Die Ruhe.
Ob ſiege Machmud, oder ob Nikolas*)Rußlands Schuzheiliger.
*) Den Popen hoͤre; ob ſich der Biſchof Roms
Deſpotiſch aufblaͤh, oder knechtiſch
Lecke die Ferſe den Burboniden;
Ob dort ein ſchlauer junger Oktavius
Ein Volk bejoche, welchem noch Freiheit galt;
Ob hier, nach ſpaͤt gefundnen Rechten,
Koͤnige Habe des andern theilen;
Soll mich nicht kuͤmmern. Eine der Menſch - lichkeit
Geweinte Thraͤne floß, da der Korſe juͤngſt
Den edlen Nacken bog, als ſeine
Schaaren ihm ſandte der Vielgeliebte. **)Louis le bien-aimé.
**) 6Seitdem entſagt’ ich aller Mitwiſſenſchaft
Um ferne Schlachten und den erzwungenen
Vertrag, der oft mit feuchtem Oelzweig
Schlummernde Gluten verbarg, nicht loͤſchte.
Komm, holde Ruhe, ſuͤſſe Geſpielin du
Der frohen Unſchuld! Leite mit deiner Hand
Den Juͤngling, der ſein ganzes Leben
Dir und der laͤchelnden Weisheit heiligt;
Und fruͤhen Weihrauch deinen Altaͤren ſtreut,
Den Hafen ſegnend, weil noch der Ozean
Jhm laͤchelt, eh die ſchwarze Woge
Prediget Rettung zugleich und Weisheit.
Dem ſpaͤten Opfrer oͤfnet ihr Heiligthum
Die Ruhe ſelten; Schlummer und Ekel taͤuſcht
Den muͤden Weltmann, ſtets von neuen
Wuͤnſchen und geiſſelnder Furcht gepeinigt.
7Jn ſtille Thale wird ſie mich leiten, wenn
Der Sturmwind raſet, mir, wenn der Mittag zuͤrnt,
Am Schattenufer kuͤhler Quellen,
Sitze bereiten im Duft der Roſe.
Jn heitrer Mondnacht wird ſie Geſaͤnge mich
Voll Einfalt lehren, reich an Empfindungen,
Bis Philomel’ aus ſchwanken Aeſten
Lauſchendes Schweigen umher verbreitet.
Des Baches Silber, welches vom ſanften Hang
Des Huͤgels murmelnd zwiſchen Violen rinnt,
Gleicht dann mein Leben, eine Welle
Folget der andern, ein Tag dem andern.
Voll Freuden jeder! jeder dem duͤſtern Pful
Zwar naͤher; aber ſieh! es entſtroͤmt dem Pful
Ein hellerer Kriſtall, als jener,
Welcher die Blume der Wieſe traͤnkte.
Der Harz.
Herzlich ſey mir gegruͤſt, werthes Cheruſkaland!
Land des nervigen Arms und der gefuͤrchteten
Kuͤhnheit, freieres Geiſtes,
Denn das blache Gefild umher!
Dir gab Mutter Natur, aus der vergeudenden
Urne, maͤnnlichen Schmuck, Einfalt und Wuͤrde dir!
Wolkenhoͤhnende Gipfel,
Donnerhallende Stroͤme dir!
Jm antwortenden Thal wallet die goldene
Flut des Segens, und ſtroͤmt in den genuͤgſamen
Schooß des laͤchelnden Fleiſſes,
Der nicht kaͤrglich die Garben zaͤhlt.
9Schaaſe weiden die Trift; auf der gewaͤſſerten
Aue bruͤllet der Stier, ſtampft das geſaͤttigte
Roß; die baͤrtige Ziege
Klimmt den zackigen Fels hinan.
Wie der ſchirmende Forſt deinem erhabenen
Nacken ſchattet! er naͤhrt ſtolzes Geweihe dir!
Dir den ſchnaubenden Keuler,
Der entgegen der Wunde rennt!
Dein wohlthaͤtiger Schooß, ſelten mit goldenem
Fluche ſchwanger, verleiht nuͤtzendes Eiſen uns,
Das den Acker durchſchneidet
Und das Erbe der Vaͤter ſchuͤzt.
Dir gibt reinere Luft, und die teutoniſche
Keuſchheit, Jugend von Stal; mooſigen Eichen gleich,
Achten ſilberne Greiſe
Nicht der eilenden Jahre Flug.
10Dort im wehenden Hain wohnt die Begeiſterung;
Felſen jauchzten zuruͤck, wenn ſich der Barden Sang
Unter bebenden Wipfeln
Durch das hallende Thal ergoß.
Und dein Hermann vernahm’s! Sturm war ſein Arm! ſein Schwert
Wetterflamme! betaͤubt ſtuͤrzten die trotzigen
Roͤmeradler, und Freiheit
Stralte wieder im Lande Teuts!
Doch des Heldengeſchlechts Enkel verhuͤlleten
Hermanns Namen in Nacht, bis ihn (auch er dein Sohn!)
Klopſtocks maͤchtige Harfe
Sang der horchenden Ewigkeit.
Heil, Cheruſkia, dir! furchtbar und ewig ſteht,
Gleich dem Brocken, dein Ruhm! Donnernd verkuͤnden dich
Freiheitsſchlachten! und donnernd
Dich unſterblicher Lieder Klang!
An Buͤrger.
Dir mich weihen? ich dir? ſtygiſche Furie,
Afterthemis, ich dir? die du mit Schlangenliſt
Unſer goͤttliches Recht, welches Natur uns gab,
Raubteſt, und mit Tigers Klau?
Ha! wie ſchallts am Altar! Bosheit und Ha - derſucht,
Aemſig ſpaͤhend den Zwiſt, haͤmiſche Rachbegier,
Groll und gieriger Geiz, Vater des feilen Spruchs:
Ha, wie tobet die Hoͤllenbrut!
Und dein Nattergeziſch, ſchlaue Chikane, du
Misgeſchoͤpfe des argliſtigen Fremdlinges,
Ungenant von dem Volk, welches die Zunge ſpricht,
Die Thuiſkon und Mana ſprach!
12Weß der aͤchzende Laut? — — Ach der be - kuͤmmerten
Unſchuld Seufzer! Sie naht weinend der Goͤttin ſich,
Fleht Erbarmen; umſonſt! Jhre verruchte Schaar
Schreckt mit grimmigem Hohn ſie weg!
O des goldenen Tags, da bei dem Volke Teuts
Noch Gerechtigkeit galt, noch, von der heiligen
Eiche Schauer umrauſcht, ſie in dem richtenden
Kreis ehrwuͤrdiger Vaͤter ſaß!
Da vom albernen Wahn lauter der hellere
Geiſt, und lauter vom Schwall wirrender Sazun - gen,
Da noch Tugend, und du, Erbe Germaniens,
Treue, lehrtet den Biederſpruch!
Ach, entflohn iſt, entflohn laͤngſt die Gerechtigkeit
Vom entarteten Stamm! Wenigen Lieblingen
Laͤchelt Weihe nur noch, ſegnend, vom naͤchtlichen
Pol herab, die Geflohene.
13Weihe laͤchelte ſie, edler Cheruſkaſohn,
Dir, o Buͤrger, der du heiligen Druden gleich,
Richtertugenden uͤbſt, heiligen Barden gleich,
Braga’s Kranz um die Locke ſchlingſt.
An Curt Freyherrn von Haugwitz. Elegie.
Suͤſſer duftet die Flur, und kuͤhler hauchet der
Abend;
Nur ein welkendes Roth weilt am azurenen Weſt.
Stille thauet herab, und Ruh’, und ſanfte Be -
geiſtrung
Auf den einſamen Pfad, welchen der Waller
betrit.
Heſperus ſchaut auf ihn mit freundlichen Blicken
hernieder,
Liſpelt ſegnend ihm zu: Geh’ in Frieden dahin!
Jch auch wander’ umher, und ſuch auf einſamen
Pfaden
Ruh’ und lindernden Troſt fuͤr mein ſinkendes
Herz.
19Ach vergebens! — O du der beſten Juͤnglinge
Beſter,
Den ich liebe, ſo ſehr, als ich zu lieben ver -
mag;
Dem die milde Natur der Gaben ſchoͤnſte, die ſelten
Sie verleiht, ein Herz zarter Empfindung,
verlieh;
Den ſie der Freundſchaft ſchuf, der Lieb’, und
ſtilleren Freuden;
Sanfte Melancholie, deine Feindinnen nicht!
Ach du windeſt dich los aus deines Freundes Um -
armung;
Scheideſt zoͤgernd von ihm — ach! auf ewig
vielleicht! — —
Alſo ſind ſie dahin, der Freundſchaft heilige Jahre,
Deren jeglicher Tag feſter und feſter uns band?
Alſo ſind ſie verbluͤht, die Veilchen, welche mir
oftmal
Deine gefaͤllige Hand ſtreut’ in den muͤhſamen
Weg?
Nein! ſie ſind nicht verbluͤht! Jn jeder heiteren
Stunde
Kehrt mir laͤchelnd zuruͤck jede genoſſene Luſt.
20O dann ſollen mich oft Phantome der Abend’ um -
ſchweben,
Die, uns jeglichesmal taͤuſchend, zu fluͤchtig ent -
flohn!
Jezo wanderten wir, mit Fruͤhlingsruhe ge -
ſegnet,
Arm geſchlungen in Arm, bluͤhende Thaͤler
hinab;
Lagerten jezo uns hin am mooſigen Ufer des
Baches,
Und dem ſuͤſſen Geſchwaͤz horchte vertrau -
lich der Mond.
O, wie ſchmolz uns dann das Herz in ſanfter
Empfindung!
O, wie ſchmeckten wir dich, himmliſche Freund -
ſchaft, ſo ſuͤß!
Einſtens pfluͤckt’ ich zwo junge Vergißmeinnicht,
und ſtreute,
Wo am klaͤrſten er floß, ſie in den kraͤuſelnden
Bach.
Eine riß er hinweg; die andere weilt’ am Ufer!
Und du ſtarrteſt mich an; Thraͤnen bewoͤlkten
den Blick!
21Jch verſtand dich! Auch mich ergrif der baͤngſte
Gedanke:
Ach! wenn einſt das Geſchick uns wie die
Blumen verſtreut!
So ſchlich Wehmut oft in unſere Freuden; ſo
ſproſſet
Jn dem Myrtengebuͤſch’ eine Zypreſſe mit
auf.
Oftmal ſtanden wir ſtill am ſchroffen Hange des
Felſen,
Muͤden Pilgern gleich, uͤber die Staͤbe gelehnt;
Und umhuͤllte mich dann der Nebel der ſchwarzen
Schwermut,
O ſo ſchuͤttet’ ich, Freund, dir in das deine
mein Herz!
Seufzend hoͤrteſt du mich, und jede Sorge, die
theilend
Du mir nahmeſt, erhob meine beklommene
Bruſt!
Phantaſie, wo gaukelſt du hin? — O Beſter,
nun leichterſt
Du nicht wieder die Laſt meiner beklommenen
Bruſt!
22Ach nun fliehſt du! Verweil! daß in der lezten
Umarmung
Eine Thraͤne nur noch miſch’ in die meinige ſich.
Segen geleite dich, Freund! O ſei der Liebling
des Gluͤckes,
Jenes reineren Gluͤcks, welches der Weiſe
nur kent;
Sei deß Liebling, wie du der menſchenfreundlichen
Tugend
Und der Weisheit es biſt! Segen geleite dich,
Freund!
Die Natur.
Er ſey mein Freund nicht, welcher die goͤttliche
Natur nicht liebet! Engelgefuͤhle ſind
Jhm nicht bekant! Er kan mit Jnbrunſt
Freunde nicht, Kinder nicht, Weib, nicht lieben!
Jhm bebte nie von trunkner Begeiſterung
Die ſtumme Lippe! Schauer begegneten,
Jn hoher Wallung, ſeiner Seele
Nie mit der ſteigenden Morgenſonne!
Jn deinen Wonnebecher, Allguͤtiger!
Entfielen niemal Thraͤnen des Dankes ihm!
Sein Erb’ iſt Taumel, oder Schlafſucht!
Wehmut und Wonne des Weiſen Erbe!
24Er iſt kein Sohn der Freiheit! das Vaterland
Jſt Spreu dem Feigen! Sklave! Dich freite nicht
Die Roͤmerſchlacht! zu meinen Fuͤſſen
Kruͤmme dich, Raupe, daß dein ich ſpot - te! —
Jch ſeiner ſpotten? — weh mir! o zuͤrne nicht,
Du Vater Aller! Wirbel und Stolz ergrif
Den Mann von Staub, daß er des Staubes
Spottete, den er beweinen ſolte!
O ſey geſegnet, Thraͤne der Reue, mir!
Des Mitleids Thraͤne, mehr noch geſegnet, du!
Nun werden, wie nach Fruͤhlingsregen
Traulich die Blumen der Au mir laͤcheln!
Nur reinen Herzen duftet der Abendthau
Der bunten Lenzflur! Heilig nur ihnen ſind
Der Eiche Schatten! Deine Segen,
Einſamkeit, koͤnnen nur ſie ertragen!
25Woll’ſt oft, o ſanfte Mutter der Weisheit, mich
Auf ernſte Pfade leiten, im Mondenſchein!
Wo nur der Denker tiefe Wahrheit
Schoͤpfet, und gluͤhender Stirne wallet!
Dann werden oft ſich ernſte Betrachtungen
Jn Harmonien wandeln; Begeiſterung
Wird mich erfuͤllen, daß die Thale
Hallen mein Lied und die Felſengaͤnge!
Wenn du mich fuͤrder leiteſt, Natur, ſo ſoll
Mein Lied dir jauchzen, weil ich ein Juͤngling bin!
Es ſoll dich feiern, wenn mit Silber
Kuͤrzere Locke die Scheitel ſchmuͤcket!
An Lais.
Weil noch leicht, wie ein Nektartraum,
Dir das Leben verfliegt; weil noch der laͤchelnden
Hebe Pinſel, in Lebenskraft
Eingetauchet, den Mund aͤhnlich dem Morgenroth,
Roſenwallend die Wange malt;
Weil noch taͤglich dein Blick, hell, wie der Abend -
ſtern,
Aber treffend, wie Sirius,
Die hintaumelnde Schaar deiner Gefangnen
mehrt;
Darum trozeſt du, thoͤrige
Lais, kuͤnftiger Zeit, welche die fliegenden
Stunden bringen, Unkundige!
Wird dir ewig die Glut ſchmachtender Juͤnglinge,
Dir die Blaͤſſe der Eiferſucht
Ewig froͤhnen? Auch dich werden die Grazien
Einſt verlaſſen! der ſiegenden
Kuͤnſte jede! Dein Lenz ſchwindet auf neidender
31 Weſte Fittig! bald hauchen ſie
Deine Bluͤthen herab! dann wird die bulende
Lais ſeufzen: ihr roſigen
Tage, kommet zuruͤck! aber die roſigen
Tage flohen! Verhuͤlle dich,
Lais! daß der Triumph deiner Geſpielen dich,
Die Moral der Matrone dich
Nicht verfolge! der Hohn deiner Entfeſſelten
Dich nicht treffe! denn eiſern war
Deine Herrſchaft! dein Stolz freute der Thraͤ -
nen ſich,
Und der blaſſen Verzweifelung!
Nun ſind Thraͤnen der Schmuck dieſer verwel -
kenden
Wangen! Seufzer erheben nun
Ungeheiſſen die Bruſt! jeden erloͤſchenden
Schimmer deiner gefeierten
Augen ruͤſtet die Wuth! Lais, verhuͤlle dich!
Dein iſt Schande! Denn eiſern war
Deine Herrſchaft! Dein Stolz freute der Thraͤ -
nen ſich
Und der blaſſen Verzweifelung!
Frauen Lob.
Traun, der Mann iſt Neides werth,
Dem ſein Gott ein Weib beſcheert,
Schoͤn und klug und tugendreich,
Sonder Falſch, den Taͤublein gleich!
Seiner Wonne Maaß iſt groß!
Seine Ruhe wechſellos!
Denn kein Kummer nagt den Mann,
Den ſolch Weiblein troͤſten kan!
Gleich des Mondes Silberblick,
Laͤchelt ſie den Gram zuruͤck;
Kuͤßt des Mannes Thraͤnen auf,
Streut mit Blumen ſeinen Lauf.
33Wenn ihn jaͤher Mut empoͤrt,
Er nicht mehr des Freundes hoͤrt,
Wenn von Zorn die Bruſt ihm gluͤht,
Und ſein Auge Feuer ſpruͤht;
O! dann ſchleicht ſie weinend nach,
Saͤnftigt ihn mit einem Ach!
Alſo kuͤhlt der Abendthau
Die verſengte Blumenau!
Keine Muͤhe wird ihm ſchwer!
Keine Stunde freudenleer!
Denn nach jeder Arbeit Laſt
Harret ſein die ſuͤſſe Raſt!
Engel foͤrdern ihre Ruh,
Druͤcken beider Augen zu!
Jhrer keuſchen Ehe Band
Knuͤpfte Gottes Vaterhand!
Stolb C34Gott ſchenkt ihren Soͤhnen Mut,
Fuͤr die Tugend reges Blut!
Staͤrket ihren jungen Arm,
Macht ihr Herz fuͤr Freiheit warm!
Mit verſchaͤmten Reizen bluͤhn
Jhres Bettes Toͤchter! gluͤhn
Mit der Mutter Unſchuld, rein
Wie ein Quell im Sonnenſchein!
Drob erfreut der Vater ſich,
Drob die Mutter inniglich;
Jhr vereintes Dankgebet
Preiſt den Geber fruͤh und ſpaͤt!
Gold hat keinen noch begluͤckt;
Falſcher Ehre Lorbeer druͤckt;
Wer nach Wuͤrden haſcht, greift Sand;
Wiſſenſchaft iſt oft ein Tand:
35Aber Weiber giebt uns Gott!
Ohne ſie iſt Leben Tod!
Weiber leichtern jedes Joch!
Lieben uns im Himmel noch!
Lied eines alten ſchwaͤbiſchen Ritters an ſeinen Sohn, aus dem zwoͤlften Jahrhundert.
Sohn, da haſt du meinen Speer;
Meinem Arm wird er zu ſchwer!
Nimm den Schild und dies Geſchoß;
Tummle du forthin mein Roß!
Siehe, dies nun weiſſe Haar
Deckt der Helm ſchon funfzig Jahr;
Jedes Jahr hat eine Schlacht,
Schwert und Streitaxt ſtumpf gemacht!
Herzog Rudolf hat dies Schwert,
Axt und Kolbe mir verehrt,
Denn ich blieb dem Herzog hold
Und verſchmaͤhte Heinrichs Sold!
Stolb. D50Fuͤr die Freiheit floß das Blut
Seiner Rechten! Rudolfs Mut
That mit ſeiner linken Hand
Noch dem Franken Widerſtand!
Nimm die Wehr und wapne dich!
Kaiſer Konrad ruͤſtet ſich!
Sohn, entlaſte mich des Harms
Ob der Schwaͤche meines Arms!
Zuͤcke nie umſonſt dies Schwert
Fuͤr der Vaͤter freyen Herd!
Sey behutſam auf der Wacht!
Sey ein Wetter in der Schlacht!
Jmmer ſey zum Kampf bereit!
Suche ſtets den waͤrmſten Streit!
Schone deß, der wehrlos fleht!
Haue den, der widerſteht!
51Wenn dein Haufe wankend ſteht,
Jhm umſonſt das Faͤhnlein weht,
Trotze dann, ein feſter Thurm,
Der vereinten Feinde Sturm!
Deine Bruͤder fraß das Schwert,
Sieben Knaben, Deutſchlands werth!
Deine Mutter haͤrmte ſich
Stumm und ſtarrend, und verblich.
Einſam bin ich nun und ſchwach;
Aber, Knabe, deine Schmach
Waͤr mir herber ſiebenmal,
Denn der ſieben andern Fall.
Drum ſo ſcheue nicht den Tod,
Und vertraue deinem Gott!
So du kaͤmpfeſt ritterlich,
Freut dein alter Vater ſich!
Kain am Ufer des Meers.
Weh, o wehe mir! wohin
Treibt mich mein geſchlagner Sinn?
Gottes Stroͤme brauſen her
Abels Blut! es iſt das Meer!
Bis zur Erde leztem Rand
Hat die Rache mich gebannt!
Wo kein Jammer noch geklagt,
Hat mich Abels Blut gejagt!
Wehe mir! des Bruders Blut
Donnert in der wilden Flut!
Jn des Felſenufers Schall!
Jn der Grotten Wiederhall!
54Wie den Stein das Meer umfleuſt,
So umſtuͤrmen meinen Geiſt
Seelenangſt und Qual und Wut,
Gottes Schrecken, Abels Blut!
Oefnet, Wogen, euren Schlund,
Denn der Muttererde Mund
Trank ſein Blut, da ich ihn ſchlug,
Und vernahm des Raͤchers Fluch!
Oefnet, Wogen, euren Schlund
Und enthuͤllet euren Grund!
Ach umſonſt! die Rache wacht
Auch im Schooß der alten Nacht!
Jn der tiefſten Tiefe Graun
Wuͤrd’ ich Abels Schatten ſchaun,
Wuͤrd’ ihn ſchauen, ob ich floͤh
Auf des hoͤchſten Berges Hoͤh.
55Wuͤrde dieſes Leibes Staub
Aller Wirbelſtuͤrme Raub;
O ſo ſcheute Kain doch
Gottes Feuereifer noch!
Ohne Maaß und ohne Zahl
Wuͤtet meiner Seele Qual,
Sonder Grenzen ferner Zeit,
Waͤhret in die Ewigkeit.
Denn mich traf des Raͤchers Fluch,
Als ich meinen Bruder ſchlug,
Wehe! wehe! wehe mir!
Schrecken Gottes folgen mir!
Mein Vaterland, an Klopſtock.
Das Herz gebeut mir! ſiehe, ſchon ſchwebt,
Voll Vaterlandes, ſtolz mein Geſang!
Stuͤrmender ſchwingen ſich Adler
Nicht, und Schwaͤne nicht toͤnender!
An fernem Ufer rauſchet ſein Flug!
Deß ſtaunt der Belt und zuͤrnet und hebt
Donnernde, ſchaͤumende Wogen;
Denn ich ſinge mein Vaterland!
Jch achte nicht der ſcheltenden Flut,
Der tiefen nicht, der thuͤrmenden nicht,
Mitten im kreiſenden Strudel
Saͤnge Stolberg ſein Vaterland!
61O Land der alten Treue! voll Muts
Sind deine Maͤnner! ſanft und gerecht!
Roſig die Maͤdchen und ſittſam!
Blitze Gottes die Juͤnglinge!
Jn deinen Huͤtten ſichert die Zucht
Den Bund der Ehe; rein iſt das Bett
Zaͤrtlicher Gatten, und fruchtbar
Jhre keuſchen Umarmungen.
Vom Segen Gottes triefet dein Thal,
Und Freude reift am Rebengebirg;
Singenden Schnittern entgegen
Rauſcht die wankende Halmenſaat.
Kolumbia, du weinteſt, gehuͤllt
Jn Trauerſchleyer, uͤber den Fluch
Welchen der lachende Moͤrder
Oeden Fluren zum Erbe ließ;
62Da ſandte Deutſchland Segen und Volk:
Der Schooß der Jammererde gebar,
Staunte der ſchwellenden Aehren,
Und der ſchaffenden Fremdlinge!
Nach fernem Golde duͤrſtete nie
Der Deutſche; Sklaven feſſelt’ er nicht!
Jmmer der Schild des Verfolgten
Und des Draͤngenden Untergang!
Jch bin ein Deutſcher! (Stuͤrzet herab
Der Freude Thraͤnen, daß ich es bin!)
Fuͤhlte die erbliche Tugend
Jn den Jahren des Kindes ſchon.
Von dir entfernet weih’ ich mich dir,
Mit jedem Wunſche, heiliges Land!
Gruͤſſe den ſuͤdlichen Himmel
Oſt, und ſeufze der Heimat zu!
63Auch greifet oft mein nerviger Arm
Zur linken Huͤfte; manches Phantom
Blutiger Schlachten umflattert
Dann die Seele des Sehnenden.
Jch hoͤre ſchon der Reiſigen Huf,
Und Kriegsdrommete! ſehe mich ſchon,
Liegend im blutigen Staube,
Ruͤhmlich ſterben fuͤr’s Vaterland!
Romanze.
Jn der Vaͤter Hallen ruhte
Ritter Rudolfs Heldenarm,
Rudolfs, den die Schlacht erfreute,
Rudolfs, welchen Frankreich ſcheute
Und der Sarazenen Schwarm.
Er, der lezte ſeines Stammes,
Weinte ſeiner Soͤhne Fall:
Zwiſchen Moosbewachsnen Mauern
Toͤnte ſeiner Klage Trauern
Jn der Zellen Wiederhall.
65Agnes mit den goldnen Locken
War des Greiſen Troſt und Stab,
Sanft wie Tauben, weiß wie Schwaͤne,
Kuͤßte ſie des Vaters Thraͤne
Von den grauen Wimpern ab.
Ach! ſie weinte ſelbſt im Stillen,
Wenn der Mond ins Fenſter ſchien.
Albrecht mit der offnen Stirne
Brante fuͤr die edle Dirne,
Und die Dirne liebte ihn!
Aber Horſt, der hundert Krieger
Unterhielt in eignem Sold,
Ruͤhmte ſeines Stammes Ahnen,
Prangte mit erfochtnen Fahnen,
Und der Vater war ihm hold.
Stolb. E66Einſt beim freien Mahle kuͤßte
Albrecht ihre weiche Hand,
Jhre ſanften Augen ſtrebten
Jhn zu ſtrafen, ach! da bebten
Thraͤnen auf das Buſenband.
Horſt entbrante, blickte ſeitwaͤrts
Auf ſein ſchweres Mordgewehr;
Auf des Ritters Wange gluͤhte
Zorn und Liebe; Feuer ſpruͤhte
Aus den Augen wild umher.
Drohend warf er ſeinen Handſchuh
Jn der Agnes keuſchen Schooß; „ Albrecht nim! Zu dieſer Stunde
Harr’ ich dein im Muͤhlengrunde! „
Kaum geſagt, ſchon flog ſein Roß.
67Albrecht nahm das Fehdezeichen
Ruhig, und beſtieg ſein Roß;
Freute ſich des Maͤdchens Zaͤhre,
Die, der Lieb’ und ihm zur Ehre,
Aus dem blauen Auge floß.
Roͤthlich ſchimmerte die Ruͤſtung
Jn der Abendſonne Stral;
Von den Hufen ihrer Pferde
Toͤnte weit umher die Erde
Und die Hirſche flohn ins Thal.
Auf des Soͤllers Gitter lehnte
Die betaͤubte Agnes ſich,
Sah die blanken Speere blinken,
Sah — den edlen Albrecht ſinken,
Sank, wie Albrecht, und erblich.
68Bang’ von leiſer Ahndung ſpornet
Horſt ſein ſchaumbedecktes Pferd;
Hoͤret nun des Hauſes Jammer,
Eilet in des Fraͤuleins Kammer,
Starrt und ſtuͤrzt ſich in ſein Schwert.
Rudolf nahm die kalte Tochter
Jn den vaͤterlichen Arm,
Hielt ſie ſo zwei lange Tage,
Thraͤnenlos und ohne Klage,
Und verſchied im ſtummen Harm.
Eliſe von Mannsfeld. Eine Ballade aus dem zehnten Jahrhundert.
„ Wie viele ſehnten ſich nach dir,
Du kuͤhle, ſtille Nacht!
Nun haſt du ihnen Labung, Ruh
Und ſanften Schlaf gebracht.
Auch mir komſt du erwuͤnſcht; izt kan
Jch frei und einſam ſein,
Durch manchen tiefen Seufzer nun
Mir lindern meine Pein.
Ach Gott! was hab’ ich denn gethan,
Daß ſie ſo grauſam ſind?
Mein Vater nante mich ja ſtets
Sein liebes gutes Kind;
72Und ihren beſten Segen gab
Die Mutter ſterbend mir,
Der wird im Himmel einſt erfuͤllt;
Doch wahrlich nicht auch hier.
Daß dieſer Segen ſich nur nicht
Jn Fluch verkehr fuͤr die,
Die ſo mich kraͤnken! Gott verzeih’
Es ihnen! Beßre ſie!
Ach, alles truͤg’ ich mit Geduld,
Wenn, Liebe, du nicht waͤrſt,
Die du durch hofnungsloſe Qual
Mein krankes Herz verzehrſt!
Kan ichs nicht dulden, nun wolan
So hab’ ich Einen Troſt:
Dann brichſt du, armes Herz! Drum ſei
Bis daß du brichſt, getroſt „ —
73So eben kehrt’ ein Rittersmann
Von ſeinem Ritt zuruͤck,
Und komt, gefuͤhrt von ſeinem Pfad,
Hart an des Schloſſes Bruͤck.
Da dringt des Fraͤuleins Klageton
Jhm tief ins Herz hinein:
Er waͤhnt, um Huͤlfe fleh’ ſie ihn,
Und will ihr Retter ſeyn.
Voll Ungeduld und voll Begier
Umher ſein Auge gluͤht,
Bis endlich hoch am Fenſter er
Das Fraͤulein ſtehen ſieht.
„ Ach Fraͤulein! ſprich, was jammerſt du?
Vertraue mir dein Leid:
Dies Schwert, der Arm, dies Leben ſei
Zu deinem Dienſt geweiht. „ —
74„ Ach, edler Ritter, Schwert und Arm
Jſt nicht, was mir gebricht;
Nur Troſt fuͤr mein beklomnes Herz:
Und ach, den haſt du nicht! „ —
„ Entdecke mir dein kraͤnkend Weh,
Das wird dir Lindrung ſein,
Und meine Mitleidsthraͤne wird
Dir einen Troſt verleihn. „ —
„ Du guter Juͤngling, hoͤre denn:
Jch eine Waiſe bin,
Und mit den lieben Eltern ſtarb
Mir Ruh und Freude hin;
Ein Ohm und eine Muhme jezt
An Eltern Statt mir ſind,
Die quaͤlen mich, daß Gott erbarm!
Und toͤdten ſchier ihr Kind.
75Mein Vater war ein reicher Graf,
Nun iſt das Erbe mein,
O waͤr’ ich arm! dies ſchnoͤde Gut
Jſt Urſach meiner Pein.
Mein Oheim duͤrſtet Tag und Nacht
Nach meinem Hab’ und Gut,
Drum ſperrt in dieſen Thurm mich ein
Des harten Mannes Wut.
Hier bleib’ ich, droh’t er, wo ich nicht
Erwaͤhl’ am dritten Tag,
Ob ich den Sohn zum Ehemann,
Ob ich ins Kloſter mag.
Wie eilig waͤr’ die Wahl geſchehn,
Jch thaͤt den Schleier an,
Ach, liebte nicht mein junges Herz
Den beſten, ſchoͤnſten Mann.
76Juͤngſt beim Turniere ſah’ ich ihn,
Jch ſah’ und liebt’ ihn gleich,
Wie frei, wie edel und wie kuͤhn!
Nicht Einer war ihm gleich. „ —
„ Sei, edles Fraͤulein, gutes Muts,
Jns Kloſter ſolt du nicht,
Noch minder ſolt du ſein die Schnur
Vom alten Boͤſewicht.
Jch kan’s, ich will’s, ich rette dich,
Das iſt mein feſter Sinn,
Bring dich in deines Juͤnglings Arm,
So wahr ich Stolberg bin. „ —
„ Du? Stolberg? o mein Leid iſt hin!
Mein Engel fuͤhrte dich;
Du biſt mein trauter Juͤngling, du!
Nach dem ich ſehnte mich.
77Jezt ſag’ ich frei und offen dir,
Was ſchon mein Blick geſtand,
Als ich um deine Lanze juͤngſt
Den Eichenkranz dir wand. „ —
„ O Gott! du? mein geliebtes Kind,
Eliſe Mannsfeld? O!
Dich liebt’ auch ich beim erſten Blick;
Noch keiner liebte ſo!
An meiner Lanze ſieh den Kranz,
Den ſie nun ewig traͤgt.
Ach, koͤnteſt du dein Bild auch ſehn,
So tief hier eingepraͤgt!
Jedoch was ſaͤumen wir? ich bring
Dich heim vor Sonnenſchein,
Und unſrer keuſchen Liebe ſoll
Nichts mehr im Wege ſein. „ —
78„ Von ganzer Seele lieb’ ich dich
O Juͤngling! aber doch
Straͤubt ſich mein jungfraͤulich Gefuͤhl
Beim raſchen Vorſaz noch.
Du kennſt die arge Welt; du weiſt
Wie im Triumphe ſie
Mir Stand, und Ehr’, und Tugend nimt,
Wenn ich mit dir entflieh. „ —
„ O Maͤdchen, was iſt uns die Welt?
Laß immerhin ſie ſchrein;
Dein Beifall nur, mein Beifall nur
Soll unſer Richter ſein!
Und keiner deines Stammes ſoll
Vernehmen deine That,
Bis uns des Prieſters Segenshand
Zur Eh’ geweihet hat.
79Auch fuͤhr’ als Gattin ich dich erſt
Jn meine Burg hinein;
Nun geht’s zu meiner Schweſter hin,
Da ſoll die Trauung ſein.
Wie wird mein liebes Guſtchen ſich
Der lieben Schweſter freu’n,
Wie wird des lieben Bruders Gluͤck
Jhr eigne Wonne ſein!
Eliſe, laß uns eilen; kom,
Gleich iſt es Mitternacht,
Der Mond, der jezt ſo hell uns ſcheint,
Hat bald den Lauf vollbracht. „ —
Nun ſchlich das Fraͤulein leiſen Tritts
Hinab den Windelſteig,
Bis unten ſie zum Fenſter kam,
Da ward ſie todtenbleich;
80Doch ſchnell ergreift ſie wieder Herz
Und oͤfnet es behend,
Und wagt’s und ſpringt dem Ritter zu,
Der ihr entgegenrent.
Sein Maͤdchen druͤckt’ er ſprachlos jezt
Feſt an ſein klopfend Herz,
Fuͤr ungefuͤhlter reiner Luſt
Vergaß ſie allen Schmerz.
Dann hob er freudig ſie auf’s Roß,
Und vor ihr ſezt’ er ſich,
Sie ſchlang die weiſſen Arm um ihn;
Fort ging’s nun ritterlich.
Vom Roß und freudigem Gebell
Des treuen Greifs erweckt,
Lief ſchnell die Zof’ ans Fenſter hin,
Jhr Fraͤulein ſie erblickt.
81Sie tobt mit wildem Angſtgeſchrei
Klagt allen ihre Noth;
Der Alte ſchaͤumt, und flucht und ſchwoͤrt
Der Nichre Schmach und Tod.
Er fodert ſeine Saſſen auf,
Und eh’ der Tag begann,
Verlieſſen ruͤſtig ſie das Schloß;
Er fuͤhrte ſelbſt ſie an.
Jndeſſen war das Ritterpaar
Durch Anger, Wieſe, Feld,
Weit uͤber Berg und Thal und Forſt;
Vom guͤnſt’gen Mond erhellt.
Mit lautem Schaumgetoͤſe ſtuͤrzt
Die Bude vor ſie hin: „ Es geht, mein Kind, erzittre nicht!
Des Stroms ich kundig bin. „ —
Stolb. F82Der Rappe ſtuzt und hebt den Fuß
Und pruft den Fluß gemach,
Drauf ſtrebt er wiehernd durch, als waͤr’s
Nur ein Forellenbach.
Nun kommen ſie zum Schloß geſprengt,
Jn Himmelswonn’ entzuͤckt:
Beſchreib’s, wer eine Freude je
Wie dieſe war, erblickt.
Nun ſaſſen ſie beim frohen Mahl,
Der Becher gieng umher;
Ein Knappe kam: „ Auf, edler Graf,
Der Mannsfeld ruͤcket her! „ —
Und Braut und Schweſter jammerten,
Zerrauften ſich das Haar;
Jndeß der Graf zu Pferde ſchon
Jn vollem Harniſch war.
83Dem Zug’ er ſchnell entgegen kam,
Und rief dem Mannsfeld laut: „ Umſonſt iſt deine Muͤh; ſie iſt
Als Weib mir angetraut!
Und bin ich nicht aus edlem Stamm,
Deß Ruhm erſchallet weit,
Der Fuͤrſten unſerm Volke gab
Schon zu der Heiden Zeit. „*)Das Geſchlecht der Stolberge gehoͤrte unter die 12 Edlen Haͤuſer der Vierfuͤrſten des ſaͤchſiſchen Reichs, aus welchen zu Kriegszeiten Herzoͤge und Koͤnige er - waͤhlt wurden, ehe Karl der Groſſe Sachſen er - oberte.
*) — Mit eingelegter Lanze ſprengt
Der Alte gegen ihn,
Sein Haufe folgt; erwartend bleibt
Der Ritter kalt und kuͤhn.
84Und zieht ſein Schwert: Als Mannsfeld naht,
Verhaut er ihm den Stoß
Und haut, und haut den Schedel durch,
Daß er zur Erden ſchoß.
Die Reiſigen zerſtreuen ſich,
Und Stolberg eilt nach Haus,
Und ruht die lange ſuͤſſe Nacht
Jn Lieschens Armen aus.
Lied eines deutſchen Soldaten in der Fremde.
Aus ferne Ufer hingebannt
Thut mir’s von Herzen weh,
Daß ich mein liebes Vaterland
Nicht mehr mit Augen ſeh.
Jch ſehne taͤglich mich zuruͤck,
Das laͤßt mir keine Ruh;
Jch werfe manchen naſſen Blick
Dem wilden Meere zu.
Das war zuvor nicht meine Art,
Jzt wein’ ich, wie ein Kind,
Daß oft am ſchwarzen Knebelbart
Die helle Thraͤne rint.
86O wehe dem, der mich mit Trug
Jn dieſes Land gebracht;
Mein Leid verwandle ſich in Fluch,
Und quaͤl ihn Tag und Nacht!
Er trank mir zu auf Joſephs Wohl
Jn altem Rheinſchen Wein,
Goß bis zum Rand die Glaͤſer voll
Und ſchenkte weidlich ein,
Bis daß ich taumelte; da las
Der Bube Formeln her;
Jch ſang den Schwur beim vollen Glas,
Und trank und bat um mehr.
Da gab er mir ſein ſchnoͤdes Gold,
Und zahlte meine Zech.
Nun war ich in des Koͤnigs Sold,
Und muſte mit ihm weg.
87Die lieben Eltern kuͤmmern mich;
Der Vater haͤrmt ſich ab,
Die Mutter weinet bitterlich
Und wuͤnſchet ſich ins Grab.
Und du, mein ſuͤſſes Hanchen, weinſt
Die blauen Augen roth;
Sie troͤſten dich, du aber meinſt
Dein Nikolas ſey todt.
All was du ſiehſt, das mahnet dich
An deinen Nikolas:
Die Linde, unter welcher ich
Mit dir im Schatten ſaß,
Der Weinſtock, welchen meine Hand
Fuͤr Hanchen auferzog,
Und fruͤh die zarten Reben band,
Und dir zur Laube bog.
88Dort warfſt du mir mit loſer Hand
Die Beeren in den Mund;
Dort war es, wo wir Hand in Hand
Beſchwuren unſern Bund.
Wie war den Abend uns ſo wohl!
Jch fuͤhrte dich nach Haus;
So manche ſtille Thraͤne quoll
Auf deinen Blumenſtrauß.
So freundlich lachte Wald und Thal
Jn meinem Leben nicht!
Der Abendſonne rother Stral
Erhellte dein Geſicht!
Wie Turteltaͤubchen liebten wir,
Und theilten Freud’ und Noth;
Wir ſagten oft: uns wuͤrde hier
Nichts trennen als der Tod.
89Nun ſeufz’ ich ſpat und ſeufze fruͤh:
Erbarm dich, lieber Gott!
Und rette mich, und rette ſie,
Durch einen ſanften Tod!
An die Unbekante.
An’s Maͤgdlein ſei dies Lied gericht’t,
Die mich nicht kent, und ich ſie nicht,
Nicht weis, in welchem Land ſie lebt,
Da doch mein Geiſt ſie ſtets umſchwebt.
Wenn ich aus dem Getuͤmmel bin,
Erfuͤllt ſie immer meinen Sinn;
Und wenn ich irre uͤber Land,
Geht ſie mit mir an meiner Hand.
Wenns wohl mir wird in Wieſ’ und Wald;
Der Mond durch lichte Wolken wallt,
Erhoͤht den ſeligen Genuß
Mein Maͤdchen mir durch manchen Kuß.
93Oftmal, mir ſelber unbekant,
Druͤckt meine Hand dann ihre Hand;
Jch fuͤhl’s, und ſeufze, daß ihr Bild
Den heiſſen Wunſch ſo ſchwach erfuͤllt.
So ſehnlich ſucht’ ich, und ſo lang’!
Nun wird’s im Herzen truͤb und bang,
Daß ich das liebe gute Kind,
Das fuͤr mich da iſt, nimmer find.
Wenn, Beſte, du dies Liedchen ſiehſt,
Und dir vom Aug’ ein Thraͤnlein fließt,
Und ſeufzeſt leis: der gute Mann,
Wie ich ihm nachempfinden kan!
So glaub, daß du mein Maͤdchen biſt,
Das nur fuͤr mich geboren iſt,
Und liebe mich, und ſag es mir,
So eil ich, Beſte, froh zu Dir!
Freimaͤurerlied bei der Aufnahme eines neuen Bruders.
Wackre Bruͤder, ſtimmet an,
Auf! begruͤßt den braven Mann,
Der in unſern freien Orden
Eben aufgenommen worden;
Der nicht weis, wie ihm geſchah,
Ob der Wunder, die er ſah!
Lieber Bruder, freue dich!
Wir auch freun uns inniglich.
So du als ein Maurer handelſt,
Auf der Weisheit Pfade wandelſt,
Huͤllet mit der Zeiten Lauf
Neue Wahrheit dir ſich auf!
100Senke, Bruder, nicht den Blick
Jn die Finſterniß zuruͤck;
Forſche tiefer in die Wahrheit;
Von der Daͤmrung geh zur Klarheit;
Wandle ſicher; ſtrauchle nicht,
Bis du fleugſt, von Licht zu Licht!
Sei getroſt und achte nicht,
Was der Thor und Heuchler ſpricht;
Sie, die uns im Finſtern richten,
Luͤgen an die Wahrheit dichten,
Was gehn einen braven Mann
Alle Splitterrichter an?
Merke, was die Weisheit ſpricht: „ Thue recht, und zittre nicht! „
Ob ihm tauſend Feinde draͤuen,
Wird der Redliche nichts ſcheuen,
Weichet weder links noch rechts,
Fuͤhlt ſich goͤttlichen Geſchlechts.
101Bruder, gieb uns deine Hand,
Unſrer Freundſchaft Unterpfand!
Unſer Buͤndniß zu erneuen
Soll ſich unſer Bruder freuen,
Maurer, ſchenkt die Glaͤſer voll!
Trinkt auf unſers Bruders Wohl!
Freiheitsgeſang aus dem zwanzigſten Jahrhundert.
Sonne, du ſaͤumſt!
Sonne, du ſaͤumſt!
Weilen dich kuͤhlende
Wogen des Meeres?
Sonne, du ſaͤumſt!
Kom herauf zu uns! Es harret
Dein ein freies Volk!
Wende deine Feuerblicke
Von den Sklavenvoͤlkern ab!
Kom herauf zu uns! Es harret
Dein ein freies Volk!
103Siehe ſie koͤmt!
Siehe ſie koͤmt!
Sie verguͤldet die Berge,
Sie roͤthet den Hain,
Und ſilbern rauſchet der Strom in das finſtre Thal!
Wir ſahen dich einſt,
Rauſchender Strom,
Mitten im fliegenden Laufe gehemt!
Bebend und bleich,
Wehend das Haar,
Stuͤrzte der Tirannen Flucht
Sich in deine wilden Wellen,
Jn die Felſenwaͤlzende Wellen
Stuͤrzten ſich die Freien nach;
Sanfter wallten deine Wellen!
Der Tirannen Roſſe Blut,
Der Tirannen Knechte Blut,
Der Tirannen Blut!
Der Tirannen Blut!
Der Tirannen Blut,104 Faͤrbte deine blauen Wellen,
Deine Felſenwaͤlzende Wellen!
Das Schilfblat trof
Und die Weide von der Erſchlagnen Blut!
Um den krauſen Dornſtrauch wickelte ſich das Gewand
Der Todten, wirrte ſich in ihm der Todten Haar!
An dem Hange des Felſen lag
Der Voͤlkerdraͤnger Karl mit ſtarrendem Arm;
Neben ihm ſchimmerte, zerſplittert, ſein Schwert,
Und uͤber ihm waͤlzte ſich ſchwer ſein verwunde - tes Roß!
Es erſtickte der Laͤſterung Wort, und des Befehls,
Jn der bangen Bruſt;
Halbverloͤſchend, noch wild, drehte ſich ſein Aug’ und bat
Jedes zuͤckende Schwert, jeden gehobnen Arm um den Tod!
105Aber verſagt ward ihm des Schwerts und der Tod des Arms!
Der Soͤhne Deutſchlands erbarmte nicht einer ſich ſein!
Zeichnete ſeine Stirne nicht Gottes Fluch?
Schwebte nicht, wie uͤber das Aas der Ad - ler ſchwebt,
Schwebte nicht ſo, ſichtbar, uͤber ihm die Ra - che des Herrn?
Drei Tage lag er blutig, und drei Naͤchte ſo,
Umflattert von der Raben Heer!
Die Zuckungen ſeiner Qualen ſcheuchten der Ra - ben Heer;
Noch lebend ward er endlich naͤchtlicher Woͤlfe Raub!
Es fiel, ach! es fiel,
Heinrich fiel,
Juͤngling und Held!
Es weinte die Mutter,
Weinten die Schweſtern;
106Jm Grame ſtarb ſein junges Weib!
Ach, in ihrem keuſchen Schooſſe
Starb mit ihr ein Heldenkind!
Oede trauren um die Sproſſe
Seines edlen Heldenſtammes
Remlings anmutsvolle Thale
Und das alternde Kaſtell! *)Die Mutter des Dichters war eine Graͤfin zu Ca - ſtell-Remlingen.
*) Nicht einer entrann
Von der Sklaven Heer!
Wie der Sturm mit herbſtlichem Laube
Quellen des Thales bedeckt,
So bedeckte lang und breit den Strom
Des Sklavenheeres Leichnam!
Die Heerde ſloh
Und duͤrſtend das Roß vom blutigen Strom.
Kein Sohn des Waldes nahte ſich ihm;
Nur der Rabe trank und der Adler und der Wolf!
Auf Bergen erſcholl der Sieger Geſang,
Und rollte freudige Donner ins Thal,107 Geſaͤnge der Jungfrauen toͤnten darein:
So floͤten Nachtigallen
Beim Felſenquell.
Hoch ſchwingt, tief ſchwingt, wild ſich umher
Der Adler des Geſangs!
Jn Blutgefilden weilen Geier unter ihm, denn wir ſiegten oft.
Er eilet, er eilet, er ſchwebt
Ueber der lezten Schlacht mit ſteifem Fittig!
Es gluͤhte der Mittag; es rann
Heldenſchweiß auf zertretnes Gras;
Kuͤhlung des Waldes umwehete nur den Feind.
Drei Stunden wankte zwiſchen uns und ih - nen der Sieg,
Wie roͤthlich die Saat wanket auf Huͤgeln hin und her.
Da brachen hervor neue Schaaren aus des Waldes Hoͤh,
Mit Waffengetoͤs und lautem Geſchrei!
Langſam, wie des Ozeanes Ebbe,
Wich der Freien linkes Heer!
108Da ſprengten hervor,
Auf ſchaͤumenden Roſſen,
Wie zuͤckende Blize,
Zween Juͤnglinge, Stolberg ihr Name, Reiſige hinter ihnen her!
Wie der Rhein von jaͤhen Felſen herab
Seine Donner ſtuͤrzet und ewigen Schaum,
Mit des Adlers Eile, des Meeres Schall,
So die Heldenſchaar auf den ſtaunenden Feind!
Stolberg fochten und ſanken dahin
Den ſchoͤnen Tod,
Den blutigen Tod,
Den Freiheitstod!
Keine feige Klag’ erſchall
Bei der Helden fruͤhem Fall!
Einer ihrer Vaͤter wuͤnſchte
Mit der heiſſen Juͤnglingsthraͤne
Sich ſchoͤnen, blutigen Freiheitstod!
Zitternd floſſen ins Silbergewebe
Der Harfe die Thraͤnen der Sehnſucht hinab!
109Siehe, da ſah er,
Jn heiliger Stunde,
Jenſeit Jahrhunderten,
Schlachten der Freiheit!
Sah die Heldenenkel fallen;
O wie ſchlug ſein Herz fuͤr Wonne!
Seine heiſſe Thraͤne ſtuͤrzte
Jn der Harfe Silberſturm!
Die Sonne war geſunken; der Abend
Kuͤhlte mit roͤthenden Fluͤgeln
Den alten Rhein;
Noch donnerte laut, noch blizte die Schlacht!
Von Zinnen des Himmels
Schauten, durch purpurne Wolken,
Hermann freudig, und Tell,
Luther und Klopſtock freudig herab auf un - ſer Heer!
Athmeten uns zu
Feſten Entſchluß,
Staͤrke der Goͤtter und deutſchen Mut!
Die Feinde ſahn auf
Mit lechzenden Blicken110 Zur ſaͤumenden Daͤmrung!
Die Daͤmmerung kam;
Sie wankten, ſie wichen,
Sie goſſen ſich aus uͤber’s Gefild in zerſtreu - ter Flucht!
Wir goſſen uns nach
Mit triefendem Schwert!
Sie hoften, es wuͤrde ſie huͤllen
Jm faltigen Mantel
Die ſchwarze Nacht;
Siehe da gieng ihnen auf uͤbers Tannengebirg
Der zuͤrnende Mond
Blutig und voll!
Verderbende Nacht!
Heilig und hehr
Dem freien Volke!
Mehr jedem Deutſchen, denn die Stunde der Geburt!
Heilig und hehr,
Wie in den Armen der erroͤtheten Braut die ſuͤſſe Nacht!
111Auf Bergen erſcholl der Siegergeſang!
Der Helden Geſang, der Freien Geſang!
Und rollte freudige Donner ins Thal!
Geſaͤnge der Jungfrauen toͤnten darein:
So rauſchen Waſſerfaͤlle
Zum Donner des Meeres am Felſengeſtad!
Du biſt frei! du biſt frei!
Deutſchland, frei!
Stolz ſteheſt du da unter den Nationen um dich her!
Wie der Brocken ſtolz, wenn der Morgenroͤ - the Licht
Seine Scheitel roͤthet, noch finſter unter ihm
Liegen die Thale, und nur daͤmmern die Gipfel um ihn her!
Willkommen, Jahrhundert der Freiheit!
Groſſes Jahrhundert, willkommen!
Du ſchoͤnſte Tochter der ſpaͤtgebaͤrenden Zeit!
Sie gebar dich mit Schmerzen, und ſprang ſtaunend auf,
Da geboren war das maͤchtige Kind!
112Zitternd nahm ſie dich in den muͤtterlichen Arm;
Freudige Schauer rauſchten ihre Glieder hinab auf ihr Gewand;
Feierlich kuͤßte ſie deine Stirn,
Und Prophezeiung entquoll ihren Lippen, wie ein Strom:
„ Tochter, du nimſt hinweg deiner Mutter Schmach!
Raͤchſt deiner Schweſtern weinenden Gram!
Unwillig kruͤmte jede ſich hinab ins Grab;
Denn in Locken der Jugend hofte jede zu fuͤhren dein Schwert,
Zu halten deine Wage, Vergelterin!
Schon laͤchelſt du ſtolz an deiner Mutter Bruſt,
Schon flamt dein blauer rollender Blick,
Schon greifeſt du mich ſtark an mit der zarten Hand;
Bald toͤnen um deine Wiege herum
Waſſengetoͤs und der Sieger Geſang!
Du waͤchſeſt ſchnell auf! ich ſehe dich ſchon
Jn ſchoͤner weiblichen Rieſengeſtalt,113 Mit zuͤckenden Wettern im vertilgenden Aug,
Mit wild hinſtroͤmendem goldenen Haar!
Donner entrollen deinem Fußtritt, und es ſtuͤr - zen dahin
Die Throne, in die goldne Truͤmmer Tirannen dahin!
Du gieſſeſt aus mit blutiger Hand der Freiheit Strom!
Er ergeußt ſich uͤber Deutſchland; Segen bluͤht
An ſeinen Ufern, wie Blumen an der Wieſe Quell. „
Bei einer Schweizerhochzeit.
Des ganzen Dorfes frohe Schaar
Fuͤhrt dort vom heiligen Altar
Ein neuvermaͤhltes Ehepaar.
Seht, wie die Freude feierlich
Des Mannes Haupt erhoͤhet,
Seht, wie verſchaͤmt und jungfraͤulich
Die junge Gattin gehet!
Der Greiſe Blick verjuͤnget ſich,
Die Knaben huͤpfen freudiglich,
Die Maͤdlein fluͤſtern unter ſich;
Die Eltern halten nicht zuruͤck122 Die Freude dieſer Stunde,
Sie ſtroͤmt aus ihrem naſſen Blick,
Sie toͤnt von ihrem Munde.
So manches Weib, das ihrem Mann
Von ganzem Herzen zugethan,
Sieht ihn mit hellen Thraͤnen an;
Sie mahnt ihn an den erſten Tag,
Der ihren Bund geſchloſſen;
Sie ſinnt mit ihm den Freuden nach,
Die dieſem Tag entfloſſen.
Jhr liebe Beide, freuet euch!
Es ſei kein Gluͤck dem euren gleich;
An wackern Kindern werdet reich,
An Soͤhnen bieder und voll Mut
Nach alter Schweizerſitte,
An Toͤchtern ſanft und keuſch und gut,
Die Zierde eurer Huͤtte!
123Du ſeliges und theures Paar,
Du ſollſt im ſpaͤten Jubeljahr,
Bedeckt mit ſilbergrauem Haar,
Noch vielen Enkeln Muſter ſein
Von keuſcher Ehe Segen;
Sie werden einſt, wie ihr, ſich freun,
Und gehn auf euren Wegen!
Lied an einen Freimaurer bei ſeiner Aufnahme.
Mit Beben, wie die Freude bebet,
Und dankbar ſegnend dein Geſchick,
Von kuͤhner Ahndung neu belebet,
Voll Bruderliebe Herz und Blick;
So, Bruder, trit in unſre Mitte,
So ſchwoͤr den ſchauervollen Eid,
Und jeder iſt, nach Maurerſitte,
Dein Herzensfreund zu ſein bereit;
Und willig, Habe, Blut und Leben,
Nim dieſen Bruderkuß zum Pfand!
Fuͤr dich, und jeden hinzugeben,
Der ſich, wie du, mit uns verband.
132Auch dir ſei Habe, Blut und Leben
Zu theur fuͤr deine Bruͤder nicht,
Mit Freud’ und Demut es zu geben,
Das, Bruder, iſt des Maurers Pflicht!
Ach! rauh und ſteil ſind unſre Pfade,
Und harte Kaͤmpfe kaͤmpfen wir;
Fliehſt du den Kampf fliehſt du die Pfade,
Dann wehe! wehe! wehe! dir.
Getroſt! du fliehſt ſie nicht. Beginne
Mit Mut und Vorſicht deine Bahn,
Und dringe zu des Gipfels Zinne,
Zu der nur Hochgeweihte nahn.
Die Staͤrke ſtuͤtze deine Rechte,
Wenn machtlos ſie im Streite ficht;
Des Jrrſals und des Zweifels Naͤchte
Erhelle dir der Weisheit Licht.
133Schon ſank die Huͤlle! Sieh, es winket
Dir fern Aurorens junger Schein,
Doch grauer Nebel wallt und ſinket
Und huͤllt in Daͤmmerung dich ein!
So wallte Nebel einſt, und deckte
Des Tempels Heiligthum; es bebt
Der Soͤhne Levi Schaar; Sie ſchreckte
Gott, deſſen Schauer ſie umſchwebt.
Da ſchwiegen Pſalter, ſchwiegen Lieder;
Da flehte Salomon; da goß
Ein Strom des Lichtes ſich hernieder,
Der in des Weiſen Seele floß.
So quill’ auch dir des Lichtes Quelle,
Ergieß’ im vollen Strome ſich,
Verſcheuche Nebel, und erhelle
Und kraͤftig’ und belebe dich!
134Wohl dir, in unſrer Bruͤder Kreiſe!
Wohl uns! wir feiern dieſen Tag!
Jhm folge, nach der Vaͤter Weiſe,
Ein froh bekraͤnzter Abend nach.
Bei unſerm Freudenmahl’ erneue
Der volle Becher unſer Band;
Die Freud’ erſchein’ uns! Wahrheit, Treue,
Und Sittſamkeit an ihrer Hand!
Dann ſchallen feſtlich unſre Lieder,
Wir trinken ferner Bruͤder Gluͤck,
Und blicken auf bedraͤngte Bruͤder,
Und lindern freudig ihr Geſchick.
Homer. An Vater Bodmer.
‘Τῃ νυν, και σοι τουτο, γερον, κειμηλιον εςω·’ ()Hom. II. XXIII.
Heil dir, Homer!
Freudiger, entflamter, weinender Dank
Bebt auf der Lippe,
Schimmert im Auge,
Traͤufelt, wie Thau,
Hinab in deines Geſanges heiligen Strom!
Jhn goß von Jda’s geweihtem Gipfel
Mutter Natur!
Freute ſich der ſtroͤmenden Flut,
Die voll Gottheit,
Wie der Sonnenbeſaͤte Guͤrtel der Nacht,
Toͤnend mit himliſchen Harmonien,
Waͤlzet ihre Wogen hinab in das hallende Thal! 141Es freute ſich die Natur,
Rief ihre Goldgelockten Toͤchter;
Wahrheit und Schoͤnheit beugten ſich uͤber den Strom,
Und erkanten in jeder Welle ſtaunend ihr Bild!
Es liebte dich fruͤh
Die heilige Natur!
Da deine Mutter im Thale dich gebar,
Wo Simonis in den Skamandros ſich er - geußt,
Und ermattet dich ließ fallen in der Blumen Thau,
Blickteſt du ſchon mit Dichtergefuͤhl
Der ſinkenden Sonne,
Die vom Thraziſchen Schneegebuͤrg,
Ueber purpurne Wallungen des Hellaͤſpon - tos,
Dich begruͤßte, in ihr flammendes Geſicht!
Und es ſtrebten ſie zu greifen
Deine zarten Haͤnde,
Von ihrem Glanze roͤthlich, in die Luft empor!
142Da laͤchelte die Natur,
Weihte dich, und ſaͤugte dich an ihrer Bruſt!
Bildete, wie ſie bildete die Himmel,
Wie ſie bildete die Roſe,
Und den Thau, der vom Himmel in die Roſe traͤuft,
Bildete ſorgſam den Knaben und den Juͤng - ling ſo!
Gab dir der Erfindung
Flammenden Blick!
Gab, was nur ihren Schoͤßlingen ſie giebt,
Thraͤnen jegliches Gefuͤhls!
Die ſtuͤrzende, welche gluͤhende Wangen nezt,
Und die ſanftere, die von zitternder Wimper
Rint aufs erbleichte Geſicht!
Gab deiner Seele
Einfalt der Tauben und des Adlers Kraft!
Gleich deinem Liede,
Sanft nun, wie Quellen in des Mondes Schein,
Donnernd und ſtark nun, wie der Katarakte Sturz!
An die Grazien.
Leicht, wie Hauche des Abendwinds,
Schwebe leicht, mein Geſang! ſanft, wie des
Liebenden
Kuß von Lippe zu Lippe ſchwebt!
Wehe Duͤfte des Lobs, ſuͤſſer denn Weihrauchs
Duft,
Zum Altare der Grazien,
Junger Blumen Geruch, welche die Muſe mir
Jm geheimeren Thale las!
Laͤchelt immer mir zu, ſtimmet mein Saiten -
ſpiel,
Allbelebende Goͤttinnen!
Lehret meinen Geſang ſenken vom Himmel ſich,
Jn die Quelle der Schoͤnheit ſich
Tauchen, glaͤnzender dann ſteigen dem Himmel
zu!
148Ach, die Blume des Liedes welkt
Jn dem Kranze des Ruhms, wenn ſie ein Sterb -
licher
Mit unheiligen Haͤnden pfluͤckt!
Pfluͤcket ihr ſie fuͤr mich, daß nicht der ſilberne
Sonnenſtralende Morgenthau
Jhr enttraͤufle, ſie nicht hangend gekraͤuſelte
Blaͤtter ſenke der Erde zu!
Euch ſoll kuͤnftig ein Hain bluͤhender Stauden,
euch
Meine Quelle geweihet ſein,
Euch mein mooſiges Dach, und die Bewohner
der
Stillen Huͤtte geweihet ſein!
Suchet ihr mir, und bald, unter den freundlichen
Toͤchtern Deutſchlands ein Maͤdchen aus,
Blau die Augen, ihr Haar golden, und ſchlank
ihr Wuchs,
Sanft die Seele, den Augen gleich,
Daß ſie Prieſterin ſei eurem Altare, fruͤh,
Wenn ihr roͤthend die Sonne winkt,
Jhr im leichten Gewand flattert die Morgenluft,
Und im wallenden Schleierflor!
149Daß ſie Prieſterin ſei eurem Altare, ſpaͤt,
Wenn ihr winket der Abendſtern,
Und der Nachtigall Lied um den Altar ertoͤnt!
Wenn ein Kind ihr am Buſen haͤngt,
Wird ſie weihen das Kind euren Altaͤren; einſt
Wird die Tochter, die Enkelin
Euch noch ſingen mein Lied; dann werd’ ich
freudiger
Greis mit zitternden Thraͤnen noch
Mich am waͤrmenden Stral ſonnen, mit zit -
ternder
Hand noch ruͤhren mein Saitenſpiel,
Bis mit Laͤcheln mein Haupt ſanft in die Gru -
be ſinkt!
Die Schoͤnheit.
Wie freudig die Lerche
Schwebet entgegen
Dem roͤthenden Morgen,
So ſchwebet in melodiſchem Fluge des Geſangs,
Lieblichſte Tochter der Natur,
Schoͤnheit, meine duͤrſtende Seele dir nach!
Deine heimiſche Laube
Bluͤhet unter den Sternen nicht;
Aber auf Stralen des Himmels
Schwebeſt oft zu Sterblichen du hinab!
Laͤchelteſt mir oft,
Von purpurnen Wangen des Morgens,151 Oft vom Schimmer des Mondes,
Und vom Spiegel des Sees, den der Hain umkraͤnzt,
Sanfte Ruh in die Seele,
Ahndungen und Himmelsgefuͤhl!
Ach, auf Wangen des Maͤdchens
Sah ich dich himliſcher noch!
Jn ſanftrollender Unſchuld
Jhrer ſchmelzenden Augen
Sah ich dich himliſcher noch!
Hoͤrte dich in den bebenden Melodien
Jhrer ſchwebenden Stimme!
Hoͤrte dich! ſah dich! fuͤhlte dich!
Und in Flammen der Liebs ......
Wehe mir! wehe!
Was bebt meine Seele
Ploͤzlich in die Ebbe des Geſangs zuruͤck!
Selinde!
Selinde!
Verſiegt bei deinem Bilde mein Geſang? ...
152Stolberg ſei ein Mann!
Stroͤme wieder, Geſang!
Stroͤm’, ich beſchwoͤre dich bei deiner Kraft!
Denn die heimiſche Laube
Der ſeligen Goͤttin
Bluͤhet unter den Sternen nicht!
Himliſche Urſchoͤnheit!
Oder wie nennen die Unſterblichen dich,
Welche beſſer noch dich kennen, als Homer,
Plato, Klopſtock und Oſſian?
Biſt du der olympiſchen Tugend
Schweſter? oder ſie ſelbſt?
Selige Bewohner des Lichts,
Welche ſich ſonnen in deinem Stral,
Und mit ſchwellendem Segel
Schiffen auf der Wahrheit unendlichem Oceanus!
Weiſe der Erde
Stehn am ſandigen Ufer,
Freun ſich, wie Kinder,
Wenn die kleine Kentniß
Zappelt an der Angel ſchwankendem Rohr!
153Laͤcheln, wie Kinder,
Ueber den weiſſen Schaum
Und die bunte Blaſe,
Ehe ſie am Geſtade zerplazt!
Lieber wall’ ich am Ufer,
Ruhig und Gedankenvoll!
So hoͤrt doch mein Ohr
Der ernſten Wogen rauſchenden Fall!
Es ſpaͤhet mein Blick
Die Argo, die einſt
Zum reineren Golde mich fuͤhrt!
Schweig indeſſen, Geſang!
Bis du einſt der Goͤttin,
Wie die Donau der Sonne,
Von ihrem Glanze golden und roth,
Freudig und donnernd entgegen ſtroͤmſt.