WEñ man ſich bey Publicirung dieſes Werckes, nach der Mei - nung oder Maxime einiger Ge - lehꝛten haͤtte richten wollen, die da ſagen: Daß kein ander Buch geſchrieben werden ſolle, als bloß das jenige welches der Welt abſolut unentbehrlich; So haͤtte nicht nur dieſe gegenwaͤrtige Arbeit im Winckel verborgen liegen: ſondern auch viel tau - ſend Buͤcher, mit welchen die Bibliothequen und Buchladen angefuͤllet, ungeſchrieben bleiben muͤſ - ſen. Weil aber biß dato noch niemand geſaget, oder auch ſagen koͤnnen, welches die unentbehrli - chen: ob man gleich etwan zu ſtatuiren gewuſt, welches die unnoͤthigen Buͤcher ſind; ſo laͤſſet man es darauf ankommen, zu welcher Gattung man dieſes gegenwaͤrtige rechnen werde. Solches aber wird ſich nicht nur etwan aus deſſelben gu - ten Abgange, (denn dieſer iſt ein bloſſes Acciden - tel-Weſen eines Buches; maſſen die Herren) (2Ver -Vorbericht. Verleger der allerſchlimſten Schrifften, ſolche oͤff - ters mit dem groͤſeſten Debit u. Profit, fuͤr andern guten Buͤcheꝛn loß werden) ſondeꝛn daraus zeigen: Weñ vernuͤnfftige und der Materie kundige Leute, das gute Abſehen, welches man gehabt, erreichen, und ihr unpartheyiſches Judicium daruͤber faͤllen werden. Meines Ortes hoffe, und zwar ohne alle Vanitaͤt, daß gegenwaͤrtiger Tractat, ob - gleich nicht allen unentbehrlich, dennoch vielen zu leſen, und deſſen Jnhalt zu wiſſen nuͤtzlich: auch zu - gleich anmuthig ſeyn werde; in welchem Abſehen er auch in gegenwaͤrtige Forme gebracht worden. Damit ich aber meine Hoffnung, bevor ſelbige noch erfuͤllet werde, erweißlich mache: wird noͤthig ſeyn, dreyerley zu avanciren.
Den erſteren Punct anlangende, ſo iſt ohne Zweifel allen denjenigen, welche Profeſſion von der Hiſtoria, oder ſich derer Leſung nur zu Nutze machen wollen, mehr als zu bekandt: daß das ſo genente Ceremoniel, eines der ſublimeſtenThei -Vorbericht. Theile der Hiſtorie; Die Politici, ſonderlich aber practici, wiſſen zugleich auch, daß die Præroga - tiva oder der Vorzug, welchen die irrdiſchen Goͤt - ter auf Erden, einer fuͤr dem andern zu haben præ - tendiren, in der Politica, nebſt dem Jure Maje - ſtatis, das vornehmſte und wichtigſte Capitul aus - mache: ja ein inſeparabile Annexum und Effe - ctus der Majeſtaͤt ſey: deſſen ſich dieſe Vice-Dei niemahlen zu begeben pflegen; unerachtet ſie an - dere ihnen zuſtehende Jura Majeſtatica, oder ſo genennte Regalia, ihren Staͤnden und Untertha - nen, vielmahl mittheilen, oder auch mit ſelbigen gemeinſchafftlich beſitzen; welches letztere man in den Formis Rerum-Publicarum, und Modis Imperandi der Europaͤiſchen Wahl - und Erb - Reiche, zur Genuͤge findet. Je hoͤher nun aber dieſe Scientz, und je gemeiner derer taͤgliche Pra - xis in und auſſer den Hoͤfen; je noͤthiger, aber auch zugleich beſchwerlicher iſt es, ſelbige auf einen fe - ſten Grund zu ſetzen, und in die Formam eines Syſtematis zu bꝛingen. Denn es erheiſchet gar viel Muͤhe und Arbeit, die das Ceremoniel concerni - rende Facta und Exempel, welche man in der Hi - ſtorie da und dort zerſtreuet, vielmahl auch nach Pasſion der Scribenten mit contrairen Bericht und Umbſtaͤnden aufgezeichnet findet, zuſammen zu bringen: an gehoͤrigen Ort zu placiren: aus ei - nem oder auch vielen Actibus Poſſeſſionis, Præ - judiciis, allegirien Argumentis ſive veris ſive) (3vero -Vorbericht. vero-ſimilibus, Lehr-Saͤtze zu machen; an wel - che man ſich als an eine Regul beſtaͤndig halten, und ſich eine Ideam von der Prærogativa und dem Ceremoniel: endlich auch einen Schluß for - miren koͤnne: Wem die Prærogativa oder Vorſitz fuͤr einem andern gebuͤhre, und was fuͤr ein Cere - moniel man dieſem oder jenem Potentaten zu - geſtehen koͤnne. Dieſes und einiges andere hat verurſachet, daß man nunmehro bey 14. Jahren her immer angeſtanden, ein dergleichen Syſtema, und zwar wie gegenwaͤrtiges gerathen iſt, zu ver - fertigen; unerachtet man allerhand Collectanea von dieſer ſublimen Materie beyſammen gehabt. Uber dieſes hat man immer erwartet, ob nicht et - wan ein anderer, in dem Ceremonien-Werck mehr erfahrner, als man ſelbſten nicht iſt, eine Einlei - tung zu dem Ceremoniel zu verfertigen, ſich die Muͤhe nehmen: und dem publico durch ſolche Verfertigung ſich gefaͤllig machen und dienen wuͤrde. Dieſe Erwartung hat man auch erfuͤl - let zu ſehen gemeinet: nachdem zwey Autores zwey Tractate publiciret, denen ſie dergleichen Titul gegeben, aus welchen man nichts anders, als eine gruͤndliche Anweiſung zu dem Ceremoniel darinnen zu finden, abnehmen koͤnnen. Der eine unter denſelben iſt Gregorio Leti, welcher Anno 1685. il Ceremoniale Hiſtorico & Politico: der andere Herr Friedrich von Winterfeld, wel - cher A. 1700. eine Ceremonial-Politicam an dasLichtVorbericht. Licht gegeben. Alleine keiner unter beyden, hat die Materie nach ihrem Fundament; ſondern der ei - ne, ſelbige nur wie ſie von auſſen ſcheinet, (nemlich bloſſe Facta) vorgeſtellet: Der andere aber hat in VI. Tomis, mehr eine Hiſtoriam univerſalem, als ein Ceremoniel geſchrieben. Nach und nebſt dieſen zweyen Scribenten iſt, ſo viel als mir wiſ - ſende, in dieſer Materia Ceremoniali, in Forma eines Compendii nichts mehreres durch oͤffent - lichen Druck zum Vorſchein: mir aber unterdeſ - ſen Gelegenheit vorkommen, meiner nunmehro habenden Profeſſion gemaͤß, einigen von Adel und hoͤheren Standes, und zwar auf derer Spe - cial-Begehren, Unterricht zu ertheilen: Was doch die Prærogativa und das Ceremoniel, fuͤr eine Beſchaffenheit, Fundament, und Nutzen habe: denen ich nach dem Maaß meiner wenigen Wiſ - ſenſchafft, ein Genuͤgen zu thun, nicht anſtehen koͤn - nen: ſondern ihnen ein Collegium privatiſſi - mum daruͤber gehalten, und gegenwaͤrtiges Sy - ſtema, jedoch in einer viel kuͤrtzeren Form als ſel - biges nun iſt, zu einem Fundament gebrauchet. Selbiges iſt bey drey Jahren her, als ein Manu - ſcript im Verborgenen geblieben, und weiter nie - manden, als meinen Herren Auditoribus be - kandt gemacht, und communiciret worden. Nach dem ich aber die Sehnſucht einiger, (und wenn mir auch gleich dieſe nicht waͤre bekandt worden) dennoch den Nutzen, welchen ſich einer) (4oderVorbericht. oder der ander durch Leſung dieſes Buches ma - chen koͤnte, gemercket; Habe ich reſolviret, es in Druck zu befoͤrdern: nicht aber etwan in der Ab - ſicht, meinen Nahmen in der Welt dadurch be - ruͤhmt zu machen; denn darzu gehoͤren andere und mehrere Meriten, als die Verfertigung eines Bu - ches; ſondern vielmehr darum, weil es einem jeden frey ſtehet das jenige was er verfertiget, andern zu communiciren: welches aber auf keine Art be - qvemer, als durch den Druck geſchehen kan. Gleichwie ich mich aber dieſes Werckes halber nicht zu ruͤhmen; alſo habe mich auch deſſelben nicht zu ſchaͤmen: weil es eine ehrliche Geburth, und meiner Profeſſion zuſtehende Arbeit. Jch verſichere aber gleichwohl einen jeden aufrichtigſt, daß wenn ich gewiß wiſſen oder auch nur muth - maſſen koͤnnen: daß jemand anders, von der Præ - rogativa und dem Ceremoniali etwas zuverlaͤß - liches ſchreiben, und mich meiner Arbeit und Muͤ - he uͤberheben wollen; Jch gewiß zu Verfertigung dieſes Wercks nicht Hand angeleget haben wuͤr - de: weil ich andern meiner Profeſſion zugethanen, immer was mehreres und beſſeres als mir ſelbſten zutraue: auch anbey lieber Unterricht annehmen als geben will. Nun aber trifft mich die Ord - nung, daß ich nolens volens der erſtere Epitoma - tor doctrinæ de Prærogativa & Ceremoniis ſeyn: und folgendlich dieſe meine Arbeit das Jus primogenituræ genieſſen muß; obgleich etwanins -Vorbericht. inskuͤnfftige ein anderer, auch von dieſer Materia, entweder in beſſerer oder ſchlimmerer Form und Methode, ſchriebe.
Was den zweyten Punct oder die An - zeige: Weme dieſes Buch nuͤtzlich ſeyn koͤn - ne, betrifft, ſo kan dieſer Nutzen theils
Was auch endlich die Methode und Schreib-Art, derer man ſich in dieſem Wercke bedienet, anlanget; ſo dienet zu wiſſen, daß man, was die erkieſete Methode in ſpecie betrifft, eine dergleichen Ordnung, wie etwan die Bau-Meiſter zu thun pflegen, gehalten, nemlich: man hat zum erſten den Grund geleget und gewie - ſen, auf welchen das Theatrum der Præroga - tivæ und des Ceremoniel erbauet werden, und be -ruhenVorbericht. ruhen muß; Und hiervon handelt der gantze erſte - re Theil gegenwaͤrtigen Werckes. Nach ge - legten und gezeigetem Grunde, hat man in dem zweyten Theile, ſo gleich die Principal-Per - ſonen mit ihrem Ceremoniel aufgefuͤhret; jedoch aber nicht alle, ſondern derer nur einige; Weil man nach allem euſerſten Bemuͤhen nicht erfahren koͤn - nen, wie eines jeden Hofes Ceremoniel eigendlich beſchaffen: und demnach hiervon nur ſo viel ſchrei - ben und communiciren koͤnnen, als man gewuſt: das uͤbrige aber einem andern auszufuͤhren uͤber - laſſen: oder wenigſtens ſich bey dem geehrteſten Leſer ſo lange Gedult ausbitten muͤſſen, biß man etwan noch darhinter kommen, und was dißfals fehlet, ergaͤntzen koͤnne. Jn dem dritten Thei - le, oder Auftritt, hat man alle diejenigen Per - ſonen von dem erſten biß zum letzten, welche zu dem Ceremoniel gehoͤrig, und von den Souve - rains dazu pflegen emploiret zu werden, nach ih - rem Eſſentiel und Accident, Wuͤrdigkeit und Nahmen vorgeſtellet: Und mit dieſem dritten Theile, haͤtte auch das gantze Werck koͤnnen be - ſchloſſen werden. Weil aber die Prærogativa und der Ceremonien-Streit, auf Friedens-Con - greſſen am allerkentlichſten und diſputirlichſten gemacht wird; ſo hat man nicht nur bloß fuͤr gut, ſondern fuͤr nothwendig erachtet, umb dieſes Werck deſto vollkommener zu machen, in dem vierdten Theile anzufuͤgen: Was auf fuͤnffen ſoge -Vorbericht. genenten General-Frieden, wegen des Ceremo - niels fuͤr Conteſtation vorgefallen: und auf was fuͤr eine beſondere Art ſelbige beygeleget worden; Da deñ umb deſto beſſerer Verſtaͤndnuͤß beſagter fuͤnff Friedens-Schluͤſſe, man 5. Capitul vorhero, und in ſelbigen die General - uud Special-Requi - ſita eines Friedens, weil ſelbige mit dem Ceremo - niel groſſe Verwandnuͤß haben, angemercket. Da aber nicht nur auf Friedens-Schluͤſſen, ſon - dern auch wohl ſo gar in den Hof-Laͤgern der Sou - verains ſelbſt, einige dem Ceremoniel, der Præ - rogativæ, den Juribus und Conduite der Am - baſſadeurs und Envoyés zuwiederlauffende Dinge vorgefallen, und noch vorzufallen pflegen: So hat man einige, jedoch wenige und dazu nette Exempel, in dem fuͤnfften Theil allegiret: welche entweder die in dem erſten und dritten Theil gewieſene Lehr-Saͤtze confirmiren, oder wie man von denſelbigen abgewichen, notificiren. Und ſo viel von der ausgewehlten Methode. Was nun die Schreib-Art an ſich ſelbſt belanget, ſo verſichert man den Hochgeehrteſten Leſer: Daß man ſich fuͤr allen Expreſſionen, welche etwan eine Partialitaͤt bedeuten koͤnnen, moͤglichſt ent - halten: auch was man vorgebracht und erzehlet, nicht en ton de Maitre (und als koͤnte man der einen Majeſtaͤt den Rang und Præcedentz zu - der anderen hingegen ab-erkeñen) gethan; Durchaus nicht! Denn man weiß, daß in litigio Præroga -tivæVorbericht. tivæ kein Menſch auf Erden zu finden, der den Sententz daruͤber ſprechen koͤnne, er ſey dann da - zu als Arbiter erſuchet worden. Weñ aber gleich - wohl etwas in dem Context den Schein eines Beyfalls, welchen man einem fuͤr dem andern in der Prærogativa gegeben, haͤtte; ſo iſt dieſer Schein nur ein Effect der vorgebrachten Argu - mentorum, derer ſich einer oder der andere Sou - verain bedienet: und weiter fuͤr nichts als eine Conſequentz, welche aus den Præmisſis flieſſet, anzunehmen. Deñ man proteſtiret auf das aller - feyerlichſte wieder alle ungleiche Interpretation, ſo etwan ein Criticus gantz unnoͤthiger Weiſe ma - chen moͤchte; weil weder die allegirten Facta, noch auch die mit eingeſtreueten Raiſonnements ſol - len und koͤnnen eine Deciſion abgeben: ſondern die erſteren nur hiſtorice zeigen was geſchehen; die andern aber das geſchehene politice zu be - trachten, Anlaß geben. Wenn man auch etwan einerley Factum und Materiam in dem Context zweymahl geſetzet faͤnde, darf man ſolches nicht ſo bald fuͤr eine Tavtologie ausdeuten, ſondern nur auf den Modum, wie ſolches geſchehen, acht haben; da ſich denn bald euſern wird, daß von einer Sache in einem Orte als ihrem ſede ex profeſſo zu handeln, derer in einem andern Orte wieder - um nur accidentaliter zu gedencken geweſen: Und gleichwie derjenige Ton oder Note, ſo in einer Aria vielfaͤltig vorkommt, dennoch derſelben Melodie) () (nichtVorbericht. nicht verſtellet; alſo wird auch dieſem Wercke des - wegen keine Deformité zuwachſen koͤnnen. Cs haͤtten im uͤbrigen noch viel mehrere Facta koͤnnen allegiret werden: man hat ſich aber derſelben be - dachtſamlich enthalten; theils weil das Werck nur dadurch waͤre vergroͤſſert: theils auch, weil man dadurch en Hazzard waͤre geſetzet worden, ſich ungleiche Judicia uͤber den Halß zu ziehen. Dieſes iſt es, was ich dem Hoͤchſtgeneigten Leſer zum Voraus melden, und ſelbigen anbey erſuchen wollen, ſich dieſe Arbeit und meine dabey gehabte Intention gefallen zu laſſen: auch wo etwan ein Jrthumb mit untergelauffen ſeyn moͤchte, ſelbi - gen beſtens zu excuſiren, quia errare humanum eſt. Der Nutzen dieſes Werckes, wird ſich im uͤbrigen bey denen welche es recht leſen und ge - brauchen wollen, ſchon finden; im Fall nur alle unzeitige Præjudicia und ungleiche Interpreta - tiones bey Seite geſetzet, und die Leſenden dem Verfaſſer, gleichwie dieſer ihnen, guͤnſtig und mit gutem Willen zuge - than bleiben.
Ob das Wort Ceremonia von
Dieſes aber iſt gewiß, und demnach zu betrachten noͤthig, daß durch den Nahmen Cere - moniel zweyerley verſtanden werden koͤnne:
Jn dem erſten oder generalen Ver - ſtande findet man, daß bey allen Voͤlckern, in und auſſer der Kirchen GOttes, zu allen Zeiten ge - wiſſe Ceremonien
allein von dieſem allem iſt hier nichts zu melden, ſondern die Curieux ſind dahin zu beſcheiden, der - gleichen Authores, an welchen es nicht fehlet, auf - zuſchlagen, welche etwas zuverlaͤßliches de Mo - ribus vel Ritibus gentium geſchrieben.
Jn dem andern oder ſpecialen Ver - ſtande, von welchem hier allein geredet werden ſoll, koͤnte man das Ceremoniel ungefehr alſo beſchreiben: Daß es eine unter den Souve - rains, oder ihnen gleichenden Perſonen, ex Pacto, Conſvetudine, Poſſeſſione eingefuͤhrte Ordnung ſey, nach welcher ſie ſich, derer Geſandten und Abgeſandten bey Zuſam - menkuͤnfften zu achten haben, damit kei - nem zu viel noch zu wenig geſchehe.
Der Urſprung ſolches Ceremoniels, iſt nicht, wie etwan bey den Complimentiſten,die3Hoff-Ceremoniel. die Hoͤflichkeit, denn dieſe hat keine Leges, ſon - dern vielmehr die aus einer groͤſſern Dignitaͤt, ſo man fuͤr einem andern zu haben vermeinet, her - ruͤhrende Superbia, welcher man die Qualitaͤten Juris zugeeignet, und ihr den Titul der Præroga - tivæ oder Præcedentiæ gegeben.
Man wird ſich leicht beſcheiden, daß nicht nur unter unvernuͤnfftigen Creaturen, ſon - dern auch ſo gar unter lebloſen Dingen eines dem andern pfleget vorgezogen zu werden, deñ ein Pferd wird hoͤher als ein Eſel oder Ochſe, ein Diamant werther als ein Kieſel-Stein geachtet; und man lachet demnach noch heut zu Tage die Schweitzer aus, daß ſie den unſchaͤtzbahren Dia - mant fuͤr Criſtal, und die aus Gold und Silber zubereiteten Gefaͤſſe, welche ſie von dem Hertzog von Burgund eroberten, fuͤr Zinn verkaufften. Unter den vernuͤnfftigen Menſchen aber ins be - ſondere, wird der Mann der Frauen, der Vater den Kindern, der Alte dem Jungen, der Herr - ſchende dem Gehorchenden, ſo gar auf goͤttlichen Beſehl vorgeſetzt, ſo daß man ſagen koͤnte, daß eines unter denen hier genenneten Correlatis, natura, & ordine a Deo inſtituto, mehr gelten muͤſſe als das andere, und der weniger geltende dem mehr geltenden nothwendig den Vorzug laſſen muͤſſe, ſo daß es allerdings natura & ra - tione eine Prærogativam giebet, krafft derer ei - nes dem andern vorzuziehen.
Aber unter denen Souverains, derer ſich einer ſo hoch und wuͤrdig duͤncket als der an - dere, weil ſie alle von GOtt, und keiner von dem andern dependiren, giebet es alten, langen, und unaufhoͤrlichen Streit, welcher unter ihnen fuͤr den Groͤſten gehalten werden ſolle, gleichwohl aber mit dem Unterſcheid, daß
Ein jeder dieſer Gewaltigen auf Erden fuͤhret ſeine Urſachen an, der Lis iſt in dieſem Rang-Proceß in hundert und mehreren Ren - contres conteſtiret, aber weil ſie keinen Superi - orem oder Judicem erkennen, ſo hat noch kein dergleichen daurender Entſcheid gegeben werden koͤnnen, der die ſtreitenden Partheyen aus einan - der geſetzet und in Ordnung gebracht haͤtte.
Man hat zwar, umb allen Hinderniſſen und Melirungen, welche ſowohl in Congreſſen hoher Potentaten ſelbſt, als auch derer Geſand - ten zu entſtehen pflegen, vor zu beugen, ziemlich ge - ſchickte Mittel erſonnen, einem jeden eine Stelle und Rang zu asſigniren, mit welchem er zu frie - den ſeyn koͤnte, und durch welche keinem einigesPræ -5Hoff-Ceremoniel. Præjudiz zugezogen wuͤrde; aber auch dieſes iſt biß dato noch von gar keinem Souverainen, ſon - dern nur von einigen alſo genennten alterniren - den Fuͤrſten in Deutſchland angenommen wor - den. Solche vorgeſchlagene Mittel ſind folgen - de geweſen:
Sind demnach dieſe ſonſt gute Vor - ſchlaͤge bißhero meiſtens nur Vorſchlaͤge geblie - ben, und werden auch wohl vermuthlich in kuͤnff - tigen Zeiten dergleichen bleiben, dannenhero wohl das ſicherſte Mittel, daß ſich ein und der an - dere Potentate mit der Poſſesſion ſchuͤtze, als auf welche die Rang-Ordnung unter ihnen faſt eintzig und allein gegruͤndet iſt.
Man hat zwar ſchon fuͤr langen Zeiten in Rom eine gewiſſe Rang-Ordnung, oder ſo ge - nantes Ceremoniel, verfertiget, wie die Poten - taten daſelbſt in der Paͤbſtlichen Capelle, und an - deren daſelbigen ſolennen Congreſſen ſolten placiret werden, welches der damahlige Cere - monien-Meiſter Paris de Crasſis A. 1504. publi - ciret, und findet man fuͤr die Europaͤiſchen Koͤnige folgende Ordnung, (welche auch auf dem zu Bo - nonien in itzt gemeldetem Jahre gehaltenen Con -A 4cilio8Europaͤiſchescilio beobachtet worden, wiewohl Pabſt Julius II. bald darauf dieſes Ceremoniel in etwas ver - aͤndert, indem er den Koͤnig von Schottland und Navarren ausgelaſſen)
Aber der Koͤnig
Damit man demnach die Argumenta, worauf ſich ein jeder Potentat wegen des Rangs gruͤndet, wiſſen, und das daraus entſtehende Ce - remoniel judiciren und verſtehen koͤnne, ſo wird es noͤthig ſeyn in folgenden Capiteln ſolche Be - weißthuͤmer zu unterſuchen.
DJe General-Argumenta, welche dieſem oder jenem Souverain zu Behauptung der Præcedenz fuͤr einen andern, dienen ſollen, wer - den meiſtens aus achterley Fontibus ge - ſchoͤpffet.
Aus dem Alterthumb der Mo - narchie oder Souverainite, und da will faſt ein jeder Potentate erweiſen, daß das Reich welches er beherrſchet, das uhraͤlteſte ſey. Damit man demnach nur en general wiſſe, wie weit einer dem andern (den Principiis der Chronologie und Hiſtorie gemaͤß) vermoͤge der aͤlteren Fun - dation ſeines Reiches, vorſtehen und vorgehen koͤnne, ſo wollen wir eines jeden Reiches Datum oder Anfang kuͤrtzlich hier bemercken.
Aus den Alterthum des Chriſten - thumbs. Denn gleichwie der Nahme eines Chri - ſten einem jeden Menſchen, ſonderlich aber de - nen Souverains, der hoͤchſte und liebſte ſeyn muß; alſo hat man ſonderlich die Bekehrung zum Chriſtenthum, und die davon dependirende Præcedentz in denen Conciliis, in welchen viel Potentaten und derer Geſandten erſchienen, alle - giret, dergleichen ſonderlich in dem Baſiliſchen, wie Æneas Sylvius lib. 11. de geſtis Concil. Baſil. fol. 50. erzehlet, und auch in dem Triden - tiniſchen, nach Bericht des Petri Svavis Hiſt. Concil. Trident. lib. 8. geſchehen, in welchem letztern ſich der Frantzoͤſiſche Geſandte ſehr be - ſchweret, daß man ſeinem Principal, als Primo - genito Eccleſiæ, nicht den Rang fuͤr Spanien einraͤumen wollen. Weil nun dieſes Argu - ment, welches man aus dem Alter des Chriſten -C 3thums38Europaͤiſchesthums hohlet, etwas zu Behauptung der Præro - gativæ gelten ſoll, ſo iſt hier zu zeigen unentbehr - lich, zu welcher Zeit ein oder der andere Potentate und Koͤnigreich den Chriſtlichen Glauben ange - nommen.
Von der Macht, krafft derer ein Souverain dem andern uͤberlegen. Perus de Præcedentia Hominum diſputiret zwar in ſei - ner XI. Quæſtion, ob die Fuͤrſten ratione Po - tentatus unter ſich differiren, allein man darff nur die hiſtoriam alter und neuer Zeiten anſe - hen, ſo wird man wohl gewahr und uͤberzeiget werden, daß einer maͤchtiger als der andere, und demnach auch hoͤher geachtet ſeyn will als der ſchwaͤchere. Status enim militaris (in welchen die Macht am meiſten kentlich) prævalet toga - to, quia & invitis leges præſcribit, quod eſt ſignum ſuperioritatis & prærogativæ. Furſte - nerus hat in ſeinem Tractat, welchen er de ſu - prematu geſchrieben, die Billigkeit dieſer Præce - dentz auszufuͤhren, ſich hefftig bemuͤhet. Bodi - nus aber de Republica erzehlet unterſchiedene Arten, wie einer tenuior und per conſequentz inferior als der andere koͤnne genennet werden.
Das vierdte Fundament der Præcedentz,Ewird66Europaͤiſcheswird von der Vielheit der Koͤnigreiche, die ein Potentate beherrſchet, und folgentlich von der Weitlaͤufftigkeit ſeines Imperii genommen. Denn obgleich ein ieder natuͤrlicher Coͤrper, ſein eigenes und beſonderes Haupt haben muß, und gen Haupt nicht vieler Leiber Haupt ſeyn kan, ſo eihet es doch in denen moraliſchen Coͤrpern gar anders her, derer viele nur ein Haupt haben koͤn - nen; alſo findet man in Europa mehr als einen Souverain, welcher mehr als eines Koͤnigreichs Herr iſt, v. gr.
Jemehr nun einer Reiche beherrſchet, je weiter will er auch einem andern, der derer weniger hat, vorgezogen ſeyn, welche multiplicitatem re - gnorum unter allen, wie wir unten hoͤren wer - den, Spanien am meiſten allegiret, weil dieſer Herr fuͤr andern, theils den Beſitz, theils den Ti - tul vieler Reiche fuͤhret. Dieſelben nun, welche die Præcedentz dieſer vielfaͤltigen Koͤnige zu be - haupten uͤbernehmen, pflegen zu ſagen,
Andere wollen ſich alle dieſe rationes nicht ge - fallen laſſen, ſondern wenden ein, daß
Das fuͤnffte Fundament der Præce - dentz wird aus den Ehren Tituln, welchen ei - ner oder der andere Souveraine fuͤhret, genom - men, wie denn bekandt, daß
Das ſechſte pfleget man aus der Abſo - luten oder unumbſchraͤnckten Gewalt ei - nes Potentaten zu nehmen, indem diejenigen Koͤ - nige, bey welchen voluntas pro ratione gelten kan, denen welche die rationem dem voluntati vorziehen, oder vorzuziehen haben, wollen vorge - ſetzet werden. Man giebet vor, daß
Noch ein ander Argument pfleget man zu Behauptung der Præcedentz, wegen der be - ſonderen Wohlthaten und Dienſte, welche ein Potentat dem Pabſt und der Catho - liſchen Kirchen erwieſen, und der daraus flieſ - ſenden Meriten, zu allegiren, auf welche man in alten Zeiten gar beſondere reflexion gemacht. Wenn nun noch heut zu Tage dieſes Argument in conſideration kommen ſolte, wuͤrde wohl der Roͤm. Deutſche Kayſer bloß und allein aus die - ſem fundament vor allen obenan ſtehen muͤſſen, weil aus der hiſtorie bekant, hier aber nicht an - zufuͤhren noͤthig, daß der Pabſt nicht allein durch die Milde der Imperatorum groß und reich, ſon - dern auch von ihnen als Advocatis Eccleſiæ be - ſchuͤtzet worden.
Das letzte Argument, welches doch fuͤr das erſte und wichtigſte paſſiren koͤnte, nimmt man von der Wuͤrdigkeit der Vaſallen, maſſen wohl gewiß, daß je hoͤherer Dignitaͤt die Gehor - chenden, je hoͤherer Wuͤrde muß der Befeh - lende ſeyn: Nun ſind wohl weder in noch auſſerE 4Euro -72EuropaͤiſchesEuropa vornehmere Staͤnde eines Reichs zu fin - den als in Deutſchland, maſſen unter denſelbigen nicht nur Koͤnigen gleich geachtete Perſonen, der - gleichen die Churfuͤrſten, ſondern auch Koͤnige ſelbſt befindlich, wie dann zu unſern Zeiten derer drey, nemlich der Koͤnig von Boͤhmen, von Poh - len und von Preußen, und vielleicht in einem kur - tzen Raum der Zeit derer noch zwey, nemlich der Koͤnig von Engelland aus dem Chur-Hauß Han - nover, und der Koͤnig von Sicilien, aus dem Hauß Bayern die Koͤnigl. Zahl vermehren moͤch - ten. Dannenhero Kayſer Carl der V. nicht un - recht geruͤhmet und geſaget, daß er ein Herr uͤber Fuͤrſten ſey, welchen Ruhm Kaͤyſer Carolus der VI. viel hoͤher treiben und ſagen kan: Daß er ein Herr uͤber Koͤnige ſey. Denn ob man gleich eben nicht ſtatuiren kan, daß itzt erwehnte hohe Vaſallen unter Kayſerlicher Majeſtaͤt als Koͤnige ſtehen, ſo ſtehen ſie doch als Chur - und Reichs - Fuͤrſten unter ihm, und wenn der Kayſer einem Chur-Fuͤrſten befiehlet, ſo empfindet es ſonder Zweifel der auf dem Chur-Fuͤrſten hafftende Koͤnig zugleich mit, obgleich diverſo plane reſpectu.
Daß der Roͤm. Deutſche Kayſer allen andern Monarchen vorgezogen wird, ſolches ge - nieſſet er jure & poſſeſſione, denn
Ob nun gleich aus dieſen hier angefuͤhrten Argumenten nebſt noch einigen andern Zeug - nuͤſſen, welche man in denen von den Kayſern ge - gebenen Legibus findet v. gr.
klar erhellet, daß ſie ihre Ehre und Wuͤrde kei - nem andern cediren wollen, auch nicht cediret haben noch werden; ſo haben ſich doch, wie wir in folgenden hoͤren werden, einige Koͤnige gefunden,wel -79Hoff-Ceremoniel. welche der Roͤm. Kayſerl. Majeſtaͤt, gleich geach - tet ſeyn, und ihr nichts zum Voraus geben wollen, welche aber, was ſie ambiret biß dato nicht er - halten.
Dieſer Monarche gruͤndet ſeine Præce - dentz darauf,
Aus dieſen, oder auch andern argu - mentis, und vielleicht aus der Einbildung, daß, nachdem die Koͤnige in Spanien durch Ver - treibung der Mauren Herren uͤber die alten Con - queten der Roͤmer in Spanien worden, auch auf ſie, nicht aber auf die Deutſchen die dignitas im - peratoria transferiret worden ſey, haben ſich ei - nige, ſonderlich aber Alphonſus der VIII. (wel - cher auch von unterſchiedenen der VII. genennet wird) zu Anfang des 12. Seculi, den Titul und die Qualitaͤt eines Kaͤyſers beygeleget, und ſich in ſelbigem von dem Pabſt Innocentio II. confir - miren laſſen, welche angenommene Dignitaͤt aber nicht lange gedauret, ſondern durch Tracta - ten wiederumb abgeſchaffet worden, nachdem die Roͤm. Deutſchen Kayſer dargethan, daß dieſer Titul und Wuͤrde Niemanden als ihnen beygele - get werden koͤnne.
So groß nun Spanien ehemahlen ge - weſen, ſo klein und geringe hat es doch in den Au - gen einiger andrer Koͤnige, welche ihm den Pas zu diſputiren bemuͤhet, geſchienen, darunter
Dieſer Koͤnig will nicht nur allen andern Koͤnigen vorgezogen, ſondern auch dem Roͤm. Deutſchen Kaͤyſer gleich geachtet werden, und fuͤhren die Frantzoͤſiſchen Scribenten, ſonderlich Auberie und Bignon folgende Urſachen ſeiner prætendireten Præcedentz an:
Dieſer Koͤnig will zwar der Aller-Chriſt - lichſten, nicht aber der Catholiſchen Majeſtaͤt die Præcedentz einraͤumen, ſondern vielmehr Spa - nien, und allen andern, den Kayſer und Franckreich ausgenommen, aus folgenden Special-Funda - menten vorgezogen werden:
1. Weil er den Titul defenſoris fidei fuͤhret, und berufft ſich Eduard Chamberlaine in ſeiner Notitia Angliæ, oder State of England part. 2. c. 2. p. m. 72. auf die zu Oxfurth befindliche documenta, Spellmann aber in ſeiner dedi - cation, welche er dem erſten Tom. Concil. Angl. præfigiret, und dem Koͤnig Carolo I. addreſſiret, auf das Archiv des Biſchoffs von Ely, wo man in den Reſcriptis der Koͤnige in Engelland, welche ſie an die Cleriſey erge -hen110Europaͤiſcheshen laſſen, folgende Worte findet: Nos zelo Catholicæ fidei, cujus defenſores & ſum - mus & eſſe volumus. Jacobus Hovvel in ſeinem Tractat de Præced. lib. 1. cap. 1. will er - weiſen, daß ſchon Oſwaldus, ein Koͤnig aus der Anglo-Saxoniſchen Nation ſich defen - ſorem fidei genennet, wodurch ſie dieſem Ti - tul ein ſehr hohes Alter beyzulegen trachten. Gleichwie aber dieſe Meynung von denen, welche Engelland den Rang diſputirlich ma - chen, nicht unangefochten bleibet, alſo iſt doch dieſes auſſer allem Streit und unleugbahr, daß Heinricus VIII., nachdem er An. 1522. ſein Buch de VII. ſacramentis wieder Luthe - rum geſchrieben (davon man das erſte Exem - plar noch zu Rom in der Vaticaniſchen Bi - bliothec verwahret, und dieſe Worte, welche Henricus mit eigener Hand geſchrieben, findet:
und des Pabſtes Lehre und autoritaͤt heff - tig defendiret, er bald darauf von gemeldtem Pabſt Leone dem X. eine Bullam mit des Pabſtes und 27. Cardinaͤle Unterſchrifft er - halten, in welcher nicht nur dem Henrico ſondern auch ſeinen Nachkommen, der Titul defenſoris fidei gegeben, und alſo nicht nurein111Hoff-Ceremoniel. ein Titul der Perſon oder Koͤniges, ſondern der Cron worden, worauf Henricus dieſen Titul ſo bald gebrauchet. Und ob er ſich gleich hernach dem Gehorſam des Pabſtes entzogen, und ſich ſelbſt zum Haupt der Engliſchen Kir - chen erklaͤret, ſo hat er doch dieſes von dem Pabſt empfangene Prædicat nicht fahren laſ - ſen wollen: damit er aber ſelbiges nicht ſo wohl dem Pabſt zu dancken, als vielmehr pro - prio jure zu gebrauchen haͤtte, iſt durch ei - ne Parlements-Acte etabliret worden, daß ſolcher Titul hinfuͤhro und immerwehrend dem Cron-Titul einverleibet bleiben ſolle, welchen auch nach ihme alle folgende Koͤnige, ja auch ſo gar die Frauen, nemlich die Koͤnigin Maria Eliſabeth, und noch heut zu Tage die Koͤnigin Anna gefuͤhret, und alſo dieſes Prædicat als was beſonders hochgeachtet.
2. Keines Menſchen, weder geiſtlichen noch welt - lichen Standes Vaſall, und alſo nur alleine von GOtt dependire, wie denn die Engliſchen Scriptores melden, daß der Pabſt Eleuthe - rius im Jahr 177. einen Brief an den Koͤnig Lucium geſchrieben, in welchem er dieſen Koͤ - nig in Engelland vicarium Dei in regno ſuo nennet. Und der oben angefuͤhrte Eduard Chamberlaine ſaget: omnem poteſtatem habet Rex Angliæ in regno ſuo, quam im - perator vindicat in imperio, ideoque eti -am112Europaͤiſchesam utitur corona imperiali. Angefuͤhr - te Autores haben Recht, aber nicht zu allen Zei - ten, dannenhero man nothwendig umb dieſer prærogativæ weder etwas ab-noch beyzule - gen, ſich an das bekante axioma: diſtingve tempora & concordabit ſcriptura, halten, und was die Engliſchen autores avanciren, diſtingvendo annehmen muß, denn es haben zu einigen Zeiten ſo wohl
3. Daß er das Haupt der Engliſchen Kirchen ſey. Dieſen Titul und Prærogativam, welche kein anderer Chriſtl. Koͤnig in der Welt fuͤhret, ma - chen die Engliſchen Scriptores theils alt, theils jung. Die welche ihm das Anſehen des Alterthums beylegen wollen, ſagen, daß ſchon fuͤr mehr als 1000. Jahren die Engliſchen Koͤ - nige, gleichwie die Hohen-Prieſter im Alten Teſtament, mit Oehl waͤren geſalbet, und in das Recht und Dignitaͤt der Hohen-Prieſter geſetzet worden, wie ſie dann in ihren Rechten ein axioma haben: Rex Angliæ eſt perſo - na mixta cum ſacerdote. Und Jacobus Uſſerius Ertz-Biſchoff zu Armach in Jrland, in ſeinem Tractat de Eccleſiæ Britannicæ privilegiis, will erweiſen, daß die Engliſche Kirche, ob ſie gleich dem Catholiſchen Glau - ben zugethan geweſen, dennoch niemahlen von dem Pabſt zu Rom einige Dependentz ge - habt, ſondern ſtets unter dem Koͤnige als Haupte geſtanden, und fuͤhret vornehmlich an, daß man in Engelland zu keiner Zeit das Oſter - Feſt nach Gebrauch und Art, der Roͤm. oder Occidentaliſchen, ſondern der Orientaliſchen Kirchen gefeyert. Andere wollen dieſe Engli - ſche Kirchen-Freyheit auch dadurch behaupten:
4. Daß er gegruͤndete Prætenſion auf das Koͤnig - reich Franckreich habe, in maſſen Eduardus III. nach Abſterben Caroli Pulchri, ein naͤheres Recht auf ſelbige Crone gehabt, als PhilippusH 3de118Europaͤiſchesde Valois. Ob dieſer letztere ſich gleich in Poſſeſſion ſelbiges Koͤnigreiches de facto ge - ſetzet, und die Koͤnige in Franckreich biß dato aus ſelbiger nicht haͤtten koͤnnen gebracht wer - den, haͤtten gleichwohl die Frantzoͤſiſchen de - nen Engliſchen Koͤnigen zugeſtehen muͤſ - ſen, daß ſie den Titul und Wapen von Franck - reich fuͤhren moͤchten. Aus welchen allen flieſſe, daß die Koͤnige in Engelland berechtiget, ſich aller derjenigen Prærogativen zugebrau - chen, von welchen die Frantzoͤſiſchen Koͤnige ſich ruͤhmeten in Poſſeſſion zu ſeyn, welches Ar - gument, im Fall es ja auch wieder Franck - reich tanquam poſſidenti, nicht fuͤr guͤltig an - genommen werden wolte, dennoch gegen alle andere Koͤnige, die etwan Engelland den Pas ſtreitig zu machen trachten, guͤltig ſeyn, und an - genommen werden muͤſte.
Man kan aus des Nicolai Raval Ertz - Biſchoffes zu Upſal Oration, welche er in dem An. 1431. zu Baſel verſammleten Concilio ge - halten, zur Gnuͤge abſehen, daß dieſer Potentate auch keinem Souverain nachgeſetzet, ſondern, wo nicht vorgezogen, dennoch gleich geachtet werden will.
Dergleichen ſpecialiſſima argumen ta, wie etwan Roͤmiſche Kayſerliche Majeſtaͤt, Franckreich, Spanien, und Engelland, zu allegi - ren pflegen, finden ſich zwar bey ſelbigem nicht, ſondern ſie beruhen in generalibus und darinnen,
Ein noch gantz beſonderes, und ſonſt un - ter Potentaten noch nicht gewoͤhnliches Argu - ment, die Præcedentz damahlen fuͤr Franckreich zu behaupten, ſuchte Chriſtina An. 1648. herfuͤr. Denn als ihr der Frantzoͤſiſche Miniſtre Monſ. Chanut vorſtellete, wie zutraͤglich es bißhero den beyden Cronen Franckreich und Schweden ge - weſen, daß ſie in Alliance mit einander geſtan - den, und demnach fuͤr Schweden ins beſondere ferner vortheilhafftig ausſchlagen wuͤrde, wennH 4die120Europaͤiſchesdie Koͤnigin Chriſtina bey Ludovico dem XIV. Anſuchung thaͤte, eine neue und feſtere Alliance zu treffen, gabe ſie ihme zur Antwort: Daß ſie zwar gar geneigt und gerne ſehen wuͤrde mit Franckreich in genauer Buͤndnuͤß und Freund - ſchafft zu treten, ſie muͤſte aber von dem Koͤnige in Franckreich darumb erſuchet werden, weil es nicht Mode, daß ein Frauen-Zimmer ein Manns - Volck umb etwas anſpreche, ſondern es waͤre des Manns-Volckes Schuldigkeit ſich umb die Freundſchafft des Frauen-Zimmers zu bemuͤhen. Ob ſie es im Schertz oder Ernſt gemeinet, hat der gedachte Autor nicht angemercket, hingegen iſt dieſes ſicher, daß Schweden in dem Weſtphaͤli - ſchen Frieden Franckreich, mit welchen es doch uͤbrigens in ſehr guter Verſtaͤndnuͤß lebete, durch - aus den Rang nicht cediren, oder nur etwas zum Voraus geben wolte, ſo gar daß dieſe Compe - tentz eine Urſache mit war, daß die Schwediſchen Plenipotentiarii zu Oßnabruͤg, die Frantzoͤſi - ſchen aber zu Muͤnſter ſich aufhielten, wovon in dem fuͤnfften Theil dieſes Werckes, als welcher hierzu deſtiniret iſt, etwas ausfuͤhrlicher ſoll gehandelt werden.
Man ſetzet die uͤbrigen in Europa herr - ſchenden Majeſtaͤten nicht deswegen in ein Capi - tel zuſammen, daß man etwan meinen ſolte, als waͤren ſie den vorhergehenden an dignitate nicht gleich; ſondern die Urſache deſſen iſt, daß weil ſie faſt einerley Argumenta, durch welche ſie ihre Præcedentz behaupten wollen, allegiren, man einerley Ding nicht vielmahl ohne Noth repeti - ren, ſondern ſich der moͤglichſten und angenehmen Kuͤrtze befleißigen wollen, denn das Haupt-Werck beſtehet doch bey einem und dem andern daꝛinnen:
Der Koͤnig von Daͤnnemarck nun, pfleget, oder koͤnte auch zu behauptung ſeiner Præ - cedentz fuͤr andern, oder Paritaͤt mit andern Ma - jeſtaͤten, anziehen
Diejenigen aber welche Daͤnnemarck den Pas diſputirlich machen wollen, ſetzen ihme entgegen,
Was Portugal anbelanget, ſo iſt aus der Hiſtorie bekandt,
Pohlen hat, wie oben allbereit gemeldet worden, in dem Ceremoniali Romano die letz - tere Stelle unter den Europaͤiſchen Souverains, und iſt ſo gar dem Koͤnige von Cypern, deſſen Territorium in regard Pohlens (Lithauen mit darzu gerechnet) kaum den dreyßigſten Theil von Pohlen bedeuten kan, nachgeſetzet. Die Argu - menta, welche, was die Præcedentz betrifft, die - ſem Koͤnige zuſtatten kommen koͤnnen, beſtehen darinnen:
Diejenigen hingegen, welche der Pol - niſchen Majeſtaͤt nicht gerne eine andere, als ihrin128Europaͤiſchesin dem Ceremoniali Romano zugeeignete Stelle goͤnnen wollen, wenden ein
Moſcau hat ehemahlen nicht viel mit den Europaͤiſchen Potentien, auſſer mit Schwe - den, Pohlen und dem Tuͤrcken zu thun gehabt, und weil deſſen Geſandſchafften a l’ ordinair nur zu gemeldten Souverainen abgegangen, iſt der Streit wegen der Præcedentz mit dieſem Herren, nicht gar hoch getrieben worden, zu mahlen die in Rußland herrſchende Regenten lange Zeit mit dem Titul eines Groß-Hertzoges vergnuͤget ge - weſen: und man haͤtte meinen ſollen daß ſie vermoͤ - ge dieſes Groß-Hertzoglichen Characteris keinem getitulirten und formalem Koͤnige den Pas diſpu - tirlich machen koͤnten. Allein als ſie gemercket, daß die Koͤnige von Schweden nicht allein anti - quitate tituli Regii, ſondern auch paſſu vorge - zogen ſeyn wolten, haben ſie ſich gar geweigert, den Koͤniglichen Titul anzunehmen, vorwendende, daß ſie keines hoͤhern Tituls benoͤthiget, indem ſie 300000. Mann Cavallerie, und 200000. In - fanterie in das Feld ſtellen, und demnach nicht nur allein dem Koͤnige von Schweden, ſondern auch wohl noch Groͤſſern und Maͤchtigern ge - wachſen ſeyn koͤnten. Nachdem aber, wie in vor - hergehendem 2. cap. §. 1. num. 11. ſchon gemel - det worden, Baſilius Tyrannis ſich den Nah - men eines Czaars beygeleget, haben dieſe ehemah - ligen Groß-Fuͤrſten, nicht nur Koͤnige, ſondernKay -131Hoff-Ceremoniel. Kayſer ſeyn wollen. Wie weit ſie es aber, ſo - wohl dem Titul als dem Rang nach, noch brin - gen moͤchten, lehret die Zeit: ſo viel iſt gewiß, daß ſich die itzige Moſcowitiſche Majeſtaͤt durch ſeine gethane Reiſen und Kriege, bey anderen Poten - taten in gute Bekandſchafft, Alliance und Re - ſpect geſetzet, und es hierinnen weiter gebracht als alle ſeine Vorfahren.
Der Koͤnig in Preußen wird heut zu Tage als ein noch neuer Koͤnig angeſehen, und man ſolte demnach vielleicht meinen, daß er auch in der Rang-Ordnung der letztere ſeyn muͤſſe. Es moͤchte auch wohl geſchehen, daß ſich ein jeder Souverain, deſſen Reich etwan von einem aͤlte - ren dato iſt, weigerte dieſem Herren die Stelle einzuraͤumen, inzwiſchen aber wird ihn auch pro - pter Jus Majeſtaticum, welches auf ſeiner Per - ſon hafftet, Niemand obligiren koͤnnen, daß er nachgehe. Denn wenn die Regul nur richtig, daß eine Majeſtaͤt ſo gut als die andere, omnes eſſe dignitate pares, ſo kan keiner der erſtere, und keiner der letztere heiſſen, es habe denn, wie ſchon oͤffters erwehnet worden, einer entweder pacto oder poſſeſſione, den Rang uͤber den an - dern erworben, und ſich nur ratione ordinis, nicht aber dignitatis, einem andern vorgeſetzet.
Jnzwiſchen iſt denjenigen, welche es et - wan noch nicht wiſſen, allhier beyzubringen, daß gleichwie dieſes hohe und maͤchtige Hauß, ſchonJ 2gerau -132Europaͤiſchesgeraume Zeit den Zweck gehabt, den Fuͤrſten - und Churfuͤrſten-Hut mit einer Crone zu zieren, alſo hat ſelbiges in regard Preuſſen, eben auch nichts gar neues geſuchet, weil ſchon umb das Jahr Chriſti 1332. die Herrſcher in dieſem Lande den titulum Regum gefuͤhret, ob ſie gleich an Macht den itzigen Koͤnigen nicht beykommen, ſon - dern nur, wie Hartknoch in Chron. Pruſſ. aus dem Juſtino redet, fines imperii tueri magis quam proferre mos fuerit, & intra ſuam cui - que patriam regna finiverint. Es ſind auch Autores verhanden, welche avanciren, daß Pri - mislaus ſich ſchon An. 1100. einen Koͤnig von Brandenburg geſchrieben, und Churfuͤrſt Jo - achim. I. ſoll An. 1500. prophezeyet haben, daß die Geſtirne des Brandenburgiſchen Adlers eine Koͤnigs-Crone verhieſſen.
Dem ſey aber wie ihm wolle, ſo iſt be - kandt, daß der groſſe Friedrich Wilhelm, itziger Preußiſchen Majeſtaͤt Groß-Herr Vater, uͤber die Preußiſche Lande, welche ſeine glorieuſe Vor - fahren als ein Lehn von Pohlen beſeſſen, An. 1657. den 19. Septemb. durch die Welauiſchen Tra - ctaten die Souveraineté uͤberkommen, und dadurch den rechten Grund zu dem heutigen Preußiſchen Koͤnigreiche geleget; wie er dann auch zu Behauptung dieſer Souveranetaͤt, oder derer ihm zuerkenneten Jurium Majeſtatis, nicht nur unterſchiedene nahmentlich die Calovier,Wi -133Hoff-Ceremoniel. Wickarder, und Daͤnnemaͤrcker, in den Adeli - chen Stand erhoben, ſondern auch alle inſtru - menta publica mit einem Sigillo Majeſtatico (nicht Majeſtatis) befeſtiget, und gewieſen, was er in der That ſey, und in ſeinen Nachkommen werden koͤnne. Welches auch erfolget, nach - dem An. 1701. Fridericus Sapiens ſein Sohn, den 18. Jan. zu Koͤnigsberg ſich die Koͤnigliche Crone ſelbſten auf das Haupt geſetzet, zum Be - weiß, daß er ſelbige von Niemanden als von GOtt empfangen zu haben erkenne, worauf auch der da - mahlige Denckſpruch, in welchem das Chrono - diſtichon des Croͤnungs-Jahres zu finden, ge - zielet,
RegIo Monte a Deo hæC Corona.
Weil aber allhier nicht ſo wohl die Hi - ſtoria dieſes Churfuͤrſtlichen Hauſes, und durch erlaubte Wege erhaltene Koͤnigliche Wuͤrde, als nur vielmehr die daraus flieſſende Prærogativ zu unterſuchen, ſo muß man dieſen Souverain, gleichwie er zweyerley Perſonen repræſentiret, auch auf zweyerley Art betrachten,
Dieſe nach einigen Reichs-Abſchieden ſo genennete Saͤulen des Roͤmiſch-Deutſchen Reiches, Koͤnigen gleich geachtete hohe Regen - ten, finden auch einige, welche ihnen wegen des Pas einen Competentz-Streit erregen wollen: die mit ihnen daruͤber ligitirende, aber auch zugleich verſpielende Partien ſind
Was die erſteren anbetrifft, wollen ſel - bige mit Raiſon und Gewalt den Churfuͤrſten vorgezogen ſeyn, zu dero Behuͤlff anfuͤhrende,
Hingegen wenden die Churfuͤrſten ſaͤmtlich und ſonderlich ein,
Weil nun nicht allein die Argumenta, welche die Churfuͤrſten gegen die Cardinaͤle an - fuͤhren, ſondern auch die Macht der Churfuͤrſten ſtaͤrcker als der Cardinaͤle, ſo haben biß dato die - ſe letzteren in dem Rang-Proceß nichts gewon - nen, ſondern es bezeugen die Exempel und actus poſſeſſionis, als welche dißfalls am meiſten gel - ten, daß die Churfuͤrſten ſich im Range fuͤr den Cardinaͤlen mainteniret. Denn bey der Croͤnung Caroli V. zu Aachen muſten die drey Cardinaͤle, der von Saltzburg, Sedan, und de Croy, alles ihres Einwendens ungeachtet, den Churfuͤrſten nachgehen. So iſt auch der Churfuͤrſt von Coͤln, An. 1556. auf den Reichs-Tage zu Regen - ſpurg, dem Cardinal und Paͤbſtlichen Legaten Maron, und denn wiederumb 1659. dem Cardi - nal von Heſſen nicht gewichen. Da auch die Electores, wenn der Kayſer ſolennen Hoff haͤlt, in deſſen Gegenwart unter Baldachinen ſpeiſen, ſo hat Ferdinandus II. dem Cardinal Cleſel,J 5wel -138Europaͤiſcheswelcher ein gleiches prætendirete, ſolches doch nicht zugeſtatten wollen. Eben dieſer Gebrauch des Baldachin oder Himmels iſt dem Cardinal Dietrichſtein, ob er ſchon zugleich Nuncius in Mayland war, wie auch dem Cardinal Barberi - no, Nuncio in Spanien, abgeſchlagen worden, welcher letztere, als er ſich darauf beruffte, daß man ihme in Franckreich, ſo wohl zu Paris als Lyon, bey ſeinem Einzuge den Gebrauch des Bal - dachins zugeſtanden, von den Spaniern zur Ant - wort bekam: Daß ſie davon in ihrem Archiv nichts faͤnden, womit er auch zu frieden ſeyn muſte.
Fuͤr den uͤbrigen Fuͤrſten in Europa, wel - che Catholiſcher Religion ſind, haben die Cardi - naͤle die Præcedentz v. gr. fuͤr dem Groß-Hertzog von Florentz, dem Hertzoge von Savoyen, wie auch denen freyen Republiquen. Jn Franck - reich iſt den Cardinaͤlen die Stelle nach den Prin - tzen von Gebluͤte des Hauſes Bourbon angewie - ſen, (wiewohl der Cardinal Richelieu ſo gar den Vorſitz fuͤr dem Printz Condé erhielte) jedoch mit dieſer limitation, daß die Caꝛdinaͤle nur in der Kirchen, und bey geiſtl. Verrichtungen denen Printzen vorgezogen werden ſolten.
Die freyen Republiquen, unter dieſen aber ins beſondere Venedig und Holland, wel - ches letztere allererſt auf dem Muͤnſteriſchen Frie - den die Præſeance fuͤr den Churfuͤrſten zu ſuchenan -139Hoff-Ceremoniel. anfieng, wollen ſich auch den Churfuͤrſten vorge - zogen wiſſen, und allegiren zu Behauptung deſ - ſen, was ſie ſuchen, folgende Argumenta:
Hier wieder verſetzen die Churfuͤrſten,
Haben ſich demnach die Churfuͤrſten biß dato in der Præcedentz gegen die Cardinaͤle und freyen Republiquen mainteniret, und da dieſe Saͤulen des Roͤm. Reichs und der vierdten Univerſal-Monarchie, von Tage zu Tage maͤch - tiger, und Herren uͤber Koͤnigreiche werden, ſo wird ihnen den Rang, welchen ſie poſſesſione ge -nieſſen,144Europaͤiſchesnieſſen, wohl Niemand leichtlich mehr diſputir - lich machen koͤnnen.
Die uͤbrigen Fuͤrſten des Reichs, dar - unter ſonderlich die maͤchtigſten v. gr. Gothe, Braunſchweig, Wuͤrtenberg, Caſſel, trachten wohl auch fuͤr den Cardinaͤlen und freyen Repu - bliquen die Præſeance zu erhalten, allein ſie haben ſich biß dato noch in keine Poſſeſſion gebracht, was aber theoretice davon zu ſtatuiren, kan man bey dem Furſtnero de Jure Su - prematus ſuchen und finden.
Ende des erſten Theils.
OB es rathſam, daß Potentaten ſelbſten in hoher Perſon zuſam̃en gehen, hat Bœ - clerus in ſeinem Tractat, de Congreſſu Princi - pum unteꝛſuchet, und ſcheinet ſeine Meynung mehr dahin gerichtet zu ſeyn, daß man dergleichen Con - greſſe lieber vermeiden, als bewerckſtelligen ſolle. Man laͤſſet nun zwar dieſes ſonſt beruͤhmten Po - litici Meynung unangefochten, haͤlt aber doch dafuͤr, daß dergleichen hohe Zuſammenkunfft auf Erden, ſo wie etwan der Planeten im Himmel, manchmahl ja ſo nuͤtzlich als etwan ſchaͤdlich ſey, vielmahl auch wegen eines und des andern In - tereſſe nicht vermieden werden koͤnne.
Es geſchiehet aber ſolcher perſoͤnlicher Congreß,
Man findet in der Hiſtoria keinen Man - gel an Exempeln, daß dergleichen Zuſammenkuͤnff - te, theils mit gutem theils auch mit ſchlimmen Effect, manches mahl mit beſondern, manches mahl wiederumb faſt ohne alle Ceremonien vor - genommen worden.
Damit man demnach, jedoch nur gleich - ſam von ferne und alſo unvollkommen, erkennen moͤge, ob die aͤlteren Zeiten von den neueren in dem Ceremoniel unterſchieden oder uͤbereinſtimmig,hat147Hoff-Ceremoniel. hat man zwar wenige, jedoch beſondere Exempel hier anzufuͤhren, fuͤr nichts uͤberfluͤßiges oder im - pertinentes zu ſeyn erachtet.
Die beruͤhmteſten Zuſammenkuͤnffte hoher Potentaten welche zwar mit geringem Ce - remoniel, jedoch nicht ſonder groſſes Mißtrauen der zuſammengehenden geſchehen, ſind aus dem Alterthum der Hiſtorie dieſe.
Einige Exempel dergleichen Zuſammen - kuͤnfften, in welchen faſt kein Ceremoniel obſer - viret, ſondern ſelbiges ſo gar weit bey Seiten ge - ſetzet worden, daß ein Potentate dem andern viel - mehr mit Hoͤfflichkeit zuvor kommen, als Com - petentz-Streit anfangen wollen, ſind auch zu finden, und zwar
Nicht aber nur allein die alten, ſondern auch die neueren, und von uns erlebete Zeiten, ſind reich an Exempeln, daß Souverains in hoher Per - ſon zuſammen kommen, bey welchem Congreß doch das ſonſt uͤbliche Ceremoniel nicht ſo gar genau beobachtet, ſondern ſelbiges etweder ex civilitate uͤberſchritten, oder etwan aus genom - mener Abrede, und weil die Zuſammenkunfft nur en paſſant geſchehen, dermaſſen moderiret worden, daß man von keiner Seiten einige Præ - rogativam geſucht, ſonder ſich al Pari mit einan - der betragen. Weil aber dieſe in neueren Zeiten geſchehene Zuſammenkuͤnffte, theils in denen or - dinairen Zeitungen, als auch in den Monatli - chen Journals aufgemercket zu finden, die ſpeci - fique Erzehlung derſelben auch zu unſerm Vor - haben nicht erforderlich, ſo enthaͤlt man ſich billich, umb unnoͤthige Weitlaͤufftigkeiten zu vermeiden, derſelben Erzehlung.
Dieſes aber iſt bey dieſem Capitul noch unumbgaͤnglich zu erinnern, daß man daraus wahrnehme,
1: Wie156EuropaͤiſchesDie Begierde oben anzuſitzen, oder denjenigen Ort, welchen man vielmahl nur ex -opini -157Hoff-Ceremoniel. opinione fuͤr den honoratiorem haͤlt, einzu - nehmen, iſt allen Menſchen ſo gemein und eine der - gleichen Paſſion, die ſich nicht nur bey Hof - und Weltleuten, ſondern auch bey denẽ mercken laͤſſet, welche wegen ihrer Profeſſion, oder auch wegen Nothdurfft, der Welt und ihrer Eitelkeit renun - ciret; es fehlet aber keinem an Beſcheinigungen ſeines Rechts, durch welches er ſuchet andern vor - gezogen zu werden, und wenn man vielmahl an ſich ſelbſt nichts findet, welches zulaͤnglich ſeyn koͤnte, ſich uͤber einen andern zu ſchwingen, ſo haͤlt man ſich an ſein Amt und Stelle, welche man be - kleidet, oder man will ſeinem kuͤnfftigem Succeſ - ſori, welchen man vielmahl ſo wenig als die An - tipodes kennet, und welcher vielleicht nicht ſo Ehren-begierig als ſein Anteceſſor, nichts ver - geben: ob man ſich gleich ſonſten kein Gewiſſen machet, ſeinem Nachfolger alles fuͤr dem Maule wegzunehmen, an welchem ihme mehr gelegen ſeyn koͤnte, als an dem eitelen Vorzuge.
Von dieſer alle Menſchen plagenden Præ - rogativa muß man in der Morale, hier aber nur von denen Perſonen handeln, welche notoriſch einen Vorzug fuͤr andern Menſchen haben, und alſo auch berechtiget, ſelbigen zu ſuchen und zu mainteniren.
Dieſer Perſonen ſind nun nicht mehr als zwey:
1. Die158EuropaͤiſchesDieſer aber kan anders nicht fuͤglich kentlich und diſputirlich gemacht werden, als in Zuſammenkuͤnfften, denn wer immer alleine und zu Hauſe bleibet, kan ohne Contradiction eines andern, die Ober-Stelle nach eigenem Wohlge - fallen nehmen.
Wird alſo bey Ausuͤbung des Cere - moniels eine Zuſammenkunfft præſupponiret, welche dreyerley:
Bey dergleichen Zuſammenkuͤnfften nun, kommt es ratione des Ceremoniels hauptſaͤch - lich darauf an, daß man darauf regardiret,
Wenn es ſich nun zutraͤget,
Wenn die Zuſammenkunfft, ſonderlich unter gleichen in loco tertio geſchiehet, ſetzet es ſo wohl unter Potentaten ſelbſt, als auch derer Ambaſſadeurs mehr Diſpuͤt uͤber dem Ceremo - niel, als wenn einer zu dem andern in ſeine Reſi - dentz kommet, und da muß, im fall einer nicht poſſeſſione etwas zum Voraus hat, entweder die Zuſammenkunfft
Auſſer deme iſt wohl nicht zu laͤugnen, und haben wir auch bereits in vorhergehendem Capitel Exempel angefuͤhret, daß durch Civilitaͤt der rigor der Prærogativæ einige mahl tempe - riret, und der Congreß dadurch befoͤrdert und angenehm gemacht worden; allein, gleichwie die - ſe Civilité bey Souverains etwas gar extraor - dinaires, alſo machet auch ſelbige kein ordinai - res Ceremoniel. Deñ was man ex mera gratia & civilitate in faveur des einen gethan, darff deswegen ein anderer der eben ſo gut, als jenerLwar,162Europaͤiſcheswar, nicht prætendiren, weil die Gnade uñ Hoͤflig - keit kein actus, aus welchen ich conſvetudinem introduciren koͤnte, auch kein Pactum, ſondern ein ſo genenter actus meræ facultatis iſt, welchen man continuiren, oder unterlaſſen, und welcher nicht einmahl von deme, welchen man ſelbigen er - wieſen, als eine Schuldigkeit, weniger von einem andern gefordert werden kan. Zum Exempel: Es haͤtten Jhro Kayſerl. Majeſtaͤt, etwan wie die Zei - tungen von Regenſpurg de Anno 1714. vom 14. Martii meldten, dem Koͤniglichen Preußiſchen Herrn Envoyé Grafen von Dohna, die Gnade und Ehre gethan, ſelbigen in dero Retirade, wel - ches was ungewoͤhnliches, zu ruffen, auch als Jhro Kayſerl. Majeſtaͤt den Herrn Envoyé in der Anti-chambre anſichtig worden, ein wenig den Hut geruͤcket; ſo wird doch deswegen kein ande - rer Envoyé ſich auf dieſes Factum zu beruffen haben, weil es Kayſerlicher, wie auch einer jeden Majeſtaͤt, freyſtehet einem Envoyé, deſſen Vor - trag oder auch Perſon angenehm, mehr Gnade und Ehre, als er ſonſten zu prætendiren, anzu - thun; aber dergleichen extraordinaire Gnade ſchwaͤchet deswegen nicht die Regeln des ordi - nairen Ceremoniels ſondern talis exceptio a regula confirmat regulam in caſibus non ex - ceptis, und ſo ſich einer daruͤber beſchweren, oder es zur conſequentz anziehen wolte, koͤnte ihme etwan die Antwort werden: Sieheſtu darumbſcheel,163Hoff-Ceremoniel. ſcheel, daß ich ſo guͤtig bin, nimm was dein iſt, und gehe hin. Dieſes aber gehet wohl an, daß wenn man einem prudentia politica oder calliditate, einen Voꝛtheil im Ceremoniel abgelauffen, ſolche Calliditaͤt per actum poſſeſſionis interpretiret wird, im fall derjenige, in deſſen Præjuditz es ge - ſchiehet, nicht bey Zeiten proteſtiret, oder Gele - genheit ſuchet artem arte eludendi.
Damit nun alſo in dem Ceremonien - Werck, ſo diſputable und variable es ſonſten an ſich ſelber iſt, dennoch einige Ordnung gehalten werde, ſo hat heut zu Tage faſt ein jeder Hoff in Europa, ſo wie ſeine beſondere Einrichtung, In - tereſſe, und Charges, alſo auch ſein beſonderes Ceremoniel, von welchem er auſſer der hoͤchſten Noth oder Civilitaͤt, nicht leicht weichet. Es werden auch zu Handhabung deſſelben gewiſſe Officianten beſtellet, welche Ceremonien-Mei - ſter, oder auch Introducteurs genennet werden, derer officium darinnen beſtehet, die actus ce - remoniales nach dem Herkommen einzurichten, die fremden Ambaſſadeurs und Envoyés zu em - pfangen, zu der Audientz, und daruͤber ein richti - tiges Protocoll zu fuͤhren.
Gleich wie es aber eine allzuweitlaͤuff - tige Arbeit, oder auch wohl Unmoͤglichkeit ſeyn wuͤrde, die bey allen Hoͤfen etablirte Ceremo - niels hier anzufuͤhren, maſſen man der ſchrifftli - chen Verfaſſung derſelben (einige wenige, welcheL 2man164Europaͤiſchesman als MSc. zu ſehen bekommen, ausgenom - men) nicht theilhafftig werden kan; alſo wird es genug ſeyn muͤſſen und auch koͤnnen, wenn man in dieſem Syſtemate nur dasjenige anfuͤhret, welches fuͤr uns Deutſchen (als denen zu Gefallen dieſes Wercklein hauptſaͤchlich verfertiget worden) zu wiſſen am noͤthigſten.
Die Churfuͤrſten, ob ſie gleich Koͤnigen gleich geachtet werden, ſo haben ſie dennoch ein Haupt und Superiorem, nemlich den Roͤm. Kay - ſer, und zu Zeiten auch einen Roͤm. Koͤnig. Dero - wegen ſie den erſteren billich mehr verehren als alle andere Potentaten, und im Ceremoniel ihme etwas mehreres zueignen. Hingegen, weil Sie, die Churfuͤrſten, als Glieder des Roͤm. Kay - ſers, Mit-Participanten von deſſen Majeſtaͤt, und fuͤr Seulen des Roͤmiſchen Reiches geachtet werden, ſo genieſſen ſie auch fuͤr andern Fuͤrſten etwas beſonderes, und erwarten hinwiederumb von Kayſerl. Majeſtaͤt diejenige Wuͤrde und Ehre, welche das Haupt dieſen principalſten Glied - maſſen zu erweiſen gewohnet iſt, oder ſich anhei - ſchig gemacht hat.
Sie genieſſen demnach dergleichen Præ - rogativ,
Wenn ein Churfuͤrſt in Perſon zu ihrer Kayſerl. Majeſtaͤt kommt, und Jhnen die Viſite abſtattet, ſo geſchiehet ſelbiges entweder,
Jn den Comitiis faͤhret der Churfuͤrſt, nachdem er die Audientz ausbitten laſſen, und ih - me eine Stunde zu ſelbiger gemeldet worden, mitL 3ſeinem166Europaͤiſchesſeinem Hoff-Bedienten, nach des Kayſers Lo - gement, in den Hoff des Hotels aber, faͤhret kei - ne Caroſſe der Churfuͤrſtl. Cavalliers, ſondern nur des Churfuͤrſten alleine.
Beym Ausſteigen aus der Caroſſe wird er von dem Kayſerl. Obriſten Hoff-Marſchall, oder Ober-Hoff-Meiſter, auch zu Zeiten von al - len beyden empfangen, durch die Anti-chambres, in derer letzteren die Kayſerlichen Miniſtri rangi - ret ſtehen, und die Churfuͤrſtl. ſich auch begeben, gefuͤhret.
Jn der letzten Anti-chambre, und faſt bey deren Eingange, empfangen Jhro Majeſtaͤt, welcher einige Miniſtri vortreten, den Churfuͤr - ſten, gehen aber dem Churfuͤrſten zur Rechten, und irgends ein paar Schritte zu vorhero in den Audientz-Saal.
Jn dieſem ſind die Seſſel, und zwar des Kayſers meiſtens von Gold - oder Silber-Brocat, des Churfuͤrſten aber von Carmeſin-Sammet, mit goldenen Frantzen bordiret: des Kayſers wird ſo geſetzet, daß er das Geſichte im ſitzen gegen die Thuͤre des Gemaches, des Churfuͤrſten aber ſtehet, ſeitenwerts, daß ſelbiger wo nicht den gantzen Ruͤcken, dennoch die eine Seite nach der Thuͤre kehret, des Kayſers Stuhl ruͤcket a l’ or - dinair der Oberſte Caͤmmerer, des Churfuͤrſten aber der Cammer-Herr, welcher die Aufwartung hat.
So bald ſich beyde niedergelaſſen, be - decket ſich der Kayſer, und wincket hernach dem Churfuͤrſten ein gleiches zu thun, die Miniſtri aber gehen nach gemachten Reverentz aus dem Audientz-Zimmer, und wird die Thuͤre deſſelben, oder wenigſtens die Gvardinen zugezogen.
Wenn die in der Anti-chambre auf - wartende Cavalliers mercken, daß beyde aufſte - hen, wird die Thuͤre wieder eroͤffnet, und gehen ſeine Majeſtaͤt der Kayſer, zur Rechten dem Chur - fuͤrſten wieder in die Anti-chambre ein paar Schritte zuvor, und begleiten ſelbigen faſt biß zu der Thuͤre der Anti-chambre, bey welcher der Churfuͤrſt ſtehen bleibet, und dem Kayſer nach - ſiehet, biß er an der Thuͤre des Audientz-Zim - mers tritt, als dann noch einen Reverentz gegen den Kayſer machet, und ſich wieder nach ſeinem Wa - gen, in ſolcher Begleitung wie er recipiret worden, begiebet.
Wie es Kaͤyſerl. Majeſtaͤt mit einem Churfuͤrſten halten, ſo halten ſie es auch mit dem andern, weil ſie alle dignitate einander pares; doch wenn ein Churfuͤrſt mit dem Kayſer in naher Bluts-Verwandnuͤs ſtehet, dergleichen Philip Wilhelm Churfuͤrſt zu Pfaltz war, deſſen Frau Tochter Eleonoram Magdalenam, Leopol - dus I. zu ſeiner dritten Gemahlin hatte, daß alſo dieſer Churfuͤrſt des Kayſers Schwieger-Vater war; ſo pflegten Kayſerl. Majeſtaͤt im ſitzen undL 4gehen168Europaͤiſchesgehen etwas mehreres gegen ihm zu thun, darauf ſich aber ein ander Churfuͤrſt nicht zu beruffen hat.
Wann ein Churfuͤrſt die Kayſerin auf einem Reichs - oder Wahl-Tage, und alſo auſſer Wien beſuchet, ſo geſchiehet ſolche Viſite, meiſtens bald wenn man dem Kayſer die Seinige abgeſtat - tet, und ſo dann wird der Churſuͤrſt von der Kay - ſerin Ober-Hoff-Meiſter, bey dem Anfang des Qvartiers der Kayſerin, empfangen. Bey dem Eingang in das Gemach, empfaͤnget der Kayſerin Obriſte Hoff-Meiſterin den Churfuͤrſten, und etliche Schritte weiter hinein, die Kayſerin denſel - ben, welche ſich bald darauf nach dero Tiſch reti - riret, und manchmahl ſtehende, manchmahl auch ſitzende die Viſite annimmt.
Wenn die Viſite ſtehende geſchiehet, ſo nimmt die Kayſerin denjenigen Platz ein, daß ſie das Geſichte gegen die Thuͤre, der Churfuͤrſt aber den Ruͤcken gegen ſelbige wendet, im ſitzen iſt die Location eben ſo beſchaffen, nur mit dem Unterſcheid, daß der Kayſerin Stuhl von ihrem Ober-Hoff-Meiſter, des Churfuͤrſten aber nur von einem Cammer-Herren geruͤcket wird. Die Thuͤren werden nicht, wie bey dem Kayſer geſchloſ - ſen, ſondern bleiben offen, und meiſtens auch wohl die Ober-Hoff-Meiſterin der Kayſerin aufwar - tend, gegenwaͤrtig, ſo bedecket ſich auch kein Chur - fuͤrſt in Præſentz der Kayſerin, denn dieſes waͤrewie -169Hoff-Ceremoniel. wieder die Civilitaͤt, und Reſpect, welchen man dem Frauen-Zimmer ſchuldig.
Die Begleitung thut die Kayſerin, mei - ſtens ſo weit, als ſie den Churfuͤrſten empfangen, die Ober-Hoff-Meiſterin aber, gehet mit dem Churfuͤrſten biſt an die Treppe, und der Ober - ſte Hoff-Meiſter biß an des Churfuͤrſten Wa - gen.
Dafern ein Churfuͤrſt mit der Kayſerin in naher Blut-Fꝛeundſchafft ſtehet, ſo erzeiget ihme die Kayſerin etwas groͤſſere Civilité als einem andern, dergleichen that die noch lebende Kayſerin Eleonora Magdalena ihrem Herren Vater, dem Churfuͤrſten von der Pfaltz Philipp Wilhelm 1689. zu Regenſpurg, welchem ſie nicht allein weiter, als Chur-Maintz geſchehen war, entgegen gieng, ſondern ihn auch gar auſſer dem Audientz - Zimmer begleiten wolte, allein der Churfuͤrſt zoge ſelbſt die Thuͤre des Gemaches im heraus gehen zu, und kam der Hoͤfligkeit ſeiner Frau Tochter der Kayſerin mit Submisſion zuvor.
Die Gegen-Vſite Kayſerl. Majeſtaͤt, ſo ſelbige einem Churfuͤrſten zu thun, geſchiehet in Comitiis meiſtens folgender Geſtalt:
Ob wohl die Churfuͤrſten Koͤnigen gleich geachtet werden, ſo haben doch die Koͤnige fuͤr ihnen den Vorzug, dannenhero ein Churfuͤrſt allerdings einem Koͤnige einige Præferentz einzu - raͤumen hat.
Wenn demnach ein Churfuͤrſt einen Koͤ - nig in Ungarn oder Boͤhmen (ſonderlich in Co - mitiis imperii) beſuchen will, ſo faͤhret der Chur - fuͤrſt mit ſeinem Leib-Wagen (die andren ſo ihn begleiten bleiben hauſſen) in den innerſten Hoff des Palais des Koͤniges, und wird von dem Koͤ - nigl. Ober-Hoff-Meiſter und Hoff-Marſchall, nebſt andern Cavaliers, hart an der Kutſchen em - pfangen, und alſo, daß ihm alle vortreten, die Stiegen hinauf gefuͤhret.
Der Koͤnig empfaͤnget den Churfuͤrſten oben an der Stiegen, occupiret aber ſtracks die rechte Hand, gehet auch zu erſt durch die Anti - chambres in das Audientz-Zimmer.
Wenn es zum ſitzen kommt, ſo werden die Stuͤhle, und zwar des Koͤniges von ſeinem vornehmſten gegenwaͤrtigen Miniſter, des Chur - fuͤrſten aber von einem Koͤnigl. Cammer-Herren dergeſtalt rangiret, daß zwar beyde unter dem Baldachin ſtehen, und beyde Stuͤhle à bras ſind, jedoch iſt des Koͤniges magnifiquer als des Churfuͤrſten, und kehret der Koͤnig das Geſichte, der Churfuͤrſt aber den Ruͤcken gegen die Thuͤr.
Es ſind in naͤheren Zeiten unterſchiedene Churfuͤrſten
Einem ankommenden Churfuͤrſten, ſen - det Kaͤyſerl. Majeſtaͤt, einen Cammer-Herren (oder auch derer zwey, oder nebſt einem Cammer - Herren noch einen andern hohen Hoff-Offician - ten) auſſer der Stadt Wien, und einen Kayſer -lichen173Hoff-Ceremoniel. lichen Leib-Wagen, biß auf die halbe Meile, auch wohl etwas daruͤber entgegen.
Wenn der Churfuͤrſt ſich auff dem Kay - ſerl. Leib-Wagen der Stadt Wien naͤhert, ſo fahren Sr. Kayſerliche Majeſtaͤt (von dem Roͤm. Koͤnige, wenn einer verhanden accompa - gniret) dem Churfuͤrſten ein Feldweges auſſer Wien entgegen, und die Kayſerl. Miniſtri fahren alle auf ihren Caroſſen fuͤr dem Kayſer her, ſo daß niemand reitet, als diejenigen ſo zur Garde gehoͤ - ren, und die Edel-Knaben, oder auch Stall-Mei - ſter: Denn die Entreés zu Pferde ſind fuͤr dem Kayſer, Roͤm. Koͤnig, und Ertz-Hertzoge allein fuͤrbehalten.
Jndem ſich der Kayſer und die Chur - fuͤrſtl. Wagen einander naͤhern, und irgends noch biß auf dreyßig Schritte von einander entfer - net ſeyn, ſteiget der Churfuͤrſt aus dem ſeinigen, und gehet dem Kayſer zu Fuß entgegen, inzwi - ſchen aber, bevor der Churfuͤrſt an die Kayſerliche Caroſſe gelangen kan, ſteiget Kayſerl. Majeſtaͤt auch aus ihrem Wagen, und complimentiren einander ſtehende, jedoch machet der Churfuͤrſt mehrere ceremonias ſubmiſſionis als der Kayſer.
Nimmt der Kayſer ſodann den Churfuͤr - ſten auf ſeinen Wagen, jener ſteiget aber (wie auch der Roͤm. Koͤnig wenn er gegenwaͤrtig) zu erſt in denſelben, ſetzet ſich oben, und der Churfuͤrſtunten174Europaͤiſchesunten an, nemlich in dem fond du Caroſſe, und wenn ſich Kayſerliche Majeſtaͤt bedecket, wincken ſie dem Churfuͤrſten, daß er ein gleiches thue.
So bald ſie alſo mit einander in der Kayſerl. Burg, oder Favorita angelanget, ſteiget der Churfuͤrſt zuerſt aus dem Wagen, und gehet (wie auch der Roͤm. Koͤnig) dem Kayſer auf der Stie - gen, und durch die Anti-chambres biß an die Re - tirade, mit entbloͤßetem Haupt zuvor, der Kayſer aber bedecket ſich, entbloͤſſet aber dann und wann im gehen das Haupt.
Jn dem Audientz-Zimmer oder auch Re - tirade, nimmt der Kayſer nicht nur allein die Ober - Stelle, ſondern deſſen Stuhl iſt auch von koſtbah - rerem Etoffe, meiſtens von drap d’or, des Chur - fuͤrſten aber von Sammet, und mit Frantzen ge - zieret, doch ſind beydes chaiſes à bras, oder fau - teilles.
Wenn der Churfuͤrſt nach einiger Un - terredung, aus der Kayſerl. Retirade oder Au - dientz-Zimmer (wie wohl man bey dergleichen Viſiten ſich mehr in der Retirade als Audientz - Saale entreteniret) wieder hinweg gehet, be - gleitet ihn der Kayſer meiſtens biß an die Thuͤre der andern Anti-chambre, und nachdem ſie an ſelbiger einander noch einen Reverentz gemacht, kehret der Kayſer wieder umb, der Churfuͤrſt aber ſiehet dem Kayſer nicht nach, wie er ſonſten in de - nen Comitiis zu thun pfleget. Woraus einigermaſ -175Hoff-Ceremoniel. maſſen erſcheinet, daß die Majeſtaͤt eines Roͤm. Kayſers in denen Comitiis und Wahl-Tagen mit mehrerer Veneration verehret wird, als auſſer denſelben, vermuthlich weil ſelbige in me - dio ſtatuum germaniæ mit mehren Eclat er - ſcheinet als anders wo.
Speiſer ein Churfuͤrſt mit dem Kayſer, ſo
So offt ein in Wien ſich eine Zeit auf - haltender Churfuͤrſt dem Kayſer eine Viſite gie - bet, wird er, wenn er in den Hoff gefahren, beym Ausſteigen aus der Caroſſe, von einigen vorneh - men Kayſerl. Hoff-Cavalliers, von dem Kayſer ſelbſt aber, in der Mitten, oder auch wohl an der Thuͤre der zweyten Anti-chambre empfangen, und in dem Audientz-Saal, jedoch alſo, daß der Kayſer dem Churfuͤrſten zur rechten Hand, und einen oder zwey Schritte zum voraus gehet, ge - fuͤhret. Jm Sitzen bey der Conferentz nimmt der Kayſer die Ober-Stelle gerade gegen der Thuͤren zu, und der Churfuͤrſt ſitzet ihme faſt e diametro gleich uͤber, wenn ſich der Kayſer be - decket hat, wincket er dem Churfuͤrſten ein gleiches zu thun. Bey dem Abſchied wird es wieder wie bey dem Empfang gehalten.
Beſuchet der Kayſer einen in Wien logirenden Churfuͤrſten wieder, wird jener von dieſem an der Caroſſe mit einem tieffen Spani - ſchen Reverentz empfangen, und gehet der Chur -Mfuͤrſt178Europaͤiſchesfuͤrſt die Treppen hinauf, und durch die Anti - chambres voran mit entbloͤßtem Haupte. Jn dem Conferentz-Gemach wird Kaͤyſerlicher Majeſtaͤt eine Fauteuille von drap d’or, dem Churfuͤrſten ein dergleichen Stuhl von rothen Sammet, von eines jeden Ober-Cammer-Her - ren geruͤcket, des Kayſers oben, des Churfuͤrſtens unten an. Wenn ſich der Kayſer bedecket, ſo giebet er dem Churfuͤrſten einen Winck ſich auch zu be - decken, der auch dann ſolches thut, jedoch nach Gelegenheit der Umbſtaͤnde den Hut wieder ab - ziehet. Wenn die Conferentz worbey, und der Kayſer von dem Churfuͤrſten wieder Abſchied nimmt, gehet der Churfuͤrſt abermahl biß an die Caroſſe voran, und zwar unbedeckt, der Kayſer aber bedecket ſich in waͤhrenden gehen, ziehet aber den Hut manchmahl einiges Tempo in den Anti - chambres oder auch auf der Treppen ab. Beym Einſteigen des Kayſers in die Caroſſe, machet der Churfuͤrſt einen tieffen Spaniſchen Reverentz, der Kayſer nur einen Frantzoͤſiſchen, und wenn die Caroſſe abfaͤhret, machet der Churfuͤrſt noch einen Reverentz auff Spaniſche Manier, dargegen ſich der Kayſer in der Caroſſe ſitzend neiget.
Die Churfuͤrſten, weil ſie Koͤnigen gleich geachtet werden, ſo empfahen ſie auch einander, wann ſie entweder
Weil nun unter ihnen als Churfuͤrſten und Membris eines Collegii keine differentia dignitatis ſed tantum ordinis, und ſie alſo alle an Wuͤrden und Hoheit einander gleich, ſo ge - ſchiehet es auch, daß der letzt angekommene, wenn er auch gleich der letzte in der Ordnung waͤre, von dem erſt angekommenen, ſo bald er ſeine Ankunfft gehoͤriger maſſen melden laſſen, die erſte Viſite bekommt.
Wenn nun die Kutſche des Beſuchen - den, in den Hoff des Churfuͤrſten, welchen er be - ſuchet gefahren kommt, empfaͤngt der andere Churfuͤrſt dieſen an der Caroſſe, und giebet der Wirth dem Gaſte im Gehen und an der Tafel die rechte Hand. Der Fremde gehet bey Eintritt in ein Zimmer ſtets zuvor in daſſelbe, ſetzen ſich un - ter einem Dais beyde einander gleich uͤber, in glei -M 2che180Europaͤiſchesche chaiſes à bras, und bedecken ſich auch bey - de in einem Tempo. Bey dem Weggehen be - gleiten ſie einander ſolcher Geſtalt, wie bey dem Empfang, und bleibet der Einheimiſche, wenn der Fremde abfaͤhret, ſo lange mit entbloͤßtem Haupte ſtehen, der andere aber in ſeiner Kutſchen auch un - bedeckt, biß ſie einander nicht mehr ſehen koͤnnen.
Mit dieſen wird es wegen des Hauſes Alter und Præeminentz, weil bey 300. Jahren her und daruͤber, ſolches in continua ſerie das ſeminarium geweſen, aus welchen man die Roͤm. Koͤnige geholet, und anbey mit beſondern Privilegiis verſehen iſt, faſt ſo als zwiſchen Chur - fuͤrſt und Churfuͤrſt gehalten, nur daß darinnen eine kleine Differentz geſuchet wird, daß ein Chur - fuͤrſt ſich etwas eher bedecken will als ein Ertz - Hertzog, worinnen doch zu Zeiten auch eine Gleich - heit in Obacht genommen worden, in loco ter - tio aber, wenn ein Ertz-Hertzog mit einem Chur - fuͤrſten zuſammen kommen, ſo hat der Churfuͤrſt die Stelle und Præcedentz fuͤr einem Ertz - Hertzoge.
Die Zuſammenkunfft dieſer zwey Per - ſonen kan auf folgende Art erfolgen:
Wie nun generaliter ein Churfuͤrſt, darumb weil er Koͤnigen gleich geachtet wird, und ins beſondere alle Jura Majeſtatica in ſeinem Lan - de exerciret, daran ein Koͤniglicher Bruder kein Theil hat, dem Bruder eines Koͤniges vorgezo - gen wird, alſo wird wenn ein Koͤniglicher Bruder
das Tractament nicht anders ſeyn, als wenn ein Churfuͤrſt zu dem andern kaͤme.
Wenn aber ein Churfuͤrſt in dem Lande, wo der Koͤnigliche Bruder nebſt dem KoͤnigeM 3wohn -182Europaͤiſcheswohnhafft, ſich einfindet, ſo wird dem Koͤniglichen Bruder die Stelle fuͤr dem Churfuͤrſten asſigniret, wenn ſonderlich der Koͤnigl. Bruder proximus in der Succeſſion nach dem Abſterben des Koͤni - ges waͤre, dergleichen vormahls Carolus VI. war als Joſephus noch lebete. Denn die Erb-Prin - tzen genieſſen eine mehrere Prærogative als die andern, wie man an Jhro Hoheit dem Pfaltz - Grafen, welcher anitzo Stadthalter in Tyrol, und zugleich des Pfaͤltziſchen Churfuͤrſten Herr Bruder und Chur-Printz iſt, wahrnehmen kan. Dergleichen man an dem Churfuͤrſten von Coͤln und Duc d’ Orleans gewahr worden, welches auch verurſachet, daß ein Churfuͤrſt entweder gar nicht nach Hofe kommt, umb zu verhuͤtten daß er mit den Koͤnigl. Bruͤdern nicht concurrire, wie zu unſerm Zeiten Chur-Baͤyern gethan, oder er beſuchet den Hoff incognito, welches letztere das beſte Mittel, wenn man wegen ſeines Intereſſe den Hoff nicht meiden kan.
Man pfleget bey der Reception eines Reichs-Fuͤrſten darauff acht zu haben, ob
Dem Reichs-Fuͤrſten von den erſten, zwey Arten, pfleget ein Churfuͤrſt auſſer ſeiner Reſidentz einen Fleck Weges entgegen zu fahren, und ihn zu beneventiren, er wird auf des Chuꝛfuͤr - ſten Wagen genom̃en, ihm die Ober-Stelle gege - ben, und er in das Churfuͤrſtl. Schloß logiret. An der Tafel hat er abermahl die Ober-Stelle, wel - che doch einige Reichs-Fuͤrſten dann und wann nicht acceptiren wollen, dergleichen der Pfaltz - Graff von Simmern, bey dem Churfuͤrſten von der Pfaltz gethan. Wenn der Reichs-Fuͤrſt von der Churfuͤrſtl. Reſidentz wieder abgehet, wird er entweder wieder fuͤr das Thor, und ſo weit hinaus als wo er empfangen worden, begleitet, oder wenn das Wetter oder andere Zufaͤlle ſolches hindern, ſo begleitet ihn der Churfuͤrſt biß an den Wagen, bleibet aber ſelten biß zur Abfarth bey ſelbigen ſtehen.
Wenn ein Appanagireter Reichs-Fuͤrſt, ob er gleich von einem maͤchtigen Hauſe waͤre, und der nicht ſeſſionem & votum in Comitiis hat, zu einem Churfuͤrſten kommet, wird er mit viel minderen Ceremonien, und etwan von dem Churfuͤrſten an der Ober-Stiegen empfangen,M 4ihme184Europaͤiſchesihme auch an der Tafel und ſonſten, nicht die rech - te Hand gegeben.
Auff Wahl - und Reichs-Tagen geben die Reichs-Fuͤrſten den Churfuͤrſten, ob gleich die viel eher ankommen ſind, die erſte Viſite, welches unter ihnen alſo abgeredet und verglichen, und der Vergleich von dem Kayſer confirmiret worden.
Die Fuͤrſtl. Printzen ſind in zweyerley Conſideration, als
Wenn nun ein Erb-Printz, (ſonderlich der ſchon majorennis und ſeine Reiſen voll - bracht) einem Churfuͤrſten die Viſite abſtattet, wird er von dem Churfuͤrſten unten an der Stie - gen empfangen, und in das Gemach gefuͤhret, je - doch dergeſtalt, daß der Erb-Printz im gehen und ſitzen bey der Tafel dem Churfuͤrſten unten gehen und ſitzen muß.
Die Cadets, weil ſelbige als Untertha - nen oder Vaſallen desjenigen regierenden Fuͤr -ſten,185Hoff-Ceremoniel. ſten, deſſen Hauſe ſie zugehoͤren, gehalten werden, empfaͤnget ein Churfuͤrſt nur oben an der Trep - pen, wird auch gar ſelten (wo er nicht ein Freund des Churfuͤrſten, oder von einem gar maͤchtigen Hauſe waͤre) mit an die Churfuͤrſtl. Tafel ge - nommen, ſondern in ſeinem Qvartier auf des Churfuͤrſten Unkoſten, oder an der Tafel des Chur-Printzens, wann einer vorhanden, ge - ſpeiſet.
An dem Chur-Pfaͤltziſchen Hofe pfleget man einem Fuͤrſtl. Cadet dem Chur-Printz an der Tafel vorzuſetzen, von Chur-Brandenburg aber geſchiehet ſolches nicht, vermuthlich wegen der Souveraineté uͤber Preuſſen, oder ja, weil es niemahlẽ an dieſem Hofe braͤuchlich geweſen. Der Pfaltz-Graf von Saltzbach, hat zwar den Rang uͤber den Chur-Brandenburgiſchen Erb-Printzen prætendiret, aber nicht erhalten, und iſt deswegen nicht wieder dahin kommen. So iſt auch dem Koͤnig William, als er noch Printz von Oranien war, und ſich in dem Churfuͤrſtl. Hofe Branden - burg eine Zeit aufhielte, dieſe Stelle nicht gegeben worden. Ja es cediren dieſe Chur-Printzen kei - nem extraordinair-Envoye, wie man an dem Baron de Goes geſehen. Dem Printz von Heſ - ſen hat man einſten die Stelle uͤber den Chur - Printzen gelaſſen, weil er bald nach ſeiner Majo - rennitaͤt die Regierung antreten ſolte.
Mit dieſem halten es die Churfuͤrſten, als mit denen regierenden Reichs-Fuͤrſten, daß ſie ſel - bige nemlich ein Stuͤck, meiſtens ein Viertel-we - ges fuͤr der Stadt empfangen, in ihren Wagen nehmen, und ihme darinnen, wie auch im ge - hen, und ſitzen an der Tafel die Ober-Hand ge - ben: welches aber doch nicht durchgehends al - len geſchiehet, denn man hat acht, ob der Biſchoff aus einem alten Fuͤrſtl. Hauſe, oder nur von min - derer Extraction ſey, it. ob ſein Bißthumb mit be - ſonderen Prærogativen qualificiret.
Wenn ein bergleichen Herr an einen Churfuͤrſtl. Hoff fuͤr ſeine eigene Perſon (nicht in qualité eines Geſandten) kommet, wird er mit der Churfuͤrſtl. Leib-Kutſche abgeholet, in den inneren Hoff gefuͤhret, da ihn der Marſchall mit etlichen Cavalliers empfaͤnget, Jhro Churfuͤrſt - liche Durchlauchtigkeit empfangen ihn an der Thuͤre der Anti-chambre, fuͤhren ihn in den Au -dientz -187Hoff-Ceremoniel. dientz-Saal, geben ihme aber nicht die Ober - Stelle.
Jm Anreden gebrauchet ſich der Chur - fuͤrſt des pronominis conjunctivi perſonalis in der dritten Perſon, und heiſſen ihn, Sie, wel - ches weniger iſt als Eure Liebden, und mehr als Herr Graff. Waͤre aber der Grand ein Her - tzog von Gebluͤt, ſo wuͤrde man ihme das Wort, Euer Liebden, allerdings beylegen.
Die Grands primi ordinis, weil ſie das Recht haben, ſich in Gegenwart ihrer Koͤnige zu decken, ſo unterlaſſen ſie es auch nicht bey den Churfuͤrſten zu thun. Wenn es aber nur Grands ſecundi oder tertii ordinis ſind, duͤrffen ſie ſich nicht eher decken biß ſie der Churfuͤrſt dazu invi - tiret.
An der Tafel giebet man ihm eine chaiſe à bras, jedoch ſitzet er unter dem Chur - fuͤrſten an einer Seiten der Tafel, und ob man ihme auch gleich das Waſſer præſentiret, nimmt er es doch nicht an.
Die Chur-Printzen weichen ihnen auch nicht, weder im gehen noch ſitzen, und wuͤrden eher von der Tafel und ihrer Converſation bleiben, als ihnen eine dergleichen Præjuditz verſtatten.
WEil es rar, und vielmahl unmoͤglich, (ſonderlich was die Souverainen Re - publiqven betrifft) daß die Majeſtaͤten, und ihnen gleichende Perſonen zuſammen kommen koͤnnen, ſo werden die unter ihnen abzuſtattende Viſiten und vorfallende Negotia durch Geſandſchafften verrichtet.
Dieſe nun werden geſendet, entweder
Wie ſelbige an dieſem oder jenem Hoffe angenommen werden, oder wie ſie ſich ſelbſten unter einander zu empfangen pflegen, werden wir in folgenden Capiteln hoͤren, zuvor aber, was ein Geſandter, und wie viel Arten derſelben ſind, auch was ſonſten zu dieſer Function gehoͤrig, verneh - men muͤſſen.
Was den Henricum Wotton, Groß - Britaniſchen Geſandten, und Drexelium be - wogen, und wie ſie ſich zu juſtificiren haben moͤchten, daß ſie einen Geſandten alſo definiret, Legatus eſt vir bonus peregre miſſus ad men - tiendum reipublicæ cauſa, weiß man nicht, haͤlt aber die Deſcription eines Geſandten, wel - che Quicciardinus gemacht, fuͤr viel beſſer, denn dieſer nennet ſie, lange Haͤnde, Augen, und Oh - ren der Souverainen, welches mit ihrem Thun gar wohl uͤbereintrifft.
Bey dieſer Art Leuten, muß man nun acht haben auff die Perſon
Weil der Roͤm. Pabſt in der Chriſten - heit, und zwar bey denen Catholiſchen, fuͤr das Haupt der Kirchen, derer die Majeſtaͤten nur Glieder: Er der Pabſt als Vater, die Souve - rains aber nur als Kinder conſideriret werden, ſo iſt kein Zweifel, daß die der Roͤm. Catholiſchen Religion zugethane Potentien ihme alle Defe - rence zugeſtatten, und deſſen Geſandten in der Qualité, mit welcher ſie der Pabſt characteriſi - ret annehmen.
Da er nun alſo als Vicarius Dei, Suc - ceſſor Petri, und Caput Eccleſiæ viſibile an - geſehen wird, pflegen ihme ex hac hypotheſi, die Catholiſchen Souverains in ſeinen Legatis mehr Ehre anzuthun, als ſie andern Geſandten weltli - cher Potentaten erweiſen. Dannenhero Hen - ricus IV. in Franckreich, nachdem er ſich zu dem Catholiſchen Glauben bekennet, von Paͤbſtl. Heiligkeit die Abolition ſeiner vorigen Wieder - ſpenſtigkeit gebethen, und darauff die Ehre hatte, daß der Pabſt einen Legatum à latere an ihn ſendete, demſelben in Begleitung viertzig der vornehmſten Herren, eine gantze Tage-Reiſe entgegen gieng, und ihn in Perſon einhohlete. Ein gleiches geſchahe von Philippo IV. Koͤnige in Spanien, An. 1662. Denn als der Cardinal Ba - barino von ſeinem Vetter dem Pabſt Urbano VIII. nach Spanien als Legatus a latere abge - ſendet, nahe an Madrit kommen war, ritte ihm der Koͤnig biß fuͤr das Thor Alcala entgegen, und weil der Koͤnig auf dem Pferde ſitzen blieb, ſo ſtieg der Cardinal auch nicht ab, ritten alſo beyde, doch der Koͤnig die Ober-Stelle nehmende, nach der Kirchen St. Maria, allwo der Koͤnig von dem Cardinal Abſchied nahme. Und als An. 1664. zu dem Monſieur gleichfalls ein Legatus a la - tere geſendet wurde, gieng ihm dieſer eine gantze Meile entgegen, gab ihme die Ober-Stelle, und thate viel ein mehreres, als er einem andern welt -lichen195Hoff-Ceremoniel. lichem Geſandten zu erweiſen nicht gewohnet. Ja itzt regierende Roͤm. Kayſerl. Majeſtaͤt Carolus VI. ritten 1711. dem Paͤbſtl. Nuntio biß an die Thore der Stadte Meyland, in welcher ſie ſich da - mahlen nach dero Retour aus Spanien, das Deutſche Kayſerthumb anzutreten, auf eine Zeit aufhielten, entgegen, und begleiteten ſelbigen, jedoch die Ober-Hand uͤber ihn behaltende, biß an die Haupt-Kirchen gemeldter Haupt-Stadt der Lombardie.
Ob nun gleich an allen Orten, wo der Catholiſche Glaube herrſchet, denen Paͤbſtl. Nun - tiis beſondere Ehre angethan wird, ſo ſind doch ſelbige in Franckreich nicht ſo hoch angeſehen als anders wo, denn
Auf Seiten der Proteſtirenden wird der Pabſt als einer der vornehmſten und Souve - raineſten Fuͤrſten von Jtalien regardiret, wel - chen man das Jus Legatos mittendi nicht ver - weigern kan, allein die Majeſtaͤten der proteſti - renden Religion, wie auch die Churfuͤrſten, ſo ſelbiger zugethan, tractiren die Paͤbſtl. Geſand - ten nicht anders als anderer Jtaliaͤniſchen Fuͤr - ſten Geſandten, und geben ihnen nicht den Rang uͤber ſich, gleichwie die Catholiſchen thun. Dan - nenhero es bey den Geſandten der proteſtiren - den Majeſtaͤten, Chur - und Fuͤrſten, wenn ſie mit den Paͤbſtl. Geſandten concurriren, einiger Circumſpection benoͤthiget, ob ſie ſich
Jn dem erſteren Fall, weil es leicht zuver -197Hoff-Ceremoniel. vermuthen, daß der Catholiſche Potentat Chur - oder ander Fuͤrſte, dem Paͤbſtlichen Nuntio den Vorzug fuͤr einem Geſandten eines prote - ſtirenden Koͤniges, Churfuͤrſtens oder Fuͤrſtens einraͤumen wird, ſo hat der proteſtirende Mini - ſter alle Gelegenheit zu meiden, mit dem Nuntio nicht publice in Zuſammenkunfft zu gehen, damit er nicht genoͤthiget werde, etwas zu ſeines Prin - cipalen Præjuditz zu leiden; im fall er aber ver - ſichert, daß der Nuncius ſonſten von ſeiner Con - verſation nicht abhorriret, kan er ſelbigen wohl par rencontre auf den Promenaden, Bals oder auch in privat-Gelegenheiten, nicht in der Qualité als eines Miniſters, ſondern in der Qualité ſeines characteris clericalis v. gr. Ertz-Biſchoffes, Biſchoffes, Abts ꝛc. ſprechen, und mit ihme ohne alles ceremoniale publicum Converſation und Freundſchafft hegen.
Geſchiehet die Zuſammenkunfft eines Nuntii und eines Geſandten proteſtirender Religion in loco tertio, auſſer dem Hoffe eines Catholiſchen Printzen, ſo bleibet es der etablirten Gewohnheit nach dabey, daß der Nuntius dem Geſandten eines proteſtirenden Koͤniges oder Churfuͤrſtens weichen muß. Weil man ihme nicht mehr einraͤumet, als einem Geſandten der uͤbrigen Jtaliaͤniſchen Fuͤrſten. Und dannen - hero wird ein Nuntius, welcher ſpaͤter ankom - men, als ein Koͤnigl. oder Churfuͤrſtl. Abgeſand -N 3ter,198Europaͤiſchester, ſo bald er ſeine Ankunfft gebuͤhrend melden laſſen, von dem Koͤnigl. oder Churfuͤrſtlichen Ge - ſandten zuerſt beſuchet, und ihme Tractament gegeben, als anderen Souverainen Fuͤrſten in Jtalien. Waͤre aber der Paͤbſtliche Nuntius eher ankommen, als der Miniſter eines proteſtirenden Souverains, ſo wuͤrde der Pro - teſtirende allerdings, nachdem er dem Nuntio Apoſtolico ſeine Ankunfft melden laſſen, von ſelbigem reciproce die erſte Viſite erwarten.
Die Arten Paͤbſtl. Legatorum ſind dreyerley.
Damit man einerley Sache nicht zwey - mahl ſetze, und das Werck ohne Noth vergroͤſſe - re, ſo hat man in dieſem Capitel von einigen Noth - wendigkeiten ſo zu einem Ambaſſadeur und En - voyé erforderlich, conjunctim handeln wollen.
Einer und der andere empfaͤnget,
Dahero wird, wie auf Seiten des ſenden - den Souverains die Inſtruction und Creditiv, alſo auf Seiten deſſen an den man ſendet, dem Abgeordneten folgendes ertheilet:
Wegen dieſer Paſſeporte nun ſetzet esnicht209Hoff-Ceremoniel. nicht ſelten allerhand Wiederwaͤrtigkeit, theils wegen
Die Ertheilung derſelben wird manchmahl gar ſchwerlich erhalten, ſo wohl von demſelben,
Nicht weniger Schwuͤrigkeit gie - bet es, wenn man gewiſſe Perſonen, welche man ex conſvetudine & mutuo pacto ta - cito ſchon frey und ungehindert zu ſeyn glau - bet, den Paſſeporten nicht mit einverleibet, der - gleichen die Courriers ſind. Und demnach ge - ſchahe es, daß Franckreich bey dem Niemaͤ - giſchen Friedens-Schluß, in dem Paſſeport ſo er Spanien ertheilet, die Clauſul nicht mit eingeruͤcket hatte: Daß die Spaniſchen Cur - riers von Niemaͤgen durch Franckreich un - gehindert nach Spanien gehen moͤchten. Und ob ſich gleich alle Alliirte fuͤr Spanien in - tereſſireten, ſo ware Franckreich doch nicht dahin zu bringen, daß er dieſe Clauſul dem Paſſeport einverleiben wolte. Jn gleichen wol - te Daͤnnemarck nicht geſtatten, daß der Schwediſche Currier durch ſein Territorium reiſen moͤchte, hingegen hat Ludovicus XIV. durch ſeine habende Plenipotentiarios in Ut - recht, bey der Friedens-Conferentz An. 1712., den 4. Junii den Portugiſiſchen Paſſeporte ertheilet, daß ihre Courriers ungehindert von Utrecht nach Portugal gehen moͤchten.
Die Paſſeporte werden auch von de - nen an welche man ſenden will, entweder,
Ob man nun gleich mit ſicheren Paſ - ſeporten einen Abgeordneten verſehen hat, ſo ſetzet es doch Verdruß wegen der Titulatu - ren; denn wenn ein Souverainer ſeinen Mi - niſter der Legation an einen andern, oder durch eines andern Land ſendet, welcher mit ihme competentiam tituli hat, ſo weigert der den Paſſeport ertheilende Souveraine dem andern den Titul zugeben, uͤber welchen ſie etwan ſtreitig ſind: v. gr. wenn Franckreich dem Koͤ - nige in Spanien oder dem von Engelland ei - nen Paſſeport ertheilen ſoll, weigert ſich ſel - biges jenem den Titel eines Koͤniges von Na - varren, dieſem eines Koͤniges von Franckreich zu geben: und damit man der Sache abhelffe, muß man die Titulaturen nach der Laͤnge gar auslaſſen, und nur den general-Titul Regis Catholici oder Magnæ Brittanniæ geben und annehmen. Gleicher Geſtalt iſt es mit dem Titul des Abgeordneten beſchaffen, denn weil der Character eines abgeordneten Mini -O 2ſters212Europaͤiſchesſters dem Paſſeport alleꝛdings muß eingeꝛuͤcket werden, damit man ihme alle gebuͤhrende Ehre anthue, ſo wird fuͤr einen Affront angenom - men, wenn man in dem Paſſeport nicht eben den Titul und Character, mit welchem ein Potentat ſeinen Miniſter beehret, exprimiret: und dannenhero geſchahe bey dem Niemaͤ - giſchen Friedens-Schluß, daß ſich die Hollaͤn - der einigen Verdruß auf den Hals zogen, als ſie den Lotharingiſchen Ambaſſadeur nur Monſieur Deputé in ihrem Paſſeport genen - net hatten, welches Verſehen ſie durch eine De - claratoriam corrigiren muſten. Aus dem mit getheilten Paſſeport folget als ein Con - ſequens,
Bey dieſen iſt zu betrachten:
Der Character eines Ambaſſadeurs beſtehet, wie ſchon in vorhergehendem Capitul ei - niger maſſen erwehnet worden, darinnen, daß er
Dieſes Dignitas effigiata, ſo groß ſie an ſich ſelbſten iſt, ſo iſt ſelbige doch nicht in allen Stuͤcken dem Original gleich, weil doch ein Sou - verainer, wenn er ſelbſt in Perſon zu einem ſei - nes gleichen kommt, mit einem viel groͤſſerem Cere - moniel und Tractament, als ſein Ambaſſadeur empfangen wird.
Man koͤnte auch dieſer characteriſire - ten Geſandten in negotiis inter principe & gentes gar entbehren, und waͤren die ſo genenne - ten Envoyés ſchon geſchickt genung, alles dasje - nige was man den Ambaſſadeurs committiret, auszurichten.
Weil aber die Souverains, ihre Magni - ficentz und Hoheit auſſer ihrem Lande auch an - dern Nationen zeigen wollen, ſo hat man dieſe Bothſchaffter cum Charactere eingefuͤhret, und dadurch ein groͤſſeres Ceremoniel und depenſen verurſachet.
Dieſer Character nun eines Ambaſſa - deurs wird von demſelbigen ertheilet, welcher den Geſandten abſendet, und beſtehet darinnen, daß ihn der Souveraine, communicative (nicht ab - dicative) alle ſeine Prærogativen und compe - tentia Jura, ſo viel derer zu der Function des Ambaſſadeurs von noͤthen, mittheilet.
Alſo wird der Ambaſſadeur auf eine Zeit des Glantzes der Souverainetaͤt theilhafftig, und ihme faſt alle Ehre als man der Majeſtaͤt ſelb - ſten thun koͤnte, angethan.
Man ſaget gantz wohl bedaͤchtlich (faſt alle Ehre) denn wie in den §. 3. ſchon erwehnet worden, ſo behaͤlt doch der Souveraine ſich noch viel zuvor, plus enim eſt in perſona quam in effigie. Denn obgleich der Monden von der Son -nen219Hoff-Ceremoniel. nen erleuchtet wird, ſo hat doch die Sonne gar ein ander Licht als der Monden, und eine ſtaͤrckere Jnfluentz als derſelbe. Dannenhero ſiehet man, daß kein Ambaſſadeur,
Aus dieſem Charactere repreſentati - vo entſtehet nun das groſſe Ceremoniel, daß man einen Ambaſſadeur mit groſſer Ehren-Bezeu - gung annimmt, welche man den Envoyés und mindern ſo in Geſandſchafft emploiret werden, weigert. Aus eben demſelben flieſſet die Ma - gnificentz, welche der Ambaſſadeur, in ſeiner Logirung, Tafel, Bedienung, mit Anwendung vieler Unkoſten zeiget, von welchen wir bald was mehreres werden zu vernehmen haben.
Es iſt in vorhergehendem andern Theil cap. 2. §. 10. Meldung geſchehen, daß ein jeder Hof ſein beſonderes etablirtes Ceremoniel habe, vonwel -220Europaͤiſcheswelchen man nicht leicht abzuweichen pfleget: wolte aber ein Potentate etwas mehres bey Re - ception ſeines Ambaſſadeurs im Ceremonien - Werck genieſſen, als man ihm in einem Hoffe biß - hero nicht ertheilet, ſo muͤſte er ihm ſolches ent - weder,
Jedem Souverainen ſtehet frey, das Ceremoniel gegen einem oder den andern Geſand - ten zu vermehren, und das Tractament zu vergroͤſ - ſern, welches nicht ſelten zu geſchehen pfleget, wenn ein Ambaſſadeur von einem nahen Verwand - ten, oder in favorabilibus, v. gr. eine Ehe, oder Alliance zu ſtifften, geſendet wird; aber kein Sou - verainer kan hingegen, ohne den, von welchem der Ambaſſadeur kommt, zu beleidigen, das ein - mahl eingefuͤhrete Ceremoniel, mindern, weil ſich der Sendende auf das Herkommen und die Poſ - ſeſſion beruffen kan. Denn das Intereſſe des mittentis verſiret mehr in dem Ceremoniel, als das Intereſſe accipientis legationem.
Dieſes Ceremoniel, ob es gleich zur Haupt-Sache der Geſandſchafft nichts contri - buiret, und offtermahls die negotia mehr hindert als befoͤrdert, machet ſelbiges doch meiſtens, nebſt dem Character, von welchen es ein inſepara -bles221Hoff-Ceremoniel. bles attributum iſt, den formalen Unterſcheid eines Ambaſſadeurs von einem Envoyé, dan - nenhero auch die Ambaſſadeurs uͤber nichts ſteif - fer halten, als uͤber dieſem Ceremoniel, oder ſo genenten Tractement.
Zu dieſem aus dem Charactere herflieſ - ſendem Ceremoniel, werden nun gerechnet des Ambaſſadeurs
Dem Character eines Ambaſladeurs folgen, als der Schatten dem Leibe, zwey Stuͤcke, welche er nicht unterlaſſen darff,
Seine Magnificentz zeiget ſich, an
Es pfleget oder muß auch wohl ein Am - baſſadeur, auf Befehl ſeines hohen Herrn Prin - cipalen, einen groſſen Staat und Figur machen; Denn weil er die Hoheit und Reichthumb ſeines Souverains der Welt zeigen, und ſeine Perſon ex - tra Teritorium repræſentiren ſoll, iſt allerdings erforderlich, daß er ſich magnifiquement und ſplendidement auffuͤhre: denn dadurch erwirbet ſich ein Potentate nicht weniges Anſehen und Ve -nera -233Hoff-Ceremoniel. neration bey fremden Nationen, weil derglei - chen aͤuſſerlicher ſplendeur eher in die Augen, als in den Verſtand faͤlt, und ſonderlich die ge - meine Leute glaubend machet, ein dergleichen Ambaſſadeur, welcher ſich magnifiquement und mit vielen Gold und Silber prangenden Li - vereen und Caroſſen ꝛc. auffuͤhret, ſey aus einem Lande, in welchem das goldene Seculum befind - lich, geſendet.
Einige der Politicorum wollen zwar dieſe Magnificentz der Ambaſſadeurs nicht ſon - derlich approbiren, weil vielmahlen das Ærari - um der Potentaten erſchoͤpfft, und dadurch ver - urſachet wird, daß man noͤthigere, und dem Etat dienlichere Expenſen nicht herſchieſſen kan. Denn wenn ſond erlich die Soldateſca, ſagen ſie, auf welchen doch meiſten theils die Sicherheit und Reputation eines Etats beruhet, darumb Man - gel leiden ſoll, daß man nur deſto anſehnlichere Ambaſſaden abſchicken koͤnne; ſo waͤre es ein groſſes Verſehen der Staats-Klugheit, weil die neceſſitas defendendi dem Juri Legatos cum Charactere mittendi vorzuziehen: zu mahlen da man Ablegatos ſenden kan, welche einer ſo groſ - ſen Magnificentz und Depenſen nicht benoͤthiget, dennoch aber die Affaires ſo wohl tractiren koͤn - ten als die Legati oder Ambaſſadeurs.
Gleichwie man aber dieſen Einwurff ei - nem jeden, ſonderlich aber denen Souverainen zuP 5uͤber -234Europaͤiſchesuͤberlegen anheim ſtellet, und hier das utile mit dem ſplendido nicht in Conteſtation ſetzen will; als iſt nur noch eines zu betrachten noͤthig, welches dem Kummer dieſer Politicorum abhelffen, und anbey das ærarium principis menagiren kan.
Dieſes Vortheil beſtehet nun darinnen; daß ein Souverainer einen dergleichen Miniſter oder Vaſall zu der Ambaſſade erkieſe, welcher fuͤr ſich ſelbſten von abundanten Vermoͤgen, und den meiſten Theil der hierzu noͤthigen Expenſen de proprio herſchieſſe. Denn
Die erſte Magnificentz nun eines Am - baſſadeurs beſtehet in deſſen Logement, welches
Die Commodité zeiget ſich,
Die Propreté kommt meiſtens, auf
Der Dais, Baldachin, der Himmel oder Zelt, welches uͤber den Thron oder Parade - Stuhl ausgeſpannet, iſt von Sammet, auch wohl drap d’or verfertiget, und ein Zeichen der Souve - ranetaͤt oder eines Fuͤrſtlichen Audientz-Zimmers. Auſſer den Souverainen und ihnen gleichenden Perſonen, iſt niemand berechtiget ein Dais in ſei - nem Qvartier aufzuſchlagen.
Der Thron, oder vielmehr der Parade - Stuhl, welcher den Thron bedeuten ſoll, ſtehet un - ter dieſem Dais, und wird wenn ein Ambaſſa - deur Audientz ertheilet, zu rechte geruͤcket, er wird aber niemanden ſich darauf zu ſetzen præſentiret, ſondern iſt gleichſam dem Souverainen alleine vorbehalten. Auſſer der Audientz ſtehet er ver - kehret gegen die Mauer, damit diejenigen welche ſolche Zimmer betrachten, nicht irgends aus Cu -rioſité238EuropaͤiſchesCurioſité oder Inſolentz ſich darauf ſetzen, und dieſen Sedem Sacram profaniren.
Das Portrait des Souverains wel - ches zwiſchen dem Baldachin und Parade - Stuhl, meiſtens nur in Form eines Bruſt-Bildes erhoͤhet zu ſehen, præſentiret die Perſon des Souverainen, gleich als waͤꝛe ſelbige gegenwaͤꝛtig. Dannenhero man auch ſelbigem im ſitzen nicht leicht den Ruͤcken zuwendet, und niemand in das Zimmer, wo das Bildnuͤß eines regierenden Potentaten befindlich, mit bedecktem Haupte (die Ambaſſadeurs ausgenommen) erſcheinen darff, im fall eꝛ nicht reprimandiret werden will.
Das Tiſch-Service, welches à l’ordi - nair von Silber und ſehr vergoldet, ſelten aber von Maßiv Golde, wird zu weilen dem Ambaſſa - deur aus des Souverainen Silber-Kammer mit - gegeben, und ſodann findet man auf ſelbigem des Principalen Wapen geſtochen. Zu weilen aber hat auch ein Ambaſſadeur ſein eigenes, welches er mit ſeinem Wapen bezeichnen laͤſſet.
Die Quarde-Robe iſt das Behaͤlt - nuͤß, in welchem man des Ambaſſadeurs Kleidung und koſtbahren Hauß-Rath verwahret, woruͤber ein eigener Officiante beſtellet, welchen man Quarda Robe nennet.
Die andere Magnificentz eines Am - baſſadeurs erſcheinet aus ſeiner Tafel, denn weilein239Hoff-Ceremoniel. ein ſo hoch Characteriſirter Miniſter, ſich in allen Stuͤcken von Leuten minderer Condition zu di - ſtingviren hat, ſo ſchicket es ſich nicht, daß er bey geſchloſſener Tafel, und in obſcuro ſpeiſe, ſon - dern er muß liberal ſeyn, und publique Tafel halten, und entweder Perſonen ſeines gleichen, oder doch ſolche die er ſeines Tiſches wuͤrdig ach - tet, mit ſich zu Tiſche ſitzen laſſen.
Man findet demnach bey jedem Am - baſſadeur meiſtens fuͤnfferley Tafeln, darunter
Die dritte Magnificentz eines Am - baſſadeurs ſiehet man in ſeinen Domeſtiquen, darunter
Die vierdte Magnificentz beſtehet in der Equipage eines Ambaſſadeurs, und nahment - lich:
Die Diligentz des Herrn Ambaſſa - deurs weiſet ſich darinnen, daß ſelbiger
Weil die Ambaſſadeurs extraordi - nairs denen Ordinairs vorgezogen werden, als muͤſſen wir auch allhier jene dieſen vorſetzen, und zuerſt von ihnen handeln.
Ein Extraordinair-Ambaſſadeur wird geſendet,
Dieſe Ambaſſadeurs extraordinairs, ſind ratione
Wenn es ſich fuͤget, daß ein Ambaſſa - deur extraordinair mit einem Ordinairen in ei - nem Orte concurriren, ſo hat man acht zu geben,
Q 51. Ob250EuropaͤiſchesMit den Geſandten des Pabſtes hat es eine gantz beſondere Bewandnuͤß. Denn wenn er einen Legatum à latere, welcher eben ſo viel als ein Ambaſſadeur extraordinair, an einen Ort ſendet, wo er ſchon ſeinen Nuntium hat, (welcher mit dem Ordinair-Ambaſſadeur uͤbereinkommt) ſo kan der Nuntius keine Function ratione der Sendung verrichten, ſondern ſelbige iſt ſo lange ſuſpendiret, biß der Legatus à latere wieder hinweg iſt, und dann reviviſciret ſie poſtlimi - nio, und hat es keines neuen Creditives und In - ſtruction von noͤthen.
Bey Concurs zweyer weltlichen Am - baſſadeurs, nemlich eines Ambaſſadeur extra - ordinairs und ordinairs von einem Souverain, verrichtet ein jeder die Affaire ſo ihme anbefohlen, ſeparatim.
Wenn ein Potentate ſelten oder nie - mahlen einen Ordinair-Ambaſſadeur, ſondern nur zu weilen, und im hoͤchſten Nothfall, einen Extraordinairen an einen Potentaten ſendet, ſo thut der andere ein gleiches, weil man es ſich fuͤr einen Schimpff haͤlt, wenn man nicht einen Or - dinair-Geſandten abſendet. Dannenhero Franckreich den Duc d’Eſtrée faſt gantzer zehen Jahr in Rom, und alſo wieder alle Gewohnheit, als einen Extraordinair-Ambaſſadeur hielte, weil der Pabſt mit welchem er in Differentz war keinen Nuntium in Franckreich ſendete.
Es kan ſonſten aus einem Extraordi - nair ein Ordinarius, und Vice-Verſa gemachet werden, welches changement, zu Vermeidung der Reiſe-Unkoſten, gar offt geſchiehet.
Die Ordinair-Ambaſſadeurs ſind die - jenigen, welche nicht nur zu einem eintzigen Actu, und conſequenter auf eine kurtze Zeit, ſondern zu Verrichtung vieler oder langer Affairen, und auch auf eine geraume Zeit, an dem Hofe eines Souverainen gleichſam Reſidentz zu machen, ge - ſendet werden.
Derer meiſte Verrichtung iſt:
Es haben zwar nun alle Souverains oder die ihnen gleichen, das Jus Legationis, allei - ne es enthalten ſich doch einige von Sendung der Ambaſſadeurs, und dieſes thun ſie darumb,
Dannenhero obgleich der Koͤnig in Franckreich und Spanien ihre Ordinair-Am - baſſadeurs bey den Schweitzern, zu Bezeugung ihrer Hoheit und Reichthum halten, ſo ſenden doch die Schweitzer hingegen nur Envoyés nach Madrit und Paris, weil ſie Unkoſten erſparen, und keinen Diſput wegen des Ceremoniels anfan - gen wollen, maſſen man weiß, daß die Souverains in Europa mit den Schweitzern gar ſchlechte Ce - remonien machen, wovon man ein gantz neues Exempel in verfloſſenen 1712. Jahre, Monath Novembr. zu Regenſpurg geſehen. Denn als der Canton Zuͤrich und Bern an das CorpusEvan -253Hoff-Ceremoniel. Evangelicum Plenipotentiarios ſendeten, ent - ſtund die Frage, mit was fuͤr einem Ceremoniel man ſelbige annehmen ſolte. Die Electorales meinten, daß ſie den Schweitzern, ſo gar auch in ihrem Qvartier, nicht die Hand oder Stelle ge - ben koͤnten, die Fuͤrſtlichen aber erklaͤreten ſich gleichwohl, daß man ihnen als Stands-Perſo - nen und Cavalliers von einer freyen Republic geſendet, die Ehre anthun und ſie bey der Stiegen empfangen koͤnte. Alſo auch wird ein Reichs - Fuͤrſt (auſſer Luͤneburg und Neuburg und einige andere) nicht leicht einen Ambaſſadeur an einen Churfuͤrſten oder Koͤnig ſenden, weil man ihnen den Titul Excellentz zu geben weigert. Der Pabſt ob er gleich ſeine Nuntios, (welche man den Ordinair-Ambaſſadeurn gleich achtet) nach Turin und Genua ſendet, ſo ſiehet man doch nie - mahlen von dieſen zweyen wieder einigen Ambaſ - ſadeur in Rom, ſondern nur Envoyés, weil man ihnen die Stelle, welche ſie in der Paͤbſtl. Capelle zu haben prætendiren, nicht einraͤumen will.
Nicht weniger Streit giebet es, wenn einer mehr als einen Ambaſſadeur ſendet, ſie ſeyn Ordinairs oder Extraordinairs: denn da will man zu Zeiten nur einen mit dem Charactere, nicht aber alle zwey oder drey beehren; Nun aber iſt bekandt, daß die Hollaͤnder wegen ihrer Pro - vintzen ſtets mehr als einen ſenden, wenn ſie ſon - derlich Frieden ſchlieſſen wollen: andere Poten -taten254Europaͤiſchestaten thun ein gleiches, wie man ſo wohl bey dem Rißwigiſchen, als auch itzt unter Haͤnden ſchwe - benden Utrechtiſchen Friedens-Congreß erſehen kan: auf welchem Engelland den Biſchoff von Briſtol, den Graff Staffort ꝛc., Franckreich auch drey geſendet hat. Allein weil die Ambaſſadeurs ihre Præeminentz nicht intuitu deſſen an welchen, ſondern von welchem ſie geſendet werden, haben, auch derjenige an welchen man ſie ſpediret, dem Sendenden nicht vorzuſchreiben hat, wie viel er Ambaſſadeurs ſchicken will, ſo hat man endlich drein willigen muͤſſen, alle pro talibus zu erkennen und zu tractiren, pro qualibus ſie ihr Principal abgeordnet. Sonderlich iſt in der Capitulation Caroli VI. §. 5. p. m. 5. denen Churfuͤrſten ex - preſſe vorbehalten worden alle ihre cum Chara - ctere abgeordnete Ambaſſadeurs, pro talibus zu erkennen, wie man dann auch ſchon in gar alten Zeiten ſtets mehr als einen Geſandten an aus - wertige Koͤnige zu ſenden pflegen. Jn dem Roͤm. Reich iſt bey den Wahl-Tagen hierinnen noch was eigenes: denn obgleich ein Churfuͤrſt zwey oder drey Geſandten dahin ſenden mag, ſo wird doch nur einer in dem Conclavi pro tali erkennet, und zur Votation admittiret, die andern aber muͤſſen davon weg bleiben.
Ob nun gleich das Axioma politicum alſo lautet: Quod dignitas realis præferatur fictæ, ſo haben doch die Koͤnigl. und auch Chur -fuͤrſtl.255Hoff-Ceremoniel. fuͤrſtl. Ambaſſadeurs dieſe Prærogative, daß ſie allen andern Fuͤrſten in Perſon, ſie moͤgen inner oder auſſer Deutſchland ſeyn, vorgehen, nur bloß diejenigen Fuͤrſten (und derer Ambaſſadeurs) ausgenommen, welche recht tituliret, gekroͤnte, re - gierende Koͤnige, Koͤnigl. Wittwen oder Pupil - len, denen die Regierung, ſo bald ſie ihr gebuͤhren - des Alter erreichet, zu fuͤhren zuſtehet, ſind; denn ſolchen Fuͤrſtl. Perſonen, und deren Ambaſſa - deurs die Churfuͤrſten und ihre Ambaſſadeurs nachgehen. vid. Capitul. Caroli VI. §. 3. p. m. 5. Es haben zwar die uͤbrigen Fuͤrſten des Reichs, welche von alten Herkommen und Macht, ſchon An. 1653. getrachtet es dahin zu bringen, daß ihre Ambaſſadeurs den neugemachten Fuͤrſten, wenn ſie etwan in Perſon gegenwaͤrtig, auch vor - gezogen werden moͤchten, allein es iſt ihnen da - mahlen, und noch biß dato abgeſchlagen worden.
Es iſt auch zu Zeiten die Frage entſtan - ſtanden: Ob, wenn ein Ambaſſadeur irgends in eine Kranckheit verfiele, oder ſonſten durch etwas verhindert wuͤrde, ſein Subſtitutus eben den Vor - zug fuͤr andern haben muͤſte, welcher dem Subſti - tuenti gebuͤhret? Welches wohl nicht anders als dergeſtalt und mit Diſtinction kan beantwor - tet werden: Entweder es hat ein Ambaſſadeur in ſeiner Inſtruction die Clauſulam ſubſti - tuendi
1. Sim -256EuropaͤiſchesAuf den erſten Fall kan ſein Subſtitutus nicht den Rang des ſubſtituirenden Ambaſſadeurs prætendi - ren, wohl aber in dem andern Fall.
Wir haben oben in dem dritten Capitel angemercket, in was fuͤr Stuͤcken ein Ambaſſa - deur und ein Envoyé mit einander uͤbereinkom - men, da dennoch allhier beygefuͤget zu werden uͤbrig, daß ratione finis oder der Etats-Affairen ein Envoyé alles dasjenige ſo gut verrichten kan, was man einem Ambaſſadeur zu negotiren auf - traͤget, ſo daß die differentia ſpecifica dieſer beyden nur bloß im Charactere, und dem daraus flieſſendem Ceremoniel beſtehet.
Sie ſind demnach ſo gut Perſonæ pu - blicæ als der Ambaſſadeur, und ob ſie gleich kei - nen Characterem repræſentativum und groſ - ſes Ceremoniel haben, ſo ſind ſie doch vielmahl in ihrer Auffuͤhrung, Logement und Tafel, nicht viel weniger magnific als mancher Ambaſſadeur.
Ob die Art ihrer Charge aͤlter oder juͤn - ger als der Ambaſſadeurs, oder vice verſa, iſteine257Hoff-Ceremoniel. eine curieuſe Quæſtion, welche pro und contra zu diſputiren, einen unter ihnen, und uns allen zu - ſammen, zu nichts nutzen, hingegen vielmehr ſchaden wuͤrde. Dieſes aber iſt noͤthig zu wiſſen,
Die Urſachen daß ſich die Souverains derer bedienen, ſind entweder daß man
Der Unterſcheid eines Envoyé von ei - nem Ambaſſadeur beſtehet ungefehr darinnen, daß jener
Ob nun zwar zu Zeiten geſchiehet, daß ein Ambaſſadeur
Wer da weiß, wie weit ein Deputirter von einem Agenten (welche beyde unten auch er - wehnet werden ſollen) unterſchieden, der wird ſich auch gar leicht eine ideam machen koͤnnen, wie ein Envoyé und Reſidente von einander diſtingvi - ret ſind.
Hieraus iſt wohl zu ſchlieſſen, daß ein Reſident ſelten etwas mehreres verrichten koͤnne, als ſuppliciren, ſollicitiren, erinnern, referiren, eſpioniren, und das Intereſſe ſeines Herrn ob - ſerviren. Dannenhero diejenigen, welche le Re - ſident und l’ Envoyé ordinair mit einander zu confundiren pflegen, ihre Unwiſſenheit, welche ſie in regard derer Etats-Bedienten haben, zeigen. Deñ obgleich an einigen Hoͤfen die Ordinair-En - voyés oͤffters nur Reſidenten genennet werden, ſo iſt doch dieſe Benennung gantz abuſiva, und wird nur in oppoſition eines Envoyé extraor - dinair alſo genennet, dahingegen ein formaler Reſident von der Qualification eines Envoyé nichts participiret, auſſer dem daß er ein Miniſter publicus iſt.
Man nimmt demnach zu dergleichen Char - ge ſelten oder gar niemahlen Leute von adlicheꝛ Ge - burth, oder ſolche welche in dem Hofe ihres Prin -cipa -261Hoff-Ceremoniel. cipalen eine denen Cavalliers gebuͤhrende Stelle bekleiden: ſondern weil derer appointement gar ſchlecht, meiſtens nur in den Handel-Staͤdten reiche Kauffleute, oder auch wohl gar Juden, die ſich mit dem bloſſen Titul, ohne Beſoldung be - gnuͤgen laſſen; in den Hoͤfen aber der Souverainen haͤlt man einen Gelehrten, oder der von der Feder Profeſſion machet, und im uͤbrigen gute Notitz des Hoffes hat, wo er ſich befindet. Meiſtens ge - ſchiehets auch, daß wenn ein Ambaſſadeur oder Envoyé von ſeinem Principal zuruͤcke geruffen wird, man ſeinen Secretair als Reſidenten hinter - laͤſſet, damit man gleichwohl in Abweſenheit ſol - cher Miniſter jemanden habe, welcher was paſſi - ret, berichtet, oder was man ihm injungiret, ſol - licitiret. So iſt es auch nichts ungewoͤhnliches, daß ein Envoyé, (Ambaſſadeur) und Reſident, welche beyde von einem Herrn dependiren, zu gleicher Zeit ſich an einem auswaͤrtigen Hofe be - finden koͤnnen: ſonderlich aber halten die kleinen Fuͤrſten in dem Kayſerl. und den Hoͤfen ihres glei - chen, Reſidenten.
Die Republiquen nun nehmen es zwar eben nicht ſo genau, ob ein Potentat Envoyés oder Reſidenten zu ihnen ſchicket: allein die Sou - verains leiden dieſe Leute nicht allzugerne umb ſich, weil es ihrer Hoheit nicht anſtaͤndig ſeyn will, Leute welche ohne allen Character und Splen - deur, in ihren Hoͤfen unter andern anſehnlichenR 3Mini -262EuropaͤiſchesMiniſtris paſſiren zu laſſen: ſondern ſie wollen lieber Envoyés ordinairs haben, wie denn der Churfuͤrſt zu Trier, als man ihm einen Frantzoͤſi - ſchen Reſidenten zuſenden wolte, ſolches depre - cirte, und expres einen Envoyé zu haben præ - tendirete.
Die Alten haben dergleichen Leute, weil ſie ſelbige fuͤr eſpions gehalten, in ihren Reichen und Republiquen nicht admittiren wollen, und die Doctores Jur. gent., darunter der vortreffli - che Grotius lib. 2. c. 18. §. 3. n. 2. meinet, daß man ſelbige mit allem Recht abweiſen koͤnte, deſſen Worte ſind folgende: Optimo autem Jure re - jicı poſſunt, quæ nunc in uſu ſunt, Legationes aſſiduæ, quibus quam non ſit opus, docet mos antiqvus cui illæ ignoratæ.
Jedoch aber laͤſſet ſich ſo ſimpliciter nicht ſchlieſſen, daß weil die Alten ſolche Leute nicht gebrauchet oder nicht zugelaſſen, man ſie deswegen heut zu Tage auch ſo gleich verwerffen muͤſſe. Denn daß man bey den Alten Legatos auf kurtze Zeit und ad unum Actum, nicht aber auf immer, wie heut zu Tage Reſidenten, geſen - det, ſolches iſt damahlen Juris gentium geweſen. Nun aber iſt dieſes Jus mutabile, und ſind die heutigen Potentaten alſo an das Verfahren der Alten nicht zu binden. Conſvetudo enim con - ſvetudine contraria tollitur, ſo daß Puffen - dorff in ſeinem Tractat de ſtatu naturali garrecht263Hoff-Ceremoniel. recht lehret: daß weil zwiſchen zweyen Republi - qven manchmahl Negotia fuͤrfallen, welche ab - zuthun es zu koſtbahr fallen wuͤrde, allererſt Lega - ten zu ſenden: uͤber dieſes auch noͤthig daß eine Republic wiſſe, was in der andern zu ihrem beſten oder Nachtheil vorgenommen werde; ſo habe die - ſe Curioſitaͤt nunmehro kein Offenſum bey ſich, weil die moratiores gentes mutuo quaſi con - ſenſu dergleichen Reſidenten zu ſchicken und anzu - nehmen ſich vergliechen.
Es pfleget zuweilen zu geſchehen, daß man in einem Paſſeport und Creditiv den Spe - cial-Character eines Miniſtri, umb allen Diſput zu vermeiden, mit ſeinem eigenen Nahmen (Am - baſſadeur oder Envoyé) nicht nennen will, und demnach hat man einen General-Titul, nemlich der Plenipotentiariorum erdacht.
Derſelbe iſt nun ſo wohl mit dem En - voyé als Ambaſſadeur compatibilis, maſſen ein jeder Ambaſſadeur oder Envoyé auch zu - gleich ein Plenipotentiarius, nicht aber recipro - ce ein jeder Plenipotentiarius ſo gleich ein Am - baſſadeur oder Envoyé ſeyn kan.
Wenn man demnach dieſe Art der Mi - niſtrorum beſchreiben wolte, ſo koͤnte man ſagen: daß ein Plenipotentiarius in functionibus pu -R 4blicis264Europaͤiſchesblicis derjenige ſey, was in functionibus pri - vatis ein mandatarius oder procurator cum libera, oder wenigſtens ein generalis iſt. Aus dieſer Paritaͤt des procuratoris mit dem Pleni - potentiario erwaͤchſet folgende Definition des letztern; Daß er ein mit einer Vollmacht und Inſtruction zu einem oder mehrern Negotiis von ſeinem Principal verſehener Miniſter, ohne alle genennete Dignitaͤt und Character ſey: denn der Nahme Pleni - potentiarii iſt nicht nomen dignitatis ſondern poteſtatis.
Man ſiehet bald hieraus, daß man bey dieſen Leuten mehr auf ihre Verrichtung, als das ihnen gebuͤhrende Tractament acht zu haben, doch muß man ihnen alle ex Jure gentium einem Legaten zuſtehende Inviolabilitaͤt und Immuni - taͤt einraͤumen.
Es ſcheinet nun zwar, daß ein Plenipo - tentiarius das Mittel zwiſchen einem Ambaſſa - deur und etwas weniger als dieſer, und zwiſchen einem Envoyé, und mehreres als dieſer ſeyn ſolle; allein dieſes Mittel iſt nicht allemahl in medio relictum, maſſen man oͤffters ſo wohl einem Am - baſſadeur als Envoyé zugleich den Plenipoten - tiariatum anfuͤget, und in denen Creditiven ſe - tzet: unſerm Ambaſſadeur (oder Envoyé) und Plenipotentiario; da denn das erſtere Wort,die265Hoff-Ceremoniel. die Wuͤrde, das andere die Verrichtung expri - miren.
Wenn man aber einen bloß in der Qua - lité eines Plenipotentiarii abſendet, ſo iſt er we - der Ambaſſadeur noch Envoyé, und iſt die Art dieſer Miniſtrorum meiſtens aus zweyerley Urſachen entſtanden:
Hieraus koͤnte man einiger maſſen ſchlieſ - ſen, daß die Plenipotentiarii mehr von dem Character eines Ambaſſadeurs als Envoyé participiren moͤchten.
Dieſe haben einige Gleichheit mit denSyn -267Hoff-Ceremoniel. Syndicis, weil ſie einer gantzen Nation, gleich - wie jene einem gantzen Collegio, zum Dienſt, und Beſten der Republic, in auswertigen Orten, ſonderlich aber in den groſſen Handels-Staͤdten ſich aufhalten: dannenhero man ſie auch von der gantzen Nation zu nennen pfleget v. gr. der Fran - tzoͤſiſche, der Hollaͤndiſche ꝛc. Conſul.
Diejenigen welche zu dieſer Function emploiret, ſind meiſtens Kauffleute, weil ſie hauptſaͤchlich das Intereſſe der Negotien ihrer Nation befoͤrdern ſollen.
Derer Amt beſtehet ungefehr darinnen, daß ſie
Es giebet ihnen demnach der Souve - raine, oder die Republic derer Unterthanen ſie ſind,
Jm uͤbrigen ſind ſie ſo wohl in crimina - libus als civilibus demſelben unterworffen, in deſſen Lande ſie ſich aufhalten, und genieſſen gar keiner perſonal-Freyheit oder Exemption, auſ - ſer daß ſie in einigen Orten exempt ſind, diejeni - gen Impoſten ſo andere Kauffleute zahlen muͤſ - ſen, zu erlegen, und man ſie’ von andern gemeinen Kauffleuten in Ehren-Bezeugungen diſtin - gviret.
So wohl die Venetianer als Hollaͤnder haben verſuchet, ihrem Conſul an einigen Orten dergleichen Exemption und Authoritaͤt, als die Reſidenten zu genieſſen pflegen, zu verſchaffen; alleine es iſt keinem unter beyden in keinem Orte gelungen.
Dieſes ſind eigentlich und juſt zu reden Leute, welche die Staͤnde bey ihrem Ober-Hauptehalten269Hoff-Ceremoniel. halten, derer Anſehen wohl nicht gar ſonderlich, ihre Function aber darinnen beſtehet, daß ſie Sup - plicationes machen, Beſcheide ſollicitiren, und Relationes an die, von welchen ſie ihre Beſtal - lungen haben, verfertigen.
Sie muͤſſen demnach etwas mit aus der Schule gebracht haben, oder durch die Praxin in denen Dingen ſo ſie verwalten ſollen, Erfah - rung uͤberkommen haben, wie man denn an vielen Orten gelehrte und verſtaͤndige Agenten, im Ge - gentheil aber auch bißweilen miſerable Zeug mit unter findet.
Jhr Amt zu verwalten, muͤſſen ſie hur - tig, geduldig, und auch zugleich etwas unver - ſchaͤmt, und nicht empfindlich ſeyn: maſſen ſie nicht ſelten von denen Miniſtris hart angefahren und reprimandiret werden.
Es halten aber nicht nur die Staͤnde bey ihrem Superiori, ſondern auch wohl Souveraine bey ihres gleichen und geringeren ihre Agenten: wenn ſie etwas zu verrichten haben, welches der Unkoſten nicht werth waͤre einen formalen Mini - ſter alldort zu haben: und dieſe Art der Agenten ſind meiſtentheils mit zu eſpioniren abgeordnet.
Eine oder die andere Art von Agenten hat keinen Characterem, bekommt auch keine literas credentiales, ſondern nur commen - datitias von ſeinem Principal; Sondern es iſt einbloß270Europaͤiſchesbloß Officium welches ſie verwalten: ſie koͤnnen auch wedeꝛ bey einem Fuͤꝛſten, eꝛ ſey nun denen von denen ſie dependiren ſuperior oder æqualis, oder auch bey einer Republic etwas mit Nachdruck ſchlieſſen, wenn man ſie nicht mit einem Special - Mandat daruͤber ausgeruͤſtet. Spanien ob es gleich in ſeinem Reiche keine Juden duldet, hat doch vielmahlen zu Conſtantinopel einen Agenten der ein Jude, dergleichen andere Potentaten auch dann und wann zu thun pflegen.
Weil ſie nun keinen Characterem, und keinen Theil an den Juribus Legatis ex Jure gentium competentibus haben, ſo folget daß ſie von der Jurisdiction deſſen, bey dem ſie ſich auf - halten, nicht eximiret. Welches, wie es bey denen Agenten, welche a Statibus ad ſuperiorem geſen - det werden, gar keinen Zweifel hat, alſo giebet es bey denjenigen, die von einem andern Souverain, als derſelbige iſt bey dem ſie ſich aufhalten, de - pendiren, in hoc paſſu ein Majus & Minus. Deñ wenn ein Agente ein delictum begienge, ſo hat es derjenige in deſſen Territorio es geſchehen, ab - zuſtraffen, und wenn er es beſtraffet, thut er da - durch nicht wieder das Jus gentium. Jedoch wenn der Agente von einem potentiori oder a - mico dependiret, thut der Dominus territorii beſſer, daß er das delictum an den Principal be - richtet, und dafern ſich ſelbiger erklaͤret, den De - linquenten gebuͤhrend abzuſtraffen, ſelbigen ſo dann zuruͤcke ſchicket.
Jn zwiſchen muß man ſie doch conſide - riren als Aulicos und Domeſtiquen deſſelbigen Printzen oder Republic, von welcher ſie abgeord - net worden, und ihnen dergleichen Deferentz thun, daß ihre Principalen nicht choquiret werden.
Es iſt zwar ſchon im vorhergehenden ſech - ſten Capitul einiger maſſen von der Function ei - nes Secretarii Meldung geſchehen, hier aber wird noch zu betrachten ſeyn, daß es zweyerley Secre - tarios giebet.
Dieſe Legations-Secretarii nun, von welchen hier hauptſaͤchlich die Rede, empfangen
Die Venetianer haben dieſes ins beſon - dere, daß ſie allezeit nebſt ihrem Ambaſſadeur auch zugleich einen Secretarium des Senats ſen - den, welchen der Ambaſſadeur zu allen Audien - tzen und Conferentien mit nehmen muß, und ohne denſelben nichts ſchlieſſen kan; jedoch bede - cket ſich dieſer nicht, und ſitzet auch nicht bey den Audientzen gleichwie der Ambaſſadeur, ſondert bleibet unbedeckt und ſtehend: wenn aber dieſerSecre -273Hoff-Ceremoniel. Secretair alleine erſcheinet, wird ihm ein Stuhl gegeben, und faͤhret auch in Begleitung vieler Be - dienten. Die Secretarii aber, ſo von andern Potentien dem Ambaſſadeur zugeordnet wer - den, darff er eben nicht mit zu der Audientz, noch weniger in die Conferentz nehmen, in welcher ſie auch die andeꝛn Ambaſſadeurs vielmahl nicht ad - mittiren wuͤrden. Wenn auch ein Nuntius nach Pariß kommt, werden ihme von dem Koͤnige ein oder zwey Secretarii zugeordnet, ſo Frantzoſen von Nation oder doch Frantzoͤſiſche Unterthanen ſind.
Je weiter nun ein Potentat ſeinen Am - baſſadeur oder Envoyé von ſeinem Lande zu ei - nem fremden Potentaten ſendet, v. gr. Franck - reich nach den Tuͤrcken, Pohlen nach Spanien ꝛc. je gewoͤhnlicher und noͤthiger iſt es, daß man ihm einen Legations-Secretair zuordnet: damit, wann der Ambaſſadeur kranck wuͤrde, oder wohl auch gar verſtuͤrbe, die Legation nicht unterbro - chen, ſondern von dem Secretario continuiret werde: ja es geſchiehet nicht ſelten, daß ſolche Se - cretarii das Kamp-Rad der Uhr, der Ambaſſa - deur aber nur der Weiſer iſt, welchen jenes, daß er recht gehe, treibet.
Dieſes ſind Abgeſandten, welche ein Lan -Sdes274Europaͤiſchesdes-Fuͤrſt, oder auch eine andere hohe Obrigkeit an ſeine Unterthanen, entweder auf derer Anſu - chen, oder auch freywillig ſendet. Dieſe haben ihre Autoritaͤt nicht ex jure gentium ſondern ex Jure Civili.
Sie ſind entweder
Unter allen Arten der Commiſſario - rum iſt wohl keiner vornehmer als der Commiſ - ſarius Imperatoris auf den Reichs-Tag nach Regenſpurg, welches noch an. 1712. Jhro Emi - nentz der Cardinal von Lamberg und Biſchoff zu Paſſau war, nachdem aber ſeine Eminentz An. 1712. am 7. Novembr. Todes verblichen, iſt Jhro Durchlaucht. der Fuͤrſt von Loͤwenſtein - Wertheim von Jhro Majeſtaͤt dazu denomini - ret worden, und hat ſeine Function im Decemb. ſelbigen Jahres angetreten, von welchem Herr Reichs-Hoff-Rath Lyncker eine beſondere Diſ - ſertation, derer Titel de Commiſſario Imperiali, heraus gegeben.
Ein von einem Landes-Fuͤrſten abgeſen - deter Commiſſarius iſt dem Range nach (ſo lan - ge ſeine Commiſſion dauret) mehr als der groͤſ - ſeſte Magiſtrat oder Stand, welchen der Landes - Fuͤrſt in ſeinem Territorio hat, im fall er nur an den Magiſtrat, oder Staͤnde, immediate abge - ſendet worden: woraus erhellet, daß ſolche hohe Commiſſarii etwas von dem Charactere re - præſentativo participiren, und folgentlich einS 2groſ -276Europaͤiſchesgroſſes und dem Ambaſſadeurs gemaͤſſes Cere - moniel prætendiren, wie dann nur erſt zu An - fang dieſes Jahres von Augſpurg verlautete, daß Jhro Durchl. der Kayſerl. Principal-Commiſ - ſarius zu Augſpurg ſeine Ruͤckkunfft von Muͤn - chen deswegen verzoͤgert, umb ſich mit Jhro Ho - heit dem Koͤnigl. Pohlniſchen und Chur-Saͤchſi - ſchen Chur-Printzen, als welcher von ſeiner Reiſe aus Jtalien ſich nach Augſpurg begeben hatte, wegen des Ceremoniels nicht in embarras zu ſe - tzen, wiewohl es dieſer Præcaution, nachdem ſich hochgedachter Printz incognito und in der Qua - lité eines Graffen von der Laußnitz daſelbſt auf - gehalten, nicht beduͤrfftig geweſen waͤre.
Aller Commiſſariorum Authoritaͤt, ſo groß ſelbige ſeyn kan, erſtrecket ſich nicht weiter als biß an die Graͤntzen des territorii des Ab - ſendenden Fuͤrſten oder Souverains: wann aber ſelbige in ein fremdes Territorium geſendet wer - den, ſo verliehren ſie dieſen Nahmen, und muͤſſen entweder Reſidenten, oder Envoyés, oder Am - baſſadeurs heiſſen. Dannenhero noch zu unter - ſuchen ſtuͤnde, ob in dem Pyrenaͤiſchen Frieden, dem Don Louis d’Haro, und dem Cardinal Ma - zarin, nicht ſo wohl der Titel eines Commiſſarii als Ambaſſadeurs haͤtte koͤnnen beygeleget wer - den, weil die Conferentz dieſer zwey Miniſter, auf dem Grund und Boden jedwedes Principalen geſchahe; allein weil gleichwohl einer und der an -dere277Hoff-Ceremoniel. dere dieſer Potentaten, nicht zu ſeinen Untertha - nen, ſondern zu ſeines gleichen ſendete, und das Negotium einen Frieden betraff, ſo hat man ih - nen die Qualitaͤt der Ambaſſadeurs, nicht aber der Commiſſarien beygeleget.
Unterdeſſen aber, ſo ein oder der andere Souverain jemanden, einen Graͤntz-Streit mit ſeinem Nachbaren abzuthun, ſendet, dergleichen zum oͤfftern zu geſchehen pfleget: ſo ſind dergleichen Abgeordnete nichts anders als Graͤntz-Commiſ - ſarii, unerachret ſie nicht bloß an die Unterthanen, ſondern auch an einem extra fines befindlichen Fuͤrſten geſendet wuͤrden; Deñ weil ſie nicht extra territorium kommen, ſondern ihre Negotia in confinibus zu verrichten haben, wird ihnen kein ander Nahme beygeleget.
Der Krieges-Commiſſarien giebet es unterſchiedene Arten:
Bey der Geiſtlichkeit giebet es auch Commiſſarios, welche zwar ſo wohl den Nah - men als Verrichtung nach, unterſchiedlich. Denn es giebet Vicarios Generales, Officiales, Dele - gatos, welche alle in der That nicht viel anders als Commiſſarii ſind; jedennoch aber hat nur derjenige eigentlich den Nahmen eines Commiſ - ſarii, welcher von dem Biſchoff geſendet oder be - vollmaͤchtiget iſt, in einem Theil der Diœces die Land-Pfarren und Land-Kirchen aus allen Dif - ferentien zu ſetzen, wovon in dem Jure Canoni - co gelehret wird.
Daß man aber diejenigen, welche irgends auf Befehl eines Landes-Fuͤrſten, in ſeinem Landeei -279Hoff-Ceremoniel. einen groſſen Bau zu dirigiren, oder viel Sachen in die Proviant-Haͤuſer einzukauffen, oder auch auſſer Landes etwas einzuſchaffen haben v. gr. Stuͤcke, Holtz zu Maſt-Baͤumen ꝛc., mit dem Nahmen der Commiſſariorum zu belegen pfle - get, ſolches iſt ein Abuſus, uñ hieher nicht gehoͤrig.
Gleichwie derjenige, ſo von einem Lan - des-Fuͤrſten an ſeine Staͤnde und Unterthanen, oder von einem Magiſtrat zu derer Jurisdiction gehoͤrigen Einwohnern geſendete, den Titel eines Commiſſarii; alſo fuͤhret im Gegentheil, ein von den Staͤnden an ihren Landes-Fuͤrſten, oder ein von den Jnwohnern an ihren Magiſtrat abgeord - neter den Nahmen eines Deputati, ſc. Landes - Deputirter, oder Landes-Beſtelter, dergleichen jedwedes Fuͤrſtenthum in Schleſien hat.
Ob nun zwar dieſer Nahme hauptſaͤch - lich denjenigen zuſtaͤndig, welche ab inferioribus ad ſuperiores geſendet werden; ſo findet man doch auch, daß wenn Gleiche zugleich ſenden, die Abgeſendete den Titul der Deputatorum be - kommen, welche Titulatur unter den Hollaͤndern und Schweitzern gar bekandt. Deñ wenn von den erſteren eine oder alle Cantons zu einander ſen -S 4den,280Europaͤiſchesden, oder jene im Haag, dieſe in Baden, ihre Zu - mmenkunfften halten, ſo werden die dazu erkieſete Perſonen Deputirete genennet: und dieſe Arten der Deputatorum, weil ſie von einer an ſich ſelbſt Souverainen Provintz oder Canton, an eine an - dere Souveraine, obgleich in ewigen Bund mit - einander ſtehende Provintz und Canton, geſendet werden, und das Jus repræſentandi Provin - ciam & ſouverainitatem haben, muͤſſen der In - violabilitaͤt und Immunitaͤt ſo gut als die Le - gati, genieſſen.
Man findet auch wohl in vorigen Zeiten Exempel, daß Majeſtaͤtiſche Abgeſandten, der - gleichen von Franckreich der Praͤſident Jeannin, und der Engliſche, beyde zu Zeiten des Spani - ſchen Krieges mit Holland waren, von dem Titul Deputatorum nicht abhorriret, ſondern ſich in den Tractaten, welche ſie untereinander, den Still - ſtand und Frieden zwiſchen Spanien und Hol - land zu befoͤrdern, geſchloſſen, ſich ſelber Deputa - tos genennet: vielleicht darum weil ſie damahlen gleichſam wegen der Alliance ein Corpus formi - ret, und communi Conſilio ihre Literas ver - fertiget.
Jn dem Roͤm. Reich hat es zu unter - ſchiedenen mahlen harte Conteſtations geſetzet: denn weil die Abgeordneten der Staͤnde auf einen Reichs-Tag oder auf einen Conventum publi -cum281Hoff-Ceremoniel. cum, der inner den Graͤntzen deſſelben geſchiehet, von Kayſerl. Majeſtaͤt fuͤr nichts anders als De - putatos koͤnnen angeſehen und gehalten werden, ſo geſchahe 1641. in den Præliminar-Tractaten (des Friedens in Weſtphalen) zu Hamburg, daß man die zu kuͤnfftigem Congreß abzuordnende Miniſtros,
Die auf dem Reichs-Tage zu Regen - ſpurg abgeordnete Miniſtri der Churfuͤrſten, Fuͤr - ſten, und Staͤnde des Reichs, werden mit aller - hand Nahmen per vices, und bald Geſandten, bald Abgeſandten, bald auch Gevollmaͤchtigte, und endlich auch Deputirte genennet: welches letz - tere ſie auch ſind, weil ſie apud ſuperiorem oder ſuperiorem repræſentantem, nemlich dem Kay - ſerl. Commiſſario, und intra fines Imperii er - ſcheinen. Man darff ſich demnach uͤber der Va - riation der Nahmen nicht wundern, weil auch ſo gar in einigen Receſſibus Imperii, als in dem Receſſu de An. 1603. §. 44. dergleichen Ver - miſchung geſchehen, daß man die Legatos cum Charactere nur Abgeſandten genennet.
Man koͤnte auch, ſonderlich in den con - fœderireten Republiqven, als der Schweitz und Holland, die Deputatos ſo wie die Ambaſſadeurs und Envoyés, in ordinarios und extraordina - rios unteꝛſcheiden; maſſen es vielmahl zu geſchehen pfleget, daß eine Provintz oder ein Canton zu dem andern Extra-ordinaire Deputirten abſendet: allein dieſe Theilung hat keinen Nutzen, weil der Ordinair-Deputirte nichts geringer als der Extra-Ordinaire.
Welche wegen der Prærogativa und dem Ce - remoniel, auf fuͤnff Friedens-Congreſſen entſtan - den.
Da denn zuvorhero gewieſen wird, was fuͤr eine Beſchaffenheit es habe mit
GLeichwie es groſſer Præparatorien von noͤthen hat, bevor ein Potentate einen Krieg mit Nachdruck anfangen und hinaus fuͤh - ren kan; gleicher geſtalt laͤſſet es ſich auch nicht ſo bald gradezu einen Frieden ſchlieſſen, ohne daß man zuvor einige Dinge præliminariter abthue, welche ſonſten die Vollziehung des Friedens, wo nicht gar hindern, wenigſtens doch verzoͤgern und ſchwerer machen koͤnten.
Dannenhero iſt noͤthig und gewoͤhnlich, daß die in den Krieg verwickelte Theile, eines das andere erforſche, wie weit es bey inſtehen dem Frie - dens-Schluſſe ſeine Prætenſiones treiben, oder wie viel es von denſelben moͤchte fallen laſſen.
Man ſiehet gar leicht hieraus, von was fuͤr einer Conduite und Circumſpection dieje - nigen, welche die Præliminaria einzurichten ha - ben, ſeyn muͤſſen. Denn weil dieſe Præliminaria doch der Grund des kuͤnfftigen Friedens ſeyn, und dieſes, was dem Frieden am hinderlichſten ſchei - net, aus dem Wege raͤumen, und die Friedens - Bahn baͤhnen muͤſſen; ſo brauchet es gewiß einer politiſchen Prudentz, dieſen Grund dergeſtalt zu legen, daß er bey kuͤnfftigen darauf zu bauenden Frieden nicht wancke.
Man darff aber ja nicht meinen, daß des - wegen der Friede ſo gleich richtig und fertig, ob - gleich die Friedens-Præliminaria von denen dazu erkieſeten Plenipotentiariis unterzeichnet, und von dero hohen Principalen ratihabiret worden. Denn ſo wenig als die Sponſalia de Futuro ein Matrimonium verum & confirmatum zu nen - nen, ſo wenig auch kan man denen Friedens-Præli - minarien den Nahmen eines voͤllig geſchloſſenen Friedens beylegen; maſſen der ſtatus belli, ob ſie gleich geſchloſſen, dadurch nicht aufgehoben: ſon - dern nur etwan zum hoͤchſten ein Waffen-Still - Stand gemacht, die Certatio per vim bey Seitegeſe -286Europaͤiſchesgeſetzet, und angefangen wird, rationibus & Ju - ribus zu diſputiren. Ja es giebet der Exempel zur Gnuͤge, daß der kuͤnfftig zu ſchlieſſende Friede, gar anders abgelauffen, als man es in den Præli - minaribus projectiret und verſichert hatte, wel - ches man, (vieler andern Factorum zugeſchwei - gen) mit der einzigen Stadt Straßburg erweiſen kan; Denn obgleich dieſer Ort in den Prælimi - naribus des Rißwigiſchen Friedens expreſſe, dem Deutſchem Reiche wieder reſtituiret zu wer - den, bedungen und verſprochen worden war: ſo wuſte doch Franckreich ſich, bey dem hernach zu Rißwig geſchloſſenen Frieden, ſo meiſterlich von dieſem Præliminar-Puncte loß zu drehen, daß man ihm ſelbigen Ort laſſen, und einen der beſten Præliminar-Articul, gleich als waͤre er nicht zum Friedens-Grunde geleget worden, uͤberſehen mu - ſte. Noch ein anderer und nicht geringerer Be - weißthum, daß die Præliminaria von einem for - malen Frieden ſehr weit unterſchieden, kan aus der Antwort des Koͤniges in Franckreich genom - men werden, welche er bey den Præliminariis des Rißwigiſchen Friedens gabe. Denn als man von dem Aller-Chriſtlichſtem Koͤnige prætendirte, daß er ſich, auſſer Straßburg zu reſtituiren, noch zu was mehrerem erklaͤren moͤchte, gabe er ſeine Erklaͤrung dergeſtalt: Wenn man alles in den Præliminar-Puncten abhandeln wolte, ſo brau - che es keines ferneren Friedens: nun aber waͤ -ren287Hoff-Ceremoniel. ren die Præliminaria nur ein Acheminement zum Frieden, noch lange aber nicht der Friede ſelbſt.
Man pfleget aber bey Friedens-Præli - minarien meiſtens folgende Puncte abzuhandeln:
Der erſte-Punct gehet daß Haupt-Werck des kuͤnfftig zu ſchlieſſenden Friedens an, als auf welchem der Frieden gleichſam als ein Gebaͤude auf ſeinem Grunde beruhen muß; maſſen ſich die die Streitenden, und nun zu accommodirenden Theile, ſtets darauf beruffen, daß man von ſelbi - gem nicht abweichen ſolle: oder auch, quia pro - miſſum (in Præliminaribus) cadit in debi -tum,288Europaͤiſchestum, nicht koͤnne. Und es iſt ein unfehlbahres Zei - chen, daß wenn man den Præliminair-Puncten nicht ſtricte bey kuͤnfftigem Friedens-Schluß inhæriret, ſondern allerhand Chicanen und ter - giverſationes machet, der Frieden auf der einen Seiten ſchlecht ablauffen werde. Auſſer dieſen ſpecifice verfaſſeten Præliminair-Puncten, wird auch meiſtens ein ſchon vorhero geſchloſſener Frie - de, pro Baſi des wiederum zu ſchlieſſenden genom - men: alſo wolten die Hollaͤnder den Utrechtiſchen Frieden mit Franckreich nach dem Niemaͤgiſchen einrichten; und in Deutſchland wird meiſtens ein jeder Friede nach dem Weſtphaͤliſchen, als wel - cher Ex-fundamentalis worden, projectiret: in dem Randſtaͤdiſchen Præliminaribus aber, hat man den Rißwigiſchen zum Grunde mit geleget.
Uber der Auswehlung eines Orts, in welchem der durch die Præliminarien angefange - ne Frieden, ſolle vollzogen werden, giebet es zu Zeiten harte Conteſtationes: was deſſen Urſache, wird in folgenden Capitul beruͤhret werden, hier aber nur noͤthig ſeyn, ein oder das andere Exempel anzufuͤhren. Der groſſe Weſtphaͤliſche Anno 1648. geſchloſſene Friede, hatte gar ungemeine lange vorhergehende Præliminaria, maſſen ſchon 1634. der Schwediſche Reichs-Cantzler Oxen - ſtiern mit einigen Deutſchen Fuͤrſten zu Franck - furth am Mayn in Deliberation trat, wie und wo ein ſicherer Friede zu ſchlieſſen waͤre. Und derAn. 289Hoff-Ceremoniel. An. 1635. zu Prag zwiſchen Kayſerlicher Maje - jeſtaͤt, und dem Chur-Fuͤrſten zu Sachſen getrof - fene particulair-Friede, ware in regard der an - deren Intereſſenten fuͤr nicht viel anders als eine Præliminair-Convention anzuſehen. Jn dem Anno 1641. zu Regenſpurg gehaltenem Con - ventu, auf welchen man Præliminaria Pacis projectirete, wurde zwar Muͤnſter und Oſnabruͤg zu kuͤnfftiger Friedens-Conferentz auserſehen: al - lein, es war noch weit im Felde, ehe man ſich recht darzu determiniren kunte. Endlich wurde Ham - burg auf inſtaͤndiges Anhalten des Koͤniges von Daͤnnemarck zu den Præliminair-Puncten aus - erwehlet, allwo ſich auch die Daͤhniſchen Pleni - potentiarii zuerſt, hernach die Kayſerl. Frantzoͤ - ſiſchen, und Schwediſchen einfunden; allein weñ man meinete, es wuͤrde nunmehro ein oder der an - dere Punct ſeine Richtigkeit erhalten, fiel doch immer etwas darzwiſchen, welches das abgerede - te gaͤntzlich aufhobe, und wurden gantzer 7. Jahr mit diſputiren zugebracht: biß endlich An. 1641. dieſe Hamburgiſche Præliminaria de dato den 25. Decembr. von Conrad Luͤtzen Kayſerl. und Koͤnigl. Spaniſchen, Claudium, Grafen d’ Avaux Frantzoͤſiſchen, und Johannem Salvium Schwediſchen Plenipotentiarium beſiegelt, un - terſchrieben: unter vielen andern Conditio - nen aber, die Stadt Muͤnſter und Oßnabruͤg zu der Conferentz des kuͤnfftigen Friedens dergeſtaltTbedun -290Europaͤiſchesbedungen worden, daß man den 28. Martii des inſtehenden 1642. Jahres zu dem termino a quo nehmen ſolte. Allein dieſer Tag erſchiene, ohne daß ſich alle Plenepotentiarii der interes - ſirten Potentien einfanden, wurde demnach die Aſſemblée biß auf den 11. Julii des 1643. Jahres prorogiret; aber auch dieſer Termin ruͤckete wiederum vergeblich heran, weil ſich zwiſchen Kayſerlicher Majeſtaͤt und dem Koͤnige in Franck - reich neue Difficultaͤten ereigneten, und immer ein Theil den andern beſchuldigte, daß er den Frie - den mit Fleiß trainire: ward alſo allererſt Anno 1644. dꝛey Jahr nach den zu Hambuꝛg gemachten Præliminarien, der Weſtphaͤliſche Friede an - gefangen. Jn denen, fuͤr dem Pyrenaͤiſchen Frieden vorhergehenden Præliminaribus, kam anfangs Rom in den Vorſchlag, daß man da - ſelbſt den Frieden in forma ſchlieſſen wolte, wie ſich dann auch ſo wohl der Spaniſche als Fran - tzoͤſiſche Ambaſſadeur auf Anhalten Alexandri VII. dahin begeben hatten; alleine die Frantzoſen excipirten wieder dieſen Ort aus zweyerley ge - gruͤndeten oder (quod idem eſt) ungegruͤndeten Urſachen.
Nicht anders gieng es fuͤr dem Niemaͤ - giſchen Frieden her: deñ dieſer Ort war we - der der einige noch der erſte, welchen man zu der Friedens-Conferentz erwehlete, ſon - dern es kam
Es wird in denen Friedens-Prælimina - rien auch abgeredet, und meiſtens richtig gemacht, wer bey kuͤnfftig zu machenden Frieden ſolle ad - mittiret werden oder nicht, und wer in ſelbigen ſolle mit ein, oder auch von ſelbigem ausgeſchloſ - ſen werden. Man findet, daß bey allen Friedens - Schluͤſſen, uͤber dieſem Punct viel Conteſtatio - nes vorgefallen, welche alle hier anzufuͤhren zu weitlaͤufftig, auch unnoͤthig ſeyn wuͤrde: und dem - nach zu unſerm Zweck genung ſeyn kan, nur weni - ge Exempel, zu Beſtaͤtigung deſſen was man avanciret, anzufuͤhren. Jn dem Weſtphaͤli - ſchen Frieden wolte Franckreich durchaus nicht zugeſtatten, daß der Heꝛtzog von Lothringem duͤrffe durch ſeine Plenipotentiarios bey ſelbigen Frie - den erſcheinen: unerachtet Kayſerl. Majeſtaͤt und der Koͤnig von Spanien ſich auf das euſſerſte be -muͤhe -297Hoff-Ceremoniel. muͤheten, gemeldten Hertzog dieſes General-Frie - dens theilhafftig zu machen. Hingegen beſtun - de Kayſerl. Majeſtaͤt, der Koͤnig in Spanien, wie auch die Herren Mediatores wiederum feſt dar - auf, daß man den neuen Koͤnig in Portugal nicht zur Friedens-Conferentz admittiren ſolle, uner - achtet ihn Franckreich, Engelland, Schweden und Holland bereits fuͤr einen rechtmaͤßigen Koͤnig er - kennet hatten. Jn dem Pyrenaͤiſchen Frieden, welcher zwar nur durch zweyer Potentaten, nem - lich des Koͤniges in Spanien, und deſſen von Franckreich zwey Premier-Etats-Miniſtres, dem Don Louis de Haro und dem Cardinal Mazarin geſchloſſen wurde: ware zwar das In - tereſſe der meiſten Europaͤiſchen Souverainen mit eingemiſchet, gleichwohl aber mit dieſer Con - dition; daß man einige nicht zur Conferentz laſſen, andere gar nicht in den Frieden ſelbſt mit einſchlieſſen wolte. Und dieſes Ungluͤck der nicht Admittirung zu der Conferentz, oder auch gaͤntz - lichen Excluſion von ſolchen Frieden, betraff hauptſaͤchlich den Roͤm. Pabſt: unerachtet er al - len Fleiß angewendet, viel Briefe an den Koͤnig von Spanien und Franckreich expediret, und viel Nuntios geſendet hatte, durch welche er ſie zum Frieden ermahnete; allein die Rache des Cardinals Mazarin als eines Cardinals, war ge - gen dem Pabſte, ſein Haupt ſo groß, daß er des Pabſtes mit keinem Worte gedachte. Eben -T 5falls298Europaͤiſchesfalls wurde in dieſem Pyrenaͤiſchen Frieden der Printz von Condé von dem Cardinal Mazarin gleich anfangs in den durch Pimentel in Paris gemachten Præliminarien, von aller Friedens - Participation excludiret: wiewohl man ihme nachmahlen, ob gleich denen Præliminaribus Pacis entgegen, einige Avantage bedunge. Sehr empfindlichen fiele es dem im Exilio damahlen ſich befindlichen Koͤnig von Engelland, Carolo II., daß ob er gleich in eigener Perſon bey denen zwey Plenipotentiariis des Pyrenaͤiſchen Frie - dens erſchiene, und ſein Intereſſe dabey in Obacht zu nehmen bathe: man ihn doch nur mit leeren Worten abſpeiſete, und ſeine Angelegenheiten dem Frieden nicht mit einverleiben wolte. Nicht anders ergienge es dem Hertzog von Lothringen, welcher ob er gleich ſein Leben und Vermoͤgen, lange Jahr zu dem Dienſte des Koͤniges in Spa - nien conſacriret, und uͤber 200. Regimenter aus ſeinen Laͤndern geworben und verlohren hatte: auch von Spaniſcher Seiten zu dem Pyrenaͤi - ſchen Friedens-Congreß war invitiret worden; dennoch nicht erhalten kunte, daß man ihn, als er ankam, zu ſelbigen admittirte, ſondern content ſeyn muſte, daß Spanien ihm die Reſtitution ſei - nes Hertzogthums, jedoch unter vielen Bedingun - gen bey Franckreich zu wege brachte. So wurde auch Portugal, welches ſich doch auf Franckreich verlaſſen und gute Hoffnung bekommen hatte,gleich -299Hoff-Ceremoniel. gleichwohl weder zu der Conferentz gelaſſen, noch auch ihme zum beſten etwas denen Friedens-Ar - ticuln einverleibet. Jn dem zu Rißwig geſchloſ - ſenen Frieden, wurde von denen Frantzoſen ein Axioma oder von ihnen ſo genandte Maxime ge - macht: daß was zu dem vorhergehenden Kriege nicht Urſache und Gelegenheit gegeben, bey dem darauf folgenden Frieden, auch zu Eroͤrterung und Beylegung nicht ſolte vorgebracht werden. Dannenhero ihrer nicht wenig mit ihren beſoin abgewieſen wurden, welche alle zu erzehlen un - noͤthig, maſſen die Sache noch von einem friſchen dato, auch Schrifften genug verhanden, welche davon Meldung thun. Was auch den letzthin zu Utrecht geſchloſſenen Frieden anlanget, ſo iſt ja mehr als zu bekandt, wer, und von wem, eine u. die andere Potentz von dem Friedens-Congreſſe ent - weder wuͤrcklich ausgeſchloſſen worden, oder doch haͤtte ausgeſchloſſen bleiben muͤſſen; ja wo den Zei - tungen, welche anitzo (biß man mit der Zeit etwas gruͤndliches erfahren wird) fuͤr eine vera Hiſtoria gelten muͤſſen, nachzureden; ſo ſind durch die zu Raſtatt zwiſchen Kayſerl. Majeſtaͤt, und dem Koͤnige in Franckreich gemachte Præliminair - Tractaten, und den darauf etwan folgenden Friedens-Congreß, der in des Koͤnigreichs Spa - nien Poſſeß ſtehende Duc d’ Anjou, das Koͤ - nigreich Engelland, die Hollaͤnder, der Hertzog von Savoyen, und Ragozy abgewieſen: bey wel -chen300Europaͤiſcheschen hier angefuͤhrten ſattſamen Exempeln, wel - che unſern Lehr-Satz beſtaͤttigen, man einem je - dem zum Nachdencken uͤberlaͤſt, mit was fuͤr ei - nem Nachdruck, und was fuͤr einem Wort-Ver - ſtand, man dergleichen Frieden dennoch pacem univerſalem nennen koͤnne.
Wird in denen Præliminaribus auch abgehandelt, ob man einen Mediatorem anneh - men, und wen man zu ſolcher eminenten Digni - taͤt erwehlen wolle; weil ſich aber der Unterricht hiervon nicht wohl in einen eintzigen Paragra - phum einſchlieſſen laͤſſet, ſo findet man ſich genoͤ - thiget, ein eigenes und zwar folgendes drittes Ca - pitul davon zu verfaſſen.
Was den Ort, in welchen die Friedens - Handlungen pflegen vorgenommen zu werden, betrifft, ſo iſt man in gar alten und mittleren Zei - ten in deſſelben Wehlung ſo gar ſcrupuleux nicht geweſen, als irgends heut zu Tage: nachdem auch in dieſem Stuͤcke ein Potentate fuͤr dem andern einige Prærogative, und zuweilen auch ſein Inte - reſſe ſuchet. Denn es war den Alten, welche ih - re Etats-Affairen ohne alle Weitlaͤufftigkeit trie - ben, ſchon genung, wenn ſie an einem nicht ſo wohlbeque -301Hoff-Ceremoniel. beqvemen als vielmehr ſichern Orte, ſich zum Frie - den vergleichen kunten: und demnach findet man in denen gar alten Geſchichten, daß man der - gleichen Zuſammenkuͤnffte meiſtens auf denen Graͤntzen vorgenommen, und ſonder groſſen Zeit - Verluſt geendiget.
Nachdem aber heut zu Tage alles auf das Hoͤchſte ſteiget, und die Magnificentz der Sou - verains immer groͤſſer, auch das Etats-Intereſſe in mehrere Intrigues eingewickelt wird: ſo das man dieſen letzteren durch kurtze Conferentz nicht ſo bald abhelffen kan; hat man bevor man ein Friedens-Werck vollfuͤhren koͤnnen, oder wollen, ſich allererſt wegen eines beſondern Handels - Platzes, von welchem der hernach daſelbſt ge - ſchloſſene Friede (wie wir in vorhergehenden Ca - pitul gehoͤret) auch den Nahmen bekommen, ver - gleichen muͤſſen.
Uber Auswehlung dieſer Handels - oder Friedens-Plaͤtze, entſtehet zu Zeiten nicht geringer Diſput, unter denen, zu einer Friedens-Confe - rentz ſchreitenden Partheyen. Denn es machet ſich ein oder der andere Potentate einen point d’ honneur daraus, wenn ſein Feind in ſeinem Lande, oder ja an einem ſolchen Orte, welcher dem Siegenden und Staͤrckeſten am beqvemſten, er - ſcheinen, und den Frieden gleichſam bey ihm ſu - chen muß; zu geſchweigen des Profits, welchen die Unterthanen eines Souverains, und conſe -quen -302Europaͤiſchesquenter auch der Landes-Herr ſelbſt machen kan, in deſſen Stadt und Bezirck dergleichen Friedens-Werck vorgenommen wird; denn die Conſumtion der Lebens-Mittel, wird durch Concours einer ſo groſſen Menge, lauter Koͤ - nigl. Chur - und Fuͤrſtl. Beuteln, ſplendide le - benden Miniſtren und dero Bedienten, ſehr groß: zu mahlen es im̃er einer dem andern an magnifi - quen Tractementen zuvor thun will: zu geſchwei - gen, daß die Miethungen der Logementer denen Ei - genthums-Herren ein groſſes, einem jeden Kauff - mann, Kuͤnſtler und Handwercker aber, nach Pro - portion nicht ein geringes eintragen.
Auſſer dieſer Conſideration, hat man bey Ausſuchung eines zu den Friedens-Handlun - gen beqvemen Ortes, auch darauf Reflexion zu machen, daß ſelbiger von einer ſolchen Situation und Beſchaffenheit ſey, der allen zum Congreß gehoͤrigen Theilen gelegen und ſicher ſey, welche commodité und Sicherheit darinnen beſtehet.
Noch eine Frage (welche unterſchiedene Leute aufgeworffen, aber theils nicht entſcheiden koͤnnen, theils auch nicht wollen, und welche ich zu beantworten, der allerincapableſte) zu geden - cken, wird ſich zu dieſem Capitul wohl ſchicken, und von niemanden fuͤr etwas ausſchweiffendes ge - achtet werden. Man fraget und wundert ſich zu - gleich, warum denn Franckreich, als welches auch in den minderſten nichts, was zu Vermehrung ſei - ner Prærogative und Autoritaͤt gedeyen kan, ver -gißet;309Hoff-Ceremoniel. giſſet; dennoch ſo facil ſey, nicht nur allein die Præliminaria Pacis, ſondern auch ſo gar die formalen Friedens-Schluͤſſe ſelbſt, in ſeiner Feinde Lande einzugehen und zu ſchlieſſen? Hier - auf nun geben einige die Antwort,
Als ein Corollarium dieſes Capitels kan noch, nicht ſo wohl zur Nachricht, als nur viel - mehr zu des hochgeneigten Leſers Nachdencken, beygefuͤget werden: daß die Oerter welche ſonſten nicht ſonderlich bekandt, oder wenigſtens nicht be - ruͤhmt, durch dergleichen Friedens-Schluͤſſe, gleichwie durch die Schlachten, die etwan an ei - nem Orte gehalten worden, in groſſe Bekandnuͤß gerathen. Denn wer wuͤrde von der Faſanen - Jnſul, dem Cloſter Oliva, Rißwig ꝛc. viel Be -kand -311Hoff-Ceremoniel. kandnuͤß haben, wenn ſelbige nicht durch Frie - dens-Schluͤſſe, den Menſchen ins Gedaͤchtnuͤß und ewiges Andencken waͤren eingepraͤget worden?
Es ſind zwar ſo wohl zu alten als auch itzigen Zeiten, unterſchiedene Frieden ohne Adhi - birung eines Mediatoris geſchloſſen worden, woraus erhellet, daß dieſes Amt kein Eſſentiel - Stuͤcke eines Friedens-Schluſſes; und kan ein Mediator ſo dann am meiſten entbehret werden: wenn ein Friede zwiſchen zweyen oder mehreren an Macht gleichenden Partien abzuhandeln iſt. Deñ alsdenn koͤnnen die Forderungen von keiner Seiten gar zu enorme ſeyn; weil ſich einer fuͤr dem andern fuͤrchtet, und die Furcht an ſich ſelbſt einem jeden Moderation genug, ohne Zuthuung eines Mediatoris, an die Hand giebet; die Saͤi - ten nicht zu uͤberſtimmen, ſondern einen Accord, der beyden gefaͤllig, zu treffen.
Wenn aber die ſtreitenden Partheyen entweder an Macht oder Gluͤcke einander ſehr ungleich, der eine des andern Meiſter, und der an - dere ziemlich auf das aͤuſſerſte gebracht worden: und zu befuͤrchten; es moͤchte der Victor bey etwanU 4noch312Europaͤiſchesnoch ferneren gluͤcklichen Progreſſen ſo inſolent werden, daß er dem Gegentheil ungebuͤhrliche Leges vorſchreibe; ſo ſcheinet das Amt eines Me - diatoris alsdenn unentbehrlich zu ſeyn: welcher entweder freywillig oder auch dazu erbethen, die Gemuͤther zu einem Frieden diſponire: oder, da - fern der eine Theil hartnaͤckich ſeyn, und keine Pro - poſitiones annehmen wolte, ſeine Autoritaͤt und Macht zeige: vermoͤge derer er dem ſich accom - modirenden Theile beyſtehen, und den andern zu einen raiſonablen Frieden forciren koͤnne.
Gleichwie nun dieſes Amt eines der glo - rieuſeſten iſt, welches ein Potentat uͤbernehmen kan: maſſen er dadurch unter zweyen, ihm an Wuͤrde gleichen, (auch wohl hoͤhern) welche ſonſt auf der Welt keinen hoͤhern uͤber ſich als GOtt allein erkennen, willkuͤhrlicher Richter, und certo reſpectu, auf eine Zeit ihr Oberer wird; ſo muß er auch von ſolcher Gewalt und Autoritaͤt ſeyn, daß er die Partheyen auseinander ſetzen, und was abgehandelt worden, mainteniren koͤnne.
Weil aber dieſes Amt, und ſonderlich die daran hafftende Quarantie, einem alleine offt - mahlen zu ſchwer: oder denen intereſſirten Par - theyen bedencklich und beſorglich fallen will, ihre Angelegenheiten und die Moderation ihrer Satis - faction und kuͤnfftigen Wohlſtandes, einem ein - zigem anzuvertrauen; ſo findet man, daß bey den meiſten Friedens-Schluͤſſen mehr als einer, unddem -313Hoff-Ceremoniel. demnach zwey, auch wohl drey Potentaten oder Republiqven, zu ſolchem betraͤchtlichen Amte er - wehlet, oder admittiret worden: wie denn in dem zwiſchen Schweden und Daͤnnemarck, A. 1662. geſchloſſenen Frieden, Franckreich, Engelland, und Holland: in dem zu Coͤlln An. 1674. geſchloſſe - nen Frieden aber, Engelland und Schweden, das Amt der Mediation anvertrauet wurde, anderer zur Genuͤge vorhandener Exempel zu geſchwei - gen.
Eines der ſchwereſten und zugleich em - pfindlichſten Dinge, welches bey dem, ſonderlich freywillig angebothenem Mediations-Amt fuͤr - zufallen pfleget, iſt dieſes: daß theils von dem zum Frieden ſich beqvemenden Partheyen ſelbſt, oder auch von einem auserſehenen oder ſich anerbieten - den Mediatore, ein ander, welcher auch dieſer Ehre mit genieſſen will, davon abgewieſen wird. Weil dieſe Excluſion mehr politica in receſſu, und mehr Theil an dem Ceremoniel hat, als die Vielheit der Mediatorum, von welcher in nechſt vorgehender 4. §. Erwehnung geſchehen; ſo iſt es noͤthig, davon etwas umbſtaͤndlicher zu handeln, und einige Friedens-Schluͤſſe, bey welchen dieſer oder jener Potentate von der Mediation ausge - ſchloſſen worden, anzufuͤhren.
Gleich wie man aber nicht einen jeden Potentaten oder freye Republic zu dem Amt ei - nes Mediatoris admittiret; alſo ſind auch nicht alle unter denſelben, zu allen Zeiten geſchickt, daß ſie ſolches hohe und zugleich ſchwere Amt zu uͤbernehmen vermoͤgen, weil ihnen entweder
Was die Religion anbetrifft, ſo iſt wie - derumb darauf acht zu haben:
Der Pabſt nun als das ſichtbahre Haupt der Catholiſchen Kirchen, arbiter conſcientia - rum derer Catholiſchen Potentaten, und wie er ſonſten auch per excellentiam genennet wird, orbis Chriſtianorum Pacator, hat,
Nach und neben dem Pabſt, iſt in Jta - lien die Republic Venedig auch gar geſchickt, dieFrie -327Hoff-Ceremoniel. Friedens-Mediationes zu uͤbernehmen; weil die Venetianer gute Politici, und von dem Intereſſe eines odeꝛ des andeꝛn Stꝛeitenden Theils wohl in - formiret. Deñ ob ſie gleich der Catholiſchen Reli - gion zugethan, auch in ihrem Gebiethe das freye Exercitium (auſſer was in einigen Orten de - nen Juͤden und Griechen eingeraͤumet worden) Religionis, denen Acatholicis nicht verſtatten; ſo haben ſich doch die Proteſtirenden Potentien, dennoch der Religion halber keiner Partheylich - keit von ihnen zu beſorgen: weil ſie das Intereſſe Religionis nicht weiter ſuchen, als ſelbiges zu ih - rem Etats-Intereſſe befoͤrderlich: ja ſo gar be - kand iſt, daß ſie den Pabſt ſelbſt wegen Confor - mitaͤt des Glaubens, in ihrem Territorio nichts zu geſtehen, welches ſie etwan meinen ihrer Frey - heit und Intereſſe nachtheilig zu ſeyn: wie ſie denn mit Leone X. zu Anfang des vorigen Seculi in ei - nen ſchweren Krieg verfallen waͤren, im Fall Henricus IV. in Franckreich ſich nicht ins Mittel geſchlagen, und die Feindſchafft wiederumb in Freundſchafft verwandelt haͤtte. So ware es bey Regierung des Pabſtes Urbani VIII. wegen der Range, und einer in odium der Venetianer zu Rom ausgeleſcheten Schrifft, nahe darbey, daß dieſe Republic mit Paͤbſtl. Heiligkeit auf das neue verfallen waͤre, wenn man ihnen nicht ſchleunige Satisfaction gegeben haͤtte. Ob aber nun gleich der reſpectus Religionis die Venetianer anX 4dem328Europaͤiſchesdem Mediations-Amte nicht hindert; ſo ſind doch gleichwohl Urſachen vorhanden, vermoͤge derer man ihnen die Mediation nicht ohne Unter - ſcheid und allemahl anvertrauen kan. Denn
Die Schweitzer koͤnnen das Officium Mediatoris, zwiſchen zweyen differenter Reli - gion ſeyender Potentien, gar wohl uͤbernehmen; weil ihre Republic ſelbſt aus zweyerley Reli - gions-Verwandten beſtehet, und ſie wohl verſte - hen, wie weit man das Intereſſe Religionis dem Etats-Intereſſe vorziehen, oder nachſetzen koͤnne: auch dabey das Lob fuͤr vielen andern Nationen haben, daß ſie aufrichtig, redlich, ſteiff uͤber ihrer Zuſage halten, und zu keiner Partialitaͤt, es treibe ſie denn die euſerſte Noth darzu, geneiget; welches alles Qvalitaͤten die bey jedem Mediatore befind - lich ſeyn ſolten. Allein ſie ambiren ſolche Wuͤrde nicht, weil ſie ferne von allem Ehrgeitz, und nicht gerne unnoͤthige Koſten machen, welche doch bey einem Mediatore unentbehrlich: auch ſich nicht gerne in anderer Potentaten Haͤndel verwickeln, davon ſie doch als Quaranteurs nicht befreyet bleiben koͤnten; ſondern lieber ruhig ſitzen, und ihrejunge331Hoff-Ceremoniel. junge Mannſchafft umb Geld verkauffen. So tragen auch die Souverains und Potentiores in Europa bedencken dieſen Etat, deſſen Regiment ſo Democratiſch und Populariſch, die Ehre anzu - thun, und ihn zu dem Mediations-Wercke zu em - ploiren: wuͤrde auch endlich denen Schweitzern an Kraͤfften fehlen, die Quarantie zu leiſten; weil es ihnen an den nervo belli, und alſo an dem beſten, nemlich am Gelde fehlet. So daß ihnen ihre Redligkeit, und andere anklebende Geſchick - lichkeit zur Friedens-Mediation, wegen itzt bey - gebrachter obſtaculorum, nicht wohl zu ſtatten kommen kan.
Die Roͤm. Kayſerl. Majeſtaͤt, der Koͤ - nig von Spanien, Franckreich, Engelland, Schweden, Preußen, ꝛc. wie auch die Republic Holland, ſind wegen ihres Potentatus alle faͤ - hig, das Amt eines Mediatoris zu uͤbernehmen; allein man kan einen, oder auch den andern hoͤchſt - gemeldter Potentaten nicht allemahl, wenn man es wuͤnſchet und will, dazu nehmen, bloß und al - lein darumb: weil allemahl einer und der ander, und offters derer viele auf einmahl, in die Euro - paͤiſchen Kriege, directe oder indirecte ver - wickelt, und demnach Pars litigans nicht zugleich Mediator ſeyn kan; es waͤre denn, daß einer oder der andere zum Voraus ſeinen Frieden à parte gemacht (dergleichen Exempel zur Gnuͤge verhanden) und ſo dann, wenn er mit ſeiner Tra -ctation332Europaͤiſchesctation fertig, einem andern auch zu einem billi - gen Vergleich helffe. Allein dieſe Particulier - Vergleiche ſind einem Potentaten, wenn er ſon - derlich mit anderen in Alliance geſtanden, und ſel - bige verlaſſen, zu Erhaltung der Mediation mehr hinderlich, als befoͤrderlich, wovon gar neue Exem - pel vorhanden.
Engelland ins beſondere, welches ſich zu ruͤhmen pfleget, daß es die Bilance zwiſchen den Europaͤiſchen Potentien erhalte, gleichſam das Zuͤnglein in der Europaͤiſchen Wag-Schale, und demnach nicht nur Moderator des Gluͤckes, des einen unter denen kriegenden und des Ungluͤcks des andern, durch Adjungirung ſeiner Waffen: ſon - dern auch gleichſam bey denen Friedens-Schluͤſ - ſen, bey welchen es nicht interesſiret, Mediator Ordinarius ſeyn koͤnne; hat zu einigen und noch gar neuen Zeiten erwieſen, daß es der Sache ein groß Gewichte und Ausſchlag geben koͤnne. Alleine es iſt ihme auch manchmahl an Behaup - tung dieſer Prærogativæ fehl geſchlagen: und hat das kleine Holland dieſem Arbitro Europæ zur Gnuͤge gewieſen, daß die dißfalls in Engelland etablirte Regul nicht ſonder Exception, und es ſo gut anderer Potentien Huͤlffe und reſpective Mediation, als andere Engellands benoͤthiget.
Uberhaupt kan das Mediations-Amt, cæteris paribus, in beyzulegenden Streitigkeiten,und333Hoff-Ceremoniel. und Friedens-Negotiis anvertrauet werden, zwiſchen
Denn das reciproque Intereſſe hier geſetzter Staaten iſt alſo beſchaffen, daß ſelbige am beſten auf ſolche Art und Mediation koͤnten verglichen werden, im fall nicht etwan ein raro contingens ſelbiges veraͤndere.
Daß meiſte was einem Potentaten hinderlich, daß er zu dem Officio Mediatoris nicht koͤnne ernennet oder angenommen werden, iſt ſo wohl ſeiner eigenen Perſon, als auch derer von ihme adhibirten Miniſtrorum Mediatio - nis Partheylichkeit, durch welche er ſich und ſie, einem oder mehreren Theilen verdaͤchtig machet. Denn ob er gleich nicht juſtiſſimus, ſo kan und ſoll er doch æquisſimus Arbitrator, keinem Theil zu viel, und keinem zu wenig affectioniret ſeyn; dan - nenhero die Haupt-Requiſita eines dergleichen Mediatoris dieſe ſind, daß
Ob nun dieſe und andere requiſita ei - nes Mediatoris, bey allen Friedens-Schluͤſſen ſo genau obſerviret worden, laͤſſet ſich gar leicht be - urtheilen: wenn man ein oder die andere Friedens - Negotia und Tractaten: ſonderlich die Arcana derſelben durchgehet; da man denn wahr befinden wird, daß mancher Frieden gantz anders abge - lauffen waͤre, wenn die Mediatores derſelben an - ders als ſie waren, beſchaffen geweſen. Es iſt aber ſicherer, daß man denenjenigen, welche hiervon gruͤndlich unterrichtet ſeyn wollen, andere Au - tores, welche dergleichen Arcana publiciret, zu leſen anweiſe, als etwan hier viel beſon - ders davon zu ſchreiben, ſich unterſtehe.
Daß die Paſſeports denen Geſandten ein unentbehrliches Stuͤcke, und anbey nicht von ihren hohen Herren Principalen, ſondern von denſelbigen Majeſtaͤten, Fuͤrſten und Herren, durch derer Land ſie reiſen, und an deſſen Hofe ſie negotiren ſollen, zu erbitten, und zu ertheilen, auch was darinnen pfleget enthalten zu ſeyn; iſt in dem dritten Cap. des III. Theils in ſo weit, als es dahin gehoͤrig geweſen, ſchon gemeldet worden, und nur hier noch noͤthig mit wenigen beyzubrin - gen: daß bey Friedens-Congreſſen die formalia der Paſſeports, zwar nicht anders beſchaffen, als wenn man etwan einen Geſandten an eines Sou - verainen Hoff ſendet; jedoch iſt einiger und zwar ziemlich betraͤchtlicher Unterſcheid zwiſchen bey - derley Art Paͤſſen darinnen: daß man bey Frie - dens-Congreſſen in Ertheilung der Paͤſſe,
Was das erſtere, oder die Prærogative anbelanget, ſo findet ſich ins gemein dieſe Difficul - taͤt, wer der erſte ſeyn ſoll, welcher dieſelben zu er - theilen. Denn weil ſie von denen concurrirendenYPar -338EuropaͤiſchesPaͤrtheyen reciproce muͤſſen ausgeliefert wer - den; ſo will mancher propter dignitatem der er - ſtere, (welches ſonderlich die Mediatores præ - tendiren) mancher aber wegen ſeines darunter verborgen liegenden Intereſſe, avantage und politique der letztere ſeyn. Denn wenn einer oder der andere ſeine Paſſeporte bereits ausgehaͤndi - get, die ihme benoͤthigten aber noch nicht wieder reciproce empfangen: kan er in Gefahr lauffen, daß man ihn damit aufziehe, oder auch ſelbige wohl gar weigere; welches bey einigen Friedens - Schluͤſſen, ſonderlich aber in dem Weſtphaͤliſchen viel Verdruͤßligkeit verurſachet, und nicht weniger Zeit, den Frieden mit Succeß anzufangen ver - derbet.
Was das andere, oder die Vielheit der Paſſeporten betrifft, ſo kan es geſchehen, daß ein Souverain, welcher einen Miniſter in eines an - dern Souverainen Hof-Lager ſendet, im fall derer Reiche oder Territoria mit einander graͤntzen: nicht mehr als eines eintzigen Paſſes benoͤthiget; weil er ſo dann durch keines Tertii Land reiſen, und alſo auch nicht allererſt eines andern, als bloß nur deſſen an welchen er ſendet, Paſſeports benoͤ - thiget; dergleichen zwiſchen Kayſerl. Majeſtaͤt und Franckreich, Spanien und Franckreich, Poh - len und Moſcau, und vielen andern, wie aus der Geographie zu erſehen, geſchehen kan: und da ja etwan eines Potentaten Territorium, welcheszwi -339Hoff-Ceremoniel. zwiſchen des ſendenden, und deſſen an welchen man ſendet, Reich oder Lande gelegen, zupasſiren waͤre, ſo wuͤrde man nur auch bloß genoͤthiget ſeyn, von demſelben einen Paſſeport zu begeh - ren, im fall er zu bekommen; ſonſt muͤſte man durch einen Umweg zu Lande oder uͤber See, ſein territorium evitiren, dergleichen auch zu unterſchiedenen mahlen ſchon geſchehen; allein bey den Friedens-Congreſſen muß man nicht nur bey denen, durch derer Laͤnder man die Geſandten ſendet, ſondern auch von allen andern, welche bey dem Frieden mit concurriren, ob man gleich derer Laͤnder mit keinem Fuſſe betritt, dennoch Paſſe - porte haben. Deñ zum Exempel: Es waͤre zwiſchen denen itzo im Kriege verwickelten vier Nordiſchen Majeſtaͤten, Schweden, Daͤnnemarck, Pohlen, und Moſcau, Frieden zu erwarten, und zu Braun - ſchweig zu ſchlieſſen, bey ſelbigem auch noch etwan ein Mediator von noͤthen; ſo muͤſte ein jeder unter dieſen Fuͤnffen viererley Paͤſſe haben, umb ſicher zu dem Friedens-Congreß admittiret zu werden: ohne dieſelbigen, welche er noch von denen Landes-Fuͤrſten, derer Territorium er pasſiren muß, auszuwuͤrcken. Denn es muͤſte v. gr. Schwe - den von Daͤnnemarck, Pohlen, Moſcau und dem Mediatore, & vice verſa, zuvor Paſſeporte uͤber - kommen haben, bevor er ſich in dem loco Con - greſſus ſicher zu ſeyn achten koͤnte. Uber der Er -Y 2thei -340Europaͤiſchestheilung nun dieſer vielfaͤltigen Paͤſſe, giebet es viel diſputirens, theils wegen derer
Es hatten die Menſchen biß etwan in das 1931. Jahr nach Eꝛſchaffung der Welt, alle einer - ley Zungen und Sprachen 1. Moſ. 11. v. 1. aber bey Erbauung des Thurmes zu Babel, wurden anfangs die Bau-Leute und Arbeiter, wie einige ausgerechnet haben wollen, in 70. oder 72. unter - ſchiedene Sprachen verwirret: welche Vielheit und Unterſchied der Sprachen, damahlen den Bau des Thurms zu Babel, heut zu Tage aber noch oͤffters die Auffuͤhrung der Gebaͤude der Ein - tracht und des Friedens hindern kan.
Bald auf dieſe Vielheit, Unterſcheid, und Verwirrung der Sprachen, erfolgete eine Separation der menſchlichen Geſellſchafft; im - maſſen ſich nur dieſelben zuſammen hielten, wel - che einander verſtunden, und einerley Sprache re -deten341Hoff-Ceremoniel. deten: welchen Unterſcheid der Sprachen auch ſo bald der Unterſcheid der Sitten und Religionen begleitete.
Dienenigen, welche einander nicht ver - ſtunden, bekamen einen Eckel gegen einander: wel - cher endlich zu einer Unbekandtſchafft und in fol - gender Zeit zu einem Haß gediehe: biß aus dieſer Uneinigkeit der Zungen, auch Zwietracht der Ge - muͤther und zuletzt, nebſt Behauptung des Mei, und Begehrung des Tui, Streit und Krieg ent - ſtunde; maſſen aus keinem Hiſtorico erweißlich, daß vor geſchehener Verwirrung der Sprachen die Menſchen Kriege unter einander gefuͤhret, da ſie conſequenter auch keines Frieden-Schluſſes benoͤthiget geweſen.
So war demnach dazumahl dieſe Viel - heit der Sprachen keine Gabe und Gnade, ſon - dern vielmehr eine Straffe GOttes, durch welche der Menſchen Hochmuth und Vanitaͤt gezuͤchti - get wurde; welches Ubel biß auf unſere Zeit dau - ret, daß man ſolches in der menſchlichen Societaͤt mehr als zu viel, ſonderlich aber bey den Con - greſſen, der von hohen Potentaten abgeordneten Miniſtern, und an denen Hoͤfen und Ceremoniel empfindet.
Es ſind zwar Vorſchlaͤge auf das Tapet, und einige auf die Gedancken kommen, daß dieſem Ubel dadurch koͤnne abgeholffen werden: wennY 3wenig -342Europaͤiſcheswenigſten die Europaͤiſchen Potentaten ſich mit einander beredeten, und ſchluͤßig wuͤrden, einerley Redens-Art und Zunge in ihren Reichen einzu - fuͤhren; allein es iſt auch ſo gleich Kummer vorge - fallen, welche Sprache man den uͤbrigen vorzie - hen, und zu der allgemeinen Sprache wehlen ſolle; und hat ſich bey dieſem projectireten Vergleich, auch zugleich ein Streit uͤber der Prærogativa linguarum ereignet: welche dem guten Vor - ſchlage hinderlich geweſen, und auch wohl bleiben wird; maſſen die Vielheit und Unterſcheid der Sprachen ein Werck GOttes, und Menſchen Rath wieder denſelben kein nuͤtze ſeyn kan.
Jſt demnach das ſicherſte und beſte Mit - tel, daß man aus der Noth eine Tugend, und aus der Straffe eine Gelehrſamkeit mache: und ſich, daſern man zu einer profonden Erudition gelan - gen, ſich in der Welt umbſehen, mit fremden Na - tionen negotiren, und ſonderlich groſſen Poten - taten in auswaͤrtigen Verrichtungen nuͤtzlich wer - den und dienen will, angelegen ſeyn laſſe, nicht nur etwan bloß einen Zwey-Zuͤngler, ſondern gar einen Viel-Zuͤngler abzugeben.
Dem Zweck aber naͤher zu treten, ſo die - net zur Nachricht, daß in denen von uns entlegen - ſten Zeiten, beſtaͤndig gebraͤuchlich geweſen, daß einer der da publiquement mit einem Frembden reden wollen oder ſollen, ſich bey der Audientz und Conferentz, ſeiner Mutter-Sprache bedienet, deran -343Hoff-Ceremoniel. andere aber, welcher darauf hat Antwort geben ſollen oder wollen, ſich ebenfalls der Sprache be - dienet, welche in ſeinem Vaterlande uͤblich; wenn aber zu beſorgen ſtunde: daß dieſe zwey, (wie et - wan die Bau-Leute bey dem Thurm zu Babel) einander nicht verſtuͤnden, hat man einen Dol - metſcher, welcher beyder Sprachen kuͤndig, em - ploiret, der was einer oder der andere geredet, re - ciproce erklaͤret, und ſo zu reden, beyden das Ver - ſtaͤndnuͤß unverſtaͤndlicher Worte eroͤffnet hat.
Solche Gewohnheit iſt auch noch heute zu Tage, an vielen Hoͤfen bey gegebener Audientz braͤuchlich: daß nemlich derjenige welcher ſendet, meiſtens in derſelben Sprache welche in ſeinem Lande geredet wird, den Vortrag thun laͤſſet; der Souverain aber, an welchen ſolche Geſandtſchafft gelanget, in ſeiner Landes-Sprache entweder ſelbſt antwortet, oder durch einen Miniſter ant - worten laͤſſet; und daferne ſo wohl der Souverain als auch der Geſandte beyde Sprachen verſtehen, ſo hat es alsdenn keines Interpretis von noͤthen: wo nicht, ſo laͤſſet man durch ſelbigen die Erklaͤ - rung thun.
Bey denen Friedens-Congreſſen aber, auf welchen vielmahl Perſonen aus gar vielerley Nationen und Zungen concurriren, welchen theils nur einige auswertige, theils auch nur allein ihre Mutter-Sprache bekandt; gehet es gar an - ders als bey denen Audientzen her. Und entſtehetY 4viel -344Europaͤiſchesvielmahl groſſe Verwirrung und Unvernehmen, bloß und allein aus der Sprache; weil mancher, ob er gleich in einer andern Sprache reden koͤnte, dennoch ſich deſſen weigert, und ſich ſtellet, als ob er auſſer ſeiner Mutter-Sprache keine andere ge - lernet: ja lieber die Schande, daß er frembde Sprachen nicht verſtehe, ſich zuziehen, als etwan durch Gebrauch ſeiner in vielen Sprachen geuͤb - ten Zunge, ſeinem Principal einiges Nachtheil in der Prærogativa, und ſich Verantwortung zuzie - hen will.
Dazumahlen als die Etats-Affaires und Geſandtſchafften, nur bloß und alleine denen Geiſtlichen, oder andern Perſonen welche Profeſ - ſion von der Gelehrſamkeit gemacht, anvertrauet wurden; war die Lateiniſche Sprache der com - munis Interpres in dergleichen Handlungen, ſonderlich zwiſchen Chriſtlichen der Catholiſchen oder Lateiniſchen Kirchen zugethanen Potenta - ten; als man aber nachgehends auf Perſonen von Geſchlechte, guter Conduite, Naturel und Mutterwitz, und die an den Hoͤfen erzogen wor - den, mehr als auf Gelehrte ex profeſſo reflecti - ret: und jene dieſen in dergleichen Negotiis vorge - zogen; iſt das liebe und mit vielen Schweiß und Muͤhe erlernete Latein in publiquen Affairen ſehr in Decadence kommen, und haben die mehr in den Hoͤfen als in den Schulen erzogene und ge - lehrt wordene, anbey wohl gereiſete Miniſtri, ihreCon -345Hoff-Ceremoniel. Conferentien in einer ſolchen Sprache gehal - ten, welche ſie verſtanden, und in welcher es ihnen leichte gefallen, ſich deutlich zu expliciren. Gleich - wohl aber hat dennoch die Lateiniſche Sprache, noch immer fuͤr allen andern die Prærogativ er - halten: daß man die zwiſchen Deutſchen, Jtalie - nern, Spaniern, Frantzoſen, Engellaͤndern, Schweden, Daͤhnen, Pohlen ꝛc. gemachte Ver - traͤge und Inſtrumenta publica, in Lateiniſcher Sprache verfaſſet, ob gleich etwan die vorherge - henden Unterhandlungen in anderer Sprache vorgenommen worden.
Es gehet nun aber mit der Prærogativa der Sprache nicht anders her, als mit dem uͤbri - gen Vorzuge, welchen ein Potentate fuͤr dem an - dern zu behaupten trachtet. Denn einige Souve - rains nehmen es ſehr genau, und wollen weder in denen Vortraͤgen welche ſie thun, noch in denen Briefen welche ſie ſchreiben laſſen, ſich einiger an - dern Sprache, auſſer der, welche von dem Lande, welches ſie beherrſchen den Nahmen fuͤhret, be - dienen; wie deñ bekandt, daß Kayſer Fridericus I. oder Barbaroſſa, als er mit dem Pabſt Alexan - dro III. in Venedig zuſammen kommen, mit dem Pabſt durch aus nicht lateiniſch reden wolte: ob er gleich in gemeldter Sprache wohl erfahren war; ſondern er hielt der Deutſchen Nation zu Ehren, ſeine Rede auch in Deutſch: und muſte der Chur - fuͤrſt zu Mayntz einen Dolmetſcher des KayſersY 5und346Europaͤiſchesund des Pabſtes abgeben. Chron. Spirenſ. p. m. 507.
Was das Roͤm. Deutſche Reich an - betrifft, ſo iſt den Hiſtoricis nicht unwiſſende, daß fuͤr und umb die Zeiten Caroli Magni, man in Deutſchland die Acta publica guten Theils noch in Griechifcher Sprache abgefaſſet; weil ſelbige damahlen die Sprache der Gelehrten, und von der zu Marſeille etablirten Griechiſchen Schule, durch die Studioſos auch nach Deutſchland ge - bracht und introduciret worden war; es iſt aber nachgehends die Lateiniſche der Griechiſchen voꝛge - zogen, in negotiis publicis gebrauchet, und von der Griechiſchen das Axioma erfuͤllet worden: Græca ſunt, neque legi neque intelligi de - bent. Denn ob gleich der Gebrauch der Deut - ſchen Sprache, was das Reden anbelanget, all - bereits zu den Zeiten Caroli Magni in Schwang kommen: man auch behaupten will, daß dieſer Kayſer eine Deutſche Grammaticam ver - fertiget, und den Monathen Deutſche Nahmen gegeben; ſo findet man doch fuͤr den Zeiten Fride - rici II. keine Conſtitution, welche in Deutſcher Sprache waͤre promulgiret worden: maſſen die allererſte nicht eher als An. 1236. zum Vorſchein kommen. Rudolphus I. aber ſoll der erſte Kayſer geweſen ſeyn, welcher anbefohlen die Reichs-Ge - ſchaͤffte in Deutſcher Sprache zu verfaſſen.
Aus der guͤldenen Bulla Caroli IV. cap. 30. §. 2., welche An. 1356. zu Nuͤrnberg verfertiget worden, iſt zu erſehen: welcher geſtalt man der vier weltlichen Churfuͤrſten, nemlich des Koͤniges von Boͤhmen, des Pfaltz-Graffens beym Rhein, des Hertzogs von Sachſen, und des Marggraffens zu Brandenburg, Soͤhne, Erben und Nachfolger, obligiret, ſich nebſt ihrer Deut - ſchen Mutter-Sprache, auch in der Grammatica (wodurch ſonder Zweifel die Lateiniſche Sprache verſtanden wird) Jtaliaͤniſchen und Sclavoni - ſchen inſtruiren zu laſſen, dergeſtalt: daß ſie noch fuͤr dem vierzehenden Jahre in gemeldten Spra - chen pefectioniret wuͤrden. Woraus gar deut - lich abzunehmen, daß man der Lateiniſchen den Vorzug fuͤr den andern zugeeignet, maſſen denn die guͤldene Bulla ſelbſt in dieſer Sprache verfer - tiget worden; die Jtaliaͤniſche aber deswegen er - lernet werden muͤſſen, weil die Lombardie, als der groͤſte Theil Jtaliens, zu dem Roͤmi - ſchen Reiche gehoͤrig, auch der Churfuͤrſt von Coͤln uͤber ſolches Reich Cantzler geweſen, und ſonder Zweifel ein beſonderes Archiv dieſes Reichs wird gehabt haben. Die Sclavoniſche Sprache aber hielte man deswegen fuͤr die Chur - fuͤrſten und derer Printzen noͤthig, weil ſelbige eine der ſo genenneten lingvarum cardinalium, die damahlige Hof-Sprache, (ſo wie heut zu Tage die Frantzoͤſiſche) und im Koͤnigreich und reſpe -ctive348Europaͤiſchesctive Churfuͤrſtenthumb Boͤhmen uͤblich war. Warumb man aber die Churfuͤrſtlichen Kinder nicht auch angewieſen die Frantzoͤſiſche Sprache zu erlernen, koͤnte vielleicht einem bedencklich fal - len; weil doch bekandt, daß noch zu denen Zeiten als die guͤldene Bulla verfertiget worden, ein groſ - ſer Theil Gallien dem Roͤm. Reich unterwuͤrffig geweſen, und der Churfuͤrſt von Trier das hohe Amt eines Cantzlers uͤber Gallien und das Re - gnum Arelatenſe verwaltet, wozu Provence Dauphine, la Breſſe, Savoyen, und das meiſte was zwiſchen Jtalien und der Rhone lieget, gerech - net worden. Es ſind aber, meinem Erachten nach zweyerley Urſachen, daß man damahlen dem Chur-Printzen, die heut zu Tage ſo gelaͤufige, und in gantz Europa gebraͤuchliche Frantzoͤſiſche Sprache zu lernen, nicht injungiret.
Heut zu Tage, iſt durch den 43. Ar - ticul Capitulat. Leopold I. durch den 42. Ar - ticul Capitulat. Joſeph. I. und durch den 23. Ar - ticul des heut zu Tage allergroßmaͤchtigſten und allergluͤcklichſt regierenden Kayſers Caroli des VI. verſehen: daß in Schrifften und Handlun - gen des Reiches (an dem Kayſerl. Hofe) keine an - dere Zunge noch Sprache gebrauchet werden ſolte, als die Deutſche u. Lateiniſche: es waͤre deñ an Or - ten auſſerhalb des Reiches, da gemeiniglich eine andere Sprache in Ubung waͤre, und im Ge -brauch350Europaͤiſchesbrauch ſtuͤnde: jedoch in alle Wege an unſern Reiches-Hof-Rath der Deutſchen und Lateini - ſchen Sprache unabbruͤchig. Woraus flieſſet, daß zwar intra fines imperii in publicis nego - tiis, auſſer dem Deutſchen und Lateiniſchen keine andere Sprache ſolle gebrauchet werden; jedoch iſt krafft dieſes angefuͤhreten Paragraphi nicht verbothen, ſondern vielmehr expreſſe zugelaſſen, in Orten auſſerhalb des Reiches in derjenigen Sprache zu negotiren, welche in dem loco ne - gotiationis uͤblich: ſo daß man es nunmehro der Deutſchen Nation nicht mehr fuͤr præjudicir - lich achten kan, wenn ſelbige in Spaniſcher, Fran - tzoͤſiſcher, Jtaliaͤniſcher, Engliſcher Sprache ꝛc. einige Friedens - oder andere Handlungen ab - faſſete.
Dieſem aber ungeachtet, ſo haben den - noch ſo wohl die Deutſchen Kayſer, als das Deutſche Reich, wenn es mit auswaͤrtigen Po - tentien zu thun gehabt, welche der Deutſchen Sprache nicht kuͤndig: ſich lieber mit dem Latein behelffen, als einer andern Sprache bedienen wollen: dergleichen andere Potentaten, und derer Miniſtri auch gethan; weil man dafuͤr haͤlt, daß dieſe Sprache keinem Theil præjudicire, weil kein Potentate mehr in der Welt zu finden, der in ſei - nem Lande dieſe Sprache als patriam lingvam gebrauche. Noch auf dem zu Muͤnſter und Oß - nabruͤg geſchloſſenen Frieden, wurden nicht alleindie351Hoff-Ceremoniel. die eingegebene Schrifften, ſondern auch ſo gar die meiſten Conferentien Lateiniſch gehalten: und als die Schweden, Anno 1673. den Hollaͤndern ihre Mediation anbothen, wolten die Geſandten dieſer Crone, Spaar und Ehren - ſtein, ihre muͤndliche Propoſition zwar durchaus in keiner andern als ihrer Schwediſchen Sprache thun; ihre Schrifften aber uͤbergaben ſie dennoch in Lateiniſcher Sprache. Jn denen auf den Weſtphaͤliſchen folgenden Friedens-Schluͤſſen, hat man ſich wohl auch noch meiſtens des Lateins bedienet, oder doch zu bedienen getrachtet; allein es iſt die Frantzoͤſiſche Sprache in denen Confe - rentien dermaſſen eingeſchlichen und uͤblich wor - den, daß man ſonderlich in dem Rißwigiſchen Frieden faſt keine andere Sprache reden hoͤren, als nur die Frantzoͤſiſche: dawieder ſich zwar die Deutſchen, Spanier, und andere opponiret, aber wie in gehoͤrigem Orte gemeldet werden ſoll, nicht viel erhalten.
Es iſt demnach die Frantzoͤſiſche Spra - che heut zu Tage, gleichwie die Frantzoͤſiſche Macht und Mode allen andern prædominans, und faſt, wie ehemahlen das Latein, lingva uni - verſalis worden. Denn ob gleich Paͤbſtl. Heilig - keit als Caput Latinæ Eccleſiæ, nicht leichtlich in einer anderen als der Lateiniſchen dero Inſtru - menta publica zu verfaſſen, ſelbige auch bey Un - terredungen, welche en public geſchehen, zu ge -brau -352Europaͤiſcheschen pfleget; ingleichen Spanien in ſeinen Ne - gotiis mit auswertigen nicht gerne in einem an - dern Idiomate als dem Spaniſchen reden und handeln will; (worinnen es aber gleichwohl auf dem Muͤnſteriſchen Frieden was nachgelaſſen, und mit Beyſeitſetzung der Spanſchen, ſich zu der Frantzoͤſiſchen Sprache accommodiret; denn nachdem die Spaniſchen Plenipotentiarii auf die funffzig von den Mediatoribus verfertigte Articul, ihre Antwort im Spaniſchen eingegeben hatten; weigerte ſich der Duc de Longueville ſolche Spaniſche Antwort anzunehmen: ſo daß ſich die Spanier genoͤthiget fanden, ſich in der Frantzoͤſiſchen Sprache daruͤber zu expliciren.) So ſind doch hingegen andeꝛe hieriñen auf die An - wehrung und den Gebrauch ihrer Landes-Spra - che nicht eben ſo verpicht, ſondern accommodi - ren ſich der Lateiniſchen, oder vielmehr Frantzoͤſi - ſchen: wie denn Engelland, als welches ohne dem den Titul von Franckreich fuͤhret, gar leichtlich zu - giebet, daß man bey Audientzen und publiquen Conferentien, diejenige Sprache rede, an wel - cher es, gleichwie an Franckreich ſelbſt, mit Theil zu haben meinet. Savoyen, Holland, Pohlen und einige andere thun ein gleiches, im fall man das Latein nicht reden oder anwenden will oder kan.
Es ſcheinen aber dreyerley Dinge Ur - ſache zu ſeyn, daß man weder das Latein, nocheine353Hoff-Ceremoniel. eine andere der Europaͤiſchen Sprachen, ſondern nur die Frantzoͤſiſche allein in publiquen Nego - tiis und Conferentien zu gebrauchen pfleget.
a) Weil die Deutſche, Spaniſche, Engel - laͤndiſche, Schwediſche, Daͤniſche, Pohlniſche, Moſcowitiſche ꝛc. Sprachen ſich nicht viel wei - ter erſtrecken, und geredet werden, als in den Rei - chen, darinnen ſie das Buͤrger-Recht beſitzen: auſ - ſer ihrem Vaterlande aber wenig, was ſonderlich das Reden betrifft, gebraͤuchlich, und der Jugend nicht beygebracht werden; dahingegen faſt kein Hoff, Univerſitaͤt, Ritter-Academie, und Tri - vial-Schule zu finden, an welchen man nicht Pro - feſſores, Lectores, oder Sprach-Meiſter, theils ſalariret, theils toleriret, der Jugend, ſonderlich der Adelichen, und welche den Hoff zu frequen - tiren geſonnen, die Frantzoͤſiſche und Jtaliaͤniſche Sprache beyzubringen: dergleichen Gluͤcke das Latein nicht allerwegen, wenigſtens nicht mit ſo guten Profit der Lehrenden hat.
b) Jſt das viele Reiſen der jungen Cavalliers nach Franckreich eine nicht geringe Urſache, daß die Frantzoͤſiſche Sprache allen Nationen ſo fa - miliair worden. Denn weil man keinen fuͤr voll - kommen achtet, welcher nicht eine Zeit ſeine Exer - citia und Sprachen in Franckreich