PRIMS Full-text transcription (HTML)
Gedancken Vom Einfluß der Seele in ihren Koͤrper.
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HALLE,Verlegts Carl Hermann Hemmerde1746.

Dem Hochedelgebohrnen, Hocherfahrnen und Hochgelahrten Herrn, Herrn Johann Juncker, der Artzneywiſſenſchaft Doctorn, und oͤffentlichen ordentlichen Profeſſorn auf der Koͤnigl. Preuß. Friedrichs. Univerſitaͤt, wie auch beruͤmten Practicus auf dem koͤniglichen Paͤ - dagogio und dem Waiſenhauſe zu Glaucha bey Halle, Meinem vornehmen und groſſen Goͤnner.

A aHoch -
Hochedelgebohrner, Hocherfahrner und Hochgelahrter Herr Pro - feſſor. Vornehmer und groſſer Goͤnner.

Die geringen Blaͤtter, welche Ew. Hochedelgebohrnenhier -hiermit gehorſamſt zu uͤberreichen, mir die Freyheit nehme, ſind von ei - ner ſolchen Beſchaffenheit, daß nie - mand, als Ew. Hochedelgebohr - nen beſonders daran Theil haben koͤnnen. Es iſt eine Vertheidigung der ſtahlianiſchen Grundſaͤtze, wel - che darin vorgetragen wird, und ich kan nach der Wahrheit nicht anders ſagen, als daß Ew. Hochedelge - bohrnen, durch DERO unermuͤde - ten Unterricht, das einige Mittel ge - weſen, wodurch ich das Gluͤck erlan - get habe, die Lehrſaͤtze dieſer vernuͤnf - tigen Meinung zu erlernen. Dieſes, und meine Ungewißheit, ob ich DE -A 3RORO Unterricht gehoͤrig gefaſſet, und in dieſer Schrift gegen die neuern Philoſophen gruͤndlich vertheidiget habe, ſind einige derer Urſachen, war - um ich mich unterſtehen koͤnnen, Ew. Hochedelgebohrnen dieſe Blaͤtter gehorſamſt zuzueignen. Ob mir gleich nichts angenehmer ſeyn wuͤrde, als wenn ich die Meinungen Ew. Hochedelgebohrnen in die - ſer Schrift richtig getroffen und er - klaͤhret haͤtte; ſo wuͤrde ich doch, im Fall des Gegentheils, nicht unter laſ - ſen koͤnnen, mich gluͤcklich zu ſchaͤtzen, indem ich verſichert waͤre, daß DE - RO gewoͤhnliche Guͤtigkeit zurei - chend ſeyn wuͤrde, mich auf die ange - nehmſte Weiſe meiner Jrrthuͤmer zu uͤberfuͤhren, und eines beſſern zu be -leh -lehren. Jch ſage, ich wuͤrde mich auch in dieſem Falle gluͤcklich ſchaͤtzen koͤn - nen, indem ich nicht allein hierdurch Gelegenheit bekaͤme, meine Fehler zu verbeſſern, ſondern auch uͤberdem die ſtahlianiſche Lehre mit deſto mehr Zuverſicht behaupten koͤnte, je gewis - ſer ich wuͤſte, daß ich alles recht einſaͤ - he und beurtheilete. Ja, wenn auch alles dieſes, wovon ich ietzo geredet nicht alſo waͤre; ſo wuͤrde ich dem ohn - geachtet Gruͤnde genug finden, die Kuͤhnheit zu entſchuldigen, welche mich verleitet Ew. Hochedelge - bohrnen dieſe Schrift gehorſamſt zu uͤberreichen. Waͤren SJE, Hoch - zuehrender Herr Profeſſor, vor vielen andern, welche ſolche Ge - lehrſamkeit und dergleichen Verdien -) (4ſte,ſte, als man bey JHNEN iederzeit antrift, beſitzen, nicht ein Feind derer - ienigen, welche DERO nicht geringe Vollkommenheiten in JHRER Ge - genwart ruͤhmen, und waͤre auch ich im Stande davon einen wuͤrdigen Ab - riß zu machen; ſo wuͤrde ich mich da - durch genugſam entſchuldiget haben; indem mir Ew. Hochedelgebohr - nen ſelbſt nicht verdencken wuͤrden, daß ich theils dieſer Schrift, durch Vorſetzung eines ſo groſſen und be - ruͤhmten Nahmens ein Anſehen zu ge - ben, theils aber auch DERO unſchaͤtz - bare Gewogenheit mir hierdurch auf einige Weiſe zu erwerben ſuchte. Al - lein dieſes iſt die Urſach, warum ich weder DERO groſſen Verdienſte, beſonders um die Artzneywiſſenſchaftundund Republick, noch auch dieienigen vielen Wohlthaten hier zu erzaͤhlen mir vornehmen kan, welche SJE meiner geringen Perſon auf unzaͤhli - ge Arten erzeiget haben. Jch erkenne die Groͤſſe meiner Verbindlichkeit, und bitte mir zugleich gehorſamſt aus, mich DERO unſchaͤtzbaren Ge - wogenheit fernerhin guͤtigſt zu wuͤr - digen. Wofern ich dieſes von DERO Guͤtigkeit zu erbitten im Stande bin, werde ich unter einem ſo anſehnlichen Schutze, die Anfaͤlle dererienigen mit ruhigen Hertzen verlachen koͤnnen, welche ſich vielleicht wegen dieſer Blaͤtter, mit groſſen Eifer wider mich ruͤſten moͤchten, denn ich werde auf keine Weiſe gluͤcklicher ſeyn, als wenn ich mich iederzeit mit geziemenderA 5Ehr -Ehrfurcht zu nennen, die Ehre haben kan,

Hochedelgebohrner, Hocherfahrner und Hochgelahrter Herr Pro - feſſor Ew. HochedelgebohrnenHalle den 1 May 1746.gehorſamſt verbundenſten Diener Johann Auguſt Unzer.

Vorrede.

Jch handele in dieſer Schrift eine Materie ab, davon ich ſelber noch einigermaſ - ſen zweifelhaft bin, ob es rathſamer ſey, ſich in eine genaue Un - terſuchung derſelben einzulaſſen, oder ſich deſſen zu enthalten. Was iſt wohl denen Gelehrten iemals ſo theuer zu ſtehen gekommen, als die Unterſuchung des Weſens der Sele, und des Grun - des ihrer Veraͤnderungen? Man uͤber - lege nur die muͤhſamen Beſchaͤftigun - gen derer Gelehrten, die Pluͤnderung der Sprachen, den Zwang der Fanta - ſie, und oͤfters die Hintanſetzung dernatuͤr -Vorrede. natuͤrlichen Vernunft, um der Sele einen wuͤrdigen Zunahmen beyzulegen. Was hat es vor Satyren, was vor Wiederlegungen, was vor Beantwor - tungen und Erklaͤrungen hat es nicht gekoſtet, um einige Leute zu uͤberreden, daß die Sele ein Geiſt ſey, andern zu verſichern, ſie ſey eine Materie, noch andern die Eigenſchaften einer Monade an ihr zu ruͤhmen, und denen letztern ein, ich weiß nicht was vor ein Weſen von ihr zu beſtimmen, indem man ihr einen griechiſchen Nahmen gegeben. Dieſes iſt noch lange nicht alles. Ei - nige welchen die Schwaͤchlichkeit ihrer Sele nicht unbekand war, ſetzten ihr einige Bediente bey, um ihre Regie - rungsſorgen mit ihnen theilen zu koͤn - nen. Und was iſt endlich viel davon zu ſagen? Wir wiſſen, daß es noch heut zu Tage Dualiſten, Jnfluxioni - ſten, Materialiſten und dergleichen Selenkenner mehr gebe, welche ſich noch ietzo in denen Haren liegen, und deren Streit wol in den naͤchſten zehen Jahren nicht beygelegt werden duͤrfte. ManVorrede. Man darf ſich aber uͤber dieſe Uneinig - keit nicht wundern. Die kriegeriſchen Zeiten in der Selenlehre haben gewiſſe Anſpruͤche auf den Character eines wahrhaften Philoſophen zum Grunde, welche ſich kein Gelehrter wird aus den Haͤnden winden laſſen. Man weiß, daß ein aͤchter philoſophiſcher Kopf dieſen Nahmen nicht verdienen wuͤrde, ſo bald er etwas glaubte, das er ſaͤhe und ſo lange er ſich nicht bemuͤ - hete, dasienige zu errathen, was ſeinen Augen verborgen iſt. Der Character eines Weltweiſen iſt viel zu reizend, als daß man ſich uͤberreden ſolte, von dieſem Geſetze abzuweichen. Daher wird man finden, daß die meiſten Phi - loſophen einen Eckel an der Artzney - wiſſenſchaft und Naturlehre haben. Wer kan ihnen auch dieſes alles ver - dencken. Die niedertraͤchtigen Be - ſchaͤftigungen der Artzneyverſtaͤndigen und Naturforſcher, zweyer Arten von Leuten, welche nur ihren Fleiß auf die Unterſuchung derer Koͤrper, ſolcher Dinge wenden, welche ſie ſehen koͤn -nen,Vorrede. nen, gehoͤren nicht unter die erhabenen Bemuͤhungen derer uͤbrigen Weltwei - ſen. Wo findet man in der Naturleh - re wohl einen einzigen ſo ſubtilen Be - grif, den nicht ein nur geſunder natuͤr - licher Verſtand faſſen koͤnte? Wo hoͤ - ret man daſelbſt von lauter allerklein - ſten Kraͤften, von Geſichtspunkten derer Monaden, von einfachen Sub - ſtantzen, von Einfluͤſſen und Harmo - nien ein Wort reden. Das ſubtileſte, womit ſich ein Naturforſcher abgiebt, ſind Muskeln, Adern, Nerven, von Thierchen, deren ſich viele tauſend in dem Raume eines einzigen Sandkoͤrn - chens auf halten koͤnten. Aber alles dieſes ſind noch nicht Begriffe von der feinſten Art, und dieſes iſt ſchon hin - reichend, ein Mißverſtaͤndniß unter dieſen Gelehrten anzurichten. So viele Verdrießlichkeiten verurſachet ſchon das Weſen der Sele allein, und dennoch iſt noch nichts von denen Ver - aͤnderungen der Sele ſelbſt geſagt wor - den. Man bediene ſich der Vorſicht, und laſſe das Weſen der Sele unent -ſchie -Vorrede. ſchieden. Man laſſe einen Materiali - ſten von ſeinen Nerven und einen Har - moniſten von ſeinen Monaden halten, was ihnen gefaͤlt, wird man etwan nun mit der Sache zu Ende ſeyn? Keinesweges. Ob ich gleich in dieſer Schrift alle Behutſamkeit angewen - det, das Weſen der Sele nicht zu be - unruhigen, ſo habe ich dennoch das ver - drießliche Diſputiren nicht von mir ab - lehnen koͤnnen. Jch haͤtte mich bey - nahe abſchrecken laſſen, an den Grund einer Veraͤnderung in meiner Sele zu dencken, weil ich bey ieden neuen Ein - falle, den ich davon hatte, ſo viel Wie - derleger auf mich zurennen ſahe, daß ich gantz zweifelhaft gemacht wurde, ob nicht die Natur unſre Sele bloß darum gemacht habe, damit niemand vergeſſen ſolte, daß die Kraͤfte unſrer Erkenntniß Schrancken haͤtten, und daß man dieſelben zu uͤberſchreiten ſich niemals bemuͤhen duͤrfte, ohne zu be - fuͤrchten, auf die allerempfindlichſte Weiſe wegen dieſes Vergehens an ihr gerochen zu werden. Die Menſchenver -Vorrede. verrathen ſo viel Unwiſſenheit in nuͤtz - lichen und ſo viel Wiſſenſchaft in un - nuͤtzlichen Dingen, daß es das Anſehen hat, als dienten ſie nur darzu, die Natur mit ihren Handlungen zu ergoͤ - tzen. Die allermeiſten Beſchaͤftigun - gen der Gelehrten beſtehen nur allein in Wiederlegen und Erfinden. Sie wiederlegen alte Meinungen um neue erfinden zu koͤnnen, und erfinden Neuigkeiten, um in kurtzen wiederum wiederlegt zu werden. Man beſinne ſich nur auf die Bemuͤhungen eines Carteſius, eines Leibnitz und anderer, deren Nahmen bey uns ſo viel Aufſe - hen verurſachen. Jener wiederlegte die Jnfluxioniſten, er erfand die Mei - nung derer Occaſionaliſten, und alſo konte es nicht fehlen, daß ihn die Harmoniſten wiederum wiederlegten. Vom erſten Anfange der Gelehrſam - keit iſt dieſes Verfahren Mode gewe - ſen, und man kan derohalben gewiß glauben, daß eine neue Meinung ihre Wiederleger finde, ſo bald ſie etwas alt geworden iſt, Bey ſo geſtaltenSachenVorrede. Sachen darf man ſich nicht Hofnung machen, bey denen Nachkommen be - ſtaͤndig in guten Credit zu bleiben. Man kan Beweiſe des phyſicaliſchen Einfluſſes, des Occaſionalismus, man kan auch Beweiſe der vorherbeſtimm - ten Harmonie ſchreiben. Man wuͤrde aber den Nahmen eines Gelehrten nicht mit Recht verdienen, wenn man ſich uͤberreden wolte, nicht wiederleget werden zu koͤnnen. Es ſcheinet, als ob ſich die Einſichten der Menſchen mit denen Jahrhunderten veraͤnder - ten: und wenn man dieſes gewiß wuͤ - ſte, ſo thaͤte man nicht uͤbel, wenn man zu einem ieden neuen Beweiſe ei - ner Meinung hinzuſetzte, auf welches Jahrhundert er eingerichtet waͤre. Doch dieſe Vorſicht wolte ich nicht ein - mal einen ieden rathen. Da ietzo alle Wiſſenſchaften ſteigen, ſo koͤnte es auch wohl geſchehen, daß man in der Kunſt zu wiederlegen eine groͤſſere Fer - tigkeit erhielte, und auf dieſe Weiſe daurete wohl mancher Beweis kein gantzes Jahrhundert hindurch. JchBſageVorrede. ſage nicht zu viel, denn wir haben un - ter denen Gelehrten ſchon hiervon eini - ge Proben. Die Jdealiſtiſchen, die Egoiſtiſchen, und andre Meinungen mehr, haben denen Gelehrten manche Erfindung gekoſtet: allein dieſe haben nicht viel laͤnger in Flor geſtanden, als etwan ihre Erfinder gelebt haben. Wie viele Hirngeburten ſind nicht in ihrer erſten Kindheit wider dahin ge - ſtorben, deren Eltern ſelbſt die Lei - chenpredigten daruͤber halten muͤſſen. Es mag wohl eine groſſe Ueberwin - dung darzu gehoͤren, in ſolchen Trau - erfaͤllen gleichguͤltig zu ſeyn, und den - noch habe ich mir ſagen laſſen, daß unter denen Gelehrten nichts gemei - ner ſeyn ſolte, als eben dieſes. So wenig es ietzo Mode iſt, daß die Men - ſchen viele Jahrhunderte hindurch le - ben, eben ſo wenig ſoll man dieſes von denen Schriften derer Gelehrten behaupten koͤnnen. Jch weiß wohl daß Euclides noch ietzo lebet, und daß auch Neuton ſo bald nicht ſterben werde. Allein mit dieſen hat es einegantzVorrede. gantz andre Beſchaffenheit. Euclides und Neuton waren nicht ſo wol Phi - loſophen, als vielmehr Mathematick - verſtaͤndige. Die Mathematick aber fuͤhret eine ſo gute Diaͤt, daß ſie im - mer bey ihren alten Gewohnheiten bleibt, weil ſie dieſelben einmal ihr dienlich befunden. Daher kommt es, daß ſie ſich ſo lange hinbringt, ohne zu vergehen, und ich glaube, daß ſie ewig leben werde, da ſie ein Geheim - niß beſitzt, allen Wiſſenſchaften vor dem Verfalle zu helfen, wenn ſie ſich nur bey ihr Raths erholten. Dieſe Univerſalartzney beſchuͤtzet ſie vor al - len Zufaͤllen, und dieienigen Men - ſchen ſind weiſe und ehrwuͤrdig, welche ſuchen ihre Wiſſenſchaften, durch das - jenige Mittel, welche ſie nur bey der Meßkunſt allein finden koͤnnen, auf - recht zu erhalten und hoͤher zu treiben. Gleich wie ich nun von derienigen Leh - re, die in gegenwaͤrtigen Blaͤttern vorgetragen wird, nichtsweniger be - haupten kan, als daß ſie die Mathe - matick zu ihrem Leibartzte haͤtte; ſoB 2mußVorrede. muß ich beynahe befuͤrchten, ſie werde mit denen uͤbrigen Meinungen in die - ſer Sache, gleiches Schickſal erfahren. Dieſes koͤnte mir nun eben ſo etwas ungluͤckliches nicht ſeyn, denn ich wer - de es nur ſagen, daß mir die Art zu Dencken derer Philoſophen gefalle. Jch habe wiederlegt, ich habe erfun - den: was fehlet mir weiter, als einen Nachfolger zu haben, der mich wie - derlegt und etwas neues erfindet, um mit denen Philoſophen einerley Schick - ſal zu haben. Weil ich aber doch eine Meinung behaupte, welche einigen Philoſophen gantz ungereimt vor - kommt; ſo muſte ich befuͤrchten, man werde mir aus andern Gruͤnden, die Gleichheit meines Schickſahls und ie - ner ihres abdiſputiren. Dieſes habe ich aus den Bewuſtſeyn derer vielen uͤberhaͤuften Geſchaͤfte ſolcher Per - ſonen vor etwas unbilliges von mir gehalten, wenn ich ihnen dieſe Muͤhe machen ſolte. Jch habe es demnach ſelber gethan. Jch habe eine alte Meinung vorgetragen; aber ich ver -muth -Vorrede. muthe, daß ſie dieienigen vor etwas neues halten werden, welche ſie noch nicht kennen. Alſo habe ich in ver - ſchiedenen Abſichten, etwas neues und zugleich etwas altes geſchrieben. Die - ienigen, deren Beruf es erfodern wird, werden mich zu wiederlegen ſu - chen, und wenn ſie dieſes als Philo - ſophen thun wollen, ſo muß die Mei - nung noch als etwas neu von ihnen angeſehen werden, denn es waͤre in Wahrheit nicht philoſophiſch, wenn man mich in ſo fern wiederlegen wol - te, als ich etwas altes behauptete. Man wuͤrde dadurch dieienigen belei - digen, welche durch Wiederlegung dieſer Meinung und durch Erfindung einer neuen, in den erſtern Jahren, als iene anfing etwas alt zu werden, ſich den Nahmen eines Philoſophen erworben haben. Da ich nun den al - ten Jnfluxionismum in dieſer Schrift auf eine ſolche Art behaupte, welche bisher noch nicht bekandt geweſen zu ſeyn ſcheinet; ſo wird man wiederle - gen muͤſſen, daß dieſe Meinung neuB 3ſey.Vorrede. ſey. Hierdurch lehne ich den Vor - wurf ſelbſt von mir ab, daß ich zu - gleich wiederlegt und etwas neues er - funden haͤtte, und folglich wird es ohnedem klar ſeyn, daß ich mich noch nicht zu einen ſolchen Philoſophen wie - derlegt habe, als wie es ietzo Mode iſt. Wie gluͤcklich wuͤrde ich ſeyn, wenn dieſes geſchaͤhe! Meine Mei - nung, welche ſchon ſo alt iſt, wuͤrde ſcheinen etwas von demienigen Ge - heimniſſe zu wiſſen, deſſen ſich die Ma - thematick bedient, um ihr Leben zu erhalten. Ob es nun gleich nicht an dem waͤre, ſo waͤre doch dieſer Jrr - thum recht erwuͤnſcht vor mich; und ich wuͤrde nimmermehr ſuchen, da - durch ein neuer Philoſoph zu werden, daß ich iemanden dieſen Jrrthum wie - derlegte, und ihn zugleich des Gegen - theils verſicherte. Jndeſſen kan man doch aus dieſem allen ſehen, warum ich im Anfange dieſer Vorrede geſagt habe, daß ich zweifelhaft geweſen waͤ - re, ob es rathſam ſey, vom Einfluß der Sele in den Koͤrper ſeine Gedan -ckenVorrede. cken oͤffentlich der Welt mitzutheilen. Auf einer Seite muſte ich befuͤrchten, man wuͤrde hierbey Gelegenheit ſuchen ein Philoſoph zu werden, oder mich zu wiederlegen. Auf der andern Sei - te hingegen, wuſte ich wiederum, daß ich nichts neues geſchrieben, ſondern nur das alte etwas bekandt gemacht und erklaͤret haͤtte. Zudem ſo macht auch nur den wenigſten Theil dieſer Schrift, dieſe Wiederherſtellung des Jnfluxionismus aus. Hingegen der Beweis, daß die Sele in ihren Koͤr - per wuͤrcke, nimmt darin einen ziem - lich groſſen Platz ein. Denenienigen, welche dieſen Satz laͤugnen, habe ich allerley Schuld gegeben, was ſie als - denn auch laͤugnen muͤſten. Nicht als wenn ſie z. E. wuͤrcklich laͤugneten, die Sonne ſey die Urſach des Lichts, ſondern, daß ſie es laͤugnen muͤſten, wenn ſie eigentlich wuͤſten, was ſie be - haupteten. Es wird mir gar nichts unerwartetes ſeyn, wenn man dem - ohnerachtet bey der gegenſeitigen Mei - nung bleibet. Es iſt heut zu TageB 4eineVorrede. eine Schande vor einen Gelehrten, wenn er ſagen ſollte: ich habe geirret; und ſolte ietzo Dolaͤus noch leben, ſo wuͤrde er nicht umhin koͤnnen, Schluß auf Schluß zu haͤufen, und endlich mit vieler Verſchwendung der ſyllogi - ſtiſchen Kunſtwoͤrter, den Lehrſatz hin - ten nach zu ſetzen: Alſo hat die Sele einen griechiſchen Nahmen, und die Ehre ihrer Hofſtadt iſt gerettet. W. Z. E. W. Ob ich nun gleich nicht ver - muthe, daß dieſe Schrift unter denen Gelehrten viel Aufſehens machen wer - de; ſo koͤnte es doch ſeyn, daß man wieder dieſen Beweis einige Einwen - dungen zu machen haͤtte. Solten ſie von ſolcher Erheblichkeit ſeyn, daß es der Muͤhe werth waͤre, ſie zu beant - worten; ſo werde ich mir ein Vergnuͤ - gen daraus machen, meinen Beweis ſo viel mir moͤglich ſeyn wird, dawie - der zu retten. Jm Fall des Gegen - theils werde ich meines Erachtens wol thun, wenn ich ſchweige, und dieſen Vorſatz habe ich hiedurch bekandt ma - chen wollen. Jch weiß eben nicht, oberVorrede. er vor mich ſelber allzuvortheilhaft ſeyn moͤchte. Viele die dieſe Schrift nicht geleſen haben, werden mehr daran auszuſetzen haben, als die ſo ſie verſtehen, und andre welche ſie et - wan nicht verſtehen, werden ihr un - partheiiſches Urtheil mir auch nicht vorenthalten koͤnnen. Gegen alle die - ſe werde ich mich nicht verantworten duͤrfen. Aber gewiß! wenn ich nur auf die vernuͤnftigen Beurthei - lungen antworten werde, ſo muß ich befuͤrchten, daß mich nicht wenige meiner Beurtheiler vor ſtumm und taub halten werden. Ueberdem habe ich mir auch vorgeſetzt, denenienigen gar nicht zu antworten, welche mir gegen die Vertheidigung der ſtahlia - niſchen Lehre etwas einwenden ſol - ten. Jch habe ſie weder erfunden, noch in dieſer Schrift ordentlich er - wieſen. Man leſe die vortreflichen Schriften, des groſſen Stahls und unſers unvergleichlichen Herrn Profeſſor Junckers, wenn man darin weiteren Unterricht braucht. B 5WieVorrede. Wie ich alſo leicht ſchlieſſen kan, wird mir wol gar wenig zu weiterer Vertheidigung auszuſetzen, uͤbrig bleiben. Jch wuͤnſche daher nichts weiter, als daß man mich entſchul - dige, weil ich eine ſo lange Vorrede geſchrieben habe.

Meier[1]

Meier in der Vorrede zur Abbildung eines Kunſtrichters.

Nur kleine Geiſter nehmen es uͤbel, wenn ſie nicht einen durchgaͤngi - gen Beyfall von andern erhal - ten.

§. 1.

Ehedem war die Mode unter denen Ge - lehrten eingeriſſen, daß man eine Sa - che, welche etwas geheimnißvoll zu ſeyn ſchien, mit ſolchen Worten erklaͤrete, die nicht von jedermann verſtanden werden konten. Dieſe Mode war eben nicht zu verachten. Man brachte denen Ungelehrten einen hohen Begrif von denen Gelehrten bey, ſo daß dieſe vor iener Augen wie Goͤtter erſchienen, welchenicht2nicht wuſten daß ihre Gehirne nur mit Wor - ten erfuͤllt waͤren, und ſie uͤbrigens mit ihnen einerley Gaben haͤtten. Wo ich mich nicht irre, ſo wird die heutige Geringſchaͤtzung der Gelehrſamkeit am meiſten davon herruͤhren, daß man dieſen Kunſtgrif nicht beybehalten hat. Wer wuͤrde wohl ietzo den Dolaͤus vor einen Comoͤdianten unter denen Gelehrten anſehen, wenn dieſe Kunſt noch bey ihnen herrſchete? Allein, es iſt nun ein vor allemahl nicht, und ich werde wol am beſten thun, wenn ich die Parthey der neuern erwaͤhle. Dolaͤus, dieſer Dolaͤus, welcher in der That die Geiſterlehre ſehr hochgetrieben hat, war einer von denenie - nigen, die die Begriffe haſſen und die Nah - men lieb haben. Er verbeſſerte die innre Ein - richtung des Menſchen dadurch, daß er die Nahmen vieler Arten von Selen erdachte, wel - che ſich in dem menſchlichen Koͤrper bemuͤhe - ten, eine recht weiſe Einrichtung zu machen, und die alleſammt Unterthanen eines Monar - chen waren. Wir haben von dieſer Einrich - tung keinen weitern Nutzen, als eine Menge recht praͤchtiger Nahmen, welche vielleicht ohne dieſelbe unbekandt geblieben waͤren. Micro - cosmetor, war der Monarch von den wir ietzo reden; ſein Bedienter war der ſo in dem Hertzen ſein Regiment fuͤhrete, und Cardime - lech hieß. Ein andrer hieß Cosmetorges, der ſo die Speiſen verdauete, nennte ſich Ga - ſteranax und Bithnimalca, und der wertheNah -3Nahmen desienigen, der die Vermehrung der Welt beſorgte, war: Rachamalca. Doch hat ſich Dolaͤus nicht allein Muͤhe gegeben, der Sele einen Nahmen zu geben. Noch ehe man von denen Monaden etwas wuſte, war die Sele bald eine Flammula vitalis bald ein Humidum innatum, und ich weiß nicht was noch ſonſt. Dieſe Verwirrung iſt groß genug, und daher muß man ihren Erfindern verbunden ſeyn, daß ſie ſich nicht noch mehr Muͤhe gegeben, dieſelbe hoͤher zu treiben. Wir wiſſen von dem allen nichts, wovon ſie uns mit ſo viel Worten unterrichtet. Niemand hat das Gluͤck den Microcosmetor zu ken - nen, ob man gleich weiß, daß er ſeinen Nah - men hat. Jch ſage dieſes nicht, um die Er - finder ſolcher Weisheit zu tadeln. O nein! es iſt mir mehr als zu wohl bekandt, daß ſie nichts weiter gethan haben, als was noch taͤglich ge - ſchicht. Ohnerachtet Microcoometor nicht mehr lebt, und ohnerachtet ſein Nachfolger den Nahmen einer Monade, einer Sele, eines Archaͤus und dergleichen mehrere bekommen hat; ſo kennen wir die Perſonen dieſer Nah - men eben ſo wenig, als die alten dieſen ihren Monarchen. Das macht, wir muͤſſen dieſes als ein Hauptgeſetz in der Lehre von der Er - kenntniß des Weſens unſrer Sele, anſehen, daß das Weſen derſelben von uns auf keine Weiſe vollkommen erkennet und begriffen wer - den mag. Weil uns die Nahmen der Selennichts4nichts koſten, ſo koͤnnen wir derſelben ſo viele beylegen, als uns gefaͤllt; allein eben darum, weil ſie ſo wohlfeil ſind, wird man ſich nicht viel beſonderes davon verſprechen koͤnnen. Mei - nethalben koͤnte die menſchliche Sele, Archaͤus, Microcosmetor oder Monade heiſſen, das eine wuͤrde mir ihre wahre Beſchaffenheit ſo wenig entdecken, als das andre. Wenn wir die Materialiſten ausnehmen, ſo behauptet ie - dermann, daß die Seele ein Geiſt ſey. Allein es muß Grade in der Geiſtigkeit geben, weil es Leute giebt, welche zwar mit Gewißheit glauben, daß die Sele ein Geiſt ſey: die aber demohngeachtet nicht zugeben wollen, daß man ſie eine Monade nennen ſoll. Was mich be - trift, ſo ſoll es mir einerley gelten, man mag die Sele halten, wovor man will. Meine Gedancken von dem Einfluſſe der Sele in ih - ren Koͤrper ſollen alſo beſchaffen ſeyn, daß ſie einer Monade eben ſo wohl, als einem Ar - chaͤus zu kommen. Jch will zum voraus ſe - tzen, daß wir alleſammt dencken: und dasie - nige Ding, welches in uns iſt und Vorſtel - lungen hat, ſoll eine Sele heiſſen. Dieſe Er - klaͤrung hat einen ziemlich weiten Umfang, allein weil ich nicht ſehe, warum ich das We - ſen der Sele genauer beſtimmen muͤſte: ſo will ich lieber die Streitigkeiten in dieſer Sa - che vermeiden. Dieſes wird ohne Zweifel de - nenienigen wunderlich vorkommen, welche glau - ben, daß ich in dieſer Materie, die ich abzu -handeln5handeln gedencke, gar nichts entſcheiden koͤn - te, ohne vorher das Weſen der Sele genau genug beſtimmt zu haben. Aber hiervon kan ich mich nicht uͤberreden. Man wuͤrde, wenn ich auch meine Saͤtze noch ſo genau erwieſen haͤtte, mir dennoch vorwerffen koͤnnen, daß dieſes alles nur wahr waͤre, wenn unſre Sele dasienige Ding waͤre, wovon ich es glaubte, und worauf ich meine Saͤtze gegruͤndet. Das Weſen der Sele wird demnach hier von mir verſchonet bleiben; allein ich werde demohn - erachtet Gelegenheit finden, vieles von dem Einfluß der Sele in ihren Koͤrper zu ſagen und theils zu erweiſen.

§. 2.

Die vielen Weſen der Sele, die vorherbe - ſtimmten Harmonien, die phyſicaliſchen Ein - fluͤſſe, die Lehrgebaͤude der Mechaniſten und Occaſionaliſten, auch ſo gar die Microcosme - tors und Monaden, haben wir alleſammt einer gewiſſen Begierde der Gelehrten zu dancken, die ſie angetrieben hat zu erforſchen, was doch wol der Grund von der ſo genauen Verbin - dung derer Veraͤnderungen der Sele mit denen in dem Koͤrper ſeyn moͤge. Eine ſo ruͤhmliche Begierde war vermoͤgend die gantze gelehrte Welt zugleich zu beſchaͤftigen, zu veruneinigen und laͤcherlich zu machen. Heut zu Tage ſcheinet dieſer Entzweck nach und nach weg - zufallen, denn man bemuͤhet ſich ietzo nicht ſo wohl den wahren Grund dieſer Vereinigungzu6zu finden, ſondern man bekennet ſich zu einer derer herrſchenden Partheyen, und rechnet die - ſes mit zur Galanterie. Einige Stahlianer, wiſſen weiter nicht warum ſie ſich zu dieſer Leh - re bekennen, als damit ſie dieienigen laͤſtern moͤgen, welche ihres Glaubens nicht ſind. Wiederum weiß ich auch, daß viele Harmo - niſten nur darum Harmoniſten ſeyn wollen, weil es ietzo Mode iſt, daß derienige nur den Nahmen eines rechten Philoſophen verdienet, welcher nichts vor ſich findet als einen hauffen Monaden die beſtaͤndig ihren Geſichtspunct veraͤndern, er mag anſehen was er will. Die - ſer Misbrauch hebet indeſſen doch den rechten Gebrauch der Sache nicht auf. Schon die Bemuͤhung, dieſes Geheimniß zu errathen, iſt lobens werth, und ſelbſt die Jrrthuͤmer, wel - che dabey vorfallen, ſind nuͤtzlich. Haͤtte Do - laͤus nicht an ſeine Selenrepublick gedacht; ſo waͤre ohnfehlbar dieſe luſtige Erfindung in un - ſern Zeiten an den Tag gekommen, und wir ſind dieſen Manne vielen Danck ſchuldig, daß er uns zu dieſem Gluͤck nicht verholfen hat. Allein man muß es bey denen Fehlern derer Gelehrten nicht bewenden laſſen; ſondern man muß auch dieſelbigen zu verbeſſern ſuchen. Hier - in ſind des Cartes, Leibnitz und andre mehr zu loben, welche durch ihre Bemuͤhungen die - ſen edlen Vorſatz ſattſam verrathen haben. Und ob ich gleich glaube, daß ſich bey denen Erfindungen beyder noch einiges einwendenlaſſe,7laſſe, ſo wird doch alles dieſes ihrem Ruhme keinen Abbruch thun. Dieſes iſt eben das Verderben, daß neue Meinungen nie unange - fochten bleiben. Es iſt kein groͤſſeres Ver - gnuͤgen, als die Verſchiedenheit derer Mei - nungen, welche nur allein von dem Weſen der Sele und ihrer Uebereinſtimmung mit dem Koͤrper erſonnen worden ſind, zu bedencken: denn man findet gewiß dabey mehr laͤcherliches, als der Werth der Sache beynahe erlaubet. Jch kan nicht umhin die verſchiedenen Mei - nungen in dieſer Sache meinen geehrteſten Leſern mitzutheilen, zumal da ſie mir Gele - genheit geben werden, meinem Vorſatze ein Genuͤgen zu thun, und ihnen mein Glaubens - bekenntniß von der Art des Einfluſſes der Se - le in den Koͤrper zu eroͤfnen. Die Meinungen die ich ietzo anzufuͤhren willens bin, ſind in An - ſehung des Entzwecks, warum man ſie erdacht hat, verſchieden. Die Egoiſten, Jdealiſten und Materialiſten haben es nur allein mit dem Weſen der Sele zu thun. Hingegen die Occaſionaliſten, Harmoniſten und Jnflu - xioniſten bekuͤmmern ſich mehr um den Grund der Uebereinſtimmung derer Veraͤnderungen des Koͤrpers und der Sele. Jch will mit de - nen erſtern den Anfang machen.

§. 3.

Die Egoiſten und Jdealiſten haben vor gut befunden, die Wuͤrcklichkeit aller Koͤrper zu laͤugnen. Unter beyden aber iſt doch die Mei -Cnung8nung derer Egoiſten die allerlaͤcherlichſte. Ein Egoiſt glaubt nicht allein, daß ſein Koͤrper nicht wuͤrcklich ſey; ſondern er laͤugnet auch, auſſer dem Daſeyn aller uͤbrigen Koͤrper in der Welt, die andern Geſchoͤpfe, welche man Gei - ſter nennet, und behauptet, daß dieſes nur Vorſtellungen in ſeiner Sele waͤren, von wel - chen allem aber nichts wuͤrcklich da ſey, als er, das iſt, ſeine vornehme Sele, allein. Alles andre aber, was er empfindet ſind nur Vor - ſtellungen in ihm, welche verurſachen, daß in der Welt nichts waͤre, wenn er nicht waͤre. Es iſt ſchade, daß es dieſer Herren viele gegeben: denn eben um deßwillen machen ſie ſich am mei - ſten laͤcherlich. Ein Egoiſt haͤlt immer den andern um die Wette vor ein Nichts, und ſol - chergeſtalt ſind die Leute, welche vollkommen einerley Meinung hegen, die groͤſten Feinde gegen einander. Wiederlegte ein Egoiſt den andern, ſo muͤſte er ſeine eigene Meinung wie - derlegen, und doch wuͤrde er alsdenn behaupten koͤnnen, daß er ſeine Gegner vertrieben und nur allein da waͤre. Waͤren demnach alle Menſchen Egoiſten; ſo wuͤrde ein ieder von ſei - ner Wuͤrcklichkeit uͤberzeugt ſeyn. Naͤhme man aber die Meinung eines ieden, welche er von ſeinem Nachbar hat, zuſammen; ſo bliebe ge - rade gar nichts uͤbrig, das wuͤrcklich waͤre. Al - le dieſe Creaturen ſind Bilder, und ein iedes dieſer Bilder iſt auch zugleich das Urbild ſelbſt. Bey alledem iſt es doch etwas artiges, daßman9man dieſe Leute nicht wiederlegen kan. Man mag ihnen den beſten Beweis von der Unmoͤg - lichkeit ihrer Meinung geben; ſo werden ſie dadurch doch nicht uͤberzeugt, weil ſie glauben, daß dieſes alles nur Vorſtellungen in ihnen ſelbſt waͤren, wodurch ſie ſich zu wiederlegen ſchienen, da ſie doch dieſes im Ernſte niemals willens waͤren. Darum halten ſie ihre Wie - derlegungen vor ihre eigenen Traͤume und blei - ben indeſſen Beſitzer von ſich ſelbſt. Ein E - goiſt muß nach ſeiner Meinung der gluͤckſeligſte Menſch von der Welt ſeyn. Er kan mit dem groͤſten Recht von ſich ſagen:

Jch habe wenig und doch Alles.

Kein Menſch kan ihm die Herrſchaft uͤber die gantze Welt ſtreitig machen, allein er iſt dabey viel zu beſcheiden, als daß er ſie verlangen ſol - te. Er ſiehet gar wohl ein, daß nichts ver - nuͤnftiger ſey, als etwas nicht zu begehren, das in der That nicht wuͤrcklich vorhanden iſt. Er hat es demnach in der Verlaͤugnung der zeit - lichen Guͤter ſehr weit gebracht. Wo kan er nach Ehrenaͤmtern ſtreben, da er niemand hat, dem er gebieten koͤnte? Was ſolte ihn zu wol - luͤſtigen Gedancken verleiten, da nichts vorhan - den iſt, das ihm entweder dieſelben erregen, noch in ihm daͤmpfen und befriedigen koͤnte? Und warum ſolte er endlich Schaͤtze ſamlen? Er, der weder Geld noch Gut wuͤrcklich be - ſitzen kan, noch auch Erben zu verſorgen hat,C 2denen10denen er nach ſeinem Hintritt einen Segen an Gelde zu hinterlaſſen haͤtte. Man ſiehet hier - aus die ſtrengen Geſetze, welche ein Egoiſt zu beobachten hat. Er darf von Rechts wegen weder ehrgeitzig, weder wolluͤſtig noch geldgei - tzig ſeyn. O Ungluͤck vor die Welt! daß es dieſer ſtoiſchen Perſonen nicht mehrere giebet. Sehet hier dasienige was dem Sociates noch fehlte, um ein rechter exemplariſcher Stoicker zu werden. Es fehlte ihm allein die Meinung derer Egoiſten. Die Welt iſt ohnfehlbar uͤber - zeugt, daß die drey Hauptneigungen der Men - ſchen, Ehrgeitz, Wolluſt und Geldgeitz gluͤck - licher machen, als die Verlaͤugnung des zeit - lichen: denn man hat aus der Erfahrung, daß keine Meinung ſo wenige Anhaͤnger bekom - men hat, als dieienige derer Egoiſten.

§. 4.

Ein Jdealiſt iſt nicht ſehr von denen E - goiſten unterſchieden. Er behauptet ebenfalls, daß es gar keinen Koͤrper gebe, ſondern daß er ſich dieſes alles nur einbilde. Allein ob er ſich gleich nur vor ein einfaches Ding haͤlt, ſo geht doch ſein Hochmuth nicht ſo weit, daß er glauben ſolte, er ſey das einzige einfache Ding, welches in der Welt wuͤrcklich waͤre. Er giebt zu, daß es deren mehrere gebe, und erkennet alſo ſeine Nebenmenſchen vor Dinge auſſer ſei - nem Verſtande. Allein er giebt nicht zu, daß ſie einen Koͤrper haben. Und warum ſolte er auch dieſes thun, da er ſich ſelbſt keinen bey -mißt.11mißt. Demnach glaubt er, daß unſer Erd - boden uͤber und uͤber begeiſtert ſey, und damit iſt ſein Glaubensbekenntniß fertig. Er laͤßt ſich ſo wenig von der Gegenwart der Koͤrper uͤberreden, als ein Egoiſt. Und dieſe beyden Arten von Gelehrten haben ein Geheimniß, welches gewiß triftig iſt, Begebenheiten auf - zuloͤſen, welche andern ſehr ſchwer fallen. Sie brauchen nichts weniger, als zu unterſuchen, wie es komme, daß die Veraͤnderungen des Koͤrpers ſo genau mit denen Veraͤnderungen der Sele uͤbereinſtimmen. Denn die gantze Schwierigkeit iſt dadurch gehoben, daß ſie die Wuͤrcklichkeit der Koͤrper laͤugnen; und da - durch erhalten ſie den Vortheil, daß ſie be - haupten koͤnnen, es finde gar keine Ueberein - ſtimmung derer Veraͤnderungen in beyden ſtatt. Es wundert mich, daß die Gelehrten, dieſe Methode, Aufgaben aufzuloͤſen nicht in meh - rerem Gang bringen. Man koͤnte dadurch gar bald in den Stand geſetzt werden, ſeine Gelehrſamkeit auf den allerhoͤchſten Grad zu treiben. Dasienige was man beurtheilen koͤnte, naͤhme man an: Was aber unſern Au - gen verborgen waͤre, deſſen Wuͤrcklichkeit koͤn - te man laͤugnen; und ſo wuͤrde bald nichts mehr uͤbrig bleiben, das man einzuſehen ſich bemuͤhen muͤſte. Wenn man erfahren koͤnte, ob ſich einige Gelehrte nicht dieſes heimlichen Kunſtgriffes bedienten; ſo wuͤrde man viel - leicht von der Gruͤndlichkeit vieler, ein mehreresC 3Licht12Licht erlangen. Es giebt Leute, welche die anziehende Kraft derer Koͤrper laͤugnen. Viel - leicht bedienen ſich dieſelben der Maxime, das - ienige zu laͤugnen, was ihrer Vernunft zu hoch iſt. Viele verwerfen die Moͤglichkeit deſſen, daß die Sele in den Koͤrper wuͤrcken koͤnne. Solte der Grund davon vielleicht darin zu ſu - chen ſeyn, daß ſie ſich nach ihren einmal ge - faßten Vorurtheile von der Beſchaffenheit der Sele, nicht einbilden koͤnnen, wie dieſes moͤglich ſey? Beynahe ſolte ich auf die Gedan - cken gerathen, daß man mit der Zeit anfan - gen wuͤrde, an unſern eigenen Vorſtellungen zu zweifeln, weil niemand begreiffen kan, wie uns dieſelben zukommen koͤnnen.

§. 5.

Die beyden vorerzaͤhlten Meinungen ſind ſo abgeſchmackt, daß es uͤberfluͤßig ſeyn wuͤrde, wenn man ſich die Muͤhe geben wolte, ſie zu wiederlegen. Nunmehro kommen wir auf die Meinung derer Materialiſten, welche ſich ſchon einige Muͤhe gegeben haben, die Har - monie zwiſchen der Sele und dem Koͤrper be - greiflich zu machen. Sie behaupten gerade das Gegentheil von dem, was die Jdealiſten glauben. Jhre Meinung geht nemlich dahin, daß ſie ihre Sele vor kein einfaches Ding hal - ten, ſondern vielmehr wollen, daß ſie eine Materie ſey. Sie theilen ſich in verſchiedene Secten, welche wir alle nach der Reihe be - trachten muͤſſen. Einige laͤugnen die Wuͤrck -lichkeit13lichkeit aller einfachen Dinge, und verfallen ſolchergeſtalt entweder auf den Atheismum oder Spinozismum. Sie geben zu, daß man dasienige, was man behaupte, erweiſen muͤſſe. Und den Beweis, daß es keine Monaden ge - be, nehmen ſie aus der Naturlehre. Sie ſchuͤtzen vor, weil die Theile der Koͤrper un - endlich ſind, und weil ihre Unendlichkeit ma - thematiſch zu nennen, ſo waͤre es nicht aus - zumachen, was es mit denen letzten Theilen der Koͤrper vor eine Beſchaffenheit habe. Denn weil das mathematiſche Unendliche, eine ſolche Groͤſſe waͤre, welche keine menſchliche Ver - nunft uͤberdencken koͤnte; ſo ſey es nur eine Chimaͤre, wenn man ſich einbildete, daß dieſe lezten Theile aus Monaden beſtuͤnden. Weil ſie aber ſolchergeſtalt den zureichenden Grund von der Zuſammenſetzung der Koͤrper laͤugnen muͤſten; ſo behaupten ſie, daß derſelbe nur allein in GOtt zu ſuchen ſey. Man kan ſich aber leicht einbilden, mit welcher Ueberzeugung ſie dieſes behaupten koͤnnen, da ſie GOtt ſelbſt vor kein einfaches Ding halten, und alſo nothwendig den zureichenden Grund der Zuſammenſetzung laͤugnen muͤſſen. Andre, welche etwas beſcheidener ſind, geben die Wuͤrcklichkeit derer Monaden zu; allein ſie laͤugnen, daß ihre Sele eine Monade ſey. Wenn ſie aber ſagen ſollen, was ſie denn vor ihre Sele halten; ſo theilen ſie ſich wiederum in drey Theile. Einige erweiſen dem Ner -C 4venſafte14venſafte die Ehre, daß ſie ihn vor ihre Sele erklaͤren, andre ſagen dieſes hingegen nur von denen Nervenhaͤuten. Die erſtern fuͤhren zu Vertheidigung ihrer Meinung an, daß weil ein Nerve, wenn er ausgetrocknet iſt, nicht mehr empfinde; ſo muͤſſe dieſer nicht die Sele ſeyn, ſondern vielmehr der Nervenſaft Die andern ſagen, weil die weiche Subſtanz des Gehirns unempfindlich, hingegen die Hirnhaͤu - te ſo ſehr empfindlich waͤren; ſo muͤſte in die - ſen vielmehr der Grund von denen Vorſtel - lungen zu ſuchen ſeyn, und nicht in dem Ner - venſaft. Noch andre, welche die Kluͤgſten ſeyn wollen, nehmen beydes zuſammen, und ſagen, daß die mit Nervenſaft erfuͤllten Ner - venfaͤſerchen ihre Sele waͤren. Fraget man aber darnach, woher ſie alles dieſes erweiſen wollen; ſo iſt es gewiß erbaͤrmlich anzuhoͤren, wenn ſie ſagen, daß man nicht begreifen koͤnte, wie ein einfaches Ding ſolte beſchaffen ſeyn, noch vielweniger, wie es Vorſtellungen habe. Denn ob gleich nichts gewiſſer iſt, als dieſes, ſo klingt es doch gar nicht philoſophiſch, wenn man eine Meinung mit folgenden Schluſſe erweiſen will: Alles was ich nicht begrei - fen kan, iſt unmoͤglich: Nun kan ich nicht begreifen, was eine Monade ſey, und wie ſie dencke; Derohalben iſt meine Sele keine Monade. Jch beruͤhre ietzo nicht einmal, daß ein Monadiſt dieſen Schluß, wenn es erlaubt waͤre, ſich deſſelben zu bedie -nen,15nen, gerade auch umkehren und ſagen koͤnte: Man begreift nicht wie die Bewegung der Nerven und des Nervenſaftes Vorſtellungen wuͤrcken koͤnne; Alſo iſt dieſes unmoͤglich. Wenn wir nun zum voraus ſetzen, daß die Materialiſten ihre Meinung auf keine andre Art erweiſen koͤnnen; ſo iſt es vor ſich klar, daß dieſelbe ungegruͤndet ſey. Es erhellet hieraus, daß nicht alle Materialiſten ohn Un - terſchied Atheiſten ſeyn. Von denen, welche alle einfachen Dinge laͤugnen, kan man dieſes behaupten. Dieienigen aber, welche nur ihre Sele vor eine Materie halten, geben zu, daß ein GOtt ſey, und ſein Weſen einfach. Al - lein, ob ihre Meinung mit dem Artikel von der Auferſtehung der Todten uͤbereinkomme; ſolches braucht weiterer Unterſuchung. Sie ſagen zwar, daß bey Erweckung der verbliche - nen Leiber, auch zugleich die Nerven, das iſt, ihre Sele, wieder hergeſtellt werde; allein auf dieſe Art, waͤre eine Sele in der That etwas wunderliches. Sie koͤnte vergehen und wieder entſtehen. Sie koͤnte wachſen und abnehmen. Aber alles dieſes ſind Sachen, welche eine groſſe Hertzhaftigkeit erfordern, wenn man ſie behaupten ſoll. Jch gebe daher einem Mate - rialiſten nur folgendes hierbey zu bedencken: Unſre Sele mag ſeyn, was ſie will; ſo muß ſie doch eine Kraft haben, Vorſtellungen her - vorzubringen. Wenn nun eine Kraft in be - ſtaͤndiger Handlung iſt, die Wuͤrckungen her -C 5vor -16vorzubringen, die ſie hervorbringen kan; ſo muß auch dieſes von der Sele gelten. Die Sele hat eine Kraft Vorſtellungen zu wuͤrcken: und alſo kan ſie ohnmoͤglich aufhoͤren zu den - cken. Nun ſagen die Materialiſten ſelbſt, daß ein Nerve geſund ſeyn muͤſſe, wenn er Vor - ſtellungen wuͤrcken ſoll. Da er aber im Tode zerſtoͤrt wird; ſo koͤnte er deren keine wuͤrcken, und ſolchergeſtalt haͤtte alsdenn die Sele eine Kraft Vorſtellungen zu wuͤrcken, und dieſes geſchaͤhe doch nicht: welches offenbar unge - reimt iſt. Man koͤnte zwar einwenden, daß dieſes nur alsdenn gelte, wenn die Kraft durch nichts verhindert wuͤrde, ihre Wuͤrckungen zu aͤuſſern. Allein, wie, wenn ich beweiſe, daß ſich auch dieſes oͤfters alſo befindet, und dennoch keine Vorſtellungen zugegen ſind? Setzet ein Menſch ſey vollkommen geſund, und habe in der Nacht das Ungluͤck, in ein Waſſer zu fal - len, und darin zu erſticken. Geſchicht bey die - ſer Art des Todes wol denen Nerven ein Scha - den? Jch kan dieſes nicht einſehen. Solcher - geſtalt beſinden ſich die Nerven bey einen ſol - chen todten Menſchen, ehe er anfaͤngt zu ver - weſen, in eben den Umſtaͤnden, worin ſie ſich bey ſeinen Lebzeiten befunden. Woher ſolte alſo wol die Kraft der Nerven, Vorſtellungen hervorzubringen, verhindert werden? Nichts deſtoweniger wird kein vernuͤnftiger Menſch behaupten koͤnnen, daß ein Ertrunckener den - cke. Jnzwiſchen iſt dieſes nicht zu laͤugnen,daß17daß ein Materialiſt die Frage am beſten ent - ſcheiden koͤnne, woher die Veraͤnderungen der Sele und des Koͤrpers uͤbereinſtimmen. Denn wenn ihre Sele Vorſtellungen hat; ſo muͤſten ſich alsdenn die Nerven veraͤndern. Nun ſind die Nerven Koͤrper, und ein Koͤrper kan ſich nicht anders als durch die Bewegung veraͤn - dern. Solchergeſtalt, waͤren die Vorſtellun - gen in der Sele, Bewegungen der Nerven. Wenn aber die Nerven einmal in Bewegung geſetzt waͤren, ſo koͤnte man auch leicht die uͤbrigen Bewegungen im Koͤrper daraus herlei - ten. Es iſt in der That bald Schade, daß man eine ſo artig ausgedachte Meinung fahren laſſen ſoll. Jndeſſen ſcheint wol der beſte Rath zu ſeyn, dieſes zu thun, indem man ſonſt et - was behaupten muͤſte, woruͤber viele vernuͤnf - tige Leute Bedencken haben, es zu ſagen, und wobey man der heiligen Offenbarung durchaus wiederſprechen muͤſte, welche nicht ſagt: Die Nervenfaͤſerchen, ſondern, die Selen der Gerechten ſind in GOttes Hand, und Ebr. 12, 23. Geiſter der vollkommenen Gerechten u. ſ. w. welches nach materialiſchen Gruͤnden: Nerven der vollkommenen Gerechten, heiſſen muͤſte. Jch hoffe, hierdurch wird man voll - kommen uͤberzeugt ſeyn, daß dieſe Meinung eben ſo ungegruͤndet iſt, als wahrſcheinlich ſie wol anfangs manchen ſcheinen moͤchte. Die Materialiſten beſtaͤtigen es demnach zur Genuͤ - ge, daß man am beſten thue, wenn man ſichnicht18nicht zu weit, in die Betrachtung der Erkennt - niß unſrer Sele einlaſſe, indem man von einer ſo ungewiſſen Sache viel mehrere Merckmale haben muͤſte, als man hat, wenn man ſich dar - in vertieffen wolte.

§. 6.

Die Leute, welche eine von denen vorigen Meinungen behaupten, ſchweifen beſtaͤndig aus. Entweder ſie laͤugnen die Koͤrper oder die Geiſter. Jſt es aber nicht allemal beſſer die Mittelſtraſſe zu erwaͤhlen, und beydes zu - gleich anzunehmen. Darum ſind die Duali - ſten in dem Stuͤcke zu loben, daß ſie glauben, der Menſch beſtehe nicht allein aus dem Koͤr - per oder allein aus Geiſt; ſondern aus Geiſt und Koͤrper zugleich. Hier kommt es nun ei - gentlich darauf an, daß wir unterſuchen, wie dieſe die Uebereinſtimmung der Handlungen des Koͤrpers und der Sele erklaͤren. Allein ſie theilen ſich wiederum in verſchiedene Secten, und wir werden uns muͤſſen gefallen laſſen, ihre Meinungen ebenfals zu pruͤfen. Die erſtern behaupten, die Sele habe allein Vorſtellungen, und nach der Verſchiedenheit derſelben wuͤrde auch die Direction des Nervenſaftes in dem Gehirne veraͤndert. Weil ſie aber wol ſahen, daß hierzu nothwendig ein Director erfodert werde, und da ſie nicht vor gut befanden, ihre Sele mit dieſer Bemuͤhung zu belaͤſtigen, ſo trugen ſie das Directorium uͤber den Nerven - ſaft GOtt auf. Die, welche dieſer Meinunganhaͤn -19anhaͤngen, heiſſen Occaſionaliſten, und des Cartes iſt der Erfinder derſelben Lehre. Jch wolte wol ſagen, daß mir dieſe Meinung ge - fiele; allein ich habe zweyerley Bedencken da - bey, welche man mir erſt aus dem Wege raͤu - men muͤſte. Einmal wolte ich mir gerne einen Begrif davon machen koͤnnen, was es mit der Wuͤrckung der Sele in dem Koͤrper vor eine Beſchaffenheit habe. Allein, wenn ich lange weiß, daß GOtt den Nervenſaft nach unſern Vorſtellungen veraͤndere; ſo begreife ich dadurch doch noch nichts von dem, was ich wiſſen wolte. Hernach ſo halte ich, auſſerdem daß dieſer gantze Satz eine unerwieſene Hypo - theſe iſt, davor, daß GOtt wol maͤchtig und faͤhig genug geweſen ſey, den Menſchen ſchon vom Anfange alſo einzurichten, daß er nicht noͤthig habe, in einen ieden Menſchen bloß des - halb unmittelbar zu wircken, damit die Veraͤn - derungen der Sele und des Koͤrpers in einer beſtaͤndigen Verhaͤltniß erhalten werden moͤch - te. Ja es ſcheint mir auch, daß man bey Beurtheilung einer Urſache mehr auf die naͤhe - ren als die entfernteſten gehen muͤſſe. Wenn man demnach gleich zugeben muß, daß GOtt wie von allen, alſo auch von dieſer Veraͤnde - rung unſers Koͤrpers in ſo weit eine Urſach ſey, daß derſelbe urſpruͤnglich von ihm abſtammet: ſo waͤre es doch, bey Erklaͤrung dieſer Frage noͤthig geweſen, die Mittel zu beſtimmen, deren ſich GOtt bedienet, um dieſen Endzweck zuerrei -20erreichen. Das heiſt, wenn ein Occaſionaliſt von der Wuͤrckung der Sele und des Koͤrpers urtheilen wolte; ſo ſolte er ſich nicht ſo wol um die entfernteſten, als vielmehr um die naͤhe - ren Urſachen vornemlich bekuͤmmern.

§. 7.

Der Herr von Leibnitz hat ſich die Muͤhe gegeben, auf eine gantz neue Art zu zeigen, wie es mit denen Veraͤnderungen des Koͤrpers und der Sele zugehe. Er war ein Dualiſt, und behauptete alſo, daß der Menſch aus einen Koͤrper und einer Sele beſtuͤnde, welcher er den Nahmen einer Monade beylegte. Er ſahe wol ein, daß des Cartes in ſeinem Ur - theile zu uͤbereilt geweſen war, und deshalb ſuchte er der gantzen Sache dadurch zu helfen, daß er die vorherbeſtimmte Uebereinſtim - mung erdachte, davon das vornehmſte in fol - genden beruhet: Die Monade welche in unſern Koͤrper iſt, ſoll nichts weniger thun, als in ih - ren Koͤrper wuͤrcken. Nein! die Sele iſt ein Ding vor ſich und der Koͤrper iſt ein Theil der groſſen Maſchine der Welt, und eine neue Ma - ſchine. Die Sele denckt nach denen Geſetzen der Einbildungskraft in einem fort, ohne durch die Veraͤnderungen des Koͤrpers dazu beſtimmt zu werden. Hingegen der Koͤrper wandert nach denen Geſetzen der Bewegung in einer Schnur fort, nachdem er in Mutterleibe das erſtemahl aufgezogen worden: daß alſo der Willen der Sele gar nichts zu denen Bewe -gungen21gungen des Koͤrpers beytrage; auch nicht ein - mal zu denen willkuͤhrlichen. Es ſtellte alſo die Sele etwan nur ein Nebenrad vor, wel - ches zwar der Maſchine des Koͤrpers am naͤ - heſten iſt, keinesweges aber etwas zur Voll - kommenheit der Bewegungen deſſelben bey - traͤgt. Hierbey muß ich erinnern, daß man nicht meine, ich behauptete, die Herren Har - moniſten hielten die Sele ebenfalls vor eine Maſchine, gleichwie den Koͤrper. Jch weiß wol daß ſie hierzu zu geſcheid ſind. Sondern ich betrachte die Sele in gegenwaͤrtigen Falle, nur Vergleichungsweiſe, mit dem Koͤrper, als ein Nebenrad, welches ſich aber die Metaphy - ſickverſtaͤndigen, ohne mein Erinnern, als ein einfaches Rad, als ein Rad von einer Mona - de gemacht, vorſtellen werden. Die Men - ſchen wuͤrden alſo auf dieſe Art gantz gewiß glauben, daß ſie einen Koͤrper haͤtten, wenn auch dem wuͤrcklich nicht alſo waͤre. Denn die Sele wuͤrde ebenfals alle die Vorſtellun - gen haben, die ſie ietzo hat, wenn ſie auch nicht mit einem Koͤrper verbunden waͤre. Sie wuͤrde ebenfalls glauben, daß ihr Koͤrper aͤſſe und traͤncke, daß er ginge, ſtuͤnde oder ſchlie - fe, daß er andre Koͤrper um ſich herum haͤtte, die ſich ebenfalls bewegen, die ihn beruͤhren, die mit ihm reden, die ihm dienen oder ihn be - herrſchen. Mit einem Wort; ſie wuͤrde in eben den Umſtaͤnden ſeyn, darin ſie ietzo iſt, wenn ſie auch keinen Koͤrper beſaͤſſe. Auf dieſeArt22Art ſtuͤnde es noch dahin, ob wir einen Koͤrper haͤtten, oder ob es nicht etwan nur unſrer Sele beliebte ſich dieſes vorzuſtellen. Dieſes iſt noch nicht alles. Jch wuͤrde ietzo die Feder fuͤhren, und die Worte nach der Reihe hinſetzen, wie ſie hier folgen. Jch wuͤrde mit einem andern vernuͤnftig reden, und ſeine Fragen beantwor - ten, ich wuͤrde um Tiſchzeit mich zu Tiſche ſe - tzen, und eine Malzeit thun, ich wuͤrde zu ge - hoͤriger Zeit einſchlafen, und wieder erwachen, ich wuͤrde des Tages uͤber meine Geſchaͤfte treiben, und alles thun koͤnnen, wie ich es ietzo zu thun pflege, und dieſes alles, wenn ich auch keine Sele haͤtte. Ein Koͤrper der mich von auſſen beruͤhret, iſt nach dieſer Meinung, an denen Vorſtellungen, welche ſich die Sele da - von macht, hoͤchſt unſchuldig. Dieſe wuͤrde ebenfals zu der Zeit Schmertzen empfunden haͤben, da man den Koͤrper mit Stockſchlaͤgen tractiret, wenn er auch an dieſer Ceremonie gar nicht Theil naͤhme. Hingegen wuͤrde der Koͤrper zu eben der Zeit, wenn es wuͤrcklich geſchaͤhe, alle die wunderlichen Gebehrden ge - macht haben, welche denen eigen ſind, die ge - pruͤgelt werden, er wuͤrde braun und blau davon werden, und ein erbaͤrmlich Geſchrey fuͤhren, ohnerachtet ſeine Sele zu der Zeit die Vorſtel - lung haben koͤnte, als wenn ihr Koͤrper Zu - ckerbrod aͤſſe.

§. 8.

Vermuthlich werden meine Leſer bey vor -herge -23gehenden Abſatze zweifelhaft ſeyn, ob ich alles das zum Ruhme derer Harmoniſten angefuͤh - ret, oder ob ich ſie damit wiederlegen wollen. Allein es iſt keines von beyden mein Vorſatz geweſen. Jch habe das vorige blos darum angefuͤhret, damit ich erweiſen moͤchte, daß einer, der ſeine Einbildungskraft zu ſchonen ge - denckt, ſo leicht dieſer Meinung nicht beytreten moͤchte. Ueberdem bin ich ſo offenhertzig, daß ich frey geſtehe, es ſey alles dieſes, was ich ietzo erzaͤhlet, meiner Vernunft zu hoch, und ich begreife es auf keine Weiſe. Dieſes Bekennt - niß wird mir in der That, bey vielen, wenig Zutrauen erwecken. Ein Anfaͤnger in der Me - taphyſick wird ſich weit uͤber alle dieienigen erheben koͤnnen, welche das Gegentheil behau - pten. Jch kan aber verſichern, daß ich an meinem Theil deshalb gar nicht neidiſch bin. Die vorherbeſtimmte Harmonie verſtehe ich den Worten nach ſo ziemlich. Allein, wenn ich ſie in Geſellſchaft wieder anbringen will, und einige Erklaͤrung von dieſer und iener Veraͤnderung des Menſchen zu geben geden - cke; ſo glauben die Leute allemal eher, daß ich ſie zum Lachen bewegen wolle, als daß dieſes mein Ernſt ſey. Wenn ich endlich ſelbſt uͤber - lege, wie man ſich nach der Harmonie Bewe - gungen und Vorſtellungen concipiren muͤſſe; ſo weiß ich nicht ob es von meiner Einfalt her - ruͤhrt, oder ob es andern Leuten auch ſo gehe, daß ſie ſehr leicht auf den Jdealismum ver -Dfallen,24fallen, oder Sceptici werden. Jch kan es wol ſagen, wie ich auf dieſe Gedancken gera - the. Wenn ich mich durch nichts von der Ge - genwart, meines und andrer Koͤrper uͤberfuͤhren kan; ſo bin ich nur noch um einen Schritt von dem Jdealismo entfernet. Man ſage mir aber ein Mittel, wie ſich ein Harmoniſt von der Wuͤrcklichkeit der Koͤrper uͤberfuͤhren koͤn - ne? Wenn ſich ſeine Sele alles das, was ſie ſich ietzo vorſtellet, auch vorſtellen muͤſte, wenn nichts davon wuͤrcklich waͤre; ſo kan ſie auch durch nichts von deſſen Wuͤrcklichkeit uͤberfuͤh - ret werden. Geſetzt aber auch, daß man es glaubte, man habe einen Koͤrper; ſo muß man zugeben, daß man von denen allergewoͤhnlich - ſten Veraͤnderungen in der Welt am allerun - gewiſſeſten urtheilen muͤſſe. Denn wenn wir laͤugnen, daß die Sele in den Koͤrper wuͤrcke, ſo iſt es nicht anders moͤglich, als wir muͤſſen auch zweifeln, ob iemals in der Welt dieſes ei - ne Wuͤrckung von iener Urſach, oder eine Ur - ſach iener Wuͤrckung ſey. Jch kan das, was ich eben geſagt habe, ietzo nicht ſo gleich erwei - ſen. Allein wenn ich unten erweiſen werde, daß die Sele in den Koͤrper wuͤrcke, wird ſich auch zugleich zeigen laſſen, daß der ſo dieſes nicht behaupten wolte, auch laͤugnen muͤſſe, daß die Eltern die Urſach von den Kindern, daß die Sonne die Urſache des Lichts, und die Erde eine Urſach der Mondfinſterniſſen ſey. Mit einem Wort; daß man ſein Urtheil allemalnur25nur durchein: Vielleicht ausdruͤcken muͤſſe, wenn man von einer Sache urtheilen will. Jch halte davor, daß man von keiner Veraͤn - derung ſo behutſam zu urtheilen habe, als von denen Veraͤnderungen der Menſchen und Thie - re. Das macht, man muß ſich einen Men - ſchen allemal von zweyen Seiten vorſtellen, da er nicht aus der Sele allein beſtehet; ſondern auch noch mit einem Koͤrper begabet iſt. So lange man die Artzneywiſſenſchaft nicht um Rath fraget, ſo lange kan man ſich von gar vielen Dingen uͤberreden. Allein ſo bald man nur denen Zergliederern eine zeitlang zugeſehen, und denen Lehren von den Veraͤnderungen des Menſchen ſo wol bey geſunden als krancken Tagen gehoͤrig nachdenckt; ſo kommt man in dieſer Sache gar bald auf andre Gedancken. Und wenn ich dieſes zum Voraus ſetze, ſo ſcheint es daher klar zu ſeyn, warum es unter denen Artzneyverſtaͤndigen ſo gar wenig Har - moniſten gebe. Sie haben die beſte Gelegen - heit, ſich mit denen Veraͤnderungen zu beſchaͤf - tigen, die in und an ihnen taͤglich vorgehen. Hierdurch werden ſie gar bald uͤberzeugt, daß man die groͤſte Urſach habe, von der Meinung der Harmoniſten abzugehen, und an ſtatt, daß dieſe entweder den Koͤrper hintan ſetzen, wenn ſie von der Sele urtheilen, oder die Sele ver - geſſen, wenn ſie eine Veraͤnderung des Koͤr - pers erklaͤren ſollen, ſie vielmehr einſehen, daß es nothwendig ſey, Sele und Koͤrper zuſam -D 2men -26mengenommen zu betrachten, wenn man von denen Veraͤnderungen des Menſchen ein ge - ſundes Urtheil faͤllen will. Dieſes iſt in der That bloß und allein die Urſach, warum zwi - ſchen denen Metaphyſickverſtaͤndigen und Artz - neygelehrten, eine beſtaͤndige Uneinigkeit iſt, weil es denen letztern unmoͤglich faͤllt, die Har - monie in die Schulen der Meditrine einzu - fuͤhren, noch vielweniger aber, ſie mit vor das Kranckenbette zu bringen. Es iſt wahr, wir haben einige rare Exempel von Artzneyverſtaͤn - digen, welche die Harmonie zum Grunde ge - legt, und ein Lehrgebaͤude der Artzneygelahrheit darauf haben erbauen wollen. Allein es iſt ſchade, daß dieſes Werck nicht Fortgang ge - habt hat, welche Sache iedoch geduldige Ge - muͤther nur dem Wollen und nicht Wollen dieſer neuen Artzneygelehrten ſchuld geben.

§. 9.

Die Meinungen, welche ich ietzo vorgetra - gen, zielen meiſtentheils dahinaus, die Ueberein - ſtimmung der Veraͤnderungen des Koͤrpers mit denen in der Sele begreiflich zu machen. Es iſt nichts mehr uͤbrig, als daß ich derer Jnflu - xioniſten noch gedencke. Dieſe bilden ſich ein, die Sele enthalte den Grund gewiſſer Ver - aͤnderungen ihres Koͤrpers gantz allein in ſich, und wiederum koͤnne man den hinreichenden Grund einiger Veraͤnderungen in der Sele, allein aus der Kraft des Koͤrpers beſtimmen. Sie ſind alſo denen Harmoniſten gerade entge -gen27gen geſetzt, und man will ſagen, daß dieſe Mei - nung ietzo noch ſehr im Schwange gehe. So viel iſt gewiß, daß dieſelbe die allernatuͤrlichſte zu ſeyn ſcheinet, und daß ſie ein Ungelehrter noch leichter ohne Lachen anhoͤren wird, als das Lehrgebaͤude derer Harmoniſten. Jch hoffe den Grund hiervon eingeſehen zu haben, wenn ich behaupte, daß ein gewiſſes Vorurtheil an dieſer gantzen Sache ſchuld ſey; und daher kan ich es denen Harmoniſten nicht verdencken, wenn ſie ſich vor ienen erhabene Geiſter nen - nen, die ſich von denen Vorurtheilen der Unge - lehrten nach Moͤglichkeit zu befreyen ſuchen. Jch werde unten meine Meinung von dieſer Lehre ausfuͤhrlicher ſagen. Da es ſo viele ver - nuͤnftige Maͤnner giebt, welche derſelben zuge - than ſind, ſo kan ich mich noch nicht uͤberreden, daß ſie den phyſicaliſchen Einfluß ſo behaupten ſolten, wie ich ihn ietzo vorgetragen. Jch hoffe ſie werden eine gantz andre Meinung da - von hegen, und wenn ich nicht zu viel vermuthe, ſo habe ich vielleicht ihren Sinn getroffen, wenn ich mich erklaͤren werde, wie ich mir den Einfluß zwiſchen Seel und Leib einbilde.

§. 10.

Ehe ich nun weiter gehe, ſolte ich wol erſt von Rechtswegen ſagen, was es denn nun waͤ - re, das ich glaubte, und worin ich mich von denen andern Meinungen unterſcheide. Allein ich habe einige Gruͤnde, warum ich noch ietzo mit meinem Bekaͤnntniß zuruͤck halte. JchD 3will28will ietzo ſelber noch nicht wiſſen, was ich be - haupten werde. Jch werde die Harmonie und den Jnfluxum, in ſo weit beyde den Men - ſchen angehen vor wahr annehmen. Allein ich werde mir die Freyheit nehmen, auf die Saͤtze beyder Meinungen einige Schluͤſſe zu bauen, und alsdenn werde ich ſehen, was daraus folge. Dieſes alles ſoll geſchehen, ohne den geringſten Vorſatz, iemanden ſchimpflich zu tadeln, ſondern nur darum, damit ich die Wahrheit lernen moͤge. Da ich es nun in dieſer Schrift nur mit ſolchen Leuten zu thun habe, die entweder Harmoniſten oder Jnfluxioniſten ſind, ſo glau - be ich nicht noͤthig zu haben, von allen und ie - den Kunſtwoͤrtern, deren ſie ſich gemeiniglich zu bedienen pflegen, die Erklaͤrung hierher zu ſetzen. Ein ieder wird wiſſen, was er behau - ptet. Waͤre es nicht wieder die Hochachtung die ich meinen Leſern ſchuldig bin, wenn ich ihnen etwas zu lehren ſuchte, das ſie noch beſſer wiſſen werden, als ich, da ich nicht einmal eine von beyden Meinungen vollkommen behaupte?

§. 11.

Jch bin ein Schuͤler in der Artzneywiſſen - ſchaft. Es iſt bekandt, daß die Artzneygelehr - ten, wenn es in der Phyſiologie auf das Capi - tel von dem was den Grund der Veraͤnderun - gen des Koͤrpers in ſich enthalte, kommet, ſich in vielerley Claſſen eintheilen: davon die vor - nehmſten die Mechaniſche und Organiſche ſind. Die erſtern ſind Harmoniſten, die andernJn -29Jnfluxioniſten. Das heiſt, die Mechaniſten ſu - chen alle Veraͤnderungen des Koͤrpers blos aus ſeiner Struktur herzuleiten: Da hingegen die Organiſten, nemlich die ſo genannten Artzney - verſtaͤndigen, glauben daß die Sele die Ver - aͤnderungen des Koͤrpers wuͤrcke. Die letztern glauben theils, ſie wuͤrcke alle Veraͤnderungen im Koͤrper: allein deshalb behaupten ſie nicht, daß der Koͤrper hinwiederum alle Vorſtellun - gen in der Sele wuͤrckte, ſondern ſie rechnen dahin nur einige: theils glauben ſie dieſes nur von einigen Bewegungen im Koͤrper. Die erſtern nennen ſich eigentlich Organiſten: Allein man leget ihnen auch den Nahmen derer Stahlianer bey: weil der groſſe und beruͤhm - te Herr Hofrath Stahl dieſe Lehre zuerſt aus - gebreitet. Man ſieht daher ohne mein Erin - nern, daß ich nicht werde unterlaſſen koͤnnen, etwas von meiner Profeßion in dieſe Gedancken mit einzumiſchen: zumal da ich bey einer ſo guten Gelegenheit ein Mittel gefunden zu ha - ben glaube, manche Stuͤcke genauer in denen verſchiedenen Meinungen derer Artzneygelehr - ten beſtimmen zu koͤnnen, welches, da es bis - her, auf der Seite die ich ergreifen werde, nicht ofte genug geſchehen zu ſeyn ſcheinet, gemacht hat, daß man viele Spoͤttereyen und Laͤſterun - gen erdacht hat, welche vielleicht alle ietzo noch in das Reich der bloſſen Moͤglichkeiten gehoͤr - ten, wenn man die Meinung eines ieden recht eingenommen haͤtte. Jndeſſen will ich ietzoD 4noch30noch zum Voraus ſagen, daß ich die Meinung, welche ich vom Einfluſſe der Sele in ihren Koͤrper vortragen werde, nicht vor eine auſſer alle Schwierigkeiten geſetzte Meinung ausgebe. Jch werde mich hiermit zwar nicht beſonders entſchuldiget haben; allein es wird mir als - denn mit denenienigen, welche andre Meinun - gen behaupten, nur einerley Schickſal wieder - fahren. Jch weiß mehr als zu wohl, daß der - lenige ſo ſicher ſeyn will, dieienige Parthey er - waͤhlen muͤſſe, welche vor denen uͤbrigen die Oberhand hat. Die Neutralitaͤt ſchuͤtzet ſo wenig vor Anfechtungen, daß man vielmehr ie - derman zum Feinde bekommt, an ſtatt daß man wenigſtens eine Parthey zu Freunden be - haͤlt, wenn man ſich gefallen laͤſt, einer nach Sinne zu reden. Zu allem Gluͤck koſtet mir die Feindſchaft beyder Partheyen kein Blut, und dieſes iſt gerade das einzige, welches mich abſchrecken koͤnte. Wer ſich vieler Wieder - ſpruͤche befuͤrchten muß, dem fehlet zur Ueber - windung aller Anfaͤlle nichts mehr, als eine etwas phlegmatiſche Sele. Jch habe mir ſa - gen laſſen, daß ich zu dieſem Temperamente mit der Zeit wol kommen koͤnte, und dieſes iſt in Wahrheit eine Urſach, warum ich ſo dreiſt geweſen bin, dieſe Gedancken vom Einfluſſe der Sele in den Koͤrper der Welt durch gegenwaͤr - tige Blaͤtter bekannt zu machen.

§. 12.

Die Dualiſten vermuthen, daß man nurauf31auf zweyerley Art die Uebereinſtimmung der Veraͤnderungen des Koͤrpers mit denen in der Sele erklaͤren koͤnte. Entweder man muͤſſe behaupten, daß dieſes durch einen Jdealiſchen Einfluß geſchaͤhe, oder man muͤſte den phyſi - caliſchen erwaͤhlen. Wenn in einem Dinge eine Veraͤnderung vorgehet, die ihren Grund in einem andern Dinge hat; ſo hat das letz - tere in das erſte gewuͤrckt. Die Wuͤr - ckung zweier Dinge in einander, hat man ei - nen Einfluß genennet. Einen reellen Ein - fluß hat man einen ſolchen genennet: wobey das eine Ding A gantz allein den Grund einer Veraͤnderung in B in ſich enthaͤlt, und zu wel - cher Veraͤnderung, B gar nichts durch ſeine Kraft beytraͤgt. Dieſen reellen Einfluß zwi - ſchen A und B nennet man einen phyſicali - ſchen Einfluß. Der idealiſche Einfluß iſt dieſem gerade entgegen geſetzt. Er hat als - denn ſtatt, wenn die Veraͤnderungen in A al - lein durch ſeine eigene Kraft gewuͤrcket werden, und zwar ſo, daß die Kraft in B hierzu gar nichts beytraͤget. Dieſes nun auf die Ueber - einſtimmung der Veraͤnderungen des Koͤrpers und der Sele anzuwenden; ſo ſagt man: die Sele wuͤrcke entweder phyſicaliſch in ihren Koͤr - per, das iſt, ſo daß der Grund der Veraͤnde - rungen des Koͤrpers lediglich in der Kraft der Sele liege, und daß hingegen der Koͤrper durch - aus nichts zu ſeinen Veraͤnderungen beytrage, ſondern daß dieſes nur Leiden in ihm waͤren:D 5Oder32Oder aber man ſagt: die Sele wuͤrcke idea - liſch in ihren Koͤrper, das iſt, der Koͤrper bringe ſeine Veraͤnderungen durch ſeine eigene Kraft hervor, und ſo nicht weniger die Sele, die ih - rigen: allein dieſe Veraͤnderungen ſtimmten dergeſtalt mit einander uͤberein, daß ſie ſich auf eine phyſicaliſche Art faſt zu wuͤrcken ſcheinen. Dieienigen welche den idealiſchen Einfluß be - haupten, theilen ſich, wo ich nicht gaͤntzlich irre, wiederum in zwey verſchiedene Meinungen. Einige behaupten, die Sele bringe ihre Ver - aͤnderungen von ſich ſelbſt hervor; der Koͤrper ebenfals; und es waͤre gar kein Grund der Veraͤnderung des einen in der Kraft des an - dern zu ſuchen. Andre hingegen behaupten das Gegentheil. Jch will ietzo meine Gedan - cken uͤber dieſe Meinungen entdecken, und will mich bemuͤhen zu zeigen, daß weder der phyſi - caliſche Einfluß noch der idealiſche auf beyde Art genommen, hinreiche, die Veraͤnderungen der Sele und des Koͤrpers, nebſt ihrer Ueber - einſtimmung daraus herzuleiten. Jch rede alſo ietzo nicht mit denen allgemeinen Jnfluxio - niſten und Harmoniſten; ſondern ich habe es nur mit denen Pſychologiſchen zu thun.

§. 13.

Ein pſychologiſcher Jnfluxioniſt behauptet entweder; daß alle oder einige Veraͤnderun - gen des Koͤrpers ihren Grund in der Sele haͤt - ten; oder daß die Veraͤnderungen der Sele ih - ren Grund, entweder alle insgeſamt, oder nureinige33einige, dem Koͤrper zu dancken haͤtten: oder endlich daß beydes zugleich ſey. Wenn ein pſychologiſcher Jnfluxioniſt behauptet; daß alle Veraͤnderungen des Koͤrpers durch die Sele gewuͤrcket wuͤrden; ſo ſpricht er der Sele allein eine Kraft zu in den Koͤrper zu wuͤrcken: allein er ſpricht dem Koͤrper die Kraft ab, zu - ruͤck zu wuͤrcken. Folglich glaubt er, daß die Sele gantz allein handele und der Koͤrper allein leide. Dieſen gefaͤhrlichen Jrrthum, laͤſt er nicht auf ſich ſitzen: denn er ſchreibt dem ohn - erachtet dem Koͤrper Handlungen zu. Jndem er dieſes behauptet kan er nicht wiſſen, was er ſagen will, da er ſich ſelbſt wiederſpricht. Nimmt er an daß die Sele nur einige Veraͤn - derungen des Koͤrpers wuͤrcke, andre aber nicht; ſo gehoͤret er zur Claſſe dererienigen, welche den phyſicaliſchen Einfluß der Sele im Koͤrper, und dieſes in iene, behaupten, und gehoͤret alſo zur letzten. Zur zweiten Abtheilung gehoͤ - ren dieienigen, welche glauben, daß der Koͤrper alles in der Sele wuͤrcke, und dieſe wuͤrcke nichts in ihren Koͤrper. Weil nun ſolcherge - ſtalt alle Veraͤnderungen der Sele Leiden, die vom Koͤrper herruͤhrten, waͤren; ſo waͤre die Sele ein gantz todtes Ding, das auf keine Weiſe Handlungen verrichten koͤnte, und auch dieſes iſt nicht philoſophiſch. Nimmt er aber dieſes nur von einigen an, ſo gehoͤret er wie - derum unter die letzte Claſſe. Es giebt, mei - nes Wiſſens ſehr wenige, die dieſen Meinungenim34im Ernſte zugethan ſeyn ſolten. Jn der That iſt es auch nicht zu verwundern. Ein Jnflu - xioniſt von dieſer Art kan ſeine Meinung be - haupten, ohne zu wiſſen, was ein Beweis ſey. Dieſes Geheimniß aber iſt heut zu Tage ſo rar geworden, daß man es nur bey denen ſuchen muß, welchen das Schickſal in dieſer neuen Zeit, eine uͤberbliebene Sele die noch in die dunckeln Zeiten gehoͤrete, mitgetheilet hat; und es mag wol die neuere Welt nicht Unbeſchei - denheit genug beſitzen, ihnen dieſes Geheimniß zur Mittheilung abzufordern.

§. 14.

Es giebt noch andre pſychologiſche Jnfluxio - niſten, welche annehmen, daß ſo wol die Sele den Grund einiger Veraͤnderungen im Koͤrper, als auch dieſer den Grund einiger in der Sele abgebe. Es koͤnnen unmoͤglich eben die Veraͤnderungen im Koͤrper, welche von der Sele herruͤhren, Hand - lungen deſſelben ſeyn, wodurch dieſe Veraͤnde - rung in der Sele, ſie in dem Koͤrper zu wuͤr - cken, hervorgebracht worden. Alſo muͤſſen dieſe Jnfluxioniſten behaupten, daß einige Be - wegungen des Koͤrpers, die Sele wuͤrcke, und andre Vorſtellungen der Sele haͤtten in andern Bewegungen des Koͤrpers ihren Grund. Die - ſes ſind eigentlich dieienigen Jnfluxioniſten, welche der vortrefliche Herr Magiſter Meier in ſeinem Beweiſe der vorherbeſtimmten Ueberein - ſtimmung gruͤndlich wiederlegt hat (im 1 Theil im 2ten Hauptſtuͤck.) Jch weiß nicht wie maneine35eine gegruͤndetere Wiederlegung als dieſe iſt, einrichten wolte: und demnach werde ich am allerwenigſten im Stande ſeyn, derſelben et - was hinzuzuthun, ſie zu verbeſſern, oder eine andre zu liefern. Die Schriften dieſes gelehrten Man - nes ſind in der meiſten Haͤnden, und deshalb habe ich nichts weiter noͤthig, als mich auf obenbeſagte Schrift zu beruffen, wo man die gantze Wiederlegung derer pſychologiſchen Jn - fluxioniſten ſo wol, als auch derer allgemeinen an beſagten Orte nachleſen kan. Solcherge - ſtalt waͤre ich mit denen Herren Jnfluxioniſten fertig, welche nemlich den phyſicaliſchen Einfluß auf die Art behaupten, wie ich §. 12. davon die Erklaͤrung gegeben. Jch werde aber unten Gelegenheit haben, noch etwas mit ihnen zu ſprechen, und vielleicht verſoͤhnen wir uns da - ſelbſt eben ſo geſchwind wieder, als wir hier Feinde gegeneinander geworden. Jch traue denen mehreſten, welche ſich vor Jnfluxioniſten ausgeben, zu, daß ſie nur wegen Ermangelung eines neuen Nahmens ſich alſo nennen, daß ſie aber dem ohnerachtet ſelbſt nicht dieienigen ſind, wofuͤr ſie ſich ausgeben. Dieſes klingt etwas geheim. Allein ich werde den Vorhang hin - wegreiſſen, ſo bald dieienige Scene an die Rei - he kommen wird, worin ſie vom neuen erſchei - nen und nur in andrer Kleidung eben wieder dieienigen Perſonen ſeyn werden, von denen ich ietzo als Jnfluxioniſten geſprochen.

§. 15.36

§. 15.

Jch komme nun zu denenienigen, welche den idealiſchen Einfluß behaupten. Sie behaupten theils, daß die Sele alle ihre Veraͤnderungen, wie der Koͤrper die ſeinigen durch eigene Kraft gantz allein hervorbringe, und daß alſo keines von beyden auch nicht einen einzigen Grund von de - nen Veraͤnderungen des andern, in ſich enthalte; theils daß einiger zwiſchen beyden ſtatt habe; ſo daß z. E. eine Bewegung nicht haͤtte geſche - hen koͤnnen, wo nicht eine gewiſſe Vorſtellung in der Sele zu der Zeit zugegen geweſen. Bey der Meinung derer letztern fragt es ſich vom neuen, ob ſie dieſen Grund der Veraͤnderungen des Koͤrpers, in das Weſen und die Kraft der Sele ſelbſt ſetzen, oder auſſer ihr z. E. in den allgemeinen Zuſammenhang aller Dinge, und ob ſie bey Veraͤnderungen der Sele wiederum denſelben zu dem Weſen des Koͤrpers oder auſ - ſer demſelben zu etwas anders rechnen. Jſt das letztere; ſo rechnen wir ſie mit zu der Claſſe dererienigen, welche behaupten, daß die Ver - aͤnderungen keinen andern Grund als in der Kraft der Sele oder des Koͤrpers ſelbſt haben, weil dieienigen, ſo dieſes behaupten, ebenfals den allgemeinen Zuſammenhang annehmen koͤnnen. Die aber, welche das erſte glauben, wollen wir beurtheilen, ſo bald wir von der Meinung der vorigen unſre Gedancken eroͤfnet haben. Jch werde mich bey dieſer Beurthei - lung alles Glimpfs und aller Beſcheidenheitbedie -37bedienen, die mir gegen die Vertheidiger der Harmonie zukommt: und aus dem Grunde hoffe ich eine guͤtige Aufnahme meiner Einfaͤlle, welche mir die Befleißigung auf die Artzneywiſ - ſenſchaft in die Gedancken gebracht hat. Jch habe die Sache vor wuͤrdig gehalten, ſie der Welt mitzutheilen, denn in einer ſo bedenckli - chen Materie als die Beurtheilung der Kraͤfte unſrer Sele mir zu ſeyn ſcheinet, glaube ich daß der Nutzen dieſer Blaͤtter ſchon groß genug ſeyn werde, wenn man daher Gelegenheit nimmt, die Selenlehre mit der Artzneywiſſen - ſchaft in ein gutes Verſtaͤndniß zu ſetzen. Die Uneinigkeit dieſer beyden Schweſtern iſt um deſto weniger von denen Gelehrten zu dulden, ie gewiſſer es iſt, daß von ihrer Vereinigung der Grund zur Wahrheit und Gewißheit in Erkenntniß der Menſchen herzuholen ſey.

§. 16.

Ein Harmoniſt von der erſtern Art, behau - ptet daß bey einer Veraͤnderung des Koͤrpers oder der Sele, der Grund davon allein in der Kraft des einen oder der andern zu ſuchen waͤ - re, und daß dieſes gantz allein hinreiche die Veraͤnderung zur Wuͤrcklichkeit zu bringen. Zum Exempel: Wenn ich meinen Fuß fort - bewege; ſo iſt diß eine Veraͤnderung meines Koͤrpers, welche von ſeiner eigenen Kraft, hier kan man das Wort: Monaden ſubſtituiren, lediglich gewuͤrckt worden, und dazu der Willen der Sele, oder eine andre Kraft derſelben, nichtdas38das geringſte beygetragen. Wiederum: wenn meine Sele die Vorſtellung hat, daß ſie aͤſſe, ſo iſt dieſe gantz allein durch die Kraft der Sele gewuͤrckt worden, und der Genuß der Speiſen beym Koͤrper enthaͤlt gar keinen Grund dieſer Vorſtellung in ſich. Wir wollen das letztre Exempel zuerſt nehmen, und ich will daruͤber meine Gedancken eroͤfnen. Wenn man be - hauptet, die Sele muͤſſe eben die Vorſtellung, welche ſie ietzo hat, gantz allein ihrer eignen Kraft dancken, und der Koͤrper trage gar nichts darzu bey; ſo wird hoffentlich folgen; daß die Kraft der Sele allein hinreiche dieſe Vorſtel - lung bey ihr hervorzubringen. Wenn dem alſo iſt, ſo kan die Vorſtellung in der Sele er - folgen, der Koͤrper mag ſich veraͤndern wie er nur kan. Laſſet uns ſehen, was hieraus folge. Wenn wir etwas empfinden; ſo haben wir ei - ne Vorſtellung eines uns gegenwaͤrtigen Din - ges, das iſt, eines Dinges, welches in uns wuͤrcket, und auſſer uns befindlich iſt. Zum Exempel, damit ich das vorige beybehalte; wenn wir eſſen; ſo hat die Sele eine Vor - ſtellung eines ihr gegenwaͤrtigen Dinges, nem - lich des Eſſens, welches auſſer ihr befindlich iſt. Nach der Meinung, welche ich ietzo zu unterſu - chen gedencke, waͤre die Kraft der Sele ſelbſt hinreichend dieſe Vorſtellung in ihr zu wuͤrcken. Folglich waͤre es moͤglich, daß die Sele die Vorſtellung haͤtte, daß ein Koͤrper, den ſie ſich unter allen am meiſten vorſtellt ein Stuͤck Brodzu39zu ſich naͤhme, ohnerachtet der Koͤrper dieſes nicht wuͤrcklich thaͤte. Jch hoffe man werde hiewieder nichts einzuwenden haben, wenn man bedencket, was dieſe Meinung zum Vor - aus ſetze. Geſetzt, der Koͤrper aͤſſe wuͤrcklich: ſo haͤtte meine Sele eine Vorſtellung eines ihr gegenwaͤrtigen Dinges, auſſer ihr, das iſt, ſie haͤtte eine Empfindung. Wie ich gleich ietzo geſagt habe, waͤre es moͤglich, daß die Sele eben dieſe Vorſtellung auch haben koͤnte, wenn der Koͤrper auch nichts genoͤſſe. Alſo waͤre es nach dieſer Meinung auch moͤglich, daß die Sele eine Empfindung haͤtte, ohne daß etwas auſſer ihr vorhanden waͤre, das ihr gegenwaͤr - tig iſt. Das iſt, es waͤre moͤglich daß unſre Sele eine Empfindung haͤtte, ohnerachtet ſie nichts empfaͤnde. Mir deucht dieſer Satz klingt eben nicht philoſophiſch. Allein nach meiner Schlußkunſt glaube ich doch eben keinen ſolchen Fehler hierbey gemacht zu haben, der die gantze Sache umſtoſſen ſolte. Wer kan mir es alſo verdencken, daß ich dieſer Meinung bis auf die Aufloͤſung dieſes Zweifels meinen Bey - fall verſage? Es wuͤrde aus dieſer Meinung noch ein Satz folgen, welcher eben ſo wenig philoſophiſch iſt, als der vorige. Wenn ſich unſre Sele von denen Dingen, die ſich auſſer ihr befinden, durch ihre eigene Kraft eine ſo leb - hafte Vorſtellung machen koͤnte, wenn ſie auch nicht wuͤrcklich waͤren, als ſie davon hat, indem ſie wuͤrcklich ſind; ſo ſchiene es als haͤtte GOttEetwas40etwas gethan, dazu er nicht hinreichenden Grund gehabt haͤtte. Denn unter allen denen Gruͤnden, warum GOtt die Koͤrperwelt er - ſchaffen, iſt auch dieſes einer der vornehmſten, daß die Menſchen eine Erkenntniß davon er - halten ſollen, welche zu ſeinem Ruhme gereicht. Alle einzelne Bewegungsgruͤnde GOttes die Koͤrper zu erſchaffen, machen zuſammengenom - men den zureichenden Grund davon aus. Alſo haͤtte die Erſchaffung der Koͤrper ohne hinrei - chenden Grund unternommen werden muͤſſen, wofern nur einer von allen dieſen einzeln Gruͤn - den nicht ſtatt gefunden haͤtte. Jch ſage, nach der Meinung dieſer Harmoniſten, haͤtte die Sele die Kenntniß der Koͤrper eben ſo gruͤnd - lich haben koͤnnen, wenn ſie auch nicht wuͤrck - lich waͤren: alſo waͤre es unnoͤthig geweſen, aus dieſem Grunde die Koͤrper zu erſchaffen: Solchergeſtalt fiele ein Grund dieſer Schoͤpfung hinweg, und daher haͤtte GOtt darzu nicht hin - reichenden Grund gehabt. Es kommt hierbey alles darauf an, ob dieſes in der That einer von denen Gruͤnden geweſen, vermoͤge welcher es ſich GOtt gefallen laſſen, die Koͤrper zu er - ſchaffen. Weil wir aber hiervon theils in der heiligen Offenbarung zu verſchiedenen malen verſichert werden, und weil uns theils auch die Vernunft Gruͤnde darbietet, woher wir dieſes ſchlieſſen koͤnnen; ſo halte ich vor unnoͤthig, mich bey dem Beweiſe dieſes Satzes laͤnger aufzuhalten. Dieſes ſind die Zweifel, welchm41mir bey Unterſuchung dieſer Meinung in das Gemuͤth kommen ſind. Jch habe nicht ſo viel Witz gehabt, mir dieſelben gruͤndlich und ſo daß man nichts mehr dawieder einwenden koͤn - te, aufzuloͤſen. Solte es aber ia geſchehen koͤnnen, ſo bin ich bereit mich dieſer Gedancken gerne zu entſchlagen.

§. 17.

Jch bleibe noch bey denen Harmoniſten der erſtern Art, von denen ich eben ietzo geredet habe. Jch habe ihnen nur auf einer Seite Schwierigkeit gemacht, in ſo fern ſie nemlich behaupten, daß die Vorſtellungen in der Sele wuͤrcklich ſeyn koͤnten, ohnerachtet ſie keinen Grund in etwas anders, als dem Weſen der Sele ſelbſt haͤtten. Nun komme ich zu dem andern Hauptſatze den ſie behaupten muͤſſen, nemlich daß die Veraͤnderungen des Koͤrpers von ſtatten gehen koͤnten, ohne daß man einen Grund davon in der Kraft der Sele zu ſuchen haͤtte. Jch wolte, daß ich meine entſtandenen Zweifel bey dieſer Sache eben ſo geſchwind ab - fertigen koͤnte, als bey ihrem erſten Satze. Al - lein ich ſehe hierzu keine Moͤglichkeit. Die Hauptſache in dem Zweifel, welchen ich ihnen hierbey entgegen ſetzen will, beſtehet darauf, daß ich zu erweiſen ſuche, es gebe in unſern Koͤr - per dergleichen Veraͤnderungen, welche nothwendig von der Sele ihren Haupt - grund hernehmen muͤſſen, und hiervon einen Beweis zu fuͤhren, iſt weitlaͤuftiger, als manE 2wol42wol anfangs dencken moͤchte. Was iſt aber nun hierbey zu thun? Jch bin viel zu lehrbe - gierig, als daß ich meine Einwuͤrfe verſchwei - gen ſolte. Zudem ſo ſind meine Gegner in dieſer Sache von ſolcher Wichtigkeit, daß es mir gar wol der Muͤhe werth zu ſeyn ſcheinet, ſie auszuforſchen. Jch werde alſo nicht um - hin koͤnnen, hier eine ziemlich merckliche Aus - ſchweifung zu machen. Zu meinem Vorſatze gehoͤret der Erweis des Satzes: daß die Sele die Urſach verſchiedener Veraͤnderungen im Koͤrper ſey. So bald dieſes erwieſen iſt; darf ich nur alſo ſchlieſſen: Eine Urſach iſt dasienige was den hinreichenden Grund einer Veraͤn - derung in ſich enthaͤlt. Habe ich nun dieſes von der Sele bey gewiſſen Veraͤnderungen des Koͤrpers erwieſen; ſo wird folgen, daß dieienige Meinung nicht zu legitimiren ſey, welche be - hauptet; die Sele wuͤrcke gar keine Bewegun - gen unſers Koͤrpers: und alsdenn bin ich die Schwierigkeit von meinem Hertzen los. Jch ſehe mich um deſto mehr verbunden, hier dieſen Beweis einzuſchalten, da er einen Hauptgrund - ſatz des Stahlianiſchen Lehrgebaͤudes der Artz - neywiſſenſchaft befeſtiget: denn ich werde es nur geſtehen muͤſſen, daß mir dieſe Meinung gefalle. Jch werde alſo hier die Einfluͤſſe und Harmoniſten fahren laſſen, und nachdem ich dieſen Satz ausgefuͤhret habe, will ich zu de - nen Harmoniſten der andern Art kommen, welche behaupten, daß die Veraͤnderungen inder43der Sele und dem Koͤrper nicht wuͤrden von ſtatten gehen koͤnnen, wenn nicht auſſer ihren Kraͤften noch ein Grund ihrer Wuͤrcklichkeit auſſer ihnen waͤre. Dieſes ſage ich, um mei - nen Leſern ein wenig das Gedaͤchtniß zu ſchaͤrfen, indem ich ie mehr und mehr mercke, daß mich dieſe Ausſchweifung ziemlich weit aus dem Gleiſe leiten wird. Denn nun bedencke ich es erſt recht, was ich zu thun habe, wenn ich erweiſen will, die Sele ſey die Urſach eini - ger Bewegungen im Koͤrper. Muß ich nicht vorher erſt Mittel zeigen, wodurch man richtig unterſcheiden kan, welches Ding das andre wuͤrcken koͤnne, oder welches die Wuͤrckung iener Urſach ſey? Jch muß alſo ſchlieſſen: Bey einem ieden Dinge, dabey ſich dieſes oder ienes aͤuſſert iſt notoriſch, daß es entweder eine Ur - ſach oder eine Wuͤrckung von dieſem oder ie - nen ſey. Nun werde ich den Unterſatz alſo machen muͤſſen: Bey gewiſſen Veraͤnderun - gen des Koͤrpers und der Sele laͤſt ſich das: Dieſes oder ienes im Oberſatze behaupten: Alſo muß zwiſchen beyden Veraͤnderungen Urſach und Wuͤrckung ſtatt haben. Weiter brauche ich nicht einmal zu unterſuchen, wel - ches von beyden die Urſach des andern ſey. Denn faͤlt die Wuͤrckung auf die Sele und die Urſach auf den Koͤrper; ſo beſtaͤtige ich dadurch das, was ich im 16 s von den erſtern Haupt - ſatze derer Harmoniſten behauptet habe. Faͤllt es aber umgekehrt; ſo erreiche ich meinen naͤ -E 3hern44hern Zweck deſto beſſer. Jch ſehe es zum Voraus, daß ich mich bey dem Oberſatze am meiſten aufhalten werde, und doch befuͤrchte ich noch einigen Tadel, weil meine Ausſchwei - fung ein wenig gar zu weit ausſehend iſt. Je - doch vielleicht wird mir auch dieſes zum beſten dienen muͤſſen. Wie ich mercke, ſo befinde ich mich ietzo in eben den Umſtaͤnden, worin ein Opernſchreiber ſich befindet, wenn er etwas, das angenehm fallen ſoll, auf die Schaubuͤhne liefern will. Meine Oper nimmt einen lu - ſtigen Anfang: denn ſie ſtellet einen Egoiſten vor, deſſen Meinung ſich in kein Trauerſpiel ſchicket. Nach dieſen habe ich ein gantzes Theater voller Geiſter erſcheinen laſſen, die ſich Jdealiſten nennten. Der Vorhang ward vom neuen eroͤfnet, und es traten lauter eingefleiſch - te Selen auf den Platz. Jſt es nun ein Kunſt - ſtuͤck eines Comoͤdienſchreibers in ieden Auf - tritte etwas neues zu zeigen, ſo habe ich hierin dieſes Kunſtſtuͤck auch angebracht, und im fol - genden iſt es auch nicht vergeſſen worden. Es erſcheinen Occaſionaliſten, Harmoniſten, Jn - fluxioniſten, Mechaniſten, Organiſten. Lau - ter Jſten! Hier hatte ich des vorigen Kunſt - griffes vergeſſen. Nun aber erſcheinen Ein - fluͤſſe. Sie waren idealiſch, ſie waren phyſi - caliſch. Auf einem Theater muͤſſen die erſtern Perſonen eine Zeitlang auſſen bleiben, und als - denn erſcheinen ſie am Ende der Handlung vom neuen. Dieſes iſt die Marime, deren ichmich45mich ietzo bedienen will. Jch will Urſachen und Wuͤrckungen auffuͤhren. Meditrine ſoll dabey erſcheinen. Eine heydniſche Gottheit, welche das Theater deſto bezaubernder machen wird. Nach dieſen ſollen die vorigen Perſo - nen wieder kommen. Man wird demnach ſo billig mit mir verfahren, und zugeben, daß ich meinen Aufzug einmal veraͤndere. Meine Leſer wiſſen, daß ich mit denen Harmoniſten der andern Art noch etwas abzuthun habe, und vielleicht macht ihnen dieſes die trockne Mate - rie angenehmer, welche ich eben ietzo vortragen will, indem ſie den Ausgang erwarten. Doch ich vergeſſe, daß ich eine ſolche Ausſchweifung machen will, und muß beynahe befuͤrchten, man werde die gegenwaͤrtige vor die Erfuͤllung meines Verſprechens halten. Es war noͤthig meine Leſer ein wenig von der vorigen Mate - rie abzuleiten. Wem dieſes dennoch nicht anſtehen ſolte, der wird die Freyheit haben, dieſe Blaͤtter aus denen uͤbrigen heraus zu ſchneiden. Jch verſichere an meinem Theil, daß ſich dieſer Urſach wegen, meine Hochach - tung gegen meine geehrteſten Leſer, auf keine Weiſe, weder vermindern noch vermehren ſoll.

§. 18.

Stellet euch vor, daß ich mit dem Buchſta - ben A und B den Begrif zweyer Dinge ver - binde, die wuͤrcklich ſind. Solchergeſtalt koͤn - net ihr vor A ſetzen was ihr wollet und vor B ebenfalls, wenn es nur etwas wuͤrckliches iſt. E 4Wenn46Wenn man nun beſtimmen will, wie man es anfangen ſolle, um eine Urſach von einer Wuͤr - ckung zu unterſcheiden; ſo muß man zum Voraus ſetzen, daß A und B beſtaͤndig mit ein - ander verbunden ſind. Nun geben uns die Philoſophen folgende Regel: Wenn A iſt, und B iſt auch; wenn A nicht iſt, und B iſt auch nicht; ſo iſt, wenn ſich dieſes alle - mal zutraͤgt, A die Urſach von B. Jch will ein Exempel anfuͤhren, von welchen kein vernuͤnftiger Menſch zweifeln wird, daß das eine die Urſach von dem andern ſey. Setzet A ſey die Sonne, und B ſey das Licht; ſo iſt A allemahl; ſo bald B iſt, und A iſt allemahl nicht zugegen, wenn B abweſend iſt; alſo iſt A die Urſach von B. Jch glaube es wird mir niemand laͤugnen, daß die Sonne die Urſach des Lichts ſey; allein alsdenn wird man ſich auch genoͤthiget ſehen, zuzugeben, daß man zu Erkenntniß dieſer Wahrheit, ſich nothwendig folgenden Schluſſes habe bedienen muͤſſen: Wenn die Sonne am Himmel ſteht, ſo iſt es Licht, wenn die Sonne nicht zugegen iſt, ſo iſt es nicht Licht, und dieſes iſt allemal alſo: alſo iſt die Sonne die Urſache des Lichts. Wo - her weiß ich, daß die Regenwolcken, den Re - gen verurſachen? Blos daher, weil es niemals regnet, wenn keine Regenwolcke vorhanden iſt, und daß es allemal an einem Orte regne, wenn ſich eine ſolche Wolcke zeiget. Jch koͤnte meh - rere Exempel hiervon anfuͤhren, wenn ich nichtglaubte,47glaubte, daß es bekandt genug ſey, weil ſich iederman dieſes Schluſſes bedienet. Es iſt wahr, er iſt nicht allgemein. Jch duͤrfte nur im erſtern Exempel die Sonne B und das Licht A nennen; ſo wuͤrde folgen, daß A die Urſach von B ſey, alſo daß das Licht die Sonne wuͤr - cke. Es ſey A die Arbeit eines Kuͤnſtlers der eine Uhr verfertiget; Es ſey B die Uhr; ſo waͤ - re, weil A allemal mit B verbunden, und weil B niemals entſtuͤnde, wenn A nicht zugegen waͤre, A die Urſach von B. Verwechſelt aber die Buchſtaben und es ſey B die Arbeit des Kuͤnſtlers, A aber die Uhr; ſo wuͤrde nach eben dem Schluſſe folgen, daß die Uhr die wuͤrcken - de Urſach der Arbeit des Kuͤnſtlers ſey. Alles dieſes muß man zugeben, allein dem ohngeach - tet hat man nichts verloren. Dieſer Schluß ſoll keinesweges unzweifelhaft erweiſen; ſon - dern er ſoll nur wahrſcheinlich machen, daß A die Urſache von B ſey. Wenn man ihn dero - halben laͤugnen und verwerffen wolte; ſo muͤſte man zu gleicher Zeit behaupten, daß die Leute alle falſch geſchloſſen haͤtten, welche glaubten, die Sonne ſey die Urſache des Lichts, und die dieſes auf keine andre Art als mit dieſem Schluſſe erweiſen koͤnnen.

§. 19.

Damit wir nun die Sache etwas gewiſſer machen moͤgen; ſo wollen wir ietzo nur den Satz alſo einſchraͤncken: Wenn A iſt und B iſt alsdenn auch, wenn A nicht iſt, und BE 5iſt48iſt auch nicht, wenn endlich dieſes allemal geſchicht; ſo iſt entweder A die Urſach von B oder B iſt die Urſach von A, mit einem Wort; ſo hat Urſach und Wuͤrckung zwiſchen beyden ſtatt. Wenn ich z. E. ſehe, daß die Sonne, A allemal zugegen iſt, wenn das Licht auf den Erdboden, B auch iſt; wenn ich ferner ſehe daß dieſes, B, niemals zugegen ſey, wenn ienes, A, nicht da iſt; ſo kan ich, wenn ich genau verfahren will, alsdenn nur erſt ſchlieſſen, daß eines von dieſen beyden Din - gen die Urſach von dem andern ſey. Hinge - gen wenn zwey Uhren zu gleicher Zeit aufgezo - gen worden und der Zeiger auf einerley Art ſteht; ſo iſt zwar die Bewegung des Zeigers auf der einen niemals ohne die Bewegung des Zeigers auf der andern; allein wenn ich die ei - ne Uhr verhindere, daß ſie ihre Bewegung nicht fortſetzen kan; ſo geht dem ohngeachtet der Zeiger auf der andern Uhr eben wie vorhin. Und darum kan ich nicht ſagen, daß die Bewe - gung des Zeigers der einen Uhr die Urſach von der Bewegung deſſelben auf der andern ſey; Weil in dieſem Falle zwar A allemal zugegen wenn B zugegen iſt, allein weil auch A zugegen iſt, ob gleich B nicht mehr vorhanden. Jch kan alſo durch dieſen Schluß noch gar nicht be - ſtimmen, welches von beyden, ob A von B oder B von A die Urſach ſey; ſondern ich kan nur ſagen, daß zwiſchen beyden Urſach und Wuͤr - ckung ſtatt habe. Jch koͤnte alſo ſchon ſo dreiſtſeyn,49ſeyn, und mich dieſes Schluſſes zu meinen fol - genden Beweiſe bedienen, und ich glaube, daß mir es eben niemand verdencken wuͤrde, wenn ich dieſes thaͤte. Jn der That wuͤrde ich ſo gar viel auch nicht einmal damit gewinnen; denn ich bin viel zu offenhertzig, als daß ich meinen Leſern verſchweigen ſolte, daß auch dieſer Schluß unzulaͤnglich ſey Wahrheit und Gewißheit dadurch zu erlangen. Zugleich aber mache ich auch dadurch den Eifer bekandt, wel - chen ich vor die Meinung hege, daß die Sele in ihren Koͤrper wuͤrcke. Wenn es mir nur darum zu thun waͤre, die Anzahl der Schrift - ſteller in der Welt zu vermehren, ſo ſolte mir es nicht an Worten fehlen, dieſen Schluß, der doch in der That zu weit getrieben iſt, vor guͤl - tig und vollkommen genau beſtimmt zu erklaͤ - ren. Da ich aber die Wahrheit zu finden wuͤnſche, ſo halte ich mir auch ſelbſt nicht das geringſte zu gute, damit ich meinen Gegnern die Muͤhe erſpahren moͤge, Fehler aufzuſuchen, welche meinen gantzen Beweis umſtoſſen koͤn - ten. Jch ſuche ſie ſelber. Jch entdecke ſie, und will ſie verbeſſern. Was kan man aber ſolcher - geſtalt wol mehr von mir fodern?

§. 20.

Jch ſage: Wenn A iſt, und B iſt auch, wenn A nicht iſt, und B iſt auch nicht, und dieſes trift allemal; ſo iſt es wahr - ſcheinlich, ſo kan ich muthmaſſen, daß eins von dieſen beyden die Urſache vondem50dem andern ſey. Jch ſage mit Willen: wahrſcheinlich. Denn daß es nicht gewiß ſey; ſolches will ich durch folgendes Exempel erweiſen: Wenn es in Halle Nacht iſt, ſo iſt es auch in Leipzig Nacht, wenn es in Halle nicht Nacht iſt; ſondern helle, ſo iſt auch in Leipzig Tag. Alſo iſt in dieſen Falle die Nacht in Halle, A, allemal wenn die Nacht in Leip - zig, B, gegenwaͤrtig iſt. A, iſt nicht, wenn B nicht iſt. Ja dieſes trift allemal ein. Kan ich aber alſo ſchlieſſen A ſey die Urſach von B oder B habe A gewuͤrcket. Wer wird ſo thoͤ - richt ſeyn, und behaupten daß die Nacht in Halle verurſachte, daß es in Leipzig auch dun - ckel waͤre. Solchemnach iſt dieſer Schluß ebenfalls nicht allgemein, wenn ich ſage, daß alsdenn gewiß zwiſchen A und B Urſach und Wuͤrckung ſtatt haͤtte, wenn ſie allemal mit einander verbunden, und wenn ſie beſtaͤndig beyde zugleich abweſend ſind. Es iſt alſo nichts gewiſſer, als daß es alsdenn nur ſehr wahrſcheinlich ſey, daß zwey Dinge einander wuͤrcken, wenn beſagte Bedingung ſtatt hat. Jch will alles, was ich ietzo geſagt, noch ein - mal wiederholen, ehe ich weiter gehe, damit man mich recht einnehme, und weil hierauf al - les ankommt. Jch behaupte: die Sonne ſey die Urſach des Lichts. Warum? Es iſt alle - mal lichte, wenn ſie zugegen iſt, es iſt allemal dunckel, wenn ſie abweſend iſt. Hingegen warum ſage ich nicht: Die Sonne iſt die Ur -ſach,51ſach, warum ein Ziegeldecker ein Dach bedeckt? Darum nicht: Weil zwar niemals ein Dach gedeckt wird, wenn die Sonne nicht zugegen iſt, weil man aber auch nicht nothwendig ein Dach beſteigen muß, wenn die Sonne nicht da iſt. Kan ich aber alles dieſes gewiß ſa - gen? Keinesweges. Denn weil in zwey be - nachbarten Staͤdten immer zu einer Zeit Nacht iſt, wenn in der andern Nacht iſt, und umge - kehrt, und weil ich hieraus doch nicht ſchlieſſen kan, daß die Nacht in einer Stadt die in der andern Stadt wuͤrcke; ſo kan ich auch nicht einmal mit Gewißheit behaupten, daß zwi - ſchen Sonne und Licht Urſach und Wuͤrckung ſtatt habe. Alſo iſt es nothwendig, daß wir uns um neue Regeln bekuͤmmern, wodurch wir mit Gewißheit behaupten koͤnnen, daß Urſach und Wuͤrckung zwiſchen einem A und B ſtatt habe, oder daß dieſes nicht ſey. Laſſet uns ſe - hen, worin dieſe Regel beſtehe.

§. 21.

Wenn ich mich davon gewiß uͤberzeugen will, daß die Sonne das Licht auf dem Erdboden wuͤrcke, wie fange ich dieſes an? Vorher iſt noͤthig, daß ich es durch obigen Schluß §. 20. ſo weit bringe, daß ich den hoͤchſten Grad der Wahrſcheinlichkeit davon erhalte. Wir wol - len denen Naturkuͤndigern zuſehen, die ſich ei - gentlich hiermit beſchaͤftigen, wie ſie dieſes Werck ohngefehr angreifen. Sie muthmaſſen daß Sonne und Licht in einander wuͤrckenmuͤſſen,52muͤſſen, weil ſie ſo unzertrennlich mit einander verbunden ſind. Laſſen ſie es aber wol hier - bey bewenden? Keinesweges. Sie fuͤhren ſich als wahre Philoſophen auf, welche von allen Sachen den Grund zu wiſſen verlangen. Zu dem Ende unterſuchen ſie die eigentliche Beſchaffenheit des Lichts, und nach dieſem wen - den ſie ſich zur Sonne. Sie ſehen ein, daß es aus der Natur der Sonne wol zu begreiffen ſey, daß ſie das Licht wuͤrcken koͤnne. Sie bemercken, daß das Licht ſo beſchaffen ſey, daß es dem Weſen der Sonne zukommen koͤnne. Sie verbinden dieſes mit dem Schluſſe: wenn A iſt und B iſt auch, wenn A nicht iſt und B auch nicht, und dieſes allemal; ſo iſt hoͤchſt wahrſcheinlich, daß eins die Urſach von dem andern ſey. Nun gilt alles dieſes von der Sonne und dem Lichte: alſo iſt die Sache oh - nedem wahrſcheinlich. Durch die Verbindung dieſer Obſervationen und Schluͤſſe unter einan - der, verwandelt ſich ihre Muthmaſſung in Ge - wißheit und Ueberzeugung. Sie glauben ſo gewiß, daß die Sonne das Licht wuͤrcke; ſo gewiß ſie glauben, daß ſie ſelbſt ſind. Hinge - gen warum kan ſich kein Menſch uͤberreden, daß die Nachtzeit in Halle die Urſach von der Dunckelheit in Leipzig ſey? Hier hat man ia doch eben den Grad der Wahrſcheinlichkeit, als bey der Sonne und dem Lichte? Wir be - trachten die Beſchaffenheit von Halle und die Beſchaffenheit von Leipzig. Wir befragenuns53uns ſelbſt, ob wol in Halle das geringſte zu finden ſey, welches eine Urſach davon abgeben koͤnne, warum es in Leipzig dunckel werde. Eben alſo verfahren wir in Leipzig. Wir fin - den in den Weſen beyder Staͤdte keinen Grund, auch nicht einmal den geringſten Schein einer Wahrſcheinlichkeit, daß dieſe oder iene Stadt die Dunckelheit in ihrer Nachbarſchaft verur - ſachen koͤnte. Hieraus machen wir den richti - gen Schluß. Es muß der Grund von der Dunckelheit in Halle und Leipzig nicht in de - nen Staͤdten zu ſuchen ſeyn. Jch glaube mei - ne Leſer werden es lange errathen haben, was ich ſagen will. Als denn koͤnnen wir uns vollkommen davon gewiß machen, daß A, B oder B, A wuͤrcke, wenn wir ent - weder aus den Weſen beyder, oder aus dem Weſen des einen erweiſen koͤnnen, daß ihm dieſe und iene Wuͤrckung zu kom - men koͤnne. Alsdenn fuͤllet der Schluß, wel - chen wir oben gegeben §. 20 das Fach der Wuͤrcklichkeit aus, wenn wir aus den Weſen der Sachen nur erſt die Moͤglichkeit begreifen.

§. 22.

Nunmehro habe ich deutlich genug gezeiget, wie man es anzufangen habe, wenn man von denen Urſachen und Wuͤrckungen Gewißheit haben will. Allein ich halte vor noͤthig, mir einen Einwurf zu beantworten. Wie nun? Wenn es uns nun unmoͤglich iſt, das Weſen eines Dinges einſehen zu koͤnnen, und alſo vonſeiner54ſeiner Beſchaffenheit auf ſeine Faͤhigkeit zu ur - theilen? Jch will meinen Leſern erzaͤhlen, was vor ein Huͤlfsmittel ich mir in einem ſol - chen Falle erſonnen, um davon gewiß zu wer - den. Jch werde die Regel in der Ordnung vortragen, wie ich ſelber nach und nach darauf gekommen bin. Jch machte es ſo: ich mach - te mich in meinen Gedancken zu einen Men - ſchen, welcher ſein Tage keine Uhr geſehen. Man zeigte mir deren eine, und ich bemerckte, daß wenn ſich die innwendigen Raͤder beweg - ten, auch alsdenn der aͤuſſere Zeiger binnen ei - niger Zeit ziemlicher maſſen von ſeiner Stelle ruͤckte. Jch wolte nun gerne gewiß wiſſen, ob die Bewegung der Raͤder die Urſach von dem Umdrehen des Zeigers ſey, oder nicht. Haͤtte ich nun die Strucktur der innern Uhr verſtanden, ſo waͤre mir geholfen geweſen. Aber das war nun damals nicht. Derohalben hatte ich die Kuͤhnheit, einmal mit dem Fin - ger die Bewegung der Raͤder inwendig zu ver - hindern. Da hoͤrte auch das Umdrehen des Zeigers auf. Der Beſitzer dieſer Uhr merckte dieſes, und ward unwillig auf mich. Unter waͤhrenden Schmaͤhen fing er an, an der Uhr zu drehen, und als ich wieder darnach ſahe, bewegten ſich nicht allein die Raͤder wieder, wie vorhin; ſondern der Zeiger drehete ſich auch wieder, um die Mitte der Uhr. Nunmehro ſchien ich vollkommen uͤberzeugt zu ſeyn, daß dieſe beyden Bewegungen von einander gewuͤrcktwuͤr -55wuͤrden. Allein es kam bald darauf ein drit - ter herzu, welcher ſeine Uhr hervorſuchte und auf den Tiſch legte. Hier bemerckte ich nun eben dieienigen Veraͤnderungen, welche ich vor - hin an der erſten Uhr geſehen. Da fing ich an zu zweifeln, und es fiel mir ſogleich ein, ob nicht die Bewegung der einen Uhr etwan die Urſach waͤre, warum der Zeiger auf der andern her - umgetrieben wuͤrde. Jch haͤtte mir in der That dieſen Zweifel nicht heben koͤnnen, wenn nicht zu allem Gluͤck die letztre Uhr abgelaufen waͤre, und angefangen haͤtte ſtille zu ſtehen. Es konte mir nichts erwuͤnſchters ſeyn, als die - ſes. Denn nunmehro machte ich den Schluß: Wenn die Bewegung iener Uhr die Urſach ge - weſen waͤre, daß ſich der Zeiger auf dieſer be - wegt; ſo muͤſte ia auch der Zeiger aufgehoͤrt haben ſich auf dieſer Uhr zu bewegen, nach - dem iene ſtille ſtand. Da aber dieſes nicht ge - ſchahe; ſo war ich ſo vollkommen uͤberzeugt, daß die innere Bewegung der erſtern Uhr, das herumlaufen des Zeigers auf eben derſelben ver - urſachte, ſo gewiß ich wuſte, daß iene nichts darzu beytragen konte. Auf dieſe Art habe ich gelernet, wie ich erfahren ſoll, ob dieſe oder ie - ne Sache eine gewiſſe Wuͤrckung verrichte, ob mir gleich das Weſen derſelben unbekandt iſt. Denn ich abſtrahirte mir hernachmals, aus vorigen Exempel folgende Regeln: wenn ich zwey Dinge vor mir habe, deren innere Be - ſchaffenheit mir gaͤntzlich unbekandt iſt; ſo mußFich56ich erſt zuſehen, ob A allemal iſt, wenn B iſt, und ob A allemal nicht iſt, wenn dieſes von B gilt. Jſt dem alſo; ſo habe ich mir wahr - ſcheinlich gemacht, daß entweder A, B wuͤrcke, oder daß ſich dieſes umgekehrt alſo verhalte. Wenn ich mich aber davon vollkommen gewiß uͤberzeugen will, ohne ihr Weſen zu kennen; ſo darf ich nur darauf Achtung geben, ob es kein drittes Ding gebe, welches al - lemal auch zugegen iſt, wenn beyde vori - ge zugegen ſind, und abweſend, wenn die - ſes von den vorigen gilt. Jſt dieſes nicht; ſo kan ich mich gantz gewiß davon ver - ſichern, daß eines von beyden das andre wuͤrcken muͤſſe. Dieſe Regel druͤcke ich ſonſt auch alſo aus: wenn A allemal mit B verbun - den iſt, wenn A allemal mit B abweſend iſt; wenn endlich kein C vorhanden, welches auch mit A und B zugleich waͤre, und auch allemal zugleich mit ihnen nicht waͤre; ſo iſt gantz ge - wiß entweder A die Urſach von B oder umge - kehrt. Wenn aber mit dieſen beyden noch ein drittes verbunden iſt; ſo muß ich bemercken, ob es nicht etwan einmal abweſend ſey, wenn A und B zugegen ſind; oder ob nicht C zuge - gen ſey, wenn A und B fehlt. Alsdenn kan ich auch gewiß wiſſen, daß zwiſchen A und B Urſach und Wuͤrckung ſtatt habe; wenn dem alſo iſt. Jſt A und B aber allemal mit C ver - bunden, und auch allemal mit C abweſend; ſo kan ich ſicher ſchlieſſen, daß zweye von bey -den57den Dingen, das dritte zur Urſach haben muͤſ - ſen. Jch will dieſes mit obigen Exempel er - laͤutern. Jn Halle iſt es allemal Nacht, wenn es in Leipzig Nacht iſt, und umgekehrt. Ge - ſetzt ich wuͤſte nun weder die Beſchaffenheit von Halle noch von Leipzig; ſo koͤnte ich mich fol - gendergeſtalt uͤberfuͤhren, daß zwiſchen der Nachtzeit zu Halle und der zu Leipzig keine Urſach und Wuͤrckung ſtatt faͤnde: man duͤrfte nur bemercken, ob mit der Nachtzeit in beyden Staͤdten, nicht noch ein drittes eben ſo genau verbunden waͤre, als ſie ſelbſt ſind. Dieſes duͤrfte man nicht weit ſuchen. Die Abweſen - heit der Sonne iſt allemal wuͤrcklich, wenn die Nachzeit zu Halle und Leipzig wuͤrcklich iſt. Wiederum: die Abweſenheit der Sonne iſt allemal nicht wuͤrcklich, wenn die Nacht in Halle und Leipzig nicht wuͤrcklich iſt. Alſo ma - che ich daraus den Schluß, daß die Abweſen - heit der Sonne auch etwas darzu beytragen muͤſſe. Will ich nun wiſſen, was dieſes eigent - lich ſey, das ſie darzu beytrage; ſo muß ich zuſehen, ob nicht die Abweſenheit der Sonne wuͤrcklich ſeyn kan da doch die Nacht in beyden Staͤdten nicht wuͤrcklich iſt, oder ob die Ab - weſenheit der Sonne nicht koͤnne wuͤrcklich ſeyn, da doch die Nachtzeit in Halle und Leipzig wuͤrcklich waͤre. Man wird mir erlauben, daß ich das Wort: Abweſenheit der Son - ne beybehalte, indem man meine Meinung als - denn deſto leichter verſtehen kan. Nun wollenF 2wir58wir den Fall ſetzen, es wuͤrde Halle mit einen ſchwartzen Tuche eingefaßt. Dieſes koͤnte wol geſchehen. Alsdenn waͤre die Abweſenheit der Sonne nicht wuͤrcklich, und dennoch waͤre es Nacht in Halle. Dieſes koͤnte man nun auch mit Leipzig verſuchen, da dieſes zumal kleiner, als Halle iſt, ſo wuͤrde man eben daſſelbe be - mercken. Alſo folgte der Schluß unſtreitig: es muß nicht allein die Nachtzeit in Halle nicht die Nachtzeit in Leipzig und umgekehrt wuͤr - cken; ſondern die Sonne muß die wuͤrckende Urſach von der Dunckelheit in beyden Staͤdten ſeyn.

§. 23.

Wenn man dasienige, was ich ietzo geſagt habe, recht einſiehet, ſo kan es ſo leicht nicht geſchehen, daß man ſich in Beurtheilung der Urſachen verſchiedener Veraͤnderungen, betrie - gen ſolte. Wir koͤnnen auf zweyen Wegen zur Erkaͤntniß derſelben gelangen. Einmal, wenn wir uns die Beſchaffenheit der Din - ge bekandt machen, und daher ſchlieſſen, ob es derſelben wiederſpreche, daß ſie die - ſe und iene Wuͤrckung verrichten ſolte, oder ob eine ſolche Wuͤrckung vielmehr mit ihrer innern Beſchaffen heit uͤberein - komme. Der andre Weg iſt der, daß man, wofern die eigentliche Beſchaffenheit der Dinge unbekandt ſeyn ſolte, dieienigen Regeln anwendet, welche ich ietzo gege - ben, um zu urtheilen, ob ein A, B wuͤrcke,ob59ob B, A wuͤrcke, ob ein C ſo wol A als B wuͤrcke, oder ob A oder B, B und C oder A und C wuͤrcke. Der eine Weg iſt ſo ge - wiß, als der andre. Und man mag verwer - fen, welchen man will, ſo muß man zugeben, daß man in der Welt gar nichts gewiß wiſſe. Wer laͤugnet, daß man aus der innern Be - ſchaffenheit der Dinge ſchlieſſen koͤnne, ob ſie dieſes oder ienes wuͤrcken, oder nicht wuͤrcken koͤnnen; der muß nothwendig daran zweifeln, daß die Sonne die Urſache des Lichtes ſey §. 21. Wer aber nicht zugeben will, daß man durch die gegebenen Regeln §. 22, im Fall ei - nem das Weſen der Dinge unbekandt iſt, die Urſachen und Wuͤrckungen beurtheilen koͤnne, der muß zugeſtehen, daß es ihm unbekandt, oder wol gar, daß ihm wahrſcheinlich ſey, es wuͤrcke der Tag oder die Nacht an dem Orte ſeines Aufenthalts, den Tag oder die Nacht des in dem naͤchſten Dorfe. §. cit. Beyde Gegner ſind von ſolcher Beſchaffenheit, daß man es dem fuͤr eine groſſe Schwachheit rechnen muͤſte, der ſich mit ihnen deshalb in einen Streit ein - laſſen wolte. Wenn das eine Kunſt iſt, an allen Sachen zu zweifeln, und wenn ein Ge - lehrter dieſe Eigenſchaft fuͤhren ſoll, ſo getraue ich mir zu behaupten, daß es auf dem Lande noch mehr Gelehrte gebe, als auf Academien. Jch habe demnach das Vertrauen, man wer - de mir die ietzt vorgetragenen Saͤtze einraͤumen, weil ich mich dabey ſo ſehr eingeſchraͤnckt habe,F 3als60als man nur fodern kan. Dieſes aber iſt aus keiner andern Abſicht geſchehen, als den Ver - dacht zu vermeiden, daß ich den Beweis eines Satzes erſchleichen wolte, an welchen mir ſo viel gelegen, als immer einen Philoſophen dar - an liegen kan, daß er ſich in ſeiner Meinung recht feſt ſetze.

§. 24.

Der Oberſatz zu meinem Beweiſe iſt in der That laͤnger gerathen, als ich ſelbſt gleich an - fangs vermuthen konte. Allein weil auf den - ſelben alles ankommt, ſo kan ich mich noch nicht uͤberreden, der Sache zu viel gethan zu haben. Jch kan meinen Leſern nunmehro den gantzen Schluß ſagen, deſſen ich mich bey meinem Beweiſe bediene. Jch ſchlieſſe ſo: Wenn A iſt, und B iſt auch, wenn A nicht iſt und B iſt auch nicht; Wenn ferner dieſes allemal geſchicht; Wenn ich her - nach auch aus dem Weſen der Sachen begreiflich machen kan, daß entweder A eine Urſach von B ſey: oder daß B, A wuͤrcke; Wenn endlich, wofern dieſes nicht ſeyn ſolte bey A und B die Regeln eintreffen, welche §. 12. gegeben worden ſind; ſo iſt es gewiß, daß zwiſchen die - ſen Dingen Urſach und Wuͤrckung ſtatt habe. Nun kan man alles dieſes von dem menſchlichen Koͤrper und ſeiner Sele be - haupten; alſo wuͤrcken ſie beyde in einan - der. Den Oberſatz habe ich ietzo feſtgeſtelltund61und vertheidiget. Den Unterſatz will ich nun - mehro erweiſen. Und wenn man mir ſolcher - geſtalt die Concluſion zugeben muß: ſo habe ich auch erwieſen, daß die Sele in ihren Koͤr - per wuͤrcke. Man ſiehet wol, daß kein Menſch die beyden Voͤrderſaͤtze unerwieſen annehmen wird. Jndeſſen wird man wol keine Hofnung zum Siege mehr haben koͤnnen, wenn man mir nur erſt den Oberſatz eingeraͤumet. Der Unterſatz beruhet bloß auf Erfahrungen und ei - ner darzu gehoͤrigen richtigen Anwendung des Oberſatzes. Was die Erfahrungen betrift; ſo koͤnte ich ſchon damit zufrieden ſeyn, wenn ich nur eine einzige davon anfuͤhren koͤnte. Allein ich habe es aus verſchiedenen Urſachen nicht bey einer bewenden laſſen wollen; ſondern ich wer - de deren einige anfuͤhren und von einer ieden erweiſen, daß ihr die Glieder des Oberſatzes vollkommen zu kommen. Eines theils thue ich es darum, damit wenn man ia eine und die an - dre Erfahrung laͤugnen oder aufs ungewiſſe bringen wolte, dennoch noch andre uͤbrig ſeyn moͤchten, daran durchaus kein Menſch zwei - feln kan. Andern theils geſchicht es deswegen, damit ich zeigen koͤnne, daß ein Artzneyverſtaͤn - diger nicht ohne Grund die Meinung der er - ſten Gattung derer Harmoniſten verwerfe; ſondern daß es hauptſaͤchlich darum geſchehe, weil faſt eine iede neue Obſervation in dieſer Wiſſenſchaft, den gewiſſen Satz, daß die Se - le in den Koͤꝛper und dieſer zuꝛuͤck wuͤꝛcke, beſtaͤtiget.

F 4§. 25.62

§. 25.

Nun fuͤhre ich meine Leſer wiederum in ein gantz beſonderes Fach. Die Materie, welche ich ietzo vorgetragen habe, iſt eine logicaliſche Materie. Nun aber thue ich einen Sprung in die Artzneywiſſenſchaft. Jch muß nunmeh - ro meinen Unterſatz erweiſen und hierzu habe ich lauter Erfahrungen noͤthig die in die Artz - neykunſt ſchlagen. Durch Anfuͤhrung ſo ver - ſchiedener Obſervationen, werde ich im Stan - de ſeyn, hoffentlich alle die Fragen zu beant - worten, die wir in den ſchoͤnen Werck des Hrn. v. Fenelon: De l exiſtence de Dieu, Chap. XLV. pag. 59 finden, und die ich ihrer Schoͤnheit wegen hier nicht unangefuͤhrt laſſen kan. Er ſagt: D ou vient que des Etres ſi diſſemblables, ſont ſi intimement vnis en - ſemble dans l homme? D ou vient que les mouvemens du Corps donnent ſi promte - ment & ſi infailliblement certaines penſées à l’ame? D ou vient que les penſées de l ame donnent ſi promtement & ſi in - failliblement certains mouvemens au corps? D ou vient cette ſocieté ſi reguliére de ſoixante-dix ou quatre vingt ans, ſans au - cune interruption? Dieſer groſſe Mann be - antwortet ſich in der That dieſe Fragen ſelber indem er pag. 60 ſpricht: Rien n eſt plus abſolu que l empire de l eſprit ſur le corps. L eſprit veut: & tous les membres du corps ſe remuent a l inſtant, comme ſ ils etoienten -63entrainés par les plus puiſſantes machines. D un autre coté rien n eſt plus manifeſte, que le pouvoir du corps ſur l eſprit. Le corps ſe meut: & a l inſtant l eſprit eſt forcé depenſer avec plaiſir, ou avec dou - leur, a certains objets. Dieſes iſt es eben, was ich mir ietzo durch vielerley Erfahrungen zu beſtaͤtigen vorgeſetzt habe. Jch bitte mir indeſſen aus, daß man hieraus noch nicht ſchlieſ - ſe, ich behauptete den Jnfluxum, wie man ihn gewoͤhniglich annimmt. Nichts weniger. Die - ſer Beweis, welchen ich ietzo fortſetze ſoll nicht allein darzu dienen, dieienigen Harmoniſten auszuforſchen, welche gar keine Gemeinſchaft der Sele und des Koͤrpers behaupten; ſondern ich werde mich auch nach dieſem auf den ietzi - gen Beweis berufen, wenn ich mein Glaubens - bekenntniß ſelbſt ablegen werde. Jetzo werde ich erweiſen, daß die Artzneywiſſenſchaft nicht anders mit der neuern Weltweisheit in ein Verſtaͤndniß gebracht werden koͤnne, als bis ſich die letztre aus der Verwirrung zu helfen wiſſen wird, welche die Obſervationen der Artz - neyverſtaͤndigen, und eine Anwendung derer vorigen Regeln darauf, verurſachen wird.

§. 26.

Man hat in der Artzneygelahrtheit ein phy - ſicaliſches Geſetz der Bewegung in dem menſch - lichen Koͤrper, welches alſo heiſſet: auf eine ie - de Empfindung erfolgt in unſern Koͤrper eine Bewegung welche der Empfindung proportio -F 5nal64nal iſt. Dieſes Geſetz behaupten meiſtentheils die mechaniſchen Artzneygelehrten. Sie koͤn - nen es nicht aus Gruͤnden erweiſen, aber dem - ohnerachtet muß man es ihnen doch zugeben. Wir erfahren es alle Augenblicke, daß, ſo bald wir empfinden, auch eine Bewegung in unſern Koͤrper vorgehe; und wer ein wenig genau auf ſich Achtung giebt, der wird finden, daß auch die Bewegung mit der Empfindung beſtaͤndig in einem Verhaͤltniß ſtehe. Wenn man mich boͤſe machte, ſo wuͤrde ich mich beynahe zu be - haupten getrauen, daß dieſes Geſetz einem ie - den Menſchen faſt eben ſo natuͤrlich waͤre, als der Grund des Wiederſpruchs. Nehmet ei - nen Menſchen her, der von ſich, ohne Schein einer Erniedrigung behaupten kan, daß er von der Gelehrſamkeit wenig oder gar nichts ver - ſtehe. Bringet ihn zwey Leute, deren einer ſo robuſt iſt, als der andre, und deren ieden ein Dritter eine Ohrfeige verliehen. Laſſet die - ſen Menſchen urtheilen, welchem vom beyden die Ohrfeige ſchmertzlicher geweſen, als dem andern; ſo wird er ſo gleich folgenden Schluß bey ſich ſelbſt machen muͤſſen: je groͤſſer die Bewegung welche auf eine Empfindung erfol - get, iſt, deſto groͤſſer muß die Empfindung ge - weſen ſeyn: nun iſt die Backe des einen ſtaͤr - cker aufgelaufen, als die Backe des andern: folglich hat dieſer ſeine Ohrfeige nicht ſo ſehr empfunden, als iener. Es giebt unzaͤhlige an - dre Faͤlle, dabey man eben dieſen Schluß an -wenden65wenden muß, wenn man eine gewiſſe Veraͤn - derung an dem Menſchen beurtheilen will. Man hat viel zu viel Erfahrungen, die dieſes Geſetz der Bewegung bey Thieren beſtaͤtigen, als daß ich vermuthen ſolte, man werde einen weitern Beweis deſſelben von mir alhier erwar - ten. Man kan davon des beruͤhmten Hrn. Prof. Kruͤgets Phyſiologie im 40 und fol - genden § nachleſen, wenn man eine weitere Er - klaͤrung davon verlanget. Jch nehme es hier als einen Grundſatz an, und will daraus er - weiſen, daß die Sele in ihren Koͤrper wuͤrcke. Hierbey wird mir erlaubt ſeyn, mich meiner vorigen Regeln zur Anwendung zu bedienen. Jch bin hierbey etwas ſchalckhaft, allein man wird mir dieſe kleine Freude erlauben. Jn - dem ich zeige, daß ſich die vorigen Regeln, auf die ietzt vorgetragene Obſervation anwenden laſſen, erweiſe ich auch ſo gleich, daß dieieni - gen, ſo mir hierin wiederſprechen, laͤugnen muͤſ - ſen, daß ihr Vater, eine Urſach von Jhnen, und daß die Sonne eine Urſach des Lichtes ſey. Denn beydes wiſſen ſie nicht gewiß, wo - fern ſie die vorigen Regeln nicht annehmen wollen.

§. 27.

Allemal wenn wir eine Empfindung haben, erfolgt eine Bewegung im Koͤrper, §. 26. und dieſe Bewegung iſt der Empfindung propor - tional. Es verſteht ſich aber von ſelbſt, daß auf eine Empfindung keine Bewegung erfol -gen66gen koͤnne, welche vorher ſchon da geweſen; indem es ſich wiederſpricht: mit einer Sache zugleich erfolgen, und ehe geweſen ſeyn, als dieſelbe Sache. So ſoll zum Exempel dieſer Satz nicht ſo viel heiſſen, als: wenn eine Em - pfindung geſchaͤhe; ſo bewegte ſich auch zugleich das Blut dieſer Empfindung proportional: denn das Blut wuͤrde ſich ohnfehlbar auch be - wegen, wenn uns gleich die aͤuſſern Sinne mangelten. Hingegen die Art der Bewegung des Bluts kan veraͤndert werden, wenn wir empfinden, und dieſes gilt auch von denen Se - cretionen und Excretionen. Wenn ich dem - nach ſage: es erfolgt auf eine iede Empfindung eine ihr proportionale Bewegung; ſo verſtehe ich darunter nicht iedwede Bewegung in un - ſern Koͤrper, ſondern nur dieienigen, die alle - mal nur mit denen Empfindungen zugleich ſind. Hierher gehoͤret die Vergroͤſſerung und Zuſam - menziehung der Pupille, das braun und blau werden der Haut, das Nieſen und dergleichen mehrere. Geſetzt demnach ich haͤtte eine Em - pfindung = die wir durch S andeuten wol - len, und eine andre = = s: die Bewe - gung ſo auf S erfolgt ſey = M die andre = m; ſo iſt: S (= ): s (= ) = M (= ): m (= ) Geſetzt es verliere S noch den einen Grad, ſo waͤre:S (= ):67S (= ): s (= ) = M (= ): m (= ) S (= ) = 0 M (= ) = 0 o: s = o: m Es fiele demnach auch die Bewegung ſo der Empfindung allemal folget, und ihr propor - tional iſt, hinweg, wenn die Empfindung hin - weg fiele. Das iſt: Allemal erfolget auf eine Empfindung, eine ihr proportionale Bewe - gung, und allemal erfolget keine ihr proportio - nale Bewegung, wenn keine Empfindung zu - gegen iſt. Wenn A iſt und B iſt auch; wenn A nicht iſt und B iſt auch nicht; wenn endlich dieſes allemal eintrift; ſo iſt es wahrſcheinlich, daß zwiſchen A und B Urſach und Wuͤrckung ſtatt habe. §. 19. Es ſey A = S und B = M. So iſt, wenn S allemal iſt, ſo bald M iſt, und wenn S nicht iſt; ſo bald M nicht iſt, wahr - ſcheinlich, daß zwiſchen S und M Urſach und Wuͤrckung ſtatt habe. § cit. Nun iſt S nie - mahls, ohne M §. 26. und M iſt niemals ohne S. Wenn S abweſend iſt; ſo iſt vermoͤge der ietzt gegebenen Bedingungen auch M nicht, und umgekehrt. Alſo iſt es wahrſcheinlich, daß entweder S, M wuͤrcke oder daß M die Urſach von S ſey. Man muß mich aber ia recht ver - ſtehen. Jch behaupte keinesweges, daß alleBe -68Bewegung in unſern Koͤrper aufhoͤre, wenn wir nichts empfinden, ſondern ich ſage dieſes nur von denenienigen Bewegungen, welche ſonſt nicht zugegen ſind, als zugleich mit einer Empfindung. Und damit mich iederman hier - bey recht einnehmen koͤnne, ſo will ich ein gantz unlaͤugbar Exempel zur Erlaͤuterung beyfuͤgen. Das Einfallen der Lichtſtrahlen in das Auge macht eine Empfindung = S, und mit dieſer iſt eine Bewegung der Pupille = M verbun - den. Welcher Artzneyverſtaͤndiger wird mir nun wol den Satz laͤugnen koͤnnen: S iſt alle - mal zugegen, wenn M iſt; M iſt allemal da, ſo bald S iſt. S iſt abweſend, wenn M abwe - ſend iſt: M iſt allemal abweſend, wenn ich die - ſes von S behaupten kan. Wenn eine Em - pfindung, welche = A ſeyn ſoll, in meiner Naſen entſteht, ſo erfolgt das Nieſen, eine Be - wegung = B. So bald alſo A entſteht, ſo bald iſt auch B da; und wenn A abweſend iſt, ſo iſt auch B abweſend. Hier meine ich wie - der nicht, daß A einer ieden Empfindung in der Naſe = ſeyn ſoll; ſondern allemal nur derienigen, worauf das Nieſen erfolget. Jch glaube ſo wird verſtaͤndlich ſeyn, was ich be - haupte, indem ich ſage es ſey wahrſcheinlich, daß entweder S, M wuͤrcke, oder daß doch die - ſes gewiß umgekehrt gelte.

§. 28.

Meine Leſer wuͤrden vermuthlich ſehr ſchlecht mit mir zufrieden ſeyn, wenn ich es nurbey69bey der Wahrſcheinlichkeit wolte bewenden laſſen, und nicht zeigte, daß es mehr als zu ge - wiß ſey, es muͤſſe entweder die Sele welcher allein der Sitz der Empfindungen zuzuſchrei - ben iſt, in den Koͤrper, oder dieſer zuruͤck in die Sele wuͤrcken. Denn da die Empfindungen, in einem Bewußtſeyn unſrer, von uns gegen - waͤrtigen Dingen beſtehen, ſo haben ſie noth - wendig der Sele das meiſte zu dancken, und wenn mit einer Empfindung allemal ohn Aus - nahme eine Bewegung verknuͤpft iſt; ſo iſt es demnach wahrſcheinlich, daß die Sele in den Koͤrper wuͤrcke. Wenn wir nun aber in dieſer Sache gewiß werden wollen; ſo muͤſſen wir die Wege zur Gewißheit zu gelangen aufſu - chen. Wir haben oben §. 21. feſtgeſtellt; daß wenn zwey Dinge beſtaͤndig mit einander ver - bunden, und alſo zugleich gegenwaͤrtig und ab - weſend waͤren, und wenn man ferner, aus dem Weſen der Dinge, die Moͤglichkeit zeigen koͤnne, wie eines das andre wuͤrcken koͤnne, und wie das letztere von dem erſtern koͤnne gewuͤrckt werden; ſo koͤnne man es gantz gewiß glauben, daß das eine das andre wuͤrcke. Nun haben wir die erſte Bedingung, von denen Empfin - dungen und denen ihnen proportionalen Bewe - gungen dargethan: §. 26. alſo beruhet alles darauf, daß wir aus dem Weſen der Empfin - dungen und Bewegungen die Moͤglichkeit zei - gen, wie eines das andre wuͤrcken, und wie das andre von dem erſten gewuͤrckt werdenkoͤnne.70koͤnne. Aber eben dieſes iſt leider! der Stein des Anſtoſſes. Wir haben viel zu enge Gren - tzen unſers Verſtandes, als daß wir dieſes ſol - ten zeigen koͤnnen. Wir wiſſen nicht einmal recht, was unſre Sele ſey, und wie wollten wir es alſo wol anfangen, wenn wir von denen Empfindungen ein richtiges Urtheil faͤllen ſol - ten. Dieſer haͤlt ſeine Sele vor eine Materie, iener haͤlt ſie vor eine Monade, und ſpricht ihr alles Vermoͤgen ab, in einen Koͤrper wuͤrcken zu koͤnnen. Wer hat nun von dieſen beyden Recht? Jn der That dieſe Frage iſt ſchwer zu beantworten, indem das wahre Urtheil davon wol beyden Partheyen unanſtaͤndig ſeyn moͤch - te. Womit muß es doch unſre Sele verſehen haben, daß ihr faſt kein Menſch gerne zugeſte - hen will, daß ſie in ihren Koͤrper wuͤrcke? Jſt denn alles das untruͤglich gewiß, davon wir nicht begreifen koͤnnen, daß es anders ſeyn ſol - le? Muß denn unſre Sele bloß darum unver - moͤgend ſeyn, in ihren Koͤrper zu wuͤrcken, weil es niemand begreiffen kan, wie dieſes zugehen ſolte? Ey, warum laͤugnet man denn nicht auch die Moͤglichkeit deſſen, daß ein Koͤrper den andern in Bewegung ſetzen koͤnne? Wer kan ſich ruͤhmen, daß er begreife wie dieſes zu - gehe. Warum laͤugnet es denn kein Menſch, daß der Magnet das Eiſen an ſich ziehe, daß ſich ſein Nordpol beſtaͤndig gegen Norden, hin - gegen der Suͤderpol gegen Suͤden kehre, daß ein Armirter ſtaͤrcker an ſich ziehe, als ein an -drer,71drer, daß oͤfters ein kleiner mehr anziehe, als ein groſſer; daß er mehr Kraft Koͤrper an ſich zu ziehen, andern Koͤrpern mittheile, als er ſelbſt beſitzt, und daß er dem ohngeachtet nichts von ſeiner Kraft verliere? Sind wir denn etwan alle zuſammengenommen ſo klug, daß wir die - ſes begreiffen. Warum giebt man denn zu, daß ein durch Reiben erhiztes Glas, Funcken von ſich gebe, andre Koͤrper electriſch mache, und dieſe Kraft ſo vielen Koͤrpern mittheile, daß man daruͤber erſtaunen moͤchte? Warum glaubet man, daß es Thiere gebe, welche durch die Zerſchneidung ihres eigenen Koͤrpers, ihr Geſchlecht fortpflantzen? Kan man denn wol begreiffen, was es mit der Electricitaͤt vor eine Beſchaffenheit habe, und wie es zugehe, daß aus einem zerſchnittenen Polypus wiederum zwey Polypen erwachſen, welchen nicht das ge - ringſte an ihrer gehoͤrigen Strucktur abgehet? Jſt es nicht wahr? Wir glauben alles dieſes deshalben, weil es die Erfahrung auf tauſend - faͤltige Art beſtaͤtiget, nicht aber, weil wir es aus dem Weſen der Sachen begreiffen koͤnnen. Nur der Sele will man dieſes Recht nicht wiederfahren laſſen. Aber warum nicht? Es iſt noch ein ander Mittel vorhanden, wodurch wir gewiß werden koͤnnen, daß unſre Sele in unſern Koͤrper wuͤrcke, ohnerachtet wir dieſes aus dem Weſen der Sele und aus der eigent - lichen Beſchaffenheit derer Bewegungen nicht ausmachen koͤnnen.

G§. 29.72

§. 29.

Wenn A iſt und B iſt auch; wenn A nicht iſt und B iſt auch nicht; wenn dieſes allemal richtig zutrift; wenn endlich kein drittes Ding, kein C, eben ſo genau mit A und B harmoni - ret, als ſie ſelbſt unter einander; ſo kan ich gantz gewiß behaupten, daß A entweder die Urſach von B ſey, oder daß B, A wuͤrcke. §. 22. Wenn alſo S iſt, und M iſt auch, wenn S nicht iſt, und M iſt auch nicht; wenn dieſes allemal zutrift; und wenn endlich kein C vor - handen iſt, von welchen ſich dieſes ebenfalls be - haupten laͤßt; ſo wird entweder S, M wuͤrcken; oder M iſt die Urſach von S. Nun iſt S alle - mal, wenn M iſt; S iſt nicht, wenn M nicht iſt, dieſes geſchicht allemal; §. 26. Es iſt auch kein C da, welches eben ſo genau mit ihnen verbunden waͤre, als es S und M unter ſich ſelbſt ſind: alſo findet zwiſchen ihnen beyden Urſach und Wuͤrckung ſtatt. Jch habe von dieſem Schluſſe nichts weiter mehr zu erwei - ſen, als das hintere Glied des Unterſatzes, nemlich: daß mit S und M kein C verbunden ſey, welches ſo genau uͤbereinſtimme, als S und M ſelbſt. Den Beweis dieſes Satzes kan ich nirgends anders woher, als aus der Erfah - rung leiten. Jch ſage: die Erfahrung lehret, daß alle die Dinge, welche mit S und M genau verbunden zu ſeyn ſcheinen, abweſend ſeyn koͤn - nen, wenn ſie zugegen ſind; oder ſie koͤnnen zugegen ſeyn, wenn S und M abweſend ſind. Wir73Wir wollen zu dem Ende dieienigen Veraͤn - derungen beybehalten, und unterſuchen, welche bey dem Menſchen vorgehen, und mit S und M beſtaͤndig verbunden zu ſeyn ſcheinen. Man verfaͤllt am erſten auf die Bewegung des Ge - bluͤts. Es iſt wahr, dieſes muß allemal zuge - gen ſeyn, wenn eine Empfindung zugegen iſt. Denn ſo bald ſich das Blut nicht mehr bewegt, fallen mit denen Vorſtellungen auch die Em - pfindungen hinweg. Allein, iſt es denn noth - wendig, daß wir empfinden muͤſſen, wenn ſich das Blut bewegt? Jſt es denn nicht eine aus - gemachte Sache, daß ſich im Schlafe das Blut bewege? Jſt aber wohl in einem ſuͤſſen Schlafe einige Empfindung bey uns zugegen? Jch uͤbergehe die Ohnmachten mit Stillſchwei - gen, bey welchen allemal noch einige Bewegung des Gebluͤts ſtatt hat. Aber in dieſem Falle wird kein Menſch behaupten, daß man empfin - de. Es ſcheinet zwar, als ob mir wegen der Abſcheidung des Nervenſaftes ein Einwurf koͤn - ne gemacht werden. Jch gebe auch zu, wenn alles dasienige ſeine Richtigkeit hat, was man von denen Lebensgeiſtern heut zu Tage behau - ptet, daß die Abſcheidung des Nervenſaftes al - lemal geſchehen muͤſſe, wenn wir empfinden. Aber laͤßt ſich denn der Satz auch umkehren? Es mag noch ſo viel Nervenſaft bey uns ab - geſchieden werden, ſo werden wir doch nicht ehe empfinden, als bis uns ein Koͤrper von auſſen beruͤhret. Da aber A allemal ſeynG 2muß,74muß, wenn B iſt, und da A allemal nicht ſeyn muß, wenn B nicht iſt; ſo kan auch die Ab - ſcheidung des Nervenſaftes hier keinen Zweifel erregen. Wolan, wird man ſagen: ſo gilt es demnach gewiß von der Beruͤhrung eines Koͤr - pers auſſer uns. Allemal wenn uns ein Koͤr - per beruͤhret; ſo empfinden wir: Allemal wenn dieſes nicht geſchicht, empfinden wir nicht: Al - ſo haben wir hieran ein C welches eben ſo ge - nau mit A verbunden iſt, als B. Jch kan den erſten Satz wiederum nicht zugeben. Es kan uns ein Koͤrper beruͤhren: und derienige Nerve, welcher an den Theil hinlaͤuft, welcher beruͤhret wird, kan laͤdirt ſeyn, und alsdenn empfinden wir ihn nicht. Nun, ſo kan es nicht fehlen, wenn ein Koͤrper auſſer uns einen Nerven beruͤhret, welcher geſund iſt, und ihn ſolchergeſtalt in Bewegung ſetzt; ſo muß auch eine Empfindung erfolgen, wenn der Nerve ge - ſund iſt. Derohalben iſt mit denen Empfin - dungen und denen darauf erfolgenden propor - tionirlichen Bewegungen ein C beſtaͤndig ver - bunden: und ſolchergeſtalt kan auch das C die Urſach von beyden ſeyn. Allein, man erlaube mir folgende Jnſtantz: Niemand wird mir laͤugnen, daß die Urſach des Herumgehens des Zeigers, die innere Bewegung der Uhr ſey. Koͤnte ich dieſes wol dadurch laͤugnen, wenn ich ſagte: Nein, es gehoͤrt noch die Bewe - gung eines Perpendikels in der Uhr darzu? Jch wuͤrde die Wahrheit ſagen: allein gehoͤrt denndieſe75dieſe Bewegung nicht auch mit zu der innern Bewegung der Uhr? Eben ſo waͤre es nun damit beſchaffen, wenn ich laͤugnen wolte, daß die Empfindung und proportionale Bewegung einander wuͤrckten, weil zur Empfindung noth - wendig eine Bewegung der Nerven erfodert wird. Keine Empfindung kan geſchehen, ohne daß ein aͤuſſerer Koͤrper in uns wuͤrcke, daß die Nerven geſund ſeyen und von ihm in Be - wegung gerathen, daß endlich eine Sele in dem Koͤrper zugegen ſey. Wenn ich ſage: eine Empfindung wuͤrcket eine ihr proportionirliche Bewegung; ſo ſage ich eben das, als: Eine Verſtellung welche in denen Gliedmaſſen des Koͤrpers und der Beruͤhrung von etwas auſſer uns, ſeinen zureichenden Grund hat, iſt allemal mit einer proportionalen Bewegung verknuͤpft. Jch laſſe mich ietzo gar nicht damit ein, wie es moͤglich ſey, daß zu gewiſſen Vorſtellungen in der Sele, nothwendige Veraͤnderungen in de - nen Nerven des Koͤrpers vorgehen muͤſſen; ſondern ich nehme es ietzo als etwas bekandtes an; rechne derohalben die Bewegung der Ner - ven, des Nervenſaftes, die Beruͤhrung eines aͤuſſern Koͤrpers, und die Vorſtellungen, wel - che auf dieſe Veraͤnderungen in der Sele er - folgen, zuſammengenommen vor Empfindun - gen. Es wird ſich demnach wol niemand ruͤhmen koͤnnen, eine dritte Veraͤnderung zu finden, welche mit S und M beſtaͤndig harmo - nire. Wenn ſie nicht in unſern Koͤrper, undG 3denen76denen die uns beruͤhren muͤſſen, wenn wir em - pfinden ſollen, gefunden werden kan; ſo wird man ſie ohnfehlbar vergeblich wo anders ſu - chen. Solche Einwuͤrfe aber halte ich nicht vor beantwortenswerth, wenn man etwan ſa - gen wolte: Mit S und M iſt allemal die Be - wegung der Erdkugel um ihre Axe verbunden, oder S und M wird niemals wuͤrcklich, wenn nicht auch Tag und Nacht auf dem Erdboden abwechſeln. Es wuͤrde nemlich kein langes Nachſinnen gebrauchen, einen Gegenſchluß zu machen, welcher noch viel gewiſſer waͤre als ie - ner: Niemals behauptet ein Menſch dieſe Ein - wuͤrfe im Ernſt, um dadurch zu laͤugnen, daß S und M einander wuͤrcke, wenn es nicht auch zugleich in ſeinem Gehirne baufaͤllig ausſieht: Alſo iſt dieſes die Urſach von ienen. Jch rede nur von ſolchen Veraͤnderungen, welche wahr - ſcheinlich eine naͤhere Urſach ſind, daß S und M wuͤrcklich werde.

§. 30.

Nun habe ich alles gethan, was man von mir fodern kan. Jch habe gewieſen, daß S und M beſtaͤndig mit einander verbunden ſind, (§. 26.) und daß es auch kein C gebe, von welchen eben dieſes gelte. (§. 29.) Jch habe demnach erwieſen, daß entweder die Em - pfindung eine Urſach von der auf ſie er - folgenden proportionalen Bewegung im Koͤrper ſey, oder daß man dieſes umge - kehrt behaupten koͤnne. Es iſt mir in derThat77That einerley, man mag glauben, welches man will. Jndeſſen kan es gantz und gar nicht ſchwer fallen, zu erweiſen, das vielmehr S, M wuͤrcke, und daß M nicht die Urſach, ſondern die Wuͤrckung von S ſey. Denn wenn es ausgemacht iſt, daß dasienige die Urſach des andern ſey, welches allemal dem andern vor - gehet, und worauf daſſelbe erfolget; ſo wird man auch zugeben muͤſſen, daß S die Urſach von M ſey: da es allemal ehe zugegen iſt, als M. Unſre Sele iſt dasienige Ding, welches Vorſtellungen hat und in uns befindlich iſt §. 1. Alſo muß auch der Sitz der Empfindungen die Sele ſeyn. Wuͤrcken nun die Empfindungen, Bewegungen in unſern Koͤrper, ſo kan es nicht fehlen, als daß ſie ein Jnſtrument der Sele abgeben, wodurch ſie eine wuͤrckende Urſach einiger Veraͤnderungen unſers Koͤrpers wird, nemlich dererienigen Bewegungen, die denen Empfindungen folgen und ihnen proportional ſind. Jch habe den Oberſatz dieſes Beweiſes ſo ſehr eingeſchraͤnckt, als vielleicht noch nicht geſchehen. Wenn man demnach an dieſen zweifeln wolte, ſo muͤſte man auch laͤugnen, daß die Sonne die Urſach des Lichts, der Va - ter und Mutter eine Urſach der Kinder, das Eſſen und Trincken eine Urſach unſrer Ernaͤh - rung, die Bewegung des Hertzens die Urſach des Umlaufs des Gebluͤts, das Herumgehen des Zeigers eine Wuͤrckung der innern Bewe - gung der Uhr, und die verſchiedenen Veraͤnde -G 4rungen78rungen des Verfaſſers die Urſach gegenwaͤrti - ger Schrift waͤren. Gegen den, der dieſes alles laͤugnet, wird unſer Beweis nichts aus - richten: allein er iſt auch nicht geſchrieben wor - den, die Scepticos zu bekehren.

§. 31.

Jch koͤnte dieſen Beweis nunmehro ohne ei - niges Bedencken ſchlieſſen, denn das uͤbrige was ich noch anfuͤhren will, dienet nur darzu, dasienige recht zu beſtaͤtigen, was ich nunmehro erwieſen. Jch habe ſchon geſagt, daß meine Abſicht bey dieſer Schrift keine andre ſey, als mich und dieienigen, welche mit mir glauben, daß die Sele in den Koͤrper wuͤrcke, entweder in ihrer Meinung recht feſt zu ſetzen, oder mich wiederlegen zu laſſen. Das erſtere werde ich auf keine Art leichter erhalten koͤnnen, als wenn ich meinen gegebenen Beweis auf allerley Art durch unumſtoͤßliche Erfahrungen und Erfah - rungsſaͤtze beſtaͤtige. Darum laſſe ich es bey der Erfahrung, welche wir von denen Empfin - dungen haben, ietzo gar nicht bewenden; ſon - dern ich will nunmehro noch auf eine Art er - weiſen, daß die Sele in ihren Koͤrper gantz ge - wiß wuͤrcken muͤſſe. Jch habe ſchon oben ge - ſagt, daß ich durch dieſen Beweis einen Grund - ſtein befeſtige, auf welchen das gantze Stah - lianiſche Lehrgebaͤude der Artzneykunſt beruhet. Denn ich ſehe gar wol ein, daß die Bemuͤhun - gen, welche man ſich darin giebt, eine Mei - nung, welcher man anhaͤnget, auf erwieſeneGrund -79Grundſaͤtze zu bauen, die allerruͤhmlichſte von der Welt ſey. Jch verdencke es aus dieſem Grunde keinen Lehrlinge der Harmonie, wenn er ſich ſeine Hypotheſe zu erweiſen trachtet. Aber aus eben den Grunde kan man es mir auch zu gute halten, daß ich eben das, als ein Lehrling des Stahlianismi, unternehme. Der Nutzen welchen ich aus denen Leſeſtunden un - ſers unvergleichlichen Herrn Profeſſor Jun - ckers zu ſchoͤpfen die Ehre habe, und die gute Meinung, welche ſo viele redlich geſinnte von denenienigen haben, welche dem unvergleichli - chen Stahl in ſeiner Lehre folgen, ſind zwey Hauptbewegungsgruͤnde, warum ich mich ent - ſchlieſſen koͤnnen, auf einen Beweis des Satzes zu dencken, den ich gegenwaͤrtig erwieſen. Darum werde ich mit allen meinen wenigen Kraͤften dahin arbeiten, daß ich den Vorwurf von mir ablehne, als ob ein Stahlianer et - was ohne hinreichenden Grund annaͤhme. Jch bin ein Feind aller derer ſo dieſes thun. Was iſt aber alsdenn wol mehr meine Pflicht, als dahin zu trachten, wie ich meine Meinung durch unumſtoͤßliche Gruͤnde gewiß mache? Darum will ich ietzo fortfahren, dieſen Beweis durch neue Gruͤnde zu beſtaͤtigen, und ietzo ſol - len mir zuerſt die Empfindungen darzu dienen, welche auf die Bewegung derer Nerven zu er - folgen pflegen. Da ich vorher erwieſen, daß Empfindungen Bewegungen verurſachten, ſo will ich nunmehro auch zeigen, daß Bewegun -G 5gen80gen Empfindungen wuͤrcken, damit ich eine recht genaue Verbindung zwiſchen unſrer Sele und unſern Koͤrper erweiſen moͤge.

§. 32.

Wenn wir etwas empfinden ſollen, ſo muͤſ - ſen wir eine Sele haben, unſre Nerven muͤſſen in gehoͤrigen Zuſtande ſeyn, und ein aͤuſſerer Koͤrper muß dieſelben beruͤhren und in Bewe - gung ſetzen. Jch ſage: Wenn dieſe Bedingun - gen entweder allezuſammen genommen fehlen, oder wenn dieſes nur von einer einzigen gilt; ſo koͤnnen wir nichts empfinden. Es kan un - moͤglich ſchwer fallen, alles dieſes zu erweiſen. Die Empfindungen haben in der Sele ihren Sitz: daran wird niemand zweifeln, der nicht ſeiner Vernunft beraubt iſt. Wenn alſo ohne Sele auch keine Empfindung ſtatt hat; ſo muß nothwendig folgen, daß die Sele zu denen Em - pfindungen unumgaͤnglich noͤthig ſey. Und dieſes war das erſte. Wenn man einen Ner - ven entweder bindet, oder denſelben gaͤntzlich zerreißt; ſo wird derienige Theil zu welchem der Nerve hinlaͤuft unempfindlich, oder, man kan dadurch nichts empfinden. Dieſen Satz beſtaͤtigen ſo viele Obſervationen, daß man auch heut zu Tage nicht im geringſten mehr daran zweifelt. Man hat an lebendigen Thieren die Probe mehr als hundertmal gemacht, und ih - nen einen gewiſſen Nerven gebunden. So bald dieſes geſchehen iſt; ſo hat man mit dem - ienigen Theile zu welchen der gebundene Nervehinge -81hingelauffen, anfangen moͤgen, was man nur beliebt hat; ſo hat man bey dem Thiere den - noch nicht die geringſte Veraͤnderung weiter wahrgenommen, woraus man denn mit guten Grunde geſchloſſen, daß es davon nicht das ge - ringſte empfunden. Hingegen ſo bald der Nerve wieder von ſeinem Bande befreyet worden, hat auch das Thier an demſelbigen Theile wie - derum empfunden. Wenn ein Nerve zerriſſen iſt, ſo iſt nun vollends gantz und gar kein Zwei - fel, daß nicht die Empfindung, an dem Theile, wohin er laͤuft, aufhoͤren ſolte. Unzaͤhlige Men - ſchen, welchen gewaltſamer Weiſe ein Nerve zerriſſen worden, beſtaͤtigen dieſen Satz zur Genuͤge. Wenn einem die Hand abgehauen worden; ſo mag man dieſelbe immer wieder noch ſo genau an den verſtuͤmmelten Arm anle - gen und anpaſſen, ſo wird der Menſch doch niemals etwas von dem empfinden, was mit ſeiner Hand vorgeht. Hier iſt nun nach dem Geſtaͤndniß vieler die Sele ſchon vorher alſo beſtimmt worden, daß ſie zu eben der Zeit, da der Koͤrper die Hand verliert, den Gedancken haben muß, als ob demſelben die Hand abge - hauen wuͤrde. Allein andre, welche ſich ange - woͤhnet haben, mit Erfahrungen etwas behut - ſamer umzugehen, leiten hieraus nichts weiter her, als daß ein geſunder Nerve zum Empfin - den unentbehrlich noͤthig ſey. Und dieſes iſt das andre was wir behaupten. Man weiß aus der Erfahrung, daß wir nichts empfinden,wenn82wenn nicht ein Koͤrper vorhanden iſt, der in unſre Nerven wuͤrcket. Jch will den Satz ſo weit einſchraͤncken, daß ich zugebe es brauche eben kein Koͤrper auſſer uns zu ſeyn, der dieſes thue: indem ich aus folgenden Exempel das Gegentheil lerne: Wenn man den bloſſen Arm unter einen Recipienten ſteckt, und die Luft, welche ihn umgiebt, auspumpen laͤßt; ſo em - pfindet man davon, die heftigſten Schmertzen. Man kan nicht behaupten, daß dieſe Schmer - tzen von der Wuͤrckung eines auſſer uns befind - lichen Koͤrpers abhingen, indem alsdenn kein aͤuſſerer uns beruͤhret; ſondern ſie entſtehen von derienigen Luft, welche ſich im unſern Blute befindet, welche nachdem der Wiederſtand der aͤuſſeren Luft gehoben worden, ſich in einen groͤſ - ſern Raum ausbreitet, das Blut nebſt denen Adern ausdehnet, und ſolchergeſtalt die empfind - lichſten Schmertzen verurſacht. Weil nun dieſes ein Koͤrper iſt, der ſich in uns befindet; ſo gebe ich zwar zu, daß es nicht nothwendig ſey, ob gleich ſich am haͤufigſten zutrage, daß ein aͤuſſerer Koͤrper unſre Nerven beruͤhren muͤſſe: allein dem ohngeachtet kan ich behau - pten, daß keine Empfindung entſtehe, wenn nicht ein Koͤrper er ſey auſſer oder in uns, die Nerven beruͤhret. Es muͤſte ſich ein ruhender Nerve ſonſt von ſelbſt und ohne hinreichenden Grund in Bewegung ſetzen, welches doch wie ich mir habe ſagen laſſen, kraft des erſten Ge - ſetzes der Bewegung unmoͤglich iſt. Wenndem -83demnach ein Koͤrper in die Nerven wuͤrckt; ſo iſt es auch nothwendig, daß er ſie veraͤndern muͤſſe. Wie kan ſich ein Koͤrper anders ver - aͤndern, als durch die Bewegung? Alſo muͤſſen ſich unſre Nerven bewegen, wenn wir etwas empfinden ſollen. Man hat aus der Erfah - rung, daß wenn von dieſen dreyen Bedingun - gen nur eine nicht zugegen iſt, man alsdenn auch nicht empfinden koͤnne. Geſetzt demnach, daß uns ein Koͤrper beruͤhrte, und daß unſre Nerven geſund waͤren, und von ihm in Bewe - gung geſetzt wuͤrden; ſo wuͤrden wir dem ohn - geachtet nicht empfinden, wenn wir keine Sele haͤtten. Wiederum, wenn wir gleich eine Sele haͤtten, und unſre Nerven waͤren auch in voll - kommenen Zuſtande; ſo empfaͤnden wir nichts, wenn kein Koͤrper in dieſelben wuͤrckte. End - lich muß man auch aus der Erfahrung zugeben, daß wenn unſre Sele nebſt einen Koͤrper zuge - gen iſt, der unſre Nerven beruͤhret, wir dennoch nicht empfinden wuͤrden, wenn die Nerven auf einige Weiſe an ihrer Bewegung gehindert worden waͤren. Dieſen letztern Fall wollen wir ietzo erwaͤhlen, und daraus zu erweiſen ſu - chen, daß unſre Sele in den Koͤrper wuͤrcke. Wenn wir alſo den Satz behaupten werden, es entſtehe allemal eine Empfindung, wenn die Nerven geſund ſind; ſo ſetzen wir iederzeit da - bey zum Voraus, daß es mit denen uͤbrigen Bedingungen ſeine Richtigkeit habe. Sagen wir hingegen, daß keine Empfindung entſtehe,wenn84wenn die Nerven laͤdirt ſind, ſo mag man an - nehmen, daß dieſes auch von denen andern Stuͤcken gelte, oder nicht. Es iſt in dieſem letztern Falle einerley. Dieſes mercke ich des - wegen an, damit ich hernach ohne Weitlaͤuf - tigkeit mich dieſer Saͤtze bedienen koͤnne, ohne allemal das: Wenn es mit denen uͤbrigen ſeine Richtigkeit hat, hinzuthun zu muͤſſen.

§. 33.

Allemal, wenn die Nerven in gehoͤrigen Zu - ſtande ſind, empfinden wir; hingegen hat nie - mals eine Empfindung alsdenn ſtatt, wenn die Nerven auf einige Art in ihrer Bewegung gehindert worden. §. 32. Wenn A iſt und B iſt auch, wenn A nicht iſt und B iſt auch nicht, und dieſes allemal, ſo darf man muthmaſſen, daß zwiſchen A und B Urſach und Wuͤrckung ſtatt habe. §. 19. A ſey = S = einer Empfin - dung B ſey = M N = der Bewegung der Nerven: ſo iſt, weil S iſt; ſo bald MN iſt; weil S nicht iſt, ſo bald MN nicht iſt, und weil ſich dieſes allemal zutraͤgt §. 32. S entweder die wuͤrckende Urſach von MN oder umgekehrt: Doch aber iſt dieſes nicht anders als nur wahr - ſcheinlich §. 19. Wenn S beſtaͤndig mit MN verbunden iſt, und es iſt uns entweder das Weſen von S oder MN bekandt, und wenn man endlich daraus begreiflich machen kan, daß es wol moͤglich ſey, daß zwiſchen S und MN Urſach und Wuͤrckung ſtatt habe; ſo iſt es gewiß, daß dem alſo ſey §. 21. Allein dauns85uns weder die eigentliche Beſchaffenheit des einen noch des andern bekandt iſt; ſo muͤſſen wir uns durch folgende Regel, davon gewiß machen: Wenn S beſtaͤndig und ohne Aus - nahme mit MN verbunden iſt, ohne daß ein C mit demſelben eben eine ſolche Verbindung haͤlt; ſo iſt es gewiß, daß zwiſchen S und MN Urſach und Wuͤrckung ſtatt habe §. 22. Nun gedencke ich dieſes darzuthun: Alſo kan ich mich davon vergewiſſern. Den Einwurf, daß mit S und MN auch beſtaͤndig die Wuͤrckung eines Koͤrpers in die Nerven, und die Gegen - wart einer Sele verbunden ſey, beantworte eben alſo wie §. 29. mit einem gleicher Be - ſchaffenheit gethan. Jch habe ſchon geſagt, daß ich dieſes alles zuſammen nehme, wenn ich von der Bewegung der Nerven nur allein rede §. 32. Dinge, welche offenbar keine naͤhere Urſach abgeben koͤnnen, moͤgen ebenfals damit noch ſo genau verbunden ſeyn; ſo trift uns doch der Einwurf nicht im geringſten §. 29. Wir muͤſſen alſo nur zuſehen, ob kein C mit S und MN verbunden ſey, von welchem wahrſchein - lich zu vermuthen, daß es etwas darzu beytrage. Dieſes haben wir in unſern Koͤrper zu ſuchen. Von der Bewegung des Blutes kan man nicht behaupten, daß ſie ſo genau mit S und MN verbunden ſey, als ſie ſelbſt untereinander: denn ſonſt waͤre es nothwendig, daß wir ohn Auf - hoͤren empfinden muͤßten, ſo lange wir leben, und die Saͤfte in unſern Koͤrper ihren Umlaufver -86verrichten, da wir doch oͤfters in einem ſolchen Zuſtande ſind, da wir nichts empfinden, und da dennoch das Blut ſeinen Umlauf verrichtet. Alle Abſonderungen in unſern Koͤrper haͤngen von der Bewegung des Gebluͤts ab; und ſol - chergeſtalt beantworten wir die Einwuͤrfe, wel - che daher genommen werden, auf eben die Art wie den vorigen Zweifel von der Bewegung des Gebluͤts.

§. 34.

Jch ſtelle es einen ieden frey, ſo viel Veraͤn - derungen in unſern Koͤrper aufzuſuchen, als ihm gefaͤlt, und zuzuſehen, ob dieſelben mit der Bewegung derer Nerven und denen Empfin - dungen ſo genau verbunden ſind, als dieſe un - tereinander. Er wird allemal finden, daß eine ſolche Veraͤnderung, wenn ſie entweder abwe - ſend iſt, dennoch dieſe beyden Veraͤnderungen nicht verhindere, oder daß dieſe doch zuweilen unterbleiben, wenn iene zugegen iſt. Man koͤnte ſich zwar darauf beruffen, daß ich erwie - ſen, es waͤre bey einer Empfindung allemal eine ihr proportionale Bewegung im Koͤrper zuge - gen §. 32. Allein weil ich auch erwieſen, daß die Empfindung eine wuͤrckende Urſach dieſer Bewegungen ſey §. 30. ſo gehoͤren dieſelben eben ſo nothwendig zur Vollkommenheit derer Empfindungen, als wie die Gegenwart einer Sele, und die Wuͤrckung eines Koͤrpers in die Nerven, zu derienigen Bewegung derſelben ge - hoͤren, mit welcher allemal eine Empfindungverbun -87verbunden iſt. Das Recht das ich alſo habe, den Satz zu verwerfen, daß die Gegenwart der Sele ein C ſey, welches beſtaͤndig mit S und MN verbunden iſt, eben das habe ich auch zu laͤugnen, daß die proportionale Bewe - gung zu denen Empfindungen ein ſolches C ſey. Es bleibt demnach ſo lange unſtreitig erwieſen, daß die Veraͤnderungen S und MN einander wuͤrcken; ſo lange man mir kein C aufbringen kan, von welchen eben eine ſo ge - naue Verbindung gelte. Und ich glaube, daß mit dieſer Bedingung, mein Beweis nicht leicht umgeſtoſſen werden koͤnne. Wenn die Urſach allemal eher zugegen ſeyn muß, als die Wuͤr - ckung; ſo wird man auch zugeben, daß S nicht die Urſach von MN, ſondern dieſes vielmehr von ienem die Urſach ſey; ob man gleich auch dieſes daher beweiſen koͤnte, daß allemal ein Koͤrper in die Nerven wuͤrcken muß, wenn ſie ſich bewegen ſollen. Denn es waͤre wol nichts leichter, als aus der Beſchaffenheit derer in die Nerven wuͤrckenden Koͤrper zu zeigen, daß ſie die Urſach von der Bewegung derer Nerven waͤren. Es enthaͤlt alſo dieſe ihre Bewegung den zureichenden Grund von denen Empfin - dungen in ſich. Und ſolchemnach wuͤrcken die Nerven in unſre Sele. Da nun keine Wuͤr - ckung ohne Gegenwuͤrckung iſt; ſo muß die Sele auch wiederum in dieſelben zuruͤck wuͤr - cken. Und alſo habe ich aufs neue dieſen Satz erwieſen. Es faͤllt mir freylich mehr als ein -Hmal88mal dabey ein, daß uns dieſes etwas unbegreif - liches ſey. Allein ich ſehe doch, daß es nicht anders ſeyn kan. Alſo lieget vermuthlich das nicht zu begreifende bloß darin verborgen, daß wir es einmal vor erwieſen zum Voraus ſetzen, wir haͤtten eine ſolche Sele, die dieſes nicht thun koͤnne. Vielleicht aber daͤchten wir gantz anders, wenn es uns einmal erlaubt waͤre un - ſrer Sele in ihren Beſchaͤftigungen auf die Fin - ger genau Achtung zu geben, um welches Aus - drucks willen ich aber doch meine Leſer hier - durch um Verzeihung bitte, weil er nicht Mode iſt.

§. 35.

Beyde von mir angefuͤhrte Erfahrungen, welche beweiſen, daß die Sele in unſern Koͤr - per wuͤrcke, ſind von ſolcher Beſchaffenheit, daß ſie niemand in Zweifel ziehen kan. Jch haͤtte andre erwaͤhlen koͤnnen, bey denen ich ſo vielerley Anmerckungen und Beſtimmungen anzufuͤhren nicht noͤthig gehabt haͤtte. Allein ich habe dieſe mit Vorſatz erwaͤhlet. Gegenwaͤrtige Ab - handlung gehoͤret in die Artzneygelahrheit, und die Gegner welche ich darinnen finde, ſind die Mechaniſchen Aertzte. Eben dieſen Herren zu gefallen, habe ich ſolche Erfahrungen auser - waͤhlet, deren ſich die Mechaniſten am haͤufig - ſten zu Befeſtigung ihrer Meinung zu bedienen pflegen. Wenigſtens laͤßt ſich dieſes von der Art und Weiſe, wie wir empfinden, ſicherlich behaupten. Die Mechaniſten ſagen, daß ebendurch89durch die Bewegung der Nerven und des Ner - venſaftes, der Koͤrper wie eine bloſſe Maſchine zu handeln vermoͤge. Deſtoweniger werden ſie mir demnach auch, wo ich anders richtig ge - ſchloſſen habe, meinen Beweis verwerffen koͤn - nen, darinn ich gerade das Gegentheil behau - pte. Alles dieſes aber habe ich nicht deshal - ben geſagt; als ob ich glaubte, daß dieſe Er - fahrungen denen Organiſten unbekandt waͤren, oder daß ſie dieſelben verwuͤrffen. Nein, ein organiſcher Artzt behauptet dieſelben mit deſto groͤſſern Muthe, ie gewiſſer er weiß, daß durch dieſelben einer von ſeinen Grundſaͤtzen: die Sele wuͤrckt in ihren Koͤrper, unzweiffel - haft gewiß gemacht wird. Derohalben habe ich an nichts weniger zu zweifeln, als daß man meine Erfahrungen verwerffen werde. Es kommt demnach alles bloß auf den Satz an; daß A und B einander nothwendig wuͤrcken muͤſſen, wenn ſie ohne ein C beſtaͤndig mit ein - ander verbunden ſind. Wolte man dieſen Satz laͤugnen, ſo muͤſte man zugeben, daß ſo wol A als B ohne hinreichenden Grund wuͤrck - lich waͤren; denn wenn dieſes nicht ſeyn ſolte, ſo muͤſte nothwendig ein C als ihre Urſach alle - mal mit ihnen verbunden ſeyn. Daß aber die - ſer Satz ſo wol von denen Empfindungen und den darauf erfolgenden ihnen proportionalen Bewegungen in unſern Koͤrper, als auch von der Bewegung der Nerven, welche mit denen Empfindungen verbunden iſt, gelte; ſolchesH 2habe90habe ich ſo viel als mir noͤthig geſchienen, aus der Erfahrung beſtaͤtiget §. 34. 30. Wenn man aber dabey noch einige Bedencken haben ſolte, ſo kan ich nicht beſſer rathen, als man lege ſich darauf Erfahrungen anzuſtellen. Dieſe ſind in der That die Sache worauf hierbey al - les ankommt. Und haͤtten die Artzneyverſtaͤn - digen nicht ſo viele Gelegenheit hierzu, wer wuͤſte ob ſie nicht eben das glaubten, deſſen Ge - gentheil wir hier erwieſen. Allein die Erfah - rung iſt ihnen gar zu hold und ſie iſt auch gar zu freygebig. Welchem kan man aber wol unter beyden das meiſte trauen? Dieſer oder der Vernunft? Jch glaube zwar einer ſo viel als der andern; allein es giebt noch eine Ver - nunft, welche man mit dem Nahmen der Un - vernunft nicht belegen darf, weil ſie ihren Sitz meiſtentheils bey Gelehrten hat. Dieſe ſieht manche Sachen vor gantz anders an, als ſie in der That ſind; und von der behaupte ich, daß ſie der Erfahrung nachſtehen muͤſſe.

§. 36.

Es giebt viele Artzneyen, welche, wenn man ſie zu ſich genommen, gewiſſe Veraͤnderungen in unſern Koͤrper hervorbringen, welche ſo ge - wiß erfolgen, daß man ſie vorher anzuzeigen in Stande iſt. Jch brauche mich nur auf die Gifte zu beruffen, das iſt, auf ſolche Artzney - mittel, welche in unrechter Doſe genommen worden, und daher Schaden anrichten. Man kan ihre Wuͤrckungen ſo genau beſtimmen,daß91daß ſie auf das richtigſte zutreffen; und ich glaube nicht daß ein Menſch ſeyn werde, wel - cher nicht zugeben ſolte, daß dieſelben die Urſach ſolcher Veraͤnderungen in uns waͤren. Fraget aber einen Artzt, woher er dieſes glaube; ſo wird er euch folgenden Schluß herſagen: So lange der Menſch kein Gift zu ſich genommen, ſo lange hat er keine ſolche innere Veraͤnderun - gen, als mit dem Gifte verbunden ſind: ſo bald er aber den Gift zu ſich genommen, ſo erfolgen dieſelben auch gewiß: endlich kan auch aus der Beſchaffenheit der Gifte dargethan werden, wie es moͤglich ſey, daß ſie dieſes oder ienes wuͤrcken koͤnnen: Daraus ſchlieſſen wir, daß das Gift dieſes alles wuͤrcke. Es iſt dieſes eben der Schluß, welchen ich oben feſt geſetzt §. 21. Und hieraus erkennet man, daß nichts gemeiner ſey, als ſich dieſes Schluſſes zu be - dienen, wenn man erweiſen will, daß ein Ding das andre wuͤrcke. Unter dieſe Art der Artz - neyen gehoͤret das Opium, Bilſenkraut, (Hyo - ſcyamus,) Maßlach, und andre mehr. Wenn man das Opium in allzu groſſer Doſe zu ſich nimmt, ſo wird man dadurch in einen ſehr tie - fen Schlaf geſtuͤrtzt. Da nun der Schlaf in einer Abweſenheit der Vorſtellungen und Em - pfindungen, wie auch derer willkuͤhrlichen Be - wegungen beſtehet; ſo iſt nothwendig, daß bey der Wuͤrckung des Opium auch die Sele eine Veraͤnderung leiden muͤſſe. So lange es demnach ausgemacht iſt, daß das OpiumH 3den92den Schlaf verurſache; ſo lange wird man auch glauben muͤſſen, daß ein Koͤrper in die Sele wuͤrcken koͤnne. Eben dieſes gilt auch von dem Bilſenkraut und Maßlach. Das erſtere benimt denen Menſchen den Gebrauch ihrer Vernunft, und des letzteren pflegen ſich die Tuͤrcken zu bedienen, wenn ſie einmal recht ausſchweifend luſtig ſeyn wollen. Sie nehmen es alsdenn zu ſich, und nachdem dieſes geſche - hen, unternehmen ſie die allernaͤrriſchten Hand - lungen; ſchlafen hernachmals eine Zeitlang dar - auf, und wenn ſie wieder erwachen, ſo wiſſen ſie von dem allen nichts, was ſeit der Zeit da ſie Maßlach zu ſich genommen, mit ihnen vor - gefallen. Wer wolte alſo wol zweifeln, daß dieſe Veraͤnderungen der Sele von denen ge - brauchten Artzneyen herruͤhren, und da dieſem alſo iſt; ſo kan auch niemand daran zweifeln, daß der Koͤrper in die Sele, und dieſe hinwie - derum in ihn zuruͤck wuͤrcke, wo man anders nicht behaupten will, es paſſe ſich dieſes alles nur durch ein wunderbares Ohngefehr zuſam - men. Ein ſolches Ohngefehr iſt aber ein Et - was das wir nicht wiſſen, aber eine Sache von welcher die Mode fordert, daß man glau - be und ſage, man begreife ſie auf das voll - kommenſte.

§. 37.

Jch kan nicht umhin bey dieſer Gelegenheit einer Erfahrung Meldung zu thun, welche uns der beruͤhmte Herr Haller berichtet, und dieman93man in der That vor eine erſtaunenswuͤrdige Sache halten muß. Die Jndianer ſollen eine gewiſſe Artzney haben, welche demienigen, der ſich derſelben bedienet, der Kraft ſeiner Sele beraubet. Jch ſage nicht zu viel, denn ein ſol - cher Menſch verlieret nicht allein nach und nach alle Empfindungen, alle Erinnerungs - und Einbildungskraft; ſondern er wird auch mit der Zeit gaͤntzlich des Vermoͤgens beraubet ſich Dinge auſſer ihm oder ſich ſelbſt vorzuſtellen. Jſt nun unſre Sele das Ding, welches eine Kraft zu Vorſtellungen hat; und iſt eine Kraft in beſtaͤndiger Bemuͤhung zu wuͤrcken; ſo muß dieſes Medicament entweder die Sele gantz und gar vertreiben, oder es muß dennoch ver - moͤgen, ihrer Kraft vollkommenen Wieder - ſtand zu leiſten. Ein ſolcher Menſch iſt keines - weges unter die Todten zu zaͤhlen. Denn bey einem Verſtorbenen muͤſſen nicht allein alle Vorſtellungen, ſondern auch alle Bewegungen fehlen, ſie moͤgen willkuͤhrliche oder natuͤrliche oder nothwendige ſey. Allein dieſes laͤßt ſich von ſolchen Leuten nicht behaupten. Die na - tuͤrlichen und nothwendigen Bewegungen ge - hen bey ihnen ſo gut von ſtatten, als ob ſie ſich ihrer bewuſt waͤren. Wenn man ſie ernaͤhret, ſo wachſen und leben ſie fort; allein der Unter - ſchied zwiſchen ihnen und andern Menſchen iſt in eben der Verhaͤltniß, als zwiſchen einen Menſchen und einer Pflantze. Was will man nun zu einer ſolchen menſchlichen Pflantze ſa -H 4gen?94gen? Jſt es denn hierdurch noch nicht offenbar genug, daß unſre Koͤrper und die Sele in ein - ander wuͤrcken? Hat ein ſolcher Menſch etwan eine ſolche Sele bekommen, deren Verbin - dungszeit mit dem Koͤrper ehe zu Ende lauffen muͤſſen, als der Koͤrper ſterben kan? Jch ge - ſtehe, wenn man einem dieſes mit einem finſtern Geſicht, und dunckleren Worten ſagte, der ſich ein wenig leichter etwas einbilden kan als ich, was gantz und gar unnatuͤrlich iſt; ſo kan man ihn ſolchergeſtalt bald zum Beyfall bringen. Allein weil ich eine ſolche verderbte Einbil - dungskraft habe, daß ſich dieſer Gedancke in kein einziges Fach derſelben ſchicken will; ſo kan ich nicht anders, als glauben, daß dieſe Artzney eine Kraft habe, in die Sele zu wuͤr - cken. Jch verliere nichts dabey, daß ich nicht weiß wie dieſes zugehe. Denn ich weiß gantz gewiß, daß die Grentzen der menſchlichen Wiſ - ſenſchaft gar nicht ſo weit entfernt ſind, daß man ſie erſt mit guten Fernglaͤſern ſuchen muͤ - ſte. Und darum bilde ich mir ein, dasienige koͤnne noch wol moͤglich ſeyn, wovon ich und andre Leute nicht begreiffen wie es zugehe. Es beſtaͤtiget demnach auch dieſe merckwuͤrdige Ob - ſervation meinen Hauptſatz, daß die Sele in ihren Koͤrper wuͤrcke. Je mehrere Veraͤnde - rungen ich bey mir wahrnehme, deſto mehr werde ich davon uͤberzeugt, und darum kan ich meinen Leſern auch die noch folgenden nicht vorenthalten.

§. 38.95

§. 38.

Jch ſetze mir vor ein gewiſſes Glied meines Koͤrpers zu bewegen, und den Augenblick ge - ſchieht es auch. So bald ich will, daß daſſel - be wieder ruhen ſoll, ſo hoͤret es auch auf ſich zu bewegen. Jch ſetze aber zum voraus daß mein Koͤrper in ſeinen natuͤrlichen Zuſtande ſey. Denn ſonſt iſt mir nicht unbekant, daß man wegen einer Laͤhmung oder eines andern ſpaſtiſchen Zuſammenziehens, zuweilen ſeiner Glieder nicht maͤchtig ſey. Allein hiervon iſt ietzo die Rede nicht. Wir bleiben nur bey einem geſunden Menſchen; und da gehoͤret in der That viel Ueberredung darzu, wenn man ſich einbilden ſoll, daß ſeine willkuͤhrlichen Be - wegungen alle geſchehen, weil ſeine Maſchine ſo eingerichtet iſt, daß ſie gerade zu der Zeit alſo erfolgen muͤſſen. Man ſehe nur einmal einem geuͤbten Muſicus zu, und probiere, ob man ſich ohne ſeiner Einbildungskraft Gewalt anzuthun, vorſtellen koͤnne, daß ſeine Finger mit eben der Geſchwindigkeit in eben dem Tackte und mit eben denenſelben Applicationen, die Claves beruͤhren und niederdruͤcken, ia die - ſes alles von denen Noten abſehen und auf ei - nem Clavier oder einer Orgel zur Wuͤrcklich - keit bringen wuͤrden; wenn auch der Muſicus ietzo keine Sele haͤtte, oder wenn er an nichts weniger gedaͤchte als daß er eben dieſes Stuͤck und kein andres hoͤren laſſen wolle. Dieſer Verſuch gehet noch beſſer von ſtatten, wennH 5man96man einem Generalbaßiſten zuſieht. Dieſer hat nur allein die Noten des Baſſes vor ſich und muß nach gewiſſen uͤber die Baßnoten ge - ſetzten Ziffern ohne ſich lange zu beſinnen oder aus dem Tacte zu kommen, ſo gleich den Di - ſcant in der rechten Hand darzu greiffen, und dieſes noch darzu meiſtens in drey und vier - ſtimmigen griffen. Hier giebet es in der That eine beſondere Beluſtigung ab, wenn man ſich vorſtellet, daß die Sele eines Generalbaßiſten vom Anfange her ſo beſtimmt ſey, daß ſie in dieſer Zeit eben von gewiſſen proportionirlich geſetzten Fundamenttonen, bald eine Tertie, bald eine Sexte oder Septime abzaͤhle und zu der erſtern eine Quinte und Octav, zum an - dern beyden aber eine Tertie zu greiffen ſich vornehme. Wiederum daß die Finger des Or - ganiſten in der lincken Hand, ſo geſchaffen waͤ - ren, daß ſie eben ietzt einen Baß von denen Noten abſpielen, und einen Diſcant darzu grei - fen muͤſten, welcher mit Ziffern oder andern Zeichen ausgedruckt iſt. Alle willkuͤhrlichen Bewegungen beſtaͤtigen meinen Satz auf das allergewiſſeſte. Ja, ich getraue mir zu behau - pten, daß aller Unterſchied zwiſchen willkuͤhr - lichen und nothwendigen Bewegungen wegfal - le, wenn man nicht zugeben will, daß die Se - le eine Urſach derſelben ſey. Vielleicht haͤlt man es vor eine Kleinigkeit, dieſen Satz zuzu - geben, weil er ſo natuͤrlich folget; allein ich daͤchte dieſe Kleinigkeit waͤre wohl noch von ei -niger97niger Wichtigkeit. Der eigentliche Unter - ſchied zwiſchen denen nothwendigen, natuͤrli - chen, und zwiſchen denen willkuͤhrlichen Be - wegungen beſtehet darin, daß wir von ienen weder bey ihrem Anfange noch Fortdauer ei - nige Vorſtellungen haben, vermoͤge deren wir uns derſelben bewuſt waͤren, dahingegen die willkuͤhrlichen Bewegungen alſo beſchaffen ſind, daß wir zum wenigſten im Anfange, ehe wir uns dran gewoͤhnen, wo nicht auch im Fort - gange Vorſtellungen haben, dadurch wir uns ihrer bewuſt ſind. Wer alſo den Unterſcheid unter nothwendigen und willkuͤhrlichen Bewe - gungen verwerfen wolte, der muͤſte behaupten, daß wir uns entweder aller Bewegungen un - ſers Koͤrpers ohne Unterſcheid bewuſt waͤren, oder daß wir von keiner einigen etwas wuͤßten. Beydes iſt wieder alle Erfahrung, und dem - nach muß auch dieſer Unterſchied nothwendig beybehalten werden. Jch will erweiſen, daß dieſes hinwegfalle, wenn man nicht die Sele vor eine Urſach der willkuͤhrlichen Bewegun - gen erkennen will. Jch ſchlieſſe ſo: wenn die Sele gar nichts zu denen willkuͤhrlichen Bewe - gungen beytraͤgt; ſo iſt es moͤglich, daß eine willkuͤhrliche Bewegung entſtehen koͤnte; ob - gleich die Sele keine Vorſtellung davon haͤtte. Nun aber iſt eine willkuͤhrliche Bewegung die - ienige, welche nicht entſtehen kan, ohne ein Bewuſtſeyn derſelben: alſo waͤre es moͤglich, daß bey dem Menſchen eine Bewegung welcheohne98ohne Bewuſtſeyn ihrer nicht entſtehen kan, ent - ſtuͤnde, ohne daß man ſich ihrer bewuſt waͤre. Das iſt eben ſo viel, als: es iſt unmoͤglich, daß dieſes ſo ſeyn koͤnne. Oder ich kan auch fol - gendergeſtalt ſchlieſſen: nach der gegenſeitigen Meinung kan eine willkuͤhrliche Bewegung ent - ſtehen, ohne ſich derſelben bewuſt zu ſeyn. Ei - ne Bewegung welche entſtehen kan, ohne daß man ſich ihrer bewuſt iſt, iſt entweder eine na - tuͤrliche oder eine nothwendige Bewegung: al - ſo waͤre es moͤglich, daß eine willkuͤhrliche Be - wegung eine natuͤrliche oder nothwendige waͤ - re. Hieraus ſiehet man, daß aus dieſer Mei - nung folge, es habe zwiſchen denen nothwen - digen und freywilligen Handlungen des Koͤr - pers kein Unterſchied ſtatt. Jch weiß nicht, ob iemand an dieſen Schluͤſſen etwas auszuſetzen haben ſolte. So lange ſie aber richtig ſind; ſo lange giebt man mir auch zu, die Sele wuͤr - cke in ihren Koͤrper. Jch werde unten zeigen, daß dieſe Wuͤrckung phyſicaliſch ſey, und da ſehe ich nicht, ob es allzugut vor die Harmo - niſten ſtehen moͤchte. Man wird es mir zu gute halten, daß ich ſolche uͤble Folgen aus der Meinung dererienigen Harmoniſten ziehe, von denen ich oben zuletzt geredet, und deren Meinung ich durch gegenwaͤrtigen Beweis, daß die Sele in ihren Koͤrper wuͤrcke, zu wie - derlegen gedencke. Jch habe noch lange nicht erwieſen, daß ihre Meinung ſpinoziſchtiſch ſey, und es wird auch von mir nicht geſchehen. Uebri -99Uebrigens muß man ſich nur vorſtellen, daß ich ein Jnfluxioniſt ſey, und daß ich alſo meine Meinung ſo lange rechtfertige als es mir moͤg - lich iſt. Jch habe es noch nicht vergeſſen, daß ich oben die Jnfluxioniſten wiederlegt habe. Unten will ich ſie an deſſen ſtatt deſto ſchaͤrfer vertheidigen. Jch kan ſie im voraus verſichern, daß ihre Meinung noch nicht wiederleget iſt; allein demohnerachtet, will ich ihnen auch zu bedencken geben, daß ein Egoiſt ein gleiches von ſich ruͤhmen koͤnne. Eine Meinung iſt deshalb noch nicht unumſtoͤßlich gewiß, weil ſie nicht wiederlegt worden. Jnsbeſondere wuͤr - de dieſes von den phyſicaliſchen Einfluß gelten, da er nach der Art, wie ich ihn vorzutragen gedencke, noch gar nicht bekant zu ſeyn ſchei - net. Es kan ſeyn, daß die Wiederlegungen nachkommen. Denn ſo ſehr ich mich auch be - muͤhen werde, zu zeigen, daß dieſes eine alte Meinung ſey, ſo wenig darf ich vermuthen, daß man ihr das Schickſal ſchencken werde, welches neue Meinungen erdulden muͤſſen. Doch damit Furcht und Hofnung bey denen die meiner Meinung ſind, recht ſehr abwech - ſeln moͤgen, ſo verſpreche ich, ſie noch mit ei - ner bisher feindlich geweſenen Parthey, denen mechaniſchen Aertzten zu verſoͤhnen: damit ſie deſto ſtaͤrckern Beyſtand finden in der Zeit der Anfechtung.

§. 39.100

§. 39.

Einer von denen vornehmſten Gruͤnden, wodurch man erweiſen kan, daß die Sele in ihren Koͤrper wuͤrcke, iſt die beſtaͤndige Ueber - einſtimmung der Erfahrung in dieſer Sache. Jn Wahrheit ein Artzneygelehrter muͤſte noch weniger ſehen, als ein Blinder, wenn er nicht zugeſtehen wolte, daß unſer Satz unzaͤhlige Er - fahrungen auf ſeiner Seite habe. Wir wol - len uns bemuͤhen die vornehmſten und welche die beſte Ueberzeugung geben, hier anzufuͤhren, und einige will ich aus der Therapia Gene - rali des unvergleichlichen Herrn Profeſſor Jun - ckers Tab. I. pag. 17. nehmen. Die Schwe - ſter eines gewiſſen vornehmen Frauenzimmers war mit dem weiſſen Fluß behaftet. Dieſe er - fuhr, daß iene auf dem Wege ſey, ihr einen Beſuch abzuſtatten. Ehe dieſes noch geſchahe vermuthete ſie, daß ſie eben dieſe Kranckheit ihrer Schweſter bekommen wuͤrde, ſo bald ſie nur ſelbige ſaͤhe. Und ihre Vermuthung war auch wuͤrcklich dergeſtalt gegruͤndet, daß ſie auf den bloſſen Ruf von der Ankunft ihrer Schwe - ſter nach einer heftigen Gemuͤthsbewegung auch den weiſſen Fluß bekam. Zwey andre Schwe - ſtern, beweinten den Tod zweyer Bruͤder, wel - che im Kriege geblieben waren, und deren ent - ſeelte Koͤrper in ihrem Vaterlande zur Erde be - ſtattet wurden. Bey dem Begraͤbniß eines ieden ward auch ein beſonderes Sterbelied ge - ſungen. Jede Schweſter hatte ſich einen die -ſer101ſer beyden Bruͤder zu ihrem Geliebteſten erkoh - ren. So bald ſie nun das Sterbelied hoͤreten, welches bey dem Begraͤbniß des einen Bru - ders abgeſungen worden war; ſo bekam dieie - nige ein Erbrechen, die dieſen Bruder am lieb - ſten gehabt hatte. Hingegen ginge es der an - dern eben alſo, wenn ſie das Sterbelied hoͤrte, welches man ihrem Geliebten zu Grabe geſun - gen. Ein Juͤngling bekommt allemal Con - vulſionen, wenn er ehe mit andern Leuten re - det oder umgehet, als er zwey Glaͤſer Wein zu ſich genommen. Man kan die uͤbrigen Exem - pel an oben angefuͤhrten Orte nachleſen, und ich will ietzo meine Leſer mit einigen andern unterhalten, welche noch nicht alle ſo oͤffentlich bekant gemacht worden. Jch weiß wol, daß man dieſe Erfahrungen gemeiniglich nur dar - um anfuͤhret, um zu zeigen, was die Empfind - lichkeit vor eine Herrſchaft uͤber die Menſchen fuͤhre: allein ich begreiffe auch wohl, daß die - ſelben eben ſo geſchickt ſind meinen Satz zu beſtaͤtigen, als ienes zu thun. Wo bleibet doch die Mechanick, wenn man den erſten Fall, den wir ietzo erzaͤhlet, aufloͤſen will? Hat et - wan die mit dem weiſſen Fluß behaftete Schwe - ſter ſolche Effluvia gehabt, welche in den Koͤr - per der andern uͤbergegangen, und ihr eine gleichmaͤßige Kranckheit zuwege gebracht; ſo moͤchte ich gerne wiſſen, warum ſich der weiſ - ſe Fluß nicht alsdenn erſt eingeſtellet, nachdem die beyden Schweſtern eine Zeitlang mit ein -ander102ander umgegangen? So aber bekommt ſie die - ſe Kranckheit da ſie nur von der Ankunft ih - rer Schweſter hoͤret. Damals muß die, durch dieſe gebrachte Botſchaft in Bewegung geſetz - te Luft, eine gar beſondere Wuͤrckung gehabt haben, daß ſie indem ſie in dem Ohre eine Veraͤnderung verurſachet, auch den weiſſen Fluß hat wuͤrcken koͤnnen. Oder hat ſie etwan die Botſchaft durch einen Brief bekommen, ſo wird wol derſelbe die Effluvia von der kran - cken Schweſter mitgebracht haben. Man kan dieſe Begebenheit nicht anders erklaͤren, wenn man durchaus nicht zugeben will, daß eine Empfindung eine Veraͤnderung im Koͤrper wuͤr - cken koͤnne. Dieſes aber giebt man vermuth - lich darum nicht zu, damit man nicht von der gemeinen Regel abgehen moͤge, nach welcher die Wahrheit nicht eher erhalten wird, als bis man alle Masken worinn ſich die Un - wahrheit zu verſtecken gewohnt iſt, nach der Reihe durchgenommen und endlich verworfen hat. Eben darum ſolte mich es wundern, ob ſich nicht iemand finden wuͤrde, welcher den andern obigen Fall, aus der Aerometrie oder Catoptrick aufloͤſen koͤnte. Denn es kan nicht fehlen, die verſtorbenen Bruͤder mahlen ſich entweder im Gehirn ab, und dieſes Bild ruͤckt alsdenn hinunter in den Magen, und macht daſelbſt ein Erbrechen, oder die Luft wel - che durch die Sterbelieder in Bewegung ge - ſetzt wird, ſchlaͤgt ſo ungluͤcklich an die Ohren -nerven103nerven an, daß ſich dabey die Bewegung des Magens umkehrt, und ein Brechen verurſacht. Wenn ein Juͤngling Convulſionen bekommt, wenn er mit iemand ſpricht ohne vorher ein paar Glaͤſer Wein getruncken zu haben, ſo iſt nichts gewiſſer, als daß ſeine Nerven zu ſehr geſchwaͤcht ſind, und daß dieſelben die Zunge nicht eher in Bewegung ſetzen koͤnnen, als bis ſie durch zwey Glaͤſer Wein geſtaͤrckt worden. Dieſes alles iſt gut. Man kan es verſtehen und faſt mit Haͤnden greiffen. Aber nur eines iſt da - bey zu bedauren. Die gantze Wahrheit iſt ei - ne verlarvte Perſon. Niemand getrauet ſich ihr die Maske vor den Geſicht hinweg zu rei - ſen: denn dieſes waͤre gewiß ein Fehler wieder die heutige Hoͤflichkeit.

§. 40.

Jch will nunmehro meinen Leſern Obſer - vationen darlegen, woraus ſie ſich von der Wuͤrckung der Sele in ihren Koͤrper auf das vollkommenſte uͤberfuͤhren koͤnnen. Jch rech - ne hierin einen Schweitzerknaben, welcher alle - mal einen Anfall vom Fieber bekommt, wenn ſich ſein Stiefvater nahe bey ihm befindet. Das Artigſte hierbey iſt dieſes, daß er ebenfalls das Fieber bekommt, ob er es gleich nicht weiß, daß ſein Vater zugegen iſt. Es kan ſeyn, daß er denſelben an dem Geruche unterſcheidet, aber ſind die Ausduͤnſtungen des Stiefvaters die Schuld vom Fieber, oder ſind es gewiſſe Vor - ſtellungen, welche der Knabe allemal hat, ſoJbald104bald er denſelben mercket? Jch habe es aus dem eigenen Worten, eines gewiſſen Mannes, daß er allemal in Ohnmacht faͤllt, wenn er die Re - gentropfen von denen Daͤchern herabfallen ſie - het, und ich ſelbſt habe ihn zur Regenzeit auf der Straſſe in Ohnmacht liegen geſehen. Leu - te welche allzuviel gefaſtet haben, fangen end - lich an zu fantaſiren und verlieren den Ge - brauch ihrer Vernunft. Wenn man allzuviel hinter einander wachet; ſo vergehen einem nach und nach die Gedancken, oder man wird trau - rig, faͤllt in eine Schwermuͤthigkeit, verlieret den Verſtand; man verfaͤllt endlich in einen Schlaf und ſtirbt ohne zu wiſſen wie? Was hat doch das Wachen mit der Ausuͤbung der Selenkraͤfte zu thun? Die Franzoſen gewoͤhn - ten ſich einſtmals daran beſtaͤndig etwas im Munde zu kauen, weil ſich der Koͤnig, wegen ſtinckenden Athem hierzu genoͤthiget ſahe. Sie verſahen es aber, und warfen dabey dergeſtalt viel Speichel aus, daß ihrer viele davon me - lancholiſch wurden. Jch ſage mit Willen, daß dieſes die Urſach geweſen ſey: denn daß das allzuhaͤufige Auswerfen des Speichels der - gleichen uͤble Folgen nach ſich ziehen koͤnne, be - ſtaͤtiget das Exempel dererienigen Perſonen, die die Salivations-Cur gebrauchen muͤſſen. Jch will ietzo einmal in den Augen dererienigen, welche ihre Keuſchheit bloß in die Worte ſetzen, die Grentzen der Ehrbarkeit uͤberſchreiten, und ein Exempel anfuͤhren, welches viel zu uͤber -zeugend105zeugend iſt, als daß ich es dieſer Art Leuten zu gefallen, mit Stillſchweigen uͤbergehen ſolte. Ein gewiſſer Mann hatte eine weite Reiſe ge - than, und nachdem er, gantz entkraͤftet, davon nach Hauſe kam; leiſtete er ſeiner Frau die ehe - liche Pflicht. Gleich darauf verlohr er nicht allein das Vermoͤgen zu dencken, ſondern er war auch nicht im Stande, ſich willkuͤhrlich zu bewegen. Er fiel in Ohnmacht und war einem Todten aͤhnlich. Man wuſte die eigent - liche Urſach nicht ſo gleich, und beſchloß dem - nach ihm zur Ader zu laſſen. Nachdem aber ſeine Frau geſtanden, was mit ihm vorgegan - gen, ſo reichte man ihm eine Weinſuppe, und ſolchergeſtalt kam derſelbe wiederum zu ſich ſel - ber. Jſt es noch nicht genug beſtaͤtiget, daß die Sele in den Koͤrper, und dieſer wiederum in ſie zuruͤck wuͤrcke? Jch kenne einen Mann, welcher niemals den Urin laſſen kan, ſo lange er weiß, daß jemand zugegen iſt, der auf ihm Achtung giebt. Wo ſind denn hier die me - chaniſchen Urſachen? Jch mag es nicht vom neuen wiederholen, was die Biſſe derer Taran - teln vor einen ſtarcken Einfluß in die Selen der Menſchen haben. Ruͤhrt dieſes alles, was einem ſolchen Menſchen zu einem ſo wunderba - ren Narren macht, nicht von dem Stich der Tarantel, ſondern von der Einrichtung der Sele her; ſo moͤchte ich gerne wiſſen, warum niemals eine Sele auch in dieſen Zuſtand ge - riethe, ohne daß ihr Koͤrper von einer Taran -J 2tel106tel waͤre gebiſſen worden. Jn Jtalien iſt ein gewiſſes Gift Mode, welches die Art eines Balſams hat. Wenn ein Menſch in einem gewiſſen Affecte iſt, und man ſtreicht ihm die - ſen Balſam unter die Naſe, ſo verbleibt derſel - be, in eben dem Affecte, darinn er geweſen. Er laͤſt mit ſich anfangen, was einem beliebt, und nachdem er ausgeſchlafen hat, weiß er von dem allen nichts, was binnen der Zeit mit ihm vorgegangen. Man kan es ſich wol einbilden, in welchen Faͤllen ſich die Jtaliaͤner dieſes Bal - ſams am meiſten bedienen werden. Es iſt be - kandt, daß ein iedes Thier, wenn es zornig iſt, giftig ſey. Dieienigen Thiere, welche am leichteſten zornig werden, haben den eigenen Beynahmen daher, daß man ſie giftige Thie - re nennt. Aber warum aͤuſſern die Biſſe ver - ſchiedener Thiere auch ſo verſchiedene Wuͤr - ckungen in unſrer Sele und ihrem Koͤrper? Die Leute, welche von tollen Hunden gebiſſen worden, bellen oͤfters wie Hunde; da hinge - gen der Biß von denen Katzen, die Leute da - hin bringt, eine dem Katzengeſchrey aͤhnliche Stimme an ſich zu nehmen. Man ſage mir, warum tantzen eben die Patienten, welche eine Tarantel geſtochen. Warum bellen dieſe nicht wie ein Hund und iene tantzen? Es iſt wahr, wenn wir gleich annehmen, daß der Koͤrper in die Sele wuͤrcke, ſo koͤnnen wir dieſes dennoch nicht erklaͤren. Allein es iſt auch dieſes nicht noͤthig. Wenn wir nur wiſſen, daß es geſchicht,ſo107ſo wiſſen wir auch, daß der Biß verſchiedener Thiere, auch in der Sele verſchiedene Veraͤn - derungen wuͤrcke. Meine Leſer werden es mir zu gute halten, daß ich mit Erfahrungen groß thue. Sie koſten mir nichts: aber ſie koͤnnen am beſten uͤberfuͤhren. Jch will fer - nerhin zeigen, daß die Aertzte deren im Ueber - fluſſe haben.

§. 41.

Was thut ein Liebestranck (philtrum) nicht oͤfters vor erſtaunende Wuͤrckungen? Das Exempel welches ich ietzo erzaͤhlen will, iſt zwar ſchon bekandt, allein ich glaube, es ſey der Muͤhe werth, ſelbiges zuwiederholen. Ein iunger Menſch von vierzehen Jahren, welcher einen guten Witz hatte und ein ziemlicher Poet war, bekam ein Philtrum. An ſtatt verliebt zu werden, verfaͤllt derſelbe in eine langwierige Ohnmacht. Alle Leute halten ihn vor todt und legen ihn im Sarg. Allein die Nacht vorher, ehe man ihn begraben will, ſtehet er wiederum auf, und zeiget ſich oͤffentlich: iedoch mit fol - genden Veraͤnderungen: Er wuſte weder, daß er geboren worden, noch daß er iemals ſchon in der Welt geweſen ſey. Er konte ſich deſſen gar nicht mehr entſinnen, was er ehedem ge - wuſt und gethan haͤtte. Leſen konte er nicht mehr, noch weniger ſchreiben, und konte keine einzige Sprache reden noch verſtehen. So gar ſeinen Nahmen wuſte er nicht mehr. Man muſte ihm alles wiederum vom neuen lernen,J 3und108und es war zwiſchen ihm und einen kleinen Kin - de weiter kein Unterſchied, als daß er alles et - was leichter lernete, als die Kinder. Dieſes ſind die Veraͤnderungen, welche in ſeiner Sele vorgingen. Was den Koͤrper betrift; ſo ver - lohr er die erſte Haut uͤber den gantzen Leib, und bekam eine neue. Die Naͤgel gingen ihm von denen Haͤnden und Fuͤſſen und wuchſen neue an deren ſtatt. Die Hare fielen ihm aus und fingen ihm an andre zu wachſen. Mit ei - nem Wort: er behielt nichts mehr von ſeiner vorigen Sele und dem Koͤrper, als die innern Theile des letztern: das uͤbrige aber war alles neu an ihm geworden. Von denen Mutter - maͤhlern will ich kein Wort ſagen; denn die Sache iſt mehr als zu ſehr bekandt. Allein was wird man ſagen, wenn ich erweiſe, daß durch die Muttermilch die Neigungen derienigen, die das Kind ſaͤuget, auf das Kind kommen. Und es iſt doch in der That nichts gewiſſer als die - ſes. Ein Kind, welches an einer diebiſchen Amme ſauget, iſt zur Dieberey geneigt. Wenn die Amme eine geile Perſon iſt, ſo hat das Kind eine Neigung zur Hurerey: und dieſes iſt ſo gewiß, als daß es einen Menſchen gegeben, welcher da er ſchon erwachſen war, dennoch des Nachts den Urin in das Bette gelaſſen, wel - ches man von keiner andern Urſach herzuleiten weiß, als weil ſeine Amme dieſen Fehler an ſich gehabt. Auch hiervon will ich nichts mehr ſa - gen. Jede Familie wird davon ein neues Ex -empel109empel zur Beſtaͤtigung anzufuͤhren wiſſen. Jn Halle bekam eine ſchwangere Frau Luſt einem gewiſſen Beckerknechte, in die Waden zu beiſſen. Er erlaubte es ihr zweymal. Da ihm aber zum andernmahle das Blut darnach ging, ſo ſchlug er es ihr zum drittenmahle ab. Nach - dem gebahr ſie drey Kinder, davon zweye leb - ten, und das dritte todt war. Jch will eben nicht ſagen, daß der Beckerknecht die Schuld an den Tode des dritten Kindes habe, und dar - um will ich auch dieſes Exempel nur neben bey angefuͤhret haben: indeſſen iſt es doch etwas artiges. Wenn man den Finger in den Schlund ſteckt, oder ſich an deſſen ſtatt der Magenbuͤrſte bedienet; ſo erfolgt ein Eckel und Erbrechen. Zwey Veraͤnderungen deren eine in der Sele, die andre aber im Koͤrper ihren Sitz hat. Nichts iſt gewiſſer, als daß es gewiſſe Leute gebe, wel - che den Augenblick ein Erbrechen bekommen, ſo bald ſie in einem Wagen ruͤckwaͤrts fahren, oder welche Convulſionen oder Ohnmachten be - kommen, wenn ihnen eine Spinne zu nahe kommt, von welchen beyden Fehlern ich mich auch nicht freyſprechen kan. So viel vermag eine Einbildung in den Koͤrper und eine Em - pfindung in die Sele zu wuͤrcken! Jch will ietzo nichts von der Seekranckheit erwaͤhnen. Man ſage mir nur ob es auch mechaniſch zuge - he, daß man ſeiner Sinnen auf einige Zeit be - raubt wird, wenn man ſich lange im Kreiſe her - umdrehet? Ein Hofnarr ward ins GefaͤngnißJ 4ge -110geworfen, und man machte ihm aus Schertz weis, er ſolte gekoͤpft werden. Der Scharf - richter verrichtete ſein Amt nur mit einer Spiß - gerte, und nichts deſtoweniger fiel der Narr zu Boden und blieb todt liegen. Es hat Leute gegeben, welche nicht gerochen oder nichts ge - ſchmeckt haben. Jm erſten Fall haben die Ge - ruchsnerven gefehlt, und was das andre betrift, ſo hat ein gewiſſer Menſch, der, weil er gar keinen Geſchmack gehabt, vor Geld allerley ge - geſſen, was man ihm gegeben, die Nerven, wel - che den Geſchmack ſonſt befoͤrdern, hinten im Nacken gehabt. Wieder ein Beweisgrund meines 30ſten Abſatzes. Nur noch ein Exem - pel. Ein gewiſſer Mann iſt mit einem Auge Myops und mit dem andern Presbymyops. Jn der That es iſt luſtig, wenn man die Sele dieſes Mannes harmoniſch betrachtet. Sie muß auf einer Seite gantz anders ausſehen, als auf der andern. Jch moͤchte gerne wiſſen warum ſie ſich die weit entfernten Sachen auf einer Seite klar die nahen aber dunckel, hin - gegen auf der andern Seite die nahen klar, die weiten aber dunckel vorſtellt. Jch zweifle ob es viele ſolche Selen gebe, und wenigſtens muß die Aufloͤſung dieſer Begebenheit, ohne die Beſchaffenheit des Auges dabey zu beden - cken, der Wahrſcheinlichkeit eben ſo nahe kom - men, als die Begebenheiten eines Donquixote.

§. 42.111

§. 42.

Meine Leſer werden glauben, daß ich Jh - nen Hiſtorien erzaͤhlen wolte, an ſtatt auf die weitere Bekraͤftigung meines Beweiſes zu den - cken. Allein ich kan verſichern, daß ich die Saͤtze meines Beweiſes bey keinem Exempel aus der Acht gelaſſen habe. Es ſind lauter Unterſaͤtze zu meinem Schluſſe. Wenn A iſt und B iſt auch; wenn A nicht iſt, und B auch nicht: Wenn endlich C nicht mit A und B ſo genau verbunden iſt; ſo iſt eins die Urſach vom andern. Nun folget der Unterſatz, und man mag von vorigen Erfahrungen eine erwaͤhlen, welche man will, wofern man ſie nur gehoͤrig einſchraͤnckt; ſo wird man ſie als eine Erfahrung des Oberſatzes anſehen koͤnnen. Was folget denn nun, aus alle dem, was mit ſo vielen Exempeln beſtaͤtiget iſt? Nichts anders, als was uns Guͤnther in zwey Worten ſagt:

Begehren kommt vom Sehn! ()

Unſre Sele wuͤrckt in ihren Koͤrper! Mei - ne Leſer werden nunmehro urtheilen koͤnnen, ob ich zu viel geſprochen, als ich geſagt, daß die Artzneyverſtaͤndigen unzaͤhlige Erfahrungen an - fuͤhren koͤnten, welche alle ihren Grundſatz be - ſtaͤtigen. Denn ich kan verſichern, daß alles, was ich ietzo davon erwaͤhnt habe nur ein ſehr kleiner Abriß von Erfahrungen ſey, welche nicht eben allzugewoͤhnlich ſind. Wie viele muſte ich nicht weglaſſen, um nicht zu weitlaͤuftig zuJ 5ſeyn!112ſeyn! Wie viele ſind mir aus dem Gedaͤchtniß entfallen! und o! wie groß muß nicht die An - zahl dererienigen ſey, von welchen ich gar noch nichts weiß. Und dennoch ſind dieſes alles nur ſonderbare Faͤlle. Wolten wir nun vollends dasienige in Erwegung ziehen, was taͤglich zu Befeſtigung dieſer Grundwahrheit in der Er - fahrung vorfaͤllt, ſo zweifle ich, daß ich in mei - ner gantzen Lebenszeit, und wenn ſie auch tau - ſend Jahre daurete, mit dieſer Sache zu Stan - de kaͤme. Wie vielerley Bewegungen haͤngen offenbar von dem Willen unſrer Sele ab? Wie viele Veraͤnderungen gehen augenblicklich in und an uns vor, von welchen es unmoͤglich iſt, daß ſie mechaniſch geſchehen ſolten. Und alles dieſes iſt noch vor gar nichts zu rechnen, gegen die Veraͤnderungen, welche in Kranck - heiten vorfallen. Jedoch ich glaube, daß das - ienige, was ich von dieſer Sache geſchrieben, hinreichen wird, einen ſolchen in ſeiner Mei - nung zu befeſtigen, welcher der Kraft der Sele nicht ſo enge Grentzen ſetzt, daß ſie nicht einmal in einen Koͤrper wuͤrcken koͤnne. Was aber dieienigen betrift, welche dieſer Meinung nicht ſind; ſo habe ich gar keine Hofnung ſie durch alle meine Beweiſe eines beſſern zu fuͤhren. Jch muͤſte meinen Beweis viel tiefſinniger ein - gerichtet haben, und die Wahrheiten muͤſten darin gantz tief liegen, wenn ich dieſes hoffen ſolte. Allein, da ich mich bloß auf die Erfah - rung verlaſſe; ſo weiß ich mein Schickſal ſchonim113im Voraus. Jch bin ein Menſch, der nicht abſtrahiren kan. Jch haͤnge noch an denen Sitten des Poͤbels, welcher alles das nicht glauben will, was er nicht ſieht. Denn ſonſt wuͤrde ich es bald begreiffen koͤnnen, daß meine Sele ihren Koͤrper nicht hin und her ſtoſſen koͤnte. Jch geſtehe daß meine Gegner in ge - wiſſer Abſicht Recht haben. So ſehr kan ich nicht abſtrahiren, daß endlich das, was ich dencke, gar nichts mehr ſeyn ſolte. Und wenn man mich mit dem Poͤbel vergleichen will; ſo gebe ich es in ſo weit zu, daß ich nicht glaube, was ich nicht ſehe: Das iſt, was ich nicht aus der Vernunft erweiſen kan, und davon ich doch auch nichts erfahre. Wenn ich aber meinen Gegnern erwieſe, daß ſie alles das, was ſie glaubten, nicht ſehen koͤnten, und daß ſie die Augen zuthaͤten, wenn ſie das Gegentheil ge - wahr wuͤrden; ſo entſtuͤnde nunmehro ein Rangſtreit, zwiſchen ihnen und der Art Leute, worunter ich gehoͤre. Jch habe ſo gewiß er - wieſen, daß unſre Sele in den Koͤrper wuͤrckt; ſo gewiß es iſt, daß ein Koͤrper in einen andern wuͤrcket. Das heiſt, ich habe einen Satz er - wieſen, welchen ein andrer laͤugnet, und dieſen habe ich ſo gewiß erwieſen, als einen andern Satz, welchen er ebenfalls laͤugnet. Kan man aber wol uͤber die Einſichten ſolcher Leute nei - diſch ſeyn?

§. 43.114

§. 43.

Nun iſt es einmal Zeit wieder eine neue Scene zu eroͤfnen. Meine Leſer werden die Guͤtigkeit haben, ſich dasienige wieder in die Gedancken zu bringen, wovon ich oben § 16. 17. geredet. Jch beurtheilete daſelbſt die pſycholo - giſchen Harmoniſten, und machte einen Unter - ſchied unter denenienigen, welche behaupteten, die Sele wuͤrcke gar nicht in ihren Koͤrper, und dieſer wuͤrcke gar nicht in die Sele zuruͤck. Mit dieſen Herren habe ich es bisher zu thun gehabt, und ihnen iſt eigentlich der Beweiß, daß die Sele und der Koͤrper in einander wuͤrckten, entgegen geſetzt. Nun komme ich auf dieieni - gen Harmoniſten, welche zugeben, daß die Ver - aͤnderungen im Koͤrper ohnmoͤglich geſchehen koͤnten, wenn keine Sele vorhanden waͤre, und daß auch die Sele nicht alle Vorſtellungen in eben der Ordnung haben koͤnte, als ſie dieſel - ben hervorbringet, wenn ſie mit einem Koͤrper verbunden iſt. Dieienigen ſo dieſes behaupten, muͤſſen zugeben, daß nicht der gantze und hin - reichende Grund ſowol von Veraͤnderungen der Sele als auch des Koͤrpers in beyder Kraͤf - ten allein gefunden werden koͤnne. Alſo muͤſ - ſen ſie zugeben, daß ein Grund davon auſſer dem Koͤrper und der Sele vorhanden ſey Die - ſer Grund lieget nun bey denen Veraͤnderun - gen des Koͤrpers entweder in der Sele, oder in dem allgemeinen Zuſammenhange aller Din - gs, und bey denen Veraͤnderungen der Selewie -115wiederum entweder in dem allgemeinem Zu - ſammenhange, oder in dem Koͤrper. Dieieni - gen, welche behaupten, der Grund von denen Veraͤnderungen beyder, liege in dem allgemei - nen Zuſammenhange der Dinge allein, dieſel - ben laͤugnen nothwendig, daß er in der Sele oder dem Koͤrper liege. Sie koͤnnen demnach nicht behaupten, daß zwiſchen denen Veraͤnde - rungen beyder auch nur einigermaſſen Urſach und Wuͤrckung ſtatt habe. Wer dieſes be - hauptet, wiederſpricht einem Satze, welcher eben ſo gewiß iſt, als daß die Sonne die Urſach des Lichts ſey. Man ſiehet gar bald, daß ihre Meinung auf die vorige hinaus lauffe, und deshalb iſt nicht noͤthig, ſich hierbey laͤnger auf - zuhalten.

§. 44.

Wenn man zugiebt, daß die Veraͤnderung des Koͤrpers bey Empfindungen etwas zu der Vorſtellung die alsdenn in der Sele wuͤrcklich wird, beytrage, ſo kan dieſes auf keine andre Art geſchehen, als daß man behaupte, es werde die gantze Vorſtellung in der Sele nicht allein durch die Kraft der Sele hervorgebracht. Es wird mir erlaubt ſeyn, die Kraft, welche dieſe Vorſtellungen in der Sele wuͤrcket, in vier al - lerkleinſte Kraͤfte zu zertheilen, welche zuſam - mengenommen die gantze Kraft ausmachen. Dieſe Theilung der Kraͤfte, welche heut zu Tage Mode geworden, kommt eben nicht theuer zu ſtehen, weil man die allerkleinſten Kraͤfte um -ſonſt116ſonſt haben kan. Die Kraft der Sele kan, nach dieſer Meinung nicht allem hinreichen, alle die vier allerkleinſten Groͤſſen in ihrer Vor - ſtellung zur Wuͤrcklichkeit zu bringen. Es muͤſſen demnach einige davon ausgenommen ſeyn, und dieſes moͤgen die beyden erſten auf ſich nehmen. Die beyden erſten allerkleinſten Groͤſſen in der Vorſtellung der Sele koͤnnen alſo durchaus nicht von der Kraft der Sele ge - wuͤrckt werden, und weil auſſerdem nichts vor - handen iſt, das ſelbige wuͤrcken koͤnte, als der Koͤrper; ſo wird die gantze Vorſtellung in der Sele, die wir bey Empfindungen haben, theils durch die Kraft der Sele, theils durch die Kraft des Koͤrpers hervorgebracht. Das heiſt mit einem Wort: aus dieſer Meinung derer Har - moniſten, folgt, daß eine ſolche Vorſtellung in der Sele, theils idealiſch, theils phyſicaliſch ge - wuͤrckt werde §. 12. und ich glaube nicht, daß ich hiermit den Sinn derer, die dieſes behaupten, ſolte getroffen haben.

§. 45.

Endlich wird auch die Reihe an mich kom - men, zu ſagen, was ich vor einen Einfiuß der Sele in dem Koͤrper glaube. Wie man aus dem ſehen wird, was ich bisher behauptet; ſo halte ich weder den phyſicaliſchen noch ideali - ſchen Einfluß vor hinlaͤnglich, die Uebereinſtim - mung derer Veraͤnderungen des Koͤrpers und der Sele daraus erklaͤren zu koͤnnen. Nichts deſtoweniger kan ich nicht laͤugnen, daß ich einJn -117Jnfluxioniſt ſey, und daß ich den phyſicaliſchen Einfluß aus dieſem Grunde vor eine Meinung halte, welche zu dem Zwecke hinlaͤnglich iſt, warum ſie erdacht worden. Dieſes iſt ein Geheimniß, deſſen Erklaͤrung ich ietzo noch nicht geben kan. Jch werde vorher noͤthig haben, zu zeigen, was der Begrif des Wortes: Phy - ſicaliſcher Einfluß eigentlich ſey, und in wie weit er mit denienigen harmonire, welcher oben gegeben worden. Der Herr Magiſter Meier hat in ſeinem Beweiſe der vorherbeſtimmten Harmonie, wie ich ſchon oben geſagt, den phy - ſicaliſchen Einfluß ſehr weitlaͤuftig und gruͤnd - lich wiederlegt. Allein ich glaube dem ohner - achtet, daß ſich durch dieſe Wiederlegung kein einziger vernuͤnftiger Jnfluxioniſt wiederlegt be - finden wird. Das macht der Herr Magiſter hat eine Meinung mit vielen wichtigen Gruͤn - den wiederlegt, von der ich nicht weiß, daß ſie ein einziger Jnfluxioniſt bey geſunden Verſtan - de behaupte noch behaupten koͤnne. Es hat ihm gefallen die Erklaͤrung des phyſicaliſchen Einfluſſes alſo zu geben: Der reelle Einfluß einer endlichen Subſtantz in eine andere heiſt ein phyſicaliſcher Einfluß. S. §. 13. in dem B. d. v. Uebereinſt. Ein ſolcher Einfluß, da der leidende Theil gar nichts, zur Wuͤrcklichkeit der Veraͤnderung ſei - nes Zuſtandes, durch ſeine Kraft bey - traͤgt; ſondern dieſe Veraͤnderung ledig - lich, durch die Kraft einer andern Sub -ſtantz118ſtantz gewuͤrckt wird, heiſt ein reeller Einfluß, und die daher entſtehende Ver - aͤnderung des Zuſtandes, in der leidenden Subſtantz, wird ein reelles Leiden genen - net. S. §. 11. Ebendaſelbſt. Jch will die Gruͤnde anfuͤhren, woher ich einem Jnfluxio - niſten dergleichen verwirrte Meinung nicht zu - traue.

§. 46.

Jederman iſt bekandt, daß niemand mit groͤſſerer Ueberzeugung als ein Jnfluxioniſt, das dritte Neutoniſche Geſetz der Bewegung glau - be, daß bey der Wuͤrckung zweyer oder mehre - rer Koͤrper in einander, die Wuͤrckung und Ge - genwuͤrckung beſtaͤndig einander gleich ſey. Hieraus folgt unwiederſprechlich, daß ein Jn - fluxioniſt behaupte, daß beyde Koͤrper Hand - lungen verrichten, indem der eine in den andern wuͤrckt. Und ſo lange ein allgemeiner Jnflu - xioniſt dieſes glaubet, kan ihm unmoͤglich die gegebene Erklaͤrung des Herrn Magiſter Meiers zukommen. Aber wir reden ietzo nur von denen pſychologiſchen Jnfluxioniſten. Jch ſage, auch dieſe behaupten eine ſolche Meinung nicht, als ihnen der Herr Magiſter auf ihre Rechnung geſchrieben. Ein Stahlianer iſt ein vollkommener Jnfluxioniſt; allein, ſo viel als ich davon verſtehe, behauptet er nicht, daß der Koͤrper gar nicht handle, indem ſeine Sele in ihm wuͤrckt; ſondern er ſey vielmehr durch ſei - ne kuͤnſtliche Strucktur faͤhig, der Sele denie -nigen119nigen Entzweck erleichtern zu helfen, welchen ſie ſich in ihrem Koͤrper zu erhalten bemuͤhet. Jch ſehe demnach nicht, was dem Herrn Ma - giſter Gelegenheit gegeben, denen unſchuldigen Jnfluxioniſten eine ſolche Meinung ſchuld zu geben, da ſie doch ſo viele Proben von dem Gegentheile dieſes Mißverſtandes in allen ihren Saͤtzen geben. Nunmehro werden meine Le - ſer wiſſen, was ſie aus mir machen ſollen. Jch bin ein Jnfluxioniſt, aber bey meiner Meinung ſoll weder die Welt ausſterben noch Spinoza einen Zutritt finden.

§. 47.

Die Jnfluxioniſten zu denen ich gehoͤre, be - haupten, daß bey Entſtehung einer gewiſſen Veraͤnderung in der Sele theils die Kraft der Sele, theils auch die Kraft des Koͤrpers wuͤrck - ſam ſey; mit einem Wort: daß die Wuͤrckung theils idealiſch theils phyſicaliſch ſey. Jch ha - be ſchon oben, als ich von der Meinung der letztern Art derer Harmoniſten, mein Beden - cken eroͤfnete, erwieſen, daß bey denen Empfin - dungen dieſer Einfluß ſtatt habe §. 44. Es iſt mir nicht moͤglich, mich zu uͤberreden, daß ich in dieſem Stuͤcke etwas neues behaupten ſolte. Jm Gegentheil glaube ich, daß dieſe Meinung eben ſo alt ſey, als die Meinung des phyſicaliſchen Einfluſſes. Jndeſſen will ich nicht hartnaͤckig behaupten, daß die Jnfluxioni - ſten bisher ihren phyſicaliſchen Einfluß ſo deut - lich ſolten erklaͤret haben, daß man nicht aufKeinen120einen Mißverſtand dabey haͤtte gerathen koͤn - nen. Wolte man derohalben, dieſer Meinung einen neuen Nahmen beylegen, ſo wuͤrde ihr eine Ehre wiederfahren, die ſie in der That nicht verdienete. Jndeſſen koͤnte doch auch dieſes nicht ſchaden. Man hat die Jnfluxioni - ſten oͤffentlich dergeſtalt gedemuͤthiget, daß ſie ſich ſchaͤmen ſolten, auf der Straſſe in die Hoͤhe zu ſehen. Die niedertraͤchtigſten Gleichniſſe hat dieſe Meinung uͤber ſich nehmen muͤſſen; man hat ſie vor ſpinoziſchtiſch erklaͤret, ia, was noch mehr iſt, man hat nicht einmal alle die uͤbeln Folgen ſagen wollen, welche daraus flieſ - fen. Aber woher entſtand dieſes Uebel? Man bildete ſich ein, ein Jnfluxioniſt behauptete et - was das ihm doch unbekandt war, und ſolcher - geſtalt konte es nicht fehlen, er muſte auch alle die Ungemaͤchlichkeiten uͤber ſich nehmen, die aus dieſer Erdichtung floſſen. Dieſer Urſach wegen, waͤre es ſo uneben eben nicht, wenn man dieſer Meinung einen andern Nahmen gaͤbe, damit die Niedertraͤchtigkeit, die Ertoͤd - tung des Lebendigen in der Welt, die ſpino - ziſchtiſchen Folgen, und das was man nicht einmal noch ſagen will, auf dieienigen Jnfluxio - niſten fiele, welche eine ſolche Meinung behau - pteten. Denn ſolchergeſtalt wuͤrde ſich ver - muthlich kein Menſch dadurch beleidiget finden.

§. 48.

So wenig man glauben darf, daß alle Har - moniſten kluge Koͤpfe ſeyn ſolten, mit eben ſowenig121wenig Recht kan man ſich uͤberreden, daß alle Jnfluxioniſten dumm waͤren. Jch glaube, es wuͤrde unter ſo vielen doch einen Jnfluxioniſten gegeben haben, der auf die Spuhr gekommen waͤre, daß ſeine Meinung etwas wiederſprechen - des bey ſich fuͤhre. Bey derienigen Meinung welche der Herr Magiſter Meier denen Jn - fluxioniſten beylegt, glaube ich wuͤrde es man - chem Jnfluxioniſten nicht viel Muͤhe gekoſtet haben, das Wiederſprechende, das Laͤcherliche und das Gefaͤhrliche dieſer Meinung zu entde - cken. Allein es iſt ohnfehlbar die Ueberzeugung davon, daß man dergleichen nicht behaupte, die Urſach geweſen, warum ſolches auch ſo gar in dieſen aufgeklaͤrten Zeiten noch nicht geſchehen. Jch will hiermit nicht ſo viel ſagen, als waͤre es unmoͤglich, daß ein Jnfluxioniſt die oftbe - ſagte Meinung hegen ſolte. Es iſt moͤglich daß einer ein Egoiſt ſeyn kan, es iſt auch moͤg - lich zum Narren zu werden, warum ſolte dieſes nicht auch moͤglich ſeyn. Allein ich glaube nicht, daß dergleichen Meinung ſo gemein ſeyn ſolte, daß ſie das Haͤuflein derer andern dergeſtalt uͤberwaͤge, daß man ſie bis auf den heutigen Tag noch nicht einmal ſolte haben wahrnehmen koͤnnen. Man wird ſich hoffentlich doch dar - uͤber zufrieden geben, daß der phyſicaliſche Ein - fluß, ſo wie ich denſelben ietzo beſchrieben, theils harmoniſch theils alſo geſinnt iſt, wie man den phyſicaliſchen Einfluß bisher beſchrieben. Jch halte davor, es werde dieſes beyden PartheyenK 2weder122weder zur Ehre noch zur Schande gereichen, wenn man ſich des wahren in beyden bedienet, und das uͤbrige fahren laͤſt. Uebrigens hoffe ich nicht daß man in dieſer Meinung dieienigen Eigenſchaften ſuchen werde, welche man der vorigen zugeeignet. Jch glaube nicht daß et - was natuͤrlicher ſeyn koͤnne, als dieſer Einfluß. Man frage einen Menſchen, den die Streitig - keiten derer Gelehrten in dieſer Sache noch un - bekandt ſind: wie es zugehe, daß ein Stein den andern fortſtoſſe. Er muͤſte Leibnitzens Einbildungskraft beſitzen, wenn er glauben ſol - te, daß die Monaden des einen Steines Luſt bekommen haͤtten, ſich dem andern zu naͤhern, und die Monaden des andern waͤren zu eben der Zeit willens worden, ſich ſo gleich von ienen zu entfernen, ſo bald er ihnen zu nahe gekom - men waͤre. Und wenn er meinen ſolte, die Kraft des einen Steines bewegte den andern dergeſtalt von ſeiner Stelle, daß ihm dieſer auf keine Weiſe entgegen wuͤrckte; ſo wuͤrde er vermuthlich vorher ſich den Zweifel erregen muͤſſen, warum denn der erſte Stein nicht durch den andern hindurch geflogen waͤre, da ihm dieſer keinen Wiederſtand geleiſtet hat. Jch weiß wohl was man ſagen wird. Der Menſch iſt noch zu ſehr an das Koͤrperliche ge - woͤhnt, er weiß nicht zu abſtrahiren, er verſteht keine Metaphyſick. Jch gebe dieſes alles von Hertzen gerne zu, denn ich bilde mir ein, dieſer Menſch habe wohl daran gethan, daß er ſichan123an dasienige gehalten, was er ſehen kan, und daß er ſich nicht bemuͤhet habe, etwas zu erra - then, das er nicht ſehen kan. Jch will es in - deſſen nur vorher ſagen, daß ich es wiſſe, man werde mir dieſe Worte ſehr uͤbel auslegen.

§. 49.

Jch habe oben erwieſen, daß die Sele die Urſach einiger Veraͤnderungen unſers Koͤrpers und dieſer eine Urſach anderer in der Sele ſey. Dieſes will eben ſo viel ſagen, als: die Sele und der Koͤrper wuͤrcken phyſicaliſch in einan - der. Man wird alſo nicht von mir verlangen, daß ich den phyſicaliſchen Einfluß nach meiner Auslegung hier vom neuen beweiſen ſolte. Jch ſchlieſſe ſo: Weil zwiſchen zweyen Veraͤnde - rungen bey dem Menſchen ein Einfluß ſtatt hat, und weil dieſer Einfluß weder bloß idealiſch §. 16. noch allein phyſicaliſch ſeyn kan, wenn ich den phyſicaliſchen Einfluß nach der Erklaͤ - rung des Herrn M. Meiers nehme §. 13. 14. ſo iſt die Meinung, welche ich ietzo vom phyſi - caliſchen Einfluß vorgetragen, ſo lange wahr, bis man ſie wiederleget und eine andere ſubſti - tuiret. Meiner Einſicht nach ſind hierzu wohl noch ziemlich weit ausſehende Zeiten, und die Jnfluxioniſten werden nicht Urſach haben, die - ſerhalb unruhig zu ſchlafen. Da ich aber nur von einigen Veraͤnderungen des Menſchen ge - ſprochen habe; ſo fragt es ſich nunmehro, ob auch wol die Herren Stahlianer Recht haben, welche dieſes von allen Veraͤnderungen desK 3Koͤrpers124Koͤrpers glauben. Jch will hiervon meine Meinung gantz offenhertzig ſagen. Dieſe Leh - re hat der groſſe und beruͤhmte Herr Hofrath Stahl zuerſt behauptet, und ſeine Nachfolger haben dieſelbe folgends erſt recht ausgearbeitet, und ſo zu ſagen, ins reine gebracht. Jch kan wol ſagen, daß ich in der erſt ſelber zweifelhaft geweſen bin, ob dieſe Lehre auch uͤberall die Probe halte. Hierzu kamen noch die Schmaͤ - hungen, welche man dawieder ausſtieß, und welche verurſachten, daß ich mich in Wahrheit recht fuͤrchtete, ein Jnfluxioniſt; ich geſchweige gar ein Stahlianer zu werden. Jch erinnre mich hiervon einmal geleſen zu haben, die Sele eines ſolchen Menſchen ſey nichts anders als ein leres Behaͤltniß oder eine waͤchſerne Tafel. Der Koͤrper ſey ein Gehaͤuſe der Sele, welches ſie uͤberall mit ſich herum truͤge. Die Sele ſtelle einen Schmied vor und der Koͤrper den Hammer deſſelbigen. Wahrhaftig! eine aller - liebſte Sele! und ein Gleichniß, welches eben ſo genau paßt, als ein Schmiedehammer in die Pſychologie! Man ging in dieſen Vergleichun - gen noch weiter. Der Koͤrper war ein Schne - ckenhaus, vermuthlich alſo die Sele ſelbſt die Schnecke. Er war ein gedrechſelt Kinderſpiel, damit die Sele taͤndelte, ein Gewebe von Stri - cken, daran die Sele zoͤge. Endlich ward die Sele gar ein Reuter und der Koͤrper ein Pferd. Alle dieſe Jrrthuͤmer ruͤhreten ohnfehlbar von demienigen Mißverſtaͤndniß her, davon ichoben125oben geredet. Die Vernunftſchluͤſſe, wodurch man auf dergleichen Beurtheilung gefallen moͤ - gen eben die tiefſten nicht ſeyn. Es kommt meines Erachtens alles darauf an, ob ein Stah - lianer behauptet, er wiſſe wie die Sele alle Veraͤnderungen ihres Koͤrpers wuͤrcke, oder wiſſe nichts mehr, als daß ſie dieſelben hervor - bringe. Und dieſes iſt eine Sache, welche noch gar wohl zu entſcheiden ſeyn wird.

§. 50.

Wenn ſich ein Stahlianer ruͤhmte, er wiſſe wie die Sele alle Veraͤnderungen ihres Koͤr - pers hervorbraͤchte, ſo muͤſte er auch die Mittel anzuzeigen wiſſen, wodurch ſie dieſes ins Werck richtet Allein meines Wiſſens hat ſich noch kein Stahlianer hiermit breit gemacht. Er iſt viel zu beſcheiden, als daß er von Sachen urtheilen ſolte, welche begreifen zu wollen eine Bemuͤhung ohne Fortgang und wieder die Na - tur waͤre. Er weiß nichts weiter als daß ſeine Sele ihren Koͤrper bewege; wenn man ihn aber fraͤget, wie dieſes zugehe, ſo antwortet er billig mit einem ehrfurchtsvollen Erſtaunen:

Das hat der, der uns ſchuf, vor uns verbergen wollen. ()

Aber, wird man ſagen, beſtaͤtiget es nicht die Erfahrung genugſam, daß man die Sele bald mit einem Haushalter und bald mit einem Kriegesmanne verwechſelt? Alles dieſes iſt nicht zu laͤugnen. Wir finden nach der Stahliani -K 4ſchen126ſchen Lehre, zwiſchen dem Verhalten dieſer beyden Arten von Menſchen, und denen Hand - lungen der Sele eine ſo groſſe Aehnlichkeit, daß man faſt gezwungen wird, ſolche Gleichniſſe anzuſtellen. Nun aber moͤchte ich gerne wiſ - ſen, wie man hieraus ſchlieſſen koͤnte, daß man ſich die Handlungen der Sele koͤrperlich zu ſeyn uͤberredete. Man muß niemals ein Gleich - niß hoͤher treiben, als es mit der Sache uͤber - ein kommt, welche man dadurch in eine Ver - gleichung ſetzt. Welcher Menſch iſt ſo thoͤ - richt, daß er glauben ſolte, die Chriſten hielten das Wort GOttes vor eine Handvoll Samen - koͤrner, welche ein Ackersmann auf ſeinen Acker wirft, und deren etliche Frucht bringen, etliche aber verderben? Aber eben dieſe Verhaͤltniß hat es mit der Vergleichung der Sele mit ei - nem Kriegesmanne oder Hausvater. Ja wenn man dieſe Freyheit einem Stahlianer ſo uͤbel auslegen will; ſo moͤchte ich wol eine Er - klaͤrung davon haben, wenn man ſagt: Dieſe Vorſtellung erſchuͤttert das Gemuͤth; iene wird in der Sele ausgeloͤſcht; Die Sele be - weißt eine groſſe Geſchwindigkeit, welche pol - ternd und ungeſtuͤm iſt; der Grund der Sele wird aufgewuͤhlt, und, eine groſſe ungeheure Vorſtellung ſinckt in den Grund der Sele hin - unter. Alles dieſes ſind Dinge, welche man in keiner Monade ſuchen ſolte. Wenigſtens kommt mir eine Geſchwindigkeit der Sele, welche poltert, viel laͤcherlicher vor, als wennman127man ſagt: die Sele ſtellt einen Hausvater vor. Jch habe alle dieſe Ausdruͤcke nicht hier - her geſetzt, um dieſelben zu tadeln. Allein ich will damit nur ſo viel ſagen, daß es erlaubt ſey, uneigentlich von der Sele zu reden, ohne daß ein geſcheidter Kopf Urſach finde, ſpoͤttiſch dabey zu ſeyn. Ueberhaupt treffen alle dieſe Urtheile die Stahlianer ſelbſt nicht, und dieie - nigen entdecken die Groͤſſe ihres Geiſtes, wel - che uͤber dergleichen Geſpoͤtte lachen und ſich nicht weiter vertheidigen.

§. 51.

Es kommt bey der ſtahlianiſchen Lehre haupt - ſaͤchlich auf die Frage an: ob die Sele alle Veraͤnderungen ihres Koͤrpers wuͤrcken koͤnne. Jm allerweiteſten Verſtande behauptet dieſes kein Stahlianer. Das Abnehmen des Barts iſt eine Veraͤnderung des Koͤrpers, allein ein Stahlianer leitet dieſe Veraͤnderung nicht von der menſchlichen Sele, ſondern von der Schaͤr - fe des Meſſers her. Jn den menſchlichen Koͤrper wuͤrcket zuweilen eine ſchwere, zuweilen eine leichte Luft. Und dieſe Veraͤnderung des Koͤrpers ſchreibet man auch nicht der Sele zu. Mit einem Wort: man unterſuche die Saͤtze eines Stahlianers genau, ſo behauptet er nur, daß alle dieienigen Veraͤnderungen des Koͤr - pers von der Sele herruͤhren, welche nicht von ſtatten gehen, ſo bald der Menſch todt iſt. Hier - her gehoͤret der Umlauf des Gebluͤts, die Ver - dauung der Speiſen, die Ab - und Ausſonde -K 5rungen128rungen im Koͤrper u. ſ. w. Beſonders iſt es falſch, wenn man glaubet, daß ein Stahlianer dieſen Satz auch umgekehrt verſtanden wiſſen wolle. Wenn ein Stahlianer glaubte alle Veraͤnde - rungen der Sele ruͤhrten von denen Veraͤnde - rungen des Koͤrpers her; ſo waͤre ſeine Mei - nung eine der allerveraͤchtlichſten. Er muͤſte den Intellectum Purum der Sele alsdenn auch denen Veraͤnderungen des Koͤrpers zu - ſchreiben, und ich glaube, daß ihm dieſes ſo leicht nicht einfallen werde. Jch ſehe nicht ab, warum man ſolchergeſtalt einen Stahlianer ſeiner Meinung wegen tadeln wolte. Er be - hauptet, die Bewegung des Hertzens werde von der Sele gewuͤrckt, weil nichts wahrſchein - licher iſt als dieſes, da die Bewegung deſſel - ben ſo gleich aufhoͤret, ſo bald der Koͤrper todt iſt, und da ſie allemal von ſtatten gehet, wenn wir eine Sele haben. Es koͤnte zwar wol ſeyn, daß das Hertz nur durch ſeine Strucktur in ſeiner Bewegung erhalten wuͤrde: allein es koͤnte vielleicht auch wol nicht ſeyn. Jch ha - be mir ſagen laſſen, daß der Hertzſchlag nicht lange ſolte dauren koͤnnen, wo das Hertz ſelbſt nicht empfindlich waͤre. Jſt aber die Empfind - lichkeit des Hertzens die Urſach ſeiner Bewe - gung; ſo iſt es auch die Sele; denn ich glau - be, dieſes wird wol einerley ſagen. Jch werde mich wenigſtens nicht uͤberreden koͤnnen, der Sele die Herrſchaft uͤber ihren Koͤrper zu ent - wenden. Sie ſcheinet eine ſo genaue Ver -wand -129wandſchaft mit demſelben zu haben, daß man ſich ſchlechterdings auch die Sele gedencken muͤſſe, wenn man ſich einem recht wuͤrdigen Begrif von unſern Koͤrper machen will. Das Band wodurch ſie beyde verbunden ſind, iſt unzertrennlich, und ſo bald der eine Theil da - hin geriſſen wird, muß der andre ebenfalls ver - derben. Es kan ſeyn, daß ich mich in meinen Gedancken betriege. Allein ſo wenig ich die - ſes vermuthe, ſo wenig wuͤrde ich mich daruͤber graͤmen. Ein ſolcher Betrug iſt viel zu reitzend und angenehm, als daß man ihn mit einen andern vertauſchen ſolte, welcher nicht ſo viel annehmliches bey ſich fuͤhret. Denn ich glau - be, man mag auſſer dieſer eine Meinung erwaͤh - len, welche man will, ſo wird man entweder der Sele alles beymeſſen und dem Koͤrper gar nichts, oder man wird es umgekehrt anfangen. Jſt es nicht am beſten beyde in der allergenaue - ſten Uebereinſtimmung zu betrachten?

§. 52.

Die Meinung derer Stahlianer iſt der Mei - nung derer Harmoniſten entgegen geſetzt; Folg - lich ſind ihr auch dieienigen Mechaniſten ent - gegen, welche Harmoniſten ſind. Jndeſſen kan ich mich nicht uͤberreden, daß alle Mecha - niſten auch ſolten Harmoniſten ſeyn. Jm Gegentheil glaube ich, daß die Anzahl dieſer gar gering ſey. Es nennen ſich auch dieieni - gen Mechaniſten, welche behaupten, daß die Nerven die Mittel der Vereinigung der Seleund130und des Koͤrpers abgaͤben. Dieſe leiten z. E. den Schlag des Hertzens, die Bewegung des Magens und der Gedaͤrme von der Strucktur dieſer Theile her, allein ſie behaupten, daß ſie ohne eine Empfindlichkeit zu haben, dieſe ihre Bewegung nicht fortſetzen koͤnten. Wo ich mich nicht irre, ſo iſt ein ieder Stahlianer ein ſolcher Mechaniſt. Er behauptet die Bewe - gung des Hertzens, des Magens und der Ge - daͤrme ſeyen erſtlich Wuͤrckungen der Sele. Hierin iſt er mit dieſer Gattung der Mechani - ſten einer Meinung, denn dieſe ſagen auch, daß die Empfindlichkeit dieſer Theile nothwendig dabey ſeyn muͤſſe. Nachher behauptet auch ein Stahlianer, daß die kuͤnſtliche Strucktur dieſer Theile der Sele ihr Geſchaͤfte erleichtere: Das heiſt, auch dieſe enthalten einen Grund dieſer Veraͤnderung in ſich; und dieſes iſt gerade auch dasienige, was ein Mechaniſt dieſer Art behauptet. Wer es weiß, wie die Lehren derer Stahlianer vorgetragen werden, der wird fin - den, daß ſie z. E. bey einer Geſchwulſt, den damit verbundenen Schmertz der Sele zuſchrei - ben, indem ſie ſagen, daß die Sele um einen gewiſſen ſchadhaften Zufall an dieſem Theile, als etwan einer Stockung des Gebluͤts abzu - helfen und das ſtockende Blut zu zertheilen, ei - nen Zufluß an denſelben Ort wende, welcher macht, daß die Nerven ſehr ausgedehnt wer - den, woher denn der Schmertz entſtuͤnde. Sie ſchreiben alſo der Sele zwar den Grund desSchmer -131Schmertzens zu; allein ſie erklaͤren auch den Schmertz zugleich auf eine mechaniſche Art, in - dem ſie ihn von der Ausſpannung derer Ner - ven herleiten. Ein Mechanicus erklaͤrt dieſen Zufall folgendergeſtalt: Wenn an einem ge - wiſſen Theile des Koͤrpers einiges Gebluͤt in eine Stockung geraͤth; ſo erhaͤlt davon die Se - le eine Empfindung. Auf eine iede Empfin - dung erfolgt im Koͤrper eine Bewegung. Alſo muß ſich das Gebluͤt, nach dieſen Orte hin be - wegen, und es entſteht eine Entzuͤndung. Heiſt das nicht eben ſo viel, als, die Sele iſt die Ur - ſach der Entzuͤndung, alſo auch die Urſach des Schmertzens? Denn ſie leiten, den darauf er - folgenden Schmertz ebenfalls aus der Expan - ſion der Nerven her, und ſolchergeſtalt erklaͤren ſie ihn auch mechaniſch, wie die Stahlianer. Man ſiehet alſo wol, daß ein ſolcher Mecha - niſt, von dem ich ietzo rede, eben das behaupte, was ein Stahlianer behauptet, und dieſer Satz laͤſt ſich auch umkehren. Jederman iſt be - kandt, daß dieſe Mechaniſten behaupten, die Fortdauer der Bewegung des Hertzens ruͤhre von ſeiner Empfindlichkeit her. Nun giebt man mir aus der Erfahrung zu, daß wir uns dieſer Empfindung am Hertzen nicht bewuſt ſind. Leitet man alſo nicht die Bewegung des Hertzens von derienigen Kraft der Sele her, nach wel - cher ſie ſich von einer Sache Vorſtellungen machen kan, ohne ſich derſelben bewuſt zu ſeyn? Dieſes iſt es aber eben, was die Stahlianerbehau -132behaupten, indem ſie ſagen, daß die Sele das Hertz bewege, allein dieſes geſchehe nur durch den Intellectum Purum, welches eben dieieni - ge Kraft der Sele iſt, die ich ietzo beſchrieben. Man ſiehet demnach mehr als zu wol ein, daß ein Stahlianer kein Feind der Mechaniſten und daß dieſe auch keine Feinde der Stahlianer ſeyn koͤnnen. Hiervon ſind aber freylich die - ienigen Mechaniſten ausgenommen, welche glauben, das Hertz ſey ein Druckwerck, und habe vor ienen nicht das mindeſte zum Voraus. Allein ich glaube, dieſes werden auch wol nur die kleinen Mechaniſten ſeyn, welche ſich gegen die andern etwan verhalten werden, wie die kleinen Geiſter gegen die groſſen.

§. 53.

Jch kan meinen geehrteſten Leſern nunmehro einen kurtzen Abriß von dem machen, was ich in ge - genwaͤrtiger Schrift vorgetragen. Sie werden hieraus zu gleicher Zeit erkennen, warum ich dieſe Blaͤtter geſchrieben, ob ſie etwas neues enthalten, und wie die Gedancken darin zuſammenhaͤngen. Jch habe in denen erſtern §§. die verſchie - denen Meinungen theils von unſrer Sele ſelbſt, theils von der Uebereinſtim̃ung ihrer Veraͤnderungen mit denen Veraͤnderun - gen des Koͤrpers angefuͤhret. Die Egoi - ſten, Jdealiſten und Materialiſten han - deln allein von dem Weſen der Sele; al - lein die Occaſionaliſten, Harmoniſten und Jnfluxioniſten bemuͤhen ſich ihreUeber -133Uebereinſtimmung mit dem Koͤrper zu zeigen. Die Occaſionaliſten geben die entfernteren Urſachen davon vor die naͤ - hern aus §. 6. und deshalb iſt ihre Mei - nung irrig. Die Harmoniſten wieder - ſprechen mit ihrer Meinung theils ſich ſelbſt §. 16. theils der Weisheit GOttes §. cit. theils aber auch derienigen Wahr - heit, daß die Sele die Urſach verſchiede - ner Bewegungen ihres Koͤrpers, und die - ſer eine Urſach gewiſſer Vorſtellungen in der Sele ſey. Dieſer Satz iſt nicht vor die lange Weile als wahr angenommen worden; ſondern ich habe ihn durch fol - genden Schluß erwieſen: Wenn A iſt und B iſt auch; wenn A nicht iſt und B iſt auch nicht; und dieſes iſt allemal; ſo iſt wahrſcheinlich, daß eins die Urſach von dem andern ſey §. 20. Ferner, wenn alles bleibt wie vorher, und man kan noch aus dem Weſen einer oder beyder Dinge die Moͤglichkeit in ſich eine ge - wiſſe Veraͤnderung zu wuͤrcken, wahrneh - men; oder, im Fall dieſes nicht anginge, wenn alles wie vorhin bleibt, und es iſt kein C, kein drittes Ding, da, welches eben ſo genau mit A und B verbunden waͤre, als A und B ſelbſt untereinander verbunden ſind; ſo kan man ſo gewiß wiſſen, daß zwiſchen A und B Urſach und Wuͤrckung ſtatt habe; ſo gewiß manweiß,134weiß, daß die Sonne die Urſach des Lich - tes ſey. Dieſes war der Oberſatz und derſelbe iſt im 21. 23 §§. ausgefuͤhret wor - den. Der Unterſatz war folgender: bey gewiſſen Veraͤnderungen der Sele iſt al - lemal eine gewiſſe Veraͤnderung des Koͤr - pers zugegen, und dieſe iſt allemal abwe - ſend, wenn iene nicht da iſt. Ferner, iſt kein drittes Ding ſo genau mit dieſen Veraͤnderungen verbunden, als ſie ſelbſt ſind: Dieſes alles iſt durch viele Erfah - rungen in den 27-42 §§. beſtaͤtiget wor - den: Alſo folgte: daß die Sele gewiß eine Urſach verſchiedener Veraͤnderungen ihres Koͤrpers, und dieſer gewiß eine Ur - ſach anderer in der Sele ſey §. 42. Die Jnfluxioniſten ſind nach der von denen Harmoniſten gegebenen Erklaͤrung des phyſicaliſchen Einfluſſes, ebenfalls von einer falſchen Meinung nicht befreyet §. 13. 14. Allein ich habe nachher erwie - ſen §. 45. 46. ſeqq. daß kein vernuͤnftiger Jnfluxioniſt, den phyſicaliſchen Einfluß, nach dieſer Erklaͤrung behaupte. Jm Gegentheil habe ich dieienige Erklaͤrung angegeben, welche ſie davon annehmen, §, 47. und habe auch erwieſen, daß dieſe Meinung eben die Harmoniſten behau - pten muͤſſen, wenn ſie nicht behaupten wollen; es ſey einerley: Empfinden und nicht empfinden §. 44. Nachdem alſogezeigt135gezeigt worden war, daß wenn ein Jn - fluxioniſt behauptete, es faͤnde zwiſchen denen Veraͤnderungen des Koͤrpers und der Sele Urſach und Wuͤrckung ſtatt; er annehme, daß dieſes theils durch einen idealiſchen, theils aber auch durch einen phyſicaliſchen Einfluß geſchehe; ſo blieb hierbey nichts mehr zu unterſuchen uͤbrig, als: ob die Sele alle Veraͤnderungen ih - res Koͤrpers wuͤrcke, oder nur einige. Das erſte iſt die Meinung derer Stahlia - ner. Jch habe ihre Parthey ergriffen, und habe ihre Meinung vor denienigen Beſchuldigungen bewahret, welche man dagegen ausgedacht hat, um ſie laͤcherlich und Vernuͤnftigen verhaßt zu machen §. 49. 50. Jch habe den Jrrthum gezeiget, auf welchen dieſe Beurtheilungen beru - hen, nemlich daß man ſich uͤberrede, ein Stahlianer wolle die Art und Weiſe wiſ - ſen, wie die Sele alle Veraͤnderungen ihres Koͤrpers wuͤrcke §. 50. die Unrich - tigkeit dieſes Vorurtheils habe ich im cit. §. gezeiget, und alsdenn habe ich in denen folgenden §§. gewieſen, daß die Stahlia - niſche Lehre nicht umſonſt angenommen werde. Endlich habe ich gezeiget, daß einige Mechaniſten mit denen Stahlia - nern faſt einerley Meinung haͤtten, ohn - erachtet ſie es ſelbſt vielleicht nicht ver - mutheten §. 51. Wenn ich dieſes letzte be -Ldencke,136dencke, ſo ſolte ich faſt glauben, daß viele Streitigkeiten dieſer beyden Partheyen ohne Schimpffen und Blutvergieſſen beygeleget werden koͤnten, wenn ſie nur Luſt haͤtten, ein - ander etwas nachzugeben. Die Saltze, wel - che die Nerven beiſſen, die ſcharffen und ſtumpf - fen Saͤfte und die hundert tauſend Selen in einem menſchlichen Koͤrper, nebſt andern luſti - gen Erfindungen ſind heut zu Tage unter de - nen Artzeneygelehrten gantz aus der Mode ge - kommen. Die allermeiſten derer heutigen Mechaniſten erklaͤren die Veraͤnderung des Koͤrpers entweder nach den Geſetzen der Bewe - gung oder aus der Empfindlichkeit der Ner - ven. Denen erſtern habe ich den Beweiß eigentlich entgegen geſetzt, daß die Sele in ih - ren Koͤrper wuͤrcke. Die andern nehmen die - ſes ſchon an, indem ſie glauben, daß durch Empfindungen Bewegungen hervorgebracht werden. Dieſe unterſcheiden ſich demnach nur von denen Stahlianern darinnen, daß ſie ſich nicht getrauen zu behaupten, es kaͤmen alle Bewegungen von der Sele her, und hierinne habe ich mich mit ihnen verglichen. Wem es ſcheinen ſolte, als gaͤbe ich mir bey Verglei - chung dieſer beyden Meinungen etwas zu viel nach, oder ich gaͤbe denen Mechaniſten mehr ſchuld, als ſie behaupteten; Der kan ſich an folgendem Zeugniſſe eines mechaniſchen Artztes ſelbſt eines beſſern uͤberfuͤhren. Der beruͤhmte Herr Hofrath Haller ſaget in des groſſenBur -137Burhavens Praelect. Acad. pag. 84. num. 3. Tom. I. alſo: Stahlivs, qui mentem principium motus, et pulſus, et iudicatio - num & febrium facit, cogitur utique de hoc vinculo (animæ nimirum & corporis) aliquid explicare. Sed ea omnis explica - tio, non videtur in medicina mutare, aut addere, quidquam. (Dieſes moͤgen dieie - nigen beurtheilen, welche die Schriften derer Herren Stahlianer und Mechaniſten mit ein - ander vergleichen. Von einem Falle aber laͤſt es ſich nicht auf alle ſchlieſſen.) Sunt in plethorico corpore hæmorrhoides: bene eſt, liberatur ea via corpus a ſanguine ſtagnante, fœculento. Omnes conſen - tiunt. Nihil ergo practice differunt. Sed neque theoria diverſa eſt. Sanguinem in vaſis hæmorrhoidalibus ſtagnantem, mi - nus expedite refluentem per hepar, hinc viam quærentem per vaſa in Inteſtino re - cto, tenera omnino membrana tecta etc. admittimus omnes. Quid attinet, cum nos ſanguinem pondere, irritatione, ſta - gnatione, duritie fœcum, viam invenire dicamus, quid inquam attinet, aut auget Medici ſcientiam, ſi addiderit Stahlivs, hæc omnia eadem, ſed praeterea imperio animæ fieri. Man ſiehet hieraus doch zum wenigſten ſo viel, daß die Mechaniſten und Stahlianer ſo weit nicht von einander ſtehen, daß ſie in gar keine Vereinigung unter ſichL 2willi -138willigen koͤnten. Und daher habe ich mich be - muͤhet, ſelbige hier zu verſuchen. Unter denen - ienigen, welche zu ietziger Zeit mit mir die Hoͤr - ſaͤle der Artzneyverſtaͤndigen beſuchen, habe ich bemerckt, daß einige, welche ſich bemuͤhen, Mechaniſten zu werden, ſehr laͤcherlich ausſe - hen, wenn ſie in die Hoͤrſaͤle derer Stahlianer kommen. Dieſe muͤſſen ohnfehlbar noch nicht ſo viel Zeit gehabt haben, zu uͤberlegen, daß wo ſie nicht behaupten wollen, die Sonne ſey nicht die Urſache des Lichts, ſie nichts anders glauben koͤnnen, als was die Stahlianer glau - ben. Denn ihre Lehrſaͤtze ſind ſo beſchaffen, daß ſie mir zugeben muͤſſen, es koͤnten alle dieſe Bewegungen, welche wir ietzo vorneh - men, nicht vor ſich gehen, wenn wir keine Sele haͤtten. Eben dieſes ſagen auch die Stahlianer. Denn daß ſie die Strucktur des Koͤrpers nicht hintan ſetzen, wenn ſie von de - nen Veraͤnderungen des Koͤrpers urtheilen, ſolches muß iederman wiſſen, wer dasienige verſtehet, was ſie behaupten. Sie ſagen zum Exempel, daß die Verdauung der Speiſe, der Selen zuzuſchreiben ſey, und die Moͤglichkeit darzu nehmen ſie von der kuͤnſtlichen Struck - tur des Magens her, ob ſie gleich behaupten, daß die Verdauung nicht von ſtatten gehen wuͤrde, wofern nicht die Sele das ihrige darzu beytruͤge: Denn ſonſt muͤſte ein todter Koͤrper ebenfalls verdauen, indem der Magen ſelten beſchaͤdiget iſt, wenn man dergleichen eroͤfnet. Eben139Eben ſo iſt es auch in denen uͤbrigen Faͤllen, und daher kommt es mir vor, als wenn dieie - nigen, denen der Vortrag vernuͤnftiger und erfahrner Maͤnner ſo laͤcherlich vorkommt, aus keiner andern Urſache zum Lachen bewogen wuͤrden, als weil ſie ſelber nicht wiſſen, was ſie eigentlich behaupten. Man ſiehet demnach hieraus, daß die Lehre der Stahlianer nicht alſo beſchaffen ſey, daß ſie mit der Vernunft ſtreite. Denn wenn wir einige der gegenſeiti - gen Meinungen betrachten; ſo kommen ſie oͤf - ters ſo ſeltſam heraus, daß niemand als ein Stahlianer mehr Urſach haͤtte, mit ienem ſinn - reichen Dichter folgendermaſſen zu ſeufzen:

O toller Lauf der Welt! O Joch der Eitelkeit!
Du druͤckſt zu hart. Spann aus, mein GOtt! Denn es iſt Zeit:
Denn ſonſten muß auch ich mich endlich noch bequemen,
Um nicht ein Thor zu ſeyn, mich der Vernunft zu ſchaͤmen.
B.

Wenn es mit der Meinung derer Stahlianer ſo erbaͤrmlich beſchaffen waͤre, als man gemei - niglich glaubet, und wie man ſie denen Jn - fluxioniſten uͤberhaupt beyleget; ſo koͤnte ich es in der That ohne ungewiſſenhaft zu handeln, nicht uͤbernehmen, eine ſo wunderbare Mei - nung zu vertheidigen. Daher wird niemandL 3glau -140glauben, daß dieſe Schrift eine Streitſchrift ſeyn ſolte, und daß ich mich darinne bemuͤhet haͤtte, die gruͤndliche Wiederlegung der Jn - fluxioniſten, des beruͤhmten Herrn Mag. Meiers zu wiederlegen. Nein! Wenn ich ſaͤhe, daß meine Meinung von einen ſo ſcharf - ſinnigen Weltweiſen ſchon wiederlegt waͤre, ſo muͤſte ich noch weniger Einſicht in die Wahr - heit beſitzen, als ich mir etwa zutrauen darf, wenn ich ſie dennoch annehmen, glauben und vertheidigen ſolte. Meine Hochachtung vor die Weltweisheit, und gegen die Befoͤrderer derſelben, iſt ſo groß, daß ich recht betruͤbt werde, wenn ich bedencke, daß unter ihnen ſo wenig Stahlianer anzutreffen ſind; und wenn ich mich nicht damit troͤſtete, daß die Meinun - gen derer Philoſophen von der Sele nur ge - lehrte Moden waͤren, die etwa nach einen Jahrhunderte wieder abkaͤmen, ſo waͤre ich noch weniger zu troͤſten, indem ich nimmermehr vermuthen koͤnte, daß Weltweiſe und Stah - lianer iemals einigermaſſen einerley bedeuten wuͤrden. Jch wuͤnſche ſehr, daß ich dieſe Veraͤnderung noch erleben moͤchte, und wenn man mich vertraut machen koͤnte, ſo wolte ich wol ſagen, daß dieſes eine von denen Abſich - ten geweſen waͤre, warum ich gegenwaͤrtige Blaͤtter geſchrieben habe. Die Artzneygelahr - heit kan ſich biß dato noch nicht recht mit der Weltweißheit vertragen, und ich halte doch davor, daß nichts angenehmer ſey, als in ſeinenBetrach -141Betrachtungen dieſe beyden Dinge mit einan - der zu verbinden. Ein Weltweiſer hat nir - gends beſſere Gelegenheit, ſeine Kunſt anzu - bringen, als wenn er den menſchlichen Koͤrper betrachtet. Er findet alsdenn Grund, die Schoͤnheit der Schoͤpfung immer mehr und mehr zu bewundern, indem er den ſchoͤnen Menſchenbau mit philoſophiſchen Augen be - trachtet; er lernet aus ſeiner Strucktur dasie - nige erkennen, was er wuͤrcken koͤnne, und was der Sele zu thun uͤbrig bleibe, ia er be - kommt alsdenn Gelegenheit, auch an ſolchen Dingen Schoͤnheit zu finden, und Witz anzu - wenden, die den Poͤbel abſcheulich zu ſeyn ſchei - nen. Er ſiehet den Tod als eine Nothwen - digkeit vor ſich, indem er weiß, wie ſchlecht es um die Erhaltung des Koͤrpers ſtehe. Da - her wird er gewohnt, den Tod mit freudigen Hertzen zu begruͤſſen, und die Ueberbleibſel ver - blichener Koͤrper bringen ihn ſtatt des Weinens und Graͤmens dahin, mit getroſten Muthe auszuruffen:

Du o beliebter Ort, mein letzter Auffenthalt!
Durch dich wird meine Bruſt von Sorgen gantz befreyet
Mein Auge ſieht vergnuͤgt den dicken Knochen - wald,
Den ſo manch feiges Hertz mit banger Furcht noch ſcheuet,
L 4Du142
Du Ausgang aller Noth (ich ſage nicht zu viel)
Dein enger Raum enthaͤlt von aller Quaal das Ziel.
C.

Jederman wird mir zugeſtehen, daß niemand als ein Weltweiſer, der zugleich die Schoͤnheit des menſchlichen Koͤrpers, und die Nothwen - digkeit ſeines Untergangs aus der Artzneyge - lahrheit begriffen hat, dergleichen geſetzte Ge - dancken bey Erblickung eines Kirchhofes haben kan. Aber dieſes iſt noch nicht alles. Denn wenn ich ſagen ſoll was meine Meinung ei - gentlich iſt, ſo muß ich geſtehen, daß ich die Stahlianiſche Lehre vornemlich aus dem Grun - de liebe, weil ſie vor allen andern dieſes zum Voraus zu haben ſcheinet, daß ſie auf eine gantz natuͤrliche Weiſe, nicht allein eine philo - ſophiſche Großmuth, ſondern auch die Reli - gion ſelbſt auf das genaueſte mit der Artzeney - wiſſenſchaft verbindet.

§. 54.

Jch hatte bey vorhergehenden Abſatze dieſe Schrift ſchon geſchloſſen, als mir einfiel, der Vergleich welchen ich mit denen Mechaniſten und Stahlianern geſtiftet, moͤchte auch wol nichts ſeyn. Jch kam in dieſe Verwirrung, weil ich mich beſann, daß die Mechaniſten nicht in der Sache einzig und allein von denen Stahlianern abgingen, worinn ich ſie mit ein - ander verglichen; ſondern daß auch iene laͤug - neten, die Sele baue ihren Koͤrper, welchesdieſe143dieſe zugeben. Sollen denn aber deshalben alle meine gemachten Anſtalten wieder dahin fahren? Man kan es ia beweiſen, daß die Se - le ihren Koͤrper baue. Freylich iſt dieſe Sa - che nicht ſo leicht, daß man ſie mit einem paar Schluͤſſen abfertigen koͤnte. Es iſt bey dieſem Beweiſe groſſe Behutſamkeit noͤthig, damit man nicht vom ſeyn koͤnnen, auf das Seyn ſelbſt einen Sprung thue. Jch gebe daher zu, daß dieienigen Beweiſe nichts beweiſen, wo man ſchließt: weil die menſchliche Sele ihren Koͤr - per bauen kan, weil es moͤglich iſt, daß ſie ihn baue; ſiehe ſo hat ſie eine Kraft darzu. Bey weitem nicht. Wenn ſie eine Kraft hat ihren Koͤrper zu bauen; ſo bauet ſie ihn auch wuͤrck - lich: denn eine Kraft kan durch nichts verhin - dert werden ihre Wuͤrckungen hervorzubringen, ohne daß ſie nicht auch zugleich ſelbſt vertrie - ben wuͤrde. Die Moͤglichkeit Veraͤnderun - gen hervorzubringen iſt das Vermoͤgen. Wenn man demnach erwieſen hat, die Sele habe die Moͤglichkeit ihren Koͤrper zu bauen, ſo muß man ſich dem Gelaͤchter derer Philoſophen nicht ſo ſehr ausſetzen, daß man ihr nun ſo gleich ſtatt des Vermoͤgens eine Kraft darzu zuſchrie - be. Jſt es nicht eben ſo, als wenn ich ſagen wolte: ein Menſch der unter das Waſſer ge - fallen iſt, hat noch die Moͤglichkeit Othem zu holen. Alſo beſitzt er eine Kraft; das iſt er hat noch an ſich den zureichenden Grund das Athem - holen zur Wuͤrcklichkeit zu bringen. WeilL 5nun144nun die Wuͤrckung allemal erfolget, wenn der zureichende Grund vorhanden iſt, ſo ſchoͤpfet der, ſo im Waſſer lieget, allemal Luft. Jch ſage dieſes alles bloß deswegen, damit man nicht glaube, es ſey ſo bald gethan einen phi - loſophiſchen Beweis davon zu geben, daß die Sele ihren Koͤrper baue. Jch muͤſte eine noch einmal ſo lange Schrift hier anhaͤngen, als die gegenwaͤrtige iſt, wenn ich dieſen Satz gehoͤrig erweiſen ſolte. Allein ich halte mich davon uͤberredet, daß die Einwuͤrfe, welche man wieder den Satz ſelbſt gemacht hat noch gar wol zu heben ſeyn koͤnten. Man wendet ein, daß es ſchwer zu begreifen waͤre, wie die Sele in Mutterleibe ſo klug ſeyn koͤnne, daß ſie das vollkommenſte Meiſterſtuͤck in der Na - tur erbauete, und ſo bald ſie dieſe ihre erſte Wohnung verlaſſen, waͤre ſie wieder ſo einfaͤl - tig, wie alle Kinder ſind. Allein wenn die gantze Schwierigkeit auf dem Nicht zu begrei - fenden beruhet; ſo iſt nichts leichter, als der - ſelben abzuhelfen. Wer begreift es doch, daß ein unwiſſender Knabe, der noch niemals mit andern Zungen reden gekonnt, wenn er in ein hitziges Fieber verfaͤllt, fremde Sprachen re - det, Verſe macht und Handlungen vornimmt, die er bey geſunden Verſtande an ſich vor un - moͤglich halten wuͤrde. Die Sele ſolcher Pa - tienten wird wieder ſo tumm als ſie vorher war, wenn die Kranckheit uͤberſtanden. Waͤ - re es nun philoſophiſch von mir gehandelt,wenn145wenn ich ſagte: weil es nicht zu begreifen iſt, wie in hitzigen Fiebern, wenn die Sele noch darzu raſet, ein Menſch ſo gelehrt ſeyn, und bey Wiederherſtellung der Geſundheit auf ein - mal wieder in ſeine vorige Einfalt verfallen koͤnte; ſo iſt dieſes uͤberhaupt eine unmoͤgliche Sache. Man macht noch einen andern Ein - wurf, wieder obigen Satz, der aber eben die vorige Staͤrcke hat. Die Leute ſolten nem - lich nicht noͤthig haben erſt die Anatonie zu lernen, wenn ihre Selen ihre Koͤrper gebauet haͤtten. Die Sele muͤſte viel beſſer die Struk - tur des Koͤrpers verſtehen, als es ihr ein Ana - tomicus lehren koͤnte, weil ſie ſich einem Uhr - macher vergliche, der die Struktur ſeiner eige - nen Uhren am allerbeſten wiſſen muͤſte, weil er ſie mit eigner Hand gebauet und ſo kuͤnſt - lich zuſammengeſetzt haͤtte. Allein man be - dencke nur folgendes. Vorerſt behaupten die Stahlianer nicht, daß ſich die Sele bey Er - bauung ihres Koͤrpers ihrer bewuſt ſey, ſondern ſie verrichtet dieſen Bau, vermoͤge des Intel - lectus Puri. Sie behaͤlt die gantze Bauart des Koͤrpers in dieſem Intellectu, und daher kan ſie auch ihrem Koͤrper auf ſo vielfaͤltige Art beyſpringen. Allein dem ohnerachtet muß ſie die Struktur des Koͤrpers vom neuen ler - nen, wenn ſie ſich derſelben bewuſt ſeyn will. Wie geht es denen Mondſuͤchtigen? Sie klet - tern indem ſie ſchlafen an die gefaͤhrlichſten Oerter und lernen auf denen Daͤchern gehenund146und auf denen Dachrinnen reiten. Jſt es nicht wahr? wenn dieſe Perſonen beym Wa - chen dergleichen thun ſolten, ſo muͤſten ſie erſt die Regeln lernen, nach welchen man auf ei - ner ſchiefliegenden Flaͤche hingehen, und auf einer Dachrinne hin und her ruͤcken kan, oh - ne ſchwindlicht zu werden. Ja was bemer - cken wir nicht, an uns ſelber! Wenn wir von einem Orte zum andern gehen; ſo beobachten wir auf das allergenauſte die Regeln, welche zum Gehen erfordert werden. Wir richten ei - nen ieden Schritt ſo ein, daß wir unſern Koͤr - per ein wenig vorwaͤrts biegen, damit das Cen - trum gravitatis auſſerhalb der Linie faͤllt, wel - che auf den Boden zwiſchen denen Fuͤſſen von einem zum andern gezogen werden kan. Wir fangen an zu fallen. Darum ſchlagen wir den einen Fuß vor, welches allemal auf die Art geſchiehet, daß unſer Mittelpunkt der Schwere in die Linie faͤllt, die zwiſchen denen Fuͤſſen gezogen werden kan. Fraget doch den erſten Bauer, der euch begegnet, nach welchen Regeln er dahin walle? Jch bin gut davor er wird ſich des Lachens nicht enthalten koͤn - nen: denn er glaubt es gehoͤre gar nichts wei - ter zum Gehen, als daß man gehe. Wenn man die Regeln lernen will, wenn man ſich ihrer will bewuſt ſeyn; ſo muß man die Na - turlehre um Rath fragen. Wer wolte aber nun deshalb ſagen, ein Bauer koͤnne nicht ge - hen, weil ſeine Sele nicht wiſſe, wie er gehenmuß.147muß. Sie weiß es allerdings, aber ihre Be - griffe davon ſind nicht deutlich. So iſt es nun auch mit dem Schluſſe bey der Sele. Sie bauet ihren Koͤrper, ohnerachtet wir nicht ſa - gen koͤnnen, daß wir damals uns unſrer be - wuſt geweſen waͤren. Wolte man aber dar - um ſagen, es koͤnte nicht geweſen ſeyn, weil die Menſchen die Anatomie lernen muͤſten; ſo geſtehe ich gern, daß das Gelaͤchter des vori - gen Bauers die witzigſte Antwort ſey, welche man einem ſolchen Menſchen geben koͤnte. Aber wozu dienet nun dieſes alles? Zweifel heben heiſt ia noch lange nicht eine Meinung erweiſen; ſondern nur, dieſelbe wahrſcheinlich machen. Recht ſo! Habe ich nicht ſchon oben geſagt, daß ich in dieſen engen Raume, der noch uͤbrig iſt, ohnmoͤglich einen foͤrmlichen Beweis, dieſes Satzes geben koͤnte. Alles demnach was ich gethan habe, iſt dasienige, was ich habe thun wollen. Jch habe aber weiter nichts gewolt, als zeigen, daß die Mei - nung derer Stahlianer, von der Erbauung des Koͤrpers, als einer Arbeit der Sele, durch - aus nicht vor unmoͤglich ausgegeben werden koͤnne. Man muͤſte denn wieder auf die Se - le fallen, und aus ihrem Weſen zu erweiſen ſuchen, daß ſie unmoͤglich in ihren Koͤrper wuͤrcken koͤnne. Allein hierwieder antwortet gegenwaͤrtige gantze Schrift. Jch will zu - frieden ſeyn, wenn man mir aus der Erklaͤ - rung die ich oben von der Sele gegeben, §. 1. er -148erweiſet, daß die Sache unmoͤglich ſey. Wenn man aber ſagt: die Sele iſt eine Monade die durch ihre eigene Kraft alle Vorſtellungen wuͤr - cket; ſo wird man bey mir nichts ausrichten, da ich dieſe Erklaͤrung nicht annehme. Jch halte davor, daß wir uns der wenigſten Din - ge wuͤrden bewuſt ſeyn, wenn wir keine Em - pfindungen haͤtten. Denn daß die Gedan - cken der Sele innere Beſtimmungen derſelben ſeyn ſolten, kan nur denenienigen einfallen, welche an ſich erfahren, daß ehe ſie einen Ge - dancken haben, ſie allemal erſt dencken muͤſſen: du kanſt dencken: alſo wilſt du an das oder ienes gedencken. Eine Erfahrung die ich allen Leuten mißgoͤnne, weil ich allein ſo ungluͤcklich zu ſeyn ſcheine, ſie an mir nicht wahrzuneh - men!

§. 55.

Eine neue Beſtaͤtigung der ſtahlianiſchen Lehre, welches eine Erfahrung iſt, an welcher ich in dem Collegio Clinico des beruͤhmten Heren Profeſſors Juncker, ſelbſt Theil zu nehmen, das Gluͤck gehabt, verlaͤngert dieſe Schrift noch um einen einzigen Abſatz. Eine Frauensperſon beklagte ſich, daß ſie allemal gegen die Zeit, da die Uhr die Stunden ſchlug, empfindliches Reiſſen im Kopfe und beſonders uͤber dem einen Auge haͤtte. Es war eben um die Zeit, daß es Dreyviertel auf neun Uhr ge - ſchlagen hatte, da ſie den Paroxismum bekam. Dreyviertelſtunden war ſie allemal frey, undeine149eine Viertelſtunde ergrief ſie der Anfall. Sol - ches Uebel hatte ſchon 5 Jahre gedauret, und man fand daß ſie ſeit ſechs Jahren, das ihr ſonſt gewoͤhnliche Schroͤpfen unterlaſſen. Wenn es nun mit dem Kopfſchmertzen me - chaniſch zuginge, ſo moͤchte ich gerne wiſſen, was der Stundenſchlag dabey machte. Der - gleichen Obſervationen aber ſind ſo gar unge - woͤhnlich eben nicht. Der oftbelobte Herr Prof. Juncker erzaͤhlet uns in ſeinem Conſp. Medicinæ, theoretico-pract. auf der 67 Sei - te folgendes: Notus eſt vir, qui per plures an - not, die cuiusvis Menſis decimo octavo præciſe bæmorrboides experitur, licet menſes numero dierum impares ſint. Es iſt mir ein Mann bekandt, ſpricht er, der viele Jahre hin - durch allemal dem achtzehenden Tag ei - nes ieden Monats die guͤldene Ader be - kommt, obgleich ein Monat nicht alle - mal ſo viel Tage hat als der andere. Es ſolte mich wundern, ob ſich nicht ein Artzt fin - den ſolte, der dieſe Begebenheiten aus der an - ziehenden Kraft des Monden oder von ſonſt et - was herleiten wuͤrde. Unter ſo vielen thoͤrichten Meinungen, waͤre dieſe gar nichts unerwartetes. Nein. Wenn man bey denen periodiſchen An - faͤllen der Kranckheiten, oder auch bey andern aͤhnlichen Veraͤnderungen unſers Koͤrpers, wo - hin ich das Aderlaſſen und Purgieren, welches im Abnehmen des Mondes am beſten von ſtatten ge - het, rechne, ich ſage, wenn man bey dergleichenAuf -150Aufgaben klug verfahren will, ſo muß man ent - weder noch zur Zeit ſeine Unwiſſenheit bekennen, oder man muß die Sele dabey allein agiren laſſen. Jch wuͤnſche, daß dieienigen beſonders dieſes be - dencken moͤchten, die, indem ſie die Lehre des groſ - ſen Stahls zu vertheidigen ſuchen, durch derglei - chen uͤbereilte Urtheile, welche ſich meiſtentheils auf nichts weiter, als eine Unwiſſenheit in der Weltweisheit gruͤnden, dieſelbe bey allen denen laͤcherlich machen, die ſich darauf legen, die Kraͤfte der Koͤrper richtig zu unterſuchen.

Meiers Ged. v. Zuſt. d. Sele n. d. Tode.

§. 1.

Wir ſind blind genug, die Fehltrit - te unſers Verſtandes nicht zu bemercken; und ein ieder hat ſein eigenes Lehrgebaͤu - de, welches er, wie leicht zu erachten iſt, fuͤr das einzige wahre haͤlt.

Was fuͤr Schwachheit!

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About this transcription

TextGedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper
Author Johann August Unzer
Extent184 images; 34027 tokens; 4587 types; 232373 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationGedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper Johann August Unzer. . 150 S. HemmerdeHalle (Saale)1746.

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SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 PHIL IV, 8596

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Medizin; Wissenschaft; Medizin; core; ready; china

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ShelfmarkSUB Göttingen, 8 PHIL IV, 8596
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