einverlei - bet, dadurch denen Rhodenſern inferior odergar64Europaͤiſchesgar von ihnen waͤre dependent worden: wel - ches aber wieder alle fundamenta hiſtorica und bey nahe auf ein abſurdum hinaus lauf - fen wuͤrde. Und wem iſt unwiſſende, daß dieje - nigen Koͤnigreiche, welche ſich von der Juris - diction des Pabſtes entzogen, gleichwohl noch biß dato in vielen Stuͤcken das Paͤbſtl. Recht behalten, und dem Juri Civili vorziehen? wo - durch aber nicht inferiret werden kan, daß ſie den Pabſt noch fuͤr ihren Oberen erkennen, ſondern ſie haben es darumb behalten, weil ſie in dem Jure Canonico mehr Billigkeit und beſſeren Entſcheid der Caſuum finden, als aus dem Jure Civili ziehen koͤnnen. Jch weiß wohl daß Arturius Duck in ſeinem Tractat de uſu & authoritate Jur. Civil. hin und wieder darzuthun trachtet, daß faſt alle Reiche Euro - ſolches Jus Civile oder Romanum intro - duciret, und alſo einige Dependentz von den Roͤm. Kayſern gehabt; allein man muß ſich dabey auch beſcheiden, daß die meiſten derſel - ben Reiche von den Roͤmern uͤberwunden, zu Provintzien gemacht, und das Jus Romanum jure & impoſitione victoris, non ſponta - nea receptione in ſelbigen eingefuͤhret, und als auch nachgehends das imperium der Roͤmer in ſolchen Reichen aufgehoͤret, es den - noch, theils weil man ſich daran gewehnet, theils weil man es fuͤr gut befunden, geraumeZeit65Hoff-Ceremoniel. Zeit behalten worden, ja noch biß auf den heu - tigen Tag wird in einigen Provintzien Franck - reichs, und in Engelland in Curia des Con - neſtabilis, wie auch Admiralis, das Jus Ci - vile oder Kayſer-Recht in ſubſidium gebrau - chet. Wer wolte aber ſagen, daß dieſe Reiche und Koͤnige, deswegen inferiores waͤren, als das Roͤm. Reich, (ob ſie es gleich aus andern Urſachen ſind) oder gar von dieſem dependi - reten? Und damit die Præcedentz oder Su - perioritaͤt, welche etwan ein Potentate uͤber denſelben, der ſeiner Vorfahren leges in ſeinem Reich eingefuͤhret, prætendiren moͤchte, gantz krafftloß wuͤrde; ſo haben die Koͤnige in Spa - nien ſub capitali pœna verboten, Romano - rum leges pro Jure in regnis ſuis venditare. So iſt auch bekandt, daß Ferdinandus Catho - licus die Leges Tauri (von der Stadt Toro, allwo ſie promulgiret worden, alſo genennet) in Spanien eingefuͤhꝛet. Jngleichen hat Philip - pus Pulcher in Franckreich und das Parlament zu Paris durch ein Edict erklaͤret: Ne quis Romanorum leges majorum ſuorum mo - ribus & legibus opponeret. Und was in Franckreich anitzo fuͤr ein Recht gelte, werden diejenigen wiſſen, denen der Codex Lu - dovicianus etwan bekant iſt. Andere Koͤ - nigreiche zu geſchweigen.

§. 4.

Das vierdte Fundament der Præcedentz,Ewird66Europaͤiſcheswird von der Vielheit der Koͤnigreiche, die ein Potentate beherrſchet, und folgentlich von der Weitlaͤufftigkeit ſeines Imperii genommen. Denn obgleich ein ieder natuͤrlicher Coͤrper, ſein eigenes und beſonderes Haupt haben muß, und gen Haupt nicht vieler Leiber Haupt ſeyn kan, ſo eihet es doch in denen moraliſchen Coͤrpern gar anders her, derer viele nur ein Haupt haben koͤn - nen; alſo findet man in Europa mehr als einen Souverain, welcher mehr als eines Koͤnigreichs Herr iſt, v. gr.

  • 1. der Roͤm. Deutſche Kayſer, welcher
    • 1. Roͤmiſcher
    • 2. Deutſcher
    Kayſer,
    • 3. Jn Ungarn
    • 4. Jn Boͤhmen
    • 5. Zu Neapolis,
    Koͤnig, und wenn er die Spaniſche Monarchie, die ihme von GOtt und Rechts wegen zugefal - len, haͤtte in Poſſeß nehmen koͤnnen, wuͤr - de er nach der Spaniſchen Titulatur, bey nahe ein Koͤnig uͤber 20. Koͤnigreiche ſeyn.
  • 2. Der Koͤnig von Franckreich uͤber Franckreich und Navarren,
  • 3. Der Koͤnig von Engelland, uͤber Engelland, Schottland und Jrrland.
  • 4. Der Koͤnig von Portugal, uͤber Portugal und Algarbe.
  • 5. Der Koͤnig in Schweden, uͤber Schweden, Gothen und Wenden.
6. Der67Hoff-Ceremoniel.
  • 6. Der Koͤnig in Daͤnnemarck, uͤber Daͤnne - marck, Norwegen, Wenden und Gothen.

Jemehr nun einer Reiche beherrſchet, je weiter will er auch einem andern, der derer weniger hat, vorgezogen ſeyn, welche multiplicitatem re - gnorum unter allen, wie wir unten hoͤren wer - den, Spanien am meiſten allegiret, weil dieſer Herr fuͤr andern, theils den Beſitz, theils den Ti - tul vieler Reiche fuͤhret. Dieſelben nun, welche die Præcedentz dieſer vielfaͤltigen Koͤnige zu be - haupten uͤbernehmen, pflegen zu ſagen,

  • 1. Daß gleichwie in der Arithmetica plurali - tas mehr gelte als unitas, nehmlich eine Zwey mehr als eine Eins, und Vier noch einmahl ſo viel als Zwey, alſo auch muͤſte die Perſon, auf welcher eine multiplicirete majeſtas hafftete, einer andern, welche nur eine Majeſtaͤt oder weniger Reiche beſaͤſſe, vorgezogen werden.
  • 2. Daß es einem Potentaten einen mehreren re - ſpect zuziehe, wenn er in vielen Orten der Welt herrſche, u. von vielen an Sprachen und Sitten unterſchiedenen Nationen, welche ſonſten ein - ander unbekandt ſind, gleichwohl aber in der Perſon ihres Koͤniges einander bekant, und nicht ſelten verbunden werden, als eine uͤber ſie herrſchende Majeſtaͤt, verehret werde; wel - ches ſich mit dem Exempel und der allerhoͤch - ſten Perſon der itzt regierenden Kayſerl. Ma - jeſtaͤt Caroli des VI. gar wohl erlaͤutern laͤſ -E 2ſet,68Europaͤiſchesſet; maſſen ſeine Majeſtaͤt ein Kaͤyſer des Deutſchen Reiches, ein in Poſſeß ſtehender Koͤnig des Koͤnigreichs Neapolis, Ungarn und Boͤhmen, und alſo vier differenter Natio - nen, der Deutſchen, Jtalieniſchen, Ungariſchen und Boͤhmiſchen, Herr und Beherrſcher iſt, fol - gentlich Majeſtatem quadruplicem beſitzet.
  • 3. Daß, gleich wie einer der mit vielen Diaman - ten geſchmuͤcket, mehr glaͤntze als einer der nur einen hat, alſo waͤre auch das Haupt, welches mit vielen Cronen gezieret, ſchoͤner und glaͤn - tzender als dasjenige, welches nur eine truͤge.
  • 4. Daß die Vielheit der Koͤnigreiche, woruͤber einer herrſchet, ihme per conſequentz den Poten - tatum zu wege braͤchte, wodurch er ſich for - midable machen, und ſich bey andern in Furcht und veneration ſetzen koͤnne.

Andere wollen ſich alle dieſe rationes nicht ge - fallen laſſen, ſondern wenden ein, daß

  • 1. Ein Koͤnig, welcher viel Reiche beſitze, und multiplicatam Majeſtatem habe, zwar ma - jor Rex, ſed non magis Rex, ein zwar an Reichen groͤſſerer, aber an dignitaͤt nicht beſ - ſerer Koͤnig ſey, als der, welcher nur ein Koͤnig - reich beſitzet: weil dieſe multiplicirte majeſtas nur dignitas uniformis waͤre, gleichwie et - wan ein Biſchoff, welcher viel Bißthuͤmer be - ſitzet, nicht mehr ein Biſchoff iſt, als derſelbige welcher nur eines hat. Denn nur allein die aufeinem69Hoff-Ceremoniel. einem Koͤnigreich und Biſchoffthum hafften - de major dignitas, nicht aber die multipli - catio derſelben, einem die prærogativam er - theile.
  • 2. Geben ſie die Inſtantz von einem Edelmann, welcher ob er gleich in einem, oder auch diffe - renten Fuͤrſtenthuͤmern, viele Guͤter beſitzet, dennoch umb dieſer vielen Guͤter willen, kein beſſerer Edelmann ſey als der, welcher nur ei - nes hat, ob er gleich mehrere Unterthanen hat, und vermoͤgner als ein anderer iſt.
  • 3. Es folge nicht allemahl daß ein Koͤnig, welcher regnis & ditionibus amplior, auch zugleich alio potentior ſey, und fuͤhren ſonderlich die Exempel der Koͤnige in Spanien, Daͤnne - marck ꝛc. an, darunter das erſtere dem Koͤnige in Franckreich, ob dieſer letztere gleich nur ein Koͤnigreich beſitzet (denn von Navarren hat er nur eine kleine portion) von vielen Zeiten her infirmius geweſen.

§. 5.

Das fuͤnffte Fundament der Præce - dentz wird aus den Ehren Tituln, welchen ei - ner oder der andere Souveraine fuͤhret, genom - men, wie denn bekandt, daß

  • 1. Der Kayſer, Advocatus Eccleſiæ,
  • 2. Franckreich, Chriſtianiſimus & primoge - nitus Eccleſiæ,
  • 3. Spanien, Catholicus,
E 34. En -70Europaͤiſches
  • 4. Engelland defenſor fidei genennet wird, welche Titulaturen, ſo viel als zu dieſem Werck noͤthig ſeyn wird, in folgenden Capi - teln ſollen erklaͤret werden.

§. 6.

Das ſechſte pfleget man aus der Abſo - luten oder unumbſchraͤnckten Gewalt ei - nes Potentaten zu nehmen, indem diejenigen Koͤ - nige, bey welchen voluntas pro ratione gelten kan, denen welche die rationem dem voluntati vorziehen, oder vorzuziehen haben, wollen vorge - ſetzet werden. Man giebet vor, daß

  • 1. Ein Koͤnig, welcher abſolut regieret, GOtt in ſeinem Regiment am aͤhnlichſten ſey, und fol - gentlich auch auf dem hoͤchſten Grad der Ma - jeſtaͤt ſtehe.
  • 2. Diejenigen Regenten, welche nicht abſolut herrſchen, nur einen Theil der Majeſtaͤt, nicht aber die gantze haͤtten, weil die Majeſtaͤt zwi - ſchen ihnen und dem Volcke getheilet, und ei - nes von dem andern mutuo dependent waͤre. Derjenige Koͤnig aber, welcher einiger maſſen von dem Volck dependire, koͤnne keine for - mal-Majeſtaͤt haben. Allein die doctores juris gentium machen dieſe Einwuͤrffe durch eine eintzige diſtinction unkraͤfftig, wenn ſie darthun, daß es gar was anders ſey, plenitu - dinem imperii, und wiederumb etwas an - ders, ſummitatem imperii zu haben. Bey denen welche abſolut herrſchen, iſtpleni -71Hoff-Ceremoniel. plenitudo und ſummitas beyſammen, bey denen aber, welche nicht abſolut ſind, iſt den - noch ſummitas oder independentia a po - pulo. Qui itaque ſummus, non habet ſuperiorem, & qui non habet ſuperiorem, eſt Majeſtas, licet non ſemper nomine, ta - men re.

§. 7.

Noch ein ander Argument pfleget man zu Behauptung der Præcedentz, wegen der be - ſonderen Wohlthaten und Dienſte, welche ein Potentat dem Pabſt und der Catho - liſchen Kirchen erwieſen, und der daraus flieſ - ſenden Meriten, zu allegiren, auf welche man in alten Zeiten gar beſondere reflexion gemacht. Wenn nun noch heut zu Tage dieſes Argument in conſideration kommen ſolte, wuͤrde wohl der Roͤm. Deutſche Kayſer bloß und allein aus die - ſem fundament vor allen obenan ſtehen muͤſſen, weil aus der hiſtorie bekant, hier aber nicht an - zufuͤhren noͤthig, daß der Pabſt nicht allein durch die Milde der Imperatorum groß und reich, ſon - dern auch von ihnen als Advocatis Eccleſiæ be - ſchuͤtzet worden.

§. 8.

Das letzte Argument, welches doch fuͤr das erſte und wichtigſte paſſiren koͤnte, nimmt man von der Wuͤrdigkeit der Vaſallen, maſſen wohl gewiß, daß je hoͤherer Dignitaͤt die Gehor - chenden, je hoͤherer Wuͤrde muß der Befeh - lende ſeyn: Nun ſind wohl weder in noch auſſerE 4Euro -72EuropaͤiſchesEuropa vornehmere Staͤnde eines Reichs zu fin - den als in Deutſchland, maſſen unter denſelbigen nicht nur Koͤnigen gleich geachtete Perſonen, der - gleichen die Churfuͤrſten, ſondern auch Koͤnige ſelbſt befindlich, wie dann zu unſern Zeiten derer drey, nemlich der Koͤnig von Boͤhmen, von Poh - len und von Preußen, und vielleicht in einem kur - tzen Raum der Zeit derer noch zwey, nemlich der Koͤnig von Engelland aus dem Chur-Hauß Han - nover, und der Koͤnig von Sicilien, aus dem Hauß Bayern die Koͤnigl. Zahl vermehren moͤch - ten. Dannenhero Kayſer Carl der V. nicht un - recht geruͤhmet und geſaget, daß er ein Herr uͤber Fuͤrſten ſey, welchen Ruhm Kaͤyſer Carolus der VI. viel hoͤher treiben und ſagen kan: Daß er ein Herr uͤber Koͤnige ſey. Denn ob man gleich eben nicht ſtatuiren kan, daß itzt erwehnte hohe Vaſallen unter Kayſerlicher Majeſtaͤt als Koͤnige ſtehen, ſo ſtehen ſie doch als Chur - und Reichs - Fuͤrſten unter ihm, und wenn der Kayſer einem Chur-Fuͤrſten befiehlet, ſo empfindet es ſonder Zweifel der auf dem Chur-Fuͤrſten hafftende Koͤnig zugleich mit, obgleich diverſo plane reſpectu.

Drit -73Hoff-Ceremoniel.

Drittes Capitel. Von den Special-Fundamenten, auf welche der Roͤmiſch-Deutſche Kayſer ſeine Præcedentz zu gruͤnden pfleget.

§. 1.

Daß der Roͤm. Deutſche Kayſer allen andern Monarchen vorgezogen wird, ſolches ge - nieſſet er jure & poſſeſſione, denn

  • 1. Auf ihme hafftet die Dignitaͤt und Dauer der Vierdten Welt-Monarchie, welche in der Per - ſon Caroli M. auf die Deutſchen transferiret worden, und in der Allerhoͤchſten Perſon des Allerdurchlauchtigſten Caroli VI. heut zu Ta - ge glorieuſement erhalten wird. Denn ob ſich gleich Leute, ja auch ſo gar in Corpore juris canonici Texte finden, v. gr. cap. ego Ludovicus 30. diſtinct. 63., welche darthun wollen, daß die vierdte oder Roͤm. Monarchie in der Perſon Caroli M. auf die Francken kommen: wie ſich deñ in angezogenem 30. cap. Ludovicus expreſſe einen Fraͤnckiſchen Koͤ - nig nennet, woraus einige ſchlieſſen wollen, daß weil Carolus Magn. ein Francke geweſen, die dignitas Imperatoria auf die Frantzoſen, nicht aber auf die Deutſchen abgeſtammet ſey; So wird man doch dadurch den Deutſchen ihr Kayſer-Recht nicht abdiſputiren: maſſen zur Genuͤge bekandt, das Franckenland, oderE 5das74Europaͤiſchesdas Fraͤnckiſche Reich, ein Theil von Deutſch - land, und Duisburg die Koͤnigl. Reſidentz ge - weſen, auch das cap. 34. Decretat. Gregor. Tit. de Elect. den vorhero angezogenen Text, deutlich genug erklaͤret, indem Innocentius III. dem Duci Caringiæ folgende Worte zu - ſchreibet: quod Romanum imperium in perſona magnifici Caroli a Græcis in Ger - manos translatum fuerit. Ja daß Carolus ein Deutſcher, und von Jngelheim, dem zwey Meilen von Mayntz liegendem Orte gebuͤrtig geweſen, beweiſet Lupoldus de Bebenburg Biſchoff zu Bamberg, in ſeinem Tractat de Jurib. Regn. & Imperii Romanor. c. 3. & 4., zugeſchweigen, daß in der Perſon Ottonis I. welcher ein Sachſe, und alſo auſſer dem minderſten Zweifel ein Deutſcher geweſen, die Kayſer-Wuͤrde abermahl auf die Deut - ſchen continuiret, und bißhero bey ſelbigen wieder alle Frantzoͤſiſche machinationes er - halten worden.
  • 2. Krafft dieſer Dignitaͤt, daß ſie Haͤupter der vierdten Univerſal-Monarchie ſind, hat ſich nicht nur Kayſer Antoninus, wie leg. 9. ff. leg. Rhod. zuerſehen, Mundi Dominum genen - net, ſondern es haben auch die ſo genenten Ul - tra-montani, oder Jtalieniſche Icti, ſchon von den Zeiten des Kaͤyſers Lotharii an, ih - nen dieſen Titul attribuiret, und Bartholusden -75Hoff-Ceremoniel. denſelben, welcher ſolchen nicht annehmen wuͤrde, pro hæretico erklaͤret, weil man, wenn man ihm dieſen weigere, wieder die heilige Schrifft rede, in welcher Lucæ cap. 2, v. 1. zu leſen, daß Auguſtus ein Geboth ausgehen laſ - ſen, daß alle Welt geſchaͤtzet wuͤrde, woraus ja folge, daß er Herr der gantzen Welt geweſen ſeyn muͤſte. Und es mag noch wohl Carolus IV. Roͤm. Kayſer dieſer Meynung geweſen ſeyn, welches aus der Umbſchrifft der gulde - nen Bullæ zu judiciren, die alſo lautet: Roma caput mundi regit orbis frena rotundi: welche Meynung des Bartholi, Petrus de Andlo lib. 2. de Imper. Rom. c. 8. hefftig ver - theidiget. Auch haben ſich nebſt und nach ihm Leute gefundẽ, welche vermoͤge dieſes ſublimen Tituls, Kayſer Carl dem V. das Recht zuer - kennet, Americam unter ſeine Gewalt zu brin - gen, denen es aber an Widerſprechern, der - gleichen ſonderlich Franciſcus a Victoria in ſeinen Relectionibus, und Vaſquius Lib. 1. cap. 20. geweſen, nicht gefehlet. Ob man nun aber gleich aus dieſem Titul nicht eine der - gleichen Superioritaͤt, daß alle andere Koͤnige dem Kaͤyſer unterwuͤrffig oder von ihme de - pendent ſind, erzwingen kan, ſo bleibet doch dieſes wahr, daß ein Roͤmiſch-Deutſcher Kay - ſer ſich per excellentiam Mundi Domi - num nennen koͤnne, weil in der Welt keinaͤlte -76Europaͤiſchesaͤlterer und vortrefflicher Monarche als der Roͤm. Deutſche Kayſer zu finden iſt.
  • 3. Haben in gewiſſen Zeiten und Faͤllen einige Souverains die Imperatores fuͤr hoͤher, wuͤr - diger als ſich, und vor ſuperiores geachtet, maſſen aus der hiſtoria erweißlich, daß nicht nur Chriſtianus IV. Koͤnig in Daͤnnemarck, und Ludovicus in Ungarn, veniam ætatis bey den Kayſern geſuchet, ſondern auch Boles - laus Chrobry Koͤnig in Pohlen von Ottone III., und Wratislaus in Boͤhmen von Henrico ſich die Koͤnigliche Wuͤrde conferiren, und alſo zur Gnuͤge mercken laſſen, daß ſie denen Kaͤyſern einige Superioritaͤt, und ihnen das Recht Koͤnigl. Dignitaͤten auszutheilen zu - geſtanden.
  • 4. Jſt und wird Kayſerl. Majeſtaͤt Advocatus oder Oberſter Voigt,
  • 1. Der Chriſtenheit oder Chriſtl. Kirche in genere,
  • 2. Des Stuhls zu Rom ſpecialiter,
  • 3. Paͤbſtlicher Heiligkeit ſpecialiſſime genen - net, welches nicht nur titulus dignitatis ſed etiam ſummi officii iſt, krafft deſſen er die Gewalt und Recht hat, die drey gemeld - ten in treulichem Schutz und Schirm zu halten, daß alſo ſein Jus protectionis und defenſionis ſich uͤber die gantze Chriſten - heit extendiret, und folgentlich latiſſimi& emi -77Hoff-Ceremoniel. & eminentiſſimi imperii iſt, welches die erſten Chriſtlichen Kaͤyſer durch die con - vocationem Conciliorum univerſa - lium, und durch das in ſelbigen gefuͤhrete præſidium kraͤfftiglich behauptet. Daß er aber auch ſpecialiter des Stuhls zu Rom, und ſpecialiſſime Paͤbſtlicher Hei - ligkeit Advocatus genennet wird, ſolches iſt von Carolo M. und Ottone I. eingefuͤh - ret, und zu Zeiten auch von den Kayſern dem Pabſt durch ein Jurament verſpro - chen worden, welches einige fuͤr ein jura - mentum ſubjectionis ausgeben, da es doch ein juramentum protectionis iſt. Denn wie koͤnte doch ein advocatus oder patronus ſeinem clienten oder protegen - do das Juramentum ſubjectionis præſti - ren, da je vielmehr durch eine dergleichen paction dem protegenti, wie Grotius re - det, prælatio quædam donatur?
  • 5. Wird der Kayſer mit weit aͤlterem und beſſerem Rechte, als der Koͤnig von Franckreich, Chri - ſtianiſſimus genennet, wie ihme denn auch dieſer Titul biß auf den heutigen Tag, in dem Gebethe, welches man in Rom in die Para - ſceves oder Char-Freytage zu halten pfleget, gegeben, und pro Chriſtianiſſimo Impera - tore gebetet wird.
6. Sind78Europaͤiſches
  • 6. Sind die Kayſerl. Rechte entweder nach ih - rem gantzen tenore, oder doch wenigſtens quoad partem von andern Souverainen und Nationen angenommen, und alſo der Kayſer pro legislatore univerſali erkennet worden. welches Argument weyland zwar etwas gel - ten kunte, heut zu Tage aber, wie wir in vor - hergehenden Capitel n. 4. erwehnet, gar krafftlos worden, nachdem nicht nur auswer - tige Potentaten, ſondern auch ſo gar die Staͤn - de des Roͤm. Reiches, dieſem Juri Civili oder Kayſerl. Rechten derogiret, auch derogiren koͤnnen, wie aus den Saͤchſiſchen, Lubecki - ſchen ꝛc. Recht klaͤrlich erhellet.

§. 2.

Ob nun gleich aus dieſen hier angefuͤhrten Argumenten nebſt noch einigen andern Zeug - nuͤſſen, welche man in denen von den Kayſern ge - gebenen Legibus findet v. gr.

  • 1. Leg. ult. Cod. de Legib. quid n. majus, quid ſanctius Imperiali eſt Majeſtate?
  • 2. Aur. Bull. c. 2. §. 3. Temporale Caput populi Chriſtiani.
  • 3. Jn Reichs-Abſchied de An. 1566. in fin. das heil. Roͤm. Reich bey ſeiner Præemi - nentz und Ehren ꝛc.

klar erhellet, daß ſie ihre Ehre und Wuͤrde kei - nem andern cediren wollen, auch nicht cediret haben noch werden; ſo haben ſich doch, wie wir in folgenden hoͤren werden, einige Koͤnige gefunden,wel -79Hoff-Ceremoniel. welche der Roͤm. Kayſerl. Majeſtaͤt, gleich geach - tet ſeyn, und ihr nichts zum Voraus geben wollen, welche aber, was ſie ambiret biß dato nicht er - halten.

Vierdtes Capitel. Von den Special-Fundamentis des Koͤniges von Spanien.

§. 1.

Dieſer Monarche gruͤndet ſeine Præce - dentz darauf,

  • 1. Daß ſeine Herrſchafft ſo weitlaͤufftig, daß auch in ſelbiger die Sonne niemahlen unterge - he, wie dann gewiß, daß Spanien zu den Zeiten Philippi I. Caroli V. und Philippi II. viel weitlaͤufftiger geweſen, als die Roͤm. Monar - chie zu Zeiten Trajani, da ſie doch im hoͤchſten Flor geſtanden: und es laͤſſet ſich leicht aus de - nen groſſen und langen titulis, derer ſich die Koͤnige in Spanien bedienen, von deꝛ Menge ih - rer Reiche urtheilen, worauf aber die Koͤnige in Franckreich zuweilen gar hoͤniſch geweſen; wie denn bekandt, daß Franciſcus I. in Franck - reich, als er von Carolo V. einen Brieff erhal - ten, auf welchem die lange ſeries der Spani - ſchen Koͤnigreiche und Provintzien zu ſehen war, in ſeiner Antwort ſich nur Koͤnig von Franckreich und Herr von Goneſſe (welches ein ſchlechtes Dorff aux environs de Paris) nennete, dadurch anzeigende, ſe unicum (wieRi -80EuropaͤiſchesRichard Zouch in ſeinem Jure feciali redet) regnum Galliæ omnibus imperii ejus pro - vinciis æquale æſtimaſſe. Denn weil es in Franckreich Brauch, daß alles was der Koͤnig gewinnet, der Cron und dem Reich, nicht aber der Perſon des Koͤniges acquiriret wird, da hingegen andere Koͤnige die neuen augmenta ihrer Reiche mehr ihrer Perſon, als dem Reich zueignen, ſo werden auch die acquiſitiones nicht durch neue und vermehrete Titul gemel - det, ſondern unter dem Nahmen Franckreich alles begriffen. Was nun in genere auf die Præcedentz, welche man auf die multipli - cationem regnorum & majeſtatis zu gruͤn - den pfleget, geantwortet wird, iſt in vorherge - hendem andern Capitel num. 4. beygebracht worden, hier aber nur noch noͤthig zum Nach - ſinnen zu uͤberlaſſen, ob auch heut zu Tage, da die Spaniſche Monarchie in ſo viel Theile zer - gliedert, und folgentlich in engere Grentzen ein - geſchloſſen werden ſoll, kuͤnfftig dieſes Argu - ment noch viel werde gelten koͤnnen.
  • 2. Daß er mit allen Chriſtlichen Potentaten in Blut-Freundſchafft gediehen, und zwar der - geſtalt, daß er ſolche Freundſchafft bey weni - gen, viele aber ſelbige bey ihm geſuchet.
  • 3. Daß aus den Spaniſchen Familien 32. Roͤm. Kayſer, (ſonder Zweifel alte) und 143. Koͤnige entſproſſen.
4. Spa -81Hoff-Ceremoniel.
  • 4. Daß Spanien, wenn man Europam unter der Geſtalt einer Jungfrau vorſtellet, das Haupt, und alſo partem principaliorem præſentire.
  • 5. Daß dieſes Koͤnigreich
  • 1. Am erſten zum Chriſtl. Glauben bekehret, de quo ſupra.
  • 2. Die erſte Kirche in ſelbigen erbauet,
  • 3. Das erſte Concilium daſelbſt gehalten,
  • 4. Der erſte Pabſt aus dieſer Nation er - wehlet,
  • 5. Das erſte Paͤbſtl. Breve an deſſen Koͤnig geſendet,
  • 6. Der erſte Heilige bey ihnen aufgehoben worden,
  • Wer etwan in allen, oder einem dieſer 6. Stuͤ - cke ein Mißtrauen haben moͤchte, kan ſich bey dem Valdeſio de Dignitate Reg. Hiſp., Ca - millo Borello de Reg. Cathol. Præſtantia des mehreren erſehen.
  • 6. Daß ſein Koͤnig den Titul eines Koͤniges von Je - ruſalem fuͤhꝛe, welches Recht Kayſer Fridericus II. der auch zugleich Koͤnig bey der Sicilien war, durch die Heurath Jolantæ, Joh. von Brienne Koͤniges zu Tyro und Jeꝛuſalem Tochter 1229. an ſich gebracht, dergeſtalt daß ſeine Nachfol - ger die Koͤnige von Sicilien, auch allemahl zu - gleich Koͤnige von Jeruſalem heiſſen ſolten, welches auch biß auf die Zeiten Conradini, der in Neapolis enthauptet worden, und deſſenFVet -82EuropaͤiſchesVettern, der ein unaͤchter Sohn Frid. II. war, Manfredum, variis tamen fatis, continuiret worden. Dieſes Manfredi Tochter Conſtan - tiam habe Petrus III. von Arragonien geheu - rathet, Sicilien und Jeruſalem dadurch auf die Arragonier 1232., und folgentlich auf die Koͤnige in Spanien gebracht. Bey welchen zwar biß dato der Titul, nicht aber die Poſſes - ſion geblieben, weswegen auch Monſ. Bayle der Koͤnigin Eliſabeth in Engelland Geſandter, dem Spaniſchen Geſandten, als dieſer in ei - ner Conferentz dem Bayle par raillerie fra - gete, ob ſie nicht in Frantzoͤſiſcher Sprache mit einander negotiren wolten, weil die Eliſabeth ſich Koͤnigin von Franckreich ſchriebe, die pi - quante Antwort gabe: ſie wolten lieber Ebraͤiſch reden, weil ſein Principal Philippus III. in Spanien, Koͤnig von Jeruſalem waͤre, dadurch andeutende, Hiſpanis tantum pote - ſtatis in Palæſtinam eſſe, quantum Eliſa - bethæ in Galliam. Es ſcheinet auch, daß Spanien ſeine Prærogativ nicht eben ſo gar præferablement fuͤr andern fundamentis auf das Koͤnigreich Jeruſalem ſetze, maſſen in dem Spaniſchen Titul, dieſes Koͤnigreich erſt die fuͤnffte Stelle einnimmt, und erſt nach den Koͤnigreichen Caſtilien, Leon, Arragonien und Sicilien geſetzet wird.
7. Den83Hoff-Ceremoniel.
  • 7. Den Titul Regis Catholici habe, welchen Titul einige der Spaniſchen autorum ſo alt machen, daß ſie ihn ſchon in das 590. Jahr ſetzen, und dem Gothiſchen Koͤnige Recaredo beylegen, welcher ihn dadurch verdienet ha - ben ſoll, weil er die Arianer, die damahlen uͤberhand nehmen wolten, gedaͤmpffet. Es thun aber diejenigen wohl, welche dißfalls einen Unterſcheid machen.
    • 1. Unter denen Tituln welche man einem Koͤ - nige particulariter als encomia virtu - tis beygeleget, welche auf die Nachkommen nicht fortgepflantzet worden, gleichwie etwan unter den Roͤmiſchen Kayſern Lu - dovicus, Caroli M. Sohn, den Bey-Nah - men Pius, unter den Koͤnigen in Franckreich Ludovicus der IX. den Bey-Nahmen San - ctus, (welche beyde Titul der Bedeutung nach alle Prædicata, ſo einem Chriſtlichen Potentaten koͤnten beygeleget werden, uͤber - treffen) unter den Pohlniſchen Koͤnigen Uladislaus IV. den Bey-Nahmen Ortho - doxus erhalten, und
    • 2. Unter denen Tituln, welche characterem dignitatis beylegen, und nicht bloß einer Per - ſon mitgetheilet, ſondern der Crone in perpe - tuum annectiret werden. Jn dieſer letzeren Bedeutung, iſt der Titul Catholici den Spa - niſchen Koͤnigen erſt in der Perſon FerdinandiF 2Catho -84EuropaͤiſchesCatholici, vom Pabſt Alexander dem VI., und wie Mariana lib. 26. cap. 12. de Reb. Hiſp. ſchreibet, dergeſtalt zugeignet worden: Accepit ab Alexandro pontifice Ferdinan - dus catholici cognomentum, in poſteros cum regno transfuſum ſtabili poſſeſſio - ne. Dem Wort-Verſtande nach, bedeutet nun Catholicus nichts anders als allgemein, allein ſo wohl in ſenſu Theologico als poli - tico, wird dieſer Nahme pro profeſſione puræ & ſinceræ fidei genommen. Jn bey - derley Verſtande kunte er den Koͤnigen in Spanien ehemahlen zugeeignet werden:
      • 1. In ſenſu Theologico vel politico dar - umb, weil Ferdinandus ſein Reich von den unglaͤubigen Juden und Maranen geſau - bert, und derer 17000. Familien aus ſelbi - gem gejaget.
      • 2. In ſenſu grammaticali, weil Philippus II. nachdem er durch die Heurath mit Maria aus Engelland, nahe dabey war catholi - cus vel univerſalis monarcha in Europa zu werden; denn wo die mit der Eliſabetha von Engelland negotirete Vermaͤhlung, und die Union des Koͤnigreichs Franck - reich nach dem Todte Henrici III. mit Spanien, vor ſich gegangen waͤre, ſo haͤtte die Welt noch keinen magis univerſalem vel catholicum regem geſehen, als den von Spanien.
§. 2. Aus85Hoff-Ceremoniel.

§. 2.

Aus dieſen, oder auch andern argu - mentis, und vielleicht aus der Einbildung, daß, nachdem die Koͤnige in Spanien durch Ver - treibung der Mauren Herren uͤber die alten Con - queten der Roͤmer in Spanien worden, auch auf ſie, nicht aber auf die Deutſchen die dignitas im - peratoria transferiret worden ſey, haben ſich ei - nige, ſonderlich aber Alphonſus der VIII. (wel - cher auch von unterſchiedenen der VII. genennet wird) zu Anfang des 12. Seculi, den Titul und die Qualitaͤt eines Kaͤyſers beygeleget, und ſich in ſelbigem von dem Pabſt Innocentio II. confir - miren laſſen, welche angenommene Dignitaͤt aber nicht lange gedauret, ſondern durch Tracta - ten wiederumb abgeſchaffet worden, nachdem die Roͤm. Deutſchen Kayſer dargethan, daß dieſer Titul und Wuͤrde Niemanden als ihnen beygele - get werden koͤnne.

§. 3.

So groß nun Spanien ehemahlen ge - weſen, ſo klein und geringe hat es doch in den Au - gen einiger andrer Koͤnige, welche ihm den Pas zu diſputiren bemuͤhet, geſchienen, darunter

  • 1. Erſtlich Fanckreich. So lange zwar als Ca - rolus V. die Spaniſche Reiche beherrſchet, kunte Franckreich nicht emergiren, denn es war dieſer Herr den Frantzoſen nicht nur zu maͤchtig, ſondern auch zugleich Roͤm. Deut - ſcher Kayſer, und alſo wegen dieſer letzteren Qualitaͤt befuget und berechtiget, dem KoͤnigeF 3in86Europaͤiſchesin Franckreich vorzugehen. Weil nun der Kayſer und Koͤnig in Spanien in einer eintzi - gen, nehmlich der Perſon des Caroli V. haff - tete und verbunden war, ſo wurde, gleich wie Carl der V. unter den Kayſern, alſo auch Carl der Andere in Spanien, dem Franciſco I. in Franckreich allenthalben vorgeſetzt. Als aber dieſer groſſe Kayſer mit Todt abgegangen war, kunte An. 1566. deſſen Nachfolger in Spanien Philippus II. durchaus nicht erhal - ten, daß man ihme in Rom den Rang fuͤr Franckreich gegeben haͤtte. Ja als eben des Philippi II. Ambaſſadeur, Don Stevan de Gamara, den Frantzoͤſiſchen Ambaſſadeur Monſ. de Thou, zu Graven Haag im Spa - tzierfahren rencontrirete, wolte keiner dem andern Platz machen, welcher combat ſur le Pas ungezweifelt den laqays dieſer beyden miniſtres Gelegenheit gegeben haben wuͤrde, einander eine Fauſt-Bataille zu liefern, dafern nicht der Herr von Beurevert, ein vornehmes Glied der Herren Staaten, durch ſeine Ge - genwart und klugen Rath, dieſes expediens erfunden, daß man die Schrancken, zwiſchen welcher auf dem Voorhout (oder prome - nade in der Stadt) die Ambaſſadeurs einan - der begegneten, haͤtte umhauen, und den Frantzoͤſiſchen in grader Linie, den Spaniſchen aber zur Rechten, jedoch etwas ſchraͤge einfah -ren87Hoff-Ceremoniel. ren laſſen. Welcher unter dieſen zweyen da - mahlen den Pas behauptet, uͤberlaͤſſet man ei - nem ieden zum Nachſinnen. Ob nun gleich der Koͤnig in Franckreich zu Rom den Pas fuͤr Spanien behauptet, ſo hat man doch hingegen dem Koͤnig in Spanien, den Rang fuͤr Franck - reich in Wien eingeraͤumet, in welchen zweyen doch differenten Orten, ſich ein jeder in ſeiner poſſeſſion lange Zeit mainteniret, und da - mit jede competirende Parthey, allen Ver - druß meiden, und ſo wohl in Rom als Wien zu gleicher Zeit Spaniſche und Frantzoͤſiſche mi - niſtres gegenwertig ſeyn koͤnten, ſo haͤlt Spa - nien in Wien ſtets einen Abgeordneten vom er - ſten, Franckreich aber nur einen vom andern Rang, vice verſa Franckreich in Rom einen plenipotentiarium vom erſten, Spanien aber einen von andern Rang. Deñ weil en ge - neral alle ambaſſadeurs, ob ſie gleich von no - toriſch minderen Potentien geſendet, dennoch allen Envoyes, wenn ſelbige auch von dem hoͤchſten und maͤchtigſten Potentaten abge - ordnet waͤren, vorgehen, ſo hat keiner ſeinem prætendireten Vorzuge dadurch etwas ver - geben, biß endlich, wie im folgenden Capitul gemeldet werden ſoll, Franckreich dem Koͤnige in Spanien bey nahe das Vortheil und die Præcedentz abgelauffen.
F 4Engel -88Europaͤiſches
  • 2. Engelland, dieſes will Spanien auch nicht den Vorzug fuͤr ihm einraͤumen, dannenhero es An. 1600. auf den Convent zu Bologne, zwiſchen dem Geſandten Philippi III. in Spanien, und der Eliſabethaͤ in Engelland, zu einem harten Wort-Streit gediehe, weil der Engliſche Geſandte dem Spaniſchen abſolut vorgehen und vorſitzen wolte. Und nachdem des Philippi Geſandter zu Behauptung des Rangs fuͤr Engelland, hauptſaͤchlich das Ar - gument von Vielheit der Laͤnder ſeines Koͤ - niges allegirte, reſpondirete ihm doch der Engellaͤnder eben daſſelbe, was Franckreich einzuwenden pfleget, und ſchon im 2. cap. n. 4. erwehnet worden, nemlich: quod ob plu - ralitatem dignitatum aliquis non ſit præ - ferendus. Fuͤgete anbey, daß das Caſtiliani - ſche Reich, welches Spanien in ſeinem Titul allen andern vorſetzt, viel juͤnger als das Koͤ - nigreich Engelland, maſſen in Caſtilien 1017. Jahr fuͤr Chriſti Geburth nur noch Grafen, in Engelland aber ſchon Koͤnige geherrſchet. So waͤre auch in dem aͤlteſten ceremoniali Ro - mano dem Koͤnige in Franckreich, nach dem Kayſer die erſte, und Engelland die andere, die dritte aber allererſt dem Koͤnige von Caſtilien aſſigniret worden. Es haͤtte auch Engelland in dem Concilio zu Coſtnitz, Siena und Ba - ſel, die Stelle fuͤr Spanien genommen, und ſichin89Hoff-Ceremoniel. in der poſſeſſione præcedentiæ mainteni - ret, ja ſelbſt der Pabſt Julius II. haͤtte zu An - fang des 16. ſeculi fuͤr Henricum VIII. in Engelland, wieder Ferdinandum Catholi - cum geſprochen, und dieſen jenem nachgeſetzt.

Fuͤnfftes Capitel. Von den Special-Fundamentis des Koͤniges in Franckreich.

§. 1.

Dieſer Koͤnig will nicht nur allen andern Koͤnigen vorgezogen, ſondern auch dem Roͤm. Deutſchen Kaͤyſer gleich geachtet werden, und fuͤhren die Frantzoͤſiſchen Scribenten, ſonderlich Auberie und Bignon folgende Urſachen ſeiner prætendireten Præcedentz an:

  • 1. Daß Franckreich in den uhralten Zeiten in de - nen conventibus publicis, conciliis und ſynodis allen andern, ſonderlich aber auch Spanien vorgeſeſſen, ſich auch dieſes Rechts biß An. 1558. gebrauchet, und in der poſſeſ - ſion erhalten.
  • 2. Die Frantzoͤſiſchen Koͤnige mehr ruͤhmliche Thaten verrichtet, als alle andere Europaͤiſche Potentaten,
  • 3. Den Titul filii primogeniti Eccleſiæ fuͤhre, welchen er verdienet, weil er den Nutzen und Aufnahme der Catholiſchen Kirchen præfera - blement fuͤr andern befoͤrdert, und den PabſtF 5beſchuͤ -90Europaͤiſchesbeſchuͤtzet, welches Argument Carl von Lo - thringen, ſonſt Cardinal von Guiſe genennet, als er nach dem Tode Franciſci I. von deſſen ſucceſſore Henrico II. An. 1547., umb die legationem obœdientiæ zu verrichten, an den Paſt nach Rom geſendet wurde, treflich zu exaggeriren gewuſt, indem er bey ſeiner Au - dientz, nach Bericht des Thuani lib. 4. dem Pabſt vorgeſtellet: wie die Koͤnige in Franck - reich die Religion und die Paͤbſte allezeit treff - lich wohl geſchuͤtzt haͤtten, daß ſie deswegen wohl die vornehmſten unter den Koͤnigen in der Chriſtenheit ſeyn moͤchten; ſagte auch, wie er deshalben kom̃en waͤꝛe, daß er von wegen ſeines gewaltigſten Koͤniges, als eines erſtgebohrnen Sohnes der Kirchen, und Vorſtehers der Chri - ſten, ſich und alles was er haͤtte, nach ſeiner loͤbl. Vorfahren Gebrauch, der Kirchen unter - werffe. ꝛc. Man kan nicht gewiß, ſondern nur muthmaßlich wiſſen, zu welcher Zeit und durch was fuͤr eine Gelegenheit, die Koͤnige in Franck - reich dieſen Titul acquiriret. Wahrſcheinlich iſt es daß er ſeinen Anfang ſchon unter den Fraͤn - ckiſchen Koͤnigen Martello, Pipino, Carolo M. &c. genommen, weil dieſe den Roͤmiſchen Stuhl und Kirche wohl vertheidiget, und reich - lich beſchencket: dieſes aber weiß man gewiß, daß krafft deſſelbigen, wie aus dem Thuano, welchen wir erſt angefuͤhret, und aus des PetriSva -91Hoff-Ceremoniel. Svavis Hiſt. Concil. Trident. lib. 8. zu er - ſehen, von Franckreich ein dergleichen Vorzug fuͤr andern Koͤnigen geſuchet wird, als etwan ein primogenitus fuͤr ſeinen andern Bruͤdern zu Zeiten des alten Teſtaments gehabt, oder noch heut zu Tage zugenieſſen pfleget, als wel - cher den ſecundo genitis, ob ſie gleich mehre - re meriten und qualitaͤten als der Erſtge - bohrne, haben moͤchten, dennoch abſolut vor - gezogen wird, ſo daß es ſcheinet, es haben ſichdie Frantzoͤſiſche Koͤnige felbigen mit groſſem Be - dacht beylegen laſſen, wiewohl ſie dißfalls an den Engellaͤndern ſtarcke Wieder-Sprecher und Competenten haben, weil dieſe erweiſen koͤnnen, daß Engelland zu unterſchiedenen mahlen von dem Paͤbſtl. Hof dieſer Titul bey - geleget, und die Engliſche Kirche primogeni - ta eccleſiæ genennet worden.
  • 4. Daß es den Titul Chriſtianiſſimi habe, wie man deñ in allen Inſtrumentis publicis, v. gr. Frieden-Schluͤſſen Aliancen ꝛc. findet, daß die Koͤnige in Franckreich majeſtas Chriſtianis - ſima, oder reges Chriſtianiſſimi genennet werden, und alſo dißfalls fuͤr allen andern Po - tentaten einen beſondern, und dem Wort-Ver - ſtande nach, ſehr ruͤhmlichen Titul fuͤhren, von deſſen Urſprung die Scribenten aber nicht uͤber einkommen, denn
  • 1. Einige meinen, er ſey ſchon ſo alt als dieFran -92EuropaͤiſchesFrantzoͤſiſche Monarchie ſelbſt, und dem Clodovæo I. in ſeiner Tauffe mitgetheilet worden, und zwar deswegen, weil als der heil. Remigius den Clodovæum An. 496. zu Rheims getauffet, der Prieſter aber we - gen Gedraͤnge des Volcks das chriſma nicht habe dem heil. Remigio zulangen koͤnnen, ſey ein Engel (andere ſagen eine Taube) vom Himmel kommen, und habe dem heil. Remigio eine phiole mit Oehl angefuͤllet gebracht, mit welchem er den Clodovæum angeſtrichen, welches Oehl hernach biß auf dieſe Stunde in der Abtey St. Remigii zu Rheims aufgehoben, und zur Salbung der Koͤnige angewendet wor - den. Hieraus ſchleuſt nun Caſſanæus in Catalogo gloriæ mundi Conſid. 31. alſo: Rex Franciæ cum ſit Chriſtus, ſcili - cet oleo ſacro divinitus emiſſo unctus & ſacratus, omnibus celſior eſt atque major, ex quo vocatur Chriſtianiſſimus, welchem Quillaume Marlot Groß-Prior des Kloſters St. Nicaſii zu Rheims, in ſeiner Hiſtoria Rhemenſi, welche A. 1666. edi - ret worden, beyſtimmet, indem er alſo ſchrei - bet: Reges Franciæ ea ſolos felicitate frui, ut ungantur digniori liquore, qui unquam e cœlo in terram defluxerit, ob quem dicti ſunt protectores fidei, -93Hoff-Ceremoniel. hæreticorum hoſtes, primogeniti ec - cleſiæ & Chriſtianiſſimi. Allein die Frantzoͤſiſchen Hiſtorici, und nahmentlich Bernard Girard de Haillan lib. 3. de ſtatu & ſucceſſu rerum Francicarum, Scipio du Pleix in ſeiner Hiſtoria Franciæ gene - rali, Chifletius in ſeinem tractat de ampulla Rhemenſi, wie auch Jacobus Auguſtus Thuanus, lib. 108. ad A. 1594. zweifeln ſelbſt an der Warheit dieſer Ge - ſchichte, und folgentlich an dem Urſprunge und Alterthum des Nahmens oder Tituls Chriſtianiſſimi, wie dann gemeldter Thuanus lib. 109. expreſſe ſaget: Amul - tis de eo (ſc. oleo ſancto) ambigitur, cum de illo ipſo St. Remigius in ſuo Teſtamento ſileat, nec Gregorius Turo - num Præſul, aliusve ex veteribus fide dignus autor mentionem ejus fa - ciat. Und in dem 108. Buch erzehlet er unterſchiedene alte Koͤnige, welche anders - wo als zu Rheims gekroͤnet und geſalbet worden. Brianville aber in ſeiner Abre - ge de l Hiſtoire de France, wenn er das Leben Clodovæi, und ſeine Tauffe beſchrei - bet, gebrauchet ſich folgender Worte: Il ſe fit baptiſer enſvite a Rheims par St. Re - my, & fut ſacre avec une huile miracu - leuſe, dont on a depuis ſacré nos Rois,du94Europaͤiſchesdu moins eux de la troiſieme race. Zweiffelt demnach angezogener autor wohl nicht an der ampulla ſelbſt, jedoch daran, ob die Frantzoͤſiſchen Koͤnige aus den andern erſten Familien, nemlich die Merovinger und Carolinger damit geſal - bet worden. Woraus von ſich ſelbſt flieſ - ſet, daß ſie auch nicht haben koͤnnen Chri - ſtianiſſimi genennet werden. Zu dem wird keinem gelehrten oder beleſenem Man - ne unbekandt ſeyn, welcher geſtalt Henri - cus IV. (weil die Gviſianiſche Faction Rheims und die ampullam in ihrem Be - ſitz, und umb dem Henrico in ſeiner Croͤ - nung und Salbung hinderlich zu ſeyn, in der zu Blois An. 1589. gehaltenen Ver - ſammlung decretiret hatten, daß keiner fuͤr einen rechtmaͤßigen Koͤnig ſolle gehalten werden, bevor er nicht zu Rheims mit dem heiligen Oehl, welches in der Abtey des heil. Remigii heilig aufgehoben wird, ſolenni - ter geſalbet worden) ſich 1591. zu Chartre kroͤnen, und mit dem Oehl des heil. Mar - tini, oder Oleo Turoneſi, welches in dem Kloſter Marmonſtrier nahe bey Tours, aufgehoben wird, ſalben laſſen. Welche Salbung nach Zeugnuͤſſe des Thuani, von den Staͤnden nicht allein approbiret, ſon - dern auch das Oleum St. Martini, demOehl95Hoff-Ceremoniel. Oehl in der ampulla Rhemenſi vorgezo - gen worden, und lauten die Worte dieſes Decrets aus dem Thuano alſo: Chriſ - ma quod ab epiſcopis conficitur, ad id (ſc. unctionem) ſufficere. Et ſi cœle - ſte oleum, quo major veneratio con - ſecrationi concilietur, adhiberi opor - teat, longe certioribus teſtimoniis de oleo cœleſti, quod Majore in Mona - ſterio Cæſaroduni Turonum religioſe, aſſervatur, conſtare: quippe quod 112. annis ante Clodovæum ſacro lavacro a St. Remigio ſuſceptum, B. Martino per ſcalas forte prolapſo, cum exanimis jaceret in cellula, Angelum nocte vi - ſum, tanquam ſalutari ungvento ejus vulnera eluiſſe, & contuſi corporis ſu - per leniſſe livores, atque ita poſtero die reſtitutum ſanitati Martinum, ut nihil unquam pertuliſſe incommodi putaretur. Wer wolte aber nun zweifeln oder ſagen, daß Henricus nicht den Titul Regis Chriſtianiſſimi gefuͤhret. Ob er gleich nicht mit dem Oehl aus der ampul - la Rhemenſi geſalbet worden. Daß es demnach gar ein ſchlecht Fundament, wenn die Koͤnige in Franckreich dieſen Titul ſo gar alt machen, und mit deſſen Alter pralen wollen.
2. An -96Europaͤiſches
  • 2. Andere halten dafuͤr, daß dieſer Titul aller - erſt dem Pipino und Carolo M. wegen ih - rer groſſen Freygebigkeit gegen den Pabſt zuerkennet worden, in welcher Meynung Franciſcus Guicciardinus, wie auch der autor des Etat de la France iſt, als welcher bald zu Anfang ſeines Buches ſaget: Le Roy de France eſt appelle tres chretien, pour le grans biens & les ſignalez ſervi - ces que l Egliſe & le ſaint ſiege ont re - ceu de cette couronne. Worbey zwey - erley zu mercken. Erſtlich, daß, weil die Paͤbſte ſolchen Titul den Koͤnigen in Franckreich darumb ertheilet, weil ſie groſſe Wohlthaten von ihnen genoſſen, ſo folget nothwendig auch, daß ſie ſolchen Titul, be - vor die Wohlthaten geſchehen, nicht haben erwerben koͤnnen. Weil nun zu Clodo - væi und ſeiner Nachfolger Zeiten, biß auf Pipinum und Carolum M. keine beſondere Wohlthat an den Pabſt geſchehen, ſo ha - ben ſie auch fuͤr dem Pipino und Carolo M. dieſen Titul nicht empfangen koͤnnen. Zum andern, wo es gewiß waͤre, daß Carolo M. dieſer Titul umb ſeiner Guͤte und Gaben gegen den Roͤm. Stuhl, waͤre zugeeignet worden, ſo waͤre auch wohl gewiß, daß er auf ſeine ſucceſſores im Deutſchen Reiche, nehmlich die Fraͤnckiſchen Kayſer abge -ſtam -97Hoff-Ceremoniel. ſtammet, man muͤſte denn erweiſen, daß er den von Carolo M. abſtammenden Fran - tzoͤſiſchen Koͤnigen nur allein waͤre zuge - wendet worden. Hat aber Carolus die donationem Petri vermehret, und den Paͤbſtl. Stuhl beſchirmet, ſo hat er beydes nur als Kayſer gethan, denn als Koͤnig in Franckreich hatte er nichts weg zu ſchencken, und demnach muß ihme auch dieſer Titul als einem Kayſer, nicht aber als einem Koͤ - nige in Franckreich zu theil worden ſeyn. Man bekommt hierdurch Gelegenheit und Urſache weiter nachzudencken und zu unter - ſuchen, woher es kommen ſeyn mag, daß man in alten Zeiten, und noch heut zu Tage, wie wir in vorhergehenden 3. Cap. §. 1. n. 5. angefuͤhret, zu Rom, am guten Freytage, in dem oͤffentlichen Gebethe pro Chriſtia - niſſimo Imperatore Romano, zu beten, und ihme das Prædicat Chriſtianiſſimi zu geben pfleget. Der Spaniſche Jeſuit Joh. Mariana lib. 26. c. 12. rerum Hi - ſpanicarum trachtet beyzubringen, daß der Titul Chriſtianiſſimi den Koͤnigen in Franckreich nicht eher zu theil worden, als gegen das Mittel des 15. Seculi, und daß Pius II. den Ludovicum XI. zum erſten al - ſo geneñet, ſo daß der Frantzoͤſiſchen Koͤnige prædicat Chriſtianiſſimi nicht viel aͤlterGſey98Europaͤiſchesſey, als der Spaniſchen Koͤnige Titul Ca - tholici. Er ſey nun alt oder neu, ſo iſt doch Franckreich in poſſeſſion deſſelben, unge - achtet es zu einigen mahlen ſchon nahe da - bey geweſen, daß die Paͤbſte den Koͤnigen in Franckreich dieſen Titul abnehmen, und einem andern zueignen wollen, dergleichen Julius II. tentirete, welcher ihn Ludovico XII. entziehen, und Henrico VIII. in Engel - land geben wolte: ein gleiches tentirte Alexander. VII., welcher das prædicat Chriſtianiſſimi Ludovico dem XIV. wie - der abzunehmen, und Philippo IV. in Spa - nien zu geben trachtete, im fall Philippus in faveur der Kirchen die Waffen wieder Franckreich ergreiffen wolte; allein es refu - ſirete dieſer ſelbigen anzunehmen, weil zu beſorgen ſtunde, daß viel uͤble conſequen - tien daraus entſtehen moͤchten, welche mehr koſten duͤrfften als dieſer Titul werth waͤre, zu mahlen es noch nicht ausgemacht, ob Franckreich umb eben dieſes Tituls willen allein, den Vorſitz zu Rom fuͤr Spanien ge - nieſſet, oder ob es nicht vielmehr aus andern motiven geſchehen.
  • 5. Olaude de Rubis, und Hieronymus Bignon de l Excellence des Roys de France haben noch viel andere Argumenta geſammlet, durch welche ſie ihren Koͤnig uͤber alle andere Poten -taten99Hoff-Ceremoniel. taten zu erheben trachten. Sonderlich aber iſt Verwunderns werth, was der autor des etat de la France p. 3. Tom. 1. vorbringet. Dieſer damit er deſto unpartheyiſcher ſcheine, hat Suidam einen alten verlegenen Griechen, welcher ehe man noch an die Frantzoͤſiſche Mo - narchie gedencken koͤnnen, ſchon vermodert ge - weſen, allegiret, welcher dergeſtalt favorable fuͤr Franckreich geweſen, daß er geſchrieben haben ſoll: daß wenn man ſchlecht weg einen Koͤnig nenne, ohne den Zuſatz welchen Reiches, ſo werde durch das Wort Koͤnig allemahl per excellentiam der in Franckreich verſtanden. Man kan allhier die Chronologie zu Huͤlffe nehmen und unterſuchen, wie es ſich der Zeit nach zuſammen reime, daß Suidas von den Koͤ - nigen in Franckreich Erkaͤntnuͤß gehabt habe, und was ſein Ausſpruch als eines Griechen und privat-Perſon fuͤr autoritaͤt haben koͤnne. Ferner beruffet ſich gedachter autor, auf den Mathæum Pariſienſem, einen Moͤnch, wel - cher im 13. ſeculo gelebet, und in ſeiner hiſtoria Anglicana dem Koͤnig in Franckreich das Lob ſo hoch geprieſen, daß er ihm terreſtrium regum regem geheiſſen, welche Redens-Art aber mehr theologiſch als politiſch, und nur un - ſerm Herren GOtt zu zueignen iſt, keinem irr - diſchen Koͤnige aber kan gegeben werden. Er fuͤhret weiter an, daß der Pabſt Gregorius I. G 2lib. 100Europaͤiſcheslib. 5. Epiſt. 6. als er an Childebertum Koͤ - nig in Franckreich geſchrieben, ſich dieſer Ex - preſſion bedienet: que les Rois de France ſurpaſſent autant touts les autres Rois de la Terre, que la dignité Royale eſt relevé par deſſus le reſte des hommes. Man ſie - het aber gar leicht, daß dieſe Encomia keine Influentz zu der prærogativa dieſer Koͤnige haben koͤnnen, und ſolche Argumenta ſind, welche den unverſtaͤndigen, und nur denen die bloͤden Geſichts, nicht aber ſcharff ſehenden, einen Dunſt fuͤr die Augen machen koͤnnen.
  • 6. Bodinus der Frantzoͤſiſche Ictus und Politi - cus, von welchem die Gelehrten dieſes Urtheil faͤllen: quod ſtatuerit ſecum, licitum ſibi ſuorum popularium dignitatem honeſto mendacio tueri, will in ſeinem Buche de republica p. m. 208. ſeinen Koͤnigen darum den Vorzug fuͤr andern Koͤnigen zuerkennen, weil Franckreich jederzeit der Paͤbſte Aſylum geweſen, und ziehet deswegen das Exempel Ludovici des IX. und Pabſt Innocentii des IV. an, welcher A. 1244. aus Furcht fuͤr dem Kayſer Friderico II., von Rom nach Genua und von dar nach Franckreich flohe. Nun weiß man wohl, daß die Paͤbſte zu unterſchie - denen mahlen ihr Refugium nach Avignon genommen, und ihre Reſidentz daſelbſt ge - macht, wie denn von den Zeiten Pabſt Cle -men -101Hoff-Ceremoniel. mentis des V. An. 1305. biß auf die Zeiten Gregorii XI. An. 1377., und alſo durch 70. Jahre ſieben Paͤbſte ſich in Franckreich aufge - halten. Allein wann man die Conjuncturen der damahligen Zeiten anſiehet, wird man gar bald gewahr werden, daß das beneficium und hoſpitium, welches die Koͤnige in Franckreich denen Paͤbſten erzeiget, nicht von groſſer Con - ſideration geweſen, zumalen, da Clemens der VI. An. 1343. den Staat von Avignon, der Johannæ Koͤnigin in Sicilien fuͤr 80000. Guͤlden abgekauffet, und alſo von dieſes Pab - ſtes Zeiten an, ſo offt ſich ſeine Succeſſores in Franckreich aufgehalten, nicht bey dem Koͤni - ge, ſondern in ihrem Souverainen Eigenthum ihr Refugium geſuchet. Zu geſchweigen daß dieſes Aſylum, oder beſſer zu reden, Souve - rains territorium der Paͤbſte, ihnen nicht al - lein von den Koͤnigen offtmahl eingezogen worden, ſondern auch An. 1663. von dem itzi - gen Koͤnige durch das Parlement von Pro - vence, unter dem Prætext
  • 1. Daß Johanna zur Zeit des Verkauffes mi - norennis geweſen,
  • 2. Nicht befuget geweſen Domainen zu ver - kauffen, und
  • 3. Der Pabſt das Kauff-Geld nicht erleget, gantz hat abgeſprochen werden ſollen, ſo daß ſich Bodinus mit dieſem Aſylo nichtG 3zu102Europaͤiſcheszu ruͤhmen, der Pabſt ſelbſt aber ſich deſ - ſelben nicht groß zu getroͤſten hat, en gene - ral aber zu behalten iſt, daß wenn die Paͤb - ſte mit ihrem advocato dem Roͤm. Kay - ſer in guten Verſtaͤndnuͤß ſtehen, ſie ſich zu ihm alles Beyſtandes zu verſehen, und kei - ner fremden Protection von noͤthen haben.
  • 7. Es moͤgen nun aber bißhero von Frantzoͤſiſchen Scriptoribus angefuͤhrte Fundamenta der prætendireten Præcedentz ihres Koͤniges guͤl - tig ſeyn oder nicht, ſo hat er es doch inzwiſchen dahin gebracht, daß er dem Koͤnige in Spa - nien, als mit welchem er ſtets am hitzigſten in der Competentz geſtanden, im Pas vorgekom - men, und ihn uͤberſchritten. Zwar zu den Zei - ten Caroli V., welcher Koͤnig in Spanien, aber auch zugleich Roͤm. Kayſer war, kunte Franckreich dem Spaniſchen Koͤnige den Rang nicht ablauffen, und Philippus II. ſtaͤmmete ſich, ſonderlich An. 1558. zu Vene - dig, gewaltiglich wieder den Vorzug der Cron Franckreich; allein ſelbige Republic folgete dem Exempel des Pabſt Pauli IV. und raͤume - te den Vorzug dem Ambaſſadeur des Koͤni - ges in Franckreich fuͤr Spanien ein. Was aber an einem Orte eingefuͤhret wurde, bliebe in dem andern noch diſputirlich, und muſte Londen das Amphiteatrum des combat des ceremonies oder der diſpute ſur le Pasab -103Hoff-Ceremoniel. abgeben, welche weil es eine von der gewalt - ſamſten geweſen, wohl meritiret, auch faſt in - evitable iſt, allhier doch nach moͤglichſter Kuͤr - tze, angefuͤhret zu werden.
  • 8. Der Anfang war fuͤr Spanien einer Comoͤ - die, der Ausgang aber einer Trajoͤdie gleich, und der gantze Actus dieſer. Jm Jahr 1661. reſidireten des Koͤniges in Spanien Geſand - ter Baron Batteville, wie auch des Koͤniges in Franckreich ſeiner, Comte d Eſtrade in Lon - den zu gleicher Zeit, weil ſie nun beyde einen perſonal-Haß auf einander hatten, vergaß kei - ner, unter dem Prætext, das Recht ihrer hohen Principalen zu mainteniren, alles herfuͤr zu ſuchen, was dem einen Vortheil, dem andern aber Nachtheil bringen koͤnte. Als nun der Graff Brahe Schwediſcher Geſandter, ſeinen oͤffentlichen Einzug den 10. Octobr. A. 1661. in Londen hielte, ſendete ihm d Eſtrades wie gewoͤhnlich, ſeine Caroſſe entgegen, und gab zugleich ſeinen Leuten Ordre, daß ſie, es koſte auch was es wolle, Spanien den Rang neh - men ſolten. B. Batteville, welcher als ein erfahrner Miniſtre ſich aus den Umbſtaͤnden und der Intimation ſeiner vertrauten Freun - de leicht die Rechnung machen kunte, was d Eſtrades im Wercke haben moͤchte, reſolvi - rete dem Frantzoͤſiſchen Miniſtre nicht zu wei - chen. Sendete demnach eine Menge ſeinerG 4Do -104EuropaͤiſchesDomeſtiquen mit ſeiner Caroſſe dem Grafen Brahe auch entgegen, und ließ zu aller moͤglich - ſten Præcaution in die Zug-Riemen der Pfer - de von gehaͤrtetem Eiſen Ketten machen, wel - che capable waren, dem allerſchaͤrffeſten Schwerdſtreich zu wiederſtehen; gewann da - bey viel Engellaͤnder umb Geld, daß ſie auf be - duͤrfftigen Fall ſeinen Leuten beyſtehen ſolten. Der Engliſche Hof, welcher hievon Wind be - kam, ſendete zwar, umb alle Diſordre zu ver - huͤten, von des Hertzoges von Yorck (nach - mahlen Jacobi II. Koͤniges) Regiment 4. Compagnien dahin, allein dieſe Milice kunte nichts anders thun, als nur allen deſſen was geſchahe, ein vielfacher Zeuge ſeyn, weil ſie zu Vermeidung aller partialitaͤt, keiner partie beyſtehen, und das Combat entſcheiden durff - ten. Der Angriff geſchahe nun von Seiten der Spanier, und zwar ziemlich hitzig, und ob ſich gleich die Frantzoſen auf das beſte defen - dirten, ſo wurden doch durch Beyſtand des En - gellaͤndiſchen Poͤbels, des d Etrades Kutſcher, Laquays und Pferde erſchlagen, ſo daß ſeine Caroſſe muſte ſtehen bleiben, und des Batte - ville Wagen gleichſam triumphirende fuͤr dem Graff Brahe allein herfuhre. Als nun d Etrades ſahe, daß er in dieſem combat de Ce - remonies unterlag, referirete er ſolches ſei - nem Principal, welcher es fuͤr einen der groͤſtenAffront105Hoff-Ceremoniel. Affront aufnahm, und ſo gleich dem Graff Fuenſaldagne, Spaniſchen Ambaſſadeur in Paris, anbefehlen ließ, ſich biñen 24. Stunden aus dieſer Stadt zu machen, in keinem Fran - tzoͤſiſcher Jurisdiction unterworffenen Orte aufzuhalten, ſondern ungeſaͤumt das gantze Koͤ - nigreich zu meiden, ſendete anbey den Monſ. Vouldy, an ſeinem Ambaſſadeur in Madrit Monſieur d Aubuſſon, Ertz-Biſchoff zu Ambrun, mit der Inſtruction, daß er von dem Koͤnige in Spanien, wegen dieſes in Londen vorgegangenen facti ſatisfaction fordern, und im fall man ihm ſelbige zu geben weigerte, ſich von dort wegmachen ſolte. Spanien delibe - rirete hieruͤber biß in drey Monathe, erwegen - de, daß
  • 1. Batteville in Londen defenſive agiret,
  • 2. Seines Principalen Hoheit mainteniret,
  • 3. Das jus gentium und legationis nicht violiret,
  • giengen demnach die opiniones dahinaus, daß Spanien lieber alles hazardiren, als des Batteville That fuͤr etwas unbefugtes erklaͤ - ren, und folgentlich Franckreich keine Satisfa - ction geben ſolte. Allein Philippus IV. war alt, die Spaniſche Monarchie in groſſer De - cadentz, Mangel am Gelde und Soldaten, der An. 1659. geſchloſſene Pyreneiſche Friede kaum zur Execution, und Spanien zu RuheG 5kom -106Europaͤiſcheskommen, aus welchen und andern conſide - rationibus, ſondeꝛlich auch daß Philippus IV. ſeinem Sohne Carol II. den Frieden, als ei - nes der beſten Erbtheile, hinterlaſſen wolte, zu Madrit reſolviret wurde, dem Koͤnige in Franckreich auf folgende Art ſatisfaction zu geben:
  • 1. Wurde Batteville von ſeiner Ambaſſade aus Engelland avociret,
  • 2. Der Marquis de Fuentes nach Verſailles geſendet, dem Koͤnige deutlich zu erklaͤren: daß Philippus den in Londen von ſeinem Ambaſſadeur vorgenommenen modum procedendi gar nicht approbire.
  • 3. Seine Catholiſche Majeſtaͤt reſolviret ſey, an alle ſeine Ambaſſadeurs Befehl erge - hen zulaſſen, daß ſich ſelbige von allen So - lennitaͤten und Ceremonien, bey welchen ſich des Ludovici XIV. Ambaſſadeurs einfinden wuͤrden, enthalten, und die Spa - niſche Miniſtri nirgends wo mit den Fran - tzoͤſiſchen concurriren ſolten. Dieſe Pro - poſitiones nun geſchahen den 24. Martii 1662. zu Verſailles, durch vorbemeldten Spaniſchen Plenipotentiarium, in Ge - genwart 30. auswaͤrtiger Miniſtres, der Printzen von Gebluͤt, und Frantzoͤſi - ſchen Etats-Bedienten. So bald Mar - quis de Fuentes in Spaniſcher Sprachemit107Hoff-Ceremoniel. mit expreſſen terminis, den dritten Punct ausgeſprochen, und ſich aus dem Audientz-Zimmer begeben hatte, wendete ſich der Koͤnig in Franckreich zu dem Paͤbſtl. Nuncio und andern auswaͤrtigen Mini - ſtris, und interpretirete den Vortrag des Marquis de Fuentes auf folgende Art: Meſſieurs (ſaget der Koͤnig) ihr habet die Declaration, welche mir der Spaniſche Ambaſſadeur anitzo gethan, mit angehoͤ - ret, ich erſuche euch ſolches an eure Herren Principalen zu berichten, damit ihnen be - kandt werde: Daß der Catholiſche Koͤ - nig an alle ſeine Ambaſſadeurs Ordre ergehen laſſen, den Meinigen in allen Gelegenheiten den Rang zu cediren. Ob nun das Wort enthalten (abſtiniren) und nicht concurriren, ſo viel heiſſe als den Rang cediren, wird man ſchwerlich bey de - nen autoribus, welche de jure interpre - tandi geſchrieben, finden, iſt auch wohl gar ſehr daran zu zweiffeln, daß abſtinere, und non concurrere eben ſo viel bedeuten koͤñe als cedere, vielmehr aber waͤre daraus zu ſchlieſſen, daß Philippus IV. eben deswe - gen ſeine Ambaſſadeurs mit den Frantzoͤſi - ſchen nicht habe wollen concurriren laſſen, damit er ihnen nicht wolle nachgehen, denn wenn Competentz-Streit entſtehet, undman108Europaͤiſchesman alles Unheil und Zanck verhuͤten will, ſo bleibet man eben deswegen auſſen, da - mit man ſich kein Præjudicium in der Poſ - ſeſſion vel quaſi, oder in der Prætenſion des Ranges machen, ſondern die Compe - tentz biß zu gelegener Zeit in ſuſpenſo laſſen koͤnne. Allein Ludovicus der XIV. und Priolus de Reb. Gall. lib. 12. c. 3. mach - ten uͤber dem Vortrag des Marquis de Fuentes eine gantz andere, und zuvor noch nicht bekante Explication, maſſen dieſer angezogene autor alſo ſchreibet: Sic Phi - lippus Regiæ dignitatis immemor in - duit genitorem, non inglorium putans illi cedere cui viſcera ceſſiſſet, & juve - nili ambitioni non invidit ſenex & ſocer. Die Spaniſchen Koͤnige haben zwar in folgenden Zeiten deutlich genug zu verſtehen gegeben, daß ſie mit der Explica - tion Ludovici XIV. und des Prioli nicht zu frieden, und haben auch in Wien und dem Roͤm. Reich den Rang fuͤr Franck - reich erhalten, in andern Hoͤfen aber muß einer den andern etweder meiden, oder der eine einen Ambaſſadeur, der andere einen Envoyé ſenden, wie wohl bey itzigen Con - juncturen, da der Duc d Anjou die Spa - niſche Monarchie in Poſſeſſion hat, er als ein Enckel des Ludovici XIV. ſeinemHerrn109Hoff-Ceremoniel. Herrn Groß-Vater die Præcedentz nicht leichtlich diſputirlich machen wird. Jn - zwiſchen ſcheinet die Maxime der Frantzo - ſen, welche ſie wegen des Rangs haben, von allen Souverains obſerviret zu werden hoͤchſt noͤthig, welche alſo heiſſet: En le droit de precedence on n’en peut rien abattre ny remettre ſans perdre tout.

Sechſtes Capitel. Von den Special-Fundamentis der Præcedentz der Koͤnige von Engelland.

§. 1.

Dieſer Koͤnig will zwar der Aller-Chriſt - lichſten, nicht aber der Catholiſchen Majeſtaͤt die Præcedentz einraͤumen, ſondern vielmehr Spa - nien, und allen andern, den Kayſer und Franckreich ausgenommen, aus folgenden Special-Funda - menten vorgezogen werden:

1. Weil er den Titul defenſoris fidei fuͤhret, und berufft ſich Eduard Chamberlaine in ſeiner Notitia Angliæ, oder State of England part. 2. c. 2. p. m. 72. auf die zu Oxfurth befindliche documenta, Spellmann aber in ſeiner dedi - cation, welche er dem erſten Tom. Concil. Angl. præfigiret, und dem Koͤnig Carolo I. addreſſiret, auf das Archiv des Biſchoffs von Ely, wo man in den Reſcriptis der Koͤnige in Engelland, welche ſie an die Cleriſey erge -hen110Europaͤiſcheshen laſſen, folgende Worte findet: Nos zelo Catholicæ fidei, cujus defenſores & ſum - mus & eſſe volumus. Jacobus Hovvel in ſeinem Tractat de Præced. lib. 1. cap. 1. will er - weiſen, daß ſchon Oſwaldus, ein Koͤnig aus der Anglo-Saxoniſchen Nation ſich defen - ſorem fidei genennet, wodurch ſie dieſem Ti - tul ein ſehr hohes Alter beyzulegen trachten. Gleichwie aber dieſe Meynung von denen, welche Engelland den Rang diſputirlich ma - chen, nicht unangefochten bleibet, alſo iſt doch dieſes auſſer allem Streit und unleugbahr, daß Heinricus VIII., nachdem er An. 1522. ſein Buch de VII. ſacramentis wieder Luthe - rum geſchrieben (davon man das erſte Exem - plar noch zu Rom in der Vaticaniſchen Bi - bliothec verwahret, und dieſe Worte, welche Henricus mit eigener Hand geſchrieben, findet:

Anglorum Rex Henricus, Leoni mittit hoc opus, Fidei teſtem & amicitiæ.)

und des Pabſtes Lehre und autoritaͤt heff - tig defendiret, er bald darauf von gemeldtem Pabſt Leone dem X. eine Bullam mit des Pabſtes und 27. Cardinaͤle Unterſchrifft er - halten, in welcher nicht nur dem Henrico ſondern auch ſeinen Nachkommen, der Titul defenſoris fidei gegeben, und alſo nicht nurein111Hoff-Ceremoniel. ein Titul der Perſon oder Koͤniges, ſondern der Cron worden, worauf Henricus dieſen Titul ſo bald gebrauchet. Und ob er ſich gleich hernach dem Gehorſam des Pabſtes entzogen, und ſich ſelbſt zum Haupt der Engliſchen Kir - chen erklaͤret, ſo hat er doch dieſes von dem Pabſt empfangene Prædicat nicht fahren laſ - ſen wollen: damit er aber ſelbiges nicht ſo wohl dem Pabſt zu dancken, als vielmehr pro - prio jure zu gebrauchen haͤtte, iſt durch ei - ne Parlements-Acte etabliret worden, daß ſolcher Titul hinfuͤhro und immerwehrend dem Cron-Titul einverleibet bleiben ſolle, welchen auch nach ihme alle folgende Koͤnige, ja auch ſo gar die Frauen, nemlich die Koͤnigin Maria Eliſabeth, und noch heut zu Tage die Koͤnigin Anna gefuͤhret, und alſo dieſes Prædicat als was beſonders hochgeachtet.

2. Keines Menſchen, weder geiſtlichen noch welt - lichen Standes Vaſall, und alſo nur alleine von GOtt dependire, wie denn die Engliſchen Scriptores melden, daß der Pabſt Eleuthe - rius im Jahr 177. einen Brief an den Koͤnig Lucium geſchrieben, in welchem er dieſen Koͤ - nig in Engelland vicarium Dei in regno ſuo nennet. Und der oben angefuͤhrte Eduard Chamberlaine ſaget: omnem poteſtatem habet Rex Angliæ in regno ſuo, quam im - perator vindicat in imperio, ideoque eti -am112Europaͤiſchesam utitur corona imperiali. Angefuͤhr - te Autores haben Recht, aber nicht zu allen Zei - ten, dannenhero man nothwendig umb dieſer prærogativæ weder etwas ab-noch beyzule - gen, ſich an das bekante axioma: diſtingve tempora & concordabit ſcriptura, halten, und was die Engliſchen autores avanciren, diſtingvendo annehmen muß, denn es haben zu einigen Zeiten ſo wohl

    • 1. Die Paͤbſte, als auch
    • 2. Die Roͤm. Deutſchen Kayſer
    uͤber En - gelland einige Superioritaͤt prætendiret. Der erſtere darumb, weil
    • 1. Koͤnig Ina oder Ines An. 726. ihme den Peter-Penſe oder Peters-Pfennig offe - riret,
    • 2. Koͤnig Ethelwolf den Peters-Pfennig aufs neue verwilliget An. 848.
    • 3. Koͤnig Johannes Anno. 1212. dem Pabſt nicht nur Engelland und Jrr - land unterworffen, und als ein Lehn von ihm angenommen, ſondern auch jaͤhrlich 2000. Marck Silbers, als einen Zinß da - von, nach Rom geliefert. Allein die En - gellaͤnder antworten, daß der vom Koͤnig Ines und Ethelwolf eingefuͤhrete Peters - Pfennig im geringſten kein Tribut, ſon - dern eine Liberalitaͤt oder ſubſidium ihrer Koͤnige geweſen waͤre, welches ſie demPabſt113Hoff-Ceremoniel. Pabſt zum Unterhalt der in Rom lebenden Engellaͤnder geliefert. Ja ſie produci - ren, nach Bericht Metterani lib. 13., Zeug - nuͤſſe und Brieffe des heil. Eduardi, in wel - chen dieſer Peters-Pfennig eleemoſyna & regis larga benignitas genennet wird. Was aber die Subjection der Koͤnigreiche Engelland und Jrland, welche Koͤnig Jo - hannes dem Pabſt Innocentio dem III. gethan, anlangete, ſo haͤtte der Koͤnig ſel - bige, ohne Conſens ſeiner Staͤnde, nicht thun koͤnnen, wie dann Thomas Morus, ein ſonſt affectionirter Mann fuͤr dem Roͤm. Stuhl, verſichert, daß die Paͤbſte kein eintziges Document ſolcher ihnen of - ferirten ſuperioritaͤt uͤber Engelland pro - duciren koͤnten, welchem aber doch Mat - thias Pariſienſis, und Hermingford ent - gegenſtehen, und das Inſtrumentum Ceſ - ſionis des Koͤniges Johannis, in ſubſtan - tia produciren. Der andere, nemlich der Roͤm. Kaͤyſer, hat nach Erzehlung des Ra - dewici de geſt. Frid. I. vel Barbaroſſæ, von Henrico II. die ſuperioritaͤt uͤber En - gelland erhalten, welcher autor gedachten Henrici II. Brief anfuͤhret, in welchem folgende Worte befindlich, regnum no - ſtrum, & quicquid ubique noſtræ ſub - jicitur ditioni vobis (ſc. Friderico) ex -Hponi -114Europaͤiſchesponimus & veſtræ comittimus pote - teſtati, ut ad veſtrum nutum omnia diſponantur, & in omnibus veſtri fiat voluntas imperii, ita tamen, ut vobis, qui dignitate præminetis, imperando cedat autoritas, nobis non deerit voluntas obſequendi. Welche ſubmiſſion des Koͤnigs von Engelland ge - gen den Kayſer Seldenus de titulis ho - norum lib. 1. c. 2. §. 5. zwar gar nicht in Zweifel ziehet, aber doch darbey erinnert, daß ſich die Kayſer dieſes Rechtes gar nicht gebrauchet, und noch dazu, (als der Kayſer Sigismundus, da er zu dem Henrico V. in Engelland kam) ſolenniter proteſti - ret und ſich erklaͤret haben: nihil ſe in ſu - perioritatem regis prætendere. Nach - dem nun alſo in neuern Zeiten die Kayſer der ſuperioritaͤt uͤber Engelland ſich nicht mehr gebrauchet, und die Dependentz die - ſes Koͤnigreichs von dem Paͤbſtl. Stuhl, zu Zeiten Henrici VIII. auch aufgehoben worden, ſo ſiehet man nun wohl, daß es wahr bleibe, daß die Koͤnige von Engelland keines Menſchen Vaſallen ſeyn, jedoch auch nichts unmoͤgliches waͤre, daß einer oder der andere bey ſich ereignender Gelegenheit ſein altes Recht wieder herfuͤr ſuchen koͤnte.
3. Das115Hoff-Ceremoniel.

3. Daß er das Haupt der Engliſchen Kirchen ſey. Dieſen Titul und Prærogativam, welche kein anderer Chriſtl. Koͤnig in der Welt fuͤhret, ma - chen die Engliſchen Scriptores theils alt, theils jung. Die welche ihm das Anſehen des Alterthums beylegen wollen, ſagen, daß ſchon fuͤr mehr als 1000. Jahren die Engliſchen Koͤ - nige, gleichwie die Hohen-Prieſter im Alten Teſtament, mit Oehl waͤren geſalbet, und in das Recht und Dignitaͤt der Hohen-Prieſter geſetzet worden, wie ſie dann in ihren Rechten ein axioma haben: Rex Angliæ eſt perſo - na mixta cum ſacerdote. Und Jacobus Uſſerius Ertz-Biſchoff zu Armach in Jrland, in ſeinem Tractat de Eccleſiæ Britannicæ privilegiis, will erweiſen, daß die Engliſche Kirche, ob ſie gleich dem Catholiſchen Glau - ben zugethan geweſen, dennoch niemahlen von dem Pabſt zu Rom einige Dependentz ge - habt, ſondern ſtets unter dem Koͤnige als Haupte geſtanden, und fuͤhret vornehmlich an, daß man in Engelland zu keiner Zeit das Oſter - Feſt nach Gebrauch und Art, der Roͤm. oder Occidentaliſchen, ſondern der Orientaliſchen Kirchen gefeyert. Andere wollen dieſe Engli - ſche Kirchen-Freyheit auch dadurch behaupten:

  • 1. Weil keine Legati a latere haben duͤrffen nach Engelland kommen, ſondern ſich zu Calais in Piccardie ſo lange aufhaltenH 2muͤſ -116Europaͤiſchesmuͤſſen, biß ſie zuvorhero des Koͤniges Con - ſens daruͤber ausgebeten und ſelbigen er - halten, auch zuvor den Eyd abgeleget: daß ſie in Engelland nichts zum Nachtheil der Koͤnigl. Autoritaͤt oder der Cron fuͤrneh - men wolten.
  • 2. Daß man aus Engelland nicht nach Rom appelliren duͤrffen,
  • 3. Daß Henricus IV. den Biſchoff von Car - lile, ob er gleich ein Clericus, ohne Vorbe - wuſt und Bericht an den Pabſt, zum Tode verurtheilet. Allein dieſe Argumenta fallen, wenn man die exempla contraria neuer Zeiten anſiehet, alle hin. Denn man weiß, daß nicht nur die Engliche Regenten an die Paͤbſte Legationes obœdientiæ geſen - det, und ſich dadurch des Juris indepen - dentiæ quoad ſpiritualia verziehen, ſon - dern auch, als Johannes Barneſius ein Be - nedictiner-Moͤnch zu Paris gerathen, es moͤchte der Pabſt die Engellaͤndiſche Kirche doch wieder in gremium Eccleſiæ zu brin - gen trachten, ſolte es auch gleich nicht an - ders als mit dieſer Erlaubnuͤß, daß ſie von Rom independent bliebe, geſchehen, die - ſer Conſulent von dem Pabſt ſcharff re - primendiret worden. Ja, als zu Zeiten der Koͤnigin Mariæ, viele der Engliſchen Staͤnde nach Rom eine Legation ſende -ten117Hoff-Ceremoniel. ten, und Abſolution ihres erroris in fide bitten lieſſen, hat ſich der Pabſt nicht anders, ihnen die Abſolution zu ertheilen erklaͤret, als unter dieſer Condition: Wenn er Ex - actores in Engelland ſenden moͤchte, wel - che den ihm gehoͤrigen denarium Petri einfordern duͤrfften. Wird alſo ſchlechte Reflexion auf dieſes caput viſibile regi - um der Engliſchen Kirchen, auſſer ihrem Lande, gemacht, zu mahlen da ſich Henri - cus VIII. dieſen Titul ohne Requiſition und Approbation anderer Potentaten beygeleget, und ſelbiger in der That nichts mehr bedeuten kan, als das ſo genannte Jus Epiſcopale, welches andere proteſtiren - der Religion zugethane Majeſtaͤten und Fuͤrſten, uͤber die in ihrem Lande ſich be - findliche Cleriſey und Kirchen haben. So offt auch eine Frau in Engelland das Regi - ment fuͤhret, enthaͤlt ſie ſich dieſes Tituls, vielleicht darumb, quia mulier tacere de - bet in Eccleſia, oder auch weil es bey den Acatholicis nicht vor noͤthig erachtet wird, daß die Kirche ein ſichtbahrliches Haupt haben duͤrffe.

4. Daß er gegruͤndete Prætenſion auf das Koͤnig - reich Franckreich habe, in maſſen Eduardus III. nach Abſterben Caroli Pulchri, ein naͤheres Recht auf ſelbige Crone gehabt, als PhilippusH 3de118Europaͤiſchesde Valois. Ob dieſer letztere ſich gleich in Poſſeſſion ſelbiges Koͤnigreiches de facto ge - ſetzet, und die Koͤnige in Franckreich biß dato aus ſelbiger nicht haͤtten koͤnnen gebracht wer - den, haͤtten gleichwohl die Frantzoͤſiſchen de - nen Engliſchen Koͤnigen zugeſtehen muͤſ - ſen, daß ſie den Titul und Wapen von Franck - reich fuͤhren moͤchten. Aus welchen allen flieſſe, daß die Koͤnige in Engelland berechtiget, ſich aller derjenigen Prærogativen zugebrau - chen, von welchen die Frantzoͤſiſchen Koͤnige ſich ruͤhmeten in Poſſeſſion zu ſeyn, welches Ar - gument, im Fall es ja auch wieder Franck - reich tanquam poſſidenti, nicht fuͤr guͤltig an - genommen werden wolte, dennoch gegen alle andere Koͤnige, die etwan Engelland den Pas ſtreitig zu machen trachten, guͤltig ſeyn, und an - genommen werden muͤſte.

Siebendes Capitel. Von den Special-Fundamentis der Prærogativæ des Koͤniges in Schweden.

§. 1.

Man kan aus des Nicolai Raval Ertz - Biſchoffes zu Upſal Oration, welche er in dem An. 1431. zu Baſel verſammleten Concilio ge - halten, zur Gnuͤge abſehen, daß dieſer Potentate auch keinem Souverain nachgeſetzet, ſondern, wo nicht vorgezogen, dennoch gleich geachtet werden will.

§. 2. Der -119Hoff-Ceremoniel.

§. 2.

Dergleichen ſpecialiſſima argumen ta, wie etwan Roͤmiſche Kayſerliche Majeſtaͤt, Franckreich, Spanien, und Engelland, zu allegi - ren pflegen, finden ſich zwar bey ſelbigem nicht, ſondern ſie beruhen in generalibus und darinnen,

  • 1. Daß er das alleraͤlteſte Koͤnigreich in Europa, nehmlich das Gothiſche beherrſche, deſſen Jn - wohner aͤlter, oder auch beruͤhmter als alle andere.
  • 2. Ein viel weitlaͤufftigeres Territorium habe als andere,
  • 3. Viel Cronen trage,
  • 4. Nunmehro von An. 1544. ein Erb-Herr, und von An. 1682. ein ſouverainer Regente ge - worden, ſo daß er nicht nur ſumma ſondern auch plenisſima Majeſtate regiere.
  • 5. Potentisſimus waͤre, und viele Potentaten mehr bey ihme, als er bey andern Alliance ſu - cheten.

§. 3.

Ein noch gantz beſonderes, und ſonſt un - ter Potentaten noch nicht gewoͤhnliches Argu - ment, die Præcedentz damahlen fuͤr Franckreich zu behaupten, ſuchte Chriſtina An. 1648. herfuͤr. Denn als ihr der Frantzoͤſiſche Miniſtre Monſ. Chanut vorſtellete, wie zutraͤglich es bißhero den beyden Cronen Franckreich und Schweden ge - weſen, daß ſie in Alliance mit einander geſtan - den, und demnach fuͤr Schweden ins beſondere ferner vortheilhafftig ausſchlagen wuͤrde, wennH 4die120Europaͤiſchesdie Koͤnigin Chriſtina bey Ludovico dem XIV. Anſuchung thaͤte, eine neue und feſtere Alliance zu treffen, gabe ſie ihme zur Antwort: Daß ſie zwar gar geneigt und gerne ſehen wuͤrde mit Franckreich in genauer Buͤndnuͤß und Freund - ſchafft zu treten, ſie muͤſte aber von dem Koͤnige in Franckreich darumb erſuchet werden, weil es nicht Mode, daß ein Frauen-Zimmer ein Manns - Volck umb etwas anſpreche, ſondern es waͤre des Manns-Volckes Schuldigkeit ſich umb die Freundſchafft des Frauen-Zimmers zu bemuͤhen. Ob ſie es im Schertz oder Ernſt gemeinet, hat der gedachte Autor nicht angemercket, hingegen iſt dieſes ſicher, daß Schweden in dem Weſtphaͤli - ſchen Frieden Franckreich, mit welchen es doch uͤbrigens in ſehr guter Verſtaͤndnuͤß lebete, durch - aus den Rang nicht cediren, oder nur etwas zum Voraus geben wolte, ſo gar daß dieſe Compe - tentz eine Urſache mit war, daß die Schwediſchen Plenipotentiarii zu Oßnabruͤg, die Frantzoͤſi - ſchen aber zu Muͤnſter ſich aufhielten, wovon in dem fuͤnfften Theil dieſes Werckes, als welcher hierzu deſtiniret iſt, etwas ausfuͤhrlicher ſoll gehandelt werden.

Achtes121Hoff-Ceremoniel.

Achtes Capitel. Von den Special-Fundamentis der Prærogativæ der uͤbrigen Koͤnige in Europa.

§. 1.

Man ſetzet die uͤbrigen in Europa herr - ſchenden Majeſtaͤten nicht deswegen in ein Capi - tel zuſammen, daß man etwan meinen ſolte, als waͤren ſie den vorhergehenden an dignitate nicht gleich; ſondern die Urſache deſſen iſt, daß weil ſie faſt einerley Argumenta, durch welche ſie ihre Præcedentz behaupten wollen, allegiren, man einerley Ding nicht vielmahl ohne Noth repeti - ren, ſondern ſich der moͤglichſten und angenehmen Kuͤrtze befleißigen wollen, denn das Haupt-Werck beſtehet doch bey einem und dem andern daꝛinnen:

  • 1. Daß ein jeder eine Majeſtaͤt, und folgendlich keinen Superiorem, der ihme zu befehlen, oder auch vorzugehen berechtiget, erkenne, welches auch ſo lange wahr bleibet biß ein an - derer entweder poſſesſione oder pacto den Vorſitz behaupten kan.

§. 2.

Der Koͤnig von Daͤnnemarck nun, pfleget, oder koͤnte auch zu behauptung ſeiner Præ - cedentz fuͤr andern, oder Paritaͤt mit andern Ma - jeſtaͤten, anziehen

  • 1. Das Alterthum ſeines Koͤnigreiches, wovon Part. 1. c. 2. num. 6.
H 52. Das122Europaͤiſches
  • 2. Das Alterthum des Chriſtlichen Glaubens ibid. n. 6.
  • 3. Daß er ehemahlen nicht nur alle drey Nor - diſche Koͤnigreich der Daͤhnen, Schweden und Norwegen, beherrſchet, ſondern auch ei - nen groſſen Theil Engellands conqueſtiret.
  • 4. Daß er nunmehro ſo ſouverain regiere, daß er abſolutisſimum imperium in ſubditos habe.

§. 3.

Diejenigen aber welche Daͤnnemarck den Pas diſputirlich machen wollen, ſetzen ihme entgegen,

  • 1. Daß die Koͤnige in Daͤnnemarck allererſt An. 1163. und benahmentlich Waldemarus I. vom Kayſer Friderico I. zum Koͤnige gemacht, und zu Beſancon inveſtiret worden.
  • 2. Philippus II. in Spanien dem Koͤnig Frideri - co II. in Daͤnnemarck den titulum Majeſta - tis denegiret, welches aber res facti,
  • 3. Daß ſie nunmehro gar ein enges Reich in com - paraiſon anderer Europaͤiſchen Maj. beſitzen, nachdem nicht allein Schweden viel Conque - ten uͤber Daͤnnemarck gemacht, ſondern auch Chriſtianus I. das Reich getheilet, ſeinem aͤl - teſten Herrn Sohn Johanni die Cron Daͤn - nemarck, dem juͤngern aber Friderico Schleß - wig und Holſtein uͤberlaſſen, und das Daͤhni - ſche Territorium nicht allein dadurch ge - ſchmaͤlert, ſondern auch die Macht dieſes Koͤ -niges123Hoff-Ceremoniel. niges umb ein groſſes geſchwaͤchet worden. Allein von was fuͤr einem Werth dieſer Ein - wurff ſeyn koͤnne, iſt oben im 2. Cap. num. 4. jedoch nur problematice gewieſen worden.

§. 4.

Was Portugal anbelanget, ſo iſt aus der Hiſtorie bekandt,

  • 1. Daß biß An. 1139. nach Chriſti Geburth nur Grafen oder Fuͤrſten in Portugall gewe - ſen, biß endlich im gemeldtem Jahre Alphonſ. I. fuͤnff Mauritaniſche Koͤnige geſchlagen, und zwar, wie einige Autores referiren, durch fol - gende merckwuͤrdige Begebnuͤß und Veran - laſſung. Gemeldter Alphonſus I. war An. 1139. gegen fuͤnff Mauritaniſche Koͤnige, wel - che eine Armee von 400000. Mann, er aber nur eine Hand voll Chriſten beyſammen hatte, zu Felde gezogen, umb ihnen bey Ourique eine Schlacht zu liefern. Jn ſolchen Gedancken entſchlieff er an dem Abend fuͤr Jacobi in ſei - nem Gezelt, da ihm den im Traum ein alter Mann erſchiene, welcher ihn gutes Muthes ſeyn hieß, und ihn verſicherte, er wuͤrde mit GOttes Huͤlffe den Sieg wieder die Unglaͤu - bigen erhalten. Jn wehrendem ſeinem Traum wurde der Koͤnig aufgewecket, mit vermelden, er waͤre ein alter Greiß fuͤr ſeinem Zelte, welcher nothwendig mit ihm zu reden haͤtte. Er ließ ſelbigen vor ſich kommen, und erkennte gleich daß es eben die Perſon waͤre, welche ihm indem124Europaͤiſchesdem Traum erſchienen. Dieſer nun war ein Einſiedler der umb ſelbige Gegend in einer Clauſen ein ſtrenges ſolitaͤres Leben fuͤhrete, welcher den Alphonſum peꝛſoͤnlich und muͤnd - lich alles desjenigen, welches ihme im Traum vorkom̃en war, verſicherte, hinzu fuͤgende, daß GOtt die Augen ſeiner Barmhertzigkeit auff ihn und ſeinen Saamen geworffen, intimi - ret ihm zugleich, daß wenn er die inſtehende Nacht die Glocken bey ſeiner Clauſe wuͤrde laͤuten hoͤren, er aus dem Gezelt und Lager, und zwar gantz alleine, gehen ſolte. Alphon - ſus that was ihm der Eremite gerathen, und ſahe morgen werths ein Licht, welches je laͤn - ger je groͤſſer wurde, endlich erſchiene ihm ein Creutz, heller als die Sonne, woran unſer Seeligmacher gehefftet, und unzehlbahre weiß gekleidete Juͤnglinge umb ſich hatte. Alphon - ſus befragete demuͤthig den Heyland: war - umb er ihme als einem Glaͤubigen, nicht aber vielmehr denen Unglaͤubigen erſchiene, ſie da - durch glaͤubig zu machen? Darauf ihm der Heyland geantwortet: Daß er nicht kommen waͤre ſeinen Glauben zu ſtaͤrcken, ſondern ihn zum Streit aufzumuntern und behertzt zu ma - chen, ihme anbey befehlende, den Koͤnigl. Titul, welchen ihm morgen ſeine Soldaten antra - gen wuͤrden, anzunehmen. Welche Bege - benheit der Alphonſus ſelbſt ſchrifftlich undmit125Hoff-Ceremoniel. mit vieler geiſtlichen und weltlichen Herren Unterſchrifft bekraͤfftiget hinterlaſſen, und in Cloſter Alcobaea, welches er geſtifftet, beyge - leget, allwo ſie noch avtentiſch zu finden. Die Schlacht wurde nun gewonnen, die fuͤnff Mauritaniſche Koͤnige geſchlagen, und er zu einem Koͤnige ausgeruffen, und Anno. 1190. von dem Pabſt Alexandro VI. in ſolcher Wuͤrde confirmiret.
  • 2. Daß er fuͤr den erſten Koͤnig in der Chriſtenheit gehalten weꝛden will, und zwaꝛ meiſtens aus ei - nem geographiſchen Fundament, indem ſein Land in dem Bildnuͤß der Jungfer Europæ die Stirne repræſentiret,
  • 3. Seine Herrſchafft in omnes orbis partes extenſa, welches Argument Emanuel de Suſa in ſeinem Epitome de las hiſtorias Por - tugueſes zu behaupten trachtet.
  • 4. Daß er ein Herr des Oceani, und alſo des groͤ - ſten Theils der Welt ſey, wie denn in ſeiner Ti - tulatur ihme das Dominium Maris zugeeig - net, und er Koͤnig diß - und jenſeits des Meeres genennet wird.
  • 5. Jhme die Occupatio Oſt-Jndiens, und des durch Poſſeſſion darinnen uͤberkommenen Dominii orginaliter zuſtehe, maſſen er der erſte geweſen, der ſeine Conqueten mit groſ - ſer Muͤhe und Nutzen des Chriſtenthums, nemine contradicente neque prohibente,dahin126Europaͤiſchesdahin gemacht. Allein alle dieſe Argumenta haben in puncto der Præcedentzs Portugal, keine avantage gemacht, ſondern, nachdem dieſes Reich An. 1580. von Philippo II. in Spanien conquetiret, und gleichſam eine Provintz Spaniens worden, auch die Engel - und Hollaͤnder viel nach Portugal gehoͤrige Territoria in Oſt-Jndien an ſich gebracht, und ihme das Dominium Oceani diſputir - lich, ja faſt gar zu nichte gemacht, hat dieſer Koͤnig das Jus præcedentiæ nicht mehr ſo hoch ſpannen koͤnnen, obgleich An. 1640. ſein Reich von Spanien wieder abgeſondert, und ein beſonderes ſouveraines Koͤnigreich worden.

§. 5.

Pohlen hat, wie oben allbereit gemeldet worden, in dem Ceremoniali Romano die letz - tere Stelle unter den Europaͤiſchen Souverains, und iſt ſo gar dem Koͤnige von Cypern, deſſen Territorium in regard Pohlens (Lithauen mit darzu gerechnet) kaum den dreyßigſten Theil von Pohlen bedeuten kan, nachgeſetzet. Die Argu - menta, welche, was die Præcedentz betrifft, die - ſem Koͤnige zuſtatten kommen koͤnnen, beſtehen darinnen:

  • 1. Daß dieſes Reich, und deſſen Regenten nie - mahlen, gleichwie etwan Spanien, Franck - reich ꝛc. von den Roͤmern conquetiret wor - den, ſondern jederzeit bey ſeiner Macht undFrey -127Hoff-Ceremoniel. Freyheit beſtanden, welches Argument An - dreas Maximil. Fredro, in geſtis populi Po - lonici ſehr guͤltig zu machen weiß.
  • 2. Daß ſelbiges eine groſſe und feſte Vormauer gegen die Tuͤrcken, und nebſt Ungarn, gleichſam das Auſſen-Werck, durch welches Civitas Dei, & Reſpubl. Chriſtiana vor dem Ein - fall der Muſelmaͤnner beſchuͤtzet wird.
  • 3. Dieſer Koͤnig und ſein Reich ſo gar groſſen regard und Eifer fuͤr die Catholiſche Religion und dem Pabſt habe, daß auch ſo gar ein Lex fundamentalis in Pohlen, ne ſit alius Rex quam Catholicus, dergleichen in keinem an - dern Reiche per leges publicas, obgleich et - wan conſvetudine, eingefuͤhret worden.
  • 4. Daß Pabſt Alexander VII. dem Koͤnig Jo - hanni Caſimiro, nachdem ſelbiger An. 1658. die Socinianer und Arrianer, welche die To - lerantz der Disſidenten oder Proteſtirenden mit genieſſen wolten, aus dem Lande verjaget, den ſchoͤnen Titul Regis Orthodoxi ertheilet, welcher ob er gleich nur einem Individuo an - fangs zu Theil worden, dennoch allen Koͤnigen gebraͤuchlich ſeyn muͤſte, weil des Johannis Caſimiri Nachfolger eben die gemeldete - reſin untergedruckt.

§. 6.

Diejenigen hingegen, welche der Pol - niſchen Majeſtaͤt nicht gerne eine andere, als ihrin128Europaͤiſchesin dem Ceremoniali Romano zugeeignete Stelle goͤnnen wollen, wenden ein

  • 1. Daß die Koͤnige in Pohlen, ob ſie gleich die Koͤnigliche Wuͤrde und Majeſtaͤt, in der Per - ſon Boleslai Chrobry von Kayſer Ottone III. erhalten, dennoch ſelbige in der Perſon Boleslai Audacis, welcher den Biſchoff Sta - nislaum zu Cracau ermordet, wieder verloh - ren, und nicht eher als zu den Zeiten Primislai A. 1295. poſtliminio wieder erhalten, und folgendlich krafft dieſer interruptæ ſeriei, ſich aus der Poſſeſſion geſetzt, andern an Ter - ritoriis duͤrfftigern Koͤnigen vorzugehen.
  • 2. Die Gewalt des Koͤniges dermaſſen limitiret, daß faſt mehr Jura Majeſtatica der Republic als dem Koͤnige vorbehalten waͤren, auch als An. 1632. Uladislaus zu einem Koͤnige vorge - ſchlagen worden, der Biſchoff Przemysl Fir - ley, nach Bericht Piaſecii p. 451. ſich aus - druͤcklich der Worte bedienet: daß die Koͤnige in Pohlen, nicht als Beherrſcher ſondern nur als Vorſteher dieſes Reichs zu betrachten. Auf welches Argument aber ſchon geantwortet worden, daß nehmlich ein Koͤnig, welcher nicht Jus plenum Majeſtatis habe, dennoch Sum - mus ſeyn koͤnne, denn ſonſten muͤſte man dem Roͤmiſchen Kayſer propter imperium per Capitulationem limitatum auch den Rang diſputiren, welches aber wieder alle Raiſonund129Hoff-Ceremoniel. und das Herkommen lauffen wuͤrde, maſſen eine fremde Majeſtaͤt die Pacta eines Koͤniges mit ſeinen Unterthanen, krafft derer er den letzteren etwas von ſeinem Jure concediret, ſich ſo wenig zu ſeinem Vortheil oder Præce - dentz bedienen kan, als wenig etwan ein Va - ter, welcher mit ſeinen Kindern rigoureuſe - ment umbzugehen gewohnet, einem andern ſanfftmuͤthigen Vater deswegen die Ober - Stelle nehmen wolte.
  • 3. Daß Pohlen ein Koͤnigreich in welchem man in alten und neuen Zeiten Perſonen erwehlet, wel - che nur von dem mitlerem oder unteren Adel, auch wohl gar nur buͤrgerlicher Extraction ge - weſen: dahingegen einige andere Koͤnigreiche bloß durch ſolche Perſonen regieret worden, welche aus alten Fuͤrſtlichen Geſchlechtern ab - geſtam̃et. Allein auch dieſer Einwurff wird die dignitatem Majeſtaticam der Koͤnige in Pohlen nicht vermindern koͤnnen, maſſen bey dergleichen Dingen nicht ſo wohl die Perſon als das officium, non quis, ſed quid ſit, muß betrachtet werden. Man hat unter den Koͤnigen in Jſrael, auch in der Reyhe der Roͤmiſchen Kayſer unterſchiedliche gewehlet, welche von ſehr geringer Herkunfft geweſen, welches aber, nachdem ſie erwehlet, und in - auguriret geweſen, ihrem Luſtre und Præce - dentz keinen Eintrag gethan, ſondern vielmehrJruͤhnr -130Europaͤiſchesruͤhmlich gefallen, daß ihre Meriten ſo groß ge - weſen, ſelbige mit einer Crone zu belohnen.

§. 7.

Moſcau hat ehemahlen nicht viel mit den Europaͤiſchen Potentien, auſſer mit Schwe - den, Pohlen und dem Tuͤrcken zu thun gehabt, und weil deſſen Geſandſchafften a l ordinair nur zu gemeldten Souverainen abgegangen, iſt der Streit wegen der Præcedentz mit dieſem Herren, nicht gar hoch getrieben worden, zu mahlen die in Rußland herrſchende Regenten lange Zeit mit dem Titul eines Groß-Hertzoges vergnuͤget ge - weſen: und man haͤtte meinen ſollen daß ſie vermoͤ - ge dieſes Groß-Hertzoglichen Characteris keinem getitulirten und formalem Koͤnige den Pas diſpu - tirlich machen koͤnten. Allein als ſie gemercket, daß die Koͤnige von Schweden nicht allein anti - quitate tituli Regii, ſondern auch paſſu vorge - zogen ſeyn wolten, haben ſie ſich gar geweigert, den Koͤniglichen Titul anzunehmen, vorwendende, daß ſie keines hoͤhern Tituls benoͤthiget, indem ſie 300000. Mann Cavallerie, und 200000. In - fanterie in das Feld ſtellen, und demnach nicht nur allein dem Koͤnige von Schweden, ſondern auch wohl noch Groͤſſern und Maͤchtigern ge - wachſen ſeyn koͤnten. Nachdem aber, wie in vor - hergehendem 2. cap. §. 1. num. 11. ſchon gemel - det worden, Baſilius Tyrannis ſich den Nah - men eines Czaars beygeleget, haben dieſe ehemah - ligen Groß-Fuͤrſten, nicht nur Koͤnige, ſondernKay -131Hoff-Ceremoniel. Kayſer ſeyn wollen. Wie weit ſie es aber, ſo - wohl dem Titul als dem Rang nach, noch brin - gen moͤchten, lehret die Zeit: ſo viel iſt gewiß, daß ſich die itzige Moſcowitiſche Majeſtaͤt durch ſeine gethane Reiſen und Kriege, bey anderen Poten - taten in gute Bekandſchafft, Alliance und Re - ſpect geſetzet, und es hierinnen weiter gebracht als alle ſeine Vorfahren.

§. 8.

Der Koͤnig in Preußen wird heut zu Tage als ein noch neuer Koͤnig angeſehen, und man ſolte demnach vielleicht meinen, daß er auch in der Rang-Ordnung der letztere ſeyn muͤſſe. Es moͤchte auch wohl geſchehen, daß ſich ein jeder Souverain, deſſen Reich etwan von einem aͤlte - ren dato iſt, weigerte dieſem Herren die Stelle einzuraͤumen, inzwiſchen aber wird ihn auch pro - pter Jus Majeſtaticum, welches auf ſeiner Per - ſon hafftet, Niemand obligiren koͤnnen, daß er nachgehe. Denn wenn die Regul nur richtig, daß eine Majeſtaͤt ſo gut als die andere, omnes eſſe dignitate pares, ſo kan keiner der erſtere, und keiner der letztere heiſſen, es habe denn, wie ſchon oͤffters erwehnet worden, einer entweder pacto oder poſſeſſione, den Rang uͤber den an - dern erworben, und ſich nur ratione ordinis, nicht aber dignitatis, einem andern vorgeſetzet.

§. 9:

Jnzwiſchen iſt denjenigen, welche es et - wan noch nicht wiſſen, allhier beyzubringen, daß gleichwie dieſes hohe und maͤchtige Hauß, ſchonJ 2gerau -132Europaͤiſchesgeraume Zeit den Zweck gehabt, den Fuͤrſten - und Churfuͤrſten-Hut mit einer Crone zu zieren, alſo hat ſelbiges in regard Preuſſen, eben auch nichts gar neues geſuchet, weil ſchon umb das Jahr Chriſti 1332. die Herrſcher in dieſem Lande den titulum Regum gefuͤhret, ob ſie gleich an Macht den itzigen Koͤnigen nicht beykommen, ſon - dern nur, wie Hartknoch in Chron. Pruſſ. aus dem Juſtino redet, fines imperii tueri magis quam proferre mos fuerit, & intra ſuam cui - que patriam regna finiverint. Es ſind auch Autores verhanden, welche avanciren, daß Pri - mislaus ſich ſchon An. 1100. einen Koͤnig von Brandenburg geſchrieben, und Churfuͤrſt Jo - achim. I. ſoll An. 1500. prophezeyet haben, daß die Geſtirne des Brandenburgiſchen Adlers eine Koͤnigs-Crone verhieſſen.

§. 10.

Dem ſey aber wie ihm wolle, ſo iſt be - kandt, daß der groſſe Friedrich Wilhelm, itziger Preußiſchen Majeſtaͤt Groß-Herr Vater, uͤber die Preußiſche Lande, welche ſeine glorieuſe Vor - fahren als ein Lehn von Pohlen beſeſſen, An. 1657. den 19. Septemb. durch die Welauiſchen Tra - ctaten die Souveraineté uͤberkommen, und dadurch den rechten Grund zu dem heutigen Preußiſchen Koͤnigreiche geleget; wie er dann auch zu Behauptung dieſer Souveranetaͤt, oder derer ihm zuerkenneten Jurium Majeſtatis, nicht nur unterſchiedene nahmentlich die Calovier,Wi -133Hoff-Ceremoniel. Wickarder, und Daͤnnemaͤrcker, in den Adeli - chen Stand erhoben, ſondern auch alle inſtru - menta publica mit einem Sigillo Majeſtatico (nicht Majeſtatis) befeſtiget, und gewieſen, was er in der That ſey, und in ſeinen Nachkommen werden koͤnne. Welches auch erfolget, nach - dem An. 1701. Fridericus Sapiens ſein Sohn, den 18. Jan. zu Koͤnigsberg ſich die Koͤnigliche Crone ſelbſten auf das Haupt geſetzet, zum Be - weiß, daß er ſelbige von Niemanden als von GOtt empfangen zu haben erkenne, worauf auch der da - mahlige Denckſpruch, in welchem das Chrono - diſtichon des Croͤnungs-Jahres zu finden, ge - zielet,

RegIo Monte a Deo hæC Corona.

§. 11.

Weil aber allhier nicht ſo wohl die Hi - ſtoria dieſes Churfuͤrſtlichen Hauſes, und durch erlaubte Wege erhaltene Koͤnigliche Wuͤrde, als nur vielmehr die daraus flieſſende Prærogativ zu unterſuchen, ſo muß man dieſen Souverain, gleichwie er zweyerley Perſonen repræſentiret, auch auf zweyerley Art betrachten,

  • 1. Als einen Churfuͤrſten und maͤchtigen Stand des Roͤm. Deutſchen Reiches, in welcher Conſideration er nichts anders fuͤr andere prætendiren kan, als was die Churfuͤrſten zu - ſammen in genere, oder er auch fuͤr ſich in ſpecie, wegen beſonderer Privilegien, zu præ - tendiren haben. Denn der Koͤnigl. CharacterJ 3oder134Europaͤiſchesoder die Royauté giebet dieſem Herren in dem Deutſchen Reiche nichts mehreres, als er zu - vor, ehe er Koͤnig worden, gehabt; zu mahlen da ſich Fridericus Sapiens, bevor er noch gekroͤnet wurde, gegen die ſaͤmptlichen Reichs - Staͤnde erklaͤren und reverſiren muͤſſen: in allen Reichs-Angelegenheiten, als Koͤnig kei - nen Vorzug zu prætendiren, ſondern mit dem Tractament, welches man ihme als Churfuͤrſt zu geben ſchuldig, verlieb zu nehmen.
  • 2. Als einen Souverain und Koͤnig uͤber Preuſ - ſen, in welcher Qualité ihm alle den Koͤnigen gehoͤrige Prærogativen muͤſſen zu geſtanden weꝛden. Deñ es haben ſchon A. 1656. die Moſco - witer den Preußiſchen Geſandten ein derglei - chen Tractament, als die Daͤhnen daſelbſt ge - nieſſen, gegeben: auch hat ihn Engelland 1660. mit eben dem Ceremoniel, mit welchen es Franckreich beehret; So wird nunmehro, nach - dem Preuſſen ein formaler, und von den mei - ſten Europaͤiſchen Potentien erkenneter und angenommener Koͤnig worden, deſtoweniger daran zu zweiffeln ſeyn, daß ihm nicht alle einer Majeſtaͤt zuſtehende Prærogativen ſolten und muͤſten zugeſtanden werden, zu mahlen wenn wir das Argumentum Potentatus, von wel - chem oben Erwehnung geſchehen, in Conſide - ration ziehen.
Neund -135Hoff-Ceremoniel.

Neundtes Capitel. Von der Prærogativa der Churfuͤr - ſten, und von der Competentz, welche ſie mit den Cardinaͤlen und freyen Republiquen haben.

§. 1.

Dieſe nach einigen Reichs-Abſchieden ſo genennete Saͤulen des Roͤmiſch-Deutſchen Reiches, Koͤnigen gleich geachtete hohe Regen - ten, finden auch einige, welche ihnen wegen des Pas einen Competentz-Streit erregen wollen: die mit ihnen daruͤber ligitirende, aber auch zugleich verſpielende Partien ſind

  • 1. Die Cardinaͤle,
  • 2. Die freyen Republiquen.

§. 2.

Was die erſteren anbetrifft, wollen ſel - bige mit Raiſon und Gewalt den Churfuͤrſten vorgezogen ſeyn, zu dero Behuͤlff anfuͤhrende,

  • 1. Daß ſie den Roͤm. Pabſt erwehlen, und weil der von ihnen gewehlete ſummus Pontifex hoͤ - her waͤre, als der von den Churfuͤrſten erwehle - te Roͤm. Kayſer, muͤſte auch ihr Character und Perſon denen Churfuͤrſten, geiſtlich und welt - lichen Standes vorgezogen werden.
  • 2. Daß ein jeder unter ihnen als ein Candidatus ſummi Pontificatus muͤſte angeſehen wer - den, maſſen auſſer ihrem Collegio kein anderer zu ſolcher geiſtlichen Souveraineté Hoffnung haͤtte.
J 43. Daß136Europaͤiſches
  • 3. Daß ſie den titulum eminentisſimorum durch eine Paͤbſtl. Bulla erhalten haͤtten, wel - chen ihn nunmehreo niemand diſputirlich ma - che, und alſo auch vi vocis die Acatholici ge - nungſam bekenneten, was fuͤr eine Præcedentz ihnen gebuͤhre.

§. 3.

Hingegen wenden die Churfuͤrſten ſaͤmtlich und ſonderlich ein,

  • 1. Daß wenn ein Cardinal nicht zugleich mit ei - nem Biſchoffthum verſehen, er nicht eines Fußbreits Landes beſitze, und zwar auch die - ſes, wenn er es hat, nicht als ſein Eigenthum, ſondern nur uſufructuario modo.
  • 2. Daß ſie keine Geſandten, weder ſecundi noch primi ordinis, das iſt, weder Envoyes noch Ambaſſadeurs abſenden, oder auch abſenden koͤnten, ſondern ſich vielmehr, ſo wohl von Koͤ - nigen als dem Pabſt ſelbſten, zu ſolchen Ver - richtungen gebrauchen lieſſen.
  • 3. Formale Unterthanen des Pabſtes waͤren, und nicht den minderſten Schein einiger Souve - raineté oder auch ſo genennten ſuperioritatis territorialis haͤtten.
  • 4. Kein Koͤnig oder Koͤniglicher Erb-Printz einem Cardinal weiche, weil nun aber die Churfuͤr - ſten den Koͤnigen gleich geachtet, und nach ih - nen immediate die naͤchſten waͤren, ſo koͤnten ſie den Cardinaͤlen ſo wenig den Pas codiren als die Koͤnige ſelber.
5. Daß137Hoff-Ceremoniel.
  • 5. Daß die Cardinaͤle, als geiſtliche Herren, Nachfolger der Apoſtel waͤren, zu welchen aber Chriſtus geſaget: Vos autem non ſic. Matth. 20. v. 26. Gleichwie nun aber die Apo - ſtel, wenn ſie noch in der Welt lebeten, oder ja etwan auferſtehen und wieder kommen ſolten, den Churfuͤrſten vorzugehen nicht prætendiren wuͤrden, alſo koͤnten ſolches die Cardinaͤle auch nicht thun.

§. 4.

Weil nun nicht allein die Argumenta, welche die Churfuͤrſten gegen die Cardinaͤle an - fuͤhren, ſondern auch die Macht der Churfuͤrſten ſtaͤrcker als der Cardinaͤle, ſo haben biß dato die - ſe letzteren in dem Rang-Proceß nichts gewon - nen, ſondern es bezeugen die Exempel und actus poſſeſſionis, als welche dißfalls am meiſten gel - ten, daß die Churfuͤrſten ſich im Range fuͤr den Cardinaͤlen mainteniret. Denn bey der Croͤnung Caroli V. zu Aachen muſten die drey Cardinaͤle, der von Saltzburg, Sedan, und de Croy, alles ihres Einwendens ungeachtet, den Churfuͤrſten nachgehen. So iſt auch der Churfuͤrſt von Coͤln, An. 1556. auf den Reichs-Tage zu Regen - ſpurg, dem Cardinal und Paͤbſtlichen Legaten Maron, und denn wiederumb 1659. dem Cardi - nal von Heſſen nicht gewichen. Da auch die Electores, wenn der Kayſer ſolennen Hoff haͤlt, in deſſen Gegenwart unter Baldachinen ſpeiſen, ſo hat Ferdinandus II. dem Cardinal Cleſel,J 5wel -138Europaͤiſcheswelcher ein gleiches prætendirete, ſolches doch nicht zugeſtatten wollen. Eben dieſer Gebrauch des Baldachin oder Himmels iſt dem Cardinal Dietrichſtein, ob er ſchon zugleich Nuncius in Mayland war, wie auch dem Cardinal Barberi - no, Nuncio in Spanien, abgeſchlagen worden, welcher letztere, als er ſich darauf beruffte, daß man ihme in Franckreich, ſo wohl zu Paris als Lyon, bey ſeinem Einzuge den Gebrauch des Bal - dachins zugeſtanden, von den Spaniern zur Ant - wort bekam: Daß ſie davon in ihrem Archiv nichts faͤnden, womit er auch zu frieden ſeyn muſte.

§. 5.

Fuͤr den uͤbrigen Fuͤrſten in Europa, wel - che Catholiſcher Religion ſind, haben die Cardi - naͤle die Præcedentz v. gr. fuͤr dem Groß-Hertzog von Florentz, dem Hertzoge von Savoyen, wie auch denen freyen Republiquen. Jn Franck - reich iſt den Cardinaͤlen die Stelle nach den Prin - tzen von Gebluͤte des Hauſes Bourbon angewie - ſen, (wiewohl der Cardinal Richelieu ſo gar den Vorſitz fuͤr dem Printz Condé erhielte) jedoch mit dieſer limitation, daß die Caꝛdinaͤle nur in der Kirchen, und bey geiſtl. Verrichtungen denen Printzen vorgezogen werden ſolten.

§. 6.

Die freyen Republiquen, unter dieſen aber ins beſondere Venedig und Holland, wel - ches letztere allererſt auf dem Muͤnſteriſchen Frie - den die Præſeance fuͤr den Churfuͤrſten zu ſuchenan -139Hoff-Ceremoniel. anfieng, wollen ſich auch den Churfuͤrſten vorge - zogen wiſſen, und allegiren zu Behauptung deſ - ſen, was ſie ſuchen, folgende Argumenta:

  • 1. Daß eine freye Republic hoͤher zu achten, als ein Churfuͤrſt, weil dieſer einem Oberen, nem - lich dem Kayſer, unterworffen, jene aber hinge - gen gantz ſouverain waͤre,
  • 2. Daß die freye Republiquen alle Jura Regia und Majeſtatica haͤtten, und auch exercire - ten. Gleichwie nun die Koͤnige, vermoͤge der Aur. Bull. c. 6. denen Churfuͤrſten vorgezo - gen wurden, alſo muͤſſen auch die Republi - quen die Præcedentz fuͤr ihnen haben,
  • 3. Daß die Venetianer An. 1630. ein Decret von Ferdinando II. erhalten haͤtten, durch wel - ches den Churfuͤrſten injungiret worden, daß ihre Geſandten den Venetianiſchen, ſo wohl in dem Kayſerl. Hofe, als auch Comitiis Im - perii die Præcedentz zugeſtehen ſolten.
  • 4. So moͤchte man nur den Tuͤrcken und die auſ - ſer Europa in den uͤbrigen Welt-Theilen herrſchende Potentaten fꝛagen, ob ſie nicht mehr von den Venetianern und Hollaͤndern, als von den Churfuͤrſten hielten.
  • 5. Beſaͤſſen die Hollaͤnder auſſer Europa weit - laͤufftige und maͤchtige Koͤnigreiche, die Chur - fuͤrſten aber geringe, und noch darzu Lehns - Territoria.
§. 7. Hier140Europaͤiſches

§. 7.

Hier wieder verſetzen die Churfuͤrſten,

  • 1. Daß ſie in der A. B. den Koͤnigen gleich geach - tet werden, dannenhero ſie auch ehemahlen den Koͤnigen nicht den Titul Majeſtaͤt, ſondern nur Koͤnigl. Wuͤrde gegeben. Bey dem Weſt - phaͤliſchen Frieden-Schluß aber, haben ſich die Churfuͤrſten mit Franckreich verglichen, daß ſie ihme hinfuͤhro den Titul der Majeſtaͤt ge - ben wolten, er aber ſolte ihnen reciproce den Titul Serenisſimorum und Fratrum, nicht aber nur bloß, wie zuvor geſchehen, Celſisſi - morum und cognatorum geben: und war Chur-Brandenburg der erſte, welchem der Koͤnig in Franckreich An. 1647. dieſen bedun - genen Titul beylegete. Da nun die Chur - fuͤrſten des Koͤniges in Franckreich Bruͤder, ſo wird er wohl eben nicht viel beſſer als ſie ſeyn koͤnnen, maſſen die mit Vernunfft gemachte Bruͤderſchafft paritatem perſonarum in ſich beſchlieſſet, und alles extraordinaire ce - remo niel und veneration bey Seite ſetzet.
  • 2. Haͤtten ſie (welches damahlen alſo ware) ei - nen Koͤnig, nemlich den Boͤhmiſchen, in ihrem Collegio, welcher ſich nicht ſchaͤmete zugleich ein Churfuͤrſt zu ſeyn, da er doch weder ein Noble Venetien noch Staate in Holland (als auf welchen das Exercitium Juris Majeſta - tici am meiſten hafftete und kentlich waͤre) zu werden verlangete, welches Argument heutzu141Hoff-Ceremoniel. zu Tage vielmehu exaggeriret werden koͤnte, nachdem Chur-Sachſen und Chur-Bran - denburg auch zugleich Koͤnige ſeyn, und Chur - Hannover und Baͤyern nicht ferne von dieſer Dignitaͤt ſtehen.
  • 3. Waͤre in dem 5. Articul der Wahl-Capitu - lation des glorwuͤrdigſten Leopoldi (welches in der Capitulation des auch glorwuͤrdigſten Joſephi eod. Art. V., und in der Capitulation des großmaͤchtigſten Caroli VI. Art. 3. wieder - holet zu finden,) ausdruͤcklich verſehen, daß der ſouverainen Republiquen Geſandten unter dem Vorwand, als waͤren ſie gekroͤnten Haͤup - tern gleich zu ſchaͤtzen, denen Churfuͤrſtl. weder an dem Kayſerl. Hofe, noch auſſer demſelben ſolten vorgezogen werden; wie denn auch in eben dieſem Artic. 5. das Decret, welches Ferdinand II. denen Venetianern wegen der Præcedentz fuͤr denen Churfuͤrſten An. 1630. ertheilet, casſiret worden. Zu deme haͤtten die Venetianiſchen Geſandten in dem Tri - dentiniſchen Concilio, den Churfuͤrſtl. den Rang und Vorſitz einraͤumen muͤſſen; ja in der Conferentz des Weſtphaͤliſchen Friedens, haͤtte der Biſchoff von Oßnabruͤg, als Ge - ſandter des Churfuͤrſtl. Collegii, dem Conta - rini Venetianiſchen Geſandten, und zugleich Mediatori, durchaus nicht den Pas gegeben, wovon unten in dem vierdten Theile mit meh - rerem wird gehandelt werden.
4. Daß142Europaͤiſches
  • 4. Daß ſich auch die freye Republiquen als Koͤ - nige tractiret wiſſen wolten, ſolches raͤume - ten ihnen weder die Koͤnige ſelbſten, noch auch die Churfuͤrſten ein: maſſen ſie inter Majeſta - tem perſonalem und realem eine groſſe Diſtinction macheten. Die erſtere beſaͤſſen die Republiquen gar nicht, dannenhero man auch keine derſelben en Majeſté tractirete; die andere haͤtten ſie zwar, welche aber nur ſenſibilis nicht aber viſibilis waͤre, und weil ſie mit Augen nicht geſehen wuͤrde, auch nicht als eine Majeſtaͤt veneriret werden koͤnte.
  • 5. Was die Venetianer von der eſtime der Tuͤr - cken, und die Hollaͤnder von derſelben, welche etwan die Jndianiſchen Koͤnige fuͤr ſie haͤtten, einwendeten, beantworten die Churfuͤrſten auf folgende Art:
  • 1. Daß der Tuͤrcke, oder auch andere auswer - tige Koͤnige, ihnen ihre Prærogativam nicht nehmen und einem andern geben koͤnten.
  • 2. Einige Churfuͤrſten denen Venetianern in Morea Succours gegen den Tuͤrcken zuge - ſendet, und dadurch ihre Force auch dem Tuͤrcken bekandt worden waͤre, auch die Churfuͤrſten durch ihre Macht eher die Ve - netianer von ihren Feinden retten muͤſſen, als die Venetianer die Churfuͤrſten.
  • 3. Daß die Laͤnder, welche Venedig in Euro - pa beſaͤſſe, und die Koͤnigreiche, worauf espræ -143Hoff-Ceremoniel. prætendire v. gr. Candien, Cypern, wie auch diejenigen, welche ſie etwan noch wuͤrcklich beſaͤſſen, als Morea, und einen Theil Dalmatien: wie auch die den Hol - laͤndern auſſer Europa zuſtehende Koͤnig - reiche, dieſe zwey Republiquen zwar reich, aber deswegen nicht wuͤrdiger macheten, als die Chuꝛfuͤrſten waͤren. Weil nun Reich - thum keine Tugend, ſo koͤnne ſelbiges auch keine Præcedentz geben, ſonſten muͤſte man auch ſtatuiren, daß ein reicher Schultze ei - nem armen Edelmann vorzugehen berech - tiget ſey.
  • 6. Daß ſchon A. 1490. in der Paͤbſtlichen Capelle zu Rom, als der Venetianiſche Geſandte dem Chur-Maintziſchen den Rang diſputirlich machen wollen, der Pabſt, welcher gleich ſelbſt zugegen gewe - ſen, fuͤr dem Maintziſchen Ambaſſadeur ge - ſprochen, und ihme die Stelle bald nach den gekroͤneten Haͤuptern, und noch fuͤr Vene - dig zuerkennet.

§. 8.

Haben ſich demnach die Churfuͤrſten biß dato in der Præcedentz gegen die Cardinaͤle und freyen Republiquen mainteniret, und da dieſe Saͤulen des Roͤm. Reichs und der vierdten Univerſal-Monarchie, von Tage zu Tage maͤch - tiger, und Herren uͤber Koͤnigreiche werden, ſo wird ihnen den Rang, welchen ſie poſſesſione ge -nieſſen,144Europaͤiſchesnieſſen, wohl Niemand leichtlich mehr diſputir - lich machen koͤnnen.

§. 9.

Die uͤbrigen Fuͤrſten des Reichs, dar - unter ſonderlich die maͤchtigſten v. gr. Gothe, Braunſchweig, Wuͤrtenberg, Caſſel, trachten wohl auch fuͤr den Cardinaͤlen und freyen Repu - bliquen die Præſeance zu erhalten, allein ſie haben ſich biß dato noch in keine Poſſeſſion gebracht, was aber theoretice davon zu ſtatuiren, kan man bey dem Furſtnero de Jure Su - prematus ſuchen und finden.

Ende des erſten Theils.

Ande -145Hoff-Ceremoniel.

Anderer Theil. Von der perſoͤnlichen Zuſammen - kunfft der Souverains, oder ihnen gleichenden Fuͤrſten, und Wie es ſo wohl weyland als heut zu Tage, bey dergleichen Congreſſu wegen des Ceremoniels gehalten worden, oder noch gehalten wird.

Erſtes Capitel. Von dem Congreß hoher Poten - taten en general.

§. 1.

OB es rathſam, daß Potentaten ſelbſten in hoher Perſon zuſam̃en gehen, hat - clerus in ſeinem Tractat, de Congreſſu Princi - pum unteꝛſuchet, und ſcheinet ſeine Meynung mehr dahin gerichtet zu ſeyn, daß man dergleichen Con - greſſe lieber vermeiden, als bewerckſtelligen ſolle. Man laͤſſet nun zwar dieſes ſonſt beruͤhmten Po - litici Meynung unangefochten, haͤlt aber doch dafuͤr, daß dergleichen hohe Zuſammenkunfft auf Erden, ſo wie etwan der Planeten im Himmel, manchmahl ja ſo nuͤtzlich als etwan ſchaͤdlich ſey, vielmahl auch wegen eines und des andern In - tereſſe nicht vermieden werden koͤnne.

K§. 2. Es146Europaͤiſches

§. 2.

Es geſchiehet aber ſolcher perſoͤnlicher Congreß,

  • 1. Ex civilitate, durch bloſe Beſuchungen,
  • 2. Ex honeſtate, wegen vorhergegangener Invitation zu Hochzeiten, Gevatterſchaff - ten Begraͤbnuͤſſen,
  • 3. Ex utilitate, wenn es zwey oder auch meh - rere Potentaten fuͤr gut befinden, ſich muͤnd - lich zu unterreden.
  • 4. Ex necesſitate, wenn es nicht vermieden werden kan, daß ein Potentate den andern unbeſuchet laſſe, dergleichen nothwendige Zuſam̃enkuͤnffte manchmahl geſchehen muͤſ - ſen, wenn ein Potentate durch des andern Land, und in ſpecie Reſidentz reiſet, oder ei - ne Sache im geheim abzuhandeln iſt, von welcher man auch die ſonſt geheimſten und treuſten Miniſtres nichts will wiſſen laſſen.

§. 3.

Man findet in der Hiſtoria keinen Man - gel an Exempeln, daß dergleichen Zuſammenkuͤnff - te, theils mit gutem theils auch mit ſchlimmen Effect, manches mahl mit beſondern, manches mahl wiederumb faſt ohne alle Ceremonien vor - genommen worden.

§. 4.

Damit man demnach, jedoch nur gleich - ſam von ferne und alſo unvollkommen, erkennen moͤge, ob die aͤlteren Zeiten von den neueren in dem Ceremoniel unterſchieden oder uͤbereinſtimmig,hat147Hoff-Ceremoniel. hat man zwar wenige, jedoch beſondere Exempel hier anzufuͤhren, fuͤr nichts uͤberfluͤßiges oder im - pertinentes zu ſeyn erachtet.

§. 5.

Die beruͤhmteſten Zuſammenkuͤnffte hoher Potentaten welche zwar mit geringem Ce - remoniel, jedoch nicht ſonder groſſes Mißtrauen der zuſammengehenden geſchehen, ſind aus dem Alterthum der Hiſtorie dieſe.

  • 1. Die erſtere erzehlet aus dem Livio, der be - ruͤhmte Engliſche Ictus, Richardus Zoucheus in ſeinem Jure Feciali p. 12. daß, als Philip - pus Koͤnig in Macedonien, und Titus Quin - tius Roͤmiſcher Burgermeiſter, nahe bey Ni - cæa, heut zu Tage Iſnich an dem Ufer des Meeres de Marmora, zu muͤndlicher Con - ferentz angelanget, ſey Titus Quintius an das Ufer getreten, und habe den Koͤnig Philip - pum, der ſich auf das Vordertheil ſeines in An - ckern liegenden Schiffes geſtellet, erſuchet, er moͤchte doch auch an das Land ſteigen, damit ſie umb deſto bequemer mit einander Unterre - dung halten koͤnten. Als ſich aber Philippus deſſen geweigert, habe ihn der Roͤmiſche Bur - germeiſter befraget, was, und wen er denn be - fuͤrchtete? darauf Philippus geantwortet: Er fuͤrchte zwar niemanden als die unſterblichen Goͤtter, allein er traue nicht allen Ætoliern, welche Quintius bey ſich haͤtte, und ſonder - lich dem Phæneas, Prætori der Ætolier; dar -K 2auf148Europaͤiſchesauf der Titus Quintius repliciret: Es haͤtte ja einer wie der andere der zuſammengehen - den zu befuͤrchten, daß ſie einander nicht treu ſeyn wuͤrden, darauf aber Koͤnig Philippus wieder verſetzet: daß wenn man gegen einan - der betruͤglich handeln wolte, ſo wuͤrde doch das Præmium und der Effect der Untreue auf einer Seiten viel groͤſſer ſeyn als auf der an - dern, weil es, wenn ihme dem Philippo von dem Phæneas, oder hinwiederumb dem Phæ - neæ von dem Philippo ein toͤdlicher Streich ſolte beygebracht werden, es den Ætoliern lan - ge nicht ſo ſchwer fallen wuͤrde einen anderen Prætorem, als den Macedoniern ſchwer werden wuͤrde, einen andern Koͤnig zu finden. Aus welchem Facto man einigen Verdacht und Gefahr, aber kein Ceremoniel, unter den zuſammengetretenen Potentien mercken kan.
  • 2. Die andere, der vorhergehenden ratione des Mißtrauens ſehr gleichende Zuſammenkunfft, erzehlet der aus Flandern gebuͤrtige Frantzoͤ - ſiſche Hiſtoricus, Philippus Cominæus, in Rebus geſtis Ludovici XI. Koͤniges in Franckreich, dergeſtalt: Eduardus IV. Koͤ - nig in Engelland, und Ludewig XI. in Franck - reich kamen bey dem Fluß Somme in Picardie mit dieſem Bedinge zuſammen, daß eine Bruͤ - cke uͤber bemelden Fluß geſchlagen, und in der -ſelben149Hoff-Ceremoniel. derſelben Mitte ein Gegitter mit etwas weiten Loͤchern, welches ſich von einem Ende der Bruͤcken zwerch uͤber biß zu dem andern Ende erſtreckte, geſchlagen, und obenher mit einem Wetter-Dache verſehen wuͤrde, und alſo weder auf einer noch andern Seiten dieſer Bruͤcken nicht ſo viel Raum uͤberbliebe, daß etwan ein Hund neben dieſen Mittel-Geſchoß haͤtte paſſiren koͤnnen. Auf dem Fluß ſelbſt war nur ein eintziges Schifflein, mit zweyen Ruder-Knechten gegenwaͤrtig. Ludovicus der XI. machte keine Difficultaͤt ſich auf ge - meldter Bruͤcken am erſten einzufinden, unter andern ihn comitirenden aber, Johannem Hertzogen von Bourbon, und deſſen Herrn Bruder den Cardinal mitzubringen. Eduar - dus ſtellete ſich auch gleich darauf mit ſeinem Herren Bruder dem Hertzoge von Clarence ein. Von beyden Theilen waren 4. Perſo - nen beſtellet, welche obſerviren ſolten, was et - wan unter dieſen zweyen Herren paſſiren wuͤr - de. Als ſie nun bey dem Gegitter ſich einan - der naͤherten, umbfaſſeten ſie ſich beyde durch daſſelbige auf das freundlichſte, und brach Lu - dewig zu erſt in folgende Worte heraus: Es iſt mir die Ankunfft meines Blutverwandten hoͤchſt angenehm, und zwar dergeſtalt, daß ich dieſes Tages keinen andern Fuͤrſten zu ſehen, vielweniger zu ſprechen verlange. Sage dem -K 3nach150Europaͤiſchesnach dem unſter blichen GOtt, durch deſſen Gnade wir eine ewige Freundſchafft unter uns auf zu richten zuſammen kommen, demuͤthigen Danck. Worauf ihme Eduard wieder gantz obligant, und zwar in Frantzoͤſiſcher Spra - che antwortete, und dann darauf ſein Cantz - ler die Rede und den Vergleich gaͤntzlich voll - zoge. Dieſe perſoͤhnliche Unterhandlung zweyer Souverains wurde zwar mit einigem Mißtrauen angefangen, aber mit aller Freund - lichkeit, und beſonderer Ceremonie vollendet.
  • 3. Den dritten, auch hieher gehoͤrigen Con - greß, erzehet Quicciard. lib. 11. Hiſt. von Ludovico XII. in Franckreich, und Ludovi - co Sforzia Hertzog in Mayland, welcher letz - tere mit dem erſteren ſich durchaus zu keiner Zuſammenkunfft beqvemen wollen, es geſche - he dann ſelbige mitten in einem Fluſſe, und auf einer, mit einem Mittel-Geſchoß verwahreten Schiff-Bruͤcke, welche hindere, daß ihme Lu - dovicus XII. keinen Streich anbringen koͤnne. Aus dieſen angefuͤhrten Exempeln, derer es auch noch giebet, koͤnte des Bœcleri Meynung einiger maſſen Beyfall erhalten, allein man ſiehet auch zugleich aus dem zweyten hie vorge - brachtem Exempel, und wird es in folgenden mit mehrerem erſehen, daß die Congreſſus ho - her Potentaten ohne Furcht ſeyn, und gluͤcklich ablauffen koͤnnen, wenn ſelbige, ihrem hohenChara -151Hoff-Ceremoniel. Character gemaͤß, ſincera fide mit einan - der handeln wollen.

§. 6.

Einige Exempel dergleichen Zuſammen - kuͤnfften, in welchen faſt kein Ceremoniel obſer - viret, ſondern ſelbiges ſo gar weit bey Seiten ge - ſetzet worden, daß ein Potentate dem andern viel - mehr mit Hoͤfflichkeit zuvor kommen, als Com - petentz-Streit anfangen wollen, ſind auch zu finden, und zwar

  • 1. Jn der Perſon des Kayſers Henrici II. oder Sancti, und des Roberti Koͤniges von Franck - reich. Dieſe beyde Souverains hielten An. 1023. an der Maaſe (Meuſe) wo der Fluß Cher in ſelbige faͤlt, eine Zuſammenkunfft. die Miniſtres welche eine oder der andere bey ſich hatte, kunten oder vielmehr wolten ſich we - gen des Rangs und Ceremoniels nicht ver - gleichen, und kamen deswegen nicht, auſſer et - wan par rencontre zuſammen. Henricus aber, welcher in dieſer Entrevüe mehr das Eſſentiel als die Formalité ſuchete, als wel - che letztere ſo offt die wichtigſten Etats-Affai - ren, wo nicht gaͤntzlich zerriſſen, dennoch lange Zeit gehemmet: und aus welchen man heut zu Tage nicht nur bey den Souverains, ſondern auch wohl bey Leuten von gar maͤßigem Stan - de, und bey welchen ſich keine Meriten finden, den groͤſſeſten point d honneur machet, war als Kayſer der erſte, welcher mit einer kleinenK 4Svite152EuropaͤiſchesSvite uͤber die Maaße ſchiffete, und als er nur hinuͤber kommen war, ſo gleich den Koͤnig Ro - bert in ſeinem Apartement unangemeldet be - ſuchete, welcher ſich dieſer Kaͤyſerl. Viſite, nicht nur mit aller Civilité ſondern auch mit aller Magnificentz bedienete, indem er den Kayſer u. ihn begleitenden Hoff-Leute ſplendide an ſei - ner Tafel tractirete, und nach vollbrachter Mahl-Zeit ihme dergleichen koſtbahre Ge - ſchencke præſentirete, welche man in vorher - gehenden Zeiten nicht leicht geſehen, und einem anpraͤſentiret hatte. Henricus nahm von allen dieſen Præſenten nichts, als nur eine koſt - bar eingebundene Bibel, und ſeine Gemah - lin Cunigunda bloß ein paar Ohr-Gehencke an, und lieſſen aus Modeſtie und Eckel fuͤr den Vanitaͤten das uͤbrige alles zuruͤcke. Fol - genden Tages darauf, pasſirete Robert auch gemeldten Fluß, und verfuͤgete ſich zu dem Kaͤyſer Henrico, von welchem er hoͤflich, doch aber ohne alles Ceremoniel angenommen, ihme nebſt dem Tractament ein Geſchencke von mehr als 100. Pfund reinen Goldes an - gebothen, doch aber von Roberto nicht ac - ceptiret wurde, damit die Freundſchafft zwi - ſchen beyden nicht interesſiret ſchiene. Jn die - ſen zweyen Conferentien, wurde nicht nur ohne alle Ceremonien die Freundſchafft zwi - ſchen beyden retabliret, ſondern auch ein Frie -den153Hoff-Ceremoniel. den geſchloſſen, welcher 500. Jahr gedauret, dergleichen keiner mehr an Laͤnge und Daure geweſen.
  • 2. Jn der Perſon Kayſers Caroli V. und ſeines beſtaͤndigen Gegners Franciſci I. Dieſe zwey zu ihrer Zeit maͤchtigſte Potentaten, hielten bey - de vor noͤthig in hoher Peꝛſon zuſam̃en zu gehen, welches ſie auch An. 1538. zu Aigue Mortes in Langvedoc bewerckſtelligten, und zwar ſonder vieles Ceremoniel, auſſer daß Fran - ciſcus I. dem Carolo V. die Ehre zugeſtattete, daß er in dem Orte der Conferentz zu erſt mit ſeinem Schiffe anlaͤnden, und ihn hernach Franciſcus gleichſam als in ſeinem, nemlich des Kayſers eignem Territorio die erſte Viſi - te geben moͤchte, da ſich doch Carolus in dem Territorio des Franciſci befande. Solches geſchahe auch folgender Geſtalt, daß nachdem der Kayſer Carolus V. auf Einrathen des Conneſtable, ſein Schiff an den Port fuͤhren laſſen, kam Franciſcus I. nebſt dem Hertzoge von Lothringen und deſſen Bruder dem Car - dinal, zu des Kayſers Galere, da er ihnen dann biß zu dem Einſteigen des Schiffes entgegen gienge, welches dazumahlen den Kaͤyſerl. Pal - laſt repræſentiren muſte. Sie unterhielten ſich etwan eine Stunde mit einander, und fol - genden Tages ſpeiſete Carolus bey Franciſco und deſſen Gemahlin auf dem Lande, bliebeK 5auch154Europaͤiſchesauch ſelbige Nacht in der Stadt, des Tages darauf kam Franciſcus nochmahlen zu Ca - rolo in das Schiff, und nachdem ſie einander eines zugetruncken, ſchieden ſie mit vielem Vergnuͤgen wieder von einander, und nahm Carolus ſeine Reiſe nach Spanien.
  • 3. Das dritte Exempel eines auch gar in vielen Stuͤcken negligirten Ceremoniels, und zu - gleich gar noͤthigen Congreſſes hoher Poten - taten, welcher zwar der Zeit nach aͤlter als das vorher gehende, findet man in der Perſon Kay - ſers Maximil. I, Uladislai Koͤniges in Ungarn, und Sigismundi Koͤniges in Pohlen. Dieſe beyden Koͤnige hatte Maximil. I. nach Preß - burg zu kommen invitiret, umb die zwiſchen ihnen entſtandene Differentien abzuthun, welche ſich auch daſelbſt einfunden. Dan - nenhero Maximilianus ihnen eine viel groͤſſere Ehre, als ſonſt das Kayſerl. Ceremoniel nicht leiden wuͤrde, anthat; indem er ihnen von Wien aus biß Presburg entgegen fuhre, ſie daſelbſt beneventirete, ihnen die Hand bothe, und folgende Worte zu ihnen redete: Diß iſt der Tag, den der Herr gemacht hat, laſt uns lu - ſtig und froͤlich dabey ſeyn. Hat ſie darauf mit nach Wien genommen, allwo ſie beyſam - men luſtig und vertraulich gelebet, auch gute Freundſchafft und Frieden geſtifftet. Dieſe Hiſtorie erzehlet der Autor des Oeſterreichi -ſchen155Hoff-Ceremoniel. ſchen Lorber-Krantzes pag. m. 70., und ſchlieſſet ſelbige mit dieſen Worten: Sie (ſc. dieſe drey Majeſtaͤten) haben mit ihrem Exem - pel des Cominæi und etlicher Politicorum Ausſpruch wiederleget, daß groſſe Herren in ei - gener Perſon nicht leichtlich ſollen zuſammen kommen.

§. 7.

Nicht aber nur allein die alten, ſondern auch die neueren, und von uns erlebete Zeiten, ſind reich an Exempeln, daß Souverains in hoher Per - ſon zuſammen kommen, bey welchem Congreß doch das ſonſt uͤbliche Ceremoniel nicht ſo gar genau beobachtet, ſondern ſelbiges etweder ex civilitate uͤberſchritten, oder etwan aus genom - mener Abrede, und weil die Zuſammenkunfft nur en paſſant geſchehen, dermaſſen moderiret worden, daß man von keiner Seiten einige Præ - rogativam geſucht, ſonder ſich al Pari mit einan - der betragen. Weil aber dieſe in neueren Zeiten geſchehene Zuſammenkuͤnffte, theils in denen or - dinairen Zeitungen, als auch in den Monatli - chen Journals aufgemercket zu finden, die ſpeci - fique Erzehlung derſelben auch zu unſerm Vor - haben nicht erforderlich, ſo enthaͤlt man ſich billich, umb unnoͤthige Weitlaͤufftigkeiten zu vermeiden, derſelben Erzehlung.

§. 8.

Dieſes aber iſt bey dieſem Capitul noch unumbgaͤnglich zu erinnern, daß man daraus wahrnehme,

1: Wie156Europaͤiſches
  • 1. Wie das Ceremonien-Werck, wenn es die Noth erfordert, nicht allemahl ſo gar hoch geſpannet wird,
  • 2. Die alten Zeiten von den neueren in dem Ceremonien-Weſen ſo weit unterſchieden, als das hohe Alter von der zarten Jugend, oder eine alte Kleider-Mode von der heu - tigen,
  • 3. Die hier kuͤrtzlich erzehlete, und andere viel - faͤltige in der Hiſtorie befindliche Facta, dem bey einem oder dem anderen Hofe ein - gefuͤhretem Ceremoniel, ſo wenig in der Poſſesſione der Præcedentz præjudiciren koͤnnen, als wenig es etwan einem geehrte - rem Manne nachtheilig ſeyn kan, wenn er bey Hochzeiten dem Braͤutigam, bey Be - graͤbnuͤſſen den Leidtragenden die Ober - Stelle, welche ihme ſonſten fuͤr dem Braͤu - tigam und Leidtragenden gebuͤhret, zu - eignet.

Zweytes Capitel. Von denen Perſonen bey welchen die Prærogativa, und das dar aus flieſſen - de Ceremoniel am meiſten zu beobachten iſt.

§. 1.

Die Begierde oben anzuſitzen, oder denjenigen Ort, welchen man vielmahl nur ex -opini -157Hoff-Ceremoniel. opinione fuͤr den honoratiorem haͤlt, einzu - nehmen, iſt allen Menſchen ſo gemein und eine der - gleichen Paſſion, die ſich nicht nur bey Hof - und Weltleuten, ſondern auch bey denẽ mercken laͤſſet, welche wegen ihrer Profeſſion, oder auch wegen Nothdurfft, der Welt und ihrer Eitelkeit renun - ciret; es fehlet aber keinem an Beſcheinigungen ſeines Rechts, durch welches er ſuchet andern vor - gezogen zu werden, und wenn man vielmahl an ſich ſelbſt nichts findet, welches zulaͤnglich ſeyn koͤnte, ſich uͤber einen andern zu ſchwingen, ſo haͤlt man ſich an ſein Amt und Stelle, welche man be - kleidet, oder man will ſeinem kuͤnfftigem Succeſ - ſori, welchen man vielmahl ſo wenig als die An - tipodes kennet, und welcher vielleicht nicht ſo Ehren-begierig als ſein Anteceſſor, nichts ver - geben: ob man ſich gleich ſonſten kein Gewiſſen machet, ſeinem Nachfolger alles fuͤr dem Maule wegzunehmen, an welchem ihme mehr gelegen ſeyn koͤnte, als an dem eitelen Vorzuge.

§. 2.

Von dieſer alle Menſchen plagenden Præ - rogativa muß man in der Morale, hier aber nur von denen Perſonen handeln, welche notoriſch einen Vorzug fuͤr andern Menſchen haben, und alſo auch berechtiget, ſelbigen zu ſuchen und zu mainteniren.

§. 3.

Dieſer Perſonen ſind nun nicht mehr als zwey:

1. Die158Europaͤiſches
  • 1. Die Majeſtaͤten und ihnen gleich geachtete,
  • 2. Die von ihnen erkieſete Ambaſſadeurs oder Geſandten, zu welchen man auch die ſo ge - nenneten Vice-Roys und Gouverneurs groſſer Provinzien, jedoch nur in gewiſſem Abſehen zu ꝛechnen pfleget, maſſen dieſe letzt - gemeldete, nur im Territorio, nicht aber ex - tra territorium principis delegantis ih - ren Vorzug fuͤr andern unter ihnen ſtehen - den, die Ambaſſadeurs aber, ubique ihres Herrn Principalen Rang mainteniren koͤnnen, und muͤſſen.

§. 4.

Dieſer aber kan anders nicht fuͤglich kentlich und diſputirlich gemacht werden, als in Zuſammenkuͤnfften, denn wer immer alleine und zu Hauſe bleibet, kan ohne Contradiction eines andern, die Ober-Stelle nach eigenem Wohlge - fallen nehmen.

§. 5.

Wird alſo bey Ausuͤbung des Cere - moniels eine Zuſammenkunfft præſupponiret, welche dreyerley:

  • 1. Erſtlich, wenn Majeſtaͤten ſelbſt, ihnen glei - chende, oder auch in einer etwas mindere Dignitaͤt ſtehende Perſonen, in ſumma, wenn regierende Printzen, ſie moͤgen entwe - der Souverains oder nicht Souverains, an Wuͤrde gleich oder ungleich ſeyn, zuſam - men kommen,
2. Wenn159Hoff-Ceremoniel.
  • 2. Wenn zu dieſen itzt gemeldeten hohen Per - ſonen Geſandten geſendet werden,
  • 3. Wenn Geſandten allein, entweder von un - gefehr, oder vorſetzlich unter ſich zuſammen kommen, welches nicht nur an Hoͤfen, ſon - dern auch auf Friedens-Verſammlungen offt zu geſchehen pfleget.

§. 6.

Bey dergleichen Zuſammenkuͤnfften nun, kommt es ratione des Ceremoniels hauptſaͤch - lich darauf an, daß man darauf regardiret,

  • 1. welcher unter den Souverains an Dignitaͤt hoͤher als der andere, v. gr. ein Kayſer mit ei - nem Koͤnige, ein Koͤnig mit einem Chur - oder Souverainen Fuͤrſten ꝛc.
  • 2. Welcher unter beyden Wirth oder Gaſt, oder ob einer oder der andere, weder die Ob - ligation eines Wirthes noch Gaſtes re - præſentiren, ſondern in loco tertio zu - ſammen treten, da ſie beyde als Fremdlinge zu betrachten,
  • 3. Wie das Ceremoniel bey einem oder dem andern ex conſvetudine, poſſeſſione, pacto eingerichtet,
  • 4. Ob man nicht, ehe man zuſam̃en gehet, etwan zuvor einen Special-Vergleich getꝛoffen, mit was fuͤr Ceremonien man einander empfan - gen und beehren wolle, welche Specialia aber nicht dem gebꝛaͤuchlichem Ceremonielund160Europaͤiſchesund weniger dem tertio einigen Einbruch thun.

§. 7.

Wenn es ſich nun zutraͤget,

  • 1. Daß dignitate impares v. gr. ein Koͤnig Chur - oder anderer Fuͤrſt zu einem Kayſer, oder vice verſa, in ihren Reſidentien zu - ſammen kommen, ſo wird ein Koͤnig oder Churfuͤrſt von Kayſerl. Majeſtaͤt nicht mit ſo groſſen Ceremonien empfangen, als wenn der Kayſer zu einem Koͤnige, Chur - oder an - deren Fuͤrſten kaͤme. Denn der hoͤhere bedienet ſich ſtets eines dergleichen Cere - moniels, es ſey der Congreß in ſeinem territorio oder auch in loco tertio, bey welchem ſeine Prærogativa fuͤr dem andern kentlich bleibet, ob er ihm gleich im Ubrigen extraordinaire Civilitaͤt anthut: der Niedrige aber, er beſuche, oder werde be - ſuchet, muß allemahl ein dergleichen Cere - moniel geben oder annehmen, durch wel - ches er dem hoͤhern was zum Voraus laͤſſet.
  • 2. Dignitate pares v. gr. ein Koͤnig zu dem an - dern, ein Churfuͤrſt mit einem Churfuͤrſt, ein Landes-Fuͤrſt mit einem Landes-Fuͤrſten zu ſammen kommen, als welche Perſonen ein - ander gleich, ſo genieſſen ſie auch ein gleiches Ceremoniel v. gr. im Sitzen, Bedecken ꝛc. jedoch mit der Limitation, daß wenn einer Wirth, er dem Gaſte im Sitzen und Gehendie161Hoff-Ceremoniel. die Ober-Stelle zueignet, denn dieſes er - fordert zwar nicht Jus majoris dignitatis, ſed hoſpitalitatis.

§. 8.

Wenn die Zuſammenkunfft, ſonderlich unter gleichen in loco tertio geſchiehet, ſetzet es ſo wohl unter Potentaten ſelbſt, als auch derer Ambaſſadeurs mehr Diſpuͤt uͤber dem Ceremo - niel, als wenn einer zu dem andern in ſeine Reſi - dentz kommet, und da muß, im fall einer nicht poſſeſſione etwas zum Voraus hat, entweder die Zuſammenkunfft

  • 1. Vor abgeredet und reguliret werden,
  • 2. Per rencontre, oder
  • 3. Incognito geſchehen. Von einem und dem an - dern hat man Exempel, derer einige in dem vierdten und fuͤnfften Theil vorkommen werden.

§. 9.

Auſſer deme iſt wohl nicht zu laͤugnen, und haben wir auch bereits in vorhergehendem Capitel Exempel angefuͤhret, daß durch Civilitaͤt der rigor der Prærogativæ einige mahl tempe - riret, und der Congreß dadurch befoͤrdert und angenehm gemacht worden; allein, gleichwie die - ſe Civilité bey Souverains etwas gar extraor - dinaires, alſo machet auch ſelbige kein ordinai - res Ceremoniel. Deñ was man ex mera gratia & civilitate in faveur des einen gethan, darff deswegen ein anderer der eben ſo gut, als jenerLwar,162Europaͤiſcheswar, nicht prætendiren, weil die Gnade uñ Hoͤflig - keit kein actus, aus welchen ich conſvetudinem introduciren koͤnte, auch kein Pactum, ſondern ein ſo genenter actus meræ facultatis iſt, welchen man continuiren, oder unterlaſſen, und welcher nicht einmahl von deme, welchen man ſelbigen er - wieſen, als eine Schuldigkeit, weniger von einem andern gefordert werden kan. Zum Exempel: Es haͤtten Jhro Kayſerl. Majeſtaͤt, etwan wie die Zei - tungen von Regenſpurg de Anno 1714. vom 14. Martii meldten, dem Koͤniglichen Preußiſchen Herrn Envoyé Grafen von Dohna, die Gnade und Ehre gethan, ſelbigen in dero Retirade, wel - ches was ungewoͤhnliches, zu ruffen, auch als Jhro Kayſerl. Majeſtaͤt den Herrn Envoyé in der Anti-chambre anſichtig worden, ein wenig den Hut geruͤcket; ſo wird doch deswegen kein ande - rer Envoyé ſich auf dieſes Factum zu beruffen haben, weil es Kayſerlicher, wie auch einer jeden Majeſtaͤt, freyſtehet einem Envoyé, deſſen Vor - trag oder auch Perſon angenehm, mehr Gnade und Ehre, als er ſonſten zu prætendiren, anzu - thun; aber dergleichen extraordinaire Gnade ſchwaͤchet deswegen nicht die Regeln des ordi - nairen Ceremoniels ſondern talis exceptio a regula confirmat regulam in caſibus non ex - ceptis, und ſo ſich einer daruͤber beſchweren, oder es zur conſequentz anziehen wolte, koͤnte ihme etwan die Antwort werden: Sieheſtu darumbſcheel,163Hoff-Ceremoniel. ſcheel, daß ich ſo guͤtig bin, nimm was dein iſt, und gehe hin. Dieſes aber gehet wohl an, daß wenn man einem prudentia politica oder calliditate, einen Voꝛtheil im Ceremoniel abgelauffen, ſolche Calliditaͤt per actum poſſeſſionis interpretiret wird, im fall derjenige, in deſſen Præjuditz es ge - ſchiehet, nicht bey Zeiten proteſtiret, oder Gele - genheit ſuchet artem arte eludendi.

§. 10.

Damit nun alſo in dem Ceremonien - Werck, ſo diſputable und variable es ſonſten an ſich ſelber iſt, dennoch einige Ordnung gehalten werde, ſo hat heut zu Tage faſt ein jeder Hoff in Europa, ſo wie ſeine beſondere Einrichtung, In - tereſſe, und Charges, alſo auch ſein beſonderes Ceremoniel, von welchem er auſſer der hoͤchſten Noth oder Civilitaͤt, nicht leicht weichet. Es werden auch zu Handhabung deſſelben gewiſſe Officianten beſtellet, welche Ceremonien-Mei - ſter, oder auch Introducteurs genennet werden, derer officium darinnen beſtehet, die actus ce - remoniales nach dem Herkommen einzurichten, die fremden Ambaſſadeurs und Envoyés zu em - pfangen, zu der Audientz, und daruͤber ein richti - tiges Protocoll zu fuͤhren.

§. 11.

Gleich wie es aber eine allzuweitlaͤuff - tige Arbeit, oder auch wohl Unmoͤglichkeit ſeyn wuͤrde, die bey allen Hoͤfen etablirte Ceremo - niels hier anzufuͤhren, maſſen man der ſchrifftli - chen Verfaſſung derſelben (einige wenige, welcheL 2man164Europaͤiſchesman als MSc. zu ſehen bekommen, ausgenom - men) nicht theilhafftig werden kan; alſo wird es genug ſeyn muͤſſen und auch koͤnnen, wenn man in dieſem Syſtemate nur dasjenige anfuͤhret, welches fuͤr uns Deutſchen (als denen zu Gefallen dieſes Wercklein hauptſaͤchlich verfertiget worden) zu wiſſen am noͤthigſten.

Drittes Capitel. Was fuͤr ein Ceremoniel bey Zu - ſammenkunfft Kaͤyſerl. Majeſtaͤt, und eines Churfuͤrſten ge - woͤhnlich iſt.

§. 1.

Die Churfuͤrſten, ob ſie gleich Koͤnigen gleich geachtet werden, ſo haben ſie dennoch ein Haupt und Superiorem, nemlich den Roͤm. Kay - ſer, und zu Zeiten auch einen Roͤm. Koͤnig. Dero - wegen ſie den erſteren billich mehr verehren als alle andere Potentaten, und im Ceremoniel ihme etwas mehreres zueignen. Hingegen, weil Sie, die Churfuͤrſten, als Glieder des Roͤm. Kay - ſers, Mit-Participanten von deſſen Majeſtaͤt, und fuͤr Seulen des Roͤmiſchen Reiches geachtet werden, ſo genieſſen ſie auch fuͤr andern Fuͤrſten etwas beſonderes, und erwarten hinwiederumb von Kayſerl. Majeſtaͤt diejenige Wuͤrde und Ehre, welche das Haupt dieſen principalſten Glied - maſſen zu erweiſen gewohnet iſt, oder ſich anhei - ſchig gemacht hat.

§. 2. Sie165Hoff-Ceremoniel.

§. 2.

Sie genieſſen demnach dergleichen Præ - rogativ,

  • 1. Daß ſie bey Jhro Kayſerl. Majeſtaͤt die al - lernechſte Stelle nehmen, und zwar in einer Linie mit Derſelben.
  • 2. Laſſen ihnen bey Kayſerl. Croͤnung die Chur - Schwerdter, als ein Zeichen ihrer Souve - rainetaͤt durch den Erb-Marſchall vor - tragen,
  • 3. Sitzen in der Kirche, wie auch in vollende - tem Actu Coronationis, wenn Kaͤyſerl. Majeſtaͤt zum erſten mahl Tafel halten, in einem Zimmer, uͤber einem eigenen Tiſch, unter einem Baldachin,
  • 4. Reden gegen Kayſer mit bedecktem Haupte,
  • 5. Senden auch an dem Kayſer Ambaſſadeurs.

§. 3.

Wenn ein Churfuͤrſt in Perſon zu ihrer Kayſerl. Majeſtaͤt kommt, und Jhnen die Viſite abſtattet, ſo geſchiehet ſelbiges entweder,

  • 1. Auſſer der Kayſerl. Reſidentz, in den Comi - tiis oder bey einem Croͤnungs-Actu,
  • 2. Jn der Kayſerl. Reſidentz, da man denn ob - ſerviret, daß in dieſen zweyen unterſchiede - nen Orten, auch die Ceremonien in etwas unterſchieden.

§. 4.

Jn den Comitiis faͤhret der Churfuͤrſt, nachdem er die Audientz ausbitten laſſen, und ih - me eine Stunde zu ſelbiger gemeldet worden, mitL 3ſeinem166Europaͤiſchesſeinem Hoff-Bedienten, nach des Kayſers Lo - gement, in den Hoff des Hotels aber, faͤhret kei - ne Caroſſe der Churfuͤrſtl. Cavalliers, ſondern nur des Churfuͤrſten alleine.

§. 5.

Beym Ausſteigen aus der Caroſſe wird er von dem Kayſerl. Obriſten Hoff-Marſchall, oder Ober-Hoff-Meiſter, auch zu Zeiten von al - len beyden empfangen, durch die Anti-chambres, in derer letzteren die Kayſerlichen Miniſtri rangi - ret ſtehen, und die Churfuͤrſtl. ſich auch begeben, gefuͤhret.

§. 6.

Jn der letzten Anti-chambre, und faſt bey deren Eingange, empfangen Jhro Majeſtaͤt, welcher einige Miniſtri vortreten, den Churfuͤr - ſten, gehen aber dem Churfuͤrſten zur Rechten, und irgends ein paar Schritte zu vorhero in den Audientz-Saal.

§. 7.

Jn dieſem ſind die Seſſel, und zwar des Kayſers meiſtens von Gold - oder Silber-Brocat, des Churfuͤrſten aber von Carmeſin-Sammet, mit goldenen Frantzen bordiret: des Kayſers wird ſo geſetzet, daß er das Geſichte im ſitzen gegen die Thuͤre des Gemaches, des Churfuͤrſten aber ſtehet, ſeitenwerts, daß ſelbiger wo nicht den gantzen Ruͤcken, dennoch die eine Seite nach der Thuͤre kehret, des Kayſers Stuhl ruͤcket a l or - dinair der Oberſte Caͤmmerer, des Churfuͤrſten aber der Cammer-Herr, welcher die Aufwartung hat.

§. 8. So167Hoff-Ceremoniel.

§. 8.

So bald ſich beyde niedergelaſſen, be - decket ſich der Kayſer, und wincket hernach dem Churfuͤrſten ein gleiches zu thun, die Miniſtri aber gehen nach gemachten Reverentz aus dem Audientz-Zimmer, und wird die Thuͤre deſſelben, oder wenigſtens die Gvardinen zugezogen.

§. 9.

Wenn die in der Anti-chambre auf - wartende Cavalliers mercken, daß beyde aufſte - hen, wird die Thuͤre wieder eroͤffnet, und gehen ſeine Majeſtaͤt der Kayſer, zur Rechten dem Chur - fuͤrſten wieder in die Anti-chambre ein paar Schritte zuvor, und begleiten ſelbigen faſt biß zu der Thuͤre der Anti-chambre, bey welcher der Churfuͤrſt ſtehen bleibet, und dem Kayſer nach - ſiehet, biß er an der Thuͤre des Audientz-Zim - mers tritt, als dann noch einen Reverentz gegen den Kayſer machet, und ſich wieder nach ſeinem Wa - gen, in ſolcher Begleitung wie er recipiret worden, begiebet.

§. 10.

Wie es Kaͤyſerl. Majeſtaͤt mit einem Churfuͤrſten halten, ſo halten ſie es auch mit dem andern, weil ſie alle dignitate einander pares; doch wenn ein Churfuͤrſt mit dem Kayſer in naher Bluts-Verwandnuͤs ſtehet, dergleichen Philip Wilhelm Churfuͤrſt zu Pfaltz war, deſſen Frau Tochter Eleonoram Magdalenam, Leopol - dus I. zu ſeiner dritten Gemahlin hatte, daß alſo dieſer Churfuͤrſt des Kayſers Schwieger-Vater war; ſo pflegten Kayſerl. Majeſtaͤt im ſitzen undL 4gehen168Europaͤiſchesgehen etwas mehreres gegen ihm zu thun, darauf ſich aber ein ander Churfuͤrſt nicht zu beruffen hat.

§. 11.

Wann ein Churfuͤrſt die Kayſerin auf einem Reichs - oder Wahl-Tage, und alſo auſſer Wien beſuchet, ſo geſchiehet ſolche Viſite, meiſtens bald wenn man dem Kayſer die Seinige abgeſtat - tet, und ſo dann wird der Churſuͤrſt von der Kay - ſerin Ober-Hoff-Meiſter, bey dem Anfang des Qvartiers der Kayſerin, empfangen. Bey dem Eingang in das Gemach, empfaͤnget der Kayſerin Obriſte Hoff-Meiſterin den Churfuͤrſten, und etliche Schritte weiter hinein, die Kayſerin denſel - ben, welche ſich bald darauf nach dero Tiſch reti - riret, und manchmahl ſtehende, manchmahl auch ſitzende die Viſite annimmt.

§. 12.

Wenn die Viſite ſtehende geſchiehet, ſo nimmt die Kayſerin denjenigen Platz ein, daß ſie das Geſichte gegen die Thuͤre, der Churfuͤrſt aber den Ruͤcken gegen ſelbige wendet, im ſitzen iſt die Location eben ſo beſchaffen, nur mit dem Unterſcheid, daß der Kayſerin Stuhl von ihrem Ober-Hoff-Meiſter, des Churfuͤrſten aber nur von einem Cammer-Herren geruͤcket wird. Die Thuͤren werden nicht, wie bey dem Kayſer geſchloſ - ſen, ſondern bleiben offen, und meiſtens auch wohl die Ober-Hoff-Meiſterin der Kayſerin aufwar - tend, gegenwaͤrtig, ſo bedecket ſich auch kein Chur - fuͤrſt in Præſentz der Kayſerin, denn dieſes waͤrewie -169Hoff-Ceremoniel. wieder die Civilitaͤt, und Reſpect, welchen man dem Frauen-Zimmer ſchuldig.

§. 13.

Die Begleitung thut die Kayſerin, mei - ſtens ſo weit, als ſie den Churfuͤrſten empfangen, die Ober-Hoff-Meiſterin aber, gehet mit dem Churfuͤrſten biſt an die Treppe, und der Ober - ſte Hoff-Meiſter biß an des Churfuͤrſten Wa - gen.

§. 14.

Dafern ein Churfuͤrſt mit der Kayſerin in naher Blut-Fꝛeundſchafft ſtehet, ſo erzeiget ihme die Kayſerin etwas groͤſſere Civilité als einem andern, dergleichen that die noch lebende Kayſerin Eleonora Magdalena ihrem Herren Vater, dem Churfuͤrſten von der Pfaltz Philipp Wilhelm 1689. zu Regenſpurg, welchem ſie nicht allein weiter, als Chur-Maintz geſchehen war, entgegen gieng, ſondern ihn auch gar auſſer dem Audientz - Zimmer begleiten wolte, allein der Churfuͤrſt zoge ſelbſt die Thuͤre des Gemaches im heraus gehen zu, und kam der Hoͤfligkeit ſeiner Frau Tochter der Kayſerin mit Submisſion zuvor.

§. 15.

Die Gegen-Vſite Kayſerl. Majeſtaͤt, ſo ſelbige einem Churfuͤrſten zu thun, geſchiehet in Comitiis meiſtens folgender Geſtalt:

  • 1. Wenn der Churfuͤrſt mercket, daß Se. Kay - ſerliche Majeſtaͤt ſich ſeinem Qartier naͤ - hern, begiebet er ſich bey Zeiten an die Thuͤ - re des Pallaſts, und gehet biß dahin, wo der Kayſerl. Wagen halten, und der Kayſer ab -L 5ſtei -170Europaͤiſchesſteigen wird, reichet wohl gar Kayſerlicher Majeſtaͤt im Ausſteigen die Hand.
  • 2. So bald der Kayſer den Churfuͤrſten durch Abnehmung des Hutes gegruͤſſet, bedecket er ſich bey Eintrit in das Vor-Hauß wie - der, und wincket, oder heiſſet muͤndlich den Churfuͤrſten ein gleiches zu thun, der auch dann nach einigem Tempo des Kayſers Winck, ſich bedecket.
  • 3. Jm Aufſteigen der Treppen und durch die Anti-chambres, gehet der Churfuͤrſt dem Kayſer zur lincken Seiten, irgends einen, oder nach avenant ein paar Schritte, hinter demſelben.
  • 4. Beym Eintrit in das erſte Zim̃er nehmen ſie beyde die Huͤte ab, ſetzen ſelbige aber bald wieder auf.
  • 5. Jn dem Audientz-Zimmer wird die Stelle dem Kayſer unter einem Baldachin derge - ſtalt gegeben, daß er das Geſichte gegen die Thuͤre wendet, der Churfuͤrſt aber ſitzet ihme entweder e diametro gleich uͤber, oder etwas weniges Seit-werts.
  • 6. Der vornehmſte gegenwaͤrtige Miniſter des Churfuͤrſten, ruͤcket dem Kayſer den Stuhl, und ein Cammer-Herr dem Chur - fuͤrſten den ſeinigen.
7. Wenn171Hoff-Ceremoniel.
  • 7. Wenn die Viſite geendiget, geſchiehet der Ab - march mit gleichen Ceremonien als die An - kunfft war.

Vierdtes Capitel. Wie es mit einem Koͤnige von Un - garn oder Boͤhmen, und einem Chur - fuͤrſten, in Ablegung der Viſite gehalten wird.

§. 1.

Ob wohl die Churfuͤrſten Koͤnigen gleich geachtet werden, ſo haben doch die Koͤnige fuͤr ihnen den Vorzug, dannenhero ein Churfuͤrſt allerdings einem Koͤnige einige Præferentz einzu - raͤumen hat.

§. 2.

Wenn demnach ein Churfuͤrſt einen Koͤ - nig in Ungarn oder Boͤhmen (ſonderlich in Co - mitiis imperii) beſuchen will, ſo faͤhret der Chur - fuͤrſt mit ſeinem Leib-Wagen (die andren ſo ihn begleiten bleiben hauſſen) in den innerſten Hoff des Palais des Koͤniges, und wird von dem Koͤ - nigl. Ober-Hoff-Meiſter und Hoff-Marſchall, nebſt andern Cavaliers, hart an der Kutſchen em - pfangen, und alſo, daß ihm alle vortreten, die Stiegen hinauf gefuͤhret.

§. 3.

Der Koͤnig empfaͤnget den Churfuͤrſten oben an der Stiegen, occupiret aber ſtracks die rechte Hand, gehet auch zu erſt durch die Anti - chambres in das Audientz-Zimmer.

§. 4. Wenn172Europaͤiſches

§. 4.

Wenn es zum ſitzen kommt, ſo werden die Stuͤhle, und zwar des Koͤniges von ſeinem vornehmſten gegenwaͤrtigen Miniſter, des Chur - fuͤrſten aber von einem Koͤnigl. Cammer-Herren dergeſtalt rangiret, daß zwar beyde unter dem Baldachin ſtehen, und beyde Stuͤhle à bras ſind, jedoch iſt des Koͤniges magnifiquer als des Churfuͤrſten, und kehret der Koͤnig das Geſichte, der Churfuͤrſt aber den Ruͤcken gegen die Thuͤr.

Fuͤnfftes Capitel. Von den Ceremonien, wenn ein Churfuͤrſt zu Seiner Kayſerlichen Majeſtaͤt nach Wien kommet.

§. 1.

Es ſind in naͤheren Zeiten unterſchiedene Churfuͤrſten

    • 1. Bayern
    • 2. Sachſen
    • 3. Pfaltz
    in der Kayſerl. Reſidentz Wien erſchienen, und haben daſelbſt Jhro Majeſtaͤt dem Roͤm. Kayſer ihre Viſite ab - geſtattet, bey derer Reception man folgende Ce - remonialien gebraͤuchlich zu ſeyn obſerviret.

§. 2.

Einem ankommenden Churfuͤrſten, ſen - det Kaͤyſerl. Majeſtaͤt, einen Cammer-Herren (oder auch derer zwey, oder nebſt einem Cammer - Herren noch einen andern hohen Hoff-Offician - ten) auſſer der Stadt Wien, und einen Kayſer -lichen173Hoff-Ceremoniel. lichen Leib-Wagen, biß auf die halbe Meile, auch wohl etwas daruͤber entgegen.

§. 3.

Wenn der Churfuͤrſt ſich auff dem Kay - ſerl. Leib-Wagen der Stadt Wien naͤhert, ſo fahren Sr. Kayſerliche Majeſtaͤt (von dem Roͤm. Koͤnige, wenn einer verhanden accompa - gniret) dem Churfuͤrſten ein Feldweges auſſer Wien entgegen, und die Kayſerl. Miniſtri fahren alle auf ihren Caroſſen fuͤr dem Kayſer her, ſo daß niemand reitet, als diejenigen ſo zur Garde gehoͤ - ren, und die Edel-Knaben, oder auch Stall-Mei - ſter: Denn die Entreés zu Pferde ſind fuͤr dem Kayſer, Roͤm. Koͤnig, und Ertz-Hertzoge allein fuͤrbehalten.

§. 4.

Jndem ſich der Kayſer und die Chur - fuͤrſtl. Wagen einander naͤhern, und irgends noch biß auf dreyßig Schritte von einander entfer - net ſeyn, ſteiget der Churfuͤrſt aus dem ſeinigen, und gehet dem Kayſer zu Fuß entgegen, inzwi - ſchen aber, bevor der Churfuͤrſt an die Kayſerliche Caroſſe gelangen kan, ſteiget Kayſerl. Majeſtaͤt auch aus ihrem Wagen, und complimentiren einander ſtehende, jedoch machet der Churfuͤrſt mehrere ceremonias ſubmiſſionis als der Kayſer.

§. 5.

Nimmt der Kayſer ſodann den Churfuͤr - ſten auf ſeinen Wagen, jener ſteiget aber (wie auch der Roͤm. Koͤnig wenn er gegenwaͤrtig) zu erſt in denſelben, ſetzet ſich oben, und der Churfuͤrſtunten174Europaͤiſchesunten an, nemlich in dem fond du Caroſſe, und wenn ſich Kayſerliche Majeſtaͤt bedecket, wincken ſie dem Churfuͤrſten, daß er ein gleiches thue.

§. 6.

So bald ſie alſo mit einander in der Kayſerl. Burg, oder Favorita angelanget, ſteiget der Churfuͤrſt zuerſt aus dem Wagen, und gehet (wie auch der Roͤm. Koͤnig) dem Kayſer auf der Stie - gen, und durch die Anti-chambres biß an die Re - tirade, mit entbloͤßetem Haupt zuvor, der Kayſer aber bedecket ſich, entbloͤſſet aber dann und wann im gehen das Haupt.

§. 7.

Jn dem Audientz-Zimmer oder auch Re - tirade, nimmt der Kayſer nicht nur allein die Ober - Stelle, ſondern deſſen Stuhl iſt auch von koſtbah - rerem Etoffe, meiſtens von drap d’or, des Chur - fuͤrſten aber von Sammet, und mit Frantzen ge - zieret, doch ſind beydes chaiſes à bras, oder fau - teilles.

§. 8.

Wenn der Churfuͤrſt nach einiger Un - terredung, aus der Kayſerl. Retirade oder Au - dientz-Zimmer (wie wohl man bey dergleichen Viſiten ſich mehr in der Retirade als Audientz - Saale entreteniret) wieder hinweg gehet, be - gleitet ihn der Kayſer meiſtens biß an die Thuͤre der andern Anti-chambre, und nachdem ſie an ſelbiger einander noch einen Reverentz gemacht, kehret der Kayſer wieder umb, der Churfuͤrſt aber ſiehet dem Kayſer nicht nach, wie er ſonſten in de - nen Comitiis zu thun pfleget. Woraus einigermaſ -175Hoff-Ceremoniel. maſſen erſcheinet, daß die Majeſtaͤt eines Roͤm. Kayſers in denen Comitiis und Wahl-Tagen mit mehrerer Veneration verehret wird, als auſſer denſelben, vermuthlich weil ſelbige in me - dio ſtatuum germaniæ mit mehren Eclat er - ſcheinet als anders wo.

§. 9.

Speiſer ein Churfuͤrſt mit dem Kayſer, ſo

  • 1. Geſchiehet ſelbiges, umb alle Difficultaͤten der Ceremonien zu vermeiden, auf der ſo genenten Seiten oder Qvartier der Kayſerin, da denn die Bedienung der Tafel von lauter Hoff - Dames verrichtet wird. Denn weil die Ge - ſandten und Abgeſandten auswaͤrtiger Poten - tien, dem Kayſer, wenn er en ceremonie ſpeiſet, aufzuwarten, und nun einige darunter zu ſeyn pflegen, die von den Majeſtaͤten und Souverains mit dem charactere repræſen - tativo gezieret ſind, ſo weigern ſich dieſe bey einer Tafel zu ſtehen, wo ein Churfuͤrſt, an wel - chen ſie nicht geſandt worden, ſitzet.
  • 2. Jſt die Rangierung an der Tafel alſo beſchaf - fen, daß
  • 1. Der Kayſer mitten an der Ober-Seiten der Tafel ſitzet,
  • 2. Jhme zur Rechten die Kayſerin,
  • 3. Zur Lincken der Roͤm. Koͤnig,
  • 4. Auf der rechten Seiten der Tafel die Ertz - Hertzoginnen,
5. Auf176Europaͤiſches
  • 5. Auf der lincken der Churfuͤrſt, waͤre aber keine Ertz-Hertzogin gegenwaͤrtig, ſo wuͤrde der Churfuͤrſt an dieſelbe Seite ge - ſetzet. Man giebet aber dem Churfuͤrſten er ſitze wo er wolle, eine Fauteuil.
  • 3. Jndem es der Kayſer dem Churfuͤrſten zutrin - cket, ſtehet der Churfuͤrſt auf, neiget ſich tieff, und bleibet ſo lange ſtehen, biß daß der Kayſer getruncken, ob auch gleich ſchon, wie zu geſche - hen pfleget, Kayſerl. Majeſtaͤt dem Churfuͤr - ſten, daß er ſich niederlaſſen ſolle, winckten.
  • 4. Wenn auch der Churfuͤrſt des Kayſers Ge - ſundheit trincket, thut er ſolches ſtehende, nei - get ſich vor und nach dem Trunck gantz tieff, der Kayſer aber bleibet ſitzen, und bedancket ſich durch einige Neigung. Des Roͤm. Koͤ - niges Geſundheit trincket der Churfuͤrſt ſitzen - de, wenn ihme aber der Koͤnig zutrincket, er - hebet ſich der Churfuͤrſt in etwas von dem Stuhl.
  • 5. So bald das Confect von der Tafel abgenom - men wird, ſtehet der Churfuͤrſt auf, machet ge - gen dem Kayſer einen tieffen Reverentz, wel - cher ſich mit neigen bedancket, und ſitzen blei - bet. Alsdann tritt der Churfuͤrſt hinter den Kayſer, da er denn von einer Dame eine zu - ſammengelegete Serviette bekommt, welche er entweder von hinten zu dem Kayſer auf die Tafel leget, oder ſelbige dem Roͤm. Koͤnig,wenn177Hoff-Ceremoniel. wenn er gegenwaͤrtig, præſentiret, der ſie denn ferner dem Kayſer vorleget. Der Kayſer nimmt ſelbige mit Neigen an, und breitet ſie ih - me ſelber aus, und nachdem ihme folgendlich eine Dame das Waſſer gegeben, trocknet er die Haͤnde an ſolche Serviette. Jn Aug - ſpurg ſtehen die Churfuͤrſten von der Tafel auf, wenn das Confect noch auf der Tafel ſtehet.

§. 10.

So offt ein in Wien ſich eine Zeit auf - haltender Churfuͤrſt dem Kayſer eine Viſite gie - bet, wird er, wenn er in den Hoff gefahren, beym Ausſteigen aus der Caroſſe, von einigen vorneh - men Kayſerl. Hoff-Cavalliers, von dem Kayſer ſelbſt aber, in der Mitten, oder auch wohl an der Thuͤre der zweyten Anti-chambre empfangen, und in dem Audientz-Saal, jedoch alſo, daß der Kayſer dem Churfuͤrſten zur rechten Hand, und einen oder zwey Schritte zum voraus gehet, ge - fuͤhret. Jm Sitzen bey der Conferentz nimmt der Kayſer die Ober-Stelle gerade gegen der Thuͤren zu, und der Churfuͤrſt ſitzet ihme faſt e diametro gleich uͤber, wenn ſich der Kayſer be - decket hat, wincket er dem Churfuͤrſten ein gleiches zu thun. Bey dem Abſchied wird es wieder wie bey dem Empfang gehalten.

§. 11.

Beſuchet der Kayſer einen in Wien logirenden Churfuͤrſten wieder, wird jener von dieſem an der Caroſſe mit einem tieffen Spani - ſchen Reverentz empfangen, und gehet der Chur -Mfuͤrſt178Europaͤiſchesfuͤrſt die Treppen hinauf, und durch die Anti - chambres voran mit entbloͤßtem Haupte. Jn dem Conferentz-Gemach wird Kaͤyſerlicher Majeſtaͤt eine Fauteuille von drap d’or, dem Churfuͤrſten ein dergleichen Stuhl von rothen Sammet, von eines jeden Ober-Cammer-Her - ren geruͤcket, des Kayſers oben, des Churfuͤrſtens unten an. Wenn ſich der Kayſer bedecket, ſo giebet er dem Churfuͤrſten einen Winck ſich auch zu be - decken, der auch dann ſolches thut, jedoch nach Gelegenheit der Umbſtaͤnde den Hut wieder ab - ziehet. Wenn die Conferentz worbey, und der Kayſer von dem Churfuͤrſten wieder Abſchied nimmt, gehet der Churfuͤrſt abermahl biß an die Caroſſe voran, und zwar unbedeckt, der Kayſer aber bedecket ſich in waͤhrenden gehen, ziehet aber den Hut manchmahl einiges Tempo in den Anti - chambres oder auch auf der Treppen ab. Beym Einſteigen des Kayſers in die Caroſſe, machet der Churfuͤrſt einen tieffen Spaniſchen Reverentz, der Kayſer nur einen Frantzoͤſiſchen, und wenn die Caroſſe abfaͤhret, machet der Churfuͤrſt noch einen Reverentz auff Spaniſche Manier, dargegen ſich der Kayſer in der Caroſſe ſitzend neiget.

Sech -179Hoff-Ceremoniel.

Sechſtes Capitel. Ein Churfuͤrſt mit einem andern Churfuͤrſten.

§. 1.

Die Churfuͤrſten, weil ſie Koͤnigen gleich geachtet werden, ſo empfahen ſie auch einander, wann ſie entweder

    • 1. Auf einem Wahl-Tage
    • 2. Auf einem Reichs-Tage
    • 3. Jn ihren Reſidentien
    und anderswo zuſammen kom - men, mit faſt Koͤniglichen Ceremonien.

§. 2.

Weil nun unter ihnen als Churfuͤrſten und Membris eines Collegii keine differentia dignitatis ſed tantum ordinis, und ſie alſo alle an Wuͤrden und Hoheit einander gleich, ſo ge - ſchiehet es auch, daß der letzt angekommene, wenn er auch gleich der letzte in der Ordnung waͤre, von dem erſt angekommenen, ſo bald er ſeine Ankunfft gehoͤriger maſſen melden laſſen, die erſte Viſite bekommt.

§. 3.

Wenn nun die Kutſche des Beſuchen - den, in den Hoff des Churfuͤrſten, welchen er be - ſuchet gefahren kommt, empfaͤngt der andere Churfuͤrſt dieſen an der Caroſſe, und giebet der Wirth dem Gaſte im Gehen und an der Tafel die rechte Hand. Der Fremde gehet bey Eintritt in ein Zimmer ſtets zuvor in daſſelbe, ſetzen ſich un - ter einem Dais beyde einander gleich uͤber, in glei -M 2che180Europaͤiſchesche chaiſes à bras, und bedecken ſich auch bey - de in einem Tempo. Bey dem Weggehen be - gleiten ſie einander ſolcher Geſtalt, wie bey dem Empfang, und bleibet der Einheimiſche, wenn der Fremde abfaͤhret, ſo lange mit entbloͤßtem Haupte ſtehen, der andere aber in ſeiner Kutſchen auch un - bedeckt, biß ſie einander nicht mehr ſehen koͤnnen.

Siebendes Capitel. Ein Churfuͤrſt mit einem Ertz - Hertzogen von Oeſterreich.

§. 1.

Mit dieſen wird es wegen des Hauſes Alter und Præeminentz, weil bey 300. Jahren her und daruͤber, ſolches in continua ſerie das ſeminarium geweſen, aus welchen man die Roͤm. Koͤnige geholet, und anbey mit beſondern Privilegiis verſehen iſt, faſt ſo als zwiſchen Chur - fuͤrſt und Churfuͤrſt gehalten, nur daß darinnen eine kleine Differentz geſuchet wird, daß ein Chur - fuͤrſt ſich etwas eher bedecken will als ein Ertz - Hertzog, worinnen doch zu Zeiten auch eine Gleich - heit in Obacht genommen worden, in loco ter - tio aber, wenn ein Ertz-Hertzog mit einem Chur - fuͤrſten zuſammen kommen, ſo hat der Churfuͤrſt die Stelle und Præcedentz fuͤr einem Ertz - Hertzoge.

Achtes181Hoff-Ceremoniel.

Achtes Capitel. Ein Churfuͤrſt mit eines Koͤniges Bruder.

§. 1.

Die Zuſammenkunfft dieſer zwey Per - ſonen kan auf folgende Art erfolgen:

  • 1. Jn dem Roͤmiſchen Reich auf Wahl - oder Reichs-Tagen,
  • 2. Auſſer demſelbem und zwar in dem Lande wo der Bruder (des Koͤniglichen Bruders) Koͤnig iſt,
  • 3. Jn der Reſidentz eines Churfuͤrſten,
  • 4. Jn loco tertio, wo der Churfuͤrſt und Koͤ - nigl. Bruder Fremdlinge ſind.

§. 2.

Wie nun generaliter ein Churfuͤrſt, darumb weil er Koͤnigen gleich geachtet wird, und ins beſondere alle Jura Majeſtatica in ſeinem Lan - de exerciret, daran ein Koͤniglicher Bruder kein Theil hat, dem Bruder eines Koͤniges vorgezo - gen wird, alſo wird wenn ein Koͤniglicher Bruder

    • 1. Sich auf einem Wahl-Tage oder Reichs-Tage
    • 2. Jn der Reſidentz eines Chur - fuͤrſten
    einfindet,

das Tractament nicht anders ſeyn, als wenn ein Churfuͤrſt zu dem andern kaͤme.

§. 3.

Wenn aber ein Churfuͤrſt in dem Lande, wo der Koͤnigliche Bruder nebſt dem KoͤnigeM 3wohn -182Europaͤiſcheswohnhafft, ſich einfindet, ſo wird dem Koͤniglichen Bruder die Stelle fuͤr dem Churfuͤrſten asſigniret, wenn ſonderlich der Koͤnigl. Bruder proximus in der Succeſſion nach dem Abſterben des Koͤni - ges waͤre, dergleichen vormahls Carolus VI. war als Joſephus noch lebete. Denn die Erb-Prin - tzen genieſſen eine mehrere Prærogative als die andern, wie man an Jhro Hoheit dem Pfaltz - Grafen, welcher anitzo Stadthalter in Tyrol, und zugleich des Pfaͤltziſchen Churfuͤrſten Herr Bruder und Chur-Printz iſt, wahrnehmen kan. Dergleichen man an dem Churfuͤrſten von Coͤln und Duc d Orleans gewahr worden, welches auch verurſachet, daß ein Churfuͤrſt entweder gar nicht nach Hofe kommt, umb zu verhuͤtten daß er mit den Koͤnigl. Bruͤdern nicht concurrire, wie zu unſerm Zeiten Chur-Baͤyern gethan, oder er beſuchet den Hoff incognito, welches letztere das beſte Mittel, wenn man wegen ſeines Intereſſe den Hoff nicht meiden kan.

Neundtes Capitel. Ein Churfuͤrſt mit einem Reichs - Fuͤrſten.

§. 1.

Man pfleget bey der Reception eines Reichs-Fuͤrſten darauff acht zu haben, ob

  • 1. Der Reichs-Fuͤrſt maͤchtig,
  • 2. Er ein Anverwandter des Churfuͤrſten,
3. Ob183Hoff-Ceremoniel.
  • 3. Ob von beyden keines bey dem Reichs - Fuͤrſten befindlich? und krafft dieſes Unter - ſcheides, pfleget auch das Ceremoniel un - ſchiedlich zu ſeyn.

§. 2.

Dem Reichs-Fuͤrſten von den erſten, zwey Arten, pfleget ein Churfuͤrſt auſſer ſeiner Reſidentz einen Fleck Weges entgegen zu fahren, und ihn zu beneventiren, er wird auf des Chuꝛfuͤr - ſten Wagen genom̃en, ihm die Ober-Stelle gege - ben, und er in das Churfuͤrſtl. Schloß logiret. An der Tafel hat er abermahl die Ober-Stelle, wel - che doch einige Reichs-Fuͤrſten dann und wann nicht acceptiren wollen, dergleichen der Pfaltz - Graff von Simmern, bey dem Churfuͤrſten von der Pfaltz gethan. Wenn der Reichs-Fuͤrſt von der Churfuͤrſtl. Reſidentz wieder abgehet, wird er entweder wieder fuͤr das Thor, und ſo weit hinaus als wo er empfangen worden, begleitet, oder wenn das Wetter oder andere Zufaͤlle ſolches hindern, ſo begleitet ihn der Churfuͤrſt biß an den Wagen, bleibet aber ſelten biß zur Abfarth bey ſelbigen ſtehen.

§. 3.

Wenn ein Appanagireter Reichs-Fuͤrſt, ob er gleich von einem maͤchtigen Hauſe waͤre, und der nicht ſeſſionem & votum in Comitiis hat, zu einem Churfuͤrſten kommet, wird er mit viel minderen Ceremonien, und etwan von dem Churfuͤrſten an der Ober-Stiegen empfangen,M 4ihme184Europaͤiſchesihme auch an der Tafel und ſonſten, nicht die rech - te Hand gegeben.

§. 4.

Auff Wahl - und Reichs-Tagen geben die Reichs-Fuͤrſten den Churfuͤrſten, ob gleich die viel eher ankommen ſind, die erſte Viſite, welches unter ihnen alſo abgeredet und verglichen, und der Vergleich von dem Kayſer confirmiret worden.

Zehendes Capitel. Ein Churfuͤrſt mit einem Fuͤrſtl. Printzen.

§. 1.

Die Fuͤrſtl. Printzen ſind in zweyerley Conſideration, als

  • 1. Erb-Printzen, welche, ob ſie gleich mino - rennes, dennoch, ſo bald der Herr Vater verſtorben, die Regierung uͤberkommen.
  • 2. Cadets, welche an der Regierung non niſi a longinquo theil haben.

§. 2.

Wenn nun ein Erb-Printz, (ſonderlich der ſchon majorennis und ſeine Reiſen voll - bracht) einem Churfuͤrſten die Viſite abſtattet, wird er von dem Churfuͤrſten unten an der Stie - gen empfangen, und in das Gemach gefuͤhret, je - doch dergeſtalt, daß der Erb-Printz im gehen und ſitzen bey der Tafel dem Churfuͤrſten unten gehen und ſitzen muß.

§. 3.

Die Cadets, weil ſelbige als Untertha - nen oder Vaſallen desjenigen regierenden Fuͤr -ſten,185Hoff-Ceremoniel. ſten, deſſen Hauſe ſie zugehoͤren, gehalten werden, empfaͤnget ein Churfuͤrſt nur oben an der Trep - pen, wird auch gar ſelten (wo er nicht ein Freund des Churfuͤrſten, oder von einem gar maͤchtigen Hauſe waͤre) mit an die Churfuͤrſtl. Tafel ge - nommen, ſondern in ſeinem Qvartier auf des Churfuͤrſten Unkoſten, oder an der Tafel des Chur-Printzens, wann einer vorhanden, ge - ſpeiſet.

§. 4.

An dem Chur-Pfaͤltziſchen Hofe pfleget man einem Fuͤrſtl. Cadet dem Chur-Printz an der Tafel vorzuſetzen, von Chur-Brandenburg aber geſchiehet ſolches nicht, vermuthlich wegen der Souveraineté uͤber Preuſſen, oder ja, weil es niemahlẽ an dieſem Hofe braͤuchlich geweſen. Der Pfaltz-Graf von Saltzbach, hat zwar den Rang uͤber den Chur-Brandenburgiſchen Erb-Printzen prætendiret, aber nicht erhalten, und iſt deswegen nicht wieder dahin kommen. So iſt auch dem Koͤnig William, als er noch Printz von Oranien war, und ſich in dem Churfuͤrſtl. Hofe Branden - burg eine Zeit aufhielte, dieſe Stelle nicht gegeben worden. Ja es cediren dieſe Chur-Printzen kei - nem extraordinair-Envoye, wie man an dem Baron de Goes geſehen. Dem Printz von Heſ - ſen hat man einſten die Stelle uͤber den Chur - Printzen gelaſſen, weil er bald nach ſeiner Majo - rennitaͤt die Regierung antreten ſolte.

M 5Eilff -186Europaͤiſches

Eilfftes Capitel. Ein Churfuͤrſt mit einem Biſchoff.

§. 1.

Mit dieſem halten es die Churfuͤrſten, als mit denen regierenden Reichs-Fuͤrſten, daß ſie ſel - bige nemlich ein Stuͤck, meiſtens ein Viertel-we - ges fuͤr der Stadt empfangen, in ihren Wagen nehmen, und ihme darinnen, wie auch im ge - hen, und ſitzen an der Tafel die Ober-Hand ge - ben: welches aber doch nicht durchgehends al - len geſchiehet, denn man hat acht, ob der Biſchoff aus einem alten Fuͤrſtl. Hauſe, oder nur von min - derer Extraction ſey, it. ob ſein Bißthumb mit be - ſonderen Prærogativen qualificiret.

Zwoͤlfftes Capitel. Ein Churfuͤrſt mit einem Grand d Eſpagne, de Portugal, oder mit einem Duc und Pair de France, oder Woywoden aus Pohlen.

§. 1.

Wenn ein bergleichen Herr an einen Churfuͤrſtl. Hoff fuͤr ſeine eigene Perſon (nicht in qualité eines Geſandten) kommet, wird er mit der Churfuͤrſtl. Leib-Kutſche abgeholet, in den inneren Hoff gefuͤhret, da ihn der Marſchall mit etlichen Cavalliers empfaͤnget, Jhro Churfuͤrſt - liche Durchlauchtigkeit empfangen ihn an der Thuͤre der Anti-chambre, fuͤhren ihn in den Au -dientz -187Hoff-Ceremoniel. dientz-Saal, geben ihme aber nicht die Ober - Stelle.

§. 2.

Jm Anreden gebrauchet ſich der Chur - fuͤrſt des pronominis conjunctivi perſonalis in der dritten Perſon, und heiſſen ihn, Sie, wel - ches weniger iſt als Eure Liebden, und mehr als Herr Graff. Waͤre aber der Grand ein Her - tzog von Gebluͤt, ſo wuͤrde man ihme das Wort, Euer Liebden, allerdings beylegen.

§. 3.

Die Grands primi ordinis, weil ſie das Recht haben, ſich in Gegenwart ihrer Koͤnige zu decken, ſo unterlaſſen ſie es auch nicht bey den Churfuͤrſten zu thun. Wenn es aber nur Grands ſecundi oder tertii ordinis ſind, duͤrffen ſie ſich nicht eher decken biß ſie der Churfuͤrſt dazu invi - tiret.

§. 4.

An der Tafel giebet man ihm eine chaiſe à bras, jedoch ſitzet er unter dem Chur - fuͤrſten an einer Seiten der Tafel, und ob man ihme auch gleich das Waſſer præſentiret, nimmt er es doch nicht an.

§. 5.

Die Chur-Printzen weichen ihnen auch nicht, weder im gehen noch ſitzen, und wuͤrden eher von der Tafel und ihrer Converſation bleiben, als ihnen eine dergleichen Præjuditz verſtatten.

Drit -188Europaͤiſches

Dritter Theil. Von Abſendung und Zuſammen - kunfft der Geſandten und Abgeſandten.

Proœmium.

§. 1.

WEil es rar, und vielmahl unmoͤglich, (ſonderlich was die Souverainen Re - publiqven betrifft) daß die Majeſtaͤten, und ihnen gleichende Perſonen zuſammen kommen koͤnnen, ſo werden die unter ihnen abzuſtattende Viſiten und vorfallende Negotia durch Geſandſchafften verrichtet.

§. 2.

Dieſe nun werden geſendet, entweder

  • 1. An einen Hoff eines Souverainen, oder
  • 2. Jn locum tertium, welches meiſtens auff den Frieden-Schluͤſſen, heut zu Tage gar ſelten auf Conciliis geſchiehet,

§. 3.

Wie ſelbige an dieſem oder jenem Hoffe angenommen werden, oder wie ſie ſich ſelbſten unter einander zu empfangen pflegen, werden wir in folgenden Capiteln hoͤren, zuvor aber, was ein Geſandter, und wie viel Arten derſelben ſind, auch was ſonſten zu dieſer Function gehoͤrig, verneh - men muͤſſen.

Erſtes189Hoff-Ceremoniel.

Erſtes Capitel. Von denen Geſandten und ihrer Eintheilung uͤberhaupt.

§. 1.

Was den Henricum Wotton, Groß - Britaniſchen Geſandten, und Drexelium be - wogen, und wie ſie ſich zu juſtificiren haben moͤchten, daß ſie einen Geſandten alſo definiret, Legatus eſt vir bonus peregre miſſus ad men - tiendum reipublicæ cauſa, weiß man nicht, haͤlt aber die Deſcription eines Geſandten, wel - che Quicciardinus gemacht, fuͤr viel beſſer, denn dieſer nennet ſie, lange Haͤnde, Augen, und Oh - ren der Souverainen, welches mit ihrem Thun gar wohl uͤbereintrifft.

§. 2.

Bey dieſer Art Leuten, muß man nun acht haben auff die Perſon

  • 1. Des Sendenden, welcher das Jus Legatum mittendi hat, entweder
  • 1. Aus dem Voͤlcker-Recht, dergleichen alle Souverains beſitzen,
  • 2. Aus dem Buͤrgerlichen Recht, derglei - chen die Staͤnde des Roͤm. Reiches vi Ju - ris ſuperioritatis beſitzen.
  • 2. Des Geſandten, denn dieſe ſind entweder,
1. Un -190Europaͤiſches
  • 1. Unterſchieden wegen
    • 1. Jhrer Dignitaͤt, weil man einige abſendet
      • 1. Mit einem Rang, und zwar
        • 1. Cum charactere repræſentativo, welche hernach Ambaſſadeurs, Bothſchaffter, Geſandten, Legati genennet, und in
        • 1. Ordinarios &
        • 2. Extraordinarios getheilet wer - den,
        • 2. Ohne charactere repræſentati - vo, dieſe nennet man Envoyés oder Abgeſandten, ablegatos.
      • 2. Sonder Rang, die Reſidenten, Agenten, Conſuls.
    • 2. Jhrer Verrichtung, maſſen einige
      • 1. Functiones excubitorias, oder Etats - affaires zu verrichten v. gr. Alliances, Commercien-Tractate, Frieden zu - ſchlieſſen,
      • 2. Functiones officioſas abzuſtatten, ent - weder
        • 1. Zu gratuliren, wegen einer Vermaͤh - lung, Geburth, Victorie, Succeſſion in der Regierung: wie denn der Roͤm. Pabſt dergleichen Succeſſions-Gra - tulationes von allen Catholiſchen Po - tentaten, nach ſeiner Erhoͤhung auf den Paͤbſtl. Stuhl der maſſen prætendi -ret,191Hoff-Ceremoniel. ret, daß er nach Quicciardini Bericht auf den Koͤnig in Spanien, als er ihme nicht in gewoͤhnlicher Zeit einen Geſand - ten zu Ablegung der Gratulation geſen - det, ſehr unwillig worden. Es pflegen auch die Catholiſchen Majeſtaͤten, ihre Er - hoͤhung zu der Koͤnigl. Wuͤrde dem Pabſt durch eine Geſandſchafft notificiren zu laſſen, welche man legationes obœdi - entiæ nennet, dergleichen 1633. den 6. Decemb. der Hertzog von Oſſelin von wegen des Koͤniges in Pohlen Vladis - lai VI. verrichtete, und dieſen Vortrag thate: Vladislaus Koͤnig in Pohlen uͤber - giebet ſich, ſeine Reiche und Waffen ſei - ner Heiligkeit, præſtiret ſeine Obœdientz, und verſpricht von der Autoritaͤt und Hochachtung des heil. Stuhls niemah - len abzuweichen. Jhro Roͤmiſchen Kay - ſerlichen Majeſtaͤt Caroli VI. Ambaſſa - deur, Se. Excellentz, der Marquis de Prie, wurde zu Ende des 1713. Jahres, von hoͤchſtgedachter Kayſerlichen Maje - ſtaͤt beordret, auch die legationem obœdientiæ bey Pabſt Clemente XI. abzulegen, und weil dieſer Kayſerliche Miniſter ſchon geraume Zeit in Rom in der Qualité eines Ambaſſadeurs gelebet, hielte er bey Paͤbſtl. Heiligkeit an, daßman192Europaͤiſchesman ihm bey Ablegung der legationis obœdientiæ diſpenſiren moͤchte, daß er nicht allererſt in Rom eine neue Entrée halten duͤrffte. Endlich erfolgete auch A. 1714. den 16. Febr. dieſe Legation, welche hochgedachter Herr Ambaſſadeur bey Paͤbſtl. Heiligkeit ablegete, und Jhr in Ge - genwart der Cardinaͤle Palucci, Albani, Sacripanti, Cada, Imperiali, und Co - lonna die Kayſerl. Credentiales uͤber - reichete, darauf ihme der Pabſt ein Breve zuſtellete, in welchen Kayſerl Majeſtaͤt das Recht zugeſtanden wurde, ein eintziges mahl, jedoch ohne alle Conſequentz, mit denen in dem Roͤm. Reich vacirenden Be - neficiis Eccleſiaſticis zu diſponiren, wel - ches vormahlen allen Kayſern bey Antre - tung ihrer Regierung zwar verſtattet, aber von Zeiten Kayſers Rudolphi an von den Paͤbſten war aufgehoben, nunmehro aber in der Perſon itzt regierender Kayſerlichen Majeſtaͤt Caroli VI. wiederum poſtli - minio reſtituiret worden.
        • 2. Zu condoliren wegen Abſterben oder an - derer Trauer-Faͤlle, deſſen man ſchon ein gar altes, jedoch ſchrifftmaͤßiges Exem - pel an dem Koͤnige David findet, welcher an den Ammoniter Koͤnig, ihme wegen des Abſterbens ſeines Vaters zu condo -liren193Hoff-Ceremoniel. liren, Geſandte abgeſchickt. Der neuen Exem - pel findet man in den Zeitungen alle Jahre zur Gnuͤge.
        • 2. Einerley ratione
  • 1. Finis, weil ein jeder, er ſey Ambaſſadeur, oder Envoyé, &c. ſeines Herren Befehl auszurichten, und deſſen Intereſſe zu be - obachten hat,
  • 2. Juris Legatis competentis, welches mei - ſtens in
    • 1. Der Inviolabilitaͤt
    • 2. Immunitaͤt
    • 3. Ceremonie
    beſtehet.

Zweytes Capitel. Von den Legatis oder Nunciis Apoſtolicis.

§. 1.

Weil der Roͤm. Pabſt in der Chriſten - heit, und zwar bey denen Catholiſchen, fuͤr das Haupt der Kirchen, derer die Majeſtaͤten nur Glieder: Er der Pabſt als Vater, die Souve - rains aber nur als Kinder conſideriret werden, ſo iſt kein Zweifel, daß die der Roͤm. Catholiſchen Religion zugethane Potentien ihme alle Defe - rence zugeſtatten, und deſſen Geſandten in der Qualité, mit welcher ſie der Pabſt characteriſi - ret annehmen.

N§. 2. Da194Europaͤiſches

§. 2.

Da er nun alſo als Vicarius Dei, Suc - ceſſor Petri, und Caput Eccleſiæ viſibile an - geſehen wird, pflegen ihme ex hac hypotheſi, die Catholiſchen Souverains in ſeinen Legatis mehr Ehre anzuthun, als ſie andern Geſandten weltli - cher Potentaten erweiſen. Dannenhero Hen - ricus IV. in Franckreich, nachdem er ſich zu dem Catholiſchen Glauben bekennet, von Paͤbſtl. Heiligkeit die Abolition ſeiner vorigen Wieder - ſpenſtigkeit gebethen, und darauff die Ehre hatte, daß der Pabſt einen Legatum à latere an ihn ſendete, demſelben in Begleitung viertzig der vornehmſten Herren, eine gantze Tage-Reiſe entgegen gieng, und ihn in Perſon einhohlete. Ein gleiches geſchahe von Philippo IV. Koͤnige in Spanien, An. 1662. Denn als der Cardinal Ba - barino von ſeinem Vetter dem Pabſt Urbano VIII. nach Spanien als Legatus a latere abge - ſendet, nahe an Madrit kommen war, ritte ihm der Koͤnig biß fuͤr das Thor Alcala entgegen, und weil der Koͤnig auf dem Pferde ſitzen blieb, ſo ſtieg der Cardinal auch nicht ab, ritten alſo beyde, doch der Koͤnig die Ober-Stelle nehmende, nach der Kirchen St. Maria, allwo der Koͤnig von dem Cardinal Abſchied nahme. Und als An. 1664. zu dem Monſieur gleichfalls ein Legatus a la - tere geſendet wurde, gieng ihm dieſer eine gantze Meile entgegen, gab ihme die Ober-Stelle, und thate viel ein mehreres, als er einem andern welt -lichen195Hoff-Ceremoniel. lichem Geſandten zu erweiſen nicht gewohnet. Ja itzt regierende Roͤm. Kayſerl. Majeſtaͤt Carolus VI. ritten 1711. dem Paͤbſtl. Nuntio biß an die Thore der Stadte Meyland, in welcher ſie ſich da - mahlen nach dero Retour aus Spanien, das Deutſche Kayſerthumb anzutreten, auf eine Zeit aufhielten, entgegen, und begleiteten ſelbigen, jedoch die Ober-Hand uͤber ihn behaltende, biß an die Haupt-Kirchen gemeldter Haupt-Stadt der Lombardie.

§. 3.

Ob nun gleich an allen Orten, wo der Catholiſche Glaube herrſchet, denen Paͤbſtl. Nun - tiis beſondere Ehre angethan wird, ſo ſind doch ſelbige in Franckreich nicht ſo hoch angeſehen als anders wo, denn

  • 1. So bald ein Paͤbſtl. Legatus mit geiſt - oder weltlichen Verrichtungen in Franckreich ankommt, muß er zu Lyon ſubſiſtiren, und darff nicht weiter in das Koͤnigreich avan - ciren,
  • 2. Sein Breve benebenſt dem Jnhalt ſeiner Verrichtung, ſammt allen ſchrifftlichen Do - cumenten, dem Koͤnig und Parlament zu Paris zuvor uͤberſenden,
  • 3. Ein Decret von dem Koͤnig erwarten, was man in ſeiner Negotiation zulaſſen wolle, da es ihme dann fꝛey ſtehet, ſelbiges zu acceptiren oder wieder nach Hauſe zu keh -N 2ren196Europaͤiſchesren, oder neue Inſtruction von Rom zu erwarten.
  • 4. So bald er aus dem Staat von Avignon auf des Koͤniges Gebiete tritt, muß er das Creutze ſincken laſſen, quia erecta eſt ſignum Jurisdictionis.
  • 5. Wird ihm ein oder auch ein paar Secretarii, ſo von Nation Frantzoſen, zugeordnet, wel - ches der Koͤnig ſonſten keinem andern Sou - verainen zumuthen darff.

§. 4.

Auf Seiten der Proteſtirenden wird der Pabſt als einer der vornehmſten und Souve - raineſten Fuͤrſten von Jtalien regardiret, wel - chen man das Jus Legatos mittendi nicht ver - weigern kan, allein die Majeſtaͤten der proteſti - renden Religion, wie auch die Churfuͤrſten, ſo ſelbiger zugethan, tractiren die Paͤbſtl. Geſand - ten nicht anders als anderer Jtaliaͤniſchen Fuͤr - ſten Geſandten, und geben ihnen nicht den Rang uͤber ſich, gleichwie die Catholiſchen thun. Dan - nenhero es bey den Geſandten der proteſtiren - den Majeſtaͤten, Chur - und Fuͤrſten, wenn ſie mit den Paͤbſtl. Geſandten concurriren, einiger Circumſpection benoͤthiget, ob ſie ſich

  • 1. Mit dem Nuntio in dem Hoffe eines Catho - liſchen Souverains befinden, oder
  • 2. Mit dem Nuntio in loco tertio concur - riren.

§. 5.

Jn dem erſteren Fall, weil es leicht zuver -197Hoff-Ceremoniel. vermuthen, daß der Catholiſche Potentat Chur - oder ander Fuͤrſte, dem Paͤbſtlichen Nuntio den Vorzug fuͤr einem Geſandten eines prote - ſtirenden Koͤniges, Churfuͤrſtens oder Fuͤrſtens einraͤumen wird, ſo hat der proteſtirende Mini - ſter alle Gelegenheit zu meiden, mit dem Nuntio nicht publice in Zuſammenkunfft zu gehen, damit er nicht genoͤthiget werde, etwas zu ſeines Prin - cipalen Præjuditz zu leiden; im fall er aber ver - ſichert, daß der Nuncius ſonſten von ſeiner Con - verſation nicht abhorriret, kan er ſelbigen wohl par rencontre auf den Promenaden, Bals oder auch in privat-Gelegenheiten, nicht in der Qualité als eines Miniſters, ſondern in der Qualité ſeines characteris clericalis v. gr. Ertz-Biſchoffes, Biſchoffes, Abts ꝛc. ſprechen, und mit ihme ohne alles ceremoniale publicum Converſation und Freundſchafft hegen.

§. 6.

Geſchiehet die Zuſammenkunfft eines Nuntii und eines Geſandten proteſtirender Religion in loco tertio, auſſer dem Hoffe eines Catholiſchen Printzen, ſo bleibet es der etablirten Gewohnheit nach dabey, daß der Nuntius dem Geſandten eines proteſtirenden Koͤniges oder Churfuͤrſtens weichen muß. Weil man ihme nicht mehr einraͤumet, als einem Geſandten der uͤbrigen Jtaliaͤniſchen Fuͤrſten. Und dannen - hero wird ein Nuntius, welcher ſpaͤter ankom - men, als ein Koͤnigl. oder Churfuͤrſtl. Abgeſand -N 3ter,198Europaͤiſchester, ſo bald er ſeine Ankunfft gebuͤhrend melden laſſen, von dem Koͤnigl. oder Churfuͤrſtlichen Ge - ſandten zuerſt beſuchet, und ihme Tractament gegeben, als anderen Souverainen Fuͤrſten in Jtalien. Waͤre aber der Paͤbſtliche Nuntius eher ankommen, als der Miniſter eines proteſtirenden Souverains, ſo wuͤrde der Pro - teſtirende allerdings, nachdem er dem Nuntio Apoſtolico ſeine Ankunfft melden laſſen, von ſelbigem reciproce die erſte Viſite erwarten.

§. 7.

Die Arten Paͤbſtl. Legatorum ſind dreyerley.

  • 1. Legati a latere, welche aus dem Collegio der Cardinaͤle genommen, und deswegen alſo genennet werden, weil man ſie pro parte cor - poris Papæ, oder ex latere Papæ, gleichwie etwan die Eva aus der Seiten des Adams, ge - nommen zu ſeyn, achtet. Dannenhero Jvo Car - not Epiſt. ad Pachalem Pont. max. c. 9. ge - ſchrieben: Cum enim a Latere veſtro mit - titis ad nos Cardinales veſtros tanquam filios uterinos, Und bald darauff: Dicunt Apoſtolicam ſedem, ſuam, aut Lateralium ſuorum quærere commoditatem. Dieſe als die vornehmſten, werden geſendet,
    • 1. Einige dem Pabſt unterworffene Provin - tzien mit Geiſt - und weltlicher Gewalt zu regieren v. gr. den Staat von Avignon, Ferrara, Bononien
    • 2. Negotia, zwiſchen dem Pabſte und anderenPo -199Hoff-Ceremoniel. Potentaten zu uͤbeꝛnehmen, deꝛgleichen Ver - richtung Chinelli, oder wie er von den Deutſchen genennet wird, Fabius Chigi - us An. 1648., welcher hernach Pabſt, und Alexander VII. genennet worden, bey dem Weſtphaͤliſchen Frieden, und nach ihme viele andere gehabt. Paͤbſtliche Hei - ligkeit ſenden nun dergleichen Legatos a latere,
      • 1. gar ſelten
      • 2. Auf gar kurtze Zeit, weil die Koſten, welche auf ſelbige zu verwenden, allzu groß, indem ihnen taͤglich wenigſtens 500. vielmahl aber auch mehr, und wohl biß 1000. Scudi (derer jeder faſt 2. Flo - ren. ausmachet) deſtiniret werden.
  • 2. Legati miſſi vel conſtituti, oder die ſo ge - nenneten Nuntii, welche mit denen Legatis a latere, was die auswertigen Verrichtungen anbelanget, in allen Stuͤcken ratione finis, nicht ratione dignitatis oder characteris gleich ſeyn koͤnnen: wiewohl man auch einige Exempel hat, daß einige der Nuntiorum mit einem Charactere verſehen worden. Sie ge - hen allen Ertz-Biſchoͤffen und Biſchoͤffen vor, weil ſie die Perſon des Pabſtes repræſenti - ren. Es giebet auch Internuntios, welche von den Nuntiis meiſtens darinnen differi - ren, daß man ſie nur an dergleichen Oerter ſen -N 4det,200Europaͤiſchesdet, wo kein Souverainer Fuͤrſt oder freye Re - bublique, ſondꝛen nur etwan ein Vice-Roy oder Gouverneur ſich befinden, odeꝛ in eine Reichs - Stadt: ſie werden demnach auch nicht ſo hoch reſpectiret als die Nuntii, ſondern muͤſſen mit einem wenigern Tractement zu frieden ſeyn.
  • 3. Legati nati, (welche hierher zwar eigentlich nicht gehoͤren, maſſen ſie krafft ihrer Præroga - tiv weder im Nahmen des Pabſtes etwas ne - gotiren koͤnnen, noch auch Jurisdictionem als Legati haben) ſind diejenigen, welche wegen der Wuͤrde, ſo demſelbigen Bißthum, wozu man ſie gewehlet beygeleget worden, ipſa ele - ctione Nuntii werden, gleichwie etwan die Geiſtlichen Churfuͤrſtenthuͤmer auff dem Ertz - Biſchoffthum Mayntz, Trier, Coͤln hafften. Und weil ihre Dignitaͤt keiner neuen oder be - ſonderen Confirmation vonnoͤthen, hat man fingiret als haͤtten ſie dieſe Wuͤrde von Ge - burt, und ſind demnach Legati nati genennet worden. Dergleichen Prærogativ be - ſitzet, in Deutſchland der Ertz-Biſchoff von Saltzburg, in Boͤhmen der von Prag, in Pohlen der von Gneſen ꝛc.
Drit -201Hoff-Ceremoniel.

Drittes Capitel. Von denen Ambaſſadeurs und En - voyés, was ſie pflegen mit einander gemein zu haben.

§. 1.

Damit man einerley Sache nicht zwey - mahl ſetze, und das Werck ohne Noth vergroͤſſe - re, ſo hat man in dieſem Capitel von einigen Noth - wendigkeiten ſo zu einem Ambaſſadeur und En - voyé erforderlich, conjunctim handeln wollen.

§. 2.

Einer und der andere empfaͤnget,

    • 1. Von ſeinem Principal
        • 1. Eine Inſtruction, welche entweder
          • 1. Publica, die dergleichen generalia und ſolche Dinge in ſich haͤlt, welche man auf beduͤrfftigen Fall allen Leuten zeigen kan.
          • 2. Secreta, derer Vorſchein keinem zu Ge - ſichte kommt als dem Ambaſſadeur oder Envoyé, und ihme zu einer Regel dienet, wie er ſich in ſeiner Charge auf - zufuͤhren. Denn er wird in ſelbiger an - gewieſen,
            • 1. Mit wem er es halten,
            • 2. Weſſen Partie er ergreiffen,
            • 3. Was fuͤr Demarches er nehmen,
            • 4. Was und wie viel Eſpionen er halten,
            • 5. Auf welcher Sache er feſt beſtehen,
            • 6. Jn welcher er etwas nachgeben,
            • 202
            • 7. Was fuͤr ein Ceremoniel er præten - diren ſolle, ꝛc. und dergleichen Dinge mehr, in welchen es noͤthig einem Mini - ſter Ziel und Maaß zu ſetzen. Dieſe Art der Inſtructionen darff ein Ambaſ - ſadeur oder Envoyé nicht leicht uͤber - ſchreiten, will er nicht auf einmahl ſein Gluͤcke hazardiren; jedoch wenn des Herrn Principals inevitable Intereſſe darunter verſiret, und ein Miniſter nur weiß, wie er mit ſeinem Herren ſtehet, kan er zu Zeiten wohl etwas wagen, was auſ - ſer (præter) nicht aber was wieder (contra) die Inſtruction lauffet. Denn allerdings zu befuͤrchten, daß es ſonſt ei - nem Geſandten ſo ergehen moͤchte, wie es dem Waldemaro, Marggraffens zu Brandenburg, und Anno 1639. dem Brugmann, Hertzoglichen Holſteiniſchen Geſandten nach Perſien ergangen, von welchem erſtern Cranzius Lib. 9. Re - rum Sax. c. 8. von dem andern aber Olearius lib. 6. cap. ult. p. 778. Mel - dung thun.
        • 2. Ein crediti ve oder Vollmacht, durch wel - che ſich ein Geſandter oder Abgeſandter legitimiren kan, eine gewiſſe Affaire zu tractiren und abzuhandeln. Dieſes muß er demjenigen, zu welchem er geſendet wor -den,203Hoff-Ceremoniel. den, noch fuͤr der Audientz einhaͤndigen: bey einem Friedens-Congreß aber dem Miniſtro Mediationis, im fall einer vor - handen, wo aber keiner dar, nur imme - diate dem Miniſter mit welchem er zu ne - gotiren hat, produciren, welches meiſtens durch einen Cavallier oder Legations-Se - cretarium zu geſchehen pfleget: da denn der Mediator hernach das Creditiv mit in die Conferentz nimmt und ablieſet, und wenn ſolches geſchehen, herumb fraget, ob jemand etwas darwieder einzuwenden. Man giebet auch Copien an dieſelbigen welche ſie verlangen, und wenn alſo nie - mand wieder das Creditiv etwas einzu - wenden hat, wird der abgeſchickte Mini - ſter bey Hoffe zur Audientz, bey Friedens - Schluͤſſen aber zur Conferentz admittiret, weil ſolches Creditiv glaubend machet, daß man mit ihme ſicher negotiren koͤnne. Jſt nun das Creditiv mit einem Pleinpou - voir verſehen, ſo kan der Principal, was der Abgeſendete Miniſter ſchleuſt, gar nicht, oder doch gar ſchwerlich retractiren. Ein beſondeꝛes Exempel eines deꝛgleichen Plein - pouvoirs erzehlet Cominæus, daß es der Hertzog Carl von Burgundien ſeinem ab - geordnetem Miniſter an Ludovicum XI. in Franckreich, und zwar dergeſtalt gege -ben,204Europaͤiſchesben, daß er an ſtat der Benennung deſ - ſen, was, und wie weit er negotiren ſolle, ihme eine Charta bianqua ertheilet, da - durch zeigende, daß er ihme poteſtatem liberrimam & illimitatam uͤberlaſſe, alles nach ſeinem Gutduͤncken zu negoti - ren, und ſolches zu ratihabiren: Ein auch gantz abſolutes und ſonſt nicht gewoͤhn - liches Pleinpouvoir, gabe der itzige Koͤ - nig in Franckreich dem Monſ. Lionne, in deme ihme ertheiletem Creditiv an den Koͤnig in Spanien, deſſen Jnhalt dieſer war: Je donne pouvoir au Sieur Li - onne, Conſeiller en mon Conſeil d Etat, d ajouter, conclurre & ſigner, les Articles du Traité de Paix, entre Moy & mon Frere & Oncle le Roy d Eſpa - gne, & promets en Foy & parole de Roy, d’approuver, ratifier, & execu - ter tout ce, que le dit Sieur de Lion - ne aura accordé en mon nom, en ver - tu du Preſent. Wenn ſich aber der Principal die Clauſulam ratihabito - riam vorbehalten, oder wohl gar bedun - gen, daß ſein abgeordneter Miniſter, ohne vorgethane Notification an ſeinen Prin - cipal, nichts zum Schluß bringen ſolle, kan er ſo dann ohne gegebene Nachricht, und ohne darauf erhaltene Reſolutionvon205Hoff-Ceremoniel. von ſeinem Herren, nichts ſchlieſſen. Dieſe letztere verclauſulirte Creditivs oder Voll - machten, ſind denjenigen an welche man ſendet, nicht gar angenehm, weil ſie von langſamer Expedition, gelangen auch ei - nem Abgeordneten zu ſchlechter Reputa - tion, hingegen aber auch zu keiner groſſen Verantwortung. Die generalia oder uſitatiſſima, ſo den Creditiven einverleibet werden, ſind, daß man
          • 1. Die Perſon des Sendenden, meiſtens mit ſeinem gantzen Titel,
          • 2. Die Perſon deſſen an welchen man ſendet,
          • 3. Die Perſon des Miniſtri mit ſeinem Nahmen und Titul ſetzet;
          • 4. Die Qualité und Character des Ab - geordneten exprimiret, da denn in dem Creditiv
            • 1. Eines Ambaſſadeurs dieſe Worte ſtehen: Wollen Euer Majeſtaͤt (Euer Liebden) ſelbigen gleich uns ſelbſt auf - und annehmen, wie wir ihm dann die Macht ertheilet ſich aller uns zuſte - henden Prærogatifs und Ge - rechtigkeit zu gebrauchen.
            • 2. Eines Envoyé folgende Worte be -find -206Europaͤiſchesfindlich: Euer Majeſtaͤt (Euer Lieb - den) wollen ihme in allen was er vor - bringen wird, gleich uns ſelbſten voͤlligen Glauben bey meſſen.
          • 5. Die Urſache warumb man ihn ſendet,
          • 6. Den Ort wo er ſich hin begeben ſoll, wel - ches aber nur bey Friedens-Congreſſen braͤuchlich, auch vielmahl ausgelaſſen wird.
        • 3. Einen Character von welchem unten bey der Perſon des Ambaſſadeurs wird gehan - delt werden, weil ein Envoyé dieſen mit dem Ambaſſadeur nicht gemein hat.
    • 2. Von einem andern als ſeinem Principal, nemlich von
        • 1. Demjenigen durch deſſen Land, und
        • 2. Demjenigen nach deſſen Land
        der Abge - ordnete reiſet, und dieſes nennet man Sal - vum Conductum oder Paſſeport, wobey zu mercken, daß wie alle Menſchen nach dem natuͤrlichen Recht inviolable, weil es ein præceptum juris nat. neminem lædere; ſo ſind die Geſandten noch ins beſondere ex Jure gentium inviolable. Denn weil die Voͤlcker keine Alliancen ſchlieſſen, keinem Kriege geſchickt abhelffen, und keine andere Negotia mit Nachdruck unter ſich treiben oder tractiren koͤnnen, als durch Vermit - telung der abgeordneten Miniſtres, ſo hatdie207Hoff-Ceremoniel. die Nothwendigkeit dieſes Recht eingefuͤh - ret, daß man ſie aller Orten ungehindert paſſiren laſſe. Jedoch aber iſt dieſes Voͤl - cker-Recht heut zu Tage ſo ſchwach worden, daß ſich kein Potentat und deſſen Miniſter ſicher darauf verlaſſen kan, daß man ſeinen Miniſter durch und in ein Land werde frey paſſiren laſſe. Jedoch aber iſt dieſes Voͤl - cker-Recht heut zu Tage ſo ſchwach worden, daß ſich kein Potentat und deſſen Miniſter ſicher darauf verlaſſen kan, daß man ſeinen Miniſter durch und in ein Land werde frey paſſiren laſſen, dafern man ihme nicht zuvor durch ertheilete Paſſeports die Verſiche - rung daruͤber gethan. Scheinet demnach die Perſon eines Abgeordneten aus dem Voͤlcker-Recht nicht ſo gar ſancta und pri - vilegiata zu ſeyn, wenn nicht allemahl durch neu ertheilete Paſſeports dieſe ſanctitas und Privilegium wiederum confirmiret, und diß was das Voͤlcker-Recht eingefuͤh - ret, durch einen neuen Conſenß deſſen an den man ſendet, und durch deſſen Land man ſendet, ratificiret wird.

§. 3.

Dahero wird, wie auf Seiten des ſenden - den Souverains die Inſtruction und Creditiv, alſo auf Seiten deſſen an den man ſendet, dem Abgeordneten folgendes ertheilet:

  • 1. Der Paſſeport, in welchem ſonderlich enthal - ten, daß der abgeordnete Miniſter (oder wenn derer mehr als einer, alle, von denen ſo dann ein jeder mit Nahmen genennet wird) mit ſeiner Equipage und Gefolge frey und ungehin - dert, ohne Erlegung der ordinairen Zoͤlle, undbe -208EuropaͤiſchesBeſchwernuͤſſen, in dem Koͤnigreiche (oder auch durch das Koͤnigreich, wenn nemlich ein Abgeordneter durch das Territorium eines andern, an den er nicht geſendet worden, gehen muß) reiſen, negotiren und aufhalten, paß - und repaſſiren moͤge. Hierdurch wird ein Abgeordneter verſichert, daß er nirgends werde an und aufgehalten, oder wohl gar arreſtiret werden; wagete er es aber, ohne Paſſeport durch und in ein fremdes Territorium zu ge - hen, ſo muͤſte er gewaͤrtig ſeyn, wie man ihn annehmen wuͤrde: und ſo ihme was Wiedri - ges zuſtoͤſſe, wuͤrde er ſich mit dem Jure Gen - tium ſchlecht ſchuͤtzen koͤnnen, weil ein Paſſe - port heut zu Tage mehr als ſelbiges gilt. Jn - zwiſchen muͤſſen die Geſandten dieſe Paſſeporte nicht mißbrauchen, und mehr Effecten, ſon - derlich an vivres bey ſich fuͤhren, als ſie fuͤr ſich conſumiren koͤnnen. Dannenhero noch in dieſem 1712. Jahr, als die Frantzoſen, 280. Oxhoͤfft Wein durch Luͤttich nach Utrecht an die Frantzoͤſiſchen Geſandten fuͤhren wolten, die Herrn Staaten von Holland dem in Utrecht befindlichen Frantzoͤſiſchem Miniſter intimiren laſſen, des Paſſeports nicht zu miß - brauchen, und nicht zum Nachtheil der Jn - wohner mit Wein Trafiquen zu machen.

§. 4.

Wegen dieſer Paſſeporte nun ſetzet esnicht209Hoff-Ceremoniel. nicht ſelten allerhand Wiederwaͤrtigkeit, theils wegen

  • 1. Derer Ertheilung, theils
  • 2. Wegen der Titulaturen.

§. 5.

Die Ertheilung derſelben wird manchmahl gar ſchwerlich erhalten, ſo wohl von demſelben,

  • 1. Durch deſſen Land man reiſen muß, als auch
  • 2. Jn deſſen Lande man die Geſandſchafft verrichten ſoll. Denn wenn derjenige, durch deſſen Territorium ein Geſand - ter ſeinen Weg zu nehmen hat, mit dem ſendenden Potentaten, oder demſelben an welchen geſendet wird, nicht gut Freund iſt, oder befuͤrchtet, daß die Ge - ſandſchafft wieder ſein Intereſſe lauffen moͤchte, wird er ſchwer oder gar nicht zu Aushaͤndigung eines Paſſeports zu bewegen ſeyn, und auf ſolchen Fall muß man entweder
  • 1. Einen groſſen Umweg in der Reiſe neh - men, oder
  • 2. Homines perſonatos unter der Geſtalt eines Geiſtlichen, Kauffmanns ꝛc. ohne alle Svite und Pomp abordnen, welche die Affaire incognito treiben. Der - gleichen verrichtete Calliere, vor den Rißwigiſchen Frieden, indem er nachOAm -210EuropaͤiſchesAmſterdam als ein Kauffmann, nach Utrecht aber als ein Hut-Staffirer kam, in dem letzten Orte aber durch ſei - ne Diſcurſe bald waͤre erkandt worden.

§. 6.

Nicht weniger Schwuͤrigkeit gie - bet es, wenn man gewiſſe Perſonen, welche man ex conſvetudine & mutuo pacto ta - cito ſchon frey und ungehindert zu ſeyn glau - bet, den Paſſeporten nicht mit einverleibet, der - gleichen die Courriers ſind. Und demnach ge - ſchahe es, daß Franckreich bey dem Niemaͤ - giſchen Friedens-Schluß, in dem Paſſeport ſo er Spanien ertheilet, die Clauſul nicht mit eingeruͤcket hatte: Daß die Spaniſchen Cur - riers von Niemaͤgen durch Franckreich un - gehindert nach Spanien gehen moͤchten. Und ob ſich gleich alle Alliirte fuͤr Spanien in - tereſſireten, ſo ware Franckreich doch nicht dahin zu bringen, daß er dieſe Clauſul dem Paſſeport einverleiben wolte. Jn gleichen wol - te Daͤnnemarck nicht geſtatten, daß der Schwediſche Currier durch ſein Territorium reiſen moͤchte, hingegen hat Ludovicus XIV. durch ſeine habende Plenipotentiarios in Ut - recht, bey der Friedens-Conferentz An. 1712., den 4. Junii den Portugiſiſchen Paſſeporte ertheilet, daß ihre Courriers ungehindert von Utrecht nach Portugal gehen moͤchten.

§. 7. Die211Hoff-Ceremoniel.

§. 7.

Die Paſſeporte werden auch von de - nen an welche man ſenden will, entweder,

  • 1. Nur difficultiret, oder
  • 2. Gaͤntzlich refuſiret. Eines oder das an - dere geſchiehet aus erheblichen oder auch nur nichtigen und erdichteten Urſachen, derer ſo viel ſeyn koͤnnen, daß man ſie dieſem Werck einzuverleiben nicht Raum finde.

§. 8.

Ob man nun gleich mit ſicheren Paſ - ſeporten einen Abgeordneten verſehen hat, ſo ſetzet es doch Verdruß wegen der Titulatu - ren; denn wenn ein Souverainer ſeinen Mi - niſter der Legation an einen andern, oder durch eines andern Land ſendet, welcher mit ihme competentiam tituli hat, ſo weigert der den Paſſeport ertheilende Souveraine dem andern den Titul zugeben, uͤber welchen ſie etwan ſtreitig ſind: v. gr. wenn Franckreich dem Koͤ - nige in Spanien oder dem von Engelland ei - nen Paſſeport ertheilen ſoll, weigert ſich ſel - biges jenem den Titel eines Koͤniges von Na - varren, dieſem eines Koͤniges von Franckreich zu geben: und damit man der Sache abhelffe, muß man die Titulaturen nach der Laͤnge gar auslaſſen, und nur den general-Titul Regis Catholici oder Magnæ Brittanniæ geben und annehmen. Gleicher Geſtalt iſt es mit dem Titul des Abgeordneten beſchaffen, denn weil der Character eines abgeordneten Mini -O 2ſters212Europaͤiſchesſters dem Paſſeport alleꝛdings muß eingeꝛuͤcket werden, damit man ihme alle gebuͤhrende Ehre anthue, ſo wird fuͤr einen Affront angenom - men, wenn man in dem Paſſeport nicht eben den Titul und Character, mit welchem ein Potentat ſeinen Miniſter beehret, exprimiret: und dannenhero geſchahe bey dem Niemaͤ - giſchen Friedens-Schluß, daß ſich die Hollaͤn - der einigen Verdruß auf den Hals zogen, als ſie den Lotharingiſchen Ambaſſadeur nur Monſieur Deputé in ihrem Paſſeport genen - net hatten, welches Verſehen ſie durch eine De - claratoriam corrigiren muſten. Aus dem mit getheilten Paſſeport folget als ein Con - ſequens,

  • 2. Die Admiſſion, daß man den Miniſter zu der Audientz und Conferentz laſſe, ihme auch auf ſein Vorbringen Antwort ertheile; wiewohl es auch zuweilen erhebliche Ur - ſachen giebet, daß man einen Legaten nicht admittiret, derer Grotius de Jur. Bell. & Pac. c. 18. §. 3. folgende allegiret:
  • 1. Wenn ein Potentat perfidus iſt, und was er vormahlen durch ſeine Legaten negotiren und zuſagen laſſen, nicht haͤlt, welches ehemahlen Juſtinianus dem Totilæ vorruͤcken laſſen, und vermuth - lich noch heut zu Tage einem und dem andern vorzuruͤcken waͤre.
2. Wenn213Hoff-Ceremoniel.
  • 2. Wenn die Perſon des Legaten bey dem Souverain, an welchen er geſendet wird, verhaſſet, oder auch nicht wuͤrdig genung iſt. Alſo wolte Lyſimachus des Ptolo - mæi Geſandten, den Theodorum, weil er ihm verhaßt war, nicht admittiren: und Schweiger erzehlet ein Exempel in ſeiner Tuͤrckiſchen Geſandſchafft lib. 2. c. 19., daß man einen nicht admittiren wollen, weil er nicht wuͤrdig genung erachtet wor - den. Wiewohl die Unwuͤꝛdigkeit heut zu Ta - ge nicht leichtlich mehr ein obſtacle der Admiſſion ſeyn kan, weil nicht nur die Europaͤiſchen Hoͤffe uͤberhaupt gewohnet, entweder Perſonen von groſſem oder gu - tem Geſchlechte, oder ſo ihnen der Adel der Geburt fehlete, doch Edele von Tugenden und in der Staats-Prudentz excellente Perſonen abzuſenden. Und weil man aus dem zuertheiltem Paſſeport gar wohl zu vorhero wiſſen kan, wie die Perſon, wel - che an einen geſendet werden ſoll, ratio - ne dignitatis beſchaffen, ſo iſt es viel beſ - ſer, man ertheile einem welcher verhaſſet, oder nicht wuͤrdig genug, keinen Paſſe - port, als daß man ihn erſt hernach, wenn er ſchon in loco angelanget, von der Au - dientz ausſchlieſſe. Gar etwas anders aber iſt es, wenn ein Geſandter welchenO 3man214Europaͤiſchesman bereits admittiret, etwan wegen ſei - nes eigenen Verbrechens, oder auch wegen entſtandener Brouillirung zwiſchen ſeinem Herren und dem Souverainen an welchen er geſendet worden, Audientz verwegert wird: denn in ſolchem Fall geſchiehet weder dem Voͤlcker-Recht, noch der Perſon des Geſandten einiger Tort, im fall nur nicht etwan fictæ cauſæ pro veris allegiret werden.
  • 3. Wenn die Affaire, welche der Geſandte vortragen ſoll, ſuſpect. Alſo war die Ge - ſandſchafft Rhabſacis, welche dahin ab - zielete das Volck aufzuwickeln, dem E - zechiæ verdaͤchtig; und die Alliirten ma - chen nicht ſelten unter ſich Veꝛtraͤge, daß kei - nem Theil unter ihnen erlaubet ſeyn ſoll, von ihrem allgemeinem Feinde Geſand - ſchafft ohne den allgemeinen Conſens aller Alliirten zu admittiren: weil man befuͤrch - tet, daß dadurch einer und der andere moͤchte von der Alliance abgezogen werden. Auſſer dieſen Urſachen, und wenn man ei - nen Legaten ohne ſuffiſante Erklaͤrung, warumb? die Admiſſion refuſiret, wird ſolches von dem Sendenden fuͤr eine Vio - lirung des Voͤlcker-Rechts ausgedeutet, und fuͤr eine legitime Urſache Krieg anzu - fangen gehalten: dergleichen der Koͤnig inSchwe -215Hoff-Ceremoniel. Schweden, wie Chemnitz in ſeinem Schwediſchen Kriege Part. 1. n. 3. & 4. erzehlet, An. 1629. gethan, und die Abwei - ſung ſeines Geſandten von der Conferentz zu Luͤbeck, als einen Affront welchen er mit dem Schwerdte raͤchen muͤſte, aufgenom - men. Wenn man einem nun Paſſeport ertheilet, und ihn admittiret, ſo giebet man ihm auch
  • 3. Die Inviolabili taͤt. Und welcher Potentate dieſe bricht, der ſuͤndiget noch haͤrter gegen das Voͤlcker-Recht als derjenige, welcher ei - nem Legaten die Admiſſion weigert. Denn durch die Abweiſung oder non Admiſſion wird einem Geſandten ſeine Qualité und Character nicht zugeſtanden, und iſt die Offenſa welche man ihm hernach thut, nicht ſo wohl gegen eine perſonam publicam als vielmehr privatam geſchehen. Wenn man aber einen Geſandten durch die Admiſſion pro tali erkennet hat, und ihn gleichwohl her - nach violiret, ſo gehet der Actus alsdann directe wieder eine perſonam publicam, welche Art der Violation man ſo gar pro crimine læſæ Majeſtatis haͤlt. Ja die Ca - nones wollen, daß man diejenigen die einen Legaten violiret, aus dem Schooß der Kir - chen ſtoſſen ſolle. Es bezeugen auch ſo wohlO 4alte216Europaͤiſchesalte als neue Exempel, daß man ſelten einen Abgeſandten impune beleidiget.
  • 4. Die Immuni taͤt. Dieſe beſtehet meiſtens dar - innen: daß ein Legat ſo wohl auf der Reiſe, als in dem Ort wo er die Negotia ſeines Prin - cipalen treiben ſoll,
  • 1. Das Exercitium ſeiner Religion frey und ungehindert habe,
  • 2. Von allen Zoͤllen und oneribus exemt,
  • 3. Sein Logement, und
  • 4. Domeſtiquen der Jurisdiction deſſen, an welchen er geſendet worden, eximiret blei - be. Allein dieſes iſt nicht ſo wohl ex Jure gentium, als vielmehr aus der Gewohn - heit und mutuis pactis zu deriviren, dan - nenhero ſelbige auch an einem Orte weit - laͤufftig, an einem andern ſehr einge - ſchrenckt, und an dem dritten (die Invio - labilitaͤt und Exception â Jurisdictione des Legaten ausgenommen) Orte gar nicht im Schwange ſeyn, oder abgeſchaffet werden kan: welches letztere man in Rom an der Qvartier-Freyheit geſehen. Woraus zu ſchlieſſen, daß wenn dergleichen Immuni - taͤten den Legaten nicht zugeſtanden, oder gar abgeſchaffet werden, man deswegen doch nicht die Inviolabilitaͤt negiret, und den Characterem eines Ambaſſadeurs ſo gleich beleidiget habe.
Vierdtes217Hoff-Ceremoniel.

Vierdtes Capitel. Von denen Ambaſſadeurs oder Ge - ſandten cum Charactere.

§. 1.

Bey dieſen iſt zu betrachten:

  • 1. Der Character repræſentativus,
  • 2. Die Ceremonien ſeiner Reception,
  • 3. Derer Magnificentz, in Logirung, Tafel halten, Domeſtiquen, ꝛc. und derer Dili - gentz.
  • 4. Der Ambaſſadeur Eintheilung in ordina - rios und extraordinarios.

§. 2.

Der Character eines Ambaſſadeurs beſtehet, wie ſchon in vorhergehendem Capitul ei - niger maſſen erwehnet worden, darinnen, daß er

  • 1. Eben ſo, als wenn ſein Principal ſelbſten kaͤme, an und aufzunehmen,
  • 2. Jhme freyſtehen ſoll, ſich aller ſeinem Principal zuſtehenden Prærogativen und Gerechtſamkeiten zu gebrauchen.

§. 3.

Dieſes Dignitas effigiata, ſo groß ſie an ſich ſelbſten iſt, ſo iſt ſelbige doch nicht in allen Stuͤcken dem Original gleich, weil doch ein Sou - verainer, wenn er ſelbſt in Perſon zu einem ſei - nes gleichen kommt, mit einem viel groͤſſerem Cere - moniel und Tractament, als ſein Ambaſſadeur empfangen wird.

O 5§. 4. Man218Europaͤiſches

§. 4.

Man koͤnte auch dieſer characteriſire - ten Geſandten in negotiis inter principe & gentes gar entbehren, und waͤren die ſo genenne - ten Envoyés ſchon geſchickt genung, alles dasje - nige was man den Ambaſſadeurs committiret, auszurichten.

§. 5.

Weil aber die Souverains, ihre Magni - ficentz und Hoheit auſſer ihrem Lande auch an - dern Nationen zeigen wollen, ſo hat man dieſe Bothſchaffter cum Charactere eingefuͤhret, und dadurch ein groͤſſeres Ceremoniel und depenſen verurſachet.

§. 6.

Dieſer Character nun eines Ambaſſa - deurs wird von demſelbigen ertheilet, welcher den Geſandten abſendet, und beſtehet darinnen, daß ihn der Souveraine, communicative (nicht ab - dicative) alle ſeine Prærogativen und compe - tentia Jura, ſo viel derer zu der Function des Ambaſſadeurs von noͤthen, mittheilet.

§. 7.

Alſo wird der Ambaſſadeur auf eine Zeit des Glantzes der Souverainetaͤt theilhafftig, und ihme faſt alle Ehre als man der Majeſtaͤt ſelb - ſten thun koͤnte, angethan.

§. 8.

Man ſaget gantz wohl bedaͤchtlich (faſt alle Ehre) denn wie in den §. 3. ſchon erwehnet worden, ſo behaͤlt doch der Souveraine ſich noch viel zuvor, plus enim eſt in perſona quam in effigie. Denn obgleich der Monden von der Son -nen219Hoff-Ceremoniel. nen erleuchtet wird, ſo hat doch die Sonne gar ein ander Licht als der Monden, und eine ſtaͤrckere Jnfluentz als derſelbe. Dannenhero ſiehet man, daß kein Ambaſſadeur,

  • 1. Einem Souverain vorgehet, obgleich ſein Principal in der Poſſeſſion ſelbigen vor - zugehen.
  • 2. Bey demjenigen an welchen er geſendet, bey der Tafel aufwartet, oder wenn er mit zu ſelbiger gezogen wird, dennoch unten an ſitzet, ꝛc.

§. 9.

Aus dieſem Charactere repreſentati - vo entſtehet nun das groſſe Ceremoniel, daß man einen Ambaſſadeur mit groſſer Ehren-Bezeu - gung annimmt, welche man den Envoyés und mindern ſo in Geſandſchafft emploiret werden, weigert. Aus eben demſelben flieſſet die Ma - gnificentz, welche der Ambaſſadeur, in ſeiner Logirung, Tafel, Bedienung, mit Anwendung vieler Unkoſten zeiget, von welchen wir bald was mehreres werden zu vernehmen haben.

Fuͤnfftes Capitel. Von dem Ceremoniel mit welchem ein Ambaſſadeur beehret wird.

§. 1.

Es iſt in vorhergehendem andern Theil cap. 2. §. 10. Meldung geſchehen, daß ein jeder Hof ſein beſonderes etablirtes Ceremoniel habe, vonwel -220Europaͤiſcheswelchen man nicht leicht abzuweichen pfleget: wolte aber ein Potentate etwas mehres bey Re - ception ſeines Ambaſſadeurs im Ceremonien - Werck genieſſen, als man ihm in einem Hoffe biß - hero nicht ertheilet, ſo muͤſte er ihm ſolches ent - weder,

  • 1. Durch Pacta bedingen, oder da man ihm nichts neues einraͤumen wolte,
  • 2. Die Geſandſchafft in eine bloſſe Abgeſand - ſchafft verwandeln.

§. 2.

Jedem Souverainen ſtehet frey, das Ceremoniel gegen einem oder den andern Geſand - ten zu vermehren, und das Tractament zu vergroͤſ - ſern, welches nicht ſelten zu geſchehen pfleget, wenn ein Ambaſſadeur von einem nahen Verwand - ten, oder in favorabilibus, v. gr. eine Ehe, oder Alliance zu ſtifften, geſendet wird; aber kein Sou - verainer kan hingegen, ohne den, von welchem der Ambaſſadeur kommt, zu beleidigen, das ein - mahl eingefuͤhrete Ceremoniel, mindern, weil ſich der Sendende auf das Herkommen und die Poſ - ſeſſion beruffen kan. Denn das Intereſſe des mittentis verſiret mehr in dem Ceremoniel, als das Intereſſe accipientis legationem.

§. 3.

Dieſes Ceremoniel, ob es gleich zur Haupt-Sache der Geſandſchafft nichts contri - buiret, und offtermahls die negotia mehr hindert als befoͤrdert, machet ſelbiges doch meiſtens, nebſt dem Character, von welchen es ein inſepara -bles221Hoff-Ceremoniel. bles attributum iſt, den formalen Unterſcheid eines Ambaſſadeurs von einem Envoyé, dan - nenhero auch die Ambaſſadeurs uͤber nichts ſteif - fer halten, als uͤber dieſem Ceremoniel, oder ſo genenten Tractement.

§. 4.

Zu dieſem aus dem Charactere herflieſ - ſendem Ceremoniel, werden nun gerechnet des Ambaſſadeurs

  • 1. Oeffentlicher ſolenner Einzug in dem - jenigen Orte, wo er von ſeinem Principalen hingeſendet worden. Dieſen nun recht an - ſehnlich zu machen, ſendet nicht nur der Sou - veraine, zu welchem der Geſandte kommt, ei - nen ſeiner Leib-Wagen mit dem Ceremonien - Meiſter, einen vornehmen Hoff-Officier, Pa - gen und Laquayen: ſondern auch die ſich all - dort befindliche auswertige Miniſtri, ihre Wa - gen mit zugehoͤrigen Bedienten, einen darzu deſtinirten Weg entgegen: da ſodann der an - kommende Ambaſſadeur ſich in den Leib - Wagen des Souverainen nebſt dem entgegen geſendten Hoff-Officier ſetzet, der andern auswertigen Miniſters Wagen nach ihrem Range fuͤr ihm her, ſeine eigene Equipage ihme aber nachfaͤhret. Weil das Ceremoniel wie ſchon in vorhergehenden gemeldet, nicht an allen Orten gleich, ſondern nach dem Herkom - men und der Affection eingerichtet; ſo laͤſſet ſich hierinnen keine Regel ſonder Exceptionma -222Europaͤiſchesmachen, ſondern man muß Recours zu jedes Hofes Special-Ceremoniel, uñ der Experientz, wie man es an einem oder dem andern Orte geſehen, nehmen. Jn Engelland werden die Geſandten, wie An. 1700. dem Savoyi - ſchen geſchahe, von Groͤnwitſch aus der Tem - ſe auf einer Koͤnigl. Jagt abgeholet, ſteigen an dem Thor aus, und werden folgendlich auf einem Koͤnigl. Leib-Wagen, in welchen der Ceremonien-Meiſter ruͤckwerts ſitzet, nach Weſtmuͤnſter gefuͤhret. Jn Paris werden ſie, wie dem Graff Portland bald nach dem Rißwigiſchen Frieden geſchahe, bey dem Arc de Triomphe hinter der Fauxbourg St. An - toine eingeholet, und biß in das Palais d Or - leans oder Luxemburg comitiret. Jn dem Haag hat ein Ambaſſadeur auch ſchon ſeine gewiſſe Diſtantz, wie weit man ſelbigen einhole, und alſo auch in andern Orten. Jn vielen Orten werden die Ambaſſadeurs drey Tage nach einandeꝛ auf des Souverains oder der Re - public Koſten, an welchen ſie geſendet worden, tractiret. Mit Schweden haben ſich die Mo - ſcowiter verglichen, daß beyder Theile En - voyés ordinairs und Reſidenten, ſich in ei - nem fremden Hoffe fuͤr ihre eigene Mittel un - terhalten ſollen. Was aber die Extraordi - naire Geſandten anbetrifft, ſo ſoll ein jeder an deſſen Hoff er geſendet wird, denſelbigen freyunter -223Hoff-Ceremoniel. unterhalten, v. gr. der Schwede den Moſco - witiſchen, und der Moſcowitiſche den Schwe - diſchen. Es ſind auch die Exempel vorhanden, daß Ambaſſadeurs ein, zwey, und mehrere Jahre ſich an einem Orte aufgehalten, und ihre negotia getrieben, die publique Entreé aber erſt nach ſolcher Zeit, und manchmahl al - lererſt, wenn ſie bald wieder von dannen ſchei - den wollen, gehalten. Welches ihrem Cha - racter nichts benommen, indem ſie in Viſiten und Reviſiten gleichwohl das ihnen gebuͤhren - de Tractement erhalten, weil man aus ihren producireten Creditiven gewuſt, daß ſie Le - gati cum Charactere geweſen.
  • 2. Abholung zu der Audientz, dieſe geſchie - het nun, wenn ſich ein Ambaſſadeur an dem Hoffe eines Souverainen befindet, und iſt wohl zu unterſcheiden von der Viſite, welche ein Ambaſſadeur dem andern, oder einem Envoyé giebet. Man hohlet demnach den Ambaſſadeur mit drey Caroſſen à ſechs Pfer - den und zugehoͤrigen Pages und Laqvays abe, wobey ein Cammer-Herr mit zugeordneten Cavalliers. Der Ambaſſadeur ſetzet ſich in den letzten Wagen, und der Cammer-Herr zu ihme ruͤckwerts, in dem erſten aber ſitzen des Souverains und Ambaſſadeurs Hof - und Ge - ſandſchaffts-Cavallieꝛe, doch dieſe letzteꝛe jenem oben an. Unter dieſen Wagen faͤhret nurallei -224Europaͤiſchesalleine derſelbige, in dem der Ambaſſadeur ſitzet, in den Baſſa-Cour: die Wache unter dem Schloß-Thore præſentiret das Gewehre unter klingendem Spiel. Der Ober-Hoff - Meiſter, oder der Ober-Marſchall, von einigen Raͤthen und Cavallieren begleitet, empfangen ſelbigen bey Ausſteigen aus dem Wagen, oder auch nach avenant an der unterſten Steigen, welche, wie auch die erſte Anti-chambre oder Vor-Saal mit Hallebardiren und Schwei - tzern beſetzet iſt. Oben an der Stiegen em - pfaͤnget ihn der Premier-Miniſtre, er habe nun Nahmen wie er wolle (v. gr. Oberſter Cammer-Herr, Oberſter Hoff-Meiſter, Ober - ſte Marſchall, Oberſter Stall-Meiſter) und fuͤhret ihn durch die Anti-chambres, welche mit Hoff-Cavalliers angefuͤllet ſind. Der Cammer-Herr, welcher die Aufwartung hat, oͤffnet das Audientz-Zimmer, und der Souve - raiine gehet dem Ambaſſadeur biß an die Thuͤre entgegen, und ſchreitet einen Schritt uͤber die Schwelle, empfaͤnget ſelbigen ſo dann ſtehend oder auch ſitzende, jedoch daß der Souveraine die Ober-Hand behaͤlt und be - decket iſt, auch den Ambaſſadeur ſich zu de - cken noͤthiget: und dafern dieſe Noͤthigung in Vergeſſen geſtellet werden ſolte, wuͤrde der Ambaſſadeur ſich ſeines Characters und Ju - ris tegendi wohl ſelbſten erinnern, und ſichumb225Hoff-Ceremoniel. umb ſeinem Principal kein Præjuditz zu ma - chen, ohne langes Bedencken bedecken. Wenn die Audientz vorbey, geſchiehet die Begleitung wie die Annahme. Auf dieſe Art wird es faſt allerwegen unter gleichen Perſonen oder Maje - ſtaͤten mit der Geſandten Audientz gehalten: wenn aber der Sendende geringer, ſo wird der Ambaſſadeur mit etwas wenigerem Tracta - ment, was ſonderlich das Entgegengehen be - trifft; iſt er aber groͤſſer als der an den er ſendet, wird der Ambaſſadeur mit etwas meh - rerer Civilité empfangen. Denn gleichwie man die Souverainen ſelbſt diverſimodé nach ihrer Hoheit und Wuͤrde annimmt, alſo werden auch ihre Ambaſſadeurs auf un - terſchiedene Art acceptiret.
  • 3. Die Behauptung ſeines Ranges, daß er
    • 1. Generaliter keinem Envoyé, wann auch gleich dieſer von einem groͤſſeren Principal abgeordnet waͤre,
    • 2. Specialiter keinem Ambaſſadeur mit wel - chen er Competentz hat, auch keinem Prin - tzen der in Perſon gegenwaͤrtig, er ſey dann ein Koͤnigl. unmuͤndiger Pupill, welchem die Regierung gebuͤhret, weiche. vid. infr. cap. 7. §. 14.
  • 4. Anſage bey andern Ambaſſadeurs und En - voyés, welche zweyerley:P1. Eine,226Europaͤiſches
    • 1. Eine, durch welche der Ambaſſadeur de - nen andern ſeines gleichen, oder auch En - voyés ſeine Ankunfft, entweder durch ei - nen Cavallier oder Secretarium melden laͤſſet. Dieſe Anmeldung nun hat den Ef - feckt daß diejenigen Ambaſſadeurs und Envoyés, welchen er ſeine Ankunfft no - tificiren laſſen, gehalten ſeyn ihme die erſte Viſite abzuſtatten, worauf er ihnen die Re-Viſite giebet, entweder
      • 1. Nach dem Range der Principalen, oder
      • 2. Nach der Ordnung wie ſie ihn be - ſuchet, oder auch
      • 3. Nach der Affection, mit welcher ein Principal dem andern zugethan.
    • 2. Die andere, durch welche ſich der Ambaſ - ſadeur die Viſite abzuſtatten à l’ordinair durch einen ſeiner Cavalliers melden laͤſſet. Dieſe geſchiehet eine halbe Stunde, manch - mahl auch etwas daruͤber und drunter, zu - vor, ehe der Ambaſſadeur aus ſeinem Lo - gement faͤhret. Der Aufzug zu ſolcher Beſuchung beſtehet meiſtens in dieſen So - lennitaͤten, daß
      • 1. Der Stall-Meiſter, oder in deſſen Er - mangelung ein anderer Cavallier oder Officier, einen geraumen Weg vorhero reitet, damit die Domeſtiquen desjeni - gen, welcher die Viſite annehmen ſoll,der227Hoff-Ceremoniel. der Ankunfft bey Zeiten gewahr werden, ſich an die Thuͤꝛe des Hauſes rangieren, und ihren Herren von der Ankunfft des beſu - chenden Ambaſſadeurs avertiren koͤnnen.
      • 2. Die Cavalliers des die Viſit ablegenden Geſandten in einer Caroſſe à ſechs (manch - mahl auch nur à zwey) Pferden beſpannet fuͤr dem Ambaſſadeur herfahren,
      • 3. Der Ambaſſadeur in ſeiner Etats-Kutſche, welche allemahl mit ſechs beſpannet, gantz alleine, mit allen ſeinen Domeſtiquen zu Fuß, und meiſtens auch entbloͤßtem Haupt, begleitet werde, hierauf folget
  • 5. Die Acceptirung oder Empfangung des Viſit abſtattenden Ambaſſadeurs dergeſtalt, daß derjenige ſo beſuchet wird, den Beſu - chenden
    • 1. Gleich an der Kutſchen empfaͤngt,
    • 2. Demſelben die Ober-Stelle im Gehen und Sitzen giebet,
    • 3. Jhme einen Stuhl à bras, welcher ſchon ge - ruͤckt iſt, und
    • 4. Zwar unter einem Dais anweiſet: da denn wenn es die Gelegenheit des Zimmers leidet,
    • 5. Der Stuhl desbeſuchenden Ambaſſadeurs alſo ſtehet, daß er im ſitzen mit dem Geſichte gegen die Thuͤre, durch welche er in das Ge - mach getreten, ſehen, jedoch dem Parade -P 2Stuhl228EuropaͤiſchesStuhl und Bildnuͤß des Souverainen (wo - von weiter unten) nicht gaͤntzlich den Ruͤ - cken zuwende, mit alle dem aber der Lega - tus viſitans fuͤr dem viſitato den Rang im ſitzen habe.
    • 6. Die Cavalliers in der letzten Anti-cham - bre,
    • 7. Die Pages und Laqvays in den Vorgemaͤ - chern, und alſo ein jeder von ſeines gleichen, ſo lange die Viſite dauret, unterhalten wer - de. Bey dem Abſchied gehet alles wieder mit dergleichen Ceremonien ab, wie ſie an - gelanget, und wird viſitans à viſitato biß an die Kutſche begleitet: da denn der Abfah - rende zwar in Gegenwart des Zuruͤckblei - benden in ſeine Caroſſe ſteiget, alleine er bleibet in ſelbiger ſo lange gekruͤmmet ſte - hen, biß der Wagen einige Schritte gefah - ren, und einer den andern nicht mehr ſehen kan, als dann ſetzet ſich der Abfahrende, und der andere kehret wieder in das Hauß.
  • 6. Der Titel Excellentz welcher dem Ambaſſa - deur von ſeines gleichen u. niedrigen Perſonen, auch wohl zu Zeiten von hoͤhern gegeben wird. Wenn aber ein Geſandter ein Fuͤrſt von Ge - burt, oder ein Cardinal iſt, ſo wird jenem der Titel Alteſſe, dieſem der Eminentz gegeben. Weil dieſer Titel Zeit dem Weſtphaͤliſchen Friedens-Schluß in denen Congreſſen derGe -229Hoff-Ceremoniel. Geſandten ſo viel Streit verurſachet, wird es der Muͤhe werth ſeyn, wo und wann ſelbiger entſtanden, allhier anzufuͤhren. Und zwar ſo wurde er zu Zeiten des Henrici IV. in Franck - reich jung: denn nachdem Louis Hertzog von Nevers und Mantua von gemeldtem Koͤnige en Qualité eines Ambaſſadeurs an den Pabſt geſendet wurde, und fuͤr ſeine eigene Perſon ein groſſer Fuͤrſt in Jtalien war, ſo prætendir - te er auch als Ambaſſadeur, daß man ihme den damahligen Fuͤrſtlichen Titul Excellen - tiæ geben ſolte. Hieruͤber durfſte der Pabſt nicht lange difficultiren, weil dem Duc ohne dem dieſer Titul wegen ſeiner Perſon zukame, und alſo wurde er ihme auch in Rom ertheilet. Der Spaniſche, Savoiſche, und Venetianiſche Geſandte aber, welche zu gleicher Zeit in Rom gegenwaͤrtig waren, weil ſie meyneten, daß Franckreich dadurch anderen Souverainen ei - nen Streich, und ſich etwas beſonderes ma - chen wolte, verlangeten daß man ſie auch en Excellence tractiren ſolte. Und ob ſie ſolches gleich nicht anfangs von dem Pabſt er - halten kunten, ſo nenneten ſie ſich untereinan - der gleichwohl Excellentz, biß endlich der Pabſt Innocentius X. dem Spaniſchen und Savoyiſchen Geſandten, nachgehends auch dem Venetianiſchen ſelbigen verliehe, und dem Ceremoniali einverleiben ließ. Weil nunP 3kein230Europaͤiſcheskein Souverainer dem andern im mindeſten etwas nachgeben will, ſo prætendireten ſie alle dieſen Titul fuͤr ihre Ambaſſadeurs, und nicht nur in Rom, ſondern in allen Hoͤfen und Congreſſen, wo ſich ihre Geſandten finden wuͤrden. Die Churfuͤrſten nun, welche Koͤ - nigen gleich geachtet, und allen andern Fuͤrſten in Europa, wenn ſelbige nicht Majeſtaͤten, vor - gezogen werden, wolten durchaus in dem Weſtphaͤliſchen Friedens-Schluß dieſen Ti - tul auch fuͤr ihre Geſandten haben, welcher ih - nen auch zugeſtanden wurde. Die uͤbrigen Fuͤrſten des Reiches, welche quoad jus Lega - tionis den Churfuͤrſten in allen gleich geachtet ſeyn wollen, prætendireten dieſen Titul mit groͤßter Vehementz, allein die Churfuͤrſten ſetzten ſich ihnen ſtarck entgegen; Jn - dem Niemaͤgiſchen Frieden aber, erhielte ihn das Hauß Neuburg, und Luͤneburg hat ſich ſelbi - gen nunmehro auch aſſeriret. Wenn aber auswaͤrtige Potentaten oder Republiqven an das Churfuͤrſtl. oder Fuͤrſtl. Collegium ſe - paratim, oder an beyde conjunctim auf den Reichs-Tag ſenden (oder auch ſchreiben) prætendiren, die Fuͤrſtl. in corpore den Titul Excellentz. Dannenhero als An. 1712. im Novembr. der Canton Zuͤrich und Bern Secretarios ad Corpus Statuum Evangeli - corum nach Regenſpurg ſendete, und derChur -231Hoff-Ceremoniel. Chur-Saͤchſiſche Miniſter in Gegenwart der andern Evangeliſchen Herrn Geſandten, die Credentiales eroͤffnete, funden ſie, daß in ſel - bigen der Titul Excellentz ausgelaſſen war, und damit man ihꝛe Sachen und Voꝛtrag nicht auf die lange Banck veꝛſchieben duͤꝛffe, ſo wuꝛde ihnen von dem Chur-Saͤchſiſchen Herrn Ge - ſandten im Nahmẽ aller Staͤnde beygebracht, daß man zwar die Credentiales, jedoch mit dem Bedinge wolte annehmen, daß ſie in ei - nem gewiſſen Termin andere liefferten, in wel - chen das Praͤdicat Excellence enthalten, und denn die itzigen zuruͤcke nehmen ſolten. Die - jenigen Reichs-Fuͤrſten nun, welche in Poſſes - ſion dieſes Tituls, derer Geſandten haben kei - ne Difficultaͤt mehr mit den Churfuͤrſtlichen und Koͤnigl. umbzugehen; die uͤbrigen aber, welche noch nicht in der Poſſeſſion deſſelben, gebrauchen ſich zweyerley Wege,
    • 1. Daß ſie keinen Miniſtre cum Charactere ſenden,
    • 2. Daß wenn ſie einen cum Charactere ſen - den, ſelbiger dem Churfuͤrſtl. Ambaſſadeur den Titul Excellentiæ auch nicht giebet, ſondern ihn nur mein Herr Ambaſſadeur anredet.
P 4Sech -232Europaͤiſches

Sechſtes Capitel. Von der Magnificentz eines Ambaſ - ſadeurs, welche aus ſeiner Logirung, Tafel, Domeſtiquen ꝛc. und deſſen Diligentz, wel - che aus ſeinem Diario, Protocoll Conferentz, Relationibus &c. erſcheinet.

§. 1.

Dem Character eines Ambaſladeurs folgen, als der Schatten dem Leibe, zwey Stuͤcke, welche er nicht unterlaſſen darff,

  • 1. Die Magnificentz,
  • 2. Die Diligentz.

§. 2.

Seine Magnificentz zeiget ſich, an

  • 1. Seinem Logement,
  • 2. Seiner Tafel,
  • 3. Seinen Domeſtiquen,
  • 4. Seiner Equipage v. gr. Pferden, Caroſ - ſen, Pferde-Zeug,

§. 3.

Es pfleget oder muß auch wohl ein Am - baſſadeur, auf Befehl ſeines hohen Herrn Prin - cipalen, einen groſſen Staat und Figur machen; Denn weil er die Hoheit und Reichthumb ſeines Souverains der Welt zeigen, und ſeine Perſon ex - tra Teritorium repræſentiren ſoll, iſt allerdings erforderlich, daß er ſich magnifiquement und ſplendidement auffuͤhre: denn dadurch erwirbet ſich ein Potentate nicht weniges Anſehen und Ve -nera -233Hoff-Ceremoniel. neration bey fremden Nationen, weil derglei - chen aͤuſſerlicher ſplendeur eher in die Augen, als in den Verſtand faͤlt, und ſonderlich die ge - meine Leute glaubend machet, ein dergleichen Ambaſſadeur, welcher ſich magnifiquement und mit vielen Gold und Silber prangenden Li - vereen und Caroſſen ꝛc. auffuͤhret, ſey aus einem Lande, in welchem das goldene Seculum befind - lich, geſendet.

§. 4.

Einige der Politicorum wollen zwar dieſe Magnificentz der Ambaſſadeurs nicht ſon - derlich approbiren, weil vielmahlen das Ærari - um der Potentaten erſchoͤpfft, und dadurch ver - urſachet wird, daß man noͤthigere, und dem Etat dienlichere Expenſen nicht herſchieſſen kan. Denn wenn ſond erlich die Soldateſca, ſagen ſie, auf welchen doch meiſten theils die Sicherheit und Reputation eines Etats beruhet, darumb Man - gel leiden ſoll, daß man nur deſto anſehnlichere Ambaſſaden abſchicken koͤnne; ſo waͤre es ein groſſes Verſehen der Staats-Klugheit, weil die neceſſitas defendendi dem Juri Legatos cum Charactere mittendi vorzuziehen: zu mahlen da man Ablegatos ſenden kan, welche einer ſo groſ - ſen Magnificentz und Depenſen nicht benoͤthiget, dennoch aber die Affaires ſo wohl tractiren koͤn - ten als die Legati oder Ambaſſadeurs.

§. 5.

Gleichwie man aber dieſen Einwurff ei - nem jeden, ſonderlich aber denen Souverainen zuP 5uͤber -234Europaͤiſchesuͤberlegen anheim ſtellet, und hier das utile mit dem ſplendido nicht in Conteſtation ſetzen will; als iſt nur noch eines zu betrachten noͤthig, welches dem Kummer dieſer Politicorum abhelffen, und anbey das ærarium principis menagiren kan.

§. 6.

Dieſes Vortheil beſtehet nun darinnen; daß ein Souverainer einen dergleichen Miniſter oder Vaſall zu der Ambaſſade erkieſe, welcher fuͤr ſich ſelbſten von abundanten Vermoͤgen, und den meiſten Theil der hierzu noͤthigen Expenſen de proprio herſchieſſe. Denn

  • 1. Finden ſich unter der Bothmaͤßigkeit der Sou - verainen, in und auſſer derſelben Hoffe, reiche Cavalliere und Staͤnde, welche mehr Ehr-als Geld-geitzig, durch Huͤlffe ihres Geldes gerne fuͤr andern einen Vorzug haben, in der Hiſto - rie einen Ruhm, und ihrem Geſchlechte eine Reputation hinterlaſſen wollen. Dieſen kan nun nicht beſſer gerathen werden, als daß man ſie zu einer ſolchen Dignitaͤt, ſonderlich aber, wenn ſie etwan in Etats-Affairen nicht genung - ſam erfahren waͤren, wenigſtens zu denen Le - gationibus, welche wir oben im andern Theil cap. 1. §. 2. Functiones officioſas genennet, und nur Ambaſſaden ſeyn zu condoliren, gra - tuliren oder eine Succeſſion und Mariage zu intimiren, befoͤrdere: denn zu dergleichen kan ein jeder, der nur natuͤrlichen Verſtand hat, leicht geſchickt ſeyn; ſolten ihme aber Functio -nes235Hoff-Ceremoniel. nes excubitoriæ, dergleichen die Schlieſſun - gen der Alliancen, des Friedens, der Commer - cien ꝛc. ſeyn, anvertrauet werden, und man be - ſorgete daß er dieſe Affairen zur Avantage ſei - nes Principalen abzuthun, nicht faͤhig ſeyn moͤchte; ſo iſt der Sache demnach dadurch ge - rathen, daß man ihme einen habilen Secreta - rium zuordne, welcher die Pfeile ſchmieden, der Ambaſſadeur aber ſelbige verſchieſſen koͤnne. Und dieſer Art reiche Geſandten, ſind boni & virtuoſi cives Reipublicæ, weil ſie die Reputation ihres Herrn, der gantzen Nation, und auch ihre eigene, durch den ohne dem vergaͤnglichen Mammon befoͤrdern, und ſich durch Darwagung eines vergaͤnglichen Gutes, von deſſen Beſitz ſie ohne dem von ei - nem gemeinen oder reichen Kauff - oder andern Mann nicht unterſchieden werden, einen un - vergaͤnglichen Nahmen und Bekandſchafft auf der Welt erwerben.
  • 2. Anderen, ob ſie gleich nach der Function und Ehre eines Ambaſſadeurs nicht adſpiriren, ſondern lieber reich und zu Hauſe ruhig, als in der Welt bekandt ſeyn, und von ihren Vermoͤ - gen etwas hazardiren wollen, kan ein Souve - rainer gleichwohl injungiren eine Ambaſſade und die dazu erforderliche Depenſen, meiſtens de proprio zu uͤbernehmen, theils wegen des Juris eminentis Majeſtati competentis,theils236Europaͤiſchestheils auch wegen des originis des Reich - thums, ſo die Vaſallen meiſtens ex liberali - tate der Majeſtaͤten, oder aus denen Hoff - und Krieges-Chargen, welche ihre Anteceſſores oder ſie auch ſelbſt verwaltet, beſitzen. Zu geſchweigen daß ein Souverain ſolche Ausga - ben eines Ambaſſadeurs mit wichtigen Char - gen belohnen kan, und alſo die Unkoſten welche ein Ambaſſadeur de proprio thut, mehr einen vorgelehnten Capital, als Verluſt verglichen werden koͤnnen.

§. 7.

Die erſte Magnificentz nun eines Am - baſſadeurs beſtehet in deſſen Logement, welches

    • 1. Commodeſeyn muß.
    • 2. Propre
    ſeyn muß.

§. 8.

Die Commodité zeiget ſich,

  • 1. Generaliter in der Situation des Hauſes,
  • 2. Specialiter, daß ſelbiges verſehen
  • 1. Mit einer bequemen Entreé, oder Ein - farth,
  • 2. Raͤumiger Stallung,
  • 3. Lichten und weiten Treppen,
  • 4. Gelegenen kuͤhlen und ſriſchen Kellern
  • 5. Einem feinem Tafel-Zimmer,
  • 6. Einer oder auch zwey Anti-chambres,
  • 7. Einem Audientz-Zimmer,
  • 8. Einer Retirade,
  • 9. Einem Schlaff-Gemach,
  • 10. Einem Cantzelley-Zimmer.
§. 9. Die237Hoff-Ceremoniel.

§. 9.

Die Propreté kommt meiſtens, auf

  • 1. Die allen Leuten von Condition erlaubete Meublirung, welche aus ſchoͤnen Tiſchen, Betten, Stuͤhlen, Spiegeln ꝛc. beſtehet,
  • 2. Dem Ambaſſadeur alleine zuſtaͤndigen Meublirung an, darunter
  • 1. Der Dais oder Baldachin,
  • 2. Der Thron oder Parade-Stuhl,
  • 3. Das Bildnuͤs des Souverains,
  • 4. Das Tiſch-Service,
  • 5. Die Quarde Robe.

§. 10.

Der Dais, Baldachin, der Himmel oder Zelt, welches uͤber den Thron oder Parade - Stuhl ausgeſpannet, iſt von Sammet, auch wohl drap d’or verfertiget, und ein Zeichen der Souve - ranetaͤt oder eines Fuͤrſtlichen Audientz-Zimmers. Auſſer den Souverainen und ihnen gleichenden Perſonen, iſt niemand berechtiget ein Dais in ſei - nem Qvartier aufzuſchlagen.

§. 11.

Der Thron, oder vielmehr der Parade - Stuhl, welcher den Thron bedeuten ſoll, ſtehet un - ter dieſem Dais, und wird wenn ein Ambaſſa - deur Audientz ertheilet, zu rechte geruͤcket, er wird aber niemanden ſich darauf zu ſetzen præſentiret, ſondern iſt gleichſam dem Souverainen alleine vorbehalten. Auſſer der Audientz ſtehet er ver - kehret gegen die Mauer, damit diejenigen welche ſolche Zimmer betrachten, nicht irgends aus Cu -rioſité238EuropaͤiſchesCurioſité oder Inſolentz ſich darauf ſetzen, und dieſen Sedem Sacram profaniren.

§. 12.

Das Portrait des Souverains wel - ches zwiſchen dem Baldachin und Parade - Stuhl, meiſtens nur in Form eines Bruſt-Bildes erhoͤhet zu ſehen, præſentiret die Perſon des Souverainen, gleich als waͤꝛe ſelbige gegenwaͤꝛtig. Dannenhero man auch ſelbigem im ſitzen nicht leicht den Ruͤcken zuwendet, und niemand in das Zimmer, wo das Bildnuͤß eines regierenden Potentaten befindlich, mit bedecktem Haupte (die Ambaſſadeurs ausgenommen) erſcheinen darff, im fall eꝛ nicht reprimandiret werden will.

§. 13.

Das Tiſch-Service, welches à l’ordi - nair von Silber und ſehr vergoldet, ſelten aber von Maßiv Golde, wird zu weilen dem Ambaſſa - deur aus des Souverainen Silber-Kammer mit - gegeben, und ſodann findet man auf ſelbigem des Principalen Wapen geſtochen. Zu weilen aber hat auch ein Ambaſſadeur ſein eigenes, welches er mit ſeinem Wapen bezeichnen laͤſſet.

§. 14.

Die Quarde-Robe iſt das Behaͤlt - nuͤß, in welchem man des Ambaſſadeurs Kleidung und koſtbahren Hauß-Rath verwahret, woruͤber ein eigener Officiante beſtellet, welchen man Quarda Robe nennet.

§. 15.

Die andere Magnificentz eines Am - baſſadeurs erſcheinet aus ſeiner Tafel, denn weilein239Hoff-Ceremoniel. ein ſo hoch Characteriſirter Miniſter, ſich in allen Stuͤcken von Leuten minderer Condition zu di - ſtingviren hat, ſo ſchicket es ſich nicht, daß er bey geſchloſſener Tafel, und in obſcuro ſpeiſe, ſon - dern er muß liberal ſeyn, und publique Tafel halten, und entweder Perſonen ſeines gleichen, oder doch ſolche die er ſeines Tiſches wuͤrdig ach - tet, mit ſich zu Tiſche ſitzen laſſen.

§. 16.

Man findet demnach bey jedem Am - baſſadeur meiſtens fuͤnfferley Tafeln, darunter

  • 1. Die erſte fuͤr des Herren Ambaſſadeurs einige und eigene Perſonen und ſeine Familie, daran ſich niemand ſetzen darff, als den er dazu ein - ladet. Tractiret ein Ambaſſadeur einen ſeines gleichen, ſo wird niemand von ſeinen Domeſtiquen dazu gelaſſen, auſſer dem Ca - vallier welcher die Tafel mit vorlegen bedie - net, welcher doch meiſtens ſtehet, und wenig ſitzet. Wenn aber kein anderer Ambaſſadeur an ſeiner Tafel, ſondern er nur mit Perſonen minderer Condition ſpeiſet, ſo pfleget er auch einigen ſeiner Domeſtiquen, wenn ſie ſonder - lich von einem bel Eſprit, auch wohl anderen fremden Cavalliers, Krieges-Officiers, und Gelehrten die Gnade zu thun, und ſie an ſeinen Tiſch ſitzen zu laſſen.
  • 2. Die andere iſt fuͤr die Cavalliers, welche we - nigſtens Adelichen zuweilen Herren - und auch wohl Graͤfl. Standes ſind. Dieſe iſt auchgar240Europaͤiſchesgar propre, weil ſonſten die Legations-Ca - valliers, auſſer dem Eſſen, Logement, und eini - gen freyen Pferden, nicht viel fuͤr ihre Charge bekommen.
  • 3. Die dritte iſt fuͤr die Cantzelley-Bedienten, Hof - und Stall-Meiſter, bey welcher auch der Le - gations-Prediger, wenn er ſonderlich jung an Jahren, ſeinen Platz hat. Jſt er aber ein Mann von Anſehen, und nicht nur von dem Ambaſ - ſadeur angenommen, ſondern von dem Sou - verainen ſelbſt demſelbigen zugeordnet, ſo hat er ſeinen Sitz, wie auch der Stall - und Hoff - Meiſter, wenn ſie von Adlicher Geburt, oder zu - vor anſehnliche Krieges-Chargen bedienet, an der Cavalliers, und einer und der andere, wenn Raum uͤbrig, wohl gar an der Ambaſſadeurs Tafel, zu welcher ſonderlich der Legations - Prediger oder Beicht-Vater gezogen wird.
  • 4. Die vierdte iſt fuͤr die Pages, Kuͤchen-Keller - Zahl-Meiſter Cammer-Diener und mindere Officiers.
  • 5. Die fuͤnffte iſt fuͤr die Laqvays, Heiducken, Kut - ſcher und Reit-Knechte.

§. 17.

Die dritte Magnificentz eines Am - baſſadeurs ſiehet man in ſeinen Domeſtiquen, darunter

  • 1. Die Cavalliers, derer einer viel, ein anderer wenig, jedoch zu minderſten zwey hat. Derer Verrichtung beſtehet meiſtentheils darinnen, daß1. Sie241Hoff-Ceremoniel.
    • 1. Sie ſich zu beſtimmter Zeit in des Herrn Ambaſſadeurs Anti-chambre einfinden, und alldort ihre Aufwartung machen.
    • 2. Die Fremden, welche mit dem Herrn Am - baſſadeur zu ſprechen haben, aber nicht bald voꝛgelaſſen werden koͤñen, ſo lange mit Civi - lité und Diſcours unterhalten, biß ſie von dem Herrn Geſandten admittiret werden. Weil nun die Jnwohner Europaͤ in vieler - ley Sprachen zertheilet, und allerhand Nationen in einem Koͤnigl. Hoffe oder Friedens-Congreß zuſammen kommen, als iſt dieſen Legations-Cavalliers ſehr noͤthig und nuͤtzlich, wenigſtens dreyer Sprachen, der Lateiniſchen, Jtaliaͤniſchen, und Frantzoͤſiſchen, auch in den ſo genenten belles Sciences, als Geographie, Hiſto - rie, Genealogie, Politique, Matheſi, und denen Exercitiis erfahren zu ſeyn, damit ſie ſich gegen alle expliciren koͤnnen, und im diſcuriren nicht proſtituiren.
    • 3. Des Herrn Ambaſſadeurs Gemahlin, in die Kirchen, Aſſembleen, und Opern, fuͤhren,
    • 4. Deſſen Tafel bedienen,
    • 5. Wenn ſelbiger ausfaͤhret, fuͤr deſſen Wa - gen entweder hergehen, oder in einer be - fonderen Kutſche fahren, wiewohl auch zuweilen die Geſandten einen derer Ca -Qvalliers242Europaͤiſchesvalliers auf ihren Leib-Wagen nehmen da aber der Cavallier ruͤckwerts und un - bedeckt ſitzen muß,
    • 6. Die Viſiten und Complimente bey andern Ambaſſadeurs anmelden und aus - richten,
    • 7. Wenn man die Briefe von Importantz auf der Poſt nicht wohl fort zu bringen ge - trauet, Curriers abgeben,
    • 8. Gut trincken koͤnnen ꝛc. und dennoch nuͤchtern, oder doch wenigſtens, wenn ſie ei - nen Rauſch bekommen, beſcheiden blei - ben.
    • Auſſer dieſen erzehlten Verrichtungen ha - ben ſie ſonſten gute und beqveme Zeit, anbey ſchoͤne Gelegenheit, ſich in den Aſſembleen, Baͤllen, Opera ꝛc. mit Leuten von Qualité bekandt und reſpective familiaͤr, und durch dieſes vielmahl ihr Gluͤcke zu machen, wenn ſie ſonderlich mit alle demjenigen, was zu ei - nem galant homme erfordert wird, ausge - ruͤſtet ſind. Jedoch haben ſie, wie wir ſchon in vorhergehenden angemercket, wenige oder gar keine Beſoldung, und nur bloß die Tafel und Logement, nebſt einem oder zwey Dienern frey, dannenhero ſie aus ihrem Beutel zehren, und vorlieb nehmen muͤſſen, wenn ihnen der Ambaſſadeur irgends eini - ge Praͤſente thut, oder ihnen das Spielenfavo -243Hoff-Ceremoniel. favorable iſt. Gleichwohl finden ſich de - rer viel, welche als Volonteurs dieſe Char - gen zu erlangen trachten.
    • 2. Die Cantzeley Bedienten, derer Haupt ein Le - gations-Secretarius, und nebſt ihme etliche Cantzelliſten ſeyn: daꝛunter jener à l’ordinair, dieſe aber nur manchmahl, in des Herren Principals und nicht bloß in des Herrn Am - baſſadeurs Pflichten ſtehen. Der Secretair muß ſeine Profeßion wohl verſtehen, nicht nur alleine ſeine liebe Mutter-Sprache, und des theuren Lateins, ſondern auch anderer Sprachen kuͤndig, von geſchwinder Expedi - tion, verſchwiegen, und zum eſpioniren ge - ſchickt ſeyn. Seine Occupationes ſind nicht nur, wie der Cavalliers, zum Splen - deur, ſondern zur Nothdurfft: denn er muß die Acta der Negotiation treulich und me - thodice aufzeichnen, das Archiv in Ord - nung halten und verwahren, oͤffters die Re - lationes verfertigen, Memorialia aufſetzen, und nebſt dem Herren Ambaſſadeur die Correſpondentz unterhalten. Mit dieſen Leuten nun muß man ſich hauptſaͤchlich be - kandt machen, denn von ihnen kan man die beſte Nachricht erhalten wie die Affairen lauffen. Weil ſie aber beeydet, ſo brauchet es vielmahl groſſe Kunſt und Vertraulichkeit ihnen etwas heraus zu locken, der Wein undQ 2das244Europaͤiſchesdas Geld loͤſet ihnen doch zuweilen, wie an - dern Menſchen die Zunge, daß ſie ſich wenig - ſtens ſo weit heraus laſſen, ut ſapienti ſa - tis ſit.
    • 3. Die Pages und Laqvayen, derer ein Ambaſ - ſadeur manchmahl viel, manchmahl wenig hat. Die Pagen ſolten von rechtswegen Adelicher und auch hoͤherer Extraction ſeyn, allein es laͤuffet oͤffters etwas buͤrgerliches mit unter, welches dann bey andern Adelichen Ge - legenheit giebet zu querelles. Jhre Verrich - tung beſtehet darinnen, daß ſie
    • 1. Die Speiſen tragen,
    • 2. Bey der Tafel aufwarten,
    • 3. Wind-Lichter tragen,
    • 4. Die Leute anmelden,
    • 5. Wenn der Ambaſſadeur ausfaͤhret nebſt dem Wagen gehen, oder vornen auf den - ſelben ſteigen.
    • 6. Die Kleider auskehren ꝛc. die Laqvays thun geringere Verrichtung als die Pages, denn ſie doͤrffen nicht leichtlich in die Anti-cham - bres, weniger aber in das Tafel-Gemach, wenn der Ambaſſadeur publiquement oder ſolenniter ſpeiſet, kommen: befin - den ſich meiſtens an der Thuͤre, und wenn der Herr Ambaſſadeur ausfaͤhret, gehen ſie bey dem Wagen, oder ſteigen hinten auf:jedoch245Hoff-Ceremoniel. jedoch hat der Cammer - oder Leib-Laqvay fuͤr den uͤbrigen einigen Vorzug.

§. 18.

Die vierdte Magnificentz beſtehet in der Equipage eines Ambaſſadeurs, und nahment - lich:

  • 1. Jn ſchoͤnen Zug - und Reit-Pferden.
  • 2. Jn koſtbahren Pferde-Geſchirre als Sat - tel, Zug-Ruͤhmen ꝛc.
  • 3. Jn koſtbahren Caroſſen, darunter die Leib - Caroſſe vielmahlen von einem ungemeinen Werth und propreté, maſſen man ihnen zu Zeiten die Braut-Caroſſen, welche et - wan ein Koͤnig bey ſeiner Heyrath verferti - gen laſſen, giebet. Ein eintziges und gantz neues Exempel ſtatt vieler zu allegiren, ſo brachte der Hertzog von Oſſuna Spani - ſcher Ambaſſadeur zu den Friedens-Tra - ctaten, nach Utrecht eine Caroſſe von Paris mit, welche
    • 1. Auswendig, vorne hinten und auf den Seiten mit Spiegel-Glaͤſern beſetzt, und mit kuͤnſtl. vergoldeten Schnitzwerck ge - ziehret.
    • 2. Jnwendig mit Drap d’argent, worauf ſtarcke Broderie von Gold, bekleidet,
    • 3. Uberall mit Naͤgeln von Cryſtal, ſo wie Diamanten geſchlieffen, beſetzet,
    • 4. Auf der Decke mit einer praͤchtigen Cro - ne verſehen war. Allein es bediente ſichQ 3der246Europaͤiſchesder Duc d’Oſſuna nicht zu Utrecht dieſes magnifiquen Wagens, weil er nicht vor gut befand, in der Auffuͤhrung mehr als andere Plenipotentiarii zu thun, ließ demnach ſelbige den 20. Julii wieder em - barquiren und nach Franckreich bringen.

§. 19.

Die Diligentz des Herrn Ambaſſa - deurs weiſet ſich darinnen, daß ſelbiger

  • 1. oͤffters mit den Miniſtris converſire,
  • 2. Durch Eſpionen von allen Nachricht ein - hohle,
  • 3. Seines Herren Principals Intereſſe im minderſten nicht verſaͤume,
  • 4. Ein richtiges Diarium fuͤhre, in welchem alles, was bey
    • 1. Den Feſtins
    • 2. Viſiten
    • 3. Promenaden
    • 4. Conferentien
    &c. vorgefallen, taͤglich ein - gezeichnet werde. Gleichwie nun in ſolchem aller - hand beſondere curieuſe Sachen aufgehoben werden, alſo behaͤlt ſich der Ambaſſadeur auch fuͤr, ſelbige alleine fuͤr ſich zu wiſſen und aufzuzeich - nen, und wird nicht leichtlich, auſſer einem gar vertrauteſtem Freunde, jemand andern erlauben dieſes Diarium aufzuſchlagen.
  • 5. Ein Protocoll halte, in welchem die zur Am - baſſade und Etats-Verrichtungen gehoͤri -gen247Hoff-Ceremoniel. gen Acta, und auf was fuͤr Art dieſes und jenes eingerichtet, und in jeder Conferentz geſchloſſen worden, fidelisſime aufgezeich - net werde. Denn dieſes machet fidem pu - blicam, und muß nach geendigter Ambaſ - ſade der Abgeſendete ſelbiges in das Archiv des Principalen lieffern. Damit nun der Ambaſſadeur ſolches deſto richtiger halten koͤnne, wird ihme bey jeder Conferentz Pa - pier, Feder und Dinten an ſeinem Ort gele - get (oder er hat auch Tablettes bey ſich) damit er ſummariter, was von einer Con - ferentz zu der andern auf das Tapet kom - men, aufzeichne: wenn er aber von dannen in ſein Qvartier kommet, ſchreibet er mit al - len gehoͤrigen Umbſtaͤnden, ſelbiges in ſein Protocoll, oder dictiret es auch nur dem Secretario, collationiret auch wohl mit ei - nem andern bey der Conferentz geweſenen und ihme vertrautem Plenipotentiario, uͤber diß was in der Conferentz vorkom - men, damit er keinen zum Protocoll gehoͤ - rigen Umbſtand vergeſſe: weil ſelbiges her - nachmahls nicht nur fidem publicam ma - chet, ſondern auch ein authentiſches Zeug - nuͤs abgeben muß, was fuͤr obſtacula und intrigues ſich in der Conferentz uͤber Ab - thuung einer Materie erhoben, und auf was fuͤr Art ſelbige gehoben oder debattiretQ 4wor -248Europaͤiſchesworden. Und dieſes iſt eine der wichtigſten Diligentz eines Ambaſſadeurs.
  • 6. Relationes an ſeinen Principal mache. Dieſe werden theils aus dem Diario, theils aus dem Protocoll gezogen, und zuweilen von dem Ambaſſadeur, wenn es ſonderlich Sachen von Importantz, und welche Ver - ſchwiegenheit von noͤthen haben, zuweilen auch nur von dem Secretario verfertiget. Und dieſes iſt eben die Arbeit, welche den Ambaſſadeurs die Poſt-Tage und De - peſches ſo ſchwer macht, und zugleich hin - dert, daß man an den Poſt-Tagen mit die - ſen Herren nicht leicht Gelegenheit zu ſpre - chen uͤberkommen kan.

Siebendes Capitel. Von Eintheilung der Ambaſſa - deurs in ordinaires und extra - ordinaires.

§. 1.

Weil die Ambaſſadeurs extraordi - nairs denen Ordinairs vorgezogen werden, als muͤſſen wir auch allhier jene dieſen vorſetzen, und zuerſt von ihnen handeln.

§. 2.

Ein Extraordinair-Ambaſſadeur wird geſendet,

  • 1. ohne alle Intention Reſidentz zu machen,
  • 2. Nur einen Actum zu negotiren, welcherſei -249Hoff-Ceremoniel. ſeinem Creditiv expres einverleibet iſt, dar - unter die gewoͤhnlichſten die Functiones officioſæ v. gr. gratulationes, condo - lences, mariages &c. Wenn dieſer ver - richtet, kehret er wiederumb heim.

§. 3.

Dieſe Ambaſſadeurs extraordinairs, ſind ratione

    • 1. Des Characteris
    • 2. Inviolabilité
    • 3. Immunité
    von den Ordinairs zwar nichts, aber doch ratione
  • 4. Des Ceremoniels und Tractements wohl zu unterſcheiden, maſſen man ſie mit mehrerer Ehren-Bezeugung annimmt, ſie auch mit mehrerer Magnificentz als die Ordinairen ſich aufzufuͤhren pflegen. Und weil dieſe Ambaſſaden ſehr koſtbahr, ſo pfleget man meiſtens Leute von groſſer Geburt und Reichthum dazu zu emploiren, damit der Souveraine etwas in den Depenſen ſuble - viret werde, oder wo man nicht vermoͤgen - de Leute dazu nimmt, ſo laͤſſet man, umb der Menage willen, ſolche Ambaſſaden nicht von langer Daure ſeyn.

§. 4.

Wenn es ſich fuͤget, daß ein Ambaſſa - deur extraordinair mit einem Ordinairen in ei - nem Orte concurriren, ſo hat man acht zu geben,

Q 51. Ob250Europaͤiſches
  • 1. Ob beyde von einem Herren geſendet wor - den, und da gehet der Extraordinaire, ob er er gleich von minderer Condition v. gr. ein Rath oder gentil-homme waͤre, dem Ordinairen, wenn dieſer ſchon ein Graff oder Fuͤrſt waͤre, vor.
  • 2. Ob der extraordinaire Geſandte von einem geringeren Fuͤrſten als der Ordinaire ge - ſendet worden, auf welchen fall der Ordi - naire dem Extraordinairen gleichwohl vorgezogen wird.

§. 5.

Mit den Geſandten des Pabſtes hat es eine gantz beſondere Bewandnuͤß. Denn wenn er einen Legatum à latere, welcher eben ſo viel als ein Ambaſſadeur extraordinair, an einen Ort ſendet, wo er ſchon ſeinen Nuntium hat, (welcher mit dem Ordinair-Ambaſſadeur uͤbereinkommt) ſo kan der Nuntius keine Function ratione der Sendung verrichten, ſondern ſelbige iſt ſo lange ſuſpendiret, biß der Legatus à latere wieder hinweg iſt, und dann reviviſciret ſie poſtlimi - nio, und hat es keines neuen Creditives und In - ſtruction von noͤthen.

§. 6.

Bey Concurs zweyer weltlichen Am - baſſadeurs, nemlich eines Ambaſſadeur extra - ordinairs und ordinairs von einem Souverain, verrichtet ein jeder die Affaire ſo ihme anbefohlen, ſeparatim.

§. 7. Wenn251Hoff-Ceremoniel.

§. 7.

Wenn ein Potentate ſelten oder nie - mahlen einen Ordinair-Ambaſſadeur, ſondern nur zu weilen, und im hoͤchſten Nothfall, einen Extraordinairen an einen Potentaten ſendet, ſo thut der andere ein gleiches, weil man es ſich fuͤr einen Schimpff haͤlt, wenn man nicht einen Or - dinair-Geſandten abſendet. Dannenhero Franckreich den Duc d’Eſtrée faſt gantzer zehen Jahr in Rom, und alſo wieder alle Gewohnheit, als einen Extraordinair-Ambaſſadeur hielte, weil der Pabſt mit welchem er in Differentz war keinen Nuntium in Franckreich ſendete.

§. 8.

Es kan ſonſten aus einem Extraordi - nair ein Ordinarius, und Vice-Verſa gemachet werden, welches changement, zu Vermeidung der Reiſe-Unkoſten, gar offt geſchiehet.

§. 9.

Die Ordinair-Ambaſſadeurs ſind die - jenigen, welche nicht nur zu einem eintzigen Actu, und conſequenter auf eine kurtze Zeit, ſondern zu Verrichtung vieler oder langer Affairen, und auch auf eine geraume Zeit, an dem Hofe eines Souverainen gleichſam Reſidentz zu machen, ge - ſendet werden.

§. 10.

Derer meiſte Verrichtung iſt:

  • 1. Die Freundſchafft zweyer Potentaten zu unterhalten, und allen was dieſelbige tren - nen koͤnte, vorzubeugen. Anbey aber
2. Zu252Europaͤiſches
  • 2. Zu eſpioniren, was an dem Hofe eines Potentaten vorgehet, was er im Schilde fuͤhret ꝛc. Dannenhero auch die Jtaliaͤner ſagen: un Ambaſciatore e un illuſtre é nobile ſpione dello ſtato.

§. 11.

Es haben zwar nun alle Souverains oder die ihnen gleichen, das Jus Legationis, allei - ne es enthalten ſich doch einige von Sendung der Ambaſſadeurs, und dieſes thun ſie darumb,

  • 1. Entweder die Koſten zu ſparen, oder
  • 2. Weil ſie befuͤrchten man moͤchte ihnen nicht das prætendirte Tractement geben, und demnach werden derer Legationes nur durch Abgeſandten oder Envoyés ver - richtet.

§. 12.

Dannenhero obgleich der Koͤnig in Franckreich und Spanien ihre Ordinair-Am - baſſadeurs bey den Schweitzern, zu Bezeugung ihrer Hoheit und Reichthum halten, ſo ſenden doch die Schweitzer hingegen nur Envoyés nach Madrit und Paris, weil ſie Unkoſten erſparen, und keinen Diſput wegen des Ceremoniels anfan - gen wollen, maſſen man weiß, daß die Souverains in Europa mit den Schweitzern gar ſchlechte Ce - remonien machen, wovon man ein gantz neues Exempel in verfloſſenen 1712. Jahre, Monath Novembr. zu Regenſpurg geſehen. Denn als der Canton Zuͤrich und Bern an das CorpusEvan -253Hoff-Ceremoniel. Evangelicum Plenipotentiarios ſendeten, ent - ſtund die Frage, mit was fuͤr einem Ceremoniel man ſelbige annehmen ſolte. Die Electorales meinten, daß ſie den Schweitzern, ſo gar auch in ihrem Qvartier, nicht die Hand oder Stelle ge - ben koͤnten, die Fuͤrſtlichen aber erklaͤreten ſich gleichwohl, daß man ihnen als Stands-Perſo - nen und Cavalliers von einer freyen Republic geſendet, die Ehre anthun und ſie bey der Stiegen empfangen koͤnte. Alſo auch wird ein Reichs - Fuͤrſt (auſſer Luͤneburg und Neuburg und einige andere) nicht leicht einen Ambaſſadeur an einen Churfuͤrſten oder Koͤnig ſenden, weil man ihnen den Titul Excellentz zu geben weigert. Der Pabſt ob er gleich ſeine Nuntios, (welche man den Ordinair-Ambaſſadeurn gleich achtet) nach Turin und Genua ſendet, ſo ſiehet man doch nie - mahlen von dieſen zweyen wieder einigen Ambaſ - ſadeur in Rom, ſondern nur Envoyés, weil man ihnen die Stelle, welche ſie in der Paͤbſtl. Capelle zu haben prætendiren, nicht einraͤumen will.

§. 13.

Nicht weniger Streit giebet es, wenn einer mehr als einen Ambaſſadeur ſendet, ſie ſeyn Ordinairs oder Extraordinairs: denn da will man zu Zeiten nur einen mit dem Charactere, nicht aber alle zwey oder drey beehren; Nun aber iſt bekandt, daß die Hollaͤnder wegen ihrer Pro - vintzen ſtets mehr als einen ſenden, wenn ſie ſon - derlich Frieden ſchlieſſen wollen: andere Poten -taten254Europaͤiſchestaten thun ein gleiches, wie man ſo wohl bey dem Rißwigiſchen, als auch itzt unter Haͤnden ſchwe - benden Utrechtiſchen Friedens-Congreß erſehen kan: auf welchem Engelland den Biſchoff von Briſtol, den Graff Staffort ꝛc., Franckreich auch drey geſendet hat. Allein weil die Ambaſſadeurs ihre Præeminentz nicht intuitu deſſen an welchen, ſondern von welchem ſie geſendet werden, haben, auch derjenige an welchen man ſie ſpediret, dem Sendenden nicht vorzuſchreiben hat, wie viel er Ambaſſadeurs ſchicken will, ſo hat man endlich drein willigen muͤſſen, alle pro talibus zu erkennen und zu tractiren, pro qualibus ſie ihr Principal abgeordnet. Sonderlich iſt in der Capitulation Caroli VI. §. 5. p. m. 5. denen Churfuͤrſten ex - preſſe vorbehalten worden alle ihre cum Chara - ctere abgeordnete Ambaſſadeurs, pro talibus zu erkennen, wie man dann auch ſchon in gar alten Zeiten ſtets mehr als einen Geſandten an aus - wertige Koͤnige zu ſenden pflegen. Jn dem Roͤm. Reich iſt bey den Wahl-Tagen hierinnen noch was eigenes: denn obgleich ein Churfuͤrſt zwey oder drey Geſandten dahin ſenden mag, ſo wird doch nur einer in dem Conclavi pro tali erkennet, und zur Votation admittiret, die andern aber muͤſſen davon weg bleiben.

§. 14.

Ob nun gleich das Axioma politicum alſo lautet: Quod dignitas realis præferatur fictæ, ſo haben doch die Koͤnigl. und auch Chur -fuͤrſtl.255Hoff-Ceremoniel. fuͤrſtl. Ambaſſadeurs dieſe Prærogative, daß ſie allen andern Fuͤrſten in Perſon, ſie moͤgen inner oder auſſer Deutſchland ſeyn, vorgehen, nur bloß diejenigen Fuͤrſten (und derer Ambaſſadeurs) ausgenommen, welche recht tituliret, gekroͤnte, re - gierende Koͤnige, Koͤnigl. Wittwen oder Pupil - len, denen die Regierung, ſo bald ſie ihr gebuͤhren - des Alter erreichet, zu fuͤhren zuſtehet, ſind; denn ſolchen Fuͤrſtl. Perſonen, und deren Ambaſſa - deurs die Churfuͤrſten und ihre Ambaſſadeurs nachgehen. vid. Capitul. Caroli VI. §. 3. p. m. 5. Es haben zwar die uͤbrigen Fuͤrſten des Reichs, welche von alten Herkommen und Macht, ſchon An. 1653. getrachtet es dahin zu bringen, daß ihre Ambaſſadeurs den neugemachten Fuͤrſten, wenn ſie etwan in Perſon gegenwaͤrtig, auch vor - gezogen werden moͤchten, allein es iſt ihnen da - mahlen, und noch biß dato abgeſchlagen worden.

§. 15.

Es iſt auch zu Zeiten die Frage entſtan - ſtanden: Ob, wenn ein Ambaſſadeur irgends in eine Kranckheit verfiele, oder ſonſten durch etwas verhindert wuͤrde, ſein Subſtitutus eben den Vor - zug fuͤr andern haben muͤſte, welcher dem Subſti - tuenti gebuͤhret? Welches wohl nicht anders als dergeſtalt und mit Diſtinction kan beantwor - tet werden: Entweder es hat ein Ambaſſadeur in ſeiner Inſtruction die Clauſulam ſubſti - tuendi

1. Sim -256Europaͤiſches
  • 1. Simpliciter, oder
  • 2. Subſtituendi cum Charactere.

Auf den erſten Fall kan ſein Subſtitutus nicht den Rang des ſubſtituirenden Ambaſſadeurs prætendi - ren, wohl aber in dem andern Fall.

Achtes Capitel. Von denen Ablegatis oder Abge - ſandten, welche die Frantzoſen Envoyés, die Jtaliaͤner Inviati nennen.

§. 1.

Wir haben oben in dem dritten Capitel angemercket, in was fuͤr Stuͤcken ein Ambaſſa - deur und ein Envoyé mit einander uͤbereinkom - men, da dennoch allhier beygefuͤget zu werden uͤbrig, daß ratione finis oder der Etats-Affairen ein Envoyé alles dasjenige ſo gut verrichten kan, was man einem Ambaſſadeur zu negotiren auf - traͤget, ſo daß die differentia ſpecifica dieſer beyden nur bloß im Charactere, und dem daraus flieſſendem Ceremoniel beſtehet.

§. 2.

Sie ſind demnach ſo gut Perſonæ pu - blicæ als der Ambaſſadeur, und ob ſie gleich kei - nen Characterem repræſentativum und groſ - ſes Ceremoniel haben, ſo ſind ſie doch vielmahl in ihrer Auffuͤhrung, Logement und Tafel, nicht viel weniger magnific als mancher Ambaſſadeur.

§. 3.

Ob die Art ihrer Charge aͤlter oder juͤn - ger als der Ambaſſadeurs, oder vice verſa, iſteine257Hoff-Ceremoniel. eine curieuſe Quæſtion, welche pro und contra zu diſputiren, einen unter ihnen, und uns allen zu - ſammen, zu nichts nutzen, hingegen vielmehr ſchaden wuͤrde. Dieſes aber iſt noͤthig zu wiſſen,

  • 1. Warum man zu Zeiten Envoyés ſendet, und
  • 2. Jn was ſie von den Ambaſſadeurs unter - ſchieden?

§. 4.

Die Urſachen daß ſich die Souverains derer bedienen, ſind entweder daß man

  • 1. Die Unkoſten, ſo auf Ambaſſadeurs muͤſ - ſen emploiret werden, erſparen, oder
  • 2. Allen Streit, der wegen des Ceremoniels unter den Ambaſſadeurs zu entſtehen pfle - get, vermeiden will, und dann weil man
  • 3. Durch ſie eben dasjenige ausrichten laſſen kan, was man durch die Ambaſſadeurs ver - richten laͤſſet.

§. 5.

Der Unterſcheid eines Envoyé von ei - nem Ambaſſadeur beſtehet ungefehr darinnen, daß jener

  • 1. Allen Ambaſſadeurs, ohne Unterſcheid ob einer unter ihnen eher oder ſpaͤter ankom - men, die erſte Viſite giebet, denn dieſe ehere und ſpaͤtere arrivée kommt nur zwiſchen Miniſtris gleiches Rangs, nemlich zwiſchen Ambaſſadeurs und Ambaſſadeurs, En - voyés und Envoyés in Conſideration, daRdenn258Europaͤiſchesdenn allezeit der letzt ankommende zuerſt be - ſuchet, und gleichſam bewillkommet wird.
  • 2. Allen Ambaſſadeurs, ob ſelbige gleich von einem notoriſch minderem Principal als der ſeinige iſt, abgeſchicket worden, nachgehe.
  • 3. Denen Ambaſſadeurs den Titul Excel - lentz geben muß, ſelbigen aber nicht wieder fuͤr ſich prætendiren darff, ſondern nur zu Frieden ſeyn muß, wenn man ihn par Monſieur Euvoyé anredet.
  • 4. Von einem Ambaſſadeur, wenn er ſel - bigen beſuchet, bey Ausſteigung aus der Kutſchen, nur durch einen ſeiner Cavalliers empfangen wird, der Am - baſſadeur ſelbſten aber gehet ihme nicht weiter als biß zu der Thuͤre der Anti-cham - bre entgegen, giebet ihm auch in ſeinem ei - genem Logement niemahlen die Ober - Stelle.
  • 5. Dem Envoyé im ſitzen nur ein Stuhl ohne Lehnen, oder doch nur hoͤchſtens eine Siege a dos, niemahlen aber eine à bras gegeben, auch ſelbiger bey der Audientz allemahl der - geſtalt placiret werde, daß der Envoyé den Ruͤcken gegen die Thuͤre wende.
  • 6. Der Envoyé im Weggehen von dem Am - baſſadeur, von dieſem auch nur wieder zu der Thuͤre der Anti-chambre, und fol -gends259Hoff-Ceremoniel. gends ferner von einem oder auch mehren Cavalliers biß an die Caroſſe begleitet wird.

§. 6.

Ob nun zwar zu Zeiten geſchiehet, daß ein Ambaſſadeur

  • 1. Aus Unwiſſenheit des Ceremoniels, oder
  • 2. Aus Affection gegen dem Envoyé, dieſem mehr Ehre anthue, als ihme gebuͤhret, oder auch ein wohl geuͤbeter Envoyé durch ſeine Ad - dreſſe, ſich einen Actum mehrerer Ehren-Bezeu - gungen von einem Ambaſſadeur beyleget, ma - chet doch dieſes dem Tertio keine Præjuditz, und kan ſich ein Envoyé deswegen bey einem andern Ambaſſadeur nicht darauf beruffen, daß ihm die - ſer und jener Ambaſſadeur etwas mehreres an Civilité gethan, v. gr. die Ober-Stelle gegeben, biß zur Steigen begleitet. So viel aber effectui - ret wohl des Ambaſſadeurs Hoͤffligkeit, daß der Envoyê, welcher ſelbige entweder ignorantiæ aut affectione des Ambaſſadeurs, oder artifi - cio ſuo erhalten, ſelbige hernach von eben dieſem Ambaſſadeur wiederumb, auch wohl nach ge - ſtallten Sachen, von einem andern Ambaſſa - deur, ſo aber eben von demſelben Principalen, von welchem der Hoͤffliche geſchicket, prætendiren kan.
R 2Neund -260Europaͤiſches

Neundtes Capitel. Von denen Reſidenten.

§. 1.

Wer da weiß, wie weit ein Deputirter von einem Agenten (welche beyde unten auch er - wehnet werden ſollen) unterſchieden, der wird ſich auch gar leicht eine ideam machen koͤnnen, wie ein Envoyé und Reſidente von einander diſtingvi - ret ſind.

§. 2.

Hieraus iſt wohl zu ſchlieſſen, daß ein Reſident ſelten etwas mehreres verrichten koͤnne, als ſuppliciren, ſollicitiren, erinnern, referiren, eſpioniren, und das Intereſſe ſeines Herrn ob - ſerviren. Dannenhero diejenigen, welche le Re - ſident und l Envoyé ordinair mit einander zu confundiren pflegen, ihre Unwiſſenheit, welche ſie in regard derer Etats-Bedienten haben, zeigen. Deñ obgleich an einigen Hoͤfen die Ordinair-En - voyés oͤffters nur Reſidenten genennet werden, ſo iſt doch dieſe Benennung gantz abuſiva, und wird nur in oppoſition eines Envoyé extraor - dinair alſo genennet, dahingegen ein formaler Reſident von der Qualification eines Envoyé nichts participiret, auſſer dem daß er ein Miniſter publicus iſt.

§. 3.

Man nimmt demnach zu dergleichen Char - ge ſelten oder gar niemahlen Leute von adlicheꝛ Ge - burth, oder ſolche welche in dem Hofe ihres Prin -cipa -261Hoff-Ceremoniel. cipalen eine denen Cavalliers gebuͤhrende Stelle bekleiden: ſondern weil derer appointement gar ſchlecht, meiſtens nur in den Handel-Staͤdten reiche Kauffleute, oder auch wohl gar Juden, die ſich mit dem bloſſen Titul, ohne Beſoldung be - gnuͤgen laſſen; in den Hoͤfen aber der Souverainen haͤlt man einen Gelehrten, oder der von der Feder Profeſſion machet, und im uͤbrigen gute Notitz des Hoffes hat, wo er ſich befindet. Meiſtens ge - ſchiehets auch, daß wenn ein Ambaſſadeur oder Envoyé von ſeinem Principal zuruͤcke geruffen wird, man ſeinen Secretair als Reſidenten hinter - laͤſſet, damit man gleichwohl in Abweſenheit ſol - cher Miniſter jemanden habe, welcher was paſſi - ret, berichtet, oder was man ihm injungiret, ſol - licitiret. So iſt es auch nichts ungewoͤhnliches, daß ein Envoyé, (Ambaſſadeur) und Reſident, welche beyde von einem Herrn dependiren, zu gleicher Zeit ſich an einem auswaͤrtigen Hofe be - finden koͤnnen: ſonderlich aber halten die kleinen Fuͤrſten in dem Kayſerl. und den Hoͤfen ihres glei - chen, Reſidenten.

§. 4.

Die Republiquen nun nehmen es zwar eben nicht ſo genau, ob ein Potentat Envoyés oder Reſidenten zu ihnen ſchicket: allein die Sou - verains leiden dieſe Leute nicht allzugerne umb ſich, weil es ihrer Hoheit nicht anſtaͤndig ſeyn will, Leute welche ohne allen Character und Splen - deur, in ihren Hoͤfen unter andern anſehnlichenR 3Mini -262EuropaͤiſchesMiniſtris paſſiren zu laſſen: ſondern ſie wollen lieber Envoyés ordinairs haben, wie denn der Churfuͤrſt zu Trier, als man ihm einen Frantzoͤſi - ſchen Reſidenten zuſenden wolte, ſolches depre - cirte, und expres einen Envoyé zu haben præ - tendirete.

§. 5.

Die Alten haben dergleichen Leute, weil ſie ſelbige fuͤr eſpions gehalten, in ihren Reichen und Republiquen nicht admittiren wollen, und die Doctores Jur. gent., darunter der vortreffli - che Grotius lib. 2. c. 18. §. 3. n. 2. meinet, daß man ſelbige mit allem Recht abweiſen koͤnte, deſſen Worte ſind folgende: Optimo autem Jure re - jicı poſſunt, quæ nunc in uſu ſunt, Legationes aſſiduæ, quibus quam non ſit opus, docet mos antiqvus cui illæ ignoratæ.

§. 6.

Jedoch aber laͤſſet ſich ſo ſimpliciter nicht ſchlieſſen, daß weil die Alten ſolche Leute nicht gebrauchet oder nicht zugelaſſen, man ſie deswegen heut zu Tage auch ſo gleich verwerffen muͤſſe. Denn daß man bey den Alten Legatos auf kurtze Zeit und ad unum Actum, nicht aber auf immer, wie heut zu Tage Reſidenten, geſen - det, ſolches iſt damahlen Juris gentium geweſen. Nun aber iſt dieſes Jus mutabile, und ſind die heutigen Potentaten alſo an das Verfahren der Alten nicht zu binden. Conſvetudo enim con - ſvetudine contraria tollitur, ſo daß Puffen - dorff in ſeinem Tractat de ſtatu naturali garrecht263Hoff-Ceremoniel. recht lehret: daß weil zwiſchen zweyen Republi - qven manchmahl Negotia fuͤrfallen, welche ab - zuthun es zu koſtbahr fallen wuͤrde, allererſt Lega - ten zu ſenden: uͤber dieſes auch noͤthig daß eine Republic wiſſe, was in der andern zu ihrem beſten oder Nachtheil vorgenommen werde; ſo habe die - ſe Curioſitaͤt nunmehro kein Offenſum bey ſich, weil die moratiores gentes mutuo quaſi con - ſenſu dergleichen Reſidenten zu ſchicken und anzu - nehmen ſich vergliechen.

Zehendes Capitel. Von denen Plenipotentiariis.

§. 1.

Es pfleget zuweilen zu geſchehen, daß man in einem Paſſeport und Creditiv den Spe - cial-Character eines Miniſtri, umb allen Diſput zu vermeiden, mit ſeinem eigenen Nahmen (Am - baſſadeur oder Envoyé) nicht nennen will, und demnach hat man einen General-Titul, nemlich der Plenipotentiariorum erdacht.

§. 2.

Derſelbe iſt nun ſo wohl mit dem En - voyé als Ambaſſadeur compatibilis, maſſen ein jeder Ambaſſadeur oder Envoyé auch zu - gleich ein Plenipotentiarius, nicht aber recipro - ce ein jeder Plenipotentiarius ſo gleich ein Am - baſſadeur oder Envoyé ſeyn kan.

3. 3.

Wenn man demnach dieſe Art der Mi - niſtrorum beſchreiben wolte, ſo koͤnte man ſagen: daß ein Plenipotentiarius in functionibus pu -R 4blicis264Europaͤiſchesblicis derjenige ſey, was in functionibus pri - vatis ein mandatarius oder procurator cum libera, oder wenigſtens ein generalis iſt. Aus dieſer Paritaͤt des procuratoris mit dem Pleni - potentiario erwaͤchſet folgende Definition des letztern; Daß er ein mit einer Vollmacht und Inſtruction zu einem oder mehrern Negotiis von ſeinem Principal verſehener Miniſter, ohne alle genennete Dignitaͤt und Character ſey: denn der Nahme Pleni - potentiarii iſt nicht nomen dignitatis ſondern poteſtatis.

§. 4.

Man ſiehet bald hieraus, daß man bey dieſen Leuten mehr auf ihre Verrichtung, als das ihnen gebuͤhrende Tractament acht zu haben, doch muß man ihnen alle ex Jure gentium einem Legaten zuſtehende Inviolabilitaͤt und Immuni - taͤt einraͤumen.

§. 5.

Es ſcheinet nun zwar, daß ein Plenipo - tentiarius das Mittel zwiſchen einem Ambaſſa - deur und etwas weniger als dieſer, und zwiſchen einem Envoyé, und mehreres als dieſer ſeyn ſolle; allein dieſes Mittel iſt nicht allemahl in medio relictum, maſſen man oͤffters ſo wohl einem Am - baſſadeur als Envoyé zugleich den Plenipoten - tiariatum anfuͤget, und in denen Creditiven ſe - tzet: unſerm Ambaſſadeur (oder Envoyé) und Plenipotentiario; da denn das erſtere Wort,die265Hoff-Ceremoniel. die Wuͤrde, das andere die Verrichtung expri - miren.

§. 6.

Wenn man aber einen bloß in der Qua - lité eines Plenipotentiarii abſendet, ſo iſt er we - der Ambaſſadeur noch Envoyé, und iſt die Art dieſer Miniſtrorum meiſtens aus zweyerley Urſachen entſtanden:

  • 1. Weil die Koͤnige und Churfuͤrſten denen an - dern Fuͤrſten des Reichs nicht zugeſtehen wollen, Ambaſſadeurs ſondern nur En - voyés zu ſenden, haben zwar die Fuͤrſten beſtaͤndig wiederſprochen, indem ſie ſich quoad ſuperioritatem territorialem den Churfuͤrſten allerdings gleich geachtet, auch von Kayſerl. Majeſtaͤt und andern auswertigen Souverains das Jus mit - tendi Legatos primi ordinis erhalten. Weil man aber dieſen Streit nicht gaͤntz - lich beylegen koͤnnen, ſo haben die Fuͤrſten umb denen Tractaten keine Hindernuͤſſe zu machen, hernach Plenipotentiarios geſen - det, nicht reflectirende ob man ihnen die Qualité eines Ambaſſadeurs und Envoyé zu geſtatten wolle.
  • 2. Weil es unter den Geſandten der Souve - rainen ſelbſt, ſonderlich auf denen Frie - dens-Congreſſen, allerhand diſputirens geſetzet, wenn einer und der andere einen Ambaſſadeur dahin geſendet. Denn keinerR 5hat266Europaͤiſcheshat dem andern nach, ſondern ein jeder dem andern vorgehen wollen; So hat man kein ander Mittel geſehen, als daß man zu ſolchen Friedens-Negotiationibus Per - ſonen ohne Nahmen, jedoch mit dem Vor - behalt geſchicket, daß man ihnen hernach zu gelegener Zeit einen Character beylegen moͤge, welchen man wolle. Man ſiehet deswegen noch in dem Briefe der Koͤnigin von Engelland, welchen ſie 1711. den 29. Novembr. an die in Engelland befindli - chen Miniſtros ihrer Alliirten geſendet, ex - preſſe enthalten: daß die Engellaͤndiſchen und Hollaͤndiſchen Miniſter, auf dem bevor - ſtehenden Congreß zu Utrecht, mit keinem andern als generalen Character der Ple - nipotentiariorum erſcheinen, und erſt bey kuͤnfftiger Unterzeichnung des Friedens die Qualité eines Ambaſſadeurs annehmen ſolten.

§. 7.

Hieraus koͤnte man einiger maſſen ſchlieſ - ſen, daß die Plenipotentiarii mehr von dem Character eines Ambaſſadeurs als Envoyé participiren moͤchten.

Eilfftes Capitel. Von denen Conſuls.

§. 1.

Dieſe haben einige Gleichheit mit denSyn -267Hoff-Ceremoniel. Syndicis, weil ſie einer gantzen Nation, gleich - wie jene einem gantzen Collegio, zum Dienſt, und Beſten der Republic, in auswertigen Orten, ſonderlich aber in den groſſen Handels-Staͤdten ſich aufhalten: dannenhero man ſie auch von der gantzen Nation zu nennen pfleget v. gr. der Fran - tzoͤſiſche, der Hollaͤndiſche ꝛc. Conſul.

§. 2.

Diejenigen welche zu dieſer Function emploiret, ſind meiſtens Kauffleute, weil ſie hauptſaͤchlich das Intereſſe der Negotien ihrer Nation befoͤrdern ſollen.

§. 3.

Derer Amt beſtehet ungefehr darinnen, daß ſie

  • 1. Die Wechſel-Briefe wohl befoͤrdern,
  • 2. Den Credit ihrer Nation erhalten, und ih - re Kauffleute unterſtuͤtzen,
  • 3. Die Gelder ſo eine Nation oder Republic, auch Potentate dem andern auszuzahlen hat, lieffern,
  • 4. So wohl den Miniſtris des Fuͤrſten oder Republic in welcher ſie als Conſul leben, als auch der Republic und Kauffmanns - Compagnie ihres Vaterlandes avis geben von den Trafiquen, und dem Concours der fremden Nationen, welche Handel an einem Orte treiben.
  • 5. Die unter ihrer Nation entſtandene Dif - ferentien, ſo weit ſie die Handlung con - cerniren, decidiren.
§. 4. Es268Europaͤiſches

§. 4.

Es giebet ihnen demnach der Souve - raine, oder die Republic derer Unterthanen ſie ſind,

  • 1. Eine Confirmation ihrer Charge,
  • 2. Eine Recommendation an den Souve - rain, oder Stadt-Magiſtrat, bey welchem ſie ſich aufhalten,
  • 3. Ein Protections Patent ſie zu ſchuͤtzen.

§. 5.

Jm uͤbrigen ſind ſie ſo wohl in crimina - libus als civilibus demſelben unterworffen, in deſſen Lande ſie ſich aufhalten, und genieſſen gar keiner perſonal-Freyheit oder Exemption, auſ - ſer daß ſie in einigen Orten exempt ſind, diejeni - gen Impoſten ſo andere Kauffleute zahlen muͤſ - ſen, zu erlegen, und man ſie von andern gemeinen Kauffleuten in Ehren-Bezeugungen diſtin - gviret.

§. 6.

So wohl die Venetianer als Hollaͤnder haben verſuchet, ihrem Conſul an einigen Orten dergleichen Exemption und Authoritaͤt, als die Reſidenten zu genieſſen pflegen, zu verſchaffen; alleine es iſt keinem unter beyden in keinem Orte gelungen.

Zwoͤlfftes Capitel. Von denen Agenten.

§. 1.

Dieſes ſind eigentlich und juſt zu reden Leute, welche die Staͤnde bey ihrem Ober-Hauptehalten269Hoff-Ceremoniel. halten, derer Anſehen wohl nicht gar ſonderlich, ihre Function aber darinnen beſtehet, daß ſie Sup - plicationes machen, Beſcheide ſollicitiren, und Relationes an die, von welchen ſie ihre Beſtal - lungen haben, verfertigen.

§. 2.

Sie muͤſſen demnach etwas mit aus der Schule gebracht haben, oder durch die Praxin in denen Dingen ſo ſie verwalten ſollen, Erfah - rung uͤberkommen haben, wie man denn an vielen Orten gelehrte und verſtaͤndige Agenten, im Ge - gentheil aber auch bißweilen miſerable Zeug mit unter findet.

§. 3.

Jhr Amt zu verwalten, muͤſſen ſie hur - tig, geduldig, und auch zugleich etwas unver - ſchaͤmt, und nicht empfindlich ſeyn: maſſen ſie nicht ſelten von denen Miniſtris hart angefahren und reprimandiret werden.

§. 4.

Es halten aber nicht nur die Staͤnde bey ihrem Superiori, ſondern auch wohl Souveraine bey ihres gleichen und geringeren ihre Agenten: wenn ſie etwas zu verrichten haben, welches der Unkoſten nicht werth waͤre einen formalen Mini - ſter alldort zu haben: und dieſe Art der Agenten ſind meiſtentheils mit zu eſpioniren abgeordnet.

§. 5.

Eine oder die andere Art von Agenten hat keinen Characterem, bekommt auch keine literas credentiales, ſondern nur commen - datitias von ſeinem Principal; Sondern es iſt einbloß270Europaͤiſchesbloß Officium welches ſie verwalten: ſie koͤnnen auch wedeꝛ bey einem Fuͤꝛſten, eꝛ ſey nun denen von denen ſie dependiren ſuperior oder æqualis, oder auch bey einer Republic etwas mit Nachdruck ſchlieſſen, wenn man ſie nicht mit einem Special - Mandat daruͤber ausgeruͤſtet. Spanien ob es gleich in ſeinem Reiche keine Juden duldet, hat doch vielmahlen zu Conſtantinopel einen Agenten der ein Jude, dergleichen andere Potentaten auch dann und wann zu thun pflegen.

§. 6.

Weil ſie nun keinen Characterem, und keinen Theil an den Juribus Legatis ex Jure gentium competentibus haben, ſo folget daß ſie von der Jurisdiction deſſen, bey dem ſie ſich auf - halten, nicht eximiret. Welches, wie es bey denen Agenten, welche a Statibus ad ſuperiorem geſen - det werden, gar keinen Zweifel hat, alſo giebet es bey denjenigen, die von einem andern Souverain, als derſelbige iſt bey dem ſie ſich aufhalten, de - pendiren, in hoc paſſu ein Majus & Minus. Deñ wenn ein Agente ein delictum begienge, ſo hat es derjenige in deſſen Territorio es geſchehen, ab - zuſtraffen, und wenn er es beſtraffet, thut er da - durch nicht wieder das Jus gentium. Jedoch wenn der Agente von einem potentiori oder a - mico dependiret, thut der Dominus territorii beſſer, daß er das delictum an den Principal be - richtet, und dafern ſich ſelbiger erklaͤret, den De - linquenten gebuͤhrend abzuſtraffen, ſelbigen ſo dann zuruͤcke ſchicket.

§. 7. Jn271Hoff-Ceremoniel.

§. 7.

Jn zwiſchen muß man ſie doch conſide - riren als Aulicos und Domeſtiquen deſſelbigen Printzen oder Republic, von welcher ſie abgeord - net worden, und ihnen dergleichen Deferentz thun, daß ihre Principalen nicht choquiret werden.

Dreyzehendes Capitel. Von denen Secretariis.

§. 1.

Es iſt zwar ſchon im vorhergehenden ſech - ſten Capitul einiger maſſen von der Function ei - nes Secretarii Meldung geſchehen, hier aber wird noch zu betrachten ſeyn, daß es zweyerley Secre - tarios giebet.

    • 1. Legations-Secretarios, welche nicht von dem Ambaſſadeur oder Envoyé, ſondern von dem Souverain, welcher die Legation ſendet, conſtituiret, dependiren, und ſala - riret werden: und dieſe ſind perſonæ publi - , uñ genieſſen meiſtens der Inviolabilitaͤt und Immunitaͤt, derer der Ambaſſadeur ſelbſten genieſſet. Dañenhero Henricus IV. in Fꝛanckreich den Legations-Secretarium des Koͤniges in Spanien, welcher einiger Conſpiration wieder den Henricum be - zuͤchtiget worden war, und nach Meynung des Pariſiſchen Senats von dem Henrico ſolte beſtraffet werden, gleichwohl als in - violabilem an ſeinem Herrn Principal, den Koͤnig in Spanien remittirete.
    • 2. Des Ambaſſadeurs oder Envoyé Secreta -rios272Europaͤiſchesrios, welche ſich einer oder der andere annim̃t und ſie ſalariret: dannenhero ſolche auch gantz alleine von ihnen dependiren, und Domeſti - quen, aber nicht publicæ perſonæ ſind.

§. 2.

Dieſe Legations-Secretarii nun, von welchen hier hauptſaͤchlich die Rede, empfangen

  • 1. Jhr beſonder Creditiv, und ſo dann werden ſie nicht viel geringer gehalten als die En - voyés Ordinairs oder Reſidenten,
  • 2. Werden vielmahlen dem Ambaſſadeur in caſum mortis ſubſtituiret, welches doch nur meiſtens geſchiehet, wenn man einen, ſelten aber, wenn man zwey Ambaſſadeurs ſendet.
  • 3. Sie werden in ihrer Inſtruction zwar an - gewieſen, dem Ambaſſadeur zur Hand zu gehen, allein er darff ihnen auſſer dem, was zur Legation und zum Secretariat gehoͤrig, nicht viel zumuthen.

§. 3.

Die Venetianer haben dieſes ins beſon - dere, daß ſie allezeit nebſt ihrem Ambaſſadeur auch zugleich einen Secretarium des Senats ſen - den, welchen der Ambaſſadeur zu allen Audien - tzen und Conferentien mit nehmen muß, und ohne denſelben nichts ſchlieſſen kan; jedoch bede - cket ſich dieſer nicht, und ſitzet auch nicht bey den Audientzen gleichwie der Ambaſſadeur, ſondert bleibet unbedeckt und ſtehend: wenn aber dieſerSecre -273Hoff-Ceremoniel. Secretair alleine erſcheinet, wird ihm ein Stuhl gegeben, und faͤhret auch in Begleitung vieler Be - dienten. Die Secretarii aber, ſo von andern Potentien dem Ambaſſadeur zugeordnet wer - den, darff er eben nicht mit zu der Audientz, noch weniger in die Conferentz nehmen, in welcher ſie auch die andeꝛn Ambaſſadeurs vielmahl nicht ad - mittiren wuͤrden. Wenn auch ein Nuntius nach Pariß kommt, werden ihme von dem Koͤnige ein oder zwey Secretarii zugeordnet, ſo Frantzoſen von Nation oder doch Frantzoͤſiſche Unterthanen ſind.

§. 4.

Je weiter nun ein Potentat ſeinen Am - baſſadeur oder Envoyé von ſeinem Lande zu ei - nem fremden Potentaten ſendet, v. gr. Franck - reich nach den Tuͤrcken, Pohlen nach Spanien ꝛc. je gewoͤhnlicher und noͤthiger iſt es, daß man ihm einen Legations-Secretair zuordnet: damit, wann der Ambaſſadeur kranck wuͤrde, oder wohl auch gar verſtuͤrbe, die Legation nicht unterbro - chen, ſondern von dem Secretario continuiret werde: ja es geſchiehet nicht ſelten, daß ſolche Se - cretarii das Kamp-Rad der Uhr, der Ambaſſa - deur aber nur der Weiſer iſt, welchen jenes, daß er recht gehe, treibet.

Vierzehendes Capitel. Von den Commiſſariis.

§. 1.

Dieſes ſind Abgeſandten, welche ein Lan -Sdes274Europaͤiſchesdes-Fuͤrſt, oder auch eine andere hohe Obrigkeit an ſeine Unterthanen, entweder auf derer Anſu - chen, oder auch freywillig ſendet. Dieſe haben ihre Autoritaͤt nicht ex jure gentium ſondern ex Jure Civili.

§. 2.

Sie ſind entweder

  • 1. Perpetui oder temporanei: das Exempel eines Perpetui Commiſſarii findet man, an dem Kayſerl. Commiſſario nach dem Reichs-Convent zu Regenſpurg, oder nu - mehro zu Augſpurg: das Exempel aber ei - nes Commiſſarii temporanei hat man 1712. an der Perſon des Erb-Printzen von Pfaltz-Sultzbach geſehen, als welchen Kaͤy - ſerl. Majeſtaͤt Carolus VI. zu ihren Com - miſſario erwehleten, und beorderten die Huldigung der Stadt Coͤln in dero Nah - men zu empfangen. Ein gleiches ſiehet man alle Jahr in denen Kayſer - und Koͤnig - lichen Herrn Commiſſariis, welche Jhro Majeſtaͤt nach dem Schleſiſchen Fuͤrſten - Tage beordnen.
  • 2. Cum plenipotentia oder cum poteſtate decidendi, oder absque plenipotentia und nur cum poteſtate examinandi ab - geordnet, welches man aus ihrem Com - miſſariat oder Vollmacht erſehen kan, als welches ſie aufweiſen muͤſſen: da man dann ſelbiges zuweilen ſo vollkommen findet, daßauch275Hoff-Ceremoniel. auch ſo gar die Appellation von einem Commiſſario an den Fuͤrſten verweigert wird.
  • 3. Etats-Kriegs - oder Geiſtliche Geſchaͤffte zu verrichten.

§. 3.

Unter allen Arten der Commiſſario - rum iſt wohl keiner vornehmer als der Commiſ - ſarius Imperatoris auf den Reichs-Tag nach Regenſpurg, welches noch an. 1712. Jhro Emi - nentz der Cardinal von Lamberg und Biſchoff zu Paſſau war, nachdem aber ſeine Eminentz An. 1712. am 7. Novembr. Todes verblichen, iſt Jhro Durchlaucht. der Fuͤrſt von Loͤwenſtein - Wertheim von Jhro Majeſtaͤt dazu denomini - ret worden, und hat ſeine Function im Decemb. ſelbigen Jahres angetreten, von welchem Herr Reichs-Hoff-Rath Lyncker eine beſondere Diſ - ſertation, derer Titel de Commiſſario Imperiali, heraus gegeben.

§. 4.

Ein von einem Landes-Fuͤrſten abgeſen - deter Commiſſarius iſt dem Range nach (ſo lan - ge ſeine Commiſſion dauret) mehr als der groͤſ - ſeſte Magiſtrat oder Stand, welchen der Landes - Fuͤrſt in ſeinem Territorio hat, im fall er nur an den Magiſtrat, oder Staͤnde, immediate abge - ſendet worden: woraus erhellet, daß ſolche hohe Commiſſarii etwas von dem Charactere re - præſentativo participiren, und folgentlich einS 2groſ -276Europaͤiſchesgroſſes und dem Ambaſſadeurs gemaͤſſes Cere - moniel prætendiren, wie dann nur erſt zu An - fang dieſes Jahres von Augſpurg verlautete, daß Jhro Durchl. der Kayſerl. Principal-Commiſ - ſarius zu Augſpurg ſeine Ruͤckkunfft von Muͤn - chen deswegen verzoͤgert, umb ſich mit Jhro Ho - heit dem Koͤnigl. Pohlniſchen und Chur-Saͤchſi - ſchen Chur-Printzen, als welcher von ſeiner Reiſe aus Jtalien ſich nach Augſpurg begeben hatte, wegen des Ceremoniels nicht in embarras zu ſe - tzen, wiewohl es dieſer Præcaution, nachdem ſich hochgedachter Printz incognito und in der Qua - lité eines Graffen von der Laußnitz daſelbſt auf - gehalten, nicht beduͤrfftig geweſen waͤre.

§. 5.

Aller Commiſſariorum Authoritaͤt, ſo groß ſelbige ſeyn kan, erſtrecket ſich nicht weiter als biß an die Graͤntzen des territorii des Ab - ſendenden Fuͤrſten oder Souverains: wann aber ſelbige in ein fremdes Territorium geſendet wer - den, ſo verliehren ſie dieſen Nahmen, und muͤſſen entweder Reſidenten, oder Envoyés, oder Am - baſſadeurs heiſſen. Dannenhero noch zu unter - ſuchen ſtuͤnde, ob in dem Pyrenaͤiſchen Frieden, dem Don Louis d’Haro, und dem Cardinal Ma - zarin, nicht ſo wohl der Titel eines Commiſſarii als Ambaſſadeurs haͤtte koͤnnen beygeleget wer - den, weil die Conferentz dieſer zwey Miniſter, auf dem Grund und Boden jedwedes Principalen geſchahe; allein weil gleichwohl einer und der an -dere277Hoff-Ceremoniel. dere dieſer Potentaten, nicht zu ſeinen Untertha - nen, ſondern zu ſeines gleichen ſendete, und das Negotium einen Frieden betraff, ſo hat man ih - nen die Qualitaͤt der Ambaſſadeurs, nicht aber der Commiſſarien beygeleget.

§. 6.

Unterdeſſen aber, ſo ein oder der andere Souverain jemanden, einen Graͤntz-Streit mit ſeinem Nachbaren abzuthun, ſendet, dergleichen zum oͤfftern zu geſchehen pfleget: ſo ſind dergleichen Abgeordnete nichts anders als Graͤntz-Commiſ - ſarii, unerachret ſie nicht bloß an die Unterthanen, ſondern auch an einem extra fines befindlichen Fuͤrſten geſendet wuͤrden; Deñ weil ſie nicht extra territorium kommen, ſondern ihre Negotia in confinibus zu verrichten haben, wird ihnen kein ander Nahme beygeleget.

§. 7.

Der Krieges-Commiſſarien giebet es unterſchiedene Arten:

  • 1. General-Kriegs-Commiſſarios, welche
    • 1. Die Bezahlung der Voͤlcker zu thun,
    • 2. Derer Muſterung vorzunehmen,
    • 3. Rechnung und Rollen zu fuͤhren,
    • 4. Den Eyd von den Officiren zu nehmen,
    • 5. Die Montirung einzurichten ꝛc. haben: und iſt ihr Amt, nach des General - Lieutenants, zwar nicht das vornehmſte, dennoch das wichtigſte.
S 32. Re -278Europaͤiſches
  • 2. Regiments-Commiſſarios, welche von dem General-Commiſſario dependi - ren, und im uͤbrigen bey jedem Regiment dasjenige zu verrichten haben, was der Ge - neral-Commiſſarius bey der gantzen Armee.
  • 3. Marſch-Commiſſarios, welche denen mar - ſchirenden Tꝛouppen die Marſch-Route und Qvartiere anweiſen: und weil ſie des Lan - des, durch welches der Marſch gehet, muͤſſen kuͤndig ſeyn, ſo nimmt man einen Jnwoh - ner, und ſonderlich einen ſolchen darzu, der irgends vormahlen im Kriege geweſen, und mit Soldaten umzugehen weiß.

§. 8.

Bey der Geiſtlichkeit giebet es auch Commiſſarios, welche zwar ſo wohl den Nah - men als Verrichtung nach, unterſchiedlich. Denn es giebet Vicarios Generales, Officiales, Dele - gatos, welche alle in der That nicht viel anders als Commiſſarii ſind; jedennoch aber hat nur derjenige eigentlich den Nahmen eines Commiſ - ſarii, welcher von dem Biſchoff geſendet oder be - vollmaͤchtiget iſt, in einem Theil der Diœces die Land-Pfarren und Land-Kirchen aus allen Dif - ferentien zu ſetzen, wovon in dem Jure Canoni - co gelehret wird.

§. 9.

Daß man aber diejenigen, welche irgends auf Befehl eines Landes-Fuͤrſten, in ſeinem Landeei -279Hoff-Ceremoniel. einen groſſen Bau zu dirigiren, oder viel Sachen in die Proviant-Haͤuſer einzukauffen, oder auch auſſer Landes etwas einzuſchaffen haben v. gr. Stuͤcke, Holtz zu Maſt-Baͤumen ꝛc., mit dem Nahmen der Commiſſariorum zu belegen pfle - get, ſolches iſt ein Abuſus, uñ hieher nicht gehoͤrig.

Funffzehendes Capitel. Von denen Deputatis.

§. 1.

Gleichwie derjenige, ſo von einem Lan - des-Fuͤrſten an ſeine Staͤnde und Unterthanen, oder von einem Magiſtrat zu derer Jurisdiction gehoͤrigen Einwohnern geſendete, den Titel eines Commiſſarii; alſo fuͤhret im Gegentheil, ein von den Staͤnden an ihren Landes-Fuͤrſten, oder ein von den Jnwohnern an ihren Magiſtrat abgeord - neter den Nahmen eines Deputati, ſc. Landes - Deputirter, oder Landes-Beſtelter, dergleichen jedwedes Fuͤrſtenthum in Schleſien hat.

§. 2.

Ob nun zwar dieſer Nahme hauptſaͤch - lich denjenigen zuſtaͤndig, welche ab inferioribus ad ſuperiores geſendet werden; ſo findet man doch auch, daß wenn Gleiche zugleich ſenden, die Abgeſendete den Titul der Deputatorum be - kommen, welche Titulatur unter den Hollaͤndern und Schweitzern gar bekandt. Deñ wenn von den erſteren eine oder alle Cantons zu einander ſen -S 4den,280Europaͤiſchesden, oder jene im Haag, dieſe in Baden, ihre Zu - mmenkunfften halten, ſo werden die dazu erkieſete Perſonen Deputirete genennet: und dieſe Arten der Deputatorum, weil ſie von einer an ſich ſelbſt Souverainen Provintz oder Canton, an eine an - dere Souveraine, obgleich in ewigen Bund mit - einander ſtehende Provintz und Canton, geſendet werden, und das Jus repræſentandi Provin - ciam & ſouverainitatem haben, muͤſſen der In - violabilitaͤt und Immunitaͤt ſo gut als die Le - gati, genieſſen.

§. 3.

Man findet auch wohl in vorigen Zeiten Exempel, daß Majeſtaͤtiſche Abgeſandten, der - gleichen von Franckreich der Praͤſident Jeannin, und der Engliſche, beyde zu Zeiten des Spani - ſchen Krieges mit Holland waren, von dem Titul Deputatorum nicht abhorriret, ſondern ſich in den Tractaten, welche ſie untereinander, den Still - ſtand und Frieden zwiſchen Spanien und Hol - land zu befoͤrdern, geſchloſſen, ſich ſelber Deputa - tos genennet: vielleicht darum weil ſie damahlen gleichſam wegen der Alliance ein Corpus formi - ret, und communi Conſilio ihre Literas ver - fertiget.

§. 4.

Jn dem Roͤm. Reich hat es zu unter - ſchiedenen mahlen harte Conteſtations geſetzet: denn weil die Abgeordneten der Staͤnde auf einen Reichs-Tag oder auf einen Conventum publi -cum281Hoff-Ceremoniel. cum, der inner den Graͤntzen deſſelben geſchiehet, von Kayſerl. Majeſtaͤt fuͤr nichts anders als De - putatos koͤnnen angeſehen und gehalten werden, ſo geſchahe 1641. in den Præliminar-Tractaten (des Friedens in Weſtphalen) zu Hamburg, daß man die zu kuͤnfftigem Congreß abzuordnende Miniſtros,

  • 1. Der Koͤnige und Fuͤrſten auſſer Deutſchland, mit dem Nahmen Plenipotentiariorum; aber
  • 2. Der Chur - und Fuͤrſten im Reiche, nur Deputa - tos in den auszufertigenden Paſſeporten nen - nen wolte. Welches aus keinem andern Fun - dament, als daraus entſtunde,
    • 1. Das die Status des Reiches, in den darin - nen vorfallenden Zuſammenkuͤnfften, nicht anders als pro ſubditis, und ihre abgeord - nete Miniſtri pro Deputatis gehalten wer - den koͤnten.
    • 2. Wenn man von Kayſerl. Seiten nicht zu ge - ſtehen will, daß die Staͤnde, wenn man mit auswertigen Potentaten etwas zu ſchlieſſen hat, als Souveraine im Reich concurri - ren, und Ambaſſadeurs ſenden koͤnten: ſon - dern daß dieſe Prærogative Kayſerl. Maje - ſtaͤt alleine vorbehalten werde muͤſſen. Und demnach geſchahe auch, daß ob man gleich der Churfuͤrſten Abgeordnete, gleich denS 5Koͤ -282EuropaͤiſchesKoͤnigl. Ambaſſadeurs, von auswertigen Potentien den Titul Excellentz gaͤbe, und ſelbigen die Viſites d honneur nicht weigerte; ſo wurde doch der Weſtphaͤliſche Friedens-Schluß, wie aus dem 12. §. des XVII. Articuls zu erſehen, von den Chur - fuͤrſtl. und Fuͤrſtl. Miniſtris nur als von Deputatis, von den Kayſer - und Koͤnigl. aber als Legatis unterſchrieben: weil dieſer Friedens-Schluß in den viſceribus des Roͤm. Reichs geſchahe.

§. 5.

Die auf dem Reichs-Tage zu Regen - ſpurg abgeordnete Miniſtri der Churfuͤrſten, Fuͤr - ſten, und Staͤnde des Reichs, werden mit aller - hand Nahmen per vices, und bald Geſandten, bald Abgeſandten, bald auch Gevollmaͤchtigte, und endlich auch Deputirte genennet: welches letz - tere ſie auch ſind, weil ſie apud ſuperiorem oder ſuperiorem repræſentantem, nemlich dem Kay - ſerl. Commiſſario, und intra fines Imperii er - ſcheinen. Man darff ſich demnach uͤber der Va - riation der Nahmen nicht wundern, weil auch ſo gar in einigen Receſſibus Imperii, als in dem Receſſu de An. 1603. §. 44. dergleichen Ver - miſchung geſchehen, daß man die Legatos cum Charactere nur Abgeſandten genennet.

§. 6. Man283Hoff-Ceremoniel.

§. 6.

Man koͤnte auch, ſonderlich in den con - fœderireten Republiqven, als der Schweitz und Holland, die Deputatos ſo wie die Ambaſſadeurs und Envoyés, in ordinarios und extraordina - rios unteꝛſcheiden; maſſen es vielmahl zu geſchehen pfleget, daß eine Provintz oder ein Canton zu dem andern Extra-ordinaire Deputirten abſendet: allein dieſe Theilung hat keinen Nutzen, weil der Ordinair-Deputirte nichts geringer als der Extra-Ordinaire.

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Vierd -284Europaͤiſches

Vierdter Theil. Von denen Streitigkeiten,

Welche wegen der Prærogativa und dem Ce - remoniel, auf fuͤnff Friedens-Congreſſen entſtan - den.

Da denn zuvorhero gewieſen wird, was fuͤr eine Beſchaffenheit es habe mit

  • 1. Præliminair-Conferentien in genere,
  • 2. Dem Orte des Friedens-Congreſſes,
  • 3. Denen Mediatoribus, und Miniſtris me - diationis,
  • 4. Der Ertheilung der Paſſeporten,
  • 5. Der Sprache, in welcher man reden will oder ſoll.

Erſtes Capitel. Von den Præliminar-Conferentien.

§. 1.

GLeichwie es groſſer Præparatorien von noͤthen hat, bevor ein Potentate einen Krieg mit Nachdruck anfangen und hinaus fuͤh - ren kan; gleicher geſtalt laͤſſet es ſich auch nicht ſo bald gradezu einen Frieden ſchlieſſen, ohne daß man zuvor einige Dinge præliminariter abthue, welche ſonſten die Vollziehung des Friedens, wo nicht gar hindern, wenigſtens doch verzoͤgern und ſchwerer machen koͤnten.

§. 2. Dan -285Hoff-Ceremoniel.

§. 2.

Dannenhero iſt noͤthig und gewoͤhnlich, daß die in den Krieg verwickelte Theile, eines das andere erforſche, wie weit es bey inſtehen dem Frie - dens-Schluſſe ſeine Prætenſiones treiben, oder wie viel es von denſelben moͤchte fallen laſſen.

§. 3.

Man ſiehet gar leicht hieraus, von was fuͤr einer Conduite und Circumſpection dieje - nigen, welche die Præliminaria einzurichten ha - ben, ſeyn muͤſſen. Denn weil dieſe Præliminaria doch der Grund des kuͤnfftigen Friedens ſeyn, und dieſes, was dem Frieden am hinderlichſten ſchei - net, aus dem Wege raͤumen, und die Friedens - Bahn baͤhnen muͤſſen; ſo brauchet es gewiß einer politiſchen Prudentz, dieſen Grund dergeſtalt zu legen, daß er bey kuͤnfftigen darauf zu bauenden Frieden nicht wancke.

§. 4.

Man darff aber ja nicht meinen, daß des - wegen der Friede ſo gleich richtig und fertig, ob - gleich die Friedens-Præliminaria von denen dazu erkieſeten Plenipotentiariis unterzeichnet, und von dero hohen Principalen ratihabiret worden. Denn ſo wenig als die Sponſalia de Futuro ein Matrimonium verum & confirmatum zu nen - nen, ſo wenig auch kan man denen Friedens-Præli - minarien den Nahmen eines voͤllig geſchloſſenen Friedens beylegen; maſſen der ſtatus belli, ob ſie gleich geſchloſſen, dadurch nicht aufgehoben: ſon - dern nur etwan zum hoͤchſten ein Waffen-Still - Stand gemacht, die Certatio per vim bey Seitegeſe -286Europaͤiſchesgeſetzet, und angefangen wird, rationibus & Ju - ribus zu diſputiren. Ja es giebet der Exempel zur Gnuͤge, daß der kuͤnfftig zu ſchlieſſende Friede, gar anders abgelauffen, als man es in den Præli - minaribus projectiret und verſichert hatte, wel - ches man, (vieler andern Factorum zugeſchwei - gen) mit der einzigen Stadt Straßburg erweiſen kan; Denn obgleich dieſer Ort in den Prælimi - naribus des Rißwigiſchen Friedens expreſſe, dem Deutſchem Reiche wieder reſtituiret zu wer - den, bedungen und verſprochen worden war: ſo wuſte doch Franckreich ſich, bey dem hernach zu Rißwig geſchloſſenen Frieden, ſo meiſterlich von dieſem Præliminar-Puncte loß zu drehen, daß man ihm ſelbigen Ort laſſen, und einen der beſten Præliminar-Articul, gleich als waͤre er nicht zum Friedens-Grunde geleget worden, uͤberſehen mu - ſte. Noch ein anderer und nicht geringerer Be - weißthum, daß die Præliminaria von einem for - malen Frieden ſehr weit unterſchieden, kan aus der Antwort des Koͤniges in Franckreich genom - men werden, welche er bey den Præliminariis des Rißwigiſchen Friedens gabe. Denn als man von dem Aller-Chriſtlichſtem Koͤnige prætendirte, daß er ſich, auſſer Straßburg zu reſtituiren, noch zu was mehrerem erklaͤren moͤchte, gabe er ſeine Erklaͤrung dergeſtalt: Wenn man alles in den Præliminar-Puncten abhandeln wolte, ſo brau - che es keines ferneren Friedens: nun aber waͤ -ren287Hoff-Ceremoniel. ren die Præliminaria nur ein Acheminement zum Frieden, noch lange aber nicht der Friede ſelbſt.

§. 5.

Man pfleget aber bey Friedens-Præli - minarien meiſtens folgende Puncte abzuhandeln:

  • 1. Auf was fuͤr einem Fuß oder Fundament der Friede ſolle geſetzet werden, und von welchen man keines weges abweichen wolle.
  • 2. Den Ort, wo der Friedens-Congreß ſolle gehalten werden.
  • 3. Wer zu dem Frieden zu admittiren, oder davon auszuſchlieſſen.
  • 4. Weme man die Ehre der Mediation und der daraus flieſſenden Garantie uͤber - laſſen wolle.
  • 5. Wie die Paſſeports ſollen ertheilet werden.
  • 6. Was man denen zum Friedens-Congreß abzuordnenden Plenipotentiariis fuͤr ei - nen Character beylegen, und was fuͤr ein Ceremoniel dabey beobachtet werden ſolle.

§. 6.

Der erſte-Punct gehet daß Haupt-Werck des kuͤnfftig zu ſchlieſſenden Friedens an, als auf welchem der Frieden gleichſam als ein Gebaͤude auf ſeinem Grunde beruhen muß; maſſen ſich die die Streitenden, und nun zu accommodirenden Theile, ſtets darauf beruffen, daß man von ſelbi - gem nicht abweichen ſolle: oder auch, quia pro - miſſum (in Præliminaribus) cadit in debi -tum,288Europaͤiſchestum, nicht koͤnne. Und es iſt ein unfehlbahres Zei - chen, daß wenn man den Præliminair-Puncten nicht ſtricte bey kuͤnfftigem Friedens-Schluß inhæriret, ſondern allerhand Chicanen und ter - giverſationes machet, der Frieden auf der einen Seiten ſchlecht ablauffen werde. Auſſer dieſen ſpecifice verfaſſeten Præliminair-Puncten, wird auch meiſtens ein ſchon vorhero geſchloſſener Frie - de, pro Baſi des wiederum zu ſchlieſſenden genom - men: alſo wolten die Hollaͤnder den Utrechtiſchen Frieden mit Franckreich nach dem Niemaͤgiſchen einrichten; und in Deutſchland wird meiſtens ein jeder Friede nach dem Weſtphaͤliſchen, als wel - cher Ex-fundamentalis worden, projectiret: in dem Randſtaͤdiſchen Præliminaribus aber, hat man den Rißwigiſchen zum Grunde mit geleget.

§. 8.

Uber der Auswehlung eines Orts, in welchem der durch die Præliminarien angefange - ne Frieden, ſolle vollzogen werden, giebet es zu Zeiten harte Conteſtationes: was deſſen Urſache, wird in folgenden Capitul beruͤhret werden, hier aber nur noͤthig ſeyn, ein oder das andere Exempel anzufuͤhren. Der groſſe Weſtphaͤliſche Anno 1648. geſchloſſene Friede, hatte gar ungemeine lange vorhergehende Præliminaria, maſſen ſchon 1634. der Schwediſche Reichs-Cantzler Oxen - ſtiern mit einigen Deutſchen Fuͤrſten zu Franck - furth am Mayn in Deliberation trat, wie und wo ein ſicherer Friede zu ſchlieſſen waͤre. Und derAn. 289Hoff-Ceremoniel. An. 1635. zu Prag zwiſchen Kayſerlicher Maje - jeſtaͤt, und dem Chur-Fuͤrſten zu Sachſen getrof - fene particulair-Friede, ware in regard der an - deren Intereſſenten fuͤr nicht viel anders als eine Præliminair-Convention anzuſehen. Jn dem Anno 1641. zu Regenſpurg gehaltenem Con - ventu, auf welchen man Præliminaria Pacis projectirete, wurde zwar Muͤnſter und Oſnabruͤg zu kuͤnfftiger Friedens-Conferentz auserſehen: al - lein, es war noch weit im Felde, ehe man ſich recht darzu determiniren kunte. Endlich wurde Ham - burg auf inſtaͤndiges Anhalten des Koͤniges von Daͤnnemarck zu den Præliminair-Puncten aus - erwehlet, allwo ſich auch die Daͤhniſchen Pleni - potentiarii zuerſt, hernach die Kayſerl. Frantzoͤ - ſiſchen, und Schwediſchen einfunden; allein weñ man meinete, es wuͤrde nunmehro ein oder der an - dere Punct ſeine Richtigkeit erhalten, fiel doch immer etwas darzwiſchen, welches das abgerede - te gaͤntzlich aufhobe, und wurden gantzer 7. Jahr mit diſputiren zugebracht: biß endlich An. 1641. dieſe Hamburgiſche Præliminaria de dato den 25. Decembr. von Conrad Luͤtzen Kayſerl. und Koͤnigl. Spaniſchen, Claudium, Grafen d Avaux Frantzoͤſiſchen, und Johannem Salvium Schwediſchen Plenipotentiarium beſiegelt, un - terſchrieben: unter vielen andern Conditio - nen aber, die Stadt Muͤnſter und Oßnabruͤg zu der Conferentz des kuͤnfftigen Friedens dergeſtaltTbedun -290Europaͤiſchesbedungen worden, daß man den 28. Martii des inſtehenden 1642. Jahres zu dem termino a quo nehmen ſolte. Allein dieſer Tag erſchiene, ohne daß ſich alle Plenepotentiarii der interes - ſirten Potentien einfanden, wurde demnach die Aſſemblée biß auf den 11. Julii des 1643. Jahres prorogiret; aber auch dieſer Termin ruͤckete wiederum vergeblich heran, weil ſich zwiſchen Kayſerlicher Majeſtaͤt und dem Koͤnige in Franck - reich neue Difficultaͤten ereigneten, und immer ein Theil den andern beſchuldigte, daß er den Frie - den mit Fleiß trainire: ward alſo allererſt Anno 1644. dꝛey Jahr nach den zu Hambuꝛg gemachten Præliminarien, der Weſtphaͤliſche Friede an - gefangen. Jn denen, fuͤr dem Pyrenaͤiſchen Frieden vorhergehenden Præliminaribus, kam anfangs Rom in den Vorſchlag, daß man da - ſelbſt den Frieden in forma ſchlieſſen wolte, wie ſich dann auch ſo wohl der Spaniſche als Fran - tzoͤſiſche Ambaſſadeur auf Anhalten Alexandri VII. dahin begeben hatten; alleine die Frantzoſen excipirten wieder dieſen Ort aus zweyerley ge - gruͤndeten oder (quod idem eſt) ungegruͤndeten Urſachen.

  • 1. Daß der Pabſt als erwehlter Arbiter, gar zu ſehr fuͤr Spanien paſſioniret, welche Paſſion er ſchon zu Muͤnſter als Paͤbſtlicher Nuntius deutlich ſpuͤhren laſſen.
2. Die -291Hoff-Ceremoniel.
  • 2. Dieſe Stadt, wegen des nahe daran graͤntzenden Koͤnigreichs Neapolis, wel - ches Spanien pro Dominante habe, fuͤr die Frantzoſen nicht ſicher genung.

Nicht anders gieng es fuͤr dem Niemaͤ - giſchen Frieden her: deñ dieſer Ort war we - der der einige noch der erſte, welchen man zu der Friedens-Conferentz erwehlete, ſon - dern es kam

  • 1. Coͤln am Rhein in Vorſchlag, allwo ſich auch wuͤrcklich A. 1673. Plenipotentiarii der den Frieden ſuchenden Potentien eingefunden hat - ten; als aber Kayſerl. Majeſtaͤt den Wilhelm von Fuͤrſtenberg, Chur-Coͤllniſchen Geſand - ten, alldort wegnehmen, und nach Wien in priſon bringen laſſen, hielte Franckreich dieſes Verfahren als eine violationem Juris gen - tium, und revocirte ſeine daſige Geſandten, wolte auch weiter von dieſem Orte nichts mehr hoͤren. Nach dem machte man Reflexion auf
    • 2. Franckfurth,
    • 3. Acken,
    • 4. Hamburg,
    weil dieſe 3. aber Reichs-Staͤdte waren, acceptirte Franckreich ſelbige nicht.
    • 5. Breda,
    • 6. Meurs,
    • 7. Cleves,
    kamen auch in Vorſchlag, den erſten Ort wolten die Alliirten und Hollaͤnder, die letz -T 2ten292Europaͤiſchesten zwey aber, weil es Dependentien von dem Roͤm. Reich waͤren, die Frantzoſen nicht ac - ceptiren: biß endlich Niemaͤgen, eine ob gleich den Hollaͤndern gehoͤrige, dennoch gleichſam neutrale Stadt, von allen beliebet, und dem Koͤnige von Engelland, als Mediatori, die Diſpoſition daruͤber eingeraͤumet wurde. Vor dem zu Rißwig geſchloſſenem Frieden, gab es in denen vorhergehenden Præliminarien auch viel diſputirens wegen des Orts, welchen man zu kuͤnfftiger Friedens-Handlung auserſehen ſolte; denn es begehreten Kayſerl. Majeſtaͤt, welche ſich dißfalls, als das Ober-Haupt Chriſtlicher Potentaten, niemanden wolten fuͤrſchreiben laſſen, einen Ort in dem Roͤmi - ſchen Reiche zu erkieſen: und ſchlugen dem - nach (dergleichen auch die meiſten Staͤnde des Reichs thaten) Franckfurth oder Coͤlln fuͤr, weil beyde zu einem dergleichen Congreſſe ſehr bequem gelegen waͤꝛen: dabey einwenden - de, daß man den Hollaͤndern allererſt im Nie - maͤgiſchen Frieden gratificiret, und dieſe ih - nen gehoͤrige Stadt zum Handels-Platze an - genommen haͤtte: dahero aber der Profit nicht immer bloß und allein den Hollaͤndern, ſondern auch andern Laͤndern, welche die one - ra belli empfunden und getragen haͤtten, zu goͤnnen, und anbey Coͤlln und Franckfurth viel wohlfeyler, als die Staͤdte in Holland, waͤren. Von293Hoff-Ceremoniel. Von einigen wurde Maſtrich, Breda, oder Bruͤſſel, von andern auch wiederum Niemaͤ - gen vorgeſchlagen. Jnzwiſchen genoſſe doch Gravenhaag die Ehre, daß man alldort die Friedens-Negotiation treiben ſolte, theils darumb, weil Zeit der An. 1691. gemachten groſſen Aliance ein jeder der Hohen Alliirten im Haag ſeinen Plenipotentiarium gehalten hatte, denen die Angelegenheiten des Krieges, und des darauf zu machenden Friedens am be - ſten bekandt worden waren: als welche ſchon beyſammen, und ſich mit einander eingerichtet hatten, ſo daß es eine unnoͤthige Sache waͤre, ſie erſt an einen andern Ort mit mehren Koſten zu ſenden; theils wurde auch gemeltes Gra - venhaag darumb zu dem Orte des Friedens - Schluſſes beliebet, weil die Hollaͤnder mit ih - ren Præliminair-Puncten ſchon fertig worden waren, und die in den Haag anweſende Mini - ſtri der Hohen Alliirten nicht gerne ihre alldor - tige Commoditaͤt veraͤndern, oder auch etwan umb die Charge der Plenipotentiariorum kommen wolten: weil einige derſelben wohl vor - ausſahen, daß wenn der Friede anderswo als in Haag geſchloſſen wuͤrde, ihre hohe Princi - palen andere Subjecta als ſie, darzu erkieſen moͤchten; und endlich war auch dieſer Ort ſchwerlich mehr zu aͤndern, nachdem der Schwediſche Mediator, die Frantzoſen, En -T 3gel -294Europaͤiſchesgel - und Hollaͤnder ſich ſchon uͤber ſelbigem verglichen hatten. Wobey auch noch in be - ſondere Conſideration kam, daß die Poſten in dem Haag bequem angeleget, uͤbriger Platz und Logementer fuͤr die Herren Plenipotentia - rios daſelbſt zu finden, an den Victualien kein Mangel, die Theurung aber nicht exceſſive, und in regard ſo reicher Herren faſt nicht zu re - gardiren ſey: weil doch einem jeden frey ſtuͤnde, ſeine Magnificentz nach Gefallen zu zeigen, und auch etwan nach dem Hollaͤndiſchen genio zu menagiren. Bliebe es alſo dabey daß Gravenhaag das theatrum Pacis abgeben ſolte: damit aber nicht ſo wohl dem Ceremo - nien-Streit, als auch vielem andern Verdacht moͤglichſt voꝛgebeuget wuͤrde, verabꝛedete man, daß der Alliirten Potentien Plenipotentiarii in dem Haag, die Frantzoͤſiſchen aber zu Delfft, welche beyde Oerter eine maͤßige Meile von einander liegen, ihre Reſidentz nehmen, und die publique Conferentz in dem Dorff Rißwig (welches faſt zwiſchen Haag und Delft in der Mitten lieget) auf dem Luſt-Hauſe des Prin - tzens von Oranien, Neuburg genennet, (weil ein Neuburgiſcher Printz als man den Grund - Stein zu dieſem Gebaͤude geleget, gegenwaͤr - tig geweſen) halten ſolten: und dieſes alles ge - ſchahe auch, wiewohl Kayſerl. Majeſtaͤt dero hohen Confens zu dieſem Orte nicht ſpecificegege -295Hoff-Ceremoniel. gegeben, ſondern vielmehr ungerne geſehen hatte, daß ihn einige der intereſſirten Theile beliebet: dañenhero auch in dem Pleinpouvoir des Kayſ. Geſandten, des Orts, wo die Confe - rentz gehalten werden ſolte, mit keinem Worte gedacht, ſondern ſelbiger gar uͤbergangen wor - den. Warumb man ſelten, oder niemahlen, in denen Reſidentien der Souverains Friedens - Conferentien zu halten pfleget, wird leicht zu errathen, und neben vielen andern Urſachen, auch wohl dieſe eine der richtigſten ſeyn; weil die Jurisdiction des Domini territorii, durante Pacis Negotio ſehr geſchmaͤlert wird, derglei - chen aber ein Souverain in dem loco domi - cilii ordinarii nicht gerne zugeſtatten kan, oder auch will. Bey dem numehro zu Ra - ſtadt den 6. Martii dieſes 1714. Jahres voll - zogenen Friedens-Præliminarien, kamen Franckfurth, Schafhauſen, Baſel und Ba - den in der Schweitz, in Vorſchlag zum kuͤnffti - gen Friedens-Congreß, und iſt der letzte Ort endlich denen andern vorgezogen und zum theatro Pacis futuræ erwehlet worden. Da - mit man aber nicht meyne, als waͤre nur bloß zwiſchen Kayſerl. Majeſtaͤt (dem Deutſchen Reich) Franckreich und Holland dergleichen Conteſtation wegen Erwehlung eines Han - dels-Platzes entſtanden; ſo kan man aus der Hiſtorie verſichern, daß viele andere Nationes daruͤber ſtreitig worden: dergleichen ſonderlichT 4zwi -296Europaͤiſcheszwiſchen Pohlen und Schweden geſchehen. Denn von dieſen beyden Nationen iſt bekandt, daß als ſie 1647. zu einem Frieden ſchreiten wolten, die Pohlen zu dreymahlen ſtets Franck - furth an der Oder, oder auch endlich Lands - berg: die Schweden hingegen beſtaͤndig Ham - burg oder Luͤbeck zu dem Orte der Friedens - Conferentz vorſchlugen, und keines dem andern dißfalls nachgeben wolte: ſo daß auch die Sa - che nur durch Inducias bey Seite geſetzet, der gaͤntzliche Friede aber allererſt zu Oliva, lange Zeit darnach geſchloſſen wurde.

§. 8.

Es wird in denen Friedens-Prælimina - rien auch abgeredet, und meiſtens richtig gemacht, wer bey kuͤnfftig zu machenden Frieden ſolle ad - mittiret werden oder nicht, und wer in ſelbigen ſolle mit ein, oder auch von ſelbigem ausgeſchloſ - ſen werden. Man findet, daß bey allen Friedens - Schluͤſſen, uͤber dieſem Punct viel Conteſtatio - nes vorgefallen, welche alle hier anzufuͤhren zu weitlaͤufftig, auch unnoͤthig ſeyn wuͤrde: und dem - nach zu unſerm Zweck genung ſeyn kan, nur weni - ge Exempel, zu Beſtaͤtigung deſſen was man avanciret, anzufuͤhren. Jn dem Weſtphaͤli - ſchen Frieden wolte Franckreich durchaus nicht zugeſtatten, daß der Heꝛtzog von Lothringem duͤrffe durch ſeine Plenipotentiarios bey ſelbigen Frie - den erſcheinen: unerachtet Kayſerl. Majeſtaͤt und der Koͤnig von Spanien ſich auf das euſſerſte be -muͤhe -297Hoff-Ceremoniel. muͤheten, gemeldten Hertzog dieſes General-Frie - dens theilhafftig zu machen. Hingegen beſtun - de Kayſerl. Majeſtaͤt, der Koͤnig in Spanien, wie auch die Herren Mediatores wiederum feſt dar - auf, daß man den neuen Koͤnig in Portugal nicht zur Friedens-Conferentz admittiren ſolle, uner - achtet ihn Franckreich, Engelland, Schweden und Holland bereits fuͤr einen rechtmaͤßigen Koͤnig er - kennet hatten. Jn dem Pyrenaͤiſchen Frieden, welcher zwar nur durch zweyer Potentaten, nem - lich des Koͤniges in Spanien, und deſſen von Franckreich zwey Premier-Etats-Miniſtres, dem Don Louis de Haro und dem Cardinal Mazarin geſchloſſen wurde: ware zwar das In - tereſſe der meiſten Europaͤiſchen Souverainen mit eingemiſchet, gleichwohl aber mit dieſer Con - dition; daß man einige nicht zur Conferentz laſſen, andere gar nicht in den Frieden ſelbſt mit einſchlieſſen wolte. Und dieſes Ungluͤck der nicht Admittirung zu der Conferentz, oder auch gaͤntz - lichen Excluſion von ſolchen Frieden, betraff hauptſaͤchlich den Roͤm. Pabſt: unerachtet er al - len Fleiß angewendet, viel Briefe an den Koͤnig von Spanien und Franckreich expediret, und viel Nuntios geſendet hatte, durch welche er ſie zum Frieden ermahnete; allein die Rache des Cardinals Mazarin als eines Cardinals, war ge - gen dem Pabſte, ſein Haupt ſo groß, daß er des Pabſtes mit keinem Worte gedachte. Eben -T 5falls298Europaͤiſchesfalls wurde in dieſem Pyrenaͤiſchen Frieden der Printz von Condé von dem Cardinal Mazarin gleich anfangs in den durch Pimentel in Paris gemachten Præliminarien, von aller Friedens - Participation excludiret: wiewohl man ihme nachmahlen, ob gleich denen Præliminaribus Pacis entgegen, einige Avantage bedunge. Sehr empfindlichen fiele es dem im Exilio damahlen ſich befindlichen Koͤnig von Engelland, Carolo II., daß ob er gleich in eigener Perſon bey denen zwey Plenipotentiariis des Pyrenaͤiſchen Frie - dens erſchiene, und ſein Intereſſe dabey in Obacht zu nehmen bathe: man ihn doch nur mit leeren Worten abſpeiſete, und ſeine Angelegenheiten dem Frieden nicht mit einverleiben wolte. Nicht anders ergienge es dem Hertzog von Lothringen, welcher ob er gleich ſein Leben und Vermoͤgen, lange Jahr zu dem Dienſte des Koͤniges in Spa - nien conſacriret, und uͤber 200. Regimenter aus ſeinen Laͤndern geworben und verlohren hatte: auch von Spaniſcher Seiten zu dem Pyrenaͤi - ſchen Friedens-Congreß war invitiret worden; dennoch nicht erhalten kunte, daß man ihn, als er ankam, zu ſelbigen admittirte, ſondern content ſeyn muſte, daß Spanien ihm die Reſtitution ſei - nes Hertzogthums, jedoch unter vielen Bedingun - gen bey Franckreich zu wege brachte. So wurde auch Portugal, welches ſich doch auf Franckreich verlaſſen und gute Hoffnung bekommen hatte,gleich -299Hoff-Ceremoniel. gleichwohl weder zu der Conferentz gelaſſen, noch auch ihme zum beſten etwas denen Friedens-Ar - ticuln einverleibet. Jn dem zu Rißwig geſchloſ - ſenen Frieden, wurde von denen Frantzoſen ein Axioma oder von ihnen ſo genandte Maxime ge - macht: daß was zu dem vorhergehenden Kriege nicht Urſache und Gelegenheit gegeben, bey dem darauf folgenden Frieden, auch zu Eroͤrterung und Beylegung nicht ſolte vorgebracht werden. Dannenhero ihrer nicht wenig mit ihren beſoin abgewieſen wurden, welche alle zu erzehlen un - noͤthig, maſſen die Sache noch von einem friſchen dato, auch Schrifften genug verhanden, welche davon Meldung thun. Was auch den letzthin zu Utrecht geſchloſſenen Frieden anlanget, ſo iſt ja mehr als zu bekandt, wer, und von wem, eine u. die andere Potentz von dem Friedens-Congreſſe ent - weder wuͤrcklich ausgeſchloſſen worden, oder doch haͤtte ausgeſchloſſen bleiben muͤſſen; ja wo den Zei - tungen, welche anitzo (biß man mit der Zeit etwas gruͤndliches erfahren wird) fuͤr eine vera Hiſtoria gelten muͤſſen, nachzureden; ſo ſind durch die zu Raſtatt zwiſchen Kayſerl. Majeſtaͤt, und dem Koͤnige in Franckreich gemachte Præliminair - Tractaten, und den darauf etwan folgenden Friedens-Congreß, der in des Koͤnigreichs Spa - nien Poſſeß ſtehende Duc d Anjou, das Koͤ - nigreich Engelland, die Hollaͤnder, der Hertzog von Savoyen, und Ragozy abgewieſen: bey wel -chen300Europaͤiſcheschen hier angefuͤhrten ſattſamen Exempeln, wel - che unſern Lehr-Satz beſtaͤttigen, man einem je - dem zum Nachdencken uͤberlaͤſt, mit was fuͤr ei - nem Nachdruck, und was fuͤr einem Wort-Ver - ſtand, man dergleichen Frieden dennoch pacem univerſalem nennen koͤnne.

§. 9.

Wird in denen Præliminaribus auch abgehandelt, ob man einen Mediatorem anneh - men, und wen man zu ſolcher eminenten Digni - taͤt erwehlen wolle; weil ſich aber der Unterricht hiervon nicht wohl in einen eintzigen Paragra - phum einſchlieſſen laͤſſet, ſo findet man ſich genoͤ - thiget, ein eigenes und zwar folgendes drittes Ca - pitul davon zu verfaſſen.

Zweytes Capitel. Von dem Orte in welchen man ei - nen Frieden ſchlieſſen will.

§. 1.

Was den Ort, in welchen die Friedens - Handlungen pflegen vorgenommen zu werden, betrifft, ſo iſt man in gar alten und mittleren Zei - ten in deſſelben Wehlung ſo gar ſcrupuleux nicht geweſen, als irgends heut zu Tage: nachdem auch in dieſem Stuͤcke ein Potentate fuͤr dem andern einige Prærogative, und zuweilen auch ſein Inte - reſſe ſuchet. Denn es war den Alten, welche ih - re Etats-Affairen ohne alle Weitlaͤufftigkeit trie - ben, ſchon genung, wenn ſie an einem nicht ſo wohlbeque -301Hoff-Ceremoniel. beqvemen als vielmehr ſichern Orte, ſich zum Frie - den vergleichen kunten: und demnach findet man in denen gar alten Geſchichten, daß man der - gleichen Zuſammenkuͤnffte meiſtens auf denen Graͤntzen vorgenommen, und ſonder groſſen Zeit - Verluſt geendiget.

§. 2.

Nachdem aber heut zu Tage alles auf das Hoͤchſte ſteiget, und die Magnificentz der Sou - verains immer groͤſſer, auch das Etats-Intereſſe in mehrere Intrigues eingewickelt wird: ſo das man dieſen letzteren durch kurtze Conferentz nicht ſo bald abhelffen kan; hat man bevor man ein Friedens-Werck vollfuͤhren koͤnnen, oder wollen, ſich allererſt wegen eines beſondern Handels - Platzes, von welchem der hernach daſelbſt ge - ſchloſſene Friede (wie wir in vorhergehenden Ca - pitul gehoͤret) auch den Nahmen bekommen, ver - gleichen muͤſſen.

§. 3.

Uber Auswehlung dieſer Handels - oder Friedens-Plaͤtze, entſtehet zu Zeiten nicht geringer Diſput, unter denen, zu einer Friedens-Confe - rentz ſchreitenden Partheyen. Denn es machet ſich ein oder der andere Potentate einen point d honneur daraus, wenn ſein Feind in ſeinem Lande, oder ja an einem ſolchen Orte, welcher dem Siegenden und Staͤrckeſten am beqvemſten, er - ſcheinen, und den Frieden gleichſam bey ihm ſu - chen muß; zu geſchweigen des Profits, welchen die Unterthanen eines Souverains, und conſe -quen -302Europaͤiſchesquenter auch der Landes-Herr ſelbſt machen kan, in deſſen Stadt und Bezirck dergleichen Friedens-Werck vorgenommen wird; denn die Conſumtion der Lebens-Mittel, wird durch Concours einer ſo groſſen Menge, lauter Koͤ - nigl. Chur - und Fuͤrſtl. Beuteln, ſplendide le - benden Miniſtren und dero Bedienten, ſehr groß: zu mahlen es im̃er einer dem andern an magnifi - quen Tractementen zuvor thun will: zu geſchwei - gen, daß die Miethungen der Logementer denen Ei - genthums-Herren ein groſſes, einem jeden Kauff - mann, Kuͤnſtler und Handwercker aber, nach Pro - portion nicht ein geringes eintragen.

§. 4.

Auſſer dieſer Conſideration, hat man bey Ausſuchung eines zu den Friedens-Handlun - gen beqvemen Ortes, auch darauf Reflexion zu machen, daß ſelbiger von einer ſolchen Situation und Beſchaffenheit ſey, der allen zum Congreß gehoͤrigen Theilen gelegen und ſicher ſey, welche commodité und Sicherheit darinnen beſtehet.

  • 1. Daß ein Ort von dieſem oder jenem Koͤnigrei - che, welches dem Friedens-Negotio beyzu - wohnen hat, nicht allzuweit entfernet ſey: damit ein jeder Plenipotentiarius ſeinem Herrn Principal, in einen maͤßigen Verlauff der Zeit, Relation thun, und auf ſelbige ſchleunige Ordre erhalten koͤnne: und alſo die Friedens - Negotiation, und die dazu gehoͤrige Con -feren -303Hoff-Ceremoniel. ferentien nicht allzu lange trainiret werden duͤrfen.
  • 2. Die Poſten aus denen Laͤndern, welche in dem Frieden-Schluß intereſſiret, nach dem Platz, wo der Friede ſoll geſchloſſen werden, wohl re - guliret ſind, oder doch wenigſtens gar leichte reguliret werden koͤnten. Denn weil die Cor - reſpondence eines Plenipotentiarii zum Frieden, eine ſeiner Haupt-Occupationen, muß er allemahl Gelegenheit finden, dem Hofe, von welchem er dependiret, daß Noͤthige ohne Zeit-Verluſt zu hinterbringen, quia pericu - lum in mora eſſe poteſt.
  • 3. Die Lebens-Mittel ſo wohl in Abundantz als auch fuͤr einen raiſonablen Preiß zu haben: damit die Jnwohner, welche etwan ſchlechten Vermoͤgens, auch ihr Auskommen bey der Menge ſo vieler frembden und viel conſumi - renden Perſonen finden koͤnnen. Dannenhero auch gemeiniglich die Obrigkeit des Ortes, in welchem die Conferentz gehalten wird, ein reglement wegen des Preißes der vivres zu machen pfleget. Weil auch ein Glaß Wein, und zwar guter, die Tafel zieret, und der Men - ſchen Hertz erfreuet, auch nicht ſelten ein Erfor - ſcher der Menſchlichen Hertzen iſt: anbey aber auch eines der koſtbahrſten Tractementen; ſo geſchiehet es nicht ſelten, daß die Herren Pleni - potentiarii, ſonderlich aber diejenigen, dererhohe304Europaͤiſcheshohe Principals in ihren Laͤndern delicaten Wein-Wachs haben, ſich mit einem Vor - rath dieſes Getraͤnckes von Hauß aus verſehen, damit ſie ihre Tafel mit wenigern Koſten be - ſtellen, und deſto liberaler ſeyn koͤnnen; wie - wohl auch dißfalls a l ordinair von dem Ma - giſtrat des Orts nur ein gewiſſes Quantum einzufuͤhren erlaubet, und genau acht gegeben wird, daß nicht etwan die Herren Plenipoten - tiarii, unter dem Vorwand eigener Noth - durfft, ein heimliches Wein-Commercium exerciren, und den Wein-Haͤndlern an ihrer Nahrung Schaden zufuͤgen.
  • 4. Daß die Logementer zu Einnehmung ſo hoher und vieler Perſonen raͤumlich und zugleich be - quemlich: damit ein jeder Geſandter die Viſi - ten, dem hergebrachten Ceremoniel gemaͤß, annehmen und wieder abſtatten koͤnne: wo - von im vorhergehenden 3ten Theile, Cap. 6. §. 7. ſeqq. ſpecifice Meldung geſchehen.
  • 5. Weil auch die Chriſtenheit numehro in dreyer - ley Religionen oder Arten des Gottes-Dien - ſtes zertheilet: und es meiſtens zu geſchehen pfleget, daß Potentaten wiedriger Religion ſich in weltlichen Streit-Sachen mit einander zu accommodiren, und Frieden zu ſchlieſſen haben; ſo muß ein dergleichen Ort zu denen Friedens-Congreſſen auserſehen werden, in welchem ein jeder das Exercitium ſeiner Reli -gion305Hoff-Ceremoniel. gion frey und zwar publiquement treiben koͤnne. Und man kan glauben, daß dieſes Re - quiſitum eines der ſchwereſten Beſorgungen, welche man bey Choiſirung eines zum Frie - dens-Congreß auszuwehlenden Ortes ha - ben muß; ſonderlich aber iſt hierauf groſſe und beſondere Reflexion zu machen, wenn der Pabſt durch einen Nuntium, entweder als Mediator, oder auch als pars litigans con - curriret: und man wird finden, daß in denen oben genenneten, ja auch in dem letzteren zu Ut - recht gehaltenen Friedens-Congreſſen hierauf gar ſehr reflectiret worden. Jn dem ſo ge - nanten Weſtphaͤliſchen Frieden, war die Di - ſcrepantz der Religion eine der Haupt-Urſa - chen mit, daß man zwey Staͤdte, nemlich Muͤn - ſter und Oßnabruͤg zu der Friedens-Confe - rentz erkieſete: weil in dem erſteren Orte die der Catholiſchen Religion zugethane; in dem an - dern aber die Verwandten der Augſpurgiſchen Confeßion, ihr Exercitium Religionis liber - rime haben kunten. Bey dem Pyrenaͤi - ſchen Frieden hatte es dieſer Præcaution nicht von noͤthen, weil Franckreich und Spanien beyde Catholiſch. Jn dem Ackiſchen auch nicht, weil die Haupt-Intereſſenten, Spanien und Franckreich, Chatholiſcher Religion wa - ren: und obgleich die Hollaͤnder und einige an - dere Acatholici bey ſelbigem concurrireten;Uſo306Europaͤiſchesſo iſt doch bekandt, daß ſo wohl die Augſpurgi - ſchen Confeßions-Verwandten, als auch ſon - derlich die der Reformirten Religion zugethane Potentien, nicht nur in deꝛ Nachbaꝛſchafft die - ſer Stadt Kirchen finden: ſondern auch ſo gar einen Legations-Prediger bey ſich haben, und ihꝛes Gottes-Dienſtes in privat-Haͤuſeꝛn pfle - gen koͤnnen. Jn dem Niemaͤgiſchen Frieden war eine Concurrentz der Miniſtrorum, von Potentien aller drey Religionen; maſſen die Kayſerl. Spaniſchen, Frantzoͤſiſchen, beſon - ders aber Paͤbſtlichen Miniſtri, und zwar dieſe hier letzt genennten in der Qualité der Media - torum als Catholiſche: die Engellaͤndiſchen und Hollaͤndiſchen als Reformirte: die Schwe - diſch - und Daͤnnemaͤrckiſchen als Evangeliſche erſchienen. Nun iſt in dieſem Orte zwar die Religio dominans Reformirtes Glaubens: doch aber den andern beyden das Exercitium Religionis in privat-Haͤuſern zu treiben, gantz frey gelaſſen; war alſo ſelbiger zu dieſem Ne - gotio ſehr beqvem, und wie wir in vorherge - hendem Capitel gehoͤret, andern vorgezogen. Man hat bey dieſem Niemaͤgiſchen Friedens - Negotio als etwas gantz extraordinaires und von dem Paͤbſtlichen Nuntio ſehr com - plaiſantes angemercket: daß ſelbiger, obgleich ſonſten die in Holland lebende und tolerirte Catholiſche Chriſten ſchuldig ſind, die Feſtenach307Hoff-Ceremoniel. nach dem Gregorianiſchen Calender zu hal - ten; er und andere Catholiſche Plenipotentia - rii ſich dennoch ſo gar accommodiret, ihre Feſt-Tage nach dem Julianiſchen Calender zu celebriren. Jn dem Ryßwigiſchen, auf dem daſelbſt befindlichem Luſt-Hauſe Neuburg, ge - ſchloſſenen Frieden, welcher Ort nur ein (zwi - ſchen Haag und Delfft gelegenes) Dorff, und nicht capable, weder ſo vornehme Geſandten zu logiren, noch ihnen das Exercitium ihres unterſchiedenen Glaubens zu gewehren; hat man auf Gravenhaag und Delfft Reflexion gemacht: maſſen ſo wohl in dem erſteren als anderem Orte alle Religionen ihren Gottes - Dienſt ungehindert pflegen koͤnnen: auch die zu ſelbiger Conferentz abgeſendete Plenipoten - tiarii meiſtens in dem Haag, die Frantzoſen aber in Delfft ihr Qvartier genommen. Jn dem letzten abzuhandelnden, und nunmehro taliter qualiter auch abgehandelten Frieden, hat man die Stadt Utrecht eben deswegen aus - erleſen, weil daſelbſt nebſt denen Reformirten, die Catholiſchen, Evangeliſchen, und ſo gar auch die Engliſche Kirche, nach ihren Ceremo - nien ihren Gottes-Dienſt celebriren kan. Aus welchen angefuͤhrten Exempeln man leicht die Folgerung machen kan: daß wenn die Ra - ſtaͤdiſchen Præliminaria einen General-Frie - den nach ſich ziehen, und bey ſelbigem allerhandU 2Reli -308EuropaͤiſchesReligions-Verwandten concurriren ſollen; man auch einen dergleichen Ort ausſehen wuͤrde, in welcher einer jeden Parthey fuͤglich ihren Gottes-Dienſt zu uͤben, gerathen oder proſpiciret werden koͤnte.
  • 6. Hat man auch bey vorzunehmenden Friedens - Conferentien hauptſaͤchlich regard, daß der Ort ſicher: nemlich in keinem Territorio ſey, da man ſich wegen der Potentz, doli, &c. des Domini Territorii etwas zu beſorgen habe. Aus dieſen beygebrachten Motiven iſt nun leicht zu erachten, warumb die meiſten Friedens-Schluͤſſe, dergleichen etwan der Bredaiſche, Niemaͤgiſche, Ryßwigiſche, und Utrechtiſche gewefen, in Holland geſchloſſen worden; nemlich weil die bißhero erzehleten Requiſita eines zu einem Friedens-Schluß deſtinirten Oꝛtes, daſelbſten beſſer als andeꝛs - wo zu finden.

§. 5.

Noch eine Frage (welche unterſchiedene Leute aufgeworffen, aber theils nicht entſcheiden koͤnnen, theils auch nicht wollen, und welche ich zu beantworten, der allerincapableſte) zu geden - cken, wird ſich zu dieſem Capitul wohl ſchicken, und von niemanden fuͤr etwas ausſchweiffendes ge - achtet werden. Man fraget und wundert ſich zu - gleich, warum denn Franckreich, als welches auch in den minderſten nichts, was zu Vermehrung ſei - ner Prærogative und Autoritaͤt gedeyen kan, ver -gißet;309Hoff-Ceremoniel. giſſet; dennoch ſo facil ſey, nicht nur allein die Præliminaria Pacis, ſondern auch ſo gar die formalen Friedens-Schluͤſſe ſelbſt, in ſeiner Feinde Lande einzugehen und zu ſchlieſſen? Hier - auf nun geben einige die Antwort,

    • 1. Ignorantiæ: Sie koͤnten es nicht pene - triren, und dieſen wiſſen alſo nichts,
    • 2. Scientiæ, wenigſtens præſumptivæ.
  • 1. Daß der Koͤnig in Franckreich, gleichwie er meiſtens Autor der Kriege, alſo auch Au - tor der Friedens-Schluͤſſe ſeyn wolle; weil er nun ſelbige andern antruͤge, waͤre der Raiſon gantz gemaͤß, daß der den Frieden ſuchende oder anbiethende Theil, dem an - dern frey laſſen muͤſte, an welchen Orte er ihm ſein Suchen gewehren und ſich mit ihm vergleichen wolle.
  • 2. Daß er ſeines hohen und beſonderen Tituls als Chriſtianisſimi eingedenck, ſich nicht entbrechen wolle, ſich ſelbigem gemaͤß auf - zufuͤhren: und ſich gerne dahin ruffen lieſſe, und durch ſeine Ambaſſadeurs in ziemlich weit entlegenen Orten erſcheine, wohin ihn die Chriſtenheit verlanget. Andere aber meinen,
  • 3. Daß es deswegen geſchehe, weil er wohl wuͤſte, daß ſich nicht leichtlich einer oder der ander ſeiner Contre-Parthie wagen wuͤr - de, in ſein Territorium, umb daſelbſt mitU 3ihm310Europaͤiſchesihm Frieden zu machen, zu kommen; weil er etwan das Compelle mit ihnen ſpielen, oder auch in ſeinem Territorio gar ein an - deres Ceremoniel prætendiren duͤrffte, als er auſſer ſelbigem nicht erlangen kan.
  • 4. Nicht eben, als ein Conquerant, (welchen Titul ihm ſeine Nation ſelbſt als was emi - nentes giebet) umb den Ort in welchem man ihme das was er per vim gewonnen, cediret: ſondern fuͤrnehmlich darum beſor - get ſey; daß man ihm ſelbiges durch ſolen - ne Tractaten, und in facie totius Europæ, jedoch an einem auſſer ſeinem Lande gelege - nem Orte gebe: damit es nicht das Anſehen habe, als waͤren die cedirenden Partheyen dazu metu aut per vim genoͤthiget wor - den: ſondern haͤtten ſelbiges in einem freyen oder neutralen Orte freywillig gethan.

§. 6.

Als ein Corollarium dieſes Capitels kan noch, nicht ſo wohl zur Nachricht, als nur viel - mehr zu des hochgeneigten Leſers Nachdencken, beygefuͤget werden: daß die Oerter welche ſonſten nicht ſonderlich bekandt, oder wenigſtens nicht be - ruͤhmt, durch dergleichen Friedens-Schluͤſſe, gleichwie durch die Schlachten, die etwan an ei - nem Orte gehalten worden, in groſſe Bekandnuͤß gerathen. Denn wer wuͤrde von der Faſanen - Jnſul, dem Cloſter Oliva, Rißwig ꝛc. viel Be -kand -311Hoff-Ceremoniel. kandnuͤß haben, wenn ſelbige nicht durch Frie - dens-Schluͤſſe, den Menſchen ins Gedaͤchtnuͤß und ewiges Andencken waͤren eingepraͤget worden?

Drittes Capitel. Von den Mediatoribus, und ihrem Officio.

§. 1.

Es ſind zwar ſo wohl zu alten als auch itzigen Zeiten, unterſchiedene Frieden ohne Adhi - birung eines Mediatoris geſchloſſen worden, woraus erhellet, daß dieſes Amt kein Eſſentiel - Stuͤcke eines Friedens-Schluſſes; und kan ein Mediator ſo dann am meiſten entbehret werden: wenn ein Friede zwiſchen zweyen oder mehreren an Macht gleichenden Partien abzuhandeln iſt. Deñ alsdenn koͤnnen die Forderungen von keiner Seiten gar zu enorme ſeyn; weil ſich einer fuͤr dem andern fuͤrchtet, und die Furcht an ſich ſelbſt einem jeden Moderation genug, ohne Zuthuung eines Mediatoris, an die Hand giebet; die Saͤi - ten nicht zu uͤberſtimmen, ſondern einen Accord, der beyden gefaͤllig, zu treffen.

§. 2.

Wenn aber die ſtreitenden Partheyen entweder an Macht oder Gluͤcke einander ſehr ungleich, der eine des andern Meiſter, und der an - dere ziemlich auf das aͤuſſerſte gebracht worden: und zu befuͤrchten; es moͤchte der Victor bey etwanU 4noch312Europaͤiſchesnoch ferneren gluͤcklichen Progreſſen ſo inſolent werden, daß er dem Gegentheil ungebuͤhrliche Leges vorſchreibe; ſo ſcheinet das Amt eines Me - diatoris alsdenn unentbehrlich zu ſeyn: welcher entweder freywillig oder auch dazu erbethen, die Gemuͤther zu einem Frieden diſponire: oder, da - fern der eine Theil hartnaͤckich ſeyn, und keine Pro - poſitiones annehmen wolte, ſeine Autoritaͤt und Macht zeige: vermoͤge derer er dem ſich accom - modirenden Theile beyſtehen, und den andern zu einen raiſonablen Frieden forciren koͤnne.

§. 3.

Gleichwie nun dieſes Amt eines der glo - rieuſeſten iſt, welches ein Potentat uͤbernehmen kan: maſſen er dadurch unter zweyen, ihm an Wuͤrde gleichen, (auch wohl hoͤhern) welche ſonſt auf der Welt keinen hoͤhern uͤber ſich als GOtt allein erkennen, willkuͤhrlicher Richter, und certo reſpectu, auf eine Zeit ihr Oberer wird; ſo muß er auch von ſolcher Gewalt und Autoritaͤt ſeyn, daß er die Partheyen auseinander ſetzen, und was abgehandelt worden, mainteniren koͤnne.

§. 4.

Weil aber dieſes Amt, und ſonderlich die daran hafftende Quarantie, einem alleine offt - mahlen zu ſchwer: oder denen intereſſirten Par - theyen bedencklich und beſorglich fallen will, ihre Angelegenheiten und die Moderation ihrer Satis - faction und kuͤnfftigen Wohlſtandes, einem ein - zigem anzuvertrauen; ſo findet man, daß bey den meiſten Friedens-Schluͤſſen mehr als einer, unddem -313Hoff-Ceremoniel. demnach zwey, auch wohl drey Potentaten oder Republiqven, zu ſolchem betraͤchtlichen Amte er - wehlet, oder admittiret worden: wie denn in dem zwiſchen Schweden und Daͤnnemarck, A. 1662. geſchloſſenen Frieden, Franckreich, Engelland, und Holland: in dem zu Coͤlln An. 1674. geſchloſſe - nen Frieden aber, Engelland und Schweden, das Amt der Mediation anvertrauet wurde, anderer zur Genuͤge vorhandener Exempel zu geſchwei - gen.

§. 5.

Eines der ſchwereſten und zugleich em - pfindlichſten Dinge, welches bey dem, ſonderlich freywillig angebothenem Mediations-Amt fuͤr - zufallen pfleget, iſt dieſes: daß theils von dem zum Frieden ſich beqvemenden Partheyen ſelbſt, oder auch von einem auserſehenen oder ſich anerbieten - den Mediatore, ein ander, welcher auch dieſer Ehre mit genieſſen will, davon abgewieſen wird. Weil dieſe Excluſion mehr politica in receſſu, und mehr Theil an dem Ceremoniel hat, als die Vielheit der Mediatorum, von welcher in nechſt vorgehender 4. §. Erwehnung geſchehen; ſo iſt es noͤthig, davon etwas umbſtaͤndlicher zu handeln, und einige Friedens-Schluͤſſe, bey welchen dieſer oder jener Potentate von der Mediation ausge - ſchloſſen worden, anzufuͤhren.

  • 1. Jn dem Weſtphaͤliſchen und, ſpecialiter zu nennen, Oßnabruͤgiſchen Frieden, wolte Daͤnnemarck (unerachtet es An. 1626. ſichU 5zum314Europaͤiſcheszum Haupte des in Deutſchland gegen Kay - ſerl. Majeſtaͤt entſtandenen Krieges aufwerf - fen; nachgehends aber, da ſeine Waffen kei - nen gluͤcklichen Succeß hatten, durch Vermit - telung Churfuͤrſtl. Durchlauchtigkeit zu Sach - ſen, bey Kayſerl. Majeſtaͤt An. 1627. umb ei - nen Frieden anhalten ließ) dennoch Theil an der eminenten Qualité eines Mediatoris haben: welches Amt ihme auch allbereits von vielen zugeſtanden worden. Allein die Schwe - den, welche damahlen denen Daͤhnen ſupe - rieurs, und wie bekandt, gegen ſie jaloux wa - ren, verderbeten ihme gaͤntzlich den Weg zu ſolcher Ehre. Denn ob es gleich den Schwe - den in ihren Krieges-Progreſſen oͤffentlich nicht hinderlich geweſen, entweder aus einer Ratione ſtatus, oder auch etwan aus Unver - moͤgen: und alſo durch ſeine ſcheinbahre Un - partheiligkeit einiger maſſen zu ſolcher hohen Charge ſich tuͤchtig, und angenehm gemacht zu haben ſchiene: auch ſo gar durch ſeine Vermit - telung, die zu Hamburg vorhergehende Præli - minaria Pacis waren zu Stande gebracht worden; ſo fanden es doch die Schweden nicht rathſam, deſſen Mediation zu acceptiren: und damit ſie mehr in der That als nur mit bloſſen Worten und proteſtando wieſen, daß ihnen des Koͤniges in Daͤnnemarck Mediation gantz unanſtaͤndig; fielen ſie An. 1644. in das Holl -ſteini -315Hoff-Ceremoniel. ſteiniſche ein, und brachten dieſen Koͤnig dahin, daß er bey kuͤnfftigen Frieden, ſtatt eines Mediatoris, eine intereſſirte Parthey abge - ben muſte.
  • 2. Jn dem 1659. an dem Pyrenaͤiſchen Gebuͤrge auf der Faſanen-Jnſul geſchloſſenen Frieden, muſte Pabſt Alexand. VII. eben dergleichen, und certo reſpectu, noch mehreren Ver - druß, als Koͤnig Chriſtianus IV. in Daͤnne - marck bey dem Oßnabruͤgiſchen erlitten, aus - ſtehen. Deñ dieſer hatte Zeit wehrenden ſchwe - ren Krieges zwiſchen Spanien und Franck - reich, nicht nur vielfaͤltige Briefe, ſondern auch koſtbahre Nuntiaturen an die litigirende Partheyen geſendet; und ſelbige nicht nur zu ei - nem Frieden exhortiret, ſondern auch Vor - ſchlaͤge gethan, wie ſelber am fuͤglichſten ein - gerichtet werden koͤnte: und damit ſeine Sehn - ſucht und der Frieden ſelbſt deſto eher erfuͤllet wuͤrden; offerirete er ſeine unpartheyiſche Me - diation zwiſchen dem Rege Catholico und Chriſtianisſimo. Als es aber ſelbſt zur Sache kam, vergaſſen die Kinder der Sorge und Autoritaͤt ihres Vaters, und wurde die Friedens-Negotiation, wo ihme nicht gantz unwiſſende, dennoch wenigſtens ohne gege - bene Nachricht, und gleichſam hinter ſeinem Ruͤcken nicht nur angefangen; ſondern, was das allerſchlimſte war, er auch ſo gar als parscon -316Europaͤiſchesconcurrens von dieſem Frieden ausgeſchloſ - ſen: und redete man von ihm ſo wenig als waͤre kein Pabſt in der Welt. Welche dem Pabſte von dem Cardinal Mazarini zugefuͤgete Disgouſtirung, ihren Uhrſprung hauptſaͤchlich aus einer dem Cardinal angebohrnen oder an - gewehnten Rachgierigkeit hatte. Deñ weil der Pabſt dem Cardinal Retz, Ertz-Biſchoff zu Pariß, das Pallium ohne Conſens des Koͤniges und Cardinals zugeſendet hatte; erwieſe ſich gemeldter Cardinal gegen dem Pabſt vindica - tiv und brachte ſelbigen nicht nur umb die Ehre der Mediation, ſondern auch, welches unverantwortlich ſchiene, umb die Admisſion ſeiner bey dieſem Frieden zu entſcheidenden Affairen.
  • 3. Jn dem 1679. zu Niemaͤgen erfolgeten Frie - den, acceptirte der Koͤnig in Franckreich, die von Schweden durch den Magnus de la Garde, und den Graff Koͤnigsmarck angebo - thene Mediation: wie aus des Koͤnigs in Franckreich an den Koͤnig in Schweden vom 15. Octobr. 1672. aus Verſailles datirtem Schreiben zu erſehen; als aber Churfuͤrſtl. Durchl. zu Brandenburg, auch Theil an ſol - cher Mediation nehmen wolte: waren ſelbiger zwar weder Franckreich, noch Holland entge - gen; aber der Koͤnig in Engelland wolte dieſen Con-Mediatorem, nicht neben Schwedenadmit -317Hoff-Ceremoniel. admittiren, ſo daß er von der Prætenſion zu ſelbiger abſtehen muſte.
  • 4. Bey dem zu Ryßwig Anno 1679. geſchloſſe - nen Frieden, machte Franckreich Reflexion auf den maͤchtigen Churfuͤrſten zu Branden - burg: umb ſelbigen die Ehre des Amts eines Mediatoris, und zwar mit guten Conditio - nibus, zu goͤnnen; Allein es trug dieſer da - mahlen ſchon Koͤnigliche Churfuͤrſt, Beden - cken, ſolches Amt zu uͤbernehmen. Paͤbſtl. Hei - ligkeit machten ſich groſſe Hoffnung gemeld - ten Frieden unter dero Mediation anzufangen und zu endigen; weil ſelbige nichts erwinden laſſen, eine geraume Zeit fuͤr dem Frieden, die Catholiſchen Potentien durch ihre vaͤterliche Admonitiones zu einem Frieden zu diſponi - ren: und auch wuͤrcklich von dem Koͤnige in Franckreich dazu angenommen, und andern recommandiret: auch die Stadt Utrecht in Holland bereits von Franckreich deswegen zu dem Orte des Congreſſes auserſehen worden war, weil ein Paͤbſtl. Nuntius in keinem Orte Hollandes das Exercitium ſeiner Religion als daſelbſt, bequemer und freyer exerciren kan; allein weil in dieſem Frieden viel Dinge abzuthun waren, welche das emolumentum und detrimentum der Catholiſchen Reli - gion concernireten, und in welchen ein Nun - tius Apoſtolicus, ohne ſein Gewiſſen zu gra -viren,318Europaͤiſchesviren, nicht in different ſeyn kunte: (deñ man ſolte einen Reformirten Koͤnig in Engelland, Wilhelmum, in ſeiner Poſſesſion conſervi - ren: und den aus Engelland entwichenen Ca - tholiſchen Jacobum II. gaͤntzlich dethroniſi - ren) auch wegen des Ceremoniels, welches ein Paͤbſtlicher Nuntius prætendiret, die Pro - teſtirenden aber ihme ſelbiges nicht zugeſte - hen, viel zu beſorgen ſtunde; wurden die in fa - veur des Pabſtes zu einem Mediatore von Franckreich gethane Recommendationes nicht angenommen. Savoyen gedachte durch ſeinen mit Franckreich, theils ohne Vor - bewuſt, theils ohne Conſens der Hohen Alliir - ten An. 1697. gemachten Particulier-Frie - den, nebſt anderen Avantagen auch dieſe Ehre zu gewinnen: daß man ihn zu der Mediation bey kuͤnfftigen General-Frieden admittiren wuͤrde; wie er denn dem Koͤnige in Franckreich in einem ſeparirten Articul verſprochen, ſich bey denen Alliirten fuͤr ihn zu interesſiren. Allein die Hohen Alliirten gaben ihme faſt unanimiter die Excluſion; theils weil er ihre Partie ſo unverhofft verlaſſen, und ihnen in denen Progreſſen gegen Franckreich hinderlich geweſen: theils auch, weil man ihn nicht an - ders als einen fuͤr Franckreich interesſirten Printzen anſehen kunte; nachdem er in ſeinem ſeparirten Frieden die Heurath zwiſchen demDuc319Hoff-Ceremoniel. Duc de Bourgogne und ſeiner aͤlteſten Prin - ceßin ſtipuliret. Daͤnnemarck hatte Franck - reich nicht nur geraume Zeit fuͤr dem Frieden ſtarcke Hoffnung gemacht, daß ihme das Amt eines Mediatoris, wo nicht gantz allein, den - noch wenigſtens als Con-Mediatori zu Theil werden wuͤrde: und gab ſich dieſer Koͤnig An. 1695. expreſſe zu einem Mediatore an: ja es ſchienen ihme zwey Accidentia, in dem wovon er ſich flattirete, ſehr favorable zu ſeyn; dar - unter das erſtere die Mecklenburgiſche verdruͤß - liche Affaire, welche An. 1697. pasſirete, und an welcher der Schwediſche Oberſte Klingen - Strohm mit theil nahme, daß Kaͤyſerl. Ma - jeſtaͤt dadurch bewogen wurde, von der Schwediſchen Mediation zu Ryßwig gar ein ander Sentiment als vorhero zu faſſen; das andere fuͤr Daͤnnemarck favorable Accident ware, daß der Koͤnig in Schweden Carolus der XI., welchem man das Mediations-Amt ſchon Anno 1693. angetragen hatte, den 15. April. 1697. Todtes verbliche: Denn weil man dieſe Mediation als etwas perſonelles anſahe, daran der Succeſſor kein Jus quæſi - tum haͤtte; fehlete es nicht allzuviel, daß Daͤn - nemarck in die Stelle des Koͤniges in Schwe - den dißfalls geruͤcket waͤre. Weil aber doch keiner damahlen auſſer den ſtreitenden Par - theyen maͤchtiger, auch in dem gantzen Frie -dens -320Europaͤiſchesdens-Werck mehr inſtruiret ware, als die Cron Schweden, bliebe es dabey; daß man dieſen Potentaten zu einem Mediatore be - hielte: welcher, ob man gleich gemeinet war, ihme Daͤnnemarckt zu adjungiren, durch - aus ſelbigen nicht neben ſich leiden wolte; alleine es ſtunde auch gleichwohl Schweden allerhand im Wege, welches aus demſelbigen zu raͤumen, und ihme einen gebaͤhneten Weg zur Mediation zu machen, noch gar beſondere Muͤhe koſtete: welches aber allhier weitlaͤuff - tig anzufuͤhren, ſo viel als auſſer dem Schran - cken lauffen ſeyn wuͤrde.
  • 5. Und damit man auch glaube, daß die gegen - waͤrtigen Zeiten von den vorhergehenden nicht unterſchieden; ſo darff man nur darauff Acht haben, was in deme zu Utrecht fuͤr etwan zwey Jahren zwiſchen Franckreich und Engelland geſchloſſenen, aber noch nicht gaͤntzlich vollzoge - nen Frieden vorgefallen. Denn es meinet die Koͤnigin in Engelland, durch dieſen ſeparaten Frieden nebſt einigen von Franckreich erhalte - nen Vortheilen, auch ſonderlich die Ehre zu ge - winnen, bey kuͤnfftig zwiſchen Kayſerl. Maje - ſtaͤt und dem Koͤnige in Franckreich zu ſchlieſ - ſenden Frieden die Mediation zu erhalten; al - lein es iſt die Brittaniſche Majeſtaͤt nicht zu dero Zweck gediehen, ſondern davon ausge - ſchloſſen blieben. Denn gleichwie ſelbige ohneZu -321Hoff-Ceremoniel. Zuthun eines Mediatoris ſich mit Franckreich zu Utrecht verglichen, alſo haben Kayſerl. Ma - jeſtaͤt, auch zu Radſtadt Mittel und Wege ge - funden, ſich mit Jhro Aller-Chriſtlichen Ma - jeſtaͤt, ohne Mediation dieſer Koͤnigin zu ac - commodiren.

§. 6.

Gleich wie man aber nicht einen jeden Potentaten oder freye Republic zu dem Amt ei - nes Mediatoris admittiret; alſo ſind auch nicht alle unter denſelben, zu allen Zeiten geſchickt, daß ſie ſolches hohe und zugleich ſchwere Amt zu uͤbernehmen vermoͤgen, weil ihnen entweder

    • 1. Die Religion
    • 2. Jhre Schwaͤche
    • 3. Jhre Entlegenheit
    • 4. Jhre Freundſchafft und Alliance,
    • 5. Jhre Theilhabung an einem Kriege
    daran hinder - lich.

§. 7.

Was die Religion anbetrifft, ſo iſt wie - derumb darauf acht zu haben:

  • 1. Ob der Unterſcheid der Religion cauſa des vorgehenden Krieges geweſen, entweder orginaliter oder incidenter, und nun bey dem darauf zu ſchlieſſenden Frieden das Religions-Weſen wieder einzurichten?
  • 2. Ob nur ſub prætextu Religionis, ſich ein Krieg entſponnen, mehr aber die extenſio regionis als Religionis darunter ſey ge - ſuchet worden?
X3. Ob322Europaͤiſches
  • 3. Ob der Krieg ex cauſis mere politicis, welche mit der Religion keine Connexion haben, entſtanden?
  • 4. Ob die Paciſcirenden Theile einerley Re - ligion zugethan, oder
  • 5. Ob ſelbige diverſer Religion ſind?

§. 8.

Der Pabſt nun als das ſichtbahre Haupt der Catholiſchen Kirchen, arbiter conſcientia - rum derer Catholiſchen Potentaten, und wie er ſonſten auch per excellentiam genennet wird, orbis Chriſtianorum Pacator, hat,

  • 1. Als ein Geiſtlicher Herr groſſe Urſache und Recht, das pax vobis ſeinen Kindern zu ertheilen, und ſich als Beatisſimus, die bey dem Matthæo cap. V. vers 9. aufgezeich - nete und verſicherte beatudinem beyzule - gen: Beati pacem facientes, quoniam filiii Dei vocabuntur. Welches er auch niemahlen zu unterlaſſen pfleget, ſondern theils durch Briefe, theils durch Nuncia - turen, die in Krieg verwickelten Partheyen ſeines Glaubens, zum Frieden und Ver - gleich ermahnet: welches ihme auch dann und wann gelungen und zu groſſen Ruhme gediehen. Jn dieſer Qualitaͤt nun iſt er ein ſicherer Mediator, und koͤnnen ſich die Partheyen beſſer auf ſeine als eines andern Vermittelung verlaſſen; weil bey ihme nichtzu323Hoff-Ceremoniel. zu præſumiren, daß er als Pater & Paſtor communis, etwas aus Intereſſe oder Af - fection thun werde. Jn dieſer Meynung nun hat die Cron Spanien und Fanckreich vielfaͤltigmahl des Pabſtes Mediation theils imploriret, theils die offerirte acce - ptiret. Der Verviniſche, der Cron Spanien ſo noͤthige, und der Cron Franckreich ſo nuͤtzliche Friede, war keines andern Men - ſchen Werck, als des Pabſtes Clementis VIII. und wuͤrde ohn ſein Zureden und Vermittelung, weder Philippus II. in Spanien, noch Henricus IV. in Franck - reich, ſo bald das Schwerdt aus den Haͤn - den geworffen, und ſich in Friedens-Hand - lungen eingelaſſen haben; So wolte auch Carolus V. mit Franciſco I. keinen Ver - trag machen, es haͤtten denn Paͤbſtl. Heilig - keit zuvor darein gewilliget, und ihre bons offices dabey emploiret.
  • 2. Als ein weltlicher Herr und Fuͤrſt in Jtalien, hat er nicht nur, das Recht Kriege zu fuͤh - ren, ſondern auch Frieden zu ſchlieſſen, und per conſequens das Amt eines Mediatoris zu uͤbernehmen; welches letztere ihm auch die Acatholici ſelbſt zugeſtehen muͤſſen. Weñ nun ein Krieg ex cauſis mere politicis ent - ſtanden, bey welchem das Religions-We - ſen nichts zu thun gehabt, und nun auch dar -X 2auf324Europaͤiſchesauf ein Frieden wiederumb ob cauſas mere politicas zu ſchlieſſen waͤre; ſo kan der Pabſt ſo dann, nicht nur von ſeinen Glau - bensgenoſſen, ſondern auch ſo gar von de - nen Un-Catholiſchen Potentaten, Fuͤrſten und Republiqven gar wohl angenommen werden; zwar nicht tanquam ſummus Pontifex, ſondern als ein Souverainer Herr, der alle Jura Majeſtatica beſitzet, und mit welchem nicht nur die Chriſten dif - ferenter Religion, ſondern auch ſo gar die Unglaͤubigen ex Jure gentium, wozu die Friedens-Schluͤſſe zu rechnen, converſiren und tractiren koͤnnen; und iſt der Niemaͤ - giſche und unterſchiedene andere Vertraͤge, v. gr. der Verviniſche, Zeugnuͤß genug, daß die Acatholici dem Pabſt die Con - Mediation und Sequeſtration anver - trauet. Ja wenn man ohne alle Pasſion, wie es denn billich ſeyn ſoll, von der Media - tion des Pabſtes etwas politice ſtatuiren will, ſo muß man bekennen, das der Pabſt einer der geſchickteſten Fuͤrſten in Europa, welcher dieſes Officium uͤbernehmen koͤn - ne; Denn einmahl fehlet es ihme, als mei - ſtentheils alten und erfahrnem Herrn, nicht an Politiſchen Wiſſenſchafften, oder an dem rechten Kaͤntnuͤß des wahren Inte - reſſe eines Etats im Chriſtenthumb: worzudie325Hoff-Ceremoniel. die Paͤbſte nebſt andern Mitteln auch da - durch gelangen; weil ſie bevor ſelbige auf den Paͤbſtl. Thron erhoben werden, viele und betraͤchtliche Nunciaturen an den Hoͤ - fen Chriſtlicher Potentaten verrichtet, und das Abſehen, Staͤrcke und Schwaͤche, Furcht und Hoffnung, eines oder des an - dern Hofes kennen lernen: welches Mittel andern Potentaten nicht auf dergleichen Art vorbehalten, und zu ſtatten kommet. Und ob es gleich auch etwan geſchehen, daß zu Zeiten ein Pabſt einem Theile mehr fa - voriſiret als dem andern, ſo iſt und hat ſol - ches propter rationem ſtatus, welchen der Pabſt ſo wenig als ein anderer Poten - tate negligiren kan, geſchehen muͤſſen; wenn aber nur die Furcht fuͤr einem verſchwun - den, ſo hat ſich auch denn der Favor, oder die ſo genennete Partheylichkeit verlohren, und hat die Paͤbſtl. Mediation hernach jeder - zeit den Character einer Billigkeit behal - ten. Allein, wenn die Sache das bloſſe In - tereſſe Religionis Catholicæ ſo wohl quo - ad credenda, quam quoad Jura Eccleſiæ concerniret; ſo iſt es der puren Unmoͤg - lichkeit, daß man dem Pabſte die Media - tion uͤberlaſſen koͤnne; weil er im Gewiſſen verbunden, ſein eignes, odeꝛ ſeines Glaubens - Genoſſen Intereſſe, und die CatholiſcheX 3Reli -326EuropaͤiſchesReligion, gegen alle andere Arten der Reli - gionen zu befoͤrdern; welches man in dem Muͤnſteriſchen Frieden gar deutlich ſehen koͤnnen, auf welchem der Pabſt ſeinem Amte gemaͤß die Aufnahme und Conſer - vation des Catholiſchen Glaubens im Roͤ - miſchen Reiche zu behaupten trachtete: und weil in dem Oßnabruͤgiſchen Frieden aller - hand Dinge zu ſeiner Præjuditz etabliret wurden, ſo ließ Innocentius der X. durch ſeinen Nuntium Fabium Chigi, nicht nur gegen gemeldten Frieden proteſtiren; ſon - dern er publicirte auch ſo gar eine Bullam annulatoriam dieſes Friedens, welche aber von den Deutſchen Fuͤrſten und Staͤnden beyderley Religionen pro inani & nihili, wie die Worte gemeltes Friedens Art. V. §. 1. lauten, und in denen Kayſerl. Wahl - Capitulationibus pro invalida erklaͤret worden. Eben aus dieſem Principio kunte der Koͤnig Wilhelmus in Engelland, die von Franckreich dem Pabſte zuerkennete Mediation, bey dem Rißwigiſchen Frieden nicht acceptiren; weil die Religio in ſelbi - gen gar zu ſehr mit eingemenget war, und der Pabſt in ſeiner Mediation nicht haͤtte indifferent ſeyn koͤnnen.

§. 9.

Nach und neben dem Pabſt, iſt in Jta - lien die Republic Venedig auch gar geſchickt, dieFrie -327Hoff-Ceremoniel. Friedens-Mediationes zu uͤbernehmen; weil die Venetianer gute Politici, und von dem Intereſſe eines odeꝛ des andeꝛn Stꝛeitenden Theils wohl in - formiret. Deñ ob ſie gleich der Catholiſchen Reli - gion zugethan, auch in ihrem Gebiethe das freye Exercitium (auſſer was in einigen Orten de - nen Juͤden und Griechen eingeraͤumet worden) Religionis, denen Acatholicis nicht verſtatten; ſo haben ſich doch die Proteſtirenden Potentien, dennoch der Religion halber keiner Partheylich - keit von ihnen zu beſorgen: weil ſie das Intereſſe Religionis nicht weiter ſuchen, als ſelbiges zu ih - rem Etats-Intereſſe befoͤrderlich: ja ſo gar be - kand iſt, daß ſie den Pabſt ſelbſt wegen Confor - mitaͤt des Glaubens, in ihrem Territorio nichts zu geſtehen, welches ſie etwan meinen ihrer Frey - heit und Intereſſe nachtheilig zu ſeyn: wie ſie denn mit Leone X. zu Anfang des vorigen Seculi in ei - nen ſchweren Krieg verfallen waͤren, im Fall Henricus IV. in Franckreich ſich nicht ins Mittel geſchlagen, und die Feindſchafft wiederumb in Freundſchafft verwandelt haͤtte. So ware es bey Regierung des Pabſtes Urbani VIII. wegen der Range, und einer in odium der Venetianer zu Rom ausgeleſcheten Schrifft, nahe darbey, daß dieſe Republic mit Paͤbſtl. Heiligkeit auf das neue verfallen waͤre, wenn man ihnen nicht ſchleunige Satisfaction gegeben haͤtte. Ob aber nun gleich der reſpectus Religionis die Venetianer anX 4dem328Europaͤiſchesdem Mediations-Amte nicht hindert; ſo ſind doch gleichwohl Urſachen vorhanden, vermoͤge derer man ihnen die Mediation nicht ohne Unter - ſcheid und allemahl anvertrauen kan. Denn

  • 1. Werden die Churfuͤrſten des Reichs ſelten oder niemahlen zugeſtatten, daß bey einem Friedens-Schluß, bey welchen ſie in der Qualité als Churfuͤrſten concurriren, das Amt eines Mediatoris denen Venetianern uͤberlaſſen werde; weil die Churfuͤrſten mit dieſer Republic wegen der Præcedentz competiren, und in poſſesſione des Vor - ganges ſind. Weil man aber einem Me - diatori gleichwohl wegen ſeines tragenden Amts mehr Deferentz, und bey nahe Præ - cedentz, einraͤumen muß, als er ſonſten auſ - ſer dieſer Charge nicht fordern koͤnte; ſo ſte - hen die Churfuͤrſten ſtets auf guter Hut, daß dieſe Republic, unter dem Prætext der Mediation, nicht etwan einen Actum Poſ - ſesſionis in der Præcedentz fuͤr ihnen er - halte, und ſelbige ins kuͤnfftige zu ihrem Vortheil allegire. Wie es denn deswe - gen auf dem Weſtphaͤliſchen Frieden, da - von unten weitere Nachricht gegeben wer - den ſoll, harte Conteſtationes gabe.
  • 2. Jſt die Situation und Macht der Republic Venedig alſo beſchaffen, daß die erſtere in einem Extremo von Europa lieget, und alſobloß329Hoff-Ceremoniel. bloß die Jtaliaͤniſchen Fuͤrſten, den Kayſer wegen einiger Erb-Laͤnder, und den Tuͤr - cken zu einem Nachbar hat; die letztere iſt zwar zur See conſiderable, zu Lande aber nicht betraͤchtlich, und folgendes niemanden gar formidable. Weil nun ein neceſſa - rium Conſequentz des Mediatoris iſt, daß er die Quarantie des Friedens uͤber - nehme; ſo wird ſolche Garantie ſonder er - forderlichen Effect ſeyn, wenn er wegen uͤbeler Situation und gebrechender Macht, nicht im Stande ſelbige zu leiſten. Denn ge - ſetzt, es wehlete Schweden und Pohlen, Pohlen und Moſcau, Engelland und Hol - land, ꝛc. die Republic Venedig zu einem Mediatore des Friedens, welcher Frieden aber nachgehends von einer itzt genannten Parthey nicht gehalten wuͤrde: wie ſolte ſich alsdenn Venedig wohl anſtellen, in dieſen entlegenen Landen, zu welchen man zwar zu Schiffe gelangen kan, aber doch den Krieg mehr im Lande, als auf der See fuͤhren muͤ - ſte, den Fried-bruͤchigen Theil zu Haltung des Friedens zu obligiren? Und was fuͤr eine theure Mediation und Garantie wuͤrde es nicht ſeyn, von Venedig Voͤlcker nach Mo - ſcau, Schweden, Pohlen, ꝛc. zu transpor - tiren. Hingegen ſind die Venetianer in denen Friedens-Schluͤſſen, die etwanX 5zwi -330Europaͤiſcheszwiſchen Franckreich und Spanien, zwi - ſchen dieſen beyden und dem Pabſt, in re - gard der in Jtalien liegenden Koͤnigreiche und Hertzogthuͤmer, und unter andern Jta - liaͤniſchen Fuͤrſten ſollen vollzogen werden, uͤberaus beqveme Mediatores, und kraͤff - tige Garanteurs; weil ſie eines und das an - dere zu præſtiren, ſo wohl ratione ſitus, als des in Jtalien habenden Potentatus, gar geſchickt ſeyn.

§. 10.

Die Schweitzer koͤnnen das Officium Mediatoris, zwiſchen zweyen differenter Reli - gion ſeyender Potentien, gar wohl uͤbernehmen; weil ihre Republic ſelbſt aus zweyerley Reli - gions-Verwandten beſtehet, und ſie wohl verſte - hen, wie weit man das Intereſſe Religionis dem Etats-Intereſſe vorziehen, oder nachſetzen koͤnne: auch dabey das Lob fuͤr vielen andern Nationen haben, daß ſie aufrichtig, redlich, ſteiff uͤber ihrer Zuſage halten, und zu keiner Partialitaͤt, es treibe ſie denn die euſerſte Noth darzu, geneiget; welches alles Qvalitaͤten die bey jedem Mediatore befind - lich ſeyn ſolten. Allein ſie ambiren ſolche Wuͤrde nicht, weil ſie ferne von allem Ehrgeitz, und nicht gerne unnoͤthige Koſten machen, welche doch bey einem Mediatore unentbehrlich: auch ſich nicht gerne in anderer Potentaten Haͤndel verwickeln, davon ſie doch als Quaranteurs nicht befreyet bleiben koͤnten; ſondern lieber ruhig ſitzen, und ihrejunge331Hoff-Ceremoniel. junge Mannſchafft umb Geld verkauffen. So tragen auch die Souverains und Potentiores in Europa bedencken dieſen Etat, deſſen Regiment ſo Democratiſch und Populariſch, die Ehre anzu - thun, und ihn zu dem Mediations-Wercke zu em - ploiren: wuͤrde auch endlich denen Schweitzern an Kraͤfften fehlen, die Quarantie zu leiſten; weil es ihnen an den nervo belli, und alſo an dem beſten, nemlich am Gelde fehlet. So daß ihnen ihre Redligkeit, und andere anklebende Geſchick - lichkeit zur Friedens-Mediation, wegen itzt bey - gebrachter obſtaculorum, nicht wohl zu ſtatten kommen kan.

§. 11.

Die Roͤm. Kayſerl. Majeſtaͤt, der Koͤ - nig von Spanien, Franckreich, Engelland, Schweden, Preußen, ꝛc. wie auch die Republic Holland, ſind wegen ihres Potentatus alle faͤ - hig, das Amt eines Mediatoris zu uͤbernehmen; allein man kan einen, oder auch den andern hoͤchſt - gemeldter Potentaten nicht allemahl, wenn man es wuͤnſchet und will, dazu nehmen, bloß und al - lein darumb: weil allemahl einer und der ander, und offters derer viele auf einmahl, in die Euro - paͤiſchen Kriege, directe oder indirecte ver - wickelt, und demnach Pars litigans nicht zugleich Mediator ſeyn kan; es waͤre denn, daß einer oder der andere zum Voraus ſeinen Frieden à parte gemacht (dergleichen Exempel zur Gnuͤge verhanden) und ſo dann, wenn er mit ſeiner Tra -ctation332Europaͤiſchesctation fertig, einem andern auch zu einem billi - gen Vergleich helffe. Allein dieſe Particulier - Vergleiche ſind einem Potentaten, wenn er ſon - derlich mit anderen in Alliance geſtanden, und ſel - bige verlaſſen, zu Erhaltung der Mediation mehr hinderlich, als befoͤrderlich, wovon gar neue Exem - pel vorhanden.

§. 12.

Engelland ins beſondere, welches ſich zu ruͤhmen pfleget, daß es die Bilance zwiſchen den Europaͤiſchen Potentien erhalte, gleichſam das Zuͤnglein in der Europaͤiſchen Wag-Schale, und demnach nicht nur Moderator des Gluͤckes, des einen unter denen kriegenden und des Ungluͤcks des andern, durch Adjungirung ſeiner Waffen: ſon - dern auch gleichſam bey denen Friedens-Schluͤſ - ſen, bey welchen es nicht interesſiret, Mediator Ordinarius ſeyn koͤnne; hat zu einigen und noch gar neuen Zeiten erwieſen, daß es der Sache ein groß Gewichte und Ausſchlag geben koͤnne. Alleine es iſt ihme auch manchmahl an Behaup - tung dieſer Prærogativæ fehl geſchlagen: und hat das kleine Holland dieſem Arbitro Europæ zur Gnuͤge gewieſen, daß die dißfalls in Engelland etablirte Regul nicht ſonder Exception, und es ſo gut anderer Potentien Huͤlffe und reſpective Mediation, als andere Engellands benoͤthiget.

§. 13.

Uberhaupt kan das Mediations-Amt, cæteris paribus, in beyzulegenden Streitigkeiten,und333Hoff-Ceremoniel. und Friedens-Negotiis anvertrauet werden, zwiſchen

  • 1. Spanien und Franckreich, dem Pabſt, oder Engelland
  • 2. Spanien und Portugal, dem Pabſt oder Engelland,
  • 3. Dem Pabſt und Spanien, Franckreich oder Venedig,
  • 4. Dem Pabſt und Franckreich, Spanien oder Venedig,
  • 5. Dem
    • Kayſer Roͤm. Reich
    und Franckreich, Schweden oder Engelland,
  • 6. Dem
    • Kayſer Roͤm. Reich
    und Schweden, Engelland oder Holland
  • 7. Franckreich und Engelland, Spanien, Schweden oder Holland,
  • 8. Schweden und Daͤnnemarck, der Kayſer, Franckreich, Preuſſen, oder Holland,
  • 9. Engelland und Holland, Schweden, oder Franckreich, ꝛc.

Denn das reciproque Intereſſe hier geſetzter Staaten iſt alſo beſchaffen, daß ſelbige am beſten auf ſolche Art und Mediation koͤnten verglichen werden, im fall nicht etwan ein raro contingens ſelbiges veraͤndere.

§. 14. Das334Europaͤiſches

§. 14.

Daß meiſte was einem Potentaten hinderlich, daß er zu dem Officio Mediatoris nicht koͤnne ernennet oder angenommen werden, iſt ſo wohl ſeiner eigenen Perſon, als auch derer von ihme adhibirten Miniſtrorum Mediatio - nis Partheylichkeit, durch welche er ſich und ſie, einem oder mehreren Theilen verdaͤchtig machet. Denn ob er gleich nicht juſtiſſimus, ſo kan und ſoll er doch æquisſimus Arbitrator, keinem Theil zu viel, und keinem zu wenig affectioniret ſeyn; dan - nenhero die Haupt-Requiſita eines dergleichen Mediatoris dieſe ſind, daß

  • 1. Er das Recht und Intereſſe jeder Parthey wohl verſtehe, und dieſes denen ſtreitenden Theilen wohl beyzubringen wiſſe. Denn ſo bald er einen nur uͤberzeuget haben wird, daß ſeine Prætenſion wieder das Recht und Billigkeit lauffe: und ſein wahres In - tereſſe erfordere den Frieden einem gluͤck - lichen, oder nach avenant ungluͤcklichen Kriege vorzuziehen; ſo wird er die Gemuͤ - ther dadurch leicht zum Frieden und Freund - ſchafft præpariren, und ein gutes Accom - modement treffen koͤnnen.
  • 2. Nicht, wie ſchon gemeldet, partialiſch inte - resſiret und durch Geſchencke zu gewinnen ſey. Denn ob wohl nicht verbothen, ſo wohl dem Mediatori ſelbſt, als auch deſſen Mi - niſtris Mediationis, wegen der uͤbernom -menen335Hoff-Ceremoniel. menen Muͤhe Geſchencke zu thun; ſo muͤſſen doch ſelbige in keinem anderen als nur dieſem Abſehen gegeben und angenommen werden, daß man ſich gegen dem Mediatore danck - bahr bezeigen, und ihn ſein Amt deſto hurtiger zu verrichten aufmuntern, keines weges aber ſel - bigen corrumpiren wolle.
  • 3. Reinen Mund zu halten wiſſe, und keiner Par - tie, der andern ihme eroͤffnete Abſicht, incon - ſiderant, oder doch in keinen andern Abſehen und Meinung entdecke, als ſelbige zu Befoͤde - rung der Freundſchafft und des Friedens dien - lich. Denn wo ein Mediator aus allzu groſſer Vertraulichkeit und zur Unzeit, das Geheim - nuͤß einer Parthey der andern beybringen wolte; wuͤrden die Gemuͤther der paciſciren - den nur dadurch mißtraulicher gemacht, der zu - ſchlieſſende Friede mehr retardiret als beſchlei - niget werden, und eine der Intention der Par - theyen und dieſem Officio gantz contraire Wuͤrckung entſtehen.
  • 4. Die Quarantie uͤbernehmen, ſelbige auch in der That auf beduͤrfftigen Fall leiſten, und den Frieden in Execution bringen und erhalten koͤnne. Denn was wuͤrde es nutzen, wenn man den Frieden durch die Feder auf die ſchoͤnſte und billigſte Art abgefaſſet, ratihabiret und geſchloſſen: nicht aber in Willens haͤtte ſelbi - gen in der That zu vollziehen und heilig zu hal -ten?336Europaͤiſchesten? Welches letztere, weil es doch manchmahl zu emergiren pfleget, ein Mediator muß ver - hindern, und denjenigen Theil, welcher, was er verſprochen nicht præſtiren will, dazu noͤthigen koͤnnen. Dieſe denen Mediatoribus noth - wendig anklebende Guarantie iſt vielmahlen Urſache geweſen: daß ſie durch einen Frieden in einen Krieg verwickelt, und da ſie in dieſem Frieden Mediator geweſen, in einem andern darauf folgenden Frieden, bloß ex capite Me - diationis, pars litigans worden.

§. 15.

Ob nun dieſe und andere requiſita ei - nes Mediatoris, bey allen Friedens-Schluͤſſen ſo genau obſerviret worden, laͤſſet ſich gar leicht be - urtheilen: wenn man ein oder die andere Friedens - Negotia und Tractaten: ſonderlich die Arcana derſelben durchgehet; da man denn wahr befinden wird, daß mancher Frieden gantz anders abge - lauffen waͤre, wenn die Mediatores derſelben an - ders als ſie waren, beſchaffen geweſen. Es iſt aber ſicherer, daß man denenjenigen, welche hiervon gruͤndlich unterrichtet ſeyn wollen, andere Au - tores, welche dergleichen Arcana publiciret, zu leſen anweiſe, als etwan hier viel beſon - ders davon zu ſchreiben, ſich unterſtehe.

Vierd -337Hoff-Ceremoniel.

Vierdtes Capitel. Von denen Paſſeports, oder Literis Salvi Conductus.

§. 1.

Daß die Paſſeports denen Geſandten ein unentbehrliches Stuͤcke, und anbey nicht von ihren hohen Herren Principalen, ſondern von denſelbigen Majeſtaͤten, Fuͤrſten und Herren, durch derer Land ſie reiſen, und an deſſen Hofe ſie negotiren ſollen, zu erbitten, und zu ertheilen, auch was darinnen pfleget enthalten zu ſeyn; iſt in dem dritten Cap. des III. Theils in ſo weit, als es dahin gehoͤrig geweſen, ſchon gemeldet worden, und nur hier noch noͤthig mit wenigen beyzubrin - gen: daß bey Friedens-Congreſſen die formalia der Paſſeports, zwar nicht anders beſchaffen, als wenn man etwan einen Geſandten an eines Sou - verainen Hoff ſendet; jedoch iſt einiger und zwar ziemlich betraͤchtlicher Unterſcheid zwiſchen bey - derley Art Paͤſſen darinnen: daß man bey Frie - dens-Congreſſen in Ertheilung der Paͤſſe,

  • 1. Mehrere Prærogative ſuchet,
  • 2. Mehrerer Arten, oder Exemplaren der - ſelbigen benoͤthiget.

§. 2.

Was das erſtere, oder die Prærogative anbelanget, ſo findet ſich ins gemein dieſe Difficul - taͤt, wer der erſte ſeyn ſoll, welcher dieſelben zu er - theilen. Denn weil ſie von denen concurrirendenYPar -338EuropaͤiſchesPaͤrtheyen reciproce muͤſſen ausgeliefert wer - den; ſo will mancher propter dignitatem der er - ſtere, (welches ſonderlich die Mediatores præ - tendiren) mancher aber wegen ſeines darunter verborgen liegenden Intereſſe, avantage und politique der letztere ſeyn. Denn wenn einer oder der andere ſeine Paſſeporte bereits ausgehaͤndi - get, die ihme benoͤthigten aber noch nicht wieder reciproce empfangen: kan er in Gefahr lauffen, daß man ihn damit aufziehe, oder auch ſelbige wohl gar weigere; welches bey einigen Friedens - Schluͤſſen, ſonderlich aber in dem Weſtphaͤliſchen viel Verdruͤßligkeit verurſachet, und nicht weniger Zeit, den Frieden mit Succeß anzufangen ver - derbet.

§. 3.

Was das andere, oder die Vielheit der Paſſeporten betrifft, ſo kan es geſchehen, daß ein Souverain, welcher einen Miniſter in eines an - dern Souverainen Hof-Lager ſendet, im fall derer Reiche oder Territoria mit einander graͤntzen: nicht mehr als eines eintzigen Paſſes benoͤthiget; weil er ſo dann durch keines Tertii Land reiſen, und alſo auch nicht allererſt eines andern, als bloß nur deſſen an welchen er ſendet, Paſſeports benoͤ - thiget; dergleichen zwiſchen Kayſerl. Majeſtaͤt und Franckreich, Spanien und Franckreich, Poh - len und Moſcau, und vielen andern, wie aus der Geographie zu erſehen, geſchehen kan: und da ja etwan eines Potentaten Territorium, welcheszwi -339Hoff-Ceremoniel. zwiſchen des ſendenden, und deſſen an welchen man ſendet, Reich oder Lande gelegen, zupasſiren waͤre, ſo wuͤrde man nur auch bloß genoͤthiget ſeyn, von demſelben einen Paſſeport zu begeh - ren, im fall er zu bekommen; ſonſt muͤſte man durch einen Umweg zu Lande oder uͤber See, ſein territorium evitiren, dergleichen auch zu unterſchiedenen mahlen ſchon geſchehen; allein bey den Friedens-Congreſſen muß man nicht nur bey denen, durch derer Laͤnder man die Geſandten ſendet, ſondern auch von allen andern, welche bey dem Frieden mit concurriren, ob man gleich derer Laͤnder mit keinem Fuſſe betritt, dennoch Paſſe - porte haben. Deñ zum Exempel: Es waͤre zwiſchen denen itzo im Kriege verwickelten vier Nordiſchen Majeſtaͤten, Schweden, Daͤnnemarck, Pohlen, und Moſcau, Frieden zu erwarten, und zu Braun - ſchweig zu ſchlieſſen, bey ſelbigem auch noch etwan ein Mediator von noͤthen; ſo muͤſte ein jeder unter dieſen Fuͤnffen viererley Paͤſſe haben, umb ſicher zu dem Friedens-Congreß admittiret zu werden: ohne dieſelbigen, welche er noch von denen Landes-Fuͤrſten, derer Territorium er pasſiren muß, auszuwuͤrcken. Denn es muͤſte v. gr. Schwe - den von Daͤnnemarck, Pohlen, Moſcau und dem Mediatore, & vice verſa, zuvor Paſſeporte uͤber - kommen haben, bevor er ſich in dem loco Con - greſſus ſicher zu ſeyn achten koͤnte. Uber der Er -Y 2thei -340Europaͤiſchestheilung nun dieſer vielfaͤltigen Paͤſſe, giebet es viel diſputirens, theils wegen derer

  • 1. Ausfertigung, theils wegen deren
  • 2. Jnhalt: welches alles en detail vorzuſtellen man nicht fuͤr rathſam erachtet, ſondern was dißfalls da und dort geſchehen, in fol - genden Capituln mit einruͤcken wird.

Fuͤnfftes Capitel. Von den Sprachen. Jn ſo weit ſelbige zu dem Ceremonien - Wercke gehoͤrig.

§. 1.

Es hatten die Menſchen biß etwan in das 1931. Jahr nach Eꝛſchaffung der Welt, alle einer - ley Zungen und Sprachen 1. Moſ. 11. v. 1. aber bey Erbauung des Thurmes zu Babel, wurden anfangs die Bau-Leute und Arbeiter, wie einige ausgerechnet haben wollen, in 70. oder 72. unter - ſchiedene Sprachen verwirret: welche Vielheit und Unterſchied der Sprachen, damahlen den Bau des Thurms zu Babel, heut zu Tage aber noch oͤffters die Auffuͤhrung der Gebaͤude der Ein - tracht und des Friedens hindern kan.

§. 2.

Bald auf dieſe Vielheit, Unterſcheid, und Verwirrung der Sprachen, erfolgete eine Separation der menſchlichen Geſellſchafft; im - maſſen ſich nur dieſelben zuſammen hielten, wel - che einander verſtunden, und einerley Sprache re -deten341Hoff-Ceremoniel. deten: welchen Unterſcheid der Sprachen auch ſo bald der Unterſcheid der Sitten und Religionen begleitete.

§. 3.

Dienenigen, welche einander nicht ver - ſtunden, bekamen einen Eckel gegen einander: wel - cher endlich zu einer Unbekandtſchafft und in fol - gender Zeit zu einem Haß gediehe: biß aus dieſer Uneinigkeit der Zungen, auch Zwietracht der Ge - muͤther und zuletzt, nebſt Behauptung des Mei, und Begehrung des Tui, Streit und Krieg ent - ſtunde; maſſen aus keinem Hiſtorico erweißlich, daß vor geſchehener Verwirrung der Sprachen die Menſchen Kriege unter einander gefuͤhret, da ſie conſequenter auch keines Frieden-Schluſſes benoͤthiget geweſen.

§. 4.

So war demnach dazumahl dieſe Viel - heit der Sprachen keine Gabe und Gnade, ſon - dern vielmehr eine Straffe GOttes, durch welche der Menſchen Hochmuth und Vanitaͤt gezuͤchti - get wurde; welches Ubel biß auf unſere Zeit dau - ret, daß man ſolches in der menſchlichen Societaͤt mehr als zu viel, ſonderlich aber bey den Con - greſſen, der von hohen Potentaten abgeordneten Miniſtern, und an denen Hoͤfen und Ceremoniel empfindet.

§. 5.

Es ſind zwar Vorſchlaͤge auf das Tapet, und einige auf die Gedancken kommen, daß dieſem Ubel dadurch koͤnne abgeholffen werden: wennY 3wenig -342Europaͤiſcheswenigſten die Europaͤiſchen Potentaten ſich mit einander beredeten, und ſchluͤßig wuͤrden, einerley Redens-Art und Zunge in ihren Reichen einzu - fuͤhren; allein es iſt auch ſo gleich Kummer vorge - fallen, welche Sprache man den uͤbrigen vorzie - hen, und zu der allgemeinen Sprache wehlen ſolle; und hat ſich bey dieſem projectireten Vergleich, auch zugleich ein Streit uͤber der Prærogativa linguarum ereignet: welche dem guten Vor - ſchlage hinderlich geweſen, und auch wohl bleiben wird; maſſen die Vielheit und Unterſcheid der Sprachen ein Werck GOttes, und Menſchen Rath wieder denſelben kein nuͤtze ſeyn kan.

§. 6.

Jſt demnach das ſicherſte und beſte Mit - tel, daß man aus der Noth eine Tugend, und aus der Straffe eine Gelehrſamkeit mache: und ſich, daſern man zu einer profonden Erudition gelan - gen, ſich in der Welt umbſehen, mit fremden Na - tionen negotiren, und ſonderlich groſſen Poten - taten in auswaͤrtigen Verrichtungen nuͤtzlich wer - den und dienen will, angelegen ſeyn laſſe, nicht nur etwan bloß einen Zwey-Zuͤngler, ſondern gar einen Viel-Zuͤngler abzugeben.

§. 7.

Dem Zweck aber naͤher zu treten, ſo die - net zur Nachricht, daß in denen von uns entlegen - ſten Zeiten, beſtaͤndig gebraͤuchlich geweſen, daß einer der da publiquement mit einem Frembden reden wollen oder ſollen, ſich bey der Audientz und Conferentz, ſeiner Mutter-Sprache bedienet, deran -343Hoff-Ceremoniel. andere aber, welcher darauf hat Antwort geben ſollen oder wollen, ſich ebenfalls der Sprache be - dienet, welche in ſeinem Vaterlande uͤblich; wenn aber zu beſorgen ſtunde: daß dieſe zwey, (wie et - wan die Bau-Leute bey dem Thurm zu Babel) einander nicht verſtuͤnden, hat man einen Dol - metſcher, welcher beyder Sprachen kuͤndig, em - ploiret, der was einer oder der andere geredet, re - ciproce erklaͤret, und ſo zu reden, beyden das Ver - ſtaͤndnuͤß unverſtaͤndlicher Worte eroͤffnet hat.

§. 8.

Solche Gewohnheit iſt auch noch heute zu Tage, an vielen Hoͤfen bey gegebener Audientz braͤuchlich: daß nemlich derjenige welcher ſendet, meiſtens in derſelben Sprache welche in ſeinem Lande geredet wird, den Vortrag thun laͤſſet; der Souverain aber, an welchen ſolche Geſandtſchafft gelanget, in ſeiner Landes-Sprache entweder ſelbſt antwortet, oder durch einen Miniſter ant - worten laͤſſet; und daferne ſo wohl der Souverain als auch der Geſandte beyde Sprachen verſtehen, ſo hat es alsdenn keines Interpretis von noͤthen: wo nicht, ſo laͤſſet man durch ſelbigen die Erklaͤ - rung thun.

§. 9.

Bey denen Friedens-Congreſſen aber, auf welchen vielmahl Perſonen aus gar vielerley Nationen und Zungen concurriren, welchen theils nur einige auswertige, theils auch nur allein ihre Mutter-Sprache bekandt; gehet es gar an - ders als bey denen Audientzen her. Und entſtehetY 4viel -344Europaͤiſchesvielmahl groſſe Verwirrung und Unvernehmen, bloß und allein aus der Sprache; weil mancher, ob er gleich in einer andern Sprache reden koͤnte, dennoch ſich deſſen weigert, und ſich ſtellet, als ob er auſſer ſeiner Mutter-Sprache keine andere ge - lernet: ja lieber die Schande, daß er frembde Sprachen nicht verſtehe, ſich zuziehen, als etwan durch Gebrauch ſeiner in vielen Sprachen geuͤb - ten Zunge, ſeinem Principal einiges Nachtheil in der Prærogativa, und ſich Verantwortung zuzie - hen will.

§. 10.

Dazumahlen als die Etats-Affaires und Geſandtſchafften, nur bloß und alleine denen Geiſtlichen, oder andern Perſonen welche Profeſ - ſion von der Gelehrſamkeit gemacht, anvertrauet wurden; war die Lateiniſche Sprache der com - munis Interpres in dergleichen Handlungen, ſonderlich zwiſchen Chriſtlichen der Catholiſchen oder Lateiniſchen Kirchen zugethanen Potenta - ten; als man aber nachgehends auf Perſonen von Geſchlechte, guter Conduite, Naturel und Mutterwitz, und die an den Hoͤfen erzogen wor - den, mehr als auf Gelehrte ex profeſſo reflecti - ret: und jene dieſen in dergleichen Negotiis vorge - zogen; iſt das liebe und mit vielen Schweiß und Muͤhe erlernete Latein in publiquen Affairen ſehr in Decadence kommen, und haben die mehr in den Hoͤfen als in den Schulen erzogene und ge - lehrt wordene, anbey wohl gereiſete Miniſtri, ihreCon -345Hoff-Ceremoniel. Conferentien in einer ſolchen Sprache gehal - ten, welche ſie verſtanden, und in welcher es ihnen leichte gefallen, ſich deutlich zu expliciren. Gleich - wohl aber hat dennoch die Lateiniſche Sprache, noch immer fuͤr allen andern die Prærogativ er - halten: daß man die zwiſchen Deutſchen, Jtalie - nern, Spaniern, Frantzoſen, Engellaͤndern, Schweden, Daͤhnen, Pohlen ꝛc. gemachte Ver - traͤge und Inſtrumenta publica, in Lateiniſcher Sprache verfaſſet, ob gleich etwan die vorherge - henden Unterhandlungen in anderer Sprache vorgenommen worden.

§. 11.

Es gehet nun aber mit der Prærogativa der Sprache nicht anders her, als mit dem uͤbri - gen Vorzuge, welchen ein Potentate fuͤr dem an - dern zu behaupten trachtet. Denn einige Souve - rains nehmen es ſehr genau, und wollen weder in denen Vortraͤgen welche ſie thun, noch in denen Briefen welche ſie ſchreiben laſſen, ſich einiger an - dern Sprache, auſſer der, welche von dem Lande, welches ſie beherrſchen den Nahmen fuͤhret, be - dienen; wie deñ bekandt, daß Kayſer Fridericus I. oder Barbaroſſa, als er mit dem Pabſt Alexan - dro III. in Venedig zuſammen kommen, mit dem Pabſt durch aus nicht lateiniſch reden wolte: ob er gleich in gemeldter Sprache wohl erfahren war; ſondern er hielt der Deutſchen Nation zu Ehren, ſeine Rede auch in Deutſch: und muſte der Chur - fuͤrſt zu Mayntz einen Dolmetſcher des KayſersY 5und346Europaͤiſchesund des Pabſtes abgeben. Chron. Spirenſ. p. m. 507.

§. 12.

Was das Roͤm. Deutſche Reich an - betrifft, ſo iſt den Hiſtoricis nicht unwiſſende, daß fuͤr und umb die Zeiten Caroli Magni, man in Deutſchland die Acta publica guten Theils noch in Griechifcher Sprache abgefaſſet; weil ſelbige damahlen die Sprache der Gelehrten, und von der zu Marſeille etablirten Griechiſchen Schule, durch die Studioſos auch nach Deutſchland ge - bracht und introduciret worden war; es iſt aber nachgehends die Lateiniſche der Griechiſchen voꝛge - zogen, in negotiis publicis gebrauchet, und von der Griechiſchen das Axioma erfuͤllet worden: Græca ſunt, neque legi neque intelligi de - bent. Denn ob gleich der Gebrauch der Deut - ſchen Sprache, was das Reden anbelanget, all - bereits zu den Zeiten Caroli Magni in Schwang kommen: man auch behaupten will, daß dieſer Kayſer eine Deutſche Grammaticam ver - fertiget, und den Monathen Deutſche Nahmen gegeben; ſo findet man doch fuͤr den Zeiten Fride - rici II. keine Conſtitution, welche in Deutſcher Sprache waͤre promulgiret worden: maſſen die allererſte nicht eher als An. 1236. zum Vorſchein kommen. Rudolphus I. aber ſoll der erſte Kayſer geweſen ſeyn, welcher anbefohlen die Reichs-Ge - ſchaͤffte in Deutſcher Sprache zu verfaſſen.

§. 13. Aus347Hoff-Ceremoniel.

§. 13.

Aus der guͤldenen Bulla Caroli IV. cap. 30. §. 2., welche An. 1356. zu Nuͤrnberg verfertiget worden, iſt zu erſehen: welcher geſtalt man der vier weltlichen Churfuͤrſten, nemlich des Koͤniges von Boͤhmen, des Pfaltz-Graffens beym Rhein, des Hertzogs von Sachſen, und des Marggraffens zu Brandenburg, Soͤhne, Erben und Nachfolger, obligiret, ſich nebſt ihrer Deut - ſchen Mutter-Sprache, auch in der Grammatica (wodurch ſonder Zweifel die Lateiniſche Sprache verſtanden wird) Jtaliaͤniſchen und Sclavoni - ſchen inſtruiren zu laſſen, dergeſtalt: daß ſie noch fuͤr dem vierzehenden Jahre in gemeldten Spra - chen pefectioniret wuͤrden. Woraus gar deut - lich abzunehmen, daß man der Lateiniſchen den Vorzug fuͤr den andern zugeeignet, maſſen denn die guͤldene Bulla ſelbſt in dieſer Sprache verfer - tiget worden; die Jtaliaͤniſche aber deswegen er - lernet werden muͤſſen, weil die Lombardie, als der groͤſte Theil Jtaliens, zu dem Roͤmi - ſchen Reiche gehoͤrig, auch der Churfuͤrſt von Coͤln uͤber ſolches Reich Cantzler geweſen, und ſonder Zweifel ein beſonderes Archiv dieſes Reichs wird gehabt haben. Die Sclavoniſche Sprache aber hielte man deswegen fuͤr die Chur - fuͤrſten und derer Printzen noͤthig, weil ſelbige eine der ſo genenneten lingvarum cardinalium, die damahlige Hof-Sprache, (ſo wie heut zu Tage die Frantzoͤſiſche) und im Koͤnigreich und reſpe -ctive348Europaͤiſchesctive Churfuͤrſtenthumb Boͤhmen uͤblich war. Warumb man aber die Churfuͤrſtlichen Kinder nicht auch angewieſen die Frantzoͤſiſche Sprache zu erlernen, koͤnte vielleicht einem bedencklich fal - len; weil doch bekandt, daß noch zu denen Zeiten als die guͤldene Bulla verfertiget worden, ein groſ - ſer Theil Gallien dem Roͤm. Reich unterwuͤrffig geweſen, und der Churfuͤrſt von Trier das hohe Amt eines Cantzlers uͤber Gallien und das Re - gnum Arelatenſe verwaltet, wozu Provence Dauphine, la Breſſe, Savoyen, und das meiſte was zwiſchen Jtalien und der Rhone lieget, gerech - net worden. Es ſind aber, meinem Erachten nach zweyerley Urſachen, daß man damahlen dem Chur-Printzen, die heut zu Tage ſo gelaͤufige, und in gantz Europa gebraͤuchliche Frantzoͤſiſche Sprache zu lernen, nicht injungiret.

  • 1. Weil zu den Zeiten der guͤldenen Bulla, die Gallier ſelbſt in ihren publiquen Verrich - tungen und Schrifften, nicht ihre Land - Sprache, ſondern die Lateiniſche gebrau - chet: welche bey ihnen auch biß An. 1539. in uſu geblieben, zu welcher Zeit Fran - ciſcus I. durch ein Edict befohlen, daß alle Acta publica in der Frantzoͤſiſchen Sprache abgefaſſet werden ſolten.
  • 2. Weil man in der A. B. durch das Wort Gallien nicht gantz Franckreich, ſondern nur Galliam Belgicam, welches ein StrichLan -349Hoff-Ceremoniel. Landes umb die Seine war, und einen guten Theil Landes von denen Niederlanden in ſich beſchloß, verſtanden: auch Carolus IV. ſelbſt, das Reich von Arelat zu Ville neu - ve (Avignon gleich uͤber gelegen,) dem Koͤnige in Franckreich cedirete. Dieſe ge - melte drey Sprachen nur zu wiſſen, hielte man denen Chur-Printzen fuͤr hoͤchſt noͤ - thig, welches die eigentliche und Authenti - ſche Worte gemeldter guͤldenen Bullæ cap. 30. §. 2. zur Genuͤge darthun, und alſo lau - ten: Cum illud non ſolum utile, im - mo ex cauſis præmisſis ſumme neceſſa - rium habeatur: eo quod illæ lingvæ, ut plurimum ad uſum & neceſſitatem S. Imperii frequentari ſint ſolitæ, & in his plus ardua ipſius Imperii nego - tia ventilentur.

§. 14.

Heut zu Tage, iſt durch den 43. Ar - ticul Capitulat. Leopold I. durch den 42. Ar - ticul Capitulat. Joſeph. I. und durch den 23. Ar - ticul des heut zu Tage allergroßmaͤchtigſten und allergluͤcklichſt regierenden Kayſers Caroli des VI. verſehen: daß in Schrifften und Handlun - gen des Reiches (an dem Kayſerl. Hofe) keine an - dere Zunge noch Sprache gebrauchet werden ſolte, als die Deutſche u. Lateiniſche: es waͤre deñ an Or - ten auſſerhalb des Reiches, da gemeiniglich eine andere Sprache in Ubung waͤre, und im Ge -brauch350Europaͤiſchesbrauch ſtuͤnde: jedoch in alle Wege an unſern Reiches-Hof-Rath der Deutſchen und Lateini - ſchen Sprache unabbruͤchig. Woraus flieſſet, daß zwar intra fines imperii in publicis nego - tiis, auſſer dem Deutſchen und Lateiniſchen keine andere Sprache ſolle gebrauchet werden; jedoch iſt krafft dieſes angefuͤhreten Paragraphi nicht verbothen, ſondern vielmehr expreſſe zugelaſſen, in Orten auſſerhalb des Reiches in derjenigen Sprache zu negotiren, welche in dem loco ne - gotiationis uͤblich: ſo daß man es nunmehro der Deutſchen Nation nicht mehr fuͤr præjudicir - lich achten kan, wenn ſelbige in Spaniſcher, Fran - tzoͤſiſcher, Jtaliaͤniſcher, Engliſcher Sprache ꝛc. einige Friedens - oder andere Handlungen ab - faſſete.

§. 15.

Dieſem aber ungeachtet, ſo haben den - noch ſo wohl die Deutſchen Kayſer, als das Deutſche Reich, wenn es mit auswaͤrtigen Po - tentien zu thun gehabt, welche der Deutſchen Sprache nicht kuͤndig: ſich lieber mit dem Latein behelffen, als einer andern Sprache bedienen wollen: dergleichen andere Potentaten, und derer Miniſtri auch gethan; weil man dafuͤr haͤlt, daß dieſe Sprache keinem Theil præjudicire, weil kein Potentate mehr in der Welt zu finden, der in ſei - nem Lande dieſe Sprache als patriam lingvam gebrauche. Noch auf dem zu Muͤnſter und - nabruͤg geſchloſſenen Frieden, wurden nicht alleindie351Hoff-Ceremoniel. die eingegebene Schrifften, ſondern auch ſo gar die meiſten Conferentien Lateiniſch gehalten: und als die Schweden, Anno 1673. den Hollaͤndern ihre Mediation anbothen, wolten die Geſandten dieſer Crone, Spaar und Ehren - ſtein, ihre muͤndliche Propoſition zwar durchaus in keiner andern als ihrer Schwediſchen Sprache thun; ihre Schrifften aber uͤbergaben ſie dennoch in Lateiniſcher Sprache. Jn denen auf den Weſtphaͤliſchen folgenden Friedens-Schluͤſſen, hat man ſich wohl auch noch meiſtens des Lateins bedienet, oder doch zu bedienen getrachtet; allein es iſt die Frantzoͤſiſche Sprache in denen Confe - rentien dermaſſen eingeſchlichen und uͤblich wor - den, daß man ſonderlich in dem Rißwigiſchen Frieden faſt keine andere Sprache reden hoͤren, als nur die Frantzoͤſiſche: dawieder ſich zwar die Deutſchen, Spanier, und andere opponiret, aber wie in gehoͤrigem Orte gemeldet werden ſoll, nicht viel erhalten.

§. 16.

Es iſt demnach die Frantzoͤſiſche Spra - che heut zu Tage, gleichwie die Frantzoͤſiſche Macht und Mode allen andern prædominans, und faſt, wie ehemahlen das Latein, lingva uni - verſalis worden. Denn ob gleich Paͤbſtl. Heilig - keit als Caput Latinæ Eccleſiæ, nicht leichtlich in einer anderen als der Lateiniſchen dero Inſtru - menta publica zu verfaſſen, ſelbige auch bey Un - terredungen, welche en public geſchehen, zu ge -brau -352Europaͤiſcheschen pfleget; ingleichen Spanien in ſeinen Ne - gotiis mit auswertigen nicht gerne in einem an - dern Idiomate als dem Spaniſchen reden und handeln will; (worinnen es aber gleichwohl auf dem Muͤnſteriſchen Frieden was nachgelaſſen, und mit Beyſeitſetzung der Spanſchen, ſich zu der Frantzoͤſiſchen Sprache accommodiret; denn nachdem die Spaniſchen Plenipotentiarii auf die funffzig von den Mediatoribus verfertigte Articul, ihre Antwort im Spaniſchen eingegeben hatten; weigerte ſich der Duc de Longueville ſolche Spaniſche Antwort anzunehmen: ſo daß ſich die Spanier genoͤthiget fanden, ſich in der Frantzoͤſiſchen Sprache daruͤber zu expliciren.) So ſind doch hingegen andeꝛe hieriñen auf die An - wehrung und den Gebrauch ihrer Landes-Spra - che nicht eben ſo verpicht, ſondern accommodi - ren ſich der Lateiniſchen, oder vielmehr Frantzoͤſi - ſchen: wie denn Engelland, als welches ohne dem den Titul von Franckreich fuͤhret, gar leichtlich zu - giebet, daß man bey Audientzen und publiquen Conferentien, diejenige Sprache rede, an wel - cher es, gleichwie an Franckreich ſelbſt, mit Theil zu haben meinet. Savoyen, Holland, Pohlen und einige andere thun ein gleiches, im fall man das Latein nicht reden oder anwenden will oder kan.

§. 17.

Es ſcheinen aber dreyerley Dinge Ur - ſache zu ſeyn, daß man weder das Latein, nocheine353Hoff-Ceremoniel. eine andere der Europaͤiſchen Sprachen, ſondern nur die Frantzoͤſiſche allein in publiquen Nego - tiis und Conferentien zu gebrauchen pfleget.

  • 1. Weil das Latein bey einem halben Seculo her und daruͤber, nicht nur aus den meiſten Hoͤfen der Souverainen exterminiret, und an deſſen Stelle das Frantzoͤſiſche, Jtaliaͤni - ſche oder auch Spaniſche introduciret: das von den Hoff-Leuten in der Jugend erler - nete Latein dadurch vergeſſen, und man - chen ſchwer worden, ſich hernach in die - ſer Sprache deutlich gnug zu explici - ren. Ja man hat ſelbiges ſo gar auf eini - gen hohen Schulen andern Sprachen nachgeſetzt, und die Erudition und doctri - nam der Jugend lieber, (wiewohl auch mit gutem Succeß) in derjenigen Sprache bey - gebracht, welche in dem Lande uͤblich; wie man denn weiß, daß in Franckreich nicht nur die Lectiones, ſondern auch meiſtens die Diſputationes im Frantzoͤſiſchen: in En - gelland in Engliſcher, in Jtalien in Jtaliaͤ - niſcher, und auf einigen Deutſchen Univer - ſitaͤten theils in Deutſcher, theis in Fran - tzoͤſiſcher Sprache gehalten werden; und haben es auswertige Nationen uns Deut - ſchen ehemahlen fuͤr einen groſſen Jrrthum und Unverſtand ausgedeutet, daß man ſich ſo gar an das Latein binden, und die ſtudi -Zrende354Europaͤiſchesrende Jugend dadurch plagen, guten theils in einiger Ignorantz laſſen, und ihnen die Secreta Eruditionis durch eine nicht gungſam von ihnen excolirte Sprache, noch magis ſecreta machen wollen. Zum Nachtheil und Verachtung der Latei - niſchen Sprache hat noch mehr geholffen, daß man heute zu Tage nicht nur die beſten Buͤcher in dem Deutſchen, Frantzoͤſiſchen, Jtaliaͤniſchen geſchrieben findet; ſondern auch diejenigen, welche vormahlen nur bloß und allein Lateiniſch verfaſſet waren, in das Deutſche oder Frantzoͤſiſche uͤberſetzet: die alten Lateiniſchen Autores mit guten notis erklaͤret und vermehret, und dadurch Anlaß gegeben, daß die Lateiniſche Scripta nicht mehr ſonderlich geſuchet worden; ſo daß die Lateiniſche Sprache nur in die niedrigen Schulen verwieſen und in ſelbigen bey Au - toritaͤt erhalten worden.
  • 2. Jſt die Schreib-Art der Lateiniſchen Spra - che unter allen Nationen zwar einerley, und kan ein Deutſcher gar wohl verſtehen, was ein Frantzoſe, Engellaͤnder, Jtaliaͤner, Pohle ꝛc. in ſelbiger verfertiget und ſchrei - bet, & vice verſa. Wenn aber ge - meldte Nationen zuſammen treten, und mit einander Lateiniſch conferiren ſollen, ſo will es ſchwer hergehen, daß ein Deutſcherein355Hoff-Ceremoniel. einen Lateiniſch redenden Frantzoſen, Jtaliaͤ - ner oder Engellaͤnder, verſtehen koͤnne; ſonderlich aber haben die hier letzt gemeld - ten eine ſo ſehr auf das Griechiſche einge - richtete Pronunciation, daß man faſt aus dem Context und der Connexion, was ſie reden und meinen, nur errathen, als deutlich die Worte verſtehen kan: ſo daß die Collo - quia und reſpective Conferentien ge - meldter Nationen im Latein, ſehr obſcur und unverſtaͤndlich bleiben: und bloß und allein wegen ſo differenter Art zu pro - nunciren, dieſe Sprache als communis interpres nicht mehr wohl emploiret wer - den kan. Da nun der vorherige Interpres communis oder das Latein, nachgehends wie erſt gemeldet, nicht nur ſo veraͤchtlich, ſondern auch ſo unverſtaͤndlich gemacht worden; ſo hat es nicht fehlen koͤnnen, daß eine andere Sprache an deſſen Selle ruͤ - cken, und quaſi univerſalis werden muͤſſen. Weil man aber in keiner Sprache mehr Gunſt und Lieblichkeit gefunden, als in der Frantzoͤſiſchen; ſo iſt es
  • 3. Der Frantzoͤſiſchen gelungen, daß ſelbige nunmehro weiter geredet und gebrauchet wird, als der Frantzoͤſiſche Koͤnig nicht herr - ſchet: daran aber nicht dieſer Souve -Z 2rain356Europaͤiſchesrain ſo ſehr als andere Nationen ſelber Schuld.

a) Weil die Deutſche, Spaniſche, Engel - laͤndiſche, Schwediſche, Daͤniſche, Pohlniſche, Moſcowitiſche ꝛc. Sprachen ſich nicht viel wei - ter erſtrecken, und geredet werden, als in den Rei - chen, darinnen ſie das Buͤrger-Recht beſitzen: auſ - ſer ihrem Vaterlande aber wenig, was ſonderlich das Reden betrifft, gebraͤuchlich, und der Jugend nicht beygebracht werden; dahingegen faſt kein Hoff, Univerſitaͤt, Ritter-Academie, und Tri - vial-Schule zu finden, an welchen man nicht Pro - feſſores, Lectores, oder Sprach-Meiſter, theils ſalariret, theils toleriret, der Jugend, ſonderlich der Adelichen, und welche den Hoff zu frequen - tiren geſonnen, die Frantzoͤſiſche und Jtaliaͤniſche Sprache beyzubringen: dergleichen Gluͤcke das Latein nicht allerwegen, wenigſtens nicht mit ſo guten Profit der Lehrenden hat.

b) Jſt das viele Reiſen der jungen Cavalliers nach Franckreich eine nicht geringe Urſache, daß die Frantzoͤſiſche Sprache allen Nationen ſo fa - miliair worden. Denn weil man keinen fuͤr voll - kommen achtet, welcher nicht eine Zeit ſeine Exer - citia und Sprachen in Franckreich