Dem Herrn Johann Chriſtoph Unzer, der Arzneywiſſenſchaft Doctorn, Hochgraͤflich Stollbergiſch-Wernigerodiſchen Hofrathe und Leibarzte, wie auch Landphyſico der Grafſchaft Wernigerode,ſeinem verehrungswuͤrdigen Bruder wiedmet dieſe Schrift, zum Denkmahle wahrer Hochachtung und der allerzaͤrtlichſten Brudertreue, der Verfaſſer.
Man ſieht an einem Leichname, daß blos phyſiſche und blos mechaniſche Kraͤfte die Verrichtungen unſers Koͤrpers nachahmen, und ſeine Maſchinen in diejenige Bewegung ſetzen koͤn - nen, wozu ſie ihrer Miſchung und Strucktur nach vermoͤgend ſind. Die fluͤſſigen Theile verbinden und trennen ſich nach den phyſicaliſchen Geſetzen der Schwere, der anziehenden, der zuſammenhaͤn - genden Kraft, und ſetzen ſich nach hydroſtatiſchen Geſetzen ins Gleichgewicht. Wenn ein Zergliede - rer das Syſtem der Blutgefaͤße einſpritzt, ſo zwingt er es durch blos mechaniſche Kraͤfte, ſeine ihm ſonſt natuͤrliche Verrichtung des Umlaufs nach hy - drauliſchen Geſetzen einigermaßen zu wiederholen. Ein Muskel, deſſen Faͤſerchen die Kaͤlte zuſam - menzieht, erhaͤlt das Glied, das er regieret, in derjenigen Stellung, in die er es verſetzt hat, und durch eine blos mechaniſche Wirkung ziehen ſich die Pulsadern in einem Leichname zuſammen, und druͤcken einen in ſie eingeſteckten Finger ꝛc.
Dieſe blos phyſiſchen und mechaniſchen Kraͤf - te der Bewegung ſind es gleichwohl nicht eigent - lich, welche den lebendigen thieriſchen Koͤrper im natuͤrlichen Zuſtande zu bewegen pflegen; ſonderna 3esVorrede. es wirken alsdann in ihm noch andre Kraͤfte in ei - ner beſtimmten Ordnung, nach ganz andern, als den uns bekannten phyſicaliſchen und mechaniſchen Geſetzen, und durch ſie bewerkſtelliget er die na - tuͤrlichen Verrichtungen, wozu ihn ſeine Struck - tur vermoͤgend machet. Ein Reiz, der auf ein todtes Herz, auf einen voͤllig erſtorbenen Muskel, auf die Arterien eines Leichnams keine Wirkung thut, unterhaͤlt im natuͤrlichen Zuſtande den Um - lauf, veraͤndert den Puls der Schlagadern, und beweget die Muskeln und Glieder. Dieſe beſon - dern bewegenden Kraͤfte, die das belebte Thier vor dem Leichname voraus hat, ob ſie gleich mit den blos phyſiſchen und mechaniſchen gemeinſchaft - lich in ihm wirken, heißen die eigentlichen thie - riſchen Kraͤfte, und geben dem belebten Thiere diejenige Natur, welche ich die eigentliche thieri - ſche Natur thieriſcher Koͤrper nenne.
Die gewoͤhnliche Phyſiologie betrachtet die Kraͤfte der thieriſchen Koͤrper im natuͤrlichen Zu - ſtande, ſo wie ſie in ihrer Verbindung miteinan - der wirken, ohne die blos phyſiſchen und mechani - ſchen von den eigentlichen thieriſchen abzuſondern. Dieß ſetzt voraus, daß wir wiſſen, nach welchen Geſetzen jede dieſer beſondern Arten von Kraͤften fuͤr ſich allein wirke? und mit den phyſiſchen und mechaniſchen, deren Geſetze wir kennen, hat es auch wirklich in den meiſten Faͤllen keine Schwie - rigkeit. Faſt unuͤbertrefflich lehren uns die halle - riſchen phyſiologiſchen Schriften den Mechanis - mum aller Theile des thieriſchen Koͤrpers, in ſo fern ihre Verrichtungen nach den Geſetzen der Me - chanick, Hydroſtatick, Hydraulick, Optick,Akuſtick,Vorrede. Akuſtick, ꝛc. aus ihrer Strucktur folgen. Allein wiſſen wir wohl die Geſetze der eigentlichen thieri - ſchen Kraͤfte, nach welchen ſie fuͤr ſich, und von den phyſiſchen und mechaniſchen unabhaͤnglich, die thieriſchen Koͤrper regieren? Wahrhaftig! nein: wenigſtens ſehr unvollkommen.
Die Gedanken und Begierden der Seele ſind thieriſche bewegende Kraͤfte des thieriſchen Koͤr - pers. Wiſſen wir bis itzt wohl die Geſetze, nach welchen dieſe Kraͤfte ſeine Maſchinen regen? oder haben wir uns bisher wohl viel darum bekuͤmmert, ſie bey jeder beſondern Art der Vorſtellungen oder Begierden zu beobachten? Geſtritten haben wir ruͤſtig genug, ob die Seele Materie oder Gehirn, ob der Gedanke ein electriſches Feuer, oder eine Bewegung der Lebensgeiſter ſey, ob die Seele und der Koͤrper durch einen reellen oder idealiſchen Einfluß ineinander wirken, ob die Seele ihren Koͤrper baue, ob ſie ſich im ganzen Koͤrper aus - breite, oder nur im Haupte wohne, ob ein Trieb, eine Leidenſchaft zum Leibe oder zur Seele gehoͤ - re, und ob die Lebensgeiſter elaſtiſch, oder hart, electriſch oder aͤtheriſch ſind? ꝛc. Alle dieſe Un - terſuchungen, welche theils immer unerforſchliche Geheimniſſe bleiben werden, theils gar nicht in un - ſer Fach gehoͤren, und welche insgeſammt unaus - gemacht bleiben koͤnnen, ohne daß dadurch der wahren Nuͤtzlichkeit der theoretiſchen Arzneykunſt einiger Abbruch geſchehen ſollte, haben wir mit un - nuͤtzem Fleiße verfolget, und unſer Moͤglichſtes da - zu beygetragen, ſie immer mehr zu verwirren. Wie viel aber haben wir wohl gethan, um die fuͤr unſre Kunſt allein nuͤtzlichen Aufgaben aufzuloͤſen,a 4nachVorrede. nach welchen Geſetzen die Vorſtellungskraft die Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers bewege, es ge - he nun uͤbrigens damit zu, wie es wolle? unter welchen Bedingungen der Nerve Empfindung in die Seele bringt? unter welchen die Empfindung zur thieriſchen bewegenden Kraft wird, um dieß oder ein andres Glied ſo und nicht anders zu re - gen? nach welchen Geſetzen die Einbildungen, die Vorherſehungen, die Vorſtellungen des Verſtan - des, die Luſt, die Unluſt, die Triebe, die Leiden - ſchaften und der Wille verſchiedene Theile des thie - riſchen Koͤrpers zu den Verrichtungen zwingen, welche die Abſichten des Schoͤpfers bey der Verei - nigung der Maſchine mit einer denkenden Kraft waren? Man vergleiche die Lehren des erſten Theils der gegenwaͤrtigen Schrift, welche doch nur ein unvollkommener Abriß der erſten Gruͤnde ei - ner Wiſſenſchaft von den Geſetzen des Einfluſſes der Vorſtellungskraft in den thieriſchen Koͤrper iſt, mit dem, was unſre Phyſiologen bisher von die - ſem Plane ausgearbeitet haben, ſo wird man geſte - hen muͤſſen, daß dieſe ganze Wiſſenſchaft bisher ein noch ziemlich wuͤſtes Feld geweſen ſey.
Von den uͤbrigen thieriſchen bewegenden Kraͤf - ten, außer den Vorſtellungen der Seele, hat man bis auf die Zeiten des Herrn v. Hallers, der uns doch wenigſtens die Exiſtenz derſelben gewieſen, kaum einen Begriff gehabt, und noch dazu iſt das, was uns dieſer große Mann von der Reizbarkeit der Muskeln gelehret hat, nur ein Theil der thieri - ſchen bewegenden Kraͤfte, die nicht von der Vor - ſtellungskraft abhaͤngen, wovon der ganze zweyte Theil der gegenwaͤrtigen Schrift einen jeden hin -laͤnglichVorrede. laͤnglich uͤberzeugen wird. Die Geſetze, nach wel - chen dieſe Kraͤfte wirken, ſind noch von Nieman - den erklaͤret worden, und die erſten Gruͤnde dazu, welche eben dieſer zweyte Theil in ſich enthaͤlt, zei - gen uns gleichwohl ſchon eine große fruchtbare Wiſſenſchaft, womit die Arzneykunſt annoch berei - chert werden kann und muß, wofern jemals die Phyſiologie, welche uns den ganzen aus ſo vieler - ley bewegenden Kraͤften zuſammengeſetzten Me - chanismum der thieriſchen Koͤrper zu erklaͤren hat, nur wenigſtens von ihren weſentlichen Maͤn - geln befreyet werden ſoll. Man hat noch immer zu fruͤh angefangen, die natuͤrlichen Verrichtun - gen des thieriſchen Koͤrpers, die von blos phyſi - ſchen, von mechaniſchen und von thieriſchen, ge - meinſchaftlich wirkenden Kraͤften bewerkſtelliget werden, aus den Geſetzen der Naturlehre und der Mechanick zu erklaͤren, ſo lange man noch keine Grundſaͤtze hatte, die Mitwirkung der eigentli - chen thieriſchen Kraͤfte zu beurtheilen, und ſich daher uͤberall, wo man die Gruͤnde der Phyſick und Mechanick zur Erklaͤrung der natuͤrlichen Verrichtungen nicht hinlaͤnglich fand, mit un - gruͤndlichen, mangelhaften Meynungen, und un - ſtatthaften Vorausſetzungen behelfen mußte. So irrete Stahl, der die Nothwendigkeit der Mit - wirkung thieriſcher Kraͤfte beym Mechanismo des thieriſchen Koͤrpers wohl erkannte, weil es ihm nicht einfiel, daß es, außer dem Einfluſſe der Vor - ſtellungskraft in den Koͤrper, noch andre blos thie - riſche bewegende Kraͤfte geben koͤnne. So irre - ten die mechaniſchen Aerzte, die alle natuͤrliche Verrichtungen nur aus den phyſiſchen und mecha -a 5niſchenVorrede. niſchen Kraͤften der Theile des thieriſchen Koͤr - pers herleiten wollten, und den offenbaren Ein - fluß der Vorſtellungskraft und der uͤbrigen blos thieriſchen Kraͤfte in die thieriſchen Handlungen ſchlechterdings laͤugneten. So irren noch itzt die Phyſiologen, wenn ſie bey Verrichtungen, die ſich aus der Strucktur der Theile mechaniſch er - klaͤren laſſen, die Mitwirkung der thieriſchen Kraͤfte ausſchließen, wenn ſie das, was nicht mechaniſch erklaͤret werden kann, nothwendig von der Seele herleiten zu muͤſſen glauben, wenn ſie die thieriſchen bewegenden Kraͤfte aus den Geſe - tzen der Naturlehre und Mechanick erklaͤren wol - len, und nimmer zu entſcheiden wiſſen, durch wel - che Kraͤfte, nach welchen Geſetzen, und in wel - cher Gemeinſchaft die hoͤchſt verſchiedenen Triebfe - dern des thieriſchen Lebens die wundervolle Ma - ſchine des lebenden Koͤrpers regieren.
Um dieſem großen Mangel in der Phyſiologie abzuhelfen, welcher itzt immer merklicher wird, da man ſchon anfaͤngt die Krankheiten der eigent - lichen thieriſchen Kraͤfte und ihre Curen fleißig zu unterſuchen, ſcheint es einmal Zeit zu ſeyn, die eigentliche thieriſche Natur in ihrem ungehinder - ten Zuſtande genauer zu betrachten, und die Grundgeſetze deutlich zu entwerfen, nach welchen die thieriſchen Kraͤfte, als ſolche, im thieriſchen Koͤrper wirken. Was kann man wohl von einer Pathologie der Gemuͤths - der Nerven - und an - derer Krankheiten der thieriſchen Natur, die uns die Abweichungen der thieriſchen Kraͤfte von ih - ren natuͤrlichen Geſetzen anzeigen ſoll, hoffen, ſo lange wir von dieſen ihren natuͤrlichen GeſetzennochVorrede. noch keine beſtimmte Begriffe haben, und ſogar die thieriſchen Kraͤfte ſelbſt, die in den Thieren wirken, nicht kennen? Jn dieſer Erkenntniß aber wird man es gewiß nie zu einiger Vollkommen - heit bringen, wenn man nicht die Wirkungen der eigentlichen thieriſchen Kraͤfte fuͤr ſich und abge - ſondert betrachtet, und die Geſetze ſtudiert, nach welchen ſie, unabhaͤnglich von den zugleich mit - wirkenden phyſiſchen und mechaniſchen Kraͤf - ten, im thieriſchen Koͤrper erfolgen.
Hieraus iſt nun bey mir die Jdee zu einer Phyſiologie der eigentlichen thieriſchen Natur thieriſcher Koͤrper entſtanden, wozu die gegen - waͤrtige Schrift die erſten Gruͤnde darleget, und nach welcher man kuͤnftig die Phyſiologie des gan - zen thieriſchen Mechanismus, der es bisher an die - ſen Grundſaͤtzen noch ſehr gefehlet hat, ergaͤnzen, berichtigen und erweitern kann. Ob ich gleich dieſen Plan ſelbſt noch nicht vollkommen uͤberſehe, auch ihn nicht einmal nur ſo gut zu entwerfen ver - mocht habe, daß er mich ſelbſt befriedigte; ſo ha - be ich doch geglaubt, daß er auch in ſeiner Unvoll - kommenheit bekannt gemacht zu werden verdiente, damit man nur erſt die Nuͤtzlichkeit und Nothwen - digkeit einer ſolchen Trennung der eigentlich thie - riſchen von der Phyſiologie des ganzen thieri - ſchen Mechanismus daraus erkennete, woran man bisher blos nicht gedacht zu haben ſcheint. Wenn mich meine Hoffnung nicht truͤgt, ſo wird bald ein beſſerer Kenner der Natur der Thiere, de - ren es in unſern Tagen ſo Viele giebt, mit wel - chen ich mich gar nicht in Vergleichung ſtellen darf, durch dieſen erſten Verſuch gereizet, einen weitvollkom -Vorrede. vollkommenern Plan entwerfen und ausfuͤhren, und ich werde mich gern mit der Ehre begnuͤgen, ihm blos die Jdee dazu veranlaſſet zu haben: und duͤrfte ich mir gar ſchmeicheln, von einem ſolchen, nach dieſen erſten Gruͤnden einer ſpeciellen thieri - ſchen Phyſiologie einen aͤhnlichen Plan von einer Pathologie der eigentlichen thieriſchen Natur zu ſehen; ſo wuͤrde ich mich gewiß mit Recht gluͤcklich ſchaͤtzen koͤnnen, zu einer ſehr großen Ver - beſſerung unſrer Kunſt den Grund geleget zu ha - ben. Wer den gegenwaͤrtigen Zuſtand der Arz - neywiſſenſchaft kennt, und ſich ein wenig darauf eingelaſſen hat, den uͤberall ſichtbaren Maͤngeln in der Theorie der eigentlichen thieriſchen Natur abzuhelfen; der wird finden, daß dieſer erſte Schritt nothwendig gethan werden mußte, ehe man ſich darauf Rechnung machen konnte.
Jtzt will ich mich bemuͤhen, meinen Plan kuͤrz - lich zu beſchreiben.
Der urſpruͤngliche Sitz der thieriſchen Kraͤfte iſt in den eigentlich ſo zu nennenden thieriſchen Maſchinen, naͤmlich dem mit Lebensgeiſtern ver - ſehenen Gehirne nebſt den Nerven, und durch dieſe theilen ſie ſich den mechaniſchen Maſchinen mit. Jch wuͤrde in einem allgemeinen Theile, der von den thieriſchen Maſchinen, ihrer Struck - tur und ihren Kraͤften uͤberhaupt haͤtte handeln muͤſſen, die anatomiſche Beſchreibung des Ge - hirns und der Nerven, und ihre allgemeinſten Eigenſchaften vorgetragen haben, wenn ich mich nicht entſchloſſen haͤtte, dieſen erſten Theil un - ausgearbeitet zu laſſen, um nicht mit unnuͤtzer Weitlaͤuftigkeit einen bloßen Entwurf zu ver -groͤßern,Vorrede. groͤßern, da wir dieſe Beſchreibung der thieri - ſchen Maſchinen, im vierten Bande der halleri - ſchen großen Phyſiologie ſchon ſo vollkommen, als ſie vielleicht moͤglich iſt, beſitzen, und ich nichts haͤtte dazu thun koͤnnen. Demnach habe ich blos das Unentbehrlichſte aus dem allgemeinen Theile von den thieriſchen Maſchinen und Eigenſchaften uͤberhaupt, worauf im Folgenden das Meiſte ankoͤmmt, Auszugsweiſe vorlaͤufig mit beyge - bracht, und ſo iſt der folgende Plan der Phy - ſiologie der eigentlichen thieriſchen Natur entſtanden.
Die thieriſche Natur iſt der Jnbegriff der ei - gentlichen thieriſchen Kraͤfte, und die Wiſſenſchaft derſelben im ungehinderten Zuſtande iſt die Phy - ſiologie der thieriſchen Natur. Alle thieriſche Kraͤfte wirken im ungehinderten Zuſtande entwe - der nothwendig in Gemeinſchaft mit der Vorſtel - lungskraft eines Thieres, oder nicht, und ſo zerfaͤllt dieſe Wiſſenſchaft von ſelbſt in zween Haupttheile. Der erſte betrachtet die thieri - ſche Natur in ihrer Gemeinſchaft mit der Vorſtel - lungskraft, das iſt, nach den thieriſchen Seelen - kraͤften, der zweyte aber, außer derſelben, das iſt, nach den Nervenkraͤften; und hierzu koͤmmt endlich noch ein dritter Theil, welcher die thieri - ſche Natur, in ſo fern ſie als ein aus dieſen bey - derley thieriſchen Kraͤften zuſammengeſetztes Gan - zes fuͤr ſich beſteht, abſchildert.
Jm erſten Theile iſt alſo eigentlich nur von den thieriſchen Seelenkraͤften der thieriſchen Maſchinen die Rede, und hier ſind die ober - waͤhnten allgemeinen Saͤtze vom Gehirne, denNervenVorrede. Nerven und den Lebensgeiſtern, und ihren all - gemeinen Eigenſchaften, im erſten und im An - fange des zweyten Kapitels, Auszugsweiſe vorlaͤufig mitgetheilet worden. Die thieriſchen Seelenkraͤfte laſſen ſich, was ihre Wirkungen be - trifft, auf zweyerley Weiſe betrachten, naͤmlich theils an ſich, wie ſie in den thieriſchen Maſchi - nen, dem Gehirne und den Nerven, ſelbſt wirken, theils nach ihrem Einfluſſe in die mechaniſchen Maſchinen, welchen ſie ſich einverleiben. Hier - inn beſteht der Jnhalt des zweyten und dritten Kapitels des erſten Theils, zu welchen noch das vierte koͤmmt, worinn die Gemeinſchaft der Vor - ſtellungskraft mit den thieriſchen bewegenden Kraͤf - ten, das iſt, die Gemeinſchaft des Leibes und der Seele uͤberhaupt vorgeſtellet wird.
Die ganze Lehre von dem wechſelsweiſen Ein - fluſſe der Seele und des Koͤrpers ineinander iſt bisher in unſern Phyſiologien mangelhaft, oh - ne wahre Grundſaͤtze, und theils verworren, theils irrig vorgetragen worden. Vermuthlich ruͤh - ret dieſes daher, weil die Aerzte gemeiniglich, außer der Naturlehre, zu wenig theoretiſche Phy - loſophie und am wenigſten Pſychologie wiſſen: gleichſam als ob die Seelenlehre zur Wiſſen - ſchaft der Natur des menſchlichen Koͤrpers gar nicht vonnoͤthen waͤre. Nichtsdeſtoweniger laſ - ſen ſich unſre Phyſiologiſten nur hauptſaͤchlich in die unnuͤtzen Spitzfindigkeiten ein, deren ich ſchon oben erwaͤhnet habe, und das einzige Nuͤtz - liche, was ſie uns von der Gemeinſchaft des Lei - bes und der Seele lehren, betrifft die aͤußern Em - pfindungen, etwa noch die Einbildungen, unddieVorrede. die Leidenſchaften. Uebrigens verſteigt man ſich lieber, mit Herrn Bonnet, um aus den Bewe - gungen im Gehirne, die wir doch ganz und gar nicht kennen, die verſchiedenen Vorſtellungskraͤf - te der Seele zu analyſiren, als daß man ſich um das, was eigentlich den Arzt nur angeht, um die Geſetze bekuͤmmern ſollte, nach welchen ſie in den Koͤrper wirken, die man doch aus Beobachtungen leicht erlernen koͤnnte, wenn man nur nicht laͤnger darauf beſtehen wollte, ſie aus ihren uns uner - forſchlichen Gruͤnden zu demonſtriren.
Jm gegenwaͤrtigen Werke hat dieſe Lehre ein ziemlich veraͤndertes Anſehen erhalten. Jch habe mich bemuͤhet, die Geſetze zu beſtimmen, nach welchen die verſchiedenen Arten der Vorſtellungs - kraͤfte theils durch die thieriſchen bewegenden Kraͤfte beſtimmet werden, theils in ſie, und durch ſie in den ganzen Mechanismum des Koͤrpers, wirken. Dieß iſt insbeſondre bey den Empfin - dungen und bey den ſinnlichen Trieben und Lei - denſchaften wichtig, und durch alle Gebiete der Arzneywiſſenſchaft von großen Folgen.
Jm zweyten Theile ſind die Nervenkraͤfte abgehandelt, in ſo fern ſie nicht mit der Vorſtel - lungskraft gemeinſchaftlich wirken. Es iſt er - wieſen, daß es außer den thieriſchen Seelenkraͤf - ten des Gehirns noch zweyerley Nervenkraͤfte gebe, die den Koͤrper thieriſch bewegen, naͤm - lich die ſinnlichen Eindruͤcke, wovon der eine der aͤußere, der andre, der innere genennt wor - den. 2 Th. 1 Kap. Jm zweyten Kapitel ſind die Geſetze, nach welchen der aͤußere ſinnliche Eindruck, und im dritten die, nach welchen derinnereVorrede. innere den thieriſchen Koͤrper regieret, im vierten aber beyder Verhaͤltniſſe gegen die thieriſchen Seelenkraͤfte erklaͤret worden.
Um dieſen Theil der thieriſchen Phyſiologie haben ſich die neuern Beobachter, deren Namen Europa kennt und verehret, ein v. Haller, Zim - mermann, Whytt, Oeder, verdient gemacht, indem ſie die Materialien dazu geliefert haben. Der Herr v. Haller hat ſelbſt angefangen, den Plan zu dieſem neuen Gebaͤude der Arzneykunſt, der vor ihm noch gar nicht exiſtirte, zu zeichnen: aber dabey iſt es bisher geblieben. Jch habe es gewagt, die Zeichnung weiter auszufuͤhren, um wuͤrdigere Maͤnner zu veranlaſſen, ſie zu vollen - den. Das Wichtigſte, was hier in dieſer Sa - che gethan worden, beſteht darinn, daß ich den Unterſchied der beyderley ſinnlichen Eindruͤcke, und die ganz verſchiedenen Geſetze, wornach ſie den Koͤrper bewegen, feſtgeſetzt, ohne dieß auf die Hypotheſe von einem Antriebe der Lebens - geiſter zu gruͤnden: da man die ſinnlichen Ein - druͤcke blos als Erſcheinungen betrachten, und ihre Geſetze finden kann, ohne ſie zu erklaͤren zu wiſſen; daß ich die bewegende Kraft des aͤu - ßern ſinnlichen Eindrucks, welche der Herr v. Haller, unter dem Namen der Reizbarkeit, der Muskelfaſer beygeleget, den Nerven aber abge - ſprochen, aus den letztern urſpruͤnglich hergelei - tet; daß ich die Declination und Reflexion der ſinnlichen Eindruͤcke in den Nerven erwieſen, woraus ſich viele bisher unaufloͤsliche Erſcheinun - gen in der thieriſchen Oeconomie erklaͤren laſſen, und daß ich gezeiget habe, wie die NervenkraͤftealleinVorrede. allein vermoͤgend ſind, diejenigen Bewegungen im Koͤrper hervorzubringen, die ſonſt vom Einfluſſe der Seelenkraͤfte herruͤhren und um - gekehrt.
Den dritten Theil habe ich hinzugefuͤget, um die Oeconomie der thieriſchen Kraͤfte im Ganzen zu ſchildern, und gleichſam den Lebens - lauf der thieriſchen Natur zu zeichnen. Den Ab - riß der thieriſchen Natur enthaͤlt das erſte Kapitel. Da aber nicht jedes Thier mit allen thieriſchen Kraͤften, die den vollkommenſten Geſchlechtern eigen ſind, verſehen iſt; ſo ſind im zweyten Kapitel die Naturen der verſchie - denen Gattungen von Thieren, von den un - beſeelten an, bis zu den vernuͤnftigen, claſſifi - ciret worden. Jch habe bey dieſer Gelegenheit die Gruͤnde fuͤr die Moͤglichkeit und das Daſeyn unbeſeelter Thiere zur Pruͤfung vorgetragen. Die uͤbrigen Kapitel dieſes Theils handeln vom Urſprunge, vom Leben, von der Vollkommen - heit, von der Abnahme und dem Tode der thieriſchen Natur.
Von allen dieſen Sachen hatte man bisher einzeln zerſtreute Stuͤcke in unſern Phyſio - logien, oder vielmehr man handelte nur den eigentlichen Mechanismum der thieriſchen Er - zeugung, des Wachsthums, der Abnahme und des Todes der thieriſchen Koͤrper ab, ohne das, was die eigentliche thieriſche Natur da - bey betrifft, von dem Uebrigen abzuſondern. Als die merkwuͤrdigſten Stuͤcke zeichnen ſich in die - ſem Theile die Abhandlungen in den drey letz - ten Kapiteln, von den Perioden des thieri -bſchenVorrede. ſchen Lebens, vom Syſtem der thieriſchen Kraͤf - te, und vom thieriſchen Tode, aus, die eine ſehr große und nuͤtzliche Anwendung in der Pa - thologie der eigentlichen thieriſchen Natur haben.
Jch habe einen kurzen, ſimpeln, trocknen und methodiſchen Vortrag erwaͤhlt, um den Le - ſer immer im Stande zu erhalten, die Wahr - heit der Begriffe und Saͤtze, ſowohl an ſich, als in ihrer Anwendung, den Zuſammenhang und die Folge der Lehren, und das geſammte Sy - ſtem der thieriſchen Phyſiologie zu pruͤfen und recht zu ergruͤnden. So viel nur immer moͤg - lich geweſen, habe ich alle fuͤr die Arzneykunſt unweſentliche, oder doch unerhebliche, blos ſpitz - findige Unterſuchungen und alle Hypotheſen ver - mieden; wenigſtens von den letztern in den ei - gentlichen Lehrſaͤtzen keinen Gebrauch gemacht, damit man in dieſem neu abgeſonderten Theile der Arzneywiſſenſchaft nicht gleich anfaͤnglich, ſtatt wahrer Naturgeſetze, als des Reſultats richtiger Beobachtungen, ein Syſtem voraus - geſetzter Meynungen empfienge, das ſich in kur - zer Zeit ſelbſt wieder zu zerſtoͤren pflegt.
Was die neuen Lehren, und die Beſtrei - tung verſchiedener bisheriger anbelangt, ſo bitte ich meine Leſer recht aufrichtig, ſie aufs Schaͤrf - ſte zu pruͤfen: aber auch einem Schriftſteller, der ein ſo weitlaͤuftiges Werk zum erſtenmale aus dieſem Geſichtspunkte entwirft, kein Verbrechen daraus zu machen, wenn er dieß oder jenes un - richtig, undeutlich, oder nicht ganz geſehen, und falſch gezeichnet hat. Um zu einer ſolchen Ent - ſchuldigung ſich geneigt finden zu laſſen, muͤßtemanVorrede. man nur den Verſuch des Entwurfs ſelbſt ge - macht haben, um alle Schwierigkeiten, und die Gefahr zu fehlen und zu irren recht zu em - pfinden. Jch verlange uͤbrigens fuͤr die Leh - ren ſelbſt keine Nachſicht. Auf die Wahrheit iſt es angeſehen, und wo ich die nicht gefunden habe, da will ichs doch gern veranlaſſen ſie zu finden. Daher bitte ich nur um eine reif - liche Ueberlegung meiner Gruͤnde bey ſtreitigen oder des Jrrthums verdaͤchtigen Stellen. Jch habe bey dieſem Werke, dem ich nichts deſto - weniger allerdings Jrrthuͤmer und noch mehr Maͤngel zutraue, in der That viel uͤberlegt und wenig geſchrieben, und verlange alſo mit Rechte, daß man auch uͤberlege, ehe man ſtrei - tet. Wird man dann wider einige Lehren et - was einwenden, wozu ich mein Wort zu geben haͤtte, es ſey nun um es zu erkennen, oder ein - zuſchraͤnken, oder ein Misverſtaͤndniß zu beſ - ſern, oder einen Jrrthum zu widerlegen; ſo werde ichs, bey dieſer einzigen Schrift, aber ſchlechterdings nur was die Sache der Wahr - heit betrifft, und als ein ganz fremder Leſer thun, der von Perſoͤnlichkeiten, ſie moͤgen Hoͤflichkeiten oder Grobheiten ſeyn, gar kein Gefuͤhl hat, und fuͤr den nie ein Gegner, ſon - dern nur ein Einwurf exiſtirt. Es iſt ſonſt mein Geſetz, keinen Angriff meiner Schriften, noch viel weniger meines Characters und mei - ner Handlungen, zu beantworten, und ich lei - de es gern, daß ſich Mancher dieſes Vortheils bedient, der ſich einbildet mir ſehr beſchwerlich zu fallen, und dem ich fuͤr alle Welt nichtb 2wuͤnſchte,Vorrede. wuͤnſchte, daß er wuͤßte, was ich dabey denke. Warum ſoll nicht ein Jeder die Freyheit haben, einen Andern, ſo wie es ihm beliebt, zu beurthei - len, wenn er ihn dazu merkwuͤrdig genug fin - det; und warum ſoll der Andre verbunden ſeyn das zu beantworten, wenn es ihm nicht wich - tig genug ſcheint, das Publicum mit ſeiner Recht - fertigung zu unterhalten? Gar ſelten haben die Wiſſenſchaften von Streitſchriften einen erhebli - chen Nutzen. Bey einer neuangelegten Wiſſen - ſchaft aber, wovon nur der kurze Abriß der er - ſten Gruͤnde, ohne alle Erlaͤuterung, ohne alle Vortheile eines einnehmenden Vortrags, und mit dem Nachtheile ungewoͤhnlicher Redensarten und Ausdruͤcke, die anfaͤnglich immer Neben - begriffe bey ſich fuͤhren, welche den Leſer vom Sinne des Verfaſſers ableiten, im Publico er - ſcheint, koͤnnen Erlaͤuterungen noͤthig ſeyn, die man nicht zuruͤckhalten duͤrfte, ohne der Aufnah - me der Wiſſenſchaft ſelbſt zu ſchaden.
Wegen eben dieſer ungewoͤhnlichen Redens - arten und Ausdruͤcke muß ich die Leſer noch be - ſonders um Vergebung bitten. Man wird fin - den, daß ſie unentbehrlich waren, wenn man Unterſchiede in den Begriffen feſtſetzen wollte, ohne welche es ganz unmoͤglich geweſen waͤre, der Phyſiologie der thieriſchen Natur auch nur die - ſen erſten Grad der Guͤte zu geben, den ſie itzt hat. Jch bin ſonſt nicht dazu geneigt, un - gewoͤhnliche Ausdruͤcke zu ſuchen, und als ich vor zwey Jahren, in einer kleinen Schrift von der Sinnlichkeit thieriſcher Koͤrper, mich des Wortes Gefuͤhl, aus gleicher Nothwendigkeit,inVorrede. in einer ungewoͤhnlichen Bedentung bedient hatte, habe ich erfahren, daß dieß neuen Lehren wenig Vortheil bringe, weil ſich die Meiſten, die dar - uͤber urtheilten, zu ſehr an den Ausdruck hiel - ten, und uͤbrigens die wichtige Sache, worauf es ankam, kaum bemerkten. Jch habe im gegenwaͤr - tigen Werke dieſen anſtoͤßigen Ausdruck fahren laſſen, und dafuͤr die von aͤußern und innern ſinnlichen Eindruͤcken gewaͤhlt, ob ich gleich §. 402. u. f. die Bequemlichkeit und Schicklich - keit des erſtern gezeigt habe. Einen von beyden Ausdruͤcken muß man durchaus gewohnt werden.
Man wird ſich uͤbrigens bey manchen Stellen erinnern, daß ich keinen meiner Lehrſaͤtze hier ha - be ausfuͤhren, noch ſeine Anwendung in den prak - tiſchen mediciniſchen Wiſſenſchaften zeigen wollen, ob ich gleich einſehe, daß dieſes nicht nur uͤber - haupt nuͤtzlich geweſen ſeyn, ſondern auch den Beyfall bey vielen erleichtert haben wuͤrde. Mein Hauptzweck beſtand darinn, es nur erſt dahin zu bringen, daß man die Phyſiologie der eigentli - chen thieriſchen Natur, als eine von der bishe - rigen allgemeinern Phyſiologie des ganzen Me - chanismus des Koͤrpers ganz abgeſonderte Wiſ - ſenſchaft, und die Grenzen, die ich Beyden im Wer - ke uͤberall angewieſen, genehmigen moͤchte. Hier - zu war der bloße Entwurf hinlaͤnglich, und wenn er nicht ſo manche neue Lehren in ſich enthielte, welchen ich einige Ausfuͤhrlichkeit geben mußte, um ſie verſtaͤndlich zu machen, ſo wuͤrde er noch viel kuͤrzer gerathen ſeyn: denn alle die - jenigen zur eigentlichen thieriſchen Phyſiologie gehoͤrige Lehren, die man ſchon in der Phyſio -b 3logieVorrede. logie des ganzen Mechanismus der Thiere lieſet, und wobey ich nichts zu erinnern gefunden, ha - be ich nur mit wenigen Worten angefuͤhrt, um ihnen hier ihre Stelle anzuweiſen. Jtzt da man alle zur eigentlichen thieriſchen Naturlehre ge - hoͤrige Saͤtze im Zuſammenhange uͤberſehen kann, wird man das Mangelhafte, das Dunkle, das Verworrene, das Unerklaͤrbare, das Jrrige und das wahre Nuͤtzliche viel leichter finden, von - einander abſondern, und das ganze Syſtem zu ſeiner Vollkommenheit bringen koͤnnen. Um des - willen wuͤnſche ich ſehr, daß man dieſen Ent - wurf nicht fluͤchtig und außer dem Zuſammen - hange leſen und beurtheilen; ſondern ſich uͤberwin - den moͤchte, mir in der Reihe der Gedanken vom Anfange an genau zu folgen.
Um die pſychologiſchen und phyſiologiſchen Begriffe und Lehren, welche bey dem gegenwaͤrtigen Werke vor - aus zu ſetzen waren, gehoͤrig zu autoriſiren, habe ich, ſtatt aller uͤbrigen, ſtets eine Hauptſchrift von jeder Art, und zwar in der deutſchen Ueberſetzung angefuͤhrt, die Leſern einer deutſchen Schrift am gewiſſeſten verſtaͤndlich und wahrſcheinlicher Weiſe am naͤchſten zur Hand iſt. Da - hin gehoͤrt unter dem Zeichen:
B. M. Die Metaphyſick des Herrn A. G. Baum - garten, vom Herrn Profeſſor Meier in Halle uͤber - ſetzt; bey C. H. Hemmerde. 1766. wobey zu merken, daß die §§. der Ueberſetzung mit denen in der lateiniſchen Urkunde ſelten uͤbereinkommen.
H. P. Des Herrn v. Hallers kleine Phyſiologie, un - ter dem Titel: Erſter Umriß der Geſchaͤfte des koͤrper - lichen Lebens, unter des Verfaſſers Aufſicht uͤber - ſetzt. Berlin, bey Haude und Spener. 1770.
H. gr. P. Die halleriſche große Phyſiologie, unter dem Titel: Anfangsgruͤnde der Phyſiologie des menſchlichen Koͤrpers, uͤberſetzt von J. S. Hallen. Berlin, bey Voß. Die Theile dieſes Werks, die noch nicht deutſch uͤberſetzt erſchienen, ſind aus der lateiniſchen Ur - ſchrift, Lauſanne. 1761. angefuͤhrt.
v. Hall. op. min. bedeuten des Herrn v. Hallers ope - ra minora, Lauſanne, bey Graſſet. 1763. welche ich ſtatt der zerſtreuten einzelnen Aufſaͤtze, die weniger zur Hand ſeyn moͤchten, habe anfuͤhren wollen.
Noch ſind, um einiger Verſuche willen, des Abts Spallanzani phyſicaliſche und mathematiſche Ab - handlungen citirt, welche in Leipzig in Gleditſchens Handlung 1769 erſchienen;
wie auch einigemal A. Monro de Nervis, wo deſſen Tractatus tres, de Nervis, motu cordis & ductu thoracico,latineNachricht wegen einiger Anfuͤhrungen. latine redditi à Coopmann. Franeker. Ed. 2. 1762. zu verſtehen ſind.
Und endlich habe ich unter dem Zeichen: d. A. die mediciniſche Wochenſchrift: der Arzt angefuͤhrt, um anzuzeigen, wo darinn einige Begriffe oder Lehren um - ſtaͤndlicher erklaͤrt oder abgehandelt ſind, als es in die - ſen Anfangsgruͤnden hat geſchehen koͤnnen. Es iſt die aus ſechs Baͤnden beſtehende neueſte Auflage von 1769 zu verſtehen. Doch wenn man im Arzte hin und wie - der Stellen antreffen ſollte, welche mit den in gegen - waͤrtiger Schrift vergetragenen Lehren nicht genau uͤber - einſtimmen; ſo iſt es ſo zu verſtehen, daß der genaueſte und richtigſte Ausdruck der in der gegenwaͤrtigen Schrift ſey; indem im Arzte vieles von dieſen Materien unbe - ſtimmter und minder genau hat ausgedruͤckt werden muͤſſen, weil man in einer ſolchen Schrift weder alle die Grundſaͤtze lehren oder vorausſetzen, noch die ſubtilern Unterſcheidungen Leſern, die ſich nur amuſiren ſollten, porlegen koͤnnen, wodurch man hier in den Stand ge - ſetzt worden, ſich viel genauer zu erklaͤren.
Meine eigenen §§. habe ich durchs ganze Werk aufs haͤufigſte citirt, um dadurch jedem Satze ſtets ſeine Erlaͤuterung oder Beweisgruͤnde beyzufuͤgen, und den Le - ſer in den Stand zu ſetzen, die Richtigkeit ſeiner An - wendung in jedem Falle zu beurtheilen, welches bey einem Lehrbuche immer lieber zu viel, als zu wenig geſchehen muß, zumal wenn viele Ausdruͤcke, Be - griffe und Lehren noch wenig eingefuͤhrt, oder ganz neu ſind.
Die Natur eines Koͤrpers iſt der Jnbegriff der ihm eignen Vermoͤgen, Faͤhigkeiten und Kraͤfte. Dieſe beruhen auf der Beſchaffenheit ſeiner Theile und der Art ihrer Zuſammenſetzung.
Der Jnbegriff der Kraͤfte eines blos phyſicaliſchen Koͤrpers heißt ſeine phyſiſche Natur.
Nach dieſer kommen dem thieriſchen und menſchlichen Koͤrper, in ſo fern er nicht als eine Maſchine, ſondern als ein blos phyſiſcher Koͤrper, in ſeinen Beſtandtheilen und deren Miſchung betrachtet wird, die allgemeinen Kraͤfte der phyſiſchen Koͤrper zu, und in ſo fern kann man von den Saͤften und dem Stoffe der feſten Theile, nach der allgemeinen Naturlehre philoſophiren. Zu dieſen allgemeinen Kraͤften gehoͤret hauptſaͤchlich die allgemeine und ſpecifiſche Schwere, die anziehende Kraft, welche, im Stoffe der feſten Theile bey Thieren, der ſo genannte Reiz, oder die todte Kraft des Herrn v. Haller, (H. P. §. 392.) A 2und4Phyſiol. der eigentl. thier. Natur. und blos eine Wirkung der Zaͤhigkeit iſt, ferner die Waͤr - me, die Electricitaͤt, u. ſ. f.
Der Jnbegriff der Kraͤfte, die ein phyſiſcher Koͤrper beſitzt, in ſo fern er eine Maſchine iſt, heißt ſeine mecha - niſche Natur, und beruht auf der phyſiſchen Natur ſei - ner Theile, und auf der Art der Zuſammenſetzung derſel - ben, wodurch er zur Maſchine wird. (Strucktur)
Nach der mechaniſchen Natur eines thieriſchen und menſchlichen Koͤrpers kommen ihm, in ſo fern er kein be - lebtes Thier, ſondern nur eine mechaniſche Maſchine iſt, die mechaniſchen Kraͤfte der Maſchinen zu, und in ſo fern kann man von den Maſchinen eines ſolchen Koͤrpers, nach den Geſetzen der Mechanik, mechaniſch philoſophiren. Zu dieſen mechaniſchen Kraͤften gehoͤren unter andern die Kraͤfte des Hebels, der hydrauliſchen Maſchinen, der Druckwerke ꝛc.
Die mechaniſchen Maſchinen werden uͤbrigens einge - theilt, in kuͤnſtliche, oder natuͤrliche, (organiſche.) Die letztern unterſcheiden ſich von den erſtern hauptſaͤchlich durch eine ſo ſehr zuſammengeſetzte Strucktur, daß die gan - ze Maſchine bis in ihre kleinſten Theile, wiederum aus Maſchinen beſteht, die, durch ihre Vereinigung, der gan - zen Maſchine auch eben ſo ſehr zuſammengeſetzte Kraͤfte ge - ben; dahingegen in den kuͤnſtlichen ſchon die groͤbern Thei - le entweder nicht mehr mechaniſche Maſchinen, ſondern blos phyſicaliſche Koͤrper ſind, oder doch der ganzen Ma - ſchine keine andern mechaniſchen Kraͤfte mittheilen, als die ſie auch beſitzen koͤnnte, wenn dieſe ihre Theile keine mecha - niſche Maſchinen waͤren. Die Natur der natuͤrlichen Ma - ſchinen, als ſolcher, heißt ihre organiſche Natur, und die Fortdauer der organiſchen Natur das (organi -ſche) 5Einleitung. ſche) Leben, welches alſo den Pflanzen und Thieren ge - mein iſt.
Organiſche (natuͤrliche) Maſchinen, die außer ihrer phyſicaliſchen Miſchung, organiſchen Strucktur, und den allgemeinen phyſiſchen und mechaniſchen Kraͤften der Koͤr - per und Maſchinen, noch beſondrer Kraͤfte faͤhig ſind, wel - che ſich in ihrer Wirkung nicht nach den ſonſt durchgaͤngi - gen Bewegungsgeſetzen ſolcher Koͤrper und Maſchinen rich - ten; ſondern nur dieſer Art natuͤrlicher Maſchinen, durch eine uns verborgene Einrichtung derſelben, allein eigen ſind, heiſſen thieriſche Maſchinen, und dieſe ihnen eig - nen Kraͤfte, (urſpruͤngliche) thieriſche Kraͤfte; die durch ſie ſelbſt unmittelbar gewirkten Bewegungen aber (ur - ſpruͤngliche) thieriſche Bewegungen. Wenn thieriſche Maſchinen ſich mit andern, blos mechaniſchen ſo vereini - gen, daß ſie ſie durch ihre thieriſchen Kraͤfte bewegen, ſo beſitzen die letztern durch ſie mitgetheilte thieriſche Kraͤf - te, und verrichten durch dieſe auch thieriſche Bewegun - gen. Der Jnbegriff der thieriſchen Kraͤfte im Koͤrper ei - nes Thiers heißt ſeine thieriſche Natur. Die thieriſche Natur des Koͤrpers eines Thiers beruht alſo auf der beſon - dern Beſchaffenheit der Materien, woraus die thieriſchen Maſchinen, als ſolche, beſtehen, auf der Strucktur der thieriſchen Maſchinen, auf den thieriſchen Kraͤften derſel - ben, und auf der Verbindung der thieriſchen mit den uͤbri - gen organiſchen Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers, wo - durch jene die Kraͤfte und Bewegungen dieſer auf thieriſche Weiſe beſtimmen. Die Fortdauer der thieriſchen Natur heißt das thieriſche Leben, und ihr Ende, der thieri - ſche Tod. Jn allen lebenden Thieren wirken die thieri - ſchen Kraͤfte entweder mit der Vorſtellungskraft ihrer See - le voͤllig uͤbereinſtimmend, ſo daß mit jeder beſondern Art der Vorſtellungen der Seele jederzeit eine gewiſſe Art thie - riſcher Bewegungen im Koͤrper verbunden iſt, mithin bey -A 3de6Phyſiol. der eigentl. thier. Natur. de den Grund ihres beyderſeitigen Daſeyns wechſelsweiſe enthalten, oder nicht. Die erſtern nenne man, in dieſer Beziehung, thieriſche Seelenkraͤfte, und die durch ſie gewirkten Bewegungen, Seelenwirkungen; die letztern, bloß thieriſche Kraͤfte; Nervenkraͤfte und ihre Bewe - gungen, bloß thieriſche; Nervenwirkungen.
Anmerkung. Es iſt unumgaͤnglich nothwendig, die - ſe verſchiedenen thieriſchen Kraͤfte und ihre Wirkun - gen mit beſondern Namen zu unterſcheiden, und ich habe keine bequemern finden koͤnnen. Man haͤtte ſie blos Seelenkraͤfte und Nervenkraͤfte nennen koͤn - nen: weil aber der erſtere Ausdruck ſchon von den Vorſtellungskraͤften gebraͤuchlich iſt, ſo mußte man die Seelenkraͤfte des thieriſchen beſeelten Koͤrpers durch das Beywort thieriſche unterſcheiden.
Vermoͤge der thieriſchen Natur kommen dem Koͤrper der Thiere ſolche Kraͤfte zu, die ſich nicht aus den phyſica - liſchen und mechaniſchen Geſetzen der Bewegung anderer Koͤrper und Maſchinen erklaͤren laſſen, ſondern die nur durch die eigentlich thieriſchen Maſchinen moͤglich ſind, und ihre Wirkungen theils in ihnen ſelbſt, theils in den uͤbrigen Maſchinen des Koͤrpers aͤußern, deren Kraͤfte und Bewegungen ſie auf thieriſche Weiſe beſtim - men. Zu dieſen (urſpruͤnglichen) thieriſchen Kraͤften ſind zu rechnen, der Einfluß der Seele in den Koͤrper, und die den thieriſchen Maſchinen noch außerdem eignen bewe - genden Kraͤfte. §. 6. Vergl. des A. I. B. 36. St.
Die Lehre von der thieriſchen Natur ſetzt die, von der phyſiſchen §. 3. und organiſchen §. 5. zum Voraus, §. 6. und muß enthalten (§. 7.)
1. Die7Einleitung.Alle urſpruͤngliche thieriſche Kraͤfte ſind entweder thie - riſche Seelenkraͤfte, oder Nervenkraͤfte (blos thieriſche.) §. 6. und hierauf beruhet die Haupteintheilung der ganzen Lehre von der thieriſchen Natur.
Der erſte Theil betrachtet die thieriſche Natur in ihrer Gemeinſchaft mit der Vorſtellungskraft der Seele des Thiers, und zwar:
Der zweyte Theil betrachtet die thieriſche Natur nach ihren blos thieriſchen Kraͤften, nach welchen die thieriſchen Maſchinen nicht in Gemeinſchaft mit der Vorſtellungskraft der Seele eines Thiers wir - ken. S. §. 355.
A 4Jm8Phyſiol. der eigentl. thier. Natur. Einleitung.Jm dritten Theile wird endlich die thieriſche Na - tur im Ganzen betrachtet, S. §. 599. wo ihre weſentli - chen Eigenſchaften bey den verſchiedenen Arten von Thie - ren, ihr Urſprung, ihre Fortdauer, der Zuſtand ihrer Vollkommenheit, das ganze Syſtem der thieriſchen Kraͤf - te in demſelben, ihr Verfall und endlich ihr Untergang in Erwaͤgung gezogen werden.
Obgleich der Menſch, als das vollkommenſte Thier, der Hauptgegenſtand des gegenwaͤrtigen Werks iſt, ſo iſt er doch keinesweges der Einzige; vielmehr wird man hier die erſten Gruͤnde einer Zoologie, oder Naturlehre von allen Gattungen der Thiere, aber nur nach ihren eigentli - chen thieriſchen Kraͤften, und auch dieſe nur im Grundriſſe, entwerfen. (Man vergleiche §. 15. am Ende.)
Die eigentlichen thieriſchen Maſchinen in den thieri - riſchen Koͤrpern ſind das Gehirn, und die Ner - ven, worinn die Lebensgeiſter, (der Nerven - ſaft,) erzeugt und vertheilt werden, um die thieriſchen Verrichtungen dieſer Maſchinen zu vermitteln.
Anmerkung. Es waͤre hier der Ort, die Beſtand - theile des Gehirns, der Nerven und der Lebensgei - ſter, die Strucktur der erſtern, den Bau des Ge - hirns, des Ruͤckenmarks, der Nerven, das ganze Nervenſyſtem, und kurz, alles das zu beſchreiben, was uns die Zergliederungskunſt davon lehret, und hernach diejenigen Verrichtungen derſelben zu erklaͤ - ren, die nicht eigentlich thieriſch ſind, ſondern nur zu ihrem Mechanismus gehoͤren; z. E. den Umlauf des Bluts, die Abſonderungen im Gehirne, ſeine mit dem Pulſe der Schlagadern und mit dem Athemho - len harmonirende Bewegung, u. ſ. w. Allein, da alles dieſes in der Zergliederungskunſt und in der Phyſiologie vom eigentlichen Mechanismus der thie - riſchen Koͤrper ausfuͤhrlich gelehret wird, ſo weit wir es wiſſen, ich aber hier nichts Neues hinzufuͤgen koͤnnte; ſo uͤberſchlage ich dieſes Kapitel, weil es fuͤrdie12I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. die zu dieſer Schrift vorauszuſetzenden Leſer unnoͤthig waͤre, es hier zu wiederholen, und verweiſe ſie allen - falls auf den zehnten Abſchnitt in der halleriſchen Phyſiologie, wo das Alles ausfuͤhrlich, zu finden iſt, was hier vorzutragen waͤre. Nur einige von den vornehmſten Saͤtzen, die ich im Folgenden als Be - weisgruͤnde anzufuͤhren habe, will ich hier auszeich - nen, um dem Gedaͤchtniſſe des Leſers zu Huͤlfe zu kommen.
Das Gehirn iſt der Sitz der Seele. Wir fuͤhlens im Haupte, daß wir denken; nirgends, als da, ſind wir uns unſrer bewußt; in keinen andern unſrer Gliedmaßen iſt je eine Vorſtellung, ein Gedanke, ein Bewußtſeyn. Da nun aber die Vorſtellungskraft in Thieren ihre Seele iſt, ſo iſt die Seele nirgends, als im Gehirne, und es waͤre alſo widerſinnig, ſie fuͤr ausgebreitet im ganzen Koͤrper zu halten. (Vergl. §. 597.) „ Der Sitz der Seele muß durch „ Verſuche erforſcht werden. Er befindet ſich erſtens im Ge - „ hirne; nicht in dem Ruͤckenmarke; denn die Seele ver - „ liert nichts von ihren Kraͤften, wenn ſchon dieſes Mark „ in Unordnung gebracht wird. Hernach folget aus den Zu - „ ckungen, die erſt entſtehen, wenn das Jnnerſte des Ge - „ hirns gereizt wird, daß dieſer Sitz nicht in der Markrin - „ de, ſondern im Marke ſelbſt ſey, und zwar, nach wahr - „ ſcheinlichen Muthmaßungen, in den Schenkeln des ver - „ laͤngerten Marks, den geſtreiften Koͤrpern, den Geſichts - „ huͤgeln, dem verlaͤngerten Marke, der Bruͤcke und dem „ kleinen Gehirne. Der Sitz der Seele ſcheint endlich, „ durch eine nicht ungereimte Muthmaßung, an dem Orte „ zu ſeyn, wo jeder Nerve ſeinen Anfang nimmt, ſo daß der „ vereinigte Urſprung aller Nerven den wahren gemein - „ ſchaftlichen Empfindungsort ausmachet. Stellt ſich die „ Seele an dieſer Stelle die Empfindungen vor, und ent - „ ſtehen dort die nothwendigen und freywilligen Bewegun -„ gen?131 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. „ gen? Dieſes iſt ſehr wahrſcheinlich: denn es ſcheint nicht, „ daß der Urſprung der Bewegungen weiter unten, als der „ Urſprung der nervigten Faſer ſeyn koͤnne; weil man ſonſt „ ohne Grund dieſen oder jenen unbeweglichen und unem - „ pfindlichen Theil des Nerven annehmen muͤßte, der dem „ uͤbrigen Theile der Nerven voͤllig aͤhnlich iſt. Der Ur - „ ſprung der Bewegung kann auch nicht oberwaͤrts des An - „ fanges der nervigten Faſer in die Schlagader geſetzt wer - „ den, da die Schlagadern weder empfinden, noch ſich „ durch den freyen Willen bewegen laſſen. Es folgt alſo, „ daß die Seele an dem Orte ihren Sitz habe, wo die ner - „ vigte Faſer ihren erſten Anfang nimmt. “ H. P. §. 372. Einem Arzte kann es hinlaͤnglich ſeyn, zu wiſſen, daß die Vorſtellungskraft nirgend anderswo, als im Gehirn - marke wohne.
Das Gehirn iſt die Werkſtatt der Lebensgeiſter, (wovon unten §. 15. N. 1.) „ Es ſcheint gewiß zu ſeyn, „ daß ſich aus den Gefaͤßen des grauen Theils des Ge - „ hirns ein ſolches fluͤſſiges Weſen in die hohlen Roͤhren des „ Marks abſondre, das in den nervigten Roͤhren bis in die „ aͤußerſten Enden der Nerven getrieben wird, und den „ Grund enthaͤlt, wie die Nerven Werkzeuge der Sinnen „ und Bewegungen ſeyn koͤnnen. “ H. P. §. 383. Es iſt alſo der graue Theil des Gehirns, oder die Markrinde, die eigentliche Abſonderungsmaſchine der Lebensgeiſter, da - hingegen das eigentliche Gehirnmark der beſondre Sitz der thieriſchen Seelenkraͤfte ſeyn muß. „ Was den Bau „ der Markrinde betrifft, ſo kann man ſchon mit dem bloſ - „ ſen Auge darinn viele Geſaͤße entdecken, welche ſich aus „ der duͤnnen Hirnhaut in ſie hineinwerfen. — Doch man „ ſieht deren viel mehrere und deutlicher, durch das Aus - „ ſpritzen der Gefaͤße des Gehirns, und in dieſem Falle „ ſcheint es, daß ſehr zarte und zahlreiche Gefaͤßchen, die „ wie ein zartes Flockwerk, ausſehen, faſt die ganze Rinde„ ausma -14I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. „ ausmachen, indem die Staͤmme dieſer Gefaͤße aus der „ duͤnnen Gehirnhaut heruͤberkommen, und ihre aͤußerſt - „ zarte Aeſte, die ungemein weich und gleichſam Breyartig „ ſind, haͤngen ſich mit den ſehr zarten Zweigen an das „ Mark an. — Es enthalten dieſe Gefaͤße, wenigſtens da, „ wo ſie aus der duͤnnen Hirnhaut herabkommen, augen - „ ſcheinlich Blut, da indeſſen ihre Aeſte, wie man es durch „ Vergroͤßerungsglaͤſer findet, einen hellen Saft in ſich faſ - „ ſen. “ H. gr. P. 4 Th. S. 35. 36. Von der Abſonderung der Lebensgeiſter in der Markrinde, in ſo fern dazu thieri - ſche Kraͤfte in ihr mitwirken, kann erſt unten gehandelt werden. S. §. 374.
Das Gehirn iſt auch der Urſprung aller Nerven, als welche an ſich nichts anders, als Fortſetzungen des Ge - hirnmarks ſind, die ſich theils unmittelbar von ihm, in kleinern Buͤndeln abſondern, und Nerven des Haupts heißen, theils aus einem dicken Strange deſſelben, der durch den Ruͤckgrat hinabſteigt, und das Ruͤckenmark genennt wird, ausgehen, und ſich im Koͤrper vertheilen.
Die Nerven ſind mehrentheils mit Haͤuten umgeben, und dringen, gleich den Blutgefaͤßen, indem ſie ſich, je weiter ſie von ihrem Urſprunge abgehen, in immer deſto mehr Zweige vertheilen, in die meiſten Theile des Koͤr - pers, die ſie entweder nur umſchlingen oder durchbohren, oder in welchen ſie ſich, nachdem ſie ihre Haͤute vorher ab - gelegt haben, mit ihrem weichen Marke ſo verlieren, daß ſie nicht weiter verfolget werden koͤnnen, und ſich ſolchen Theilen voͤllig einverleiben. Jhr weſentlicher Theil iſt das Gehirnmark ſelbſt, oder die von der Markrinde um - ſchloſſene weiche Subſtanz des Gehirns, dahingegen ihre Haͤute zu keinen eigentlich thieriſchen Verrichtungen be - ſtimmt zu ſeyn ſcheinen. S. §. 24. Jeder Nerve iſt einBuͤndel151 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. Buͤndel vieler kleiner Nervenfaden, die alle neben einan - der abgeſondert hinlaufen, ſo wie ſie aus dem Gehirne aus - gehen. Jeder Nerve hat ſeinen beſondern Ort im Gehir - ne, woraus er entſpringt, und in dieſem Orte muß auch jeder beſonderer Faden deſſelben einen beſondern Punkt ſei - nes Urſprungs haben, von wannen er durch den Stamm, durch das Ruͤckenmark, und bis in den kleinſten Zweig ſtets abgeſondert, und fuͤr ſich hinlaͤuft. Aller Wahr - ſcheinlichkeit nach ſind alle Faden der Nerven hole Kanaͤle.
Da auf dieſe Lehrſaͤtze ungemein viel ankommt, und wir uns in dieſem ganzen Werke ſtets darauf beziehen wer - den; ſo ſcheint es nothwendig zu ſeyn, ſie durch ausdruͤck - liche Zeugniſſe des groͤßten Zergliederers und Phyſiologen unſrer Zeit zu autoriſiren. Hierzu werden folgende Stellen hinlaͤnglich ſeyn.
„ Alles Mark des großen und kleinen Gehirns geht „ durch verſchiedene Loͤcher zu der Hirnſchale hinaus nach „ den Orten ſeiner Beſtimmung. Die kleinern Buͤnde die - „ ſes Marks nennt man Nerven, den groͤßern, das Ruͤck - „ mark, das eine Fortſetzung des verlaͤngerten iſt. Die „ Nerven ſind markigte Buͤnde, die bey ihrem Urſprunge „ aͤußerſt weich ſind, und aus geradelienichten, gleichlaufen - „ den Faſern beſtehen, die aus dem Gehirne entſpringen, und „ vereinigt, gleichſam Schnuren ausmachen. Dieſe Fa - „ ſern ſind zuweilen ſchon im Gehirne von einander geſon - „ dert, uͤberhaupt aber unter ſich und mit dem Nerven gleich - „ laufend. Sie werden in einiger Entfernung vom Gehir - „ ne von der roͤthlichen und ſchwaͤchlichen duͤnnen Hirnhaut „ uͤberzogen, und in einem feſtern Bunde vereinigt; ein fa - „ digtes Gewebe verknuͤpft dieſe Buͤnde untereinander, und „ trennt ſie von ihren benachbarten; ein jeder geht nach ei - „ nem eignen Loche in der harten Hirnhaut, und durchlaͤuft „ die Canaͤle und die Zwiſchenraͤume der Blaͤtter dieſer di - „ ckern Haut, bis er in ſein gehoͤriges Loch in der Hirnſcha - „ le kommt, in welches er durch eine trichterfoͤrmige Oeff -„ nung16I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. „ nung in der harten Hirnhaut herausgeht. Sobald der „ Nerve außer der Hirnſchale iſt, wird er meiſtentheils von „ der harten Hirnhaut umgeben, und wird ſtark und feſt. — „ Ein nackter und zwiſchen den Muskeln minder beſchuͤtzter „ Nerve beſteht alſo aus Schnuren, deren jede ihr Mark „ hat, und aus der duͤnnen Hirnhaut, die ſie umhuͤllet. „ Dieſe kleinen Schnuren werden durch ein haͤufiges fadig - „ tes Gewebe in groͤßere Buͤnde geſammlet, zwiſchen wel - „ chen viele ſchlagende und zuruͤckfuͤhrende Adern laufen, und „ in deſſen Zellen ſich zuweilen etwas Fett ergießet. Die „ allgemeine Huͤlle aller vereinigten Schnuren beſteht in ei - „ nem harten fadigtem Gewebe, das oͤfters einer wahren „ Haut aͤhnlich iſt, und die Schnuren zuſammenhaͤlt, und „ in einen Nerven verbindet. Alle Nerven des Haupts kom - „ men darinn miteinander uͤberein, daß ſie aus dem untern „ Theile des Marks des großen oder kleinen Gehirns ent - „ ſpringen. — Es geht eigentlich kein Aſt aus dem kleinen „ Gehirne, außer dem fuͤnften und vierten; aus dem Ge - „ hirne allein kommen der Geruchnerve, der Geſichtsnerve „ und der dritte; alle die uͤbrigen Nerven entſtehen an den „ Orten, wo das Mark des großen und kleinen Gehirns „ ſchon vereinigt iſt. “
„ Das Ruͤckmark iſt eine aͤußerſt weiche markigte „ Schnur, die von dem verlaͤngerten Marke bis zu dem „ zweyten Lendenwirbelbeine herabſteigt. — Bey ſeinem „ Austritte aus dem Haupte iſt dieſes Mark am groͤßten, „ hernach wird es zu oberſt im Halſe kleiner, zu unterſt wie - „ der groͤßer, durch den ganzen Ruͤcken hinunter wieder en - „ ger, und zu unterſt wieder dicker. — Es iſt, ſo wie das „ Gehirn, mit der duͤnnen Haut umkleidet, die tief in die „ vordere Spalte eindringt, und das Mark beynahe in zween „ Theile theilet. Jm Jnwendigen enthaͤlt es etwas vom „ grauen Hirnſtoffe, (Markrinde) der aber nicht deutlich zu „ ſehen iſt. Es hat verſchiedene ſowohl ſchlagende als zuruͤck - „ fuͤhrende Blutgefaͤße. — Es wird mit einer zweyten „ Decke umgeben, die es ſchlaff und in einiger Entfernung„ umwi -171 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. „ umwickelt, und die Spinnenhaut des Gehirns heißt, von „ Gefaͤßen entbloͤßt, aber mit einer waͤſſerichten Durchſich - „ tigkeit und einiger Feſtigkeit begabt iſt. — Endlich wird „ das Ruͤckmark noch von der harten Haut umgeben, die ei - „ ne Fortſetzung der harten Hirnhaut des Gehirns iſt. — „ Sie umkleidet auswendig die Nerven, an den Orten, wo „ ſie durch dieſe Haut hinausgehen, und ſchwillt mit ihnen „ in harte, laͤnglicht runde, roͤthliche Knoten auf. — Aus - „ waͤrts wird die harte Haut von einem fetten und ſchmie - „ rigten Weſen uͤberzogen, hernach von der innern Decke der „ Wirbelbeine, und von den Wirbelbeinen ſelbſt, die auf „ eine ſolche Weiſe in einen Kanal zuſammengefuͤget ſind, „ daß das Ruͤckenmark in keiner Art von Biegung zuſam - „ mengedruͤcket werden kann. Die Faſern des Ruͤckmarks „ laſſen ſich in Thieren und Waſſerſuͤchtigen ſehr deutlich „ ſehen. Sie entſpringen aus der ganzen vordern und hin - „ tern Flaͤche des Ruͤckmarks; die vordern Schnuren pfle - „ gen gemeiniglich, von der duͤnnen Haut umgeben, Stra - „ lenweiſe in einen groͤßern Bund zuſammen zu flieſſen, zu „ welchem ein zweyter aͤhnlicher Bund, aus den hintern Fa - „ ſern zuſammen verbunden, koͤmmt, und mit ihnen in ei - „ nen Nerven zuſammenwaͤchſt, der durch ein Loch der har - „ ten Haut, immer zwiſchen zweyen Wirbelbeinen, heraus - „ geht, und ferner Nerven erzeuget. Sie ſind, ſo wie die „ Wirbelbeine, dreyßig an der Zahl. Die nervigten Fa - „ ſern des Halſes ſind zahlreich und Stralenfoͤrmig und er - „ zeugen einen großen Nerven, der beynahe in die Quere „ liegt. Jm Ruͤcken ſind ſie uͤberhaupt kleiner, und gehen „ jaͤher hinunter, doch ſo, daß die untern und groͤßern Paa - „ re faſt ohne Zwiſchenraum auf einander folgen. Die „ Nerven der Lenden ſind groß und lang, und laufen in den „ ſogenannten Pferdeſchweif. Die oberſten Nerven des „ heiligen Beins ſind groß, die unterſten aber die kleinſten „ von allen. Viele Nerven des Ruͤckens, die Nerven der „ Lenden und des heiligen Beins verbinden ſich zuſammen, „ von der duͤnnen Haut bekleidet, von Schlagadern beglei -B„ tet18I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. „ tet und von der Spinnenhaut eingeſchloſſen, in einen ge - „ meinſchaftlichen Pack von Nerven, die man den Pferde - „ ſchwerf nennt. Dieſe Nerven werden in alle Theile des „ Koͤrpers auf ſehr verſchiedene Arten vertheilt. — Alle „ Nerven des Ruͤckgrats, einige wenige des Halſes ausge - „ nommen, haben, ſobald ſie zu den Wirbelbeinen hinaus „ getreten ſind, einen hintern und einen vordern Stamm. „ Jener iſt einzig den Muskeln gewidmet; dieſer erzeugt ei - „ ne nervigte Wurzel, die ſich mit ihren Geſpannen verbin - „ det, zu denen ſich noch ein kleiner Zweig hinzufuͤget, der „ vom ſechſten Nervenpaare des Gehirns, und dem zwey - „ ten Aſte des fuͤnften Paares koͤmmt, und auf dieſe Wei - „ ſe entſteht einer der vornehmſten Nerven des ganzen „ menſchlichen Koͤrpers, der ſich beynahe mit allen Nerven „ des Leibes verbindet, und nervigte Aeſte nach dem Herzen „ und allen Eingeweiden des Unterleibes ſchicket. Er hat ſo „ viel Knoten als Wurzeln von dem Marke, und noch an - „ dre, wo verſchiedene Nerven in einem einzigen Knoten zu - „ ſammenkommen: er vereiniget ſich verſchiedentlich mit den „ Nerven der Schenkel, der Arme, des Zwerchfells, dem „ herumſchweifenden und dem neunten Paare. Ein andrer „ Hauptnerve iſt der achte, oder der herumſchweifende. „ Er koͤmmt aus dem Gehirne und verbindet ſich im unter - „ ſten Theile des Halſes, in der Bruſt und im Unterleibe „ mit dem großen Rippennerven: er iſt in eine dreyfache „ Schnur getheilet, wo er aus der Hirnſchale koͤmmt, von „ welchen die groͤßte zur Kehle, zum Schlunde und den „ Geflechten des Herzens, zur Lunge, zum Magen und zur „ Leber geht. Der dritte Hauptnerve iſt der Nerve des „ Zwerchfells, der aus den meiſten untern Nerven des „ Halſes entſteht, von Wurzeln der Armnerven und zuwei - „ len von andern vermehret wird, und neben dem Herzbeu - „ tel in die obere Flaͤche des Zwerchfells geht: denn der un - „ tere bekoͤmmt ſeine Aeſte von dem groͤßten Geflechte des „ Rippennerven. Zuletzt iſt noch der zuruͤcklaufende, der „ durch kleine Wurzeln aus den ſechs oder ſieben erſten hin -„ tern191 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. „ tern Nerven des Nackens entſpringt, in die Hirnſchale zu - „ ruͤckgeht, und ſich dem Nerven des achten Paares hinzu - „ fuͤget, zwiſchen welchem und dem Ruͤckenmarke er eine Art „ von Uebereinſtimmung zu ſtiften ſcheint. Die Nerven „ der aͤußerſten Gliedmaßen laufen bey ihrem Urſprunge „ wie in Netze zuſammengeflochten, und ſind in Anſehung „ ihrer Laͤnge haͤrter und weit groͤßer, als die Nerven der „ Eingeweide. Diejenigen, welche in die Arme gehen, kom - „ men von den vier unterſten Nerven des Halſes, und von „ den zwey oberſten des Ruͤckens: die Nerven der Fuͤße aber „ entſpringen aus den Nerven der Lenden und des heiligen „ Beins. “
„ Die Nerven ſind, ſo wie die Gefaͤße, aͤſtig, machen „ aber ſpitzige Winkel mit einander, und gehen oft augen - „ ſcheinlich zuruͤck; ſie werden allgemach weicher und kleiner, „ ob ſie ſchon an einigen Stellen auch, indem ſie ſich vom „ Gehirne entfernen, dicker werden, und ſie endigen ſich mit „ ihren meiſtentheils unſichtbaren kleinen Zweigen, in ein „ weiches markigtes Weſen, nachdem ſie zuvor die Decken, „ von denen ſie umgeben waren, abgeleget haben. — Die „ Faſern der Nerven werden von dem Gehirne weg, ſo ge - „ rade fortgeſetzet, daß ſie ſich durch keine Zertheilung ſpal - „ ten laſſen, und ſich diejenigen Buͤnde nur von einander „ trennen, die durch ein fadigtes Gewebe verbunden waren. “ H. P. §. 356 — 363.
„ Es iſt wahrſcheinlich, daß die Nervenfaſern und die „ gleichartigen Markfaſern des Gehirns hohl ſeyn, und daß „ ein fluͤſſiges Weſen, das aus dem Gehirne koͤmmt, in ih - „ nen herabſteige und bis in die aͤußerſten Theile hinaus „ fließe. Die Feinheit der Roͤhren, die kein Vergroͤße - „ rungsglas erreichet, widerleget keinesweges die Verſuche, „ u. ſ. w. Wenn es Roͤhren ſind, ſo iſt hoͤchſt glaublich, „ daß ſie ihren Saft von den Schlagadern des Gehirns ha - „ ben. “ H. P. §. 378.
Die Nerven endigen ſich an ihren aͤußerſten Spitzen entweder ſo, daß ſie ſich andern, zu gewiſſen Bewegungen beſtimmten Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers, einverlei - ben, oder daß ſie ſich blos in der Haut, oder in andern Theilen, z. E. im Auge, Ohre, ꝛc. ausbreiten, ohne in ſol - che Maſchinen einzudringen, die zu gewiſſen Bewegungen beſtimmet ſind, wenigſtens ohne dazu mitzuwirken. Die erſtern heißen, in dieſer Beziehung, Bewegungsner - ven; die letztern hingegen Empfindungsnerven. Sie ſind aber uͤbrigens voͤllig von einerley Materie und Struck - tur, und ihr Unterſchied liegt bloß in dieſer Localverhaͤlt - niß, nicht aber in ihnen ſelbſt. „ Eben dieſelben Nerven „ ſind unſtreitig ſowohl der Empfindung als der Bewegung „ gewiedmet, ſo daß man nicht eine doppelte Eintheilung „ annehmen kann, nach welcher die einen Nerven (an ſich „ betrachtet) die Empfindung, die andern die Bewegun - „ gen hervorbringen. “ H. P. §. 384. Es koͤnnte alſo jeder Nerve eins und das andre ſeyn, nachdem ſeine letzten Zwei - ge ſich hier oder anderswo vertheilen, und jeder Bewe - gungsnerve iſt auch zugleich mit den Eigenſchaften der Empfindungsnerven begabt. Die Bewegungsnerven ha - ben zum Theil gewiſſe Knoten oder Verwickelungen, theils ihrer eignen Faden, theils ganzer andrer Nervenzweige und Nerven, die ſich zu ihnen geſellen, §. 13. worinn die ge - rade Richtung der Nervenfaden, Zweige, und ganzer Ner - ven unterbrochen wird. Jn den Nerven der aͤußerlichen Sinne, die gar nicht zu einiger Bewegung mechaniſcher Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers beſtimmet ſind, findet man ſolche Knoten nicht. „ Die meiſten Nerven gehen in „ die Muskeln, viele in die Haut, weniger in die Einge - „ weide, die wenigſten in die Lunge, und gar keine in die „ harte und duͤnne Hirnhaut, in die Spinnenhaut, die Seh - „ nen, die Gelenkhoͤlen, die Baͤnder und in den Mutterku - „ chen. Sie vereinigen ſich, ſo wie die Gefaͤße, haͤufig „ untereinander, oder werden auch aus einem Stamme in„ viele211 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. „ viele Aeſte zertheilet; inſonderheit in dem Zuſammenſtoſ - „ ſen der Aeſte verſchiedener Staͤmme findet man die Kno - „ ten, oder harte nervigte Geſchwuͤlſte, die mit Gefaͤßen ver - „ ſehen, und von einer feſten Haut umſchloſſen ſind; deren „ Bau und Nutzen bis hieher unbekannt iſt, und in denen „ die gerade Richtung der Nervenfaſern unterbrochen wird. „ Man findet keine ſolche Knoten in den Nerven, die einzig „ den Sinnen gewiedmet ſind, noch in den Nerven des ach - „ ten Paars, des Zwerchfells, der Gliedmaßen. Den Ner - „ ven des Ruͤckgrats hingegen, und dem Rippennerven, der „ in der That ein Nerve des Ruͤckgrats iſt, ſind ſie eigen. “ H. P. §. 364.
1. Alle Erſcheinungen bey den Empfindungen und Be - wegungen, die durch die Nerven veranlaſſet werden, ma - chen die Gegenwart eines aͤußerſt ſubtilen fluͤſſigen Weſens wahrſcheinlich, das unſichtbar im weichen Marke des Ge - hirns und der Nerven wohnet, und alle thieriſche Verrich - tungen beyder vermittelt. Man nennet es die Lebensgei - ſter, oder den Nervenſaft, weiß aber nicht eigentlich, wie und auf welche Weiſe ſie zu den thieriſchen Verrichtungen etwas beytragen. Sie ſind nicht dasjenige fluͤſſige Weſen, was im Gehirn - und Nervenmarke ſichtbar iſt, ſondern ein viel ſubtilerer Hauch, der nicht in die Sinne faͤllt. Aus den Erſcheinungen, die ſein Daſeyn verrathen, laͤßt ſich ſchließen, daß der Nervenſaft ein fluͤſſiger, aͤußerſt beweg - licher, geiſtiger Dunſt ſey, der weder waͤſſerig, noch kle - brig, noch elaſtiſch, aͤtheriſch, oder elecktriſch ſeyn kann. „ Da die Empfindungen und Bewegungen nicht aus der „ Federkraft der Nerven erklaͤret werden koͤnnen, ſo ſcheint „ wahrſcheinlich, daß es ein fluͤſſiges Weſen ſey, das aus „ dem Gehirne koͤmmt, in den Nerven herabſteige und bis „ in die aͤußerſten Theile hinausfließe; daß die Geſchwindig - „ keit dieſes fluͤſſigen Weſens durch einen Reiz beſchleuniget „ werde, “u. ſ. w. H. P. §. 377. „ Die Natur der Be -B 3„ ſtand -22I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. „ ſtandtheile dieſes fluͤſſigen Weſens iſt noch ungewiß. Vie - „ le, inſonderheit neuere Schriftſteller, hielten ſie fuͤr ent - „ weder vollkommen hart, oder elaſtiſch, fuͤr aͤtheriſch, oder „ endlich fuͤr elecktriſch; und andre glaubten, die Geiſter „ ſeyn waͤſſerig, ließen ſich nicht zuſammendruͤcken, und haͤt - „ ten etwas dem Eyweiße Aehnliches. Allein es iſt nicht „ zu laͤugnen, daß vieles uns verhindert, eine von dieſen „ Meynungen anzunehmen. Die elecktriſche Materie iſt „ zwar kraͤftig und faͤhig, die ſtaͤrkſten Bewegungen hervor - „ zubringen: allein ſie laͤßt ſich nicht in die Nerven ein - „ ſchlieſſen, ſondern durchdringet den ganzen Koͤrper, und „ erfuͤllt ſowohl die Muskeln und das Fett, als die Nerven „ mit ihrer Kraft. Nun aber ſehen wir in einem lebenden „ Thiere, auf eine angebrachte Reizung, nur die Nerven, „ oder diejenigen Theile zittern, die mit Nerven begabt ſind; „ folglich muß das fluͤſſige Weſen, das durch die Nerven „ fließt, ſo beſchaffen ſeyn, daß es in den Roͤhren derſelben „ allein kann eingeſchloſſen werden. Ein unterbundener „ Nerve hebt auch die Empfindung und die Bewegung auf, „ da hingegen der elecktriſche Strom dadurch nicht aufgehal - „ ten wird. “ H. P. §. 379. „ Das waͤſſerige und dem Ey - „ weiße aͤhnliche Waſſer iſt allen Saͤften des Menſchen ge - „ mein, und man koͤnnte leicht glauben, daß es auch im „ Nervenſafte zugegen waͤre, aus dem Beyſpiele des Waſ - „ ſers, das in den Hoͤlen des Gehirns ausduͤnſtet, und aus „ eben denſelben Gefaͤßen entſpringet, die den Nervenſaft ab - „ ſcheiden. Hieher gehoͤret auch das aͤhnliche Beyſpiel des „ gallerigten Safts, der aus den zerſchnittenen Gehirnen „ der Fiſche oder groͤßern Nerven der Thiere herausfließt, „ und das Aufſchwellen unterbundener Nerven. Allein, iſt „ eine waͤſſerige Gallert auch faͤhig, die erſtaunenden Wir - „ kungen gereizter Nerven zu bewirken, die ſich in den Zer - „ gliederungen lebender, auch ſo gar der kleinſten Thiere zei - „ gen, und die Kraͤfte der Raſenden und mit Mutterbe - „ ſchwerden Behafteten zu erklaͤren? Dient hierzu etwas „ das hydroſtatiſche Beyſpiel der Haarroͤhrchen? das zwar„ die231 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. „ die Staͤrke der Bewegung einigermaßen erklaͤret, von der „ Geſchwindigkeit aber widerleget wird. “ H. P. §. 380. „ Der Nervenſaft muß aͤußerſt fein und unſichtbar und oh - „ ne Geruch und Geſchmack ſeyn, und ſich doch durch die „ Speiſen wieder erſetzen laſſen. Man muß ihn ſorgfaͤltig „ unterſcheiden von dem ſichtbaren und klebrigten Safte, der „ aus den Gefaͤßen in den Zwiſchenraͤumen der nervigten „ Schnuren ausduͤnſtet. “ H. P. §. 381.
2. Obgleich thieriſche Maſchinen allen Thieren weſent - lich eigen ſind, §. 6. ſo beſitzt doch nicht jede Gattung der letztern alle, die hier beſchrieben worden, §. 9 — 15. N. 1. ſondern es ſind dieſe nur den vollkommenſten, naͤmlich dem Menſchen, und den ihm am naͤchſten kommenden Gattun - gen eigen. Da aber unſer Zweck nicht iſt, blos die erſten Gruͤnde der Phyſiologie der eigentlichen thieriſchen Natur der Menſchen, ſondern aller Thiere uͤberhaupt zu entwer - fen; ſo wird es im Verfolge dieſes Werks ſeine Anwen - dung finden, wenn wir hier die weſentlichſten Abweichun - gen der thieriſchen Maſchinen bey verſchiedenen Gattungen der Thiere aus des Herrn v. Hallers geſammleten Beob - achtungen, nothduͤrftig hinlaͤnglich, beſchreiben. Umſtaͤnd - licher kann man davon in der großen Phyſiologie dieſes be - ruͤhmten Lehrers der Aerzte, 4 Band 10 Buch, oder in deſſen oper. min. Tom. 3. S. 191. u. f. unterrichtet werden.
Das Gehirn mangelt gaͤnzlich einigen Thieren; z. E. denjenigen microſcopiſchen Wuͤrmchen, die gemeiniglich rund ſind, und deren verſchiedene Geſtalten Joblot, und deren heftige Kriege, Liſt, Geſchaͤftigkeit, Raubſucht und natuͤrliche Fertigkeiten Johann Hill beſchrieben, (S. des Hamb. Magaz. 12 B. S. 377. ꝛc.) Ferner den eben ſo geſchaͤfftigen und der willkuͤhrlichſten und kuͤnſtlichſten Be - wegungen faͤhigen Polypen des ſuͤßen Waſſers, wie auch den gleichartigen Thierchen, ob ſie gleich groͤßer ſind, den Bandwuͤrmern, den Meerneſſeln und andern Thierpflan - zen, welche Donati mit vieler Geſchicklichkeit unterſuchetB 4hat.24I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. hat. Die Groͤße der letztern verſtattet ſchwerlich, daß man ein etwa verſtecktes Gehirn vermuthen ſollte, wofern ja eins vorhanden waͤre, indem ihre Theile, auch ſchon ohne ein Vergroͤßerungsglas, deutlich genug in das Auge fal - len. Hingegen findet man in denen Thieren, die Kopf und Augen haben, durchgehends auch ein Gehirn, und daneben ein Ruͤckenmark, und es iſt zu zweifeln, ob man Augen ohne Gehirn, oder Gehirn ohne Augen, an irgend einem Thiere wahrgenommen habe. Demnach haben die Wuͤrmer, die Keilmuſcheln, Schnecken, die Einſiedler - krebſe, die Krebsarten, die Spinnen, Milben, das Ein - auge, die Kaͤfer, Fliegen, Bienen, die Raupen, Laͤuſe, ꝛc. ihr Gehirn, und folglich haben diejenigen Schriftſteller un - recht, welche vorgeben, daß Jnſekten ohne Gehirn waͤren. Allein man muß dem ungeachtet geſtehen, daß das Gehirn in dieſen Thierchen ſehr einfach iſt, und daß man unter ih - nen nicht wenige antrifft, welche nur etwas wenig Mark im Gehirne, außer dem Urſprunge der Sehenerven, ha - ben, wie ſolches von der Laus, der Milbe, dem Einauge, der Fliege, Biene, dem kleinen Krebs, und der Natter ſelbſt bekannt iſt. Am allergewoͤhnlichſten iſt das Gehirn in den kleinen Thieren halb geſpalten und ſehr ſelten in zween Lappen unterſchieden. Einfach und halb geſpalten iſt es in der Biene, der Raupe, der Fliege von einem Ta - ge, dem Kaͤfer, der Milbe, der Schnecke, dem Regen - wurme, den Krebſen, in der Natter und der Schildkroͤte. Hingegen hat das Gehirn zween Lappen in der Laus, dem Froſche, dem Blackfiſche und im Chamaͤleon. Folglich zeiget ſich mehrentheils bey dem einfachſten Gehirne ein Lap - penpaar bald deutlich, bald weniger deutlich abgetheilt. Das Gehirn in den Fiſchen von kaltem Blute iſt ſchon nicht ſo einfach, ſondern weit mehr entwickelt. Es zeigen ſich mehrere Huͤgelchen, mehrentheils deren fuͤnfe, und da - mit ſtimmet auch die Einrichtung in den Voͤgeln ziemlicher - maßen uͤberein. Doch haben einige Fiſche auch ſechs bis acht und noch mehr ſolcher Gehirnlappen. Fuͤnfe ſind außerden251 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. den kaltbluͤtigen Fiſchen und den Voͤgeln, auch den warm - bluͤtigen Fiſchen und den vierfuͤßigen Thieren gemein, wel - che folglich einerley Bau haben, da ſo gar die Gliedmaßen der erſtern insgeſammt einige unvollkommene Nachahmun - gen von den Fuͤßen und Armen der vierfuͤßigen ſind. Jn den warmbluͤtigen ſind die vier vordern Erhabenheiten des Gehirns von der fuͤnften, welche allezeit die hinterſte iſt, und das Hirnlein genennet wird, abgeſondert. — Wie das Gehirn in den Jnſekten und Wuͤrmern an ſich einfach iſt, und in den Jnſekten der kleine Knoten, den man Gehirn nennet, wenig von den uͤbrigen Knoten des Ruͤckenmarks unterſchieden iſt, ſo ſcheint auch in denen Fiſchen und den Thieren von kaltem Blute das Gehirn gleichſam ein An - haͤngſel von dieſem Ruͤckenmarke zu ſeyn. Jn Fiſchen iſt es uͤberhaupt klein; ungemein klein aber im Froſche, im Chamaͤleon und im Krokodille. Jn allen vierfuͤßigen Thie - ren iſt das Gehirn, im Verhaͤltniß gegen den ganzen Koͤr - per eines jeden, viel groͤßer, als in gleicher Verhaͤltniß bey den Fiſchen: doch aber iſt es in ſolchen, die, ihres ſtarken Gebiſſes wegen, große Schlafmuskeln haben muͤſſen, nur klein; z. E. im Loͤwen, Baͤren, Wolfe, Fuchſe, Hunde, der Katze, der Wieſel, dem Marder, dem Luchſen, dem Biber. Unter den Thieren, die vom Graſe leben, haben einige bald ein großes, bald ein kleines Gehirn. Das vom Elephanten, Kameele und Ochſen iſt klein, beym Pferde, Eſel, und Hirſche iſt es nach Verhaͤltniß groͤßer. Unter den Thieren, die alles ohne Unterſchied freſſen, hat die Maus, die Waſſermaus, die Ackermaus ein großes, das Schwein hingegen ein ſehr kleines Gehirn, und wenn al - les dieſes zuſammengezogen wird, ſo hat unter den vier - fuͤßigen der Ochſe oder Elephant das kleinſte, hingegen die Maus das groͤßte Gehirn, und es ſcheint ſich alſo das Ge - hirn verkehrt gegen die Groͤßen der Koͤrper zu verhalten. Doch darum haben nicht die traͤgen Thiere weniger, und die ſchnellen mehr Gehirn: denn es iſt im Eſel groͤßer, als im Pferde. — Nicht groͤßer iſt das Gehirn in den vier -B 5fuͤßigen26I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. fuͤßigen Waſſerthieren, oder Wallfiſchartigen, obgleich ei - nige dem Meerkalbe ein großes, und zwar ein groͤßeres als dem gemeinen Kalbe geben, und ob man gleich behauptet, daß es im Braunfiſche groß und im Delphine am groͤßten ſey. Man hat das Gegentheil davon gefunden. — Die meiſten Voͤgel haben ein großes Gehirn, wiewohl es im Straußen, Kramsvogel, indianiſchen Huhne, der Gans, und in der Klaſſe der Fleiſchfraͤßigen kleiner iſt. Der Ca - narienvogel ſcheint unter allen das groͤßte zu beſitzen. Jn der Klaſſe der Thiere, die dem Menſchen am naͤchſten kom - men, hat der Pygmaͤe, den Eduard Tyſon beſchreibt, ein großes Gehirn; denn obgleich dieſes Thier nicht laͤnger als 26 Zoll geweſen, wogegen der Menſch bis ſechs Fuß hoch wird, ſo wog doch ſein Gehirn 11 Unzen 7 Quent - chen, da bisweilen ein erwachſener Menſch nur anderthalb Pfund Gehirn hat, obwohl es auch zuweilen noch einmal ſo ſchwer, ja gar bis fuͤnf Pfund und druͤber gewogen. — Man hat von je her angegeben, daß der Menſch unter den Thieren das groͤßte Gehirn habe, und es iſt nicht noͤthig, dieſe aus der Beobachtung der Natur hergeleitete Angabe zu veraͤndern. Unter den vierfuͤßigen hat hierinnen kein einziges vor dem Menſchen einen Vorzug: die meiſten ha - ben es kleiner, und in der Vergleichung iſt das Gehirn des Menſchen groͤßer, als im Ochſen oder Pferde. Die kleinen Voͤgel, welche entweder ein gleich großes, oder gar ein groͤßeres haben, ſind dagegen ungemein mager, und der Menſch fett, wiewohl man das Fett nicht in Betrachtung ziehen muß, da es nicht unter die eigentlichen Beſtandthei - le eines thieriſchen Koͤrpers gehoͤret. Die Voͤgel haben uͤber - dem ſehr große Augen. — Die Markrinde des Ge - hirns hat in den vierfuͤßigen Thieren und in den vordern Gehirnlappen der Voͤgel, ſo wie im kleinen Gehirne, ei - nerley Lage. Jn den Seefiſchen und einigen groͤßern ſoll ſie wenig von einer Gallert verſchieden ſeyn: allein man hat vermuthlich das Oel, was das Gehirn der Fiſche zu umge - ben pflegt, mit der Markrinde deſſelben verwechſelt: dennes271 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. es iſt das Gehirn auch im Karpfen gleichſam mit Oele um - goſſen, und es iſt dem ungeachtet wirklich vorhanden, und wie das beſchaffen, welches die vierfuͤßigen haben. — Von den Abaͤnderungen der Strucktur des Gehirns in verſchie - denen Gattungen der Thiere, die allerdings betraͤchtlich ſind, wird es um deſto weniger noͤthig ſeyn, in dieſen An - fangsgruͤnden eine Beſchreibung zu machen, je geringer der Nutzen einer ſolchen Erkenntniß bis itzt waͤre, da wir die natuͤrlichen Verrichtungen der beſondern Theile des Ge - hirns doch nicht kennen.
Das Hirnlein haben alle vierfuͤßige Thiere und Voͤ - gel mit dem Menſchen gemein, ja man findet es ſo gar, oder doch etwas ſehr Aehnliches davon, auch in den Fiſchen. Hingegen mangelt das kleine Gehirn den Jnſekten. Es iſt im Menſchen, in verſchiedener Betrachtung kleiner, als das große Gehirn, und unterſcheidet ſich, was den Bau betrifft, weder durch die Weiche noch Haͤrte vom Gehirne, da es hingegen viel mehr von dem markrindigen Weſen be - ſitzt, und dieſes an ſich weicher, als das Mark iſt. Gemei - niglich iſt das Hirnlein im Menſchen um neunmal kleiner, als das große Gehirn. Hiervon weicht nicht ſehr das Ver - haͤltniß im Ochſen, Hunde, und Fuchſe ab. Jm Pferde hingegen iſt es nach Proportion fuͤnfmal kleiner, welches ſich auch in dem Schaafe ſo befindet. Es iſt groͤßer in dem Geſchlechte der Maͤuſe, und gemeiniglich dreymal ſo klein als das große Gehirn in der Hausratze, groͤßer in der Feldmaus und am allergroͤßten in der Hausmaus, naͤm - lich nur um zweymal kleiner. Folglich hat der Menſch nach Proportion des Gehirns unter allen Thieren das kleinſte Hirnlein.
Was das Ruͤckenmark betrifft, ſo beſitzen die Jn - ſekten und Wuͤrmer dieſen Haupttheil des Nervenſyſtems, und die Fiſche ebenfalls. ‒ Jn dieſen Geſchoͤpfen von lan - gem Leibe und kleinem Kopfe iſt das Gehirn kaum um ei - nige Knoten groͤßer, als das Ruͤckenmark, und es laͤßt ſich in dieſem Falle die Meynung einiger alten Weltweiſen ent -ſchuldi -28I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. ſchuldigen, wenn ihnen das Gehirn nur als ein Anhaͤngſel des Ruͤckenmarks vorgekommen iſt. Doch es iſt auch das Gehirn in dem Schlangengeſchlechte an ſich nur klein. Die - jenigen Thiere hingegen, welche einen groͤßern Kopf haben, beſitzen ein groͤßeres Gehirn als Ruͤckmark, nach eben ſol - chem Verhaͤltniſſe, welches beſonders von den Voͤgeln und den warmbluͤtigen vierfuͤßigen gilt. Bey dieſen, ſonderlich aber bey den Voͤgeln, und am meiſten im Menſchen, iſt das Ruͤckmark nur ein kleiner Anhang zum Gehirne, in - dem es außerdem nicht die ganze Laͤnge des Ruͤckens hin - ablaͤuft, ſondern ſich bey dem erſten oder zweyten Lenden - wirbel endigt, und die uͤbrige Laͤnge der Lendenwirbel und des heiligen Beins den Nerven des Pferdeſchweifs §. 13. einraͤumt. Das Ruͤckmark iſt durchgaͤngig markig, we - nigſtens groͤßtentheils und an ſeiner ganzen aͤußern Flaͤche: doch zeigt ſich an gewiſſen Stellen auch etwas Markrindi - ges oder Graues im Ruͤckenmarke. Das ganze Mark iſt ungemein weich, zerfließt an der Luft, und iſt weicher als das Gehirn ſelbſt, obgleich das Mark hier ebenfalls feſter, als das Markrindige iſt. Bey den Jnſekten iſt es ein Fa - den, der durch viele Knoten abgeſetzet iſt, und deſſen unter - ſtes Ende ſich mehrentheils, beynahe auf eben die Weiſe, wie bey andern Thieren, in die Nerven des Pferdeſchweifs zertheilet.
Die harte Hirnhaut iſt uͤberhaupt im Menſchen von einem feſten Gewebe, und es iſt nicht leicht eine ſeiner Haͤu - te feſter. Hingegen iſt ſie in einigen Fiſchen durchgehends knorpligt; in den kleinen Vierfuͤßigen und in den Voͤgeln aber zarter und weicher.
Man findet in allen denjenigen Thieren, die ein Ge - hirn und Ruͤckenmark haben, wie auch in den Jnſekten und in den Schalwuͤrmern, Nerven; ob ſie gleich zur Zeit in den einfachen Thieren, als in den Polypen und andern Pflanzenthieren, noch nicht recht bekannt ſind. Da aber die Polypen offenbar zum Thierreiche gehoͤren, ſo darf man den Unterſchied, welcher ſie von den Pflanzen trennt, nichtauf291 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. auf die Nerven einſchraͤnken. Uebrigens hat man die Ner - ven wirklich beobachtet, im Krebs, im Meerkrebs, im Dintenfiſche, in der Schnecke, im Tagwurme, im Sei - denwurme, in der Raupe, in der Biene, im Kellerwur - me, in der Kaͤfermade, in der Milbe, in der Laus, u. a. und Swammerdam ſagt ausdruͤcklich, daß die Nerven - zweige in den Jnſekten durch alle Glieder, Geer und Lyonnet aber, daß ſie beſonders zu den Muskeln gehen. Das Mark iſt der erſte und weſentlichſte Theil eines Ner - ven, welches dieſer aus dem Gehirne oder Ruͤckenmarke, als eine Fortſetzung, in ſich nimmt, und es iſt dieſes Mark im Nerven nicht allein jenem vollkommen aͤhnlich, ſondern auch eben ſo weich, weiß, ohne Schnellkraft und Dehn - barkeit. Hierbey iſt noch bemerkenswerth, daß ſowohl hier, als in den andern Nerventheilen die groͤßte Ueberein - ſtimmung zwiſchen den Nerven eines Menſchen, der vier - fuͤßigen Thiere, der Voͤgel und Fiſche, wie auch der Jn - ſekten Statt findet.
Das Ruͤckenmark zeiget ſich hin und wieder in kleinen Thieren knotig, ſo oft es Nerven hervorbringt, derglei - chen in den Kellerwuͤrmern, in der Biene, in der Raupe, im Tagwurme, im Waſſerſkorpion, an der Laus, an der Milbe, am kleinen Krebs u. a. zu ſehen iſt. Man findet in Menſchen und den vierfuͤßigen Thieren dergleichen klei - ne Knoten blos an den Nerven ſelbſt, und niemals im Gehirne oder Ruͤckmarke. Doch es ſchwellen alle Nerven, die aus dem Ruͤckmarke abſtammen, ſobald die Nerven - ſchnuͤre die harte Membrane durchbohrt haben, zu einem Knoten auf, und hiervon iſt blos der Zuſatznerve (acceſſo - rius) ausgenommen. — An derjenigen Stelle eines Ner - ven, wo ſich mehrere Aeſte wieder ſcheiden, findet man durchgaͤngig Nervenknoten. Sie haben faſt alle einerley Bau; es naͤhern ſich ihnen eine große Menge von Puls - adern; der Nervenknote iſt der haͤrteſte Theil des Nerven; ein jeder hat ſeine Bekleidung, welche aus dem harten Zell - gewebe beſteht, oder eine rothe und feſte Scheide; ja esſind30I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. ſind ſogar die Nervenſchnuren ſelbſt unterbrochen, und man kann die parallele Richtung der geraden Faſern fernerhin nicht von einander unterſcheiden, indem ſich dieſe Schnuͤre auf das genaueſte mit einander zu vermiſchen ſcheinen. — Es ſcheinen aber die Nervenſchnuren in dem Knoten eine loſe Lage anzunehmen, ſich von einander zu entfernen, und Zwiſchenraͤume zu formiren, welche von einem harten ro - then Zellgewebe ausgefuͤllt werden. Es iſt uͤbrigens eine ausgemachte Sache, daß die Knoten jederzeit groͤßer, und bisweilen ſehr anſehnlich groͤßer ſind, als der Nerve iſt, woraus ein jeder Knote ſeinen Urſprung bekoͤmmt. Es iſt auch gewiß, daß faſt allezeit aus den Knoten mehr Nerven hervorkommen, als in denſelben hineingehen, und daß ſie alſo, wie das Gehirn, neuen Nervenzweigen ihren Ur - ſprung geben; woher es ſehr wahrſcheinlich wird, daß ſie, wenn ſie, wie das Gehirn, gewiſſe Eindruͤcke bekommen, dieſelben, eben ſo wie jenes, durch die neuen Nerven, die in ihnen entſpringen, auf die Glieder, die dieſe regieren, fortpflanzen, ob ſie gleich hier nicht ſo wie im Gehirne em - pfunden werden koͤnnen. Doch hiervon unten §. 48. 415. N. 2. 3. u. a. ein Mehreres.
Wenn man aus dieſem Allen einen Schluß auf das ganze Thierreich machen ſoll, ſo ſind die allgemeinen thie - riſchen Maſchinen, die, ſo viel man weiß, keiner Gattung mangeln, mithin die weſentlichſten Theile des thieriſchen Lebens ſind, nur die Nerven, die Nervenknoten, und das Ruͤckenmark mit der ihm etwa zugehoͤrigen Markrinde, oder Aehnlichkeiten aller dieſer Theile, in welchen die Lebensgeiſter ih - ren Aufenthalt und Umlauf haben, und worinn ſie auch, wo keine Markrinde des Gehirns vorhanden iſt, vom Blute abgeſondert werden muͤſſen. §. 11. Nicht ſo allgemeine, und nur gewiſſen Gattungen von Thieren, beſonders den unſtreitig beſeelten, we - ſentlich nothwendig thieriſche Maſchinen aber, ſind das Gehirn und Hirnlein, mit ihren Markrinden,und311 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. und den Nerven der Gliedmaßen der aͤußerlichen Sinne. Von denen, die Gehirn haben, ſind nur die voll - kommenſten, die unſtreitig denken und begehren, mit einem großen und betraͤchtlichen Gehirne und vielerley Gliedmaßen der aͤußern Sinne verſehen: dahingegen andre, die nur zweydeutige Spuren von Vorſtellungen aͤußern, ein kleines, einfaches und unfoͤrmliches Gehirn haben, das ſich wenig vom Ruͤckenmarke unterſcheidet, und nur ein Anhang deſ - ſelben zu ſeyn ſcheint, mithin vermuthlich auch nur die Ver - richtungen deſſelben hat.
Wir unterſuchen in dieſem erſten Theile der Phyſio - logie die thieriſche Natur der vollkommenſten Thiere, wor - inn ſich alle obige thieriſche Maſchinen, oder doch die vor - nehmſten vereinigen, und ſie faͤhig machen, in Gemein - ſchaft mit der Vorſtellungskraft einer Seele zu handeln. Alle uͤbrige Thiere unterſcheiden ſich nur durch immer groͤße - re Maͤngel an thieriſchen Werkzeugen und Kraͤften, und es giebt einige, deren ganzes Leben ſo unwirkſam, einfoͤr - mig und Maſchinenmaͤßig iſt, daß man kaum die Spur thieriſcher Kraͤfte darinn finden kann. Wie nun blos durch die allgemeinſten und weſentlichſten thieriſchen Maſchinen und ohne den Beytritt, der nur den vollkommenern eigen, gleichwohl ein thieriſches Leben beſtehen koͤnne, und wie weit es dem der vollkommnern beykomme oder nachſtehe, das wird der zweyte Theil dieſer Phyſiologie lehren: und hieraus wird ſich endlich im dritten der allgemeine Abriß der thieriſchen Natur zeichnen laſſen, woraus erhellen wird, wie ſich in jeder Gattung der Thiere die Kraͤfte ihrer thieri - ſchen Maſchinen mit einander verbinden, um das thieriſche Leben einer jeden zu vollfuͤhren. §. 8.
Was fuͤr thieriſche Kraͤfte ſind den thieriſchen Maſchi - nen an ſich eigen, ohne Beziehung auf ihren Ein - fluß in den uͤbrigen Mechanismum? ſo daß ſie dieſelben beſitzen wuͤrden, wenn ſie ſich auch gleich nicht mit den me - chaniſchen Maſchinen, welche den thieriſchen Koͤrper be - wegen, vereinigten? Die Beantwortung dieſer Frage iſt der Gegenſtand des gegenwaͤrtigen Kapitels, worinn haupt - ſaͤchlich die thieriſchen Seelenkraͤfte der thieriſchen Maſchi - nen, an ſich betrachtet, in Erwaͤgung zu ziehen ſind. §. 8. Da die Lebensgeiſter zu den thieriſchen Verrichtungen, und beſonders zu den thieriſchen Seelenkraͤften des Gehirns und der Nerven nicht wenig beytragen, §. 11. ſo muͤſſen wir mit ihren thieriſchen Verrichtungen, in ſo weit ſie uns bekannt ſind, den Anfang machen.
Die Lebensgeiſter entſtehen im Gehirne. §. 11. Wenn ſie alſo zu den thieriſchen Verrichtungen der Nerven etwas beytragen, und in ihnen gegenwaͤrtig ſind, oder die dem Gehirne etwa beygebrachten Eindruͤcke den Nerven - ſtaͤmmen, Zweigen und Spitzen uͤberbringen: ſo muͤſſen ſie vom Gehirne aus bis in die aͤußerſten Spitzen der Ner - ven fließen, oder wenigſtens den Eindruck ins Gehirn nach dieſer Richtung abwaͤrts vom Gehirne, nach den Nerven -ſpitzen331 Abſchn. Der Lebensgeiſter. ſpitzen hin, fortpflanzen, und haben alſo eine natuͤrliche Be - wegung vom Gehirne abwaͤrts in die Nervenſtaͤmme, Zwei - ge und Spitzen, wodurch ſie dann die unmittelbaren Wir - kungen des Gehirns in die Nerven vermitteln. Vergl. §. 122.
Wenn die in die Nerven ſchon ergoſſenen Lebensgeiſter zu den thieriſchen Verrichtungen des Gehirns etwas bey - tragen, und die in den Nervenſpitzen etwa empfangenen Eindruͤcke in daſſelbe uͤberbringen; §. 11. ſo muͤſſen ſie von den Nervenſpitzen an zum Gehirne fließen, oder wenigſtens den empfangenen aͤußern Eindruck nach dieſer Richtung aufwaͤrts zum Gehirne fortpflanzen, und haben alſo eine natuͤrliche Bewegung von den Nervenſpitzen aufwaͤrts zum Gehirne, wodurch ſie denn die unmittelbaren Wirkungen der Nerven in das Gehirn vermitteln. Vergl. §. 36. „ Es „ iſt wahrſcheinlich, daß ein fluͤſſiges Weſen, welches aus „ dem Gehirne koͤmmt, in den Nerven herabſteige und bis „ in die aͤußerſten Theile hinaus fließe; daß die Geſchwin - „ digkeit dieſes fluͤſſigen Weſens durch den Reiz beſchleunigt „ werde, und daß es blos nach der Richtung ſeines Laufs „ wirke, und hinaufwaͤrts keine Zuͤckungen erwecke, weil „ ihm der neue Zufluß eben dieſes aus dem Gehirne kom - „ menden Safts widerſteht; daß ferner dieſes fluͤſſige We - „ ſen in den Werkzeugen der Sinne von den ſinnlichen Vor - „ wuͤrfen in Bewegung geſetzet werde, und dieſe Bewegung „ hinauf in das Gehirn fuͤhre, und daß ihr kein empfinden - „ der Strom aus dem Gehirne entgegen fließe und wider - „ ſtehe. “ H. P. §. 377.
Dieſe Vermittelung des Nervenſafts zwiſchen den wech - ſelsweiſen Wirkungen des Gehirns und der Nerven in ein - ander wird aus allen Beobachtungen der Wirkungen thie - riſcher Kraͤfte hoͤchſt wahrſcheinlich, und geſchiehet ſo ſchnellCund34I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. und unmittelbar, daß derſelbe entweder in ſeiner Bewe - gung, oder in der Fortpflanzung der Eindruͤcke mit einer unbegreiflichen Geſchwindigkeit wirket. „ Der Nervenſaft, „ als ein Werkzeug der Sinne und der Bewegung betrach - „ tet, muß aͤußerſt beweglich und faͤhig ſeyn, die Eindruͤcke „ der Sinnen und die Befehle des Willens, ohne den aller - „ geringſten Aufſchub, an die Oerter ihrer Beſtimmung „ hinzubringen, noch die Urſache ſeiner Bewegung dem Her - „ zen allein ſchuldig ſeyn. “ H. P. §. 381.
Es iſt natuͤrlich und durch mancherley Erſcheinungen beſtaͤtiget, daß ſich durch oͤftern oder langen Gebrauch die Lebensgeiſter verzehren, oder zu ihren Verrichtungen un - tuͤchtig gemachet werden, und daß demnach die thieriſchen Kraͤfte, deren Vermittler in ihren Wirkungen ſie ſind, §. 17. 18. entweder ermatten und ſchwinden, oder zuneh - men, nachdem ſie dem Gehirne und den Nerven entweder entzogen oder zugefuͤhret werden. „ Wohin geht der Ner - „ venſaft, der in ſehr großer Menge von dem haͤufigen und „ ſchnell bewegten Blute des Gehirns muß abgeſondert wer - „ den, wenn man ihn mit der reichlichen Abſonderung des „ langſamer fließenden, und vom Herzen entferntern Bluts, „ der weit kleinern Nieren - oder Gekroͤsſchlagadern ver - „ gleicht? Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß er durch die „ Nerven der Haut ausduͤnſte. Die Mattigkeit, die nach „ wenigen Stunden auf ſtarke Bewegungen und Empfin - „ dungen folget, und ſich durch geiſtige Arzneyen heben laͤßt, „ beweiſet, daß dieſer Saft verloren geht und wieder erſetzet „ wird. Viele glauben, er duͤnſte in verſchiedene Hoͤlen des „ Koͤrpers, wie in den Magen und in die Gedaͤrme aus. „ Vielleicht wird ein Theil davon wieder zuruͤckgeſogen, da - „ mit dieſer ſo nothwendige Saft nicht allzugeſchwind wie - „ der verfliege. “ H. P. §. 385.
Wenn im Gehirne die Lebensgeiſter gehoͤrig vom Blu - te abgeſondert werden, und ihr Einfluß von da in die Ner - ven, oder von dieſen in jenes ungehindert von Statten geht, ſo erfolgen auch die thieriſchen Verrichtungen der Seelen - oder Nervenkraͤfte, welche ſie vermitteln muͤſſen, natuͤrlich und ungehindert, und ſo koͤnnen beſagte Kraͤfte, in Ver - haͤltniß dieſes Grundes frey wirken.
Alles, was die Hervorbringung der Lebensgeiſter im Gehirne hindert, alles, was ihre, uns zwar unbekannte, natuͤrliche Beſchaffenheit verdirbt, alles, was ihren Ein - fluß aus dem Gehirne in die Nerven, oder aus dieſen in jenes unterbricht, und endlich alles, was die Verzehrung oder Abnutzung derſelben befoͤrdert, das hindert die freye Wirkung der thieriſchen Seelen - und Nervenkraͤfte, in ſo fern ſolche durch ſie vermittelt werden muß. Der gehemm - te Umlauf des Bluts durchs Gehirn, die Zuſammendruͤ - ckung oder gaͤnzliche Zerſtoͤrung, oder die Trennung des letztern vom Koͤrper, hindern die Hervorbringung der Le - bensgeiſter im Gehirne. Ein allgemeines Verderben aller Saͤfte muß auch nothwendig ihre natuͤrliche Beſchaffenheit vernichten; das Unterbinden, Zuſammendruͤcken oder Zer - ſchneiden des Ruͤckenmarks, der Nervenſtaͤmme und ihrer Zweige hemmt ihren Einfluß aus dem Gehirne in die Ner - ven, und aus dieſen ins Gehirn; und eine uͤbermaͤßige An - ſtrengung der Leibes - oder Gemuͤthskraͤfte verzehret die Le - bensgeiſter. §. 20. Alſo ſind dieſes insgeſammt Urſa - chen, welche die freye Wirkung der thieriſchen Seelen - und Nervenkraͤfte in dem, was die Lebensgeiſter dazu beytra - gen, hindern.
Die Erfahrung lehret, daß im Schlafe, vom Genuſſe des Weins und andrer geiſtiger Mittel und leichter nahr -C 2hafter36I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. hafter Speiſen, durch den Geruch geiſtiger Duͤnſte, durch das Waſchen der Glieder mit dergleichen, durch Reiben, durch ſanfte Leibesbewegung, Gemuͤthsergoͤtzung, muntere Geſellſchaft, und durch gemaͤßigte angenehme Beſchaͤffti - gung der aͤußerlichen Sinne, ꝛc. die Seelen - und Nerven - kraͤfte geſtaͤrket und ermuntert werden, und es iſt wahr - ſcheinlich, daß dieß entweder durch eine Vermehrung, oder leichtere Abſonderung, erneuete natuͤrliche Guͤte, oder durch den erleichterten Ein - und Ruͤckfluß des Nervenſafts ge - ſchehe. §. 22. Auf gleiche Weiſe iſt es wahrſcheinlich, daß zu langes Wachen, Darben, ſchwaͤchende Nahrungsmit - tel und Arzneyen, Duͤnſte und andre wirkſame Theile ge - wiſſer Dinge, die ihrer verborgenen Natur nach dem Ner - venſafte ſchaͤdlich ſind, wie z. E. vom Opium und andern narcotiſchen Mitteln, Kaͤlte, Traͤgheit, Mangel der Lei - besbewegung, Strapazen, Verdruß, Anſtrengung der Gemuͤthskraͤfte und der aͤußern Sinne, ꝛc. die thieriſchen Kraͤfte darum ſchwaͤchen und verhindern, weil dieſe Urſa - chen entweder die Lebensgeiſter vermindern, oder ihre Ab - ſonderung dadurch erſchwert, ihre gute Beſchaffenheit ver - dorben, oder ihr Ein - und Ruͤckfluß gehindert wird. §. 22.
Anmerkung. So wenig uns auch von der Natur und der eigentlichen Beſchaffenheit der Kraͤfte der Le - bensgeiſter bekannt iſt, ſo kann doch ein Arzt zu ſeinen Abſichten ſchon damit zufrieden ſeyn; und wenn auch dieß Wenige, was wir zu wiſſen glauben, noch unge - wiß und hoͤchſtens nur wahrſcheinlich iſt; ſo kann es doch, der uͤbrigen Wiſſenſchaft unbeſchadet, immer unausge - macht bleiben, weil wir nicht noͤthig haben, die Art und Weiſe, wie ſich die thieriſchen Kraͤfte entwickeln, zu er - klaͤren, wenn wir nur aus den Beobachtungen ihre wah - ren Wirkungen und Geſetze erkennen.
Das Gehirn hat eine doppelte beſtaͤndige Bewegung, die nur mechaniſch iſt, und nicht eigentlich zu ſeiner thie - riſchen Natur gehoͤret. Die eine iſt blos die ihm mitge - theilte Bewegung der Schlagadern, welche weiter nichts Merkwuͤrdiges hat. Die andere aber beſteht in einer wech - ſelsweiſen Bemuͤhung, ſich auszudehnen und wieder zuſam - menzufallen, welche der Herr v. Haller von der uͤberein - ſtimmenden Bewegung herleitet, die die zuruͤckfuͤhrenden Adern des Gehirns mit dem Athemholen haben, ſo daß ſowohl dieſe, als das Gehirn ſelbſt, wenn es nicht gehin - dert wird, beym Ausathmen aufſchwellen, beym Einath - men aber niederſinken. „ Es erhellet an dem Menſchen, „ deſſen Hirnſchale weich iſt, wie am Kinde zu ſehen, wie „ auch an ſolchen Menſchen und Thieren, denen ein Theil „ von der knochigen Hirnſchale abgehoben worden, offen - „ bar; daß bey jedem einzelnen Ausathmen das Gehirn in „ der That groͤßer werde, ſich ausdehne, in die Hoͤhe ſteige, „ und uͤber die verletzte harte Gehirnhaut, oder zerbrochene „ Hirnſchale hervorraget, den aufliegenden Finger zuruͤck - „ ſtoͤßt, und ſich das Blut uͤber das Gehirn ergießt. Das „ Gehirn hebt und dehnet ſich, wenn man ſchreyt. Man hat „ waͤhrend des Ausathmens durch die Kranznath eine ſtin - „ kende Materie austreiben geſehen. Es drang bey einem „ erſtickenden Huſten aus einer großen Kopfwunde eine „ Menge Blut hervor. Jm Geſchrey und Huſten erheben „ ſich die Sinus der harten Gehirnhaut. Wenn man „ Mund und Naſe zuhaͤlt, ſo ſchwitzt aus der zerbrochenen „ Hirnſchale ein Tropfen Bluts hervor, und es iſt waͤhrend „ des Ausathmens aus den Loͤchern der Hirnſchale Blut her - „ vorgedrungen. (Schlichting hat auch Luftblaſen her -C 3„ austreten38I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. „ austreten ſehen.) Jm Einathmen geſchieht von dieſem „ allen das Gegentheil. Es wird das große und kleine Ge - „ hirn alsdann kleiner, es ſinkt nieder, faͤllt ein, und wird „ gleichſam von der Wunde der Hirnſchale verſchlungen, „ welches ſich alsdann noch deutlicher zeiget, wenn man die „ gebundene Luftroͤhre wieder aufloͤßt. Die Urſache von „ dieſen Erſcheinungen iſt in keine Dunkelheiten eingehuͤllet. „ Es wird naͤmlich das Blut durch die Droſſelblutadern im „ Ausathmen offenbar zuruͤckgetrieben, und es ſteigt ſolches „ gegen den Kopf in die Hoͤhe: dahingegen ſinkt es im Ein - „ athmen durch eben dieſe Blutader herab, und naͤhert ſich „ dem Herzen. Wenn man daher die Schlag - und Blut - „ adern des Kopfs durchſchneidet oder unterbindet, ſo wird „ dieſe Bewegung gehemmet, und es waͤchſet durch das von „ der Hohlader hinauf geſpritzte Blut, oder auch wenn die „ Bruſt zuſammengedruͤcket wird, oder wenn das Athem - „ holen beſchwerlich faͤllt, die Bewegung des Gehirns groͤſ - „ ſer. Es kann zwar dieſe Erſcheinung in einem Thiere, „ das noch lebet, und eine ganze Hirnſchale hat, ſich nicht „ bis dahin erſtrecken, daß ſich das Gehirn wirklich bewe - „ gen ſollte: aber es iſt doch auch kein Zweifel, daß ſich „ nicht das Blutaderblut in den Blutadern des Kopfes und „ des Gehirns ſtaͤrker anhaͤufen koͤnnte, und daß ſich die „ Blutadern insgeſammt ausdehnen und alles dasjenige zu - „ ſammendruͤcken koͤnnen ſollten, was ſich zwiſchen den auf - „ geſchwollenen Blutadern befindet. Man hat dieſe wech - „ ſelsweiſe Bewegung des Gehirns ſchon in den aͤlteſten „ Zeiten, und ſeitdem zum oͤftern beobachtet. Die alten „ Aerzte glaubten, daß ſie von der Luft, die beym Athem - „ holen mit ins Gehirn draͤnge, herruͤhrete, wozu doch nir - „ gends Wege vorhanden ſind. Einige Neuere ſchrieben „ ſie der harten Gehirnhaut, als einer reizbaren Bekleidung, „ zu, welche ſich zuſammenziehen koͤnne. Man glaubte „ naͤmlich, es habe dieſe Haut, wenn man ſie mit einem „ ſcharfen Safte beruͤhre, die Kraft ſich zuruͤck zu ziehen, „ und ſich auf eben die Art zu verkuͤrzen, wie man an dem„ Fleiſche392 Abſchn. Des Gehirns. „ Fleiſche der Muskeln gewahr wird. Solchergeſtalt bilde - „ te man ſich ein, daß ſich uͤberhaupt das ganze Gehirn mit „ der geſammten Hirnhaut zugleich auf und nieder bewege. „ Auf dieſe Art hielte man die harte Hirnhaut fuͤr das Herz „ des Gehirns und leitete von ihr die Bewegung der Lebens - „ geiſter und aller Muskeln des Koͤrpers her. Allein, da „ dieſe Haut im natuͤrlichen Zuſtande aller Orten feſt an den „ Knochen der Hirnſchale angewachſen iſt, mithin unmoͤg - „ lich das Gehirn druͤcken, oder ſeiner Bewegung folgen „ kann; da in den Verſuchen ſich das Gehirn offenbar be - „ wegt, wenn gleich die harte Hirnhaut ganz hinweggenom - „ men wird, und endlich dieſelbe auch gar keine Muskelfa - „ ſern hat, die von einem Reize thieriſch bewegt wuͤrden, „ vielmehr die mannichfaltigſten und ſchaͤrfſten Eindruͤcke „ ſie auf keine Weiſe dazu bringen koͤnnen; ſo iſt dieſe gan - „ ze Meynung ſchlechterdings zu verwerfen und die obge - „ dachte mit dem Athemholen harmonirende wechſelsweiſe „ Bemuͤhung des Gehirns ſich auszudehnen, keiner andern, „ als der ſchon angefuͤhrten Urſache, am wenigſten aber ei - „ ner thieriſchen Kraft der harten Hirnhaut, zuzuſchreiben. “ H. gr. P. 4 B. S. 266. u. f. Ob nun gleich dieſe me - chaniſche bewegende Kraft des Gehirns, eben ſo wie die darinn erfolgenden Abſonderungen, der Umlauf und ſeine blos phyſiſchen Kraͤfte, hier nicht eigentlich in Betrachtung kommen, ſondern zur Phyſiologie der mechaniſchen Natur thieriſcher Koͤrper gehoͤren; ſo iſt es doch noͤthig, ſich ihrer bey der Unterſuchung ſeiner thieriſchen Kraͤfte in ſo fern zu erinnern, als ſein Mechanismus zum Daſeyn derſelben voraus geſetzet werden muß. Da das Athemholen an der obgedachten beſtaͤndigen Bewegung des Gehirns Schuld iſt, und ohne ſie gleichwohl die thieriſchen Seelenkraͤfte nicht wirken koͤnnen, weil dieſe die mechaniſchen voraus ſetzen, §. 6. ſo ſcheint dieß der Grund zu ſeyn, warum die Fruͤch - te ſolcher Thiere, die ein beſeeltes Gehirn haben, ehe ſie nicht geboren worden, und Athem holen, keine Spur von ſolchen thieriſchen Verrichtungen zeigen, wozu die thieri -C 4ſche40I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. ſche Seelenkraft des Gehirns ſchlechterdings nothwendig erfordert wird.
Der Sitz der Seele iſt im Gehirne. §. 10. Sobald das Gehirn vernichtet, oder in ſeinen natuͤrlichen Verrich - tungen gaͤnzlich gehindert wird, hoͤret auch die Vorſtellungs - kraft auf zu wirken. Sobald ſeine natuͤrlichen Verrich - tungen wieder hergeſtellet werden, kommen auch die Vor - ſtellungen wieder. Es iſt zwar nicht das ganze Gehirn zur Wirkung der Vorſtellungskraft unmittelbar noͤthig, da große Theile deſſelben ohne merklichen Nachtheil der thieri - ſchen Seelenkraͤfte verloren gehen oder mangeln, verſteinert oder zertruͤmmert, oder ſonſt gehindert ſeyn koͤnnen, wel - ches von der Markrinde am wenigſten zu bewundern iſt, da in ihr die thieriſchen Seelenkraͤfte nicht wohnen: §. 11. allein aus keiner einzigen Beobachtung kann erwieſen wer - den, daß bey einem gaͤnzlichen Mangel des Gehirns, wie wenn z. E. der ganze Kopf fehlet, oder bey voͤlliger Zerſtoͤ - rung, oder allgemeiner Hinderung aller ſeiner Theile, auch nur die mindeſte Spur irgend einiger Wirkung der Vor - ſtellungskraft jemals wahrgenommen worden waͤre. „ Die „ ohne Kopf und Gehirn gelebet haben, waren alle mitein - „ ander Fruͤchte, bey deren Leben die Sinnen keine Verrich - „ tung haben. Man hat ſie ſechs Stunden, drey, ja vier „ Tage, aber ohne Empfindung, leben ſehen. Jn den uͤbri - „ gen Faͤllen, wo große Verletzungen des Gehirns die Vor - „ ſtellungskraft nicht unterdruͤcket haben, ꝛc. ſind Spuren ge - „ nug vorhanden, daß Theile deſſelben uͤbrig geweſen. “ H. gr. P. 4 Th. 10 B. 7 Abſchn. §. 39. Es muß alſo, wenn in der Seele eine Vorſtellung entſtehen ſoll, im Gehirne, und zwar im Marke deſſelben, §. 11. eine Veraͤnderung vorgehen, ohne welche die Vorſtellungskraft nicht wirken kann, und wenn dieſe Veraͤnderung im Gehirne entſteht; ſo muß die Vorſtellungskraft zu wirken gereizet werden. Eine Veraͤnderung im Gehirne, man gedenke ſie ſich, wieman412 Abſchn. Des Gehirns. man wolle, muß in einer Bewegung beſtehen, und das Hirnmark muß alſo eine bewegende Kraft beſitzen, die mit der Vorſtellungskraft uͤbereinſtimmig wirket, ſo daß mit je - der beſondern Art der Vorſtellungen jederzeit eine gewiſſe Art thieriſcher Bewegungen §. 6. und mit dieſen thieri - ſchen Bewegungen jederzeit eine gewiſſe Art von Vorſtel - lungen verbunden iſt, zumal da man aus vielen Beobach - tungen weiß, daß von gewiſſen Verletzungen mancher Thei - le des Hirnmarks, und beſonders ſolcher, aus welchen Em - pfindungsnerven §. 14. entſpringen, gewiſſe Arten der Vor - ſtellungen, z. E. gewiſſe Empfindungen und die davon her - ruͤhrenden Einbildungen, Begierden, Triebe, und andere Gemuͤthskraͤfte gehindert werden oder gaͤnzlich ſchwinden. H. gr. P. 4 Th. 10 B. 7 Abſch. §. 15. 16. 22. Dieſe bewegende Kraft des Gehirns, die ſich an die Vorſtellungs - kraft der Seele bindet, iſt eine thieriſche Seelenkraft, §. 6. und hieraus folget der allgemeine Grundſatz in der Leh - re von der Gemeinſchaft des Leibes und der Seele, daß das Hirnmark eine thieriſche Seelenkraft beſitze, vermoͤge welcher es fuͤr jede Vorſtellung in der See - le, ſie ſey Empfindung, Einbildung, Begierde, Be - trachtung oder Einfluß, eine gewiſſe dazu erforder - liche thieriſche Bewegung in ſich hervorbringt, oh - ne welche die Vorſtellung in der Seele weder ent - ſtehen noch fortdauren kann, und mit welcher ſie unausbleiblich entſtehet und fortdauret. Dieſe thie - riſche Seelenkraft iſt dem Gehirne eigenthuͤmlich und kei - ner andern thieriſchen Maſchine eigen, weil ſich in keiner, außer im Gehirne, von irgend einer thieriſchen Bewegung Vorſtellungen entwickeln. §. 10. Man kann alſo das Hirnmark mit Recht das einzige Jnſtrument der Vorſtel - lungskraft der Seele nennen, durch deſſen thieriſche Bewe - gungen ſie ihre Kraft in Wirkung ſetzet und erhaͤlt, und oh - ne welche ſie ſchlechterdings unthaͤtig bleiben wuͤrde. Es iſt ein von den Weltweiſen ſchon eingefuͤhrter Ausdruck, dieſe mit den Vorſtellungen der Seele natuͤrlich nothwendig ver -C 5bundenen42I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. bundenen Bewegungen im Gehirne materielle Jdeen zu nennen. B. M. §. 416. Ein pſychologiſcher Materialiſt haͤlt dieſe materiellen Jdeen im Gehirne fuͤr die Vorſtellun - gen der Seele ſelbſt. Weil man aber eingeſtehen muß, daß die Vorſtellungskraft eine immaterielle Subſtanz ſey, ſo kann man zwar freylich dieſe Bewegungen im Gehirne nicht fuͤr die Vorſtellungen ſelbſt halten: allein da ſie bey - de unzertrennlich mit einander verbunden ſind, und die Vorſtellungskraft nie ohne dieſe Bewegungen wirket, noch im Thiere wirken kann, ſo iſt es voͤllig gegruͤndet: daß je - de Vorſtellung eine Bewegung im Gehirne, (materielle Jdee,) und jede ſolche Bewegung im Gehirne eine Vor - ſtellung in der Seele vorausſetze und verurſache; daß eben dieſelbe oder die aͤhnliche Vorſtellung auch eben dieſelbe oder aͤhnliche materielle Jdee, und eben dieſelbe oder aͤhn - liche materielle Jdee dieſelben oder aͤhnlichen Vorſtellungen in der Seele hervorbringe; daß, wo keine Vorſtellungen der Seele Statt finden, auch keine materiellen Jdeen, ob - gleich vielleicht aͤhnliche Bewegungen im Gehirne entſte - hen, und wo keine materiellen Jdeen im Gehirne Statt finden, auch keine Vorſtellungen in der Seele zur Wirk - lichkeit kommen koͤnnen; (vergl. §. 112.) und daß die Voll - kommenheit oder Unvollkommenheit der Vorſtellungskraft ſehr von der natuͤrlichen Vollkommenheit oder Unvollkom - menheit, oder von gluͤcklicher oder gehinderter Ausbildung des Gehirns bey der Geburt und im Wachsthume ꝛc. ab - haͤnge, wovon die verſchobenen und verdruͤckten Koͤpfe der Kinder vieler dummer Nationen zeugen.
Anmerkung. Man muß ſich nicht an den Ausdruck materieller Jdeen ſtoßen, weil er vielfaͤltig gemisbrau - chet worden iſt. Wir verſtehen darunter keine hiero - glyphiſchen Figuren von den Gegenſtaͤnden der Vorſtel - lungen, keine im Gehirnmarke bleibende Eindruͤcke, wo - von man keinen Begriff hat, und die man blos fuͤr Spiele der Einbildungskraft allzuſinnlicher Weltweiſen halten muß. Am wenigſten gedenken wir aus ihreruns432 Abſchn. Des Gehirns. uns ganz unbekannten Beſchaffenheit, mit Herrn Bon - net, die Kraͤfte der Seele zu analyſiren. Man gebe uns nur zu, daß die Veraͤnderung im Hirnmarke, die mit jeder neuen Vorſtellung entſteht, eine thieriſche Be - wegung ſey, die, da ſie uns uͤbrigens unbekannt iſt, ſich ein Jeder vorſtellen mag, wie er will, und daß wir die - ſelbe materielle Jdee nennen duͤrfen, um ſtatt weit - laͤuftiger Umſchreibungen einen kurzen Ausdruck zu ha - ben, der ſchon autoriſiret iſt. Es wird ſich im ganzen Werke zeigen, daß wir dieſen Ausdruck nie anders, als in dieſer ganz allgemeinen Bedeutung gebrauchen.
Da ſich jede fortwaͤhrende Vorſtellung in der See - le in jedem Augenblicke als eine fortgeſetzte Handlung der Vorſtellungskraft betrachten laͤßt, keine Handlung der Vor - ſtellungskraft aber ohne materielle Jdee im Gehirne Statt findet; §. 25. ſo muß auch nothwendig jede fortwaͤhrende Vorſtellung fortwaͤhrende Bewegungen im Gehirne her - vorbringen, welche man als Eindruͤcke, oder als Bil - der der Vorſtellungen zu betrachten pfleget. Je mehr eine Vorſtellung ſich entwickelt, das iſt, je klaͤrer ſie wird, B. M. §. 415. deſto mehr muͤſſen ſich auch ihre materiellen Jdeen entwickeln: hingegen ſind die materiellen Jdeen dunkler Vorſtellungen nur unvollkommene und unent - wickelte thieriſche Regungen im Gehirne. Eine ſtaͤrkere Vorſtellung erfordert ſtaͤrkere Bewegungen (materielle Jdeen) im Gehirne, und eine ſtaͤrkere materielle Jdee bringt ſtaͤrkere Vorſtellungen hervor. Denn jede Vorſtel - lung iſt ein Grund einer materiellen Jdee im Gehirne, und umgekehrt; §. 25. ſtaͤrkere Vorſtellungen aber ſind groͤßere Vorſtellungen, in ſo fern ſie Gruͤnde ſind. B. M. §. 379. Eine groͤßere Vorſtellung enthaͤlt die kleinern als Theile, und iſt folglich aus mehrern zuſammengeſetzet, de - ren jede eine materielle Jdee im Gehirne verurſachet. §. 25. Mithin ſind die materiellen Jdeen ſtaͤrkerer Vorſtellungenzuſam -44I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. zuſammengeſetztere, groͤßere Bewegungen, als die von ſchwaͤchern, und aus gleichen Gruͤnden ſind auch die Vor - ſtellungen ſtaͤrkerer materieller Jdeen zuſammengeſetztere, groͤßere Vorſtellungen, als die von ſchwaͤchern.
Alle Vorſtellungen ſind Wirkungen der Vorſtellungs - kraft, alſo Handlungen der Seele. Alle materielle Jdeen ſind Wirkungen der thieriſchen Seelenkraft des Gehirns, §. 25. 6. alſo Wirkungen der thieriſchen bewegenden Kraͤf - te einer thieriſchen Maſchine. Da aber keine ohne die an - dere entſtehen kann, §. 25. ſo werden ſowohl die Vorſtel - lungen, als die materiellen Jdeen insgeſammt, durch zwey - erley gemeinſchaftlich wirkende Kraͤfte der Seele und des Gehirns gewirket. Wenn die thieriſchen Maſchinen durch vorhergehende, in ihnen von außen her erregte Eindruͤcke, materielle Jdeen im Gehirne erzeugen, und ſolchergeſtalt die Vorſtellungskraft zur Mitwirkung veranlaſſen, wie z. E. bey den aͤußern Empfindungen geſchiehet, ſo heißen die - ſe Vorſtellungen, in dieſer Beziehung, blos natuͤrliche (ſinnliche) Vorſtellungen der Seele, die in ihr auf ei - ne natuͤrlich nothwendige Weiſe entſtehen, B. M. §. 522. und nach den Geſetzen der aͤußern Eindruͤcke, in ſo fern ſie die thieriſche Seelenkraft des Gehirns in Wirkung ſetzen, aufeinander folgen. Wenn hingegen ohne vorhergegange - ne in den thieriſchen Maſchinen erregte aͤußerliche Eindruͤ - cke, Vorſtellungen und ihre materielle Jdeen durch die Vor - ſtellungskraft der Seele hervorgebracht werden, die ſol - chergeſtalt die thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns zur Mitwirkung veranlaſſen, wie ſolches z. E. bey den freywil - ligen Entſchließungen geſchiehet, ſo heißen dieſe Vorſtel - lungen in ſo fern eigenmaͤchtige, (ſelbſtthaͤtige, phy - ſiologiſch freye,) B. M. §. 520. H. P. §. 570. die nach den pſychologiſchen Geſetzen der Vorſtellungskraft auſein - ander folgen. Weder die blos natuͤrlichen noch die eigen - maͤchtigen Vorſtellungen koͤnnen ohne materielle Jdeenzur452 Abſchn. Des Gehirns. zur Wirklichkeit kommen, §. 25. und muͤſſen, wenn ſie fortdauren, ihre Eindruͤcke dem Gehirne einverleiben §. 26. Allein zu den erſtern kann die Seele die materiellen Jdeen im Gehirne nicht aus ihrer eigenen Macht allein wirken, und alſo muß ſie dieſelben von den aͤußern Eindruͤcken erſt erwarten, die ſie ihr im Gehirne bilden: zu den letztern hingegen iſt kein aͤußerer Eindruck in die thieriſchen Ma - ſchinen unmittelbar vorher noͤthig, ſondern die Seele bil - det ſie aus eigner Macht und laͤßt ſie, frey vom Zwange des aͤußern Eindrucks, nach den ihr natuͤrlichen pſychologi - ſchen Geſetzen aufeinander folgen.
Anmerkung. Es iſt nothwendig, dieſen Unterſchied der Vorſtellungen wohl zu faſſen, ohne welchen in der Phyſiologie von der Gemeinſchaft des Leibes und der Seele nichts richtig beſtimmet und gelehret werden kann, und daher muß man die neuen Ausdruͤcke entſchuldigen und ſich im Folgenden uͤberall genau an die ihnen beyge - fuͤgten Erklaͤrungen halten. Es iſt uͤberdem auch nichts darinn, was ſich nicht mit den bisher feſtgeſetzten pſy - chologiſchen Begriffen vollkommen vereinbaren ließe.
Vermuthlich ſind dieſe materiellen Jdeen und Bilder der Vorſtellungen im Gehirne ein bloßes Spiel der Lebens - geiſter in demſelben, weil uͤbrigens von allen thieriſchen Bewegungen, und am wenigſten von den materiellen Jdeen, wenn man das Gehirn der Thiere betrachtet, nichts ſicht - bar wird, die blos mechaniſchen Bewegungen deſſelben aber unmoͤglich dafuͤr gehalten werden koͤnnen, weil ſie mit den Vorſtellungen der Seele auf keinerley Weiſe ſo uͤberein - ſtimmen, daß man ſie fuͤr unmittelbare Wirkungen derſel - ben halten koͤnnte, indem ſie vielmehr einfoͤrmig und mit dem Mechanismo des Umlaufs und des Athemholens uͤber - einſtimmig ſind.
Dieſes Grundgeſetz der thieriſchen Natur aller beſeel - ten Thiere, daß jede Wirkung der Vorſtellungskraft mit einer Wirkung der thieriſchen Seelenkraft des Gehirns gemeinſchaftlich entſtehet, fortdauret, auf - hoͤret und mangelt, und zu - und abnimmt, §. 25 - 27. vereiniget aufs innigſte die Seelen der Thiere mit ih - ren Koͤrpern, und die Vorſtellungen mit den Bewegungen, und legt den Grund zur ganzen Lehre von der thieriſchen Natur der Seelenkraͤfte, das iſt, von der Gemeinſchaft des Leibes und der Seele. (vergl. §. 345.) Es wird von den Philoſophen und Aerzten erkannt und eingeraͤumet, ob ſie es gleich auf ganz verſchiedene Weiſe erklaͤren, welches aber fuͤr die Arzneykunſt unnoͤthig und fremd iſt, weil es fuͤr ſie keine Folgen hat, ob man es materialiſtiſch, influxioni - ſtiſch, occaſionaliſtiſch oder harmoniſtiſch erklaͤret. Ob man auch gleich die eigentliche Beſchaffenheit der Bewegungen im Gehirne, welche die Vorſtellungen begleiten, (der ma - teriellen Jdeen) nicht kennet; §. 28. ſo erhellet doch das Daſeyn derſelben bey jeder Vorſtellung aus den beſtaͤndigen Wirkungen einer jeden im Koͤrper, die nothwendig ihren Urſprung im Gehirne haben muͤſſen, wo die Vorſtellungs - kraft wohnet und an die thieriſche Maſchine angrenzet, §. 10.
Die Lehre von den thieriſchen Seelenkraͤften, die auf dieſem Grundſatze beruhet, §. 29. theilet ſich in zwo Haupt - unterſuchungen, naͤmlich:
1. Wie werden die materiellen Jdeen ins Ge - hirn gebracht? S. §. 31 — 112.
2. Was fuͤr Wirkungen verrichten ſie in der thieriſchen Oekonomie? S. §. 113 — 344.
Dieſes Beydes geſchiehet hauptſaͤchlich durch die Ver - einigung des Gehirns mit den Nerven, wodurch die thieri - ſchen Kraͤfte der Nerven eine natuͤrliche Beziehung auf diethieri -473 Abſchn. Der Nerven. Aeußerer ſinnl. Eindruck. thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns erhalten, von welchet itzt zu handeln die Ordnung erfodert. §. 8. 16. Ohne dieſe Verbindung der Nerven mit dem Gehirne wuͤrde die thieriſche Seelenkraft des Gehirns nur durch eigenmaͤchti - ge Vorſtellungen der Seele in Wirkung geſetzet werden, und keine thieriſche Bewegungen in den mechaniſchen Ma - ſchinen außerhalb dem Gehirne hervorbringen koͤnnen.
Jeder Nerve hat ſeinen Anfang oder Urſprung im Gehir - ne, §. 12. und wenn in dieſen Punkt ſeines Urſprungs ein Eindruck geſchaͤhe, der ſich in ihm fortpflanzete, ſo muͤßte er es nothwendig in der Richtung vom Gehirne ab - waͤrts, nach den Zweigen und deren Spitzen hin, thun, ſo wie ihn die Lebensgeiſter auch fortpflanzen wuͤrden. §. 17. Geſchaͤhe hingegen in ſeine Spitzen ein ſolcher Eindruck, der ſich durch ihn fortpflanzete, ſo muͤßte dieſer Fortgang nothwendig in der Richtung von den Spitzen an aufwaͤrts nach dem Gehirne zu, eben ſo wie durch die Lebensgeiſter, erfolgen. §. 18. Wenn alſo ein Nerve quer durchgeſchnit - ten waͤre, ſo wuͤrde ein Eindruck in dasjenige abgeſchnitte - ne Ende deſſelben, das nun von den Nervenſpitzen getren - net iſt, aber mit dem Gehirne noch zuſammenhaͤngt, wenn er ſich im Nerven fortpflanzete, eben ſo, wie der in die Nervenſpitzen, aufwaͤrts nach dem Gehirne hin gehen. Hin - gegen wuͤrde ein ſolcher Eindruck in dasjenige abgeſchnit -tene48I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. tene Ende deſſelben, das nun vom Gehirne getrennet iſt, aber mit den Nervenſpitzen noch zuſammenhaͤngt, wenn er ſich fortpflanzete, eben ſo, wie der in den Urſprung des Nerven im Gehirne, abwaͤrts nach den Spitzen hin gehen muͤſſen. Geſchaͤhe in den Urſprung eines ſolchen abge - ſchnittenen Nerven im Gehirne ein Eindruck, der ſich fort - pflanzete, ſo wuͤrde er in der Richtung vom Gehirne ab - waͤrts, hoͤchſtens nur bis an das abgeſchnittene Ende fort - gehen; und geſchaͤhe der Eindruck in die Spitzen des abge - ſchnittenen Nerven, ſo wuͤrde er in der Richtung von den Spitzen aufwaͤrts nach dem Gehirne hin, hoͤchſtens bis an das abgeſchnittene Ende gelangen. Geſchaͤhe demnach ein ſolcher Eindruck an einem unzerſchnittenen Nerven ſeit - waͤrts, das heißt, weder in ſeinem Urſprunge im Gehirne, noch an einer ſeiner Spitzen, ſondern in ſeiner Laͤnge zwi - ſchen dieſen beyden Punkten, ſo wuͤrde er, wenn er ſich darinn fortpflanzete, vom Punkte des Eindrucks an, (nicht von der Nervenſpitze an!) nach dem Gehirne aufwaͤrts, und zugleich von eben demſelben Punkte an, (nicht von ſeinem Urſprunge an im Gehirne!) abwaͤrts nach den Spi - tzen fortgehen koͤnnen. Wenn eine thieriſche Maſchine (al - ſo auch ein Nerve,) durch eine Beruͤhrung oder durch eine in ſie uͤbergehende Bewegung, oder irgend einen andern Eindruck, es ſey wo es wolle, dergeſtalt veraͤndert wird, daß ſie Wirkungen hervorbringt, die ſich nicht aus den phyſiſchen und mechaniſchen Geſetzen der Bewegung hinrei - chend erkennen laſſen, das iſt, daß ſie thieriſche Wirkun - gen hervorbringt, §. 6. ſo heißt dieſe in ihr erregte Ver - aͤnderung ein ſinnlicher Eindruck in ſie, (Nervenge - fuͤhl.) Ein ſinnlicher Eindruck im Urſprunge eines Ner - ven im Gehirne, oder, der in ſeinen Stamm, nach der Richtung vom Gehirne her nach den Spitzen hin, in ihn gemachet wird, gehet, wenn er ſich darinn fortpflanzet, in ſeiner Richtung vom Gehirne oder den Staͤmmen her, ab - waͤrts nach den Spitzen fort. Ein ſinnlicher Eindruck in die Nervenſpitzen hingegen, oder der in einen ſeiner Zweigenach493 Abſchn. Der Nerven. Aeußerer ſinnl. Eindruck. nach der Richtung von den Spitzen her nach dem Gehirne hin gemachet wird, geht, wenn er ſich darinn fortpflanzet, in ſeiner Richtung von den Spitzen oder Zweigen her, auf - waͤrts nach dem Gehirne fort.
Wenn ein Nerve von ſeinen Spitzen oder Zweigen her einen ſinnlichen Eindruck empfaͤngt, ſo nenne man denſel - ben, um ihn von jenem, den er in ſeinem Urſprunge im Gehirne, oder daherwaͤrts empfaͤngt, zu unterſcheiden, (§. 31. wovon unten §. 121.) einen aͤußern ſinnlichen Eindruck (Nervengefuͤhl von außen her, §. 31. S. §. 403. welches doch nicht mit dem Sinne des Gefuͤhls zu verwechſeln iſt. §. 56.) Es mag nun der ſinnliche Ein - druck an einem auswendigen, oder innwendig im Koͤrper verborgenen Nerven geſchehen, ſo iſt er dennoch ein aͤuße - rer, wenn ihn der Nerve ſo empfaͤngt, daß er, wenn er ſich fortpflanzete, in ſeiner Richtung aufwaͤrts nach dem Ge - hirne fortgehen muͤßte. §. 31. Von dieſem aͤußern ſinn - lichen Eindrucke lehret uns nun die Erfahrung, daß er von jeder Beruͤhrung eines Nerven, von jeder in den Nerven uͤbergehenden Bewegung, wenn ſie nur im Marke deſſel - ben eine gewiſſe beſtimmte, uns aber unerklaͤrbare Veraͤn - derung machet, in belebten Thieren hervorgebracht werde, und ſich wirklich aufwaͤrts nach dem Gehirne zu fortpflan - ze. Es iſt alſo nicht jede Beruͤhrung einer Nervenſpitze ein aͤußerer ſinnlicher Eindruck, noch verurſachet eine jede denſelben; ſondern nur die, welche ins Mark des Nerven ſo wirkt, daß daraus thieriſche Wirkungen unmittelbar fol - gen. §. 31. (So machet z E. das Licht gewoͤhnlich keinen aͤußern ſinnlichen Eindruck in die entbloͤßteſten, zarteſten Nerven der Haut, u. ſ. w.) Blos durch den Einfluß ei - ner Beruͤhrung oder Bewegung ins Nervenmark, nicht aber in die Haͤute des Nerven, werden thieriſche Wirkun - gen in ihm und durch ihn erzeugt, wie die unſtreitigſten Erfahrungen lehren. H. P. §. 365. 372. 373. Die Art,Dwie50I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. wie das Nervenmark eine Beruͤhrung, oder irgend jede an - dere Einwirkung in ſich annimmt, iſt ſchon ſelbſt thieriſch, und weicht ganz von den phyſiſchen und mechaniſchen Ge - ſetzen der Mittheilung der Bewegung ab. Jn jedem Fal - le, wo die Beruͤhrung des Marks ſelbſt die allerlebhafte - ſten thieriſchen Wirkungen, es ſeyn nun Vorſtellungen in der Seele, oder Bewegungen durch thieriſche Seelenkraͤfte, oder durch blos thieriſche Kraͤfte §. 6. hervorbringt, iſt im Nervenmarke nicht eine Spur von irgend einer Bewegung, ja gar keine ſichtbare Veraͤnderung vorhanden. Auch rich - ten ſich die thieriſchen Wirkungen einer ſolchen Beruͤhrung gaͤnzlich nicht nach der Beſchaffenheit und Staͤrke derſel - ben, wie wenn Koͤrper durch einen Druck, Stoß, u. ſ. w. phyſicaliſch ineinander wirken, ſondern es kann oft die leichteſte Beruͤhrung die lebhafteſten, und oft eine weit ſtaͤr - kere viel ſchwaͤchere Wirkungen in einerley Nerven thun. Gewiſſe Beruͤhrungen, ob ſie gleich in das Mark eines Nerven wirklich phyſicaliſch ſtaͤrker wirken, koͤnnen ihn doch nicht zu ſeiner thieriſchen Verrichtung reizen, wie z. E. ein Schall, der alle Gebeine des Haupts erſchuͤttert, den Augennerven nicht thieriſch ruͤhret. Es iſt alſo die Art und Weiſe, wie ein Nerve einen aͤußern ſinnlichen Ein - druck empfaͤngt, ſchon an ſich die Wirkung einer thieriſchen Kraft im Nervenmarke, und eben ſo iſt es die Fortpflan - zung dieſes empfangenen Eindrucks im Nerven nach dem Gehirne. Denn es iſt im Nervenmarke nichts vorhan - den, woraus ſich nach phyſicaliſchen oder mechaniſchen Gruͤnden dieſer Fortgang erklaͤren ließe. Das Nerven - mark iſt nicht hart, noch elaſtiſch, ſondern ein weicher Koͤr - per, der nach den Geſetzen der Naturlehre die Fortpflan - zung der Bewegung hindern und endigen muͤßte. Gleich - wohl geſchieht dieſer Fortgang, ſobald nur der aͤußere ſinn - liche Eindruck geſchehen iſt, ſo augenblicklich und ſchnell, daß ſich die Seele oft keinen Zeitraum zwiſchen der Beruͤh - rung und der erfolgten thieriſchen Wirkung in einem vom Orte des Eindrucks weit entfernten Theile des Koͤrpers, ge -denken513 Abſchn. Der Nerven. Aeußerer ſinnl. Eindruck. denken kann. Auch kann dieſe Fortpflanzung hier nicht auf die Weiſe geſchehen, wie in blos fluͤſſigen Koͤrpern ei - ne Bewegung fortgeht, weil das Nervenmark kein fluͤſſiger Koͤrper, auch nicht ſo mit Fluͤſſigkeiten angefuͤllet iſt, daß es davon die Haͤrte fluͤſſiger Koͤrper erhielte; ſondern es iſt ein weicher Koͤrper, der jede Bewegung zur Ruhe bringt. Endlich findet man auch am Nervenmarke, ja ſo gar an den Lebensgeiſtern darinn, nicht die Eigenſchaften anderer feiner Fluͤſſigkeiten, z. E. des Aethers, der elecktriſchen Materie, u. ſ. w. welche ſonſt auf eine verborgene phyſi - caliſche Weiſe Bewegungen fortpflanzen. H. P. §. 379. Da alſo ſowohl der aͤußere Eindruck, als auch ſeine Fort - pflanzung im Nerven, beyde Wirkungen thieriſcher Kraͤfte der Nerven ſind, §. 6. der Jnbegrifſ der thieriſchen Kraͤf - te in den thieriſchen Koͤrpern aber ihre Sinnlichkeit ge - nennet wird; ſo gehoͤret die Art und Weiſe, wie das Ner - venmark ſinnliche Eindruͤcke uͤberhaupt §. 31. und aͤußerli - che insbeſondere empfaͤngt, und wie es ſie fortpflanzet, und der ſinnliche Eindruck ſelbſt, weil er eine thieriſche Kraft iſt, §. 31. zur Sinnlichkeit thieriſcher Koͤrper, und laͤßt ſich aus den phyſicaliſchen und mechaniſchen Geſetzen der Bewegung nicht herleiten noch erklaͤren. §. 7. 6.
Es iſt in Abſicht der Art des Empfangs und der Fort - pflanzung des aͤußern ſinnlichen Eindrucks kein Unterſchied zwiſchen den bloßen Empfindungs - und den Bewegungs - nerven. §. 14. 31. H. P. §. 384. Da wir aber im ge - genwaͤrtigen Abſchnitte die thieriſchen Kraͤfte der Nerven nur an ſich, und ohne Beziehung auf ihre bewegende Kraft der mechaniſchen Maſchinen, §. 16. zu betrachten haben, ſo iſt das, was hier davon gelehret werden wird, von den Bewegungsnerven nur in ſo fern zu verſtehen, als ſie zu - gleich Empfindungsnerven ſind. Jn wie fern die thieri - ſchen Kraͤfte aller ſinnlicher Eindruͤcke in die Ner ven in die zu der Bewegung des thieriſchen Koͤrpers beſtimmten me -D 2chaniſchen52I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. chaniſchen Maſchinen wirken, und insbeſondere in wie fern ſie dieſes als thieriſche Seelenkraͤfte der Nerven verrichten, das wird erſt im dritten Kapitel zu erklaͤren ſeyn. §. 8. Aber wie wirken die ſinnlichen Eindruͤcke in den thieriſchen Maſchinen an ſich? welcher thieriſcher, und insbeſondere, welcher thieriſcher Seelenkraͤfte werden dieſe dadurch theilhaftig?
Wenn ein Nerve eines beſeelten Thiers einen aͤußern ſinnlichen Eindruck empfaͤngt, ſo pflanzet ſich derſelbe in ihm fort, weil darauf, wie die uͤbereinſtimmigſten Beob - achtungen lehren, jederzeit gewiſſe thieriſche Wirkungen entweder im Gehirne, aus welchem der Nerve entſpringt, §. 12. oder in ſolchen Theilen des Koͤrpers erfolgen, mit welchen dieſer Nerve vereinigt iſt, und weil eben dieſe Wirkungen nicht mehr erfolgen, obgleich der aͤußere ſinn - liche Eindruck gemachet wird, wenn man durch Unterbin - dung oder Zerſchneidung des Nerven, ſeinen Fortgang bis zu den Theilen hemmet, worinn dieſe thieriſchen Wirkun - gen vorher erfolgeten. (vergl. §. 43.) Dieſe Fortpflan - zung geht von dem Punkte des aͤußern ſinnlichen Ein - drucks an aufwaͤrts, §. 31. 32. und zwar entweder bis ins Gehirn, oder nicht. Beyde Faͤlle ſind in der Natur. (Vom letzten S. die Beweiſe §. 47 — 51.) Jm erſten Falle bringt der augenblicklich zum Gehirn dringende aͤußere ſinnliche Eindruck §. 19. darinn diejenige materielle Jdee hervor, welche zur Entwickelung einer Vorſtellung, die er veranlaſſet, erfodert wird. Weil nun dergleichen, der Seele durch aͤußere ſinnliche Eindruͤcke beygebrachte Vorſtellungen, aͤußerliche Empfindungen heißen; ſo nennet man dieſe thieriſche Kraft der Nerven, durch aͤußere ſinnliche Eindruͤcke aͤußere Empfindungen zu erregen, ihre empfindende Kraft, (Empfindlichkeit. S. §. 52.) Vergl. d. A. 2 B. 60 St.
Anmer -533 Abſchn. Der Nerven. Aeußere Empfindungen.Anmerkung. Das Wort Empfindung iſt in dreyerley Bedeutung gewoͤhnlich, naͤmlich 1. in der ge - genwaͤrtigen, wo es die uneigenmaͤchtigen Vorſtellungen §. 27. bedeutet, die wir durch die Gliedmaßen der aͤußern Sinne, die Nerven, erlangen. 2. in der, wo es das in - nere Gefuͤhl der Seele, das Bewußtſeyn ihrer ſelbſt, S. §. 80. und endlich 3. in der, wo es uͤberhaupt die Vor - ſtellung des gegenwaͤrtigen Zuſtandes, unbeſtimmt, oder gleich viel, ob dieſe Vorſtellung von einem aͤußern ſinnli - chen Eindrucke erreget worden, oder nicht, anzeiget. Weil es hoͤchſt nothwendig iſt, dieſe dreyerley Begriffe ſtets zu unterſcheiden, indem ſonſt die Lehre von der Gemeinſchaft des Leibes und der Seele nicht anders als verworren und ſchwankend vorgetragen werden kann; ſo haben wir uns, aus Mangel anderer bequemer Aus - druͤcke, entſchließen muͤſſen, durch dieß ganze Werk, wo nicht der Zuſammenhang ſelbſt die Bedeutung beſtim - met, die Empfindungen der erſten Art aͤußerliche, der andern Art, innerliche zu nennen, und nie eins von dieſen Beywoͤrtern wegzulaſſen, außer wenn wir den Ausdruck Empfinden in der allgemeinen oder unbe - ſtimmten dritten Bedeutung gebrauchen, da es entwe - der gleich viel iſt, oder nicht beſtimmet ſeyn ſoll, ob aͤuſ - ſere oder innere Empfindungen gemeynet ſind. Man wird in der Folge zuweilen noͤthig haben, ſich dieſer An - merkung zu erinnern.
Ohne einen aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Nerven entſteht nie eine wahre aͤußere Empfindung in der Seele, und daher haͤlt man denſelben mit Recht fuͤr die einzige ur - ſpruͤngliche thieriſche Kraft, §. 6. wodurch die Seele em - pfindet. Da aber die aͤußern Empfindungen Vorſtellun - gen ſind, die ohne materielle Jdeen im Gehirne unmoͤglich entſtehen koͤnnen, §. 25. ſo muß der aͤußere ſinnliche Ein - druck jederzeit die materielle aͤußere Empfindung im Gehir -D 3ne54I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. ne hervorbringen, ohne daß die Vorſtellungskraft der See - le dieſelben eigenmaͤchtig §. 27. vollſtaͤndig im Gehirne er - regen, und ſich ſelbſt wahre aͤußere Empfindungen ver - ſchaffen koͤnnte.
Die wahren aͤußern Empfindungen ſind Vorſtellungen, welche der aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven veran - laſſet. §. 34. Dabey unterſcheidet die Seele, bey jeder aufmerkſamen Betrachtung, den Punkt, wo der aͤußere ſinnliche Eindruck entſteht. Mithin iſt der Wirkungs - kreis des aͤußern ſinnlichen Eindrucks, der aͤußere Empfin - dungen machet, nur zwiſchen dem Punkte des Eindrucks, und der materiellen aͤußern Empfindung im Gehirne, und da der aͤußere ſinnliche Eindruck vorhergeht, und die Fort - pflanzung deſſelben folget, ſo muß dieſe thieriſche Wirkung des erſtern, welche die aͤußerlichen Empfindungen verur - ſachet, vom Punkte des Eindrucks an, aufwaͤrts nach dem Gehirne, nicht aber abwaͤrts von demſelben ſich fortpflan - zen, in ſo fern er empfunden werden ſoll. (§. 31.) Wenn alſo ein Nervenzweig an einem dem Gehirne naͤhern Orte beruͤhret wird, ſo kann der aͤußere ſinnliche Eindruck der davon zum Gehirne fuͤr die materielle aͤußere Empfindung aufſteiget, in den entferntern Zweigen und durch ſie, un - moͤglich thieriſche Wirkungen hervorbringen, und wenn ja dergleichen zugleich in den entferntern Zweigen, oder durch ſie, entſtehen ſollten, ſo ſind ſolches die Wirkungen des zu - gleich von der Seite des Gehirns her geſchehenen ſinnlichen Eindrucks, der unterwaͤrts fortgeht, und zum Empfinden nichts beytraͤgt. §. 31. Hiermit ſtimmet die wahrſchein - liche Bewegung der Lebensgeiſter uͤberein. §. 18.
Es kann gleichwohl moͤglich ſeyn, daß bey manchen aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken die Beruͤhrung des Nerven ſo beſchaffen iſt, daß ſie ihn, oder ſeine niedern, oder ent -fern -553 Abſchn. Der Nerven. Aeußere Empfindungen. ferntern Nebenzweige blos mechaniſcher Weiſe erſchuͤttert. Die durch dergleichen mechaniſche Bewegung im Nerven erregten Eindruͤcke werden zuweilen, wie eine andre aͤußere Beruͤhrung deſſelben, ſinnlich, pflanzen ſich aufwaͤrts zum Gehirne fort und machen wiederum aͤußere Empfindungen. So kann ſich ein aͤußerer ſinnlicher Eindruck unterwaͤrts auszubreiten ſcheinen, ohne daß dem wirklich alſo waͤre. Ein Beyſpiel hiervon giebt die Droͤhnung von einem Stoße an den Ellenbogen, die bis in die Fingerſpitzen em - pfunden wird, weil der Stoß den Nerven mechaniſch er - ſchuͤttert, und man kann hier nicht ſagen, daß der aͤußere ſinnliche Eindruck am Ellenbogen, der empfunden wird, ſich ruͤckwaͤrts fortgepflanzet haͤtte und durch die Finger em - pfunden wuͤrde.
Die Seele beſtimmet ſich im Raume ihres Koͤrpers den Punkt des aͤußern ſinnlichen Eindrucks bey den aͤußern Empfindungen durch ein Urtheil. Anfangs lernet ſie durch genaue Beobachtung ihrer aͤußern Empfindungen und de - ren Vergleichung mit den Stellen, wo die aͤußern ſinnli - chen Eindruͤcke geſchehen, den Beruͤhrungspunkt beſtim - men: durch oͤftere Wiederholung aber beſtimmet ſie ihn nachher kuͤrzer, nach analogiſchen Gruͤnden. So gewoͤh - net ſie ſich z. E. von aͤußern Empfindungen, welche ſie durch die Nervenſpitzen in der linken Hand, die ihre Ein - druͤcke durch den Nervenſtamm des linken Arms zu ihr ins Gehirn bringen, empfaͤngt, zu urtheilen, daß der aͤußere ſinnliche Eindruck in der linken Hand geſchehen ſey. Ge - ſetzt aber, daß dieſe Hand abgehauen worden, und dieſe Nervenſpitzen verloren gegangen waͤren; ſo wird ein jeder aͤußerlicher ſinnlicher Eindruck in die Endung des Nerven - ſtammes des linken Arms, weil er ihr auf dieſelbe Weiſe durchs Gehirn zukoͤmmt, beym Mangel gehoͤriger Auf - merkſamkeit, nach ihrer angewoͤhnten Art der Schaͤtzung oder Berechnung des Beruͤhrungspunkts, aus der linkenD 4Hand56I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. Hand zu kommen ſcheinen, und ſie wird exſt bey genauerer Unterſuchung gewahr, daß ihre Schaͤtzung irrig ſey. Die - ſer Fall, wo ſie keine wahre aͤußere Empfindung aus der linken Hand hat, kann alſo keinesweges erweiſen, daß ei - ne wahre aͤußere Empfindung eines aͤußern ſinnlichen Ein - drucks von einem entferntern Orte als dem wahren Beruͤh - rungspunkte des Nerven in die Seele kommen koͤnne: ſon - dern blos, daß ſie in ihrem Urtheile uͤber ihre aͤußern Em - pfindungen zuweilen irren koͤnne, welches ein Fehler ihrer Beurtheilungskraft, aber nicht ihrer Empfindungskraft iſt. Auf gleiche Weiſe muß man tauſend andere Erfahrungen beurtheilen, da man in verlorenen Gliedern aͤußere Empfin - dungen zu haben glaubet, oder da man bey zerbrochenen Gliedern den Beruͤhrungspunkt des Gefuͤhls in der natuͤr - lichen Richtungslinie ſuchet, und denſelben an einer ganz andern Stelle findet.
Es koͤnnen in mehrere Nerven zugleich aͤußere ſinnliche Eindruͤcke geſchehen, und die Seele kann alle und jede da - von herruͤhrende aͤußere Empfindungen unterſcheiden, ob - gleich die Eindruͤcke aus den verſchiedenſten Nervenzweigen oft in einem gemeinſchaftlichen Stamme, z. E. im Ruͤcken - marke, zuſammenkommen, ehe ſie zum Gehirne gelangen und darinn die materielle Jder der aͤußern Empſindung formiren. Ja es koͤnnen ſogar in einerley Nerven zugleich verſchiedene aͤußere ſinnliche Eindruͤcke gemachet werden, die die Seele aufs genaueſte unterſcheidet, ſo daß alſo jeder aͤußere ſinnliche Eindruck in jedem Punkte eines Nerven ſeinen ungehinderten Gang zum Gehirne gehen, und daſelbſt die ihm einzige und von allen andern verſchiedene materielle aͤußere Empfindung formiren kann, ohne ſich weder auf ſei - nem Wege mit andern in eben dem Nerven zugleich aufſtei - genden Eindruͤcken, noch mit den materiellen Empfindun - gen, die ſie zugleich im Gehirne hervorbringen, auf einige Weiſe zu verwirren oder zu vermiſchen. Die Urſache hier -von573 Abſchn. Der Nerven. Aeußere Empſindungen. von iſt, weil die Nervenſpitze, die den aͤußerlichen ſinnli - chen Eindruck empfangen, einen beſondern Faden zum Ur - ſprunge hat, der bey allen ſeinen Vereinigungen mit andern, die einen ganzen Nerven formiren, und deſſen mit andern Nerven, die Nervenſtaͤmme bilden, und deren mit andern, die groͤßere Staͤmme, z. E. das Ruͤckenmark geben, im - mer fuͤr ſich abgeſondert bleibt, auch in dem Orte des Ur - ſprungs des Nerven im Gehirne ſelbſt noch ſeinen beſondern Punkt hat, worinn ſich die materielle Jdee vom aͤußern ſinnlichen Eindrucke, den er zum Gehirne bringt, entwi - ckeln muß. §. 13.
Es iſt vergeblich, die verſchiedenen Arten der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke nach der Verſchiedenheit der aͤußern Empfindungen beſtimmen zu wollen. Es iſt hier alles nach unbekannten Geſetzen geordnet, die wir wohl nie ergruͤnden werden. Der Schmerz iſt z. E. eine Empfindung, wel - che von ſehr heftigen aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken in die Nerven mehrentheils herruͤhret. Gleichwohl ſind die hef - tigſten Ruͤhrungen eines Nerven nicht immer die ſchmerz - hafteſten. Ein nagender Saft kann an einem Nerven weit unertraͤglichere Schmerzen erregen, als ein Schlag, der die Knochen ſeines Gliedes zerſchmettert. Es iſt auch nicht die Trennung der Theile des Nerven durch das Zer - nagen, die dieſen Schmerz ſo heftig machet: denn ein Scheermeſſer zerſchneidet ihn ohne ſonderlichen Schmerz. Eben ſo iſt es mit dem Kitzel, den eine kleine Feder, ein Staͤubgen erregen kann, da er doch ein an den Schmerz angrenzender Zuſtand des Nerven iſt, und viele weit ge - lindere Empfindungen viel ſtaͤrkere aͤußere ſinnliche Eindruͤ - cke erfodern. Selbſt die gleichguͤltigern aͤußern Empfin - dungen vom Kalten und Warmen, Hartem und Weichem, Trocknem und Naſſem, vom Lichte, von den aufgeloͤſeten Salzen, vom Schalle, u. ſ. f. ſind in der Seele ſo hoͤchſt verſchieden, daß es gewiß auch die aͤußern ſinnlichen Ein -D 5druͤcke58I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. druͤcke in die Nerven davon ſeyn muͤſſen: aber wir wiſſen von dieſer Verſchiedenheit nichts Allgemeines, das zu ei - ner Regel dienen koͤnnte.
Eben ſo wenig kann man die materiellen Jdeen der aͤußern Empfindungen mit den aͤußern ſinnlichen Eindruͤ - cken in die Nerven, oder beyde mit den aͤußern Empfindun - gen der Seele vergleichen. „ Die Vorſtellung der rothen „ Farbe hat nichts mit einem weniger gebrochenen Strahle „ gemeines, der aus den ſieben Theilen des ganzen Strahls „ abgeſondert worden iſt; die optiſchen Grundſaͤtze geben „ noch weniger zu, daß ein Bild, welches von den Strah - „ len auf einem weißen und aͤußerſt weichen Nerven gemah - „ let wird, durch einen weiten Weg, in einer vollkommenen „ Finſterniß und durch einen voͤllig dunkeln Koͤrper, bis „ in die Geſichtshuͤgel des Gehirns gebracht werden koͤnne. „ Es iſt nichts in dem Schmerze, den das Brennen verur - „ ſachet, woraus ſich die Seele die heftige Bewegung einer „ geſchwinden und feinen Materie vorſtellen koͤnne, durch „ die das unmittelbare Beruͤhren der Theilchen des Nerven „ zertrennet werde. Es iſt nichts in der Jdee des hohen „ Tons einer Saite von beſtimmter Laͤnge, woraus die See - „ le lerne, dieſe Saite habe in einer Secunde fuͤnftauſend „ Schwuͤnge gemachet. Auch der Geſchmack lehret uns „ nicht, daß die Kryſtalle des Meerſalzes wuͤrflicht ſind. „ Die Bewegung, die ein Gegenſtand den Sinnen mitthei - „ let, wird zwar im Gehirne fortgepflanzet, allein die See - „ le ſtellet ſich dieſe Bewegung nicht vor, noch das Zittern „ des Schalles, noch die Schlaͤge der Lichtſtrahlen, ſondern „ etwas von der Bewegung gaͤnzlich Verſchiedenes. Es iſt „ ein Geſetz vom Schoͤpfer ſelbſt gegeben, daß durch gewiſſe „ Veraͤnderungen, die zuerſt in den Nerven, hernach in dem „ gemeinſchaftlichen Empfindungsorte entſtehen, beſtaͤndig „ beſtimmte und neue Vorſtellungen in der Secle erzeuget „ werden, ſo daß zwar dasjenige, was wir von der Welt„ uns593 Abſchn. Der Nerven. Aeußere Empfindungen. „ uns vorſtellen, willkuͤhrlich iſt: daß es aber nicht falſch „ ſey, erhellet aus der beſtaͤndigen Uebereinſtimmung aͤhn - „ licher Vorſtellungen, die bey allen Menſchen zugleich und „ zu verſchiedenen Zeiten aus aͤhnlichen Veraͤnderungen der „ empfindenden Nerven entſpringen. “ H. P. §. 556.
Nicht jeder aͤußerlicher ſinnlicher Eindruck in die Ner - ven muß nothwendig aͤußere Empfindungen in der Seele hervorbringen, §. 34. obgleich aͤußere Empfindungen die einzigen Vorſtellungen ſind, die er der Seele geben kann und giebt. §. 35. Denn der aͤußere ſinnliche Eindruck unterſcheidet ſich blos dadurch von jedem andern, daß er thieriſche Wirkungen hervorbringt, §. 31. 32. und dieſe Wirkungen koͤnnen zwar in der Seele (aͤußere Empfindun - gen,) aber auch nur im Koͤrper ſeyn und in blos thieriſchen Bewegungen beſtehen. §. 7. Da wir nun hier nur die Wirkungen des aͤußern ſinnlichen Eindrucks der Nerven in die Seele allein zu betrachten haben, §. 33. ſo muͤſſen wir die Bedingungen unterſuchen, unter welchen der aͤußere ſinnliche Eindruck aͤußerliche Empfindungen in der Seele hervorbringt, und unter welchen er es nicht thut.
„ Wenn ein Nerve, der einem beſondern Sinne gewied - „ met iſt, zuſammengedruͤcket, oder entzwey geſchnitten „ wird, ſo geht dieſer Sinn verloren, “(das iſt, ſo machen die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, die in dem abgebundenen oder abgeſchnittenen Theile des Nerven erreget werden, kei - ne aͤußere Empfindung mehr in der Seele, weil naͤmlich der Eindruck dann nicht mehr bis zum Gehirne fortgehen, und daſelbſt die materielle aͤußere Empfindung hervorbrin - gen kann. §. 34. 35.) „ Wenn man das Gehirn zuſam - „ mendruͤcket, ſo hoͤret die Empfindung vom ganzen Koͤr - „ per auf, “(nicht weil um deswillen kein aͤußerlicher ſinn -licher60I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. licher Eindruck in den Nerven mehr hervorgebracht wuͤr - de: denn dieſer offenbaret ſich in ſolchen Verſuchen genug durch mancherley thieriſche Bewegungen, die er ungehin - dert verurſachet, §. 42. ſondern weil der bis ans Gehirn gedrungene aͤußere ſinnliche Eindruck (§. 31.) von allen und jeden Nerven des Koͤrpers alsdann die materielle Jdee der aͤußern Empfindung im Gehirne nicht hervorbringen kann, ohne welche keine Vorſtellung, alſo auch keine aͤuße - re Empfindung in der Seele entſteht; §. 25.) „ und wann „ das Ruͤckenmark zuſammengedruͤcket wird, ſo empfinden „ auch diejenigen Theile nicht mehr, deren Nerven unter „ dem Orte des Drucks, (abwaͤrts vom Gehirne) entſte - „ hen. “ (Aus den vorigen Gruͤnden. §. 36. 25.) „ Wenn „ gewiſſe Gegenden des Gehirns, aus welchen beſtimmte „ Nerven entſtehen, gedruͤcket werden, ſo vergehen diejenl - „ gen Sinne allein, zu welchen dieſe Nerven gehen, wie, zum Beweis, das Geſicht, das Gehoͤr. “ H. P. §. 365. Die Urſache iſt immer dieſelbe: es folget aber hieraus, daß fuͤr jeden Nerven ein beſonderer Ort im Gehirne ſey, aus dem er nicht nur entſpringt, §. 13. ſondern in wel - chem ſich auch die materielle Jdee der aͤußern Empfindung von den in ihn gemachten aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken ent - wickelt, ohne daß dazu die freye Wirkung des ganzen Ge - hirns erfodert wuͤrde, weil die uͤbrigen Sinne unverletzet bleiben, obgleich die Urſpruͤnge der Nerven einiger im Ge - hirne gedruͤcket ſind.
„ Diejenigen Theile des menſchlichen Koͤrpers (und al - „ ler empfindenden Thiere,) in welche viele und blos liegen - „ de Nerven gehen, wie die Augen, u. a. haben die lebhaf - „ teſte Empfindung; die Theile, ſo wenige Nerven haben, „ empfinden ſchwaͤcher; die Theile, die gar keine Nerven „ empfangen, ſind voͤllig der Empfindung beraubet, wie die „ harte Hirnhaut, die Sehnen, die Baͤnder, die Nachge - „ burt, die breiten Knochen und die Knorpel. “ H. P. §. 365.613 Abſchn. Der Nerven. Aeußere Empfindungen. 365. (Vergl. §. 35.) Soll alſo ein Theil des Koͤr - pers empfindlich ſeyn, ſo muß er Nerven haben, die ſolcher aͤußerer ſinnlicher Eindruͤcke faͤhig ſind, welche ſich ungehindert bis zum Gehirne fortpflanzen und daſelbſt die materielle Jdee einer Vorſtellung, die dieſem Eindrucke eigen iſt, erzeugen koͤnnen. Je mehr ſolcher Nerven ein Theil hat, je leichter dieſelben einen aͤußern ſinnlichen Ein - druck annehmen, und je ungehinderter ſie ihn bis ins Ge - hirn an ihren Urſprung fortpflanzen koͤnnen, §. 43. deſto empfindlicher iſt er. Je weniger ſolcher Nerven ein Theil hat, ob er gleich deſto mehr andre haben moͤchte, je ſchwe - rer es iſt, ihnen aͤußere ſinnliche Eindruͤcke beyzubringen, das iſt, je mehr ſie vor jeder oder vor vielen Beruͤhrun - gen gedecket und verborgen liegen, und je mehr Hinder - niſſe vorhanden ſind, welche den Fortgang der aͤußern ſinn - lichen Eindruͤcke zum Gehirne unterbrechen oder abwen - wenden, deſto unempfindlicher iſt er. §. 34.
Nunmehr laͤßt ſich erklaͤren, was zur Hervorbrin - gung einer aͤußern Empfindung in der Seele erfo - dert werde.
Eine aͤußere Empfindung durch einen gegebenen Nerven wird gehindert, oder kann nicht entſtehen:
1. Wenn62I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr.Wenn im natuͤrlichen Zuſtande thieriſcher Koͤrper nicht alle aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die Nerven materielle aͤußere Empfindungen hervorbringen, ſo kann es Theile in ihnen geben, die ſehr viele Nerven haben, und doch nur wenig empfinden, ſo daß alſo nicht ohne Einſchraͤnkung von der Menge der Nerven auf die Empfindlichkeit eines Theilsgeſchloſ -633 Abſchn. Der Nerven. Aeußere Empfindungen. geſchloſſen werden kann. §. 44. Es koͤnnen dem unge - achtet dieſe Nerven durch andre blos thieriſche Wirkungen in der thieriſchen Oekonomie vom groͤßten Nutzen ſeyn, §. 42. und da es wirklich die Erfahrung lehret, daß manche mit ſehr vielen Nerven verſehene Theile nur ſelten, nur ſchwach, nur wenige und beſondre Arten aͤußerlicher ſinnli - cher Eindruͤcke empfinden, z. E. das Herz, der Magen, ꝛc. ſo iſt es ſehr wahrſcheinlich, daß ſelbſt im natuͤrlichen Zu - ſtande der Geſundheit bey den Thieren viele aͤußere Em - pfindungen durch ſolche natuͤrliche Hinderniſſe gehindert werden, und daß dieß keine widernatuͤrliche Beſchaffenheit mancher Nerven ſey. Um dieſe wichtige Sache in ihr ge - hoͤriges Licht zu ſetzen, wollen wir von allen moͤglichen Ar - ten, wie aͤußere Empfindungen von Natur gehindert wer - den koͤnnen, die Spuren in der Erfahrung ſuchen. (Vergl. d. A. 5 B 233 St.
1. Die Natur verbirgt viele Nerven vor Beruͤhrun - gen durch Bedeckungen, Ueberzuͤge von Haͤuten, von Schleim, oder daß ſie ſie in ſolche Theile leitet, wo ſie we - nigen, oder ſchwachen, oder nur gewiſſen fuͤr ſie beſtimm - ten Arten der Beruͤhrungen, andern aber weniger oder nicht ausgeſetzet ſind. Hierdurch maͤßigt ſie auch unſre aͤußern Empfindungen, daß ſie nicht ſchmerzhaft werden. §. 46. N. 1.
2. Sie hat manche Nerven, z. E. die Nerven des Auges, ſo zubereitet und geleget, daß ſie nur gewiſſen, z. E. den Beruͤhrungen der Lichtſtrahlen ausgeſetzet, und von ihnen nur hauptſaͤchlich aͤußerlicher ſinnlicher Eindruͤcke faͤ - hig ſind, wogegen andre, z. E. die Nerven der Haut von den Lichtſtrahlen keinen ſinnlichen Eindruck annehmen. §. 40. Eben ſo koͤnnen die Schwingungen der Lufttheilchen, welche die Gehoͤrnerven ſinnlich ruͤhren in den ſo zarten und empfindlichen Geſichtsnerven keinen aͤußern ſinnlichen Ein - druck machen. Die Geruchtheilchen, die den Geruchsner - ven ſo empfindlich ſind, haben keine Wirkung in die Ner - ven des Geſichts, Gehoͤrs, Geſchmacks und Gefuͤhls. Zu -weilen64I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. weilen erhalten ſo gar gewiſſe Nerven nur eine Zeitlang die Faͤhigkeit, von gewiſſen Beruͤhrungen oder Einfluͤſſen, aͤußere ſinnliche Eindruͤcke anzunehmen, die ſich hernach wieder verliert, wie z. E. in den ſinnlichen Trieben. (Vergl. §. 265.)
3. Ferner koͤnnen von Natur gewiſſe aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die ſonſt empfindlichen Nerven ſo ſchwach wirken, daß ſie nicht bis zum Gehirne fortgehen, ſondern ſich unterwegens verlieren oder entkraͤften. §. 46. N. 2. Denn daß die zu ſchwache Beruͤhrung allerdings den aͤußern ſinnlichen Eindruck in Nerven gemachet habe, er - hellet zum oͤftern aus andern thieriſchen Wirkungen, z. E. aus gewiſſen thieriſchen Bewegungen, die dieſer Eindruck hervorbringt, und es muß alſo die Urſache, daß er nicht empfunden wird, darinn liegen, daß er nicht bis zum Ge - hirne gelanget iſt. So machen Blaͤhungen im Magen oft eine Dehnung der Nerven deſſelben, die ſo ſchwach iſt, daß wir ſie nicht empfinden, ob ſich gleich der geſchehene aͤuße - re ſinnliche Eindruck durch thieriſche Wirkungen, naͤmlich durch Zuſammenziehungen deſſelben verraͤth, welche das Murren der Blaͤhungen offenbaret. Es kann aber dieſer Fortgang des aͤußern ſinnlichen Eindrucks zum Gehirne im Zuſtande der Geſundheit auf noch eine andre Art gehindert werden, die einer ausfuͤhrlichern Erklaͤrung bedarf.
4. Es iſt unwiderſprechlich, daß von ſehr vielen Ner - ven, die, ob ſie gleich alle empfindlich ſind, dennoch haupt - ſaͤchlich nur zu gewiſſen thieriſchen Bewegungen im Koͤrper beſtimmet worden, die hierzu noͤthigen aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke ſelten, oder gar nicht, oder doch nur gewiſſe Ar - ten ſolcher, bis zum Gehirne fortgepflanzet werden, die uͤbrigen aber blos in der Maſchine bleiben, und daß dieß ſo ihre natuͤrliche Beſtimmung ſey. Zum Beweiſe moͤgen hier die Nerven des Magens, der Gedaͤrme und des Her - zens dienen. Eine Speiſe, die uns im Munde den lebhaf -teſten653 Abſchn. Der Nerven. Aeußere Empfindungen. teſten Geſchmack giebt, machet, ſobald ſie im Magen iſt, gar keine Empfindung mehr. Sobald wir Bitteres, Suͤßes, Saures, verſchlungen haben, ſo iſt es einerley Nichts fuͤr unſre Empfindung. Gleichwohl iſt der Magen reichlicher, als die meiſten andern Eingeweide, mit Ner - ven verſehen, und dieſe Nerven ſind gegen andre Eindruͤ - cke, z. E. von ſcharfen Giften, hoͤchſt empfindlich, folg - lich aͤußerlicher ſinnlicher Eindruͤcke vollkommen faͤhig. Da nun die Speiſen ſie eben ſo gewiß als die ſcharfen Gifte beruͤhren, und ihnen einen aͤußern ſinnlichen Eindruck ge - ben, welches die thieriſchen Bewegungen der Verdauung, die auf dieſe Beruͤhrung ſolgen, unlaͤugbar machen; ſo iſt es nothwendig, daß dieſe Nerven ihre meiſten aͤußern ſinn - lichen Eindruͤcke nicht bis zum Gehirne fortpflanzen, ſon - dern daß ſie ſich in den mechaniſchen Maſchinen verlieren, zu deren Bewegung ſie die Natur hauptſaͤchlich beſtimmet hat. Eine Schaͤrfe im Magen, die, wenn ſie herauf in den Mund koͤmmt, uns faſt erſticket und die Zunge zer - beizet, wird gleichwohl im Magen oft wenig oder gar nicht empfunden: hingegen verurſachet doch ihr aͤußerer ſinnli - cher Eindruck in die Magennerven einen Magenkrampf. Das Herz iſt ungemein empfindlich und nervenreich. Der Eindruck, welchen das durchſtroͤmende Blut in ſeinen Ner - ven machet, giebt ihm ſeine thieriſche Bewegung, denn man kann ſie durch Einſpritzen warmer Fluͤſſigkeiten ſo gar wenn ſie aufgehoͤret hat, wieder herſtellen, und gleichwohl empfindet die Seele faſt nie etwas von dieſem aͤußern ſinn - lichen Eindrucke. Der Zweck dieſer Nerven iſt haupt - ſaͤchlich die Bewegung des Herzens, die, nach dem Ge - ſtaͤndniſſe aller Aerzte, thieriſch, und aus blos mechaniſchen Gruͤnden unerklaͤrbar iſt. Es iſt ſo wenig noͤthig, daß die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in ſeine Nerven, die es bewe - gen muͤſſen, von der Seele empfunden werden, daß man ſogar die Bewegung eines ausgeſchnittenen Herzens durch einen aͤußern ſinnlichen Eindruck in ſeine Nervenſpitzen, wenn man Salz drauf ſtreuet, wieder herſtellen kann, beyEwelchem66I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. welchem Verſuche aller Schein wegfaͤllt, daß der Eindruck auf eine blos mechaniſche Weiſe die Bewegung herſtellete, wie man etwa vom Einſpritzen, oder vom Einblaſen der Luft ins Herz glauben moͤchte. Da alſo die aͤußere Em - pfindung zur ordentlichen beſtaͤndigen Bewegung des Her - zens, welche die Hauptabſicht dieſer gleichwohl ſonſt, an - derer Abſichten wegen, ſo empfindlichen Bewegungsnerven iſt, nicht noͤthig war; ſo hat uns die Natur derſelben uͤber - heben wollen, und hierzu muß ſie natuͤrliche Hinderniſſe in den Weg geleget haben, welche gewiſſe aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in dieſe und dergleichen Nerven abhalten, daß ſie nicht bis zum Gehirne fortgehen, da ſie hingegen an - dern ſolchen Eindruͤcken allerdings dieſen Fortgang geſtat - ten, welches ohnedem, wie ſchon §. 47. N. 2. gezeiget wor - den, eine den Nerven uͤberhaupt gewoͤhnliche Beſchaffen - heit iſt. (Vergl. §. 55 — 61.) Es iſt ſchwer zu ſagen, was fuͤr natuͤrliche Hinderniſſe dieſes ſind, die einen wirk - lich geſchehenen aͤußern ſinnlichen Eindruck in einen Ner - ven, der ſeiner Natur nach aufwaͤrts gegen das Gehirn ſteigt, §. 31. 32. in ſeinem Gange aufhalten. Der aͤuße - re ſinnliche Eindruck im Herzen iſt wirklich da, denn jeder Herzſchlag entſpringt von ihm, und iſt thieriſch. Er iſt auch, nach genoſſener Speiſe, im Magen: denn er erneu - ret davon ſeine wurmfoͤrmige Bewegung, die thieriſch iſt. Was haͤlt nun den Fortgang aller dieſer Cindruͤcke bis ins Gehirn auf? Man findet in den Nerven nichts, das hier - zu faͤhig zu ſeyn ſchiene, als gewiſſe Verwickelungen, die man in den Bewegungsnerven hin und wieder unter dem Namen der Nervenknoten kennt, §. 14. und dann die Einimpfungspunkte der Zweige in die groͤßern Nerven - ſtaͤmme, welche gemeiniglich auch eine Art von Knoten for - miren. An dieſen Stellen wird die gerade Richtung der Nervenfaſern unterbrochen, und hier kann alſo der in ihnen aufſteigende aͤußere ſinnliche Eindruck, wenn er von einer gewiſſen beſtimmten, uns unbekannten Art iſt, von ſeiner Richtung abgeleitet, anders gewendet, und an ſeinem Fort -gange673 Abſchn. Der Nerven. Aeußere Empfindungen. gange zum Gehirne gehindert werden, §. 13. 14. zumal da die dickern Haͤute der Nervenknoten einigermaßen als Muskeln in die Nerven wirken, und durch einigen Druck den Fortgang leicht hindern koͤnnen. S. Monroi Tr. tres de Nerv. etc. S. 11. Wie wenn die aͤußerlichen ſinnli - chen Eindruͤcke in ſolche Bewegungsnerven, wenn ſie bis zu den Nervenknoten aufgeſtiegen ſind, nur dazu beſtimmet waͤren, ſich dem Stamme oder Zweige eines andern, oder einem andern Faden eben deſſelben Nerven, der ſich im Knoten mit ihnen verwickelt, ſo mitzutheilen, daß er in ſie eine reflecktirte, zuruͤckgewendete Wirkung, einen von oben, als ob er vom Gehirne abſtiege, beygebrachten ſinnlichen Eindruck machete, der ſie reizete, gewiſſe Theile in thieri - ſche Bewegung zu ſetzen, wie es der ſinnliche Eindruck, der von oben herab in die Nerven geſchieht, nach dieſer umge - kehrten Richtung ſeiner Natur nach thut? §. 31. (Vergl. §. 121. 122. wie auch §. 137. und d. A. 5 B. 233 St.) Waͤre indeſſen dieſe Muthmaßung ungegruͤndet, ſo iſt es doch die Sache ſelbſt nicht, daß einige aͤußerliche ſinnliche Eindruͤcke gewiſſe Nerven, die ſie doch nicht unmittelbar empfangen haben, zu thieriſchen Bewegungen reizen, oh - ne bis zum Gehirne gelanget, und empfunden worden zu ſeyn.
5. Unter den natuͤrlichen Hinderniſſen der aͤußern Empfindungen kann es, nach §. 46. N. 3. auch noch ſol - che geben, die den aͤußern ſinnlichen Eindruck, ob er gleich bis zum Gehirn fortgegangen waͤre, hinderten, die ihm eigne materielle Jdee am gehoͤrigen Orte im Gehirne her - vorzubringen, und auch ſolche giebt es unſtreitig. Der Schlaf wird ſie uns zeigen. Dieſer allen empfindenden Thieren natuͤrliche periodiſche Zuſtand der Unempfindlich - keit, worinn ſie nach der von der Geſchaͤfftigkeit hergeruͤhr - ten Ermattung neue Kraͤfte ſammlen, und in den ſie, wie man meynet, aus Mangel oder Schwaͤche der Lebensgei -E 2ſter,68I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. ſter, gezwungen und unwiderſtehlich gerathen, veraͤndert allem Anſehen nach die Nerven und ihren natuͤrlichen Zu - ſtand nicht anders als mittelbarer Weiſe, durchs Gehirn. Es kann wenigſtens im Schlafe jeder Nerve, wenn ihn ſinnliche Eindruͤcke reizen, alle ſeine blos thieriſchen Wir - kungen ganz vollkommen verrichten. Gleichwohl aber koͤnnen darinn alle gewoͤhnliche aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die Nerven geſchehen, das Licht kann in die offenen Au - gen ſcheinen, wenn Thiere mit offenen Augen ſchlafen, der Schall kann ins Ohr dringen, tauſend andre Beruͤhrun - gen koͤnnen die Nerven reizen, ohne daß die Seele davon eine aͤußere Empfindung haͤtte. Mithin muͤſſen die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in die Nerven im Schlafe entweder nicht zum Gehirn gelangen, wovon man doch, da ſie uͤberall unterwegens thieriſche Wirkungen aͤußern koͤnnen, nicht den geringſten Grund ſieht, oder ſie muͤſſen darinn keine materiellen Jdeen, wenigſtens nicht in gehoͤriger Vollkommenheit hervorbringen, und dieß iſt vermuthlich der wahre Fall, da ein Druck auf das Gehirn, er mag von ergoſſenem Blute, Waſſer in den Hirnhoͤlen, oder von ein - geſchlagenen Knochen, ja ſelbſt von allzugroßer Ausdeh - nung der Blutgefaͤße im Gehirne herruͤhren, eben denſel - ben Zuſtand der Unempfindlichkeit hervorbringt, und einen wahren Schlaf verurſachet. Es ſcheint alſo in einem voll - kommenen tiefen Schlafe das Gehirn in einer Art von Er - ſtarrung zu ſeyn, welche die materiellen Jdeen von den aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken in die Nerven nicht zur Wirk - lichkeit kommen laͤßt; dahingegen die blos thieriſchen Be - wegungen, die der aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven allein bewerkſtelliget, im Schlafe nur wenig Veraͤnderung leiden. (Vergl. §. 182. 183.)
6. Es giebt noch eine beſondere Urſache, welche die aͤußern Empfindungen der Seele im natuͤrlichen Zuſtande bald auf dieſe, bald auf jene von den itzt beſchriebenenfuͤnferley693 Abſchn. Der Nerven. Aeußere Empfindungen. fuͤnferley Arten §. 47 — 49. hindert; und dieß iſt die oͤf - tere Wiederholung von einerley aͤußern Empfindung. Durch dieſe werden, wie die Erfahrung lehret, viele aͤuße - re Empfindungen nach und nach ſchwaͤcher und bleiben endlich voͤllig außen, obgleich die Beruͤhrung der Nerven von außen geſchieht. Dieſe Verminderung und Vertil - gung der aͤußern Empfindungen durch oͤftere Wiederholung heißt die Gewohnheit der aͤußern Empfindungen, die, da ſie aus mechaniſchen Geſetzen gar nicht erklaͤret wer - den kann, zu den thieriſchen Eigenſchaften thieriſcher Koͤr - per gezaͤhlet werden muß. §. 6. Vergl. d. A. 3 B. 114 St.
Man kann ſich, nach §. 46. folgende Arten geden - ken, auf welche die Gewohnheit die aͤußern Ein - pfindungen ſchwaͤchen und vertilgen kann.
1. Durch oͤftere Wiederholung von einerley aͤußern Empfindung kann die Beruͤhrung des Nerven, der den aͤußern ſinnlichen Eindruck empfangen muß, geſchwaͤchet und gehindert werden. §. 47. N. 1. So entſteht von ge - wiſſen oͤftern Gefuͤhlen eine haͤrtere Oberhaut, welche die Nervenſpitzen mehr verbirgt.
2. Die oͤftere Wiederholung eben derſelben Beruͤhrung eines Nerven kann ihn unfaͤhig machen, den aͤußern ſinn - lichen Eindruck davon wie bisher zu empfangen, in ſo fern ſie die Strucktur der Nervenſpitze veraͤndert, daß ſie fuͤr dieſe Beruͤhrung gleichſam abgenutzet wird, ohnerachtet andre Beruͤhrungen, weil jede ſich dem Nerven auf ihre beſondre Art anbietet, den aͤußern ſinnlichen Eindruck in eben der Nervenſpitze ohne Schwierigkeit machen. §. 47. N. 2. So machet die oͤftere Beruͤhrung, daß man der Kaͤlte gewohnt wird, ohne ſie zu empfinden, und daß man auch nichts mehr von der ſonſt gewoͤhnlichen Folge ih - res aͤußern ſinnlichen Eindrucks verſpuͤret, daß ſich die Haut kraͤuſelt. Demnach iſt es wahrſcheinlich, daß manE 3die70I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. die Kaͤlte darum nicht mehr empfinde, weil die Nerven durch oͤftere Wiederholung der Beruͤhrung der kalten Luft ſo veraͤndert ſind, daß dieſelbe keinen aͤußern ſinnlichen Eindruck mehr in ſie machet, ob ſie gleich alles andre, ja das Kitzeln einer kleinen Feder, aufs lebhafteſte em - pfinden.
3. Es kann die oͤftere Wiederholung einerley aͤußerer ſinnlicher Eindruͤcke einen Nerven auch auf die Weiſe (§. 47. N. 3.) unempfindlich machen, daß der aͤußere ſinnli - che Eindruck durch Schwaͤchung des auf einerley Weiſe zu ſtark gebrauchten Nerven, zu ſchwach empfangen wird, als daß er ſich bis zum Gehirn fortpflanzen koͤnnte. So ge - ſchieht es, daß Nerven nach allzulange anhaltenden hefti - gen Schmerzen unempfindlich werden, und wenn dieſe Nerven zugleich zu gewiſſen thieriſchen Bewegungen die - nen, ſo erkennet man aus der mit dieſer Unempfindlichkeit oft verbundenen Laͤhmung, oder Schwere und Muͤdigkeit der Glieder, daß die Unempfindlichkeit von der Schwaͤ - chung des Nerven herruͤhre, der dann die aͤußern ſinnli - chen Eindruͤcke zu ſchwach annimmt, als daß er ſie zum Gehirn bringen koͤnnte. Weil ungewoͤhnlich ſtarke aͤuße - re ſinnliche Eindruͤcke durch einen ſolchen Nerven gleich - wohl empfunden werden, ſo ſcheint es hier nicht ſowohl am aͤußern ſinnlichen Eindrucke, ſondern nur an deſſen Fort - pflanzung bis ins Gehirn zu mangeln.
4. Wenn nach §. 48. die oͤftere Wiederholung einer - ley aͤußerer ſinnlicher Eindruͤcke einen Nerven auf die Wei - ſe unempfindlich machen ſollte, daß dadurch nach und nach diejenigen Punkte des Nerven, welche den Fortgang des Eindrucks zum Gehirn aufhalten und ableiten koͤnnen, naͤmlich die Nervenknoten und die Vereinigungspunkte der Zweige mit den hoͤhern Staͤmmen, dergeſtalt veraͤndert wuͤrden, daß ſie einen Eindruck, den ſie vorher frey fort - gehen laſſen, nunmehr aufhielten; ſo wuͤrde dieſes nur in dem Falle bemerket werden koͤnnen, wenn derſelbe aͤußere ſinnliche Eindruck, in eben demſelben ungeſchwaͤchten Ner -ven,713 Abſchn. Der Nerven. Aeußere Empfindungen. ven, zur Zeit, da ihn die Seele noch empfand, auch ge - wiſſe blos thieriſche Bewegungen veranlaſſet haͤtte, und wenn dieſelben nun noch auf den Eindruck erfolgeten, ohne daß ihn gleichwohl die Seele empfaͤnde. Denn in ſolchem Falle waͤre die blos thieriſche Bewegung der Beweis, an welchem es in andern Faͤllen fehlen wuͤrde, daß der Nerve den aͤußern ſinnlichen Eindruck wirklich empfangen und bis dahin fortgepflanzet haͤtte, wo er auf ſeinem Wege zum Gehirn in einen Bewegungsnerven, ruͤckwaͤrts vom Ge - hirne, als welches die eigene Richtung des den Nerven - ſtaͤmmen von oben herab beygebrachten ſinnlichen Eindrucks iſt, §. 31. vergl. §. 122. reflecktiret worden waͤre. Da nun, wenn der Nerve nicht geſchwaͤchet iſt, auch hier der Fall N. 3. nicht zur Erklaͤrung dieſer Erſcheinung ange - nommen werden koͤnnte; ſo muͤßte in ſolchem Falle noth - wendig dieſe einzige Erklaͤrungsart Statt finden. Man kann ſich einen ſolchen Fall bey Leuten gedenken, wo man - che aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in gewiſſe Nerven, in an - dern Gliedern Kraͤmpfe erreget haben, und wo ſie dieſel - ben Kraͤmpfe noch immer erregen, obgleich die Seele zu - letzt den Schmerz gewohnt wird, und nicht mehr fuͤhlet. So koͤnnen manche Epileptiſche und Gichtiſche im Anfange aus den Empfindungen im Magen, die die Wuͤrmer, oder eine gichtiſche Schaͤrfe, darinn erregen, ihre Anfaͤlle, wel - che gemeiniglich blos thieriſche Wirkungen dieſer aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in die Magennerven ſind, vorher ſa - gen: mit der Zeit aber, wenn dieſe Krankheiten bey ihnen einwurzeln, haben ſie dieſe Empfindungen nicht mehr, und die Zufaͤlle kommen ihnen ganz unvermuthet.
5. Endlich kann auch die oͤftere Wiederholung einerley aͤußerlicher ſinnlicher Eindruͤcke die aͤußern Empfindungen dadurch ſchwaͤchen und vernichten, daß die Stelle des Ge - hirns, wo der Eindruck die materielle aͤußere Empfindung erregen muß, eine ſolche Veraͤnderung leidet, wodurch die - ſe materielle Jdee gehindert wird, ſich zu entwickeln. §. 49. So iſt es, wenn die Muͤller in einer Muͤhle des Laͤrms ſoE 4gewohnt72I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. gewohnt werden, daß ſie ihn entweder gar nicht mehr, oder doch ganz dunkel, ohne ſich ſeiner bewußt zu werden, hoͤren, wofern ſie ſich nicht bemuͤhen, eigentlich darauf Acht zu geben. Man kann hier an der hinlaͤnglich nachdruͤckli - chen Beruͤhrung der Gehoͤrnerven nicht zweifeln, da der Schall ſo ſtark iſt. Der aͤußere ſinnliche Eindruck wird auch empfangen und pflanzet ſich zum Gehirn fort, denn dieſe Leute vernehmen den Schall nicht nur anderer leiſerer Toͤne, ſondern auch das Getoͤſe ſelbſt wieder, wann ſie darauf Acht geben. Daß ſie es alſo nicht, oder ganz dun - kel hoͤren, muß daran liegen, daß der aͤußere ſinnliche Eindruck entweder gar keine, oder doch eine ganz unvoll - kommene materielle Jdee vom Gehoͤre des Schalls im Ge - hirne machet, §. 26. weil vermuthlich, durch die oͤftere Erneurung derſelben ſtarken Empfindung, der Theil des Gehirns, der die materielle Jdee dazu hervorbringen muß, einigermaßen geſchwaͤchet und traͤge worden iſt, daher dann dieſe materielle Empfindung nicht anders vollkommen her - vorgebracht werden kann, als wenn man alle uͤbrige thieri - ſche Bewegungen, die die Vorſtellungskraft und andere aͤußere ſinnliche Eindruͤcke im Gehirne erregen, eine Zeit - lang aufhebt und dieſem beſondern aͤußern ſinnlichen Ein - drucke das Gehirn ganz ruhig uͤberlaͤßt, da dann die mate - rielle Jdee von dieſem Schalle ſich leichter vollſtaͤndig ent - wickeln kann. Wir wiſſen aber, wenn die Seele von an - dern Vorſtellungen abſtrahiret, um ſich einer einzigen zu uͤberlaſſen, welches Aufmerken und Achtgeben heißt, daß ſolches auf keine andre Weiſe geſchehen koͤnne, als daß auch die Bewegungen im Gehirne, die materiellen Jdeen zu den Vorſtellungen, von welchen ſie abſtrahiret, aufhoͤ - ren muͤſſen, §. 25. und daß alſo beym Aufmerken und Achtgeben eine ſolche Ruhe im Gehirne wirklich vorhanden ſey. (vergl. §. 77.)
Wenn die Nerven eines thieriſchen Koͤrpers verglei - chungsweiſe leichter, als andrer, von einerley in ſie wir -kenden733 Abſchn. Der Nerven. Aeußere Empfindungen. kenden Kraͤften aͤußere ſinnliche Eindruͤcke empfangen, und wenn dieſe letztern in einem ſolchen Koͤrper weniger oder ge - ringere natuͤrliche Hinderniſſe finden, um ins Gehirn zu gelangen und ihre materiellen aͤußern Empfindungen da - ſelbſt zu formiren; (§. 47 — 51.) ſo nennt man einen ſolchen Koͤrper eigentlich empfindlich, (leicht beweg - lich, zaͤrtlich,) im Gegentheile aber unempfindlich (hart, fuͤhllos,) und dieſe Eigenſchaften ſelbſt: die (per - ſoͤnliche) Empfindlichkeit, (vergl. §. 34.) die (per - ſoͤnliche) Unempfindlichkeit. Die Beſchaffenheit der thieriſchen Natur, in Beziehung auf die (perſoͤnliche) Em - pfindlichkeit oder Unempfindlichkeit, iſt das Tempera - ment (der Sinnlichkeit) eines thieriſchen Koͤrpers, (die Leibesconſtitution, Statur.) Durch die Ge - wohnheit werden alſo empfindliche Koͤrper unempfindlicher gemachet, mithin die Temperamente veraͤndert, und dieſes kann auf ſo vielerley Weiſe geſchehen, als §. 51. gelehret worden iſt. Eine perſoͤnliche Empfindlichkeit gegen einzel - ne aͤußere ſinnliche Eindruͤcke, welche den meiſten Perſonen von aͤhnlichem Temperamente mangelt, heißt die Jdio - ſyncraſie.
Die Seelenlehrer beweiſen, daß die aͤußern Empfin - dungen der Seele eine groͤßere Staͤrke, als alle uͤbrige Vorſtellungen, haben, weil ſie aus mehrern Merkmalen beſtehen. B. M. §. 402. Da nun aber jedes Merkmal ei - ner Vorſtellung auch eine Vorſtellung iſt, jede Vorſtellung aber eine materielle Jdee im Gehirne erfodert, §. 25. ſo muͤſſen die materiellen Jdeen der aͤußern Empfindungen aus mehrern Bewegungen im Gehirne zuſammengeſetzet ſeyn, als die materiellen Jdeen aller andern Vorſtellungen. Mithin uͤbertreffen jene dieſe auch an Staͤrke; das iſt: die Bewegungen im Gehirne, die aͤußere Empfindungen er - zeugen, ſind ſtaͤrker, und haben mithin groͤßere Folgen, als die andre Vorſtellungen begleiten. Dem ungeachtet koͤn -E 5nen74I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. nen mehr andre zuſammengenommen einen ſtaͤrkern ſinnli - chen Eindruck im Gehirne machen, als eine oder die ande - re, ſonderlich ſchwaͤchere, materielle aͤußere Empfindung; mithin koͤnnen auch von jenen zuweilen die thieriſchen Wir - kungen, die ſie etwa im Koͤrper aͤußern, groͤßer ſeyn. Noch vielmehr kann eine materielle aͤußere Empfindung durch ei - ne andre ſtaͤrkere, oder durch mehr ſolche andre, die wenig - ſtens zuſammengenommen ſtaͤrker, als jene ſind, uͤbertrof - fen werden, und im Koͤrper groͤßere Wirkungen aͤußern. Vergl. d. A. 4 B. 190 St.
Alles, was die aͤußern Empfindungen ſchwaͤchet, ver - mindert auch die Staͤrke ihrer materiellen Jdeen im Gehir - ne und ihrer Wirkungen im Koͤrper. §. 53. Auf ſo viele Arten alſo als die aͤußern Empfindungen geſchwaͤchet wer - den koͤnnen, §. 46 — 50. koͤnnen auch die Wirkungen geſchwaͤchet werden, die ſie im Koͤrper aͤußern. Auf eben ſo viel Arten kann dieſes die Gewohnheit bewerkſtelligen. §. 51. Die aͤußern Empfindungen der Seele ſchwaͤchen ſich ſelbſt durch ihre Dauer, ſobald ſie den hoͤchſten Grad ihrer Staͤrke erreichet haben. B. M. §. 410. Alſo iſt jede neue aͤußere Empfindung zu groͤßern Wirkungen im Koͤr - per vermoͤgend, als die ſchon lange fortgedauret hat, oder oft wiederholet worden iſt. Mithin ſind auch die materiel - len Jdeen der aͤußern Empfindungen und ihre Wirkungen im Koͤrper am ſtaͤrkſten, ſo lange ſie noch neu und unan - gewoͤhnet ſind, wenn alle uͤbrige Umſtaͤnde einerley bleiben.
Die Nerven ſind die Werkzeuge der aͤußern Empfin - dungen der Seele §. 34. aber nur vermittelſt des Gehirns. §. 43. Diejenigen Theile der thieriſchen Koͤrper, worinn ſich Nerven vertheilen, die hauptſaͤchlich nur aͤußerer ſinn -licher753 Abſchn. Der Nerven. Die aͤußerlichen Sinne. licher Eindruͤcke von einer beſondern Art, mithin auch nur zu einer beſondern Art aͤußerlicher Empfindungen faͤhig ſind, heißen, in Beziehung auf dieſe beſondre Empfin - dungskraft ihrer Nerven, Gliedmaßen der (aͤußerli - chen) Sinne. Bey den Menſchen werden deren fuͤnfe unterſchieden: hingegen haben andre empfindende Thiere deren weniger, und vielleicht einige deren mehr.
Die in der Haut uͤberall vertheilten Nervenſpitzen ſind beſonders ſolcher aͤußerer ſinnlicher Eindruͤcke faͤhig, wo - durch die Seele von der Beruͤhrung der Flaͤchen der Koͤr - per aͤußere Empfindungen erhaͤlt. Dieſer Sinn heißt der Sinn des Gefuͤhls; daher ſetzet man auch den eigentli - chen Sitz deſſelben in die Fingerſpitzen. Allein der Begriff vom Sinne des Gefuͤhls iſt ſehr unbeſtimmt, und verliert ſich im allgemeinen Begriffe der aͤußerlichen Empfindun - gen. §. 34. Denn wir empfinden durch ihn Waͤrme, Kaͤl - te, Schwere, Feuchtigkeit, Trockenheit, Hartes und Weiches, u. ſ. w. Wenn man ſagt, daß alle fuͤnf aͤuße - re Sinne nur Arten des Gefuͤhls ſind, ſo verſteht man dar - unter nicht den Sinn des Gefuͤhls, ſondern die aͤußere Em - pfindung uͤberhaupt. Wenn man aber gar, wie Le Cat, des Sens S. 15. die Liebe nur fuͤr eine Art des Gefuͤhls haͤlt, ſo verſteht man den Unterſchied der Triebe von den Empfindungen nicht.
Die Nerven der Zunge und des Gaums ſind gewiſſer aͤußerer ſinnlicher Eindruͤcke, von aufgeloͤſeten Salzen und von Oelen, faͤhig, die kein andrer Nerve davon empfaͤngt, und dieſe Empfindlichkeit der Zunge und des Gaums heißt der Sinn des Geſchmacks. Durch ihn unter - ſcheidet die Seele hauptſaͤchlich die Nahrungsmittel des Koͤrpers.
Die Nerven der Naſe ſind beſondrer aͤußerlicher ſinnli - cher Eindruͤcke von den Ausduͤnſtungen der Koͤrper faͤhig, die kein andrer Nerve davon hat, und dieſe Empfindlich - keit der Naſe heißt der Sinn des Geruchs. Bey man - chen Thieren, die durch den Geruch ihre Nahrung ſuchen und erkennen muͤſſen, iſt die Naſe von weit groͤßerer Em - pfindlichkeit, als bey uns, (§ 44.) und unterſcheidet Duͤn - ſte, die wir nicht unterſcheiden.
Wir unterſcheiden, ſowohl durch den Geſchmack, als Geruch, die ſalzigen und oͤligen Theile der Koͤrper, und daher haben dieſe Sinne eine große Verwandtſchaft, und ſind ſich auch in allen Thieren, die beyde beſitzen, aufs naͤchſte benachbart. Die Natur ſcheint ſie beſtimmt zu ha - ben, um die Thiere den Unterſchied der ihnen dienlichen und ſchaͤdlichen Nahrungsmittel zu lehren, worauf ihre Erhaltung groͤßtentheils ankoͤmmt. „ Der Geruch aber „ unterſcheidet mehr das Fluͤchtigere, der Geſchmack hinge - „ gen das Dichtere. Vielleicht iſt es die ſchleimigte Ober - „ haut, die die Zunge bedecket, was die Wirkung der zar - „ tern Salze hindert, die die minder bedeckten und weichern „ Nerven der Naſe leichter ruͤhren. Die Wirkung der Ge - „ ruͤche iſt groß, aber von kurzer Dauer, da die entbloͤßten „ Nerven in einer ſo kleinen Entfernung vom Gehirne von „ ſo aͤußerſt ſeinen Theilchen beruͤhret werden. Daher „ koͤmmt die vergiftende oder aufmunternde Kraft der Ge - „ ruͤche, durch die Ohnmaͤchtige und andre ſcheinbar Todte „ ſo kraͤftig wieder erwecket werden. “ H. P. §. 467.
Die Nerven im Ohre ſind gewiſſer aͤußerlicher ſinnli - cher Eindruͤcke vom Schalle faͤhig, die kein andrer Nerve auf ſolche Weiſe empfaͤngt, und dieſe Empfindlichkeit des Ohrs heißt der Sinn des Gehoͤrs. Das ganze Ohr iſtdazu773 Abſchn. Der Nerven. Die aͤußerlichen Sinne. dazu zubereitet, die Schwingungen der Lufttheilchen, die wir den Schall nennen, ſo aufzunehmen und an die Ner - ven zu bringen, daß ſie dieſen beſondern aͤußern ſinnlichen Eindruck davon empfangen koͤnnen.
Die Nerven des Auges ſind beſondrer aͤußerlicher ſinn - licher Eindruͤcke von den Lichtſtrahlen faͤhig, die kein an - derer Nerve davon empfaͤngt, und dieſe Empfindlichkeit des Auges heißt der Sinn des Geſichts. Durch ihn un - terſcheiden wir das Helle und Dunkle, die Figuren der Koͤrper, und die Farben. Das ganze Auge iſt aufs kuͤnſt - lichſte dazu eingerichtet, die Lichtſtrahlen ſo an ſeinen Ner - ven zu bringen, daß ſie uns von allen dieſen Erſcheinungen eine aͤußere Empfindung geben.
Anmerkung. Man ſollte bey jedem dieſer aͤußerli - chen Sinne hier zugleich den mechaniſchen Bau der Werkzeuge oder Gliedmaßen derſelben beſchrieben ha - ben. Allein da dieſes zum anatomiſchen und mechani - ſchen Theile der thieriſchen Naturlehre eigentlich gehoͤret, ſo konnte man ſolches hier uͤberhoben ſeyn. (S. H. P. 12 — 16 Abſchnitt. A. 3 B. 138 St.)
Das Gehoͤr und Geſicht haben doppelte Gliedmaßen. Dieſes iſt an ihnen keine weſentliche Beſonderheit, und bey genauer Betrachtung ſind wir wirklich an dieſen Sinnen aͤrmer, als an andern. Das Gefuͤhl hat unzaͤhlige Ner - ven zu ſeinem Dienſte, und wenn deren eine Menge ver - derben und zum Gefuͤhle untuͤchtig werden, ſo bleiben ihrer doch noch genug uͤbrig, die uns dieſen Sinn erhalten. Auch in der Zunge und Naſe ſind eine Menge Nerven, die ſchme - cken und riechen. Hingegen um die Nerven der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke des Schalles und Lichts faͤhig zu ma - chen, dazu gehoͤreten ſo kuͤnſtliche Maſchinen, die ihnen die Toͤne und Strahlen dazu zubereiteten, daß die Natur,um78I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. um dieſe Empfindungen zu vervielfaͤltigen, eine Menge Oh - ren und Augen haͤtte anlegen muͤſſen. Um deswillen mu - ſten wir mit den wenigſten fuͤrlieb nehmen, und wenn uns von dieſen Sinnen nur zween Nerven verderben, ſo kann ſie kein andrer erſetzen, und wir ſind ihrer voͤllig beraubt.
Man darf ſich eben ſo wenig wundern, warum wir mit zweyen Augen nur einen Stral, mit zweyen Ohren nur ei - nen Ton empfinden, als warum wir ein Salz nicht eben ſo oft ſchmecken, als Nervenwaͤrzgen auf der Zunge ſind, u. ſ. w. Der aͤußere ſinnliche Eindruck in jeden Nerven giebt der Seele eine beſondre aͤußere Empfindung; allein dieſe Eindruͤcke ſind ſich unmoͤglich voͤllig in der Staͤrke gleich, ſondern die materiellen Jdeen davon ſind ſtaͤrker und ſchwaͤcher, und eine davon die die ſtaͤrkſte iſt, uͤbertrifft und verdunkelt die uͤbrigen, ſo daß ſie neben ihr gleichſam ver - ſchwinden. §. 53. Wir ſehen alſo alles eigentlich nur mit Einem Auge und hoͤren mit Einem Ohre. Wenn man von der Empfindung des lebhafteſten aͤußern ſinnlichen Ein - drucks abſtrahirt, ſo kann man leicht die ſchwaͤchere Em - pfindung von dem andern bemerken und unterſcheiden.
Da die aͤußern Empfindungen Vorſtellungen der See - le, mithin ganz etwas anders, als die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in die Nerven (§. 32.) und materiellen Jdeen im Gehirne ſind, §. 40. 41. ſo iſt es hieraus allein zu be - antworten, warum wir nicht die Bilder, die ſich im Auge abmahlen, warum wir ſie nicht ſo, wie ſie ſich abſchildern, und warum wir die Lichtſtralen nicht ſelbſt ſehen, die Schwin - gungen der Lufttheilchen nicht hoͤren, die Figur der Salz - theilchen nicht ſchmecken, u. ſ. w. Kurz, die meiſten ſchwie - rig ſcheinenden Fragen uͤber die aͤußern Sinne laſſen ſich aus dieſen Gruͤnden beantworten. Da dieſes ſchon in den phyſiologiſchen Lehrbuͤchern hinlaͤnglich geſchehen, und hiernichts793 Abſchn. der Nerven. Die ſinnl. Vorſtellungen. nichts Neues daruͤber zu ſagen iſt, ſo kann es mit Recht uͤbergangen werden.
Es iſt bisher gezeiget worden, wie durch den aͤußerlichen ſinnlichen Eindruck in die Nerven die materiellen Jdeen ins Gehirn gebracht werden. Hierdurch empfaͤngt die See - le durch die thieriſche Kraft der Nerven zu aͤußerlichen Em - pfindungen natuͤrlich nothwendiger Weiſe und uneigenmaͤch - tig §. 27. Vorſtellungen. Sie kann aber auch ſelbſt vie - le Arten von Vorſtellungen eigenmaͤchtig in ſich hervor - bringen, und bey dieſen entſtehen die materiellen Jdeen im Gehirne, als ein Werk der Vorſtellungskraft, blos durch Vorſtellungen, ohne einen aͤußern ſinnlichen Eindruck. §. 27. Dieſe andre Art materieller Jdeen, die die verſchiedenen eigenmaͤchtigen Vorſtellungen der Seele im Gehirne her - vorbringen, muͤſſen erſt beſtimmet werden, ehe man ihren Einfluß in die thieriſche Oekonomie erklaͤren kann. Da aber einige dieſer ſelbſtthaͤtigen Vorſtellungen nur ſolche ma - teriellen Jdeen veranlaſſen, die außer dem Gehirne gar kei - ne merklichen Wirkungen in der thieriſchen Oeconomie aͤu - ßern, ſo werden wir, weil von dieſen in der Naturlehre des thieriſchen Koͤrpers nichts zu ſagen iſt, hauptſaͤchlich nur diejenigen betrachten, von deren Wirkungen wir etwas wiſſen.
Kein Thier denkt, ohne zu empfinden. Die, welche die wenigſten aͤußerlichen Sinne haben, verrathen auch die ſchwaͤchſte Vorſtellungskraft. Bey ihrem Urſprunge geht das Empfinden vor allen ihren uͤbrigen Vorſtellungen vor - her. So moͤglich es zu ſeyn ſcheint, daß Thiere, die eine Zeitlang empfunden haben, beym Verluſte aller aͤußern Empfindungen dennoch fortdenken koͤnnten, ſo iſt doch da - von kein voͤllig erwieſenes Beyſpiel in der Natur. Vielweniger80I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. weniger aber, daß ein Thier Vorſtellungen beſitzen ſollte, ohne jemals empfunden zu haben. Es iſt alſo die Empfind - lichkeit (§. 34.) Die erſte Triebfeder der Vorſtellungskraft bey Thieren und in ſo fern haben alle uͤbrige Vorſtellungen der Seele einen Grund in ihren aͤußern Empfindungen. Da nun die aͤußern Empfindungen materielle Jdeen im Ge - hirne zum voraus ſetzen, welche durch aͤußere ſinnliche Ein - druͤcke in die Nerven gewirket werden, §. 34. ſo muͤſſen die - ſe die ganze Vorſtellungskraft der Seele, es ſey unmittel - bar durch die aͤußern Empfindungen, oder auf entferntere Weiſe beſtimmen. Weil aber alle Vorſtellungen der See - le mit materiellen Jdeen im Gehirne verbunden ſind, §. 25. ſo muͤſſen die materiellen Jdeen aller Vorſtellungen entwe - der unmittelbar oder auf entferntere Weiſe von den mate - riellen aͤußern Empfindungen im Gehirne und von den aͤu - ßern ſinnlichen Eindruͤcken in die Nerven abhaͤngen.
Wenn man demnach die Sache aufs genaueſte betrach - tet, ſo werden ſelbſt die eigenmaͤchtigſten Vorſtellungen durch aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die Nerven veranlaſſet: allein dieſe Veranlaſſung geſchieht bey vielen ſo ſehr vom weiten, daß der Zuſammenhang nicht mehr merklich bleibt, bey andern hingegen iſt ſie naͤher, ja oft unmittelbar, und dieß giebt einen wichtigen Unterſchied unter den Vorſtellun - gen, die wir in der Entgegenſetzung der aͤußern Empfin - dungen Eigenmaͤchtige genennet haben. §. 27. Es koͤmmt alles darauf an, dieſen Unterſchied wohl zu faſſen, und ſich in phyſiologiſcher Abſicht nicht zu genau an die ge - woͤhnliche pſychologiſche Eintheilung der Vorſtellungen und Begierden in dunkle, verworrene und deutliche zu halten, die weder an ſich genan, noch in der Phyſiologie fruchtbar genug iſt. Wenn die Seele durch mancherley aͤußere Em - pfindungen, deren jede ihr viele Merkmaale einer einzelnen Sache vorſtellet, §. 53. genoͤthigt worden lſt, ihre Vor - ſtellungskraft in Wirkung zu ſetzen und zu uͤben; ſo erlangtſie813 Abſchn. der Nerven. Die ſinnl. Vorſtellungen. ſie bald die Fertigkeit, ſich einige dieſer Merkmaale eigen - maͤchtig vorzuſtellen, ob ſie es gleich nie dahin bringen kann, ohne Beyſtand eines aͤußern ſinnlichen Eindrucks eine aͤuße - re Empfindung vollſtaͤndig zu erneuren. §. 35. Oder, man ſtelle ſich dieſes von einer andern Seite ſo vor: Wenn die thieriſche Seelenkraft des Gehirns durch mancherley materielle aͤußere Empfindungen von aͤußern ſinnlichen Ein - druͤcken, welche, da ſie aus ſo vielen Merkmalen beſtehen, ſehr zuſammengeſetzte Bewegungen in ihm ſeyn muͤſſen, §. 26. oͤfters in Wirkung geſetzet worden, ſo erneuert ſie durch den innern thieriſchen Mechanismum des Gehirn - marks und durch den Reiz der eigenmaͤchtig wirkenden Vor - ſtellungskraft dieſe materiellen aͤußern Empfindungen zum Theil wieder, ob ſie dieſelben gleich nie ohne den Beyſtand des aͤußern ſinnlichen Eindrucks vollſtaͤndig hervorbringen kann. Dieſe eigenmaͤchtigen Vorſtellungen, die nichts an - ders als unvollſtaͤndige aͤußere Empfindungen ſind, werden, in ſo fern ſie zu ehemaligen aͤußern Empfindungen gehoͤren, Einbildungen, und in ſo fern ſie zu kuͤnftigen gehoͤren koͤnnen, Vorherſehungen genennet. Es iſt natuͤrlich, daß, ſo bald die Vorſtellungskraft durch die aͤußern Empfindun - gen den Grad der Vollkommenheit erlangt hat, daß ſie ſich ſelbſt Einbildungen und Vorherſehungen formiren kann, ſie durch jede neue aͤußere Empfindung, die etwas mit einer vorigen gemein hat, (die die materielle Jdee von einem ehemaligen andern aͤußern ſinnlichen Eindrucke einigerma - ßen wieder rege machet,) veranlaſſet werden, ſich die vorige aͤußere Empfindung ſo vollſtaͤndig, als ſie es ohne den ehe - maligen aͤußern ſinnlichen Eindruck derſelben vermag, wie - der vorzuſtellen, und die thieriſche Seelenkraft des Gehirns mit beſtimme, auch jene materielle aͤußere Empfindung ſo vollſtaͤndig wieder zu erneuren, als es ohne den ganzen ehe - maligen aͤußern ſinnlichen Eindruck, wovon im gegenwaͤr - tigen aͤhnlichen nur einige Theile ſind, geſchehen kann. Diejenigen eigenmaͤchtigen Vorſtellungen nun, welche auf die itztbeſchriebene Weiſe unmittelbar oder zu allernaͤchſtFdurch82I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. durch aͤußere Empfindungen veranlaſſet werden, heißen ſinn - liche im eigentlichen Verſtande. §. 32. Es giebt alſo ſinnliche Einbildungen und Vorherſehungen. Wenn ſinnliche Vorſtellungen wieder andre eigenmaͤchtige Vor - ſtellungen auf dieſelbe Weiſe, wie die aͤußern Empfindun - gen, veranlaſſen, ſo ſind dieß weniger ſinnliche, phy - ſiologiſch freyere, §. 27. welche wieder andre noch freye - re veranlaſſen, und wenn endlich die Vorſtellungen ſo ſehr weither von Empfindungen aͤußerer ſinnlicher Eindruͤcke ent - ſtehen, daß der Zuſammenhang beyder nicht mehr merklich iſt, und daß ſie nur wenig gemeinſchaftliche Theile aus al - len ſinnlichern, die ſie veranlaſſet haben, enthalten, ſo heißen dieß Vorſtellungen des Verſtandes, der Vernunft, hoͤhere abſtrakte, allgemeine Begriffe. Je weniger eine Vorſtellung ſinnlich iſt, deſto weniger laͤßt ſie ſich aus den Empfindungen der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke erklaͤren und herleiten, und deſto weniger entſteht ſie durch den na - tuͤrlichen Zwang derſelben, ſondern deſto mehr nach den pſychologiſchen Geſetzen der Vorſtellungskraft. §. 27. Wenn hingegen die Vorſtellungskraft der Seele aus ihren aͤußern Empfindungen gemeinſchaftliche Merkmale ſamm - let und zuſammenſetzet, die ſie ohne den Beyſtand ihres aͤu - ßern ſinnlichen Eindrucks, nur durch die Veranlaſſung aͤhn - licher aͤußerer ſinnlicher Eindruͤcke eigenmaͤchtig ſich vor - ſtellete, ſo veranlaſſet ſie im Gehirne ſolche materielle Jdeen, welche mit den materiellen Jdeen der aͤußern Empfindun - gen, aus welchen ſie geſammlet ſind, oder auf die ſie ſich beziehen, etwas gemein haben. Sie ſchafft die Bewegun - gen im Gehirne unvollſtaͤndig nach, die nur durch die Mit - wirkung des aͤußern ſinnlichen Eindrucks der aͤußern Em - pfindung aus der die ſinnliche Vorſtellung geſammlet iſt, vollſtaͤndig hervorgebracht werden koͤnnen, und wenn der - gleichen ſinnliche Vorſtellungen in der thieriſchen Oecono - mie einige Wirkungen aͤußern, ſo muͤſſen ſie mit denen von derſelben aͤußern Empfindung zum Theil uͤbereinkommen.
Sinnliche Einbildungen ſind Vorſtellungen vergange - ner aͤußerer Empfindungen, §. 66. B. M. §. 414. welche die Seele, ſo viel ſie es vermag, eigenmaͤchtig, und ohne Beyhuͤlfe des aͤußern ſinnlichen Eindrucks wiederholet. B. M. §. 415. mithin ganz ſinnliche Vorſtellungen. Die ma - teriellen Jdeen der Einbildungen ſind alſo die der ver - gangenen aͤußern Empfindungen, aber ſo unvollſtaͤndig, wie ſie ohne aͤußern ſinnlichen Eindruck nur ſeyn koͤnnen. §. 35. 53. das iſt: Wenn die Seele eigenmaͤchtig Ein - bildungen wirkt, ſo entſtehen im Gehirne Bewegungen, welche zum Theil die materiellen Jdeen ehemaliger aͤußerer Empfindungen ſind. §. 66. Die materiellen Jdeen der Einbildungen ſind, uͤberhaupt betrachtet, ſchwaͤcher, als die materiellen aͤußern Empfindungen; es koͤnnen aber de - ren einige zuſammengenommen manche aͤußere Empfindun - gen uͤbertreffen. §. 53. Je ſtaͤrker die Einbildungen, deſto wirkſamer ſind ihre materiellen Jdeen. §. 26.
Das, was den materiellen Jdeen der Einbildungen abgeht, daß ſie nicht vollſtaͤndige materielle aͤußere Em - pfindungen ſind, iſt der ins Gehirn fortgepflanzte aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven, der alſo die materiellen Jdeen vollſtaͤndiger, und dadurch die Vorſtellungen der Seele reicher an Merkmalen machet, als es die Vorſtel - lungskraft ohne ihn thun kann. §. 53.
Wenn die materiellen Jdeen als thieriſche Seelenkraͤfte des Gehirns §. 6. thieriſche Wirkungen im Koͤrper aͤußern, ſo muͤſſen die von den Einbildungen mit denen von ehema - ligen aͤußern Empfindungen zum Theil uͤberkommen, und ſich nach ihrer Staͤrke richten. §. 67. 66.
Da die Traͤume oft Einbildungen (durchgaͤngig ſinn - liche Vorſtellungen) der Schlafenden ſind, welche bey den Nachtwanderern ſo lebhaft werden, daß ſie ſie nicht von den aͤußern Empfindungen unterſcheiden, ſo wie die Seele ſolches in der Verruͤckung im Wachen nicht thut; ſo gilt von dieſen allen, was §. 67. 69. von den Einbildungen gelehret worden. Wenn die Seele mehrere Einbildungen eigenmaͤchtig zuſammenſetzet, ſo dichtet ſie. B. M. §. 438. Alſo gilt auch von den Erdichtungen (Fictionen) der Seele und ihren materiellen Jdeen, was §. 67-69. von den Einbildungen uͤberhaupt geſaget worden.
Eben dieſelben Vorſtellungen der Seele ſind mit eben denſelben materiellen Jdeen im Gehirne verbunden. §. 35. Daß aber die Seele von einerley Vorſtellungen, die zu verſchiedener Zeit wiederkommen, erkennt, daß die letzte eben dieſelbe ſey, welche die erſte war, dazu gehoͤret eine abermalige Vorſtellung der Seele, und es iſt nicht noth - wendig, daß die erſte ſo lange bis zur letzten fortgedauert haben muͤſſe, wenn man ſie fuͤr dieſelbe erkennen, das heißt: ſich ihrer erinnnern ſoll. So wenig nun in der Seele eine Fortdauer derſelben Vorſtellungen dazu erfodert wird, indem man lange Zeit zwiſchen ihrer Erneuerung gar keine Spur davon im Gemuͤthe haben, und hernach doch bey ih - rer Wiederhervorbringung urtheilen kann, daß es die ehe - malige ſey; ſo wenig iſt es auch nothwendig, daß die ma - terielle Jdee der Vorſtellung, die nach einiger Zeit wieder entwickelt, oder vom neuen in der Seele hervorgebracht und von ihr fuͤr die vorige erkannt worden, im Gehirne einen fortwaͤhrenden Eindruck bis zu ihrer Erneurung, oder ein Merkmal hinterlaſſen haben muͤſſe, deſſen die Seele ſich im Gehirne bediente, um die erneuerte ehemalige Vor - ſtellung wieder zu erkennen. Vielmehr iſt das Wiederer -kennen853 Abſchn. der Nerven. Vorherſehungen. kennen einer Vorſtellung jederzeit eine beſondre Operation der Vorſtellungskraft, (des Witzes,) welche von ihren eignen materiellen Jdeen im Gehirne begleitet wird, die wir nicht kennen, und wovon wir auch in der uͤbrigen thieri - ſchen Oeconomie keine Wirkung ſehen. Geſetzt aber, daß eine gewiſſe Fortdauer der Vorſtellungen zu den Erinne - rungen des Gedaͤchtniſſes erfodert wuͤrde, ſo werden auch die materiellen Jdeen dieſer fortdaurenden Vorſtellungen im Gehirne fortwaͤhren, §. 26. und dieß iſt der gewoͤhn - liche Begriff, welchen man ſich von den Vorſtellungen des Gedaͤchtniſſes zu machen pflegt. Allein eine Vorſtellung mag hundert Jahr in der Seele fortdauren, ſo wird ſie doch das Gedaͤchtniß der Seele nicht eher wieder erinnern, als bis ſie die neue Vorſtellung formiret, daß dieſes dieſelbe wieder ſey, die ehemals war. Vergl. d. A. 3 B. 147. St.
Das ſinnliche Gedaͤchtniß veranlaſſet durch ſeine Erin - nerungen ſolche materielle Jdeen im Gehirne, welche mit den ehemaligen materiellen Empfindungen etwas gemein haben, §. 71. 66. und in ſo fern es durch dieſelben thie - riſche Wirkungen im Koͤrper aͤußern moͤchte, wuͤrden ſie mit denen der ehemaligen aͤußern Empfindungen oder Ein - bildungen in etwas uͤberein kommen.
Die ſinnlichen Vorherſehungen und Erwartungen der Seele entſtehen aus wahren gegenwaͤrtigen aͤußern, und aus der Wiederholung ehemaliger Empfindungen, (Ein - bildungen §. 67.) die einen Theil miteinander gemein ha - ben, in welchen die Seele das, worinn beyde verſchieden ſind, als etwas Zukuͤnftiges betrachtet, das iſt, vorher - ſieht, und wenn ſie es mit dem, was ſie kuͤnftig wirklich empfinden wird, fuͤr einerley haͤlt, erwartet. B. M. §. 444. F 3454.86I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. 454. Sie haͤngen etwas entfernter, als die Einbildun - gen, von den aͤußern Empfindungen ab, indem ſie ſchon mit auf Einbildungen gegruͤndet ſind, da jene hingegen ſich nur auf aͤußere Empfindungen unmittelbar gruͤnden. §. 65. Blos ſinnliche Erwartungen heißen Ahndungen. B. M. 454. Vorherſehungen, Erwartungen und Ahn - dungen ſind demnach Vorſtellungen zukuͤnftiger aͤußerer Empfindungen, die alſo Merkmale von ihnen in ſich ent - halten. Mithin muͤſſen auch die materiellen Jdeen aller dieſer Vorherſehungen, die, von zukuͤnftigen aͤußern Em - pfindungen, aber ſehr unvollſtaͤndig ſeyn, da ſie die Seele ohne unmittelbare Beyhuͤlfe des aͤußern ſinnlichen Ein - drucks in die Nerven nur ſo weit, als ſie dieß vermag, ei - genmaͤchtig hervorbringt, §. 35. 53. das iſt: Wenn die Vorſtellungskraft Vorherſehungen hervorbringt, ſo ent - ſtehen im Gehirne Bewegungen, welche unvollſtaͤndige materielle Jdeen kuͤnftiger aͤußerer Empfindungen ſind. So wie die Vorherſehungen ſchwaͤcher als die aͤußern Empfin - dungen, und ſelbſt als die Einbildungen ſind, B. M. 445. 446. ſo ſind auch ihre materiellen Jdeen im Ge - hirne von ſchwaͤcherm Nachdrucke, als jene Beyde. §. 53. Je ſtaͤrker indeſſen die Vorherſehungen ſind, deſto mehr Staͤrke haben auch ihre materiellen Jdeen. §. 26.
Wenn die materiellen Jdeen der ſinnlichen Vorherſe - hungen, Erwartungen und Ahndungen thieriſche Wirkun - gen im Koͤrper aͤußern, ſo muͤſſen ſie mit denen von den zukuͤnftigen aͤußern Empfindungen zum Theil uͤbereinkom - men, und ſich nach ihrer Staͤrke richten. §. 66. 73.
Jm Traume, in der Verruͤckung erzeugen ſich oft ſinn - liche Vorherſehungen und Ahndungen. B. M. §. 458. Von dieſen und beſonders von denen der Wahrſager, welchesLeute873 Abſchn. der Nerven. Verſtand. Leute ſind, die eine Fertigkeit haben, das Zukuͤnftige zu erwarten, B. M. §. 456. gilt das, was § 73. 74. von den ſinnlichen Vorherſehungen uͤberhaupt geſaget worden.
Der Jnbegriff der ſinnlichen Vorſtellungskraͤfte der Seele (§. 66.) heißt die ſinnliche Erkenntnißkraft, und ſo wohl die wahren aͤußern Empfindungen, als die uͤbrigen ſinnlichen Vorſtellungen der Seele, ſind ſinnliche Er - kenntniſſe. Alle Vorſtellungen, die auf eine nur entfern - te Weiſe von den aͤußern Empfindungen beſtimmet werden, §. 65. 66. heißen Vorſtellungen des Verſtandes, (der obern Erkenntnißkraft,) wohin die verſtaͤndige Erinne - rungskraft, Vorherſehungskraft, Beurtheilungskraft u. ſ. w. gehoͤren. Die materiellen Jdeen aller dieſer Vorſtellungen werden weder durch aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die Ner - ven, noch durch die dadurch gewirkten materiellen Jdeen unmittelbar hervorgebracht, ſondern am eigenmaͤchtigſten von der Vorſtellungskraft ins Gehirn eingedruͤcket, und entwickeln ſich durch den verborgenſten Mechanismum der thieriſchen Seelenkraͤfte. §. 6. 27.
Die Aufmerkſamkeit, (das Achtgeben der Seele auf etwas) iſt derjenige Gebrauch ihrer Vorſtellungskraft, da ſie eine gewiſſe Vorſtellung, mit Hintanſetzung anderer, unterhaͤlt. Beym Aufmerken wird alſo die materielle Jdee einer gewiſſen Vorſtellung hauptſaͤchlich unterhalten, da hingegen die uͤbrigen ſich ſchwaͤchen, oder verſchwinden, und je ſtaͤrker die Aufmerkſamkeit iſt, deſto ſtaͤrker ſind auch ihre materiellen Jdeen und deren Wirkungen. §. 26. Dieſe Abwendung der Vorſtellungskraft von den andern Nebenvorſtellungen, zum Behuf derjenigen, worauf die Seele achtet, heißt die Abſtraktion, und die nach undF 4nach88I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. nach fortgehende Aufmerkſamkeit auf die Theile einer gan - zen Vorſtellung oder Erkenntniß, heißt das Nachdenken. (die Reflexion.) Beym Abſtrahiren hoͤren alſo viele ma - terielle Jdeen im Gehirne auf, oder werden ſchwaͤcher, und zwar deſto ſchwaͤcher, je ſtaͤrker ſie iſt. §. 26. Beym Reflektiren folgt eine von ihnen beſtaͤndig auf die andre, und wird von der vorhergehenden unmittelbar beſtimmet.
Wenn die materiellen Jdeen des Verſtandes in der thieriſchen Oeconomie des Koͤrpers Wirkungen hervorbrin - gen, ſo muß die Abſtraktion viele derſelben, die vorher zugleich erfolgeten, vermindern, oder vernichten; die Auf - merkſamkeit muß gewiſſe insbeſondre vermehren und unter - halten, und das Nachdenken wird einige beſondere nach und nach auf einander hervorbringen. §. 77.
Es waͤre unnuͤtz fuͤr die Arzneykunſt, ſich in die Be - ſchreibung der verſchiedenen Arten der Verſtandeskraͤfte und der Vernunft einzulaſſen, da wir ſchlechterdings nichts mehr davon wiſſen, als daß eine jede Vorſtellung des Ver - ſtandes mit geheimen Bewegungen im Gehirne, vermuth - lich in den Lebensgeiſtern, vergeſellſchaftet ſey, von deren Wirkungen in die thieriſche Oeconomie wir, wie unten er - hellen wird, §. 330. ſo wenig als von ihrer Natur verſte - hen, und es zu dem, was wir davon etwa ſagen koͤnnen, hinlaͤnglich iſt, nur bloß ihr Daſeyn zu wiſſen.
Die Seele hat ein eignes Gefuͤhl ihres gegenwaͤrtigen Zuſtandes, eine Empfindung ihrer eignen Vorſtellungen, welche man den innerlichen Sinn (das eigentliche Be - wußtſeyn, innerliche Empfindung, das Gewiſſen,das893 Abſchn. der Nerven. ſinnliche Luſt und Unluſt. das Selbſtgefuͤhl,) nennt. B. M. §. 396. Hierdurch iſt ihr, unter Bedingungen, die die Seelenlehrer erklaͤren, B. M. §. 478. manche Vorſtellung angenehm, manche unangenehm, oder, welches gleichviel iſt, manche ge - faͤllt ihr, vergnuͤgt ſie, ſie hat Luſt daran; manche misfaͤllt ihr, ſie hat Unluſt, Misvergnuͤgen daran. Dieſes Gefuͤhl iſt eine Beſchaffenheit der Vorſtellungen der Seele, und kann eine Beſchaffenheit Aller ſeyn. Die Vorſtellungen ſind es, welche gefallen, oder misfallen; das Gefaͤllige oder Widrige iſt ein Merkmal in ihnen, das die Seele zugleich mit erkennt. Da aber keine Vorſtel - lung zugleich gefaͤllt und misfaͤllt, außer in ſo fern ſie von einer andern Seite betrachtet, das iſt, eine andre Vorſtel - lung wird; ſo iſt eine Angenehme von einer andern Art, als eine Unangenehme, und jede macht demnach einen Ein - druck von andrer Art in dem Orte der materiellen Jdee die - ſer Vorſtellung im Gehirne, §. 25. welcher alſo auch ſei - nen beſondern und unterſchiedenen Einfluß in die thieriſche Oeconomie haben kann. §. 26. Man nenne ihn den Eindruck der Luſt oder Unluſt.
Dieſe Verſchiedenheit der Eindruͤcke einer angenehmen und einer unangenehmen Vorſtellung in den Urſprung der Nerven, ſetzet bey den aͤußern Empfindungen, das iſt, bey der Luſt und Unluſt der aͤußern Sinne, auch einen ver - ſchiedenen aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Nerven vor - aus, der ihn, als ſeine materielle Jdee, im Gehirne bildet. §. 25. Eine ſehr ſtarke Luſt der aͤußern Sinne heißt ein Ritzel; eine ſehr ſtarke Unluſt der aͤußern Sinne heißt Schmerz. Beyde ſind alſo aͤußere Empfindungen von ver - ſchiedener Beſchaffenheit, und machen verſchiedene materielle Empfindungen im Urſprunge des Nerven, der empfindet.
Die Luſt oder Unluſt, welche die eigentlichen ſinnlichen Vorſtellungen (§. 66.) verurſachen, heißt eine ſinnliche Luſt oder Unluſt, worunter man doch zum oͤftern auch die Luſt oder Unluſt der Sinnen mit begreift. Je ſinnlicher die ei - genmaͤchtigen Vorſtellungen ſind, deſto mehr koͤmmt ihreF 5Luſt90I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. Luſt oder Unluſt mit der der Sinnen von denjenigen aͤußern Empfindungen uͤberein, aus welchen die ſinnlichen Vorſtel - lungen zuſammengeſetzt ſind, oder auf die ſie ſich beziehen, und wenn ſie Wirkungen in der thieriſchen Oeconomie aͤu - ßern, ſo ſind ſie denen von der Luſt oder Unluſt dieſer Em - pfindungen aͤhnlich. Man kann aus den aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken der aͤußern Empfindungen, die dieſe ſinnlichen Vorſtellungen unmittelbar, oder doch auf naͤhere Weiſe ver - anlaſſen, erkennen und erklaͤren, warum ſie erfolgen, und ſie folgen alſo nach den Geſetzen derſelben. §. 66. Hinge - gen entwickelt ſich die Luſt oder Unluſt verſtaͤndiger Vor - ſtellungen blos nach den pſychologiſchen Geſetzen der Vor - ſtellungskraft, und bezieht ſich nicht merklich auf die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke der aͤußern Empfindungen, die ſie all - zuweither veranlaſſen. Aus einer unertraͤglichen Verwir - rung der Begriffe haben ſelbſt neuere Aerzte gelehret, daß die ſinnlichen Arten der Luſt und Unluſt, im Koͤrper, die verſtaͤndigen hingegen, in der Seele ihren Sitz haͤtten. Eben dieſen Jrrthum haben ſie bey den Leidenſchaften wie - derholet, wovon unten §. 579. N. 3.
Wenn die Seele eine Sache, oder, welches gleichviel iſt, die Vorſtellung einer Sache, die ihr gefaͤllt, vorher ſieht, ſo ſtrenget ſie ihre Vorſtellungskraft an, ſie be - muͤhet ſich, dieſe vorhergeſehene angenehme Vorſtellung hervorzubringen, oder ſich gegenwaͤrtig zu machen, das iſt, ſie zu empfinden, (in der dritten Bedeutung des Worts, §. 34. Anmerk. ) oder, die Vorherſehung in Erfuͤllung zu bringen; und von der vorhergeſehenen unangenehmen Vor - ſtellung die Gegentheilige hervorzubringen; (zu empfinden, in Erfuͤllung zu bringen,) in ſo fern ſie in beyden Faͤllen erwartet, daß ſie dieß durch die Anſtrengung ihrer Kraͤfte werde bewerkſtelligen koͤnnen. Dieſes Beſtreben, dieſe Anſtrengung ihrer Vorſtellungskraft, die ſie in der Abſichtvor -913 Abſchn. Der Nerven. Die Begehrungskraͤfte. vornimmt, um eine vorhergeſehene aͤußere oder innere (§. 34. 80.) Empfindung wirklich hervorzubringen, heißt im erſten Falle das Begehren, eine Begierde, im letzten Falle aber, das Verabſcheuen, eine Verabſcheuung. Wenn die vorhergeſehene angenehme Vorſtellung, (Sache,) oder das Gegentheil der unangenehmen in der Folge wirk - lich gegenwaͤrtig, (zur Empfindung) wird, ſo endiget ſich dieß Beſtreben, das iſt, die Begierden und Verab - ſcheuungen ſind befriedigt, geſaͤttigt, ihre Vor - herſehungen ſind erfuͤllt. B. M. §. 450. Wenn nun die Gegenſtaͤnde derſelben wahre aͤußere Empfindungen ſind, ſo kann ſolche die Vorſtellungskraft der Seele nicht eigenmaͤchtig, ohne aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die Ner - ven, hervorbringen. §. 34. 27. mithin koͤnnen ſolche Be - gierden und Verabſcheuungen ohne ſolche aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die Nerven, nicht erfuͤllt oder befriedigt werden.
Anmerkung. Man wird ſich hier der Anmerkung zum 34. §. wegen des Ausdrucks: Empfindung wie - der erinnern.
Die Beſtrebungen der Vorſtellungskraft der Seele ſind beſondre Beſtimmungen ihrer Kraft zu der Abſicht, eine gewiſſe beſondre Vorſtellung hervorzubringen, §. 81. und aͤußern alſo ihre Wirkungen ins Gehirn durch eben ſolche Beſtrebungen der Kraͤfte des Gehirns, zur Hervorbrin - gung einer gewiſſen beſondern zu ihr gehoͤrigen materiellen Jdee. §. 26. So iſt es alſo auch bey den Begierden und Verabſcheuungen. §. 81.
Da die Luſt und Unluſt die Bewegurſachen zu den Be - ſtrebungen, folglich die Gruͤnde der Begierden und Ver - abſcheuungen ſind, §. 80. 81. in welcher Beziehung ſie auch Triebfedern des Gemuͤths heißen; ſo verurſachendie92I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. die Eindruͤcke der Luſt oder Unluſt einer vorhergeſehenen Empfindrng in ſo fern ein Beſtreben der Kraͤfte des Ge - hirns, zur Hervorbringung der materiellen Jdee zu dieſer kuͤnftigen Empfindung, §. 81. 82. und dieß iſt der ma - terielle Ausdruck der Begierde oder Verabſcheuung im Gehirne.
Wer etwas begehret, der ſieht eine kuͤnftige (Sa - che) Vorſtellung, die ihm gefaͤllt, vorher, und bemuͤhet ſich, ſie hervorzubringen, daß ſie wirklich empfunden wer - de. §. 81. Man hat alſo in jeder Begierde zu unter - ſcheiden, 1. eine Vorherſehung und Erwartung einer kuͤnf - tigen Empfindung, die alſo aus Merkmalen derſelben be - ſteht und ſolche materielle Jdeen im Gehirne erzeuget, wel - che Theile der materiellen Jdee der kuͤnftigen Empfindung, mithin eine unvollſtaͤndige materielle Empfindung ſind. §. 73.
2. Die Triebfeder des Gemuͤths, Luſt, Vergnuͤgen, welche der unvollſtaͤndigen materiellen Empfindung im Ge - hirne den Eindruck der Luſt mittheilet. §. 80.
3. Die ſelbſtthaͤtige Anſtrengung der Seele zur Her - vorbringung der ganzen vorhergeſehenen Empfindung, die mit dem Beſtreben der Kraͤfte des Gehirns verbunden iſt, um die unvollſtaͤndige materielle Empfindung, (die die Seele vorherſieht,) zu ergaͤnzen, das iſt, vollſtaͤndig her - vorzubringen. (Die Vorherſehung zu erfuͤllen.) §. 82. 83.
Wenn alſo eine Begierde, durch ihren Einfluß ins Gehirn, Wirkungen in der thieriſchen Oekonomie aͤußert, ſo ſind dieſelben zuſammengeſetzet, aus denen, der mate - riellen Jdeen einer Vorherſehung und Erwartung, aus de - nen vom Eindrucke der Luſt ins Gehirn, und aus denen, von der Beſtrebung der thieriſchen Seelenkraft des Gehirns zur Hervorbringung der ganzen materiellen Empfindung,die933 Abſchn. Der Nerven. Die Begehrungskraͤfte. die vorhergeſehen wird, §. 84. und je ſtaͤrker alle dieſe ſind, deſto ſtaͤrker ſind ihre Wirkungen. §. 26.
Wer etwas verabſcheuet, der ſieht eine kuͤnftige (Sache) Vorſtellung vorher, die ihm misfaͤllt, und bemuͤ - het ſich, das Gegentheil davon wirklich zu machen. (zu em - pfinden.) §. 81. Man hat alſo in jeder Verabſcheuung zu unterſcheiden:
Wenn alſo eine Verabſcheuung durch ihren Einfluß ins Gehirn Wirkungen in der thieriſchen Oekonomie aͤu - ßert, ſo ſind dieſe Wirkungen zuſammengeſetzet, aus denen, der materiellen Jdeen einer Vorherſehung und Erwartung, aus denen vom Eindrucke der Unluſt ins Gehirn, und aus denen, von der Beſtrebung der thieriſchen Seelenkraft des Gehirns, zur Hervorbringung der ganzen materiellen Em - pfindung, die das Gegentheil der vorhergeſehenen iſt; §. 86.94I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. 86. und je ſtaͤrker alle dieſe ſind, deſto ſtaͤrker ſind ihre Wirkungen. §. 26.
Die Vorſtellungen, welche zur Erregung der Begier - den und Verabſcheuungen erfodert werden, naͤmlich die Triebfedern des Gemuͤths, §. 83. Luſt oder Unluſt, in ſo fern ſie das Gemuͤth bewegen, (die Vorſtellungskraft an - ſtrengen,) ſind entweder ſinnlich, §. 66. oder verſtaͤndig. §. 76. 80. Wenn ſie ſinnlich ſind, das iſt, wenn ſie wah - re aͤußere Empfindungen, oder andere ſinnliche Vorſtellun - gen (Einbildungen) §. 67. oder Vorherſehungen §. 73.) ſind, ſo heißen ſie ſinnliche Triebfedern; (ſinnliche Reizungen, Reizungen des Fleiſches,) gehoͤren ſie hin - gegen zum Verſtande, Bewegungsgruͤnde. Kitzel und Schmerz ſind alſo ſinnliche Reizungen. §. 80.
Die ſinnlichen Reizungen, (Triebfedern, welche auf keine Weiſe mit den ſinnlichen Eindruͤcken, Nervengefuͤh - len §. 31. 32. 121. verwechſelt werden muͤſſen,) erregen Begierden und Verabſcheuungen, welche man ſinnli - che nennet: §. 88. die Bewegungsgruͤnde hingegen, ver - ſtaͤndige, (Begierden oder Verabſcheuungen des Willens.) Mithin werden ſinnliche Begierden und Ver - abſcheuungen durch ſinnliche Luſt oder Unluſt erzeuget, das iſt, entweder durch wahre aͤußere Empfindungen, (durch Luſt oder Unluſt der Sinnen, §. 80.) oder durch ſinnliche Einbildungen, Vorherſehungen, ꝛc §. 88. und in ſo fern ihr Gegenſtand eine wahre aͤußere Empfindung iſt, laſſen ſie ſich ohne aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Nerven nicht befriedigen. §. 81. Man kann ſich aber die Entwickelung einer ſinnlichen Begierde oder Verabſcheuung aus den ſinn - lichen Reizungen auf verſchiedene Weiſe gedenken. Es gehoͤren dazu in der Seele mancherley Vorſtellungen, Vor - herſehungen, Erwartungen, Anſtrengungen der Vorſtel -ſtellungs -953 Abſchn. Der Nerven. Die Begehrungskraͤfte. lungskraft, §. 84. 86. die alle ihre materiellen Jdeen und Eindruͤcke ins Gehirn machen. §. 25. Nun koͤnnen die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke der ſinnlichen Reizungen, es moͤgen aͤußere Empfindungen oder daraus unmittelbar ge - ſammlete ſinnliche Vorſtellungen ſeyn, entweder die Be - ſchaffenheit, oder es kann das Gehirn eines Thiers fuͤr al - le oder einige derſelben von Natur die Einrichtung haben, daß ihre materielle Jdee die thieriſche Seelenkraft des Ge - hirns zu allen dieſen die ſinnlichen Begierden oder Verab - ſcheuungen entwickelnden materiellen Jdeen und Eindruͤ - cken aufreizet, und der Vorſtellungskraft die dazu gehoͤri - gen Vorſtellungen, nach Art der aͤußern Empfindungen, anzwingt: oder die aͤußern ſinnlichen Reizungen, oder auch der Mechanismus der thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns, ſind nicht ſo beſchaffen, daß ſie dieſe materiellen Jdeen und Eindruͤcke im Gehirne zur Hervorbringung der ſinnlichen Begierden oder Verabſcheuungen natuͤrlich noth - wendiger Weiſe nach ſich ziehen muͤſſen, ſondern ſo, daß, wenn dieß geſchehen ſoll, die Vorſtellungskraft der Seele nach ihren pſychologiſchen Geſetzen die dazu gehoͤrigen Vor - ſtellungen und Anſtrengungen eigenmaͤchtig hinzufuͤgen muß. §. 27. Jm erſten Falle folgen die ſinnlichen Be - gierden und Verabſcheuungen aus den ſinnlichen Reizun - gen, ſo wie aͤußere Empfindungen aus ihren aͤußern ſinnli - chen Eindruͤcken, natuͤrlich nothwendig nach den Geſetzen der Wirkung des aͤußern ſinnlichen Eindrucks in die thieri - ſchen Seelenkraͤfte, und ſind eben ſo ganz ſinnlich, wie die - ſe. Jm letzten Falle hingegen folgen die ſinnlichen Be - gierden und Verabſcheuungen aus den ſinnlichen Reizun - gen nicht natuͤrlich nothwendig, und man kann die Ent - wickelung derſelben aus ihnen nicht erklaͤren, wenn man nicht zugleich die Zwiſchenkunft der eigenmaͤchtigen Vor - ſtellungen, die ſie in der Seele veranlaſſen, und die ſie nach ihren Geſetzen dazwiſchen miſchet, in Erwaͤgung zieht. Wenn nun die ſinnlichen Begierden oder Verabſcheuungen in die thieriſche Oekonomie ihre Wirkungen haben, ſo mußman96I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. man dieſe im erſten Falle aus den aͤußern ſinnlichen Ein - druͤcken der ſinnlichen Reizungen, nach den Geſetzen ihrer Wirkung in die thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns al - lein, im letzten Falle aber nicht anders als zugleich aus den eigenmaͤchtigen Zwiſchenwirkungen der Vorſtellungskraft erklaͤren und herleiten koͤnnen. Die erſtern ſinnlichen Be - gierden und Verabſcheuungen alſo, die ſich faſt voͤllig wie aͤußere Empfindungen entwickeln, koͤnnte man ganz ſinn - liche, die letztern aber, die ſich mehr wie die Vorſtellungen des Verſtandes entwickeln, eigenmaͤchtigere, phyſiolo - giſch freyere, nennen. §. 27. Jn den letztern kann die Seele, die durch die ſinnlichen Reizungen veranlaßten zur Entwickelung der ſinnlichen Begierden oder Verabſcheuun - gen erfoderlichen Zwiſchenvorſtellungen unmoͤglich eigen - maͤchtig hinzuthun, ohne jene innerlich zu empfinden, das iſt, ohne ſich ihrer bewußt zu ſeyn. §. 80. Jn den erſten hingegen koͤnnen die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke der ſinnli - chen Reizungen die materiellen Jdeen und Eindruͤcke zu dieſen Zwiſchenvorſtellungen und Anſtrengungen im Gehir - ne mehr oder weniger entwickeln und ausbilden, und doch die ſtaͤrkſten ſinnlichen Begierden oder Verabſcheuungen erregen, weil ſie hier zunaͤchſt von der Staͤrke des aͤußern ſinnlichen Eindrucks allein gewirket werden, mithin erfol - gen koͤnnten, wenn ſich auch die Seele dieſer Zwiſchenvor - ſtellungen und Eindruͤcke gar nicht bewußt wuͤrde.
Anmerkung. Es iſt nicht moͤglich, dieſer Sache hier ſchon einen hoͤhern Grad der Deutlichkeit zu geben, weil man uͤberhaupt erſt mit der Natur der ſinnlichen Be - gierden und Verabſcheuungen und ihren Wirkungen in die thieriſche Oekonomie durch die naͤchſtfolgenden Lehren be - kannter werden muß, um ſie in ihrem ganzen Umfange ein - zuſehen. Weiter unten aber, wenn alle Gruͤnde erklaͤret ſeyn werden, wird ſie ſich im ſtaͤrkern Lichte zeigen. S. §. 564 — 579.
Eine ſtaͤrkere ganz ſinnliche Begierde, die aus dunkeln ſinnlichen Reizungen entſteht, und deren materielle Jdeen im Gehirne ſich alſo wenig entwickeln, §. 26. heißt ein blin - der Trieb, (Jnſtinkt, Sympathie, ſinnlicher Hang, ſinnliche Neigung, natuͤrlicher Trieb im weitlaͤufti - gen Verſtande; S. §. 295.) und eine ſolche Verab - ſcheuung, ein blinder Abſcheu; (Antipathie, ſinnliche Abneigung, Feindſchaft;) beyde aber ſinnliche Triebe. (Das Fleiſch.) Sie werden in Triebe der Selbſterhal - tung, der Selbſtvertheidigung, der Fortpflanzung des Geſchlechts, und ſolche fuͤr die Nachkommenſchaft eingetheilt.
Staͤrkere Begierden und Verabſcheuungen aus ver - worrenen, (zwar klaren, deren man ſich bewußt iſt, aber un - deutlichen) ſinnlichen Reizungen, deren materielle Jdeen im Gehirne ſich alſo weit mehr entwickeln, als der ſinnli - chen Triebe, §. 26. heißen Leidenſchaften, (Gemuͤths - bewegungen, Affeckten,) davon die, aus den ſinnlichen Reizungen der Luſt, angenehme, der Unluſt aber, unan - genehme genennet werden.
Jn jedem ſinnlichen Triebe und in jeder Leidenſchaft hat man zu unterſcheiden:
Wenn ein ſinnlicher Trieb, oder eine Leidenſchaft, durch ihren Einfluß ins Gehirn, Wirkungen in der thieriſchen Oeconomie aͤußern, ſo muͤſſen dieſelben zuſammengeſetzet ſeyn, aus denen, der materiellen Jdeen einer ſinnlichen Vor - herſehung und Erwartung, aus denen, von den (ſtaͤrkern) Eindruͤcken der ſinnlichen Reizungen ins Gehirn, und aus denen der heftigern Beſtrebungen der thieriſchen Seelen - kraͤfte des Gehirns zur Hervorbringung der ganzen mate - riellen Empfindung, die vorhergeſehen wird §. 92. und je ſtaͤrker jede von ihnen iſt, deſto ſtaͤrker ſind dieſe Wirkun - gen. §. 85. 87. 90. 91.
Die eigentliche Entwickelung oder Hervorbringung eines ſinnlichen Triebes, oder einer Leidenſchaft, iſt dieſe: Zuerſt iſt eine aͤußere Empfindung, oder andre ſinn - liche Vorſtellung, in der Seele. Dieſe veranlaſſet die ſinn - liche dunkle oder verworrene Vorherſehung und Erwartung einer vollſtaͤndigen zukuͤnftigen Empfindung, welche ſehr gefaͤllt oder misfaͤllt, und ſelbſt nichts anders, als ein Theil,eine993 Abſchn. der Nerven. Triebe. Leidenſchaften. eine Sammlung mancher Merkmale von der kuͤnftigen Empfindung, das iſt, eine unvollſtaͤndige Empfindung mit ihren ſinnlichen Reizungen, iſt. Hierdurch wird die See - le bewogen, ihre Vorſtellungskraft eigenmaͤchtig, mit ſtar - kem Nachdrucke, anzuwenden, um dieſe vorhergeſehene Em - pfindung, (ſie werden nun als das Gegentheil einer andern betrachtet, oder nicht,) vollſtaͤndig, das iſt, nach allen uͤbri - gen, in der Vorherſehung fehlenden Merkmalen der wah - ren Empfindung, hervorzubringen, und dadurch den Trieb oder die Leidenſchaft zu befriedigen, (die Vorherſehung der - ſelben zu erfuͤllen) §. 81. welches doch, wenn es wahre aͤu - ßerliche Empfindungen betrifft, ohne einen dazu kommen - den aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Nerven, nicht geſche - hen kann. Wenn wir dieſes, nach §. 25. auf die thieri - ſchen Verrichtungen anwenden, ſo entwickelt ſich in thieri - ſchen Koͤrpern das Materielle eines ſinnlichen Triebes oder einer Leidenſchaft alſo: Zuerſt ſind materielle aͤußere Em - pfindungen, Einbildungen, oder andre ſinnliche Vorſtellun - gen im Gehirne. Durch deren Veranlaſſung entſteht da - ſelbſt die materielle Jdee einer Vorherſehung und Erwar - tung einer kuͤnftigen Empfindung, das iſt, eine unvoll - ſtaͤndige materielle Empfindung, welche die Eindruͤcke der Luſt oder Unluſt mit in ſich enthaͤlt. Zu dieſer geſellet ſich nun ein neuer Antrieb der thieriſchen Seelenkraͤfte des Ge - hirns, um eben dieſe unvollſtaͤndige materielle Empfin - dung vollſtaͤndig zu machen, entweder weil er aus dieſer na - tuͤrlich nothwendiger Weiſe folget, oder weil die Seele eigen - maͤchtig den Vorſaͤtz gefaſſet hat, und ihre Kraft dazu an - ſtrenget, ihre vorhergeſehene unvollſtaͤndige Empfindung zu ergaͤnzen. §. 89. Demnach wird, durch dieß Beſtreben der thieriſchen Seelenkraft des Gehirns, eine Bemuͤhung zur Hervorbringung der ganzen materiellen Empfindung, wovon ſchon ein Theil wirklich da iſt, angewendet, theils um mehrere Theile derſelben, zu welchen die Seele die Merk - male in der Vorherſehung eigenmaͤchtig hinzufuͤgen kann, hervorzubringen, theils um die ſchon vorhandenen TheileG 2dieſer100I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. dieſer materiellen Empfindung ſtaͤrker auszudruͤcken und wirkſamer zu machen, bis die noch uͤbrigen fehlenden Thei - le der ganzen materiellen Empfindung, durch dieſe Bemuͤ - hung der thieriſchen Seelenkraͤfte, endlich entweder wirklich hervorgebracht ſind, da dann die Beſtrebung aufhoͤret, (durch die Befriedigung des Triebes oder der Leidenſchaft,) oder das Beſtreben der thieriſchen Seelenkraͤfte wieder nachlaͤßt, ohne damit zu Stande gekommen zu ſeyn; (durch Entkraͤf - tung des Triebes oder der Leidenſchaft.) Erſteres kann, wenn die unvollſtaͤndige materielle Empfindung eine wahre aͤußerliche ſeyn muͤßte, um vollſtaͤndig zu werden, ohne Hinzukommung eines aͤußern ſinnlichen Eindrucks in die Nerven, nicht geſchehen. §. 35. Alle Wirkungen, welche die Triebe und Leidenſchaften der Seele unmittelbar ins Ge - hirn aͤußern, ſind alſo materielle Jdeen einer Vorherſe - hung und Erwartung, die Theile der vollſtaͤndigen mate - riellen Jdee einer kuͤnftigen Empfindung ſind, nebſt den ſtarken ſinnlichen Eindruͤcken der Luſt oder Unluſt, die in dieſe materielle Vorherſehung gehoͤren; und wenn dieſe ma - teriellen Jdeen in der thieriſchen Oeconomie Wirkungen veranlaſſen, ſo ſind es keine andre, als die von der unvoll - ſtaͤndigen materiellen Empfindung mit den Wirkungen der darinn enthaltenen Eindruͤcke der ſinnlichen Luſt oder Un - luſt vereiniget, mit ungemeiner Staͤrke ausgedruͤcket. §. 93.
Ein ſinnlicher Trieb und eine Leidenſchaft hoͤren auf und werden gehindert, entweder durch die Entkraͤf - tung der ſinnlichen Reizungen, welche die Seele zu dieſem ſtarken Beſtreben veranlaſſen, welches theils nach pſycho - logiſchen, theils nach phyſiologiſchen Gruͤnden geſchehen kann; oder durch die Befriedigung, (Erfuͤllung der Vor - herſehung,) §. 81. daß naͤmlich das Beſtreben der Seele ſeinen Zweck erreicht und die unvollſtaͤndig in der Vorher - ſehung liegende Empfindung wahr und vollſtaͤndig wird, wozu in dem Falle, wenn die Empfindung eine aͤußerlicheiſt,1013 Abſchn. der Nerven. Der Wille. iſt, ein aͤußerlicher ſinnlicher Eindruck in die Nerven erfo - dert wird. §. 94. Daher wird die Befriedigung der ſinnli - chen Triebe und Leidenſchaften, deren Gegenſtand aͤußere Empfindungen ſind, (§. 34.) gehindert, wenn man dieſe hindert, wovon §. 46. Jn andern Faͤllen, wo die ſinnlich begehrte oder verabſcheuete Empfindung eine eigenmaͤchtige - re Vorſtellung iſt, §. 80. ſteht die Hervorbringung derſel - ben mehr in der eigenen Macht der Seele, und wird haupt - ſaͤchlich nach pſychologiſchen Gruͤnden gehindert.
Die Bewegungsgruͤnde machen einen Eindruck der Luſt oder Unluſt in der materiellen Jdee einer jeden nicht gleichguͤltigen Vorſtellung, alſo auch einer ſolchen kuͤnftigen Empfindung, im Gehirne, welcher deſto ſtaͤrker ſeyn muß, je ſtaͤrker die Luſt oder Unluſt der Seele iſt, und nach dieſer Verhaͤltniß auch ſeinen Einfluß in die thieriſche Oeconomie haben kann. §. 80. 88. Sie erregen aber auch, als Trieb - federn des Gemuͤths, Begierden und Verabſcheuun - gen, §. 83. welche vernuͤnftige, (das Wollen und Nichtwollen, Willensmeynungen, freye Entſchluͤſ - ſe,) genennet werden, §. 89. und aus einer verſtaͤndigen Vorherſehung und Erwartung, und den in ihnen enthalte - nen Bewegungsgruͤnden entſtehen. §. 84. 86. 88. Die materiellen Jdeen dieſer Vorherſehungen und Erwartun - gen, die die Seele, nach pſychologiſchen Geſetzen, in ſich hervorbringt, nebſt ihren Eindruͤcken der verſtaͤndigen Luſt oder Unluſt, wirken das Beſtreben der thieriſchen Seelen - kraͤfte des Gehirns, zur Hervorbringung der vollſtaͤndigen materiellen Jdee der vorhergeſehenen Empfindung, wodurch die Theile derſelben, die in der materiellen Jdee der Vor - herſehung ſchon enthalten ſind, theils vermehret, theils ſtaͤr - ker und nachdruͤcklicher ausgebildet werden. Dieſes Be - ſtreben iſt deſto ſtaͤrker, je ſtaͤrker die Seele will oder nicht will, und nach dieſer Verhaͤltniß kann es auch ſeinen Ein -G 3fluß102I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. fluß in die thieriſche Oeconomie haben. §. 85. 87. (Man kann auch hier zur Erlaͤuterung §. 94. vergleichen.)
Alle materielle Jdeen, §. 25. 26. mit ihren Eindruͤ - cken der Luſt oder Unluſt, §. 80. und alle Beſtrebungen der Kraͤfte des Gehirns, inſofern ihr Grund in der Vor - ſtellungskraft der Seele liegt, §. 27. nebſt allen weſentlich davon abhaͤngenden (B. M. §. 224.) thieriſchen Wirkun - gen im Koͤrper, heißen Seelenwirkungen (operationes animae. Wirkungen der thieriſchen Seelenkraͤfte. §. 6.) Es laſſen ſich alſo alle Seelenwirkungen in thieri - ſchen Koͤrpern eintheilen, in ſolche, der Erkaͤnntnißkraͤfte, und zwar der ſinnlichen, das iſt, der aͤußerlichen Empfin - dungen, Einbildungen, Vorherſehungen, §. 67. 73. und des Verſtandes; §. 76. der Triebfedern des Gemuͤths §. 80. 83. und zwar der ſinnlichen Reizungen und Be - wegungsgruͤnde §. 88. und der Begierden und Verab - ſcheuungen, §. 81. und zwar der ſinnlichen, wohin die, der Triebe und Leidenſchaften gehoͤren, §. 90. 91. und des Willens. §. 96. Diejenigen Seelenwirkungen welche eine ganze (totale, B. M. §. 378) Vorſtellung der Seele, ohne die Zwiſchenkunft anderer, hervorbringt, heißen unmittel - bare, die uͤbrigen aber, mittelbare (zufaͤllige) Seelen - wirkungen dieſer ganzen Vorſtellung.
Die Seelenwirkungen der aͤußerlichen Empfin - dungen ſind:
Die Seelenwirkungen der uͤbrigen ſinnlichen Vorſtellungen, §. 66. das iſt, der Einbildungen, Erinnerungen, Erdichtungen, und Vorherſehun - gen, Erwartungen und Ahndungen, ſind:
Die Seelenwirkungen der Vorſtellungen des Verſtandes §. 76. ſind:
Die Seelenwirkungen der ſinnlichen Reizungen §. 88. fuͤr ſich betrachtet, §. 80. ſind:
1. Die1053 Abſchn. Der Nerven. Die Seelenwirkungen.Die Seelenwirkungen der Bewegungsgruͤnde, §. 88. fuͤr ſich betrachtet, ſind:
Die Seelenwirkungen der ſinnlichen Begierden, Verabſcheuungen, Triebe und Leidenſchaften, §. 81. 90. 91. ſind:
Die Seelenwirkungen der verſtaͤndigen Begier - den und Verabſcheuungen des Willens, §. 96. ſind:
Da alle Vorſtellungen der Seele entweder durch einen Einfluß der thieriſchen Verrichtungen des Koͤrpers, dervor1073 Abſchn. Der Nerven. Die Seelenwirkungen. vor ihnen hergehen muß, in die Seele gebracht, oder, we - niger oder mehr hiervon abhaͤngig, durch ihre Vorſtel - lungskraft eigenmaͤchtig gewirket werden, §. 27. 65. ſo haͤngt auch die Ordnung, wie die Seelenwirkungen derſel - ben im Koͤrper erfolgen, bald mehr bald weniger von die - ſem koͤrperlichen thieriſchen Einfluſſe in die Vorſtellungs - kraft ab, bald iſt ſie faſt gaͤnzlich §. 65. 66. dem bloßen Willkuͤhr der Seele anhaͤngig. Daher begleiten die See - lenwirkungen jede Art von Vorſtellungen nach verſchiede - nen beſondern Geſetzen.
Die Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen fol - gen aus den letztern, ſo wie dieſelben aus den aͤußern ſinn - lichen Eindruͤcken in die Nerven, die im Gehirne eine ma - terielle aͤußere Empfindung hervorbringen, erfolgen. §. 34. 98. Man kann alſo die Ordnung der Folge der Seelen - wirkungen von aͤußern Empfindungen aus der Folge der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in die Nerven, in ſo fern ſie die aͤußern Empfindungen in der Seele veranlaſſen, erken - nen. Obgleich die Seele ihre aͤußern Empfindungen durch ihre Vorſtellungskraft hervorbringt, ſo thut ſie es doch nicht eigenmaͤchtig, da ſie des aͤußern ſinnlichen Eindrucks dazu vorlaͤufig bedarf. §. 35. 27. (vergl. B. M. §. 520.)
Die Seelenwirkungen der ſinnlichen Vorſtellungen, naͤmlich die Einbildungen, Erinnerungen, Erdichtungen, Vorherſehungen, Erwartungen, Ahndungen ꝛc. folgen aus allen dieſen ſinnlichen Vorſtellungen ſo, wie die aͤußern Empfindungen die Vorſtellungskraft noͤthigen, ſie eigen - maͤchtig hervorzubringen. Das Eigenmaͤchtige iſt bey den ſinnlichen Vorſtellungen blos relativiſch. Es geſchieht zwar eigenmaͤchtig, daß ſich die Seele eine ehemalige oder kuͤnftige aͤußere Empfindung unvollſtaͤndig oder zum Theil vorſtellet, weil ſie dazu des aͤußern ſinnlichen Eindrucks dieſer ganzen aͤußern Empfindung nicht bedarf, §. 27. al - lein ſie wird durch die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke wahrerEmpfin -108I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. Empfindungen, die mit jenen zum Theil uͤbereinſtimmen, dazu genoͤthiget, und wirket alſo doch alle ihre ſinnlichen Einbildungen und Vorherſehungen ꝛc. unter dem Zwange der Sinne. Es laſſen ſich demnach die Seelenwirkungen derſelben doch immer aus aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken ge - wiſſer Empfindungen herleiten, und ſie entſtehen und ent - wickeln ſich nach den Geſetzen der Wirkung der aͤußern ſinn - lichen Eindruͤcke in die thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns, nur nicht ſo unmittelbar, wie die aͤußern Empfindungen ſelbſt. §. 67. 73. 99.
Die Seelenwirkungen der ſinnlichen Reizungen folgen aus den angenehmen oder unangenehmen ſinnlichen Vor - ſtellungen, ſo wie dieſe der Seele gefallen oder misfallen. §. 80. 88. 101. Es gilt alſo von den Seelenwirkungen der ſinnlichen Reizungen eben daſſelbe, was von den ſinn - lichen Vorſtellungen uͤberhaupt geſaget worden. §. 106. 105. Das Gefallen und Misfallen der ſinnlichen Vor - ſtellungen gruͤndet ſich auf verſchiedene Beſchaffenheiten, (Merkmale) ihrer ſelbſt, §. 80. und haͤngt in ſo fern blos von der Sinnlichkeit ab.
Die Seelenwirkungen der ſinnlichen Begierden, Ver - abſcheuungen, Triebe und Leidenſchaften, §. 81. 90. 91. folgen aus allen dieſen ſinnlichen Vorſtellungen ſo, wie die ſinnlichen Reizungen, naͤmlich die gefaͤlligen oder misfaͤlli - gen aͤußern Empfindungen oder ſinnlichen Vorſtellungen, die Erwartung und das Beſtreben zu ihrer Befriedigung hervorbringen. §. 92. 103. Die ſinnlichen Reizungen der ganz ſinnlichen Begierden und Verabſcheuungen, wo - hin beſonders die Triebe gehoͤren, §. 90. bringen dieſe Zwiſchenvorſtellungen (das Erwarten und Beſtreben) bloß nach den Geſetzen der Wirkung des aͤußern ſinnlichen Ein - drucks in die thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns, hinge -gen1093 Abſchn. der Nerven. die Seelenwirkungen. gen die phyſiologiſch freyern, wohin beſonders die hoͤhern Leidenſchaften gehoͤren, §. 91. nach den pſychologiſchen Ge - ſetzen der Vorſtellungskraft hervor. §. 89. Alſo laſſen ſich die Seelenwirkungen Jener ganz ſinnlichen Begierden und Verabſcheuungen aus den aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken ihrer ſinnlichen Reizungen, dieſer hoͤhern hingegen nicht ohne Mitanwendung der pſychologiſchen Geſetze der Vor - ſtellungskraft erklaͤren und herleiten.
Die Vorſtellungen des Verſtandes, §. 76. der Bewe - gungsgruͤnde, §. 88. und des Willens §. 96. haͤngen zwar, wie alle Vorſtellungen, von den aͤußern Empfindungen ab: §. 65. aber nur auf eine ſehr entfernte Weiſe. §. 66. Jn dieſer Hinſicht wird die Seele als die eigenmaͤchtige Schoͤ - pferinn aller dieſer Vorſtellungen betrachtet, die ſie ohne vorhergehende merkliche aͤußerliche Veranlaſſung in den Werkzeugen der aͤußern Sinne, nach den pſychologiſchen Geſetzen der Vorſtellungskraft, nach ihrem eignen Belie - ben hervorbringt.
Die Seelenwirkungen der Vorſtellungen des Verſtan - des, der Bewegungsgruͤnde, und des Willens, §. 76. 88. 96. folgen aus ihnen ſo, wie ſie die Seele nach ihrem Belieben und Willkuͤhr, den pſychologiſchen Geſetzen der Vorſtellungskraft gemaͤß, eigenmaͤchtig hervorbringt, §. 100. 102. 104. Man kann alſo den Grund, warum die Seelenwirkungen aller dieſer Vorſtellungen ſo und nicht anders auf einander folgen, nur in dem freyen Belieben der Seele, das durch die pſychologiſchen Geſetze der Vor - ſtellungskraft beſtimmet wird, und nur auf ſehr entfernte Weiſe in der Wirkung der Sinnlichkeit auf die Vorſtel - lungskraft finden. §. 109.
Ob nun gleich die Seelenwirkungen der verſchiedenen Arten von Vorſtellungen bald nach den Geſetzen der Wir - kung der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in die thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns, bald nach den pſychologiſchen Geſetzen der Vorſtellungskraft ſich entwickeln und auf ein - ander folgen, ſo wirket doch zu Jeder ſowohl die Vorſtel - lungskraft, als die thieriſche Seelenkraft des Gehirns mit, §. 25. und man kann alſo Jede, an ſich auf zweyerley Wegen hervorbringen, erleichtern, hindern und unter - druͤcken, naͤmlich theils indem man die zu Jeder gehoͤrigen Operationen der thieriſchen Maſchinen hervorbringt oder erleichtert, hindert oder unterdruͤckt, das iſt, phyſiolo - giſch, theils indem man daſſelbe an den Operationen der Seele thut, das iſt, pſychologiſch. Wie die Seelen - wirkungen der aͤußern Empfindungen, mithin auch, durch dieſe, der ſinnlichen Vorſtellungen, Begierden, Triebe und ſehr ſinnlichen Leidenſchaften phyſiologiſch hervorge - bracht oder gehindert werden, in ſo fern man die aͤußern Empfindungen ſelbſt phyſiologiſch hervorbringt oder hin - dert, iſt ſchon oben §. 45. 46. gelehret worden. Wie aber die Seelenwirkungen der Vorſtellungen, Begierden ꝛc. im Gehirne als materielle Jdeen ſich aus einander phyſiolo - giſch entwickeln und in die Nerven uͤbergehen, iſt zu erklaͤ - ren bis itzt unmoͤglich, da wir von der Beſchaffenheit der thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns, und von der Art und Weiſe, wie ſie die Vorſtellungen in Wirkung ſetzen, nichts begreifen. Hingegen wiſſen wir uͤberhaupt die Bedingun - gen, unter welchen dieſe Seelenwirkungen in den thieriſchen Maſchinen außerhalb dem Gehirne phyſiologiſch hervorge - bracht oder gehindert werden, wovon unten §. 121. u. f. Wie aber alles dieſes pſychologiſch geſchehen koͤnne, das wird in der Seelenlehre gezeiget, und man kann alſo die Seelenwirkungen auf beyderley Weiſe, und aus ganz ver - ſchiedenen Gruͤnden, erhalten, erleichtern und verbeſſern,und1113 Abſchn. der Nerv. Wirkungen der materiellen ꝛc. und ſie koͤnnen auf beyderley Weiſe, aus eben ſo verſchiede - nen Gruͤnden, gehindert, geſchwaͤchet und verdorben wer - den. Dieß iſt der Grund des Unterſchiedes unter den Krankheiten der thieriſchen Seelenkraͤfte und Seelenwir - kungen, die von Leibes - und die von Gemuͤthsurſachen her - ruͤhren, und unter den therapevtiſchen und pſychologiſchen Curen.
Die verſchiedenen Grade der Sinnlichkeit der Vorſtel - lungen geben das Anſehen, als ob die aͤußern Empfindun - gen der Seele und ihre Seelenwirkungen blos vom Koͤrper, die ſinnlichen Erkenntniſſe, Reizungen, Begierden, Ver - abſcheuungen, Triebe und Leidenſchaften, nebſt ihren See - lenwirkungen, theils vom Koͤrper, theils von der Seele, und die verſtaͤndigen Vorſtellungen, Bewegungsgruͤnde, das Wollen und Nichtwollen, nebſt ihren Seelenwirkun - gen, blos von der Seele abhiengen. §. 105-110. Ei - gentlich aber werden alle Seelenwirkungen durch die thieri - ſche Seelenkraft des Gehirns hervorgebracht, aber zugleich Alle durch die Vorſtellungen der Seele veranlaſſet, und die Seele bringt alle ihre Vorſtellungen durch ihre Vorſtel - lungskraft hervor, ſie werden aber Alle von den materiel - len Jdeen im Gehirne §. 25. mithin von Seelenwirkungen §. 97. wieder veranlaſſet, wie ſolches in der Seelenlehre ausfuͤhrlich erwieſen wird. Vergl. B. M. §. 563. 567. wie auch unten §. 119.
Bis hieher iſt, nach der §. 30. feſtgeſetzten Ordnung, gezeiget worden, wie die materiellen Jdeen ins Gehirn gebracht werden, naͤmlich theils durch den aͤußern ſinn -lichen112I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. lichen Eindruck in die Nerven, der bis ins Gehirn fort - geht, (durch aͤußerliche Empfindungen,) §. 31-64. theils durch den Einfluß der Vorſtellungen, die die Seele eigen - maͤchtig hervorbringt, in das Gehirn. §. 65-112. Jtzt iſt die andre Frage zu eroͤrtern: Was fuͤr Wirkungen die materiellen Jdeen in der thieriſchen Oeconomie verrichten? §. 30. Es iſt aber im gegenwaͤrtigen Ka - pitel, (nach §. 16.) nur von denjenigen Wirkungen die Rede, die ſich nicht, oder in ſo fern ſie ſich nicht in die mechaniſchen Maſchinen ausbreiten, ſondern in den eigentlichen thieriſchen Maſchinen, (§. 9.) dem Gehirne und den Nerven, allein betrachtet werden koͤn - nen. Mit dieſer Unterſuchung werden wir dieſes zweyte Kapitel beſchließen. §. 30.
Die materiellen Jdeen ſind thieriſche Kraͤfte, in ſo fern ſie in der thieriſchen Oeconomie ihre Wirkungen aͤu - ßern. Da ſie nun mit der Vorſtellungskraft der Seele uͤbereinſtimmend wirken, §. 97. ſo ſind ſie thieriſche See - lenkraͤfte. §. 6.
Alle materielle Jdeen ſind einzig und allein im Gehir - ne. §. 25. Alſo thun ſie ihre Wirkungen entweder un - mittelbar, durchs Gehirn, oder vermittelſt der Ner - ven, in welchen ſich das Gehirn durch den ganzen thieri - ſchen Koͤrper ausbreitet, §. 12. 13. indem dieß nur die ein - zigen thieriſchen Maſchinen im Koͤrper ſolcher Thiere ſind, die wahre Vorſtellungen haben, §. 9. die Lebensgeiſter aber nur ihre thieriſchen Verrichtungen vermitteln. §. 17. 18.
Alle Wirkungen der materiellen Jdeen, ſie moͤgen un - mittelbar durchs Gehirn, oder vermittelſt der Nerven im Koͤrper entſtehen, §. 115. erſtrecken ſich entweder nur indie1133 Abſchn. der Nerv. Wirk. d. mat. Jdeen ins Geh. die empfindenden, (thieriſchen) Maſchinen deſſelben, welches allein das Gehirn und die Nerven ſind, §. 34. 14. oder ſie ſetzen zugleich mechaniſche Maſchinen in Bewegung.
Demnach ſind alle Wirkungen der materiellen Jdeen in die thieriſche Oeconomie entweder unmittelbare des Ge - hirns, die ſich nicht auf mechaniſche Maſchinen, noch in die Nerven erſtrecken, oder unmittelbare des Gehirns, die ſich, ohne Vermittelung der Nerven, auf mechaniſche Ma - ſchinen erſtrecken; oder mittelbare des Gehirns durch die Nerven, die entweder blos in den Nerven bleiben, wenig - ſtens doch nur in ſo fern betrachtet werden, als ſie dadurch nicht mechaniſche Maſchinen in Bewegung ſetzen, oder, die zugleich mechaniſche Maſchinen bewegen. §. 115. 116. Da wir nun hier die Wirkungen der materiellen Jdeen nur in ſo fern zu betrachten haben, als ſie ſich nicht auf die mechaniſchen Maſchinen erſtrecken, ſondern ſo, wie ſie in den eigentlichen thieriſchen allein beſchaffen ſind, §. 113. ſo gehoͤren von den obigen Wirkungen der materiellen Jdeen in dieſen Abſchnitt nur:
Alle materielle Jdeen ſind Bewegungen im Gehirne §. 25. mithin koͤnnen auch ihre Wirkungen im thieriſchen Koͤrper keine andre, als Bewegungen ſeyn: aber thieri - ſche, §. 114. und Seelenwirkungen, §. 97. die, wennHſie114I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. ſie ſich nicht außerhalb dem Gehirne erſtrecken, unmittelba - re Wirkungen ſeiner eigenthuͤmlichen thieriſchen Seelen - kraft ſind. §. 114. Nun iſt aber die eigenthuͤmliche thie - riſche Seelenkraft des Gehirns keine andre als die: mate - rielle Jdeen fuͤr Vorſtellungen der Seele hervorzubringen. §. 25. 6. Alſo ſind die unmittelbaren Wirkungen der materiellen Jdeen, die im Gehirne bleiben, und ſich weder in Nerven, noch in mechaniſche Maſchinen erſtrecken, nichts anders, als andre materielle Jdeen, welche andre Vor - ſtellungen in der Seele veranlaſſen, mithin ſich auch in an - dern Punkten des Gehirns, als die erſtern, entwickeln koͤnnen, wie ſolches von den verſchiedenen aͤußern Empfin - dungen gewiß iſt. §. 43.
Die urſpruͤnglichen materiellen Jdeen im Gehirne, die durch aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die Nerven §. 31. 32. oder durch eigenmaͤchtige Vorſtellungen der Seele hervor - gebracht werden §. 27. erzeugen alſo, als thieriſche See - lenkraͤfte §. 114. im Gehirne an und fuͤr ſich ſelbſt mate - rielle Jdeen einer zwoten Art, welche zu denjenigen Vorſtellungen der Seele erfodert werden, die entweder un - mittelbar aus ihren aͤußern Empfindungen, oder aus ih - ren eigenmaͤchtigen urſpruͤnglichen Vorſtellungen entſtehen. §. 118. das iſt: So, wie die Vorſtellungen der Seele aus den Urſpruͤnglichen herſtammen und folgen, ſo entſte - hen und erfolgen durch die eigenthuͤmliche thieriſche Seelen - kraft des Gehirns, vermittelſt der im Gehirne ſelbſt blei - benden Wirkungen der urſpruͤnglichen materiellen Jdeen, alle zu den Vorſtellungen gehoͤrige materielle Jdeen der andern Art aus einander: wodurch das, was §. 112. ge - lehret worden, erwieſen iſt. Nach dieſem Geſetze richten ſich die unmittelbaren Wirkungen der materiellen Jdeen, die ſich weder in Nerven noch in mechaniſche Maſchinen erſtrecken §. 117. N. 1. Uebrigens wiſſen wir von allen dieſen im Jnnern des Gehirns allein bleibenden Wirkun -gen1153 Abſchn. der Nerven. Wirk. d. mat. Jdeen ꝛc. gen nichts, als daß ſie vermuthlich durch die Lebensgeiſter allein bewerkſtelliget werden. §. 28.
So bald, oder in ſo fern ſich hingegen die Wirkungen der materiellen Jdeen nur in die Nerven ausbreiten, es ſey nun, daß ſie dadurch zugleich mechaniſche Maſchinen in Bewegung ſetzen, oder nicht, kann man ſchon mehr Spu - ren von ihnen entdecken, und dieſe ſind es, welche wir itzt, der Ordnung nach §. 117. N. 2. zu betrachten haben. Zu dieſem Entzwecke werden wir vorher die Wirkungen der materiellen Jdeen, oder der eigenthuͤmlichen thieri - ſchen Seelenkraft des Gehirns, durch die Nerven, uͤberhaupt, §. 121 — 141. hernach aber die Wirkun - gen derſelben durch die Nerven inſofern insbeſondre in Erwaͤgung ziehen, als ſie nicht mechaniſche Maſchi - nen in Bewegung ſetzen, ſondern blos in den thieri - ſchen Maſchinen, (den Nerven §. 115.) allein offen - bar werden. §. 142. — 151.
Die materiellen Jdeen ſind als Eindruͤcke zu betrach - ten, welche die Vorſtellungen ins Gehirn machen: §. 25. 112. Denn von denen die die eigenmaͤchtigen Vorſtellun - gen begleiten, finden wir keinen naͤhern Grund im Thiere, als die Vorſtellungen, und was die von den aͤußern Em - pfindungen betrifft, ſo entſtehen ſie doch, obgleich der aͤuße - re ſinnliche Eindruck ſie hervorbringt, nicht eher als bis die aͤußere Empfindung der Seele zugleich mit entſteht, daher dieſe als eine Urſache von jenen betrachtet werden kann. §. 25. Zum Unterſchiede der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in die Nerven, §. 32. wollen wir die materiellen Jdeen, als Ein -H 2druͤckte116I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. druͤcke ins Gehirn betrachtet, ſo wie jeden den Nerven vom Gehirne abwaͤrts beygebrachten Eindruck, der thieriſche Wirkungen hervorbringt, in Ermangelung eines beque - mern kurzen Ausdrucks, innere ſinnliche Eindruͤcke, (ſinnliche Eindruͤcke ins Gehirn, inneres Nerven - gefuͤhl, §. 31. 32. ) nennen. S. §. 406. Sie ſind alſo ſinnliche Eindruͤcke entweder im Urſprunge eines Nerven im Gehirne, oder, die in ihn nach der Richtung vom Ge - hirne her, nach den Spitzen hin, gemachet werden, dahin - gegen die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in der Richtung von den Spitzen ab, nach dem Gehirne hin, den Nerven bey - gebracht werden. §. 31. 32. Es kann alſo ein Nerve ei - nen innern ſinnlichen Eindruck empfangen, der nicht vom Gehirne ſelbſt koͤmmt, ſo wie auch nicht jeder aͤußerer ſinn - licher Eindruck bis zum Gehirn fortgehen muß. §. 47. ꝛc. Jndeſſen geſchehen die innern ſinnlichen Eindruͤcke in die Nerven von thieriſchen Seelenkraͤften (materiellen Jdeen §. 114.) insgeſammt durchs Gehirn, und koͤnnen ohne Ausnahme ſinnliche Eindruͤcke durchs Gehirn genennet werden, welches Ausdrucks wir uns alſo in dieſem erſten Theile, wo nur von den thieriſchen Seelenkraͤften die Rede iſt §. 8. mehrentheils bedienen werden.
Die Wirkungen der materiellen Jdeen in die Nerven ſind alſo in die Nerven fortgepflanzte Eindruͤcke der Vor - ſtellungen ins Gehirn, die alſo, vom Gehirne ab, ihre Rich - tung abwaͤrts nach den Nervenzweigen und ihren Spitzen nehmen, §. 31. 121. und da in dieſer Beziehung die ma - teriellen Jdeen als thieriſche Seelenkraͤfte wirken, §. 114. ſo ſind auch ihre Wirkungen in die Nerven wahre Seelen - wirkungen §. 97. die, wahrſcheinlicher Weiſe, durch die Le - bensgeiſter in das Syſtem der Nerven ausgebreitet werden. §. 28. H. P. §. 377. wodurch alſo dasjenige beſtaͤtiget wird, was §. 17. von der Richtung der im Gehirne enthaltenen Lebensgeiſter in die Nerven geſagt worden iſt.
Weil keine andre thieriſche Bewegungen in thieriſchen Koͤrpern Seelenwirkungen ſind, als die materiellen Jdeen ſelbſt, und die aus ihnen weſentlich herruͤhrenden thieriſchen Wirkungen, §. 97. ſo wird zu allen wahren Seelenwirkun - gen ein ſinnlicher Eindruck der Vorſtellungen ins Gehirn erfodert, der entweder im Gehirne bleibt, oder ſich durch die Nerven, in der Richtung abwaͤrts vom Gehirne, aus - breitet. §. 122.
Da fuͤr jeden Nerven im Gehirne ein beſonderer Ort iſt, aus dem er entſpringt, §. 13. und in welchem ſich auch die materiellen Jdeen ſeiner aͤußern Empfindungen nur ent - wickeln, ohne daß das uͤbrige Gehirn daran Theil nehmen mußte, §. 43. ſo muͤſſen auch die ſinnlichen Eindruͤcke der Vorſtellungen ins Gehirn, wenn ſie in beſondern Nerven Seelenwirkungen hervorbringen, den Urſprung dieſer Ner - ven im Gehirne treffen. §. 31. 118. Daher wird nicht von jeder Vorſtellung das ganze Gehirn, ſondern nur ein gewiſſer Ort oder Theil, der die materielle Jdee dazu for - miret, in Wirkung geſetzet, und dieſe Wirkung pflanzet ſich unmittelbar nur in den Nerven, und ſeine Zweige und Spi - tzen fort, der in dieſem Orte des Gehirns entſpringt, ob ſie ſich gleich andern Nerven, wenn ſie ſich mit dieſem in Kno - ten verwickeln, auch mittelbar mittheilen kann, wenn nur in beyden Faͤllen keine Hinderniſſe dieſes Uebergangs vor - handen ſind. Die Eindruͤcke der Luſt und Unluſt im Ge - hirne ſind nur verſchiedene Beſchaffenheiten der materiellen Jdeen der Vorſtellungen. §. 80. Alſo geſchehen ſie in eben dem Orte der materiellen Jdeen der Vorſtellungen, welche gefallen oder misfallen, und ſind nur Eindruͤcke verſchiede - ner Art in einerley Urſpruͤngen der Nerven.
So, wie der aͤußerliche ſinnliche Eindruck in die Nerven, indem er zum Gehirn aufſteiget, ob er gleichH 3in118I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. in Staͤmmen, worinn ſich mehr Zweige verſammlen, ja in gemeinſchaftliche Staͤmme ganz verſchiedener Nerven, und ſelbſt ins Ruͤckenmark dringt, das der allgemeine Stamm einer großen Menge von Nerven iſt, dennoch im Gehirne, am Orte des Urſprungs des Nerven, der ihn empfangen hat, unvermiſcht mit allen andern zugleich geſchehenen aͤu - ßern ſinnlichen Eindruͤcken, die eben denſelben Weg neh - men, anlanget, und ſeine beſondre materielle Jdee daſelbſt erzeuget; §. 39. ſo gehen auch die ſinnlichen Eindruͤcke der Vorſtellungen, aus den Oertern des Gehirns, wor - inn ſie entſtehen, durch die daraus entſpringenden Nerven - ſtaͤmme, bis zu den beſtimmten Zweigen und Endungen herab, und pflanzen ſich dadurch fort, ohne ſich mit den zugleich geſchehenen Eindruͤcken andrer Vorſtellungen ins Gehirn zu vermiſchen, ob ſie gleich durch einerley Staͤmme, ja wenn ſie gleich erſt durch das Ruͤckenmark in groͤßere Nervenſtaͤmme und von da in kleinere Zweige gemeinſchaft - lich mit einander herabgehen. §. 124. Der Grund von bey - den Erſcheinungen iſt einer und eben derſelbe. §. 39. Jm Urſprunge des Nerven ſind ſchon alle ſeine Faden getheilet, und laufen ſo fuͤr ſich beſonders, obgleich als Theile eines und ebendeſſelben groͤßern Nerven, bis zu ihrem beſtimm - ten Orte im Koͤrper. §. 13. Jeder ganzer Nerve hat wie - der ſeinen beſondern Ort des Urſprungs im Gehirne, und ob ſich gleich derſelbe unterwegens mit mehrern in große Staͤmme, dergleichen z. E. das Ruͤckenmark iſt, vereinigt, und hernach wieder in Zweige zertheilet, ſo bleibt er doch immer fuͤr ſich abgeſondert, und geht ſeinen eignen Weg bis an ſeinen beſtimmten Ort fort. Es mag alſo ein ſinn - cher Eindruck im Gehirne einen ganzen Nerven, welchen er wolle, oder, in einem Urſprunge eines Nerven, einen ſeiner Faͤden, zugleich ruͤhren, indem zehn andre ſolche ſinn - liche Eindruͤcke die Urſpruͤnge andrer Nerven, oder andrer einzelner Faden in einem und eben demſelben Nerven ruͤh - ren, ſo pflanzet ſich doch jeder in ſeinem beſondern Nerven, oder im beſondern Faden deſſen, den er geruͤhret hat, beſon -ders1193 Abſchn. der Nerven. Wirk. d. mat. Jdeen ꝛc. ders fort, nimmt ſeinen eignen Weg neben den andern, und thut ſeine Wirkung, wie jene, ohne daß eine ſich mit der andern verwirret.
Obgleich zu derſelben Zeit, da die ſinnlichen Eindruͤ - cke von Vorſtellungen ins Gehirn ſich in einen gewiſſen Nervenzweig fortpflanzen, und durch ihn ihre Seelenwir - kung verrichten, in denſelben Nervenzweig auch aͤußere ſinnliche Eindruͤcke gemachet werden, die auf eben demſel - ben Wege, aufwaͤrts zum Gehirn, bis an den Urſprung des Nerven, gehen, von welchem der ſinnliche Eindruck ins Gehirn herabgekommen; ſo hindern ſich doch dieſe bey - derſeitigen ſinnlichen Eindruͤcke in ihrem Fortgange vom und zum Gehirn, ohnerachtet ſie in ihrer Richtung ein - ander entgegengeſetzet ſind und ſich begegnen, auf keine Wei - ſe, ſondern es erfolget die Wirkung eines jeden eben ſo, als ob er den entgegengeſetzten Eindruck nicht empfangen haͤt - te. §. 17. 18. H. P. §. 377. Jſt es nicht aus dieſer wahrhaften Bemerkung hoͤchſt wahrſcheinlich, daß von der Menge der Nervenfaden, woraus jeder einzelne Nerve be - ſteht, §. 13. nur einige dazu dienen, den aͤußern ſinnli - chen Eindruck, der in die Spitze des Nerven gemachet wird, (vielleicht die in den Spitzen befindlichen Lebensgei - ſter,) nur aufwaͤrts nach dem Gehirne zu ſenden, dahin - gegen andre nur beſtimmet ſind, den ſinnlichen Eindruck im Gehirne, (vielleicht die beym Urſprunge des Nerven im Gehirne befindlichen Lebensgeiſter,) nur niederwaͤrts vom Gehirne ab, nach den Spitzen des Nerven zu fuͤhren; ſo wie es zweyerley Blutgefaͤße giebt, die ſolche entgegen - geſetzte Wirkungen thun. Nach dieſer Vergleichung, wel - cher die Jdee des Borellus (de mot. anim. §. 159.) am naͤchſten koͤmmt, und die A. Monro (de nervis §. 48.) nicht hinlaͤnglich widerleget, wuͤrde das Gehirn, das die Lebensgeiſter erzeuget, §. 11. dieſelben in einem Nerven durch gewiſſe Faden herab in die Spitzen, (Empfindungs -H 4waͤrzgen,)120I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. waͤrzgen,) ſeiner Zweige treiben, wo ſie die Spitzen ande - rer Faden in ſich naͤhmen, und zum Gehirn, als zum Herzen, zuruͤckfuͤhreten. H. P. §. 385. Ob ſie nun gleich nicht ſtreng erwieſen werden kann, ſo erhaͤlt ſie doch da - durch einen ſehr hohen Grad der Wahrſcheinlichkeit, weil ſich daraus manche Erſcheinungen in thieriſchen Koͤrpern begreiflich machen laſſen, die ſonſt ſchlechterdings unerklaͤr - bar bleiben. Es wird der Muͤhe werth ſeyn, dieſes ein wenig umſtaͤndlicher zu erweiſen.
Wenn in eine Nervenſpitze am Umfange des Koͤrpers ein aͤußerlicher ſinnlicher Eindruck gemachet wird, ſo geht derſelbe durch die Nervenfaden dieſes Nerven, (§. 13.) die ihn aufwaͤrts leiten koͤnnen, wenn keine Hinderniſſe in den Weg kommen, zum Gehirn, bis an den Ort, der der Urſprung dieſes Nerven iſt. Die andern Nervenfa - den, welche den Eindruck nicht aufwaͤrts fortpflanzen koͤn - nen, werden von der Beruͤhrung von außen gar nicht ſinn - lich geruͤhret. Jm Orte des Urſprungs des Nerven im Gehirne bringt der fortgepflanzete aͤußere ſinnliche Ein - druck eine materielle Jdee hervor, die eine aͤußere Empfin - dung in der Seele veranlaſſet. Von dieſer Bewegung (materiellen Jdee) im Urſprunge des Nerven werden nur diejenigen Faden, welche den ſinnlichen Eindruck vom Ge - hirne abwaͤrts fortpflanzen koͤnnen, ſinnlich geruͤhret, da - hingegen nun die, welche den aͤußern ſinnlichen Eindruck zum Gehirn gebracht haben, von der aͤußern Empfindung der Seele keinen ſinnlichen Eindruck annehmen. Jene aber pflanzen denſelben fort in die Theile, worinn die See - lenwirkungen von der aͤußern Empfindung entſtehen koͤn - nen, und ſo erfolgen dieſelben. Nun iſt es begreiflicher, wie ſich dieſe entgegengeſetzten Bewegungen von den entge - genſtehenden ſinnlichen Eindruͤcken in eben denſelben Ner - ven einander nicht hindern, und warum derſelbe Nerve, in eben der Zeit, einen aͤußern ſinnlichen Eindruck zum Ge -hirn1213 Abſchn. der Nerven. Wirk. d. mat. Jdeen ꝛc. hirn bringen kann, da er in einem Gliede des Koͤrpers eine Seelenwirkung, z. E. eine willkuͤhrliche Bewegung ma - chet. Wenn ſich auf dem Wege des Nerven aus dem Ge - hirne in andre Theile, derſelbe in viele Zweige theilet, die in verſchiedene Glieder des Koͤrpers abgehen, ſo koͤnnen einige ſeiner Faden, die den Eindruck vom Gehirne ab - waͤrts fortpflanzen, in andre, und einige von denen, die den aͤußern ſinnlichen Eindruck hinauf leiten, wieder in an - dre weit davon entfernte Theile gehen, und ſo kann die Empfindung eines Gliedes, durch eben denſelben Haupt - nerven, vermittelſt des ſinnlichen Eindrucks ins Gehirn, in den vom Orte der aͤußerlichen Beruͤhrung entfernten Gliedern, eine (Bewegung) Seelenwirkung hervorbrin - gen. Dieſer Zuſammenhang in den Seelenwirkungen ver - ſchiedener Theile, heißt die Mitleidenheit (Sympathie) der Seelenwirkungen. Wenn die Faden eines Ner - ven, die den aͤußern ſinnlichen Eindruck zum Gehirn fuͤh - ren, am Orte ſeines Urſprungs im Gehirne die gehoͤrige materielle Jdee hervorbringen, und die Seele ihn alſo em - pfindet, hingegen dieſer Nerve am Orte ſeines Urſprungs im Gehirne einen Fehler hat, z. E. einen Druck, eine Ausdehnung leidet, wodurch die urſpruͤnglichen Punkte derjenigen ſeiner Faden, die den ſinnlichen Eindruck im Gehirne abwaͤrts fuͤhren muͤſſen, in ihrer Verrichtung nur allein gehindert werden, ſo wird die Seelenwirkung, (z. E. eine willkuͤhrliche Bewegung,) die ſonſt auf dieſe aͤußere Empfindung der Seele, (durch dieſe materielle aͤußere Em - pfindung im Gehirne) erfolgen konnte, nicht mehr erfol - gen, bis dieſe Hinderniß gehoben iſt, und ſo iſt es begreif - lich, wie ein Nerve ſeine Empfindlichkeit behalten und doch ſeine bewegende Kraft, Seelenwirkungen im Koͤrper her - vorzubringen, verloren haben, wie er empfindlich und doch gelaͤhmt ſeyn wuͤrde, welches nicht ſelten beobachtet wird. Wenn hingegen dieſe Hinderniß nur diejenigen Nervenfaden im Urſprunge des Nerven im Gehirne be - trifft, welche die aͤußerlichen ſinnlichen Eindruͤcke zum Ge -H 5hirn122I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. hirn fuͤhren, ſo wird dieſer aͤußere ſinnliche Eindruck kei - ne materielle aͤußere Empfindung, alſo auch keine aͤußere Empfindung in der Seele hervorbringen: allein es wird eine eigenmaͤchtige Vorſtellung der Seele, die in dieſem Urſprunge des Nerven im Gehirne ihren ſinnlichen Ein - druck (ihre materielle Jdee) machet, die ihn herableitenden Nervenfaden, die unverſehrt ſind, gehoͤrig reizen, und durch ſie eine Seelenwirkung im Koͤrper, (z. E. eine will - kuͤhrliche Bewegung,) hervorbringen koͤnnen, das heißt: derſelbe Nerve wird unempfindlich und doch nicht gelaͤhmet ſeyn, ſondern dem Willen zu Gebote ſtehen. Wie waͤre es wohl moͤglich, dieſe beyden wahren Erſcheinungen in der Natur auf irgend eine andre Weiſe zu erklaͤren, wenn man nicht dieſe Verſchiedenheit in den Faden eines und eben deſ - ſelben Nerven annimmt? Daß im Urſprunge der Nerven ihre verſchiedenen Faden getheilet und von einander abge - ſondert ſind, das kann man bey manchen ſo gar deutlich ſehen. „ Die Nerven ſind markigte Buͤndel, die bey ihrem „ Urſprunge aͤußerſt weich ſind, und aus geradelienigten „ gleichlaufenden Faſern beſtehen, die aus dem Gehirne ent - „ ſtehen, und vereiniget, gleichſam Schnuren ausmachen. „ Dieſe Faſern ſind zuweilen ſchon im Gehirne von einan - „ der abgeſondert. “ H. P. §. 356. Daß von dieſen Ner - venfaden in ihrem Urſprunge die eine Art einen Fehler lei - den koͤnne, den die andre Art nicht, oder den jede von bey - den Arten nur zum Theile leidet, iſt aus der großen Men - ge unendlich kleiner Blutgefaͤße, die das ganze Gehirn durchdringen, und die kleinſten Nerven begleiten, wahr - ſcheinlich, indem in einigen derſelben eine Aufſchwellung, oder Stockung Statt finden kann, die in andern benach - barten nicht iſt, und die alſo nur die urſpruͤnglichen Punkte einiger Nervenfaden im Orte des Urſprungs eines Nerven zu ihren Verrichtungen untuͤchtig machen kann, indem ſie ſie z. E. zuſammendruͤckt, entzuͤndet, u. ſ. w. Hieraus und aus mehr andern Folgen, die mit den Beobachtungen uͤbereinſtimmen, und ſich im folgenden beylaͤufig werdenanzeigen1233 Abſchn. der Nerven. Wirk. d. mat. Jdeen ꝛc. anzeigen laſſen, erhaͤlt dieſe Meynung, von zweyerley Ar - ten der Nervenfaden in einem Nerven, die fuͤr die entge - gengeſetzten ſinnlichen Eindruͤcke in die Nervenſpitzen und in ihre Urſpruͤnge im Gehirne beſtimmet ſind, eine natuͤr - liche Glaubwuͤrdigkeit, die ſie wuͤrdig machet, daß man ihr alle moͤgliche Aufmerkſamkeit ſchenke. Jch werde mich ihrer indeſſen in dieſer Schrift nie anders, als einer bloßen Meynung bedienen, um das Wahre vom Wahrſcheinli - chen uͤberall abzuſondern.
Anmerkung. Der Herr v. Haller ſcheint zwar nicht von dieſer Meynung eingenommen zu ſeyn, ob er gleich ſelbſt fuͤr wahrſcheinlich haͤlt, „ daß ein Theil der „ Lebensgeiſter wieder zuruͤckgeſogen werde: damit dieſer „ ſo nothwendige Saft nicht allzugeſchwind verfliege; “H. P. §. 385. gleichwohl aber iſt doch das, was er da - gegen erinnert, von weniger Erheblichkeit: „ Roͤhrchen „ von zweyerley Art an einem und eben demſelben Ner - „ ven koͤnnen wenigſtens unſre Sinnen nicht unterſchei - „ den, indem uns alle Nervenſchnuͤre einander gleich und „ aͤhnlich zu ſeyn ſcheinen. “ (Aus ſolch einem Grunde duͤrfte man gar keine Lebensgeiſter glauben, die auch nicht in die Sinne fallen.) „ So hat auch das Mark „ des Gehirns nichts Ungleichartiges an ſich, um von ei - „ nem verſchiedenen Baue verſchiedene Verrichtungen er - „ warten zu koͤnnen. “ (Gleichwohl hat doch gewiß das Hirnmark hoͤchſt verſchiedene Verrichtungen, wenn aͤuſ - ſere ſinnliche Eindruͤcke in ihm materielle Jdeen erregen, und wann ihm der Wille Eindruͤcke giebt, wodurch es die Glieder beweget, und auch wann dieſes Beydes ver - mittelſt einerley Nervens zu einer und eben derſelben Zeit geſchieht. Sollte man uͤbrigens wohl aus dem Baue des Herzens in allen Thieren den Umlauf durch zweyerley Blutgefaͤße errathen, wenn man ſonſt keine Anzeigen davon wuͤßte?) „ Und ſo ſcheinen auch die al - „ lerkleinſten Nervenzweige, z. E. die Nerven des Re - „ genbogens im Auge, nicht allein zu empfinden, welches„ ſich124I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. „ ſich durch den ſtechenden Schmerz eines entzuͤndeten „ Regenbogens verraͤth, ſondern auch Bewegungen zu „ machen, wovon eben dieſer Regenbogen ebenfalls ein „ Beyſpiel giebt. “ (Da die Nervenſchnuren, die wir mit den beſten Vergroͤßerungsglaͤſern betrachten, noch immer aus andern zuſammengeſetzet ſind, und noch kein menſchliches Auge ihr Ende erreicht hat; ſo kann die zu zweyerley Faden in einerley auch faſt unſichtbar kleinen Nerven erfoderliche Subtilitaͤt, wohl ſchwerlich die Sache unwahrſcheinlich machen.) S. H. gr. P. 4 B. S. 617. Noch weniger haben Monros Gruͤnde wi - der dieſe Meynung zu bedeuten. „ Man hat kein Bey - „ ſpiel, daß ein abgeſonderter Saft ohne Vermiſchung wie - „ der zu dem Orte ſeiner Abſonderung zuruͤckkehren ſollte, „ wie, dieſer Meynung nach, der Nervenſaft thun muͤß - „ te. — Es iſt unnoͤthig, denſelben ſo zu ſparen, da „ die dazu beſtimmten Abſonderungswerkzeuge groß ge - „ nug ſind, den noͤthigen Vorrath zu liefern. — Durch „ einen ſo beſtaͤndigen Umlauf wuͤrde der Nervenſaft „ ſcharf werden. — Ein Stoß oder eine augenblickliche „ Beruͤhrung der zuruͤckfuͤhrenden Nervenroͤhrchen koͤnn - „ te zwar den Strom des Nervenſafts zum Gehirn be - „ ſchleunigen: aber ein langer Druck wuͤrde den Ruͤck - „ fluß zum Gehirn hindern. “ Monro tract. tres de Nerv. etc. §. 48. Lauter gemachte Schwierigkeiten, aus vorausgeſetzten Theorien, wo keine andre wichtig ſeyn koͤnnen, als die wenigſtens, wie die Halleriſchen, auf Beobachtungen beruhen.
Wenn ein Nerve zuſammengedruͤcket, oder zerſchnitten wird, ſo erfolgen in dem vom Gehirne abgeſonderten Theile deſſelben keine thieriſche Wirkungen mehr von den ſinnli - chen Eindruͤcken ins Gehirn, ſondern man bemerkt ſie nur noch in dem Theile des Nerven, der uͤber der verletzten Stelle nach dem Gehirne hin, liegt §. 31. wird aber dergebun -1253 Abſchn. der Nerven. Wirk. d. mat. Jdeen ꝛc. gebundene Nerve wieder entbunden, ſo erfolgen ſie wieder, wie zuvor, wofern nur durch das Binden die Strucktur des Nerven nicht verdorben worden iſt. H. P. §. 367. Jn ſolchem Falle verliert auch der abgebundene Theil des Ner - ven ſeine aͤußere Empfindlichkeit, §. 43. weil ſich in ſolchen keiner von beyden ſinnlichen Eindruͤcken durch die gebunde - ne oder zerſchnittene Stelle des Nerven weiter fortpflanzen kann. (der Fortgang der Eindruͤcke beyder Arten iſt in bey - den Gattungen der Nervenfaden gehemmet. §. 126. 127.) „ Wenn das Gehirn ſelbſt, wo es immer ſeyn mag, zuſam - „ mengedruͤcket wird, ſo wird derjenige Theil des Koͤrpers „ zu den Wirkungen des ſinnlichen Eindrucks im Gehirne „ unfaͤhig, deſſen Nerven aus dem gedruckten Theile des „ Gehirns entſpringen. Er wird ihrer aber wieder faͤhig, „ ſo bald der Druck des Gehirns aufgehoben wird. Wenn „ das ganze Gehirn zuſammengedrucket wird, ſo hoͤren alle „ thieriſche Wirkungen der ſinnlichen Eindruͤcke ins Gehirn „ durch den ganzen Koͤrper auf. “ H. P. §. 368. Hiervon kann die Urſache ſeyn, daß entweder, wegen des Drucks des Gehirns, gar keine ſinnliche Eindruͤcke in daſſelbe ge - machet werden, mithin auch keine Vorſtellungen in der Seele entſtehen koͤnnen, §. 121. 25. weil ein ſolcher Druck die ganze thieriſche Kraft, alſo auch die ganze Seelenkraft des Gehirns (§. 6.) aufhebt; da dann freylich auch keine Wirkungen im Koͤrper davon erfolgen koͤnnen: und dieß iſt der Fall, wenn die Zuſammendruͤckung des Gehirns zu - gleich, nebſt der Vernichtung der thieriſchen und Seelen - wirkungen im Koͤrper, einen tiefen Schlaf der Seele ver - urſachet, wie auch, wenn durch kuͤnſtliche Zuſammendruͤ - ckung des Urſprungs eines Nerven im Gehirne, derſelbe ſo wol zur aͤußern Empfindung, als zu allen davon zu erwar - tenden Seelenwirkungen unfaͤhig gemachet wird: H. P. §. 368. oder es kann auch die Urſache darinn liegen, daß durch den Druck einzelner Theile des Gehirns, wenn z. E. Blut oder Waſſer darinn austritt, oder Stuͤcken des Hirn - ſchedels hinein getrieben werden, nur diejenigen Faden imUrſprun -126I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. Urſprunge gewiſſer Nerven, die ſonſt im Koͤrper Seelen - wirkungen hervorbringen, in ihrer Verrichtung gehindert werden, in welchen die ſinnlichen Eindruͤcke ins Gehirn ih - ren Fortgang vom Gehirne abwaͤrts haben muͤſſen: da dann die aͤußern Empfindungen und eigenmaͤchtigen Vor - ſtellungen der Seele wirklich bleiben, und doch im Koͤrper die ihnen gewoͤhnlichen Seelenwirkungen nicht erfolgen koͤn - nen. Dieſes gruͤndet ſich aber blos auf die §. 126. 127. vorgetragene Meynung, und ohne dieſe iſt der Fall nicht zu erklaͤren, daß ein Druck im Gehirne gewiſſe Glieder zu ihren Seelenwirkungen untuͤchtig machen, (z. E. laͤhmen,) und doch die aͤußern Empfindungen und eigenmaͤchtigen Vorſtellungen der Seele ungehindert laſſen kann. Am Mangel der materiellen Jdeen zu den aͤußern Empfindun - gen und andern Vorſtellungen kann es unmoͤglich liegen, weil ohne dieſe die aͤußern Empfindungen und andern Vor - ſtellungen in der Seele nicht wuͤrden entſtehen koͤn - nen. §. 25.
Wenn vermittelſt der Nerven Seelenwirkungen durch aͤußerliche Empfindungen unmittelbar hervorgebracht wer - den ſollen, ſo wird dazu erfodert:
Wenn vermittelſt der Nerven Seelenwirkungen durch eigenmaͤchtige Vorſtellungen der Seele (§. 27.) hervorge - bracht werden ſollen, ſo wird erfodert;
Wenn die materielle Jdee einer aͤußerlichen Empfin - dung in den Urſprung eines andern Nerven im Gehirne, als des ihrigen, einen ſinnlichen Eindruck machte, ſo wuͤr - de dieſer eine materielle Jdee §. 121. zu einer andern, §. 118. und zwar zu einer ſinnlichen Vorſtellung, §. 66. oder vermittelſt der ſinnlichen Reizungen dieſer, §. 88. zu Trieben oder Leidenſchaften, §. 90. 91. mithin zu lauter ſolchen Vorſtellungen ſeyn, die, durch die aͤußere Empfin - dung nur veranlaſſet, eigenmaͤchtig §. 27. alſo auf gleiche Weiſe, wie §. 130, hervorgebracht werden.
Das Nervenmark iſt ſeiner Natur nach der aͤußerlichen ſinnlichen Eindruͤcke fuͤr die aͤußern Empfindungen faͤhig. §. 31. Da es aber nichts anders als das Hirnmark iſt, §. 13. ſo iſt das Hirnmark ſeiner Natur nach auch aͤußerer ſinnlicher Eindruͤcke faͤhig. Wenn alſo einige Faͤſerchen des Hirnmarks beruͤhret oder gereizet werden, ſo empfangenſie128I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. einen aͤußern ſinnlichen Eindruck, wie die Nervenſpitzen, der ſich bis an den Ort des Urſprungs dieſer Faͤſerchen im Gehirne fortpflanzet, §. 45. N. 2. und daſelbſt eine ma - terielle aͤußere Empfindung erreget. Dieſe materielle Em - pfindung machet in dieſem Orte des Urſprungs einen ſinn - lichen Eindruck ins Gehirn, §. 122. welcher, durch irgend einen Nerven in derſelben Gegend, entweder unmittelbar aus dieſer aͤußern Empfindung, wie §. 129. oder auf naͤ - here Art, wie §. 131. Seelenwirkungen hervorbringen kann. Wenn man alſo das Hirnmark lebender Thiere, die Vorſtellungen haben, reizet, ſo machet dieſer Reiz im Gehirne eine materielle aͤußere Empfindung, (z. E. einen Schmerz,) die durch die Nerven Seelenwirkungen, (z. E. convulſiviſche Bewegungen vom Schmerze) auf eben die - ſelbe Weiſe, wie die andern aͤußerlichen Empfindungen, es ſey unmittelbar §. 129. oder auf naͤhere Weiſe §. 131. hervorbringt, obgleich die aͤußerliche Beruͤhrung in dieſem Falle im Gebiete des Gehirns ſelbſt geſchehen iſt. H. P. §. 368.
Je ſtaͤrker die ſinnlichen Eindruͤcke ins Gehirn, alſo auch die Kraͤfte ſind, die ſie hervorbringen, naͤmlich die aͤußerlichen Empfindungen §. 129. und die eigenmaͤchtigen Vorſtellungen der Seele §. 130, deſto ſtaͤrker muͤſſen die Seelenwirkungen ſeyn, die ſie vermittelſt der Nerven er - zeugen. §. 121. 26.
Wenn eine Seelenwirkung durch die Nerven, die von einer aͤußerlichen Empfindung unmittelbar hervorgebracht worden waͤre, gehindert werden ſoll, ſo geſchieht dieſes,
Wenn vermittelſt der Nerven Seelenwirkungen, durch eigenmaͤchtige Vorſtellungen der Seele, hervorgebracht wer - den ſollen, ſo ſind die moͤglichen Hinderniſſe daran die:
1. Daß1313 Abſchn. der Nerven. Wirk. der mat. Jdeen ꝛc.Es giebt im natuͤrlichen Zuſtande der Thiere verſchiede - ne Arten von Vorſtellungen, welche gewoͤhnlicher maßen keine Seelenwirkungen durch die Nerven im Koͤrper her - vorbringen, z. E. die witzigen Gedanken, die Schluͤſſe, u. a. (Vergl. §. 238. 249. 330.) Selbſt viele aͤußere Empfin - dungen und andre Vorſtellungen, die ſonſt allerdings See - lenwirkungen durch die Nerven aͤußern, thun es zuweilen nicht, obgleich das Thier in keinem widernatuͤrlichen Zu - ſtande ſich befindet. So wie es alſo natuͤrliche Hinderniſſe giebt, welche den Fortgang mancher aͤußerlicher ſinnlicher Eindruͤcke bis ins Gehirn hindern, §. 47 — 51 muß es auch dergleichen geben, welche die Seelenwirkungen man - cher Vorſtellungen durch die Nerven verhuͤten, und es iſt eine Sache von Wichtigkeit, alle moͤgliche Arten, wie die - ſes geſchehen koͤnne, zu wiſſen.
1. Die Natur hat die Urſpruͤnge der Nerven im Ge - hirne ſo vertheilet, daß nicht jede materielle Jdee einer Vor - ſtellung nothwendig einen ſolchen Urſprung treffen, oder, wenn ſie ja irgend einen ſolchen trifft, doch nicht zugleich alle uͤbrige, oder mehrere derſelben in Bewegung ſetzen muß. Wenn alſo materielle Jdeen in ſolchen Oertern des Gehirns entſtehen, in welchen kein Nerve entſpringt, ſo verrichten ſie auch keine Seelenwirkungen durch die Nerven. §. 124. Ja, wenn auch gleich die materiellen Jdeen der aͤußern Empfindungen und andrer Vorſtellungen den Urſprung ei - nes Nerven ſinnlich ruͤhren, und durch ihn Seelenwirkun -J 2gen132I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. gen aͤußern, ſo koͤnnen doch alle uͤbrige Nervenurſpruͤnge im Gehirne davon ungeruͤhrt bleiben, ſo daß durch ſie niemals, oder doch nur unter Bedingungen, von ſolchen Vorſtellun - gen Seelenwirkungen entſpringen. §. 124.
2. Es kann auch ſeyn, daß manche Nerven in ihrem Urſprunge der ſich abwaͤrts fortpflanzenden ſinnlichen Ein - druͤcke von manchen Vorſtellungen (materiellen Jdeen) von Natur unfaͤhig ſind, oder werden, obgleich ſich die Bewe - gung der materiellen Jdee wirklich mit auf ihren Urſprung erſtrecket, und daß nur gewiſſe Arten der Vorſtellungen (ma - teriellen Jdeen) ſie ſo ſinnlich ruͤhren koͤnnen, gleich wie nur gewiſſe Arten aͤußerlicher ſinnlicher Eindruͤcke die Nerven gegen ſich empfindlich finden §. 47. N. 2. So kann z. E. ein angenehmer Geſchmack, oder eine Einbildung oder Vor - herſehung eines ſolchen, nie ein Erbrechen des Magens er - regen, das in dieſem Falle eine Seelenwirkung waͤre, da es doch ein unangenehmer Geſchmack, oder deſſen Einbildung oder Vorherſehung thut, obgleich beyderley Empfindungen durch einerley Nerven an einerley Urſprung im Gehirne kommen, und daſelbſt eine materielle Jdee erregen, und beyderley Einbildungen oder Vorherſehungen, ihres naͤhern Urſprungs wegen aus dieſen Empfindungen, auch an einer - ley Stellen ihre materiellen Jdeen oder ſinnlichen Eindruͤ - cke ins Gehirn hervorbringen muͤſſen §. 124. und doch nur von der einen Art die Seelenwirkung des Erbrechens er - folget, nicht aber von der andern.
3. Es koͤnnen die aͤußerlichen Empfindungen und an - dern Vorſtellungen zuweilen ſo ſchwach ſeyn, daß ſie den ſinnlichen Eindruck ins Gehirn nicht ſo ſtark machen, als er zur Hervorbringung einer Seelenwirkung durch die Ner - ven vielleicht noͤthig iſt, wie ſolches bey den aͤußerlichen Em - pfindungen auch Statt findet. §. 47. N. 3. So bringt z. E. ein zu ſchwaches Kitzeln in der Naſe von einem Stau - be kein Nieſen, das eine Seelenwirkung von einer aͤußern Empfindung, (vom Kitzel §. 80.) iſt, hervor, hingegen ein ſtaͤrkeres; und ſo unterlaſſen wir im Traume bey vielenſchwachen1333 Abſchn. der Nerven. Wirk. der mat. Jdeen ꝛc. ſchwachen Phantaſeyen der Seele viel willkuͤhrliche Bewe - gungen, die wir vornehmen wuͤrden, wenn ſie ſo lebhaft waͤren, wie im Wachen oder bey den Nachtwandlern. Jn dieſen Faͤllen geſchieht allerdings nothwendig ein ſinnlicher Eindruck ins Gehirn, auch von den ſchwaͤchſten Vorſtel - lungen, §. 25. 121. allein er wird nicht bis zum Orte ſeiner Beſtimmung durch die Nerven fortgepflanzet, ſon - dern verliert ſich, wie es ſcheint, unterwegens.
4. Es koͤnnen eben dieſelben natuͤrlichen Hinderniſſe, die in den Scheidungspunkten der Zweige der Nerven von ihren Staͤmmen und in den Nervenknoten gewiſſe aͤußerli - che ſinnliche Eindruͤcke von ihrem Wege zum Gehirn ab - leiten, und aufhalten, daß ſie nicht materielle aͤußerliche Empfindungen werden, §. 48. auch die ſinnlichen Eindruͤ - cke im Gehirne von manchen Nervenzweigen ableiten und abhalten, daß ſie in ihnen, oder durch ſie, keine Seelen - wirkungen hervorbringen. Daß dem ſo ſeyn muͤſſe, iſt aus unzaͤhligen Faͤllen erweislich. Wenn man den Entſchluß faſſet, einen Finger nach dem andern an einer Hand zu be - wegen, ſo wirket dieſe Vorſtellung durch ihren ſinnlichen Eindruck in den Urſprung des Nerven, der durch den Arm in die Finger geht, und durch dieſen Eindruck reget jeder Zweig nach und nach ſeinen Finger. Die Regung jedes Fingers, allein betrachtet, erfodert eine eigne Vorſtellung, (und materielle Jdee,) mithin einen neuen beſondern ſinn - lichen Eindruck in den Urſprung dieſes Nerven des Arms, der ſich nur auf den Nebenzweig dieſes Fingers allein er - ſtrecket, und ſchon im Gehirne dazu zubereitet wird. (Ver - muthlich werden von den materiellen Jdeen nur immer diejenigen Faden des Nerven des Arms in ihrem Urſprun - ge gereizet, die in den Nervenzweig eines beſondern Fin - gers mit fortlaufen. nach §. 126. 127.) Allein nun be - trachte man den Fall, wenn man eine gewiſſe kuͤnſtliche Bewegung machen will, die man nicht hervorbringen kann. J 3Man134I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. Man ſoll z. E. die ſteif ausgeſtreckten vier langen Finger an einer Hand, die man alle viere mit leichter Muͤhe in die - ſer Stellung auseinander breiten kann, ſo theilen, daß die zween aͤußerſten an jeder Seite feſt aneinander geſchloſſen bleiben, in der Mitte aber ſich voneinander thun, und doch in ſteifer und horizontaler Richtung gehalten werden. Dieß iſt den meiſten Menſchen im Anfange unmoͤglich. Warum kann dieſe Seelenwirkung nicht erfolgen? Die Vorſtellung, der Entſchluß, es zu thun, iſt da, mithin auch die materielle Jdee dazu. §. 25. Der Urſprung des Nerven empfaͤngt auch davon den ſinnlichen Eindruck im Gehirne, und er pflanzet ſich bis in die Fingerzweige des Nerven fort: denn alle Finger regen ſich ſogleich. Gleich - wohl koͤnnen ſie dieſe beſondre Bewegung nicht leiſten. An den mechaniſchen Maſchinen, den Muskeln, in welche die Nervenzweige dringen, liegt es auch nicht: denn ſie regen alle ihre Finger, ja ſie koͤnnen, nach oft wiederholten Ver - ſuchen, endlich die verlangte Bewegung wirklich machen. Es mußte alſo anfaͤnglich eine natuͤrliche Hinderniß vor - handen ſeyn, warum der bis zu den Fingern fortgepflan - zete ſinnliche Eindruck der Vorſtellung ins Gehirn dieſe Seelenwirkung derſelben gleichwohl nicht hervorbringen konnte. Dieſe Hinderniß mußte den Eindruck abhalten, ſich, ſo wie es noͤthig war, in die Zweige der Finger fortzu - pflanzen, und zu dieſer Hinderniß iſt kein Ort wahrſchein - licher, als da, wo ſich die Fingerzweige vom Stamme des Nerven des Arms abſondern. Hier muß es ſeyn, wo er falſch in die Zweige der Fingernerven eindringt, und der Wirkung verfehlet, weil er eben hier von ſeiner vorigen Richtung abweichen muß. §. 13. 14. Nach mehrern Verſuchen bewerkſtelliget derſelbe Gedanke dieſelbe Bewe - gung vollkommen, und die Hinderniß, welche zuvor den ſinnlichen Eindruck vom Gehirne, bey der Scheidung der Zweige vom Stamme, falſch leitete, iſt gehoben. So iſt es mit allen andern kuͤnſtlichen Bewegungen, die man erſt durch Uebung machen lernet, wofern ſie nicht etwa zumfolgen -1353 Abſchn. der Nerven. Wirk. der mat. Jdeen ꝛc. folgenden fuͤnften Falle §. 138. gehoͤren. (Man nennet dieſe Uebung faͤlſchlich Gewohnheit, wenn man ſaget, man gewoͤhne ſich zu ſolchen kuͤnſtlichen Handlungen. Zur Fertigkeit machet man ſie durch die Uebung.) Die oͤftere Wiederholung eben deſſelben ſinnlichen Eindrucks im Ge - hirne wirket jedesmal in die natuͤrliche Hinderniß am Scheidepunkte der Zweige vom Nervenſtamme, und da von beyden einander entgegengeſetzten Kraͤften eine ge - ſchwaͤchet werden muß, wenn die andre ihre Anfaͤlle ſtets wiederholet, die erſte aber von nichts unterſtuͤtzet wird; ſo wird endlich die natuͤrliche Hinderniß in dieſem Orte des Nerven ſo geſchwaͤchet, daß der ſinnliche Eindruck ſich den Weg durch ſie hinbahnet, und die verlangte Seelenwir - kung erfolget. Durch dergleichen Ableitungen hat es ver - muthlich die Natur zu erhalten gewußt, daß die ſinnlichen Eindruͤcke vom Gehirne in die Nerven oft Zweige und Glieder vorbey gehen muͤſſen, die ein gewiſſer Gedanke je - derzeit mit in Wirkung ſetzen wuͤrde, ohne daß ſolches zu den Abſichten der Natur noͤthig waͤre.
5. Es kann endlich auch eine natuͤrliche Hinderniß ge - wiſſer Seelenwirkungen durch gewiſſe Nerven, in dem Fal - le, wenn ſie der Nerve durch eine mechaniſche Maſchine verrichten muͤßte, in die er ſich verbreitet, darinn beſtehen, daß die mechaniſche Maſchine ihrer Natur nach eigentlich dazu eingerichtet iſt, ſie zu bewerkſtelligen, und daß ſie erſt eine, es ſey durch Gewalt oder Uebung bewerkſtelligte Ver - aͤnderung in ihrer Strucktur leiden muß, ehe der ſinnliche Eindruck im Gehirne ſie hervorbringen kann. So iſt es mit den Kuͤnſten der Gauckler, deren willkuͤhrliche Geber - den und Stellungen kein andrer Menſch nachmachen kann, ehe nicht ſeine Gelenke dazu ausgeweitet, die Muskeln ge - zwungen, und zum Theil die Eingeweide ſelbſt ſo aus ihrer natuͤrlichen Lage verdruͤcket worden ſind, daß die Maſchine dem Winke des Willens folgen kann.
Die Seelenwirkungen, welche unmittelbar durch aͤu - ßerliche Empfindungen im Koͤrper hervorgebracht werden, koͤnnen auch durch die Gewohnheit der aͤußern Empfindun - gen (§. 50.) auf mancherley Weiſe §. 51. theils geſchwaͤ - chet, theils gaͤnzlich gehindert werden. §. 134. N. 1. §. 54. Und da die Seelenwirkungen der ſinnlichen Vorſtel - lungen auf naͤhere Weiſe von den aͤußern Empfindungen abhangen, §. 66. ſo kann die Gewohnheit der aͤußern Em - pfindungen ebenfalls einen betraͤchtlichen Einfluß in ihre Erzeugung haben. Es iſt aber unnoͤthig, die taͤglich ſich darbietenden Beyſpiele hiervon anzufuͤhren. Vergl. d. A. 3 B. 114 St.
Die Seelenwirkungen, welche die Einbildungen, auch im Traume und in der Verruͤckung, §. 70. durch die Nerven hervorbringen, ſtimmen mit denen von ehemaligen aͤußern Empfindungen zum Theil uͤberein. §. 69. 99. N. 4. So auch die des ſinnlichen Gedaͤchtniſſes. §. 72. 99. N. 4. Die, von den ſinnlichen Vorherſehungen, Erwartungen, Ahndungen, auch im Traume und in der Verruͤckung, §. 75. bringen zum Theil die Seelenwirkungen zukuͤnftiger aͤußerer Empfindungen hervor. §. 74. 99. N. 4. Auch richten ſich dieſe alle nach der Staͤrke von jenen. §. 69. 74. Die Abſtraction kann viele Seelenwirkungen des Verſtan - des aufheben, die Aufmerkſamkeit hingegen viele insbeſon - dre erregen und unterhalten. §. 78. 100. N. 4. Die Seelenwirkungen der Luſt und Unluſt richten ſich in ihrer Staͤrke nach der Staͤrke dieſer innerlichen Empfindungen. §. 80. 101. N. 3. §. 96. 102. N. 3. Die Seelenwir - kungen der Begierden ſind zuſammengeſetzet aus denen ei - ner Vorherſehung, einer Erwartung, eines Vergnuͤgens und einer Bemuͤhung der Vorſtellungskraft; §. 85. die, einer Verabſcheuung, aus denen einer Vorherſehung, ei -ner1373 Abſchn. der Nerven. Wirk. der mat. Jdeen ꝛc. ner Erwartung, einer Unluſt und einer Bemuͤhung der Vorſtellungskraft, §. 87. und richten ſich auch beyde nach der Staͤrke von jenen. §. 85. 87. So auch die, von den ſinnlichen Trieben und Leidenſchaften, §. 93. 103. N. 2. und dem Wollen und Nichtwollen. §. 96. 104. N. 2. Es erfolgen endlich auch alle dieſe Seelenwirkungen in den Nerven und durch ſie nach den allgemeinen Geſetzen einer jeden, §. 105 — 110. und werden theils auf phyſiologi - ſche, theils auf pſychologiſche Weiſe gewirket und gehin - dert. §. 111.
Obgleich alle Wirkungen der ſinnlichen Eindruͤcke im Gehirne durch die Nerven Bewegungen ſind, §. 122. ſo folget doch daraus keinesweges, daß es allezeit Bewegun - gen in eigentlichen mechaniſchen Maſchinen, z. E Mus - keln, Druͤſen, Eingeweiden, u. ſ. w. ſeyn muͤſſen: indem es in den Empfindungsnerven, die ſich nicht ſolchen mecha - niſchen Maſchinen einverleiben, §. 14. ja auch in Bewe - gungsnerven ſelbſt, nur bloße Bewegungen der Lebensgei - ſter geben kann, §. 14. 17. 18. die ſich nicht durch ſicht - bare Bewegungen offenbaren, und gleichwohl eben ſo ge - wiß Wirkungen der ſinnlichen Eindruͤcke ins Gehirn durch die Nerven (Seelenwirkungen §. 123.) ſind, § 116. und eben ſo gewiß wichtige Erſcheinungen in der thieriſchen Oe - conomie verurſachen, (wie wir nun ſogleich ſehen werden,) als andre, die ſich durch Bewegungen in den mechaniſchen Maſchinen offenbaren. (Hieraus erhellet beylaͤufig die Richtigkeit der Eintheilung. §. 117.)
Nach der allgemeinen Betrachtung der Wirkungen der materiellen Jdeen in die Nerven, ſind nunmehr, nach §. 120. ihre Wirkungen auch insbeſondre in ſo fern zu unter - ſuchen, als ſie nicht zugleich mechaniſche Maſchinen in Be - wegung ſetzen, ſondern wie ſie, in den Nerven allein be - trachtet, beſchaffen ſind. Es ſind zwar alle Arten von Nerven dieſem Einfluſſe der materiellen Jdeen auf einerley Art unterworfen. Weil ſich aber in den Bewegungsner - ven die innern ſinnlichen Eindruͤcke durch die thieriſchen Bewegungen der mechaniſchen Maſchinen deutlich offenba - ren; die Bewegungen aber, welche dieſe ſinnlichen Ein - druͤcke ins Gehirn, im Nerven ſelbſt, ohne auf die Wir - kung in die mechaniſche Maſchine zu ſehen, oder in den bloßen Empfindungsnerven, womit keine mechaniſche Ma - ſchinen vereiniget ſind, hervorbringen, ſich nur durch ſchwache Spuren verrathen; ſo ſind ſie in den Nerven der aͤußerlichen Sinne, die blos empfinden, am beſten zu be - obachten.
Jeder Nerve nimmt bey empfindenden Thieren aͤußer - liche ſinnliche Eindruͤcke an, wovon er wenigſtens einige zum Gehirn fortpflanzet, die in ſeinem Urſprunge daſelbſt eine materielle aͤußere Empfindung, §. 45. 124. das iſt, einen innern ſinnlichen Eindruck ins Gehirn hervorbringen, §. 121. welcher in ihm ſelbſt unmittelbar (§. 131.) See - lenwirkungen erzeugen muß, wofern nur jeder Nerve, auch wenn er blos empfindet, faͤhig iſt, ſinnliche Eindruͤcke im Gehirne ſo anzunehmen, wie es ſeyn muß, wenn ſie ſichabwaͤrts1393 A. d. Nerv. Wirk. d. mat. Jd. insbeſondre. abwaͤrts fortpflanzen ſollen. §. 129. N. 2. 3. daß aber je - der Nerve, er mag blos empfinden, oder zugleich ein Be - wegungsnerve ſeyn, dieſe Faͤhigkeit uͤberhaupt beſitzen muͤſ - ſe, ob er gleich nicht jede Art des ſinnlichen Eindrucks im Gehirne annehmen und fortpflanzen mag, §. 136. N. 2. iſt eben ſo gewiß, als daß die Lebensgeiſter den aͤußerlichen ſinnlichen Eindruck zum Gehirn fuͤhren, §. 18. 36. und daß die Werkſtatt derſelben im Gehirne ſey. §. 11. Denn, um vom Gehirne, wo ſie entſtehen, zu den Spitzen der Empfindungsnerven zu gelangen, wo ſie den aͤußerlichen ſinnlichen Eindruck, den ſie aufwaͤrts fuͤhren, empfangen, muͤſſen im Orte ihres Urſprunges im Gehirne Wege offen ſtehen, die ſie vom Gehirne ab in den Nerven fuͤhren, und eben dieß ſind die Wege, wodurch der ſinnliche Eindruck im Gehirne in die Nerven uͤbergeht. (Das iſt, nach §. 126. 127. die Empfindungsnerven haben eben ſolche Faden, die den ſinnlichen Eindruck des Gehirns von da ab, in die Nerven und ihre Zweige und Spitzen leiten, als die Be - wegungsnerven.)
Die aͤußerlichen Empfindungen bringen ihre unmittel - baren Seelenwirkungen in den empfindenden Nerven ſelbſt hervor. §. 129. N. 2. §. 143. Aber auch alle ſinnliche Erkenntniſſe §. 76. mit ihren ſinnlichen Reizungen, §. 88. alle ſinnliche Triebe §. 90. und alle Leidenſchaften §. 91. verrichten ihre Seelenwirkungen durch denſelben Nerven, auf deſſen aͤußere Empfindung ſie ſich beziehen. Denn da dieſe insgeſammt ſolche materielle Jdeen, oder ſinnliche Eindruͤcke ins Gehirn (§ 121.) erfodern, welche die mate - riellen aͤußern Empfindungen, von welchen ſie auf naͤhere Weiſe beſtimmet werden, zum Theil mit hervorbringen, §. 66. 88. ſo muͤſſen ihre materiellen Jdeen im Urſprunge dieſer Nerven einigen ſinnlichen Eindruck zugleich erregen, welcher ſich in ihnen niederwaͤrts fortpflanzet, §. 124. und darinn Seelenwirkungen aͤußert. §. 123. Die verſtaͤndi -gen140I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. gen Vorſtellungen, Bewegungsgruͤnde, und das Wollen und Nichtwollen hingegen, die nur auf ſehr entfernte Weiſe von den aͤußerlichen Empfindungen abhaͤngen, haben we - niger Einfluß in die blos zu den aͤußern Empfindungen be - ſtimmten, als in die eigentlichen Bewegungsnerven. §. 76. 88.
Woran ſoll man die in den Nerven hervorgebrachten Seelenwirkungen der ſinnlichen Eindruͤcke ins Gehirn von allen dieſen ſinnlichen Vorſtellungen erkennen, wenn man ihren Einfluß in die mechaniſchen Maſchinen nicht in Be - trachtung ziehen ſoll? Die Nerven an ſich haben keine ſichtbaren Bewegungen. Gleichwohl koͤnnen die ſinnlichen Eindruͤcke der ſinnlichen Vorſtellungen in ſie, nichts an - ders als Bewegungen wirken. Allein dieſe fliehen gemei - niglich alle unſre Sinnen eben ſo, wie die von den aͤußer - lichen ſinnlichen Eindruͤcken. §. 31. Es ſind vermuthlich nur Bewegungen der Lebensgeiſter in den holen Faden der Nerven. §. 13. Wie iſt das Daſeyn dieſer geheimen Be - wegungen zu erforſchen? Bey den aͤußern ſinnlichen Ein - druͤcken ſchließen wir es aus ihren Wirkungen ins Gehirn, weil ſie aͤußere Empfindungen hervorbringen, und daraus, daß jeder Druck des Nerven auf ſeinem Wege zum Gehirn die Fortpflanzung des aͤußern ſinnlichen Eindrucks da - hin aufhaͤlt oder unterbricht. Bey den Bewegungsnerven ſchließen wir es aus den Wirkungen, welche die ſinnlichen Eindruͤcke der Vorſtellungen im Gehirne, in denjenigen mechaniſchen Maſchinen, in die ſich dieſe Nerven verthei - len, hervorbringen, und daraus, daß jeder Druck des Nerven die Fortpflanzung dieſes innern ſinnlichen Ein - drucks in die mechaniſchen Maſchinen aufhebt. Bey den Nerven hingegen, die blos empfinden, und an ſich bey al - len ſinnlichen Eindruͤcken beyder Arten keine ſichtbaren Be - wegungen zu aͤußern pflegen, ſollen wir die Spuren des ſinnlichen Eindrucks im Gehirne in ſie, aus eben den Wir - kungen, die doch, ſo gewiß ſie da ſeyn muͤſſen, §. 144. unſre1413 A. d. Nerv. Wirk. d. mat. Jd. insbeſondre. unſre Sinnen fliehen, erkennen. Dieſe natuͤrliche Schwie - rigkeit machet, daß man ſich hier, wo uͤbrigens alles fuͤr die Wahrheit der Sache ſpricht, mit ſolchen Spuren be - gnuͤgen muß, die ohne die uͤbrigen Gruͤnde zuſammenzu - nehmen, zum Beweiſe des Daſeyns ſolcher Seelenwirkun - gen in den Nerven nur ſchwach und dunkel ſeyn wuͤrden.
Der ſinnliche Eindruck der Vorſtellungen ins Gehirn machet im Urſprunge eines jeden Nerven, in den er ſinnlich wirket, eine Bewegung (der Lebensgeiſter) von oben herab, nach den Nervenſpitzen hin, die empfinden. §. 122. Hier in dieſen aͤußerſten Spitzen der Nerven iſt es, wo die Rich - tung dieſer Bewegung entweder gaͤnzlich umgewendet wird, oder aufhoͤret: (§. 126.) denn von da an machen die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke eine umgekehrte Bewegung nach den Gehirn hin. Sollte alſo bey genauer Beobachtung der Nervenſpitzen, zu der Zeit, wenn ein ſtarker ſinnlicher Ein - druck im Gehirne (eine ſtarke ſinnliche Vorſtellung) dieſe Bewegung mit beſondrer Heftigkeit gegen ſie antreibt, dar - inn nicht einige Veraͤnderung wahrgenommen werden koͤn - nen, die eine hinlaͤngliche Spur einer Wirkung des geſche - henen innern ſinnlichen Eindrucks waͤre? Hiervon muß uns die Erfahrung unterrichten.
Wenn man bey ſtarken ſinnlichen Vorherſehungen, be - ſonders in Trieben oder Leidenſchaften, die Spitzen des Nerven, der empfinden ſoll, und in den alſo der innere ſinnliche Eindruck der Vorherſehung wirket, §. 144. auf - merkſam beobachtet, ſo wird man gewahr, daß ſie ſich et - was aufrichten und mehr hervorragen. So heben ſich, wenn man die Zunge genau betrachtet, die Warzen oder Spitzen der Geſchmacksnerven ſichtbarlich in die Hoͤhe, wenn man ſich in die Crwartung und Begierde ſetzet, ein Stuͤck Zucker oder Salz zu ſchmecken, das man der Zungenaͤhert.142I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. naͤhert. So erheben ſich auch deutlich die Nervenſpitzen an den Fingern, wenn man ſich anſchickt, etwas genau zu befuͤhlen, welches eine Vorherſehung in einer Begierde iſt. „ Die Fuͤhlpunkte der aͤußerſten Enden der Finger, ſagt „ der Herr v. Haller, richten ſich durch die Aufmerkſam - „ keit (Erwartung) der Seele ein wenig auf, wie ſolches „ auch das Schaudern, die Zitzen der Weiberbruſt und ein „ ausgefallener Darm beweiſen. “ H. P. §. 431. Vielleicht muß man das Schaudern zu den Seelenwirkungen durch die Nerven in mechaniſche Maſchinen, naͤmlich in die Haut, zaͤhlen. Daß ſich aber die Fuͤhlſpitzen der Nerven an den Bruſtwarzen ſchon von der Erwartung des Saugens im Triebe zu ſtillen, oder irgend einer wolluͤſtigen Beruͤhrung erheben, iſt ein eben ſo wahres als hier paſſendes Beyſpiel. Vom Gefuͤhle und Geſchmacke hat man dergleichen Beob - achtungen ſehr viele; bey den uͤbrigen aͤußern Sinnen aber laſſen ſie ſich nicht anſtellen. Allein eine einzige wahre Beobachtung von dieſer Art iſt zum Beweiſe ſchon hinlaͤng - lich, daß die ſinnlichen Eindruͤcke in den Urſprung der Nerven im Gehirne ſich wirklich in dem Nerven nieder - waͤrts gegen ſeine Spitze hin fortpflanzen, und darinn eine Seelenwirkung hervorbringen, wenn gleich der Nerve ſich in keine mechaniſche Maſchine vertheilt, oder doch davon unabhaͤnglich. Denn die ſinnlichen Vorherſehungen der Seele geben dem Nerven, der die erwartete Empfindung haben ſoll, in ſeinem Urſprunge im Gehirne einen ſinnlichen Eindruck, da ſie die materielle Jdee derſelben zum Theil in ihm (§. 124.) rege machen, §. 73. 144. und alſo iſt dieſes Aufrichten der Nervenſpitzen eine wahre Seelenwir - kung der Vorherſehung. §. 99. N. 1.
Da es alſo eine unſtreitige Seelenwirkung des ſinnli - chen Eindrucks im Gehirne iſt, daß durch ſeinen Antrieb (vermittelſt der Lebensgeiſter) die Nervenſpitzen geſteift oder aufgerichtet werden, §. 147. dieſes aber eine Bewegungin1433 A. d. Nerv. Wirk. d. mat. Jd. insbeſondre. in der Nervenſpitze voraus ſetzet, wodurch ihr, wenn ſie ſtark genug iſt, ein aͤußerer ſinnlicher Eindruck gegeben werden kann, §. 31. der, wenn er zum Gehirn aufſteigt, eine den aͤußerlichen Empfindungen aͤhnliche Vorſtellung hervorbringt, die aber keine wahre Beruͤhrung der Ner - venſpitze von außen, mithin keinen wahren aͤußern Gegen - ſtand zum Grunde hat; ſo koͤnnen außerordentlich ſtarke ſinnliche Eindruͤcke ins Gehirn, (von ſehr ſtarken Vorſtel - lungen,) in die Nerven, die ſie betreffen, einen aͤußern ſinnlichen Eindruck, als ob er von einem wahren Gegen - ſtande von außen kaͤme, bringen, der ins Gehirn aufſtei - gen, und eine den aͤußerlichen Empfindungen ganz aͤhnliche Vorſtellung, (ein Analogon der aͤußern Empfindungen,) hervorbringen kann, die mehr Wahres von den aͤußern Empfindungen, naͤmlich einen wirklichen durch den Ner - ven aufſteigenden aͤußern ſinnlichen Eindruck in ſich haͤlt, als alle Einbildungen, Vorherſehungen und uͤbrige ſinn - liche Vorſtellungen, die nur einen Theil der aͤußerlichen Empfindungen, den die Seele ohne allen aͤußerlichen ſinn - lichen Eindruck in die Nerven, blos eigenmaͤchtig nachzu - ahmen vermag, enthalten, §. 66. und die alſo nicht ohne genaue Aufmerkſamkeit der Seele von einer aͤußern Em - pfindung, die einen wahren aͤußern Gegenſtand hat, un - terſchieden werden kann. (Man vergleiche hierbey §. 37. 38.) Weil bey wahren aͤußern Empfindungen dem Ner - ven der aͤußere ſinnliche Eindruck von einem Gegenſtande, der außer ihm iſt, beygebracht wird, auf deſſen Gegen - wart die Seele bey jeder aͤußern Empfindung zu ſchließen pfleget, ſo muß man dieſe aͤußern Empfindungen ohne einen wahren Gegenſtand des aͤußern ſinnlichen Eindrucks außer - halb des Nerven, mit einem beſondern Nahmen unter - ſcheiden, und ſie unaͤchte aͤußere Empfindungen nen - nen. Man hat bisher dieſe unaͤchten aͤußern Empfindun - gen blos fuͤr ſehr lebhafte Einbildungen der Seele gehalten: aber ihre außerordentliche Lebhaftigkeit unterſcheidet ſie zu ſehr von den lebhafteſten Einbildungen: denn es geht ih -nen144I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. nen zuweilen wirklich nichts von der Staͤrke und Lebhaftig - keit der aͤußern Empfindungen ab. Sie ſind aber noth - wendig nur Folgen von aͤußerſt lebhaften ſinnlichen Ein - druͤcken andrer Vorſtellungen ins Gehirn, wie oben gezeiget worden: mithin koͤnnen ſie auch am erſten Wirkungen ei - ner allzulebhaften Einbildungskraft, und aus gleichem Grunde die Folgen einer Verruͤckung, der lebhafteſten Traͤume, der ſtaͤrkſten Ahndungen, der Trunkenheit und der heftigſten und wuͤtendſten Leidenſchaften ſeyn. Dieſe unaͤchten aͤußern Empfindungen ſind unter dem Namen der Erſcheinungen, Geſichter, Blendwerke, Gaucke - leyen, Geſtalten, Geſpenſter, u. ſ. w. bekannt, und es iſt nicht nur hier, ſondern auch in der Pathologie und practiſchen Heilungskunſt von großer Wichtigkeit, ſie aus ihrer wahren Quelle zu kennen, und von den ſchwaͤchern Bildern der Einbildungen und Vorherſehungen zu unter - ſcheiden. Wenn man ſich ſcharf anſtrenget, bey verſchloſ - ſenen Augen zu ſehen, ſo erblicket man eine rothe Farbe: Wenn man durch die Furcht vor einem tiefen ſchnellem Falle dem Geſichtsnerven einen falſchen Eindruck giebt, ſo ſchei - nen die Gegenſtaͤnde ſich zu bewegen, welches man einen Schwindel nennet; wenn man von einem ſtarken Geraͤu - ſche betaͤubet worden, ſo hoͤret man daſſelbe noch lange nach - her, bis man ſich deſſen nicht mehr lebhaft erinnert; wenn man mit großer Luͤſternheit eine Speiſe begehret, ſo ſchmecket man ſie ſchon vorlaͤufig; wenn man ein entzuͤckendes Ge - fuͤhl zu lebhaft vorherſieht, ſo werden die Nerven ſo em - pfindlich, daß ihnen jede leichte Beruͤhrung, die es ſonſt nie thun wuͤrde, dieſe Entzuͤckung giebt. Alles dieſes ſind Beyſpiele ſolcher unaͤchten aͤußern Empfindungen, die den Geſundeſten widerfahren. Mithin ſind ſie keine blos wi - dernatuͤrliche Beſchaffenheit thieriſcher Koͤrper, ſondern ih - nen auch von Natur eigen.
Es iſt der Muͤhe wohl werth, die Entſtehungsart der unaͤchten aͤußern Empfindungen naͤher zu betrachten. Ei - ne ſtarke ſinnliche Vorſtellung machet einen ſtarken ſinnli - chen Eindruck im Gehirne im Orte des Urſprungs eines gewiſſen Nerven. §. 144. 26. Dieſer pflanzet ſich fort bis in die aͤußerſten Endungen deſſelben, die davon aufgerichtet und gereget werden. §. 147. Dieſes Regen giebt den Ner - ven in ſeiner Spitze einen aͤußern ſinnlichen Eindruck, als wenn er von außen beruͤhret wuͤrde, und dieſer geht zum Ge - hirn zuruͤck, und wird in der Seele zur unaͤchten aͤußern Empfindung. §. 148. Weil ihr aber der wahre aͤußere Ge - genſtand mangelt, indem der Nerve von außen nicht wirk - lich beruͤhret worden; ſo fragt ſichs, was dann nun die See - le eigentlich unaͤcht empfinde? Man muß dieß folgender - maßen uͤberlegen: Die ſinnliche Vorſtellung, von welcher das ganze Blendwerk herruͤhret, hat Merkmale von einer vergangenen oder kuͤnftigen aͤußern Empfindung §. 66. und ihre materielle Jdee im Gehirne erreget alſo im Urſprunge des Nerven, den ſie ruͤhret, zum Theil dieſelbe materielle aͤußere Empfindung. §. 25. 26. Eben dieſe, die eine Be - wegung im Urſprunge des Nerven im Gehirne, §. 43. und itzt ſein ſinnlicher Eindruck ebendaſelbſt iſt, §. 121. pflanzet ſich bis zur Spitze herab fort und machet daſelbſt den ledigen aͤußern ſinnlichen Eindruck, der wieder im Gehirne an dem - ſelben Orte des Nerven anlanget. Die hierdurch erregte unaͤchte materielle aͤußere Empfindung iſt eine Bewegung im Urſprunge des Nerven, die zum Theil ſchon dieſelbe war, welche entſtanden ſeyn wuͤrde, wenn wirklich der aͤußerliche Gegenſtand, von dem die ſinnliche Vorſtellung Merkmale in ſich hielt, einen aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Spitze des Nerven gemachet haͤtte, und der nur das, was der aͤu - ßere ſinnliche Eindruck hinzuthun konnte, noch fehlte, um eine wahre materielle aͤußere Empfindung zu ſeyn. §. 66. Da nun itzt ein wahrer aͤußerlicher ſinnlicher Eindruck hin - zukoͤmmt, und gleichwohl keine Beruͤhrung eines wirklichenKaͤußern146I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. aͤußern Gegenſtandes ſie anders beſtimmet, ſo bleibt ſie die - ſelbe und wird nur durch den hinzugekommenen aͤußern ſinn - lichen Eindruck, einer wahren aͤußern Empfindung viel aͤhn - licher und gleicher gemachet, als ſie vorher durch die ſinnli - che Vorſtellung allein war. Alſo iſt der ſcheinbare Gegen - ſtand der unaͤchten aͤußern Empfindungen allemal der Ge - genſtand derjenigen aͤußerlichen vergangenen oder kuͤnftigen Empfindung die in der ſinnlichen Vorſtellung, welche der Grund des Blendwerks iſt unvollſtaͤndig ſchon enthalten war. Daher empfinden Verruͤckte, Traͤumende, Wahr - ſager, Betrunckene, Tolle, Verliebte, Zornige, Furchtſa - me, ꝛc. ihrer Meynung nach, jederzeit das, was ihnen ihre Einbildungen, Vorherſehungen, Erwartungen, Ahndun - gen, Triebe oder Leidenſchaften ins Gemuͤth bringen.
Wenn Nerven, die auf obige Weiſe unaͤcht empfinden, ſich zugleich in mechaniſche Maſchinen ausbreiten, ſo erre - gen ſie natuͤrlicher Weiſe darinn eben ſolche thieriſche Be - wegungen, als erfolgen muͤßten, wenn die Empfindung aͤcht und mit derſelben ſtarken ſinnlichen Vorſtellung vergeſell - ſchaftet geweſen waͤre. Man muß aber uͤbrigens mit dieſen unaͤchten Empfindungen gewiſſe andre nicht verwechſeln, die wirkliche Gegenſtaͤnde außerhalb den Nerven, aber nur nicht außerhalb dem Werkzeuge eines aͤußern Sinnes ha - ben, z. E. wenn man bey einer Entzuͤndung des Auges Funken ſieht, oder bey einer Entzuͤndung des Ohres, oder wenn die Luft in ſeinen Hoͤhlen verſperret und ausgedehnet wird, Klingen und Brauſen der Ohren hat. Dieß ſind wahre aͤußere Empfindungen, nur mit einem irrigen Ur - theile verbunden. Die Nerven des Auges und Ohres wer - den wirklich durch Etwas außer ihnen, aber im Auge, im Ohre ſelbſt, ſinnlich geruͤhret, und da dieß der Seele, die gewohnt iſt, die Gegenſtaͤnde, die ihre Nerven aͤußerlich ſinn - lich ruͤhren, außerhalb dem Koͤrper zu finden, fremd iſt, ſo urtheilet ſie in ſolchen Faͤllen faͤlſchlich, daß dieſe aͤußernſinnli -1473 Abſchn. d. Nerv. Wirk. d. mat. Jd. insbeſondre. ſinnlichen Eindruͤcke von ſolchen auswendigen Gegenſtaͤnden herruͤhren, die ſonſt aͤhnliche aͤußere ſinnliche Eindruͤcke und Empfindungen machen, z. E. daß ſie Feuerfuncken ſehe, daß ſie Glocken lauten, oder pfeiffen, oder Waſſer rauſchen hoͤre, u. ſ. w. (Vergl. §. 378.)
Da die ſinnlichen Eindruͤcke vom Gehirne in den Ner - venſpitzen, wo ihre Richtung ſchlechterdings entweder auf - gehoben oder zuruͤckgewendet wird, ſichtbare Bewegungen erregen, §. 147. ſo iſt es hoͤchſt wahrſcheinlich, daß ſehr lebhafte ſinnliche Eindruͤcke im Gehirne, auf ihrem Wege nach den Nervenſpitzen hin, uͤberall, wo ſie von ihrer gera - den Richtung auf einmal ſtark abweichen, naͤmlich in den Theilungspunkten der Zweige von ihren Staͤmmen, in den Nervenknoten §. 13. 14. und da, wo ſich die Nerven um andre Theile, beſonders um die Adern herumſchlingen, den Nerven eine ſolche ſanfte Bewegung geben, die in die be - nachbarten mechaniſchen Maſchinen einen Einfluß haben kann. Vergl. §. 160.
Wir haben im vorhergehenden Kapitel die thieriſchen Seelenkraͤfte an ſich betrachtet, ohne auf ihren Ein - fluß in die mechaniſchen Maſchinen des Koͤrpers zu ſehen. Jtzt muͤſſen wir dieſen Einfluß in Erwaͤgung ziehen, §. 8. und zwar als die zwote Gattung der Wirkungen, die die materiellen Jdeen in der thieriſchen Oeconomie verrichten. K 2§. 16.148I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. §. 16. 113. Hierbey haben wir, nach §. 117. zu un - terſuchen:
Die mechaniſchen Maſchinen der thieriſchen Koͤrper ſind vermoͤge ihrer Strucktur zu mancherley Bewegungen faͤhig: aber ſie werden weit mehr durch thieriſche, als durch die blos phyſiſchen und mechaniſchen Kraͤfte in Be - wegung geſetzet. Da ſich nun die thieriſchen Kraͤfte in ih - rer Wirkung nicht nach den phyſiſchen und mechaniſchen Geſetzen der Bewegung richten, §. 7. ſo kann man auch nicht blos phyſiſch und mechaniſch von ihnen philoſophiren. Nun ſind uns aber die Geſetze der thieriſchen Kraͤfte aus Gruͤnden nicht bekannt: alſo muͤſſen wir die Wirkungen derſelben in die mechaniſchen Maſchinen blos aus der Er - fahrung beſtimmen.
Der Einfluß der Seele in den Koͤrper geſchieht durch die materiellen Jdeen im Gehirne, §. 25. oder die ſinnli - chen Eindruͤcke ihrer Vorſtellungen ins Gehirn §. 121. und alle Bewegungen der mechaniſchen Maſchinen, die durch dieſe weſentlich gewirket werden, ſind Seelenwirkun - gen. §. 97. Alle Seelenwirkungen in den mechaniſchenMaſchi -149Wirk. d. mat. Jd. in die mechan. Maſch. des Geh. Maſchinen werden entweder unmittelbar durch die materiel - len Jdeen im Gehirne ſelbſt bewerkſtelliget, oder vermittelſt der Nerven verrichtet, in die der innere ſinnliche Eindruck der Vorſtellungen aus dem Gehirne herabſteigt. §. 115. 123.
Um die Begriffe genau zu beſtimmen, muß man den Sinn des Wortes: mechaniſche Maſchinen, in dieſem ganzen Werke ſo nehmen, daß alle Maſchinen thieriſcher Koͤrper darinn begriffen werden, außer den eigentlich thieriſchen, naͤmlich dem Gehirne und den Nerven, in ſo fern dieſe urſpruͤnglich thieriſche Kraͤfte beſitzen. Alſo ge - hoͤren zu den mechaniſchen Maſchinen alle Muskeln, Seh - nen, Haͤute, Adern, Druͤſen, Knochen, Knorpel, Ein - geweide, u. ſ. w. Denn obgleich viele dieſer Maſchinen auch thieriſche bewegende Kraͤfte beſitzen, ſo ſind ſie ihnen doch, wie im zweyten Theile erwieſen werden wird, nicht urſpruͤnglich eigen, ſondern ſie erhalten dieſelben blos durch die Nerven, die ſich ihnen einverleiben. Eben ſo ſind die Gliedmaßen der aͤußern Sinne, ob ſie gleich empfindende Nerven haben, uͤbrigens doch nur mechaniſche Maſchinen; ja in den thieriſchen ſelbſt, im Gehirne und den Nerven, ſind dergleichen enthalten.
Mit dem Gehirne ſelbſt ſtehen keine andre mechani - ſche Maſchinen in unmittelbarer Verbindung, als einige Druͤſen, ſeine Haͤute, und die Blut - und Waſſergefaͤße. H. P. 10 Abſchn. Alſo ſind dieß die einzigen, in welche die materiellen Jdeen, ohne Vermittelung der Nerven, im Gehirne ſelbſt unmittelbar Seelenwirkungen hervorbrin - gen koͤnnen.
Von den Druͤſen im Haupte, in der naͤchſten Nach - barſchaft des Gehirns, iſt uns der Nutzen und die AbſichtK 3ſchlech -150I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. ſchlechterdings unbekannt, und es ſcheint nicht, daß die materiellen Jdeen auf ſie irgend einigen, wenigſtens unmit - telbaren Einfluß haben ſollten, ſondern daß ſie nur zu ſei - nem mechaniſchen Baue gehoͤren.
Die Hirnhaͤute, die auch zum Theil die Nerven umge - ben, gehoͤren eben ſo wenig zu den eigentlichen thieriſchen Maſchinen, als die Sehnen, Baͤnder, Knorpel, u. ſ. w. H. P. §. 365. Sie ſind nicht nur unempfindlich und oh - ne Nerven, ſondern auch das Gehirn ſelbſt, das ſie in al - len ſeinen Falten begleiten, ſcheint keinen thieriſchen Ein - fluß in ſie zu haben, ſondern ihnen nur die blos mechani - ſche Bewegung, die es ſelbſt hat, §. 24. mitzutheilen, wo - durch zwar dieſe Haͤute vielleicht einige Wirkungen in den Koͤrper thun koͤnnen, die aber, da ſie nicht von den mate - riellen Jdeen des Gehirns herruͤhren, auch nicht fuͤr See - lenwirkungen zu halten ſind. §. 97.
Es bleiben alſo unter den mechaniſchen Maſchinen, die ſich dem Gehirne ſelbſt einverleiben, nur die Roͤhren oder Canaͤle, hauptſaͤchlich die Blutgefaͤße uͤbrig, in welchen die materiellen Jdeen wahre Seelenwirkungen hervorbrin - gen koͤnnten. Die Markrinde des Gehirns iſt faſt nur ein Gewebe von Canaͤlen; ſie iſt nicht das Jnſtrument der Vorſtellungskraft, der Sitz der thieriſchen Seelenkraͤfte ſelbſt; ſondern die Abſonderungsmaſchine der Lebensgeiſter, welche ſie dem Gehirnmarke und dadurch dem ganzen Syſtem der thieriſchen Maſchinen mittheilet, §. 11. und in ſo fern kann man dieſelbe als ein Eingeweide des Haupts betrachten, deſſen natuͤrliche Verrichtung in einer Abſon - derung gewiſſer Saͤfte vom Blute beſteht, welche Saͤfte aber ein weſentlicher Theil der thieriſchen Maſchinen ſind. §. 9. Demnach iſt ſie zwar eine mechaniſche Maſchine, §. 155. die aber durch ihre Verrichtung den thieriſchenKraͤften151Wirk. der mat. Jd. in die mechan. Maſch. des Geh. Kraͤften das Daſeyn giebt, und ſich alſo von den eigentli - chen thieriſchen Maſchinen eben ſo wenig trennen laͤßt, und eben ſo nothwendig zu ihnen gehoͤret, wie die Wurzeln ei - nes Baums zu ihm und ſeiner organiſchen Natur gehoͤren. §. 9. 11. Dieſe mechaniſche Maſchine, die einzige in ih - rer Art, die zugleich zu den thieriſchen gehoͤret, ſondert in ihren unendlich kleinen Canaͤlen die Lebensgeiſter vom Blu - te ab, ſo wie andre Abſonderungsmaſchinen in ihren klei - nen Canaͤlen andre Saͤfte abſondern. Die Abſonderun - gen der Saͤfte ſind uͤberhaupt, wie in der Phyſiologie des eigentlichen Mechanismus der thieriſchen Koͤrper gelehret wird, zwar nicht eigentliche thieriſche Verrichtungen, ſon - dern erfolgen mehr nach blos phyſicaliſchen Geſetzen. Jn ſo fern aber doch gleichwohl die in die kleinen Canaͤle ein - dringenden Saͤfte dieſelben zu ihren natuͤrlichen Verrich - tungen ſinnlich reizen, wie unten dargethan werden ſoll, §. 168. 172. 460. muß man auch die natuͤrliche Verrich - tung der Markrinde des Gehirns fuͤr thieriſch halten: al - lein unter die eigentlichen Seelenwirkungen gehoͤret ſie nicht, ſo nothwendig und unentbehrlich ſie auch immer da - zu ſeyn mag, weil ſie zwar zum Entſtehen der materiellen Jdeen im Hirnmarke erfoderlich, §. 28. aber keine un - mittelbare thieriſche Folge derſelben, noch an ſich ſelbſt ei - ne materielle Jdee iſt, indem die Abſonderung der Lebens - geiſter nicht durch Vorſtellungen unmittelbar bewerkſtelli - get wird. §. 25. 97. Nichts deſtoweniger kann die na - tuͤrliche Verrichtung der Markrinde des Gehirns auf ei - ne entfernte Weiſe durch Seelenwirkungen veraͤndert wer - den, wenn Vorſtellungen, Begierden ꝛc. die Bewegung des Herzens und den Umlauf des Bluts veraͤndern, und indem ſie daſſelbe dem Gehirne bald haͤufiger zuſenden, bald entziehen, die Abſonderung der Lebensgeiſter bald vermeh - ren oder beſchleunigen, bald vermindern oder verzoͤgern, welches jedoch vielmehr Folgen der Seelenwirkungen in der thieriſchen Oeconomie, als ſelbſt eigentlich Seelenwirkun - gen zu nennen ſind. Daß die materiellen Jdeen imK 4Hirn -152I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. Hirnmarke auf die Gefaͤße des Gehirns einen unmittelba - ren Einfluß als Seelenwirkungen haben, iſt nicht unwider - ſprechlich zu beweiſen, aber doch ſehr wahrſcheinlich. Das Gehirn empfaͤngt bey jedem Aderſchlage wenigſtens den ſechſten Theil der ganzen Blutmaſſe von den Schlagadern, die ſich in unendlich vielen Zweigen der Subſtanz deſſelben aufs innigſte einverleiben, H. P. §. 319. H. gr. P. 4 Th. 10 Buch 1 Abſch. §. 10 — 12. ſo daß auch die gering - ſte Bewegung im Gehirne nothwendig in dieſe kleinen Blutgefaͤße wirken zu muͤſſen ſcheint. Eben ſo viel zuruͤck - fuͤhrende Aderzweige nehmen das zum Gehirn gefuͤhrte Blut wieder in ſich, verſammlen es in groͤßere, ja auch in einige beſondre große Blutbehaͤlter, H. P. §. 325. u. f. und dann fließt es wieder zum Herzen, der Quelle der Le - bensbewegungen, zuruͤck. H. P. §. 335. Es iſt alſo wahr - ſcheinlich, daß ſelbſt die thieriſchen Bewegungen im Ge - hirne, (die materiellen Jdeen §. 25.) ſo verborgen und unmerklich ſie auch den Beobachtern immer ſeyn moͤgen, §. 28. dennoch einigen Einfluß in die thieriſchen Lebensbe - wegungen, auch ſogar ſchon ohne die Vermittelung der Nerven haben, und daß dieß eine der Urſachen ſey, war - um ſo manche Vorſtellung der Seele, die nur von einiger Staͤrke iſt, beſonders aber eine ſchmerzhafte Empfindung im Gehirne, (Kopfweh,) den Umlauf des Bluts veraͤn - dert, und beſonders im Haupte bald das Blut aufhaͤlt, bald hinzieht, die Adern aufſchwellt oder entlediget, und die Farbe des Geſichts ſo wandelbar machet. Dieß alles laͤßt ſich muthmaßen, und iſt wahrſcheinlich. Allein we - der die voͤllige Gewißheit hiervon, noch die Art und Weiſe, wie die ſinnlichen Eindruͤcke der Vorſtellungen ins Gehirn dieß bewerkſtelligen, noch die beſondre Seelenwirkung in die Blutgefaͤße von jeder beſondern Art derſelben, kann auf irgend eine Weiſe dargethan werden, weil es unmoͤglich iſt, die hierzu noͤthigen genauen Beobachtungen anzuſtellen. Wir ſehen zwar, daß einige Arten der Vorſtellungen die Lebensbewegungen und beſonders den Umlauf im Haupteregel -153Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan. regelmaͤßig und ſtark veraͤndern: aber da dieſes noch wahr - ſcheinlicher durch die Nerven, welche zum Herzen gehen, geſchehen kann, indem der ſinnliche Eindruck von ſolchen Vorſtellungen durch ſie die Bewegung deſſelben veraͤndert, ſo bleibt es unentſchieden, ob die unmittelbare Wirkung der ſinnlichen Eindruͤcke im Gehirne auf die Blutgefaͤße deſſelben, zu dieſen Seelenwirkungen etwas, und wie viel ſie etwan dazu beytrage. Wir muͤſſen demnach dieſe uner - forſchliche Sache dahin geſtellet ſeyn laſſen, (indeſſen ver - gleiche man §. 251.) und nur die mittelbaren Wirkungen der materiellen Jdeen durch die Nerven in die mechani - ſchen Maſchinen in Betrachtung ziehen. §. 152. N. 2.
Die gewoͤhnlichſte und allgemeinſte Art, wie die Ner - ven, die in mechaniſche Maſchinen wirken, ſich ihnen mit - theilen, beſteht darinn, daß ſich ihre Zweige und Spitzen dieſen Maſchinen aufs innigſte einverleiben, das iſt, ihr Mark in ihnen verbreiten, §. 13. und ſo darinn verthei - len, daß ſie ſich in ihnen gaͤnzlich verlieren. Allein es iſt noch eine andre Art moͤglich, von welcher vorlaͤufig das Wenige, was wir davon wiſſen, erwaͤhnet zu werden ver - dienet. Die Nerven beruͤhren auf ihrem Wege mancher - ley mechaniſche Maſchinen, ohne ſich doch ihnen eigentlich mitzutheilen oder einzuverleiben. Da der ſinnliche Ein - druck im Gehirne in den Nerven, ſelbſt keine ſichtbare oder ſonſt aus einigen Spuren bemerkbare Bewegung in ihm ſelbſt wirket; ſo thut auch der durch ihn herabſteigende ſinn - liche Eindruck nie einige Wirkung in den Theilen, die er in ſeiner geraden Richtung beruͤhret. Allein da es wahr - ſcheinlich iſt, daß er in den Punkten, wo er von ſeiner ge - raden Richtung abweichet, durch einen ſtarken ſinnlichenK 5Eindruck154I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. Eindruck vom Gehirne her einigermaßen gereget werde, §. 151. ſo kann er auch in ſolchem Falle vielleicht den mecha - niſchen Maſchinen, die er an ſolchen Stellen beruͤhret, ei - nige Bewegung mittheilen, die eine Seelenwirkung ge - nennet werden kann. §. 97. Dieſe Vermuthung wird ſehr wahrſcheinlich, bey den Nervenſchlingen, die ſich um manche Blutgefaͤße winden, und dieſelben, gewiß nicht ohne eine Abſicht der Natur, umfaſſen. Wahrſcheinlicher Weiſe koͤnnen hierdurch manche ſtarke ſinnliche Eindruͤcke im Gehirne, an ſolchen Stellen die Blutgefaͤße ein wenig zuſammenſchnuͤren und den Umlauf hemmen, wie ſolches der Herr v. Haller ſelbſt angenommen hat, um unter an - dern die Roͤthe des Geſichts bey einer Beſchaͤmung daraus muthmaßlich zu erklaͤren. (v. Haller. Boerh. Prael. ac. T. 4. S. 448. 449. not. a. S. Hall. op. min. T. 1. pag. 513.) Nach der Zeit aber hat der vortreffliche Mann dieſe Meynung wieder zuruͤckgenommen, H. P. §. 566. H. gr. P. 4 B. S. 641. und viel andre Gelehrte haben ſich dawider erklaͤret, insgeſammt aus dem einzigen Grun - de, weil die ſinnlichen Eindruͤcke, es ſeyn aͤußere oder in - nere, ob ſie gleich einen Muskel in Convulſionen ſetzen, doch niemals im Nerven ſelbſt ſichtbare Bewegungen er - regten: da doch die ſinnlichen Eindruͤcke ins Gehirn ganz unſtreitig die Nervenſpitzen regen, §. 147. und dieſes uͤber - all moͤglich und wahrſcheinlich iſt, wo ſich die gerade Rich - tung der Nerven auf einmal ſtark veraͤndert. §. 151. Ob man alſo hinlaͤnglichen Grund gehabt habe, einer ſo wahr - ſcheinlichen Meynung zu entſagen, das verdiente vielleicht naͤher gepruͤft zu werden. (Man vergl. §. 178.)
Unter die mechaniſchen Maſchinen, in welche ſich die Nerven ſo vertheilen, daß ſie ſich ihnen voͤllig einverleiben, gehoͤren zuerſt und vornehmlich die Muskeln, (das Fleiſch,) deren Strucktur, Mechanismum und Zweck man hier aus der mechaniſchen Phyſiologie voraus ſetzenmuß.155Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan. muß. Jn alle Muskeln dringen haͤufige Nerven hinein, die ſich mit den Blutgefaͤßen im zelligten Gewebe derſelben vertheilen, vorher aber ihre harte Decke ablegen, weich wer - den, und ſich dem Auge entziehen, noch ehe man ihr aͤu - ßerſtes Ende erreichen kann. H. P. §. 398. „ Die Ner - „ ven, die in die Muskeln haͤufiger, als in andre Theile des „ Koͤrpers eindringen, verwandeln ſich in ihnen in Aeſte, „ welche die Blutgefaͤße begleiten. Sie werden immer zar - „ ter, je weiter ſie fortlaufen, vertragen endlich nicht ein - „ mal mehr die Beruͤhrung eines Werkzeugs, und man „ kann ſie bis zu ihren breyartigen Enden nicht (ſo, wie an - „ dre Nerven,) verfolgen. “ H. gr. P. 4 B. S. 314. Man kann alſo mit Recht behaupten, daß ſich das weiche Ner - venmark in den Muskelfaſern verliere, und ſich ihrer Sub - ſtanz einverleibe. Monro de Nervis. §. 22. Wenn durch einen ſinnlichen Eindruck in den Nerven ein Muskel, der, ſich ſelbſt gelaſſen, allezeit von Natur ſchlaff und weich bleibt, H. P. §. 418. in Bewegung geſetzet wird, ſo ziehen ſich ſeine Faſern und Endungen gegen die Mitte ſeines Bauchs zuſammen, und der ganze Muskel wird kuͤrzer: daher zieht er auch die Theile, an welchen er mit ſeinen Sehnen befeſtiget iſt, gegen einander. Der zuſammenge - zogene Muskel erhebt ſich und wird zugleich hart, und ſchwillt im Umfange ſo zu ſagen auf. Die Sehnen ver - halten ſich dabey, wenn er ſie an ſich zieht, blos leidend, und ſind ſelbſt weder beweglich, noch eines ſinnlichen Ein - drucks faͤhig. Der Muskel kann entweder ganz, oder nur zum Theil beweget werden. Wenn das eine Ende deſſel - ben an einem unbeweglichen Theile befeſtiget iſt, ſo beweget ſich nur derjenige Theil, der mit weichen kann. H. P. §. 405. Die Schlagadern, die in die Muskeln gehen, werden zwar zu ſeiner Strucktur, oder, ſo zu ſagen, zu ſeiner Geſundheit erfodert, ſo daß er, ohne ſie, zu den thie - riſchen Wirkungen bald unfaͤhig wird, weil er erkranket: §. 129. N. 4. aber die thieriſchen Wirkungen ſelbſt hoͤren nicht unmittelbar mit dem Einfluſſe des Bluts auf, Monrode156I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. de Nervis. §. 44. S. 44. und werden durch ſie keineswe - ges bewerkſtelliget. „ Tragen die Schlagadern etwas zu „ der Bewegung der Muskeln bey? Folget dieſes aus dem „ Beweiſe der Laͤhmung der untern Gliedmaßen, die auf „ das Unterbinden der großen Schlagader folget? Weiter „ folget nichts, als daß die Schlagadern den vollkommenen „ Zuſtand des Muskels, und das richtige Verhaͤltniß der „ Theile gegen einander erhalten, die Feuchtigkeit und den „ Dunſt abſondern, und ernaͤhren. Denn wenn ſchon eine „ Schlagader zugebunden oder abgeſchnitten wird, ſo wird „ der Muskel erſt lange hernach gelaͤhmet, wenn der Brand „ die Muskeln zerſtoͤret. Eine gereizte Schlagader aͤndert „ nichts in dem Muskel. Es kann auch die Bewegung „ beſonderer Muskeln aus keiner Urſache hergeleitet werden, „ die aus dem Herzen koͤmmt, und mit gleicher Kraft in „ dem ganzen Koͤrper wirket. Endlich beſitzt auch der Wil - „ le eine Herrſchaft uͤber die Nerven, nicht aber uͤber die „ Schlagadern, noch auf die feſten Theile des Koͤrpers. “ H. P. §. 406.
Dieſe Wirkung der Nerven in die Muskeln laͤßt ſich aus keinen mechaniſchen Bewegungsgeſetzen erklaͤren. „ Der „ hoͤchſt einfache Bau der Muskeln macher es ſchwer zu be - „ greifen, wie dieſe weichen und kleinen Faſern ſo heftige „ Bewegungen, ſowohl in dem Menſchen, als inſonderheit „ in den mit Schaalen bedeckten Jnſekten, mit ſo großer „ Gewalt hervorbringen koͤnnen. H. P. §. 394. Es erhel - „ let aus allen Berechnungen, daß die Kraft, die in der „ Bewegung der Muskeln angewandt wird, ungemein groß „ ſey, und aus keinen mechaniſchen Kraͤften erklaͤret werden „ koͤnne. — Die Urſache der thieriſchen Bewegung muß „ unſaͤglich ſeyn, da ihre Kraft in einem ſo kleinen Werk - „ zeuge etlichen tauſend Pfunden gleich iſt, und lange, ja „ ſogar ganze Tage hinter einander wirken kann: ſie ſcheint „ auch nicht anders erklaͤret werden zu koͤnnen, als durch dieunglaub -157Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan. „ unglaubliche Geſchwindigkeit, mit welcher der Einfluß „ des Nervenſafts auf den Befehl des Willens befoͤrdert „ wird. Woher aber dieſe Geſchwindigkeit entſtehe, iſt un - „ bekannt; genug iſts, daß wir wiſſen, daß durch ein im - „ merwaͤhrendes Geſetz auf einen gegebenen Willen eine ge - „ gebene Geſchwindigkeit in dem Nervenſafte hervorgebracht „ wird. “ H. P. §. 412. Daß nicht etwa durch die den Nerven beygebrachten Schwingungen, die ſich den Mus - kelfaſern mittheileten, die thieriſchen Bewegungen der letz - tern mechaniſcher Weiſe bewerkſtelliget werden, iſt aus al - len Erſcheinungen zu erſehen. „ Wenn ein gereizter Ner - „ ve, nach Art einer elaſtiſchen Saite, die zittert, wenn ſie „ beruͤhret wird, erſchuͤttert werden ſoll, ſo muß er aus har - „ ten, an beyden Enden an feſte Koͤrper angebundenen und „ geſpannten Faſern beſtehen; indem eine Saite, die weich, „ oder nicht geſpannt, oder nicht befeſtiget iſt, keine Schwuͤn - „ ge bewirken kann. Allein alle Nerven ſind in ihrem Ur - „ ſprunge markigt, aͤußerſt weich, und ohne die geringſte „ Spannung. Da, wo ſie durch genugſam geſicherte Ca - „ naͤle gehen, bleiben ſie weich und von Haͤuten ent - „ bloͤßt; — verſchiedene bleiben durch die ganze Laͤnge ih - „ res Laufs weich, wie der Nerve des Gehoͤrs, von dem „ doch am erſten, wegen der Natur des Schalls, eine zit - „ ternde Bewegung zu vermuthen waͤre. Andre Nerven, „ ob ſie ſchon hart ſind, werden doch in den Eingeweiden, „ den Muskeln ꝛc. wieder weich, ehe ſie anfangen ihre Wir - „ kung zu aͤußern. Folglich koͤnnen die Nervenfaſern, da „ ſie weder in dem Anfange noch in dem Ende geſpannet „ ſind, keine elaſtiſchen Schwuͤnge vollbringen. — Daß „ endlich die Nerven aller Federkraft beraubet ſeyn, bewei - „ ſet der Verſuch, indem ein zerſchnittener Nerve nicht kuͤr - „ zer wird, noch die abgeſchnittenen Enden ſich gegen die „ feſten Theile zuruͤckziehen, und vielmehr der Nerve wegen „ ſeiner Schlappigkeit etwas laͤnger wird, und das Mark „ in eine Erhoͤhung herausdruͤcket. Auch das weiche Mark „ des Gehirns erzeuget, wie die Nerven, alle Zufaͤlle des„ Schmer -158I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. „ Schmerzens und der Zuckungen der Muskeln, ohne den „ geringſten Anſchein einiger Spannung. — Da alſo die „ Empfindungen und Bewegungen der Muskeln auch nicht „ aus der Federkraft der Nerven, die gar nicht ihre Eigen - „ ſchaft iſt, erklaͤret werden koͤnnen; “H. P. §. 376. 377. und alle uͤbrige mechaniſche Erklaͤrungsarten dieſer Bewe - gung laͤngſt unzulaͤnglich befunden worden ſind; ſo muß man ſie aus andern bewegenden Kraͤften herleiten. Es folget aber die Bewegung der Muskeln, die ſie vom Ner - ven empfangen, nur auf einen ſinnlichen Eindruck in den - ſelben, es mag nun ein aͤußerlicher, der bis ins Gehirn fortgepflanzet wird, oder der nicht zum Gehirn koͤmmt, §. 34. 47. oder ein ſinnlicher Eindruck im Gehirne, von Vorſtellungen, oder nicht, oder ein innerer in der Laͤnge ſei - nes Marks ſeyn. §. 121. Ein Reiz, (aͤußerer ſinnlicher „ Eindruck,) der den Nerven eines Muskels empfindlich „ ruͤhret, bringt dieſe Bewegung in ihm hervor; er thut es „ aber auch an Thieren, die des Gehirns beraubet, deren „ Nerven gebunden und unempfindlich gemachet ſind, ja „ ſelbſt an ausgeſchnittenen Muskeln. H. P. §. 404. 409. „ 575. Wenn das Mark eines Nerven (durch einen innern „ ſinnlichen Eindruck) gereizet wird; ſo zieht ſich der Mus - „ kel, in den derſelbe geht, alſobald wie zuckend zuſammen, „ oder verſchiedene Muskeln gerathen in Zuckungen, denen „ der Nerve verſchiedene Aeſte zuſendet. Dieſes geſchieht „ ſo lange das Thier lebet, und gleich nach dem Tode, ſo „ lange noch alles feucht iſt. Es iſt nicht einmal noͤthig, „ daß der Nerve ganz ſey, denn wenn er ſchon zerſchnitten „ iſt, und gereizet wird, ſo erwecket er in den Muskeln glei - „ che Bewegung. Wenn ein Nerve zuſammengedruͤcket „ oder unterbunden wird, ſo werden hingegen die Muskeln „ gelaͤhmet, denen er Aeſte giebt, und bleiben unbeweglich, „ obgleich der Wille, der ſie vorher regieren konnte, ſie wir - „ ken heißt. Sie erlangen aber ihre Bewegung wieder, ſo - „ bald der Druck aufhoͤret, wenn nur der Nerve nicht ver - „ letzet worden iſt. Wenn das Mark des Gehirns tief in„ ſeinen159Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan. „ ſeinen Schenkeln gereizet wird, ſo entſtehen im ganzen „ Koͤrper die allerheftigſten zuckenden Bewegungen. — „ Ein gleiches geſchieht, wenn das Ruͤckenmark gereizet wird. „ Wenn das Gehirn ſelbſt, wo es immer ſeyn mag, zuſam - „ mengedruͤcket wird, ſo wird derjenige Theil des Koͤrpers „ ſeiner Bewegung beraubet, deſſen Nerven aus dem ge - „ druckten Theile des Gehirns entſpringen. — Jn den „ Verletzungen des Ruͤckenmarks ſieht man noch deutlicher, „ daß je nachdem es gereizet oder zuſammengedruͤcket wird, „ derjenige Theil entweder in Zuckungen geraͤth, oder ge - „ laͤhmet wird, deſſen Nerven aus dem verletzten Theile des „ Marks entſpringen. — Wenn das Ruͤckenmark im Hal - „ ſe verletzet wird, ſo erfolget ein ſchleuniger Tod, indem „ die Nerven des Herzens hauptſaͤchlich an dieſem Orte ent - „ ſpringen. H. P. §. 367. 368. Derjenige Muskel wird „ zuſammengezogen, in den in einer gegebenen Zeit eine „ groͤßere Menge des ihn reizenden Nervenſafts einfließt, es „ mag nun entweder von dem Willen, oder von einer (in - „ nerlich ſinnlich) reizenden Urſache im Gehirne oder im „ Nerven bewirket werden. “ H. P. §. 408 — 410. Ein ſinnlicher Eindruck in einen Bewegungsnerven, er ſey von welcher Art er immer wolle, bringt alſo diejenige Bewe - gung des Muskels, welchem er ſich einverleibet hat, auf eine uns unbegreifliche Weiſe wirklich hervor, zu der er vermoͤge ſeiner Strucktur faͤhig iſt. Alſo iſt ſie eine thie - riſche Bewegung von einer thieriſchen Kraft, §. 7. und in ſo fern ſie von den ſinnlichen Eindruͤcken der Vorſtellun - gen ins Gehirn gewirket wird, eine Seelenwirkung. §. 97. Keine Bewegung eines Muskels, in ſo fern ſie von blos phyſiſchen oder mechaniſchen Kraͤften, ja ſelbſt von andern ſinnlichen Eindruͤcken, außer denen von Vorſtellungen ins Gehirn, gewirket wird, iſt eine Seelenwirkung, §. 97. 121. obgleich im letzten Falle thieriſch, §. 6. 7. Hinge - gen muß man nicht blos die vom Willen herruͤhrenden Be - wegungen der Muskeln fuͤr Seelenwirkungen halten, wel - ches in vielen Lehrbuͤchern aus Unachtſamkeit geſchieht, undmancher -160I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. mancherley Verwirrungen veranlaſſet; da es nicht nur die von allen uͤbrigen eigenmaͤchtigen Vorſtellungen, ſondern auch die ſind, die von den aͤußerlichen Empfindungen der Seele gewirket werden: §. 97. 98. vergl. §. 351. und man hat alſo ſchlecht bewieſen, daß die Verrichtungen die - ſer oder jener Muskeln, des Herzens, der Gedaͤrme, u. ſ. w. nicht von der Seele herruͤhren koͤnnten, weil der Wille keine Gewalt uͤber ſie hat; indem aͤußere Empfindungen, Einbildungen, Triebe und Leidenſchaften ihre Bewegung gleichwohl veraͤndern und vermehren oder ſchwaͤchen, ob es gleich die Seele nicht willkuͤhrlich thut.
Anmerkung. Der Herr v. Haller ſcheint der Mey - nung zu ſeyn, daß keine andern als die willkuͤhrlichen Bewegungen von der Seele gewirket werden. („ Aeter - „ na lege ſeparatur voluntatis imperium ab irritabilita - „ tis provincia. “ Elem. Phyſiol. T. 4. pag. 528.) Er erkennet gleichwohl die Wirkung der Empfindungen, Einbildungen, Triebe und Leidenſchaften in den Koͤrper, und beweiſet ſelbſt uͤberfluͤſſig, daß dieß keine willkuͤhr - lichen Bewegungen ſind. (Ebendaſ. pag. 525.) Es bleibt alſo nichts uͤbrig, als daß er dieſe ſinnlichen Vor - ſtellungen, Begierden, Triebe ꝛc. von der Seele aus - ſchließen, und ſie fuͤr koͤrperlich halten muß, wie aus H. P. §. 564. und andern Stellen ſeiner Schriften zu erhellen ſcheint: allein kein gruͤndlicher Seelenlehrer kann eine ſolche Verwirrung der Begriffe zugeben, und wir werden dieß unten umſtaͤndlicher zeigen. S. §. 579. N. 3.
Jede Verrichtung, die die Bewegung der Muskeln in der thieriſchen Oeconomie bewerkſtelliget, iſt alſo thie - riſch, in ſo fern ſie durch den in ihnen ſich vertheilenden Nerven, vermoͤge irgend eines ſinnlichen Eindrucks in den - ſelben gewirket wird, kann aber nur dann eine Seelenwir - kung genennet werden, wann der ſinnliche Eindruck demNerven161Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan. Nerven durch Vorſtellungen vom Gehirne her beygebracht worden iſt. §. 162. Jn ſo fern ſind das Gehen, Ste - hen, Sitzen, die Biegung und Ausdehnung der Glied - maßen, das Athemholen, und deſſen Abaͤnderungen, das Reden, Lachen, Singen, Weinen, Seufzen, Huſten, Nieſen, das Hinunterſchlucken des Schlundes, das Ver - dauen der Speiſen des Magens und der Gedaͤrme, die Be - wegung des Herzens, der Umlauf der Saͤfte, in Bezie - hung auf die Bewegung des Herzens, (vergl. §. 167.) und kurz, alle Verrichtungen der thieriſchen Koͤrper, die durch Muskeln geſchehen, thieriſche Verrichtungen, und koͤnnen Seelenwirkungen ſeyn. H. P. §. 416. Jede Ver - richtung eines Muskels hingegen, die durch ſeine phyſicali - ſche Zuſammenſetzung, durch phyſiſche bewegende Kraͤfte, durch ſeine Strucktur und mechaniſchen Kraͤfte, durch den Einfluß der Adern, durch ſeine Haͤute und Sehnen, an - ziehende Kraft und Elaſticitaͤt ſeiner Theile, oder durch andre phyſicaliſche Eindruͤcke, die nicht ſinnlich ſind, ge - wirket wird, iſt in ſo fern weder thieriſch, noch eine See - lenwirkung. §. 162.
Durch die Muskelbewegung von den thieriſchen See - lenkraͤften, beſonders im Geſichte, werden die Gedanken der Seele gleichſam in aͤußerlichen Bildern ausgedruͤcket, von welchen auf ihr Daſeyn geſchloſſen werden kann, und von dieſen Zeichen praͤgen ſich nothwendig, durch die oft wiederholten Muskelbewegungen bey den oͤfterſten und leb - hafteſten Vorſtellungen der Seele, gewiſſe Spuren der Haut ein, welche die Muskeln decket und umkleidet. Hier - auf beruhet die Kunſt, die Denkungsart und herrſchenden Neigungen der Menſchen aus ihren Geſichtszuͤgen zu er - kennen, welche die Phyſiognomie, (Mienendeutung) heißt. S. des A. 1 B. 38 St.
Jn die Adern oder Blutgefaͤße und dadurch in den ganzen Umlauf des Bluts und in die Abſonderungen koͤn - nen die Nerven auf verſchiedene Weiſe einen Einfluß ha - ben. Erſtlich durch das Herz, welches ein zuſammenge - ſetzter holer Muskel iſt, in welchem ſich Nerven von ver - ſchiedenen Arten und mehr als einem Urſprunge, auf die Art, wie in andern Muskeln, §. 161. vertheilen. Dieſe Nerven ſind, wie alle andre, in ihren Spitzen aͤußerlicher ſinnlicher Eindruͤcke und Empfindungen faͤhig: denn die Thiere empfinden es, wenn man es ſticht, oder ſonſt reizet. §. 32. Sie fuͤhren alſo den aͤußern ſinnlichen Eindruck in ſolchen Faͤllen bis zum Gehirn, und machen daſelbſt in ihrem Urſprunge materielle aͤußere Empfindungen, §. 34. 25. oder ſinnliche Eindruͤcke im Gehirne, §. 121. die ſich, wenn keine natuͤrliche Hinderniſſe vorhanden ſind, §. 136. ꝛc. in denſelben Nerven abwaͤrts fortpflanzen, §. 129. 131. und alſo in die Bewegung des Herzens nicht nur ei - nen thieriſchen Einfluß, §. 7. ſondern auch Seelenwirkun - gen haben koͤnnen. §. 97. Eben ſo koͤnnen die ſinnlichen Vorſtellungen, Begierden und Verabſcheuungen, da ſie die Wirkungen durch die Nerven von manchen materiellenaͤußern165Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan. aͤußern Empfindungen zum Theil wiederholen oder nachah - men, §. 66. 93. zuweilen im Herzen Bewegungen erre - gen, die Seelenwirkungen ſind, z. E. wenn Einbildun - gen, Vorherſehungen, Leidenſchaften, ſeine Bewegung ver - aͤndern, welches, wie die Erfahrung lehret, nicht ſelten ge - ſchieht. Daß die ganze Bewegung des Herzens uͤberhaupt nicht blos mechaniſch, ſondern thieriſch ſey, iſt von den beſten Phyſiologen erkannt. H. P. §. 102. 103. Allein daß ſie ſchlechterdings eine Seelenwirkung waͤre, iſt unwi - derſprechlich falſch, da ſie uͤberhaupt fortdauren, ja wieder erwecket werden kann, wenn das Herz aus dem Koͤrper der Thiere ausgeſchnitten worden iſt. §. 164. N. 3. Auch iſt das kein Beweis davon, daß ein aͤußerlicher ſinnlicher Ein - druck in ſeine Nervenſpitzen ſeine Bewegung erneuret, weil die Wirkungen des aͤußern ſinnlichen Eindrucks, ehe er zum Gehirn gelanget iſt, nicht zu den Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen gehoͤren. §. 98. 162. Wenn aber gefraget wird, ob die Bewegung des Herzens nicht zuweilen von manchen ſinnlichen Eindruͤcken der Vorſtel - lungen in die Urſpruͤnge ſeiner Nerven, veraͤndert werden, mithin manche Veraͤnderung ſeiner Bewegung eine See - lenwirkung ſeyn koͤnne? §. 97. ſo beweißt das keineswe - ges das Gegentheil, weil keine Veraͤnderung ſeiner Bewe - gung dem Willen der Seele unterworfen iſt. §. 162. 163. Vielmehr iſt es unſtreitig, daß eine Veraͤnderung der Be - wegung des Herzens eine Seelenwirkung ſey, wenn irgend eine aͤußere Empfindung der Seele, oder eine andre, eigen - maͤchtige Vorſtellung derſelben eine ſolche Veraͤnderung hervorbringt. §. 162. 163. Nun empfindet die Seele wirklich manche aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die Nerven des Herzens. Sie empfindet ſeine heftigern Schlaͤge, ſei - ne Verwundungen und andre ſchmerzhafte Reizungen. Es erfolgen darauf ſtaͤrkere Bewegungen des Herzens, und dieſe ſind nothwendig unmittelbare Seelenwirkungen ſeiner aͤußern Empfindungen. §. 129. Daß ſeine Nervenſpitzen nicht gegen alle aͤußere Beruͤhrungen empfindlich ſind, dasL 3iſt166I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. iſt eine Eigenſchaft aller Nerven, in ſo fern ſie empfinden, §. 55. und das Auge, das gegen die Beruͤhrung des Lichts ſo empfindlich iſt, empfaͤngt vom ſtaͤrkſten Schalle nicht den mindeſten aͤußern ſinnlichen Eindruck ſo wenig, als das Ohr vom Lichte. §. 47. Ferner iſt es unwiderſprechlich, daß, obgleich nicht die freyen Entſchluͤſſe des Willens, den - noch viele ſinnliche Vorſtellungen, beſonders die Triebe und Leidenſchaften, eine offenbare Kraft beſitzen, die Bewegung des Herzens zu veraͤndern, H. P. §. 565. und alſo iſt es auch hieraus klar, daß manche Veraͤnderungen der Bewe - gung des Herzens wahre Seelenwirkungen ſind, in ſo fern ſie durch Vorſtellungen, vermittelſt ihrer ſinnlichen Ein - druͤcke ins Gehirn hervorgebracht werden. §. 97. 163. Wenn endlich auch gleich die Bewegung des Herzens nicht geſchwaͤchet wuͤrde, noch aufhoͤrete, wenn man das Gehirn zuſammendruͤcket, oder ſeine Nerven bindet, welches doch geſchieht, H. P. §. 100. ſo koͤnnte doch daraus nichts mehr geſchloſſen werden, als daß die geſammte Bewegung deſ - ſelben uͤberhaupt keine Seelenwirkung ſey, welches auch wahr iſt, ſondern, daß die gleichwohl unſtreitig thieriſche Kraft, die es beſtaͤndig beweget, nur nicht aus dem Ge - hirne komme, und in andern thieriſchen Maſchinen (den Nerven) und Kraͤften (den blos thieriſchen, §. 6.) ihren Sitz habe, wovon im zweyten Theile. §. 448. 514. Jn ſo fern aber das Herz durchs Gehirn doch einiger Seelen - wirkungen faͤhig iſt, kann man auch nicht in Abrede ſeyn, daß dieſe Seelenwirkungen im Herzen aufhoͤren muͤſſen, ſobald das Gehirn gaͤnzlich, oder die Urſpruͤnge der Ner - ven des Herzens in ihm zuſammengedruͤcket, oder alle ſei - ne Nerven auf ihrem Gange zu ihm unterbunden oder zer - ſchnitten waͤren. So wird z. E. in ſolchen Faͤllen keine aͤußere Empfindung vom ſtaͤrkſten Reize des Herzens und kein Affekt ſeine Bewegung veraͤndern. §. 164. N. 1. 3. 4.
Es haben alſo die Nerven des Herzens nicht allein ei - nen thieriſchen Einfluß in ſeine Bewegung, §. 6. da ſieſogar167Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan. ſogar empfindlich ſind, §. 34. 167. ſondern ſie koͤnnen auch wirkliche Seelenwirkungen in ihm hervorbringen, wel - che man aber in jedem beſondern Falle gehoͤrig erweiſen muß. (nach §. 164.) Hierdurch haben ſie alſo einen mit - telbaren Einfluß in den Umlauf der Saͤfte und die Verrich - tung der Adern, welches der erſte war, der nach §. 167. dargethan werden mußte. Einen andern Einfluß haben die Nerven uͤberhaupt in die Blutgefaͤße dadurch, daß ſie ſich ſelbſt mit den Haͤuten der Adern vereinigen und da - durch vielleicht ihre Fleiſchfaͤſergen, die ſie umgeben, thie - riſch beleben. Dieſer Einfluß der Nerven in die Blutge - faͤße iſt ſehr verborgen, und kaum ſcheinen ſie ihn durch irgend eine Seelenwirkung zu bewerkſtelligen, da die Schlagadern in den Verſuchen nicht einmal Empfindlich - keit zeigen. H. P. §. 32. Gleichwohl fraget der Herr v. Haller: ob nicht vielleicht aus dieſen Nerven ein Vermoͤ - gen der Adern, ſich zuſammenzuziehen, entſtuͤnde? Die ganze Stelle verdienet hier angefuͤhret zu werden: Auf „ dem aͤußern fadigten Weſen der Schlagadern laufen an „ vielen Orten Nerven hin, zumal auch uͤber die Schlag - „ adern am Halſe und ums Herz; ihre letzten Endungen „ ſind auch nicht beſtimmet, und die meiſten gehen offenbar „ zu andern Theilen. Entſteht vielleicht aus dieſen Nerven „ ein Vermoͤgen, ſich zuſammenzuziehen, das vergroͤßert „ bis zu Zuckungen anſteigen, vermindert aber in eine Laͤh - „ mung uͤbergehen kann? Zeiget ſich dieſes Vermoͤgen im „ Fieber, in einer mit Laͤhmung verbundenen Schwindung, „ in den Leidenſchaften? Gewiß iſts indeſſen, daß in den „ Verſuchen die Schlagadern keine Empfindung zeigen, daß „ ſie keine ſichtbare Reizbarkeit in unſern Erfahrungen ge - „ wieſen haben, und daß die durch eine ſtarke Saͤure er - „ zwungene Verengerung auch in der laͤngſt todten Haut „ entſteht. Vermuthlich iſt der Schlagadern zuſammenzie - „ hende Kraft und ihr Gefuͤhl, in dem Verhaͤltniſſe, wie „ es die kleinen Fleiſchfaſern und die wenigen eigenen Ner - „ ven zulaſſen. “ Man kann hier vergleichen, was §. 160. L 4und168I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. und unten §. 178. von den Nervenſchlingen um die Adern gemuthmaßet wird.
Eine dritte Art, wie die Nerven in die Blutgefaͤße wirken koͤnnen, iſt die durch ihren Einfluß in die Mus - keln. Denn da ſich in jedem Muskel viel Blutgefaͤße ver - theilen, und er durch den Einfluß ſeiner Nerven maͤchtig zuſammengezogen wird, §. 161. ſo muͤſſen nothwendig die Adern an dieſer Bewegung einigen Antheil nehmen. Daher befoͤrdern ſie ſolchergeſtalt mittelbarer Weiſe den Umlauf des Bluts in den Blutadern, ſchuͤtteln und zerrei - ben das in den Pulsadern, und befoͤrdern ſeinen Lauf nach der Lunge; ſie regieren die Ab - und Ausſonderungen der Le - ber, des Gekroͤſes, ꝛc. und vermindern oder beſchleunigen dieſelben; ſie treiben das Blut weiter fort, und die großen Muskeln, die den ganzen Unterleib umgeben, treiben das, was in dieſer Hoͤhle enthalten iſt, aus derſelben heraus, ge - gen das Herz zu. H. P. §. 416. Viele dieſer Verrichtun - gen ſind wahre Seelenwirkungen, ja willkuͤhrliche und frey - willige Bewegungen. §. 165. Nimmt man zu allen die - ſen Wirkungen der Nerven in die Blutgefaͤße und den Um - lauf, noch die unmittelbare des Gehirns in die unzaͤhligen kleinen Blutgefaͤße deſſelben; §. 159. ſo erhellet, daß die - ſe dem Anſcheine nach meiſt blos mechaniſche Verrichtung des Herzens und der Adern unter einem großen Einfluſſe der Vorſtellungskraft, und unter einem noch groͤßern der thieriſchen Kraͤfte der Nerven uͤberhaupt ſtehe. Wegen noch einer beſondern Seelenwirkung der aͤußern Empfin - dungen in die Endungen der Adern, die beſſer erſt weiter unten erklaͤret werden wird, vergleiche man §. 207.
Jn andre Canaͤle, die fleiſchigtere Haͤute, und mehr eigne Nerven haben, wie z. E. der Schlund, die Ge - daͤrme, u. ſ. w. wirken die Nerven hauptſaͤchlich durchden169Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan. den Reiz der Muskularbewegung, ſo daß dieſe Schlaͤuche durch ſie zu den Verrichtungen, wozu ſie ihrer Strucktur nach vermoͤgend ſind, in Wirkung geſetzet werden. Wenn keine natuͤrliche Hinderniſſe vorhanden ſind, §. 47. u. f. warum die Nerven ſolcher Schlaͤuche ihren aͤußern ſinnli - chen Eindruck nicht zum Gehirn bringen, ſondern wenn ſie wirklich empfindlich ſind, §. 34. ſo koͤnnen ſie durch ſinn - liche Eindruͤcke im Gehirne von aͤußern Empfindungen die - ſelben zu ihrer Verrichtung anreizen, und dann iſt dieſe ih - re Verrichtung eine Seelenwirkung, §. 97. 129. 131. obgleich uͤbrigens ihre Verrichtungen uͤberhaupt und gemei - niglich keine Seelenwirkungen, ſondern nur Nervenwir - kungen ſind. § 162. 163. Der Schlund, die Gedaͤrme und mehr ſolche fleiſchigte Schlaͤuche empfinden wirklich zum oͤftern, und bekommen dadurch Kraͤmpfe, wie die Reizun - gen des Schlundes durch eine ſchmerzhafte Beruͤhrung und die Leibſchmerzen, die in den Gedaͤrmen ihren Sitz ha - ben, erweiſen. Da nun in dieſen Faͤllen ihre Kraͤmpfe wahre Seelenwirkungen von aͤußern Empfindungen (vom Schmerze) ſind; ſo giebt es wirklich in dergleichen Schlaͤu - chen einige Seelenwirkungen, obgleich eben dieſelben Be - wegungen in andern Faͤllen gaͤnzlich, oder in dieſen ſelbſt zugleich, auch durch andre thieriſche Kraͤfte erreget werden koͤnnen, und obgleich der Wille keine Herrſchaft uͤber ſie hat. §. 162. 163. Ja, da auch die uͤbrigen ſinnlichen Vorſtellungen, Einbildungen, Vorherſehungen, ꝛc. und die ſinnlichen Begierden und Verabſcheuungen im Urſprun - ge der Nerven, die empfinden, die materiellen aͤußern Em - pfindungen, deren ſie faͤhig ſind, zum Theil wieder erregen koͤnnen; §. 66. u. f. 93. ſo koͤnnen auch dieſe zuweilen in ſolchen Schlaͤuchen Bewegungen hervorbringen, die See - lenwirkungen ſind, wie wenn durch die Vorherſehung eines eckelhaften Geſchmacks der Schlund beſtimmet wird, ſich zu wuͤrgen, und wenn durch die Einbildung von einer genom - menen Purganz die Gedaͤrme ſich entledigen.
Die Haͤute des menſchlichen Koͤrpers ſind von ſehr verſchiedener Zuſammenſetzung, und bald fleiſchigt, bald flockigt, zelligt, nervigt, druͤſigt, gefaͤßig, u. ſ. w. Von dieſen letztern insgeſammt wird unten §. 208. gehandelt werden. Die ausgebreiteten fleiſchigten Haͤute, wie das Zwerchfell, und andre, welche verſchiedene Theile des Koͤrpers, beſonders einige Druͤſen umgeben, ſind ebenfalls empfindlich, wie die Erfahrung lehret, und beſonders hat das Zwerchfell große Nerven, die durch aͤußere ſinnliche Eindruͤcke ſeine Bewegung aͤndern, und wenn ſie gebun - den werden, dieſelbe aufheben. H. P. §. 403. Außer - dem iſt die Bewegung deſſelben ſogar der Herrſchaft des Willens unterworfen, da man das Athemholen nach Be - lieben veraͤndern kann. Es gilt alſo von dieſen breiten Muskeln und Fleiſchhaͤuten, in Abſicht der Wirkung der Nerven auf ihre Verrichtungen, was von dieſer Wirkung in die Muskeln und Adern derſelben uͤberhaupt gelehret worden iſt. §. 161. u. f. 168.
Die Druͤſen ſind ein Geflecht von Adern und Nerven, und ihre Verrichtung iſt eine Abſcheidung der Saͤfte aus dem Blute. Auf dieſe koͤnnen die Nerven eben die Ein - fluͤſſe haben, wie in andre Adern, §. 168. 169. und da - durch die Abſcheidung der Saͤfte, die ſonſt blos phyſiſch zu ſeyn ſcheint, §. 159. nicht nur thieriſch, ſondern auch zu - weilen zu Seelenwirkungen machen. Den merklichſten thieriſchen Einfluß in die Druͤſen haben aber die Nerven bey ſolchen, die mit fleiſchigten Haͤuten umgeben, oder ſo zwiſchen Muskeln gelegt ſind, daß dieſe durch ihre Wir - kung den Saft, den ſie abgeſchieden, aus ihnen heraus - druͤcken muͤſſen, daß er ſich ergieße. Von den erſtern hat man Beyſpiele in den Geilen, der Harnblaſe, den Gedaͤr - men und dem Magen; von letztern koͤnnen die Speichel - druͤſen hinter den Ohren, die durch die Bewegung derKaͤu -171Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan. Kaͤumuskeln ſich ausleeren, ein Beyſpiel geben. H. P. §. 233. Dieſe Ausleerungen erfolgen durch die thieriſchen Kraͤfte der Muskeln und Fleiſchhaͤute, von den Nerven, und in ſo fern durch dieſe die ſinnlichen Eindruͤcke im Ge - hirne ebenfalls in ſie einen Einfluß haben, koͤnnen auch die - ſe Ergießungen der Druͤſen Seelenwirkungen ſeyn. §. 162. So ergießen ſich manche Druͤſen von aͤußern Empfindun - gen, (Kitzel, Schmerz, §. 80.) manche von Einbildun - gen, ſinnlichen Vorherſehungen, Begierden, u. ſ. w. wie die Speicheldruͤſen bey der Erinnerung oder Erwartung ei - nes angenehmen Geſchmacks, oder beym Hunger, manche von Leidenſchaften, wie die Thraͤnendruͤſen, die Druͤſen der Geſchlechtstheile, manche ſogar nach Entſchluͤſſen des Wil - lens, wie wenn man den Speichel durch willkuͤhrliches Kaͤuen reizet, oder verſtellt weinet.
Die Wirkung der Nerven in die Eingeweide iſt ſehr zuſammengeſetzet, nachdem dieſe viel oder wenig Nerven haben, welche verſchiedener ſinnlicher Eindruͤcke faͤhig ſind, §. 34. 47. 121. nachdem ſie unter den Einfluͤſſen von Muskeln, Fleiſchhaͤuten, Adern, Druͤſen, mit welchen ſie umgeben, benachbart, ſelbſt begabt und durchdrungen ſind, ſtehen, und nachdem in dieſe die Nerven unmittelbar oder durch Mitleidenheiten, §. 127. 165. wirken. Ohne ſie alle durchzugehen, wird es genug ſeyn, das Wichtigſte von denen, die der Erfahrung nach, einiger Seelenwirkungen faͤhig ſind, hier anzufuͤhren. Vom Herzen iſt ſolches ſchon §. 167. geſchehen. Die Lunge verrichtet durch eigne thie - riſche Kraft wenig, da ſie ſich beym Athemholen nur lei - dentlich verhaͤlt, als welches die Muskeln und das Zwerch - fell, von welchen ſchon oben gehandelt worden, §. 161. ꝛc. 171. bewerkſtelligen Jnzwiſchen koͤnnen ihre Nerven ei - nige Wirkung in ihre Blutgefaͤße haben, §. 168. 169. Eben dieſes laͤßt ſich von der Milz ſagen, die wenig Ner - ven hat, welche aber ihre großen Schlagadern mit ihrenZweigen172I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. Zweigen uͤberziehen. H. P. §. 679. Das Netz hat we - nig Nerven und iſt unempfindlich.
Der Magen hat viele und betraͤchtliche Nerven, und eine ungemeine Empfindlichkeit. Wenn man den Stamm dieſer Nerven (des achten Paares) unterbindet, ſo geht die Kraft des Magens und ſeine Verdauung zu Grunde. Sei - ne Nerven ſind beſondrer aͤußerer ſinnlicher Eindruͤcke in ih - ren Spitzen faͤhig, ſo daß ſcharfe Dinge, die die Zunge nicht unterſcheiden kann, doch den Magen empoͤren. H. P. §. 630. Dagegen machen oft andre Dinge, die die Zun - ge hoͤchſt verſchieden empfindet, im Magen nicht nur keine verſchiedene, ſondern gar keine aͤußere Empfindung, ob ſie gleich, wie aus den thieriſchen Bewegungen, die ſie in ihm zuweilen hervorbringen, erhellet, in ſeinen Nervenſpitzen andre aͤußere ſinnliche Eindruͤcke machen muͤſſen, die nicht empfunden werden, weil vermuthlich natuͤrliche Hinderniſſe vorhanden ſind, welche dieſe aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke nicht zum Gehirn aufſteigen laſſen, §. 47. wovon aber erſt im folgenden Theile dieſes Werks gehandelt werden kann. (S. §. 428. 429.) Durch ſeine Empfindlichkeit iſt der Magen ſinnlicher Eindruͤcke von Vorſtellungen durchs Ge - hirn faͤhig, §. 98. welches Seelenwirkungen ſind; §. 97. z. E. wenn ein heftiger Schmerz einen Magenkrampf er - reget. Auch koͤnnen, nach eben den Gruͤnden, woraus es vom Schlunde und den Gedaͤrmen erwieſen worden, §. 170. die ſinnlichen Vorſtellungen und Begierden in ihm Bewegungen hervorbringen, die Seelenwirkungen ſind, z. E. wenn ſich von einer Einbildung, Vorherſehung, einem Eckel, ſeine Bewegung umkehret, daß er ſich erbricht, oder wenn er durch den Hunger beweget, und durch heftige Lei - denſchaften in Krampf gebracht wird. Der Wille hat we - nig Gewalt uͤber ſeine Verrichtungen. Sonſt aber iſt noch der Einfluß der Nerven in ihn ſehr groß, vermittelſt der Fleiſchhaut, der Adern, der Druͤſen, der Muskeln, desZwerch -173Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan. Zwerchfells und der benachbarten Eingeweide. §. 173. Von dem großen und ganz beſondern Zuſammenhange, welchen die Gemuͤths - und Nervenkrankheiten mit den Krankheiten der Verdauungskraͤfte des Magens und der Gedaͤrme haben, S. d. A. 3 B. 150 — 152. 156 St. 4 B. 166. 185. 187. 189. 197 St. ꝛc.
Jn der Leber wird die Galle vom Blute, das ſich haͤufig in ſie ergießt, abgeſchieden. Sie hat keine großen Nerven, aber viele, die ſich alle um den Stamm ihrer Schlagadern herumwinden, H. P. §. 699. und in dem zelligten Gewebe vertheilen, das die Pfortader umgiebt, und ihr in der ganzen Leber folget, H. P. §. 696. mithin hier, auf die §. 160. gemuthmaßte Art, ſo, wie in den Druͤſen, §. 172. die Abſonderung der Galle vielleicht be - foͤrdern und hindern koͤnnen. Obgleich die Empfindlich - keit dieſes Eingeweides nicht groß iſt, mithin nur wenige von den aͤußerlichen ſinnlichen Eindruͤcken in dieſe Nerven - ſpitzen zum Gehirn gelangen; ſo thun es doch einige, und es ſind alſo auch in dieſem Eingeweide Bewegungen moͤg - lich, die Seelenwirkungen ſind. §. 97. Man bemerket ſie aber nur bey den heftigſten aͤußern Empfindungen und ſinn - lichen Vorſtellungen, z. E. bey Entzuͤndungsſchmerzen, beym Zorne, in der Wuth, u. ſ. w. da man aus den dar - auf folgenden Gallenkrankheiten, der Gelbſucht, u. ſ. w. ſchließen kann, daß die Abſcheidung der Galle gehindert oder vermehret worden ſeyn muͤſſe. Durch die Muskeln des Unterleibes, das Zwerchfell und andre benachbarte und mit der Leber verknuͤpfte Theile koͤnnen die Nerven auch mittelbarer Weiſe Einfluͤſſe in ſie haben, die Seelenwir - kungen ſind.
Die Nieren, welche den Urin aus dem Blute abſon - dern, haben viele und kleine Nerven, H. P. §. 776. dienur174I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. nur von heftigen und unnatuͤrlichen aͤußern ſinnlichen Ein - druͤcken Empfindungen leiden, z. E. wenn ein Stein, oder eine Entzuͤndung darinn wuͤtet, in welchem Falle ſie dann auch nur einiger Seelenwirkungen, z. E. Kraͤmpfe faͤhig ſind. Die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke vom Harne hinge - gen, der doch in den Nerven der Zunge, der Naſe, ja der Haut ſelbſt, lebhafte aͤußere Empfindungen erreget, machen in den Nerven der Nieren entweder gar keinen aͤußern ſinn - lichen Eindruck, oder derſelbe geht doch, wegen natuͤrli - cher Hinderniſſe, §. 47. ꝛc. nicht zum Gehirn. Uebri - gens koͤnnen die Nerven der den Nieren benachbarten oder mit ihnen verbundenen Theile vielleicht einige Seelenwir - kungen in ihnen verrichten. Die Harnblaſe iſt hingegen viel empfindlicher: denn der Harn reizet ſie ſelbſt, obwohl ungleich, durch unangenehme aͤußere Empfindungen, noch mehr aber eingeſpritztes Waſſer, ein Stein, u. ſ. w. Sie hat eine Fleiſchhaut und Nerven. H. P. §. 790. 791. Die heftigen aͤußern Empfindungen (Schmerzen) dieſer Nerven verurſachen ihr Kraͤmpfe und treiben mit Heftig - keit den Urin, welches in ſolchen Faͤllen Seelenwirkungen ſind. Auch die ſinnlichen Vorſtellungen, Einbildungen, Vorherſehungen wirken in ſie, wovon oſt Leute im Traume zum Urinlaſſen verleitet werden. Der Wille ſelbſt hat ei - nige Wirkung auf ſie, wenigſtens vermittelft der musculoͤ - ſen Theile, die ſie verſchließen und oͤffnen, und vielleicht anderer benachbarter.
Die Gliedmaßen der aͤußern Sinne, als blos me - chaniſche Maſchinen betrachtet, §. 155. leiden eben den Einfluß von den Nerven, die ſie bewegen, wie die uͤbrigen mechaniſchen Maſchinen. Sie bewegen durch aͤußere Em - pfindungen, ſinnliche Vorſtellungen, Triebe, Leidenſchaf - ten, und ſelbſt durch den Willen, die Zunge, die Naſe, die Ohren, die Augen, ja ſelbſt die Haut, worinn die Ner - ven des Gefuͤhls wohnen, die von manchen aͤußern Em -pfindun -175Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan. pfindungen, z. E. der Kaͤlte, zuſammengezogen, bey man - chen Thieren ſogar heftig erſchuͤttert wird, welches alles in ſolchen Faͤllen wahre Seelenwirkungen von aͤußerlichen Empfindungen, ſinnlichen Vorſtellungen und Begierden, oder vom Willen ſind. §. 97.
Die Geſchlechtstheile der Maͤnner, beſonders die Geilen und die Schlagadern der Ruthe, ſind mit vielen, und letztere beſonders mit ſehr großen Nerven, die insge - ſammt ungemein empfindlich ſind, verſehen. Die Em - pfindlichkeit der Geilen iſt ſo groß, daß auf ihre Verletzung alſobald Ohnmachten und Zuckungen, und beſonders durch die Mitleidenheit dieſer Seelenwirkungen, (§. 127.) ein krampfhaftes Zuſammenziehen der Kinnbacken erfolgen. Folglich koͤnnen aͤußere Empfindungen, als Seelenwirkun - gen in die Abſcheidung der Saͤfte, die in den Geilen ge - ſchieht, einigen Einfluß haben. H. P. §. 816. Die em - pfindlichen Nerven der Ruthe, die jeder ſinnlicher Eindruck heftig reizet, geben ein merkwuͤrdiges Beyſpiel von der Wirkung der ſinnlichen Eindruͤcke der Vorſtellungen in die Adern, vermittelſt der Nervenſchlingen, ohne Zwiſchen - kunft der Muskeln, wovon §. 160. Erwaͤhnung geſchehen iſt. Denn das Aufſchwellen ihrer ſchwammigten Koͤrper muß durch die Zuruͤckhaltung des Bluts in den Blutadern geſchehen, wozu doch gleichwohl keine andre Mittel vorhan - den ſind, wenn nicht die Nerven ſelbſt die Blutadern zu - ſammenziehen. Jn der That wird auch dieſes Aufſchwel - len durch alle Arten ſinnlicher Eindruͤcke in dieſe Nerven veranlaſſet, beſonders durch aͤußerliche Empfindungen, wenn der Harn die Harnblaſe, der gute Saame die Saa - menblaͤsgen, das Gift der Luſtſeuche und der ſpaniſchen Fliegen die Harnroͤhre, die ſehr empfindlich iſt, und andre Urſachen, wie z. E. das Peitſchen, das Reiben der Eichel, die Zuckungen, u. ſ. w. uͤberhaupt die Nerven dieſer Thei - le reizen. Auf gleiche Weiſe wird es aber auch durch Ein -bildun -176I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. bildungen, Vorherſehungen, ſinnliche Begierden, Triebe und Leidenſchaften, wie bekannt, veranlaſſet, wogegen der Wille unmittelbar nichts daruͤber zu gebieten hat. H. P. §. 835. Durch alle dieſe ſinnlichen Eindruͤcke, ſowohl aͤu - ßerliche, als von Vorſtellungen im Gehirne, „ wird das „ Blut in den zuruͤckfuͤhrenden Blutgefaͤßen zuruͤckgehalten, „ weil ſie zuſammengedruͤcket werden, oder die kleinen zu - „ ruͤckfuͤhrenden Aederchen, die ſich aller Orten in den ſchwam - „ migten Koͤrper eroͤffnen, muͤſſen verhindert werden, das „ Blut einzuſaugen, welches von den Schlagadern dahin „ gefuͤhret wird. Dieſes thut einigermaßen der emporhe - „ bende Muskel des Afters, indem er die Harnblaſe und die „ Samendruͤſe in die Hoͤhe hebt. Allein es iſt wahrſchein - „ lich, aus dem Beyſpiele der Bruſtwarzen, des Kragens „ des Truthahns, der Schamroͤthe des Geſichts, verſchie - „ dener Thiere, die ſich ohne einen aufrichtenden Muskel be - „ gatten, daraus, daß die Ruthe bey Thieren, deren Bau „ von dem menſchlichen gaͤnzlich verſchieden iſt, gleichwohl „ aufgerichtet wird, welches bey den Voͤgeln mit der groͤßten „ Geſchwindigkeit verrichtet wird, und endlich aus der Rich - „ tung ſelbſt der aufrichtenden Muskeln in der Aufrichtung „ und aus ihrem Unvermoͤgen die Blutadern zuſammenzu - „ druͤcken: aus dieſem allen, ſage ich, iſt es wahrſcheinlich, „ daß ohne Beyhuͤlfe der Muskeln, die zuruͤckfuͤhrenden „ Adern das Blut langſamer aufnehmen koͤnnen, und daß „ dieſes durch die Menge der in dem Jnnerſten verborgenen „ nervigten Stricke geſchehe, welche, durch die Kraft der „ Wolluſt gereizet, die zuruͤckfuͤhrenden Adern zuſammen - „ ziehen und verengern, ſo daß ſie ihren Staͤmmen weniger „ Blut uͤberliefern, als die Schlagadern herfuͤhren, welche „ frey ſind, und in welchen die Geſchwindigkeit des Bluts „ durch einen lebhaften Antrieb beſchleuniget wird; welches „ eine neue mit der vorigen ſich verbindende Urſache iſt. H. „ P. §. 839. Wenn endlich der Reiz der Nerven aufs hoͤch - „ ſte getrieben iſt, wenn die ſpaͤter angefuͤllten Zwiſchenraͤu - „ me der Harnroͤhre und die von ihnen entſtehende Eichel,„ von177Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan. „ von warmen und haͤufigem Blute angefuͤllet, ſtrotzen, ſteif „ werden, ſo daß die Fuͤhlwarzen in derſelben ſich ſelbſt wie „ aufrichten, und durch die Urſache der Wolluſt heftig ge - „ ruͤhret werden; ſo erfolget die Ausleerung der Samen - „ blaͤschen durch die emporhebenden Muskeln des Afters, „ welche wieder durch eine aͤußere Empfindung der Nerven, „ wenn die Eichel gereizet wird, oder auch blos durch Ein - „ bildungen, Vorherſehungen, unaͤchte aͤußere Empfindun - „ gen (§. 148.) und Leidenſchaften, “und in jedem dieſer Faͤlle als eine Seelenwirkung gewirket wird. H. P. §. 840. (Vergl. §. 274.)
Die Menge der Nerven, welche die weiblichen Ge - ſchlechtstheile ſo aͤußerſt empfindlich machet, H. P. §. 852. verrichtet bey ihnen die zur Stillung des Triebes zur Fortpflanzung noͤthigen Seelenwirkungen auf eine aͤhnliche Weiſe, wie bey den Maͤnnern, bald durch wahre aͤußerli - che Empfindungen, bald durch unaͤchte, (§. 148.) durch Einbildungen, Vorherſehungen, Begierden, Triebe, Lei - denſchaften, und andre ſinnliche Reizungen. (Vergl. §. 274.
Dieſer bisher beſchriebenen Arten von Seelenwirkun - gen ſind die vornehmſten mechaniſchen Maſchinen der thie - riſchen Koͤrper uͤberhaupt durch die Nerven faͤhig. §. 161 - 179. Um aber nun auch jede thieriſche Seelenkraft durch die Nerven insbeſondre zu betrachten und genauer zu er - gruͤnden, wollen wir nunmehr unterſuchen, in welche me - chaniſche Maſchinen und nach welchen Geſetzen die verſchie - denen Vorſtellungskraͤfte der Seele im thieriſchen Koͤrper ihre Seelenwirkungen außerhalb dem Gehirne, durch die Nerven (§. 115.) aͤußern, und worinn dieſelben beſtehen. Wir machen mit den ſinnlichen Erkenntniß - und Begeh - rungskraͤften §. 76. 89. den Anfang, (§. 181 — 329.) und werden hernach zu den verſtaͤndigen fortgehen. §. 76. 88. 89. (S. 8. §. 330 — 344.)
Es iſt ſo leicht nicht, als es ſcheint, die unmittelba - ren Seelenwirkungen der aͤußerlichen Empfindun - gen durch die Nerven in die mechaniſchen Maſchi - nen zu finden. Von allen, obgleich thieriſchen Wirkun - gen im Koͤrper, die die Beruͤhrung eines Nerven, oder der in ihn geſchehene aͤußere ſinnliche Eindruck, oder auch die Fortpflanzung deſſelben, ſogar bis zum Gehirn ſelbſt, oder irgend eine Ableitung deſſelben (§. 48.) hervorbringen, iſt keine eine wahre Seelenwirkung von aͤußern Empfin - dungen. §. 98. ſondern es ſind es nur diejenigen thieriſchen Wirkungen in den mechaniſchen Maſchinen, die die aͤuße - re Empfindung der Seele ſelbſt, (die materielle Empfin - dung im Gehirne als ſinnlicher Eindruck daſelbſt, §. 121.) weſentlich verurſachet. §. 97. Wiederum ſind von allen, obgleich Seelenwirkungen, andrer Vorſtellungen, die aus den aͤußern Empfindungen der Seele und ihren materiellen Jdeen im Gehirne durch die Nerven in den mechaniſchen Maſchinen entſtehen, keine wahre unmittelbare Seelenwir - kungen von aͤußerlichen Empfindungen. §. 97. 129. 131. Alle Bewegungen in den mechaniſchen Maſchinen alſo, die der aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven vielleicht, durch ihm eigne thieriſche Kraͤfte, ehe er die materielle aͤußere Empfindung im Gehirne formiret hat, hervorbringt; alle die er, wenn er auf ſeinem Wege zum Gehirn abge - leitet wird, etwa durch ſeine ihm eigne thieriſche bewegen - de Kraft, in andre Nerven und mechaniſche Maſchinen bringt; koͤnnen in ſo fern nicht fuͤr Seelenwirkungen wah - rer aͤußerlicher Empfindungen gehalten werden, wenn es auch gleich eben dieſelben waͤren, welche die wirkliche Em - pfindung dieſes aͤußern ſinnlichen Eindrucks hervorbringt. Alle in den mechaniſchen Maſchinen durch die Nerven ent -ſtehende179der aͤußern Empfindungen. ſtehende Seelenwirkungen der Einbildungen, Vorherſehun - gen, ſinnlichen Triebe, Leidenſchaften, verſtaͤndigen Vor - ſtellungen und Begierden oder Verabſcheuungen des Wil - lens, die die aͤußerlichen Empfindungen der Seele in ihr veranlaſſen, ſind keine wahren unmittelbaren Seelenwir - kungen der aͤußern Empfindungen, obgleich die materiellen Jdeen einiger dieſer durch ſie veranlaßten Vorſtellungen ſelbſt mittelbare Seelenwirkungen der aͤußern Empfindun - gen ſind. §. 97. 98.
Man hat dieſe ſehr verſchiedenen Dinge bisher immer durch einander fuͤr unmittelbare Seelenwirkungen der aͤu - ßern Empfindungen gehalten, und dadurch die Lehre von den aͤußern Empfindungen in der Phyſiologie greulich ver - wirret. Es iſt alſo dieſe wichtige Unterſcheidung wohl werth, daß wir ſie hier ſo deutlich als moͤglich machen, wo - bey wir aber etwas voraus ſetzen muͤſſen, was erſt im an - dern Theile dieſes Werks bewieſen werden wird, daß naͤm - lich der aͤußerliche ſinnliche Eindruck in die Nerven (das aͤußere Nervengefuͤhl, §. 32.) ſchon an ſich eine thieriſche bewegende Kraft ſey, ehe er zum Gehirn koͤmmt und da - ſelbſt aͤußere Empfindungen erzeuget. Die ſicherſte Ent - ſcheidung, ob eine in den mechaniſchen Maſchinen durch die aͤußere Beruͤhrung eines Nerven, (in ſeiner Spitze) er - zeugte Bewegung blos eine Wirkung des aͤußerlichen ſinn - lichen Eindrucks, (Gefuͤhls,) oder der aͤußern Empfindung ſey, beſteht darinn, daß man dieſelbe Beruͤhrung des Ner - ven, worauf die Bewegung erfolget iſt, wiederhole, nach - dem man den Nerven vom Gehirne abgeſchnitten, oder, zu groͤßerer Sicherheit vor Mitleidenheiten, den ganzen Kopf vom Thiere getrennet hat. Folget dann, ſo lange, als die S[p]uren des thieriſchen Lebens nach dieſer Trennung noch waͤhren, dieſelbe Bewegung von der Beruͤhrung des Nerven dennoch, ungeachtet der aͤußere ſinnliche Eindruck nun nicht mehr zum Gehirn fortgepflanzet werden, undM 2eine180I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. eine materielle Empfindung erregen kann, ſo iſt ſie in ſo fern keine Seelenwirkung von der aͤußern Empfindung, die dieſer aͤußere ſinnliche Eindruck durch das Gehirn in die Seele bringt; ſondern die thieriſche Wirkung der dem aͤu - ßern ſinnlichen Eindrucke an ſich eignen thieriſchen bewe - genden Kraft. Wenn man nun nach dieſer Probe die an - ſcheinenden Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen in den mechaniſchen Maſchinen unterſuchet, ſo findet man, daß die thieriſche bewegende Kraft des aͤußern ſinnlichen Ein - drucks in die Nerven die meiſten von denjenigen Bewegun - gen in den mechaniſchen Maſchinen, die wir lediglich fuͤr Seelenwirkungen ſeiner aͤußern Empfindung halten, und die es auch wirklich ſind, gleichwohl auch allein und wenn er gar nicht empfunden wird, vielleicht nur etwas unvoll - kommener, wirken koͤnne, wie ſolches im zweyten Theile dieſes Werks dargethan werden ſoll.
Die thieriſchen Bewegungen im thieriſchen Koͤrper, welche durch die eigenthuͤmliche thieriſche bewegende Kraft der thieriſchen Maſchinen, in ſo fern ſie nicht zugleich eine thieriſche Seelenkraft iſt, §. 6. mithin auch die, ſo durch die Kraft des aͤußerlichen ſinnlichen Eindrucks in die Ner - ven, in ſo fern er von der Seele nicht empfunden wird, her - vorgebracht werden, muͤſſen, zum Unterſchiede von den Seelenwirkungen, Nervenwirkungen genennet werden. §. 6. Es ſind alſo die meiſten Seelenwirkungen der aͤu - ßern Empfindungen in den mechaniſchen Maſchinen zugleich auch Nervenwirkungen, §. 182. und man muß alſo die folgenden Saͤtze als falſche Meynungen verwerfen, wenn man ſagt: 1. Eine thieriſche Bewegung in den mechaniſchen Maſchinen, die eine Seelenwirkung aͤußerer Empfindungen iſt, iſt keine Nervenwirkung. 2. Eben dergleichen Be - wegung, die eine Nervenwirkung iſt, iſt keine Seelenwir - kung aͤußerer Empfindungen. Denn es iſt nichts gewiſſer, als daß in den mechaniſchen Maſchinen eine Seelenwirkungaͤußerer181der aͤußern Empfindungen. aͤußerer Empfindungen zugleich eine Nervenwirkung, und dieſe zugleich jene ſeyn koͤnne: hingegen kann es in den me - chaniſchen Maſchinen Nervenwirkungen geben, die nicht zugleich Seelenwirkungen, auch nicht von aͤußern Empfin - dungen ſind, wenn der aͤußere ſinnliche Eindruck durch na - tuͤrliche, §. 47. 48 ꝛc. oder andre Hinderniſſe abgehalten wird, die materielle aͤußere Empfindung im Gehirne her - vorzubringen. §. 46. N. 3. So iſt die Bewegung des Herzens gemeiniglich nur eine Nervenwirkung und ſelten zugleich eine Seelenwirkung. §. 167. Denn wir empfin - den den aͤußern ſinnlichen Eindruck, der es in Bewegung ſetzet, nur ſelten, ob wir gleich den Herzſchlag ſelbſt, der die Nervenwirkung iſt, oͤfter empfinden. (vergl. §. 225.) Ob es aber in den mechaniſchen Maſchinen Seelenwirkun - gen von aͤußern Empfindungen gebe, die nicht zugleich Nervenwirkungen waͤren, das iſt eine hier unnoͤthige Un - terſuchung.
1. Wenn ein aͤußerer ſinnlicher Eindruck in die Ner - ven nicht empfunden wird, ſo iſt die Bewegung der Ma - ſchinen, die er verurſachet, in ſo fern keine Seelenwirkung einer aͤußern Empfindung. Empfindet man gleichwohl die dadurch erregte Bewegung, und es machet dieſe aͤußere Empfindung neue Bewegungen in den mechaniſchen Ma - ſchinen, ſo ſind dieß Seelenwirkungen von der aͤußern Em - pfindung einer Nervenwirkung. §. 183. (vergl. §. 443.)
2. Bey den Seelenwirkungen der aͤußern Empfindun - gen in den mechaniſchen Maſchinen, die auch blos Nerven - wirkungen allein ſeyn koͤnnten, kann man nicht abſehen, was das Empfinden der Seele mehr dazu beytrage, als der aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven allein, es moͤchte dann ſeyn, daß ſie vollkommener, vollſtaͤndiger und regel - maͤßiger erfolgen, wenn ſie die Wirkung beyder zugleich ſind. Hauptſaͤchlich aber ſcheint das Empfinden des aͤu - ßern ſinnlichen Eindrucks in die Nerven nur die Abſicht zuM 3haben,182I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. haben, andre Vorſtellungen in der Seele dadurch zu erre - gen, die der aͤußern Empfindung Nebenwirkungen im Koͤrper geben, wodurch ihre Wirkung in die geſammte thieriſche Oeconomie ſich mittelbarer Weiſe weiter ausbrei - tet, und von zuſammengeſetzterm Nutzen wird. Wenn z. E. die Bewegung des Magens bey der Nuͤchternheit, (wenn er ledig iſt, und davon leidet,) blos eine Nervenwirkung, die ſie wirklich iſt, bliebe, und nicht zugleich, weil ſie em - pfunden wird, eine Seelenwirkung dieſer aͤußern Empfin - dung waͤre, ſo koͤnnte dadurch die Begierde der Seele, die wir den Hunger nennen, nicht hervorgebracht werden, und die thieriſche Oeconomie wuͤrde vernachlaͤſſiget. Waͤre ein heftiger Krampf eines Muskels nur eine Nervenwir - kung und nicht zugleich eine Seelenwirkung des Schmer - zens, ſo wuͤrde die Maſchine davon verderben koͤnnen, oh - ne daß wir uns bemuͤheten, es zu verhuͤten. Jn dieſem Sinne muß man die aͤußerlichen Empfindungen als Waͤch - ter fuͤr unſre Erhaltung betrachten.
Es iſt nicht noͤthig, mehr als dieſes hier anzufuͤhren, um von einer Seite die Seelenwirkungen der aͤußerlichen Empfindungen von den Nervenwirkungen zu unterſchei - den. §. 181.
Von einer andern Seite betrachtet, verwirren wir wie - derum die Seelenwirkungen andrer Vorſtellungen in den mechaniſchen Maſchinen ſehr oft mit den unmittelbaren See - lenwirkungen der aͤußern Empfindungen in ihnen. Wenn wir eine eckelhafte Speiſe, die uns ehedem ein Erbrechen verurſachet hat, ſehen oder riechen, ſo erreget dieſe aͤußere Empfindung in uns eine Einbildung von dieſem ehemali - gen Erbrechen, und es erfolget wieder, weil dieſe Einbil - dung die ehemalige aͤußere Empfindung mit ihrer Wir - kung zum Theil wieder rege machet. §. 67. Jn dieſem Falle iſt das Erbrechen keine unmittelbare Seelenwirkung des Anblicks oder Geruchs, (der aͤußern Empfindung,) derSpeiſe;183der aͤußern Empfindungen. Speiſe; ſondern der durch ſie erregten Einbildung. Wenn wir einen Stein auf uns zufliegen ſehen, ſo weichen wir ihm aus, und dieß iſt keine unmittelbare Seelenwirkung in die Muskeln von dem Anblicke (der aͤußern Empfindung) des Steins; ſondern einer Verabſcheuung der uns drohen - den Gefahr, welche dieſer Anblick veranlaſſet hat. Sol - cher Faͤlle giebt es unzaͤhlige, und wenn wir nun dieſe mit jenen §. 182. zuſammennehmen, ſo findet ſichs, daß wir die meiſten mit den aͤußern Empfindungen verbundenen thie - riſchen Bewegungen in den mechaniſchen Maſchinen faͤlſch - lich fuͤr unmittelbare Seelenwirkungen derſelben in ſie hal - ten, da ſie doch entweder zugleich, oder gar nur bloße Ner - venwirkungen, §. 182. 183. oder Seelenwirkungen andrer Kraͤfte der Seele ſind, die blos durch die aͤußern Empfin - dungen in Wirkung geſetzet werden. (Vergl. §. 219. u. ff.)
Jnzwiſchen verſteht es ſich, daß man unter dieſe an - dern von aͤußern Empfindungen veranlaßten Vorſtellungen, deren Seelenwirkungen in die Maſchinen wir ſo oft mit de - nen, den aͤußern Empfindungen eignen verwechſeln, §. 182. keinesweges diejenigen innern Empfindungen der Seele von Luſt und Unluſt, die ihr die aͤußern Empfindungen geben, (die Luſt und Unluſt der Sinne, §. 80.) mitrechnen muͤſſe, da dieſe Luſt und Unluſt nur Beſchaffenheiten in den aͤußern Empfindungen der Seele ſelbſt, nicht aber andre durch ſie nur veranlaßte Vorſtellungen ſind, §. 80. und alſo ihre Seelenwirkungen zu den unmittelbaren Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen gehoͤren, §. 98. auch ſich auf keine andre Nerven unmittelbar erſtrecken, als die das An - genehme oder Widrige empfinden. §. 124. Da aber die verſchiedenen Beſchaffenheiten angenehmer und widriger aͤußerlicher Empfindungen auch beyderley aͤußere Empfin - dungen zu verſchiedenen Vorſtellungen machen, die ver - ſchiedene materielle Empfindungen im Gehirne, §. 80. mit - hin auch verſchiedene aͤußerliche ſinnliche Eindruͤcke in dieM 4Nerven184I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. Nerven vorausſetzen, §. 35. ſo ſind ſie allerdings zwo an ſich ganz verſchiedene Arten aͤußerlicher Empfindungen, die hoͤchſt verſchiedene Seelenwirkungen im Koͤrper her - vorbringen.
Alle aͤußere Empfindungen der Seele ſind entweder an - genehme oder unangenehme, und jene von beyden, in gro - ßer Staͤrke, Kitzel, dieſe, Schmerz. §. 80. Ohne eins von dieſen, (Luſt oder Unluſt der Sinne, §. 80.) ſcheint keine aͤußere Empfindung in der Seele zu ſeyn. (Vergl. Baumg. Met. §. 481. 405.) Alle unmittelbare Seelen - wirkungen der aͤußern Empfindungen enthalten alſo zugleich die, von ihrer Luſt oder Unluſt, und laſſen ſich nicht von einander trennen, weil in jeder aͤußern Empfindung der Seele eine von beyden enthalten iſt.
Alle unmittelbare Seelenwirkungen aͤußerlicher Em - pfindungen in den mechaniſchen Maſchinen werden durch denſelben Nerven gewirket, der die aͤußere materielle Em - pfindung im Gehirne machet, §. 129. 131. es ſey nun in eben demſelben Zweige, der den aͤußern ſinnlichen Eindruck empfangen hat, oder in andern durch Mitleidenheit der Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen, §. 165. N 1. oder durch Ableitung. §. 137. Soll aber die un - mittelbare Seelenwirkung der aͤußern Empfindung in der - ſelben Maſchine, welche den aͤußern ſinnlichen Eindruck empfangen hat, entſtehen, ſo muß die materielle Empfin - dung im Gehirne nothwendig diejenigen ableitenden Faden eben deſſelben Nerven im Gehirne ſinnlich ruͤhren, die ſich dieſer beruͤhrten mechaniſchen Maſchine einverleiben und ſie thieriſch bewegen koͤnnen. §. 129. N. 3.
Der Unterſchied der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in die Nervenſpitzen veranlaſſet, durch einerley Nerven, §. 188. die185der aͤußern Empfindungen. die Verſchiedenheit der angenehmen oder widrigen aͤußern Empfindungen. §. 186. Wenn nun der aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven ſchon an ſich eine thieriſche bewe - gende Kraft der mechaniſchen Maſchinen des Koͤrpers iſt, §. 182. ſo muß der, fuͤr die angenehmen aͤußern Empfin - dungen, ſchon an ſich, durch eben denſelben Nerven, an - dre thieriſche Bewegungen in den mechaniſchen Maſchinen hervorbringen, als der, fuͤr die unangenehmen aͤußern Em - pfindungen.
Da wir die eigentliche Beſchaffenheit des aͤußern ſinn - lichen Eindrucks in die Nerven nicht kennen, §. 131. 132. ſo kann man nicht ſagen, worinn ſein Unterſchied in eben dem Nerven beſtehe, wenn er der Seele eine angenehme, und wenn er ihr eine unangenehme aͤußerliche Empfindung giebt, und wenn er ihr Kitzel oder Schmerz erreget. §. 40. Da wir aber die Beſchaffenheit der materiellen aͤußern Em - pfindungen im Gehirne eben ſo wenig kennen, und dieſes die einzigen Quellen der unmittelbaren Seelenwirkungen von aͤußerlichen Empfindungen in den mechaniſchen Ma - ſchinen ſind, §. 35. 129. ſo muͤſſen dieſelben blos aus Er - fahrungen erkannt werden, wobey aber die Nervenwirkun - gen in die mechaniſchen Maſchinen, §. 183. und die See - lenwirkungen der von den aͤußern Empfindungen nur zufaͤl - lig veranlaßten Vorſtellungen §. 185. genau zu unterſchei - den ſind. §. 181.
Es ſcheint, daß der aͤußerliche ſinnliche Eindruck fuͤr die angenehmen, oder, wenn es deren giebt, gleichguͤlti - gen aͤußern Empfindungen von der Art ſey, wie er der na - tuͤrlichen Verrichtung (Beſtimmung) des Nerven gemaͤß iſt, dahingegen der, fuͤr die unangenehmen aͤußern Em - pfindungen von der Art iſt, daß er der thieriſchen Bauart und Kraft des Nerven nicht gemaͤß wirket, ſondern ihmM 5einiger -186I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. einigermaßen Gewalt thut. Dieß wird dadurch wahr - ſcheinlich, weil es der Natur der Seele gemaͤß iſt, die in allem auf die Erhaltung des Koͤrpers gleichſam abgerichtet iſt, und nichts, was dieſen beleidiget, angenehm findet. (Vergl. §. 196.)
Alle Nerven beſeelter Thiere ſind, ſo viel man weiß, wenigſtens gegen einige aͤußere Eindruͤcke empfindlich. Mithin haben ſie alle das Vermoͤgen, wenigſtens einige aͤußere Eindruͤcke ſinnlich anzunehmen und ſie bis ins Hirn - mark fortzupflanzen, wo ſie ſich in eine materielle aͤußere Empfindung verwandeln. §. 34. Die materiellen aͤußern Empfindungen ſind thieriſche Seelenkraͤfte, §. 114. die in dem Urſprunge des Nerven, der empfunden hat, einen in - nern ſinnlichen Eindruck machen, §. 121. welcher ſich in jedem Nerven abwaͤrts vom Gehirne fortpflanzen, §. 143. und, wenn er ſich mechaniſchen Maſchinen einverleibet, in ihnen Seelenwirkungen hervorbringen kann, §. 160. die unmittelbare aͤußere Empfindungen ſind. §. 98. Solcher - geſtalt ſind alle mechaniſche Maſchinen beſeelter Thiere, de - nen ſich Nerven einverleiben, wenigſtens einiger unmittel - barer Seelenwirkungen aͤußerer Empfindungen ſchlechter - dings faͤhig, ob ſie gleich vieler, durch natuͤrliche oder an - dre Hinderniſſe, unfaͤhig ſeyn koͤnnen. §. 47. Da man nun von andern Vorſtellungen und von den Begierden und Verabſcheuungen, die ſich nicht zunaͤchſt auf aͤußere Em - pfindungen beziehen, §. 66. 89. nicht bemerket, daß ſich ihr Einfluß auf alle mit Nerven verſehene mechaniſche Ma - ſchinen erſtrecken ſollte, vielmehr die meiſten nur in einige, und manche in gar keine zu wirken ſcheinen, §. 79. ſo iſt das Gebiet der Seelenwirkungen der aͤußern Empfindun - gen im Koͤrper beſeelter Thiere unter allen am weiteſten ausgedehnet, und diejenigen mit Nerven verſehenen mecha - niſchen Maſchinen, die am wenigſten von thieriſchen See - lenkraͤften beweget werden, ſind doch einiger Seelenwirkun - gen von aͤußern Empfindungen faͤhig.
Das, worinn alle thieriſche Bewegungen der mechani - ſchen Maſchinen mit einander uͤbereinkommen, ſie moͤgen Nervenwirkungen allein, oder Wirkungen ſinnlicher Ein - druͤcke ins Gehirn, Seelenwirkungen von aͤußern Empfin - dungen oder von andern Vorſtellungen der Seele ſeyn, und wodurch ſie ſich von blos mechaniſchen Bewegungen unter - ſcheiden, iſt, daß ſie den Reiz zu denjenigen Bewegungen, wozu ſie durch ihre Strucktur vermoͤgend ſind, durch ihren Nerven erhalten, in ſo fern er einen (aͤußern oder innern) ſinnlichen Eindruck empfangen hat. §. 31. Die Bewe - gungen ſelbſt wuͤrden alſo dieſelben ſeyn koͤnnen, wenn auch blos mechaniſche Kraͤfte ſie wirketen: denn alle Bewegun - gen, die in einer Maſchine hervorgebracht werden, es ſey durch dieſe oder jene Kraft, muͤſſen nothwendig ſolche ſeyn, wozu ihre Strucktur ſie vermoͤgend machet. Das alſo, wo - durch die Bewegung einer mechaniſchen Maſchine im thie - riſchen Koͤrper, blos thieriſch wird, iſt, daß ſie von einem ſinnlichen Eindrucke in die Nerven herruͤhret, der nicht em - pfunden, noch auch denſelben durch Vorſtellungen beyge - bracht wird; §. 6. das, wodurch ſie zur Seelenwirkung wird, iſt, daß ſie von einem ſinnlichen Eindrucke von Vor - ſtellungen ins Gehirn herruͤhret, §. 154. und das, wo - durch ſie zur Seelenwirkung aͤußerer Empfindungen wird, iſt, daß ſie durch den innern ſinnlichen Eindruck aͤußerer Empfindungen ins Gehirn entſteht. §. 34. 121.
Je ſtaͤrker die aͤußern Empfindungen der Seele ſind, deſto ſtaͤrker iſt auch ihre Wirkung in die mechaniſchen Ma - ſchinen: daher ſetzen ſie dieſelben in deſto ſtaͤrkere Wirkung, je ſtaͤrker ſie ſind. §. 133.
Alle Bewegungen, zu welchen eine mechaniſche Ma - ſchine vermoͤge ihrer Strucktur faͤhig iſt, gehoͤren entwederzu188I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. zu ihrer natuͤrlichen Beſtimmung im Zuſtande der Geſund - heit, oder ſie weichen von dieſer natuͤrlichen Beſtimmung ab. Alle Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen rei - zen alſo die mechaniſchen Maſchinen, in die ſie ſich erſtre - cken, entweder zu ſolchen Bewegungen, die ihre natuͤrliche Beſtimmung ſind, und dieß ſind die Seelenwirkungen der angenehmen, (wenigſtens gleichguͤltigen) aͤußern Empfin - dungen; oder zu ſolchen, die von ihrer natuͤrlichen Beſtim - mung abweichen, und dieß ſind die von den unangenehmen aͤußern Empfindungen. §. 191. Eben ſo ſind die Seelen - wirkungen vom Kitzel und Schmerze beſchaffen, und nur dem Grade nach von jenen verſchieden. §. 80.
Um dieſe Begriffe zu rechtfertigen, muß man beden - ken, daß jeder Schmerz und jede unangenehme aͤußere Em - pfindung ſchon an ſich etwas Widernatuͤrliches ſey, und fuͤr Krankheit gehalten werde, (womit §. 191. uͤbereinſtimmet,) wogegen man ſich ſo lange fuͤr geſund, (d. i. im natuͤrli - chen Zuſtande) haͤlt, als man entweder nur angenehme aͤußere Empfindungen hat, oder doch nichts unangenehmes empfindet. Da nun aber die Wirkungen ſind, wie ihre wirkenden Urſachen; ſo muͤſſen auch die Seelenwirkungen der unangenehmen aͤußern Empfindungen widernatuͤrlich, hingegen die angenehmen der Natur gemaͤß ſeyn. Alle Erfahrungen ſtimmen mit dieſen Begriffen uͤberein, und wie der Schmerz als ein Waͤchter fuͤr unſre Erhaltung zu betrachten iſt, §. 184. ſo ſind auch ſeine Wirkungen ſo, wie von einer natuͤrlichen Arzney, die widernatuͤrliche Ver - aͤnderungen hervorbringt, um andre widernatuͤrliche Zufaͤlle des thieriſchen Koͤrpers dadurch zu vertreiben.
Der Kitzel iſt eine ſehr ſtarke angenehme aͤußere Em - pfindung. §. 80. Folglich werden durch die Seelenwir - kungen deffelben die natuͤrlichen Verrichtungen der mecha -niſchen189der aͤußern Empfindungen. niſchen Maſchinen, die er betrifft, ſehr heftig gemachet, und uͤbertrieben. §. 195. 193.
Der Schmerz iſt eine ſehr ſtarke unangenehme aͤußere Empfindung. §. 80. Folglich werden durch die Seelen - wirkungen des Schmerzen die mechaniſchen Maſchinen, in die ſie wirken, zu ſehr heftigen widernatuͤrlichen Bewegun - gen gereizet. §. 195.
Da eine zu heftige, uͤbertriebene natuͤrliche Verrichtung einer mechaniſchen Maſchine an das Widernatuͤrliche grenzet, ſo ſind die Seelenwirkungen des ſtaͤrkſten Kitzels in den Maſchinen mit denen vom Schmerze nahe verwandt. §. 197. 198. Daher wirket ein heftiger Kitzel oft convul - ſiviſch in die Maſchinen, wie es ein Schmerz thut.
So wie die aͤußern Empfindungen in der Seele folgen, werden die mechaniſchen Maſchinen, in die ſich der Nerve, durch den ſie empfunden hat, vertheilet, zu denjenigen Be - wegungen gereizet, die ſie vermoͤge ihrer Strucktur verrich - ten koͤnnen. §. 193. Wie die angenehmen aͤußern Em - pfindungen in der Seele folgen, ſo werden die mechaniſchen Maſchinen, in die ſich der Nerve, durch den ſie empfun - den hat, vertheilet, zu denjenigen Bewegungen gereizet, die ihre natuͤrliche Beſtimmung ſind. §. 195. Wie die un - angenehmen aͤußern Empfindungen in der Seele folgen, ſo werden die mechaniſchen Maſchinen, in die ſich der Nerve, durch den ſie empfunden hat, vertheilet, zu widernatuͤrli - chen Bewegungen gereizet. §. 195.
Die aͤußern Empfindungen wirken durch ihre materiel - len Jdeen, wenn ſie unmittelbar in den mechaniſchen Ma - ſchinen Seelenwirkungen hervorbringen, in eben den Ner -ven190I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. ven zuruͤck, der empfunden hat. §. 188. Hieraus wuͤrde wider die Erfahrung folgen, daß alle mechaniſche Maſchi - nen, in die ſich ein Zweig von demſelben Nerven verliert, von jeder aͤußern Empfindung deſſelben insgeſammt in Wir - kung geſetzet werden muͤßten, wenn man nicht annehmen will, entweder daß der ſinnliche Eindruck, den eine aͤußere Empfindung im Orte ihres Nerven im Gehirne machet, nur gewiſſe Faden deſſelben betreffen koͤnne, die nur mit ei - nem oder einigen Zweigen deſſelben in gewiſſe mechaniſche Maſchinen abgehen, wogegen in andre Zweige deſſelben Nerven derſelbe Faden nicht mit abgeht, § 188. oder daß, nach §. 136. u. f. gewiſſe natuͤrliche Hinderniſſe den ſinn - lichen Eindruck ins Gehirn nicht abwaͤrts fortpflanzen, §. 136. N. 3. oder ihn auf ſeinem Wege im Nerven von manchen mechaniſchen Maſchinen abhalten, oder ableiten, §. 137. 138. und ihn nur in gewiſſe dazu beſtimmte zu - laſſen, wie ſolches §. 136 — 139. umſtaͤndlich erklaͤret worden iſt. (Vergl. §. 165. N. 6.) Hierbey verdienet be - ſonders das in Erwaͤgung gezogen zu werden, was der Schlaf, §. 49. 136. N. 3. und die Gewohnheit, §. 51. 139. wie auch die Nervenknoten, §. 48. 137. dazu thun koͤnnen. Es iſt wahrſcheinlich, daß in der Natur alle die - ſe Arten natuͤrlicher Hinderniſſe wirklich Statt finden.
Die mechaniſchen Maſchinen koͤnnen keine Seelenwir - kungen, obgleich vielleicht Nervenwirkungen, §. 183 her - vorbringen, wenn das ganze Gehirn, oder der Urſprung ihres Nerven im Gehirne, (oder diejenigen Faden im Ur - ſprunge dieſes Nerven, die den aͤußern ſinnlichen Eindruck der Empfindung im Gehirne empfangen und fortpflanzen muͤſſen. §. 126.) zuſammengedruͤcket, oder ſonſt in ihrer natuͤrlichen Verrichtung gehindert werden, oder wenn die - ſes dem Nervenſtamme, einem ſeiner Zweige, (oder dem beſondern Faden, der den im Gehirne empfange[n]en ſinnli - chen Eindruck ihnen zufuͤhret,) zwiſchen ihnen und demGehirne191der aͤußern Empfindungen. Gehirne widerfaͤhrt, §. 128. (Vergl. §. 164. N. 3. 4. ) imgleichen wenn die mechaniſchen Maſchinen ſelbſt in ihren Verrichtungen gehindert werden. §. 129. N. 4.
Die unmittelbaren Seelenwirkungen, welche die aͤu - ßerlichen Empfindungen in den verſchiedenen mechaniſchen Maſchinen hervorbringen, ſind eben ſo verſchieden, wie die Faͤhigkeiten es ſind, die dieſe Maſchinen durch ihre Struck - tur beſitzen. §. 193. Um ſie alſo naͤher kennen zu lernen, muß man die Verrichtungen in Betrachtung ziehen, zu wel - chen die Maſchinen durch ihre Strucktur vermoͤgend ſind.
Jn den Muskeln erregen die unmittelbaren Seelen - wirkungen der aͤußern Empfindungen Zuſammenziehun - gen, (ein Zucken,) welche, wenn ſie heftig ſind, Kraͤm - pfe heißen. (Vergl. §. 161.) Schnell wiederholte Kraͤm - pfe heißen Convulſionen, (Zuckungen,) lang anhalten - de aber, Erſtarrungen. An allen dieſen Bewegungen der Muskeln nehmen natuͤrlicher Weiſe, theils durch die Mitleidenheit, §. 165. N. 1. theils durch den mechani - ſchen Zuſammenhang, alle die Glieder Antheil, die durch ſie beweget, und die Verrichtungen der uͤbrigen Theile des Koͤrpers, die durch ſie beſtimmet werden. §. 161. 169 - 179. Daher iſt die Empfindlichkeit der Muskeln, (§. 52.) ein ſehr allgemeines Principium des thieriſchen Mechanis - mus, indem auf jeden aͤußern ſinnlichen Eindruck in ihre Nerven, auch wenn er empfunden wird, alle dieſe Bewe - gungen im Koͤrper, und zwar deſto ſtaͤrker erfolgen, je ſtaͤr - ker er wirklich empfunden wird, §. 194. 165. N. 4. mit - hin als unmittelbare Seelenwirkungen der aͤußern Empfin - dungen betrachtet werden muͤſſen, §. 163. 98. obgleich ſie zugleich auch Nervenwirkungen ſind. §. 183. 162. Die Muskeln laſſen ſich bald durch dieſe, bald durch jene aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke leichter in Bewegung ſetzen, z. E. dieHarn -192I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. Harnblaſe durch Einſpritzen des Waſſers, das Herz durch das Eindringen des Bluts, die Gedaͤrme durch das Ein - blaſen der Luft, u. ſ. w. H. P. §. 402. wovon wir den Grund uͤberhaupt nicht einſehen. (Vergl. §. 40.) Die an - genehmen aͤußern Empfindungen, auch gleichguͤltige, wenn es deren giebt, (§. 187.) unterhalten, in ſo fern ſie in die Muskeln wirken, durch ihren Einfluß die Ordnung und den Grad der Bewegungen und Verrichtungen, wozu die Natur ſie und die Theile des thieriſchen Koͤrpers, die durch die Muskeln regieret werden, ihren Abſichten gemaͤß be - ſtimmet hat. §. 195. 196. Die unangenehmen hingegen bringen durch ihren Einfluß, ſie und die meiſten uͤbrigen Theile des Koͤrpers in ſolche Bewegungen, die ihnen nicht eigentlich natuͤrlich ſind. §. 195. 196. Der Kitzel erreget in ihnen ein ſtarkes Zucken, §. 197. der Schmerz bald heftige Kraͤmpfe von convulſiviſcher Art, bald Erſtarrun - gen, §. 198. die auch beym heftigſten Kitzel verſpuͤret wer - den. §. 199. Wie die unmittelbaren Seelenwirkungen von aͤußern Empfindungen in den Muskeln und hierdurch betraͤchtlich auch im uͤbrigen Mechanismo des Koͤrpers, hervorgebracht, §. 129. und wie ſie gehindert werden koͤn - nen, §. 134. auch was fuͤr natuͤrliche Hinderniſſe man - chen im Wege ſtehen moͤgen, §. 136. iſt aus den ange - fuͤhrten §. §. zu erſehen, und hat ſeine große Anwendung in der Pathologie und Heilungskunſt.
Die Seelenwirkungen, welche die aͤußern Empfindun - gen auf die uͤbrigen mechaniſchen Maſchinen aͤußern, ſind groͤßtentheils aus denen in die Muskeln herzuleiten. Jn die Blutgefaͤße wirken die aͤußern Empfindungen, entwe - der durchs Herz, welches ein Muskel iſt, §. 167. oder durch ihre fleiſchigten Faͤſerchen, §. 168. oder unmittelbar durch die Muskeln, die Blutgefaͤße in ſich enthalten. §. 169. Jn ſo fern koͤnnen ſie alſo den Umlauf einigerma - ßen veraͤndern. Die Wirkung auf die Blutgefaͤße beſtehet,weil193der aͤußern Empfindungen. weil ſie durch die Muskelfaſer und Muskeln geſchieht, in einem Zuſammenziehen derſelben, §. 204. welches ſich bey krampfhaften Zufaͤllen deutlich genug aͤußert, und bald Stockungen, bald Anhaͤufungen des Bluts in andern vom Krampfe nicht mit betroffenen Theilen veranlaſſet. Viel - leicht haben auch die Nerven ſelbſt, wenn ſie ſinnlich geruͤh - ret werden, eine Kraft, die Adern, und beſonders die klei - nen Endungen derſelben, unmittelbar zuſammenzuziehen, wie ſchon §. 160. erinnert worden. So gern der vortreff - liche Herr v. Haller von dieſer nun einmal verworfenen Meynung ſich immer losſagen moͤchte, ſo kann er doch oft der Macht der Beobachtungen nicht widerſtehen, ſie wie - der fuͤr wahrſcheinlich zu halten. „ Aliquid autem in mini - „ mis vaſis eſſe, quod laqueorum nerveorum ſimilitudi - „ nem certe in effectu habeat, adparet ex ſuppreſſo ſan - „ guinis venoſi motu in pene, analogo effectui vinculo - „ rum, et ex tuberculis cutaneis, quae perinde a terrore, „ vt ex frigore naſcuntur. “v. Hall. Element. Phyſiol. Tom. V. pag. 590.
Jn den musculoͤſen Schlaͤuchen, wie der Schlund und die Gedaͤrme ſind, wirken die aͤußern Empfindungen ebenfalls ein Zuſammenziehen, §. 204. wodurch ihre na - tuͤrliche Verrichtung, die Speiſen weiter zu treiben, befoͤr - dert wird. §. 170. Ein Schmerz verurſachet in dieſen Theilen Kraͤmpfe, welche ihre natuͤrliche Verrichtung hin - dern. §. 204.
Von allen kleinen Canaͤlen, worinn Saͤfte vom Her - zen abwaͤrts fließen, ſie moͤgen Blut oder andre Saͤfte fuͤh - ren, lehret die beſtaͤndigſte Erfahrung, daß jeder ſtarker aͤußerer ſinnlicher Eindruck in ihre Endungen, der empfun - den wird, (auch oft einer, der nicht empfunden werden kann, wie im zweyten Theile zu beweiſen iſt,) die in ihnenNenthal -194I Th. Th Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. enthaltenen Saͤfte nach ihren Endungen hinleite, wo ſie ſich in manchen Faͤllen anhaͤufen, in manchen aber aus - fließen. „ Dolori multa fere cum voluptate communia, „ ſunt; fortior nempe ſenſus; fortior etiam ſanguinis con - „ fluxus ad eam partem, quae vel voluptate emovetur, „ vel dolore; exempla ſunt in venereis organis, in ipſis „ oculis acrius tuentibus, in fricta cute. “v. Hall. Element. Phyſiol. T. V. pag. 577. Dieſe Wirkung iſt thieriſch, denn andern mechaniſchen Maſchinen, ob ſie gleich auch dergleichen Canaͤle haben, iſt ſie auf ſolche Art gar nicht ei - gen; ſie erfolget auch nicht in todten Thieren, mithin nicht nach einem bloßen Mechanismo, §. 7. und iſt, ſo fern ſie auf aͤußere Empfindungen in denſelben Theilen zu erfolgen pfleget, eine unmittelbare Seelenwirkung von aͤußern Em - pfindungen. §. 98. 183. Die unmittelbare Wirkung der aͤußern Empfindungen in die Adern iſt ein Zuſammenzie - hen. §. 205. Wenn die Endungen der Adern, die die Saͤfte vom Herzen ableiten, und ſie entweder in andre, die ſie wieder zuruͤckfuͤhren, oder in Hoͤlen ergießen, in die ſie ſich oͤffnen, zuſammengeſchnuͤret werden, ſo ſammlet ſich im erſten Falle, der immerfort zuſtroͤmende Saft gar bald in ihnen, treibt ſie auf, und ſpannet ſie aus, und ſo entſte - hen, nach den mechaniſchen Gruͤnden der Pathologie, Sto - ckung, Geſchwulſt und Entzuͤndung. So fangen von Ent - zuͤndungsſchmerzen die kleinen Endungen der Schlagadern, die ſonſt nicht pulſiren, im entzuͤndeten Theile zu pulſiren an. H. P. §. 33. Jm andern Falle wird von der gewalt - ſamen Ausdehnung der kleinen Endungen ihre Oeffnung in die Hoͤlen mit Gewalt erweitert, und es erfolget alsdann von ſolchen aͤußern Empfindungen ein reichlicher Ausfluß der angehaͤuften Saͤfte in ſolche Hoͤlen. Dieſe Wirkung iſt deſto ſtaͤrker, je ſtaͤrker die aͤußere Empfindung iſt. §. 194. Daher entſtehen in den Muskeln und in allen an - dern mechaniſchen Maſchinen von ſchmerzhaften aͤußern Empfindungen widernatuͤrliche Cntzuͤndungen mit Ge - ſchwulſt, von angenehmen, z. E. dem Reiben, der Waͤrme,dem195der aͤußern Empfindungen. dem Jucken, dem Kitzel, eine ſanftere Erwaͤrmung und Auftreibung, und in den Hoͤlen, z. E. in der Naſe, in den Gedaͤrmen, in welche ſich die kleinen Gefaͤße ergießen koͤnnen, Anhaͤufungen der Saͤfte, z. E. der Schnupfen vom Kitzel in der Naſe, §. 199. ein Purgiren von Colick - ſchmerzen, Purganzen, Giften, u. ſ. w. §. 198. Dieſer Zufluß der Saͤfte nach den Endungen ihrer kleinen Ge - faͤße, wenn eine aͤußere Empfindung ihre eignen, oder, durch Mitleidenheit, §. 165. ihre benachbarten Nerven reizet, leget den Grund zu vielen wichtigen Erſcheinungen in der thieriſchen Oeconomie, und hat beſonders in den Trieben, Leidenſchaften, und in den Krankheiten der thie - riſchen Natur die wichtigſten Folgen. H. P. §. 561. Weil die allermeiſten mechaniſchen Maſchinen des Koͤrpers eben ſo innig von den kleinſten Zweigen der Blut - und Saftroͤh - ren, als der Nerven, durchdrungen werden, mithin dieſe beſondre Wirkung der aͤußern Empfindungen faſt durch - gaͤngig bey allen aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken, die em - pfunden werden, bemerket wird; ſo hat man daraus ein allgemeines phyſiologiſches Geſetz gemachet, daß auf jede aͤußere Empfindung ein Zufluß der Saͤfte gegen den Ort, der den aͤußern ſinnlichen Eindruck empfangen hat, erfolge, welches doch weder ein einziges Geſetz, das ſo viel andre ausſchloͤſſe, noch allgemein iſt, indem auf die aͤußere Em - pfindung ſolcher Theile, worinn keine kleine Endungen von ableitenden Blut - und Saftroͤhren ſich vertheilten, auch unmoͤglich ein Zufluß der Saͤfte nach ihnen erfolgen koͤnn - te, ja auch dieß uͤberall in dem Falle nie geſchieht, wenn die aͤußere Empfindung nicht einen gewiſſen Grad der Leb - haftigkeit oder Staͤrke hat.
Jn den ausgebreiteten fleiſchigten Haͤuten, beſon - ders dem Zwerchfelle, u. a. §. 171. wirken die aͤußern Empfindungen unmittelbar Seelenwirkungen, die in ſol - chen Zuſammenziehungen, oder andern thieriſchen Bewe -N 2gungen196I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. gungen beſtehen, wozu ſie vermoͤgend ſind. §. 193. So machet eine ſchmerzhafte Empfindung von einer Entzuͤn - dung des Zwerchfells, ein unnatuͤrliches Athemholen, durch die convulſiviſche Bewegung, die ſie in ihm erreget. Die - jenigen Haͤute des thieriſchen Koͤrpers, welche von einem nicht eigentlich fleiſchigten Gewebe, und nicht ſowohl aus laͤnglichten Faͤſerchen, als vielmehr aus kleinen Druͤſen, Waͤrzchen, zelligten Geflechten, Adern und andern Saft - roͤhren zuſammengewebet ſind, muͤſſen, was ihre Empfind - lichkeit, und die daraus herzuleitenden Seelenwirkungen be - trifft, auf ganz verſchiedene Weiſe beurtheilet werden. Ei - nige dieſer Haͤute haben viele Nerven und ſind ſehr em - pfindlich, wie die aͤußere Haut, und die Schleimhaut, welche die Naſe, den Rachen und andre Theile bekleidet. Es ſcheinen ſich auch die Nerven dieſen Haͤuten einzuverlei - ben, §. 160. weil ſie in allen Punkten, die eine Nadel - ſpitze beruͤhren kann, empfindlich, und die letzten Verthei - lungen der Nerven in ihnen dem Auge unerforſchlich ſind, und ſich unmerklich verlieren. Allein da die Strucktur dieſer Haͤute von der in den Muskeln und fleiſchigten Haͤu - ten gaͤnzlich abweicht, und an ſtatt daß dieſe ſich, vermoͤ - ge ihres faſerigten Gewebes, an jeder Stelle, wo ſie em - pfindlich beruͤhret werden, zuſammenziehen koͤnnen, jene zu einer ſichtbaren Bewegung an den beruͤhrten, obgleich em - pfindlichen Stellen ganz ungeſchickt ſind, ſo kann man auch von ihren aͤußern Empfindungen keine ſolche Seelenwir - kungen an den gereizten Stellen, wie in den Muskeln und Fleiſchhaͤuten erwarten. Nichts deſtoweniger koͤnnen die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in ihre Nerven, ohne eine ſicht - bare thieriſche Bewegung in den beruͤhrten Punkten zu er - regen, zum Gehirn aufſteigen, daſelbſt empfunden werden, durch den innern ſinnlichen Eindruck dieſer aͤußern Empfin - dung in den Hauptnerven und durch andre Zweige deſſel - ben zuruͤckgehen, und wenn keine Hinderniſſe da ſind, die - jenigen mechaniſchen Maſchinen, die dieſe regieren, in thie - riſche Bewegung ſetzen, mithin Seelenwirkungen dieſeraͤußern197der aͤußern Empfindungen. aͤußern Empfindung einer ſolchen Haut in andern Theilen hervorbringen. §. 129. So machet ein Kitzel in der Schleimhaut der Naſe ein Nieſen, eine convulſiviſche Be - wegung des Zwerchfelles und der Muskeln zum Athemho - len, deren Nerven mit denen in der Schleimhaut in einem natuͤrlichen Zuſammenhange ſtehen, und ſo verurſachet manche aͤußere Empfindung in der aͤußern Haut Erſchuͤtte - rungen der durch die Nerven ihr verwandten Muskeln, welche man ein Schaudern oder Zittern nennet, u. ſ. w. Ob aber gleich in den empfindlichen nicht fleiſchigten Haͤu - ten an den gereizten Stellen keine ſichtbaren thieriſchen Be - wegungen, wie in den Muskeln und Fleiſchhaͤuten entſte - hen; ſo erfolgen doch an denſelbigen Stellen, wenn die Beruͤhrung eine Ader, oder ein andres Saftgefaͤß, oder die Endungen ſolcher, oder eine Druͤſe, oder ſonſt einen Theil dieſer Haͤute, der einen Einfluß von Nerven leidet, betrifft, auch zugleich diejenigen, obgleich dem Auge nicht ſichtba - ren Seelenwirkungen der aͤußern Empfindung in dieſen Theilen, welche einem jeden ſeiner Natur nach eigen ſind. §. 168. 172. 207. So verurſachet ein Kitzel in der Schleimhaut der Naſe einen Zufluß der Saͤfte, (Schnu - pfen,) der eine Seelenwirkung des Kitzels in den kleinſten Endungen der Gefaͤße, §. 207. oder in kleinen Druͤſen iſt; §. 172 ſo entzuͤndet ſich und ſchwillt die aͤußere Haut, aus gleichem Grunde, §. 207. von einer Schaͤrfe, die ſie ſchmerzhaft reizet; und ſo zieht die aͤußere Empfindung der Kaͤlte die Schweißloͤcher durch eine Seelenwirkung in die aͤußerſten Spitzen der Schlagadern zuſammen und unter - bricht die Ausduͤnſtung der Haut. §. 168.
Andre nicht fleiſchigte Haͤute haben keine Nerven, die ſich innig mit ihnen verbinden, oder ſich ihnen auch nur ſo, wie den itzt eben erwaͤhnten empfindlichen, einverleiben ſoll - ten, ſondern es gehen nur einige Nervenzweige hin und wieder uͤber ſie hin, oder durch ſie hindurch. Dergleichen Haͤute ſind, weil nur ein Nerve empfindet, blos an denje - nigen Stellen empfindlich, wo ein Nerve in ihnen beruͤhretN 3werden198I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. werden kann, und dieß kann oft nur in ſehr wenigen Punk - ten einer ſolchen Haut ſeyn. Daher iſt ihre Empfindlich - keit zweifelhaft, und bald in einigen Verſuchen wahrſchein - lich, bald in andern unwahrſcheinlich befunden worden. Von dieſer Art iſt, nach den Halleriſchen Verſuchen, das Bruſt - und Mittelfell, das Darmfell, der Herzbeu - tel, u. a. v. Hall. op. min. T. I. pag. 356. 357. 418. &c. Nichtsdeſtoweniger ſind auch dergleichen Haͤute einiger Seelenwirkungen von aͤußern Empfindungen faͤhig, die auch die Erfahrung beſtaͤtiget. Denn obgleich der bey ei - ner aͤußern Empfindung beruͤhrte Nerve, der in, oder auf, oder unter einer ſolchen Haut hinkriecht, an der beruͤhrten Stelle ſelbſt eben ſo wenig, als in den empfindlichen nicht fleiſchigten Haͤuten, eine ſichtbare Bewegung verurſachen kann, weil das Gewebe dieſer Haͤute keine ſolche geſtattet, auch in denen, wovon itzt die Rede iſt, der Nerve ſich nicht einmal ihnen einverleibet; ſo kann doch die in dem durch - ſtreichenden Nervenzweige erregte aͤußere Empfindung in andern Theilen auf die vorhin beſchriebene Weiſe Seelen - wirkungen hervorbringen: wie man denn offenbar ſieht, wenn ein Nerve, der uͤber eine Sehne, oder das Knochen - haͤutchen, oder durch andre Theile geht, verletzet oder zer - ſchnitten wird, daß davon in andern benachbarten, oder doch mit dieſem Nervenzweige verwandten Gliedmaßen, Laͤhmungen oder convulſiviſche Bewegungen entſtehen, die man als Seelenwirkungen des Schmerzens in dieſen, ob - gleich in ihrer eignen Subſtanz unempfindlichen Theilen betrachten kann. Außerdem kann auch eine in einer ſolchen Haut verletzte Ader, oder Druͤſe, oder ein andrer mit Ner - ven oder Fleiſchfaͤſergen verſehener Theil, eine ſchmerzhaf - te Empfindung, und dadurch die ihnen natuͤrlichen See - lenwirkungen derſelben, als einen Zufluß oder Ausfluß der Saͤfte, Stockungen, Entzuͤndungen, ꝛc. §. 168. 172. 207. erregen, von welchen Zufaͤllen man, wie die Erfah - rung in Krankheiten lehret, weder das Bauch-noch Bruſtfell, noch andre ſolche unempfindliche Haͤute ausneh -men199der aͤußern Empfindungen. men kann. d. A. 5 B. S. 672. 674. Ja, wenn man auch zugiebt, daß dieſe Zufaͤlle in beſagten Haͤuten ſelten Seelenwirkungen wahrer aͤußerer Empfindungen ſind, ſo ſind ſie doch deſto gewiſſer fuͤr Nervenwirkungen der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in die Nerven und Fleiſchfaͤſerchen ih - rer Adern, Druͤſen, und andrer zu ihnen gehoͤriger Thei - le zu halten, §. 183. wovon unten: §. 460 — 465. 471. 522 — 530.
Anmerkung. Aus dieſen Gruͤnden laſſen ſich viel - leicht die pathologiſchen Streitigkeiten wegen des Sitzes der Bruſtentzuͤndungen am beſten beylegen; da man der einen Parthey die Unempfindlichkeit des Bruſt - und Mittelfelles, an ſich betrachtet, und der andern die Moͤglichkeit zugeben kann, daß gleichwohl in ihnen von ſchmerzhaften oder unſchmerzhaften Urſachen Entzuͤn - dungen entſtehen und in jedem Falle große Schmerzen verurſachen koͤnnen. §. 184. Es giebt wahre Entzuͤn - dungen des Bruſtfelles. d. A. 5 B. S. 672. 674. Al - lein einige nur entſtehen von Schmerzen, andre nicht, ſondern der Schmerz iſt bey dieſen nur eine Folge der Entzuͤndung, welchen Unterſchied Sarcone vortreff - lich beobachtet und gelehret hat. (Geſchichte der Krankh. von 1764 in Neapel. 1 Th. §. 141. u. f.) Ein hef - tiger Schmerz in den groͤßern Nerven, welche das Bruſtfell beruͤhren, und ſich den benachbarten Muskeln einverleiben, kann dieſe entzuͤnden, und dieſe Entzuͤn - dung erſtrecket ſich mit auf das Bruſtfell. So kann die erſte Art der Entzuͤndung des Bruſtfelles vom Schmerze entſtehen. Ein unempfundener Reiz der kleinen Blut - gefaͤße des Bruſtfelles kann ſie zuſammenziehen, und in ihm Stockung und Entzuͤndung veranlaſſen. Von die - ſer Entzuͤndung leiden die benachbarten groͤßern Nerven, und ſo entſteht die Entzuͤndung der letztern Art, von welcher der Schmerz nur die Folge iſt.
Jn den Druͤſen vermehren die aͤußern Empfindungen ihre Verrichtungen, naͤmlich die Abſcheidung der Saͤfte, durch Seelenwirkungen, §. 172. und die Ausleerung der - ſelben, wenn ſie in fleiſchigte Haͤute eingeſchloſſen ſind, nach Art ihrer Wirkung in fleiſchigte Haͤute; §. 172. wenn ihnen aber dergleichen Haͤute mangeln, durch Erregung eines Zufluſſes, vermoͤge ihrer Wirkung in die Endungen ihrer kleinen Saftgefaͤße. §. 207. So befoͤrdert ein leb - hafter Geſchmack die Abſcheidung und Ergießung des Spei - chels; ein Kitzel oder Schmerz im Auge den Thraͤnenfluß; ſo machet ein Kitzel manche Theile ſchluͤpfrig, indem er ih - re Druͤſennerven reizet, und einen Zufluß und Ausfluß ih - rer Saͤfte befoͤrdert, und ſo machet ein Kitzel und Schmerz in der Luftroͤhre einen Auswurf durch ihre gereizten Druͤ - ſen; lauter Seelenwirkungen von aͤußern Empfindungen in den Druͤſen.
Die unmittelbaren Seelenwirkungen der aͤußern Em - pfindungen in die eigentlichen Eingeweide ſind ſehr zu - ſammengeſetzet und mannichfaltig, weil dieſe Maſchinen aus vielen andern, in welche die aͤußern Empfindungen auf verſchiedene Weiſe wirken, zuſammengeſetzet ſind. §. 173. Es gehoͤret nicht fuͤr dieſen Entwurf, alle moͤgliche fuͤr je - des Eingeweide zu beſchreiben, zumal da ſie aus denen, in die einfachern Maſchinen, woraus ſie beſtehen, leicht her - geleitet werden koͤnnen. §. 204 — 209. Es wird alſo hinlaͤnglich ſeyn, nur diejenigen zu beruͤhren, die ihnen im Ganzen, nicht aber um ihrer Beſtandtheile willen, hauptſaͤchlich zukommen.
Das Herz wird durch aͤußerliche Empfindungen, de - ren es allerdings faͤhig iſt, §. 167. im Ganzen zu ſeiner Verrichtung, als ein zuſammengeſetzter holer Muskel, dasiſt,201der aͤußern Empfindungen. iſt, zum Zuſammenziehen gereizet, §. 204. wodurch der Umtrieb des Bluts im ganzen Koͤrper befoͤrdert wird. So machet eine ſchmerzhafte Empfindung am Herzen ein con - vulſiviſches Zuſammenziehen deſſelben, §. 198. und einen uͤbertriebenen Umlauf.
Die aͤußern Empfindungen, welche im und am Ma - gen erreget werden, reizen ihn und die Gedaͤrme zu den ſanften Windungen, wodurch die Verdauung und Fort - ſchaffung der Speiſen bewerkſtelliget wird. §. 174. Es wird wirklich die Bewegung des Magens, wenn ſie zu ſchwach iſt, dadurch erreget, daß man ihm einen aͤußern ſinnlichen Eindruck gebe, oder, wie man ſaget, ihm etwas biete. Allein dieß geſchieht mehrentheils blos durch Ner - venwirkungen, §. 183. indem von ſolchen Eindruͤcken ſel - ten eine aͤußere Empfindung zur Seele koͤmmt. Nur die heftigern aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in ihn, und beſon - ders die unangenehmen, werden recht eigentlich empfunden, und denn werden die Seelenwirkungen der aͤußern Empfin - dungen in ihn widernatuͤrlich. §. 198. Daher koͤmmt das heftige Winden des Magens und der Gedaͤrme von ſchmerzhaften Purganzen, Giften, Entzuͤndungen, und daher der Magenkrampf von denſelben Urſachen, oder von Blaͤhungen und harten Speiſen, die ihn ſchmerzhaft druͤ - cken. An ſolchen widernatuͤrlichen Bewegungen des Ma - gens und der Gedaͤrme nehmen die Muskeln der aͤußern Gliedmaßen großen Antheil, wie die Laͤhmung derſelben nach heftigen Colicken beweiſt. Es geſchieht ſolches durch die Mitleidenheit der Seelenwirkungen in den Muskeln: aber die Sache gehoͤret eigentlich in die Pathologie der thieriſchen Natur.
Die Leber und Gallenblaſe ſind weniger aͤußerlicher Empfindungen faͤhig: denn ein aͤußerer ſinnlicher EindruckN 5in202I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. in ſie koͤmmt ſelten zur Seele, wenn er nicht aͤußerſt heftig und zugleich widernatuͤrlich (Schmerz §. 198.) iſt. So hat ein heftiger Schmerz in der Gegend der Leber gemeinig - lich ſichtbare ſchaͤdliche Einfluͤſſe in die Abſcheidung und Ergießung der Galle. §. 175. Andre Vorſtellungen der Seele haben in dieſe und in die meiſten eigentlichen Einge - weide des Koͤrpers merklichere Einfluͤſſe durch Seelenwir - kungen in ihre Nerven, als die aͤußern Empfindungen.
Gemeine aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die Lunge wer - den ſelten empfunden. Wenn ſie aber Kitzel oder Schmerz leidet, ſo wird, durch Mitleidenheit, das Athemholen theils vermehret, theils widernatuͤrlich und convulſiviſch gema - chet, wie beym Huſten, in welchem Falle es Seelenwir - kungen von ihren aͤußern Empfindungen durch Mitleiden - heit ſind. §. 98. 165. Das Athemholen wird nicht ei - gentlich durch einen Reiz der Nerven der Lunge, ſondern des Zwerchfelles und der zur Bewegung der Bruſt dienen - den Muskeln bewerkſtelliget.
Auch die Nieren ſind nur gegen ungewoͤhnliche und unnatuͤrliche aͤußere ſinnliche Eindruͤcke empfindlich, daher kann man kaum mehr, als die Kraͤmpfe, die auf ihre Schmerzen folgen, zu Beyſpielen von Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen in ihnen anfuͤhren. Die Harn - blaſe giebt deren mehrere, wovon §. 176.
Die Gliedmaßen der Sinne, als mechaniſche Ma - ſchinen betrachtet, §. 155. werden durch aͤußere Empfin - dungen zu ihrem beſtimmten Gebrauche mannichfaltig be - weget. Wenn der Schall ins Ohr dringt und gehoͤret wird, ſo werden die Muskeln, die das Trommelfell ſpan - nen, ſo beweget, daß dieſes eine den Toͤnen gemaͤße Span -nung203der aͤußern Empfindungen. nung annimmt. Wenn das Licht ins Auge dringt und ge - ſehen wird, ſo veraͤndert ſich der muskelfaſrige Stern des Auges. Bey Blinden thut das Licht ſolches eben ſo we - nig, als im Auge eines todten Thieres: mithin iſt es eine wahre unmittelbare Seelenwirkung von aͤußern Empfin - dungen. Wenn ein ſchmackhafter Tropfen hinten durch die Zunge geſchmecket wird, ſo wird der Schlund zu ſchlu - cken gereizet, und wenn die Haut eine ſcharfe aͤußere Em - pfindung leidet, z. E. von Kaͤlte, oder ein Jucken, ſo wird ſie zuſammengezogen und ihre Ausduͤnſtung veraͤndert. §. 177. Lauter Seelenwirkungen in den Gliedmaßen der Sinne von aͤußerlichen Empfindungen, die ſie zu ihren Beſtimmungen geſchickter machen, und von einer vorſe - henden Weisheit zeugen.
Von den unmittelbaren Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen in die Geſchlechtstheile iſt ſchon §. 178. 179. ſo viel geſaget worden, als noͤthig iſt, um den wun - derbaren Einfluß der erſtern in ſie zu characteriſiren, wel - cher hauptſaͤchlich darinn beſteht, daß ſie dieſelben zur Ver - richtung des Zeugungsgeſchaͤftes in gehoͤrigen Stand ſetzen. Die uͤbrigen Eingeweide, z. E. die Milz, das Netz, und die ganz unempfindlichen leiden von den aͤußern Em - pfindungen wenig oder gar keine unmittelbaren Einfluͤſſe.
Aus allem, was von §. 204 — 217. dargethan wor - den, laͤßt ſich das phyſiologiſche Geſetz der aͤußern Empfin - dungen, welches Kruͤger in ſeiner Phyſiologie angenom - men hat, daß auf jede aͤußere Empfindung eine Bewegung im Koͤrper erfolge, die derſelben proportional waͤre, fol - gendermaßen richtiger beſtimmen: Auf jede aͤußere Em - pfindung, die der Seele durch einen Nerven beygebracht wird, der ſich in mechaniſche Maſchinen vertheilet, folgen, wenn keine natuͤrliche Hinderniſſe da ſind, (§. 136. ꝛc.) im204I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. im Zuſtande der Geſundheit, in dieſen mechaniſchen Ma - ſchinen, durch denſelben Nerven, (ſeine Zweige, Faden,) ſolche Bewegungen, deren ſie vermoͤge ihrer Strucktur faͤ - hig ſind, und ſie ſind deſto ſtaͤrker, je ſtaͤrker die aͤußere Empfindung iſt. §. 194. Es koͤnnen aber, wie im an - dern Theile dieſes Werks erwieſen werden wird, eben die - ſelben Bewegungen auf einen aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Nerven, der nicht empfunden wird, als bloße Ner - venwirkungen erfolgen. §. 183. 462. Auch iſt dieſes Ge - ſetz nicht ſo zu verſtehen, als ob die Bewegungen deſto ſtaͤrker waͤren, je ſtaͤrker die aͤußere Beruͤhrung eines Ner - ven, nach dem Maaße phyſicaliſcher Kraͤfte geſchaͤtzet, ſon - dern je ſtaͤrker der aͤußere ſinnliche Eindruck iſt, den eine Beruͤhrung machet, welcher von einer geringen Beruͤh - rung zuweilen ſehr ſtark ſeyn kann, und umgekehrt. §. 31. 40. Vergl. d. A. 5 B. 223 St.
Außer den bisher §. 204 — 218. betrachteten unmit - telbaren Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen, ha - ben wir auch ihre zufaͤlligen in Erwaͤgung zu ziehen, §. 97. welche ſo oft mit jenen faͤlſchlich verwechſelt werden. §. 185. Man kann ſagen, daß die Seelenwirkungen aller und je - der Kraͤfte der Seele, die ein Thier außer der Empfin - dungskraft beſitzt, mittelbare Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen, obgleich in ſehr verſchiedenen Graden der Abſtammung ſind. §. 65. Wir wollen die vornehmſten der Reihe nach durchgehen.
Wir verbinden mit unſern aͤußern Empfindungen die Vorſtellung anderer, ihnen aͤhnlicher, die wir ehedem ge - habt haben, und ſo haͤngt ſich an unſre aͤußere Empfin - dung unmittelbar eine Einbildung, §. 67. die ihre Seelen - wirkung in den mechaniſchen Maſchinen mit den unmittel - baren der aͤußern Empfindung vermiſchet. So ſehen wir eine Perſon, die einer andern aͤhnlich iſt, von der wir trau - rige Empfindungen gehabt haben, und ſeufzen bey ihremAnblicke.205der aͤußern Empfindungen. Anblicke. Dieß Seufzen iſt die Seelenwirkung der Ein - bildung, und nur die mittelbare der aͤußern Empfindung. §. 97. 99.
Wir verbinden mit unſern aͤußern Empfindungen oft die Erwartungen andrer, die ehemals mit ihnen ver - bunden waren, und ſo begleitet unſre aͤußere Empfindung eine Vorherſehung, §. 73. die in den mechaniſchen Ma - ſchinen ihre Seelenwirkungen mit den unmittelbaren der aͤußern Empfindung vermiſchet. Eine gewiſſe Perſon pflegte ſtets beym Aderlaſſen in Ohnmacht zu fallen. Einſt - mals begegnete ihr der Wundarzt auf der Straße, und ſie ward ohnmaͤchtig. Dieſe Ohnmacht war die Seelenwir - kung der Vorherſehung des Blutlaſſens, und nur eine zu - faͤllige der Empfindung. §. 97. 99.
Da alle unſre aͤußerlichen Empfindungen von Luſt oder Unluſt belebet werden, §. 187. und ſich mit Einbil - dungen und Erwartungen geſellen; §. 219. 220. ſo ſind ſie auch mit Begierden und Verabſcheuungen vergeſellſchaf - tet, die ihre Seelenwirkungen in den Maſchinen mit den unmittelbaren der aͤußern Empfindungen vereinigen, und bey den Trieben und Leidenſchaften am ſichtbarſten ſind. §. 93. So machet ein angenehmer oder verhaßter Anblick einen Menſchen augenblicklich verliebt, oder zornig; bey den Thieren erreget ein Geruch, ein Getoͤn, den Trieb zur Fortpflanzung, und der Anblick einer Speiſe, bey einem, der nicht geſpeiſet hat, machet Hunger. Hierbey wird der ganze Proceß der Triebe und Leidenſchaften durchgegangen, und es ſind keinesweges die aͤußern Empfindungen, welche die Seelenwirkungen dieſer Triebe und Leidenſchaften un - mittelbar wirketen. Der letzte Fall mag zum Beyſpiele dienen. Ein Menſch mit ledigem Magen ſieht Brodt. Dabey erinnert er ſich, daß ihm in gleicher Verlegenheitvom206I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. vom Genuſſe des Brodts beſſer zu Muthe geworden ſey. Aus dieſer aͤußern Empfindung und Einbildung entſteht die Erwartung, daß ein gleiches erfolgen wuͤrde, wenn er dieß Brodt aͤße, und nun folget das Trachten, es zu eſſen, wobey ihm der Mund voll Waſſer laͤuft; eine Seelenwir - kung der Begierde, (des Triebes,) die durch die aͤußere Empfindung zufaͤllig veranlaſſet worden. §. 97. 103.
Die ſtaͤrkſten ſinnlichen Vorſtellungen und Begierden machen am leichteſten unaͤchte aͤußere Empfindungen. §. 148. Da nun die wahren aͤußerlichen Empfindungen alle, auch die ſtaͤrkſten ſinnlichen Vorſtellungen und Be - gierden zunaͤchſt veranlaſſen, §. 219 — 221. ſo koͤnnen ſie auch zu den Seelenwirkungen der Erſcheinungen Blend - werke, Geſichter und Geſpenſter zufaͤllige Veranlaſſung ge - ben. §. 148. Wir greifen in der heftigſten Angſt nach ei - nem Gegenſtande, der uns eine innſtehende aͤußerſte Ge - fahr drohet, und die Heftigkeit dieſer ſtarken Vorſtellung wirket ſo lebhaft, und als eine Verabſcheuung ſo widerna - tuͤrlich §. 195. in unſre Muskeln, daß der Arm ſteif ſtehen bleibt, aufſchwillt und ſich entzuͤndet. Dieß iſt eine nicht ungewoͤhnliche Erfahrung bey wahren Gegenſtaͤnden. Wenn wir im Dunkeln eine Geſtalt ſehen, die wir fuͤr ein Geſpenſt halten, und durch dieſe unaͤchte aͤußere Empfin - dung in den Trieb der Angſt fortgeriſſen werden, und dar - nach greifen; ſo kann dem Arme derſelbe ungluͤckliche Zu - fall widerfahren, nicht unmittelbar durch die wahre aͤußere Empfindung, (z. E. den Anblick eines Schattens,) ſon - dern zufaͤlliger Weiſe, indem ſie die unaͤchte aͤußere Em - pfindung, die Erſcheinung eines Geſpenſts veranlaſſet hat.
Wir verbinden mit unſern aͤußern Empfindungen oft Betrachtungen des Verſtandes, wenn wir uͤber Gegen - ſtaͤnde, die unſern Sinnen vorkommen, reflectiren, und ſobegleitet207der aͤußern Empfindungen. begleitet unſre aͤußere Empfindung oft eine Reflexion, §. 77. welche die Seelenwirkungen, die ſie etwa in den mechani - ſchen Maſchinen hervorbringen moͤchte, (Vergl. §. 330.) mit den unmittelbaren der aͤußern Empfindungen vereini - get. §. 100. So kann uns ein Anblick ſchnell in tiefe Betrachtungen verwickeln, wovon uns der Kopf ſchwin - delt. Dieſes Schwindeln iſt die Seelenwirkung des tiefen Nachdenkens, und nur eine zufaͤllige der aͤußern Empfin - dung. §. 97. 102. (Vergl. §. 331.)
Wir verbinden mit unſern aͤußern Empfindungen oft verſtaͤndige Begierden und Verabſcheuungen des Willens, und ſo begleiten die Seelenwirkungen der erſten ſogleich die von den letztern. §. 96. So ſtrengen wir beym Anblicke eines Raubthiers unſre Muskeln an und entfliehen. Die - ſes Entfliehen iſt die Seelenwirkung des Entſchluſſes un - ſers Willens und nur eine zufaͤllige der aͤußern Empfin - dung. §. 97. 104.
Alle Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen in die mechaniſchen Maſchinen ſind Bewegungen in ihnen, woran nothwendig die Theile, die ſich gaͤnzlich ihrer Sub - ſtanz einverleiben, mithin auch ihre Nerven, §. 160. An - theil nehmen muͤſſen. Wenn dieſe durch die Bewegung der Maſchine, die ſie doch ſelbſt durch materielle aͤußere Empfindungen, vom Gehirne aus, gewirket haben, in ih - ren darinn vertheilten letzten Zweigen und Spitzen aͤußere ſinnliche Eindruͤcke erhalten, §. 31. ſo koͤnnen dieſelben neue aͤußere Empfindungen in der Seele erregen, §. 34. die wieder Seelenwirkungen von aͤußern Empfindungen, durch dieſelben Zweige und Faden, in denſelben, oder in andern mechaniſchen Maſchinen, wohin ſie, oder ihre ſinn - lichen Eindruͤcke im Gehirne durch Ableitung, abgehen, hervorbringen koͤnnen. §. 188. Dieſe zwote Art der See -lenwir -208I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. lenwirkungen aͤußerer Empfindungen ſind den urſpruͤngli - chen ſubordiniret, und muͤſſen, um manche Verwirrung in der Erklaͤrung der Erſcheinungen in der thieriſchen Oe - conomie, die von aͤußern Empfindungen entſtehen, zu ver - meiden, von jenen unterſchieden werden. Ein Schmerz in einem Muskel verurſachet darinn einen Krampf, der ei - ne unmittelbare Seelenwirkung von ihm iſt. Dieſer Krampf aber machet einen andern heftigen Schmerz, wor - auf Zuckungen erfolgen, die ſich auf viel andre Muskeln mit erſtrecken. Dieſe Zuckungen ſind ſubordinirte Seelen - wirkungen des erſten Schmerzens. Ein Gift erreget ein Brennen im Magen und in den Gedaͤrmen, die ſich da - von winden und krampfhaft zuſammenziehen. Dieß ſind die urſpruͤnglichen Seelenwirkungen von der brennenden aͤußern Empfindung des Gifts. Das Winden und der Krampf des Magens und der Gedaͤrme verurſachen neue Schmerzen, (Magenweh, Colick,) wodurch der Umlauf im Unterleibe, die Verdauung und Fortſchaffung der Spei - ſen, gehindert, der Leib verſchloſſen, eine Harnſtrenge er - reget wird, und die Glieder erlahmen. §. 212. Dieß ſind die ſubordinirten Seelenwirkungen des Brennens vom Gifte, und die unmittelbaren des Magenweh, der Colick. Man ſieht leicht, wenn dieſe ſubordinirten wieder neue aͤu - ßere Empfindungen erregen, daß dadurch abermals neue Seelenwirkungen entſtehen koͤnnen, die dieſen wieder ſubor - diniret ſind. So kann alſo eine einzige aͤußere Empfin - dung durch ſich ſtets ſubordinirt bleibende unmittelbare §. 97. 98. Seelenwirkungen, viele, ja wohl alle mechaniſche Maſchinen des Koͤrpers in Wirkung ſetzen, wovon man in der Erfahrung, bey ſchmerzhaften Krankheiten, vom Ki - tzel, u. ſ. w. die haͤufigſten Beyſpiele findet. Man muß um deswillen, was im Folgenden von den Seelenwirkun - gen andrer Kraͤfte der Seele gelehret werden ſoll, hierbey wohl erwaͤgen, daß die ſubordinirten aͤußern Empfindun - gen der Seele, wenn ſie mit den urſpruͤnglichen zu gleicher Zeit vorhanden ſind, eine zuſammengeſetzte aͤußere Empfin -dung209der aͤußern Empfindungen. dung in der Seele ausmachen, (ein Ganzes, eine totale (Vorſtellung,) aͤußere Empfindung, Baumg. Met. §. 378. die aus der urſpruͤnglichen und allen ihr ſubordinirten aͤu - ßern Empfindungen zugleich beſteht,) und daß die ſubor - dinirten und urſpruͤnglichen, abgeſondert betrachtet, Theile einer ganzen aͤußern Empfindung der Seele ſind. Eben ſo ſind auch die unmittelbaren Seelenwirkungen einer totalen aͤußern Empfindung ein Ganzes, eine aus den urſpruͤngli - chen und den ihnen zu gleicher Zeit ſubordinirten zuſam - mengeſetzte Seelenwirkung, und jede von ihnen, fuͤr ſich betrachtet, iſt ein Theil der totalen unmittelbaren Seelen - wirkung der zuſammengeſetzten aͤußern Empfindung.
So wie in der totalen aͤußern Empfindung der Seele die ſubordinirten ſich zugleich entwickeln, ſo formiren ſich ihre Seelenwirkungen zugleich in den mechaniſchen Maſchi - nen, in die ſie wirken koͤnnen. §. 225. Da aber nicht nothwendig jede aͤußere Empfindung, mithin auch nicht je - de ſubordinirte, wegen natuͤrlicher Hinderniſſe, alle mecha - niſche Maſchinen in Bewegung ſetzen muß, zu denen der Nerve geht, der im Gehirne ihren ſinnlichen Eindruck em - pfangen hat, §. 201. ſo koͤnnen, nach Verſchiedenheit des ſinnlichen Eindrucks im Gehirne, den die Theile der tota - len aͤußern Empfindung im Nerven machen, und nach Be - ſchaffenheit der natuͤrlichen Hinderniſſe, die den Fortgang des ſinnlichen Eindrucks vom Gehirne in die Maſchinen abhalten oder ableiten, die Seelenwirkungen einer totalen aͤußern Empfindung zuweilen von großem, zuweilen von kleinerem Umfange ſeyn. §. 165. N. 6. Je ſtaͤrker indeß die ſubordinirten aͤußern Empfindungen ſind, deſto ſtaͤrker ſind auch die Seelenwirkungen, die ſie wirklich hervorbrin - gen. §. 218. 225.
Alle aͤußere Empfindungen der Seele ſind ganze Vor - ſtellungen, die aus viel Theilen beſtehen. Baumg. Met. O§. 378.210I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. §. 378. 405. Mithin ſind auch die unmittelbaren See - lenwirkungen derſelben allezeit aus mehrern Theilen zuſam - mengeſetzet, und ſo koͤnnen es auch, wenn keine natuͤrliche Hinderniſſe vorhanden ſind, die in die mechaniſchen Ma - ſchinen ſeyn, wenn die den ſinnlichen Eindruck im Gehirne empfangenden Nerven, oder ihre Faden, zu ſolchen hinge - hen. §. 116. Uebrigens beſtehen aber nicht alle aus viel Theilen zuſammengeſetzte aͤußere Empfindungen aus lauter ſubordinirten: denn es koͤnnen in der Seele verſchiedene urſpruͤngliche aͤußerliche Empfindungen zu gleicher Zeit ſeyn, die ihre beſondern Seelenwirkungen nach den Geſe - tzen der urſpruͤnglichen aͤußern Empfindungen jede fuͤr ſich, aber zu gleicher Zeit aͤußern, und dieß ſind coordmirte aͤußere Empfindungen und Seelenwirkungen.
Die ſinnlichen Einbildungen der Seele ſind von ihr eigenmaͤchtig nachgeahmte oder wiederholte aͤußere Em - pfindungen, denen der aͤußere ſinnliche Eindruck fehlet, der ihnen das Wahre der aͤußern Empfindungen geben muͤßte. §. 67. Es fehlen naͤmlich in jeder Einbildung eine Men - ge Merkmale der aͤußern Empfindung, deren Vorſtellung der aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven nothwendig veranlaſſen muß, und die ſonſt die Seele nicht vorſtellet. §. 68. Die materielle Jdee, welche der aͤußere ſinnliche Eindruck im Gehirne erzeuget, iſt die von einer weit voll - ſtaͤndigern, aus vielmehr Merkmalen beſtehenden Jdee, §. 53. 67. als die, welche die Seele eigenmaͤchtig ins Gehirn eindruͤcken kann, wenn ſie ſie, ohne Beyhuͤlfe deſſelben wiederholet. So wie alſo die Einbildungen in der Seele nur unvollſtaͤndige aͤußere Empfindungen ſind, ſo ſind auch die materiellen Jdeen der Einbildungskraft nur Theile dermate -211der Einbildungen. materiellen aͤußern Empfindungen, die nur der hinzukom - mende aͤußere ſinnliche Eindruck ergaͤnzen und vollſtaͤndig machen kann. Es ſind beydes Vorſtellungen und mate - rielle Jdeen von einerley Art, wovon aber die Einbildun - gen ſchwaͤcher und unvollſtaͤndiger ſind. §. 68.
Man kann aus dieſem Begriffe leicht abnehmen, daß die Seelenwirkungen der Einbildungen in den mechani - ſchen Maſchinen uͤberhaupt mit denen von den aͤußern Em - pfindungen uͤbereinſtimmen, daß ſie ihr Gebiet im thieri - ſchen Koͤrper eben ſo weit erſtrecken, daß ſie eben dieſelben Arten von Bewegungen in den verſchiedenen Maſchinen hervorbringen, und daß ihnen nur an der Vollſtaͤndigkeit etwas abgehe. So lehret es auch die Erfahrung. Eine Einbildung bringt in eben den Maſchinen im thieriſchen Koͤrper eben ſolche Seelenwirkungen hervor, wie die ehe - malige aͤußere Empfindung hervorbrachte. Ein Anblick, bey dem uns die Haut ſchauderte, machet uns noch einen Schauer, wenn wir uns ſeiner blos wieder erinnern. Die Erinnerung einer Speiſe, die uns ehemals ein Erbrechen verurſachete, kann uns noch zum Erbrechen reizen, und die Erinnerung einer Wolluſt bringt unſre Glieder in dieſelbe Verfaſſung, worinn ſie dieſelbe genoſſen. Nur ſind alle dieſe Wirkungen der Einbildungen ſchwaͤcher, einfacher und unvollſtaͤndiger, als die von aͤußern Empfindungen. §. 69. Wie kann dieſes auch anders ſeyn, da die Einbil - dungen ihre materiellen Jdeen in eben denſelben Urſpruͤn - gen der Nerven im Gehirne erregen, wie die aͤußern Em - pfindungen, §. 124. 67. mithin dieſelbigen Maſchinen in Bewegung ſetzen muͤſſen. §. 129. 130. Da ſie eben die - ſelbe Art ſinnlicher Eindruͤcke im Urſprunge der Nerven im Gehirne, auf deren aͤußere Empfindungen ſie ſich bezie - hen, machen, §. 67. 121. worauf nothwendig aͤhnliche Bewegungen in den Maſchinen folgen, und da endlich die - ſe ſinnlichen Eindruͤcke im Gehirne ſchwaͤcher, als von aͤu -O 2ßern212I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. ßern Empfindungen ſind, §. 67. 228. und es alſo die da - von herruͤhrenden Seelenwirkungen nothwendig auch ſeyn muͤſſen? §. 133. S. d. A. 2 B. 69 St.
Das Ganze einer Einbildung iſt aus nur einigen Thei - len einer ehemaligen aͤußern Empfindung zuſammengeſetzet. §. 228. und ſo auch ihre materiellen Jdeen oder ſinnlichen Eindruͤcke in die Nerven im Gehirne, die die mechaniſchen Maſchinen außerhalb demſelben in Wirkung ſetzen §. 121. 128. Daher iſt das Geſetz der Seelenwirkungen der Ein - bildungen in die mechaniſchen Maſchinen dieſes: Welche Theile einer ehemaligen ganzen (§ 225.) aͤußern Empfin - dung eine Einbildung in ſich haͤlt, deren Seelenwirkungen werden in denſelben mechaniſchen Maſchinen, doch ſchwaͤ - cher, wiederholet. §. 229. 106.
Da in einer ganzen aͤußern Empfindung viele ihrer Theile ſubordinirte aͤußere Empfindungen ſeyn koͤnnen, und eine Einbildung davon aus den letztern allein oder groͤßten - theils beſtehen kann, §. 228. 225. ſo kann eine Einbil - dung zuweilen wenig oder gar keine Seelenwirkungen der urſpruͤnglichen, ſondern meiſt oder lauter ſolche von den ſubordinirten in den mechaniſchen Maſchinen hervorbrin - gen. §. 230. Das Druͤcken einer Speiſe, die man ehe - dem genoſſen, hat einen Magenkrampf erreget, der die Seelenwirkung der urſpruͤnglichen aͤußern Empfindung war. Dieſer Krampf machet einen neuen Schmerz, eine ſubordinirte aͤußere Empfindung, §. 225. worauf Zuckun - gen im ganzen Koͤrper, (ſubordinirte Seelenwirkungen) folgen. Man erinnert ſich itzt dieſer Speiſe wieder, und verfaͤllt unmittelbar in Zuckungen, ohne einen Magen - krampf zu haben. Hier bringt die Einbildung nur die ſub - ordinirte Seelenwirkung der ehemaligen urſpruͤnglichen aͤu - ßern Empfindung, mit Uebergehung der urſpruͤnglichen,hervor,213der Einbildungen. hervor, weil die Seele in ihrer Einbildung, (Wiederho - lung,) hauptſaͤchlich nur die ſubordinirte aͤußere Empfin - dung, den Schmerz vom Magenkrampfe, dachte, und den vorhergehenden urſpruͤnglichen vom Druͤcken der Speiſe im Magen, nicht mit in die Einbildung faſſet. §. 230.
Da die Urſache, warum die Seelenwirkungen der Ein - bildungen unvollſtaͤndiger und ſchwaͤcher als der aͤußern Empfindungen ſind, blos im Mangel des ſinnlichen aͤußern Eindrucks in die Nerven liegt, §. 228. 229. ſtarke Ein - bildungen aber unaͤchte aͤußere Empfindungen veranlaſſen koͤnnen, die den aͤußern ſinnlichen Eindruck in den Nerven nachahmen, §. 148. ſo koͤnnen Einbildungen mit unaͤch - ten aͤußern Empfindungen vergeſellſchaftet, ſo vollſtaͤndige und ſtarke Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchi - nen hervorbringen, daß ſie von den Seelenwirkungen wah - rer aͤußerer Empfindungen ſchwerlich unterſchieden werden koͤnnen. §. 229. 150. So kann ein Verruͤckter, ein Traͤu - mender, oder jeder Menſch von ſehr ſtarker Einbildungs - kraft, wenn er ſich einbildet, eine heftige Purganz zu ver - ſchlingen, wirklich davon purgiren, ſo kann er ſich von ei - ner im Traume genommenen eckelhaften Speiſe erbrechen, u. ſ. w.
1. Der bloße aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven kann, in ſo fern er nicht empfunden wird, der Seele keine Einbildung geben. Alſo iſt auch ſeine Nervenwirkung, als ſolche, nie zugleich eine Seelenwirkung von einer Ein - bildung, ehe ſie nicht die Seelenwirkung ſeiner Empfin - dung geweſen iſt. §. 228. 184. N. 1. Hingegen kann die Seele eine ſolche Nervenwirkung ſelbſt empfinden, mithin ſich auch einbilden, §. 228. und dieſe Einbildungen koͤn - nen Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen haben.
O 32. Weil214I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.2. Weil die Seelenwirkungen der Einbildungen in den mechaniſchen Maſchinen von denen, der wahren aͤu - ßern Empfindungen dasjenige verlieren, was bey dieſen der aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven zu ihrer Staͤrke und Vollſtaͤndigkeit beytraͤgt, §. 228. 229. dieſer Ein - druck aber oft eben die Bewegungen, welche die Seelen - wirkungen der aͤußern Empfindung ſind, zugleich durch ſeine blos thieriſche Kraft, §. 6. auch als eine Nervenwir - kung hervorbringt, §. 183. ſo faͤllt bey den Seelenwirkun - gen der Einbildungen in den mechaniſchen Maſchinen dieſe Mitwirkung einer zwoten bewegenden Kraft zu ihren Be - wegungen hinweg, und wenn von dieſer beſondre Neben - wirkungen in der thieriſchen Oeconomie abhaͤngen ſollten, ſo fallen auch dieſe bey den Einbildungen hinweg, wenig - ſtens hangen ſie denn nicht von ihnen ab, ſondern waͤren nur zufaͤlliger Weiſe damit verbunden. Wenn alſo gleich eine Einbildung die Merkmale a, b, c, aus einer ehemali - gen totalen aͤußern Empfindung wiederholet, mit welchen in den mechaniſchen Maſchinen damals gewiſſe thieriſche Bewegungen verbunden waren, die aber nicht Seelenwir - kungen von den aͤußern Empfindungen a, b, c, ſondern nur blos thieriſche Wirkungen (Nervenwirkungen §. 183.) des aͤußern ſinnlichen Eindrucks, der dabey mitwirkte, gewe - ſen; ſo bringt ſie doch dieſe blos thieriſchen Bewegungen in den Maſchinen nicht wieder mit hervor. So wuͤrde die Einbildung von einer Speiſe, die, wenn man ſie wirklich aͤße, ob ſie gleich im Magen gar nicht empfunden wuͤrde, §. 48. doch durch ihren aͤußern ſinnlichen Eindruck in ſei - ne Nerven, (durch eine Nervenwirkung, §. 183.) die Be - wegung der Gedaͤrme reizte, unmoͤglich dieſen Reiz der Gedaͤrme, wenigſtens nicht als eine Nervenwirkung, ver - urſachen koͤnnen, und wenn von dieſem Reize, als Ner - venwirkung, eine Nebenwirkung erfolgete, z. E. daß da - von der Urin getrieben wuͤrde, ſo muͤßte auch dieſe Neben - wirkung von der Einbildung nicht erfolgen.
1. Die Seelenwirkungen der Einbildungen erſtrecken ſich, ſo wie die der aͤußerlichen Empfindungen, §. 192. auf alle mechaniſche Maſchinen, die durch aͤußere Empfin - dungen beweget werden koͤnnen, §. 229. und ſetzen ſie, wiewohl ſchwaͤcher und unvollſtaͤndiger, §. 230. in eben dieſelben Bewegungen, wie die aͤußern Empfindungen, §. 193. ja, die mit unaͤchten aͤußern Empfindungen verbun - denen, zwingen ſie mit faſt gleicher Staͤrke zu eben denſel - ben Verrichtungen, wie die wahren aͤußern Empfindungen, §. 232. weil ſie ihnen an Staͤrke gleich kommen. §. 229.
2. Die Einbildungen angenehmer aͤußerer Empfin - dungen enthalten etwas von der Luſt der Sinnen, §. 186. 228. und bringen ſolche Seelenwirkungen hervor, die ih - rer natuͤrlichen Beſtimmung gemaͤß ſind. §. 195. Die, von unangenehmen aͤußern Empfindungen, enthalten et - was von der Unluſt der Sinnen, §. 186. 228. und brin - gen widernatuͤrliche Seelenwirkungen hervor. §. 195. Die, von Kitzel und Schmerz, erregen heftigere Bewegungen, §. 197. 198. wenn in ihnen die Staͤrke der Luſt oder Un - luſt der in den Empfindungen proportioniret iſt, welches doch nicht nothwendig ſeyn muß. §. 228.
3. So wie die aͤußern Empfindungen nicht alle mecha - niſche Maſchinen, die ihr Nerve bewegen kann, wirklich bewegen, §. 201. ſo gilt dieſes auch von den Einbildun - gen derſelben, §. 228. zumal wenn der Urſprung der Ner - ven im Gehirne in ſeinen Verrichtungen, oder der Fort - gang des ſinnlichen Eindrucks von da bis zu den mechani - ſchen Maſchinen gehindert iſt, oder ſie ſelbſt zu ihren Ver - richtungen untuͤchtig geworden ſind. §. 202.
4. Wie die aͤußern Empfindungen in die mechaniſchen Maſchinen nach der Faͤhigkeit einer jeden wirken, §. 203. wenn ſie Seelenwirkungen darinn hervorbringen, ſo thun es auch die Einbildungen, §. 228. ſo daß das Alles auf ſie angewendet werden kann, was §. 204 — 217. von den aͤußern Empfindungen gelehret worden iſt.
Mit den unmittelbaren Seelenwirkungen der Einbil - dungen, §. 99. wovon bisher die Rede allein geweſen, ge - ſellen ſich oft, außer denen von zugleich vorhandenen wah - ren aͤußern Empfindungen und andern Einbildungen, die gar nicht zu ihnen gehoͤren, §. 219. auch zufaͤllige, §. 99. z. E. Vorherſehungen, die in ihnen einigen Grund haben, §. 73. Begierden, Triebe, Leidenſchaften, § 99. ja auf noch entferntere Weiſe, §. 65. Ueberlegungen des Ver - ſtandes und verſtaͤndige Begierden und Verabſcheuungen des Willens. Alle dieſe Seelenwirkungen, die mit denen von den Einbildungen entweder nur zugleich da ſind, oder blos zufaͤllig zuſammenhaͤngen, §. 97. muß man von den unmittelbaren der Einbildungen wohl unterſcheiden. Ein Menſch iſt geſtern gelaufen. Jn der Nacht traͤumet ihn, daß er laufe, und er faͤngt an ſchnell Athem zu holen. Dieß iſt die Seelenwirkung ſeiner Einbildung. Dabey denkt er ans Fallen, und ſchreyt: Dieß iſt die Seelenwirkung ſei - ner Vorherſehung. Er ſuchet ſich aufzurichten, und ſtrengt ſeine Muskeln dazu an. Dieß iſt die Seelenwirkung ei - ner Begierde. Eben ſo laſſen ſich in den Beyſpielen §. 223. 224. die Seelenwirkungen des Verſtandes und des Willens von denen, der Einbildungen, die ſie veranlaſſen, unterſcheiden, wenn man annimmt, daß ſie, ſtatt der dor - tigen aͤußern Empfindungen, durch Einbildungen veran - laſſet worden waͤren.
Weil zuweilen in Traͤumen, beſonders bey Nachtwan - derern, und in der Verruͤckung, die Einbildungen von ſo großer Lebhaftigkeit ſind, daß ſie den aͤußern Empfindun - gen gleich kommen, zumal da ſie bey ſolchen Perſonen ge - meiniglich zu unaͤchten aͤußern Empfindungen §. 232. wer - den, und ſie die meiſten Erſcheinungen, Geſichter und Blendwerke haben; §. 148. ſo bringen auch in ſolchen Faͤllen die Einbildungen eben ſolche Seelenwirkungen inden217der Einbildungen. den mechaniſchen Maſchinen hervor, als ob ſie von wah - ren aͤußern Empfindungen herruͤhreten. §. 70. 69.
Wenn die Seele dichtet, ſo verbindet ſie die Theile verſchiedener Einbildungen mit einander, wovon denn je - de nach dem Geſetze der Einbildungen ihre Seelenwirkun - gen in den mechaniſchen Maſchinen aͤußert. §. 230. 70. So, wie nun die Einbildungen einer Erdichtung von der Seele zugleich und nach einander, nach den Geſetzen der Vorſtellungskraft hervorgebracht werden, ſo entwickeln und verbinden ſich auch die Seelenwirkungen derſelben in den mechaniſchen Maſchinen. §. 70. 106. Nach dieſem Ge - ſetze werden in einem anhaltenden Dichten der Seele, das aus den lebhafteſten Einbildungen und unaͤchten aͤußern Empfindungen beſteht, z. E. bey den Nachtwandlern, Schwaͤrmern, Phantaſten, in der Verruͤckung, (Deli - rium,) Baumg. Met. §. 443. die Seelenwirkungen in den Maſchinen eben ſo beſtimmet, als ob ſie von wahren aͤu - ßern Empfindungen herruͤhreten, §. 236. 70. nur daß ſie nicht ſo vollkommen, vollſtaͤndig und regelmaͤßig, und der natuͤrlichen Beſtimmung des Koͤrpers nicht ſo gemaͤß erfol - gen, §. 184. daher auch die Erhaltung und Geſundheit des Koͤrpers dabey große Gefahr laͤuft. Uebrigens laͤßt ſich alles, was von den Einbildungen und ihren Seelen - wirkungen in die mechaniſchen Maſchinen §. 231 — 236. gelehret worden, ſehr leicht auf die Erdichtungen an - wenden.
Das Wiedererkennen, oder die Erinnerung einer Vorſtellung, die durch das Gedaͤchtniß bewerkſtelliget wird, §. 71. ſcheint nicht zu den Vorſtellungsarten der Seele zu gehoͤren, die außerhalb dem Gehirne in den mechaniſchen Maſchinen einige Seelenwirkungen aͤußern, außer in ſo fern es die Empfindungen, deren man ſich wieder erinnert, undO 5die218I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. die Einbildungen, als ſolche, thun. Man ſieht ein Ge - ſicht, und erſchrickt, daß man blaß wird. Es iſt das aͤhn - liche Geſicht einer Perſon, mit der man vor langer Zeit bit - tern Verdruß gehabt hat. Das Erblaſſen erfolget ſchon ehe wir uns erinnern, wem dieſes Geſicht aͤhnlich ſey, al - ſo blos durch die wiederholte aͤußere Empfindung, (Einbil - dung,) ohne die Wiedererinnerung; denn wie oft hoͤret man nicht in ſolchen Faͤllen ſagen: „ Dieſer Anblick ſchreckt, „ ruͤhret, erheitert mich, ohne daß ich weiß warum? Es „ muß ein Nebenbegriff daran Schuld ſeyn, deſſen ich mich „ aber nicht erinnere. “ Wenn uns beym Anblicke dieſes aͤhnlichen Geſichts auch gleich die Perſon wieder einfaͤllt, mit der wir den Verdruß gehabt haben, ſo erfolget doch, wie es ſcheint, keine andre Seelenwirkung davon, als eben die vorige. Wir erblaſſen eben ſo, wie vorhin, nur wiſſen wir itzt warum? Es iſt alſo immer nur die Seelenwirkung der Einbildung, die ſich in der Maſchine wahrnehmen laͤßt, und die Erinnerung derſelben ſcheint ſie in Nichts zu veraͤndern, das iſt: das eigentliche Erinnern der Seele ge - hoͤret unter diejenigen Arten ihrer Vorſtellungen, deren Seelenwirkungen nur im Gehirne bleiben, und nur mate - rielle Jdeen der andern Art erzeugen, §. 119. dahingegen die Vorſtellungen, deren man ſich wieder erinnert, ohne Beziehung hierauf, ihre gewoͤhnlichen Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen hervorbringen. Die mei - ſten Philoſophen und Aerzte halten die Seelenwirkungen der Vorſtellungen des Gedaͤchtnißes fuͤr hieroglyphiſche Bilder der Vorſtellungen im Gehirne, wovon aber §. 71.
Die ſinnlichen Vorberſehungen ſind kuͤnftige aͤuße - re Empfindungen, denen der aͤußere ſinnliche Eindruck das Wahre der aͤußern Empfindungen geben muͤßte. §. 73. Es219der Vorherſehungen. Es fehlen naͤmlich in jeder ſinnlichen Vorherſehung eine Menge Merkmale der aͤußern Empfindung, deren Vor - ſtellung der aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven noth - wendig veranlaſſen muß, und die ſonſt die Seele nicht vor - ſtellet. Die materielle Jdee, welche der aͤußere ſinnliche Eindruck im Gehirne erzeuget, iſt die, von einer weit voll - ſtaͤndigern aus viel mehr Merkmalen beſtehenden Jdee, als die, welche die Seele eigenmaͤchtig ins Gehirn eindruͤ - cken kann, wenn ſie dieſelbe ohne Beyhuͤlfe des aͤußern ſinn - lichen Eindrucks vorausſchafft. §. 53. 73. So wie alſo die Vorherſehungen nur unvollſtaͤndige aͤußere Empfindun - gen, ja noch unvollſtaͤndiger als die Einbildungen ſind, §. 73. ſo ſind auch die materiellen Jdeen der Vorherſehungs - kraft nur Theile der materiellen aͤußern Empfindungen, die blos der hinzukommende aͤußere ſinnliche Eindruck ergaͤn - zen und vollſtaͤndig machen kann. Es ſind beydes Vor - ſtellungen und materielle Jdeen von einerley Art, wovon aber die Vorherſehungen viel ſchwaͤcher und unvollſtaͤndi - ger ſind. §. 73.
1. Die materiellen Jdeen der Vorherſehungen entſte - hen in eben denſelben Urſpruͤngen der Nerven im Gehirne, wie die aͤußern Empfindungen, die vorhergeſehen werden. §. 73. 124. Daher muͤſſen ſie auch ihre Seelenwirkun - gen außerhalb dem Gehirne in ſolchen mechaniſchen Ma - ſchinen aͤußern, welche dieſelben aͤußern Empfindungen in Bewegung ſetzen. §. 129. 130.
2. Die Vorherſehungen machen in dieſen Urſpruͤngen im Gehirne eben dieſelbe Art ſinnlicher Eindruͤcke, §. 73. 121. alſo muͤſſen ihre Seelenwirkungen in den mechani - ſchen Maſchinen auch denen von den zukuͤnftigen aͤußern Empfindungen aͤhnlich ſeyn, und da
3. endlich dieſe ſinnlichen Eindruͤcke ſchwaͤcher, als von aͤußern Empfindungen, und ſelbſt von Einbildungen ſind, §. 239. ſo muͤſſen es die davon herruͤhrenden Seelenwir -kungen220I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. kungen in den mechaniſchen Maſchinen nothwendig auch ſeyn. Alles dieſes beſtaͤtiget die Erfahrung. Eine ſinn - liche Vorherſehung bringt in eben den mechaniſchen Ma - ſchinen eben ſolche Seelenwirkungen hervor, wie die kuͤnf - tige aͤußere Empfindung hervorbringen wird. Die Traͤu - me eines Verliebten, daß er erhoͤret werden ſoll, bringen ihn faſt dahin, wo er in dem Augenblicke der Erhoͤrung ſeyn wird. Wenn man einen andern ſpeiſen ſieht, und ſelbſt auch zu ſpeiſen gedenkt, ſo reizet dieſe Vorherſehung mit der ihr anhaͤngenden Begierde, die Speicheldruͤſen ſo, wie es das Speiſen ſelbſt thun wird. Die Vorherſehung eines Falles von einer Hoͤhe zwingt uns, auch wider Wil - len und Vorſatz, uns anzuhalten, wie es beym Fallen ſelbſt geſchehen wuͤrde. Wenn man traͤumet, daß man die Urin - blaſe entledigen wolle, ſo geſchieht es oft wirklich. Die Erwartung der Wirkung einer Arzney machet, daß wir dieſe Wirkung ſchon im Voraus erfahren. Selbſt das Gaͤhnen, wenn man andre gaͤhnen ſieht, ſcheint zuweilen davon herzuruͤhren, daß man die Bewegung der Kinnla - de nachzuahmen anfaͤngt, weil uns der Anblick des andern erinnert, wie wir das anfangen, wenn wir es ſelbſt thun, woraus die Vorherſehung entſteht, wie wir es anfangen werden. Jnzwiſchen lehret auch die taͤgliche Erfahrung, daß die Bewegungen, welche die gemeinen Vorherſehun - gen, die nicht beſonders ſtark ſind, hervorbringen, das nur ſehr mangelhaft, ſchwach und zerſtuͤckt ausdruͤcken, was wir beym wirklichen Empfinden thun werden. Vergl. d. A. 2 B. 85 St.
Das Ganze einer Vorherſehung iſt aus nur einigen Theilen einer kuͤnftigen aͤußern Empfindung zuſammenge - ſetzet, §. 239 und ſo auch ihre materiellen Jdeen oder ſinnliche Eindruͤcke in die Urſpruͤnge der Nerven im Gehir - ne, welche die mechaniſchen Maſchinen außerhalb demſel - ben in Wirkung ſetzen. §. 239. 121. Welche Theile ei -ner221der Vorherſehungen. ner zukuͤnftigen ganzen aͤußern Empfindung (§. 225.) al - ſo eine Vorherſehung in ſich enthaͤlt, deren Seelenwirkun - gen werden in denſelben mechaniſchen Maſchinen, doch ſchwaͤcher, ausgedruͤcket. §. 240. 106.
Da in einer ganzen aͤußern Empfindung viele ihrer Theile ſubordinirte aͤußere Empfindungen ſeyn koͤnnen, und eine Vorherſehung davon aus den letztern allein, oder groͤßtentheils beſtehen kann, §. 239. 225. ſo kann eine Vorherſehung zuweilen wenig oder gar keine Seelenwir - kungen der urſpruͤnglichen, ſondern meiſt, oder lauter ſol - che von den ſubordinirten in den mechaniſchen Maſchinen hervorbringen. §. 241. Eine kalte Luft, die unſre Haupt - nerven beruͤhret, wenn wir warm ſind, zieht die Schweiß - loͤcher zuſammen und treibt die Materie der Ausduͤnſtung einwaͤrts. Dieß iſt die Seelenwirkung der urſpruͤngli - chen aͤußern Empfindung der Kaͤlte. Die zuruͤckgetriebene ſcharfe Materie reizet die Nerven der Muskeln zu Zuckun - gen, und unſere Glieder zittern, und wir klappern mit den Zaͤhnen, welches die Seelenwirkung der ſubordinirten aͤußern Empfindung in den Muskeln iſt, die die Glieder und den Unterkinnbacken bewegen. §. 225. Man traͤumet itzt im warmen Bette, oder ſieht ſonſt ſehr lebhaft vorher, daß man in einen Fluß, der voll Eis ſchwimmt, fallen werde, und ſchon ſchaudern die Glieder. Einen wahren hier paſſenden Fall findet man im Dictionaire Encyclop. Art. Somnambule, von einem Nachtwandler, der ſich einmal im Winter einbildete, daß er am Ufer eines Fluſ - ſes ſpazieren gienge, und ein Kind hineinfallen und ertrin - ken ſaͤhe. Die ſtrenge Kaͤlte hielt ihn nicht ab, es zu er - retten. Er warf ſich gleich aufs Bett in der Stellung ei - nes ſchwimmenden Menſchen, deſſen Bewegungen er nach - machte, und als er ſich muͤde gearbeitet hatte, ergriff er mit der einen Hand die Bettdecke, in der Meynung, es ſey das Kind, und bedienete ſich der andern Hand, umans222I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. ans eingebildete Ufer zu ſchwimmen. Nun legte er ſeine Buͤrde nieder, zitterte vor Kaͤlte, und klappete mit den Zaͤhnen, als wenn er aus einem eiskalten Fluſſe kaͤme. Er ſagte, daß er vor Kaͤlte erſtarre, und foderte ein Glas Branntwein. Der Traͤumer hatte in ſeinem Zimmer und Bette weder die Eiskaͤlte des Fluſſes empfunden, noch konnte die zuruͤckgetriebene Ausduͤnſtung die Nerven der Muskeln gereizet haben. Die ganze Seelenwirkung ſeiner Vorherſehung von beyden aͤußert ſich nur durch das Zit - tern der Glieder und Zaͤhnklappen. Hier bringt die Vor - herſehung nur die ſubordinirte Seelenwirkung der kuͤnftigen aͤußern Empfindung, mit Uebergehung der urſpruͤnglichen, hervor, weil die Seele in ihrer Vorherſehung hauptſaͤchlich nur die ſubordinirte aͤußere Empfindung, den Reiz der Muskeln, dachte, und den vorhergehenden urſpruͤnglichen, in den Nerven der Haut, nicht mit in die Vorherſehung faſſet. §. 241.
Die Urſache, warum die Seelenwirkungen der Vor - herſehungen unvollſtaͤndiger und ſchwaͤcher als der wahren aͤußern Empfindungen ſind, liegt blos im Mangel des aͤu - ßern ſinnlichen Eindrucks in die Nerven. §. 239. 240. Nun koͤnnen aber ſehr ſtarke ſinnliche Vorherſehungen un - aͤchte aͤußere Empfindungen veranlaſſen, die den aͤußern ſinnlichen Eindruck im Nerven nachahmen. §. 74. 148. Alſo koͤnnen Vorherſehungen mit unaͤchten aͤußern Empfin - dungen vergeſellſchaftet, ſo vollſtaͤndige und ſtarke Seelen - wirkungen in den mechaniſchen Maſchinen hervorbringen, daß ſie mit den Seelenwirkungen wahrer aͤußerer Empfin - dungen mehrentheils uͤbereinkommen. §. 150. 240. So kann ein Menſch, der ſehr lebhaft traͤumet, einen Donner zu hoͤren, im ſtillſten Zimmer ſo ſtark zuſammenfahren, daß er ſein Bett erſchuͤttert. So kann ein Kind in der Wiege, bey der Vorherſehung, daß es die Bruſt ſauge, mit allen Kraͤften an der Luft ſaugen.
1. Der bloße aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven kann, in ſo fern er nicht empfunden wird, mithin auch nicht eingebildet werden kann, §. 233. N. 1. in der Seele keine Vorherſehung erregen. Alſo iſt auch ſeine Nerven - wirkung, als ſolche, nie zugleich eine Seelenwirkung von einer Vorherſehung, ehe ſie nicht die Seelenwirkung ſeiner Empfindung geweſen iſt. §. 239. 184. N. 1. Hingegen kann die Seele eine ſolche Nervenwirkung ſelbſt empfinden und ſich einbilden, §. 233. mithin ſie vorherſehen, §. 73. und dieſe Vorherſehungen koͤnnen Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen haben.
2. Weil die Seelenwirkungen der Vorherſehungen in den mechaniſchen Maſchinen von denen, der wahren aͤu - ßern Empfindungen dasjenige verlieren, was bey dieſen der aͤußere ſinnliche Eindruck in die Nerven zu ihrer Voll - ſtaͤndigkeit und Staͤrke beytraͤgt, §. 239 240. dieſer Ein - druck aber oft eben die Bewegungen, welche die Seelen - wirkungen der aͤußern Empfindungen ſind, zugleich durch ſeine blos thieriſche Kraft, §. 6. auch als eine Nervenwir - kung hervorbringt, §. 183. ſo faͤllt bey den Seelenwirkun - gen der Vorherſehungen in den mechaniſchen Maſchinen dieſe Mitwirkung einer zwoten bewegenden Kraft zu ihren Bewegungen hinweg, und wenn von dieſer beſondre Ne - benwirkungen in der thieriſchen Oeconomie abhangen ſoll - ten, ſo fallen auch dieſe bey den Vorherſehungen hinweg, wenigſtens hangen ſie dann nicht von ihnen ab, ſondern waͤren nur zufaͤlliger Weiſe damit verbunden. Wenn al - ſo gleich eine Vorherſehung die Merkmale a, b, c, aus einer kuͤnftigen totalen aͤußern Empfindung in ſich enthaͤlt, mit welchen in den mechaniſchen Maſchinen kuͤnftig gewiſſe thie - riſche Bewegungen verbunden ſeyn werden, die aber nicht Seelenwirkungen von den aͤußern Empfindungen a, b, c, ſondern nur blos thieriſche Wirkungen (Nervenwirkungen §. 183.) des aͤußern ſinnlichen Eindrucks, der dabey mit - wirken wird, ſeyn werden; ſo bringt ſie doch dieſe blos thie -riſchen224I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. riſchen Bewegungen in den mechaniſchen Maſchinen nicht vorlaͤufig mit hervor. So wuͤrde die Vorherſehung eines Schlages, der, wenn man ihn wirklich bekaͤme, ob er gleich, (z. E. in einer Betaͤubung,) gar nicht empfunden wuͤrde, doch durch ſeinen aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Nerven, (durch eine Nervenwirkung, §. 183.) eine Un - terlaufung vom Blute veranlaſſen wuͤrde, (S. §. 207.) dieſen Erfolg unmoͤglich haben koͤnnen, in ſo fern er eine bloße Nervenwirkung waͤre, und eben ſo wenig koͤnnte auch eine Geſchwulſt oder Entzuͤndung, die das Unterlaufen des Bluts nach ſich ziehen wuͤrde, von der Vorherſehung erfolgen.
Mit den unmittelbaren Seelenwirkungen der Vorher - ſehungen, wovon bisher die Rede geweſen, (§. 99.) geſel - len ſich oft, außer denen von zugleich vorhandenen wahren aͤußern Empfindungen, Einbildungen, und andern Vor - herſehungen, die gar nicht zu ihnen gehoͤren, §. 219. auch zufaͤllige, §. 99. z. E. Begierden, Verabſcheuungen, Triebe, Leidenſchaften, §. 99. ja, auf noch entferntere Weiſe, §. 65. Ueberlegungen des Verſtandes und Beſtre - bungen des Willens. Alle dieſe Seelenwirkungen, die mit denen von den Vorherſehungen entweder nur zugleich da ſind, oder blos zufaͤllig zuſammenhaͤngen, §. 97. muß man von den unmittelbaren der Vorherſehungen wohl un - terſcheiden. Die Vorherſehung einer uͤppigen Handlung wirket unmittelbar in die Glieder, welche dieſelbe zu ver - richten haben werden. §. 99. Dazu geſellet ſich eine Schamhaftigkeit, eine Leidenſchaft, die das Geſicht roth machet. Dieſe Erroͤthung iſt die zufaͤllige Seelenwirkung der Leidenſchaft, die ſich zu der Vorherſehung zufaͤllig ge -Pſellete.226I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. ſellete. Durch die Vorherſehung einer großen Ehre ſtu - dieret ſich ein Gelehrter hypochondriſch, und verdauet ſeine Speiſen nicht mehr. Dieſe Seelenwirkung des Nachden - kens, (vergl. §. 332.) iſt nur eine zufaͤllige Seelenwirkung der Vorherſehung des Ruhms. Durch die Vorherſehung eines großen Gewinns faſſet der Kaufmann den Entſchluß nach einer Meſſe zu reiſen. Nicht unmittelbar iſt die Handlung ſeines Koͤrpers eine Seelenwirkung ſeiner Vor - herſehung, ſondern nur zufaͤllig, durch den Entſchluß, den ſein Wille darum genommen hat.
Weil zuweilen in Traͤumen, zumal bey Nachtwand - lern, in der Verruͤckung, in der prophetiſchen Entzuͤckung, die ſinnlichen Vorherſehungen und prophetiſchen Geſichter von ſo großer Lebhaftigkeit ſind, daß ſie den aͤußern Em - pfindungen gleich kommen, zumal da ſie bey ſolchen Perſo - nen gemeiniglich zu unaͤchten aͤußern Empfindungen wer - den, und ſie die meiſten Erſcheinungen, Geſichter und Blendwerke haben, §. 148. 243. ſo bringen auch in ſol - chen Faͤllen die Vorherſehungen in den mechaniſchen Ma - ſchinen eben ſolche Seelenwirkungen hervor, als ob ſie von wahren aͤußern Empfindungen gewirket worden waͤren. §. 74. 75.
Die Dichtungskraft der Seele beſchaͤftiget ſich eben ſo mit den Vorherſehungen, wie mit den Einbildungen, auf einerley Art und nach einerley Geſetze. Daher wer - den die Nachtwandler, Schwaͤrmer, Verruͤckten, Jnſpi - rirten, Wahrſager, die ſehr lebhaſt, anhaltend dichten, von den Vorherſehungen ihrer Ahndungen und Erwartungen eben ſo blendend getaͤuſchet, wie von ihren Einbildungen, daß ſie beyde fuͤr aͤußere Empfindungen halten, und ihre Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen dieſem Jrrthume gemaͤß ſind. §. 237.
Die eigentlichen Erwartungen der Seele, oder die Erkenntniß, daß eine vorhergeſehene Empfindung oder Vor - ſtellung eben diejenige ſey, die ſie zukuͤnftig bekommen wird, ſcheinen eben ſo, wie die Erinnerungen, (§. 238.) nicht zu den Vorſtellungsarten der Seele zu gehoͤren, die in den mechaniſchen Maſchinen außerhalb dem Gehirne einige Seelenwirkungen aͤußern, außer in ſo fern es die Empfin - dungen oder andern Vorſtellungen thun, die man erwar - tet. Wenn ein Hungriger nur an eine Speiſe gedenkt, ſo laͤuft ihm der Mund voll Waſſer, und dieſes geſchieht in jedem Falle, er mag nun entweder wirklich vermuthen, daß er ſie genießen werde, oder mag nur daran gedenken. Die Ergießung der Speicheldruͤſen iſt die Seelenwirkung der Vorherſehung in der Maſchine des Koͤrpers, und die Erwartung ſcheint ſie in nichts zu veraͤndern. Das Er - warten iſt alſo eben ſo, wie der Witz, Scharfſinn, u. ſ. w. eine ſolche Art der Seelenkraͤfte, deren Seelenwirkungen nur im Gehirne bleiben, und materielle Jdeen der andern Art ſind, §. 119. dahingegen die aͤußern Empfindungen und andern Vorſtellungen, die man erwartet, in den me - chaniſchen Maſchinen eben dieſelben Seelenwirkungen her - vorbringen, wie andre Vorherſehungen, §. 74. ohne Be - ziehung auf ihre Erwartung.
Sobald eine Empfindung oder andre Vorſtellung der Seele gefaͤllt oder misfaͤllt, das iſt, ſobald ſie Triebfedern des Gemuͤths in ſich enthaͤlt, §. 88. ſaget man, daß ſie das Herz ruͤhre, daß das Herz Antheil daran nehme, daß es nicht gleichguͤltig dabey bleibe. Dieſe Art zuP 2reden228I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. reden hat ihren Urſprung aus der ganz allgemeinen Erfah - rung, daß bey allen Vorſtellungen, die uns entweder gefallen, oder misfallen, die Bewegung des Herzens, und uͤberhaupt die von den Phyſiologen eigentlich ſo benamten Lebensbewegungen, merklich veraͤndert werden. Man ſaget von einer angenehmen aͤußern Empfindung einer Speiſe, eines Getraͤnks, einer Arzney, daß ſie ans Herz komme, das Herz erquicke, ſtaͤrke. Eine ſchoͤne Aus - ſicht, eine Muſik, erheitert die Seele und ermuntert das Herz. Der Kitzel veraͤndert das Athemholen convulſiviſch und erreget Lachen und den ganzen Umlauf des Bluts. Der Schmerz machet ein heftiges Fieber und erreget Seufzen, Stoͤhnen und Weinen. Ein Troſt, ein Zu - ſpruch, der uns gefaͤllt, erquicket unſer Herz; eine Ermah - nung, die unſern Beyfall erhaͤlt, geht uns zu Herzen; bey der Erinnerung einer grauſamen That empoͤret ſich unſer Herz; bey der Vorherſehung einer großen Freude ſchlaͤgt uns das Herz freyer und leichter. Kurz, jede ſinnliche oder verſtaͤndige Vorſtellung, die Luſt oder Unluſt in der Seele erwecket, veraͤndert die Bewegung des Herzens und den Pulsſchlag, an welchem auch das Athemholen Theil nimmt, und hat dadurch einen großen Einfluß in die gan - ze thieriſche Oeconomie, welcher einer trocknen Erkenntniß, einer gleichguͤltigen aͤußern Empfindung, Einbildung, Vor - herſehung und Ueberlegung gaͤnzlich mangelt. Es iſt alſo ein allgemeines Grundgeſetz der thieriſchen Natur, daß alle Triebfedern des Gemuͤths eine beſondere Seelenwirkung mit den uͤbrigen Seelenwirkungen der Vorſtellungen verei - nigen, welche darinn beſteht, daß ſie die Verrichtungen der zu den Lebensbewegungen beſtimmten mechaniſchen Ma - ſchinen veraͤndern. Da aber die ſinnlichen Reizungen, das iſt, die Luſt und Unluſt der aͤußern Sinne, §. 80. und der ſinnlichen Vorſtellungen, Einbildungen, Vorher - ſehungen, §. 88. ihrer Natur nach ſtaͤrkere Triebfedern des Gemuͤths, als die Bewegungsgruͤnde, ſind, §. 53. 88. ſo iſt die Wirkung jener in die Lebensbewegungen uͤber -haupt229der ſinnlichen Luſt und Unluſt. haupt ſtaͤrker und merklicher, als der Bewegungsgruͤnde. Vergl. d. A. 4 B. 159 St.
Die unmittelbaren Seelenwirkungen der Triebfedern des Gemuͤths uͤberhaupt, und fuͤr ſich betrachtet, ſind alſo die Eindruͤcke der Luſt oder Unluſt ins Gehirn, in ſo fern ſie, als beſondre Beſchaffenheiten der materiellen, Jdeen jeder nicht gleichguͤltigen Vorſtellung, die Urſpruͤnge der Nerven im Gehirne, wodurch die Lebensbewegungen re - gieret werden, reizen, §. 99. 101. 102. und dieß gilt insbeſondre von den Seelenwirkungen der Luſt und Unluſt der Sinne, §. 80. aller uͤbrigen ſinnlichen Reizungen und der Bewegungsgruͤnde. §. 88. 250. Außer allen bisher beſchriebenen unmittelbaren Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen, der Einbildungen, der Vorherſehungen, in die mechaniſchen Maſchinen, haben alſo dieſelben, ſo - bald ſie der Seele angenehm oder unangenehm ſind, auch noch die beſondern, gleichfalls unmittelbaren, §. 97. 98. 99. der ſinnlichen Reizungen, (Triebfedern des Gemuͤths, §. 88.) daß ſie die Lebensbewegungen, und durch ſie, ver - mittelſt ihres phyſicaliſchen, mechaniſchen und thieriſchen Zuſammenhangs, die geſammte thieriſche Oeconomie in - nigſt veraͤndern. Dieſe Veraͤnderung der Lebensbewegun - gen iſt deſto ſtaͤrker, je ſtaͤrker die ſinnliche Luſt und Unluſt uͤberhaupt iſt. §. 85. 87. Eben dieſes gilt auch von den Seelenwirkungen der Bewegungsgruͤnde in die Lebensbe - wegungen, ob ſie gleich an ſich von ſchwaͤcherer Art ſind; §. 250. zumal da ſich mit allen Bewegungsgruͤnden ſinn - liche Triebfedern vermiſchen. Baumg. Met. §. 512. Wenn man von der Urſache dieſes beſondern Einfluſſes der Trieb - federn des Gemuͤths in die Lebensbewegungen urtheilen ſoll, ſo laͤßt ſich freylich nicht anders muthmaßen, als daß dieſe innern Empfindungen der Seele (§. 80.) einen beſon - dern und ihnen eignen ſinnlichen Eindruck in die Urſpruͤn - ge der Nerven der Lebenstheile im Gehirne haben muͤſſen. P 3§. 124.230I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. §. 124. Da aber auch zu vermuthen iſt, daß die innern Empfindungen von Luſt und Unluſt, da ſie die Vorſtel - lungskraft in ein heftiges Beſtreben ſetzen, indem ſie Be - gierden und Verabſcheuungen erregen, §. 81. nicht nur lebhaftere, ſondern auch allgemeinere ſinnliche Eindruͤcke im Gehirne und Beſtrebungen deſſelben wirken muͤſſen, §. 82. 83. ſo iſt es ſehr wahrſcheinlich, daß bey dieſen innern Empfindungen die Blutgefaͤße, die das Gehirn in ſo un - geheurer Menge enthaͤlt, auf eine beſondre Weiſe gereizet werden, und dadurch den Umlauf eines ſehr betraͤchtlichen Theils der ganzen Blutmaſſe im Gehirne ſchon ſo veraͤn - dern, daß davon eine Veraͤnderung in der Bewegung des Herzens, im Athemholen und in allen Lebensbewegungen verurſachet wird. §. 159.
Die Seelenwirkungen der Luſt der Sinnen, (der angenehmen aͤnßern Empfindungen, als ſolcher, §. 80.) in den mechaniſchen Maſchinen ſind ſolche Bewegungen, die ihrer natuͤrlichen Beſtimmung gemaͤß ſind. Die See - lenwirkungen der Unluſt der Sinnen, (der unangeneh - men aͤußern Empfindungen, als ſolcher, §. 80.) in den mechaniſchen Maſchinen ſind widernatuͤrliche Bewegungen. §. 195. 196. Da nun die Luſt und Unluſt der ſinnlichen Vorſtellungen, z. E. Einbildungen und Vorherſehungen nur eine unvollſtaͤndige, ſchwaͤchere, der Sinnen iſt, §. 80. 228. 239. ſo muͤſſen auch die Seelenwirkungen angeneh - mer Einbildungen und Vorherſehungen, ja ſelbſt der ver - ſtaͤndigen Vorſtellungen, in ſo fern ſie allezeit ſinnliche Triebfedern in ſich enthalten, §. 251. der natuͤrlichen Be - ſtimmung der mechaniſchen Maſchinen, worinn ſie erfol - gen, gemaͤß, die der unangenehmen aber widernatuͤrlich ſeyn. §. 234. N. 2. §. 245. N. 2. Mithin veraͤndern alle angenehme ſinnliche Reizungen (§. 88.) die Lebensbe - wegungen auf eine der Natur gemaͤße Art, die unan - genehmen hingegen widernatuͤrlich. Weil aber einezu231der ſinnlichen Luſt und Unluſt. zu heftige, uͤbertriebene natuͤrliche Verrichtung einer me - chaniſchen Maſchine an das Widernatuͤrliche grenzet, ſo ſind die Seelenwirkungen allzuheftiger angenehmer ſinnli - cher Reizungen (Luſt) von der Art widernatuͤrlicher. §. 199. Daher iſt der Zuſtand ſanfter, gelaſſener Vergnuͤgungen der Erhaltung des thieriſchen Lebens und der Geſundheit am zutraͤglichſten, und alles Unangenehme oder uͤbertrie - ben Angenehme ſchaͤdlich. S. d. A. 1 B. 51. u. 2 B. 80 St. wie auch 6 B. 308 St.
Auch dieſes beweiſt die Erfahrung ohne Ausnahme. Man beſchreibt den Zuſtand der Geſundheit dadurch, daß man ſich wohl befinde, der Krankheit, daß man ſich uͤbel befinde. Dieſes Wohl und Uebel find die Em - pfindungen des Angenehmen und Unangenehmen. (der Luſt und Unluſt. §. 80.) Ein ganz Geſunder ſaget, daß ihm kein Finger weh thue, ein Kraͤnklicher ſchon, daß ihm gar nicht recht ſey. Lauter Begriffe vom Angenehmen und Unangenehmen, womit wir den natuͤrlichen und den wider - natuͤrlichen Zuſtand des Koͤrpers bezeichnen. Jnsbeſon - dre bemerket man auch, daß die Veraͤnderung der Lebens - bewegungen ohne Ausnahme, bey maͤßigem Vergnuͤgen, der Natur uͤberhaupt gemaͤß, bey uͤbertriebenem aber, oder bey Misvergnuͤgen, widernatuͤrlich ſey. Das Lachen und der dadurch veraͤnderte Umlauf iſt uͤberhaupt der Geſund - heit zutraͤglich, und wird nur durch Uebermaaß ſchaͤdlich. Der Schmerz hingegen machet Fieberſchlaͤge des Herzens; und andre unangenehme ſinnliche Vorſtellungen verurſa - chen bald einen traͤgen, ſchwachen, bald einen unmaͤßig heftigen, oder unordentlichen Umlauf, der ſeine Wirkun - gen in der thieriſchen Oeconomie ſogleich durch kraͤnkliche Zufaͤlle offenbaret, die deſto merklicher, allgemeiner in al - len Verrichtungen des thieriſchen Koͤrpers, und der Erhal - tung des Lebens nachtheiliger ſind, da ſie von einer wider - natuͤrlichen Beſchaffenheit der Lebensbewegungen, in wel -P 4chen232I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. chen ſich alle uͤbrige mechaniſche Verrichtungen gruͤnden, herruͤhren. Von den angenehmen Betrachtungen des Ver - ſtandes bemerket man, daß ſie zur Geſundheit viel beytra - gen: daher die alten Philoſophen behaupteten, daß das Studium der Natur zu einem hohen Alter befoͤrderlich ſey, dahingegen uͤbertriebenes Studieren und verdrießliche Gruͤ - beleyen ein fruͤhes Alter und viel Krankheiten verurſachen. d. A. 2 B. 80 St. 3 B. 105 St.
Das allgemeine Geſetz, wornach ſich die unmittelba - ren Seelenwirkungen aller Triebfedern des Gemuͤths in die mechaniſchen Maſchinen richten, iſt alſo dieſes: So, wie der Seele eine ſinnliche oder verſtaͤndige Vorſtellung gefaͤllt oder misfaͤllt; ſo werden die Urſpruͤnge der Nerven der Le - benstheile im Gehirne zu ſolchen Bewegungen derſelben ge - reizet, die im erſten Falle ihrer natuͤrlichen Beſtimmung gemaͤß, im letzten hingegen widernatuͤrlich, uͤberhaupt aber von andrer Beſchaffenheit ſind, als im Zuſtande der Gleichguͤltigkeit. §. 252.
Die unmittelbaren Seelenwirkungen der ſinnlichen Be - gierden und Verabſcheuungen beſtehen in einer Anſtren - gung der thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns zur Hervor - bringung der materiellen Jdee einer vorhergeſehenen Em - pfindung oder ihres Gegentheils. §. 103. N. 1. Das, was dieſe Anſtrengung der thieriſchen Seelenkraͤfte des Ge - hirns verurſachet, iſt der Eindruck der Luſt oder Unluſt in daſſelbe, welchen die vorhergeſehene Empfindung machet, §. 83. und der in der Vorherſehung der angenehmen oderunan -233der ſinnlichen Begehrungskraͤfte. unangenehmen kuͤnftigen Empfindung enthalten iſt. §. 80. Mithin ſind die Seelenwirkungen der ſinnlichen Begierden und Verabſcheuungen zuſammengeſetzet, aus den Seelen - wirkungen
Eben dieſes gilt auch von den Seelenwirkungen durch die Nerven, welche die ſinnlichen Triebe und Leidenſchaf - ten hervorbringen: denn da dieſe nur ſtaͤrkere Begierden und Verabſcheuungen aus dunkeln oder verworrenen ſinnli -P 5chen234I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. chen Reizungen ſind, §. 90. 91. ſo unterſcheiden ſich ihre Seelenwirkungen von denen der ſinnlichen Begierden und Verabſcheuungen uͤberhaupt, nur durch einen hohen und oft gar ans Widernatuͤrliche grenzenden Grad der Staͤrke, durch eine Heftigkeit, welche verſchiedene Philoſophen ver - leitet hat, ſie fuͤr Krankheiten des Koͤrpers zu halten. Es iſt alſo in dieſem Entwurfe nicht vonnoͤthen, die Lehre von den Seelenwirkungen der Begierden und Verabſcheuungen durch die Nerven in die mechaniſchen Maſchinen uͤber - haupt, von denen der ſinnlichen Triebe und Leidenſchaften insbeſondre zu trennen, §. 92. 93. und man kann das, was von dieſen letztern uͤberhaupt gelehret wird, von allen ſinnlichen Begierden und Verabſcheuungen annehmen, in ſo fern ſolches nur nicht den unterſcheidenden Grad der Staͤrke ihrer Wirkungen betrifft.
Jn jedem ſinnlichen Triebe und Affekte iſt eine ſinnli - che Vorherſehung kuͤnftiger Empfindungen, §. 255. 256. deren Seelenwirkungen durch die Nerven keine andern, als die, von der unvollſtaͤndigen materiellen Empfindung ſind, welche vorhergeſehen wird. §. 239. Wenn dieſe Empfin - dung eine aͤußerliche iſt, ſo muͤſſen ſich die Seelenwirkun - gen der ſinnlichen Triebe und Leidenſchaften durch die Ner - ven in ſolchen mechaniſchen Maſchinen außerhalb dem Ge - hirne aͤußern, welche durch eben den Nerven beweget wer - den, den die vorhergeſehene aͤußere Empfindung in Wir - kung ſetzen wird. §. 255. 240. N. 1. und muͤſſen in ſo fern mit den unmittelbaren Seelenwirkungen der kuͤnftigen aͤu - ßern Empfindung, die der Gegenſtand und die Befriedi - gung des Triebes oder der Leidenſchaft iſt, uͤbereinkommen, §. 255. 240. N. 2. als ſie aus denjenigen beſtehen, welche die in der Vorherſehung enthaltenen Theile der ganzen aͤu - ßern Empfindung wirken. §. 241. Jn ſo fern koͤnnen ſie ſich alſo auch auf alle mechaniſche Maſchinen, die durch aͤu - ßere Empfindungen und Einbildungen beweget werden koͤn -nen,235der ſinnlichen Begehrungskraͤfte. nen, erſtrecken, und ſetzen ſie, obwohl nur unvollſtaͤndig, in eben ſolche Bewegungen, wie die kuͤnftigen aͤußern Em - pfindungen bey der Erfuͤllung der Vorherſehung hervor - bringen werden; ja, die mit unaͤchten aͤußern Empfindun - gen verbundenen zwingen ſie zu den faſt vollſtaͤndigen Ver - richtungen der kuͤnftigen wahren aͤußern Empfindung. §. 255. 245. N. 1. Wenn der Gegenſtand der ſinnlichen Triebe und Leidenſchaften eine innere Empfindung iſt, (§. 80.) ſo druͤcken die Seelenwirkungen durch die Nerven in den mechaniſchen Maſchinen den Zuſtand der kuͤnftigen Empfindung, der Erfuͤllung der Vorherſehung, in ſo fern er ſich in den mechaniſchen Maſchinen aͤußern wird, ſtark, aber unvollſtaͤndig aus. §. 93. 255.
Jn jedem ſinnlichen Triebe und Affekte ſind zugleich ſtarke ſinnliche Reizungen, §. 255. 256. deren Seelen - wirkungen durch die Nerven in die mechaniſchen Maſchi - nen die, von den Eindruͤcken der ſinnlichen Luſt oder Unluſt ins Gehirn ſind, die von der kuͤnftigen materiellen Em - pfindung, welche vorhergeſehen wird, herruͤhren. §. 80. Dieſe in der Vorherſehung enthaltenen ſinnlichen Reizun - gen veraͤndern die Lebensbewegungen auf eine ſehr merkli - che Weiſe, §. 251. und ſtrengen zugleich die thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns aufs heftigſte an, um die See - lenwirkungen der kuͤnftigen Empfindung, die in der Vor - herſehung nur unvollſtaͤndig enthalten iſt, vollſtaͤndig und in der Staͤrke der Empfindung ſelbſt, hervorzubringen, worinn denn eigentlich die materiellen Triebe und Leiden - ſchaften beftehen. §. 255. Wenn nun aber die Gegen - ſtaͤnde derſelben wahre aͤußere Empfindungen ſind, ſo koͤn - nen alle dieſe Beſtrebungen, ohne den hinzukommenden aͤußern ſinnlichen Eindruck ſie dennoch nicht vollſtaͤndig hervorbringen, mithin koͤnnen ſolche Triebe und Leiden - ſchaften ohne denſelben auch nicht befriediget werden. §. 81. 256. Jn den ſinnlichen Trieben und Leidenſchaften wer -den236I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. den alſo nur diejenigen Seelenwirkungen der kuͤnftigen Em - pfindung durch die Nerven in der thieriſchen Oeconomie ausgedruͤcket, welche, ohne den Beyſtand des aͤußern ſinn - lichen Eindrucks, von der Seele durch die Anſtrengung der thieriſchen Seelenkraͤfte eigenmaͤchtig hervorgebracht oder ſtaͤrker ausgedruͤcket werden koͤnnen. §. 81. 94.
Die Seelenwirkungen der angenehmen Triebe und Lei - denſchaften, (deren ſinnliche Reizungen Luſt ſind, §. 81. Freude,) ſowohl in den Lebenstheilen, als in den uͤbrigen mechaniſchen Maſchinen, ſind ihrer natuͤrlichen Beſtim - mung gemaͤß: die hingegen, von unangenehmen, (deren ſinnliche Reizungen Unluſt ſind, §. 81. Betruͤbniß,) widernatuͤrlich. 245. N. 2. §. 252. 253. Durch die der Natur gemaͤß veraͤnderten Lebensbewegungen, werden alle von ihnen abhangende Verrichtungen in der thieriſchen Oe - conomie, naͤmlich der Umlauf, die Abſcheidungen aller Saͤfte und deren Ausfuͤhrung durch die Ausduͤnſtung der Haut, ſo unterhalten und befoͤrdert, wie es der Geſund - heit gemaͤß iſt: hingegen erfolget das Gegentheil von den widernatuͤrlich veraͤnderten Lebensbewegungen. Daher ſind uͤberhaupt die angenehmen Triebe und Leidenſchaften (alle Arten der Freude,) der Geſundheit gemaͤß; die unan - genehmen aber nicht: obgleich auch die erſten, wegen ihrer ausſchweifenden Heftigkeit, mehrentheils die Geſundheit verderben, und das Leben verkuͤrzen. §. 256. 252.
Die unmittelbaren Seelenwirkungen der ſinnlichen Triebe und Leidenſchaften in die mechaniſchen Maſchinen außerhalb dem Gehirne entwickeln ſich alſo nach folgenden Geſetzen: Wie ſich die Vorſtellungskraft anſtrenget, eine vorhergeſehene Empfindung um ihrer ſinnlichen Reizungen willen vollſtaͤndig hervorzubringen, ſo erfolgen in den me - chaniſchen Maſchinen, durch die Nerven, aus den Eindruͤ -cken237der ſinnlichen Begehrungskraͤfte. cken dieſer ſinnlichen Reizungen ins Gehirn, die ſtarken Beſtrebungen der thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns, zur Hervorbringung der vollſtaͤndigen materiellen Empfindung, die vorhergeſehen wird. §. 108. 94. Wie in angenehmen Trieben und Leidenſchaften die ſinnliche Luſt die Vorſtel - lungskraft der Seele anſtrenget, ſo erfolgen darinn aus den Eindruͤcken der Luſt ins Gehirn, welche die Lebensbewegun - gen der Beſtimmung der Natur gemaͤß veraͤndern, die Beſtrebungen der thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns, welche die Seelenwirkungen der Freude in den mechani - ſchen Maſchinen hervorbringen. §. 254. 259. Wie in unangenehmen Trieben und Leidenſchaften die ſinnliche Un - luſt die Vorſtellungskraft der Seele anſtrenget, ſo erfolgen darinn aus den Eindruͤcken der Unluſt ins Gehirn, welche die Lebensbewegungen widernatuͤrlich veraͤndern, die Be - ſtrebungen der thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns, wel - che die Seelenwirkungen der Betruͤbniß in den mechani - ſchen Maſchinen hervorbringen. §. 255. 259. Vergl. d. A. 4 B. 198 St.
Obgleich die bisher von den ſinnlichen Trieben und Lei - denſchaften vorgetragenen Lehren in den folgenden beſon - dern Abhandlungen derſelben ausfuͤhrlich genug beſtaͤtiget werden; ſo moͤchte es doch nuͤtzlich ſeyn, ihre genaue Ueber - einſtimmung mit der Erfahrung hier vorlaͤufig ſummariſch zu zeigen.
1. Daß, nach §. 257. in den Trieben und Leiden - ſchaften die Seelenwirkungen der kuͤnftigen darinn vorher - geſehenen Empfindung unvollſtaͤndig ausgedruͤcket werden, oder, daß darinn der Zuſtand ihrer kuͤnftigen Befriedi - gung einigermaßen abgebildet werde, zeiget die Erfahrung in jedem einzelnen Falle. Jm Triebe der Eßluſt, deſſen Befriedigung das Speiſen ſeyn wird, ergießt ſich ſchon der Speichel in den Mund, wie beym Speiſen; im Triebe der Fortpflanzung, deſſen Befriedigung die Begattung ſeynwird,238I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. wird, ſchicken ſich ſchon die Geſchlechtstheile zu dieſer Ver - richtung ſo an, wie es ſich gehoͤret; im Triebe zum Saͤu - gen, deſſen Befriedigung die Ergießung der Milch beym Ausſaugen der Warzen ſeyn wird, erfolgen ſchon die Zu - ſchuͤſſe der Milch, und die Warzen erheben ſich; im Triebe der Kinder zum Ausſaugen regen ſich ſchon die Lippen und ſaugen an der Luft. Jn der Rachgier, deren Befriedigung die Verletzung deſſen ſeyn wird, der uns beleidiget hat, uͤben ſchon die natuͤrlichen Waffen der Thiere zum Theil ihre Verrichtung aus, wodurch ſie verletzen: die Thiere ſetzen ihre Stacheln und Klauen in Bewegung, ſie ſpritzen oder ſchaͤumen ihren Gift aus, ſie ſuchen zu beißen, zu ſchlagen, zu kratzen; der Menſch ballt die Faͤuſte, ſtampfet, knirſchet und handelt ſo, wie ers bey der wirklichen Aus - uͤbung der Rache thun wuͤrde. Jm Schrecke, deſſen Be - friedigung die Abwendung einer großen innſtehenden Ge - fahr iſt, ſieht man die Bemuͤhungen zur Rettung im Zu - ſammenfahren, Niederbuͤcken, Entſpringen, Feſthalten, u. ſ. w. Jn der Beſchaͤmung, deren Befriedigung die Vermeidung des Anblicks derer ſeyn wird, deren Verach - tung wir wahrzunehmen befuͤrchten, ſchlagen wir die Au - gen nieder, und ſuchen uns ſchon vorlaͤufig dem Anblicke Andrer zu entziehen. Jn einer Sehnſucht, deren Befrie - digung in der Umarmung eines Freundes beſtehen wuͤrde, ſtrecken wir ſchon die Arme aus, und unſre Glieder wollen ihm entgegen eilen, u. ſ. w.
2. Daß die mit unaͤchten Empfindungen verbundenen Triebe und Leidenſchaften die mechaniſchen Maſchinen, wel - che bey ihrer Befriedigung wirken wuͤrden, zu ihren faſt vollſtaͤndigen Verrichtungen zwingen, (nach §. 257.) be - weiſt die Wolluſt, worinn oft faſt nichts dem wirklichen Genuſſe abgeht; die Traurigkeit uͤber den Tod eines Freun - des, der uns oft ſo lebhaft vor Augen ſchwebet, daß wir ihn zu ſehen glauben, mit ihm ſprechen, ihn umarmen; die Furcht vor Geſpenſtern, die uns oft in eben den Zu -ſtand239der ſinnlichen Begehrungskraͤfte. ſtand verſetzet, als ob wir die Erſcheinung wirklich gehabt haͤtten, u. a.
3. Daß, nach §. 258. in allen Trieben und Leiden - ſchaften, ſo, wie in allen Begierden und Verabſcheuun - gen, die Lebensbewegungen veraͤndert werden, iſt ebenfalls eine ganz allgemeine und unſtreitige Erfahrung. Der Zorn, die Freude, die Traurigkeit, die Wolluſt, der Schreck, und kurz, alle Triebe und Leidenſchaften veraͤndern ganz augenſcheinlich die Bewegung des Herzens, den Puls, den Umlauf des Gebluͤts und das Athemholen, und dieſe Ver - aͤnderung iſt deſto merklicher und groͤßer, je ſtaͤrker die Triebe und Leidenſchaften wirken. Bald erheben ſie ſich zu einer Heftigkeit, welche die Kraͤfte der Natur zu uͤbertref - fen ſcheint, bald ſcheinen ſie zu erſterben, oder ſie werden unterbrochen und gerathen in die groͤßte Unordnung.
4. Daß aber dieſe Veraͤnderung der Lebensbewegun - gen und alle Seelenwirkungen der Triebe und Leidenſchaf - ten durch die Nerven in der thieriſchen Oeconomie, nach §. 259. in den angenehmen der Natur und Geſundheit ge - maͤß, in den unangenehmen aber widernatuͤrlich ſind, er - hellet uͤberhaupt aus der Geſundheit der angenehmen, und Schaͤdlichkeit der unangenehmen Triebe und Leidenſchaften, da nach jedermanns Erfahrung die Freude, Froͤlichkeit, Hoffnung, die freundſchaftliche Liebe, die Zufriedenheit u. ſ. w. der Geſundheit vortheilhaft, hingegen Schrecken, Furcht, Angſt, Zorn, Rachgier, Neid, Haß, ihr nach - theilig ſind. H. P. §. 565. Weil aber die Triebe und Lei - denſchaften, ob ſie gleich angenehm ſind, dennoch durch ih - re Heftigkeit der Geſundheit leicht ſchaͤdlich werden, §. 259. ſo erhellet dieſe Verſchiedenheit beyder Arten insbeſondre am deutlichſten aus den vortheilhaften Einfluͤſſen in die Geſundheit und ins Alter, welche eine Gemuͤthsverfaſſung hat, worinn ſtets ſanftere Begierden, die keine ungeſtuͤ - men Seelenwirkungen verrichten, herrſchen, dahingegen ein Zuſtand anhaltender, obgleich nicht heftiger Verab - ſcheuungen, als Leid, Gram, Sorge, Eiferſucht, Haß,Neid,240I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. Neid, u. ſ. w. die Geſundheit zerruͤttet und das Leben ver - kuͤrzet. §. 252. d. A. 1 B. 46 St. S. 628.
5. Daß endlich ſinnliche Triebe und Leidenſchaften, deren Gegenſtaͤnde wahre aͤußere Empfindungen ſind, nach §. 258. ohne hinzukommende aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die Nerven nicht befriediget werden koͤnnen, das bewei - ſen alle Wolluͤſte der Sinne unwiderſprechlich: nur muß man die Befriedigung nicht mit der Entkraͤftung der Trie - be oder Leidenſchaften verwechſeln, welche letztere vielmehr dadurch mit bewerkſtelliget wird, daß man den kuͤnftigen aͤußern ſinnlichen Eindruck verhuͤtet. §. 95.
Die ſinnlichen Triebe und die Leidenſchaften ſind viel zu merkwuͤrdige Erſcheinungen in der thieriſchen Oecono - mie, als daß ſie nicht beſonders genauer betrachtet zu wer - den verdienen ſollten. Was nun alſo zuerſt die ſinnlichen Triebe insbeſondre anbelanget, ſo laſſen ſie ſich bequem in vier Hauptarten eintheilen.
Da die natuͤrlichen Triebe insgeſammt eigentlich fuͤr die Erhaltung, den Wohlſtand und die Fortpflanzung der thieriſchen Schoͤpfung von der Natur beſtimmet, und den Thieren in der Abſicht beygeleget worden ſind, um dieſe Zwecke dadurch gewiß und unfehlbar zu erhalten, §. 262. ſo unterſcheiden ſie ſich eben hierdurch von allen uͤbrigen Begierden und Verabſcheuungen und den Leidenſchaften, indem theils die Natur ſelbſt die Thiere, vermittelſt des Zwanges der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke zu dieſen Trieben anhaͤlt, und ſie in ihnen zu blos natuͤrlichen Handlungen machet, die ſie nicht hindern koͤnnen, da ſie hingegen die uͤbrigen ihrer eignen Macht mehr uͤberlaſſen hat, um ſie hervorzubringen, zu unterdruͤcken, zu vermehren, und zu vermindern, oder gar zu hindern, §. 89. 90. theils, in - dem ſie die Thiere ſelbſt und die ganze Natur um ſie her ſo eingerichtet hat, daß dieſe Triebe nicht eher wieder bey ih - nen erloͤſchen, als bis die Abſicht derſelben uͤberhaupt hin - laͤnglich erreichet iſt, welches durch ihre Befriedigung er - halten wird, die alſo der Zweck und Wille des Schoͤpfers bey den Trieben der Thiere war. §. 262. 95. Daher iſt in den Trieben der Thiere etwas, das auf die Erreichung eines großen Zwecks des Schoͤpfers zielet, wovon wir den zureichenden Grund nicht in der Vorſtellungskraft allein, ſondern zugleich in gewiſſen vorherbeſtimmten Zubereitun - gen außer ihnen, wodurch ſie den Trieben zu folgen natuͤr - licher Weiſe genoͤthiget ſind, finden, und das wir das Wunderbare, die Bezauberung, das Goͤttliche in den Trieben nennen. Jn ſo fern verhalten ſich alſo dieQblinden242I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. blinden Triebe zu andern Begierden und Verabſcheuungen, wie die aͤußern Empfindungen zu den eigenmaͤchtigen Vor - ſtellungen der Erkenntnißkraft. §. 27. 89. Sie ſind bey - de uneigenmaͤchtige Vorſtellungen, welche ohne einen aͤu - ßern ſinnlichen Eindruck in die Nerven, den die Natur fuͤr die erſtern beſonders vorher angeordnet hat, nicht entſtehen noch befriediget werden koͤnnen. Doch dieß erfodert eine umſtaͤndlichere Eroͤrterung.
Bey den Thieren, welche denken, oder, wenn man meynet, daß alle Thiere Vorſtellungen haben, bey allen Thieren, ſind die Handlungen, (die Bewegungen der me - chaniſchen Maſchinen,) wozu ſie ihr natuͤrlicher Trieb rei - zet, Seelenwirkungen gewiſſer angenehmer oder unange - nehmer ſinnlicher Vorſtellungen. §. 262. 81. Da nun die natuͤrlichen Triebe die Erhaltung und das Wohlſeyn der Thiere ſelbſt, oder ihrer Abkoͤmmlinge zum Zwecke ha - ben, §. 262. wozu die Thiere und ſelbſt die Menſchen, die Mittel, vermoͤge der Erfahrung, nicht kennen, (vergl. §. 266.) ſo muͤſſen ihnen die Vorſtellungen, durch vorbe - reitete und vom Schoͤpfer in die ganze Natur verbreitete Veranlaſſungen, (aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die Ner - ven,) ohne ihr Wiſſen und Waͤhlen, ja allenfalls wider ihr Belieben, beygebracht werden, worinn die ſinnlichen Reizungen verborgen liegen, welche, durch ihren Eindruck ins Gehirn, diejenigen Seelenwirkungen in den mechani - ſchen Maſchinen, nach den Geſetzen der Seelenwirkungen der Begierden und Verabſcheuungen hervorbringen, die die Erhaltung und das Wohlſeyn der Thiere oder ihrer Ab - koͤmmlinge den Abſichten des Schoͤpfers gemaͤß zur Folge haben. Es iſt uns verborgen, warum der Schoͤpfer die Vorſtellungskraft der Seelen nicht in die Grenzen hat ein - ſchraͤnken wollen, daß ſie nie andre Vorſtellungen eigen - maͤchtig haͤtten hervorbringen muͤſſen, als die dieſen ihren Zwecken gemaͤß waͤren. Genug es iſt ſo nicht in der Na -tur:243der ſinnlichen Triebe. tur: ſondern ſie hat ſich der dunkelſten Sinnlichkeit der thieriſchen Seelen dazu bedienen wollen, um ihnen ſo oft, und wenn es ihr noͤthig ſchien, ſolche Vorſtellungen gleich - ſam aufzudringen, die in ihnen die Handlungen der Triebe zu den Abſichten des Schoͤpfers hervorbringen muͤſſen; denn die dunkeln ſinnlichen Vorſtellungen, und eigentlich die aͤußern Empfindungen, welche bey dieſem Geſchaͤfte der Natur als die Hauptvermittler gebrauchet werden, ſind die einzigen, welche die Seele nicht eigenmaͤchtig und nach Wahl hervorbringen kann, ſondern ſie von den aͤußern ſinn - lichen Eindruͤcken in die Nerven, die ihnen die Natur zu - ſendet, annehmen muß. §. 35. 66.
Damit nun die Natur die doppelte Abſicht ſowohl der Erregung, als der Befriedigung der Triebe bey den Thie - ren erreichen moͤchte; ſo ſind zu den beſtimmten Zeiten und den verſchiedenen Abſichten jedes Triebes, ſowohl der dun - keln ſinnlichen Reizungen, die ihn erregen, als der aͤußern Dinge, die ihn durch ihren aͤußern ſinnlichen Eindruck be - friedigen, ſo viele, und der natuͤrlichen Hinderniſſe, wo - durch ſonſt andre Begierden und Verabſcheuungen, ohne die Befriedigung zu erreichen, entkraͤftet werden, §. 95. ſo wenige, daß die Hauptabſicht der Natur im Großen immer reichlich erfuͤllet wird. Die Erfahrung beweiſt die - ſes unwiderſprechlich. Zu den Zeiten, wenn, der Be - ſtimmung der Natur gemaͤß, ein thieriſcher Trieb in Wir - kung geſetzet werden ſoll, empfangen die Nerven der Thie - re zuverlaͤſſig ihre dazu erfoderlichen aͤußern ſinnlichen Ein - druͤcke, die gleichſam auf dieſelbe Zeit fuͤr ſie beſtellet ſind. Z. E. wenn dem Koͤrper Nahrung noͤthig iſt, ſo muͤſſen die im ledigen Magen ſich ſammlenden Saͤfte ihm einen aͤußern ſinnlichen Eindruck geben, welcher den ſinnlichen Trieb des Hungers erreget; wenn Thiere ſich fortpflanzen ſollen, ſo erhalten zur Brunſtzeit die maͤnnlichen von den weiblichen eine Witterung, die den Trieb zur BegattungQ 2bey244I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. bey ihnen rege machet, u. ſ. w. Zu ſolchen Zeiten muͤſſen ſogar gewiſſe aͤußere Empfindungen dem Thiere zu ſinnli - chen Reizungen werden, die es entweder ſonſt nicht, oder die wohl gar ſonſt die gegentheiligen ſind, z. E. daß ein Anblick, ein Geruch der Geſchlechtstheile, der ſonſt den Sinnen entweder gleichguͤltig, oder gar unangenehm und eckelhaft iſt, ihnen zur ſinnlichen Reizung der ſtaͤrkſten Wolluſt der Sinne gereichen muß. Zu den Zeiten, da die thieriſchen Triebe, nach der Abſicht der Natur, regelmaͤßig in Wirkung geſetzet ſind, findet man auch immer die Ge - legenheiten, ſie zu befriedigen, vorlaͤufig ſo angeleget, daß die Befriedigung nicht leicht fehlſchlagen kann. So erwa - chet z. E. der Hunger bey Thieren, die im Winter ſchla - fen, nicht eher wieder, als bis ſie in den Feldern ihre Nah - rung wiederfinden koͤnnen; ſo wird der Trieb zur Begat - tung bey den Maͤnnchen, der Natur nach, nicht eher re - gelmaͤßig wieder rege, als bis die Weibchen bruͤnſtig ſind; ſo wirket der Trieb der Selbſtvertheidigung, nach welchen die Thiere die Urſachen ihres Unterganges beſtreiten oder fliehen, wenn ſie ſich gegen den Winter fett maͤſten, um ihn durchzuhungern, wenn ſie ſich vor der Kaͤlte verkrie - chen, oder in waͤrmere Gegenden ziehen, nicht eher noch ſpaͤter bey ihnen, als da ſie noch Gelegenheit haben, ihn zu befriedigen, ſich zu maͤſten, zu verkriechen, zu verreiſen; und ſo wird der Trieb fuͤr die Jungen in den Aeltern erſt in der Bruͤtezeit rege, und waͤhret nicht laͤnger, als bis die Erhaltung derſelben geſichert iſt. u. ſ. w. Wenn endlich die einmal erregten natuͤrlichen Triebe auf ihre Befriedi - gung arbeiten, ſo wird es ſchwerlich moͤglich ſeyn, ſie durch pſychologiſche oder phyſiologiſche Hinderniſſe, die man zu ihrer Entkraͤftung, ohne ſie zu befriedigen, anwenden moͤchte, zu endigen, wie man wohl andre Begierden, Ver - abſcheuungen, ja die Leidenſchaften ſelbſt entkraͤften kann. Ein Hungriger, ein Verliebter, ein Rachgieriger, laſſen ſich ſchwerlich durch irgend ein Kunſtſtuͤck beruhigen, ſon - dern die Befriedigung ihres Triebes, die Saͤttigung desMagens,245der ſinnlichen Triebe. Magens, die Vollziehung der Begattung, die Ausuͤbung der Rache, muͤſſen es thun. Die Natur ſcheint ſelbſt die Hinderniſſe, die ſonſt der Natur gemaͤß, andre ſinnliche Reizungen, zu Leidenſchaften ſelbſt, maͤßigen oder verhuͤ - ten, §. 47. u. f. bey den aͤußerlichen ſinnlichen Eindruͤcken, die die Triebfedern der ſinnlichen Triebe ſeyn muͤſſen, ſo geſchwaͤchet oder vermieden zu haben, daß ſie mit freyer Gewalt alles uͤberwinden, und ausbrechen, und ihre be - ſtimmte Zeit bis zur ſattſam wiederholten Befriedigung fortwaͤhren koͤnnen. Bey andern Begierden, ſelbſt bey Leidenſchaften, kann ein Thier ſich oft der ſinnlichen Rei - zung willkuͤhrlich entziehen, weil es ſich kennt und ihre Fol - gen weiß. Bey den Trieben iſt es ſich derſelben nicht be - wußt, da ſie nur dunkel erkannt wird, §. 262. mithin kann es weder ſie noch ihre Folgen kennen, ſondern es uͤber - laͤßt ſich ihr blindlings und wird natuͤrlich nothwendig in den hitzigen Trieb hineingefuͤhret, ohne es ſich nur einfallen zu laſſen, ihn zu verhuͤten. Die Nerven ſelbſt ſcheinen zu ſolcher Zeit ihre Natur zu veraͤndern, um den Trieb zu be - guͤnſtigen, indem ſie dann von aͤußern Beruͤhrungen oder Einfluͤſſen neue aͤußere ſinnliche Eindruͤcke und Reizungen annehmen, vor welchen ſie zuvor geſichert waren, als ih - nen dieß neue Gefuͤhl fuͤr dieſe Einfluͤſſe noch fehlete. §. 47. N. 2. Und endlich lehret es auch die Erfahrung zur Ge - nuͤge, wie wenig alle pſychologiſche Huͤlfsmittel zur Ent - kraͤftung der Begierden und Verabſcheuungen vermoͤgen, wenn ſie die Sittenlehrer bey den Menſchen anwenden, um den Ausbruch oder die Befriedigung ihrer ſinnlichen Trie - be zu verhuͤten, oder nur in gewiſſe Grenzen einzu - ſchraͤnken.
Nach dieſer durch die Weisheit des Schoͤpfers einge - richteten Vorbereitung ſowohl der ganzen Natur, als ins - beſondre der thieriſchen, zur Hervorbringung und zur Er - reichung der Hauptabſichten der ſinnlichen Triebe, thunQ 3dieſe246I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. dieſe ihre Wirkungen in den mechaniſchen Maſchinen der thieriſchen Koͤrper: keinesweges aber nach einer den See - len der Thiere ſelbſt beywohnenden anerſchaffenen Weisheit, nach welcher ſie dieſe Triebe und ihre Wirkungen im Koͤr - per eigenmaͤchtig und willkuͤhrlich erregten. §. 89. 90. Alle Beyſpiele in der Natur zeigen vielmehr, daß dieſe Triebe ein Thier natuͤrlich gezwungen, ja oft wider ſein eignes Belieben fortreiſſen und daß es ſich der ſinnlichen Triebfedern dazu ſelbſt nicht bewußt ſey, vielweniger ſie Abſichtsweiſe waͤhle, oder ſich ihrer bediene. Ja hierzu koͤmmt dieß noch mehr, daß ſelbſt die Wirkungen der Trie - be in den mechaniſchen Maſchinen, die bey wirklich empfin - denden Thieren wahre Seelenwirkungen der ſinnlichen Triebe ſind, bey andern, oder bey dieſen ſelbſt in gewiſſen Faͤllen, wo ſie nicht mehr Seelenwirkungen ſeyn koͤnnen, dennoch von eben den aͤußerlichen ſinnlichen Eindruͤcken in die Nerven, blos als Nervenwirkungen hervorgebracht werden, §. 183. wie z. E. Thiere, denen die Koͤpfe abge - riſſen worden ſind, wenn ſie zu einander gebracht werden, ſich noch begatten und Eyer legen, ein Froſch, dem der Kopf abgeſchnitten worden, wenn man ſeinen Fuß quetſchet, dem Triebe der Rettung nach, das Bein zuruͤckzieht und durch einen Sprung entrinnt, u. ſ. w. wovon im zweyten Theile dieſes Werks ein Mehreres. Man ſieht ferner of - fenbar, daß die Thiere, bey welchen die Wirkungen der Triebe in den mechaniſchen Maſchinen wahre Seelenwir - kungen derſelben ſind, weil ſie ſowohl die ſinnlichen Rei - zungen, obwohl dunkel, empfinden, als ſich auch nach ih - rer Befriedigung ſehnen, gleichwohl nicht im geringſten die Abſicht wiſſen, warum ſie dieſe Bewegungen bewerkſtelli - gen, ja auch ihr uͤbriges Betragen zuweilen dieſen Abſich - ten gar nicht gemaͤß einrichten, weshalb man ſo oft Gele - genheit findet, die große Dummheit der Thiere bey der ſcheinbaren Weisheit in den Bewegungen ihrer natuͤrlichen Triebe zu bewundern; z. E. daß eine Henne ihr Kuͤchlein, das ſie mit ihrer Klaue tritt, wenn ſie es ſchreyen hoͤret,zum247der ſinnlichen Triebe. zum Futter ruft, ohne gleichwohl das Bein, womit ſie es quetſchet, aufzuheben; daß ein Hummer, dem man eins ſeiner Beine zwiſchen ſeine Scheere ſtecket, die es zerdruͤ - cket, vom Schmerze bewogen wird, ſich das Bein abzu - ſprengen, ohne die Scheere voneinander zu thun; daß ei - ne Lerche ihrem Triebe, in die Hoͤhe zu ſteigen, und nieder - zufallen, blindlings, auch uͤber der See folget, und er - ſaͤuft. u. ſ. w. Endlich ergiebt ſichs auch aus der Erfah - rung, wenn Menſchen nach Einſicht und eigenmaͤchtig die Seelenwirkungen der Triebe an ſich ſelbſt, oder an andern Thieren hervorbringen, beſtimmen, einſchraͤnken oder er - weitern wollen, daß ſie darinn mehrentheils irren und des Zwecks der Natur verfehlen, welches ſeltener geſchieht, wenn ſie ſich den blinden Trieben ohne Einmiſchung ihrer Einſichten uͤberlaſſen. Vergl. d. A. 3 B. 155 St.
Jnzwiſchen iſt es auch gewiß, daß nicht in allen Faͤl - len die Wirkungen der blinden Triebe uns mit den Abſich - ten der Natur uͤbereinzukommen ſcheinen, welches vielleicht daher ruͤhren kann, daß wir dieſe Abſichten der Natur nicht hinlaͤnglich einſehen, oder daß die Wirkungen der Triebe durch eingemiſchte Wirkungen andrer Seelenkraͤfte eigenmaͤchtig von uns veraͤndert, und zur Erreichung ihrer Abſicht untuͤchtiger gemachet werden. So findet man z. E. daß viele Thiere durch ihren Jnſtinkt nicht hinlaͤnglich davor bewahret werden, manche Dinge zu genießen, oder etwas nicht zu thun, was ihnen ſchaͤdlich iſt. Einige freſ - ſen ohne Verdacht giftige Kraͤuter, und ſterben davon. Viele uͤbertreiben ihre Kraͤfte bey der Vollſtreckung ihrer Triebe ſo ſehr, daß ſie ganz entkraͤftet werden und ſterben. Hier wiſſen wir nicht, wie weit die Abſichten der Natur bey der Einpflanzung der Triebe ſich erſtrecken ſollen, oder was fuͤr Zwecke ſie genoͤthiget haben, den Umfang ihrer Nuͤtzlichkeit fuͤr das eigne Wohl eines Thiers einzuſchraͤn - ken, und nicht auf alle moͤgliche Faͤlle auszudehnen. WieQ 4wir248I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. wir ſelbſt durch Einmiſchung unſrer eigenmaͤchtigen Vor - ſtellungen die Abſichten der Natur bey unſern Trieben hin - dern und ihre Wirkungen verderben, ſolches erhellet aus der großen Unzuverlaͤßigkeit derſelben bey den Menſchen uͤberhaupt, und aus ihrer viel groͤßern Zuverlaͤſſigkeit bey allen Thieren, die ihnen ohne Kuͤnſteley, blind folgen, ins - beſondre aber in Krankheiten, wo wir ſo oft fuͤr einen Trieb der Natur halten, was nur eine Folge eigenmaͤchtiger Be - gierden iſt, und in den Ausſchweifungen der Wolluͤſte, zu welchen wir uns eigenmaͤchtig reizen, da ſolches die Thiere nicht thun.
Wenn die von der Natur vorbeſtimmten Veranlaſſun - gen der thieriſchen Triebe ihres Zwecks nicht verfehlen ſol - len, ſo muͤſſen ſie diejenige Luſt oder Unluſt verurſachen, welche eine gewiſſe vorhergeſehene kuͤnftige angenehme oder unangenehme Empfindung hervorbringen wird. §. 94. 262. Dieſe ſinnlichen Triebfedern bringen das Beſtreben hervor, welches der Trieb ſelbſt iſt, §. 80. 83. deſſen Be - friedigung die Natur hernach auch durch vorbereitete Bey - huͤlfe vermittelt. §. 263. Jn dieſer Entwickelung unter - ſcheiden ſich aufs deutlichſte die natuͤrlichen Veranlaſſungen der Triebe von ihren ſinnlichen Reizungen, dieſe, von ih - nen ſelbſt, und dieſe von ihrer Befriedigung. So finden wir nun auch den ganzen Ablauf der Triebe wirklich in der Natur, und eben ſo folgen die Seelenwirkungen derſelben in den mechaniſchen Maſchinen auf einander. Um die Thiere anzuhalten, an ihre Ernaͤhrung zu denken, entle - diget ſich in geſetzten Zeiten der Magen von allen empfan - genen Speiſen, und von dieſer Entledigung entſteht im Magen eine unangenehme aͤußere Empfindung, die man Uebligkeit, Nuͤchternheit nennt. Dieſe iſt die ſinnliche Reizung des Triebes des Hungers, die der Seele, durch die Entledigung des Magens, natuͤrlich nothwendiger Wei - ſe, ja ſelbſt wider ihr Belieben, beygebracht wird. §. 27. Dieſe249der ſinnlichen Triebe. Dieſe unangenehme aͤußere Empfindung erinnert ſie an die angenehme gegentheilige, da der Magen angefuͤllet war. Aus beyder Vereinigung entſteht die Vorherſehung und Erwartung §. 73. der angenehmen Empfindung eines an - gefuͤllten Magens, und das Beſtreben der Seele zur Her - vorbringung derſelben, §. 81. welches der Trieb des Hun - gers iſt, deſſen Befriedignng durch die Saͤttigung die Na - tur bey der Erregung dieſes Triebes zur Abſicht hatte, um fuͤr die Erhaltung des Thieres zu ſorgen. §. 262. Wenn ſich ein Thier lange nicht beweget hat, ſo wird ſein Koͤrper kraͤnklich, weil die Verrichtungen aller Theile ſchlechter von Statten gehen. Dieß iſt die vorbeſtimmte Veranlaſſung des Triebes zur Bewegung, indem die Kraͤnklichkeit unan - genehme aͤußere Empfindungen erreget, welche das Thier natuͤrlich nothwendiger Weiſe annehmen muß, §. 27. und die die ſinnlichen Reizungen des Triebes ſind. Aus dieſer unangenehmen aͤußern Empfindung des Thieres, und der Erinnerung des Wohlbefindens, wenn es ſeine Glieder be - weget hatte, entſteht die Vorherſehung und Erwartung §. 73. von der gegentheiligen angenehmen Empfindung aus der kuͤnftigen Bewegung, und ſo erfolget das Beſtreben, der Trieb zur Bewegung, deſſen Befriedigung durch die Leibesuͤbung die Abſicht der Natur bey ſeiner Erregung iſt, um fuͤr das Wohlſeyn des Thieres zu ſorgen. Um ein Thier anzuhalten, an ſeine Vertheidigung zu denken, muß ein Anblick ſeiner Feinde ihm oft, ohne zu wiſſen warum? ein Entſetzen erregen, welches bey ihm natuͤrlich nothwen - dig die ſinnliche Reizung zum Triebe der Selbſtvertheidi - gung wird. Dieſer unangenehme Eindruck ins Gemuͤth von beſorglicher naher Gefahr erinnert es an den angeneh - men gegentheiligen, da es die Gefahr durch den Gebrauch ſeiner natuͤrlichen Waffen ehedem