Tempe. Durch welch geheimen Zwang
Erwacht mein ſchlafender Geſang?
Jch fuͤhle wiederum die Herrſchaft weiſer
Muſen.
Wie ſtuͤrmet nicht in meinem Buſen
Die ungeſtuͤme Glut,
Und reiſſt mich hin in trunkner Wuth!
Taͤuſcht mich der ſuͤſſe Wahn?
Welch Thal der Freuden lockt mich an
Mit friſchbethautem Gruͤn, mit ambrareichen Luͤften?
Wie plaudert in der Berge Kluͤften
Der wache Wiederhall!
Die Voͤgel ſingen uͤberall!
Durch76Durch kuͤhle Buͤſche rauſcht
Ein Zephyr, der um Floren lauſcht:
Es murmelt mancher Bach; es wandelt unter Baͤumen
Der holde Schlaf mit holdern Traͤumen.
Entzuͤckendes Revier!
Dich, himmliſch Tempe, ſeh ich hier!
Hier, wo der Pelion,
Wo der Olymp, der Goͤtter Thron,
Sich in die Wolken thuͤrmt aus heerdenvollen Matten:
Jn dieſer gruͤner Lorbeern Schatten
Glaͤntzt, als ein glatter See,
Der Peneus durch bebluͤhmten Klee.
Die Gegend iſt ſo ſchoͤn,
Daß hier die Muſen ſich ergehn.
Thalien ſeh ich dort bedornte Roſen pfluͤcken:
Die Schalkheit ſpricht aus ihren Blicken;
Und ihren Mund beſeelt
Ein Laͤcheln, das die Thoren quaͤlt.
Wer ſcherzt an ihrer Hand?
Jſts Clio, deren leicht Gewand
Nachlaͤſſig flatternd wallt und nicht mit Golde prahlet?
Fontaine, der verewigt ſtrahlet,
Sang einſt an ihrer Bruſt
Von Hymens Qual und Amors Luſt.
Du77Du aber irrſt allein,
O Uranie! durch Thal und Hayn!
Dein heilig Saitenſpiel ſchlaͤft unter ſtillem Laube:
Bis von verſchmaͤhtem niedern Staube
Sich dein entbundner Geiſt
Zum Himmel, ſeinem Urſprung, reiſſt.
Den Sternen ſchwingeſt du
Dein brauſendes Gefieder zu,
Durch unſre groͤbre Luft, die Werkſtatt rother Blitze;
Und wo, wann Gott von ſeinem Sitze
Die Welt im Wetter ſchilt,
Sein ausgeſandter Donner bruͤllt.
Du dringſt Auroren nach
Jn ihr bepurpert Schlafgemach;
Und ſiehſt aus blauer Hoͤh die Erde ſilbern glaͤnzen.
Bald reiſſt aus unſers Titans Graͤnzen
Dich dein entflammter Sinn
Jn andrer Sonnen Herrſchaft hin.
Die Erde ſcheint wie Nichts
Jn jenen Gegenden des Lichts,
Wo deiner Blicke Flug an fremde Welten landet.
Dort wo ihr niemals uͤberwandet,
Jhr Weltbezwinger! ſeht,
Wie euer Stolz euch hintergeht.
O goͤtt -78O goͤttlich hoher Flug!
Mein Fluͤgel iſt nicht ſtark genug,
Sich dir auf Neutons Pfad, o Muſe! nachzuſchwingen.
Jch will im niedern Buſche ſingen,
Wo Erato ſich kuͤhlt
Und Amorn lockt, mit Amorn ſpielt.
Morpheus. Bey Venus ward von Schaͤferinnen
Der holde Morpheus hart verklagt:
Wird ſein abſcheuliches Beginnen
Jhm, ſprachen ſie, nicht unterſagt.
Bey Tage ſind wir Schaͤfern ſproͤde:
Doch ſieh, wie ſchalkhaft Morpheus iſt!
Jm Traum iſt keine Hirtinn bloͤde;
Ja, leider! auch die Unſchuld kuͤſſt.
Die Schaͤfer weihen ihm Geſaͤnge:
Er heuchelt ihrer Zaͤrtlichkeit,
Und ſpottet unſrer keuſchen Strenge,
Die ach! uns manche Luſt verbeut.
Ein Thyrſis, der zu Doris Fuͤſſen
Vor wenig Stunden troſtlos lag,
Kann traͤumend ſeine Sproͤde kuͤſſen,
Die alles will, was Morpheus mag.
Hier80Hier unterbrach die langen Klagen
Der Traumgott voller Ungeduld,
Und ſprach: o Goͤttinn! darf ichs wagen;
So hoͤre mich mit gleicher Huld.
So muͤſſe dir der Weltkreis froͤhnen,
Und Amors Bogen ſey begluͤckt,
Solang auf Wangen junger Schoͤnen
Ein bluͤhend Morgenroth entzuͤckt!
Jch muß der frommen Maͤdchen lachen:
Sie traͤumen von verliebter Luſt!
Welch Wunder? herrſcht, wann Maͤdchen wachen,
Die Liebe nicht in ihrer Bruſt?
Jch weis, was ieder Schoͤnen fehlet,
Um die mein ſtiller Fittig ſpielt;
Und ſehe was ihr Herz verhehlet,
Und oft ſie ſelbſt nur dunkel fuͤhlt.
Manch Maͤdchen prangt mit ſcheuer Tugend,
Das ingeheim zu Amorn fleht,
Wann itzt im Fruͤhling muntrer Jugend
Jhr Buſen in der Fuͤlle ſteht.
Sie ſeufzt, und, o gerechter Kummer!
Es jammert mich der Schaͤferinn:
Jch fuͤhre ſie bey fruͤhem Schlummer
Jn ihres Hirten Arme hin.
Liebt81Liebt Chloe nichts, als ihre Heerde?
Sie glaubts! ihr Auge ſaget mir,
Daß Chloen Damon kuͤſſen werde;
Und ich verrath es ihm und ihr.
Die Sproͤde ſchleicht mit mir in Gruͤnde
Zu Buͤſchen, wo kein Fremder lauſcht,
Wann beym Geſchwaͤtze ſanfter Winde
Der Scherz geheimer Schmaͤtzchen rauſcht.
Ein ieder gleichet ſeinen Traͤumen:
Jm Traume zecht Anakreon:
Ein Dichter jauchzt bey ſeinen Reimen,
Und flattert um den Helikon.
Fuͤr euch, Monaden! ficht mit Schluͤſſen
Ein Liebling der Ontologie;
Und allen Maͤdchen traͤumt von Kuͤſſen:
Denn was iſt wichtiger fuͤr ſie?
Der Traumgott wollte weiter ſprechen:
Doch itzt rief ihm die braune Nacht:
Sie lag ſchon uͤber dunkeln Baͤchen;
Und Philomela war erwacht.
Er floh, und laͤchelnd ſprach Cythere:
Jhr Kinder! wißt nicht, was ihr wollt.
O predigt nur von ſtrenger Ehre!
Mir ſeyd ihr doch im Herzen hold.
Neujahrs-Wunſch des Nachtwaͤchters zu Ternate. Weckt eure Gatten kuͤſſend auf,
Jhr Schoͤnen von Ternate!
Hoͤrt, bey des Jahres neuem Lauf,
Wie mir ein Wunſch gerathe!
Ein Maͤdchen, das ſich Muſe nennt,
Durchſtreicht mit mir die Straſſen;
Und was mein Herz euch gutes goͤnnt,
Will ſie in Reime faſſen.
Wohlan! die Freude werde neu,
Wie ſich das Jahr verneuet!
Es fliehe finſtre Heucheley,
Die ſich im Winkel freuet!
Richt Eigennutz, nur Zaͤrtlichkeit
Sey Stifter unſrer Ehen:
So wird man Hymens guͤldne Zeit
Auch Jahre dauern ſehen.
Die85Die ſuͤſſe Falſchheit unſrer Zeit
Entweiche von der Erde,
Daß alte wahre Redlichkeit
Noch einmal Mode werde.
Es drohe Miswachs und Verluſt
Gelehrten Schmierereyen:
Nur muͤſſe junger Maͤdchen Bruſt
Und guter Wein gedeihen!
Gib, Himmel! deinen alten Wein
Den froͤhligen Poeten,
Die in der Muſen Lorbeerhayn
Oft, leider! durſtig treten.
Nur Waſſer, alter Weiſen Trank,
Gib unſern jungen Weiſen;
Und jage den Monaden-Zank
Von freudenvollen Schmaͤuſen.
Der Geiz mag ſein erwuchert Gut
Nur huͤten, nicht genießen!
Doch laß ein Baͤchlein guͤldner Fluth
Auch auf den Weiſen flieſſen!
F 3Denn68[86]Denn unſre Weibchen koſten viel,
Wenn ſie uns lieben ſollen:
Wieviel erfordert Putz und Spiel
Und wann wir ſchmauſen wollen!
Heil allen, denen Heil gebricht;
Heil ſey dem ganzen Staate!
Dieß wuͤnſch ich aus bezahlter Pflicht,
Nachtwaͤchter von Ternate.
Amor und ſein Bruder. Um die ſtille Mitternacht,
Wenn allein die Liebe wacht;
Wenn die ſchattenvolle Welt
Nur der hohe Mond erhellt:
Schlief die Nachbarinn Elmire;
Wenigſtens ihr Alter ſchlief:
Als vor ihres Hauſes Thuͤre
Cyperns Gottheit pocht’, und rief.
Wer iſt hier? wer laͤrmt noch ſo?
Ach! mein guͤldner Traum entfloh!
Rief die Magd halbſchlafend aus,
Gaͤhnt’ und taumelte vors Haus.
Amor fleht’ in ihren Armen;
Und, wie alle Welt geſteht,
Muß ein Maͤdchen ſich erbarmen,
Wann ein milder Amor fleht.
F 4Jhm88Jhm wird willig aufgethan;
Und ſein Bruder haͤngt ſich an:
Halb bedeckt ein Epheuͤ-Kranz
Seines guͤldnen Hornes Glanz.
Seine ſchlauen Blicke brennen;
Jede Sehne ſchwillt von Kraft:
Die ihn kennen wollen, nennen
Jhn den Gott der Hahnreyſchaft.
Amor thut ſogleich bekannt,
Lehnet an die naͤchſte Wand
Seinen Bogen lachend hin,
Huͤpft und ruft mit frohem Sinn:
Troz der feſt verſchloſſnen Thuͤre,
Bruder! half ich dir herein.
Jung und feurig iſt Elmire:
O ſie wird nicht grauſam ſeyn!
Die Wiſſenſchaft zu leben. Ein großer und vielleicht der groͤßte Theil des Lebens,
Das mir die Parce zugedacht,
Schlich, wie ein Traum der Nacht,
Mit leiſen Fluͤgeln hin, und war vielleicht vergebens!
Vergebens flammten mir ſo vieler Tage Sonnen,
Wenn ich, vom Schoͤpfer aufgeſtellt,
Als Buͤrger einer Welt,
Durch eine gute That nicht ieden Tag gewonnen:
Wenn ich der Tugend Freund und groß durch Men -
ſchenliebe,
Frey von des Wahnes Tyranney,
Wahrhaftig groß und frey,
Erſt werden ſoll, nicht bin, und es zu ſeyn verſchiebe.
Wie? wer nach Golde geizt, obgleich kein Gold
begluͤcket,
Braucht alle Stunden zum Gewinn,
Und laͤuft nach Wucher hin,
Wann kaum der junge Tag aus weiſſen Wolken blicket.
F 5Jn -90Jndeß die halbe Welt, vom ſanften Schlaf umflogen,
Jn bleicher Daͤmmrung Stille traͤumt;
Hat jener, ungeſaͤumt,
Schon Gelder angelegt, ſchon Zinſen abgezogen.
Wir leben niemals heut! wir ſchieben auf, zu le -
ben,
Bis einſt ein guͤnſtiges Geſchick
Uns ein getraͤumtes Gluͤck
Nach Vorſchrift unſers Plans und Eigenſinns gegeben.
So ſtark herrſcht uͤberall der Thorheit alter Glaube,
Als koͤnnten wir uns nicht erfreun,
Nicht weiſ’ und gluͤcklich ſeyn
Jn einem ieden Stand, im Purpur und im Staube!
Auf Bluhmen ſeh ich hier den armen Landmann lie -
gen,
Den ein gepachtet karges Feld
Nur kuͤmmerlich erhaͤlt:
Um ſeine braune Stirn lacht ruhiges Vergnuͤgen.
Er lebt, wann ſein Tyrann, der ieden Tag bethraͤnet,
Sich um das Leben ſelbſt betruͤgt,
Und, immer unvergnuͤgt,
Reich, aber hungrig ſtets, nach groͤſſerm Reichthum gaͤh -
net.
Doch91Doch Chlotho wartet nicht, bis wir genug erlangen;
Und wann ſie uns zur kuͤhlen Gruft
Und in die Stille ruft,
So haben viele nie zu leben angefangen.
Der ſtandhafte Weiſe. An Herrn Hof-Rath C*Hat nun dein Saitenſpiel den ſuͤſſen Scherz vergeſ -
ſen,
Und ſchweigt, ſtets ungeſtimmt, an traurigen Cy -
preſſen,
Um deiner holden Gattinn Grab?
Wer kann, o weiſer C* den wilden Schmerz beſiegen,
Wenn Seelen, deren Muth erhabne Proben gab,
Wenn ſtarke Seelen unterliegen?
Wie? ſoll die Traurigkeit unwiderſetzlich wuͤthen,
Und wo ſie einmal herrſcht, ſtets fuͤrchterlich gebiethen,
Jn ewig unerhellter Nacht?
Nein! von dem Weiſen muß die Welt und Nachwelt leſen,
Er ſey gemaͤſſigt froh, wenn ihm das Gluͤck gelacht,
Und auch in Leiden groß geweſen.
Jhm darf die traͤge Zeit auf mitleidvollen Schwin -
gen
Nicht ihren ſpaͤten Troſt, nicht ihre Lindrung bringen:
Sie ſey des Poͤbels Troͤſterinn!
Der Weiſe braucht ſie nicht, er troͤſtet ſich aus Gruͤnden:
Die Wahrheit ſchimmert ihm durch truͤbe Nebel hin;
Er kann ſie ſehen und empfinden.
Sein93Sein lehrend Beyſpiel ſtrahlt auch auf entfernte
Tage:
Der Schwache, der es hoͤrt, ſchaͤmt ſich der feigen Kla -
ge,
Und fuͤhlet ungewohnten Muth.
Um ſeine Helden-Stirn muͤſſ’ ewig Lorbeer gruͤnen!
O Lorbeer beſſrer Art, als den durch fremdes Blut
Die Weltverwuͤſter ſich verdienen!
Kein ſtoiſcher Geſang ertoͤnt von meinen Saiten;
Jch waffne nicht den Stolz, die Thraͤnen zu beſtreiten;
Jhm widerſteht ein zaͤrtlich Herz.
Die Stimme der Natur gebeut in allen Seelen,
Und falſcher Großmuth Zwang kann einen wahren
Schmerz
Nicht uͤberwinden, nur verhehlen.
Doch was kein Stolz vermag, kann Weisheit moͤg -
lich machen:
Auch Triebe der Natur, die herrſchbegierig wachen,
Gewoͤhnt ſie zum Gehorſam an.
Sie muͤſſen ſich vor ihr, ſo wild ſie brauſen, ſchmiegen,
Wie in verſchloſſner Gruft, dem Aeol unterthan,
Die lauten Winde knirſchend liegen.
Sieh94Sieh auf den ſtarken Trieb, der uns zur Wolluſt
reiſſet,
Jm freyen Wilde Brunſt, in Menſchen Liebe heiſſet,
Und, unbeherrſcht, ſich leicht verirrt.
Er wird Geſetz und Recht und Menſchlichkeit verletzen,
Wenn ihn kein Zuͤgel haͤlt, und ihm erlaubet wird,
Sich hoͤhern Pflichten vorzuſetzen.
Aus ihren Schranken darf auch die Natur nicht
ſchreiten:
Soll nicht ein gleicher Zaum die weiche Wehmuth lei -
ten,
Die ein verlohrnes Gut bedaurt?
Kein allzulanger Schmerz muß unſre Ruhe ſtoͤren;
Und wenn es Menſchheit iſt, daß unſre Seele traurt,
So iſt es Weisheit, aufzuhoͤren.
Was kann den Sterblichen das wilde Gluͤck entzie -
hen,
Das ewig Leid verdient? Jſt alles nicht geliehen?
Gebuͤhrt nicht alles ihm zuruͤck?
Die Guͤter, die es giebt, verſchenkt es nicht auf immer:
Sein ſchmeichlend Laͤcheln iſt ein kurzer Sonnenblick,
Ein kaum genoſſner Fruͤhlings-Schimmer.
Wann95Wann ſich die dunkle Luft mit Winter-Wolken
ſchwaͤrzet;
Wann Philomele ſchweigt, kein lauer Zephyr ſcherzet,
Kein Zephyr Morgen-Roſen kuͤſſt:
Was hilfts, mit finſtrer Stirn den Unbeſtand beklagen?
Es kommt nicht mehr zuruͤck, was einſt entflohen iſt;
Doch leicht wird, was wir freudig tragen.
Der Weiſe bleibt ſich gleich im Schoos erwuͤnſchter
Freuden,
Und ſieht, noch ehe ſie, bald oder ſpaͤte, ſcheiden,
Die leichten Fluͤgel ieder Luſt.
Wenn ihr Gefieder ſich in ſchneller Flucht verſpreitet,
So ſieht ers unbetaͤubt: er hatte ſeine Bruſt
Zu iedem Unfall vorbereitet.
Richt unſer ganzes Herz muß am Vergnuͤgen hangen:
Zu einem hoͤhern Zweck hat uns die Welt empfangen,
Wo ieder eine Rolle ſpielt.
Nicht bloß zu trunkner Luſt im Umgang eines Weibes
Bewohnt ein freyer Geiſt, der ſich unſterblich fuͤhlt,
Die irdne Huͤtte ſeines Leibes.
Durch Tugend muͤſſen wir des Lebens wuͤrdig werden,
Und ohne Tugend iſt kein daurend Gluͤck auf Erden:
Mit ihr iſt niemand unbegluͤckt.
Der Laſterhafte nur iſt elend, arm, verachtet,
Auch wann er gluͤcklich heißt und ſich vom Raube ſchmuͤckt,
Und juͤdiſch ganze Laͤnder pachtet.
Kein96Kein fremder Zufall kann der Seelen Hoheit min -
dern;
Kein widriges Geſchick ihr wahres Wohl verhindern:
Kann was geſchieht, uns boͤſe ſeyn?
Der Schoͤpfer einer Welt wird ſeine Schoͤpfung lieben,
Und wenn er ſie betruͤbt, aus weiſer Huld allein
Und nicht aus blindem Haß betruͤben.
Vom ſtrengen Strom der Zeit wird ieder hingeriſ -
ſen,
Bald unter heitrer Luft, bald unter Finſterniſſen
Und ſchwarzer Ungewitter Wuth:
Strom, wo ſich allzuoft beſchaͤumte Wellen thuͤrmen,
Stets brauſend, wie das Meer! o ungeſtuͤme Fluth,
Beruͤchtigt von erzuͤrnten Stuͤrmen!
Wohin der Sturm uns fuͤhrt, bleibt oft vor uns
verſtecket,
Weil fuͤrchterlich Gewoͤlk die gruͤnen Ufer decket,
Und unſrer Blicke Lauf begraͤnzt.
Die Schatten werden fliehn, die unſer Auge banden,
Vielleicht wohl, ehe noch der andre Morgen glaͤnzt,
Vielleicht nicht ehe, bis wir landen.
Die Sommerlaube. Die Laube prangt mit jungem Gruͤn:
Es toͤnen ihre dunkeln Buchen
Von Voͤgeln, die voll Wolluſt gluͤhn,
Von Fruͤhlingstrieben gluͤhn und Scherz und Schatten ſu -
chen.
Soll, was der Wahn Geſchaͤfte nennt,
Uns um ſo ſchoͤne Zeit betruͤgen?
Freund! wer des Lebens Kuͤrze kennt,
Der legt es kluͤger an und braucht es zum Vergnuͤgen.
Geneuß den feuervollen Wein:
Beym Weine herrſcht vertraulich Scherzen.
Oft ladet Amor ſich mit ein,
Und ſein verborgner Pfeil ſchleicht in die offnen Herzen.
Der ſchlaue Gott iſt niemals weit;
Jch wittre ſeine ſanften Triebe:
Denn gruͤner Lauben Dunkelheit
Jſt fuͤr den Weingott ſchoͤn, noch ſchoͤner fuͤr die Liebe.
GGe -98Geliebte Schatten! weicher Klee!
Ach! waͤre Galathee zugegen!
Ach! ſollt ich, holde Galathee,
Um deinen weiſſen Hals die Arme bruͤnſtig legen
Wo ſuͤſſer Lippen Roſen bluͤhn,
Wer kann ſie ſehn und nicht verlangen?
Die jugendlichen Kuͤſſe fliehn
Bey welkem Reiz vorbey und ſuchen friſche Wangen.
Ein leblos Auge ruͤhrt mich nicht;
Kein bloͤdes Kind wird mich gewinnen,
Das reizt, ſolang der Mund nicht ſpricht,
Und eine Venus iſt, doch ohne Charitinnen.
Die Freude. Ergetzt euch, Freunde, weil ihr koͤnnt!
Den Sterblichen iſt nicht vergoͤnnt,
Von Leiden immer frey zu bleiben.
Vernunft wird oͤfters ohne Frucht
Sich wider ſchwarzen Unmuth ſtraͤuben:
Lyaͤus weis ihn zu betaͤuben,
Und ſingt ihn ſieghaft in die Flucht.
Lernt, wie ſich finſtrer Unverſtand,
Verhuͤllt in trauriges Gewand,
Von wahrer Weisheit unterſcheide,
Die mit entwoͤlkter Stirne glaͤnzt,
Und in der Wolluſt leichtem Kleide,
Wie ſie, im Schooſe ſanfter Freude,
Auch oft mit Roſen ſich bekraͤnzt.
O ſegnet ieden Augenblick,
Da ihr ein unvergaͤlltes Gluͤck
Jn ſuͤſſer Freundſchaft Armen ſchmecket:
Da Bacchus euch mit Epheuͤ kroͤnt,
Und Witz und attiſch lachen wecket;
Und muntrer Scherz, der Narren ſchrecket,
Die Narren und ihr Gluͤck verhoͤhnt.
G 3Doch102Doch hoͤrt ihr, was die Wahrheit ſpricht?
Verwoͤhnt, verwoͤhnt die Seele nicht
Zu rauſchenden Ergoͤtzlichkeiten,
Die, wann der Geiſt ſie lieb gewinnt,
Von Roſen unter Doͤrner leiten;
Und kein Vergnuͤgen aller Zeiten,
Nur Augenblicke reizend ſind.
Die Weisheit richtet meinen Sinn
Auf dauerndes Vergnuͤgen hin,
Das aus der Seele ſelbſt entſpringet.
Geſchmack und Wahrheit! ihr entzuͤckt,
Auch wann kein Saitenſpiel erklinget:
Auch wann mein Mund nicht lacht und ſinget,
Bin ich in euerm Arm begluͤckt.
Die Anmuth praͤchtiger Natur
Vergnuͤgt mich auf bebluͤhmter Flur,
Auf Huͤgeln und im dunkeln Hayne.
Jch jauchz’ an ſtiller Muſen Bruſt
So froͤhlig, als bey Cyperns Weine:
Ja wenn ich Thoren einſam ſcheine,
Vertraut ſich mir die reinſte Luſt.
So103So lockend jene Freude lacht,
Die nur die Sinne trunken macht,
So nah iſt ſie dem Ueberdruſſe.
Die Wolluſt, vom Geſchmack ernaͤhrt,
Stirbt unter dummem Ueberfluſſe:
Sie bleibt bey ſparſamem Genuſſe
Weit laͤnger ſchoͤn und liebenswerth.
Du Tochter wilder Trunkenheit!
Fleuch, ungeſtalte Froͤhligkeit,
Und raſe nur bey bloͤden Reichen!
Sie moͤgen durch entweihten Wein
Die ſanften Grazien verſcheuchen!
Sie, Bacchus! moͤgen Thieren gleichen:
Uns Freunde! laſſ’ er Menſchen ſeyn.
Die wahre Groͤſſe. An Herrn Gleim. Jn meinen Adern tobt ein juvenaliſch Feuer;
Der Unmuth reichet mir die ſcharfgeſtimmte Leyer:
Maßt ſich des Poͤbels Wahn
Das Urtheil nicht von groſſen Seelen an?
Sey Richter, liebſter Gleim! der Poͤbel ſoll nicht
richten,
O du, der iedes Herz mit lieblichen Gedichten
Nach Amors Willen lenkt,
Der ſchalkhaft ſcherzt und frey und edel denkt!
Ein Mann, der gluͤcklich kuͤhn zur hoͤchſten Wuͤr -
de flieget,
Und, weil er Sklaven gleich, vor Groſſen ſich geſchmieget,
Nun, als ein groſſer Mann,
Auch endlich ſelbſt in Marmor wohnen kann:
Der heißt beym Poͤbel groß, da ihn ſein Herz ver -
dammet;
Und wann der Buͤrger Gold auf ſeinem Kleide flammet,
So ſieht die Schmeicheley
Fuͤr Schimmer nicht, wie klein die Seele ſey.
Soll105Soll ſeines Nahmens Ruhm auf ſpaͤte Nachwelt
gruͤnen?
Dem Staate dient er nur, ſich Schaͤtze zu verdienen:
Bereichert ein Verrath,
So, zweifle nicht, verraͤth er auch den Staat.
Der Abſicht Niedrigkeit erniedrigt groſſe Thaten:
Wem Geiz und Ruhmbegier auch Herculs Werke rathen,
Der heißt vergebens groß:
Er ſchwingt ſich nie vom Staub des Poͤbels los.
Zeuch, Alexander! hin bis zu den braunen Scythen;
Jrr um den traͤgen Phrat, wo heiſſre Sonnen wuͤthen,
Und reiß dein murrend Heer
Zum Ganges hin, bis ans entfernte Meer!
Du kaͤmpfeſt uͤberall und ſiegeſt, wo du kaͤmpfeſt,
Bis du der Barbarn Stolz, voll groͤſſern Stolzes, daͤmp -
feſt,
Und die verheerte Welt
Vor ihrem Feind gefeſſelt niederfaͤllt.
G 5Doch106Doch laß dich immerhin der Menſchheit nicht erbar -
men!
Von deinem Haupte reiſſt, auch in des Sieges Armen,
Der Tugend rauhe Hand
Die Lorbeern ab, die Ehrſucht ihr entwandt.
Mit Lorbeern wird von ihr der beſſre Held bekraͤnzet,
Der fuͤr das Vaterland in furchtbarn Waffen glaͤnzet,
Und uͤber Feinde ſiegt,
Nicht Feinde ſucht, nicht unbeleidigt kriegt:
Der Weiſe, der voll Muths, wann Aberglaube
ſchrecket,
Und Wahn die halbe Welt mit ſchwarzen Fluͤgeln decket,
Allein die Wahrheit ehrt,
Und ihren Dienſt aus reinem Eifer lehrt:
Der aͤchte Menſchenfreund, der bloß aus Menſchen -
liebe
Die Voͤlker gluͤcklich macht und gern verborgen bliebe;
Der nicht um ſchnoͤden Lohn,
Nein! goͤttlich liebt, wie du, Timoleon!
Zu107Zu dir ſchrie Syracus, als unter Schutt und Flam -
men
Und Leichen, die zerfleiſcht in eignem Blute ſchwammen,
Der wilde Dionys
Sein eiſern Joch untraͤglich fuͤhlen ließ.
Du kamſt und ſtuͤrzteſt ihn, zum Schrecken der
Tyrannen,
Wie, wann ein Winter-Sturm die Koͤniginn der Tan -
nen
Aus tiefen Wurzeln hebt,
Von ihrem Fall ein weit Gebuͤrge bebt.
Durch dich ward Syracus der Dienſtbarkeit ent -
zogen;
Und ſichrer Ueberfluß und heitre Freude flogen
Den freyen Mauern zu,
Held aus Corinth! was aber hatteſt du?
Nichts, als die edle Luſt, ein Volk begluͤckt zu ha -
ben!
Belohnung beſſrer Art, als reicher Buͤrger Gaben!
Du Stifter guͤldner Zeit,
Der Hoheit werth, erwaͤhlteſt Niedrigkeit.
Doch108Doch dein gerechtes Lob verewigt ſich durch Lieder,
Nachdem die Ehre dich auf glaͤnzendem Gefieder
Den Muſen uͤbergab:
Noch ſchallt ihr Lied in Lorbeern um dein Grab.
Der Winter. Die Erde druͤckt ein tiefer Schnee:
Es glaͤnzt ein blendend Weiß um ihre nackten
Glieder:
Es glaͤnzen Wald, Gefild und See.
Kein muntrer Vogel ſingt:
Die truͤbe Schwermuth ſchwingt
Jhr trauriges Gefieder.
Der Weiſe bleibt ſich immer gleich:
Er iſt in ſeiner Luſt kein Sklave ſchoͤner Tage,
Und ſtets an innrer Wolluſt reich.
Was Zephyrs Unbeſtand,
Was ihm die Zeit entwandt,
Verliert er ohne Klage.
Wer euch, ihr ſuͤſſen Muſen! liebt,
Der ſcherzt an eurer Hand in bluhmenvollen Feldern,
Wann Boreas die Luͤfte truͤbt.
Der Fruͤhling mag verbluͤhn!
Jhm lacht ein ewig Gruͤn
Jn euern Lorbeer-Waͤldern.
Und110Und wie? Lyaͤus flieht ja nicht,
Um deſſen Epheuͤ-Stab die leichten Scherze ſchweben!
Noch gluͤht ſein purpurnes Geſicht:
Noch will er guten Muth
Und aͤchte Dichterglut,
Troz rauhen Froſte, geben.
Dem Weingott iſt es nie zu kalt,
Und auch der Liebe nicht, lockt Venus gleich nicht immer
Jn einen gruͤnbelaubten Wald.
Jn Buͤſchen rauſcht kein Kuß:
Doch Amors zarter Fuß
Entweicht in warme Zimmer.
Jhm dient ein weiches Canapee
So gut und beſſer noch, als im geheimen Hayne
Bebluͤhmtes Gras und ſanfter Klee.
O welche Welt von Luſt
An einer Phyllis Bruſt
Und, Freund, bey altem Weine!
Stoß an! es leb’ ein holdes Kind,
Von Grazien gepflegt, erzogen unter Muſen
Und ſchaͤtzbarer, als Phrynen ſind,
Durch Unſchuld, klugen Scherz
Und durch ein gutes Herz
Jn einem ſchoͤnen Buſen!
Die froͤhliche Dichtkunſt. Oſchattigter Parnaß! ihr heiligen Geſtraͤuche,
Wo oft um Mitternacht ich einſam wachend ſchlei -
che!
Nie hab ich klagend euch entweiht.
Nur Scherz mit heitrem Angeſichte,
Nur Wein und freye Zaͤrtlichkeit
Begeiſtern mich, gefaͤllig, wenn ich dichte.
Wann mich ein Kummer druͤckt, ſo mag die Mu -
ſe ſchweigen,
Den Nachtigallen gleich, die auf begruͤnten Zweigen
Nur ſingen, wenn ſie ſich erfreun.
Welch aͤchter Prieſter froher Muſen
Vermiſcht mit Thraͤnen ſeinen Wein,
Und aͤchzet ſtets, auch an der Daphne Buſen?
Einſt lag ich ſorgenvoll im Schatten finſtrer Buchen,
Wo ſich ein traͤger Bach, den Faunen bloß beſuchen,
Durch einſames Gefilde wand.
Mein Saitenſpiel vergaß der Schoͤnen,
Und meine ſcherzgewohnte Hand
Verirrte ſich zu trauervollen Toͤnen.
Bereits113Bereits entſchloß mein Mund ſich unvergnuͤgter Kla -
ge,
Als mit entwoͤlkter Stirn, gleich einem Fruͤhlingstage,
Die holde Muſe mir erſchien.
Der Lippen Anmuth war den Roſen,
Den Morgen Roſen vorzuziehn,
Und ieder Blick ſchien laͤchelnd liebzukoſen.
Mein Geiſt erwachte ſchnell aus allen truͤben Sorgen:
Wie, wann im rothen Oſt der angenehme Morgen
Jtzt in Aurorens Arm erwacht;
Alsdann die bangen Traͤume fliehen
Und ſchwarzgefluͤgelt, wie die Nacht,
Mit ihr zugleich in ihre Grotte ziehen.
Soll Unmuth, ſchalt ſie mich, dein Saitenſpiel ver -
ſtimmen?
Sieh auf! Anakreon, den Wein und Alter kruͤmmen,
Scheucht ſingend eitler Sorgen Heer!
Weicht auch die Freude von Alkaͤen?
Sie ſchwimmt ihm nach durchs rauhe Meer,
Und ſingt mit ihm von Amorn und Lyaͤen.
HHo -114Horaz trinkt Chier-Wein und jauchzt bey ſeinem
Weine:
Sein ewiger Geſang ertoͤnt in Tiburs Hayne
Nur an der weiſen Wolluſt Bruſt.
Der Wolluſt weihe deine Leyer!
Bloß dieſe Mutter wahrer Luſt
Beſeelt ein Lied mit aͤchtem Reiz und Feuer.
Die wache Sorge mag an ſchlechten Seelen nagen!
Dem Thoren fehlt es nie an ſelbſtgemachten Plagen:
Jhn quaͤlt ein Tand, ein dunkler Traum.
Der Weiſe kann das Gluͤck betruͤgen:
Auch wahres Uebel fuͤhlt er kaum;
Und macht ſichs leicht und macht es zu Vergnuͤgen.
Mit mancher Bluhme lacht die rauhe Bahn des Le -
bens:
Auf! pfluͤckt ſie! ſaͤumt ihr euch? ſie welkt und war ver -
gebens,
Und ihr’ und eure Zeit verlaͤuft.
O Thorheit! daß mit faulen Haͤnden
Jhr nach erwuͤnſchten Freuden greift,
Die doch ſo ſchnell die leichten Fluͤgel wenden!
Seyd115Seyd langſam, eh ihr wuͤnſcht, und zum Genuß
geſchwinde:
Denn wiſſt ihr, was euch nuͤtzt, die ihr, gleich einem
Kinde,
Ohn’ Urſach lacht, ohn’ Urſach weint?
Jſt euer Auge nicht gebunden?
Was in der Ferne boͤſe ſcheint,
Wird in der Naͤh ausbuͤndig gut befunden:
Wie, als ein holder Wind auf unbeſchifftem Pfade,
Die Helden Portugalls an dein gewuͤnſcht Geſtade,
Madera, Sitz der Wolluſt! riß:
Dich eine ſchwarze Wolke deckte,
Und ſtygiſchdicke Finſterniß
Sich fuͤrchterlich bis hoch zum Himmel ſtreckte!
Die blinde Nacht verließ die ungeſtuͤmen Wellen;
Der Thetis Angeſicht fieng an, ſich aufzuhellen;
Sie ſpielte ruhig um den Strand:
Jndem ſie ſich dem Ufer nahten,
Und jauchzend ein entzuͤckend Land
Hier uͤberſahn, und ans Geſtade traten.
H 2Hier116Hier lachte die Natur, die Flora ſtets bekraͤnzte;
Die Bluhmen duͤfteten; von hellen Baͤchen glaͤnzte
Manch rauſchender Oranſchen-Hayn.
Nichts fehlte zu begluͤcktem Leben;
Nichts, als Lyaͤus und ſein Wein:
Lyaͤus kam und pflanzte ſuͤſſe Reben.