PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Belphegor, oder die wahrſcheinlichſte Geſchichte unter der Sonne.
Of all Animals of Prey, Man is the only ſo - ciable one. Every one of us preys upon his Neighbour, and yet we herd together. (GAY. )
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Zweyter Band.
Leipzig,bey Siegfried Lebrecht Cruſius.1776.
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Sechſtes Buch.

A 2[4][5]

Der Bewegungsgrund, warum Belphe - gor von ſeinem Patrone die Erlaub - niß erhielt, ihn bis nach Abißinien zu be - gleiten, war nicht der loͤblichſte: er wagte den Unterhalt auf der Reiſe an ihn, um dieſe Auslage dort tauſendfach durch ihn wieder zu gewinnen. Einer von den Va - ſallen des großen Neguz, die bloß das Ceri - moniell der Huldigung verrichteten, aber ihm keinen Gehorſam leiſteten, der Koͤnig von Niemeamaye, hatte ein Projekt un - ter der Hand, daß das Projekt aller Pro - jekte genennt zu werden verdient. Er konnte es nicht erdulden, daß einer ſeiner Nach - barn ein einziges Koͤrnlein Gold außer ihm beſaß, und weil durch ſein Land nur ein einziger Fluß gieng, der Goldkoͤrner bey ſich fuͤhrte, die er doch ungemein liebte, ſo wollte er es veranſtalten, daß alle Goldkoͤrner ſei - ner Nachbarn in ſein Gebiet gebracht wer - den, und ſie keine bekommen ſollten. Er ließ deswegen den Fluß an der Graͤnze ſeinesA 3Gebiets6Gebiets mit einer ſtandhaften dreyfachen Mauer verdaͤmmen, und leitete ihn in un - zaͤhlbaren Kanaͤlen in ſeinem Lande herum; da er aber doch nothwendig endlich einmal ihn einen Ausgang wieder geben mußte, wenn er ſein Reich nicht zu einer offenbaren See machen wollte, ſo ließ er in einiger Entfernung von ſeinem Ausfluſſe in das be - nachbarte Gebiet, von Weite zu Weite tau - ſend immer feinre Netze, von dem ſtaͤrkſten Baſte geflochten, vorziehen, die das unnuͤtze Waſſer durchließen und den Sand mit den koſtbaren Goldkoͤrnern zuruͤckhielten. Das Projekt wurde zwar ausgefuͤhrt, hatte aber einen ſo ſchlechten Erfolg, daß der Fluß ent - weder die Netze zerriß, oder ſich daneben einen heimlichen Ausgang grub, oder gar die Wohnungen der Einwohner durch Ueber - ſchwemmungen verwuͤſtete. Ob man ihm gleich alles das vorſtellte, ſo glaubte er es doch vor großer Herzensfreude nicht und triumphirte bey jeder Handvoll Goldkoͤrner, die man ihm in ſeinen Schatz lieferte, daß er bald der einzige gluͤckliche Beſitzer des Goldes, und ſeine Nachbarn ganz entbloͤßt davon ſeyn wuͤrden: nichts ſchlug ſeineWonne7Wonne ſo ſehr nieder, als daß er ſich nicht des Fluſſes von ſeiner Quelle an bemeiſtern konnte und ſo viele Koͤrner vor ihm ſchon fremde Haͤnde bereicherten. Dieſer widrige Gedanke brachte ihn eines Tages auf den tollen Anſchlag, den Fluß von der Quelle weg mit einem ungeheuren Umſchweife durch eine Sandwuͤſte in ſein Gebiet zu leiten, ohne daß er ein fremdes beruͤhren ſollte: doch ſehr bald, obgleich mit dem bitterſten Widerwillen, verließ er dieſe ausſchweifende Idee und begnuͤgte ſich, von der Nothwen - digkeit gezwungen, mit dem Antheile, den er ſeinen Nachbarn abſchnitt, die den Fluß von ihm empfiengen.

Demungeachtet bemerkte er zu ſeinem Leid - weſen, daß fuͤr die Lebensmittel, die ſein Land nicht hinlaͤnglich lieferte und die Ein - wohner doch fuͤr unentbehrlich zu ihrem Da - ſeyn hielten, ein mittelmaͤßiger Theil von ſeinem Golde wieder zu den Nachbarn uͤber - gieng, die ihnen mit den fehlenden Beduͤrf - niſſen aushalfen: er verbot dieſen Handel: die Einwohner beſchwerten ſich uͤber Man - gel, und er gab den Befehl, daß kuͤnftig, um keines fremden Zuſchuſſes zu beduͤrfen,A 4jeder8jeder Einwohner des Tags nur einmal eſſen ſollte.

Alle dieſe Anſtalten waren noch nicht hin - reichend, dem Golde jeden Ausgang zu ver - wehren: der Menſch hat Grillen; das Frem - de gefaͤllt ihm, weil es fremd iſt, und er wuͤnſcht es zu beſitzen: auch fuͤr dieſe Ein - faͤlle fluͤchtete noch eine ziemliche Menge Gol - des uͤber ſeine Graͤnzen. Sogleich verbot er den Einwohnern dergleichen Einfaͤlle auf immer und ewig, und wer ſich derſelben nicht enthalten konnte, mußte ſich von ihm das verlangte Fremde einhandeln: er gab ihnen fuͤr das Gold, das der fremden Waare beſtimmt war, innlaͤndiſche Kleinigkeiten, und gebot ihnen bey Vermeidung einer ſtar - ken Strafe, ſich einzubilden, daß es die ver - langten fremden Koſtbarkeiten waͤren: er verkaufte ihnen die Zaͤhne von wilden Katzen, und befahl ihnen zu glauben, daß es Ele - phantenzaͤhne waͤren, getrocknetes Schweins - blut mußte ſtatt des Zibeths, und Haaſen - felle ſtatt der Pantherhaͤute dienen. Damit aber die fremden Originalwaaren ſich nicht unvermerkt einſchleichen und heimlich etwas von ſeinem Golde herausziehen moͤchten, ſozog9zog er eine Mauer um ſein Land, beſetzte ſie mit ſtreitbaren Maͤnnern, die jedem, der ſei - nem Verbote zuwiderhandelte, hundert Ru - thenſtreiche auf den bloßen Ruͤcken ſtehen - des Fußes mittheilen und ihn aus ſeinen Graͤnzen verjagen mußten.

Nachdem er durch dergleichen Veranſtal - tungen ſeine Goldbegierde zum Nachtheile der Nachbarn geſaͤttigt hatte, ſo konnte er es eben ſo wenig dulden, daß jemand außer ihm in ſeinem Lande dieſes herrliche Metall beſaß. Er ſann auf Mittel, auch dieſen Vorrath, wo nicht ganz, doch zur Haͤlfte in ſeinen Schatz zu leiten. Da ſeine Unter - thanen mit allen ihren Habſeligkeiten ſein Eigenthum waren, ſo maßte er ſich das Monopolium aller ihrer Beduͤrfniſſe an: von ihm mußten ſie ſelbſt die Fruͤchte kau - fen, die ſie durch ihren Fleis auf ihrem Grund und Boden gezeugt hatten; ſie muß - ten ihm ſogar fuͤr den Durchgang der Luft durch ihre Lunge einen Zoll bezahlen, bis er endlich alles Gold in ſeinem Palaſte aufge - haͤuft, und die Einwohner zu einem Laſtviehe gemacht hatte, dem er das Futter umſonſt gab, weil ſie es ihm nicht mehr abkaufenA 5konn -10konnten. Das ganze Land war Eine große Familie, deſſen Hausvater der Regent vor - ſtellte, der ſein ſaͤmmtliches Geſinde mit den Fruͤchten des Landes naͤhrte, keine Auflagen, keine Taxen erhob, weil es in die gluͤckliche Situation gekommen war, daß niemand mehr etwas geben konnte.

Alle Kanaͤle des Reichthums auf der Ober - flaͤche der Erde waren verſiegt, oder doch ſo bekannt, daß ſie ihm keine beſondre Freude machen konnten. Er wollte auch die Einge - weide des Erdbodens pluͤndern: nur fehlte es ihm an Leuten, die die Kunſt verſtunden, der Erde ihre Schaͤtze abzunehmen. In die - ſer Hinſicht ließ er aus allen Gegenden Kuͤnſtler von dieſer Art zu ſich einladen, und that ihnen Verſprechungen, die jeden anlocken mußten, ſich dafuͤr auszugeben.

Von allen dieſen Umſtaͤnden hatte Bel - phegors Patron genaue Nachricht, und war feſt entſchloſſen, ſie nicht ungenutzt zu laßen. So bald ſeine Geſchaͤfte in Abißinien verrich - tet waren, begab er ſich mit Belphegorn auf den Weg nach Niemeamaye, in deſ - ſen Nachbarſchaft er vormals ſchon einen Handel getrieben und eben bey dieſer Gele -genheit11genheit die vorhergehenden Nachrichten von dem Koͤnige jenes Landes geſammelt hatte. Auf der Reiſe dahin offenbarte er erſt Bel - phegorn ſeinen Anſchlag. Wir wollen, ſagte er ihm, uns fuͤr die erfahrenſten Berg - maͤnner ausgeben, dadurch das Vertrauen des Koͤnigs gewinnen, unter der Hand ſeine im Herzen mißvergnuͤgten Unterthanen auf unſre Seite bringen, den geizigen Barbaren umbringen, und uns in ſeine aufgehaͤuften Schaͤtze theilen: im Grunde aber was er weislich in petto behielt ſollte Belphegor fuͤr ſeine Abſicht nur zur Maſchine dienen, auf die er, wenn der Streich mis - laͤnge, alle Strafbarkeit laden, und die er nach einer gluͤcklichen Ausfuͤhrung ohne, oder mit einer kleinen Vergeltung ſich vom Halſe ſchaffen koͤnnte. Belphegor erſchrak: kaum merkte dies ſein Gefaͤhrte, als er ſich ſeine Beſtuͤrzung zu Nutze machte, und ihn mit dem grauſamſten Tode bedrohte, wenn er ſich nicht zu dem Vorſchlage bequemen wollte: Belphegor ſtraͤubte ſich lange. Wohl! ſo verhungre hier in der Wuͤſte! ſprach jener, und machte eine Bewegung zum Abmarſche. Selbſtliebe, Rechtſchaffen -heit,12heit, Abſcheu gegen eine ſo grauſe That, wie ein Mord, ſtritten mit dem wildeſten Auf - ruhre in dem verlegnen Belphegor: er wollte ihn zuruͤckrufen, er ſetzte einen Fuß bedaͤcht - lich vorwaͤrts und zog ihn haſtig wieder zu - ruͤck; er aͤchzte, er zitterte, er ſann, und endlich eilte er dem boͤſen Manne nach, um ihm ſeine Huͤlfe zu verſprechen, ob er gleich bey ſich den feſten Vorſatz hatte, nicht Einen Finger zu einem Morde anzulegen: nur aus Liebe zur Selbſterhaltung that er ihm dies verſtellte Verſprechen, und war willens, ſich lieber einer Verraͤtherey gegen dieſen Boͤſe - wicht, als einer Mordthat ſchuldig zu machen. Der Liſtige, um ſich ihn deſto feſter zu ver - binden, ſchlug anfangs ſein Anerbieten aus, und verſicherte, daß er einen ſolchen feigen Undankbaren nicht zu einer Unternehmung zulaſſen wuͤrde, fuͤr die er von einem ſo ſchlechten Werkzeuge alles fuͤrchten muͤßte. Belphegor wurde aͤngſtlich, die Qual des Verhungerns ſtellte ſich ihm in der fuͤrchter - lichſten Schwaͤrze vor, er ſetzte in ihn, be - ſchwor ihn und erhielt endlich, doch als eine Freundſchaft, die Erlaubniß, an der moͤrdriſchen That einen ruͤhmlichen Antheilzu neh -13zu nehmen. Belphegor wuͤnſchte nur durch dieſe Einwilligung mit ihm in bevoͤlkerte Ge - genden gebracht zu werden, um alsdenn ſich ſeiner Geſellſchaft, ohne Hungersnoth, heim - lich entziehen zu koͤnnen. Auch dieſer An - ſchlag wurde ihm vereitelt: die Wuͤſte dauerte bis an die Mauer, die die Graͤnze von Nie - meamaye bezeichnete, und er mußte wi - der ſeinen Willen an die Betruͤgerey Hand anlegen.

Noch immer hoffte er ſeinem Gefaͤhrten entwiſchen zu koͤnnen, ſo ſehr ihn dieſer auch beobachtete und aus Furcht vor Verraͤthe - rey faſt nicht von der Seite ließ. Sie wur - den nach der Gewohnheit des Landes dem Koͤnige hinter einem Schirme vorgeſtellt, der ihren profanen Augen ſeine geheiligte Perſon verdeckte und nur ſeine Stimme durchließ. Belphegors Gefaͤhrte verſtund die Sprache des Landes, und jener mußte daher ein ſtummer Zuhoͤrer ſeyn. In acht Tagen war es ſchon ſo weit gekommen, daß ſie der Koͤ - nig unter die Zahl der Auserwaͤhlten erhub, denen es vergoͤnnt iſt, ohne Schirm mit ihm zu ſprechen: doch bey ſolchen Unterredun - gen wußte es Belphegors Geſellſchafterjedesmal14jedesmal dahin einzuleiten, daß er dieſer Ehre allein genoß, und Belphegor in einem verſchloßnen Zimmer zu Hauſe bleiben mußte, weil ſeine Treue durch verſchiedene bedenk - liche Aeußerungen zu verdaͤchtig geworden war, um ihn bey dem Vorhaben eine ſpie - lende Perſon ſeyn zu laſſen, oder ſich voͤllig von ihm zu trennen.

Der kritiſche Tag ruͤckte heran, an wel - chem der Koͤnig von dem Gefaͤhrten des Bel - phegors mit einem Dolche aufgeopfert wer - den ſollte. Laͤnger konnte er den Gedanken nicht ertragen, der Mitbewußte einer ſo na - hen ſchrecklichen That zu ſeyn: er arbeitete ſich aus ſeiner Gefangenſchaft heraus, be - gab ſich in den koͤniglichen Palaſt, wo er auf das vorgewieſene Zeichen, daß er unter die Vertrauten des Koͤniges gehoͤre, zu ihm eingelaſſen wurde und ihm die drohende Lebensgefahr eroͤffnete. Sobald er in den Saal trat, machte ihn die Phyſiognomie des Koͤnigs ſtutzig: ſie ſchien ihm ſo bekannte Zuͤge zu haben, die nur durch Zeit und Zu - faͤlle verdunkelt waren, daß er den unbe - weglichſten Blick auf ſie heftete. Die naͤm - liche Aufmerkſamkeit verwandte auch derKoͤnig15Koͤnig auf Belphegorn, und uͤber der wechſel - ſeitigen unaufhoͤrlichen Betrachtung vergaßen ſie lange, daß ſie zuſammengekommen wa - ren, um ſich zu ſprechen. Belphegor ließ in der Verwirrung ſich einen europaͤiſchen Ausruf entfahren, den der Koͤnig in der naͤmlichen Sprache beantwortete, und ſehr bald war es entwickelt, daß auf dem nie - meamayiſchen Thron der Herr Medar - dus, Magiſter der Philoſophie und freyen Kuͤnſte, ſein beſter Freund, ſaß. Sie be - willkommten und freuten ſich einige Zeit, worauf Belphegor ſeinem wiedergefundenen Freunde die Abſicht ſeines Beſuchs bekannt machte; man kehrte ſogleich Anſtalten vor, dem gefaͤhrlichen Streiche zuvorzukommen, ſetzte den boshaften Unternehmer deſſelben gefangen, beſtrafte ihn und that andre ſo alltaͤgliche Sachen, daß ich mich ſchaͤme, eine darunter zu beruͤhren.

Nachdem man ſich hinlaͤnglich uͤber das Unvermuthete dieſer Zuſammenkunft gewun - dert hatte, ſo fand ſich bey beyden die Neu - begierde ein, zu wiſſen, wie ſie moͤglich war. Belphegor that ſeinem koͤniglichen Freunde ſeiner Seits bald voͤllige Genuͤge und dankteBihm16ihm beſonders mit vieler Ruͤhrung fuͤr die Befreyung vom Tode, die er ihm zu Se - gelmeſſe unter dem Charakter eines heili - gen Thiers haͤtte angedeihen laſſen.

Siehſt du, Bruͤderchen! unterbrach ihn Medardus, davon weiß ich Dir kein Wort; in meinem Leben bin ich nicht in das Ding Selenmeſſe, oder wie Du es nennſt gekommen. Da ich von euch weggeriſſen wurde

Um des Himmels willen! wie gieng das zu?

Wie das zugieng, Bruͤderchen? Das mußte eine Hexerey oder eine andre Teufe - ley ſeyn. Da ich ſo mitten unter euch ſtehe, war mirs auf einmal, als wenn mir leiſe ein Strick um den Leib geſchlungen wuͤrde, und ſiehſt Du, Bruͤderchen? in der Minute hieng ich Dir in einem Walde an einer hohen Stange, zu welcher ſie mich, wie ich hernach gewahr wurde, mit einem ſtarken Seile und einer Rolle hinauſgezogen hatten. Kurze Zeit darauf wurde ich herabgelaſſen, um dem Loͤwen vorgeſetzt zu werden, den Fromal ku - rirte: doch was denkſt Du wohl, Bruͤder - chen? Das naͤrriſche Thier ließ ſich beymir17mir nieder, belekte mich, wie Fromaln, von der Stirn bis zum Kinne, und bruͤllte ſo freudig, als wenn er ſeinen leiblichen Bru - der in mir angetroffen haͤtte, legte die ge - heilte Klaue auf mich und behandelte mich recht freundſchaftlich. Die Prieſter wurden ſtutzig, hielten mich fuͤr ein beſondres Ge - ſchoͤpf und glaubten gar, daß die Seele ei - nes nahen Anverwandten aus der Familie des Loͤwen auf ihrer Wanderung in mir her - berge: denn anders konnten ſie ſich die glimpfliche Begegnung des Thieres nicht er - klaͤren, als daß er ſich ſcheue, die Banden des Bluts in mir zu verletzen. Die Leute muͤſſen eine Kolonie von den Aegyptern ſeyn, oder ihren Glauben an die Seelenwande - rung in Aegypten geholt haben: wer Luſt hat mag das unterſuchen, genug, mir ſchafte die Seelenwanderung herrlichen Nu - tzen. Sie thaten mir die Ehre an, mich als ein heiliges Thier zu bewirthen, und weil ich doch aͤuſſerlich die Menſchenfigur hatte, ſo gab man mir menſchliche Nahrung und einen eignen Stall gleich neben meinem vermeinten Blutsfreunde.

B 2Nicht18

Nicht lange, nachdem ich dieſe Wuͤrde zu bekleiden angefangen hatte, entſtund Krieg, und weil das Koͤnigreich, wo ich mit mei - nen uͤbrigen heiligen Kameraden lebte, das einzige heidniſche war, ſo hielten es die ma - hometaniſchen Feinde deſſelben fuͤr ihre erſte Pflicht, alle Spuren des heidniſchen Got - tesdienſtes zu vernichten; und die Reihe traf vor allen Dingen zuerſt uns heilige Thie - re. Als man meine europaͤiſche Abkunft aus meiner Geſichtsfarbe ſchloß, ſo nahm man mich voller Freuden in Triumphe mit ſich fort*)Dies war vermuthlich einer von den Koͤnigen, die mit aller Gewalt eine weiße Geſandſchaft aus dem Norden haben wollten.: doch mein Trupp wurde von den Feinden zerſtreut, man ließ mich zuruͤck, und ich entfloh den ſchwarzen Barbaren.

Ich irrte herum und ſtieß auf eine Kara - vane, die nach Nigritien gieng. Es waren Europaͤer dabey, die mich verſtunden; ich bat um Aufnahme und erlangte ſie. Was ſollſt du in Nigritien, unter den kohlſchwar - zen Kreaturen? dachte ich. Siehſt Du, Bruͤ - derchen? ich wußte aus einer alten Geogra - phie, daß weiter herunter die Goldkuͤſteliegt:19liegt: wo es Gold giebt, glaubte ich gewiß einen Europaͤer, wenigſtens einen Spanier anzutreffen. Ich wußte auch, daß die edel - denkenden Englaͤnder hier ein Monopolium mit ihren Nebenmenſchen treiben; wenn alſo alles fehl gieng, hofte ich wenigſtens mit einer Ladung dieſer Waare nach Amerika und von da nach Europa zu ſchiffen, oder wie ich ſonſt dahin kommen moͤchte. In dieſer Meinung, Bruͤderchen, ſuche und finde ich eine Gelegenheit, wie ich ſie wuͤnſchte. Die Abreiſe verzoͤgerte ſich, und indeſſen machte ich eine Bekanntſchaft, die mich ganz davon zuruͤckzog.

Dem Manne, der mich nach Europa tranſportiren wollte, war durch ſeinen Ab - geordneten, die den Einkauf beſorgten, von den ſchwarzen Toͤchtern des Landes eine zugefuͤhrt worden, die in ihrer pechſchwar - zen Haut ſo ſchoͤn war, als jede europaͤiſche Venus von dem glaͤnzendſten Marmor. Das Geſicht war zwar etwas afrikaniſch; aber ihre runden fleiſchichten Arme, ihr luxuri - render Buſen, ihre vollen Huͤften, das Bruͤderchen, alles, alles war ſchoͤn an ihr. Ihr Herr hatte die keuſcheſten Abſichten vonB 3der20der Welt auf ſie; er fuͤhlte nicht ein Fuͤnk - chen Liebe zu ihr, ſondern ſie gefiel ihm, weil ihm ihre Perſon mit allen ihren Schoͤnheiten ein baares Kapital zu ſeyn ſchien, das er in Amerika mit reichen Intereſſen durch ihren Verkauf haben wollte. Deswegen enthielt er ſich aller unerlaubten Begierden gegen ſie, weil er fuͤr ſie und daher auch fuͤr ſeinen Vortheil gefaͤhrliche Folgen davon beſorgte. Er unterrichtete ſie ſelbſt in Franzoͤſiſchen und Engliſchen, worinne es ihm aber nicht ſonderlich gluͤckte, weil ihm ſeine Geſchaͤfte ſo vielfaͤltig daran verhinderten: er uͤber - gab ſie meiner Unterweiſung. Sie wußte wenig von den beiden Sprachen, die ſie ler - nen ſollte, aber doch zur Liebe und zur Er - zaͤhlung ihrer Geſchichte genug. Bruͤder - chen, ſeitdem meine Frau von Gottes Erd - boden weg iſt, habe ich kein einziges Maͤd - chen ſo lieb gehabt, als die allerliebſte nied - liche Zaninny. Bruͤderchen, fuͤhle einmal, wie mir das Herz pocht, indem ich ſie nen - ne! Sie merkte wohl, ohne daß ichs ihr ſagte, daß eine Revolution in meinem Herze vorgehn mußte, wenn ich ſie ſah; und daß es unter ihrer ſchwarzen Bruſt eben ſo zu -gehn21gehn mochte, das ſagte ihr aufrichtiges Ge - ſicht und Auge ohne Huͤlfe der Zunge: dem guten Geſchoͤpfe ſtiegen gleich alle Empfin - dungen in die Mine, und wer ihr Geſicht buchſtabirte, buchſtabirte ihr Herz. Sie hatte ein Paar zaͤrtliche funkelnde Augen, die ſie uͤber der platten Naſe ſo verliebt herum - waͤlzte, daß ich mannichmal mir nach dem Pulſe fuͤhlte, ob ich noch athmete, oder von ihnen verſteinert waͤre. Ich wußte ſchon, daß ſie ihren Eltern geſtohlen worden war, und ſie ſagte mir durch Geberden und mit ihrem Bischen Franzoͤſiſch, daß ſie ihr Land nicht gern verließe, und ſagte mir noch oben drein daß ſie mich von Herzen lieb haͤtte, bat mich, ſie wieder zu ihren Eltern zu bringen, und bat mich ſo, daß ich dachte: Nun, ſo biſt du doch mit deiner guten Za - ninny wahrhaftig faſt ſo gluͤcklich als mit deiner verſtorbenen Frau, und wenn dich ihre Eltern zum Schwiegerſohne annehmen und ſich nicht daran ſtoßen wollten, daß ich ſo haͤßlich weiß bin ja, ich bliebe mit mei - ner Zaninny in ihrer Huͤtte und wuͤrde ein Afrikaner, aͤß, traͤnk, ſchlief, ſpielte mit ihr, jagte, ſammelte Datteln fuͤr ſie, huͤte -B 4te das22te das Vieh mit ihr, oder was es ſonſt hier zu Lande zu thun giebt: die afrikaniſche Sonne wuͤrde ia wohl mit der Zeit einen huͤbſchen Neger aus mir machen. Kurz in meinem Herze war ſie ſchon voͤllig meine zweyte Frau. Endlich kamen zu ihren Bit - ten gar Thraͤnen, ſo recht aus der Empfin - dung herausgeweinte Thraͤnen, daß ich al - ter Narr neben ihr ſaß und eine nach der andern unter die ihrigen auf ihren Schoos fallen ließ. Sie ſchlang ihre Negerarme um meinen Hals, und waͤhrend der Umar - mung troͤpfelte eine Thraͤne auf meinen lin - ken Backen Bruͤderchen, die brannte! die brannte, daß mir die Waͤrme bis zur Zehe herunter lief; ich ſchwitzte, das Herz klopfte, alle meine fuͤnf Sinne waren in Bewegung, und in meinem Kopfe gieng es ſo verwirrt her, wie in der Welt alles unter und uͤber einander! Ich konnte nicht anders, ich mußte ihr verſprechen, ſie von dem Sklavenhaͤndler zu erretten. Was fuͤr eine Freude, als ſie das hoͤrte! wie unſin - nig ſprang und huͤpfte ſie, und fiel mir um den Hals, um die Kniee, druͤckte mir die Hand, ſtreichelte mir die Backen, daß ichwie23wie ein alberner Toͤlpel da ſtand, unbeweg - lich, und nicht wußte, daß ich ſtand, nicht einmal, daß ich exiſtirte. Des Nachts marſchirten wir aus. Ich wollte ſie, aus Mitleid zu ihren Fuͤſſen, auf die Schultern nehmen: aber ehe ichs konnte, faßte ſie mich in der Mitte, nahm mich auf ihren Ruͤcken und galopierte, wie ein Rennthier, mit mir davon, ſo lange, ohne Aufhoͤren, ſo ſehr ich auch bat auszuruhen, bis ſie mit ihrem africaniſchen Accente rief: Je meurs! und entkraͤftet mit mir in den Sand niederfiel. Kein Tropfen Waſſer, keine menſchliche Huͤlfe, nichts war bey der Hand. Ich aͤng - ſtigte mich, ich lief um ſie herum, ich faßte ihre Hand, ich fuͤhlte an ihr Herz, ob es noch ſchlug, ich bat ſie nur ein Wort zu ſpre - chen: umſonſt ſie ſchlief vor Mattigkeit ein. Schlafe ſanft, ſagte ich, aber erwache mir nur wieder! Ich ſetzte mich neben ſie und faͤchelte ihr das Geſicht. Ja, Maͤd - chen, wenn du mir nicht wieder erwachſt! dachte ich immer; aber ſie ſeufzte, und nun war ich froh; ich faͤchelte bis ſie endlich er - wachte; ſo muͤde ich war, konnte ich doch vor Sorge und Angſt kein Auge zu thun. B 5Hun -24Hungernd und durſtend wanderten wir von neuem durch lange Sandfelder, kamen dem Ufer zufallsweiſe nahe, wollten es nicht wie - der verlaſſen, und verließen es doch wider unſern Willen. Bruͤderchen, nichts war ge - wiſſer als unſer Tod; und mir giengen die Augen ſchon uͤber, wenn ich nur daran dachte, wer wohl zuerſt ſterben wuͤrde: was ſollte aus meiner gutherzigen Zaninny wer - den, wenn ich vor ihr aus dem Leben muͤß - te; und wenn ſie vorangieng daran konnte ich gar nicht denken. Ploͤtzlich, da wir mit der groͤßten Angſt kaͤmpften, kamen wir an Huͤtten: wir waren im Lande der Maladellaſitten. Wir fanden wieder Dat - teln, und ich hielt mit meiner Zaninny die erſte frohe Mahlzeit: wir labten uns, wa - ren zuſammen froͤlich und giengen tiefer ins Land. Auf einer Ebne, die mit gruͤnen ein - zelnen Straͤuchen und Palmbaͤumen beſetzt war, ſaß an einem Fluͤßchen, das ſich viel - faͤltig auf dem Platze herumſchlaͤngelte, ein Kreis von nackten Damen, die auf den kreuz - weis untergeſchlagenen Fuͤſſen mit einer Feier - lichkeit und Ernſthaftigkeit da ſaßen, als wenn ſie uͤber die Staatsangelegenheiten des ma -ladella -25ladellaſittiſchen Reichs rathſchlagten. Ue - ber ihre Schultern hiengen ungeheure Ma - ſchinen von Fleiſche, deren eigentliche Be - ſchaffenheit ich anfaͤnglich nicht zu erklaͤren wußte; allein bey naͤherer Bekanntſchaft fand ich, daß es die Bruͤſte dieſer Damen waren, die hier zu Lande zu einer ſolchen Groͤße anwachſen, daß man ſie uͤber die Schultern wirft: auf welcher Geſtikulation die vornehmſte Grazie der daſigen Frauen - zimmer liegt, weswegen viele, die beſon - ders gefallen wollen, ſich oft ſo kuͤnſtliche Bewegungen zu geben wiſſen, daß jene ſchoͤ - nen Auswuͤchſe von den Achſeln herunter - fallen muͤſſen, worauf man ſie mit einer ſo annehmlichen reizenden Nachlaͤſſigkeit zu - ruͤckwirft, wie mein ehemaliger Superin - tendent die Knoten an ſeiner Alongenperu - cke. Um den Kreis herum huͤpften und ſprangen eine Menge Meerkatzen von einer beſondern Art. Bruͤderchen, die luſtigſten Thierchen, die ich geſehn habe! Sie ſpran - gen den Franenzimmern auf den Ruͤcken, knippen ſie in die Ohren, guckten ihnen durch die Arme, biſſen ſie in die Backen, ſchlugen Burzelbaͤume uͤber ſie weg, ſetztenſich26ſich auf die Schultern und graueten ihnen mit den Tatzen ſehr lieblich die Koͤpfe, kitzelten ſie, balgten ſich mit einander und ſpielten tauſend andre kurzweilige Poſſen, welche von den ern - ſten da ſitzen den Frauenzimmern, die außer dem den Mund zu keinem Worte oͤffneten, mit der luſtigſten Laune belacht wurden. Die drollichten Thierchen hatten von der Natur am Ende des Ruͤckens ein glattes polirtes Horn, wie der Spiegel auf den Ruͤcken ei - nes Hirſchkaͤfers, nur vielmal groͤßer, das voͤllig die Dienſte eines Spiegels verrichtete. Nie war das Geſicht dieſer Damen heitrer und ihre Mine froͤlicher, als wenn jene Luſtigmacher ihnen ihre Spiegel zukehrten, worinne ſie ihre ganze Figur in der ſchoͤn - ſten Miniatur erblickten, ſo verſchoͤnert, daß ich ſelbſt, als ich mich einſt darinne beſah, von meiner Geſtalt begeiſtert wurde, ob ſie gleich in Natur nicht ſonderlich begeiſternd iſt; und die liſtigen Kreaturen ſprangen alle Mal mit einer ſolchen Wendung, daß eine aus dem Kreiſe ihr liebes Ich in dem Spie - gel zu ihrer großen Herzensfreude erblickte, worauf derjenige, der ihr dieſe Luſt gemacht hatte, einen ſanften Schlag mit ihrer rech -ten27ten Bruſt empfieng, um ſie alsdann mit ei - ner zierlichen Grazie wieder uͤber die Achſeln werfen zu koͤnnen. Da war noch nicht Be - wundernswuͤrdiges genug. Ein Theil von dieſen Meerkatzen bediente die Nymphen ſo ordentlich und regelmaͤßig, als vernuͤnftige Menſchen nur haͤtten thun koͤnnen. Sie reichten ihnen in Cocosſchalen Erfriſchungen, ſie vertrieben die Fliegen von ihren Schoͤn - heiten, die vom Kopfe bis auf die Fuͤße mit einem roͤthlichen Safte uͤbertuͤncht waren, ſie dienten ſtatt der Pferde, wenn ſie von einem Orte zum andern wollten, und wenn ſie weiter nichts thaten, giengen ſie wenig - ſtens auf den zween Hinterfuͤſſen neben ih - nen mit ſehr niedlichen Grimaſſen her. Ich wollte mich nicht vor dieſer Geſellſchaft voruͤber wagen, und gleichwohl konnten wir doch keinen Umweg nehmen, um ſie zu ver - meiden. Endlich faßte ich meine Zaninny bey der Hand und gieng mit ihr auf ſie zu. Man ſah uns an, lachte und ſchwieg. Die Meerkatzen bedienten uns mit Cocusſafte, und wir ließen uns hinter dem Kreiſe, ein jedes auf ſeine gewoͤhnliche Art zu ſitzen, nie - der. Nicht lange waͤhrte es, als die Meer -katzen28katzen ihr Spiel um meine Zaninny trieben; ſie kehrten ihr den Spiegel ſo oft und ſo vielfaͤltig zu, daß das Maͤdchen mit ihrem ganzen Geſichte in Freundlichkeit und Wohl - gefallen zu zerfließen ſchien. Was iſt Dir denn, Zaninny? fragte ich etliche Mal und ſchuͤttelte ſie bey der Hand, als wenn ich ſie aus dem Traume erwecken wollte, in welchem ſie verſenkt ſchien. Ich fragte noch einmal, und Bruͤderchen! ploͤzlich ſezte ſie ſich auf eine Meerkatze und trabte davon. Ich gerieth vor Schmerz und Schrecken außer mir; ich lief ihr nach, ich rufte: um - ſonſt! ſie galopirte friſch hinweg und war mir in kurzer Zeit ganz aus den Augen. Ich wußte nicht, ob ich uͤber ſie weinen oder zuͤrnen ſollte. Ich wollte vor Unwillen allen Meerkatzen ihre verdammten Spiegel ausrei - ßen, die doch einzig daran ſchuld waren; ich ſeufzte und ſchmaͤhte, ich aͤchzte und tobte, warf mich auf den Boden und machte mei - ner Beklemmung durch einen Strom von Thraͤnen Luft. Indem ich, vertieft in mei - nen Schmerz, dort liege, und die Augen aufſchlage Bruͤderchen, ſo hat mich die ganze Geſellſchaft umringt, und lacht! und29und lacht! daß einer jeden zwo Meerkatzen die Huͤften halten mußten. Ich lachte mit: Du weißt, Bruͤderchen, ein ſroͤliches Geſicht macht das meinige gleich zu ſeinem Gefaͤhr - ten: ich mußte lachen, ob ich gleich vor Schmerz halb verruͤckt war. Denkſt Du wohl, Bruͤderchen? das brachte mich in ihre Gunſt. Ich mußte in der Mitte ſitzen bleiben: die Meerkatzen lagerten ſich hinter den Damen, und dieſe lachten uͤber jede Bewegung, jede Mine, die ich machte, uͤber meine Art zu ſitzen, und machten ſich uͤberhaupt auf meine Unkoſten ſo luſtig, tur - lepinirten mich bisweilen, um das Gelaͤch - ter zu ſchaͤrfen, ſtießen, warfen mich, ließen ihre Meerkatzen auf mir herumſpringen, um uͤber mich zu ſpotten, wenn mir eine einen loſen Streich ſpielte: kurz, ich ſchien mir in meinen Augen eine erbarmenswuͤrdige Figur, weil ich eine laͤcherliche abgeben mußte.

Ja, Freund, unterbrach ihn Belphegor, Du haſt Recht. Aber welch ein trauriger Beweis von der Neigung des Menſchen zum Unterdruͤcken! Fromal, wenn Du es hoͤrteſt, wuͤrdeſt Du nicht ſagen? wo der Menſchnicht30nicht mit ehernen Waffen, nicht in der That unterdruͤckt, da thut er es mit der Lunge, in der Einbildung, durch die Vorſtellung ſich ſo lange andre unter ſich zu denken, als er uͤber ſie lacht. Menſch! Menſch!

Ach, Bruͤderchen, die Erniedrigung war mein Gluͤck auf einige Zeit

Belph. Daran zweifle ich gar nicht Weißt du noch, was du mir einſt ſagteſt? Gegen Kreaturen unter ſich iſt der Menſch guͤtig, gerecht, mitleidig, wenn ſein Vortheil nicht in den Weg tritt, nur uͤber und neben ſich iſt ihm alles verhaßt.

Medardus uͤbergieng dieſe Erinnerung mit einem erroͤthenden Stillſchweigen und fuhr in ſeiner Erzaͤhlung mit dem Tone fort, wie ein Menſch, der ſich bey einer Satyre getroffen fuͤhlt. Ja, Bruͤderchen, ſie war mein Gluͤck, ſagte er. Sie luden mich durch ihre Winke ein, ihnen zu folgen; weil ich fuͤr meinen Appetit dabey zu gewinnen hofte, nahm ich die Einladung ohne Beden - ken an: die ganze Geſellſchaft ritt mit ſittſa - men Ernſte auf ihren großen Meerkatzen fort, und ich hatte die Ehre ihnen zu Fuſſe nach - zuſpatzieren.

Nach31

Nach unſrer Ankunft in eine Huͤtte von Baumaͤſten wurde die Tafel von Meerkatzen beſetzt, die in dieſer Gegend alle haͤusliche und galante Verrichtungen unter Haͤnden haben, und ſehr fruͤhzeitig dazu abgerichtet werden. Sie lernen ihre Wiſſenſchaften ſo ſchnell, daß in einem Jahre eine Meerkatze den hoͤchſten Grad ihrer Vollkommenheit er - reicht. Siehſt Du, Bruͤderchen? es wurde viel aufgetragen, von wenigem gegeſſen, und nichts fuͤllte uur eine Viertelelle Hunger in meinem Magen aus. Man ſpielte nur mit dem Eſſen; und ich hatte Luſt, im voͤlli - gen Ernſte damit zu verfahren. Man lach - te abermals uͤber mich; und da man ſich uͤberdruͤßig gelacht hatte, ſahe man mich mit keinem Blicke mehr an. Ich wurde aus der Huͤtte verwieſen, mußte eine ziemliche Strecke von dem Schlafgemache meiner Goͤnnerinnen in einer kleinen Kabane ſchla - fen und mich mit Seilen von Baſt feſt an - binden laſſen; vermuthlich damit ſie ungeſtoͤrt[u] nd ſicher fuͤr meinen naͤchtlichen Ueberfaͤllen ſchlafen koͤnnen, dachte ich: aber es mußte wohl nur eine Cerimonie ſeyn; denn mit jeder Viertelſtunde bekam ich vonCeiner32einer meiner uͤberfirnißten Damen einen Be - ſuch, der mich keine Minute ruhig ſchlum - mern ließ, ſo ſehr meine ermuͤdeten Lebens - geiſter der Erhohlung bedurften. Ich ward ungeduldig, riß mich von meinen Banden los, ergriff die Muthwillige, die mich eben beunruhigte, um ſie aus meinem Schlafge - mache hinauszuwerfen: ſie ſchrie Gewalt, und aus ihren aͤngſtlichen Geberden konnte ich ſchließen, daß ſie ihren herbeyeilenden Schweſtern meine That als einen Anfall auf ihre Tugend abmalen mochte, ob ſie gleich vorher mehrere auf die meinige gethan hatte. Sie ſchrieen, laͤrmten und tobten alle, ſtei - nigten mich, hezten ein ganzes Regiment Meerkatzen auf mich los, die mich mit ihren Tatzen elendiglich zerkratzten. Ich ertrug mein Schickſal mit Geduld; aber den Tag darauf wurde ich ausgelacht! Bruͤderchen, ausgelacht, bis zur aͤrgſten Beſchaͤmung! Ich forſchte nach meiner Zaninny, ich lief allenthalben herum, ſie aufzuſuchen; ich fand ſie nirgends: ich war untroͤſtlich, doch wurde ich bald durch ein laͤcherliches Schau - ſpiel wieder aufgemuntert. Die Meerkatzen haben das feinſte Gefuͤhl der Ehre: Neidund33und Vorzugsſucht beherrſchen ſie ganz. Tages vorher hatte einer das Gluͤck gehabt, daß uͤber ſeine Kapriolen der Zirkel am lau - teſten und haͤufigſten gelacht hatte: alle uͤbrigen wurden neidiſch und verſengten ihm mit einem Feuerbrande im Schlafe ſei - nen Spiegel auf dem Ruͤcken: weil er aus einer harten fuͤhlloſen Haut beſteht, ſo wird er es nicht eher inne, bis der Brand die Hinterkeulen ſchon zu verwuͤſten anfaͤngt. Das arme Geſchoͤpf hinkte traurig herum und mußte mit ſeinen Schmerzen der Geſell - ſchaft oben drein zur Kurzweile dienen, die ſich in ein ausgeſchuͤttetes Gelaͤchter uͤber ſeinen Zuſtand ergoß, das zunahm, je mehr ſeine Kameraden ihn neckten und quaͤlten. Die ganze Erklaͤrung des Vorfalles theilte mir eine von den rothen Nymphen durch ihre kuͤnſtliche Geberdenſprache mit: denn ſie waren insgeſamt geborne Pantomimen - ſpielerinnen und ſprachen deswegen ſelten anders als durch Minen und Geſtikulationen. Durch eben dieſen Weg erhielt ich auch die Eroͤffnung, daß in dieſem Diſtrikte nichts als lauter Frauenzimmer mit ihren bedienenden und zeitverkuͤrzenden Meerkatzen wohnten,C 2und34und daß ſie bey andern Beduͤrfniſſen der Natur ihre Maͤnner aus einem nahgelegnen Gebirge zu ſich beriefen, die dort das Land fuͤr ihren beyderſeitigen Unterhalt bauen und Schminke fuͤr die Koͤrper ihrer Damen ſammeln mußten. Lange konnte ich in dem Lande nicht mehr ausdauern; unter lauter Meerkatzen bekoͤmmt man leicht Langeweile; auch ich wurde den ſchoͤnen Bewohnerin - nen des Landes beſchwerlich, weil ihnen alles ſo alltaͤglich an mir geworden war, daß ſie nicht mehr uͤber mich lachen konnten. Der ganze Himmelsſtrich war mir verhaßt, weil er meine geliebte Zaninny ohne mich beſaß: ich nahm meinen Abſchied, und diejenige Dame, die ich in der erſten Nacht zu einem keuſchen Geſchrey genoͤthigt hatte, und die mir ſeitdem gewogner als alle andre war, gab mir mit dem langen Nagel ihres Dau - mens, die ſie dort zu der anſehnlichſten Groͤße anwachſen laſſen, zum Andenken ihrer Ge - wogenheit einen Schnitt auf den rechten Backen, wovon du noch bis itzt die Narbe ſiehſt. Alle Mannsperſonen mußten ſich in dieſer weiblichen Republik mit einem ſolchen Schnitte zeichnen laſſen, zum Beweiſe, daßſie35ſie diejenige Schoͤne, von welcher ſie ihn em - pfiengen, als Sklaven unter ſich gebracht hat; und wenn man der Meerkatzen uͤber - druͤßig iſt, ſo iſt es die einzige Zeitverkuͤr - zung unter ihnen, einander die Schnitte vorzuzaͤhlen, mit welchen eine jede ihre ver - meinten Sklaven gebrandmahlt hat. Ich begab mich auf den Weg und wandelte langſam mit trauriger Beklemmung von dem Orte, wo ich meine beſte Zaninny zuruͤckließ. Doch, dachte ich, wer weiß, wozu dies gut iſt, daß du ſie verlieren muß - teſt? Vielleicht ach, wer kann ſich alles Boͤſe denken, dem ich dadurch entkommen bin, und alles Gute, das ich moͤglicher Weiſe dadurch erlangen kann? Wer weiß, wozu es gut iſt? Mit dieſem Gedanken beruhigte ich mich auf meinem Marſche und kam mit ihnen zu den Emunkis, einem elenden Volke, das unter dem abſcheulich - ſten Regimente lebte. Ihr Herr war der geilſte, geizigſte, grauſamſte Tyrann der Erde. Meine Ankunft fiel auf einen Tag, wo alles in der groͤßten Feierlichkeit war. Der neue Deſpot hatte den Thron beſtiegen und nach dem daſigen Staatsrechte ſeinen uͤbrigen zweyC 3und36und ſiebzig Bruͤdern goldne Stricke zugeſchickt, an welchen ſich ein jeder mit eigner Hand aufhaͤngen mußte: das ganze Volk lief einer Gallerie zu, wo ſie alle nach der Rang - ordnung des Alters an ihren goldnen Stri - cken ſchwebten, und der tumme Poͤbel fro - lockte uͤber dieſe erſten Opfer, die der Deſpot ſeiner Tyranncy gebracht hatte. Ich habe mich lange Zeit an ſeinem Hofe aufgehalten, und ihm muß ich mein Koͤnigreich Nie - meamaye verdanken. Medardus ſeufzte ein wenig bey dieſer Stelle und fuhr ſogleich wieder fort. Der dicke Goͤtze ſaß unauf - hoͤrlich in einer dichten Wolke von Wohlge - ruͤchen, die ihm alle Sinne ſo ſehr benebel - ten, daß er nie zu ſich ſelbſt kam: unauf - hoͤrlich mußte ein Haufen Gold und eine von ſeinen Weibern zu ſeinen Fuͤßen liegen. Seine Leibwache beſtand bloß aus Weibern, die nie eine maͤnnliche Seele zu ihm ließen: die hoͤchſten Stellen des Landes waren zwar mit Maͤnnern beſetzt, allein die oberſten Be - fehlshaberinnen der Leibwache hatten in allen Rathsverſammlungen die ausſchlagen - den Stimmen, und jene mußten nur vor - tragen und vollſtrecken, was dieſe geboten. Alle37Alle Maͤdchen von den erſten Augenblicken des Lebens waren im ganzen Reiche ſeine Leibeignen: die Vornehmern und Reichern hatten ſich des Rechts bemaͤchtigt, ſeine Leibwache auszumachen, und die Gemeinen oder Armen wurden in ſein Serail nach dem Maaße ihrer Schoͤnheit gewaͤhlt, und die Haͤßlichen im Namen des Koͤnigs an die Liebhaber oͤffentlich verkauft. Der Deſpot hatte eine ſo unſinnige Liebe zum Golde, daß er nicht ſchlafen konnte, wenn nicht einige Haufen neben ſeinem Lager aufgeſchuͤt - tet lagen.

Alſo war er dein Lehrmeiſter? unterbrach ihn Belphegor etwas bitter.

Der gute Medardus erſchrak: er wollte ſeine Erzaͤhlung fortſetzen, und die Bitterkeit der Frage nicht zu fuͤhlen ſcheinen; allein Belphegor faßte ihn ſtaͤrker und ließ ihn nicht durchwiſchen. Er malte ihm mit den friſcheſten Pinſelzuͤgen, doch mit etwas Galle vermiſcht, den Neid und die Unter - druͤckung vor, die er, als der ſonſt treuher - zige wohldenkende Medardus, als Beherr - ſcher von Niemeamaye gegen ſeine Nach - barn und Unterthanen ausgeuͤbt hatte. C 4Dem38Dem Monarchen wurde bange; er raͤuſperte ſich, er ruͤckte ſich auf ſeinem Sitze hin und wieder, er wußte nicht, ob und was er reden ſollte, bald ſchien er ſich entſchuldigen, bald anklagen zu wollen, waͤhrend deſſen ſein Moraliſt unaufhoͤrlich fortfuhr, mit aller Staͤrke ſeiner Beredſamkeit ſein eingeſchlaͤ - fertes gutes Herz aufzuwecken. Bruͤder - chen, ſprach er endlich, ich bitte Dich, ſchweig! Du machſt mir ſo baͤnglich ums Herze, daß ich heute noch lieber zu einem Glaſe friſchen Apfelwein mit Dir zuruͤckgehn, als hier eine Minute laͤnger befehlen moͤchte. Du uͤbertreibſt!

Nicht Einen Strich in dem Gemaͤlde uͤbertreibe ich, antwortete Belphegor, und ließ den Strom ſeiner Geſezpredigt von neuem hervorbrechen.

Was biſt Du denn beſſer? ſchloß Belphe - gor; worinne beſſer als der wilde Deſpot, an deſſen Hofe du deinen Geiz lernteſt? Weniger grauſam, aber der naͤmliche Un - terdruͤcker.

Sein Freund fiel ihm um den Hals, erbot ſich alles geſammelte Gold unter ſeine Nachbarn auszutheilen, allen ſeinen Skla -ven39ven das Ihrige wieder zu erſtatten, wie der geringſte unter ihnen zu leben, ſeine ganze Macht niederzulegen, mit ihm zu einem Kruge Apfelwein zuruͤckzuwandern und ſo viel Gutes zu thun, als er koͤnnte. Bel - phegor war mit ſeiner Reue zufrieden und fragte ihn, um ihre Aufrichtigkeit zu verſu - chen, welchen Tag er alle dieſe Verſprechun - gen erfuͤllen wuͤrde. Er ſtuzte ein wenig uͤber die Frage, doch ſetzte er lebhaft hinzu: Morgendes Tages! Belphegor nahm ſeine Hand darauf an und brach die Materie ab, doch ſein Freund kehrte oft zu ihr wieder zuruͤck. Bruͤderchen, ſagte er, es iſt ein verzweifelt ſchweres Ding, allein Herr von ſeinem Willen zu ſeyn und lauter Gutes zu thun. Sonſt, wenn ich einem armen dur - ſtigen Manne einen Trunk Apfelwein reichte, wuͤnſchte ich immer: o wer dich doch auf einen Thron ſetzte, daß du die Leute gluͤckli - cher machen koͤnnteſt! Jaͤmmerlich iſt doch die Armuth, daß man nicht mehr fuͤr den armen Nebenmenſchen thun kann, als ihm hoͤchſtens auf ein Paar Minuten den Durſt loͤſchen oder den Hunger ſtillen! wenn ich reich, wenn ich maͤchtig waͤre keinC 5Menſch40Menſch auf Gottes Erdboden, ſo weit nur mein Auge reichte, ſollte mir Zeitlebens hun - gern oder durſten. Bruͤderchen, ich hab es erfahren. Ich habe ſonſt mit meinem Kruge Apfelwein Mehrern Gutes gethan, als itzt mit meinem Golde. Das boͤſe Men - ſchenherz! Fromal ſagte mir wohl, ich ſollte nicht ſchwoͤren, ich wuͤrde einen Meineid begehn; ich habe ihn begangen. Aber, Bruͤderchen, nicht ein Troͤpfchen Menſchen - blut klebt an meinem Gewiſſen. Siehſt Du? ich fand an dem gelben Unrathe ſo vie - len Gefallen, ich wollte gern viel und immer mehr haben, ich nahm es, wo es zu bekom - men war: ich habe doch wenigſtens nie - manden Leides gethan. Wenn man ſo bloß ſich ſelbſt, ſeine Begierden und ſeine Macht zu Rathe zu ziehn braucht, da laͤßt man leicht die Zuͤgel ſchießen: doch Du, Belphe - gor, Du ſollſt in Zukunft mein einziger Rath - geber ſeyn.

Belphegor fand bey dieſer Erklaͤrung fuͤr ſeine moraliſirende Laune eine herrliche Aus - ſicht und nahm deswegen den Vorſchlag zur Mitregentſchaft mit Freuden an; und ſeitdieſem41dieſem Augenblicke theilten ſie Macht und Anſehn mit einander.

Den erſten und zweyten Tag that Belphe - gor ernſtliche Erinnerungen wegen der ver - ſprochnen Wiedererſtattung, und es fauden ſich tauſend Entſchuldigungen und Verhin - derungen: Belphegor drang alsdann weni - ger ernſtlich, ſeltner und endlich gar nicht mehr darauf; tadelte alle getroffne Anſtalten als unbillig, unfreundlich, unterdruͤckend, und behielt ſie bey: es blieb alles, wie es war, und ſtatt daß ſonſt alles Gold aufge - haͤuft wurde, ließ er etwas mehr von den geſammelten Schaͤtzen in den Umlauf kom - men, damit das Volk wieder die Ingredien - zen zu zwo Mahlzeiten kaufen konnte. Unter ſeinen Leidenſchaften war die Liebe zum Golde ſchwaͤcher als bey ſeinem Mitre - genten: er war freygebig und ermahnte auch dieſen es zu ſeyn: aber deſto heftiger war ſein Ehrgeiz: allmaͤhlich vermehrte er die Ehrenbezeugungen, die er von ſeinem Volke foderte, und wenn er nicht reich zu ſeyn wuͤnſchte, ſo wollte er angebetet ſeyn, ohne zu fuͤhlen, daß es auch eine Unter - druͤckung giebt, die dem Menſchen ſeineWuͤrde42Wuͤrde nimmt und ihn zum kriechenden Sklaven macht. Genug, der weiſe Mora - liſt wurde zum Unterdruͤcker, haßte und liebte die Menſchen nach ihrer groͤßern oder geringern Kunſt zu ſchmeicheln und ſich zu demuͤthigen, der Kriechendſte, der Hinge - worfenſte war ihm der Beſte, und man mußte kriechen oder leiden eine Alterna - tive, die dem voͤlligen Zwange gleich iſt!

Inzwiſchen waren die benachbarten E - munkis von ihrer Sklaverey ſo uͤbermaͤßig niedergedruͤckt worden, daß ihr betaͤubtes Gefuͤhl rege wurde; ſie empfanden, daß ſie Menſchen waren, ſtuͤrzten ihren Tyrannen von dem Throne, ermordeten die Leibwache, die bisher den Meiſter geſpielt hatte, wie vorhin der Koͤnig von Niemeamaye er - zaͤhlte, und da Faktionen unter ihnen ent - ſtunden, vertrieb eine die andre, welche itzt mit dem wuͤtendſten Ungeſtuͤme in das Reich einbrachen, deſſen Herrſchaft Belphegor und Medardus theilten. Der Sturm drang mit einer unglaublichen Schnelligkeit bis zur Hauptſtadt, alles gerieth in Verwirrung und Unordnung, man ſetzte ſich zur Gegen - wehr, und niemand wußte, warum manange -43angegriffen wurde. Die beyden Regenten, die nicht ſonderlich kriegeriſchen Muth be - ſaßen, hielten es fuͤr das heilſamſte, ſich mit der Flucht dem Ungewitter zu entziehn. Belphegor verſorgte alle Taſchen von dem aufgehaͤuften Golde und entkam gluͤcklich: doch Medardus, der ſich zu reichlich damit verſehen wollte, zauderte ſo lange bis die Burg umringt wurde, die die aufgebrach - ten Vertriebnen einnahmen, pluͤnderten und anſteckten.

Belphegor entkam wohl, aber der Sturm folgte ihm nach. Seine vorigen Untertha - nen, die Niemeamayen, waren von den Emunkis vertrieben, jene brauchten einen andern Platz, ſie vertrieben die naͤchſten Voͤl - ker, deren ſie maͤchtig werden konnten, und man vertrieb und ward vertrieben, ſo lange bis zwey Voͤlker vernuͤnftig genug waren, ſich unter Einem Himmel neben einander in Friede zu vertragen.

Von dem Tumulte wurde Belphegor mit fortgeriſſen, machte ſich aber gluͤcklich davon loß, und nahm ſeinen Weg allein nach Aegyp - ten, wo er bey einem europaͤiſchen Kauf - manne ſein rohes Gold in Geld umſetzte undſich44ſich ſehr in ſeine Gunſt empfahl, weil er ſich nach ſeinem Verlangen nur die Haͤlfte des Werthes dafuͤr bezahlen ließ. Er verſprach ihm fuͤr hoͤfliche Worte und einen maͤßigen Vortheil ſeinen Schutz und ſeine Geſellſchaft, in welcher er nach Aſien uͤbergieng. Weil der Werth ſeines Goldes nicht lange mehr aushalten zu wollen ſchien, ſo bot er ſeinem Beſchuͤtzer ſeine Dienſte an, der ſie nicht ausſchlug und ihm in kurzer Zeit einen Auf - trag nach Perſien gab, wo er gewiſſe Hand - lungsgeſchaͤfte fuͤr ihn beſorgen ſollte.

Seine Reiſe gieng gluͤcklich und ohne wi - drige Zufaͤlle von ſtatten bis zu ſeiner Annaͤ - herung an die perſiſchen Graͤnzen. Bey der Geſellſchaft, mit welcher er reiſte, befanden ſich einige Aliden,*)Eine von den mahomedaniſchen Sekten. die zu jeder Zeit des Tags, wenn es die Geſetze ihrer Religion foderten, ſeitwaͤrts giengen, um ihr Gebet einſam zu verrichten. Belphegor ward von der Innbrunſt, mit welcher er ſie es ver - richten ſah, wenn er ſie belauſchte, ſo ent - zuͤckt, daß er nur eine Ueberredung und ein Meſſer brauchte, um ſich auf der Stelle be -ſchneiden45ſchneiden zu laſſen und ein Juͤnger des Ma - homed und Ali zu werden. Er gewann die Leute lieb, unterredete ſich oft mit ihnen uͤber ihren Glauben und bewies ihnen ſehr viel Guͤte, welche ſie ihm reichlich erwieder - ten. Die Freundſchaft war geknuͤpſt, und er erſuchte ſie ſogar, ihn einen Zeugen ihres Gebets ſeyn zu laſſen, welches ſie ihm be - willigten: doch bediente er ſich dieſer Er - laubniß mit vieler Beſcheidenheit, und nie gebrauchte er ſie, ohne daß das Feuer ihrer Andacht ihn zu einem Kniefalle und zur Verei - nigung ſeiner Innbrunſt mit der ihrigen hin - riß. Aber warum nennt man nur dieſe Leute Unglaͤubige? dachte er oft bey ſich ſelbſt; ſie, die mit den feurigſten Regungen Gott verehren, deren ein Chriſt nicht faͤhiger ſeyn kann? Kann ein Herz, das zu einer ſo ruͤhrenden Erhebung von ſeinem Schoͤpfer begeiſtert wird, das Herz eines Unglaͤubigen ſeyn? Mag er doch den Mahomed, den Ali oder Abubecker fuͤr große Menſchen halten, mag er ſich doch ein Stuͤckchen von ſeinem Fleiſche verſchneiden laſſen, mag er doch nach Mekka oder nach Bagdad ſein Ge - ſicht bey dem Gebete kehren: wenn ſein Herznur46nur zu Gott gekehrt iſt, gilt jenes nicht alles gleich? O daß doch die Menſchen keine Gelegenheit entwiſchen ließen, ſich zu ent - zweyen, ſich zu trennen, ſich zu haſſen, zu verfolgen, ſich zu ſchlagen, wuͤrgen, morden! Ja, Fromal, Recht hatteſt du: die Menſchen vereinigten ſich, um ſich zu tren - nen. Konnten ſie nicht alle in ſtiller Ein - tracht auf dieſem weiten Erdenkreiſe ſich nie - derwerfen und das ewige Weſen mit der vollen ſtarken Empfindung anbeten, die es verdient? Konnten ſie die Welt nicht einen allgemeinen friedſamen Tempel ſeyn laſſen, wo Millionen Menſchen, Nationen und Voͤl - ker in unuͤberſehlicher Weite mit vereintem Gefuͤhle ihren Dank zu dem Allguͤtigen em - porſandten, der ſie faͤhig machte, ihm zu danken? Konnte es nicht dem einen gleich - guͤltig ſeyn, ob ſein Nachbar das Geſicht nach Oſten oder Weſten kehrte, ob er ſich im Staube waͤlzte oder auf den Knieen lag, ſich dabey die Haut blutig rizte oder das ſchoͤnſte Feſtkleid anzog, die Haͤnde erhub oder ſenkte, ein flammendes Opfer zu ſeiner Andacht hinzuthat, oder ſein Herz nur flam - men ließ? Und ſollte es nicht vielleicht demSchoͤpfer47Schoͤpfer und alſo auch dem Menſchen gleich - guͤltig ſeyn muͤſſen, ob der Hoͤchſte, der Groͤßte, deſſen Begriff unſer Gedanke doch niemals umfaßt, in dem Wurme, dem Stier, der rohen Misgeburt, der ungebil - deten Phantaſie, im Stein, Holze, Metall oder in der bloßen Idee, als Tien, Jeho - vah, Jupiter angebetet wird? Sollte dies nicht vielleicht ſeyn? Wenn ſo viele Tau - ſende durch einen unvermeidlichen Zuſam - menhang von Urſachen unter die Stufe der Erleuchtung, der Aufklaͤrung des Verſtan - des hinabgeſtoßen werden, ſollte der Ewige ihre Empfindung verſchmaͤhen, die ſie ihm in einem Bilde opfern, das ihre ſchwache Vernunft und wilde Phantaſie nicht anders zu ſchaffen vermochten? Sollte er ſie darum verſchmaͤhn, weil er ſie durch eine Reihe von Begebenheiten zu tumm bleiben oder werden ließ, um ſich zu den Begriffen eines chriſtlichen Philoſophen zu erheben? Im Grunde, bey genauerer Unterſu - chung war es nicht der Peruaner aus eigner Wahl, der ſeinen Schoͤpfer in der Sonne fand und das Blut ſeiner eignen Kinder zu ihr empor dampfen ließ, nicht der Mexikaner,Dder48der ſich an dem geopferten Fleiſche ſeiner Feinde labte nein, eine lange Reihe von nicht ſelbſt gewaͤhlten Urſachen ga - ben den Erkenntuißkraͤften dieſer Voͤlker eine ſolche Wendung, drangen ihnen ſolche Ideen in einem ſolchen Lichte auf, daß ſie ſich ih - ren Gott ſo und nicht anders, ſeine Vereh - rung ſo und nicht anders denken konnten: ihre Begriffe vom Guten und Boͤſen, von Recht und Billigkeit bildete das Schickſal, nicht ſie. Sie deswegen ſtrafen, weil ihr Geiſt zu ſchwach war, ſich durch aufge - drungne Irrthuͤmer hindurchzuarbeiten, hieße das nicht einen Menſchen mit Stricken und Feſſeln allmaͤhlich auf den Boden niederziehn und ihn zuͤchtigen, daß er nicht gerade ſteht? Hieße das nicht einen Bucklichen peitſchen, weil er ſeine verwachſne Bruſt nicht gerade ausdehnt? Und gleichwohl unterſtan - den ſich es Sterbliche, dem Richter der Welt dies Verfahren zuzuſchreiben, ja ſogar es an der Stelle des Richters der Welt zu thun! Gewiß, die Menſchen ſammelten ſich, um ſich zu trennen, um zu kriegen, und weil es ihrem Neide und ihrer Vorzugsſucht an hinlaͤnglichen Platze fehlte, ſo peitſchenſie49ſie ſich auch herum, weil der Zufall in dem Kopfe des einen die Ideen anders geordnet hatte, als in dem Gehirne des andern: o Unſinn! und oft zankte man ſich oben drein nur deswegen, weil der eine etwas weniger einfaͤltiges glaubte als der andre. Eine Sekte, wo die dogmatiſche Sucht kein Herze nagt und ſeinen Leidenſchaften zum Lanzen - traͤger dient wo iſt eine ſolche, ſie iſt mir willkommen! ſie iſt mir die beſte! Freund, rief er dem Aliden zu, der ſich eben naͤherte, Freund! wenn alle Juͤnger des Ali mit ſolcher Inbrunſt beten wie Du, ſo wer - de ich noch heute ihr Bruder! Wenn ſie ſich ſelbſt ſo lieben, wie ihren Gott, ſo ſchneide mir ein Stuͤck Haut ab, ritze mir die Ba - cken, bade mich, oder mache eine Cerimo - nie, wie du willſt, um mich zu deiner Sekte einzuweihen, oder mich zu zeichnen, daß ich zu ihr gehoͤre! genug, ich will der Genoſſe deines Bekenntniſſes ſeyn und unter Menſchen leben, die ſich weniger haſſen als andre: denn daß ſie ſich mehr lieben ſoll - ten, das fodre ich von Menſchen nicht.

Der Alide erſtaunte uͤber den Eifer, mit welchem er dieſe Anrede hielt, und war imD 2Begriffe,50Begriffe, ihm ſeine Freude daruͤber auszu - druͤcken, als eine Stimme aus dem Geſtraͤu - che hervorbruͤllte: Du Verworfner, der du die heilige Sonna*)Bey den Mahometanern dasjenige, was bey den Katholiken die Tradition iſt. verachteſt, und den triegeriſchen Ali uͤber den erhabnen Abube - cker ſetzeſt, ſtirb von meinen Haͤnden, Un - glaͤubiger! Sogleich durchrennte ein her - vorſtuͤrzender Mann ſchaͤumend mit einem Spieße den betaͤubten erſchrocknen Aliden, daß er leblos auf den Fleck niederſank, den kurz vorher ſein Knie in dem Feuer ſeines Gebetes gedruͤckt hatte. Blut! ſetzte der Moͤrder hinzu, gottloſes Blut! fließe zur Ehre des großen Propheten und ſeiner recht - maͤßigen Nachfolger!

Belphegor war von Schrecken und Er - ſtaunen einige Zeit uͤberwaͤltigt, doch bald kehrte ſein Muth und ſeine Faſſung zuruͤck, und er ſprang auf, den Tod ſeines Gefehr - ten zu raͤchen: allein er war ohne Waffen, und ſein Gegner verwundete ihn mit der naͤm - lichen Wuth, womit er jenen durchbohrt hatte; doch nicht toͤdtlich. Als Belphegorvon51von dem Stoße niedergeſtuͤrzt war und in der Ohnmacht von dem Sonniten fuͤr todt gehalten wurde, ſo begab ſich dieſer hinweg, nachdem er vorher in einem lauten Gebete dem großen Propheten und ſeinem Nachfol - ger Abubecker zu Gemuͤthe fuͤhrte, was fuͤr eine wichtige Verbindlichkeit er ihnen durch die Ermordung dieſer beiden Unglaͤubigen auferlegt, und was fuͤr einen vorzuͤglichen Anſpruch er ſich auf die ſchoͤnſte Huri des Paradieſes erworben habe. Sein Reli - gionseifer war geſaͤttigt, und nach einer ſo verdienſtlichen Handlung gieng er an ſeine Berufsarbeit zuruͤck und pluͤnderte mit ſeinen Geſellen die Karavane, zu welcher Belphe - gor gehoͤrte: denn er war ein Raͤuber vom Handwerke.

Belphegor lag ohne Beſonnenheit in ſei - nem Blute und erwachte nur, um ſeine Ent - kraͤftung zu fuͤhlen: er ſah ſich um, er rief, ſo ſtark er vermochte; alle menſchliche Huͤlfe war von ihm fern. In einem ſo troſtloſen Zuſtande war Geduld das einzige Uebrige, ihm die Erſchoͤpfung ſeiner Lebensgeiſter zu erleichtern; Er war vor Mattigkeit in einen Schlummer verfallen, aus welchem ihn derD 3Ruf52Ruf einer Stimme erweckte. Er ſchlug die Augen auf und wurde einen Mann gewahr, der ihn arabiſch anredete. So wenig er auch von der Sprache wußte, ſo konnte er doch ſeine Begebenheit und ſein Verlangen nach Huͤlfe darinne ausdruͤcken. Der Ara - ber machte ſogleich die großmuͤthige Anſtalt ihn fortzuſchaffen, und ließ ihn auf ein Ka - meel laden, daß er kurz vorher nebſt etlichen andern einer reiſenden Karavane abgenom - men hatte, wobey er ſeinen Leuten den Be - fehl gab, den Verwundeten in ſein Schloß zu bringen und bis zu ſeiner Ankunft gehoͤ - rig zu pflegen. Der Mitleidige war, wie man leicht merkt, gleichfalls ein Raͤuber von Profeſſion, kam in einigen Wochen auf ſein Schloß zuruͤck und fand Belphegorn von ſeinen Wunden geheilt. Er war ſo edelmuͤthig, jeden Dank von ſich abzuleh - nen, und bot ihm Wohnung und Tafel auf ſo lange Zeit an, als ihm beliebte. Bel - phegor wurde von Dankbarkeit uͤber eine ſolche Begegnung um ſo viel lebhafter ge - ruͤhrt, weil die uͤble Behandlung, die er bisher von den Menſchen in verſchiedenen Welttheilen erdulden mußte, das menſchli -che53che Geſchlecht in ſeinen Augen ſo erniedrigt hatte, daß er eine ſolche Denkungsart von einem Mitgliede deſſelben gar nicht mehr er - wartete. Der Raͤuber ſchenkte ihm eins von den ſchoͤnen Kleidern, die er mit ſeiner lezten Beute erobert hatte, gab ihm verſchie - dene andre Koſtbarkeiten und ließ ihm nicht die mindeſte Bequemlichkeit mangeln.

Belphegor wurde durch dieſen freygebi - gen Raͤuber mit dem Menſchen um vieles wieder ausgeſoͤhnt: nur blieb es ihm ein unaufloͤsliches Raͤzel, das oft ſein Nachſin - nen deſchaͤftigte, wie man ſo vortreflich und ſo ſchlecht zu gleicher Zeit handeln, zu glei - cher Zeit ſo gutdenkend und ein Raͤuber ſeyn koͤnne. Da er keine befriedigende Erklaͤ - rung dieſes Phaͤnomens zu finden im Stan - de war, ſo wandte er ſich an ſeinen Wohl - thaͤter ſelbſt und legte ihm die große Frage vor, deren Beantwortung ihm ſo ſchwer fiel. Der Araber war ungemein erſtaunt, daß er ſo fragen konnte, und verſicherte, daß er nicht begreife, warum jene beiden Dinge nicht beyſammen ſeyn ſollten, da das eine ſowohl wie das andre, eine gute wohlanſtaͤndige Sache waͤre. Gaſtfrey,D 4ſagte54ſagte er, ſind meine Voreltern vom Anfan - ge her geweſen: der Menſch war in ihren Mauren ihr geheiligter, unverletzlicher Freund, und außer denſelben jederzeit ihr Feind. Der weiſe Allah*)Das hoͤchfte Weſen. theilte ſeine Guͤter unter ſeine Kinder aus; wer keine Portion davon be - kam, muß ſie ſich verſchaffen, oder darben. Ich wage mein Leben, um eine zu erhal - ten: mein Gegner wage das ſeinige, um ſeine zu behalten: wohlan! der Tapferſte iſt der Beſitzer. Der Elende, der Arme, der Kranke, der ſich nicht in den Streit mengen und Wohlſeyn und Bequemlichkeit erkaͤmpfen kann, muß der Sklave des Maͤch - tigern ſeyn, oder von ſeinem Wohlthaten leben. Jeder rechtſchaffne Araber haͤtte Dich in ſein Haus, wie in eine Freyſtaͤtte aufge - nommen, weil Du ihrer bedurfteſt; Du warſt zu elend, mein Sklave zu ſeyn: ich mußte alſo dein Wohlthaͤter werden; und ſo lange Du in meinem Bezirke wohnſt, hoͤre ich nie auf, dies zu ſeyn: Du biſt der Sohn meiner Familie.

Aber55

Aber außer demſelben dein Gegner, un - terbrach ihn Belphegor, den Du pluͤnderſt, oder zum Sklaven erniedrigſt?

Nicht anders? Ich und meine Familie ſind zu Einem Koͤrper vereinigt: was nicht mit dieſem Bande an mich geknuͤpft wird, iſt Feind. Denkt ihr unter euerm Himmel anders?

Allerdings? Ungeſtoͤrt genießt jeder den Antheil von Gluͤck, den ihm der Zufall zu - warf: Geſetze und Henker ſind ſeine Waͤch - ter.

Und Niemand raubt dem andern einen Pfennig? Einer darbt, wenn der andre ſich fuͤttert, ohne ſich mit ſeinen Faͤuſten etwas zu erkaͤmpfen?

Nein, wir kaͤmpfen nicht mit Faͤuſten, ſondern leider! mit unſerm Verſtande wir betriegen.

Betriegen? Elende feige Kreaturen! der liſtigſte Haufe hat bey Euch alſo das Ober - gewicht? Fi!

Der Maͤchtige, der Große genießt ſeinen Ueberfluß ſorgenlos; denn er iſt auf allen Seiten verſchanzt: der Arme genießt das Brod ſeines Schweißes eben ſo ruhig;D 5 Man -56 Mangel ſchuͤtzt ihn wieder Bevortheilung: der ganze uͤbrige Haufe iſt im Krieg verwi - ckelt, und der Hinterliſtigſte iſt der gluͤck - lichſte Sieger.

Was fuͤr jaͤmmerliche Kreaturen ihr ſeyd! die niedertraͤchtigſten Raͤuber des Erdbodens! Jede Beute iſt bey uns der Preis der Tapfer - keit, jede bey euch ein Denkmal einer nie - drigen Seele. Trenne mein Haupt ſogleich von meinen Schultern, wenn Ein Betrug darinne gebruͤtet worden iſt! Was ich bin, wurde ich durch mich ſelbſt, durch meinen Muth.

Belphegor war wahrhaftig am Ende ſei - ner Diſputirkuuſt, und der zuruͤckgebliebene Grad von Abneigung gegen den Menſchen ließ ihn auch keine ſonderliche Muͤhe neh - men, etwas fuͤr die polizierten Raͤube - reyen zu ſagen: er ſchwieg mit einem Seuf - zer und gab den Grundſaͤtzen des Arabers Recht.

Eine ſo angenehme Ruhe ſtoͤrte nichts als der Einfall eines benachbarten Raͤubers in das Schloß, wo ſie Belphegor genoß. Die - ſer Held hatte in Erfahrung gebracht, daß Belphegors Goͤnner bey dem letzten Meiſter -ſtreiche57ſtreiche, den er ſpielte, zwo der herrlichſten cirkaßiſchen Schoͤnheiten in ſeine Gewalt bekommen hatte. Ein ſolcher Preis war es wohl werth, daß man ſein Leben einmal daran wagte: die Liebe ſetzte ſeiner Tapfer - keit den Sporn in die Seite, und er zog mit ſeiner ganzen Mannſchaft aus, jene zwo Nymphen entweder in ſeine Haͤnde zu bekommen, oder ſie wenigſtens ihrem gegen - waͤrtigen uͤbergluͤcklichen Beſitzer zu entreiſ - ſen, ſollte es auch durch den Tod geſchehen muͤſſen. Er ruͤckte an, uͤberraſchte ſeinen Gegner, der ſich nicht in der mindeſten Be - reitſchaft befand und ſich ſchon ergeben mußte, ehe er ſich zur Wehre ſtellen konnte. Der Feind begnuͤgte ſich, alle Oerter zu durch - ſuchen, wo er die verlangten Schaͤtze ver - muthete, und ward nicht wenig ungehal - ten, da ihm allenthalben ſein Wunſch fehl - ſchlug. Er erhielt zwar die Nachricht, daß der uͤberwundne Herr des Schloſſes, den ſein Alter uͤber die Begierden der Liebe ſchon ziemlich hinwegſetzte, die ſchoͤnen Cir - kaßierinnen nach ihrer Erbeutung ſogleich in Geld verwandelt habe: allein da er dies bey ſeiner jugendlichen Lebhaftigkeit nichtbegrei -58begreifen konnte, ſo erklaͤrte er es ſchlecht - weg fuͤr eine Erdichtung, ſtellte ſeine Nach - forſchung noch etliche Mal an und fand jedesmal nichts. Um aber doch ſeinen Gang und ſeine hintergangne Hoffnung be - zahlt zu machen, nahm er dem Ueberwund - nen ſeine Slaven und eine Auswahl von ſeinen beſten Habſeligkeiten mit ſich hinweg, das Uebrige nebſt dem Schloſſe ſteckte er in Brand, und war ſo großmuͤthig, und gab Belphegorn und ſeinem Wohlthaͤter, weil er ſie beyde zu nichts anzuwenden wußte, die Freyheit und voͤllige Erlaubniß, alles Gluͤck in der ganzen weiten Welt aufzuſuchen.

Sie giengen beyde mit einander fort, und es war ſchwer zu unterſcheiden, welcher von ihnen eigentlich den Verluſt erlitten hatte. Sie nahmen ihren Weg nach der Landſchaft Diarbek und fanden ſie bey ihrem erſten Eintritte mit Empoͤrung und Blute uͤber - ſchwemmt. Kaum hatten ſie ein Dorf er - reicht, als ſie ſchon mit dem Schwerdte in der Hand auf ihr Gewiſſen befragt wurden, ob ſie ſich zu Dubors oder Miſnars, oder Abimals, oder Ahubals, oder desSul -59Sultans Amurat Parthey hielten. Zu derjenigen, die das meiſte Recht fuͤr ſich hat, oder lieber zu keiner, antwortete Belphegor. Ich kenne weder Amuraten, noch Duborn, noch die du mir nennſt; es herrſche uͤber Diar - bek, wer kann oder will! Da ein Tuͤrke keine andre als lakoniſche poſitive Antwort an - nimmt, ſo wurde die Frage noch einmal und zwar peremtoriſch gethan, und um ihn zu einer beſtimmten Antwort deſto ſchneller anzutreiben, ſchwangen die Examinanten ihre Saͤbel uͤber ihren Koͤpfen und hielten ſich zum Hiebe bereit. Jede entſcheidende Antwort konnte ihnen den Tod bringen, und jede Verzoͤgerung brachte ihn gewiß: ſie waͤhlten blindlings ihre Parthey und trafen gluͤcklicher Weiſe diejenige, zu welcher die Fragenden ſich bekannten. Dieſe vortheil - hafte Wahl errettete ſie vom Untergange: man ließ ihnen die Freyheit, in Diarbek zu exiſtiren, und bekuͤmmerte ſich weiter nicht um ſie. Bey dem Fortgange ihrer Reiſe ge - ſchah ihnen von Zeit zu Zeit die naͤmliche An - frage, und der Zufall, auch zuweilen Liſt half ihnen jedesmal aus der Gefahr! Um ſich ihr aber nicht laͤnger auszuſetzen, be -ſchloſſen60ſchloſſen ſie ein Land mit dem eheſten zu ver - laſſen, wo die Neutralitaͤt ſchlechterdings unerlaubt war. An den Graͤnzen erfuhren ſie, daß Miſnar alle ſeine Nebenbuhler be - ſieget, ermordet und ſich auf drey Wochen die Herrſchaft uͤber Diarbek errungen hatte, nach deren Verlaufe der Sultan Amurat fuͤr gut befand, ihn vom Throne heruntertreiben und ſtranguliren zu laſſen, nebſt allen denje - nigen, die die kurze Gnade ſeiner Regierung erhoben hatte.

Sieben -[61]

Siebentes Buch.

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Einem Blutbade entgiengen ſie, um in ein andres zu gerathen: bey dem erſten Schritte, den ſie auf perſiſchen Boden ſetzten, kamen ihnen ſchon blutige Stroͤme entgegen: je weiter ſie ihr Weg fuͤhrte, deſto mehr haͤuften ſich die Spuren des Mordes und der Grauſamkeit, und zuletzt gelangten ſie an einen graͤßlichen Wahlplatz, wo Schaa - ren uͤber einander geſtuͤrzter Leichname in graͤßlichen Haufen, mit getoͤdteten Kameelen und Maulthieren vermiſcht, lagen. Belphe - gor fuhr mit Entſetzen vor dem ſchrecklichen Anblicke zuruͤck, und ſein Gefaͤhrte zitterte eben ſo ſehr vor Furcht und Grauen, und beyde ſtanden lange in einem ſtummen Erſtaunen.

Bald aber machte die Furcht der Neube - gierde Platz: ſie verlangten außerordentlich, die Urſache zu wiſſen, die Menſchen zu einem ſo unmenſchlichen Todtſchlage berechtigt ha - ben konnte: demungeachtet zog ſie die Be - ſorgniß, in die naͤmlichen unbarmherzigenEHaͤnde64Haͤnde zu verfallen, bey jedem Tritte zuruͤck. Sie faßten aber dennoch Muth, ſetzten ihre Wanderſchaft fort und fanden hin und wie - der halblebende Todte, aber nirgends einen voͤllig Lebendigen. Was ſoll das? rief Belphegor. Sind das Anſtalten, die menſch - liche Gattung in dieſen Gegenden auszurot - ten? Eine ſo ausgeſuchte Begierde hat doch keiner der beruͤhmteſten Tollkoͤpfe noch gehabt. Wohlan, Freund! wir wollen weiter drin - gen! Werden wir unter dem allgemeinen Ruine begraben, was ſchadets? Wir athmen die verpeſtete Luft dieſes Erdkreiſes nicht mehr, deren kleinſtes Theilchen durch den Hauch eines Unmenſchen entweiht, durch die Lunge eines Barbaren gegangen iſt. Gewinn iſt ein ſolcher Verluſt.

Sie ſetzten ihren Weg noch einige Tage fort und trafen nichts mehr als die vorher - gehenden Gegenſtaͤnde an Beweiſe der Unmenſchlichkeit genug, aber keinen Men - ſchen. Endlich wurden ſie gewahr, daß die Einwohner aus den Doͤrfern nur gefluͤchtet waren und einzeln mit bedaͤchtlicher Schuͤch - ternheit aus den Waͤldern zu ihren Wohnun - gen zuruͤckkamen. Sie forſchten ſo langebis65bis ſie erfuhren, daß vor einigen Tagen eine ſchoͤne Europaͤerinn in dem Harem des großen Koͤniges von Perſien gefuͤhrt worden ſey: eine Karavane von Reiſenden war dem Zuge begegnet, und da ſie ungluͤckſeliger Weiſe ihm nicht ausweichen konnte, ſo hat - ten ſich die Evnuchen einen Weg mit dem Schwerdte durch ſie gebahnt. Das naͤm - liche Schickſal betraf alle, die die Unvorſich - tigkeit oder das Ungluͤck hatten, ſich auf dem Wege finden zu laſſen: der kluͤgere Theil war aus den Wohnungen, die an der Straße lagen, gefluͤchtet, um nicht durch einen unbedachtſamen Blick auf eine ver - ſchleierte Schoͤnheit das Leben zu verwirken.

Belphegor haͤtte gern dem großen Sohne des Himmels fuͤr dieſe Barbarey den Kopf abgeſchlagen, wenn er bey der Hand gewe - ſen waͤre, und machte verſchiedene Anmer - kungen in ſeinem Tone daruͤber, die bey andern, als ſklaviſchen erſtorbnen Gemuͤ - thern, einen foͤrmlichen Aufruhr veranlaßt haͤtten. Wenn es aber gleich nicht dieſe Wirkung that, ſo fuͤhlten doch ſeine Zuhoͤrer einen gewiſſen Schwung in ſeiner Denkungs - art und ſeiner Beredſamkeit, welcher ſieE 2dunkel66dunkel uͤberredete, daß er keiner vom gemei - nen Haufen, ſondern ein Weiſer ſeyn muͤſſe, weswegen ſie ihm riethen, die Bekanntſchaft eines gewiſſen Derwiſches zu machen, der in einer voͤlligen Einſamkeit lebte und ihnen unter dem Namen des Derwiſches in den Bergen bekannt ſey. Sie ſetzten hinzu, jedermann, der ihn geſprochen, ſey voller Bewundrung und Ehrfurcht zuruͤckgekom - men und habe verſichert, daß ſein Mund von einem unerſchoͤpflichen Strome von Weisheit und heilſamen Lehren uͤberfließe.

Eine ſolche Nachricht war fuͤr Belphegors Begierde ein Sporn: kaum konnte er ſie endigen laſſen, als er um einen Wegweiſer bat, der ihn zu dem gluͤcklichen Orte fuͤhren ſollte, wo er einen Menſchen zu finden hoffte. Sein Gefaͤhrte, deſſen Durſt nach Weisheit nicht ſo heftig brannte, warnte ihn ſehr eifrig, ſein Leben und das wenige gerettete Geld nicht der Treuloſigkeit dieſer Boͤſewichter anzuvertrauen, die ihn in un - wegſame Gebirge fuͤhren und in den erſten Abgrund ſtuͤrzen wuͤrden. So ſehr er ihm mit ſeiner arabiſchen Beredſamkeit zuſetzte, und ſo ſtark er ſeine Warnung mit Gruͤndenunter -67unterſtuͤtzte, ſo blieb doch Belphegor in ſei - nem Vorſatze unbeweglich: eben ſo unbe - weglich blieb auch der Araber in dem ſeini - gen, und trennte ſich von ſeinem Gefaͤhrten, um wieder in ſein Vaterland zuruͤckzukehren, wo man nach ſeiner Meinung viel edelmuͤ - thiger ſtiehlt und raubt als irgendwo.

Belphegor kletterte nebſt ſeinem Wegwei - ſer mit ſeinem gewoͤhnlichen Ungeſtuͤme uͤber Felſenſpitzen, ſteinichte unſichre Wege, ſchluͤ - pfrige hervorragende Stuͤcken Stein, wo ein einziger Fehltritt in unabſehbare Tiefen ſtuͤrzte, wo den herabfallenden Millionen hervorſtehende Spitzen erwarteten, um ihn zu zermalmen, durch ſtechendes Geſtraͤuch von Wacholdern, die einen kleinen ver - ſchlungnen Wald bildeten, uͤber Waſſerfaͤlle, uͤber Schnee, Eis und faſt durch die Wol - ken, um zu dem Derwiſche der Berge zu gelangen. Nachdem ſie drey Tage mit dem hoͤchſtmuͤhſamen Wege gekaͤmpft hatten, ſo wurde er ſelbſt ein wenig mißtrauiſch gegen ſeinen Fuͤhrer: doch druͤckte die Hitze ſeiner Erwartung und die Groͤße der gehofften Freuden bald jeden Argwohn nieder; er beruhigte ſich damit, daß er dem WegweiſerE 3alles68alles bey ſich habende Geld uͤbergab und ihn verſicherte, daß der ganze Schatz ſein wer - den ſollte, wenn er ihn durch Verkuͤrzung des Weges nur etliche Stunden fruͤher zu dem weiſen Derwiſche zu bringen wuͤßte: der Andre nahm es mit Dankbarkeit an und verſprach ſein Verlangen ſo ſehr als moͤglich zu erfuͤllen. Auch fanden ſie ſich beym An - bruche des Tages auf einem Felſenruͤcken, von welchem ſie eine ſchoͤne muntre lachende Ebne uͤberſahen, die durch den Anblick ſchon ihnen die ausgeſtandnen Beſchwerlich - keiten hinlaͤnglich verguͤtete. Belphegors Herz ſchlug vor Entzuͤcken, als er die Woh - nung des Derwiſches durch ein duͤnnes Palmwaͤldchen hervorſchimmern ſah: gern haͤtte er mit Einem Sprunge die heilige Schwelle betreten: jedes Lufttheilchen, das er einhauchte, ſchien ihm reiner und heili - ger zu ſeyn.

Wenn die Muſen gegen einen Proſaiſten nicht etwas ſproͤde waͤren, ſo rief ich ſie mit lautem Schreyen um ihren Beyſtand bey der Schilderung eines der ſchoͤnſten Thaͤler an; aber ſo muß ein armer Verfaſſer in ungebundner Rede die Sache allein beſtreiten. Will69Will indeſſen eine ſich herablaſſen, meinen Pinſel zu fuͤhren, ſo greife ſie zu!

Die ganze Flaͤche des beynahe eyfoͤrmi - gen Thales war ringsum von Bergen um - ſchloſſen, die ſich amphiteatermaͤßig in man - nichfaltigen Abſaͤtzen erhuben: hier ſteilte ſich eine ſchneeweiße Felſenſpitze, wie ein Thurm, in die Hoͤhe, hinter ihr dehnte ein brauner Berg den langen Ruͤcken weg, und hoͤher als beyde verlor ſich eine Menge zackichter graͤulicher Gebirge mit ungleichen Hoͤhen am Horizonte: dort hiengen Felſen - ſtuͤcken in der Luft, die nur Einen Stoß zu brauchen ſchienen, um herabzuſtuͤrzen, neben ihnen bedeckte ein duͤſtres Strauchwerk den phantaſtiſch gekruͤmmten Berg, der ſich mit einer Menge kahler Beugungen und Hoͤlun - gen endigte, und die breitſten weitſchim - mernden Haͤupter entfernter Gebirge daruͤber emporſteigen ließ: bald ſtuͤrzte ſich ein klei - ner Bach beynahe haͤngend an einer Felſen - wand herab, verſchwand, brach eine weite Strecke davon wie ein brauſender ſchaͤumen - der Bach aus dem Felſen hervor, flog uͤber ausgehoͤlte ſchwebende Steine hinweg und wurde von einem Schlunde gierig verſchlun -E 4gen,70gen, um nie in dieſer Gegend wieder zu erſcheinen: bald ſtieg eine allmaͤhliche ſchief - gedehnte beraſete Anwand bequem in die Hoͤhe und thuͤrmte ſich ploͤtzlich in unzaͤhli - che Hoͤhen, die ſich gleichſam wetteifernd uͤber einander erhuben, hier nackt, dort in einem Mantel von gelbgruͤnem Geſtraͤuche, bald aus Pyramiden, bald als umgeſtuͤrzte Kegel, hinter welchen eine weißgraue Ko - lonnade vom majeſtaͤtiſchen Felſen den Ge - ſichtskreis begraͤnzten und weitgedehnt in ungleicher Groͤße allmaͤhlich verſchwanden. Die Seite, von welcher ſie in die Ebne hinabſtiegen, war ein hoher platter Berg, der an ſich ſchon die Ausſicht beſchloß, mit einem Cedernwalde bedeckt, durch welchen ſie hindurchwandern mußten, und kaum waren ſie heraus ſiehe! ſo ſtund, wie hinter einem eroͤffneten Vorhange das ganze ſchoͤne Thal, in ſeine vielfaͤltigen Waͤlle von Gebuͤrgen und Felſenwaͤnden, wie ſie vorhin gemalt worden ſind, eingezaͤunt, mit etli - chen kleinen ſchmalen Waſſerkanaͤlen durch - zogen, mit einzeln Bucketen von Obſibaͤu - men, lichten und dunkelgruͤnen Buͤſchchen, beynahe regelmaͤßigen Pflanzungen, friſch -gearbei -71gearbeitetem Acker, bluͤhenden kriechenden und aufgeſtengelten Gewaͤchſen, Gruppen von Citronenbaͤumen mit goldnen blinken - den Fruͤchten, zerſtreuten kleinen Huͤttchen gleichſam beſtreut kurz, das herrlichſte lachendſte Moſaik der Natur vor ihren Augen.

Belphegor war uͤberraſcht, betaͤubt, uͤber - waͤltigt, hingeriſſen, er ſtaunte, er war ſei - ner Sinnen nicht maͤchtig; er warf ſich vor Begeiſterung auf die Erde und kuͤßte den Boden, als den Eingang zu einem Heilig - thume. So bald ſeine Empfindungen we - niger gewaltſam wurden, ſo beſahe er die Gegend um ſich mit unerſaͤttlicher Begierde, ſahe und hatte nie genug geſehn. Sein Fuͤh - rer ermahnte ihn zur Eilfertigkeit, wenn er noch vor Abend bey dem Derwiſche anlan - gen wollte, weil ſeine Wohnung faſt an dem andern Ende des Thales liege und noch viele Stunden erfodre, wenn ſie gleich ihre Schritte verdoppeln wollten. Belphegor riß ſich, wie - wohl mit einigem Widerſtande, von dem entzuͤckenden Anblicke los, um einem noch entzuͤckendern zuzueilen.

Kaum waren ſie die langgedehute An - hoͤhe hinuntergeſtiegen, als ſie ein krumm -E 5laufen -72laufender Gang einlud, durch einen kleinen dunkeln Hain zu wandeln, an deſſen Ende ſich zwo vierfache Reihen von Pomeranzen - baͤumen anſchloſſen, die dahinterliegende Saatfelder von Mais durch die Zwiſchen - raͤume der Staͤmme durchſchimmern ließen. Am Ende derſelben fanden ſie etliche Huͤtten von Baumzweigen, doch ohne Bewohner. Belphegorn befremdete dieſe Entweichung, und er ward um ſo viel neugieriger, die Be - wohner aufzuſuchen. Sie giengen in der Folge uͤber verſchiedene kleine Kanaͤle, die mit Obſtbaͤumen eingefaßt waren, durch kurze ganz natuͤrliche Wildniſſe von Ahorn - baͤumen, durch Felder mit funkelnden Kuͤr - biſſen, Melonen und andern lachenden Fruͤch - ten. Schoͤner, als alles, war der Zugang zu der Wohnung des Weiſen: Reihen Maul - beerbaͤume, um die ſich die herrlichſten Wein - reben mit halbreifen roͤthlichen lang herab - haͤngenden Trauben ſchlangen; hinter ihnen Beete mit Gartenfruͤchten, beſonders Melo - nen; darauf Pfirſchbaͤume mit rothſchim - mernden ſamtnen Fruͤchten beladen, Abri - koſenbaͤume mit Reichthume uͤberſchuͤttet; die ganze Scene ſchloſſen vier erhabne Zy -preſſen,73preſſen, die uͤber dem laͤchelnden Kolorite der Fruchtbaͤume mit ihrem melancholiſchen Gruͤn in vier Spitzen emporſtiegen und un - ter ihre Zweige die Wohnung des Derwiſches gleichſam wie unter Fluͤgel nahmen. Der ehrwuͤrdige Alte ſaß mit zwo Toͤchtern in perſiſcher Kleidung auf einem Steine vor ſeiner Wohnung und ſchaute mit entbloͤß - tem Haupte nach der Sonne hin, die eben hinter dem gegenuͤber ſtehenden Berge ver - ſinken wollte.

Belphegor hatte ihn kaum in der Ferne erblickt, als er mit ſeiner Haſtigkeit auf ihn zuflog ſich ihm zu Fuͤßen warf und mit der feurigſten Innbrunſt ſeine Kniee umfaßte. Der Alte hub ihn laͤchelnd auf und noͤthigte ihn durch ein freundliches Zeichen, ſich neben ihm niederzuſetzen. Das Gefuͤhl einer ge - genwaͤrtigen Gottheit koͤnnte kaum feuriger und mehr uͤberwaͤltigend ſeyn, als Belphe - gors Empfindungen: er war ſich ſeines Da - ſeyns nicht bewußt, ein Schwarm ununter - ſchiedner Vorſtellungen und glaͤnzender Bil - dern ſchwebten um ſeine betaͤubte Seele, und eben ſo viele verwickelte Gefuͤhle fuhren durch ſein Herz. Lange ſaß er, ſo außerſich74ſich geſetzt, neben dem Alten, der den in - nerlichen Tumult in ſeiner Mine las und darum ihn geruͤhrt bey der Hand faßte, ohne ſein Stillſchweigen zu unterbrechen. Endlich machte ſein Gaſt den Anfang: er ſchuͤttete ihm in einem Strome von perſi - ſchen Worten ſein Herz aus, die aber mei - ſtens halberſtickt und abgeriſſen hervorka - men, weil er der Sprache zu wenig maͤch - tig war, als daß ſeine Empfindungen und Gedanken die Gelaͤufigkeit der Zunge nicht uͤbereilen ſollten. Der Derwiſch bat ihn, von ſeinem Wege auszuruhn und alsdenn ein kleines Mahl mit ihm im Mondſcheine einzunehmen. Belphegorn uͤberlief ein ſuͤßer Schauer, als er dieſes hoͤrte, und er begab ſich hinweg.

Die aͤlteſte von den beyden Toͤchtern fuͤhrte ihn in ein Kabinet, wo ſie ihm ein reinliches Lager von Blaͤttern mit einer Decke von einem orieutaliſchen Halbtuche zu ſeiner Ruhe anbot und zu ihrem Vater zuruͤckkehrte. So ermattet er war, ſo hatten doch die vor - hergehenden heftigen Empfindungen ſeine Nerven zu ſehr angeſpannt, als daß der Schlaf ſie haͤtte uͤberwaͤltigen ſollen. Er lagvoller75voller Gedanken in einem oft unterbrochnen Schlummer, und konnte endlich ſeinem Ver - langen nach dem Geſpraͤche des Derwiſches nicht mehr widerſtehen: er ſprang auf und gieng zu ihm.

Waͤhrend der Mahlzeit entwickelte es ſich bald, daß der vermeinte Derwiſch ein Euro - paͤer war. Ein Europaͤer! rief Belphe - gor voll Freuden: und aus welchem Lande? Aus Frankreich, antwortete jener und ſeufzte. Aus Frankreich, das mich mit vielen ſeiner Soͤhne undankbar ausſtieß. Ich bin der Bruder der ungluͤcklichen Markiſinn von E. Der Markiſinn von E.! unterbrach ihn Bel - phegor. Der ungluͤcklichen Markiſinn, die die graͤulichen Tuͤrken in vier Stuͤcken ſpal - teten, daß ſie großmuͤthig den Prinzen Amurat bey ſich aufgenommen hatte! Ein Zug ihres Charakters! die gute Schwe - ſter! ſagte der Alte. Freund! erzaͤhle mir die Geſchichte, daß ich hoͤre und in meinen weißen Bart dazu weine.

Belphegor gehorchte ihm; und ſein Zuhoͤ - rer hoͤrte ihre widrigen Schickſale mit ge - ruͤhrter Aufmerkſamkeit, erhub bey dem Ende der Erzaͤhlung ſeine Augen gen Himmel, in -deſſen76deſſen ihm etliche Thraͤnen die Wangen heruntertroͤpfelten: dieſe, ſprach er, weih ich dir!

Aber, fieng Belphegor nach einer kleinen Pauſe an, wie konnte dich, ehrwuͤrdiger Va - ter, deine Flucht in dieſe himmliſche Einſie - deley, ſo weit von deinem Vaterlande fuͤh - ren? Du floheſt Frankreich.

Um einer Urſache willen, unterbrach ihn der Alte lebhaft, die die Menſchheit mit ewigen Flecken brandmalt Flecken, die keine Thraͤnen auswaſchen koͤnnen. Wir wurden Opfer der Ruhmſucht eines ſtolzen Monarchen,*)Ludwig des 14. des eingewurzelten Vorur - theils, politiſcher Raͤnke und des Privat - haſſes; und wurden, nach dem oͤffentli - chen Vorwande, der Religion, der Recht - glaͤubigkeit geopfert. Ich floh nach Deutſch - land mit einigen meiner vertriebnen Mitbruͤ - der, um es zu bereichern und poliren zu helfen. Ich floh, aber mein Herz blieb in Frankreich, oder es irrte vielmehr mit mei - ner S ** herum: denn unmoͤglich konnte ihre Liebe ſie in einem Lande zuruͤckbleiben laſſen, das ihren zaͤrtlichen Freund verſtoſſenhatte.77hatte. Ich lebte indeſſen nur zur Haͤlfte: ich bin von jeher ein Geſchoͤpf geweſen, das mehr in der Imagination als in der Wirklichkeit lebte, gluͤcklich und un - gluͤcklich war. Meine verlaßne Liebe er - zeugte bald mit Huͤlfe meiner Einbildungs - kraft eine Melancholie in mir, die mich von aller Geſellſchaft entfernte: ich lebte, dachte und fuͤhlte in der tiefſinnigſten Einſamkeit, und ich dachte nichts, als meine S **, und fuͤhlte nichts als meine Liebe. Geſchaͤfte und andre Verbindungen zwangen mich haͤu - fig, meine Einſiedeley zu verlaſſen: ich that es mit Widerwillen, mit dem groͤßten Wi - derwillen, weil keine andre S ** in der ganzen ſchimmernden Geſellſchaft, in wel - cher ich, wie ein Geſpenſt, taͤglich herum - wanderte, anzutreffen war: keine, auch nicht die ſchoͤnſte, auch nicht die bewun - dertſte bewegte den Perpendickel meines Her - zens nur um eine Sekunde ſchneller: alles waren mir ſteife unnatuͤrliche Kreaturen, die den Mangel des natuͤrlichen Reizes durch Kunſt und Anſtand erſetzen wollten, aber ihn fuͤr mein Gefuͤhl unendlich wenig erſetz - ten, durch den falſchen Anſtrich nur deſtomehr78mehr vermiſſen ließen; mein Herz fand nir - gends anziehende Kraft und allenthalben Widrigkeiten. Je weniger mein Gefuͤhl gleichſam ausgefuͤllt wurde, deſto mehr ver - ſtaͤrkte es ſich! und zuletzt war gar nichts mehr uͤbrig, das nicht, ſo zu ſagen, wie ein leichter Span auf einem Weltmeere, dar - auf geſchwommen haͤtte: gar nichts druͤckte ſich ihm ein. Geſchwind zerriß ich alle Ban - den, die mich an die Menſchen feſſelten, und floh eine Geſellſchaft, wo ich allzeit Ge - legenheit zum Misvergnuͤgen fand, weil kein Vergnuͤgen meinen Foderungen gleich kam.

Nicht lange nach dieſer Entfernung von den Menſchen that ich einſtmals eine kurze Ausflucht in die Geſellſchaft: ich fand ein Maͤdchen, das gleich bey dem erſten Anbli - cke eine mehr als magnetiſche Kraft fuͤr alle meine Sinne hatte. Mein Gefuͤhl, das in meiner einſamen Periode mit der Einbil - dungskraft in genauere Vertraulichkeit gera - then war, erhob ſich ploͤzlich zu einer ſolchen Staͤrke, daß ich mir ſelbſt ſagte: ich habe ſie gefunden! Ein Maͤdchen voll der ſuͤßeſten Naifetaͤt, mit der aufrichtigſten Mi - ne, die mit der Zunge und dem Herze inEiner79Einer vollkommnen Harmonie ſtund, ohne Zwang, ohne ſtudierte Hoͤflichkeit, ohne ga - lante Grimaſſen, voll Natur, voll der un - ſchuldigſten Natur, ohne glaͤnzenden Wiz, aber mit einem feinen Verſtande und den geſundeſten Grundſaͤtzen geziert alle dieſe Zuͤge leuchteten mir auf einmal mit vereinig - ter Kraft in die Augen. Mein Herz wankte, alle meine Kraͤfte bis zu den innerſten wur - den erſchuͤttert, meine Empfindungen vom Grunde aufgewiegelt, mein Kopf ſchwindel - te, die Augen wurden truͤbe, ich ſchwaͤrmte, ich ſchwatzte wie im Phantaſieren des hitzi - gen Fiebers, ich taumelte und ſank durch eine geheime Veranſtaltung des Schick - ſals an ihren Buſen, an den Buſen des Maͤdchens, das jenen Tumult in mir erregte. O edler Freund! mein altes Herz ſchlaͤgt noch itzt hurtiger, wenn ich an das Erwachen gedenke, das auf jenen Fall erfolgte. Das unſchuldige Maͤdchen ent - ſagte aus natuͤrlichem Mitleide allen Fode - rungen des Wohlſtandes und ließ mich an ihrem Buſen liegen, trieb alle zuruͤck, die mich von ihr reißen wollten. Er ruhet hier ſanft, ſprach ſie mit dem naifſten Tone derFGuther -80Gutherzigkeit: er liege, bis er wieder er - wacht. Alles ſagte ſie, ohne zu wiſſen, daß ſie das brennbarſte Herz an das ihrige druͤckte und ein Feuer einſaugen ließ, das nie die Vernunft wieder loͤſchen wuͤrde. Ich lag an ſie gelehnt; und an ſie gelehnt, er - wachte ich. Himmel! welche Empfindung, als ich um mich blickte! als ich bey meiner erſten Bewegung mit ihrem Blicke zuſam - mentraf! Ich war nicht mehr mein: ſie ver - ſtund meine Verwirrung, wollte ſie min - dern und vermehrte ſie. Endlich ermannte ich mich; ich ſprang auf und gieng hinweg.

Das gute Maͤdchen merkte genau, daß ſie die Urſache meiner Unruhe und meiner Entfernung war: aber ungluͤcklich, daß die - ſe Bemerkung ſie ſelbſt in die ſchrecklichſte Un - ruhe ſtuͤrzen mußte! Sie war ſchon verlobt: das iſt mit Einem Worte alles geſagt. Mei - ne natuͤrliche Melancholie wuchs zu der hoͤch - ſten Staͤrke an, ohne daß ich das Hinder - niß meiner Liebe wußte: alles war mir ſchwarz: ich quaͤlte mich mit ſelbſtgeſchaff - nen Schwierigkeiten; ich marterte mich mit Kummer, daß ich zu dem Beſitze meiner Ge - liebten nicht gelangem konnte, ohne michim81im mindeſten erkundigt zu haben, ob ihr Beſitz unmoͤglich oder ſchwer zu erlangen ſey. Sie war arm, und eine kleine Ueberlegung waͤre zureichend geweſen, meine traurigen eingebildeten Schwierigkeiten zu zerſtreuen; allein mein ſchwermuͤthiges Gefuͤhl ergoͤtzte mich: die Vernunft wuͤrde mir meine Gluͤck - ſeligkeit geraubt haben, wenn ſie es wegraͤ - ſonnirt haͤtte. Oft genug unterbrachen es meine Geſchaͤfte, auf die ich zuͤrnte, und die ich doch gut abwarten mußte, wenn ich nicht an meinem Einkommen leiden wollte. Gott! dachte ich oft in meinen einſa - men Stunden, warum ordneteſt du deine Welt ſo an, daß tauſend geſchmackloſe Geſchaͤf - te, Millionen mit der Empfindung nicht zu - ſammenhaͤngende Dinge den Menſchen im Wirbel herumdrehen, daß elende Berufsar - beiten die Zahl der Stunden verringern muͤſ - ſen, die er in dem ſuͤßeſten Schlummer des Gefuͤhls und der Einbildung vertraͤumen koͤnnte? Freund! haſt Du nie einen Mangel in Deinem Leben empfunden, der jede fuͤhlende Seele unvermeidlich treffen muß? Die Natur hat eine unendliche Menge Anlaͤſſe zur Empfindung in die WeltF 2aus -82ausgeſtreut, aber zu einzeln ausgeſtreut, jeder Menſch trift auf ſeinem Wege nur ſel - ten einen an: der große Haufe, deſſen Ge - fuͤhl vom Sorgen und Geſchaͤften zuſam - men gepreßt iſt, vermißt nichts; er laͤßt ſo - gar die aufſtoßenden Veranlaßungen vor - uͤbergehn, ohne daß eine ſich an ſeinem Herze einhaͤngt, und es auf ſich zieht: aber der Mann, bey dem Gefuͤhl alle ſeine uͤbrigen Kraͤfte uͤberwiegt, bey dem ſich, ſo zu ſagen, alles in Empfindung aufloͤſt, was ſoll der thun, wenn er allenthalben Saͤttigung ſucht, wenn er ſeine Gluͤckſeligkeit gern haufenweiſe verſchlingen moͤchte, und ſie ihm doch nur gleichſam in einzelnen Biſſen zugezaͤhlt wird: muß ein ſolcher nicht bey der gegenwaͤrti - gen Einrichtung der Welt einbuͤßen? Konnte die Natur unſern Planeten und ſeinen Be - wohner nicht ſo anlegen, daß er, mit weni - gem, mit dem Nothduͤrftigen zufrieden, ſeine Beduͤrfniſſe niemals erweiterte, niemals in die tolle Geſchaͤftigkeit ſich hineinwarf, zu welcher ihn itzt unzaͤhlige, unvermeidliche Nothwendigkeiten hinreißen? Waͤre die Welt gleich weniger thaͤtig, weniger lebhaft ge - worden, waͤre ſie nicht dafuͤr gluͤcklicher? Was83Was nuͤtzt es, daß itzt jedermann eilfertig nach ſeinem Vortheile laͤuft, rennt und an - dre wegſtoͤßt? Nimmt man dieſe ungluͤckliche Geſchaͤftigkeit der Welt, dieſe Mutter ſo un - zaͤhlbarer Uebel hinweg, muͤſſen nicht als - dann alle die unſeligen Leidenſchaften weg - fallen, die itzt Menſchen von Menſchen tren - nen und ſelbſt den empfindenden Zuſchauer dieſes allgemeinen Kampfjagens der Welt das Leben verbittern? Die Menſchheit iſt ge - wiß nichts dadurch gebeſſert, daß ſie ſich zu den gegenwaͤrtigen Bequemlichkeiten und dem Ueberfluſſe der Europaͤer emporarbeitete, daß man nicht mehr Eicheln, ſondern die man - nichfaltigen Schmierereyen der Mundkoͤche genießt, daß man nicht mehr auf Stroh, fondern Matratzen oder Federbetten ſchlaͤft, daß man ſtatt des klaren Bachs in einen franzoͤſiſchen oder venetianiſchen Spiegel ſieht: gewiß im Grunde nichts gebeſſert, nichts gluͤcklicher! Alles hierinne beſtimmt die Gewohnheit: dieſe machte es, daß vormals engliſche Lords auf einem Schnee - ballen ſo ſanft ruhten, als itzt ein engliſcher Zaͤrtling auf dem ſeidnen Kopfkuͤſſen. Nach meinem Wunſche und meiner EinbildungF 3ſollte84ſollte der Menſch mitten auf ſeinem Wege zur Verfeinerung ſtehen bleiben, wenn er auch gleich nicht auf der ganz unterſten ewig ſeyn wollte: die Materialien der Geſchaͤftig - keit und der Begierden, die ihn itzt herum - treiben, ſollte vor ihm verborgen und er ein ruhiger ſanfter Hirte, hoͤchſtens ein Ackers - mann bleiben: die Erde waͤre nicht zu enge fuͤr die Beybehaltung dieſer Lebensart gewe - ſen, wenn nur die Menſchen nicht die tollen Begierden beſeſſen haͤtte, uͤber und neben einander her zu kriechen: und Freund! bey jener geringen mittelmaͤßigen Geſchaͤftigkeit ſein Leben unter dem Schatten der Empfin - dung ohne Politik, ohne Oekonomie, Ju - risprudenz, Handel und andre Vervollkom - mungen, die den Menſchen zum kalten fuͤhl - loſen Geſchoͤpfe, leer von Imagination und Empfindung machen, ordentlich und ruhig hinwandeln, welch ein Gluͤck! Welch eine Herrlichkeit, wenn ich damals fuͤr mich und meine Lucie die Erde ſo haͤtte umſchaffen koͤnnen! Wahr iſt es, ich haͤtte getraͤumt: aber ſuͤßer Traum iſt doch beſſer als bittres Wachen. Meine Geſchaͤfte verbitterten mir wirklich mein Leben außerordentlich: ſie ſtoͤr -ten85ten meine Melancholie und wurden von mei - ner Melancholie geſtoͤrt; und am Ende mei - nes Haͤrmens erfuhr ich, daß Lucie verlobt und gar verheirathet war, daß ſie an einen der veraͤchtlichſten Maͤnner des Landes ver - heirathet war. Welch ein Donnerſchlag fuͤr einen truͤbſinnigen Liebhaber! Ich em - pfieng taͤglich die ſchrecklichſten Nachrichten von ſeinem Betragen gegen ſie. Der Un - menſch, das unſinnigſte Geſchoͤpf des Erd - bodens, das gar nicht aus der Hand Got - tes gegangen ſeyn kann, quaͤlte ſie aus Ei - ferſucht und zuletzt aus bloßem tyranniſchen Muthwillen: er merkte, daß auf dem Bo - den ihres Herzens eine Zuneigung lag, die durch die aufgezwungene eheliche Pflicht nur niedergedruͤckt, aber nicht getoͤdtet war: er merkte dies blos, weil ſeine angeborne Ei - ferſucht; oder vielleicht das Bewußtſeyn ſei - nes Mangels am Verdienſt ihn vorausſetzen hieß, daß ſie ihn nicht ganz und jeden an - dern mehr lieben muͤßte. Ohne die minde - ſte Veranlaſſung zu dieſem Argwohne behan - delte er ſie, als wenn er voͤllig bewieſen waͤre. Er foderte eine Bedienung von ihr, die er kaum der niedrigſten Magd zumuthen konn -F 4te:86te: ſie mußte ihn auf ſeinen Befehl die Spei - ſen auftragen, auf ſeinen Befehl faſten oder eſſen, ihn ankleiden und ausziehn, und die ſchlechteſten Dienſte verrichten, indeſſen daß die Aufwaͤrterinn, die im Muͤßiggange zu - ſah, von ihm geliebkoſt wurde und die Rechte der Frau genoß. Der Barbar wollte ſich an ſeiner unſchuldigen Ehefrau auf dieſe Art, gleichſam wie durch Repreſſalien, raͤchen; und da ſie ohnmaͤchtig, empfindlich, zaͤrt - lich und ſchwach zum Wiederſtande war, ſo verdoppelte der Unbarmherzige ſeine Mar - tern, jemehr er wahrnahm, daß ſie dadurch niedergeſchlagen und gekraͤnkt wurde. Sie kam in die Wochen, ſie wurde gefaͤhrlich krank; und waͤhrend, daß ſie nach Troſte und Wartung ſchmachtete, hetzte der Boͤſe - wicht Dachſe mit ſeinen Hunden im Hauſe, ließ ſeine Pferde im Hofe unter ihren Fen - ſtern herumfuͤhren und dazu trommeln, des Nachts, oder wenn ſie ſonſt ſchlummerte, ploͤzlich Toͤpfe oder Flaſchen vor ihrem Zim - mer entzweyſchlagen, oder ein andres hefti - ges Geraͤuſch erregen, das ſie aufwecken mußte. kurz, er marterte ſie auf alle er - ſinnliche Weiſe und ſtudierte darauf, ſie nichtallein87allein zu quaͤlen, ſondern jede Qual noch mit einer Bitterkeit zu begleiten, die ſtaͤrker als die Qual ſelbſt ſchmerzte. Er nahm ihr das Kind und uͤbergab es ſremden Haͤnden, wo ſie es ohne die aͤngſtlichſte Beſorgniß nicht wiſſen konnte, da es unter den ihrigen die beſte Erziehung, den nuͤtzlichſten Unter - richt haͤtte genießen koͤnnen. Sie bat, ſie flehte auf den Knieen: der Tyrann lachte. Sie fiel ihm um den Hals, ſie badete ſein Geſicht mit Thraͤnen, ſie beſchwor ihn bey der Wohlfahrt ſeines Kindes, bey ſeiner eignen Gluͤckſeligkeit, ſie nicht von ihrem eignen Herze zu trennen, das allzeit mit ihrem Kinde an Einem Platze wohnte. Der tuͤckiſche Boͤſewicht verbarg die Empfindung, die ihm eine ſolche Bitte wider ſeinen Willen aufdrang: er verließ ſie, gab zwar Befehl, ihr das Kind zu uͤberliefern, wiederrief ihn aber gleich, ehe es noch gebracht wurde. Seine Launen waren gewiß die einzigen un - ter dem Himmel: er war ihr beſtaͤndiges Spiel und wurde von ihnen von einer Ent - ſchließung zur andern herumgeworfen; ehe er eine ausfuͤhrte, riß ihn eine andere hin, ſo eine dritte, und nach einem weiten ZirkelF 5kam88kam er wieder auf den erſten Fleck. So gieng es ihm hier: ſeine Tochter blieb in den Haͤnden, denen er ſie zu ihrer Verwahr - loſung anvertraut hatte, und ihre Mutter eine betruͤbte, ungetroͤſtete Mutter.

Von allen dieſen Drangſeligkeiten em - pfieng ich Nachricht, ſo wie ſie geſchahen; und was denkſt Du, das ich thun ſollte, Freund?

Dem Henker den Kopf zerbrechen! rief Belphegor und ſtampfte, ihn erwuͤrgen, und mit dem ungluͤcklichen Schlachtopfer auf dem Arme davon fliehn!

Nein, Freund meines Herzens, ſo haſtig war ich nicht: ich nahm allen empfindlich - ſten Antheil an ihrem Unſtern und graͤmte mich in Stillen fuͤr ſie, da ich weiter nichts vermochte. Mein Kummer wollte mich toͤd - ten: die Liebe ſpornte mich an, die Ungluͤck - liche zu erloͤſen, aber Muthloſigkeit ſchraͤnkte meine Ueberlegung und meine Kraͤfte ein: ich Feiger erloͤſte ſie nicht.

Himmel! konnteſt du mich nicht rufen? fuhr Belphegor haſtig, wie aus einem Trau - me, empor.

Der89

Der Derwiſch ſah ihn laͤchelnd an. Ed - ler Mann! wo ſollte ich dich ſuchen? fragte er mit gefaͤlliger Freundlichkeit.

Belphegor beſann ſich und merkte, daß ihm die Schwaͤrmerey ſeiner Einbildungs - kraft den Streich geſpielt hatte, ihn einen ſolchen Anachroniſmus begehen zu laſſen. Nun, ſo fahre fort! ſprach er erroͤthend.

Beſter Freund, ſagte der Derwiſch nach einer Pauſe, dieſer einzige Zug macht dich mir theuer. O haͤtte ich dich damals gekannt, haͤtteſt du damals mit deinem Feuer meinen erloſchnen Muth wieder anzuͤnden koͤnnen, wie gluͤcklich waͤre ich geweſen! ich waͤre nicht die Speiſe eines heimlichen Grams geworden! Doch das Schickſal half ſchnell: der Tyrann ſpannte ſeine Fol - ter ſo ſtark an, daß alle Erduldung und Ge - laſſenheit zerreiſſen mußte. Da alle ſeine Erfindungskraft im Quaͤlen erſchoͤpft ſchien, ſo gab ihm eine wolluͤſtige Laune den tollen Gedanken ein, ſie nackt ſehen zu wollen. Er gebot ihr, ſich auszukleiden, und vor ſeinem und etlicher Freunde Angeſicht wie er es nannte à la grecque zu tanzen. Sie wiederſetzte ſich, ſie ſtritt, ſie focht: um -ſonſt!90ſonſt! ſie wurde uͤberwaͤltigt: man riß ihr die Kleider ab, man entbloͤßte ſie, und ſie, die leidende Unſchuldige, ſtand, wie die Bild - ſaͤule der Geduld auf einem Monumente, mit bethraͤntem Geſichte und verſteinertem Blicke da, um den Hoͤhnereyen der Unſinnigen zum Ziele zu dienen. Sie gieng verwildert hin - weg und gerieth in eine Verruͤckung, von welcher ſie, bis an ihren Tod, zuweilen Ruͤckfaͤlle ſpuͤrte. Zween Tage lang irrte ſie zerſtreut und ohne Beſonnenheit im Hauſe herum, ſeufzte und ſprach kein Wort; end - lich warf ſie in einem Anfalle von Raſerey in der Nacht verzweiflungsvoll alle Bande der Mutterliebe von ſich, vergaß ſich ſelbſt und entfloh, ohne bemerkt zu werden. Doch bey aller Verwirrung fuͤhrte ihr das Ge - daͤchtniß mein Andenken zuruͤck: ſie fuͤhlte in ſich ſelbſt, daß ſie ehmals fuͤr mich em - pfunden: ihre verungluͤckte Liebe ſuchte in der meinigen Troſt, und ſie floh zu mir. In dem eutſetzlichſten Zuſtande der Verwil - derung, mit herumhaͤngenden Haaren, ro - then aufgeſchwollnen Augenliedern, in offner flatternder Kleidung, mit bloßen Fuͤßen kam ſie in dem fuͤrchterlichſten Regenwetter einesAbends91Abends auf meine Stube, als ich tief[ſi] nnig uͤber Mittel, ſie zu retten, nachdachte. Sie fiel auf die Kniee, ſie flehte mich um meinen Beyſtand an: ich erkannte ſie nicht, ſo ſehr war ſie entſtellt, und ſo wenig ließ mich die Betaͤubung des Schreckens meine Sinne ge - brauchen. Sie ſtuͤrmte, wie unſinnig, auf mich los; und noch kannte ich ſie nicht, bis ſie ihren Namen nennte, bis ſie an meine Liebe mich erinnerte da erwachte ich, aber nur wenige Augenblicke, um deſto laͤn - ger mit allen meinen Kraͤften niederzuſinken. Ihr Bild erſchuͤtterte mich bis in das Mark; in einer todtenaͤhnlichen Fuͤhlloſigkeit ſaß ich da: ich glaube, wir waͤren zu Monu - menten unſers eignen Kummers verſteinert, wenn uns nicht mein Nachbar, der neben meiner Stube wohnte und uͤber die Stille, die ſo ploͤtzlich das lauteſte Wehklagen un - terbrach, erſtaunt war, durch ſeine Dazwi - ſchenkunft getrennt haͤtte. Er hatte Kalt - bluͤtigkeit genug, unſrer Sinnloſigkeit durch geſunde Ueberlegung zu Huͤlfe zu kommen: er ſchlug der ungluͤcklichen Entlaufnen einen Zufluchtsort vor, wo ſie weder Mann noch Geſetze wiederfinden ſollten.

Es ge -92

Es geſchah; und ich beſchloß, mich von meinen laͤftigen Geſchaͤften loszureißen, mein Vermoͤgen heimlich aus dem Lande zu brin - gen und mich in einer hinlaͤnglich ſichern Entfernung mit ihr niederzulaſſen: ich waͤre nicht ſtark genug geweſen, ein ſolches Pro - jekt zu bewerkſtelligen, aber mein Freund unterſtuͤtzte mich. In einiger Zeit war alles vorbereitet, der Tag beſtimmt, und ich eilte, meinen Anſchlag ins Werk zu ſetzen. Ich komme in das Haus, wo ich ſie abholen ſollte, und wohin ich, ſeit ihrem Eintritte darein, nicht gehen durfte; ich finde ſie vol - ler Erwartung und Zittern in den Armen eines Frauenzimmers, die vor Verwundrung oder Schrecken zuſammenfuhr, als ich hin - eintrat. Meine Aufmerkſamkeit war auf mein Vorhaben zu ſehr geheftet, um ſie mehr als ſluͤchtig zu uͤberſehn: ich bot mei - ner Lucie ſchon die Hand, um mit ihr fort - zugehn, als mir ihre bisherige Beſchuͤtzerinn die andre ergriff, und in der Sprache mei - nes Vaterlandes mir die Geſchichte meines Lebens und meiner Liebe bis zu meiner Flucht aus Frankreich erzaͤhlte, und zuletzt mich fragte, ob ich mich dazu bekennen wollte. Ich93Ich erſtaunte, daß ſie alles dies wiſſen konnte, und noch mehr, als ich in ihr meine S ** fand. Guͤtiger Gott! welche Begebenheit! Zu einer Zeit ſie wieder zu finden, wo mein Herz ſchon ganz an ein andres geknuͤpft war! Die Liebe zu ihr war zwar durch die Laͤnge der Zeit verdunkelt, aber ihr Andenken kehrte doch ſtark genug in mich zuruͤck, um mich in einen Streit mit mir ſelbſt zu verſetzen. Ohne Anſtand ſprach ſie mich, da ſie meine Verlegenheit gewahr wurde, von meiner erſten Verbindung frey und kam mit mir uͤberein, meine Liebe in Freundſchaft zu ver - wandeln, die Alter und Zeit bey ihr von der ehemaligen Waͤrme zu einer kaͤltern Geſetzt - heit herbeygebracht haͤtten. Sie begleitete uns eine kleine Strecke; in kurzem war ich mit meiner Lucie an Ort und Stelle und gleich darauf ihr Mann.

Ich hatte die Verwegenheit, in mein Va - terland nach einiger Zeit zuruͤckzugehn, mich um Gelder zu bewerben, die ich dort zuruͤck - gelaſſen und in den Haͤnden meiner Anver - wandten glaubte: doch wie betrog ich mich! Der Sturm der Verfolgung hatte aufgehoͤrt zu wuͤten, aber ſie wuͤtete noch durch dieGeſetze.94Geſetze. Allenthalben fand ich noch Spu - ren der Unmenſchlichkeit, allenthalben hoͤrte ich die vergangnen Graͤuel noch erzaͤhlen, bald im triumphirenden, bald im klagenden Tone. Meine Mitbruͤder, die ſich noch heimlich dort aufhielten, zogen mich mit aller Muͤhe von dem Anſuchen um mein Ruͤckgelaßnes ab; aber ſie konnten mich nicht zuruͤckhalten. Ich erlangte nichts und brachte mich durch meine Zudringlich - keit ins Gefaͤngniß. Meine Frau und meine beyden Toͤchter, die mir itzt das Alter und die Einſamkeit verſuͤßen, befanden ſich in der klaͤglichſten Lage: ſie mußten ſich im Verborgnen bey einem meiner gutherzigen Anverwandten aufhalten, der mit der Gri - maſſe ein Katholik und im Herzen der auf - richtigſte Hugenott war, und mich der Will - kuͤhr einer blinden zelotiſchen Juſtiz uͤberlaſ - ſen, oder ſich entdecken und mit mir zugleich dem Aberglauben aufopfern wollte. Guͤtiger Gott! wie wir litten! wie ich in meinem Kerker ſeufzte! Ich war ſchon beynahe von mei - nem Schmerze aufgezehrt und troͤſtete mich mit meinem nahen Ende, ich war ſchon gegen alle Vorſtellungen von den kuͤnftigenUngluͤck -95Ungluͤckſeligkeiten meiner Familie abgehaͤrtet, als ich ploͤtzlich die entſetzlichſte Nachricht er - hielt, daß meine Frau und Kinder in dem Gefaͤngniſſe neben mir ſchmachteten. Auf ein - mal ſtuͤrzten alle meine ſchlafenden Empfin - dungen, wie ein Donnerwetter, uͤber mich her und warfen Beſonnenheit, Leben und alle Kraͤfte darnieder: ohnmaͤchtig lag ich da, und mein Waͤrter hielt mich fuͤr todt.

Als ich wieder zu mir zuruͤckkam, ver - langte ich nichts ſo angelegentlich, als meine Familie ein einziges Mal zu umarmen und dann zu ſterben: dieſe Guͤte war zu groß, um ſie mir nicht zu verweigern: meine grauſamen Richter ſchlugen ſie nicht allein ab, ſondern ſetzten ſogar die grauſame Be - dingung hinzu, daß ich, um ſie nur zu ſehn, um nicht ſie und mich auf ewig den Ketten zu uͤberliefern, in vier und zwanzig Stun - den das Bekenntniß meiner Vaͤter abſchwoͤ - ren und in den Schoos der Kirche, dieſer verfolgenden Kirche, als in den Schoos einer Mutter zuruͤckgehn muͤßte. Alles ſetzte mir zu, eine Heucheley zu begehn, um einer Grauſamkeit auszuweichen. Ich uͤberlegteGund96und uͤberlegte, kaͤmpfte und ſtritt mit mir ſelbſt. Guͤtiger Gott! rief ich endlich und ſank auf meine Kniee, konnteſt du den Menſchen ſo ſchaffen, daß nothwendig einer mit dem andern nicht gleichfoͤrmig denken mußte, und daß doch gleichwohl jeder ſich fuͤr den einzigen Beſitzer der Wahrheit hielt, konnteſt du zulaſſen, daß einer den andern zu ſeiner Meynung zwingen wollte; warum ſollteſt du es mir als ein Verbrechen anrech - nen, wenn ich den Geſetzen deiner Einrich - tung folge, wenn ich, der Schwaͤchre, dem Staͤrkern mich unterwerfe und in die Anord - nung fuͤge, die von Ewigkeit her in deiner Welt geherrſcht hat daß der Schwaͤchre Unrecht behielt, thun und ſelbſt glauben mußte, was der Staͤrkre zu glauben gebot. Glauben kann ich nicht: aber um drey Menſchen aus einem martervollen Leben zu erloͤſen, um ſie nicht ewig in Banden ſeufzen zu laſſen, um ſie der Gluͤckſeligkeit faͤhiger zu machen, wozu du doch jedes Geſchoͤpf auf dieſe Erde, nach unſrer aller Gefuͤhle, geſetzt haben willſt kann ich nicht um ſolcher edlen Endzwecke willen, die dein eig - ner Wille ſeyn und deine Billigung habenmuͤſſen,97muͤſſen, den Staͤrkern ohne Suͤnde betriegen, thun als wenn ich das Joch ſeiner Meynung annaͤhme, und bleiben, was ich meiner Ein - ſicht nach ſeyn muß? Nach den naͤmlichen Geſetzen der Natur, die meine Seele befolgt, wenn ſie meine Meynung fuͤr wahr erkennt, handelt auch die ſeinige, wenn ſie der ihri - gen anhaͤngt: du haſt uns einmal ſo ange - legt, daß unſer Glaube von erlernten Vor - urtheilen, Leidenſchaften, unmerkbaren Nei - gungen und Trieben, wie eine Marionette, regiert werden ſoll, was kann ich dafuͤr, daß mich die meinigen zur Linken ziehn, und meine Feinde zur Rechten? Noch mehr! was kann ich dafuͤr, daß meine Gegner die Staͤrke haben, mich nach ihrer Rich - tung hinzureiſſen oder zu wuͤrgen? Ich ſchwoͤre: wer von uns beyden Recht hat, weißt du nur, du Richter der Welt: du willſt es nicht unmittelbar entſcheiden; ich bleibe alſo bey der Wahrheit, die mir die Nothwendigkeit des Schickſals als Wahrheit aufgedrungen hat, und entſage ihr mit dem Munde, weil ebendieſelbe Nothwendigkeit der Staͤrkern mich dazu zwingen laͤßt. Wohl! mein Meineid muß das edelſte WerkG 2ſeyn;98ſeyn; denn es rettet drey zur Gluͤckſeligkeit beſtimmte Geſchoͤpfe vom Elende.

Und du ſchwurſt? fragte Belphegor.

Ja, ich that es! und mein Gewiſſen hat mir noch nie einen Vorwurf daruͤber ge - macht: ich glaube, ich that die nuͤtzlichſte, die beſte That. Sie machte mich und meine Familie frey, ſie brachte uns der Moͤglich - keit, nicht ungluͤcklich zu ſeyn, naͤher