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Gedanken von den Eigenſchaften, Wirkungen und Urſachen der Electricitaͤt, nebſt einer Beſchreibung zwo neuer Electriſchen Maſchinen.
Leipzig1744. in Verlag Bernhard Chriſtoph Breitkopfs.

Sr. Koͤnigl. Hoheit, dem Durchlauchtigſten Fuͤrſten und Herrn, HERRN Friedrich Chriſtian, Koͤniglichen Prinzen von Pohlen und Litthauen, Churprinzen und Herzogen zu Sachſen, Juͤlich, Cleve und Berg, Engern und Weſtphalen, Landgrafen in Thuͤringen, Marggrafen zu Meiſſen, auch Ober - und Niederlauſitz, gefuͤrſteten Grafen zu Henne - berg, Barby und Hanau, Herrn zum Raven - ſtein, ꝛc. ꝛc. ꝛc. Meinem Gnaͤdigſten Fuͤrſten und Herrn.

Durchlauchtigſter, Koͤniglicher und Churprinz, Gnaͤdigſter Fuͤrſt und Herr,

Ew. Koͤnigliche Hoheit haben ſich die Verſuche, welche man einige Zeit her in Leipzig mit der Electricitaͤt angeſtellt, ſo gnaͤdig gefallen laſſen, daß ich mich mit einer beſondern Zuverſicht erkuͤh - ne, Dero Durchlauchtigſten Na -a 3menmen eine deutſche Schrift, von den Eigenſchaften, Wirkungen und Ur - ſachen derſelben, in unterthaͤnigſter Ehrfurcht zu widmen. Dero gnaͤ - digſtes Wohlgefallen uͤber die lateini - ſche Abhandlung, welche man unter den Schriften des verſtorbnen Pro - feſſoris Chriſtian Auguſt Hauſen von dieſer Materie gefunden, giebt dem Vertrauen, womit ich mich ſolches un - terfange, eine große Staͤrke. Eure Koͤnigl. Hoheit haben bisher der Univerſitaͤt Leipzig durch auſerordent - liche Merkmale zu erkennen gegeben, wie angenehm es Deroſelben ſey, wenn ſich die Gelehrten bemuͤhen, die Wiſſenſchaften entweder fortzupflan - zen, oder durch Zuſaͤtze zu erweitern. Aus dem, was man vorietzo vonderder Electricitaͤt erkannt hat, laͤſ - ſet ſich gar deutlich abnehmen, daß die Naturlehre daraus einen neuen Zuwachs zu gewarten habe. Die Kenntniß der Luft war vor hundert Jahren ſehr geringe. Nachdem aber Otto von Gvericke die Maſchine er - funden, vermittelſt welcher man die Luft aus den Gefaͤßen und Zwiſchen - weiten der Koͤrper bringen kann: ſo iſt dadurch eine ganz beſondere Wiſ - ſenſchaft entſtanden. Es erhielt aber dieſelbe alſobald einen hellen Glanz, als der gluͤckliche Erfinder der Luft - pumpe im Jahre 1654 zu Regenſpurg die hohe Ehre genoß, in Gegenwart des Roͤm. Kaiſers, Ferdinand des Dritten, und des Roͤm. Koͤniges, Fer - dinand des Vierten, und einiger Chur -a 4fuͤr -fuͤrſten, die Staͤrke der Luft durch ganz unvermuthete Verſuche zu zei - gen. Die Lehre von der Electricitaͤt iſt nicht weniger gluͤcklich. Ganz Deutſchland hat angefangen, dieſelbe zu bewundern, nachdem Ew. Koͤ - nigliche Hoheit, nebſt Dero Herrn Bruders, des Prinzens Xaverii Koͤniglicher Hoheit, die ſonderbaren Wirkungen der Elec - tricitaͤt in dem vorigen Jahre auf eine ſolche Art zu betrachten gnaͤdigſt geruhet haben, wodurch eine Sache in eine allgemeine Hochachtung ge - ſetzt wird. So lange die Natur - lehre dauren und bluͤhen wird: ſo wird man in den Erklaͤrungen der Electricitaͤt das Jahr 1743 mit eben dem Vergnuͤgen nennen, mit wel -chemchem man in der natuͤrlichen Hiſtorie von der Luft des Jahres 1654 ge - denket.

Jndem ich alles dieſes erwege: ſo empfinde ich mit dem Vertrauen, welches Ew. Koͤniglichen Ho - heit hoͤchſte Gnade ſelber in mir er - wecket, eine ausnehmende Freude, daß ich mich erkuͤhnen darf, eine Schrift vor Dero Augen zu legen, in welcher ich den Anfang gemacht, eine Wiſſenſchaft abzuhandeln, wel - cher Ew. Koͤniglichen Hoheit durchlauchtigſter Name einen Glanz ertheilet, der niemals wird verdun - kelt werden. Wie mich die Betrach - tung deſſelben angetrieben, meine Gedanken auf die Unterſuchung die - ſer ſo lange Zeit verborgen geweſnena 5SacheSache zu richten: ſo wird auch das beſtaͤndige Andenken der ausneh - menden Gnade, die Ew. Koͤnigli - che Hoheit mir insbeſondere ha - ben zu erkennen gegeben, mich zeit - lebens zu der tiefſten Devotion er - muntern, mit welcher ich beharre

Eurer Koͤniglichen Hoheit

Leipzig den 16 Julius 1744. unterthaͤnigſt gehorſamſter Johann Heinrich Winkler.

Vorrede.

Vorrede.

Nach dem Tode des Herrn Profeſſor Hauſens hat die Electricitaͤt, zu deren Betrachtung er durch ei - nige auserleſene Verſu - che die Liebhaber der Phyſic in Leipzig ermuntert hatte, bis itzo von Tage zu Tage eine neue Verwunderung erwecket. Ein Jahr vor dem Tode dieſes gelehrten Mannes war dieſe merkwuͤrdige Eigen - ſchaft der Koͤrper allhier und anderwerts in Deutſchland wenig bekannt. Was man davon ſagte, das war meiſtentheils aus einigen Schriften der EnglaͤnderundVorrede. und Franzoſen entlehnet, oder beſtund in einer Beſchreibung einiger Verſuche, welche man in London und Paris geſe - hen hatte. Jn denen Verſammlungen, in welchen man die Naturlehre vortraͤgt, wurde auch nicht vielmehr gethan, als daß man eine glaͤſerne Roͤhre mit Tuche oder Papiere rieb, und Sand, Federn und Goldtheilchen damit in Bewegung brachte, und auf das Kniſtern Achtung gab, welches ſich hoͤren laͤſſet, wenn man mit den Fingern an der geriebnen Roͤhre hinfaͤhret. Man wuͤrde es auch vielleicht noch eine zeitlang hierbey haben bewen - den laſſen, wenn nicht der Herr Profeſ - ſor Hauſen ein halbes Jahr vor ſeinem Ende beſondern Fleiß angewendet haͤtte, das vornehmſte, was er von der Electri - citaͤt in den Schriften des Herrn von Gvericke und einiger Auslaͤnder geleſen, und auf ſeiner gelehrten Reiſe vor 26 Jahren geſehen hatte, in Leipzig bekannt zu machen. Durch ſeine Erzaͤhlung,wieVorrede. wie er, vermittelſt einer electriſirten Ku - gel, einen Menſchen electriſiret haͤtte, bin ich angetrieben worden, die Verſuche, welche in des Herrn Muſſchenbroͤks franzoͤſiſcher Phyſic ſtehen, nachzuma - chen. Es duͤrfte mir aber auch die Gele - genheit gefehlet haben, von dem Hrn. Hau - ſen ſelber den gedachten Verſuch erzaͤhlen zu hoͤren, wenn nicht ein beſonderer Um - ſtand dazu gekommen waͤre. Denn unſe - re Arbeiten waren damals dermaſſen ge - haͤuft, daß ich ihn wegen Mangel der Zeit ſelten beſuchen konnte. Wir hatten aber bereits einige Zeit hindurch die Gnade ge - habt, an der Tafel Sr. Excellenz, des Koͤniglichen Pohlniſchen und Churfuͤrſtl. Saͤchſiſchen Cabinets - und Staats-Mi - niſters, Herrn Grafen von Manteu - fel, Sonntags mit einander zu ſpeiſen. Da kamen wir kurz nach der Zeit, da Herr Hauſen den gedachten Verſuch gemacht hatte, uͤber der Tafel unter denen ge - lehrten Diſcurſen, woran Se. Hoch - reichsgraͤfliche Excellenz ein beſonderesVer -Vorrede. Vergnuͤgen haben, auch auf die Electri - citaͤt. Der Herr Profeſſor hatte mich bereits vor der Mahlzeit durch ſeine Er - zaͤhlung zu vielem Nachdenken ermun - tert. Als er aber die Sache Sr. Excel - lenz vortrug: ſo ward ich noch begieri - ger, ſelber den Verſuch alſobald anzuſtel - len. Das Verlangen, einen gluͤcklichen Fortgang damit zu haben, war deſto heftiger, je mehr ich beſorgt war, daß meine Zuhoͤrer, welchen ich damals die Phyſic erklaͤrte, anfragen moͤchten, ob ich ihnen nicht auch die electriſchen Ver - ſuche zeigen wollte. Jch laß demnach noch denſelben Abend des Hrn. Muſſchen - broͤks Abhandlung von der Electricitaͤt mit Bedachte durch, und fieng ſogleich an zu electriſiren. Jch hatte aber nichts anders, als eine lange Glasroͤhre dazu, deren Diameter einen halben Zoll aus - machte. Jedoch brachte ich es gleichwohl in etlichen Tagen ſoweit, daß ich einigen guten Freunden, auf die Anfrage, ob ich die Merkwuͤrdigkeiten, welche ſie bisherbeyVorrede. bey dem Herrn Profeſſor Hauſen geſe - hen haͤtten, in meinem Collegio auch zei - gen wuͤrde, mit vielem Vertrauen dazu Hoffnung machte. Dieſelbe hat mich auch nicht betrogen. Jn vierzehn Tagen darauf wußte ich mit der Electricitaͤt ſo wohl umzugehen, daß ich in meinem Ex - perimental-Collegio mit feſten und fluͤſ - ſigen Koͤrpern, mit Menſchen, Thieren und Metallen faſt alle Verſuche zeigte, welche bis dahin am meiſten waren be - kannt geworden; und mit meiner engen Glasroͤhre einen Strick, von 60 Ellen in der Laͤnge, beynahe im Augenblicke elec - triſirte. Mein Wunſch war alſo erfuͤl - let, auſer daß ich durch das Reiben der Roͤhre zuſehr ermuͤdet wurde, wenn ich es eine Stunde lang fortſetzen mußte.

Der Herr Profeſſor Hauſen arbeitete mit leichterer Muͤhe und groͤßerer Ge - ſchwindigkeit; und brachte durch ſeine Maſchine, und die Geſchicklichkeit, wo - mit er die Verſuche anſtellte, der Elec - tricitaͤt ſelber eine ſo große Verwunde -rungVorrede. rung zuwege, daß man auch nach ſeinem Tode ein Verlangen trug, dasjenige, was man durch den Ruf von dieſer Sa - che hoͤrte, mit Augen zu ſehen. Man redete nicht nur in Leipzig in den mei - ſten Geſellſchaften davon, ſondern die Entdeckungen, mit welchen ſich der Herr Profeſſor Hauſen einen beſondern Ruhm erworben hatte, waren auch dem Koͤnig - lichen Hofe in Dresden bekannt gewor - den. Und als Se. Hoheit der Koͤnigliche u. Churprinz, nebſt des Prinzens Xave - rius Koͤnigl. Hoheit an der Oſtermeſſe vorigen Jahres gnaͤdigſt geruheten, der Univerſitaͤt Leipzig durch beſondere Merk - male zu erkennen zu geben, wie ange - nehm Jhnen die Bemuͤhungen der Ge - lehrten waͤren: ſo wuͤrdigten Sie auch die electriſchen Verſuche Jhrer Betrach - tung; und bezeigten uͤber die Erklaͤrung, welche der hieſige Profeſſor der Phyſic, Herr Friedrich Menz dabey zu machen die Ehre und Gnade hatte, ein ausneh - mendes Vergnuͤgen. Es geſchahe ſol -chesVorrede. ches in Gegenwart vieler Großen des Hofes. Und Se. Excellenz, der Herr Krongroßcanzler von Pohlen, Zaluski, wurden dadurch dergeſtalt erfreuet, daß Sie ſich hierauf von dem hieſigen Mecha - nico, Herrn Johann George Cotta, eine Maſchine nach Art der hauſeniſchen ver - fertigen, und nach Pohlen bringen lieſſen.

Gegen die Michaelismeſſe ward eine neue Maſchine zum Electriſiren hier in Leipzig erfunden. Weil ich ſahe, daß die Muͤhe im Electriſiren dadurch er - leichtert, und die Wirkung noch mehr beſchleuniget wurde: ſo nahm ich mir die Kuͤhnheit, Sr. Excellenz dem Herrn Gra - fen von Manteufel eine muͤndliche Be - ſchreibung davon zu geben. Dieſe ge - fiel Jhnen ſo wohl, daß Sie eine Zeichnung von der Maſchine verlangten. Dieſelbe uͤberreichten Se. Excellenz Sr. Koͤnigl. Hoheit dem Churprinzen. Se. Hoheit bezeigten daruͤber ein ſo gnaͤdiges Wohl - gefallen, daß Sie ſich entſchloſſen, die electriſchen Verſuche auch mit dieſer Ma -bſchineVorrede. ſchine ſich zeigen zu laſſen. Sr. Excel - lenz, der Herr Geheime Rath und Ober - Conſiſtorial-Praͤſident von Holzendorf, trugen, wegen der Anſtalten dazu, eine ſo gnaͤdige Vorſorge, daß Sie einige Zeit zuvor, ehe Jhro Koͤnigliche Hohei - ten der Churprinz und Prinz Xaverius die anzuſtellenden Verſuche zu betrachten geruhen wollten, alles, was ſie der Be - trachtung werth zu ſeyn erachteten, ſel - ber in Augenſchein nahmen, und durch Dero Wohlgefallen uͤber die Maſchine und die Zubereitungen, in mir eine be - ſondere Munterkeit erweckten. Jch war auch ſo gluͤcklich, daß die Verſuche nach Wunſche von ſtatten giengen. Die Auf - merkſamkeit, womit beyde Koͤnigliche Hoheiten dieſelben anſahen, war ſo groß, daß die Begierde, Dero Gedanken da - mit zu unterhalten, ſich mitten unter der Arbeit bey mir vermehrete. Jhro Koͤ - nigliche Hoheiten lieſſen ſich die Ordnung, nach welcher ich die zu machenden Ver - ſuche aufgeſchrieben hatte, ſo wohl gefal -len,Vorrede. len, daß Selbige in nichts davon abgin - gen. Die Fragen, welche Sie bey ver - ſchiednen Verſuchen thaten, brachten mir allemal den Vortheil, daß die Sache de - ſto deutlicher wurde. Wenn es mir er - laubt waͤre: ſo koͤnnte ich in einer lan - gen Beſchreibung die Sorgfalt abbilden, welche des Prinzens Xaverii Koͤnigliche Hoheit bey denen Umſtaͤnden anwende - ten, die bey gewißen Verſuchen beſonders zu beobachten ſind. So oft ich mich der Zufriedenheit erinnere, welche des Koͤnigl. und Churprinzens und Prinzens Xaverii Koͤnigl. Hoheiten durch Dero gnaͤdigſte Worte und hohe Gnadenbezeigung mir zu erkennen gegeben: ſo empfinde ich alle - mal ein neues Vergnuͤgen, welches die De - votion, ſo ich Dero hoͤchſten Perſonen ſchuldig bin, in mir beſonders erreget. Und wie ſollte mein Gemuͤthe nicht mit tiefſter Ehrfurcht, und einer ausnehmen - den Freude erfuͤllet werden, wenn ich zu - ruͤck denke, daß ſo hohe Prinzen aus dem Koͤniglichen Churhauſe Sachſen ſich esb 2nichtVorrede. nicht haben entgegen ſeyn laſſen, in Be - gleitung Sr. Excellenz, des Koͤniglichen Pohln. und Churfuͤrſtl. Saͤchſiſchen Ca - binets - und Staats-Miniſters, Herrn Grafen von Wackerbarth; Sr. Excel - lenz, des Herrn Kron-Unter-Canzlers von Pohlen, Malakowski, und anderer, erlauchter und vornehmer Perſonen, die Wirkungen der Electricitaͤt in einem Privatzimmer anzuſehen!

Von dieſer Zeit an ward dieſelbe aufs neue durch ganz Deutſchland bekannt ge - macht, da die oͤffentlichen Leipziger Blaͤt - ter, welche die neueſten Geſchichte woͤ - chentlich beſchreiben, eine Nachricht ga - ben, wie Jhro Koͤnigl. Hoheiten der Koͤ - nigl. Chur-Prinz und Prinz Xaverius abermals die electriſchen Verſuche in Be - trachtung gezogen haͤtten. Jch hatte die Ehre, Sr. Excell. dem Ruſſiſch-Kaiſerl. Geſandten, Herrn Graf von Keyſerling; dem Generalmajor von der Pohln. Armee u. Oberſtallmeiſtern von Litthauen, Prinz Radzivil: und andern hohen und vorneh -menVorrede. men Perſonen die electriſchen Verſuche zu zeigen, und mannichfaltige Kennzeichen ihres Vergnuͤgens zu erhalten. Se. Ex - cellenz der Herr Graf von Manteufel wa - ren ferner bemuͤhet, dasjenige, was an der Electricitaͤt immer merkwuͤrdiger wird, auszubreiten. Sie lieſſen daher eine Maſchine von der neuen Erfindung verfertigen, und uͤberſendeten dieſelbe Jh - ro Hochfuͤrſtlichen Durchlauchtigkeiten dem Herzoge und der Herzoginn von Sachſen-Gotha. Se. Excellenz waren zum Voraus verſichert, daß eine Sache, welche in der Naturlehre mit unter die vornehmſten gehoͤret, an einem Hofe, wo man Gelehrſamkeit und Wiſſenſchaften in ſo großem Werthe haͤlt, unmoͤglich un - angenehm ſeyn koͤnnte. Der Erfolg leg - te die deutlichſten Beweiſe vor Augen. Se. Excellenz uͤberſchickten die Maſchine mit einem Studioſo Theologiae, Herrn Jo - hann Andreas Holweg, welcher nebſt der Theologie auch die Weltweisheit und Phyſic mit vielem Fleiße getrieben hat. b 3Die -Vorrede. Dieſem lieſſen Jhro Hochfuͤrſtl. Durch - lauchtigkeiten nach ſeiner Ankunft ſogleich ein Zimmer eingeben, wo er die Maſchine mit allem Zugehoͤre in Ordnung ſtellen, u. ſich zu den Verſuchen vorbereiten koͤnnte. Die erſten, welche Jhro Hochfuͤrſtl. Durch - lauchtigkeiten der Herzog und die Herzo - ginn, nebſt des Prinzens und der Prin - ceßinn Durchlaucht. anzuſehen geruheten, erweckten eine ganz ungemeine Bewun - derung. Der ganze Hof und die ganze Stadt redeten ſogleich von dieſen Bege - benheiten, davon die Urſache ſo ſehr ver - borgen zu ſeyn ſchien. Der Studioſus hatte ſich auf eine ſo große Anzahl Ver - ſuche gefaßt gemacht, daß er die Gedan - ken, die an phyſicaliſchen Dingen einen Gefallen haben, mit beſtaͤndigen Abwech - ſelungen vergnuͤgen konnte. Er genoß auch die hohe Gnade, daß er in die zwe - en Monathe in dem Zimmer, welches ihm anfangs angewieſen worden, hat blei - ben muͤßen. Jn einigen Tagen nach den erſten Verſuchen ertheilten Jhro Hoch -fuͤrſt -Vorrede. fuͤrſtlichen Durchlauchtigkeiten Befehl, daß man zu den folgenden Anſtalt ma - chen ſollte. Dieſe erweckten ein neues Verlangen, das Wunderbare der Elec - tricitaͤt immer weiter zu erkennen. Die Aufmerkſamkeit Jhro Hochfuͤrſtl. Durch - lauchtigkeiten wurde gar nicht ermuͤdet. Je groͤßer die Anzahl der Merkwuͤrdig - keiten war, die ſich an den electriſirten Koͤrpern entdeckten, deſto ſtaͤrker ward das Verlangen, in der Erkenntniß derſelben immer fortzuſchreiten. Der Beſchluß der Verſuche verurſachte eine eben ſo große Verwunderung, als der Anfang. Jhro Hochfuͤrſtl. Durchlauchtigkeiten be - zeigten eine voͤllige Zufriedenheit daruͤber. Jch wurde mit einem Andenken begna - diget, welches ich ſtets in Devotion vereh - ren werde. Und Herr Hollweg em - pfing bey ſeinem Abſchiede, auf Jhro Hochfuͤrſtl. Durchlauchtigkeiten Befehl, ein Geſchenk, welches ihm zu einer Verſi - cherung diente, daß ſeine Bemuͤhungen in hoͤchſten Gnaden waͤren angeſehen worden.

b 4AlsVorrede.

Als Jhro Koͤnigliche Hoheit, Maria Anna, Erzherzoginn von Oeſterreich und Gouvernanntinn der Oeſterreichiſchen Niederlande, und Dero Gemahl, Se. Hochfuͤrſtl. Durchlauchtigkeit Prinz Carl von Lothringen und Baar, auf Dero Reiſe nach den Niederlanden, die Stadt Leipzig den 5 und 6 Merz des ietzigen Jahres mit Dero hoͤchſten Gegenwart be - ehrten: ſo bekamen auch dieſelben durch die Jdee, welche Jhnen ſowohl des Hrn. Grafen von Manteufel, als auch des Koͤniglichen Ungariſchen Geſandten, Herrn Grafen von Eſterhaſi Exc. Exc. von der Electricitaͤt gegeben, ein Ver - langen, die Wirkungen derſelben zu be - trachten. Je unvermutheter ich alſo deswegen Befehl erhielt, deſto vergnuͤg - ter war mir die Gelegenheit, einer Erz - herzoginn aus dem Durchlauchtigſten Hauſe Oeſterreich, und einem Prinzen aus dem Heldenſtamme von Lothringen von einer Sache etwas zu zeigen, welche in der Phyſic ſo viele tauſend Jahre un -be -Vorrede. bekannt geweſen. Jch hatte den Tag zuvor die Gnade gehabt, Jhro Koͤnigli - che Hoheit der Erzherzoginn, und Sr. Hochfuͤrſtlichen Durchlauchtigkeit Dero Gemahl unter den Deputirten von der Univerſitaͤt die Devotion zu bezeigen, mit welcher Staͤdte und Laͤnder ſo hohe Perſonen bey ihrer Ankunft zu empfan - gen verbunden ſind. Jhro Koͤniglichen Hoheit und Sr. Hochfuͤrſtlichen Durch - lauchtigkeit gnaͤdigſte Antworten auf die Bewillkommungsreden, und Dero huld - reiches Bezeigen hatten mein Gemuͤthe auf das angenehmſte geruͤhret. Die Vorſtellung, die hierdurch von den herr - lichſten Eigenſchaften Jhro Koͤniglichen Hoheit, und Sr. Hochfuͤrſtlichen Durch - lauchtigkeit in meiner Seele entſtanden waren, bekam den Tag darauf einen noch lebhaftern Eindruck. Der Erz - herzoginn Koͤnigliche Hoheit, und des Prinzens Hochfuͤrſtliche Durchlauchtig - keit bezeigten gleich bey dem erſten Ver - ſuche mit der electriſchen Maſchine, wieb 5Jh -Vorrede. Jhnen das, was aus einer Urſache ent - ſpringt, welche der Schoͤpfer durch Macht und Weisheit in die Koͤrper gelegt hat, ein beſonderes Nachdenken erweckte. Sie betrachteten mit ausnehmender Sorgfalt alle Umſtaͤnde, welche bey einem jeden Verſuche vorkamen, und in Acht zu nehmen waren. Sie vergnuͤgten ſich an den mannichfaltigen Bewegungen, welche in den Goldtheilchen entſtunden, wenn das Glas an der Maſchine nur ein einzigesmal bewegt wurde. Sie be - wunderten die Funken, welche an den Flaͤchen der Metalle entſprungen. Sie bezeigten eine ausnehmende Freude uͤber die Strahlen, welche in einem luftleeren Glaſe wie Blitze erregt wurden, ſo oft dieſes Glas an eine electriſirte Roͤhre aus Eiſenbleche gehalten wurde. Jch ſtelle mir in den Betrachtungen der Electricitaͤt zum oͤftern vor, wie gnaͤdig Jhro Koͤnigliche Hoheit, die Erzherzo - ginn, mich anredeten, wenn ich einen neuen Verſuch vornehmen wollte; mitwasVorrede. was fuͤr Munterkeit des Gemuͤthes des Prinzens Hochfuͤrſtliche Durchlauchtig - keit ſelber Verſuche anſtellten; und wie gar unermuͤdet beyderſeits Hoheiten ihre Gedanken auf alles, was die Electricitaͤt hervorbrachte, in einem fort gerichtet ſeyn lieſſen. Die gnaͤdigen Worte, de - ren ſich der Erzherzoginn Koͤnigliche Ho - heit und des Prinzens Hochfuͤrſtliche Durchlauchtigkeit bey dem Beſchluße bedienten, waren das gewiſſeſte Zeug - niß, daß Dero Aufmerkſamkeit wirklich waͤre vergnuͤget worden. Und das koſt - bare Andenken, welches Selbige mir uͤberreichen lieſſen, gab mir die voͤllige Verſicherung, daß ich den Tag unter die Vornehmſten meines Lebens zu rech - nen haͤtte, da ich die ausnehmend hohe Gnade gehabt, der Durchlauchtigſten Erzherzoginn aus dem Hauſe Oeſter - reich, Maria Anna, und dem Durchlaucht. Prinzen Carl aus dem Hauſe Lothrin - gen einige Wirkungen zu zeigen, wodurch die Electricitaͤt Verwunderung erwecket.

GanzVorrede.

Ganz Leipzig war hierdurch auf das neue ermuntert worden, das Sonder - bare der Electricitaͤt kennen zu lernen. Jn allen Geſellſchaften wurde erzaͤhlt, mit was fuͤr Vergnuͤgen daſſelbe von Jhro Koͤniglichen Hoheit der Erzherzo - ginn, und Dero Gemahls, des Prinzen Carls Hochfuͤrſtlichen Durchlauchtigkeit, waͤre betrachtet worden. Es wurden daher immer neue Verſuche angeſtellt, wobey man faſt taͤglich etwas anmerkte, was annoch war verborgen geweſen. Be - ſonders gaben Se. Excellenz, der Herr Graf von Manteufel, mir immer neue Gelegenheit, die Erkenntniß der Electri - citaͤt zu erweitern. Am 14 May dieſes Jahres kam der Koͤnigliche Preuſſiſche Geheime Rath und Canzler der Haͤlli - ſchen Univerſitaͤt, Herr Chriſtian Wolf, nach Leipzig, und hatte die Ehre, von Sr. Hochreichsgraͤflichen Excellenz in Dero Hauſe aufgenommen zu werden. Jndem Se. Excellenz wahrnahmen, wie der Herr Geheime Rath uͤber die Elec -tri -Vorrede. tricitaͤt uͤberhaupt, und uͤber die Ma - ſchine zum Electriſiren, und die electri - ſchen und zuͤndenden Funken inſonderheit, ein ſehr großes Vergnuͤgen bezeigte: ſo ſchickten Sie ihm die Maſchine, welche Sie auf das neue hatten verfertigen laſ - ſen, in ſein phyſicaliſches Jnſtrumenten - Zimmer nach Halle. Nachdem auch der Verſuch mit den zuͤndenden Funken ei - nes electriſirten Menſchen in den oͤffent - lichen Zeitungen war bekannt gemacht worden: ſo wurde der Electricitaͤt eine neue Bewunderung zuwege gebracht. Mir wiederfuhr alſo abermals die Ehre, daß ich vornehme Perſonen damit ver - gnuͤgen konnte. Als Se. Excell. der Koͤnigl. Pohln. und Churfuͤrſtl. Saͤchß. Canzler und Oberhofrichter, Herr von Gersdorf, in Geſellſchaft des hieſigen Profeſſoris, Hrn. Hofrath Walthers, dieſen Verſuch betrachteten; ſo zeigte ich ihnen zugleich die unglaubliche Geſchwindigkeit, womit ſich ein electriſirter Funken aus einer ble - chernen Roͤhre in ein eiſernes Jnſtru -ment,Vorrede. ment, und aus dieſem durch den ganzen Kopf mit einer Erſchuͤtterung den Au - genblick fortpflanzt. Nachdem Se. Ex - cellenz der Herr Graf von Manteu - fel, verſchiedenen von Dero guten Freunden, die Selbige von langen Jah - ren her in Coppenhagen kennen, in Dero Briefen eine Beſchreibung von der Elec - tricitaͤt gegeben: ſo haben dieſelben in ih - ren Antworten ein großes Vergnuͤgen und Verlangen erklaͤret, dieſe Merkwuͤr - digkeiten mit Augen zu ſehen. Se. Ex - cellenz haben daher noch eine Maſchine machen laſſen, welche Sie dieſen Liebha - bern der Phyſic uͤberſchicken werden. Nach einigen Wochen, da in den Leipzi - ger Zeitungen war bekannt gemacht wor - den, daß man mit den electriſchen Fun - ken eines electriſirten Menſchen einen gewißen Spiritum gezuͤndet haͤtte, bekam ich aus Stollberg von dem Hof - und Con - ſiſtorialrathe, Herrn Chriſtian Gottlob Muͤller, ein Schreiben, in welchem ge - meldet wurde, wie daſige HochgraͤflicheHerr -Vorrede. Herrſchaft uͤber die Nachricht von den erzaͤhlten Wirkungen der Electricitaͤt ungemein aufmerkſam und vergnuͤgt waͤren gemacht worden, und eine große Begierde bezeigten, einige Verſuche da - von machen zu ſehen. Auf meine ge - gebene Antwort erhielt ich alſobald von dem Herrn Hofrathe das zweyte Schrei - ben, mit dem Erſuchen, eine Maſchine zum Electriſiren, nebſt allem Zugehoͤre, in Leipzig verfertigen zu laſſen. Jch beſorgte dieſelbe alſogleich mit deſto groͤſ - ſerm Vergnuͤgen, ie groͤßer meine Be - gierde iſt, die Erkenntniß der Naturlehre auszubreiten, und angenehm zu machen.

Weil bey allen Verſuchen nach der Urſache gefragt wird, wie die Electrici - taͤt entſtehen, wie ſie ſich aus einem Koͤr - per in den andern fortpflanzen, und wie die electriſche Materie ſelber beſchaffen ſeyn moͤchte: ſo nahm ich mir vor, die Verſuche in gewiſſe Claſſen zu bringen, und dieſelben theils einzeln zu betrachten, theils mit einander zu vergleichen. Jn -demVorrede. dem ich dieſe Arbeit eine zeitlang fort - ſetzte: ſo gelangte ich zu einigen allge - meinen Saͤtzen, die mir geſchickt zu ſeyn ſchienen, daß man einige Fragen daraus beantworten koͤnnte. Auf dieſe Weiſe iſt endlich gegenwaͤrtige Abhandlung ent - ſtanden, die ich in zween Theile getheilet. Der hiſtoriſche enthaͤlt lauter Verſuche, die ich alle ſelber mit aller mir moͤglichen Behutſamkeit angeſtellt, und zu vielen malen wiederholet. Der phyſicaliſche beſtehet in einigen Unterſuchungen, in welchen ich mich bemuͤhet, ſo viel zu beja - hen, zu verneinen, und zu vermuthen, als unter denen Umſtaͤnden, unter wel - chen ich die electriſchen Wirkungen wahr - genommen, und aus andern bereits er - kannten Wahrheiten moͤglich zu ſeyn ſcheinet.

Gedan -[1]

Gedanken von den Eigenſchaften, Wirkungen und Urſachen der Electricitaͤt, nebſt einer Beſchreibung zwo neuer electriſchen Maſchinen.

A[2][3]

Der Hiſtoriſche Theil.

Das I Hauptſtuͤck. Die Worterklaͤrung der Elec - tricitaͤt.

§. 1.

Wenn ein Stuͤck Electrum oder Agt - und Bernſtein gerieben wird: ſo entſtehet an dem - ſelben eine Bewegung, wel - che in leichte und nahe liegende Sachen, als Spreu, Sand, Faͤden, Federn, kleine Stuͤck - chen Flittergold, dergeſtalt wirkt, daß ſie aufA 2den4Der hiſtoriſche Theilden Agtſtein zufahren, gleich als wenn ſie mit Gewalt auf ihn zugeriſſen wuͤrden. Deswe - gen haben, nach dem Zeugniße des Plinius in dem 37 Buche im 2 Hauptſtuͤcke ſeiner Hiſto - rie, die Weibesperſonen in Syrien dieſen Stein, woraus ſie Wirtel an ihre Spillen ge - macht, mit einem griechiſchen Namen Harpa - ga, den an ſich reiſſenden, benennet.

§. 2.

Die Bewegung aber, welche um den Agtſtein durch das Reiben erwecket wird, ver - urſachet nicht nur, daß leichte Koͤrperchen auf ihn zufliegen, ſondern ſtoͤßt auch dieſelben wie - derum von ihm zuruͤck.

§. 3.

Auf gleiche Weiſe wirken Schwefel, Pech, Siegelack, Glas und viele andere Koͤr - per, wenn ſie gerieben werden.

§. 4.

Jedoch findet man von den Verſu - chen mit dem Schwefel und Glaſe keine ſo alte Nachrichten, als von denen, welche man mit dem Electro angeſtellet hat. Und viel - leicht waͤre es noch bis ietzo unbekannt, daß ſich die Wirkung, welche man an demſelben wahrgenommen, auch an andern Koͤrpern aͤu -ſerte,5von der Electricitaͤt. ſerte, wenn nicht der magdeburgiſche Buͤrge - meiſter, Otto von Gvericke, der ſeinen Namen durch die Erfindung der Luftpumpe in dem vorigen Jahrhundert beruͤhmt gemacht, eine Schwefelkugel, welche an einer Maſchine her - umgedrehet wird, durch die daran gelegte Hand ſolchergeſtalt gerieben haͤtte, daß Spreu und Goldſtuͤckchen an die Kugel geflogen, und von ihr wieder zuruͤckgefahren waͤren. Er beſchreibet dieſe Kugel, und die damit ange - ſtellten Verſuche, in ſeinem Werke, welches er Experimenta Noua Magdeburgica de Vacuo Spatio betitelt. Jn dem 4ten Bu - che handelt er de Virtutibus Mundanis, oder denenjenigen Kraͤften, welche in gewißen Ausfluͤßen beſtehen. Er theilt dieſelben in zwo Arten: in die koͤrperlichen, welche durch die feſten Koͤrper, als durch Glas, nicht durch - gehen, als die Luft; und in die unkoͤrperlichen, welche die feſten Koͤrper durchdringen, als die Kraft des Magneten. Unter die unkoͤrperli - chen rechnet er die antreibende Kraft, wodurch ein Koͤrper von einem Orte zum andern be -A 3wegt6Der hiſtoriſche Theilwegt wird, als ein Stein, welchen man in die Luft wirft; die erhaltende, wodurch ſich eine Sache beſtrebt, mit der andern vereinigt zu bleiben, z. E. ein Stein, welcher durch ſeine Schwere aus der Luft zuruͤcke faͤllt; die aus - treibende, wenn ein Koͤrper durch die unſicht - bare Kraft des andern von ihm weggeſtoſſen wird; die ſchallende oder klingende; die waͤr - mende und leuchtende. Alle dieſe Kraͤfte und Ausfluͤße hat er, vermittelſt einer Schwefel - kugel, gezeiget, die er in dem 15ten Hauptſtuͤ - cke erklaͤret. Er hat eine glaͤſerne hole Ku - gel, welche ſo groß wie der Kopf eines Kin - des geweſen, mit klein geſtoßnem Schwefel ge - fuͤllet, und ihn in derſelben am Feuer ſchmel - zen laſſen. Nachdem der geſchmolzene Schwe - fel kalt geworden: ſo hat er die glaͤſerne Ku - gel zerſchlagen; und die dichte Schwefelkugel an ihren beyden Polen, in welchen er zween Zapfen befeſtiget, zwiſchen zwoen Saͤulen auf - gehenkt, und an den einen Zapfen, welcher durch die eine Saͤule durchgegangen, eine Kurbel gemacht. Wenn er nun damit dieKugel7von der Electricitaͤt. Kugel herumdrehen laſſen, und iemand an die - ſelbe eine trockne Hand gehalten: ſo ſind die untergelegten leichten Sachen, als Gold - ſtuͤckchen und Waſſer, an die Kugel angeflo - gen, und wieder zuruͤck geſtoſſen worden. Dieſer Kugel gedenkt der Franzoſe Mon - ſieur de Monconys en Journal de Vo - yages par Alemagne, imprimé a Lion, und bezeuget, wie er ſelber bey dem Herrn Gvericke in ſeinem Hauſe in Magdeburg dieſe Verſuche geſehen, und zu ſeiner Nachricht auf - gezeichnet habe. Nach dieſer Entdeckung ha - ben es viele vortreffliche Naturforſcher, als Gylbertus, Boyle, Hauksbée, Gray, du Fay, Graueſande, Muſſchenbroeck und andere mit Glaſe verſuchet, und durch ihren unermuͤdeten Fleiß die Naturlehre mit beſon - dern Merkwuͤrdigkeiten bereichert.

§. 5.

Jndem nun das Glas und viele an - dere Koͤrper mit dem Electro darinnen uͤber - einkommen, daß ſich durch das Reiben eine Wirkung an ihnen erregen laͤſſet, wodurch leichte Sachen ſowohl an ſie anfliegen, alsA 4auch8Der hiſtoriſche Theilauch von ihnen weggeſtoſſen werden: ſo hat man dieſe Bewegung die Electricitaͤt, und einen Koͤrper, an welchem dieſelbe entſtehet, electriſirt genennet.

Das II Hauptſtuͤck. Die Beſchreibung zwo neuer electriſchen Maſchinen.

§. 6.

Zu denen electriſchen Verſuchen mit dem Glaſe hat man ſich meiſtentheils einer ho - len Glasroͤhre bedienet, die man mit Leder, oder Tuche, oder Papier gerieben: indem man dieſe Materien in die eine Hand genom - men, und mit der andern die Roͤhre in derſel - ben hin und hergezogen.

§. 7.

Weil man aber durch dieſe Arbeit ſehr muͤde wird; und einen Koͤrper damit nicht in einem fort electriſiren kann: ſo hat der vor einem Jahre verſtorbene ProfeſſorMathe -9von der Electricitaͤt. Matheſeos in Leipzig, Here Chriſtian Au - guſt Hauſen, auf ein beqvemeres Mittel zum Electriſiren gedacht; und ſich daher eine Ku - gel bereiten laſſen, die man in einer horizonta - len Lage durch Huͤlfe eines Rades herumdre - het. Die ganze Zuruͤſtung iſt im Anfange ſeiner Abhandlung zu ſehen, welche der Herr Profeſſor Gottſched unter dem Titel: Novi Profectus in Hiſtoria Electricitatis, in Leipzig 1743 herausgegeben. Die Kugel die - ſer Maſchine iſt eben diejenige, welche man ſonſt zur Erzeugung des electriſchen Lichts ge - braucht hat, wie Herr Hauſen ſelber im An - fange ſeiner Schrift bezeuget. Der Herr ge - heime Rath Wolf erzaͤhlet in ſeinem andern Theile der nuͤtzlichen Verſuche der Natur und Kunſt, in dem 173 §, wie Hauksbée bey Be - trachtung des Lichts, welches der Mercurius im luftleeren Raume durch ſein Reiben an dem Glaſe verurſachet, Anlaß bekommen, noch auf andere Verſuche zu gedenken, wo durch Reiben des Glaſes Licht hervorgebracht wird. Die Maſchine, welche Hauksbée dazu erfun -A 5den,10Der hiſtoriſche Theilden, hat der Herr geheime Rath von dem be - ruͤhmten Mechanico, Hrn. Leupold, in Leipzig nachmachen, in einigen Stuͤcken aber veraͤn - dern laſſen, und die Beſchreibung davon an dem ietztgedachten Orte bekannt gemacht. Die Einrichtung und Beſchaffenheit der Ma - ſchine, wie ſie Hauksbée erfunden, iſt in des Herrn Graveſande Phyſices Elementis Mathematicis, in dem andern Theile auf der erſten Tabelle Fig. 2 und 3, und auf der an - dern Tabelle Fig. 1 zu ſehen. Und auf dieſe Art iſt auch die hauſeniſche Maſchine einge - richtet. Jn der veraͤnderten hauksbeeiſchen ſtehet die Kugel vertical, und das Rad hori - zontal: in der graveſandiſchen und hauſeni - ſchen hingegen lieget die Kugel horizontal, und das Rad haͤngt vertical.

§. 8.

Der Herr Profeſſor Hauſen hat mit ſeiner horizontal liegenden Kugel nicht nur in dem Collegio Phyſico, welches er 1742 und 1743 geleſen, die merkwuͤrdigſten Verſuche ge - zeiget, welche er 1716 und den folgenden Jah - ren in Engeland und Frankreich geſehen hatte;ſon -11von der Electricitaͤt. ſondern hat auch verſchiedne neue Wirkungen der Electricitaͤt entdeckt, wovon er in der ge - dachten lateiniſchen Abhandlung Nachricht gegeben.

§. 9.

Es finden ſich aber in der hauſeni - ſchen Maſchine gewiße Dinge, welche zu einer Verbeſſerung Anlaß gegeben. Denn erſtlich gehet die Wirkung nicht von ſtatten, wenn die Hand, die man an die electriſche Kugel legt, nicht trocken iſt. Zum andern kann die Ku - gel, aus Mangel einer ſo ſchnellen Umdrehung, als noͤthig waͤre, nicht ſtark genug gerieben werden. Und endlich iſt es gar zu muͤhſam, das Rad herumzudrehen, wodurch die Kugel beweget wird, wenn man zumal die Wirkung beſchleunigen, verſtaͤrken und fortſetzen ſoll.

§. 10.

Jn Erwegung dieſer Umſtaͤnde war ich daher im vorigen Jahre auf ein Mittel bedacht, wodurch man dieſen Unbeqvemlichkeitẽ abhelfen koͤnnte. Abſonderlich giengen meine Gedanken dahin, wie ich zu einer Maſchine gelangen moͤchte, wodurch ſich die Electricitaͤt mit aller nur moͤg -lichen12Der hiſtoriſche Theillichen Geſchwindigkeit ohne große Muͤhe her - vorbringen lieſſe. Zu eben der Zeit hatte ich eine machinam virium centralium im Werke; und ließ deswegen den hieſigen Drechsler, Johann Friedrich Gieſſing, zu mir kommen. Da ich aus den Reden dieſes Man - nes merkte, daß er zu Sachen, wo es auf eine beqveme Einrichtung ankoͤmmt, geſchickt und aufgelegt waͤre: ſo redete ich auch von der electriſchen Maſchine mit ihm. Denn ſie war ihm bereits bekannt: indem er dieſelbe bey dem hieſigen Mechanico, Hrn. Joh. George Cotta, fuͤr welchen er etliche Jahre lang im Drechſeln gearbeitet, geſehen und verſchiedene Stuͤcke dazu verfertiget hatte. Sobald ich ihm meine Gedan - ken entdeckte, wie mir die hauſeniſche Maſchine in der Wirkung zu langſam und zu muͤhſam zu ſeyn ſchiene: ſo erzaͤhlte er mir, wie er be - reits auf eine neue Art gekommen waͤre, wo - durch man mit leichter Muͤhe und einer be - ſondern Geſchwindigkeit eine ſehr ſtarke Ele - ctricitaͤt erregen koͤnnte. Er zeigte mir hier - auf die Kunſt an ſeiner Drechſelbank. Da ichdenn13von der Electricitaͤt. denn an das Ey dachte, ſo keiner unter denen, welche die Erfindung der neuen Welt fuͤr eine leichte Sache ausgaben, auf Verlangen des Columbus mit der Spitze auf den Tiſch ſetzen konnte, daß es waͤre ſtehen geblieben. Denn ich ſahe wohl, daß es wenig Kunſt brauchte, dieſe electriſche Maſchine nachzumachen.

§. 11.

Sie beſtehet (Tab. 1. Fig. I u. 2) aus dreyen Saͤulen b o, b p, q r, welche in ein ſchweres und auf drey Kugeln ruhendes Po - ſtement a eingezapft ſind; aus einer eiſernen Feder r u; und einem in Holz eingekuͤttetem Glaſe l m n. Die eiſerne Feder iſt in einem Stuͤ - cke Holz r feſt gemacht, welches in der hinterſten Saͤule q r beweglich iſt: indem es in derſelben vermittelſt eines Zapfens ſteckt, welcher inwendig durch eine Schraube t befeſtiget werden kann. Die beyden foͤrderen Saͤulen b o und b p ſind mit zwoen Wangen d und d verbunden. An der Saͤule b o iſt an der inwendigen Seite eine Pfanne o. Durch die Saͤule b p gehet eine Schraube, an welcher gleichfalls eine ei - ſerne Pfanne iſt. An den beyden Enden derhoͤl -14Der hiſtoriſche Theilhoͤlzernen Einfaſſungen, in welchen das Glas eingekuͤttet iſt, ſind zwo eiſerne Spitzen, mit welchen das Glas in den zwoen Pfannen aufge - henkt wird. Das Glas ſelber iſt ein gemei - nes Bierglas. Man kann auch ein anderes darzu nehmen, welches voͤllig cylindriſch iſt. Die Wirkung iſt einerley. Se. Excellenz, der Herr Graf von Manteufel, ſind vor einiger Zeit auf die Gedanken gekommen, ob man nicht, an ſtatt des Glaſes, Porcelan zum Electriſiren brau - chen koͤnnte; und haben daher Gefaͤſſe und Be - cher aus meißner und japaniſchen Porcelan auf eben die Art, wie das Bierglas, einfaſſen laſſen. Ein dergleichen Porcelanbecher thut eine weit ſtaͤrkere Wirkung, als das Glas. An der eiſer - nen Feder iſt eine Schnur oder Saite ww, welche man um den langen Arm der Einfaſſung bey l etlichemal herum ſchlingt, und unten an den Tritt x anbindet, welcher ſich auf dem Poſte - mente y z auf und nieder bewegen laͤſſet. Hinter dem Glaſe (Fig. 3) iſt ein Saͤulchen h i mit zwo - en Stellſchrauben e und g, welches unten ver - mittelſt einer Schraube f an die inwendigeWan -15von der Electricitaͤt. Wange befeſtiget iſt. An dieſer Saͤule iſt oben ein Kuͤßchen k mit Leder oder Leinwand uͤberzogen, und mit Wolle oder andern wei - chen Sachen geſtopfet, welches mit der Stell - ſchraube e dergeſtalt geſtellet werden kann, daß es an das Glas wohl anſchleiſt.

§. 12.

Der Raum, durch welchen der Tritt von dem Fuße niedergeſtoſſen, und von der ei - ſernen Feder durch die Schnur oder Saite wieder in die Hoͤhe gezogen wird, iſt ſo groß, daß das Glas im Niedertreten anderthalbmal herumgehet. Die eiſerne Feder ziehet ſo ſtark, daß der Tritt den Augenblick, wenn man den Fuß von ihm aufhebt, ſeine vorige Hoͤhe erreicht. Dergeſtalt wird ieglicher Punct des Glaſes, oder Porcelanbechers, an dem anliegenden Puncte des ledernen Kuͤßchens in der Zeit, da der Tritt einmal niedergeſtoſſen, und wieder in die Hoͤhe gezogen wird, viermal gerieben. Dieſe Zeit aber iſt ſehr klein. Denn man kann in einer Minute den Tritt gar wohl 170mal nie - derſtoſſen. Alſo wird ieglicher von den anlie - genden Puncten des Glaſes in einer Minute68016Der hiſtoriſche Theil680mal gerieben. Die uͤbrigen Puncte her - gegen, welche das Kuͤßchen nicht beruͤhren, ehe das Glas bewegt wird, werden in dieſer Zeit 340mal gerieben. Weil das Kuͤßchen eine gewiße Breite hat: ſo wird ieglicher Punct noch um ſo vielmal mehr gerieben, ie groͤßer die An - zahl der Puncte iſt, die er an dem Kuͤßchen nach einander in ſeiner Bewegung zu beruͤhren hat.

§. 13.

Die eiſerne Feder iſt ſo elaſtiſch, daß ſie das Glas wieder zuruͤck ziehet, wenn auch das Kuͤßchen ziemlich ſtraff daran geſchraubet worden. Man kann alſo das Reiben nach Gefallen verſtaͤrken. Abſonderlich wird ſol - ches vermehret, wenn man fein geſchabte Kreide zwiſchen das Glas, oder den Porcelan - becher, und das Kuͤßchen ſtreuet.

§. 14.

Hieraus iſt leicht abzunehmen, daß dieſe Maſchine, welche nach Art einer Drech - ſelbank eingerichtet iſt, vor der hauſeniſchen oder graveſandiſchen einen großen Vorzug hat. Denn man hat niemals zu befuͤrchten, daß das Glas, oder der Porcelanbecher feuchtwird,17von der Electricitaͤt. wird, wenn man das Kuͤßchen daran ſchraubt. Das Niederſtoſſen des Trittes ermuͤdet weniger, als das Umdrehen des Ra - des. Die Geſchwindigkeit in dem Hin - und Herdrehen des Glaſes iſt weit groͤßer, als die Herumdrehung der Kugel. Da end - lich ieder Punct, mit welchem das Glas an - liegt, in einer Minute 680, und ein anderer in eben der Zeit 340mal gerieben wird: ſo iſt die Wirkung ohnſtreitig ſehr ſchnell und heftig; abſonderlich wenn man das Kuͤßchen ſtraff anſchraubt, und Kreide dazwiſchen ſtreuet.

§. 15.

Wollte man die Puncte einer Ku - gel, vermittelſt eines Rades, ſo oft in einer Minute herumdrehen: ſo wuͤrde es einem ſehr ſauer werden. Wollte man aber die Muͤhe erleichtern: ſo muͤßte man etliche Raͤder dazu anwenden, da immer eines das andere triebe. Solchergeſtalt aber wuͤrde die Zuruͤſtung zu koſtbar werden, und zu vielen Raum ein - nehmen.

B§. 16.18Der hiſtoriſche Theil

§. 16.

Die Maſchine mit dem Tritte wuͤr - de endlich zu ihrer voͤlligen Vollkommenheit gelangen: wenn man noch eine Maſchine an - bringen koͤnnte, welche entweder durch Huͤlfe einer Feder, oder eines Gewichtes, die Stelle eines Menſchen vertraͤte, welcher den Tritt mit ſeinem Fuße niederſtoͤſt.

§. 17.

Weil ich lange Zeit wahrgenommen, daß duͤnne Glasroͤhren ſich dadurch, indem man ſie in der Hand hin und herziehet, unge - mein ſtark electriſiren laſſen: ſo habe ich vo - rige Oſtermeſſe auf eine Maſchine gedacht, wodurch man dieſes auf eine beqvemere und leichtere Weiſe thun koͤnnte. Was die Be - wegung betrifft: ſo iſt ſie von der vorigen Art, wie die Tab. 2. Fig. 1. ausweiſet. Unter der Feder an der hinterſten Saͤule k iſt noch eine zur Unterlage, welche die obere wieder in die Hoͤhe ſtoſſen hilft, wenn ſie hernieder gezogen worden iſt. Die Glasroͤhre (Tab. 2. Fig. 2) iſt 2 leipziger Schuhe und 4 Zoll lang. Je - doch kann man ſie ſo lang nehmen, als man will. Jm Diameter hat ſie Zoll. Sie iſtin19von der Electricitaͤt. in einen hoͤlzernen Rahmen eingefaſt, welcher 1 Schuch und Zoll breit iſt, und an beyden Seiten d und d auswendig eiſerne Schienen hat, die ſich in einer Nuth in den beyden foͤr - dern Saͤulen b b auf und nieder ziehen laſſen (Tab. 3. fig. 1). An der obern und untern Seite des Rahmens ſind eiſerne Ringe m und m, an welche zwo Schnuͤre geknuͤpfet werden, deren eine an den Tritt, die andere an die Feder gebunden wird. An den beyden for - dern Saͤulen iſt ein hoͤlzerner Qverbogen f (Tab. 2. Fig. 3.) befeſtiget, und in der Mitten deſſelben eine Schraube i, an welcher eine halb - runde Huͤlſe iſt, an welche eine andere mit zwo Schraͤubchen h h geſchraubet werden kann. Die beyden Huͤlſen ſind mit Leder und Wolle gefuͤttert, und werden ſo feſt an die Glasroͤhre angeſchloſſen, als es dieſelbe leidet. Wenn der Qverbogen mit den zwo halbrunden Huͤlſen an dem gehoͤrigen Orte befeſtiget werden ſoll: ſo wird der Rahmen mit dem Glasrohre an die beyden Schnuͤre dergeſtalt gebunden, daß der Tritt von der Feder voͤllig in die Hoͤhe ge -B 2zo -20Der hiſtoriſche Theil. zogen wird, der Rahmen aber an den obern Qverriegel c (Tab. 2. Fig. 1. & Tab. 3. F. 1.) der beyden Saͤulen b b nicht anſtoͤßt, damit das Glas durch die Erſchuͤtterung nicht zerſtoſſen wird. Wenn der Rahmen dieſe Stellung hat: ſo ſchraubt man den Qverbogen an den Saͤu - len faſt gegen das Ende des Rahmens. Die Laͤnge der Roͤhre, von dieſem Orte an, muß alſo etwas groͤßer ſeyn, als die Laͤnge des Raums iſt, wodurch der Tritt niedergeſtoſ - ſen wird, damit die obere Seite des Rah - mens nicht an die Huͤlſe anſtoͤßt. Hieraus erhellet zugleich, wie groß der Raum uͤber und unter der Roͤhre bis an die Qverriegel der Saͤulen ſeyn muͤſſe.

§. 18.

Dieſe Maſchine iſt gleichfalls ſehr geſchickt, eine Roͤhre mit leichter Muͤhe ſchnell und ſtark zu reiben, und dieſe Bewegung in einem fortzuſetzen. Jedoch behaͤlt die erſtere den Vorzug. Denn in der Zeit, da der Tritt niedergeſtoſſen, und wieder in die Hoͤhe ge - zogen wird, reibt ſich kein Punct des Futterals, an welchem er liegt, ehe man dieBe -21von der Electricitaͤt. Bewegung anfaͤngt, mehr als zweymal. Hin - gegen werden in der erſten Maſchine die Pun - cte des Glaſes an den Puncten des Kuͤßchens, an welche ſie vor der Bewegung ruͤhren, in ietzt gedachter Zeit viermal gerieben. Ueber dieſes wird die Electricitaͤt in dieſer Maſchine auch dadurch vermindert, daß das Futteral die ganze Roͤhre umgiebt. Jch habe bey der er - ſtern Maſchine gefunden, daß die Electricitaͤt lange nicht ſo ſtark iſt, wenn das Kuͤßchen die Helfte des Glaſes bedecket, als wenn es kleiner iſt. Ein Kuͤßchen, welches das Glas in einer ſchmalen Breite beruͤhret, thut die beſte Wir - kung. Die Urſache davon ſoll unten in dem phyſicaliſchen Theile erklaͤret werden.

Das III Hauptſtuͤck. Die urſpruͤngliche Electricitaͤt.

§. 19.

Die Electricitaͤt, welche von keiner andern entſtehet, heißt die urſpruͤngliche.

§. 20.

Sie wird meiſtentheils durch ReibenB 3er -22Der hiſtoriſche Theilerregt, welches, wie bereits gedacht worden, fuͤglich mit Leder geſchiehet. Auch gehet es mit Tuche, mit Leinewand, mit Papiere, mit Holze, mit Gorks, mit Kreide, mit Bley, Eiſen und andern Metallen an.

§. 21.

Je duͤnner das Glas an der Ma - ſchine, oder die Glasroͤhre iſt, deſto geſchwin - der laͤßt ſich die Electricitaͤt erregen.

§. 22.

Erwaͤrmt man die Glasroͤhre, und reibt ſie alsdenn: ſo zeigt ſich die Wirkung noch geſchwinder und ſtaͤrker.

§. 23.

Mit der bloßen Waͤrme habe ich keine Electricitaͤt erregen koͤnnen, ich habe nun die Glasroͤhre entweder uͤber gluͤhenden Koh - len, oder an der Sonne erwaͤrmen moͤgen. Diejenigen, welche erzaͤhlen, daß ſie auch durch die bloße Waͤrme Koͤrper electriſiret haͤtten, verſichern zugleich, daß die Wirkung ſehr ſchwach geweſen.

§. 24.

Hingegen habe ich zum oͤftern gefun - den, daß Schwefelſtangen nach vielen Mona - ten, da ſie gegoſſen worden, mit einer merkli - chen Electricitaͤt in kleine Goldſtuͤckchen gewir -ket,23von der Electricitaͤt. ket, ob ich gleich die Stangen weder erwaͤrmt, noch gerieben habe.

§. 25.

Unter denen Koͤrpern, welche ſich reiben laſſen, habe ich durch das Reiben an Holze, Leder, haͤnfenen Stricken, Metallen und meiner eigenen Haut zur Zeit keine Elec - tricitaͤt erregen koͤnnen.

§. 26.

Jch habe etlichemal wahrgenommen, daß die urſpruͤngliche Electricitaͤt ſchwaͤcher ge - worden, wenn ſich das Glas an der Maſchine durch das lange Reiben gar zu ſtark erhitzt hat. Jedoch will ich daher noch nicht behaupten, als wenn die allzuſtarke Erhitzung allemal die Elec - tricitaͤt verminderte. Es iſt noͤthig, daß man dieſen Verſuch noch oͤfters wiederholet.

§. 27.

Graveſande in ſeinen Phyſices Elementis Mathematicis §. 555. giebt vor, wenn die Glasroͤhre dergeſtalt gerieben wuͤrde, daß man von der Hand an, wo - mit man die Roͤhre haͤlt, gegen das Ende der - ſelben, wo man zu reiben angefangen, wieder zuruͤck riebe: ſo waͤre die Electricitaͤt nicht merklich. Allein ich habe allemal einerleyB 4Electri -24Der hiſtoriſche TheilElectricitaͤt wahrgenommen: ich habe nun ent - weder von dem Ende der Roͤhre gegen die haltende Hand, und von dieſer gegen das Ende der Roͤhre zu reiben; oder, wenn ich die Roͤhre, von ihrem Ende gegen die Hand zu, gerieben, das Ende der Roͤhre mit der rechten Hand er - greiffen, und mit der linken Hand auf daſſelbe im Reiben zufahren moͤgen. Mit einem Worte, die Electricitaͤt entſtehet, man mag die Roͤhre hin und her reiben, wie man will.

Das IV Hauptſtuͤck. Die Umſtaͤnde, unter welchen ſich die fortgepflanzte Electricitaͤt wahrnehmen laͤſſet.

§. 28.

Die Electricitaͤt laͤſſet ſich von einem electri - ſirten Koͤrper in den andern fortpflan - zen, ohne daß ſie einander beruͤhren duͤrfen.

§. 29.

Es ſind aber gewiße Materien, auf welchen der Koͤrper ruhen muß, wenn die in ihn fortgepflanzte Electricitaͤt merklich werdenſoll.25von der Electricitaͤt. ſoll. Abſonderlich habe ich an Pech und blau - gefaͤrbter Seide bemerket, daß die fortgepflanzte Electricitaͤt eine ſtarke Wirkung thut, wenn die Koͤrper, welchen man dieſelbe mittheilet, auf ihnen liegen. Auch wird die mitgetheilte Ele - ctricitaͤt merklich, wenn die Koͤrper auf Sie - gellack, Schwefel, ſchwarzem Tuche, weißer Leinwand, meißner und japaniſchen Porcelane, ſeidnen Faͤden, wie ſie der Seidenwurm ge - ſponnen hat, liegen.

§. 30.

Die mitgetheilte Electricitaͤt hoͤret den Augenblick auf, merklich zu ſeyn, wenn man den electriſirten Koͤrper mit der Hand, oder mit Holze, oder Eiſen, oder Hanfe beruͤh - ret, es mag nun ſolches entweder in der Mit - ten, oder am Ende des Koͤrpers geſchehen.

§. 31.

Wenn ich alſo die fortgepflanzte Electricitaͤt den Augenblick merklich machen will: ſo ſtelle ich den Koͤrper auf blauſeidne Schnuͤre. Jſt er lang: ſo lege ich ihn auf blauſeidne Schnuͤre, welche uͤber die zwo Saͤu - len cc (Tab. 3. Fig. 3) geſpannt ſind, die ich mit ihren Grundflaͤchen an den Stativen d dB 5nach26Der hiſtoriſche Theilnach Erforderung der Umſtaͤnde erhoͤhen und erniedrigen kann. Ein Menſch tritt auf die ſeidnen Schnuͤre, womit das Viereck (Tab. 3. Fig. 2) uͤberzogen iſt, und die mit Bretern bedeckt ſind, welche aber an die hoͤl - zernen Seiten des Vierecks nicht anruͤhren duͤrfen.

§. 32.

Jſt aber das Glas an der Maſchine fein genug: ſo wird die mitgetheilte Electrici - taͤt dennoch wirklich, wenn auch eine blecherne Stange auf Holze und Metallen ruhet, oder von Menſchen angeruͤhret wird. Herr Hollweg hat dieſes zuerſt mit der neuen Maſchine in Gotha verſuchet, da die Electricitaͤt ſo ſtark er - reget worden, daß ſie ihre Kraft bewieſen, man hat die electriſirte Stange angreiffen moͤgen, wo man gewollt. Vornemlich zeiget ſich die mitgetheilte Electricitaͤt an einer hoͤlzernen und mit Pech uͤberzognen Stange, wenn ſie auf Holze ruhet.

§. 33.

Die Gold - oder Papierſtuͤckchen, oder Feilſpaͤne, oder Sandkoͤrner, welche man entweder durch die urſpruͤngliche oder fortge -pflanzte27von der Electricitaͤt. pflanzte Electricitaͤt in Bewegung ſetzen will / legt man auf glatte und trockne Koͤrper. Denn iſt die Oberflaͤche feucht und rauh: ſo haͤngen die leichten Koͤrperchen dergeſtalt an, daß ſie von der Electricitaͤt nicht ſo leicht koͤnnen fort - geſtoſſen werden.

§. 34.

Einige, welche von der Electricitaͤt geſchrieben, geben vor, wenn die electriſchen Verſuche gluͤcklich von ſtatten gehen ſollten: ſo muͤßte man eine gewiſſe Witterung dazu ha - ben. Der Himmel muͤßte heiter, die Luft tro - cken, und die Waͤrme maͤßig ſeyn, und der Wind von Mitternacht gehen. Feuchte Luft, ſtrenge Kaͤlte, und große Hitze waͤren den elec - triſchen Wirkungen zuwider. Es giengen daher ſolche nicht zu allen Jahrszeiten mit gleichem Gluͤcke von ſtatten. Man ſollte des - wegen im Winter ein Zimmer mit einer ge - maͤßigten Waͤrme, und im Sommer einen kuͤh - len Ort dazu nehmen. Jnſonderheit waͤren die electriſchen Verſuche ſchlecht, wenn das Zimmer, wo ſie angeſtellt wuͤrden, mit Men - ſchen erfuͤllet waͤre, welche ſtark ausduͤnſteten,und28Der hiſtoriſche Theilund deren Kleider von Tabacksrauche ganz durchzogen waͤren.

§. 35.

Unter allen dieſen Sachen, welche man als Hinderniße ausgiebt, habe ich bey meiner Maſchine keine hinderlich gefunden. Jch habe die Verſuche in trockener und feuch - ter Luft, in Hitze und Kaͤlte, zur Zeit des Morgends-Abends-Nord - und Suͤdwindes, wie auch bey Sturmwinden, und in einer Stu - be, welche von Zuſchauern ganz voll geweſen, und da es an Ausduͤnſtungen des Tabacks gar nicht gemangelt hat, zum oͤftern angeſtellt: und niemals wahrgenommen, daß die Electri - citaͤt dieſer Dinge wegen nicht ſchnell und ſtark genug geweſen waͤre. So viel habe ich wohl gemerkt, daß ich in einer kalten Stube mehr Zeit gebraucht, als in einer warmen, wenn ſich das Glas durch Reiben an dem Kuͤßchen ge - nug hat erwaͤrmen ſollen. Wenn es aber ein - mal warm geweſen: ſo hat es der Electricitaͤt weder an Staͤrcke noch Geſchwindigkeit ge - fehlet. Freylich muß die Luft nicht ſo feucht ſeyn, daß das Glas davon feucht wird. Jnall -29von der Electricitaͤt. allzuſtarker Hitze faͤngt die Wirkung nur an ſchwach zu werden, wenn man das Glas lange in einem fort reibet, da es denn, wegen der Waͤr - me in der Luft, mehr als ſonſt erhitzet wird.

§. 36.

Wenn man eine glaͤſerne hole Ku - gel b a b (Tab. 3. fig. 5.) mit ihren Zapfen in die Pfannen zwiſchen den beyden Saͤulen d d in der electriſchen Maſchine aufhenkt; und an den Seiten der Saͤulen einen Bogen d c d befeſtiget, an welchen allerhand Faͤden e e e e in einer gewiſſen Entfernung von der Kugel ſenkrecht herab haͤngen: ſo fahren ſie gegen die Kugel zu, und werden horizontal, ſo bald die - ſelbe electriſiret wird. Eben dieſes geſchiehet, wenn die Luft aus der Kugel rein ausgepum - pet worden. Jch habe dieſen Verſuch mit Fleiß vielfaͤltigmal wiederholet, weil Herr Graveſande (§. 559.) dieſe Wirkung in dem letzten Falle leugnet. Auch theilet die luft - leere Kugel ihre Electricitaͤt andern Koͤrpern ſo ſtark und ſo ſchnell mit, als wenn ſie voll Luft iſt.

Das30Der hiſtoriſche Theil

Das V Hauptſtuͤck. Die Koͤrper, in welche ſich die Electricitaͤt fortpflanzen laͤßt.

§. 37.

Jn einigen Koͤrpern, welche ſich durch Reiben electriſiren laſſen, kann man nur in einem ſehr geringen Grade merken, daß ih - nen eine Electricitaͤt mitgetheilet worden. Von dieſer Art iſt die unzugerichtete Seide, abſon - derlich aber unter der zugerichteten die blaue. Reibt man eine dergleichen Schnur: ſo iſt die Electricitaͤt gar merklich. Hingegen habe ich nie - mals wahrnehmen koͤnnen, daß die Electricitaͤt an ihr eine Staͤrke erhalten haͤtte, ich habe das Glas, an welchem die blauſeidne Schnur ge - legen, noch ſo heftig electriſiren moͤgen.

§. 38.

Unter denenjenigen Koͤrpern, in wel - chen ſich die Electricitaͤt ſowohl durch als ohne Reiben erregen laͤſſet, iſt Pech, Glas, Siegel - lack, Schwefel.

§. 39. Jn31von der Electricitaͤt.

§. 39.

Jn die feſten Koͤrper, welche ich durch Reiben nicht habe electriſiren koͤnnen (§. 25), laͤſſet ſich die Electricitaͤt ſehr leicht fortpflanzen. Die Thiere moͤgen entweder lebendig, oder todt; und die Metalle entweder kalt, oder warm und gluͤend ſeyn. Auch Kraͤu - ter und Baͤume, gruͤne und duͤrre, laſſen ſich die Electricitaͤt mittheilen.

§. 40.

Nicht nur das electriſirte Glas theilt gewiſſen Koͤrpern, die in einer gewiſſen Entfernung von ihm liegen, die Electricitaͤt mit; ſondern auch unter dieſen pflanzen eini - ge die mitgetheilte Electricitaͤt in andere fort.

Von allen kann man es nicht ſchlechter - dings ſagen. Denn aus einer Stange Sie - gellack habe ich die Electricitaͤt, welche ſie von dem electriſirten Glaſe erhalten, in eine hoͤl - zerne und metallne Stange, die an ihr befeſti - get geweſen, nicht fortpflanzen koͤnnen. Die Gelegenheit zu dieſem Verſuche gab mir der Herr Hofrath Hamberger, als er mir in dem vorigen Jahre an der Michaelismeſſe die Ehre erwies, meine electriſche Maſchine zu betrach -ten.32Der hiſtoriſche Theil. ten. Denn da ich die Electricitaͤt in eine Stange Siegellack fortpflanzte: ſo verlangte er, daß ich auch verſuchen moͤchte, ob das Sie - gellack die mitgetheilte Electricitaͤt einem an - dern Koͤrper mittheilen wuͤrde. Hierauf nahm anfangs einer von den Zuſchauern die Stange Siegellack in die Hand, und hielt ſie gegen das Glas an der Maſchine. Die Perſon wurde der - geſtalt electriſirt, daß die Finger an der andern Hand die untergelegten Goldtheilchen in die ge - woͤhnlichen Bewegungen ſetzten. Aber die Urſa - che war dieſe, weil die Electricitaͤt des Glaſes ſo ſtark war, und ſich ſo weit erſtreckte, daß ſie die Finger der Hand, welche das Siegellack hielt, in der weiten Entfernung electriſirte, ob es gleich Regenwetter und des Nachts war. Hierauf machte ich das Siegellack an eine hoͤlzerne Stan - ge, und kehrte dieſelbe gegen das Glas. So bald ich dieſes bewegte: ſo ward nicht nur die hoͤlzerne Stange, ſondern auch von ihr das Siegellack electriſiret. Da wir aber die Stange umkehr - ten, daß das Siegellack gegen das Glas kam: ſo ward zwar das Siegellack electriſiret; aberes33von der Electricitaͤt. es theilte der hoͤlzernen Stange keine Electri - citaͤt mit.

§. 41.

Die fluͤßigen Materien laſſen ſich dergeſtalt electriſiren, daß ſie die mitgetheilte Electricitaͤt auch in andere Koͤrper fortpflanzen.

Man bindet z. E. einen Strick von Han - fe uͤber die blauſeidenen Schnuͤre eines Sta - tivs (Tab. 3. fig. 4.), und ſetzet daſſelbe ge - gen das Glas an der Maſchine. Den uͤbri - gen Strick legt man gleichfalls uͤber blauſeid - nen Schnuͤren eines andern Stativs in ein Gefaͤß voll Waſſer, oder Milch, oder Bier, oder Qveckſilber, oder Brandtewein. Es muß aber der Strick an die Seiten des Ge - faͤßes nicht anruͤhren. Und das Gefaͤß muß auf blauſeidenen Schnuͤren uͤber dem Vier - ecke (Tab. 3. fig. 2.), oder auf Peche ſtehen. Jn einer weiten Entfernung von dieſem Stric - ke henkt man einen andern in das Waſſer, und legt ihn gleichfalls uͤber blauſeidne Schnuͤ - re auf einem Stative, ſo daß ſein Ende nir - gends an das Holz ruͤhret. Man kann auch an ſtatt dieſes andern Stricks eine hoͤlzerneCStange34Der hiſtoriſche TheilStange nehmen, und ſie an blauſeidne Schnuͤre binden, daß ſie mit ihrem Ende die Oberflaͤ - che des Waſſers beruͤhret. Oder es darf ein Menſch auf ein Viereck mit blauſeidnen Schnuͤ - ren treten, und entweder die Hand, oder den Fuß, oder einen Stab in das Waſſer halten. So bald das Glas an der Maſchine bewegt wird: ſo beweiſt das Ende des andern Stricks, oder der hoͤlzernen Stange, oder die andere Hand des Menſchen, oder ſein Kleid, die Electricitaͤt in die Goldtheilchen.

§. 42.

Weil ſich das Waſſer electriſiren laͤſſet, und die erhaltne Electricitaͤt andern Koͤr - pern mittheilet: ſo laͤſſet ſich dieſelbe deswe - gen in eine naſſe blauſeidne Schnur in einem ſehr merklichen Grade fortpflanzen; ob ſie gleich ſonſt nicht gar merklich wird, wenn die Schnur trocken iſt (§. 37).

Wenn daher die ſeidenen Schnuͤre, welche uͤber das Viereck (Tab. 3. fig. 2.) geſpannt ſind, naß werden: ſo iſt an einem Menſchen, der auf demſelben ſtehet, entweder gar keine, oder eine ſehr geringe Electricitaͤt zu ſpuͤhren, wennauch35von der Electricitaͤt. auch das Glas dem Menſchen die Electricitaͤt in großer Menge mittheilet.

§. 43.

Gluͤhende Kohlen, die Flamme ei - nes Lichtes, und brennende Spiritus laſſen ſich gleichfalls die Electricitaͤt mittheilen, und pflanzen ſie fort.

Mit der Flamme des Lichtes habe ich es auf zweyerley Art verſuchet. Man laͤſſet zwi - ſchen zwo eiſernen Stangen, deren die eine in der Naͤhe des electriſirten Glaſes auf ſeidnen Schnuͤren, und die andere ebenfalls auf ſolchen Schnuͤren liegt, in einem langen Gefaͤße an - gezuͤndeten Spiritum vini brennen. Die Stangen muͤßen weder einander ſelber, noch dem metallenen Gefaͤße ſo nahe ſeyn, daß entweder die Electricitaͤt aus der einen in die andere, oder aus der einen in das Gefaͤß, und aus dieſem in die andere Stange gehen kann. Dieſes verſucht man, ehe der Spiri - tus vini angezuͤndet wird. Nachdem die eine Stange electriſiret worden iſt, ohne daß die andere davon etwas erhaͤlt: ſo zuͤndet man den Spiritum vini an. Den Augenblick iſtC 2die36Der hiſtoriſche Theildie Electricitaͤt an dem letzten Ende der andern merklich. Es muß aber das Gefaͤß mit dem Spi - ritu vini gleichfalls auf blauſeidnen Schnuͤren ruhen. Stehet es auf Holze, welches nicht auf Pech, oder dergleichen Schnuͤre, oder an - dere Sachen, die man anſtatt der Schnuͤre brau - chen kann, geleget iſt: ſo gehet die Wirkung nicht von ſtatten.

Die Flamme eines Lichtes, es mag nun aus Unſchlitt oder Wachs ſeyn, auf einem Leuchter, welcher auf den blauſeidnen Schnuͤ - ren des Stativs (Tab. 3. fig. 4.) an dem elec - triſirten Glaſe ſtehet, laͤſſet ſich ſo ſtark elec - triſiren, daß ſie die Electricitaͤt einer blecher - nen Roͤhre, die auf den blauſeidnen Schnuͤ - ren der Stative (Tab. 3. fig. 3.) ruhet, und uͤber eine Elle weit von der Flamme entfernet iſt, mittheilet.

§. 44.

An denen Sonnenſtrahlen, wel - che durch ein Loch in ein verfinſtert Gemach an eine electriſirte blecherne Roͤhre, und von ihr an einen Menſchen fallen, welcher auf blauſeid -nen37von der Electricitaͤt. nen Schnuͤren ſtehet, habe ich keine Electri - citaͤt wahrgenommen. Weder die Strahlen, welche von der electriſirten Stange abfallen, bewegen Goldblaͤtterchen; noch auch der Menſch, welcher von dieſen Strahlen beſchienen wird, erregt in den Goldſtuͤckchen eine electri - ſche Bewegung.

§. 45.

Ob die Strahlen in dem Brenn - puncte eines electriſirten Brennglaſes eine Elec - tricitaͤt beweiſen, das habe ich nicht unterſu - chen koͤnen: weil es mir an einem Brenngla - ſe fehlt, welches den Brennpunct ſo weit von ſich wirft, daß man keinen Argwohn mehr ha - ben darf, als wenn die Electricitaͤt des Brenn - glaſes bis an daſſelbe reichte, wenn man ei - ne eiſerne Stange auf blauſeidnen Schnuͤren in denſelben legte.

§. 46.

Auch Schnee und Eis laſſen ſich die Electricitaͤt mittheilen, und erregen ſodann die - ſelbe in andern Koͤrpern.

C 3Das38Der hiſtoriſche Theil

Das VI Hauptſtuͤck. Die Bewegungen, welche durch die Electricitaͤt entſtehen.

§. 47.

Sand, Goldſtuͤckchen und andere leichte Koͤrperchen, welche auf Metallen, Gla - ſe und glattem Holze liegen, werden mit einer großen Geſchwindigkeit in die Hoͤhe gehoben, und ſeitwerts weggetrieben, ſo bald die Me - talle, das Glas und das glatte Holz electriſiret werden.

§. 48.

Die Staͤubchen in einem Sonnen - ſtrahle, welcher in einem verfinſterten Gema - che uͤber eine Stange faͤhrt, die auf blauſeid - nen Schnuͤren liegt, und electriſiret wird, ge - rathen in mancherley Bewegungen. Einige, welche die Stange entweder oben, oder unten, oder zur Seiten beruͤhren, werden von ihr weggeſtoſſen. Andere, welche entweder uͤberihr,39von der Electricitaͤt. ihr, oder zur Seiten ſchweben, fahren mit einer Geſchwindigkeit auf ſie zu, und werden ſo dann wieder von ihr weggetrieben. Hier - durch entſtehen unter den Bewegungen die - ſer Staͤubchen allerhand krumme Linien.

§. 49.

Wenn eine Nadel an einem Fa - den neben einer blechernen Roͤhre, welche auf blauſeidnen Schnuͤren liegt, in einer Entfer - nung von einem oder etlichen Zollen nach ei - ner ſenkrechten Linie ruhig haͤngt: ſo koͤmmt ſie den Augenblick aus ihrer Ruhe, da die Roͤh - re electriſiret wird. Sie faͤhret auf die Roͤh - re zu: faͤhret aber zuruͤck, ſo bald ſie dieſel - be beruͤhret. Beyde Bewegungen ſind gleich - foͤrmig, wie die Vibrationen eines Penduls an einer Uhr.

§. 50.

Henkt man eine ſchwere Laſt an einen Wagbalken, und ſetzt ſie durch eine an - dere an dem andern Wagbalken in das Gleich - gewicht: ſo geraͤht die eine, welche von der electriſirten blechernen Roͤhre eine kleine Ent - fernung hat, in eine Bewegung. Henkt man die eine Laſt uͤber die Roͤhre: ſo ſteigt ſie her -C 4un -40Der hiſtoriſche Theilunter, und wieder in die Hoͤhe. Henkt man ſie unter die Roͤhre: ſo ſteigt ſie hinauf und wieder herunter. Jn beyden Faͤllen dauret das Auf - und Niederſteigen ſo lange, als die Roͤhre electriſiret wird. Und die Zeiten da - zwiſchen ſind beſtaͤndig einerley.

§. 51.

Mit denen Waſſertropfen, welche auf ſemen lycopodii oder Hexenmehl ge - laſſen werden, gehen folgende Veraͤnderun - gen vor. Das Hexenmehl liegt auf einem glatten Brete, oder hoͤlzernen Lineal. Der Tropfen wird dermaſſen auf das Hexenmehl gelaſſen, daß ſich daſſelbe nur unten mit ihm vereiniget. Sobald das Lineal vermittelſt des Glaſes electriſiret wird: ſo fliegen die Theil - chen des Hexenmehls nach und nach weg. Einige davon fliegen an die Seiten des Waſ - ſertropfens. Andere, welche bey nahe nach einer ſenkrechten Linie in die Hoͤhe geſtiegen, fallen zuruͤck auf den Waſſertropfen. Dieſer wird alſo mit den Staͤubchen des Hexenmehls ringsherum bedeckt. Wenn er nun voͤllig rund und electriſirt iſt: ſo haͤlt man einen Fin -ger41von der Electricitaͤt. ger, oder einen feſten Koͤrper uͤber ihn. Durch die Annaͤherung des Koͤrpers, oder des Fingers verliehret er ſeine Rundung, und bekoͤmmt eine eyfoͤrmige Geſtalt, deren Spitze ſich ge - gen den Finger, oder Koͤrper kehret. Theilt man ihn in zween Tropfen, welche gleich ſtark mit Hexenmehl umgeben ſind, und einander beruͤhren: ſo entfernen ſich dieſelben unter dem Electriſiren von einander, ohne daß man et - was dagegen halten darf; und kommen wie - der zuſammen, wenn die Electriſirung des Li - neals aufhoͤret. Sind die zertheilten Tro - pfen ziemlich klein: ſo werden ſie durch die Electricitaͤt, welche man dem Lineale mitthei - let, von demſelben, gleich dem Staͤubchen des Hexenmehls, weg und in die Hoͤhe getrieben.

§. 52.

Ein Tropfen Waſſer an einem hoͤl - zernen oder metallnen Stifte, welcher etwas rund zulaͤuft, wird in einen voͤlligen Kegel verwandelt, deſſen Grundflaͤche an dem Stif - te iſt, wenn dieſer der Laͤnge nach ſich gegen den Erdboden kehret, und electriſiret worden iſt. Hingegen ein Tropfen an einer ble -C 5cher -42Der hiſtoriſche Theilchernen Roͤhre wird alsdenn erſt kegelfoͤrmig, wenn man einen Finger oder andern Koͤrper dagegen haͤlt.

§. 53.

Ein Waſſerſtrahl, welcher aus ei - nem glaͤſernen Heber nach einer geraden Linie fortfaͤhret, wird von der Electricitaͤt eines an - dern Koͤrpers gebogen.

Der Verſuch iſt folgender (Tab. 2. fig. 5. u. 6). Der Heber a b c iſt gebogen, und hat im Diameter eine Linie. Das kurze En - de b c ſteckt in einem Gefaͤße mit Waſſer c d e auf einem erhabenen Orte neben der blecher - nen Roͤhre f g, welche electriſiret werden ſoll. Das Gefaͤß wird auf zweyerley Art geſetzt und erhoͤhet: erſtlich daß der Strahl, welcher durch den langen Theil a b des Hebers her - ausfaͤhret, uͤber die Roͤhre hinſtreicht (fig. 6); zum andern, daß er unter ihr weggehet (fig. 5). Hierauf wird die Roͤhre electriſiret. Den Au - genblick verlaͤßt der Waſſerſtrahl ſeine gerade Linie. Fuhr er unter der Stange weg (fig. 5): ſo wird er nunmehr hinauf gegen i gebogen. Fuhr er uͤber der Stange hin(fig. 643von der Electricitaͤt. (fig. 6): ſo biegt er ſich gegen i herunter. Jn beyden Faͤllen zertheilt er ſich in etliche kleinere Strahlen, welche bis an die Roͤhre getrieben werden. Ruͤhret man die Roͤh - re an: ſo nimmt der Strahl ſeinen vorigen Lauf. Thut man Oel in einen Theeloͤffel, und haͤlt ihn unter die Stange an dem Bie - gel eines Degens (Tab. 2. fig. 4): ſo wird es zuweilen in einer krummen Linie, die in einem fort faͤhret, in die Hoͤhe gegen das Ge - faͤß zu getrieben.

§. 54.

Hingegen ein Sonnenſtrahl, wel - cher durch ein kleines Loch in ein verfinſtert Gemach uͤber eine blecherne Roͤhre, oder un - ter ihr hinfaͤhret, wenn ſie electriſiret wird, laͤſſet ſich durch die Electricitaͤt derſelben von ſeiner geraden Linie nicht ableiten.

Das44Der hiſtoriſche Theil

Das VII Hauptſtuͤck. Das Licht der electriſchen Koͤrper.

§. 55.

Wenn das Glas, oder die glaͤſerne Kugel voll Luft iſt, und an dem Kuͤßchen der Maſchine gerieben wird: ſo erſcheinet an dem Orte, wo das Kuͤßchen anliegt, an der aͤuſer - lichen Flaͤche der Kugel ein Licht. Legt man an ſtatt des Kuͤßchens die Hand an das Glas, oder die Kugel: ſo zeiget ſich das Licht gleich - falls an dem Orte, wo das Glas oder die Kugel beruͤhret wird.

§. 56.

An den Ecken und Spitzen der Koͤr - per, als eines Degens, einer Brodtrinde, ei - ner Brodtſchnitte, fahren von ſelbſt in der Zeit, da ſie electriſiret werden, leuchtende Strah - len nach geraden Linien heraus, die ſich immer weiter von einander entfernen, je laͤnger ſie werden.

Steckt45von der Electricitaͤt.

Steckt man (Tab. 1. fig. 4.) einen Stern mit acht metallnen und zugeſpitzten Strahlen mit einem Stiele in eine hohle Roͤhre eines metallnen Leuchters, und drehet den Stern her - um, daß er ſeine Cirkelbewegung fortſetzet: ſo erſcheint im Finſtern ein leuchtendes Rad, ſo lange ſich der Stern auf dem Leuchter an dem electriſirten Glaſe bewegt.

§. 57.

Die aus den Spitzen fahrenden Strahlen werden die Zeit hindurch, da man ſie electriſirt, ſo ſchnell nach einander fortge - ſetzet, daß ſie ſich durch keine Bewegung der Luft, oder durch Blaſen mit dem Munde un - terbrechen laſſen.

§. 58.

Wenn die Spitzen des Sternes einander zu nahe ſind: ſo koͤnnen ſie durch das Electriſiren nicht dahin gebracht werden, daß ſie alle zugleich leuchten. Alſo leuch - ten auch an einer electriſirten Saͤge gar wenig Zaͤhne auf einmal.

§. 59.

Von dieſem Lichte, welches an den Ecken und Spitzen eines electriſirten Koͤrpers von ſelbſt entſtehet, iſt dasjenige zu unterſchei -den,46Der hiſtoriſche Theilden, welches entſpringt, wenn man einen un - electriſirten Koͤrper gegen einen electriſirten haͤlt. Dieſes letztere Licht erſcheinet zwiſchen beyden Koͤrpern, und beruͤhret beyde. Man erblicket es, wenn man im Finſtern einen Finger in einer gewißen Weite gegen das elec - triſirte Glas an der Maſchine oder gegen elec - triſirtes Holz, oder gegen electriſirtes Eis und gegen electriſirten Schnee haͤlt.

§. 60.

Abſonderlich laſſen ſich die Kleider eines electriſirten Menſchen im Finſtern ſtark erleuchten, wenn man mit einem Finger, oder mit der ganzen Hand an denſelben hinfaͤhret, jedoch ohne ſie zu beruͤhren. Bleibt man in der gehoͤrigen Entfernung, in welcher man einmal das Licht am ſtaͤrkſten gefunden: ſo kann man mit dem Finger nach einer großen Laͤnge einen lichten Streif ziehen, der faſt ſo breit iſt, als der Finger. Und bewegt man die ganze Hand an dem Kleide in einem Zu - ge fort: ſo wird gleichſam ein Feld nach dem andern erleuchtet. Koͤnnte man ein ſolches Licht an der ganzen Flaͤche des Menſchen aufein -47von der Electricitaͤt. einmal hervorbringen: ſo wuͤrde ſein Anblick das Auge des Zuſchauers ungemein vergnuͤgen.

§. 61.

Haͤlt man einen unelectriſirten Koͤr - per gegen eine leuchtende Spitze: ſo wird der herausfahrende Strahl laͤnger und dichter.

§. 62.

Wie der herumgedrehte Stern mit den Strahlen ſeiner electriſirten Spitzen einen lichten Cirkel vorſtellt: ſo beſchreibt eine ein - zige Spitze, wenn ſie der Laͤnge nach fortbe - wegt wird, eine leuchtende gerade Linie.

Es geſchiehet ſolches mit dem Jnſtrumente, welches (Tab. 3. fig. 6) gezeichnet iſt. Jn der Roͤhre iſt eine Drathfeder, welche mit den beyden Enden a und b in Holz eingefaſt iſt. An dem Ende b iſt ein Faden, womit man ſie zuſammen ziehen kann. Und an dem Ende a iſt ein ſpitziger Stift eingeſetzt. Dieſes Jn - ſtrument haͤlt man an einer electriſirten blecher - nen Roͤhre, in der Weite von 2 oder 3 Zollen, mit derſelben parallel, und ziehet die Feder mit dem Faden zuſammen. Sobald man an der Spitze des Stifts ein Licht erblicket: ſo laͤſ - ſet man den Faden zuruͤck. Jn dem Hinfah -ren48Der hiſtoriſche Theilren beſchreibet das Licht an der Spitze eine ge - rade Linie.

Dieſes Jnſtrument und den Stern hat der oben gedachte Drechsler gleichfalls erfunden.

Das VIII Hauptſtuͤck. Die electriſchen Funken.

§. 63.

Aus einigen electriſirten Koͤrpern faͤhret auf eine gewiße Weite an unelectriſirte ein Licht, welches von dieſen an jene zuruͤck - prallt, und im Zuruͤckprallen knackt, und, wenn es an die Haut eines Menſchen oder Thieres ruͤhrt, mit einem Schmerze empfunden wird. Dieſes knackende Licht nennt man die electri - ſchen Funken.

§. 64.

Wenn ich gegen electriſirtes Holz, Porcelan, Siegellack, Tuch, Eis, und gegen electriſirten Schwefel, Hanf und Schnee einen Finger, oder einen andern Koͤrper gehalten: ſo habe ich zwar ein Licht wahrgenommen, aber keine Funken merken koͤnnen.

§. 65.49von der Electricitaͤt.

§. 65.

Dergeſtalt hat man zwo Arten des electriſchen Lichts. Das eine beſtehet in einem bloßen Leuchten, das andere in Funken. Das erſtere entſpringet auf zweyerley Art, entwe - der von ſelbſt, oder durch Annaͤherung eines Koͤrpers. Die Funken hingegen kommen nie - mals von ſelbſt zum Vorſcheine. An einigen Koͤrpern, als Glaſe, Porcelane, Holze, verur - ſachet das Licht der erſtern Art zugleich ein Geraͤuſche und Praſſeln, als wenn Haare ver - ſenget wuͤrden.

§. 66.

Unter diejenigen Koͤrper, an wel - chen ſich electriſche Funken erregen laſſen, ſind alle Metalle, die Haut und das Fleiſch der Menſchen, und lebendigen und todten Thiere, Feuerſteine, Kreide, Diamanten, Qveckſilber, Spiritus vini, Waſſer, Eßig, Milch, Kaͤſe, Butter zu rechnen. Es ſind aber die Funken von verſchiedener Staͤrke. Die heftigſten ent - ſpringen an den Metallen und Menſchen. Die electriſchen Funken eines Feuerſteines ſind nicht ſtaͤrker, als die Funken der Butter, oder der Milch, oder des Waſſers.

D§. 67.50Der hiſtoriſche Theil

§. 67.

Die electriſchen Funken entſtehen nur, wenn beyde Koͤrper, zwiſchen welchen ſie erzeuget werden, von der Art ſind, daß ſie der - gleichen Funken geben koͤnnen. Alſo mag z. E. entweder ein electriſirter Menſch auf einen unelectriſirten, oder dieſer auf jenen zufahren: ſo entſtehet in beyden Faͤllen ein Funken. Faͤhrt hingegen ein electriſirter Menſch mit ſeinem Finger gegen ein unelectriſirtes Holz, oder ein unelectriſirter Menſch gegen electriſir - tes Holz: ſo entſpringt kein Funken.

§. 68.

Die electriſchen Funken machen in beyden Koͤrpern, zwiſchen welchen ſie entſte - hen, eine ſtarke Bewegung.

Dieſes laͤſſet ſich anfangs an denen Faͤden merken, welche an Koͤrpern haͤngen, die im Electriſiren Funken geben. Denn ſo bald der Funken einer electriſirten blechernen Roͤhre an einen andern Koͤrper faͤhrt, und zuruͤckſchlaͤgt: ſo wird der Faden an der Roͤhre bewegt, er mag nun dem Orte, wo der Funken entſtehet, nahe, oder weit von ihm entfernt ſeyn. Zum an - dern empfinden beyde Perſonen, zwiſchen welchenein51von der Electricitaͤt. ein electriſcher Funken entſtehet, zu gleicher Zeit einen Schmerz in der Haut.

§. 69.

Wenn zween Koͤrper, welche elec - triſche Funken geben koͤnnen, gleich ſtark elec - triſiret ſind: ſo entſtehet an ihnen kein Funken.

§. 70.

Sind ſie aber ungleich ſtark electri - ſiret: ſo werden Funken erzeuget.

Z. E. Man legt zwo eiſerne Staͤbe nach einer geraden Linie auf blauſeidnen Schnuͤren ſo weit von einander, als noͤthig iſt, wenn ein electriſirter Funken zwiſchen ihnen entſtehen ſoll. So bald man den einen an dem Glaſe der Maſchine electriſiret: ſo kommen zwiſchen ihm und dem andern Funken zum Vorſcheine. Der andere Stab wird nicht nur hierdurch ſel - ber electriſiret, ſondern behaͤlt auch die mitge - theilte Electricitaͤt, weil er auf blauer Seide liegt. Es werden aber die Funken nach und nach immer ſchwaͤcher, iemehr die Electricitaͤt an dem andern Stabe zunimmt. Endlich hoͤren ſie ganz auf, wenn die Electricitaͤt an ihm ſo ſtark iſt, als an dem erſtern. Will man die Wahrheit dieſer Sache geſchwind erfahren: ſo legt manD 2neben52Der hiſtoriſche Theilneben dem erſten Stabe zugleich einen Strick an das Glas, und ſchlingt ihn, vermittelſt ei - ner blauſeidnen Schnure auf einem Stative, dergeſtalt in die Kruͤmme, daß er von dem er - ſtern Stabe ganz weit entfernt iſt, und mit ſei - nem Ende den andern beruͤhret. Denn auf dieſe Art wird der andere nach zwey oder drey Tritten ſo ſtark, als der erſtere, electriſiret. Dahero hoͤren die Funken, welche anfangs er - zeugt werden, den Augenblick auf. Sie zei - gen ſich aber auch den Augenblick, wenn man den andern Stab mit dem Finger beruͤhret.

§. 71.

Auch aus dem gluͤhenden Eiſen, wel - ches auf zween kalten eiſernen Staͤben liegt, die auf blauſeidnen Schnuͤren ruhen, und electriſi - ret werden, fahren electriſche Funken.

Dieſes Verſuches gedenket der Herr Pro - feſſor Hauſen in ſeiner lateiniſchen Abhand - lung §. 6. n. 2. pag. 11.

§. 72.

Desgleichen entſtehen an electriſirtem und geſchmolznem Bleye Funken, wenn man ein Metall dagegen haͤlt.

§. 73.

Hingegen an geſchmolznem und elec -tri -53von der Electricitaͤt. triſirtem Siegellacke hoͤret man nur ein Ge - raͤuſche, wenn ein Metall daran gebracht wird; und das Siegellack hebt ſich an dem Orte, wo das Metall hingehalten wird, wie ein zuge - ſpitzter Tropfen in die Hoͤhe.

§. 74.

Der Spiritus vini im Thermome - ter faͤngt an zu ſteigen, wenn es eine zeitlang an oder uͤber einer blechernen Roͤhre, die man in einem fort electriſiret, in einer kleinen Ent - fernung von ihr an einem Stative haͤnget.

Man muß dieſen Verſuch in einem Zim - mer machen, welches einerley Waͤrme behaͤlt, ſo lange der Verſuch dauret. Daher muß das Thermometer in dieſem Zimmer ſo lange ge - ſtanden haben, daß es mit ihm gleiche Waͤr - me hat. Auch muͤßen die Perſonen, welche den Verſuch anſtellen, eben ſo lange, als das Thermometer, in dem Gemache geweſen ſeyn. Es muß auch das Thermometer von der Per - ſon, welche das Glas an der electriſchen Ma - ſchine durch Treten bewegt, ſo weit entfernt ſeyn, daß es von ihr keine Waͤrme bekommen kann. Jn einer Viertelſtunde, da man die ble -D 3cher -54Der hiſtoriſche Theilcherne Roͤhre durch das Glas electriſiret hat, wird die Hoͤhe, durch welche ſich der Spiritus vini ausbreitet, ſehr merklich.

Haͤlt man das Thermometer gegen das electriſirte Glas: ſo ſteigt der Spiritus vini den Augenblick zuſehends in die Hoͤhe.

Die blecherne Roͤhre erhaͤlt die Zeit hin - durch, da man ſie electriſiret, an ihrer dichten Oberflaͤche keine Waͤrme, die man mit der Hand fuͤhlen koͤnnte. Faͤhrt man aber in der Zeit, da ſie electriſiret wird, entweder mit ei - nem Finger, oder mit dem Munde dergeſtalt gegen die Roͤhre, daß man in einer gewißen Weite davon entfernet bleibet: ſo fuͤhlet man eine ſanfte Bewegung, die an dem Finger oder dem Munde eine gelinde Waͤrme verurſachet.

§. 75.

Die electriſchen Funken aus den Metallen, z. E. Eiſen und Silber, zuͤnden alle fluͤßige Materien an, welche ſich ſonſt durch eine Flamme entzuͤnden laſſen. Abſonderlich gehet dieſer Verſuch leicht von ſtatten, wenn man Quintam Eſſentiam Vegetabilem in einem Theeloͤffel unter die Stange eines elec -tri -55von der Electricitaͤt. triſirten Degens haͤlt, deſſen Spitze gegen das electriſirende Glas zugekehret iſt (Tab. 2. Fig. 4). Desgleichen laͤſſet ſich dieſer feine Spiritus auch durch die Funken einer electri - ſirten Roͤhre aus Blech ſehr leicht in Flam - men bringen.

Dieſen Verſuch mit den Funken aus elec - triſirten Metallen hat Herr D. Ludolph, koͤnigl. preuß. Feldmedicus und Mitglied der berlini - ſchen Academie der Wiſſenſchaften, im Anfan - ge dieſes 1744ſten Jahres gemacht, da er durch die Friction einer glaͤſernen Roͤhre den liquorem aethereum Frobenii, bey Er - oͤffnung der koͤnigl. Academie, in Gegenwart vieler hundert Perſonen angezuͤndet. Es be - zeuget ſolches nicht nur die Nachricht, welche man davon dieſes Jahr den 30 May in den berliniſchen Zeitungen gegeben; ſondern es iſt mir auch ſolches aus einigen Briefen bekannt, welche gleich nach dem angeſtellten Verſuche an Se. Excellenz, den Herrn Grafen von Manteu - fel, hieher nach Leipzig aus Berlin ſind ge - ſchrieben worden. Es hat mir auch der anietzoD 4hier56Der hiſtoriſche Theilhier ſtudirende Herr von Marſchall einige Zeit darauf ein Schreiben davon zugeſchickt, wel - ches er aus Berlin erhalten. Nach der Zeit haben mir verſchiedene Gelehrte, welche die - ſen Verſuch in Berlin geſehen, bey ihrer An - kunft und Gegenwart in Leipzig die Ehre er - wieſen, und mich beſuchet, und mir eine weit - laͤuftige Erzaͤhlung gemacht. Endlich kam gleich zu Anfange der letzt vergangnen leip - ziger Oſtermeſſe ein beſonderer Liebhaber phy - ſicaliſcher Merckwuͤrdigkeiten, Herr Reinhard, welcher ſich in dem Gefolge Sr. Excellenz, des Herrn Krongroßkanzlers von Polen, Zaluski befand, zu mir, u. erzaͤhlte mir unter andern, wie die Quinta Eſſentia vegetabilis ſich ungemein ſchnell und leicht von den electriſirten Funken entzuͤnden lieſſe. Jch ließ mir dieſe Eſſenz alſo - bald holen, und erfuhr ſogleich in der That, was ich verlangte und hoffte.

§. 76.

Ein gluͤhendes Eiſen erweckt in kei - nem Spiritu eine Flamme, man mag ihn ent - weder ganz nahe, oder in einer Weite von et - lichen Linien, daran halten. Jſt es aber elec -tri -57von der Electricitaͤt. triſiret: ſo entzuͤnden ſeine electriſchen Funken (§. 71) einen feinen Spiritum augenblicklich.

§. 77.

Die Funken, welche aus einem elec - triſirten Menſchen fahren, zuͤnden einen Spi - ritum eben ſo ſchnell, als die Funken eines electriſirten Metalles, es mag nun der Menſch entweder unmittelbar durch das Glas der Ma - ſchine, oder vermittelſt einer blechernen Roͤhre, electriſiret worden ſeyn.

Dieſen Verſuch habe ich an mir ſelber ge - macht, da ich gegen die Mitte des vorigen Maymonats die Ehre hatte, auf Befehl Sr. Excellenz, des Herrn Grafen von Manteufel, in Dero Hauſe mit Dero electriſchen Maſchi - ne, dem beruͤhmten koͤnigl. preuß. Geheimen Rathe und Kanzler der haͤlliſchen Univerſitaͤt, Herrn Chriſtian Wolf, einige electriſche Ver - ſuche zu zeigen. Weder jemand in der Geſell - ſchaft, welche die electriſchen Wirkungen be - trachtete, noch ich ſelber wuſte damals, daß die Funken, welche an einem electriſirten Men - ſchen entſtehen, vermoͤgend waͤren, zu zuͤnden. Jndem aber die Funken eines eiſernen Roh -D 5res,58Der hiſtoriſche Theilres, welches voller Roſt war, die Quintam Eſſentiam Vegetabilem mit einer ganz aus - nehmenden Geſchwindigkeit zuͤndeten: ſo wur - de hierdurch iemand in der Geſellſchaft veran - laſſet, zu fragen, ob auch die Funken eines elec - triſirten Menſchen dergleichen thun wuͤrden? Jch trat daher ſogleich auf ein mit blauſeidnen Schnuͤren uͤberſpanntes Viereck, und grieff mit der einen Hand an die roſtrichte Roͤhre, und hielt die Finger der andern uͤber die Quin - tam Eſſentiam. Die Funken des Fingers ſchlugen ſo ſtark in den ſilbernen Loͤffel, daß die Eſſentia den Augenblick in eine Flamme ge - rieth. Je unvermutheter dieſe Begebenheit war, deſto mehr Verwunderung und Vergnuͤ - gen verurſachte ſie der ganzen Geſellſchaft. Es iſt auch dieſer Verſuch den 21 May in den leipziger Zeitungen bekannt gemacht worden, da man zugleich die Nachricht gegeben, wie die Verſuche mit den Funken der electriſirten Me - talle bereits in Berlin und Danzig vielfaͤltig - mal waͤren angeſtellet worden.

§. 78.

Abgeſchlachtete Huͤner, Schweinen - fleiſch, und rohes und gekochtes Kalbfleiſchlaͤſſet59von der Electricitaͤt. laͤſſet ſich an einer blechernen Roͤhre, oder in der Hand eines Menſchen, dergeſtalt electriſi - ren, daß die aus dem Fleiſche fahrenden Fun - ken die Quintam Eſſentiam vegetabilem gleichfalls entzuͤnden.

§. 79.

Wenn die fluͤßigen Materien, wel - che ſich durch die Flamme entzuͤnden laſſen, nicht fein genug ſind: ſo darf man nur ent - weder den Loͤffel, worein man ſie thut, etwas erwaͤrmen; oder die fluͤßige Materie vorher an - zuͤnden, und wieder ausblaſen, ehe man ſie an den electriſirten Koͤrper bringt.

So habe ich Spiritum vini camphora - tum, mit Safran gefaͤrbten Spiritum vini, die gemeine Eſſentiam vegetabilen, Spiri - tum nitri dulcem, ja ſo gar Franz - und Kornbrandtewein mit einem electriſchen Fun - ken angezuͤndet, wenn dieſe Materien einiger - maſſen vorher erwaͤrmt geweſen.

Will man Oele, Pech und Siegellack durch die electriſchen Funken anzuͤnden: ſo muß man dieſe Materien dergeſtalt zuvor erhitzen, daß ſie faſt denjenigen Grad der Waͤrme erreichen, welcher der Entzuͤndung am naͤchſten iſt.

Das60Der hiſtoriſche Theil

Das IX Hauptſtuͤck. Die Staͤrke und Geſchwindig - keit der Electricitaͤt.

§. 80.

Es laͤſſet ſich immer ein glas geſchwinder und ſtaͤrker, als das andere, durch Reiben electriſiren. Unter denen, welche in Deutſch - land gemacht werden, habe ich die ſproßichten, oder weißſprenklichten ſonderlich gut befunden. Unter zweyen Glaͤſern, welche dem Glaſe nach von gleicher Guͤte, in der Dicke und Groͤße deſſelben aber unterſchieden ſind, laͤſſet ſich das duͤnnere und kleinere geſchwinder und mit groͤſ - ſerer Staͤrke electriſiren, als das andere. Vor allen Dingen aber muß das zu electriſiren be - ſtimmte Glas trocken ſeyn, und daher auch das Kuͤßchen keine Feuchtigkeit haben.

§. 81.

Es iſt bereits oben (§. 42) gedacht worden, daß man die Electricitaͤt in naße Sei - de merklich fortpflanzen kann. Wenn auchdie -61von der Electricitaͤt. dieſelbe nur einigermaßen feuchte iſt: ſo iſt die Electricitaͤt eines darauf ruhenden Koͤrpers bereits ſchwaͤcher, als ſonſt.

§. 82.

Wenn alſo die Luft mit feuchten Duͤnſten dergeſtallt erfuͤllet waͤre, daß dieſel - ben entweder die blauſeidnen Schnuͤre, auf welchen die Koͤrper liegen oder ſtehen; oder das Glas, welches gerieben wird; oder das Leder, mit welchem es gerieben wird, feucht machten: ſo wuͤrde die Electricitaͤt nicht die gewoͤhnliche Staͤrke erhalten. Und unter die - ſen Umſtaͤnden laͤſſet ſich ſagen, daß zuweilen das Wetter der Electricitaͤt hinderlich ſey.

§. 83.

Wenn ein electriſirter Koͤrper auf blauſeidnen Schnuͤren ruhet: ſo erſtrecket ſich ſeine Electricitaͤt rings herum auf eine ziemli - che Weite. Kommen ihm alſo andere Koͤr - per, in welche ſich die Electricitaͤt fortpflanzen laͤſſet, ſo nahe, daß ſie von ſeiner Electricitaͤt beruͤhret werden: ſo vertheilet er in dieſelben etwas von ſeiner Staͤrke.

§. 84.

Weder die urſpruͤngliche noch fort - gepflanzte Electricitaͤt wird durch die Bewe -gung62Der hiſtoriſche Theilgung der Luft unterbrochen, man mag entwe - der den Wind an den electriſirten Koͤrper ge - hen laſſen, oder mit Blaſebaͤlgen daran blaſen, oder mit dem Munde daran hauchen. Jch habe zuweilen in denen Stunden, da ich von der Electricitaͤt gehandelt, vier und mehr Per - ſonen gegen eine electriſirte Stange hauchen, und mit Blaſebaͤlgen daran blaſen laſſen: und niemals geſpuͤret, daß die Electricitaͤt, welche ſich vorher gezeigt, dadurch waͤre kraft - los gemacht worden.

Sollte aber ein feuchter Wind, oder der Hauch des Mundes verurſachen, daß die blau - ſeidnen Schnuͤre, auf welchen die Stange oder ein anderer Koͤrper ruhet, naß wuͤrden: ſo wuͤrde die Electricitaͤt dadurch eine Vermin - derung leiden, daß ſie ſich in die Stative, und daraus weiter fortpflanzte.

§. 85.

Dem Eiſenwerke, womit ein Magnet eine zeitlang eingefaſt geweſen, habe ich vermit - telſt des Glaſes an der Maſchine, an welchem es auf blauſeidnen Schnuͤren gelegen, keine Electricitaͤt mittheilen koͤnnen, daß Funkenwaͤ -63von der Electricitaͤt. waͤren erreget worden, dergleichen ſonſt an dem Eiſen entſtehen.

§. 86.

Haͤlt man aber dergleichen magneti - ſches Eiſen gegen eine electriſirte Roͤhre aus Eiſenbleche, welches mit keiner magnetiſchen Kraft erfuͤllet iſt: ſo entſtehen Funken, wel - che eine ziemliche Staͤrke haben.

§. 87.

Auch der bloße Magnet laͤſſet ſich ſehr ſchlecht electriſiren, wenn ihm das Glas unmittelbar die Electricitaͤt mittheilen ſoll.

§. 88.

Henkt man aber entweder einen bloßen Magnet; oder das bloße Eiſen, wo - mit er eingefaßt geweſen; oder einen eingefaß - ten Magnet an eine Roͤhre aus Eiſenbleche, daß dieſelbe unmittelbar davon beruͤhret wird: ſo erhalten dieſe Koͤrper von ihr eine ſo ſtar - ke Electricitaͤt, daß die herausfahrenden Fun - ken die Quintam Eſſentiam vegetabilem augenblicklich anzuͤnden.

§. 89.

Es waͤren noch allerhand Verſu - che anzuſtellen, ob die Electricitaͤt des Glaſes an der Maſchine geſchwaͤchet wuͤrde, wenn man einen Magnet etliche Stunden lang andem -64Der hiſtoriſche Theildemſelben electriſirte. Jch habe es zu zwey - enmalen verſucht, und beydesmal eine gewiße Schwaͤche geſpuͤhret. Jch habe dieſelbe nicht nur unter dem Electriſiren, ſondern auch nach der Zeit, da ich die blecherne Roͤhre aufs neue mit dem vorigen Glaſe zu electriſiren an - gefangen, gar merklich wahrgenommen. Ein guter Freund, dem die Guͤte des Glaſes be - kannt war, wollte bey dieſem Verſuche die Schuld auf das Wetter ſchieben. Damit ich alſo hinter die wahre Urſache kommen moͤchte: ſo ſtellte ich ſogleich die electriſchen Verſuche mit der Kugel an, welche ſonſt der Herr Profeſ - ſor Hauſen zum electriſiren gebrauchet hat. Die Electricitaͤt zeigte ſich alſobald in der groͤß - ten Staͤrke. Jch machte daher alſogleich an meine Maſchine ein andres Glas. Als die - ſes etlichemal durch das Treten war gerieben worden: ſo ſpuͤrten wir eine groͤßre Electrici - taͤt. Jch nahm endlich die blauſeidnen Schnuͤ - re weg, auf welchen der electriſirte Magnet gelegen hatte, und zog andere uͤber das Sta - tiv, welche in eben dem Zimmer gelegen hatten,wo65von der Electricitaͤt. wo die abgenommenen geweſen waren. Den Augenblick, da man das Glas bewegte, zeig - te ſich die Electricitaͤt in ihrer gehoͤrigen Staͤr - ke, und die aus der blechernen Roͤhre fahren - den Funken zuͤndeten Spiritum.

Mit dieſem neuen Glaſe electriſirte ich den Tag darauf den Magnet abermals etliche Stun - den nach einander. Endlich ſpuͤrte ich wie - derum eine Abnahme der Electricitaͤt. Jch ließ demnach das Glas ruhen, damit es wie - der voͤllig kalt wurde. Nach einigen Stun - den fing ich auf das neue an, die blecherne Roͤhre und den Degen damit zu electriſiren. Aber die Wirkung war ſo ſchwach, daß die Funken zum Zuͤnden ganz untuͤchtig waren. Hierauf ließ ich das Glas 24 Stunden ruhen. Da ich aber nach der Zeit damit electriſirte: ſo war die Electricitaͤt, welche es dem Degen und der blechernen Roͤhre mittheilte, dennoch nicht vermoͤgend, die Quintam Eſſentiam an - zuzuͤnden. Dergeſtalt nahm ich abermals ein neues Glas; und uͤberzog das Stativ aber - mals mit neuen Schnuͤren. Da erfolgte al - ſobald die verlangte Wirkung.

ENach -66Der hiſtoriſche Theil

Nachdem ich aber dieſe beyden Glaͤſer etli - che Tage habe liegen laſſen: ſo ſind ſie wieder in den Stand gekommen, daß ſie die Electri - citaͤt denen Koͤrpern, welche ihnen nahe genug gelegen, zur Gnuͤge mitgetheilet haben.

Jedoch gebe ich dieſe beyden Anmerkungen noch nicht fuͤr hinlaͤnglich aus, daß man dar - aus einen allgemeinen Satz machen koͤnnte, als wenn die magnetiſche Kraft die Mitthei - lung der Electricitaͤt hinderte oder ſchwaͤchte.

§. 90.

Die Electricitaͤt, welche das Glas unmittelbar in dem Fleiſche erreget, iſt weit ſchwaͤcher, als diejenige, welche das Fleiſch von einer electriſirten Roͤhre aus Eiſenbleche, oder einem electriſirten Menſchen empfaͤngt. Durch jene habe ich die Quintam Eſſentiam vegetabilem an dem Fleiſche nicht anzuͤnden koͤnnen. Jch will nicht ſagen, daß es ſchlechter - dings unmoͤglich ſey. Die Zeit im Verſuchen wurde mir zu lang dazu. Hingegen die andere Electricitaͤt, welche das Fleiſch von einem electri - ſirten Menſchen, oder der electriſirten Roͤhre er - hielt, ſetzte die Quintam Eſſentiam den Au - genblick durch ihre Funken in Flammen.

§. 91.67von der Electricitaͤt.

§. 91.

Hingegen Menſchen, Degen, und Roͤhren aus Eiſenbleche erhalten von dem elec - triſirten Glaſe eine ſo ſtarke Electricitaͤt, daß ihre Funken alle Spiritus anzuͤnden.

§. 92.

Werden aber dieſe Koͤrper durch Huͤlfe eines Strickes, welcher von dem Glaſe unmittelbar electriſiret worden, electriſiret: ſo ſind ihre Funken ſehr ſchwach. Jch habe zur Zeit die Quintam Eſſentiam vegetabilem damit nicht anzuͤnden koͤnnen.

§. 93.

Wird aber der Strick von der ble - chernen Roͤhre electriſiret, welche in der Naͤ - he des electriſirten Glaſes lieget: ſo theilt er einem Degen eine Electricitaͤt mit, deren Fun - ken die Quintam Eſſentiam vegetabilem augenblicklich zuͤnden.

§. 94.

Ein trockner Schwamm an einem electriſirten Degen, oder einer electriſirten Roͤh - re aus Eiſenbleche giebt keine Funken. Jſt er aber mit Waſſer getraͤnket: ſo giebt er Funken, welche manchmal ziemlich ſtark ſind. Zur Zeit aber habe ich damit nicht zuͤnden koͤnnen.

E 2§. 95.68Der hiſtoriſche Theil

§. 95.

Desgleichen iſt die Electricitaͤt, wel - che aus der Flamme eines electriſirten Lichts in eine blecherne Roͤhre fortgepflanzt wird, nicht von der Staͤrke, daß von ihr zuͤndende Fun - ken entſtuͤnden.

§. 96.

Wenn man auf ein Bierglas, in welchem Stuͤckchen Flittergold, oder Sand - koͤrner, auf einem Stativchen liegen, ein hoͤlzern Bretchen mit Wachs kuͤttet; oder einen glaͤ - ſernen Cylinder, in welchem gleichfalls derglei - chen leichte Koͤrper auf einem Stative lie - gen, entweder mit trockenem Papiere, oder weiſ - ſer und trockner Leinwand, oder ſchwarzem und trockenem Flore uͤberziehet; und eine elec - triſirte Glasroͤhre daruͤber haͤlt: ſo gerathen die darunter liegenden Koͤrperchen augen - blicklich in huͤpfende Bewegungen. Wird aber das Holz, das Papier, die Leinwand, der Flor, durch und durch naß gemacht: ſo iſt man mit der electriſirten Glasroͤhre nicht ver - moͤgend, eine ſolche huͤpfende Bewegung in den leichten Koͤrpern darunter zu erregen; man mag die Roͤhre ſo ſtark electriſiren, als nurmoͤg -69von der Electricitaͤt. moͤglich iſt. Stellt man hingegen den glaͤſer - nen Cylinder, auf welchen entweder das naße Holz gekuͤttet iſt, oder andere naße Sachen liegen, auf ein blauſeidnes Netz, ſo uͤber ein Viereck geſpannt iſt; und ſetzet das Stativ, auf welchem die Goldſtuͤckchen ruhen, auf den Tiſch unter dem Vierecke, daß es durch das Netz hindurch gehet, und in dem Cylinder von ſeinen Seiten ſo weit entfernt iſt, daß es von ihrer Electricitaͤt wenig oder gar nichts be - koͤmmt: ſo fangen die Goldſtuͤckchen allemal zu huͤpfen an, ſo oft man mit der electriſirten Glasroͤhre uͤber das naße Holz, das naße Pa - pier, die naße Leinwand, und den naßen Flor hinfaͤhret.

§. 97.

Wenn eine Roͤhre aus Eiſenbleche, oder ein Degen, an beyden Enden von zweyen Glaͤſern zugleich electriſiret wird: ſo wirkt die mitgetheilte Electricitaͤt ſtaͤrker, als wenn ſie nur von einem electriſirten Glaſe entſtehet. Die vermehrte Staͤrke zeiget ſich ſo wohl an den electriſchen Funken, als an der Biegung des Waſſerſtrahls, welcher aus einem HeberE 3uͤber70Der hiſtoriſche Theiluͤber die Roͤhre hinfaͤhret. Denn die Funken werden laͤnger, und ſchlagen heftiger, und zuͤn - den eher. Und der Waſſerſtrahl wird in einer Weite von der Roͤhre auf dieſelben zugebo - gen, in welcher es ſonſt nicht geſchiehet, wenn man nur eines von dieſen Glaͤſern zum elec - triſiren anwendet.

§. 98.

Die Fortpflanzung der Electricitaͤt erfolget ſo ſchnell, daß ſie nicht nur das Feuer des angezuͤndeten Pulvers, ſondern auch eine geſchoßne Kugel, welche in einer Secunde eine Laͤnge von 600 Schuhen durchlaͤuft, bey wei - tem uͤbertrifft.

Die Verſuche, wodurch mir ſolches bekannt worden, ſind folgende. Jch habe auf die blau - ſeidnen Schnuͤre an den Stativen (T. 3. fig. 3) eine eiſerne Stange, von 7 Ellen in der Laͤnge, gelegt, und an das eine Ende derſelben einen Fa - den gehenkt. Neben dem andern Ende ſtellte ich mich auf das blauſeidne Netz eines Vierecks, und ließ die eine Hand an dem Glaſe der Maſchine electriſiren. Darauf hielt ich einen Finger der andern Hand gegen die eiſerneStange.71von der Electricitaͤt. Stange. Jn dem Augenblicke, da der Fun - ken zwiſchen dem Finger und der Stange den Schlag that, wurde der Faden an dem an - dern Ende bewegt.

Hierauf zog ich einen haͤnfenern Strick von 60 Ellen in der Laͤnge aus der Stube, wo die Maſchine war, durch einen Saal, und aus demſelben in andere Zimmer, und aus die - ſen wieder in die Stube. Der Strick ſchwebte an blauſeidnen Schnuͤren, die oben an den Thuͤren aufgehenkt waren. Die beyden En - den des Stricks waren in der Stube etliche Ellen weit von einander entfernt. An das eine Ende ließ ich iemand mit einer Glasſcheibe treten, auf welcher Goldſtuͤckchen lagen. Ne - ben dem andern Ende trat ich auf das blau - ſeidne Netz eines Vierecks, und hielt die eine Hand gegen das Glas der Maſchine. Nach - dem ich electriſiret war: ſo grieff ich mit der andern Hand feſt an den Strick. Den Au - genblick, da ich dieſes that, geriethen die Gold - ſtuͤckchen auf der Glasſcheibe an dem andern Ende des Strickes in huͤpfende Bewegungen. E 4Man72Der hiſtoriſche TheilMan konnte gar keine Zeit bemerken, welche zwiſchen der Beruͤhrung des Strickes, und dem Anfange des Huͤpfens der Goldſtuͤckgen vergangen waͤre.

§. 98.

Die electriſchen Funken werden mit einer eben ſo großen Geſchwindigkeit, als die Electricitaͤt uͤberhaupt, an den Koͤrpern fort - gepflanzet; und ſind an dem Orte, wo ſie aufhoͤren, eben ſo ſtark, als an demjenigen, wo ſie anfangen.

Es zeigt ſich dieſes in verſchiednen Verſu - chen. Man druͤckt z. E. einen Finger an das Ende einer eiſernen Stange, die auf blauſeid - nen Schnuͤren ruhet. So bald ein electriſir - ter Menſch entweder ſeinen Finger, oder ein electriſirtes Metall gegen das andere Ende der Stange haͤlt, daß ein Funken entſpringt: fuͤhlt man in dem angedruͤckten Finger einen hefti - gen Stich. Druͤckt man die Stange an das Kleid, daß daſſelbe an dem Leibe feſt anliegt: ſo empfindet man den Stich in der ge - dachten Geſchwindigkeit an ieglichem Orte, an welchen die Stange druͤckt, allemal ſehr heftig.

Noch73von der Electricitaͤt.

Noch heftiger iſt die Empfindung an dem Kopfe. Jch habe zuweilen einen eiſernen Ham - mer mit dem hoͤlzernen Stiele in die Hand ge - nommen; die breite Flaͤche des Hammers feſt an die Stirne gedruͤckt; und die ſchmale Seite oder Schaͤrfe deſſelben gegen eine electriſirte Roͤhre aus Eiſenbleche in der Weite gehalten, daß electriſirte Funken entſtanden ſind. Wenn ein ſolcher Funken entſpringt: ſo koͤmmt es einem nicht anders vor, als wenn derſelbe mit - ten durch den Hammer fuͤhre, und der Schlag des Funkens nach einer geraden Linie durch den Hammer und den ganzen Kopf gienge. Der Schlag iſt auch ſo ſtark, daß der Kopf davon erſchuͤttert. Weil die Erſchuͤtterung ſo gar heftig iſt: ſo fuͤrchte ich, es duͤrfte viel - leicht das Gehirne davon Schaden leiden, wenn man den Verſuch oͤfters wiederholte. Legt man den Hammer an die Zaͤhne, oder an das Zahnfleiſch: ſo iſt der Schlag gleich - falls ſo durchdringend, daß man nicht ver - langt, ihn oͤfters zu fuͤhlen.

E 5Das74Der hiſtoriſche Theil

Das X Hauptſtuͤck. Die Electricitaͤt im luftleeren Raume.

§. 100.

Die Electricitaͤt laͤſſet ſich durch das Glas fortpflanzen, und ſetzet die leichten Sa - chen im luftleeren Raume eben ſowohl, als in der freyen Luft, in Bewegung.

Man legt auf ein kleines Stativ auf dem Teller der Luftpumpe eine Glasſcheibe mit kleinen Goldſtuͤckchen, und deckt eine glaͤſerne Glocke daruͤber. Nachdem die Luft aus der - ſelben rein ausgepumpet worden: ſo reibt man eine glaͤſerne Roͤhre, und haͤlt ſie an oder uͤber die Glocke. Auf ieglichen Strich, da man die Roͤhre reibt, kommen die Goldſtuͤck - chen unter der Glocke in electriſche Bewe - gungen.

Jſt das Glas der Glocke etwas dicke: ſo kann man es zuvor mit einem warmen Tuche erwaͤrmen.

§. 101.75von der Electricitaͤt.

§. 101.

Jch habe in Kugeln, dergleichen an den thermometriſchen Roͤhren ſind, Sand - koͤrnchen gethan, und die kurzen Roͤhren an den Kugeln uͤber dem Feuer zugeſchmelzt, nachdem die Luft durch die Hitze herausgetrie - ben geweſen. Dieſe Kugeln habe ich nun entweder gegen ein electriſirtes Glasrohr, oder gegen ein electriſirtes Metall halten moͤgen: ſo ſind die Sandkoͤrner darinnen allezeit ru - hig geblieben.

Sie bleiben auch ohne Bewegung, wenn gleich die Kugeln an den Spitzen offen, und folglich voll Luft ſind.

§. 102.

Reibt man eine enge und luftlee - re Glasroͤhre zwiſchen den Fingern; oder legt die Hand auf eine luftleere Glaskugel, die man mit einem Rade herumdrehet, oder reibt die Kugel an einem ledernen Kuͤßchen, indem man ſie durch Treten bewegt: ſo entſtehet inwendig ein Licht, welches faſt die ganze Glasroͤhre einnimmt, und in der Ku - gel ſich in verſchiedne Gegenden vertheilet.

§. 103.76Der hiſtoriſche Theil

§. 103.

Es entſtehet aber auch auswen - dig an der luftleeren Kugel ein Licht, wenn man einen Koͤrper, z. E. einen Finger, oder ein Metall dagegen haͤlt.

§. 104.

Bringt man einen glaͤſernen und luftleeren Cylinder, welcher etliche Zoll in dem Diameter hat, gegen eine electriſirte Roͤhre aus Eiſenbleche: ſo entſtehen an ſeiner in - wendigen Flaͤche Strahlen, welche wie Blitze hin - und herfahren, und ſich inwendig um den ganzen Cylinder vertheilen.

Verſuchet man dieſes mit einer kleinen Kugel, an welcher ein enges Roͤhrchen iſt, wel - ches man uͤber dem Feuer zugeſchmelzt, nach - dem die Luft von der Hitze aus der Kugel ge - jagt worden: ſo wird die ganze Kugel inwen - dig erleuchtet, und ihre Roͤhre dergeſtalt mit Lichte erfuͤllet, wenn man ſie an die electriſirte Blechroͤhre haͤlt, daß das Licht wie ein Strom zu fließen ſcheint.

Noch merklicher wird dieſer Strom, wenn in der luftleeren Kugel etwas Qveckſilber iſt.

Jch77von der Electricitaͤt.

Jch habe mir eine enge und hole Glas - roͤhre dergeſtalt biegen laſſen, daß ihre Fi - gur die Anfangsbuchſtaben eines Namens vorſtellt. Es iſt auch etwas Qveckſilber hineingethan, und die Luft durch das Feuer herausgetrieben, und die Roͤhre ſodann zuge - ſchmelzt worden. Meine Abſicht gieng da - hin, daß ich durch die Erzeugung des electri - ſchen Lichts in der gebogenen Roͤhre die Buchſtaben im Finſtern moͤchte vorſtellen koͤnnen. Allein ich habe zur Zeit dieſe Ab - ſicht nicht erreichen koͤnnen: weil vielleicht die Luft nicht rein genug herausgejagt worden, oder die Roͤhre gar zu enge iſt. Auch haben mir meine Verrichtungen bisher nicht erlaubt, andere Roͤhren zu biegen, und die Verſuche auf mancherley Art anzuſtellen.

§. 105.

Herr Graveſand beſchreibt in ſei - nen Elementis Phyſices §. 567. eine Ma - ſchine, wodurch man in einem luftleeren Rau - me eine glaͤſerne Kugel mit Tuche reiben kann. Geſchiehet das Reiben im Finſtern;ſo78Der hiſtoriſche Theil. ſo erblickt man an der Kugel ein Licht. Man ſollte noch auf eine ſolche Maſchine bedacht ſeyn, da man mit einer electriſchen Maſchi - ne im luftleeren Raume alle Verſuche an - ſtellen koͤnnte, welche man bisher in freyer Luft gemacht hat.

Der79

Der phyſicaliſche Theil.

Die I Unterſuchung, Nach was fuͤr Linien die elec - triſche Materie eines electriſirten Koͤrpers bewegt werde?

§. 106.

An der Flaͤche eines electriſirten Koͤrpers iſt rings herum eine ſubtile Materie in Bewegung. Denn die Goldtheilchen huͤpfen und ſprin - gen an allen Seiten, ſo bald ſie ihm nahe kommen. Wird ein Menſch electriſiret: ſo zeiget ſich dieſe Wirkung, man mag ihm die Goldtheilchen entweder gegen den Kopf, oder gegen die Fuͤße halten; und die electriſchen Funken entſpringen, man mag ihm mit einemFin -80Der phyſicaliſche TheilFinger entweder gegen das Geſicht, oder gegen die Haͤnde, oder gegen die Beine fah - ren. Ja ſo gar die inneren Theile des Mun - des geben Funken, wenn ſich ihnen etwas unelectriſirtes naͤhert. Es ſind auch dieſel - ben allenthalben ſo ſtark, daß man es an de - nen Theilen, welche ſich leicht verletzen laſſen, als an den Augen, nicht verſuchen darf. Haͤlt man gegen eine electriſirte Roͤhre aus Eiſen - bleche die Hand oder das Geſicht in der Ent - fernung, da noch keine Funken entſtehen koͤn - nen: ſo fuͤhlt man die Bewegung einer ſubti - len Materie mit einer gelinden Waͤrme (§. 74).

§. 107.

Die Theile dieſer Materie bewe - gen ſich im Electriſiren nach geraden Linien.

Denn Sandkoͤrner und andere leichte Koͤr - per, als mit Hexenmehl bedeckte Waſſerkuͤ - gelchen, welche auf Metallen, Glaſe und har - tem Holze liegen, werden theils in die Hoͤhe, theils ſeitwerts nach geraden Linien fortgeſtoſ - ſen, wenn man die Metalle, das Glas, das glatte Holz electriſiret (§. 47 u. 51).

§. 108.81von der Electricitaͤt.

§. 108.

Es folgt aber im Electriſiren im - mer ein electriſcher Theil dem andern, und er - waͤchſt aus ihnen eine ganze Linie.

Dieſes zeigen die Strahlen, welche aus den Spitzen eines electriſirten Metalls fahren. Denn dieſelben laſſen ſich durch keine Bewe - gung der Luft unterbrechen (§. 57).

§. 109.

Aus dieſem Verſuche erhellet zu - gleich, daß aus einem jeglichen Puncte der Flaͤ - che eines electriſirten Koͤrpers electriſche Linien in großer Menge entſpringen, welche ſich immer weiter von einander entfernen, je laͤnger ſie wer - den. Kurz zu ſagen, die electriſchen Linien ſind, von dem Puncte ihres Urſprungs an, divergent.

Die II Unterſuchung Ob die electriſche Materie den electri - ſirten Koͤrpern eigenthuͤmlich ſey?

§. 110.

Eine Materie iſt einem Koͤrper eigen - thuͤmlich, wenn ſie ihm von ſeinem Ur -Fſprun -82Der phyſicaliſche Theilſprunge an zukoͤmmt, und mit ihm verbunden bleibt, ſo lange er dauret.

§. 111.

Weil die urſpruͤngliche Electricitaͤt an einem Koͤrper erreget wird, wenn man ihn gleich mit Sachen reibt, welche ſich durch Rei - ben nicht electriſiren laſſen (§. 20 u. 25): ſo iſt klar, daß die Materie der urſpruͤnglichen Elec - tricitaͤt ihm zukoͤmmt, ehe er electriſiret wird.

§. 112.

Er laͤßt ſich aber durch Reiben elec - triſiren, ſobald er ein Koͤrper iſt.

§. 113.

Dergeſtalt hat er die Materie der urſpruͤnglichen Electricitaͤt von ſeinem Urſprun - ge an.

§. 114.

Sie laͤßt ſich auch nicht von ihm ab - ſondern, wenn die Luft von ihm getrennet wird.

Denn die urſpruͤngliche Electricitaͤt kann auch im luftleeren Raume erreget werden (§. 105),

§. 115.

Desgleichen behalten diejenigen Koͤr - per, welche ſich durch Reiben electriſiren laſſen, die Faͤhigkeit dazu, wenn ſie auch im Feuer erhitzt worden.

Denn83von der Electricitaͤt.

Denn ſo bald ſie wieder ſo kalt geworden, daß man ſie reiben kann: ſo zeigen ſie ihre vorige Electricitaͤt.

§. 116.

Aus einigen Verſuchen (§. 89) ſchei - net zwar, als wenn dieſelbe durch die Kraft des Magneten gehindert wuͤrde. Allein wenn das Glas, welches in der Naͤhe des Magneten gerieben worden, wieder eine zeitlang auſer ſei - ner Gemeinſchaft geweſen iſt: ſo laͤſſet es ſich hierauf, wie vorhin, electriſiren.

§. 117.

Die Materie der urſpruͤnglichen Electricitaͤt iſt demnach denen Koͤrpern, an welchen ſie durch Reiben hervorgebracht wird, eigenthuͤmlich.

Denn ſie haben dieſelbe nicht nur von ih - rem Urſprunge an (§. 113); ſondern verliehren ſie auch weder durch die Abſonderung der Luft (§. 114), noch durch die Hitze (§. 115), noch durch die Kraft des Magneten (§. 116). Es bleibt auch dieſelbe mit ihnen verbunden, ſo lange ſie ſonſt ihre Natur behalten. Sie hat demnach die nothwendigen Kennzeichen der eigenthuͤmli - chen Materie (§. 110).

F 2§. 118.84Der phyſicaliſche Theil

§. 118.

Die Materie der mitgetheilten Elec - tricitaͤt iſt kein Ausfluß, welcher aus der Ma - terie der urſpruͤnglichen entſtuͤnde, und an den Koͤrpern fortſtroͤmte.

Denn der Raum, in welchem die urſpruͤng - liche Electricitaͤt entweder ihre Wirkung in die Goldblaͤttchen beweiſet, oder einem andern Koͤrper die Electricitaͤt mittheilet, iſt in Be - trachtung des Raums, wodurch ſich die mitge - theilte ausbreitet, ſehr klein. Denn der Koͤr - per, welchem ſie ſich mittheilen laͤſſet, mag noch ſo lang, breit und dicke ſeyn: ſo wird dennoch ſein ganzer Umfang von der Beruͤhrung einer electriſirten Hand, die man in der Zeit, da ſie den Koͤrper anfaßt, nicht weiter electriſirt; ja von einem einzigen Funken eines electriſirten Fingers, oder einer electriſirten Nadel, der Electricitaͤt mit einer groͤßern Geſchwindig - keit theilhaftig, als die Geſchwindigkeit einer geſchoßnen Kugel iſt (§. 98 und 99). Wer wollte ſich hier mit Grunde bereden, daß die Materie dieſer mitgetheilten Electricitaͤt in ei - nem ſo unmerklichen Theile der Zeit nur alleinaus85von der Electricitaͤt. aus der electriſirten Hand, oder der electriſir - ten Nadel gefloſſen waͤre?

Und wenn die Electricitaͤt einem Koͤrper dadurch mitgetheilet wuͤrde, daß die Materie, in deren Bewegungen dieſelbe beſtehet, aus dem electriſirenden Koͤrper ausfloͤſſe: wie kaͤme es, daß die Electricitaͤt, welche aus ei - ner electriſirten Flamme in eine blecherne Roͤhre fortgepflanzt wird, keine Funken gaͤbe, welche zuͤnden koͤnnten (§. 95)? Man darf nicht ſa - gen, daß vielleicht das Feuer der Electricitaͤt, die es bekommen ſollte, wiederſtuͤnde. Denn ein ganz gluͤendes Eiſen laͤſſet ſich den Augen - blick ſo ſtark electriſiren, daß ſeine electriſchen Funken einen feinen Spiritum zuͤnden (§. 76). Wofern die Materie der mitgetheilten Electrici - taͤt ein bloßer Ausfluß aus dem electriſirenden Koͤrper iſt: wie koͤmmt es, daß Fleiſch, Magne - ten und die Anker eines Magneten keine zuͤn - dende Funken geben, wenn ſie auf nichts, als auf ſeidnen Schnuͤren an dem electriſirenden Glaſe liegen; und hingegen mit ihren Funken augenblicklich zuͤnden, wenn ſie an eine elec -F 3tri -86Der phyſicaliſche Theiltriſirte Roͤhre aus Eiſenbleche gehenkt werden (§. 85-90).

Will man einwenden, daß es nicht be - greifflich ſey, wie die Electricitaͤt einem Koͤr - per mitgetheilet werden koͤnne, wenn aus dem mittheilenden keine ſtroͤhmende Materie abge - ſondert wuͤrde: ſo erwege man, ob es ſich be - greiffen laͤßt, wie es zugehe, daß eine helfen - beinerne Kugel einer ruhenden, an welche ſie anſtoͤßt, die Bewegung mittheilet, da ſie von ihrer Materie nichts verliehret, und alſo von derſelben nichts in die andere uͤbergehet.

§. 119.

Die Materie der mitgetheilten Elec - tricitaͤt iſt von der Luft voͤllig unterſchieden.

Denn dieſe iſt der Electricitaͤt weder hin - derlich noch befoͤrderlich. Das erſtere iſt da - her klar, weil die Electricitaͤt nicht unterbrochen wird, oder aufhoͤret, wenn man auch mit Bla - ſebaͤlgen gegen einen electriſirten Koͤrper blaͤſet (§. 84). Das andere laͤſſet ſich daraus erken - nen, weil die Goldtheilchen im luftleeren Rau - me eben ſo gut bewegt werden, als in freyer Luft (§. 100).

§. 120.87von der Electricitaͤt.

§. 120.

Die Materie der mitgetheilten Elec - tricitaͤt iſt demnach dem Koͤrper, welchem ſie mitgetheilet wird, eigenthuͤmlich.

Denn ſie iſt nicht nur von der Luft voͤl - lig unterſchieden, ſondern entſpringt auch nicht aus der Materie des electriſirenden Koͤrpers (§. 110).

Die III Unterſuchung, Ob man die Electricitaͤt fuͤr ei - nen Wirbel zu halten habe?

§. 121.

Man iſt durch gewiße Verſuche auf die Gedanken gebracht worden, als wenn die electriſche Materie ſich nach Art eines Wir - bels um die electriſirten Koͤrper bewegte.

Denn zuweilen beſchreiben die Goldtheil - chen krumme Linien, wenn ſie durch die Elec - tricitaͤt bewegt werden. Die aus der Stange eines electriſirten Degens fahrenden Funken haben manchmal das Oel aus dem Theeloͤf - fel, welchen man darunter gehalten, durch eineF 4krum -88Der phyſicaliſche Theilkrumme Linie gegen das Degengefaͤß zugetrie - ben. Faͤhrt ein Waſſerſtrahl aus einem He - ber uͤber eine blecherne Roͤhre: ſo wird er nie - derwaͤrts gebogen, wenn die Roͤhre electriſiret wird. Und faͤhret er unter ihr hin: ſo wird er aufwaͤrts gekruͤmmet (§. 53).

§. 122.

Allein aus dieſen Verſuchen laͤßt ſich noch nicht mit Gewißheit ſchlieſſen, daß im Electriſiren ein Wirbel einer electriſchen Materie um die Koͤrper erzeugt wird.

Denn die Goldtheilchen werden nicht alle - mal durch die Electricitaͤt nach krummen Li - nien bewegt. Das Oel im Theeloͤffel wird auch nur zuweilen nach einer krummen Linie fortgetrieben. Sollte die Kruͤmmung des Waſſerſtrahls ein untruͤgliches Merkmal eines Wirbels an den Tag legen: ſo muͤßte man dar - thun, daß die Kruͤmmung auf keine andere Art moͤglich waͤre, als weil die electriſche Materie um die electriſirte Roͤhre wirbelte. Es iſt keine all - gemeine Wahrheit, wenn etwas nach einer krummen Linie beweget wird, daß auch die be - wegende Urſache eine krumme Linie beſchreibt. Der89von der Electricitaͤt. Der Lauf eines Koͤrpers wird gekruͤmmt, wenn er ſich nach einer geraden Linie bewegt, und ein anderer Koͤrper nach einer geraden Linie, welche die vorige unter einem gewißen Winkel durchſchneidet, auf ihn zuſtoͤßt. Sol - chergeſtalt wird er von ſeiner erſten Linie ab - getrieben, und beſchreibet eine gerade Linie nach einer andern Gegend. Wird dieſe aber - mal von einer geraden Linie durchſchnitten, nach welcher ein neuer Koͤrper den laufenden Koͤrper ſtoͤßt: ſo wird dieſer abermals in eine andere Linie gebracht. Auf dieſe Weiſe gehet ſein Lauf nach und nach in die Kruͤmme.

Die IV Unterſuchung, Ob man der Electricitaͤt Cen - tralkraͤfte zueignen koͤnne?

§. 123.

Wenn ein Koͤrper um einen Mittelpunct bewegt wird, und bemuͤhet iſt, ſich von demſelben zu entfernen: ſo heißt dieſe Beſtre - bung eine vis centrifuga. Wenn ihn keineF 5wider -90Der phyſicaliſche Theilwiderſtehende Kraft aufhielte: ſo wuͤrde er nach einer geraden Linie (Tab. 2. fig. 8.) fort - fahren. Wird er aber gehindert, daß er in der krummen Linie bleiben muß: ſo heißt die Kraft, wodurch ſolches geſchiehet, eine vis centripeta. Beyde Kraͤfte nennet man mit einem allgemeinen Namen Centralkraͤfte.

§. 124.

Wenn ſich aus den Verſuchen zei - gen lieſſe, daß die Electricitaͤt mit dergleichen Kraͤften wirkte: ſo koͤnnte man der electri - ſchen Materie gar wohl einen Wirbel an dem electriſirten Koͤrper zuſchreiben.

Der electriſirte Koͤrper mag ein runder Stab ſeyn. Die gerade Linie, welche mitten durch ihn von einem Ende zum andern gehet, heiſſet ſeine Axe. Man ſtelle ſich in Gedan - ken vor, als wenn der electriſirte Stab aus Scheiben zuſammengeſetzet waͤre, durch deren Mittelpuncte die Axe gienge. Geſetzt nun, ein Theil der electriſchen Materie bekaͤme durch das Electriſiren auf dem Umkreiſe der Scheibe eine vim centrifugam (Tab. 2. fig. 8). Alſo wuͤrde er bemuͤhet ſeyn, ſich nach einer ge -raden91von der Electricitaͤt. raden Linie von dem Mittelpuncte der Scheibe zu entfernen. Man ſetze weiter, ein ieglicher Theil haͤtte von Natur eine vim centripe - tam. Hierdurch wuͤrde alſo die vis centri - fuga geſchwaͤcht. Jndem alſo der bewegte Theil von der geraden Linie immer mehr und mehr abgezogen wuͤrde: ſo naͤherte er ſich der Scheibe, und beſchriebe eine krumme Linie. Und weil die Theile der electriſchen Materie ſo klein ſind, daß ſie einzeln nicht koͤnnen geſehen werden: ſo lieſſe ſich leicht denken, daß in ieg - lichem Puncte auf dem Umfange der Scheibe ein electriſcher Theil in eine ſolche Bewegung im Electriſiren wuͤrde geſetzt werden. Alſo muͤßten dieſe krumme Linien einander durch - ſchneiden. Solchergeſtalt wuͤrden an dem Um - kreiſe eines Stabes faſt unzaͤhliche Wirbel entſtehen.

§. 125.

Wirbelte die electriſche Materie wirklich in ſolchen krummen Linien an der Flaͤ - che eines electriſirten Koͤrpers: ſo lieſſen ſich ihre Wirkungen in die Goldtheilchen leicht er - klaͤren.

Denn92Der phyſicaliſche Theil

Denn erſtreckte ſich eine electriſche krumme Linie bis an ein Koͤrperchen, deſſen Schwere ſchwaͤcher waͤre, als der Stoß der electriſchen Linie: ſo fuͤhrte ſie dieſes Koͤrperchen mit ſich fort, und triebe es an die Flaͤche des electriſir - ten Koͤrpers. Und weil an allen Puncten in dem Umkreiſe einer electriſirten Scheibe electri - ſche Theile in Wirbel gebracht wuͤrden: ſo wuͤrde dasjenige Koͤrperchen, welches von der electriſchen Linie auf einen Punct der Scheibe zugefuͤhret wuͤrde, den Augenblick von einem electriſchen Theile, welcher an demſelben Pun - cte zu wirbeln anfienge, zuruͤckgeſtoſſen. Sol - chergeſtalt wuͤrden unzaͤhliche Bewegungen entſtehen, durch welche immer eine Menge leichter Koͤrperchen auf den electriſirten Koͤr - per zufahren, und den Augenblick wieder zu - ruͤckprallen muͤßten.

§. 126.

Jn der Unterſuchung, ob die Theile der electriſchen Materie im Electriſiren wirk - lich mit Centralkraͤften wirken, hat man vor allen Dingen die geraden Linien zu betrach - ten, nach welchen ſie ſich bewegen (§. 107). Die -93von der Electricitaͤt. Dieſelben aber ſind divergent (§. 109). An denen Strahlen, welche aus den Spitzen eines electriſirten Sternes fahren, habe ich niemals wahrnehmen koͤnnen, daß einer aus der Spitze nach einer andern Linie gienge, als welche durch die Spitze, wie ein radius eines Cirkels durch ſeinen Mittelpunct kann gezogen werden. Nach der Erklaͤrung alſo, welche von den Cen - tralkraͤften gegeben wird (§. 123), kann man der Electricitaͤt keine zueignen.

Denn die geraden Linien, wornach die vis centrifuga einen Koͤrper fortzutreiben ſuchet, ſind keine divergente Linien, welche aus einem Mittelpuncte entſpringen.

Die V Unterſuchung, Wie die Koͤrper durch die Elec - tricitaͤt an den electriſirten Koͤrper anfahren.

§. 127.

Die electriſchen Theilchen fahren in denen geraden Linien, nach welchen ſie ſich vondem94Der phyſicaliſche Theildem electriſirten Koͤrper entfernet haben, wie - der zuruͤck in den Punct, aus welchem ſie her - vorgetrieben worden.

Dieſes laͤſſet ſich deutlich an denen divergen - ten Strahlen wahrnehmen, welche aus den Spi - tzen electriſirter Metalle, oder einer electriſirten Brodtrinde entſpringen (§. 56). Es ſind aber dieſe Strahlen die electriſche Materie: indem die leuchten Koͤrperchen durch ſie in huͤpfende Bewegungen geſetzet werden.

§. 128.

So ſtark die electriſche Materie ei - nes electriſirten Koͤrpers in einen andern wirkt: ſo ſtark wirkt dieſer in die Theilchen, welche ihn beruͤhren, zuruͤck.

Denn ein jeglicher Koͤrper wirkt dadurch, daß er eine widerſtehende Kraft hat, in den - jenigen, der in ihn wirkt, zuruͤck. Und die Gegenwirkung iſt der Wirkung allezeit gleich.

§. 129

Jndem ein Koͤrper in die electri - ſche Materie zuruͤck wirkt: ſo verliehret er von ſeiner Schwere ſo viel, als die Groͤße der Wirkung iſt, womit ihn die electriſche Mate - rie ſtoͤßt.

Denn95von der Electricitaͤt.

Denn durch die Schwere beſtrebt er ſich gegen den Mittelpunct des Erdbodens. Jn - dem er aber in die electriſche Materie, von wel - cher er geſtoſſen wird, zuruͤck wirkt: ſo kann er den Theil der Kraft, mit welchem er dem Stoße der electriſchen Materie widerſtehet, nicht zu ſeiner Schwere anwenden. So groß alſo ſeine Gegenwirkung in die electriſche Ma - terie iſt, ſo groß iſt der Verluſt ſeiner Schwe - re. So ſtark demnach die electriſche Materie in ihn ſtoͤßt, um ſo viel wird er leichter.

§. 130.

Wenn zween Koͤrper einander be - ruͤhren, und mit gleichen Kraͤften gegen ein - ander wirken: ſo werden ſie miteinander ver - einiget, oder haͤngen zuſammen.

§. 131.

Wenn demnach ein Koͤrper an ei - nen electriſirten anfaͤhret: ſo geſchiehet ſolches deswegen, weil er mit den beruͤhrenden Thei - len der electriſchen Materie einen Zuſammen - hang bekoͤmmt; und die electriſche Materie nach denen geraden Linien, nach welchen ſie im Electriſiren von der Flaͤche ihres Koͤrpers weggetrieben worden, an ſie zuruͤck faͤhret.

Der96Der phyſicaliſche Theil

Der Zuſammenhang entſtehet, wenn der Stoß der electriſchen Materie der Schwere des entgegen geſtellten Koͤrpers gleich iſt. Denn ſolchergeſtalt verliehret der Koͤrper durch ſeine eben ſo ſtarke Gegenwirkung ſeine voͤllige Schwere (§. 128 u. 129). Jndem alſo die electriſche Materie den Koͤrper beruͤhret: ſo wird ſie mit ihm vereiniget (§. 130).

Wenn unter zuſammenhangenden Koͤrpern einer nach derjenigen Linie, nach welcher ſie mit gleichen Kraͤften in einander wirken, be - wegt wird: ſo wird der andere nach dieſer Li - nie zugleich mit bewegt. Weil demnach die electriſche Materie in den electriſirten Koͤrper zuruͤck faͤhret: ſo muß ihr der Koͤrper, welcher mit ihr zuſammen haͤngt, nothwendig folgen.

§. 132.

Man kann alſo der electriſchen Ma - terie, welche durch das Electriſiren aus dem Koͤrper, in welchem ſie ſich befindet, auf eine gewiße Weite herausgetrieben wird, in eigentli - chem Verſtande eine anziehende Kraft zueignen.

§. 133.

Weil die electriſchen Linien, von dem Puncte ihres Urſprungs an, divergent ſind(§. 109)97von der Electricitaͤt. (§. 109): ſo iſt die electriſche Materie deſto dichter, je naͤher ſie der Flaͤche ihres Koͤrpers iſt; und wirkt alſo mit der Abnahme der Ent - fernung immer ſtaͤrker.

§. 134.

Solchergeſtalt laͤßt ſich die Urſa - che erklaͤren, warum der Waſſerſtrahl, welcher entweder uͤber oder unter einer electriſirten Stange hinfaͤhret, an ihr gebogen wird. Weil der Strahl im Hinfahren der Flaͤche der Roͤh - re, wegen ihrer Rundung, an einem Orte naͤher koͤmmt, als an dem andern: ſo wirkt die electriſche Materie in den Theil des Waſ - ſerſtrahls, welcher der Roͤhre am naͤchſten koͤmmt, weit ſtaͤrker, als in die uͤbrigen Thei - le deſſelben. Denn ſie iſt daſelbſt dichter. Demnach wird der naͤhere Theil des Waſſer - ſtrahls ſtaͤrker angezogen, als die uͤbrigen. Sol - chergeſtalt muß er von der vorigen Linie ab - weichen, und ſich alſo kruͤmmen.

§. 135.

Auf gleiche Weiſe laͤßt ſich begreif - fen, wie es koͤmmt, daß das Oel in einem Theeloͤffel unter der Stange des Degens zu - weilen in einer krummen Linie gegen das De -Ggen -98Der phyſicaliſche Theilgengefaͤße zugetrieben wird. Das Oel hat eine gewiße Zaͤhigkeit, wodurch ſeine Theile ſtaͤrker zuſammen haͤngen, als die Theile des Waſſers, oder eines Spiritus. Nach der Fi - gur des Loͤffels und der Degenſtange iſt das Oel an dem Orte des Loͤffels, wo man damit einſchoͤpft, der Degenſtange naͤher, als das Oel in der Mitten des Loͤffels. Jn derſelbe Naͤhe iſt die electriſche Materie dichter, und folglich ſtaͤrker. Alſo wird das Oel daſelbſt ſtaͤrker angezogen. Die meiſten electriſchen Linien ſtoſſen im Hineinfahren ſchief. Demnach wird das Oel nach ſchiefen Linien fortgetrie - ben. Weil aber eben die electriſchen Linien zuruͤckfahren; und die mitlern zwiſchen der Degenſtange und der Laͤnge des Gefaͤßes ei - nen weitern Raum durchlauffen muͤßen, als die uͤbrigen: ſo wird das wegen ſeiner Zaͤhig - keit in einer Linie fortgeſtoßne Oel an den bey - den Enden ſtaͤrker, als in der Mitten, angezo - gen. Solchergeſtalt beſchreibt es eine krumme Linie.

Die99von der Electrieitaͤt.

Die VI Unterſuchung, Ob die electriſche Materie ei - nes feſten Koͤrpers zu ſeinen fe - ſten Theilen gehoͤre?

§. 136.

Die electriſche Materie eines feſten Koͤr - pers iſt ihm eigenthuͤmlich (§. 117 und 120). Weil ſie aber als ein fluͤßiges Weſen aus ihm ausſtroͤmt (§. 106-109): ſo iſt die Frage, ob ſie vor der Zeit, ehe der Koͤrper electriſiret wird, zu ſeinen feſten Theilen gehoͤre: oder ſich um ihn, und in den Zwiſchenweiten ſeiner feſten Theile, aufhalte?

§. 137.

Die kleinſten Theile der electriſchen Materie haben ohnſtreitig eine gewiße Feſtigkeit.

Denn wenn ihnen dieſe fehlte: ſo wuͤrden ſie im Anſtoſſen an die feſten Koͤrper den Au - genblick zertheilet werden; und folglich ihre Wirkung verliehren. Wollte man ſagen, daß nur die Theile, aus welchen ſie zuſammengeſetztG 2waͤren,100Der phyſicaliſche Theilwaͤren, eine Feſtigkeit haͤtten: ſo wuͤrde man vergeſſen, daß man von den kleinſten Theilen redete, als welche ſich in keine kleinere electri - ſche Theile aufloͤſen laſſen.

§. 138.

Daher aber, daß die kleinſten Theile der electriſchen Materie feſt ſind, folgt keinesweges, daß ſie zu den feſten Theilen des electriſirten Koͤrpers gehoͤren.

Die Ausduͤnſtungen der Pflanzen und Baͤume beſtehen auch aus feſten Theilen, welche durch eine gewiße Ordnung unter ein - ander ein fluͤßiges Weſen ausmachen. Sie entſtehen aber nicht blos dadurch, daß die feſten Theile der Pflanzen und Baͤume im Ausduͤn - ſten aufgeloͤſet werden.

§. 139.

Die Materie der mitgetheilten Electricitaͤt, welche man durch Reiben nicht er - regen kann, iſt nach aller Wahrſcheinlichkeit von den feſten Theilen ihres Koͤrpers unter - ſchieden.

Denn die ganze Flaͤche einer eiſernen Stange von ſieben Ellen wird im Augenblicke electriſirt, wenn ſich ihr ein electriſirter Fingernaͤhert101von der Electricitaͤt. naͤhert (§. 99). Eben ſo geſchwinde wird die Electricitaͤt an einem Stricke von ſechzig Ellen durch das bloße Anruͤhren einer electriſirten Hand fortgebracht (§. 98). An Holze, Men - ſchen und Thieren geſchiehet dieſes gleichfalls. Wer wollte ſich aber bereden, daß ein einziger Funken die feſten Theile eines Thieres, eines Menſchen, eines Holzes, eines Strickes, eines Metalles, durch eine ſo große Laͤnge, in einem Augenblicke dergeſtalt aufloͤſen ſollte, daß ſie aus der Flaͤche des Koͤrpers rings um wie ein Strohm ausfloͤſſen, welcher an Metallen und Menſchen und Thieren zuͤndende Funken giebt?

§. 140.

Die electriſche Materie, welche durch Reiben wirkſam wird, iſt ebenfalls von den feſten Theilen des geriebnen Koͤrpers zu unterſcheiden.

Denn wer wollte glauben, daß die Glas - und Porcelantheilchen dadurch, daß man ein Glas und einen Porcelanbecher ein oder zwey - mal reibt, in Theilchen aufgeloͤſet wuͤrden, welche einen Strohm ausmachten?

G 3Die102Der phyſicaliſche Theil

Die VII Unterſuchung, Ob die electriſche Materie ei - nes feſten Koͤrpers eine Atmo - ſphaͤre deſſelben ſey?

§. 141.

Durch die Atmoſphaͤre eines Koͤrpers verſtehet man eine fluͤßige Materie, wel - che ihn an Subtilitaͤt uͤbertrifft, und ihrer Na - tur nach mit ihm vereiniget iſt, und ſeine ganze Flaͤche umgiebt.

§. 142.

Weil die ganze Flaͤche einiger fe - ſten Koͤrper durch einen einzigen electriſchen Funken in einem Augenblicke electriſiret wird: ſo iſt zu ſchlieſſen, daß die Theile ihrer electri - ſchen Materie in einem fort zuſammen haͤngen.

Denn wenn ſie durch gewiße Zwiſchen - raͤume getrennet waͤren: ſo wuͤrde ſich die Be - wegung nicht ſo ſchnell fortpflanzen koͤnnen. Es wuͤrde allemal eine gewiße Zeit noͤthig ſeyn, wenn eines zu dem andern durch einen Zwi -ſchen -103von der Electricitaͤt. ſchenraum laufen ſollte, es moͤchte dieſer auch noch ſo klein ſeyn. Dieſe kleinen Theile der Zeit wuͤrden alſo endlich eine gar merkliche Zeit ausmachen. Wenn z. E. acht helfenbei - nerne Kugeln in einer Reihe an einander lie - gen: ſo faͤhrt die letzte an dem andern Ende den Augenblick ab, wenn man eine Kugel aus Helfenbein in einer geraden Richtung an die erſte anſtoͤßt. Hingegen verſtreichet eine merk - liche Zeit, ehe die letzte in Bewegung koͤmmt, wenn die ruhenden Kugeln durch Zwiſchen - weiten von einander unterſchieden ſind.

§. 143.

Weil die electriſche Materie einiger feſten Koͤrper ſich durch die bloße Beruͤhrung einer andern, die ſich bewegt, in gleiche Bewe - gungen ſetzen laͤſſet: ſo muß ſie bereits fluͤßig ſeyn, ehe ſie noch bewegt wird.

§. 144.

Hieraus iſt klar, daß man die elec - triſche Materie eines feſten Koͤrpers, welcher ſich ohne Reiben electriſiren laͤſſet, fuͤr eine At - moſphaͤre deſſelben zu halten hat.

Denn ſie iſt nicht nur fluͤßig (§. 139), ſon - dern beſtehet auch aus Theilen, welche in ei -G 4nem104Der phyſicaliſche Theilnem fort zuſammenhaͤngen (§. 142). Derge - ſtalt umgiebt ſie die ganze Flaͤche des feſten Koͤrpers. Sie gehoͤret aber zugleich zu ſeiner eigenthuͤmlichen Materie (§. 120). Alſo iſt ſie ihrer Natur nach mit ihm vereiniget. Dieſes ſind die Kennzeichen einer Atmoſphaͤre (§. 141).

§. 145.

Die Materie der urſpruͤnglichen Electricitaͤt iſt gleichfalls fuͤr eine Atmoſphaͤre ihrer Koͤrper zu halten.

Denn ſie iſt von den feſten Theilen derer Koͤrper, welche ſich durch Reiben electriſiren laſſen, unterſchieden. Solches iſt nicht nur aus dem, was §. 140. geſagt worden, klar; ſon - dern auch daher erweislich, weil die Electricitaͤt, welche man dem Glaſe, Peche, Siegellacke und Porcellane ohne Reiben mittheilet, ſich an ih - ren ganzen Flaͤchen den Augenblick wirkſam erweiſet. Und obgleich die fortgepflanzte Elec - tricitaͤt in der blauen Seide ſehr ſchwach iſt, und nicht anders als durch viele Muͤhe merk - lich gemacht werden kann: ſo wird ſie doch durch Reiben geſchwinde erregt, und zu einer ſehr merklichen Staͤrke gebracht. Daß ſie ſichaber105von der Electricitaͤt. aber ohne Reiben nicht in dergleichen Grade erwecken laͤſſet, daraus folget nur ſo viel, daß die Materie entweder dichterer iſt, oder mit den feſten Theilen der Seide mehr zuſammen - haͤngt, als die electriſche Materie anderer fe - ſten Koͤrper, oder anderer Urſachen wegen, ohne Reiben nicht kann aufgeloͤſet werden.

Der Ritter Newton hat durch viele Ver - ſuche gezeiget, daß die Urſache, warum das Licht von den Koͤrpern zuruͤckprallt, nicht dar - innen zu ſuchen ſey, daß es an die dichten und feſten Theile derſelben anfaͤhrt. Er beſchreibet die angeſtellten Verſuche in ſeiner Optic in dem 2 Buche, in dem achten Satze, auf der 224 und den folgenden Seiten. Er macht daher den Schluß, daß die anfallenden Lichtſtrahlen vielleicht durch eine Kraft zuruͤckgetrieben wuͤr - den, welche ſich uͤber die ganze Flaͤche des Koͤr - pers, von welchem ſie zuruͤckprallen, gleich durch ergoͤſſe, wodurch der Koͤrper in die Strah - len wirkte, ohne daß ſie ihn unmittelbar be - ruͤhrten. Jm 3 Buche fragt er, ob nicht die Koͤrper durch einen gewißen Zwiſchenraum inG 5das106Der phyſicaliſche Theildas Licht wirkten, und durch dieſe Wirkung die Strahlen boͤgen und kruͤmmten? ob nicht die Lichtſtrahlen, welche gegen einen Koͤrper zufahren, ſich nicht bereits zu kruͤmmen anfien - gen, ehe ſie an ihn kaͤmen? Jn der dritten Frage ſpricht er, ein durchſichtiger Koͤrper wirkte durch einen gewißen Zwiſchenraum in die Lichtſtrahlen, daß ſie dadurch gekruͤmmt, gebrochen und zuruͤckgeworfen wuͤrden; und wiederum die Lichtſtrahlen bewegten und er - waͤrmten durch einen gewißen Zwiſchenraum die Theile der Koͤrper: und dieſe Wirkung und Gegenwirkung, welche durch einen gewiſ - ſen Zwiſchenraum geſchaͤhe, ſchiene einer anzie - henden Kraft ſehr aͤhnlich zu ſeyn.

Mich duͤnkt, was ich von der electriſchen Atmoſphaͤre der feſten Koͤrper geſagt, das iſt den Gedanken des Herrn Newtons von der Urſache, womit die Lichtſtrahlen gebrochen, zu - ruͤckgeworfen und gekruͤmmt werden, nicht zuwider.

Die107von der Electricitaͤt.

Die VIII Unterſuchung, Ob die fluͤßigen und ſichtbaren Materien eine electriſche Atmo - ſphaͤre um ſich haben?

§. 146.

Aus der Worterklaͤrung der Atmoſphaͤre (§. 141), und der Subtilitaͤt der electri - ſchen Materie (§. 106) erhellet, daß es, in Be - trachtung der electriſchen Atmoſphaͤre eines fluͤßigen und zugleich ſichtbaren Koͤrpers gleich - viel ſey, ob ihre Materie von der Subſtanz dieſes Koͤrpers unterſchieden ſey, oder nicht. Es iſt genug, wenn ſie die Subtilitaͤt hat, daß ſie mit dem, was an dem fluͤßigen Koͤrper ſicht - bar iſt, nicht kann vermenget werden.

§. 147.

Eine Flamme iſt in der Zeit, da ſie electriſiret iſt, mit einer electriſchen Atmoſphaͤre umgeben.

Denn eine ſolche Flamme theilt durch einen Raum, deſſen Diameter uͤber zwo leipziger Ellen hat, ihre Electricitaͤt einem andern Koͤr - per mit (§. 43).

§. 148.108Der phyſicaliſche Theil

§. 148.

Desgleichen haben alle andere fluͤſ - ſige Koͤrper in der Zeit, da ſie electriſiret ſind, eine electriſche Atmoſphaͤre um ſich.

Denn das Licht und die Funken, welche an ihren Flaͤchen entſtehen, wenn man einen unelectriſirten Koͤrper gegen ſie haͤlt, nehmen zwiſchen ihnen und dem Koͤrper einen gewiſ - ſen Raum ein.

§. 149.

Aber es fragt ſich, ob die fluͤßigen und ſichtbaren Koͤrper auch zu der Zeit, da man ſie nicht electriſiret, mit einer electriſchen At - moſphaͤre umgeben ſind? An der Flamme ha - be ich ſie durch folgenden Verſuch entdeckt.

An das eine Ende eines hoͤlzernen Bretes, welches auf blauſeidnen Schnuͤren lag, ſetzte ich ein duͤnnes Wachslicht von einem Wachs - ſtocke in einer ſchiefen Linie, ſo daß mir der brennende Theil naͤher war, als die uͤbrigen. Unter dem andern Ende des Bretes lagen auf ei - ner Glasſcheibe Goldtheilchen. Jch ſtund auf den ſeidnen Schnuͤren uͤber dem Vierecke, und hielt die eine Hand gegen den Porcellanbecher an der Maſchine, und ließ mich electriſiren. DasStativ109von der Electricitaͤt. Stativ mit dem Bretchen und Wachslichte ward nach und nach ſo weit weggeruͤckt, daß die electriſche Atmoſphaͤre meines Koͤrpers in das unangezuͤndete Wachslicht keine weitere Wirkung thun konnte. Denn anfangs ward daſſelbe electriſiret, ob ich gleich uͤber eine Elle weit davon ſtand. Nachdem es in die ſieben Viertelellen weit entfernt war: ſo war an ihm keine Electricitaͤt weiter zu ſpuͤren. Hierauf wurde es angezuͤndet. Sodann ließ ich mich electriſiren. Den Augenblick fingen die Gold - theilchen auf der Glasſcheibe an dem andern Ende des Bretchens zu huͤpfen an.

§. 150.

Aus der Geſchwindigkeit, mit wel - cher ſich die Electricitaͤt auf dem Waſſer und andern fluͤßigen Materien fortpflanzt, iſt ſo viel klar, daß die electriſchen Theile auf der Flaͤche derſelben einen ſtetigen Zuſammenhang haben muͤßen.

Denn wenn man ſich mit einer gekruͤmm - ten eiſernen Stange auf der Seide des Vier - eckes electriſiren laͤſſet; und die Stange der - geſtalt ausſtreckt, daß das gebogne Ende auseiner110Der phyſicaliſche Theileiner großen Hoͤhe mitten auf das Waſſer, in einem weiten und großen Gefaͤße, zufaͤhrt: ſo werden die Goldtheilchen an dem Ende des Gefaͤßes bereits bewegt, indem das Ende des gekruͤmmten Stuͤckes noch viel Zolle weit von der Flaͤche des Waſſers entfernt iſt. Es muß aber das Gefaͤß ſo weit ſeyn, daß die electriſche Atmoſphaͤre der Stange in den Rand des Ge - faͤßes keine Wirkung thun kann.

§. 151.

Weil ſich die electriſche Materie uͤber den Theilen der Oberflaͤche des Waſſers und andern fluͤßigen Materien eben ſo leicht, als zwiſchen ihnen, ausbreiten kann: ſo kann man ihnen mit gutem Grunde eine electriſche Atmoſphaͤre zueignen.

Bey dem Waſſer giebt noch dieſer Umſtand einen Grad der Gewißheit, daß Schnee und Eis ſich ſo ſchnell als das Waſſer electriſiren laſſen, wenn ſich ihnen ein electriſirter Koͤr - per naͤhert. Das Eis iſt die eigentliche Sub - ſtanz des Waſſers. Seine Fluͤßigkeit koͤmmt von denen ſubtilen Feuertheilen her, welche ſich zwiſchen den Theilen des Waſſers bewegen. Aber111von der Electricitaͤt. Aber auch die ſubtilen Theile des Feuers in der Flamme ſind mit einer electriſchen Atmo - ſphaͤre umgeben (§. 149). Da endlich die Luft der Electricitaͤt nicht hinderlich iſt (§. 84): ſo iſt nicht zu erſehen, warum die electriſche Materie ſich zwar um die einzelnen Theile in der Oberflaͤche eines fluͤßigen Koͤrpers herumſchlin - gen, uͤber dieſelben aber ſich nicht erſtrecken ſollte.

Die IX Unterſuchung, Wie die Materie der urſpruͤng - lichen Electricitaͤt in Bewegung gebracht werde?

§. 152.

Weil die electriſchen Linien in die Puncte, aus welchen ſie durch das Electriſiren getrieben worden, wieder zuruͤck fahren (§. 127): ſo haben ſie eine Kraft, wodurch ſie ſich beſtre - ben, mit dieſen Puncten vereiniget zu bleiben. Eine dergleichen Kraft wird ſonſt die Schwere genennet.

§. 153.

Dieſe Schwere iſt ſtaͤrker, wennder112Der phyſicaliſche Theilder Koͤrper kalt iſt, als wenn ihn die Waͤrme einigermaßen durchdringet.

Solches iſt daher klar, weil die Electrici - taͤt geſchwinder entſtehet, wenn man die Glas - roͤhre zuvor etwas erwaͤrmet hat, ehe man ſie reibt (§. 22).

§. 154.

Weil demnach die Koͤrper, welche ſich durch Reiben electriſiren laſſen, dadurch zugleich erwaͤrmet werden: ſo kann man die Waͤrme unter die Urſachen rechnen, welche die Schwere der electriſchen Materie ſchwaͤchen, und folglich zu ihrer Bewegung etwas bey - tragen.

Fuͤr die einzige Urſache kann man die Waͤr - me nicht ausgeben. Denn es werden nicht nur wenig Koͤrper gefunden, in welchen die bloße Waͤrme die Electricitaͤt erregen kann; ſondern dieſelbe iſt auch ungemein ſchwach (§. 23). Ja man hat eine große Vermuthung, daß die ur - ſpruͤngliche Electricitaͤt abnimmt, wenn das ge - riebne Glas zu ſehr erhitzt wird (§. 26).

§. 155.

Durch die Waͤrme werden die Thei - le eines Koͤrpers zertrennt. So lange dem -nach113von der Electricitaͤt. nach die Waͤrme der electriſirten Theile ent - weder in einerley Grade fortdauert, oder ver - mehret wird: und keine andere Urſache dazu koͤmmt: ſo iſt die zertheilte electriſche Materie durch ihre Schwere nicht vermoͤgend, zuruͤck zu fahren. Dergeſtalt kann ſie auch in dieſer Zeit kein Koͤrperchen an ihren Koͤrper anzie - hen (§. 132).

§. 156.

Wofern alſo die urſpruͤngliche Elec - tricitaͤt in der allzuſtarken Erhitzung des Gla - ſes geſchwaͤcht wird (§. 26): ſo geſchiehet ſol - ches deswegen, weil die Waͤrme der electriſchen Materie im Zuruͤckfahren hinderlich iſt.

§. 157.

Durch das Reiben werden die Theile der electriſchen Materie, welche theils als eine Atmoſphaͤre die Koͤrper umgiebt, theils in ſeinen Zwiſchenweiten befindlich iſt, von ih - rem natuͤrlichen Orte durch eine gewiſſe Weite abgeſondert. Wenn alſo die Flaͤche eines ſol - chen Koͤrpers etlichemal gerieben wird: ſo werden ſie immer weiter entfernt, und immer mehrere abgeſondert. Solchergeſtalt ergeuſt ſich die electriſche Atmoſphaͤre durch einen wei -Htern114Der phyſicaliſche Theiltern Raum, und wird dichter, und ihre Theile bewegen ſich immer ſchneller.

Was ich hier aus der Natur des Reibens durch Schluͤße herleite, das bekraͤftiget die Em - pfindung. Denn man fuͤhlt an dem electriſir - ten Glaſe und Porcelan wirklich eine Mate - rie, deren Theile viel tauſend Bewegungen haben (§. 106).

Die X Unterſuchung, Wegen der verſchiedenen Staͤrke der ur - ſpruͤnglichen Electricitaͤt.

§. 158.

Durch das fortgeſetzte Reiben erhaͤlt die Electricitaͤt eine gewiße Staͤrke.

Die Erfahrung bezeuget ſolches. Und die Urſache liegt in der zunehmenden Dichtigkeit der Atmoſphaͤre. Denn ie dichter dieſelbe iſt, deſto mehrere Theile wirken in die naheliegen - den Koͤrper. Dieſe Wirkung iſt um ſo viel ſtaͤrker, ie ſchneller die electriſchen Theile abge - ſondert werden.

§. 159.115von der Electricitaͤt.

§. 159.

So lange demnach die Waͤrme, welche durch das Reiben zugleich erregt wird, nicht uͤberhand nimmt, daß ſie die bewegten Theile der electriſchen Atmoſphaͤre zu ſehr ver - duͤnnet, und im Zuruͤckfahren hindert: ſo be - haͤlt die Electricitaͤt in der Zeit, da man mit Reiben fortfaͤhret, die erlangte Staͤrke.

§. 160.

Und dieſe nimmt folglich ſo lange zu, als es durch die Menge der electriſchen Materie moͤglich iſt, daß mehrere Theile in Bewegung koͤnnen gebracht werden.

§. 161.

Die Materie der urſpruͤnglichen Electricitaͤt des Glaſes und Porcelans iſt mit allen Theilen dieſer Koͤrper vereiniget.

Denn man mag dieſelben durch Schmelzen untereinander vermengen, wie man will: ſo laſſen ſie ſich doch allemal wieder durch Rei - ben electriſiren, wenn ſie kalt geworden.

§. 162.

Jemehr demnach ein Glas weſent - liche Materie hat, deſto groͤßer iſt auch die Menge ſeiner electriſchen Materie.

§. 163.

Man hat alſo zu unterſuchen, ob und in wie fern die großen und dicken GlaͤſerH 2und116Der phyſicaliſche Theilund glaͤſernen Kugeln zu der urſpruͤnglichen Electricitaͤt geſchickter ſind, und man damit mehr, als mit den kleinern und duͤnnern, aus - richten koͤnne?

Was anfangs die Groͤße der Glaͤſer und Kugeln betrifft: ſo iſt zu erwegen, ob die groͤſ - ſern und kleinern dem Glaſe nach gleich dicht und ſtark ſind, und ihre Umkreiſe in gleichen Zeiten gerieben werden. Jſt alles dieſes: ſo kommen in gleicher Zeit an der Flaͤche des groͤßern Glaſes, oder der groͤßern Kugel, mehrere Theile der electriſchen Materie in Bewegung, als in der Flaͤche des kleinern Glaſes, oder der klei - nern Kugel. Geſetzt die geriebenen Flaͤchen zweyer Glaͤſer A und B waͤren wie 4 zu 1. Alſo wuͤrde an dem ganzen geriebenen Umfange des Glaſes A viermal ſo viel electriſche Ma - terie in Bewegung geſetzt, als an dem geriebe - nen Umfange des Glaſes B. Nun wird zwar die erregte electriſche Atmoſphaͤre an dem Glaſe A nicht dichterer, als an dem Glaſe B: weil ſie einerley Dichtigkeit und Staͤrke haben, und gleiche Zeit gerieben werden. Allein der groͤßereTheil117von der Electricitaͤt. Theil des Glaſes A, welcher in gleicher Zeit gerieben wird, da man den kleinern Theil des Glaſes B reibt, wirkt doch in die naheliegenden Koͤrper mit mehrern electriſchen Linien, als der kleinere.

Jedoch aber werden auch die einzelnen Theilchen der electriſchen Materie in dem groͤſ - ſern Theile des Glaſes in gleicher Zeit weni - ger gerieben, als in dem kleinern. Denn der groͤßre verhaͤlt ſich zu dem kleinern gleichfalls, wie 4 zu 1. Geſetzt nun die Zeit, in welcher der Theil 1 gerieben wird, waͤre eine Qvarte; wenn man die Stunde in 60 Minuten, iegli - che Minute in 60 Secunden, iegliche Secunde in 60 Tertien, und iegliche Tertie in 60 Qvarten theilet. Weil der groͤßere Theil 4 Theilchen hat: ſo iſt die Zeit, in welcher ieglicher von den 4 Theilchen gerieben wird, auch der 4te Theil von der Qvarte. Denn wenn ieglicher am Reiben eine Qvarte zubraͤchte: ſo waͤren es 4 Qvarten. Alſo iſt die Wirkung des rei - benden Puncts am Kuͤßchen in den 4ten Theil nur der 4te Theil ſeiner Wirkung, welche erH 3in118Der phyſicaliſche Theilin den kleinern Theil ausuͤbet, der eine ganze Qvarte an ihm bleibt.

§. 164.

Weil die Materie der urſpruͤngli - chen Electricitaͤt mit allen Theilen ihres Koͤr - pers vereiniget iſt (§. 161); ſo haͤngen alle ihre Theile, die ſich an der inwendigen und aus - wendigen Flaͤche des Glaſes und Porcelanes, und zwiſchen den Theilen der Glas - und Porce - lanmaterie befinden, in einem fort zuſammen.

§. 165.

Die Wirkung, welche durch das Rei - ben in einem Theile einer electriſchen und noch ru - henden Linie gemacht wird, erſtrecket ſich dem - nach durch alle Theile der ganzen Linie.

§. 166.

Alſo iſt mehr Kraft noͤthig, dickeres Glas durch Reiben zu electriſiren, als duͤnneres.

Denn weil die electriſirten Linien, welche durch das Glas gehen, in dem dickern laͤnger ſind, als in dem duͤnnern: ſo hat die Wir - kung, welche in einem Theile der laͤngern Linie durch Reiben geſchiehet, dadurch, daß ſie ſich durch mehrere Theile erſtrecken muß, einen ſtaͤrkern Widerſtand zu uͤberwinden, als dieje - nige, welche in einen Theil der kuͤrzern Liniege -119von der Electricitaͤt. geſchiehet. Hiernaͤchſt muß auch das Glas durch Reiben einigermaßen erwaͤrmet werden (§. 154). Aber die Waͤrme laͤſſet ſich in dicke - rem Glaſe nicht ſo leicht, als in duͤnnerem, erregen.

§. 167.

Jn Betrachtung dieſer Umſtaͤnde laͤſſet ſich alſo aus der Groͤße, Dicke und Dich - tigkeit der Glaͤſer und glaͤſernen Kugeln nicht ſchlechterdings ſchlieſſen, daß ſie zum Electriſi - ren geſchickter waͤren.

Die XI Unterſuchung, Wie eine electriſche Atmoſphaͤ - re die andere electriſiret.

§. 168.

Aus der Erklaͤrung der urſpruͤnglichen Elec - tricitaͤt (§. 19) erhellet, daß die mitge - theilte nicht anders entſtehen kann, als durch die Bewegungen, welche aus der electriſchen Atmoſphaͤre eines electriſirten Koͤrpers in die electriſche Atmoſphaͤre eines andern gebracht werden.

H 4§. 169.120Der phyſicaliſche Theil

§. 169.

Wenn alſo ein Koͤrper dem andern ſeine Electricitaͤt mittheilen ſoll: ſo muͤßen bey - de eine electriſche Atmoſphaͤre haben, und die ei - ne Atmoſphaͤre muß die andere beruͤhren, es ſey nun ſolches vor oder unter dem Electriſiren.

§. 170.

Die Bewegungen, welche aus der einen in die andere gebracht werden, beſtehen darinnen, daß die Theile der ruhenden anfan - gen, ſich nach divergenten Linien zu bewegen, und gegen die Puncte, woraus ſie entſtanden ſind, wieder zuruͤckfahren (§. 109. 127. 132).

§. 171.

Dieſe Puncte ſind nicht in der Axe des Koͤrpers zu ſuchen, und fuͤr ſeine Mittel - puncte anzuſehen. Ein ieglicher Punct in der aͤu - ſerlichen Flaͤche vertheilet die electriſche Materie unter dem Electriſiren nach divergenten Linien.

Die Strahlen, welche aus den Spitzen feſter Koͤrper entſpringen, zeigen ſolche gar deutlich (§. 56). Denn an ieglicher Spitze (T. 1. Fig. 4.) ſtellen die herausfahrenden Strahlen die ra - dios einer halben Kugel vor: indem die Spitze ſelbſt ein kleines Halbkuͤgelchen iſt. Und wenn ſie abgetrennt waͤre, und in freyer Luftſchwebte:121von der Electricitaͤt. ſchwebte: ſo wuͤrden die electriſchen Linien eine ſtrahlende Kugel, wie eine Sonne, vor - ſtellen (Tab. 2. fig. 9).

§. 172.

Die Theile der electriſchen Atmo - ſphaͤre ſind ihrer Natur nach dergeſtalt mit ein - ander vereiniget, daß ſie durch das Electriſiren muͤßen getrennet werden, wenn ſie eine Elec - tricitaͤt ausuͤben ſollen.

Denn wenn ſie nicht getrennet wuͤrden: ſo bekaͤmen ſie keine Beſtrebung, ſich zuruͤckzu - ziehen. Folglich wuͤrde von ihnen nichts auf den Koͤrper zugeriſſen (§. 132).

§. 173.

Alſo beſtehet eine electriſche Atmo - ſphaͤre aus Theilen, welche ſich durch ihre na - tuͤrliche Kraft bemuͤhen, in ihrer Vereinigung untereinander zu bleiben.

§. 174.

Die Atmoſphaͤre eines electriſirten Koͤrpers theilet demnach der Atmoſphaͤre des andern die Electricitaͤt dadurch mit, indem ſie mit den Bewegungen ihrer Theile die Theile der andern von einander trennet.

Denn ſobald die Trennung geſchehen iſt: ſo ſind die Theile bemuͤhet, ſich wieder mit ein -H 5ander122Der phyſicaliſche Theilander zu vereinigen. Alſo werden die Sachen, deren Schwere ſie durch ihre Wirkung uͤber - winden, von ihnen auf den electriſirten Koͤr - per zugeriſſen (§. 131 und 132).

§. 175.

Weil die Theile der mittheilenden electriſchen Atmoſphaͤre ſelber aus ihrer Verei - nigung gebracht worden, und folglich ungemein ſubtil ſind: ſo iſt daraus klar, daß in einer elec - triſchen Atmoſphaͤre keine Electricitaͤt erreget werden kann, wenn die Bewegungen, wodurch ſie entſtehen ſollte, nicht die einzelnen Theile der Atmoſphaͤre, ſondern eine ganze Menge auf einmal bewegen und fortſtoſſen.

Wenn man mit einer Buͤrſte und einem Lineale von gleicher Laͤnge und Breite uͤber zwo Sandflaͤchen faͤhret: ſo ſtoͤßt das Lineal eine ganze Menge Sandkoͤrner auf einmal vor ſich hin; aber die Bruͤſte machet in der eben ſo großen Flaͤche, uͤber welche das Lineal faͤhret, ſo viel einzelne Bewegungen, als ſie Borſten und Haare hat.

Die123von der Electricitaͤt.

Die XII Unterſuchung, Warum ſich einige Koͤrper durch Reiben nicht electriſiren laſſen?

§. 176.

Die feſten Koͤrper, die ich zur Zeit durch Reiben nicht habe electriſiren koͤnnen (§. 25), haben dem ohngeachtet eine electri - ſche Atmoſphaͤre um ſich, die ihnen eigenthuͤm - lich iſt.

Denn man kann ihnen die Electricitaͤt durch einen electriſirten Koͤrper mittheilen (§. 39). Es gehoͤret aber die Materie der mitgetheil - ten Electricitaͤt zu dem Koͤrper, in welchen ſie fortgepflanzt wird (§. 120), und iſt bey den feſten Koͤrpern ihre Atmoſphaͤre (§. 144).

§. 177.

Durch das Reiben werden dieje - nigen Theile der electriſchen Materie, welche mit den feſten Theilen der Flaͤche eine ſtarke Ver - einigung haben, abgetrennt und bewegt. Esſind124Der phyſicaliſche Theilſind alſo mit den feſten Theilen der Metalle und anderer feſten Koͤrper, welche die Electricitaͤt zwar annehmen, aber ſich nicht durch Reiben electriſiren laſſen, entweder gar keine electri - ſchen Materien verbunden, die eine Abſonde - rung beduͤrften, oder ſie ſind ſo genau und ſtark mit ihnen vereiniget, daß die bisher an - gewandte Staͤrke der Waͤrme und des Rei - bens nicht vermoͤgend iſt, dieſelben abzu - trennen.

§. 178.

Geſetzt, es waͤre das Letzte. Wie koͤmmt es aber, daß Waͤrme und Reiben auch in der electriſchen Atmoſphaͤre dieſer Koͤrper keine Electricitaͤt verurſachen koͤnnen? Die Theile ihrer electriſchen Atmoſphaͤre werden ent - weder durch die Waͤrme, welche zugleich durch das Reiben erwecket wird, zuſehr zerſtreuet, und im Zuruͤckfahren aufgehalten: oder ſind ſo fein und dermaßen mit einander verbunden, daß ſie ſich durch das Reiben nicht aufloͤſen laſſen, wie es zur Electricitaͤt noͤthig waͤre.

§. 179.

Das erſtere iſt nicht wahrſchein - lich, weil man in ein gluͤhendes Eiſen eine ſol -che125von der Electricitaͤt. che Electricitaͤt fortpflanzen kann, daß aus ihm electriſche Funken fahren, welche einen jeglichen Spiritum anzuͤnden (§. 71).

§. 180.

Dergeſtalt findet das letztere Bey - fall. Die Theile der electriſchen Atmoſphaͤ - ren, welche Metalle, Menſchen und Holz um - geben, laſſen ſich nicht anders aus ihrer Ver - bindung bringen, als indem ihre ſubtilen Thei - le von eben ſo ſubtilen Theilen einzeln geſtoßen werden. Alſo iſt klar, warum eine electri - ſche Atmoſphaͤre dergleichen Koͤrper electriſi - ren kann. Durch das Reiben wird an den Flaͤchen der Metallen eine ganze Menge elec - triſcher Theile auf einen Strich fortgeſtoßen. Hingegen die Atmoſphaͤre eines electriſirten Koͤrpers beſtehet aus den ſubtileſten Theilen, die ſich alle einzeln bewegen, und daher vermoͤ - gend ſind, eben ſo ſubtile Theile, die in einer andern Atmoſphaͤre einen Zuſammenhang haben, von einander zu trennen (§. 175).

Die126Der phyſicaliſche Theil

Die XIII Unterſuchung, Warum eine electriſche Atmo - ſphaͤre zuweilen keine merkliche Elec - tricitaͤt erregen kann?

§. 181.

Jn der blauen Seide iſt eine electriſche Ma - terie. Denn ſie laͤſſet ſich durch Reiben electriſiren. Alſo fragt es ſich, woher es koͤmmt, daß man faſt keine Electricitaͤt in ihr merkt, wenn auch die Atmoſphaͤre eines electriſirten Glaſes lange in ſie gewirket hat (§. 37).

Daraus, daß ſie ſich durch Reiben electri - ſiren laͤßt, iſt zu erſehen, daß ihre electriſchen Theile mit den Theilen der Seide vereinigt ſeyn muͤßen (§. 157). Die durch Reiben er - regte Electricitaͤt erſtreckt ſich an der blauen Seide auf eine kleinere Weite, als bey dem Glaſe. Hieraus iſt abzunehmen, daß entwe - der die electriſche Atmoſphaͤre der blauen Sei - de einen ſehr kleinen Umfang hat; oder, wenn er ſich auch weit erſtreckt, ſich dennoch ihreTheile127von der Electricitaͤt. Theile ſehr ſchwer von einander trennen laſ - ſen. Es mag aber von beyden ſeyn, welches da will: ſo iſt allemal klar, daß die ſubtilen Theile einer electriſchen Atmoſphaͤre durch ih - re Bewegungen nicht vermoͤgend ſind, die elec - triſche Materie der blauen Seide gehoͤrig zu zertheilen.

§. 182.

Die blaue Seide laͤßt ſich nicht nur die Electricitaͤt in einem ſehr geringen Gra - de mittheilen, ſondern erweckt auch durch ihre urſpruͤngliche Electricitaͤt, wie das Siegellack durch die mitgetheilte (§. 40), in andern Koͤr - pern keine merkliche Electricitaͤt. Dergeſtalt ſind zwo Fragen zu beantworten: erſtlich, warum die urſpruͤngliche Electricitaͤt der blauen Seide; und zum andern, warum die dem Siegellacke mitge - theilte, keine merkliche Electricitaͤt fortpflanzt?

Wenn die electriſchen Theile, welche in der blauen Seide durch Reiben, und an dem Siegellacke durch eine electriſche Atmoſphaͤre in Bewegung gebracht werden, dadurch der - maſſen ſubtiliſiret wuͤrden, daß ſie die einzelnen Theile einer andern electriſchen Atmoſphaͤrevon128Der phyſicaliſche Theilvon einander trennen koͤnnten: ſo waͤre keine Urſache, warum ſie nicht derſelben die Electri - citaͤt mittheilen follten.

Es muͤſſen aber beyde Materien der Elec - tricitaͤt in der blauen Seide und dem Siegel - lacke von verſchiedener Art ſeyn. Denn ich habe die blaue Seide nun entweder mit oder ohne Reiben electriſiren moͤgen: ſo habe ich an an - dern Koͤrpern, welche ihre electriſche Atmo - ſphaͤre beruͤhret, auf keine Weiſe eine Electricitaͤt merken koͤnnen. Hingegen das Siegellack elec - triſiret andere Koͤrper, wenn es gerieben wird.

Weil das Siegellack durch Reiben erwaͤr - met wird: ſo laͤſſet ſich daher ſchlieſſen, daß ſeine electriſche Materie aus Theilen beſtehe, die ſich zugleich durch die Waͤrme gehoͤrig ſubtili - ſiren laſſen. Die Theile der electriſchen blauen Seide moͤgen alſo entweder ſo ſubtil ſeyn, daß ſie nicht viel ſubtiler werden koͤnnen; oder ſo feſt zuſammenhaͤngen, daß die Waͤrme nicht ſtark genug iſt, ſie von einander zu ſcheiden.

§. 183.

Weil die blaue Seide die Electrici - taͤt gar nicht fortpflanzt: ſo kann alſo dieElec -129von der Electricitaͤt. Electricitaͤt eines Koͤrpers, welcher auf ihr ru - het, durch ſie in andere nicht vertheilet werden.

§. 184.

Dergeſtalt wird die Urſache offen - bar, warum die Koͤrper die ihnen mitgetheilte Electricitaͤt ſo merklich zu erkennen geben, wenn ſie auf blauer Seide ruhen.

Die XIV Unterſuchung, Ob die Theile der electriſchen Materie elaſtiſch ſind?

§. 185.

Ein Koͤrper iſt elaſtiſch, wenn er ſich durch die Gewalt eines andern in ſeiner Figur veraͤndern laͤſſet, durch ſeine eigene Kraft aber dieſelbe wieder herſtellet, ſobald die Gewalt des andern aufhoͤret.

§. 186.

Unter denen Kennzeichen, aus wel - chen ſich ſchlieſſen laͤſſet, daß ein Koͤrper ela - ſtiſch ſey, iſt vornemlich dieſes, wenn er von einem andern, an welchen er anfaͤhrt, zuruͤck - ſpringt. Soll aber dieſes ein gewißes Merk - mal der Elaſticitaͤt ſeyn: ſo muß der ange - worfne Koͤrper ſich nicht ſeiner Natur nachJgegen130Der phyſicaliſche Theilgegen den Punct, auf welchen er zuruͤckfaͤhret, vor dem Anwurfe beſtreben.

Denn ſonſt muͤßte man auch einem unela - ſtiſchen Koͤrper, z. E. einer weichen Thonkugel, eine Elaſticitaͤt zuſchreiben, wenn ſie nach einer ſenkrechten Linie in die Luft geworfen wuͤrde, und durch ihre Schwere zuruͤckfiele.

§. 187.

Obgleich alſo die electriſchen Fun - ken von den unelectriſirten Koͤrpern zuruͤck - prallen, ſobald ſie an dieſelben anſchlagen: ſo kann man doch daher nicht ſicher ſchließen, daß die electriſchen Theile, aus welchen die Fun - ken beſtehen, elaſtiſch ſind.

Denn dieſe electriſchen Theile fahren zu - ruͤck, wenn ſie gleich an nichts anprallen; und ſind ihrer Natur nach bemuͤhet, ſich mit dem Puncte wieder zu vereinigen, aus welchem ſie entſprungen ſind (§. 127).

§. 188.

Wenn zween unelaſtiſche Koͤrper gleich ſchwer ſind, und einander mit gleichen Geſchwindigkeiten in einer Linie begegnen, welche in beyden durch den Mittelpunct ihrer Schwere gehet: ſo verliehren ſie beyde in demZu -131von der Electricitaͤt. Zuſammenſtoße ihre Bewegung. Laufen aber zween elaſtiſche Koͤrper unter eben dieſen Be - dingungen einander entgegen: ſo ſpringt ieg - licher nach dem Zuſammenſtoße mit der Ge - ſchwindigkeit zuruͤck, mit welcher er gegen den andern bewegt worden: und nimmt ſeinen Ruͤcklauf in eben derjenigen Linie, welche er zuvor beſchrieben hat.

§. 189.

Wenn zween Koͤrper gleich ſtark electriſiret ſind: ſo bemuͤhen ſich beyder Atmo - ſphaͤren gleich ſtark, einander zuruͤckzuſtoſſen; und beyde ſind nach dem Zuſammenſtoße ver - moͤgend, unelectriſirte Koͤrper von einerley Art gleich ſtark zu electriſiren.

Das erſtere ſiehet man an den Waſſerkuͤ - gelchen, welche mit Hexenmehl beſtreuet ſind (§. 51). Das letztere zeigt ſich, wenn gegen zwo gleich ſtark electriſirte blecherne Roͤhren, die von einer zwo Helften ſind, zwo andere, die gleichfalls von einer zwo Helften ſind, be - wegt werden.

§. 190.

Dieſe electriſchen Atmoſphaͤren, welche gegen einander wirken, kommen alſo mitJ 2zween132Der phyſicaliſche Theilzween elaſtiſchen Koͤrpern, welche gleich ſchwer ſind, und mit gleichen Geſchwindigkeiten ein - ander gerade entgegen laufen, darinnen uͤber - ein, daß nach dem Zuſammenſtoße keine ſtaͤr - ker, als die andere wirket.

Allein zur Zeit iſt durch keinen Verſuch ausgemacht worden, daß die beyden Atmoſphaͤ - ren durch ihre Gegenwirkung einander nicht ſchwaͤchen. Denn obgleich die mit Hexenmehle beſtreuten Waſſertropfen einander beſtaͤndig von ſich ſtoſſen, ſo lange man fortfaͤhret, das Lineal, worauf ſie liegen, zu electriſiren: ſo ſiehet man doch wohl, daß ſie wegen des fort - daurenden Electriſirens von einander entfernt bleiben muͤßen. Daher naͤhern ſie ſich augen - blicklich einander, wenn das Electriſiren aufhoͤrt:

Hiernaͤchſt iſt abermal zu merken, wie man nicht behaupten kann, daß die electriſchen Theile dieſer einander beruͤhrenden Atmoſphaͤren ei - gentlich von einander zuruͤckſpringen. Zween elaſtiſchen Koͤrpern eignet man ſolches deswe - gen zu, weil der Stoß des einen die Elaſticitaͤt des andern dadurch erregt, daß er ihn zuſam -men -133von der Electricitaͤt. mendruͤckt. Dieſes aber iſt von den electriſchen Theilen noch nicht bekannt. Man weis viel - mehr, daß ein ieglicher Theil der beyden elec - triſchen Atmoſphaͤren ſich zuruͤckzufahren be - ſtrebt, ehe er den ihm entgegen wirkenden be - ruͤhret.

§. 191.

Jedoch, wenn man erklaͤren ſoll, wie es moͤglich ſey, daß die electriſchen Thei - le dergleichen Bemuͤhung haben, die ich oben ihre Schwere genennet (§. 152): ſo laͤſſet ſich ſolches nicht unfuͤglich thun, wenn man den electriſchen Theilen eine Elaſticitaͤt zueignet.

Man ſtelle ſich vor, als wenn alle electri - ſche Theile, die unter dem Electriſiren eine Linie zuſammen ausmachen, dergeſtalt mit ein - ander vereiniget waͤren, wie entweder die Theile einer Saite, oder einer Spiralfeder. Wenn eine Saite gedehnet wird: ſo iſt ſie bemuͤhet, ſich wieder zuſammenzuziehen. Sie wird auch wirklich verkuͤrzt, ſo bald man im Spannen und Dehnen nachlaͤßt. Wenn eine Spiralfeder zuſammengezogen wird: ſo iſt ſie hemuͤhet, wieder aus einander zu ſchnellen. Sie breitetJ 3ſich134Der phyſicaliſche Theilſich auch wieder in ihren vorigen Raum aus, ſobald man im Zuſammenziehen aufhoͤret.

Weil aber Saiten und Spiralfedern mit einem Ende irgendwo befeſtiget ſeyn muͤßen, wenn ſie der Kraft, welche in ſie wirkt, durch ihre Elaſticitaͤt widerſtehen ſollen: ſo iſt die Frage, wo die electriſchen Linien an ihrem Koͤrper befeſtiget ſeyn, und wo ſie entweder gedehnet, oder zuſammengezogen werden ſollen? Jm Reiben des Glaſes geſchiehet der Stoß allemal nach einer geraden Linie. Nach dieſer aber erfolgen nicht alle Bewegungen der elec - triſchen Theile. Ein jeglicher Punct, an wel - chem die Electricitaͤt durch Reiben erreget wird, vertheilt die bewegte Materie nach di - vergenten Linien (§. 109). Solchergeſtalt kann man ſich noch keine Vorſtellung machen, wie die electriſchen Theile nach Art der Saiten un - ter einander verbunden ſeyn koͤnnten. Wenn die electriſchen Linien blos nach der Gegend bewegt wuͤrden, gegen welche der Stoß im Reiben geſchiehet: ſo koͤnnte man ſich einbil - den, als wenn eine ſolche Linie ihrer Naturnach135von der Electricitaͤt. nach an dem Glaſe, als wie eine Saite an ei - nem Koͤrper, befeſtiget waͤre, und ſich theils durch den Stoß, theils durch die zugleich er - regte Waͤrme ausdehnen lieſſe. Allein wie die andern Linien, welche mit der gedehnten diver - gent laufen, ihren Urſprung nehmen, das laͤſ - ſet ſich daher nicht erklaͤren. Und obgleich da - durch, daß in einem Augenblicke unzaͤhlige Puncte gerieben werden, auch unzaͤhliche Theile gedehnet werden, und alſo um die Flaͤche des Glaſes im Augenblicke unzaͤhliche electriſche Linien entſtehen: ſo iſt doch darunter noch keine, welche wie ein radius auf der Flaͤche des Glaſes ſtehet, und durch den Mittelpunct kann gezogen werden.

Geſetzt, die electriſchen Linien waͤren in dem Puncte, aus welchem ſie in Menge her - vorkommen, wie Spiralfedern mit einander ver - bunden. Daher, daß ſie durch das Electriſi - ren divergent werden, und wieder zuruͤck fah - ren, und in ihrem Puncte ſich wieder ver - einigen, iſt klar, daß ſie gegen denſelben aus verſchiednen Gegenden ſich beſtreben. J 4Sie136Der phyſicaliſche TheilSie wuͤrden ſich alſo auch auf dieſe Weiſe gegen denſelben Punct bemuͤhen, wenn ſie als Spiralfedern darinnen waͤren vereiniget geweſen. Geſetzt, dieſe Spiralfedern waͤren dergeſtalt untereinander verbunden, daß ſie durch einen einzigen Stoß von einander koͤnn - ten getrennet werden. Dergeſtalt wuͤrden ſie alleſammt nicht nur von ihrem Puncte entfer - net, ſondern auch zuſammengedruͤckt. Laͤgen an dieſen Spiralfedern, welche mit der Flaͤche des electriſirten Koͤrpers unmittelbar verbun - den ſind, andere, welche von der Flaͤche ab - ſtuͤnden: ſo wuͤrden dieſe durch die erſtern zu - ſammengedruͤckt und fortgeſtoſſen. Auf dieſe Weiſe wuͤrden alle uͤbrige, welche nach gera - den Linien vertheilet waͤren, und an die vori - gen ruͤhrten, zuſammengedruͤckt und fortgetrie - ben werden.

Eine ſolche Verbindung von Spiralfedern, die nach verſchiednen Gegenden gelegt ſind, kann durch die Kunſt gemacht werden. Und an der Luft finden wir, daß ein einziger Stoß vermoͤgend iſt, elaſtiſche Koͤrper nach verſchied -nen137von der Electricitaͤt. nen Gegenden und divergenten Linien zuſam - men zu druͤcken. Wenn man auf eine Blaſe, die von Luft ausgedehnt iſt, mit einem Finger druͤckt: ſo werden alle Theile der eingeſchloß - nen Luft in gewißer Maße nach allen Gegen - den zuſammengedruͤckt.

Wenn alſo in jeglichem Puncte, aus wel - chem electriſche Linien entſtehen, die electriſchen Theile wie Spiralfedern mit einander verbun - den waͤren, welche durch ieglichen Stoß im Reiben nach verſchiednen Gegenden gedruͤckt wuͤrden; ſo lieſſe ſich die Electricitaͤt aus der Elaſticitaͤt erklaͤren.

Man hat alſo in den kuͤnftigen Unterſu - chungen der Electricitaͤt darauf zu ſehen, ob man ſolche Kennzeichen entdecken kann, wel - che deutlich erweiſen, daß die electriſche Ma - terie aus elaſtiſchen Koͤrpern beſtehe, oder ob man Merkmale finden kann, welche das Ge - gentheil auf eine untruͤgliche Art zeigen.

J 5Die138Der phyſicaliſche Theil

Die XV Unterſuchung, Warum die erregte Electrici - taͤt abnimmt und aufhoͤrt?

§. 192.

Die erſte Urſache, warum die Electricitaͤt eines Koͤrpers abnimmt, iſt zunaͤchſt in der Natur der electriſchen Materie zu ſuchen.

Denn ein ieglicher Theil einer electriſchen Linie beſtrebt ſich, an denjenigen Punct der Flaͤche zuruͤck zu kehren, aus welchem er her - vorgetrieben worden (§. 127). Sobald dem - nach die Urſache, wodurch die electriſchen Theile in Bewegung gebracht worden, zu wir - ken aufhoͤrt, ſo muß auch die Electricitaͤt an - fangen, ſchwaͤcher zu werden.

§. 193.

Es nimmt aber die Electricitaͤt nur nach und nach ab.

Eine electriſirte Roͤhre aus Eiſenbleche bleibt nach der Zeit, da man zu electriſiren aufhoͤ - ret, wohl 20 und mehr Minuten lang electriſiret. Solches mag daher kommen, weil die electri -ſchen139von der Electricitaͤt. ſchen Theile aus allen Puncten der Flaͤche nach divergenten Linien bewegt werden. Denn weil ſolchergeſtalt die Linien, welche aus ver - ſchiednen Puncten neben einander entſpringen, an einander ſtoſſen muͤßen: ſo werden da - durch die electriſchen Theile, womit die zuſam - menkommenden Linien einander beruͤhren, ent - weder von einander getrennet, oder mit ein - ander vereiniget. Jn beyden Faͤllen wird von einer Linie in der andern eine neue Elec - tricitaͤt erwecket. Folglich kann die einmal entſtandne Electricitaͤt nicht gleich voͤllig auf - hoͤren, wenn nichts anders geſchiehet, als daß die Wirkung der aͤuſerlichen Urſache ein Ende hat.

Es wuͤrden auch die electriſchen Theile in einander wirken, wenn ſie Spiralfedern waͤ - ren, die durch das Electriſiren nach verſchied - nen Gegenden zuſammengedruͤckt wuͤrden. Denn wenn man zwo draͤhterne Spiralfedern gegen einander ſpringen laͤſſet: ſo drucken ſie beyde einander einigermaßen zuſammen.

§. 194.

So bald ein electriſirter Koͤrper, welchem die Electricitaͤt von einem andern mit -ge -140Der phyſicaliſche Theilgetheilet worden, in einen unelectriſirten wirkt, welcher ſich gleichfalls electriſiren laͤſſet, ohne ihn zu beruͤhren: ſo wird ſeine Electricitaͤt geſchwaͤcht.

Giebt der electriſirte Koͤrper Funken: ſo iſt der erſte der ſtaͤrkſte. Die folgenden werden immer ſchwaͤcher, wenn ſie auch gleich alle nach einander in unelectriſirte Koͤrper von einer Art wirken.

§. 195.

Weil der unelectriſirte, der ſich electri - ſiren laͤſſet, eine electriſche Atmoſphaͤre hat (§. 169): ſo iſt daher klar, daß eine electriſche Ma - terie, welche ſich electriſiren laͤſſet, aber noch nicht in Bewegung iſt, die Bewegungen ei - ner wirkenden ſchwaͤcht.

§. 196.

Wenn ein Koͤrper, welchem die Electricitaͤt mitgetheilet worden, einen unelec - triſirten beruͤhret, welcher mit einer faſt unend - lichen Reihe ſolcher Koͤrper verbunden iſt, die ſich alle die Electricitaͤt mittheilen laſſen: ſo verliehret er meiſtentheils (§. 32) auf einmal ſeine Electricitaͤt gaͤnzlich.

Alſo iſt z. E. ein electriſirter Menſch, welcher einen unelectriſirten Menſchen anruͤhret, der auf den Dielen in der Stube ſtehet, nicht vermoͤ -gend,141von der Electricitaͤt. gend, nach der Beruͤhrung einen Funken an einem andern zu erregen.

§. 197.

Weil die blaue Seide die Electrici - taͤt nicht weiter fortpflanzt (§. 182): ſo iſt daher zu ſchlieſſen, daß die mitgetheilte Electricitaͤt eine zeitlang dauret, wenn ihre Fortpflanzung gewiße Grenzen hat.

§. 198.

Es iſt aber die Frage, wie es zugeht, daß die mitgetheilte Electricitaͤt deswegen eine zeitlang dauret.

Die blauſeidnen Schnuͤre, auf welchen ſie ihre Grenzen erhaͤlt, haben eine electriſche Ma - terie (§. 181), bekommen aber durch die Mit - theilung keine merkliche Electricitaͤt (§. 37). Weil alſo ihre electriſche Materie keine merk - liche Bewegung erhaͤlt: ſo ſind die electriſchen Theile als Koͤrper anzuſehen, welche nicht weichen. Wenn an einen ſolchen Koͤrper ein elaſtiſcher angeworfen wird: ſo ſpringt dieſer zuruͤck, und bleibt in der Bewegung. Wenn man alſo den Theilen der electriſchen Materie eine Elaſticitaͤt zueignet: ſo kann man eine Urſache anfuͤhren, warum die mitgetheilte Elec -tri -142Der phyſicaliſche Theiltricitaͤt an einem Koͤrper durch die Beruͤhrung eines andern, welcher die Electricitaͤt nicht wei - ter fortpflanzet, nicht alſobald aufhoͤret.

§. 199.

Aber nun fragt es ſich, warum die mitgetheilte Electricitaͤt in einem Koͤrper im Augenblicke gaͤnzlich aufhoͤret, ſo bald derſelbe einen andern beruͤhret, der ſich gleichfalls die Electricitaͤt mittheilen laͤſſet, und mit andern verknuͤpft iſt, in welchem die fortgepflanzte Elec - tricitaͤt keine Grenzen findet, oder unter welchen ein ieglicher die Electricitaͤt fortpflanzen kann.

Weil dieſe Koͤrper, welche in einer faſt un - endlichen Reihe mit einander verknuͤpft ſind, ſich insgeſammt die Electricitaͤt mittheilen laſ - ſen: ſo ſind die Theile ihrer electriſchen Atmo - ſphaͤre als Koͤrper anzuſehen, welche beweglich ſind, und durch den Stoß aus ihrem Orte koͤnnen gebracht werden. Geſetzt nun, es waͤre di[e]electriſche Materie elaſtiſch: ſo folgte die Antwort auf die gethane Frage aus der Na - tur der Elaſticitaͤt. Denn wenn an eine ru - hende aber bewegliche Reihe elaſtiſcher und gleich ſchwerer Kugeln, da immer eine die an -dere143von der Electricitaͤt. dere beruͤhret, eine elaſtiſche Kugel gerade an - faͤhret: ſo verliehret nicht nur die anfahrende den Augenblick ihre Bewegung, ſondern auch alle uͤbrige Kugeln, bis auf die letzte, welche den Augenblick abſpringt, bleiben in Ruhe.

§. 200.

Auf eben dieſe Weiſe lieſſe ſich er - klaͤren, wie es koͤmmt, daß in einem Koͤrper, welchem man ſonſt die Electricitaͤt mittheilen kann, keine merklich wird, wenn er mit einer Reihe Koͤrper verknuͤpft iſt, in welcher die fortgepflanzte Electricitaͤt keine Grenzen findet.

§. 201.

Aus dem Satze ſelber iſt klar, wo - her es koͤmmt, daß man die Goldtheilchen un - ter einem naßen Flore auf einem Stative, das auf eben dem Tiſche ſtehet, auf welchen der Cylinder mit dem uͤbergeſpannten Flore geſe - tzet iſt, in keine huͤpfende Bewegungen brin - gen kann, wenn man uͤber dem Flore eine Glasroͤhre electriſiret (§. 96).

Die Urſache ſteckt nicht darinnen, weil etwan die Loͤcher oder Zwiſchenweiten des Flores von dem Waſſer dermaßen verſtopft waͤren, daß die electriſchen Theile der electriſirten Glas -roͤhre144Der phyſicaliſche Theilroͤhre nicht durchfahren koͤnnten. Denn wenn man auch Loͤcher in den Flor ſticht, welche 3 und 4 Linien in Diameter haben: ſo iſt doch die electriſirte Glasroͤhre nicht vermoͤgend, die Goldtheilchen huͤpfend zu machen. Das Hin - derniß entſtehet vielmehr daher, weil das Waſ - ſer nicht nur ſich ſelber geſchwind electriſiren laͤſſet, ſondern auch andern Koͤrpern alſobald die Electricitaͤt mittheilet. Denn die Naͤſſe des Flores macht auch den Rand des Cylinders naß. Der Cylinder ſtehet auf dem Tiſche, welcher vermittelſt der Stube mit einer faſt unzaͤhlbaren Menge von Koͤrpern verbunden iſt, die ſich alleſammt ohne Reiben electriſiren laſſen. Alſo findet die Fortpflanzung der Elec - tricitaͤt keine gewiſſe Grenzen.

Ruhet aber der glaͤſerne Cylinder auf ei - nem blauſeidnen Netze uͤber dem Vierecke; und iſt das Stativchen durch das Netz auf den Tiſch geſtellet: ſo gerathen die Goldtheilchen auf ieglichen Strich der Glasroͤhre in ein Huͤpfen, der Flor mag noch ſo naß ſeyn. Denn die blaue Seide ſetzet der Fortpflanzungder145von der Electricitaͤt. der Electricitaͤt ihre Grenzen. Alſo iſt die Elec - tricitaͤt merklich. Das Stativchen bleibt un - electriſiret, weil ſich die Electricitaͤt, die es et - wan von dem Cylinder und Flore erhaͤlt, alſo - bald unendlich fortpflanzt.

§. 202.

Es ſind verſchiedne Verſuche, wel - che wider den Satz zu ſtreiten ſcheinen, daß die mitgetheilte Electricitaͤt eine zeitlang dau - rete, wenn ihrer Fortpflanzung gewiße Gren - zen geſetzet waͤren (§. 197).

Denn zuweilen hoͤrt die mitgetheilte Elec - tricitaͤt an einer Stange nicht augenblicklich auf, wenn ſie auf Holze oder Metallen ruhet, oder von einem Menſchen angegriffen wird (§. 32). Desgleichen gerathen die Sandkoͤrner in denen Kugeln, deren ich oben (§. 101) ge - dacht, in keine huͤpfende Bewegung, wenn auch die Kugeln auf einem blauſeidnen Netze liegen.

Das Letzte entſtehet daher, weil der Sand in den Kugeln dadurch, daß er ſie beruͤhret, mit ihnen gleich ſtark electriſiret wird. Denn wenn zween Koͤrper einerley Electricitaͤt ha - ben: ſo bemuͤhen ſich ihre electriſchen Linien einander zuruͤckzuſtoſſen (§. 189).

KDas146Der phyſicaliſche Theil

Das erſtere zeiget nur ſo viel an, daß das electriſirende Glas zuweilen einem Koͤrper mehr Electricitaͤt mittheilet, als von demſelben in gewiße andere Koͤrper, die er beruͤhret, kann fortgepflanzet werden. Abſonderlich theilt ein Porcelanbecher die Electricitaͤt den Koͤrpern ſo reichlich mit. Unter denen Koͤrpern, wel - che dieſelbe noch in einigem Grade behalten, wenn ſie von einem Menſchen angegriffen wer - den, hat blaugefaͤrbtes Holz den Vorzug. Alſo findet auch hier die Fortpflanzung der Electricitaͤt einigermaſſen ihre Grenzen.

Die XVI Unterſuchung, Wie weit ſich die Electricitaͤt fortpflanzen laſſe?

§. 203.

Die Fortpflanzung geſchiehet entweder durch eine einzige Wirkung, oder durch viele, die in einem fort auf einander eine zeit - lang folgen: und iſt entweder merklich, oder unmerklich. Soll ſie merklich werden: ſo muß der Koͤrper, welchem man die Electricitaͤt mit -thei -147von der Electricitaͤt. theilet, auf einem andern ruhen, welcher die - ſelbe nicht weiter fortpflanzt (§. 29 u. 197).

§. 204.

Dergeſtalt iſt anfangs die Frage, wie weit die Electricitaͤt, welche durch eine ein - zige Wirkung erreget wird, fortgehen und merklich bleiben wuͤrde, wenn der Koͤrper, an deſſen Flaͤche ſie fortlauffen ſollte, z. E. auf blauſeidnen Schnuͤren laͤge, und ſich durch eine unermeßliche Laͤnge erſtreckte?

Die electriſche Atmoſphaͤre eines Koͤrpers, welche ſich durch einen einzigen Funken elec - triſiren laͤſſet, hat in ihren Theilen einen ſteten Zuſammenhang (§. 142). Unter ſolchen Thei - len kann keiner aus ſeinem Orte vertrieben werden, da nicht der anliegende zugleich wei - chen muͤßte. Wenn man alſo bey der Electri - citaͤt blos auf den ſteten Zuſammenhang der electriſchen Theile zu ſehen haͤtte: ſo koͤnnte man daher den Schluß machen, daß ſich die Electricitaͤt bis an die Grenzen der Welt fort - pflanzen lieſſe, und merklich ſeyn wuͤrde, wenn bis dahin ein Koͤrper auf blauſeidnen Schnuͤ - ren gelegt waͤre.

Allein man hat in der Fortpflanzung zuK 2er -148Der phyſicaliſche Theilerwegen, daß die Theile der electriſchen Atmo - ſphaͤre durch das Electriſiren aufgeloͤſet werden muͤßen, wenn die Electricitaͤt merklich werden ſoll. Alſo hat ieglicher Theil der electriſchen Atmoſphaͤre einen gewißen Widerſtand zu uͤber - winden, wenn er den naͤchſt anliegenden auf - loͤſet. Demnach theilt er demſelben nur dieje - nige Bewegung mit, welche er nicht zur Ueber - windung des Widerſtandes anwendet. Der - geſtalt hat der nachfolgende Theil allemal eine ſchwaͤchere Bewegung.

Man wird einwenden, wie in elaſtiſchen Kugeln von gleicher Schwere, die in einer Reihe an einander ruͤhren, die letzte ſo ſchnell abſpraͤnge, als die geworfne an die erſtere an - fuͤhre, wenn auch die Reihe durch eine uner - meßliche Laͤnge ausgeſtreckt waͤre. Man hat aber dabey zu bedenken, daß in einer ſolchen Reihe diejenigen Kugeln, welche zwiſchen der angeworfnen und abſpringenden liegen, in Ru - he bleiben, indem die angeworfne anſtoͤßt, und die letzte fortzulaufen anfaͤngt. Hingegen in der electriſchen Atmoſphaͤre werden alle Theile in Bewegung geſetzt.

Jn149von der Electricitat.

Jn einer Laͤnge von 60 Ellen hat man in der Staͤrke der Electricitaͤt an den verſchiednen Theilen des Koͤrpers zur Zeit keinen Unter - ſcheid merken koͤnnen. Man ſollte es demnach mit immer laͤngern und laͤngern Stricken ver - ſuchen, bis man endlich in der Electricitaͤt eine Schwaͤche ſpuͤrte. Man duͤrfte die Stricke nur in einer Kruͤmme dergeſtalt ziehen, und an ſeidnen Schnuͤren aufhenken, daß man die bey - den Enden zugleich ſehen koͤnnte.

§. 205.

Weil aber die Fortpflanzung ſchnel - ler, als der Flug einer geſchoßnen Kugel, iſt (§. 98): ſo muß der Widerſtand, mit welchem die Theile einer electriſchen Atmoſphaͤre in die aufloͤſende wirken, ungemein geringe ſeyn.

§. 206.

Der Schall durchdringt in 21 Se - cunden eine ganze deutſche Meile, welche 22917 pariſer Schuhe lang iſt. Wenn man demnach durch einen Verſuch finden koͤnnte, daß ſich die Electricitaͤt, welche man einem Koͤrper durch eine einzige Wirkung mittheilet, in einer Se - cunde in die 1091 Schuhe fortpflanzte: ſo lieſſe ſich behaupten, daß der Widerſtand der electri - ſchen Theilchen in der Aufloͤſung nicht groͤßerK 3waͤre,150Der phyſicaliſche Theilwaͤre, als die Gegenwirkung der Theile, in deren Bewegungen der Schall beſtehet.

§. 207.

Aus dem aber, was die bisher be - merkte Geſchwindigkeit, der Fortpflanzung von dem geringen Widerſtande der electriſchen Theile zeigt, iſt leicht zu erſehen, daß ſich die Electricitaͤt in einer Stunde durch einen ſehr weiten Raum wuͤrde fortpflanzen laſſen, wenn man einen Koͤrper, welcher ſich durch dieſen Raum erſtreckte, und auf blauſeidnen Schnuͤ - ren ruhete, vermittelſt des Porcelanbechers, immer fort electriſirte.

Geſetzt, es wuͤrde die Electricitaͤt durch iegliche electriſche Wirkung nur ſo weit fort - gepflanzt, daß ſie in einer Minute drey Mei - len durchlieffe. Solchergeſtalt wuͤrde ſie in einer Stunde 180 Meilen vollenden. Sol - ches wuͤrde um deſto leichter geſchehen, ie fleißiger man dieſe Zeit hindurch mit Electri - ſiren fortfuͤhre.

§. 208.

Weil ſowohl die mitgetheilte Electricitaͤt eines Koͤrpers aufhoͤrt, indem er einen andern beruͤhret, welcher mit einer Reihe faſt unzaͤhliger Koͤrper verbunden iſt, dieſich151von der Electricitaͤt. ſich alle ohne Reiben electriſiren laſſen; als auch die Electricitaͤt des Porcelanbechers in einem der - gleichen Koͤrper ſelten eine erregen kann, welche merklich waͤre: ſo iſt endlich die Frage, ob die Ge - genwirkung der electriſchen Theile in allen die - ſen Koͤrpern der wirkenden Electricitaͤt dergeſtalt hinderlich ſey, daß keine Electricitaͤt erregt werde.

Da die Electricitaͤt in der Bewegung einer ſubtilen Materie beſtehet, wodurch leichte Koͤrper angezogen werden (§. 106. 132): ſo wuͤrde in dieſem Verſtande in der Reihe gedachter Koͤrper keine erregt.

Es fragt ſich aber, ob nicht die Atmoſphaͤre des letzten Koͤrpers in dieſer faſt unendlichen Reihe entweder durch die erſte, oder durch die fortgeſetzte Wirkungen gewiße Bewegungen erhalte? Wofern die electriſche Materie aus elaſtiſchen Koͤrpern beſtehet: ſo kann man die - ſes nicht leugnen. Denn eine Reihe elaſtiſcher und gleich ſchwerer Kugeln mag noch ſo lang ſeyn: ſo ſpringt dennoch die letzte ſo ſchnell ab, als die angeworfne in einer geraden Richtung an die erſte anlaͤuft. Sollte aber die electri - ſche Wirkung durch die electriſche AtmoſphaͤreK 4aller152Der phyſicaliſche Theilaller dieſer Koͤrper gehen: ſo ſollte man ver - muthen, daß dieſelbe an den Flaͤchen der Koͤr - per auf dem Erdboden merklich werden muͤßte, wenn man auf ein blauſeidnes Netz uͤber ei - nem Vierecke traͤte. Allein es iſt zur Zeit noch unbekannt, ob nicht die Luft ſelber eine gewiße Electricitaͤt erhaͤlt. Wenn dieſes waͤre: ſo wuͤrde die Luft, mit welcher der Menſch auf dem ſeidnen Netze umgeben iſt, ſo ſtark elec - triſiret, als die Luft um die uͤbrigen Koͤrper. Solchergeſtalt koͤnnte man die Electricitaͤt nicht wahrnehmen, ob ſie wirklich da waͤre. Denn wenn zween Koͤrper gleich ſtark electriſiret ſind: ſo kann keiner an dem andern eine electriſche Bewegung hervorbringen.

Wenn ein electriſirter Menſch einen Fin - ger der rechten Hand gegen einen an der Linken haͤlt: ſo empfindet er nicht die gering - ſte Bewegung. Wer wollte aber daher mit Wahrheit ſchlieſſen, daß an den Flaͤchen dieſer Finger keine electriſche Bewegungen waͤren? Denn ſobald der electriſirte Menſch einen von dieſen Fingern gegen ein unelectriſirtes Metall haͤlt: ſo werden electriſche Funken erzeuget.

Die153

Die XVII Unterſuchung, Ob die electriſche Materie Feu - ertheilchen in ſich habe?

§. 209.

Kein fluͤſſiger Koͤrper kann zuͤnden, wenn er nicht Feuertheilchen in ſich hat.

§. 210.

Eine fluͤßige Materie, welche ei - nen Spiritum eben ſo wohl in Flammen ſetzt, als die Flamme des Feuers, hat ohnſtreitig Feuertheilchen in ſich.

§. 211.

Dergeſtalt iſt klar, daß man der electriſchen Materie, aus welcher durch das Elec - triſiren zuͤndende Funken entſpringen, Feuer - theilchen zueignen kann.

§. 212.

Weil man aber zur Zeit noch nicht mit allen electriſchen Funken die Quintam Eſ - ſentiam vegetabilem hat zuͤnden koͤnnen: ſo iſt die Frage, ob auch diejenigen, an welchen man dieſe Wirkung noch nicht wahrgenommen, eine feurige Materie in ſich begreiffen?

Weil dieſe electriſche Funken, wie die zuͤn - denden leuchten und knacken: ſo ſind ſie von ihnen nicht dem Weſen, ſondern nur der Staͤrke nach unterſchieden. Mit den electriſchen Fun -K 5ken154Der phyſicaliſche Theilken des Fleiſches habe ich auch nicht zuͤnden koͤnnen, wenn daſſelbe von dem Glaſe an der Maſchine electriſiret wird (§. 90). Daher aber folgt nicht, daß in ihnen keine Feuertheilchen ſind. Denn wenn das Fleiſch an einer elec - triſirten Roͤhre aus Eiſenbleche electriſiret wird: ſo werden ſeine Funken ſo ſtark, daß ſie Spi - ritum zuͤnden (§. 90). Man weis aber gar wohl, daß die electriſche Materie des Eiſens nicht aus demſelben in das Fleiſch ſtroͤmet (§. 118).

§. 213.

An denen uͤbrigen Koͤrpern, wel - che ſich electriſiren laſſen, und keine electriſche Funken geben, zeiget ſich nur ein Licht, wenn ſich ihnen ein unelectriſirter Koͤrper naͤhert. Jn der Materie dieſes Lichts aber pflanzt ſich die Electricitaͤt mit eben ſo großer Geſchwindigkeit fort, als in der Materie, aus welcher die elec - triſchen Funken erzeuget werden.

Dieſes zeiget der Verſuch, den ich oben (§. 98) von dem Stricke erzaͤhlet. Ein Strick aber giebt keine electriſche Funken.

§. 214.

Auch iſt die Electricitaͤt der blos leuch - tenden Materie vermoͤgend, die Materie, aus wel - cher die electriſchen Funken entſpringen, dermaſ -ſen155von der Electricitaͤt. ſen zu bewegen, daß dieſe Funken wirklich ent - ſtehen und zuͤnden koͤnnen.

Erſtlich finden wir dieſe Kraft in der electri - ſchen Materie des Glaſes und Porcelanes, welche mit ihrem Lichte unmittelbar niemals zuͤnden, aber die electriſche Materie des Eiſens, des Silbers, der Menſchen darzu geſchickt machen. Ferner entſtehet dieſe Wirkung durch die electri - ſche Materie aller uͤbrigen Koͤrper, welche zur Zeit nicht haben koͤnnen in den Stand geſetzt werden, daß ſie electriſche Funken gegeben haͤt - ten, aber doch die mitgetheilte Electricitaͤt fort - pflanzen. Ehe ich dieſe Unterſuchung vor - genommen, ſo habe ich durch Huͤlfe eines Stri - ckes, welcher von dem Glaſe unmittelbar war electriſiret worden, eine blecherne Roͤhre nicht dergeſtalt electriſiren koͤnnen, daß ihre electri - ſche Funken die Quintam Eſſentiam vegeta - bilem gezuͤndet haͤtten (§. 92). Nachdem ich aber den Porcelanbecher, desgleichen ein neues Glas zum Electriſiren gebraucht: ſo ſind die Funken aus Eiſenbleche ſo ſtark geworden, daß ſie Spir. Vini gezuͤndet. Eben dieſe Staͤrke hat dieſe Roͤhre und der Degen erhalten, wenn ichſie156Der phyſicaliſche Theilſie durch Huͤlfe electriſirten Holzes, electriſir - ten Leders, electriſirten Papieres, einer electri - ſirten Paruͤcke, electriſirten Waſſers, ja ſo gar electriſirten Eiſes electriſiret, da jeglicher von dieſen Koͤrpern entweder unmittelbar vom Por - celanbecher oder durch Huͤlfe einer hoͤlzernen Stange electriſiret worden.

§. 215.

Ein fluͤßiger Koͤrper, welcher durch die Bewegung ſeiner Theile eben das thut, was die Flamme eines brennenden Koͤrpers, hat eine zuͤndende Kraft.

§. 216.

Demnach wird auch in der electri - ſchen Materie derjenigen Koͤrper, welche durch das Electriſiren zwar nur zum Leuchten gebracht werden, aber die Electricitaͤt fortpflanzen, eine zuͤndende Kraft angetroffen.

Denn ſie iſt fluͤßig (§. 109), und loͤſet durch ihre Bewegung die electriſche Materie, deren Funken zum Zuͤnden geſchickt ſind, dergeſtalt auf, daß ſie mit der Kraft einer Flamme wirken (§. 214). Dieſe electriſche Materie alſo, an welcher man bisher in dem Electriſiren nur ein Licht hat wahrnehmen koͤnnen, thut in der electriſchen Materie, aus welcher electriſche Fun -ken157von der Electricitaͤt. ken entſtehen, eben das, was die Flamme, wenn ſie den Spiritum vini ergreift. Denn die - ſer koͤmmt durch die Beruͤhrung der Flamme in den Zuſtand, daß er wieder zuͤnden kann.

§. 217.

Von der electriſirten blauen Seide iſt oben erzaͤhlet worden, daß ich an keinem Koͤr - per eine Electricitaͤt haͤtte merken koͤnnen, wenn er von derſelben beruͤhret wuͤrde (§. 182. S. 128). Jndem ich dieſes erwog: ſo ſahe ich nicht, wie auf die Frage zu antworten waͤre, ob ſich auch in der electriſchen Atmoſphaͤre der blauen Seide Feuertheilchen aufhielten? Jch kam daher auf die Gedanken, ob nicht vielleicht ein ſtarker Grad der Waͤrme vermoͤgend ſeyn duͤrfte, dieſe elec - triſche Atmoſphaͤre in die Bewegung zu brin - gen, daß ſie einer andern eine Electricitaͤt mit - theilen koͤnnte. Dergeſtalt fieng ich an, eine blauſeidne Schnur ſo heftig zu reiben, daß ſie ganz erhitzt wurde. Jn dieſer Hitze fuhr ich mit ihr an eine blecherne Roͤhre, unter welcher, in einer gewißen Weite von dem Orte der Be - ruͤhrung, auf einer Glasſcheibe Goldtheilchen lagen. Jch ſpuͤrte noch keine Electricitaͤt. Jch rieb die Schnur den Augenblick von neuem, undfuhr158Der phyſicaliſche Theilfuhr abermal damit an die Roͤhre aus Eiſen - bleche. Da ich dieſes Reiben und Anfahren eine Zeitlang fortſetzte: ſo merkte ich, daß die Goldtheilchen an die Roͤhre angezogen wurden. Jch verſuchte es auf gleiche Weiſe mit einem bloßen Degen. Unter dieſem geriethen die Gold - theilchen gleichfalls in huͤpfende Bewegungen, da ſich die Schnur im Reiben erhitzte. Hier - auf machte ich dieſelbe uͤber einem Kohlfeuer durch und durch heiß, und rieb ſie ſodann mit einem Tuchlappen. Da ward nicht nur die urſpruͤngliche Electricitaͤt eher und ſtaͤrker er - regt, ſondern auch die fortgepflanzte an dem Degen ward etwas merklicher.

Allein ob man gleich ſolchergeſtalt nicht wei - ter ſagen kann, daß die blaue Seide die Elec - tricitaͤt gar nicht fortpflanze (§. 183): ſo geſchie - het doch ſolches annoch bey der großen Erhi - tzung in einem ſo geringen Grade, daß man dem ohngeachtet gar wohl behaupten kann, die Elec - tricitaͤt des auf blauer Seide ruhenden Koͤrpers werde auf ihr nicht vertheilet. Denn die Gold - theilchen muͤßen ſehꝛ nahe an den Degen gehalten werden, wenn ſie durch die Electricitaͤt huͤpfenſollen,159von der Electricitaͤt. ſollen, die ihm die geriebene Seide gegeben. Und das Huͤpfen hoͤrt den Augenblick auf, wenn man die Schnur nicht immer wieder reibt, und an den Degen bringet. Die electriſir - ten Koͤrper, welche auf blauer Seide liegen, haben nur eine mitgetheilte Electricitaͤt. Und dieſe habe ich noch niemals ſo verſtaͤrken koͤn - nen, daß auch die blaue Seide dadurch waͤre electriſiret worden.

§. 218.

Es laͤſſet ſich demnach der Schluß machen, daß eine iede electriſche Materie Feuer - theilchen in ſich begreift.

Denn ſie erhalten im Electriſiren alleſammt eine zuͤndende Kraft (§. 211. folg.). Ohne Feuertheilchen aber kann kein fluͤßiger Koͤrper zuͤnden (§. 209).

Die XVIII Unterſuchung, Wie die electriſchen Funken erzeuget werden?

§. 219.

Weil das bloße electriſche Licht dennoch Feu - ertheilchen in ſich hat (§. 216. 218), ob es gleich damit nicht zuͤnden kann: ſo iſt da -her160Der phyſicaliſche Theilher klar, daß dieſelben in den electriſchen Fun - ken weit dichter beyſammen ſind.

§. 220.

Und da die zuͤndenden electriſchen Funken augenblicklich, da ſie an Oele und Spi - ritus fahren, eben die Kraft beweiſen, mit welcher die Flamme eines brennenden Koͤrpers in dieſelben wirkt: ſo ſind die electriſchen zuͤn - denden Funken der Flamme an Dichtigkeit gleich zu ſchaͤtzen.

§. 221.

Wenn nicht beyde Koͤrper, zwiſchen welchen die electriſchen Funken entſtehen ſollen, ihrer Natur nach dazu geſchickt ſind: ſo wird kein Funken erzeugt (§. 67). Dergeſtalt er - waͤchſt die Dichtigkeit, die ein electriſcher Fun - ken haben muß, aus der Zuſammenkunft der bey - den electriſchen Atmoſphaͤren, womit die 2 Koͤr - per umgeben ſind, zwiſchen welchen er entſpringt.

Denn alle Koͤrper, welche ſich electriſiren laſſen, haben eine electriſche Atmoſphaͤre (§. 144. 145. 147. 148. 149. 151).

§. 222.

Es entſtehen aber nur die Funken, wenn die beyden Koͤrper, zwiſchen welchen ſie ihren Urſprung nehmen, ungleich ſtark electri - ſiret ſind, und vornemlich, wenn dem einem161von der Electricitaͤt. die Electricitaͤt noch gaͤnzlich fehlt (§. 70). Alſo gehoͤret zur Erzeugung eines electriſchen Funkens, daß die electriſche Materie des ſchwach oder gar nicht electriſirten Koͤrpers von der Bewegung der bereits genugſam ſub - tiliſirten aufgeloͤſet und beweget werde (§. 174).

§. 223.

Sobald eine electriſche Materie durch Electriſiren aufgeloͤſet wird: ſo breitet ſie ſich nach divergenten Linien weiter aus (§. 109). Dergeſtalt wird ihre Dichtigkeit vermindert.

§. 224.

Jndem ſich die Theile einer electri - ſchen Atmoſphaͤre nach divergenten Linien aus - breiten: ſo wird die Dichtigkeit der Atmoſphaͤre, in welche ſie eindringen, dadurch vermehret.

§. 225.

Dergeſtalt wird die electriſche At - moſphaͤre eines electriſirten Koͤrpers, welcher in einen unelectriſirten wirkt, an dem Orte, wo der Funken entſtehet, von der Atmoſphaͤre des unelectriſirten bereichert, und folglich dichter.

§. 226.

Eben dieſes wiederfaͤhrt der electri - ſchen Atmoſphaͤre des unelectriſirten an dem Orte, wo der Funken erzeugt wird.

Denn ſie wird mit denen Theilen vermengt,Lwelche162Der phyſicaliſche Theilwelche ſich aus der electriſchen Atmoſphaͤre des electriſirten Koͤrpers in ſie ergieſſen.

§. 227.

Nun laͤſſet ſich die Erzeugung der electriſchen Funken auf folgende Art erklaͤren.

Jn einem electriſchen Funken ſind drey Sachen: das Leuchten, das Zuͤnden, das Kna - cken; zu unterſcheiden. So lange die electri - ſche Materie eines electriſirten Koͤrpers die At - moſphaͤre eines ſchwach - oder unelectriſirten nicht beruͤhret; ſo iſt an dem electriſirten entweder gar kein Licht, oder nur ein ſehr ſchwaches zu ſehen. Hieraus iſt demnach klar, daß das Licht der electriſchen Funken daher entſtehet und ver - ſtaͤrkt wird, weil die electriſche Materie des electriſirten Koͤrpers an dem Orte, wo der Fun - ken wirklich wird, aus der aufgeloͤſten Atmo - ſphaͤre des andern Koͤrpers eine Vermehrung an electriſchen Theilen erhaͤlt (§. 225). Es erſtreckt ſich aber dieſer Funken von der Flaͤche des electriſirten bis an die Flaͤche des andern. Solches koͤmmt daher, weil die zertheilte Ma - terie des andern gleichfalls einen Zuwachs in ſei - ner Dichtigkeit erlangt, indem die Theile der electriſirenden in ſie eindringen (§. 226.)

Fragt163von der Electricitaͤt.

Fragt man aber, wie die Feuertheilchen der beyden electriſchen Atmoſphaͤren dadurch ein Licht erwecken, daß eine der andern eine ge - wiße Dichtigkeit ertheilet? ſo iſt die Antwort eben diejenige, welche man zu geben hat, wenn man erklaͤren ſoll, wie es moͤglich ſey, daß die Flamme eines brennenden Koͤrpers leuchtet.

§. 228.

Das Knacken der electriſchen Fun - ken ſcheint auf dieſe Weiſe zu erfolgen.

Obgleich die Theile der electriſchen Atmo - ſphaͤren an beyden Koͤrpern, zwiſchen welchen die Funken ſichtbar werden, ſich im Electriſiren mit einander vermengen: ſo werden ſie doch auch wieder von einander getrennet. Denn ein jeglicher Theil faͤhret, vermoͤge der Beſtrebung, die er ſeiner Natur nach gegen den Punct hat, aus welchem er hervorgetrieben worden, in den - ſelben wieder zuruͤck, wenn die Wirkung, die ihn abgetrennet hat, geſchwaͤcht wird (§. 127). Weil aber die vermengten Theile der beyden At - moſphaͤren in dem Zuruͤckkehren nothwendig an einander ſtoſſen muͤßen: ſo wird dadurch eine zit - ternde Bewegung gemacht, welche das Ohr em - pfindet, wenn ſie ſich durch die Luft bis an daſſelbe fortpflanzt.

L 2Soll164Der phyſicaliſche Theil

Soll man zeigen, warum nicht auch zwi - ſchen zween Koͤrpern, die nicht beyde zu elec - triſchen Funken ihrer Natur nach geſchickt ſind, ein ſolches Knacken zu hoͤren ſey? ſo kann man die Erklaͤrung daher nehmen, daß die vermeng - ten Theile der electriſchen Atmoſphaͤren an die - ſen beyden Koͤrpern nicht die Dichtigkeit haben, welche zu einem Funken gehoͤret. Denn da ihnen dieſe Dichtigkeit fehlet: ſo entſtehen, we - gen Mangel mehrerer electriſchen Theile, weni - gere Bewegungen zugleich, die ſich mit einem Zittern durch die Luft bis in das Ohr fort - pflanzen. Je kleiner aber die Anzahl dieſer zitternden Bewegungen iſt, deſto ſchwaͤcher iſt der Schall. Aus dieſer Urſache hoͤret man an dieſen Koͤrpern nur ein Geraͤuſche.

§. 229.

Die Staͤrke zum Zuͤnden ſcheinen die electriſchen Funken dadurch zu erhalten.

Die Oele und Spiritus werden in dem Au - genblicke entzuͤndet, indem der Funken zugleich mit dem Knacken verſchwindet. Das geſchie - het, wenn die beyden Atmoſphaͤren durch die Vermengung ihrer Theile zu einer gleichen Dichtigkeit gelanget ſind. Denn ſolchergeſtaltiſt165von der Electricitaͤt. iſt keiner mehr vermoͤgend, die andere weiter zu ſubtiliſiren. Jn dieſer Dichtigkeit ſind demnach ſo viele Feuertheilchen mit einander vereiniget, als ihrer zugleich muͤßen bewegt werden, wenn dasjenige, was ſich in einem Koͤrper anzuͤn - den laͤſſet, in eine Flamme kommen ſoll. Jn eben der Zeit alſo, da die vermengten Theile der bey - den electriſchen Atmoſphaͤren ſich trennen, wir - ken alle dieſe Theile zugleich in das ſubtile We - ſen, was ſich eigentlich entzuͤnden laͤſſet, und ſonſt das Phlogiſton genennet wird. Alſo ent - ſtehet die Flamme den Augenblick, da der elec - triſche Funken mit ſeinem Schlage verſchwindet.

Die XIX Unterſuchung, Wie das electriſche Licht im luftleeren Raume entſtehen mag.

§. 230.

Weil man in keinem electriſirten Glaſe ein electriſches Licht wahrnimmt, wenn der inwendige Raum voll iſt: ſo iſt daher zu ſchlieſ - ſen, die Luft in dem Glaſe ſey dem electriſchen Lichte hinderlich.

L 3§. 231.166Der phyſicaliſche Theil

§. 231.

Allein man wundert ſich billig dar - uͤber, da die Glaͤſer auswendig in freyer Luft leuchten. Jedoch dieſes geſchiehet, wenn ſich ihnen ein unelectriſirter Koͤrper naͤhert (§. 55). Die Betrachtung dieſes Umſtandes giebt zu - gleich zu erkennen: warum die in dem Glaſe eingeſchloßne Luft dem electriſchen Lichte hin - derlich ſeyn mag.

Sie liegt an allen Theilen der inwendigen Flaͤche dergeſtalt an, daß ſie wegen ihrer Fluͤſ - ſigkeit auch die Vertiefungen derſelben erfuͤl - let; und hat unter ihren eignen Theilen ei - nen ſtetigen Zuſammenhang. Geſetzt nun, ſie lieſſe ſich durch die electriſche Atmoſphaͤre, wo - mit die inwendige Flaͤche des Glaſes uͤberzo - gen iſt, electriſiren. Solchergeſtalt wirkten die electriſchen Materien, die einander an der in - wendigen Flaͤche des Glaſes entgegen geſetzt ſind, vermittelſt dieſer Luft, gleich ſtark in ein - ander. Jn gleich ſtarken Bewegungen zwo - er electriſchen Atmoſphaͤren, denen die Electrici - taͤt mitgetheilet worden, zeigt ſich eben ſo we - nig ein Licht, als ein electriſcher Funken (§. 69). Die Erfahrung bekraͤftiget das erſtere, wennman167von der Electricitaͤt. man einen eiſernen Stab auf blauſeidne Schnuͤre legt, mit einem hoͤlzernen Stabe auf das ſeidne Netz tritt, und ihn gegen den electriſiten haͤlt. Greift man mit der einen Hand an den eiſernen Stab: ſo entſtehet kein Licht.

§. 232.

Warum aber zwo electriſche Ma - terien kein Licht weiter erwecken, ſo bald ſie mit gleicher Staͤrke gegen einander wirken; das ſcheint folgende Urſachen zu haben.

Erſtlich hat unter den Theilen dieſer bey - den Atmoſphaͤren keine mehr die Kraft, in der andern noch einige aufzuloͤſen. Zum andern ſind zween Koͤrper in dem Augenblicke, da ſie gleich ſtark in einander wirken, ohne Bewe - gung. Weil demnach in den Theilen dieſer electriſchen Atmoſphaͤren keine weitere Auf - loͤſung geſchiehet; ſo fehlt die Bewegung, wo - durch das Licht erregt wird; ſo lange die bey - den electriſchen Atmoſphaͤren in dem Zuſtande bleiben, daß ſie mit gleicher Staͤrke in einan - der wirken.

§. 232.

Das electriſche Licht im luftleeren Raume ſcheinet demnach aus zwoen Urſachen zu entſtehen und fortzudauren.

Die168Der phyſicaliſche Theil.

Die erſte iſt, weil die Theile der inwendigen electriſchen Atmoſphaͤre in dem Glaſe durch das fortgeſetzte Electriſiren beſtaͤndig wieder aufge - loͤſet werden, wenn ſie auch durch ihre natuͤrli - che Beſtrebung immer wieder in ihre Puncte zu - ruͤckfahren, aus welchen ſie getrieben worden. Daher iſt auch das Licht am deutlichſten, wo das Electriſiren am ſtaͤrkſten geſchiehet. Die andere Urſache iſt, weil die Theile in den einander entge - gen ſtehenden Flaͤchen nicht, durch gleich ſtarke Wirkungen in einander, die Bewegung hem - men, welche allemal noͤthig iſt, wenn die Lichtma - terie ſoll zum leuchten gebracht werden: es moͤ - gen nun entweder die Feuertheilchen der electri - ſchen Materie, oder der Sonne, oder eines andern gluͤhenden oder brennenden Koͤrpers in dieſelbe wirken.

ENDE.

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TextGedanken von den Eigenschaften, Wirkungen und Ursachen der Electricität
Author Johann Heinrich Winkler
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

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EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationGedanken von den Eigenschaften, Wirkungen und Ursachen der Electricität nebst einer Beschreibung zwo neuer Electrischen Maschinen Johann Heinrich Winkler. . [16] Bl., 168 S., 3 gef. Bl. BreitkopfLeipzig1744.

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SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 PHYS III, 5023: 1

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LanguageGerman
ClassificationFachtext; Physik; Wissenschaft; Physik; core; ready; china

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