PRIMS Full-text transcription (HTML)
Erſte Gruͤnde einer Phyſiologie
der eigentlichen thieriſchen Natur thieriſcher Koͤrper,
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Leipzig,bey Weidmanns Erben und Reich. 1771.

Dem Herrn Johann Chriſtoph Unzer, der Arzneywiſſenſchaft Doctorn, Hochgraͤflich Stollbergiſch-Wernigerodiſchen Hofrathe und Leibarzte, wie auch Landphyſico der Grafſchaft Wernigerode,ſeinem verehrungswuͤrdigen Bruder wiedmet dieſe Schrift, zum Denkmahle wahrer Hochachtung und der allerzaͤrtlichſten Brudertreue, der Verfaſſer.

Vorrede.

Man ſieht an einem Leichname, daß blos phyſiſche und blos mechaniſche Kraͤfte die Verrichtungen unſers Koͤrpers nachahmen, und ſeine Maſchinen in diejenige Bewegung ſetzen koͤn - nen, wozu ſie ihrer Miſchung und Strucktur nach vermoͤgend ſind. Die fluͤſſigen Theile verbinden und trennen ſich nach den phyſicaliſchen Geſetzen der Schwere, der anziehenden, der zuſammenhaͤn - genden Kraft, und ſetzen ſich nach hydroſtatiſchen Geſetzen ins Gleichgewicht. Wenn ein Zergliede - rer das Syſtem der Blutgefaͤße einſpritzt, ſo zwingt er es durch blos mechaniſche Kraͤfte, ſeine ihm ſonſt natuͤrliche Verrichtung des Umlaufs nach hy - drauliſchen Geſetzen einigermaßen zu wiederholen. Ein Muskel, deſſen Faͤſerchen die Kaͤlte zuſam - menzieht, erhaͤlt das Glied, das er regieret, in derjenigen Stellung, in die er es verſetzt hat, und durch eine blos mechaniſche Wirkung ziehen ſich die Pulsadern in einem Leichname zuſammen, und druͤcken einen in ſie eingeſteckten Finger ꝛc.

Dieſe blos phyſiſchen und mechaniſchen Kraͤf - te der Bewegung ſind es gleichwohl nicht eigent - lich, welche den lebendigen thieriſchen Koͤrper im natuͤrlichen Zuſtande zu bewegen pflegen; ſonderna 3esVorrede. es wirken alsdann in ihm noch andre Kraͤfte in ei - ner beſtimmten Ordnung, nach ganz andern, als den uns bekannten phyſicaliſchen und mechaniſchen Geſetzen, und durch ſie bewerkſtelliget er die na - tuͤrlichen Verrichtungen, wozu ihn ſeine Struck - tur vermoͤgend machet. Ein Reiz, der auf ein todtes Herz, auf einen voͤllig erſtorbenen Muskel, auf die Arterien eines Leichnams keine Wirkung thut, unterhaͤlt im natuͤrlichen Zuſtande den Um - lauf, veraͤndert den Puls der Schlagadern, und beweget die Muskeln und Glieder. Dieſe beſon - dern bewegenden Kraͤfte, die das belebte Thier vor dem Leichname voraus hat, ob ſie gleich mit den blos phyſiſchen und mechaniſchen gemeinſchaft - lich in ihm wirken, heißen die eigentlichen thie - riſchen Kraͤfte, und geben dem belebten Thiere diejenige Natur, welche ich die eigentliche thieri - ſche Natur thieriſcher Koͤrper nenne.

Die gewoͤhnliche Phyſiologie betrachtet die Kraͤfte der thieriſchen Koͤrper im natuͤrlichen Zu - ſtande, ſo wie ſie in ihrer Verbindung miteinan - der wirken, ohne die blos phyſiſchen und mechani - ſchen von den eigentlichen thieriſchen abzuſondern. Dieß ſetzt voraus, daß wir wiſſen, nach welchen Geſetzen jede dieſer beſondern Arten von Kraͤften fuͤr ſich allein wirke? und mit den phyſiſchen und mechaniſchen, deren Geſetze wir kennen, hat es auch wirklich in den meiſten Faͤllen keine Schwie - rigkeit. Faſt unuͤbertrefflich lehren uns die halle - riſchen phyſiologiſchen Schriften den Mechanis - mum aller Theile des thieriſchen Koͤrpers, in ſo fern ihre Verrichtungen nach den Geſetzen der Me - chanick, Hydroſtatick, Hydraulick, Optick,Akuſtick,Vorrede. Akuſtick, ꝛc. aus ihrer Strucktur folgen. Allein wiſſen wir wohl die Geſetze der eigentlichen thieri - ſchen Kraͤfte, nach welchen ſie fuͤr ſich, und von den phyſiſchen und mechaniſchen unabhaͤnglich, die thieriſchen Koͤrper regieren? Wahrhaftig! nein: wenigſtens ſehr unvollkommen.

Die Gedanken und Begierden der Seele ſind thieriſche bewegende Kraͤfte des thieriſchen Koͤr - pers. Wiſſen wir bis itzt wohl die Geſetze, nach welchen dieſe Kraͤfte ſeine Maſchinen regen? oder haben wir uns bisher wohl viel darum bekuͤmmert, ſie bey jeder beſondern Art der Vorſtellungen oder Begierden zu beobachten? Geſtritten haben wir ruͤſtig genug, ob die Seele Materie oder Gehirn, ob der Gedanke ein electriſches Feuer, oder eine Bewegung der Lebensgeiſter ſey, ob die Seele und der Koͤrper durch einen reellen oder idealiſchen Einfluß ineinander wirken, ob die Seele ihren Koͤrper baue, ob ſie ſich im ganzen Koͤrper aus - breite, oder nur im Haupte wohne, ob ein Trieb, eine Leidenſchaft zum Leibe oder zur Seele gehoͤ - re, und ob die Lebensgeiſter elaſtiſch, oder hart, electriſch oder aͤtheriſch ſind? ꝛc. Alle dieſe Un - terſuchungen, welche theils immer unerforſchliche Geheimniſſe bleiben werden, theils gar nicht in un - ſer Fach gehoͤren, und welche insgeſammt unaus - gemacht bleiben koͤnnen, ohne daß dadurch der wahren Nuͤtzlichkeit der theoretiſchen Arzneykunſt einiger Abbruch geſchehen ſollte, haben wir mit un - nuͤtzem Fleiße verfolget, und unſer Moͤglichſtes da - zu beygetragen, ſie immer mehr zu verwirren. Wie viel aber haben wir wohl gethan, um die fuͤr unſre Kunſt allein nuͤtzlichen Aufgaben aufzuloͤſen,a 4nachVorrede. nach welchen Geſetzen die Vorſtellungskraft die Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers bewege, es ge - he nun uͤbrigens damit zu, wie es wolle? unter welchen Bedingungen der Nerve Empfindung in die Seele bringt? unter welchen die Empfindung zur thieriſchen bewegenden Kraft wird, um dieß oder ein andres Glied ſo und nicht anders zu re - gen? nach welchen Geſetzen die Einbildungen, die Vorherſehungen, die Vorſtellungen des Verſtan - des, die Luſt, die Unluſt, die Triebe, die Leiden - ſchaften und der Wille verſchiedene Theile des thie - riſchen Koͤrpers zu den Verrichtungen zwingen, welche die Abſichten des Schoͤpfers bey der Verei - nigung der Maſchine mit einer denkenden Kraft waren? Man vergleiche die Lehren des erſten Theils der gegenwaͤrtigen Schrift, welche doch nur ein unvollkommener Abriß der erſten Gruͤnde ei - ner Wiſſenſchaft von den Geſetzen des Einfluſſes der Vorſtellungskraft in den thieriſchen Koͤrper iſt, mit dem, was unſre Phyſiologen bisher von die - ſem Plane ausgearbeitet haben, ſo wird man geſte - hen muͤſſen, daß dieſe ganze Wiſſenſchaft bisher ein noch ziemlich wuͤſtes Feld geweſen ſey.

Von den uͤbrigen thieriſchen bewegenden Kraͤf - ten, außer den Vorſtellungen der Seele, hat man bis auf die Zeiten des Herrn v. Hallers, der uns doch wenigſtens die Exiſtenz derſelben gewieſen, kaum einen Begriff gehabt, und noch dazu iſt das, was uns dieſer große Mann von der Reizbarkeit der Muskeln gelehret hat, nur ein Theil der thieri - ſchen bewegenden Kraͤfte, die nicht von der Vor - ſtellungskraft abhaͤngen, wovon der ganze zweyte Theil der gegenwaͤrtigen Schrift einen jeden hin -laͤnglichVorrede. laͤnglich uͤberzeugen wird. Die Geſetze, nach wel - chen dieſe Kraͤfte wirken, ſind noch von Nieman - den erklaͤret worden, und die erſten Gruͤnde dazu, welche eben dieſer zweyte Theil in ſich enthaͤlt, zei - gen uns gleichwohl ſchon eine große fruchtbare Wiſſenſchaft, womit die Arzneykunſt annoch berei - chert werden kann und muß, wofern jemals die Phyſiologie, welche uns den ganzen aus ſo vieler - ley bewegenden Kraͤften zuſammengeſetzten Me - chanismum der thieriſchen Koͤrper zu erklaͤren hat, nur wenigſtens von ihren weſentlichen Maͤn - geln befreyet werden ſoll. Man hat noch immer zu fruͤh angefangen, die natuͤrlichen Verrichtun - gen des thieriſchen Koͤrpers, die von blos phyſi - ſchen, von mechaniſchen und von thieriſchen, ge - meinſchaftlich wirkenden Kraͤften bewerkſtelliget werden, aus den Geſetzen der Naturlehre und der Mechanick zu erklaͤren, ſo lange man noch keine Grundſaͤtze hatte, die Mitwirkung der eigentli - chen thieriſchen Kraͤfte zu beurtheilen, und ſich daher uͤberall, wo man die Gruͤnde der Phyſick und Mechanick zur Erklaͤrung der natuͤrlichen Verrichtungen nicht hinlaͤnglich fand, mit un - gruͤndlichen, mangelhaften Meynungen, und un - ſtatthaften Vorausſetzungen behelfen mußte. So irrete Stahl, der die Nothwendigkeit der Mit - wirkung thieriſcher Kraͤfte beym Mechanismo des thieriſchen Koͤrpers wohl erkannte, weil es ihm nicht einfiel, daß es, außer dem Einfluſſe der Vor - ſtellungskraft in den Koͤrper, noch andre blos thie - riſche bewegende Kraͤfte geben koͤnne. So irre - ten die mechaniſchen Aerzte, die alle natuͤrliche Verrichtungen nur aus den phyſiſchen und mecha -a 5niſchenVorrede. niſchen Kraͤften der Theile des thieriſchen Koͤr - pers herleiten wollten, und den offenbaren Ein - fluß der Vorſtellungskraft und der uͤbrigen blos thieriſchen Kraͤfte in die thieriſchen Handlungen ſchlechterdings laͤugneten. So irren noch itzt die Phyſiologen, wenn ſie bey Verrichtungen, die ſich aus der Strucktur der Theile mechaniſch er - klaͤren laſſen, die Mitwirkung der thieriſchen Kraͤfte ausſchließen, wenn ſie das, was nicht mechaniſch erklaͤret werden kann, nothwendig von der Seele herleiten zu muͤſſen glauben, wenn ſie die thieriſchen bewegenden Kraͤfte aus den Geſe - tzen der Naturlehre und Mechanick erklaͤren wol - len, und nimmer zu entſcheiden wiſſen, durch wel - che Kraͤfte, nach welchen Geſetzen, und in wel - cher Gemeinſchaft die hoͤchſt verſchiedenen Triebfe - dern des thieriſchen Lebens die wundervolle Ma - ſchine des lebenden Koͤrpers regieren.

Um dieſem großen Mangel in der Phyſiologie abzuhelfen, welcher itzt immer merklicher wird, da man ſchon anfaͤngt die Krankheiten der eigent - lichen thieriſchen Kraͤfte und ihre Curen fleißig zu unterſuchen, ſcheint es einmal Zeit zu ſeyn, die eigentliche thieriſche Natur in ihrem ungehinder - ten Zuſtande genauer zu betrachten, und die Grundgeſetze deutlich zu entwerfen, nach welchen die thieriſchen Kraͤfte, als ſolche, im thieriſchen Koͤrper wirken. Was kann man wohl von einer Pathologie der Gemuͤths - der Nerven - und an - derer Krankheiten der thieriſchen Natur, die uns die Abweichungen der thieriſchen Kraͤfte von ih - ren natuͤrlichen Geſetzen anzeigen ſoll, hoffen, ſo lange wir von dieſen ihren natuͤrlichen GeſetzennochVorrede. noch keine beſtimmte Begriffe haben, und ſogar die thieriſchen Kraͤfte ſelbſt, die in den Thieren wirken, nicht kennen? Jn dieſer Erkenntniß aber wird man es gewiß nie zu einiger Vollkommen - heit bringen, wenn man nicht die Wirkungen der eigentlichen thieriſchen Kraͤfte fuͤr ſich und abge - ſondert betrachtet, und die Geſetze ſtudiert, nach welchen ſie, unabhaͤnglich von den zugleich mit - wirkenden phyſiſchen und mechaniſchen Kraͤf - ten, im thieriſchen Koͤrper erfolgen.

Hieraus iſt nun bey mir die Jdee zu einer Phyſiologie der eigentlichen thieriſchen Natur thieriſcher Koͤrper entſtanden, wozu die gegen - waͤrtige Schrift die erſten Gruͤnde darleget, und nach welcher man kuͤnftig die Phyſiologie des gan - zen thieriſchen Mechanismus, der es bisher an die - ſen Grundſaͤtzen noch ſehr gefehlet hat, ergaͤnzen, berichtigen und erweitern kann. Ob ich gleich dieſen Plan ſelbſt noch nicht vollkommen uͤberſehe, auch ihn nicht einmal nur ſo gut zu entwerfen ver - mocht habe, daß er mich ſelbſt befriedigte; ſo ha - be ich doch geglaubt, daß er auch in ſeiner Unvoll - kommenheit bekannt gemacht zu werden verdiente, damit man nur erſt die Nuͤtzlichkeit und Nothwen - digkeit einer ſolchen Trennung der eigentlich thie - riſchen von der Phyſiologie des ganzen thieri - ſchen Mechanismus daraus erkennete, woran man bisher blos nicht gedacht zu haben ſcheint. Wenn mich meine Hoffnung nicht truͤgt, ſo wird bald ein beſſerer Kenner der Natur der Thiere, de - ren es in unſern Tagen ſo Viele giebt, mit wel - chen ich mich gar nicht in Vergleichung ſtellen darf, durch dieſen erſten Verſuch gereizet, einen weitvollkom -Vorrede. vollkommenern Plan entwerfen und ausfuͤhren, und ich werde mich gern mit der Ehre begnuͤgen, ihm blos die Jdee dazu veranlaſſet zu haben: und duͤrfte ich mir gar ſchmeicheln, von einem ſolchen, nach dieſen erſten Gruͤnden einer ſpeciellen thieri - ſchen Phyſiologie einen aͤhnlichen Plan von einer Pathologie der eigentlichen thieriſchen Natur zu ſehen; ſo wuͤrde ich mich gewiß mit Recht gluͤcklich ſchaͤtzen koͤnnen, zu einer ſehr großen Ver - beſſerung unſrer Kunſt den Grund geleget zu ha - ben. Wer den gegenwaͤrtigen Zuſtand der Arz - neywiſſenſchaft kennt, und ſich ein wenig darauf eingelaſſen hat, den uͤberall ſichtbaren Maͤngeln in der Theorie der eigentlichen thieriſchen Natur abzuhelfen; der wird finden, daß dieſer erſte Schritt nothwendig gethan werden mußte, ehe man ſich darauf Rechnung machen konnte.

Jtzt will ich mich bemuͤhen, meinen Plan kuͤrz - lich zu beſchreiben.

Der urſpruͤngliche Sitz der thieriſchen Kraͤfte iſt in den eigentlich ſo zu nennenden thieriſchen Maſchinen, naͤmlich dem mit Lebensgeiſtern ver - ſehenen Gehirne nebſt den Nerven, und durch dieſe theilen ſie ſich den mechaniſchen Maſchinen mit. Jch wuͤrde in einem allgemeinen Theile, der von den thieriſchen Maſchinen, ihrer Struck - tur und ihren Kraͤften uͤberhaupt haͤtte handeln muͤſſen, die anatomiſche Beſchreibung des Ge - hirns und der Nerven, und ihre allgemeinſten Eigenſchaften vorgetragen haben, wenn ich mich nicht entſchloſſen haͤtte, dieſen erſten Theil un - ausgearbeitet zu laſſen, um nicht mit unnuͤtzer Weitlaͤuftigkeit einen bloßen Entwurf zu ver -groͤßern,Vorrede. groͤßern, da wir dieſe Beſchreibung der thieri - ſchen Maſchinen, im vierten Bande der halleri - ſchen großen Phyſiologie ſchon ſo vollkommen, als ſie vielleicht moͤglich iſt, beſitzen, und ich nichts haͤtte dazu thun koͤnnen. Demnach habe ich blos das Unentbehrlichſte aus dem allgemeinen Theile von den thieriſchen Maſchinen und Eigenſchaften uͤberhaupt, worauf im Folgenden das Meiſte ankoͤmmt, Auszugsweiſe vorlaͤufig mit beyge - bracht, und ſo iſt der folgende Plan der Phy - ſiologie der eigentlichen thieriſchen Natur entſtanden.

Die thieriſche Natur iſt der Jnbegriff der ei - gentlichen thieriſchen Kraͤfte, und die Wiſſenſchaft derſelben im ungehinderten Zuſtande iſt die Phy - ſiologie der thieriſchen Natur. Alle thieriſche Kraͤfte wirken im ungehinderten Zuſtande entwe - der nothwendig in Gemeinſchaft mit der Vorſtel - lungskraft eines Thieres, oder nicht, und ſo zerfaͤllt dieſe Wiſſenſchaft von ſelbſt in zween Haupttheile. Der erſte betrachtet die thieri - ſche Natur in ihrer Gemeinſchaft mit der Vorſtel - lungskraft, das iſt, nach den thieriſchen Seelen - kraͤften, der zweyte aber, außer derſelben, das iſt, nach den Nervenkraͤften; und hierzu koͤmmt endlich noch ein dritter Theil, welcher die thieri - ſche Natur, in ſo fern ſie als ein aus dieſen bey - derley thieriſchen Kraͤften zuſammengeſetztes Gan - zes fuͤr ſich beſteht, abſchildert.

Jm erſten Theile iſt alſo eigentlich nur von den thieriſchen Seelenkraͤften der thieriſchen Maſchinen die Rede, und hier ſind die ober - waͤhnten allgemeinen Saͤtze vom Gehirne, denNervenVorrede. Nerven und den Lebensgeiſtern, und ihren all - gemeinen Eigenſchaften, im erſten und im An - fange des zweyten Kapitels, Auszugsweiſe vorlaͤufig mitgetheilet worden. Die thieriſchen Seelenkraͤfte laſſen ſich, was ihre Wirkungen be - trifft, auf zweyerley Weiſe betrachten, naͤmlich theils an ſich, wie ſie in den thieriſchen Maſchi - nen, dem Gehirne und den Nerven, ſelbſt wirken, theils nach ihrem Einfluſſe in die mechaniſchen Maſchinen, welchen ſie ſich einverleiben. Hier - inn beſteht der Jnhalt des zweyten und dritten Kapitels des erſten Theils, zu welchen noch das vierte koͤmmt, worinn die Gemeinſchaft der Vor - ſtellungskraft mit den thieriſchen bewegenden Kraͤf - ten, das iſt, die Gemeinſchaft des Leibes und der Seele uͤberhaupt vorgeſtellet wird.

Die ganze Lehre von dem wechſelsweiſen Ein - fluſſe der Seele und des Koͤrpers ineinander iſt bisher in unſern Phyſiologien mangelhaft, oh - ne wahre Grundſaͤtze, und theils verworren, theils irrig vorgetragen worden. Vermuthlich ruͤh - ret dieſes daher, weil die Aerzte gemeiniglich, außer der Naturlehre, zu wenig theoretiſche Phy - loſophie und am wenigſten Pſychologie wiſſen: gleichſam als ob die Seelenlehre zur Wiſſen - ſchaft der Natur des menſchlichen Koͤrpers gar nicht vonnoͤthen waͤre. Nichtsdeſtoweniger laſ - ſen ſich unſre Phyſiologiſten nur hauptſaͤchlich in die unnuͤtzen Spitzfindigkeiten ein, deren ich ſchon oben erwaͤhnet habe, und das einzige Nuͤtz - liche, was ſie uns von der Gemeinſchaft des Lei - bes und der Seele lehren, betrifft die aͤußern Em - pfindungen, etwa noch die Einbildungen, unddieVorrede. die Leidenſchaften. Uebrigens verſteigt man ſich lieber, mit Herrn Bonnet, um aus den Bewe - gungen im Gehirne, die wir doch ganz und gar nicht kennen, die verſchiedenen Vorſtellungskraͤf - te der Seele zu analyſiren, als daß man ſich um das, was eigentlich den Arzt nur angeht, um die Geſetze bekuͤmmern ſollte, nach welchen ſie in den Koͤrper wirken, die man doch aus Beobachtungen leicht erlernen koͤnnte, wenn man nur nicht laͤnger darauf beſtehen wollte, ſie aus ihren uns uner - forſchlichen Gruͤnden zu demonſtriren.

Jm gegenwaͤrtigen Werke hat dieſe Lehre ein ziemlich veraͤndertes Anſehen erhalten. Jch habe mich bemuͤhet, die Geſetze zu beſtimmen, nach welchen die verſchiedenen Arten der Vorſtellungs - kraͤfte theils durch die thieriſchen bewegenden Kraͤfte beſtimmet werden, theils in ſie, und durch ſie in den ganzen Mechanismum des Koͤrpers, wirken. Dieß iſt insbeſondre bey den Empfin - dungen und bey den ſinnlichen Trieben und Lei - denſchaften wichtig, und durch alle Gebiete der Arzneywiſſenſchaft von großen Folgen.

Jm zweyten Theile ſind die Nervenkraͤfte abgehandelt, in ſo fern ſie nicht mit der Vorſtel - lungskraft gemeinſchaftlich wirken. Es iſt er - wieſen, daß es außer den thieriſchen Seelenkraͤf - ten des Gehirns noch zweyerley Nervenkraͤfte gebe, die den Koͤrper thieriſch bewegen, naͤm - lich die ſinnlichen Eindruͤcke, wovon der eine der aͤußere, der andre, der innere genennt wor - den. 2 Th. 1 Kap. Jm zweyten Kapitel ſind die Geſetze, nach welchen der aͤußere ſinnliche Eindruck, und im dritten die, nach welchen derinnereVorrede. innere den thieriſchen Koͤrper regieret, im vierten aber beyder Verhaͤltniſſe gegen die thieriſchen Seelenkraͤfte erklaͤret worden.

Um dieſen Theil der thieriſchen Phyſiologie haben ſich die neuern Beobachter, deren Namen Europa kennt und verehret, ein v. Haller, Zim - mermann, Whytt, Oeder, verdient gemacht, indem ſie die Materialien dazu geliefert haben. Der Herr v. Haller hat ſelbſt angefangen, den Plan zu dieſem neuen Gebaͤude der Arzneykunſt, der vor ihm noch gar nicht exiſtirte, zu zeichnen: aber dabey iſt es bisher geblieben. Jch habe es gewagt, die Zeichnung weiter auszufuͤhren, um wuͤrdigere Maͤnner zu veranlaſſen, ſie zu vollen - den. Das Wichtigſte, was hier in dieſer Sa - che gethan worden, beſteht darinn, daß ich den Unterſchied der beyderley ſinnlichen Eindruͤcke, und die ganz verſchiedenen Geſetze, wornach ſie den Koͤrper bewegen, feſtgeſetzt, ohne dieß auf die Hypotheſe von einem Antriebe der Lebens - geiſter zu gruͤnden: da man die ſinnlichen Ein - druͤcke blos als Erſcheinungen betrachten, und ihre Geſetze finden kann, ohne ſie zu erklaͤren zu wiſſen; daß ich die bewegende Kraft des aͤu - ßern ſinnlichen Eindrucks, welche der Herr v. Haller, unter dem Namen der Reizbarkeit, der Muskelfaſer beygeleget, den Nerven aber abge - ſprochen, aus den letztern urſpruͤnglich hergelei - tet; daß ich die Declination und Reflexion der ſinnlichen Eindruͤcke in den Nerven erwieſen, woraus ſich viele bisher unaufloͤsliche Erſcheinun - gen in der thieriſchen Oeconomie erklaͤren laſſen, und daß ich gezeiget habe, wie die NervenkraͤftealleinVorrede. allein vermoͤgend ſind, diejenigen Bewegungen im Koͤrper hervorzubringen, die ſonſt vom Einfluſſe der Seelenkraͤfte herruͤhren und um - gekehrt.

Den dritten Theil habe ich hinzugefuͤget, um die Oeconomie der thieriſchen Kraͤfte im Ganzen zu ſchildern, und gleichſam den Lebens - lauf der thieriſchen Natur zu zeichnen. Den Ab - riß der thieriſchen Natur enthaͤlt das erſte Kapitel. Da aber nicht jedes Thier mit allen thieriſchen Kraͤften, die den vollkommenſten Geſchlechtern eigen ſind, verſehen iſt; ſo ſind im zweyten Kapitel die Naturen der verſchie - denen Gattungen von Thieren, von den un - beſeelten an, bis zu den vernuͤnftigen, claſſifi - ciret worden. Jch habe bey dieſer Gelegenheit die Gruͤnde fuͤr die Moͤglichkeit und das Daſeyn unbeſeelter Thiere zur Pruͤfung vorgetragen. Die uͤbrigen Kapitel dieſes Theils handeln vom Urſprunge, vom Leben, von der Vollkommen - heit, von der Abnahme und dem Tode der thieriſchen Natur.

Von allen dieſen Sachen hatte man bisher einzeln zerſtreute Stuͤcke in unſern Phyſio - logien, oder vielmehr man handelte nur den eigentlichen Mechanismum der thieriſchen Er - zeugung, des Wachsthums, der Abnahme und des Todes der thieriſchen Koͤrper ab, ohne das, was die eigentliche thieriſche Natur da - bey betrifft, von dem Uebrigen abzuſondern. Als die merkwuͤrdigſten Stuͤcke zeichnen ſich in die - ſem Theile die Abhandlungen in den drey letz - ten Kapiteln, von den Perioden des thieri -bſchenVorrede. ſchen Lebens, vom Syſtem der thieriſchen Kraͤf - te, und vom thieriſchen Tode, aus, die eine ſehr große und nuͤtzliche Anwendung in der Pa - thologie der eigentlichen thieriſchen Natur haben.

Jch habe einen kurzen, ſimpeln, trocknen und methodiſchen Vortrag erwaͤhlt, um den Le - ſer immer im Stande zu erhalten, die Wahr - heit der Begriffe und Saͤtze, ſowohl an ſich, als in ihrer Anwendung, den Zuſammenhang und die Folge der Lehren, und das geſammte Sy - ſtem der thieriſchen Phyſiologie zu pruͤfen und recht zu ergruͤnden. So viel nur immer moͤg - lich geweſen, habe ich alle fuͤr die Arzneykunſt unweſentliche, oder doch unerhebliche, blos ſpitz - findige Unterſuchungen und alle Hypotheſen ver - mieden; wenigſtens von den letztern in den ei - gentlichen Lehrſaͤtzen keinen Gebrauch gemacht, damit man in dieſem neu abgeſonderten Theile der Arzneywiſſenſchaft nicht gleich anfaͤnglich, ſtatt wahrer Naturgeſetze, als des Reſultats richtiger Beobachtungen, ein Syſtem voraus - geſetzter Meynungen empfienge, das ſich in kur - zer Zeit ſelbſt wieder zu zerſtoͤren pflegt.

Was die neuen Lehren, und die Beſtrei - tung verſchiedener bisheriger anbelangt, ſo bitte ich meine Leſer recht aufrichtig, ſie aufs Schaͤrf - ſte zu pruͤfen: aber auch einem Schriftſteller, der ein ſo weitlaͤuftiges Werk zum erſtenmale aus dieſem Geſichtspunkte entwirft, kein Verbrechen daraus zu machen, wenn er dieß oder jenes un - richtig, undeutlich, oder nicht ganz geſehen, und falſch gezeichnet hat. Um zu einer ſolchen Ent - ſchuldigung ſich geneigt finden zu laſſen, muͤßtemanVorrede. man nur den Verſuch des Entwurfs ſelbſt ge - macht haben, um alle Schwierigkeiten, und die Gefahr zu fehlen und zu irren recht zu em - pfinden. Jch verlange uͤbrigens fuͤr die Leh - ren ſelbſt keine Nachſicht. Auf die Wahrheit iſt es angeſehen, und wo ich die nicht gefunden habe, da will ichs doch gern veranlaſſen ſie zu finden. Daher bitte ich nur um eine reif - liche Ueberlegung meiner Gruͤnde bey ſtreitigen oder des Jrrthums verdaͤchtigen Stellen. Jch habe bey dieſem Werke, dem ich nichts deſto - weniger allerdings Jrrthuͤmer und noch mehr Maͤngel zutraue, in der That viel uͤberlegt und wenig geſchrieben, und verlange alſo mit Rechte, daß man auch uͤberlege, ehe man ſtrei - tet. Wird man dann wider einige Lehren et - was einwenden, wozu ich mein Wort zu geben haͤtte, es ſey nun um es zu erkennen, oder ein - zuſchraͤnken, oder ein Misverſtaͤndniß zu beſ - ſern, oder einen Jrrthum zu widerlegen; ſo werde ichs, bey dieſer einzigen Schrift, aber ſchlechterdings nur was die Sache der Wahr - heit betrifft, und als ein ganz fremder Leſer thun, der von Perſoͤnlichkeiten, ſie moͤgen Hoͤflichkeiten oder Grobheiten ſeyn, gar kein Gefuͤhl hat, und fuͤr den nie ein Gegner, ſon - dern nur ein Einwurf exiſtirt. Es iſt ſonſt mein Geſetz, keinen Angriff meiner Schriften, noch viel weniger meines Characters und mei - ner Handlungen, zu beantworten, und ich lei - de es gern, daß ſich Mancher dieſes Vortheils bedient, der ſich einbildet mir ſehr beſchwerlich zu fallen, und dem ich fuͤr alle Welt nichtb 2wuͤnſchte,Vorrede. wuͤnſchte, daß er wuͤßte, was ich dabey denke. Warum ſoll nicht ein Jeder die Freyheit haben, einen Andern, ſo wie es ihm beliebt, zu beurthei - len, wenn er ihn dazu merkwuͤrdig genug fin - det; und warum ſoll der Andre verbunden ſeyn das zu beantworten, wenn es ihm nicht wich - tig genug ſcheint, das Publicum mit ſeiner Recht - fertigung zu unterhalten? Gar ſelten haben die Wiſſenſchaften von Streitſchriften einen erhebli - chen Nutzen. Bey einer neuangelegten Wiſſen - ſchaft aber, wovon nur der kurze Abriß der er - ſten Gruͤnde, ohne alle Erlaͤuterung, ohne alle Vortheile eines einnehmenden Vortrags, und mit dem Nachtheile ungewoͤhnlicher Redensarten und Ausdruͤcke, die anfaͤnglich immer Neben - begriffe bey ſich fuͤhren, welche den Leſer vom Sinne des Verfaſſers ableiten, im Publico er - ſcheint, koͤnnen Erlaͤuterungen noͤthig ſeyn, die man nicht zuruͤckhalten duͤrfte, ohne der Aufnah - me der Wiſſenſchaft ſelbſt zu ſchaden.

Wegen eben dieſer ungewoͤhnlichen Redens - arten und Ausdruͤcke muß ich die Leſer noch be - ſonders um Vergebung bitten. Man wird fin - den, daß ſie unentbehrlich waren, wenn man Unterſchiede in den Begriffen feſtſetzen wollte, ohne welche es ganz unmoͤglich geweſen waͤre, der Phyſiologie der thieriſchen Natur auch nur die - ſen erſten Grad der Guͤte zu geben, den ſie itzt hat. Jch bin ſonſt nicht dazu geneigt, un - gewoͤhnliche Ausdruͤcke zu ſuchen, und als ich vor zwey Jahren, in einer kleinen Schrift von der Sinnlichkeit thieriſcher Koͤrper, mich des Wortes Gefuͤhl, aus gleicher Nothwendigkeit,inVorrede. in einer ungewoͤhnlichen Bedentung bedient hatte, habe ich erfahren, daß dieß neuen Lehren wenig Vortheil bringe, weil ſich die Meiſten, die dar - uͤber urtheilten, zu ſehr an den Ausdruck hiel - ten, und uͤbrigens die wichtige Sache, worauf es ankam, kaum bemerkten. Jch habe im gegenwaͤr - tigen Werke dieſen anſtoͤßigen Ausdruck fahren laſſen, und dafuͤr die von aͤußern und innern ſinnlichen Eindruͤcken gewaͤhlt, ob ich gleich §. 402. u. f. die Bequemlichkeit und Schicklich - keit des erſtern gezeigt habe. Einen von beyden Ausdruͤcken muß man durchaus gewohnt werden.

Man wird ſich uͤbrigens bey manchen Stellen erinnern, daß ich keinen meiner Lehrſaͤtze hier ha - be ausfuͤhren, noch ſeine Anwendung in den prak - tiſchen mediciniſchen Wiſſenſchaften zeigen wollen, ob ich gleich einſehe, daß dieſes nicht nur uͤber - haupt nuͤtzlich geweſen ſeyn, ſondern auch den Beyfall bey vielen erleichtert haben wuͤrde. Mein Hauptzweck beſtand darinn, es nur erſt dahin zu bringen, daß man die Phyſiologie der eigentli - chen thieriſchen Natur, als eine von der bishe - rigen allgemeinern Phyſiologie des ganzen Me - chanismus des Koͤrpers ganz abgeſonderte Wiſ - ſenſchaft, und die Grenzen, die ich Beyden im Wer - ke uͤberall angewieſen, genehmigen moͤchte. Hier - zu war der bloße Entwurf hinlaͤnglich, und wenn er nicht ſo manche neue Lehren in ſich enthielte, welchen ich einige Ausfuͤhrlichkeit geben mußte, um ſie verſtaͤndlich zu machen, ſo wuͤrde er noch viel kuͤrzer gerathen ſeyn: denn alle die - jenigen zur eigentlichen thieriſchen Phyſiologie gehoͤrige Lehren, die man ſchon in der Phyſio -b 3logieVorrede. logie des ganzen Mechanismus der Thiere lieſet, und wobey ich nichts zu erinnern gefunden, ha - be ich nur mit wenigen Worten angefuͤhrt, um ihnen hier ihre Stelle anzuweiſen. Jtzt da man alle zur eigentlichen thieriſchen Naturlehre ge - hoͤrige Saͤtze im Zuſammenhange uͤberſehen kann, wird man das Mangelhafte, das Dunkle, das Verworrene, das Unerklaͤrbare, das Jrrige und das wahre Nuͤtzliche viel leichter finden, von - einander abſondern, und das ganze Syſtem zu ſeiner Vollkommenheit bringen koͤnnen. Um des - willen wuͤnſche ich ſehr, daß man dieſen Ent - wurf nicht fluͤchtig und außer dem Zuſammen - hange leſen und beurtheilen; ſondern ſich uͤberwin - den moͤchte, mir in der Reihe der Gedanken vom Anfange an genau zu folgen.

Nachricht

Nachricht wegen einiger Anfuͤhrungen.

Um die pſychologiſchen und phyſiologiſchen Begriffe und Lehren, welche bey dem gegenwaͤrtigen Werke vor - aus zu ſetzen waren, gehoͤrig zu autoriſiren, habe ich, ſtatt aller uͤbrigen, ſtets eine Hauptſchrift von jeder Art, und zwar in der deutſchen Ueberſetzung angefuͤhrt, die Leſern einer deutſchen Schrift am gewiſſeſten verſtaͤndlich und wahrſcheinlicher Weiſe am naͤchſten zur Hand iſt. Da - hin gehoͤrt unter dem Zeichen:

B. M. Die Metaphyſick des Herrn A. G. Baum - garten, vom Herrn Profeſſor Meier in Halle uͤber - ſetzt; bey C. H. Hemmerde. 1766. wobey zu merken, daß die §§. der Ueberſetzung mit denen in der lateiniſchen Urkunde ſelten uͤbereinkommen.

H. P. Des Herrn v. Hallers kleine Phyſiologie, un - ter dem Titel: Erſter Umriß der Geſchaͤfte des koͤrper - lichen Lebens, unter des Verfaſſers Aufſicht uͤber - ſetzt. Berlin, bey Haude und Spener. 1770.

H. gr. P. Die halleriſche große Phyſiologie, unter dem Titel: Anfangsgruͤnde der Phyſiologie des menſchlichen Koͤrpers, uͤberſetzt von J. S. Hallen. Berlin, bey Voß. Die Theile dieſes Werks, die noch nicht deutſch uͤberſetzt erſchienen, ſind aus der lateiniſchen Ur - ſchrift, Lauſanne. 1761. angefuͤhrt.

v. Hall. op. min. bedeuten des Herrn v. Hallers ope - ra minora, Lauſanne, bey Graſſet. 1763. welche ich ſtatt der zerſtreuten einzelnen Aufſaͤtze, die weniger zur Hand ſeyn moͤchten, habe anfuͤhren wollen.

Noch ſind, um einiger Verſuche willen, des Abts Spallanzani phyſicaliſche und mathematiſche Ab - handlungen citirt, welche in Leipzig in Gleditſchens Handlung 1769 erſchienen;

wie auch einigemal A. Monro de Nervis, wo deſſen Tractatus tres, de Nervis, motu cordis & ductu thoracico,latineNachricht wegen einiger Anfuͤhrungen. latine redditi à Coopmann. Franeker. Ed. 2. 1762. zu verſtehen ſind.

Und endlich habe ich unter dem Zeichen: d. A. die mediciniſche Wochenſchrift: der Arzt angefuͤhrt, um anzuzeigen, wo darinn einige Begriffe oder Lehren um - ſtaͤndlicher erklaͤrt oder abgehandelt ſind, als es in die - ſen Anfangsgruͤnden hat geſchehen koͤnnen. Es iſt die aus ſechs Baͤnden beſtehende neueſte Auflage von 1769 zu verſtehen. Doch wenn man im Arzte hin und wie - der Stellen antreffen ſollte, welche mit den in gegen - waͤrtiger Schrift vergetragenen Lehren nicht genau uͤber - einſtimmen; ſo iſt es ſo zu verſtehen, daß der genaueſte und richtigſte Ausdruck der in der gegenwaͤrtigen Schrift ſey; indem im Arzte vieles von dieſen Materien unbe - ſtimmter und minder genau hat ausgedruͤckt werden muͤſſen, weil man in einer ſolchen Schrift weder alle die Grundſaͤtze lehren oder vorausſetzen, noch die ſubtilern Unterſcheidungen Leſern, die ſich nur amuſiren ſollten, porlegen koͤnnen, wodurch man hier in den Stand ge - ſetzt worden, ſich viel genauer zu erklaͤren.

Meine eigenen §§. habe ich durchs ganze Werk aufs haͤufigſte citirt, um dadurch jedem Satze ſtets ſeine Erlaͤuterung oder Beweisgruͤnde beyzufuͤgen, und den Le - ſer in den Stand zu ſetzen, die Richtigkeit ſeiner An - wendung in jedem Falle zu beurtheilen, welches bey einem Lehrbuche immer lieber zu viel, als zu wenig geſchehen muß, zumal wenn viele Ausdruͤcke, Be - griffe und Lehren noch wenig eingefuͤhrt, oder ganz neu ſind.

Erſte[1]

Erſte Gruͤnde einer Phyſiologie der eigentlichen thieriſchen Natur thieriſcher Koͤrper.

A[2][3]

Einleitung.

§. 1.

Die Natur eines Koͤrpers iſt der Jnbegriff der ihm eignen Vermoͤgen, Faͤhigkeiten und Kraͤfte. Dieſe beruhen auf der Beſchaffenheit ſeiner Theile und der Art ihrer Zuſammenſetzung.

§. 2.

Der Jnbegriff der Kraͤfte eines blos phyſicaliſchen Koͤrpers heißt ſeine phyſiſche Natur.

§. 3.

Nach dieſer kommen dem thieriſchen und menſchlichen Koͤrper, in ſo fern er nicht als eine Maſchine, ſondern als ein blos phyſiſcher Koͤrper, in ſeinen Beſtandtheilen und deren Miſchung betrachtet wird, die allgemeinen Kraͤfte der phyſiſchen Koͤrper zu, und in ſo fern kann man von den Saͤften und dem Stoffe der feſten Theile, nach der allgemeinen Naturlehre philoſophiren. Zu dieſen allgemeinen Kraͤften gehoͤret hauptſaͤchlich die allgemeine und ſpecifiſche Schwere, die anziehende Kraft, welche, im Stoffe der feſten Theile bey Thieren, der ſo genannte Reiz, oder die todte Kraft des Herrn v. Haller, (H. P. §. 392.) A 2und4Phyſiol. der eigentl. thier. Natur. und blos eine Wirkung der Zaͤhigkeit iſt, ferner die Waͤr - me, die Electricitaͤt, u. ſ. f.

§. 4.

Der Jnbegriff der Kraͤfte, die ein phyſiſcher Koͤrper beſitzt, in ſo fern er eine Maſchine iſt, heißt ſeine mecha - niſche Natur, und beruht auf der phyſiſchen Natur ſei - ner Theile, und auf der Art der Zuſammenſetzung derſel - ben, wodurch er zur Maſchine wird. (Strucktur)

§. 5.

Nach der mechaniſchen Natur eines thieriſchen und menſchlichen Koͤrpers kommen ihm, in ſo fern er kein be - lebtes Thier, ſondern nur eine mechaniſche Maſchine iſt, die mechaniſchen Kraͤfte der Maſchinen zu, und in ſo fern kann man von den Maſchinen eines ſolchen Koͤrpers, nach den Geſetzen der Mechanik, mechaniſch philoſophiren. Zu dieſen mechaniſchen Kraͤften gehoͤren unter andern die Kraͤfte des Hebels, der hydrauliſchen Maſchinen, der Druckwerke ꝛc.

Die mechaniſchen Maſchinen werden uͤbrigens einge - theilt, in kuͤnſtliche, oder natuͤrliche, (organiſche.) Die letztern unterſcheiden ſich von den erſtern hauptſaͤchlich durch eine ſo ſehr zuſammengeſetzte Strucktur, daß die gan - ze Maſchine bis in ihre kleinſten Theile, wiederum aus Maſchinen beſteht, die, durch ihre Vereinigung, der gan - zen Maſchine auch eben ſo ſehr zuſammengeſetzte Kraͤfte ge - ben; dahingegen in den kuͤnſtlichen ſchon die groͤbern Thei - le entweder nicht mehr mechaniſche Maſchinen, ſondern blos phyſicaliſche Koͤrper ſind, oder doch der ganzen Ma - ſchine keine andern mechaniſchen Kraͤfte mittheilen, als die ſie auch beſitzen koͤnnte, wenn dieſe ihre Theile keine mecha - niſche Maſchinen waͤren. Die Natur der natuͤrlichen Ma - ſchinen, als ſolcher, heißt ihre organiſche Natur, und die Fortdauer der organiſchen Natur das (organi -ſche) 5Einleitung. ſche) Leben, welches alſo den Pflanzen und Thieren ge - mein iſt.

§. 6.

Organiſche (natuͤrliche) Maſchinen, die außer ihrer phyſicaliſchen Miſchung, organiſchen Strucktur, und den allgemeinen phyſiſchen und mechaniſchen Kraͤften der Koͤr - per und Maſchinen, noch beſondrer Kraͤfte faͤhig ſind, wel - che ſich in ihrer Wirkung nicht nach den ſonſt durchgaͤngi - gen Bewegungsgeſetzen ſolcher Koͤrper und Maſchinen rich - ten; ſondern nur dieſer Art natuͤrlicher Maſchinen, durch eine uns verborgene Einrichtung derſelben, allein eigen ſind, heiſſen thieriſche Maſchinen, und dieſe ihnen eig - nen Kraͤfte, (urſpruͤngliche) thieriſche Kraͤfte; die durch ſie ſelbſt unmittelbar gewirkten Bewegungen aber (ur - ſpruͤngliche) thieriſche Bewegungen. Wenn thieriſche Maſchinen ſich mit andern, blos mechaniſchen ſo vereini - gen, daß ſie ſie durch ihre thieriſchen Kraͤfte bewegen, ſo beſitzen die letztern durch ſie mitgetheilte thieriſche Kraͤf - te, und verrichten durch dieſe auch thieriſche Bewegun - gen. Der Jnbegriff der thieriſchen Kraͤfte im Koͤrper ei - nes Thiers heißt ſeine thieriſche Natur. Die thieriſche Natur des Koͤrpers eines Thiers beruht alſo auf der beſon - dern Beſchaffenheit der Materien, woraus die thieriſchen Maſchinen, als ſolche, beſtehen, auf der Strucktur der thieriſchen Maſchinen, auf den thieriſchen Kraͤften derſel - ben, und auf der Verbindung der thieriſchen mit den uͤbri - gen organiſchen Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers, wo - durch jene die Kraͤfte und Bewegungen dieſer auf thieriſche Weiſe beſtimmen. Die Fortdauer der thieriſchen Natur heißt das thieriſche Leben, und ihr Ende, der thieri - ſche Tod. Jn allen lebenden Thieren wirken die thieri - ſchen Kraͤfte entweder mit der Vorſtellungskraft ihrer See - le voͤllig uͤbereinſtimmend, ſo daß mit jeder beſondern Art der Vorſtellungen der Seele jederzeit eine gewiſſe Art thie - riſcher Bewegungen im Koͤrper verbunden iſt, mithin bey -A 3de6Phyſiol. der eigentl. thier. Natur. de den Grund ihres beyderſeitigen Daſeyns wechſelsweiſe enthalten, oder nicht. Die erſtern nenne man, in dieſer Beziehung, thieriſche Seelenkraͤfte, und die durch ſie gewirkten Bewegungen, Seelenwirkungen; die letztern, bloß thieriſche Kraͤfte; Nervenkraͤfte und ihre Bewe - gungen, bloß thieriſche; Nervenwirkungen.

Anmerkung. Es iſt unumgaͤnglich nothwendig, die - ſe verſchiedenen thieriſchen Kraͤfte und ihre Wirkun - gen mit beſondern Namen zu unterſcheiden, und ich habe keine bequemern finden koͤnnen. Man haͤtte ſie blos Seelenkraͤfte und Nervenkraͤfte nennen koͤn - nen: weil aber der erſtere Ausdruck ſchon von den Vorſtellungskraͤften gebraͤuchlich iſt, ſo mußte man die Seelenkraͤfte des thieriſchen beſeelten Koͤrpers durch das Beywort thieriſche unterſcheiden.

§. 7.

Vermoͤge der thieriſchen Natur kommen dem Koͤrper der Thiere ſolche Kraͤfte zu, die ſich nicht aus den phyſica - liſchen und mechaniſchen Geſetzen der Bewegung anderer Koͤrper und Maſchinen erklaͤren laſſen, ſondern die nur durch die eigentlich thieriſchen Maſchinen moͤglich ſind, und ihre Wirkungen theils in ihnen ſelbſt, theils in den uͤbrigen Maſchinen des Koͤrpers aͤußern, deren Kraͤfte und Bewegungen ſie auf thieriſche Weiſe beſtim - men. Zu dieſen (urſpruͤnglichen) thieriſchen Kraͤften ſind zu rechnen, der Einfluß der Seele in den Koͤrper, und die den thieriſchen Maſchinen noch außerdem eignen bewe - genden Kraͤfte. §. 6. Vergl. des A. I. B. 36. St.

§. 8.

Die Lehre von der thieriſchen Natur ſetzt die, von der phyſiſchen §. 3. und organiſchen §. 5. zum Voraus, §. 6. und muß enthalten (§. 7.)

1. Die7Einleitung.
  • 1. Die Beſchreibung der thieriſchen Maſchinen in den Koͤrpern der Thiere, nach der Miſchung und Strucktur ih - rer Theile, und des Syſtems ihres Zuſammenhangs.
  • 2. Die Beſtimmung der ihnen an ſich eignen thieri - ſchen Kraͤfte, ohne auf ihren Einfluß in die uͤbrigen Thei - le und Verrichtungen des thieriſchen Koͤrpers zu ſehen.
  • 3. Die Beſtimmung ihres Einfluſſes in die uͤbrigen Theile und Verrichtungen (den Mechanismum) des thie - riſchen Koͤrpers.

Alle urſpruͤngliche thieriſche Kraͤfte ſind entweder thie - riſche Seelenkraͤfte, oder Nervenkraͤfte (blos thieriſche.) §. 6. und hierauf beruhet die Haupteintheilung der ganzen Lehre von der thieriſchen Natur.

Der erſte Theil betrachtet die thieriſche Natur in ihrer Gemeinſchaft mit der Vorſtellungskraft der Seele des Thiers, und zwar:

  • 1. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt und in ſo fern ſie thieriſcher Seelenkraͤfte faͤhig ſind. §. 6. (I Theil. 〈…〉〈…〉Kapitel.)
  • 2. Die thieriſchen Kraͤfte derſelben an ſich, ohne Be - ziehung auf ihren Einfluß in den uͤbrigen Mechanismum, und beſonders als thieriſche Seelenkraͤfte betrachtet. (I Th. 2 Kapitel.) §. 6. 7.
  • 3. Den Einfluß der thieriſchen Seelenkraͤfte in den uͤbrigen Mechanismum thieriſcher Koͤrper. (I Theil. 3 Ka - pitel.) §. 6. 7.
  • 4. Die Gemeinſchaft des Leibes und der Seele im Ganzen. (I Theil. 4 Kapitel.)

Der zweyte Theil betrachtet die thieriſche Natur nach ihren blos thieriſchen Kraͤften, nach welchen die thieriſchen Maſchinen nicht in Gemeinſchaft mit der Vorſtellungskraft der Seele eines Thiers wir - ken. S. §. 355.

A 4Jm8Phyſiol. der eigentl. thier. Natur. Einleitung.

Jm dritten Theile wird endlich die thieriſche Na - tur im Ganzen betrachtet, S. §. 599. wo ihre weſentli - chen Eigenſchaften bey den verſchiedenen Arten von Thie - ren, ihr Urſprung, ihre Fortdauer, der Zuſtand ihrer Vollkommenheit, das ganze Syſtem der thieriſchen Kraͤf - te in demſelben, ihr Verfall und endlich ihr Untergang in Erwaͤgung gezogen werden.

Obgleich der Menſch, als das vollkommenſte Thier, der Hauptgegenſtand des gegenwaͤrtigen Werks iſt, ſo iſt er doch keinesweges der Einzige; vielmehr wird man hier die erſten Gruͤnde einer Zoologie, oder Naturlehre von allen Gattungen der Thiere, aber nur nach ihren eigentli - chen thieriſchen Kraͤften, und auch dieſe nur im Grundriſſe, entwerfen. (Man vergleiche §. 15. am Ende.)

Erſter[9]

Erſter Theil. Die thieriſche Natur, in ihrer Gemein - ſchaft mit der Vorſtellungskraft der Seele eines Thiers.

A 5[10][11]

Erſtes Kapitel. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt, und beſonders in ſo fern ſie thieriſcher Seelen - kraͤfte faͤhig ſind.

§. 9.

Die eigentlichen thieriſchen Maſchinen in den thieri - riſchen Koͤrpern ſind das Gehirn, und die Ner - ven, worinn die Lebensgeiſter, (der Nerven - ſaft,) erzeugt und vertheilt werden, um die thieriſchen Verrichtungen dieſer Maſchinen zu vermitteln.

Anmerkung. Es waͤre hier der Ort, die Beſtand - theile des Gehirns, der Nerven und der Lebensgei - ſter, die Strucktur der erſtern, den Bau des Ge - hirns, des Ruͤckenmarks, der Nerven, das ganze Nervenſyſtem, und kurz, alles das zu beſchreiben, was uns die Zergliederungskunſt davon lehret, und hernach diejenigen Verrichtungen derſelben zu erklaͤ - ren, die nicht eigentlich thieriſch ſind, ſondern nur zu ihrem Mechanismus gehoͤren; z. E. den Umlauf des Bluts, die Abſonderungen im Gehirne, ſeine mit dem Pulſe der Schlagadern und mit dem Athemho - len harmonirende Bewegung, u. ſ. w. Allein, da alles dieſes in der Zergliederungskunſt und in der Phyſiologie vom eigentlichen Mechanismus der thie - riſchen Koͤrper ausfuͤhrlich gelehret wird, ſo weit wir es wiſſen, ich aber hier nichts Neues hinzufuͤgen koͤnnte; ſo uͤberſchlage ich dieſes Kapitel, weil es fuͤrdie12I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. die zu dieſer Schrift vorauszuſetzenden Leſer unnoͤthig waͤre, es hier zu wiederholen, und verweiſe ſie allen - falls auf den zehnten Abſchnitt in der halleriſchen Phyſiologie, wo das Alles ausfuͤhrlich, zu finden iſt, was hier vorzutragen waͤre. Nur einige von den vornehmſten Saͤtzen, die ich im Folgenden als Be - weisgruͤnde anzufuͤhren habe, will ich hier auszeich - nen, um dem Gedaͤchtniſſe des Leſers zu Huͤlfe zu kommen.

§. 10.

Das Gehirn iſt der Sitz der Seele. Wir fuͤhlens im Haupte, daß wir denken; nirgends, als da, ſind wir uns unſrer bewußt; in keinen andern unſrer Gliedmaßen iſt je eine Vorſtellung, ein Gedanke, ein Bewußtſeyn. Da nun aber die Vorſtellungskraft in Thieren ihre Seele iſt, ſo iſt die Seele nirgends, als im Gehirne, und es waͤre alſo widerſinnig, ſie fuͤr ausgebreitet im ganzen Koͤrper zu halten. (Vergl. §. 597.) Der Sitz der Seele muß durch Verſuche erforſcht werden. Er befindet ſich erſtens im Ge - hirne; nicht in dem Ruͤckenmarke; denn die Seele ver - liert nichts von ihren Kraͤften, wenn ſchon dieſes Mark in Unordnung gebracht wird. Hernach folget aus den Zu - ckungen, die erſt entſtehen, wenn das Jnnerſte des Ge - hirns gereizt wird, daß dieſer Sitz nicht in der Markrin - de, ſondern im Marke ſelbſt ſey, und zwar, nach wahr - ſcheinlichen Muthmaßungen, in den Schenkeln des ver - laͤngerten Marks, den geſtreiften Koͤrpern, den Geſichts - huͤgeln, dem verlaͤngerten Marke, der Bruͤcke und dem kleinen Gehirne. Der Sitz der Seele ſcheint endlich, durch eine nicht ungereimte Muthmaßung, an dem Orte zu ſeyn, wo jeder Nerve ſeinen Anfang nimmt, ſo daß der vereinigte Urſprung aller Nerven den wahren gemein - ſchaftlichen Empfindungsort ausmachet. Stellt ſich die Seele an dieſer Stelle die Empfindungen vor, und ent - ſtehen dort die nothwendigen und freywilligen Bewegun - gen?131 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. gen? Dieſes iſt ſehr wahrſcheinlich: denn es ſcheint nicht, daß der Urſprung der Bewegungen weiter unten, als der Urſprung der nervigten Faſer ſeyn koͤnne; weil man ſonſt ohne Grund dieſen oder jenen unbeweglichen und unem - pfindlichen Theil des Nerven annehmen muͤßte, der dem uͤbrigen Theile der Nerven voͤllig aͤhnlich iſt. Der Ur - ſprung der Bewegung kann auch nicht oberwaͤrts des An - fanges der nervigten Faſer in die Schlagader geſetzt wer - den, da die Schlagadern weder empfinden, noch ſich durch den freyen Willen bewegen laſſen. Es folgt alſo, daß die Seele an dem Orte ihren Sitz habe, wo die ner - vigte Faſer ihren erſten Anfang nimmt. H. P. §. 372. Einem Arzte kann es hinlaͤnglich ſeyn, zu wiſſen, daß die Vorſtellungskraft nirgend anderswo, als im Gehirn - marke wohne.

§. 11.

Das Gehirn iſt die Werkſtatt der Lebensgeiſter, (wovon unten §. 15. N. 1.) Es ſcheint gewiß zu ſeyn, daß ſich aus den Gefaͤßen des grauen Theils des Ge - hirns ein ſolches fluͤſſiges Weſen in die hohlen Roͤhren des Marks abſondre, das in den nervigten Roͤhren bis in die aͤußerſten Enden der Nerven getrieben wird, und den Grund enthaͤlt, wie die Nerven Werkzeuge der Sinnen und Bewegungen ſeyn koͤnnen. H. P. §. 383. Es iſt alſo der graue Theil des Gehirns, oder die Markrinde, die eigentliche Abſonderungsmaſchine der Lebensgeiſter, da - hingegen das eigentliche Gehirnmark der beſondre Sitz der thieriſchen Seelenkraͤfte ſeyn muß. Was den Bau der Markrinde betrifft, ſo kann man ſchon mit dem bloſ - ſen Auge darinn viele Geſaͤße entdecken, welche ſich aus der duͤnnen Hirnhaut in ſie hineinwerfen. Doch man ſieht deren viel mehrere und deutlicher, durch das Aus - ſpritzen der Gefaͤße des Gehirns, und in dieſem Falle ſcheint es, daß ſehr zarte und zahlreiche Gefaͤßchen, die wie ein zartes Flockwerk, ausſehen, faſt die ganze Rinde ausma -14I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. ausmachen, indem die Staͤmme dieſer Gefaͤße aus der duͤnnen Gehirnhaut heruͤberkommen, und ihre aͤußerſt - zarte Aeſte, die ungemein weich und gleichſam Breyartig ſind, haͤngen ſich mit den ſehr zarten Zweigen an das Mark an. Es enthalten dieſe Gefaͤße, wenigſtens da, wo ſie aus der duͤnnen Hirnhaut herabkommen, augen - ſcheinlich Blut, da indeſſen ihre Aeſte, wie man es durch Vergroͤßerungsglaͤſer findet, einen hellen Saft in ſich faſ - ſen. H. gr. P. 4 Th. S. 35. 36. Von der Abſonderung der Lebensgeiſter in der Markrinde, in ſo fern dazu thieri - ſche Kraͤfte in ihr mitwirken, kann erſt unten gehandelt werden. S. §. 374.

§. 12.

Das Gehirn iſt auch der Urſprung aller Nerven, als welche an ſich nichts anders, als Fortſetzungen des Ge - hirnmarks ſind, die ſich theils unmittelbar von ihm, in kleinern Buͤndeln abſondern, und Nerven des Haupts heißen, theils aus einem dicken Strange deſſelben, der durch den Ruͤckgrat hinabſteigt, und das Ruͤckenmark genennt wird, ausgehen, und ſich im Koͤrper vertheilen.

§. 13.

Die Nerven ſind mehrentheils mit Haͤuten umgeben, und dringen, gleich den Blutgefaͤßen, indem ſie ſich, je weiter ſie von ihrem Urſprunge abgehen, in immer deſto mehr Zweige vertheilen, in die meiſten Theile des Koͤr - pers, die ſie entweder nur umſchlingen oder durchbohren, oder in welchen ſie ſich, nachdem ſie ihre Haͤute vorher ab - gelegt haben, mit ihrem weichen Marke ſo verlieren, daß ſie nicht weiter verfolget werden koͤnnen, und ſich ſolchen Theilen voͤllig einverleiben. Jhr weſentlicher Theil iſt das Gehirnmark ſelbſt, oder die von der Markrinde um - ſchloſſene weiche Subſtanz des Gehirns, dahingegen ihre Haͤute zu keinen eigentlich thieriſchen Verrichtungen be - ſtimmt zu ſeyn ſcheinen. S. §. 24. Jeder Nerve iſt einBuͤndel151 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. Buͤndel vieler kleiner Nervenfaden, die alle neben einan - der abgeſondert hinlaufen, ſo wie ſie aus dem Gehirne aus - gehen. Jeder Nerve hat ſeinen beſondern Ort im Gehir - ne, woraus er entſpringt, und in dieſem Orte muß auch jeder beſonderer Faden deſſelben einen beſondern Punkt ſei - nes Urſprungs haben, von wannen er durch den Stamm, durch das Ruͤckenmark, und bis in den kleinſten Zweig ſtets abgeſondert, und fuͤr ſich hinlaͤuft. Aller Wahr - ſcheinlichkeit nach ſind alle Faden der Nerven hole Kanaͤle.

Da auf dieſe Lehrſaͤtze ungemein viel ankommt, und wir uns in dieſem ganzen Werke ſtets darauf beziehen wer - den; ſo ſcheint es nothwendig zu ſeyn, ſie durch ausdruͤck - liche Zeugniſſe des groͤßten Zergliederers und Phyſiologen unſrer Zeit zu autoriſiren. Hierzu werden folgende Stellen hinlaͤnglich ſeyn.

Alles Mark des großen und kleinen Gehirns geht durch verſchiedene Loͤcher zu der Hirnſchale hinaus nach den Orten ſeiner Beſtimmung. Die kleinern Buͤnde die - ſes Marks nennt man Nerven, den groͤßern, das Ruͤck - mark, das eine Fortſetzung des verlaͤngerten iſt. Die Nerven ſind markigte Buͤnde, die bey ihrem Urſprunge aͤußerſt weich ſind, und aus geradelienichten, gleichlaufen - den Faſern beſtehen, die aus dem Gehirne entſpringen, und vereinigt, gleichſam Schnuren ausmachen. Dieſe Fa - ſern ſind zuweilen ſchon im Gehirne von einander geſon - dert, uͤberhaupt aber unter ſich und mit dem Nerven gleich - laufend. Sie werden in einiger Entfernung vom Gehir - ne von der roͤthlichen und ſchwaͤchlichen duͤnnen Hirnhaut uͤberzogen, und in einem feſtern Bunde vereinigt; ein fa - digtes Gewebe verknuͤpft dieſe Buͤnde untereinander, und trennt ſie von ihren benachbarten; ein jeder geht nach ei - nem eignen Loche in der harten Hirnhaut, und durchlaͤuft die Canaͤle und die Zwiſchenraͤume der Blaͤtter dieſer di - ckern Haut, bis er in ſein gehoͤriges Loch in der Hirnſcha - le kommt, in welches er durch eine trichterfoͤrmige Oeff - nung16I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. nung in der harten Hirnhaut herausgeht. Sobald der Nerve außer der Hirnſchale iſt, wird er meiſtentheils von der harten Hirnhaut umgeben, und wird ſtark und feſt. Ein nackter und zwiſchen den Muskeln minder beſchuͤtzter Nerve beſteht alſo aus Schnuren, deren jede ihr Mark hat, und aus der duͤnnen Hirnhaut, die ſie umhuͤllet. Dieſe kleinen Schnuren werden durch ein haͤufiges fadig - tes Gewebe in groͤßere Buͤnde geſammlet, zwiſchen wel - chen viele ſchlagende und zuruͤckfuͤhrende Adern laufen, und in deſſen Zellen ſich zuweilen etwas Fett ergießet. Die allgemeine Huͤlle aller vereinigten Schnuren beſteht in ei - nem harten fadigtem Gewebe, das oͤfters einer wahren Haut aͤhnlich iſt, und die Schnuren zuſammenhaͤlt, und in einen Nerven verbindet. Alle Nerven des Haupts kom - men darinn miteinander uͤberein, daß ſie aus dem untern Theile des Marks des großen oder kleinen Gehirns ent - ſpringen. Es geht eigentlich kein Aſt aus dem kleinen Gehirne, außer dem fuͤnften und vierten; aus dem Ge - hirne allein kommen der Geruchnerve, der Geſichtsnerve und der dritte; alle die uͤbrigen Nerven entſtehen an den Orten, wo das Mark des großen und kleinen Gehirns ſchon vereinigt iſt.

Das Ruͤckmark iſt eine aͤußerſt weiche markigte Schnur, die von dem verlaͤngerten Marke bis zu dem zweyten Lendenwirbelbeine herabſteigt. Bey ſeinem Austritte aus dem Haupte iſt dieſes Mark am groͤßten, hernach wird es zu oberſt im Halſe kleiner, zu unterſt wie - der groͤßer, durch den ganzen Ruͤcken hinunter wieder en - ger, und zu unterſt wieder dicker. Es iſt, ſo wie das Gehirn, mit der duͤnnen Haut umkleidet, die tief in die vordere Spalte eindringt, und das Mark beynahe in zween Theile theilet. Jm Jnwendigen enthaͤlt es etwas vom grauen Hirnſtoffe, (Markrinde) der aber nicht deutlich zu ſehen iſt. Es hat verſchiedene ſowohl ſchlagende als zuruͤck - fuͤhrende Blutgefaͤße. Es wird mit einer zweyten Decke umgeben, die es ſchlaff und in einiger Entfernung umwi -171 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. umwickelt, und die Spinnenhaut des Gehirns heißt, von Gefaͤßen entbloͤßt, aber mit einer waͤſſerichten Durchſich - tigkeit und einiger Feſtigkeit begabt iſt. Endlich wird das Ruͤckmark noch von der harten Haut umgeben, die ei - ne Fortſetzung der harten Hirnhaut des Gehirns iſt. Sie umkleidet auswendig die Nerven, an den Orten, wo ſie durch dieſe Haut hinausgehen, und ſchwillt mit ihnen in harte, laͤnglicht runde, roͤthliche Knoten auf. Aus - waͤrts wird die harte Haut von einem fetten und ſchmie - rigten Weſen uͤberzogen, hernach von der innern Decke der Wirbelbeine, und von den Wirbelbeinen ſelbſt, die auf eine ſolche Weiſe in einen Kanal zuſammengefuͤget ſind, daß das Ruͤckenmark in keiner Art von Biegung zuſam - mengedruͤcket werden kann. Die Faſern des Ruͤckmarks laſſen ſich in Thieren und Waſſerſuͤchtigen ſehr deutlich ſehen. Sie entſpringen aus der ganzen vordern und hin - tern Flaͤche des Ruͤckmarks; die vordern Schnuren pfle - gen gemeiniglich, von der duͤnnen Haut umgeben, Stra - lenweiſe in einen groͤßern Bund zuſammen zu flieſſen, zu welchem ein zweyter aͤhnlicher Bund, aus den hintern Fa - ſern zuſammen verbunden, koͤmmt, und mit ihnen in ei - nen Nerven zuſammenwaͤchſt, der durch ein Loch der har - ten Haut, immer zwiſchen zweyen Wirbelbeinen, heraus - geht, und ferner Nerven erzeuget. Sie ſind, ſo wie die Wirbelbeine, dreyßig an der Zahl. Die nervigten Fa - ſern des Halſes ſind zahlreich und Stralenfoͤrmig und er - zeugen einen großen Nerven, der beynahe in die Quere liegt. Jm Ruͤcken ſind ſie uͤberhaupt kleiner, und gehen jaͤher hinunter, doch ſo, daß die untern und groͤßern Paa - re faſt ohne Zwiſchenraum auf einander folgen. Die Nerven der Lenden ſind groß und lang, und laufen in den ſogenannten Pferdeſchweif. Die oberſten Nerven des heiligen Beins ſind groß, die unterſten aber die kleinſten von allen. Viele Nerven des Ruͤckens, die Nerven der Lenden und des heiligen Beins verbinden ſich zuſammen, von der duͤnnen Haut bekleidet, von Schlagadern beglei -B tet18I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. tet und von der Spinnenhaut eingeſchloſſen, in einen ge - meinſchaftlichen Pack von Nerven, die man den Pferde - ſchwerf nennt. Dieſe Nerven werden in alle Theile des Koͤrpers auf ſehr verſchiedene Arten vertheilt. Alle Nerven des Ruͤckgrats, einige wenige des Halſes ausge - nommen, haben, ſobald ſie zu den Wirbelbeinen hinaus getreten ſind, einen hintern und einen vordern Stamm. Jener iſt einzig den Muskeln gewidmet; dieſer erzeugt ei - ne nervigte Wurzel, die ſich mit ihren Geſpannen verbin - det, zu denen ſich noch ein kleiner Zweig hinzufuͤget, der vom ſechſten Nervenpaare des Gehirns, und dem zwey - ten Aſte des fuͤnften Paares koͤmmt, und auf dieſe Wei - ſe entſteht einer der vornehmſten Nerven des ganzen menſchlichen Koͤrpers, der ſich beynahe mit allen Nerven des Leibes verbindet, und nervigte Aeſte nach dem Herzen und allen Eingeweiden des Unterleibes ſchicket. Er hat ſo viel Knoten als Wurzeln von dem Marke, und noch an - dre, wo verſchiedene Nerven in einem einzigen Knoten zu - ſammenkommen: er vereiniget ſich verſchiedentlich mit den Nerven der Schenkel, der Arme, des Zwerchfells, dem herumſchweifenden und dem neunten Paare. Ein andrer Hauptnerve iſt der achte, oder der herumſchweifende. Er koͤmmt aus dem Gehirne und verbindet ſich im unter - ſten Theile des Halſes, in der Bruſt und im Unterleibe mit dem großen Rippennerven: er iſt in eine dreyfache Schnur getheilet, wo er aus der Hirnſchale koͤmmt, von welchen die groͤßte zur Kehle, zum Schlunde und den Geflechten des Herzens, zur Lunge, zum Magen und zur Leber geht. Der dritte Hauptnerve iſt der Nerve des Zwerchfells, der aus den meiſten untern Nerven des Halſes entſteht, von Wurzeln der Armnerven und zuwei - len von andern vermehret wird, und neben dem Herzbeu - tel in die obere Flaͤche des Zwerchfells geht: denn der un - tere bekoͤmmt ſeine Aeſte von dem groͤßten Geflechte des Rippennerven. Zuletzt iſt noch der zuruͤcklaufende, der durch kleine Wurzeln aus den ſechs oder ſieben erſten hin - tern191 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. tern Nerven des Nackens entſpringt, in die Hirnſchale zu - ruͤckgeht, und ſich dem Nerven des achten Paares hinzu - fuͤget, zwiſchen welchem und dem Ruͤckenmarke er eine Art von Uebereinſtimmung zu ſtiften ſcheint. Die Nerven der aͤußerſten Gliedmaßen laufen bey ihrem Urſprunge wie in Netze zuſammengeflochten, und ſind in Anſehung ihrer Laͤnge haͤrter und weit groͤßer, als die Nerven der Eingeweide. Diejenigen, welche in die Arme gehen, kom - men von den vier unterſten Nerven des Halſes, und von den zwey oberſten des Ruͤckens: die Nerven der Fuͤße aber entſpringen aus den Nerven der Lenden und des heiligen Beins.

Die Nerven ſind, ſo wie die Gefaͤße, aͤſtig, machen aber ſpitzige Winkel mit einander, und gehen oft augen - ſcheinlich zuruͤck; ſie werden allgemach weicher und kleiner, ob ſie ſchon an einigen Stellen auch, indem ſie ſich vom Gehirne entfernen, dicker werden, und ſie endigen ſich mit ihren meiſtentheils unſichtbaren kleinen Zweigen, in ein weiches markigtes Weſen, nachdem ſie zuvor die Decken, von denen ſie umgeben waren, abgeleget haben. Die Faſern der Nerven werden von dem Gehirne weg, ſo ge - rade fortgeſetzet, daß ſie ſich durch keine Zertheilung ſpal - ten laſſen, und ſich diejenigen Buͤnde nur von einander trennen, die durch ein fadigtes Gewebe verbunden waren. H. P. §. 356 363.

Es iſt wahrſcheinlich, daß die Nervenfaſern und die gleichartigen Markfaſern des Gehirns hohl ſeyn, und daß ein fluͤſſiges Weſen, das aus dem Gehirne koͤmmt, in ih - nen herabſteige und bis in die aͤußerſten Theile hinaus fließe. Die Feinheit der Roͤhren, die kein Vergroͤße - rungsglas erreichet, widerleget keinesweges die Verſuche, u. ſ. w. Wenn es Roͤhren ſind, ſo iſt hoͤchſt glaublich, daß ſie ihren Saft von den Schlagadern des Gehirns ha - ben. H. P. §. 378.

B 2§. 14.20I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte.

§. 14.

Die Nerven endigen ſich an ihren aͤußerſten Spitzen entweder ſo, daß ſie ſich andern, zu gewiſſen Bewegungen beſtimmten Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers, einverlei - ben, oder daß ſie ſich blos in der Haut, oder in andern Theilen, z. E. im Auge, Ohre, ꝛc. ausbreiten, ohne in ſol - che Maſchinen einzudringen, die zu gewiſſen Bewegungen beſtimmet ſind, wenigſtens ohne dazu mitzuwirken. Die erſtern heißen, in dieſer Beziehung, Bewegungsner - ven; die letztern hingegen Empfindungsnerven. Sie ſind aber uͤbrigens voͤllig von einerley Materie und Struck - tur, und ihr Unterſchied liegt bloß in dieſer Localverhaͤlt - niß, nicht aber in ihnen ſelbſt. Eben dieſelben Nerven ſind unſtreitig ſowohl der Empfindung als der Bewegung gewiedmet, ſo daß man nicht eine doppelte Eintheilung annehmen kann, nach welcher die einen Nerven (an ſich betrachtet) die Empfindung, die andern die Bewegun - gen hervorbringen. H. P. §. 384. Es koͤnnte alſo jeder Nerve eins und das andre ſeyn, nachdem ſeine letzten Zwei - ge ſich hier oder anderswo vertheilen, und jeder Bewe - gungsnerve iſt auch zugleich mit den Eigenſchaften der Empfindungsnerven begabt. Die Bewegungsnerven ha - ben zum Theil gewiſſe Knoten oder Verwickelungen, theils ihrer eignen Faden, theils ganzer andrer Nervenzweige und Nerven, die ſich zu ihnen geſellen, §. 13. worinn die ge - rade Richtung der Nervenfaden, Zweige, und ganzer Ner - ven unterbrochen wird. Jn den Nerven der aͤußerlichen Sinne, die gar nicht zu einiger Bewegung mechaniſcher Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers beſtimmet ſind, findet man ſolche Knoten nicht. Die meiſten Nerven gehen in die Muskeln, viele in die Haut, weniger in die Einge - weide, die wenigſten in die Lunge, und gar keine in die harte und duͤnne Hirnhaut, in die Spinnenhaut, die Seh - nen, die Gelenkhoͤlen, die Baͤnder und in den Mutterku - chen. Sie vereinigen ſich, ſo wie die Gefaͤße, haͤufig untereinander, oder werden auch aus einem Stamme in viele211 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. viele Aeſte zertheilet; inſonderheit in dem Zuſammenſtoſ - ſen der Aeſte verſchiedener Staͤmme findet man die Kno - ten, oder harte nervigte Geſchwuͤlſte, die mit Gefaͤßen ver - ſehen, und von einer feſten Haut umſchloſſen ſind; deren Bau und Nutzen bis hieher unbekannt iſt, und in denen die gerade Richtung der Nervenfaſern unterbrochen wird. Man findet keine ſolche Knoten in den Nerven, die einzig den Sinnen gewiedmet ſind, noch in den Nerven des ach - ten Paars, des Zwerchfells, der Gliedmaßen. Den Ner - ven des Ruͤckgrats hingegen, und dem Rippennerven, der in der That ein Nerve des Ruͤckgrats iſt, ſind ſie eigen. H. P. §. 364.

§. 15.

1. Alle Erſcheinungen bey den Empfindungen und Be - wegungen, die durch die Nerven veranlaſſet werden, ma - chen die Gegenwart eines aͤußerſt ſubtilen fluͤſſigen Weſens wahrſcheinlich, das unſichtbar im weichen Marke des Ge - hirns und der Nerven wohnet, und alle thieriſche Verrich - tungen beyder vermittelt. Man nennet es die Lebensgei - ſter, oder den Nervenſaft, weiß aber nicht eigentlich, wie und auf welche Weiſe ſie zu den thieriſchen Verrichtungen etwas beytragen. Sie ſind nicht dasjenige fluͤſſige Weſen, was im Gehirn - und Nervenmarke ſichtbar iſt, ſondern ein viel ſubtilerer Hauch, der nicht in die Sinne faͤllt. Aus den Erſcheinungen, die ſein Daſeyn verrathen, laͤßt ſich ſchließen, daß der Nervenſaft ein fluͤſſiger, aͤußerſt beweg - licher, geiſtiger Dunſt ſey, der weder waͤſſerig, noch kle - brig, noch elaſtiſch, aͤtheriſch, oder elecktriſch ſeyn kann. Da die Empfindungen und Bewegungen nicht aus der Federkraft der Nerven erklaͤret werden koͤnnen, ſo ſcheint wahrſcheinlich, daß es ein fluͤſſiges Weſen ſey, das aus dem Gehirne koͤmmt, in den Nerven herabſteige und bis in die aͤußerſten Theile hinausfließe; daß die Geſchwindig - keit dieſes fluͤſſigen Weſens durch einen Reiz beſchleuniget werde, u. ſ. w. H. P. §. 377. Die Natur der Be -B 3 ſtand -22I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. ſtandtheile dieſes fluͤſſigen Weſens iſt noch ungewiß. Vie - le, inſonderheit neuere Schriftſteller, hielten ſie fuͤr ent - weder vollkommen hart, oder elaſtiſch, fuͤr aͤtheriſch, oder endlich fuͤr elecktriſch; und andre glaubten, die Geiſter ſeyn waͤſſerig, ließen ſich nicht zuſammendruͤcken, und haͤt - ten etwas dem Eyweiße Aehnliches. Allein es iſt nicht zu laͤugnen, daß vieles uns verhindert, eine von dieſen Meynungen anzunehmen. Die elecktriſche Materie iſt zwar kraͤftig und faͤhig, die ſtaͤrkſten Bewegungen hervor - zubringen: allein ſie laͤßt ſich nicht in die Nerven ein - ſchlieſſen, ſondern durchdringet den ganzen Koͤrper, und erfuͤllt ſowohl die Muskeln und das Fett, als die Nerven mit ihrer Kraft. Nun aber ſehen wir in einem lebenden Thiere, auf eine angebrachte Reizung, nur die Nerven, oder diejenigen Theile zittern, die mit Nerven begabt ſind; folglich muß das fluͤſſige Weſen, das durch die Nerven fließt, ſo beſchaffen ſeyn, daß es in den Roͤhren derſelben allein kann eingeſchloſſen werden. Ein unterbundener Nerve hebt auch die Empfindung und die Bewegung auf, da hingegen der elecktriſche Strom dadurch nicht aufgehal - ten wird. H. P. §. 379. Das waͤſſerige und dem Ey - weiße aͤhnliche Waſſer iſt allen Saͤften des Menſchen ge - mein, und man koͤnnte leicht glauben, daß es auch im Nervenſafte zugegen waͤre, aus dem Beyſpiele des Waſ - ſers, das in den Hoͤlen des Gehirns ausduͤnſtet, und aus eben denſelben Gefaͤßen entſpringet, die den Nervenſaft ab - ſcheiden. Hieher gehoͤret auch das aͤhnliche Beyſpiel des gallerigten Safts, der aus den zerſchnittenen Gehirnen der Fiſche oder groͤßern Nerven der Thiere herausfließt, und das Aufſchwellen unterbundener Nerven. Allein, iſt eine waͤſſerige Gallert auch faͤhig, die erſtaunenden Wir - kungen gereizter Nerven zu bewirken, die ſich in den Zer - gliederungen lebender, auch ſo gar der kleinſten Thiere zei - gen, und die Kraͤfte der Raſenden und mit Mutterbe - ſchwerden Behafteten zu erklaͤren? Dient hierzu etwas das hydroſtatiſche Beyſpiel der Haarroͤhrchen? das zwar die231 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. die Staͤrke der Bewegung einigermaßen erklaͤret, von der Geſchwindigkeit aber widerleget wird. H. P. §. 380. Der Nervenſaft muß aͤußerſt fein und unſichtbar und oh - ne Geruch und Geſchmack ſeyn, und ſich doch durch die Speiſen wieder erſetzen laſſen. Man muß ihn ſorgfaͤltig unterſcheiden von dem ſichtbaren und klebrigten Safte, der aus den Gefaͤßen in den Zwiſchenraͤumen der nervigten Schnuren ausduͤnſtet. H. P. §. 381.

2. Obgleich thieriſche Maſchinen allen Thieren weſent - lich eigen ſind, §. 6. ſo beſitzt doch nicht jede Gattung der letztern alle, die hier beſchrieben worden, §. 9 15. N. 1. ſondern es ſind dieſe nur den vollkommenſten, naͤmlich dem Menſchen, und den ihm am naͤchſten kommenden Gattun - gen eigen. Da aber unſer Zweck nicht iſt, blos die erſten Gruͤnde der Phyſiologie der eigentlichen thieriſchen Natur der Menſchen, ſondern aller Thiere uͤberhaupt zu entwer - fen; ſo wird es im Verfolge dieſes Werks ſeine Anwen - dung finden, wenn wir hier die weſentlichſten Abweichun - gen der thieriſchen Maſchinen bey verſchiedenen Gattungen der Thiere aus des Herrn v. Hallers geſammleten Beob - achtungen, nothduͤrftig hinlaͤnglich, beſchreiben. Umſtaͤnd - licher kann man davon in der großen Phyſiologie dieſes be - ruͤhmten Lehrers der Aerzte, 4 Band 10 Buch, oder in deſſen oper. min. Tom. 3. S. 191. u. f. unterrichtet werden.

Das Gehirn mangelt gaͤnzlich einigen Thieren; z. E. denjenigen microſcopiſchen Wuͤrmchen, die gemeiniglich rund ſind, und deren verſchiedene Geſtalten Joblot, und deren heftige Kriege, Liſt, Geſchaͤftigkeit, Raubſucht und natuͤrliche Fertigkeiten Johann Hill beſchrieben, (S. des Hamb. Magaz. 12 B. S. 377. ꝛc.) Ferner den eben ſo geſchaͤfftigen und der willkuͤhrlichſten und kuͤnſtlichſten Be - wegungen faͤhigen Polypen des ſuͤßen Waſſers, wie auch den gleichartigen Thierchen, ob ſie gleich groͤßer ſind, den Bandwuͤrmern, den Meerneſſeln und andern Thierpflan - zen, welche Donati mit vieler Geſchicklichkeit unterſuchetB 4hat.24I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. hat. Die Groͤße der letztern verſtattet ſchwerlich, daß man ein etwa verſtecktes Gehirn vermuthen ſollte, wofern ja eins vorhanden waͤre, indem ihre Theile, auch ſchon ohne ein Vergroͤßerungsglas, deutlich genug in das Auge fal - len. Hingegen findet man in denen Thieren, die Kopf und Augen haben, durchgehends auch ein Gehirn, und daneben ein Ruͤckenmark, und es iſt zu zweifeln, ob man Augen ohne Gehirn, oder Gehirn ohne Augen, an irgend einem Thiere wahrgenommen habe. Demnach haben die Wuͤrmer, die Keilmuſcheln, Schnecken, die Einſiedler - krebſe, die Krebsarten, die Spinnen, Milben, das Ein - auge, die Kaͤfer, Fliegen, Bienen, die Raupen, Laͤuſe, ꝛc. ihr Gehirn, und folglich haben diejenigen Schriftſteller un - recht, welche vorgeben, daß Jnſekten ohne Gehirn waͤren. Allein man muß dem ungeachtet geſtehen, daß das Gehirn in dieſen Thierchen ſehr einfach iſt, und daß man unter ih - nen nicht wenige antrifft, welche nur etwas wenig Mark im Gehirne, außer dem Urſprunge der Sehenerven, ha - ben, wie ſolches von der Laus, der Milbe, dem Einauge, der Fliege, Biene, dem kleinen Krebs, und der Natter ſelbſt bekannt iſt. Am allergewoͤhnlichſten iſt das Gehirn in den kleinen Thieren halb geſpalten und ſehr ſelten in zween Lappen unterſchieden. Einfach und halb geſpalten iſt es in der Biene, der Raupe, der Fliege von einem Ta - ge, dem Kaͤfer, der Milbe, der Schnecke, dem Regen - wurme, den Krebſen, in der Natter und der Schildkroͤte. Hingegen hat das Gehirn zween Lappen in der Laus, dem Froſche, dem Blackfiſche und im Chamaͤleon. Folglich zeiget ſich mehrentheils bey dem einfachſten Gehirne ein Lap - penpaar bald deutlich, bald weniger deutlich abgetheilt. Das Gehirn in den Fiſchen von kaltem Blute iſt ſchon nicht ſo einfach, ſondern weit mehr entwickelt. Es zeigen ſich mehrere Huͤgelchen, mehrentheils deren fuͤnfe, und da - mit ſtimmet auch die Einrichtung in den Voͤgeln ziemlicher - maßen uͤberein. Doch haben einige Fiſche auch ſechs bis acht und noch mehr ſolcher Gehirnlappen. Fuͤnfe ſind außerden251 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. den kaltbluͤtigen Fiſchen und den Voͤgeln, auch den warm - bluͤtigen Fiſchen und den vierfuͤßigen Thieren gemein, wel - che folglich einerley Bau haben, da ſo gar die Gliedmaßen der erſtern insgeſammt einige unvollkommene Nachahmun - gen von den Fuͤßen und Armen der vierfuͤßigen ſind. Jn den warmbluͤtigen ſind die vier vordern Erhabenheiten des Gehirns von der fuͤnften, welche allezeit die hinterſte iſt, und das Hirnlein genennet wird, abgeſondert. Wie das Gehirn in den Jnſekten und Wuͤrmern an ſich einfach iſt, und in den Jnſekten der kleine Knoten, den man Gehirn nennet, wenig von den uͤbrigen Knoten des Ruͤckenmarks unterſchieden iſt, ſo ſcheint auch in denen Fiſchen und den Thieren von kaltem Blute das Gehirn gleichſam ein An - haͤngſel von dieſem Ruͤckenmarke zu ſeyn. Jn Fiſchen iſt es uͤberhaupt klein; ungemein klein aber im Froſche, im Chamaͤleon und im Krokodille. Jn allen vierfuͤßigen Thie - ren iſt das Gehirn, im Verhaͤltniß gegen den ganzen Koͤr - per eines jeden, viel groͤßer, als in gleicher Verhaͤltniß bey den Fiſchen: doch aber iſt es in ſolchen, die, ihres ſtarken Gebiſſes wegen, große Schlafmuskeln haben muͤſſen, nur klein; z. E. im Loͤwen, Baͤren, Wolfe, Fuchſe, Hunde, der Katze, der Wieſel, dem Marder, dem Luchſen, dem Biber. Unter den Thieren, die vom Graſe leben, haben einige bald ein großes, bald ein kleines Gehirn. Das vom Elephanten, Kameele und Ochſen iſt klein, beym Pferde, Eſel, und Hirſche iſt es nach Verhaͤltniß groͤßer. Unter den Thieren, die alles ohne Unterſchied freſſen, hat die Maus, die Waſſermaus, die Ackermaus ein großes, das Schwein hingegen ein ſehr kleines Gehirn, und wenn al - les dieſes zuſammengezogen wird, ſo hat unter den vier - fuͤßigen der Ochſe oder Elephant das kleinſte, hingegen die Maus das groͤßte Gehirn, und es ſcheint ſich alſo das Ge - hirn verkehrt gegen die Groͤßen der Koͤrper zu verhalten. Doch darum haben nicht die traͤgen Thiere weniger, und die ſchnellen mehr Gehirn: denn es iſt im Eſel groͤßer, als im Pferde. Nicht groͤßer iſt das Gehirn in den vier -B 5fuͤßigen26I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. fuͤßigen Waſſerthieren, oder Wallfiſchartigen, obgleich ei - nige dem Meerkalbe ein großes, und zwar ein groͤßeres als dem gemeinen Kalbe geben, und ob man gleich behauptet, daß es im Braunfiſche groß und im Delphine am groͤßten ſey. Man hat das Gegentheil davon gefunden. Die meiſten Voͤgel haben ein großes Gehirn, wiewohl es im Straußen, Kramsvogel, indianiſchen Huhne, der Gans, und in der Klaſſe der Fleiſchfraͤßigen kleiner iſt. Der Ca - narienvogel ſcheint unter allen das groͤßte zu beſitzen. Jn der Klaſſe der Thiere, die dem Menſchen am naͤchſten kom - men, hat der Pygmaͤe, den Eduard Tyſon beſchreibt, ein großes Gehirn; denn obgleich dieſes Thier nicht laͤnger als 26 Zoll geweſen, wogegen der Menſch bis ſechs Fuß hoch wird, ſo wog doch ſein Gehirn 11 Unzen 7 Quent - chen, da bisweilen ein erwachſener Menſch nur anderthalb Pfund Gehirn hat, obwohl es auch zuweilen noch einmal ſo ſchwer, ja gar bis fuͤnf Pfund und druͤber gewogen. Man hat von je her angegeben, daß der Menſch unter den Thieren das groͤßte Gehirn habe, und es iſt nicht noͤthig, dieſe aus der Beobachtung der Natur hergeleitete Angabe zu veraͤndern. Unter den vierfuͤßigen hat hierinnen kein einziges vor dem Menſchen einen Vorzug: die meiſten ha - ben es kleiner, und in der Vergleichung iſt das Gehirn des Menſchen groͤßer, als im Ochſen oder Pferde. Die kleinen Voͤgel, welche entweder ein gleich großes, oder gar ein groͤßeres haben, ſind dagegen ungemein mager, und der Menſch fett, wiewohl man das Fett nicht in Betrachtung ziehen muß, da es nicht unter die eigentlichen Beſtandthei - le eines thieriſchen Koͤrpers gehoͤret. Die Voͤgel haben uͤber - dem ſehr große Augen. Die Markrinde des Ge - hirns hat in den vierfuͤßigen Thieren und in den vordern Gehirnlappen der Voͤgel, ſo wie im kleinen Gehirne, ei - nerley Lage. Jn den Seefiſchen und einigen groͤßern ſoll ſie wenig von einer Gallert verſchieden ſeyn: allein man hat vermuthlich das Oel, was das Gehirn der Fiſche zu umge - ben pflegt, mit der Markrinde deſſelben verwechſelt: dennes271 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. es iſt das Gehirn auch im Karpfen gleichſam mit Oele um - goſſen, und es iſt dem ungeachtet wirklich vorhanden, und wie das beſchaffen, welches die vierfuͤßigen haben. Von den Abaͤnderungen der Strucktur des Gehirns in verſchie - denen Gattungen der Thiere, die allerdings betraͤchtlich ſind, wird es um deſto weniger noͤthig ſeyn, in dieſen An - fangsgruͤnden eine Beſchreibung zu machen, je geringer der Nutzen einer ſolchen Erkenntniß bis itzt waͤre, da wir die natuͤrlichen Verrichtungen der beſondern Theile des Ge - hirns doch nicht kennen.

Das Hirnlein haben alle vierfuͤßige Thiere und Voͤ - gel mit dem Menſchen gemein, ja man findet es ſo gar, oder doch etwas ſehr Aehnliches davon, auch in den Fiſchen. Hingegen mangelt das kleine Gehirn den Jnſekten. Es iſt im Menſchen, in verſchiedener Betrachtung kleiner, als das große Gehirn, und unterſcheidet ſich, was den Bau betrifft, weder durch die Weiche noch Haͤrte vom Gehirne, da es hingegen viel mehr von dem markrindigen Weſen be - ſitzt, und dieſes an ſich weicher, als das Mark iſt. Gemei - niglich iſt das Hirnlein im Menſchen um neunmal kleiner, als das große Gehirn. Hiervon weicht nicht ſehr das Ver - haͤltniß im Ochſen, Hunde, und Fuchſe ab. Jm Pferde hingegen iſt es nach Proportion fuͤnfmal kleiner, welches ſich auch in dem Schaafe ſo befindet. Es iſt groͤßer in dem Geſchlechte der Maͤuſe, und gemeiniglich dreymal ſo klein als das große Gehirn in der Hausratze, groͤßer in der Feldmaus und am allergroͤßten in der Hausmaus, naͤm - lich nur um zweymal kleiner. Folglich hat der Menſch nach Proportion des Gehirns unter allen Thieren das kleinſte Hirnlein.

Was das Ruͤckenmark betrifft, ſo beſitzen die Jn - ſekten und Wuͤrmer dieſen Haupttheil des Nervenſyſtems, und die Fiſche ebenfalls. Jn dieſen Geſchoͤpfen von lan - gem Leibe und kleinem Kopfe iſt das Gehirn kaum um ei - nige Knoten groͤßer, als das Ruͤckenmark, und es laͤßt ſich in dieſem Falle die Meynung einiger alten Weltweiſen ent -ſchuldi -28I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. ſchuldigen, wenn ihnen das Gehirn nur als ein Anhaͤngſel des Ruͤckenmarks vorgekommen iſt. Doch es iſt auch das Gehirn in dem Schlangengeſchlechte an ſich nur klein. Die - jenigen Thiere hingegen, welche einen groͤßern Kopf haben, beſitzen ein groͤßeres Gehirn als Ruͤckmark, nach eben ſol - chem Verhaͤltniſſe, welches beſonders von den Voͤgeln und den warmbluͤtigen vierfuͤßigen gilt. Bey dieſen, ſonderlich aber bey den Voͤgeln, und am meiſten im Menſchen, iſt das Ruͤckmark nur ein kleiner Anhang zum Gehirne, in - dem es außerdem nicht die ganze Laͤnge des Ruͤckens hin - ablaͤuft, ſondern ſich bey dem erſten oder zweyten Lenden - wirbel endigt, und die uͤbrige Laͤnge der Lendenwirbel und des heiligen Beins den Nerven des Pferdeſchweifs §. 13. einraͤumt. Das Ruͤckmark iſt durchgaͤngig markig, we - nigſtens groͤßtentheils und an ſeiner ganzen aͤußern Flaͤche: doch zeigt ſich an gewiſſen Stellen auch etwas Markrindi - ges oder Graues im Ruͤckenmarke. Das ganze Mark iſt ungemein weich, zerfließt an der Luft, und iſt weicher als das Gehirn ſelbſt, obgleich das Mark hier ebenfalls feſter, als das Markrindige iſt. Bey den Jnſekten iſt es ein Fa - den, der durch viele Knoten abgeſetzet iſt, und deſſen unter - ſtes Ende ſich mehrentheils, beynahe auf eben die Weiſe, wie bey andern Thieren, in die Nerven des Pferdeſchweifs zertheilet.

Die harte Hirnhaut iſt uͤberhaupt im Menſchen von einem feſten Gewebe, und es iſt nicht leicht eine ſeiner Haͤu - te feſter. Hingegen iſt ſie in einigen Fiſchen durchgehends knorpligt; in den kleinen Vierfuͤßigen und in den Voͤgeln aber zarter und weicher.

Man findet in allen denjenigen Thieren, die ein Ge - hirn und Ruͤckenmark haben, wie auch in den Jnſekten und in den Schalwuͤrmern, Nerven; ob ſie gleich zur Zeit in den einfachen Thieren, als in den Polypen und andern Pflanzenthieren, noch nicht recht bekannt ſind. Da aber die Polypen offenbar zum Thierreiche gehoͤren, ſo darf man den Unterſchied, welcher ſie von den Pflanzen trennt, nichtauf291 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. auf die Nerven einſchraͤnken. Uebrigens hat man die Ner - ven wirklich beobachtet, im Krebs, im Meerkrebs, im Dintenfiſche, in der Schnecke, im Tagwurme, im Sei - denwurme, in der Raupe, in der Biene, im Kellerwur - me, in der Kaͤfermade, in der Milbe, in der Laus, u. a. und Swammerdam ſagt ausdruͤcklich, daß die Nerven - zweige in den Jnſekten durch alle Glieder, Geer und Lyonnet aber, daß ſie beſonders zu den Muskeln gehen. Das Mark iſt der erſte und weſentlichſte Theil eines Ner - ven, welches dieſer aus dem Gehirne oder Ruͤckenmarke, als eine Fortſetzung, in ſich nimmt, und es iſt dieſes Mark im Nerven nicht allein jenem vollkommen aͤhnlich, ſondern auch eben ſo weich, weiß, ohne Schnellkraft und Dehn - barkeit. Hierbey iſt noch bemerkenswerth, daß ſowohl hier, als in den andern Nerventheilen die groͤßte Ueberein - ſtimmung zwiſchen den Nerven eines Menſchen, der vier - fuͤßigen Thiere, der Voͤgel und Fiſche, wie auch der Jn - ſekten Statt findet.

Das Ruͤckenmark zeiget ſich hin und wieder in kleinen Thieren knotig, ſo oft es Nerven hervorbringt, derglei - chen in den Kellerwuͤrmern, in der Biene, in der Raupe, im Tagwurme, im Waſſerſkorpion, an der Laus, an der Milbe, am kleinen Krebs u. a. zu ſehen iſt. Man findet in Menſchen und den vierfuͤßigen Thieren dergleichen klei - ne Knoten blos an den Nerven ſelbſt, und niemals im Gehirne oder Ruͤckmarke. Doch es ſchwellen alle Nerven, die aus dem Ruͤckmarke abſtammen, ſobald die Nerven - ſchnuͤre die harte Membrane durchbohrt haben, zu einem Knoten auf, und hiervon iſt blos der Zuſatznerve (acceſſo - rius) ausgenommen. An derjenigen Stelle eines Ner - ven, wo ſich mehrere Aeſte wieder ſcheiden, findet man durchgaͤngig Nervenknoten. Sie haben faſt alle einerley Bau; es naͤhern ſich ihnen eine große Menge von Puls - adern; der Nervenknote iſt der haͤrteſte Theil des Nerven; ein jeder hat ſeine Bekleidung, welche aus dem harten Zell - gewebe beſteht, oder eine rothe und feſte Scheide; ja esſind30I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. ſind ſogar die Nervenſchnuren ſelbſt unterbrochen, und man kann die parallele Richtung der geraden Faſern fernerhin nicht von einander unterſcheiden, indem ſich dieſe Schnuͤre auf das genaueſte mit einander zu vermiſchen ſcheinen. Es ſcheinen aber die Nervenſchnuren in dem Knoten eine loſe Lage anzunehmen, ſich von einander zu entfernen, und Zwiſchenraͤume zu formiren, welche von einem harten ro - then Zellgewebe ausgefuͤllt werden. Es iſt uͤbrigens eine ausgemachte Sache, daß die Knoten jederzeit groͤßer, und bisweilen ſehr anſehnlich groͤßer ſind, als der Nerve iſt, woraus ein jeder Knote ſeinen Urſprung bekoͤmmt. Es iſt auch gewiß, daß faſt allezeit aus den Knoten mehr Nerven hervorkommen, als in denſelben hineingehen, und daß ſie alſo, wie das Gehirn, neuen Nervenzweigen ihren Ur - ſprung geben; woher es ſehr wahrſcheinlich wird, daß ſie, wenn ſie, wie das Gehirn, gewiſſe Eindruͤcke bekommen, dieſelben, eben ſo wie jenes, durch die neuen Nerven, die in ihnen entſpringen, auf die Glieder, die dieſe regieren, fortpflanzen, ob ſie gleich hier nicht ſo wie im Gehirne em - pfunden werden koͤnnen. Doch hiervon unten §. 48. 415. N. 2. 3. u. a. ein Mehreres.

Wenn man aus dieſem Allen einen Schluß auf das ganze Thierreich machen ſoll, ſo ſind die allgemeinen thie - riſchen Maſchinen, die, ſo viel man weiß, keiner Gattung mangeln, mithin die weſentlichſten Theile des thieriſchen Lebens ſind, nur die Nerven, die Nervenknoten, und das Ruͤckenmark mit der ihm etwa zugehoͤrigen Markrinde, oder Aehnlichkeiten aller dieſer Theile, in welchen die Lebensgeiſter ih - ren Aufenthalt und Umlauf haben, und worinn ſie auch, wo keine Markrinde des Gehirns vorhanden iſt, vom Blute abgeſondert werden muͤſſen. §. 11. Nicht ſo allgemeine, und nur gewiſſen Gattungen von Thieren, beſonders den unſtreitig beſeelten, we - ſentlich nothwendig thieriſche Maſchinen aber, ſind das Gehirn und Hirnlein, mit ihren Markrinden,und311 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. und den Nerven der Gliedmaßen der aͤußerlichen Sinne. Von denen, die Gehirn haben, ſind nur die voll - kommenſten, die unſtreitig denken und begehren, mit einem großen und betraͤchtlichen Gehirne und vielerley Gliedmaßen der aͤußern Sinne verſehen: dahingegen andre, die nur zweydeutige Spuren von Vorſtellungen aͤußern, ein kleines, einfaches und unfoͤrmliches Gehirn haben, das ſich wenig vom Ruͤckenmarke unterſcheidet, und nur ein Anhang deſ - ſelben zu ſeyn ſcheint, mithin vermuthlich auch nur die Ver - richtungen deſſelben hat.

Wir unterſuchen in dieſem erſten Theile der Phyſio - logie die thieriſche Natur der vollkommenſten Thiere, wor - inn ſich alle obige thieriſche Maſchinen, oder doch die vor - nehmſten vereinigen, und ſie faͤhig machen, in Gemein - ſchaft mit der Vorſtellungskraft einer Seele zu handeln. Alle uͤbrige Thiere unterſcheiden ſich nur durch immer groͤße - re Maͤngel an thieriſchen Werkzeugen und Kraͤften, und es giebt einige, deren ganzes Leben ſo unwirkſam, einfoͤr - mig und Maſchinenmaͤßig iſt, daß man kaum die Spur thieriſcher Kraͤfte darinn finden kann. Wie nun blos durch die allgemeinſten und weſentlichſten thieriſchen Maſchinen und ohne den Beytritt, der nur den vollkommenern eigen, gleichwohl ein thieriſches Leben beſtehen koͤnne, und wie weit es dem der vollkommnern beykomme oder nachſtehe, das wird der zweyte Theil dieſer Phyſiologie lehren: und hieraus wird ſich endlich im dritten der allgemeine Abriß der thieriſchen Natur zeichnen laſſen, woraus erhellen wird, wie ſich in jeder Gattung der Thiere die Kraͤfte ihrer thieri - ſchen Maſchinen mit einander verbinden, um das thieriſche Leben einer jeden zu vollfuͤhren. §. 8.

Zweytes32I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr.

Zweytes Kapitel. Die thieriſchen Kraͤfte an ſich, und beſonders als thieriſche Seelenkraͤfte betrachtet.

§. 16.

Was fuͤr thieriſche Kraͤfte ſind den thieriſchen Maſchi - nen an ſich eigen, ohne Beziehung auf ihren Ein - fluß in den uͤbrigen Mechanismum? ſo daß ſie dieſelben beſitzen wuͤrden, wenn ſie ſich auch gleich nicht mit den me - chaniſchen Maſchinen, welche den thieriſchen Koͤrper be - wegen, vereinigten? Die Beantwortung dieſer Frage iſt der Gegenſtand des gegenwaͤrtigen Kapitels, worinn haupt - ſaͤchlich die thieriſchen Seelenkraͤfte der thieriſchen Maſchi - nen, an ſich betrachtet, in Erwaͤgung zu ziehen ſind. §. 8. Da die Lebensgeiſter zu den thieriſchen Verrichtungen, und beſonders zu den thieriſchen Seelenkraͤften des Gehirns und der Nerven nicht wenig beytragen, §. 11. ſo muͤſſen wir mit ihren thieriſchen Verrichtungen, in ſo weit ſie uns bekannt ſind, den Anfang machen.

Erſter Abſchnitt. Thieriſche Verrichtungen der Lebensgeiſter.

§. 17.

Die Lebensgeiſter entſtehen im Gehirne. §. 11. Wenn ſie alſo zu den thieriſchen Verrichtungen der Nerven etwas beytragen, und in ihnen gegenwaͤrtig ſind, oder die dem Gehirne etwa beygebrachten Eindruͤcke den Nerven - ſtaͤmmen, Zweigen und Spitzen uͤberbringen: ſo muͤſſen ſie vom Gehirne aus bis in die aͤußerſten Spitzen der Ner - ven fließen, oder wenigſtens den Eindruck ins Gehirn nach dieſer Richtung abwaͤrts vom Gehirne, nach den Nerven -ſpitzen331 Abſchn. Der Lebensgeiſter. ſpitzen hin, fortpflanzen, und haben alſo eine natuͤrliche Be - wegung vom Gehirne abwaͤrts in die Nervenſtaͤmme, Zwei - ge und Spitzen, wodurch ſie dann die unmittelbaren Wir - kungen des Gehirns in die Nerven vermitteln. Vergl. §. 122.

§. 18.

Wenn die in die Nerven ſchon ergoſſenen Lebensgeiſter zu den thieriſchen Verrichtungen des Gehirns etwas bey - tragen, und die in den Nervenſpitzen etwa empfangenen Eindruͤcke in daſſelbe uͤberbringen; §. 11. ſo muͤſſen ſie von den Nervenſpitzen an zum Gehirne fließen, oder wenigſtens den empfangenen aͤußern Eindruck nach dieſer Richtung aufwaͤrts zum Gehirne fortpflanzen, und haben alſo eine natuͤrliche Bewegung von den Nervenſpitzen aufwaͤrts zum Gehirne, wodurch ſie denn die unmittelbaren Wirkungen der Nerven in das Gehirn vermitteln. Vergl. §. 36. Es iſt wahrſcheinlich, daß ein fluͤſſiges Weſen, welches aus dem Gehirne koͤmmt, in den Nerven herabſteige und bis in die aͤußerſten Theile hinaus fließe; daß die Geſchwin - digkeit dieſes fluͤſſigen Weſens durch den Reiz beſchleunigt werde, und daß es blos nach der Richtung ſeines Laufs wirke, und hinaufwaͤrts keine Zuͤckungen erwecke, weil ihm der neue Zufluß eben dieſes aus dem Gehirne kom - menden Safts widerſteht; daß ferner dieſes fluͤſſige We - ſen in den Werkzeugen der Sinne von den ſinnlichen Vor - wuͤrfen in Bewegung geſetzet werde, und dieſe Bewegung hinauf in das Gehirn fuͤhre, und daß ihr kein empfinden - der Strom aus dem Gehirne entgegen fließe und wider - ſtehe. H. P. §. 377.

§. 19.

Dieſe Vermittelung des Nervenſafts zwiſchen den wech - ſelsweiſen Wirkungen des Gehirns und der Nerven in ein - ander wird aus allen Beobachtungen der Wirkungen thie - riſcher Kraͤfte hoͤchſt wahrſcheinlich, und geſchiehet ſo ſchnellCund34I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. und unmittelbar, daß derſelbe entweder in ſeiner Bewe - gung, oder in der Fortpflanzung der Eindruͤcke mit einer unbegreiflichen Geſchwindigkeit wirket. Der Nervenſaft, als ein Werkzeug der Sinne und der Bewegung betrach - tet, muß aͤußerſt beweglich und faͤhig ſeyn, die Eindruͤcke der Sinnen und die Befehle des Willens, ohne den aller - geringſten Aufſchub, an die Oerter ihrer Beſtimmung hinzubringen, noch die Urſache ſeiner Bewegung dem Her - zen allein ſchuldig ſeyn. H. P. §. 381.

§. 20.

Es iſt natuͤrlich und durch mancherley Erſcheinungen beſtaͤtiget, daß ſich durch oͤftern oder langen Gebrauch die Lebensgeiſter verzehren, oder zu ihren Verrichtungen un - tuͤchtig gemachet werden, und daß demnach die thieriſchen Kraͤfte, deren Vermittler in ihren Wirkungen ſie ſind, §. 17. 18. entweder ermatten und ſchwinden, oder zuneh - men, nachdem ſie dem Gehirne und den Nerven entweder entzogen oder zugefuͤhret werden. Wohin geht der Ner - venſaft, der in ſehr großer Menge von dem haͤufigen und ſchnell bewegten Blute des Gehirns muß abgeſondert wer - den, wenn man ihn mit der reichlichen Abſonderung des langſamer fließenden, und vom Herzen entferntern Bluts, der weit kleinern Nieren - oder Gekroͤsſchlagadern ver - gleicht? Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß er durch die Nerven der Haut ausduͤnſte. Die Mattigkeit, die nach wenigen Stunden auf ſtarke Bewegungen und Empfin - dungen folget, und ſich durch geiſtige Arzneyen heben laͤßt, beweiſet, daß dieſer Saft verloren geht und wieder erſetzet wird. Viele glauben, er duͤnſte in verſchiedene Hoͤlen des Koͤrpers, wie in den Magen und in die Gedaͤrme aus. Vielleicht wird ein Theil davon wieder zuruͤckgeſogen, da - mit dieſer ſo nothwendige Saft nicht allzugeſchwind wie - der verfliege. H. P. §. 385.

§. 21.351 Abſchn. Der Lebensgeiſter.

§. 21.

Wenn im Gehirne die Lebensgeiſter gehoͤrig vom Blu - te abgeſondert werden, und ihr Einfluß von da in die Ner - ven, oder von dieſen in jenes ungehindert von Statten geht, ſo erfolgen auch die thieriſchen Verrichtungen der Seelen - oder Nervenkraͤfte, welche ſie vermitteln muͤſſen, natuͤrlich und ungehindert, und ſo koͤnnen beſagte Kraͤfte, in Ver - haͤltniß dieſes Grundes frey wirken.

§. 22.

Alles, was die Hervorbringung der Lebensgeiſter im Gehirne hindert, alles, was ihre, uns zwar unbekannte, natuͤrliche Beſchaffenheit verdirbt, alles, was ihren Ein - fluß aus dem Gehirne in die Nerven, oder aus dieſen in jenes unterbricht, und endlich alles, was die Verzehrung oder Abnutzung derſelben befoͤrdert, das hindert die freye Wirkung der thieriſchen Seelen - und Nervenkraͤfte, in ſo fern ſolche durch ſie vermittelt werden muß. Der gehemm - te Umlauf des Bluts durchs Gehirn, die Zuſammendruͤ - ckung oder gaͤnzliche Zerſtoͤrung, oder die Trennung des letztern vom Koͤrper, hindern die Hervorbringung der Le - bensgeiſter im Gehirne. Ein allgemeines Verderben aller Saͤfte muß auch nothwendig ihre natuͤrliche Beſchaffenheit vernichten; das Unterbinden, Zuſammendruͤcken oder Zer - ſchneiden des Ruͤckenmarks, der Nervenſtaͤmme und ihrer Zweige hemmt ihren Einfluß aus dem Gehirne in die Ner - ven, und aus dieſen ins Gehirn; und eine uͤbermaͤßige An - ſtrengung der Leibes - oder Gemuͤthskraͤfte verzehret die Le - bensgeiſter. §. 20. Alſo ſind dieſes insgeſammt Urſa - chen, welche die freye Wirkung der thieriſchen Seelen - und Nervenkraͤfte in dem, was die Lebensgeiſter dazu beytra - gen, hindern.

§. 23.

Die Erfahrung lehret, daß im Schlafe, vom Genuſſe des Weins und andrer geiſtiger Mittel und leichter nahr -C 2hafter36I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. hafter Speiſen, durch den Geruch geiſtiger Duͤnſte, durch das Waſchen der Glieder mit dergleichen, durch Reiben, durch ſanfte Leibesbewegung, Gemuͤthsergoͤtzung, muntere Geſellſchaft, und durch gemaͤßigte angenehme Beſchaͤffti - gung der aͤußerlichen Sinne, ꝛc. die Seelen - und Nerven - kraͤfte geſtaͤrket und ermuntert werden, und es iſt wahr - ſcheinlich, daß dieß entweder durch eine Vermehrung, oder leichtere Abſonderung, erneuete natuͤrliche Guͤte, oder durch den erleichterten Ein - und Ruͤckfluß des Nervenſafts ge - ſchehe. §. 22. Auf gleiche Weiſe iſt es wahrſcheinlich, daß zu langes Wachen, Darben, ſchwaͤchende Nahrungsmit - tel und Arzneyen, Duͤnſte und andre wirkſame Theile ge - wiſſer Dinge, die ihrer verborgenen Natur nach dem Ner - venſafte ſchaͤdlich ſind, wie z. E. vom Opium und andern narcotiſchen Mitteln, Kaͤlte, Traͤgheit, Mangel der Lei - besbewegung, Strapazen, Verdruß, Anſtrengung der Gemuͤthskraͤfte und der aͤußern Sinne, ꝛc. die thieriſchen Kraͤfte darum ſchwaͤchen und verhindern, weil dieſe Urſa - chen entweder die Lebensgeiſter vermindern, oder ihre Ab - ſonderung dadurch erſchwert, ihre gute Beſchaffenheit ver - dorben, oder ihr Ein - und Ruͤckfluß gehindert wird. §. 22.

Anmerkung. So wenig uns auch von der Natur und der eigentlichen Beſchaffenheit der Kraͤfte der Le - bensgeiſter bekannt iſt, ſo kann doch ein Arzt zu ſeinen Abſichten ſchon damit zufrieden ſeyn; und wenn auch dieß Wenige, was wir zu wiſſen glauben, noch unge - wiß und hoͤchſtens nur wahrſcheinlich iſt; ſo kann es doch, der uͤbrigen Wiſſenſchaft unbeſchadet, immer unausge - macht bleiben, weil wir nicht noͤthig haben, die Art und Weiſe, wie ſich die thieriſchen Kraͤfte entwickeln, zu er - klaͤren, wenn wir nur aus den Beobachtungen ihre wah - ren Wirkungen und Geſetze erkennen.

Zweyter372 Abſchn. Des Gehirns.

Zweyter Abſchnitt. Thieriſche Kraͤfte des Gehirns, als thieriſche See - lenkraͤfte an ſich betrachtet.

§. 24.

Das Gehirn hat eine doppelte beſtaͤndige Bewegung, die nur mechaniſch iſt, und nicht eigentlich zu ſeiner thie - riſchen Natur gehoͤret. Die eine iſt blos die ihm mitge - theilte Bewegung der Schlagadern, welche weiter nichts Merkwuͤrdiges hat. Die andere aber beſteht in einer wech - ſelsweiſen Bemuͤhung, ſich auszudehnen und wieder zuſam - menzufallen, welche der Herr v. Haller von der uͤberein - ſtimmenden Bewegung herleitet, die die zuruͤckfuͤhrenden Adern des Gehirns mit dem Athemholen haben, ſo daß ſowohl dieſe, als das Gehirn ſelbſt, wenn es nicht gehin - dert wird, beym Ausathmen aufſchwellen, beym Einath - men aber niederſinken. Es erhellet an dem Menſchen, deſſen Hirnſchale weich iſt, wie am Kinde zu ſehen, wie auch an ſolchen Menſchen und Thieren, denen ein Theil von der knochigen Hirnſchale abgehoben worden, offen - bar; daß bey jedem einzelnen Ausathmen das Gehirn in der That groͤßer werde, ſich ausdehne, in die Hoͤhe ſteige, und uͤber die verletzte harte Gehirnhaut, oder zerbrochene Hirnſchale hervorraget, den aufliegenden Finger zuruͤck - ſtoͤßt, und ſich das Blut uͤber das Gehirn ergießt. Das Gehirn hebt und dehnet ſich, wenn man ſchreyt. Man hat waͤhrend des Ausathmens durch die Kranznath eine ſtin - kende Materie austreiben geſehen. Es drang bey einem erſtickenden Huſten aus einer großen Kopfwunde eine Menge Blut hervor. Jm Geſchrey und Huſten erheben ſich die Sinus der harten Gehirnhaut. Wenn man Mund und Naſe zuhaͤlt, ſo ſchwitzt aus der zerbrochenen Hirnſchale ein Tropfen Bluts hervor, und es iſt waͤhrend des Ausathmens aus den Loͤchern der Hirnſchale Blut her - vorgedrungen. (Schlichting hat auch Luftblaſen her -C 3 austreten38I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. austreten ſehen.) Jm Einathmen geſchieht von dieſem allen das Gegentheil. Es wird das große und kleine Ge - hirn alsdann kleiner, es ſinkt nieder, faͤllt ein, und wird gleichſam von der Wunde der Hirnſchale verſchlungen, welches ſich alsdann noch deutlicher zeiget, wenn man die gebundene Luftroͤhre wieder aufloͤßt. Die Urſache von dieſen Erſcheinungen iſt in keine Dunkelheiten eingehuͤllet. Es wird naͤmlich das Blut durch die Droſſelblutadern im Ausathmen offenbar zuruͤckgetrieben, und es ſteigt ſolches gegen den Kopf in die Hoͤhe: dahingegen ſinkt es im Ein - athmen durch eben dieſe Blutader herab, und naͤhert ſich dem Herzen. Wenn man daher die Schlag - und Blut - adern des Kopfs durchſchneidet oder unterbindet, ſo wird dieſe Bewegung gehemmet, und es waͤchſet durch das von der Hohlader hinauf geſpritzte Blut, oder auch wenn die Bruſt zuſammengedruͤcket wird, oder wenn das Athem - holen beſchwerlich faͤllt, die Bewegung des Gehirns groͤſ - ſer. Es kann zwar dieſe Erſcheinung in einem Thiere, das noch lebet, und eine ganze Hirnſchale hat, ſich nicht bis dahin erſtrecken, daß ſich das Gehirn wirklich bewe - gen ſollte: aber es iſt doch auch kein Zweifel, daß ſich nicht das Blutaderblut in den Blutadern des Kopfes und des Gehirns ſtaͤrker anhaͤufen koͤnnte, und daß ſich die Blutadern insgeſammt ausdehnen und alles dasjenige zu - ſammendruͤcken koͤnnen ſollten, was ſich zwiſchen den auf - geſchwollenen Blutadern befindet. Man hat dieſe wech - ſelsweiſe Bewegung des Gehirns ſchon in den aͤlteſten Zeiten, und ſeitdem zum oͤftern beobachtet. Die alten Aerzte glaubten, daß ſie von der Luft, die beym Athem - holen mit ins Gehirn draͤnge, herruͤhrete, wozu doch nir - gends Wege vorhanden ſind. Einige Neuere ſchrieben ſie der harten Gehirnhaut, als einer reizbaren Bekleidung, zu, welche ſich zuſammenziehen koͤnne. Man glaubte naͤmlich, es habe dieſe Haut, wenn man ſie mit einem ſcharfen Safte beruͤhre, die Kraft ſich zuruͤck zu ziehen, und ſich auf eben die Art zu verkuͤrzen, wie man an dem Fleiſche392 Abſchn. Des Gehirns. Fleiſche der Muskeln gewahr wird. Solchergeſtalt bilde - te man ſich ein, daß ſich uͤberhaupt das ganze Gehirn mit der geſammten Hirnhaut zugleich auf und nieder bewege. Auf dieſe Art hielte man die harte Hirnhaut fuͤr das Herz des Gehirns und leitete von ihr die Bewegung der Lebens - geiſter und aller Muskeln des Koͤrpers her. Allein, da dieſe Haut im natuͤrlichen Zuſtande aller Orten feſt an den Knochen der Hirnſchale angewachſen iſt, mithin unmoͤg - lich das Gehirn druͤcken, oder ſeiner Bewegung folgen kann; da in den Verſuchen ſich das Gehirn offenbar be - wegt, wenn gleich die harte Hirnhaut ganz hinweggenom - men wird, und endlich dieſelbe auch gar keine Muskelfa - ſern hat, die von einem Reize thieriſch bewegt wuͤrden, vielmehr die mannichfaltigſten und ſchaͤrfſten Eindruͤcke ſie auf keine Weiſe dazu bringen koͤnnen; ſo iſt dieſe gan - ze Meynung ſchlechterdings zu verwerfen und die obge - dachte mit dem Athemholen harmonirende wechſelsweiſe Bemuͤhung des Gehirns ſich auszudehnen, keiner andern, als der ſchon angefuͤhrten Urſache, am wenigſten aber ei - ner thieriſchen Kraft der harten Hirnhaut, zuzuſchreiben. H. gr. P. 4 B. S. 266. u. f. Ob nun gleich dieſe me - chaniſche bewegende Kraft des Gehirns, eben ſo wie die darinn erfolgenden Abſonderungen, der Umlauf und ſeine blos phyſiſchen Kraͤfte, hier nicht eigentlich in Betrachtung kommen, ſondern zur Phyſiologie der mechaniſchen Natur thieriſcher Koͤrper gehoͤren; ſo iſt es doch noͤthig, ſich ihrer bey der Unterſuchung ſeiner thieriſchen Kraͤfte in ſo fern zu erinnern, als ſein Mechanismus zum Daſeyn derſelben voraus geſetzet werden muß. Da das Athemholen an der obgedachten beſtaͤndigen Bewegung des Gehirns Schuld iſt, und ohne ſie gleichwohl die thieriſchen Seelenkraͤfte nicht wirken koͤnnen, weil dieſe die mechaniſchen voraus ſetzen, §. 6. ſo ſcheint dieß der Grund zu ſeyn, warum die Fruͤch - te ſolcher Thiere, die ein beſeeltes Gehirn haben, ehe ſie nicht geboren worden, und Athem holen, keine Spur von ſolchen thieriſchen Verrichtungen zeigen, wozu die thieri -C 4ſche40I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. ſche Seelenkraft des Gehirns ſchlechterdings nothwendig erfordert wird.

§. 25.

Der Sitz der Seele iſt im Gehirne. §. 10. Sobald das Gehirn vernichtet, oder in ſeinen natuͤrlichen Verrich - tungen gaͤnzlich gehindert wird, hoͤret auch die Vorſtellungs - kraft auf zu wirken. Sobald ſeine natuͤrlichen Verrich - tungen wieder hergeſtellet werden, kommen auch die Vor - ſtellungen wieder. Es iſt zwar nicht das ganze Gehirn zur Wirkung der Vorſtellungskraft unmittelbar noͤthig, da große Theile deſſelben ohne merklichen Nachtheil der thieri - ſchen Seelenkraͤfte verloren gehen oder mangeln, verſteinert oder zertruͤmmert, oder ſonſt gehindert ſeyn koͤnnen, wel - ches von der Markrinde am wenigſten zu bewundern iſt, da in ihr die thieriſchen Seelenkraͤfte nicht wohnen: §. 11. allein aus keiner einzigen Beobachtung kann erwieſen wer - den, daß bey einem gaͤnzlichen Mangel des Gehirns, wie wenn z. E. der ganze Kopf fehlet, oder bey voͤlliger Zerſtoͤ - rung, oder allgemeiner Hinderung aller ſeiner Theile, auch nur die mindeſte Spur irgend einiger Wirkung der Vor - ſtellungskraft jemals wahrgenommen worden waͤre. Die ohne Kopf und Gehirn gelebet haben, waren alle mitein - ander Fruͤchte, bey deren Leben die Sinnen keine Verrich - tung haben. Man hat ſie ſechs Stunden, drey, ja vier Tage, aber ohne Empfindung, leben ſehen. Jn den uͤbri - gen Faͤllen, wo große Verletzungen des Gehirns die Vor - ſtellungskraft nicht unterdruͤcket haben, ꝛc. ſind Spuren ge - nug vorhanden, daß Theile deſſelben uͤbrig geweſen. H. gr. P. 4 Th. 10 B. 7 Abſchn. §. 39. Es muß alſo, wenn in der Seele eine Vorſtellung entſtehen ſoll, im Gehirne, und zwar im Marke deſſelben, §. 11. eine Veraͤnderung vorgehen, ohne welche die Vorſtellungskraft nicht wirken kann, und wenn dieſe Veraͤnderung im Gehirne entſteht; ſo muß die Vorſtellungskraft zu wirken gereizet werden. Eine Veraͤnderung im Gehirne, man gedenke ſie ſich, wieman412 Abſchn. Des Gehirns. man wolle, muß in einer Bewegung beſtehen, und das Hirnmark muß alſo eine bewegende Kraft beſitzen, die mit der Vorſtellungskraft uͤbereinſtimmig wirket, ſo daß mit je - der beſondern Art der Vorſtellungen jederzeit eine gewiſſe Art thieriſcher Bewegungen §. 6. und mit dieſen thieri - ſchen Bewegungen jederzeit eine gewiſſe Art von Vorſtel - lungen verbunden iſt