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Grundſaͤtze des Natur - und Voͤlckerrechts,
worinn alle Verbindlichkeiten und alle Rechte aus der Natur des Menſchen in einem beſtaͤndigen Zuſammenhange hergeleitet werden.
Herausgegeben vonChriſtian Freyherrn von Wolff,Koͤnigl. Preußl. Geheimden Rath, der Halliſchen Univerſitaͤt Cantzler und Senior. Auf Verlangen aus dem Lateiniſchen ins Teutſche uͤberſetzt. Halle im Magdeburgiſchen, zu finden in der Rengeriſchen Buchhandlung. 1754.

Sr. Koͤnigl. Hoheit Dem Durchlauchtigſten Fuͤrſten und Herrn HERRN Auguſt Wilhelm Printzen in Preußen u. ſ. w. Seinem gnaͤdigſten Herrn.

Durchlauchtigſter Fuͤrſt und Herr,

Wahrheit und Gerechtigkeit ſind die Stuͤtzen des ge - meinen Weſens: fehlen jene, ſo faͤllet dieſes uͤber den Haufen. Die Wahr - heit kann von der Gerechtigkeit nichtgetren -getrennet werden, wenn anders nicht die Sitten, welche die gemeine Mey - nung gut heiſſet, den betriegeriſchen Schein derſelben annehmen ſollen. Es beſtehet aber die Gerechtigkeit in ei - nem beſtaͤndigen und unwandelbaren Willen einem jeden ſein Recht wieder - fahren zu laſſen, und folglich niemand zu beleidigen, oder ein Unrecht zu - zufuͤgen. Was unter dem Recht ver - ſtanden werde, kann man nicht voͤllig einſehen, wenn man nicht zugleich er - kennet, was gut, billig und richtig ſey. Demnach thut ein Gerechter nichts ohne eine Empfindung von ſei -) (3nerner Pflicht, und ohne ein Beſtreben recht zu handeln; und auf ſolche Art erwirbt er ſich einen gegruͤndeten und wahrhaften Ruhm, welchen keine aus Neid erwachſene Verleumdung zu ſchande machen kann. Die Guͤte, Bil - ligkeit und Richtigkeit der menſchli - chen Handlungen bewircket nicht die Meynung der Menſchen, als welche weder beſtaͤndig iſt, noch auch mit ſich in allen uͤbereinſtimmet; ſondern es ſtammet ſelbſt von der Natur der Menſchen her, und hat in dem Weſen und Natur der Dinge den hinreichen - den Grund, daß ſie gut, billig undrechtrecht ſind. Derowegen unterſcheidet ſich die Wahrheit von der Meynung, als welche ihre ewige Dauer ſelbſt von dem unveraͤnderlichen Weſen und Na - tur, wie der Menſchen, alſo auch der uͤbrigen Dinge, herleitet. Es brin - get auch die Meynung, indem ſie nie - mahls einen feſten und unbeweglichen Beyfall gewaͤhren kann, keinen be - ſtaͤndigen und unwandelbaren Willen mit ſich; ſondern es iſt das Gemuͤth nicht ſelten in einer Sache von der aͤuſſerſten Wichtigkeit zweifelhaft, und kommt an Klippen. Die Wahrheit allein, als welche nur eine einige und) (4unver -unveraͤnderlich iſt, nie aber jemand hinter das Licht fuͤhret, verdienet ei - ne Mutter der Beſtaͤndigkeit und des immerwaͤhrenden genennet zu werden. Dieſes hat mich bewogen, das keuſche und heilige Recht, welches die Natur ſelbſt unter eintzelnen Menſchen und Voͤlckern geſtiftet hat, daß es der Grund, den man nie erſchuͤttern kann, von der Gluͤckſeligkeit des gantzen menſchlichen Geſchlechts ſeyn ſollte, aus der eignen Natur des Menſchen in einem ununterbrochenen Zuſam - menhange, wiewol in einer abgepaſ - ſeten Kuͤrtze, damit ich mehrerennuͤtzlichnuͤtzlich ſeyn koͤnte, in ein kleines, doch aͤchtes Lehrgebaͤude zu bringen, wobey ich aber geſorget habe, daß die Kuͤrtze der Deutlichkeit keinen Nach - theil erwecken moͤchte. Dieweil ich nun ſattſam uͤberzeuget bin, daß Ew. Koͤnigl. Hoheit, als welche Wahrheit und Gerechtigkeit lieben, die Arbeit, welche ich zu ſtande ge - bracht, nicht misfallen werde: ſo un - terſtehe ich mich Hoͤchſt Denenſel - ben dieſes den Blaͤttern nach kleine, in Abſicht aber auf den Nutzen groſ - ſe, und des Reichthums der Sachen halber wichtige Buch in tiefſter Un -) (5terthaͤ -terthaͤnigkeit zu uͤberreichen, und mich zugleich Dero Gnade zu empfehlen, nebſt dem innbruͤnſtigen Wunſch, daß GOtt Dieſelben im Hoͤchſten Wohl - ſeyn erhalten wolle. Jch erſterbe

Ew. Koͤnigl. Hoheit unterthaͤnigſter und Ehrfurchts - volleſter Diener Chriſtian Freyherr von Wolff.

Vorrede.

Nachdem ich das wichtige Werck des Natur - und Voͤlckerrechts gaͤntzlich zum Ende gebracht ha - be; ſo faße ich nunmeh - ro, damit ich vieler Nu - tzen befoͤrdern moͤchte, dasjenige, was in jenem weitlaͤuftig abgehandelt worden, in einer fuͤglichen Kuͤrtze zuſammen, und ſtel - le es unter dem Titel der Grundſaͤtze desNatur -Vorrede. Natur - und Voͤlckerrechts an das Licht. Doch muß ich von dieſem Vorhaben Re - chenſchaft geben. Da mir die Liebe zur Wahrheit gleichſam von Natur eingepflan - tzet iſt, und ich deßwegen ſchon oft erinnert habe, daß ich mich aus keiner andern Ab - ſicht auf die Erlernung der Matheſis be - flißen, als die Urſach von der ſo groſſen Ge - wißheit in der Geometrie auf das genaueſte zu erkennen; ſo hat mir, als ich dieſe er - kant hatte, nichts ſo ſehr am Hertzen gele - gen, als daß ich die Wahrheit offenbar machte, und ihr nicht aus einer Ueberre - dung ſondern aus Ueberzeugung meinen Beyfall ertheilete. Mit eben dieſem Ge - muͤthe bin ich zu der Auswicklung der Rech - te geſchritten, und habe die Quelle alles Rechts in der menſchlichen Natur gefun - den, welches von den alten ſchon lange ein - geſchaͤrfet, von den neuern wiederholet, keinesweges aber erwieſen worden; ich aber habe mich nicht durch Meynungen uͤberre - det, ſondern vielmehr bis zur Wahrheit uͤberzeuget. Auf ſolche Weiſe iſt mir nicht nur die Art, nach welcher uns die Natur ſelbſt zur Ausuͤbung und Unterlaßung ge - wiſſer Handlungen verbindet; ſondern auchderVorrede. der gantze weitlaͤuftige Umfang des Rechts der Natur, nach welchem es ſich auf alle menſchliche Handlungen, welche es auch im - mer ſind, erſtrecket, bekant worden; und ich habe endlich verſtanden, wie die poſiti - ven Rechte aus dem Rechte der Natur ent - ſtehen muͤßen, damit ſie frey von allem Ta - del vor dem Richterſtuhle der Vernunft nicht beſorgen duͤrfen, daß man wider ſie ſprechen moͤchte. Daraus folgt nun gleich - ſam von ſich ſelbſt, daß nicht weniger bey allem poſitiven Rechte, als bey dem na - tuͤrlichen, Wahrheit ſey, und dieſe durch den Weg des Beweiſes eingeſehen, und mithin was fuͤr Recht gehalten wird, oder gehalten werden ſoll, von dem, was es wircklich iſt, gewiß und genau unterſchie - den werde. Denn gleichwie das Natur - recht den Willen aller Menſchen in eintzel - nen Handlungen lencket; alſo lencket es auch den Willen des Geſetzgebers, deſſen natuͤr - liche Freyheit eben ſo wenig, als bey ein - tzelnen Menſchen, die Verbindlichkeit auf - hebet. Alles dieſes nun konte auf keine an - dere Weiſe ans Licht kommen, als wenn man den Fußtapfen des Euclidis, wel - cher die Geſetze einer wahren Vernunftleh -reVorrede. re gar ſtrenge in Obacht genommen, folgte, und demnach alle Woͤrter mit einer voll - ſtaͤndigen Erklaͤrung belegte, alle und jede Saͤtze genugſam beſtimmte, und beydes die Erklaͤrungen als auch die Saͤtze dergeſtalt ordnete, daß ſich die folgenden aus den vor - hergehenden gaͤntzlich verſtehen ließen, und die Wahrheit der letztern aus den voraus - geſetzten erhellen muſte. Damit ich dieſe mir vorgeſteckte Abſicht erhalten moͤchte, ſo habe ich in dem weitlaͤuftigen Wercke das Natur - und Voͤlckerrecht zu beweiſen unter - nommen, und es vor nicht gar zu langer Zeit zum Ende gebracht; ich zweifle auch keinesweges, ohne mich einer Ruhmraͤthig - keit ſchuldig zu machen, daß ich dadurch der gantzen Rechtsgelehrſamkeit ein Licht an - gezuͤndet habe, und es nun endlich klar ſey, was Cicero ſehr geſchicklich geſagt, daß die Rechtswiſſenſchaft nicht aus den zwoͤlf Ta - feln, noch aus den Befehlen der Praͤtoren, ſondern allerdings aus dem innerſten der Philoſophie herzuholen ſey. Denn ich ha - be nicht nur die Naturgeſetze, welche ſich ſowol auf alle privat -, als auch oͤffentliche und Voͤlckerrechte erſtrecken, in eine Ueber - einſtimmung gebracht; ſondern es iſt auchvonVorrede. von mir gewieſen worden, daß, wenn man die poſitiven Geſetze, in den Faͤllen, worinn ſie von den natuͤrlichen abweichen, nach der Richtſchnur der natuͤrlichen, vermoͤge der natuͤrlichen Theorie der buͤrgerlichen, oder poſitiviſchen Geſetze, welches gewiß auch keinen geringen Theil des Rechts der Na - tur ausmacht, ob er gleich bisher gaͤntzlich verlaſſen und unbearbeitet geblieben iſt, pruͤfet, ſich zwiſchen der natuͤrlichen und buͤrgerlichen Rechtsgelehrſamkeit die ſchoͤn - ſte Uebereinſtimmung erzeuge, und mithin in allen eine beſtaͤndige Eintracht und Ue - bereinkommen ſey. Diejenigen, welche ſich auf die Rechte legen, ſind gemeiniglich der - jenigen Methode, welche allein zur Wiſ - ſenſchaft fuͤhret, unkundig, und uͤberſehen das weite Feld des Rechts der Natur nicht. Derowegen ſcheinet es wol nicht, daß mein Werck nach ihrem Geſchmack ſeyn werde; noch vielweniger aber reimet ſich es zu der Faͤhigkeit der Anfaͤnger, als welchen auch die Weitlaͤuftigkeit im Wege ſtehet. Da mir nun das Amt das Natur - und Voͤl - ckerrecht zu lehren aufgetragen iſt; ſo mu - ſte ich mich bemuͤhen, daß ich die zur Er - kentniß der Geſetze begierige Jugend zu ei -nerVorrede. ner gruͤndlichen und gewiſſen Wiſſenſchaft des Rechts anfuͤhrete, und den wahrhaf - ten Prieſtern der Gerechtigkeit einen gebah - neten Weg zu dem innern des Rechts ver - ſchafte, damit ihnen die Reiſe nicht mehr zu langwierig zu ſeyn deuchtete, wie ich ſie in dem Wercke des Natur - und Voͤlcker - rechts angetreten hatte. Auf daß ich nun dieſe mir vorgeſetzte Abſicht erreichen moͤch - te, ſo habe ich in dieſen Grundſaͤtzen alle Erklaͤrungen und Saͤtze, welche in dem groͤſſern Werck enthalten ſind, wenige aus - genommen, die ſich durch jene leicht verſte - hen laſſen, zuſammen gefaſſet, damit nicht das geringſte vermiſſet wuͤrde, was zu dem gantzen privat, allgemeinen oͤffentlichen, und eigentlichen Voͤlckerrecht gehoͤret. Ue - berdem, welches das vornehmſte iſt, habe ich beſonders geſorget, daß man die Gruͤn - de aller Saͤtze einſehen koͤnte, und in den Erklaͤrungen nichts annehmen duͤrfte, was noch einige Dunckelheit in dem Gemuͤthe zuruͤcke ließe, daß man es nicht voͤllig ver - ſtehen koͤnte. Und darum habe ich alles in eine ſolche Ordnung gebracht, daß das fol - gende mit dem vorhergehenden beſtaͤndig zuſammen haͤngt, und dieſes vermittelſt je -nesVorrede. nes ein durchgaͤngiges Licht gewaͤhret. Es iſt zwar nicht moͤglich geweſen, in der Aus - wickelung der Gruͤnde, ſo wie es die Stren - ge des Beweiſes erfordert, und wie ich es in dem groͤſſern Wercke geleiſtet habe, aus - fuͤhrliche Beweiſe zu geben, als welche mein gegenwaͤrtiges Vorhaben nicht ver - ſtattet hat; allein dies hindert nicht, daß man nicht von allen und jeden die aͤchten Gruͤnde, welche fuͤr die hinlaͤnglich ſind, deren Augen das helleſte Licht noch nicht vertragen koͤnnen, zu erkennen im Stande waͤre. Denn es iſt nicht allen, ja gar kei - nem gleich vom erſten Anfang an gegeben, das Sonnenlicht nach Adler Art anzuſe - hen; ſondern vorerſt tappet ein jeder bey dem hellen Mittage im Dunckeln. Nach und nach aber, wenn das Licht der Seele zunimmt, wie es alſo die Gewohnheit der Natur mit ſich bringt, verlangen diejeni - gen noch ein groͤßres, welche vorher mey - neten gaͤntzlich im Hellen zu wandeln, und ſo geſchieht es endlich, daß ſie ſich nach dem, wovor ihnen vorhin eckelte, nun be - gierig ſehnen, und ihnen nichts anders Ge - nuͤge thut als Beweiſe, welche Nachah - mungen der Euclideiſchen ſind. Daraus) () (wirdVorrede. wird aber am Ende vollſtaͤndig erhellen, daß ich in dem weitlaͤuftigen Wercke des Natur - und Voͤlckerrechts keine unnuͤtze Um - ſchweife geſucht, ſondern auf keinem kuͤr - tzern Wege zum Ziel kommen koͤnnen. Jm uͤbrigen damit ich es gleichſam auf einmahl vorſtelle, wie alle Verbindlich - keiten und alle Rechte der Menſchen aus der menſchlichen Natur ſelbſt, als aus ihrer Qvelle, fließen; ſo muß ich noch eines und das andere melden. Der Menſch beſteht aus Seele und Leib; und wie dieſer aus verſchiedenen Werckzeugen zuſammengeſetzt iſt, deren Verrichtungen zuſammengenommen auf einen gemeinſa - men Endzweck losgehen, z. E. wie die Verrichtungen der Werckzeuge, wodurch das Leben beſtehet, auf die Erhaltung des gantzen Koͤrpers, oder des Lebens und deſſen Geſundheit abzwecken; ſo wohnen auch der Seele verſchiedene Ver - moͤgen bey, durch deren vereinigten Ge - brauch der einer Vernunft theilhaftige Menſch, welche ihn eben von den uͤbri - gen Thieren unterſcheidet, geſchickt ge - macht wird ein der Vernunft gemaͤßes Leben zu fuͤhren. Dieſe GeſchicklichkeitderVorrede. der Werckzeuge ihre Verrichtungen abzu - warten, und der Vermoͤgen zu ihrem Gebrauch, welchen ſie bey der Betrei - bung des Lebens eines Menſchen haben, machen die weſentliche Vollkommenheit eines Menſchen aus. Da die Natur, welche niemahls ein Haar breit von dem Pfade der Wahrheit abweichet, nicht den geringſten Widerſpruch, als der ein beſtaͤndiger Hauptfeind der Wahrheit iſt, leidet; ſo kommt derſelben keine andere Lenckung der menſchlichen Handlungen zu, als daß ſie durch eben dieſelben Endur - ſachen beſtimmet werden, wodurch ſie die natuͤrlichen Handlungen beſtimmet, und ſie folglich mit den natuͤrlichen zu einer - ley Ziel eilen. Und die Geſchicklichkeit die freyen Handlungen ſo und nicht an - ders zu beſtimmen, macht eben die zu - faͤllige Vollkommenheit des Menſchen aus. Kommt dieſe nun zu der weſentlichen Vollkommenheit, ſo ſtellet ſie die gantze Vollkommenheit des Menſchen dar. Da - her aber ruͤhret es, daß die freyen Hand - lungen der Menſchen ſich durch eine in - nere Guͤte und Schaͤndlichkeit unterſchei - den laßen. Da aber der Menſch ver -) () (2moͤgeVorrede. moͤge der Natur uͤberhaupt beſtimmet iſt das Gute zu begehren und das Boͤſe zu verabſcheuen; ſo iſt die innere Guͤte ein Bewegungsgrund gewiſſe Handlungen auszuuͤben, und die innerliche Haͤßlichkeit ein Bewegungsgrund gewiſſe Handlun - gen zu unterlaßen. Daraus erzeuget ſich nun die natuͤrliche Verbindlichkeit; und die Lenckung der Handlungen, wovon ich geredet habe, nimmt die Geſtalt eines Geſetzes an, ſo von der Natur ſelbſt ge - geben worden. Damit aber dieſer Ver - bindlichkeit Genuͤge geſchehen moͤge, ſo muß auch den Menſchen ein Vermoͤgen beygeleget ſeyn dasjenige zu thun, ohne welches kein Genuͤge geleiſtet werden kann; und alſo entſteht aus jener, als aus einer Quelle, ein Recht ſo wol zum Gebrauch der Sachen, als auch zu gewiſſen Handlungen. Es befinden ſich aber die Menſchen von der Natur, daß ſie bloß mit vereinigten Kraͤften und mit einer wechſelsweiſe einander geleiſteten Huͤlfe auf dieſe Vollkommenheit los ge - hen koͤnnen, welches die eintzige Quelle der Gluͤckſeeligkeit iſt. Und derowegen hat die Natur ſelbſt die Pflichten gegenunsVorrede. uns mit den Pflichten gegen andere durch ein freundſchaftliches Liebesband ver - knuͤpfet, daß zu beyden einerley noth - wendige und an ſich unveraͤnderliche Ver - bindlichkeit iſt. Unterdeſſen da die Kraͤf - te des Menſchen nicht unerſchoͤpflich ſind, und deswegen nicht ohne Grund verſchwen - det werden muͤßen; ſo iſt man andern keine Pflichten mit der Hintanſetzung ſei - ner ſelbſt, und uͤberdem nicht mehr als in unſerer Gewalt ſtehet, endlich auch nicht denen, welche ſelbſt in ihrer Ge - walt haben, was ſie von andern verlan - gen, ſchuldig. Weil aber keinem Men - ſchen von Natur ein Recht uͤber die Hand - lungen eines andern zukommt; ſo muß man, wie dem um ſeines Mangels wil - len bittenden, alſo auch dem, der es lei - ſten ſoll, uͤber die Verabſaͤumung ſeiner ſelbſt, und von dem, was in ſeiner Ge - walt iſt, das Urtheil laßen. Es iſt aber nicht ſelten einem fremder Huͤlfe Beduͤrf - tigen daran gelegen, daß er von dem, was er von einem andern bittet, gewiß ſey. Derowegen kommt ihm ſelbſt von Natur ein Recht zu, ſich andere zu gewiſ - ſen Gewaͤhrungen verbindlich zu machen,) () (3ſoVorrede. ſo daß dieſelben, wo ſie nicht wollen, zur Ausrichtung ihrer Schuldigkeit koͤnnen ge - zwungen werden. Daraus erwaͤchſet in Abſicht auf die Dinge, wozu man an - dern verpflichtet iſt, ein Unterſchied zwi - ſchen der vollkommenen und unvollkom - menen Verbindlichkeit; und eben daher entſteht zu dem, was uns andere ent - richten ſollen, entweder ein vollkommes, oder ein unvollkommnes Recht. Es ver - ſchwindet aber der Grund dieſes Unter - ſchiedes bey denenjenigen Dingen, welche verbothen werden, daß man ſie andern nicht thun ſolle, dieweil es allezeit gewiß iſt, daß man ſolche unterlaſſen muͤße. De - rowegen iſt in Abſicht auf die verneinen - den Handlungen die natuͤrliche Verbind - lichkeit vollkommen, ſo, daß der andere ein vollkommenenes Recht hat nicht zu leiden, daß dies und jenes geſchehe, und denjenigen, welcher etwas thut, zu zwin - gen, daß er es nicht thue, oder ins kuͤnf - tige auf das neue zu thun ſich nicht unter - fange. Weil endlich keinem von Natur ein eigenthuͤmliches Recht zu einer Sache im eintzelnen betrachtet zuſteht; ſo ſind von Natur alle Sachen, was ihren nothwen -digenVorrede. digen Gebrauch anlanget, gemein. Aus dem, was bisher geſagt worden, erhellet, welches denn der natuͤrliche, und zwar urſpruͤngliche, Zuſtand der Menſchen, welchen ſie von Natur haben, ſey. Al - lein es war nicht etwa nur ein einiger Grund, welcher die Menſchen noͤthigte, daß ſie, welches auch das Naturgeſetz gar wohl leiden kann, ja ſelbſt erfordert, von der urſpruͤnglichen Gemeinſchaft abwi - chen, und die vorher gemein geweſenen Dinge einem eigenthuͤmlichen Recht un - terwurfen. Und daher iſt das Eigenthum entſtanden, welches das Recht ſich ande - re zu gewiſſen Leiſtungen verbindlich zu machen noch weiter ausgedehnet, die Ar - beiten denen eigenthuͤmlichen Sachen gleich geſchaͤtzet, und die Verbindlichkeit Sa - chen und Arbeiten einander mitzutheilen noch den Pflichten hinzugeſetzet hat. Dar - aus fließen alle Rechte der Sachen, ſo wol in, als zu einer Sache, ſie moͤgen Nahmen haben wie ſie wollen, von freyen Stuͤcken, und das Vertheidigungsrecht erhaͤlt auch noch weitere Graͤntzen. Die Verbindlichlichkeit das menſchliche Ge - ſchlecht fortzupflantzen verknuͤpft mit der) () (4Zeu -Vorrede. Zeugung die Auferziehung auf das aller - genaueſte, und leget deswegen den Eltern ein gewiſſes Recht uͤber die Handlungen der Kinder bey. Und weil die Ehen die - ſes Endzwecks halber vollzogen werden, ſo erlangt ein Ehegatte vermoͤge der Ein - willigung ein gewiſſes Recht uͤber die Handlungen des andern. Weil auch die Leiſtung beſtaͤndiger Arbeiten fuͤr einen beſtaͤndigen Unterhalt, worinn natuͤrli - cher weiſe die Knechtſchaft beſtehet, mit dem Recht der Natur uͤbereinſtimmt; ſo tritt aus der Unterwerfung ein Recht des Herrn uͤber die Handlungen des Knechts hervor. Derowegen weil das Recht uͤber die Handlungen des andern die Herrſchaft heißt; ſo erhellet nunmeh - ro der Urſprung der Privatherrſchaft, worinn das Recht uͤber die Perſonen, wie man es gemeiniglich nennet, enthalten iſt. Da nun aber eintzelne ihre Rechte nicht genug vertheidigen, auch dieſelben von andern, die dazu keine Luſt bezeigen wuͤr - den, ohne Gewalt und ſehr zweifelhaf - ten Ausgange nicht erhalten, und nicht fuͤglich fuͤr dasjenige ſorgen konten, was zum hinlaͤnglichen Unterhalt des Lebensgehoͤ -Vorrede. gehoͤret, und zur Gluͤckſeeligkeit dienet; ſo ſind die buͤrgerlichen Geſellſchaften dem Geſetz der Natur gemaͤß zuwege gebracht worden, und ſo iſt aus der Unterwer - fung die buͤrgerliche oder oͤffentliche Herr - ſchaft, aus welcher alles oͤffentliche oder allgemeine Staatsrecht hergeleitet wird, entſtanden. Endlich da die Staaten nun - mehro als eintzelne Perſonen, welche im natuͤrlichen Zuſtande leben, angeſehen werden muͤßen; ſo treffen ſie alle Ver - bindlichkeiten und Rechte, welche alle und jede, die im natuͤrlichen Zuſtande leben, angehen. Weil nun unter dieſe Rechte auch das Recht ſich einen andern zu ge - wiſſen Leiſtungen zu verbinden gerechnet wird; ſo flieſſen daraus die Rechte der Buͤndniſſe und anderer Vertraͤge der Voͤlcker. Und weil dadurch, daß ſich eintzelne Perſonen in buͤrgerliche Geſell - ſchaften begeben haben, die Verbindlich - keit das gemeinſame Wohl mit vereinigten Kraͤften zu befoͤrdern nicht aufgehoben werden koͤnnen; ſo hat, gleichwie ſelbſt die Natur alle und jede Menſchen ver - moͤge derſelben in eine Geſellſchaft ver - ſetzet hat, auch eben dieſe Natur unter) () (5denVorrede. den Voͤlckern eine Geſellſchaft geſtiftet, aus deren Beobachtung nach Anleitung der natuͤrlichen Theorie der buͤrgerlichen Geſetze ein gewiſſes Recht, ſo mit dem buͤrgerlichen verwandt iſt, und welches, daß ich mit dem Ulpiano rede, weder gantz von dem natuͤrlichen abweichet, noch auch ſich aller Orten nach demſel - ben richtet, hergeleitet wird. Aus dem, was nur kuͤrtzlich geſagt worden, kann, wie ich meyne, nicht undeutlich erhellen, daß alle Rechte, als welche unter einan - der in beſtaͤndigen Zuſammenhange ſind, aus der menſchlichen Natur ſelbſt herge - leitet werden, und daß hiermit klar ſey, was die Alten geſagt haben, daß das Recht ſelbſt durch die Natur aufgerichtet worden ſey. Man wird dieſen Zuſam - menhang vollſtaͤndiger einſehen, wenn man dieſe Grundſaͤtze ſelbſt mit aufmerk - ſamen Gemuͤth durchzuleſen beliebet. Jm uͤbrigen werde ich kein eitler Prophet ſeyn, wenn ich vorherſage, daß, wenn ſich iemand dieſe Grundſaͤtze fein bekant gemacht hat, er eine gruͤndliche und wah -reVorrede. re Rechtswiſſenſchaft erhalten werde, da er denn das vollſtaͤndigſte Licht, ſo bald es ſeine Schaͤrfe des Geſichtes nicht mehr verletzet, aus dem groͤſſern Werck erwar - ten muß; und wenn er ſich auf das buͤr - gerliche Recht befleißiget, ſo wird er ſich faſt ohne Muͤhe eine Erkaͤntniß deſſelben zuwege bringen. Eines iſt noch zuruͤck, was ich zu erinnern fuͤr noͤthig erachtet habe, daß ich nehmlich in dieſen Grund - ſaͤtzen nichts angenommen, was man an - derswo herholen muͤße, gleichwie hinge - gen das Natur - und Voͤlckerrecht in dem groͤſſern Werck mit den uͤbrigen Theilen der Weltweisheit zuſammen gehaͤnget iſt; damit man ohne Anſtoß in denſelben fort - gehen koͤnne, wenn auch gleich ein Leſer in meinen philoſophiſchen Wercken nicht ſollte bewandert, oder auch ſo gar in der Weltweisheit noch im hoͤchſten Grade ein Fremdling und Ankoͤmmling ſeyn. Denn wenn einige Begriffe anderswoher zu ent - lehnen waren, ſo habe ich dieſelben zu - gleich erklaͤret. Gleichwie ich aber hier - mit dem mir aufgetragenen Amte ein Ge -nuͤgenVorrede. nuͤgen geleiſtet habe; ſo wuͤnſche ich nichts mehr, als daß alle, welche das Vertrauen haben, daß ihnen meine Arbeit zu ſtatten kommen koͤnne, diejenigen Fruͤchte, wel - che ich verheiße, daraus genieſſen moͤgen. Es gebe GOtt, welcher ſelbſt der Urhe - ber alles Rechtes, welches ich erklaͤret habe, iſt, daß Recht und Gerechtigkeit auf der gantzen Erde bluͤhen moͤgen!

Halle, den 4. September, im Jahr 1749.

Vorrede des Ueberſetzers.

Geehrter Leſer.

Es iſt natuͤrlich, daß ich geglaubt haben muß, wir Deutſchen haͤt - ten in unſerer Sprache zu we - nig gute Compendia des Rechts der Natur drucken laßen, denn ſonſt haͤtte ich nicht daran gedacht, die Arbeit des vor - treflichen Herrn Barons von Wolf zu uͤberſetzen. Mein Gedanke iſt vielleicht un - recht. Deutſchland iſt zu fruchtbar an pa - triotiſchen Schriftſtellern. Sie muͤſſen die -ſenVorrede des Ueberſetzers. ſen Mangel laͤngſt vollkommen erſetzt ha - ben. Vielleicht bin ich nur ſo unbekant mit den Maͤnnern, die gute Rechte der Natur deutſch geſchrieben haben. Jſt dieſes, ſo waͤre es nicht unmoͤglich, daß ich bloß aus Mangel dieſer Erkenntnis bewogen wor - den waͤre das Recht der Natur ins Deut - ſche zu uͤberſetzen. Es bewog mich aber vornaͤmlich eine andere Urſach. Ein Goͤn - ner und Freund der Gelehrten, der bey ſeinen wichtigen Geſchaͤften, die Er dem Staate und den Kriegsdienſten unſers groſſen Koͤnigs widmet, auch die philoſo - phiſchen Wiſſenſchaften als ein Kenner liebt, verlangte es von mir. Unſere Univerſitaͤt ehrt dieſen vortreflichen Herrn ſo ſehr, daß ich nicht das geringſte unterlaßen konte, was Jhn von meiner beſondern Ergeben - heit uͤberzeugte. Jch entſchloß mich zur Ueberſetzung, um Jhm die beſondere groſſe Hochachtung zu entdecken; mit welcher ich den erhabnen Character dieſes edlen GeiſtesſoVorrede des Ueberſetzers. ſo gleich verehrte, als ich das Gluͤck hatte ihn naͤher kennen zu lernen. Der Herr Baron von Wolff billigte meinen Vorſatz. Er entdeckte mir die Art, nach welcher Er wuͤnſchte, daß die Ueberſetzung eingerichtet werden moͤchte, damit die Uebereinſtim - mung mit ſeinen andern deutſchen Werken erhalten wuͤrde. Jch folgte dieſem Plan mehr als meinen eigenen Gedanken, von der Schreibart einer guten Ueberſetzung. Es iſt mir mehr daran gelegen, daß ich von dem Herrn Cantzler ſelbſt verſichert wor - den, daß die Gedancken der Ueberſetzung voͤllig mit den ſeinigen uͤbereinſtimmten, und nach ſeinem Sinn ausgedruckt waͤren; als wenn ich mit einem etwas veraͤnderten Ausdruck mehr meinem Genie gefolgt waͤre. Der Herr Cantzler hat ſich ſo gar die Muͤ - he genommen, die letzte Reviſion der ge - druckten Bogen zu uͤbernehmen, da der Abdruck nicht hier ſondern in Halle geſche - hen konte. Er hat auch in derſelben einigeAus -Vorrede des Ueberſetzers. Ausdruͤcke geaͤndert, von welchen er glaub - te, daß ſie ſeinen Sinn beſſer anzeigen. Jch habe mich beſonders bemuͤht nie von dem Redegebrauch abzuweichen, der in den Ci - vilrechten eingefuͤhrt iſt. Die Ueberſetzung hat die Abſicht erfuͤllt, die ich mir bey der - ſelben vorgeſetzt hatte. Sie hat den Beyfall des Herrn Cantzlers, unter deſſen Augen ſie bis auf den Anfang des Regi - ſters gedruckt worden iſt. Jch wuͤnſche nichts mehr, als daß ſie vielen vortheil - haft ſeyn moͤge.

Franckfurt an der Oder, den 15. April 1754. Gottlob Samuel Nicolai.

Grund -
[1]

Grundſaͤtze des Natur - und Voͤlcker - Rechts.

Der erſte Theil.

Von dem Recht der Natur uͤberhaupt, von den Pflichten gegen ſich ſelbſt, gegen andere und gegen GOtt.

Das erſte Hauptſtuͤck.

Von dem Unterſchied der menſchlichen Handlungen und ihrer Zurechnung.

§. 1.

Jnnere Handlungen nenntDie in - nere Hand - lungen man diejenigen, welche allein durch die Kraft der SeeleNat. u. Voͤlckerrecht. Awuͤrck -2I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. und aͤuſ - ſere, freye und noth - wendige.wuͤrcklich werden; aͤußete Handlungen aber ſind diejenigen, welche durch die Be - wegung der Theile unſers Koͤrpers die Wuͤrck - lichkeit erhalten. Es ſind aber dieſelben entweder freye Handlungen, welche auf einige Weiſe von dem freyen Willen ab - haͤngen; oder natuͤrliche (nothwendige), welche von demſelben nicht abhaͤngen, ſondern durch das Weſen und die Natur der Seele und des Koͤrpers beſtimmt werden. Daher iſt klar, daß es keine aͤußere freye Handlungen giebt, ohne daß innere dabey ſind, mit welchen ſie zuſam - menhaͤngen.

§. 2.

Eine po - ſitive oder be - gangene und pri - vative oder un - terlaſſene Hand - lung.

Es iſt uͤberdem eine Handlung entwe - der poſitiv, eine auszuuͤbende (actio poſiti - va), wenn ſie in der That ausgeuͤbet wird; oder privativ, eine zu unterlaßende (actio privativa), welche in der Unterlaßung einer Handlung beſteht, welche gethan werden konnte. Eine poſitive freye Handlung heiſt eine Begehungs-That (factum com - miſſionis). Eine privative, oder verneinen - de freye Handlung, heiſt eine Unterlaſ - ſungs-That (factum omiſſionis). Dieſe pflegt man auch ſchlechtweg die That (fa - ctum), jene die Unterlaſſung (non fa - ctum) zu nennen. Oft verſteht man auch, nach Beſchaffenheit der Sache,von3und ihrer Zurechnung. von welcher man redet, unter der That die Unterlaßung zugleich mit.

§. 3.

Wenn ein Menſch etwas frey ausuͤbt,Die Zu - rechnung. oder unterlaͤßt; ſo nennt man ihn eine freye Urſache der Handlung, eben wie er auch die freye Urſache von allem demje - nigen genannt wird, was aus derſelben Handlung folgt. Das Urtheil, wodurch man erklaͤrt, die freye Urſache ſey entweder die handlende Perſon von der Handlung ſelbſt, oder desjenigen, was aus derſelben erfolgt, es ſey gut, oder boͤſe, wird die Zu - rechnung genannt. Daher koͤnnen kei - ne andere Handlungen zugerechner werden, als die freyen, in ſo weit, als ſie frey ſind; folglich auch diejenigen, welche, wenn man ſie an und vor ſich ſelbſt betrachtet, zwar natuͤrliche Handlungen ſind, aber dennoch von einer vorhergehenden freyen Hand - lung abhaͤngen.

§. 4.

Wer ſo handelt, daß er von einem andernEine ge - zwunge - ne Hand - lung. durch eine aͤußere Gewalt angetrieben wird, und bey der Handlung ſich wie ein Werck - zeug (inſtrumentum) verhaͤlt, der handelt gezwungen. Aber gezwungen leidet derjenige, welcher die Kraͤfte nicht hat, der Handlung eines andern zu wieberſtehen. Jn dieſem Falle iſt der Mangel des Wie -A 2derſte -4I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. derſtehens eine privative, (verneinende), gezwungene Handlung (actio priva - tiva coacta). Weil eine gezwungene Handlung keine freye Handlung iſt; ſo kann ſie niemanden, als dem, der ſie er - zwinget, zugerechnet werden: Wenn man ſie aber nachher billiget; ſo wird die Billigung zugerechnet.

§. 5.

Eine Hand - lung wie - der Wil - len, mit Willen, oder freywil - lige.

Von einer gezwungenen Handlung iſt diejenige unterſchieden, welche man eine Handlung wieder Willen nennet (actio - nem invitam), wenn jemand das thut, was er lieber unterlaſſen, und das unterlaͤßt, was er gern thun wolte, wenn er nur ein Uebel, welches aus der entgegen geſetzten Hand - lung entſtehet, vermeiden koͤnte. Dieſer wird die freywillige Handlung mit Wil - len (actio voluntaria) entgegen geſetzet, welche weder gezwungen iſt, noch wieder den freyen Willen desjenigen, der handelt, ausgeuͤbet wird. Eine Handlung wie - der Willen wird alſo vollbracht, wenn jemand entweder durch Furcht, oder Gewalt von einem andern bewogen wird, etwas zu thun, oder zu unter - laßen. Eine Handlung wieder ſei - nen Willen wird dennoch zugerechnet, obgleich weniger, als eine freywillige Handlung (§. 3.); weil derjenige, dernicht5und ihrer Zurechnung. nicht freywillig (ungern) eine Handlung ausuͤbt, einige Entſchuldigung hat.

§. 6.

Es ſind aber die freyen HandlungenDie - berlegte Hand - lung, die unuͤber - legte, die Ueberle - gung. entweder uͤberlegte, welche nicht eher, als nach geſchehener Ueberlegung (conſultatio - ne), ausgeuͤbet werden; oder unuͤberlegte, wenn jemand, ohne daß er vorher die Sache uͤberleget, die Handlung ausuͤbt. Es be - ſtehet aber die Ueberlegung in der Wuͤrckung des Verſtandes, durch welche man unter - ſucht, ob eine Handlung auszuuͤben ſey, oder nicht, und auf was vor Art dieſelbe auszu - uͤben ſey. Da nun eine uͤberlegte Hand - lung mehr eine freye Handlung iſt, als ei - ne unuͤberlegte (§. 1.); ſo wird eine - berlegte Handlung mehr zugerech - net, als eine unuͤberlegte; und je mehr die Handlung uͤberlegt worden iſt, deſto mehr wird ſie zugerechnet.

§. 7.

Alles Vermoͤgen (facultates) der SeeleDie Be - ſtim̃ung der Hand - lungen. iſt an und vor ſich ſelbſt zu gewiſſen Hand - lungen, und alle Glieder des Koͤrpers ſind zu gewiſſen Verrichtungen geſchickt; folg - lich ſind ſo wohl dieſe, als jene zu einem ge - wiſſen Zweck beſtimmt, auf welchen die na - tuͤrlichen Handlungen, oder die Handlun - gen der Natur abzielen (§. 1.). Es iſt aber aus der Erfahrung klar, daß die freyen Handlungen, entweder durch ebenA 3die -6I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. dieſelben Endurſachen (rationes fina - les) beſtimmt werden koͤnnen, durch welche die natuͤrlichen Handlungen beſtimmt werden; oder daß es durch verſchiedene geſchehen koͤnne.

§. 8.

Der in - nere Zu - ſtand und der aͤuſ - ſere.

Der Zuſtand uͤberhaupt beſtehet darinn, wenn veraͤnderliche Beſtimmungen (Dinge), d. i. diejenigen die auch anders beſchaffen ſeyn koͤnnen, mit einerley beſtaͤndigen Be - ſtimmungen (Dingen), die nicht anders be - ſchaffen ſeyn koͤnnen, zugleich wuͤrcklich ſind. Dieſer Zuſtand iſt der innere, in ſo weit als dieſe veraͤnderliche Beſtimmungen in eben demſelben Subject ſich befinden; oder der aͤuſſere, in ſo weit ſie ſich neben dem Subject befinden, oder von auſſen zu dem - ſelben gerechnet werden.

§. 9.

Die Vollkom - menheit.

Die Vollkommenheit einer Sache uͤberhaupt beſtehet in der Uebereinſtimmung des Mannigfaltigen in einem, oder des Vie - len, was von einander unterſchieden in ei - ner Sache enthalten iſt. Die Ueberein - ſtimmung aber nennt man die Beſtim - mung, wodurch alles, etwas gewiſſes zu er - halten, zuſammen geſchickt iſt. Alſo beſte - het die Vollkommenheit einer Uhr darinne, daß ſie durch ihre Einrichtung die Stun - de und ihre Theile genau anzeigen kann.

§. 10.7und ihrer Zurechnung.

§. 10.

Jm Gegentheil beſtehet die Unvoll -Die Un - vollkom - menheit. kommenheit in dem Mangel der Ueber - einſtimmung (diſſenſu) des Mannigfaltigen, oder des Vielen, ſo von einander unterſchie - den iſt in einer Sache. Es beſtehet aber der Mangel der Uebereinſtimmung (diſſenſus), wenn in derſelben nicht alles ſo beſchaffen iſt, wie es ſeyn ſollte, um da - durch zuſammen etwas gewiſſes zu erhalten. Alſo iſt ein unvollkommenes Auge, wenn einige Dinge in der Einrichtung deſſelben vorkommen, welche verhindern, daß eine Sache, die man ſiehet, nicht klar und deutlich in demſelben abgebildet werden kann.

§. 11.

Es iſt aber die weſentliche Vollkom -Die we - ſentliche und acci - dentelle Vollkom - menheit; Hand - lungen, welche dahin ab - zielen. menheit (perfectio eſſentialis) diejenige, welche in der Uebereinſtimmung der weſent - lichen Beſtimmungen enthalten iſt; durch welche man ſich naͤmlich eine Sache, als ei - ne Sache von dieſer Art, oder Gattung vor - ſtellet. Die accidentelle (accidentalis) Vollkommenheit aber iſt diejenige, wel - che in der Uebereinſtimmung der accidentel - len Beſtimmungen mit den weſentlichen be - ſtehet; als z. E. wenn die Fertigkeit erhal - ten wird, die Kraͤfte der Seele, oder die be - wegenden Glieder des Koͤrpers zu gebrau - chen. Die accidentelle Vollkommen -A 4heit8I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. heit muß alſo eben denſelben Beſtim - mungsgrund haben, den die weſent - liche Vollkommenheit hat (§. 9.); daher haben die freyen Handlungen, welche mit den natuͤrlichen durch ei - nerley Endzwecke (rationes finales) be - ſtimmt werden, die Abſicht, die Voll - kommenheit des Menſchen, oder ſei - nes Zuſtandes zu befoͤrdern (§. 8. 9. ); und derowegen befoͤrdern diejenigen die Unvollkommenheit, welche durch verſchiedene Endzwecke beſtimmt werden.

§. 12.

Die gu - ten und boͤſen Hand - lungen.

Da man alles dasjenige gut nennet, was den Menſchen und ſeinen Zuſtand voll - kommener macht; boͤſe oder uͤbel aber, was denſelben unvollkommener macht; ſo ſind diejenigen freyen Handlungen gut, die zur Vollkommenheit des Men - ſchen und ſeines Zuſtandes behuͤlflich ſind; und folglich mit den natuͤrlichen Handlungen, durch einerley Endzwe - cke beſtimmt worden ſind. Boͤſe aber ſind diejenigen, welche auf die Un - vollkommenheit des Menſchen und ſeines Zuſtandes abzielen; und folglich mit den natuͤrlichen Handlungen nicht durch einerley Endzwecke, ſon - dern durch verſchiedene beſtimmt werden.

§. 13.9und ihrer Zurechnung.

§. 13.

Eine Handlung iſt an und vor ſichEine Hand - lung die an und vor ſich ſelbſt gut, an und vor ſich ſelbſt boͤ - ſe, an und vor ſich ſelbſt gleich - guͤltig iſt. ſelbſt gut (actio in ſe bona), welche durch ihre weſentliche Beſtimmungen, das iſt durch diejenigen, welche machen, daß man ſie ſich als eine ſolche Handlung vorſtellt, gut iſt. Auf eben die Art erkennet man, was eine an und vor ſich ſelbſt boͤſe Handlung ſey (actio in ſe mala). Die Handlung aber, welche in ſich betrachtet we - der gut, noch boͤſe iſt, wird eine an und vor ſich gleichguͤltige Handlung (actio per ſe indifferens) genannt. Jn ſo fern ſie aber wegen der zufaͤlligen (acciden - tales) Beſtimmungen, die dazu kom - men, entweder zu unſerer, oder un - ſeres Zuſtandes Vollkommenheit, oder Unvollkommenheit gereichet, wird ſie entweder gut, oder boͤſe.

§. 14.

Derowegen haben die HandlungenDie in - nere Guͤ - te und das inne - re Uebel (Schaͤd - lichkeit) der Hand - lungen. eine innere Guͤte, oder ein inneres Uebel; in ſo fern ſie an und vor ſich ſelbſt gut, oder boͤſe ſind, oder wegen der hinzu - kommenden Beſtimmungen (accidentales determinationes) gut, oder boͤſe werden; daß es alſo nicht noͤthig iſt, daß ſie erſt durch einen Befehl gute, oder durch ein Verboth boͤſe Handlungen werden.

A 5§. 15.10I. Th. 1. H. Unterſchiede menſchl. Handl.

§. 15.

Hand - lungen, welche ei - nen Be - wegungs - grund in ſich ent - halten, und an und vor ſich ſelbſt begeh - rens-odeꝛ verab - ſcheu - ungswuͤꝛ - dig ſind.

Weil die Natur des Menſchen ſo be - ſchaffen iſt, daß er das Gute begehret, das Boͤſe aber verabſcheuet; ſo ſind die in ſich guten, oder boͤſen Handlungen an und vor ſich ſelbſt begehrens - oder verabſcheuungswuͤrdig (actiones in - trinſecae bonae, vel malae per ſe appeti - biles, vel averſabiles ſunt). Denn die Handlungen, bey welchen ein inne - res Gute, oder ein inneres Boͤſe be - findlich iſt, (actiones bonitatem, vel ma - litiam intrinſecam habentes) ſind an und vor ſich ſelbſt gut, oder boͤſe, oder werden wegen der dazu kommenden Beſtimmungen (propter determinationes accidentales ac - cedentes) gut, oder boͤſe (§. 14.); folglich enthalten ſie einen Bewegungsgrund in ſich, ſie zu wollen, oder nicht zu wollen (motivum volitionis & nolitionis in ſe continent); ſo daß, wenn man ſie deutlich erkennet, man ſie entweder will, oder nicht will. Daher aber erhellet fer - ner, 1) daß die Handlungen, welche die Volkommenheit des Menſchen, oder ſeines Zuſtandes befoͤrdern, ei - nen Bewegungsgrund in ſich ent - halten, ſie zu wollen, und alſo an und vor ſich ſelbſt begehrungsfaͤhig ſind, oder ſo beſchaffen, daß man ſie will; 2) daß aber die Handlungen, welchedie11und ihrer Zurechnung. die Unvollkommenheit des Menſchen, oder ſeines Zuſtandes befoͤrdern, einen Bewegungsgrund in ſich enthalten, ſie nicht zu wollen, und alſo an und vor ſich ſelbſt verabſcheuungsfaͤhig ſind, oder ſo beſchaffen, daß man ſie nicht will.

§. 16.

Die Richtigkeit einer HandlungDie Richtig - keit einer Hand - lung. (rectitudo actionis) iſt die Uebereinſtim - mung derſelben mit allen weſentlichen Be - ſtimmungen des Menſchen, ſo daß alſo die Handlung den hinreichenden Grund in ih - nen allen zuſammen genommen habe; und folglich durch dieſelben deutlich eingeſehen werden koͤnne, warum ſie ſo und nicht an - ders beſchaffen ſeyn muͤße. Eine richti - ge Handlung erfordert alſo den uͤber - einſtimmenden Gebrauch aller Kraͤfte der Seele, wie auch der bewegenden Kraft (fa - cultatis loco motivæ).

§. 17.

Derowegen, wenn bey einer freyenDer Mangel der Hand - lung, die Schuld, die Boß - heit. Handlung entweder von Seiten des Verſtandes, oder des Willens, oder der bewegenden Kraft etwas fehlt; ſo entſteht ein Mangel der Richtig - keit. Man nennt aber den Mangel der Richtigkeit einer Handlung, welchen man durch den Gebrauch des Verſtandes haͤtte vermeiden koͤnnen (vincibilem), ein Verſe -hen12I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. hen (culpam). Wenn es aber am Willen fehlet, Boßheit, oder auch unterweilen Vor - ſetzlichkeit (dolum). Ueberhaupt pflegt man auch den Mangel der Richtigkeit einer Handlung im Lateiniſchen culpam zu nen - nen. Ueberwindlich iſt (vincibile), was durch den Gebrauch ſeiner Kraͤfte ver - mieden werden konte. Daher iſt klar, daß ſo wohl die Handlungen, die aus Verſehen, als mit Vorſatz geſchehen, einem zugerechnet werden koͤnnen (§. 3.). Jm Gegentheil aber nennt man das unvermeidlich (invincibile), was durch den Gebrauch unſerer Kraͤſte gar nicht vermieden werden kan. Derowegen weil wir diejenigen Dinge, die durch einen bloſſen Zufall geſchehen, daran wir gar keine Schuld haben, unmoͤglich vermeiden koͤnnen; ſo koͤnnen ſie uns auch nicht zu - gerechnet werden (§. cit. ); als z. E. wenn der Hagel das Getreyde niederſchlaͤgt, oder eine Ueberſchwemmung ein Haus ein - reiſſet.

§. 18.

Was mit Vorſatz und aus Verſehen geſchie - het.

Weil es unmoͤglich iſt, daß wir etwas unbekanntes wollen, oder nicht wollen koͤn - ten; und alſo der Wille und das Nichtwol - len von dem Verſtande, oder der Erkentniß - kraft abhaͤngen; ſo thut derjenige, der vorſetzlich eine boͤſe Handlung voll - bringet, ſolches mit Wiſſen und Wil -len;13und ihrer Zurechnung. len: Wenn er aber aus Verſehen et - was thut; ſo geſchiehet es ohne ſein Wiſſen und Willen.

§. 19.

Das Verſehen und die Boßheit beſtehenUrſprung des Ver - ſehens und der Bosheit. in einem Mangel der Richtigkeit der Hand - lung, den man haͤtte vermeiden koͤnnen (§. 17.). Der Mangel, den man vermeiden kan, entſtehet aus Unterlaſſung des Ge - brauchs unſerer verliehenen Kraͤfte (§. cit.). Alſo kommet das Verſehen und die Boßheit von dem Mangel des Gebrauchs unſerer Kraͤfte.

§. 20.

Von dem Mangel des Gebrauchs mußDas Un - vermoͤ - gen zu handeln. man das Unvermoͤgen zu handeln (impotentiam agendi) unterſcheiden. Es beſtehet daſſelbe darinnen, daß der Gebrauch der Seelen - und Leibes-Kraͤfte nicht von un - ſerem Willen abhaͤnget; und alſo derſelbe uns unmoͤglich wird. Was von dieſem Unvermoͤgen herruͤhret, kan nicht vermieden (§. 17.), und folglich auch nicht zugerechnet werden, wofern wir uns daſſelbe nicht durch unſere Schuld zugezogen haben (§. cit.).

§. 21.

Es giebt viele Wuͤrckungen, welche zurDie Ar - ten des Verſe - hens. Erkentnißkraft gehoͤren; und bey freyen Handlungen, zu den Wuͤrckungen der bewe - genden Kraft vorausgeſetzt werden muͤſſen. Nach14I. Th. 1. H. Unterſchiede menſchl. Handl. Nach ihrer Verſchiedenheit, giebt es daher auch verſchiedene Arten des Verſehens. Al - ſo iſt der Mangel der Aufmerkſamkeit bey unſern Handlungen die Unachtſamkeit (incogitantia); wenn man unterlaͤßt, das - jenige zu bedencken, wodurch man erkennen koͤnnte, was aus ſeiner Handlung unter den gegenwaͤrtigen Umſtaͤnden Gutes oder Boͤſes erfolgen koͤnte, die Unbedachtſam - keit (inconſiderantia); wenn man nicht acht hat auf das Schlimme, was in gegen - waͤrtigem Falle erfolgen kan, und man haͤt - te vorausſehen koͤnnen, die Unvorſich - tigkeit (improvidentia); wenn man alle Ueberlegung, die zur Richtigkeit einer Handlung erfordert wird, bey Seite ſetzet, die Uebereilung (præcipitantia in agendo); der Mangel der Beurtheilung, was zu thun rathſamer ſey, nach Beſchaffenheit der ge - genwaͤrtigen Umſtaͤnde, die Unklugheit (imprudentia); die Abweſenheit aller Sorgfalt wegen der Richtigkeit der Hand - lung, die Sorgloſigkeit (incuria); die Unterlaſſung alles deſſen, was in gewiſſer Abſicht geſchehen ſollte, welche von dem Mangel des Gebrauchs der Erkentnißkraͤf - te herruͤhret, die Nachlaͤßigkeit (ne - gligentia). Daher iſt klar, weswegen man gemeiniglich alle Arten des Verſehens un - ter dem Namen der Nachlaͤßigkeit zu be - greifen pflegt; und daß der Fleiß (dili -gentia),15und ihrer Zurechnung. gentia), welcher ihr entgegen geſetzet wird, darinnen beſtehet, daß man alles dasjenige thut, was in einer gewiſſen Abſicht geſche - hen muß.

§. 22.

Man hat auch einen Mangel der Rich -Das mittlere, oder vor - ſetzliche Verſe - hen. tigkeit der Handlung, welcher in dem Falle entſtehet, da gewiſſe Pflichten nicht zugleich beobachtet werden koͤnnen, und die Ausnah - me nicht recht gemacht wird. Dieſe wol - len wir das mitlere Verſehen, oder das Mitlere zwiſchen Verſehen und Boß - heit (culpam mediam) nennen, andere nennen ſie ein vorſetzliches Vorſehen (culpam propoſiti); als z. E. wenn je - mand, aus Mitleiden, dem Knecht des an - dern, der gefeſſelt iſt, die Ketten loß macht, damit er davon laufen kan. Was alſo durch eine mitlere Handlung zwi - ſchen Verſehen und Boßheit ge - ſchieht, das weiß einer zwar, aber er will es doch nicht vor und an ſich ſelbſt (directe). Dieſes Mitlere zwi - ſchen Verſehen und Boßheit wird unten, bey der Abhandlung von den Pflichten, die nicht zugleich beobachtet werden koͤnnen (colliſio - ne officiorum), klaͤrer werden.

§. 23.

Die Intention (intentio agentis) iſt dasDie In - tention, ſowohl die ei - Wollen desjenigen (volitio ejus), warum man etwas thut; als z. E. wenn man einfal -16I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. gentliche, als die entfernte.falſches Zeugniß ableget, damit ein Unſchul - diger verdammt werden ſoll. Dieſe Inten - tion iſt die eigentliche (directa), wodurch eben dasjenige hervor gebracht werden ſoll, warum man etwas thut; als in dem gege - benen Exempel iſt die eigentliche Intention, daß der Unſchuldige ſoll verdammet werden. Die entfernte Intention (indirecta) iſt, da man eben dasjenige an und vor ſich ſelbſt nicht will, was aus ſeiner Handlung erfolgt, welches doch aber eben ſo wohl, als das, was man will, aus derſelben er - folgen kann. Gleicherweiſe iſt die Abſicht theils unmittelbar (immediata), da man auf eine Sache, um ihrer ſelbſt willen, ei - ne Abſicht hat; theils mittelbar (mediata), da man auf eine Sache wegen einer andern die Abſicht hat, in ſo ferne wir naͤmlich durch dieſelbe das erhalten, worauf man die Abſicht hat.

§. 24.

Eine gu - te Liſt und eine ſchlimme.

Die Alten nenneten eine gute Liſt (dolum bonum), die Verſtellung ſeiner wahren Willensmeinung, wegen einer nicht unerlaubten Abſicht. Daher wird, im Ge - genſatz gegen dieſelbe, das eine ſchlimme Liſt (dolus malus) genennet, wovon wir vorhin geredet und welche wir die Boßheit genannt haben (§. 17.).

§. 25.17und ihrer Zurechnung.

§. 25.

Die ſchlimme Liſt, oder Boßheit, wirdEine vor - ſetzliche Boßheit, und eine zum Theil unvorſetz - liche Boß - heit. eingetheilt 1) in die vorſetzliche Boß - heit (dolum ex propoſito), da man das Uebel, was aus einer Handlung entſpringet, entweder eigentlich, oder entfernter Weiſe zur Abſicht hat. 2) Jn die zum Theil unvorſetzliche Boßheit (dolum ex re), da man das Uebel zwar nicht zur Abſicht hat, aber nachdem man es nach geſchehe - ner That erkannt, doch will, daß derjenige, den es betroffen, den Schaden tragen ſoll. Jn dem erſten Fall wird ein unaͤchter Edel - ſtein wiſſentlich fuͤr einen wahren verkauft; in dem letzten, von einem der es zwar nicht weiß, aber doch nach dieſem, was bezahlt worden iſt, nicht wieder herausgeben will.

§. 26.

Die Menſchen pflegen auch oft anDie Theil - nehmung an der Hand - lung ei - nes an - dern. den Handlungen eines andern Theil zu nehmen (concurrunt ad actionem), in ſo weit ſie naͤmlich durch eine von ihren Handlungen zur Wuͤrcklichkeit der Handlun - gen des andern etwas beytragen, entweder durch ihren Verſtand, da ſie den Begriff ei - ner Handlung einem beybringen, der nichts davon weiß, die Umſtaͤnde, die in gewiſ - ſen Faͤllen vorfallen, bekannt machen, rath - geben, Bewegungsgruͤnde etwas zu thun, oder zu unterlaſſen beybringen; oder durch ih - ren Willen, als durch befehlen, bitten, ver -Nat. u. Voͤlckerrecht. Bbiethen,18I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. biethen, anmahnen, abmahnen, bedrohen, anlocken, anhalten oder noͤthigen, anrathen oder abrathen; indem wir auf dieſe Weiſe, was wir wollen, oder nicht wollen, dem an - dern zu verſtehen geben; oder endlich durch eine Wuͤrckung der bewegenden Kraft, als wenn wir andern helfen, benoͤthigten Werk - zeuge hergeben, in der Abſicht Exempel ge - ben, den andern anzureitzen, eben das zu thun. Es iſt daher leicht klar, daß die Menſchen, durch Theilnehmung an einer Handlung, auch derſelben theil - haftig werden; und daß uns folglich die Handlung des andern, an welcher wir theilnehmen, in ſo weit zuge - rechnet werde, als dieſe Theilneh - mung von unſerem freyen Willen ab - haͤngt (§. 3.); daß aber eines andern Handlung, an der wir auf keine Weiſe theilnehmen, uns auch nicht koͤnne zugerechnet werden. Die ver - ſchiedenen Arten, durch welche man an der Handlung des andern theilnehmen kann, be - zeugen es hinlaͤnglich, daß bey der Theil - nehmung ſo wohl ein Verſehen (cul - pa), als Boßheit (dolus) ſtat fin - den kann, und daß uns alſo eines an - dern Handlung bald mehr, bald we - niger zugerechnet werden koͤnne.

§. 27.

Die Einwilli -

Zu den inneren Handlungen gehoͤrt dieEin -19und ihrer Zurechnung. Einwilligung (conſenſus), welche darinnengung und wie vie - lerley dieſelbe iſt. beſtehet, daß wir wollen, es ſolle eben das - jenige geſchehen, oder unterlaſſen werden, was der andere thun, oder unterlaſſen will. Wenn man mit ausdruͤcklichen Worten, oder durch ein anderes gleichguͤltiges Zeichen er - klaͤret, daß man eben das wolle, was der andere will, ſo heißt dieſes die ausdruͤck - liche Einwilligung (conſenſus expreſ - ſus); wenn dieſelbe aber anderswoher, als z. E. aus Handlungen, oder Unterlaßungen derſelben geſchloſſen wird, ſo nennt man ſie die ſtillſchweigende Einwilligung (ta - citum conſenſum); und eben dieſelbe wird die vermuthete Einwilligung (con - ſenſus præſumtus) genannt, wenn ſie nur wahrſcheinlicher Weiſe geſchloſſen wird. Denn die Vermuthung (præſumtio) be - ſtehet darinnen, daß man, aus wahrſchein - lichen Gruͤnden, eine zweifelhafte Sache, in einem vorkommenden Falle, vor gewiß an - nimmet. Da die Art und Weiſe, wie man ſeine Willens-Meinung in Abſicht einer ge - wiſſen Handlung anzeigt, die Handlung ſelbſt nicht veraͤndert; ſo iſt die ſtill - ſchweigende Einwilligung nicht we - niger eine wahre Einwilligung, als die ausdruͤckliche.

§. 28.

Der Einwilligung wird der wiedrigeDer Wieder - wille. Wille (diſſenſus) entgegen geſetzet, da manB 2will,20I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. will, das ſolle geſchehen, was der andere nicht will, daß es geſchehen ſoll, oder daß das nicht geſchehe, was der will, daß es geſchehen ſoll. Es iſt aber, eben auf die Art, wie vorher (§. 27.), klar, daß der wiedrige Wille ent - weder der ſtillſchweigende, oder der ausdruͤckliche ſey; wie auch, welcher der vermuthete (præſumtus) genanut wird; und daß der ſtilſchweigende nicht we - niger, als der ausdruͤckliche, ein wah - ter Wiederwille ſey.

§. 29.

Die Ge - nehm - haltung.

Die Anzeige der Einwilligung, ſie mag ausdruͤcklich, oder ſtillſchweigend geſchehen, wenn ſie nachgehends (ex poſtfacto) dazu koͤmt, wird die Genehmhaltung (rati - habitio) genant. Derowegen giebt der - jenige, der eine Handlung genehm - haͤlt, zu erkennen, daß er in dieſelbe gewilliget habe; daß es alſo eben ſo viel iſt, als ob ſie mit ſeiner Einwilligung ge - ſchehen waͤre.

§. 30.

Warum man die vermu - thete Einwil - ligung keine wahre nennen koͤnne.

Uebrigens ſagt man, in eben der Bedeu - tung, daß wir etwas ausdruͤcklich wol - len, oder nicht wollen (expreſſe velle, vel nolle); wie auch, daß Wollen und nicht Wollen vermuthet werde. Wahrſcheinliche Dinge koͤnnen falſch ſeyn, und es iſt nicht gantz gewiß, ob ſie wahr ſind, oder nicht. Daher kann auch diever -21und ihrer Zurechnung. vermuthete Einwilligung, oder das vermuthete Wollen und nicht Wol - len falſch ſeyn (truͤgen); und folglich kann ſie nicht wahr genannt werden; aber ſie wird, wie alles wahrſchein - liche, ſo lange vor wahr gehalten, bis man das Gegentheil beweiſet. Wenn alſo das Gegentheil bewieſen wird, ſo daß gewiß iſt, dasjenige ſey falſch, was man fuͤr wahr hielt; ſo uͤberwindet die Wahrheit die Vermuthung, ſo daß dieſe denn aufhoͤret.

§. 31.

Die ſtillſchweigende Genehmhal -Die Ei - genſchaff - ten der Genehm - haltung. tung erfordert die Kentnis der Hand - lung, die genehmgehalten wird; weil derjenige, welcher eine Handlung des an - dern genehmhaͤlt, ſeine Einwilligung nach - her anzeigt (§. 29.): und weil die ſtill - ſchweigende Einwilligung aus dem, was man gethan, oder unterlaſſen, geſchloſſen wird; ſo erfordert die ſtillſchweigende Genehmhaltung, daß die genehmhal - tende Perſon etwas thut, oder unter - laͤßt, welches ſie nicht haͤtte thun, oder unterlaſſen koͤnnen, wenn man dasje - nige nicht voraus ſetzet, was genehm - gehalten werden ſoll.

§. 32.

Die Unwiſſenheit (ignorantiam) nenntDie Un - wiſſen - heit. man den Mangel eines Begriffes von einer Sache an ſich, oder von einem Ur -B 3theile,22I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. theile, welches ſich auf die Sache beziehet. Die Unwiſſenheit laͤßt alſo keine ſtill - ſchweigende Genehmhaltung zu (§. 31.), und wenn dieſelbe nicht vermie - den werden konte, ſo entſchuldiget ſie; aber nicht alsdenn, wenn ſie haͤt - te koͤnnen vermieden werden (§. 17.); und dieſe hat einen Einfluß in das Verſehen.

§. 33.

Die zu - ſammen - geſetzte Unwiſ - ſenheit, oder der Jrthum.

Die Scholaſticker nennen dieſe Unwiſſen - heit die einfache (ſimplicem); den Jr - thum (errorem) nennen ſie die zuſam - mengeſetzte Unwiſſenheit (ignorantiam compoſitam), da man Begriffe verbindet, welche nicht verbunden werden koͤnnen. Denn der irret, der einen wahren Satz fuͤr einen falſchen haͤlt, und folglich dem Sub - ject entweder eine bejahende, oder verneinen - de Eigenſchafft zueignet, welche demſelben nicht zukommen kann. Daher nennet man den Jrthum, den Mangel der Uebereinſtim - mung des Begriffs mit der Sache; und es iſt klar, daß ein Jrthum, der vermie - den werden kann, einen Einfluß in das Verſehen hat und einen nicht entſchul - diget (§. 17.).

§. 34.

Von der Zurech - nung der

Gleicherweiſe iſt offenbahr, daß ſo wohl die Unwiſſenheit (§. 32.), oder der Jrthum (§. 33.), wenn beyde haͤt -ten23und ihrer Zurechnung. ten koͤnnen vermieden werden, mitUnwiſ - ſenheit u. des Jr - thums. recht zugerechnet werden (§. 3. 17.). Jm Gegentheil aber iſt klar, daß die Un - wiſſenheit und der Jrthum, wenn ſie nicht vermieden werden koͤnnen, auch nicht zugerechnet werden koͤnnen. Eben dieſes muß man von den Handlun - gen behaupten, die aus Unwiſſenheit und Jrthum geſchehen.

Das zweyte Hauptſtuͤck.

Von der Verbindlichkeit, dem Rechte und Geſetze, und dem Grundſatze des Rechts der Natur.

§. 35.

Die Verbindlichkeit, wenn man ſieDie thaͤ - tige Ver - bindlich - keit. wie eine Handlung betrachtet, die wir die thaͤtige (obligationem activam) nennen wollen, iſt die Verbin - dung eines Bewegungsgrundes mit einer Handlung, es mag dieſelbe eine auszuuͤbende, oder zu unterlaſſende ſeyn. Es beſtehet aber ein Bewegungsgrund (motivum) in der Vorſtellung des Guten, welches aus der auszuuͤbenden Handlung, und des Boͤſen, welches aus der zu unterlaſſenden Handlung fließt. Da wir nichts anders wollen, als was wir uns als gut vorſtellen, und nichts anders nicht wollen, als was wir uns als boͤſeB 4oder24I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,oder ſchlimm vorſtellen; ſo erhellet aus der Natur des Willens und des Nichtwollens, daß der Menſch nicht anders ver - bunden werden kann, als durch ei - nen Bewegungsgrund, der mit der Handlung verknuͤpft wird.

§. 36.

Daß es eine na - tuͤrliche Verbind - lichkeit giebt.

Selbſt durch die Natur wird der Menſch verbunden, die Handlungen zubegehen, welche ſeine und ſeines Zu - ſtandes Vollkommenheit befoͤrdern. Denn, weil die Handlungen, welche die Voll - kommenheit des Menſchen und ſeines Zu - ſtandes befoͤrdern, einen Bewegungsgrund des Willens, diejenigen aber, welche die Un - vollkommenheit befoͤrdern, einen Bewe - gungsgrund des Nichtwollens in ſich ent - halten; ſo ſind jene an und vor ſich ſelbſt begehrunswuͤrdig, dieſe verabſcheuungswuͤr - dig (§. 15.). Folglich wird der Menſch auch durch die Natur zu denjeni - gen Handlungen verbunden, welche, wie die natuͤrlichen, durch eben dieſelbe Endurſachen (rationes finales), nicht aber durch verſchiedene beſtimt werden (§. 11).

§. 37.

Sittlich moͤglich, unmoͤg - lich und nothwen - dig. Die

Weil es unmoͤglich iſt, daß etwas zu - gleich ſeyn und nicht ſeyn kann; ſo iſt es noth - wendig, daß ein Menſch, der ein menſch - liches Leben, oder ein Leben, das ſeiner Na -tur25dem Rechte und Geſetze ꝛc. tur gemaͤß iſt, fuͤhren will, ſo und nicht an -leidende Verbind - lichkeit. ders ſeine Handlungen beſtimme. Daher nennet man das ſittlich unmoͤglich (mo - raliter impoſſibile), was der Natur des Menſchen, als eines vernuͤnftig handelnden Weſens, wiederſpricht; ſittlich moͤg - lich (moraliter poſſibile) aber iſt, was derſelben nicht wiederſpricht, oder mit derſelben uͤbereinkoͤmt, das iſt, wel - ches einen hinreichenden Grund in der - ſelben hat. Und ſittlich nothwen - dig (moraliter neceſſarium) iſt dasjenige, deſſen Gegentheil (moraliſch) ſittlich unmoͤg - lich iſt. Die ſittliche Nothwendigkeit zu handeln ſelbſt iſt die Verbindlichkeit (obligatio), welche wir die leidende (obligationem paſſivam), in Gegenſatze ge - gen die thaͤtige (§. 36.), nennen. Gemei - niglich nennt man ſie ſchlechtweg die Ver - bindlichkeit (die Obligation), und giebt auf die thaͤtige Verbindlichkeit nicht Achtung. Daß niemand dazu verbunden wer - den koͤnne, was entweder an und vor ſich ſelbſt, oder ihm unmoͤglich iſt; darf nicht bewieſen werden.

§. 38.

Wie die natuͤrli - che Ver - bindlich - keit be - ſchaf - fen ſey.

Dieſe Verbindlichkeit aber ſo wohl die thaͤtige, als leidende: welche ſelbſt aus der Natur koͤmt, wird die natuͤrliche (natu - ralis) genant. Daß alſo die natuͤrli -B 5che26I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,che Verbindlichkeit diejenige iſt, wel - che ihren hinreichenden Grund ſelbſt in dem Weſen und der Natur des Menſchen und der uͤbrigen Dinge hat. Da nun dieſe unveraͤnderlich und nothwendig iſt; ſo iſt die natuͤrliche Verbindlichkeit auch unveraͤnderlich und nothwendig; weil dieſelbe alſo bald da iſt, als man das Weſen und die Natur des Men - ſchen und der uͤbrigen Dinge annimt.

§. 39.

Ein na - tuͤrliches, wilkuͤhr - liches, ein goͤttliches u. menſch - liches Ge - ſetz.

Ein Geſetz nennt man die Vorſchrift, nach welcher wir unſere Handlungen einzu - richten verbunden ſind. Man nennt dasje - nige ein natuͤrliches Geſetz, welches ſei - nen hinreichenden Grund ſelbſt in der Na - tur des Menſchen und der Dinge hat. Aber ein wilkuͤhrliches (lex poſitiva) iſt das - jenige, deſſen Verbindlichkeit von dem Willen eines vernuͤnftigen Weſens abhaͤn - get; und beſonders iſt es ein goͤttliches Geſetz, wenn es von dem Willen Gottes, ein menſchliches (weltliches) aber, wenn es von dem Willen eines Menſchen abhaͤn - get. Das Geſetz der Natur, wird gemei - niglich auch das Recht der Natur genannt.

§. 40.

Die Un - veraͤn - derlich - keit des

Das Geſetz der Natur iſt unveraͤn - derlich und nothwendig. Denn weil das Geſetz der Natur den hinreichen -den27dem Rechte und Geſetze ꝛc. den Grund in der Natur des MenſchenGeſetzes der Na - tur. und der Dinge ſelbſt hat (§. 39.); und alſo eine natuͤrliche Verbindlichkeit in ſich faſſet (§. 38.), dieſe aber unver - aͤnderlich und nothwendig iſt; ſo muß es auch das Geſetz der Natur ſeyn (§. cit.).

§. 41.

Da das Weſen und die Natur des Men -Der Ur - heber des Geſetzes der Na - tur. ſchen und der Dinge von GOtt ihren Ur - ſprung haben, und man, bey deren Anneh - mung, ſogleich das Geſetz der Natur (§. 40.) und deſſelben Verbindlichkeit (§. 38.) an - nehmen muß; ſo iſt der Urheber des Geſetzes der Natur GOtt ſelbſt, der den Menſchen verbindet, ſeine Hand - lungen demſelben gemaͤß einzurich - ten; und alſo iſt die natuͤrliche Ver - bindlichkeit auch eine goͤttliche; und das natuͤrliche Geſetz iſt auch ein goͤttliches (§. 39.).

§. 42.

Auf gleiche weiſe beweiſen wir, daß dasDie All - gemein - heit des Geſetzes der Na - tur. Geſetz der Natur alle Menſchen ver - binde; und daß von der natuͤrlichen Verbindlichkeit kein Meuſch befreyt werden koͤnne; weil naͤmlich das natuͤr - liche Geſetz den hinreichenden Grund in der Natur des Menſchen und der Dinge ſelbſt hat (§. 39.), und die Verbindlichkeit, welche daſſelbe in ſich begreift (§. 40.), al - ſo bald ſtatt findet, wenn man die Natur unddas28I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,das Weſen der Menſchen und der uͤbrigen Dinge annimt (§. 38.).

§. 43.

Der al - gemeine Grund - ſatz des Rechts der Na - tur.

Aus eben demſelben Grunde, verbin - det uns das Geſetz der Natur, die Handlungen auszuuͤben, welche die Vollkommenheit des Menſchen und ſeines Zuſtandes befoͤrdern; und die - jenigen zu unterlaſſen, welche ſeine und ſeines Zuſtandes Unvollkommen - heit befoͤrdern; folglich, die freyen Handlungen mit den natuͤrlichen, durch eben dieſelben Endurſachen, nicht aber durch verſchiedene zu be - ſtimmen (§. 36. 39. ); und gleichfals alle Gefahr von uns und unſerm Zu - ſtande abzuwenden. Dieſer Grundſatz des Rechts der Natur (principium juris naturæ) iſt gantz allgemein. Aus demſel - ben werden, durch eine beſtaͤndige Ver - bindung von Schluͤſſen, alle Wahrheiten hergeleitet, welche zum Rechte der Natur gehoͤren; wie aus dem folgenden, hinlaͤng - lich klar werden wird. Diejenigen, wel - che aus dem Willen GOttes das Recht der Natur herleiten wollen, muͤſſen dieſen Grundſatz zulaßen, weil GOtt die Men - ſchen verbindet, ihre Handlungen dem Geſetz der Natur gemaͤß einzurichten (§. 41.).

§. 44.

Daß und wie die

Unter den Menſchen treffen wir die Be -duͤrfnis29dem Rechte und Geſetze ꝛc. duͤrfnis an, daß niemand ſich und ſeinenMen - ſchen un - ter ein - ander ei - ner gegen den an - dern ver - bunden iſt. Zuſtand allein vollkommen machen kann; ſondern ein jeder anderer Huͤlfe noͤthig hat. Da nun das Geſetz der Natur die Menſchen verbindet, ſich und ihren Zuſtand vollkom - mener zu machen, und die Unvollkommen - heit abzuwenden (§. 43.); ſo verbindet das Recht der Natur die Menſchen, 1) ſich und ihren Zuſtand mit verei - nigten Kraͤften vollkommener zu ma - chen; und ein jeder iſt verbunden, zur Vollkommenheit des andern ſo viel beyzutragen, als er kann; folglich ſo viel ohne Schaden der Verbindlichkeit gegen ſich ſelbſt (§ 42.), in den Faͤl - len, in welchen einer des andern Huͤlfe noͤthig hat, geſchehen kann; weil es keinem frey ſtehet, daß er die Ver - bindlichkeit, die er ſich ſelbſt ſchuldig iſt, ver - abſaͤume (§. cit. ): 2) auch alle Hand - lungen zu unterlaßen, wodurch der andere, oder ſein Zuſtand unvollkom - mener gemacht wird.

§. 45.

Weil ein jeder ſchuldig iſt, ſeiner Verbind -Von demjeni - gen, was noͤthig iſt, damit der Ver - bindlich - keit ein Genuͤge geſchehe. lichkeit ein Genuͤge zu leiſten (§. 42.); ſo ſtehet einem jeden frey, das zu thun, ohne welchem er ſeiner Verbindlich - keit kein Genuͤge leiſten, oder dieſel - be nicht erfuͤllen kann. Wie weit ſich dieſe Freyheit erſtrecket, muß man aus derNoth -30I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,Nothwendigkeit derjenigen Dinge beurthei - len, die zur Erfuͤllung der natuͤrlichen Ver - bindlichkeit erfordert werden.

§. 46.

Was das Recht iſt u. der Ur - ſprung deſſel - ben.

Die Faͤhigkeit, oder das moraliſche Ver - moͤgen etwas zu thun, oder zu unterlaſſen, wird das Recht genannt. Daher erhel - let, daß das Recht aus der leidenden Verbindlichkeit entſtehe; und daß kein Recht ſeyn wuͤrde, wenn keine Verbindlichkeit da waͤre; wie auch, daß uns durch das natuͤrliche Geſetze ein Recht zu allen denjenigen Hand - lungen gegeben werde, ohne welche wir die natuͤrliche Verbindlichkeit nicht erfuͤllen koͤnnen (§. 45.). Alſo hat man ein Recht zum Gebrauch der Spei - ſen; weil wir verbunden ſind unſeren Leib zu erhalten, und dieſes beſtehet in der Faͤ - higkeit, die Speiſen dieſer Verbindlich - keit gemaͤß einzurichten. Wenn uns al - ſo das Geſetze der Natur zu einem Zweck verbindet, ſo giebt es uns auch ein Recht zu den Mitteln; folg - lich, wenn nur ein eintziges Mittel da iſt, ſo bedienen wir uns auch deſſel - ben mit Recht. Denn es iſt ohnmoͤg - lich, daß man einen Zweck erhalten kann, oh - ne ſich der Mittel zu bedienen.

§. 47.

Ein ge - biethen -

Das Geſetz der Natur nennt man einGeboth,31dem Rechte und Geſetze ꝛc. Geboth, oder gebiethendes Geſetzdes, ver - biethen - des, er - lauben - des Ge - ſetz. (præceptiva), welches uns verbindet, Hand - lungen auszuuͤben; ein (Verboth), oder verbiethendes Geſetz (lex prohibitiva), welches uns verbindet, Handlungen zu unter - laſſen; eine Erlaubniß, oder ein erlau - bendes Geſetz (permiſſiva), welches uns das Recht giebt, etwas zu thun, oder zu un - terlaſſen. Eben dieſe Eintheilung findet auch bey den wilkuͤhrlichen Geſetzen (legibus poſitivis) ſtat.

§. 48.

Die Natur des Me[n] ſchen iſt ſo beſchaf -Ein voll - kommen - machen - des Geſetz der Na - tur. fen, daß er dasjenige dem andern vorzieht, von welchem er erkennet, daß es beſſer ſey, als das andere. Es iſt aber die natuͤrliche Verbindlichkeit da, ſo bald die Natur und das Weſen des Menſchen und der Dinge da iſt (§. 38.), und das Geſetz der Natur enthaͤlt die natuͤrliche Verbindlichkeit in ſich (§. 40.); daher verbindet uns auch das Geſetz der Natur, dasjenige, was beſ - ſer iſt, dem andern vorzuziehen; und in ſo weit, als es uns hierzu verbindet, wird es ein volkommenmachendes Geſetz (lex perfectiva) genennet.

§. 49.

Das, was wir auszuuͤben verbunden ſind,Was ſchuldig, was er - laubt u. uner - laubt iſt. iſt unſere Schuldigkeit (debitum); das was mir verbunden ſind, nicht auszuuͤben oder zu unterlaſſen, iſt unerlaubt (illici -tum);32I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,tum); das, zu deſſen Ausuͤbung wir nur das Recht haben, iſt erlaubt (licitum). Die natuͤrliche Schuldigkeit koͤmt alſo von einem natuͤrlichen Geboth; das Unerlaubte von einem Verboth; das Erlaubte von einer Zulaſſung (§. 47.). Ehrbahr oder Ehrlich (hone - ſtum) nennt man alles dasjenige, was mit dem Geſetze der Natur uͤbereinſtimmet, daß alſo derjenige ein ehrlicher Mann (ho - neſtus) genennet wird, der alle ſeine Handlungen nach der Richtſchnur des Geſe - tzes der Natur einrichtet; in ſo weit er naͤmlich nichts vornehmen will, als nur das, was er, ohne Nachtheil ſeiner Verbindlich - keit, und Vermoͤge ſeines Rechtes vorneh - men kann. Daher iſt ferner klar, was das heiſſe: als ein ehrlicher Man leben, oder einen Ehrbahren Wandel fuͤh - ren (honeſte vivere).

§. 50.

Daß der Gebꝛauch des Rechts nicht verhin - dert wer - den muͤße.

Wenn andere das Recht haͤtten, den Ge - brauch des Rechts zu verhindern; ſo wuͤr - den wir gar keinen haben. Ja das Geſetz der Natur wuͤrde ſich ſelbſt zuwieder ſeyn, wenn es dem einen ein Recht gaͤbe, etwas vorzunehmen; und dem andern das Recht zugeſtuͤnde, den Gebrauch dieſes Rechts nach ſeinem Gefallen zu verhindern: da dieſes nun offenbahr wiederſprechend iſt; ſo verbin - det das Geſetz der Natur, indemes33dem Rechte und Geſetze ꝛc. es uns ein Recht giebt, auch die uͤbri - gen den Gebrauch dieſes Rechts nicht zu verhindern, und daher erwaͤchſt uns das Recht nicht zu leiden, daß wir ver - hindert werden; folglich dem zu wie - derſtehen, der ſich bemuͤhet uns zu hin - dern. Es iſt alſo klar, daß die Erlaubniß, nach der Erklaͤrung eines Geſetzes uͤberhaupt, ein Geſetz genennet werde (§. 39. 47.).

§. 51.

Ein Geboth iſt zugleich ein Ver -Ein Ge - both iſt ein Ver - both des Gegen - theils. both des Gegentheils. Denn weil die Ver - bindlichkeit in der moraliſchen Nothwendigkeit zu handeln beſtehet (§. 37.), die natuͤrliche Verbindlichkeit aber gantz unveraͤnderlich iſt (§. 38.); ſo verbindet eben zugleich das Geſetz der Natur das Gegentheil zu unterlaſſen, iudem es uns etwas zu thun verbindet.

§. 52.

Das Geſetz der Natur verbinderDie Ver - bindlich - keit recht zu han - deln. Was richtig iſt. uns, uns vollkommener zu machen (§. 43.), folglich auch einen uͤbereinſtimmenden Gebrauch aller Kraͤffte bey den Hand - lungen zu erhalten (§. 9.). Da nun die Richtigkeit der Handlungen von dem uͤberein - ſtimmenden Gebrauch aller Kraͤfte abhaͤngt (§. 16.); ſo verbindet es uns recht zu han - deln. Und recht (rectum) iſt dasjenige, in welchem von Seiten keiner Kraft etwas mehr erfordert werden kann.

§. 53.

Weil bey einer richtigen Handlung, von Sei -Was zur Richtig -Nat. u. Voͤlckerrecht. Cten34I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,keit der Hand - lung er - fordert wird.ten keiner Kraft, etwas fehlen darf (§. 52.); ſo wird zu einer richtigen Handlung erfordert von Seiten des Verſtandes 1) ein hinlaͤnglich beſtimmter Begriff der Handlung, und ein wahres Urtheil von ihrer Guͤte oder Schaͤdlichkeit, oder von dem Rechte das uns zukoͤmt; 2) von Seiten des Willens und Nicht - wollens daß der Wille beſtimmet wird, durch die innre Guͤte, oder das Recht das uns zukoͤmt, das Nichtwollen aber durch das innere Uebel, oder durch den Mangel des Rechts; 3) endlich von Sei - ten der bewegenden Kraft eine Bewe - gung der Theile des Koͤrpers, die mit den inneren Handlungen uͤbereinſtimmet (§. 16. 14. 43. 46.). Dieſes erſtreckt ſich weiter, als es dem erſten Anſehen nach ſcheinet, weil die Rich - tigkeit auf alle Arten der Handlungen, ſie moͤ - gen beſchaffen ſeyn, wie ſie wollen, ſich erſtreckt.

§. 54.

Das wohlan - ſtaͤndige und un - anſtaͤndi - ge.

Man ſagt dasjenige ſtehe einen wohl an (hominem decet), welches einigen Grund in denen Eigenſchafften hat, die in demſelben befindlich ſind, oder von welchem man ſich vorſtellet, daß ſie ſich in ihm, oder in ſeinem Zuſtand befinden, warum er ſo vielmehr, als anders handeln muß. Das aber iſt unan - ſtaͤndig (dedecet), was mit einer von denen Eigenſchafften, die in ihm ſind, oder von welchen man ſich vorſtellet, daß ſie ſich in ihm befinden, oder mit ſeinem Zuſtande nicht uͤbereinſtimmt, oder demſelben wiederſpricht. Dasjenige, wasdem35dem Rechte und Geſetze ꝛc. dem Menſchen wohl anſtehet, wird der Wohl - ſtand, und was ihm unanſtaͤndig iſt der Uebel - ſtand genennet.

§. 55.

Das na - tuͤrliche Geſetz des wohlan - ſtaͤndi - gen.

Da das Geſetz der Natur auf die Vol - kommenheit des Menſchen dringet (§. 43.), und folglich keinen Wiederſpruch der aͤuſſe - ren Handlungen leidet (§. 9. 10. ); ſo ver - bindet es auch die wohlanſtaͤndigen Handlungen auszuuͤben, und die un - anſtaͤndigen zu unterlaſſen. Man hat alſo ein natuͤrliches Geſetz des Wohl - anſtaͤndigen. Dieſes natuͤrliche Wohlan - ſtaͤndige, auf welches das Geſetz der Natur dringet, muß nicht mit dem willkuͤhrlichen (arbitrario) verwechſelt werden, welches nur bloß nach den Meinungen der Menſchen fuͤr wohlanſtaͤndig angeſehen wird Aus dem, was bis hieher geſagt worden, erhellet von was vor einem weiten Umfang das Recht der Natur ſey.

§. 56.

Das Recht der Natur hat einen hinrei -Von dem Unter - ſcheide des Rechts der Na - tur in ſo weit es in her Natur des Men - ſchen ge - gruͤndet. chenden Grund in der Natur und dem We - ſen der Menſchen (§. 39.). Wenn es alſo denſelben in der Natur und Weſen hat, wel - che den Menſchen und den Thieren gemein iſt, ſo heiſt es das Menſchen und Thiere ge - meine Recht der Natur (jus naturae hominum & brutorum commune); die Roͤ - miſchen Rechtsgelehrten nennen es das Recht der Natur im eingeſchraͤnckteren Verſtande. Wenn es aber in der Natur undC 2dem36I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,dem Weſen, welche den Menſchen eigen - thuͤmlich iſt, oder in demjenigen, worinn der Menſch von den Thieren unterſchieden iſt, ſeinen hinreichenden Grund hat; ſo heiſt es das den Menſchen eigene Recht (ius hominum proprium); bey den Roͤmiſchen Rechtsgelehrten das Voͤlcker-Recht (jus gentium.). Wenn es endlich in demjenigen ſeinen hinreichenden Grund hat, welches in einigen einzelnen Menſchen, oder in einem be - findlich, ſo nennt man es, einiger Men - ſchen, oder eines einigen, eigenes Recht (jus qvorundam, aut unius proprium). Daher erhellet zugleich, welche Verbindlich - keiten allen Menſchen gemein (obliga - tiones omnium hominum communes), und welche einigen oder einem allein ei - gen ſind (qvorundam, vel unius propriae). Eben dieſes muß man auch von den Rechten annehmen, die aus dieſen Verbindlichkeiten flieſſen (§. 46.). Und daher ſind einige Menſchen zu mehreren Dingen ver - bunden, als die uͤbrigen; wie an ſeinem Orte deutlicher gelehret wird.

§. 57.

Erklaͤ - rung und Einthei - lung der Pflicht.

Eine Handlung, die nach dem Geſetz be - ſtimmt iſt, in ſo weit als wir verbunden ſind die - ſelbe alſo zu beſtimmen, wird die Pflicht (officium) genennet; und beſonders die Pflicht gegen ſich ſelbſt, welche der Menſch ſich ſelbſt ſchuldig iſt; die Pflicht gegen andere, welche er andern ſchuldigiſt,37dem Rechte und Geſetze ꝛc. iſt; und endlich die Pflicht gegen GOtt, welche wir GOtt ſchuldig ſind. Daß es Pflichten gebe, die allen Menſchen ge - mein ſind, und Pflichten, die nur ei - nige oder einen betreffen, iſt aus dem, was eben erſt (§. 56.) geſagt worden, klar.

§. 58.

Eine Handlung, die dem Geſetz der NaturWas Suͤnde, Ueber - tretung und Beob - achtung des Geſe - tzes ſey. zuwieder iſt, nennt man eine Suͤnde, und ſie iſt eine Begehungsſuͤnde (peccatum commiſſionis), wenn ſie in einer vollbrachten Handlung beſtehet; eine Unterlaſſungs - ſuͤnde (peccatum omiſſionis) aber, wenn ſie in einer unterlaſſenen Handlung beſtehet, wenn naͤmlich dasjenige nicht geſchiehet, was wir zu thun verbunden waren. Gleich - wie man aber ſagt, daß derjenige ein Ge - ſetz halte, (beobachte, ſervare legem), der das thut, was das Geſetz zu thun verbindet, und das unterlaͤßt, was es verbiethet; alſo uͤbertrit der das Geſetz (legem transgredi - tur), welcher das Gegentheil thut, oder ſuͤn - diget. Daher erhellet, was die Uebertre - tung des Geſetzes (transgreſſio legis) ſey; der die Beobachtung des Geſetzes (cu - ſtodia legis) entgegen geſetzet wird, welches die Bemuͤhung iſt, das Geſetz zu halten.

§. 59.

Wenn man Pflichten gegen andere abſchla - gen kann.

Man iſt andern keine Pflichten ſchuldig, als in ſo fern derjenige, der ſie leiſten ſoll, das Vermoͤgen dazu hat, und der andere nicht im Stande iſt, das, was er verlangt, ſelſt zuC 3thun,38I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,thun, oder ſich zu verſchaffen (§. 44. 57.). Wenn derowegen nicht in unſerm Vermoͤgen iſt dem andern eine Pflicht zu leiſten, oder der andere kan ſich ſelbſt rathen; ſo kann man ſein Begehren mit Recht abſchla - gen (§. 46.). Daher iſt zugleich klar, wenn man unrechtmaͤßiger weiſe einem eine Pflicht verſaget, und wenn man ſolglich durch die - ſes Abſchlagen ſuͤndiget (§. 58).

§. 60.

Was in unſerm Vermoͤ - gen ſte - het, und was nicht in unſern Vermoͤ - gen ſte - het.

Es iſt alſo nothwendig, daß man gehoͤriger maſſen erwege, was in unſerm Vermoͤgen, und was nicht in demſelben ſtehet. Es ſte - het naͤmlich in unſerem Vermoͤgen (in po - teſtate noſtra eſt), was wir durch den Gebrauch unſerer Kraͤfte, ſo wohl des Leibes als der See - len, Dinge die uns zugehoͤren, und durch an - derer Huͤlffe und Beyſtand erhalten, oder vermeiden koͤnnen. Es ſtehet aber nicht in unſern Vermoͤgen, was wir durch den Gebrauch unſerer Kraͤfte des Leibes und der Seele, und der Dinge die uns zugehoͤren, wie auch durch anderer Beyſtand und Huͤlfe zu erhalten, oder zu vermeiden nicht im Stan - de ſind. Es iſt uns aber allein zuzu - rechnen, daß etwas nicht in unſerm Vermoͤgen ſtehet, wenn wir ſelbſt Ur - ſache ſind, warum es nicht in unſerm Vermoͤgen iſt (§. 3.). Es hat dieſe Be - trachtung nicht allein ihren Nutzen, wenn wir andern unſere Pflichten erweiſen; ſondern auch bey anderen Arten der Handlungen. Al -ſo39dem Rechte und Geſetze ꝛc. ſo erſtreckt ſich keine Verbindlichkeit uͤber unſer Vermoͤgen (§. 37.).

§. 61.

Die Pflichten gegen andere, zu deren Lei -Liebes - Dienſte und der - ſelben Verſa - gung. ſtung ein Menſch dem andern natuͤrlicher Weiſe verbunden iſt, werden gemeiniglich Liebes-Dienſte (officia humanitatis), Hoͤf - lichkeits-Pflichten genennt. Dieſelben ver - ſagt man andern alſo mit Recht, wenn es nicht in unſerm Vermoͤgen iſt, ſie zu erweiſen, oder der andere unſere Huͤlffe nicht braucht (§. 59.). Folglich wenn die Perſon, von der etwas be - gehret wird, es nicht thun kan, oder darf (§. 60.); oder wenn dasjenige, was geſchehen ſoll, an ſich, oder ver - moͤge des Geſetzes unmoͤglich iſt; 2) oder die Perſon, welcher der Dienſt ge - leiſtet werden ſoll, nicht ſo beduͤrftig iſt, daß ſie ſich ſelbſt nicht zu helffen weiß (§. 17.).

§. 62.

Uebrigens iſt diejenige Verbindlichkeit eineEine ur - ſpruͤngli - che und eine her - geleitete Verbind - lichkeit. urſpruͤngliche (obligatio primitiva), die ihren naͤchſten Grund in dem Weſen und in der Natur des Menſchen hat; hingegen eine hergeleitete (obligatio derivativa), welche ihren Grund in einer andern Verbindlichkeit, oder in andern Verbindlichkeiten und Rech - ten zugleich hat. Eben dieſes gilt von den Pflichten (§. 57.); und weil aus den Ver - bindlichkeiten die Rechte herkommen (§. 46),C 4auch40I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,auch von den Rechten. Denn es iſt eine be - ſtaͤndige Verbindung zwiſchen allen Verbind - lichkeiten und Rechten, daß eines aus dem andern durch eine ununterbrochene Reihe von Schluͤſſen hergeleitet werden kann; und alſo alle einen Jnbegriff verbundener Wahr - heiten ausmachen, welches ein Syſtem ge - nennet wird, und von uns ein wahres Sy - ſtem (ſyſtema veri nominis); weil dieſe vortrefliche Benennung, wie es auch bey an - dern zu geſchehen pflegt, gar zu ſehr gemiß - brauchet wird.

§. 63.

Der Streit der Geſe - tze und die Aus - nahme.

Es traͤgt ſich bey vorkommenden Faͤllen oͤff - ters zu, daß man mehrere Geſetze der Natur, die man zugleich beobachten ſolte, nicht zu - gleich beobachten kann; ſo ſagt man, daß die Geſetze gegen einander ſtreiten (leges inter ſe collidunt). Weil man nun eines dem andern vorziehen muß, ſo geſchieht eine Ausnahme (exceptio), und das Geſetz wird vorgezogen (vincit), welchem man ein Genuͤge leiſtet; dasjenige aber wird nach - geſetzet (cedit), welchem man kein Genuͤ - ge leiſten kann.

§. 64.

Von der Colliſion, oder dem Streit der Ge - ſetze.

Alſo iſt klar, daß bey der Colliſion der Gebothe von den Pflichten gegen ſich ſelbſt und gegen andere, in dem Fall der Colliſion, der Pflichten gegen ſich ſelbſt und gegen andere, die Pflichten gegen ſich ſelbſt vorgezogen werden;weil41dem Rechte und Geſetze ꝛc. weil das Geboth von den Pflichten gegen an - dere die Ausnahme wuͤrcklich in ſich begreift (§. 44. 59.). Und weil ein Geboth etwas auszuuͤben, ein Verboth etwas zu unterlaßen, verbindet (§. 47.); eine Erlaubniß aber nur ein Recht giebt, etwas auszuuͤben (§. cit. ), folglich die Handlung nur zu einer erlaubten Handlung machet; ſo muß bey der Colli - ſion eines Geboths oder Verboths mit einer Erlaubniß, das Geboth oder Verboth vorgezogen werden (§. 37.). Weil das Verboth das, was das Geboth for - dert, in dem Falle moraliſch unmoͤglich macht (§. 37. 47. ); ſo muß das Verboth dem Geboth vorgezogen werden (§. 37.). Eben auf die Weiſe wird bey der Colliſion von Gebothen das, was uns zu groͤſſerer Vollkommenheit verbin - det, vorgezogen (§. 48.). Andere Faͤlle werden wir am gehoͤrigen Ort vortragen. Denn wie es das Syſtem uͤberhaupt nicht anders zulaͤßt; alſo gehet es auch bey demje - nigen nicht anders an, was eine Nachahmung deſſelben ſeyn ſoll. Eben dieſes nehmen wir auch in andern Faͤllen in acht.

§. 65.

Es kann geſchehen, daß wir zu demjeni -Von der Colliſion einerley Pflichten. gen noch aus einer andern Urſach verbunden ſind, wozu wir ſchon uͤberhaupt einem jeden, weil er ein Menſch iſt, verbunden ſind; und daß alſo die Verbindlichkeit, die aus einer zwiefachen Urſache, oder aus mehrern ent -C 5ſteht,42I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,ſteht, ſtaͤrcker wird. Daher wenn einer - ley Liebes-Dienſt mehrern geleiſtet werden ſoll; ſo wird, im Fall eine Col - liſion entſtehet, die ſtaͤrckere Verbind - lichkeit vorgezogen; oder derjenige muß vorgezogen werden, dem wir mehr verbunden ſind.

§. 66.

Von dem Gebꝛauch des Rechts.

Der Gebrauch des Rechts (exercitium iuris) begreift alle Handlungen in ſich, die vermoͤge deſſelben demjenigen erlaubt ſind, dem das Recht zukoͤmmt. Denn das Recht ſelbſt beſtehet in der bloſſen Moͤglichkeit zu handeln (§. 46.). Und derjenige bedient ſich ſeines Rechts (jure ſuo utitur), der dasjenige wuͤrcklich thut, was er vermoͤge ſeines Rech - tes thun kann. Derowegen muß niemand in dem Gebrauch ſeines Rechts verhin - dert werden (§. 50.). Da uns nun des - wegen ein Recht gegeben wird, damit wir der Verbindlichkeit ein Genuͤgen leiſten koͤn - nen (§. 46.); ſo iſt das der rechte Ge - brauch des Rechts, welchen die Pflich - ten erfordern (§. 57.). Jm Gegentheil be - ſteht der Mißbrauch.

§. 67.

Von der Bekant - machung des Ge - ſetzes.

Die Bekanntmachung des Geſetzes (legis promulgatio) iſt die Handlung, wo - durch denjenigen das Geſetze kund gemacht wird, die es verbinden ſoll. Da nun das Geſetz der Natur ſeinen hinreichenden Grund in der Natur und dem Weſen! desMen -43dem Rechte und Geſetze ꝛc. Menſchen und der Dinge hat (§. 39.); ſo wird durch dieſelbe erkannt, wozu es uns verbindet und ein Recht giebt; folglich, da wir dieſes durch den Gebrauch unſeres Ver - ſtandes erkennen koͤnnen, ſo iſt keine Be - kantmachung bey demſelben noͤthig. Da aber die willkuͤhrlichen Geſetze von dem Willen eines andern herkommen (§. 39.), den man nicht weiß, wenn er nicht bekannt gemacht wird; ſo muͤſſen ſie bekannt ge - macht werden, und koͤnnen auch nicht eher verbinden, als nachdem ſie oͤf - fentlich bekannt gemacht worden ſind. Da nun die Verbindlichkeit von dem Willen des Geſetzgebers koͤmmt (§. cit. ); ſo verbin - den ſie entweder von der Zeit an, da ſie bekannt gemacht worden ſind, oder von der beſtimten Zeit (termino), wel - che in dem Geſetz angezeigt worden. Wem aber das Recht zukomme, Geſetze zu ge - ben, wird am gehoͤrigen Orte vorgetragen werden.

Das dritte Hauptſtuͤck.

Von der allgemeinen Verbindlich - keit und dem allgemeinen Recht der Menſchen uͤberhaupt.

§. 68.

Die allgemeine Verbindlichkeit (ob -Die all - gemeine Verbind - lichkeit. ligatio univerſalis) iſt diejenige, die jeden Menſchen verbindet, in ſo ferner44I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. Das all - gemeine Recht.er ein Menſch iſt. Und das allgemeine Recht (jus univerſale), was aus derſelben entſtehet (§. 46.), iſt dasjenige, was einem je - den Menſchen zukoͤmmt, in ſo fern als er ein Menſch iſt.

§. 69.

Daß es allgemei - ne Ver - bindlich - keiten u. Rechte gebe, und welche dieſelben ſind.

Weil die natuͤrliche Verbindlichkeit ſelbſt in der Natur und dem Weſen des Menſchen ihren hinreichenden Grund hat, und mit der - ſelben zugleich da iſt (§. 38.), und weil die Natur und das Weſen uͤberhaupt bey allen Menſchen einerley iſt; ſo iſt die Verbind - lichkeit, die der Menſch als ein Menſch erfuͤllen muß, bey allen Menſchen ei - nerley; und folglich ſind auch die Rech - te, die dem Menſchen zukommen, in ſo - fern als er ein Menſch iſt, bey jedem Menſchen einerley. Alſo iſt klar, daß es allgemeine Verbindlichkeiten und allgemeine Rechte gebe. Ja, da in dem Rechte der Natur diejenigen vornaͤmlich vor - getragen werden, welche aus der Natur und dem Weſen, ſo allen Menſchen gemein, her - geleitet werden; ſo werden auch in demſelben vorzuͤglich allgemeine Verbindlichkeiten und allgemeine Rechte erklaͤret.

§. 70.

Die na - tuͤrliche Gleich - heit der Men - ſchen.

Jm moraliſchen Verſtande ſind die Men - ſchen einander gleich (homines æquales), deren Rechte und Verbindlichkeiten einerley ſind; aber ungleich (inæquales) diejenigen, deren Verbindlichkeiten und Rechte nicht ei -nerley45und dem allgem. Recht der Menſchen. nerley ſind. Die Menſchen ſind alſo als Menſchen von Natur einander gleich (§. 69.).

§. 71.

Da ein Vorrecht (prærogativa) dasjeni -Es giebt kein na - tuͤrliches Vorrecht ge iſt, welches einem vor dem andern, mit dem er ſonſt gleiches Recht hat, zukoͤmmt; ſo hat kein Menſch von Natur als ein Menſch ein Vorrecht; und daher giebt es auch kein natuͤrliches Vor - recht (§. 70.).

§. 72.

Ja, weil jeder Menſch von Natur mit demVon dem was er - laubt und uner - laubt, u. was man ſchuldig iſt. andern einerley Rechte und einerley Verbind - lichkeiten hat (§. 69.); ſo iſt dasjenige, was natuͤrlicher Weiſe dem einen, in ſo weit als er ein Menſch iſt, erlaubt iſt, auch dem andern erlaubt; ja, was einer dem andern ſchuldig iſt, das iſt der andere ihm auch ſchuldig (§. 49.).

§. 73.

Daher iſt ferner klar, das, was manWas der andere thun und nicht thun ſoll; und die Be - ſtaͤndig - keit der Pflichten gegen an - dere. rechtmaͤßiger Weiſe nicht will, daß es uns von andern geſchehe, das muß man einem andern auch nicht thun; und was man rechtmaͤßiger Weiſe will, daß es geſchehen ſoll, das muß man auch gegen andere ausuͤben. Die - jenigen, welche anders handeln, ſtreben nach einem Vorrecht, und dergleichen findet von Natur unter den Menſchen nicht ſtatt (§. 71.); ſie heben auch die natuͤrliche Gleichheit auf(§. 69.),46I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. (§. 69.), welche in Anſehung der allgemeinen Verbindlichkeiten und Rechte ſo lange beſte - het, als der Menſch ein Menſch iſt, folglich ſo lange er lebet. Wenn alſo auch Un - gleichheiten unter den Menſchen ein - gefuͤhrt werden; denn daß dieſes geſche - hen koͤnne, wird am gehoͤrigen Ort bewieſen; ſo bleibet man ihnen doch das ſchul - dig, was ein Menſch dem andern zu leiſten ſchuldig iſt, oder die Liebes - Dienſte (§. 61.).

§. 74.

Vom an - gebohr - neu Rechte.

Das angebohrne Recht (jus connatum) nennt man dasjenige, welches aus einer an - gebohrnen Verbindlichkeit entſtehet. Es iſt aber eine angebohrne Verbindlichkeit (obligatio connata) diejenige, welche aus der Natur und dem Weſen des Menſchen noth - wendig erfolget, und davon nicht getren - net werden mag. Da nun dieſe wegen der Unveraͤnderlichkeit des Weſens und der Natur unveraͤnderlich iſt, davon ſie gar nicht getrennet werden kann; ſo iſt auch das angebohrne Recht ſo genau mit dem Menſchen verbunden, daß es ihm nicht genommen werden kann; denn er hat daſſelbe um ſeiner Verbindlichkeit ein Genuͤge zu leiſten (§. 46.).

§. 75.

Vom Range.

Der Rang (præcedentia) iſt das Recht des Vorzugs in der Ordnung, die von meh - reren zugleich zu beobachten iſt. Weil unterPerſo -47und dem allgem. Recht der Menſchen. Perſonen, die gleich ſind, kein Rang ſtatt fin - det (§. 70.), ſo koͤmmt auch keinen Men - ſchen von Natur ein Rang zu.

§. 76.

Von Natur haben alle Menſchen einerleyVon dem Recht uͤber die Hand - lungen eines an - dern. Rechte (§. 69.). Wenn wir alſo ein Recht uͤber die Handlungen des andern haben ſolten, ſo, daß er ſeine Handlungen nach unſerm Wil - len einrichten muͤſte, und das nicht thun koͤn - te, was ihm gefiele; ſo wuͤrde er wieder ein Recht uͤber unſere Handlungen haben: da nun dieſes offenbahr wiederſprechend iſt, in - dem es ohne Unterſchied, von allen Menſchen gelten muͤſte; ſo hat niemand von Natur ein Recht uͤber die Handlungen (in actiones) eines andern. Jn dem Weſen und in der Natur des Menſchen, worinn das Geſetz der Natur, und alſo eine jede Ver - bindlichkeit und jedes Recht, das aus derſelben entſtehet, ſeinen hinreichenden Grund hat, iſt kein Grund enthalten, warum dieſem oder jenem Menſchen ein Recht uͤber dieſes oder eines andeꝛn Menſchen Handlungen zukommen ſollte.

§. 77.

Es ſind alſo von Natur die Hand -Von der natuͤr - lichen Freyheit lungen des Menſchen gar nicht dem Willen eines andern, er ſey wer er wolle, unterworffen; und er darf in ſei - nen Handlungen niemanden als ſich ſelbſt folgen. Und dieſe Unabhaͤnglichkeit bey den Handlungen von dem Willen eines andern, oder die Einrichtung (dependen -tia) 48I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. tia) ſeiner Handlungen, nach ſeinen eigenen Wil - len wird die Freyheit (libertas) genannt. Von Natur ſind alſo alle Menſchen frey. Da aber die natuͤrliche Verbindlichkeit unver - aͤnderlich iſt (§. 38.), ſo hebt die Frey - heit die natuͤrliche Verbindlichkeit nicht auf, noch veraͤndert etwas in derſelben.

§. 78.

Was da - her von Seiten der an - dern vor eine Ver - bindlich - keit ſtatt findet.

Da vermoͤge der natuͤrlichen Frey - heit, der Menſch in ſeinen Handlungen ſich bloß nach ſeinem Willen, nicht aber eines an - dern richten darf (§. 77.); ſo iſt eben daher ihm zu erlauben, daß er bey der Be - ſtimmung ſeiner Handlungen ſeinem Urtheil folge, und daß er nicht gehal - ten iſt einem Menſchen Rechenſchaft zu geben, warum er dieſes thue, oder nicht thue; wenn er nur nicht gegen jemand anders etwas unternimmt, welches er zu unterlaſſen vollkommen (perfecte) verbunden iſt (§. 80.).

§. 79.

Beobach - tung der Liebes - Dienſte.

Daher erhellet ferner, daß man es in Beobachtung der Liebes-Dienſte dem Urtheil desjenigen, der ſie leiſtet, uͤber - laſſen muͤſſe, ob es in ſeinem Vermoͤ - gen ſtehe, ſie zu leiſten, oder nicht; eben wie demjenigen, der dieſelben ver - langet, das Urtheil von ſeiner Beduͤrf - nis uͤberlaſſen wird; folglich wenn einer dem andern einen Liebes-Dienſt ab -ſchlaͤgt,49und dem allgem. Recht der Menſchen. ſchlaͤgt; ſo muß es derjenige, der ihn begehrt, damit zufrieden ſeyn, und der andere kann von ihm nicht ge - zwungen werden, daß er ihn leiſten muß. Aber dem ohngeachtet, ſuͤndiget der, welcher ihn ohne Recht abſchlaͤgt (§. 58.).

§. 80.

Und daher erhellet, in welchem VerſtandeVon der vollkom - menen u. unvoll - komme - nen Ver - bindlich - keit, von dem voll - komme - nen und unvoll - komme - nen Rech - te. die Verbindlichkeit zu den Liebes-Dienſten unvollkommen genannt wird, und in welcher Ab - ſicht dieſelben unvollkommen ſchuldige Pflich - ten genannt werden; ſie werden naͤmlich nicht ſo genannt, als ob die natuͤrliche Verbindlich - keit unvolkommen waͤre, ſo daß etwas unſe - rer Freyheit uͤberlaſſen waͤre, ob wir derſelben ein Genuͤge leiſten wolten, oder nicht, als welches der natuͤrlichen Freyheit wiederſpre - chen wuͤrde (§. 77.), ſondern weil derjeni - ge, der um dieſelben bittet den andern nicht zwingen kann, daß er ſie leiſte (§. 79.). Da - her heiſt die Verbindlichkeit eine unvoll - kommene Verbindlichkeit (obligatio im - perfecta), zu deren Erfuͤllung niemand gezwun - gen worden kann; ſo wie im Gegentheil dieje - nige eine vollkommene (perfecta) genannt wird, zu deren Erfuͤllung der andere gezwun - gen werden kann. Und deswegen heiſt fer - ner ein vollkommenes Recht (jus perfe - ctum) dasjenige, welches mit dem Recht verbunden iſt, den andern zu zwingen, daß er der Verbindlichkeit ein Genuͤge leiſte, wennNat. u. Voͤlckerrecht. Der50I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. er dieſelbe nicht erfuͤllen wolte; ein unvoll - kommenes Recht (jus imperfectum) aber, welches das Recht den andern zu zwingen nicht in ſich faſſet. Das vollkommene Recht wird auch allein das Recht, ſonderlich im buͤrgerlichen Geſetzen genannt, wo man nur auf das vollkommene Recht ſiehet; das un - vollkommene wird vom Grotius die Faͤ - higkeit (aptitudo), vom Ariſtoteles aber die Wuͤrdigkeit (meritum) genannt; in ſo weit als derjenige, dem etwas geleiſtet wer - den ſoll, deſſelben werth iſt. Die Wuͤrdig - keit alſo desjenigen, der um einen Lie - bes-Dienſt bittet, iſt die Beduͤrfniß.

§. 81.

Wie das Recht be - ſchaffen iſt, das erfordert wird, der natuͤrli - chen Ob - ligation ein Ge - nuͤge zu leiſten.

Das Recht, welches uns das Geſe - tze der Natur giebt, damit wir unſe - rer Verbindlichkeit ein Gnuͤge thun koͤnnen, da dieſe nothwendig und unveraͤn - derlich iſt (§. 38.), und wir folglich nicht leiden doͤrffen, daß wir in dem Gebrauch unſers Rechtes von einem andern gehindert werden, iſt ein vollkommenes Recht; denn es entſtehet aus der vollkommenen Ver - bindlichkeit, niemanden in dem Gebrauch deſ - ſelben zu hindern (§. 66.), mit dieſer iſt das Recht verbunden, nicht zu leiden, daß wir in dem Gebrauch unſers Rechtes verhindert werden. Da nun dieſes ein vollkommenes iſt (§. 80.); ſo muß auch dasjenige Recht, von dem es ſeinen Urſprung hat, ein voll - kommenes Recht ſeyn. Es iſt alſo ein je -des51und dem allgem. Recht der Menſchen. des angebohrnes Recht ein vollkom - menes Recht (§. 74.).

§. 82.

Und daher erhellet, weil ich verbundenVon dem Rechte Liebes - Dieuſte zu bit - ten. bin, anderer Huͤlfe in denen Faͤllen zu ſuchen, in welchen ich mir ſelbſt nicht hinlaͤnglich hel - fen kann (§. 44.); ſo iſt das Recht, Lie - bes-Dienſte zu bitten, ein vollkomme - nes Recht, obgleich das Recht zu den Lie - bes-Dienſten, die hier und jetzt von die - ſem geleiſtet werden, ein unvollkomme - nes Recht iſt (jus imperfectum eſt) (§. 79. 80.). Da niemand den andern in dem Gebrauch ſeines Rechts verhindern darf (§. 66.); ſo muß man auch niemand verhindern, um ei - nen Liebes-Dienſt zu bitten; und wenn er bittet, ſo muß man es mit gelaße - nem Gemuͤthe anhoͤren. Weil wir bloß verbunden ſind Liebes-Dienſte dem Beduͤrfti - gen zu leiſten; ſo iſt nothwendig, daß ſie erbe - then werden muͤßen.

§. 83.

Ungerecht (injuſtum) iſt dasjenige, wasVom ge - rechten und un - gerech - ten, billi - gen und unbilli - gen. dem vollkommenen Rechte des andern zuwie - der geſchieht; unbillig (iniquum), was dem unvollkommenen Rechte des andern zuwieder geſchieht. Es geſchieht aber etwas dem Recht des andern zuwieder (fit contra jus alterius), wodurch daſſelbe entweder ihm benommen, oder vermindert, oder der Ge - brauch deſſelben, es ſey auf was vor Art und Weiſe es wolle, verhindert wird; ſo wie imD 2Gegen -52I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. Gegentheil etwas dem Recht des andern gemaͤß (ſecundum jus alterius) geſchieht, wenn nichts wieder daſſelbe unternommen wird, noch unterlaſſen, was vermoͤge deſſel - ben (eodem ſtante) geſchehen muß. Ge - recht (juſtum) nennt man dasjenige, was dem vollkommenen Rechte des andern gemaͤß geſchieht: Billig (æquum) aber dasjenige, was dem unvollkommenen Recht des andern gemaͤß geſchieht. Weil die buͤrgerlichen Geſe - tze einige Dinge dulden, welche natuͤrlich un - gerecht ſind, wie wir am gehoͤrigen Orte zei - gen werden; ſo iſt das buͤrgerlich gerech - te (civiliter juſtum) enger eingeſchraͤnckt, als das natuͤrlich gerechte: und, im Gegenſatz ge - gen dieſes, nennt man billig, was gantz al - lein mit dem natuͤrlichen Geſetz uͤbereinkoͤmmt, oder demſelben gemaͤß iſt.

§. 84.

Von der Frech - heit oder unge - zaͤhmten Freyheit.

Mit der Freyheit muß die Frechheit (Licentz, licentia) nicht verwechſelt werden, welche, der natuͤrlichen Verbindlichkeit und dem natuͤrlichen Recht zuwieder, auf alles ſich erſtreckt, was einem gefaͤllt; und iſt alſo ei - ne ungezaͤhmte Begierde, alles dasjenige zu thun, was einem gefaͤllt. Weil ſie mit der natuͤrlichen Verbindlichkeit, von welcher kein Menſch befreyet werden kann (§. 42.), ſtrei - tet; ſo kann keinem Menſchen eine Frechheit, oder ungezaͤhmte Freyheit zukommen.

§. 85.53und dem allgem. Recht der Menſchen.

§. 85.

Gleichwie aber die Tugend uͤberhauptVon der Gerech - tigkeit und Un - gerech - tigkeit. die Fertigkeit iſt, ſeine Handlungen nach dem Geſetz der Natur einzurichten, und das La - ſter, welches ihr entgegen geſetzet wird, die Fertigkeit, ſeine Handlungen auf die entgegen geſetzte Weiſe einzurichten, als ſie im Geſetz der Natur vorgeſchrieben iſt; alſo wird be - ſonders die Gerechtigkeit (juſtitia), diejenige Tugend genannt, durch welche man einem jeden ſein vollkommenes Recht gewehret, oder ungekraͤncket laͤßt, daß man naͤmlich nichts thut, was demſelben zuwieder iſt, ſondern dasjenige thut, was nach demſelben geſchehen muß (§. 83.); und im Gegentheil iſt die Ungerech - tigkeit (injuſtitia) das Laſter, da man dem andern ſein Recht nicht gewehret, da man naͤmlich das thut, was demſelben zuwieder iſt, und das unterlaͤßt, was nach demſelben geſchehen muß. Wenn man die Gerechtig - keit auf alles Recht, ſo wohl auf das voll - kommene, als auf das unvollkommene erſtreckt, und in jeder Handlung in Erwegung ziehet, in ſo fern ſie ſich auf andere beziehet, oder be - ziehen kann, ob ſie gleich hauptſaͤchlich uns ſelbſt angehet, ſo wird ſie die allgemeine Gerechtigkeit (juſtitia univerſalis) genannt; und wenn ſie alsdenn in eingeſchraͤnckterer Bedeutung genommen wird, ſo nennt man ſie die beſondere Gerechtigkeit (juſtitiam particularem). Jm uͤbrigen iſt die natuͤr - liche Gerechtigkeit von weiterem Um -D 3fange54I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. fange als die buͤrgerliche (§. 83.), und die ungezaͤhmte Freyheit iſt die Mut - ter der Ungerechtigkeit (§. 84.).

§. 86.

Daß Ge - rechtig - keit und Billig - keit gebo - then, das Gegen - theil aber verbo - then iſt.

Weil man niemand in dem Gebrauch ſei - nes Rechts verhindern darf (§. 50.), und ihm daſſelbe auch nicht benommen werden kann (§. 74.); ſo darf niemand etwas thun, was dem Recht des andern zu - wieder iſt; ſondern ein jeder muß viel - mehr das thun, was nach demſelben geſchehen ſoll (§. 83.). Derowegen muͤſ - ſen wir einem jeden ſein Recht geweh - ren, und keinem ſein Recht verletzen, und folglich muͤſſen wir gerecht, nicht aber ungerecht ſeyn (§. 85.). Und weil das unvollkommene Recht eben ſo, wie das vollkommene aus der natuͤrlichen an ſich voll - kommenen, Verbindlichkeit entſtehet; alſo, daß derjenige ſuͤndiget, der demſelben zuwieder handelt (§. 79. 80. ); ſo muͤſſen wir uns gegen jedermann billig, und gegen nie - mand unbillig erweiſen (§. 87.).

§. 87.

Was das Unrecht uͤber - haupt iſt, und daß es verbo - then iſt.

Die Verletzung des vollkommenen Rechts eines andern wird das Unrecht (injuria) ge - nannt. Daher erhellet, daß das Unrecht verbothen (§. 86.) und natuͤrlich un - erlaubt ſey (§. 49.). Ob wir aber gleich bis itzt nichts anders als das angebohrne Recht feſt geſetzt haben; ſo werden wir doch am ge - hoͤrigen Orte zeigen, daß dasjenige, was wirhier55und dem allgem. Recht der Menſchen. hier von der Gerechtigkeit und von dem Un - rechte ſagen, auch auf die erworbenen Rech - te angewendet werden muͤſſe. Jm uͤbrigen, gleich wie die ungezaͤhmte Freyheit die Mutter der Ungerechtigkeit iſt (§. 85.); alſo iſt ſie auch, die dem Unrecht Thuͤr und Angel oͤffnet (§. 54.).

§. 88.

Man ſagt, daß derjenige den andern be -Von der Beleidi - gung. leidige (alterum lædit), wer ſein vollkom - menes Recht verletzet, oder ihm unrecht thut; und alſo iſt bey jeder Beleidigung das Unrecht. Weil wir niemand unrecht thun duͤrfen (§. 87.); ſo muß auch nie - mand beleidiget werden. Ob aber gleich die Beleidigung und das Unrecht in eben der - ſelben Handlung beſtehen; ſo ſieht man doch datin den Unterſchied, daß die Beleidigung ſich auf die Perſon, deren Recht verletzet wird, als eine Handlung beziehet, die ſie nicht dulden darf; das Unrecht aber wird als eine Verletzung des Rechts an und vor ſich ſelbſt angeſehen, ohne auf die Perſon zu ſehen, die dadurch beleidiget wird, naͤmlich als eine Handlung, die an ſich unerlaubt, oder man ſieht nur auf das Recht ſelbſt, welches ver - letzet wird. Wie aber die natuͤrliche Gerech - tigkeit von weiterem Umfange iſt, als die buͤr - gerliche (§. 85.); alſo ſind auch die natuͤrli - chen Beleidigungen von weiterm Umfange, als ſie im buͤrgerlichen Rechte beſtimmt werden. Noch deutlicher wird dieſes aus der bald fol - genden und kuͤnftigen Abhandlung werden.

D 4§. 89.56I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl.

§. 89.

Von der Sicher - heit und dem Um - fange der natuͤrli - chen Be - leidi - gung.

Die Verbindlichkeit zu dem, was durch das Geſetz der Natur verbothen wird, da es in ei - ner Unterlaßung beſtehet (§. 47.), iſt jederzeit gewiß. Derowegen erwaͤchſt aus der Verbindlichkeit, die durch ein Ver - both entſtehet, ein vollkommenes Recht, nicht zu leiden, daß der andere etwas thue, zu deſſen Unterlaſſung er uns verbunden iſt (§. 46.). Da nun niemand beleidiget werden darf (§. 88.), ſo hat ein jeder Menſch von Natur das Recht, nicht zu leiden, daß er von ei - nem andern beleidiget werde; und die - ſes Recht, das von Natur einem jeden, er ſey wer er wolle, zukoͤmmt, wird das Recht der Sicherheit (jus ſecuritatis) genannt; welche Sicherheit in der Befreyung von der Furcht beleidiget zu werden beſtehet. Daher iſt ferner klar, daß natuͤrlicher Weiſe die Beleidigung auf jede Handlung ſich erſtreckt, die im Geſetz der Natur in Anſehung anderer verbothen iſt; und daß folglich die Beleidigung eine jede Handlung ſey, dadurch der andere, oder ſein Zuſtand unvollkommener wird (§. 44.); daß aber die Verweige - rung eines Liebes-Dienſtes keine Be - leidigung ſey (§. 79.).

§. 90.

Von dem Rechte ſich zu

Weil wir nicht ſchuldig ſind zu leiden, daß ein anderer uns beleidige (§. 89.); ſo iſt eserlaubt,57und dem allgem. Recht der Menſchen. erlaubt, demjenigen zu wiederſtehen,wehren, oder zu verthei - digen. der es verſucht (intentanti) uns zu be - leidigen. Da nun die Handlung, wodurch man demjenigen wiederſtehet, der es verſucht, oder unternimmet uns zu beleidigen, die Ge - genwehre, oder die Vertheidigung iſt; ſo hat der Menſch von Natur ein Recht ſich zu wehren, oder zu verthei - digen (jus defenſionis); folglich ſind ihm alle Handlungen erlaubt, ohne welchen er die Beleidigung von ſich nicht ab - wenden kann (§. 46.); und dieſe muͤſ - ſen aus den vorkommenden Umſtaͤnden beſtimt werden.

§. 91.

Auf gleiche Weiſe folgt, daß, weil wir nichtVon der Verhuͤ - tung der Beleidi - gungen. ſchuldig ſind zu leiden, daß der andere uns beleidige (§. 89.); ſo iſt es uns erlaubt Be - leidigungen zu verhuͤten (læſiones præ - cavere); folglich andere zu verbinden, daß ſie uns nicht beleidigen.

§. 92.

Da wir einen andern nicht verbinden koͤn - nen, etwas zu unterlaſſen, wenn wir nicht mitWie wir ſie ver - huͤten. der Handlung einen Bewegungsgrund verbin - den (§. 35.), der Bewegungsgrund zum Nicht - wollen aber in der Vorſtellung eines Uebels be - ſtehet; ſo iſt es erlaubt, denjenigen ein na - tuͤrliches Uebel zuzufuͤgen, welcher uns in der That beleidiget hat (§. 91.), damit er uns nicht ſelbſt von neuem, oder ande - re die ſeinen Exempel folgen, uns belei -D 5di -58I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. digen, oder auch er, oder andere nach ſei - nem Exempel, andere beleidiget.

§. 93.

Von der Strafe und dem Recht zu ſtrafen.

Ein natuͤrliches uͤbel (malum phyſi - cum), welches einem wegen eines ſittlichen Uebels von dem zugefuͤgt wird, der das Recht einen zu verbinden hat, nennt man die Strafe (pœnam). Dem Menſchen koͤmmt alſo von Natur das Recht zu denjenigen zu ſtrafen, welcher ihn be - leidiget hat. Und in ſo weit die Strafe die Abſicht hat, das Gemuͤthe der beleidigenden Perſon zu aͤndern, wird ſie eine beſſernde Strafe (pœna emendatrix) genennet; in ſo fern ſie aber andere von Beleidigungen ab - ſchrecken ſoll, heiſt ſie eine exemplariſche (exemplaris). Da nun die Beſſerung des Gemuͤths desjenigen, der einen andern beleidi - get, und die Furcht bey denen zu erwecken, welche der Muthwille zu Beleidigungen rei - tzen koͤnnte, die Abſicht des Strafenden ſind; die Strafe aber als ein Mittel anzuſehen iſt, wodurch man dieſe Abſicht erhaͤlt; ſo muß man die Groͤſſe der Strafe aus den vorkommenden Umſtaͤnden beſtimmen (§. 46.).

§. 94.

Vom un - endlichen Rechte.

Ein unendliches Recht (jus infinitum) nennet man dasjenige, dem man uͤberhaupt keine Grentzen ſetzen kann; ſondern dieſelben erſt aus den Umſtaͤnden in einem vorkommen - den Falle beſtimmen muß. Es iſt alſo ſowohl59und dem allgem. Recht der Menſchen. wohl das Recht ſich zu wehren, oder zu vertheidigen, als das Recht zu ſtrafen unendlich (§. 90. 93.).

§. 95.

Aus dem, was wir bisher vorgetragen ha -Welches die ange - bohrnen Rechte ſind. ben, erhellet, welche Rechte dem Menſchen an - gebohren ſind, naͤmlich das Recht zu demje - nigen, ohne welches man der natuͤrlichen Ver - bindlichkeit kein Genuͤge leiſten kann (§. 46.), worunter auch das Recht um Liebes-Dienſte zu bitten (§. 82.), und den andern dazu voll - kommen zu verbinden, enthalten iſt (§. 97.), die natuͤrliche Gleichheit (§. 70.), die Frey - heit (§. 77.), das Recht der Sicherheit (§. 89.), und das daher entſpringende Recht ſich zu wehren, oder zu vertheidigen (§. 90.), und das Recht zu ſtrafen (§. 93.). Wie aber hieraus andere Rechte eutſpringen, und wie dem Geſetz der Natur gemaͤß andere Ver - bindlichkeiten gemacht, und andere Rechte er - langt werden, wollen wir am gehoͤrigen Orte zeigen.

§. 96.

Der Menſch iſt eine ſittliche PerſonEine ſitt - liche Per - ſon, und der na - tuͤrliche ſittliche Zuſtand. (perſona moralis), in ſo weit als er als das Subject von gewiſſen Verbindlichkeiten und von gewiſſen Rechten angeſehen wird. Und daher wird ſein ſittlicher Zuſtand (ſtatus moralis) derjenige genannt, welcher durch Rechte und Verbindlichkeiten beſtimmt wird; und er heiſt der natuͤrliche, in ſo fern als die Verbindlichkeiten und Rechte, durch welcheer60I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. er beſtimmt wird, natuͤrlich ſind, oder nach dem Geſetz der Natur ihm zukommen; und derowegen werden die Menſchen im na - tuͤrlichen Zuſtande allein durch das Recht der Natur regiert.

§. 97.

Von der Art ſich einen an - dern vollkom - men ver - bindlich zu ma - chen, und ein voll - komme - nes Recht zu erwer - ben.

Weil aber der Menſch, wenn er ſeiner Ver - bindlichkeit ein Genuͤge leiſten will, ſehr oft anderer Huͤlfe noͤthig hat; weil es ihm aber auch daran gelegen iſt, daß er von derſelben Huͤlfe gewiß ſey; ſo hat er auch ein Recht zu denjenigen Handlungen, ohne welche er ſeiner natuͤrlichen Verbindlichkeit kein Genuͤge lei - ſten kann (§. 46.); und alſo hat er das Recht, ſich andere zu gewiſſen Hand - lungen, oder Dienſtleiſtungen verbind - lich zu machen. Auf dieſe Weiſe erlangt er ein vollkommenes Recht zu denſelben, ſo daß, da er vorher erdulden muſte, daß ſie ab - geſchlagen worden, er nun dieſelben erzwin - gen, oder den andern dazu noͤthigen kann (§. 79, 80.), und ſolchergeſtalt das, was vor - her willkuͤhrlich war, nun nothwen - dig iſt, und er durch die Unterlaſſung beleidiget wird, und ihm Unrecht ge - ſchieht (§. 88.).

§. 98.

Vom Recht zu kriegen.

Das Streiten mit Gewalt (certa - tio per vim) nennt man die Gewaltſame Behauptung ſeines Rechtes, dadurch man ent - weder eine zuzufuͤgende Beleidigung, oder ein Unrecht abwenden; oder diejenigen, die unsbelei -61und dem allgem. Recht der Menſchen. beleidiget, oder uns Unrecht gethan haben, verbinden will, uns in Zu - kunft nicht mehr zu beleidigen; oder auch die - jenigen, welche wir uns etwas zu leiſten ver - bunden haben, mit Gewalt dazu anzuhalten ſuchet, in ſo weit ſie ſich nicht gutwillig dazu bequemen wollen. Den Zuſtand derje - nigen die mit Gewalt ſtreiten, nennt man den Krieg. Und daher erhellet, daß dem Menſchen das Recht zum Kriege zukomme, und daß keine andere recht - rechtmaͤßige Urſache zu demſelben ſeyn koͤnne, als das Unrecht, das einem geſchehen iſt, oder geſchehen ſoll (§. 87. 83. ); daß aber das Abſchlagen eines Liebes-Dienſtes keine rechtmaͤßige Ur - ſache des Krieges ſey (§. 79.).

§. 99.

Der Friede wird dem Krieg entgegen ge -Vom Frieden. ſetzt, und man nennt ihn alſo denjenigen Zu - ſtand, in welchem kein Krieg iſt. Weil man niemanden beleidigen darf, und alſo alles Un - recht unterlaſſen ſoll; ſo ſind die Men - ſchen verbunden den Frieden zu ſu - chen. Alſo iſt der Friede der Natur gemaͤß, der Krieg aber wieder dieſelbe (§. 38.). Es iſt auch nicht die Natur, ſon - dern die Boßheit der Menſchen, die ihrer Pflicht kein Genuͤgen leiſten wollen, oder das Unrecht ſchuld an dem Kriege (§. 98.).

§. 100.

Aus dem, was wir vorher geſaget haben,Von der Verbind -erhel -62I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. lichkeit, die einer ſich zuzie - het, und dem er - woꝛbenen Rechte.erhellet, daß auſſer den angebohrnen Ver - bindlichkeiten und Rechten, noch andere ange - troffen werden, da die Verbindlichkeiten durch eine dazu kommende Handlung der Menſchen entſtehen, und die Rechte durch dieſelben er - langt werden (§. 95.), jene nennt man Ver - bindlichkeiten, die einer ſich zuzieht (ob - ligationes contractas), die daraus entſprin - gende Rechte aber, werden erworbene Rechte (jura acquiſita) genannt. Es iſt klar, daß niemand ſich ſelbſt von der Verbindlichkeit, die er ſich zugezogen hat, befreyen koͤnne (§. 97.); und daß alſo daß erworbene Recht, das aus der - ſelben entſtanden iſt, niemanden wieder ſeinen Willen genommen werden koͤn - ne: welches wir auch oben von der ange - bohrnen Verbindlichkeit und von dem ange - bohrnen Rechte erwieſen (§. 42. 74.). Weil alſo die Verbindlichkeiten entweder angeboh - ren, oder zugezogen werden, und die Rech - te entweder angebohrne, oder erworbene Rech - te ſind; ſo iſt uͤberhaupt klar, daß nie - mand ſich von ſeiner Verbindlichkeit befreyen, noch das Recht jemanden wieder ſeinen Willen genommen wer - den kan.

§. 101.

Vom all - gemeinen und eige - nen Rech - te.

Es giebt ſo wohl Rechte, welche allen oh - ne Unterſchied zukommen, als auch Rechte, die einem allein, oder mehreren zuſammen genommen, im Gegenſatz gegen alle, zukommen;und63und dem allgem. Recht der Menſchen. und gleicherweiſe giebt es Verbindlichkeiten, welche auf eben die Art allen, mehreren zu - ſammen, oder einem allein gehoͤren, welches da - her erhellet, weil die natuͤrliche Verbindlich - keiten alle Menſchen angehen (§. 74.), die zugezogenen aber, nur denjenigen, welchen wir, uns insbeſondere etwas zu leiſten, verbun - den haben (§. 100.); und eben ſo kommen die angebohrnen Rechte allen Menſchen zu, das erworbene Recht aber nur dem, welcher ſich einen andern, was gewiſſes zu leiſten, verbun - den hat (§§. cit.). Daher nennen wir das gemeine Recht (jus commune), was al - len ohne Unterſchied zukoͤmmt; das eigene (beſondere) Recht aber (jus proprium), was nur einem, oder mehreren, im Gegen - ſatz gegen alle, zukoͤmmt. Auf gleiche Weiſe verſteht man, was eine allgemeine, und was eine beſondere, oder eigene Verbindlich - keit ſey. Es iſt aber klar: daß das eigene Recht, alle andere ausſchließt, und wenn mehreren zuſammen genommen ein beſonderes (eigenes) Recht zu - koͤmt; ſo iſt unter denſelben ein ge - meinſchaftliches Recht.

§. 102.

Der natuͤrliche Zuſtand der Menſchen iſtVom ur - ſpruͤng - lichen u. entſtande - nen Zu - ſtande. entweder der urſpringliche (originarius), in ſo weit derſelbe gantz allein durch ange - bohrene Rechte und Verbindlichkeiten beſtimt wird; oder der entſtandene (adventitius), in ſo weit derſelbe durch die zugezogene Ver -bindlich -64I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. ꝛc. bindlichkeiten, und durch erworbene Rechte, aber allein nach dem Geſetze der Natur be - ſtimt wird. Den urſpringlichen Zuſtand hat alſo der Menſch von der Natur allein, den entſtandenen aber nur durch eine dazu gekommene menſchliche Handlung. Es iſt auch leicht erweißlich, daß der Friede zum urſpruͤnglichen Zuſtande gehoͤre (§. 99.), der Krieg aber zu dem dazu gekommen (§. 96.), und weil die Abſicht bey dem Kriege iſt, ein Unrecht, als welches die Urſache deſſelben, zu vermeiden, oder zu wenden (§. 98.); ſo iſt der Krieg natuͤrlicher weiſe des Friedens wegen erlaubt (§. 99.); folg - lich muß man den Krieg nicht fuͤhren, als des Friedens wegen. Denn Krieg fuͤhren iſt nichts anders, als durch Gewalt ſtreiten. Damit man aber nicht in der Unter - ſcheidung des urſpruͤnglichen Zuſtandes von dem entſtandenen zuweilen zweifle; ſo muß man mercken, daß der Menſch im urſpruͤng - lichen Zuſtande an und vor ſich ſelbſt ein Recht haben koͤnne, deſſen Ausuͤbung aber nicht anders, als in dem entſtandenen ſtatt fin - det, in ſo weit naͤmlich die Handlung eines andern macht, daß es ſtatt finden kann. Ein Exempel finden wir in dem Rechte uns zu wehren, oder zu vertheidigen, und dem Rech - te zu ſtrafen, wenn wir den Urſprung von bey - den genauer unterſuchen.

Das65

Das vierte Hauptſtuͤck.

Von den Pflichten des Menſchen gegen ſich ſelbſt, und den Rechten, die damit verbunden ſind.

§. 103.

Der Menſch muß, ſo viel er kann (§. 37.),Von der Verſchie - denheit und der Verbin - dung der Pflichten. ſo wohl ſich, folglich theils ſeine See - le, theils ſeinen Leib, als auch ſeinen Zuſtand verbeſſern (§. 43.). Man hat alſo Pflichten gegen die Seele, gegen den Leib, und in Abſicht auf den aͤuſ - ſern Zuſtand (§ 57.), und dieſelben ſind zu verbinden; man muß ſich nicht einer alſo befleißigen, daß die uͤbrigen verab - ſaͤumet werden; und derjenige, der mehr Vermoͤgen hat, und mehr an - wenden kann, wie auch mehrere Huͤlfe von andern zu erwarten hat, iſt auch ein mehreres zu leiſten verbunden.

§. 104.

Die Guͤter der Seele (bona animi) ſindVon der Bemuͤ - hung, das Gute zu erhal - ten. diejenigen, welche die Seele; des Leibes, welche den Leib; des Gluͤcks, welche den aͤuſ - ſeren Zuſtand vollkommener machen. Dem - nach muß ſich einjeder bemuͤhen, daß er von den Guͤtern der Seele, des Lei - bes und des Gluͤcks ſo viel erhaͤlt, als in ſeinem Vermoͤgen ſtehet (§. 103. 60. ); folglich muß er ſich vor allem Uebel oder Schaden des Leibes, der Seele und des Gluͤcks in acht nehmen.

Nat. u. Voͤlckerrecht. E§. 105.66I. Th. 4. H. Von den Pflichten

§. 105.

Von der Erkent - nis ſein ſelbſt und andrer.

Es iſt alſo nothwendig, daß der Menſch ſich ſelbſt, ſo wohl der Seele und dem Leibe nach, als auch ſeinen Zuſtand kennen lerne; und weil die Er - kentnis unſer ſelbſt durch die Erkentnis anderer befoͤrdert wird, in ſo weit als daraus erhellet, was vor Vollkommen - heiten und Unvollkommenheiten der Menſch und ſein Zuſtand haben koͤnne, durch was vor einen Gebrauch der Kraͤfte jene erhalten werden, und durch was vor eine Un - terlaſſung des Gebrauchs und Misbrauch der Kraͤffte man in dieſe verfaͤllt; ſo muß der Menſch auch andere kennen lernen, und in dieſer Abſicht auf andere fleiſ - ſig und ſorgfaͤltig acht geben.

§. 106.

Von der Vollkom - menheit der See - le.

Der Gebrauch der Kraͤfte der Seele beſteht in ihren Wuͤrkungen. Jn der Uebereinſtim - mung des Gebrauchs aller Kraͤfte der See - len, ſo wohl der obern, als der untern, beſteht die Vollkommenheit der Seele (§. 9.). Da nun der Menſch verbunden iſt, ſich im - mer mehr und mehr vollkommen zu machen; ſo muß er ſich nicht allein bemuͤhen, daß er zu einem jeden Gebrauch der Kraͤfte ſeiner Seele geſchickt werde, ſondern es auch dahin bringe, daß der Gebrauch aller Kraͤfte bey einer jeden Handlung uͤbereinſtimme, wie wir die -ſes67des Menſchen gegen ſich ſelbſt. ſes ſchon oben (§. 52.) gelehrt haben; folg - lich muß ſo wohl die Unterlaſſung des Gebrauchs einiger Kraͤfte bey den Hand - lungen, als auch der Mangel der Ueber - einſtimmung vermieden werden (§. 51.). Da die Geſchwindigkeit etwas zu thun die Fertigkeit iſt; ſo iſt der Menſch ver - bunden, die Fertigkeit zu erlangen ſei - ne Kraͤfte zu gebrauchen, und dieſen Gebrauch zur Uebereinſtimmung zu bringen.

§. 107.

Deswegen koͤmt einem Menſchen dasVon dem Rechte, das ihm in dieſer Abſicht zukoͤmmt. Recht zu demjenigen zu, ohne welches er den Gebrauch ſeiner Kraͤfte nicht er - langen, noch den Gebrauch derſelben zur Uebereinſtimmung bringen kan (§. 46.).

§. 108.

Da der Verſtand die Faͤhigkeit iſt, ſichDaß der Verſtand vollkom - men ge - macht werden muͤſſe. die Sachen deutlich vorzuſtellen; folglich nicht allein von einander zu unterſcheiden, was in einer Sache befindlich iſt, ſondern auch beſtimmte Urtheile zu faͤllen, daß naͤm - lich, vermoͤge deſſen, was von einer Sache angenommen wird, ihr etwas anderes ent - weder zukomme, oder nicht zukommen koͤn - ne, wie auch recht zu ſchlieſſen; ſo muͤſſen wir uns befleiſſen eine Fertigkeit zu erlangen, in einer jeden Sache, die uns zu erkennen vorkoͤmmt, was in ihr enthalten, zu unterſcheiden, be -E 2ſtimmte68I. Th. 4. H. Von den Pflichtenſtimmte Urtheile zu faͤllen, und recht zu ſchlieſſen. Weil aber dieſes nicht ge - ſchehen kann, wenn wir nicht im Stande ſind, die Aufmerckſamkeit zu erhalten, d. i. zu machen, daß wir uns derjenigen Sache, von welcher wir gedencken, mehr bewuſt ſind, als anderer Dinge, die uns beyfallen, oder beyfallen koͤnnen; und uͤber dieſelben nach - zudencken, d. i. unſere Aufmerckſamkeit von einem zum andern beſonders zu wenden, was in derſelben befindlich iſt; ſo muͤſſen wir auch ſorgfaͤltig bemuͤher ſeyn, daß wir einen ſo ſtarcken Grad der Auf - merckſamkeit, als uns moͤglich iſt, nebſt der Fertigkeit nachzudencken erhalten.

§. 109.

Daß man das Vermoͤ - gen zu begehren und zu verab - ſcheuen vollkom - men ma - chen muͤße.

Des Menſchen Vermoͤgen zu begehren iſt uͤberhaupt beſtimmt, das Gute zu begehren; und das Vermoͤgen zu verabſcheuen das Boͤſe zu ver - abſcheuen. Die Vollkommenheit des Ver - moͤgens zu begehren beſteht in der Moͤglich - keit, nicht anders als durch ein wahres Gut, des Vermoͤgens zu verabſcheuen aber in der Moͤglichkeit, nicht anders als durch ein wah - res Uebel beſtimmet zu werden. Jm Gegen - theil beſtehet die Unvollkommenheit von jenem in der Moͤglichkeit, durch ein Schein - gut, welches man nach einem gegenwaͤrtigen Vergnuͤgen, das aber ſchaͤdlich iſt, ſchaͤtzet, und die Unvollkommenheit von dieſem in der Moͤglichkeit, durch ein Scheinuͤbel be - ſtimmt zu werden, welches nach einem ge -genwaͤr -69des Menſchen gegen ſich ſelbſt. genwaͤrtigen Mißvergnuͤgen, das aber nicht ſchaͤdlich iſt, geſchaͤtzet wird. Wir muͤſſen uns alſo bemuͤhen, daß unſer Vermoͤ - gen zu begehren niemahls auf etwas anders, als ein wahres Gut, und un - ſer Vermoͤgen zu verabſcheuen auf nichts, als ein wahres Uebel gerichtet wird; folglich muͤſſen wir uns befleißi - gen, das wahre Gute und das wahre Uebel, von dem Scheinguten und von dem Scheinuͤbel beſtaͤndig zu unter - ſcheiden. Weil der Gebrauch aller Kraͤfte uͤbereinſtimmen muß (§. 106.); ſo muͤßen wir uns vornaͤhmlich Muͤhe geben, daß wir die ſinnlichen Begierden zur Ueber - einſtimmung mit dem Willen, und die ſinnlichen Verabſcheuungen zur Uebereinſtimmung mit dem Nichtwol - len bringen; folglich, weil der Wille und das Nichtwollen von dem Verſtande, die ſinliche Begierde und der Abſcheu von den Sinnen und der Einbildungskraft herruͤhren; ſo muͤſſen wir den Verſtand bey den Vorſtellungen des Guten und Boͤſen zur Uebereinſtimmung mit den Sinnen und der Einbildungskrafft bringen.

§. 110.

Zur ſinnlichen Begierde und dem AbſcheueVon der Regie - rung, Zaͤh - mung u. Stillung werden die Gemuͤthsbewegungen ge - rechnet, welche in heftigen Begierden und Verabſcheuungen beſtehen. Daraus ſchlieſ - ſen wir ferner, daß wir uns bemuͤhenE 3muͤſ -70I. Th. 4. H. Von den Pflichtender Ge - muͤths - bewegun - gen.muͤſſen, ſie dem Geſetz der Natur ge - maͤß einzurichten, d. i. ſie zu regieren; daß wir ihnen wiederſtehen muͤſſen, damit ſie nicht in aͤuſſere Handlungen, dazu ſie uns verleiten, die dem Geſetz der Natur zuwieder ſind, ausbrechen, d. i. daß wir ſie zaͤhmen (§. 109.); und wenn es ſich zutraͤgt, daß ſie uns bey den Hand - lungen hindern, und wenn wir die Regie - rung derſelben noch nicht in unſerer Gewalt haben, wir ſie unterdruͤcken, indem ſie ploͤtzlich entſtehen, das iſt, ſie ſtillen. Daher erhellet, daß man Fertigkeiten er - halten muͤße, in vorkommendem Falle den Willen und das Nichtwollen dem Geſetze der Natur gemaͤß zu be - ſtimmen.

§. 111.

Von welchen Dingen man Wiſ - ſenſchafft erlangen muͤſſe.

Es iſt auch klar, daß der Menſch ver - bunden ſey, die Wiſſenſchaft von den - jenigen Dingen zu erhalten, was, ſo wohl das wahre Gute und Uebel von dem, ſo den bloſſen Schein hat, zu un - terſcheiden (§. 109.), als auch recht zu handeln, zu wiſſen noͤthig iſt (§. 52. 53.).

§. 112.

Daß der Leib er - halten u. vollkom - men ge - macht werden muͤſſe.

Unſer Leib beſtehet 1) aus Gliedern, die zum Leben gehoͤren (organis vitalibus), welche beſtimmt ſind, das Leben zu erhalten und ſein Geſchlecht fortzupflantzen; 2) aus Glie - dern der Sinnen (organis ſenſoriis), wel - che zu den Empfindungen und der davon ab -haͤngen -71des Menſchen gegen ſich ſelbſt. haͤngenden Einbildungskraft nebſt dem Ge - daͤchtniſſe dienen, und entweder aͤuſſere ſind, welche von auſſen am Leibe ſich zeigen, oder innerliche, die in demſelben verborgen lie - gen; 3) aus bewegenden Gliedern (mo - toriis), welche zur Bewegung des Koͤrpers und ſeiner aͤuſſern Glieder von einem Ort zum an - dern gewiedmet. Die Vollkommenheit des Leibes, in ſo weit derſelbe ein Leben hat, beſteht in der Geſchicklichkeit, ſich zu erhalten und ſein Geſchlecht fortzupflantzen; in ſo weit derſelbe empfindet, in der Geſchick - lichkeit, die materielle Jdeen der Sachen, die empfunden werden koͤnnen, hervorzubringen; und endlich in ſo weit als derſelbe ſich be - wegt, in der Geſchicklichkeit, die den Begier - den und Verabſcheuungen gemaͤße Bewegun - gen hervorzubringen, und die Lage ſo wohl des gantzen Koͤrpers, als auch ſeiner aͤuſſeren Glieder insbeſondere zu beſtimmen (§. 9.). Aus dieſen zuſammen genommen entſtehet die Geſchicklichkeit, die Uebereinſtimmung zwiſchen Seele und Koͤrper zu erhalten; als worinn eigentlich die Vollkommenheit des gan - tzen Koͤrpers beſtehet. Wenn zu derſelben die Vollkommenheit der Seele koͤmmt, welche ſelbſt dieſe Uebereinſtimmung erfordert; ſo entſtehet die Vollkommenheit des Men - ſchen; und weil aus der natuͤrlichen Gottes - gelahrhet erhellet, daß der Menſch, ſo wohl in Abſicht der Seele, als des Leibes, Gott vor - ſtellet, ſo beſteht dieſelbe in der Geſchicklich -E 4keit72I. Th. 4. H. Von den Pflichtenkeit Gott vorzuſtellen, daß gleichſam in dem Menſchen ein Ebenbild Gottes zu ſehen iſt. Alſo kann ein Atheiſt die Vollkommen - heit des Menſchen nicht voͤllig einſe - hen. Die Vollkommenheit des Leibes, in ſo weit derſelbe ein menſchlicher iſt, ſetzet die Vollſtaͤndigkeit aller Glieder voraus; und aus der Erfahrung erhellet, daß man ver - ſchiedene Fertigkeiten der bewegenden Kraft erhalten koͤnne. Derowegen iſt der Menſch allerdings verbunden, die Vollſtaͤndig - keit aller Glieder des Leibes zu erhal - ten, und die Fertigkeiten ſeiner bewe - genden Kraft zu erlangen, die er, um recht zu handeln, noͤthig hat (§. 106. 52. ); folglich muß ihre Verſchlimme - rung und Verluſt vermieden werden. Und alſo muß der Menſch ſeinen Leib und ſein Leben zu erhalten trachten; folgends iſt der Selbſtmord, oder die Av - tochirie unerlaubt (§. 51.).

§. 113.

Von der Erhal - tung der Geſund - heit, von der Wie - dererlan - gung der - ſelben u. von der Abwen - dung der

Derjenige Zuſtand des Leibes, in welchem alle Theile deſſelben ihre Verrichtungen gehoͤ - rig ausuͤben, wird die Geſundheit ge - nannt; der entgegengeſetzte Zuſtand, in wel - chem einer oder mehrere zu demjenigen Ge - brauch, dazu ſie gewiedmet, nicht geſchickt ſind, die Kranckheit. Man verſiehet die - ſes auch von den fluͤßigen Theilen, und im gemeinen Reden wird die Kranckheit vornaͤm - lich von denjenigen Theilen genommen, diezum73des Menſchen gegen ſich ſelbſt. zum Leben gehoͤren. Galenus nennt dieKranck - heiten. Verhinderung der Handlung eines Theils im Leibe, zu deſſen Hervorbringung es an und vor ſich ſelbſt geſchickt iſt, einen aͤuſſeren Jr - thum (errorem externum). Da alle Thei - le des Leibes in dem Zuſtande ſollen erhalten werden, daß ſie zu ihrem Gebrauch geſchickt ſind (§. 112.); ſo iſt der Menſch verbun - den die Geſundheit zu erhalten, und ſich vor Kranckheiten zu huͤten; damit er naͤmlich nicht durch ſeine Schuld in dieſel - be verfalle. Wenn es ſich aber zutra - gen ſollte, daß er kranck wuͤrde; ſo muß er ſich bemuͤhen, daß er wieder geſund werde.

§. 114.

Der Menſch hat alſo ein Recht zuVon dem Rechte zu Spei - ſe, Trauck u. Artz - ney. denjenigen Dingen, die zur Erhaltung des Lebens und der Geſundheit, und zur Wiederherſtellung der Geſundheit dienen; folglich weil die Geſundheit ohne Speiſe uud Tranck nicht erhalten, noch auch immer ohne Artzney wiedererlangt werden kann; ſo hat er ein Recht zu denen Sa - chen, die zur Speiſe und zum Tranck, und zur Wiederherſtellung der Ge - ſundheit dienen, welche letztere man Artz - neyen zu nennen pfleget (§. 46.). Weil wir aber dieſes Recht der Geſundheit wegen ha - ben; ſo muß man Speiſe und Tranck der Geſundheit halber, und nicht bloß zur Luſt zu ſich nehmen; folglich mußE 5man74I. Th. 4. H. Von den Pflichtenman ſich von ungeſunder Speiſe und Tranck, und von uͤbermaͤßigem Eſſen und Trincken enthalten. Die Trun - ckenheit iſt der Zuſtand, da von uͤbermaͤßi - gem Trincken die Verrichtungen des Gehirns in Unordnung gebracht werden; und folglich der Menſch zuerſt des Gebrauchs des Ver - ſtandes, ſodann der Einbildungskraft, hier - auf der Sinnen, und endlich gar der Kraft ſich zu bewegen beraubt wird. Ein Menſch iſt alſo ſchuldig die Trunckenheit zu fliehen.

§. 115.

Von dem Rechte zur Klei - dung.

Gleichfalls iſt klar, daß man den Leib, der Geſundheit wegen, gegen die Anfaͤlle des Wetters mit Kleidern verwahren muß (§. 113.); und daher hat der Menſch ein Recht zu den Dingen, welche zu Verfertigung der Kleider, die zu die - ſem Zweck noͤthig ſind, dienen; wie auch zu denen Verrichtungen, oder der Arbeit, wodurch ſie verfertiget werden; ingleichen denjenigen Sachen, die dazu noͤthig ſind (§. 46.). Es muß aber auch dabey die natuͤrliche Wohlan - ſtaͤndigkeit beobachtet werden (§. 55.).

§. 116.

Von dem Recht zur Erbau - ung der Haͤuſer.

Wir wiſſen aus der Erfahrung, daß die Menſchen Haͤuſer noͤthig haben, damit ſie vor dem Wetter ſicher, ihre Arbeiten und Ge - ſchaͤffte verrichten, Speiſen zubereiten, den ermuͤdeten Leib durch den Schlaf erquicken,und75des Menſchen gegen ſich ſelbſt. und die Sachen, die ſie noͤthig haben, auf - behalten und verwahren koͤnnen. Daher er - hellet auch leicht, daß die Menſchen be - queme Haͤuſer erbauen muͤſſen; und ihnen von Natur ein Recht zu allem demjenigen zukomme, was zu der Er - bauung derſelben noͤthig iſt, wie auch zu den Verrichtungen, die zu der Er - bauung erfordert werden. Es muß aber auch hier die natuͤrliche Wohlan - ſtaͤndigkeit beobachtet werden (§. 55.).

§. 117.

Die natuͤrliche Schoͤnheit nennt manVon der natuͤrli - chen und kuͤnſtli - chen Schoͤn - heit und von den Zierra - then des Leibes. diejenige, welche in dem Leibe des Menſchen von Natur befindlich iſt. Wie aus der Er - fahrung erhellet, ſo beſtehet dieſelbe in der Symmetrie, d. i. in der geſchickten Ver - haͤltniß der aͤuſſeren Theile gegen einander und gegen den gantzen Koͤrper; in der Euryth - mie, das iſt, in der Aehnlichkeit der Theile, welche zu beyden Seiten ſind, und denen mittlern Theilen unaͤhnlich ſind; und in der ge - ſchickten Figur und Farbe derſelben. Es wird hingegen die kuͤnſtliche genannt, welche dem Leibe durch Menſchen-Haͤnde zuwege gebracht wird. Dasjenige iſt ſchoͤn, was uns gefaͤllt; folglich kann die natuͤrliche Schoͤnheit keine andere Abſicht haben, als daß man andern gefalle; die kuͤnſtliche aber muß den Mangel der natuͤrlichen erſetzen und dieſelbe vermeh - ren. Wir ſollen deswegen die natuͤr - liche Schoͤnheit erhalten (§. 43.), undwenig -76I. Th. 4. H. Von den Pflichtenwenigſtens iſt die kuͤnſtliche des Wohl - ſtandes halber nicht unerlaubt (§. 54.). Aus dieſer Urſache haben wir von Natur ein Recht zu den Dingen, welche die - nen, dem Koͤrper eine kuͤnſtliche Schoͤn - heit zu verſchaffen. Man nennt dieſelbe Zierrathen (ornamenta); folglich hat der Menſch ein Recht zu den Zierrathen, und zu alle dem, was dazu dienet, Zierrathen zu verfertigen, auch den Verrichtungen, die ſie zu verfertigen und zu gebrauchen erfordert werden.

§. 118.

Von der Gluͤckſee - ligkeit und Un - gluͤckſee - ligkeit.

Die Gluͤckſeeligkeit (felicitas) iſt der Zuſtand eines dauernden Vergnuͤgens und einer dauernden Freude, welche naͤmlich kein Misvergnuͤgen verurſacht, noch darein ver - kehret wird, oder welche unſchaͤdlich iſt. Die Ungluͤckſeeligkeit (infelicitas) aber iſt der Zuſtand des Misvergnuͤgens und der Trau - rigkeit. Die Begierde des Menſchen iſt von Natur beſtimmt, dasjenige zu begehren, wor - an er Vergnuͤgen empfindet; folglich nach der Gluͤckſeeligkeit zu ſtreben. Er verabſcheuet aber von Natur dasjenige, woraus man Mis - vergnuͤgen empfindet; folglich die Ungluͤckſee - ligkeit. Der Menſch muß alſo beſorgt ſeyn, daß er gluͤckſeelig wird, nicht aber ungluͤckſeelig (§. 36.); folglich hat er ein Recht zu demjenigen, was et - was zu ſeiner Gluͤckſeeligkeit beytragen kann (§. 46.). Es erhellet aber ſelbſt ausder77des Menſchen gegen ſich ſelbſt. der Erklaͤrung der Gluͤckſeeligkeit, daß man die wahre Gluͤckſeeligkeit von der fal - ſchen, die nur den Schein derſelben hat, un - terſcheiden muͤße; damit wir nicht, wenn wir begehren gluͤckſeelig zu ſeyn, uns ſelbſt ungluͤckſeelig machen. Ferner iſt klar, daß man alles Misvergnuͤgen, ob es gleich klein iſt, verabſcheuen muͤße; weil daſſel - be der Gluͤckſeeligkeit entgegen.

§. 119.

Wir leben bequemlich (vitam commo -Vom be - quemli - chen und vergnuͤg - ten Leben. de tranſigimus), wenn wir dasjenige, was wir zu thun haben, ohne alles Mißvergnuͤgen verrichten koͤnnen, oder daſſelbe alles Miß - vergnuͤgen von uns entfernt. Wenn wir aber dasjenige thun, woraus wir ein unſchuldiges Vergnuͤgen empfinden, ſo leben wir ver - gnuͤgt (jucunde vivimus). Der Menſch muß demnach beſorgt ſeyn, daß er be - quemlich und vergnuͤgt leben moͤge (§. 118.); folglich hat er ein Recht zu allen denjenigen Dingen, die zur Bequem - lichkeit und zum Vergnuͤgen des Le - bens etwas beytragen (§. 46.).

§. 120.

Das vergaͤngliche Vergnuͤgen (vo -Von der vergaͤng - lichen Luſt. luptas tranſitoria) iſt dasjenige, welches nur eine kleine Zeit dauert, und niemahls wieder - koͤmmt; dergleichen iſt alles, was die Sin - nen ergoͤtzet. Wenn es unſchaͤdlich iſt, ſo traͤgt es zur Gluͤckſeeligkeit des Menſchen et - was bey; wenn es aber ſchaͤdlich iſt, ſo be -foͤrdert78I. Th. 4. H. Von den Pflichtenfoͤrdert es die Ungluͤckſeeligkeit (§. 118.). Das vergaͤngliche Vergnuͤgen, oder die vergaͤngliche Luſt iſt alſo erlaubt, wenn es unſchaͤdlich iſt; aber uner - laubt, wenn es ſchaͤdlich iſt (§. cit.).

§. 121.

Von den Sachen und de - ren Ein - thei - lung.

Eine Sache (res) nennen wir ein jedes Ding (ens omne), welches uns nuͤtzlich ſeyn kann; naͤmlich um das Leben zu erhalten, und vergnuͤgt und bequemlich zu leben; entweder die Vollkommenheit des Leibes und der Seele auf alle Art und Weiſe zu befoͤrdern, oder die Unvollkommenheit abzuwenden Es iſt eine Sache aber entweder koͤrperlich (corpora - lis), welche durch die Sinnen empfunden werden kann, oder unkoͤrperlich (incorpo - ralis), welche durch die Sinnen nicht em - pfunden werden kann, ſondern durch den Verſtand allein begriffen wird; dergleichen ſind die Rechte und die Fertigkeiten der See - le. Es ſind dieſelben entweder nothwen - dige Sachen (res neceſſariæ), welche zur Erhaltung des Lebens und der Geſundheit, und um die Seele vollkommen zu machen er - fordert werden; oder nuͤtzliche (res utiles), welche etwas dazu beytragen, daß man be - quem leben und das ſeine verrichten kann, oder vergnuͤgende (res voluptuariæ), welche nur allein das Vergnuͤgen befoͤrdern, oder zur Luſt dienen. Ferner ſind einige Sachen blos natuͤrliche (res pure naturales), welche die Natur von ſich ſelbſt hervorbringt; anderedurch79des Menſchen gegen ſich ſelbſt. durch Fleiß gezogene (res induſtriales), welche die Natur nicht anders, als durch da - bey angewandten menſchlichen Fleiß hervor - bringt; noch andere kuͤnſtliche (res artificia - les), welche durch die menſchliche Kunſt her - vorgebracht werden.

§. 122.

Es iſt leicht begreiflich, daß die noth -Welche Sachen andern vorzu - ziehen ſind. wendigen Sachen den nuͤtzlichen und vergnuͤgenden vorzuziehen ſind (§. 121.); weil ſie von der Haupt-Verbindlich - keit erfordert werden (§. 36.). Die nuͤtzli - chen aber ſind den vergnuͤgenden vor - zuziehen; weil die vergnuͤgenden nur die Sinnen ergoͤtzen (§. 121. 129. ); und alſo ihr Gebrauch behutſam angeſtellet werden muß (§. 120.).

§. 123.

Die Menſchen koͤnnen der nothwendigenVon der hinlaͤng - lichen Anzahl der Sa - chen. Sachen nicht entbehren (§. 121.). Wenn alſo die Natur dieſelben nicht vor ſich in einer ſolchen Menge hervorbringt, als fuͤr alle hinlaͤnglich iſt; ſo muͤßen die Menſchen durch ihre Arbeit dieſelben vermehren, oder diejenigen, welche die Natur nicht hervorbringt, durch die Kunſt verfertigen. Daher fließt die Verbindlichkeit zum Acker - und Garten-Bau, der Wilden Baum - und der Vleh-Zucht ꝛc. Ja, da auch der Gebrauch der nuͤtzlichen und vergnuͤgenden Sachen erlaubt iſt (§. 119. 121. ); ſo muͤſſen ſich auch die Men -ſchen80I. Th. 4. H. Von den Pflichtenſchen bemuͤhen, daß es nicht an einer hinlaͤnglichen Anzahl von nuͤtzlichen und vergnuͤgenden Sachen fehle, wel - che aus dem Vorzuge der nuͤtzlichen beyder - ſeits zu beſtimmen (§. 122.).

§. 124.

Von der Arbeit.

Die Arbeit iſt die Muͤhe, welche man auf die Hervorbringung von koͤrperlicher und un - koͤrperlicher Sachen, und zur Befoͤrderung der Bequemlichkeit, des Vergnuͤgens und des Wohlſtandes anwendet: der Mißigang beſtehet in Unterlaßung der Arbeit. Men - ſchen ſind verbunden ſo wohl koͤrperliche (§. 123.), als unkoͤrperlicher Sachen hervorzu - bringen (§. 108. 110. 121. ); derowegen muß jeder Menſch arbeiten, und keiner darf muͤßig gehen; in ſo fern aber man auf die Geſundheit zu ſehen hat (§. 113.), muß man zu viele Arbeit, daß iſt, die mit Schaden der Geſundheit vorgenommen wird, und zu ſchwere Arbeit, zu welcher unſere Kraͤfte kaum zu reichen, vermeiden; und in ſo fern man in allen ſeinem Thun und Laſſen recht verfahren muß (§. 52.), ſeine Arbeit recht verrichten; folglich davor ſorgen, daß den kuͤnſtlichen Sachen nicht die gehoͤrige Vollkommenheit fehle (§. 11. 16. ); auch zu dem Ende, al - len noͤthigen Gebrauch der Kraͤfte zu erlangen, trachten. Und weil gar vieler - ley Arbeit iſt, dazu eines einigen Menſchen Kraͤfte nicht zureichen, die Menſchen aberverbun -81des Menſchen gegen ſich ſelbſt. verbunden ſind mit vereinigten Kraͤften ſich und ihren Zuſtand zu verbeſſern (§. 44.); ſo muß ein jeder die Arbeit erwaͤhlen, wozu er ſeine Kraͤfte hinreichend be - findet, folgends die Lebensart, wozu er geſchickt iſt, das iſt, denjenigen Stand, darinnen er ſeine Zeit mit Arbeit zubringt, welche recht zu verrichten er den noͤthigen Ge - brauch der Kraͤfte vermoͤge ſeiner natuͤrlichen Faͤhigkeiten und Neigungen, zu erlangen im Stande iſt.

§. 125.

Anderer Perſonen Urtheil von unſerer Voll -Von der Hochach - tung, dem Lobe und der Ehre. kommenheit wird die Hochachtung (exiſti - matio) genannt. Entdeckt man dieſelbe mit Worten, ſo heiſt es das Lob; giebt man ſie durch andere aͤuſſerliche Handlungen zu verſtehen, die Ehre. Daher erhellet, daß Lob und Ehre nicht in unſerer Ge - walt ſey (§. 60.), und daß einen nie - mand von ſich ſelbſt loben und ehren koͤnne, als der von ſich ſelbſt ein wah - res Urtheil von des andern Vollkom - menheit faͤllen kann. Jedoch weil wir verbunden ſind uns und unſeren Zuſtand voll - kommener zu machen (§. 43.); ſo muͤſſen wir uns bemuͤhen, daß wir der Hoch - achtung, folglich des Lobes und der Ehre wuͤrdig ſeyn. Und weil die Voll - kommenheit der Seele in der Fertigkeit des Verſtandes und Willens, ſo wir dem Geſetze der Natur gemaͤß zu erlangen uns bemuͤhenNat. u. Voͤlckerrecht. Fſollen82I. Th. 4. H. Von den Pflichtenſollen (§. 106.), beſtehet, wovon jene die Tugen - den des Verſtandes (virtutes intellectuales), dieſe die ſittliche Tugenden (virtutes mo - rales), oder auch, ohne Zuſatz, die Tugen - den genannt werden; ſo bringet nichts als die Tugenden des Verſtandes und die ſittliche Tugenden, welche durch un - ſere Wercke und Worte angezeiget werden, folglich das Gute der Seele (§. 104.), ei - ne wahre Hochachtung, Lob und Eh - re zuwege; das Gute des Leibes und die Guͤter des Gluͤcks aber bringen die - ſelben nicht zuwege, als nur in ſo weit, als dieſelbe durch die Tugenden erlan - get worden. Und demnach ſind ſie nur ei - ne Gelegenheit zur Hochachtung, Lob und Ehre.

§. 126.

Vom Ruf.

Der Ruf (fama) iſt die gemeine Rede der Menſchen von der Vollkommenheit, oder Unvollkommenheit eines Menſchen; folglich von den Worten und Wercken, welche die - ſelben anzeigen. Alſo iſt der Ruf entweder gut oder boͤſe. Weil der Menſch ſich im - mer vollkommener machen ſoll (§. 43.), und in allem ſeinem Thun recht verfahren (§. 52.); ſo muß er ſich bemuͤhen einen guten Nahmen, oder Ruf zu haben, und zwar mit Recht, auch denſelben be - ſtaͤndig zu erhalten ſuchen, das iſt, ſich ſorgfaͤltig in Acht nehmen, daß er denſelben nicht beflecke, damit nicht der gute Ruf ineinen83des Menſchen gegen ſich ſelbſt. einen ſchlimmen verwandelt werde; folglich wenn er etwas gethan hat, das dem guten Ruf zuwieder iſt; ſo muß er durch das Gegentheil denſelben wieder zu erlangen ſuchen.

§. 127.

Das uͤbereinſtimmende Lob rechtſchaffenerVon dem Ruhme. und verſtaͤndiger Maͤnner, oder derer die richtig urtheilen, heiſt der Ruhm (gloria). Was wir alſo von dem Lobe geſagt haben, gilt auch von dem Ruhme.

§. 128.

Da Lob und Ehre nicht in unſerer GewaltDaß man Lob und Ehre nicht be - gehren muͤſſe. ſtehen (§. 125.), wir aber nach Abſichten handeln ſollen; ſo muͤſſen wir Lob und Ehre nicht zu einer Abſicht bey unſern Handlungen machen; ſondern es an - dern uͤberlaſſen, ob ſie uns loben und ehren wollen (§. 78.); folglich muͤſ - ſen wir nach Lob und Ehre nicht ſtreben, vielweniger uns ſelbſt lo - ben.

§. 129.

Da der Menſch ſich ſelbſt, ſeiner Seele, ſei -Wie das Urtheil von nns und un - ſerm Zu - ſtand be - ſchaffen ſeyn muß. nem Leibe und ſeinem Zuſtande nach, erkennen ſoll (§. 105.); ſo muß das Urtheil von den Guͤtern ſeiner Seele, ſeines Leibes und des Gluͤcks wahr ſeyn: er muß auch bey denſelben nicht ſeinem Fleiß und ſeinen Bemuͤhungen zuſchreiben, was der Natur, dem Gluͤck und an - dern zugeeignet werden muß, und erF 2iſt84I. Th. 4. H. Von den Pflichteniſt nicht weniger ſchuldig, ſeine Un - vollkommenheit, als ſeine Vollkom - menheit zu erkennen; weil er ſonſt ſeiner Verbindlichkeit kein Genuͤge leiſten kann (§. 43.). Weil aber ſelbſt durch die Natur des Menſchen, aus der Empfindung der Voll - kommenheit das Vergnuͤgen entſtehet; ſo iſt das Vergnuͤgen, welches aus ſeiner und ſeines Zuſtandes Vollkommenheit entſtehet, nicht unerlaubt (§. 49. 37.).

§. 130.

Von den Pflichten des Men - ſchen in Abſicht auf das Gluͤck.

Das Gluͤck (fortuna) iſt der Jnbegriff aller Urſachen, die zuſammenkommen, und eine vor uns gute oder ſchlimme Wuͤrckung hervorbringen, die man nicht voraus ſehen koͤnnen. Es iſt alſo das Gluͤck entweder das gute Gluͤck (ſecunda), oder das wiedri - ge (adverſa). Jenes nennen wir im Deut - ſchen ſchlechterdinges das Gluͤck, dieſes aber das Ungluͤck. Da wir nun das Gluͤck nicht in unſerer Gewalt haben (§. 60.), und die Er - fahrung uns lehret, daß es ſehr veraͤnderlich iſt; ſo muͤſſen wir dem Gluͤck, wenn es uns guͤnſtig iſt, nicht zu viel trauen, und im Ungluͤcke nicht am beſſeren Gluͤcke zweifeln; folgends ſind wir ver - bunden das Ungluͤck mit gelaßnem Gemuͤth zu ertragen; damit wir nicht durch unſere Schuld ungluͤckſeelig werden (§. 118. 17.). Damit alſo nicht die wiedrigen Zufaͤlle, die uns wieder Vermuthen begegnen, das Gemuͤthe beunruhigen; ſo muͤſſen wirdie85des Menſchen gegen ſich ſelbſt. die wiedrigen Zufaͤlle, die nicht in unſerer Gewalt ſtehen, als Dinge an - ſehen, die geſchehen und von uns nicht vermieden werden koͤnnen. Und hierin beſtehet die Zubereitung auf die zukuͤnf - tigen Faͤlle.

§. 131.

Da die natuͤrliche Verbindlichkeit ſo noth -Von der Vermei - dung der Gefahr. wendig iſt (§. 38.), daß kein Menſch von derſelben befreyt werden kann (§. 42.); ſo muß ſich kein Menſch durch die Furcht eines Uebels abſchrecken laſſen, das zu thun, was dem Geſetze der Natur gemaͤß iſt; ſich auch nichts zu thun be - wegen laſſen, was dem Geſetze der Natur zuwieder iſt. Weil wir aber auch alle Gefahr von uns und unſerem Zuſtande abwenden ſollen (§. 43.); ſo muß auch nie - mand, wenn ihn keine Verbindlichkeit dazu antreibt, ſich in Gefahr begeben, z. E. das Leben oder geſunde Gliedmaſſen zu verliehren, oder ſeinen Zuſtand unvollkom - mener zu machen. Was man in einem be - ſondern Falle zu thun hat, lehrt die Ausnah - me, die man machen muß, wenn Pflichten nicht zugleich beobachtet werden koͤnnen (§. 64.).

§. 132.

Die Selbſtliebe (amor proprius) iſt dieVon der Selbſt - liebe und ihrer Be - weiſung. Beſchaffenheit des Gemuͤths, aus ſeiner eige - nen Gluͤckſeeligkeit ein Vergnuͤgen zu empfin - den. Die Ausuͤbung derſelben (dilectio ſui) iſt ein beſtaͤndiger und dauernder Wille,F 3mit86I. Th. 5. H. Von den Pflichtenmit allem Fleiß ſich dahin zu beſtreben, daß wir gluͤckſeelig ſeyn moͤgen; und folglich ſich in acht zu nehmen, daß wir nicht ungluͤckſee - lig werden. Da der Menſch ſorgfaͤltig ſeyn ſol, daß er gluͤckſeelig und nicht ungluͤckſeelig werde (§. 118.); ſo muß er ſich ſelbſt lieben. Die Begierde des Menſchen iſt uͤberhaupt zur Gluͤckſeeligkeit beſtimmt; auch das Gemuͤth des Menſchen iſt natuͤrlicher Weiſe geneigt, ein Vergnuͤgen aus ſeiner ei - genen Gluͤckſeeligkeit zu empfinden (§. cit. ); alſo iſt die Selbſtliebe nicht unerlaubt (§. 49. 37). Es muß dieſelbe aber doch durch die Vernunft regiert werden, daß man nicht die ſcheinbahre Gluͤck - ſeeligkeit mit der wahren verwechſelt (§. 43. 118.).

Das fuͤnfte Hauptſtuͤck.

Von den Pflichten des Menſchen gegen andere, und den Rechten, die mit denſelben verbunden ſind.

§. 133.

Von der Ueber - einſtim - mung der Pflichten gegen ſich ſelbſt und gegen andere.

Da der Menſch verbunden iſt, nicht al - lein ſich und ſeinen Zuſtand vollkom - mener zu machen, und die Unvollkom - menheit abzuwenden (§. 43.); ſondern auch zur Vollkommenheit des andern und ſeines Zuſtandes, wenn der andere ſeiner Huͤlfe noͤ - thig hat, ſo viel als ihm moͤglich, beyzutragen,und87des Menſchen gegen andere. und alles dasjenige zu unterlaſſen, wodurch der andere und ſein Zuſtand unvollkommener gemacht wird (§. 44.); ſo iſt jeder Menſch einem jeden, er ſey wer er wolle, eben das ſchuldig, was er ſich ſelbſt ſchul - dig iſt; doch in ſo fern es nicht ſchon in des andern Vermoͤgen allein ſtehet, und er es, ohne die Pflichten gegen ſich ſelbſt zu verabſaͤumen, dem andern leiſten kann. Folglich ſind die Pflichten des Menſchen gegen andere mit den Pflichten gegen ſich ſelbſt einerley (§. 57.). Es muͤſſen alſo dieſelben auch bey an - dern angewandt werden.

§. 134.

Ein jeder Menſch muß alſo dem an -Wir muͤſſen andern behuͤlflich ſeyn Gu - tes zu er - langen. dern, ſo viel in ſeinem Vermoͤgen ſte - het, helfen, daß er, was ihm an Seele und Leibe gut, und zu ſeinem Gluͤcke dienet, erlange (§. 104.); und folglich verhuͤten, daß andere nicht in Uebel an Seele und Leib, oder in Ungluͤck verfallen (§. 51.). Und weil das Geſetz der Natur die Huͤlfe nicht auf gewiſſe Guͤter einſchrencket; ſo muͤſſen wir dem andern unſere Huͤlfe nicht verſagen, auch mehr Gutes zu erlangen, als wir ſelbſt ha - ben. Da nun dieſes nicht geſchehen kann, wenn wir den andern wegen des Guten be - neiden; ſo muͤſſen wir auch niemanden das misgoͤnnen, was wir nicht ha -F 4ben. 88I. Th. 5. H. Von den Pflichtenben. Es ſtreitet der Neid, oder die Mis - gunſt, ſelbſt mit der Natur des Menſchen (§. 39. 44.).

§. 135.

Ob die natuͤrli - che Ver - bindlich - keit durch andere gegenſei - tige Hand - lungen aufgeho - ben wird.

Die natuͤrliche Verbindlichkeit iſt gaͤntzlich unveraͤnderlich (§. 38.). Wenn alſo ein anderer der natuͤrlichen Verbindlichkeit kein Genuͤgen leiſtet, ſo iſt es uns des - wegen nicht erlaubt ihr auch kein Ge - nuͤgen zu leiſten; folglich iſt es nicht er - laubt, die Uebertretung des Rechts der Natur durch das Exempel ande - rer zu beſcheinigen; und es hoͤrt des - wegen die Verbindlichkeit, gegen je - mand anders eine Pflicht auszuuͤben, nicht auf, wenn er ſeine Pflicht gegen uns nicht erfuͤllet. Weil dieſes auch von denjenigen Pflichten zu verſtehen iſt, welche durch das Geſetze verbothen ſind; ſo ſind wir auch Liebesdienſte denen zu er - weiſen ſchuldig, die uns beleidigen (§. 88.).

§. 136.

Von der Liebe und Bewei - ſung der - ſelben ge - gen an - dere.

Die Pflichten des Menſchen gegen andere ſind mit den Pflichten gegen ſich ſelbſt einer - ley (§. 133.). Derowegen muß ein jeder einen beſtaͤndigen und dauernden Wil - len haben, die Vollkommenheit und Gluͤckſeeligkeit eines jeden andern Men - ſchen, er ſey wer er wolle, zu befoͤrdern (§. 43. 118. ); folgends, da in dieſem Willen die Beweiſung der Liebe gegen andere(dile -89des Menſchen gegen andere. (dilectio) beſtehet, in der Beſchaffenheit des Gemuͤths aber aus des andern Gluͤckſeeligkeit Vergnuͤgen zu ſchoͤpffen, die Liebe (amor), ſoll ein jeder den andern als ſich ſelbſt lieben, und ihm dieſelbe auf alle Art und Weiſe beweiſen (§. 132.), nieman - den aber haſſen (§. 51.).

§. 137.

Wer uns liebt, heiſt unſer Freund; werWer Freund, wer Feind, u. von der Liebe der Feinde. uns haſſet, der Feind. Wir muͤſſen alſo jedermanns Freund, und niemanden feind ſeyn (§. 136.). Und weil die Pflich - ten gegen andere dadurch nicht aufgehoben werden, weil ſie dieſelbe gegen uns unterlaſ - ſen (§. 135.); ſo muͤſſen wir auch unſe - re Feinde lieben, wie uns ſelbſt, und ih - nen keinen Liebesdienſt verſagen (§. 136.), vielweniger ſie gar haſſen.

§. 138.

Weil alle Menſchen gegen einander Freun -Von der Bemuͤ - hung Freund - ſchafft zu halten. de ſeyn ſollen (§. 137.); ſo muß ſich auch ein jeder bemuͤhen, daß er ſich andre nicht zu Feinden mache, ſondern daß er anderer Freundſchafft erlange und behalte. Jedoch da niemand von der natuͤr - lichen Verbindlichkeit befreyt werden kann (§. 42.); ſo doͤrffen wir aus Freundſchafft nichts thun, was dem Geſetze der Na - tur zuwieder iſt.

§. 139.

Die Vollkommenheit der Seele beſteht inDaß man an - dern ein den Tugenden, die ihren Sitz ſo wohl im Ver -F 5ſtande,90I. Th. 5. H. Von den PflichtenExempel geben muß.ſtande, als im Willen haben (§. 106. 125.). Wir muͤſſen alſo fleißig ſeyn, dieſelben bey anderen fortzupflantzen, andere durch unſer Exempel die Tugenden lehren, wie auch ſie zur Ausuͤbung der - ſelben aufmuntern (§. 136.), folglich an - dern gute Exempel geben, wodurch naͤmlich wir andere die Tugenden lehren, und ſie zu fleiſ - ſiger Ausuͤbung derſelben aufmuntern; aber boͤſe Exempel, wodurch wir andere die La - ſter lehren, und ſie zur Ausuͤbung derſelben anreitzen, unterlaßen (§. 51.), nieman - den zu Laſtern verfuͤhren (§. cit.).

§. 140.

Daß man die Voll - kommen - heit an - derer nicht ver - hindern ſolle.

Weil wir die Handlungen unterlaſſen ſol - len, wodurch ein anderer oder ſein Zuſtand unvollkommener gemacht wird, wie auch zu ſeiner Vollkommenheit ſo viel beytragen, als wir koͤnnen (§. 44.); ſo muß niemand ver - hindern, daß der andere eine Vollkom - menheit erhalte; man muß auch nicht eine dritte Perſon verhindern, ihm zu derſelben zu verhelfen. Dieſes iſt von allen und jeden Guͤtern der Seele, des Lei - bes und des Gluͤcks zu verſtehen (§. 134.). Es iſt auch klar, daß niemand die Ab - wendung des Uebels an Seele und Leib und des Ungluͤcks von andern, oder Befreyung davon, verhindern ſoll; vielweniger entweder ſelbſt, oder durch andere ihn eines Guten berau - ben (§. cit.).

§. 141.91des Menſchen gegen andere.

§. 141.

Weil die Pflichten des Menſchen gegenVon der Sorge fuͤr des andern Leib. andere mit den Pflichten gegen ſich einerley ſind (§. 133.); ſo muß niemand die Glied - maſſen eines andern auf einige Weiſe verletzen, oder ihn eines Gliedes be - rauben, oder daſſelbe unbrauchbar ma - chen, noch auch der Geſundheit des andern auf einige Weiſe ſchaden; ſon - dern ſein Leben und ſeinen Leib, ſo viel an ihm iſt, erhalten, nicht weni - ger, wenn er kranck iſt, ſorgen, daß er wieder geſund werde (§. 112.); folg - lich muß er niemanden des Lebens berau - ben, oder ihn toͤdten (§. 51.), daß ſolcher - geſtalt ein jeder Todtſchlag, der vorſetzli - cher Weiſe, oder aus Verſehen begangen wird (§. 17.), wovon jener ein vorſetzlicher, dieſer ein unvorſetzlicher genannt wird, von Natur unerlaubt iſt (§. 49). Und weil niemand das Recht hat, ſich ſelbſt des Lebens zu berauben (§. 112.); ſo iſt es auch nicht er - laubt, einen andern, wenn er es auch haben will, zu toͤdten.

§. 142.

Aus eben dem Grunde erhellet, daß wirWie man vor den guten Na - men eines andern ſorgen ſoll. auch vor den guten Nahmen eines an - dern Sorge tragen ſollen (§. 126. 133.). Da nun ein guter Ruf in der gemeinen Rede der Menſchen von der Vollkommenheit ande - rer, und folglich ihrem Thun und Laſſen be - ſtehet (§. 126.); ſo muͤſſen wir nicht al -lein92I. Th. 5. H. Von den Pflichtenlein einen jeden ſo hoch achten, als er es verdient; ſondern ihm auch die ge - buͤhrende Ehre und das verdiente Lob geben (§. 125.); folglich muͤſſen wir nie - manden ſeinen ehrlichen Nahmen kraͤn - cken, noch jemanden die gebuͤhrende Hochachtung und Ehre, noch das ver - diente Lob verſagen, d. i. noch vermindern (§. 51.); vielweniger mit Vorſatz falſche Sachen von andern zu Kraͤnckung ſeiner Eh - re ausbreiten und bekannt machen, das iſt, andere verlaͤumden.

§. 143.

Von der Jnjurie im enge - ren Ver - ſtande.

Die Verletzung oder Kraͤnckung der Ehre oder des guten Nahmens eines andern, ſie mag geſchehen, auf was Art und Weiſe ſie will, neñt man eine Jnjurie, oder einen Schimpf (injuria ſpecialiter dicta). Sie heiſt eine Real-Jnjurie (realis), wenn ſie durch eine Handlung; eine Verbal-Jnjurie (verba - lis), wenn ſie mit Worten geſchieht. Es darf alſo niemand den andern injurii - ren oder ſchimpfen (§. 142.).

§. 144.

Vom Recht, welches wir wie - der die Perſonen haben, die uns ſchim - pfen.

Daher haben wir das Recht, daß man geſchimpft wird, nicht zu leiden (§. 89.); welches uns alſo von Natur zukoͤmmt. Wir ſchlieſſen alſo auf eben die Weiſe, wie vorher (§. 90. 92. und 93.), daß wir das Recht haben, unſere Ehre und guten Nahmen zu vertheidigen, und den, welcher uns ſchimpft, zu ſtra -fen;93des Menſchen gegen andere. fen; folglich diejenige Handlungen er - laubt ſind, ohne welche der gute Nah - me nicht vertheidiget, und die Abſicht der Strafe nicht erhalten werden kann. Es beſteht aber dieſe Abſicht darinn, daß wir den Sinn desjenigen, welcher uns ſchimpft, aͤndern, und zugleich andern eine Furcht ein - jagen wollen, welchen die Luſt ankommen koͤnte uns zu ſchimpfen (§. 92).

§. 145.

Der Hochachtung wird die Schande ent -Von der Schande. gegen geſetzet, welche in einem Urtheile an - derer von unſerer Unvollkommenheit beſtehet; folglich koͤmmt die wahre Schande nicht anders, als von den Laſtern her, und alſo aus den Handlungen, welche die - ſelbe verrathen, wie auch aus dem Mangel der Tugenden des Verſtandes (§. 125.), in ſo fern wir Schuld daran haben (§. 17.). Und dieſes gilt auch von den Gebrechen des Leibes und den Kranckheiten, und dem Ungluͤcke. Ja die Gluͤcksguͤter gereichen uns zur Schande, in ſo ferne wir durch La - ſter dazu gelanget.

§. 146.

Die Verachtung (contemtus) nenntVon der Verach - tung, der Beſchim - pfung, den Laͤ - ſterun - man eine jede aͤuſſere Handlung, durch welche man anzeigt, daß der andere des Lobes und der Ehre unwuͤrdig ſey. Die Beſchimpfung (contumelia) iſt eine aͤuſſere Handlung, wo - durch wir dem andern ſeine Unvollkommenhei -ten,94I. Th. 5. H. Von den Pflichtengen, dem Tadeln.ten, mit dem Vorſatz ihn zu beſchimpfen (ani - mo ignominia afficiendi), vorwerffen und verweiſen. Der Tadel (vituperium) iſt ei - ne Rede, wodurch wir andern den Mangel einer Vollkommenheit ſchuld geben. Es er - hellet leicht, daß man niemand verach - ten ſoll, und daß alle Beſchimpfungen und Laͤſterungen, auch alles Tadeln ein Schimpf, folglich natuͤrlich uner - laubt ſey (§. 143.).

§. 147.

Welchem Recht die uͤblen Ur - theile von an - dern zu - wieder ſind.

Weil, nach der natuͤrlichen Freyheit, man einem jeden erlauben muß, daß er in der Be - ſtimmung ſeiner Handlungen ſeinem Urtheile folge, und er nicht ſchuldig iſt, jemand anders Rechenſchafft von denſelben zu geben, ſo lan - ge er nicht thut, was dem Rechte des andern zuwieder iſt (§. 78.); ſo ſind die uͤbeln Ur - theile von anderer Handlungen, man mag ſie durch Worte, oder Wercke zu erkennen geben, ſo lange nichts, was unſerm Recht zuwieder iſt, geſchieht, der natuͤrlichen Freyheit zuwieder; folglich ſchließt die natuͤrliche Freyheit das Recht in ſich, andere dazu anzu - halten, daß ſie nicht uͤbel von uns re - den, das Urtheil mag wahr, oder falſch ſeyn.

§. 148.

Von dem Verluſt ſeines ehrlichen Namens.

Der Verluſt des ehrlichen Nahmens (infamia) iſt die allgemeine Meinung der Menſchen von eines andern Laſtern, die wiroben95des Menſchen gegen andere. oben den uͤbeln Ruf genannt haben (§. 126.). Da wir nun darauf zu ſehen haben, daß wir einen guten Ruf oder guten Nahmen haben (§. cit. ); ſo muͤſſen wir uns vor dem Verluſt eines ehrlichen Nahmens huͤ - ren: und weil wir auch fuͤr den guten Nah - men eines andern Sorge tragen ſollen (§. 142.); ſo muͤſſen wir niemanden ſeinen ehrli - chen Nahmen beflecken (infamiam ad - ſpergere). Daraus iſt ferner klar, daß nur die Handlungen, welche von den La - ſtern kommen, unſerm ehrlichen Nah - men ſchaden (infamare), und uns dar - um bringen.

§. 149.

Ein Pasquill, Schmaͤhſchrift (libel -Von Pasquil - len. lus famoſus) nennt man eine Schrifft, durch welche andern ehrenruͤhrige Handlungen ſchuld gegeben werden. Da der Urheber derſelben, er mag verborgen ſeyn, oder ſeinen Nahmen gemeldet haben, den andern um ſeinen ehrli - chen Nahmen bringet; ſo ſind Pasquille von Natur unerlaubt (§. 148.).

§. 150.

Weil wir fuͤr den guten Nahmen an -Von der Beſchuͤ - tzung des ehrlichen Namens anderer. derer beſorgt ſeyn ſollen (§. 142.); ſo muͤſ - ſen wir denſelben wieder Verlaͤumder und Laͤſterer vertheidigen, ſo viel in unſerer Gewalt ſtehet. Es ſind aber die Verlaͤumder von den Laͤſterern unterſchieden. Die Verlaͤumder (calumniatores) ſtreuen falſche Dinge aus, mit dem Vorſatz, den an -dern96I. Th. 5. H. Von den Pflichtendern um ſeinen ehrlichen Nahmen zu brin - gen. Die Laͤſterer (obtrectatores) ſtreuen Dinge aus, die dem Lobe des andern zuwie - der ſind.

§. 151.

Von dem Recht andere zu verthei - digen, u. ihnen bey der Be - ſtrafung zu helfen.

Der Menſch hat das Recht, nicht zu dul - den, daß ihn jemand beleidige (§. 89.), und alſo ſich gegen die Beleidigung, die man ihm zufuͤgen will, zu wehren (§. 90.), und denje - nigen, welcher ihn wuͤrcklich beleidiget hat, zu ſtrafen (§. 93.). Da wir nun andern eben dasjenige ſchuldig ſind, was wir uns ſelbſt ſchuldig ſind (§. 133.), und die Rechte uns von Natur gegeben ſind, um der Verbind - lichkeit ein Genuͤge zu leiſten (§. 46.); ſo haben wir auch das Recht nicht zu lei - den, daß einer von andern beleidiget werde; ihn gegen eine Beleidigung, die man ihm zufuͤgen will, zu verthei - digen, und den Beleidiger zu ſtrafen, wenn der andere unſerer Huͤlfe dazu noͤthig hat.

§. 152.

Von der Huͤlfe im Kriege.

Der Krieg beſtehet (§. 98.) in der Ver - theidigung ſeiner, oder daß man ſich gegen Gewalt wehret, in der Beſtrafung anderer, und in der gewaltſamen Behauptung ſeines Rechts, um dasjenige zu erhalten, wozu uns der andere vollkommen verbunden iſt, und es uns nicht gewehren will; welche letztere der Ver - theidigung aͤhnlich iſt (§. 90. 88.). Es iſt alſo von Natur erlaubt, einem andern, derdas97des Menſchen gegen andere. das Recht zum Kriege auf ſeiner Sei - te hat, im Kriege zu helfen, wenn er unſerer Huͤlfe bedarf.

§. 153.

Uns koͤmmt das Recht zu, denjenigen zuVon der Schuld der Stea - fe und dem Ver - dienten in der - ſelben. ſtrafen, der uns wuͤrcklich beleidiget hat (§. 93.), und dieſer iſt verbunden die Strafe zu erdulden. Jn dieſer Verbind - lichkeit beſtehet die Schuld der Strafe (reatus), von der, wenn man genauer die Sache anſehen will, man das Verdiente in der Strafe (meritum pœnæ ſ. demeritum) unterſcheiden muß, daß man es vor die Be - ſchaffenheit einer Handlung nimmet, aus wel - cher der Beleidigte das Recht erhaͤlt, den Be - leidiger zu ſtrafen, dem von Seiten des Be - leidigers entgegen geſetzt iſt die Verbindlich - keit, die Strafe zu erdulden; oder welche ihn der Strafe wuͤrdig macht. Gewoͤhnlicher weiſe wird die Schuld der Strafe von dem Verdienten in der Strafe nicht unterſchieden.

§. 154.

Eine Handlung, wodurch man ge -Von Hand - lungen, dadurch man ge - kraͤncket wird. kraͤncket wird, oder Kraͤnckung (offen - ſa), iſt entweder eine begangene, oder unter - laſſene Handlung, woraus der andere einen Verdruß mit Recht empfindet. Da dieſelbe der Gluͤckſeeligkeit zuwieder iſt, die wir auch bey andern zu befoͤrdern ſchuldig ſind (§. 136.); ſo doͤrfen wir niemanden kraͤncken, oder ihm etwas zuwieder thun. Weil nun niemand von der natuͤrlichen VerbindlichkeitNat. u. Voͤlckerrecht. Gbefreyt98I. Th. 5. H. Von den Pflichtenbefreyt werden kann (§. 100.), und man ei - nem jeden erlauben muß ſich ſeines Rechts zu bedienen (§. 66.); ſo iſt es keine Kraͤn - ckung, ſondern wird faͤlſchlich davor angenommen, wenn einer das thut, wozu er verbunden iſt, oder was er mit Recht thun kann.

§. 155.

Võn der Rache.

Weil wir niemanden haſſen ſollen (§. 136.), der Haß (odium) aber in der Gemuͤths - Verfaſſung beſtehet, aus des andern Ungluͤck - ſeeligkeit, oder Verdruß und Traurigkeit (§. 118.) ein Vergnuͤgen zu empfinden; ſo darf auch niemand dem andern Ver - druß verurſachen: und da dieſe Verbind - lichkeit durch eines andern gegenſeitige Hand - lung nicht aufgehoben wird (§. 135.); ſo duͤrfen wir auch niemanden Verdruß erwecken wollen, weil er uns gekraͤn - cket; folglich muͤßen wir dem andern nichts Boͤſes thun, der uns etwas Boͤ - ſes gethan hat, oder Boͤſes mit Boͤſem vergelten. Die Rache (vindicta) nennt man alle Handlungen, durch welche man Boͤ - ſes mit Boͤſem vergilt, und die Rachgier (cupiditas vindictæ) die Begierde dem an - dern Verdruß zu verurſachen, der uns gekraͤn - cket hat. Daher iſt klar, daß die Rache unerlaubt ſey, und daß wir ein von al - ler Rachgier befreytes Gemuͤthe ha - ben muͤſſen; folglich daß daſſelbe auch bey der Ausuͤbung des uns zukommen -den99des Menſchen gegen andere. den Rechts zu ſtrafen und ſich gegen Gewalt zu wehren, nicht ſtatt finden duͤrfe (§. 90. 93.). Derowegen haben wir bey den Strafen und Vertheidigun - gen nicht zur Abſicht, dem andern Ue - bels zuzufuͤgen; ſondern in dem erſten Fall, die kuͤnftige Sicherheit; in dem andern Fall, die Vertreibung einer her - annahenden Beleidigung (§. 90. 91. ſeqq.).

§. 156.

Die Wiedervergeltung (talio) heiſtVon der Wieder - vergel - tung. die gleiche Rache, da einer naͤmlich ein ſo großes Uebel leidet, als er dem andern angethan hat. Da alle Rache unerlaubt iſt (§. 155.), ſo iſt auch die Wiedervergeltung unerlaubt; folglich giebt es von Natur kein Wieder - vergeltungs-Recht (jus talionis) (§. 49.); und daher muß man bey den Strafen nicht auf die Wiedervergeltung ſehen; folgends muß der, welcher einen andern getoͤdtet hat, nach dem natuͤrlichen Rechte, eben nicht am Leben geſtrafer werden.

§. 157.

Der verzeihet oder vergiebt eineVon der Verzei - bung der Kraͤn - ckungen und Er - laſſung der Stra - ſe. Kraͤnckung (offenſam condonat), welcher alle Begierde zur Rache fahren laͤßt. Da nun das Gemuͤth von aller Rache entfernt ſeyn ſoll (§. 155.); ſo muͤſſen wir zum Verzeihen willig und bereir ſeyn. Al - lein weil man ohne Rachgier ſtrafen kan undG 2ſoll100I. Th. 5. H. Von den Pflichtenſoll (§. cit. ); ſo enthaͤlt die Verzeihung der Kraͤnckung, oder deſſen, was man ei - nem zuwieder gethan, nicht den Erlaß der Strafe, oder die Unterlaßung des Ge - brauchs ſeines Rechts zu ſtrafen. Aber aus eben der Urſache muß man zu keiner haͤr - teren Strafe ſchreiten, wo man die Abſicht derſelben durch eine gelindere erhalten kann: ja man muß die Strafe erlaſſen, wenn ohne dieſelbe die Ab - ſicht erreicht werden kann.

§. 158.

Von der Maͤßi - gung ſich zu weh - ren.

Da auf eine gleiche Weiſe, wenn man ſich wehret, man zur Abſicht hat, eine vorhabende Beleidigung abzuwenden, aber nicht dem andern Schaden zuzufuͤgen (§. 155.), und man aus den vorkommenden Umſtaͤnden diejenigen Handlungen, welche erlaubt ſind, um die Beleidigung abzuwenden, beſtimmen muß (§. 90.); ſo muß man, wenn die Beleidigung durch gelindere Mittel abgewandt werden kan, nicht haͤrtere gebrauchen.

§. 159.

Von dem, was im Krie - ge er - laubt.

Und weil der Krieg gefuͤhrt wird, unſer Recht zu beſchuͤtzen und zu erhalten (§. 98.); ſo iſt im Kriege ſo viel Gewalt erlaubt, als noͤthig iſt, unſer Recht zu erhal - ten, und den Wiederſtand zu uͤberwin - den, den man wieder eine gerechte Ge -walt101des Menſchen gegen andere. walt anwendet. Auf dieſe Weiſe wird, was im Kriege erlaubt iſt, von dem unterſchie - den, was nicht erlaubt iſt.

Das ſechſte Hauptſtuͤck.

Von den Pflichten gegen GOtt.

§. 160.

Es iſt gewiß, daß nicht allein die natuͤr -Von den freyen Hand - lungen, die durch Bewe - gungs - gruͤnde, die von den goͤtt - lichen Ei - genſchaf - ten her - genom - men ſind, beſtimmt werden ſollen. lichen Handlungen des Menſchen, ſon - dern auch alle uͤbrigen Dinge in der Welt alſo beſtimmt werden, daß man daraus ſchlieſſen kann, was vor Eigenſchafften GOtt zukommen. Da nun die freyen Handlungen auf eben dieſe Weiſe, wie die natuͤrlichen, be - ſtimmt werden ſollen (§. 43.), und dieſe Hand - lungen von dem Willen des Menſchen herruͤh - ren, der durch Bewegungsgruͤnde beſtimmt werden muß (§. 1. & cit. ); ſo muß auch der Menſch alle ſeine Handlungen durch Bewegungsgruͤnde, die von den Eigenſchaften GOttes hergenom - men werden, beſtimmen. Und daraus verſtehet man, wie die Vollkommenheit des Menſchen darinnen beſtehet, daß er geſchickt iſt GOtt vorzuſtellen, als ein Spiegel der goͤtt - lichen Vollkommenheiten (§. 112.); folglich enthaͤlt die natuͤrliche Verbindlichkeit, unſere freye Handlungen dergeſtalt einzurichten, daß unſere Vollkommen - heit dadurch befoͤrdert wird, zugleichG 3die102I. Th. 6. H. Von den Pflichtendie Verbindlichkeit in ſich, ſie durch Bewegungsgruͤnde zu beſtimmen, die von den goͤttlichen Eigenſchaften her - genommen ſind (§. 43.).

§. 161.

Von der Befoͤr - derung der Ehre Gottes.

Wer ſeine freyen Handlungen durch Be - wegungsgruͤnde beſtimmt, die von den goͤtt - lichen Eigenſchaften hergenommen ſind, der richtet ſie zur Ehre Gottes ein (§. 127. 125.). Derowegen da man dieſe Einrichtung ſeiner Handlungen zur Ehre Gottes die Befoͤrde - rung der Ehre Gottes (illuſtrationem gloriæ divinæ) nennet; ſo iſt der Menſch verbunden, die Ehre Gottes zu befoͤr - dern (§. 160.).

§. 162.

Von der Einrich - tung der Hand - lungen zur Voll - kommen - heit der Welt.

Und weil man auf eben dieſe Weiſe verſte - het, daß die Vollkommenheit dieſer ganzen Welt darinnen beſtehet, daß ſie geſchickt iſt, Gott vorzuſtellen, oder ein Spiegel der goͤtt - lichen Vollkommenheit zu werden; folgends daraus klar iſt, daß wer ſeine Handlungen zur Ehre Gottes einrichtet, dieſelben auch zur Vollkommenheit der ganzen Welt einrichtet (§. 160. 161. ); ſo iſt der Menſch von Natur verbunden, ſeine Handlungen zur Vollkommenheit der gantzen Welt einzurichten. Und daher erhellet, daß die Handlungen, die dem Geſetz der Natur zuwieder ſind, oder die Suͤnden, die Welt, das Werck Gottes, verſtellen.

§. 163.103gegen Gott.

§. 163.

Weil der Menſch verbunden iſt, ſeineVon der Erkennt - nis Got - tes. Handlungen durch Bewegungsgruͤnde, die von den goͤttlichen Eigenſchaften hergenom - men ſind, zu beſtimmen (§. 160.); ſo iſt er verbunden, Gott zu erkennen; folglich, da von uns die Eigenſchaften Gottes, durch die Betrachtung der Welt und desjenigen, was in derſelben iſt und darinnen geſchiehet, er - kannt werden; ſo muͤſſen wir ſo wohl die Welt und dasjenige, was in derſelben iſt und geſchieht, als auch uns ſelbſt und unſere natuͤrliche Handlungen be - trachten, und von denſelben muß ſich das Gemuͤth zu Gott erheben. Des - wegen aber hat der Menſch ein Recht zu allen Handlungen, durch welche die Erkenntnis der natuͤrlichen Dinge befoͤrdert wird, wie auch zu dem Ge - brauch aller Dinge, die dazu dienen. Da wir eben andern das ſchuldig ſind, was wir uns ſelbſt ſchuldig ſind (§. 133.); ſo muͤſſen wir auch andere zur Erkennt - nis Gottes bringen, ſo viel in unſerem Vermoͤgen ſtehet.

§. 164.

Gott will, daß wir unſere HandlungenVon der allgemei - nen Be - ſtimmung des Wil - lens und Nicht - Wollens. nach dem Geſetz der Natur einrichten ſollen (§. 41.). Derowegen muͤſſen wir ſie nach demſelben einrichten; weil Gott will, daß die - ſes geſchehe (§. 160.). Derowegen muß der Wille des Menſchen uͤberhaupt be -G 4ſtimmt104I. Th. 6. H. Von den Pflichtenſtimmt werden, das zu thun, was Gott haben will; und das Nicht-Wollen, dasjenige zu unterlaſſen, was Gott nicht haben will, und ſolchergeſtalt muß ſo wohl der Wille, als das Nicht - Wollen beſtaͤndig und dauernd ſeyn, das iſt, in einem jeden vorkommenden Falle, unbeweglich und in allen immer einerley.

§. 165.

Von der Verdun - ckelung Ehre Gottes.

Die Verdunckelung der Ehre Got - tes (obſcuratio gloriæ divinæ) iſt eine An - zeige, die entweder durch Worte oder durch Wercke geſchieht, daß man Gott fuͤr ein Weſen haͤlt, das Unvollkommenheit an ſich hat, welche ſeiner hoͤchſten Vollkommenheit zuwieder ſind. Derowegen da wir die Ehre Gottes verherrlichen ſollen, und ſo wohl durch Worte als durch Wercke zu verſtehen geben, daß wir Gott fuͤr ein ſolches Weſen halten, als es wuͤrcklich iſt, naͤmlich fuͤr das allervoll - kommenſte (§. 161.); ſo iſt die Verdun - ckelung der Ehre Gottes durch das Geſetze der Natur verbothen (§. 51.).

§. 166.

Von der Gottes - laͤſterung.

Die Gotteslaͤſterung (blaſphemia) nennt man eine jede Rede, oder Handlung, welche zur Verachtung, oder Beſchimpfung Gottes gereicht. Derowegen, da die Ehre Gottes durch dieſelbe am allermeiſten verdun - ckelt wird (§. 165.); ſo ſind alle Gottes - laͤſterungen durch das Recht der Natur auf das ſchaͤrfſte verbothen (§. cit.). Weil105gegen Gott. Weil aber der Menſch ſo lange kein Recht zu dem hat, was ein anderer thut, als der an - dere nichts wieder ſein vollkommenes Recht unternimmet (§. 76. 78. ), folglich kein Recht einen zu ſtrafen, als bloß denjenigen, wel - cher ihn beleidiget hat (§. 93.); ſo hat auch der Menſch von Natur kein Recht, die Verdunckelung der Ehre Gottes und die Gotteslaͤſterung zu ſtrafen: in ſo fern er aber doch beſorgt ſeyn muß, daß er andere zur Erkenntnis Gottes anfuͤhret, ſo viel an ihm iſt (§. 163.); ſo hat er ein Recht zu denjenigen Handlungen, wo - durch er denjenigen, der die Ehre Got - tes verdunckelt, oder Gott gar laͤſtert, von ſeiner Suͤnde uͤberfuͤhren kan.

§. 167.

Die Gottſeeligkeit nennt man die Tugend,Von der Gottſee - ligkeit, Gottlo - ſigkeit und Heu - cheley. ſeine Handlungen durch Bewegungsgruͤnde, die von den goͤttlichen Eigenſchaften herge - nommen ſind, zu beſtimmen, oder die Ehre Gottes zu befoͤrdern. Wir ſollen alſo gottſeelig ſeyn (§. 160. 161.). Jm Ge - gentheil iſt die Gottloſigkeit das Laſter, da einer ſeine Handlungen nicht nach dem Willen Gottes einrichten will. Die Gott - loſigkeit iſt alſo durch das natuͤrliche Geſetze verbothen (§. 164. 51.). Die Heucheley iſt eine verſtellte Gottſeeligkeit, wenn naͤmlich bloß die aͤuſſeren Handlungen, als da ſind die Worte, Stimme, Minen und Gebehrden, den Schein der GottſeeligkeitG 5haben,106I. Th. 6. H. Von den Pflichtenhaben, wovon doch die innern Handlungen weit entfernt ſind. Da nun das Geſetz der Natur eine Uebereinſtimmung der innern und aͤuſſern Handlungen erfordert (§. 52.); ſo iſt die Heucheley durch das Geſetz der Natur verbothen (§. 51.).

§. 168.

Vom Ge - horſam, den man Gott zu leiſten ſchuldig.

Der Gehorſam (obedientia) iſt die Be - reitwilligkeit, das zu thun, was der andere will, und das zu unterlaſſen, was er nicht will. Weil nun unſer Wille uͤberhaupt beſtimmt werden ſoll, das zu thun, was Gott will, und das zu unterlaſſen, was er nicht will (§. 164.); ſo ſind wir verbunden, Gott zu gehor - chen; folglich iſt der Ungehorſam, wel - cher dem Gehorſam entgegengeſetzet wird, durch das Geſetze der Natur verbothen (§. 51.).

§. 169.

Von der Liebe Gottes.

Gott iſt der Vollkommenſte. Da nun aus der Erfahrung bekannt, daß das Gemuͤth mit Freude und Vergnuͤgen erfuͤllt wird, wenn wir uns einer Vollkommenheit bewuſt ſind; ſo muß die groͤſte Vollkommenheit Gottes, wenn ſie erkannt wird, auch das Gemuͤth mit dem groͤſten Vergnuͤgen erfuͤllen. Die Neigung des Gemuͤths, aus der groͤſten Voll - kommenheit Gottes das groͤſte Vergnuͤgen zu empfinden, wird die Liebe zu Gott genannt, und unter der Liebe des Wohlgefallens (amor complacentiæ) verſtehet man diejenige, welche gantz allein in der Empfindung desVer -107gegen Gott. Vergnuͤgens aus des andern Vollkommenheit beſtehet, und ſich auf nichts weiters erſtreckt. Da wir nun verbundeu ſind, Gott zu erken - nen (§. 163.), zu ſeiner groͤſten Vollkommen - heit aber nicht das Geringſte beytragen, denn ſonſt waͤre ſie nicht die groͤſte; ſo ſollen wir auch Gott uͤber alle Dinge lieben, und die Liebe Gottes iſt eine Liebe des Wohlgefallens.

§. 170.

Gott iſt der Allerguͤtigſte, und was wirDaß wir Gott lie - ben ſol - len, weil er guͤtig gegen uns iſt. gutes entweder von Natur haben, oder auf andere Weiſe erhalten haben, muͤſſen wir Gott zuſchreiben. Da ſich nun Gott guͤtig gegen uns beweiſet, aus der Erkenntnis aber des Guten, was wir empfangen, oder der Wohl - thaten, die Liebe gegen den Wohlthaͤter ent - ſpringet; ſo muß man Gott auch des - wegen lieben, weil er ſo guͤtig gegen uns iſt. Da die Guͤte Gottes, welche in der Mittheilung der Wohlthaten beſtehet, zu der groͤſten Vollkommenheit Gottes mit ge - hoͤret; ſo iſt Gott zu lieben, weil er guͤtig gegen uns iſt, nichts anders, als ſich an ſeiner Guͤte, oder ſeinen Wohl - thaten ergoͤtzen; folglich iſt die Liebe, welche aus der Betrachtung der goͤtt - lichen Guͤte entſtehet, unter der Liebe des Wohlgefallens enthalten (§. 169.).

§. 171.

Wer den andern liebet, thut nichts, wasVon der Furcht Gottes. ihm mißfaͤllt, ſondern befleißiget ſich das zuthun,108I. Th. 6. H. Von den Pflichtenthun, was ihm gefaͤllt; folglich thut er nichts, was ſeinem Willen zuwieder iſt. Aus der Liebe entſtehet demnach die Sorgfalt nichts zu thun, was dem Willen des andern entge - gen iſt, welche Furcht die kindliche (timor filialis), im Gegentheil die knechtiſche (ſer - vilis) genannt wird, wenn man aus Furcht vor der Strafe thut, was der andere will, oder unterlaͤßt, was er nicht will. Da wir Gott uͤber alles lieben ſollen (§. 169.); ſo ſollen wir ihn auch uͤber alles fuͤrchten, naͤm - lich mit einer kindlichen Furcht.

§. 172.

Von der Ehr - furcht ge - gen Gott und dem goͤttli - chen Lobe.

Der Menſch iſt ſchuldig, die groͤſte Guͤte Gottes zu erkennen, und andere, ſo viel an ihm iſt, zu derſelben Erkenntnis zu bringen (§. 163.); ingleichen durch dieſelbe, als einen Bewegungsgrund, ſeine freye Handlungen zu beſtimmen (§. 160.). Da nun die aͤuſſern Handlungen mit den innern uͤbereinſtimmen ſollen (§. 52.), wir auch andere nicht anders, als durch aͤuſſere Handlungen, zur Erkenntnis der groͤſten Vollkommenheit Gottes bringen koͤnnen; ſo muß der Menſch durch Wor - te und Wercke zu verſtehen geben, daß er die groͤſte Vollkommenheit Gottes erkennet, und daher ihn hoͤher, als alles andere achtet: da nun dergleichen Bezei - gen die Ehrfurcht (reverentia) genannt wird; ſo ſind wir alſo zur Ehrfurcht ge - gen Gott verbunden. Da in dieſen Handlungen Lob und Ehre beſtehet (§. 125.);ſo109gegen Gott. ſo muͤſſen wir auch Gott die Ehre und das Lob, ſo ihm gebuͤhret, geben.

§. 173.

Aus der natuͤrlichen Gottesgelahrheit iſtVon dem Vertrau - en auf Gott und der Be - ruhigung in der goͤttli - chen Vor - ſicht. bekannt, daß Gott uns ſo viel Gutes erwei - ſet, und ſo viel Boͤſes von uns abwendet, als es nach ſeiner Weißheit angehet; und wenn uns etwas Boͤſes begegnet, daſſelbe zum Guten wendet. Wer von dieſer Wahrheit uͤberzeugt iſt, der uͤbergiebt ſich und alles, was er hat, gantz und gar der goͤttlichen Vorſicht, und uͤberlaͤßt derſelben, wie es kuͤnftig ergehen werde, und was wir nicht voraus ſehen koͤn - nen, er aͤngſtiget ſich nicht, wegen des Kuͤnf - tigen; er wirft alſo alle Sorge auf Gott, und aͤngſtiget ſich nicht daruͤber, was die Sachen vor einen Ausgang gewinnen werden. Da nun der Menſch verbunden iſt, Gott zu erken - nen (§. 163.), und die Tugend, da man ſich und ſeine Umſtaͤnde der goͤttlichen Vorſicht gantz uͤberlaͤßt, das Vertrauen auf Gott (fiducia), die Tugend aber, da man durch die Gewißheit, daß Gott in allem recht han - delt, was er in der Regierung der Welt thut, oder unterlaͤßt, ſeine Begierde und ſeine Ver - abſcheuung maͤßiget, die Beruhigung in der goͤttlichen Vorſicht genannt wird, (acqvieſcentia in providentia divina); ſo ſoll der Menſch ſein Vertrauen auf Gott ſetzen, oder ihm vertrauen, und ſich in der goͤttlichen Vorſicht beruhigen; folglich gegen Gott kein Mistrauenhegen,110I. Th. 6. H. Von den Pflichtenhegen, mit ſeinem Schickſaal zufrie - den ſeyn, und das Uebel, welches ihm begegnet, mit gelaſſenem Gemuͤthe er - tragen.

§. 174.

Von dem Preis des goͤttli - chen Nah - mens.

Das Lob, welches man Gott giebet, wird der Preis des goͤttlichen Nahmens (celebratio nominis divini) genannt. Dero - wegen ſind wir verbunden, den Nahmen Gottes zu preiſen (§. 172.); folglich die Eigenſchaften, Wercke und Wohltha - ten Gottes zu erzaͤhlen, welche er uns und andern, durch Zuwendung des Guten und Abwendung des Boͤſen, oder auch durch die Wendung zum Guten, erwieſen hat (§. 12.), wie hoch wir dieſe Wohlthaten halten, zu be - zeigen (§. 172.). Weil nun der Preis des Nahmens Gottes, wegen der Wohlthaten, die er uns und andern erwieſen hat, zugleich mit der Anzeige der Begierde, ihm davor die ſchuldige Pflichten zu leiſten, beſonders die Danckſagung (gratiarum actio) genannt wird, wir auch Gott wegen der erwieſenen Wohlthaten lieben ſollen (§. 170.), und des - wegen bereit und willig ſeyn, ihm die ſchul - digen Pflichten zu leiſten (§. 171. 57. 41. ); ſo ſollen wir auch Gott danckſagen.

§. 175.

Vom Ge - bete.

Es iſt gewiß, daß Gott der Geber alles Guten iſt, und daß wir es ſeiner Vorſicht zu - ſchreiben muͤſſen, daß das gegenwaͤrtige Gutebehal -111gegen Gott. behalten wird, das kuͤnftige koͤmmt, und das Uebel abgewendet, oder, wenn dieſes nicht ge - ſchieht, wie wir ſchon vorher geſagt, dennoch zum Guten gewandt wird (§. 170. 173.). Da wir nun ſchuldig ſind, dieſes zu erkennen (§. 163.), und durch daher genommene Bewe - gungsgruͤnde unſere Handlungen zu beſtimmen (§. 160.); ſo ſollen wir auch von Gott bitten, daß er das Gute, was er uns gegeben hat, erhalte, und uns in Zu - kunft auch Gutes zuwende; das Uebel aber abwende, oder, wenn es koͤmmt, zu unſerm Beſten wende. Weil nun dieſe Erklaͤrung unſers Willens die Anru - fung Gottes (invocatio numinis) heiſſet, und zwar, wie einige dazu ſetzen, in dem inne - ren Grunde unſers Hertzens (mentalis); ſo ſind wir Gott anzurufen ſchuldig. Und da die aͤuſſern Handlungen mit den innern uͤbereinſtimmen muͤſſen, und jene nicht ohne dieſen ſeyn (§. 52.); man aber das Gebet (orationem) nennt, die Rede, durch welche wir mit dem Munde ausſprechen, was wir gedencken, indem wir Gott anruffen und ihm danckſagen; ſo iſt das Gebet in dem na - tuͤrlichen Geſetze geboten. Es iſt aber klar, daß es vier Arten des Gebets giebt, da die erſte, die Erhaltung und Zuwendung des Guten; die andere, die Abwendung des Boͤſen, oder die Wendung deſſelben zum Guten; die dritte die Danckſagung; die vierte die Vorbitte fuͤr andere begreift. Der Apo -ſtel112I. Th. 6. H. Von den Pflichtenſtel Paulus unterſcheidet dieſe Arten 1 Tim. II, 2. da er das Beten, in Bitte, Gebet Danckſagung und Fuͤrbitte eintheilet.

§. 176.

Von den Liedern oder Ge - ſaͤngen.

Weil ein Lied, oder Geſang (hymnus) ein Gedicht iſt, welches zum Lobe Gottes auf - geſetzt iſt, ein jedes Gebet aber ein Lob Gottes in fich enthaͤlt (§. 175. 125. ); folglich Beten und Singen einerley Materie hat; uͤber die - ſes bekannt iſt, daß Gedichte nicht allein an und vor ſich geſchickter ſind, die Aufmerck - ſamkeit zu erwecken und zu erhalten, die Ge - muͤthsbewegungen zu erregen, und dasjenige, wovon ſie handeln, in das Gedaͤchtniß leichter und feſter zu faſſen; ſondern auch, wenn der Geſang dazu koͤmmt, alles dieſes ſo wohl bey andern, als auch bey uns ſelbſt leichter erhal - ten wird; ſo ſind wir von Natur ver - bunden zum Lobe Gottes Lieder zu machen und ſie zu ſingen.

§. 177.

Wie man die Pflich - ten gegen Gott ausuͤben ſoll.

Eine jede richtge Handlung erfordert den uͤbereinſtimmenden Gebrauch aller Kraͤfte (§. 16.). Da wir nun verbunden ſind recht zu handeln (§. 52.); ſo muͤſſen wir auch die Pflichten gegen Gott mit einem uͤber - einſtimmenden Gebrauch aller Kraͤfte ausuͤben; folglich muͤſſen jederzeit die aͤuſſern und innern Handlungen mit einander verbunden werden.

§. 178.113gegen Gott.

§. 178.

Da der Gottesdienſt (cultus divinus)Vom Gottes - dienſte. der Jnbegriff aller Handlungen iſt, die Got - tes wegen vorgenommen werden; folglich der - ſelbe in der Ausuͤbung der Pflichten gegen Gott beſtehet (§. 57.); dazu aber wir verbunden ſind, wie aus dem, was wir bis hierher bewieſen, zur Gnuͤge erhellet; ſo ſind wir verbunden Gott zu dienen. Man nennt aber den inneren Gottesdienſt, welcher durch in - nere Handlungen, den aͤuſſeren aber, wel - cher durch aͤuſſere Handlungen verrichtet wird. Weil nun bey der Ausuͤbung der Pflichten gegen Gott die aͤuſſern Handlungen und die innern nicht von einander abzuſondern ſind (§. 177.); ſo muß auch der innere Got - tesdienſt mit dem aͤuſſern verbunden werden.

§. 179.

Weil wir darauf zu ſehen haben, daß auchVon den Zuſam - menkuͤnf - ten, die des Got - tesdien - ſtes we - gen anzu - ſtellen ſind. andere Menſchen zur Erkenntniß Gottes (§. 163.), zur Tugend (§. 139.), und alſo auch zur Gottſeeligkeit gefuͤhrt werden (§. 167.), auch durch unſer Exempel andern nuͤtzen ſol - len (§. 139.); ſo ſind die Menſchen ver - bunden wegen des Gottesdienſtes zu - ſammen zu kommen; folglich haben ſie das Recht dasjenige anzuordnen, was zur rechten Einrichtung dieſer Zuſam - menkuͤnfte erfordert wird (§. 46. 52.). Hierzu gehoͤret die Beſtimmung der Zeit, des Orts und der Art und Weiſe dieſe Verſamm -Nat. u. Voͤlckerrecht. Hlungen114I. Th. 6. H. Von den Pflichtenlungen anzuſtellen. Was man in denſelben vorzunehmen hat, iſt aus ihrer Abſicht klar. Man muß naͤmlich lehren, was von Gott, von Ausuͤbung der Tugend, inſonderheit der Gottſeeligkeit, und von Vermeidung der Laſter zu wiſſen noͤthig iſt, man muß beten und ſingen.

§. 180.

Von den Ceremo - nien, die zum Got - tesdienſt gehoͤren.

Die Ceremonien ſind Zeichen von denje - nigen Dingen, derer wir uns bey der Aus - fuͤhrung eines Vorhabens erinnern ſollen. Wenn dieſelbe zugleich einen Einfluß in die Beſtimmung der Handlung ha - ben, die ausgeuͤbt werden ſoll; ſo ſind ſie den uͤbrigen vorzuziehen (§. 48.). Da die Menſchen das Recht haben dasjenige zu beſtimmen, was zur rechten Einrichtung der Zuſammenkuͤnfte, des Gottesdienſtes wegen, erfordert wird (§. 179.); ſo haben ſie auch das Recht die Ceremonien anzuordnen, welche dem Gottesdienſte gemaͤß ſind.

§. 181.

Von der Abgoͤtte - rey.

Die Abgoͤtterey (idololatria) nennt man allen Gottesdienſt, den man denen erweiſet, welche nicht Gott ſind. Derjenige bege - het alſo eine Abgoͤtterey, der die Pflich - ten, die er GOtt ſchuldig iſt, denenje - nigen leiſtet, die nicht Gott ſind, als den erdichteten Goͤttern, oder einem Weſen, von welchem er nicht einmahl davor haͤlt, daß es Gott ſey (§. 178.). Derowegen da wirGOtt115gegen Gott. GOtt dienen (§. cit. ), alle unſere Handlun - gen aber recht ſeyn ſollen (§. 52.), und zur Richtigkeit einer Handlung ein wahres Ur - theil von derſelben Richtigkeit gehoͤret (§. 53.); ſo iſt alle Abgoͤtterey durch das Geſe - tze der Natur verbothen.

§. 182.

Aberglaube werden genannt alle Hand -Vom Aber - glauben, und dem abgoͤtti - ſchen und aber - glaͤubi - ſchen Gottes - dienſte. lungen, welche durch irrige Meinungen von GOtt und der goͤttlichen Vorſicht, in Anſe - hung derjenigen Dinge, welche dem Men - ſchen gut oder boͤſe ſind, beſtimmt werden. Weil wir verbunden ſind, unſere Handlungen durch Bewegungsgruͤnde zu beſtimmen, wel - che von den goͤttlichen Eigenſchafften herge - nommen werden (§. 160.); ſo iſt aus dem Begriffe der Richtigkeit der Handlungen, wie vorher (§. 181.), klar, daß der Aber - glaube durch das natuͤrliche Geſetze verbothen ſey. Aus dem Begriff der Ab - goͤtterey und des Aberglaubens erkennet man, welcher Gottesdienſt abgoͤttiſch und aber - glaͤubiſch ſey. Und weil ſo wohl die Abgoͤt - terey, als der Aberglaube verbothen ſind; ſo iſt auch der abgoͤttiſche Gottesdienſt eben ſo wohl, als der aberglaͤubiſche, durch das Geſetze der Natur verbothen.

H 2Der116II. Th. 1. H. Von der erſten Gemeinſch.

Der andere Theil.

Von dem Eigenthume und den Rechten und Verbindlich - keiten, die daher ent - ſpringen.

Das erſte Hauptſtuͤck.

Von der Gemeinſchaft der erſten Zeit, und wie das Eigenthum entſtanden.

§. 183.

Vom Rechte zum nothwen - digen Ge - brauch der Sa - chen.

Man nennt den nothwendigen Ge - brauch der Sachen denjenigen, der dazu erfordert wird, daß wir unſerer natuͤrlichen Verbindlichkeit ein Genuͤ - gen leiſten. Weil nun das Recht der Natur uns ein Recht zu demjenigen Gebrauch giebt, ohne welchen wir unſerer natuͤrlichen Ver - bindlichkeit kein Genuͤgen leiſten koͤnnen (§. 46.); ſo haben uͤberhaupt alle Men - ſchen ein Recht zum nothwendigen Gebrauch aller Sachen, es moͤgen ſeyn, was vor welche es wollen, naͤmlich ſo wohl zu der nothwendigen, als auch der nuͤtzlichen und vergnuͤgenden (§. 114. und folg. §. 119. 121. ); folglich iſt der - ſelbe erlaubt (§. 49.).

§. 184.117und dem Anfange des Eigenthums.

§. 184.

Wenn alſo Dinge durch den Ge -Von dem Recht die Sachen zu ver - derben. brauch verbraucht werden (uſu conſu - muntur); ſo iſt es erlaubt ſie zu ver - derben. Als z. E. Thiere zu ſchlachten, oder zu toͤdten, deren Fleiſch wir eſſen, und deren Haut wir zur Kleidung brauchen.

§. 185.

Weil der Menſch von Natur das RechtVon den Sachen, die zum kuͤnftigen Gebꝛauch anfbe - halten werden. zum nothwendigen Gebrauch der Sachen hat (§. 183.); wenn man eine Sache nicht zu aller Zeit haben kann; oder auch zu der Zeit, wenn man ihrer be - darf, nicht ſo bequem; ſo iſt er - laubt, ſie zum kuͤnftigen Gebrauch zu ſammlen und aufzubehalten. Und weil niemand dieſen Gebrauch verhindern darf (§. 50. 183. ); ſo darf auch niemand dem andern die Sachen, die er zum nothwendigen Gebrauch geſammlet und aufbehaͤlt, wegnehmen; und hier - innen, was nemlich der andere vors kuͤnfti - ge noͤthig hat, muß er es bey dem Ur - theil desjenigen bewenden laſſen, der die Sachen vor ſich aufbehaͤlt (§ 78.).

§. 186.

Weil die Menſchen von Natur gleich ſind,Von der Gemein - ſchaft der erſten Zeit. und daher einerley Rechte haben (§. 70.); ſo kommt auch allen Menſchen einerley Recht zum nothwendigen Gebrauch der natuͤrlichen Sachen zu (§. 183.). Weil nun ein gemeinſchaftliches (com -H 3mune,118II. Th. 1. H. Von der erſten Gemeinſch. mune, gemeine) Recht dasjenige iſt, das zu - gleich mehrere auf einerley Weiſe haben (§. 101.), und alſo eine gemeinſchaftliche Sache (res communis), zu der mehrere ei - nerley Recht zugleich haben; ſo haben die Menſchen von Natur ein gemein - ſchaftliches Recht zum nothwendigen Gebrauch der natuͤrlichen Sachen; und alle Sachen ſind von Natur ge - meinſchaftlich. Das gemeinſchaftliche Recht zum nothwendigen Gebrauch aller und jeder natuͤrlichen Dinge, wird die Gemein - ſchaft der erſten Zeit (communio primæva, die erſte G.) genannt, gleichwie uͤberhaupt die Gemeinſchaft, oder die Gemeinſchaft der Sachen (communio rerum), das Recht, das zu einerley Sachen mehrere zugleich ha - ben. Aus dem, was wir geſagt, erhellet, daß die Gemeinſchaft der erſten Zeit nach dem Rechte der Natur ſtatt fin - det, und daß man ſie nicht ohne Grund er - dichtet.

§. 187.

Von dem Rechte zu einer Sa - che, die durch den Ge - brauch nicht ver - braucht wird.

Weil in der Gemeinſchaft der erſten Zeit alle Menſchen einerley Recht zum noth - wendigen Gebrauch der natuͤrlichen Sachen haben (§. 186.); ſo kann ein jeder ande - rer, wenn die Sache durch den Ge - brauch nicht verbraucht wird, nach geendigtem Gebrauch, ſich derſelben bedienen; und derjenige, welcher ſie vorher gebraucht, kann es nicht ver -weh -119und dem Anfange des Eigenthums. wehren (§. 50.). Aus eben demſelben Grunde iſt gewiß, daß, wenn mehrere an dem Gebrauch einer Sache Theil neh - men koͤnnen, dieſe Theilnehmung oh - ne Unterſchied allen, die es wollen, er - laubet ſey.

§. 188.

Die Menſchen ſollen ſich bemuͤhen, daß esVon de - nen durch den Fleiß hervor - gebrach - ten und den kuͤnſt - lichen Dingen, in der er - ſten Ge - mein - ſchaft. nicht an einer hinlaͤnglichen Menge von noth - wendigen, nuͤtzlichen und vergnuͤgenden Sa - chen, die ſo wohl durch Fleiß, als durch Kunſt hervorgebracht werden, fehle (§. 121. 123. ), und ſoll, zu dem Ende, ein jeder die Arbeit er - waͤhlen, wozu er ſich geſchickt befindet (§. 124.); von Natur aber ſind alle verbunden, ſich und ihren Zuſtand mit vereinigten Kraͤfften voll - kom̃ener zu machen (§. 44.). Jn der Gemein - ſchaft der erſten Zeit kann man alſo bey Vervielfaͤltigung der Sachen, die durch Fleiß und Kunſt hervorgebracht werden, keine andere Abſicht haben, als den gemeinſchaftlichen Gebrauch von allen zu befoͤrdern; und folglich muͤßen die durch Fleiß und Kunſt her - vorgebrachten Sachen nicht weniger, als die natuͤrlichen, gemeinſchaftlich ſeyn (§. 186.). Wenn aber jemand dennoch einige Sachen durch Fleiß und Kunſt zu ſeinem Gebrauch zubereitet hat; ſo kann ſich ein anderer derſelben nicht anmaſſen, als in ſo fern jener die Sache, die durch den GebrauchH 4nicht120II. Th. 1. H. Von der erſten Gemeinſch. nicht verbraucht wird, zu derſelben Zeit nicht braucht, oder in ſo ferne er an dem Gebrauch derſelben zugleich mit Theil nehmen kann (§. 187.).

§. 189.

Das ge - mein - ſchaftli - che Recht zu den Hand - lungen.

Weil in der erſten Gemeinſchaft ein jeder das Recht hat zum nothwendigen Ge - brauch der Sachen (§. 183.); ſo hat auch jeder Menſch das Recht zu allen Hand - lungen, ohne welche der nothwendige Gebrauch nicht erhalten werden kann; als z. E. das Recht Wild, Fiſche, Voͤ - gel zu fangen, Fruͤchte abzubrechen, Holtz zu faͤllen u. ſ. f.

§. 190.

Das Recht, ſich an ei - nem Orte aufzu - halten, zu woh - nen, und durchzu - reiſen.

Da ein jeder Menſch von Natur einerley Recht zum nothwendigen Gebrauche der na - tuͤrlichen Sachen hat (§. 186.); ſo ſtehet in der erſten Gemeinſchaft einem jeden Menſchen frey, ſich an einem jeden Orte aufzuhalten und zu wohnen, wo und wie lange es ihm gefaͤllt; an al - len Orten durchzureiſen, wie er es vor noͤthig befindet, auch daher Sa - chen zu hohlen, deren er bedarf. Ja da auch die durch Kunſt hervorgebrachte Sa - chen gemeinſchaftlich ſind (§. 188.); ſo hat ein jeder das Recht, wenn er unbe - wohnte Haͤuſer antreffen ſolte, oder ſolche, in welchen mehrere wohnen koͤnnen, in denſelben ſo lange zu woh - nen, als es ihm gefaͤllt.

§. 191.121und dem Anfange des Eigenthums.

§. 191.

Dem gemeinſchaftlichen Rechte wird dasVom ei - genen Recht u. der ver - neinen - den Ge - mein - ſchaft. eigene Recht (jus proprium) entgegen ge - ſetzet, welches einer allein, oder mehrere zu - ſammengenommen, mit Ausſchlieſſung der uͤbrigen haben (§. 101.). Da von Natur alle Sachen gemeinſchaftlich ſind (§. 186.); ſo hat von Natur niemand ein eigenes Recht zu einer Sache. Sachen, dazu jemand ein eigenes Recht hat, nennt man eigene Sachen (res ſingulares, vel ſingulorum), worauf aber niemand ein beſonderes Recht hat, heiſſen keinem zugehoͤrige Sachen (res nullius). Es erhellet alſo, daß es von Natur keine eigene Sachen giebt. Naͤmlich in der Natur des Menſchen iſt kein Grund befindlich, warum dieſe Sache einem vielmehr, als dem andern zugehoͤren ſolte. Man nennt aber dieſes eine verneinende Gemeinſchaft (communionem negativam), in welcher die gemeinſchaftlichen Sachen kei - nem zugehoͤren; und dergleichen iſt die Gemeinſchaft der erſten Zeit (§. 186.).

§. 192.

Weil niemand dem andern, was er zumVom ei - genen Gebꝛauch einer Sache. nothwendigen Gebrauch zu ſich genommen hat, oder auch zum kuͤnftigen aufbehaͤlt, wegneh - men darf (§. 185.); derjenige aber, der ſie an ſich nimt, oder den Gebrauch derſelben ſich verſchaft, ſich ſeines Rechts bedienet (§. 183.); ſo wird dadurch der Gebrauch einer Sache, welcher vorher allen frey ſtand,H 5ein122II. Th. 1. H. Von der erſten Gemeinſch. ein eigener Gebrauch vor denjenigen, der ſie, mit dem Vorſatz ſich derſelben zu bedienen, an ſich nimmet, oder ſie in den Zuſtand ſetzt, in welchem er ſich derſel - ben bedienen kann. Eben das gilt von einer Sache, die durch den Gebrauch nicht ver - braucht wird, ſo lange als der Gebrauch dauert (§. 187.). Und hierdurch ſind die Menſchen zuerſt auf den Begriff eines eigenen Rechts in einer Sache gefallen.

§. 193.

Vom Stoͤhrer der Ge - mein - ſchaft der erſten Zeit.

Einen Stoͤhrer der Gemeinſchaft der erſten Zeit (turbatorem communionis primævæ) nennt man denjenigen, der entwe - der ſelbſt, oder durch andere mit Gewalt zu ver - hindern ſich bemuͤhet, daß jemand ſich der Sa - chen nicht bedienen kann, wie er es noͤthig hat. Weil nun der Stoͤhrer den Gebrauch des Rechts verhindert, welches einem andern zu - koͤmmt (§. 183.); ſo hat dieſer das Recht ihm zu wiederſtehen (§. 30); und folg - lich koͤmmt einem jeden das Recht zu, ſich und den Gebrauch einer Sache wieder einen ſolchen Stoͤhrer zu ver - theidigen (§. 90.). Und da das gemein - ſchaftliche Recht zum Gebrauch einer Sache ein vollkommenes Recht iſt (§. 183. 81. ), und die Verletzung deſſelben ein Unrecht (§. 87.); ſo iſt in der Gemeinſchaft der erſten Zeit eine rechtmaͤßige Urſache des Krie - ges, wenn jemand den andern von dem Gebrauch einer Sache mit Gewalt ab -halten,123und dem Anfange des Eigenthums. halten, oder wenn er ihn zu ſich ge - nommen, oder ergriffen, wegnehmen will (§. 98.).

§. 194.

Nachdem ſich das menſchliche GeſchlechteVon der Aufhe - bung der Gemein - ſchaft der erſten Zeit. vermehrt, und die einfaͤltige Lebensart geaͤn - dert worden, bey welcher man nur fuͤr die aͤuſerſte Nothdurft ſorgte, und faſt gar nicht an Bequemlichkeit und Vergnuͤgen gedachte; ſo hat man Sachen noͤthig, die man nicht anders, als durch Fleiß und Kunſt haben kann (§. 121.). Weil nun hierzu Arbeit erfordert wird (§. 124.), und gleichwohl in der Ge - meinſchaft der erſten Zeit die Sachen allen zugehoͤren ſollen (§. 188.); ſo ſiehet man leicht, daß die Gemeinſchaft nicht beſtehen kann, wenn die Menſchen nicht die Pflichten gegen ſich ſelbſt und andere auf das genaueſte erfuͤllen; vermoͤge deſſen, was von ihnen erwieſen wor - den. Weil wohl aber niemand in Abrede ſeyn wird, daß dieſes von allen Menſchen insge - ſamt nicht zu hoffen ſey; hingegen, wenn man von der Gemeinſchaft abgehet, das, was keinem zugehoͤret, einzelen eigen werden muß (§. 191.); und das Recht der Natur uns verbindet, das - jenige, was beſſer iſt, dem andern vorzuziehen (§. 48.); ſo iſt, ohne dem Rechte der Natur zu nahe zu treten, die Gemein - ſchaft aufgehoben, und das, was gemein war, eintzelen eigen, oder einem eige - nen Rechte unterworfen worden.

§. 195.124II. Th. 1. H. Von der erſten Gemeinſch.

§. 195.

Von dem Eigen - thum u. deſſen Wuͤr - ckungen.

Weil der, ſo ein eigenes Recht hat, durch daſſelbe alle uͤbrige ausſchleußt (§. 191.); nach der natuͤrlichen Freyheit aber einem jeden zu erlauben, daß er bey ſeinen Handlungen ſich nach ſeinem Gutduͤncken richte, ſo lange er nichts thut, zu deſſen Unterlaſſung er uns voll - kommen verbunden iſt (§. 78.); ſo erhaͤlt ein jeder, wenn die Sachen einem ei - genen Rechte unterworffen werden, ein Recht mit allen dem, was ſeinem Rechte unterworfen iſt, anzufangen, was er will. Und dieſes eigene Recht mit einer Sache vorzunehmen, was man will oder nach ſeinem Gutduͤncken, wird das Eigen - thum (dominium) genannt; derjenige aber, welcher das Eigenthum in einer Sache hat, heiſt der Herr oder Eigenthuͤmer, inglei - chen der Eigenthums-Herr (dominus). Daher erhellet, daß ein Herr, oder Ei - genthuͤmer, von allem Rechte, welches ihm vermoͤge des Eigenthums zu - kommt, alle andere ausſchlieſſe, und daß das Eigenthum ohne ſeinen Wil - len auf niemand anders kommen koͤn - ne (§. 100.) folglich ihm das Recht zu - komme, einem jeden alles zu unterſa - gen, was er mit der Sache thun kann; und daß er es nicht leiden duͤrfe, wenn einer ſich wieder ſeinen Willen das ge - ringſte davon anmaſſen wolte. Daraus folgt ferner, daß alle Handlungen, diedem125und dem Anfange des Eigenthums. dem Eigenthum eines andern entge - gen ſtehen, nicht erlaubt ſind (§. 49.). Wie man aber uͤberhaupt das Seinige (ſuum) dasjenige nennt, wozu man ein ei - genes Recht hat; alſo erhellet daher, daß diejenigen Sachen die ſeinigen (res ſuæ) genannt werden, in denen uns das Eigen - thum zukommt.

§. 196.

Wenn einer ungetheilten Sache, zweyen,Von der poſitiven Gemein - ſchaft. oder mehreren zuſammen das Eigenthum zu - kommt, ſo daß ein jeder ſeinen gewiſſen An - theil daran hat, ſo wird dieſes die poſitive Gemeinſchaft (communio poſitiva) ge - nannt. Weil nun ein Eigenthums-Herr eine ſittliche Perſon iſt (§. 195. 96. ); ſo wer - den in der poſitiven Gemeinſchaft meh - rer zuſammengenommen wie eine Per - ſon betrachtet, und von ihnen zuſam - mengenommen gilt das, was dem Ei - genthums-Herrn zukommt.

§. 197.

Man hat auch eine vermiſchte Gemein -Von der vermiſch - ten Ge - mein - ſchaft. ſchaft (communionem mixtam), welche aus der verneinenden und poſitiven zuſam - men geſetzt iſt, bey welcher die Sachen ein Eigenthum von einer gantzen Gemeine (univerſitatis) ſind; das iſt, einer Menge von Menſchen, die in gewiſſer Abſicht in eine Geſellſchaft zuſammen getreten, da aber allen nichts, als der Gebrauch von den Sachen, oh - ne Unterſchied zukommt, nachdem es einernoͤthig126II. Th. 1. H. Von der erſten Gemeinſch. noͤthig hat; dergleichen iſt z. E. die Gemein - ſchaft der Moͤnche. Diejenigen alſo, wel - che in einer vermiſchten Gemeinſchaft leben, ſchlieſſen alle diejenigen, welche zu ihnen nicht gehoͤren, von dem Ei - genthume aus; hingegen in Anſehung derjenigen Perſonen, welche zu der Gemeine gehoͤren, ſind die Sachen an - zuſehen, als die niemanden zugehoͤren, in Anſehung des Gebrauchs aber ſind ſie ihnen allen gemein. Man ſaget aber hier, daß in eine Geſellſchaft treten (con - ſociari), wenn mehrere mit einander eines werden, einen gewiſſen Zweck mit einander zuſammen zu erreichen.

§. 198.

Von den Rechten, die in dem Ei - genthum enthalten ſind, und was die Fruͤchte einer Sache ſind.

Weil dem Eigenthumsherrn erlaubt iſt mit ſeiner Sache vorzunehmen, was ihm ge - faͤllt (§. 195.), dieſes aber geſchehen kann nicht allein mit der Sache ſelbſt, oder ihrer Subſtantz; ſondern auch mit dem Gebrauch und den Fruͤchten derſelben; ſo begreift das Eigenthum ein dreyfaches Recht in ſich; naͤm - lich das Recht 1) mit der Sache ſelbſt, 2) mit ihrem Gebrauch, und 3) mit den Fruͤch - ten derſelben vorzunehmen, was ihm gefaͤllig iſt. Das erſte heiſt die Proprietaͤt (pro - prietas), das andere das Recht die Sache zu brauchen (jus utendi), das dritte das Recht zu den Fruͤchten (jus fruendi). Die letzten beyde, zuſammen genommen, heiſ - ſen das Recht des Nießgebrauchs (jusuten -127und dem Anfange des Eigenthums. utendifruendi). Wenn das Eigenthum um keines dieſer Rechte verkuͤrtzt worden iſt, heiſt es das voͤllige Eigenthum (dominium plenum); wenn es aber um eines, oder das andere verkuͤrtzt worden, ein nicht voͤlliges Eigenthum (dominium minus plenum). Wer die Proprietaͤt hat, iſt eigentlich der Eigenthuͤmer (proprietarius), weil die Sache doch ſein eigen bleibt, wenn ein ande - rer gleich den Gebrauch, oder die Fruͤchte da - von zu genieſſen hat, und wird deswegen auch noch der Herr von der Sache (domi - nus) genannt. Die Frucht (fructum) heiſt man das, was aus einer andern Sache her - vorkommt, als da ſind die Fruͤchte eines Baums, die Milch und Kaͤlber der Kuͤhe.

§. 199.

Man nennet eine fremde Sache (resVon fremden Sachen. aliena) welche nicht uns, ſondern andern eigenthuͤmlich zugehoͤret. Es kann alſo niemand mit einer fremden Sache ſelbſt, oder ihrem Gebrauch und ihren Fruͤchten nach ſeinem Gefallen vor - nehmen, was er will (§. 195. 198.). Da es aber einerley iſt, ob wir etwas ſelbſt, oder durch andere verrichten wollen; ſo kann man, mit Genehmhaltung des Herrn, mit einer fremden Sache vornehmen, was man will (§. 195.). Weil der Herr, nach ſeinem Gefallen, mit ſeiner Sache vornehmen kann, was er will (§. cit. ); ſo kann er daszu128II. Th. 1. H. Von der erſten Gemeinſch. zu thun andern erlauben, was zum Gebrauch ſeines Rechtes gehoͤret.

§. 200.

Von dem Beſitz.

Der Beſitz (poſſeſſio) beſtehet darinnen, wenn einer eine Sache, als die ſeinige, bey ſich behaͤlt, es mag ſeyn, daß er vermeint, die Sache ſey wuͤrcklich die ſeinige, oder nur will, daß ſie ſeine ſeyn ſoll und andere ſie da - vor halten ſollen. Den Beſitzer (poſſeſ - ſor) nennt man denjenigen, welcher eine Sa - che, mit dieſem Vorſatz, bey ſich behaͤlt. Weil nun eine Sache in unſerer Gewalt iſt (in poteſtate noſtra eſt), wenn wir im Stan - de ſind, mit derſelben vorzunehmen, was wir wollen; ſo wird durch den Beſitz eine Sache in unſere Gewalt gebracht; und folglich kann man ohne den Beſitz das Eigenthum nicht ausuͤben (§. 195.), oder ſein Recht gebrauchen. Daher iſt fer - ner klar, daß dem Eigenthumsherrn das Recht zukomme, die Sache zu be - ſitzen. Es erhellet auch ſelbſt aus der Er - klaͤrung, daß der eine Sache nicht be - ſitzt, welcher ſie als eine fremde Sa - che, oder als eine Sache, welche keinem zugehoͤret, bey ſich hat.

§. 201.

Vom ge - wiſſen - haften und un - gewiſ - ſenhaften Beſitzer.

Wenn ein Beſitzer glaubt, daß die Sache ſein ſey; ſo heiſt er ein gewiſſenhafter Be - ſitzer (poſſeſſor bonæ fidei); folglich, wenn derſelbe eine fremde Sache beſitzet, ſo weis er nicht, daß ſie einem andernzuge -129und dem Anfange des Eigenthums. zugehoͤre. Wenn er weiß, daß die Sache einem andern zugehoͤre, und daß er alſo nicht der Eigenthumsherr ſey (§. 199.), davor er will gehalten ſeyn; ſo nennt man ihn einen ungewiſſenhaften Beſitzer (poſſeſſorem malæ fidei). Daher erhellet, daß ein ge - wiſſenhafter Beſitzer alſobald zum un - gewiſſenhaften Beſitzer wird, wenn er erfaͤhret, daß die Sache, die er beſitzet, einem andern zugehoͤre. Und weil das Recht zum Beſitz allein dem Eigenthums - herrn zukommt (§. 200.), ſo haben beyde Beſitzer kein Recht zum Beſitz; und da keiner von beyden mit der Sache vornehmen darf, was er will (§. 199.), ſo iſt alles Vornehmen, ſo zur Ausuͤbung des Ei - genthumsrechts gehoͤret, unerlaubt (§. 195.), und was er thut, das geſchie - het mit Unrecht (§. 87.); jedoch kan dem gewiſſenhaften Beſitzer das Un - recht nicht zugerechnet werden, weil ſeine Unwiſſenheit unuͤberwindlich iſt (§. 34.).

§. 202.

Der rechtmaͤßige Gebrauch des Rechts iſtVom Ge - brauch u. Miß - brauch des Ei - gen - thums. derjenige, welchen die Pflichten erfordern; derjenige aber, der demſelben entgegen geſe - tzet, iſt der Mißbrauch (§. 66.). Es ſoll derowegen der Eigenthumsherr das Sei - nige nicht anders gebrauchen, als wie es ſeine Pflichten erfordern. Der Miß - brauch iſt natuͤrlich unerlaubt, dochNat. u. Voͤlckerrecht. Jdarf130II. Th. 1. H. Von der erſten Gemeinſch. darf niemand denſelben hindern; ſon - dern man muß ihn dem andern ver - ſtatten, ſo lange er nichts unternim - met, was unſerem Rechte zuwieder iſt (§. 78.).

§. 203.

Von der Verlaſ - ſung ei - ner Sa - che.

Man ſagt, es werde eine Sache ver - laſſen (res derelinqui), wenn der Eigen - thumsherr weiter nichts will, als daß ſie nicht mehr ſeine ſeyn ſoll. Daher erhellet, daß derjenige, welcher eine Sache ver - laͤßt, aufhoͤrt der Eigenthumsherr zu ſeyn (§. 195. 198. ); und daß folglich die verlaſſene Sache keinem zugehoͤre (§. 191.); ſo lange aber als der Eigen - thumsherr nicht den Entſchluß hat, ſeine Sache zu verlaſſen, verbleibt er der Eigenthumsherr.

§. 204.

Vom Wegweꝛ - fen einer Sache.

Man ſagt hingegen, es werfe einer et - was weg (rem ſuam jactare), wenn er, oh - ne daß es eine Pflicht, oder Nothwendigkeit von ihm erfordert, und ohne daß er einigen Nutzen davon hat, nicht will, daß es ſeine ſeyn ſoll. Weil es gewiß iſt, daß ein Menſch, wenn er nicht den Gebrauch der Vernunft verlohren hat, das Seine liebet, und nicht ohne dringende Urſache will, es ſolle, was ſeine iſt, eines andern ſeyn; ſo kann man in zweifelhaften Faͤllen nicht vermu - then, daß einer das Seinige wegge - worfen habe.

§. 205.131und dem Anfange des Eigenthums.

§. 205.

Da durch den Verluſt des Beſitzes eineVom Verluſt des Be - ſitzes. Sache nur der Gewalt des Eigenthumsherrn entzogen wird, ſo daß er ſein Eigenthum nicht gebrauchen kann (§. 200.), deswegen aber er nicht will, die Sache ſolle nicht mehr ſeine ſeyn; ſo wird durch den Verluſt des Beſitzes das Eigenthum nicht ver - lohren; ſondern bloß durch ſeinen Wil - len behalten (§. 203.); folglich wird auch das Recht zum Beſitz behalten (§. 200.).

§. 206.

Weil wir nicht weniger mit unkoͤrperlichenVom Ei - genthum der un - koͤrperli - chen Sa - chen. Sachen, als z. E. dem Rechte zu jagen, Voͤ - gel zu fangen und allen andern verfahren koͤn - nen, wie wir wollen; ſo koͤnnen auch un - koͤrperliche Sachen eigenthuͤmlich ſeyn, und dem Eigenthume unterworfen werden (§. 195.). Aus dieſer Urſach wer - den ſie, eben wie die koͤrperlichen, unſere ge - nannt, und es gilt von ihnen eben das, was vermoͤge des Eigenthums bey den koͤrperlichen ſtatt findet.

§. 207.

Wenn man alles, was uns eigenthuͤmlichVon den Guͤtern und dem Vermoͤ - gen. iſt, ohne einigen Unterſcheid zu machen, uͤber - haupt betrachtet; ſo werden es Guͤter (bo - na) genannt. Daher werden die unkoͤr - perlichen Sachen, oder unſere Rechte (§. 206.), und dasjenige, was uns an - dere ſchuldig ſind, zu unſern Guͤtern gerechnet; keinesweges aber fremdeJ 2Sachen,132II. Th. 1. H. Von der erſten Gemeinſch. Sachen, welche unter unſern ſich be - finden, oder das, was wir andern ſchuldig ſind; und daher kann man nicht ſagen, ob und wieviel einer habe, bis die Schulden abgezogen ſind. Alle Guͤ - ter zuſammen genommen, oder alle dasjeni - ge, was unſer iſt, heiſt man das Vermoͤ - gen (patrimonium), und dieſes iſt entweder groß (amplum), oder geringe (tenue), nachdem es viele, oder wenige Guͤter in ſich begreift.

§. 208.

Von der Sorge fuͤr ſein Vermoͤ - gen.

Das Vermoͤgen eines Menſchen gehoͤrt zu ſeinem aͤuſſerlichen Zuſtande (§. 8. 207.). Derowegen da wir ſchuldig ſind unſern aͤuſſe - ren Zuſtand ſo vollkommen zu machen, als in unſerer Gewalt ſtehet (§. 43.); ſo ſind wir verbunden unſer Vermoͤgen zu erhal - ten und, ſo viel an uns iſt, zu vermeh - ren. Derowegen da derjenige, welcher ſein Hab und Gut durch Mißbrauch vermindert, ſein Vermoͤgen verſchwendet; ſo ſoll folgends niemand das Seine verſchwen - den (§. 207.). Ja man ſchließt auch daher, daß derjenige, welcher ein groſſes Ver - moͤgen beſitzet, deswegen nicht muͤßig ſeyn duͤrfe. Denn auch derſelbe ſtehet un - ter der natuͤrlichen Verbindlichkeit, welche allen die Nothwendigkeit zu arbeiten aufer - legt, und niemanden muͤßig zu gehen erlaubt (§. 124.); welches auch daraus erhellet, daß dieſe Verbindlichkeit unveraͤnderlich iſt (§. 38. 42.).133und dem Anfange des Eigenthums. 42.). Weil der Erhaltung des Vermoͤgens ſo wohl die Verlaſſung (§. 203.), als auch die Wegwerfung des Seinen entgegen ſtehet (§. 204.); ſo iſt ſo wohl die Wegwer - fung, als die ohne dringende Noth geſchehene Verlaſſung des Seinigen dem Geſetze der Natur zuwieder.

Das andere Hauptſtuͤck.

Von der urſpruͤnglichen Art das Eigenthum zu erhalten.

§. 209.

Ein jeder hat von Natur das Recht zumVon dem Recht, von Sa - chen, die keinem zugehoͤ - ren, das Eigen - thum zu erhalten. nothwendigen Gebrauch der Sachen (§. 186. 188. ), und der Gebrauch derſelben, welcher vorher gemein war, wird demjenigen eigen, welcher mit dem Vorſatz, ſie zu gebrauchen, ſie in den Stand bringet, da er ſie gebrauchen kann (§. 192.). Wenn alſo die Gemeinſchaft der erſten Zeit aufgehoben wird (§. 194.); ſo entſtehet aus dem Rechte, blos den Gebrauch der Sachen ſich zuzueig - nen, das Recht, dieſelben ſich eigenthuͤmlich zu machen; und alſo iſt einer von Natur berechtiget, eine Sache, die keinem zu - gehoͤret, wenn er derſelben bedarf, ſich eigenthuͤmlich zu machen; folglich, da man das Urtheil von der Beduͤrfnis bloß dem - jenigen uͤberlaſſen muß, der eine Sache ſich zueignet (§. 78.); ſo iſt jeder, wer kannJ 3und134II. Th. 2. H. Von urſpruͤngl. Erlangungund will, berechtiget, ſich eine Sache, die noch keinem gehoͤret, zuzueignen.

§. 210.

Von dem Zueignen und der urſpꝛuͤng - lichen Art das Eigen - thum zu erlangen.

Das Zueignen (occupatio) iſt die Hand - lung, durch welche einer erklaͤrt, daß eine Sache, die keinem zugehoͤrt, ſeine ſeyn ſoll, und ſie in den Zuſtand bringt, daß ſie ſeine ſeyn kann. Daher erhellet, daß das Zu - eignungsrecht von Natur einem je - den ohne Unterſchied zukomme, oder ein allen Menſchen gemeines Recht ſey (§. 209.). Und weil man die urſpruͤngli - che Art das Eigenthum zu erhalten (modum acqvirendi originarium) diejenige nennet, dadurch man Sachen, die keinem zugehoͤren, eigenthuͤmlich erhaͤlt; ſo iſt die Zueignung die urſpruͤngliche Art das Eigenthum zu erhalten.

§. 211.

Von den bewegli - chen, ſich bewegen - den und unbeweg - lichen Sachen.

Man nennt die koͤrperlichen Sachen be - wegliche (mobiles), welche ohne ihre Be - ſchaͤdigung von einem Ort zum andern bewegt werden koͤnnen; und beſonders heiſſen ſich bewegende (ſe moventes), welche ſich ſelbſt von einem Ort zum andern bewegen koͤnnen, als das Vieh; aber unbewegliche (immo - biles), welche ohne Schaden der Sache, oder auch gar nicht von einem Ort zum andern be - wegt werden koͤnnen; als alle liegende Gruͤn - de, ingleichen Haͤuſer.

§. 212.135des Eigenthums.

§. 212.

Wenn jemand, nachdem man angefan -Von der Zueig - nung be - weglicher Sachen. gen hat das Eigenthum einzufuͤhren, eine bewegliche Sache ergreift, und ſie nicht wieder wegwirft, oder an ihren Ort und Stelle legt; ingleichen wenn er ſie in den Stand bringt, in welchem er ſie ergreifen kann; ſo eignet er ſich dieſelbe zu (§ 210.); folglich erhaͤlt er das Eigenthum (§. cit.).

§. 213.

Auf gleiche Weiſe iſt gewiß, daß einer,Von der Zueig - nung der unbe - weglichen Sachen. der einem liegenden Grunde Graͤntzen ſetzet; oder ihn zu einem gewiſſen Ge - brauch beſtimmt, der nicht wieder auf - hoͤret; oder, wenn er auf einem Grun - de ſtehet, der ſeine gewiſſe Graͤntzen hat, und muͤndlich in Gegenwart an - derer bezeugt, er wolle, daß derſelbe ſein ſeyn ſolle, denſelben ſich zueigne (§. 210.).

§. 214.

Da der Eigenthumsherr von ſeinem Rech -Von der Zueig - nung un - koͤrperli - cher Sa - chen. te alle uͤbrigen ausſchleuſt (§. 195.); ſo wer - den die unkoͤrperlichen Sachen, welche auch eigenthuͤmlich werden koͤnnen (§. 206.), ſich zugeeignet, wenn einer ſich derſel - ben wuͤrcklich bedient, und nicht leidet, daß ein anderer ſich derſelben bediene. Derowegen da das Recht eine Sache, die kei - nem zugehoͤret, ſich zuzueignen, eine unkoͤr - perliche iſt (§. 121.); ſo kann auch, nach -J 4dem136II. Th. 2. H. Von urſpruͤngl. Erlangungdem das Eigenthum eingefuͤhrt wor - den iſt, das Recht ſich zuzueignen, was niemanden gehoͤret, von einem ſich zu - geeignet werden, als z. E. das Recht in einer gewiſſen Gegend zu jagen, Voͤgel zu fangen, zu fiſchen.

§. 215.

Wem ei - ne Sache zugehoͤ - ret, wenn einer die - ſelbe er - greift, der das Recht dieſelbe ſich zuzu - eignen nicht hat.

Weil das Recht eine Sache ſich zuzueig - nen, demjenigen zugehoͤret, der es ſich mit Recht zugeignet hat (§. 210.); folglich nie - mand ſich deſſelben wieder ſeinen Willen be - dienen kann (§. 195.); ſo gehoͤret, wenn jemand an dem Orte, an welchem das Zueignungsrecht eigenthuͤmlich iſt, eine Sache, die keinem zugehoͤret, er - greift, z. E. wenn er in dem Theile eines Fluſſes fiſchet, in welchem das Recht zu fiſchen ſchon jemanden eigen iſt, die Sache nicht ihm zu, ſondern demjenigen, dem das Recht ſich dieſelbe zuzueignen, zukom - met; und da er demſelben Eingrif in ſein Recht thut, ſo thut er ihm unrecht (§. 87.).

§. 216.

Wenn dieſes ohne Un - recht ge - ſchieht.

Da aber kein Zufall jemanden zugerechnet werden kann (§. 3.); ſo wird zwar das Eigenthum deſſen, was einer, der ſich ſeines Rechts bedient, durch einen Zu - fall bekommt, vor denjenigen erlan - get, der das Zueignungsrecht hat, je - doch thut er ihm kein Unrecht.

§. 217.137des Eigenthums.

§. 217.

Weil man eine Sache ſich zugeignet hat,Von Zu - eignung der wil - den Thie - re. ſo bald man ſie in den Stand gebracht, daß man ſie ergreifen kann (§. 212.); ſo hat man ein wildes Thier ſich zugeeignet, folgends iſt es ſeine; wenn man Netze ausgeſtellet an dem Orte, wo man das Zueignungsrecht hat, und daſſelbe ſich verſtrickt, daß es nicht davon kom - men kann; oder wenn es durch Werck - zeuge, die beſchaffen ſeyn moͤgen, wie ſie wollen, dergeſtalt feſt gehalten wird, daß es nicht entfliehen kann; oder wenn man es durch einen Schuß ge - faͤllet, oder alſo verwundet, oder er - muͤdet hat, daß es nicht entfliehen kann. Eben dieſes gilt auch von dem Wil - de, welches in einem umzaͤunten Walde ein - geſchloſſen iſt.

§. 218.

Weil das Eigenthum bloß durch ſeinenVon ſich ſelbſt be - wegen - den Sa - chen, wenn ſie aus der Veꝛwah - rung ge - laufen. Willen behalten wird, wenn man gleich den Beſitz verlohren (§. 205.); ſo verbleibet eine ſich bewegende Sache unſer, wenn ſie gleich aus unſer Verwahrung kommt, oder ein Thier, oder Vieh weglaͤuft; folglich bleibt auch in dieſem Falle ein wildes Thier unſer, ſo lan - ge als man daſſelbe unterſcheiden kann. Wenn man es aber, nachdem es weg - gelaufen, auf keine Weiſe mehr un - terſcheiden kann, und alſo nicht gewiß er -J 5weiſen138II. Th. 2. H. Von urſpruͤngl. Erlangungweiſen kann, daß es unſer ſey; ſo hoͤrt es auf unſer zu ſeyn, und kann, wie eine andere Sache, die keinem zugehoͤrt, ſich zu - geeignet werden (§. 210.).

§. 219.

Von der Erlan - gung des Eigen - thums einer ver - laſſenen Sache.

Weil eine verlaſſene Sache niemanden zugehoͤret (§. 203.); ſo gehoͤrt ſie natuͤrli - cher Weiſe dem zu, der ſie ſich zueig - net (§. 210.): Wenn aber das Zueig - nungsrecht jemanden zukommet; ſo kann ſie niemanden eigenthuͤmlich wer - den, als demjenigen, dem das Recht gehoͤret (§. 215.).

§. 220.

Von ei - ner ver - lohrnen Sache.

Man ſagt, eine Sache wird verloh - ren (res amitti), welche demjenigen, der ſie hat, unvermerckt auf die Erde faͤllt, und, wenn er weggeht, daſelbſt gelaſſen wird. Man rechnet zu den verlohrenen Sa - chen diejenigen, welche von einer Kut - ſche im Fahren fallen, ohne daß man es gewahr wird; oder von einem Laſt - wagen, ohne daß es der Fuhrmann merckt. Da aus dem bloſſen Wegfallen nicht folgt, daß der Eigenthumsherr die ver - lohrene Sache nicht mehr haben wolle; ſo behaͤlt man das Eigenthum der ver - lohrnen Sachen (§. 205.); folglich ge - hoͤrt die Sache nicht demjenigen, der ſie findet (§. 210.). Wenn derjenige, der ſie findet, weiß, wer dieſelbe ver - lohren hat, oder wenn er im Nach -forſchen,139des Eigenthums. forſchen, wem ſie zugehoͤret, nachlaͤſ - ſig geweſen iſt, ſo beſitzt er ſie nicht mit einem guten Gewiſſen (§. 201.). Al - lein weil, da alle Hoffnung verſchwindet ſie wieder zu bekommen, man von Seiten des Eigenthumsherrn den Entſchluß ſie zu ver - laſſen vermuthet (§. 203.); wenn der Ei - genthumsherr nicht herausgebracht werden kann, ſo bleibet ſie deſſen, der ſie findet.

§. 221.

Auf gleiche Weiſe folgt, daß wenn manVon aus - geworfe - nen Sa - chen. ein Schiff zu lichten, z. E. bey einem Sturm, oder wenn es auf Sandbaͤncke ge - trieben worden, Sachen ins Meer wirft, ſo verbleiben ſie derjenigen, welchen ſie zugehoͤren; da man hieraus nicht ihren Willen ſie zu verlaſſen ſchlieſſen kann (§. 203.); folglich, wenn ſie ans Ufer getrieben, oder im Meere aufgefangen werden, ſo gehoͤren ſie dem nicht zu, der ſie auf - faͤngt. Was von den verlohrnen Sachen gilt, gilt auch von den ausgeworfenen (§. 220.).

§. 222.

Weil die Guͤter der Perſonen, dieVon de - nen im Schiff - bruche verlohre - nen Sa - chen. Schiffbruch leiden, als die ins Meer fal - len, und durch die Wellen dem Geſichte der - jenigen, welche im Schiffe ſind, entzogen werden, den verlohrenen Sachen gleich zu achten (§. 220.); ſo haben ſie eben das Recht, was verlohrne Sachen haben.

§. 223.140II. Th. 2. H. Von urſpruͤngl. Erlangung

§. 223.

Vom Schatze.

Der Schatz (theſaurus) ſind alle beweg - liche, ſonderlich koſtbare Sachen, oder Geld, die im Verborgenen liegen, und von welchen man nicht weiß, wem ſie zugehoͤren. Weil nun unmoͤglich heraus zu bringen iſt, wer die Sachen an einem verborgenen Orte hingelegt hat, (wie voraus geſetzet wird); ſo iſt der Schatz als eine Sache anzuſehen, die niemanden zugehoͤret; folglich gehoͤrt er natuͤrlicher Weiſe dem, der ihn fin - det; oder wenn das Zueignungsrecht je - manden eigen iſt, demjenigen, der das Zueignungsrecht hat (§. 210. 215.).

§. 224.

Von der Einthei - lung der Fruͤchte.

Diejenigen Fruͤchte (fructus) nennt man die natuͤrlichen, welche die Natur vor ſich, ohne unſer Zuthun, hervorbringt; die durch Fleiß hervorgebrachten (induſtriales) die - jenigen, welche die Natur nicht anders, als vermittelſt unſeres Fleißes und unſerer Sorg - falt hervorbringt. Man nennt eben dieſel - ben noch hangende (fructus pendentes), welche von der Sache, aus welcher ſie hervor - kommen, noch nicht abgeſondert ſind; erhal - tene (fructus percepti), welche von derſel - ben gaͤntzlich abgeſondert und voͤllig einge - bracht ſind; zuerhaltende (fructus perci - piendi) aber, welche einer haͤtte haben koͤnnen, wenn er nur mehreren Fleiß haͤtte anwenden wollen, folglich nicht nachlaͤßig geweſen waͤ - re. Wofern, die Fruͤchte zu erhalten, verſchie -dene141des Eigenthums. dene Handlungen oder Verrichtungen erfor - dert werden, als wie die Feldfruͤchte muͤßen gehauen, oder geſchnitten, in Garben gebun - den, in die Scheune gefahren, und daſelbſt gedroſchen werden; ſo heiſt das eine ange - fangene Erhaltung (perceptio inchoata), da man nur bis zu einer oder der andern Ver - richtung kommen iſt; die voͤllige aber (per - ceptio conſummata), da alle dabey vorzu - nehmende Verrichtung zu Ende gebracht iſt. Die erhaltene Fruͤchte werden noch verhan - dene (extantes) genannt, welche der Beſi - tzer der Sache, aus welcher ſie hervorgekom - men, noch hat; verzehrte (conſumti) hin - gegen, welche er nicht mehr hat.

§. 225.

Weil die freyen Handlungen desWarunt unſere Hand - lungen Sachen gleich zu achten. Menſchen, in ſo fern ſie entweder ihm ſelbſt, oder andern nuͤtzlich ſind, eben ſo wohl, als die Sachen ſich ſchaͤtzen laſſen; und, nach - dem das Eigenthum eingefuͤhrt wor - den iſt, geſchaͤtzt werden muͤſſen, wie aus demjenigen, was wir unten beweiſen werden, noch klaͤrer erhellen wird; ſo werden dieſel - ben Sachen, die unſer eigen ſind, gleich geſchaͤtzet; folglich geſchieht dieſes auch mit der Arbeit, ingleichen der Wartung und Beſorgung der eigenthuͤmlichen Sachen.

§. 226.

Daher folgt ferner, daß, was aus un -Von den Fruͤchten deꝛſelben. ſerer Arbeit, Wartung und Beſorgungkom -142II. Th. 2. H. Von urſpruͤngl. Erlangungkommet, als eine Frucht derſelben an - zuſehen iſt (§. 198.). Daher ſind die Fruͤchte, die ohne unſern Fleiß von der Natur nicht hervorgebracht werden, theils Fruͤchte der Sache, theils Fruͤch - te des Fleiſſes, oder der Arbeit, der War - tung und Beſorgung (§. 224.). Es gehoͤret aber auch zu der Erhaltung der Fruͤchte (perceptionem) die Beſtim - mung zu einem gewiſſen Gebrauch, z. E. wenn man die Eicheln, die vor ſich her - unter fallen, den Schweinen die dahin ge - trieben worden, zu freſſen uͤberlaͤßt; oder das Graß dem Viehe, ſo auf die Weide getrie - ben wird.

§. 227.

Von der Speciſi - cation.

Man nennet eine Speciem ein einzelnes Ding von einer gewiſſen Art. Daher nennt man die Specification die Verrichtung, wo - durch aus einer gewiſſen Materie ein Ding von einer andern Art gemacht wird; und die Geſtalt (forma), welche die Sache be - kommt, iſt anzuſehen als eine Frucht der Bemuͤhung desjenigen, der es zu einem Dinge von einer andern Art macht (§. 226.). Woraus erhellet, in wie - ferne kuͤnſtliche Sachen als Fruͤchte an - zuſehen ſind, die demjenigen gehoͤren, der ſie macht (§. 221.), naͤmlich das Ei - genthum kuͤnſtlicher Sachen wird durch die Specification erhalten. Weil die Koͤrner in den Aehren, aus welchen ſie ge -droſchen143des Eigenthums. droſchen werden, ſchon wuͤrcklich da ſind; ſo iſt das Ausdreſchen der Koͤrner aus den Aehren keine Specification.

§. 228.

Eine fruchtbare Sache (res fructuo -Von den frucht - baren u. unfrucht - baren Sachen, und wem die Fꝛuͤch - te gehoͤ - ren. ſa) iſt diejenige, von welcher man eine Frucht erhalten kann; eine unfruchtbare aber (in - fructuoſa), aus welcher keine Frucht kom - men kann. Man ſagt auch zuweilen, ſie ſey von Natur unfruchtbar. Weil man frucht - bare Sachen wegen der Fruͤchte zu eigenen macht, welches vor ſich klar iſt, und eben des - wegen das Eigenthum auch das Recht, die Fruͤchte zu genieſſen, in ſich begreift (§. 198.); ſo gehoͤren die Fruͤchte demjenigen, wel - chem die Sache gehoͤret, oder dem Ei - genthumsherrn der Sache; folglich, da der Eigenthumsherr von ſeinem Rechte alle uͤbrigen ausſchleußt (§. 195.), ſo gehoͤrt das Recht die Fruͤchte zu erhalten nie - manden, als dem Eigenthumsherrn.

§. 229.

Daher iſt ferner klar, daß der BeſitzerOb der Beſitzer einer fremden Sache Theil an den Fruͤch - ten hat. einer fremden Sache, er mag dieſelbe mit gutem Gewiſſen beſitzen, oder nicht, kein Recht hat die Fruͤchte zu erhalten; folglich daß die natuͤrlichen Fruͤchte, ſie moͤgen noch hangende (pendentes), oder ſchon erhaltene (percepti) ſeyn, dem Ei - genthumsherrn zugehoͤren (§. 224.). Weil aber die durch Fleiß erhaltene theils Fruͤchte der Sache, theils des Fleiſſes ſind(§. 226.);144II. Th. 2. H. Von urſpruͤngl. Erlangung(§. 226.); ſo ſind ſie dem Eigenthums - herrn und dem Beſitzer, nach Propor - tion der Sache und des angewandten Fleiſſes, gemein; z. E. wenn einer ein fremdes Grundſtuͤcke beſitzet, ſo gehoͤrt ſo viel von den Fruͤchten dem Eigenthumsherrn, als der Gebrauch des Grundſtuͤcks werth iſt; dem Beſitzer aber ſo viel, als ſeine Arbeit und an - gewandter Fleiß.

§. 230.

Von dem Unter - ſchied ei - nes ge - wiſſen - haſten u. ungewiſ - ſenhaften Beſitzers.

Weil die Erhaltung der Fruͤchte zum Ge - brauch des Eigenthums gehoͤret (§. 228.); ſo thut ein ungewiſſenhafter Beſitzer, indem er die Fruͤchte ſich zueig - net, dem Eigenthumsherrn Unrecht (§. 201.); folglich hat dieſer das Recht ihn zu beſtrafen, daß er dieſelbe ihm genommen hat (§. 93.); hingegen ein gewiſſenhafter Beſitzer, dem, was er thut, nicht zugerechnet werden kann (§. 202.), kann deswegen nicht beſtraft werden. Wenn aber die Fruͤchte verzehrt wor - den, ſo haben beyde eine fremde Sa - che verzehrt (§. 229.).

§. 231.

Von dem Rechte in der Spe - cifica - tion.

Wenn einer aus einer fremden Ma - terie eine gewiſſe Sache gemacht hat (ſpeciem fecit), da die Materie dem Eigen - thumsherrn der Materie gehoͤret, die Geſtalt, die ſie erhalten hat, als eine Frucht der Arbeit deſſen, der ſie gemacht hat, anzuſehen (§. 227. 228.);145des Eigenthums. 228.); ſo iſt die Sache dem Herrn der Marerie und demjenigen, der daraus die Sache gemacht, gemein, nach Pro - portion des Werths der Materie und der Arbeit. Daher kann man leicht erken - nen, was einer vor ein Recht hat, der theils aus ſeiner eigenen, theils aus einer fremden Materie etwas macht, oder aus einer frem - den Materie vor einen andern; maſſen es ei - nerley iſt, ob einer etwas ſelbſt thut, oder durch einen andern. Es iſt aber klar, daß einer, der etwas mit Vorbewuſt aus einer fremden Materie macht, dem Ei - genthumsherrn der Materie unrecht thut (§. 201.), und daher ſtraffaͤl - lig wird (§. 93. 153.).

§. 232.

Weil das Ausdreſchen nicht zu der Speci -Vom Ausdre - ſchen. fication, oder Verfertigung einer Sache aus einer fremden Materie gehoͤret (§. 227.), ſon - dern die Koͤrner ſchon ein Theil der Aehren ſind; ſo ſind, wenn einer fremde Aeh - ren ausdriſchet, ſo wohl die Koͤrner, als das Stroh des Eigenthumsherrn der Aehren. Was vom Unrecht zu mer - cken iſt, kann man aus dem vorigen §. wie - derhohlen.

§. 233.

Die Jungen (fœtus) ſind eine FruchtVon dem jungen Viehe. der Thiere, als die Kaͤlber der Kuͤhe, die Laͤmmer der Schafe (§. 198.). Deswegen gehoͤren ſie dem zu, dem die ThiereNat. u. Voͤlckerrecht. Kgehoͤ -146II. Th. 2. H. Vom urſpruͤngl. Erlangunggehoͤren, als die Kaͤlber dem Eigenthums - herrn der Kuͤhe, die Laͤmmer dem Eigen - thumsherrn der Schafe. Eben dieſes gilt von den Eyern des Federviehes, und von den Kuͤchelchen, die ausgebruͤtet worden. Und es hindert nichts, daß von meinem Viehe dei - nes traͤchtig worden.

§. 234.

Wie die erhal - tenen Fruͤchte zu be - trachten ſind.

Da erhaltene, oder gehobene Fruͤch - te nicht mehr ein Theil der Sache ſind, aus welcher ſie hervorgekommen, als die von ihr nun abgeſondert ſind (§. 224.), und dem Ei - genthumsherrn einen beſondern Nutzen ver - ſchaffen; ſo werden ſie alsdann vor ſich als eigenthuͤmliche Sachen angeſehen.

§. 235.

Von der Vermi - ſchung u. Vermen - gung.

Wenn zweyen, oder mehreren Eigenthums - herren zugehoͤrige, fluͤßige oder eingeſchmoltzene Materien mit einander vermiſcht werden, daß dadurch eine vermiſchte Maße wird, ſo nennt man es eine Vermiſchung (confu - ſionem). Eine Vermengung (commix - tio) aber heiſt, wenn trockene und feſte Koͤr - per alſo unter einander gemengt werden, daß, was dem einen zugehoͤrt, zwar von dem un - terſchieden verbleibet, was dem andern zuge - hoͤrt, jedoch alles zuſammen nur ein Gantzes ausmachet. Da man niemanden wieder ſei - nen Willen das Eigenthum von einer Sache nehmen kann (§. 195.); ſo iſt, wenn das mit einander Vermiſchte, oder un - tereinander Vermengte nicht von ein -ander147des Eigenthums. ander wieder abgeſondert werden kann, oder wenigſtens ſolches nicht ohne Schaden geſchehen kann, das Ver - miſchte und unter einander Ge - mengte, nach Proportion deſſen, was einem jeden zugehoͤrete, gemein. Jm entgegen geſetzten Falle bekommt ein jeder das Seinige.

§. 236.

Eben dieſes gilt, aus eben dem Grunde, vonVon der An - ſchweiſ - ſung und Anloͤ - tung. der Anſchweiſſung (ferruminatione) ſo wohl roher, als verarbeiteter Metalle von ei - ner Art; und von der Anloͤtung (adplum - batura), da zwey Sachen, von verſchiedner Art, durch eine von ihnen unterſchiedene Ma - terie zuſammen gefuͤgt werden.

§. 237.

Grund und Boden (ſolum) nenntVom Bauen u. Boden. man einen Theil des Erdbodens, in ſo ferne er Menſchen oder andere Sachen traͤget. Auf Grund und Boden befindliches (ſuper - ficies) heißt dasjenige, was mit demſelben zuſammenhaͤngt und uͤber denſelben hervor - ragt; als da ſind Baͤume, Weinſtoͤcke, Pflan - tzen, Haͤuſer. Die Aufrichtung eines Ge - baͤudes iſt das Bauen (ædificatio), und in ſo fern etwas auf einem Grunde erbauet wird, nennt man es das Erbauen (inædificatio - nem). Es iſt auf eben die Art, wie vorher, klar (§. 235.), daß, wenn jemand auf ſeinem Grund und Boden aus einer fremden Materie, oder auf einemK 2frem -148II. Th. 2. H. Von urſpruͤngl. Erlangungfremden Grunde und Boden aus ſei - ner Materie bauet, das Gebaͤude den Eigenthumsherren der Materie und des Grundes und Bodens, nach Pro - portion, gemein ſey; woferne das Ge - baͤude nicht beweglich iſt, daß es naͤmlich weggenommen werden kann.

§. 238.

Vom Pflantzen u. Saͤen.

Eben dieſes gilt auch vom Pflantzen (plantatione), wodurch eine Pflantze in einen Grund geſetzt wird, daß ſie daſelbſt Wurtzeln ſchlaͤgt und daraus ihre Nahrung hat; wie auch vom Saͤen (ſatione), wenn der Same in die Erde gebracht wird, daß er daſelbſt keimet und aufgehet. Man muß aber hierbey nur dieſes mercken: Daß, wenn ein einem jeden zukommender Theil in der Gemeinſchaft be - ſtimmt werden ſoll, man darauf zu ſehen habe, wie viel die Pflantze, wenn ſie geſetzt wird, oder der Saamen, wenn er ausgeſaͤet wird, und der Gebrauch des Grundes nebſt der Arbeit und Wartung gilt (§. 225.).

§. 239.

Von der Schrift und dem Gemaͤhl - de.

Auf eine gleiche Weiſe iſt, aus eben dem Grunde, wenn jemand auf unſerem Pa - pier, oder Pergament, ein Gedicht, eine Geſchichte, oder eine Rede geſchrieben, oder auf unſere Tafel ein Bild gemahlt haͤtte, der gantze Koͤrper, nach Pro - portion deſſen, was einem jeden gehoͤ - ret, gemein. Es iſt naͤmlich bey der Ge - meinſchaft gar nichts ungereimtes, wenn ſichdas149des Eigenthums. das Eigenthum auf den tauſendſten, ja auf einen Milliontheil erſtreckt. Was aber Rech - tens iſt, wenn das Gemeinſchaftliche getheilt werden ſoll, die Sache aber ſich nicht theilen laͤßt, noch die Gemeinſchaft beſtehen kann, das wird ſich am gehoͤrigen Orte weiſen.

§. 240.

Die Auslaͤufer (ſtolones), welche ausVon den Auslaͤu - fern und auslau - fenden Kraͤutern (herbis emiſſa - riis). den Wurtzeln eines Baums, der dem Nachbar gehoͤrt, auf unſerem Grun - de und Boden hervorwachſen, und die Kraͤuter, welche aus den in der Er - de getriebenen Wurtzeln eines fremden Baumes, oder auch uͤber der Erde auslaufenden Stengelchen von einer fremden Pflantze hervorwachſen, ſind unſer; weil ſie als eine Frucht unſers Grun - des und Bodens anzuſehen, indem ſie die Na - tur daſelbſt hervorbringt (§. 198.).

§. 241.

Weil alle Sachen, ſie moͤgen Nahmen ha -Vom Recht auf des Nach - bars Baum. ben, wie ſie wollen, des Gebrauchs wegen dem Eigenthum unterworfen werden (§. 121. 195. ); ſo wird mit Grund und Boden auch der Luftraum, welcher in ſenck - rechter Linie daruͤber iſt, dem Eigen - thume unterworfen, ſo weit er, von dem Grunde an gerechnet, genutzt wer - den kann. Der Kuͤrtze wegen wollen wir ihn den Luftraum (ſpatium atmoſphæri - cum) nennen. Da nun die Aeſte, welche vom Baume des Nachbars durch un -K 3ſern150II. Th. 2. H. Von urſpruͤngl. Erlangungſern Luftraum ausgebreitet werden, mit den auslaufenden Kraͤutern zu verglei - chen ſind (§. 240.); ſo gehoͤren dieſelben auch uns zu; folglich auch die Fruͤchte auf denſelben (§. 228.). Und wenn die Aeſte hindern, daß wir unſern Grund und Boden nicht ſo nutzen koͤnnen, wie wir wollen, ſo haben wir das Recht, dieſelben zu behauen; eben ſo, wie der Naͤchbar das Recht hat, den Baum umzuhauen; als dem das Recht zukommt, mit dem Baume vorzunehmen, was er will, ſo ihm wieder ſeinen Willen nicht kann ge - nommen werden (§. 195.).

§. 242.

Vom Dazu - kommen, dem na - tuͤꝛlichen, kuͤnſtli - chen und vermiſch - ten.

Das Dazukommen (acceſſio) wird ge - nannt, wenn zu einer gewiſſen Sache, wel - che ſchon eine gewiſſe Geſtalt hat, noch etwas anders kommt, das mit ihr, es ſey auch auf was vor Art und Weiſe es wolle, zuſammen haͤngt, oder mit ihr vereiniget wird. Das - jenige, was auf dieſe Weiſe dazukommt, heiſt das Dazukommende (acceſſorium); dieje - nige Sache aber, zu welcher es dazukommt, nennt man die Hauptſache (rem principa - lem). Man nennt aber dieſes Dazukom - men das natuͤrliche, oder das Anſetzen, welches von der Natur dazu gebracht wird; das kuͤnſtliche, welches die Menſchen ma - chen; und das vermiſchte, wozu Menſchen und Natur etwas beytragen. Wenn eine fremde Sache zu der unſeren kommt,und151des Eigenthums. und ſie kann ohne Schaden abgeſon - dert werden, als z. E. wenn ein Edel - ſtein, der unſer iſt, in eines andern Ring gefaßt worden; ſo verbleibt der Stein unſer: im Gegentheile iſt die Haupt - ſache mit dem Dazukommenden gemein (§. 195.). Wenn eine Sache, die kei - nem zugehoͤrt, dazu kommt; ſo bleibt ſie eine Sache, die keinem zugehoͤrt, ſo lange, als ſie nicht dem Eigenthume unterworfen wird (§. 210.). Bey der kuͤnſtlichen Art muß man vornaͤmlich daraus beurtheilen, was die Hauptſache und was das Dazukommende ſey, wozu die Sache gewied - met iſt.

§. 243.

Man ſagt, eine Sache gehe unter oderVon dem Unter - gange oder dem Verge - hen einer Sache. vergehe (interit), wenn dieſelbe aufhoͤrt wuͤrcklich zu ſeyn. Die Art aber vergeht (ſpecies interit), wenn die Geſtalt der Sa - che zernichtet wird, die Materie aber bleibt. Da niemand ein Recht uͤber eine Sache hat, als der Eigenthumsherr (§. 195.); ſo iſt der Schade des Eigenthumsherrn, wenn die Sache untergehet, oder vergehet (res interit ſuo domino), und er verliehrt ſein Recht, was er in derſelben hatte: aber wenn die Art vernichtet wird, ſo bleibt noch die Materie ſeine.

§. 244.

Hieraus iſt klar, daß, wenn durch dieVon ei - nem lie - genden Gewalt eines Flußes unvermerckt Er -K 4de152II. Th. 2. H. Von urſpruͤngl. ErlangungGrunde, der durch die Ge - walt ei - nes Fluſ - ſes ver - mindert worden iſt.de weggeſchwemmet wird, ſo daß mit der Zeit unſer liegender Grund merck - lich abnimt; oder wenn auch durch die Gewalt des Waſſers merckliche Thei - le weggeriſſen und weggeſchwemmet werden, wir das Eigenthum an dem Theil verliehren, der uns entriſſen worden.

§. 245.

Von dem Recht des Ab - reiſſens.

Wenn aber die Gewalt eines Fluſſes von deinem liegenden Grunde einen Theil weggeriſſen, und gantz an des Nachbars liegenden Grund angeſetzt hat, ſo bleibt derſelbe deine, ſo lange du ihn nicht verlaſſen wilſt (§. 203.); indem er nicht untergehet (§. 243.), und dir wieder deinen Willen das Eigenthum nicht genommen und einem andern gegeben werden kann (§. 195.). Man nennt aber dergleichen gewaltſame Wuͤrckung der Natur, es mag durch das Waſſer, oder einen andern Zufall geſchehen, das Abreiſſen (avulſionem).

§. 246.

Wenn der Fluß ſeinen Graben verlaͤßt.

Wenn der Fluß ſeinen natuͤrlichen Graben auf einmahl gaͤntzlich verlaͤßt, und einen andern Weg nimmt; ſo ver - bleibet der Graben deſſen, dem der Fluß zugehoͤrte; indem der Graben desje - nigen iſt, deſſen der Fluß iſt, und nicht un - tergehet, wenn gleich der Fluß ausreißt (§. 243. 245.). Derowegen wenn der Fluß keinem zugehoͤrte, ſo gehoͤret auch derver -153des Eigenthums. verlaſſene Graben keinem zu; folglich kann er von demjenigen eigenthuͤmlich gemacht werden, der das Recht hat, dergleichen Sachen ſich eigenthuͤmlich zu machen (§. 210. 215.).

§. 247.

Auf gleiche Weiſe iſt klar, daß, wennVon ei - ner Jn - ſel, die aus ei - nem Acker ge - macht worden. ein Fluß aus unſerem Acker eine Jnſel macht, dieſelbe Jnſel unſer ſey; wenn aber der Acker gemeinſchaftlich gewe - ſen, auch die Jnſel, nach Proportion, gemeinſchaftlich ſey.

§. 248.

Wenn ein Fluß ſich einen neuenVom Graben des Fluſ - ſes der aus un - ſerem Acker ge - macht worden iſt. Graben auf unſerem Acker gemacht hat; ſo behalten wir unſer Recht auf dem Grunde; weil man den neuen Gra - ben, als eine von uns verlohrene Sache anſiehet, welche man wieder zu bekommen noch Hofnung hat, in ſo fern naͤmlich der Fluß zu ſeinem vori - gen Graben zuruͤckkehren, oder nach einer an - dern Gegend ſeinen Weg nehmen kann (§. 220.); folglich gehoͤrt der Acker, wenn er wie - der in den vorigen Stand geſetzet iſt, uns, und ſo auch ein jeder Theil, der wieder in den vorigen Stand geſetzet wird.

§. 249.

Wenn alſo auch unſer Acker gantz uͤber -Vom Recht der Uebeꝛ - ſchwem - mung. ſchwem̃t wird, unerachtet die Ueber - ſchwemmung viele Jahre dauren ſollte; ſo bleibt er unſer (§. 195.), ſo lange wir ihn nicht verlaſſen (§. 203.).

K 5§ 250.154II. Th. 2. H. Von urſpruͤngl. Erlangung

§. 250.

Von ei - ner Jn - ſel, die im Mee - re oder in ei - nem Fluſſe entſtehet.

Wenn durch einen Zufall im Meere, oder auf einem Fluß eine Jnſel entſte - het, z. E durch ein Erdbeben, oder weil der Fluß durch Zuſammenſchwemmen nach und nach einen erhabenen Ort uͤber dem Fluß gemacht, und durch Anſpuͤhlen vergroͤſſert hat; ſo gehoͤret dieſelbe nie - manden, indem ſie als eine Sache anzuſehen, die in der Natur noch nicht dageweſen (§. 191.); folglich kann ſie von demjenigen eigen - thuͤmlich gemacht werden, der das Recht hat, ſich eigenthuͤmlich zu machen, was niemanden gehoͤret (§. 210. 215.). Wenn aber eine Jnſel in einem Fluſſe entſtehet, weil der Fluß einen Theil, der ſonſt zum Graben des Fluſſes gehoͤrte, trocken ver - laͤßt und um denſelben zu flieſſen be - ginnet; da in ſolchem Falle nur ein Theil des Grabens verlaſſen wird, ſo iſt die Jnſul deſ - ſen, dem der Fluß zugehoͤret; folgends weñ der Fluß niemanden zugehoͤret, ſo ge - hoͤret auch die Jnſel niemanden (§. 246.).

§. 251.

Von dem Recht der An - ſpuͤh - lung.

Die Anſpuͤhlung (alluvio) nennt man den natuͤrlichen Zuwachs, da durch die Gewalt eines Fluſſes an einen daran liegenden Grund unvermerkt immer mehr angeſetzt wird, ſo daß er mit der Zeit merklich vergroͤſſert wird. Da nun, was hierdurch zu unſerm Grun - de kommt, als eine Sache anzuſehen iſt, die vorher in der Natur nicht geweſen;ſo155des Eigenthums. ſo erhellet, wie vorhin (§. 250.), es gehoͤre daſ - ſelbe niemanden zu; folglich koͤnne es von demjenigen eigenthuͤmlich gemacht werden, welcher das Recht hat, ſich niemanden zu gehoͤrige Sachen eigen - thuͤmlich zumachen.

§. 252.

Es ſind aber die Aecker entweder ausge -Dieſes wird ge - nauer er - wogen. meſſene Aecker (agri aſſignati), welche mit ei - nem gewiſſen Maaſſe gemeſſen worden; oder es ſind umgraͤntzte (limitati), welchen man ohne Ausmeſſung gewiſſe Graͤnzen geſetzt; oder endlich von der Natur umgraͤntzte (agri arcifinii), welche natuͤrliche Graͤntzen haben, als Fluͤſſe, Berge, Waͤlder. Das Recht ſich zuzueignen, was das Waſſer an - ſpuͤhlet, kommet dem zu, deſſen Acker natuͤrliche Graͤntzen hat, nicht aber dem, deſſen Acker ausgemeſſen iſt, oder dem auch ſeine Graͤntzen geſetzt worden ſind. Denn derjenige, welcher wolte, daß der Acker ſeine natuͤrliche Graͤntzen haben ſollte, hat mit demſelben das Recht der Anſpuͤhlung ſich zugleich eigenthuͤmlich gemacht: welches aber nicht von demjenigen kann verſtanden wer - den, der einen ausgemeſſenen, oder umſchraͤnck - ten Acker hat (§. 251.). Da nun die - ſer kein von der Natur umſchraͤnckter Acker iſt, wenn zwiſchen dem Acker und dem Fluſſe ein oͤffentlicher Weg, oder eine Landſtraſſe gehet, ſo nicht zum Acker, als ein Theil deſſelben, gehoͤret; ſo kann derEigen -156II. Th. 2. H. Von urſpruͤngl. ErlangungEigenthumsherr des Ackers kein Recht der Anſpuͤhlung haben.

§. 253.

Ob der - gleichen Recht im ſtillſte - henden Waſſer ſtatt findet.

Da ſtillſtehende Waſſer ihre geſetzte Graͤn - zen haben, ſo daß, wenn ſie wachſen, oder fallen, den benachbarten liegenden Gruͤnden nichts zuwaͤchſt, oder abgehet; ſondern ein jeder in dem, was ihm gehoͤret, ſein Recht be - halten kann; ſo findet das Anſpuͤhlungs - recht bey ſtillſtehenden Waſſern nicht ſtatt (§. 251.). Man nennt aber im La - teiniſchen ein ſtillſtehendes Waſſer, das nicht austrocknet, lacum; wenn es aber austrock - net, ſtagnum. Es hat aber nichts zu ſagen, daß unterweilen durch einem Zufall auch ein lacus austrocknen kan.

§. 254.

Was vor eine Ge - mein - ſchaft durch das, was im vor - herge - henden abgehan - delt wor - den, ein - gefuͤhrt wird.

Weil eine poſitive Gemeinſchafft darinn be - ſtehet, daß zweyen, oder mehreren zuſam - men eine Sache, die nicht getheilt werden kann, nach Proportion eigenthuͤmlich iſt, (§. 196.); ſo iſt die Gemeinſchafft, wel - che durch die Specification, oder Verfer - tigung einer Sache aus einer fremden Mate - rie (§. 231.), durch das Miſchen und Mengen (§. 235.), durch die Anſchweiſ - ſung und Anloͤtung (§. 236.), durch das Bauen (§. 237.), durch das Pflan - zen und Saͤen (§. 238.), durch die Schrift und Mahlerey (§. 239.) und durch das Dazukom̃en eingefuͤhrt wird §. 242.), eine poſitive Gemeinſchafft:Das157des Eigenthums. Das Eigenthum aber wird in derſelben, genau zu reden, nicht urſpruͤnglich er - halten; in ſo fern aber die gemeinſchaft - liche Sache vorher in der Natur noch nicht befindlich war, ſo wird die Er - haltung des Eigenthums der urſpruͤng - lichen Erhaltung gleich geachtet. (§. 210.).

Das dritte Hauptſtuͤck.

Von den Verbindlichkeiten und Rechten, welche aus dem Eigen - thum entſtehen.

§. 255.

Weil der Eigenthumsherr ſchuldigOb das Eigen - thum das Recht in ſich ſchließt eine Sa - che zu verder - ben. iſt, ſich ſeiner Sache nicht anders zu bedienen, als ſeine Pflichten erfor - dern (§. 202.); ſo darf er auch, wenn es keine natuͤrliche Verbindlichkeit von ihm fordert, ſeine Sachen nicht zernichten, verderben, oder verſchlim - mern; folglich ſchließt das Eigen - thumsrecht nicht das Recht in ſich, ſeine Sache zu verderben, oder zu ver - ſchlimmern (§. 49.). Es fließt das Recht, welches der Eigenthumsherr hat, mit ſei - ner eigenem Sache nach ſeinem Gefallen vor - zunehmen, was man wil, aus der natuͤrli - chen Freyheit (§. 195.), und dieſe hebt die na - tuͤrliche Verbindlichkeit nicht auf (§. 77.).

§. 256.158II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl.

§. 256.

Von dem Recht ei - ne Sa - che, die unſer iſt, zu veraͤn - dern und etwas daraus zu ma - chen.

Einer verfaͤhret mit der Sache ſelbſt nach ſeinem Gefallen, wenn er einen liegenden Grund, oder das, was darauf ſtehet, oder auch eine andere Sache veraͤndert, ingleichen wenn er aus ſeiner Materie etwas macht; wel - ches an und vor ſich ſelbſt klar iſt. Weil nun der Eigenthumsherr das Recht hat, ſeine Sachen nach ſeiner Willkuͤhr einzu - richten, wie er will, oder die Proprietaͤt, (proprietatem) (§. 198.); ſo hat er auch das Recht einen liegenden Grund, oder was auf demſelben ſtehet, oder auch eine andere Sache zu veraͤndern, und aus ei - ner Materie zu machen, was ihm ge - faͤllt; Wem das Eigenthum nicht zu - koͤmmt, dem iſt es nicht erlaubt eine Ver - aͤnderung vorzunehmen, oder etwas aus einer Materie zu machen, die nicht ſein iſt (§. 195.).

§. 257.

Vom Recht zu veraͤuſ - ſern.

Aus eben dem Grunde hat der Eigen - thumsherr, vermoͤge der Proprietaͤt, das Recht, ſein Eigenthum auf einen andern zu bringen; folgends, da dieſes die Veraͤuſſerung einer Sache (alienatio rei) genannt wird, in ſo fern naͤmlich itzund ein anderer Eigenthumsherr wird, als der es vorher war, hat er das Recht eine Sache zu veraͤuſſern (jus alienandi); demjeni - gen aber, der nicht der Eigenthumsherr iſt, iſt keine Veraͤuſſerung einer fremdenSache159wegen des Eigenthums. Sache er laubet (§. 199.). Daher folgt ferner, daß wenn einer eine Sache be - kommt, von einem, der nicht der Ei - genthumsherr iſt; ſo gehoͤrt dieſelbe nicht dem zu, der ſie bekommen hat, ſondern ſie bleibt deſſen, dem ſie gehoͤ - ret (§. 205.). Weil die unkoͤrperlichen Sachen, als die Rechte (§. 121.), auch im Eigenthume ſind (§. 206.); ſo kann der Ei - genthumsherr auch die Recht veraͤuſ - ſern; als das Recht zu fiſchen, zu jagen.

§. 258.

Wenn man das Eigenthum auf einen an -Von dem Recht eine Sache zu geben. dern bringet, ohne dabey darauf zu ſehen, ob ſie ſeine iſt, oder nicht, ſo heiſſet dieſes das Geben (datio); dergeſtalt daß geben (dare) nichts anders iſt, als ſein Eigenthum auf einen andern bringen. Daher iſt eben - falls klar, daß niemand, als der Eigen - thumsherr einem andern eine Sache geben kann; und folglich niemand eine fremde Sache dem andern geben koͤnne (§. 199.).

§. 259.

Wenn ein Eigenthumsherr ſein Eigen -Von dem Recht ei - nem zu einer Hand - lung ein Recht zu erthei - len, die in Ab - thum veraͤuſſert, ſo uͤbergiebt er ſein Eigen - thum einem andern (§. 257.); folglich auch das Recht zu allen Handlungen, welche ver - moͤge des Eigenthums einem erlaubt ſind. Derowegen kan auch das Recht zu einer jeden Handlung, die Vermoͤge des Ei -gen -160II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. ſicht des Eigen - thums erlaubt iſt.genthums erlaubt iſt, einem andern eingeraͤumet, das Eigenthum aber ſelbſt vor ſich behalten werden. Je - doch iſt klar, daß das Eigenthum in die - ſem Fall vermindert wird; weil das Recht, welches der andere erhalten, ſein eigen iſt, welches ihm wieder ſeinen Willen nicht wieder genommen werden kann (§. 100.).

§. 260.

Von dem Rechte, welches man ei - nem an - dern in ſeiner Sache einraͤu - met.

Gleichergeſtalt, weil der Eigenthums - herr mit einem jeden Nutzen ſeiner Sache, nach ſeinem Gefallen verfahren kann (§. 195. 198. ); ſo kann er auch einem andern ein Recht in ſeiner Sache einraͤumen, es habe einen Nahmen, wie es wolle; allein wer nicht Eigenthumsherr iſt, kann dieſes nicht thun. Dergleichen iſt das Recht Waſſer aus unſerem Brunnen zu ſchoͤpfen, das Recht uͤber unſern Grund zu dem ſeinen zu gehen.

§. 261.

Vom Wieder - geben ei - ner Sache, die einem andern gehoͤrt.

Weil der Eigenthumsherr in einer Sache das Eigenthum behaͤlt, die, es ſey auf was vor Weiſe es wolle, in unſere Gewalt koͤmmt, daß wir dieſelbe beſitzen koͤnnen (§. 200. 205. ); und eine jede Handlung, die zur Ausuͤbung des Eigenthums gehoͤrt, uns unerlaubt iſt (§. 195.), wir aber verhuͤten ſollen, daß ein anderer nicht in Schaden (§. 134.), folglich um das Seine kommt (§. 207.); ſo muͤſſen wir davor ſorgen, daß, wenn eines andern Sache, es ſey auf was vorWeiſe161wegen des Eigenthums. Weiſe es wolle, in unſere Gewalt koͤmmt, ſie wiederum in die Gewalt ihres Eigenthumsherrn komme; folg - lich wenn man weiß, wer derſelbe ſey, ſo muß man ihm ſeine Sache wieder geben; weis man es aber nicht, ſo muß man nachforſchen, wer er ſey. Zum Exem - pel wollen wir eine Sache nehmen, die ver - lohren worden, und wir gefunden haben, oder wenn ein fremdes Vieh auf unſern Hof kommt.

§. 262.

Weil derjenige, welcher unſere Sache hat,Von der Vindica - tion eineꝛ Sache, oder dem Wieder - zueig - nungs - recht. verbunden iſt, uns dieſelbe wieder zu geben (§. 261.); ſo haben wir, als Eigen - thumsherren, das Recht ihn dazu an - zuhalten, daß er uns dieſelbe wieder - geben muß (§. 46.), und wenn er nicht wolte, ihn mit Gewalt dazu anzuhal - ten (§. 80.). Das Recht eine uns zugehoͤ - rige Sache von jedem Beſitzer oder Jnhaber mit Gewalt zu erhalten, wird die Wiederzu - eignung oder Vindication einer Sache (vindicatio rei), oder auch das Recht eine uns zugehoͤrige Sache uns wieder zu - zueignen genannt. Der Eigenthums - herr hat alſo das Recht, ſich ſeine Sache von jedem Beſitzer, oder Jnhaber wieder zuzueignen. Weil aber die Sache bloß ihrem Eigenthumsherrn wieder gegeben werden muß (§. 261.); ſo ſind wir verbun - den erſt zu beweiſen, daß eine Sache unſer ſey; und ehe wir daſſelbe nichtNat. u. Voͤlckerrecht. Lbewie -162II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. bewieſen haben, koͤnnen wir auch den andern nicht mit Gewalt anhalten, uns die Sache wieder zu geben. Da nun die gewaltſame Behauptung ſeines Rech - tes ein Krieg iſt (§. 98.); ſo iſt die Wie - derzueignung einer uns zugehoͤrigen Sache ein Krieg.

§. 263.

Vom Dieb - ſtahl, vom Raub u. der Jn - vaſion.

Ein boßhaftes Wegnehmen einer Sache, die einem andern zugehoͤret, wieder ſein Wiſ - ſen und Willen, mit dem Vorſatze, ſich dieſel - be zuzueignen, wird ein Diebſtahl (furtum) genannt. Nimmet man einem das Seine auf oͤffentlicher Straſſe mit Gewalt, ſo heiſt es ein Raub (rapina). Wer einen Dieb - ſtahl begeht, wird ein Dieb; wer einen Raub begeht, ein Raͤuber (prædo) genannt. Es iſt aber ein offenbahrer Diebſtahl (fur - tum manifeſtum), wenn der Dieb ſelbſt bey dem Stehlen ertappt wird, da er die geſtohl - nen Sachen noch nicht anders wohin gebracht hat: hingegen kein offenbahrer Dieb - ſtahl, oder ein heimlicher (furtum nec manifeſtum) im entgegengeſetzten Falle. Wenn jemand wieder Wiſſen und Willen des Eigenthumsherrn, nach ſeinem eigenen Gefal - len, ſich des Gebrauchs einer Sache anmaſſet, als wenn ſie ſeine waͤre, ſo nennet man es einen Diebſtahl des Gebrauchs (furtum uſus). Wenn jemand einen wieder ſeinen Willen um den Beſitz ſeiner unbeweglichen Sache bringet, als, wenn er dem Glaͤubigerdas163wegen des Eigenthums. das Unterpfand nimmet; ſo nennt man es ei - nen Diebſtahl des Beſitzes (furtum poſ - ſeſſionis). Eine Jnvaſion (invaſio) aber wird genannt, da einer, der kein Recht zum Beſitz hat, einen andern mit Gewalt aus dem Beſitze ſeiner unbeweglichen Sache wirft. Wer dieſes thut, wird in Rechten Invaſor ge - nannt.

§. 264.

Weil der Eigenthumsherr von ſeinemWas von dem Dieb - ſtahle u. Raube Rechtens iſt, und von Wie - dererſe - tzung ei - ner ge - ſtohlenen und ge - raubten Sache. Rechte, welches er in einer Sache hat, alle uͤbrige ausſchleußt (§. 195.), ihm auch daſ - ſelbe nicht wieder ſeinen Willen genommen werden kann (§. 100.); ſo iſt Stehlen und Rauben nicht erlaubt. Und weil ohne Willen des Eigenthumsherrn niemand anders das Eigenthum erlangen kann (§. 195.); ſo verbleibt eine geſtohlene und ge - raubte Sache des Eigenthumsherrn; folglich kann er ſich dieſelbe von ei - nem Diebe, Raͤuber, oder einem jeden andern Beſitzer wieder zueignen (§. 262.); und nicht allein der Dieb, oder Raͤuber, ſondern auch ein jeder ande - rer, in deſſen Gewalt die Sache ge - kommen, iſt verbunden ſie dem Eigen - thumsherrn wieder zu geben (§. 261.). Und weil alles, was man mit einer fremden Sache vor ſich vornimmet, unerlaubt iſt (§. 195.); ſo iſt auch der Diebſtahl des Gebrauchs unerlaubt (§. 198. 263.).

L 2§. 265.164II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl.

§. 265.

Von dem, was Rechtens bey der Jnva - ſion, und gegen denjeni - gen, der ſie unter - nimmt.

Der Eigenthumsherr hat das Recht des Beſitzes (§. 200.), welches man ihm wieder ſeinen Willen nicht nehmen kann (§. 100.). Deswegen iſt auch die Jnvaſion natuͤr - lich unerlaubt; und der, welcher die - ſelbe unternimmt, iſt dem andern den Beſitz wieder abzutreten ſchuldig. Und da der Eigenthumsherr nicht leiden darf, daß jemand anders wieder ſeinen Willen ſich etwas anmaſſet, was ihm vermoͤge des Ei - genthums erlaubt iſt (§. 195.); ſo hat er das Recht, den andern aus dem un - rechtmaͤßigen Beſitze wiederum her - auszuwerfen, woferne er ihm nicht gutwillig denſelben wieder einraͤumen will; folglich komt ihm das Recht zum Kriege wieder ihn zu (§. 98.).

§. 266.

Ob ein Eigen - thums - herr ei - nen Dieb - ſtahl, Naub u. Jnvaſion begehen koͤnne.

Es iſt ſelbſt aus den Begriffen klar, daß, wenn der Eigenthumsherr ſeine Sa - che dem andern heimlich oder mit Ge - walt wegnimmt, er kein Dieb oder Raͤuber ſey; oder, wenn er den andern mit Gewalt aus dem Beſitze der ihm zugehoͤrigen unbeweglichen Sache wirft, kein Jnvaſor (§. 263.). Denn ſeine eigene Sache kann niemand ſtehlen oder rauben, ſondern lediglich eine fremde. Es kann auch niemand ein Jnvaſor ſeyn, als der nicht der Eigenthumsherr iſt. Aber aus eben dem Grunde, aus welchem es bey der Wie -derzu -165wegen des Eigenthums. derzueignung geſchehen muß (§. 262.), erhel - let, daß einer beweiſen muͤſſe, es ſey die Sache ſeine, damit er nicht vor ei - nen Dieb, oder Raͤuber, oder Jnvaſor gehalten werde.

§. 267.

Der Dieb, Raͤuber und Jnvaſor verletzenVon dem Recht, einen Dieb, Raͤuber und Jn - vaſor zu ſtrafen. das Recht des Eigenthumsherrn (§. 195. 263. ); folglich beleidigen ſie ihn (§. 88.). Derowegen hat der Eigenthumsherr das Recht, den Dieb, den Raͤuber und den Jnvaſor zu ſtrafen (§. 93.).

§. 268.

Weil wir das Recht der VertheidigungVon dem Recht die uns zugehoͤri - ge Sa - chen zu verthei - digen. wieder denjenigen haben, der uns zu beleidi - gen ſucht (§. 90.); ſo iſt erlaubt, ſeine Sachen wieder einen offenbahren Dieb, einen Raͤuber und Jnvaſor, oder ei - nen, der uns um den Beſitz des unſri - gen bringen will, zu vertheidigen (§. 49.), und dieſes iſt ein uneingeſchraͤnck - tes Recht (§. 94.). Weil aber der Dieb, der Raͤuber, und der uns um den Beſitz brin - get, indem er der Vertheidigung wiederſte - het, und auf unſere Perſon mit Gewalt loß gehet, uns anfaͤllt (aggreſſor eſt); ſo iſt die Vertheidigung unſerer Sachen in der Vertheidigung unſerer Perſon enthal - ten. Und daher iſt klar, daß die Verthei - digung unſerer Sachen wieder einen offenbahren Dieb, einen Raͤuber, undL 3einen,166II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. einen, der uns um unſern Beſitz bringr, ein Krieg ſey (§. 98.).

§. 269.

Von dem Schaden.

Man ſagt, daß derjenige um das Sei - nige komme (jacturam ſui facere), dem wieder ſeinen Willen das Seine dergeſtalt entzogen wird, daß er es niemahls wieder be - kommen kann. Der Verluſt des Seinigen wird der Schaden (damnum) genannt; und in Schaden bringen (damnum dare), heiſſet ſo viel, als durch das, was man thut, oder unterlaͤßt, Urſache ſeyn an dem Verluſt des Unſrigen. Jns - beſondere nennt man einen vorſetzlichen Schaden (damnum voluntarium ſ. dolo - ſum), welchen einer dem andern zuzufuͤgen getrachtet, oder der aus dem, was er Vor - habens war, erfolget (intentione directa, ſive indirecta); einen unvorſetzlichen Scha - den (damnum culpoſum), welcher aus Ver - ſehen geſchehen; und endlich einen zufaͤlligen Schaden (damnum caſuale), welcher durch einen nicht vorhergeſehenen Zufall, den man nicht vermeiden koͤnnen, verurſacht wird. Weil wir unſer Vermoͤgen, folglich alle un - ſere Sachen erhalten ſollen (§. 208.); ſo ſoll auch ein jeder, ſo viel er kann, allen Schaden von ſich abwenden, auch nie - manden in Schaden bringen, ſondern vielmehr, ſo viel an ihm iſt, auch von dem andern allen Schaden abwenden (§. 133.); folglich darf niemand dem an -dern167wegen des Eigenthums. dern etwas wieder ſeinen Willen von ſeinen Sachen wegnehmen, oder ver - derben, es mag geſchehen aus was vor Abſicht es immer will. Uebrigens erhel - let hieraus, daß, wenn der Eigen - thumsherr die geſtohlene oder geraub - te Sache nicht wiederbekommt, der Dieb und Raͤuber ihn in Schaden bringet.

§. 270.

Da niemand den andern in Schaden ſetzenVon der Erſetzung des Scha - dens, den einer ver - urſacht hat. ſoll (§. 269.), der Schaden aber in dem Ver - luſt des Seinigen beſtehet (§. cit. ), und da - her derjenige, der in Schaden geſetzet wird, weniger hat, als er vorher hatte; ſo darf niemand verurſachen, daß der andere weniger habe, als er haben ſolte. Weil nun einer nicht weniger hat, als er haben ſolte, wenn ihm eben ſo viel wieder zugeſtel - let wird, als die Sache werth iſt, die er ein - gebuͤſſet hat, das iſt, wenn der Schaden erſetzet wird (damnum reſarcitur), wel - ches an und vor ſich ſelbſt klar iſt; ſo muß ein jeder vorſetzlicher und unvor - ſetzlicher Schaden wieder erſetzet wer - den, und wir haben das Recht den andern dazu zu bringen, daß uns der Schade erſetzet werde.

§. 271.

Einer iſt bereichert worden (locuple -Daß man ſich nicht tior factus eſt), der mehr hat, als er vorher hatte. Daher wird er durch eines andernL 4Sache168II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. durch oder aus eines an - dern Sa - che berei - chern muͤſſe.Sache bereichert (re alterius l. f.), wenn das, was er mehr hat, eine einem andern zu - gehoͤrige Sache iſt; und aus eines andern Sache wird einer bereichert (ex re alte - rius l. f.), wenn dasjenige, was er mehr hat, von eines andern Sache, oder an deren Stelle kommt. Weil wir niemand weder mit Vor - ſatz, noch aus Verſehen in Schaden bringen ſollen (§. 269.), der Schaden aber in dem Verluſt des Seinigen beſtehet (§. cit. ); ſo darf auch niemand mit des andern Schaden ſich bereichern, noch mit der Sache, oder aus der Sache eines an - dern; folglich, da der verurſachte Schaden erſetzet werden muß (§. 270.), ſo iſt jeder, der durch oder aus meiner Sache, die aber nicht mehr vorhanden iſt, reicher worden, mir ſo viel zu erſetzen ſchul - dig, als er reicher worden iſt. Dieſer Hauptſatz hat einen ſehr weitlaͤuftigen Nutzen im Rechte.

§. 272.

Was der gewiſſen - hafte und nicht ge - wiſſen - hafte Be - ſitzer dem Eigen - thums - herrn ſchuldig iſt.

Keine Handlung, die zur Ausuͤbung des Eigenthums gehoͤrt, kann einem gewiſſenhaf - ten Beſitzer zugerechnet werden (§ 201.); folglich auch nicht was er unterlaſſen (§. 2.). Derowegen hat der Eigenthumsherr an dem gewiſſenhaften Beſitzer wegen deſſen, was er gethan, oder unterlaſ - ſen, keine Forderung, ſondern nur we - gen der Sache, in ſo fern er naͤmlich die - ſelbe ohne einiges Recht beſitzet (§. 201.). Allein169wegen des Eigenthums. Allein da dem ungewiſſenhaften Beſitzer eine jede Handlung, die zur Ausuͤbung des Eigen - thumsrechts gehoͤret, zugerechnet werden kann (§. 201. 3. ); ſo hat an dem ungewiſſen - haften Beſitzer der Eigenthumsherr ſo wohl wegen der Sache, als auch wegen alles deſſen, ſo er gethan, oder unterlaſſen, ſeine Forderung.

§. 273.

Weil an dem gewiſſenhaften Beſitzer derWovor der ge - wiſſen - hafte Be - ſitzer dem Eigen - thums - herrn nicht ſte - hen darf. Eigenthumsherr wegen deſſen, was er ge - than, oder unterlaſſen, keine Forderung hat (§. 272.); ſo iſt er auch, wenn die Sa - che durch einen Zufall untergehet, ob - gleich dieſes nicht geſchehen waͤre, wenn ſie der Eigenthumsherr gehabt haͤtte, demſelben nichts wieder zu er - ſtatten ſchuldig; er iſt auch nicht ſchul - dig den Schaden zu erſetzen, wenn die Sache durch ſein Verſehen unterge - gangen, oder weggekommen, noch auch die zu erwartenden Fruͤchte wieder zu erſtatten, wenn er mehreren Fleiß an - gewandt haͤtte.

§. 274.

Allein, da ein ungewiſſenhafter Beſi -Was ein ungewiſ - ſenhaf - ter Beſi - tzer, in ſo fern er ein ſol - cher iſt, tzer dem Eigenthumsherrn davor ſtehen muß, was er gethan und unterlaſſen (§. 272.); ſo iſt er dem Eigenthumsherrn den Scha - den zu erſetzen ſchuldig, wenn die Sa - che durch ſein Verſehen zu nichte wor - den, oder ſonſt weggekom̃en, oder auchL 5durch170II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. ſchuldig iſt.durch einen Zufall ſolches geſchehen, durch welchen es dem Eigenthums - herrn nicht begegnet waͤre, wenn er ſie gehabt haͤtte: waͤre aber durch die - ſen Zufall auch bey ihm eben dieſes ge - ſchehen, ſo iſt er auch nichts zu erſetzen ſchuldig; ſintemahl alsdenn der Schade weder dem, was der Beſitzer gethan, zuzu - ſchreiben, noch daher kommet, daß er dem Ei - genthumsherrn die Sache nicht wiedergegeben (§. 261.). Und da an den zu erhaltenden Fruͤchten der Fleiß des Beſitzers ſeinen An - theil hat (§. 224.); ſo iſt er auch ſchul - dig den Theil der Fruͤchte, die haͤtten koͤnnen erhalten werden, ſo dem Ei - genthumsherrn gehoͤrten, zu erſetzen (§. 229. 270.);

§. 275.

Von den Fruͤch - ten, die noch da ſind.

Weil die Fruͤchte einer Sache dem Eigen - thumsherrn gehoͤren (§. 228.), die Fruͤchte aber, die ohne angewandten Fleiß nicht erhal - ten werden, nach Proportion, dem Eigen - thumsherrn und dem Beſitzer gemein ſind (§. 229.), niemand aber ſich durch eines an - dern Sache bereichern darf (§. 271.); ſo iſt ſo wohl der gewiſſenhafte, als unge - wiſſenhafte Beſitzer ſchuldig, die na - tuͤrlichen Fruͤchte, die noch vorhanden ſind, und den Antheil derer, wozu Fleiß angewandt worden, herauszu - geben.

§. 276.171wegen des Eigenthums.

§. 276.

Weil ein gewiſſenhafter Beſitzer demVon den verzehr - ten Fruͤch - ten. Eigenthumsherrn nicht davor ſtehen darf, was er gethan, folglich auch nicht wegen der verzehrten Fruͤchte (§. 272.); jedoch aber auch nicht aus eines andern Sache ſich berei - chern darf (§. 271.); ſo muß er dem Ei - genthumsherrn nur in ſo weit davor ſtehen, als er aus den verzehrten na - tuͤrlichen Fruͤchten und dem Antheil derer, worauf er ſeinen Fleiß gewandt, reicher worden iſt; folglich, da man nicht ſagen kann, daß der von dem, was einem andern zugehoͤret, gelebt habe, welcher von dem Seinigen leben konte; ſo iſt er ſchul - dig eben ſo viel wieder zu erſtatten, wenn er eben ſo viel im Vermoͤgen hat; hingegen weniger, wenn er we - niger im Vermoͤgen, aber nichts, wenn er nichts im Vermoͤgen hat. Hingegen, da ein ungewiſſenhafter Beſitzer dem Eigenthumsherrn ſo wohl in Anſehung der Sache, als deſſen, was er gethan, in allem ſtehen muß (§. 272.), folglich auch deswegen, daß er eine einem andern zugehoͤrige Sache ver - zehrt hat (§. 230.); ſo iſt er auch ſchul - dig den Werth der natuͤrlichen Fruͤchte, die er verzehrt hat, und des verzehrten Antheils des Eigenthumsherrn an de - nen, worauf er Fleiß gewandt, zu er - ſtatten. Man fragt hier aber, was wieder erſtattet werden ſoll, nicht was wieder erſtattet werden kann.

§. 277.172II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl.

§. 277.

Wovor man zu ſtehen hat, wenn man eine fremde Sache ver - ſchlim - mert, oder ver - dorben.

Es iſt an und vor ſich ſelbſt klar, daß eine verſchlimmerte oder verdorbene Sache weni - ger werth iſt, als ſie vorher war. Derowe - gen da dadurch der Eigenthumsherr in Scha - den kommet (§. 269.), niemand aber den an - dern in Schaden bringen ſoll (§. cit. ), und aller ſo wohl mit Vorſatz, als aus Verſehen verurſachter Schade erſetzt werden muß (§. 270); ſo iſt derjenige, welcher einem andern ſeine Sache entweder vorſaͤtz - lich, oder auch aus Verſehen verſchlim - mert oder verderbet, dem Eigen - thumsherrn ſo viel zu erſetzen ſchul - dig, als die verſchlimmerte oder ver - dorbene Sache weniger werth iſt.

§. 278.

Wovor ein Beſi - tzer einer fremden Sache ſtehen muß.

Weil nun ein gewiſſenhafter Beſitzer da - vor nicht ſtehen darf, was er gethan, aber wohl ein ungewiſſenhafter (§. 272.); ſo iſt auch der gewiſſenhafte Beſitzer der Verſchlimmerung wegen keine Erſtat - tung ſchuldig; der ungewiſſenhafte aber muß in ſo weit davor ſtehen, als die verſchlimmerte Sache weniger werth iſt. Von einer Verſchlimme - rung aber, die durch einen Zufall ge - ſchehen, muß eben das bemerckt wer - den, was von einem zufaͤlligen Unter - gange geſagt worden (§. 273.).

§. 279.173wegen des Eigenthums.

§. 279.

Die Unkoſten (impenſæ) ſind die Aus -Was und wie vie - lerley die Unkoſten ſind. gaben, die wir an eine Sache wenden, entwe - der um ſie zu erhalten, oder zu gebrauchen, oder Fruͤchte von ihr zu ziehen. Es werden nothwendige Unkoſten (neceſſariæ) ge - nannt, welche angewandt werden, um eine Sache zu erhalten; nuͤtzliche Unkoſten (utiles), durch welche eine Sache nuͤtzlicher und fruchtbarer gemacht wird; Unkoſten zur Luſt (voluptuariæ), welche bloß, um Vergnuͤgen daher zu empfinden, angewandt werden. Wenn nuͤtzliche Unkoſten angewen - det werden, ſo ſagt man, die Sache wird verbeſſert (res meliorari). Man nennt die Unkoſten aber vermiſchte, wenn die Unkoſten zur Luſt in den nothwendigen und nuͤtzlichen enthalten ſind; und die Unkoſten zur Luſt ſind die vornehmſten (volu - ptuariæ prædominantur), wenn man mehr auf die Luſt, als auf das Nothwendige und Nutzbahre ſiehet.

§. 280.

Weil wir verbunden ſind unſer Vermoͤ -Die Ver - bindlich - keit und das Recht Unkoſten anzuwen - den. gen (patrimonium) zu erhalten, und ſo viel, als wir koͤnnen, zu vermehren (§. 208.); ſo iſt alſo jeder Eigenthumsherr von Na - tur verbunden, ſo viel an ihm iſt, noth - wendige und nuͤtzliche Unkoſten anzu - wenden. Und weil wir auch darauf zu ſe - hen haben, daß wir unſer Leben vergnuͤgt hin - bringen (§. 119.); ſo ſind auch die Unko -ſten174II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. ſten zur Luſt nicht unerlaubt, wenn ſie nicht zu einem ſchaͤdlichen Vergnuͤ - gen angewandt werden (§. 120.).

§. 281.

Von der Wieder - erſtat - tung der noth - wendigen und nuͤtz - lichen Unkoſten.

Zur Anwendung der nothwendigen und nuͤtzlichen Unkoſten ſind wir verbunden (§. 281.). Wenn alſo der Beſitzer einer einem andern zugehoͤrigen Sache dieſelbe anwendet; ſo thut er nichts, als was der Eigenthums - herr ſelbſt zu thun verbunden geweſen waͤre, wenn nur die nuͤtzlichen dem Eigenthumsherrn eben ſo nutzbahr ſind, als dem Beſitzer. Man muß alſo ſo wohl dem gewiſſenhaften als ungewiſſenhaften Beſitzer die noth - wendigen und nuͤtzlichen Unkoſten wie - der erſtatten, durch welche die Sache nutzbahrer worden iſt. Jedoch da der gewiſſenhafte Beſitzer dem Eigenthumsherrn nicht davor ſtehen darf, was er gethan, wohl aber der ungewiſſenhafte (§. 272.); ſo muͤſ - ſen dem gewiſſenhaften Beſitzer die Un - koſten erſtattet werden, durch welche die Sache nutzbahrer worden iſt; dem ungewiſſenhaften aber bloß in dem Falle, wenn ſie dem Eigenthums - herrn eben ſo nutzbahr ſind, oder die Sache nunmehto mehr werth iſt; da - mit naͤmlich der Eigenthuͤmer nicht mit Scha - den des Beſitzers bereichert werde (§. 271.), noch auch er dadurch Schaden leide, indem er die Unkoſten erſetzet, welche er ſelbſt nicht aufgewandt haͤtte (§. 269.), indem er ſieohne175wegen des Eigenthums. ohne ſeinen Nutzen wuͤrde haben aufwenden muͤſſen.

§. 282.

Man ſagt, daß derjenige die UnkoſtenVon dem Wegneh - men der Unkoſten. wegnimmt (impenſas tollit), welcher das - jenige wegnimmt, was in eines andern Sa - che auf ſeine Unkoſten gemacht worden iſt. Es wird aber etwas ohne Schaden der Sa - che weggenommen, wenn durch dasjeni - ge, was weggenommen wird, die Sache an und vor ſich ſelbſt nicht verdorben wird. Weil nun niemand mit des andern Schaden ſich bereichern darf (271.); ſo darf ein Beſi - tzer, wenn er dem andern ſeine Sache wiedergiebt, die Unkoſten wegneh - men, die ohne Schaden der Sache weggenommen werden koͤnnen.

§. 283.

Weil der gewiſſenhafte Beſitzer dem Eigen -Von der Erſtat - tung der Unkoſten zur Luſt, und von der Col - liſion der Schaͤ - den. thumsherrn davor nicht ſtehen darf, was er gethan (§. 272.); ſo muͤſſen ihm alle Un - koſten zur Luſt, die entweder gar nicht, oder doch nicht ohne Schaden der Sache weggenommen werden koͤnnen, ſo hoch, als ſich dieſelbe zur Zeit der Wiedererſtattung belaufen, wieder erſtattet werden (§. 271.). Allein da der ungewiſſenhafte Beſitzer vor alles ſtehen muß, was er gethan (§. 272.); ſo kommet in dem Falle, da er Unkoſten zur Luſt angewandt hat, die der Eigenthumsherr nicht wuͤrde angewandt haben, und von welchen er wuſte, daß ſieent -176II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. entweder gar nicht, oder doch nicht ohne Scha - den der Sache weggenommen werden koͤnn - ten, durch ſeine Schuld die Sache in den Stand, daß, wenn ſie wieder gege - ben werden ſoll, entweder der Beſitzer, oder der Eigenthumsherr den Schaden tragen muß (§. 17.). Da nun dieſes nicht dem Eigen - thumsherrn, ſondern dem Beſitzer zuzurech - nen iſt (§. 3.); ſo duͤrfen die Unkoſten zur Luſt, die entweder gar nicht, oder doch nicht ohne Schaden der Sache weg - genommen werden koͤnnen, und wel - che der Eigenthumsherr ſelbſt nicht wuͤrde angewandt haben, einem unge - wiſſenhaften Beſitzer nicht wieder er - ſtattet werden: ein anders iſt es, wenn ſie der Eigenthumsherr ſelbſt wuͤrde angewandt haben. Beylaͤufig bemerken wir, daß aus demjenigen, was wir erwieſen haben, uͤberhaupt klar ſey, daß wenn der Schaden desjenigen, durch deſſen Schuld er ſich erreignet, mit dem Schaden eines andern collidirt, der gar keine Schuld daran hat, derjenige den Schaden tragen muß, der Schuld daran iſt; woraus ferner folget, daß, wenn beyde nicht auſſer aller Schuld ſind, der Schade, nach Proportion der Schuld, von einem jeden zu tragen iſt.

§. 284.

Von dem Recht die Unkoſten

Man ſagt, der Beſitzer zieht die Unko - ſten ab, (impenſas deducere), wenn er umſo177wegen des Eigenthums. ſo viel weniger wiedererſtattet, als die Unko -abzuzie - hen. ſten zur Zeit der Wiedererſtattung werth ſind, z. E. wenn er nur 30 wiedergiebt, da er we - gen der verzehrten Fruͤchte 150 wiedergeben ſolte, indem die Unkoſten 120 geſchaͤtzet werden. Weil nun, indem die Unkoſten von demjenigen abgezogen werden, was dem Eigenthumsherrn wieder zu erſtatten war, ſo wohl der Beſitzer, als der Eigenthumsherr erhaͤlt, was ihm ge - hoͤret, man aber einem jeden das Seine ge - ben muß (§. 86.); ſo hat der Beſitzer das Recht, die Unkoſten, die ihm vom Ei - genthumsherrn erſtattet werden muͤſ - ſen, abzuziehen; welches naͤmlich aus der beyderſeitigen Verbindlichkeit, dasjenige, was einem jeden gehoͤret, dem andern wieder zu erſtatten, entſpringt (§. 46.).

§. 285.

Die Belohnung deſſen, der etwasVon der Beloh - nung deſſen, der et - was ſin - det. findet (præmium inventionis), nennt man dasjenige, was man dem, der eine verlohrene Sache gefunden hat, giebt, weil er ſie wie - dergiebt. Weil nun der, welcher etwas fin - det, verbunden iſt, es dem Eigenthumsherrn wieder zu geben (§. 220. 261. ); ſo iſt man nach dem Recht der Natur nicht ſchul - dig, dem, der eine Sache findet, eine Belohnung zu geben; und daher hat er kein Recht, eine Belohnung von dem Eigenthumsherrn zu fordern. Was man von den Unkoſten, die darauf verwandt worden, damit der Eigenthumsherr ſeineNat. u. Voͤlckerrecht. Mver -178II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. verlohrne Sache hat wieder bekommen koͤn - nen, zu bemerken hat, iſt daraus klar, was wir erſt von dem Beſitzer einer einem andern zugehoͤrigen Sache bewieſen haben; denn die Erſetzung der Unkoſten gruͤndet ſich dar - auf, was einer auf eines andern Sache ge - wandt hat.

§. 286.

Vom Betrug ſowohl dem vor - ſaͤtzlichen, als dem ohne Vorwiſ - ſen ge - ſchehe - nen.

Man ſagt einer betriege den andern (alterum defraudare) wer mit Wiſſen und Willen entweder mit der That oder mit Wor - ten, den andern um das Seine bringet, oder was er ihm ſchuldig iſt. Der Betrug iſt alſo eine Handlung, durch welche man dem andern, mit dem wir zu thun haben, ohne daß er es weiß, im Schaden bringet. Wenn dieſes mit Wiſſen und Willen geſchieht, ſo iſt es ein vorbedachter, oder vorſaͤtzli - cher Betrug (fraus conſilii): geſchiehet es aber unwiſſende, als wenn einer einen un - echten Edelſtein, anſtatt eines echten, oh - ne daß er es weiß, verkauft, ſo iſt es ein un - wiſſender, oder unvorſetzlicher Betrug (fraus eventus). Da man niemanden weder vorſetzlicher, noch unvorſetzlicher Weiſe in Schaden bringen ſoll (§. 269.); ſo darf man auch niemanden betriegen, und iſt ein - jeder vorbedachter Betrug unerlaubt. Weil aber auch der Schade, in welchen man einen bringet, erſetzet werden muß (§. 270.); ſo muß nicht nur dasjenige, warum der andere betrogen iſt, wieder gege -ben,179wegen des Eigenthums. ben, oder der Werth wieder erſetzet werden (æſtimatio præſtanda); ſondern es muß auch derjenige ſchadloß gehal - ten werden, welchem ein unwiſſender Betrug ſchaden wuͤrde.

§. 287.

Das Recht des Beſitzes (jus poſſeſſio -Vom Recht des Be - ſitzes. nis), wird dasjenige genannt, welches einem Beſitzer, vermoͤge des Beſitzes, zukoͤmmt. Es iſt alſo von dem Recht zu beſitzen (jus poſſidendi) unterſchieden, welches dem Eigen - thumsherrn, vermoͤge ſeines Eigenthums, zu - koͤmmt (§. 200.). Daß es aber ein Recht des Beſitzes gebe, erhellet aus dem, was folgt.

§. 288.

Weil dem Eigenthumsherrn allein dasVom verbo - thenen eigen - maͤchti - gen Weg - nehmen, und daß das ei - genmaͤch - tig Weg - genom - mene wieder erſtattet werden muͤſſe. Recht zu beſitzen zukommt (§. 200.), er auch den Beſitzer nicht mit Gewalt zur Wiederer - ſtattung zwingen kann, wenn er nicht ſein Eigenthum bewieſen hat (§. 262.); ſo kan von einem, der nicht der Eigenthums - herr iſt, oder auch vom Eigenthums - herrn, wenn er ſein Eigenthum noch nicht bewieſen hat, noch von einem Beſitzer, der ſeinen rechtmaͤßigen Beſitz noch nicht erwieſen hat, kein Beſitzer, er ſey wer er wolle, aus dem Beſitze geworfen werden; folglich, wenn er herausgeworfen worden iſt, ſo muß er wieder in den Beſitz geſetzet werden. Derowegen weil man eine Sache beſitzet, um ſein Eigenthum zu gebrauchen (§. 200.); ſoM 2muß180II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. muß auch, ſo lange unerlaubt iſt, dem Be - ſitzer den Beſitz zu nehmen, ihm der Ge - brauch des Eigenthums verſtattet werden. Das gewaltſame Verfahren, wo - durch einer aus dem Beſitze geworfen, oder des Beſitzes beraubet wird, heißt im canoni - ſchen Recht ſpolium, oder eine eigene Be - maͤchtigung. Und daher folgt, daß, was eigenmaͤchtig weggenommen iſt, wie - der gegeben, oder eingeraͤumet werden muͤſſe.

§. 289.

Von der Verthei - digung und Wie - dererhal - tung des Beſitzes.

Weil der Beſitzer nicht ſchuldig iſt zu leiden, daß er von dem, der nicht Eigenthumsherr iſt, oder auch ſein Eigenthum noch nicht bewieſen hat, aus dem Beſitze mit Gewalt herausge - worfen werde (§. 288. 46. ); ſo kommt ihm auch das Recht zu, ſeinen Beſitz zu vertheidigen (§. 90.), wie auch das Recht zu demjenigen, ohne welches er den verlohrnen Beſitz nicht wieder er - halten kann. Naͤmlich der Beſitzer fuͤhret ſich ſo lange, als er in dem Beſitz iſt, als Eigenthumsherr auf, und das muß man ihm auch verſtatten (§. 288.).

§. 290.

Vom ge - waltſa - men und heimli - chen Be - ſitz.

Durch Gewalt (gewaltſam, vi poſſidet) beſitzet derjenige etwas, der dadurch den Beſitz erhalten, weil er den vorigen Beſitzer mit einer unrechtmaͤßigen Gewalt aus ſeinem Beſitze geworfen hat; heimlich aber, oderver -181wegen des Eigenthums. verſtohlner weiſe beſitzt einer etwas (clam poſſidet), welcher, dem Beſitzer unwiſſende, den Beſitz zwar ohne Gewalt, aber auch ohne Recht eingenommen hat, und wer dieſes thut, von dem ſagt man, er kommt verſtohlner weiſe in den Beſitz (poſſeſſionem furtive ingredi), und der auf ſolche Weiſe erhaltene Beſitz wird der heimliche oder verſtoh - lene Beſitz (poſſeſſio clandeſtina) genannt. Denn man achtet einen ſolchen Beſitz einer ge - ſtohlnen Sache gleich. Es iſt aber eben, wie vorher (§. 288.), klar, daß es unerlaubt ſey, eine Sache verſtohlner weiſe zu beſitzen, es mag der Beſitzer entweder nicht der Eigenthumsherr ſeyn, oder, wenn er es iſt, doch ſein Eigenthum noch nicht bewieſen habe; und daß in ſol - chem Falle der Beſitz dem vorigen Be - ſitzer wieder einzuraͤumen ſey; folglich dieſer das Recht habe, nicht zu leiden, daß der andere etwas, was er beſeſſen, verſtohlener weiſe beſitze; folglich, wenn er ihm den Beſitz nicht wieder ein - raͤumen will, er ihn mit Gewalt her - auswerfen koͤnne.

§. 291.

Weil die Sache, die einer beſitzet, in ſeinerWie der Beſitz er - langet, behalten und ver - lohren werde. Gewalt ſeyn muß, ſo daß es moͤglich iſt, nach ſeinem Gefallen mit der Sache vorzunehmen, was er will (§. 200.); folglich des Eigen - thums ſich zu gebrauchen (§. 195.); ſo wird der Beſitz erlanget (acquiritur), wennM 3die182II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. die Sache in den Stand gebracht wird, da es moͤglich iſt, nach Art des Eigen - thumsherrn, mit derſelben vorzuneh - men, was man will; und er wird ſo lange behalten, als man ſich des Eigen - thums, entweder ſelbſt, oder durch an - dere bedienen kann; er wird aber ver - lohren, wenn die Sache in den Stand kommt, in welchem dieſes nicht weiter geſchehen kann.

§. 292.

Ob man abweſend etwas be - ſitzen koͤnne.

Weil man eine Sache im Beſitz hat, wenn man auch das Eigenthum durch einen andern ausuͤbet (§. 291.); ſo kann einer auch ab - weſend eine Sache beſitzen.

§. 293.

Von dem Beſitz der unbeweg - lichen u. unkoͤr - perlichen Dinge.

Und weil der Beſitz auf dem Vermoͤgen, das Eigenthum zu gebrauchen, beruhet (§. 291.); ſo iſt eine bewegliche Sache ſo lange in unſerm Beſitz, als ſie in un - ſerer Verwahrung iſt; und weil man un - koͤrperliche Dinge nicht anders aufbehal - ten kann, als in ſo fern wir dieſelben wuͤrck - lich brauchen (§. 121.); ſo beſitzet man dieſelbe durch den Gebrauch und durch das Vermoͤgen ſie zu gebrauchen, und zu verbiethen, daß es kein anderer thue.

§. 294.

Von der uꝛſpeuͤng - lichen Art, den

Da durch die Zueignung die Sachen, die keinem zugehoͤren, in den Stand gebracht werden, daß man mit denſelben nach ſeinemGefal -183wegen des Eigenthums. Gefallen vornehmen kann, was man willBeſitz zu erhal - ten. (§. 210. 195. ), durch die Zueignung aber auch das Eigenthum urſpruͤnglich erhalten wird (§. 210.); ſo wird der Beſitz von Sachen, die keinem zugehoͤren, mit dem Eigenthume zugleich erhalten; und dieſe Art den Beſitz zu erhalten iſt die urſpruͤngliche Art, wodurch naͤmlich der Beſitz davon erhalten wird, was noch von keinem beſeſſen worden.

§. 295.

Ein Beſitz mit einem Titel (poſſeſſioVom Beſitze mit ei - nem Ti - tel, und was ein Titel ſey. titulata) iſt derjenige, der einen Titel hat. Der Titel (titulus) aber iſt der Grund des Geſetzes, aus welchem erhellet, daß eine ge - wiſſe That ein gewiſſes Recht hervorbringen koͤnne. Die That aber ſelbſt, wodurch wir eines Rechtes theilhaftig werden, iſt die Art etwas zu erhalten (modus acqvirendi). Daher erhellet, daß der Beſitz der Sa - che, die keinem zugehoͤret, welcher durch die Zueignung erhalten worden, einen Titel hat; maſſen nach dem Geſetz der Natur, durch die Zueignung, mit dem Eigenthume der Beſitz erhalten wird (§. 294.).

§. 296.

Weil der Beſitz verlohren wird, wenn eineVon dem verlohr - nen Be - ſitz einer unbeweg - lichen u. unkoͤr - Sache in den Stand kommt, daß man das Eigenthum nicht gebrauchen kann (§. 291.); ſo hat man den Beſitz verlohren, wenn jemand unſere unbewegliche Sache, oder ein Recht das uns zukommt, alsM 4haͤtte184II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. perlichen Sache.haͤtte er das Eigenthum davon, ge - braucht, und nicht zugiebt, daß wir unſer Recht gebrauchen. Da aber der Beſitz ſo lange behalten wird, als wir das Eigenthum gebrauchen koͤnnen (§. 291.); folglich ſo lange wir nicht leiden, daß ein an - derer, wieder unſeren Willen, daſſelbe ge - brauche; und kein anderer verhindern kann, daß wir uns unſeres Rechtes bedienen, wenn wir wollen; ſo wird durch den bloſſen Mangel des Gebrauchs der Beſitz nicht verlohren.

§. 297.

Von der Stoͤh - rung des Beſitzes.

Der Beſitz wird geſtoͤhrt (poſſeſſio turbatur), wenn der Beſitzer in dem Ge - brauch ſeines Eigenthums, in Abſicht einer und der andern Handlung, die ihm frey ſte - het, es ſey auf was vor Weiſe es wolle, ver - hindert; derſelbe aber ihm doch nicht gaͤntzlich genommen wird. Man nennt aber eine Stoͤhrung durch Worte (turbatio ver - balis), die in Worten; eine Stoͤhrung in der That (realis), die in einer gewiſſen Handlung beſtehet. Die Gewalt, durch welche der Beſitz geſtoͤhret wird, nennt man die ſtoͤhrende (vis turbativa), eben wie die austreibende Gewalt (vis expulſiva), durch welche einer aus dem Beſitz geworfen wird; und die antreibende Gewalt (vis compulſiva), durch welche einer zur Ueber - laßung des Beſitzes gezwungen wird. Weil dem Beſitzer der Gebrauch des Eigenthumsfrey185wegen des Eigenthums. frey gelaſſen werden muß (§. 288.); ſo iſt die Stoͤhrung des Beſitzes mit Wor - ten und in der That unerlaubt.

§. 298.

Man ſagt von den unkoͤrperlichen Sachen,Vom aͤhnli - chen Be - ſitz. daß ſie gleichſam beſeſſen werden (quaſi poſſideri), in ſo weit man den Beſitz derſel - ben nach der Aehnlichkeit (analogia) des Beſitzes der koͤrperlichen Dinge dichtet; als deſſen Grund die Moͤglichkeit der Handlun - gen iſt, welche vorzunehmen der Eigenthums - herr vermoͤge ſeines Eigenthums berechti - get iſt.

§. 299.

Da das Recht des Beſitzes aus dem Be -Vom verlohre - nen Rech - te des Beſitzes. ſitz entſtehet (§. 287.); ſo wird, nachdem der Beſitz verlohren worden, auch das Recht des Beſitzes verlohren; folglich werden die Rechte des Beſitzes ſo lan - ge behalten, als der Beſitz behalten wird.

Das vierte Hauptſtuͤck.

Von dem Recht, das von der Gemeinſchaft der erſten Zeit noch uͤbrig iſt.

§. 300.

Das aus der Gemeinſchaft der er -Was das Recht iſt, welches aus der Gemein - ſchaft der ſten Zeit noch uͤbrige Recht (jus ex communione primæva reſiduum) nennt man dasjenige, welches wir noch zuM 5denje -186II. Th. 4. H. Vom uͤberbliebenen Rechterſten Zeit noch uͤbrig iſt.denjenigen Dingen, die andern eigenthuͤmlich zugehoͤren, haben, nachdem das Eigenthum eingefuͤhrt worden iſt. Es wird alſo daſſel - be von der Gemeinſchaft der erſten Zeit un - terſchieden; welche noch in Anſehung gewiſ - ſer Dinge, die noch nicht dem Eigenthum unterworfen ſind, oder nicht unterworfen werden koͤnnen, beſtehet.

§. 301.

Jn wel - chen Din - gen die Gem ein - ſchaft der erſten Zeit noch uͤbrig iſt.

Weil die Gemeinſchaft der erſten Zeit durch die urſpruͤngliche Erhaltung des Eigenthums (§. 194. 210. ), folglich durch die Zueignung aufgehoben worden (§. 210.); ſo ſind die - jenigen Sachen, welche ſich entweder niemand zueignen kann, oder darf, noch in der Gemeinſchaft der erſten Zeit; oder es ſind Sachen, die allen Menſchen gemein ſind; oder, welches gleich viel iſt, in Anſehung dieſer Sa - chen iſt die Gemeinſchaft der erſten Zeit noch uͤbrig.

§. 302.

Von den Sachen, deren Gebꝛauch nicht er - ſchoͤpft wird.

Man nennt Sachen, deren Gebrauch nicht erſchoͤpft wird (res uſus inexhau - ſti) diejenigen, deren Gebrauch fuͤr alle Men - ſchen hinreichend iſt, und den ſie haben koͤn - nen, ſo oft ſie deſſelben beduͤrfen. Weil der Eigenthumsherr von dem Gebrauch ſeiner Sa - che alle uͤbrigen ausſchleußt (§. 195.), der Ge - brauch aber einer Sache, den ein jeder haben kann, wenn er will, ohne Abbruch der an - dern, von einem den uͤbrigen allen nicht hatkoͤnnen187aus der erſten Gemeinſchaft. koͤnnen genommen werden (§. 74.); ſo iſt auch keinem erlaubt geweſen, die Sa - chen, deren Gebrauch nicht erſchoͤpft wird, ſich zuzueignen (§. 210.); folg - lich iſt in denſelben noch die Gemein - ſchaft der erſten Zeit uͤbrig. Ob alſo gleich das Eigenthum eingefuͤhrt worden iſt: ſo bleibt doch die Luft, das vorbey - flieſſende Waſſer und das Sonnenlicht allen Menſchen gemein.

§. 303.

Gleichergeſtalt, weil durch das Eigen -Warum dasjeni - ge, was nicht einge - ſchraͤnckt und ver - theidiget werden kann, ge - mein - ſchaftlich geblieben ſey, z. E. das offne Meer. thum alle uͤbrigen von dem Gebrauch einer eigenthuͤmlichen Sache ausgeſchloſſen werden (§. 195.); ſo muß dasjenige, was eigen - thuͤmlich werden ſoll, ſeine beſtimmte Graͤntzen haben: was aber keine ha - ben kann, kann auch nicht eigenthuͤm - lich gemacht werden. Und weil der Ei - genthumsherr das Recht hat zu verbiethen, daß niemand, wieder ſeinen Willen, ſich ſei - ner Sache auf einige Art und Weiſe anmaſ - ſen kann (§. cit. ); ſo iſt noͤthig daß er ſein Eigenthum behaupten kann. Was alſo ſo beſchaffen iſt, daß man ſein Eigen - thum daruͤber nicht behaupten kann, das kann auch demſelben nicht unter - worfen werden. Und daher erhellet, daß die offenbahre See in der Gemein - ſchaft der erſten Zeit geblieben ſey, ob - gleich einige Theile, welche an demfeſten188II. Th. 4. H. Vom uͤberbliebenen Rechtfeſten Lande liegen, haben eigenthuͤm - lich gemacht werden koͤnnen (§. 302.).

§. 304.

Mit was vor einer vor ſich verſtaͤnd - lichen Ausnah - me das Eigen - thum eingefuͤh - ret wor - den ſey.

Weil das Recht zum Gebrauch der natuͤrli - chen Sachen einem jeden Menſchen von Na - tur zukommt (§. 186.), und das Geſetz der Natur uns auch ein Recht zum nothwendigen Gebrauch der durch Fleiß und Kunſt erhalte - nen giebt (§. 188.), welches niemand genom - men werden kann (§. 74.); ſo hat auch durch die Einfuͤhrung des Eigen - thums niemanden der nothwendige Ge - brauch der Sachen gaͤntzlich benommen werden koͤnnen; folglich hat das Eigen - thum nicht anders eingefuͤhrt werden koͤnnen, als mit dieſer Einſchraͤnckung, die ſich vor ſich verſtehet (ſtillſchweigen - den, tacita); daß, wenn es ſich in ei - nem vorkommenden Falle zutruͤge, daß einem gaͤntzlich der Gebrauch der noth - wendigen Sachen genommen wuͤrde, er ein Recht zu denen eigenthuͤmlichen habe. Naͤmlich das Eigenthum iſt nicht deswegen eingefuͤhrt worden, daß jemanden gaͤntzlich der nothwendige Gebrauch der Sa - chen ſollte benommen werden; ſondern daß alle ſich deſto beſſer des Vortheils von demſel - ben zu erfreuen haben moͤchten (§. 194.).

§. 305.

Von den nothwen - digen Sachen,

Wenn alſo jemanden gantz und gar die nothwendigen Sachen zu ſeinem Gebrauch fehlen, und es nicht in ſei -nem189aus der erſten Gemeinſchaftnem Vermoͤgen ſtehet, daß er ſich die -die man in der aͤuſſer - ſten Noth dem Ei - gen - thums - herrn wegnim̃t. ſelben fuͤr einen billigen Preis anſchaf - fen, oder durch geleiſtete Arbeit er - werben, noch auch dieſelben durch Bitten von andern erhalten kann; ſo kann er im natuͤrlichen Stande ſie dem andern, welcher ſie wohl entbehren kann, wieder ſein Wiſſen und Willen, ja gar mit Gewalt wegnehmen (§. 304.). Weil man alſo dieſes mit Recht thut, welches aus der Gemeinſchaft der erſten Zeit uͤbrig iſt (§. 300.); ſo begeht man keinen Raub oder Diebſtahl. Denn die aͤuſſerſte Noth - wendigkeit verwandelt das Recht zu bitten in das Recht zu zwingen, daß man es uns gebe.

§. 306.

Weil dieſes Recht, welches nur bey derVon der natuͤrli - chen Ver - bindlich - keit, die daher ent - ſpringt. aͤuſſerſten Nothwendigkeit ſtatt hat, nicht wei - ter gehet, als bis auf den nothwendigen Ge - brauch, um deſſen willen es gegeben worden iſt (§. 304.); ſo muß eine Sache, wel - che durch den Gebrauch nicht verzehrt wird, nach geendigtem Gebrauch wie - dergegeben werden; wenn ſie aber durch den Gebrauch verzehrt worden iſt, und die Nothwendigkeit auf hoͤ - ret, und man ſo viel von eben der Art, oder etwas, das eben ſo viel werth iſt, wiedergeben, oder den Werth bezah - len kann; ſo muß dieſes geſchehen.

§. 307.190II. Th. 4. H. Vom uͤberbliebenen Recht

§. 307.

Die Ge - walt der Noth - wendig - keit in Sachen, die man ſich von andern anſchaf - fen muß.

Daher erhellet leicht ferner, daß die aͤuſ - ſerſte Noth einem das Recht gebe ei - nen andern zu zwingen, daß er fuͤr ei - nen billigen Preis, oder fuͤr eine Sa - che, die eben ſo viel werth iſt, uns eine Sache uͤberlaſſe. Alſo koͤnnen z. E. bey einer Theuerung diejenigen, welche Ge - treyde im Ueberfluß haben, zum Verkaufen gezwungen werden; und wer Theuerung ver - urſacht, kann gezwungen werden, das Ge - treyde um einen billigen Preis zu verkaufen.

§. 308.

Das Recht der Noth - wendig - keit.

Das Recht, welches allein die Nothwen - digkeit zu gewiſſen Handlungen, die ſonſt nicht erlaubt ſind, uns giebt, weil ohne die - ſelben einer Verbindlichkeit, von welcher man ſich nicht befreyen kann, kein Genuͤgen ge - ſchehen koͤnnte, wird das Recht der Noth - wendigkeit (jus neceſſitatis) genannt. Und daher erhellet, daß diejenige Handlung, zu welcher uns die Nothwendigkeit das Recht giebt, das einige Mittel ſeyn muͤſſe einer Verbindlichkeit, von welcher man ſich nicht befreyen kann, ein Genuͤgen zu leiſten; und es iſt nicht weniger klar, daß das Recht der Noth - wendigkeit ſelbſt durch das Geſetz der Natur uns gegeben werde (§. 46.). Es kann daher gar nicht wiederſprechend ſcheinen, daß noch ein Recht der Nothwendigkeit, in Anſehung des nothwendigen Gebrauchs derSachen,191aus der erſten Gemeinſchaft. Sachen, uͤbrig geblieben, nachdem das Ei - genthum eingefuͤhret worden; als welches durch die Einfuͤhrung des Eigenthums nicht hat koͤnnen verletzet werden (§. 74.).

§. 309.

Hierdurch werden viele beſondere FragenBeſonde - re Exem - pel von dieſem Rechte. aufgeloͤſet, dergleichen man in dem von uns herausgegebenen Recht der Natur im 6. Ca - pitel des 6. Theils antrift. Z. E. Wenn bey einer Schiffahrt oder Belagerung der Vor - rath mangelt; ſo muß ein jeder das, was er hat, zum Gemeinſchaftlichen hergeben. Wenn man ſich wieder einen, der uns anfaͤllt, ver - theidigen muß, und kein Gewehre hat; ſo kann man einem andern ſeines nehmen, ohne den Eigenthumsherrn zu fragen, ja ſelbſt wenn er dagegen iſt. Eben dieſes gilt von des andern ſeinen Gefaͤſſen und anderem Werckzeuge, um einen Brand zu loͤſchen; von der Verderbung der Sachen, die einem, der uns anfaͤllt, zugehoͤren, um eine ungerechte Gewalt zu vertreiben; und von der Verder - bung einer fremden Sache, wegen einer ge - meinſchaftlichen Gefahr, die nicht anders ab - gewendet werden kann.

§. 310.

Gleicher geſtalt, weil in der GemeinſchaftVon der zweyten (ſtille - ſchwei - genden) vor ſich verſtaͤnd - lichen der erſten Zeit die gemeinſchaftliche Theilneh - mung einem jeden, der es will, zu erlauben, wenn mehrere an dem Gebrauch einer Sache zugleich Theil nehmen koͤnnen (§. 187.), durch die Einfuͤhrung des Eigenthums aber das ge -mein -192II. Th. 4. H. Vom uͤberbliebenen RechtAusnah - me, mit welcher das Ei - genthum eingefuͤh - ret wor - den.meinſchaftliche Recht nicht anders hat koͤnnen aufgehoben und eingeſchraͤnckt werden, als es noͤthig geweſen iſt (§. 71.); ſo hat alſo das Eigenthum nicht anders eingefuͤhrt werden koͤnnen, als mit dieſer Bedin - gung, die ſich vor ſich ſelbſt verſtehet, daß dem andern der unſchaͤdliche Ge - brauch einer eigenthuͤmlichen Sache erlaubt werde. Vermoͤge der natuͤr - lichen Freyheit aber iſt dem Eigen - thumsherrn das Urtheil zu uͤberlaſſen, ob der einem andern zu erlaubende Ge - brauch ihm unſchaͤdlich ſey, oder nicht (§. 78.), das iſt, ob er, ohne ſeinen Schaden und Beſchwerde, ihn erlauben koͤnne.

§. 311.

Das Recht des unfchaͤd - lichen Nutzens.

Das Recht, welches uns zum unſchaͤdli - chen Gebrauch der Sachen, die einem andern eigenthuͤmlich zugehoͤren, zukommt, wird das Recht des unſchaͤdlichen Nutzens (jus innoxiæ utilitatis) genannt. Es erhellet al - ſo, daß das Recht des unſchaͤdlichen Nutzens ein Recht ſey, welches aus der Gemeinſchaft der erſten Zeit noch uͤbrig iſt (§. 310. 300. ), und zwar ein unvollkommenes (§. 80.).

§. 312.

Beſonde - re Rechte des un - ſchaͤdli - chen Nu - tzens.

Dergleichen Rechte eines unſchaͤdli - chen Nutzens ſind: die Reiſe, aus rechtmaͤßigen Urſachen, zu Lande und zu Waſſer, wenn die Laͤnder und Fluͤſſe eigenthuͤmlich ſind, welchesauch193aus der erſten Gemeinſchaft. auch von der Durchfahrt der Waa - ren zu verſtehen; das Recht, rechtmaͤſ - ſiger Urſachen wegen ſich daſelbſt zu verweilen, als des Studierens, oder der Geſundheit wegen; daß man denen, die vertrieben werden, und anderswo ih - ren Aufenthalt ſuchen, ſich in unſeren Landen niederzulaſſen verſtattet, wo - ferne nicht beſondere Urſachen es hin - dern.

Das fuͤnfte Hauptſtuͤck.

Von der abſtammenden Art et - was zu erhalten.

§. 313.

Die abſtammende Art etwas zu er -Die ab - ſtammen - de Art etwas zu erhalten. halten (modus acqvirendi deriva - tivus) iſt diejenige, wodurch man das Eigenthum einer Sache erhaͤlt, die ſchon ei - genthuͤmlich iſt. Weil dem Eigenthumsherrn das Recht zukommt, ſein Eigenthum auf ei - nen andern zu bringen (§. 257.), wie auch einem andern ein Recht in ſeiner Sache ein - zuraͤumen (§. 260); ſo giebt es eine ab - ſtammende Art etwas eigenthuͤmlich zu erhalten.

§. 314.

Weil der Eigenthumsherr das Recht hatVon der Art auf einen an - dern ſein mit ſeiner Sache nach ſeinem Gefallen anzu - fangen, was er will (§. 195.); ſo beruhetNat. u. Voͤlckerrecht. Nes194II. Th. 5. H. Von der abſtammenden ArtEigen - thum zu bringen.es bloß auf ſeinem Willen, an wen und auf was Art er ſein Eigenthum, oder ein ihm zugehoͤriges Recht brin - gen will, ob mit ſeiner, oder ohne ſeine Ausſchlieſſung; ob wiederruflich (re - vocabiliter), daß er naͤmlich den andern von dem eingeraͤumten Rechte wieder ausſchlieſſen koͤnne, wenn er es vor gut befinden wuͤrde; oder unwiederruflich (irrevocabiliter); ob unmittelbar auf die Perſon, oder auf eine fremde Sache, naͤmlich derge - ſtalt, daß es vermittelſt der Sache einem jeden Beſitzer zukomme, er ſey wer er wolle; ob an eine gewiſſe oder ungewiſſe Perſon, daß naͤmlich das Recht derjenige erhalte, wer will und kann, wie es bey ausgeworfenen Muͤntzen geſchieht; ob ohne alle Bedin - gung, oder unter einer ihm gefaͤlligen Bedingung; ob auf immer, oder auf eine gewiſſe Zeit; ob umſonſt, oder ob dagegen etwas gegeben oder gethan werden ſoll.

§. 315.

Von dem Unter - ſcheide der Be - dingun - gen.

Es iſt aber eine zufaͤllige Bedingung (conditio caſualis), welche von einem Zu - fall, oder Gluͤck, oder vom Willkuͤhr eines Menſchen, der unſerm Recht nicht unter - worfen iſt, gaͤntzlich abhaͤngt; eine zuerfuͤl - lende (poteſtativa), welche von dem Will - kuͤhr desjenigen abhaͤngt, auf den das Eigen - thum, oder ein Recht gebracht werden ſoll; eine vermiſchte (mixta), welche theils zu -faͤllig,195etwas zu erhalten. faͤllig, theils zu erfuͤllen iſt. Ueberdieſes iſt die Bedingung entweder eine aufſchiebende (ſuſpenſiva), welche die Vollziehung der Handlung ſo lange aufſchiebt, bis es gewiß iſt, daß die Bedingung vorhanden ſey; oder eine aufloͤſende (reſolutiva), welche die Dauer einer ſchon vollzogenen Handlung auf die Zeit erſtreckt, da es gewiß iſt, daß die Bedingung vorhanden. Es wird aber eine verneinende Bedingung (conditio nega - tiva) genannt, welche voraus ſetzet, daß et - was nicht ſey, oder nicht geweſen ſey, oder nicht ſeyn werde. Es iſt alſo die vernei - nende Bedingung vorhanden, wenn das nicht iſt, oder nicht geweſen iſt, oder nicht erfolget, was geſetzt wird. Es iſt auch ein Unterſcheid unter einer unerlaubten Be - dingung (conditio turpis), welche voraus ſetzet etwas zu thun, was in einem Geſetz verbothen iſt, und einer erlaubten (hone - ſta), welche vorausſetzt, etwas zu thun, was im Geſetz nicht verbothen wird, oder welche in einer rechtmaͤßigen Handlung beſtehet.

§. 316.

Weil vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit ei -Von der Anneh - mung. nem jeden gelaſſen werden muß, daß er ſich nach ſeinem Urtheil in ſeinen Handlungen richtet (§. 78.); ſo beruhet es bloß auf eines jeden Willen, wenn man das Ei - genthum, oder ein Recht auf ihn brin - gen will, ob er es haben will, oder nicht. Weil man nun ſagt, derienige neh -N 2me196II. Th. 5. H. Von der abſtammenden Artme etwas an (accipere, acceptare), der durch Worte, oder eine That hinlaͤnglich zu verſtehen giebt, er wolle daß ihm dasjenige gegeben werde, oder geſchehe, was der an - dere ſagt, daß er geben, oder thun wolle; ſo wird alſo zur Uebergebung des Eigen - thums, oder eines Rechtes das Anneh - men (acceptatio) erfordert.

§. 317.

Was na - tuͤrlicher Weiſe dazu er - fordert wird, daß man das Eigen - thum auf einen an - dern bringet.

Aus dem, was bis jetzt geſagt worden, ver - ſteht man, daß nach dem Recht der Na - tur (naturaliter) das Eigenthum, oder ein Recht auf denjenigen, der es an - nimmt, gebracht werde, wenn er bloß ſeinen Willen hinlaͤnglich erklaͤret, daß er es haben will (§. 314. 316.). Weil es nun auf dem Willen desjenigen, der es auf einen andern bringen will, beruhet, auf was vor Weiſe er es bringen will (§. 314.); ſo kann durch das Annehmen nicht mehr Recht erhalten werden, als der - jenige, der es auf ihn bringet, ihm hat einraͤumen wollen.

§. 318.

Was man von dem Wil - len des andern vor ge - wiß an - nehmen muß.

Da wir demnach von eines andern Willen nicht gewiß ſeyn koͤnnen, als in ſo fern er denſelben hinlaͤnglich zu erkennen giebt; ſo wird wieder ihn vor wahr gehalten, was er mit Worten, oder auf eine an - dere Art, es mag ſeyn, auf was vor eine es nur wolle, hinlaͤnglich zu ver - ſtehen giebt.

§. 319.197etwas zu erhalten.

§. 319.

Das Annehmen aber geht vorher,Wenn die An - nehmung vorher - gehet. wenn jemand verlangt, daß der ande - re ihm etwas gebe, oder etwas thue, und er es ihm bewilliget; denn es wuͤr - de uͤberfluͤßig ſeyn, das Annehmen zu wieder - hohlen, wenn der andere bewilliget, was man verlangt.

§. 320.

Weil dem Eigenthumsherrn das RechtVon der Art den Beſitz zu erhalten. zum Beſitz zukommt (§. 200.); ſo wird mit dem Eigenthum einer Sache das Recht zu beſitzen zugleich erlangt; folglich, da ohne Beſitz das Eigenthum nicht gebraucht werden kann (§. 200. 195. ), ſo iſt derjeni - ge, der das Eigenthum auf einen an - dern gebracht, auch verbunden den Beſitz einzuraͤumen. Weil nun die Hand - lung, durch welche der Beſitz eingeraͤumet wird, die Uebergabe (traditio); die Hand - lung aber, durch welche der Beſitz erhalten wird, die Ergreifung heißt (apprehen - ſio); ſo muß, nach Abtretung des Ei - genthums, die Sache auch uͤbergeben und ergriffen werden. Und daher erhel - let, daß nach dem natuͤrlichen Recht zu Abtretung des Eigenthums die Ue - bergabe nicht erfordert wird.

§. 321.

Weil durch die Uebergabe der Beſitz einge -Worin die Ue - bergabe beſtehet. raͤumet wird (§. 320.); ſo beſteht dieſelbe in jeder Handlung, wodurch die SacheN 3in198II. Th. 5 H. Von der abſtammenden Artin den Stand gebracht wird, daß der - jenige, welcher ſie erhalten hat, da - mit nach ſeinem Gefallen vornehmen kann, was er will, oder daß er ſein Eigenthum in der That gebrauchen kann (§. 200.).

§. 322.

Verſchie - dene Ar - ten eine Sache zu uͤberge - ben.

Es iſt alſo klar, daß eine bewegliche Sache uͤbergeben wird, wenn derjeni - ge, welcher das Eigenthum auf den andern bringt, ſie mit der Hand dar - reicht, und der, welcher es annimmt, ſie mit der Hand ergreift; ingleichen wenn jener es uns wegnehmen heißt; eine unbewegliche Sache aber, wenn er uns dieſelbe beſitzen heißt, und ge - ſchehen laͤßt, daß wir in derſelben uns des Eigenthums gebrauchen; oder, wenn er ſie von ferne zeigt, daß wir ſie ergreifen koͤnnen, oder geſchehen laͤßt, daß eine Sache in unſerer Ge - walt bleibe, welche, es ſey aus was vor Urſach es wolle, in unſerer Ge - walt iſt; oder durch einen ſchriftli - chen Aufſatz ſich erklaͤret, daß er uns den Beſitz einraͤumen und leiden wolle, daß wir es als unſer Eigenthum ge - brauchen, oder wenn er uns, um daſ - ſelbe zu gebrauchen, in eine unbeweg - liche Sache fuͤhrt; welche Handlung ei - gentlich das Einſetzen in den Beſitz (im - miſſio in poſſeſſionem) genannt wird; oderendlich199etwas zu erhalten. endlich eine unkoͤrperliche Sache, oder ein Recht, wenn er leidet, daß wir daſ - ſelbe gebrauchen (§. 321.). Hieraus ver - ſtehet man leicht ferner, daß die beweglichen und unbeweglichen und unkoͤrperlichen Sa - chen auf verſchiedene Weiſe ergriffen werden. Denn die Ergreifung beſteht in der Hand - lung, wodurch wir in den Stand geſetzt wer - den, das Eigenthum bey einer koͤrperlichen Sache, oder ein auf uns gebrachtes Recht zu gebrauchen.

§. 323.

Man ſagt, eine Sache ſey in der Kuͤr -Von der Ueberga - be in der Kuͤrtze. tze uͤbergeben worden (brevi manu tra - di), wenn die Uebergabe zugleich in einer an - dern Handlung mit begriffen wird, wodurch etwas anders geſchiehet, was zum Gebrauch des Eigenthums gehoͤret; als wenn derjeni - ge, der das Eigenthum auf einen andern bringet, die Sache bey einem andern als ſei - ne ihm eigene laͤßt, die er aus einer andern Urſache, es mag ſeyn was vor eine es will, ſchon hat. Was aber derjenige, der das Ei - genthum auf den andern bringt, in der Kuͤr - tze uͤbergiebt, das ergreift derjenige, der es annimmt, in der Kuͤrtze (brevi manu ap - prehenditur).

§. 324.

Jm Gegentheil ſagt man, eine SacheVon der entfern - ten Ue - bergabe. ſey entfernt uͤbergeben worden (longa manu tradi), wenn die Sache, die uͤberge - ben werden ſoll, uns deswegen gezeigt wird,N 4daß200II. Th. 5. H. Von der abſtammenden Artdaß wir dieſelbe ergreifen, und folglich in Be - ſitz nehmen ſollen. Und man ſagt, dasjenige ſey entfernt ergriffen worden (longa ma - nu apprehendi), was entfernt uͤbergeben wird, z. E. wenn einer, der das Eigenthum einer gewiſſen Sache auf uns bringt, die - ſelbe, da er ſie uͤbergeben ſoll, von ferne zeigt.

§. 325.

Von ei - ner ge - wiſſen Sache u. von einer gewiſſen Perſon.

Man nennt aber eine gewiſſe Sache (rem certam), welche hinlaͤnglich, es ſey auf was vor Art und Weiſe es wolle, ange - zeigt wird, ſo daß ſie von andern, die ihr aͤhnlich ſind, unterſchieden werden kann. Und in eben demſelben Verſtande wird eine Per - ſon auch eine gewiſſe Perſon (perſona cer - ta) genannt.

§. 326.

Von der ſymboli - ſchen Ue - bergabe.

Man nennt eine ſymboliſche Ueberga - be, welche durch gewiſſe Zeichen (ſymbo - la) geſchieht, wenn naͤmlich anſtatt der Sa - che, die uͤbergeben werden ſoll, eine andere Sache uͤbergeben wird, welche dieſelbe bedeu - tet; als, wenn die Schluͤſſel uͤbergeben wer - den, mit welchen der Kaſten aufgeſchloſſen werden kann, worinnen die zu uͤbergebenden Sachen liegen. Es iſt aber klar, daß, da die Zeichen willkuͤhrlich ſind, die ſymboliſche Ue - bergabe durch eine jede Sache geſchehen kann. Da die Zeichen keine Wuͤrckung haben, als nur nach dem Willen desjenigen, der das Eigenthum auf einen andern bringt, unddeſſen,201etwas zu erhalten. deſſen, der es annimmt; ſo ſcheint die ſym - boliſche Uebergabe nach dem Recht der Natur uͤberfluͤßig, auſſer in ſo fern unſere Willensmeinung durch das Zei - chen gewiſſer wird; weil naͤmlich durch daſſelbe mehr gewiß iſt, was vorgenommen worden.

§. 327.

Die Mittheilung der Arbeit (opera -Von der Mitthei - lung der Arbeit. rum communicationem) nennt man die Ver - richtung derſelben zu anderer Nutzen. Weil die freyen Handlungen der Menſchen, die an - dern nuͤtzlich ſind, nach der Einfuͤhrung des Eigenthums, eigenthuͤmlichen Sachen gleich geachtet werden, folglich auch die Arbeit, die zu anderer Nutzen verrichtet wird (§. 225.); ſo wird die Mittheilung der Arbeit der Ueberlaſſung eines Eigenthums, folg - lich auch dem Geben gleich geſchaͤtzet (§. 258.); und nachdem das Eigen - thum eingefuͤhrt worden, ſo iſt thun und geben einerley; in ſo fern naͤmlich die Arbeit, wie andere eigenthuͤmliche Sa - chen, nach einem gewiſſen Preis geſchaͤtzt werden.

§. 328.

Etwas leiſten (præſtare), zeigt, in derWas lei - ſten an - zeigt. allgemeinen Bedeutung, eben das an, als et - was geben und etwas thun zuſammen. Man ſagt alſo, daß ſowohl Sachen, als Thaten ge - leiſtet werden.

N 5§. 329.202II. Th. 5. H. Von der abſtammenden Art

§. 329.

Die bey - derſeitige Verbind - lichkeit etwas zu geben u. etwas zu thun.

Aus der Erfahrung iſt hinlaͤnglich klar, daß einer, nachdem das Eigenthum eingefuͤhrt worden, nicht vor ſich ſelbſt alles haben koͤn - ne, was zur Nothwendigkeit, Bequemlichkeit und Vergnuͤgen des Lebens, ja zur Erlan - gung der Vollkommenheit der Seele erfor - dert wird, und daß ein jeder nicht allein an - derer Arbeit, ſondern auch Sachen, die an - dern zugehoͤren, beduͤrfe; daß aber dieſe Be - duͤrfniß um ſo viel groͤſſer ſey, je mehr man von der ſchlechten Lebensart abweicht. Da nun Menſchen verbunden ſind, mit vereinig - ten Kraͤften ſich und ihren Zuſtand vollkom - mener zu machen (§. 44); ſo ſind die Menſchen, nachdem das Eigenthum eingefuͤhrt worden, auch verbunden, das Eigenthum ihrer Sachen auf ein - ander zu bringen, und zur Arbeit fuͤr einander, oder einander zu geben und zu thun, nachdem einer des andern Sache, oder Arbeit bedarf. Weil aber, wenn die Pflichten gegen einander laufen, die Pflicht gegen uns ſelbſt der Pflicht gegen an - dere vorzuziehen (§. 64.); ſo darf niemand dem andern eine Sache geben, der er ſelbſt bedarf; er iſt auch nicht verbun - den etwas zu thun, wenn er nicht Zeit dazu hat.

§. 330.

Von der Veraͤnſ - ſerung

Weil in einer poſitiven Gemeinſchaft alle zuſammengenommen der Herr einer un -getheil -203etwas zu erhalten. getheilten Sache ſind (§. 196.); ſo kanneiner ge - mein - ſchaftl. Sache. das Eigenthum nicht verwaltet wer - den, als mit aller derer Einwilligung, welche in der Gemeinſchaft ſind (§. 195); folglich kann auch eine gemein - ſchaftliche Sache nicht veraͤuſſert wer - den, als mit aller Einwilligung (§. 257.). Jedoch da das Recht, was ein jeder nach ſei - nem Antheil an einer ungetheilten Sache hat, eines jeden eigenes Recht iſt, welches wie ei - ne unkoͤrperliche Sache, die eigenthuͤmlich iſt, anzuſehen (§. 206.); ſo kann ein jeder mit ſeinem Recht, was er nach ſeinem Antheil in der ungetheilten Sache hat, nach ſeinem Gefallen vornehmen, was er will; in ſo fern es der Gemeinſchaft unbeſchaͤdiget (ſalva communione), oder ohne Nachtheil der Uebrigen geſchehen kann (§. 269.). Er kann deswegen ſein Recht, welches er nach ſeinem Antheil an einer ungetheilten Sache hat, auf einen andern bringen, oder veraͤuſſern (§. 257.); nicht aber in einem nach Pro - portion ihm zukommenden abgeſonder - tem Theile; denn an einem abgeſonderten Theile hat er kein Recht.

§. 331.

Weil dadurch, daß derjenige, welcher dasOb einer das, was er gege - ben hat, wieder - fordern kann. Eigenthum auf den andern bringt, und der es annimmt, ihre Willensmeinung einander hinlaͤnglich erklaͤren, dieſer erhaͤlt, was der andere giebt (§. 317.); ein einmahl erlang -tes204II. Th. 5. H. Von der abſtammenden Arttes Recht aber niemanden wieder ſeinen Wil - len genommen werden kann (§. 100.); ſo kann auch, was einmahl gegeben wor - den, nicht wiedergefordert werden; und dem, der es gegeben, ſtehet nicht frey, es zu bereuen. Woferne mit einem gewiſſen Geſetz etwas gegeben worden; ſo muß auch, da derjenige, der etwas annimmt, nicht mehr Recht erlangen kann, als der an - dere ihm einraͤumen wollen (§. 317.), das Geſetz, welches bey dem Geben hinzu - gefuͤgt worden, gehalten werden.

§. 332.

Von dem Geben auf eine gewiſſe Zeit und unter ei - ner ge - wiſſen Bedin - gung.

Wenn demnach etwas auf eine ge - wiſſe Zeit (in diem) gegeben wird; ſo muß es, wenn die Zeit erſchienen, wie - dererſtattet werden; und, wenn es un - ter einer gewiſſen aufſchiebenden (ſu - ſpenſiva) Bedingung gegeben worden, ſo wird die Sache nicht eher eigen - thuͤmlich, wenn gleich die Sache uͤber - geben worden, als bis die Bedingung wuͤrcklich vorhanden; folglich, wenn dieſelbe zu erfuͤllen (poteſtativa) gewe - ſen, ſo muß ſie erfuͤllet werden; wenn die Bedingung aber nicht wuͤrcklich wird, ſo muß dasjenige, was gegeben worden, wiedererſtattet werden (§. 316.), welches auch geſchehen muß, wenn die Bedingung aufloͤſend iſt (§. cit.). Denn man ſetzt voraus, daß derjenige, der es an - nimt, ſich zur Wiedererſtattung verbindlichgemacht205etwas zu erhalten. gemacht hat, und daß derjenige, der etwas uͤbergiebt, ſich das Recht dazu vorbehalten hat (§. 97.).

§. 333.

Ein Recht, welches man einem andern der -Von dem, was wan bitt - weiſe hat. geſtalt eingeraͤumet, daß man es nach ſeinem Gefallen wiederrufen kann, wird genannt ein Recht, ſo man nur bittweiſe hat (pre - carium). Es iſt alſo das nicht ein Recht, welches man nur bittweiſe hat, wenn eine gewiſſe Zeit dazu geſetzet wird, wehrender welcher man es nicht wie - derruffen darf; indem man es alsdenn bis auf eine gewiſſe Zeit giebt, und vor derſel - ben nicht wiederfordern darf (§. 332.). Hin - gegen ein Recht, welches man nur bitt - weiſe hat, kann in jedem Augenblick wiederruffen werden (§. 318.); und man ſetzt dabey feſt, daß derjenige, dem es verwilliget wird, dem andern, der es ihm giebt, ſich verbindlich gemacht habe, ihm die Sache gleich wieder zu geben, ſo bald er ſie nach ſeinem Ge - fallen wiederfordert (§. cit. und §. 97.).

§. 334.

Das Recht in einer Sache (jus in re)Von dem Recht in einer Sache. nennt man dasjenige, was wir in der Sache ſelbſt haben: folglich, da das Recht ein ſittli - ches Vermoͤgen zu handeln iſt (§. 46.), ſo beſtehet daſſelbe in dem ſittlichen Ver - moͤgen, nach ſeinem Gefallen mit der Sache ſelbſt, oder einem Gebrauch,oder206II. Th. 5. H. Von der abſtammenden Artoder einer Nutzung derſelben, die man von ihr haben kann, oder in allen Stuͤcken zugleich anzufangen, was man will. Es iſt derowegen das Eigenthum und das Recht, welches eine jede Hand - lung des Gebrauchs deſſelben betrift, ein Recht in einer Sache (§. 195.). Es iſt auch klar, daß die Gemeinſchaft der erſten Zeit ein Recht in der Sache ge - weſen ſey (§. 186.), und daß das Recht, welches einem in einer einem andern zugehoͤrigen Sache eingeraͤumet wor - den (jus in aliena re conſtitutum) (§. 260), und das Recht des Beſitzes ein Recht in einer Sache ſey.

§. 335.

Vom Recht zu einer Sache.

Ein Recht zu einer Sache (jus ad rem) nennt man dasjenige, was wir zu dem - jenigen haben, das uns der andere zu leiſten verbunden iſt. Weil wir das Recht haben uns einen andern zu gewiſſen Leiſtungen ver - bindlich zu machen, und wir dadurch ein voll - kommenes Recht dazu erhalten (§. 97.); wir auch uͤberdieſes ſchon im vorhergehenden hin und wieder geſehen haben, daß die Menſchen dadurch, daß ſie dieſes oder jenes gethan, zu gewiſſen Leiſtungen verbunden werden; ſo giebt es auch ein Recht zu einer Sache, und iſt dieſes ein vollkommenes Recht. Und weil man in dem Rechte der Natur auch auf die Liebesdienſte ſehen muß (§. 61.), wozu wir eine unvollkommene Verbindlichkeit ha -ben207etwas zu erhalten. ben (§. 80.); ſo giebt es auch ein un - vollkommenes Recht zu einer Sache, welches naͤmlich der Menſch zu demjenigen hat, wozu ihm der andere auf eine unvoll - kommene Weiſe verbunden iſt.

§. 336.

Wer vollkommen verbunden iſt uns etwasEin Schuld - ner u. die Schuld. zu leiſten, wird der Schuldner (debitor) genannt; dasjenige aber, zu deſſen Leiſtung er verbunden iſt, die Schuld (debitum). Ob man aber gleich auch dasjenige eine Schul - digkeit (imperfecte debitum) nennet, wozu uns der andere unvollkommen verbunden iſt; ſo pflegt man doch denjenigen, der auf eine un - vollkommene Weiſe verbunden iſt, nicht einen Schuldner zu nennen.

§. 337.

Wir erlaſſen das Recht zu einer Sa -Von der Erlaſ - ſung des Rechts. che (jus ad rem remittimus), wenn wir hin - laͤnglich anzeigen, daß wir nicht wollen, daß der andere uns etwas leiſte, wozu er uns ver - bunden iſt. Jn eben dem Verſtande ſagt man auch, es werde die Schuld erlaſſen (debitum ipſum remitti). Durch die Er - laſſung des Rechts wird alſo der Schuldner von ſeiner Verbindlichkeit befreyet; und das Recht verloͤſcht (jus extingvitur), aber niemand erhaͤlt da - durch ein Recht. Es iſt vor ſich klar: daß man auch einen Theil des Rechts erlaſſen koͤnne, wenn man das, wasman208II. Th. 5. H. Von der abſtammenden Artman ſchuldig iſt, in Theile zertheilen kann.

§. 338.

Von der Abtre - tung ei - nes Rechts.

Wenn man ſein Recht zu einer Sache auf einen andern bringt, ſo heißt dieſes die Abtretung des Rechts (ceſſio). Derjeni - ge der es auf den andern bringt, wird der Abtretende (cedens) genannt; von demje - nigen aber auf den es gebracht wird, ſagt man, er ſey derjenige, dem es abgetreten wor - den (ceſſionarius). Es geſchieht alſo die Abtretung, wenn der Abtretende und derjenige, dem etwas abgetreten wird, ihre Einwilligung beyderſeits hinlaͤng - lich erklaͤren (§. 317.). Da das Recht zu einer Sache eine unkoͤrperliche Sache iſt, wel - che dem Abtredenden eigenthuͤmlich zugehoͤ - ret (§. 206.); ſo kann die Abtretung wieder Wiſſen und Willen des Schuld - ners geſchehen, da inſonderheit dadurch, daß ein anderer in die Stelle des Ab - tretenden kommt, in der Verbindlich - keit des Schuldners ſelbſt nichts geaͤn - dert wird.

§. 339.

Von Verwer - fung des Rechts.

Derjenige verwirft ein Recht (jus re - pudiat), welcher ſich hinlaͤnglich erklaͤret, daß er ein Recht, welches ihm zufaͤllet, nicht ha - ben wolle. Man ſagt aber, daß uns ein Recht zufalle (jus tibi deferri), wenn es in unſerem Gefallen ſtehet, ob wir es anneh - men wollen, oder nicht. Das Recht, wel -ches209etwas zu erhalten. ches einer verwirft, wird von ihm nicht auf einen andern gebracht.

§. 340.

Auf ſein Recht thut derjenige Ver -Vom Verzicht thun. zicht (juri ſuo renunciat), welcher ſich hin - laͤnglich erklaͤret, daß er, einem andern zum Vortheil, ein erlangtes Recht nicht haben wolle. Man nennt aber dasjenige ein er - langtes Recht (jus qvæſitum), welches uns wuͤrcklich zukommt. Der nun, welcher Verzicht thut, verbindet ſich gegen den andern, dem zu gefallen er Verzicht thut, daß er ſich ſeines Rechts gegen ihn nicht gebrauchen wolle; und die - ſer erhaͤlt dadurch das Recht nicht zu leiden, daß er ſich deſſelben gebrauche (§. 46.). Wer aber auf ſein Recht Verzicht thut, der bringt, oder uͤber - traͤgt deswegen nicht ſein Recht auf einen andern.

§. 341.

Einer begiebt ſich ſeines Rechts (ju -Vom Be - geben des Rechts. ri ſuo ſe abdicat), oder entſaget demſelben, wenn einer freywillig ſich erklaͤret, daß er ein Recht, welches er auf einen andern nicht bringen kann, laͤnger nicht haben wolle: als wenn einer ſein obrigkeitliches Amt eher, als es Zeit iſt, niederleget.

§. 342.

Weil ein jeder mit ſeinem Rechte, als einerOb die Erlaſ - ſung des Rechts uncoͤrperlichen Sache (§. 121.), welche ihm ei - genthuͤmlich zugehoͤret (§. 206.), nach ſeinemNat. u. Voͤlckerrecht. OGefal -210II. Th. 5. H. Von der abſtammenden Artund das Abtreten deſſelben u. ſ. w. erlaubt ſind.Gefallen anfangen kann, was er will (§. 195.); ſo ſtehet es in eines jeden Willen, ob er ſein Recht erlaſſen, einem andern ab - treten, es verwerfen, ſich deſſelben begeben, oder darauf jemanden zu ge - fallen Verzicht thun will, oder nicht, wenn nur nichts vorgenommen wird, welches wieder das Recht eines drit - ten iſt (§. 86.); als wie wenn man eine Schuld erlaͤßt, um die Glaͤubiger zu betruͤgen.

§. 343.

Von dem Eigen - thume, welches aus der Theilung gemein - ſchaftli - cher Sa - chen ent - ſtehet.

Wenn eine gemeinſchaftliche Sache getheilt wird, weil durch Aufhebung der Gemeinſchaft ein jeder einen abgeſonderten Theil eigenthuͤmlich, folglich ein abſonderli - ches Eigenthum erhaͤlt; ſo entſtehen ſo viel beſondere Eigenthuͤmer, als Perſonen ſind; und die abgeſonderten Theile ſind nicht mehr als Theile einer Sache an - zuſehen. Was vorher mehrern gemein ge - weſen war, wird durch die Theilung eines je - den eigen.

§. 344.

Von der Theilung einer Sache, welche nicht ge - theilt werden kann.

Wenn eine gemeinſchaftliche Sache getheilt werden ſoll, und nicht getheilt werden kann; ein jeder aber der in der Gemeinſchaft iſt, ſie gantz haben will; ſo kann nach dem natuͤrlichen Rechte die Sache keinen Ausgang gewinnen; indem keiner verbunden iſt das Eigenthum in ſeinem Antheile dem andern abzutreten (§. 342.). Soll ſie nun einen Ausgang gewin -nen;211etwas zu erhalten. nen; ſo iſts noͤthig, daß mit Einwilli - gung aller derer, welche in der Ge - meinſchaft ſind, eine Art und Weiſe zu beſtimmen ausgemacht wird, wem dieſelbe zuzueignen ſey; z. E. daß es durch das Loos entſchieden werde, wer die Sache haben ſoll.

§. 345.

Weil in einer Gemeinſchaft mit einer ge -Ob je - mand ge - zwungen werden kann, in einer Ge - mein - ſchaft zu verblei - ben. meinſchaftlichen Sache nichts vorgenommen werden kann, als mit aller Bewilligung (§. 330.), und damit das Vorhaben einen Aus - gang gewinnet, der Wille der meiſten oder des groͤſſern Theils vor den Willen aller gehalten werden muß; ſo iſt alſo leicht zu erachten, daß in einer Gemeinſchaft nicht ein jeder mit ſeinem Antheile vornehmen kann, was er will. Da nun der natuͤrlichen Freyheit, von welcher in dem Eigenthume die Freyheit mit dem Sei - nen vorzunehmen, was man will, herruͤhret (§. 195.), gar ſehr zuwieder iſt, daß jemand wieder ſeinen Willen in der Gemeinſchaft bleiben ſoll; ſo kan auch niemand ge - zwungen werden, wieder ſeinen Wil - len in der Gemeinſchaft zu verbleiben, wenn nicht das gemeinſchaftliche Recht mit der Bedingung erlangt worden, daß es gemeinſchaftlich bleiben ſoll (§. 317.).

O 2Das212II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung

Das ſechſte Hauptſtuͤck.

Von der Eroͤfnung ſeiner Ge - dancken gegen andere.

§. 346.

Von dem gemeinen Gebꝛauch zu reden.

Wir eroͤfnen andern unſere Gedancken entweder durch Worte, oder durch andere gleichguͤltige Zeichen, oder durch Thaten, d. i. durch aͤuſſere Handlung. Wer alſo von andern verſtanden wer - den will, der muß die Worte in dem Verſtande gebrauchen, wie es die Ge - wohnheit zu reden mit ſich bringet; folglich wer dazu verbunden iſt einem andern ſeine Meinung zu ſagen, der muß die Woͤrter in der Bedeutung nehmen, welche mit der Gewohnheit zu reden uͤbereinkommt.

§. 347.

Von der morali - ſchen Wahr - heit und dem Wahr - reden.

Die Uebereinſtimmung der Worte mit un - ſern Gedancken nennt man die moraliſche Wahrheit (veritatem moralem), und der redet moraliſch wahr, der dasjenige denckt, was er ſagt, daß er es dencke. Eine moraliſch wahre Rede aber wird Wahrre - den genannt (veriloqvium). Sie iſt alſo von der logiſchen Wahrheit unterſchie - den, welche in der Uebereinſtimmung unſerer Gedancken mit der Sache, die wir gedencken, beſteht, ſo daß das logicaliſch wahr iſt, wenn wir dencken, daß etwas ſey, oder nicht ſey, daſſelbige auch in der That iſt, oder nichtiſt.213ſeiner Gedancken. iſt. Derowegen da die moraliſche Wahrheit die logicaliſche nicht voraus ſetzt; ſo kann die logicaliſche Wahrheit dadurch nicht erwieſen werden, daß man wahr ge - redet; und wenn wir ſagen, was wir zu ſeyn vermeinen, da es doch nicht iſt, oder im Gegentheil nicht zu ſeyn ver - meinen, da es doch iſt, ſo reden wir zwar moraliſch wahr, ob es gleich logica - liſch oder an ſich falſch iſt.

§. 348.

Jm Gegentheil iſt moraliſch falſch (mo -Vom moraliſch Falſchen. raliter falſum), wenn wir anders dencken, als was wir ſagen, oder unſere Worte und Gedancken nicht mit einander uͤbereinſtimmen. Eine moraliſch falſche Rede wird eine Un - wahrheit (falſiloqvium) genannt. Sie iſt alſo vom logicaliſch Falſchen (falſitate lo - gica) unterſchieden, welche darinnen beſtehet, daß unſere Gedancken mit der Sache nicht uͤbereinkommen. Weil nun die Unwahrheit nicht voraus ſetzt, daß etwas logicaliſch, das iſt, in der That wahr ſey; ſo daß wir den - cken, daß es ſey, und es iſt doch nicht, oder daß es nicht ſey, und es iſt doch in der That; ſo reden wir moraliſch falſch, wenn wir dencken, daß etwas nicht ſey, und ſa - gen daß es ſey, und es ſich auch in der That alſo befindet; oder wenn wir den - cken, daß etwas ſey, und wir ſagen, daß es nicht ſey, und es ſich auch in der That alſo befindet.

O 3§. 349.214II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung

§. 349.

Eine auf - richtige Hand - lung, die Verſtel - lung die Verhee - lung, der Vor - wand.

Eine aͤuſſerlich aufrichtige Hand - lung (actio externa ſincera) nennt man die - jenige, welche mit der innern uͤbereinſtimmt; wenn aber die aͤuſſere Handlung der inneren zuwieder iſt, ſo heißt es eine Verſtellung (ſimulatio). Die Verbergung ſo wohl der aͤuſſern, als innern Handlungen, ſie mag ent - weder in einer That oder Unterlaſſung derſel - ben beſtehen, auf was Art und Weiſe ſie auch geſchiehet, heißt die Verheelung (diſſimu - latio). Die Verſtellung der Jntention, wenn wir nemlich eine andere, als die wahre, wel - che wir haben, vorgeben, heiſſet der Vor - wand (prætextus), welche von einigen ein Blendwerck (obtentus) genannt wird.

§. 350.

Welche Rede Wahrre - den, wel - che Rede Unwahr - heit iſt.

Es erhellet alſo, daß Wahrreden eine aufrichtige Rede, und eine Unwahrheit im Reden eine verſtellte Rede ſey (§. 347. 348. 349.). Es erhellet aber auch fer - ner, daß der Vorwand eine Art der Unwahrheit ſey, wie die Unterlaßung der Rede, die zu dem Ende geſchiehet, daß unſere Gedancken dem andern nicht bekannt werden ſollen, zur Verheelung zu rechnen iſt (§. 349.).

§. 351.

Vom Luͤ - gen und Ver - ſchwei - gen.

Der luͤgt (mentitur), welcher moraliſch falſch redet, wenn er wahr zu reden verbun - den iſt, oder wenn er verbunden iſt dem an - dern ſeine Gedancken zu entdecken. Eine Luͤ -gen215ſeiner Gedancken. gen (mendacium) iſt alſo eine Unwahrheit im Reden, welche unſerer Verbindlichkeit zu - wieder iſt, vermoͤge welcher wir dem andern unſere Gedancken eroͤfnen ſollen; folgends wodurch des andern Recht, welches aus die - ſer Verbindlichkeit entſpringt, verletzt wird (§. 46.). Das Verſchweigen (reticentia) hingegen das Stillſchweigen von dem, das wir zu ſagen verbunden ſind. Es iſt alſo das Verſchweigen dem Recht eines andern zuwieder.

§. 352.

Da ſich niemand von der natuͤrlichen Ver -Von der Sittlich - keit des Wahrre - dens, der Luͤgen u. des Ver - ſchwei - gens. bindlichkeit ſo wohl (§. 42.), als von der er - langten befreyen kann (§. 100.); ſo ſind wir verbunden, woferne wir einer Pflicht (§. 57.), oder einer erlangten Verbindlichkeit kein Genuͤge leiſten koͤnnen, wofern wir nicht dem andern unſere Gedancken eroͤfnen, moraliſch wahrzureden, folglich zum Wahrreden verbunden (§. 347.); und daher iſt ſo wohl die Unwahrheit (§. 348.), als das Ver - ſchweigen unerlaubt (§. 351.). Wor - aus ferner erhellet, daß eine jede Luͤgen unerlaubt ſey (§. cit.). Jm Gegentheil aber, da uns das Geſetz der Natur ein Recht dazu giebt, ohne welches wir unſerer Ver - bindlichkeit kein Genuͤge leiſten koͤnnen (§. 46.), iſt beydes erlaubt, wenn wir einer Pflicht oder einer zugezogenen Ver - bindlichkeit kein Genuͤge leiſten koͤn -O 4nen,216II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnungnen, wofern wir nicht unſere Gedan - cken verbergen, oder moraliſch falſch re - den (§. 49.); und alsdann iſt die Un - wahrheit keine Luͤgen (§. 351.). Und weil nach der natuͤrlichen Freyheit niemanden verwehret werden kann, in der Beſtimmung ſeiner Handlungen ſich nach ſeinem Urtheile zu richten, wenn er nur nichts thut, zu deſſen Unterlaſſung er uns verbunden iſt (§. 78.), die natuͤrliche Freyheit aber die natuͤrliche Verbindlichkeit nicht aufhebt (§. 77.); ſo iſt auch erlaubt, wenn wir nicht verbun - den ſind dem andern unſere Gedancken zu ſagen, noch auch eine Pflicht gegen uns ſelbſt oder gegen andere ſolches er - fordert, die Wahrheit zu verheelen.

§. 353.

Von der Zwey - deutig - keit im Reden.

Zweydeutig redet derjenige (ambigue loqvitur), welcher ſich ſolcher Worte bedie - net, ſo nach dem gemeinen Gebrauch im Re - den mehr als eine Bedeutung haben koͤnnen. Dieſes iſt wieder die Klugheit, wenn wir einem andern unſere Gedancken eroͤfnen wollen (§. 21.), und folglich zu vermeiden. Wenn wir aber voraus ſehen, es werde ein anderer, dem wir unſere Gedancken zu eroͤfnen verbun - den ſind, ſie in einer Bedeutung neh - men, die von unſerer Meinung unter - ſchieden iſt, und wir dieſes vorſaͤtzlich zur Abſicht haben (§. 17.), ſo iſt die Zweydeutigkeit im Reden einer Luͤgengleich217ſeiner Gedancken. gleich zu achten (§. 351.), folglich uner - laubt (§. 352.). Es erhellet aber ferner, daß die Zweydeutigkeit im Reden in dem Falle erlaubt ſey, in welchen die Unwahrheit erlaubt iſt (§. 352.).

§ 354.

Die Allegorie iſt eine Rede, welche ausVon den Raͤtzeln. Worten beſteht, die in einer andern, als ih - rer eigentlichen Bedeutung genommen wer - den, um eine andere Sache anzudeuten, mit der ſie eine Aehnlichkeit hat. Eine dunckele Allegorie, in welcher die uneigentliche Be - deutung der Woͤrter zweydeutig iſt, nennt man ein Raͤtzel (ænigma). Es dienen alſo die Raͤtzel den Witz zu uͤben, wel - cher in der Leichtigkeit die Aehnlichkeiten der Dinge zu bemercken beſteht. Wenn dem - nach die Zweydeutigkeit im Reden er - laubt, oder unerlaubt iſt (§. 353.), ſo iſt eine raͤtzelhafte Redensart auch er - laubt oder unerlaubt.

§. 355.

Offenbahre Worte (verba aperta) nen -Von der Vorbe -[h] altung im Sin - ne. nen wir diejenigen, welche ausgeſprochen, oder geſchrieben werden, daß ſie von andern ver - ſtanden werden koͤnnen: verſchwiegene Worte aber (tacita) die, welche in Ge - dancken zuruͤck behalten werden, daß ſie nie - mand als wir wiſſen koͤnnen, indem wir nicht fuͤr andere, ſondern fuͤr uns reden. Eine moraliſche wahre Rede, welche zum Theil aus offenbahren Worten, zum Theil aus ver -O 5ſchwie -218II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnungſchwiegenen beſteht; ſo daß jene dem, welcher ſie hoͤrt, eine falſche Meinung beybringen, dieſe aber den Verſtand derſelben in den wah - ren verkehren, welcher dem vorhergehenden zuwieder iſt, wird eine Vorbehaltung im Sinne (reſervatio mentalis) genannt. Es ſind alſo die Vorbehaltungen im Sinn bloß in Anſehung deſſen, welcher re - det, Wahrheit (§. 347.); aber Un - wahrheit in Anſehung des andern, an den die Rede gerichtet wird (§. 348.); folglich ſind ſie den Luͤgen gleich zu ach - ten, wenn wir verbunden ſind dem andern unſere Gedancken zu ſagen (§. 351.); in anderen Faͤllen, da die Un - wahrheit erlaubt iſt (§. 352.), ſind ſie unnuͤtze. Uebrigens iſt leicht zu erſehen, daß man zu der Vorbehaltung im Sin - ne eine Rede nicht rechnen kann, in welcher Worte ausgelaſſen werden, die der andere, an den ſie gerichtet wird, aus den offenbahren Worten, oder aus der Sache, davon die Rede iſt, leicht ſchlieffen kann.

§. 356.

Was Be - trug ſey.

Man ſagt, daß derjenige den andern betruͤge (fallere alterum), welcher ihn mit Worten oder Thaten dahin bringet, daß er et - was vor wahr halte, was doch nicht wahr iſt. Daher koͤnte man die Verſtellung erklaͤren, daß ſie eine That ſey; die Unwahrheitaber,219ſeiner Gedancken. aber, daß ſie eine Rede ſey, wodurch wir den andern betruͤgen wollen.

§. 357.

Weil von der natuͤrlichen VerbindlichkeitOb die Furcht vor Ge - fahr die Unwahr - heit er - laubt machen kann. niemand befreyet werden kann (§. 42.); ſo iſt uns auch nicht erlaubt, wenn wir die Wahrheit zu ſagen verbunden ſind (§ 352.), aus Furcht vor einer uns, oder andern obſchwebenden Gefahr moraliſch falſch, oder zweydeutig, oder raͤtzelhaft zu antworten; es iſt aber erlaubt, wenn wir einem andern die Wahrheit zu ſagen nicht verbunden ſind (§. 269.).

§. 358.

Ein Geheimniß (arcanum) nennt manVon den Geheim - niſſen, die den an - dern ver - traut werden, und vom Verra - then der - ſelben. dasjenige, welches wir wollen, daß es andere nicht wiſſen ſollen, oder es auch zu wollen ver - bunden ſind. Derjenige vertraut einem andern ſein Geheimniß (arcana ſua alteri committit), welcher es ihm ſaget, in Hoff - nung oder im Vertrauen der Verſchwiegen - heit, das iſt, entweder unter dieſer ſtillſchwei - genden, oder ausdruͤcklichen Bedingung, daß er es keinem andern ſagen ſolle. Derjenige aber verraͤth das Geheimniß eines an - dern (arcana alterius prodit), der, was ihm vertrauet worden, andern ſaget. Wenn uns keine Noth dazu dringt, daß wir unſere Geheimniſſe einem andern ver - trauen, als z. E. wenn wir den Rath oder die Huͤlfe eines andern noͤthig haben, dasje -nige220II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnungnige auszufuͤhren, was wir beſchloſſen haben; ſo ſollen wir es auch nicht thun. Denn es iſt ſicherer ſie nicht zu vertrauen, als zu vertrauen, damit man nicht in Gefahr ſtehe, ſie moͤchten verrathen werden. Geheimniſ - ſe aber, die einem vertrauet ſind, doͤr - fen niemahls verrathen werden (§. 269.), beſonders wenn wir uns ver - bunden haben, ſie nicht zu verrathen (§. 97. 100.).

§. 359.

Von der Sittlich - keit der Verſtel - lung, der Verhe - lung und des Vor - wandes.

Da wir durch verſtellen und moraliſch falſch reden einerley intendiren, naͤmlich, daß der andere von unſern Gedancken eine entgegengeſetzte Meinung faſſen moͤge (§. 348. 349. ); ſo iſt auch, wenn die Unwahr - heit erlaubt, oder unerlaubt iſt, die Verſtellung erlaubt, oder unerlaubt. Eben ſo, da durch die Verbergung unſerer Gedancken und die Verheelung einerley ge - ſucht wird, daß unſere Meinung einem an - dern nicht bekannt werden ſolle (§. 349.); ſo iſt auch, wenn es erlaubt iſt, ſeine Ge - dancken zu verbergen, die Verheelung erlaubt. Weil nun der Vorwand eine Art der Unwahrheit iſt (§. 350.); ſo gilt von der Sittlichkeit des Vorwands eben dasjenige, was von der Sittlichkeit der Unwahrheit erwieſen worden.

§. 360.

Von un - nuͤtzen Worten

Unnuͤtze Worte (verba temeraria) ſind diejenigen, welche ohne eine Abſicht geſpro -chen;221ſeiner Gedancken. chen; unnuͤtze Handlungen aber (factau. Hand - lungen. temeraria), die ohne eine Abſicht vorgenom - men werden. Es geſchieht aber etwas ohne Abſicht (nullo fine fit), wenn man bey demſelben weder auf unſern, noch auf anderer Nutzen bedacht iſt, den man nehm - lich als ſeine Abſicht dadurch zu erhalten ge - ſucht. Weil die Menſchen verbunden ſind ihre Handlungen zu ihrer und anderer Voll - kommenheit und zu der Vollkommenheit ſo wohl ihres eigenen, als des andern ſeines Zu - ſtandes einzurichten, und dieſelben mit gemein - ſchaftlichen Kraͤften zu befoͤrdern (§. 43. 44. ); die Rede aber das Mittel iſt, wodurch ſie ihre Gedancken zu dem Ende eroͤfnen ſollen, welches vor ſich klar iſt; ſo muß man ſo wohl im Reden, als bey einer jeden Handlung auf einigen Nutzen ſehen, er betreffe entweder uns ſelbſt oder andere, und denſelben aus die - ſer Vollkommenheit, als der letzten Abſicht, beſtimmen. Daraus laͤßet ſich leicht ſchlieſ - ſen, daß unnuͤtze Worte und Hand - lungen mit dem Geſetz der Natur we - nig uͤbereinkommen; und man folglich weder unnuͤtze Reden fuͤhren, noch auch etwas unnuͤtzes thun muͤße. Es iſt auch ebendaſſelbe, vornaͤmlich von den Wor - ten, aus der Verbindlichkeit klar, daß wir die freyen Handlungen durch ebendieſelben Abſichten beſtimmen muͤſſen, durch welche die natuͤrlichen beſtimmt werden (§. 43.).

§. 361.222II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung

§. 361.

Was ei - ne Be - theurung und was ein Eyd ſey.

Wenn jemand zweifelt, ob man die Wahrheit rede, und es entweder durch die Sache, von welcher man redet, oder auf eine andere Weiſe, z. E. durch Zeugen, nicht gewiß werden kann; ſo kann man es nicht anders be - weiſen, als durch das Gewiſſen, oder daß man GOtt zum Zeugen anruft: indem niemand unſere Gedancken weiß, als wir ſelbſt, die wir uns derſelben bewuſt ſind, und Gott. Den Beweis der Wahrheit deſ - ſen, was wir ſagen, durch das Zeugniß des Gewiſſens, indem wir naͤmlich uns auf das Gewiſſen als auf einen Zeugen, beruffen, nennt man eine Betheurung (aſſeverationem); den Beweis aber durch das Zeugniß Gottes, indem wir naͤmlich Gott als den Zeugen der Wahrheit desjenigen, was wir ſagen, und als den Raͤcher der Luͤgen und des Meiney - des anrufen, einen Eyd oder Eydſchwur (juramentum, jusjurandum). Was der Meineyd ſey, werden wir unten erklaͤren.

§. 362.

Wer nicht ſchwoͤren kann.

Weil derjenige, welcher ſchwoͤrt, gewiß ſeyn muß, daß ein Gott ſey, der die Ge - dancken der Menſchen kennt, und die Luͤgen und den Meineyd beſtraft (§. 361.); ſo kann der, welcher leugnet, daß ein Gott ſey, oder daß er die Gedancken der Men - ſchen kenne, oder daß er ſich wenigum223ſeiner Gedancken:um die menſchlichen Dinge bekuͤmmere, nicht ſchwoͤren.

§. 363.

Wenn nun jemand falſche GoͤtterOb man bey fal - ſchen Goͤttern ſchwoͤren koͤnne. vor den wahren Gott haͤlt, und ihnen dasjenige zueignet, was einer, der da ſchwoͤrt, von dem wahren Gott vor gewiß halten muß, der kann bey fal - ſchen Goͤttern ſchwoͤren; weil es in An - ſehung ſeiner eben ſo viel iſt, als wenn er bey dem wahren Gott ſchwuͤre.

§. 364.

Weil die Worte Zeichen ſind, welche das -Von den Eides - formeln. jenige bedeuten, was wir durch dieſelbe wol - len zu verſtehen geben; ſo kann man mit allen Worten ſchwoͤren, welchen man die Bedeutung beylegt, ſo nach der Er - klaͤrung einem Eide zukommen muß. Daher erhellet zugleich, daß man bey je - der Sache, ſie mag ſeyn, was vor eine es will, ſchwoͤren koͤnne. Aber bey der - gleichen Dingen ſchwoͤret einer nicht, ſondern er betheuret nur etwas, wel - cher ſagt, er rede ſo gewiß die Wahrheit, oder wolle ſie ſagen, als es gewiß iſt, daß eine Sache wuͤrcklich ſey, oder of - fenbar ihm die liebſte. Es koͤnnen einer - ley Worte die Kraft eines Eides, oder einer Betheurung haben, nachdem entweder der andere einen Eid von uns fordert, oder wir freywillig dieſelbe vorbringen. Alſo wenn einer ſchwoͤren ſoll und ſagt: Gottiſt224II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnungiſt mein Zeuge, ſo ſchwoͤrt er; wenn er eben dieſes ungeheiſſen ſagt, ſo iſt es eine Betheurung. Denn in dem er - ſten Fall zeigen die Worte auch die Anru - fung Gottes als eines Raͤchers der Luͤgen und des Meineydes an, in den andern aber nicht (§. 361.).

§. 365.

Wenn ei - ner nicht ſchwoͤ - ret, ob er gleich Worte, die einen Schwur bedeuten, vor - bringt.

Wenn jemand unbedachtſam Wor - te, die einen Schwur bedeuten, d. i. welchen man die Bedeutung eines Eides zu - zuſchreiben pflegt, ohne Vorſatz zu ſchwoͤ - ren vorbringt, ſo ſchwoͤrt er nicht; ſondern man muß dieſelbe zu den un - nuͤtzen Worten rechnen (§. 360.). Weil aber dieſe zu vermeiden ſind (§. cit. ), ſo ſun - diget er nichts deſto weniger. Eben das muß man von den Worten verſtehen, wel - chen man ſonſt die Bedeutung einer Betheu - rung beylegt.

§. 366.

Wenn einer ſchwoͤrt.

Weil aber im Gegentheil wieder denjeni - gen, welcher die Wahrheit zu ſagen verbun - den iſt, das vor wahr zu halten iſt, was er ſagt (§. 318.); ſo nimmt man mit Recht an, es habe einer geſchworen, der ſchwoͤren ſoll, oder das Anſehen haben will, als ſchwoͤre er, wenn er die Wor - te eines Eides herſagt. Denn ſonſt muͤ - ſte man einraͤumen, es koͤnne einer vor ſich Worte im Sinne zuruͤcke behalten, welches unerlaubt iſt (§. 355.).

§. 367.225ſeiner Gedancken.

§. 367.

Weil Eidſchwuͤre und Betheurungen un -Daß man un - nuͤtze Be - theurun - gen und Eid - ſchwuͤre vermei - den muͤſſe. nuͤtze ſind, wenn derjenige, mit dem man re - det, nicht zweifelt, daß wir moraliſch wahr reden, oder auch weder ihm, noch uns dran gelegen iſt, ob er glaubt, daß wir die Wahr - heit ſagen, oder nicht (§. 360. 361. ); unnuͤ - tze Worte aber unerlaubt ſind, und insbeſon - dere ein unnuͤtzer Eid ſich mit der Gott ſchul - digen Ehrfurcht nicht reimet (§. 172.); ſo ſind auch, wenn der, zu dem man re - det, nicht zweifelt, daß wir die Wahr - heit ſagen, oder wenn weder ihm noch uns dran gelegen iſt, ob er dieſes glaubt, oder nicht, die Betheurungen und Eide unerlaubt. Daher laͤßet ſich ferner leicht ſchlieſſen, daß man nicht ſchwoͤren muͤſſe, wenn einer Betheu - rung geglaubt wird, oder wenn eine Betheurung dazu hinreichend iſt.

§. 368.

Weil wir das Recht haben, uns, einemWozu ſich der - jenige, der ſchwoͤrt, verbin - det. andern die Wahrheit zu ſagen, zu verbinden, wenn uns oder dem andern daran gelegen iſt, daß er glaubt, wir reden wahr (§. 97.), die Anrufung Gottes aber als eines Raͤchers der Luͤgen und des Meineides, ein Bewegungs - grund iſt, die Wahrheit zu ſagen, welche wir mit dem Eidſchwur beſtetigen (§. 361.); ſo verbinden wir uns, indem wir ſchwoͤ - ren, dem andern, ihm die Wahrheit zu ſagen (§. 35.); folglich darf manNat. u. Voͤlckerrecht. Peine226II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnungeine ſonſt erlaubte Unwahrheit mit kei - nem Eide bekraͤftigen.

§. 369.

Die Wuͤr - ckung des Eides.

Weil wir uns, indem wir ſchwoͤren, dem andern verbinden, ihm die Wahrheit zu ſagen (§. 368.); und alſo wieder uns vor wahr zu halten, was wir hinlaͤnglich anzeigen (§. 318.); folglich man keine andere Meinung von un - ſern Gedancken haben kann, als die wir durch die Worte anzeigen; ſo leidet der Eid keine ſtillſchweigende Ausnahmen und Bedingungen, und es kann auch bey demſelben nichts vor ſich im Sinne zuruͤcke behalten werden (§. 355.).

§. 370.

Jn was vor ei - nem Ver - ſtande man die Worte, die einen Eid an - zeigen, nehmen muͤſſe.

Aus eben dieſem Grunde iſt klar, daß der, welcher ſchwoͤrt, die Worte in eben dem Verſtande nehmen muͤſſe, welche derjenige ihnen zueignet, dem ge - ſchworen wird; und daß man folglich dieſelbe nicht der offenbahren Bedeu - tung zuwieder in eine andere verdre - hen duͤrfe, damit man beweiſen koͤn - ne: ob man gleich nach der Meinung desjenigen, dem geſchworen wird, un - wahr geredet, ſo habe man doch nach ſeiner eigenen Meinung wahr geredet.

§. 371.

Vom fal - ſchen Ei - de und Meinei - de.

Ein falſcher Eid (pejeratio) wird ge - nannt derjenige, welchen einer ſchwoͤrt, daß er die Wahrheit ſage, indem er die Unwahr - heit ſagt. Der Meineid (perjurium) aberiſt227ſeiner Gedancken. iſt die Verletzung des Eides, wenn einer das nicht haͤlt, was er nach ſeiner eigenen Mei - nung zu thun oder nicht zu thun geſchworen hat. Derowegen weil derjenige, welcher ſchwoͤrt, ſich verbindet die Wahrheit zu ſagen (§. 368.), und wenn er ſchwoͤrt etwas zu thun oder nicht zu thun, durch den Eid be - weiſen will, daß er ſich dieſes zu thun, oder zu unterlaſſen verbinde (§. 97. 361. ); ſo iſt nicht erlaubt falſch zu ſchwoͤren, noch der Meineid erlaubt (§. 100.).

§. 372.

Da es aber einerley iſt, ob die WorteVom ge - ſchriebe - nen Eid. ausgeſprochen, oder geſchrieben werden; ſo iſt ein geſchriebener Eid guͤltig; folg - lich kann ein Abweſender einem Abwe - ſenden im Briefe ſchwoͤren.

§. 373.

Man ſagt: einer ſchwoͤre in die See -Von dem Eid, der in die Seele ei - nes an - dern ge - ſchiehet. le eines andern (in animam alterius jura - re), wenn er im Nahmen und aus Vollmacht eines Abweſenden ſchwoͤrt. Da es einerley iſt, ob einer etwas ſelbſt, oder durch einen andern verrichtet; ſo kann man auch in die Seele eines andern ſchwoͤren.

§. 374.

Die Beſchwoͤrung (obteſtatio) nenntVon der Beſchwoͤ - rung. man eine Handlung, da man jemand bey Gott, dem Zeugen der Wahrheit desjenigen, was man ſagt, und dem Raͤcher der Luͤgen und je - der unerlaubten That, oder bey einer Sache die dem andern am liebſten iſt, oder woraufP 2er228II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnunger am meiſten zu ſehen hat, bittet, daß er die Wahrheit ſage, oder entweder etwas thue, oder unterlaſſe. Da man nun durch die Be - ſchwoͤrung einen andern ernſtlich zu bewegen ſucht, die Wahrheit zu ſagen, oder etwas zu thun, oder nicht zu thun; ſo iſt auch, wenn uns, oder einem andern viel daran ge - legen, daß einer die Wahrheit ſage, oder etwas entweder thue, oder un - terlaſſe, der etwas zu thun, oder zu unterlaſſen verbunden iſt, die Beſchwoͤ - rung erlaubt. Eben dieſes iſt in demjeni - gen Fall klar, in welchem man einen andern anmahnen muß, etwas zu thun oder zu un - terlaſſen.

§. 375.

Von der hoͤchſten Betheu - rung.

Die Betheurung bey dem Zeugniſſe Got - tes oder bey einer Sache, welche uns die lieb - ſte, oder von groſſer Wichtigkeit iſt, wird die hoͤchſte Betheuerung genannt (conteſta - tio). Es gehoͤrt alſo dieſelbe zu denjenigen Betheurungsformeln, welche dem Eide am naͤchſten kommen (§. 361.).

§. 376.

Wenn ei - ner, der falſch ſchwoͤrt, nicht meinei - dig wird.

Weil der falſch ſchwoͤret, welcher ſchwoͤrt, er wolle das thun, wozu er ſich verbindlich macht, ob er gleich nicht den Vorſatz hat es zu thun; hingegen aber nicht meineidig iſt, wenn er ſeinen Vorſatz aͤndert und es thut (§. 371.); ſo iſt auch der nicht meineidig, der zwar falſch geſchworen, aber ſichſolches229ſeiner Gedancken. ſolches gereuen laͤſt, und thut, was er zu thun geſchworen hat.

Das ſiebente Hauptſtuͤck.

Von der Art und Weiſe ſich ei - nem andern verbindlich zu machen, oder von dem Verſprechen und Vertraͤgen uͤberhaupt.

§. 377.

Weil nach eingefuͤhrtem Eigenthum derWozu wir uns einem an - dern ver - bindlich machen koͤnnen. Menſch nichts hat, was ihm zuge - hoͤrt, als die koͤrperlichen und un - koͤrperlichen Sachen, welche ſein eigen ſind (§. 195. 206. ); und die Handlungen, welche andern nuͤtzlich ſind, eigenthuͤmlichen Sachen gleich geſchaͤtzt werden (§. 225.); ſo kann niemand ſich dem andern verbindlich machen, als nur ihm etwas zu geben, oder etwas zu thun, und ſeinetwegen zu unterlaſſen, folglich etwas zu leiſten (§. 258. 328.).

§. 378.

Weil keine Verbindlichkeit noͤthig, wenn et -Was vor ein Recht auf einen andern gebracht wird, wenn ei - ner ſich dem an - was gleich geleiſtet wird; die Verbindlichkeit aber darauf gehet, was geſchehen ſoll, und wozu der andere ein vollkommenes Recht er - haͤlt (§. 97.); ſo iſt klar, daß, wenn ſich einer dem andern etwas zu geben, oder zu thun verbindet, er auf ihn ein RechtP 3brin -230II. Th. 7. H. Von dem Verſprechendern ver - bindlich macht.bringet die Leiſtung mit Gewalt zu fordern.

§. 379.

Was das Verſpre - chen iſt.

Dieſe Erklaͤrung ſeines Willens von dem, was man einem andern leiſten will, und wo - durch man auf den andern das Recht bringt uns mit Gewalt dazu anzuhalten, nennt man das Verſprechen (promiſſio), derjenige der etwas verſpricht heiſt der Verſprechen - de (promiſſor), derjenige, dem etwas ver - ſprochen wird, wird der Verſprechens-An - nehmer (promiſſarius) genannt.

§. 380.

Von der Art ſich einem an - dern ver - bindlich zu ma - chen.

Der Verſprechende verbindet ſich alſo dem, welchem er etwas verſpricht, vollkommen (§. 80. 379.). Und da wir den Willen eines andern nicht anders wiſſen koͤnnen, als wenn uns derſelbe von ihm hin - laͤnglich erklaͤret wird, noch auch von ihm ein Recht erlangen, ohne ſeinen Willen (§. 314.); ſo kann ſich niemand dem andern an - ders vollkommen verbindlich machen, als nur durchs Verſprechen.

§. 381.

Von der Noth - wendig - keit des Anneh - mens ei - nes Ver - ſpre - chens.

Weil durch das Verſprechen auf den an - dern das Recht gebracht wird, die Leiſtung des Verſprochenen mit Gewalt von ihm zu for - dern (§. 379.), zu Erlangung deſſelben aber erfordert wird, daß es der andere annimmet (§. 316.); ſo iſt kein Verſprechen ohne Annehmung deſſelben guͤltig, und der,dem231und den Vertraͤgen uͤberhaupt. dem etwas verſprochen wird, erhaͤlt ohne dieſelbe kein Recht dazu.

§. 382.

Vom Verſprechen unterſcheidet GrotiusVon der bloſſen Zuſage. mit Recht eine bloſſe Zuſage (pollicitatio - nem), wodurch wir hinlaͤnglich dem andern unſern Willen erklaͤren ihm etwas zu leiſten, wie auch bey dieſem Vorſatze zu verharren, aber ihm kein Recht, es mit Gewalt von uns zu fordern, einraͤumen wollen. Es erhaͤlt alſo durch die bloſſe Zuſage derjenige, dem ſie geſchieht, kein Recht, das, was man zugeſagt, mit Gewalt zu fordern (§. 314.).

§. 383.

Von derſelben unterſcheiden wir mit demVon der bloſſen Erklaͤ - rung, was man zu thun geſonnen. Grotius die bloſſe Erklaͤrung, was man zu thun geſonnen (nudam aſſertionem), dadurch wir dem andern hinlaͤnglich erklaͤren, was wir jetzt Willens ſind ihm zu leiſten, doch unbeſchadet der Freyheit dieſen Vorſatz zu aͤndern; folglich erhaͤlt durch derglei - chen bloſſe Erklaͤrung, was wir zu thun geſonnen, der andere kein Recht, die - ſes mit Gewalt zu fordern (§. 314.).

§. 384.

Weil durch die bloſſe Zuſage (§. 382.) undOb hier - innen ei - ne An - neh - mung ſtatt fin - det. eine bloſſe Erklaͤrung, was wir zu thun geſon - nen, der andere kein Recht dazu erhaͤlt, wo - von geredet wird (§. 383.); ſo wird zu ei - ner bloſſen Zuſage und einer bloſſen Erklaͤrung, was wir zu thun geſon -P 4nen,232II. Th. 7. H. Von dem Verſprechennen, keine Annehmung erfordert; ja ſie koͤmmt zu beyden unnuͤtze hinzu (§. 316.).

§. 385.

Was das Verſpre - chen, die bloſſe Zu ſage und die bloſſe Erklaͤ - rung deſ - ſen, was man zu thun ge - ſonnen, vor Hand - lungen ſind.

Weil es lediglich auf unſerm Willen beruhet, ob wir auf einen andern ein Recht bringen wollen, oder nicht (§. 314.); folglich das Recht uns mit Gewalt zu einer gewiſſen Lei - ſtung anzuhalten, d. i. das Recht zu einer Sache (§. 335.); ſo ſteht es auch allein bey uns, ob wir einem andern etwas verſprechen, oder blos zuſagen, oder ihm blos erklaͤren wollen, was wir zu thun geſonnen (§. 379. 382. 383. ); folg - lich ſind das Verſprechen, die bloſſe Zu - ſage und die bloſſe Erklaͤrung deſſen, was wir zu thun geſonnen, Handlun - gen, die allein auf unſerem Willen be - ruhen; und derowegen hat niemand das Recht, uns zu einem Verſprechen zu noͤthigen. Da dieſes der natuͤrlichen Frey - heit wiederſpricht (§. 77.); ſo thut derjeni - ge, der den andern zum Verſprechen zwingt, ihm unrecht (§. 87.); und iſt dieſes durchs natuͤrliche Geſetz verbo - then (§. 86.).

§. 386.

Vom uͤberleg - ten Vor - ſatz.

Ein uͤberlegter Vorſatz (animus deli - beratus) wird genannt, wenn man dasjeni - ge, ſo man will, wohl erwogen hat, naͤmlich ob man es lieber thun, als unterlaſſen ſoll, und wie man es anzufangen hat, ehe man dieHand -233und den Vertraͤgen uͤberhaupt. Handlung ſelbſt vornimmt, damit nichts ge - ſchehe was den Pflichten gegen ſich, oder ge - gen andere zuwieder iſt. Jm Gegentheil nennt man einen unuͤberlegten Vorſatz (animum indeliberatum), wenn man dasje - nige, was man will, nicht gnug erwogen hat. Derowegen da ſich von der natuͤrlichen Verbindlichkeit, die wir zu allen Pflichten haben (§. 57.), niemand befreyen kann (§. 42.), inſonderheit auch ein jeder allen Scha - den von ſich abwenden ſoll (§. 269.); ſo muß niemand etwas thun, noch auch etwas verſprechen, ohne es zuvor wohl uͤber - legt zu haben. Uebrigens iſt aus der Na - tur des Verſprechens leicht klar, daß der Verſprechende wohl erwegen muͤſſe, ob er die Sache, welche er zu geben ver - ſpricht, ſelbſt noͤthig habe; und wenn er etwas zu thun verſpricht, ob er Zeit dazu habe; wie auch ob er dadurch, daß er einem etwas zu geben oder zu thun verſpricht, einer Pflicht entwe - der gegen ſich ſelbſt, oder gegen ande - re zuwieder handelt. Ja aus dem eben angefuͤhrten Grunde, warum man nichts ohne Ueberlegung thun ſoll, erhellet, daß man auch kein Verſprechen ohne Ue - berlegung annehmen ſoll. Und man ver - ſtehet leicht, daß der, dem etwas ver - ſprochen wird, erwegen muͤſſe, ob er das was ihm verſprochen wird, noͤthig habe, und ob nicht der andere daſſelbeP 5noͤthi -234II. Th. 7. H. Von dem Verſprechennoͤthiger hat; wie auch ob der Ver - ſprechende daſſelbe nicht anders als mit ſeinem Nachtheil leiſten kann; und end - lich ob man dadurch, daß man es an - nimmet, nicht etwan einer Pflicht ge - gen ſich oder gegen andere zuwieder handelt.

§. 387.

Welche nicht ver - ſprechen koͤnnen.

Weil die Raſenden in der Raſerey, Unſin - nigen, Kinder, Aberwitzige und ſehr Betrun - ckene keinen uͤberlegten Vorſatz faſſen koͤnnen, auch nicht diejenigen, deren Urtheilskraft, ih - res Alters wegen, zu ſchwach iſt (§. 386.); ſo iſt klar, daß alle dieſe nichts guͤltig ver - ſprechen koͤnnen (§. cit.).

§. 388.

Daß man das Verſpre - chen hal - ten muͤße.

Derjenige haͤlt das Verſprechen (pro - miſſum ſervat), welcher giebt oder thut, was er zu geben oder zu thun verſprochen hat. Weil nun der Verſprechende ſich dem, welchem er et - was verſpricht, vollkommen verbindet (§. 380.), und der, welchem etwas verſprochen worden, dadurch ein vollkommenes Recht zu dem, was ihm verſprochen wird, erhaͤlt (§. 97.); wel - ches ihm wieder ſeinen Willen nicht genom - men werden kann (§. 100.); ſo muß das Verſprechen gehalten werden.

§. 389.

Von Treue u. Glauben.

Die Treue (fidem) nennt man die Be - ſtaͤndigkeit des Willens, welchen man einem andern von dem, was man geben oder thun will, durch Worte erklaͤret hat. Die Treueſetzt235und den Vertraͤgen uͤberhaupt. ſetzt alſo voraus, daß man die Wahr - heit rede, oder wenn man ja die Un - wahrheit geredet, ſie doch, nach ver - aͤndertem Vorſatze, in die Wahrheit verwandelt. Daher ſagt man, es ver - ſichere uns einer bey ſeiner Treue und Glauben (fidem dat), wenn er bekraͤfti - get, daß er gewis leiſten werde, was er ſagt, daß er es leiſten wolle; folglich dem andern ſagt, er koͤnne ſich darauf gewis verlaſſen, daß er ſeinen gegenwaͤrtigen Willen nicht aͤn - dern werde. Hieraus folget, daß der, wel - cher einem etwas bloß zuſaget, dem andern ſeiner Treue und ſeines Glau - bens verſichert (§. 382.). Der haͤlt ſein Wort nicht (fidem fallit), oder handelt wieder Treue und Glauben, welcher das nicht leiſtet, was er geſagt hat, daß er es leiſten werde. Derjenige verſichert ſich der Treue und des Glaubens eines an - dern (fidem alterius adſtringit), welcher ſich dem andern verbindlich macht ſein Wort zu halten. Und daher iſt klar, daß man ſein Wort halten muͤſſe; folglich nicht wie - der Treue und Glauben handeln; und daß der, welcher etwas bloß zuſagt, wieder Treue und Glauben handelt, wenn er dasjenige nicht leiſtet, was er zugeſagt. Es iſt ferner klar, daß der, welcher ſein Verſprechen haͤlt, auch ſein Wort haͤlt, wer es aber nicht haͤlt, wieder Treue und Glauben handelt;und236II. Th. 7. H. Von dem Verſprechenund daß der, dem etwas verſprochen wird, durch das Annehmen ſich der Treue und des Glaubens des Verſpre - chenden verſichert (§. 378. 379.). End - lich iſt gleichfalls nicht weniger offenbar, daß derjenige welcher blos ſagt, daß er et - was zu leiſten Willens ſey, den andern bey ſeiner Treue und Glauben noch nicht verſichert; folglich auch nicht wie - der Treue und Glauben handelt, wenn er das nicht leiſtet, was er geſagt, daß er es leiſten wolle.

§. 390.

Von der Untreue.

Untreu (perfidum) nennt man denjeni - gen, welcher das Gegentheil von dem thut, wozu er ſich bey ſeiner Treue und Glauben verbindlich gemacht hat. Wenn alſo der Verſprechende das Gegentheil desjeni - gen thut, was er zu thun verſprochen hat, z. E. wenn er das thut, was er geſagt, daß er es unterlaſſen wolte, ſo iſt er untreu. Aber wer etwas blos zugeſagt hat, iſt in eben demſelben Falle nicht untreu.

§. 391.

Vom Verſpre - chen un - ter einer ſchaͤndli - chen Be - dingung.

Weil von der natuͤrlichen Verbindlichkeit niemand befreyet werden kan (§. 42.); ſo iſt nicht erlaubt etwas unter einer uner - laubten (turpi) Bedingung zu verſpre - chen (§. 315.). Da demnach ein ſolches Verſprechen nicht guͤltig iſt, auch daraus der - jenige, dem etwas verſprochen worden, kein Recht erhaͤlt; ſo darf man auch, was un -ter237und den Vertraͤgen uͤberhaupt. ter einer unerlaubten Bedingung ver - ſprochen worden, nicht leiſten, wenn gleich die Bedingung erfuͤllt worden.

§. 392.

Es iſt vor ſich ſelbſt klar, daß eine unmoͤg -Vom Verſpre - chen un - ter einer unmoͤgli - chen Be - dingung. liche Bedingung nicht wuͤrcklich werden kann; alſo ſind die Verſprechen unter einer unmoͤglichen Bedingung vergeblich, und kommen mit dem Recht der Na - tur nicht uͤberein (§. 360.).

§. 393.

Allein, da durch das Verſprechen ein RechtVom be - dingten Verſpre - chen vom Verſpre - chen auf eine ge - wiſſe Zeit und vom unbe - dingten. auf den andern gebracht wird, dem etwas verſprochen wird (§. 379.); ſo kann ein Verſprechender verſprechen, auf was vor Art und Weiſe er will, und kann das Verſprechen unter einer jeden er - laubten Bedingung, auch auf eine ge - wiſſe Zeit, nicht allein ohne alle Be - dingung und ohne eine geſetzte Zeit geſchehen (§. 314). Ein bedingtes Ver - ſprechen (promiſſio conditionata) iſt dasje - nige, welches unter einer hinzugeſetzten Be - dingung geſchiehet. Wenn das, was verſpro - chen wird, zu einer gewiſſen Zeit geleiſtet werden muß; ſo heißt es ein Verſprechen auf eine gewiſſe Zeit (promiſſio in diem). Das Verſprechen, welches ohne alle hinzuge - ſetzte Bedingung, oder auch einige Zeit ge - ſchiehet, heißt ein unbedingtes Ver - ſprechen (promiſſio pura).

§. 394.238II. Th. 7. H. Von dem Verſprechen

§. 394.

Vom Verſpre - chen un - ter der Bedin - gung ei - ner ſchaͤndli - chen That eines dritten.

Weil die ſchaͤndliche That eines dritten ſo wohl in Abſicht des Verſprechenden, als des - jenigen, dem etwas verſprochen wird, eine blos zufaͤllige Bedingung iſt, als welche nicht im geringſten auf beyder Willen beruhet; ſo iſt ein Verſprechen, welches unter der Bedingung einer ſchaͤndlichen That ei - nes dritten geſchieht, nicht unerlaubt; als die vor ſich keinen Fehler hat.

§. 395.

Von der Wuͤr - ckung ei - nes Ver - ſprechens auf eine gewiſſe Zeit.

Weil derjenige, dem etwas verſprochen wird, nicht mehr Recht durch das Verſpre - chen erhalten kann, als der Verſprechende auf ihn bringen will (§. 317.); ſo iſt man, was auf eine gewiſſe Zeit verſprochen wird, zwar gleich ſchuldig, es kann aber nicht eher gefordert werden, als bis die Zeit erſchienen iſt. Es erhellet aber, daß, da die Beding[u] ng, von welcher wir wiſſen, daß ſie gewiß kommen wird, eine Zeit anzeigt, in welcher etwas geſchehen ſoll; ſo iſt das Ver - ſprechen, welches unter einer Bedin - gung, die gewiß wuͤrcklich werden wird, geſchehen, dem Verſprechen auf eine gewiſſe Zeit gleich (§. 393.). Weil es aber eben ſo viel iſt, als wenn ein Tag kom - men waͤre, von dem man meinte, daß er kom - men wuͤrde, der aber nicht kommen wird; z. E. wenn etwas auf den 31. April verſpro - chen wird, ſo iſt klar, daß, da der Jrthum keinen Grund zum Verſprechen in ſich enthaͤlt,was239und den Vertraͤgen uͤberhaupt. was auf eine Zeit verſprochen wird, von welcher man meint, ſie wuͤrde kommen, welche doch aber nicht kommt, geleiſtet werden muͤſſe, wenn die Zeit verfloſſen iſt, welche der Verſprechen - de durch die falſch angegebene ver - meint zu haben ſcheint. Denn wir ſetzen voraus, daß man im Ernſte von der Sache handelt, und nicht ſchertzet.

§. 396.

Allein weil derjenige, welcher unter einerVon der Wuͤr - ckung ei - ner Ver - ſpre - chung, die unter einer aufſchie - benden Bedin - gung ge - ſchehen. aufſchiebenden Bedingung etwas verſpricht, dem andern, dem er es verſpricht, nicht ver - bunden ſeyn will, als bis die Bedingung wuͤrcklich iſt (§. 315.); ſo erhellet aus eben dem Grunde (§. 317.), daß man das, was unter einer aufſchiebenden Bedingung verſprochen worden, nicht eher ſchul - dig iſt, als bis die Bedingung wuͤrck - lich wird: wenn ſie aber nicht wuͤrck - lich wird, das Verſprechen ſo viel als nichts iſt. Weil demnach derjenige, dem etwas verſprochen wird, nicht eher ein Recht zu dem, was ihm verſprochen worden, erhaͤlt, als bis die Bedingung wuͤrcklich wird; ſo be - kommt aus einem bedingten Verſpre - chen der, dem etwas verſprochen wird, bloß eine Hoffnung, daß man ihm wer - de etwas ſchuldig werden: welche als - denn ein Recht erwecket, wenn es ſich zutraͤgt, daß die Bedingung wuͤrcklich wird. Da es nun aber bloß in Anſehungunſerer240II. Th. 7. H. Von dem Verſprechenunſerer ungewiß iſt, ob die Hoffnung ein Recht erwecken wird, oder nicht; ſo kann auch dieſelbe, eben ſo wenig, als ein erlang - tes Recht (§. 100.), niemanden wieder ſeinen Willen benommen werden. Eben dieſes erhellet auch daher, weil der Ver - ſprechende ſich verbindlich gemacht das Recht zu erkennen, welches dieſe Hoffnung erwecken doͤrfte; von welcher Verbindlichkeit er ſich ſelbſt nicht befreyen kann (§. cit.). Weil ei - ne zuerfuͤllende Bedingung eine Art der auf - haltenden iſt, und wuͤrcklich wird, wenn ſie er - fuͤllt wird (§. 315.); ſo iſt man dasjenige, was unter einer zuerfuͤllenden Bedin - gung verſprochen wird, nicht eher ſchuldig, als bis die Bedingung erfuͤllt worden.

§. 397.

Die Wuͤr - ckung ei - nes Ver - ſpoꝛechens, welches unter ei - ner aufloͤ - ſenden Bedin - gung ge - ſchehen.

Gleichergeſtalt weil derjenige, welcher un - ter einer aufloͤſenden Bedingung etwas ver - ſpricht, dem andern, dem es verſprochen wird, nicht laͤnger dazu verbunden ſeyn will, als bis die Bedingung vorhanden (§. 315.); folglich durch dieſe Bedingung die Zeit be - ſtimmt wird, wehrender welcher das Recht deſſen, dem etwas verſprochen worden, dau - ren ſoll (§. 97.); ſo bleibet man, was un - ter einer aufloͤſenden Bedingung ver - ſprochen worden, nicht mehr ſchuldig, ſo bald die Bedingung wuͤrcklich vor - handen, und das Recht desjenigen, dem etwas verſprochen worden, hoͤret auf.

§. 398.241und den Vertraͤgen uͤberhaupt.

§. 398.

Was unbedingt verſprochen wird,Die Wuͤr - ckung ei - nes unbe - dingten Verſpre - chens, und wie ein be - dingtes und auf eine ge - wiſſe Zeit geſchehe - nes ein unbe - dingtes wird. das iſt man gleich ſchuldig, und kann gleich gefordert werden. Dieſes erhel - let ſelbſt aus dem Begriff eines unbedingten Verſprechens (§. 393.). Weil nun, wenn die Zeit kommt, zwiſchen einem unbedingten Verſprechen und zwiſchen einem auf eine ge - wiſſe Zeit, und wenn die Bedingung wuͤrck - lich iſt, zwiſchen eben demſelben, und zwi - ſchen dem bedingten weiter kein Unterſchied iſt (§. cit. ); ſo wird, wenn die Zeit kommt, ein auf eine Zeit geſchehenes Verſprechen, und wenn die Bedin - gung kommt, ein bedingtes Verſpre - chen zu einem unbedingten.

§. 399.

Wenn mehrere Bedingungen ver -Wenn mehr als eine Be - dingung einem Verſpre - chen bey - gefuͤgt werden. bindungsweiſe oder zuſammen (copula - tive) einem Verſprechen angehaͤngt ſind, und alſo der Verſprecher nicht eher verbunden ſeyn will, als bis alle zugleich wuͤrcklich worden ſind; ſo iſt man, was verſprochen worden, nicht eher ſchul - dig, als bis es gewis iſt, daß alle wuͤrcklich worden ſind (§. 317.): wenn aber unter einer, oder der andern Bedingung (diſjunctive) etwas ver - ſprochen wird, und alſo der Verſprechen - de dem andern verbunden ſeyn will, es mag von denſelben eine, welche es auch ſeyn moͤch - te, wuͤrcklich werden; ſo iſt man, was ver -Nat. u. Voͤlckerrecht. Qſpro -242II. Th. 7. H. Von dem Verſprechenſprochen worden, ſchuldig, wenn nur eine von den angegebenen Bedingun - gen vorhanden, ob gleich die uͤbrigen niemahls wuͤrcklich werden ſolten.

§. 400.

Vom perſoͤnli - chen Ver - ſprechen und dem perſoͤnli - chen Rechte.

Ein perſoͤnliches Verſprechen (pro - miſſio perſonalis) iſt, welches auf die Per - ſon deſſen, dem etwas verſprochen wird, dergeſtalt eingeſchraͤnckt wird, daß der Ver - ſprechende keinem andern, als dem er es ver - ſprochen, verbunden ſeyn will. Es wird aber ein Verſprechen auf die Perſon deſſen, dem etwas verſprochen worden, entweder ausdruͤck - lich gerichtet, oder ſtillſchweigend, wenn man es naͤmlich aus der Sache, die verſprochen worden, und aus andern Umſtaͤnden ſchlieſſen kann. Ein perſoͤnliches Recht (jus per - ſonale) nennt man, welches auf die Perſon, der es zu kommt, dergeſtalt eingeſchraͤnckt iſt, daß es von ihr auf keine andere kommen kann; gleichwie man perſoͤnlich (perſonale) uͤber - haupt dasjenige nennt, was ſich bey einer Perſon dergeſtalt befindet, daß es von derſel - ben auf keine andere auf einige Weiſe ge - bracht werden kann. Daher erhellet, daß der, dem etwas verſprochen worden, aus einem perſoͤnlichen Verſprechen weiter nichts, als ein perſoͤnliches Recht er - haͤlt, und daß ein perſoͤnliches Recht mit der Perſon auf hoͤret; wie auch daß ein bedingtes Verſprechen nichts ſey, wenn der, dem etwas verſprochen wor -den,243und den Vertraͤgen uͤberhaupt. den, eher ſtirbt, als die Bedingung wuͤrcklich worden (§. 396.). Es iſt auch klar, daß wenn eine zuerfuͤllende Be - dingung perſoͤnlich iſt, dieſelbe nicht anders, als von der Perſon ſelbſt, der etwas verſprochen worden, erfuͤllt werden koͤnne.

§. 401.

Ein auf die Sache gerichtetes Ver -Von dem auf die Sache gerichte - ten Ver - ſprechen. ſprechen (promiſſio realis) iſt, welches kein perſoͤnliches Verſprechen iſt, da man naͤmlich bey dem Verſprechen mehr auf die Sache, als auf die Perſon ſiehet. Derowegen erhaͤlt durch ein bloß auf die Sache gerich - tetes Verſprechen derjenige, dem et - was verſprochen worden, kein perſoͤnli - ches Recht, ſondern ein Recht, welches auch auf einen andern kommen kann (§. 400.); gleicher geſtalt kann die Hoff - nung, welche aus einem bedingten Verſprechen, ſo auf die Sache gerich - tet iſt, erwaͤchßt (§. 396.), auf einen andern kommen.

§. 402.

Jn eben demſelben Verſtande, in welchemVon der perſoͤnli - chen und der ding - lichen Verbind - lichkeit. man das perſoͤnliche Recht und das Recht, ſo auf eine Sache gerichtet iſt, von einander un - terſcheidet, ſind auch einige Verbindlichkei - ten perſoͤnliche Verbindlichkeiten (obli - gationes perſonales), andere Verbindlichkei - ten in Anſehung einer Sache (reales). Die peꝛſoͤnlichen Veꝛbindlichkeiten kom -Q 2men244II. Th. 7. H. Von dem Verſprechenmen auſſer der Perſon keiner andern zu, und hoͤren mit derſelben auf; die Verbindlichkeiten in Anſehung einer Sache aber nicht. Dieſer Unterſchied muß auch bey den Verſprechen bemerckt wer - den, nachdem dieſelbe entweder perſoͤnliche Verſprechen ſind, oder nur auf die Sache ge - ſehen wird, welche man verſpricht.

§. 403.

Ob man einem Abweſen - den et - was ver - ſprechen kann.

Ein Verſprechen erhaͤlt dadurch ſeine Rich - tigkeit, wenn ſo wohl derjenige, der etwas verſpricht, als der andere, dem es verſpro - chen wird, ſeinen Willen hinlaͤnglich erklaͤret (§. 397. 381.). Da man nun dem andern ſeinen Willen nicht blos durch Worte, ſon - dern auch ſchriftlich, ja durch einen andern erklaͤren kann; ſo kann ein Verſprechen auch durch einen Brief, oder durch ei - nen andern, in beyden Faͤllen, einem Ab - weſenden geſchehen; und es kan auch von dem, der abweſend iſt, durch ei - nen Brief, oder durch einen andern angenommen werden.

§. 404.

Von ei - nem Ver - ſprechen zu einer Abſicht.

Man kann einem andern zu einer gewiſſen Abſicht etwas verſprechen, daß naͤmlich von ihm etwas geſchehe, oder geleiſtet werde, und denn nennt man dieſes Verſprechen ein Ver - ſprechen zu einer Abſicht (promiſſio ſub modo facta, promiſſio modalis). Und weil man ſagt, die Abſicht wird erfuͤllt (mo - dus impletur), wenn dasjenige geſchiehet,um245und den Vertraͤgen uͤberhaupt. um deſſen willen etwas geleiſtet wird; und das eher geleiſtet werden muß, was verſpro - chen wird, als man thut, was man thun ſoll; und durch die Annehmung man ſich blos er - klaͤret, daſſelbe zu thun, wenn der Verſpre - chende das, was er verſprochen, wird gelei - ſtet haben; ſo darf der, dem etwas ver - ſprochen iſt, die Abſicht nicht eher er - fuͤllen, als bis das Verſprochene gelei - ſtet worden; wenn aber dieſes geſche - hen, ſo iſt er die Abſicht zu erfuͤllen verbunden, und wenn er dieſes nicht thut, ſo muß er, was er durchs Ver - ſprechen erhalten hat, wieder erſetzen. Es erhellet auch, daß dieſes gleichfalls geſchehen muͤße, wenn der, welchem etwas verſprochen worden, eher ſtirbt, als er die Abſicht erfuͤllt hat, unter welcher ihm etwas gegeben wor - den iſt.

§. 405.

Es iſt etwas Urſach an einem Ver -Vom Verſpre - chen ei - nes Jr - renden. ſprechen (cauſam promiſſo dat), wenn es der einige Grund iſt, warum etwas verſpro - chen wird, welches ſonſt nicht waͤre verſpro - chen worden. Weil in dem Falle, da der Jrrthum die Urſache am Verſprechen iſt, man annimmt, es ſey unter der Bedingung ge - ſchehen, woferne dasjenige wahr iſt, welches man durch einen Jrrthum vor wahr annimmt; folglich die Bedingung, unter welcher das Verſprechen geſchehen, nicht wuͤrcklich vor -Q 3handen;246II. Th. 7. H. Von dem Verſprechenhanden; ſo iſt ein Verſprechen, woran ein Jrrthum ſchuld geweſen, nicht guͤltig (§. 396.). Wenn aber der Ver - ſprechende nachlaͤßig geweſen iſt die Wahrheit zu erforſchen, oder ſeine Gedancken recht auszudrucken, und der, dem etwas verſprochen worden, dadurch in Schaden gebracht worden, ſo iſt derſelbe zu erſetzen (§. 270.); weil er den Schaden durch ſeine Schuld erlitten hat (§. 21.). Aus eben demſelben Grunde erhellet daß, wenn der, dem etwas verſprochen wird, die Urſach zu einem Jrrthum giebt, aber nicht zu dem Ver - ſprechen, und der Verſprecher aus die - ſem Jrrthum einigen Schaden leidet, der, dem etwas verſprochen worden, den Schaden erſetzen muß, unerach - tet das Verſprechen guͤltig iſt.

§. 406.

Vom Verſpre - chen, das mit Ge - walt, oder durch Furcht erzwun - gen wor - den.

Weil der dem andern Unrecht thut, wel - cher ihn mit Gewalt, oder durch Furcht, die er ihm eingejagt, zum Verſprechen noͤthiget (§. 385.); ſo iſt das Verſprechen, wel - ches durch Furcht, oder Gewalt er - zwungen worden, durch das Geſetze der Natur verbothen (§. 87.), und folg - lich unguͤltig. Gleichwie eine Sache, die mit Gewalt oder durch eingejagte Furcht von einem Raͤuber weggenommen worden, dem Eigenthumsherrn wiedergegeben werden muß (§. 264.); alſo darf auch ein Verſprechen,das247und den Vertraͤgen uͤberhaupt. das mit Gewalt oder durch Furcht erzwun - gen worden, nicht geleiſtet werden. Wenn jemand aus Furcht, die ihm ein ande - rer eingejagt hat, bewogen, einem, der nichts davon weiß, etwas ver - ſpricht, ſo iſt das Verſprechen guͤltig; denn weil der, dem etwas verſprochen wird, nicht davon urtheilen darf, warum man ihm etwas verſpricht (§. 78.); ſo iſt kein Grund vorhanden, warum dasjenige, was zwiſchen dieſen beyden gehandelt worden, nicht beſte - hen ſollte (§. 378. 389.). Allein weil der, welcher die Furcht eingejagt hat, ſchuld daran iſt, warum man verſprochen hat, was man ſonſt nicht wuͤrde verſprochen haben, folglich den Verſprecher vorſaͤtzlich in Schaden gebracht (§. 17.); ſo iſt er ver - bunden demſelben den Schaden zu er - ſetzen (§. 270.). Wofern aber jemand uns durch einen andern eine Furcht einjagt, daß wir ihm etwas verſpre - chen; da es ſolcher geſtalt eben ſo viel iſt, als ob er das Verſprechen ſelbſt mit Gewalt er - zwungen haͤtte; ſo iſt das Verſprechen unguͤltig. Und weil der, welchem et - was verſprochen wird, weiß, daß der Verſprecher aus Furcht, die ihm von dem andern eingejagt worden, es ver - ſpricht; ſo ſoll er das Verſprechen nicht annehmen; indem das Annehmen der Verbindlichkeit wiederſpricht, den Scha - den von andern abzuwenden (§. 269.); folg -Q 4lich248II. Th. 7. H. Von dem Verſprechenlich iſt das Verſprechen unguͤltig. Hier - zu kommt, daß derjenige, dem etwas verſpro - chen wird, indem er vor genehm haͤlt, daß dem Verſprecher eine Furcht eingejagt wor - den, ſelbſt will, daß das Verſprechen mit Gewalt erzwungen werde; und deswegen nicht weit von dem entfernt iſt, der eine Furcht einem andern einjagt, damit ihm etwas ver - ſprochen werde.

§. 407.

Ob man bey dem Verſpre - chen die Urſache deſſelben ausdruͤ - cken muͤſſe.

Weil es einig und allein auf den Willen des Verſprechers ankommt, ob er etwas ver - ſprechen will, oder nicht (§. 245.); und ver - moͤge der natuͤrlichen Freyheit er keinem Men - ſchen Rechenſchaft geben darf, warum er et - was thue (§. 78.); ſo darf nach dem na - tuͤrlichen Rechte in einem Verſprechen die Urſache deſſelben nicht ausgedruͤckt werden, warum man naͤmlich etwas ver - ſpricht.

§. 408.

Von dem Verſpre - chen we - gen ei - ner Sa - che, die man ſchon vorher ſchuldig war.

Aus eben demſelben Grunde iſt das Ver - ſprechen wegen einer Sache, die man ſchon vorher ſchuldig war, guͤltig. Man ſagt nemlich, es werde etwas we - gen einer ſchon vorher ſchuldigen Sa - che verſprochen (promittitur ob cauſam ante debitam), wenn man einem deswegen, was er zu leiſten ſchuldig iſt, etwas verſpricht, z. E. einem Boten auſſer ſeinem Lohne noch ein kleines Trinckgeld. Und weil das, was wegen einer Sache, die einer ſchon vorherſchul -249und den Vertraͤgen uͤberhaupt. ſchuldig war, verſprochen wird, ein Bewe - gungsgrund iſt, mit mehrerem Fleiße zu lei - ſten, was geleiſtet werden ſoll, und daher den andern zu deſto groͤſſerem Fleiſſe verbin - det (§. 35. 21. ); ſo iſt ein Verſprechen wegen einer Sache, die der andere ſchon vorher ſchuldig war, nichts un - nuͤtzes (§. 360.).

§. 409.

Gleichergeſtalt, weil man ſagt, der Ver -Von dem Verſpre - chen, das beſchwe - ret wird. ſprecher beſchwere das Verſprechen (onus promiſſioni adiicere), wenn er unter der Bedingung, oder in der Abſicht etwas verſpricht, daß der, welchem etwas verſpro - chen wird, ihm oder einem andern etwas da - gegen leiſten ſoll; es aber lediglich auf dem Willen des Verſprechers beruhet, unter was vor Bedingung und in was vor einer Abſicht er etwas verſprechen will (§. 393. 404. ); ſo kan der Verſprecher nach ſeinem Ge - fallen das Verſprechen beſchweren, entweder unter einer Bedingung, oder einer zuerreichenden Abſicht.

§. 410.

Hingegen ſagt man, es werde etwas beyVon dem Verſpre - chen bey Strafe. Strafe verſprochen (poena adiicitur pro - miſſo), wenn der Verſprecher ſaget, er wolle etwas geben, oder thun, wofern er ſein Verſprechen nicht haͤlt. Und alsdann heißt es ein Verſprechen bey einer Strafe (promiſſio poenalis). Das aber, was bey einer Strafe verſprochen wird, das zurQ 5Strafe250II. Th. 7. H. Von dem VerſprechenStrafe Verſprochene (promiſſum poe - nale). Es iſt aber eben wie vorher klar, daß man bey Strafe etwas verſprechen koͤnne; weil es nemlich lediglich auf dem freyen Willen des Verſprechers und desjeni - gen, dem etwas verſprochen wird, beruhet (§. 393. 381.). Es kan aber eine Strafe auf eine dreyfache Weiſe angehaͤngt werden, entweder daß es der Wahl desjenigen, dem etwas verſprochen wird, uͤberlaſſen wird, ob er die Strafe haben will, oder den Verſpre - cher das Verſprochene zu gewehren anhalten; oder daß das Verſprechen aufhoͤre, wenn die Strafe geleiſtet worden; oder daß deſſen un - geachtet der Verſprecher dennoch das Ver - ſprochene zu gewehren verbunden bleibet.

§. 411.

Von dem Verſpre - chen, was unſere Kraͤfte uͤberſtei - get. Vom Verſpre - chen ei - ner Sa - che, die einem andern zugehoͤrt.

Es iſt unmoͤglich, daß wir etwas thun, was unſere Kraͤfte uͤberſteigt. Derowegen iſt das Verſprechen unguͤltig, welches zu hal - ten unſere Kraͤfte uͤberſteiget (§. 380. 37.).

§. 412.

Und weil niemand eine Sache, die einem andern zugehoͤrt, jemanden geben kann (§. 258.), das Verſprechen aber uns verbindet das zu geben, was wir verſprechen (§. 388.); ſo kann niemand eine Sache, die einem andern zugehoͤrt, verſprechen. Wenn aber jemand etwas verſpricht, was ſei - ne werden kann, oder was er glaubt, daß es ſeine werden koͤnne, weil esſeine251und den Vertraͤgen uͤberhaupt. ſeine werden kann, oder er dieſes ver - meinet, da er in dem erſten Fall hinlaͤng - lich ſich erklaͤret, davor zu ſorgen, daß es ſei - ne werde, in dem andern aber die Unkoſten dran zu wenden, um es zu erhalten; ſo iſt er im erſten Fall verbunden ſich zu bemuͤ - hen, daß es ſeine werde, in dem an - dern aber ſo viel zu geben, als er haͤt - te anwenden muͤſſen, um es zu bekom - men, woferne er es nicht eigenthuͤm - lich erhalten kann (§. 318.). Es iſt aber vor ſich klar, daß das Verſprechen be - dingt ſey, wenn wir dem andern ver - ſprechen, er ſolle eine Sache haben, wo - ferne wir ſie bekommen werden, von welcher wir glauben, daß ſie unſer werden kan (§. 393.); folglich wir dem - jenigen, dem etwas verſprochen wor - den, zu nichts verbunden ſind, wenn wir uns bemuͤht haben, dieſelbe eigen - thuͤmlich zu erhalten, aber vetgebens (§. 396.).

§. 413.

Weil man ſein Verſprechen halten mußVon der Veraͤuſ - ſerung ei - ner ver - ſproche - nen Sa - che. (§. 388.), dieſes aber nicht geſchehen kann, wenn die verſprochene Sache veraͤuſſert wird (§. cit. und 257.); ſo iſt der Verſprecher natuͤrlicher Weiſe verbunden die ver - ſprochene Sache nicht zu veraͤuſſern. Jedoch da durch das Verſprechen das Eigen - thum derſelben auf den andern nicht gebracht wird, ſondern nur ein Recht zu derſelben (§. 335.);252II. Th. 7. H. Von dem Verſprechen335.); ſo iſt die Veraͤuſſerung, die vom Verſprecher geſchehen, guͤltig (§. 257.): Weil aber derſelbe uns nicht wieder unſern Willen ein erlangtes Recht benehmen kann (§. 100.); ſo kommt uns das Recht zu die Veraͤuſſerung zu verhindern, wenn wir wiſſen, daß der Verſprecher die verſprochene Sache veraͤuſſern will. Jm Gegentheil aber iſt klar, daß die Ver - aͤuſſerung unguͤltig iſt, wenn der Ver - ſprecher ſich erklaͤrt hat, daß er des Rechts zu veraͤuſſern ſich begebe; weil er alsdenn daſſelbe nicht mehr hat.

§. 414.

Vom Gewinn.

Der Gewinn (lucrum) wird die Sache genannt, welche zu unſern Guͤtern hinzu - kommt, ohne daß ſie dadurch vermindert wer - den, oder wodurch wir reicher werden. Man nennt Verluſt des Gewinns (ceſſare lucrum), wenn wir gehindert werden den Gewinn zu erhalten, den wir haͤtten erhalten koͤnnen. Ein gewiſſer Gewinn (lucrum certum) iſt, wenn wir genug verſichert ſind, daß wir ihn erhalten koͤnnen, oder er - halten werden: hingegen ein ungewiſſer, wenn wir dieſe Verſicherung nicht haben. Es kann aber die Groͤſſe eines gewiſſen Ge - winns noch ungewiß ſeyn. Es iſt alſo klar, daß ein gewiſſer Gewinn eine Sache ſey, die uns eigenthuͤmlich werden wird; folglich, wer uns um einen ge - wiſſen Gewinn bringet, der verhin -dert253und den Vertraͤgen uͤberhaupt. dert daß eine Sache unſer wird, wel - che es ſonſt haͤtte werden koͤnnen; folg - lich ſetzt er uns in Schaden (§. 269.); und iſt deswegen verbunden denſelben zu erſetzen (§. 270.).

§. 415.

Ein ſich ereignender Schade und der Ver -Von demjeni - gen, wor - an dem andern gelegen iſt. luſt des Gewinns zuſammengenommen, wer - den dasjenige genannt, woran dem an - dern gelegen iſt, oder ſein Jntereſſe (id, quod intereſt). Weil wir ſo wohl den Scha - den (§. 270.) als den Verluſt des Gewinns, den wir dem andern durch unſer Verſehen, oder vorſetzlicher Weiſe verurſacht haben, zu erſetzen ſchuldig ſind (§. 414.); ſo ſind wir, wenn durch unſere Schuld, es mag aus Verſehen, oder vorſetzlich geſchehen ſeyn, jemand in Schaden, oder um ſei - nen Gewinn gebracht wird, dem an - dern davor zu ſtehen ſchuldig. Jndem wir ihm ſein Jntereſſe leiſten, ſo wird er in den Stand geſetzet, als wenn er das gethan haͤt - te, was er nicht gethan hat, oder gegeben, was er nicht gegeben hat, oder der andere ſonſt an ſeinem Jntereſſe nicht waͤre gehindert worden. Weil niemand daran Urſache ſeyn ſoll, daß der andere weniger hat, als er ha - ben ſolte (§. 270.); ſo ſind wir, wenn je - mand deswegen weniger hat, als er haben ſolte, oder haͤtte haben koͤnnen, weil wir unſerer Verbindlichkeit keinGenuͤ -254II. Th. 7. H. Von dem VerſprechenGenuͤge gethan haben, ihm davor zu ſtehen ſchuldig.

§. 416.

Wenn der Ver - ſprecher davor ſte - hen muß, woran dem an - dern ge - legen war.

Wenn demnach dadurch, daß wir un - ſer Verſprechen nicht gehalten, der an - dere, dem etwas verſprochen worden, Schaden oder Verluſt ſeines Gewinns hat, z. E. wenn die verſprochene Sache mit unſerm Willen, oder Verſehen eines andern worden, ſo ſind wir ſchuldig ihm davor zu ſtehen.

§. 417.

Vom Verzuge.

Der Verzug (mora) iſt der Aufſchub deſ - ſen, was geſchehen ſolte, uͤber die Zeit, in welcher es geſchehen ſolte. Daher ſagt man einer ſey ſaumſelig, oder ſey Schuld an dem Verzuge (in mora eſt), wenn er das, was er in einer gewiſſen Zeit thun konte und ſollte, nicht thut.

§. 418.

Von der Zurech - nung des Verzugs und Rei - nigung von dem - ſelben.

Eine unvermeidliche Verhinderung (impedimentum inevitabile) wird genannt, wenn man nicht Urſache daran iſt, daß ſich ei - ne Verhinderung ereignet, oder wenn man auf keine Weiſe machen koͤnnen, daß ſie ſich nicht ereignete. Man nennet die Verhin - derung unuͤberwindlich (impedimentum inſuperabile), die, wenn ſie ſich ereignet, von uns nicht gehoben werden kann. Wenn der Verzug von einem unvermeidli - chen, oder unuͤberwindlichen Hinder - niſſe herruͤhret, ſo kann ſie uns nichtzuge -255und den Vertraͤgen uͤberhaupt. zugerechnet werden: aber wohl, wenn eine dergleichen Verhinderung nicht vorhanden (§. 3.). Derowegen da man ſaget, es reinige ſich einer vom Verzu - ge (de mora ſe purgat), wenn er erweiſet, daß er an demſelben nicht Schuld ſey; ſo muß der, welcher ſich vom Verzuge reini - gen will, erweiſen, daß er wegen einer unvermeidlichen und unuͤberwindli - chen Verhinderung nicht thun koͤnnen, was er thun ſollte.

§. 419.

Weil derjenige, der etwas gleich zu leiſtenVon dem Verzugs - Jnter - eſſe. verbunden iſt, kein Recht hat ſolches aufzu - ſchieben; welches aus der Natur der Verbind - lichkeit klar iſt (§. 37.); ſo darf niemand am Verzuge ſchuld ſeyn, oder das ver - zoͤgern, was er thun, oder geben ſoll; folglich wenn derjenige, dem wir etwas leiſten ſollen, durch den Verzug Scha - den, oder Verluſt ſeines Gewinns hat; ſo muͤſſen wir ihm davor ſtehen (§. 415.).

§. 420.

Wofern eine verſprochene SacheVon der verſpro - chenen Sache, welche unterge - het. durch einen Zufall, an dem wir keine Schuld haben, untergeht, da uns das Verderben nicht zugerechnet werden kann (§. 17.); ſo ſind wir dem, welchem wir et - was verſprochen, vor nichts zu ſtehen ſchuldig, und das Verſprechen wird zu nichte. Wenn aber die Sache durchunſer256II. Th. 7. H. Von dem Verſprechenunſer Verſehen oder vorſaͤtzlicher Wei - ſe verdirbt, oder untergehet, ſo ſind wir, da uns dieſes zugerechnet werden kann (§. 17.), dem, welchem wir etwas ver - ſprochen, davor zu ſtehen ſchuldig (§. 415.). Derowegen, wenn uns etwas ver - ſprochen wird, ſo noch nicht wuͤrck - lich iſt, ſondern erſt wuͤrcklich werden ſoll, als die Fruͤchte des zukuͤnftigen Som - mers, und es ſich durch einen Zufall zutragen ſollte, daß keine wuͤrden, ſo iſt man auch nichts ſchuldig. Es erhel - let auch daher, daß bey dem Verſprechen kuͤnftiger Sachen die Bedingung vorausge - ſetzt wird, wenn einige wuͤrcklich ſeyn wer - den, oder welches einerley iſt, dieſe ſtill - ſchweigende Ausnahme, woferne nicht gar keine ſeyn werden.

§. 421.

Von ei - ner Sa - che, die zwey - mahl ver - ſprochen worden.

Wenn einer eine Sache, welche er uns verſprochen hat, von neuem ei - nem andern verſpricht; ſo gilt, da er uns das Recht, welches wir durchs Verſpre - chen erhalten haben, nicht nehmen kann (§. 379. 100. ), das letzte Verſprechen nicht, ſondern das erſte. Da nichts im Wege ſtehet, warum wir nicht etwas zwey - mahl verſprechen koͤnten, wenn wir es zwey - mahl gewehren koͤnnen; ſo gilt in dieſem Falle das doppelte Verſprechen.

§. 422.257und den Vertraͤgen uͤberhaupt.

§. 422.

Man ſagt, derjenige hafte fuͤr dasWas das ſey, fuͤr das Gan - tze haf - ten. Gantze (in ſolidum tenetur), welcher dasje - nige, was mehreren geleiſtet werden ſollte, einem allein gantz zu leiſten ſchuldig iſt, oder das, was von mehreren zu leiſten iſt, gantz al - lein leiſten muß. Dieſes kann ſich zutragen, wenn etwas mehreren zuſammen verſprochen wird, oder wenn mehrere zuſammen einer Per - ſon eben daſſelbe verſprechen.

§. 423.

Weil es auf den Willen des VerſprechersVon ei - ner Sa - che, die mehre - ren zu - ſammen verſpro - chen wor - den. ankommt, auf was Art und Weiſe er etwas verſprechen will (§. 393.); ſo ſtehet es in ſeinem Belieben, wenn er etwas meh - rern zuſammen zugleich verſpricht, ob er einem jeden fuͤr das Gantze haften will, oder nicht; folglich muß er, indem er es verſpricht, hinlaͤnglich zu verſte - hen geben, was er will (§. 318.): Wo - ferne er keins von beyden hinlaͤnglich zu verſtehen giebt; ſo hat er ſich vor - behalten zu thun, wie es ihm gefaͤllig ſeyn wird (§. 78.). Allein wenn einer, der eine Sache mehreren zuſammen verſpricht, einem jeden vor das Gantze haftet; ſo iſt er, da das Verſprochene nicht mehr als einmahl gegeben werden darf, wenn er es einem gegeben hat, den uͤbrigen nichts weiter ſchuldig: Je - doch da daſſelbe allen zuſammen gehoͤret; ſo iſt derjenige, der es gantz bekommenNat. u. Voͤlckerrecht. Rhat,258II. Th. 7. H. Von dem Verſprechenhat, den uͤbrigen ihren Antheil zu ge - ben ſchuldig. Und weil er verbunden iſt, es einem gantz zu geben; ſo kann ein jeder von denjenigen, welchen es zuſammen verſprochen worden, das Verſproche - ne ohne Vorwiſſen der andern, ja auch wieder ihren Willen eintreiben.

§. 424.

Von zweyen oder mehrern Schul - digen.

Wenn zwey oder mehrere mit einander ei - nem oder mehrern zuſammen eine Sache ver - ſprechen, ſo daß ein jeder fuͤr das Gantze haften will, ſo werden ſie Mitſchuldige des Verſprechens (correi promittendi); und in ſo weit ſie einem oder mehreren zu - ſammen vor das Verſprochene gantz haften muͤſſen, Mitſchuldige der Schuld (cor - rei debendi) genannt. Gleichergeſtalt, wenn mehreren zuſammen eine Sache verſprochen wird, ſo daß der Verſprecher einem jeden fuͤr das Gantze haſten will, ſo nennt man die, wel - che alſo ſtipuliret haben, oder von dem an - dern verlangt, daß ihnen etwas auf dieſe Art verſprochen werde, die Mitſchuldigen des Stipulirens (correos ſtipulandi); oder wenn auf dieſe Weiſe mehrern zuſammen von freyen Stuͤcken eben dieſelbe Sache verſpro - chen worden, oder man ihnen dieſelbige aus einer andern Urſache ſchuldig iſt, ſo werden ſie mitſchuldige Glaͤubiger (correi cre - dendi) genannt. Da man eine verſprochene Sache nur einmahl zu geben ſchuldig iſt; ſo werden dadurch, daß einer von denMit -259und den Vertraͤgen uͤberhaupt. Mitſchuldigen das Verſprechen erfuͤllt, oder die Schuld abtraͤgt, alle Mit - ſchuldigen von ihrer Verbindlichkeit befreyet. Eben aus dieſer Urſache wird der Verſprecher, oder ein jeder von denen, der etwas mit den andern zuſammen vielen zuſammen verſprochen hat, von ſeiner Ver - bindlichkeit frey, wenn einer von dieſen das Verſprochene gantz erhalten hat, nemlich auf den Fall, da ſie Mitſchuldige des Stipuli - rens ſind. Ja weil ein jeder von den Mit - ſchuldigen die Sache, die nur einmahl gege - ben werden darf, gantz zu geben verbunden iſt (§. 422.); ſo kan man von einem je - den der Mitſchuldigen nach ſeinem Ge - fallen die verſprochene Sache gantz fordern, wodurch, wie wir ſchon geſehen haben, die uͤbrigen insgeſamt befreyet werden. Weil aber alle zuſammen die Sa - che, welche nur einmahl gegeben werden darf, ſchuldig ſind; ſo kann man, wenn dieſel - be von einem nicht gantz zu erhalten ſtehet, den uͤbrigen Theil von den an - dern fordern; indem derſelbe nicht eher von der Schuld befreyet iſt, als bis, was verſpro - chen worden, gantz gegeben worden; wie wir ſchon vorher erwieſen haben.

§. 425.

Der Verſprechende kann verſprechen, aufOb das Anneh - men dem Verſpre - chenden was fuͤr Art und Weiſe er will (§. 393.), und mehr Recht, als er will, kann der an - dere, dem etwas verſprochen wird, nicht er -R 2halten260II. Th. 7. H. Von dem Verſprechenbekannt werden muß, da - mit das Verſpre - chen guͤl - tig ſey.halten (§. 317.). Wenn alſo der, wel - cher einem Abweſenden etwas ver - ſpricht, will, daß das Verſprechen al - ſobald guͤltig ſey, wenn es angenom - men wird; ſo iſt es alſobald guͤltig, als es angenommen worden, obgleich die Annehmung deſſelben dem Verſprecher noch nicht bekannt worden: Wenn er aber nicht will, daß das Verſprechen gelten ſoll, als nur wenn ihm die An - nehmung deſſelben bekannt worden; ſo gilt es nicht eher, als bis ihm die Annehmung bekannt iſt. Wenn alſo der Verſprecher ſtirbt, ehe die Anneh - mung geſchehen iſt; ſo iſt im erſten Fal - le das Verſprechen guͤltig, im andern aber nicht. Aus eben demſelben Grunde kann die Annehmung auch nach dem Tode des Verſprechers geſchehen, wenn er will daß das Verſprechen, oder das, was gegeben wird, auch nach ſeinem Tode angenommen werden kann (§. 314.). Man fraget aber, was in einem zwei - felhaften Falle zu vermuthen ſey, wenn der Verſprecher ſeinen Willen nicht hinlaͤnglich erklaͤret hat? Da durch das Annehmen ein Verſprechen guͤltig wird (§. 381.); ſo iſt kein Grund da, warum er wollen ſollte, daß das Verſprechen alsdann erſt guͤltig ſeyn ſolle, wenn er die Annehmung deſſelben erfahren, wofern er dieſelbige leicht vermuthen kann. Es iſt aber ein Grund da, warum er es ſowill,261und den Vertraͤgen uͤberbaupt. will, wenn er nicht ohne Grund an der An - nehmung zweifelt. Wenn alſo der Verſpre - cher die Annehmung vermuthet; ſo nimmt man an, er habe gewollt, ſie ſolle guͤltig ſeyn, wofern ſie angenom - men wird: im entgegen geſetzten Falle aber, wenn er erfahren, daß ſie ange - nommen worden. Deswegen nimmt man ein Verſprechen, welches bloß von der Freygebigkeit herruͤhret, nach der er - ſten Entſcheidung an; nach der letzten aber dasjenige, welches beſchweret iſt. Man nennet es aber ein Verſprechen, welches von der Freygebigkeit herruͤh - ret (promiſſionem mere liberalem), wenn derjenige, dem etwas verſprochen worden, nichts wieder leiſten darf: Jm entgegen ge - ſetzten Falle wird es ein beſchwertes Ver - ſprechen (promiſſio oneroſa) genannt.

§. 426.

Eine Mittels-Perſon (miniſter) wirdVon Mittels - perſonen im Ver - ſprechen und im Anneh - men. derjenige genannt, durch den wir unſern Willen einem andern zu verſtehen geben. Da - her nennet man eine Mittels-Perſon im Verſprechen (miniſtrum promittendi) den - jenigen, durch welchen wir einem andern et - was verſprechen, oder ein von uns geſchehe - nes Verſprechen anzeigen laſſen. Ueberhaupt heißt eine Mittels-Perſon im verbind - lich machen (miniſter obligationis contra - hendæ) derjenige, durch welchen wir entwe - der auf unſerer, oder auf des andern SeiteR 3eine262II. Th. 7. H. Von dem Verſprecheneine Verbindlichkeit zuwege bringen wollen, oder auch eine getroffene Verbindlichkeit an - gezeiget wird; und endlich eine Mittels - Perſon im Annehmen (miniſter acceptan - di) derjenige, der in unſerm Nahmen das Verſprechen annehmen, oder die von uns ge - ſchehene Annehmung anzeigen ſoll. Weil eine Mittels-Perſon nicht in ihrem eigenen Nah - men, oder vermoͤge ihres Rechts handelt, ſon - dern vermoͤge des Rechts desjenigen, der ihn dazu auserleſen; ſo beruhet es auf dem Willen desjenigen, welcher ſich ſeines Dienſtes bedienet, wieviel Recht er ihm einraͤumen will (§. 314.).

§. 427.

Von Wieder - rufung des Ver - ſpre - chens.

Weil ohne Annehmung kein Verſprechen guͤltig iſt (§. 381.); ſo kann es wiederru - fen werden, ſo lange es nicht ange - nommen worden. Es wird aber das Verſprechen wiederrufen (promiſſio re - vocatur), wenn der Verſprecher ſich erklaͤret, daß er aus dem Verſprechen nichts ſchuldig feyn wolle. Daraus erhellet, daß einen, ehe das Annehmen geſchehen, das Ver - ſprechen gereuen koͤnne. Es iſt ferner klar, daß das Verſprechen wiederrufen werden koͤnne, ehe der Brief zu dem - jenigen, dem etwas darinnen verſpro - chen worden, uͤberbracht iſt. Ja wenn das Verſprechen mit dem Vorſatz ge - ſchehen, daß es nicht gelten ſoll, als wenn man erfaͤhret, daß es angenom -men263und den Vertraͤgen uͤberhaupt. men worden (§. 425.); ſo kann es ſo lange wiederrufen werden, als das An - nehmen deſſelben noch nicht bekannt worden.

§. 428.

Weil ein Verſprecher ſich der Huͤlfe einesVon dem Boten, welcher einen Brief, darinnen etwas verſpro - chen wird, uͤberbrin - gen ſoll. Boten in keiner andern Abſicht bedienet, als daß der Brief an den, dem etwas verſpro - chen wird, uͤberbracht wird; und daher es einerley iſt, ob der Bote ſelbſt, oder ein an - drer denſelben uͤberbringt; ſo wird das Ver - ſprechen, wenn der Bote ſtirbt, und ein andrer den Brief, in welchem das Verſprechen enthalten, uͤberbringt, guͤltig angenommen: Jedoch kann es ſo lange wiederrufen werden, als der Brief von einem andern demjenigen, dem etwas verſprochen wird, nicht abgegeben worden. Weil dem Verſpre - cher das Recht ſein Verſprechen zu wiederru - fen wuͤrde benommen werden, welches doch nicht geſchehen kann (§. 74.), woferne das An - nehmen ſollte guͤltig ſeyn, wenn der Brief, darinnen der Verſprecher dem andern etwas verſpricht, noch nicht abgegeben worden, ſon - dern dieſer bloß den Jnhalt deſſelben von je - manden erfahren; ſo kann die Anneh - mung nicht geſchehen, ſo lange der Brief noch nicht uͤberbracht worden, wenn man gleich den Jnnhalt deſſel - ben von jemanden erfahren hat. De - rowegen wenn der Brief verlohrenR 4gien -264II. Th. 7. H. Von dem Verſprechengienge, ſo iſt das Verſprechen nichts; folglich wenn der Verſprecher den Vor - ſatz behaͤlt, etwas zu verſprechen, muß er das Verſprechen auf eine andere ihm gefaͤllige Weiſe erneuren.

§. 429.

Von der Mittels - Perſon, die ein Verſpre - chen hin - terbꝛingt.

Die Mittels-Perſon, welche ein Verſpre - chen hinterbringt, vertritt die Stelle eines Briefes. Wenn alſo dieſelbe ſtirbt, ehe ſie das Verſprechen hinterbracht; ſo iſt das Verſprechen nichts. Und weil das Verſprechen wiederrufen werden kann, ehe der Brief abgegeben worden; folglich die Annehmung nicht geſchehen kann, wenn gleich derſelbe nach der Wiederrufung abgegeben wuͤrde; ſo kann auch ohne Vorwiſſen der Mittels-Perſon, die ein Verſpre - chen hinterbringen ſoll, daſſelbe wie - derrufen werden (§. 428.).

§. 430.

Von der Mittels - Perſon, welche im Nahmen eines an - dern et - was ver - ſpricht.

Wenn aber eine Mittels-Perſon in unſerm Nahmen etwas verſprechen ſoll, weil das Recht zu verſprechen, welches wir ihr gegeben haben, und vermoͤge welchem ſie verſpricht, ſo lange dauret, als daſſelbi - ge von uns nicht wiederrufen worden iſt; ſo kann das Verſprechen nicht ohne ihr Vorwiſſen wiederrufen werden; folg - lich bleibt daſſelbe guͤltig, wenn es gleich geſchehen, nachdem es wieder - rufen worden, dieſes aber derſelben nicht bekannt worden. Da aber eineſolche265und den Vertraͤgen uͤberhaupt. ſolche Perſon in unſerm Nahmen nichts ver - ſprechen kann, wenn ſie ſtirbt; ſo iſt das Verſprechen nichts, wenn ſie ſtirbt. Und weil wir nur ſo lange durch einen andern etwas thun koͤnnen, als wir es ſelbſt zu thun im Stande ſind; ſo iſt ein Verſprechen, welches nach unſerm Tode von einer Mittels-Perſon geſchehen, nicht guͤl - tig; als welches mit keinem Rechte geſche - hen iſt.

§. 431.

Weil das Verſprechen nach dem Tode desVom Tode des Verſpre - chers, ehe das Ver - ſprechen binter - bracht worden. Verſprechers nicht angenommen werden kann, woferne er nicht ausdruͤcklich gewolt, daß es auch nach ſeinem Tode angenommen werden koͤnne (§. 425. 318. ); ſo kann das Ver - ſprechen, wenn der Verſprecher eher ſtirbt, als der Brief abgegeben, oder das Verſprechen durch die Mittels - Perſon hinterbracht wird, nicht ange - nommen, folglich nicht guͤltig werden (§. 381.).

§. 432.

Weil es einerley iſt, ob wir etwas ſelbſt,Von der Anneh - mung, die vor dem Verſpre - chen in Briefen oder durch ei - ne Mit - tels-Per - oder durch einen andern thun; ſo kann das Annehmen durch eine Mittels-Perſon geſchehen. Und da es auch einerley iſt, wie wir es dem andern zu verſtehen geben, daß wir das Verſprechen annehmen; ſo kann ſo wohl durch einen Brief, als durch ei - ne Mittels-Perſon die Annehmung be - kannt gemacht werden. Weil auch dieR 5Anneh -266II. Th. 7. H. Von dem Verſprechenſon ge - ſchieht.Annehmung vor dem Verſprechen vorher ge - hen kann (§. 319.); ſo iſt das Verſpre - chen, wenn jemand von uns verlangt ihm etwas zu verſprechen, und wir in der Antwort in einem Briefe darein willigen, das Verſprechen gleich guͤl - tig; folglich beſteht daſſelbe, wenn gleich der Brief erſt nach unſerm Tode dem andern uͤberbracht wird. Allein da das Annehmen nicht eher geſchehen kann, als bis das Verſprechen geſchehen iſt, daß aber das Verſprechen geſchehen ſey, der andere nicht eher weiß, als bis er den Brief erhalten; ſo kan auch das Verſprechen, ſo lange als der andere den Brief noch nicht bekom - men hat, wiederrufen werden. Nemlich wenn der Brief geſchrieben worden, ſo kann das Verſprechen noch wiederrufen werden; durch den Tod des Verſprechers aber wird es unwiederruflich. Es iſt leicht klar, daß eben dieſes gilt von der Mittels-Perſon ein Verſprechen anzunehmen, als welche die Stelle eines Briefes vertritt.

§. 433.

Von dem uns ge - thanen Verſpre - chen, daß einem andern etwas geleiſtet werden ſolle.

Wenn jemand mir verſpricht, daß er einem andern etwas leiſten wolle, und ich nehme es an, der raͤumet mir das Recht ein ihn dazu anzuhalten, daß er es leiſte, wenn der andere es an - nimmt (§. 361.). Weil aber der andere dadurch, daß ich es annehme, kein Recht er - halten hat (§. 381.); das Recht aber, welchesich267und den Vertraͤgen uͤberhaupt. ich erhalten habe, mir nicht genommen wer - den kann (§. 100.), ich aber wohl deſſelben mich begeben (§. 342.); ſo kann das Ver - ſprechen, ehe der andere es angenom - men, zwar nicht wiederrufen werden, ich aber kann mich deſſelben begeben. Und weil ich will, daß das Verſprechen gel - ten ſoll, wenn ich es dem andern be - kannt mache; ſo verſpreche ich ihm wenig - ſtens ſtillſchweigend, wenn er es annimmt, davor zu ſorgen, daß das Verſprechen gehal - ten werde; folglich werde ich durch des andern Annehmen demſelben verbun - den, davor zu ſorgen, daß das Ver - ſprechen gehalten werde (§. 380.), oder mein Recht, den Verſprecher dazu an - zuhalten, dem andern abzutreten (§. 338. 342.).

§. 434.

Wer nicht zu einer Mittels-Perſon auser -Von der Anneh - mung die fuͤr einen dritten ge[ſ]che - hen. leſen worden das Verſprechen anzunehmen, der kann auch, weil er kein Recht dazu hat, im Nahmen eines andern nichts annehmen. Wenn ich demnach in des andern Ge - genwart dem dritten etwas verſpreche, und er iſt nicht als eine Mittels-Per - ſon erwaͤhlet worden das Verſprechen anzunehmen; ſo gilt ſein Annehmen nichts, und ich bin aus dem Verſpre - chen dem dritten nichts ſchuldig (§. 381.). Wenn ich will daß der ande - re im Nahmen des dritten es anneh -men268II. Th. 7. H. Von dem Verſprechenmen ſoll; ſo erklaͤre ich mich eben dadurch, daß ich das Annehmen des andern fuͤr die An - nehmung des dritten, woferne er will, halten wolle; folglich kann das Verſprechen von mir nicht wiederrufen werden. Weil aber die Guͤltigkeit des Verſprechens nicht auf dem Willen des andern, ſondern des dritten beruhet, dem etwas verſprochen wird; ſo kann der andere daſſelbe wehrender Zeit nicht erlaſſen; weil er durch das Ver - ſprechen kein Recht erhalten, welches er er - laſſen koͤnnte.

§. 435.

Wenn dasjeni - ge, womit das Ver - ſprechen zum Vor - theil ei - nes drit - ten be - ſchweret worden, wieder - rufen werden kann.

Wenn ein Verſprechen zum Vor - theil eines dritten beſchweret wird, kann daſſelbe, womit es beſchweret worden, wiederrufen werden, ehe er es angenommen. Denn der dritte hat kein Recht, ehe er daſſelbe angenommen hat (§. 316.), und das Verſprechen wird beſchwe - ret entweder als unter einer Bedingung, oder als in einer gewiſſen Abſicht; folglich ſo lan - ge es von dem dritten nicht angenommen wor - den, ſteht es bey uns, ob wir das Verſpre - chen von der Beſchwerde befreyen wollen (§. 342.), und das Verſprechen in ein anderes verwandeln, dabey keine Bedingung, oder damit verknuͤpfte Abſicht vorhanden (§. 393.); folglich kann die Beſchwerde erlaſſen werden (iſt wiederruflich, onus revocabile eſt), ſo lange die Annehmung von dem dritten noch nicht geſchehen.

§. 436.269und den Vertraͤgen uͤberhaupt.

§. 436.

Wenn ein Verſprechen unguͤltig iſt,Wenn der Ver - ſprecher ein un - guͤltiges Verſpre - chen hal - ten will. und der Verſprecher will daſſelbe den - noch halten; da es hier lediglich bey ihm ſteht, ob er etwas dem andern leiſten will, oder nicht (§. 314. 328. ), oder etwas ver - ſprechen (§. 385.); ſo muß er entweder dasjenige leiſten, was verſprochen wor - den, oder es iſt ein neues Verſprechen noͤthig, welches, eben weil es neu iſt, auf eine jede von der vorigen unterſchiede - ne Art und Weiſe geſchehen kann (§. 393.).

§. 437.

Ein bloſſes Abreden (conventio) iſt eineVon dem, was man mit einander abredet. Handlung, durch welche zwey oder mehrere etwas beſchlieſſen, oder etwas zu thun, oder zu unterlaſſen mit einander eines werden. De - rowegen da niemand ſich dem andern anders als durch Verſprechen verbindlich machen kann (§. 380.); ſo kann dadurch, daß man mit einander etwas abgeredet, alſo durch die Conventionen, keine Ver - bindlichkeit entſtehen, ſondern bloß in dem Falle, wenn ein Verſprechen dazu kommt.

§. 438.

Wennn zwey oder mehrere zuſammen inVon den Vertraͤ - gen. ein Verſprechen oder in mehrere einwilligen, heißt es ein Vertrag (pactum oder pactio). Da die Verſprechen gehalten werden muͤſſen (§. 388.); ſo muͤſſen auch die Vertraͤgegehal -270II. Th. 7. H. Von dem Verſprechengehalten werden. Weil alſo die Ver - traͤge alle Kraft zu verbinden von den Ver - ſprechen haben (§. 380.); ſo muß dasjeni - ge, was wir vom Verſprechen bewie - ſen haben, auch von den Vertraͤgen verſtanden werden.

§. 439.

Vom ausdruͤck - lichen Vertrage und vom ſtill - ſchwei - genden.

Einen ausdruͤcklichen Vertrag (pa - ctum expreſſum) nennet man denjenigen, welcher durch eine ausdruͤckliche Einwilligung gemacht wird; einen ſtillſchweigenden aber (tacitum), der auf einer ſtillſchweigenden Ein - willigung beruhet. Jn den ausdruͤckli - chen Vertraͤgen iſt ſtillſchweigend ent - halten, was aus dem, ſo ausdruͤcklich geſaget wird, durch eine nothwendige Folge flieſſet (§. 27.). Man ſagt aber, eine Bedingung ſey an und vor ſich ſelbſt in einem Vertrage oder in einem Verſprechen enthalten (conditio per ſe ineſſe), wenn ohne dieſelbe die Lei - ſtung desjenigen, was verſprochen worden, nicht moͤglich iſt; als wenn ich ſage: ich will dir die Koſten zur Erlangung der Doctor - Wuͤrde geben; und die Bedingung, wel - che an und vor ſich ſelbſt in einem Ver - trage, oder Verſprechen enthalten iſt, wird fuͤr eine ausdruͤcklich hinzugeſetz - te gehalten.

§. 440.

Vom Vertrag

Einen Vertrag auf eine zeitlang (pactum temporarium) nennet man denjeni -gen,271und den Vertraͤgen uͤberhaupt. gen, deſſen Dauer auf eine gewiſſe Zeit ein -der auf eine zeit - lang und auf ewig geſchloſ - ſen wor - den. geſchraͤncket wird. Ein ewiger Vertrag (pactum æternum) iſt derjenige, deſſen Dauer niemahls aufhoͤren ſoll, das iſt, ſo lange Per - ſonen vorhanden ſind, welche durch denſelben ein gewiſſes Recht erlangt. Weil es wieder - ſprechend iſt, ſowohl die Vertraͤge auf ei - ne zeitlang, als die ewigen auf die Per - ſonen, die den Vertrag machen, einzuſchraͤn - cken; ſo ſind beyde nicht perſoͤnliche Vertraͤge, ſondern Vertraͤge, welche die Sache angehen (§. 401.). Die auf eine zeitlang gemachte Vertraͤge aber verbinden nicht mehr, wenn die Zeit verfloſſen, auf welche ſie gemacht worden (§. 317.).

§. 441.

Ein Vertrag wird erneuret (pactumVon der Erneu - rung ei - nes Ver - trages. renovatur), wenn die, ſo ihn gemacht, mit einander eines werden, daß er uͤber die Zeit, auf welche er gemacht worden, noch bis auf eine gewiſſe Zeit fortdauren ſolle. Wenn alſo ein Vertrag, der auf eine zeitlang gemachet worden, nicht aufhoͤren ſoll, ſo bald die Zeit geendiget (§. 440.); ſo muß er erneuret werden. Weil aber nicht mehr der vorige Vertrag verbleibet, wenn etwas in dem, was geleiſtet werden ſoll, veraͤndert wird, ſondern man einen neuen macht; ſo muß in der Erneurung eines Vertrages nichts geaͤndert werden in dem, was geleiſtet werden ſoll. Es er -hellet272II. Th. 7. H. Von dem Verſprechenhellet aber leicht, daß es lediglich auf den Willen dererjenigen, die einen Vertrag gemacht, beruhe, ob ſie denſelben er - neuren, oder einen neuen machen wol - len (§. 393.). Da diejenigen, die den Ver - trag gemacht, bey der Erneuerung in die Fort - ſetzung deſſelben einwilligen muͤſſen (§. 437.); derjenige aber ſtillſchweigend einwilliget, wel - cher leidet, daß nach Endigung eines auf ei - ne zeitlang gemachten Vertrags etwas von dem andern Theile geſchiehet, welches doch nicht anders als vermoͤge des Vertrags ge - ſchehen kann (§. 27.); ſo wird ein Ver - trag ſtillſchweigend erneuret, wenn mit Vorwiſſen des andern und ohne daß er widerſpricht, der eine nach En - digung des Vertrags etwas thut, wel - ches nicht anders als vermoͤge des Ver - trags geſchehen konnte, oder auch wenn der andere dergleichen vor ge - nehm haͤlt; z. E. wenn er etwas an - nimmt, welches nicht anders als ver - moͤge des Vertrags gegeben werden konnte. Weil aber in einer ſtillſchweigen - den Erneurung die Zeit nicht ausdruͤcklich angezeiget wird, auf welche er erneuret wer - den ſoll; ſo verſtehet ſichs, daß er auf ſo lange Zeit erneuret worden, als in dem gemachten Vertrage ausdruͤcklich beniemet worden. Wenn man aber gleich im Anfang mit einander eines wird, daß der Vertrag laͤnger als bisauf273und den Vertraͤgen uͤberhaupt. auf die geſetzte Zeit dauren ſoll, wo - fern nicht in einer beſtimten Zeit der eine Theil dem andern den Vertrag aufſaget; ſo verbleibet derſelbe nach dem, was anfangs abgeredet worden, ſo lange, bis er aufgehoben wird (§. 438.); folglich wird er nicht erneuret (§. 441.).

§. 442.

Man ſagt, es gehe der vom Vertra -Wenn es erlaubet iſt von einem Vertrage abzuge - hen. ge ab (a pactu diſcedit), welcher das nicht leiſten will, wozu er vermoͤge des Vertrags verbunden iſt. Derowegen da man Gegen - leiſtungen nennet (præſtationes mutuae), wann einer dem andern etwas leiſtet, und der andere im Gegentheil ihm wieder etwas leiſten muß; folglich bey Gegenleiſtungen die Leiſtung des einen die Leiſtung des andern als eine zuerfuͤllende Bedin - gung vorausſetzet (§. 315.); ſo iſt auch, wenn der eine Theil nicht leiſten will, was er zu leiſten ſchuldig iſt, oder vom Vertrag abgehet, da der andere Theil ſolchergeſtalt auch nicht verbunden iſt das zu leiſten, was er ſchuldig war (§. 396.), dem - ſelben erlaubt von dem Vertrage ab - zugehen. Jedoch da der andere verbunden iſt den Vertrag zu halten (§. 438.), und wir daher das Recht haben ihn dazu anzuhalten (§. 379.), welches uns wider unſern Willen nicht benommen werden kann (§. 100.); ſo ſtehet uns noch frey, wofern wir vomNat. u. Voͤlckerrecht. SVer -274II. Th. 7. H. Von dem VerſprechenVertrage abgehen wollen, den andern dazu anzuhalten, was er vermoͤge des Vertrags zu leiſten ſchuldig iſt. Da wir nun aber, vermoͤge deſſen, was erwieſen worden, das Recht haben vom Vertrage ab - zugehen; ſo handeln wir nicht wider Treue und Glauben, wenn wir des - wegen vom Vertrage abgehen, weil der andere zuerſt davon abgegangen (§. 389.). Und weil es ſolchergeſtalt alsdenn bey uns ſtehet, ob wir den Vertrag wollen gelten laſſen, oder nicht; ſo ſind wir nicht gehalten, wenn es den andern gereuet, der zuerſt abgegangen, und er will den - ſelben gelten laſſen, dieſes anzuneh - men. Weil der Grund, warum es erlaubt iſt von einem Vertrage abzugehen, nicht vor - handen, wenn einer wider Treue und Glauben in einem andern Vertrage vorher gehandelt; ſo iſt auch deswe - gen von einem andern Vertrage, als jenem, abzugehen nicht erlaubt.

§. 443.

Wenn je - mand von ei - nem Ver - trag als - dann ab - gehet, wenn vermoͤge deſſelben ſchon et -

Wenn ein anderer alsdenn vom Ver - trag abgehet, wenn wir ihm ſchon et - was geleiſtet haben; wir aber dadurch vorſaͤtzlich in Schaden geſetzt wuͤrden, wenn wir verbunden waͤren den Verluſt deſſelben uͤber uns zu nehmen (§. 17. 269. ); ſo muß er uns, wenn wir gleichfalls abgehen, was gegeben worden, wiedergeben, oder der Werth deſſelben erſetzetwerden275und den Vertraͤgen uͤberhaupt. werden (§. 270.). Jm Gegentheil wenn derwas ge - leiſtet worden. andere ſchon uns etwas geleiſtet hat, in - dem er vom Vertrage abgehet; da er durch ſeine eigene Schuld Schaden leidet, und ich mich ihm nicht verbunden etwas zu leiſten, als nur dann, wenn das, was er verſprochen hat, gantz geleiſtet worden; ſo bin ich nicht ſchuldig ihm etwas wie - der zu erſetzen. Er leidet die Strafe ſei - ner Untreue (§. 390.). Wenn ich aber dasjenige gantz geleiſtet habe, was ich nach dem Vertrage zu leiſten ſchuldig war; da von meiner Seite der Vertrag er - fuͤllet worden, und ich nicht mehr von dem - ſelben abgehen kann (§. 442.); ſo iſt noth - wendig, daß ich den andern auch zu Erfuͤllung des Vertrags anhalte, wann ich nicht mein Recht erlaſſen (§. 337. 342. ) und damit zufrieden ſeyn will, daß dasjenige, was geleiſtet wor - den, wieder erſetzet werde. Wenn endlich von beyden Seiten gleich viel geleiſtet worden, da man alsdann nicht ſagen kann, daß der andere mit unſerm Schaden vom Vertrage abgehet, und alſo uns etwas zu erſetzen ſchuldig ſey (§. 270.); ſo iſt er auch uns, wenn wir abgehen, nichts ſchuldig.

§. 444.

Man ſagt, ein Vertrag werde aufge -Wenn der Ver - trag auf - gehoben wird. hoben (pactum diſſolvitur), wenn diejeni - gen, die ihn gemacht haben, von der Ver -S 2bindlich -276II. Th. 7. H. Von dem Verſprechenbindlichkeit, die daraus erwachſen, entlediget werden. Wenn demnach der Vertrag aufgehoben wird, ehe noch vermoͤge deſſelben etwas geleiſtet worden; ſo iſt es eben ſo viel, als ob er niemals ge - macht worden waͤre. Weil ein jeder ſich ſeines Rechtes begeben kann (§. 342.); folg - lich den andern von ſeiner Verbindlichkeit be - freyen (§ 337.); ſo koͤnnen Vertraͤge mit beyderſeitiger Einwilligung wieder aufgehoben werden. Und weil der vo - rige Vertrag nicht beſtehen kann, wenn ein neuer, der demſelben entgegen iſt, gemacht wird; ſo wird durch einen neuen Ver - trag, der dem vorigen entgegen iſt, der vorhergehende aufgehoben: nem - lich die beyderſeitige Einwilligung, durch wel - che der vorhergehende Vertrag aufgehoben wird, iſt ſchon an ſich in der beyderſeitigen Einwilligung in den neuen enthalten (§. 438.).

§. 445.

Von dem geſchrie - benen Vertra - ge.

Weil die Vertraͤge durch beyderſeitige Ein - willigung gemacht werden (§. 438.); ſo iſt der Vertrag gleich guͤltig, ſo bald bey - de Theile ihre Einwilligung gegeben; folglich gilt er natuͤrlicher Weiſe, ehe er aufgeſchrieben wird. Nemlich ein Ver - trag wird nicht der Guͤltigkeit, ſondern des Beweiſes wegen aufgeſchrieben, damit man dasjenige beweiſen kann, was in demſelben verſprochen worden, oder woruͤber man mit einander uͤbereinkommen. Allein da es aufden277und den Vertraͤgen uͤberhaupt. den Willen derjenigen ankommt, die den Ver - trag machen, wenn ihre Einwilligung vor un - veraͤnderlich gehalten werden ſoll; ſo koͤnnen ſie mit einander ausmachen, daß der Vertrag nicht eher gelten ſoll, als bis er aufgeſchrieben und unterſchrieben, oder auch geſiegelt worden.

§. 446.

Da wir uns durch den Eyd verbinden dieVon dem beſchwo - renen Vertra - ge. Wahrheit zu ſagen (§. 368.); ſo iſt klar, daß, wenn wir etwas eydlich verſprechen, wir durch den Eyd bloß beweiſen, daß wir den Vorſatz haben, das zu leiſten, was wir verſprechen, und in dieſem Vorſatze verharren wollen; folglich bringt der Eyd keine neue Verbind - lichkeit etwas zu leiſten hervor, und wenn er alſo zu einer Handlung, die nichr verbindlich iſt, hinzukommt, ſo kann er ſie nicht verbindlich machen. Jedoch in ſo fern wir den andern unſerer Treue nachdruͤcklicher verſichern (§. 389. 368. ); ſo wird es fuͤr ſchaͤndlicher gehalten wieder Treue und Glauben, ſo man beſchworen hat, zu handeln, als wenn man nicht geſchworen hat.

§. 447.

Weil wir durch den Vertrag das RechtVon dem Recht des Krie - ges, wel - ches aus dem Ver - erlangen, den andern, der ihn nicht halten will, mit Gewalt dazu anzuhalten, daß er das leiſte, woruͤber man mit einander eines worden (§. 438. 379. ); die gewaltſame Be -S 3hauptung278II. Th. 8. H. Von der Erſitzungtrage er - waͤchßt.hauptung ſeines Rechts aber der Krieg iſt (§. 98.); ſo hat der Menſch ein Recht zum Kriege wider denjenigen, der den Vertrag nicht halten will. Wenn je - mand den Vertrag bricht; und folglich das Gegentheil davon thut, woruͤber man im Vertrage mit einander eines worden; ſo han - delt er wider das vollkommene Recht des an - dern, welches er durch den Vertrag erhalten hatte (§. 97.), und thut deswegen ihm un - recht (§. 87.). Weil nun das Unrecht, das einem angethan worden, eine rechtmaͤßige Ur - ſache des Krieges iſt (§. 98.); ſo iſt die Verletzung der Vertraͤge eine recht - maͤßige Urſache des Krieges.

Das achte Hauptſtuͤck.

Von Erlangung des Eigenthums einer bloß beſeſſenen Sache und von der Verjaͤhrung.

§. 448.

Wenn eine Sa - che, die einem andern zugehoͤ - ret, des - jenigen wird, der ſie beſi - tzet.

Wer eines andern Sache beſitzt, der hat ſich dieſelbe zugeeignet (§. 200.). Derowegen wenn der Ei - genthumsherr dieſelbe verlaͤßt, ſo ge - hoͤret ſie demjenigen gleich zu, der ſie beſitzet (§. 219.); folglich kann ſie von dem alten Eigenthumsherrn, der auf - gehoͤret hat Eigenthumsherr zu ſeyn (§. 203.), von dem Beſitzer ſich nicht wieder zu -geeignet279und der Verjaͤhrung. geeignet werden (§. 262.). Hieraus er - hellet, daß in dieſem Falle das Eigenthum nicht durch den Beſitz erhalten wird, ſondern durch die urſpruͤngliche Art etwas eigenthuͤm - lich zu erhalten, nemlich durch die Zueignung einer Sache, die niemanden zugehoͤret (§. 210.).

§. 449.

Weil die menſchlichen Geſchaͤfte einen Aus -Von der Noth - wendig - keit der Vermu - thung in menſch - lichen Geſchaͤf - ten. gang gewinnen muͤſſen, und dem menſchlichen Geſchlechte daran gelegen iſt, daß die erlang - ten Rechte und zugezogene Verbindlichkeiten gewiß ſind; ſo wird dasjenige, was in ei - nem zweifelhaften Falle, wo keine Ge - wißheit zu haben, vermuthet wird, in den menſchlichen Geſchaͤften wider denjenigen vor wahr gehalten, wider den die Vermuthung geſchiehet. Und gewiß wenn man dasjenige vor wahr haͤlt, wovor ſich einer hinlaͤnglich erklaͤret (§. 318.), unerachtet es geſchehen koͤnte, daß er luͤgt (§. 351.), vermuthet man alsdann nicht, daß er die Wahrheit ſage? Ja wenn man ei - nem, der geſchworen hat, glaubet, ob es gleich geſchehen koͤnte, daß er falſch ſchwoͤre (§. 371.), vermuthet man nicht, er habe nicht falſch geſchworen? Daher vermuthet man die Wahrheit deſſen, was geſagt worden, in dem Verſprechen, und folg - lich in den Vertraͤgen (§. 438.), ohne welcher nichts guͤltig verſprochen wer - den konnte.

S 4§. 450.280II. Th. 8. H. Von der Erſitzung

§. 450.

Von der Erlan - gung ei - nes Ei - gen - thums aus einer vermu - theten Verlaſ - ſung.

Daher folget nun, daß, woferne man nicht gewiß ausmachen kann, wenn daran gelegen iſt, daß man gewiß wiſ - ſe, ob der Eigenthumsherr das ihm zugehoͤrige verlaſſen habe, dennoch aber die Verlaſſung vermuthet wird, man vor wahr anzunehmen habe, daß er ſie verlaſſen (§. 449.); und folglich die Sache dem Beſitzer gehoͤre (§. 448.); nemlich nicht deswegen, weil er ſie beſitzet, ſondern weil die Sache, die er beſitzet, fuͤr eine keinem andern zugehoͤrige gehalten wird (§. 203.), und er ſich dieſelbe zugeeignet hat (§. 448.).

§. 451.

Was die Erſitzung oder die Erlan - gung ei - ner bloß beſeſſe - nen Sa - che ſey, und wie dieſelbe geſchie - het.

Die Erlangung des Eigenthums aus der Vermuthung, daß ſie von dem Eigenthums - herrn ſey verlaſſen worden, nennet man die Erlangung des Eigenthums einer bloß beſeſſenen Sache, oder mit einem Worte die Erſitzung (uſucapio). Wenn man aber in den buͤrgerlichen Rechten ſaget, daß eine Sache durch den Beſitz unſer eigen werde, wenn er bis auf eine in den Geſetzen beſtimmte Zeit in einem fortgedauret hat; ſo wird durch das buͤrgerliche Geſetze nichts anders als die Art und Weiſe beſtimmet, die Verlaßung einer Sache zu vermuthen, und dieſe iſt bloß buͤrgerlichen Rechtes. Gewiß, da niemand zweifeln kann, daß durch den bloſſen Beſitz kein Eigenthum erhalten wer -den281und der Verjaͤhrung. den kann (§. 200.), noch auch die Zeit die Kraft hat, einen Beſitz zu Erlangung des Eigenthums faͤhig zu machen; ſo kann durch einen Beſitz, wenn er auch noch ſo lange gedauret hat, natuͤrlicher Weiſe kein Eigenthum erlangt werden. Da uͤbrigens auch unkoͤrperliche Sachen eigen - thuͤmlich werden koͤnnen (§. 206.); ſo koͤn - nen eben ſo wohl unkoͤrperliche, folg - lich auch das Recht zu einer Sache (§. 121. 335. ), als koͤrperliche Sachen, die man bloß im Beſitz hat, des Beſitzers eigen, oder erſeſſen werden.

§. 452.

Die Verjaͤhrung (præſcriptio) iſt derVon der Verjaͤh - rung. Verluſt eines eigenen Rechts, wegen einer vermutheten Einwilligung. Weil demnach derjenige, von welchem man vermuthet, er habe eine Sache verlaſſen, die Vermuthung wieder ſich erreget, daß er das Eigenthum (§. 203.), und folglich das Recht ſich die Sache wieder zuzueignen verlohren habe (§. 262.); ſo wird, wenn eine bloß beſeſſe - ne Sache eigenthuͤmlich oder erſeſſen wird, ſowohl das Eigenthum als auch das Recht die Sache ſich wieder zuzu - eignen, dem Eigenthumsherrn ver - jaͤhret. Man pflegt zwar heute zu Tage ſo wohl die Verjaͤhrung, als die Erſitzung eine Verjaͤhrung zu nennen: es iſt aber rathſamer, daß dieſelben in dem Rechte der Natur von einander unterſchieden werden; vornaͤmlich daS 5dieſer282II. Th. 8. H. Von der Erſitzungdieſer Unterſchied auch etwas dazu beytraͤgt das Roͤmiſche Recht genauer zu verſtehen. Daß aber die Verjaͤhrung natuͤrlichen Rechtes ſey, erhellet aus eben dem Grun - de, aus welchem wir die Erſitzung erwieſen haben (§. 449. u. f.). Und es iſt nicht weni - ger offenbahr, daß derjenige von ſeiner Verbindlichkeit befreyet werde, wel - cher einem andern ſein Recht zu dem verjaͤhret, was er ihm zu leiſten ſchul - dig war.

§. 453.

Von der Vermu - thung.

Es iſt aber hier zu mercken, daß, da die Vermuthung darinnen beſtehet, daß man aus wahrſcheinlichen Gruͤnden eine zweifelhafte Sache in einem einzelnen Fall vor gewiß an - nimmet (§. 27.), und daher dasjenige, was vermuthet wird, falſch ſeyn kann, das Vermuthete ſo lange vor wahr gehal - ten wird, bis das Gegentheil bewie - ſen worden. Und weil jeder vor wahr - ſcheinlich annimmt, daß vielmehr dasjenige geſchehen werde, was mehrentheils geſchiehet, als was ſeltener vorfaͤllt, wofern nicht beſon - dere Urſachen das Gegentheil anzunehmen vorhanden; ſo wird dasjenige vermu - thet, was gewoͤhnlicher Weiſe zu ge - ſchehen pfleget, nicht aber was ſelte - ner geſchieht, wofern keine beſondere Gruͤnde das Gegeentheil anzunehmen da ſind. Man theilet die Vermuthung in eine bedingte und in eine unbedingte ein. Dieunbe -283und der Verjaͤhrung. unbedingte Vermuthung (præſumtio abſoluta) iſt diejenige, da das Geſetz befiehlt, dasjenige vor wahr zu halten, was vermu - thet wird; die bedingte aber (conditiona - lis) iſt diejenige, nach welcher das, was ver - muthet wird, ſo lange vor wahr zu halten iſt, bis das Gegentheil bewieſen worden. Die un - bedingte Vermuthung kommt mit derjenigen uͤberein, welche von den Auslegern des buͤr - gerlichen Rechts die rechtliche Vermu - thung, oder die Vermuthung von Rechtswegen (præſumtio juris & de ju - re) genennet wird: die bedingte aber mit der - jenigen, welche von denſelben die Vermu - thung des Rechts (præſumtio juris) ge - nennet wird. Es fuͤgen zwar einige noch die dritte Art hinzu, welche ſie die Vermu - thung eines Menſchen nennen (præſum - tionem hominis), welche von einem Men - ſchen, z. E. von einem Richter geſchiehet, wenn das Geſetz es nicht gewiß machet, daß ſo etwas vermuthet werden ſolte. Weil aber in dem Rechte der Natur alle Vermu - thungen, die der Vernunft gemaͤß ſind, auch genehm gehalten werden; ſo iſt die Vermu - thung des Rechts von der Vermu - thung eines Menſchen nicht verſchie - den. Jm Rechte der Natur aber iſt der Unterſchied der Vermuthung des Rechts und der Vermuthung von Rechtswegen gegruͤn - det; nemlich daß etwas, was vermuthet wird, entweder ſo lange vor wahr gehaltenwerde,284II. Th. 8. H. Von der Erſitzungwerde, bis das Gegentheil bewieſen iſt, oder ſchlechterdinges vor wahr gehalten werde; dergleichen die Vermuthung der Wahrheit desjenigen iſt, was der ſagt, welcher in den Verſprechungen die Wahrheit zu ſagen ver - bunden iſt (§. 449.).

§. 454.

Von der Einthei - lung des Tituls.

Ein rechmaͤßiger Titul (titulus juſtus) iſt derjenige, wodurch ein Recht zu erlangen bloß moͤglich iſt, zum Exempel das Eigen - thum: nicht aber wuͤrcklich erlangt wird, als wenn jemand eine Sache kauft; weil er ſie auch von einem der nicht der Eigenthumsherr iſt, haͤtte kaufen koͤnnen. Daher ſagt man, es habe einer einen rechtmaͤßigen Titul (titulum juſtum habere), wenn der Be - ſitzer den Beſitz durch eine ſolche Handlung erhalten hat, durch welche, nach der Beſtim - mung des Geſetzes, das Eigenthum von einem Eigenthumsherrn auf einen andern gebracht werden kann. Wenn dieſe Handlung ihre Richtigkeit hat; heiſſet es ein wahrer Titul (titulus verus). Wenn jemand glaubt, die Handlung habe ihre Richtigkeit, da es doch nicht iſt, als wenn einer glaubt, eine Sache ſey ihm geſchenckt, da es doch nicht ſo iſt; ſo heißt es ein vermeinter Titul (titulus pu - tativus). Wenn aber die Handlung zwar ih - re Richtigkeit hat, einer irret ſich aber darin - nen, daß er vermeint, es koͤnne durch eine ſolche Handlung ein dergleichen Recht erhal - ten werden, als zum Exempel, durch das Fin -den285und der Verjaͤhrung. den einer verlohrenen Sache, das Eigen - thum; ſo heißt es ein falſcher Titul (titu - lus falſus). Daher erhellet, daß ein recht - maͤßiger Titul eine mittlere Art ſey zwiſchen einem wahren und falſchen. Denn er hat ei - nen Theil von einem wahren Titul, in ſo weit die Handlung zwar ihre Richtigkeit hat, zum Exempel, daß man die Sache gekauft habe, dennoch aber nicht gewiß iſt, ob das uͤbrige erforderliche, das Eigenthum auf einen andern zu bringen, vorhanden; zum Exempel, daß man es vom Eigenthumsherrn gekauft habe. Uebrigens wird der Titul auch in einen vor - theilhaften und beſchwerlichen (lucra - tivum & oneroſum) eingetheilet, in ſo fern als das Geſetz, welches anzeiget, daß wir durch unſere Handlung einiges Recht erhal - ten, uns entweder zu nichts oder zu etwas dargegen verbindet.

§. 455.

Da man das, was gewoͤhnlich iſt, vermu -Wie ein gewiſſen - hafter Beſitz er - halten wird. thet (§. 453.); ſo vermuthet man, daß jeder Beſitzer der Eigenthumsherr ſey, woferne nicht wahrſcheinliche Gruͤn - de zum Gegentheil vorhanden, und dieſe Vermuthung iſt um ſo viel groͤſ - ſer, wenn es gewiß iſt, daß er einen rechtmaͤßigen Titul des Beſitzes hat (§. 454.). Hieraus erhellet ferner, daß der - jenige, der eine Sache von einem ver - muthlichen Eigenthumsherrn, folglich von einem jeden Beſitzer, bey welchemman286II. Th. 8. H. Von der Erſitzungman keine wahrſcheinliche Gruͤnde an - bringen kann, warum ſein Eigenthum verdaͤchtig ſeyn ſolte, durch einen rechtmaͤßigen Titul erhalten hat, dieſelbe mit gutem Gewiſſen beſitze (§. 201.).

§. 456.

Vom rechtmaͤſ - ſigen und unrecht - maͤßigen Beſitz.

Man nennet aber einen rechtmaͤßigen Beſitz (poſſeſſionem juſtam), bey welchem man einen rechtmaͤßigen Titul und ein gutes Gewiſſen antrift: wenn aber eines von bey - den fehlet, ſo iſt der Beſitz unrechtmaͤſ - ſig (poſſeſſio injuſta). Ein Beyſpiel im letz - ten Falle iſt dieſes: Wenn einer weiß, daß er eine Sache nicht von dem Eigenthums - herrn gekauft habe: im erſten Falle aber, wenn einer glaubt, er habe ſie von dem Ei - genthumsherrn gekauft, oder geſchenckt be - kommen.

§. 457.

Von der Befoͤrde - rung der Gewiß - heit des Eigen - thums.

Weil wir einen jeden Schaden ſowohl von uns, als von andern abwenden ſollen (§. 269.); ſo muß keiner nachlaͤßig, folglich jeder fleißig ſeyn (§. 21.) nachzuforſchen, ob etwan von dem, was ihm gehoͤret, etwas in eines andern Gtwalt kom - men ſey, wie auch nach den Rechten, die ihm zukommen, und ſich in acht nehmen, daß unter den Sachen, wel - che er beſitzet, keine angetroffen wer - de, die einem andern zugehoͤret; folg - lich ſich bemuͤhen, daß er von dem Ei -genthu -287und der Verjaͤhrung. genthume deſſen, was er beſitzet, Ge - wißheit habe, und das Eigenthum andern nicht ungewiß bleibe. Dero - wegen giebt das Geſetze der Natur dem Menſchen auch das Recht dazu, ohne welches die Gewißheit des Eigen - thums nicht erhalten werden kann (§. 46.). Es erhellet aber hieraus zugleich, daß, wenn einer weiß, eine ihm zugehoͤrige Sache habe ein anderer im Beſitze, und er will dieſelbe nicht verlaſſen, er nicht ſchweigen muͤſſe.

§. 458.

Weil derjenige, welcher weiß, daßVon der Vermu - thung ei - ner Ver - laſſung aus ei - ner wuͤrckli - chen Hand - lung. die Sache ihm zugehoͤre, und doch et - was thut, was er nicht thun koͤnnte, wenn er wolte, daß ſie ſeine ſeyn ſoll - te; als wenn er mit dem Beſitzer einen Ver - trag macht, eben als wenn die Sache dem andern zugehoͤrete; indem man daraus nicht anders ſchlieſſen kann, als daß er die Sache nicht vor ſeine halten wolle, ſondern vor des andern ſeine erkenne; ſo vermuthet man daraus, daß er ſie verlaſſen habe (§. 27. 203.).

§. 459.

Wenn jemand ſchweigt, wenn erVon der aus dem Still - ſchweigen vermu - theten Einwilli - gung. reden koͤnnte und ſollte; da er dieſes aus keiner andern Abſicht zu thun ſcheinet, als weil er eben das, was der andere will, oder was die andern wollen, die ihre Mei - nung geſagt; ſo vermuthet man, er habedarein288II. Th. 8. H. Von der Erſitzungdarein gewilliget (§. 27.). Und daher iſt klar, daß, wenn aus einem Still - ſchweigen eine Einwilligung vermu - thet werden ſoll, einer mit Wiſſen und Willen ſtillſchweigen muß.

§. 460.

Von der aus ei - nem Still - ſchweigen vermu - theten Verlaſ - ſung.

Da nun derjenige nicht ſchweigen ſoll, wel - cher weiß, daß eine ihm zugehoͤrige Sache ein anderer im Beſitz, er aber nicht die Abſicht hat ſie zu verlaſſen (§. 457.); ſo vermuthet man es habe einer die Sache, ſo ihm zugehoͤret, verlaſſen, wenn er weiß, daß ſie ein anderer im Beſitz hat, und er in langer Zeit nicht widerſpricht, woferne kein offenbahrer Grund vor - handen, warum er ſchweigen ſollte (§. 459.).

§. 461.

Eben die - ſes wird weiter erwogen.

Weil ein jeder in der Unterſuchung der ihm zugehoͤrigen Sachen, welche vielleicht in eines andern Gewalt moͤchten kommen ſeyn, fleißig ſeyn ſoll (§. 457.), und es gewiß iſt, daß die Menſchen das Jhrige lieben; ſo ver - muthet man, daß es der Eigenthums - herr wiſſe, es habe ein anderer eine ihm zugehoͤrige Sache im Beſitze, wo - ferne er dieſelbe eine lange Zeit beſeſ - ſen hat; es ſey denn daß offenbahre Ur - ſachen dargegen vorhanden, oder daß er, wenn die Sache beweglich iſt, vor unmoͤglich anſiehet, es zu erfahren, wer ſie beſitzet; folglich vermuthet manaus289und der Verjaͤhrung. aus einem langwierigen Stillſchwei - gen die Verlaßung einer Sache; wo - fern nicht offenbahre Urſachen herge - gen vorhanden ſind (§. 460.).

§. 462.

Weil das Eigenthum beſtaͤndig ungewißVon was vor einer Art dieſe Vermu - thung ſey. bleiben wuͤrde, wofern man dieſe Vermu - thung nicht annehmen wolte, welches aus dem vorhergehenden klar genug iſt; ſo iſt dieſe Vermuthung gegen einen, der nach - laͤßig iſt nach demjenigen zu forſchen, was ihm zugehoͤret, eine unbedingte Vermuthung, oder eine Vermuthung von Rechtswegen (§. 453.).

§. 463.

Hieraus folget ferner, daß die Erſi -Zu was voꝛ einem Rechte die Erſi - tzung und Verjaͤh - rung ge - hoͤre. tzung und Verjaͤhrung zu dem Rechte der Natur gehoͤre (§. 451. 452. ); zum buͤrgerlichen Rechte gehoͤret nur, daß die Ver - muthung der Verlaßung auf eine gewiſſe Zeit geſetzt wird.

§. 464.

Weil aber derjenige, welcher mit keinemDaß ein gutes Ge - wiſſen zur Ver - jaͤhrung erfordert wird. guten Gewiſſen eine Sache beſitzet, dieſelbe dem Eigenthumsherrn wieder zu erſtatten ſchuldig iſt (§. 201. 261. ); folglich, wenn er ſie wiedergeben will, wiſſen kann, ob ſie der Eigenthumsherr haben will, oder nicht, und alſo hier die Vermuthung einer Verlaßung gar nicht ſtatt findet (§. 203. 27. ); ſo iſt der Beſitz mit keinem guten Gewiſſen derNat. u. Voͤlckerrecht. TErſi -290II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. Erſitzung und Verjaͤhrung allezeit zu - wider; folglich wird zur Erſitzung und Verjaͤhrung die gantze Zeit des Beſi - tzes uͤber ein gutes Gewiſſen erfor - dert.

Das neunte Hauptſtuͤck.

Von den bloß wohlthaͤtigen Handlungen, die in einem zu Ende gebracht werden.

§. 465.

Von der einfachen und zu - ſammen - geſetzten Hand - lung.

Es iſt vor ſich klar, daß alle Handlungen, die andern nuͤtzlich ſind, entweder dar - in beſtehen, daß etwas gegeben, oder daß etwas gethan wird. Man nennet aber einfache Handlungen (actus ſimplices), welche nicht in mehrere zergliedert werden koͤnnen, ſo daß eine ohne die andere, oder oh - ne die uͤbrigen ſeyn kann. Zuſammenge - ſetzte Handlungen (actus compoſiti) wer - den diejenigen genannt, welche ſich in meh - rere zergliedern laſſen, von denen eine ohne die andere beſtehen kann.

§. 466.

Was ei - ne wohl - thaͤtige Hand - lung und wie viel - fach die - ſelbe ſey.

Man nennet eine wohlthaͤtige Hand - lung (actum beneficum) diejenige, durch welche nur einer einen Vortheil hat, der an - dere aber nichts dagegen erhaͤlt. Dieſelbe iſt eine bloß wohlthaͤtige Handlung (actus mere beneficus), wenn damit keine vollkom - mene Verbindlichkeit verknuͤpft iſt: Hinge -gen291die ſo gleich vollbracht werden. gen eine verbindliche (obligatorius), mit der vollkommene Verbindlichkeit verknuͤpft iſt.

§. 467.

Eine Tauſchhandlung (actus permu -Was Tauſch - handlun - gen und wie viel - fach die - ſelben ſind. tatorius) iſt, wodurch ein jeder Theil etwas zu geben, oder zu thun verbunden wird. Jn den Tauſchhandlungen werden alſo Sachen und gewiſſes Thun mit einan - der vertauſchet, naͤmlich Sachen mit Sa - chen, Sachen mit Thun, und Thun mit Thun. Es iſt aber eine Tauſchhandlung entweder eine aus einander ſetzende (actus diremto - rius), da ein jeder Theil ſeinen beſondern Vor - theil hat, der durch beſondere Leiſtungen erhal - ten wird, nach deren Vollziehung dieje - nigen, welche den Vertrag machten, nichts weiter mit einander zu ſchaffen haben: oder eine gemeinſchaftliche (communicatorius), da man durch gemein - ſchaftliche Leiſtungen gemeinſchaftlichen Nu - tzen zur Abſicht hat.

§. 468.

Da man in den Tauſchhandlungen, folg -Vom Unter - ſchied der aus ein - ander ſe - tzenden Tauſch - hand - lungen. lich auch in denen, welche die Partheyen aus einander ſetzen, entweder eine Sache mit ei - ner Sache, oder eine Sache mit Thun, oder Thun mit Thun vertauſchet, und in dieſen beſonders auf den Nutzen eines jeden Theils geſehen wird (§. 467.); ſo giebt man ent - weder etwas, daß der andere wieder etwas gebe (do ut des), oder ich gebe etwas, daß der andere etwas thue (doT 2ut292II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. ut facias), oder ich thue etwas, daß der andere etwas thue (facio ut facias); denn es macht das, daß ich etwas thue, damit der andere etwas gebe (facio ut des), an ſich keinen Unterſchied von der Handlung, da ich gebe, daß der andere etwas thue (do ut fa - cias). Weil man aber ſo wohl koͤrperliche, als unkoͤrperliche Sachen geben kann; ſo kann man auch ſowohl den bloſſen Gebrauch, als auch den Gebrauch zugleich mit den Fruͤchten geben. Und da das Geld, wie wir an gehoͤri - gem Orte beweiſen werden, die Stelle aller Sachen vertritt; ſo gilt dieſes auch vom Gelde.

§. 469.

Vom Unter - ſchiede der ge - mein - ſchaftli - chen Tauſch - handlun - gen.

Weil man ſaget, daß Sachen und Thun unter einander gemeinſchaftlich ge - macht werden (facta & res inter ſe com - municantur), wenn dieſelben zum gemein - ſchaftlichen Nutzen beygetragen werden; ſo werden in den gemeinſchaftlichen Handlungen entweder Sachen, oder Thun, oder auch Geld gemeinſchaft - lich gemacht, oder es geſchiehet der Beytrag von einem Theile an Sa - chen, oder Gelde, von dem andern durch Thun.

§. 470.

Die Wohl - that, der Wohl - thaͤter

Eine bloß wohlthaͤtige Handlung, welche gleich in einem zu Ende gebracht wird, oder wo ich jemand gleich etwas gebe oder thue, wird eine Wohlthat (beneficium) genannt;aber293die ſo gleich vollbracht werden. aber diejenige, welche auf das zukuͤnftige ge -und der, dem gu - tes ge - ſchiehet. het, oder da ich mich dem andern etwas zu ge - ben oder zu thun verbindlich mache, iſt ein freygebiges Verſprechen (§. 425.), oder ein Verſprechen einer Wohlthat. Da man ſagt einer thue etwas oder gebe etwas umſonſt (gratis dare vel facere), der fuͤr das, was er giebt oder thut, von dem andern nichts wieder erhaͤlt; ſo werden Wohl - thaten umſonſt gegeben. Und weil man dasjenige umſonſt geſchehen (gratuitum) nennet, was einer umſonſt leiſtet; ſo ſind die bloß wohlthaͤtigen Handlungen umſonſt geſchehene Handlungen. Wer eine Wohlthat giebt, iſt der Wohlthaͤter (benefactor), wer ſie empfaͤngt, wird der Em - pfaͤnger der Wohlthat (beneficiarius) genannt.

§. 471.

Unſere Handlungen koͤnnen andern nichtWomit man Wohl - thaten erweiſet. nuͤtzlich ſeyn, als in ſo fern ſie zu einem Gute der Seele, des Leibes, oder des Gluͤcks et - was beytragen, oder ein Uebel der Seele, des Leibes, oder des Gluͤcks abwenden. Es iſt derowegen eine jede Handlung, wo - durch wir zu einem Gute der Seele, des Leibes, oder des Gluͤcks umſonſt etwas beytragen, oder einiges Uebel abwenden, oder den andern davon be - freyen, eine Wohlthat (§. 470.).

§. 472.

Weil ein jeder Menſch einem jeden andern,Wer Wohl -T 3der294II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. thaten zu geben ſchuldig iſt, und wer ſie verdie - net.der ſeiner Huͤlfe bedarf, er ſey wer er wolle, zu helfen ſchuldig iſt, ſo viel in ſeinem Ver - moͤgen ſtehet, daß er die Guͤter der Seele, des Leibes und des Gluͤcks erlange, und ver - huͤten ſoll, daß andere nicht in entgegen ge - ſetztes Uebel verfallen (§. 134.); ſo ſind die Menſchen nach dem Recht der Natur verbunden, einander Gutes zu thun, ſo viel in ihrem Vermoͤgen ſtehet; und diejenigen verdienen Wohlthaten, wel - che derſelben beduͤrfen, oder welche ſelbſten das nicht erwerben oder thun koͤnnen, was der Wohlthaͤter giebt, oder thut (§. 471.).

§. 473.

Wenn Wohl - thaten nicht doͤr - ſen gege - ben wer - den.

Da nach der Einfuͤhrung des Eigen - thums die Menſchen verbunden ſind einan - der zu geben oder zu thun, nachdem ein jeder eines andern Sache oder Huͤlfe bedarf (§. 329.); folglich ſo genau wir dem andern verbunden ſind, ſo genau uns auch der an - dere verbunden iſt; ſo iſt niemand ſchul - dig dem andern etwas umſonſt zu ge - ben, oder zu thun, wenn der andere dagegen wiederum etwas geben oder thun kann. Und weil es auf den Willen des Eigenthumsherrn ankommt, ob und wie er etwas geben (§. 314.) oder thun will (§. 225.); ſo kommt es auf den Willen des Wohlthaͤters an, ob er eine Wohl - that geben will (§. 470.), und es kann niemand eine Wohlthat zu geben ge -noͤthi -295die ſo gleich vollbracht werden. noͤthiget werden. Wenn jemand etwas nicht umſonſt giebet oder thut, ſo muß es des - wegen gegeben werden, daß der andere etwas gebe, oder thue; oder es muß etwas gethan werden, daß der andere etwas thue. Und daher erhellet, daß die aus einander ſe - tzende Tauſchhandlungen nach dem Rechte der Natur erlaubt ſind (§. 467. 468.). Wofern aber nichts umſonſt gege - ben werden ſoll; ſo muß in den aus ein - ander ſetzenden Tauſchhandlungen der eine dem andern ſo viel leiſten, als der andere ihm geleiſtet hat.

§. 474.

Weil die Menſchen einander Gutes zu thunVom Danck und Un - danck. verbunden ſind (§. 472.), und die Wohlthat, die einer vom andern empfangen hat, ein Be - wegungsgrund iſt, ihm wieder Gutes zu erwei - ſen (§. 73.); ſo iſt der, dem Guts ge - ſchehen, verbunden, ſeinem Wohlthaͤ - ter, weil er ihm Gutes gethan hat, wie - derum Gutes zu erzeigen (§. 35.); folg - lich wenn er dieſes in der That zu thun nicht vermoͤgend iſt, ſo muß er wenig - ſtens den Willen haben ihm Gutes zu erweiſen (§. 37.). Weil man ſagt, eine Wohlthat wird vergolten (beneficium redditur), wenn einer dem andern deswegen Gutes thut, weil er von ihm Gutes empfan - gen hat; ein danckbares Gemuͤthe aber (gratus animus) dasjenige iſt, welches geneigt iſt das Gute mit Gutem zu vergelten, undT 4hierin -296II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. hierinnen der Danck beſtehet; ſo muß der, welcher Wohlthaten empfangen hat, ein danckbares Gemuͤth gegen den Wohlthaͤter haben, oder danckbar ſeyn. Und weil man ſagt, daß derjenige danck - ſage (gratias agere), der ſein danckbares Ge - muth mit Worten oder Wercken bezeigt; ſo muß er demſelben auch danckſagen. Allein weil derjenige undanckbar iſt, der kein danckbares Gemuͤth hat, folglich weder mit Worten, noch weniger mit Wercken daſ - ſelbe an den Tag leget, ja gar das Gegen - theil thut, worinnen der Undanck beſtehet; ſo iſt die Undanckbarkeit durch das na - tuͤrliche Geſetze verboten (§. 57.).

§. 475.

Von Schen - ckungen.

Das Geben, welches umſonſt (dario gratui - ta) geſchieht, nennt man eine Schenckung (donationem): dasjenige aber, welches ohne Entgelt (gratis) gegeben wird, heiſt das Geſchenck (donum, munus). Wer das Ge - ſchenck giebt, heiſt der Schenckende (do - nans, donator), der, welcher es empfaͤngt, der Beſchenckte (donatarius). Da man in der Schenckung das Eigenthum desjeni - gen, was gegeben wird, auf einen andern bringt (§. 258.); ſo wird zur Schen - ckung eine Annehmung erfordert (§. 316.), und es beruhet auf dem Wil - len des Schenckenden, ob und auf was vor Art und Weiſe er etwas verſchen - cken will (§. 314.); und iſt alſo nichtnoͤthig,297die ſo gleich vollbracht werden:noͤthig, daß bey einer Schenckung die Urſache, warum ſie geſchiehet, aus - druͤcklich angefuͤhrt werden darf (§. 78.). Es erhellet aber, daß, was vom Ge - ben erwieſen worden, auch von der Schen - ckung gilt, folglich auch was vom Verſpre - chen bewieſen worden.

§. 476.

Da die Schenckung eine Wohlthat iſtVon der Danck - barkeit des Be - ſchenck - ten. (§. 470. 475. ); ſo iſt der Beſchenckte ſchuldig dem Schenckenden Danck zu ſagen und ein danckbares Gemuͤthe gegen ihn zu haben (§. 474.). Weil aber dieſes nur pflichtmaͤßig iſt, indem der Schen - ckende ſich dem Beſchenckten nicht dazu vollkom - men verbindlich gemacht (§. 380.); ſo kann ein Geſchenck des Undancks halber nicht wiederrufen werden.

§. 477.

Weil der Eigenthumsherr mit dem Seini -Von dem innern Rechte etwas zu ſchencken. gen nicht anders umgehen ſoll, als es ſeine Pflichten erfordern (§. 202.); ſo muß auch das Recht zu ſchencken den Pflichten gemaͤß gebraucht werden: worauf doch aber bey der Guͤltigkeit des Geſchencks nicht darf geſehen werden (§. 475.).

§. 478.

Da der Schenckende nach ſeinem Gutbe -Von Ver - traͤgen, die zu Schen - ckungen kommen. finden, auf was Art und Weiſe er nur will, die Schenckung einrichten kann (§. 475.); ſo kann er auch zu der Schenckung einen jeden erlaubten Vertrag hinzuſetzen,T 5als298II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. als daß die geſchenckte Sache nicht ſoll veraͤuſſert werden, daß er die Schen - ckung wiederrufen kann, daß er den Beſchenckten oder ſeine Erben zu einer gewiſſen Leiſtung anhalten kann. Und dieſe Vertraͤge, welche einer Schen - ckung anhaͤngig ſind, muͤſſen von dem Beſchenckten gehalten werden (§. 438.). Uebrigens iſt daher auch klar, daß die Schenckung auch mit Vorbehalt der Fruchtnießung, oder des Gebrauchs und der Nutzung geſchehen koͤnne; folglich daß alsdenn die geſchenckte Sa - che in der Gewalt des Schenckenden verbleiben muß (§. 200.).

§. 479.

Von der Schen - ckung, die um Ster - bens wil - len ge - ſchehen iſt.

Wenn der Schenckende etwas deswegen ſchenckt, weil er einmahl ſterben wird, folg - lich entweder mit der ausdruͤcklichen, oder doch ſtillſchweigenden Vorbehaltung, die Schenckung vor ſeinem Tode zu wiederrufen, ſo wird dieſes eine Schenckung um ſter - bens willen genannt (donatio mortis cauſa). Da es gewiß iſt, daß wir einmahl ſterben muͤſſen, obgleich der Tag des Todes ungewiß iſt; ſo kann nicht allein ein kraͤncklicher und derjenige, dem der Tod ſchon vor Augen ſchwebet, ſondern auch ein geſunder etwas um ſterbens willen einem ſchencken. Es erhellet aber, daß die Schenckung um ſterbens willen erſt durch den Tod unwieder -ruflich299die ſo gleich vollbracht werden. ruflich wird; und wenn etwas von dem Verſchenckten veraͤuſſert wird, die Schenckung deſſelben in der That wiederrufen wird.

§. 480.

Der Schenckung um ſterbens willen wirdVon der Schen - ckung un - ter Le - bendi - gen. die Schenckung unter Lebendigen (do - natio inter vivos) entgegen geſetzt, welche auch ſchlechtweg eine Schenckung genennt wird, wodurch etwas unwiederruflich ge - ſchenckt wird.

§. 481.

Weil die Schenckung unter LebendigenWenn der Be - ſchenckte eher ſtirbt, als der Schen - ckende. gleich guͤltig iſt (§. 480.), die Schenckung aber um Sterbens willen vor dem Tode des Schenckenden wiederruflich iſt, und alſo erſt nach ſeinem Tode kraͤftig wird (§. 479.); ſo beſtehet die Schenckung um Ster - bens willen nicht, wenn der Beſchenck - te vor dem Schenckenden ſtirbt; hinge - gen eine Schenckung unter Lebendi - gen behaͤlt ihre Guͤltigkeit, wenn gleich die Sache noch nicht wuͤrcklich uͤbergeben worden.

§. 482.

Eine Vergeltungs-Schenckung (do -Von der Vergel - tungs - Schen - ckung. natio remuneratoria) nennet man, wel - che wegen der Verdienſte gegen den Schen - ckenden geſchieht, oder wegen der Wohltha - ten, die der Schenckende von dem andern em - pfangen. Man ſagt aber, einer habe ſich wohl verdient um den andern gemacht(bene300II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. (bene mereri de aliqvo), wenn er ſich be - muͤht, dem andern, es ſey auf was Art und und Weiſe es wolle, nuͤtzlich zu erzeigen, oder wenn er thut, was zum Nutzen und Ver - gnuͤgen des andern gereichet. Wenn Ver - geltungs-Schenckungen in unſerem Vermoͤgen ſtehen, ſo ſind wir dazu natuͤrlicher Weiſe verbunden; maſſen ſie aus einem danckbaren Gemuͤth geſchehen (§. 477.); inſonderheit aber wenn ſie um Sterbens willen geſchehen (§. 479.), und dieſe ſoll man nicht wiederrufen, als wenn man die geſchenckte Sache ſelbſt noͤthig hat, entweder zu ſeiner oder der Seinigen Nothdurft, unerachtet der andere in dieſem Stuͤcke ſich muß gefallen laſſen, was wir thun (§. 479.).

§. 483.

Von Ge - genſchen - ckungen.

Eine Gegenſchenckung (donatio reciproca) nennt man, welche unter der Bedin - gung geſchieht, daß uns der andere wieder etwas ſchenckt. Es kommt alſo dieſelbe mit einer beſchwerten Schenckung - berein (§. 409.). Weil aber beyde Schen - ckungen umſonſt geſchehen (§. 475.); ſo ſie - het man in Gegenſchenckungen nicht auf den Werth der beyderſeits ge - ſchenckten Sachen.

§. 484.

Von dem, was man we - gen eines

Man ſagt, daß man wegen eines To - desfalls etwas bekommt (mortis cauſa capionem), wenn man von jemanden eineSache301die ſo gleich vollbracht werden. Sache in Anſehung des Todes eines andern,Todes - falls be - kommt. aber nicht von den Guͤtern des Verſtorbenen erhaͤlt: Es ſey an dem, daß der Rechtsge - lehrte Julianus dieſes Wort in einem weit - laͤuftigeren Verſtande nimmet, daß es auch die Schenckung um Sterbens willen unter ſich begreift. Man bekommt etwas we - gen eines Todesfalls, wenn einem et - was in Anſehung des Todes eines an - dern geſchenckt wird; als wenn ich einem 10. Ducaten gebe, weil er mir den Tod mei - nes Verwandten meldet, der mich zum Er - ben eingeſetzt hat, oder meines Feindes, wel - cher mir ſchaden konnte. Jngleichen wenn ich einem eine Sache aus einer Erb - ſchaft, die ich bekommen habe, ver - ſpreche; maſſen alsdann, wenn ich die Erb - ſchaft angetreten habe, das was dem Verſtor - benen zugehoͤrte, nun mein iſt; ſo bekommt er die Sache wegen eines Todesfalls.

§. 485.

Ueberfluͤßig (ſuperfluum) nennt manWas - berfluͤßig iſt. uͤberhaupt genommen, ohne welches man ſei - ne vorhabende Abſicht, dazu man es anwen - det, erhalten kann; und alſo in Anſehung der Sachen, die wir haben uͤber diejenigen, welche wir zur Nothdurft, zur Beqvemlichkeit, zum Vergnuͤgen und des Wohlſtandes wegen gebrauchen.

§. 486.

Das Vermoͤgen, was wir uͤberfluͤßig ha -Von dem Reich - thume. ben, bekommt den Nahmen des Reichthums(divi -302II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. (divitiæ). Nachdem viel, oder we - nig uͤberfluͤßig iſt, ſo iſt der Grad des Reichthums groͤſſer, oder kleiner, und das Reichthum muß man nach dem Stande der Perſon beurtheilen. Da - her nennt man denjenigen reich (divitem), deſſen Vermoͤgen uͤberfluͤßiges enthaͤlt: Sehr reich (opulentum) aber, der einen groſſen Reichthum hat, oder der einen groſſen Ue - berfluß an allen Sachen hat. Der Reiche hat alſo mehr, als er beqvem, vergnuͤgt und wohlanſtaͤndig zu leben braucht (§. 485.). Vor dasjenige Vermoͤgen, was nicht mehr in ſich begreift, als das, was zur Noth - durft und Beqvemlichkeit, zum Vergnuͤgen und Wohlſtande hinreichend iſt, findet man in der lateiniſchen Sprache, uͤber deren Armuth ſich der Lucretius 1. Buch 31. V. und Plinius 4. Buch 17. Brief beklagen, kein beqvemes Wort, um den mittlern Zuſtand zwiſchen Reichthum und Armuth an - zuzeigen. Jm Deutſchen nennen wir es das Auskommen. Und in ſo fern als es ver - ſchiedene Grade der Bequemlichkeit, des Ver - gnuͤgens und des Wohlſtandes giebt, unter - ſcheiden wir ein noͤthiges Auskommen und ein gutes und reichliches Auskom - men von einander.

§. 487.

Von der Armuth, der Duͤꝛf - tigkeit

Jm Gegentheil nennen wir einen arm (pauperem), deſſen Vermoͤgen weiter nichts als das nothwendigſte enthaͤlt; duͤrftig aberoder303die ſo gleich vollbracht werden. oder gar ſehr arm (egenum) denjenigen,und Bet - telſtande. dem es auch an dem nothwendigen fehlet. Wenn jemand ſo duͤrftig iſt, daß ihm auch das - jenige fehlt, was zur aͤuſerſten Nothdurft des Lebens gehoͤrt; ſo iſt er ein Bettler, oder bettelarm (mendicus). Wenn dieſe Armuth nur auf eine zeitlang dauert, als ſo lange einer kranck iſt, oder ihm die Gelegen - heit fehlet, durch ſeine Arbeit etwas zu ver - dienen, ſo iſt es eine Bettelarmuth auf eine zeitlang (mendicitas temporanea).

§. 488.

Was man einem giebt zu ſeiner aͤuſerſtenVom All - moſen. Nothdurft, wird ein Allmoſen (eleemo - ſyna) genannt; und derjenige bettelt (men - dicat), der um ein Allmoſen bittet. Man muß alſo denenjenigen Allmoſen geben, die bettelarm ſind (§. 487.). Und weil wir einem andern das nicht zu leiſten verbun - den ſind, worin er unſerer Huͤlfe nicht bedarf (§. 44.); ſo iſt keinem erlaubt zu bet - teln, als nur denen, welche mit ihrer Arbeit nicht ſo viel erwerben koͤnnen, als zur Lebens-Nothdurft hinreicht; es ſey, daß dieſes aus Mangel der Kraͤfte, oder aus Mangel der Gele - genheit zu arbeiten, komme; und dieſen ſoll man Allmoſen geben. Damit man aber keinem das Allmoſen verſage, der es be - darf; ſo muß man in zweifelhaften Faͤl - len das Urtheil von der dringenden Noth dem Bettelnden uͤberlaſſen.

§. 489.304II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl.

§. 489.

Wie viel einem zu betteln erlaubt iſt, und wie man die All - moſen anzuwen - den hat.

Weil die Allmoſen bloß zur aͤuſerſten Noth - durft gegeben werden, und es nicht erlaubt iſt Allmoſen, als zu dem Ende zu begehren (§. 488.); ſo iſt nicht erlaubt mehr zu betteln, als zur hoͤchſten Nothdurft hinreichend iſt; und es mißbraucht die Allmoſen, der ſie zur Beqvemlichkeit und zum Vergnuͤgen des Lebens an - wendet. Weil derjenige, welcher ei - nem Bettler mehr giebt, als die Noth - durft erfordert, ihm etwas ſchencket (§. 475.); es aber auf den Willen eines j den ankommt, ob er einem etwas ſchencken will (§. cit. ); ſo iſt kein Zweifel, daß es dem Bettler erlaubt ſey es anzunehmen. Und weil die Allmoſen, die man gegeben, dem Bettler eigenthuͤmlich zugehoͤren (§. 258.); ſo muß es ſeinem Gewiſſen uͤberlaſſen werden, wenn er die Allmoſen miß - braucht (§. 202.).

§. 490.

Vom Ge - ben der Allmo - ſen.

Weil durch Einfuͤhrung des Eigenthums niemanden der nothwendige Gebrauch der Sa - chen hat benommen werden koͤnnen (§. 304.); ſo ſind nach ihrem Vermoͤgen Allmo - ſen zu geben verbunden, die ſie geben koͤnnen. Derowegen ſind nicht bloß die Reichen, und die ein groſſes Vermoͤ - gen haben, mehreren Perſonen und reich - lichere Allmoſen zu geben verbunden (§. 486.), ſondern auch Arme, die nicht ei -nen305die ſo gleich vollbracht werden. nen ſo groſſen Mangel an dem noth - wendigen haben, daß ſie ſich nichts ohne Verletzung der Pflichten gegen ſich ſelbſt und die Jhrigen entziehen koͤnnen, ſind maͤßige Allmoſen zu ge - ben ſchuldig. Ja wenn ein Bettler mehr durch ſein Betteln bekommt, als zur gegenwaͤrtigen Nothdurft erfor - dert wird, und er ſieht einen andern darben; ſo iſt er ſchuldig ihm einiges Allmoſen zu geben. Da nach der Ein - fuͤhrung des Eigenthums den Allmoſen gleich zu achten, was einer ohne Entgeld thut, um dem andern die aͤuſerſte Nothdurft zu erleich - tern (§. 327. 488. ); ſo muͤſſen auch die Armen und Duͤrftigen, ja ſelbſt die Bettler, was ſie zur Erleichterung der aͤuſerſten Nothdurft anderer thun koͤnnen, umſonſt thun. Wer aber ſelbſt nichts hat, als was zur aͤuſerſten Nothdurft erfordert wird, der iſt nicht verbunden Allmoſen zu geben (§. 133.). Und weil das Allmoſen eine Wohlthat iſt (§. 470. 488. ), niemand aber eine Wohlthat zu geben mit Gewalt angehalten werden kann (§. 473.); ſo kann auch ein Bettler kei - nen mit Gewalt anhalten ihm Allmo - ſen zu geben; folglich wenn er bittet, ja mit Bitten anhaͤlt, und es wird ihm abgeſchlagen; ſo muß er es erdulden und andere um ein Allmoſen bitten.

Nat. u. Voͤlckerrecht. U§. 491.306II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. ꝛc.

§. 491.

Von den Allmo - ſen, die man vor andere ſammlet.

Da wir denen, welche unſere Huͤlfe be - duͤrfen, aushelfen ſollen, ſo viel wir koͤnnen (§. 44.), und das Geſetze der Natur uns das Recht giebt zu den Handlungen, ohne welche wir unſerer Verbindlichkeit kein Ge - nuͤge leiſten koͤnnen (§. 46.); ſo iſt auch erlaubt Allmoſen zu ſammlen vor an - dere, die ſie bedoͤrfen. Dem aber ohn - erachtet wird der, welcher Allmoſen fuͤr andere ſammlet, nicht von der Ver - bindlichkeit, Allmoſen von ſeinem eige - nen zu geben, befreyet (§. 42.).

§. 492.

Von der Barm - hertzig - keit.

Elende (miſerum) nennt man denjeni - gen, welcher viel und groſſes Uebel, beſon - ders am Leibe, und vieles und groſſes Ungluͤck empfindet. Die Duͤrftigen alſo und Bett - ler ſind elende (§. 487.). Barmhertzig (miſericordem) nennt man denjenigen, dem das Elend des andern ein Bewegungsgrund iſt, ihn von dem Uebel umſonſt zu befreyen, oder wenigſtens ihm daſſelbige, ſo viel an ihm iſt, ertraͤglicher zu machen. Derowegen da wir, ſo viel wir koͤnnen, verhuͤten ſollen, daß andere nicht Schaden an ihrer Seele, oder an ihrem Leibe, oder an ihrem Gluͤcke leiden (§. 134.), folglich auch davor beſorgt ſeyn, daß ſie von ihrem Uebel befreyet werden, oder ihnen daſſelbe wenigſtens ertraͤglicher gemacht werde; ſo ſollen wir barmhertzig ſeyn.

Das307

Das zehente Hauptſtuͤck.

Von dem Werth der Sachen und dem Gelde.

§. 493.

Wenn ich dem andern eine Sache, z. E.Was der Werth der Sa - chen und der Ar - beit ſey, und die Noth - wendig - keit deſ - ſelben. A. gebe, und der andere mir eben ſo viel z. E. B. geben muß; ſo iſts nothwendig, daß die Groͤße von B. durch die von A, ohne ein drittes gleichartiges anzu - nehmen, beſtimmet werde. Dieſe Bewand - niß der Sache A. in Anſehung B. wird von den Mathematickverſtaͤndigen eine Verhaͤlt - niß (ratio) genannt. Wenn man alſo nichts umſonſt geben, oder thun darf; ſo iſts nothwendig, daß man ſo wohl der koͤrperlichen, als unkoͤrperlichen Sachen, der Arbeiten zu einander und der Sachen zu den Arbeiten ihre Ver - haͤltniß beſtimme. Da ſie nun, als Din - ge von verſchiedener Art, deren eines mehr - mahl genommen dem andern nicht gleich, oder groͤſſer als daſſelbe werden kann, dergleichen Verhaͤltniß von Natur nicht haben; ſo muß dieſe Verhaͤltniß durch den Willkuͤhr der Menſchen beſtimmt werden. Da - mit nun dieſes geſchehen koͤnne; ſo muß man den Dingen einige Groͤſſe beyle - gen, vermoͤge welcher eine mir der an - dern verglichen werden kann. Dieſe erdichtete Groͤſſe, welche Pufendorff dieU 2mora -308II. Th. 10. H. Von dem Werth der Sachenmoraliſche, im Gegenſatz gegen die phyſiſche (phyſicam), nennt, ſo die Dinge wuͤrcklich haben, oder die man annimmt, als wenn ſie in der Arbeit befindlich waͤre, und welche den Sachen und der Arbeit nach dem Willkuͤhr der Menſchen beygeleget wird, damit ihr Verhaͤltniß gegen einander beſtimmet werden koͤnne, wird der Werth der Sachen und der Arbeit (pretium rerum & operarum) mit dem Zuſatz der gemeine (vulgare) ge - nannt.

§. 494.

Was das Geld ſey und der Gebꝛauch deſſelben.

Allein nachdem ſich die Zahl der verſchiede - nen Sachen und Arbeiten vermehret, und beſonders in den Tauſchhandlungen nicht ein jeder Sachen, die dem andern zugehoͤrten, oder ſeine Arbeit noͤthig hatte, die er ihm alſo vor ſeine geben oder leiſten konnte; ſo war noͤthig, daß man eine gewiſſe beſtimmte phyſiſche Groͤſ - ſe einer koͤrperlichen Sache annahm, damit man die den Sachen angedichtete Groͤſſe deſto beſſer zum gemeinen Nutzen meſſen koͤnnte. Und dieſe koͤrperliche Sache, wovon man ei - ne beſtimmte Groͤſſe fuͤr das gemeine Maaß aller koͤrperlichen und unkoͤrperlichen Sachen, wie auch der Arbeiten annimmet, nennt man das Geld (pecuniam), welches man daher auch erklaͤren kann, daß es das allgemeine Maaß der Sachen und der Arbeit ſey. Da - her iſt der Werth der Sachen und der Arbeit dem Gelde proportionirt, alſo daß eine doppelte Geldſumma den dop -pelten309und dem Gelde. pelten Werth der Sache und der Arbeit beſtimmt u. ſ. f. Und derowegen kann man das Geld fuͤr eine jede Sa - che und Arbeit geben, und vor Geld kann man eine jede Sache und Arbeit von dem andern ſich verſchaffen. Und ſolchergeſtalt vertritt das Geld in den Tauſchhandlungen die Stelle der Sa - chen und einer jeden Arbeit.

§. 495.

Der Werth einer Sache, oder einer Ar -Vom Preiße. beit, welcher durch das Geld beſtimmt wird, nennt man den Preiß, oder den Werth am Gelde (pretium eminens). Da nun der Preiß die Stelle des gemeinen Werths vertritt (§ 493. 494. ); ſo verhaͤlt ſich der gemeine Werth der Sachen, wie der Preiß, oder Werth am Gelde, und der Preiß, oder Werth am Gelde, wie der gemeine Werth der Sachen; als wenn ein Scheffel Haber 8. gl. gilt, und ein Scheffel Gerſte 12. gl., ſo iſt das Verhaͤlt - niß des Preißes wie 8 zu 12, oder wie 2 zu 3. Eben dieſes Verhaͤltniß bleibt bey dem gemei - nen Werthe der Sachen; weil in der Vertau - ſchung des Habers und der Gerſte ein Scheffel Haber Scheffel Gerſte gleich geachtet wird. Es iſt auch hieraus klar, daß ſo wohl der gemeine Werth als auch der Preiß der Sachen und der Arbeit von einer Art ihrer phyſiſchen Groͤſſe proportionir - lich ſind.

U 3§. 496.310II. Th. 10. H. Von dem Werth der Sachen

§. 496.

Von der phyſi - ſchen Groͤſſe.

Es lehret die gemeine Erfahrung, daß die phyſiſche Groͤſſe nach der Verſchiedenheit der koͤrperlichen Sachen durch ein gewiſſes Maaß beſtimmet wird; die Groͤſſe der unkoͤrperli - chen Sachen aber nach dem Nutzen, den wir davon haben; als das Recht in einer gewiſ - ſen Gegend Voͤgel zu fangen, nach der An - zahl der Voͤgel, welche man in einem Jahre fangen kann, wenn man den Lohn der Arbeit nebſt den uͤbrigen Unkoſten davon abzieht. Den Werth der Arbeit ſchaͤtzt man entweder nach der Zeit, die man damit zubringet, oder nach der Groͤſſe deſſen, was dadurch verfer - tiget, oder zu Stande gebracht wird.

§. 497.

Vom urſpꝛuͤng - lichen u. hergelei - teten Werthe.

Wir unterſcheiden aber den urſpruͤnglichen und den hergeleiteten Werth von einander: Den urſpruͤnglichen Werth (pretium pri - mitivum) nennen wir den Werth der nach einem gewiſſen Maaße beſtimmten Groͤſſe ei - ner Sache, oder Arbeit, in einer gewiſſen Summe Geldes, welchen man als das Maaß in ſeiner Art annimmt. Den hergeleite - ten Werth (pretium derivativum) aber nennen wir denjenigen, welcher nach Propor - tion entweder einer groͤſſeren, oder geringern Qvantitaͤt von eben der Sache zukommt.

§. 498.

Von der Beſtim - mung des

Weil niemand verbunden iſt dem andern etwas umſonſt zu geben, wenn er ihm hin - wiederum etwas geben oder thun kann (§. 473.),und311und dem Gelde. und man fuͤrs Geld alle Sachen und Arbeit er -Werths der Din - ge. halten kann (§. 494.); ſo muß man den urſpruͤnglichen Werth der Dinge und Arbeit alſo beſtimmen, damit niemand, der arbeiten will, an nothwendigen Sachen Mangel leidet (§. 121.). De - rowegen muß der Werth der nothwen - digen Sachen alſo geſetzt werden, daß man ſie um eine geringe Arbeit erhal - ten kann, und je groͤſſer der Vorrath derſelben iſt, deſto kleiner muß ihr Werth ſeyn. Allein da wir die nuͤtzlichen und vergnuͤgenden Sachen nicht ſo noͤthig ha - ben, wie die nothwendigen (§. cit. ); ſo kann man, wenn auf den Gebrauch derſel - ben allein geſehen wird, den nuͤtzlichen Sachen einen hoͤheren Werth, als den nothwendigen, und denen, die bloß zum Vergnuͤgen dienen, einen hoͤhern Werth, als den nuͤtzlichen beylegen. Weil aber kein Menſch gezwungen werden kann, ſich Sachen von einem andern um ei - nen gewiſſen Preiß anzuſchaffen; indem er mit ſeinem Gelde nach ſeinem Gefallen ſchalten und walten kann, wie er will (§. 195.); ſo muß man den Werth der nuͤtzlichen und beſonders der vergnuͤgenden Sa - chen alſo beſtimmen, daß der andere ſich dieſelben auch um ſolchen Preiß anſchaffen will. Und aus eben dieſer Ur - ſache kann der Werth der Sachen im natuͤrlichen Stande nicht anders, alsU 4durch312II. Th. 10. H. Von dem Werth der Sachendurch beyderſeits Einwilligung be - ſtimmt werden.

§. 499.

Vom bil - ligen und unbilli - gen Pꝛeiß.

Ein billiger Preiß (pretium æqvum) iſt derjenige, welcher dem Rechte der Natur ge - maͤß beſtimmt worden, dergeſtalt, daß nichts begangen wird, welches wider die Pflichten und die daher entſpringenden Rechte iſt: Ein unbilliger Preiß (pretium iniqvum) iſt derjenige, welcher dieſem entgegen iſt. Weil man ſich aber hierin nach der gemeinen Ein - willigung der Menſchen in der Vertauſchung der Sache und der Arbeit richten muß (§. 498.); ſo haͤlt man vor einen billigen Preiß, welcher nach der gemeinen Ein - willigung der Menſchen an einem Or - te eingefuͤhret worden. Weil aber, nach - dem ſich die Umſtaͤnde aͤndern, auch der Preiß der Sachen und der Arbeit aͤndern muß, wel - ches wir der Weitlaͤuftigkeit wegen hier nicht weitlaͤuſtiger ausfuͤhren koͤnnen; ſo kann ein Preiß, der zu einer Zeit billig iſt, zu ei - ner andern unbillig ſeyn.

§. 500.

Von dem Lohn.

Den Preiß der Arbeit nennt man mit ei - nem beſondern Nahmen den Lohn (merce - dem); und alsdann behaͤlt der Werth der Sachen am Gelde bloß den Nahmen des Preißes.

§. 501.

Von der Materie u. Forme

Da man das Geld fuͤr ſeine jede Sache und Arbeit giebt (§. 494.); folglich daſſelbige dazuange -313und dem Gelde. angenommen wird, daß man es wieder einemdes Gel - des. andern geben kann, und ſolchergeſtalt ſtets aus einer Hand in die andere kommt; ſo muß es aus einer dauerhaften Materie be - ſtehen, die naͤmlich durch den Gebrauch nicht leicht abgenutzt, noch, indem es aufgehoben wird, verderben kann. Und da es beqvem iſt, wenn man einer klei - nen Groͤſſe von der Materie, aus welcher das Geld beſteht, einen ſolchen Werth beyle - gen kann, der dem Werthe anderer Sachen einer anſehnlichen Groͤſſe gleich kommt; ſo muß es aus einer ſolchen Materie ge - macht werden, welche zu den kuͤnſtli - chen Sachen, die man haͤufig und un - umgaͤnglich noͤthig hat, nicht erfor - dert wird, und die nicht in ſolcher Menge, wie andere zu haben. Dahero laͤßet ſich leicht ſchlieſſen, daß Gold und Silber ſich zum Gelde am beſten ſchi - cke. Weil doch aber ein jeder von dem Wer - the Gewißheit haben, und dabey geſichert ſeyn muß, daß die Materie nicht verfaͤlſcht ſey; ſo muß man auf das Geld das Verhaͤlt - niß ausdrucken, welches es zu demjenigen hat, was man im zaͤhlen fuͤr Eins annimmt, und ein Zeichen der innern Guͤte darauf drucken, das iſt, das Geld muß gepraͤgt wer - den.

§. 502.

Das Geld, welches in gewiſſe Theile ge -Von der Muͤntze. theilt und gepraͤgt iſt, wird die Muͤntze (mo -U 5neta) 314II. Th. 10. H. Von dem Werth der Sachenneta) genannt; und daher erhellet, daß man die Muͤntze einfuͤhren muͤße (§. 501.); obgleich einige Voͤlcker unlegirtes, das iſt, mit keinem andern Metall vermiſchtes und ungepraͤgtes Gold und Silber anſtat des Gel - des gebraucht.

§. 503.

Wie die Groͤſſe des Ver - moͤgens zu ſchaͤ - tzen.

Da der Werth aller Sachen durch Geld be - ſtimmt wird (§. 494.); ſo wird die Groͤſ - ſe des Vermoͤgens auch nach Gelde ge - ſchaͤtzt, und das Geld, was einer wuͤrck - lich beſitzt, dazu gezaͤhlt (§. 207.). Man nennt aber baares Geld (pecuniam nume - ratam), welches einer wuͤrcklich hat. Und weil es gute oder ſichere Schulden (de - bita exigibilia) ſind, wenn der Schuldner geben kann, was er zu geben ſchuldig iſt, oder wenn er bezahlen kann: Boͤſe oder ver - lohrne Schulden (debita inexigibilia) aber, wenn der Schuldner nicht bezahlen kann; ſo werden die guten Schulden bey Schaͤtzung der Groͤſſe des Vermoͤ - gens dem baaren Gelde gleich geach - tet, die ſich aber nicht eintreiben laſſen, kommen nicht mit in Anſchlag.

§. 504.

Wie der Reich - thum, die Armuth, die Duͤrf - tigkeit und die

Weil derjenige reich iſt, deſſen Vermoͤgen uͤberfluͤßiges enthaͤlt (§. 486.); ſo wird der Reichthum nach der Groͤſſe des uͤber - fluͤßigen Geldes geſchaͤtzt (§. 503.). Und derjenige iſt arm, welcher nicht mehr Geld mit ſeiner Arbeit erwerben kann,als315und dem Gelde. als er das nothwendige anzuſchaffenBettel - armuth geſchaͤtzt werden. braucht; wer nicht einmahl ſo viel er - werben kann, iſt duͤrftig, und wer nicht einmahl ſo viel erwerben kann, als er zu ſeiner aͤuſerſten Nothdurft braucht, iſt ein Bettler (§. 487.).

§. 505.

Einkuͤnfte (reditus) nennt man dasjeni -Die Ein - kuͤnfte und ihr Unter - ſchied. ge, was wir aus unſeren Sachen, oder durch unſere Arbeit erwerben. Jaͤhrliche Ein - kuͤnfte (reditus annui) ſind diejenigen, wel - che in einer Zeit von einem Jahr einkommen, und dieſelbe ſind gewiſſe oder ſtete (ſtati), welche alle Jahr einerley ſind; veraͤnderli - che oder unſtete aber, welche ab - und zu - nehmend ſind.

§. 506.

Ausgaben (expenſas) nennt man dasDie Aus - gaben u. ihr Un - terſchied. Geld, wovor man ſich Sachen anſchafft, welche entweder durch den Gebrauch verzehrt, oder verſchlimmert werden, oder die man an - dern umſonſt giebt. Daher erhellet, daß die Unkoſten zu den Ausgaben gehoͤren (§. 279.). Es ſind aber ordentliche Ausga - ben (expenſæ ordinariæ) diejenigen, welche beſtaͤndig geſchehen, oder zu einer gewiſſen Zeit wiederkommen: Auſſerordentliche aber (extraordinariæ), welche nur bey einem gewiſſen Vorfall erfordert werden. Nach der Verſchiedenheit der Sachen oder der Un - koſten ſind ſie entweder nothwendige, oder nuͤtzliche, oder zur Luſt gemachte Aus -gaben316II. Th. 10. H. Von dem Werth der Sachengaben (§. 121. 279.). Ueberdieß ſind we - niger nothwendige Ausgaben (minus neceſſariæ), welche auf Sachen verwendet werden, die wir entbehren koͤnnten, und un - nuͤtze (inutiles), welche um Sachen anzu - ſchaffen geſchehen, die uns gar nichts nutzen.

§. 507.

Von Er - werbung des Gel - des.

Da wir beſorgt ſeyn ſollen, daß wir beqvem, vergnuͤgt (§. 119.) und unſerem Stande ge - maͤß (§. 55.) leben; ſo muͤſſen wir uns ſo viel moͤglich Muͤhe geben, ſo viel Geld zu erwerben, als beqvem, ver - gnuͤgt und unſerem Stande gemaͤß zu leben hinreicht. Es iſt aber vor ſich klar, daß dieſe nicht weiter gehet, als es uns moͤg - lich iſt (§. 37.).

§. 508.

Vom Ausge - ben des Geldes.

Weil niemand ſeine Sachen anders ge - brauchen darf, als es die Pflichten erfordern (§. 202.); ſo ſoll man das Geld nicht anders ausgeben, als wenn es die Pflich - ten erfordern. Derowegen ſoll man un - nuͤtze Ausgaben gaͤntzlich unterlaſſen (§. 506.). Es erhellet auch ferner, daß die nothwendigen Ausgaben den nuͤtzli - chen, und beyde den bloß zur Luſt die - nenden vorzuziehen ſind (§. 122. 506. ); und wer ein geringes Vermoͤgen hat, die weniger nothwendigen Ausgaben vermeiden muͤße (§. 208. 506.); Rei - chen und ſteinreichen aber zum beſten anderer, die des Geldes hoͤchſt beduͤr -fen,317und dem Gelde. fen, unnuͤtze und weniger nothwen - dige Ausgaben erlaubet ſeyn (§. 486. 140. 506.). Weil viel Faͤlle vorkommen koͤnnen, da auſſerordentliche Ausgaben erfor - dert werden, und da wir entweder nichts, oder doch nicht ſo viel erwerben koͤnnen, als zu unvermeidlichen Ausgaben erfordert wird; ſo ſoll man nicht weniger bey dem Er - werb des Geldes, als auch bey der Ausgabe, ſo viel als moͤglich iſt, auf die kuͤnftige Nothdurft ſehen. Da wir endlich, ſo viel in unſerer Gewalt ſteht, un - ſer Vermoͤgen zu erhalten und zu vermehren verbunden ſind (§. 208.); ſo ſollen wir darauf bedacht ſeyn, daß die Ausga - ben die jaͤhrlichen Einkuͤnfte nicht - berſchreiten, ſondern vielmehr gerin - ger als dieſe ſind (§. 505. 506.).

§. 509.

Da man Pracht (luxum) nennt, die uͤber -Von dem Pracht und der Ver - ſchwen - dung. maͤßige Ausgabe des Geldes, bloß um ſich ſe - hen zu laßen; man aber beym Ausgeben des Geldes nichts thun ſoll, was den Pflichten entgegen iſt (§. 508.); ſo iſt aller Pracht durch das natuͤrliche Geſetze verboten. Es iſt aber derſelbe von der Verſchwen - dung (prodigalitate) unterſchieden, da man mehrere und groͤſſere Ausgaben macht, nach ſeinem Vermoͤgen, als es die Pflichten gegen ſich ſelbſt, oder gegen andere erfodern. Da - her erhellet, wie vorhin, daß die Ver -ſchwen -318II. Th. 10. H. Von dem Werth der Sachenſchwendung durchs Geſetze der Natur verboten ſey (§. 508.).

§. 510.

Was man in Anſe - hung der zeitlichen Guͤter der goͤtt - lichen Vorſicht uͤberlaſ - ſen muß.

Weil wir bey Erwerbung und Erhaltung des erworbenen Geldes keine groͤſſere Muͤhe, noch groͤſſeren Fleiß anwenden koͤnnen, als in unſeren Kraͤften ſtehet (§. 60.), wir auch zu mehrerem nicht verbunden ſind (§. cit. ); ſo folget, daß, wenn wir bey Erwer - bung und Erhaltung des erworbenen Geldes ſo viel Muͤhe und Fleiß ange - wandt, als wir koͤnnen, wir das uͤbri - ge der goͤttlichen Vorſicht uͤberlaſſen und mit unſerm Schickſal zufrieden ſeyn ſollen (§. 173.); folglich uns deswe - gen nicht graͤmen, daß wir nicht ſo viel erwerben koͤnnen, als erfordert wird, beqvem zu leben und an ſich zwar unſchuldiger Luſt zu genieſſen, vielweniger im Stande ſind, auf et - wan kuͤnftige Nothfaͤlle etwas aufzu - heben.

§. 511.

Wie viel Bemuͤ - hung man bey der Er - werbung des Gel - des an - wenden muß. Wie weit man Geld

Da die natuͤrliche Verbindlichkeit noth - wendig und unveraͤnderlich iſt (§. 38.); ſo ſoll man bey Erwerbung des Geldes nicht mehr Muͤhe anwenden, als ohne Verletzung der uͤbrigen natuͤrlichen Verbindlichkeit geſchehen kann.

§. 512.

Weil die Menſchen von Natur ein Recht haben zum Gebrauch aller Dinge, in ſo ferneohne319und dem Gelde. ohne dieſelben der natuͤrlichen Verbindlichkeitu. Reich - thuͤmer begehren koͤnne. kein Genuͤge geſchehen kann (§. 183.), und, nachdem durch Einfuͤhrung des Eigenthums dieſes gemeinſchaftliche Recht ein eigenes wor - den iſt (§. 194.), auch das Thun der Men - ſchen und ihre Arbeit eigenthuͤmlich worden (§. 225.), das Geld erfunden worden, um Sachen und Arbeit anderer, die wir noͤthig haben, uns anzuſchaffen (§. 494.); ſo ſoll man auch nach Geld, folglich nach Reich - thume (§. 486.) nicht deswegen ſtre - ben, daß man es bloß hat, ſondern da - mit wir uns dadurch Sachen und Ar - beit anderer anſchaffen koͤnnen, die wir zur Erfuͤllung unſerer natuͤrlichen Pflicht noͤthig haben, und davon dem Duͤrftigen etwas geben koͤnnen (§. 488.).

§. 513.

Da niemand daran zweifelt, daß Armuth,Von Vermei - dung der Armuth, Duͤrftig - keit und dem Bet - teln. Duͤrftigkeit und Betteln ein Uebel oder ein Ungluͤck ſey, wir uns aber auch vor dieſem Uebel in acht nehmen ſollen (§. 104.); ſo muͤſſen wir uns, ſo viel an uns iſt, huͤten, daß wir nicht in Armuth und Duͤrf - tigkeit, oder an den Bettelſtab gerathen (§. 17.). Und eben dieſe Vorſorge ſollen wir auch vor andere haben (§. 134.).

Das320II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen

Das eilfte Hauptſtuͤck.

Von wohlthaͤtigen verbindlichen Handlungen, oder von wohlthaͤ - tigen Contracten.

§. 514.

Der Con - tract.

Die Handlungen, welche eine vollkom - mene Verbindlichkeit hervorbringen, werden Contracte (contractus) ge - nannt. Es ſind alſo Vertraͤge und Contracte nach dem Naturrechte nicht unterſchieden (§. 438. 380.).

§. 515.

Das Lei - hen und Wieder - erſtat - tung eben derſelben Sache, oder in einerley Art.

Ein wohlthaͤtiger Contract, durch welchen man einen gewiſſen Gebrauch einer Sache, die nicht verbraucht wird, einem andern um - ſonſt vergoͤnnet, wird das Leihen (com - modatum) genannt. Wer den Gebrauch vergoͤnnet, heiſſet der Leihende (commo - dans): Der, welchem er vergoͤnnet wird, iſt der, dem etwas geliehen worden (com - modatarius). Daher folgt, daß der, dem etwas geliehen worden, die Sache nach geendigtem Gebrauche wiedergeben muß, und zwar eben dieſelbe (§. 317.). Man ſagt naͤmlich, es gebe einer eben die - ſelbige Sache wieder (rem in ſpecie re - ſtituere), wenn er die wiedergiebt, welche er empfangen hat, und nicht eine andere von eben der Art: Hingegen giebt er eine Sache in einerley Art wieder (rem in genere re -ſtituit),321Contracten. reſtituit), wenn er nicht eben dieſelbe wieder - giebt, welche er empfangen hat, ſondern nur eben ſo viel von der Art und Guͤte. Uebri - gens wird im Leihen der Gebrauch ei - ner Sache, welche nicht verbraucht wird, umſonſt gegeben.

§. 516.

Weil in der urſpruͤnglichen GemeinſchaftVon der natuͤrli - chen Ver - bindlich - keit zum Leihen. ein anderer eine Sache nach geendigtem Ge - brauche gebrauchen kann, wenn ſie durch den Gebrauch nicht verzehrt worden (§. 187.); ſo ſind wir verbunden den unſchaͤdlichen Gebrauch einer Sache, die wir entra - then koͤnnen, wenn wir gewiß ſind, daß wir ſie wiederbekommen werden (§. 269.), demjenigen umſonſt zu erlau - ben, welcher ſich dieſelbe nicht ſelbſt anſchaffen, oder den Gebrauch vor Geld von einem andern erhalten kann (§. 473.).

§. 517.

Da aber niemand ſich des Gebrauchs einerWer et - was ver - leihen kann. Sache anmaſſen kann, als der Eigenthums - herr (§. 198.); ſo kann auch niemand ei - nem andern eine Sache leihen, als der Eigenthumsherr; folglich koͤnnen wir eine Sache, die einem andern zugehoͤrt, und uns geliehen worden, ohne Ein - willigung des Eigenthumsherrn nicht wieder verleihen. Und eben deswegen beruhet es auf dem Willen des Lei - henden, wie lange und zu was Ende,Nat. u. Voͤlckerrecht. Xund322II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenund auf was Art und Weiſe er etwas leihen will (§. 195.); und daraus muß man das Recht und die Verbindlich - keit deſſen, dem etwas geliehen wor - den, ermeſſen (§. 317.).

§. 518.

Von Ue - berge - bung der Sache zum Ge - brauch.

Da die geliehene Sache in den Haͤnden desjenigen ſeyn muß, dem ſie geliehen wor - den, wenn er ſie gebrauchen ſoll (§. 200. 514. ); ſo wird zum Leihen eine Hand - lung erfordert, wodurch die Sache in die Haͤnde desjenigen, dem man ſie lei - het, gebracht wird, und dieſe nennet man die Uebergabe zum Gebrauch (traditio ad certum uſum) in einem allgemeineren Verſtande (§. 320.).

§. 519.

Von der Ver - ſchlim - merung und Ver - derbung der gelie - benen Sache.

Weil der Leihende dem andern den Gebrauch der Sache verwilliget (§. 515.); ſo willigt er in die Verſchlimmerung der Sache ein, ohne welche der Gebrauch nicht beſtehen kann. Da aber ſonſt kein ande - rer Gebrauch als der unſchaͤdliche erlaubt iſt (§. 516.); ſo muß derjenige, dem etwas geliehen worden, ſich in acht nehmen, daß die geliehene Sache durch ſeine Schuld nicht verſchlimmert, oder gantz verdorben wird (§. 517.); folglich in Verwahrung und im Gebrauch der - ſelben allen Fleiß anwenden (§. 21.), ja noch mehr und groͤſſern, als bey ſeinen eigenen Sachen.

§. 520.323Contracten.

§. 520.

Weil man einen Schaden, der durch un -Vor was vor Schaden derjeni - ge, dem etwas ge - liehen worden, ſtehen muß. ſere Schuld oder vorſaͤtzlich geſchehen, erſetzen muß (§. 270.); ſo muß auch, wenn die geliehene Sache vorſaͤtzlich oder durch Schuld deſſen, dem ſie geliehen wor - den, verſchlimmert oder gantz verdor - ben wird, der Schaden dem Leihenden erſetzet werden. Weil die geliehene Sa - che, welche durch einen Zufall verdorben wird, nicht waͤre verdorben worden, wenn ſie der Leihende in ſeinen Haͤnden gehabt haͤtte, durch die Schuld deſſen, dem ſie geliehen worden, verdorben worden, wenn er verzoͤgert ſie wie - derzugeben (§. 21. 417. ); ſo muß der, dem die Sache geliehen worden, wegen des Verzugs vor den Schaden ſtehen, den die gelichene Sache bey dem Leihen - den nicht wuͤrde erlitten haben; ja da man von dem Leihenden, indem er den un - ſchaͤdlichen Gebrauch ſeiner Sache in der Mey - nung dem andern erlaubt, daß ſie ihm nach geendigtem Gebrauch wiedergegeben werde (§. 515.), nicht vermuthen kann, daß er in Ge - fahr ſtehen wolle, die Sache entweder zu ver - liehren, oder ſie verſchlimmern zu laſſen; ſo iſt beym Leihen natuͤrlicher Weiſe die - ſe ſtillſchweigende Bedingung, daß der - jenige, dem etwas geliehen worden, vor einen Zufall ſtehen muͤſſe, wo - durch die geliehene Sache bey dem Lei - henden nicht waͤre verdorben oder ver -X 2ſchlim -324II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenſchlimmert worden. Da nun aber der, welchem etwas geliehen worden, entweder eben dieſelbe Sache, welche er bekommen, wie - dergeben (§. 515.), oder ihren Werth zu er - ſetzen verbunden iſt (§. præſ. ); ſo darf der Leihende es nicht annehmen, wenn der andere eine Sache von eben der Art wiedergeben will.

§. 521.

Wenn bloß zum Vortheil des Lei - henden eine Sa - che gelie - hen wird.

Wenn jemand bloß ſeines Vortheils wegen einem andern etwas leihet, ſo iſt es eigentlich zu reden kein Leihen (§. 515.), indem der andere nicht umſonſt den Gebrauch der Sache zu ſeinem eigenen Nu - tzen verwilliget erhaͤlt, ſondern vielmehr er zum Vortheile des Leihenden etwas thut, wo - zu der Gebrauch ſeiner Sache noͤthig iſt, ſo daß es eben ſo viel iſt, als wenn der Leihen - de die Sache ſelbſt gebraucht haͤtte. Derowe - gen iſt der andere nicht ſchuldig vor den Zufall zu ſtehen, wodurch die Sa - che bey dem Leihenden nicht waͤre ver - dorben oder verſchlimmert worden; ob er gleich verbunden iſt fuͤr dasjenige zu ſtehen, was aus Verſehen oder vor - ſaͤtzlich geſchehen (§. 270.). Weil es ſich aber verſtehet, daß die Sache durch des Lei - henden Schuld verdorben, oder verſchlimmert worden, wenn er ſie mit Wiſſen einem Menſchen geliehen hat, der ſehr nach - laͤßig iſt, obgleich bloß zu ſeinem Nu - tzen (§. 21.); ſo darf derjenige dem et -was325Contracten. was geliehen worden, vor ein Verſe - hen nicht ſtehn.

§. 522.

Wenn derjenige, dem etwas gelie -Wenn derjeni - ge, dem etwas ge - liehen worden, einen Dieb - ſtahl des Ge - brauchs begehet. hen worden, die Sache anders ge - braucht, als wozu ſie ihm geliehen worden; ſo begeht er einen Diebſtahl des Gebrauchs (furtum uſus) (§. 264.); folglich, da dieſes wider das Recht des Leihen - den geſchiehet, indem der andere ſich ein Recht anmaſſet, das ihm nicht zukommt (§. 198. 83. ), thut er dem Leihenden Un - recht (§. 87.).

§. 523.

Wenn diejenige Sache, welche durchJn wie - fern die - jenigen Sachen, welche durch den Gebꝛauch ver - braucht werden, geliehen werden. den Gebrauch verbraucht wird, noch einen andern Gebrauch haben kann, wodurch ſie nicht verbraucht wird, da man ſie in dieſer Abſicht einer Sache gleich achten kann, welche durch den Gebrauch nicht verbraucht wird; ſo kann ſie in Anſehung dieſes Gebrauchs geliehen werden (§. 515.); z. E. wenn man jemanden Geld leihet um ſich damit ſehen zu laſſen, aber eben daſ - ſelbe wiedergeben muß (§. 515.), oder ei - ne Weintraube von ungewoͤhnlicher Groͤſſe, daß man dieſelbe einem andern zeige.

§. 524.

Da man im Leihen den Gebrauch der Sa -Vom Lohn, den man vor den Ge - brauch zahlt. che umſonſt giebt (§. 514.); ſo wird etwas nicht geliehen, wenn man vor den Gebrauch der Sache einen Lohn zahlt,X 3ſondern326II. Th. 11. H. Von woblthaͤtigenſondern es iſt eine Art eines Contracts (§. 467.), wovon wir in dem folgenden han - deln werden, nemlich ich gebe Geld, da - mit der andere mir einen Gebrauch ei - ner Sache gebe, oder ich gebe eine gewiſſe Sache, oder auch den Gebrauch einer andern Sache davor.

§. 525.

Vom ho - norario oder ei - ner Er - kaͤntlich - keit.

Eine Erkaͤntlichkeit (honorarium) nennt man ein Geſchencke an Gelde, welches man in der Meinung dem andern giebt, um das, was er uns umſonſt zu Gefallen gethan, oder was nach Geld nicht geſchaͤtzt werden mag, zu vergelten. Weil das, ſo uns umſonſt zu Ge - fallen geſchehen, nur ein Bewegungsgrund der Erkaͤntlichkeit iſt, um ſein danckbares Ge - muͤthe dadurch zu erkennen zu geben (§. 475. 482. ), man aber auf die Bewegungsgruͤnde bey den Contracten nicht ſieht (§. 78.); ſo aͤndert ein wohlthaͤtiger Contract ſeine Natur nicht, wenn eine Erkaͤntlich - keit dazu kommt, als das Geliehene bleibt etwas Geliehenes (§. 515.). Die Groͤſſe der Erkaͤntlichkeit wird von dem, der ſie giebt, nach ſeinem Gefallen beſtimmt (§. 316.), und deswegen kann ſie den Werth deſſen uͤbertreffen, was gelei - ſtet worden; jedoch wenn etwas zur Erkaͤntlichkeit verſprochen und an - genommen worden, ſo iſt es eine voll - kommene Schuld (§. 380. 381.). Allein wofern der andere, was er ohne Ent -gelt327Contracten. gelt leiſten ſollte, nicht anders als un - ter der Bedingung einer gewiſſen Er - kaͤntlichkeit leiſten will, da man ſolcher geſtalt mit einander eines wird, was man dem, der uns etwas gewaͤhret, hinwiederum dagegen leiſten ſoll, und dieſes fuͤr dasjenige gegeben wird, was einem gewaͤhret worden; ſo wird die Erkaͤntlichkeit in einen Lohn verwandelt (§. 500.).

§. 526.

Weil der Leihende ſich allein verbindet, denVon den Unkoſten, die auf den Ge - brauch der Sa - che und auf die Sache ſelbſt ver - wendet werden. Gebrauch der Sache zu erlauben, nicht aber Unkoſten anzuwenden, damit einer die Sa - chen gebrauchen kann (§. 515.); ſo muß derjenige, dem die Sache geliehen wor - den, die Unkoſten aufwenden, wenn der Gebrauch der Sache dergleichen erfordert, z. E. wenn ich ein Pferd, oder einen Bedienten auf einige Tage einem an - dern leihe. Da aber ein jeder ſein Recht er - laſſen kann (§. 342.); ſo kommt zu dem Leihen ein Geſchenck, wenn der Lei - hende die Unkoſten tragen will; folglich wird es eine zuſammengeſetzte Hand - lung (§. 465.). Gleichergeſtalt, weil der, dem etwas geliehen wird, nur zu verhuͤten verbunden iſt, daß die Sache nicht durch ſei - ne Schuld verſchlimmert, oder verdorben wird (§. 519.); ſo muß der Leihende die Unkoſten erſetzen, woferne auſſer dem Gebrauch auf die Sache auſſer - ordentlich etwas zu verwenden, z. E. X 4zur328II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenzur Erhaltung derſelben, inſonderheit wenn ſie groͤſſer ſind, als der Werth des Ge - brauchs, z. E. wenn das Dach von gelehn - ten Haͤuſern auszubeſſern iſt, damit der Re - gen keinen Schaden thue.

§. 527.

Von den gleich - guͤltigen Sachen.

Eine gleichguͤltige Sache (res fungi - bilis) wird genannt, welche die Stelle einer andern von eben derſelben Gattung vertritt. Es kann alſo eine an die Stelle der an - dern angenommen werden; folglich ſind es ſolche Sachen, deren Werth der Zahl, oder dem Maaß und Gewicht proportionirlich iſt; und ſie muͤſſen von einerley Gattung, Groͤſſe und Guͤte ſeyn. Daher erhellet ferner, daß die gleichguͤltigen Sachen in der Art (in genere) wiedergegeben werden koͤn - nen, dem, der ſie gegeben, ohne ſeinen Schaden (§. 269.). Und weil das Geld die Stelle aller Sachen und Arbeit vertritt (§. 494.); ſo iſts am allermeiſten eine gleichguͤltige Sache.

§. 528.

Was das Borgen ſey, und was in demſel - ben wie - dergege - ben wer - den muß.

Ein wohlthaͤtiger Contract, durch welchen man dem andern den Gebrauch einer Sache, die durch den Gebrauch verzehrt, oder die verbraucht wird, verſtattet, nennt man das Borgen (mutuum). Derjenige, der etwas borgt, wird der Glaͤubiger (creditor, mu - tuans) genannt; der das Geborgte empfaͤngt, oder der, dem man etwas borget, der Schuld -ner329Contracten. ner (debitor, mutuatarius). Weil man ei - ne Sache nicht verzehren darf, wenn ſie nicht unſer (§. 195.); ſo muß der Glaͤubiger dem Schuldner das Eigenthum abtre - ten. Weil er aber die Sache nicht ſchenckt (§. 475.), ſondern bloß den Gebrauch derſel - ben erlaubt (vermoͤge der Erklaͤrung); folg - lich will, daß ihm dieſelbe wiedergegeben wer - de, hingegen eben dieſelbe Sache, da ſie ver - zehret worden, nicht wiedergegeben werden kann (§. 515.); ſo muß eine Sache von eben der Art wiedergegeben werden; folglich muͤſſen diejenigen Dinge, welche geborgt werden, gleichguͤltige Sachen ſeyn (§. 527.), und was wiedergege - ben wird, muß von eben der Gattung, Groͤſſe und Guͤte ſeyn, als was geborgt worden.

§. 529.

Weil bey dem Borgen das Eigenthum ab -Wer bor - gen kann, und von einer ei - nem an - dern zu - gehoͤri - gen Sa - che, die geborgt worden. getreten wird; ſo kann niemand eine Sa - che verborgen, als der Eigenthums - herr (§. 257.). Wenn demnach eines andern Sache geborgt wird, ſo iſt der Contract an und vor ſich ſelbſt nich - tig; folglich wenn die Sache noch nicht verzehrt worden iſt, ſo kann der Ei - genthumsherr ſich dieſelbe wieder zu - eignen (§. 262.); wenn ſie aber ver - zehrt worden, ſo iſt der Schuldner gehalten den Werth zu erſetzen (§. 271.); denn er iſt demſelben nicht aus dem ContracteX 5verbun -330II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenverbunden, daß er die Sache in eben der Art wiedergeben muͤſte (§. 528.). Wenn der Eigenthumsherr das Borgen gut heißt, da es alsdann eben ſo viel iſt, als wenn es mit ſeiner Einwilligung geſchehen waͤre; ſo beſtehet der Contract.

§. 530.

Wenn man eine fremde, geliehene oder ge - borgte Sache wieder - geben muͤße.

Weil der, ſo etwas geliehen bekommen, ſich verbunden hat, eben dieſelbe dem, welcher ſie ihm geliehen, wieder zu geben (§. 515.), der Schuldner aber das geborgte dem Glaͤubiger in eben der Art (§. 528.); ſo muß, der et - was geliehen bekommen, dem Leihen - den, und der Schuldner dem Glaͤubi - ger die Sache wieder geben, wenn der Eigenthumsherr nicht widerſpricht (§. 261.), und ſein Eigenthum erweiſet (§. 262.). Und wenn der Eigenthums - herr will, ſo kann der Glaͤubiger ihm ſein Recht abtreten (§. 342.).

§. 531.

Von der Zeit des Wieder - gebens.

Weil die geborgte Sache in eben der Art wieder zu geben iſt (§. 528.); ſo muß man bey dem Borgen ausmachen, zu wel - cher Zeit das Geborgte wieder gege - ben werden ſoll. Und da man die Ver - traͤge halten muß (§. 438.); ſo kann der Glaͤubiger vor Verfließung der Zeit das Geborgte nicht wieder fordern. Und weil man das Eigenthum deſſelben an den Schuldner abtritt (§. 528.); ſo kann er, was geborgt worden, wenn es gleichnoch331Contracten. noch nicht verzehrt worden, nicht wieder fordern, unerachtet er es zu ſeinem eigenen Gebrauche noͤthig hat (§. 195.).

§. 532.

Weil man eine geborgte Sache deswegenWenn man die geborgte Sache ſelbſt und vor der Zeit wie - dergeben kann. nur in eben der Art wiedergeben muß, weil man, nachdem ſie verzehret worden, eben die - ſelbe nicht wiedergeben kann (§. 528.); ſo kann der Schuldner eben dieſelbe wie - dergeben, wenn er ſie nicht noͤthig hat. Und weil man die Zeit des Wiedergebens deswegen beſtimmt, damit der Schuldner, der die Sache wieder geben ſoll, nicht ſaum - ſeelig iſt; ſo kann er das Geborgte, wo - fern nicht ausdruͤcklich es anders ausgemacht worden, vor der Zeit wieder geben (§. 438.).

§. 533.

Weil das Geld zu denen Sachen gerechnetOb man Geld borgen kann. wird, welche durch den Gebrauch verzehrt werden; ſo kann auch daſſelbe geborgt werden (§. 528.); aber es wird nicht geborgt, wofern es nicht umſonſt ge - ſchiehet (§. cit.).

§. 534.

Die innere Guͤte des Geldes oderVon der Guͤte der Muͤntze. der Muͤntze (bonitas intrinſeca pecuniæ ſive monetæ) iſt diejenige, welche man nach der Materie und dem Gewichte ſchaͤtzt: die aͤuſſere (extrinſeca) aber der Werth, wel - cher demſelben nach Willkuͤhr der Menſchenbeyge -332II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenbeygeleget iſt. Jm Deutſchen nennt man die Materie Korn, oder Gehalt, das Ge - wichte Schrot, den beygelegten Werth die Wuͤrdigung oder Valvation der Muͤntz - ſorten. Daher nennt man gute Muͤntzen, oder gutes Geld (monetam probam), deren aͤuſſere Guͤte durch die innere beſtim̃t wird, oder wenn der beygelegte Werth dem innern, wel - chen es von der Materie und dem Gewicht hat, gleich kommt; ſchlechte Muͤntzen (monetam reprobam), deren innere Guͤte der aͤuſſern nicht gleich kommt.

§. 535.

Auf wie viel Ar - ten Geld geborgt wird.

Eine Summe Geld wird geborgt, wenn das Geld zugezaͤhlt wird, und man die innere und aͤuſſere Guͤte voraus ſetzt, z. E. wenn hundert Thaler an einer Muͤntze, die aus reinem Golde beſteht, geborgt werden, und ihr der Werth beygelegt wird, welchen ſie zu der Zeit hat, da die Schuld gemacht wird. Eine Art von Gelde wird geborgt (ge - nus mutuo datur), wenn die Stuͤcken zuge - zaͤhlt werden, ohne auf den beygelegten Werth zu ſehen, den ſie zu der Zeit haben; z. E. wenn man 100. Ducaten borget. Der Werth des Geldes wird geborgt (æſti - matio nummorum mutuo datur), wenn ei - ne gewiſſe Summe Geldes uͤberhaupt genom - men, oder in einer guten gangbaren Muͤntze dem Werthe nach geborgt wird; z. E. 100. Thlr., ohne auf die Muͤntzſorten zu ſehen.

§. 536.333Contracten.

§. 536.

Weil man bey dem Borgen eben ſo viel inWas nach die - ſer Ver - ſchieden - heit wie - dergege - ben wer - den muß. eben der Art wiedergeben muß, als man be - kommen (§. 528.), und uͤber dieſes halten, was man ausgemacht hat (§. 438.); ſo muß man, wofern die Summe des Geldes mit ausdruͤcklicher Benennung der Muͤntz - ſorten geborget worden, eben dieſelbi - ge Summe, in eben dergleichen Muͤntz - ſorten nach der innern und aͤuſſern Guͤ - te wiedergeben, welche ſie zur Zeit des Contracts hatte; wenn aber die Muͤntzſorten nicht benannt worden, ſo kann man in einer andern gleich gu - ten Muͤntzſorte die Summe wiederge - ben, nach der aͤuſſern Guͤte, die ſie zur Zeit des Contracts gehabt. Wenn ei - ne Art von Gelde geborgt wird; ſo muß man eben ſo viel Stuͤcke von eben der Art und inneren Guͤte wiederge - ben. Wenn endlich der Werth vom Gelde geborgt worden; ſo darf man nur eben dieſelbe Geldſumme in einer guten und gangbaren Muͤntze wieder - geben, es ſey was vor eine es wolle. Naͤmlich weil der Glaͤubiger bey den Borgen nichts miſſen will, als den Gebrauch ſeiner Sache, die er dem andern giebt (§. 528.); ſo muß, nachdem das Geborgte wie - dergegeben worden, es eben ſo viel ſeyn, als ob es nicht waͤre geborgt worden. Und daher muß man beſtimmen,was334II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenwas bey dem Wiedergeben zu thun ſey, wenn der Werth der geborgten Summe, es mag der aͤuſſere, oder innere ſeyn, unter der Zeit veraͤndert wird, damit der Glaͤubiger eben die Summe Geldes, entweder in eben derſel - ben Muͤntzſorte, oder in einer andern von gleicher Guͤte behaͤlt. Es ſcheint aber nicht rathſam zu ſeyn, jetzt hiervon weitlaͤuftiger zu handeln.

§. 537.

Wenn die ge - borgte Sache, ehe ſie ge - braucht, verdirbt.

Weil die geborgte Sache deſſen eigenthuͤm - lich iſt, dem ſie geborgt worden (§. 528.); ſo iſt es der Schade des Schuldners, wenn ſie umkommt, oder verlohren gehet, ehe er ſie hat brauchen koͤnnen (§. 243.); folglich muß er dem ohnge - achtet das Geborgte in eben der Art wiedergeben (§. 528.).

§. 538.

Ob et - was an - ders, als man geborget, u. wenn der Werth der Sa - chen bloß wiederzu - geben.

Weil bey dem Borgen das, was man be - kommt, in eben der Art wiedergegeben wer - den muß, nicht aber etwas anders (§. 528.); ſo iſt es kein Borgen, wenn man mit einander eins wird, daß etwas anders, oder der Werth der Sache wiederge - geben werden ſoll. Dergleichen Contracte haben ihr beſonderes Recht.

§. 539.335Contracten.

§. 539.

Ein wohlthaͤtiger Contract, wodurch eineWas in Verwah - rung ge - ben oder Nieder - legen ſey. gewiſſe Sache einem uͤbergeben wird, daß er ſie umſonſt in ſeine Verwahrung nehmen ſoll, und von dieſem angenommen wird, heißt in Verwahrung oder aufzuheben geben, ingleichen Niederlegen (depoſitum). Derjenige, welcher eine Sache der Verwah - rung uͤbergiebt, heißt der Niederlegende (deponens), der, welcher die Verwah - rung uͤbernimmt, der Verwahrer (de - poſitarius). Da in dieſem Contract das Ei - genthum der in Verwahrung gegebenen Sa - che nicht dem Verwahrer abgetreten wird; ſo bleibt, der ſie in Verwahrung giebt, Ei - genthumsherr davon. Und da der andere nur die Verwahrung uͤbernommen; ſo kann er ſie nicht gebrauchen; folglich, wenn er ſie gebraucht, begeht er einen Dieb - ſtahl des Gebrauchs (§. 264.). Wenn aber der Niederlegende den Gebrauch der niedergelegten Sache erlaubt; ſo wird mit dem Niederlegen das Leihen vermiſcht (§. 515.), oder wenn es Geld iſt, das Borgen (§. 528.).

§. 540.

Weil der Verwahrer die Sache ohne Ent -Wenn vor die Verwah - rung et - was ge - geben wird. gelt zu verwahren uͤbernimmt (§. 539.); ſo iſt ein Contract, bey welchem man eins wird, daß vor die Verwahrung ein ge - wiſſer Lohn gegeben werden ſoll, kein Niederlegen. Aber eine Erkaͤntlich -keit,336II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenkeit, welche entweder verſprochen wor - den, oder freywillig gegeben wird, aͤn - dert die Natur des Contracts nicht (§. 525.).

§. 541.

Von der Veꝛbind - lichkeit desjeni - gen, bey dem et - was nie - derge - legt wor - den.

Da der, bey dem etwas niedergelegt wor - den, die niedergelegte Sache zu verwahren verbunden iſt (§. 539.), und davon allen Schaden abzuwenden, nach dem Recht der Natur (§. 269.), aber dieſelbe nicht gebrau - chen darf (§. 539.); ſo iſt er verbunden, die Sache mit allem Fleiße zu verwah - ren (§. 21.), und demjenigen, der ſie niedergelegt hat, wenn er ſie wieder fordert, in Natur wieder zu geben: Jedoch darf er ſie nicht laͤnger, als die Abrede genommen worden, in ſeiner Verwahrung behalten (§. 438.). Wo - fern durch ſein Verſehn oder vorſaͤtz - lich die Sache verſchlimmert wird; ſo muß er den Schaden erſetzen (§. 270.). Weil aber die Sache desjenigen halber, der ſie in Verwahrung gegeben, bey dem andern iſt, und dieſer keinen Vortheil davon hat (§. 539.); ſo iſt er auch nicht verbunden vor einen Zufall zu ſtehen. Es erhellet aber leicht, daß, wenn er keinen groͤſſern Fleiß in der Verwahrung verſpricht, als bey ſeinen eigenen Sachen, er auch nach dem aͤuſſerlichen Rechte zu keiner groͤſſern Sorgfalt verbunden iſt (§. 377. 378.). Da man ſich auf die Verwahrungdeſſen,337Contracten. deſſen, dem man die Sache uͤbergiebt, ver - laͤßt; ſo muß er uns vor das Verſehn, oder den vorſaͤtzlichen Schaden des an - dern ſtehen, dem er wider unſer Wiſ - ſen die Sache in Verwahrung gege - ben, dieſer aber muß ihm davor ſtehn; maſſen dieſer ihm, als wie er uns, nach dem Contracte dazu verbunden iſt. Es kann aber uns der andere, wenn wir wol - len, ſein Recht abtreten (§. 338.). Weil er an dem Verzuge ſchuld iſt, wenn er die Sache nicht bald wiedergiebt, wenn ſie ge - fordert wird (§. 417.); ſo muß er uns nicht allein vor den Zufall ſtehn, durch welchen die Sache bey uns nicht um - kommen waͤre, oder verſchlimmert worden, weil der Schaden durch ſein Ver - ſehn geſchieht (§. 270.), ſondern er muß auch davor ſtehen, was uns daran ge - legen, daß die Sache nicht gleich wie - dergegeben worden (§. 419.).

§. 542.

Weil derjenige, bey dem etwas nieder -Von der Verbind - lichkeit desjeni - gen, der etwas nieder - legt. gelegt worden, die Sache ohne Entgelt zu verwahren uͤbernimmt (§. 539.), und doch ſor - gen muß, daß ſie nicht durch ſeine Schuld verdorben, oder verſchlimmert wird (§. 541.); ſo iſt, woferne er Unkoſten auf die Sache anwenden muß, damit ſie un - verſehrt erhalten wird, der andere ſie ihm zu erſetzen ſchuldig (§. 271.). Weil es in unſerer Gewalt nicht ſtehet, einem an -Nat. u. Voͤlckerrecht. Ydern338II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigendern zu leiſten, was wir ohne Verabſaͤu - mung einer Pflicht gegen uns ſelbſt nicht lei - ſten koͤnnen, und unſere Verbindlichkeit ſich nicht weiter erſtreckt (§. 60.); ſo darf in einer gemeinſchaftlichen Gefahr, wel - che nicht durch die Schuld desjenigen, bey dem etwas niedergelegt worden, entſteht, derſelbe die niedergelegten Sachen den ſeinigen nicht vorziehen, wenn beyde zugleich koͤnnen gerettet werden; wofern er ſie aber doch vor - ziehen wollen, weil ſie viel koſtbarer ſind, ſo muß der andere, dem die ge - rettete Sachen gehoͤren, den Verluſt erſetzen (§. 271.). Gleichfalls muß der, welcher etwas niedergelegt hat, dem andern den Schaden erſetzen, welcher ihn durch die niedergelegten Sachen, entweder aus Verſehen, oder mit Wiſ - ſen desjenigen, der ſie in Verwahrung gegeben, betrift, z. E. wenn einer ein Pferd, das gern ausſchlaͤgt, in Verwahrung giebt, und uns nicht gewarnet, ſo muß er den Schaden, der uns betrift, wieder er - ſetzen (§. 270.).

§. 543.

Wenn man eine einem an - dern zu - gehoͤrige Sache in Verwah - rung giebt.

Wenn eine einem andern zugehoͤri - ge Sache in Verwahrung gegeben wird, und wir wiſſen, wer der Ei - genthumsherr iſt; ſo muͤſſen wir ſie ihm wiedergeben (§. 261.). Man ſetzt naͤmlich voraus, daß ſie ohne Vorwiſſen desEigen -339Contracten. Eigenthumsherrn bey uns niedergelegt wor - den, und er das nicht gut geheiſſen; denn ſonſt iſt es eben ſo viel, als ob er ſelbſt die Sache durch einen andern uns in Verwahrung ge - geben haͤtte, oder als ob ein anderer mit ſei - ner Einwilligung den Contract mit uns ge - macht haͤtte.

§. 544.

Da in einer gemeinſchaftlichen Sache, dieWenn ei - ne ge - mein - ſchaftli - che Sache niederge - legt wor - den. nicht getheilt worden, mehreren das Eigen - thum zukommt, folglich wenn ſie nieder - gelegt wird, alle zuſammen genommen die Perſon desjenigen, der etwas niedergelegt, oder in Verwahrung giebt, vorſtellen; ſo darf man ſie nicht einem, ſondern man muß ſie allen zuſammen wiedergeben; folglich muß derjenige, welcher ſie ei - nem wiedergiebt, den uͤbrigen noch vor ihren Antheil ſtehen. Weil aber auch derjenige, welcher eine Sache gantz empfaͤngt, einem jeden, vermoͤge der Ge - meinſchaft (§. 196.), vor ſeinen Antheil ſtehen muß, daß er ihnen naͤmlich dasjeni - ge wiedergeben muß, was das ihrige iſt (§. 261.); ſo iſt ſo wohl der, welcher die Sache wiedergegeben, als der ſie em - pfangen, den uͤbrigen verbunden. Da ſie aber nur von einem erhalten koͤnnen, was ihnen gebuͤhret; ſo wird, wenn ſie ihren Antheil von einem bekommen, der an - dere von ſeiner Verbindlichkeit zugleich befreyet. Wenn demnach die niederge -Y 2legte340II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenlegte Sache getheilt werden kann, und bey dem Theilen keine beſondere Wahl ſtatt findet; folglich wenn Sachen nie - dergelegt worden, deren Stelle eine andere von eben der Art vertreten kann, als von welchen man annimmt, daß ſie in der That getheilt ſind (§. 527.); ſo kann einem jeden ſein Antheil beſon - ders wiedergegeben werden; folglich wenn die uͤbrigen Theile untergehen ſollten, ſo iſt der, welcher ſeinen An - theil bekommen, den uͤbrigen vor nichts zu ſtehen ſchuldig. Wenn aber gemeinſchaftliche Dinge von verſchie - dener Art (ſpecies plures) niedergelegt werden, als ein ſilberner Becher, goldene Ringe mit eingefaßten Edelgeſteinen, Klei - der, leinen Zeug, ſo hat ein jeder an einer jeden Sache als einer ſolchen, die nicht ge - theilt werden kann, ſeinen Antheil (§. 196.); und alſo koͤnnen ſie nicht einem wie - dergegeben werden.

§. 545.

Wenn ei - ne Sache bey vie - len nie - dergelegt worden.

Weil vor ſich klar iſt, daß eine niederge - legte Sache nur einmahl wiedergegeben wer - den kann, und daß man, nachdem ſie wieder - gegeben worden, vermoͤge des Contracts weiter zu nichts verbunden (§. 539.); ſo kann eine vielen in Verwahrung gegebene Sache, von einem allein, ohne Vorwiſſen der andern, wiedergegeben werden; ja er muß es thun, wenn ſie von ihm ge -fordert341Contracten. fordert wird. Weil aber der, welcher ſie nicht wiedergeben will, alſobald am Verzuge ſchuld iſt (§. 417.); ſo muß er dem, welcher ſie in Verwahrung ge - geben, allein vor alles ſtehen, was ihm vor Nachtheil daraus erwaͤchßt, daß ſie nicht gleich wiedergegeben worden (§. 419.).

§. 546.

Wer den Scha - den, der aus Ver - ſehn, oder mit Vor - ſatz ge - ſchieht, erſetzen muß, wenn vie - le die Sache in Verwah - rung ha - ben.

Da derjenige, der den andern aus Ver - ſehn oder vorſaͤtzlich in Schaden bringt, ihn erſetzen muß (§. 270.); ſo muß, wenn ei - ne Sache bey vielen niedergelegt wor - den, ein jeder vor das ſtehen, was er verſehen, oder vorſaͤtzlich gethan; was aber gemeinſchaftlich geſchehen, davor haftet ein jeder, nachdem er Theil dar - an hat, woferne man es nicht anders ausgemacht hat, z. E. ſo, daß ein jeder fuͤr alle gehalten ſeyn ſoll (§. 438. 422.).

§. 547.

Weil der, welcher eine Sache in Ver -Von der Gefahr bey der Zuruͤck - ſendung einer nie - dergeleg - ten Sa - che, wie auch von der Zu - ruͤckfen - dung ei - ner gelie - wahrung hat, weiter zu nichts, als zur Ver - wahrung (§. 539.) und zur Wiedergabe, wenn ſie gefordert wird, nach dem Contracte ver - bunden iſt (§. 541.); ſo muß der, der die Sache niedergelegt hat, beſtimmen, durch wen ſie zuruͤcke geſchickt werden ſoll, und dieſes muß auf ſeine Koſten geſchehn. Wenn man aber, ohne ihn zu fragen, ſie nach ſeinem Gefallen wiederſchickt; da die Sache nicht eher wie -Y 3derge -342II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenhenen Sache.dergegeben worden, als bis der, der ſie in Verwahrung gegeben, oder dem er ſie hat heiſ - ſen wiedergeben, ſie empfangen hat; ſo iſt die Gefahr deſſen, der ſie uͤberſchickt. Eben dieſes gilt von einer geliehenen Sache, wenn ſie wiedergeſchickt wird; obgleich der, welchem man die Sache geliehen, weil ſie nur zu ſeinem Vortheil geliehen worden, ſie auf ſeine Koſten, wenn welche noͤ - thig ſind, wieder zuruͤcke zu ſchicken verbunden iſt.

§. 548.

Vom Seqve - ſtriren.

Die Verwahrung einer ſtreitigen Sache heißt das Seqveſtriren (ſequeſtrum), und derjenige, der ſie in Verwahrung hat, heißt der Seqveſter. Man nennt aber eine ſtreitige Sache (rem litigioſam), an welche zwey oder mehrere eine Anforderung machen, oder uͤber deren Eigenthum man ſtreitet. Man ſtreitet aber uͤber das Eigenthum (de dominio controvertitur), wenn zwey oder mehrere behaupten, daß ihnen die Sa - che zugehoͤre. Und daher erhellet, daß der Seqveſter die Verwahrung einer ſtrei - tigen Sache ohne Entgelt uͤbernimmt; und daß die Seqveſtration bey einer dritten Perſon mit Einwilligung aller derjenigen, die daruͤber ſtreiten, geſche - hen muͤße. Jm buͤrgerlichen Rechte heißt dieſes ein freywilliges Seqveſtriren (ſe - queſtrum voluntarium), hingegen das noth - wendige (neceſſarium), welches vom Rich -ter343Conttracten. ter geſchieht. Dieſer Unterſchied findet im Rechte der Natur nicht ſtatt, als welches im natuͤrlichen Zuſtande gilt, in welchem die ſtreitenden Parteheyen keinen Richter haben.

§. 549.

Weil alle Streitende zuſammen genommenVon der Wieder - gabe ei - ner ſe - qveſtrir - ten Sa - che. die Perſon ausmachen, welche die Sache in Verwahrung gegeben (§. 548.); ſo muß der Seqveſter die ſeqveſtrirte Sache denen ſtreitenden Partheyen wieder - geben, wenn ſie dieſelbe einmuͤthig wiederfordern (§. 541.); nach geendig - ten Streite aber dem, der das Recht dazu erhalten; jedoch auf die Art und Weiſe, wie die ſtreitende Partheyen es unter einander ausgemacht haben; als wenn der, welcher die Sache bekommt, etwas leiſten ſoll, ehe er den Beſitz erhaͤlt, ſo wird ſie ihm nicht eher wiedergegeben, als bis ſolches geſchehen.

§. 550.

Weil ſich weder derjenige, welcher die SacheWas bey der Wie - dergabe einer in Verwah - rung ge - habten Sache zu beobach - ten. in Verwahrung gehabt, dadurch bereichern, noch der andere, der ſie in Verwahrung ge - geben, ob gleich der andere dieſelbe umſonſt uͤbernommen (§. 271.), ſeinen Schaden ver - langen kann; ſo muͤſſen, wenn eine fruchtbahre Sache in Verwahrung gegeben, folglich auch wenn ſie ſeqve - ſtriret worden (§. 548.), auch die Fruͤch - te wiedergegeben werden, oder im Se - qveſtrirungs-Falle demjenigen, derY 4Recht344II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenRecht behalten (§. 549.): Der andere aber, der ſie in Verwahrung gehabt, zieht die darauf gewandte Koſten und den Lohn vor die Arbeit und ſeine Bemuͤhung ab, ohne welchen die Fruͤchte nicht haͤtten koͤnnen erhalten werden. Und da es rathſam iſt, um Streitigkeit zu vermeiden, daß man wegen des Lohnes eins wird, wenn man die Sache in Verwahrung giebt; ſo iſt die Conven - tion wegen des Lohns, der Arbeit und Bemuͤhung ein Vertrag, welcher dem Seqveſtriren beygefuͤgt wird (§. 438.).

§. 551.

Von der Voll - macht.

Die Vollmacht (mandatum) nennt man den wohlthaͤtigen Contract, in welchem man einem andern etwas in unſerm Nahmen zu thun auftraͤgt, und er ſolches zu verrichten ohne Entgelt uͤbernimmt. Wer einem an - dern etwas auftraͤgt wird der Bevollmaͤch - tigende (mandans); der andere aber, dem es aufgetragen wird, der Bevollmaͤchtig - te (mandatarius, procurator) genannt. Auftragen (committere) aber iſt nichts an - ders, als ſich den andern, etwas in ſeinem Nahmen zu thun, vollkommen verbindlich machen. Es iſt alſo daſſelbe vom empfeh - len (commendare) unterſchieden, wenn wir dem andern anzeigen, es werde uns ange - nehm ſeyn, wenn er thun will, was wir ha - ben wollen; wie auch vom bitten (rogare), wenn wir nehmlich hinlaͤnglich dem andern zuverſte -345Contracten. verſtehen geben, wie ſehr gerne wir wollen, daß der andere etwas thun und es nicht ab - ſchlagen moͤge. Da der, welcher etwas em - pfiehlt, oder bittet, keinen Contract mit uns macht; ſo verbinden wir uns dem an - dern weder durchs Empfehlen, noch durchs Bitten vollkommen, und wir werden ihm auch nicht verbunden. Jm Gegentheil aber verbindet ſich der Bevollmaͤchtigte dem, welcher ihm die Vollmacht ertheilet, was ihm auf - getragen worden, mit allem Fleiße auszurichten. Und da er nicht in ſeinem, ſondern im Nahmen des andern, von dem er Vollmacht hat, handelt; folgends ſein Recht alſo nicht nach ſeinem eigenen Willen, ſon - dern nach dem Willen deſſen, der ihm Voll - macht giebt, zu beſtimmen iſt; ſo darf er nichts thun, als wozu er Vollmacht hat; und der ihm die Vollmacht er - theilet, verbindet ſich hinwiederum, das gutzuheißen, was nach dem Jn - halt der Vollmacht geſchehen.

§. 552.

Eine beſondere Vollmacht (manda -Vom Un - terſchied der Voll - machten. tum ſpeciale) nennt man, wenn einem ein nahmhaftes Geſchaͤfte aufgetragen wird; als ein Haus, oder Pferde zu kaufen: Eine allgemeine Vollmacht (mandatum ge - nerale) aber, wenn einem gewiſſe Geſchaͤfte uͤberhaupt aufgetragen werden. Beydes ge - ſchieht entweder mit freyer Hand (manda -Y 5tum346II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigentum cum libera), wann nur uͤberhaupt be - ſtimmt wird, was der Bevollmaͤchtigte thun ſoll, uud das uͤbrige ſeinem Gutbefinden uͤber - laſſen; oder ohne freye Hand (mandatum ſine libera), wenn naͤmlich alles, was der Bevollmaͤchtigte thun ſoll, ſo genau beſtimmt wird, daß nichts dem Gutbefinden des Be - vollmaͤchtigten uͤberlaſſen wird. Man theilet die Vollmacht auch ein in eine offenbahre (mandatum manifeſtum), wenn dieſelbe dem, mit welchem der Bevollmaͤchtigte zu thun hat, kund gemacht wird; und in eine geheime (arcanum), welche der Bevoll - maͤchtigte bloß vor ſich behaͤlt. Der Bevoll - maͤchtigte muß alſo nach der gehei - men verfahren, ſie aber dem nicht be - kannt machen, mit welchem er zu thun hat (§. 551.); und man ſiehet auf die geheime Vollmacht nur in der Ver - bindlichkeit, welche der Bevollmaͤch - tigte und der die Vollmacht ertheilet, unter einander haben. Gleichfalls erhel - let, daß wenn eine Vollmacht ohne freye Hand ertheilet worden, der Be - vollmaͤchtigte nichts thun darf, als was ausdruͤcklich beſtimmt worden; im entgegengeſetzten Falle ihm zu thun erlaubet ſey, was ihm gut oder beſſer zu ſeyn duͤncket, und der Billigkeit nicht zuwider iſt, oder wie man gemei - niglich zu ſagen pflegt: Er muß das, was ihm aufgetragen worden, nach beſtemWiſſen347Contracten. Wiſſen und Gewiſſen erfuͤllen (man - datum ex bono & æquo adimplere).

§. 553.

Weil der Bevollmaͤchtigte in unſermWas vor Verbind - lichkeiten ſich der Bevoll - maͤchtig - te zu - zieht. Nahmen handelt (§. 551.); ſo iſt, was er nach der gehabten Vollmacht thut, eben ſo anzuſehen, als ob wir es ſelbſt gethan haͤtten. Und da ein anderer von unſerm Willen nichts wiſſen kann, als was in der offenbahren Vollmacht enthalten (§. 552); ſo nimmt er auch mit Recht an, als von uns geſchehen, was der Be - vollmaͤchtigte nach dem Jnhalt der of - fenbahren Vollmacht thut (§. 318.); de - rowegen, wenn er etwas verſpricht, macht er uns dem andern durch ſein Verſprechen verbindlich, und den an - dern uns durch Annehmung deſſen, was er verſpricht (§. 380. 381.). Es erhellet alſo, daß der Gevollmaͤchtigte eine Mittelsperſon iſt Verbindlichkei - ten zu machen (§. 426.), und daß eine offenbahre Vollmacht erfordert wird, wenn er mit einem andern in unſerm Nahmen guͤltig contrahiren ſoll. Wenn alſo einer nach der geheimen Vollmacht handelt, da ſolchergeſtalt der andere nicht weiß, daß er in einem fremden Nahmen mit ihm handelt (§. 552.); ſo iſt er ihm in ſeinem eigenen Nahmen ver - bunden, er kann aber ſein Recht dem, von welchem er Vollmacht hat, auchwider348II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenwider den Willen des andern abtreten (§. 338. 342. ); ja, da er vermoͤge der gehei - men Vollmacht dem, der ſie ihm ertheilet, verbunden iſt (§. 551.); ſo iſt er es auch zu thun ſchuldig. Und da der, welcher die Vollmacht ertheilet, dem Gevollmaͤchtigten gleichfalls verbunden iſt; ſo muß er ge - nehm halten, was dieſer nach der ge - heimen Vollmacht gethan hat (§. 551.). Aus dem, was geſagt worden, folget fer - ner, daß, wenn die geheime Vollmacht anders lautet, als die offenbahre, und es nicht erlaubt iſt die geheime bekannt zu machen, man entweder unter der Hoffnung, daß es werde genehm ge - halten werden, oder gleichſam in ſei - nem eigenen Nahmen, nach dem Jn - halt der geheimen Vollmacht, mit dem andern handeln muß.

§. 554.

Wenn das, wo - zu man Voll - macht hat, ent - weder gar nicht, oder nicht zu gehoͤri - ger Zeit, ausge - richtet worden.

Weil der Gevollmaͤchtigte ſich dem ver - bindet, der ihm Vollmacht ertheilet, was ihm aufgetragen wird, auszurichten (§. 551.); ſo iſt er, wenn er, was ihm aufgetragen worden, nicht ausrichtet, dem, wel - cher ihm die Vollmacht ertheilet, da - vor zu ſtehen ſchuldig, daß er es nicht ausgerichtet (§. 415.); er darf auch zum Vortheil eines dritten dieſes zu thun nicht unterlaſſen. Weil er gleich - wohl nichts thun darf, als wozu er Voll - macht hat (§. 551.); ſo kann er in ſeinemeige -349Contracten. eigenen Nahmen und zu ſeinem Vor - theil mit dem andern handeln, wenn er innerhalb den Schrancken der Voll - macht nichts ausrichten kann. Da er aber am Verzuge ſchuld iſt, wenn er, was ihm aufgetragen worden, nicht zu ge - hoͤriger Zeit thut (§. 417.); ſo iſt er dem - jenigen, der ihm Vollmacht gegeben, davor zu ſtehen ſchuldig, was ihm dar - an gelegen, daß er, was ihm aufge - tragen worden, nicht zu rechter Zeit ausgerichtet (§. 551. 419.).

§. 555.

Weil der Gevollmaͤchtigte, was ihm auf -Von dem, was in der Voll - macht ſtill - ſchwei - gens ent - halten iſt. getragen worden, ausrichten muß (§. 551.); ſo muß man auch annehmen, daß ihm aufgetragen worden ſey, ohne welches er das ihm aufgetragene nicht ausrich - ten kann; z. E. eine Reiſe, wenn er ohne Reiſe das aufgetragene nicht ausrichten kann. Weil ſich auch von ſelbſt verſteht, daß der, welcher einem andern Vollmacht giebt, das wolle, was mit dem, was er ausdruͤcklich ſagt, nothwendig verbunden iſt, als daß die gekauften Waaren ihm auch uͤberbracht wer - den muͤſſen; ſo nimmt man an, man habe auch dazu Vollmacht, was mit dem, was einem aufgetragen, verbun - den iſt; als zu Ueberbringung der gekauften Waaren.

§. 556.

Da der Gevollmaͤchtigte das Geſchaͤfte deſ -Von dem, wasſen,350II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenbey Ge - legenheit der Voll - macht der Ge - vollmaͤch - tigte er - haͤlt, oder ihm ge - ſchenckt wird.ſen, der ihm die Vollmacht ertheilet, verwal - tet, und in deſſelben, nicht aber in ſeinem eignen Nahmen und zu ſeinem Vortheil (§. 551.); ſo muß er dem, von welchem er die Vollmacht hat, geben, was er bey Gelegenheit derſelben erhaͤlt, obgleich er in Anſehung deſſen ohne Vollmacht gehandelt; als wenn er einen liegenden Grund, nach dem Jnhalt der Vollmacht ge - kauft und die Fruͤchte mit dazu bekommen, oder wenn er Pferde kauft und ein Fuͤllen mit einhandelt. Wenn aber nach vollbrach - tem Geſchaͤfte dem Gevollmaͤchtigten etwas geſchenckt wird, ſo darf er es dem, von welchem er die Vollmacht hat, nicht geben; weil die Schenckung eine Handlung iſt, welche zu dem ausgerichte - ten Geſchaͤfte nicht gehoͤret, als welches ohne dieſelbe, auf die Art, wie es abgehandelt worden, beſtehet.

§. 557.

Von der Schad - loshal - tung des Gevoll - maͤchtig - ten.

Weil im Gegentheil der Gevollmaͤchtigte im Nahmen deſſen, von dem er die Vollmacht hat, und zu ſeinem Nutzen, und zwar um - ſonſt, was ihm aufgetragen worden, verrich - tet (§. 551.); und er folglich in dem gantzen Geſchaͤfte die Perſon desjenigen vorſtellet, der ihm Vollmacht dazu gegeben; ſo muß der, welcher die Vollmacht ertheilet, dem Gevollmaͤchtigten die angewandte Koſten wieder erſetzen, ohne welche er das Geſchaͤfte nicht hat ausrichtenkoͤn -351Contracten. koͤnnen; ingleichen den Schaden erſe - tzen, in welchen er bey dieſer Gelegen - heit gerathen; da er ſonſt davon befreyet geweſen waͤre. Weil aber der, welcher die Vollmacht ertheilet, dem Gevollmaͤchtigten weiter nicht, als aus der Vollmacht verbun - den iſt; ſo darf er auch dem Gevollmaͤch - tigten, indem er das ihm aufgetragene Geſchaͤfte vollfuͤhret, wenn ihm ein Zufall begegnet, der ihm auch wuͤrde begegnet ſeyn, wenn er die Vollmacht nicht angenommen haͤtte, vor den Schaden nicht ſtehen. Gleichergeſtalt da der Gevollmaͤchtigte nicht mehr in unſerm Nahmen handelt, wenn er die Grentzen der Vollmacht uͤberſchreitet, oder etwas thut, was ihm nicht befohlen iſt (§. 553.), und folg - lich der Grund von der Schadloshaltung weg - faͤllt; ſo iſt, der die Vollmacht er - theilet, dem Gevollmaͤchtigten nicht verbunden den Schaden zu erſetzen, in welchen er bey Gelegenheit der Ueber - ſchreitung der Vollmacht, oder desje - nigen, was ihm nicht aufgetragen wor - den, verfaͤllt, er darf ihm auch die da - bey gehabte Unkoſten nicht erſetzen. Weil aber gleichwohl der Gevollmaͤchtig - te dabey das, was ihm aufgetragen worden, ausgerichtet hat, und der es ihm aufgetragen hat verbunden iſt genehm zu halten, was er nach dem Jnhalt der Vollmacht gethan (§. 551.); ſo verbleibet er ihm, in ſo weit er dieVoll -352II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenVollmacht nicht uͤberſchritten, ver - bunden. Und da er ſich nicht mit dem Schaden des Bevollmaͤchtigten bereichern kann (§. 271.); ſo folget, daß, wenn der Be - vollmaͤchtigte die Vollmacht uͤber - ſchritten, als wenn er Pferde vor 170. Thlr. gekauft, ihm aber nur Pferde vor 150. Thlr. zu kaufen aufgetragen worden, und der ihm die Vollmacht ertheilet, nichts weiter, als dieſelbe gehet, genehm hal - ten will, indem er zu mehrerem nicht ver - bunden (§. 551.), jener aber lieber in ſeinem Nahmen gehandelt haben will, wofern dieſer, was er gethan, nicht gantz genehm halten will, es eben ſo viel iſt, als wenn er nicht verrichtet haͤtte, wozu ihm Vollmacht ertheilet worden; folglich iſt der Bevollmaͤchtig - te gehalten davor zu ſtehen, was dem andern daran gelegen iſt, daß nach der ihm ertheilten Vollmacht nicht ver - fahren worden, in ſo weit nach Jnhalt derſelben haͤtte verfahren werden koͤn - nen (§. 554.). Und weil der Bevollmaͤchtig - te zu nichts mehr verbunden werden kann, als ihm moͤglich iſt (§. 37.); ſo muß derjenige welcher ihm die Vollmacht ertheilet, nichts deſtoweniger ihn ſchadlos halten, wenn er ohne ſeine Schuld das Ge - ſchaͤfte nicht hat zu Ende bringen koͤn - nen, oder daſſelbe einen widrigen Aus - gang gehabt. Jm Gegentheil aber mußder353Contracten. der Gevollmaͤchtigte den Schaden er - ſetzen, wenn er einigen durch ſein Ver - ſehn, oder mit Vorſatz verurſacht hat (§. 270.).

§. 558.

Wenn vielen zuſammen genommenWenn zu einem Geſchaͤf - te vielen zuſam - men Voll - macht er - theilet wird. zu einem Geſchaͤfte Vollmacht gege - ben wird. Da alle zuſammen genommen ei - ne Perſon vorſtellen, folglich man annimmet, daß alle gethan, was einer ohne Widerſpruch der andern gethan hat; ſo wird den uͤbri - gen das zugerechnet, was aus Nach - laͤßigkeit des einen geſchieht, welche die uͤbrigen verhuͤten konten, und daher auch ſollten (§. 551.). Weil aber die Ur - ſache der Zurechnung wegfaͤllt, wenn etwas vorgenommen werden muſte, welches die uͤbrigen einem auftragen muſten, und dieſe bey dem Auftragen allen Fleiß angewendet, folglich ihrer Verbind - lichkeit von ihrer Seite ein Genuͤge gethan (§. cit. ); ſo nehmen ſie keinen Theil an dem Verſehen, welches bey der Ausfuͤhrung begangen worden. Nemlich ein jeder ſteht vor das, was er mit Vorſatz oder aus Verſehen gethan, daran die an - dern keinen Theil haben; vor das aber, was gemeinſchaftlich geſchehen, ſtehen alle zuſammen genommen, und alſo ein jeder vor ſeinen Antheil, wenn man nicht ausdruͤcklich ausgemacht hat, daß ein jeder fuͤr alle gehalten ſeynNat. u. Voͤlckerrecht. Zſoll354II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenſoll (§. 438.). Allein wenn ein Geſchaͤf - te vielen dergeſtalt aufgetragen wird, daß ein jeder einen gewiſſen Theil deſ - ſelben auszurichten hat, da in der That ſo viele verſchiedene Vollmachten ertheilet worden, als bevollmaͤchtigte Perſonen ſind, und ein jeder von ihnen nicht weiter verbun - den iſt, als ſeine Vollmacht gehet (§. 551.); ſo muß ein jeder vor ſein Verſehen ſte - hen.

§. 559.

Von der Rechen - ſchaft, die einer we - gen eines gefuͤhrten Geſchaͤf - tes zu ge - ben ſchul - dig.

Man ſagt, daß derjenige Rechen - ſchaft von einem gefuͤhrten Geſchaͤfte giebt (rationem negotii geſti reddere), welcher deutlich anzeigt, wie er jedes, was zu Verwaltung des Geſchaͤftes erfordert wird, ausgerichtet hat. Daher erhellet, daß wer eines andern Geſchaͤfte verwaltet, dem andern Rechenſchaft geben muͤſſe, wie er es verwaltet. Derowegen weil der Ge - vollmaͤchtigte ein Geſchaͤfte deſſen verwal - tet, der ihm Vollmacht dazu giebet (§. 551.); ſo muß er auch demjenigen, der ihm die Vollmacht gegeben hat, von ſei - nen Verrichtungen Rechenſchaft ge - ben.

§. 560.

Was man das nuͤtzliche in den Contra - cten nen - net.

Nuͤtzlich in den Contracten (utile in contractu) nennt man nichts anders, als was entweder im Gelde beſtehet, oder Geldes werth iſt. Deswegen ſiehet man in den Contracten auf keinen andern Ge -winn,355Contracten. winn, oder Schaden, oder Jntereſſe, wovor man zu ſtehen hat, als ſo ent - weder in Gelde beſtehet, oder nach Gelde geſchaͤtzt werden kann. Nemlich wenn man davon handelt, was einem andern wiedergegeben oder erſetzt werden muß; ſo muß was wiedergegeben, oder erſetzt werden ſoll, nach Gelde geſchaͤtzt werden, wofern nicht eben dieſelbige Sache, oder etwas von eben der Art wiedergegeben wird. Und da - her verſteht man ferner, wem zu gefallen ein Geſchaͤfte gefuͤhret wird (cujusnam cauſa negotium geratur); naͤmlich dem zu gefallen, der den Nutzen davon hat.

§. 561.

Weil man gantz allein auf den Nutzen desVon dem, wo - zu einem in ſeiner eigenen Angele - genheit Voll - macht er - theilet wird, und von dem Rathe. Gevollmaͤchtigten ſieht, wenn man um ſeinet - willen ihm zu etwas Vollmacht ertheilet, und alſo dem, der ſie giebt, nichts dran gelegen iſt, ob der Bevollmaͤchtigte thut, oder nicht, was er geſagt hat, daß er thun, oder nicht thun wolle; ſo iſt es eigentlich keine Voll - macht, ſondern ein bloſſer Rath, wenn man einem in ſeiner eigenen Angele - genheit etwas auftraͤgt. Man nennet naͤmlich einen Rath (conſilium) die Erklaͤ - rung unſers Willens von dem, was wir ver - meinen, daß der andere zu thun habe, jedoch ſeinem Gefallen uͤberlaſſen, ob er es thun will. Es entſpringen alſo aus einem Rath keine Verbindlichkeiten zwiſchen dem, der ihn giebt und der ihn annimmet;Z 2folg -356II Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenfolglich entſpringt auch keine Verbind - lichkeit, wenn bloß in des Gevollmaͤch - tigten Angelegenheit ihm etwas auf - getragen wird. Allein wenn jemand durch einen ſchlauen Rath vorſaͤtzli - cher Weiſe, oder durch betruͤgeri - ſchen einen dahin bringt, daß er thut, was uͤbel ablauft, da er ſolchergeſtalt den andern vorſaͤtzlicher Weiſe in Schaden bringt (§. 269.); ſo iſt er den Schaden zu er - ſetzen ſchuldig (§. 270).

§. 562.

Wenn eine Voll - macht in einer fremden Angele - genheit ertheilet wird.

Weil man ein fremdes Geſchaͤfte als ſein eigenes anſiehet, wenn man in einer frem - den Angelegenheit einem eine Vollmacht er - theilet; folglich mit dem Gevollmaͤchtigten contrahiret (§. 551.); ſo iſt, der die Voll - macht ertheilet, dem Gevollmaͤchtig - ten, und dieſer hinwiederum jenem nach der Vollmacht verbunden, wenn ſie in einer fremden Angelegenheit ge - geben worden. Und deswegen iſt die Gefahr deſſen, der die Vollmacht er - theilet, wenn in des Gevollmaͤchtig - ten und einer fremden Angelegenheit Vollmacht ertheilet wird; als daß er dem Titius Geld leihen ſoll: eben als wenn in Angelegenheiten deſſen, der die Voll - macht ertheilet, und des Gevollmaͤch - tigten, dieſelbe gegeben wird; als daß du dem Titius Geld leihen ſollſt, welches er in meinen Nutzen verwenden ſoll (§. 561.).

§. 563.357Contracten.

§. 563.

Wenn einem zu einer ſchaͤndli - chen That Voll - macht er - theilet wird.

Weil man eine ſchaͤndliche That (fa - ctum turpe) nennt, welche im Geſetz der Na - tur verbothen worden; ſo iſt die Vollmacht nichtig, welche zu einer ſchaͤndlichen That ertheilet wird (§. 42.); folglich ent - ſtehen daraus keine Verbindlichkeiten.

§. 564.

Man ſagt, eine Vollmacht werdeVon der Erfuͤl - lung der Voll - macht durch et - was gleich - guͤltiges und auf - getrage - ner Maſ - ſen. durch etwas gleichguͤltiges erfuͤllet (mandatum adimpletur per æquipollens), wenn man ſie durch etwas anders, das eben ſo nuͤtzlich, oder noch nuͤtzlicher iſt, als was ei - nem aufgetragen worden, erfuͤllet. Die Voll - macht aber wird aufgetragener Maſſen erfuͤllet (adimpletur in forma ſpecifica), wenn es gantz genau durch dasjenige geſchiehet, was einem aufgetragen worden. Wenn zu ei - ner etwas allgemeinen Bedingung Vollmacht ertheilet wird, welches auch auf eine andere Art erhalten werden kann; als wenn einer Vollmacht erhaͤlt des Titii Haus vor 4000. Thlr. zu kaufen, weil es an einem beqvemen Orte lieget, wo man Waaren zum Verkaufe auszulegen pflegt. Da in dieſem Falle der die Vollmacht erthei - let keine andere Abſicht hat, als daß er ein Haus habe, das zum Handel beqvem iſt, und nicht mehr als 4000. Thlr. koſtet; ſo iſts erlaubt, die Vollmacht durch etwas gleichguͤltiges zu erfuͤllen; als daß man in dem gegebenen Exempel ein anderes be -Z 3qvemers358II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenqvemers Haus um einen geringern Preiß kaufe. Weil wir doch aber den Nutzen, auf welchen der ſiehet, der die Vollmacht giebt, nicht nach unſerm, ſondern nach ſeinem Sin - ne beurtheilen muͤſſen, vornehmlich da auſſer der Hauptabſicht auch andere Nebenabſichten ſeyn koͤnnen; ſo muß man die Vollmacht aufgetragener Maſſen erfuͤllen, wo - fern es nicht gantz gewiß iſt, daß die Abſicht deſſen, der ſie ertheilet, eben ſo gut erreicht wird, man erfuͤlle ſie aufgetragener Maſſen, oder durch et - was gleichguͤltiges (§. 551.).

§. 565.

Vom Wieder - ruf der Voll - macht.

Man ſagt, die Vollmacht werde wie - derrufen (mandatum revocare), wenn der, welcher ſie ertheilet, dem Gevollmaͤchtigten kund thut, er wolle nicht, daß er ſie erfuͤlle. Weil der Gevollmaͤchtigte von der Vollmacht keinen Nutzen hat (§. 551. 560. ); folglich ihm nichts daran gelegen iſt, ob ſie erfuͤllet wird, oder nicht; ſo kann, der einem Vollmacht gegeben, nach ſeinem Be - lieben dieſelbe wiederrufen, ehe ſie er - fuͤllet worden. Weil aber dennoch die Vollmacht beſtehet, ſo lange ſie nicht wieder - rufen wird; ſo muß, der die Vollmacht gegeben, den Gevollmaͤchtigten in ſo weit ſchadloß halten, in ſo weit ver - moͤge derſelben er ſchon etwas unter - nommen, oder Koſten dieſerwegen an - gewendet (§. 557.).

§. 566.359Contracten.

§. 566.

Weil der Gevollmaͤchtigte eine Mittelsper -Ob eine ne Voll - macht nach dem Tode des, der ſie gege - ben, er - ſuͤllet werden kann. ſon bey einer zu machenden Verbindlichkeit iſt (§. 553.); ſo hoͤrt die Vollmacht mit dem Tode deſſen, der ſie ertheilet hat, auf (§. 430.). Wenn aber derſelbe aus - druͤcklich will, daß ſie auch nach ſei - nem Tode erfuͤllet werden ſoll; da auf dieſen Fall der Gevollmaͤchtigte ſich dazu ver - bindlich gemacht (§. 551.); ſo muß ſie auch nach ſeinem Tode erfuͤllet werden. Eben hieraus erhellet, daß die Vollmacht auch nach deſſelben Tode erfuͤllet werden muß, wofern ſie auf ſeinen Todesfall, oder zu einer Sache, die erſt nach ſei - nem Tode geſchehen ſoll, gegeben wor - den. Weil der Gevollmaͤchtigte, wel - cher nicht weiß, indem er die Voll - macht erfuͤllt, daß der, welcher ihm dieſelbe ertheilet, geſtorben, nichts thut, als was er ſich zu thun verbindlich gemacht hatte (§. cit. ), z. E. wenn er gewiſſe Waa - ren einkauft, und was er nicht anders, als unter der Bedingung ſchadlos gehalten zu werden uͤbernommen hat (§. 557.); ſo muß er ſchadloß gehalten werden. Eben dieſes verſteht ſich auch auf eben die Weiſe von dem, welcher mit dem Gevoll - maͤchtigten contrahiret, indem er nicht weiß, daß der die Vollmacht gegeben, geſtorben ſey, und ſich auf die offen - bahre Vollmacht verlaͤßt (§. 553.). Al -Z 4lein360II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenlein weil ein Bevollmaͤchtigter, welcher weiß, daß, der ſie ihm aufgetragen, geſtorben ſey, wenn er mit einem con - trahiret, der es nicht weiß, und dieſer ſich auf die offenbahre Vollmacht ver - laͤßt, durch ſeine Schuld Schaden verur - ſacht; ſo iſt er dem andern, dem daran gelegen, daß nicht contrahiret wor - den waͤre (§. 269.), davor zu ſtehn ſchul - dig (§. 415).

§. 567.

Von dem Tod des Bevoll - maͤchtig - ten.

Weil es ſich vor ſich verſtehet, daß, wer ein Geſchaͤfte einer Perſon auftraͤgt, ſolches nicht wuͤrde gethan haben, wofern er ſich nicht von deſſelben Fleiß und Treue gewiß verſichert gehalten haͤtte; ſo iſt eine Vollmacht per - ſoͤnlich (mandatum perſonale) (§. 400.); folglich weil die daher entſtehende Verbindlich - keit (§. 551.) keine andere als die Perſon des Bevollmaͤchtigten betrift (§. 402.); ſo hoͤrt durch den Tod deſſelben die Vollmacht auf. Und aus eben dem Grunde darf nie - mand die ihm aufgetragene Vollmacht einem andern uͤbertragen ohne Ein - willigung deſſen, der ſie ertheilet, als mit ſeiner Gefahr.

§. 568.

Von der Aufkuͤn - digung der Voll - macht.

Man ſagt, daß der Bevollmaͤchtigte die Vollmacht auf kuͤndige, oder zuruͤck - gebe (mandatum renunciare), wenn er dem, der ſie ihm ertheilet, anzeigt, daß er ſie nicht erfuͤllen wolle. Eine zeitige Auf kuͤndi -gung361Contracten. gung (tempeſtiva renunciatio) iſt, wenn dem, der die Vollmacht gegeben, nichts dar - an gelegen iſt, daß der Bevollmaͤchtigte ſie nicht erfuͤllen will: Eine unzeitige aber iſt (renunciatio intempeſtiva), wenn der, wel - cher die Vollmacht ertheilet, dadurch in Scha - den gebracht wuͤrde. Da der Bevollmaͤch - tigte dem, der ihm Vollmacht gegeben, ver - bunden iſt, dieſelbe zu erfuͤllen (§. 551.); ſo darf man ohne eine rechtmaͤßige Ur - ſache, das iſt, wenn kein unvermeidli - ches und unuͤberwindliches Hinderniß darzwiſchen kommt, die Vollmacht nicht auf kuͤndigen; folglich wenn dieſes zur Unzeit geſchehen, muß der Bevoll - maͤchtigte den Schaden, den er verur - ſacht hat, erſetzen, und davor ſtehen, was dem andern daran gelegen iſt, daß die Vollmacht nicht erfuͤllet worden (§. 554.). Weil aber, wenn die Aufkuͤndi - gung beyzeiten geſchiehet, der, welcher die Voll - macht gegeben, keinen Schaden leidet; ſo darf auch der Bevollmaͤchtigte, wenn er beyzeiten die Vollmacht aufgekuͤndi - get, vor nichts ſtehen. Eben dieſes ver - ſteht ſich auch in dem Falle, da eine un - vermeidliche und unuͤberwindliche Ver - hinderung darzwiſchen kommt; weil die Verbindlichkeit ſich nicht weiter erſtreckt, als auf das, was in unſerer Gewalt ſteht (§. 60.).

§. 569.

Die Buͤrgſchaft (fidejuſſio) iſt ein wohl -Von der Buͤrg -Z 5thaͤtiger362II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenſchaft und der Verbind - lichkeit des Buͤr - gen.thaͤtiger Contract, wodurch ſich einer demje - nigen, welchem ein anderer ſchon verbunden iſt, oder verbunden werden ſoll, umſonſt ver - bindlich macht, das ſelbſt zu leiſten, was der andere leiſten ſollte, woferne er es nicht thut. Der, welcher ſich fuͤr einen andern, der ſchon einem verbunden iſt, oder verbunden werden ſoll, umſonſt verbindlich macht, wird der Buͤrge (fidejuſſor) genannt: Der aber, fuͤr welchen einer Buͤrge wird, der Hauptſchuld - ner (debitor principalis). Daher nennt man auch ſeine Verbindlichkeit die Haupt - verbindlichkeit (obligationem principa - lem); die Verbindlichkeit des Buͤrgen aber die dazu kommende Verbindlichkeit (ob - ligationem acceſſoriam). Es erhellet aber, daß die Hauptverbindlichkeit durch die dazu kommende nicht aufgehoben oder veraͤndert wird; wie auch daß der Buͤr - ge und Hauptſchuldner zu einer Schuld verbindlich ſind, nur daß die Verbind - lichkeit des Buͤrgen eine bedingte iſt. Es erhellet auch, daß die Buͤrgſchaft zu jeder Verbindlichkeit hinzukommen kann, und zur Sicherheit der Schuld dienet; folglich nicht eher guͤltig ſey, als bis die Hauptverbindlichkeit gewiß iſt, und wenn die Hauptverbindlichkeit nichts iſt, ſo iſt auch die dazukommen - de nichtig. Daher folgt ferner, daß, wenn der Hauptſchuldner nicht bezahlen kann, der Buͤrge bezahlen muß. Weilman363Contracten. man aber nicht eher wiſſen kann, daß er nicht bezahlen koͤnne, als bis er angegriffen worden (excuſſus), das iſt, bis man ſein Vermoͤgen unterſucht hat; ſo muß der Hauptſchuld - ner erſt angegriffen werden, ehe der Buͤrge kann gezwungen werden zu be - zahlen, wofern man nicht anders eins worden (§. 342.).

§. 570.

Weil die Verbindlichkeit des Buͤrgen undWie weil ſich die Veꝛbind - lichkeit des Buͤr - gen er - ſtreckt. des Schuldners einerley iſt (§. 569.); ſo wird, wenn der Hauptſchuldner be - zahlt, der Buͤrge befreyet, und wenn der Buͤrge zahlt, ſo wird der Haupt - ſchuldner befreyet. Weil aber niemand mit des andern Schaden ſich bereichern darf (§. 271.); ſo bleibt, wenn der Buͤrge bezahlt, der Hauptſchuldner ihm ver - bunden; und da der Glaͤubiger dem Buͤr - gen ſein Recht abtreten kann (§. 342.); ſo fordert nach geſchehener Abtrerung der Buͤrge das Seinige wieder als eine gemachte Schuld (§. 338.), und haͤlt nicht bloß an, daß ihm der verurſach - te Schade wieder erſetzt werde. Allein weil niemand einen andern ſich wider ſeinen Willen verbindlich machen kann (§. 78.); ſo darf der Hauptſchuldner demjenigen vor nichts ſtehen, der ſich wider ſei - nen Willen vor ihn verbuͤrget und be - zahlet. Weil man aber vermuthet, daß ei - ner einwillige (§. 459.), ja weil er in derThat364II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenThat ſtillſchweigend einwilliget, wenn er ſchwei - get, da er reden konte und ſollte (§. 27.); ſo kann man, wenn jemand Buͤrge wird, vor einen, der gegenwaͤrtig iſt, und es geſchehen laͤßt, es nicht anders anſehen, als daß die Buͤrgſchaft mit ſeiner Ein - willigung geſchehen ſey. Weil der Glaͤu - biger vom Buͤrgen nicht mehr Recht erhalten kann, als derſelbe ihm einraͤumen wollen (§. 317.); ſo darf der Buͤrge, wenn er ſich nur fuͤr die Hauptſchuld, oder fuͤr ei - nen Theil derſelben verbuͤrgt hat, dem Glaͤubiger weiter nicht als vor die Hauptſchuld oder einen Theil derſel - ben ſtehen.

§. 571.

Von der Buͤrg - ſchaft, die ohne Be - dingung, mit Be - dingung und auf eine ge - wiſſe Zeit gemacht worden.

Da der Buͤrge die Bezahlung der Schuld eines andern verſpricht (§. 569.); ſo kommt es auf den Willen des Buͤrgen an, ob er ohne Bedingung, mit Bedingung, oder auf eine gewiſſe Zeit etwas ver - ſprechen will (§. 385. 393.). Weil die Buͤrgſchaft an und vor ſich ſelbſt unter der Bedingung geſchiehet, woferne der Haupt - ſchuldner nicht bezahlt (§. 569); ſo verſtehet ſichs, daß ſie ohne Bedingung gemacht wird, wenn der Buͤrge ſich zum Selbſtſchuldner macht (§. cit. & 424.). Wenn alſo der Buͤrge ſich ohne Bedingung verbindlich macht, ſo kann er, ohne daß der Hauptſchuld - ner vorher angegriffen worden, zur Bezahlung der Schuld angehaltenwer -365Contracten. werden; jedoch woferne der Glaͤubiger von ihm nicht alles erhalten kann, ſo kann er, was noch fehlt, von dem Hauptſchuldner zu erlangen ſuchen (§. 424.). Wenn aber der Buͤrge unter einer Bedingung, oder auf eine gewiſſe Zeit ſich verbuͤrgt hat, ſo kann er nicht anders, als wenn die Bedingung vor - handen, oder wenn die Zeit erſchienen, nachdem der Hauptſchuldner vorher angegriffen worden (§. 569.), zur Be - zahlung angehalten werden (§. 395. 396.).

§. 572.

Weil dem Buͤrgen daran gelegen iſt, daßWenn der Zah - lungster - min oh - ne Vor - wiſſen oder wi - der Wil - len des Buͤrgen verlaͤn - gert wird. der Zahlungstermin nicht aufgeſchoben wird, maſſen es geſchehen kann, daß der Schuld - ner, welcher jetzt im Stande iſt zu bezahlen, ins kuͤnftige nicht bezahlen kann; ſo kann man nicht ſagen: Wer ſich fuͤr eine Schuld, die jetzt bezahlt werden ſoll, verbuͤrgt, der habe ſich auch verbuͤrgt fuͤr eine Schuld, die nach verlaͤngertem Termine gezahlt werden ſoll. Derowegen kann der Zahlungster - min nicht ohne Wiſſen, und noch viel - weniger wider Willen des Buͤrgen verlaͤngert werden; und wenn der Glaͤubiger dieſes thut, ſo iſt der Buͤr - ge von der Buͤrgſchaft befreyet (§. 317.).

§. 573.

Von mehreren Buͤrgen.

Weil durch die Buͤrgſchaft nicht mehrRecht366II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenRecht kann erhalten werden, als die Buͤrgen dem Glaͤubiger einraͤumen wollen (§. 569. 317. ), und ihnen zur Laſt als wahr ange - nommen wird, weſſen ſie ſich hinlaͤnglich er - klaͤren (§. 318.); ſo muß ein jeder von den Buͤrgen fuͤr die gantze Schuld haf - ren, wenn ein jeder von ihnen ſich fuͤr die gantze Schuld verbuͤrget: Wenn aber ein jeder ſich nur fuͤr einen gewiſ - ſen Theil verbuͤrget, ſo doͤrfen ſie auch nur fuͤr einen gewiſſen Theil haften. Wenn aber nichts ausdruͤcklich abge - redet worden, ſo nimmt man an, daß alle zuſammen ſich fuͤr die gantze Schuld verbindlich machen; indem man mehr als einen Buͤrgen zu mehrerer Sicher - heit verlangt (§. 569.); folglich muß ein jeder fuͤr einen gleichen Theil haften; jedoch wenn die uͤbrigen nicht bezah - len koͤnnen, ſo muß einer allein alles bezahlen.

§. 574.

Vom Ruͤckbuͤr - gen.

Wer ſich fuͤr einen Buͤrgen verbuͤrgt, wird ein Ruͤckbuͤrge (fidejuſſor ſuccedaneus, ſubalternus, vicarius) genannt. Weil die - ſer ſich verbindet dem Glaͤubiger die Schuld zu zahlen, wenn der Buͤrge nicht bezahlen kann; ſo kann er nicht zur Zahlung an - gehalten werden, als bis der Buͤrge angegriffen worden; und da er ſich da - fuͤr verbuͤrget hat, was der Buͤrge zu zah - len hat; ſo wird die Verbindlichkeitzwi -367Contracten. zwiſchen ihm und dem Buͤrgen nicht getheilt. Und weil der Ruͤckbuͤrge ſich fuͤr die Verbindlichkeit des Buͤrgen verbindlich macht, ſo wie der Buͤrge fuͤr die Verbind - lichkeit des Hauptſchuldners; ſo gilt eben das vom Ruͤckbuͤrgen in Anſehung des Buͤrgen, was von dem Hauptbuͤrgen in Anſehung des Schuldners gilt (§. 569.); ja da der Ruͤckbuͤrge an die Stelle des Hauptbuͤrgen tritt, ſo hat er eben das Recht in Anſehung des Hauptſchuld - ners, welches der Hauptbuͤrge in An - ſehung ebendeſſelben hat (§. cit.).

§. 575.

Der Buͤrge, der ſich fuͤr einen andern Buͤr -Vom Schad - losbuͤr - gen. gen verbuͤrgt, heiſt beſonders der Schad - losbuͤrge (fidejuſſor indemnitatis), wenn er ſich dem Glaͤubiger zu allen demjenigen verbindlich macht, was er weder von dem Hauptſchuldner, noch von dem Hauptbuͤrgen er - halten kann. Der Schadlosbuͤrge alſo ſetzt den Glaͤubiger auſſer allen Schaden. Wofern aber ſich jemand einem Buͤrgen fuͤr eine demſelben eigene Verbindlichkeit verbind - lich macht, indem er naͤmlich ihm verſpricht, daß er von ihm wieder erhalten ſolte, was er werde haben zahlen muͤſſen, wofern er es von dem Hauptſchuldner nicht wieder erhalten kann; ſo wollen wir ihn den Schadlosbuͤr - gen eines Buͤrgen (fidejuſſorem indemni - tatis fidejuſſoris) nennen. Der Schadlos - buͤrge eines Buͤrgen iſt alſo dem Glaͤu -biger368II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenbiger auf keine Weiſe verbunden, kann ihm auch nicht verbunden werden, er kann ſich auch ohne Wiſſen des Glaͤu - bigers und Hauptſchuldners verbind - lich machen. Es erhellet auch, daß die - ſe Buͤrgſchaft nur zur Sicherheit des Buͤrgen geſchiehet; folglich wenn der - ſelbe nichts bezahlt, ſo darf er auch vor nichts ſtehen; ja wenn er auch bezahlt, ſo darf er nicht eher haften, als bis der Hauptſchuldner angegriffen worden.

§. 576.

Von der Buͤrg - ſchaft fuͤr eines an - dern Auf - fuͤhrung.

Wenn jemand ſich fuͤr eines andern Auffuͤhrung verbindlich macht, daß er naͤmlich dieſes thun, oder unterlaſſen werde, da er ſich verbindet, fuͤr die Verbindlichkeit, welche aus dem Thun oder Laßen des andern entſpringt, und alſo darauf gehet, daß etwas wiedergegeben, oder erſetzt werden ſoll; ſo muß der vor das, was nicht geſchehen ſoll, Buͤrge wird, vor alles ſtehen, was daran gelegen iſt, daß derjenige, der die Hauptverbindlichkeit hat, et - was gethan, was er nicht thun ſollte: Oder, wenn er davor Buͤr - ge wird, daß etwas gethan werden ſoll, vor alles, was daran gelegen, daß derjenige, der hauptſaͤchlich verbun - den war, unterlaſſen hat, was er thun ſollte; z. E. wenn jemand ſich vor die Treue eines Bedienten, den er recommendiret, oder eines Bevollmaͤchtigten verbuͤrget.

§. 577.369Contracten.

§. 577.

Weil ſich der Buͤrge fuͤr eines andern Ver -Ob der Buͤrge zu meh - rern oder zu weni - gern ver - bunden werden kann. bindlichkeit verbuͤrget (§. 569.); ſo kann er zu nichts mehr, als der Hauptſchuld - ner verbunden werden; folglich wenn er mehr verſprochen hat, ſo darf er nur fuͤr den Theil haften, welchen der Hauptſchuldner ſchuldig iſt. Weil aber auch einer nur fuͤr einen Theil Buͤrge wer - den kann (§. 573.); ſo kann er auch zu etwas wenigern verbunden werden. Derowegen da es mehr iſt, etwas gleich ge - ben, als nach einer geſetzten Zeit; ſo kann der Buͤrge nicht vor der geſetzten Zeit (termino) zur Zahlung angehalten wer - den, wenn es gleich offenbahr klar iſt, daß der Hauptſchuldner nicht bezahlen kann.

§. 578.

Weil ein Eyd keine Handlung, die nichtVon ei - ner be - ſchwore - nen und ſchriftli - chen Buͤrg - ſchaft. verbindlich iſt, verbindlich machen kann (§. 446.); ſo kann er auch keine unguͤltige Buͤrgſchaft guͤltig machen. Und da die Verbindlichkeit aus dem Verſprechen ent - ſpringt (§. 380.); ſo kann die Buͤrgſchaft durch einen Brief, oder durch jemand anders (§. 403.), naͤmlich durch ei - ne Mittelsperſon (§. 429.) geſchehen. Und obgleich die Verbuͤrgung, ohne ſie aufzuſchreiben, und ehe ſie aufge - ſchrieben worden, gilt, wofern man es nicht anders ausdruͤcklich ausge -Nat. u. Voͤlckerrecht. A amacht370II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenmacht hat (§. 445.); ſo iſt es doch rath - ſam daß dieſelbe ſchriftlich abgefaßt wird; weil die Verbindlichkeit ſich nicht weiter erſtreckt, als auf das, was geſagt worden (§. 318.); und wofern der Buͤr - ge die Kunſtwoͤrter, welche dabey ge - braucht werden, nicht verſtehen ſolte, ſo muͤſſen ihm dieſelben hinlaͤnglich er - klaͤrt werden.

§. 579.

Von dem Selbſt - ſchuld - ner.

Ein Selbſtſchuldner (expromiſſor) wird genannt, welcher die Verbindlichkeit eines andern auf ſich nimmt, oder fuͤr einen an - dern, welcher ſchon verbunden iſt, oder ver - bunden werden ſoll, ſich dergeſtalt verbindlich macht, daß er ſelbſt in ſeinem Nahmen als der Hauptſchuldner leiſten will, wozu der an - dere verbunden war. Der Selbſtſchuld - ner tritt alſo in die Stelle des Haupt - ſchuldners, und der Hauptſchuldner iſt dem Glaͤubiger nicht mehr ver - bunden; folglich wenn dieſer nicht be - zahlen kann, ſo kann der Glaͤubiger nicht den Hauptſchuldner angreifen, wenn er auch gleich bezahlen koͤnte. Und da ſich zum Selbſtſchuldner machen ein Geſchaͤfte iſt, welches zwiſchen dem Glaͤubi - ger und dem, welcher die Schuld eines an - dern uͤbernimmt, allein vorgenommen wird; ſo kann der Selbſtſchuldner nicht vom Hauptſchuldner wiederfordern, was er fuͤr ihn bezahlt, wofern es nicht an -ders371Contracten. ders durch einen beſondern Vertrag, der mit dem Hauptſchuldner gemacht worden, aus - gemacht iſt (§. 438.). Jedoch muß nach dem Gewiſſen der Hauptſchuldner, wenn ihm der Selbſtſchuldner nichts ſchuldig iſt, was er bezahlt hat, wie - dergeben (§. 271.). Eben dieſes verſtehet ſich auch vom Hauptſchuldner, wenn der Selbſtſchuldner nicht bezahlen kann. Es kann einer ſich zum Selbſtſchuldner angeben, weil er einem etwas ſchencken will, und weil er ſchon auf andere Weiſe vergnuͤget worden: Wornach man aber doch nicht fraget, wenn ſich einer zum Selbſtſchuldner angiebt (§. 318.). Wenn alſo jemand ſich deswegen zum Selbſtſchuldner macht, weil er dem Hauptſchuldner etwas zu leiſten ver - bunden iſt; ſo wird er dadurch in ſo weit davon befreyet, als er ſich da - durch dem andern verbindlich macht: Denn man nimmt allerdings an, daß ſich ei - ner in dieſer Abſicht zum Selbſtſchuldner ge - macht (§. 318.). Uebrigens gehet ſowohl die Buͤrgſchaft, als wenn einer Selbſt - ſchuldner wird, wenn nichts gewiſſes beſtimmet wird, auf alles, was wird gegeben werden; maſſen es auf unſerm Willen beruhet, wie wir uns verbuͤrgen und zum Selbſtſchuldner machen wollen.

A a 2Das372II. Th. 12. H. Von beſchwerlichen

Das zwoͤlfte Hauptſtuͤck.

Von den Tauſchhandlungen oder beſchwerlichen Contracten.

§. 580.

Von be - ſchwerli - chen Con - tracten.

Die Tauſchhandlungen nennt man auch beſchwerliche Contracte (contra - ctus oneroſos). Derowegen weil in den beſchwerlichen Contracten Sachen und Thun mit einander vertauſcht werden (§. 467.), niemand aber verbunden iſt einem andern et - was umſonſt zu geben und zu thun, wenn er wiederum etwas geben oder thun kann (§. 473.); ſo muß in den beſchwerlichen Contracten die Gleichheit beobachtet werden, naͤmlich daß ſo viel, als der eine leiſtet, der andere eben ſo viel ihm wieder lei - ſten muß; folglich wenn der beſchwerli - che Contract erfuͤllt worden, keiner von denen, die ihn eingegangen, mehr oder weniger hat, als er vorher hat - te; und deswegen keiner durch den Con - tract bereichert wird (§. 271.). Wenn demnach die contrahirende Theile mit Wiſſen und Willen von der Gleichheit abgehen; ſo iſt es ein vermiſchter Con - tract aus einem wohlthaͤtigen und be - ſchwerlichen.

§. 581.

Wenn ei - ne Un - gleichheit

Weil in einem beſchwerlichen Contracte ei - ne Gleichheit zu beobachten iſt (§. 580.); ſoiſt373Contracten. iſt die Ungleichheit in beſchwerlichenſich im Contract befindet. Contracten unerlaubt (§. 51.). Dero - wegen weil durch die Ungleichheit der eine Theil betrogen wird (§. 286.); ſo muß der, welcher zu viel bekommen, dem andern ſo viel zuruͤcke geben, als er zu viel hat (§. cit. ); und deswegen wird um der Un - gleichheit willen der Contract nicht aufgehoben, oder umgeſtoſſen. Man ſagt aber ein Contract werde aufgeho - ben, oder umgeſtoſſen (contractus reſcin - ditur), wenn er vor nichtig erklaͤrt wird, da er nach dem Rechte nicht unguͤltig iſt, ſondern beſteht.

§. 582.

Ein beſchwerlicher Contract, in welchemWas ein Tauſch ſey, und wie er zu ſtande ge - bracht wird. eine Sache, ſie mag koͤrperlich oder unkoͤrper - lich ſeyn, fuͤr eine andere Sache gegeben wird, heißt der Tauſch (permutatio). Weil kei - ner als der Eigenthumsherr einem eine Sache geben kann (§. 258.); ſo iſt der Tauſch null und nichtig, wenn einer von den contrahirenden Theilen eine fremde Sache giebt. Da geben ſo viel iſt, als das Eigenthum auf einen andern bringen (§. cit. ); dieſes aber auf den, der es annimmt, kom - met, bloß durch den hinlaͤnglich erklaͤrten Willen des Eigenthumsherrn (§. 317); ſo wird der Tauſch natuͤrlicher Weiſe durch beyderſeitige Einwilligung zu ſtande gebracht (§. 27.); ſo bald naͤmlich die Einwilligung da iſt, daß eine Sa -A a 3che374II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenche fuͤr eine Sache gegeben werden ſoll, ſo iſt der Tauſch zu ſtande ge - bracht; folglich ſind die contrahirende Theile einander die Sachen zu uͤberge - ben verbunden (§. 320.); obgleich nach geſchehener beyderſeitigen Einwilli - gung die Uebergabe bis auf eine ge - wiſſe Zeit verſchoben werden kann (§. 314.).

§. 583.

Wie das Geld und der Ge - brauch einer Sa - che ver - tauſcht wird, in - gleichen ſeine ei - gene Sa - che fuͤr ſeine ei - gene.

Da in dem Tauſche alle Sachen koͤnnen gegeben werden (§. 582.), das Geld aber, in ſo ferne man bloß auf die Materie ſiehet, und nicht auf deſſen aͤuſſerlichen Werth, einer Sache gleich geachtet wird; ſo kann auch baares Geld, wenn man bloß auf deſ - ſen Materie ſiehet, vertauſcht werden. Und weil man den Gebrauch einer Sache giebet, wenn man einem das Recht ſie zu brauchen einraͤumet; ſo iſt es ein Tauſch, wenn ich einem den Gebrauch meiner Sache fuͤr den Gebrauch ſeiner gebe (§. cit.). Ja weil die Arbeit den Sachen gleich geſchaͤtzt wird (§. 225.); ſo kann auch eine Arbeit mit einer andern Arbeit ver - tauſcht werden. Und weil meine Sache, wenn ich dir dieſelbe gebe, deine wird, wenn du mir aber dieſelbe wiedergiebeſt, wiederum meine (§. 258.); ſo kann auch ſeine Sache mit ſeiner vertauſcht werden, wenn ſie dergeſtalt gegeben wird, daß fuͤr die -ſelbe375Contracten. ſelbe eben dieſelbe auf einen gewiſſen Tag wiedergegeben wird.

§. 584.

Weil der Tauſch ein beſchwerlicher Con -Von der Gleich - heit, die beym Tauſche zu beob - achten. tract iſt (§. 582.), bey einem beſchwerlichen Contracte aber die Gleichheit in acht genom - men werden muß (§. 580.); ſo muß bey dem Tauſche die Gleichheit beobachtet werden; folglich damit man von derſelben gewiß ſeyn moͤge; ſo muͤſſen Sachen nach einem gewiſſen Werthe angeſchlagen werden; und deswegen muß zu der Sa - che von geringerem Werthe etwas zu - gegeben werden, wodurch ſie der an - dern gleich gemacht wird. Wenn aber jemand mit Wiſſen und Willen mehr giebt, als er bekommt; ſo iſt es ein vermiſchter Contract aus einem Tau - ſche und einer Schenckung (§. 582. 475.).

§. 585.

Weil durch den Tauſch das Eigenthum ei -Von der Veraͤuſ - ſerung einer ver - tauſchten Sache. ner Sache auf einen andern gebracht wird, unerachtet die Sache nicht gleich uͤbergeben wird (§. 582.); ſo kann keiner von de - nen, die mit einander getauſcht haben, ſeine geweſene Sache veraͤuſſern, ob ſie gleich dem andern noch nicht uͤber - geben worden (§. 257.); Wer aber die Sache, die ihm uͤbergeben worden, empfangen hat, der kann ſie veraͤuſ - ſern, wenn er gleich die Sache, die erA a 4ver -376II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenvertauſcht, noch nicht uͤbergeben hat.

§. 586.

Was bey dieſem Contra - cte buͤr - gerlichen Rechtes iſt.

Das Roͤmiſche Recht geht in dem Tauſche gar ſehr vom Rechte der Natur, aus beſon - dern Urſachen, ab, die im groͤſſern Wercke vom Rechte der Natur Tom. 4. not. §. 879. 880. angezeigt worden. Was alſo buͤrgerli - chen Rechtes iſt, muß nicht mit dem, was natuͤrlichen Rechtes iſt, vermenget werden. Dergleichen iſt, daß der Contract nicht eher guͤltig iſt, als bis von einem Theil die Sache uͤbergeben worden; und er folglich nicht durch die bloſſe Einwilligung zu ſtande gebracht wird.

§. 587.

Was Kauf u. Verkauf ſey.

Der beſchwerliche Contract, in welchem einer eine Sache, der andere davor die Sum - me Geldes giebt, wodurch der Werth der Sa - che beſtimmet wird, nennt man den Kauf und Verkauf (emtio venditio). Wer die Sache giebt, wird der Verkaͤufer (vendi - tor); wer aber das Geld davor zahlt, der Kaͤufer (emtor) genannt. Die Sache, welche verkauft wird, heißt die Waare (merx). Sachen alſo, die nicht verkauft werden koͤnnen, nennt man daher nicht Waa - ren; und gewoͤhnlicher Weiſe wird dieſer Nahme bloß den beweglichen Sachen zuge - eignet.

§. 588.377Contracten.

§. 588.

Weil im Kaufen und Verkaufen man fuͤrWas verkauft werden kann. eine Sache Geld giebt, ſo viel als ſie werth geſchaͤtzt wird (§. 587.), der Werth aber al - ler Sachen an Gelde beſtimmt wird, und Geld fuͤr eine jede Sache gegeben werden kann (§. 494.); ſo koͤnnen alle koͤrperli - che, bewegliche und unbewegliche, in - gleichen alle unkoͤrperliche Sachen, das Geld, in ſo weit man bloß auf die Materie ſiehet, ingleichen der Beſitz ſeiner eigenen Sache, welchen man verlohren hatte, das Recht in einer und zu einer Sache, ſie mag beſchaffen ſeyn, wie ſie will, ja auch Sachen, die erſt kuͤnftig daſeyn werden, doch nicht Sachen, welche niemahls in der Na - tur vorhanden, gekauft und verkauft werden. Weil aber niemand eine Sache geben kann, als der Eigenthumsherr (§. 258); ſo kann auch niemand die Sache ver - kaufen, als der Eigenthumsherr; wer nicht der Eigenthumsherr iſt, der kann eine fremde Sache nicht ver - kaufen.

§. 589.

Ein kuͤnftiges Eigenthum (dominiumVom kuͤnftigen Eigen - thum u. Rechte. futurum) nennt man, welches wir in einer Sache, die kuͤnftig wuͤrcklich werden wird, ſo bald ſie vorhanden, z. E. in den Fruͤchten zukuͤnftigen Sommers, oder in einer Sache, die wir bekommen ſollen, als in dem Gelde,A a 5welches378II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenwelches wir zur Beſoldung bekommen, haben. Daher erhellet zugleich, was man uͤberhaupt ein kuͤnftiges Recht nennet (jus futurum). Das kuͤnftige Eigenthum enthaͤlt alſo das Recht in ſich, alle andere vom Ei - genthum in der kuͤnftigen, oder kuͤnf - tig zu erhaltenden Sache auszuſchlieſ - ſen, wenn ſie wuͤrcklich vorhanden, oder erhalten wird (§. 195.). Da es nun ſchon einiges gegenwaͤrtiges Recht in ſich ſchließt; ſo kann auch ein zukuͤnftiges Ei - genthum auf einen andern gebracht werden. Weil wir doch aber nicht wuͤrckli - che Eigenthumsherren ſeyn koͤnnen, als bis die Sache wuͤrcklich wird, oder wir dieſelbe be - kommen; ſo wird dadurch, daß ein kuͤnftiges Eigenthum auf uns gebracht wird, nur die Moͤglichkeit Eigen - thumsherr zu werden erhalten, doch ſo, daß wir alſobald Eigenthumsher - ren ſind, als die Sache wuͤrcklich da iſt, oder wir dieſelbe uͤberkommen. Und eben auf dieſe Weiſe erhellet, daß wir durch den Willen deſſen, welcher ein zukuͤnftiges Recht auf uns bringt, al - ſobald ein eigenes Recht erhalten, in ſo weit es moͤglich iſt, in der That aber, wenn das vorhanden, was zur Wuͤrcklichkeit des Rechtes noch erfor - dert wird.

§. 590.

Von dem Kauf der

Weil ein kuͤnftiges Eigenthum nichts iſt,wenn379Contracten. wenn die Sachen nicht wuͤrcklich werden (§. Sachen, die wuͤꝛck - lich wer - den ſol - len.589.); ſo werden Sachen, die wuͤrck - lich werden ſollen, nicht anders als unter der ſtillſchweigenden Bedingung gekauft, wenn ſie wuͤrcklich ſeyn wer - den; folglich wenn es ſich zutragen ſoll - te, daß ſie nicht wuͤrcklich wuͤrden, ſo iſt der Kauf null und nichtig (§. 396.). Weil im Kaufen eine Gleichheit zu beobach - ten iſt (§. 580.); folglich keiner von den con - trahirenden Theilen den Vorſatz hat etwas zu wagen; ſo muß, wenn Sachen, die wuͤrcklich werden ſollen, gekauft wer - den, entweder eine gewiſſe Qvantitaͤt gekauft werden, oder der Preiß muß auf eine gewiſſe Qvantitaͤt feſt geſetzt werden. Derowegen wenn im erſten Fal - le eine kleinere Qvantitaͤt wuͤrcklich wird, ſo kann der Verkaͤufer nicht an - gehalten werden, eine groͤſſere zu ge - wehren; weil es ein bedingter Kauf iſt, vermoͤge deſſen, was erwieſen worden; wenn aber eine groͤſſere wuͤrcklich wird, ſo verſtehet ſichs, daß nicht mehr gekauft worden, als woruͤber man eins wor - den iſt (§. 318.). Allein in dem andern Falle verſtehet ſichs, daß alles gekauft worden, und der Werth muß dar - nach gerechnet werden, was auf eine gewiſſe Qvantitaͤt beſtimmt worden (§. cit.). Wenn aber Sachen, die wuͤrck - lich werden ſollen, gekauft werden,ohne380II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenohne eine gewiſſe Qvantitaͤt auszu - machen, oder wegen des Preißes auf eine gewiſſe Qvantitaͤt eines zu wer - den, da ſolchergeſtalt von keiner Qvantitaͤt Meldung geſchehen; ſo iſt alles gekauft worden, was wuͤrcklich werden wird. Und da noch kein Preiß ausgemacht worden, weil derſelbe nicht zu aller Zeit einerley zu ſeyn pflegt; ſo verſtehet ſichs, daß die contrahirenden Theile ſtillſchweigend in den Preiß gewilliget haben, welcher zu der Zeit, da die Sachen wuͤrcklich ſeyn werden, gewoͤhnlich ſeyn wird.

§. 591.

Vom Kaufen nach Maaß u. Gewicht.

Nach Maaß und Gewichte wird etwas gekauft (ad menſuram emi), wenn die Qvantitaͤt, die gekauft werden ſoll, und der Preiß nach einer gewiſſen Qvantitaͤt be - ſtimmt wird, oder wenn eine Sache gantz ge - kauft wird mit der Bedingung, daß die Qvan - titaͤt derſelben durch ein gewiſſes Maaß be - ſtimmt wird, nach welchem ihr Preiß aus - gemacht wird; daher erhellet, daß, wenn nach geſchehener Ausmeſſung die Qvantitaͤt kleiner iſt, ſo muß der Ver - kaͤufer, wenn er, was fehlet, nicht erſetzen kann, einen Theil des Preiſſes nachlaſſen: Wenn derſelbe aber groͤſſer iſt, ſo behaͤlt er das Uebrige zuruͤcke, wenn der Kaͤufer nicht mit ſeiner Be - willigung den Preiß vergroͤſſern will. Allein wenn keine Qvantitaͤt ausge -macht381Contracten. macht worden, ſo muß der Kaͤufer den Preis der gantzen Sache zahlen, welchen dieſelbe nach geſchehener Aus - meſſung betraͤgt (§. 318. 438.).

§. 592.

Es wird etwas im Pauſch und Bo -Vom Kaufen im Pauſch u. Bogen. gen gekauft (per averſionem emi), wenn eine gewiſſe Sache dergeſtalt gekauft wird, daß der Preiß auf keine gewiſſe Qvantitaͤt ge - ſetzt wird, nach welcher man ihn ausrechnet. Derowegen muß der Preiß, welchen man ausgemacht hat, gantz gezahlt wer - den; ob man gleich eine andere Qvan - titaͤt nach geſchehener Ausmeſſung fin - det, als man vermeinte (§. 318. 438.).

§. 593.

Weil der, welcher nicht EigenthumsherrWenn ei - ne frem - de Sache verkauft worden. iſt, eine fremde Sache nicht verkaufen kann (§. 588.); folglich der Verkauf einer frem - den Sache null und nichtig iſt; ſo muß eine fremde gekaufte Sache dem Eigen - thumsherrn, ohne daß er dafuͤr etwas geben darf, wieder zugeſtellt werden (§. 261.); der Verkaͤufer aber muß dem Kaͤufer, was er gegeben, wiedergeben (§. 271.); folglich iſt es nicht erlaubt die Sache dem Verkaͤufer wiederzugeben, damit man von demſelben das, was man gezahlet, wiederbekomme.

§. 594.

Weil eine Sache, die uns verkauftVon ei - ner Sa - che, die worden, unſer iſt, ob ſie uns gleich nochnicht382II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenzwey - mahl verkauft worden.nicht uͤbergeben worden (§. 587. 320. ); ſo iſt, wenn ſie einem andern noch ein - mahl verkauft wird, der letzte Verkauf null und nichtig (§. 588.). Allein weil durch das bloſſe Verſprechen, uns eine Sache zu verkaufen, das Eigenthum nicht auf uns gebracht wird, ſondern nur ein Recht zu for - dern, daß ſie uns und keinem endern verkauft werde (§. 379. 587. ); ſo iſt, wenn eine Sache, die man uns zu verkaufen ver - ſprochen, einem andern verkauft wird, der Verkauf guͤltig (§. 257.). Man iſt uns aber davor zu ſtehen ſchuldig, was uns daran gelegen iſt, daß die Sache uns nicht verkauft worden (§. 415.).

§. 595.

Von ei - ner Sa - che, die nach ih - rer Gat - tung ge - kauft worden.

Da ſelbſt aus dem Begriffe des Eigen - thums erhellet, daß es nicht in einer gewiſſen Gattung der Dinge, ſondern nur in eintze - len Dingen von einer gewiſſen Art ſtatt fin - det (§. 195.); ſo kann auch, wenn eine Sache nach ihrer Gattung verkauft worden, z. E. wenn ich einem 10. Schfl. Getreide verkaufe, und zwar bloß nach der Gattung, nicht aber als einen Theil des Hau - fens, den ich einem zeige, der Kaͤufer nicht eher das Eigenthum erhalten, als bis ihm die einzelen Sachen gegeben wer - den; z. E. 10. Scheffel Getreide zugemeſſen werden.

§. 596.383Contracten.

§. 596.

Jm Kaufen und Verkaufen wird eine Sa -Wenn der Kauf und Ver - kauf zu ſtande gebracht worden. che fuͤr Geld gegeben (§. 587.). Derowegen da man das Geld nicht eigenthuͤmlich haben kann, als in ſo fern es in gewiſſen Koͤrpern beſteht, und nichts gewiſſes ſeyn kann, als bis die Coͤrper gezeigt werden, folglich das Ei - genthum des Geldes auf einen andern nicht gebracht werden mag, als bis die Coͤrper uͤbergeben, oder vorgezeigt worden; ſo iſt na - tuͤrlicher Weiſe der Kauf und Verkauf zu ſtande gebracht, ſo bald man uͤber den Preiß eins worden, und der Kaͤu - fer das Geld zu zahlen bereit iſt (§. 317.); und wenn der Kauff vollzogen wor - den, entſteht auch gleich die Verbind - lichkeit des Kaͤufers das Geld zu zah - len, des Verkaͤufers aber die Sache zu uͤbergeben. Es iſt naͤmlich die Zahlung des Geldes (ſolutio pecuniæ) die Hand - lung, wodurch das Eigenthum und der Be - ſitz des ſchuldigen Geldes zugleich uͤber - bracht wird, folglich enthaͤlt dieſelbe zugleich das Geben und die Uebergabe (§. 258. 320. ), und das Geld wird gezahlt, wenn man es dem, welchem man es ſchuldig iſt, zuzehlet.

§. 597.

Man ſagt, der Verkaͤufer verkaufeWenn ei - nem auf Glauben etwas verkanft wird. etwas auf Glauben (fidem de pretio ha - bere, vel fidem emtoris ſequi), wenn er ihm die Waare uͤbergiebt, und bloß den Wor -ten384II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenten des Kaͤufers trauet, daß er ihm das Geld zahlen werde, deswegen aber keine Sicherheit auf einige Weiſe verlangt. Auf Glauben verkaufen iſt alſo ſo viel, als gleichſam das Geld empfangen. Da es alſo gleich viel iſt, wenn der Verkaͤufer auf Glauben verkauft, als ob er das Geld vom Kaͤufer em - pfangen und ihm wieder geliehen haͤtte (§. 528. 323. ); ſo iſt der Verkauf und Kauf richtig, ſo bald man des Preißes wegen eins worden, und der Verkaͤu - fer den Worten des Kaͤufers trauet. Denn da der Verkaͤufer die Sache nicht an - ders als vor Geld geben will; ſo erhaͤlt der Kaͤufer nicht eher das Eigenthum der Sache, bis der Verkaͤufer entweder das Geld wuͤrcklich gezahlt bekommt, oder ſich verſichert haͤlt, daß er es be - kommen werde. Es erhellet aber (§. 314.), daß es bloß auf den Willen des Ver - kaͤufers ankommt, ob er will, daß das Geld ihm gleich gezahlt werde, oder ob er auf Glauben etwas verkaufen will, oder ob er will, daß ihm auf ei - ne andere Weiſe Sicherheit verſchaft werde, z. E. durch die Buͤrgſchaft (§. 569.), oder daß ein anderer die Schuld uͤbernimmet (§. 579.).

§. 598.

Wenn ei - ne Sache dem Kaͤu - fer uͤber -

Weil der Kauf und Verkauf nicht zu ſtan - de gebracht wird, als wenn eine gewiſſe Sa - che fuͤr einen gewiſſen Preiß gegeben wird(§. 587.);385Contracten. (§. 587.); ſo folget, daß, wenn der Ver -geben worden, ohne daß man den Preiß ausge - macht. kaͤufer eine Waare giebt und uͤbergiebt, ob man gleich noch nicht wegen des Preißes eins worden, er die Sache auf Glauben verkaufe (§. 588.), und der Kaͤufer ſtillſchweigend in den Preiß williget, welcher zu der Zeit, da er die Waare empfaͤngt, gewoͤhnlich iſt.

§. 599.

Gleichergeſtalt weil im Kaufen und Ver -Wenn Geld und eine Sa - che fuͤr eine Sa - che gege - ben wird. kaufen Geld fuͤr eine Sache gegeben wird (§. 587.), im Tauſche aber eine Sache fuͤr eine andere Sache (§. 582.); ſo iſt, wenn je - mand eine Sache fuͤr eine Sache, und Geld als eine Zugabe giebt, der Con - tract ein Tauſch: Wenn aber Geld fuͤr eine Sache und eine Sache zu Erfuͤl - lung des Preißes gegeben wird; ſo iſt der Contract ein Kauf und Verkauf.

§. 600.

Da der Gebrauch des Geldes etwas iſt,Wenn es erlaubt iſt, den Preiß ei - ner Sa - che zu er - hoͤhen u. zu ver - mindern. das geſchaͤtzt werden kann, in ſo ferne man dadurch einen Gewinn haben kann; ſo be - zahlt der mehr, welcher gleich bezahlt, oder voraus bezahlt, als welcher die Bezahlung aufſchiebet. Deswegen kann der Preiß der Sache, wenn die Zah - lung aufgeſchoben wird, erhoͤhet, wenn aber voraus gezahlet wird, vermindert werden. Es iſt aber nicht erlaubt den Preiß zu erhoͤhen, wenn einer zu allerNat. u. Voͤlckerrecht. B bZeit386II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenZeit zu bezahlen bereit iſt, ſo bald nur der Verkaͤufer Geld noͤthig hat.

§. 601.

Vom Kaufe dem Verkaͤu - fer zu ge - fallen, u. im Ge - genthei - le.

Gleichergeſtalt weil die Gelegenheit ſeine Sache zu verkaufen, oder eine von einem an - dern zu kaufen etwas iſt, was geſchaͤtzt wer - den kann, inſonderheit wenn dem Verkaͤufer daran gelegen, daß er ſeine Sache verkaufen, oder dem Kaͤufer, daß er ſie kaufen kann; maſſen man im erſten Falle demjenigen eine Belohnung giebt, der einen Kaͤufer verſchaft, im andern Falle aber die Sache, die wir kau - fen, da man naͤmlich in jenem Falle einen Kaͤufer, in dieſem einen Verkaͤufer ſucht; ſo folget, daß, wenn dem Verkaͤufer dran gelegen, daß er die Sache gleich ver - kauft, oder wenn man ihm zu gefal - len etwas kauft, es erlaubt iſt, um ei - nen geringern Preiß zu kaufen; und wenn dem Kaͤufer daran gelegen, daß er die Sache haben kann, oder wenn ſie ihm zu gefallen verkauft wird, es nicht unbillig iſt, ſie um einen hoͤhe - ren Preiß zu verkaufen.

§. 602.

Wenn ein hoͤhe - rer oder geringe - ter Preiß durch ei - nen Jrr - thum be - zahlt worden.

Da niemand mit des andern Schaden ſich bereichern darf (§. 271.); ſo iſt der Ver - kaͤufer, wenn er im Preiße geirret hat, und mehr, als der wahre Preiß iſt, vom Kaͤufer bekommen, was er zu viel be - kommen, wiederzugeben ſchuldig: Jm Gegentheil wenn ein geringerer Preiß,als387Contracten. als der wahre bezahlt worden; ſo muß der Kaͤufer erſetzen, was an dem wahren Preiße fehlt, oder wenn ihm die Waare davor nicht anſtehet, ſie wiedergeben, und ſein Geld wiedernehmen. Da das Recht der Natur unter mehr und weniger keinen Unterſchied macht, ſondern gar keine Verletzung duldet; ſo kann nach demſel - ben wegen einer jeden Verletzung ein jeder Contract aufgehoben werden. Jm uͤbrigen gilt dieſes auch aus eben dieſer Urſache, wenn der Kaͤufer aus Unwiſ - ſenheit vor eine Sache mehr giebt, als ſie werth iſt, weil er vermeinet, dieſes ſey der wahre Preiß.

§. 603.

Weil es einerley iſt, ob der Kaͤufer undVon der Beſtim - mung des Preißes nach dem Gutduͤn - cken eines dritten. Verkaͤufer ſelbſt mit einander des Preißes wegen eines werden, oder ob ſie es auf das Gutduͤncken einer gewiſſen oder ungewiſſen dritten Perſon wollen ankommen laſſen; ſo gilt die Beſtimmung des Preißes nach dem Gutduͤncken eines dritten, wenn er von dem gewoͤhnlichen oder wah - ren nicht gar zu weit abgeht (§. 271.). Und da man die Beſtimmung eines Preißes auf das Gutduͤncken eines dritten ankommen laͤßt, damit man durch den Contract nicht verletzt wird; ſo muß derjenige, deſſen Gutduͤncken es uͤberlaſſen wird, die Sache nach ihrem Werth zu ſchaͤtzen verſtehen. Da man aber in ContractenB b 2vor388II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenvor wahr annehmen muß, was hinlaͤnglich angezeigt worden (§. 318.); und nach dem Recht der Natur nicht erlaubt iſt, daß die Contrahenten etwas thun, das den Pflich - ten widerſpricht (§. 42. 57. ); ſo muß man aus den Umſtaͤnden urtheilen, was die Meinung der Contrahirenden gewe - ſen ſey, oder warum ſie die Beſtimmung des Preißes auf das Gutduͤncken des Kaͤufers oder Verkaͤufers haben wollen ankommen laſſen; und dergleichen Kauf wird im Gewiſſen nach den Pflichten einge - richtet.

§. 604.

Von dem Jrrthum der in der Sache ſelbſt, oder ih - rer Ma - terie, oder Be - ſchaffen - heit be - gangen wird.

Weil der Vertrag eines Jrrenden nichtig iſt, wenn ein Jrrthum die Urſach zu demſel - ben geweſen iſt (§. 405. 438. ); ſo iſt der Kauf und Verkauf nichtig, wenn ei - ne andere Sache fuͤr eine andere ge - kauft, oder verkaufr wird; es mag ſeyn, daß dieſelbe eine andere iſt, in Anſe - hung ihrer ſelbſt, oder ſo weit ſie eine ein - tzele Sache von einer gewiſſen Art iſt; oder in Anſehung der Materie, daß ſie ent - weder gantz, oder zum Theil aus einer an - dern Materie beſteht, als man vermeinte. Es erhellet auch daher, daß in dieſem Ver - fahren entweder ein vorſaͤtzlicher oder zufaͤlliger Betrug vorgehet, deren kei - ner verſtattet werden kann (§. 286.). Eben dieſes verſtehet ſich auf eben dieſe Weiſe, wenn der Kaͤufer entweder ausdruͤck -lich389Contracten. lich ſich erklaͤret, oder es aus andern Umſtaͤnden hinlaͤnglich erhellet, daß er eine Sache wegen einer gewiſſen Ei - genſchaft kaufe, ſonſt aber nicht wuͤr - de gekauft haben, und in Anſehung dieſer Eigenſchaften ein Jrrthum vor - gehet; als wenn junger Wein fuͤr alten ver - kauft wird.

§. 605.

Jm Kaufen und Verkaufen wird das Ei -Von den Vertraͤ - gen, die zum Kauf und Ver - kauf an - gehaͤngt werden. Und weñ die Sa - che auf einen ge - wiſſen Tag ge - kauft ſeyn, oder der Kauf nur eine gewiſſe Zeit dau - ren ſoll. genthum der Sache vom Verkaͤufer auf den Kaͤufer gebracht (§. 587.). Da es nun auf dem Willen des Eigenthumsherrn beruhet, wie er das Eigenthum ſeiner Sache auf den andern bringen will (§. 314.), und auf dem Willen deſſen, der ſie bekommt, ob er es auf dieſe Weiſe haben will, oder nicht (§. 316.); ſo koͤnnen, nach Gefallen des Kaͤufers und Verkaͤufers, dem Kaufe und Ver - kaufe Vertraͤge beygefuͤgt werden, welche das durch den Kauf erhaltene Recht veraͤndern, und einige neue Verbindlichkeiten hervorbringen, und dieſe muͤſſen gehalten werden (§. 438.). Daher folgt, daß, wenn eine Sache auf einen gewiſſen Tag gekauft und ver - kauft wird; ſo iſt der Kauf und Ver - kauf zwar gleich richtig, die contra - hirende Theile aber ſind nicht verbun - den ihn zu vollziehen, als bis der Tag erſchienen. Und wenn im Gegentheil die Sache unter der Bedingung ver -B b 3kauft390II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenkauft wird, daß ſie auf eine gewiſſe Zeit gekauft ſeyn ſoll; ſo iſt der Kauf und Verkauf gleich zu vollziehen: ſo bald aber die Zeit verfloſſen, iſt auch der Kauf zu Ende.

§. 606.

Von dem Kauf un - ter einer aufloͤſen - den Be - dingung.

Da nach dem vorhergehenden §. der Kauf und Verkauf unter einer aufloͤſenden Bedin - gung und bey Strafe der Reue geſchloſſen werden kann; ſo iſt, wenn man es ſo ausmacht, daß, woferne das Geld nicht innerhalb einer gewiſſen Zeit ge - zahlt wird, die Sache ungekauft ſeyn ſoll, der Kauf und Verkauf gleich richtig: Aber wenn das Geld in der beſtimmten Zeit nicht gezahlt wird; ſo wird er aufgeloͤſt (§. 397.). Und wenn man dergeſtalt eines wird, daß inner - halb einer gewiſſen Zeit dem Kaͤufer freyſtehet vom Contracte abzugehen, wenn er dem Verkaͤufer etwas gewiſ - ſes leiſtet; ſo kann wehrender Zeit der Verkaͤufer einem andern die Sache nicht verkaufen, und der Kaͤufer hat das Recht den Kauf ſich gereuen zu laſſen, muß aber die Strafe der Reue erlegen.

§. 607.

Von dem Kauf un - ter einer aufſchie - benden

Da gleichfalls unter einer aufſchiebenden Bedingung der Kauf und Verkauf geſchloſſen werden kann (§. 605.); ſo iſt, wenn unter einer gewiſſen Bedingung der Kaufgeſchloſ -391Contracten. geſchloſſen worden, derſelbe nicht eherBedin - gung, wie auch ei - nes fet - tern Kaͤu - fers. richtig, als bis die Bedingung wuͤrck - lich vorhanden, noch ſind die Contra - hirenden verbunden ihn zu vollziehen, und wenn die Bedingung nicht wuͤrck - lich wird, ſo iſt der Kauff nichtig (§. 396.): So lange aber dieſes noch zwei - felhaft iſt, ſo iſt keinem Theile nicht erlaubt davon abzugehen; indem die Hoffnung, der Kauf werde zu ſtande kom - men, keinem Theile genommen werden kann (§. cit.). Es iſt eine beſondere Bedingung, wenn ein fetterer Kaͤufer ſich finden ſolte. De - rowegen wenn man es ausmacht, daß die Sache nicht gekauft ſeyn ſoll, wann innerhalb einer geſetzten Zeit ein fette - rer Kaͤufer ſich finden ſollte; ſo iſt der Kauf zwar gleich richtig, der Verkaͤu - fer kann aber doch die Sache einem fetteren Kaͤufer verkaufen: Wenn man aber alſo eines wird, daß die Sa - che gekauft ſeyn ſoll, wenn ſich nicht in einer gewiſſen Zeit ein fetterer Kaͤu - fer findet; ſo wird der Kauf alsdann erſt richtig, wenn ſich in der Zeit kei - ner findet: Es iſt aber doch keinem er - laubt vom Kaufe abzugehen. Naͤm - lich im erſten Falle iſt die Bedingung eine aufloͤſende, im andern eine aufſchiebende (§. 315.).

B b 4§. 608.392II. Th. 12. H. Von beſchwerlichen

§. 608.

Von Zu - eignung auf einen beſtimm - ten Tag.

Der Vertag, in welchem man verabredet, die Sache ſoll ungekauft ſeyn, woferne ſich in einer gewiſſen Zeit ein fetterer Kaͤufer finden ſollte, oder daß ſie gekauft ſeyn ſoll, wofer - ne ſich keiner findet, heißt die Zueignung (naͤmlich des Kaufs) auf einen beſtimm - ten Tag (addictio in diem); und zwar im erſten Fall die unbedingte (pura), im an - dern die bedingte (conditionata). Man nennt aber einen fetteren Kaͤufer (emto - rem pinguiorem), der beſſere Bedingungen, als der erſte, anbietet; und beſſere Bedin - gungen (conditionem meliorem) nennt man, was zum Nutzen des Verkaͤufers gerei - chet, z. E. wenn zum Preiſe etwas hinzuge - ſetzt wird, wenn die Zahlung in beſſerem Gel - de geſchieht, wenn gleich gezahlt wird. Weil die Vertraͤge natuͤrlicher Weiſe an und vor ſich ſelbſt verbinden (§. 438.); ſo koͤnnen natuͤrlicher Weiſe zu einem jeden Con - tracte Vertraͤge hinzugeſetzt werden, wenn gleich ſchon vorher derſelbe zu ſeiner Richtigkeit gebracht worden; folglich kann auch die Zueign[u] ng zu ei - ner gewiſſen Zeit zu einem vorhin ge - ſchloſſenen Kaufe geſetzt werden. Da aber in dieſem Vertrage dieſes ausgemacht wird, daß der Kauf entweder aufgehoben, oder nicht zu ſtande gebracht werde, wenn ein anderer eine beſſere Bedingung anbietet; nichtaber,393Contracten. aber, daß der Verkaͤufer den Kauf, wenn es ihn gereuet, nach ſeinem Belieben aufheben, oder nicht zu ſtande bringen kann (§. 607.); ſo kann der Verkaͤufer ſelbſt keine beſ - ſere Bedingung anbieten. Es iſt aber noch dieſes zu mercken, daß die Zueignung zu einer gewiſſen Zeit entweder zum Vortheil des Verkaͤufers, oder zum Vortheil des Kaͤufers geſchehen kann. Und im erſten Falle verſtehet ſichs leicht, daß dem Verkaͤufer frey ſtehe, ob er eine beſſere Bedingung annehmen, oder nach der erſten gehen will: Jm andern aber der Kaͤufer gleich von ſeiner Ver - bindlichkeit loß ſey, wenn eine beſſere Bedingung angeboten wird, und der Verkaͤufer entweder dieſe, oder ſeine Sache behalten muͤße. Es erhellet auch ferner, daß der Verkaͤufer dem erſten Kaͤufer nicht anzuzeigen ſchuldig ſey, daß und was vor eine Bedingung an - geboten worden, ehe er demjenigen, der ſie anbietet, die Sache verkauft, woferne nicht beſonders ausgemacht worden, daß er die Sache haben ſol - le, wenn er eben dieſelbe Bedingung erfuͤllen will. Da es aber dem Kaͤufer gleich viel gilt, ob ein anderer Kaͤufer die Sache bekommt, oder der Verkaͤufer, nachdem eine beſſere Bedingung angeboten worden, die Sache ſelbſt behaͤlt, und derſelbe, indem er die Sache ſelbſt behaͤlt, nichts thut,B b 5was394II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenwas dem Rechte des erſten Kaͤufers zuwider waͤre (§. 83.); ſo kann der Verkaͤufer auch die Sache ſelbſt behalten, wenn eine beſſere Bedingung angeboten worden, wofern nicht ausdruͤcklich, wie vorher, es anders verabredet worden.

§. 609.

Vom verluſtig - machen - den Ge - ſetze.

Man nennet uͤberhaupt ein verluſtig - machendes Geſetze (legem commiſſoriam) den Vertrag, in welchem verabredet wird, daß, woferne nicht geleiſtet wird, was einer vermoͤge einem andern Contract ſchuldig war, der Schuldner das verliehret, was er nach dieſem Vertrage haben ſollte. Und denn ſagt man, was verlohren gehet, werde com - mittiret, oder man werde deſſelben verluſtig. Jns beſondere wird in dem gegenwaͤrtigen Contracte das verluſtigma - chende Geſetze (lex commiſſoria) genannt, der Vertrag, in welchem dergeſtalt verabre - det wird, daß wenn der Kaͤufer das Geld in einer gewiſſen Zeit nicht zahlt, die Sache un - gekauft ſeyn ſoll. Der Vertrag alſo, wel - chem das verluſtigmachende Geſetze angehaͤngt worden, wird alſobald auf - gehoben, wenn die in ihm befindliche aufloͤſende Bedingung (§. 315.) vor - handen. Und deswegen, wenn ein Kauf unter dem verluſtigmachenden Geſetz geſchloſſen worden, und das Geld wird nicht innerhalb der geſetzten Zeit ge -zahlt;395Contracten. zahlt; ſo kommt das Eigenthum der gekauften Sache von Rechts wegen ohne Verzug zum Verkaͤufer. Weil der Verkaͤufer ſich nicht mit dem Schaden des Kaͤufers bereichern kann (§. 271.); ſo muß, wenn der Kaͤufer einen Theil des Gel - des gezahlt hat, und des Kaufes ver - luſtig wird, ihm, was er gezahlet hat, wiedergegeben werden. Und weil der Kauf nur zum Vortheil des Verkaͤufers aufgeſchoben wird, wenn das verluſtig - machende Geſetze nur zu ſeinem Beſten dazu geſetzt wird; ſo ſteht es lediglich bey ihm, ob er ſich deſſelben bedienen will, oder nicht. Weil die Wuͤrckung des verluſtigmachenden Geſetzes ſich auf die auf - loͤſende Bedingung, ſo darinnen enthalten, gruͤndet; ſo iſt eine jede aufloͤſende Be - dingung, welche zu einem Kaufe, oder uͤberhaupt zu einem Contracte oder Vertrage hinzugeſetzt wird, dieſem Geſetze gleich zu achten. Und aus die - ſer Urſache nennt man es clauſulam commiſ - ſoriam, wenn eine ſolche Bedingung dem Vertrage einverleibet wird, wodurch einer deſſen verluſtig wird, was er nach dem Ver - trag haben ſollte, und der Vertrag ſelbſt auf - gehoben wird.

§. 610.

Ein Vertrag, zu welchem eine aufloͤſendeVon dem ſich auf - loͤſenden Vertra - ge, vor Bedingung, ſie mag beſchaffen ſeyn, wie ſie will, angehaͤngt wird, nennt man gewoͤhnlicherWeiſe396II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenjetzt und nach die - ſem.Weiſe einen aufloͤſenden Vertrag (pa - ctum reſolutivum); deſſen Arten alſo ſind das verluſtigmachende Geſetze und die Zu - eignung zu einer gewiſſen Zeit unter einer aufloͤſenden Bedingung. Man nennt aber einen aufloͤſenden Vertrag vorjetzt (pa - ctum reſolutivum ex nunc), wenn der Con - tract dergeſtalt aufgehoben wird, als wann er gleich Anfangs null und nichtig geweſen waͤ - re: Hingegen einen aufloͤſenden Vertrag nach dieſem (reſolutivum ex tunc), wenn der Contract zu der Zeit aufgehoben wird, in welcher die Bedingung wuͤrcklich wird, daß er von der Zeit an erſt vor null und nichtig gehalten wird. Weil es von Natur bloß auf den Willen der Contrahirenden ankommt, wie ſie etwas verabreden wollen (§. 385. 438. ); ſo ſteht es auch in ihrem Gefal - len, ob der Vertrag, wenn die aufloͤ - ſende Bedingung vorhanden, vorjetzt oder nach dieſem aufgeloͤſet werden ſoll.

§. 611.

Von dem Recht des Vor - kaufs.

Weil, wenn man es verabredet, daß wenn der Kaͤufer die gekaufte Sache wieder verkau - fen will, er ſie uns, oder einem gewiſſen drit - ten verkaufen ſoll, oder daß ihm nicht erlaubt ſeyn ſoll, ſie einem andern zu verkaufen, wenn wir, oder derſelbe dritte eben geben will, was der andere giebt; ſo wird der Vertrag, wel - cher dem Kaufe und Verkaufe hinzugefuͤgt worden, der Vertrag des Vorkaufs (pa -ctum397Contracten. ctum de retrahendo) genannt; das durch die - ſen Vertrag erworbene Recht aber das Recht des Vorkaufs (jus retractus), in dem buͤr - gerlichen Recht mit dem Zuſatze das verab - redete Recht des Vorkaufs (jus retra - ctus conventionale), weil es aus dem Ver - trage kommt; im Gegenſatz des geſetzmaͤſ - ſigen (legale), welches gewiſſen Perſonen durch Geſetze zugeeignet wird, und bloß buͤr - gerlichen Rechtes iſt. Dieſes Recht des Vorkaufs iſt ein Vorrecht, und wird dadurch das Recht zu veraͤuſſern ver - mindert (§. 257.), doch ohne Schaden des Eigenthumsherrn (§. 269.). Da man das Vorrecht (jus protimiſeos) das - jenige zu nennen pflegt, da einer in einer ge - wiſſen Handlung einem andern, oder mehrern vorgezogen werden muß; ſo iſt das Recht des Vorkaufs ein Vorrecht, aber nicht umgekehrt, jedes Vorrecht ein Recht des Vorkaufs. Weil aber das Recht des Vorkaufs durch den Vertrag auf den Kauf und Verkauf eingeſchraͤnckt wird; ſo findet es nicht ſtatt, wenn eine Sa - che, die demſelben unterworfen, unter einem andern Titel, als des Kaufs und Verkaufs veraͤuſſert wird; z. E. wenn ſie verſchenckt, oder vertauſcht wird (§. 318.). Da nach dem Rechte der Natur ein jeder ſein Recht dem andern abtreten kann (§. 342.), wofern es kein perſoͤnlich Recht iſt (§. 400.); ſo kann auch das Recht des Vorkaufsabge -398II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenabgetreten werden, wenn nicht aus - drucklich geſagt worden, daß es kei - nem andern abgetreten werden ſoll, noch auch anders woher erhellet, daß es auf die Perſon, die den Vorkauf hat, ein - geſchraͤnckt iſt (§. 318.).

§. 612.

Der Ver - trag vom Wieder - kauf und Wieder - einloͤ - ſung.

Wenn man es alſo verabredet, daß, wenn es einem gefaͤllt, oder zu einer gewiſſen Zeit, oder innerhalb einer gewiſſen Zeit, einer die verkaufte Sache wiederkaufen kann, ſo wird der Vertrag, welcher dem Kaufe und Ver - kaufe hinzugefuͤgt wird, der Vertrag vom Wiederkaufe (pactum de retrovendendo), oder des Wiederkaufs (pactum retroven - ditionis) genannt. Derowegen wird der Kaͤufer zwar verbunden, die Sache wieder zu verkaufen, der Verkaͤufer aber nicht ſie wieder zu kaufen. Da von dieſem Vertrag allerdings unterſchieden iſt, wenn man verabredet, daß die verkaufte Sache entweder zu einer gewiſſen Zeit, oder innerhalb einer gewiſſen Zeit wiedergekauft werden muß, ſo wollen wir dieſes den Ver - trag vom Wiedereinloͤſen (pactum de re - dimendo) nennen. Und aus dem Vertra - ge von der Wiedereinloͤſung iſt der Verkaͤufer verbunden die Sache wie - derzukaufen, aber der Kaͤufer nicht ſie wieder zu verkaufen. Das uͤbrige ver - ſteht ſich von beyden Vertraͤgen ſo, wie von den uͤbrigen allen, die hinzugefuͤgt werden,aus399Contracten. aus dem, was geſagt, oder auf eine andere Weiſe hinlaͤnglich zu verſtehen gegeben wor - den iſt (§. 318.).

§. 613.

So bald aus dem Kaufe und Ver -Wer den Vortheil und die Gefahr einer ge - kauften Sache in ver - ſchiede - nen Faͤl - len hat. kaufe, es moͤgen Vertraͤge hinzu - kommen ſeyn, was fuͤr welche wollen, der Kaͤufer das Eigenthum erhaͤlt; da nun derſelbe der Eigenthumsherr iſt, und der Verkaͤufer aufhoͤret es zu ſeyn (§. 195.); ſo gehoͤrt auch aller Vortheil, welcher aus der Sache erhalten werden kann (§. cit. ), dem Kaͤufer, und es faͤllt auf ihn auch alle Gefahr, daß ſie verſchlim - mert, verlohren oder gantz verdorben werden kann (§. 243.). Und daher laͤßt ſich leicht in einem jeden Falle entſcheiden, weſſen natuͤrlicher Weiſe der Vortheil und die Gefahr ſey. Da man aber ſelbſt nach dem Rechte der Natur verabreden kann, wie es den Contrahirenden gutduͤncket (§. 385. 438. ); ſo kann man auch mit einander eines werden, daß es unter gewiſſer Bedingung, oder auf eine gewiſſe Zeit der Verkaͤufer das Eigenthum behaͤlt, der Vortheil aber und die Gefahr auf den Kaͤufer faͤllt, oder auch das Ge - gentheil mit einander ausmachen: Ja daß das Eigenthum nebſt der Gefahr auf den Kaͤufer kommt, der Vortheil aber unter einer gewiſſen Bedin -gung,400II. Th. 12. H. Von beſchwerlichengung, oder auf eine gewiſſe Zeit dem Verkaͤufer verbleibe.

§. 614.

Von dem Kauf ei - ner Sa - che, wel - che durch den Ge - ſchmack ſoll pro - biret, oder vor - her be - ſichtiget werden.

Wenn eine Sache verkauft wird, welche vorher durch den Geſchmack probiret, oder auch beſichtiget werden ſoll, als wenn einem Wein im Keller ver - kauft wird, den man erſt koſten will; ſo ver - ſteht es ſich von ſelbſt, daß die Sache nicht anders, als unter dieſer Bedin - gung gekauft ſey, wenn man ſie vor gut befunden; folglich faͤllt die Gefahr und der Vortheil nicht eher auf den Kaͤufer, als wenn er ſie gekoſtet oder angeſehen hat, und vor gut befunden (§. 613.).

Von dem Vortheil und der Gefahr, wenn un - ter zwey - en Sa - chen, die verkauft worden, welche man wird ha - ben wol-len.

§. 615.

Da der Kaͤufer keine Sache vor der Wahl eigenthuͤmlich haben kann, wenn unter zweyen eine oder die andere verkauft worden (re al - ternative vendita); ſo iſt ſo wohl der Vor - theil, als die Gefahr von beyden Sa - chen des Verkaͤufers, wenn unter zweyen Sachen eine dergeſtalt ver - kauft, daß dem Kaͤufer eine freye Wahl gelaſſen wird; ſo lange naͤmlich die Wahl noch nicht geſchehen (§. 613.).

§. 616.

Wenn der Ver - kaͤufer in

Weil der Kauf nicht zu ſtande kommt, wenn man das Geld nicht gleich zahlet (§. 569.),oder401Contracten. oder der Verkaͤufer in die Friſt williget (§. den Auf - ſchub der Zahlung nicht ein - williget, und wo - vor man wegen des Ver - zugs zu ſtehen hat.597.); ſo iſt der Kauf nichtig, wenn man wegen des Preißes eines worden, und der Verkaͤufer in den Aufſchub der Zahlung nicht willigen, oder keine Friſt verſtatten will; folglich wenn der Kaͤu - fer wiederkommt, und gleich zahlen will; ſo iſt der Verkaͤufer nicht ſchul - dig ihm die Sache vor den Preiß zu laßen. Da einer am Verzuge ſchuld iſt, wenn er zur geſetzten Zeit nicht zahlt (§. 417.); ſo muß er dem Verkaͤufer ſo viel leiſten, als der Gebrauch des Gel - des von dem Tage des Verzugs an gilt (§. 419.).

§. 617.

Eine Sache wird behauptet (evinei -Von der Behaup - tung ei - ner Sa - che und der Ge - wehrlei - ſtung. ret, res evineitur), wenn einer dieſelbe wegen des Rechts, welches er an ihr hat, und doch nicht ausuͤben kann, wenn ſie nicht in ſeiner Gewalt iſt, vom Beſitzer wegnimmt, z. E. wenn der Eigenthumsherr eine Sache, die von einem, der nicht Eigenthumsherr war, gekauft war, ſich wieder zueignet (§. 262.). Man ſagt aber, daß einer die Gewehr lei - ſte (evictionem præſtare), welcher dem an - dern wegen des Schadens genugthut, den er dadurch leidet, daß die Sache von einem an - dern behauptet worden. Da man einen jeden Beſitzer vor den Eigenthumsherrn haͤlt, wo - fern nicht wahrſcheinliche Gruͤnde vor das Ge - gentheil vorhanden (§. 455.), folglich derNat. u. Voͤlckerrecht. C cKaͤu -402II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenKaͤufer mit dem Verkaͤufer, als dem Eigen - thumsherrn, den Vertrag macht, wenn er nicht weiß, daß die Sache einem andern zu - gehoͤrt; ſo iſt in jedem Kaufe dieſe Be - dingung ſtillſchweigend enthalten, daß die Gewehr geleiſtet werde; folglich iſt nach dem Naturrechte nicht noͤthig, daß die Gewehre ausdruͤcklich verſpro - chen werde; jedoch kann einer auf die Gewehrleiſtung Verzicht thun (§. 342.). Weil derjenige, der wiſſentlich von einem, welcher nicht Eigenthumsherr iſt, etwas kauft, weiß, daß er nur den Beſitz kauſt (§. 588.), folglich in die Gefahr einwilliget, daß ſie von einem andern kann behauptet werden (§. 593.); ſo iſt der Verkaͤufer einer fremden Sache, dem der ſie wiſſentlich kauft, nicht verbunden die Gewehre zu leiſten. Und weil nicht weniger ein Recht, welches einer in einer verkauſten Sache hat, behauptet oder evinciret werden kan; ſo iſt der Verkaͤufer auch verbunden die Ge - wehre wegen eines Rechts, welches der dritte an einer Sache hat, zu lei - ſten. Weil aber der, welcher etwas ſchenckt, da er es umſonſt giebt (§. 475.), kein ander Recht auf den, welchem er es ſchenckte, kann bringen wollen, als er in der Sache hat; ſo iſt er auch nicht verbun - den die Gewehre zu leiſten. Es iſt bloß buͤrgerlichen Rechtes, daß man bey einem Ge - ſchencke, das zu einer Vergeltung geſchehen,die403Contracten. die Gewehre leiſten muß; maſſen der, wel - chem etwas geſchenckt wird, dazu kein voll - kommenes Recht hat (§. 482.).

§. 618.

Einen Fehler einer Sache (vitiumVon den Fehlern der ge - kauften Sache. rei) nennt man eine zufaͤllige Beſchaffenheit derſelben, welche ſie zu ihrem Gebrauch un - geſchickt macht. Da die Sachen des Ge - brauchs wegen gekauft werden, und man folg - lich nicht vermuthen kann, daß jemand feh - lerhafte Sachen kaufen wolle; ſo muß der Verkaͤufer die Fehler dem Kaͤufer an - zeigen, welche nicht in die Augen fal - len, oder ſonſt bekannt ſind; folglich vielweniger ſie ſorgfaͤltig verbergen, damit ſie nicht in die Augen fallen koͤn - nen. Und weil ein Fehler einer Sache et - was dergleichen iſt, ſo geſchaͤtzt werden kann, in ſo ferne er naͤmlich eine Sache, die an und vor ſich ſelbſt zu einem Gebrauche geſchickt iſt, dazu untuͤchtig macht; ſo vermindern die Fehler den Preiß einer Sache; ja, wenn ein Fehler die Sache gantz unbrauch - bar macht, ſo benimmt er ihr allen Werth. Ja, da man nicht weniger einen vorſaͤtzlichen, als unvorſaͤtzlichen Betrug ver - meiden ſoll (§. 286.); ſo muß der Preiß, wenn die Sache wegen eines verbor - genen Fehlers gaͤntzlich unnuͤtze iſt, dem Kaͤufer wieder erſetzt werden: Wenn ſie aber noch einigen Gebrauch haben kann, oder der Schaden auf an -C c 2dere404II. Th. 12. H. Von beſchwerlichendere Weiſe gut gemacht werden; ſo muß derſelbe wenigſtens erſetzt werden (§. cit.). Es erhellet leicht, daß die Rechte, welche der dritte in einer gekauften Sa - che hat, zu den Fehlern zu zehlen ſind.

§. 619.

Von dem, was drauf ge - geben wird.

Das was auf den Contract gegeben wird (arrha) nennt man das Geld, oder die Sache, welche von einem Theile der Con - trahirenden dem andern zu mehrerer Sicher - heit gegeben wird, um nemlich den Contract beweiſen zu koͤnnen, und ihn zu beſtaͤtigen. Es verlangt alſo, daß ihm etwas drauf gegeben werde, wem am meiſten dran gelegen iſt, daß vom Contract nicht abgegangen werde; es giebt auch ei - ner freywillig etwas darauf, wenn er beſorget, der andere moͤchte den Con - tract nicht halten wollen, oder wenn er noch nicht voͤllig ſeine Richtigkeit hat, nicht zu ſtande gebracht wer - den. Es erhellet alſo, daß etwas drauf geben ein beſonderer Contract, oder Vertrag iſt, und daß derſelbe nicht al - lein zum Kaufe und Verkaufe, ſon - dern zu jedem andern Contract hin - zukommen kann; daß aber dadurch nichts in dem Contract, dazu er kommt, veraͤndert wird. Allein da von dem, was darauf gegeben wird, das gilt, was man mit einander abgeredet hat (§. 318.); ſo wird das als ein Theil desjenigen gerechnet,was405Contracten. was einer nach dem Contracte ſchul - dig iſt, was er in dieſer Abſicht darauf gegeben: Woferne es aber nur zur Sicherheit, daß der Contract erfuͤllet werden ſoll, gegeben wird; ſo muß es, wenn dieſes geſchehen, wiedergegeben werden. Aus eben dem Grunde erhellet, daß, wenn etwas mit dem Gedinge drauf gegeben wird, daß man es zu dem rechne, was man nach dem Con - tracte ſchuldig iſt, wenn, der es gegeben, demſelben ein Gnuͤgen gethan, im widrigen Falle aber behalten werde; ſo gewinnt der, welcher es bekommen hat, was drauf gegeben worden, wo - fern dem Vertrage kein Gnuͤgen ge - ſchehen: Weil doch aber derjenige, welcher angenommen, was darauf gegeben worden, zwar darein gewilligt hat, daß es dem Geber frey ſtehen ſolle, ob er das drauf gegebene ver - lieren, oder den Contract halten will; dieſes aber nicht deswegen geſchehe, daß es dem an - dern, der es angenommen, freyſtehen ſolle vom Vertrage abzugehen, wenn er das, was drauf gegeben worden, wiedergiebt; ſo ſteht es dem, der es angenommen, nicht frey, ob er das drauf gegebene wieder - geben, oder den Contract lieber halten will. Wenn man es aber alſo verab - redet, daß, wofern einer der Theilneh - menden den Contract nicht erfuͤllen wollte, der, welcher etwas drauf ge -C c 3geben,406II. Th. 12. H. Von beſchwerlichengeben, mit Verluſt des drauf gegebe - nen vom Contract abgehen koͤnne, der andere aber auf dieſen Fall es doppelt wiedergeben ſolle; ſo iſt, indem es auf den Willen derer, die den Vertrag machen, ankommt, ob ſie ihren Contract ſo einrich - ten wollen (§. 385. 438. ), und es erlaubt iſt unter einer Strafe zu contrahiren (§. 410.), der Contract nach dem Geſetze der Na - tur wiederruflich, aber unter einer Strafe gemacht worden. Gleicher ge - ſtalt wenn man es alſo verabredet, daß wenn der, der etwas drauf gege - ben, vom Contract abgehen will, deſ - ſelben verluſtig wird, der andere aber, der es bekommen, auf dieſen Fall dop - pelt ſo viel erſetzen ſoll, doch unbe - ſchadet des Rechtes deſſen, welcher den Contract erfuͤllen will; ſo beſteht der Contract, da er unter der Strafe der Reue alſo gemacht wird, mit dem Verluſte des drauf gegebenen, oder mit Wiederer - ſtattung des Doppelten. Es erhellet aber, daß in dieſem Fall dadurch, wenn et - was darauf gegeben wird, der Contract ver - bindlicher gemacht wird, als wenn man nichts drauf giebet, indem man mehr angetrieben wird den Contract zu erfuͤllen (§. 35.). Wenn man von dem, was drauf gegeben worden, nichts beſonders verabredet hat; ſo iſt, da es als ein Zeichen des einge - gangenen Contracts und der Beſtaͤndigkeit desWillens407Contracten. Willens gegeben worden, nicht erlaubr mit Verluſt deſſen, was drauf gege - ben worden, von dem Contracte abzu - gehen; folglich, wenn der Contract er - fuͤllt, oder, wenn er nicht mehr erfuͤllt werden kann, das Jntereſſe erleger worden (§. 415.), muß das, was drauf gegeben worden, wiedergegeben wer - den, oder wenn Geld darauf gegeben worden, auf das, was man zu zahlen hat, gerechnet werden. Weil ich end - lich nicht verbunden bin, dem andern, wenn er vom Contracte abgehet, nachdem er ſchon etwas geleiſtet hat, etwas wiederzugeben (§. 443.); ſo iſt der Verkaͤufer, wenn der Kaͤufer, nachdem er ſchon etwas ge - zahlt, oder drauf gegeben, die Sache aber noch nicht ihm uͤbergeben wor - den, von dem Contract abgeht, nicht gehalten, was er bekommen, wiederzu - geben, ob er gleich von ſeiner Seite auf die Erfuͤllung des Contracts nicht dringet.

§. 620.

Das Vermiethen und Miethen (lo -Vom Vermie - then und Mie - then, Pachten und Ver - pachten. catio conductio) nennt man den be - ſchwerlichen Contract, in welchem fuͤr einen gewiſſen Lohn ein gewiſſer Gebrauch einer Sache erlaubt, oder eine gewiſſe Arbeit gelei - ſtet wird. Der Preiß, welcher fuͤr den Ge - brauch einer Sache, ſonderlich einer unbeweg - lichen gezahlt wird, nennt man die ZinſeC c 4(pen -408II. Th. 12. H. Von beſchwerlichen(penſio). Wer fuͤr den Gebrauch einer Sa - che den Lohn zahlt, wird der Miethende in Anſehung der Sache (conductor rei); wer aber fuͤr die Arbeit den Lohn giebt, der Mie - thende in Anſehung der Arbeit (conductor operarum) genannt. Wer aber fuͤr den Lohn den Gebrauch einer Sache erlaubt, heiſt der Vermiethende einer Sache (locator rei), und wer fuͤr ſeine Arbeit den Lohn em - pfaͤngt, der Vermiether der Arbeit (loca - tor operarum, der Arbeitsmann). Jnsbe - ſondere heiſt der, welcher ein Haus gemiethet, oder eine Wohnung in demſelben, ein zur Miethe ſitzender, oder ein Hausmann (inquilinus). Wer fruchtbare Sachen, oder Landguͤther gemiethet, der Pachter (colo - nus), und der ſie ihm vermiethet, der Ver - pachter. Wenn einem eine Arbeit verdun - gen wird, ſo heiſt derjenige, dem ſie verdun - gen worden, redemtor, hat aber im Deut - ſchen keinen beſonderen Nahmen. Er iſt aber einerley mit dem Arbeitsmanne; als wenn ein Zimmermann mit uns einen Contract macht, daß er ein Haus fuͤr einen gewiſſen Preiß aufbauen will.

§. 621.

Wenn der Con - tract ſei - ne Rich - tigkeit hat, und die daher entſprin -

Da der Contract des Vermiethens und Miethens zu ſeiner Richtigkeit nichts weiter erfordert, als daß der Vermiether die Er - laubniß des Gebrauchs einer Sache, oder zu leiſtenden Arbeit fuͤr den zu zahlenden Lohn, und der Miethende die Zahlung des Lohnsfuͤr409Contracten. fuͤr den Gebrauch der Sache, oder fuͤr diegende Verbind - lichkei - ten. verlangte Arbeit verſpricht (§. 620. 380. ); ſo hat das Miethen und Vermiethen alſobald ſeine Richtigkeit, als die Con - trahirende den Lohn fuͤr den Ge - brauch der Sache, oder fuͤr die ver - langte Arbeit verabredet haben; ſo bald aber der Contract ſeine Richtig - keit erhalten, iſt der Vermiether ver - bunden den verabredeten Gebrauch der Sache einzuraͤumen; folglich die Sache in dem Stande zu gewehren, wie es der Gebrauch erfordert, oder die verſprochene Arbeit zu verrichten, und der Miether iſt verbunden den Lohn zu geben, wenn er gleich nicht die Sache, oder die Arbeit unter der Zeit hat brauchen koͤnnen; wenn er nur die Sache, oder die Arbeit unter der Zeit keinem andern vermiethet hat; da er ſonſt ſelbſt vom Contracte abgeht (§. 442.), und ſolcher geſtalt von dem andern in keinen Schaden geſetzt worden, den dieſer wieder zu erſetzen haͤtte (§. 269. 270.).

§. 622.

Weil der Vermiether dem Miethenden dasWenn ei - ne ver - miethete Sache ei - nem an - dern vom Vermie - ther ver - miethet Recht, die Sache abgeredter maſſen zu ge - brauchen, einraͤumet (§. 620.); ſo kann er die Sache wehrender Zeit, da ſie der, welcher ſie gemiethet, nicht braucht, nicht ſelbſt gebrauchen; und wenn er ſie unterdeſſen einem andern vermie -C c 5thet,410II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenworden, und wie man die vermie - thete Sa - che zu gebrau - chen hat.thet; ſo gehoͤret, was er davor be - kommt, dem, der ſie von ihm gemie - thet hat; indem ihm ſchon der Gebrauch der Sache zugehoͤrt. Ja, aus eben der Ur - ſache, kann er ſie ohne ſeine Einwilli - gung keinem andern vermiethen. Jm Gegentheil darf der ſie gemiethet, die Sache nicht anders brauchen, als es verabredet worden, ſonſt begeht er ei - nen Diebſtahl des Gebrauchs (§. 264.). Ja wenn er die Sache anders braucht, oder mißbraucht; ſo kann der Vermie - ther den Contract auf heben (§. 442. 581.).

§. 623.

Von der Leiſtung der Ar - beiten.

Gleichergeſtalt kann der, welcher einen andern zu einer gewiſſen Arbeit gedun - gen, ihm keine andere Arbeit zumu - then, als die verabredet worden, auch zu keiner andern Zeit, als zu der verab - redeten (§. 317.); und der Arbeiter muß gleichfalls die Arbeit zur verabre - deten Zeit leiſten (§. 438.); ſonſt muß er davor ſtehn, was dem andern dar - an gelegen, daß ſie zur verabredeten Zeit nicht geleiſtet worden (§. 415.): Und da, der ſich zur Arbeit verdungen, vom Contracte abgehet; ſo kann der, welcher ihn gedungen, wenn es ihm gefaͤllig, eines andern Arbeit dingen (§. 442.).

§. 624.411Contracten.

§. 624.

Wenn einer eine Sache oder Arbeit, dieVom Wieder - vermie - then. ihm vermiethet worden, vermiethet, ſo wird die Vermiethung, die von ihm geſchehen, die Wiedervermiethung (ſublocatio) ge - nannt. Da das Recht die Sache oder die Arbeit zu brauchen, dem, der ſie gemiethet, eingeraͤumet worden (§. 620.); ſo iſt das Wiedervermiethen einer Sache zu eben dem Gebrauch, zu welchem ſie war gemiethet worden, wie auch der Ar - beit, dazu man einen gedungen, er - laubt, wofern nicht verabredet wor - den, daß dieſes nicht geſchehen ſolle; weil man alsdann bloß das Recht zu gebrau - chen, ohne die Gewalt wieder zu vermiethen erhalten, und daſſelbe auf keine andere Wei - ſe einem zukommen kann (§. 317.).

§. 625.

Da wir niemand, wenn er hinwiederum et -Was ver - miethet werden kann. was geben, oder thun kann, etwas umſonſt zu geben und zu thun ſchuldig ſind, und man bey der Vermiethung nichts anders als den Gebrauch der Sachen fuͤr einen gewiſſen Lohn, nicht aber die Sache ſelbſt uͤberlaͤßt; weil ſie ſonſt verkauft wuͤrde (§. 587.); ſo koͤnnen alle Sachen, welche durch den Gebrauch nicht verbraucht werden, ſo wohl die koͤrperlichen, ſie moͤgen be - weglich oder unbeweglich ſeyn, als auch die unkoͤrperlichen, wie auch alle Arbeit und Verrichtungen, die nichtuner -412II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenunerlaubt ſind, vermiethet und gemie - thet werden; weil wir, was unerlaubet iſt, zu unterlaſſen verbunden ſind, und von die - ſer Verbindlichkeit nicht koͤnnen befreyet wer - den (§. 49. 42.).

§. 626.

Ob der Lohn in einer Sa - che beſte - hen kann.

Weil der Preiß der Sachen nach Gelde geſchaͤtzt wird, und es alſo einerley iſt, ob ei - ner Geld, oder eine Sache, welche ſo hoch am Gelde werth iſt, giebt; bey dem Vermiethen und Miethen aber das Geld fuͤr den Gebrauch einer Sache, oder einer Arbeit gegeben wird (§. 620.); ſo iſt es nach dem Recht der Natur ein Vermiethen und Miethen, wenn fuͤr den Gebrauch einer Sache, oder Arbeit eine gewiſſe verabredete Sache gegeben wird; folglich iſts auch ein Miethen und Vermiethen, wenn theils Geld, theils eine Sache gege - ben wird.

§. 627.

Von ei - nem ſtill - ſchwei - gend ver - abrede - ten Loh - ne.

Da man fuͤr den Gebrauch einer Sache, oder fuͤr Arbeit einen verabredeten Lohn zah - len muß (§. 620.); ſo nimmt man an, daß, wenn von dem Lohne nichts ausdruͤcklich geſagt worden, die Con - trahirenden in den gewilliget haben, welcher gewoͤhnlicher Weiſe fuͤr ſol - chen Gebrauch, oder fuͤr dergleichen Arbeit gegeben zu werden pflegt, oder um den Lohn, den der gegeben, wel - cher vorher gemiethet hatte. Ebendieſes413Contracten. dieſes verſtehet ſich, wenn man verabre - det, daß man einen billigen Lohn, oder den, welchen andere geben, geben wol - le: Denn alsdann muß man den Lohn geben, welchen andere zu geben pfle - gen.

§. 628.

Weil man auch zum Miethen und Ver -Von den hinzuge - fuͤgten Vertraͤ - gen. miethen Vertraͤge hinzuſetzen kann, nachdem es die Contrahirenden vor gut befinden, wie beym Kaufen und Verkaufen zu geſchehen pflegt (§. 605.); ſo muß man, was in den hin - zugefuͤgten Vertraͤgen verabredet wor - den, halten (§. 348.). Dergleichen Ver - trag iſt, wenn das Wiedervermiethen verbo - then wird (§. 624.); wenn der Gebrauch der Sache auf gewiſſe Art eingeſchraͤnckt wird; wenn man ſich ausdinget, daß der Lohn vor - aus gezahlt werden ſoll; wenn man eines wird, daß der Contract null und nichtig ſeyn ſoll, wenn der Lohn nicht auf gewiſſen Tag gezahlt wird, und gleich erlaubt ſeyn, die Sache einem andern zu vermiethen; wenn das Vermiethen gleich aufhoͤren ſolle, ſo die Sache verkauft worden, oder man ſie zum eigenen Gebrauche noͤthig haben ſollte. Denn da einem ein Recht, welches er aus dem Con - tracte erhalten, wider ſeinen Willen nicht ge - nommen werden kann (§. 100.); ſo wird na - tuͤrlicher Weiſe das Vermiethen, ſo auf eine gewiſſe Zeit geſchehen, dadurch nicht geendi - get, daß man die Sache vor dieſer Zeit ver -kauft,414II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenkauft, oder zu ſeinem eigenen Gebrauche noͤ - thig hat. Es iſt aber nicht noͤthig, daß von einem jeden dieſer Vertraͤge, welche gemacht werden koͤnnen, insbeſondere gehandelt wird.

§. 629.

Wenn das Ver - kaufen ei - ner ver - miethe - ten Sa - che, oder die Ver - richtung der Ar - beit durch an - dere nicht un - erlaubt iſt.

Da der Vermiether dem Miethen - den zu nichts anders verbunden iſt, als den verabredeten Gebrauch der Sache zu ver - ſchaffen (§. 620.); ſo iſt es nicht unge - recht, daß er, wenn er ihm ohne ſeine Koſten eine eben ſo beqveme Sache von der Art verſchaft, die Sache ver - kauft, oder zu ſeinem eigenen noth - wendigen Gebrauche dem, der ſie ge - miethet, wegnimmet. Eben dieſes ver - ſteht ſich, daß, wenn einer ſelbſt die Ar - beit nicht verrichten kann, er einen andern an ſeine Stelle verſchaft, der ſie eben ſo gut thun kann.

§. 630.

Wenn ei - ner ſich auf ein - mahl mehre - ren ver - dungen.

Wenn einer, der ſich einem wozu verdungen, auf einmahl mehreren zu - gleich nuͤtzlich ſeyn kann; ſo iſt nicht zu zweifeln, daß, da man zweymahl ver - ſprechen kann, was man zweymahl zu leiſten im Stande iſt (§. 421.), und da wenig dran gelegen, ob es durch eine oder zwey verſchie - dene Handlungen geſchiehet, man ſich da - zu, wozu man ſich einem verdungen, auch zugleich einem andern verdingen kann, und auf einmahl von einem jeden den gantzen Lohn nehmen. Esſey415Contracten. ſey zum Exempel ein Bote, der Briefe zu uͤberbringen gedungen iſt. Weil aber, wenn man ſich mehreren zuſammen genom - men verdungen, alle zuſammengenom - men nur als eine Perſon anzuſehen, folglich alle zuſammengenommen den Lohn nur ein - mahl zu zahlen ſchuldig ſind; ſo zahlt ein jeder von ihnen nur ſeinen Theil vom Lohne, wie es unter ihnen ausgemacht worden. Wenn aber ſich einer wozu zweyen verdinget, was er nur einem leiſten kann; ſo gehet der erſte dem an - dern vor (§. 421.).

§. 631.

Wenn eine Sache auf eine gewiſſeVom wieder von neuem miethen und dem Aufſagen der Mie - the. Zeit vermiethet worden, oder man ſich zu einer Arbeit vermiethet; ſo hoͤrt nach dem Verlauf der Zeit das Recht des Miethenden auf, und der Con - tract wird geendiget (§. 317. 318. ); folglich da man ſagt, die Miethe werde aufgeſagt (locatio & conductio renunciari dicitur), wenn entweder der Vermiether dem Miethenden, oder dieſer jenem anzeigt, daß er uͤber eine gewiſſe Zeit nicht mehr an den Con - tract gebunden ſeyn wolle; ſo iſt nach dem Naturrecht kein Aufſagen der Miethe nothwendig, wenn man es nicht be - ſonders verabredet hat (§. 628.). De - rowegen, da man ſagt, eine Sache oder Arbeit werde von neuem vermiether, oder verdungen (res vel opera relocari di -citur),416II. Th. 12. H. Von beſchwerlichencitur), wenn ſie dem, der ſie vorher gemiethet hatte, nach geendeter Zeit von neuem vermie - thet wird; ſo iſt die Wiedervermie - thung ein neuer Contract, der von dem vorhergehenden gantz unterſchie - den iſt; folglich koͤnnen demſelben neue Vertraͤge, ſie moͤgen beſchaffen ſeyn, wie ſie wollen, hinzugeſetzt werden, oder man kan demſelben eine neue Be - dingung geben, die von der vorherge - henden unterſchieden. Weil man aber auch ſtillſchweigend wegen einer Sache eines werden kann (§. 439.); ſo verſtehet ſichs, daß die neue Vermiethung ſtillſchweigend auf die vorhergehende Weiſe geſche - hen ſey, wenn der, welcher die Sache gemiethet, ohne Widerſpruch des Ver - miethers ſie uͤber die Zeit braucht, oder die Miethe, wie man es verabredet, nicht aufgeſagt worden (§. 441.).

§. 632.

Von der Vermie - thung, die durch den Tod, oder durch das Aufhoͤ - ren des Rechts an einer Sache geendet wird.

Wenn die Dauer eines Contracts auf dem Willen eines oder beyder Per - ſonen beruhet; ſo iſt, da der todte zu wollen aufhoͤret, durch den Tod deſſen, auf den die Dauer des Contracts an - kommt, folglich in dem letzten Falle durch den Tod eines von beyden, die Miethe zu Ende. Da niemand mehr Recht dem andern durch das Vermiethen ein - raͤumen kann, als er ſelbſt an der Sache hat (§. 258.); ſo iſt das Vermiethen zuEnde,417Contracten. Ende, ſo bald das Recht des Vermie - thers an der Sache aufhoͤrt.

§. 633.

Weil dem Miethenden der Gebrauch derVon dem Scha - den, der an der Sache, oder an dem Ge - brauch derſelben verur - ſacht worden. Sache vermiethet wird (§. 620.); ſo iſt der Vermiether ſchuldig in die Verſchlim - merung zu willigen, ohne welche der Gebrauch der Sache nicht erhalten werden kann. Allein wenn die Sache mit Vorſatz oder aus Verſehn deſſen, der ſie gemiethet, verſchlimmert, oder gaͤntzlich zernichtet wird; ſo iſt dieſer den Schaden zu erſetzen ſchuldig (§. 270.). Da aber die Sache dem Vermiether eigenthuͤmlich bleibt, und nur der Gebrauch dem andern zukommt (§. 620.); ſo faͤllt der Schaden auf den Vermiether, der durch einen Zufall ſich ereignet, daran der ſie gemiethet keine Schuld hat: Hin - gegen auf dieſen, wenn er den Ge - brauch der Sache betrift, woferne nicht etwas von einem Erlaß verabre - det worden (§. 342. 628.). Wenn aber durch einen Zufall der Gebrauch der Sache gaͤntzlich wegfaͤllt; ſo muß, in - dem der Lohn fuͤr den Gebrauch gegeben wird, derſelbe erlaſſen werden.

§. 634.

Auf gleiche Weiſe erhellet, daß, da es dem,Von dem Scha - den, den einer lei - det, der ſich zu der einen andern zu einer Arbeit gedungen, nicht zugerechnet werden kann, wenn er bey der Arbeit durch ſein Verſehen Scha -Nat. u. Voͤlckerrecht. D dden418II Th. 12. H. Von beſchwerlicheneiner Ar - beit ver - dungen, und dem Schaden in der verdun - genen Sache.den leider (§. 3.), fuͤr welchem er ſich in acht nehmen ſollte (§. 269.); der ihn gedun - gen, denſelben zu erſetzen nicht ſchul - dig iſt. Und weil die Zufaͤlle nicht vor - aus geſehen werden koͤnnen; ſo muß der, wel - cher ſich zu einer Arbeit fuͤr Lohn verdinget, die Gefahr auf ſich nehmen, die ihm deswe - gen begegnen koͤnte; folglich darf der ihn gedungen ihm auch den Schaden nicht erſetzen, darein er durch einen Zufall gerathen. Wenn er alſo ein Werck - zeug bey der Arbeit, die er verſprochen, zerbricht, oder verdirbet; ſo iſt der Schaden ſein, wie auch wenn die Ma - terie Schaden nimmt, die ihm zuge - hoͤrt, und woraus er uns etwas ma - chen ſollte: Allein wenn die Materie unſer iſt, bey welcher ſich der Zufall ereignet; ſo iſt der Schaden unſer (§. 243.). Es iſt allerdings klar, daß der durch ſeine Schuld den Schaden verurſacht hat, der aus einer uns zugehoͤrigen Materie eine fehlerhafte Sache ge - macht hat (§. 21. 269. ); und daher, wenn der Fehler verbeſſert werden kann, muß er ihn ohne Lohn verbeſſern: Wenn aber dieſes nicht angeht; ſo muß er die Materie bezahlen und die feh - lerhafte Sache behalten (§. 270.). Weil man einen Kuͤnſtler (artifex) nennt, der eine Kunſt wohl verſtehet, oder ausuͤbet; ſo iſt die Unwiſſenheit des Kuͤnſtlers, oderdesje -419Contracten. desjenigen, der ſich davor ausgiebet, allerdings ein Verſehen (§. 21.). Weil endlich ein Werck, das wir einem andern ver - dungen haben, unſer iſt; ſo iſt der Scha - den unſer, wenn ſich ohne die Schuld deſſen, dem es verdungen worden, durch einen Zufall in dem angefange - nen, oder auch vollendeten Wercke ein Schaden ereignet (§. 243.): Aber wenn der Schade wegen eines Fehlers im Wercke, oder der verfertigten Sache geſchiehet; ſo muß der, dem es ver - dungen worden, den Schaden erſetzen; als daran er ſchuld iſt, vermoͤge deſſen, was vorhin erwieſen worden (§. 270.).

§. 635.

Wenn man mit einem Kuͤnſtler ei -Vom Kaufe ei - ner Sa - che, die ein ande - rer uns machen ſollte. nes wird, daß er eine Sache aus ſei - ner Materie mache, dergeſtalt daß man wegen des Preißes einig wird, ſo davor gezahlet werden ſoll, wenn ſie fertig iſt, und gut befunden wor - den; ſo iſt, indem man nicht einen Lohn fuͤr die Arbeit verabredet, ſondern wegen des Preißes der Sache eines wird, der Con - tract kein Vermiethen und Miethen (§. 620.), ſondern ein Kauf und Ver - kauf einer kuͤnftigen Sache, welcher un - ter der Bedingung geſchloſſen wird, wenn ſie keinen Fehler haben wird (§. 587. 590.). Und weil im Kaufen und Ver - kaufen eine Sache zu Ergaͤntzung des PreißesD d 2zuge -420II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenzugegeben werden kann (§. 599.); ſo bleibt es noch ein Kauf und Verkauf, wenn die zu Verfertigung der Sache gege - bene Materie, oder auch eine andere Sache dergeſtalt gegeben wird, daß man ſie anſtatt Geldes annimmt.

§. 636.

Von Un - koſten, die auf eine ge - miethete Sache verwen - det wer - den.

Weil der Vermiether eine Sache, die zu dem gemietheten Gebrauche geſchickt iſt, ge - ben muß (§. 621.); ſo iſt, wenn, der ſie gemiethet, nothwendige Unkoſten auf - gewandt hat, ohne welche naͤmlich die Sa - che den Gebrauch nicht haben konte, der Vermiether dieſelbe wiederzugeben ſchuldig: Es iſt aber nicht erlaubt Un - koſten die nuͤtzlich ſind, ohne Einwil - ligung des Vermiethers zu machen; weil derſelbe nichts anders, als den gemie - theten Gebrauch zu leiſten ſchuldig iſt (§. 317.): Und da, der etwas gemiethet, nicht Eigen - thumsherr davon iſt (§. 620.); ſo iſt ihm nicht einmahl erlaubt, auf ſeine eigene Koſten ohne Einwilligung des Ver - miethers in der gemietheten Sache etwas zu veraͤndern (§. 256.).

§. 637.

Von den Fehlern einer ver - miethe - ten Sa - che.

Weil ein jeder den Schaden von andern abwenden ſoll (§. 269.); ſo muß der Ver - miether auch die Fehler der vermiethe - ten Sache, welche einen beym Ge - brauch derſelben in Schaden ſetzen koͤn - nen, anzeigen, als wenn ein Pferd gerneaus -421Contracten. ausſchlaͤgt, oder zu einer gewiſſen Jahrszeit wegen einer Ueberſchwemmung in gewiſſen Theilen des Hauſes zu befuͤrchten. Wenn alſo jemand mit Wiſſen eine fehlerhaf - te Sache vermiethet; ſo muß er dem, der ſie gemiethet, davor ſtehen (§ 415.): Wenn er es nicht weiß und ſeine Un - wiſſenheit unuͤberwindlich iſt; ſo muß er doch, ob es ihm zwar nicht kann zuge - rechnet werden (§. 34.), weil er den Gebrauch nicht leiſtet, als den die fehlerhafte Sache nicht haben konte, nach Befinden der Umſtaͤnde die Miethe erlaſſen (§. 621.).

§. 638.

Wenn einem der Gebrauch von Viehe fuͤrVon dem eiſernen Pachte. einen geringeren jaͤhrlichen Pacht, oder fuͤr ei - nen gewiſſen Theil der Fruͤchte mit der Be - dingung gelaſſen wird, daß, wenn einige davon ſterben ſollten, der ſie gepachtet andere an ihre Stelle ſetzen, oder den Werth derſel - ben bezahlen ſoll, ſo wird der Contract ein eiſerner Pacht (ſocida) genannt. Es er - hellet demnach, daß der eiſerne Pacht ein Pacht mit dem hinzugefuͤgten Vertra - ge ſey, wodurch der Pachter alle Ge - fahr uͤber ſich nimmet (§. 620. 628.). Es erhellet ferner, daß bey dem eiſernen Pachte das Vieh dem Verpachter nie - mals ſtirbt, und nach ſeinem Werth uͤbergeben werden muß. Und weil man das Vieh eiſern (pecudes ferreæ) nennet, welches dem Verpachter niemahls ſterbenD d 3kann;422II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenkann; ſo iſt der eiſerne Pacht ein Pacht des eiſernen Viehes. Weil aber die Gleich - heit in den beſchwerlichen Contracten zu be - obachten iſt (§. 580.); ſo iſt der Pacht des eiſernen Viehes nach dem Preiße der Fruͤchte, oder Nutzung, welche der Pachter von dem Viehe hat, und der Gefahr, die er uͤber ſich nimmt, zu beſtimmen. Da das Vieh des Nutzens wegen verpachtet wird; ſo iſt der Verpach - ter verbunden geſundes Vieh anzuge - ben: Und woferne es an einer Kranck - heit, die es vor dem Pachte gehabt, ſtirbt; ſo faͤllt die Gefahr auf den Ver - pachter (§. 415.).

§. 639.

Was ei - ne Hand - lungsge - ſellſchaft iſt.

Wenn zwey oder mehrere unter ſich ver - abreden, daß ſie Sachen und Arbeit zu ei - nem gewiſſen Geſchaͤfte mit einander beytra - gen, oder zuſammen ein Gewerbe mit ge - meinſchaftlichen Koſten und Bemuͤhungen treiben wollen, mit dem Gedinge, daß der Schaden und Gewinn gemeinſchaftlich ſeyn ſoll, ſo wird ein ſolcher Contract eine Hand - lungsgeſellſchaft (ſocietas negotiatoria) genannt; oder auch ſchlechterdings eine Ge - ſellſchaft. Die, welche in die Geſellſchaft treten, werden ihre Glieder, oder auch Mitglieder (ſocii) genannt. Es wird aber eine Geſellſchaft errichtet, es moͤ - gen entweder beyde Mitglieder Sa - chen und Arbeit; oder einer Sachen,der423Contracten. der andere Arbeit; oder der eine Sa - chen und Arbeit, der andere entweder Sachen, oder Arbeit allein beytragen. Daß unter den Sachen auch Geld begriffen ſey, iſt vor ſich klar. Mit dem, welcher nichts von beyden beytraͤgt, wird kei - ne Geſellſchaft gemacht: ſondern wenn er nur zu einem Theil des Gewinns zugelaſſen wird, ſo iſt es eine Schen - ckung (§. 475.); wenn er auch am Schaden Theil haben ſoll, ſo iſts ein beſonderer Contract (§. 438.).

§. 640.

Weil ein jeder von ſeinem Rechte abſtehenWie eine Geſell - ſchaft in Anſe - hung des Scha - dens ge - macht wird. kann (§. 342.), und es einem jeden frey ge - laſſen werden muß, wie weit er ſich verbind - lich machen will (§. 78. 79. ); ſo kann eine Geſellſchaft dergeſtalt errichtet wer - den, daß einer Theil am Gewinn, nicht aber am Schaden hat: Allein da wir al - len Schaden von andern abwenden ſollen (§. 269.), noch uns mit ihrem Schaden berei - chern (§. 271.); ſo kann man nicht ſo contrahiren, daß ein Mitglied bloß an dem Schaden, aber nicht dem Ge - winn Theil haben ſoll; folglich da man eine Loͤwen-Geſellſchaft (ſocietas leo - nina) nennt, in welcher einer allein den Ge - winn, der andere allein den Schaden hat, ſo iſt dieſelbe unerlaubt, und vor und an ſich ſelbſt nichtig.

D d 4§. 641.424II. Th. 12. H. Von beſchwerlichen

§. 641.

Von der Geſell - ſchaft der Guͤ - ter und aller Guͤ - ter, oder des gan - tzen Ver - moͤgens.

Wenn alle Guͤter, ſo wohl die gegenwaͤrti - gen, als kuͤnftigen in eine Gemeinſchaft ge - bracht werden, ſo wird es die Geſellſchaft aller Guͤter, oder des gantzen Vermoͤ - gens (ſocietas omnium bonorum, vel for - tunarum) genannt: Wenn aber alles, was durch Fleiß und Arbeit erworben wird, zur Ge - meinſchaft kom̃t, ſo heiſt es die Geſellſchaft der Guͤter ohne Zuſatz (ſocietas bonorum, ſimpliciter). Beyde heiſſen mit dem gemein - ſchaftlichen Nahmen eine allgemeine Ge - ſellſchaft (ſocietas univerſalis, generalis), und im Gegentheil heiſt eine beſondere Ge - ſellſchaft (particularis), in welcher nur ge - meinſchaftlich iſt, was aus gewiſſen Sachen kommt, oder durch ein gewiſſes Gewerbe er - halten wird.

§. 642.

Von den Guͤtern der Ge - ſellſchaft.

Die Guͤter der Geſellſchaft (bona ſo - cietatis) nennt man, welche zur Gemeinſchaft gebracht werden, indem die Geſellſchaft er - richtet wird. Da ein jedes Mitglied an den Guͤtern der Geſellſchaft zum theil ein Eigen - thum hat (§. 639.); ſo bringt ein jedes Mitglied, ſo bald die Geſellſchaft aller Guͤter errichtet wird, auf den andern nach Proportion das Eigenthum ſei - ner gegenwaͤrtigen und kuͤnftigen Guͤ - ter (§. 641. 589.).

§. 643.425Contracten.

§. 643.

Das Geld, welches in der Geſellſchaft zuWelches Geld man Ca - pital zu nennen pflegt. einem gewiſſen Gebrauch beygetragen wird; und uͤberhaupt das Geld, welches wir nu - tzen, heißt das Capital (ſors).

§. 644.

Wenn einer allein die Arbeit ver -Wie auf verſchie - dene Art der Bey - trag an Gelde u. Arbeit mit ein - ander vergli - chen wer - den kann. richtet, der andere das benoͤthigte Geld beytraͤgt, und die Arbeit mit dem Gebrauch des Geldes verglichen wird; ſo hat, der die Arbeit verrich - tet, da der Gebrauch des Geldes und der Gebrauch der Arbeit bloß gemeinſchaftlich ſind, keinen Theil am Capital, und das Capital geht bloß dem verlohren, oder bleibt deſſelben, der das Geld beyge - tragen hat: Wenn aber die Arbeit mit dem Eigenthum des Geldes verglichen wird; ſo hat, der die Arbeit verrichtet, indem das Geld ſelbſt und die Arbeit, welche nach Gelde geſchaͤtzt wird, gemeinſchaftlich ſind, ſeinen Theil nach Proportion an dem Capital, ſo viel naͤmlich der Werth der Arbeit gilt, ſo zum Capital mit ge - ſchlagen wird.

§. 645.

Da man in einer Handlungsgeſell -Von der Theilung des Scha - dens und Gewiñs. ſchaft nicht vermuthet, daß ein Glied dem andern etwas umſonſt geben, oder thun will, noch auch natuͤrlicher Weiſe es zu geben, oder zu thun ſchuldig iſt (§. 54. 73. 639. ); ſoD d 5muß426II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenmuß in derſelben die Gleichheit beob - achtet (§. 580.), folglich der gemein - ſchaftliche Gewinn und Schaden nach Proportion des Beytrags getheilet werden, naͤmlich dergeſtalt, daß wer dop - pelt beygetragen hat, auch doppelten Gewinn hat, aber auch doppelten Schaden tragen muß. Wenn demnach einer ſo viel als der andere beygetragen; ſo iſt auch der Gewinn und Verluſt gleich. Ein jeder haͤlt vor hoͤchſt billig die Gleichheit der Theile, wenn der Beytrag gleich iſt. Da nun, wer doppelt beytraͤgt, zwey Glieder der Geſell - ſchaft vorſtellt u. ſ. f. ſo folgt daher aller - dings, daß die Theilung des Gewinns und Verluſts nach Proportion des Beytrags billig geſchiehet. Weil aber die Glieder ſich wegen der Theile unter einander vergleichen koͤnnen, wie ſie wollen (§. 385. 438. ); ſo muͤſſen die Theile des Schadens und Gewinns ſo behalten werden, wie ſie ausdruͤck - lich abgeredet worden (§. 438.). Wenn aber die Arbeit mit dem Gebrauch des Geldes verglichen wird; ſo muß die Proportion, nach welcher die Theilung geſchehen ſoll, indem derjenige, welcher die Arbeit beytraͤgt, keinen Theil am Capital hat (§. 664.), daraus beſtimmt werden, was der Gebrauch des Geldes und die Gefahr das Capital zu verliehren, und aus dem, was die Arbeit und die Gefahr dieſelbe vergebens anzuwen -den,427Contracten. den, nach ihrem Werthe austraͤgt. Wenn man aber die Gefahr nicht mit in Erwegung ziehet; ſo wird gedach - te Proportion daraus beſtimmt, was der Gebrauch des Geldes und die Ar - beit gilt.

§. 646.

Da der Gewinn eine Sache iſt, folglichVon der Rech - nung des Ge - winns. Geld, welches zu unſern Guͤtern hinzukommt (§. 414.), die Koſten aber in einer Geſell - ſchaft des Gewinns halber angewandt werden (§. 279. 639. ); ſo rechnet man bloß vor Gewinn, was nach Abzug der Un - koſten uͤbrig bleibt, folglich auch nach Abzug des Geldes, welches man bey - getragen, und des Schadens, den man erlitten, als der den Gewinn vermindert (§. 269. 279.).

§. 647.

Da die Geſellſchaft eines gewiſſen Geſchaͤf -Von dem Ende und der Ver - laͤnge - rung der Geſell - ſchaft. tes wegen gemacht wird (§. 639.); ſo iſt nach Endigung des Geſchaͤftes die Ge - ſellſchaft zu Ende: Und wenn ſie auf eine gewiſſe Zeit gemacht worden; ſo iſt ſie nach Verfließung der Zeit zu Ende. Weil man aber ſagt, eine Geſell - ſchaft werde verlaͤngert (ſocietas pro - rogari dicitur), wenn ſie laͤnger fortgeſetzt wird, als man verabredet hatte; folglich ei - ne Geſellſchaft verlaͤngern, eben ſo viel iſt, als ſie erneuern (§. 441.); ſo gilt, was von der Erneuerung der Vertraͤge ge -ſagt428II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenſagt worden, auch von der Verlaͤnge - rung der Geſellſchaft (§. cit.). Weil aber niemand den andern in Schaden bringen ſoll (§. 269.); ſo iſt es nicht erlaubt von der Geſellſchaft mit ihrem Schaden abzugehen: Wenn ſie aber auf keine gewiſſe Zeit gemacht worden; ſo kann man ohne ihren Schaden daraus ſchei - den; weil alsdenn nichts wider das Recht der Mitglieder geſchieht (§. 83.).

§. 648.

Wenn ei - ne Geſell - ſchaft aufge - ſagt, und wenn ſie aufgeho - ben wird.

Man ſagt, derjenige ſage eine Geſell - ſchaft auf (ſocietatem renunciare), welcher ſich erklaͤret, daß er in derſelben nicht laͤnger bleiben wolle. Wer alſo eine Geſellſchaft aufſagt, der ſcheidet aus derſelben (§. 442.). Wenn derowegen ein Mitglied nicht leiſtet, was es nach den Geſe - tzen der Geſellſchaft leiſten ſoll; ſo kann das andere die Geſellſchaft aufſagen; folglich wenn mehrere ſind, ſo koͤnnen die uͤbrigen die Geſellſchaft fortſetzen, und das nachlaͤßige, oder zanckſuͤch - tige Glied, welches alles nach ſeinem Kopfe allein haben will, ausſchlieſſen. Es iſt naͤmlich einerley, als ob ſie die Geſell - ſchaft aufſagten, und unter ſich eine neue er - richteten. Daß aber, wenn beyde es mit einander eines werden, dadurch, wie ein jeder Vertrag (§. 444.), alſo auch eine Geſellſchaft koͤnne aufgehoben werden (ſocietatem diſſolvi), iſt klar genung.

§. 649.429Contracten.

§. 649.

Was fuͤr den Gebrauch einer Sache, dieVon den Zinſen. durch den Gebrauch verbraucht wird, inſon - derheit des Geldes, gegeben wird, es mag Geld, oder eine andere Sache ſeyn, heißt die Zinſe (uſura). Da der Gebrauch einer Sache, welche durch den Gebrauch ver - braucht wird, nicht weniger geſchaͤtzt werden kann, als einer Sache, welche durch den Ge - brauch nicht verbraucht wird; wie hinlaͤnglich erhellet, wenn wir ſetzen, daß das Geld zu Erkaufung eines fruchttragenden Grundes, oder auf ein Geſchaͤfte, das Gewinn bringt, angewandt wird; niemand aber dem andern umſonſt etwas geben darf, der ihm wiederum etwas geben kann (§. 473.); ſo ſind die Zinſen an und vor ſich ſelbſt nicht un - erlaubt. Natuͤrlicher Weiſe aber muß die Groͤſſe derſelben aus dem Gebrauch des Geldes beſtimmt werden, wozu es beſtimmt wird. Naͤmlich die Zinſen koͤn - nen als ein Theil des Gewinns angeſehen werden, daran in einer Geſellſchaft ein Mit - glied Theil hat, ſo allein Geld beytraͤgt, in - dem man zugleich auf die Gefahr ſieht, wel - che der Schuldner allein uͤbernimmt. Und daher erhellet, daß natuͤrlicher Weiſe die Zinſen bald groͤſſer, bald kleiner ſeyn koͤnnen. Man nennt demnach beiſ - ſende Zinſen, oder auch Juden-Zinſen (uſuras mordentes) diejenigen, welche von einem gefordert werden, der mit dem Geldekaum430II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigenkaum ſo viel gewinnen kann, als zur Noth - durft hinreicht, oder wenn ſie den Gewinn uͤberſchreiten, welchen der Schuldner durch den Gebrauch des Geldes haben kann; und es iſt klar, daß dieſelben natuͤrlicher Wei - ſe unerlaubt ſeyn (§. 513.). Die Er - preſſung unerlaubter Zinſen wird der Wu - cher (uſuraria pravitas) genannt.

§. 650.

Vom Lei - ben auf Zinſen.

Weil das nichts geborgtes iſt, wenn der Gebrauch des Geldes nicht umſonſt, ſondern fuͤr Geld gegeben wird (§. 533.), und daher auch das Geld, welches einer verzinſen muß, zu verzinſendes Geld (pecunia uſuraria) genannt wird; ſo nennen wir den Contract, in welchem Geld fuͤr Zinſe geliehen wird, im groͤſſern Wercke vom Rechte der Natur im 4ten Theile §. 1423. contractum fœnebrem; ſo wie man im Roͤmiſchen Recht pecuniam fœnebrem dasjenige Geld nennt, fuͤr deſſen Gebrauch Zinſen gezahlt werden. Man koͤnte ſelben auch contractum uſurarium nennen. Jm Deutſchen ſagen wir, Geld auf Zinſe leihen.

§. 651.

Von Verzin - ſung der Zinſen.

Verzinſung der Zinſen (anatociſmus) nennt man den Contract, in welchem man verabredet, daß die Zinſen zum Capital ge - ſchlagen, und nachher mit demſelben wieder verzinſet werden ſollen. Da die gezahlten Zinſen, ſo bald als ſie gezahlt worden, ein Capital desjenigen ſind, der ſie bekommen,und431Contracten. und man dem Geld leihen kann, dem man ſchon vorher Geld fuͤr Zinſen geliehen; ſo iſt es natuͤrlicher Weiſe erlaubt, wegen der rechtmaͤßigen Urſache der Zinſen die empfangenen Zinſen, dem der ſie ſchuldig war, von neuem als ein Ca - pital zu verzinſen zu leihen. Daher er - hellet, daß Zinſen verzinſen an und vor ſich ſelbſt nicht unerlaubt ſey.

§. 652.

Die Handſchrift (chirographum) iſt eineVon der Hand - ſchrift u. was ein hand - ſchriftli - cher Con - tract ſey. Schrift, darinnen man bekennet, daß man eine Sache, die durch den Gebrauch ver - braucht wird, vom andern empfangen habe, und ſie in eben der Art wiederzugeben ver - ſpricht: Ein Contract, welcher vermittelſt einer Handſchrift vollzogen wird, ein hand - ſchriftlicher Contract (contractus chiro - grapharius). Daher erhellet ferner, was ein handſchriftlicher Glaͤubiger und Schuldner, und eine handſchriftliche Schuld ſey (creditor & debitor chirogra - pharius, debitum chirographarium). Es erhellet auch, daß der handſchriftliche Contract nichts anders als ein Borgen ſey, ſo ſchriftlich vollzogen worden (§. 528.), oder auch ein ſchriftlich verfaß - tes Leihen auf Zinſen (§. 650.).

§. 653.

Da man in einer Handſchrift verſpricht,Was man von einem hand - ſchriftli - was man empfangen, in eben der Art wieder zu geben (§. 652.); ſo iſt derjenige, wel -cher432II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenchen Con - tracte zu mercken hat.cher in der Hoffnung eine Sache, die durch den Gebrauch verbraucht wird, z. E. Geld, zu empfangen eine Hand - ſchrift von ſich giebt, nichts aber be - kommt, auch nichts wiederzugeben verbunden. Damit ſich aber nicht Faͤlle ereignen, da es zweifelhaft ſcheinet, ob die Sache, oder das Geld empfangen worden, oder nicht; ſo muß alſobald, als die Hand - ſchrift eingehaͤndiget wird, auch die Sache uͤbergeben, oder das Geld ge - zahlt werden, und ehe dieſes geſchie - het, muß weder der Schuldner die Handſchrift von ſich geben, noch auch der Glaͤubiger ſie annehmen. Eben die - ſes verſteht ſich, wenn nicht die gantze Qvan - titaͤt, oder Summe, die in der Handſchrift ausgedruckt worden, gegeben, oder gezahlet wird. Aus eben dieſer Urſach ſoll die Hand - ſchrift alſobald wiedergegeben werden, als das Geld wiederbezahlt wird. Ue - brigens darf man in einer Handſchrift die Urſach, um welcher willen man ſchuldig iſt, nicht ausdruͤcken (§. 407.). Derowegen, da es natuͤrlicher Weiſe eben ſo viel iſt, als ob keine Urſache dazu geſetzt wor - den waͤre, wenn ſie auch hinzugeſetzt worden; ſo gilt die Handſchrift, wenn auch gleich eine falſche Urſache, warum ei - ner ſchuldig iſt, angezeigt worden, wenn es nur wahr iſt, daß er ſo viel ſchuldig iſt.

§. 654.433Contracten.

§. 654.

Eine Qvittung (apocha, quittancia)Von den Qvittun - gen. nennt man das Schreiben, worinnen der Glaͤubiger bekennt, daß der Schuldner bezahlt habe, oder daß er von ihm empfangen, was er ſchuldig war. Weil alſo durch Vorzeigung der Qvittung bewieſen wird, daß die Zah - lung geſchehen ſey; ſo ſoll eine Qvittung weder gegeben, noch angenommen wer - den, wenn die Zahlung nicht geſche - hen; folglich wenn nur Hoffnung zur Zahlung gemacht worden, muß man ſie wieder zuruͤcke fordern, oder der Schuldner muß zur Zahlung angehal - ten werden. Eben dieſes verſteht ſich, wenn einer die Qvittung bekommen, die Schuld aber nicht gantz bezahlt. Da man durch eine Qvittung die Zahlung beweiſen kann; ſo muß, wenn die Handſchrift verlohren worden, oder nicht gefun - den werden kann, dieſes in der Qvit - tung angezeigt werden.

§. 655.

Wenn man Geld mit Gelde verwechſelt,Von der Umſe - tzung des Geldes. es geſchehe auf was Art und Weiſe es wolle, ſo wird es gewoͤhnlicher Weiſe ein Wechſel (cambium) genannt. Beſonders aber nennt man die Umſetzung des Geldes, oder auch Geld verwechſeln (cambium manuale), wenn man eine Geldſorte mit einer an - dern vertauſcht, z. E. groͤſſere Muͤntz - ſorten mit kleineren. Von den Grie -Nat. u. Voͤlckerrecht. E echen434II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenchen wird es collybus genannt. Daher nennt man einen Wechsler collybiſtam: Man nennt ihn aber auch numularius oder trapezita. Es iſt naͤmlich ein Wechsler, der Geld zu dem Ende bereit liegen hat, daß er eine Sor - te mit einer andern vertauſcht. Und was der Wechsler deswegen abzieht, heiſt gewoͤhn - licher Weiſe das Aufgeld oder agio (lagium). Es wird auch im Lateiniſchen, jedoch nicht oh - ne Zweydeutigkeit, collybus genannt, weil ſelbſt der Contract ſo genannt wird. Wenn der Werth der Sachen und Arbeit nach dem aͤuſſeren Werthe des Geldes be - ſtimmt wird, und damit man es be - qvemer ausgeben kann, eine gewiſſe Muͤntzſorte mit einer andern vertauſcht wird; ſo darf, indem es einerley iſt, was vor Geld gezahlet wird, bey dem Geld - wechſeln nur auf den aͤuſſern Werth deſſelben geſehen werden (§. 580.). Weil uns aber dran gelegen iſt, daß wir eine Muͤntzſorte, welche einen groͤſ - ſern inneren Werth hat, als diejenige, die wir ſchon haben, und nicht weni - ger dem andern daran gelegen iſt, daß er nicht eine beſſere mit einer geringe - ren vertauſcht; ſo muß man, da es et - was ſchaͤtzbahres iſt, wie viel dem andern dar - an gelegen, bey der Umſetzung des Gel - des auf den inneren Werth ſehen; folg - lich iſt das Aufgeld nicht unerlaubt. Weil der Wechsler des Verwechſelns halbendie435Contracten. die Nutzung ſeines Geldes miſſen muß, die er ſonſt haben koͤnte, und auch Zeit und Muͤhe auf dieſes Geſchaͤfte wenden muß, beydes aber etwas ſchaͤtzbahres iſt; ſo iſt dem Wechsler ſo viel abzuziehen erlaubt, als die Nutzung des Geldes, die er miſſen muß, und ſeine Muͤhe und Zeit, welche er auf dieſes Geſchaͤfte wendet, betraͤgt. Und da er ſelbſt Aufgeld geben muß, wenn er vor geringere Muͤntzſorten beſſere einwechſeln will, vermoͤge deſſen, was erwieſen worden; ſo iſt ihm auch erlaubt zugleich ſo viel abzuziehen, als der Un - terſcheid der innern Guͤte der Muͤntz - ſorten betraͤgt (§. 473.). Nach den ver - ſchiedenen Umſtaͤnden muß man in der Be - ſtimmung der Qvantitaͤt des Aufgeldes auch auf das andere, ſo dabey vorkommt, ſehen, deſſen Werth ſich beſtimmen laͤßt.

§. 656.

Der Contract, da einem zu dem EndeVon dem traßirten Wechſel. Geld ausgezahlet wird, daß er es fuͤr einen gewiſſen Lohn an einem andern Orte dem, der es gegeben, oder jemand anders wieder ſoll zahlen laſſen, wird eigentlich ein Wechſel (cambium), oder auch zuweilen ein traßir - ter Wechſel (cambium traſſatum) genannt. Bey einem Wechſel kommen alſo vier Perſo - nen vor, naͤmlich die Perſon, welche das Geld zahlet, ſo an einem andern Ort wie - der gezahlt werden ſoll; die Perſon, welche das Geld empfaͤngt, und die Auszahlung an ei -E e 2nem436II. Th. 12. H. Von beſchwerlichennem andern Ort beſorget; die Perſon, welche es an einem andern Ort zahlt; und endlich die Perſon, der es an einem andern Orte ge - zahlt wird. Die erſte nennt man den Herrn des Wechſels, oder den Ausge - ber des Geldes, der naͤmlich das Geld auf Wechſel giebt, oder den Remittenten (cam - pſarius, remittens), die andere den Geber, Ausgeber des Wechſelbriefes, oder Traſ - ſirer, ingleichen Traſſanten (campſor, traſſans), die dritte den Acceptanten oder Traſſaten (acceptans, traſſatus), und die vierte den Wechſelsinhaber oder Praͤ - ſentante (præſentans). Es erhellet aber, daß einer zuweilen eine doppelte Perſon vor - ſtellen kann; als daß der Traßirer und der Traſſate, oder der Remittente und der Praͤ - ſentante eine Perſon iſt. Die Schrift, wel - che vom Traßirer an den Traſſaten geſtellet wird, wegen des Praͤſentanten auszuzahlen - den Geldes, und fuͤr baares Geld dem Re - mittenten gegeben wird, heiſſet der Wech - ſelbrief (litteræ cambiales); das Schrei - ben aber wodurch Traſſate wegen des Wech - ſels, und wie er wegen der Auszahlung ver - gnuͤgt werden ſoll, benachrichtiget wird, heißt ein Adviſobrief, das Aviſo (litteræ advi - ſoriæ); was vor den Wechſelbrief der Re - mittente dem Traßirer gezahlet, der Werth, oder die Valuta. Die im Wechſelbriefe ent - haltene Summe aber, die wieder gezahlet werden ſoll an den Praͤſentanten, die Remiſſe(remiſ -437Contracten. (remiſſa), in Abſicht auf den Remittenten; hingegen die Tratta (traſta), in Abſicht des Traſſantens. Der Nutzen dieſes Contracts erhellet daraus, daß durch Wechſel das Geld an den entlegenſten Orten ge - zahlt, und von den Reiſenden an al - len Orten in den Muͤntzſorten, die daſelbſt gaͤnge und gaͤbe ſind, erhalten werden kann. Was das Naturrecht bey dem Wechſel beſtimmt, welcher wie alle menſchliche Handlungen, alſo auch die Wechſel regieret, in Abſicht der zugezo - genen Verbindlichkeiten und der dadurch er - haltenen Rechte, muß aus demjenigen be - ſtimmt werden, was wir von dem Verſpre - chen, von der Erſetzung des Schadens, der Leiſtung des Jntereſſe und von Vermeidung der Bereicherung mit des andern Schaden erwieſen haben. Daher erhellet gleich, daß der Traßante dem Remittenten ver - bunden iſt, zu ſorgen, daß die im Wech - ſelbriefe enthaltene Summe an verab - redetem Orte und Zeit dem Praͤſentan - ten gezahlt werde: Der Remittente aber die Valuta oder den Werth zah - len muͤſſe (§. 380.). Daß aber der Traſ - ſate dem Praͤſentanten zur Zahlung nicht verbunden ſey, ehe er den Wech - ſel acceptiret; indem er durch die Accepta - tion dem Praͤſentanten verſpricht den Wech - ſel zu bezahlen (§. 380.): Daß aber der Traſſante verbunden ſey, den WerthE e 3des438II. Th. 12. H. Von beſchwerlichendes Wechſels wiederzugeben und fuͤr den Schaden zu ſtehn, wenn der Traſ - ſate nicht zahlet (§. 271. 415.). Ein mehreres wollen wir nicht hinzuthun, was in dem groͤſſern Wercke 5. Theil 1. H. nachgele - ſen werden kann.

§. 657.

Vom trocknen Wechſel, oder eig - nen Wechſel - briefen.

Zur Nachahmung des traßirten Wechſels, welcher von den Kaufleuten zur Erleichterung der Handlung eingefuͤhrt worden, haben an - dere den trocknen Wechſel (cambium ſie - cum) nachgeaffet, wodurch einer von dem andern einen Wechſelbrief bekommt, fuͤr wel - chen ihm, oder einem andern, der das Recht dazu von ihm erhalten, an eben dem Orte, aber zu einer gewiſſen Zeit, eine gewiſſe ver - abredete Summe Geldes gezahlt werden muß. Es iſt klar, daß dergleichen Wechſel - briefe ihrer Natur nach von einer Handſchrift nicht unterſchieden ſind (§. 652.). Derowegen iſt aller Unterſcheid, welcher zwiſchen einem ordentlichen Wechſel - briefe und zwiſchen einer Handſchrift ange - nommen wird, bloß willkuͤhrlichen Rechtes.

§. 658.

Vom Schaͤ - tzungs - contra - cte.

Einen Schaͤtzungscontract (contra - ctus æſtimatorius, Wuͤrdigungscontract, Wardirungscontract) nennt man denjeni - gen, durch welchen eine geſchaͤtzte Sa - che, die um einen gewiſſen Preiß verkauft werden ſoll, dem andern uͤbergeben wird, daß er dieſelbe entweder wiedergebe, oder den ge -ſetzten439Contracten. ſetzten Preiß zahle. Wenn alſo derjenige, der die Sache empfaͤngt, ſie theurer verkaufen kan; ſo gewinnt er, was uͤber den geſetzten Preiß iſt, und wenn er ihn ſelbſt zahlen will, ſo iſt er ſie nicht wiederzugeben verbunden. Jm Gegen - theil aber da er ohne Einwilligung deſſen, der ihm die Sache gegeben, ſie nicht geringer ver - kaufen darf (§. 317. 199. ); ſo muß er, wenn er ſie geringer verkauft, das was fehlt, erſetzen (§. 269. 438.). Aus der Erklaͤrung ſelbſt erhellet, daß dieſer Con - tract bey allen Sachen, die verkauft werden koͤnnen, gemacht werden kann.

§. 659.

Der Preiß wird zu einer Sache derVon dem Preiß, der des Ver - kaufs u. der Schaͤ - tzung wegen hinzuge - fuͤgt wird. Schaͤtzung wegen hinzugefuͤgt (pre - tium rei taxationis gratia adjicitur), wenn es zu dem Ende geſchiehet, damit man jetzo und ins kuͤnftige von derſelben Werth Gewiß - heit hat; des Verkaufs wegen aber, da - mit man weiß, wie theuer die Sache ver - kauft werden ſoll. Der Schaͤtzung we - gen iſt alſo ein Preiß hinzuzufuͤgen, ſo oft eine Sache in eben derſelben Guͤte wiedergegeben werden ſoll, als wie beym geliehenen, beym vorgeſchoſſenen, beym in Verwahrung gegebenen; des Verkaufs wegen aber geſchieht es im Schaͤ - tzungscontracte. Denn wenn bey einer zu verkaufenden Sache der Preiß derE e 4Schaͤ -440II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenSchaͤtzung wegen hinzugefuͤgt wird; ſo iſt der Contract entweder eine Voll - macht (§. 551.), oder eine Dingung zu einer Verrichtung (§. 620.); und wenn eine Sache, die um einen gewiſ - ſen Preiß geſchaͤtzt worden, dem an - dern mit der Bedingung zugeſteller wird, daß, wenn er mehr bekommt, das was er mehr bekommt, gemein - ſchaftlich ſeyn ſoll; ſo wird eine Ge - ſellſchaft in Abſicht deſſen, was man mehr bekommt, gemacht (§. 639.). Da die Contrahirenden den Contract einrichten koͤnnen, wie ſie wollen (§. 314.); ſo kann bey dem Schaͤtzungscontracte entwe - der die Sache eigenthuͤmlich dem uͤber - geben werden, dem ſie zugeſtellet wird, oder der ſie ihm zuſtellt behaͤlt das Ei - genthum.

§. 660.

Von der Beglau - bigung.

Die Beglaubigung (conſtitutum) nennt man denjenigen Contract, vermoͤge deſſen ei - ner verſpricht, daß er zahlen, oder thun wol - le, was er entweder ſelbſt, oder ein anderer ſchon vorher zu zahlen oder zu thun ſchuldig war, doch ſo, daß die vorhergehende Ver - bindlichkeit unveraͤndert bleibt. Derjenige, welcher beglaubiget, heißt der Beglaubi - ger (conſtituens); der andere aber, dem et - was beglaubiget wird, der Beglaubigte (conſtitutarius). Derowegen wird eine ei - gene Schuld durch eine Beglaubigungfeſter,441Contracten. feſter, z. E. wenn ein Erbe einem, dem et - was vermacht worden, die Zahlung des Ver - maͤchtniſſes verſpricht. Wenn es aber ei - ne fremde Schuld iſt; ſo uͤbernimmt der Beglaubiger die Zahlung, wenn der Hauptſchuldner nicht ſelbſt bezahlt, z. E. wenn er die Bezahlung den letzten Se - ptember verſpricht, wenn der Hauptſchuld - ner, welcher ſchon den 4ten Jul. zahlen ſolte, nicht unter der Zeit bezahlt. Daß die Be - glaubigung einer andern Schuld na - tuͤrlicher Weiſe von der Buͤrgſchaft nicht unterſchieden ſey, erhellet aus den Erklaͤrungen, wenn ſie gegen einander gehal - ten werden (§. 569.). Woher aber der Un - terſcheid im Roͤmiſchen Rechte kommt, iſt an einem andern Orte erklaͤrt worden. Es er - hellet auch leicht, daß wenn einer mehr verſpricht, wofern der Hauptſchuld - ner nicht bezahlen wuͤrde, als er ſchul - dig iſt; ſo wird die Schuld nicht be - glaubigt, ſondern es iſt ein vermiſch - ter Contract aus einer Beglaubigung und einer Schenckung, oder eine Be - dingte Schenckung.

§. 661.

Ein Empfaͤnger (adjectus) wird ge -Vom Empfaͤn - ger. nannt, dem man nichts ſchuldig iſt, dem man aber nach dem Willen des Glaͤubigers die Schuld zahlen ſoll, oder dem wenigſtens die Schuld zu zahlen erlaubt iſt. Wenn alſo die Schuld dem Empfaͤnger gezahltE e 5wird;442II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenwird; ſo wird der Schuldner von ſei - ner Verbindlichkeit befreyet: Weil aber der Schuldner ihm nicht verbunden iſt; ſo kann der Empfaͤnger den Schuld - ner nicht zur Zahlung zwingen, ſon - dern er kann bloß die ihm freywillig angebotene Zahlung annehmen. Ja es kann der Schuldner auch dem Glaͤu - biger zahlen, was er ſchuldig iſt: wo - fern er ſich aber dem Empfaͤnger zu zahlen verbindlich gemacht; ſo iſt, da er ſeiner Verbindlichkeit kein Genuͤge leiſtet, er demſelben davor zu ſtehen ſchuldig, was ihm daran gelegen, daß er es ihm nicht gezahlet hat (§. 415.). Denn man kann der Zahlung wegen einen andern, dem gezahlt werden ſoll, entweder dem Schuld - ner, oder dem Glaͤubiger zu gefallen anneh - men. Da uͤbrigens die Verbindlichkeit des Schuldners durch die Annehmung eines drit - ten, dem gezahlt werden ſoll, nicht geaͤndert wird; ſo kann man bey der Beglaubi - gung einen dritten der Zahlung wegen annehmen, der in der erſten Verbind - lichkeit nicht angenommen war (§. 660.), ja es kann auch ein anderer angenom - men werden, als der zu der vorherge - henden Verbindlichkeit angenommen war; folglich darf man alsdenn dem er - ſten nichts zahlen.

VomVerwal -

§. 662.

Einen Verwaltungscontract (contra -ctus443Contracten. ctus inſtitorius) nennen wir, durch welchentungs - contra - cte. einem die Verwaltung eines Handlungsge - ſchaͤftes oder einer Wirthſchaft aufgetragen wird. Man nennt aber ein Handlungs - oder Wirthſchaftsgeſchaͤfte (negotiationem quæſtuariam), welches man des Gewinns wegen treibet; und der Verwalter, oder Fa - ctor (inſtitor), heiſt der, welcher dazu be - ſtellet wird; derjenige aber welcher den an - dern beſtellt, heiſt der Herr (præponens). Da die Roͤmer ihre Knechte und Soͤhne, die unter ihrer Gewalt ſtunden, dazu beſtellten; ſo geſchieht im Roͤmiſchen Rechte keine Mel - dung vom Verwaltungscontracte, ſondern bloß vom Verwalter und von der Klage wi - der ihn (actionis inſtitoriæ). Dieſem aber ohnerachtet ſtammen aus dieſer Beſtellung eben diejenigen Verbindlichkeiten und Rechte ab, welche aus dem Vertrage ihren Urſprung ha - ben, wodurch einer beſtellt wird. Es erhel - let aber, daß der Verwalter, oder Factor zur Verwaltung des aufgetragenen Geſchaͤftes verbunden ſey; daß der Herr ihm das Recht zu allen Hand - lungen einraͤume, welche zur Verwal - tung noͤthig ſind, wenn nicht beſon - ders verabredet worden, daß etwas ohne ſeine Einwilligung nicht geſche - hen ſoll; folglich darf der Verwalter, oder Factor die Grentzen der Verabre - dung nicht uͤberſchreiten. Als ein Ver - walter oder Factor handelt einer (in -ſtitorio444II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenſtitorio nomine agit), der alles, was er ver - richtet, des Geſchaͤftes wegen, dem er vorge - ſetzt worden, unternimmet, oder wenn er das thut, ohne welches er das ihm aufgetragene Geſchaͤfte nicht verwalten kann. Was er alſo als Verwalter, oder Factor thut, das thut er im Nahmen des Herrn; folglich ſo oft er mit einem dritten zu thun hat, ſo erhellet an und vor ſich ſelbſt, daß er, wenn die Handlung dem Geſchaͤfte eigen iſt, als Verwal - ter oder Factor handle: denn ſonſt iſt noͤthig, daß er ausdruͤcklich ſagt, er handele als Verwalter, wenn es den andern nicht ſonſt ſchon bekannt iſt. Hieraus folgt ferner, daß der Verwalter, oder Factor, indem er contrahiret, nicht ſich ſondern den Herrn anderen, und nicht andere ſich ſondern dem Herrn verbindlich macht. Wenn aber der Herr ihn beſonders verbunden hat etwas nicht ohne ſeine Einwilligung zu thun; ſo iſt noͤthig, daß er es de - nen bekannt mache, welchen der Herr durch den Contract verbunden werden ſoll. Weil aber der Verwalter, oder Factor den Herrn nicht verbindlich machen kann, als in Sachen, die das ihm aufgetragene Ge - ſchaͤfte angehen; ſo macht er nicht den Herrn, ſondern ſich den andern ver - bindlich, wenn er in ſeinem eigenen Nahmen auch in Handlungsgeſchaͤf -ten445Contracten. ten einen Contract ſchließt. Da aber niemand durch des andern Sache reicher wer - den darf (§. 271.); ſo iſt der Herr in ſo weit aus dem Contracte verbunden, als er reicher geworden. Und da das Geſchaͤfte dem Herrn gehoͤret, welches der Verwalter, oder Factor in ſeinem Nahmen verwaltet; ſo faͤllt aller Gewinn und Schaden, welcher ohne Verſehen des Verwalters, als wovor er billig ſtehen muß (§. 270.), auf den Herrn (§. 271. 243.). Weil endlich der Verwalter, oder Factor die Geſchaͤfte, welchen er vorgeſetzt, mit allem Fleiß zu verwalten verbunden iſt (§. 21.); ſo darf er in ſeinem eigenen Nahmen kein Erwerbungsgeſchaͤfte, welches auf einige Weiſe dem Herrn nachtheilig iſt, treiben: ein anders iſt, wann der Herr keinen Nachtheil da - von hat. Und da des Verwalters oder Fa - ctors Recht aufhoͤret, wenn ſein Amt zu En - de iſt; ſo nimmt er nach geendigten Am - te auch nichts mehr in der Verwal - tung guͤltig vor, ohne ausdruͤckliche oder ſtillſchweigende Einwilligung des Herrn, z. E. wenn er ihm noch einige Ver - waltung erlaubet; folglich da der Schade, welchen er verurſacht, mit Vorſatz verurſacht wird (§. 17.), ſo iſt er, wenn ein Scha - den aus einer Handlung oder Contract des Verwalters, oder Factors entſte - hen ſollte, er dem Herrn ſolchen zu er -ſetzen446II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenſetzen verbunden (§. 270.): demjeni - gen aber, mit welchem er wider Wiſ - ſen und Gewiſſen contrahiret, muß er vor ſein Jntereſſe ſtehen (§. 415.). Da - her folgt von ſich ſelbſt, daß wenn der Herr dem Verwalter, oder Factor ſei - nen Abſchied giebt, ehe ſein Amt zu Ende iſt, dieſes ohne Verzug allen de - nen bekannt gemacht werden muß, mit welchen er zu thun hat.

§. 663.

Wenn mehrern zuſam - men die Verwal - tung ei - nes Ge - ſchaͤftes aufgetra - gen wird.

Wenn mehrern zugleich eine Ver - waltung aufgetragen wird; ſo muß, da keiner von ihnen mehr Recht hat, als der Herr ihnen hat einraͤumen wollen (§. 317.), aus der Bedingung, unter welcher ſie angenommen worden, beurtheilt wer - den, was eines jeden Verbindlichkeit ſey, und wie viel Recht ein jeder in Anſehung der Verwaltung hat. Weil aber doch ein jeder von ihnen allen Schaden vom Herrn abzuwenden verbunden iſt (§. 269.); ſo muß ein jeder es zu gehoͤri - ger Zeit anzeigen, wenn er ſiehet, daß der andere etwas thut, welches dem Herrn zum Schaden gereicher. Wenn vielen zuſammen die Verwaltung der - geſtalt aufgetragen wird, daß ſie alles nach gemeinſchaftlichen Rathe ver - richten ſollen; ſo muͤſſen alle, weil ſie zuſammen eine Perſon vorſtellen, fuͤr das, was einer thut, nach ihrem Antheilhaften,447Contracten. haften, wofern nicht einer hinterliſti - ger Weiſe, ohne Vorwiſſen der an - dern etwas unternommen; indem eine unuͤberwindliche Unwiſſenheit nicht zugerech - net werden kann (§. 34.). Gleichwie auch offenbar iſt, daß der, welcher widerſpro - chen, fuͤr das, was die andern gethan, nicht ſtehen darf.

§. 664.

Der Verwaltungscontract kommtJn wie fern der Verwal - tungs - contract mit der Voll - macht u. mit dem Dingen zur Ar - beit uͤber - einkom̃t. mit der Vollmacht darinnen uͤberein, daß einem ein gewiſſes Geſchaͤfte zu beſorgen aufgetragen wird: mit dem Verdingen zur Arbeit aber, daß fuͤr die geleiſtete Arbeit ein Lohn gezahlet wird, wie aus der Vergleichung der Erklaͤ - rungen (§. 551. 620. 662. ) gleich erhellet. Und daher ſieht man, wie weit, was von der Vollmacht und dem Dingen zur Arbeit erwie - ſen worden, auf den Verwaltungscontract gezogen werden kann.

§. 665.

Einen Rhedercontract (contractus exer -Vom Rheder - contract. citorius) nennt man, wodurch einem die Be - ſorgung einer Fahrt mit dem Schiffe anver - traut wird, z. E. daſſelbige zu vermiethen, Schiffleute zu miethen, alles, was ein Schif auszuruͤſten noͤthig iſt, zu kaufen, u. ſ. f. Der - jenige, welcher die Beſorgung einem andern anvertraut, iſt der Rheder (exercitor), es mag ſeyn, daß er ſelbſt der Herr des Schif - fes iſt, oder daß er es nur uͤberhaupt ge -miethet448II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenmiethet hat. Derjenige aber, dem dieſe Be - ſorgung anvertraut wird, iſt der Schiffer (magiſter navis). Weil alſo der Schiffer bey der Beſorgung der Fahrt mit dem Schif - fe den Rheder fuͤrſtellt; ſo muß man anneh - men, daß, was der Schiffer thut, der Rheder ſelbſt gethan habe; und es iſt klar, daß er ihm das Recht zu allem eingeraͤumet, was zu dieſer Beſor - gung noͤthig iſt. Da es aber auf den Rheder ankommt, unter welchen Bedingun - gen er den Schiffer annehmen will; ſo muß (§. 317.), wenn er unter gewiſſen Be - dingungen angenommen worden, ſein Recht nach der Vorſchrift beurtheilt werden. Man ſagt der Schiffer handle im Nahmen des Rheders (exercitorio nomine agere) in allem dem, was er in der ihm anvertrauten Beſorgung wegen des Schiffes unternimmet. Weil uͤbrigens der Schiffer nicht anders anzuſehen iſt, als ein Verwalter, oder Factor; ſo kann auch auf ihn leicht gedeutet werden, was vom Ver - walter oder Factor erwieſen worden, daß es alſo nicht noͤthig iſt, hiervon beſonders zu reden.

§. 666.

Von den Schiff - leuten.

Die Schiffleute (nautæ) nennt man die - jenigen, welche, um das Schiff in Bewe - gung zu ſetzen, im Schiffe ſind. Weil ihnen kein Recht zukommt, in Abſicht auf das Schiff einen Contract zu machen; ſo kann durchden449Contracten. den Contract der Schiffleute weder der Schiffer noch der Rheder verbind - lich gemacht werden.

§. 667.

Alle beſchwerliche Contracte koͤnnen unterVon den Contra - cten, da man giebt, daß etwas gegeben werde, oder giebt, daß etwas ge - than wer - de, oder thut et - was, daß etwas ge - than werde. dieſen dreyen begriffen werden, naͤmlich: man giebt etwas, daß etwas gegeben werde; man giebt etwas, daß etwas gethan werde; und man thut etwas, daß etwas gethan wer - de (§. 468.). Unter dieſen alſo ſind alle Con - tracte begriffen, von welchen wir bis hieher gehandelt haben, und die alle Tage vorkom - men. Wenn aber noch auſſer dieſen andere vorkommen, die muß man nach der Natur der Contracte, da man etwas giebet, daß et - was gegeben werde, da man etwas giebt, daß etwas gethan werde, da man etwas thut, daß etwas gethan werde, beurtheilen. Was man alſo nach dem Rechte der Natur von ih - nen zu halten hat, muͤſſen wir erklaͤren: Denn warum das Roͤmiſche Recht hiervon abgehet, haben wir an einem andern Orte angezeiget, wo wir erinnert haben, daß der Unterſcheid unter den benannten und unbenannten Con - tracten (contractus nominatos & innomina - tos) bloß aus dem Roͤmiſchen Rechte her - komme, naͤmlich in der Anmerckung §. 879. des vierten, und der Anmerckung §. 145. des fuͤnften Theils von dem Rechte der Natur. Da den Menſchen das Recht zukommt, ſich andere zu gewiſſen Leiſtungen zu verbinden (§. 97.), ſie ſich aber nicht anders als durch Ver -Nat. u. Voͤlckerrecht. F fſpre -450II. Th. 12. H. Von beſchwerlichenſprechen einander verbinden koͤnnen (§. 380.); ſo iſt der Contract alſobald richtig, als ſie einander ihren Willen etwas zu geben und zu thun bekannt gemacht haben (§. 379. 97. ); folglich werden die Con - tracte da man giebt, daß etwas gege - ben werde, da man giebt, daß etwas gethan werde, da man etwas thut, daß etwas gethan werde, durch bey - derſeitige Einwilligung zu ſtande ge - bracht (§. 27.). Wenn deswegen gleich geleiſtet wird, was man verabredet hat; ſo wird der Contract vollzogen, ſo bald er ſeine Richtigkeit erhalten. Und weil, nachdem der Contract ſeine Rich - tigkeit hat, nothwendig iſt, was vorher auf den Willen eines jeden ankam (§. 97.); ſo wird durch den Contract oder Vertrag das, wozu einer unvollkommen ver - bunden, oder nur als eine Pflicht oder Liebesdienſt anzuſehen war, und was natuͤrlicher Weiſe erlaubt war, in eine vollkommene Schuld verwandelt (§. 49. 80. ), oder wenn einer ſich verbin - det etwas zu unterlaſſen, was erlaubt war, daſſelbe unerlaubt. Da ſich aber niemand von der natuͤrlichen Verbindlichkeit befreyen kann (§. 42.); ſo kann aus dem, was natuͤrlicher Weiſe unerlaubt iſt, nichts erlaubtes werden. Und da es auf eines jeden Willen ankommt, auf was vor Art und Weiſe er ſein Recht auf einen andernbrin -451Contracten. bringen will (§. 314.); ſo kommt es auf den Willen der contrahirenden Theile an, wie ſie mit einander verabreden wollen, was einer dem andern leiſten ſoll, und was man verabredet hat, muß gehalten werden (§. 438.). Weil aber ſo wohl ein vorſaͤtzlicher, als unvorſaͤtzli - cher Betrug unerlaubt iſt (§. 286.); ſo darf in den Contracten man giebt etwas, daß etwas gegeben werde, man giebt etwas, daß etwas gethan werde, man thut etwas, daß etwas gethan werde, keiner von beyden Theilen betrogen werden.

Das dreyzehente Hauptſtuͤck.

Von den Gluͤckscontracten.

§. 668.

Gluͤckscontracte (contractus aleamVon den Gluͤcks - contra - cten uͤber - haupt. continentes) werden genannt, wenn man uͤber eine Sache, davon der Ausgang ungewiß iſt, ſich gegen ein - ander verbindlich macht, es mag nun dieſel - be nach dieſem ausfallen, wie ſie will, z. E. wenn man wegen des Preißes eines wird, den man vor die Fiſche, welche mit einem Zuge des Netzes werden gefangen werden, entrichten ſoll. Jn dieſen Contracten be - ruhet, was entweder von einem, oder von beyden Theilen gegeben, oder ge -F f 2than452II. Theil 13. Hauptſtuͤck. than werden ſoll, auf dem, was erfol - gen wird. Da der Mißbrauch des Eigen - thums zwar natuͤrlicher Weiſe unerlaubt iſt: dennoch aber einem jeden erlaubt werden muß, ſo lange nichts, was unſerm Recht zuwider iſt, geſchieht (§. 202.), folglich bey den Contracten nicht in Betrachtung kommt; ſo ſoll zwar derjenige in Gluͤckscontracte ſich nicht einlaſſen, der, indem et et - was giebt, das Eigenthum, indem er etwas thut, die natuͤrliche Freyheit mißbraucht: Wenn er ſie aber doch macht, ſo beſtehen ſie nach dem aͤuſſern Rechte. Und da in den beſchwerlichen Con - tracten die Gleichheit zu beobachten iſt (§. 581.): es aber in den Gluͤckscontracten nicht an - gehet, daß der eine ſo viel von dem andern er - haͤlt, als er dem andern leiſtet, wenn es nicht etwan durch einen ſehr ſeltenen Fall, den man nicht vorher ſehen kann, geſchiehet; ſo muß wenigſtens von beyden Theilen einer nicht ſchlimmer daran ſeyn, als der an - dere, naͤmlich es muß beyderſeits ei - nerley Hoffnung des Gewinns und ei - nerley Furcht des Schadens ſeyn; folg - lich muͤſſen die, welche den Contract machen, ein von allem Betruge ent - ferntes Gemuͤthe haben (§. 286.). Es koͤnnen aber die Gluͤckscontracte auch wohlthaͤtige Contracte ſeyn (§. 466.).

§. 669.

Vom Looſe.

Das Loos (ſors) nennt man eine jedeSache,453Von den Gluͤckscontracten. Sache, auf deren nicht vorhergeſehene Be - ſtimmung die Erlangung einer koͤrperlichen, oder unkoͤrperlichen Sache beruhet; oder es iſt ein Zeichen deſſen, was wir haben ſollen, welches durch das Gluͤck beſtimmt wird. Da - her erhellet, daß man nicht durchs Loos entſcheiden ſoll, was durch Ueberle - gung geſchehen kann; ſondern das, was dadurch nicht ausgemacht werden kann. Es iſt aber das Loos entweder ein Wahlloos (ſors electrix), wodurch be - ſtimmt wird, was aus zweyen Sachen er - waͤhlt werden ſoll; oder ein Zutheilungs - loos (ſors attributrix), wodurch einem eine gewiſſe Sache zugeeignet wird; oder ein Thei - lungsloos (ſors diviſoria), wodurch be - ſtimmt wird, welchen Theil von einer getheil - ten Sache einer haben ſoll. Hiezu ſetzet man das Wahrſagungsloos (ſors divinato - ria), wodurch einer das, was kuͤnftig iſt, be - ſtimmen will. Denn die Wahrſagung iſt die Vorherſagung kuͤnftiger Dinge. Da es gewiß iſt, daß die Begebenheiten in dieſer Welt durch eine Folge von Urſachen beſtimmt ſind; folglich auch beſtimmt iſt, wie das Loos fallen muß; ſo kann das Vorherwiſ - ſen des Kuͤnftigen nicht durch das Loos ausgemacht werden; folglich kommt das Wahrſagungsloos aus dem Aber - glauben, und widerſpricht alſo dem Ge - ſetze der Natur (§. 182.).

F f 3§. 670.454II. Theil 13. Hauptſtuͤck.

§. 670.

Vom Contract des Wahl - looſes.

Der Contract des Wahlloſes (con - tractus ſortis electricis) iſt, wodurch unter zweyen, oder mehreren ausgemacht wird, was vor eine Sache aus vielen einer haben ſoll, oder ob er nichts haben ſoll. Das Loos ſtellt alſo die Perſon desjenigen vor, wel - cher waͤhlet. Und da aus dem Contract eine Verbindlichkeit entſteht (§. 514.); ſo muß man das behalten, was das Loos anzeiget; folglich erhaͤlt man das, was das Loos anzeigt; und wenn es nichts anzeigt, ſo erhaͤlt man auch nichts.

§. 671.

Vom Contract des Thei - lungs - looſes.

Der Contract des Theilungslooſes (contractus ſortis diviſoriæ) iſt derjenige, durch welchen die Austheilung derer Theile geſchiehet, welche von gemeinſchaftlichen Sa - chen gemacht worden, da naͤmlich durch das Loos beſtimmt wird, welchen Theil ein jeder haben ſoll. Das Theilungsloos giebt alſo einem jeden das Eigenthum auf einen Theil der getheilten Sachen; und ſobald als das Urtheil des Looſes of - fenbahret wird, ſo hat einer das Ei - genthum auf den Theil, welchen es zeigt, erlangt. Man verſteht aber leicht, daß wenn zwey oder mehrere bey Din - gen, die nicht getheilt ſind, zu unglei - chen Antheilen ein Eigenthum haben; ſo muͤſſen ſo viele gleiche Theile ge - macht werden, als die Summe derZahlen455Von den Gluͤckscontracten. Zahlen des Verhaͤltnißes Einheiten enthaͤlt, und einem jeden muͤſſen durchs Loos ſo viel Theile angewieſen wer - den, als die Zahl des Verhaͤltniſſes fuͤr ſeinen Antheil Einheiten hat, z. E. wenn die Zahlen des Verhaͤltniſſes ſind, wie 2 zu 3, ſo muß die Theilung in 5. Theile ge - ſchehen, und einer erhaͤlt durch das Loos zwey Theile, der andere drey.

§. 672.

Der Contract des ZutheilungslooſesVom Contract des Zu - thei - lungs - looſes. (contractus ſortis attributricis) iſt, in wel - chem verabredet wird, daß die Sache, zu welcher zwey, oder mehrere ein gleiches Recht haben, dem zugehoͤren ſoll, welchen das Loos anzeiget. Da man die Vertraͤge halten muß (§. 438.); ſo muß man in dem Con - tracte des Zutheilungslooſes ſchlech - terdinges dabey verbleiben, was ver - abredet worden, und es halten: Denn es iſt zur Gnuͤge klar, daß die contrahirende Theile einem jeden Contracte (§. 314.), und alſo auch den gegenwaͤrtigen ein Geſetze ge - ben koͤnnen, wie ſie wollen.

§. 673.

Die Lotterie iſt ein Contract, da Sa -Von der Lotterie. chen um ein gewiſſes zuſammengeſchoſſenes Geld gekauft werden; oder eine gewiſſe Summe Geld zuſammen geſchoſſen wird, mit der Bedingung, daß durchs Loos beſtimmt werden ſoll, ob einer etwas und was er ha - ben, oder ob er deſſen, was er eingeſetzt, ver -F f 4luſtig456II. Theil 13. Hauptſtuͤck. luſtig ſeyn ſoll. Da die Lotterie ein Gluͤcks - contract iſt; ſo iſt dieſelbe in ſo weit er - laubt, als Gluͤckscontracte erlaubet ſind. Weil uns aber das Geſetze der Na - tur ein Recht dazu giebt, ohne welches wir den Pflichten gegen GOtt und gegen andere kein Genuͤge leiſten koͤnnen (§. 46.); ſo iſt die Lotterie in dem Falle nach dem in - neren Rechte erlaubet, wenn der Con - tract zu dem Ende gemacht wird, da - mit wir einer Pflicht gegen GOtt, oder gegen andere ein Genuͤge leiſten koͤnnen, wenn naͤmlich aus dem eingeſetzten Gelde eine Lotterie gemacht wird, und als - dann gehoͤret ein Theil des Gewinns zu Erreichung des Zwecks, in welchen die Contrahirenden einwilligen; weil durch beyderſeitige Einwilligung die Contracte errichtet werden (§. 668.). Wenn aber ei - ne Lotterie zu dem Ende errichtet wird, daß eine gekaufte Sache durchs Loos einem zugeeignet werden ſoll; ſo darf kein groͤſſerer Preiß fuͤr die Sa - che gefordert werden, als was andere Kaͤufer zu geben pflegen, jedoch daß man auch auf die Unkoſten ſiehet, wel - che der Verkaͤufer dieſeſwegen an - wenden muß; weil kein Grund vorhan - den, warum die Sache hoͤhe verkauft wer - den ſollte.

Vom Gluͤcks-topfe.

§. 674.

Von der Lotterie iſt der Gluͤckstopf we -nig457Von den Gluͤckscontracten. nig unterſchieden, da naͤmlich in einem Topf, oder in einem Gefaͤſſe eine gewiſſe Anzahl theils beſchriebene, theils leere Zettel gethan wird, und man fuͤr einen gewiſſen Preiß das Recht erkauft, einen Zettel unter der Bedin - gung herauszunehmen, daß man die Sache bekommt, welche darauf geſchrieben ſtehet. Dieſer Contract wird mit einem jeden in einem eintzelen Falle gleich zur Rich - tigkeit gebracht, ſobald der Preiß fuͤr das Recht einen Zettel herauszuneh - men gezahlt worden. Und weil alle Kaͤu - fer der Zettel zuſammen alle Sachen, die dem Looſe ausgeſetzt ſind, kaufen; ſo muß der Preiß aller Zettel zuſammen genom - men durch den Preiß aller Sachen, die zum verlooſen ausgeſetzt ſind, durch die Beqvemlichkeit alles auf einmahl zu verkaufen, durch die Unkoſten, wel - che auf den Verkauf gewandt werden muͤſſen, durch die Gefahr, wenn die koſtbahrſten Sachen zuerſt zugleich herausgezogen wuͤrden, und die meh - reſten leeren Zettel zuruͤcke blieben, ſo daß niemand mehr contrahiren wollte, beſtimmt werden. Weil aber niemand durch eine Sache, die einem andern zugehoͤrt, reicher werden ſoll (§. 271.); ſo iſt der Gluͤckstopf und die Lotterie uner - laubt, ſo bloß mit dem Vorſatze etwas zu gewinnen veranſtaltet wird.

F f 5§. 675.458II. Theil 13. Hauptſtuͤck.

§. 675.

Von dem Preiße, der de - nen, wel - che ſtrei - ten, aus - geſetzt worden.

Mit den Gluͤckscontracten iſt derjenige ver - wandt, durch welchen ein Preiß mit der Be - dingung ausgeſetzt wird, daß einige um den - ſelben auf gewiſſe Weiſe mit einander ſtreiten, und der den Preiß haben ſoll, welcher uͤber - winden wird. Wer einen Preiß ausſetzt, der contrahiret mit einem jeden unter dieſer Bedingung, wenn ſie ſich in den Streit einlaſſen und uͤberwinden wer - den; folglich iſt er verbunden dem Sie - ger den Preiß zu geben: Wer aber mit ihm contrahiret, der iſt nicht verbun - den ſich in den Streit einzulaſſen, ſon - dern erhaͤlt nur das Recht ſich einzu - laſſen (§. 318.). Und weil zwey Ueberwin - der eine Perſon vorſtellen; ſo iſt der Preiß, weil er nur einmahl verſprochen worden, ih - nen gemein. Man ſagt aber, der uͤber - winde, welcher die Bedingung, unter wel - cher der Preiß verſprochen worden, erfuͤllt.

§. 676.

Vom Wetten.

Das Wetten (ſponſio) iſt ein Gluͤckscon - tract, in welchem uͤber einem ungewiſſen Zu - falle verabredet wird, daß demjenigen, wel - cher die Wuͤrcklichkeit bejahet, von dem andern, der ſie leugnet, etwas gewiſſes gegeben werden ſoll, oder dem, welcher die Wahrheit geſagt. Daher erhellet, daß die Wette nicht gilt, wenn der andere gantz gewiß weiß, was geſchehen iſt; ja daß es nicht erlaubt ſey, vorſaͤtzlich zu verſchweigen oder zuverhee -459Von den Gluͤckscontracten. verheelen, daß man es weiß (§. 286.). Weil ein jeder mit ſeinem Recht anfangen kann, was er will (§. 195.), und einem jeden auch der Mißbrauch deſſelben zu erlauben iſt, ſo lange er nichts thut, was dem Recht des an - dern zuwider iſt (§. 202.); ſo beſtehen die Wetten nach dem aͤuſſeren Rechte. Weil aber niemand durch eine einem andern zugehoͤrige Sache reicher werden ſoll (§. 271.); ſo ſind die Wetten, indem ſie nicht an - ders als um des Gewinns willen geſchehen, folglich ſich durch eine Sache oder das Geld eines andern zu bereichern, nach dem in - nern Rechte, das naͤmlich im Gewiſſen gilt, unerlaubt.

§. 677.

Was im Ernſt geſchiehet (ſerium),Von dem Schertze und dem Spielen. nennt man das, welches zu ſagen, oder zu thun wir hinlaͤnglichen Grund haben. Wor - te, die nicht im Ernſt geſprochen ſind, und Thaten, die denſelben gleichguͤltig ſind, durch welche naͤmlich eben das, was mit den Wor - ten angedeutet wird, angezeigt wird, heiſſen Schertz (jocus); die uͤbrigen Thaten aber, die nicht im Ernſt geſchehen, Spiel (ludus). Der Schertz und das Spiel geſchehen alſo nur vor die lange Weile, oder die Zeit zu vertreiben. Da man nichts un - bedachtſam reden, oder thun ſoll (§. 360.); ſo iſt der unbedachtſame Schertz und das unbedachtſame Spiel unerlaubt: was aber andere zu unterrichten oder zuver -460II. Theil 13. Hauptſtuͤck. verbeſſern geſchiehet, iſt erlaubt (§. 134.). Und weil niemand den andern belei - digen ſoll (§. 154.); ſo ſind Schertze, wo - durch andere beleidiget werden, uner - laubt. Weil eine vergaͤngliche Luſt, wenn ſie unſchaͤdlich iſt, erlaubt iſt (§. 120.); ſo iſts auch erlaubt bloß zur Luſt zu ſcher - tzen, wenn nur dabey nichts befindlich, was einer Pflicht zuwider; ja es iſt auch erlaubt bloß zur Luſt zu ſpielen. Endlich da uns das Geſetze der Natur ver - bindet unanſtaͤndige Handlungen zu unterlaſ - ſen (§. 55.); ſo muß man auch unan - ſtaͤndige Schertze und Spiele meiden.

§. 678.

Vom Spiel - contract.

Einen Spielcontract (contractus luſo - rius) nennet man, darin diejenigen, welche mit einander ſpielen, mit einander eines wer - den, daß ein gewiſſer Gewinn, den man durch gemeinſchaftliche Einwilligung beſtimmt, deſſen ſeyn ſoll, auf deſſen Seite ſich eine ge - wiſſe Bedingung befinden wird, oder daß auch ein Schaden einem zum Gewinn gerech - net werden ſoll, auf deſſen Seite ſich eine an - dere Bedingung befinden wird. Den Haupt - gewinn (lucrum primarium) nennt man denjenigen, welcher dem gehoͤrt, bey dem nach geendigtem Spiele eine gewiſſe Bedin - gung ſich befindet; den Nebengewinn (lu - crum ſecundarium) aber den, welchen der erhaͤlt, bey dem unter dem Spiele eine ge - wiſſe Bedingung ſich befindet. Der ordent -liche461Von den Gluͤckscontracten. liche Schade (damnum ordinarium) aber iſt der, welchen der leidet, ſo das verlieret, was er zum Hauptgewinn beygetragen hat. Hingegen ein auſſerordentlicher Schade (damnum extraordinarium) iſt, welchen ei - ner unter dem Spiele, wenn bey ihm eine gewiſſe Bedingung ſich befindet, leidet. Man ſiehet leicht, daß vom Spielcontract eben das gilt, was von der Wette erwie - ſen worden. Wenn uͤbrigens in dem Spielcontracte die Gleichheit beob - achtet werden ſoll; ſo muß die Gefahr zu verlieren und die Hoffnung zu ge - winnen auf beyden Seiten der Con - trahenten gleich ſeyn (§. 668.). Und wenn die Spiele unerlaubt ſind; ſo ſind auch die Spielcontracte unerlaubt: Ob man gleich voraus ſetzet, daß in dem Ge - winn, oder wenn es einem beſſer gefaͤllt, in dem Preiße, woruͤber man ſtreitet, nichts fehlerhaftes befindlich ſey.

§. 679.

Die Aſſecuration oder der ContractVon der Aſſecu - ration. die Gefahr abzuwenden (aſſecuratio, contractus avertendi periculi) nennt man den Contract, in welchem einer die Gefahr in Anſehung der Waaren, die zu Waſſer ge - ſchickt werden, oder uͤberhaupt genommen die Schadloshaltung bey Faͤllen, die vom Gluͤck abhangen, fuͤr einen gewiſſen Lohn oder Gewinn uͤbernimmt. Wer die Gefahr uͤber - nimmt, heißt der Aſſecurante (aſſecura -tor). 462II. Theil 13. Hauptſtuͤck. tor). Der Aſſecurante verbindet ſich demnach zur Schadloshaltung, wenn ſich ein Zufall ereignen ſolte, der Ei - genthuͤmer aber ſchlechterdinges etwas gewiſſes dafuͤr zu geben, daß er die Gefahr uͤber ſich nimmt; oder, welches einerley iſt, der Aſſecurante verſpricht die Abwendung der Gefahr, der Ei - genthuͤmer aber fuͤr die Abwendung der Gefahr einen Lohn. Daher folgt, daß der Aſſecurante den Eigenthuͤmer ſchadlos halten muß, der Eigenthuͤ - mer aber ihm den Lohn zahlen, der Zu - fall mag ſich zutragen, oder nicht. Da der Lohn fuͤr Abwendung der Gefahr gegeben wird; ſo iſt der Contract null und nich - tig, wenn der Aſſecurante weiß, daß die Sache ſchon auſſer aller Gefahr iſt, oder auch wenn der Eigenthuͤmer weiß, daß der Schade in der Sache, welche aſſecurirt werden ſoll, ſchon geſchehen. Jn beyden Faͤllen gehet ein nicht zu duldender Betrug vor. Und weil ei - ne Gleichheit zwiſchen der Abwendung der Ge - fahr und dem Lohne dafuͤr zu beobachten iſt (§. 580.); ſo muß der Lohn nach der Groͤſ - ſe des Schadens, welcher ſich zutragen kann, und nach der Wahrſcheinlich - keit der Gefahr beſtimmt werden; folglich muß die Sache, ehe ſie aſſecu - rirt wird, geſchaͤtzt werden. Weil alle Sachen aſſecurirt werden koͤnnen, welchedurch463Von den Gluͤckscontracten. durch einen unverſehenen Zufall untergehen, oder verſchlimmert werden koͤnnen, oder bey welchen der Eigenthuͤmer das Seinige verlie - ren kann; ſo erſtreckt ſich der Aſſecurantzcon - tract, ob er gleich bey Kaufleuten nur in An - ſehung der Waaren gewoͤhnlich iſt, welche uͤber die See gefahren werden, dennoch viel weiter, und kann auch zu andern Contracten hinzukommen, z E. zum Verwahrungscon - tracte. Wenn man es alſo verabredet, daß der Aſſecurante einen gewiſſen Ge - winn haben ſoll, wenn die Sache un - beſchaͤdigt an den beſtimmten Ort kommt, oder ſich kein Ungluͤck ereig - net: wofern ſie aber verlohren gehen ſollte, der Aſſecurante den Werth der Waaren erſetzen; ſo muß, damit der Aſ - ſecurirte nicht beſſer daran ſey, als der Aſſecu - rante, wenn ſich ein Ungluͤck ereignen ſollte, als wenn dieſes nicht geſchiehet, der Lohn fuͤr die zu aſſecurirenden Waaren bey der Schaͤtzung von dem wahren Wer - the derſelben abgezogen werden.

§. 680.

Seegeld oder hinuͤber zu fahrendesVom Trans - portcon - tract. Geld (pecunia nautica, vel trajecticia) nennt man, das uͤber die See auf Gefahr des Glaͤubigers gefahren werden ſoll; dem Seegelde, oder dem hinuͤber zu fahren - den aͤhnliches Geld (pecunia quaſi nau - tica, oder quaſi trajecticia) aber, welches durch andere gefaͤhrliche Oerter auf Gefahrdes464II. Theil 13. Hauptſtuͤck. des Glaͤubigers gebracht werden ſoll. Die Zinſen, welche fuͤr das Seegeld gezahlet wer - den, ſind Seezinſen (fœnus nauticum); die, welche fuͤr das dem Seegelde aͤhnliche Geld gezahlt werden, den Seezin - ſen aͤhnliche Zinſen (fœnus quaſi nauti - cum). Daher nennt man den See - zinſecontract (contractum fœnebrem nau - ticum), in welchem man wegen der Seezin - ſen; und den dem Seezinscontract aͤhn - lichen Contract (contractum quaſi nauti - cum), in welchem man wegen der den See - zinſen aͤhnlichen Zinſen verabredet. Mit ei - nem gemeinſchaftlichen Nahmen werden ſie Transportcontracte (contractus trajecti - tii) genannt. Die Seezinſen und dieſen aͤhnliche Zinſen muͤſſen alſo ſtaͤrcker ſeyn als die, welche fuͤr den bloſſen Ge - brauch des Geldes gezahlt werden, und zwar um ſo viel, als die Gefahr gilt, die einer bey der Ueberſendung uͤbernimmt; folglich nach der Groͤſſe der Gefahr werden beyde vermehrt und vermindert, unendlich fort. Da es ſich verſtehet, daß das Geld dem Schuld - ner nicht eher gezahlt worden, als bis es oh - ne Schaden an dem beſtimmten Ort ankom - men; ſo iſt man nichts ſchuldig, wenn das Geld verungluͤckt (§. 243.): wenn es aber wohl ankommt, ſo iſt man das Capital mit den Zinſen ſchuldig (§. 438.). Weil aber die Gefahr aufhoͤrt, ſobald465Von den Gluͤckscontracten. bald das Geld an dem beſtimmten Or - te ankommen; ſo hoͤren auch die Zinſen auf, als welche fuͤr die Gefahr gegeben wer - den, und die ordentlichen Zinſen lauf - fen von der Zeit an. Da es aber einer - ley iſt, ob das Geld ſelbſt durch gefaͤhrliche Oerter gefahren, oder in Waaren verwandt und dieſe durch eben die gefaͤhrlichen Oerter gefahren werden; ſo iſt man, wenn vor das geborgte Geld Waaren gekauft, und dieſe auf Gefahr des Glaͤubigers uͤber die See, oder durch andere gefaͤhr - liche Oerter gefahren werden, See - zinſen, oder dieſen aͤhnliche zu geben ſchuldig.

§. 681.

Die Bodmerey (bodmeria) nennt man denVon der Bodme - rey. Contract, durch welchen baares Geld mit der Bedingung auf das Schiff geborget wird, daß das Capital dem Glaͤubiger verlohren gehet, wenn das Schiff untergehet, oder an den beſtim - ten Ort nicht kommt, der Glaͤubiger aber einen verabredeten Gewinn bekommt, wenn es unbe - ſchaͤdiget in den Hafen einlauft. Es erhellet aber, daß der Schiffer, da er das Schiff zu fuͤhren verbunden iſt, eine Bodmerey machen kann, wenn er auf der Reiſe Geld noͤthig hat, ſo daß er ohne daſ - ſelbe das Schiff nicht fuͤhren kann. Da aber dieſer Contract dem Schiffer nicht erlaubt iſt als nur in dem aͤuſſerſten Noth - fall; ſo iſt die Bodmerey nicht er -Nat. u. Voͤlckerrecht. G glaubt,466II. Theil 13. Hauptſtuͤck. laubt, wenn er eigene Waaren im Schiffe hat, die er verkaufen kann. Jn der That wenn niemand iſt, der ei - ne Bodmerey contrahiren will, und der Schiffer keine eigene Waaren hat, die er verkaufen kann; ſo kann er, wo - fern ihn die Noth dringt, auch Waaren, die andern zugehoͤren, verkaufen.

§. 682.

Von den jaͤhrli - chen Ein - kuͤnften und Leib - renten.

Jaͤhrliche Einkuͤnfte (reditus annui) nennt man das Recht von einem andern jaͤhr - lich eine gewiſſe Penſion zu fordern, entweder wegen einer Sache, die dem andern zugehoͤrt, oder einer perſoͤnlichen Obligation. Die jaͤhr - lichen Einkuͤnfte, die auf Lebenszeit des Kaͤu - fers, oder Verkaͤufers, oder einer gewiſſen dritten Perſon verabredet worden, werden Leibrenten (reditus vitalitii) genannt. Da man auch unkoͤrperliche Sachen kaufen kann (§. 588.); ſo koͤnnen auch jaͤhrliche Einkuͤnfte und Leibrenten gekauft und verkauft werden; folglich wenn jaͤhrliche Leibrenten gekauft werden, ſo kann man das Capital, das der Ver - kaͤufer bekommen, nach dem Tode der Perſon, auf deren Leben ſie ge - hen, nicht wiederfordern; gleichwie dem Verkaͤufer nichts wiedergegeben wird, wenn die Penſion, welche einer bis an ſein Ende erhalten hat, das Ca - pital, welches fuͤr dieſelbe gezahlt wor - den, uͤbertrift. Man nennt aber einenLeib -467Von den Gluͤckscontracten. Leibrentencontract (contractum vitali - tium), da man ſich fuͤr das Capital, welches man einem andern giebt, Leibrenten aus - macht, oder Leibrenten gekauft und verkauft werden. Die Leibrenten muͤſſen aber aus dem beſtimmt werden, was der Gebrauch des Geldes gilt, den wir ent - behren muͤſſen, und aus der Wahr - ſcheinlichkeit der Lebenslaͤnge, welche man erreichen kann. Da es einerley iſt, ob man Geld giebt, oder Sachen, die Geldes werth ſind; ſo koͤnnen die Leibrenten auch in Fruͤchten, oder andern Sachen beſtehen; und wenn es Fruͤchte ſind, muͤſſen ſie nach dem Maaſſe, oder in einem gewiſſen Antheile derer, welche alle Jahre werden, beſtimmt werden, maſſen was gezahlt werden ſoll, gewiß ſeyn muß. Daher werden Leibrenten in Leibrenten an Fruͤchten und in Leib - renten an Gelde (reditus vitalitii fructua - rii & pecuniarii) eingetheilt.

§. 683.

Wenn in einem Bergwercke, als in einemVom Berg - wercks - contra - cte. Gantzen, das mehreren gemeinſchaftlich iſt, ſo viel gleiche Theile, als es immer ſeyn moͤgen, geſetzt werden, ſo wird ein jeder von dieſen unabgetheilten Theilen ein Kux (pars me - tallica, kukus) genannt. Derowegen hat der, welcher einen Kux hat, einen An - theil vom Eigenthum in der Grube; folglich in den Metallen, die darinnenG g 2befind -468II. Theil 13. Hauptſtuͤck. befindlich, aber auf gemeinſchaftliche Koſten herausgebracht und zubereitet werden. Derowegen da man das Geld, welches von den Eigenthuͤmern der Kuxe das Bergwerck zu bauen angewandt wird, die Zubuſſe (ſymbola metallica); das aber, was am Werthe der Metalle uͤber die Un - koſten herauskommt, die Ausbeute (redi - tus metallici) nennet; ſo muß ſo lange Zubuſſe gegeben werden, als der Werth der Metalle noch geringer als die Un - koſten iſt, oder man kein Metall be - kommt: Wenn aber der Werth der Me - talle die Unkoſten uͤbertrift; ſo muß nach dem Verhaͤltniſſe der Kuxe aus - getheilt werden. Da die Kuxe Theile der Grube ſind, welche eine unbewegliche Sache iſt; ſo ſind dieſelben auch zu den un - beweglichen Sachen zu rechnen. Weil aber die Metalle zu dem Weſen der Berg - wercke gehoͤren; ſo iſt die Ausbeute kei - ne Frucht der Kuxe (§. 198.). Der Bergwerckscontract (contractus metal - licus) iſt ein Contract, durch welchen man verabredet, daß man einen Theil des Eigen - thums an der Grube hat, und wir im Ge - gentheil verbunden ſeyn ſollen das Bergwerck auf unſere Koſten zu bauen. Deswegen kann der Eigenthuͤmer einen Kux nach ſei - nem Gefallen veraͤuſſern (§. 257.). Da aber niemand eine Sache anders geben kann, als er ſie ſelbſt hat; ſo williget der, wel -cher469Von den Gluͤckscontracten. cher den Kux kauft, oder durch einen andern Titel erhaͤlt, ſtillſchweigend in den Bergwerckscontract. Und weil ein Eigenthuͤmer eine ihm zugehoͤrige Sache ver - laſſen kann (§. 203.); ſo kann der Eigen - thumsherr einen Zubuſſekux verlaſſen, wenn er uͤberdruͤßig iſt weiter Zubuſſe zu geben. Wenn jemand in eine Berg - wercksgeſellſchaft getreteu iſt; ſo ruͤhrt es aus einem andern Grunde her, daß er ſie nicht anders als mit Einwilligung der uͤbrigen Glie - der, oder wenn er einen andern an ſeine Stel - le verſchaft, welcher die Zubuſſe giebt, ver - laſſen kann.

§. 684.

Den Hofnungskauf (emtio ſpei) nenntVom Hoff - nungs - kaufe. man den Contract, in welchem man derge - ſtalt mit einander eines wird, daß dasjenige, was durch eine gewiſſe Handlung, wovon der Ausgang zweifelhaft iſt, erhalten wird, un - ſer ſeyn, und wir fuͤr das Ungewiſſe einen ge - wiſſen Preiß zahlen; oder kuͤrtzer zu reden, es iſt der Kauf einer zu erhaltenden ungewiſſen Sache. Wenn alſo durch die Hand - lung, woruͤber contrahiret worden, nichts erhalten wird; ſo bekommt der Kaͤufer nichts, und iſt doch verbunden den Preiß zu zahlen: Und im Gegen - theil iſt er nicht verbunden mehr zu zahlen, wenn gleich, was erhalten wird, viel mehr werth iſt. Es erhel - let aber, daß, wenn man die Hoffnung kauft,G g 3der470II. Th. 13. H. Von den Gluͤckscontracten. der Preiß nach der Wahrſcheinlichkeit der Hoffnung deſſen, was erhalten werden kann, beſtimmt werden muß. Weil aber nichts als die Hoffnung gekauft wird, dergleichen zu bekommen, als durch die Handlung, uͤber welche man contrahiret, erhalten zu werden pflegt; ſo iſt, wenn durch einen auſſerordentlichen Zufall etwas erhalten wird, was ſonſt durch dergleichen Handlung nicht pflegt er - halten zu werden, der Hofnungskauf nicht guͤltig; folglich darf auch der Preiß, welcher verabredet worden, nicht gezahlt werden.

§. 685.

Von dem Ausge - worfe - nen.

Das Ausgeworfene (miſſilia) nennt man die Sachen, welche mit dem Vorſatze unter das Volck geworfen werden, daß ſie demjenigen zugehoͤren ſollen, der ſie ergreifen wird. Durch das Auswerfen wird das Eigenthum der ausgeworfenen Sache auf eine ungewiſſe Perſon gebracht. Es erhellet leicht, daß, wenn jemand das Ausgeworfene kauft, ſo einer er - greifen wird, eher als es ausgeworfen wird, der Contract ein Hofnungs - kauf ſey (§. 684.).

Das471

Das vierzehnte Hauptſtuͤck.

Von den Qvaſicontracten.

§. 686.

Einen Qvaſicontract (quaſi contra -Von den Quaſi - contra - cten. ctus) nennt man eine erdichtete Ver - abredung, in welcher die Einwilli - gung des einen ausdruͤcklich da iſt, die Ein - willigung des andern aber nur vermuthet wird. Weil aber die Contracte des Nutzens wegen gemacht werden; ſo kann man die Einwilligung im Contrahiren nicht vermuthen, wenn nicht der augen - ſcheinliche Nutzen desjenigen erhellet, deſſen Einwilligung man vermuthet.

§. 687.

Weil man im Qvaſicontracte voraus ſetzt,Von der Verbind - lichkeit, welche aus dem Quaſi - contracte kommt. daß beyde Theile in das gewilliget, was der eine Theil zum Nutzen des andern unter - nimmt (§. 686.); ſo wird der andere uns durch einen Qvaſicontract dazu verbunden, wozu er uns verbunden geweſen waͤre, wenn er in der That den Contract gemacht haͤtte: Und wir werden ihm im Gegentheil eben ſo als durch einen wahren Contract ver - bunden.

§. 688.

Weil keine Vermuthung ſtatt findet, woWenn es erlaubt iſt einen Quaſi - man von der Wahrheit gewiß werden kann, wie ein jeder zugeben muß; ſo gilt derG g 4Qvaſi -472II. Theil 14. Hauptſtuͤck. contract zu ma - chen.Qvaſicontract nicht, wenn man des andern ausdruͤckliche Meinung erfah - ren kann; folglich gilt er nur alsdenn, wenn das, was man in des andern Nahmen thut, keinen Aufſchub leidet, ſo daß man ſeine ausdruͤckliche Ein - willigung einholen koͤnte, oder wenn der andere, zu deſſen Nutzen etwas zu thun iſt, Alters halber, oder wegen ſchwacher Gemuͤthskraͤfte nicht ein - willigen kann.

§. 689.

Ob Qva - ſicontra - cte nach dem Na - turrechte ſtatt fin - den.

Weil wir durch die Natur verbunden ſind zum Nutzen des andern zu thun, was in un - ſerer Gewalt ſteht (§. 133. 134. ), und den andern dazu durch einen Contract vollkommen verbindlich machen koͤnnen (§. 667.), die Ein - willigung des andern aber, welche zu dem Con - tracte erfordert wird (§. 438.), vermuthet werden kann (§. 686.); ſo findet ein Qvaſicontract auch nach dem Rechte der Natur ſtatt, und die vermuthete Einwilligung wuͤrckt alsdenn eben das, was die ausdruͤckliche wuͤrckt.

§. 690.

Von der Anmaſ - ſung ei - nes frem - den Ge - ſchaͤfts.

Die Anmaßung eines fremden Ge - ſchaͤfts (negotiorum geſtio) iſt ein Qvaſi - contract, wodurch man ein Geſchaͤfte, ohne deſſen Einwilligung, deſſen es iſt, freywillig unternimmt, mit dem Vorſatze, ſich den an - dern verbindlich zu machen. Die Anmaſ - ſung eines fremden Geſchaͤfts iſt alſogleichſam473Von den Qvaſicontracten. gleichſam eine Vollmacht; und der ſich deſſen anmaſſet, gleichſam ein Bevoll - maͤchtigter; der Herr des Geſchaͤftes aber gleichſam derjenige, welcher die Vollmacht ertheilet (§. 552.); und da - her wird die Anmaßung eines fremden Geſchaͤfts zu einer Vollmacht, wenn der, deſſen es iſt, entweder ausdruͤck - lich, oder ſtillſchweigend einwilliget; folglich iſt der, welcher ſich des Geſchaͤf - tes eines andern anmaſſet, dem, wel - chem es gehoͤret, dazu verbunden, wo - zu ein Bevollmaͤchtigter verbunden iſt; und der, deſſen das Geſchaͤfte iſt, iſt ihm im Gegentheil dazu verbunden, wozu der, der einem andern Vollmacht zu etwas giebt, dem verbunden iſt, den er bevollmaͤchtiget hat (§. 687.). Weil aber die Guͤltigkeit eines Quaſicon - tracts lediglich auf dem augenſcheinlichen Nu - tzen des Eigenthumsherrn beruhet (§. 686.); ſo muß der, welcher ſich eines frem - den Geſchaͤftes anmaßt, daſſelbe mit allem Fleiße verwalten (§. 21.); folglich muß er dem Eigenthumsherrn davor ſtehen, was haͤtte geſchehen ſollen, nicht aber was er gethan hat; denn er darf nichts thun, als was man vermuthen kann, daß der Eigenthumsherr wegen ſeines augenſcheinlichen Nutzens ſelbſt wuͤrde gethan haben (§. 686.). Daraus folgt, daß er keinen nuͤtzlichen Aufwand wagenG g 5darf,474II. Theil 14. Hauptſtuͤck. darf, wovon zu vermuthen, daß er dem Eigenthuͤmer zur Laſt fallen wuͤr - de: Jn zweifelhaften Faͤllen aber muß er dergleichen gaͤntzlich, wie auch allezeit das, was bloß der Luſt wegen ange - wandt wird, unterlaſſen (§. 279. 280.). Weil die Anmaſſung eines fremden Geſchaͤfts die vermuthete Einwilligung erfordert; ſo fol - get, daß, wenn alſo einer wider des an - dern Willen ſich ſeines Geſchaͤftes an - maſſet, dieſer ihm zu nichts vollkom - men verbunden iſt, ob er es gleich zu ſeinen Nutzen verwaltet hat; folglich, ſo bald derſelbe verbietet, daß er ſich ſeines Geſchaͤftes nicht laͤnger anmaſ - ſen ſoll; ſo muß er es gleich unterlaſ - ſen. Und weil in der Anmaſſung eines frem - den Geſchaͤftes theils auf die Nothwendigkeit, theils auf den Nutzen deſſen, dem es gehoͤret, zu ſehen iſt, der aber, welcher ſich deſſen an - maſſet, des andern Perſon vorſtellt; ſo ver - ſtehet es ſich, daß die Nothwendig - keit ſich eines fremden Geſchaͤftes an - zunehmen vorhanden ſey, wenn durch Unterlaßung deſſelben ein unvermeid - licher Schaden entſteht, zu deſſen Ab - wendung wir dem andern natuͤrlicher Weiſe verbunden ſind (§. 269.): Den Nutzen aber des andern muß der, welcher ſich des Geſchaͤftes anmaſſet, nicht nach Eigenduͤncken erachten, ſondern aus der Beſchaffenheit der Sache, der Zeit undder475Von den Quaſicontracten. der Perſon deſſen, dem das Geſchaͤfte gehoͤret.

§. 691.

Es giebt auch einen Qvaſikauf (quaſiVom Qvaſi - kauf und Qvaſi - borgen. emtionem), wenn naͤmlich jemand wegen vermutheter Einwilligung des Eigenthums - herrn will, daß er die Sache gekauft habe, z. E. wenn uns jemand eine Sache, die durch den Gebrauch verzehret wird, in Verwah - rung gegeben hat, weil ſie aber in ſeiner Ab - weſenheit ihm nicht wiedergegeben werden kann, hingegen wenn ſie laͤnger ſollte aufbe - halten werden, verderben wuͤrde, wir dieſel - be mit dem Vorſatze, den Werth davor zu entrichten, verzehren. Ein Qvaſiborgen (quaſi mutuum) iſt, wenn einer aus vermu - theter Einwilligung des Eigenthumsherrn ei - ne Sache mit dem Vorſatze verzehrt, eine an - dere von eben der Art wieder zu geben, z. E. in dem vorhergehenden Falle die in Verwah - rung gegebene Sache, die durch den Ge - brauch verzehret wird. Gleichergeſtalt iſt ein Qvaſivermiethen und Miethen (quaſi locatio conductio), oder es gleichet einem Vermiethen und Miethen, wenn wir aus Vermuthung der Einwilligung des Ei - genthumsherrn eine ihm zugehoͤrige Sache mit dem Vorſatze gebrauchen, ihm den Lohn zu zahlen, den ihm ſonſt ein Miethsmann wuͤrde gegeben haben; oder ihm eine Arbeit fuͤr den Lohn zu leiſten, welchen er davor ei - nem andern, dem er dieſe Arbeit verdungenhaͤtte,476II. Theil 14. Hauptſtuͤck. haͤtte, wuͤrde haben geben muͤſſen, z. E. wenn man ein Haus vermiethen ſoll, und es ſelbſt mit dem Vorſatze bewohnet, eben die Miethe, die ein anderer geben wuͤrde, zu bezahlen.

§. 692.

Von der zufaͤlli - gen Ge - mein - ſchaft.

Eine zufaͤllige Gemeinſchaft (com - munio incidens) nennt man, in welche man durch eine gewiſſe Begebenheit kommt, das iſt, ohne einige vorhergehende Verabre - dung, daß die Sache gemeinſchaftlich ſeyn ſoll. Z. E. wenn ein Haus oder ein Gut uns und einem andern zuſammen geſchenckt wird. Da diejenigen, welche in eine Gemeinſchaft zufaͤlliger Weiſe kommen, das Eigen - thum in einer ungetheilten Sache zum Theil erhalten (§. 196.); und daher von ihnen nicht anders vermuthet werden kann, als daß ſie darein willigen, daß Schaden und Gewinn gemeinſchaftlich ſeyn ſoll, ehe ſie entweder in die Theilung, oder gemeinſchaftliche Ver - waltung ausdruͤcklich einwilligen; ſo con - trahiren ſie eine Qvaſigeſellſchaft (§. 639.); daher werden die perſoͤnlichen Verbind - lichkeiten, welche aus dem Contract der Geſell - ſchaft entſpringen, auch in einer zufaͤlligen Ge - meinſchaft nicht bloß angeſehen, als der Bil - ligkeit gemaͤß, ſondern als vollkommene Ver - bindlichkeiten.

§. 693.

Von der Bezah - lung deſ - ſen, was

Das Nichtſchuldige (indebitum) nennt man, zu deſſen Leiſtung wir dem andern nicht verbunden ſind; deswegen iſt die Bezahlungdes477Von den Qvaſicontracten. des Nichtſchuldigen (indebiti ſolutio)einer nicht ſchuldig iſt. die Leiſtug des Nichtſchuldigen, als ob man es ſchuldig waͤre; und die Annehmung des Nichtſchuldigen (acceptio indebiti) iſt wenn man als eine Schuld annimmt, was man uns nicht ſchuldig iſt. Da ſich niemand mit ei - nes andern Sache bereichern ſoll (§. 271.); ſo muß der, welcher aus Jrrthum dem andern etwas zahlt, was er ihm nicht ſchuldig iſt, von ihm das wieder be - kommen, oder, wenn er es ihm nicht wiedergeben kann, ſo muß ihm der Werth verguͤtet werden. Und weil Niemand den Vorſatz haben ſoll, den andern zu betruͤgen (§. 286.); ſo darf man nicht anders vermuthen, als daß der, wel - cher das Nichtſchuldige empfangen hat, darein gewilliget. Daher folgt, daß die Bezahlung des Nichtſchul - digen ein Qvaſicontract ſey, wodurch derjenige, der etwas annimmt, was man ihm nicht ſchuldig iſt, verbunden wird es wieder zu geben, oder wenn es nicht mehr geſchehen kann, den Werth davon zu entrichten (§. 686.). Da derjenige, wel - cher das Nichtſchuldige bezahlt, es giebt, als wenn er es ſchuldig waͤre; ſo bringt er auf den andern das Eigen - thum der Sache (§. 258.); folglich kann derſelbe ſie veraͤuſſern (§. 257.), und der ſie ihm gegeben hat, kann ſie ſich nicht wieder zueignen (§. 262.). Wer da weiß,daß478II. Theil 14. Hauptſtuͤck. daß der andere was er zahlt, ihm nicht ſchuldig iſt; ſo ſoll er auch, weil er ſich durch eines andern Sache nicht bereichern darf (§. 271.), es nicht annehmen, und er kann es auch nicht ohne den Vorſatz den andern zu betruͤgen annehmen (§. 286.), ja wenn ers wiſſentlich annimmt, ſo wird er einem ungewiſſenhaften Beſitzer gleich geachtet (§. 201.).

§. 694.

Vom Geben um einer Urſache willen.

Man ſagt, daß etwas um einer Urſache willen gegeben werde (ob cauſam dari), wenn etwas zu dem Ende gegeben wird, daß der andere, welcher es bekommt, davor wie - der etwas geben oder thun muß; folglich ver - bindet ſich der, welchem um einer Ur - ſache willen etwas gegeben wird, in - dem er es annimmt, das zu geben oder zu thun, warum es gegeben wird (§. 317.). Man ſagt aber, die Urſache erfol - ge nicht (cauſa non ſequi dicitur), wenn der andere nicht leiſtet, was er leiſten ſollte, oder zu deſſen Leiſtung er ſich entweder aus - druͤcklich, oder ſtillſchweigend verbunden hatte (§. 27.). Weil der, welcher um einer gewiſſen Urſache willen etwas giebet, es nicht umſonſt geben will, noch der, der es empfaͤngt, umſonſt bekommt; ſo muß, was um einer gewiſſen Urſache willen gegeben wor - den, wieder gegeben werden, wenn die Urſache nicht erfolget: Und wenn ſie noch erfolgen kann; ſo kann der, wel -cher479Von den Qvaſicontracten. cher etwas gegeben, den andern ent - weder anhalten ſein Verſprechen zu er - fuͤllen, oder was er bekommen hat, wieder zu geben. Weil die Verbindlich - keit entweder aus einer ausdruͤcklichen, oder ſtillſchweigenden Einwilligung entſpringt; ſo iſt das Geben um einer Urſache willen, kein Qvaſicontract (§. 686.). Aber die Vorherbezahlung (prænumeratio) der Miethe, oder uͤberhaupt die Vorherbe - zahlung des Geldes fuͤr das, was ins - kuͤnftige gegeben oder gethan werden ſoll, iſt ein Geben um einer gewiſſen Urſache willen.

§. 695.

Das ohne Urſache Angenommne (ſineVon demjeni - gen was ohne Ur - ſache, oder gleichſam ohne Ur - ſache an - genom - men wird. cauſa acceptum) nennt man, was mit Recht nicht angenommen werden konnte. Z. E. wenn etwas, das einer einen nicht ſchuldig iſt, aus Jrrthum zahlet: das gleichſam ohne Ur - ſach Angenommene (quaſi ſine cauſa ac - ceptum), aber iſt, was man mit Recht zwar annehmen, aber nicht behalten konnte. Z. E. wenn einer einem eine Handſchrift in der Hoffnung giebt, das Geld zu bekommen, wel - ches man borgen will, ſolches aber nachher nicht geſchiehet. Man ſiehet leicht, daß das ohne Urſache, oder gleichſam ohne Ur - ſache Angenommne wieder gegeben werden muß (§. 271.). Da man alſo, wenn jemand unwiſſend etwas ohne Urſache angenommen hat, nicht anders vermuthendarf,480II. Th. 14 H. Von den Qvaſicontracten. darf, als daß er darein willige, es muͤſſe, was ohne Urſach angenommen worden, wieder gegeben werden; ſo wird derſelbe auch aus einem Qvaſicontract, nach dem aͤuſſern Rechte, es wiederzugeben ver - bunden. Weil aber der, welcher etwas gleichſam ohne Urſache annimmt, es zwar mit Recht annehmen konnte, aber nicht behalten darf; ſo entſpringt die Verbindlichkeit es wieder zu geben nach dem aͤuſſern Rechten daraus, was ſtillſchweigend in einer Handlung enthalten iſt.

§. 696.

Von den zuſam - menge - ſetzten Contra - cten und dem Pachte auf die Helfte der Fruͤchte.

Weil man die zuſammengeſetzten, oder ver - miſchten Contracte aus der Erklaͤrung der einfachen, die in ihnen zuſammen kommen, leicht unterſcheidet; ſo ſcheint es nicht noͤthig zu ſeyn, von denſelben viel beſonders zuſagen. Dieſes bemercken wir nur, daß der Con - tract, welchen der Pachter mit den Ei - genthumsherrn auf die Helfte der Fruͤchte macht, aus dem Pacht - und dem Geſellſchaftscontracte vermiſcht ſey (§. 620. 639.). Denn weil der Pach - ter vor einen Theil der Fruͤchte den Acker pachtet, den man colonum partiarium nen - net; ſo iſt der Schaden und Gewinn dem Verpachter und Pachter gemein - ſchaftlich.

Das481

Das funfzehnte Hauptſtuͤck.

Von dem Rechte, welches einem in einer fremden Sache eingeraͤumt worden, oder dem Pfande und Servituten.

§. 697.

Das Recht des Pfandes (jus pigno -Von dem Pfande und der Hypo - thecke. ris) iſt ein Recht, welches man in ſeiner Sache dem Glaͤubiger eingeraͤu - met hat, daß naͤmlich, wofern die Schuld nicht zu beſtimmter Zeit bezahlt wird, er ſich an derſelben erholen kann. Man ſagt dem - nach, es werde eine Sache verpfaͤndet (res oppignorare), darinnen einem ein ſol - ches Recht eingeraͤumet wird: Die verpfaͤn - dete Sache aber ſelbſt wird das Pfand (pi - gnus) genannt. Es erhellet alſo, daß das Recht des Pfandes zur Sicherheit des Darlehns eingeraͤumt wird; folglich wenn die verpfaͤndete Sache beweg - lich iſt, dieſelbe eingehaͤndiget werden muß. Und im Deutſchen nennen wir ins - gemein dieſes eine Sache verſetzen, wenn Geld darauf geborget wird; in andern Faͤl - len aber zum Pfande geben. Wenn das Pfand eine unbewegliche Sache iſt, ſo wird dieſes Recht mit einem beſondern Nahmen eine Hypothecke (hypotheca) genannt. Aus der Erklaͤrung aber ſelbſt folgt, daß der Glaͤubiger die verpfaͤndete Sache ver -Nat. u. Voͤlckerrecht. H hkaufen482II. Theil 15. Hauptſtuͤck. kaufen koͤnne, wofern nicht die Schuld zu gehoͤriger Zeit abgetragen wird, und daß er von dem Preiße ſo viel zu - ruͤcke behalten koͤnne, als dazu hin - reicht, daß er befriediget wird, das uͤbrige aber dem Schuldner wiederge - geben werden muß (§. 271.). Und weil niemand betrogen werden darf (§. 286.); ſo muß bey dem Verkaufe des Pfandes aller Betrug vermieden werden; folg - lich muß die Sache von erfahrnen und unpartheyiſchen Perſonen taxiret und dem Meiſtbietenden zugeſchlagen wer - den. Der Theil des Preißes von dem Pfan - de, welcher das, ſo dem Glaͤubiger zugehoͤrt, uͤbertrift, wird der Ueberreſt (hyperocha) genannt; welcher demnach dem Schuld - ner zugehoͤrt. Weil aber im Gegentheil der Schuldner die gantze Schuld zu bezahlen verbunden iſt; ſo muß er, was fehlt, hin - zu thun, wofern vor das Pfand nicht ſo viel geloͤſet wird, als die Schuld be - traͤgt.

§. 698.

Von dem Eigen - thum ei - ner ver - pfaͤnde - ten Sa - che.

Weil derjenige, welcher eine Sache ver - pfaͤndet, oder verhypotheciret, dem Glaͤubi - ger nur das Recht ſie zu verkaufen unter der Bedingung einraͤumet, wenn er anders die Schuld nicht erhalten kann (§. 697.); ſo bleibt die verpfaͤndete oder verhypo - thecirte Sache ihm eigenthuͤmlich; folglich kann er ſie veraͤuſſern (§. 257.):Allein483Von dem Pfande. Allein weil das Recht dem Glaͤubiger, welches er darauf hat, nicht wider ſeinen Willen be - nommen werden kann (§. 100.); ſo hoͤrt durch die Veraͤuſſerung das Recht des Pfandes und der Hypothecke nicht auf. Und eben daraus, daß der Schuldner das Eigenthum in der verpfaͤndeten Sache behaͤlt, folgt ferner, daß die Veraͤuſſerung von dem Glaͤubiger nicht in ſeinem eigenen, ſondern in des Schuldners Nahmen geſchiehet, obgleich wider ſeinen Willen.

§. 699.

Man ſagt, daß das Pfand geloͤſetVon der Ausloͤ - ſung des Pfandes. oder die Hypothecke bezahlt wird (pi - gnus vel hypothecam luere), wenn die Schuld bezahlt wird, zu deren Sicherheit die Sache verpfaͤndet, oder verhypotheciret wor - den. Da alſo nach der geſchehenen Aus - loͤſung des Pfandes daſſelbe ohne Urſache bey dem Glaͤubiger ſeyn wuͤrde; ſo muß es wiedergegeben werden. Und da das Recht der Hypothecke aufhoͤrt, wenn die Schuld bezahlt iſt; ſo wird nach der Be - zahlung die Sache von der Hypothecke befreyet. Weil der Schuldner das Pfand auszuloͤſen verbunden iſt (§. 697.); ſo kann der Glaͤubiger die verpfaͤndete Sache nicht verkaufen, bis er es dem Schuld - ner aufgeſagt; folglich ſo lange er es nicht thut, bleibt das Recht ſie aus - zuloͤſen allezeit ungekraͤnckt.

H h 2§. 700.484II. Theil 15. Hauptſtuͤck.

§. 700.

Von der Verpfaͤn - dung ei - ner frem - den Sa - che.

Da der, welcher eine Sache verpfaͤndet, ein bedingtes Recht ſie zu veraͤuſſern unter ei - ner Bedingung dem andern einraͤumet (§. 697.), das Recht zu veraͤuſſern aber nieman - den als dem Eigenthumsherrn zukommt (§. 257.); ſo kann auch niemand eine frem - de Sache verpfaͤnden; wiewohl der Eigenthumsherr ſeine Sache fuͤr eines andern Schuld verpfaͤnden kann (§. 195.). Da aber ein jeder ſein Recht einem andern uͤberlaſſen kann (§. cit. ); ſo kann der Glaͤubiger eine ihm verpfaͤndete Sa - che einem andern, ohne Wiſſen ſeines Schuldners, fuͤr eben ſeine Schuld, je - doch nicht fuͤr eine groͤſſere Schuld, verpfaͤnden. Woferne man es aber anders verabredet; ſo kann ohne un - ſer Wiſſen die von uns verpfaͤndete Sache nicht einem andern verpfaͤndet werden (§. 438.).

§. 701.

Wenn ei - ne Sache zwey - mahl verpfaͤn - det wor - den.

Weil das Recht, was einer auf eine ver - pfaͤndete Sache hat, ihm vom Schuldner nicht genommen werden kann (§. 100.); ſo kann eine uns verpfaͤndete Sache ei - nem andern nicht anders verpfaͤndet werden, als daß unſer Recht unbe - ſchaͤdigt bleibet; folglich wenn beyde Glaͤubiger davon nicht befriediget werden koͤnnen, ſo gehet der erſte dem andern vor.

§. 702.485Von dem Pfande.

§. 702.

Weil einem das Pfand nur zur SicherheitVon dem Gebꝛauch des Pfan - des und dem da - bey ver - urſachten Scha - den. der Schuld uͤbergeben wird (§. 697.); ſo darf der Glaͤubiger das Pfand nicht gebrauchen (§. 317.), wenn ihm der Gebrauch deſſelben nicht von dem, welchem es gehoͤrt, eingeraͤumt wird; welches durch einen beſonderen dazu kommen - den Vertrag geſchieht (§. 195.). Wenn das Pfand entweder vorſaͤtzlich, oder aus Verſehen des Glaͤubigers verloh - ren geht, oder verſchlimmert wird; ſo muß er den Schaden dem, der es ver - pfaͤndet hat, erſetzen (§. 270.): Weil es aber doch wegen des Schuldners, der es verpfaͤndet hat, bey dem Glaͤubiger ſich be - findet; ſo darf dieſer, wenn ein Ungluͤck geſchiehet, dafuͤr nicht ſtehen. Allein da dieſer Grund aufhoͤret, wenn der Glaͤu - biger an dem Verzuge das Pfand wie - derzugeben ſchuld iſt; ſo muß er fuͤr den zufaͤlligen Schaden ſtehn, als wel - cher ſich nicht ereignet haͤtte, wenn es waͤre wiedergegeben worden (§. 419.). Weil aber das Pfand zur Sicherheit der Schuld verſetzet, die verpfaͤndete Sache aber nicht fuͤr die Schuld gegeben wird (§. 697.); ſo bleibt der Schuldner nichts deſto weniger dem Glaͤubiger verbindlich, wenn das Pfand durch ein Ungluͤck verdirbt, oder ſo verſchlimmert wird,H h 3daß486II. Theil 15. Hauptſtuͤck. daß der Glaͤubiger dadurch zu dem Seinen nicht gelangen kann.

§. 703.

Von den Unkoſten, die aufs Pfand verwen - det wor - den.

Da das Pfand durch ein Verſehn des Glaͤubigers nicht untergehen, oder verſchlim - mert werden darf (§. 702.); ſo iſt der Glaͤubiger ſchuldig die nothwendigen Unkoſten auf daſſelbe zu verwenden (§. 297.), welche von dem, der es ver - pfaͤndet hat, wiedergegeben werden muͤſſen (§. 271.).

§. 704.

Vom Contract des Pfandes und der Hypo - thecke.

Der Contract des Pfandes (contra - ctus pignoris) wird derjenige genannt, wo - durch der Schuldner, oder ein anderer an ſei - ner ſtatt in einer ihm zugehoͤrigen Sache die Pfandgerechtigkeit, oder Hypothecke einraͤu - met; und denn wird es ein verabredetes Pfand und Hypothecke genannt (pignus conventionale, hypotheca conventionalis). Es iſt aber die Hypothecke entweder eine beſondere, welche auf eine gewiſſe Sache insbeſondere, z. E. auf ein Haus, ein Gut, oder eine Bibliothecke, oder in gewiſſen Sa - chen zuſammen genommen gegeben wird; oder eine allgemeine Hypothecke (hypotheca generalis), da man einem ſein gantzes Vermoͤ - gen, ſo wohl das gegenwaͤrtige, als das zu - kuͤnftige, verpfaͤndet; folglich begreift die - ſelbe ſo wohl die Rechte, als auch die ausſtehenden Schulden mit in ſich (§. 207.).

§. 705.487Von dem Pfande.

§. 705.

Weil der Schuldner, was er ſchuldig iſt, zuVon der natuͤrli - chen Ver - pfaͤn - dung. leiſten verbunden (§. 336.), folglich wenn dieſes nicht geſchehen kann, als wenn er et - was von dem Seinigen verkauft, er auch etwas zu verkaufen ſchuldig iſt, der Glaͤubiger aber das Recht hat ihn zur Zahlung der Schuld anzuhalten (§. cit. ), und deswegen auch das Recht ihn anzuhalten, etwas von dem Sei - nigen, oder, wenn es noͤthig iſt, alles zu ver - kaufen; ſo hat von Natur ein jeder ein Recht zu dem Vermoͤgen des Schuld - ners, daß, wenn die Schuld nicht zu gehoͤriger Zeit bezahlt wird, er davon befriediget wird; folglich iſt von Na - tur das Vermoͤgen des Schuldners fuͤr jede Schuld verpfaͤndet. Wenn zu die - ſer natuͤrlichen Verbindlichkeit die durch den Contract des Pfandes erhaltene dazu kommt, wodurch entweder einige Sachen beſonders, oder das gantze Vermoͤgen verpfaͤndet werden (§. 514.); ſo geht, weil die ſtaͤrckere Ver - bindlichkeit die ſchwaͤchere uͤberwindet, die verabredete Verpfaͤndung der natuͤrli - chen vor.

§. 706.

Da die Sachen des Schuldners ſchon vonWenn man ein Pfand wegen ei - ner an - dern Schuld Natur fuͤr ſeine Schulden verpfaͤndet ſind (§. 705.); ſo kann das Pfand, wenn es der Schuldner ausloͤſet, wegen einer an - dern Schuld innen behalten werden. Und weil das Pfand zur Sicherheit derH h 4Schuld488II. Theil 15. Hauptſtuͤck. zuruͤcke behaͤlt.Schuld gegeben wird (§. 697.), und folg - lich der Werth der verpfaͤndeten Sache die Schuld ſelbſt weit uͤbertreffen kann; ſo kann der Glaͤubiger das gantze Pfand, wenn ein Theil der Schuld, es ſey auf was fuͤr Weiſe es wolle, getilget wird, fuͤr den uͤbrigen Theil, er mag ſo kleine ſeyn wie er will, behalten, und iſt nicht ſchuldig eins von geringerem Werth anzunehmen.

§. 707.

Von der Aufhe - hung des Pfandes und der Hypo - thecke.

Das Pfand oder die Hypotheck wird aufgehoben (pignus, vel hypotheca ſolvi - tur), wenn die verpfaͤndete Sache von ihrer Verbindlichkeit befreyet wird. Wenn alſo das Pfand aufgehoben wird; ſo hat der Glaͤubiger kein Recht mehr darauf. Da es auf den Willen des Glaͤubigers an - kommt, ob er dem Schuldner ohne Pfand oder Hypothecke trauen will; ſo iſt das Pfand oder die Hypothecke aufgeho - ben, wenn der Glaͤubiger ſein Recht darauf erlaͤßt; jedoch iſt daraus nicht zu ſchlieſſen, daß er auch die Schuld erlaſſen wollen. Es erhellet aber an und vor ſich ſelbſt, daß das Pfand, oder die Hypotheck aufgehoben wird, wenn die verpfaͤndete Sache untergehet, als auf welcher das Recht des Glaͤubigers haftet (§. 697.).

§. 708.

Was ei - ne Ser -

Wenn einem ein Recht in einer fremdenSache489Von den Servituten. Sache eingeraͤumet wird, vermoͤge deſſen dervitut und wie viel - fach ſie ſey. Eigenthumsherr zu des andern Nutzen etwas leiden, oder unterlaſſen muß, ſo wird dieſes eine Servitut (ſervitus) genannt; und denn ſagt man, daß die Sache, in welcher das Recht eingeraͤumet worden, dem andern dienſtbahr ſey (ſervire), der den Nutzen davon hat. Wenn die Sache einer gewiſſen Perſon dienſtbahr iſt, ſo heißt es eine per - ſoͤnliche Servitut (ſervitus perſonalis); wenn ſie aber der Sache eines andern, oder dem Beſitzer derſelben, er mag ſeyn wer er will, dienſtbahr iſt, ſo wird es eine Servitut der Sache (ſervitus realis) genannt. Es iſt dieſe entweder eine bejahende (affirma - tiva), vermoͤge welcher der Eigenthumsherr der dienſtbahren Sache leiden muß, daß der andere etwas thut; oder eine verneinende (negativa), vermoͤge welcher der andere nicht zu leiden ſchuldig iſt, daß er etwas thue.

§. 709.

Es iſt aber zu bemercken, daß ein GutVon den Guͤtern und den Servitu - ten der Guͤter. (prædium) eine jede unbewegliche Sache ge - nennt wird, welche man wegen einer gewiſ - ſen Frucht, die ſie uns gewehret, oder wegen eines Nutzen, der nach Gelde geſchaͤtzt wer - den kann, und den Fruͤchten gleich iſt, be - ſitzet. Da der Gebrauch einer Sache an - ders auf dem Lande beſchaffen iſt (uſus ruſticus), welcher zum Ackerbaue, oder zur Landwirthſchaft, es mag ſeyn auf was vor Art und Weiſe es wolle, gehoͤret: anders inH h 5der490II. Theil 15. Hauptſtuͤck. der Stadt (urbanus), welcher zur Bewoh - nung, zum Handel und Handthierungen gehoͤrt; ſo iſt ein Landgut (prædium ruſticum) dasjenige, welches einen Gebrauch, der auf dem Lande noͤthig iſt, hat; ein Stadtgut (prædium urbanum) aber dasjenige, welches einen Gebrauch hat, der in der Stadt noͤ - thig iſt. Derowegen da die Landguͤter und Stadtguͤter bloß durch den Gebrauch, wel - chen ſie haben, unterſchieden werden, nicht aber durch den Ort, wo ſie liegen; ſo giebts nicht weniger Landguͤter in der Stadt, als Stadtguͤter auf dem Lande. Da - her werden die Servituten der Sache auch Servituten der Guͤter (ſervitutes præ - diales) genannt. Und es heißt eine Ser - vitut der Stadtguͤter (ſervitus prædio - rum urbanorum), wenn ein gewiſſer Ge - brauch von einem andern Gute zum Nutzen eines Stadtguts geleiſtet wird: Eine Ser - vitut eines Landguts (ſervitus prædio - rum ruſticorum) aber, wenn er von einem andern Gute zum Vortheil eines Landgutes geleiſtet wird. Daher kann eine und eben dieſelbe Servitut eine Servitut eines Stadtguts und eines Landguts ſeyn, nachdem ſie naͤmlich einem Landgute, oder ei - nem Stadtgute dienſtbahr iſt. Bey der Ser - vitut der Guͤter heiſt dasjenige das dienſtbah - re Gut (prædium ſerviens), welches einem andern Dienſte leiſtet; das herrſchende aber (prædium dominans), welchem das anderedient.491Von den Servituten. dient. Der liegende Grund, welcher die Servitut ſchuldig iſt, heiſt ein dienſtbah - rer (fundus ſervus); der aber keine Servi - tut auf ſich hat, ein freyer Grund (liber). Den beſten Grund (optimus) pflegt man zu nennen, welcher von aller Servitut und Hypothecke befreyet iſt.

§. 710.

Da die Servitut ein Recht iſt, welchesWer Servitu - ten aufle - gen und erlaugen kann. dem andern in einer Sache eingeraͤumt wird (§. 708.); ſo kann niemand als der Ei - genthumsherr in ſeiner Sache einem andern eine Servitut einraͤumen (§. 260.), und es beruhet auf ſeinem le - diglichen Willen, ob und unter was vor Bedingungen er ſie einraͤumen will (§. 314.); folglich iſt es nicht er - laubt dieſer Bedingung zuwider etwas zu unternehmen (§. 438.). Und weil der, welcher ein wiederrufliches Eigen - thum hat, die Sache eben ſo, wie er ſie be - kommen, wiedergeben muß (§. 314.), folg - lich frey, wenn ſie frey geweſen; ſo kan der - ſelbe ſeinem Gute keine Servitut auf - legen, als dergeſtalt, daß ſie nach dem Wiederruf des Eigenthums aufhoͤrt. Weil aber niemand ohne Annehmung ein ge - wiſſes Recht erhalten kann (§. 316.); ſo kann auch niemand fuͤr ein Gut, ſo nicht ſein iſt, eine Servitut erhalten. Weil endlich ein jeder ſein Recht erlaſſen, oder ſich deſſelben begeben kann (§. 342.); ſo kannauch492II. Theil 15. Hauptſtuͤck. auch der Eigenthumsherr des herr - ſchenden Guts eine Servitut erlaſſen. Die Guͤter werden wie Perſonen betrachtet, deren eine der andern zu etwas verbunden iſt; und die ietzigen Eigenthumsherren der Guͤter ſtellen die Guͤter vor, von welchen die Ver - bindlichkeiten und Rechte, welche auf den Guͤ - tern haften, auf ſie kommen.

§. 711.

Wie viel es Arten von Ser - vituten giebt.

Weil eine Servitut zu dem Ende eingeraͤu - met wird, daß der, dem ſie eingeraͤumet wird, durch eine einem andern zugehoͤrige Sache ei - nen gewiſſen Nutzen erhaͤlt (§. 708.); ſo giebt es ſo viel Arten der Servitut, als auf wie vielerley Art und Weiſe eine gewiſſe Perſon, oder ein gewiſſer Beſitzer eines Gutes durch eine einem andern zugehoͤrige Sache, oder durch eines andern Gut einen Nutzen ha - ben, oder den Genuß von Fruͤchten erhalten kann.

§. 712.

Von den Arten der Ser - vituten der Guͤ - ter.

Die gewoͤhnlichen Servituten der Guͤter haben in dem buͤrgerlichen Rechte einen Nah - men bekommen. Alſo nennt man die Servi - tut eines zu tragenden Gebaͤudes (ſer - vitus oneris ferendi), wenn die Wand unſers Nachbars, oder eine Saͤule deſſelben eine Laſt von unſerm Gebaͤude unterſtuͤtzen muß; derjenige alſo, der die Servitut ſchuldig iſt, muß ſie im baulichen We - ſen erhalten. Da aber zur Erhaltung imbauli -493Von den Servituten. baulichen Weſen, oder zur Ausbeſſerung der Wand und der Saͤule die Unterſtuͤtzung des Hauſes, ſo darauf ruhet, nicht gehoͤret; ſo muß der Eigenthumsherr des herrſchenden Guts auf ſeine Koſten das ſinckende Haus unterſtuͤtzen. Die Servitut von einem einzufugenden Balcken (das Tram - recht ſervitus tigni immittendi) nennt man, wenn einem erlaubt iſt einen Balcken, oder etwas anders, was zum Sparrwerck des Hau - ſes dient, in des Nachbars Wand zu legen, daß es darauf ruhe; daher entſteht eben die Verbindlichkeit bey dem Eigen - thuͤmer des dienſtbahren Guts, die wir zuvor angezeigt haben. Ferner nennt man die Servitut des Weiterheraus - bauens (ſervitus projiciendi), wenn ein Gebaͤude uͤber des andern Grund und Boden, oder was auf denſelben gebaut iſt, heruͤber ge - het, gleichwohl aber auf dem Gebaͤude des Nachbars nirgends ruhet. Die Servitut nicht hoͤher zu bauen (ſervitus altius non tollendi) iſt, wenn der Eigenthuͤmer des herr - ſchenden Guts verbieten kann, daß der Ei - genthuͤmer des dienſtbahren ſein Gebaͤude nicht hoͤher auffuͤhren darf: im Gegentheil kann man die Servitut hoͤher zu bauen (ſervitus altius tollendi) nennen, wenn einer zum Vortheil des Nachbars kein niedrigers Gebaͤude haben darf, als er itzt hat. Die Servitut der Lichts (ſervitus luminum) nennt man die, wenn einer leiden muß, daßman494II. Theil 15. Hauptſtuͤck. man in ſeiner oder einer gemeinſchaftlichen Wand Fenſter machen darf, die in des an - dern Hof gehen, um Licht in ſeinem Gebaͤu - de zu haben; die Servitut der Ausſicht (ſervitus proſpiciendi, ſeu proſpectus), wenn der Nachbar leiden muß, daß wir Fen - ſter in unſerem Gebaͤude haben, daraus man in ſeines ſehen kann. Man nennt aber er - leuchtende Fenſter (feneſtræ luciferæ), wodurch das Licht in unſere Gebaͤude faͤllt; hingegen Fenſter zur Ausſicht (feneſtræ proſpectivæ), wodurch wir eine Ausſicht in Oerter haben, die einem andern zugehoͤren, z. E. in ſeinen Hof, oder Garten. Die Ser - vitut das Licht nicht zu benehmen (ſer - vitus ne officiatur luminibus) nennt man, wenn einer in ſeinem Gut nichts machen darf, wodurch einiges Licht, was wir in un - ſerm Gebaͤude haben, verdunckelt oder ver - mindert wird; die Servitut aber die Ausſicht nicht zu hindern (ſervitus ne proſpectui officiatur), wenn man nichts ma - chen darf, wodurch die freye Ausſicht auf alle Oerter, die dem Nachbar angenehm und zu ſeinem Vergnuͤgen dienen, auf einige Wei - ſe verhindert wird. Die Servitut die Traufe abzuwenden, oder herzuleiten (ſervitus ſtillicidii avertendi, vel recipiendi), wenn einer gehalten iſt zu leiden, daß der Nachbar das Regenwaſſer, welches von ſei - nem Dache troͤpfelt, oder durch Rinnen her - abfließt, auf ſein Dach, ſeinen Grund undBoden,495Von den Servituten. Boden, oder Abtritt leitet; die Servitur aber die Traufe nicht wegzunehmen (ſervi - tus ſtillicidii non avertendi) wenn er ſeine Traufe nicht anders, als in unſer Haus, oder in unſern Garten leiten darf. Die Servi - tut eine Goſſe durch des andern Haus zu fuͤhren (ſervitus cloacæ immittendæ), wenn er leiden muß, daß der Nachbar den Unflat, welcher ſich auf dem Grund und Bo - den des andern geſammlet hat, durch ſeinen Grund und Boden abfuͤhret; die Servi - tut einen Abtritt zu leiden (ſervitus cloacæ habendæ), wenn der Nachbar leiden muß, daß wir einen Abtritt an ſeiner Wand ha - ben. Daher verſteht man auch, was die Ser - vitut eine Miſtgrube zu leiden (ſervitus ſterquilinii habendi) ſey. Der Durchgang (Fußſteig, iter) iſt die Servitut, da wir zu leiden gehalten ſind, daß jemand durch unſer Gut zu ſeinem Gute um dieſes Guts willen gehen darf: Gehen (ire) aber ſagt man im Rechte auch von dem, der mit fremden Fuͤſſen gehet, z. E. wenn einer reitet, oder in der Saͤnfte getra - gen wird. Der Trieb (actus) iſt die Ser - vitut, da man leiden muß, daß der Eigenthuͤ - mer eines andern Guts Laſtvieh, oder einen Wagen durch das dienſtbahre Gut fuͤhren darf; und dieſer iſt entweder der voͤllige (plenus) wenn man auch mit angeſpannten Pferden, oder Ochſen durchfahren darf; oder der nicht voͤllige (minus plenus), wenn man bloß das Vieh durchtreiben, aber nicht mit einem ange -ſpann -496II. Theil 15. Hauptſtuͤck. ſpannten Wagen fahren darf. Der Weg (Fahrweg, via) iſt die Servitut, da man nicht allein leiden muß, daß jemand durch ſein Gut gehet, oder Vieh treibet, ſondern auch zu ſeinem Gute, als dem herrſchenden fahren, tragen und ſchleppen darf, was man zum Be - ſten ſeines Gutes noͤthig hat. Das Waſſer - ſchoͤpfen (aquæ hauſtus) iſt die Servitut, da man leiden muß, daß ein anderer aus ſeinem Brunnen, oder aus einem Ort der ihm zuge - hoͤrt, zur Beduͤrfnis ſeines liegenden Grun - des Waſſer ſchoͤpft; die Waſſerleitung (aquæ ductus) aber da man leiden muß, daß einer durch ſeinen Grund und Boden Waſſer zu dem ſeinigen leiten darf, es geſchehe auf was Art und Weiſe es wolle; und die Ser - vitut Waſſer abzuleiten (ſervitus aquæ educendæ) iſt, da man leiden muß, daß einer das uͤberfluͤßige und unnuͤtze Waſſer aus ſei - nen liegenden Grunde durch unſern ableite. Die Traͤncke (pecoris ad aquam appul - ſus) iſt die Servitut, da man leiden muß, daß das Vieh von einem andern Gute, um daſſelbe zu traͤncken zu unſerm Brunnen, oder zu un - ſerm Waſſer getrieben wird. Das Recht der Trift (jus paſcendi) iſt die Servitut, da man leiden muß, daß jemand das Vieh von ſeinem Gute auf unſerm weidet. Das Recht Kalck zu brennen (jus calcis coquendæ) iſt die Servitut, da man leiden muß, daß einer auf unſerm Grund und Boden, zur Be - qvemlichkeit ſeines Guts, Kalck brennen darf. Was497Von den Servituten. Was aber das Recht ſey Sand zu graben, Steine zu brechen, verdorrte Aeſte zu ſammlen, Eicheln aufzuleſen, zu jagen, verſteht man aus den bloſſen Nahmen. Aber das Recht Pfaͤhle zu nehmen (jus peda - menta ſumendi) iſt die Servitut, da wir leiden muͤſſen, daß einer aus unſerm Walde, oder Hoͤltzern Pfaͤhle vor Baͤume, oder Wein - ſtoͤcke, oder an Hopfen, oder Bonen Stangen nehmen darf. Aber das Recht Holtz zu holen (jus lignandi) iſt die Servitut, da man leiden muß, daß einer zu einem gewiſ - ſen Gebrauche Holtz zum Nutzen ſeines Guts in unſerem Walde, oder Hoͤltzern ſchlagen darf. Von allen dieſen Gerechtigkeiten verſteht es ſich, daß alles dieſes dem herrſchenden Gute verwilliget worden, ohne wel - ches es ſich ſeines Rechtes nicht bedie - nen koͤnte, indem ſonſt die Servitut unnuͤ - tze ſeyn wuͤrde; wie auch daß das Recht des herrſchenden Guts durch eine Be - dingung, die dem Einraͤumen hinzu - gefuͤgt worden, auf alle moͤgliche Wei - ſe erweitert und eingeſchraͤnckt wer - den koͤnne (§. 710.).

§. 713.

Was von den Servituten, oder Dienſtbar -Von dem Nieß - brauch. keiten der Sachen bis hieher geſagt worden, gilt auch von den perſoͤnlichen. Unter den - ſelben hat einen beſondern Vorzug der Nieß - brauch (uſusfructus), welcher eine perſoͤn - liche Servitut iſt, da der Eigenthuͤmer lei -Nat. u. Voͤlckerrecht. J iden498II. Theil 15. Hauptſtuͤck. den muß, daß ein anderer ſeine Sache nu - tzet und gebraucht, doch ſo, daß die Sache ſelbſt unbeſchaͤdiget bleibe. Wer den Nieß - brauch hat, iſt der Uſufructuarius (Frucht - nieſſer), der zuweilen auch fructuarius ge - nannt wird. Die Proprietaͤt bleibt alſo bey dem Eigenthumsherrn; folglich was der Eigenthumsherr vermoͤge der Proprietaͤt thun kan, daß iſt dem Uſu - fructuario nicht erlaubet. Derowegen kann er die Sache nicht veraͤuſſern (§. 257.), nicht veraͤndern (§. 256.), nicht verpfaͤnden (§. 700.), derſelben keine Servitut auflegen (§. 710.): Aber mit dem Nießbrauch, indem derſelbe ein ihm eigenes Recht iſt, kann er nach ſeinem Belieben thun, was ihm gefaͤllt (§. 195. 206.). Es erhellet auch, daß man die Sache nicht anders nutzen kann, als wie ſie iſt; und es iſt nicht weniger of - fenbahr, daß man den Nießbrauch in allen beweglichen und unbeweglichen, auch unkoͤrperlichen Sachen, welche man nutzen und gebrauchen kann, ein - raͤumen koͤnne, doch ſo, daß dieſelbe noch unverſehret uͤbrig bleiben, und zwar unter einer Bedingung, die dem - jenigen, der das Recht einraͤumet, ge - faͤllt (§. 314.).

§. 714.

Von zweifel - haften

Weil die Metalle und Ertze (minera - lia) nicht in einer kurtzen Zeit wieder wach -ſen;499Von den Servitutenſen; ſo werden ſie nicht als Fruͤchte des lie -Sachen, ob ſie un - ter dem Nieß - brauch begriffen ſind. genden Grundes betrachtet, ſondern ſie gehoͤ - ren vielmehr zur Subſtantz deſſelben, und al - ſo nicht zum Nießbrauch (§. 713.). Eben dieſes verſteht ſich, aus eben der Urſache, von den alten Baͤumen, deren Fruͤchte, wenn ſie einige tragen, zum Nieß - brauch gehoͤren (§. cit.). Weil aber das Niederholtz (ſylva cedua), wenn es abge - hauen worden, aus Staͤmmen und Wurtzeln in einer kurtzen Zeit wieder waͤchſt, und deſ - ſen Gebrauch allein in dem Abhauen beſteht; ſo gehoͤret es zum Nießbrauch. Naͤm - lich nach der Weiſe kann der Uſufru - ctuarius Holtz abhauen, wie der, der den Nießbrauch erlaubt, damit ver - fahren, oder welche durch die Ge - wohnheit erlaubt iſt. Wenn es dero - wegen auch gewoͤhnlich iſt, daß in einem Wald, wo kein Niederholtz iſt, Staͤm - me in gewiſſer Anzahl jaͤhrlich gefaͤllet werden, ſo kann ſie auch der Uſufru - ctuarius in eben der Anzahl faͤllen; folglich ſind die Baͤume, die der Wind umgeriſſen hat, des Eigenthumsherrn, und nicht des Uſufructuarii, der ſie aber, wenn es der Eigenthumsherr haben will, anſtatt derer, die er haͤtte faͤllen koͤnnen, anzunehmen ſchuldig iſt; indem der Eigenthumsherr auf ſolche Weiſe von dem Wald ſelbſt die EinrichtungJ i 2macht,500II. Theil 15. Hauptſtuͤck. macht, daß er, dem Recht des Uſufructua - rii unbeſchaͤdigt, nicht verſchlimmert wird.

§. 715.

Was dem Uſu - fructua - rio nach geendig - tem Nieß - brauche verblei - bet.

Da nach der Endigung des Nießbrauchs die Sache, die dieſem Rechte unterworffen war, von dem Uſufructuario wiedergegeben werden muß (§. 713.); ſo muß, woferne der Nießbrauch in einer Heerde Vie - hes beſtanden, an ſtatt des verreckten Viehes, oder des verkauften, anderes angeſchafft werden. Und da nach ge - endigtem Nießbrauche das Recht des Uſufructuarii aufhoͤret; ſo ſind die zu der Zeit hangende Fruͤchte des Eigen - thumsherrn. Weil aber die Fruͤchte des Fleißes nicht weniger Fruͤchte des Fleißes, als des Grundes und Bodens ſind (§. 226.); ſo ſind dieſelbe nach geendigtem Nieß - brauche nach Proportion gemeinſchaft - lich, ſo viel als naͤmlich der Gebrauch des Grundes und die Arbeit und Be - muͤhung des Uſufructuarii gilt. Glei - chergeſtalt weil die Einkuͤnfte, welche wegen des Gebrauchs, der beſtaͤndig erhalten wird, gezahlt werden, der Zeit proportional ſind; ſo muͤſſen dieſel - ben, wenn der Nießbrauch vor der Zeit, da ſie bezahlt werden, geendet wird, nach Proportion der Zeit un - ter den Uſufructuarius und den Ei - genthuͤmer getheilt werden. Die Ein - kuͤnfte aber, welche von einem Rechtein501Von den Servituten. in einer Sache (jure in re) herruͤhren, z. E. die Zehenden, indem ſie vor der Zeit, da ſie gefaͤllig ſind, den haͤngenden Fruͤchten gleich geſchaͤtzt werden, gehoͤren dem Ei - genthuͤmer zu.

§. 716.

Weil die Fruͤchte dem Uſufructuario gehoͤ -Wen das Ungluͤck trift. ren, die Sache aber, darauf das Recht deſ - ſelben haftet, des Eigenthuͤmers iſt (§. 713.); ſo hat den Schaden in den Fruͤchten der Uſufructuarius, den in der Sache aber der Eigenthuͤmer.

§. 717.

Aus eben dieſer Urſache muß der Uſu -Von den Abgaben und Auf - wande. fructuarius alle Abgaben, ſo wohl die ordentlichen, als auſſerordentlichen, die in Anſehung der Fruͤchte und Ein - kuͤnfte abgetragen werden muͤſſen, be - zahlen, und was der Fruͤchte wegen aufgewandt werden muß, auf ſich nehmen: Wenn aber die auſſerordent - lichen Abgaben mehr betragen, als die Fruͤchte, weil ſichs alsdann verſtehet, daß ſie nicht bloß der Fruͤchte, ſondern auch der Sachen wegen aufgelegt worden; ſo muß der Eigenthuͤmer das abtragen, was mehr als die Fruͤchte austraͤgt. Naͤm - lich was der Eigenthuͤmer allein thun muͤſte, wenn er mit voͤlligem Recht die Sache haͤt - te, das muß der Uſufructuarius und der Ei - genthumsherr zuſammen thun.

J i 3§. 718.502II. Theil 15. Hauptſtuͤck.

§. 718.

Wenn der Nieß - brauch geendet wird.

Da der Nießbrauch ein perſoͤnliches Recht iſt (§. 713.); ſo hoͤrt es mit dem Tode auf (§. 400.). Es hoͤrt auch auf, wenn es der Uſufructuarius erlaͤßt; und da eine Sache, die nicht mehr vorhan - den, nicht genutzt und gebraucht werden kann; ſo geſchieht es auch durch den Unter - gang der Sache. Endlich auch nach Verfließung der Zeit, auf die er ein - geraͤumet worden (§. 317.). Daher folgt, daß wenn ein Haus, weil es alt iſt, ein - faͤllt, oder abbrennt, und ein neues erbauet wird, der Uſufructuarius kei - nen Nießbrauch an demſelben hat.

§. 719.

Von dem Nieß - brauch aͤhnlichen Rechte.

Ein dem Nießbrauch aͤhnliches Recht (quaſi uſusfructus) wird die perſoͤn - liche Servitut genannt, da man leiden muß, daß einer eine ihm zugehoͤrige Sache, die durch den Gebrauch verzehrt wird, genieſſen und gebrauchen darf, ſo daß er nach geendig - tem ſeinem Rechte entweder eine Sache von der Art, oder den Werth derſelben wieder - geben muß. Weil das Eigenthum der Sa - che auf den gebracht werden muß, der dieſes Recht haben ſoll (§. 195. 198. ); ſo faͤllt auch auf ihn der Schade, der ſich in der Sache zufaͤlliger Weiſe ereignet.

§. 720.

Von Veꝛſchaf - fung der

Da zur Sicherheit einer Schuld die Buͤrg - ſchaft (§. 569.) und die Verpfaͤndung zu ei -ner503Von den Servituten. ner jeden verbindlichen Handlung hinzukom -Sicher - heit. men kann (§. 697.); ſo iſt, wofern zu be - fuͤrchten, es moͤchte nach geendigtem Qvaſiuſufructu der Qvaſiuſufructua - rius die Sache nicht wiedergeben, oder auch der Uſufructuarius nicht leiſten koͤnnen, wovor er nach geendetem Nießbrauche dem Eigenthuͤmer haf - ten muß, ein jeder von beyden entwe - der durch Buͤrgen, oder durch eine Hy - potheck eine Caution zu machen ſchul - dig. Wenn aber jemand keine Caution machen kann; ſo muß, weil man nieman - den wider ſeinen Willen ſein Recht nehmen kann (§. 100.), die Sache, von welcher einer den Nießbrauch, oder gleichſam den Nießgebrauch hat, fuͤr ein gewiſ - ſes Geld, welches dem Uſufructuario, oder Qvaſifructuario gegeben wird, entweder dem Eigenthuͤmer, wenn er will, oder einem dritten uͤberlaſſen werden.

§. 721.

Der Gebrauch (uſus) iſt eine perſoͤnli -Vom Ge - brauch. che Servitut, da einer leiden muß, daß ein anderer ſeine Sache, ſie mag fruchtbar ſeyn, oder nicht, doch ſo daß die Sache unbeſchaͤ - digt bleibt, brauchen darf. Man ſagt naͤm - lich in der Bedeutung des roͤmiſchen Rechts, daß einer eine Sache gebrauche, der davon ſo viel von den Nutzungen und Einkuͤnften er - haͤlt, als er mit den Seinigen zur NothdurftJ i 4und504II. Theil 15. Hauptſtuͤck. und Beqvemlichkeit des Lebens bedarf. Der, welchem der Gebrauch eingeraͤumt wird, wird der Uſuarius genannt. Da aber dieſer Ge - brauch gewiß ſeyn, das Recht aber, welches dem Uſuario zukommt, nach dem Wil - len deſſen, der es ihm einraͤumet, beurtheilt werden muß (§. 314.); ſo muß natuͤrli - cher Weiſe der, welcher den Gebrauch einraͤumet, beſtimmen, wie derſelbe ſeyn ſoll. Man nennt aber den voͤlligen Gebrauch (uſus plenus), wenn einer aus einer einem andern zugehoͤrigen Sache alles nehmen kann, was zur Nothdurft und Beqvemlichkeit des Lebens erfordert wird; den nicht voͤlligen aber (minus plenus), nach welchem ein gewiſſer Theil der Nutzung einer Sache dem Uſuario zur Erleich - terung der Lebensnothdurft beſtimmet wird. Der voͤllige Gebrauch wird alſo nach der Beduͤrfniß des Uſuarii beſtimmt. Derowegen da der voͤllige Gebrauch an ſich unbeſtimmt, der nicht voͤllige Gebrauch aber beſtimmt iſt; ſo kann der nicht voͤllige Ge - brauch einem andern uͤberlaſſen wer - den, der voͤllige Gebrauch aber nicht. Da der Uſuarius nur das Recht hat von den Fruͤchten ſo viel zu nehmen, als zu ſeiner Nothdurft hinreicht, der Eigenthuͤmer aber das Recht zu den Fruͤchten hat; ſo darf der Uſuarius das Feld nicht bauen, ſon - dern der Eigenthumsherr muß dieſes beſorgen. Wofern aber der Gebrauchohne505Von den Servituten. ohne Unkoſten nicht erhalten werden kann, z. E. wenn der Gebrauch der Ochſen zum pfluͤgen erlaubt worden; ſo fallen, da ein ſolcher Gebrauch ſich verſtehet dergeſtalt erlaubt zu ſeyn, wie er erhalten werden kann, die Unkoſten auf den Uſuarius, z. E. das Futter fuͤr die Ochſen. Uebrigens erhel - let aus der Vergleichung der Begriffe, daß es ſich nicht widerſpricht, wenn man in einer und derſelben Sache einem den Gebrauch, dem andern den Nieß - brauch einraͤumet.

§. 722.

Ein dem Gebrauch aͤhnliches RechtVon dem Gebrau - che aͤhn - lichen Rechte. (quaſi uſus) iſt, den man von einer Sache, die verbraucht wird, erhaͤlt. Da eben die - ſelbe Sache nicht wiedergegeben werden kann; ſo muß nach Endigung des Rechtes eine an - dere von eben der Art wiedergegeben werden; z. E. wenn uns der Gebrauch vom Gelde er - laubt wird, welches wir entweder zu unſerm Nutzen anwenden, oder auf Zinſen austhun koͤnnen.

§. 723.

Die Wohnung (habitatio) iſt eine per -Von der Woh - nung. ſoͤnliche Servitut, da der Eigenthumsherr leiden muß, daß ein anderer ſein gantzes Haus, oder einen Theil deſſelben bewohnet. Wem dieſe Servitut eingeraͤumet wird, heiſt der Bewohner (habitator). Da die Woh - nung von dem Nießbrauch des Hauſes unter - ſchieden wird; ſo muß der BewohnerJ i 5das506II. Theil 16. Hauptſtuͤck. das Haus, oder den Theil, welcher ihm erlaubt worden, ſelbſt und allein bewohnen: Er kann aber nicht dieſen oder jenen Theil einem andern vermie - then. Und weil das Recht das Haus zu bewohnen dem Eigenthuͤmer genommen und dem Bewohner uͤberlaſſen worden; ſo kann der Eigenthumsherr die leeren Theile des Hauſes nicht gebrauchen und nu - tzen, wenn der Bewohner ſie nicht al - le braucht. Da uͤbrigens das Recht des Bewohners aus dem Willen deſſen, der ihm das Recht verliehen, ermeſſen werden muß (§. 314.); ſo kann natuͤrlicher Weiſe die Wohnung auch alſo erlaubt werden, daß der Bewohner ſein Recht fuͤr eine gewiſſe Miethe vermiethen und dieſe genieſſen kann.

Das ſechzehnte Hauptſtuͤck.

Von der Erbnutzbarkeit eines Gutes / und ſonderlich dem Lehn.

§. 724.

Von der Erbnutz - barkeit eines Guts uͤber - haupt.

Die Erbnutzbarkeit eines Gutes (dominium utile) nennt man, wenn einer das Recht eine Sache zu ge - brauchen und zu nutzen voͤllig frey hat, die Proprietaͤt aber einiger maſſen einem andern zum Theil zukommt. Wer die Erbnutzbar - keit hat, iſt der Eigenthuͤmer der erbli -chen507Von der Erbnutzbarkeit. chen Nutzbarkeit (dominus utilis). Das Grundeigenthum (dominium directum) aber nennt man den Theil der Proprietaͤt, welcher durch die Einſchraͤnckung dem Eigen - thuͤmer der Erbnutzbarkeit benommen iſt, und einem andern zugehoͤrt. Wer das Grundei - genthum hat, iſt der Lehnherr (dominus di - rectus). Weil die Proprietaͤt das Recht die Sache zu veraͤuſſern und zu veraͤndern in ſich ſchließt (§ 198. 256. 257. ); ſo kann na - tuͤrlicher Weiſe die Proprietaͤt entwe - der in Anſehung des Rechts zu ver - aͤuſſern, oder in Anſehung des Rechts die Sache zu veraͤndern, oder in An - ſehung beyder eingeſchraͤnckt werden; folglich wenn das Recht zu veraͤuſſern eingeſchraͤnckt wird, ſo kann der Ei - genthuͤmer der erblichen Nutzbarkeit des Guts entweder die Sache gar nicht, oder bloß unter einer gewiſſen Bedin - gung veraͤuſſern. Es erhellet aber vor ſich, daß der Eigenthuͤmer der Erb - nutzbarkeit eines Guts allein allen Nu - tzen von der Sache hat. Weil uͤbri - gens das urſpruͤngliche Eigenthum ein voͤlli - ges Eigenthum iſt (§. 195. 198. ); ſo kann die Erbnutzbarkeit, oder auch das Grund-Eigenthum urſpruͤnglich nicht erlangt werden, als bloß durch einen Vertrag mit demjenigen, welcher das voͤllige Eigenthum hat (§. 314. 438. ), und der, welcher es dem andern ein -raͤu -508II. Theil 16. Hauptſtuͤck. raͤumet, kann eine Bedingung, welche ihm gefaͤllt, hinzuſetzen (§. 314.). Wenn die Erbnutzbarkeit einem eingeraͤumet wird, muß man hauptſaͤchlich auf zweyerley acht geben, naͤmlich auf das Geſetze, oder die Be - dingung, unter welcher es einem eingeraͤu - met wird, und auf das Geſetze, wodurch die Proprietaͤt eingeſchraͤnckt wird.

§. 725.

Was das Erbzins - recht iſt.

Das Erbzinsrecht (emphyteuſis) iſt die Erbnutzbarkeit eines Gutes, welches un - ter der Bedingung einer jaͤhrlichen abzutra - genden Zinſe zur Erkentniß des Grundeigen - thums eingeraͤumet worden, mit der auf eine gewiſſe Weiſe eingeſchraͤnckten Proprietaͤt. Die Sache, auf welcher das Erbzinsrecht beruhet, wird das Erbzinsgut (bonum em - phyteuticarium, res emphyteutica) genannt. Wer das Erbzinsrecht in einem Gute hat, iſt der Erbzinsmann (emphyteuta); derje - nige, von welchem er das Erbzinsrecht hat, iſt der Erb - und Lehnherr (dominus em - phyteuſeos). Die Zinſe, welche zur Er - kentniß des Grundeigenthums gezahlt wird, nennt man die Erbzinſe (canon emphy - teuticus); und der Lehncontract (contra - ctus emphyteuticus) iſt der, durch welchen das Erbzinsrecht eingeraͤumt und erlangt wird.

§. 726.

Von den Erbzin - ſen.

Weil die Erbzinſen zum Zeichen der Er - kentniß des Grundeigenthums gegeben wer -den509Von der Erbnutzbarkeit. den (§. 725.), folglich die Bezahlung derſel - ben nur beweiſet, daß der Erbzinsmann das Grundeigenthum bey dem Erbzinsgute er - kennt; ſo darf die Groͤſſe der Erbzinſe nicht dem Nutzen, welchen man aus dem Erbzinsgute erhalten kann, pro - portionirt werden; folglich da kein inne - rer Grund der Beſtimmung vorhanden, ſo muͤſſen dieſelben durch beyderſeitige Einwilligung des Erb - und Lehn - herrns und des Erbzinsmanns in dem Lehncontract beſtimmt werden. Da man dieſen halten muß (§. 438.); ſo darf die Erbzinſe wegen der Verbeſſerung, oder Vermehrung der Einkuͤnfte, oder weil ſie ſehr geringe iſt, nicht erhoͤhet werden; und es kann dieſelbe entwe - det in Gelde, oder in andern Sachen beſtehen, nachdem man es naͤmlich anfaͤng - lich verabredet hat. Da das Erbzinsrecht auf einem Contracte beruhet (§. 725.); ſo iſt der Erbzinsmann verbunden die Erbzinſe jaͤhrlich abzutragen (§. 514.), und der Erb - und Lehnhert hat das Recht ihn dazu anzuhalten (§. 80.); folglich wird wegen des unterlaſſenen oder geweigerten Abtrags der Erbzin - ſe das Erbzinsrecht nicht verlohren, wenn man es nicht ausdruͤcklich ver - abredet hat (§. 667.). Gleichergeſtalt er - hellet, daß weil die Erbzinſe nicht des Nu - tzens wegen gegeben wird, den man aus derSache510II. Theil 16. Hauptſtuͤck. Sache hat; ſo muß ſie gegeben werden, wenn man auch in dem Jahre wenig oder gar keinen Nutzen von dem Erb - zinsgute gehabt, woferne nicht aus - druͤcklich ausgemacht worden, daß die Erbzinſe in gewiſſen Faͤllen erlaſſen, oder vermindert werden ſoll (§. cit.). Weil das Recht die Erbzinſe zu fordern dem Erb - und Lehnherrn vermoͤge des Grundei - genthums zukommt, welches zu erkennen ſie gegeben wird (§. 725.), und es folglich ein Recht in der Sache, oder, wie es einige nennen, ein dinglich Recht iſt (jus in re) (§. 334.); ſo kann der Erb - und Lehn - herr die Erbzinſe, die der Erbzins - mann nicht gezahlt, von einem jeden Beſitzer fordern.

§. 727.

Von dem Erbzins - contract.

Da es bloß auf den Willen des Erb - und Lehnherrn, der das Erbzinsrecht einraͤumet, ankommt, unter was vor Bedingungen er die erbliche Nutzbarkeit des Guts einem uͤber - laſſen will (§. 314.); ſo muß in dem er - ſten Erbzinscontracte, worauf alles Erb - zinsrecht beruhet (§. 725.), beſtimmt wer - den, wie die Proprietaͤt eingeſchraͤnckt ſeyn ſoll, ſo wohl in Anſehung der Veraͤuſſerung, als auch in Anſehung der Veraͤnderung des Erbzinsguts (§. 256. 257. ), und alles uͤbrige, was durch die Natur des Erbzinsrechts nicht be - ſtimmt iſt, und alſo mehr als auf eine Weiſebeſtimmt511Von der Erbnutzbarkeit. beſtimmt werden kann. Daher folgt, daß alles Recht ſo wohl des Erb - und Lehn - herrns, als des Erbzinsmanns aus dem Contract ermeſſen werden muß, welcher mit dem gemacht worden, der das Erbzinsrecht zuerſt erhalten hat. Weil nun, wenn das Erbzinsgut veraͤuſſert wird, der neue Erbzinsmann den Erb - und Lehnherrn vor ſeinen Erb - und Lehnherrn er - kennen muß; ſo muß der Erbzinscon - tract mit dem neuen Erbzinsmanne erneuert werden. Unerachtet eben die - ſes gilt, wenn das Grundeigenthum veraͤuſſert wird; ſo iſt es dennoch, weil ſich der Erbzinsmann ausdruͤcklich verbind - lich machen kann, daß er nicht allein dem ge - genwaͤrtigen Erb - und Lehnherrn, ſondern auch einen jeden andern rechtmaͤßigen Nach - folger vor ſeinen Erb - und Lehnherrn erken - nen will, nicht ſchlechterdings noͤthig, wenn ſich der Erbzinsmann dazu ver - bindlich gemacht hat, daß er einen je - den rechtmaͤßigen Nachfolger des ge - genwaͤrtigen Erb - und Lehnherrn vor ſeinen Erb - und Lehnhetrn erkennen will.

§. 728.

Die Lehnwaare (laudemium) iſt dasVon der Lehn - waare. Geld, welches fuͤr die Erneurung des Erb - zinscontracts dem Grundeigenthumsherrn ge - geben werden muß. Jm Erbzinscontract muß die Groͤſſe der Lehnwaare ausge -macht512II. Theil 16. Hauptſtuͤck. macht werden, und ob ſie bloß denn bezahlt werden ſoll, wenn der Erb - zinsmann veraͤndert wird, oder auch wenn der Erb - und Lehnherr veraͤn - dert wird. Es erhellet aber wie vorher von der Erbzinſe (§. 726.), daß das Recht Lehnwaare zu fordern ein Recht in der Sache (jus in re) ſey, indem daſſelbe aus dem Grundeigenthume abſtammt, wel - ches unſtreitig ein Recht in der Sache iſt (§. 334.), damit daſſelbe nicht gantz ohne allen Nutzen ſey.

§. 729.

Wenn das Erb - zinsrecht geendet wird.

Da das Erbzinsrecht durch den Erb - zinscontract beſtimmt wird (§. 727.); ſo hoͤ - ret daſſelbe, wenn es auf gewiſſe Per - ſonen gerichtet wird, nach dem Ab - ſterben aller dieſer Perſonen auf: Wenn es aber auf eine gewiſſe Zeit gegeben wird, nach Verflieſſung dieſer Zeit, oder auch wenn der Erbzinsmann dem Erb - und Lehnherrn zu gefallen, oder dieſer dem Erbzinsmanne zu gefallen das Erbzinsrecht erlaͤßt (§. 337. 342.). Es erhellet aber an und vor ſich ſelbſt, daß das Erbzinsrecht auf hoͤrt, wenn das Erbzinsgut untergeht. Allein wenn der Erbzinsherr ohne Erben oder ei - nen Nachfolger ſtirbt; ſo wird, da das Grundeigenthum zu den Guͤtern des Grund - eigenthumsherrn gehoͤrt (§. 207.), natuͤrli - cher Weiſe daſſelbe eine Sache, die nie -manden513Von der Erbnutzbarkeit. manden zugehoͤret, und die ſich folglich einer zueignen kann (§. 210.); und des - wegen hoͤret das Erbzinsrecht nicht auf.

§. 730.

Wenn das Erbzinsrecht errichtet wird; ſoWas ge - ſchieht, wenn das Erbzins - recht auf - hoͤret. wird die Erbnutzbarkeit des Guts vom Grund - eigenthume entweder auf eine gewiſſe Zeit, oder ſo lange als rechtmaͤßige Nachfolger da ſeyn werden, nachdem es im Erbzinscontra - cte ausgemacht worden, abgeſondert (§. 727.). Es verſteht ſich derowegen, daß der, welcher das Recht eingefuͤhret, keinen andern Sinn gehabt habe, als daß nach Verflieſſung der Zeit, oder wenn kein rechtmaͤßiger Nachfol - ger mehr vorhanden, das Grundeigenthum mit der Erbnutzbarkeit des Guts wieder ver - einiget ſeyn ſoll; folglich wenn das Erb - zinsrecht auf hoͤret, ſo faͤllt die Erb - nutzbarkeit des Guts wieder dem Grundeigenthumsherrn anheim; und er wird alſo mir voͤlligem Rechte der Eigenthumsherr.

§. 731.

Das Erbzinsbarmachen (emphyteu -Vom Erbzins - barma - chen und Wieder - erbzins - barma - chen. ticatio) nennt man die Einraͤumung des Erb - zinsrechts in einer Sache, welche noch vom Erbzinsrecht frey iſt. Das Wiedererbzins - barmachen (ſubemphyteuticatio) aber nennt man die Einraͤumung des Erbzinsrechts in einer Sache, worauf derjenige, welcher es einem andern einraͤumet, das ErbzinsrechtNat. u. Voͤlckerrecht. K khat;514II. Theil 16. Hauptſtuͤck. hat; und alsdenn heiſt das Erbzinsrecht das Untererbzinsrecht (ſubemphyteuſis). Da der Erbzinsmann mit der Erbnutzbarkeit des Gutes als einer unkoͤrperlichen ihm zugehoͤri - gen Sache nach ſeinem Willkuͤhr verfahren kann, wie er will (§. 195.), doch ſo, daß das Recht des Erb - und Lehnherrns unge - kraͤnckt verbleibet (§. 86.), und der Erbzins - contract dadurch nicht verletzt wird (§. 727.); ſo iſt das Wiedererbzinsbarmachen, wenn es ohne Schaden des Erb - und Lehnherrns, und ohne Verletzung des Erbzinscontracts geſchiehet, erlaubt. Es wird aber dadurch in dem vorher - gehenden Rechte nichts geaͤndert: Und wenn das Erbzinsrecht, es geſchehe, auf was Art und Weiſe es wolle, ge - endet wird; ſo hoͤrt auch das Unter - erbzinsrecht auf; folglich wenn auch das Untererbzinsrecht auf hoͤret, indem das Haupterbzinsrecht noch beſtehet, ſo hat der Erbzinsmann das gantze Erb - zinsrecht wieder, wie vorher. Da dem Untererbzinsmanne ſein Recht von dem Erb - zinsmanne nicht benommen werden kann (§. 100.); dennoch aber das Recht des Erb - und Lehnherrns unverſehrt bleiben muß, wie er - wieſen worden; ſo folgt, daß wenn der Etbzinsmann ſein Erbzinsrecht auf einen andern bringt, er das Recht, welches er nach dem Niedererbzins - contract erlanget hat, auf denſelbenbringt:515Von der Erbnutzbarkeit. bringt: Jn Anſehung des Erb - und Lehnherrn aber verſteht es ſich, daß das Erbzinsrecht ſelbſt auf ihn ge - bracht worden.

§. 732.

Ein libellariſcher Contract (contra -Vom libella - riſchen Recht. ctus libellarius) wird genannt, wenn der Ei - genthumsherr einem andern die ihm zugehoͤri - ge Sache um einen gewiſſen Preiß mit der Bedingung giebt, daß er jaͤhrlich eine ge - wiſſe Zinſe zahlen und zu einer gewiſſen Zeit, wenn gleich der Beſitzer nicht veraͤndert wor - den, den Contract mit einem gewiſſen, oder willkuͤhrlichen Preiße, den er bezahlen muß, er - neuren ſoll. Das Recht, welches durch die - ſen Contract erlangt wird, heißt das libella - riſche Recht (jus libellarium). Hieraus folgt, daß in einem libellariſchen Con - tracte der Preiß, welcher fuͤr die Sa - che gezahlt wird, nach dem Verhaͤlt - niß der Zinſe und des Preißes, welcher fuͤr die Erneurung des Contracts zu einer gewiſſen Zeit bezahlt werden ſoll, muß vermindert werden. Weil die Bezahlung der Zinſe und des Preißes fuͤr die Erneurung des Contracts auf dem libel - lariſchen Gute hafftet; ſo hat der Eigen - thumsherr des libellariſchen Rechts ein Recht in dem libellariſchen Gute (§. 334.); folglich wenn die Zinſe und der Preiß der Erneurung nicht gezahlt worden waͤre, ſo muß ein jeder Nach -K k 2folger516II. Theil 16. Hauptſtuͤck. folger die Zahlung leiſten. Weil aber die Bezahlung bloß eine Beſchwerde iſt, wel - che dem Verkauf der Sache angehaͤngt wor - den (§. 409.); ſo iſt derjenige, welcher eine Sache durch den libellariſchen Contract erhalten, mit dem voͤlligen Rechte der Eigenthumsherr; folglich kann er dieſelbe nach ſeinem Gefallen, ohne Einwilligung des Eigenthums - herrn des libellariſchen Rechts, ver - aͤuſſern und veraͤndern (§. 256. 257.).

§. 733.

Vom Zinsrech - te.

Das Zinsrecht (jus cenſiticum) iſt das Recht von einer einem andern zuge - hoͤrigen unbeweglichen Sache jaͤhrlich etwas gewiſſes zu fordern, welches eine Zinſe (cen - ſus) genannt wird; die man eine vorbehal - tene (reſervativus) nennet, wenn ſie der Ei - genthumsherr, da er die Sache verkauft, ſich vorbehalten hat; eine geſetzte (conſtitutus) aber, wenn jemand ſich dieſelbe kauft, oder geſchenckt bekommt. Es erhellet aber, daß das Zinsrecht ein Recht in einer Sache ſey (§. 334.). Die Sache von welcher ei - ne Zinſe abgetragen werden muß, heißt ein Zinsgut (bonum cenſiticum), oder auch ein ſchlechtes Zinsgut; wer den Zins be - zahlt, wird Zinsmann, oder Cenſite (cen - ſualis); wer denſelben empfaͤngt, der Zins - herr (cenſus dominus); der Contract aber, worinnen man von der Zinſe Abrede genom - men, der Zinscontract (contractus cen -ſualis) 517Von der Erbnutzbarkeit. ſualis) genannt. Da die Zinſe nur eine Be - ſchwerde iſt (§. 409.); ſo hat der Zins - mann mit voͤlligem Rechte das Eigen - thum (pleno jure dominus). Die Zinſe kann in Gelde, oder in einer jeden an - dern beweglichen Sache beſtehen, nach - dem man naͤmlich es verabredet. Wenn die Zinſe aus Freygebigkeit aufgeleget, oder bey einer geſchenckten Sache vor - behalten wird; ſo wird die Groͤſſe der - ſelben nach Gefallen von dem, der ſie aufgelegt, oder vorbehalten, beſtimmt (§. 314.): Wenn ſie aber gekauft wird, ſo muß ſie in den Schrancken der er - laubten Zinſen vor geborgtes Geld ver - bleiben, oder der Nutzbarkeit der Sa - che nach der Verhaͤltniß des Preißes, welcher gezahlt wird, zu dem wahren Preiße der Sache proportioniret wer - den: Wenn ſie endlich in einer verkauf - ten Sache vorbehalten wird; ſo muß ihr Preiß von dem Preiße der Sache abgezogen werden. Da der Zinsherr das Zinsrecht erlaſſen kann (§. 342.); ſo wird das Zinsgut frey, wenn er ſein Recht entweder umſonſt, oder fuͤr ei - nen gewiſſen Preiß erlaͤßt; weil alsdann ſein Recht erloͤſchet (§. 337.).

§. 734.

Das Erbgrundrecht (jus ſuperficiei,Vom Erb - grund - rechte. vel ſuperficiarium) nennt man das Recht auf ſeine Koſten etwas auf dem Grund und Bo -K k 3den518II. Theil 16. Hauptſtuͤck. den eines andern, z. E. ein Gebaͤude, zu ha - ben. Wer das Erbgrundrecht hat, heiſt der Niedererbgrundherr (ſuperficiarius); der, dem Grund und Boden zugehoͤrt, der Grundherr (dominus fundi). Die jaͤhr - liche Miethe, welche der Niedererbgrund - herr dem Grundherrn fuͤr den Gebrauch des Grundes zahlet, wird der Grundzins (oder Bodenzins, ſolarium) genannt; der Erb - grundcontract aber (contractus ſuperfi - ciarius) derjenige, wodurch der Niedererb - grundherr und Grundherr wegen des Erb - grundrechts ſich mit einander vergleichen; und daraus muß das Recht des Nieder - erbgrundherrn und des Grundherrn ermeſſen werden (§. 314. 438.). Da der, welcher etwas ſchenckt, ſeinem Geſchencke, und der Verkaͤufer dem Verkauf eine Bedingung, wie ſie wollen, hinzufuͤgen koͤnnen (§. 314.); ſo koͤnnen ſchon gebaute Haͤuſer mit der Bedingung verſchenckt und verkauft werden, daß derjenige, der ſie ſchenckt, oder verkauft, das Recht auf dem Grund und Boden des andern be - haͤlt; und alſo wird bey ſchon gebauten Haͤuſern das Erbgrundrecht errichtet. Es mag aber ſeyn, daß die Haͤuſer, welche auf eines andern Grund und Boden ſtehen, von einem auf eigene Koſten erbaut werden, oder daß einer ſchon das Haus, es ſey auch unter was vor einem rechtmaͤßigen Titel es wolle, erhalten; ſo iſt der Niedereigenthums -herr519Von der Erbnutzbarkeit. herr mit vollem Rechte Eigenthumsherr vom Hauſe; der Grundherr aber von Grund und Boden. Und weil das Recht des Erbgrundes nicht aufhoͤrt, wenn gleich das Haus einfal - len, oder abbrennen ſollte; ſo iſt, wenn es durch einen Ungluͤcksfall untergeht, erlaubt ein neues aufzubauen. Und da der Grundherr kein Recht auf das hat, was ſich auf dem Grund und Boden befindet (§. 195.); ſo iſt die Bezahlung der Grund - zinſe kein Recht in einer Sache (§. 334.), und der Grundherr kann an dem, was auf ſeinem Grund und Boden ſtehet, ſich nicht halten, wenn nicht in dem Erbgrundcontracte demſelben aus - druͤcklich eine Hypotheck auf daſſelbe ausgemacht worden (§. 697.). Glei - chergeſtalt weil niemanden ſein Recht benom - men werden kann (§. 100.); ſo wird das Haus mit dem Erbgrundrechte, und der Grund und Boden mit dem Eigenthume veraͤuſſert. Weil das Recht des Niedererbgrundherrn aus dem Contracte ermeſſen werden muß; ſo kann ei - nem auch die Erbnutzbarkeit (domi - nium utile) auf eine gewiſſe Zeit, oder vor gewiſſe Perſonen in Haͤuſern, die auf fremden Grunde und Boden ſte - hen, eingeraͤumet werden, und alsdenn iſt das Erbgrundrecht dem Erbzins - rechte (juri emphyteuticario) aͤhnlich (§. 725.). Und von dieſem Falle redet das Roͤ -K k 4miſche520II. Theil 16. Hauptſtuͤck. miſche Recht. Aus der Erklaͤrung ſelbſt er - hellet, daß das Recht des Erbgrundes auch auf andere Dinge als Haͤuſer, die auf eines andern Grund und Boden ſtehen, z. E. auf einen Garten, Wein - berg, Wald, Teich, ja auf einen Baum, der auf des andern Grund und Boden ſteht, natuͤrlicher Weiſe erweitert wer - den kann; indem eine ſolche Verwilligung in dem Begriffe des Eigenthums enthalten iſt (§. 195.), worauf die Wahrheit (realitas) der Erklaͤrung ſich gruͤndet.

§. 735.

Was die Treue ſey.

Die Treue (fidelitatem) nennt man die Fertigkeit alle Liebesdienſte zu leiſten, und ſon - derlich diejenigen, wodurch aller Schaden abgewandt, und aller Nutzen befoͤrdert wird, wie auch die, welche noch beſonders verabre - det worden.

§. 736.

Vom Lehn.

Das Lehn (feudum) nennt man die erbliche Nutzbarkeit, welche einem der Eigen - thumsherr in einer ihm zugehoͤrigen Sache unter der Bedingung der einander zu leiſten - den Treue abgetreten hat. Da das voͤllige Eigenthum die erbliche Nutzbarkeit und das Grundeigenthum in ſich ſchließt; ſo wird bey Errichtung eines Lehns das voͤlli - ge Eigenthum in die erbliche Nutz - barkeit und das Grundeigenthum un - ter zwey Perſonen getheilet. Eine Sa - che wird zu Lehn verliehen (gegeben, resinfeu -521Von dem Lehn. infeudari dicitur), in welcher ein Lehn errichtet wird; und die Sache ſelbſt, worinnen das Lehn errichtet worden, wird ein Lehngut (res feudalis) genannt; und im Gegentheil heiſſet ein Allodial - oder Erbgut (allo - dium), was nicht Lehn iſt. Wer das Grund - eigenthum bey einem Lehngute hat, iſt der Lehnsherr (dominus feudi); wer die Erb - nutzbarkeit des Gutes hat, wird der Vaſall, oder Lehnsmann (vaſallus) genannt. Der Lehncontract iſt derjenige, in welchem der Lehnherr und Lehntraͤger wegen des Lehns ſich mit einander vereinigen; oder wodurch ein Lehn errichtet und erlangt wird. Aus dem Lehnscontracte muß alſo das Recht des Lehnsherrn und des Vaſallen, oder Lehnsmannes ermeſſen werden (§. 314. 438.).

§. 737.

Das Weſentliche eines Lehns (ſub -Von dem Weſent - lichen, Natuͤr - lichen u. Zufaͤlli - gen ei - nes Lehns. ſtantialia feudi) nennt man die weſentlichen Beſtimmungen, wodurch man ſich von einem Lehn uͤberhaupt einen Begrif macht; folglich koͤnnen dieſelben bey keinem Lehn feh - len; und derowegen ſind es in Anſehung des Lehnmannes die Erbnutzbarkeit des Lehnguts und die Treue, die er dem Lehnherrn leiſten muß; in Anſe - hung des Lehnsherrn aber das Grund - eigenthum und die Treue, die er dem Vaſallen zu leiſten verbunden (§. 736.). Das Natuͤrliche eines Lehns (naturaliaK k 5feudi) 522II. Theil 16. Hauptſtuͤck. feudi) nennt man die weſentlichen Beſtim - mungen, welche den Unterſcheid der Art (dif - ferentiam ſpecificam) eines Lehns, der entwe - der durch die Geſetze, oder Gewohnheit ein - gefuͤhret worden, z. E. daß das Verſprechen der Treue beſchworen werden muß; die zu - faͤlligen Beſtimmungen (accidentalia) aber die weſentlichen Beſtimmungen, welche den Unterſcheid der Arten (differentiam ſpe - cificam) des Lehns ausmachen, die von den an - dern, welche durch die Geſetze, oder die Ge - wohnheit eingefuͤhret worden, verſchieden ſind, z. E. die Verbindlichkeit des Vaſallen zu ver - ſchiedenen ungewoͤhnlichen Pflichten. Daher erhellet, daß der Unterſchied zwiſchen dem Na - tuͤrlichen und Zufaͤlligen des Lehns in dem Naturrechte keinen Nutzen hat; denn natuͤr - licher Weiſe gilt, was in dem Contracte verabredet worden (§. 736.). Weil naͤm - lich das Natuͤrliche und Zufaͤllige durch das Weſentliche nicht beſtimmt wird, folglich aus demſelben nicht erwieſen werden kann; ſo be - ruhet es lediglich, wenn ein Lehn ein - geraͤumet wird, auf dem Willen des Herrn der Sache, die zu Lehn gemacht werden ſoll, was er noch auſſer den weſentlichen Stuͤcken hinzuſetzen will (§. 314.); welches demnach im Lehn - contract beſtimmt werden muß.

§. 738.

Vom ge - gebenen Lehn und

Ein gegebenes Lehn (feudum datum) nennt man, welches der Eigenthumsherr ei -nem523Von dem Lehn. nem andern in ſeiner eigenen Sache einraͤu -vom an - getrage - nen Lehn. met: Ein angetragenes Lehn (feudum oblatum) aber, welches einem in einer Sa - che, die man ihm giebt, eingeraͤumet wird.

§. 739.

Weil die Art ein Lehn zu machen auf demVon den Arten ein Lehn zu machen. Willen des Eigenthumsherrn der Sache, wel - che zu Lehn gemacht werden ſoll, beruhet (§. 737.); ſo kann es eingerichtet werden entweder auf eine gewiſſe Zeit, oder beſtaͤndig, entweder ſchlechterdings, oder mit Benennung gewiſſer Perſo - nen, auf welche es nach und nach kom - men kann, und es koͤnnen gewiſſe Lei - ſtungen des Vaſallen, z. E. Kriegsdien - ſte (ſervitia militaria), und des Lehns - herrn verabredet werden. Wenn man aber bedinget, daß eine gewiſſe Zinſe abgetragen werden ſoll; ſo wird das Lehn mit dem Erbzinsrechte vermiſcht (§. 725.). Was der Vaſall dem Lehnherrn nach dem Lehncontracte zu leiſten ſchuldig iſt, nennt man Lehndienſte (ſervitia feudalia, Ritterdienſte); welche mehrentheils auf Kriegsdienſte herauslaufen. Daher iſt ein Freylehn (feudum francum), wenn der Vaſall dem Lehnherrn keine Dienſte zu leiſten verbunden iſt; ein gantz Kriegeslehn (feu - dum ligium), wenn er Kriegesdienſte wider alle zu leiſten ſchuldig iſt; kein gantz Krie - geslehn (feudum non ligium), wenn eini - ge ausgenommen werden. Und dem Rechteder524II. Theil 16. Hauptſtuͤck. der Natur gemaͤß nennt man ein Mann - lehn (feudum maſculinum), welches al - lein auf Mannsperſonen; ein Weiber - lehn (feudum fœmineum), welches bloß auf Weiber kommen kann. Ein ver - miſchtes Lehn (feudum mixtum), wel - ches Perſonen beyderley Geſchlechts beſitzen koͤnnen. Gleichergeſtalt nennt man ein Pfandlehn (pignoratitium), wenn der Ei - genthumsherr Geld borgt, und anſtatt des Pfandes ein ihm zugehoͤriges Gut als ein Lehn uͤbergiebt.

§. 740.

Von den Sachen, welche zu Lehn ge - macht werden koͤnnen, vom Kel - lerlehn, Burg - lehn in engerer Bedeu - tung, Geld - lehn und Qvaſi - lehn.

Weil in einer Sache, die durch den Ge - brauch nicht verzehrt wird, die Erbnutzbar - keit vom Grundeigenthum getrennt werden kann (§. 724.); ſo kann eine jede, auch eine unkoͤrperliche Sache, zu Lehn ge - macht werden, die durch den Gebrauch nicht verzehret wird (§. 736.); folglich auch das Recht die Ausbeute von Bergwercken zu genieſſen, ja das Recht einen gewiſſen Theil Wein aus dem Keller, oder einen gewiſſen Theil Getraͤi - de von dem Boden des Lehnsherrn auf lebenszeit zu heben. Man nennt aber ein Kellerlehn (feudum de cavena), wenn man einen gewiſſen Theil Wein aus dem Kel - ler des Lehnherrn, oder auch von ſeinem Bo - den einen gewiſſen Theil Getraͤide auf lebens - lang abhohlen darf. Ja es erhellet leicht, daß das Kellerlehn auch auf andere Sachen,die525Von dem Lehn. die verzehrt werden koͤnnen, ſich erſtreckt, z. E. daß ihm ein gewiſſer Theil Fiſche aus dem Teiche des Eigenthumsherrn, oder Holtz aus dem Walde, oder Wild, welches darinnen gefangen wird, gegeben werde. Es iſt aber von dem Kellerlehn das Soldatenlehn (feu - dum ſoldatæ) unterſchieden, nach welchem einem aus beſonderer Gnade gewiſſer Wein, Geld, oder Getraͤide, oder eine jede andere Sache, die verzehrt werden kann, gegeben wird; da denn die verabredete Sache dem Vaſallen gegeben werden muß, der Herr mag ſie haben, oder von andern kaufen muͤſ - ſen, hingegen in dem Kellerlehn dieſes auf dasjenige eingeſchraͤnckt wird, was der Ei - genthumsherr hat; gleichwie auch in jenem es auf die Perſon deſſen, der damit belehnet wird, in dieſem aber es auch auf die Erben kommt. Alſo nennt man auch ein Wohnlehn (feu - dum habitationis), wenn einem das Recht in einem gewiſſen Hauſe zu wohnen auf le - benszeit erlaubt wird. Man muß aber uͤber - haupt bemercken, daß man die Dinge, die man verzehrt, und das Geld gleichſam zu Dingen, die nicht verzehrt werden, macht, in ſo ferne man durch einen Buͤrgen, oder durch eine Hypothecke Sicherheit davor ſchaft, damit ſie al - lezeit wiedergegeben werden koͤnnen, wenn ſie wiedergegeben werden muͤſ - ſen. Denn alsdenn iſt es einerley, ob wir den Nießbrauch von der Sache haͤtten, ſodaß526II. Theil 16. Hauptſtuͤck. daß die Sache ſelbſt unbeſchaͤdigt verbleibt; folglich man damit auf dieſe Weiſe be - lehnet werden kann, in ſo ferne naͤmlich in ihnen, da ſie noch gleichſam wuͤrcklich vor - handen ſind, das Obereigenthum beſtehen kann. Man nennt aber gleichſam ein Lehn (quaſi feudum), wenn man mit einer Sa - che belehnet wird, die zwar an und vor ſich ſelbſt zur Belehnung nicht geſchickt iſt, aber doch durch die Kunſt zur Belehnung geſchickt gemacht wird. Daher iſt das Geldlehn (feudum pecuniæ), wenn einer mit Gelde belehnet wird, gleichſam ein Lehn. Ue - brigens iſt das Geld, womit einer beleh - net worden, ein Lehngeld (§. 736.): Worauf kein Lehn haftet, Allodial - oder Erbgeld (§. cit. ); folglich iſt das Geld, wofuͤr das Lehngut verkauft worden, kein Lehngeld, ſondern Er - begeld. Und auf eben dieſelbe Weiſe erhel - let, daß, da eine Sache, welche vor ein Lehngut gegeben wird, dem Gelde gleich iſt, welches davor gezahlet wird, wenn ein Lehngut mit einem Erbgute ver - tauſcht wird, das Allodial - oder Erb - gut kein Lehngut ſey.

§. 741.

Von der Afterbe - lehnung.

Da derjenige, welcher die Erbnutzbarkeit hat, auſſer dem gantzen Rechte des Nießge - brauchs, auch einen Theil der Proprietaͤt hat (§. 724.), von welcher es klar iſt, daß ſie noch auf andere Weiſe eingeſchraͤnckt werdenkann;527Von dem Lehn. kann; ſo kann derjenige, welcher die Erbnutzbarkeit in einer Sache hat, dieſelbe einem andern zu Lehn geben (§. 736.): Doch ſo, daß das Recht des Lehnherrn keinen Schaden leidet (§. 100.); folglich koͤnnen, dem Rechte des Lehnherrn unbeſchaͤdigt, einem andern Erbzinsguͤter und Lehnguͤter zur Lehn gegeben werden. Ein Lehngut, das ei - nem andern zum Lehngut gegeben worden, nennt man ein Afterlehn (ſubfeudum); und das Lehngut wird zum Afterlehn ge - macht (ſubinfeudatur), wenn ein anderer da - mit belehnet wird. Derjenige, welcher mit ei - nem Afterlehne belehnt wird, heiſt der After - vaſall, der Afterlehnsmann (ſubvaſal - lus), gewoͤhnlich der Afterbelehnte (ſub - infeudatus); welcher ihn damit belehnet der Afterlehnsherr (dominus ſubfeudi); und der Contract, in welchem man das Afterlehn ver - abredet, der Afterlehnscontract (contractus ſubvaſalli); aus welchem alſo das Recht des Afterlehnsherrn und des Afterva - ſallens beſtimmt werden muß (§. 736.). Da die Afterbelehnung gaͤntzlich auf dem Wil - len des Afterlehnsherrn beruhet (§. 314.); ſo koͤnnen in dem Afterlehnscontracte zu den weſentlichen Beſtimmungen noch andere hinzugeſetzt werden, welche in dem Lehnscontract nicht enthal - ten, jedoch demſelben nicht zuwider ſind (§. 736.). Und weil die Afterbeleh -nung528II. Theil 16. Hauptſtuͤck. nung das Recht des Lehnsherrn unbeſchaͤ - digt erhaͤlt; ſo wird ſeine Einwilligung zur Afterbelehnung nicht erfordert. Uebrigens erhellet es fuͤr ſich, daß, wenn jemand mit vielen Guͤtern zuſammen belehnet worden, er nach ſeinem Ge - fallen eine, oder die andere Sache ei - nem oder mehreren zum Afterlehn ge - ben kan. Endlich iſt auch dieſes klar ge - nung, daß durch die Afterbelehnung nicht die gantze Erbnutzbarkeit dem Afterlehnsmanne uͤberlaſſen wird, ſon - dern ein Theil der Proprietaͤt beym Vaſallen verbleibt, und das Recht des Aftervaſallen nicht vermehrt, wohl aber vermindert werden kan; ja daß die Afterbelehnung ſo wohl ohne Ent - geld, als fuͤr einen gewiſſen Preiß ge - ſchehen kann.

Auf wen die Ge - fahr in Anſe - hung der Fruͤchtefaͤllt.

§. 742.

Da alle Fruͤchte dem Vaſallen und After - vaſallen zugehoͤren (§. 736. 741. ); ſo faͤllt auch alle Gefahr der Fruͤchte auf den Vaſallen und Aftervaſallen.

§. 743.

Vom Lehnsfol - ger und der Ver - aͤnderung des Lehn - guts.

Einen Lehnsfolger (ſucceſſor feuda - lis) nennt man denjenigen, auf welchen nach dem Geſetze der Belehnung, wenn der Baſalle ſtirbt, das Lehn faͤllt. Wenn alſo kein Lehnsfolger vorhanden, ſo er - haͤlt das Lehngut mit vollem Rechte der Lehnsherr; folglich faͤllt auch dasAfter -529Von dem Lehn. Afterlehn weg (§. 741.). Derowegen da der Vaſalle nichts thun darf, was dem Rechte des Lehnherrn, oder ſeiner Mit - belehnten zuwider iſt (§. 86.); ſo darf er das Lehngut nicht verſchlimmern, noch ihm deswegen eine Dienſtbarkeit (Servitut) auflegen (§. 708.); folglich darf der Lehnherr und der Lehnfolger nicht leiden daß das Lehngut verſchlimmert wird. Jm Gegentheil aber weil der Lehn - herr auch nichts, was dem Recht des Vaſal - len zuwider iſt, thun ſoll (§. 86.); ſo kann er auch nicht mit dem Lehngut ſelber ſol - che Einrichtung machen, daß das Recht des Nießbrauchs entweder vermin - dert, oder, es geſchehe auf was vor Weiſe es wolle, verhindert werde (§. 708.); folglich auch demſelben keine Ser - vitut auflegen. Da aber nichts vorge - nommen wird, was dem Recht des Lehnherrn, oder des Lehnfolgers zuwider waͤre, wenn der Vaſalle, ſo lange er das Lehngut beſitzt, einem andern in demſelben ein Recht einraͤumet, dergleichen eine Ser - vitut ſeyn wuͤrde (§. 83.); ſo kann er dieſes thun, folglich wenn der Vaſall dem Lehngut eine Servitut wider Recht auflegt; ſo bleibt ſie als ein Recht, welches den Servituten aͤhn - lich iſt, ſo lange er das Lehngut beſitzt. Und weil ein jedes Recht, welches zum Nieß - brauch gehoͤret, dem Vaſallen eigen iſt (§. Nat. u. Voͤlckerrecht. L l736.);530II. Theil 16. Hauptſtuͤck. 736.); ſo kann der Vaſalle das Lehn - gut verbeſſern (§. 279.), und deswegen auch eine Servitut zum Nutzen deſſel - ben erwerben (§. 708.). Aus eben dem Grunde muß der Vaſalle, da er vom Lehn - gute allen Nutzen hat, als aus einer Sache die ſein eigen iſt (§. cit. ), auch alle Beſchwer - den tragen.

§. 744.

Von der Eroͤff - nung des Lehns.

Man ſagt, das Lehn wird dem Lehn - herrn offen (feudum apperiri domino), wenn kein Lehnfolger vorhanden; daß alſo die Eroͤffnung, oder die Apertur eines Lehns (appertura feudi) der Mangel ei - nes Rechts in dem Lehn zu folgen iſt; und das Lehn iſt der Apertur nahe, oder ſtehet auf dem Falle (feudum apperturæ proximum), wenn dazu Hoffnung iſt, daß es werde offen werden; folglich daß in kurtzer Zeit kein Lehnsfolger mehr daſeyn werde. Und deswegen kann ein Lehn, welches auf dem Falle ſteht, indem die Ver - aͤuſſerung dem Rechte des Lehnherrn zuwider ſeyn wuͤrde (§. 83.), an niemanden, der auſſer der Lehnsfolge iſt (extraneus), veraͤuſſert werden.

§. 745.

Wenn ein Nach - folger im Grundei - genthum fehlt.

Bey der Errichtung des Lehns wird das Grundeigenthum dem Lehnherrn vorbehalten (§. 736.), und wird als eine uncoͤrperliche Sache zu ſeinen uͤbrigen Guͤtern gerechnet (§. 207.). Wenn derowegen im Lehnscon -tract531Von dem Lehn. tract nichts beſonders vom Grundei - genthume ausgemacht worden; ſo er - langt der Vaſall daſſelbe Recht nicht, wenn kein Nachfolger darinnen vor - handen (§. 318.); folglich auch der Af - tervaſalle in einem aͤhnlichen Falle auch nicht das Recht des Vaſallen (§. 741.).

§. 746.

Weil der Vaſalle nach dem LehncontractOb ein Lehn ver - wircket werden koͤnne. dem Lehnherrn nur dasjenige, was in demſel - ben verabredet worden, zu leiſten verbunden iſt (§. 438.); folglich der Lehnherr ihn daſſelbe zu leiſten anhalten koͤnte (§. 80.), oder wenn es nicht mehr geleiſtet wer - den kann, vor den Schaden zu ſtehn (§. 415.); ſo wird, wenn nicht ausdruͤck - lich ausgemacht worden, in welchem Falle das Lehn verlohren gehen ſoll, weil alsdenn gilt was verabredet worden (§. 736.), natuͤrlicher Weiſe wegen ge - wiſſer Handlungen, oder Unterlaßun - gen, die dem Lehnscontracte zuwider ſind, das Lehn nicht verlohren. Weil man zu den Contracten eine Strafe ſetzen kann (§. 410.); ſo kann man die Hand - lungen, oder Unterlaßungen ausma - chen, um derentwillen ein Lehn ver - lohren gehen ſoll (§. cit.).

§. 747.

Die Lehnsverbindlichkeit (obligatioVon der Lehns - verbind - feudalis) nennt man, welche aus dem Lehns -L l 2contracte532II. Theil 16. Hauptſtuͤck. lichkeit (Lehns - pflicht) und Fe - lonie.contracte entſteht; und in der Verbindlichkeit des Lehnherrn und des Vaſallen gegen einan - der beſteht die Lehnsverbindung (ne - xus feudalis). Die Lehnsverbindlichkeit und Lehnsverbindung muͤſſen alſo aus dem Lehnscontracte ermeſſen werden. Was der Lehnsverbindlichkeit zuwider ge - ſchiehet, oder unterlaſſen wird, das wird ei - ne Felonie (felonia) genannt; welche alſo auf ſo vielerley Weiſe begangen wer - den kann, als es Lehnsverbindlichkei - ten giebt, nicht allein von dem Vaſal - len, ſondern auch von dem Lehnsherrn: Doch ſind nicht alle von einerley Groͤſ - ſe. Weil natuͤrlicher Weiſe durch eine Hand - lung, oder Unterlaſſung, ſo dem Lehnscontracte zuwider iſt, das Lehn nicht verlohren geht; ſo gehet nach dem Rechte der Natur wegen einer Felonie das Lehn nicht verlohren (§. 746.), und alſo kommt dieſes bloß aus dem Vertrage. Es kann aber in dieſem Falle die begangene Felonie erlaſſen werden (§. 342.), und denn wird das Lehn nicht verlohren (§. 337.). Da niemanden eines andern Hand - lung zugerechnet werden kann (§. 3.); ſo muß, wenn der Vaſall wegen einer Fe - lonie das Lehn verliert, der Lehns - herr es nach deſſelben Tode demjenigen wiedergeben, auf welchen es nach ſei - nem Tode faͤllt; folglich hoͤrt das durch eine Felonie verlohrene Lehn nicht auf.

§. 748.533Von dem Lehn.

§. 748.

Man ſagt, der Vaſall refutire dasVon der Refuta - tion (Auflaſ - ſung) und Revoca - tion ei - nes Lehns. Lehn (feudum refutare), wenn er dem Lehnherrn anzeigt, er wolle das Lehn nicht behalten, entweder ſchlechterdinges, oder zum Vortheil eines dritten. Jn dem erſten Fall ſagt man, daß er es dem Lehnherrn re - futire; im andern aber einem dritten. Wenn alſo dem Lehnherrn das Lehn refutiret wird; ſo begiebt ſich der Va - ſall ſeines Rechtes (§. 337.): Wenn es aber einem dritten zum Vortheil geſchie - het; ſo tritt er ihm ſein Recht ab (§. 338.). Da ein jeder ſich ſeines Rechtes be - geben kann, wofern nichts unternommen wird, was dem Rechte eines andern zuwider iſt (§. 342.); ſo kann das Lehn dem Lehnherrn auch wider ſeinen Willen refutiret werden, wenn ſolches ſeinem Rechte nicht ſchadet: Wenn es aber ihm zum Nachtheil gereicht, z. E. daß der Vaſall die Kriegesdienſte, deren der Lehn - herr zu der Zeit bedarf, nicht leiſten darf, oder in der Abſicht, daß er deſto ſicherer feind - lich wider ihn handeln koͤnte; ſo kann es nicht refutiret werden. Allein weil auch die Refutation zum Nachtheil des Lehnfolgers nicht geſchehen kann (§. 86.); ſo kann der Nachfolger, wenn es dem Lehnherrn, oder einem weite - ren Anverwandten refutiret worden, nach dem Tode deſſen, der es refutiret,L l 3von534II. Theil 16. Hauptſtuͤck. Von dem Lehn:von dem naͤchſten Lehnfolger revoci - ren. Denn man ſagt, ein Lehn wer - de revociret, oder man bringe daſ - ſelbe wieder an ſich (feudum revocare), wenn einer mit Recht angehalten wird das Lehngut wiederzugeben, welches auf ihn ge - bracht worden. Es erhellet aber aus eben dieſer Urſache, daß wenn das Lehn, wel - ches wider das Recht des Lehnherrn, oder deſſen, auf welchen es einmahl fallen koͤnte, veraͤuſſert worden; folg - lich auch wenn eines einem, der kein Mit - belehnter iſt, refutiret worden, indem dieſes gleichfalls eine Veraͤuſſerung iſt, daſ - ſelbe von dem Lehnherrn, oder dem Lehnfolger revociret werden koͤnne. Es erhellet aber gleich aus der Vergleichung der Erklaͤrungen, daß das Lehn revoci - ren ſo viel ſey, als daſſelbe vindiciren, oder wieder an ſich bringen (§. 262.). Da die Veraͤuſſerung eines Lehns auf mehr als auf eine Art beſtimmt werden kann; ſo muß es dem Willen derer, die den Ver - trag machen, uͤberlaſſen werden, wie ſie dieſerwegen es wollen gehalten ha - ben, und was verabredet worden, muß gehalten werden (§. 667.): Wenn nicht das Recht zu veraͤuſſern durch das, was ſonſt ausdruͤcklich verabredet wor - den, ſtillſchweigend beſtimmt iſt.

Das535

Das ſiebzehente Hauptſtuͤck.

Wie die aus dem Contract ent - ſtandene Verbindlichkeit aufge - hoben wird.

§. 749.

Man ſagt die Verbindlichkeit wirdWas das ſey, eine Verbind - lichkeit aufheben u. die Be - freyung davon. aufgehoben (obligatio tolli dici - tur), wenn der, welcher einem andern etwas zu geben, oder zu thun verbunden war, aufhoͤrt demſelben verbunden zu ſeyn; und die Aufhebung der Verbindlichkeit wird die Befreyung (liberatio) genannt.

§. 750.

Da nach der Zertrennung des VertragsVon der Befrey - ung duꝛch die Zer - trennung des Ver - trags. diejenigen, welche den Contract gemacht, von der daraus entſtandenen Verbindlichkeit gegen einander befreyet werden, die Zertrennung aber dadurch geſchehen kann, daß ſie beyder - ſeits nicht mehr wollen, was ſie vorhin ge - wolt hatten (§. 444.); ſo wird auch die Verbindlichkeit aufgehoben, ſo bald der Contract durch Aenderung ihres Wil - lens zertrennt wird; oder auch ein wohl - thaͤtiger Contract durch Aenderung des Willens deſſen allein, welcher al - lein einen Vortheil daraus hat; weil dem andern nicht dran gelegen iſt, daß der Vertrag erfuͤllt wird (§. 749.); folglich er - loͤſcht das erhaltene Recht, als welches daher ruͤhret (§. 46.).

L l 4§. 751.536II. Th. 17. H. Von der Aufhebung

§. 751.

Von der Befrey - ung duꝛch den Ab - trag.

Der Abtrag (ſolutio) nennt man die wuͤrckliche Leiſtung deſſen, was einer zu leiſten vollkommen verbunden iſt. Durch den Ab - trag wird alſo die Verbindlichkeit aus dem Contracte aufgehoben (§. 749.). Weil aber durch den Abtrag geleiſtet wird, was man zu leiſten ſchuldig war; ſo muß genau eben dasjenige geleiſtet werden, was man ſchuldig iſt, und es kann nicht eine andere Sache fuͤr eine ande - re Sache gegeben werden, wenn der Glaͤubiger nicht, als welcher von ſeinem Rechte vergeben kann, ſo viel er will (§. 342.), einwilliget (§. 337.). Man muß auch genau an dem Tage, und an dem Orte, an welchem man zu zahlen ſchuldig iſt, zahlen; wenn nicht, aus eben der Ur - ſache, der Glaͤubiger in den Verzug wil - liget (§. 417.); wie auch die gantze Schuld abtragen; folglich da man es eine Bezah - lung zum Theil (ſolutio particularis) nennt, wenn das, was man ſchuldig iſt, nicht gantz gezahlt wird, ſondern nur ein Theil deſſelben, die Zahlung aber des uͤbrigen bis auf eine an - dere Zeit aufgeſchoben wird; ſo iſt der Glaͤu - biger nicht ſchuldig eine Bezahlung zum Theil anzunehmen. Man verſteht aber leicht, daß wenn die ſchuldige Sa - che ſelbſt nicht gegeben werden kann; der Werth derſelben zu erſetzen (§. 271.) und angenommen werden muß (§. 37.). Und537der Verbindlichk. aus Contracten. Und da der Tag, an welchem einer bezahlen ſoll, dem Schuldner zum beſten beſtimmet worden, damit er nicht vor der Zeit dazu an - gehalten werden kann: Dem Glaͤubiger aber zum beſten, damit nicht eher, als an dieſem Tage bezahlt wird, und dieſes ſtillſchweigend verabredet worden, wenn es aus der Beſchaf - fenheit deſſen, was geleiſtet werden ſoll, er - hellet, es ſey dem Glaͤubiger daran gelegen, daß nicht vor der Zeit gezahlt werde; ſo kann dasjenige, was man auf einen gewiſ - ſen Tag zu zahlen ſchuldig iſt, vor dem - ſelben auch wider des Glaͤubigers Wil - len bezahlt werden, wenn der Tag dem Schuldner zu gefallen beſtimmt wor - den: Hingegen keinesweges, wenn es dem Glaͤubiger zu gefallen geſchehen, oder aus der Sache ſelbſt erhellet, es ſey dem Glaͤubiger dran gelegen, daß nicht vor der Zeit gezahlt werde. Al - lein wenn der Schuldner dasjenige lei - ſtet, woran dem Glaͤubiger gelegen iſt, daß die Zahlung nicht vor der Zeit geſchiehet; da alsdenn dadurch nichts ge - ſchiehet, was dem Rechte des Glaͤubigers zu - wider waͤre (§. 83.); ſo muß der Glaͤubi - ger die Bezahlung vor der Zeit anneh - men. Und weil die Zahlung auf dem Wil - len des Schuldners beruhet, wenn dieſelbe ſeinem Willen anheimgeſtellet worden; ſo kann, wenn die Zahlung dem Will - kuͤhr des Schuldners uͤberlaſſen wor -L l 5den,538II. Th. 17. H. Von der Aufhebungden, der Schuldner immer bezahlen, wenn er will: Der Glaͤubiger aber kann, ehe derſelbe ſtirbt, die Schuld nicht fordern.

§. 752.

Vom Aufſa - gen, oder Aufkuͤn - digen, und vom Mah - nen.

Das Aufſagen, oder die Auf kuͤndi - gung (interpellatio, reſignatio) iſt eine Handlung, wodurch, genommener Abrede nach, einer dem andern anzeigt, daß er aus dem Contracte nicht laͤnger verbindlich ſeyn wolle. Jns beſondere heiſt einen Schuld - ner mahnen (debitorem interpellare) nichts anders, als die Bezahlung der Schuld von ihm verlangen. Wenn man alſo etwas auf einen gewiſſen Tag ſchuldig iſt; ſo iſt natuͤrlicher Weiſe das Auf kuͤndigen nicht noͤthig: Wenn man es aber alſo verabredet hat, daß die Auf kuͤndigung vorhergehen ſoll, ehe man zahlen darf; ſo iſt ſie beyden Theilen erlaubt; weil man das halten muß, was verabredet wor - den iſt (§. 438.); der Schuldner darf und kann nicht eher zahlen, und im Ge - gentheil kann der Glaͤubiger den Schuld - ner nicht eher zur Bezahlung der Schuld antreiben, und iſt auch die Schuld nicht anzunehmen ſchuldig, als bis die Auf kuͤndigung auf die ver - abredete Weiſe geſchehen. Wenn man es aber alſo verabredet hat, daß es dem Glaͤubiger frey ſtehen ſoll, die Schuld zu fordern, zu welcher Zeit er will; ſokann539der Verbindlichk. aus Contracten. kann der Schuldner, da er ſich nicht ver - bindlich gemacht hat, nicht eher zu zahlen, als bis die Aufkuͤndigung geſchehen, er aber gleich - wohl darein ſtillſchweigend gewilliget zu ha - ben ſcheinet, der Glaͤubiger ſolle den Abtrag nicht mit ſeinem Nachtheil anzunehmen gehal - ten ſeyn, ohne vorhergegangene Auf - kuͤndigung die Schuld abtragen, und der Glaͤubiger iſt gehalten den Abtrag anzunehmen, wenn er keine rechtmaͤſ - ſige Urſache hat, warum er ihn nicht annehmen will: Welches doch aber er - wieſen werden muß.

§. 753.

Die Anerbietung zu bezahlen mitVom An - erbieten zu bezah - len. Worten (oblatio debiti verbalis) heißt, wenn der Schuldner dem Glaͤubiger bloß mit Worten erklaͤret, daß er zur Bezahlung be - reit ſey; in der That aber (realis), wenn er das, was er ſchuldig iſt, wuͤrcklich erlegen will. Und zwar heiſt ein bloſſes Anerbie - ten in der That (relis nuda), wenn wei - ter keine andere Handlung hinzukommt, wel - che natuͤrlicher Weiſe dem Anerbieten mit Worten gleich iſt: Das feyerliche Anerbieten aber (ſolennis) iſt, wenn der Glaͤubiger, was gezahlet wird, nicht bekommt, ſondern daſſelbe verſiegelt und in Verwahrung gegeben, oder niedergelegt wird. Da das feyerliche Anerbieten in der That bey einer unbeweglichen Sache, die nicht ver - ſiegelt und in Verwahrung gegeben,oder540II. Th. 17. H. Von der Aufhebungoder niedergelegt werden kann, nicht ſtatt findet; ſo iſt das Anerbieten mit Worten dem feyerlichen in der That gleich (§. 37.). Und weil es eben ſo viel iſt, als wenn man die Schuld abgetragen haͤtte, wenn das Anerbieten feyerlich geſche - hen; ſo wird durch das feyerliche An - erbieten die Verbindlichkeit des Schuld - ners aufgehoben (§. cit. ); folglich ge - ſchieht dieſes auch durch das Anerbie - ten mit Worten einer unbeweglichen Sache, oder die nicht verſiegelt und beqvem niedergelegt werden kann; und wird derowegen das Eigenthum derſel - ben auf den Glaͤubiger gebracht, und faͤllt alſo alle Gefahr auf ihn (§. 243.). Weil der Glaͤubiger die Zahlung anzunehmen verbunden iſt; ſo kann der Schuldner, wenn der Glaͤubiger ſie nicht anneh - men will, natuͤrlicher Weiſe auf Ge - fahr des Glaͤubigers die ſchuldige Sa - che in ſeinem Hauſe wider ſeinen Wil - len laſſen, und eine unbewegliche Sa - che ledig ſtehen laſſen, und ſich gar nicht mehr um dieſelbe bekuͤmmern. Und weil der Schuldner am Verzug nicht ſchuld iſt, wenn der Glaͤubiger ſich wei - gert die angebotene Bezahlung anzu - nehmen (§. 417.); ſo wird er vom Ver - zuge befreyet; im Gegentheil aber faͤngt der Glaͤubiger an am Verzuge ſchuld zu ſeyn.

§. 754.541der Verbindlichk. aus Contracten.

§. 754.

Man ſagt der Glaͤubiger nehme vor be -Vom An - nehmen als wenns bezahlt waͤre. zahlt an (acceptum ferre), wenn er hin - laͤnglich erklaͤrt, er nehme die Schuld vor be - zahlt an. Wer alſo eine Schuld vor be - zahlt annimmt, der erlaͤßt ſein Recht (§. 337.); folglich wird dadurch der Schuldner von ſeiner Verbindlichkeit befreyet, und das Recht des Glaͤubi - gers erloͤſcht (§. cit. und 749.), und man haͤlt davor, daß der Schuldner die Schuld abgetragen habe. Da es auf den Willen des Glaͤubigers ankommt, daß er mit ſeinem Recht nach Gefallen verfaͤhret; ſo kann er auch einen Theil der Schuld vor bezahlt annehmen, und dieſes kann entweder umſonſt geſchehen, oder es kann eine andere Sache, oder That fuͤr die Schuld angerechnet werden.

§. 755.

Den Vertrag die Schuld nicht zuVom Vertrag die Schuld nicht zu fordern. fordern (pactum de non petendo) nennt man denjenigen, durch welchen zwiſchen dem Glaͤubiger und Schuldner verabredet wird, daß er die Schuld nicht bezahlen darf. Da durch dieſen Vertrag die Schuld erlaſſen wird (§. 337.); ſo wird der Schuldner befreyet (§. cit. und §. 749.). Daher wird er auch ein Befreyungsvertrag (pactum li - beratorium) genannt. Es erhellet auch eben wie vorher, wenn man die Schuld vor be - zahlt annimmt, daß der Vertrag die Schuldnicht542II. Th. 17. H. Von der Aufhebungnicht zu fordern auch uͤber einen Theil der Schuld gemacht werden kann, und daß es entweder umſonſt, oder ſo daß etwas anders davor gerechnet wird, geſchehen kann (§. 754.).

§. 756.

Von der Verguͤ - tung.

Die Verguͤtung (compenſatio) nennt man, wenn die Schuld des einen durch eine Schuld des andern aufgehoben wird; oder wenn der Schuldner, wenn er die Schuld abtragen ſoll, anſtatt deſſen dem Glaͤubiger anrechnet, was er ihm ſelbſt ſchuldig iſt. Wenn alſo eine Verguͤtung geſchieht; ſo wird jeder Theil von der Verbind - lichkeit ſeine Schuld abzutragen be - freyet, und die Verguͤtung iſt eine wechſelsweiſe Bezahlung, die in der Kuͤrtze geſchiehet (§. 323.). Da man eine Sache nicht fuͤr eine andere zahlen kann, ſondern ohne Ausnahme das, was man ſchul - dig iſt (§. 751.); ſo iſt nothwendig, daß wenn eine Verguͤtung geſchehen ſoll, diejenigen, welche beyde einander ſchuldig ſind, einerley Sache ſchuldig ſeyn muͤſſen, und daß der Zahlungs - termin beyderſeits verfloſſen ſeyn muß. Es erhellet aber, daß die Verguͤtung ſelbſt durch das Recht geſchehe; folg - lich dazu keine beſondere Handlung er - fordert werde; und daher nicht noͤthig iſt, daß wir dem Glaͤubiger, der auch unſer Schuldner iſt, anzeigen, daß wir die Schuld verguͤten wollen; ſondernwenn543der Verbindlichk. aus Contracten. wenn er die Zahlung von uns fordert, ſo koͤnnen wir ihn durch die Verguͤ - tung abweiſen. Da man auf die Ver - guͤtung Verzicht thun kann (§. 342.); ſo iſt, wenn man darauf Verzicht gethan hat, die Verguͤtung nicht erlaubt (§. 340.). Weil bey der Verguͤtung beyder Theile Schuld gewiß ſeyn muß, indem kei - ner zur Zahlung angehalten werden kann, als derjenige, von dem es gewiß iſt, daß er ſchul - dig ſey; und man eine unſtreitige Schuld (debitum liquidum) nennt, von welcher man es gewiß weiß, daß er etwas zu leiſten ver - bunden iſt; eine ſtreitige Schuld aber, wenn daſſelbe noch nicht gewiß iſt; ſo kann eine unſtreitige Schuld mit einer ſtrei - tigen nicht verguͤtet werden. Und weil man die Schuld abtragen muß, wenn der Termin zur Zahlung erſchienen (§. 751.); ſo kann die Zahlung einer unſtreitigen Schuld der Verguͤtung wegen nicht aufgeſchoben werden: Weil aber ein je - der einen jeden Schaden von ſeinem Vermoͤ - gen abzuwenden ſchuldig iſt (§. 269.); ſo muß, wofern zu befuͤrchten iſt, daß derjenige, dem etwas gezahlt wird, wehrender Zeit in ſolche Umſtaͤnde kommen doͤrfte, da er nicht im Stande iſt zu bezahlen, was gezahlt wird, ent - weder feyerlich angeboten, oder nie - dergelegt werden (§. 753.), oder der - jenige, dem gezahlet wird, muß Sicher -heit544II. Th. 17. H. Von der Aufhebungheit ſtellen, daß er bezahlen wird, was gegen ihn ausgefuͤhret worden (§. 697. 596.). Bey der Verguͤtung kommt das, was der andere mir zahlen muß, an die Stelle deſſen, was ich ihm zu zahlen habe. Weil demnach nicht eines fuͤr das andere gezahlt werden kann (§. 751.); ſo koͤnnen keine an - dere Sachen, als die durch den Gebrauch ver - zehret werden, und da man nur etwas von eben der Art wiederzugeben ſchuldig iſt, verguͤ - tet werden (§. 527.); denn auch dieſe Sa - chen hoͤren auf dergleichen zu ſeyn, wenn man eben dieſelben wiedergeben muß, welche man empfangen (§. 515. 527.). Und dieſes iſt die Urſach, warum die Verguͤtung nicht ge - gen etwas niedergelegtes, oder in Verwahrung gegebenes (§. 541.), oder auch geborgtes ſtatt findet (§. 515.).

§. 757.

Von dem, was ſtatt der Zahlung angege - ben wird.

Statt der Zahlung angeben (in ſolu - tum dare) iſt ſo viel, als eine Sache anſtatt derjenigen geben, welche man ſchuldig war. Es kan alſo eine jede Sache ſtatt der Zahlung angegeben werden. Da man aber genau eben daſſelbe zahlen muß, was man ſchuldig iſt (§. 751.); ſo kann dieſes nicht anders geſchehn, als mit gutem Willen des Glaͤubigers: oder wenn jenes unmoͤglich iſt (§. 60.), da die Arbeit den eigenthuͤmlichen Sachen gleich geachtet wird (§. 225.); ſo kann auch Ar - beit anſtatt der Zahlung geleiſtet wer -den. 545der Verbindlichk. aus Contracten. den. Und weil einer ſein Recht dem andern abtreten kann (§. 342.); ſo kann man auch eine Schuld, die man zu fordern hat, ſtatt der Zahlung angeben, indem man dem andern ſein Recht abtritt. Dero - wegen da der Schuldner, wenn es unmoͤglich iſt zu zahlen, was er eigentlich zahlen ſoll, wi - der ſeinen Willen angehalten werden kann etwas anders ſtatt der Zahlung anzuge - ben (§. 80.); ſo wird es eine nothwen - dige Abtretung ſeines Rechtes (ceſſio neceſſaria) genannt, wenn man das, was uns ein anderer ſchuldig iſt, durch Abtretung ſeines Rechts anſtatt der Zahlung angiebt; wie es denn auch in der That nothwendig iſt. Es iſt hinlaͤnglich klar, daß dadurch, wenn etwas anſtatt der Zahlung angegeben wird, der Schuldner befreyet wird (§. 749.).

§. 758.

Die Neuerung (novatio) nennt manVon der Neue - rung. die Veraͤnderung einer vorhergehenden Ver - bindlichkeit in eine andere, naͤmlich was ent - weder die Urſache der Schuld betrift, oder wozu einer dabey verbunden, ſo daß eben der - ſelbe Schuldner und Glaͤubiger verbleibet, z. E. wenn wir mit einander eines werden, daß die 200. Rthlr. welche du mir aus einem Kauffe ſchuldig biſt, als geliehenes Geld angeſehen werden. Die Neuerung til - get alſo die alte Verbindlichkeit, und ſetzt eine neue an ihre Stelle; folglichNat. u. Voͤlckerrecht. M mwird546II. Th. 17. H. Von der Aufhebungwird der Schuldner von der vorher - gehenden Schuld befreyt (§. 749.), und haftet allein vermoͤge der letzten Ver - bindlichkeit. Derowegen da alles Recht des Glaͤubigers, welches er aus der vorherge - henden Verbindlichkeit hatte, aufhoͤrt (§. 46.); ſo ſind die Buͤrgen dem Glaͤubiger nicht mehr verbunden, und er verliert auch das Recht des Vorzugs vor an - dern Glaͤubigern ſeines Schuldners, und die Buͤrgſchafft, als welche ein - mahl erloſchen, erlangt nicht wieder ihre Kraft, wenn gleich beyde Theile von der Neuerung wieder abgehen, und die alte Verbindlichkeit wollen gelten laſſen; indem auch dieſes in der That nichts anders, als wiederum eine Neuerung iſt. Da der Verzug zur alten Verbindlich - keit gehoͤrt (§. 417.); ſo wird durch die Neuerung der Verzug gereiniget (§. 418.). Aus eben dem Grunde verhindert die Neuerung die verwuͤrckte Strafe, welche zur vorhergehenden Verbind - lichkeit hinzugefuͤgt worden war. Weil einem wider ſeinen Willen ein Recht, das er einmahl hat, nicht genommen werden kann (§. 100.); ſo kann die Neuerung nicht oh - ne beyderſeitige Einwilligung des Glaͤubigers und Schuldners geſche - hen. Weil nun dieſe es mit ihrem Rechte halten koͤnnen, wie ſie wollen (§. 314.); ſo koͤnnen ſie durch die Neuerung in deralten547der Verbindlichk. aus Contracten. alten Verbindlichkeit alles, wie es ih - nen gefaͤllig iſt, aͤndern; und alſo kann eine bedingte Schuld, oder eine Schuld auf eine gewiſſe Zeit zu einer unbeding - ten gemacht werden; und ſo gehets auch im Gegentheile an. Hieher duͤr - fen wir aber nicht rechnen, wenn eine be - dingte, oder auf eine gewiſſe Zeit gerich - tete Schuld ſchlechterdings erneuert wird: Jndem bloß die Verbindlichkeit geaͤn - dert wird, nicht aber die Art und Weiſe, nach welcher einer etwas ſchuldig iſt; ſo geſchieht im erſten Falle die Neuerung nicht an - ders, als wenn eben die Bedingung wuͤrcklich vorhanden; in dem andern Falle aber hat ſie zwar gleich ihre Richtigkeit, aber die neue Schuld kann nicht eher, als bis der Tag er - ſcheinet, gefordert werden. Weil die Neuerung die erſte Verbindlichkeit tilget, von welcher man befreyet werden konte, indem man einer dritten Perſon zahlte (§. 661. 751. ); ſo verſtehet ſichs vor ſich, daß in der Neuerung man nicht angewie - ſen ſey, an den zu zahlen, dem man vorhin zahlen ſollte, oder konnte. Weil aber in der Neuerung eine jede Veraͤnderung ſtatt findet; ſo kann in ihr einer ange - wieſen werden, dem man zahlen ſoll, oder darf, der in der vorhergehenden Verbindlichkeit nicht angewieſen war. Bey Abtretung ſeines Rechtes bleibtM m 2eben548II. Th. 17. H. Von der Aufhebungeben dieſelbe Verbindlichkeit (§. 338.); da - her iſt dieſelbe keine Neuerung. Aus eben dem Grunde geſchieht keine Neuerung, wenn der Zahlungstermin verlaͤngert wird; wenn nach einer Zeit einer an - gewieſen wird, dem man zahlen kann (§. 661.); oder ein Buͤrge hinzukommt (§. 569.); oder eine Strafe dazu geſetzt wird, die im Anfang nicht dabey war (§. 410.); es geſchieht auch dieſes nicht in der Beglaubigung (§. 660.). Da aber durch eine Handſchrift die Schuld bewieſen wird (§. 652.); ſo geſchieht eine Neue - rung, wenn die alte Handſchrift wie - dergegeben, und eine neue an deren Stelle angenommen wird. Weil aber aus der Erklaͤrung der Neuerung erhellet, wenn erneuert worden; ſo iſts natuͤrlicher Weiſe nicht noͤthig, daß man aus - druͤcklich ſagt, man ſey nicht geſonnen eine Neuerung zu machen. Jedoch in einem zweifelhaften Falle, wenn dasje - nige, was geſchehen, ſowohl mit dem Vorſatz eine Neuerung zu machen, als auch ohne demſelben geſchehen kann, z. E. wenn jemand mir 100. Rthlr. eines Kaufs wegen ſchuldig iſt, und ich willige nachher ein, daß er mir dieſelben nebſt den Zinſen nach 2. Jahren be - zahlen ſoll, muß man ausdruͤcklich ſagen, wofern es nicht fuͤr eine Neuerung gehalten werden ſoll, daß dasjenige, was vorgenommen wird, ohne denVor -549der Verbindlichk. aus Contracten. Vorſatz eine Neuerung zu machen ge - ſchehe (§. 318.).

§. 759.

Die rechtliche Anweiſung (delegatio)Von der rechtli - chen An - weiſung. iſt ein Vertrag, wodurch ein Schuldner ei - nen andern an ſeine ſtatt ſtellet, der dem Glaͤubiger die Schuld zu zahlen auf ſich nimmt. Der, welcher einen andern Schuldner ſtatt ſeiner ſetzt, iſt der Anweiſende (delegans); dieſer aber der Angewieſene (delegatus); der Glaͤubiger aber, welchem die Anweiſung geſchieht, heißt delegatarius. Da niemand wider ſeinen Willen einem andern verbindlich gemacht werden kann (§. 317.), noch auch oh - ne Annehmung ein Recht erhalten werden (§. 316.); ſo wird die Anweiſung durch die Einwilligung des Anweiſenden, des Angewieſenen und deſſen, dem die Anweiſung geſchieht, zu ſtande ge - bracht; nemlich der Angewieſene verſpricht dem Anweiſenden, daß er die Schuld auf ſich nehmen wolle, demjenigen, dem er angewie - ſen wird, daß er ihn bezahlen will, und die - ſer haͤlt es genehm, daß der andere die Schuld uͤbernimmet. Daher ſiehet man leicht, daß durch Anweiſung der Anweiſende be - freyet wird, und der Angewieſene al - lein dem, welchem er angewieſen wor - den, verbindlich verbleibt; folglich wenn der Angewieſene nicht bezahlen kann, ſo kann derjenige, welchem die Anwei - ſung geſchehen, nicht wieder an denM m 3Anwei -550II. Th. 17. H. Von der AufhebungAnweiſenden eine Forderung machen. Es iſt aber darinnen keine Schwierigkeit, daß natuͤrlicher Weiſe nicht noͤthig ſey, daß die Anweiſung in einem fort in Gegenwart aller Theile vollbracht wird; wie auch daß ſie ſowohl mit dem Vorſatze, zu erneuern, als ohne denſelben geſchehen koͤnne; folglich da ich, indem ich meinen Schuldner einem an - dern anweiſe, entweder es alſo verabreden kann, daß er meinem Glaͤnbiger meine Schuld als meine Schuld, oder aus eben der Urſache, aus welcher er mir ſchuldig war, bezahle, oder endlich daß er ſich ihm durch ei - nen neuen Vertrag verbindlich macht; ſo ge - ſchiehet alsdenn, wenn ich meinen Schuldner einem andern anweiſe, eine Neuetung entweder mit dem Angewie - ſenen, oder mit dem, welchem er an - gewieſen wird, oder mit beyden zu - gleich. Weil ein erlangtes Recht nieman - den genommen werden kann (§. 100.); ſo kann eine Anweiſung, die einmahl zu ihrer Richtigkeit kommen, von dem Anweiſenden nicht wiederrufen wer - den (§. 314.); folglich kann von ihm auch nicht verboten werden, daß demjeni - gen, welchem einer angewieſen wor - den, nicht gezahlet werde; und deswegen darf auch der Anweiſende die Zahlung nicht annehmen, wenn ſie ihm von dem Angewieſenen freywillig angebotenwuͤr -551der Verbindlichk. aus Contracten. wuͤrde. Wenn das Vermoͤgen des Ange - wieſenen demjenigen, dem er angewieſen wird, nicht bekannt iſt; ſo hindert es nichts, daß der Anweiſende ihm verſpricht zu bezahlen, wenn zur Zahlungszeit der Angewieſene nicht im Stande iſt zu bezahlen. Weil demnach alsdenn die Anweiſung unter der Be - dingung geſchehen, wenn zur Zah - lungszeit der Angewieſene im Stande iſt zu bezahlen; ſo iſt ſie nicht eher guͤltig, als bis zur Zahlungszeit der Angewieſene im Stande iſt zu bezah - len (§. 396.).

§. 760.

Eine gemeine oder ſchlechte Anwei -Von der gemei - nen An - weiſung. ſung (aſſignatio) iſt, wenn ein Schuldner, der bezahlen ſoll, einen andern erſucht, fuͤr ihn zu bezahlen, oder ihn ſolches heißt. Der - jenige, welcher den andern vor ihn zu zahlen erſucht, heißt wie vorhin der Anweiſende (aſſignator); derjenige aber, welcher fuͤr ihn die Zahlung thun ſoll, der Angewieſene (aſ - ſignatus). Wenn alſo der Glaͤubiger die angewieſene Schuld anſtatt der Zahlung annimmt; ſo wird der Schuld - ner befreyt: Wo aber nicht, ſo wird er nicht eher befreyt, als bis der An - gewieſene bezahlet (§. 757. 749.). Da durch dieſe Anweiſung nichts in der Verbind - lichkeit veraͤndert wird, wenn ſie nicht anſtatt der Zahlung angenommeu wird; ſo wird durch dergleichen Anweiſung auchM m 4keine552II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Artkeine Neuerung gemacht, wenn nicht die angewieſene Schuld anſtatt der Zahlung angenommen wird. Jn ei - nem jeden Falle aber wird der Haupt - ſchuldner ſo wohl, als der Buͤrge be - freyt, wenn der Angewieſene bezahlt hat (§. 749. 570.).

§. 761.

Von der Vermen - gung der Schuld und des Dar - lehns.

Die Vermengung der Schuld und des Darlehns (confuſio debiti & crediti) nennt man, wenn es ſich zutraͤgt, daß der, welcher Schuldner war, Glaͤubiger wird, z. E. wenn der Glaͤubiger Erbe des Schuld - ners wird. Durch die Vermengung der Schuld und des Darlehns wird alſo der Schuldner befreyt (§. 749.).

Das achzehnte Hauptſtuͤck.

Von der Art die Streitigkeiten im natuͤrlichen Zuſtande zu en - digen.

§. 762.

Was ein ſtreitiges Recht und der Hader ſey.

Ein ſtreitiges Recht (jus controver - ſum) nennt man, wenn zwey, oder mehrere eben dieſelbe Sache als die ihrige, oder die man ihnen ſchuldig iſt, haben wollen; oder wenn das Recht, welches der eine worzu zu haben vorgiebt, von dem an - dern geleugnet wird. Welche dieſes thun, hadern (litigant); und ihre Streitigkeit we -gen553Streitigkeiten zu endigen. gen des Rechts, welche darinnen beſteht, daß einer dem andern wegen des ihm zukommen - den Rechts widerſpricht, wird der Hader (lis) genannt; als, wenn einer bejahet, daß ihm das Eigenthum von dieſem Gute zukommt, und leugnet, daß es dem andern zukomme, der andere aber bejahet, daß es ihm zukom - me und nicht jenem; oder wenn einer bejahet, daß ich ihm 100. Ducaten ſchuldig ſey, und ich es leugne. Die Sache aber, uͤber wel - cher man hadert, wird die ſtreitige Sache (res litigioſa) genannt.

§. 763.

Das Ablaſſen vom Hader, welches umſonſtVon dem guͤtlichen Vertra - ge. geſchieht, wenn naͤmlich einer das ſtreitige Recht dem andern uͤberlaͤßt, der andere hin - gegen nichts davor erhaͤlt, heißt das guͤtli - che Vertragen, oder Vertragen in der Guͤte (amicabilis compoſitio). Der Ha - der wird alſo durch das Vertragen in der Guͤte geendet; und derjenige, wel - cher nichts bekommt, verbindet ſich, daß er von dem, welcher die ſtreitige Sache gantz erhaͤlt, nichts verlangen wolle; folglich erlaͤßt er ſein Recht, wel - ches er zu haben vermeinte (§. 337.); und alſo iſt das Vertragen in der Guͤte natuͤrlicher Weiſe erlaubt (§. 342.). Da alſo ſeine Anforderung (prætenſio) er - loͤſcht (§. 377.); ſo kann ſie, nachdem man ſich in der Guͤte vertragen, nicht wie - der erneuert werden. Da dieſes Ge -M m 5ſchaͤffte554II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Artſchaͤffte nur uns beyde angehet, wir aber einem dritten ſein Recht nicht benehmen koͤn - nen (§. 100.); ſo wird durch das Ver - tragen in der Guͤte das Recht eines dritten nicht aufgehoben.

§. 764.

Vom Ver - gleiche.

Wenn die Haderer mit einander eines wer - den, daß ſie vom Hader nicht umſonſt abſte - hen wollen, ſondern nur alsdenn, wenn et - was gegeben, oder zuruͤcke behalten, oder ver - ſprochen worden; ſo heißt dieſes ein Ver - gleich (transactio). Durch einen Ver - gleich wird alſo der Hader geendet, und die, welche den Vergleich treffen, verbinden ſich gegen einander, daß kei - ner von ihnen wegen der ſtreitigen Sache von dem andern etwas fordern will, als was verabredet worden; folglich kann nach getroffenem Ver - gleich keine Forderung wieder erneuert werden (§. 438.). Es wird aber bey dem Vergleiche ausgemacht, wer die ſtreitige Sache gantz haben, und was er dagegen andern leiſten ſoll, oder wie ſie unter die ſtreitende Partheyen ge - theilt werden ſoll, und ob einer dem andern etwas uͤber dieſes zu leiſten ver - bunden ſeyn ſoll. Es erhellet aber eben ſo wie vorher, daß durch einen Vergleich das Recht einem dritten nicht benom - men wird. Und weil der Vergleich ein Vertrag iſt (§. 438.); ſo kann man auseben555Streitigkeiten zu endigen. eben der Urſache von einem Vergleich abgehen, um derentwillen es erlaubt iſt von einem Vertrage abzugehen (§. 442.). Es iſt aber der Vergleich entweder ein allgemeiner Vergleich (transactio ge - neralis), welcher ſich auf alle beſondere For - derungen erſtreckt, die unter der allgemeinen begriffen ſind, es mag ſeyn, daß man zu der Zeit, als der Vergleich gemacht worden, dar - an gedacht hat, oder nicht, z. E. wenn einer ſich wegen alles und jeden Anſpruches, wel - cher in Anſehung eines ſtreitigen Guts, aus was vor einer Urſache es immer geſchehen mag, vergleicht; oder es iſt ein beſonderer Vergleich (transactio ſpecialis), welcher nur auf gewiſſe Sachen entweder in Anſe - hung ihrer Art, oder ihrer Qvantitaͤt gehet, z. E. wenn man ſich wegen des Eigenthums eines Guts, oder wegen einer gewiſſen Qvan - titaͤt von Fruͤchten von einem Gute, oder einer gewiſſen Qvantitaͤt von Getreide vergleicht. Derowegen thut man bey einem allge - meinen Vergleiche Verzicht auf allen Anſpruch an die ſtreitige Sache, er mag beſchaffen ſeyn, wie er will: Aber in einem beſondern Vergleiche thut man nicht auf alle Forderungen Ver - zicht, die nachher einem bekannt wer - den koͤnnten, ſondern dieſe bleiben ei - nem unbenommen (§. 340.).

§. 765.

Man ſagt, der Hader, oder StreitVom Unter -werde556II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Artſchied zwiſchen - einer Entſchei - dung und Beyle - gung ei - nes Streits.werde beygelegt, oder geſchlichtet (lis componi dicitur), wenn man die Wahrheit in Zweifel laͤßt, und denſelben mit Einwilli - gung der hadernden Partheyen endiget, naͤm - lich daß entweder einer von ſeiner Forderung abſteht, oder daß eines jeden Forderung zum Theil ein Gnuͤge geſchieht. Man ſagt aber der Hader, oder Streit werde entſchie - den (litem decidi), wenn, nachdem alles ge - ſchehene hinlaͤnglich bewieſen und nach den Gruͤnden des Rechts beurtheilet worden, ge - zeigt wird, auf weſſen Seite ſich die Wahr - heit befindet, oder wem das Recht zukommt, daruͤber man gehadert. Durch den Ver - gleich demnach und das Vertragen in der Guͤte geſchieht keine Entſcheidung, ſondern die Streitigkeit wird nur bey - gelegt, oder der Hader geſchlichtet (§. 763. 764.).

§. 766.

Wenn das Ver - tragen in der Guͤte und der Veꝛgleich ſtatt fin - det.

Da eine unſtreitige Schuld gewiß iſt (§. 756.), und der Schuldner zum Abtrag der - ſelben verbunden (§. 751. 766. ), noch auch je - mand mit der Sache eines andern ſich berei - chern darf (§. 271.); ſo kann man uͤber eine unſtreitige Schuld keinen Ver - gleich trefen (§. 764.), noch ſich in der Guͤte vertragen (§. 763.). Weil aber doch ein jeder ſein Recht erlaſſen und auf daſſelbe ſo lange Verzicht thun kann, als nichts dem Recht eines dritten zuwider vorgenommen wird (§. 342.); ſo kann eine unſtreitigeSchuld,557Streitigkeiten zu endigen. Schuld, wenn es dem Glaͤubiger ge - faͤllt, entweder gantz, oder zum Theil erlaſſen werden, oder er kann auf das, wozu er Recht hat, entweder gantz, oder zum Theil Verzicht thun. Dieſes Er - laſſen der Schuld und dieſer Verzicht aber iſt kein Vertrag in der Guͤte, auch kein Ver - gleich; weil in dieſen beyden ein ungewiſſes Recht erlaſſen, oder darauf Verzicht gethan wird. Daher erhellet, daß der Vertrag in der Guͤte, woferne man der Bedeutung der Worte nicht Gewalt anthun will, nicht anders, als bey ſtreitigen Schulden ſtatt findet.

§. 767.

Nach der natuͤrlichen Freyheit kommtsWas Rechtens iſt, wenn die Schuld ſtreitig iſt. allein auf den Willen der Hadernden an, ob ſie ſich in der Guͤte vertragen, oder mit einander vergleichen wollen, oder nicht (§. 78.). Da aber niemand ſich durch, oder aus eines andern Sache be - reichern darf (§. 271.); ſo muß man ſich bemuͤhen, daß das, was ſtreitig iſt, unſtreitig gemacht, oder ausgemacht werde. Weil es aber doch nothwendig iſt, daß der Hader ein Ende gewinne; ſo muß durchs Loos ausgemacht werden, wem die ſtreitige Sache zugehoͤren ſoll. Wofern es aber unmoͤglich ſeyn ſollte, daß das, was ſtreitig iſt, unſtreitig ge - macht werden kann, es aber nicht rathſam zu ſeyn ſcheinet, den Streitdurch558II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Artdurch das Loos auszumachen; ſo hat derjenige Theil, dem daran gelegen iſt, daß der Hader geſchlichtet wird, indem es alsdenn nicht anders als durch einen Ver - gleich geſchehen kann (§. 764. 765. ), aller - dings das Recht, den andern mit Ge - walt zu einem Vergleiche zu bringen; weil auch das Recht, welches einem wahr - ſcheinlicher Weiſe zukommt, einem nicht ge - nommen werden kann (§. 100.).

§. 768.

Von der Vermit - telung.

Einen Mittler (mediator) nennt man eine Perſon, welche ſich bemuͤht, den Streit zwiſchen andern beyzulegen, ob ſie gleich nicht das Recht dazu hat. Die Handlung aber, wodurch die Beylegung von einem dritten ent - weder zu ſtande gebracht, oder verſucht wird, nennt man die Vermittelung (mediatio). Der Mittler nimmt ſich alſo der Sa - che von beyden Theilen an; bey dem aber, was ihm gutduͤncket, doͤrfen die ſtreitenden Partheyen es nicht bewen - den laſſen. Da er das Recht den Streit beyzulegen nicht hat; ſo iſt ſeine Pflicht nur Bedingungen vorzuſchlagen, un - ter welchen er vermeinet, daß die Strei - tigkeit beygelegt werden koͤnne; der ſtreitenden Partheyen Meinung davon zu vernehmen, und zu rathen, die ent - weder von ihm, oder von einem von beyden Theilen vorgeſchlagene Bedin - gungen anzunehmen. Und weil er ſichder559Streitigkeiten zu endigen. der Sache von beyden Theilen annimmt; ſo darf er nicht mehr auf des einen Theils Seite, als auf des andern ſeyn; folglich da man den, der dieſes thut, partheyiſch (ſtudioſum partium, partialem), der dieſes aber nicht thut, unpartheyiſch (impartia - lem) nennt; ſo muß er unpartheyiſch ſeyn, und deswegen nach dem gemein - ſchaftlichen Nutzen und nach den Gruͤnden der Forderungen eines jeden Theils die Bedingungen beurtheilen. Daher erhellet, daß es auch dem Mittler zukomme, von den Bedingungen, wel - che von beyden Theilen angeboten wer - den, ſein Gutduͤncken zu ſagen und die unbilligen Bedingungen, welche von einem, oder dem andern Theil an - geboten werden, zu verwerfen.

§. 769.

Tractaten (tractatus) nennt man die Be -Von den Tracta - ten. rathſchlagungen von einem Vertrage, welcher gemacht werden ſoll. Die Berathſchlagun - gen aber ſind die Handlungen des Verſtan - des, in welchen erwogen wird, ob etwas viel - mehr geſchehen ſolle, oder nicht, ob vielmehr auf dieſe, oder auf eine andere Weiſe. Des - wegen ſtellt man die Berathſchlagun - gen entweder uͤber die Abſichten, die man hat, oder uͤber die Mittel, wo - durch dieſelbe zu erreichen, oder uͤber beydes zugleich an; folglich wenn man in Tractaten tritt um einen Streit bey -zulegen,560II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Artzulegen, da wegen der Abſicht die ſtreiten - den Partheyen ſchon mit einander einig ſind, naͤmlich daß ihr Streit ſoll beygelegt werden; ſo muß man hauptſaͤchlich uͤber die Mittel, das iſt, uͤber die Art und Wei - ſe, wie der Streit beyzulegen, ſich be - rathſchlagen. Da niemand ſich dem an - dern als durch Verſprechen verbindlich ma - chen kann (§. 380.), noch auch anders, als wenn der andere daſſelbe annimmt (§. 381.); ſo entſteht ſo lange, als die ſtreitenden Partheyen in die Art den Streit bey - zulegen noch nicht willigen, folglich noch in Tractaten ſtehen, keine Ver - bindlichkeit, und es wird auch kein Recht erhalten (§. cit. ); folglich wenn zu den Tractaten nicht ein Vertrag hinzukommt, ſo haben ſie ſich zer - ſchlagen (§. 437.). Weil kein Vertrag noch nicht dazu kommt, wenn das, was angeboten wird, zur Ueberlegung, oder vom Gevollmaͤchtigten bis zur Ge - nehmhaltung angenommen wird; ſo entſteht auch daraus noch keine Ver - bindlichkeit; folglich iſt es erlaubt, daß der die Bedingungen anbietet, wieder zuruͤcke gehet: wenn nicht die Vollzie - hung des Geſchaͤftes unter denen Be - dingungen, welche angeboten werden, in dem erſten Falle lediglich dem Wil - len deſſen, der ſie annimmt, in dem andern Falle aber dem Willen desHerrn561Streitigkeiten zu endigen. Herrn des Geſchaͤfftes uͤberlaſſen wird; indem ein bedingtes Recht, welches der An - nehmende, oder der Herr des Geſchaͤfftes er - langt hat, demſelben nicht genommen werden kann (§. 396. 553.). Da wir uͤbrigens ei - nem jeden ſein Recht laſſen, keines Recht verletzen, uns gegen jedermann billig, gegen niemanden unbillig erzeigen ſollen (§. 86.); ſo muß nach dem innern Rechte in den Tractaten ein jeder Theil ſo wohl ſei - ne eigene, als des andern Gruͤnde, worauf er ſeine Forderung gruͤndet, erwegen, und nach dieſen muß der Vertrag eingerichtet werden. Und da - her erhellet, daß eben dieſes der Mittler zu thun hat.

§. 770.

Das Compromiß (compromiſſum), oderVon dem Compro - miß auf einen Schieds - richter und vom Schieds - manne. die einſtimmige Bewilligung nennt man einen Vertrag, da man mit einander eines wird dabey es bewenden zu laſſen, was eine gewiſſe Perſon, oder mehrere ſagen werden; und der Schiedsrichter (arbiter) wird die - ſe Perſon genannt, welche man durch das Compromiß erwaͤhlt, die ſtreitige Sache zu entſcheiden; das Recht die ſtreitige Sache nach ſeinem Gutbefinden zu entſcheiden, wel - ches man dem Schiedsrichter einraͤumet, wird das willkuͤhrliche Entſcheidungrecht (arbitrium); das Urtheil aber, wodurch der Schiedsrichter den Streit entſcheidet, der willkuͤhrliche Spruch (laudum) genannt. Nat. u. Voͤlckerrecht. N nDie562II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen ArtDie ſtreitenden Partheyen ſind alſo ver - bunden, bey dem Spruche des Schieds - richters es bewenden zu laſſen; und der Schiedsrichter endet alſo den Ha - der. Von einem Schiedsrichter iſt der Schiedsmann (arbitrator) unterſchieden, der zu dem Ende erwaͤhlt wird, daß er die ſtreitige Sache beylegen ſoll, dem aber nicht das Recht ſie zu entſcheiden beygeleget wird; folglich ſind die ſtreitenden Theile nicht ſchuldig es bey dem Ausſpruche des Schiedsmanns bewenden zu laſſen: Sondern wenn derſelbe einem oder dem andern Theile nicht anſtehet, ſo iſt nichts zu Stande gekommen, und blei - bet einem jeden ſeine Forderung unbe - nommen. Weil ſich alſo der Schiedsmann wie ein Mittler verhaͤlt (§. 768.); ſo haben beyde einerley Verrichtung. Der Schiedsmann iſt gleichſam eine Mittelsper - ſon zwiſchen einem Mittler und Schiedsrich - ter; er uͤberlegt nichts mit den ſtreitenden Partheyen, wie der Mittler, er ſpricht auch kein Endurtheil, als wie der Schiedsrichter, ſondern er uͤberlaͤßt den ſtreitenden Partheyen zu uͤberlegen, was ſie von ſeiner Meinung halten wollen. Da ein angenommenes Ver - ſprechen nicht wiederrufen werden kann (§. 427.); ſo kann ein Compromiß nicht wider Willen des einen Theils wieder - rufen werden (§. 438.). Durch den bey - derſeitigen widrigen Willen aber kannes,563Streitigkeiten zu endigen. es, ſo wie ein jeder anderer Vertrag (§. 444.) aufgehoben werden; folglich koͤnnen die ſtreitenden Partheyen durch eine beyderſeitige Einwilligung das dem Schiedsrichter eingeraͤumte Recht wiederrufen; und alſo die ſtreitige Sa - che entweder in der Guͤte beylegen, oder ſich vergleichen, obgleich der Schiedsrichter die Entſcheidung ſchon uͤbernommen hat. Ja wenn er ihnen mißfaͤllt, koͤnnen ſie auch einen andern erwaͤhlen.

§. 771.

Nach der natuͤrlichen Freyheit kann nie -Ob man genoͤthi - get das Amt ei - nes Schieds - richters anzuneh - men, und ob man ſich da - von wie - der loß - ſagen koͤnne. mand das Amt eines Schiedsrichters zu uͤbernehmen gezwungen werden (§. 78.). Da aber derjenige, welcher es uͤber - nimmt, eben dadurch verſpricht, er wolle den Streit entſcheiden (§. 379.); folglich ſich den Partheyen dazu verbindlich macht (§. 380.); ſo kann er auch ſich davon nicht wider den Willen der ſtreitenden Partheyen loßſagen (§. 100.). Denn man ſagt er ſage ſich davon loß (renuntiare arbi - trium), wenn er den ſtreitenden Partheyen anzeigt, er moͤge den Streit nicht entſchei - den.

§. 772.

Weil der Schiedsrichter den Streit ent -Von der Pflicht eines Schieds - richters ſcheiden ſoll (§. 770.); ſo muß er beurthei - len, wem die ſtteitige Sache zugehoͤre, oder welchem Theil man etwas ſchul -N n 2dig564II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Artund was es vor ein Mañ ſeyn muͤſſe.dig ſey, und welchem nicht; folglich muß er den Spruch thun, ob der, welcher ein Recht wider den andern zu haben vorgiebt, daſſelbe habe, oder nicht; und hierinnen beſteht das Urtheil des Schiedsrichters (§. 770.). Hieraus folgt gleichſam von ſelbſt, daß der Schiedsrich - ter unpartheyiſch ſeyn muß (§. 768.), und da das Anſehen der Perſon (reſpe - ctus perſonarum) in der Beſtimmung des Willens durch Bewegungs-Gruͤnde, die von der Perſon, zu deren Vortheil etwas geſchieht, hergenommen ſind, dergeſtalt daß man nicht auf die Wahrheit ſieht; ſo muß er kein An - ſehen der Perſon haben. Und weil man den einen redlichen Mann (virum bonum) nennt, der die Gerechtigkeit und Ehrlichkeit liebt, was aber derſelben entgegen iſt, haßt, dergleichen ein jeder ſeyn ſoll (§. 86. 49. ); folglich wer ein redlicher Mann ſeyn will, verſtehen muß, was recht und ehrlich, was unrecht und nicht ehr - lich, folglich auch was billig und unbil - lig iſt (§. 83.), und alſo die Wahrheit lieben; ſo muß auch ein Schiedsrich - ter ein redlicher Mann ſeyn; und folg - lich verſtehen, was recht und unrecht, was billig und unbillig iſt, er muß die Wahrheit lieben, und ſich von keiner Parthey durch Geſchencke beſtechen laſſen.

§. 773.565Streitigkeiten zu endigen.

§. 773.

Wenn Partheyen uͤber ein Recht ſtreiten,Wie er ſein Amt zu ver - walten hat. ſo wird der Klaͤger (actor) genannt, wel - cher ein Recht fordert, ſo ihm der andere leugnet, oder nicht einraͤumet; der Beklag - te (reus) aber, von welchem die Geweh - rung des Rechtes gefordert wird. Da nun der Schiedsrichter den Streit entſcheiden ſoll (§. 770.); ſo muß er ſagen, ob dem Klaͤ - ger das Recht zukommt, welches er fordert; folglich ob der Beklagte ihn daſſelbe zu gewehren ſchuldig ſey, oder nicht (§. 765.). Derowegen muß er nach der Beſchaffenheit der Sache ſich er - kundigen, und davor ſorgen, daß die - ſelbe in Anſehung aller Umſtaͤnde wi - der den, welcher dieſes, oder jenes leug - net, bewieſen werde, und endlich die Sache nach den Geſetzen, das iſt, im natuͤrlichen Zuſtande, nach dem Rech - te der Natur entſcheiden. Daher er - hellet, daß ein Schiedsrichter die Ge - ſetze, und im natuͤrlichen Zuſtand das Recht der Natur inne haben muͤſſe.

§. 774.

Weil der Schiedsrichter nach den Geſetzen,Was der Klaͤger und Be - klagte zu thun hat. wie ſie beſchaffen, entſcheiden muß (§. 773.); ſo muß der Klaͤger die Sache erzehlen, und das, was vom Beklagten geleug - net wird, beweiſen: Der Beklagte aber muß auf die Erzehlung der Sache ant - worten, ob er ſie vor wahr haͤlt, oderN n 3nicht,566II. Th 18. H. Von der natuͤrlichen Artnicht, oder ob er nur einige Umſtaͤnde leugnet, und was er wider dasjenige, was er zulaͤſt, einzuwenden hat, wel - ches er wider den Klaͤger, wenn er es leugnet, hinlaͤnglich beweiſen muß (§. cit.).

§. 775.

Von dem Beweiſe durch ein Jnſtru - ment.

Weil ein Jnſtrument (inſtrumentum) eine jede Schrift iſt, darinnen entweder das aufgezeichnet iſt, was diejenigen, welche ei - nen Vertrag machen, unter einander abgere - det haben, oder die Urſache, um derentwil - len dem andern ein Recht zu - oder nicht zu - kommt; ſo werden die Sachen durch Jnſtrumente, welche der Gegentheil, wider welchen ſie vorgezeigt werden, als wahr annimmt, und dargegen er nichts einzuwenden im Stande iſt, be - wieſen. Da die Jnſtrumente dieſen Vor - theil haben, wenn es auf ein zweyſeitiges Geſchaͤffte (negotium bilaterale) ankommt, da naͤmlich ſich ein jeder Theil zu gewiſſen Lei - ſtungen verbindet; ſo muß das Jnſtru - ment, welches verfertiget wird, von beyden Theilen unterſchrieben, und einem jeden Theil ein Exemplar, welches von beyden Theilen unter - ſchrieben worden, gegeben wer - den: Wenn aber das Jnſtrument wegen eines einſeitigen Geſchaͤff - tes (de unilaterali negotio) verferti - get wird, da naͤmlich ein Theil dem an -dern567Streitigkeiten zu endigen. dern ſich zu etwas verbindet; ſo darf es nur von dem Theile unterſchrieben werden, welcher ſich dem andern ver - bindet, und dem uͤbergeben werden, welchem er ſich verbindlich gemacht hat. Damit aber nicht ein Streit uͤber das Jnſtrument entſtehe, welcher vermieden wer - den koͤnnte; ſo muß, wenn zwey Exem - plare vom Jnſtrument gemacht wer - den, in denſelben angezeigt werden, daß zwey gemacht, von beyden Thei - len unterſchrieben, und einem jeden Theile eines zugeſtellet worden. Aus der Erklaͤrung des Jnſtruments erhellet, daß ein Brief, wodurch einem Abweſen - den etwas angezeigt wird, ein Jnſtru - ment ſey, z. E. worinnen der Schuldner die Schuld von 100. Ducaten bekennet, wie auch eine Handſchrift (§. 652.), und eine Qvittung (§. 654.), ingleichen ein Pro - tocoll (protocollum), maſſen man mit die - ſem Nahmen ein kurtzes Verzeichniß einer ge - ſchehenen Sache zu belegen pflegt, deren An - dencken man erhalten will, wenn es in dem natuͤrlichen Zuſtande vom Gegen - theil, oder von andern glaubwuͤrdi - gen anweſenden Perſonen unterſchrie - ben wird; indem es vor richtig angenom - men wird, weil es von ihnen davor erkannt worden. Uebrigens erhellet auch daher, daß Protocolle auch zu dem Ende aufge - nommen werden, damit man darausN n 4Jnſtru -568II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen ArtJnſtrumente verfertigen kann. Der - gleichen Protocoll heiſt eine Punctation (punctatio, item imbreviatura). Jn zwei - felhaften Faͤllen, wenn ein Jnſtrument von einem Protocoll verſchieden ſeyn ſollte; ſo iſt die Vermuthung vor das Protocoll: Denn da es eine geſchehene Sa - che iſt, daß die contrahirenden Theile etwas in dem Jnſtrumente einſtimmig geaͤndert haben, was ſie vorher verabredet hatten; ſo muß, der dieſes behauptet, es erweiſen. Damit nun dieſer Streit vermieden werde; ſo muß ein Jnſtrument, das von einem andern ge - macht worden, ehe man es unter - ſchreibt, noch einmahl durchgeleſen und mit dem Protocoll verglichen wer - den (§. 52.): Welches auch die Zeugen thun ſollen, die dazu gebraucht wer - den, daß ſie bezeugen ſollen, es ſey die Sache ſo und nicht anders verhan - delt worden; nicht aber, wenn ſie bloß zeugen ſollen, es ſey das Jnſtru - ment durch Einwilligung der Par - theyen gemacht worden; indem ſie in dieſem Falle nicht wiſſen doͤrfen, was im Jnſtrument enthalten ſey. Man nennet ein Jnſtrument ein Original (inſtrumentum originale), welches durch beyderſeitige Ein - willigung der Partheyen gemacht worden; eine Copey aber (copia, exemplum), was von dem Original abgeſchrieben worden. Die Copey beweiſet alſo an und vor ſichſelbſt569Streitigkeiten zu endigen. ſelbſt nichts, als in ſo fern man weiß, daß ſie mit dem Original uͤberein - kommt; folglich, da man eine beglaubigte, oder vidimirte Copey (copiam vidimatam) diejenige nennt, deren Uebereinſtimmung mit dem Original glaubwuͤrdige Perſonen bezeu - gen, wenn ſie beglaubiget, oder vidi - mirt worden.

§. 776.

Ein Blanqvet (charta blanca) nennt manVon Blan - qveten. ein lediges Papier, welches einer mit ſeinem Nahmen unterſchrieben und beſiegelt dem an - dern uͤbergiebt, daß er es eines gewiſſen Ge - ſchaͤfftes wegen ſelbſt beſchreibe. Da aller - dings derjenige, welcher ein Blanqvet giebt, ſich auf die Treue deſſen, der es empfaͤngt, verlaͤßt, daß er nichts anders darauf ſchrei - ben werde, als was er hat haben wollen, und der es empfaͤngt, von allem Betrug entfernt ſeyn ſoll (§. 286.); ſo verbindet ein Blanqvet denjenigen, der es unter - ſchrieben und beſiegelt hat, das zu lei - ſten, was in dem darauf geſchriebenen verſprochen wird; und der es em - pfaͤngt, verbindet ſich wenigſtens ſtill - ſchweigens, nichts darauf zu ſchreiben, als was jener darauf will geſchrieben haben, oder was mit ſeiner Abſicht uͤbereinkommt: Wofern er abet etwas ſchreibt, wozu wir uns nicht haben verbinden wollen, oder welches nicht wahr iſt; ſo ſind wir es zu leiſten, oderN n 5daſſel -570II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Artdaſſelbe zu halten nicht vetbunden. Da es aber vor ſich erhellet, man koͤnne ei - nem auf ſein bloſſes Sagen nicht glauben; ſo muß bewieſen werden, daß etwas wider unſern Willen, oder was nicht wahr iſt, darauf geſchrieben worden ſey. Derowegen, zur Vermeidung des Streits, muß man, wenn es angehet, bey der Unterſchrift eines Blanqvets kurtz anzeigen, zu was Ende es gege - ben wird.

§. 777.

Von Kerbhoͤl - tzern.

Ein Kerbholtz (bacilla fiſſa) nennt man, welches durch eingeſchnittene Kerben beweiſet, wie viel einer dem andern gegeben, und die - ſer bekommen hat, oder auch wie viel einer Dienſte geleiſtet, der zu einer gewiſſen Zahl derſelben dem andern verbunden war. Weil beyde Theile mit einander eines werden, daß, was geſchehen, durch Kerbhoͤltzer bewie - ſen werden ſoll; ſo wird durch dieſelbe das was gegeben und empfangen worden, oder was einer von beyden Theilen ge - leiſtet, bewieſen; folglich wird in dem erſten Falle die Schuld, und in dem andern das, was abgetragen worden, bewieſen.

§. 778.

Vom Beweiß durch Zeugen.

Einen Zeugen (teſtis) nennt man eine Perſon, welche, was geſchehen, glaubwuͤrdig machen ſoll. Es wird alſo, was geſche - hen, durch Zeugen erwieſen. Weil mannun571Streitigkeiten zu endigen. nun vor wahr haͤlt, was der Zeuge ſagt; ſo wird von ihm ſo wohl erfordert, daß er weiß, was geſchehen, als auch daß er die Wahrheit ſagen will (§. 347.); damit er naͤmlich weder ſich ſelbſt irre, oder andern Falſches beybringe (§. 356.); folg - lich, damit man deſto weniger daran zweifeln kann, daß ihm die Sache bekannt ſey, ſo iſt noͤthig, daß er zugegen geweſen, als das ge - ſchehen, wornach gefragt wird. Einen Au - genzeugen (teſtis oculatus) nennt man, der das ſagt, was er in ſeiner Gegenwart wahr - genommen hat: Einen Zeugen vom Hoͤ - renſagen (teſtis auritus) aber denjenigen, der nur ſagt, was er von andern gehoͤrt; ei - nen wahrhaften Zeugen (teſtis verus), welcher die Wahrheit ſaget, das iſt, ſo wie er es weiß; einen falſchen Zeugen (teſtis falſus), der anders ſagt, als was er weiß. Wenn Gruͤnde vorhanden ſind, warum einer die Wahrheit zu ſagen Bedencken tragen kann, oder um derentwillen vermuthet wird, daß er ſie nicht ſagen werde, ſo heiſt er ein verdaͤch - tiger Zeuge (teſtis ſuſpectus); der alſo zum Zeugniß nicht zugelaſſen werden kann. Ein Zeuge hingegen, auf welchen kein Verdacht faͤllt, daß er nicht moraliſch wahrreden, oder die Wahrheit ſagen werde, iſt ein glaubwuͤrdiger Zeuge (teſtis inte - ger). Weil ein Zeuge zum Beweiß deſſen, was geſchehen, gebraucht wird; ſo iſt er von Natur die Wahrheit zu ſagenver -572II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Artverbunden (§. 134.); folglich iſt ein fal - ſches Zeugniß eine Luͤgen (§. 351.). Und damit man dem Zeugniſſe deſto ſicherer trauen koͤnne; ſo muß der Zeuge verſprechen, daß er die Wahrheit ſagen wolle (§. 380.). Um nun deſtoweniger einen Arg - wohn zu ſchoͤpfen, daß der Zeuge die Wahr - heit nicht geſagt; ſo muß er, weil der Eid alle ſtillſchweigende Ausfluͤchte und Bedin - gungen und Vorbehaltungen im Sinne weg - raͤumet (§. 369.), ſchwoͤren, daß er die Wahrheit ſagen wolle, oder ſein ab - gelegtes Zeugniß beſchwoͤren. Da aber dasjenige, was in der That falſch iſt, moraliſch wahr ſeyn kann (§. 347.), zum Beweiß des geſchehenen aber, wie es an und vor ſich ſelbſt erhellet, erfordert wird, daß es ſich ſo ver - halte, wie geſagt wird; ſo beweiſet ein Zeuge, wenn er gleich geſchworen hat und gar nicht verdaͤchtig iſt, nichts hinlaͤnglich; und folglich iſt der Beweiß durch einen Zeugen ein unvollſtaͤndiger Beweiß; indem man einen unvollſtaͤndi - gen Beweiß (probationem ſemiplenam), oder einen halben Beweiß nennt, wodurch das geſchehene nicht hinlaͤnglich bewieſen wird; gleichwie im Gegentheil ein vollſtaͤndiger, oder voͤlliger Beweiß (probatio plena) heißt, wodurch das geſchehene hinlaͤnglich be - wieſen wird. Weil nur eines in der That wahr ſeyn kann (§. 347.); ſo wird, was zwey, oder mehrere beſchworene Zeu -gen,573Streitigkeiten zu endigen. gen, das iſt, welche durch einen Eid den Verdacht von ſich abgelehnet haben, als wenn ſie die Wahrheit nicht ſagen wuͤrden, zugleich ausſagen, fuͤr wahr in der That, und alſo fuͤr voͤllig bewieſen angenommen; folglich muß der, welcher es leugnet, es wider ſich als wahr gelten laſſen, und wird deswegen fuͤr uͤberwieſen gehalten. Denn da der Beweiß anders keinen Ausgang gewinnen kann; ſo muß, ob es gleich nicht ſchlechterdings unmoͤglich iſt, daß was durch Zeugen auf dieſe Art bewieſen wird, in der That doch falſch ſeyn kann, dennoch dasjeni - ge, was durch Zeugen auf ſolche Art bewie - ſen worden, fuͤr wahr angenommen werden. Denn eine ſolche Gewißheit, als man durch mathematiſche Beweiſe erhaͤlt, wuͤrde man hier vergeblich verlangen.

§. 779.

Da der Wille durch Bewegungsgruͤnde be -Wer zeu - gen kann. ſtimmt wird, naͤmlich durch eine Vorſtellung des Guten, oder Boͤſen; folglich ein falſches Zeugniß abgeleget wird, welches entweder in der Hoffnung etwas Gutes zu erhalten, oder ein Uebel zu vermeiden, oder dem zu Liebe, fuͤr welchen, oder aus Haß gegen den, wi - der welchen das Zeugniß abgelegt wird; ſo wird, wenn ein Zeuge verdaͤchtig ſeyn ſoll, erfordert, daß es das Anſehen hat, er werde ein falſches Zeugniß auch eid - lich ablegen, entweder aus Hoffnung zu etwas Guten, oder aus Furcht fuͤreinem574II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Arteinem Uebel, oder auch aus Liebe, oder aus Haß. Daher entſteht der Verdacht aus den beſondern Umſtaͤnden, wodurch dieſes bewieſen wird. Hieraus aber folgt, daß ein verdaͤchtiger Zeuge nicht zuzulaſſen ſey, und da aus angefuͤhrten Gruͤnden ein Zeuge in ſeiner eigenen Sache, aus welcher er naͤmlich einen Vortheil hofft, oder einen Schaden befuͤrchtet, verdaͤchtig iſt; ſo kann niemand in ſeiner eigenen Sache Zeu - ge ſeyn; folglich auch kein Mitglied ei - ner Geſellſchafft in einer gemeinſchafft - lichen Sache. Und weil einem Zeugen be - kannt ſeyn muß, was geſchehen (§. 778.); ſo kann niemand von Dingen zeugen, welche er nicht verſtehen kann, oder worauf er nicht acht gegeben hat. Es iſt aber kein natuͤrlicher Grund vorhanden, warum Weibsperſonen nicht zeugen koͤnn - ten; folglich ſind ſie zum Zeugniß zuzu - laſſen. Ob nun gleich aber aus allgemeinen Gruͤnden, welche von der Beſchaffenheit ge - wiſſer Perſonen genommen werden, z. E. wenn gefragt wird, ob der Schuldner wider ſeinen Glaͤubiger zeugen koͤnne, oder dieſer wider jenen, ein Mitglied einer Geſellſchafft in einer Sache, welche die Geſellſchafft nicht angehet, wider ein anderes Mitglied, ob ein Blutsfreund wider den andern zeugen koͤnne, einiger Verdacht erregt werden koͤnnte, war - um man dergleichen Perſonen nicht vor guͤl - tige Zeugen halten koͤnnte, und man alſo, woman575Streitigkeiten zu endigen. man andere haben kann, ſie dieſen nachzuſe - tzen hat; ſo kann man doch aus dieſen Urſa - chen allein, wofern nicht andere offenbahre Urſachen noch ins beſondere dazu kommen, ſie nicht ſo verdaͤchtig machen, daß auch ein Eid nicht hinreichend waͤre den Verdacht von ſich abzulehnen. Damit aber kein Theil uͤber die Guͤltigkeit der Zeugen ſich zu beſchweren Ur - ſache hat; ſo muß der, welcher fuͤr ſich etwas durch Zeugen beweiſen will, ſie ſelbſt angeben: Wenn er aber gegen ei - nen andern etwas durch Zeugen be - weiſen will; ſo muß dieſer, ehe ſie zu - gelaſſen werden, gehoͤrt werden, ob er gegen ſie etwas einzuwenden hat, und ſie verdaͤchtig machen will, oder kann.

§. 780.

Da geſchehene Dinge, welche durch Zeu -Von wel - cher Sa - che und wie ge - zeugt werden muß. gen bewieſen werden ſollen, nicht anders als durch die Sinnen erkannt werden koͤnnen (§. 778.); ſo muß die Sache, wovon ge - zeugt werden ſoll, in die Sinnen fal - len; folglich muß der Zeuge nichts er - zehlen, als was er durch die Sinne begriffen hat: Wenn er aber etwas ſagt, was durch die Sinnen nicht be - griffen werden kann; ſo iſt das Zeug - niß nichtig. Und damit daſſelbe nicht un - recht ausgelegt werden kann; ſo muß der Zeuge das, was er durch die Sinnen erkannt, mit eigentlichen Worten, dieeine576II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Arteine beſtimmte und unveraͤnderte Be - deutung haben, erzehlen (§. 346.).

§. 781.

Von ei - nem Be - weiß durch den Eid.

Wenn eine ſtreitige Sache nicht auf andere Weiſe bewieſen werden kann, als wenn guͤltige Jnſtrumente (§. 775.), oder Zeugen (§. 778.) fehlen, oder wenigſtens nicht hinlaͤnglich; ſo muß, da ſonſt der Streit keinen Ausgang gewinnen koͤnnte, den er doch gewinnen ſoll, im erſten Falle die Sache durch einen Eid bewieſen; im andern aber, was dem Beweiſe noch abgehet, durch den Eid erſetzt werden. Aus eben der Urſache muß einer die Ver - muthungen gegen ſich, die er anders nicht ablehnen kann, durch einen Eid ablehnen; indem ihm oblieget zu beweiſen, was man wider ihn vermuthet, ſey falſch.

§. 782.

Von den Arten ei - nes Ei - des.

Ein Verſicherungseid (juramentum aſſertorium) iſt, welcher zu dem Ende ab - gelegt wird, daß man fuͤr wahr halten ſoll, was geſagt worden, es mag entweder etwas bekraͤfftiget, oder verneint werden; ein Er - fuͤllungseid (ſuppletorium) iſt, wodurch der Mangel des Beweiſes erſetzt wird; daß dannenhero ein Erfuͤllungseid aus einem unvollſtaͤndigen Beweiſe einen voͤlli - gen macht (§. 778.). Ein Reinigungs - eid (juramentum purgatorium) iſt, wodurch einer die Vermuthungen, die wider ihn ſind,von577Streitigkeiten zu endigen. von ſich ablehnet; indem man ſagt, es rei - nige ſich einer (purgare ſe), wenn er ſich von dem auf ihn gefallenen Verdachte be - freyet. Ein Entſcheidungseid (juramen - tum litis deciſorium) iſt, welcher zu dem En - de geleiſtet wird, daß der Streit entſchieden ſeyn ſoll; folglich wird durch einen Ent - ſcheidungseid der Hader geendigt. Man theilet aber dieſen ein in einen freywilligen (voluntarium), wenn die hadernde Par - theyen unter ſich einig werden, daß der Streit durch einen Eid entſchieden werden ſoll; und in einen nothwendigen (neceſſarium), wenn aus Mangel anderer Beweiſe deſſen, worauf es in Entſcheidung der ſtreitigen Sa - che ankommt, ſolches nicht anders, als durch einen Eid bewieſen werden kann, oder auch der nicht voͤllige Beweiß durch den Eid erſt voͤllig werden muß. Endlich heiſt ein Ver - ſprechungseid (juramentum promiſſo - rium), wenn man eidlich etwas verſpricht, oder der ein Verſprechen in ſich enthaͤlt.

§. 783.

Man ſagt, einer lege dem andern einenVom Aufer - legen ei - nes Eids. Eid auf, oder er ſchiebe es ihm ins Ge - wiſſen (juramentum alteri deferre), wenn er ſich hinlaͤnglich erklaͤret, er wolle daß der andere ſchwoͤren ſolle. Derowegen wenn andere Beweiſe fehlen, oder man, was zu beweiſen war, nicht voͤllig beweiſen koͤnnen, ſo kann der Schiedsrichter ei - nen Eid auflegen (§. 781.); folglich iſtNat. u. Voͤlckerrecht. O oder578II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Artder Eid, welcher vom Schiedsrichter einem auferlegt worden, ein nothwen - diger Eid, und beſonders iſt es der Er - fuͤllungseid. Aus eben dem Grunde kann auch vor dem Schiedsrichter ein Theil dem andern einen Eid auferlegen: Je - doch da ihm alle Unterſuchung der Sache zu - kommt (§. 770.); ſo muß es mit ſeiner Bewilligung geſchehen. Ja aus eben der Urſache kann der Klaͤger dem Be - klagten, wegen deſſen, was er leugnet, und der Beklagte dem Klaͤger wegen ſeiner Einwendungen das Gewiſſen ruͤhren; weil niemand ein Zeuge in ſeiner eigenen Sache ſeyn kann (§. 779.), folg - lich durch einen Eid nicht beweiſen, was von dem andern Theil geleugnet wird. Weil man es aber nicht auf einen Eid muß ankommen laſſen, ſo lange man andere Beweiſe haben kann (§. 781.); ſo folgt, daß, wenn ein Theil dem andern vor dem Schieds - richter es in das Gewiſſen ſchiebet, was er leugnet, er aber, was durch den Eid bewieſen werden ſoll, anders be - weiſen will, er zum Beweiſe zugelaſ - ſen werden muß: Wenn er aber mit dem Beweiſe nicht auskommt, er den - noch den Eid ablegen muß (§. cit.).

§. 784.

Von dem Zuruͤck - ſchieben und Ab -

Man ſagt, einer ſchiebe den Eid zu - ruͤck, oder er ſchiebe es dem andern in ſein Gewiſſen zuruͤcke (juramentum re -ferre),579Streitigkeiten zu endigen. ferre), wenn er den ihm auferlegten Eidſchlagen eines Ei - des. nicht annehmen will, ſondern ſich hinlaͤnglich erklaͤret, er wolle lieber daß der andere Theil, was er geſagt, durch einen Eid bekraͤfftige: Aber, er ſchlage den Eid aus, oder er wei - gere ſich zu ſchwoͤren (juramentum re - cuſare), wenn er ſich hinlaͤnglich erklaͤret, er wolle nicht ſchwoͤren, oder er wolle den ihm auferlegten, oder zuruͤck geſchobenen Eid nicht ablegen. Weil aber der nicht ſchwoͤren will, deswegen noch nicht will, daß der andere ſchwoͤren ſoll; ſo folgt noch nicht, daß, wer ſich zu ſchwoͤren weigert, deswe - gen dem andern es ins Gewiſſen zuruͤ - cke ſchiebet. Weil die Partheyen das ſich muͤſſen gefallen laſſen, was dem Schiedsrich - ter gutduͤnckt (§. 770.); ſo kann der Eid, welcher von einem Schiedsrichter auf - erlegt worden, nicht ausgeſchlagen und dem Gegentheil ins Gewiſſen ge - ſchoben werden. Wenn aber ein Theil dem andern den Eid auferlegt; ſo kann er ihm denſelben ins Gewiſſen zuruͤcke ſchieben; maſſen keine zugezogene Verbindlichkeit vorhanden, welche die natuͤr - liche Freyheit einſchraͤncken ſollte, und es ihm alſo freyſteht, ob er ſelbſt ſchwoͤren, oder lieber will, daß der andere ſchwoͤren ſoll (§. 78.). Und da der, welcher den Eid auferlegt, will, daß die ſtreitige Sache durch einen Eid ent - ſchieden werden ſoll, und nicht wollen darf, daß GOtt unbedachtſamer Weiſe zum ZeugenO o 2ange -580II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Artangerufen werde (§. 360. 361. ); ſo kann er vor ſeine Perſon den Eid nicht aus - ſchlagen. Gleichergeſtalt da wer den Eid annimmt, ſtillſchweigend zu ſchwoͤren ver - ſpricht, und ſich alſo dazu verbindlich macht (§. 380.); ſo kann ein auferlegter Eid, wenn er angenommen worden, nicht ausgeſchlagen werden. Uebrigens iſt der erfuͤllende und der Reinigungseid an und vor ſich ſelbſt ſo beſchaffen, daß er nicht ausgeſchlagen und zuruͤck ge - ſchoben werden kann (§. 782.).

§. 785.

Von dem, der nicht ſchwoͤren will, da er ſchwoͤ - ren ſoll.

Weil derjenige, der zu ſchwoͤren verbun - den iſt, aber nicht ſchwoͤren will, hinlaͤnglich anzeigt, daß er nicht mit gutem Gewiſſen ſchwoͤren kann; ſo wird wider den, der ſchwoͤren ſoll, fuͤr wahr gehalten, wor - uͤber er ſchwoͤren ſollte. Derowegen wenn ein angenommner Eid, oder ein Eid, den der Schiedsrichter auferlegt, ausgeſchlagen wird; ſo wird, was ei - ner beſchwoͤren ſollte, wider ihn fuͤr wahr gehalten.

§. 786.

Von der Erlaſ - ſung des Eides.

Man ſagt, der Eid werde erlaſſen (ju - ramentum remitti), wenn der, welcher ihn auferlegt hat, ſich, nachdem er ange - nommen worden, erklaͤrt, er wolle nicht, daß er wuͤrcklich abgeſchworen werde, ſondern da - vor halten, als wenn es wuͤrcklich geſchehen waͤre. Alſo wird wider den, welcherden581Streitigkeiten zu endigen. den Eid erlaͤßt, das vor wahr gehal - ten, was beſchworen werden ſollte (§. 318.). Weil es auf denjenigen, wider wel - chen geſchworen wird, allein ankommt, ob wuͤrcklich geſchworen wird, oder nicht (§. 781. 415. ), und es auf ſeinen Willen allein an - kommt, ob er will daß geſchworen werden ſoll, oder nicht (§. 78.); ſo kann er ſowohl ei - nen Eid, welchen der Schiedsrichter auferlegt, als der von ihm auferlegt, oder zuruͤck geſchoben worden, wenn er ſieht daß der andere zum Schwoͤren bereit iſt, erlaſſen.

§. 787.

Einen Kampf (pugna) nennt man, wennVom Duell, oder Zwey - kampfe. zwey mit Gewalt einander anfallen und ſich ſchlagen. Wenn einer des andern Sachen mit Gewalt anfaͤllt; ſo iſt dieſes nur eine Ur - ſach zum Kaͤmpfen, in ſo fern als der, welcher ſeine Sache vertheidigt, gewaltſamen Wider - ſtand thut. Der Kampf, welchen zwey mit einander wagen, daß genommener Abrede nach ihre ſtreitige Sache durch den Kampf entſchie - den ſeyn ſollte, nennt man ein Duell, oder einen Zweykampf (duellum). Weil der Menſch verbunden iſt, ſeinen Leib und alle Glieder unverletzt zu erhalten (§. 112.), auch alle Gefahr des Lebens und Verſtuͤmmelung der Glieder von ſich (§. 43.), und einem jeden andern abzuwenden (§. 141.); ſo iſt ein je - des Duell von Natur unerlaubt; folg - lich ſoll niemand den andern mit Ge -O o 3walt582II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Artwalt zum Duell zwingen, und nie - mand den andern dazu herausfordern, und wer herausgefordert wird, darf nicht erſcheinen. Allein wenn jemand den andern in der Abſicht mit Gewalt anfaͤllt; ſo iſt es kein Duell, wenn die - ſer ſich wehret; indem ein jeder von Na - tur das Recht hat ſich zu wehren (§. 90.).

§. 788.

Wer im Kampfe uͤberwin - det.

Man ſagt, der uͤberwinde im Kampfe, welcher den andern dahin bringt, daß er auf - hoͤren muß: Hingegen der wird uͤberwun - den (vincitur), welcher abzuſtehen genoͤthi - get wird. Daher folgt, daß der uͤber - wunden ſey, welcher getoͤdtet wird, welcher ſo verwundet wird, daß er nicht laͤnger aushalten kann, oder will, wer in die Flucht gejagt wird, oder auch hinlaͤnglich anzeigt, daß er nicht laͤnger kaͤmpfen wolle, z. E. wer das Gewehr wegwirft, oder mit ausdruͤck - lichen Worten es ſaget.

§. 789.

Ob es er - laubt ſey durch ein Duell den Streit zu ent - ſcheiden und ſeine Ehre zu

Weil man daraus, daß einer den an - dern im Kaͤmpfen uͤberwunden hat, nicht ſchlieſſen kann, daß er eine gerechte Sache habe (§. 788.); ſo kann durch das Duell keine ſtreitige Sache entſchieden wer - den (§. 765.). Gleichergeſtalt weil man ſeine Ehre, oder guten Nahmen nicht anders vertheidigen kann, als daß man zeigt, es ſey falſch was der andere unſerm guten Nahmenzuwi -583Streitigkeiten zu endigen. zuwider geſagt hat (§. 126.); ſo kann manbeſchuͤ - tzen. durch ein Duell auch ſeine Ehre nicht retten (§. 787.). Und weil ein Duell von Natur unerlaubt iſt (§. cit. ); ſo iſt es auch nicht erlaubt durch den Sieg im Kaͤmpfen, als wie durchs Loos (§. 669.), eine ſtreitige Sache zu entſcheiden, oder durch ein Duell, man uͤberwinde, oder werde uͤberwunden, ſeine Ehre wie - der erhalten wollen, welche man uns von einem andern benommen zu ſeyn vermeinet.

§. 790.

Weil man das Recht gegen einen andernOb man in einer zweifel - haften Sache das Recht zum Krie - ge habe. nicht eher mit Gewalt behaupten kann, bis gewiß iſt, daß es uns zukomme (§. 88. 89. ); ſo hat niemand in einer ſtreitigen Sa - che an und vor ſich ſelbſt das Recht zum Kriege; folglich iſts nicht erlaubt einen andern mit Gewalt der Waffen anzugreifen, um von ihm zu erzwin - gen, worauf wir eine Anforderung machen. Weil alſo in einer zweifelhaften Sache der Streit entweder durch eine Bey - legung in der Guͤte (§. 763.), oder durch ei - nen Vergleich (§. 764.), wozu man, wenn es noͤthig iſt, Mittelsperſonen annehmen kann (§. 768.), oder durch Schiedsrichter (§. 770.), oder durchs Loos geendigt werden muß (§. 670.); ſo muß man eine ſtreitige Sa - che entweder guͤtlich beylegen, oder wegen eines Vergleichs entweder mit,O o 4oder584II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Artoder ohne Mittelsperſonen Unterre - dungen anſtellen, oder ſich wegen ei - nes Schiedsrichters vereinigen, oder die Endigung des Streits dem Looſe uͤberlaſſen. Weil aber niemanden wider ſeinen Willen auch ein noch ſtreitiges Recht genommen werden kann (§. 100.), indem alle - zeit zu beſorgen, es doͤrfte dem andern ſein Recht benommen werden; ſo hat, ſo lange es zweifelhaft bleibt, welchem unter den ſtrei - tenden Partheyen das Recht zukommt, der - jenige, welcher in einer zweifelhaften Sache eine Unterredung zur Beyle - gung in der Guͤte, oder durch einen Ver - gleich, oder auch durch einen Schieds - richter, oder das Loos anbietet, das Recht den andern mit Gewalt zu ei - nem Vergleiche zu zwingen, wenn er ſich zu nichts verſtehen will; folglich das Recht einen Krieg des Vergleichs wegen zu fuͤhren (§. 98.). Eben auf dieſe Weiſe erhellet, daß wenn jemand die in der Unterredung, oder durch einen Mittler vorgeſchlagene billige Bedin - gungen nicht annehmen will; der an - dere das Recht hat Krieg zu fuͤhren, um ihn mit Gewalt zum Vergleiche zu zwingen. Und weil die Menſchen, wenn ſie keine Verbindlichkeit dazu noͤthiget, ſich nicht in die Gefahr begeben duͤrfen, ihr Leben oder geſunde Gliedmaſſen zu verlieren, oder auch ihren Zuſtand zu verſchlimmern (§. 131.),auch585Streitigkeiten zu endigen. auch der Krieg nicht durch die Natur, ſon - dern durch die Boßheit der Menſchen, die ih - rer Verbindlichkeit kein Genuͤge leiſten wol - len, eingefuͤhret worden (§. 99.); ſo muß in einer ſtreitigen Sache ein jeder Theil billige Bedingungen ſuchen, wodurch der Krieg vermieden werden kann.

§. 791.

Da kein Beſitzer mit Gewalt aus ſeinemOb ei - nem des Beſitzes wegen das Recht zum Kriege zukom - me. Beſitze geworfen werden kann, ehe als der an - dere ſein Recht bewieſen hat (§. 288.); ſo kommt in einer zweifelhaften Sache niemanden das Recht zu einen Beſi - tzer zu noͤthigen, daß er ihm den Beſitz einraͤumen ſoll; folglich wenn einer ei - ne ſtreitige Sache beſitzt, ſo iſt es un - erlaubt, durch die Gewalt der Waf - fen ſich des Beſitzes zu bemaͤchtigen (§. 98.); und alſo muß derjenige, wel - cher die Sache haben will, mehr als der Beſitzer ſich angelegen ſeyn laſſen die Bedingungen zu ſuchen, wodurch der Krieg vermieden wird.

§. 792.

Weil einem jeden von Natur ein RechtVon der nothwen - digen Pfaͤn - dung. auf die Guͤter des Schuldners zukommt, um ſich daraus, woferne er nicht zur geſetzten Zeit die Schuld abtraͤgt, bezahlt zu machen (§. 705.); ſo iſt es von Natur erlaubt, wenn ein anderer eine uns zugehoͤrige Sache uns vorbehaͤlt, und ſie nicht wiedergeben will, oder das nicht ab -O o 5tragen,586II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Arttragen, was er ſchuldig iſt, ihm eine andere Sache wegzunehmen, die man ihm nicht eher wiedergiebt, bis wir das unſere erhalten haben. Da hierin - nen die Pfaͤndung (pignoris capio) beſteht; ſo iſt ſie von Natur erlaubt, und man muß dabey in acht nehmen, was von dem Pfande erwieſen worden (§. 697. u. ſ. w.). Es erhellet aber, daß die Pfaͤn - dung eine nothwendige Verpfaͤndung ſey.

§. 793.

Von der Erfuͤl - lung ſei - nes Nech - tes.

Da niemanden ſein Recht wider ſeinen Willen genommen werden kann (§. 100.), auch niemand dieſes zu leiden ſchuldig iſt (§. 89.); ſo kann einer, wenn der andere ihm ſeine Sache nicht wiedergeben, oder eine Schuld nicht abtragen will, anſtatt derſelben eine andere ihm zu - gehoͤrige Sache, welche eben ſo viel werth iſt, wegnehmen. Da man aber ſich mit einer fremden Sache nicht bereichern darf (§. 271.); ſo muß man ſo viel, als ſie mehr werth iſt, ihm wiedergeben. Es erhellet aber vor ſich, daß, wenn der - ſelbe uns das unſere gleich wiederge - ben will, weil alsdenn keine Urſache vor - handen, warum wir uns eine einem andern zugehoͤrige Sache zueignen koͤnnen, wir auch ihm ſeine Sache wiedergeben muͤſſen. Das Wegnehmen einer einem andern zugehoͤ - rigen Sache anſtatt der unſrigen, oder deſſen,was587Streitigkeiten zu endigen. was er uns ſchuldig iſt, wenn wir das unſere von ihm nicht erhalten koͤnnen, nennt man die Erfuͤllung des Rechtes (expletio ju - ris). Dieſe iſt alſo von Natur erlaubt. Es erhellet aber, daß ſie nicht eher zu Stande kommen kann, bis es gewiß iſt, daß der andere, welcher uns das unſere vorenthaͤlt, daſſelbe uns nicht geben will, damit er das ſeinige wieder bekommen koͤnnte; folglich muß man in zweifelhaftem Fall ihm einige Bedenckzeit laſſen. Weil es aber noͤthig iſt, daß wir mit einer Sache, daran wir uns wegen des unſern zu halten haben, machen koͤnnen, was wir wollen, wenn nur nichts vorgenommen wird, das dem Rechte deſ - ſen, der uns das unſere vorenthaͤlt, zuwider iſt (§. 86.), indem wir dadurch befriediget werden ſollen; ſo erhalten wir das Ei - genthum in einer Sache, die wir, um uns an derſelben zu erhohlen, wegge - nommen haben (§. 195.); ſonſt wuͤrde ja das gantze Verfahren vor die lange Weile ſeyn.

Das neunzehnte Hauptſtuͤck.

Von der Auslegung.

§. 794.

Auslegen (interpretari) iſt nichts an -Was die Ausle - gung ſey. ders, als auf eine gewiſſe Art ſchlieſ - ſen, was einer durch ſeine Worte,oder588II. Theil 19. Hauptſtuͤck. oder andere Zeichen, hat zu verſtehen geben wollen. Daher iſt die Auslegung (inter - pretatio) die Erforſchung der Gedancken, wel - che durch Worte und andere Zeichen ange - deutet worden.

§. 795.

Wenn ei - ne Aus - legung noͤthig iſt.

Wenn alle Woͤrter eine gewiſſe und beſtimmte Bedeutung haͤtten, daß ſie naͤmlich allezeit in eben demſelben Verſtande genommen wuͤrden, und nicht itzt mehr, ein andermahl weniger, oder etwas anders durch dieſelbe angedeutet wuͤrde, und wenn die Redenden allzeit ihre Gedancken durch dieſelben hinlaͤnglich ausdruͤckten; ſo wuͤrde keine Auslegung noͤthig ſeyn: Da aber das Gegentheil geſchieht; ſo iſt eine Auslegung noͤthig.

§. 796.

Ob der Verſpro - cher, und der, dem das Ver - ſprechen geſchieht, ſeine Worte auslegen kann.

Weil durch das Verſprechen ein Recht er - langt wird (§. 379.), welches dem andern, dem es geſchehen, nicht genommen werden kann (§. 100.), ſondern wider jenen vor wahr zu halten iſt, was er hinlaͤnglich hat zu verſte - hen gegeben (§. 318.); ſo kann in den Verſprechen, folglich auch in den Ver - traͤgen niemand ſeiner eigenen Worte Ausleger ſeyn. Da durch das Annehmen deſſen, was verſprochen wird, nicht mehr Recht erlangt wird, als der ein Recht auf einen bringt, dem andern hat einraͤumen wollen (§. 318.); ſo iſts auch dem, der ein Ver - ſprechen angenommen, nicht zu erlau -ben,589Von der Auslegung. ben, daß er die Worte des Verſpre - chens ſo auslegt, wie er ſie verſtanden haben will.

§. 797.

Eine richtige Auslegung (recta inter -Von der richtigen Ausle - gung. pretatio) iſt, welche nach den bewieſenen Auslegungsregeln geſchieht; die demnach der Verſprecher und der das Verſprechen ange - nommen gelten zu laſſen ſchuldig ſind. Dero - wegen gilt wider den Verſprecher, was nach einer richtigen Auslegung wahr iſt; folglich hat der, welcher das Ver - ſprechen angenommen, das Recht ihn dazu anzuhalten (§. 378.).

§. 798.

Weil die, welche den Vertrag ma -Wie lan - ge man bey der eigentli - chen Be - deutung bleiben muß. chen, alſo zu reden verbunden ſind, daß ſie einander verſtehen koͤnnen (§. 437. 438. ); ſo muͤſſen ſie die Woͤrter in der Bedeu - tung, welche der Redensgebrauch mit ſich bringt, das iſt, in der eigentli - chen, und die Kunſtwoͤrter in der an - genommenen Bedeutung nehmen; folglich muͤſſen ſie nicht mit Wiſſen und Willen von der eigentlichen Bedeu - tung, und von der angenommenen Bedeutung der Kunſtwoͤrter abge - hen. Daher vermuthet man auch nicht daß ſie von denſelben abgegangen ſind, ſo lange als nicht Gruͤnde vor das Ge - gentheil vorhanden ſind. Und daher folgt ferner, daß man bey der Auslegungder590II. Theil 19. Hauptſtuͤck. der Verſprechen und Vertraͤge von dem gemeinen Redensgebrauch nicht abgehen muͤſſe, wenn nicht dringende Gruͤnde dazu vorhanden ſind. Weil es aber gewiß iſt, daß der Redensgebrauch mit der Zeit veraͤndert wird; ſo muß man das Verſprechen und die Vertraͤge nach dem Redensgebrauch derjenigen Zeit, in welcher ſie gemacht worden ſind, auslegen.

§. 799.

Von der Bedeu - tung der Woͤrter vermoͤge ihres Ur - ſprunges.

Die Etymologie (etymologia) iſt eine Erklaͤrung des Urſprungs der Woͤrter. Die Etymologie ſucht alſo die Gruͤnde zu entdecken, warum die Stammwoͤrter zuerſt, um dieſe, oder andere Sachen zu bezeichnen, angenommen worden, und zu erklaͤren, von was vor andern Woͤrtern die hergeleiteten Woͤrter her - geleitet werden, und aus welchen die zuſammen geſetzten zuſammen geſetzt werden, und was ſie bedeuten vermoͤ - ge ihrer Herleitung und Zuſammenſe - tzung. Die Bedeutung, welche aus dem Urſprunge der Woͤrter hergeholet wird, nennt man die etymologiſche Bedeutung, auch die grammaticaliſche (ſignificatum ety - mologicum, grammaticum). Da es ge - wiß iſt, daß man auf dieſelbe bey dem Re - densgebrauch nicht zu ſehen hat; ſo muß man bey der Auslegung der Vertraͤge und eines Verſprechens nicht auf dieBedeu -591Von der Auslegung. Bedeutung ſehen, welche die Woͤrter vermoͤge ihres Urſprungs haben. Denn ſie haben ihre Bedeutung von dem Willkuͤhr der Menſchen, und alſo fragt man nur, was ſie durch dieſelben anzeigen wollen.

§. 800.

Weil die einen Vertrag machen, ſo zu re -Von den Vorbe - haltun - gen im Sinne. den verbunden ſind, daß ſie einander verſtehen koͤnnen (§. 437. 438. ); ſo muß man bey der Auslegung der Vertraͤge und eines Verſprechens keine Vorbehaltung im Sinne zulaſſen (§. 355.): Denn wenn man dieſes einraͤumen wollte; ſo koͤnnte man alle Verſprechen zunichte machen.

§. 801.

Da es aus der Abſicht deſſen, dem ein Ver -Von der Vermei - dung der betruͤgli - chen Re - den. ſprechen geſchehen, erhellet, was er gewolt, daß ihm verſprochen werden ſollte; ſo iſt es nicht erlaubt, daß, wenn es offenbar iſt, was fuͤr eine Bedeutung die Wor - te nach der Abſicht deſſen, der ver - langt, daß ihm etwas verſprochen wuͤrde, haben, denſelben einen Ver - ſtand zu geben, welcher ſeiner Abſicht gantz zuwider iſt. Alſo darf man nicht die Einwohner einer Stadt lebendig begraben, wenn man mit ihnen den Vertrag gemacht, daß nach Uebergabe der Stadt kein Blut ſoll vergoſſen werden.

§. 802.

Weil die Kunſtwoͤrter (termini tech -Von den Kunſt - woͤrtern. nici) die Bedeutung haben, die ihnen vonden592II. Theil 19. Hauptſtuͤck. den Kunſtverſtaͤndigen gegeben wird; ſo muß man ſie in der Bedeutung nehmen, welche bey den Kunſtverſtaͤndigen an - genommen worden, woferne nicht dringende Gruͤnde dazu vorhanden ſind (§. 798.). Wenn die Woͤrter et - was nach den Stuffen anzeigen; ſo muß man, obgleich die Erklaͤrungen alſo eingerichtet werden, wie die Sachen in ihrer groͤſten Vollkommenheit beſchaffen ſind, weil wir uns derſelben nicht allezeit in einer ſo ein - geſchraͤnckten Bedeutung bedienen, ſich an die Erklaͤrung derſelben nicht genau binden, ſondern eine Erklaͤrung ma - chen, die der Rede, wovon das zu er - klaͤrende Wort ein Theil iſt, gemaͤß iſt, als wenn man ſagt, es ſolle auf das Ur - theil eines Philoſophen, oder Artzeneyverſtaͤn - digen ankommen.

§. 803.

Von der vielfaͤl - tigen Be - deutung und der Zwey - deutig - keit.

Wenn die Dunckelheit von den viel - faͤltigen Bedeutungen und aus der Zweydeutigkeit entſteht; ſo iſt, indem alsdenn ein Wort, oder mehrere Woͤrter zu - ſammen mehr als eine Bedeutung haben, der - jenige aber, welcher geredet, wie leicht zu er - meſſen, an diejenige gedacht hat, welche ihm einfallen konnte, derjenige Begriff wel - cher der Sache zukommt, wovon die Rede iſt, den uͤbrigen vorzuziehen. Gemeiniglich ſagt man, daß die Woͤrter nach der Beſchaffenheit der Sache ver -ſtanden593Von der Auslegung. ſtanden werden muͤſſen, von welcher man redet (verba intelligenda eſſe ſecun - dum ſubſtratam materiam). Wenn man alſo einen Vertrag gemacht hat, daß ein Stillſtand 30. Tage ſeyn ſoll; ſo werden un - ter den Tagen auch die Naͤchte verſtanden.

§. 804.

Weil man nicht vermuthet, daß jemandVon der Vermei - dung des Unge - reimten. etwas ungereimtes wolle; ſo muß eine Aus - legung verworfen werden, aus wel - cher etwas ungereimtes folgt. Alſo kann das Verbot, man ſolle auf der Gaſſe kein Blut vergieſſen, nicht auf einen Barbier gezogen werden, welcher auf der Straſſe ei - nem zur Ader laͤßt; folglich muß man die Auslegung alſo einrichten, daß alles ungereimte vermieden wird. Da es ungereimt iſt, daß einer, der etwas verſpricht, nichts habe verrichten wollen; ſo kann man eine ſolche Auslegung nicht zugeben, aus welcher folgen wuͤrde, daß nichts waͤre verrichtet worden.

§. 805.

Weil man ſo lange vermuthet, daß einerVon der Ausle - gung aus dem vor - herge - henden und nach - folgen - den. noch das vorige gewollt, als es nicht offenbar iſt, daß er ſeinen Willen geaͤndert hat; ſo muß man, wenn etwas dunckel vorge - tragen worden, aus dem vorherge - henden, oder nachfolgenden, oder aus dem, was an einem andern Orte und bey anderer Gelegenheit klaͤrer geſagt worden, was dunckel iſt, dergeſtalt er -Nat. u. Voͤlckerrecht. P pklaͤren,594II. Theil 19. Hauptſtuͤck. klaͤren, daß es mit jenem uͤbereinkommt. Und weil die, welche die Kuͤrtze im Reden lie - ben, in ihren Worten ſich entweder auf das vorhergehende, oder nachfolgende beziehen; ſo muß man die Auslegung dergeſtalt ma - chen, daß das vorhergehende und nach - folgende mit einander uͤbereinſtimme, wofern es nicht offenbar erhellet, daß das vorhergehende durchs nachfolgen - de geaͤndert worden ſey.

§. 806.

Von der Ausle - gung aus den Be - wegungs - gruͤnden des Wil - lens.

Es iſt bekannt, daß der Wille durch Be - wegungsgruͤnde beſtimmt wird, welche ein hinreichender Grund des Wollens ſind. Wenn bekannt iſt, was fuͤr ein Grund einig und allein einen etwas zu wollen be - wogen hat, oder warum er dieſes ge - wollt hat; ſo muß man die Worte auslegen, daß ſie damit uͤbereinkom - men; folglich wenn mehrere Gruͤnde zuſammen genommen einen Bewe - gungsgrund ausmachen, daß ſie mit denſelben zuſammen genommen, wenn ſie aber getheilt den Bewegungsgrund ausmachen, daß ſie mit denſelben ge - theilt (diviſim) uͤbereinſtimmen.

§. 807.

Von de - nen Woͤr - tern, die man ſo anneh - men muß, wie

Es erhellet leicht vor ſich, daß wenn ein Wort und eine Redensart ſich auf et - was beziehen, die Bedeutung derſel - ben, die ſie an und vor ſich ſelbſt ge - nommen (ſi ſimpliciter ſumitur) haben,alſo595Von der Auslegung. alſo veraͤndert werden muß, wie es mitſie ſich auf et - was be - ziehen. dem, worauf ſie ſich beziehen, uͤber - einkommt. Alſo nimmt man an, daß einer etwas den groͤſten Theil des Jahrs hindurch beſeſſen habe, wenn er es zwey Monath lang beſeſſen hat, der Gegner hingegen nur wenige Tage, oder gar nicht.

§. 808.

Wenn einige Dinge in den Vertraͤ -Von der Ausle - gung in einer weitlaͤuf - tigeren Bedeu - tung. gen zum beyderſeitigen Nutzen gerei - chen, und ein jeder Theil gleichen Vor - theil davon hat; ſo ſind die Worte, in - dem nichts hindert, daß ſie in der Bedeutung genommen werden, welche ſie haben koͤnnen, und keine dringende Urſache vorhanden iſt, warum ſie auf einige Weiſe eingeſchraͤnckt werden ſolten, nach dem gantzen Umfang der eigentlichen Bedeutung des Rede - gebrauchs, oder wenn derſelben meh - rere ſeyn ſollten, nach derjenigen, wel - che ſich am weiteſten erſtreckt, zu neh - men, woferne nicht etwas widerſpre - chendes, oder den Vertrag vergeblich machendes daraus folgt (§. 803.). Man nennt aber eine weitlaͤuftigere Bedeu - tung (ſignificatus latior), wenn einerley Worte mehr Dinge bedeuten, die auch zuwei - len weniger anzuzeigen pflegen, z. E. wenn jemand von den Mannsperſonen redet und auch die Weibsperſonen mit darunter begreift, oder wenn die Gattung und die Art einerley Nahmen haben, oder nach Beſchaffenheit derP p 2Sache,596II. Theil 19. Hauptſtuͤck. Sache, von welcher die Rede iſt, eine Re - densart ſich auf mehreres, als ſonſt gewoͤhn - lich, erſtreckt.

§. 809.

Von der Ausle - gung in einer en - gern Be - deutung.

Wenn etwas den einen Theil be - ſchwert, oder mehr als den andern, ſo ſind, indem ſich nicht vermuthen laͤßt, daß jemand ſich zu viel beſchweren will, die Wor - te in einer engeren Bedeutung zu neh - men, ja auch wohl in einem etwas uneigentlichen Verſtande, damit die Beſchwerde vermindert werde. Alſo nimmt man an, daß man die Huͤlfsvoͤlcker, die einem Maͤchtigern verſprochen worden, auf ſeine Unkoſten zu unterhalten verſprochen hat. Da die Strafe, die dem Verſprechen hinzu - gefuͤgt worden, eine Beſchwerde iſt (§. 409. 410. ); ſo ſind die Worte, welche die Strafe enthalten, auch in einer en - gern Bedeutung zu nehmen, ſo daß naͤmlich eine rechtmaͤßige Entſchuldi - gung zugelaſſen wird, welche von der Strafe befreyet, und nicht ein jedes Verſehn zur Strafe zugerechnet wird. Man ſagt naͤmlich, das Wort wird in ei - ner engeren Bedeutung (ſignificatu ſtri - ctiori) genommen, wenn es weniger be - deutet, da es auch mehr bedeuten kann.

§. 810.

Allge - meine Regeln der Aus - legung.

Da man bey der Auslegung vorhat zu zei - gen, was einer durch ſeine Worte hat wollen zu verſtehen geben (§. 794.); folglich, waser,597Von der Auslegung. er, da er redete, gedacht hat; ſo muß die Auslegung davon gemacht werden, was einer wahrſcheinlicher Weiſe ge - dacht hat, nicht aber ſo, daß ſie dem - ſelben entgegen ſey. Weil uns aber nicht allzeit alle Umſtaͤnde, die beym Geſchaͤffte vor - kommen, vor Augen ſchweben, ſo daß man ſeinen Sinn denſelben gemaͤß ausdruͤckte; ſo muß man die Auslegung ſo machen, wie ſie der ſelbſt machen wuͤrde, deſſen Worte man auslegen will, wenn er gegenwaͤrtig waͤre, oder ihm das be - kannt geweſen waͤre, was nun offen - bar iſt.

§. 811.

Eine erweiterte Auslegung (inter -Von der erweiter - ten Aus - legung. pretatio extenſiva) nennt man, wenn man den Sinn deſſen, der etwas geſprochen, auf ſol - che Faͤlle erſtrecket, die unter den Worten, welche das Verſprechen, oder den Vertrag in ſich enthalten, nach dem gantzen Umfange ih - rer Bedeutung nicht mit begriffen ſind, weil eben derſelbe Bewegungsgrund bey ihnen ſtatt findet, warum er das, wovon er redet, gewolt, oder nicht gewolt. Weil man etwas will, oder nicht will, wenn ein hinreichender Grund etwas zu wollen, oder nicht zu wollen vorhan - den; ſo iſt nicht zu zweifeln, daß wenn einer, da er geredet, an den ſich jetzt ereignenden Fall gedacht haͤtte, er auch ſeine Worte auf denſelben mit wuͤrde gerichtet haben; folglichP p 3muß598II. Theil 19. Hauptſtuͤck. muß man die erweiterte Auslegung einraͤumen (§. 810.).

§. 812.

Vom Betrug, der in Abſicht eines Ge - ſetzes, oder des Vertꝛags geſchieht.

Man ſagt, derjenige handele aus Be - trug wider ein Geſetze, oder einen Ver - trag (fraudem legi, vel pacto facere dici - tur), der etwas thut, was zwar den Wor - ten des Geſetzes, oder des Vertrages nicht entgegen iſt, aber gleichwohl dem Sinn des Geſetzgebers, oder deſſen, der den Vertrag gemacht, zuwider iſt. Da man auſſer der Bedeutung der Worte zeigen muß, daß aus Betrug wider das Geſetze, oder den Vertrag gehandelt wird; folglich dieſes aus dem Grunde erhellen muß, warum das Geſetze gegeben, oder der Vertrag gemacht worden; ſo hebt die erweiterte Auslegung den Betrug auf, der in Abſicht eines Ge - ſetzes, oder Vertrages geſchehen kann.

§. 813.

Von der einſchꝛaͤn - ckenden Ausle - gung.

Eine einſchraͤnckende Auslegung (in - terpretatio reſtrictiva) iſt, wenn ein gewiſſer Fall zwar in den Worten mit begriffen iſt, jeden - noch aber, weil derſelbe Grund nicht vorhanden, warum der Geſetzgeber, oder der den Ver - trag gemacht, wollte, daß dieſes geſchehen ſoll - te, oder nicht, ausgenommen wird. Es er - hellet auf eben die Weiſe, wie vorhin (§. 811.), daß man die einſchraͤnckende Ausle - gung zulaſſen muͤſſe. Weil man die Aus - legung darnach machen muß, was einer wahr -ſchein -599Von der Auslegung. ſcheinlicher Weiſe gedacht hat (§. 810.); ſo muß man, wenn es die Sache, wovon gehandelt wird, nicht wohl leidet, daß die Worte in einer ſo weiten Bedeu - tung genommen werden, als es ſcheint, daß ſie genommen werden ſollten, die - ſelbe durch die einſchraͤnckende Ausle - gung der Sache gemaͤß einſchraͤncken; maſſen allerdings der Grund daſſelbe zu wol - len, oder nicht zu wollen, nicht vorhanden. Und weil man nicht vermuthen kann, daß je - mand etwas ungereimtes wolle; folglich in einem ſich ereignenden Falle, da man ſolches annehmen muͤſte, kein hinreichender Grund es zu wollen vorhanden; ſo muß man in dem Falle, da was ungereimtes daraus er - folgen wuͤrde, wenn man einem die Meynung beylegen wollte, welche die allgemeinen Worte anzeigen, dieſelben ſo einſchraͤncken, daß nichts ungereim - tes daraus folget. Allein wenn die Sa - chen, welche der Grund in ſich be - greift, nicht nach ihrer Wuͤrcklichkeit, ſondern bloß nach ihrer Moͤglichkeit angeſehen werden; ſo muß man, wenn es nicht gewiß iſt, daß ſie ſich nicht wuͤrcklich zutragen koͤnnen, auch die all - gemeinen Worte nicht einſchraͤncken; denn es iſt offenbahr, daß die Einſchraͤn - ckung dem Sinne deſſen, der geredet, zuwi - der ſeyn wuͤrde.

P p 4§. 814.600II. Theil 19. Hauptſtuͤck.
Von der ſtilſchwei - genden Bedin - gung, wenn die Sachen in dem gegen - waͤrtigen Stande verblei-ben.

§. 814.

Weil man aus dem hinreichenden Grunde deſſen, der etwas verſprochen, erſehen kann, warum er etwas verſprochen; ſo haͤlt das Verſprechen die ſtillſchweigende Be - dingung, woferne die Sachen in ge - genwaͤrtigem Stande verbleiben, nicht in ſich, wenn dieſelbe der hinreichen - de Grund, warum man etwas ver - ſprochen, nicht in ſich faſſet.

§. 815.

Von den Faͤllen, die ſtill - ſchwei - gend aus - genom - men wer - den.

Weil die natuͤrliche Verbindlichkeit unver - aͤnderlich iſt (§. 38.); ſo muß ein ſich er - eignender Fall, in welchem es dem Ge - ſetze der Natur zuwider ſeyn wuͤrde, ſich an die Worte zu binden, ausge - nommen werden. Und da wir von Na - tur nicht verbunden ſind anderer Vortheil zu befoͤrdern, als in ſo weit es ohne Verabſaͤu - mung unſerer Pflicht gegen uns ſelbſt geſche - hen kann (§. 133. 134. ); ſo muß ein ſich ereignender Fall, in welchem derjenige, den ſich ein anderer verbindlich zu et - was machen wollen, oder der ſich dem - ſelben verbindlich gemacht, allzuſehr beſchweret wuͤrde, ausgenommen wer - den.

§. 816.

Von den Faͤllen, welche

Da man ſich in den Vertraͤgen den andern zu dieſem, oder jenem verbindlich macht (§. 438. 380. ); ſo verhalten ſich die Ver -traͤge601Von der Auslegung. traͤge, in ſo ferne ſie ein Verſprechenauszu - nehmen ſind. in ſich enthalten, den Geſetzen gleich (§. 39.). Derowegen was von den Ge - ſetzen gilt, wenn ſie wider einander laufen, wie oben erklaͤrt worden (§. 64.), das gilt auch in gleichem Falle von den Vertraͤgen. Jm uͤbrigen da dergleichen ſich ereignende Faͤlle unter das zu rechnen ſind, woran man nicht gedachte, da man etwas verſprochen, oder einen Vertrag gemacht; ſo muß man, wofern beſondere Gruͤnde vorhanden, daraus ſich abnehmen laͤßt, was derjenige wuͤrde ausgenom - men haben, welcher geredet, wenn er an den Fall der Colliſion gedacht haͤtte, eben daſſelbe ausnehmen, wenn auch die Regeln von dem wider einander laufenden bey Vertraͤgen auf etwas an - ders einen leiten ſollten.

§. 817.

Weil endlich der, dem etwas verſprochenAuf weſ - ſen Wor - te man bey der Ausle - gung der Vertraͤge mehr zu ſehen hat. wird, den andern, der es ihm verſpricht, nicht zu mehrem, als er will, verbinden kann (§. 317. 379. ); wider dieſen aber vor wahr gehalten wird, was er hinlaͤnglich mit ſeinen Worten zu verſtehen gegeben; man aber ſagt, daß der eine Bedingung anbiete, welcher verlangt, daß ihm etwas verſprochen werden ſoll; der andere aber, welcher ihm etwas ver - ſpricht, dieſelbe annaͤhme; ſo muß man in Auslegung der Vertraͤge mehr auf die Worte deſſen ſehen, der eine Be -P p 5dingung602II. Th. 20. H. Von denjenigen,dingung annimmt, als desjenigen, der ſie anbietet, woferne ſich nicht die Worte des letztern auf die Worte des erſtern beziehen.

Das zwantzigſte Hauptſtuͤck.

Von denjenigen, welche geſtor - ben und noch nicht gebohren ſind.

§. 818.

Von der Wuͤr - ckung des Todes in Anſe - hung der Rechte u. Veꝛbind - lichkei - ten.

Wenn der Menſch ſtirbt, ſo iſt er nicht mehr im Stande etwas zu thun, und bedarf weiter nichts mehr. Dero - wegen iſt er keiner Rechte und Verbindlich - keiten mehr faͤhig (§. 37. 46.). So bald er alſo ſtirbt; ſo hoͤrt ſein Recht und alle ſeine Verbindlichkeit auf; folglich verliehrt er auch das Eigenthum an ſeinen Sachen, und alle Rechte, die da - von herruͤhren, wie auch alles Recht zu einer Sache, was er hatte.

§. 819.

Wie die Guͤter ei - nes Ver - ſtorbenen auf an - dere kommen.

Weil aber ein jeder Menſch ſein Eigen - thum und ein jedes anderes Recht, welches er in einer Sache, oder zu einer Sache hat, wenn es nur nicht perſoͤnlich iſt (§. 400.), unter was vor einer Bedingung er will, auf einen andern bringen kann (§. 314.); ſo kann er auch das Eigenthum ſeiner Sachen und ein jedes anderes Recht, welches nicht perſoͤnlich iſt, auf ſeinen Todes -fall603welche geſtorben u. noch nicht gebohren. fall auf einen andern bringen; folglich gelanget daſſelbe durch ſeinen Tod auf denjenigen, auf den er es auf ſeinen Todesfall gebracht hatte; und alſo hoͤrt das Recht, welches er verlohren, nicht auf, und die ſeine Schuldner waren, werden nach ſeinem Tode des andern Schuldner.

§. 820.

Gleichergeſtalt weil die Guͤter eines Schuld -Von dem Recht ei - nes Glaͤubi - gers auf das Ver - moͤgen eines Verſtor - benen. ners natuͤrlicher Weiſe fuͤr die Schuld dem Glaͤubiger verpfaͤndet ſind (§. 705.), und das Recht des Glaͤubigers darauf haftet (§. 697.), welches ihm nicht benommen werden kann (§. 100.); ſo bleibet das Recht des Glaͤu - bigers, welches er auf die Sachen des Schuldners hat, auch nach deſſen To - de, daß er daraus wegen ſeiner For - derung vergnuͤget wird, und bleibet den Sachen anhaͤngig, indem ihr Ei - genthum ein anderer erhaͤlt: Wenn aber der Verſtorbene nichts hinterlaͤßt, ſo geht die Schuld verlohren.

§. 821.

Ein Recht das auf den andern gelan -Vom Rechte, das an einen an - dern ge - langen kann, oder nicht. gen kann (jus transmiſſibile) wird genannt, welches, wenn es der verliehrt, welcher es hat - te, auf einen andern kommt. Hingegen ein Recht das auf einen andern nicht ge - langen kann (jus non transmiſſibile), wel - ches auf keinen andern kommt, wenn es von dem, welcher es hatte, verlohren wir. EinRecht604II. Th. 20. H. Von denjenigen,Recht alſo, welches auf einen andern kommen kann, faͤllet durch den Tod deſſen, der es hatte, dem andern zu, z. E. den Kindern der Nießbrauch, der ihm und ſeinen Kindern eingeraͤumet worden.

§. 822.

Von den Pflichten gegen Verſtor - bene.

Weil ein guter Nahme auch nach dem To - de uͤbrig bleibt, und das Andencken des Gu - ten, was einer gethan, erhalten wird; ſo bleiben die Pflichten, welche wir an - dern in Anſehung ihres guten Nah - mens, der Achtung, der Ehre und des Lobes ſchuldig ſind (§. 142.), auch nach dem Tode feſt ſtehen. Gleichergeſtalt, weil der Tod eines Wohlthaͤters das Anden - cken der Wohlthaten nicht ausloͤſcht; ſo muͤſ - ſen wir auch Wohlthaͤtern nach ihrem Tode danckſagen, indem wir die uns erwieſene Wohlthaten erzehlen und ruͤhmen (§. 474.). Und weil wir auch an - dern in denen wohlthun koͤnnen, welche ſie geliebt, und derer Gluͤckſeligkeit ſie eben ſo wohl, als ihre eigene befoͤrdert wiſſen wollen; ſo muͤſſen wir den Verſtorbenen in de - nen, welche ſie geliebt haben, ſo viel an uns iſt, wohlthun (§. 133.) z. E. in ihren Kindern und Anverwandten.

§. 823.

Von der Ehre der Menſch - heit.

Weil alle Menſchen von Natur gleich ſind (§. 70.), wir auch alle wie uns ſelbſt lieben ſollen, und an ſich klar iſt, daß ſie an natuͤrlicher Vollkommenheit alle Geſchoͤpfeuͤber -605welche geſtorben u. noch nicht gebohren. uͤbertreffen; ſo muͤſſen wir ſie als Perſo - nen anſehen, die ſo wohl Menſchen ſind, wie wir, die unſerer Liebe wuͤr - dig, und die vortreflichſten unter al - len Creaturen ſind; folglich auch dieſes durch unſere aͤuſſere Handlungen be - zeigen. Da nun hierinnen die Ehre der Menſchheit (honor humanitatis) beſteht, welche einem Menſchen, in ſo fern er ein Menſch iſt, gegeben wird; ſo muͤſſen wir einem jeden die Ehre der Menſchheit erweiſen; folglich auch in der Art und Weiſe, in welcher wir die Todten aus unſern Augen wegſchaffen.

§. 824.

Derowegen da es noͤthig iſt, daß wir dieVon dem Rechte des Be - graͤbniſ - ſes. Todten aus unſern Augen wegſchaffen, und dieſes am beqvemſten geſchiehet, wenn ſie be - graben, oder ihre Leichnam mit Erde bedeckt werden; ſo ſoll man die Todten begra - ben (§. 48.), und in dem Leichenbe - gaͤngniß (exequiis), welches in den feyerli - chen Handlungen beſteht, wodurch die Leiche zum Grabe gebracht wird, muß nicht allein geſchehen, was der Menſchheit gemaͤß iſt (§. 823.); ſondern auch was mit den Pflichten gegen die Verſtorbenen uͤber - einſtimmt (§. 822.). Es erhellet demnach, daß man das Recht des Begraͤbniſſes der Menſchheit ſchuldig iſt, und dieſes dem Menſchen deswegen zukommt, weil er ein Menſch iſt.

§. 825.606II. Th. 20. H. Von denjenigen,

§. 825.

Von der Zerglie - derung todter menſchli - cher Koͤr - per.

Da durch die Zergliederung todter menſch - licher Koͤrper eine deutliche Erkaͤntnis des gan - tzen menſchlichen Koͤrpers und aller ſeiner Thei - le erlangt wird, welche, wie niemand zwei - feln kann, nicht allein zur Erkaͤntnis der Ge - ſundheit und der Kranckheiten nothwendig iſt (§. 113.), ſondern auch GOtt aus dem Baue des menſchlichen Koͤrpers zu erkennen dienet; ſo iſt die Zergliederung todter menſch - licher Koͤrper von Natur erlaubt (§. cit. und §. 163.). Weil aber daraus gar nicht folgt, daß wir diejenigen, deren Koͤrper wir zergliedern, nicht eben ſo wohl fuͤr Menſchen, als wir ſind, und fuͤr die vortreflichſten unter allen Creaturen, ingleichen fuͤr Perſonen, welche unſerer Liebe wuͤrdig ſind, halten ſoll - ten; ſo iſt die Zergliederung todter menſchlicher Koͤrper der Ehre der Menſchheit gar nicht zuwider (§. 823.): Jedoch weil die Pflichten gegen Verſtorbene in Anſehung aller Perſonen nicht voͤllig ei - nerley ſind (§. 822.); ſo kann es geſche - hen, daß ſie mit ihnen in gewiſſen Faͤl - len nicht beſtehen kann. Und daher ſiehet man leicht, daß ſie nicht ohne Un - terſcheid mit allen Koͤrpern vorgenom - men werden kann.

§. 826.

Von der Trauer wegen der Ver -

Die Trauer (luctus) nennt man die aͤuſ - ſerlichen Handlungen, wodurch wir unſere Be - truͤbnis anzeigen. Und ſie ſind entweder na -tuͤrli -607welche geſtorben u. noch nicht gebohren. tuͤrliche, welche nach dem Weſen und derſtorbe - nen. Natur des menſchlichen Koͤrpers ſich bey der Traurigkeit aͤuſſern; oder willkuͤhrliche, welchen wir die Bedeutung der Traurigkeit beylegen. Da der Verluſt der Freunde, der Wohlthaͤter und derer, die ſich um uns und andere wohlverdient gemacht, zu den Un - gluͤcksfaͤllen gehoͤret; den Menſchen aber na - tuͤrlich iſt, daß dergleichen eine Traurigkeit erregen; ſo kann es das Geſetze der Na - tur nicht verbieten, verſtorbene Freun - de, Wohlthaͤter und diejenigen, wel - che ſich ſo wohl um uns, als andere verdient gemacht, zu betrauren (§. 60). Weil aber die Pflichten, welche durchs Geſe - tze der Natur vorgeſchrieben werden, unver - letzlich ſind (§. 42.); ſo muß man die Trauer wegen der Verſtorbenen der - geſtalt maͤßigen, daß nichts, was den Pflichten bey widrigen Umſtaͤnden (§. 130.), dem Vertrauen auf GOtt und der Beruhigung in der goͤttlichen Vor - ſicht zuwider iſt, vorgenommen werde (§. 173.). Und da wir ein Recht dazu ha - ben, ohne welches wir den Pflichten gegen die Verſtorbene kein Gnuͤge leiſten koͤnnen (§. 46.); ſo iſt auch eine willkuͤhrliche Trauer, welche den Pflichten gegen Verſtorbene gemaͤß iſt, von Natur er - laubt, z. E. wenn wir durch ein Kleid den Verſtorbenen betrauren.

§. 827.608II. Th. 20. H. Von denjenigen,

§. 827.

Ob die noch nicht ge - bohrene ein Recht haben.

Wer noch nicht gebohren iſt, der iſt ent - weder noch in Mutterleibe, oder er iſt von der Mutter noch nicht empfangen worden. De - rowegen da keiner, der noch nicht wuͤrcklich da iſt, etwas vornehmen kann, und wer noch in Mutterleibe verborgen liegt unter den Menſchen auch noch keine Handlung vorneh - men kann; folglich wer noch nicht gebohren iſt keines Rechts faͤhig iſt (§. 46.); ſo kann, wer noch nicht gebohren iſt, kein Recht haben; folglich auch keines erlangen; und eben deswegen kann auch keine Frucht in Mutterleibe ein Recht erlangen. Derowegen wenn jemand ſagt, daß er ein Recht auf einen noch nicht ge - bohrnen bringe, z. E auf eine Frucht in Mutterleibe; ſo verſteht es ſich, er wolle, daß, wenn er gebohren wird, durch die Geburt daſſelbe erhalte.

§. 828.

Von dem Rechte, das auf einen noch nicht ge - bohrnen gelangen kann.

Weil die Rechte, die von einem auf einen andern gelangen koͤnnen, durch die Geburt erhalten werden (§. 827. 821. ); ſo erhaͤlt man ein Recht, das uns und denen, die von uns herkommen (naͤmlich durch die Geburt) mitgetheilet worden, ſo bald man gebohren wird: Wenn uns aber ein Recht gegeben wird, welches unter einer gewiſſen Bedingung nach dem Tode deſſen, der es beſitzt, auf die, welche noch nicht gebohren ſind, nachund609welche geſtorben u. noch nicht gebohren. und nach gelangen ſoll; ſo erhalten ſie, ſo bald ſie gebohren werden, das Recht, uns darinnen nachzufolgen, wenn die beſtimmte Bedingung wuͤrcklich vor - handen. Es erhellet vor ſich, daß dieſes ein bedingtes Recht ſey.

§. 829.

So bald jemand in Mutterleibe empfangenVon der Hoff - nung, daß ein Recht durch die Geburt werde erlangt werden. iſt, ſo iſt die Hoffnung da, er werde geboh - ren werden; folglich daß das Recht, welches durch die Geburt erlangt wird, von ihm wer - de erlangt werden. Derowegen da dieſe Hoff - nung mit der uͤbereinkommt, welche man aus einem Verſprechen unter einer Bedingung erhaͤlt, dieſe aber einem wider ſeinen Willen nicht benommen werden kann (§. 396.); ſo kann auch einem Kinde in Mutterlei - be die Hoffnung ein Recht durch die Geburt zu erlangen nicht benommen werden.

§. 830.

Weil derjenige, der noch nicht gebohren,Von der Verzicht auf ein Recht im Nahmen derer, die noch nicht gebohren ſind. auch noch nicht in Mutterleibe empfangen iſt, weder ein Recht, noch eine Hoffnung ein Recht zu erlangen haben kann (§. 827.); ein Kind aber in Mutterleibe zwar kein Recht, aber doch eine Hoffnung hat, daraus ein Recht entſpringt, wenn es gebohren wird, welche ihm nicht benommen werden kann (§. 829.); ſo kann man auf ein Recht, welches auf uns und unſere noch nicht gebohr - ne Nachkommen gelangen ſoll, vor ſichNat. u. Voͤlckerrecht. Q qund610II. Th. 20. H. Von denjenigen,und vor ſeine noch nicht gebohrne Nachkommen, die noch nicht in Mut - terleibe empfangen ſind, ohne daß ih - nen Unrecht geſchieht, Verzicht thun (§. 87.), aber nicht vor ein Kind in Mutterleibe. Da die Verzicht auf ein Recht gantz allein auf dem Willen deſſen, der Verzicht thut, beruhet, und es alſo auch auf ſeinen Willen ankommt, unter welcher Bedin - gung er Verzicht thun will (§. 342.); ſo ge - het es natuͤrlicher Weiſe an, daß wenn jemand Verzicht auf ein Recht thut, welches durch ihn auf diejenigen, die doch nicht gebohren ſind, gebracht werden ſoll, er ſich doch das Recht vorbehaͤlt, es auf diejenigen zu brin - gen, die noch nicht gebohren ſind. Und weil ein Recht vor ſeine Perſon nicht haben wollen keine Verzicht vor die, welche noch nicht gebohren ſind, in ſich enthaͤit (§. 339. 340. ); ſo iſt es denen, die noch nicht gebohren ſind, nicht nachtheilig, wenn einer vor ſeine Perſon ein Recht nicht haben will, was nach ihm jene haben ſollen.

§. 831.

Von dem Recht, das durch Vorſe - hung der Vor - fahren erlangt worden.

Das Recht, welches unter gewiſſer Bedin - gung nach und nach von einem auf den andern kommt, heißt ein durch die Vorſehung der Vorfahren erlangtes Recht (jus providentia majorum quæſitum); denn der - jenige von welchem das Recht auf einen an - dern kommt, bringt es auf ihn nicht durchſeinen611welche geſtorben u. noch nicht gebohren. ſeinen Willen, ſondern nothwendig. Der es alſo erlangt, hat es nicht von dem, von welchem es auf ihn kommt, ſon - dern von dem, der es zuerſt erlangt hat.

§. 832.

Nachkommen uͤberhaupt genommenVon den Pflichten gegen die Nach - kommen. (poſteri in genere) nennt man diejenigen, welche erſt nach dem Tode derer, die jetzt le - ben, gebohren werden; und beſonders heiſſen unſere Nachkommen (poſteri noſtri), wel - che nach unſerm Tode durch die Geburt von uns abſtammen: Wie im Gegentheil die Vor - fahren (majores) ſind, welche vor unſern Eltern gelebt haben. Da die Nachkommen Menſchen ſind, die an unſere Stelle nach un - ſerm Tode kommen, die Menſchen aber mit verbundenen Kraͤften ſich und ihren Zuſtand vollkommen zu machen verbunden ſind (§. 44.); ſo ſind wir verbunden alles zu thun, was wir zum Vortheil der Nachkom - men thun koͤnnen, z. E. wenn wir uns bemuͤhen, daß die Wiſſenſchafften, Kuͤnſte und Tugenden auf dieſelben fortgepflantzt werden, daß ihnen kei - ne fruchtbringende Baͤume, noch auch wilde zur Holtzung fehlen.

Q q 2Der612III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrſchaft

Der dritte Theil.

Von der Herrſchaft und den Verbindlichkeiten und Rech - ten, welche daher ent - ſpringen.

Die erſte Abtheilung.

Von der gemeinen Herrſchaft.

Das erſte Hauptſtuͤck.

Von der Herrſchaft und der Ge - ſellſchaft uͤberhaupt genommen.

§. 833.
Was die Herr - ſchaft vor ein Recht ſey.

Die Herrſchafft (imperium) nennt man das Recht die freyen Handlun - gen eines andern nach ſeinem Ge - fallen zu beſtimmen; und wer die Herrſchaft hat, von dem ſagt man, er herr - ſche (imperare). Die Herrſchaft be - greift alſo in ſich das Recht den andern zu verbinden, ſeine Handlungen ſo und nicht anders einzurichten; weil ſie ſonſt unnuͤtze waͤre. Das Recht uͤber die Handlungen eines andern wird auch die Ge - walt (poteſtas) genannt.

§. 834.
Ob man von Na -

Da von Natur die Handlungen eines Men -ſchen613und der Geſellſchaft uͤberhaupt. ſchen dem Willen keines andern unterworfentur eine Herr - ſchaft uͤber an - dere ha - ben koͤn - ne. ſind, und ein jeder in dem, was er thut, ſich nach ſeinem Willen zu richten hat (§. 77.); ſo hat niemand von Natur eine Herr - ſchaft uͤber andere Menſchen. Und da man einem jeden zulaſſen muß, daß er in dem, was er thut, ſich nach ſeinem Urtheil richtet, noch einem andern Rechenſchaft zu geben ſchuldig iſt, warum er etwas thut, oder nicht (§. 78.); ſo darf ſich niemand ei - ner Herrſchaft uͤber einen andern wi - der ſeinen Willen anmaſſen.

§. 835.

Ueber welchen ein anderer die HerrſchaftVon dem, der dem an - dern un - terthaͤnig iſt. hat, wird dem andern unterthaͤnig (ſub - jectus) genannt. Von Natur iſt alſo nie - mand dem andern unterthaͤnig (§. 834.), und es kann ſich auch niemand den andern wider ſeinen Willen unterthaͤ - nig machen (§, cit.). Weil aber der Herr - ſcher den, welcher ihm unterthaͤnig iſt, ver - binden kann ſeine Handlungen ſo und nicht anders einzurichten (§. 833.); ſo iſt der un - terthaͤnige verbunden ſeine Handlun - gen nach dem Willen des Herrn ein - zurichten; folglich da man ſagt, daß einer gehorche (parere, obedire), der ſeine Hand - lungen nach eines andern Willen einrichtet; hingegen ungehorſam (inobediens) ſey, der ſich dieſes zu thun weigert; ſo iſt der Un - terthan verbunden dem zu gehorchen, der Gewalt uͤber ihn hat, und nichtQ q 3unge -614III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrſchaftungehorſam zu ſeyn. Es erhellet aber leicht, daß wer einem andern unterthaͤ - nig iſt, in Anſehung der Handlungen, worauf jener ein Recht hat, nicht frey ſey (§. 77.); folglich daß wer ſich dem andern freywillig unterwirft, auf ſei - ne natuͤrliche Freyheit in Anſehung der Handlungen Verzicht thue, worauf er dem andern ein Recht einraͤumet (§. 340.).

§. 836.
Von der Geſell - ſchaft u. dem dar - aus ent - ſpringen - den Rech - te nebſt der Ver - bindlich - keit.

Die Geſellſchaft (ſocietas) uͤberhaupt iſt ein Vertrag, oder gleichſam ein Vertrag mit gemeinſchaftlichen Kraͤften eine gewiſſe Abſicht zu erhalten. Die Menge der Men - ſchen ſelbſt, welche um eine gewiſſe Abſicht zu erhalten in eine Geſellſchaft treten, pflegt auch eine Geſellſchaft (ſocietas) genannt zu werden. Die Geſellſchaften ſind alſo nach den Abſichten, welche man zu er - langen trachtet, oder um deren wil - len man ſich darein begiebet, unter - ſchieden. Die welche ſich zuſammen in eine Geſellſchaft begeben, werden Mitglieder (membra ſocietatis, ſocii) genannt. Ein jedes Mitglied der Geſellſchaft iſt alſo das zu thun verbunden, was es zur Erhaltung der Abſicht thun kann, und was insbeſondere verabredet worden, daß es geſchehen ſoll (§. 438.); folglich haben die Mitglieder der Geſellſchaft das Recht einen, der ein Mitglied iſt,anzu -615und der Geſellſchaft uͤberhaupt. anzuhalten ſeiner Verbindlichkeit ein Gnuͤgen zu leiſten. Derowegen haben alle zuſammen genommen uͤber jede ein - tzele Perſon ein Recht; die Verbind - lichkeiten aber und Rechte der eintze - len Perſon muͤſſen aus der Abſicht er - meſſen werden, darein alle eingewilliget haben, und aus dem, was im Vertrage insbeſondere verabredet worden (§. 438.); und alle zuſammen genommen haben das Recht das auszumachen, was zur Erhaltung der Abſicht der Geſellſchaft zu erreichen noͤthig iſt, oder zu den Mitteln, welche ſie zur Erhaltung der Abſicht anwenden wollen.

§. 837.

Der ungehinderte Fortgang in Befoͤrde -Von der Wohl - farth der Geſell - ſchaft u. vom ge - mein - ſchaftli - chen Be - ſten der Mitglie - der. rung der Geſellſchaft wird die Wohlfahrt der Geſellſchaft (ſalus ſocietatis) genannt; die Abſicht aber ſelbſt, in ſo weit ſie erhalten wird, als die einem jeden nuͤtzlich iſt, heiſt das gemeine Beſte (commune bo - num). Derowegen muß ein jedes Glied der Geſellſchaft das gemeine Beſte nach ſeinen Kraͤfften und auf die verabre - dete Weiſe befoͤrdern, und nichts vor - nehmen, was der Wohlfahrt der Ge - ſellſchaft zuwider iſt; folglich muß es ſo viel als moͤglich davor Sorge tra - gen, daß auch die uͤbrigen Mitglieder thun, was die Abſicht der Geſellſchaft zu erhalten dienlich iſt, und die Hin -Q q 4derniſſe616III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrſchaftderniſſe aus dem Wege raͤumen, die im Wege ſtehen, daß man dieſelbe nicht er - reichen kann; und alſo den Mitgliedern mit Rath und That an die Hand gehen.

§. 838.
Von dem Urſprun - ge der Herr - ſchaft in der Ge - ſellſchaft.

Weil das Recht, welches alle zu - ſammen uͤber die eintzele Perſonen ha - ben, darinnen beſtehet, daß vorgeſchrieben wird, was ein jeder zu thun hat (§. 836.); ſo iſt es eine Herrſchaft (§. 833.). Dero - wegen, da dieſes Recht aus einem Vertrage, oder gleichſam einem Vertrage herkommt (§. 836.); ſo entſteht in einer Geſellſchaft die Herrſchaft aus einem Vertrage, oder gleichſam einem Vertrage, und kommt allen zuſammen genommen zu; folglich muß ein jeder insbeſondere allen zu - ſammen genommen gehorchen (§. 835.).

§. 839.
Von gleichen und un - gleichen Geſell - ſchaften.

Da die Verbindlichkeiten und Rechte eines jeden Mitgliedes aus dem Vertrage zu ermeſ - ſen ſind (§. 836.); ſo haben in einer Ge - ſellſchaft die ohne Unterſcheid errichtet wird (ſimpliciter contrahitur), alle Mit - glieder einerley Recht und einerley Verbindlichkeit; folglich ſind alle einan - der gleich (§. 70.): Und ſodann wird es eine gleiche Geſellſchaft (ſocietas æqualis) genannt: und alſo findet in einer gleichen Geſellſchaft kein Vorrecht ſtatt (§. 71.). Wenn man aber ausdruͤcklich mit ein - ander verabredet, daß eines von denGlie -617und der Geſellſchaft uͤberhaupt. Gliedern etwas zu thun verbunden ſeyn ſoll, das die uͤbrigen zu thun nicht ſchuldig ſind, oder ein Recht haben, welches den andern nicht zukommt; ſo ſind die Glieder der Geſellſchaft un - gleich (§. 70.): Und alsdann wird es eine ungleiche Geſellſchaft (ſocietas inæqua - lis) genannt; und alſo kann in einer un - gleichen Geſellſchaft einer ein Vor - recht vor dem andern haben.

§. 840.

Weil in einer gleichen Geſellſchaft, in wel -Von dem Rang der Mitglie - der in ei - ner Ge - ſellſchaft. cher alle Glieder einander gleich ſind, kein in - nerer Grund vorhanden, welcher naͤmlich aus der Natur der Mitglieder der Geſellſchaft her - geleitet werden kann, warum einer dieſen, oder einen andern Rang haben ſoll (§. 75.), dennoch aber nothwendig einige Ordnung be - obachtet werden muß; ſo koͤnnen die, wel - che eine gleiche Geſellſchaft errichten, den Rang nach ihrem Belieben aus - machen. Wenn aber nachher einige dazu kommen; ſo muͤſſen ſie, indem nie - manden ſein Recht benommen werden kann (§. 100.), die Ordnung halten, in wel - cher ſie in die Geſellſchaft treten; wenn nicht die uͤbrigen auſſerordentlich ei - nem neuankommenden eine andere Stelle einraͤumen wollen; als welches auf ihren Willen ankommt (§. 342.). Allein da in einer ungleichen Geſellſchaft einige Mit - glieder mehr Recht, als die andern haben, oderQ q 5mehr618III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrſchaftmehr das gemeinſchaftliche Gute zu befoͤrdern verbunden ſind (§. 839.); ſo muß derje - nige, welcher mehr Recht hat, oder auch mehr als die andern zur Befoͤrderung des gemeinen Beſtens beyzutragen ſchuldig iſt, natuͤrlicher Weiſe den Rang vor andern haben; naͤmlich wenn man voraus ſetzt, daß eine Sache nach einem natuͤrlichen Grunde entſchieden werden ſoll; da in ſolchen Dingen, woruͤber mau freywil - lig ſich mit einander vereiniget, es auf den Willen derer ankommt, die etwas mit ein - ander verabreden. Hieraus folgt nun aber ferner, daß einem, der in die Stelle deſ - ſen kommt, welchem ein Rang nach ei - nem innern Grunde zukomt, auch der - ſelbe gebuͤhret. Hingegen daß man in einer Geſellſchaft nicht auf den Rang zu ſehen hat, welchen einer ſonſt auſſer der Geſellſchaft hat, iſt leicht daraus zu erſehen; weil man in einer Geſellſchaft auf nichts anders als auf die Rechte und Ver - bindlichkeiten der Mitglieder zu ſehen hat, wodurch ſie zu moraliſchen Perſonen gemacht werden (§. 96.).

§. 841.
Von ei - nes jeden Einwil - ligung, welche um et - was zu

Da die Mitglieder der Geſellſchafft mit zuſammengeſetzten Kraͤfften die Abſicht derſel - ben zu erreichen ſich beſtreben ſollen, und ein jedes von ihnen ſich allen zuſammen genom - men dazu verbunden hat (§. 836.); ſo muß dasjenige, was man die Abſicht zu er -reichen619und der Geſellſchaft uͤberhaupt. reichen vorzunehmen hat, durch ge -beſchlieſ - ſen erfor - dert wird. meinſchaftliche Einwilligung ausge - macht werden. Derowegen wenn eine Geſellſchaft errichtet wird; ſo muß mit aller Einwilligung das feſt geſetzt werden, was beſtaͤndig und allezeit auf einerley Weiſe geſchehen ſoll, und in einem ſich ereignenden Falle, der die Geſellſchaft betrift, was man alsdann zu thun habe.

§. 842.

Die Eroͤfnung ſeines Willens von dem,Von dem Unter - ſchiede der Stim - men. was durch vieler Einwilligung zuſammen aus - gemacht werden muß, heißt die Stimme (ſuffragium, votum); und zwar eine be - jahende Stimme (votum affirmati - vum), wodurch man ſich erklaͤret, man wol - le, daß dieſes geſchehe; eine verneinende Stimme (negativum votum), wodurch man ſich erklaͤret, man wolle das nicht, woruͤber man ſich berathſchlagt. Man nennt aber einſtimmige Stimmen (vota conſentien - tia) derjenigen, welche einerley Meinung ha - ben; verſchiedene Stimmen (vota diver - ſa) aber die Stimmen derer, die ungleicher Meinungen ſind. Einhellige Stimmen (vota unanimia) ſind, wenn die Stimmen al - ler zuſammen einſtimmig ſind; die mehre - ſten Stimmen (majora) ſind die einſtim - migen Stimmen des groͤſten Theils; die we - nigſten Stimmen (minora) des kleineren Theils; gleiche Stimmen (vota paria) aber620III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrſchaftaber wenn die Anzahl derer die einſtimmen, und nicht einſtimmen, gleich iſt.

§. 843.
Wie man durch Stim - men et - was be - ſchlieſſen muß.

Man ſaget, die Berathſchlagenden be - ſchlieſſen etwas (concludunt), wenn durch Vergleichung der Stimmen mit einander aus - gemacht wird, was geſchehen ſoll, oder nicht. Und das, was durch die Stimmen ausge - macht wird, daß es geſchehen ſoll, oder nicht, heiſt der Schluß (concluſum). Die beſ - ſern Stimmen (vota meliora) nennt man das Urtheil derer, von dem was geſchehen ſoll, welches der Wahrheit gemaͤßer iſt. Man ſiehet aber leicht, daß, da ein jeder ſeine Stimme vor die beſte haͤlt, und gleichwohl die Sache einen Ausgang gewinnen muß, durch die beſten Stimmen nichts be - ſchloſſen werden kann; folglich iſts noth - wendig, daß ſolches durch die mehre - ſten geſchehe. Derowegen wenn eine Geſellſchaft errichtet wird, muͤſſen die, welche ſie errichten, darein willigen, daß, was dem groͤſſern Theile gut duͤn - cket, vor den Willen aller Mitglieder gehalten werden ſoll; und ſolchergeſtalt durch den groͤſſern Theil der kleinere verbindlich gemacht werden. Weil demnach, wenn ein Schluß gemacht werden ſoll, die Stimmen gezehlt, nicht aber erwo - gen werden (ponderantur), ſo daß man erſt unterſuchte, welches die beſten ſind; ſo kann durch gleiche Stimmen nichts be -ſchloſ -621und der Geſellſchaft uͤberhaupt. ſchloſſen werden (§. 842.). Derowegen bleibt die Sache in dem Stande, wie ſie iſt; folglich muß man, ſo oft als die Sache, weil man zu keinem Schluſſe kommen kann, keinen Ausgang ge - winnt, es entweder auf das Loos an - kommen laſſen (§. 669.), oder es iſt noͤ - thig, daß einer in der Geſellſchaft eine entſcheidende Stimme hat, wodurch der eine Theil der Stimmen die mehreſten wer - den, oder wenn die Sache Aufſchub leidet, ſo muͤſſen die Berathſchlagun - gen wiederholt werden. Man nennt aber die Entſcheidung einer ſtreitigen Sache durch die Gleichheit der Stimmen die Wahl - Stimme der Minerve (calculum Miner - ). Wenn man aber die mehreſten Stimmen nicht ausmachen kann, weil naͤmlich dieſelben allzuviel von einander abge - hen, gleichwohl aber darauf zu ſehen iſt, daß die Sache einen Ausgang gewinne; ſo muß man die Stimmen mehr gelten laſſen, denen weniger entgegen ſind, als die andern, wel - che mehrere gegen ſich haben; und alſo muß man erwehlen, was den wenigſten mißfaͤllt; da ſich nicht thun laͤßt, was den mehreſten gefaͤllt. Z. E. wenn drey einen an - geklagten in 20. Gulden Strafe, vier in 10. verdammen, zwey aber ihn losſprechen; ſo muß die andere Meinung das Uebergewichte haben, welcher nur 5. Stimmen entgegenſind,622III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrſchaftſind, da der erſten 6. und der dritten 7. zu - wider ſind.

§. 844.
Von den Stim - men der Abwe - ſenden.

Wer abweſend iſt, und ob er gleich zur Berathſchlagung eingeladen wor - den, dennoch ſeine Stimme keinem an - dern, der gegenwaͤrtig iſt, auftraͤgt, oder ob er gleich gegenwaͤrtig iſt, ſich ſeiner Stimme begiebt, oder auf an - dere Weiſe dieſelbe zu geben gehindert wird; da er im erſten Fall ſtillſchweigend, im andern ausdruͤcklich ſich ſeines Rechtes be - giebt (§. 340.), und dieſes zu thun erlaubt iſt (§. 342.), im dritten aber kein Recht hat; ſo wird, wenn man die Stimmen zeh - let, auf den abweſenden und den ge - genwaͤrtigen, der ſich des Votirens enthaͤlt, nicht geſehen. Jnsgemein ſagt man, die Stimmen der abweſenden, oder mit dem Grotius, das Recht der ab - weſenden waͤchſt den gegenwaͤrtigen zu. Man haͤlt aber einen gegenwaͤrtigen, der ſich des Votirens begiebt, oder nicht vo - tiren darf, fuͤr einen abweſenden. Es laͤſt ſich wegen des Votirens vieles verabreden, welches vermoͤge des Vertrags gehalten wer - den muß (§. 348.).

§. 845.
Von dem unglei - chen Werthe

Weil der ein doppeltes Mitglied der Ge - ſellſchaft vorſtellt, welcher zur Erreichung der Abſicht der Geſellſchaft mehr als andere bey -traͤgt,623und der Geſellſchaft uͤberhaupt. traͤgt, u. ſ. f. ſo muß der Werth derder Stim - men. Stimme deſſen, welcher zur Errei - chung der Abſicht der Geſellſchaft mehr, als andere Mitglieder beytraͤgt, aus der Verhaͤltniß ſeines Beytrages zu dem geringſten Beytrage ermeſſen werden. Und hieraus verſteht ſich ferner, daß wenn nicht alle gleichen Vortheil von der Geſellſchaft haben, die Stim - me nach ihrem Werth aus dem Ver - haͤltniß der Vortheile, die ein jeder da - her ziehet, ermeſſen werden muß, z. E. wenn einer an einem liegenden Grunde die Haͤlfte, der andere den ſechſten Theil, noch ein anderer den dritten Theil hat, ſo verhaͤlt ſich in dieſem Falle der Werth der Stimmen wie 3. 1. 2.

§. 846.

Die Verabredung der Mitglieder in einerVon den Geſetzen einer Ge - ſellſchaft. Geſellſchaft von dem, was zu Erhaltung ih - rer Abſicht allezeit auf einerley Weiſe geſche - hen ſoll, ſind Geſetze (§. 39.). Eine jede Geſellſchaft alſo muß Geſetze haben, und ihr kommt das Recht zu Geſetze zu geben (§. 841.). Weil alſo die Geſetze die Mittel vorſchreiben, wodurch die Abſicht der Geſellſchaft erhalten wird; ſo kann oh - ne Beobachtung der Geſetze die Wohl - fahrt der Geſellſchaft nicht beſtehen, und muß die Uebertretung derſelben nicht geduldet werden (§. 837.); folg - lich hat die Geſellſchaft auch das Rechtauf624III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrſchaftauf die Uebertretung der Geſetze Stra - fen zu ſetzen; folglich die Uebertreter zu beſtrafen. Hieraus folgt ferner, daß wer in eine Geſellſchaft aufgenommen wird, entweder ausdruͤcklich verſpre - chen muß, oder ſtillſchweigend ver - ſpricht, er wolle die Geſetze beobach - ten. Da aber die Geſetze ihre Kraft durch die Einwilligung der Mitglieder erhalten; ſo iſt es der Geſellſchaft erlaubt, nach ih - rem Gutduͤncken die Geſetze aufzuhe - ben und zu veraͤndern, oder auch neue zu machen.

§. 847.
Von der Einig - keit der Glieder einer Ge - ſellſchaft.

Da man diejenigen Einig (concordes) nennt, welche einerley wollen und nicht wol - len; die aber uneinig, die nicht einerley wol - len und nicht wollen; folglich die Mitglie - der in einer Geſellſchaft einig ſind, wenn ſie ſich den Geſetzen der Geſell - ſchaft unterwerffen (§. 846.), und alſo auch wenn entweder ihre Stimmen ein - hellig ſind, oder ſie ſich doch den meh - rern nicht widerſetzen (§. 842.); ſo ſol - len die Glieder einer Geſellſchaft einig ſeyn (§. 846. 843.). Und daher erhellet fer - ner, daß durch die Einigkeit die Wohl - fahrt der Geſellſchaft erhalten wird (§. 837.).

§. 848.
Von der einander zu lei -

Die Huͤlfe (Beyſtand adjutorium) nennen wir die Handlungen, wodurch wir entwederetwas625und der Geſellſchaft uͤberhaupt. etwas zur Handlung eines andern beytragen,ſtenden Huͤlfe. oder das Beſte eines andern befoͤrdern. Es iſt demnach die einander zu leiſtende Huͤl - fe (mutuum adjutorium), welche zwey, oder mehrere einander leiſten: Die Mitglieder in einer Geſellſchaft ſind alſo verbun - den einander Huͤlfe zu leiſten (§. 837.).

§. 849.

Wenn die Abſicht der GeſellſchaftVon der uner - laubten Geſell - ſchaft. unerlaubt iſt, ſo iſt die Geſellſchaft auch unerlaubt (§. 49.). Aus einer uner - laubten Geſellſchaft aber kann keine Ver - bindlichkeit entſtehen, und kein Recht erlangt werden.

§. 850.

Weil die Glieder einer Geſellſchaft mit ver -Wie die Geſell - ſchaften anzuſe - hen ſind. einigten Kraͤfften handeln (§. 836.); ſo hat man eine jede Geſellſchaft wie eine ei - nige Perſon anzuſehen. Derowegen da die Menſchen von Natur frey ſind (§. 77.), und indem ſie in eine Geſellſchaft treten, ſich nur unter einander, und nicht andern verbind - lich machen (§. 836.); ſo iſt eine jede Ge - ſellſchaft von Natur frey, und deswegen hat man mehrere verſchiedene Geſell - ſchaften als wie einzele freye Perſo - nen anzuſehen.

§. 851.

Da alle Handlungen der Mitglieder in ei -Von der Vollkom - menheit einer Ge - ſellſchaft. ner Geſellſchaft auf die Abſicht derſelben ge - richtet ſind (§. 836.); ſo beſteht die Voll - kommenheit der Geſellſchaft in der Ge -Nat. u. Voͤlckerrecht. R rſchick -626III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrſchaftſchicklichkeit ihre Abſicht zu erreichen, und muß alſo aus den hinlaͤnglichen Kraͤfften (§. 9.), welche die Mitglieder mit einander vereinigen, ermeſſen wer - den. Woraus folgt, daß zu einer jeden Geſellſchaft ſo viele und ſolche Perſo - nen erfordert werden, als die Abſicht der Geſellſchaft zu erreichen gnung ſind.

§. 852.
Wenns erlaubt iſt von der Ge - ſellſchaft abzuge - hen.

Weil die Abſicht der Geſellſchaft, in ſo weit ſie erhalten wird, das gemeine Beſte derſelben iſt (§. 837.); ſo wird die Geſell - ſchaft in Schaden geſetzt, wenn etwas geſchieht, was ihr zuwider iſt (§. 269.). Derowegen da kein Mitglied die Geſell - ſchaft in Schaden ſetzen darf (§. 837.); ſo iſt es nicht erlaubt mit dem Scha - den der Mitglieder von der Geſell - ſchaft abzugehen: Ja wenn man es alſo verabredet hat; ſo darf man niemals ohne Einwilligung der uͤbrigen Mit - glieder davon abgehen (§. 438.). Weil aber die Geſellſchaft nicht in Schaden geſetzt wird, wenn man einen andern, der eben ſo geſchickt iſt, an ſeine Stelle verſchaft; ſo iſt es, wenn man einen andern, der eben ſo geſchickt iſt, an ſeine Stelle ver - ſchaft, von der Geſellſchaft ſich abzu - ſondern erlaubt.

§. 853.627und der Geſellſchaft uͤberhaupt.
§. 853.

Weil ein Mitglied einer GeſellſchaftVon der Aus - ſchlieſ - ſung ei - nes Mit - gliedes aus der Geſell - ſchaft. von dem Vertrage, worauf ſich die Geſell - ſchaft gruͤndet (§. 836.), abgeht, wenn es nicht leiſten will, was es zu leiſten ſchuldig iſt (§. 442.); ſo kann es aus die - ſer Urſache von der Geſellſchaft ausge - ſchloſſen werden. Und wenn ein Mit - glied will, daß alles nach ſeinem Kopfe gehen ſoll; ſo iſt es, weil es den uͤbrigen ihr Recht benehmen will (§. 841.), welches ſie zu leiden nicht ſchuldig ſind (§. 100.), ihn auszuſchlieſſen erlaubt, oder es kann auch, wer dieſes nicht leiden will, von der Geſellſchaft abgehen (§. 442.).

Das zweyte Hauptſtuͤck.

Von der Ehe, oder der ehelichen Geſellſchaft.

§. 854.

Da die Geburtsglieder von beydem Ge -Von der Verbind - lichkeit das menſchli - che Ge - ſchlechte fortzu - pflantzen, und dem erlaub - ten Bey - ſchlafe. ſchlechte das menſchliche Geſchlechte geſchickt machen ihr Geſchlechte fort - zupflantzen, damit es nicht untergehe, und uͤber dieſes die Menſchen wie die uͤbrigen Thiere von Natur einen Trieb haben ihre Ge - burtsglieder dergeſtalt zu gebrauchen, wie Kinder zu erzeugen erfordert wird; ſo ſind die Menſchen uͤberhaupt genommen ihr Geſchlechte fortzupflantzen ver -R r 3bunden,628III. Theil 1. Abth. 2. Hauptſtuͤck. bunden, und ein jeder von ihnen iſt verbunden den Beyſchlaf nicht anders als zur Erzeugung der Kinder zu be - gehren (§. 43.); folglich iſt ein jeder Beyſchlaf, der allein der Wolluſt we - gen begehrt wird, und ein jeder Ge - brauch der Geburtsglieder aus glei - cher Abſicht unerlaubt. Daher iſt die Hurerey (fornicatio, ſeu ſcortatio), wel - ches der Beyſchlaf mit einer Hure iſt, das iſt, mit einer Weibsperſon, welche ſich meh - reren gemein macht; der unehliche Bey - ſchlaf (ſtuprum), mit einer ledigen Weibs - perſon, die ſich mehrern nicht gemein macht; die Sodomie (ſodomia), der Beyſchlaf ei - nes Menſchen mit einem Viehe; die Kna - benſchaͤnderey (pæderaſtia) der Beyſchlaf einer Mannsperſon mit einer Mannsperſon; die Onansſuͤnde (maſtuprario), da ein Menſch mit ſeinen eigenen Haͤnden die Wol - luſt mit ſich ſelbſt pflegt, durch das Ge - ſetze der Natur verbothen; und alſo von Natur unerlaubt (§. 49.).

§. 855.
Von der Erzie - hung der Kinder und von der Art u. Weiſe das menſchli - che Ge -

Neugebohrne Kinder ſind noch nicht ge - ſchickt von ſich ſelbſt fuͤr das zu ſorgen, was ſie zu ihrer eignen Erhaltung beduͤrfen, und ihre Handlungen nach dem Geſetze der Natur einzurichten, oder wie Menſchen zu leben. Derowegen da die Menſchen ihr Geſchlechte erhalten ſollen (§. 854.); ſo muͤſſen die, welche Kinder zeugen, ſie auch ge -ſchickt629Von der Ehe. ſchickt machen, daß ſie wie Menſchenſchlecht fortzu - pflantzen. leben koͤnnen; folglich da die Bemuͤhung, wodurch dieſes bewerckſtelliget wird, die Er - ziehung (educatio) iſt; ſo muͤſſen die, welche ein Kind zeugen, daſſelbe auch erziehen. Daher folgt, daß wer ein Kind durch einen unerlaubten Bey - ſchlaf erzeugt hat, z. E. durch einen unehlichen (ſtuprator), daſſelbe auch zu erziehen verbunden iſt. Da zur Erzie - hung ſo wohl der Mutter, als des Vaters Sorge und Fleiß erfordert wird; ſo muß ein jeder zur Erziehung des Kindes ſo viel beytragen, als er kann. Weil alſo ein gleichguͤltiger Beyſchlaf mit einem jeden (concubitus promiſcuus) derjenige iſt, da eine Weibsperſon einen jeden, der bey ihr ſchlafen will, zulaͤßt, und ſolchergeſtalt der Vater ungewiß iſt; ſo darf das menſchli - che Geſchlecht nicht durch einen gleich - guͤltigen Beyſchlaf mit einem jeden fortgepflantzt werden; folglich muß zwiſchen Manns - und Weibsperſonen zur Erzeugung und Erziehung der Kinder eine Geſellſchaft aufgerichtet werden (§. 836.).

§. 856.

Die Geſellſchaft, welche zwiſchen einerWas die Ehe iſt, und wel - che Per - ſonen heyra - Manns - und Weibsperſon, zur Erzeugung und Erziehung der Kinder aufgerichtet wird, nennt man die eheliche Geſellſchaft, oder die Ehe (matrimonium). Perſonen alſo,R r 3die630III. Theil 1. Abth. 2. Hauptſtuͤck. then koͤn - nen.die Kinder zu zeugen entweder Alters wegen, oder durch einen Fehler ihres Leibes zur Ehe untuͤchtig ſind, koͤn - nen in den Eheſtand nicht treten: Und wenn aus einer andern Urſach zwiſchen einer Manns - und Weibsperſon eine Geſellſchaft gemacht wird, z. E. um einander Huͤlfe in dem haͤuslichen Weſen und andern vorkommenden Faͤllen zu erweiſen; ſo iſt dieſes keine Ehe.

§. 857.
Ob man nicht mehr als ein Weib haben darf.

Weil man ſich bloß in den Stand der Ehe begiebet, um Kinder zu zeugen und zu erzie - hen (§. 855. 856. ); durch die eigene Er - fahrung aber bekannt iſt, daß das menſchli - che Geſchlecht durch die Ehe mit einem Weibe (monogamia) gnung fortgepflantzt werden kann; dieſelbe auch zu der Erziehung der Kinder am geſchickteſten iſt (§. 855.); und wir auch ein Bild dieſes Rechts der Natur bey den Thieren ſehen, wo das Maͤnnlein und Weiblein die Erziehung der Jungen mit einander beſorgen muͤſſen; ſo iſt nicht zu zweifeln, es ſey dem Geſetze der Na - tur gemaͤß, daß die Ehe zwiſchen ei - ner Mannsperſon und einer Weibes - perſon beſtehe; folglich kommt die Viel - weiberey (polygamia), das iſt, die Ehe ei - ner Perſon mit vielen, mit dem Geſetze der Natur nicht uͤberein: Und wenn ſie bloß der Wolluſt wegen eingegangenwird;631Von der Ehe. wird; ſo iſt ſie offenbahr unerlaubt (§. 854.).

§. 858.

Die, welche einander geheyrathet, werdenVon den Verbind - lichkei - ten der Ehelente gegen einander u. ihrem Rechte. mit einem gemeinſchaftlichen Nahmen Ehe - leute, oder Ehegatten (conjuges) genannt; und insbeſondere die Mannsperſon der Ehe - mann (maritus), und die Weibsperſon die Ehefrau (uxor). Wenn ſie alſo in den Eheſtand treten, ſo verbindet ſich der Mann dem Weibe und das Weib dem Manne, daß ſie den Gebrauch ihres Lei - bes zu Erzeugung der Kinder einander und zwar allein erlauben, und beyde zur Erziehung der Kinder beytragen wol - len, was ſie koͤnnen (§. 856. 855. ); folg - lich raͤumet das Weib dem Manne und der Mann dem Weibe das Recht zu dieſem Gebrauch auf ihren Leib ein. Da alſo das Recht des einen Theils verletzt wird, wenn der andere einer andern Perſon ehelich beywohnt (§. 83.); ſo thut er dem andern unrecht (§. 87.) und gehet von dem Vertrage ab (§. 442.), wodurch die Ehe gemacht worden (§. 836. 856.).

§. 859.

Der Beyſchlaf einer verehelichten PerſonOb der Ehebꝛuch uner - laubt ſey. mit einer andern, ſie mag ledig, oder verhey - rathet ſeyn, ohne Vorwiſſen und wider Wil - len ſeines Ehegattens, wird der Ehebruch (adulterium) genannt. Derowegen iſt Ehe -R r 4bruch632III. Theil 1. Abth. 2. Hauptſtuͤck. bruch unerlaubt: Jedoch muß der Ehe - brecher das Kind, welches im Ehe - bruch erzeuget worden, erziehen (§. 855.).

§. 860.
Von den Kebs - weibern.

Kebsweiber (pellex) nennt man die Weibsperſonen, welche ein Ehemann auſſer ſeiner Ehefrau zum Beyſchlaf hat. Da man bey der Kebsweiberey (pellicatus) vor - nehmlich die Empfindung der fleiſchlichen Wol - luſt zur Abſicht hat; ſo iſt klar, daß die - ſelbe nach dem Rechte der Natur un - erlaubt ſey (§. 854.), und iſt der Bey - ſchlaf mit einem Kebsweibe von dem Ehebruche nicht unterſchieden (§. 859.).

§. 861.
Vom Unter - ſcheide der Kin - der.

Die Kinder, welche in der Ehe gebohren worden, werden rechtmaͤßige Kinder (li - beri legitimi); die auſſer der Ehe gebohren ſind, z. E. durch Unzucht, oder Ehebruch, ſind unehliche Kinder (ſpurii); welche aber von Huren gebohren werden, Huren - kinder (vulgo quæſiti) genannt.

§. 862.
Von der Scham und der Jungfer - ſchaft, und dem Rechte ſie zu ver - theidi - gen.

Die Schamhaftigkeit (pudicitia) nennt man ein von allem unerlaubten Beyſchlafe entferntes Gemuͤthe: Die Unſchamhaftig - keit (impudicitia) aber ein zum unerlaubten Beyſchlafe geneigtes Gemuͤthe. Die Jung - ferſchaft (virginitas) die Enthaltung des Gebrauchs der Geburtsglieder im Beyſchlafe mit einer Mannsperſon; welche alſo imerſten633Von der Ehe. erſten Beyſchlafe verlohren wird. Es erhellet alſo, daß, wenn eine Jungfer genothzuͤchtiget wird, ſie ihrer Jung - ferſchaft mit Gewalt beraubet; wenn aber eine Wittwe, eine Ehefrau ge - nothzuͤchtiget wird, ihre Schamhaf - tigkeit verletzt wird; folglich hat eine Jungfer das Recht ihre Jungferſchaft, eine Wittwe und Ehefrau das Recht ihre Schamhaftigkeit zu vertheidigen (§. 46. 90. ), und zwar ein an ſich un - eingeſchraͤncktes Recht (§. 94.); folglich iſt es erlaubt daß ſie denjenigen, der ſie nothzuͤchtigen will, toͤdten kann, wo - fern ſie der Gefahr anders nicht ent - gehen kann.

§. 863.

Weil die Ehe durch einen Vertrag gemachtWie die Ehe zu ſtande gebracht wird. wird (§. 856. 836. ); ſo wird ſie durch die beyderſeitige Einwilligung der Manns - und Weibsperſon nach der Natur zu ſtande gebracht (§. 438.); folglich kann auf die beyderſeitige Er - klaͤrung der Einwilligung der fleiſchli - che Vermiſchung (copula carnalis), wel - ches die Verbindung der Leiber der Manns - und Weibsperſon iſt, die zu Erzeugung der Kinder erfordert wird, gleich hinzukom - men.

§. 864.

Das Verſprechen einander zu heyrathenVon der Verloͤb - niß. wird die Verloͤbniß (ſponſalia) genannt;R r 5und634III. Theil 1. Abth. 2. Hauptſtuͤck. und die Perſonen, welche einander dieſes verſprechen, oder ſich mit einander verloben, heiſſen alsdann Braͤutigam und Braut. Derowegen entſteht aus der Verloͤbnis die Verbindlichkeit, die Ehe, wie es ver - abredet worden, zu vollziehen (§. 393.): Sie koͤnnen aber dennoch durch beyder - ſeitige Aenderung ihres Willens von der Verloͤbniß wieder abgehen (§. 444.); und wenn eine Perſon ſich mit zweyen verlobet, ſo wird die erſte Verloͤbniß der andern vorgezogen (§. 421.): Wenn aber die Perſon, zu deren Nachtheil die letzte Verlobung geſchehen, ihr Recht will fahren laſſen, welches ſie wohl thun kann (§. 342.); ſo iſt die letzte guͤltig (§. 337.). Es erhellet aber, daß, wenn ver - lobte Perſonen ſich mit einander fleiſch - lich zu vermiſchen eins werden, ſie dadurch wuͤrcklich nach der Natur in den Eheſtand treten (§. 863.). Da durch die Verloͤbniß die Ehe verſprochen wird; ſo kann ſie auf ſo vielfache Art als das Verſprechen geſchehen, und gilt von ihr, was von dem Verſprechen erwie - ſen worden.

§. 865.
Vom Mahl - ſchatz u. den Ver - loͤbnißge - ſchencken.

Der Mahlſchatz (arrha ſponſalitia) wird genannt, was der Braͤutigam der Braut und die Braut dem Braͤutigam auf die Ehe giebt. Verloͤbnißgeſchencke (munus ſpon - ſalitium) ſind die, welche eine verlobte Per - ſon der andern giebt, zu Bezeugung ihrerLiebe.635Von der Ehe. Liebe. Man giebt alſo einen Mahlſchatz um dadurch die Verloͤbniß zu bewei - ſen und zu befeſtigen (§. 619.): Und wenn ſie eigenthuͤmlich gegeben wer - den; ſo ſind ſie zugleich als Verloͤb - nißgeſchencke anzuſehen (§. 475.). Da die Verloͤbnißgeſchencke in der Hoffnung ge - geben werden, daß die Ehe werde vollzogen werden; ſo verſteht ſichs, daß ſie unter die - ſer ſtillſchweigenden Bedingung gege - ben worden, woferne nicht ausdruͤck - lich ein anders geſagt wird, daß ſie wiedergegeben werden ſollen, wenn es ſich zutruͤge, daß die Ehe nicht vollzo - gen wuͤrde (§. 318.); folglich wenn die Verloͤbniß aufgehoben wird, ſo muͤſ - ſen der Mahlſchatz und die Geſchencke wiedergegeben werden.

§. 866.

Haͤusliche Sachen (res domeſticæ)Daß E - helente bey ein - ander wohnen, und eine gemein - ſchaft - liche Wirth - ſchaft haben ſollen. nennt man, welche wir zur Nothwendigkeit, zur Beqvemlichkeit und zum Vergnuͤgen des menſchlichen Lebens gebrauchen; und die Ver - waltung derſelben wird die Haushaltung (œconomia) genannt. Weil die Eheleute ohne Beyſchlaf kein Kind zeugen koͤnnen, und die Kinder durch gemeinſchaftliche Sorgfalt erziehen muͤſſen (§. 855.); folglich auch mit einander davor zu ſorgen haben, was ſie zu ihrem Unterhalt brauchen, ingleichen vor die Koſten, ſo auf ihre Auferziehung zu wenden ſind (§. cit. ); ſo muͤſſen ſie bey einanderwohnen636III. Theil 1. Abth. 2. Hauptſtuͤck. wohnen und eine gemeinſchaftliche Haushaltung fuͤhren, und jeder Ehe - gatte muß zu Anſchaffung deſſen, was in der Haushaltung noͤthig, und alles dazu erforderliche wohl in acht zu neh - men, ſo viel als in ſeinem Vermoͤgen ſtehet, beytragen. Derowegen iſt der Gebrauch deſſen, was ein jeder Ehe - gatte erworben hat, in ſo weit ge - meinſchaftlich, als es die gemein - ſchaftliche Haushaltung erfordert; was aber durch den Gebrauch nicht ver - braucht wird, bleibt eines jeden eigen. Uebrigens iſt klar, daß auch die Frau ſo viel, als ſie kann, erwerben muß, was zur gemeinſchaftlichen Haushaltung und Erziehung der Kinder noͤthig iſt.

§. 867.
Von den Sachen, die den Eheleu - ten zuge - hoͤren.

Da ein jeder dem andern nach ſeinem Ge - fallen ein Recht in ſeinen Sachen einraͤumen kann (§. 260.); ſo kann die Frau auch ihrem Manne ein Recht in ihren Guͤ - tern nach ihrem Gefallen einraͤumen, z. E. den Nießbrauch (§. 713.); und ſo auch im Gegentheile der Mann. Ja ſie koͤnnen in Anſehung der Guͤter die ſie haben, wenn ſie in den Eheſtand tre - ten, oder die ſie wehrender Ehe erwer - ben, nach ihrem Gefallen verabreden, wie ſie es wollen gehalten haben (§. 195.), z. E. daß ſie gemeinſchaftlich ſeyn ſollen.

§. 868.637Von der Ehe.
§. 868.

Die Beſchwerden des EheſtandsVon den Be - ſchwer - den des Eheſtan - des. (onera matrimonii) nennt man alle Unkoſten, die des Eheſtands wegen; folglich der gemein - ſchaftlichen Haushaltung und Auferziehung der Kinder wegen aufgewandt werden muͤſſen (§. 866.). Da hierzu ein jeder Ehegatte ſei - nen Antheil, ſo viel es die Umſtaͤnde erlauben, beytragen ſoll (§. cit. ); ſo muͤſſen die Ehe - leute nach der Beſchaffenheit ihres Vermoͤgens die Beſchwerden des Ehe - ſtandes tragen.

§. 869.

Da die Eheleute bey einander wohnen, undVon Lei - ſtung der Liebes - dienſte und der beyder - ſeitigen Huͤlfe. nicht allein ihre Leiber zu Erzeugung der Kin - der, ſondern auch den Gebrauch ihrer Sachen mit einander gemeinſchaftlich haben (858. 866. ), und alſo genauer mit einander als mit einer andern Perſon verbunden ſind; ſo verſtehet es ſich, daß ſie ſich einander alle Liebesdienſte zu leiſten gegen einan - der verbindlich gemacht haben; in wel - chen alſo, da zu der natuͤrlichen Verbind - lichkeit noch dieſe von neuem hinzukommt, ein Ehegatte den andern einem dritten in ſich ereignendem Falle, wo man nicht beyden dienen kann, vorziehen muß, und ohne Unrecht der Liebes - dienſt nicht unterlaſſen werden kann (§. 87.); als den ein Ehegatte dem andern vollkommen ſchuldig iſt (§. 667.). Und in Leiſtung dieſer Pflichten, nebſt demjenigen, was ſonſtdes638III. Theil 1. Abth. 2. Hauptſtuͤck. des Eheſtandes wegen geſchehen muß, beſteht die beyderſeitige Huͤlfe (mutum adjuto - rium) der Eheleute (§. 848.).

§. 870.
Von der Herr - ſchaft, oder Ge - walt des Ehe - manns.

Weil aus dem Vertrage, wodurch die Ehe errichtet wird, die Rechte und Verbindlich - keiten der Eheleute entſpringen (§. 856. u. f.); ſo iſt die Ehe eine gleiche Geſellſchaft (§. 839.), und was in derſelben geſche - hen ſoll, muß durch gemeinſchaftliche Einwilligung ausgemacht werden; folglich iſt die Herrſchaft im Eheſtande (imperium conjugale), welche aus der ehe - lichen Geſellſchaft entſpringt (§. 838.), eine beyderſeitige Herrſchaft der Eheleute uͤber einander: Da aber die Frau ſich ih - res Rechtes begeben kann (§. 342.); ſo kann der Mann dieſelbe allein entwe - der durch einen ausdruͤcklichen Ver - trag, oder durch einen ſtillſchweigen - den erlangen; indem ſie in dasjenige, was die Gewohnheit mitbringt, ſtillſchweigend ein - williget; und alsdenn iſt die Frau dem Manne unterthan (§. 835.).

§. 871.
Von der Eheſchei - dung und der an - dern Hey - rath.

Da die Eheleute mit einander die Kinder zu erziehen ſchuldig ſind (§. 855.); ſo kann die Ehe nicht aufgehoben werden, wenn die Kinder noch nicht erzogen ſind (§. 444. 856. ); folglich kann der Mann die Frau nicht nach ſeinem Ge - fallen verſtoſſen, und der Frau iſt nichterlaubt639Von der Ehe. erlaubt nach ihrem Gefallen von dem Manne wegzugehen (§. 444.). Da aber keine Urſache vorhanden, warum die Ehe nicht koͤnnte aufgehoben werden, wenn noch keine Kinder da ſind, oder die, welche gebohren waren, wieder geſtorben ſind (§. 856.); ſo kann in dem Falle die Ehe getrennet werden. Da derjenige Theil, welcher die Ehe bricht, den Vertrag nicht haͤlt (§. 859.); ſo kann die Ehe des Ehebruchs wegen getrennet werden, doch ſo, daß die Verbindlichkeit die rechtmaͤßigen Kinder zu erziehen ver - bleibt; als wovon ſich kein Theil durch ſeine That befreyen kann (§. 38.). Da ein Ehe - gatte, welcher den andern boshafter Weiſe verlaͤßt, oder die eheliche Pflicht (debitum conjugale), welche in dem Beyſchlafe beſte - het, verſaget, den Vertrag nicht haͤlt (§. 856. 444. ); ſo kann wegen der boshaften Verlaßung und Verſagung der eheli - chen Pflicht die Ehe getrennet wer - den. Jm natuͤrlichen Stande muß vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit einem je - den erlaubt werden, daß er die Ehe nach ſeinem Gefallen trennen kann (§. 78.). Weil, nachdem die Ehe getrennet worden, die beyderſeitige Verbindlichkeit gegen einan - der aufhoͤret (§. 444.); ſo kann ein jeder Theil mit einer andern Perſon ſich wie - der verheyrathen. Weil es vor ſich klar iſt, daß durch den Tod des einen Ehe -gatten640III. Theil 1. Abth. 2. Hauptſtuͤck. gatten die Ehe getrennet wird; ſo kann ein Wittwer, oder eine Wittwe wieder heyrathen; folglich iſt die andere Ehe (polygamia ſucceſſiva) erlaubt. Man nennt aber die Trennung der Ehe die Ehe - ſcheidung (divortium); wenn aber die Verloͤbniß wieder zuruͤcke gehet, im Lateiniſchen repudium. Weil aber der Ehegatte, der im Leben bleibt, von der Verbindlichkeit die Kin - der erſter Ehe zu erziehen nicht befreyet wer - den kann (§. 38.); ſo muß, wenn man zur andern Ehe ſchreitet, der neue Ehegatte fuͤr die Kinder erſter Ehe ſorgen, und wenn ſie nicht eigenes Vermoͤgen haben, die Auferziehungs - koſten von dem ſeinigen geben; indem unter keiner andern Bedingung, als dieſer, die Ehe getroffen werden kann.

§. 872.
Daß man das Kind vor ſeines zu erkennen hat.

Es erhellet vor ſich, daß die Mutter ge - wiß weiß, das Kind ſey von ihr geboh - ren. Man ſagt: Der Vater erkenne es vor das ſeine (prolem agnoſcere), wenn er entweder mit ausdruͤcklichen Worten, oder mit der That erklaͤrt, daß es von ihm erzeu - get ſey; und er iſt ſchuldig es vor ſein Kind zu erkennen, ſo lange als er nicht beweiſen kann, daß es im Ehebruch erzeuget worden. Auf gleiche Weiſe muß, wer mit einer Weibsperſon zu thun gehabt, wenn er geſtehet, daß es zu der Zeit geſchehen, da man ver -muthen641Von der Ehe. muthen kann, daß ſie ſchwanger wor - den, indem er die Vermuthung zu widerle - gen ſchuldig iſt, das Kind ſo lange vor das ſeinige erkennen, bis er erwieſen hat, ſie habe zu der Zeit noch mit ei - nem andern, oder mit mehreren zu - gleich zu thun gehabt. Wenn er aber leugnet, daß er ſie beſchlafen habe, ſo muß die Weibsperſon dieſes bewei - ſen; indem ſie es ihm in das Gewiſſen ſchiebt, da keine Zeugen vorhanden (§. 783.).

§. 873.

Weil niemanden, was ein andrer thut, wo -Ob den Eltern kann zu - gerechnet werden, was die Kinder, und den Kindern, was die Eltern thun. zu er nichts beytraͤgt, zugerechnet werden kann (§. 3.); ſo kann auch was ein Ehegat - te thut, wenn der andere nichts dazu beytraͤgt, dem andern nicht zugerech - net werden, noch auch den Eltern was die Kinder, noch den Kindern was die Eltern thun; folglich kann ein Ehegatte nicht wegen des Verbre - chens des andern, noch auch die El - tern wegen des Verbrechens der Kin - der, oder die Kinder wegen des Ver - brechens der Eltern geſtraft werden. Derowegen kann es auch den Kindern nicht zugerechnet werden, daß ſie aus einem unrechtmaͤßigen Beyſchlafe ge - bohren worden, noch kann nach dem Geſetze der Natur, wegen der Eltern ein Schandfleck auf ihnen haften.

Nat. u. Voͤlckerrecht. S s§. 874.642III. Theil 1. Abth. 3. Hauptſtuͤck.
§. 874.
Von den Geſchen - cken der Eheleu - te.

Da das Schencken auf eines jeden freyem Willen beruhet (§. 475.); ſo iſt daſſelbe nach dem Geſetze der Natur unter E - heleuten nicht unerlaubt.

Das dritte Hauptſtuͤck.

Von der Blutsverwand - und Schwaͤgerſchaft.

§. 875.
Von den Bluts - veꝛwand - ten und ihrem Stam - me.

Blutsverwandten (cognati) nennt man, welche in einer Reihe von ein - ander, oder von einer Perſon, nicht aber von einander durch die Geburt abſtam - men. Die Perſon aber von welcher andere durch die Geburt abſtammen, heiſt der ge - meinſchaftliche Stamm (ſtipes commu - nis); welcher alſo in den maͤnnlichen und weiblichen getheilt wird. Die vom maͤnnli - chen Stamme abſtammen, werden beſonders die Schwerdtmagen (agnati); die von weiblicher Seite aber die Spillmagen (co - gnati) genannt.

§. 876.
Von den Linien der Bluts - freund - ſchaft.

Die Reihe der Perſonen, deren eine im - mer von der andern durch die Geburt abſtam - met, nennt man die gerade Linie (linea recta), ſo lange man ſie an und vor ſich ſelbſt betrachtet; und zwar die aufſteigende (aſcendens), oder die niederſteigende (deſcendens), nachdem man entweder zudenen643Von der Blntsverwandſchaft. denen Perſonen hinaufſteigt, von welchen wir durch die Geburt abſtammen, oder zu denen herunter, welche von uns abſtammen. Zwey gerade Linien aber, welche in einem gemein - ſchaftlichen Stamme zuſammenkommen, wer - den in Vergleichung mit einander die Sei - tenlinie, oder Nebenlinie (linea obliqua) genannt.

§. 877.

Alle Perſonen, welche von einem Stam -Von der Familie. me in verſchiedenen geraden Linien herkommen, machen zuſammen genommen die Familie des Stamms (familia ſtipitis) aus, z. E. die Familie meines Vaters, welche von meinem Vater; die Familie meines Groß - vaters (familia avi), welche von meinem Grosvater u. ſ. f. herkommen.

§. 878.
Von den Bluts - freunden in gera - der Linie u. in der Neben - linie.

Blutsfreunde in gerader Linie (co - gnati directi) werden genannt, die in einer geraden Linie befindlich ſind; die Bluts - freunde der Seiten - oder Nebenlinie (cognati a latere, vel collaterales) ſind, wel - che in zwey Nebenlinien befindlich ſind.

§. 879.

Der Unterſcheid der Blutsfreund -Von den Graden der Bluts - freund - ſchaft in einer geraden Linie. ſchaft zwiſchen dem Stamme und ei - ner jeden Perſon in der geraden Linie entſteht aus der Anzahl der Zeugun - gen, wodurch ſie von dem Stamme abſtammt (§. 875.). Derowegen da man dieſelben einen Grad nennt; ſo macht dieS s 2Zeu -644III. Theil 1. Abth. 3. Hauptſtuͤck. Zeugung einen Grad, und eine abſtam - mende Perſon iſt dem Stamme in dem Grade als ein Blutsfreund verwandt, welchen die Zahl der Zeugungen an - zeigt, durch welche er von dem Stam - me abſtammt; alſo iſt der Sohn ein Bluts - freund des Vaters im erſten Grad, des Groß - vaters im andern, des Aeltervaters im drit - ten. Und daher erhellet, welche Blutsfreun - de die nahe Anverwandten (propiores), die weitlaͤuftigeren (remotiores), und die naͤchſten Verwandten (proximi) ſind.

§. 880.
Von den Graden der hoͤ - hern und niedern Ord - nung.

Die Grade der hoͤhern Ordnung (gradus ordinis ſuperioris) ſind, welche in der Blutsfreundſchaft einer Perſon mit einer andern in der aufſteigenden Linie ſtatt finden; der niedern Ordnung (ordinis inferio - ris) aber, welche in der Blutsfreundſchaft mit einer Perſon in der niederſteigenden Linie gezehlet werden. Man nennt aber die Bluts - freunde der hoͤhern Ordnung in einer geraden Linie mit einem gemeinſchaftlichen Nahmen Eltern (parentes); die Blutsfreunde der niedern Ordnung mit einem gemeinſchaftli - chen Nahmen Kinder (liberos), oder auch Kinder und Kindeskinder.

§. 881.
Von den Graden der Fa - milie.

Da die Zeugung einen Grad macht (§. 879.); ſo machen eben die Grade der Anzahl nach in den Nebenlinien zu - ſammen genommen den Grad der Fa -milie645Von der Blutsverwandſchaft. milie aus. Alſo ſind alle Kinder im erſten Grad der Familie ihres Vaters; die Kinder aber von dieſen ſind in dem andern Grad der Familie, welches die Familie des Großvaters iſt, deſſen Kindes-Kinder im andern Grade ſie ſind. Es begreift aber die Familie des Großvaters die Familie des Vaters, und die Familie des Aeltervaters die Familie des Großvaters und des Va - ters in ſich u. ſ. w.

§. 882.

Die Nebenlinie wird gleich (æqualis) ge -Von den Graden in der unglei - chen Li - nie. nannt, wenn zwey gerade Linien, die ſich in ei - nem Stamm enden, in Graden einander gleich ſind; ungleich (inæquales) aber, wenn dieſelben ungleich ſind. Weil die Blutsfreun - de der Seitenlinie deswegen Blutsfreunde ſind, weil ſie von eben demſelben Stamme abſtammen (§. 878.); ſo ſind die Bluts - freunde der Seitenlinie in der gleichen Linie unter ſich in demjenigen Grade verwandt, in welchem ſie dem Stam - me verwandt ſind. Wofern aber in einer ungleichen Linie der weitlaͤufti - gere Verwandte 2, 3, oder 4. Grade von dem gemeinſchaftlichen Stamm abſteht, der naͤhere nur einen Grad; ſo iſt dieſer jenem in dem andern, drit - ten, vierten Grad der Familie ſeines Vaters verwandt. Wenn der naͤhere vom gemeinſchaftlichen Stamme zwey Grade abſteht, der entferntere drey,S s 3viere646III. Theil 1. Abth. 3. Hauptſtuͤck. viere und ſo weiter; ſo wird dieſer in dem dritten, vierten u. ſ. w. Grade der Familie ſeines Großvaters ver - wandt (§. 877. 881.). Daher folgt, daß wer mir, es ſey in was vor einem Grad es wolle, in der Familie meines Vaters verwandt iſt, mir allezeit einen Grad naͤher verwandt ſey, als der Verwand - te in eben dem Grade in der Familie meines Großvaters, und zwey Grade naͤher, als der Verwandte in eben dem Grade der Familie meines Aeltervaters, und ſo weiter. Dieſes iſt nun die beruͤhmte Rechnung der Grade nach dem Canoniſchen Rechte, welche der Natur gantz gemaͤß iſt, und auf welche man mit Recht ſiehet in den Sachen, wo man auf die Blutsverwand - ſchaft zu ſehen hat, z. E. in Ehe - und pein - lichen Sachen.

Von der Ver - wand - ſchaft de - rer, ſo aus einem uneꝛlaub - ten Bey - ſchlafe er - zeugetworden.
§. 883.

Da alle Blutsfreundſchaft aus der Erzeu - gung kommt (§. 875.); ſo iſt die natuͤrli - che Blutsfreundſchaft einerley, es mag einer in der Ehe, oder auſſer derſelben in einem unrechtmaͤßigen Beyſchlaf ge - zeugt worden ſeyn. Derowegen muß man auch auf dieſelbe ſehen, wo die Blutsfreund - ſchaft beobachtet werden muß.

§. 884.
Von der Schwaͤ - gerſchaft.

Weil die Eheleute aufs genauſte mit ein - ander verbunden werden, ſo daß ſie als einePer -647Von der Blutsverwandſchaft. Perſon auf eine gantz beſondere Weiſe anzuſe - hen ſind (§. 858.); ſo verhalten ſich die Bluts - freunde des einen Ehegatten zu den andern, gleichſam wie zu den erſten. Da man dieſes Verhalten der Blutsfreunde des einen Ehe - gatten zu dem andern die Schwaͤgerſchaft (affinitas) nennet; ſo ſind die Bluts - freunde des einen Ehegatten Schwaͤ - ger (affines) des andern in eben dem Grade, in welchem ſie dieſem mit Blutsfreundſchaft verwandt ſind. Es erhellet aber vor ſich, daß die Schwaͤger - ſchaften durch die Ehen, nicht aber durch die Verloͤbniſſe gemacht werden (§. 864.).

§. 885.

Da diejenigen, welche ſich fleiſchlichVon de - nen, die gleichſam als Schwaͤ - ger an - zuſehen. mit einander vermiſchen, einander den Ge - brauch ihres Leibes wie die Eheleute verſtatten (§. 858.); ſo ſind diejenigen, welche ihre Ehe durch fleifchliche Vermiſchung vollziehen, gleichſam als Eheleute anzuſehen; folglich ſind die Blutsfreunde einer Perſon, die ſich mit der andern fleiſchlich vermiſcht, gleichſam als ihre Schwaͤger (quaſi af - fines) anzuſehen. Daher folgt, daß der - jenige, welcher eine Jungfrau ſchwaͤn - gert, oder verborene Liebe mit ihr pfleget, mit ihrer Schweſter gleichſam verſchwaͤgert wird, und die zu Falle gebrachte Jungfrau mit ſeinem Bru -S s 4der. 648III. Theil 1. Abth. 4. Hauptſtuͤck. der. Die fleiſchliche Vermiſchung iſt gleich - ſam eine Heyrath, wodurch gleichſam eine Schwaͤgerſchaft entſtehet (§. 884.).

Das vierte Hauptſtuͤck.

Von der vaͤterlichen Geſellſchaft und vaͤterlicher Gewalt.

Ob die Eltern das Recht haben die Kinder um zu - bringen, odeꝛ weg-zulegen.
§. 886.

Da die Eltern die Kinder, welche ſie er - zeuget haben, zu erhalten verbunden ſind, damit ſie groß werden und ge - ſchickt ſich ſelbſt zu verſorgen (§. 855.); ſo haben die Eltern nicht das Recht die Kinder umzubringen, noch auch ſie wegzulegen (jus exponendi) (§. 51.).

§. 887.
Von dem Rechte der El - tern auf ihre Kin - der.

Gleicher Geſtalt, da die Eltern die Kinder geſchickt machen ſollen ihre Handlungen nach dem Geſetze der Natur einzurichten (§. 855.); ſo muͤſſen die Eltern ihre Handlungen ſo lange einrichten, als die Kinder ih - ren Pflichten noch nicht ſelbſt vor ſich ein Genuͤge thun koͤnnen; folglich ha - ben ſie ein Recht auf die Handlungen ihrer Kinder.

§. 888.
Von der vaͤterli - chen Ge - walt.

Das Recht der Eltern uͤber die Kin - der iſt eine Art der Herrſchaft (§. 833. 887.). Da nun dieſes aus der Verbindlich - keit die Kinder zu erziehen entſteht (§. 855.);ſo649Von der vaͤterlichen Geſellſchaft. ſo kommt es ſo wohl dem Vater, als der Mutter gemeinſchaftlich zu (§, cit.). Es wird aber gewoͤhnlicher Weiſe die vaͤter - liche Gewalt (patria poteſtas) genannt, und durch Jrrthum weit uͤber ſeine Graͤntzen er - ſtreckt.

§. 889.

Die Kinder ſind alſo den Eltern un -Von dem Gehor - ſam der Kinder, und dem Rechte ſie zu ver - binden und zu ſtrafen. terthaͤnig und ihnen zu gehorchen ſchuldig (§. 835.). Da die Herrſchaft, die den Eltern zukommt (§. 888.), das Recht ſie zu verbinden in ſich begreift (§. 833.)); ſo haben die Eltern das Recht die Kin - der zum Gehorſam zu verbinden; und folglich wegen ihres Ungehorſams ſie zu beſtrafen (§. 35.), welche Strafen der Eltern man vaͤterliche Zuͤchtigungen (caſtigationes paternæ) nennet; weil ſie auf ihre Verbeſſerung gehen (§. 93.), und inner - halb den Schrancken der Pflichten, die ſie den Kindern ſchuldig ſind, verbleiben ſollen. Wenn aber die Eltern etwas befehlen, was dem Geſetze der Natur zuwider iſt; ſo ſind die Kinder nicht ſchuldig zu gehorchen (§. 38.).

§. 890.

Da die Eltern die Kinder geſchickt ma -Von An - weiſung der Kin - der zur Tugend, von der Abwen - chen ſollen ihre Handlungen nach dem Geſetze der Natur einzurichten (§. 855.); ſo muͤſſen ſie ſelbige zu den Pflichten gegen ſich ſelbſt, gegen andere und gegen GOtt gewoͤhnen (§. 57.); und folglich, da dieS s 5Fer -650III. Theil 1. Abth. 4. Hauptſtuͤck. dung der Laſter.Fertigkeit ſeine Handlungen nach dem Geſetze der Natur einzurichten die Tugend iſt, die entgegen geſetzte Fertigkeit aber die Laſter ſind; ſo muͤſſen ſie ſelbige zur Ausuͤbung der Tugend anfuͤhren, von den Laſtern aber abhalten. Derowegen da die Exempel der Eltern einen groſſen Eindruck, ſonderlich in die zarten Gemuͤther der Kinder machen; ſo muͤſſen ſie ihnen gute, nicht boͤſe Exem - pel geben.

§. 891.
Von der Lebens - art, wel - cher die Kinder zu wied - men.

Gleichergeſtalt weil die Eltern die Kinder geſchickt machen ſollen um ſich ſelbſt zu verſor - gen (§. 855.); ſo muͤſſen ſie ſelbige einer gewiſſen Lebensart, wozu ſie geſchickt ſind, wiedmen, und alle Muͤhe an - wenden, das zu erlernen, was dieſe Le - bensart erfordert.

§. 892.
Von der Befoͤrde - rung des Gluͤcks der Kin - der.

Aus eben demſelben Grunde muͤſſen ſie ſich auch ſo viel moͤglich angelegen ſeyn laſſen, ihre Kinder gluͤcklich zu ma - chen, und in den Stand ſetzen gluͤck - lich zu werden.

§. 893.
Von der Liebe ſei - ner Kin - der.

Da die Eltern durch eine beſondere Ver - bindlichkeit ihre Kinder und ihren Zuſtand voll - kommner zu machen gehalten ſind (§. 855.), und den Menſchen ſo wohl als den Thieren eine natuͤrliche Liebe zu ihren Kindern einge - pflantzt iſt; ſo muͤſſen die Eltern ihre Kinder nicht allein wie andere Men -ſchen651Von der vaͤterlichen Geſellſchaft. ſchen lieben (§. 136.), ſondern ſie auch in der Liebe und folglich in den uͤbri - gen Pflichten, die man andern ſchul - dig iſt, allen andern vorziehen (§. 44.).

§. 894.

Weil die Kinder den Eltern nicht alleinVon der Pflicht der Kin - der gegen die El - tern. ihr Leben zu dancken, ſondern vermoͤge deſſen, was im vorhergehenden erwieſen worden, ſie vor ihre groͤſte Wohlthaͤter zu erkennen haben (§. 470. 471. ); ſo muͤſſen ſie auch des - wegen ein danckbahres Gemuͤthe ge - gen die Eltern haben, und ihnen bey jeder gegebenen Gelegenheit, ſo viel als ſie koͤnnen, hinwiederum gutes thun, ſie lieben, hochachten und be - ſonders in Ehren halten, welches die kindliche Ehrfurcht (reverentia filialis) pflegt genannt zu werden.

§. 895.

Da die kindliche Ehrfurcht mit dem genaue -Ob El - tern und Kinder einander beyra - then koͤn - nen. ren Umgange der Eheleute unter einander nicht beſtehen kann; ſo iſt die Ehe zwiſchen Kin - dern und Eltern von Natur uner - laubt. Denn weil die natuͤrliche Verbind - lichkeit unveraͤnderlich iſt (§. 38.); ſo ſind die Ehen nach dem Geſetze der Natur nicht erlaubt, welche die Pflichten aufheben, oder ſchwaͤchen, die ein Theil dem andern ſchuldig iſt.

§. 896.

Weil die Eltern die AuferziehungskoſtenVon der Vorſichtherzu -652III. Theil 1. Abth. 4. Hauptſtuͤck. der El - tern vor die Er - ziehung der Kin - der, wenn ſie ſteꝛben ſollten.herzugeben ſchuldig ſind (§. 855.); ſo muͤſ - ſen ſie auch davor ſorgen, daß, wenn ſie eher ſterben ſollten, als die Kinder erzogen waͤren, ſie ihnen ſo viel Ver - moͤgen nachlaſſen, wovon die Aufer - ziehungskoſten koͤnnen beſtritten wer - den, und die Sorge fuͤr die Erziehung und Verwaltung ihres Vermoͤgens, welches ſie ihnen hinterlaſſen, oder ſie ſonſt bekommen, andern Perſonen auf - tragen, zu denen ſie das Vertrauen ha - ben, daß ſie alles fleißig beſorgen werden.

§. 897.
Ob Vor - eltern u. Bluts - freunde vor die Erzie - hung zu ſorgen haben.

Da die Menſchen erzeugt werden, um das menſchliche Geſchlechte fortzupflantzen (§. 854.); ſo haben die Voreltern Kinder gezeugt, damit durch ſie wieder andere gezeugt werden moͤch - ten. Derowegen da die Auferziehung der Kinder von der Zeugung unzertrennlich iſt (§. 855.); ſo ſind die Voreltern, wenn die Eltern eher ſterben ſolten, als die Kin - der erzogen worden, dieſe zu erziehen verbunden: oder wenn auch dieſe eher geſtorben ſeyn ſollten; ſo muͤſſen, indem man den Eltern Wohlthaten auch an ihren Kindern erweiſet, die Blutsfreunde dieſe Sorge uͤber ſich nehmen (§. 894. 875.).

§. 898.
Von der Vor - mund - ſchaft.

Vormuͤnder (tutores) ſind die Perſonen, welche die Auferziehung unerzogener Kinderbeſor -653Von der vaͤterlichen Geſellſchaft. beſorgen; und Waͤiſen (pupilli, Muͤndel) nennt man die unerzogenen Kinder, deren bey - de Eltern geſtorben, oder die wenigſtens ei - nes von ihren Eltern, inſonderheit den Va - ter verlohren haben. Das Recht Kinder zu erziehen, welche ihre Eltern verlohren, wird die Vormundſchaft (tutela) genannt. Man nennt aber im Teſtament geſetzte Vor - muͤnder (tutores teſtamentarios), denen durch den letzten Willen der Eltern die Vor - mundſchaft aufgetragen worden; rechtli - che (legitimos), die nach dem Rechte der Blutsfreundſchaft dazu genommen worden; und gegebene (dativi), welche in einem Staate von der Obrigkeit geſetzt wer - den. Wenn die Kinder in dem Alter ſind, daß ſie bloß, oder vornehmlich um der Ver - waltung ihres Vermoͤgens halber anderer Huͤlfe beduͤrfen; ſo werden, da man den, welcher das Recht hat eines andern Guͤter zu verwalten, der Alters wegen, oder wegen ei - ner Schwachheit des Gemuͤths, oder des Lei - bes ſeinem Vermoͤgen nicht vorſtehen kann, ei - nen Curater (curatorem) nennt, im Roͤ - miſchen Rechte die Curaters von den Vor - muͤndern unterſchieden; doch nach unſern Sitten dauert die Vormundſchaft ſo lange, bis die Erziehung voͤllig geen - det iſt; und dieſes iſt dem Rechte der Na - tur gemaͤſſer.

§. 899.

Weil ein Vicarius (vicarius) genannt wird,Von den Pflichtender654III. Theil 1. Abth. 4. Hauptſtuͤck. der Vor - muͤnder.der die Stelle eines andern vertritt; ſo ſind die Vormuͤnder in der Erziehung der Waͤiſen Vicarii der verſtorbenen El - tern; folglich muͤſſen ſie eben das, was die Eltern zu thun ſchuldig ſind, in der Erziehung der Kinder beſorgen, nur daß ſie nicht ihre eigene Koſten drauf wenden doͤrfen; indem kein Grund vorhanden, warum einer fremde Kinder auf ſeine Koſten erziehen ſoll. Naͤmlich wenn die Waͤiſen eigenes Vermoͤgen haben; ſo iſts nicht noͤthig, daß ſie auf fremde Koſten erzogen werden; indem man ei - nem andern nicht leiſten darf, was er ſelbſt in ſeiner Gewalt hat (§. 133.). Wenn ſie aber kein Vermoͤgen haben, weil ſie als - dann Bettlern gleich zu achten (§. 487.); ſo muͤſſen die Vormuͤnder davor ſorgen daß ſie Allmoſen bekommen (§. 488. 491.). Man muß aber von einander unter - ſcheiden, was Vormuͤnder und Voreltern zu thun ſchuldig ſind (§. 897.).

§. 900.
Von dem Unter - ſcheide der Vor - muͤnder.

Da es nichts widerſprechendes iſt, daß ei - nem Vormunde bloß die Auferziehung, einem andern die Verwaltung des Vermoͤgens auf - getragen wird; damit man einen nicht zu viel beſchweret; ja auch zu dem Ende, daß Waͤi - ſen beſſer gerathen iſt, einem beſonders die Aufſicht uͤber die Vormundſchaft anvertrauet wird; ſo ſind einige Vormuͤnder zu der Erziehung (educatores); andere zur Ver -waltung655Von der vaͤterlichen Geſellſchaft. waltung des Vermoͤgens (adminiſtrato - res); und noch andere als bloſſe Aufſeher (inſpectores). Die erſten beyde werden in Anſehung des dritten mit einem gemeinſchaft - lichen Nahmen Untervormuͤnder (tutores inferiores), der dritte aber Obervormund (tutor ſuperior, ſeu honorarius) genannt; und wenn mehr als ein Vormund iſt, ſo kommt es auf den Willen der El - tern, oder derer, die ſie ſetzen, an, ob ſie die Vormundſchaft unter dieſelben theilen, oder ihnen zuſammen unzer - theilt auftragen wollen.

§. 901.

Weil die Vormuͤnder die Waͤiſen zur Tu -Von der Untuͤch - tigkeit der Vor - muͤnder. gend anfuͤhren und von Laſtern abhalten ſol - len (§. 890. 899. ); ſo ſind zur Vormund - ſchaft ungeſchickt, die ſelbſt den La - ſtern ergeben ſind; oder Alters, oder einer Schwachheit der Seele, oder des Leibes wegen ſelbſt einen Vormund, oder Curater noͤthig haben. Und da niemand dazu verbunden werden kann, was nicht in ſeiner Gewalt ſteht (§. 60.), oder auch was er nicht anders als mit Verabſaͤu - mung einer Pflicht gegen ſich ſelbſt leiſten kann (§. 133.); ſo werden die Vormund - ſchaft zu uͤbernehmen entſchuldiget, welche der Schwaͤchlichkeit des Koͤr - pers wegen, oder wegen allzuhohen Alters, oder wegen vieler Geſchaͤfftedie656III. Theil 1. Abth. 4. Hauptſtuͤck. die Vormundſchaft nicht mit dem Fleiß, welcher erforderr wird, verwal - ten koͤnnen.

§. 902.
Daß ein Jnven - tarium gemacht werden muͤſſe.

Ein Jnventarium (inventarium) nennt man die Aufzeichnung der zu verwaltenden Guͤ - ter der Waͤiſen, oder der Perſonen, die einen Curater haben: Damit man weiß, was ver - waltet werden ſoll; ſo muß der Vormund und Curater ein Jnventarium verfer - tigen.

§. 903.
Von der Veraͤuſ - ſerung der Guͤ - ter der Waͤiſen.

Da der Vormund die Guͤter der Waͤiſen mit allem Fleiſſe verwalten ſoll, damit kein Schade verurſacht werde (§. 21. 269. ); ſo muß er, damit man davon verſichert iſt, al - le Jahre Rechnung ablegen. Und weil derjenige, deſſen Guͤter er verwaltet, der Ei - genthumsherr davon iſt; ſo kann er die un - beweglichen Guͤter der Waͤiſen nicht veraͤuſſern (§. 257.). Weil er aber doch in der Verwaltung die Perſon der Waͤiſen vor - ſtellt, und alſo zu thun hat, was die ſeiner Pfle - ge befohlene ſelbſt zu thun genoͤthiget wuͤr - den; ſo kann er die Waͤiſen zugehoͤrige Guͤter veraͤuſſern, wenn eine ſolche Nothwendigkeit vorhanden, welche ſie ſelbſt dazu bringen wuͤrde; folglich auf den Fall, wenn Schulden zu be - zahlen ſind, und auf keine andere Wei - ſe bezahlt werden koͤnnen; wenn dieauf657Von der vaͤterlichen Geſellſchaft. auf die Erziehung zu verwendende Koſten ſonſt nirgend hergenommen werden koͤnnen; wenn zu bauen ein Capital muͤſte aufgenommen werden, und die Jntereſſen wenige, oder gar keine Nutzung uͤbrig ließen. Damit aber der Vormund allen Verdacht von ſich abwende; ſo muß er, wenn Waͤiſen zu - gehoͤrige Guͤter zu veraͤuſſern ſind, da - vor ſorgen, daß ſie von erfahrnen Per - ſonen taxiret werden, und er einen Kaͤufer finde, welcher ſie um einen billigen Preiß kauft. Allein weil er das Waͤiſen zugehoͤrige Vermoͤgen erhalten, und ſo viel an ihm iſt, vermehren ſoll (§. 208.); ſo kann er die uͤberfluͤßigen bewegli - chen Sachen und inſonderheit diejeni - gen, welche durch Aufbehalten nicht erhalten werden koͤnnen, verkaufen, und das davor geloͤſete Geld auf Zin - ſen ausleihen, oder zu Erkaufung lie - gender Gruͤnde anwenden, es ſey dann daß der Vater ausdruͤcklich verboten gewiſſe Sachen nicht zu veraͤuſſern, und keine Nothwendigkeit ſie zu ver - aͤuſſern vorhanden; wie vorhin erwieſen worden.

§. 904.

Wenn der Vormund mit Vorſatz,Von dem Schaden den der Vor - mund oder aus Verſehn einen Schaden bey der Verwaltung verurſacht; ſo iſt er denſelben zu erſetzen ſchuldig (§. 270.);Nat. u. Voͤlckerrecht. T tund658III. Theil 1. Abth. 4. Hauptſtuͤck. verurſa - chet hat.und da er in deſſen Anſehung ein Schuldner der Waͤiſen iſt (§. 336.); ſo ſind von Na - tur die Guͤter des Vormundes den Waͤiſen davor verpfaͤndet, was er ih - nen herauszugeben hat nach geendig - ter Vormundſchaft (§. 705.).

§. 905.
Wie Waͤiſen, oder Un - muͤndige ſich an - dern, oder an - dere ſich ihnen verbin - den koͤn - nen.

Da dem Vormunde, oder Curater die Verwaltung der Guͤter zukommt (§. 898.); ſo koͤnnen Waͤiſen und Unmuͤndige oh - ne Einwilligung des Vormundes, oder ihres Curaters ſich nicht einem andern zu etwas verbinden. Weil aber die Ver - waltung der Guͤter deswegen dem Vormunde, oder Curater aufgetragen wird, damit die Waͤiſen und Unmuͤndigen nicht betrogen wer - den (§. cit. ); ſo iſt es guͤltig, wenn Wai - ſen, oder Unmuͤndige zu ihrem Vor - theil ſich einen andern verbindlich ge - macht, oder mit ihm contrahiret.

§. 906.
Von der Beſol - dung und dem Eh - renge - ſchenck des Vor - mundes.

Weil niemand verbunden iſt dem andern etwas umſonſt zu thun, wenn er ihm hinwie - derum etwas geben kann (§. 473.); und es vor ſich klar iſt, daß die Vormundſchaft kei - ne geringe Beſchwerde iſt, inſonderheit wenn die Verwaltung der Guͤter weitlaͤuftig; ſo iſt es nach dem Rechte der Natur nicht unerlaubt, daß ein Vormund, oder Curater fuͤr die Verwaltung Waͤiſen, oder Unmuͤndigen zugehoͤriger Guͤter, wenn das Vermoͤgen groß iſt, eine Be -ſoldung659Von der vaͤterlichen Geſellſchaft. ſoldung bekommt. Und da man Wohl - thaten, dergleichen die Verwaltung der Vor - mundſchaft iſt, wenn ſie umſonſt gefuͤhret wird, mit Danck erkennen ſoll (§. 474.); ſo iſts allerdings billig, daß nach geen - digter Vormundſchaft, die treulich und zum Nutzen gefuͤhrt worden, ein Ehrengeſchenck gegeben werde (§. 825.).

§. 907.

Und weil Waͤiſen und Unmuͤndige ſichVon der Schad - loshal - tung des Vor - munds und Cu - raters. nicht damit, was dem Curater, oder Vormun - de zugehoͤrt, bereichern koͤnnen (§. 271.); ſo ſind ſie dem Vormunde und Curater die Unkoſten zu erſtatten ſchuldig, wel - che der Verwaltung wegen gemacht worden, wie auch den Schaden zu er - ſetzen, welchen er bey dieſer Gelegen - heit gehabt. Wenn alſo der Vormund, oder Curater dieſerwegen ſeine eigene Sachen verpfaͤndet hat, oder deswe - gen Buͤrge worden; ſo muß er nach geendigter Vormundſchaft, oder Cu - ratel davon von ihnen befreyet wer - den.

§. 908.

Der Vormund willigt ausdruͤcklich in dieDaß die Vor - mund - ſchaft gleichſam ein Ver - trag ſey. Verwaltung der Vormundſchaft ein, indem er ſie uͤbernimmt: Und da dieſes der offen - bare Nutzen der Waͤiſen erfordert; ſo vermu - thet man mit Recht ihre Einwilligung (§. 686.). Derowegen wird die Vormund -T t 2ſchaft660III. Theil 1. Abth. 4. Hauptſtuͤck. ſchaft gleichſam durch einen Vertrag erhalten (§. cit. ); daher entſteht auch hieraus eine vollkommne Verbindlich - keit, und werden vollkommene Rechte erworben (§. 687.).

§. 909.
Von der vaͤterli - chen Ge - ſellſchaft.

Auf gleiche Weiſe wird erwieſen, daß zwi - ſchen Eltern und Kindern der Erzie - hung wegen gleichſam ein Vertrag gemacht; und folglich unter ihnen eine gewiſſe Geſellſchaft ſelbſt nach der Na - tur aufgerichtet werde, welche die vaͤ - terliche Geſellſchaft (ſocietas paterna) ge - nannt wird. Und deswegen ſind die Ver - bindlichkeiten und Rechte, welche die Erziehung der Kinder betreffen, nicht allein Pflichten, die von dem Geſetze der Natur vorgeſchrieben worden; ſondern ſie entſpringen gleichſam aus einem Vertrage eben ſo, als wenn der - ſelbe wuͤrcklich waͤre errichtet worden (§. 687.). Die Erziehung der Kinder wird auf zwiefache Weiſe betrachtet, theils in ſo fern ſie beyde Ehegatten angehet, theils in ſo weit ſie von den Eltern zum Nutzen der Kinder zu bewerckſtelligen iſt. Wird ſie auf die erſte Art betrachtet, ſo gehoͤrt ſie zur ehe - lichen Geſellſchaft; im andern Falle aber zur vaͤterlichen.

§. 910.
Ob die vaͤteꝛliche Gewalt

Weil die Eltern die freyen Handlungen der Kinder einzurichten haben, indem ſie nochnicht661Von der vaͤterlichen Geſellſchaft. nicht ſelbſt dieſes zu thun vermoͤgend ſind (§. der El - tern be - ſtaͤndig einerley veꝛbleibe.887.), nach und nach aber lernen, was ſie zu thun und zu laßen haben; ſo erhaͤlt die vaͤterliche Gewalt mit dem zunehmen - den Alter nach und nach engere Schran - cken (§. 888.); und dieſes gilt auch von der Vormundſchaft (899.). Weil aber die Auferziehung nicht eher vollendet iſt, als bis die Kinder vor ſich erwerben koͤnnen, was ſie zur Nothdurft und Beqvemlichkeit des Lebens brauchen (§. 855.); ſo ſind ſie, ſo lange als ſie in des Vaters Hauſe leben, weil ſie ſich ſelbſt noch nicht mit Nahrung und Klei - dung, und was ſie ſonſt brauchen, verſorgen koͤnnen, dem Willen der Eltern in den Dingen, die das Hausweſen angehen, unterworfen.

§. 911.

Da den Eltern keine vaͤterliche Gewalt zu -Von der Dauer der vaͤ - terlichen Gewalt und der Pflichten der Kin - der. kommt, als diejenige, welche aus der Ver - bindlichkeit die Kinder zu erziehen entſpringet (§ 888.); ſo wird nach geendeter Er - ziehung die vaͤterliche Gewalt aufgeho - ben, und die Kinder werden ihre eige - ne Herren (fiunt ſui jnris); folglich wird auch die Vormundſchaft geendet. Weil aber ſowohl die Pflichten der Eltern gegen die Kinder, als auch der Kinder gegen die El - tern durchs Geſetze der Natur vorgeſchrieben werden, vermoͤge deſſen, was vorhin erwieſen worden; folglich die Verbindlichkeit dazu ſchlechterdinges unveraͤnderlich iſt (§. 38.); ſoT t 3dauern662III. Theil 1. Abth. 4. Hauptſtuͤck. dauern die Pflichten der Kinder gegen die Eltern ihre gantze Lebenszeit, und nicht weniger ſind die Pflichten der Eltern, welche nicht zu der Auferzie - hung gehoͤren, beſtaͤndig. Daher folgt, daß die Kinder, wenn gleich der Gehorſam aufhoͤrt, welchen die vaͤterliche Gewalt erfor - dert (§. 889.), dennoch die gantze Zeit ih - rer Auferziehung ſich bemuͤhen muͤſſen den Eltern zu gefallen.

§. 912.
Von der Einwil - ligung der El - tern in die Ehe der Kin - der.

Weil die Kinder die gantze Lebenszeit in al - len ihren Handlungen darauf zu ſehen haben, daß ſie den Eltern gefallen (§. 911.); ſo ſol - len ſie auch ohne ihre Einwilligung ſich nicht verheyrathen. Weil ſie aber nicht hey - rathen, als wenn ſie ſchon bey reifem Verſtande ſind; ſo ſtehet ihnen frey ſich mehr nach ihrem Gutbefinden, als nach den El - tern zu richten, die ohne rechtmaͤßige Urſache zuwider ſind (§. cit. u. 78.); folg - lich kann die Ehe durch den widrigen Willen der Eltern nicht hintertrieben werden, und ihre Einwilligung iſt der Ehrbarkeit (§. 49.), nicht der Noth - wendigkeit wegen zu ſuchen.

§. 913.
Von der Mitga - be.

Da die Toͤchter wenn ſie heyrathen in den Stand kommen, worinnen die Eltern nicht mehr noͤthig haben fuͤr ihren Unterhalt zu ſorgen (§. 866), die Beſchwerden des Ehe - ſtandes aber von den Eheleuten zuſammennach663Von der vaͤterlichen Geſellſchaft. nach der Beſchaffenheit ihres Vermoͤgens ge - tragen werden muͤſſen (§. 868.), und man die Mitgabe (dos) nennt, was die Frau zum Manne bringt, um die Beſchwerden der Ehe zu beſtreiten; ſo ſollen die Eltern, wenn ſie eine Tochter verheyrathen, die kein eigenes Vermoͤgen hat, nach der Be - ſchaffenheit ihres Vermoͤgens ihr eine Mitgabe geben: Sie ſind aber dazu nicht gehalten, wenn der Mann ſie oh - ne Mitgabe haben will, oder welches vor ſich klar iſt, wenn ſie nicht koͤnnen (§. 60.). Weil es auf die Eltern ankommt, wie ſie ihr eigenes Vermoͤgen beurtheilen wollen (§. 78.); ſo beruhet die Groͤſſe der Mitgabe le - diglich auf ihrem Willen. Weil aber die Mitgabe nur gegeben wird um die Be - ſchwerden des Eheſtandes zu erleichtern; ſo muß bloß der Nießbrauch dazu ange - wandt werden, das Eingebrachte ſelbſt aber der Frauen erhalten werden; folglich wenn Geld, oder eine nach dem Werth geſchaͤtzte Sache zur Mitgabe gegeben wird; ſo muß, weil das Geld, wenn es nicht ausgegeben wird, nicht ge - braucht werden kann, der Mann in der Mitgabe das Eigenthum erhalten; und deswegen iſt das Vermoͤgen des Mannes natuͤrlicher Weiſe fuͤr die Mitgabe verpfaͤndet (§. 705.). Die Vertraͤge, in welchen man die Mitgabe ſo wohl, als an - dere Dinge, die zum Nutzen der Eheleute ge -T t 4reichen,664III. Theil 1. Abth. 4. Hauptſtuͤck. ꝛc. reichen, verabredet, werden Heyrathsver - traͤge (pacta dotalia) genannt. Da es hier - bey auf den Willen derer, die den Vertrag machen, ankommt (§. 667.); ſo muß man halten, was in den Heyrathsvertraͤ - gen verabredet worden.

§. 914.
Von Ge - ſchencken wegen der Hey - rath.

Jm Roͤmiſchen Rechte nennt man das Ge - ſchenck wegen der Hochzeit (donatio propter nuptias), welches der Mann der Frau zur Sicherheit der Mitgabe giebt; und alſo nicht kleiner, als die Mitgabe ſeyn darf; nach dem Geſetze der Natur aber iſt dieſes nicht noͤthig (§. 913.).

§. 915.
Von der Morgen - gabe.

Die Morgengabe (morgengaba) iſt das Geſchenck, welches der Braͤutigam der Braut den Tag nach der Hochzeit zu geben pflegt, fuͤr die Jungferſchaft, oder wenn es eine Wittwe iſt, fuͤr die Schamhaftigkeit. Da nach dem Ehevertrag die Braut dem Braͤu - tigam den Gebrauch ihres Leibes zu erlauben verbunden iſt; ſo darf der Braͤutigam nach dem Rechte der Natur vor die Erlaubniß des erſten Beyſchlafs nichts bezahlen; folglich iſt die Morgengabe, wel - che durch die Sitten der alten Deutſchen ein - gefuͤhrt worden, nach dem Rechte der Natur nicht noͤthig: Durch dieſelbe aber erhaͤlt die Frau in der Morgengabe das Eigen - thum (§. 317.).

Das665

Das fuͤnfte Hauptſtuͤck.

Vom Erbrecht, oder von Te - ſtamenten, und der Erbfolge ohne Teſtament.

§. 916.

Man ſagt, daß einer in den GuͤternVon dem Erben u. dem Erb - rechte. eines Verſtorbenen folge (in bona defuncti ſuccedere), der nach dem Tode des Verſtorbenen das Recht zu den Guͤtern deſſelben erhaͤlt. Wer dieſes Recht hat, wird der Erbe (hæres) genannt; und das Recht zu den Guͤtern des Verſtorbe - nen das Erbrecht (jus hæreditarium). Das gantze hinterlaſſene Vermoͤgen des Verſtor - benen heißt die Erbſchaft; und das Eigen - thum, das man darinnen erlangt, das all - gemeine Eigenthum (dominium univer - ſale). Endlich ſagt man, es uͤbernehme einer die Erbſchaft (hæreditatem ſuſci - pere), wenn er entweder mit Worten, oder in der That ſich hinlaͤnglich erklaͤrt, daß er Erbe ſeyn wollte. Wenn dieſer Wille durch Worte, oder ein gleichguͤltiges Zeichen doch ohne eine andere Handlung erklaͤrt wird, ſo ſagt man ins beſondere, er trete die Erb - ſchaft an (hæreditatis aditio); wenn es aber durch andere unternommene Handlungen geſchiehet, er maſſe ſich der Erbſchaft an (geſtio pro hærede).

T t 5§. 917.666III. Theil 1. Abth. 5. Hauptſtuͤck.
§. 917.
Von der Erlan - gung des Erb - rechts u. der Erb - ſchaft.

Daher erhellet ſogleich, daß, weil der Er - be mit dem Verſtorbenen in Anſehung der hin - terlaſſenen Guͤter als eine Perſon anzuſehen (§. 916.), in ihm alles Recht des Ver - ſtorbenen und alle Verbindlichkeit deſ - ſelben fortdauren. Weil die Ueberneh - mung der Erbſchaft eine Annehmung des Erb - rechts iſt (§. cit. 316.); ſo wird durch die Antretung der Erbſchaft, oder durch die Anmaſſung derſelben das Erbrecht, und mit ihm zugleich das allgemeine Eigenthum (§. 916.), durch die Be - ſitznehmung aber die Erbſchaft erhal - ten (§. 200.).

§. 918.
Was zur Eꝛbſchaft gehoͤrt.

Daher erhellet ferner, daß zur Erb - ſchaft alle koͤrperliche ſo wohl beweg - liche, als unbewegliche Sachen gehoͤ - ren, es mag ſie entweder der Verſtor - bene, oder ein anderer in ſeiner Gewalt haben, auch alle ausſtehende Schul - den und alle Rechte, ſie moͤgen be - ſchaffen ſeyn wie ſie wollen, die per - ſoͤnlichen allein ausgenommen (§. 400.); andern aber zugehoͤrige Sachen, als welche des Verſtorbenen nicht geweſen ſind (§. 207.), und die man dem Eigenthums - herrn wiedergeben muß (§. 261.), zur Erb - ſchaft nicht gehoͤren; und die Schul - den, welche der Verſtorbene hinterlaſ - ſen, davon muͤſſen abgezogen werden.

§. 919.667Von dem Erbrecht.
§. 919.

Da vor ſich klar iſt, daß niemand vor denOb der Erbe den Glaͤubi - gern mehr, als die Erb - ſchaft be - traͤgt, zu bezahlen ſchuldig iſt. andern zu bezahlen ſchuldig ſey, und der Ver - ſtorbene ſelbſt, wenn er gelebt haͤtte, nicht mehr haͤtte bezahlen koͤnnen, als wie weit ſein Ver - moͤgen zugereicht; ſo iſt der Erbe nach dem Rechte der Natur nicht mehr zu zahlen ſchuldig, als die Erbſchaft be - traͤgt, wenn die Schuld die Erbſchaft uͤberſteigen ſollte; und es verſteht ſich von ſelbſt, daß der Erbe mit keinem andern Vorſatz die Erbſchaft uͤberneh - me, als daß er nicht mehr Schulden bezahlen will, als die Erbſchaft aus - traͤgt. Damit man nun aber gewiß ſey, wie viel die Erbſchaft vermag; ſo muß man, wenn die Erbſchaft mit Schulden be - ſchweret iſt, ein Jnventarium verfer - tigen (§. 902); wovon im natuͤrlichen Zu - ſtand ein beſchwornes Verzeichniß nicht un - terſchieden iſt; weil dasjenige durch einen Eid bewieſen werden muß, was durch Zeugen nicht kann bewieſen werden (§. 781.).

§. 920.

Man ſagt, einer ſchlage die ErbſchaftWenn ei - ne Erb - ſchaft ausge - ſchlagen wird. aus (hæreditatem repudiare), wenn er das Erbrecht nicht annehmen will. Es be - ruhet alſo auf eines jeden Willen, ob er eine Erbſchaft, die ihm zufaͤllt, an - nehmen, oder ausſchlagen will (§. 316.).

§. 921.668III. Theil 1. Abth. 5. Hauptſtuͤck.
§. 921.
Von der Erbfolge der Kin - der.

Da die Eltern das Gluͤck der Kinder, ſo viel an ihnen iſt, befoͤrdern ſollen (§. 892.); ſo muͤſſen ſie, wenn ſie ſterben, ihr Vermoͤgen den Kindern hinterlaſſen. Weil ſie aber darauf bedacht ſeyn ſollen, daß wenn ſie ſterben ſollten ehe die Kinder erzo - gen, ſie den unerzogenen Kindern ein Ver - moͤgen hinterlaſſen, wovon die Auferziehungs - koſten beſtritten werden koͤnnen (§. 896.); ſo gehoͤren, wenn einige von den Kin - dern erzogen und andere unerzogen ſind, und das Vermoͤgen, was ſie hin - terlaſſen, kaum zur Auferziehung der Kinder hinreicht, dieſe Guͤter nach dem Rechte der Natur den unerzoge - nen Kindern, oder, wenn die Nutzung dazu hinreicht, der Nießbrauch, ſo lan - ge bis ſie erzogen ſind. Aus eben dieſem Grunde verſteht ſich dieſes von den Großeltern und ihren Kindes-Kin - dern (§. 897.). Derowegen da man leib - liche Erben (hæredes ſuos) nennt, welche von dem Verſtorbenen herkommen; ſo ſind die Kinder im erſten und folgenden Graden leibliche Erben. Und da wir nicht weniger vor das Gluͤck der Kinder im folgenden Grade, als in dem erſten ſorgen ſol - len, wie bereits erwieſen worden; ſo treten, wenn der Verſtorbene Kinder im er - ſten und folgenden Graden hat, die letztern auch nach dem Rechte der Na -tur669Von dem Erbrecht. tur in die Stelle ihrer Eltern. Dero - wegen weil man das Recht in die Stelle der Eltern zu treten, welches den Kindern der folgenden Grade, die mit denen im erſten Grade zugleich erben, zukommt, das Repraͤ - ſentationsrecht (jus repræſentationis) nennt; ſo iſt es ein natuͤrliches Recht, oder es kommt mit dem Rechte der Natur uͤberein.

§. 922.

Weil die Kinder den Eltern, ſo viel ſie koͤn -Von der Erbfolge der El - tern. nen, ihre Wohlthaten zu vergelten verbunden ſind (§. 894.); ſo muß, wer ohne Kin - der ſtirbt, ſein Vermoͤgen den Eltern im erſten Grade, und wenn dieſe nicht mehr da ſind, den Eltern in fernerem Grade hinterlaſſen. Denn die Wohltha - ten, welche unſern Eltern von ihren Eltern erwieſen worden, werden durch ſie auch auf uns gebracht (§. 879.).

§. 923.

Daher erhellet, daß von Natur dieVon der Erbfolge in gera - der Linie. Erbſchaft in gerader Linie den Nach - kommen zufalle, jedoch ſo, daß das Re - praͤſentationsrecht dabey beobachtet wird; wenn aber keine vorhanden, den Eltern und Großeltern (§. 921. 922.).

§. 924.

Da das Recht der Erbfolge derWas die Erbfolge der Kin - der und Kinder und Eltern nicht allein in der Na - tur gegruͤndet, ſondern auch gleichſam auseinem670III. Theil 1. Abth. 5. Hauptſtuͤck. Eltern vor ein Recht ſey.einem Vertrage herkommt (§. 921. 922. ); ſo beſteht daſſelbe nicht allein als eine Pflicht (§. 57.), ſondern auch als ein aus einem Vertrage erlangtes Recht (§. 909. 687. ), welches einem nicht ge - nommen werden kann (§. 100.). Hiezu kommt, daß die vaͤterliche Geſellſchaft, welche ſich im Anfange auf die vermuthete Einwilli - gung der Kinder gruͤndete (§. 909.), wenn ſie zu reiferm Alter kommen, durch ihre ſtill - ſchweigende Einwilligung befeſtiget wird; und alſo was gleichſam ein Vertrag war, nun ein wuͤrcklicher Vertrag wird. Dieſe ſtillſchwei - gende Einwilligung erſtreckt ſich auch auf die Familie der Voreltern (§. 877. 881. ), und muß wenigſtens nach dem Rechte der Natur darauf gezogen werden.

§. 925.
Vom Verſtoſ - ſen der Kinder.

Man ſagt, die Kinder werden ver - ſtoſſen (liberos abdicare), wenn die Eltern ſich hinlaͤnglich erklaͤren, daß ſie ſie vor ihre Kinder nicht erkennen wollen. Wenn die Kinder mit Wiſſen und Willen bege - hen, was ihren Pflichten gegen die Eltern, ſonderlich der kindlichen Ehr - furcht gaͤntzlich zuwider iſt; oder ſich von ihrem ſchaͤndlichen Leben gar nicht wollen abwendig machen laſſen; ſo iſt es, weil ſie von dem wuͤrcklichen, oder gleichſam gemachten Vertrage, worauf die vaͤterliche Geſellſchaft beruhet (§. 909. 924. ), abgehen (§. 442.), nach dem Geſetze derNatur671Von dem Erbrecht. Natur erlaubt ſie zu verſtoſſen (§. cit.). Es erhellet aber vor ſich, daß die verſtoſ - ſene Kinder alle Kindesrechte ver - lieren.

§. 926.

Da den Kindern und Eltern deswegenVon der Groͤſſe des Erb - rechts der Kin - der und der El - tern. weil ſie Kinder und Eltern ſind, das Recht der Erbfolge zukommt (§. 921. 922. ); ſo ha - ben von Natur alle Kinder in glei - chem Grad gleiches Recht zur Erb - ſchaft der Eltern, und alle Eltern in gleichem Grad zur Erbſchaft ihrer Kinder; folglich muͤßen ſie die Erb - ſchaft in gleiche Theile unter ſich thei - len, und daher diejenigen, welche nach dem Repraͤſentationsrechte dazu ge - langen (§. 921.), bekommen den Theil, den ihr Vater, wenn er noch im Le - ben waͤre, haben wuͤrde.

§. 927.

Eine ausdruͤckliche Erklaͤrung des WillensVon dem Teſta - mente. des Verſtorbenen, wem das Eigenthum deſ - ſen, was er nach ſeinem Tode hinterlaͤßt, heim - fallen ſoll, wie auch von dem, was er uͤber dieſes will, das nach ſeinem Tode geſchehen ſoll, unter der Bedingung, daß die Anneh - mung nicht eher, als nach dem Tode geſche - hen koͤnne, wird ein Teſtament (teſtamen - tum) genannt. Derowegen da man auf ei - nen das Eigenthum mit der Bedingung brin - gen kann, daß es erſt nach ſeinem Tode an - genommen werden koͤnne (§. 314.); ſo fin -det672III. Theil 1. Abth. 5. Hauptſtuͤck. det ein Teſtament nach dem Rechte der Natur ſtatt, der Erbe darf auch vor dem Tod des Erblaſſers ſeinen Willen nicht wiſſen, und das Teſta - ment kann, ehe einer geſtorben iſt, nach eigenen Gefallen wiederrufen und ge - aͤndert werden (§. cit.). Derowegen iſt klar, daß ein Teſtament erſt nach dem Tode des Erblaſſers guͤltig und un - wiederruflich werde.

§. 928.
Von der Enter - bung der Kin - der und der El - tern.

Man ſagt, die Kinder werden ent - erbt (liberos exheredare), welchen durch aus - druͤcklichen Willen der Eltern die Erbſchaft genommen wird. Weil man Kinder verſtoſ - ſen kann, verſtoſſene Kinder aber ihr Erb - recht verlieren (§. 925.); ſo koͤnnen auch Kinder enterbt werden. Da aber ein Recht, welches an und vor ſich ſelbſt ihnen nicht genommen werden kann, nicht bloß nach dem Gefallen der Eltern ihnen benommen werden mag (§. 924.); ſo koͤnnen die Kinder nicht ohne rechtmaͤßige Urſa - che enterbt werden. Welches dieſe recht - maͤßigen Urſachen ſind, laͤßt ſich aus dem vorhergehenden von den Urſachen ihrer Ver - ſtoſſung abnehmen (§. 924.). Was aber von der Enterbung der Kinder geſagt worden, kann aus eben dem Grunde auf die Enter - bung der Eltern gedeutet werden.

§. 929.673Von dem Erbrecht.
§. 929.

Weil die natuͤrliche Verbindlichkeit ande -Von den Ver - maͤcht - niſſen. rer Gluͤck zu befoͤrdern, ſo viel als in unſerm Vermoͤgen ſteht, auch Eltern und Kindern zukommt (§. 134. 38. ); ſo koͤnnen die El - tern, wenn ſie ohne ihre Kinder dabey nachzuſetzen, oder auch die Kinder, wenn ſie ohne ihre Eltern nachzuſetzen, das Gluͤck anderer zu befoͤrdern im Stande ſind, andern zum Beſten, die nicht zu ihrer Familie gehoͤren, oder auch Armen und Duͤrftigen etwas von ihrem hinterlaſſenen Vermoͤgen zu - wenden; z. E. wenn die Eltern ein groſſes Vermoͤgen haben, und die Kin - der ſchon ſo viel beſitzen, als ſie zur Nothdurft, Beqvemlichkeit und Ver - gnuͤgen des Lebens brauchen, und ſo auch im Gegentheile. Weil man nun die Schenckung einer Sache, oder auch einer gewiſſen Summe Geldes, welche durch den letzten Willen geſchieht, ein Vermaͤchtniß (legatum) zu nennen pflegt; ſo iſt daraus klar, wie weit Vermaͤchtniſſe mit dem Rechte der Natur uͤbereinkommen. Man nennt aber einen im Teſtament Be - dachten (legatarius) eine Perſon, welcher etwas vermacht worden. Und weil man die Vermaͤchtniſſe als eine Beſchwerde der Erb - ſchaft anzuſehen hat (§. 409.); ſo muß der Erbe, weil er die Erbſchaft nicht anders als unter dieſer Beſchwerde erhalten kann (§. 317.),Nat. u. Voͤlckerrecht. U udie674III. Theil 1. Abth. 5. Hauptſtuͤck. die Vermaͤchtniſſe zahlen. Es iſt aber vor ſich klar, daß Vermaͤchtniſſe, welche zum Nachtheil der Kinder gereichen, nach dem Rechte der Natur nicht gelten.

§. 930.
Ob die Seiten - verwand - ten in ei - nem Te - ſtament uͤbergan - gen wer - den koͤn - nen.

Da wir zur Befoͤrderung des Gluͤcks der Seitenverwandten aus keinem beſondern Grunde, als in ſo weit verbunden ſind, daß wir in ihnen den Eltern ihre uns erzeigte Wohlthaten vergelten (§. 894. 878. ), nicht aber weil wir ihnen dieſelbe an und vor ſich ſelbſt ſchuldig ſind; ſo ſind wir nicht voll - kommen verbunden ihnen nach dem Tode einiges von unſerem Vermoͤgen zu hinterlaſſen; folglich koͤnnen ſie im Teſtamente uͤbergangen werden; ſo daß man entweder einen Fremden, oder einen aus den Seitenverwandten, wel - chen man wil, oder auch ſeine Ehefrau zum Erben einſetzen kann.

§. 931.
Von der Erbfolge ohne Te - ſtament, und vom Ueberge - hen der Kinder im Teſta - mente.

Man ſagt, es ſey einer Erbe ohne Te - ſtament (ab inteſtato ſuccedere), wenn er zum Erbe gelangt, ohne daß ein Teſtament gemacht worden, oder er von dem Verſtorbe - nen im Teſtamente zum Erben eingeſetzt wor - den. Derowegen wenn ein nach des Va - ters Tode gebohrnes Kind (poſthumus) auch ein Erbe ſeines Vaters und ſei - ner Voreltern iſt (§. 921.); ſo muß es, ob es gleich im Teſtamente uͤbergan -gen675Von dem Erbrecht. gen worden, zugleich mit den uͤbrigen Kindern zur Erbſchaft zugelaſſen wer - den, und das Teſtament beſtehet nach dem Rechte der Natur in den uͤbrigen Puncten, auch was die Vermaͤchtniſ - ſe betrift, es ſey dann abzunehmen, daß der Verſtorbene bloß andern et - was vermacht, weil er vermeint, daß der Erben weniger waͤren. Aus eben dieſer Urſache verſtehet ſich eben dieſes, wenn eines von den Kindern uͤbergan - gen, aber nicht enterbet worden (§. 928.).

§. 932.

Da nach dem Rechte der Natur nichts an -Wie ein Teſta - ment ge - macht werden muß. ders zu einem Teſtamente erfordert wird, als daß der Erblaſſer ſeinen Willen ausdruͤcklich erklaͤret (§. 927.); ſo iſt das Teſtament nach natuͤrlichen Rechten guͤltig, wenn es gewiß iſt, es ſey auf was vor eine Art und Weiſe es wolle, daß dieſes des Verſtorbenen letzter Wille ſey; folglich wenn er vor Zeugen dieſes aus - ſagt, oder ſeinen Willen aufſchreibt, oder was von einem andern aufge - ſchrieben worden, unterſchreibt. Es iſt aber vor ſich klar, daß wenn ein ge - ſchriebenes Teſtament von Zeugen un - terſchrieben wird, nicht noͤthig ſey, daß die Zeugen den Jnhalt wiſſen (§. cit.). Man nennt aber ein muͤndlich Teſtament (teſtamentum nuncupativum), wenn derU u 2Erb -676III. Theil 1. Abth. 5. Hauptſtuͤck. Erblaſſer ſeinen Willen den Zeugen ſagt, der Erbe mag gegenwaͤrtig, oder abweſend ſeyn: Ein geſchriebenes Teſtament aber (teſta - mentum ſcriptum), wenn der Erblaſſer ſei - nen Willen aufgeſchrieben hinterlaͤſt.

§. 933.
Von der Art der Erbfolge ohne Te - ſtament.

Weil es auf vielerley Weiſe geſchehen kann, daß einer ſeinen letzten Willen nicht bekannt macht; ſo folgt deswegen nicht, daß er gewollt, ſein Vermoͤgen ſolle nach ſeinem Tode nie - manden gewiſſem zugehoͤren, und folglich deſ - ſen ſeyn, der ſich daſſelbe zueignet (§. 209. 210.). Derowegen wenn einer ohne Te - ſtament ſtirbt, ſo muß man durch Muthmaſſung ausmachen, wem er ſein Vermoͤgen nach ſeinem Tode habe verlaſſen wollen. Solchergeſtalt gelangt derjenige, dem ohne Teſtament eine Erbſchaft zufaͤllt, wenn ſie ihm nicht nothwendig zukommt (§. 924.), aus Vermuthung des Willens des Erblaſ - ſers dazu. Da man nun mit Recht ver - muthet, was mit den Pflichten am meiſten uͤbereinkommt, wir aber den Seitenver - wandten auf eine beſondere Weiſe zur Be - foͤrderung ihres Gluͤcks verbunden ſind, in ſo weit nemlich in ihnen den Eltern im erſten und vorhergehenden Grade vergolten wird (§. 930.); ſo gelangen, wenn keine Erben in der geraden Linie vorhanden, ohne Teſtament zur Erbſchaft nach Graden der Familie, welche in der Familie desVaters677Von dem Erbrecht. Vaters, oder der Mutter ſich befin - den, und wenn auch hier keine mehr leben, welche in der Familie des Groß - vaters und der Großmutter und ſo weiter da ſind, ſo daß man nicht von einer Familie in die andere uͤbergeht, naͤmlich von einer naͤhern in eine entferntere, als wenn in der naͤhern niemand mehr vorhanden, jedoch ſo, daß man uͤberall keinen Unterſcheid zwiſchen maͤnnli - chen und weiblichen Verwandten macht.

§. 934.

Weil einer, ſo bald als er ſtirbt, das Ei -Wie es zu hal - ten, wenn kein Erbe da iſt. genthum verlieret (§. 818.), und folglich die von ihm hinterlaſſene Sachen, wenn kein Erbe vorhanden, niemanden zugehoͤren; ſo kann nach dem Rechte der Natur wer da will die Erbſchaft ſich zu - eignen (§. 210.), oder derjenige, wel - chem das Recht zukommt, niemanden zugehoͤrige Sachen ſich zuzueignen (§. 214.).

§. 935.

Der Erbe bekommt das Eigenthum in dem,Auf wie vielerley Weiſe ein Erbe kann ein - geſetzt, oder ei - nem et - was ver - macht werden. was von dem Verſtorbenen hinterlaſſen wor - den (§. 916.), und dem etwas vermacht wird, dem wird es gegeben (§ 929.). Auf wie vielerley Weiſe alſo etwas gege - ben, oder das Eigenthum auf einen andern gebracht werden kann, auf ſo vielerley Weiſe kann auch einer zum Erben ein -U u 3geſetzt,678III. Theil 1. Abth. 5. Hauptſtuͤck. geſetzt, und einem etwas vermacht werden. Was derowegen aus der ver - ſchiedenen Art zu geben fließt, das gilt auch von dem Erben, der auf dieſe, oder eine andere Art eingeſetzt worden, und den Vermaͤchtniſſen unter dieſer, oder einer andern Bedingung.

§. 936.
Vom Te - ſtamente, welches ohne Ein - ſetzung eines Er - ben ge - macht worden.

Uebrigens, wenn der Erblaſſer will es ſolle ſein Erbe ſeyn, der nach der Erbfolge ohne Teſtament die Erbſchaft bekommt, dennoch aber einem und dem andern etwas vermachen, oder noch ſonſt etwas haben will, ſo nach ſei - nem Tod geſchehen ſoll; ſo kann er nach dem Rechte der Natur ein Teſtament machen, wenn gleich darinnen kein Erbe eingeſetzt wird, und darinnen einem und dem andern etwas verma - chen, auch andere Dinge anordnen, welche nach ſeinem Tode geſchehen ſol - len (§. 927.), und alsdann iſt derjeni - ge Erbe, welcher nach der Erbfolge ohne Teſtament zur Erbſchaft gelangt, und den letzten Willen des Erblaſſers zu erfuͤllen ſchuldig (§. 317.).

§. 937.
Von dem, was zum Te - ſtament hinzuge - ſetzt wiꝛd.

Und weil der Erblaſſer im Teſtament nach ſeinem Gefallen, ſo lange er lebt, veraͤndern kann, was er will (§. 927.); ſo kann nach dem Rechte der Natur ſo wohl zum Teſtamente etwas hinzugeſetzt werden, wodurch darinnen etwas geaͤndertwird,679Von dem Erbrecht. wird, als auch was keine Aenderung macht.

§. 938.

Ein Vorausvermaͤchtniß (prælega -Von Voraus - veꝛmaͤcht - niſſen. tum) nennt man ein Vermaͤchtniß, das ei - ner, oder der andere Erbe vor den uͤbrigen voraus bekommt. Weil es auf den Willen des Erblaſſers ankommt, wem er etwas ver - machen will (§. 299. 475. ), folglich nichts hindert, daß er auch einem Erben etwas ver - macht; ſo iſt das Vorausvermaͤchtniß dem Rechte der Natur nicht zuwider.

§. 939.

Wenn ein Erbe die Erbſchaft, oderVom Ausſchla - gen der Erb - ſchaft, oder ei - nes Ver - maͤcht - niſſes. der, dem etwas vermacht worden, das Vermaͤchtniß ausſchlaͤgt; ſo waͤchſt dieſer Theil, indem es eben ſo viel iſt, als ob er nicht zum Erben eingeſetzt, oder ihm nichts waͤre vermacht worden (§. 920. 339. ), der Erbſchaft zu. Und da der Erbe durch das, was er thut, dem ſein Recht nicht be - nehmen kann, dem etwas vermacht worden (§. 100.), und man nach dem Rechte der Natur auch in einem Teſtamente einigen gantz allein etwas vermachen kann (§. 936.); ſo bleiben die Vermaͤchtniſſe guͤltig, wenn gleich der Erbe die Erbſchaft nicht an - treten will, oder kann.

§. 940.

Da die Einſetzung eines Erben und einesVon der Subſti - tution ei - nes an - Vermaͤchtniſſes auf dem Willen des Erblaſ - ſers beruhet (§. 930. 938. ); ſo kann auchU u 4der680III. Theil 1. Abth. 5. Hauptſtuͤck. dern Er - ben oder auch ei - ner Per - ſon der etwas vermacht wird.der Erblaſſer an die Stelle eines ein - geſetzten Erben einen andern ſetzen (hæredem ſubſtituere), dergeſtalt, daß wenn jener fehlen ſollte, dieſer an ſei - ne Stelle kommt, oder wenn einer das Vermaͤchtniß nicht annehmen kann, oder will, der andere daſſelbe erhaͤlt.

§. 941.
Von den Fidei - commiſ - ſen.

Wenn einer die Erbſchaft mit der Bedin - gung erhaͤlt, daß er ſie entweder gantz, oder einen Theil davon, wie es der Erblaſſer ver - ordnet hat, einem andern wieder abtreten ſoll; ſo nennt man es ein Fideicommiß (fideicommiſſum), in dem erſten Falle ein allgemeines (univerſale), in dem aber ein beſonderes, und inſonderheit ein Familien - Fideicommiß (fideicommiſſum familiæ), was fuͤr eine Familie gemacht worden, oder wenn der Erblaſſer verbietet, daß die Sache nicht auſſer der Familie veraͤuſſert werden ſolle. Daß die Fideicommiſſe nach dem Rechte det Natur guͤltig ſind, erhellet daraus, daß einer ein Teſtament machen kann, wie er will (§. 930.).

§. 942.
Von den Erbfolg - vertraͤ - gen.

Da der Eigenthumsherr von den ihm zu - gehoͤrigen Sachen eine Verordnung machen kann, wie er will (§. 195.); ſo ſind nach dem Rechte der Natur alle Vertraͤge, welche wegen einer Erbſchaft gemacht worden, guͤltig, folglich auch die Erb - folgvertraͤge der Eheleute.

§. 943.681Von dem Erbrecht.
§. 943.

Es erhellet vor ſich, daß die Ehe ein EndeVon der natuͤrli - chen Erb - folge der Eheleu - te. hat, wenn der eine Ehegatte geſtorben, folglich der Gebrauch der Sachen, welche ei - nem jeden zugehoͤren, ſo viel zur gemeinſchaft - lichen Haushaltung hinreichend war (§. 866.), aufhoͤret. Da nun einem jeden die Sachen ſelbſt zugehoͤren; ſo nimmt der uͤberblie - bene Ehegatte das Seinige zuruͤck, er hat aber zu des verſtorbenen Vermoͤ - gen kein Recht. Weil aber doch in dem Falle, da die Liebespflichten, welche andern zu erweiſen, wider einander laufen, ein E - hegatte andern vorzuziehen iſt (§. 869.); ſo ſoll ein Ehegatte, wenn der uͤber - lebende keine eigene Guͤter hat, oder dieſelben zur Nothdurft, Beqvem - lichkeit und Vergnuͤgen nicht hinrei - chen, ihm nach ſeinem Tode nach Be - ſchaffenheit ſeines Vermoͤgens einen Theil davon hinterlaſſen, als entwe - der zur Nothdurft allein, oder auch zur Beqvemlichkeit, und zum Vergnuͤ - gen des Lebens hinreichend iſt, oder wenigſtens den Nießbrauch davon, oder auch von ſeinem gantzen Vermoͤ - gen entweder zeitlebens, oder ſo lange er unverheyrathet verbleibet, nach - dem es die beſondern Umſtaͤnde erfor - dern; folglich wenn kein Erbe in der geraden Linie vorhanden (§. 921. 922. ); ſo kann ein Ehegatte den andern zumU u 5Erben682III. Theil 1. Abth. 5. Hauptſtuͤck. Erben einſetzen, oder wenn auch einer vorhanden und er ihn aus andern Ur - ſachen zum Erben nicht einſetzen will; ſo kann er ihn doch mit einem Ver - maͤchtniſſe (§. 829.), oder einem Fidei - commiß (§. 941.), oder einem gewiſ - ſen Nießbrauch bedencken.

§. 944.
Von der Unauf - loͤßlich - keit der Ehe.

Weil die Eltern nicht nur ihre Kinder mit gemeinſchaftlicher Sorgfalt (§. 856.) und auf gemeinſchaftliche Koſten erziehen (§. 866.), ſondern auch, ſo viel an ihnen iſt, ihr Gluͤck befoͤrdern (§. 892.), und ihnen nach ihrem Tode ihre Guͤter hinterlaſſen ſollen (§. 921.), ja auch ſtillſchweigend zur Leiſtung aller Lie - besdienſte ſich gegen ſie verbinden (§. 869.), und ein Ehegatte vor den andern ſorgen ſoll, daß er nach ſeinem Tod, ſo viel an ihm iſt, keinen Mangel leide an dem, was zur Noth - durft, Beqvemlichkeit, und zum Vergnuͤgen erfordert wird; ſo iſt nach dem Rechte der Natur die Ehe unaufloͤßlich.

§. 945.
Von den Kindern, die aus unrecht - maͤßigen Bey - ſchlafe erzeuget worden.

Den Kindern kanns nicht zugerechnet wer - den, daß ſie aus einem unrechtmaͤßigen Bey - ſchlafe erzeuget worden (§. 873.). Weil al - ſo nach der Natur unter Kindern, die aus einem unrechtmaͤßigen Beyſchlafe und einem rechtmaͤßigen erzeugt worden, kein Unter - ſchied iſt; ſo haben von Natur Kinder, die aus einem unrechtmaͤßigen Bey - ſchlafe erzeugt worden, mit den an -dern683Von dem Erbrecht. dern einerley Recht zu der Erbſchaft ihrer Eltern.

§. 946.

Da zwiſchen Bruͤdern und SchweſternVon der Ehe mit Seiten - verwand - ten. keine Pflichten zu erdencken ſind, als nur die - jenigen, deren Grund darinnen enthalten iſt, daß ſie von gemeinſchaftlichen Eltern herkom - men; ſo kann man auch keine Pflichten an - geben, welche mit den Pflichten der Eheleu - te gegen einander nicht beſtehen koͤnnten, wie dieſes zwiſchen Eltern und Kindern ſtatt fin - det (§. 895.). Derowegen da die Ehe zwi - ſchen Bruͤdern und Schweſtern von Natur nicht unerlaubt iſt; ſo kann ſie noch weniger zwiſchen den uͤbrigen Seitenverwandten unerlaubt ſeyn. Es iſt aber eine andere Frage, ob dergleichen E - hen aus Urſachen, die vom Staate herge - nommen werden, in einem wohleingerichteten Staat verboten werden ſollen.

Das ſechſte Hauptſtuͤck.

Von der Knechtſchaft und der herrſchaftlichen Geſellſchaft.

§. 947.

Die Knechtſchaft (ſervitus) iſt eineWas die Knecht - ſchaft ſey. Unterwerfung, wodurch jemand zu beſtaͤndiger Arbeit vor beſtaͤndigen Unterhalt verbunden iſt. Wer die Ar - beit zu leiſten verbunden iſt, heiſſet einKnecht684III. Th. 1. A. 6. H. Von der KnechtſchaftKnecht (ſervus), oder wenn es eine Weibs - perſon iſt, eine Magd (ancilla); wer den Unterhalt giebt, der Herr (dominus); und das Recht des Herrn uͤber den Knecht die herrſchaftliche Gewalt (poteſtas domini - ca). Es iſt aber eine vollkommne Knechtſchaft (ſervitus perfecta), wenn die Arbeit, welche er beſtaͤndig liefern muß, ungemeſſen iſt; folglich vom Herrn nach ſei - nem Gefallen befohlen werden kann: Hinge - gen eine unvollkommne (ſervitus imper - fecta), wenn der Knecht nur gemeſſene Dien - ſte zu leiſten ſchuldig iſt, oder ſie auch nicht beſtaͤndig, oder nicht unausgeſetzt leiſten darf.

§. 948.
Von der freywil - ligen Knecht - ſchaft.

Weil derjenige, der durch ſeine Arbeit er - werben muß, was er zu Nahrung und Klei - dung braucht, ſich zur Arbeit einem andern vor Lohn verdingen kann (§. 620.), und es auf ſeinem Willen beruhet, zu was vor Ar - beit, oder Dienſten er ſich vermiethen will (§. 225. 195. ); ſo hat ein jeder, der nicht anders als durch arbeiten und dienen Unterhalt haben kann, das Recht, ſich in die Knechtſchaft zu begeben (§. 947.). Weil nun alsdann die Knechtſchaft aus einem Vertrag entſteht, welche man die freywillige (voluntaria) nennt: ſo ſind in der freywilligen Knechtſchaft die Rechte und Verbindlichkeiten aus dem Vertrag zu ermeſſen; und vermoͤge dernatuͤr -685und der herrſchaftlichen Geſellſchaft. natuͤrlichen Freyheit muß man einem je - den zulaſſen, daß er ſich nach ſeinem Gefallen in die Knechtſchaft begiebt (§. 78.), folglich auch verkauft (§. 587.), oder auf eine jede andere Weiſe ver - aͤuſſert.

§. 949.

Weil die Eltern die Kinder zu erziehen ver -Ob die Eltern die Kin - der, oder der Mann die Frau verkau - ſen kann. bunden ſind (§. 855.); ſo iſt es ihnen er - laubt die Kinder in die Knechtſchaft zu verkaufen, wenn ſie auf keine ande - re Weiſe ihnen den noͤthigen Unterhalt verſchaffen koͤnnen, und was ſonſt zur Auferziehung erfordert wird (§. 46.). Weil aber weder die Kinder die Schulden der Eltern zu bezahlen verbunden ſind, noch auch die Frau die Schulden des Mannes (§. 873.); ſo koͤnnen die Eltern die Kin - der und der Mann die Frau nicht Schulden wegen verkaufen.

§. 950.

Weil aber nach dem Rechte der Natur dieVon der Knecht - ſchaft ei - nes Schuld - ners. Guͤter des Schuldners dem Glaͤubiger fuͤr ei - ne jede Schuld verpfaͤndet ſind, damit der Glaͤubiger davon befriediget werden kann (§. 705.), man aber die Arbeit und Dienſte, welche einer leiſten kann, den Sachen gleich ſchaͤtzt, welche einem zugehoͤren (§. 225.); ſo kann der Glaͤubiger den Schuldner, der nicht bezahlen kann, zu ſeinem Knechte machen, bis er die Schuld abgearbeitet, oder abgedienet hat;folglich686III. Th. 1. A. 6. H. Von der Knechtſchaftfolglich kann er ihn auch einem andern, der fuͤr ihn bezahlt, oder fuͤr einen ge - wiſſen Preiß in die Knechtſchaft uͤber - geben (§. 338. 342.). Man nennt aber eine gezwungene Knechtſchaft, in die einer wider ſeinen Willen ſich begeben muß.

§. 951.
Von dem Rechte des Herꝛn uͤber den Knecht.

Da der Knecht dem Herrn Arbeit und Dienſte zu leiſten ſchuldig iſt (§. 947.); ſo hat der Herr kein Recht uͤber ihn, als in Anſehung der Arbeit und der Dien - ſte; folglich hat er auch das Recht ihn zu der Arbeit und den Dienſten zu ver - binden, und wenn er nicht gutwillig thun will, was er ſoll, oder ſich darin - nen nachlaͤßig erzeiget, ihn zu ſtrafen, und alſo mit Drohungen und Schlaͤ - gen dazu anzuhalten (§. 35. 93.).

§. 952.
Von den Liebes - dienſten, die ei - ner dem Knechte ſchuldig iſt.

Da der Knecht nicht aufhoͤrt ein Menſch zu ſeyn; ſo muß der Herr den Knecht auch lieben und ihm die uͤbrigen Lie - besdienſte leiſten, welche ein Menſch dem andern ſchuldig iſt (§. 38. 133. ); folglich nicht erlauben, daß er den La - ſtern ergeben iſt, ſondern davor ſor - gen, daß er ſich der Tugend befleißi - ge (§. 139.); und er hat auch das Recht dem Knechte zu befehlen, was mit dem Geſetze der Natur uͤbereinkommt, und zu verbieten, was demſelben zuwider iſt (§. 951.).

§. 953.687und der herrſchaftlichen Geſellſchaft.
§. 953.

Weil die Arbeit fuͤr den Unterhalt geleiſtetVon der Arbeit, die man von ei - nem Knechte fordern kann. wird (§. 947.); ſo muß der Herr dem Knechte geſunde Speiſe und Tranck, ſo viel er noͤthig hat, und Kleidung, ſeinen Leib wider Luft und Wetter zu verwahren, verſchaffen (§. 114. 115. ), und nicht mehr Arbeit aufle - gen, als er ohne Verluſt der Geſund - heit ertragen kann (§. 124. 37.).

§. 954.

Die Arbeit des Knechts, welche vorhinWem der Knecht erwirbt, und ob er was eigenes haben kann. als eine ihm eigenthuͤmliche Sache anzuſehen war (§. 225.), muß nun als eine dem Herrn zugehoͤrige angeſehen werden (§. 951.); was alſo der Knecht durch ſeine Arbeit er - wirbt, das erwirbt er dem Herrn (§. 226.). Wenn er aber anders woher et - was bekommt, oder es in den Ruhe - ſtunden, welche ihm der Herr verwil - liget, durch ſeine Arbeit erwirbt, das gehoͤrt ihm zu. Man nennt aber das Vermoͤgen des Knechts (peculium ſer - vi) die Sachen und das Geld, welches er, es ſey auf was vor Art und Weiſe es wolle, auſſer dem Dienſte des Herrn erwirbt (§. 195.). Dieſes kann der Herr nicht in ſeinen Nutzen verwenden (§. 195.), er iſt aber doch nicht zu leiden ſchuldig, daß der Knecht daſſelbe mißbraucht (§. 952.), und der Herr muß davon befriediget werden, wenn der Knechtihn688III. Th. 1. A. 6. H. Von der Knechtſchaftihn vorſaͤtzlich, oder aus Verſehen in Schaden bringet (§. 270.), indem er ſonſt geſtraft werden muͤſte (§. 93.).

§. 955.
Was die berr - ſchaftli - che Ge - walt vor ein Recht iſt.

Da die herrſchaftliche Gewalt ein Recht iſt, dem Knechte, ſo wie es ihm gut duͤnket, und dem Geſetze der Natur gemaͤß iſt, vorzuſchreiben, was er zu thun und zu laſſen hat (§. 951. 952. ); ſo iſt dieſelbe ei - ne Herrſchaft (imperium) (§. 833.). De - rowegen pflegt man es auch die Herrſchaft des Herrn (imperium herile) zu nennen. Der Herr hat alſo kein Recht uͤber den Leib und das Leben des Knechts: folglich hat er nach dem Rechte der Natur kein Recht uͤber ſein Leben und Tod (jus vitæ & necis). Derowegen da man ſagt, man wuͤte wider den Knecht (in ſervum ſævire), wenn man ihn beſtaͤndig mit harten Worten anfaͤhrt, ob er gleich in ſeiner Arbeit fleißig iſt, oder bloß deswegen, weil er nicht uͤber ſein Vermoͤgen gearbeitet hat, oder auch wohl bloß aus Haße, ohne daß der Knecht das geringſte verſchuldet, zu harte mit ihm umgehet; ſo iſt es nicht er - laubt gegen einen Knecht zu wuͤten.

§. 956.
Von der Verbind - lichkeit eines Knechts.

Weil die Knechte dem Herrn unter - worfen ſind (§. 955. 835. ); ſo ſollen ſie ihm gehorchen (§. 835.); und folglich thun, was er befiehlet, und unterlaſſen, waser689und der herrſchaftlichen Geſellſchaft. er verbietet (§. cit. ), und die ſchuldige Arbeit mit allem Fleiß verrichten (§. 947. 921.).

§. 957.

Weil ein jeder nach ſeinem Gefallen ſeinVon der Veraͤuſ - ſerung eines Knechts. Recht veraͤuſſern kann (§. 257.); ſo kann der Herr auch den Knecht, das iſt, das Recht, welches er zu ſeiner Arbeit und Dien - ſten hat, wie und wem er will, ver - aͤuſſern, z. E. verkaufen.

§. 958.

Da auch ein jeder ſich ſeines Rechtes bege -Von der Freylaſ - ſung der Knechte. ben kann (§. 342.), und wenn dieſes ge - ſchieht der Knecht frey wird (§. 337.), man aber ſagt, daß der Knecht freygelaſſen wer - de (manumitti), wenn der Herr ihm ſeine Freyheit ſchenckt, oder wieder giebt; ſo kann der Herr den Knecht freylaſſen, jedoch nicht wider ſeinen Willen, wenn die Knechtſchaft aus einem Vertrage kom - met (§. 438.).

§. 959.

Weil die Kinder der Magd auf KoſtenVon den Kindern einer Magd und der Heyrath der Knechte. des Herrn erzogen werden, und er uͤberdem die Arbeit miſſen muß, welche die Mutter des Kindes wegen zu leiſten verhindert wird; ſo wird der von einer Magd geboh - ren iſt, ſo lange ein Knecht, bis die Koſten der Erziehung und der verur - ſachte Schaden wieder erſetzt worden. Der Vertrag, welchen eine Magd mit dem Knechte um Kinder zu erzeugen macht, iſtNat. u. Voͤlckerrecht. X xeine690III. Th. 1. A. 6. H. Von der Knechtſchafteine Ehe, ob ihn gleich die Roͤmer mit ei - nem beſonderen Nahmen contubernium ſer - vile genannt haben. Weil aber doch der Herr die Kinder auf ſeine Koſten erziehen muß; ſo wird zur Heyrath der Knech - te die Einwilligung des Herrn erfor - dert.

§. 960.
Von der herr - ſchaftli - chen Ge - ſellſchaft.

Wenn ſich jemand zu gewiſſer Arbeit, oder gewiſſen Dienſten auf eine geſetzte Zeit fuͤr den Unterhalt und einen gewiſſen Lohn ver - miethet; ſo nennen wir eine Mannsperſon ei - nen Diener (famulus), und der ihn mie - thet, ſeinen Herrn (herus). Man muß alſo aus dem Vertrage die Rechte und Verbindlichkeit des Herrn und des Dieners ermeſſen. Jn ſo weit aber bey - der Theile Vortheil befoͤrdert wird, in deren Anſehung der Herr den Diener miethet, und der Diener ſich ihm vermiethet; ſo wird zwi - ſchen dem Herrn und Diener eine Geſell - ſchaft errichtet (§. 836.), welche man die herrſchaftliche (ſocietas herilis) nennt. Es kom̃t mit derſelben die freywillige Knechtſchaft uͤberein (§. 948.), und die Diener begeben ſich in eine unvollkommne Knecht - ſchaft (§. 947.).

§. 961.
Von der Verbind - lichkeit eines Dieners.

Da der Diener dem Herrn zu gewiſſer Ar - beit und Dienſten vollkommen verbunden iſt (§. 960. 438. ); ſo hat der Herr das Recht ihn dazu zu verbinden, daß er thut,was691und der herrſchaftlichen Geſellſchaft. was er abgeredeter maſſen befehlen kann. Wofern er ſich aber weigert, oder nachlaͤßig iſt; ſo kann er ihn vor der Zeit abſchaffen (§. 442.). Weil al - ſo der Diener die Geſchaͤfte des Herrn nicht verabſaͤumen darf; ſo kann er zu der Zeit, wenn er in des Herrn Geſchaͤften iſt, die ſeinigen nicht abwarten, als mit Einwilligung des Herrn (§. 337.); als der von ſeinem Rechte nachlaſſen kann, wie viel er will (§. 342.). Da aber der Herr in keinen Schaden geſetzt wird, wenn der Diener die Zeit, in welcher er von Geſchaͤften des Herrn frey iſt, zu ſei - nem Nutzen anwendet, ſo kann der Herr ihm dieſes nicht verwehren.

§. 962.

Da niemand einen andern einem drittenDaß man nie - manden einen an - dern Diener oder Herrn ſtatt ſei - ner auf - dringen koͤnne. wider ſeinen Willen verbindlich machen kann (§. 78.); ſo kann wehrendes Contracts weder der Herr dem Diener einen an - dern Herrn, noch auch der Diener dem Herrn einen andern Diener an ſeine Stelle aufdringen. Wenn aber der Herr will, daß der Diener einige Dienſte, die er ihm ſonſt leiſten muͤſte, und die er unterdeß miſſen will, einem andern leiſten ſoll; ſo kann, indem hierin nichts geſchieht, was dem Rechte des Dieners zuwider iſt (§. 83.), der Herr den Diener einem andern auf ei - nige Zeit leihen (§. 515.).

X x 2Das692III. Theil 1. Abth. 7. Hauptſtuͤck.

Das ſiebente Hauptſtuͤck.

Von dem Hauſe.

§. 963.
Von der zuſam - menge - ſetzten u. einfa - chen Ge - ſeliſchaft.

Eine zuſammengeſetzte Geſellſchaft (ſocietas compoſita) nennt man, die aus andern einfachen, oder weniger zuſammengeſetzten beſteht; eine einfache Geſellſchaft aber, deren Glieder eintzele Perſonen ſind (individua phyſica). Die Glieder in zuſammengeſetzten Geſell - ſchaften ſind alſo gantze Geſellſchaften, welche wie moraliſche eintzele Perſonen be - trachtet werden (§. 96.).

§. 964.
Was das Haus iſt.

Das Haus (domus) nennt man die aus der ehelichen, vaͤterlichen und herrſchaftlichen, oder wenigſtens aus zwey von ihnen zuſam - mengeſetzte Geſellſchaft. Jenes iſt ein voll - kommenes (perfecta), dieſes ein unvoll - kommenes Haus. Man nennt aber den Hausvater (paterfamilias), der in der ehe - lichen Geſellſchaft der Mann, in der vaͤter - lichen der Vater, in der herrſchaftlichen der Herr genannt wird. Die Hausmutter aber (materfamilias), welche in der ehelichen Geſellſchaft die Ehefrau, in der vaͤterlichen die Mutter, in der herrſchaftlichen die Haus - mutter genannt wird. Die Kinder und das Geſinde, in ſo fern dieſe als ſchlechtere Glie - der des Hauſes ſind, werden Hausgenoſ -ſen693Von dem Hauſe. ſen (domeſtici) genannt; ob gleich dieſes Wort zuweilen allein auf das Geſinde einge - ſchraͤnckt wird. Weil die einfachen Geſell - ſchaften, woraus das Haus beſtehet, in dem - ſelben verbleiben; ſo ſind auch alle Rech - te und Verbindlichkeiten der Glieder des Hauſes aus den Abſichten der ein - fachen Geſellſchaften zu ermeſſen. Da aber gleichwohl die einfachen Geſellſchaften zuſammen vereiniget werden; ſo muß ſich ein jeder in acht nehmen, damit er dem andern auf keine Art und Weiſe in Ausuͤbung ſeiner Pflicht hinderlich falle.

§. 965.

Da man eine Geſellſchaft um eine gewiſſeVon der Abſicht des Hau - ſes und dem Recht u. der Ver - bindlich - keit, wel - che daher entſteht. Abſicht mit gemeinſchaftlichen Kraͤften zu er - reichen errichtet (§. 836.); ſo muß das Haus auch ſeine beſondere Abſicht ha - ben; und da die einfache Geſellſchaften ver - bleiben, kann es keine andere ſeyn, als daß durch die gemeinſchaftliche Kraͤfte derer, welche Glieder der einfachen Geſellſchaften ſind, die Wohlfahrt der einfachen Geſellſchaften deſto beſſer befoͤrdert werde; folglich, wenn jemand ein Glied einer einfachen Geſellſchaft, welche ein Glied einer zuſammengeſetz - ten, z. E. des Hauſes wird, ſo verbin - det er ſich dadurch ſtillſchweigend, daß er die Wohlfahrt der einfachen Ge - ſellſchaften, daraus ſie beſtehet, ſo vielX x 3an694III. Theil 1. Abth. 7. Hauptſtuͤck. an ihm iſt, befoͤrdern will. Derowe - gen erhaͤlt er auch ſtillſchweigend die Rechte, welche zu Erfuͤllung dieſer Verbindlichkeit noͤthig ſind (§. 46.).

§. 966.
Von der Herr - ſchaft im Hauſe.

Weil in der ehelichen Geſellſchaft die Ehe - leute (§. 870.), in der vaͤterlichen die Eltern (§. 888), in der herrſchaftlichen der Haus - herr und die Hausmutter die Herrſchaft ge - meinſchaftlich haben (§. 955.); ſo hat nach dem Recht der Natur im Hauſe der Hausvater mit der Hausmutter die Herrſchaft gemeinſchaftlich, ſie koͤn - nen es aber mit einander verabreden, daß ſie der Hausvater allein habe, und ſie theils ſelbſt, theils durch die Haus - mutter verwaltet. Es kann auch die Art der Verwaltung verabredet wer - den (§. 667.).

§. 967.
Von Hausge - ſetzen.

Daraus folgt, daß, da das Haus als eine Ge - ſellſchaft (§. 964.) ſeine Geſetze haben muß (§. 846.); die Geſetze im Hauſe durch die gemeinſchaftliche Einwilligung des Hausvaters und der Hausmutter ge - macht werden, wenn ſie nicht in An - ſehung der Herrſchaft und ihrer Ver - waltung etwas beſonders mit einan - der verabredet haben. Man nennt aber dieſes Hausgeſetze (leges domeſticæ). Und da ſie die Mittel vorſchreiben ſollen, wodurchdie695Von dem Hauſe. die Abſicht des Hauſes erhalten wird (§. 846.); ſo muͤſſen ſie aus der Abſicht des Hau - ſes hergeleitet werden.

§. 968.

Weil alſo die Abſicht des Hauſes ohne dieVon der Wach - ſamkeit des Hausva - ters und deꝛ Haus - mutter. Beobachtung der Hausgeſetze nicht erreicht werden kann (§. 967.); ſo muͤſſen der Hausvatet und die Hausmutter fleiſ - ſig auf die Hausgenoſſen acht geben, was ſie thun, oder unterlaſſen; folglich da die Wachſamkeit (vigilantia) in dem Fleiſſe beſteht, auf alles acht zu geben, was geſchieht, und was zu wiſſen dienlich iſt, da - mit nicht leicht etwas unſerer Erkentniß ent - zogen werde: ſo muͤſſen der Hausvater und die Hausmutter wachſam ſeyn.

§. 969.

Und weil der Hausvater und die Hausmut -Vom Anſehen des Hausva - ters und deꝛ Haus - mutter. ter zuſammengenommen die haͤusliche Herr - ſchaft fuͤhren, oder der Hausvater ſie wenig - ſtens zum theil durch die Hausmutter verwal - tet (§. 967.); ſo muß der Hausvater und die Hausmutter davor ſorgen, daß ein jeder Theil von ihnen in Anſe - hen erhalten werde, und keiner von beyden ſein eigenes Anſehen vermin - dere.

§. 970.

Es kommt aber mit der Natur eines Hau -Von bey - der Sorgfalt im Hauſe. ſes ſehr wohl uͤberein, daß der Hausva - ter und die Hausmutter genau davor ſorgen, daß die Sitten der KinderX x 4nicht696III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urſpr. der Staatennicht durchs Geſinde, und das Ge - ſinde im Gegentheil nicht durch die Kinder verdorben werde. Derowegen ſollen ſie nicht erlauben, daß ſich die Kinder mit dem Geſinde zu gemein machen, noch uͤber ſie einiges Recht anmaſſen.

§. 971.
Von den Liebes - pflichten.

Weil man endlich die Liebespflichten einem jeden, ſo viel in unſerem Vermoͤgen ſtehet, ſchuldig iſt (§. 133.); ſo muͤſſen diejeni - gen, welche in einem Hauſe bey einan - der leben, bey jeder ſich ereignenden Gelegenheit einander alle Liebesdien - ſte erweiſen.

Die zweyte Abtheilung.

Von der oͤffentlichen Herrſchaft, oder dem Recht eines Staats.

Das erſte Hauptſtuͤck.

Von dem Urſprung der Staaten und der oͤffentlichen Herrſchaft.

§. 972.
Warum ein Staat einzufuͤh - ren, und von ſeineꝛ Abſicht.

Wir erkennen ſehr leicht, daß eintzele Haͤuſer ſich ſelbſt dasjenige nicht hinreichend verſchaffen koͤnnen, was zur Nothdurft, Bequemlich - keit und dem Vergnuͤgen, ja zur Gluͤckſelig -keit697und der oͤffentlichen Herrſchaft. keit erfordert wird, noch auch ihre Rechte ruhig genieſſen, und was ſie von andern zu fordern haben, ſicher erhalten, noch auch ſich und das ihrige wider anderer Gewaltthaͤtig - keit ſchuͤtzen koͤnnen. Es iſt alſo noͤthig, das - jenige durch gemeinſchaftliche Kraͤfte zu er - halten, was eintzele Haͤuſer vor ſich nicht er - halten koͤnnen. Und zu dem Ende muͤſſen Geſellſchaften errichtet werden (§. 836.). Ei - ne Geſellſchaft, die zu dem Ende gemacht wird, heiſſet ein Staat (civitas). Daher er - hellet, daß durch Vertraͤge der Men - ſchen die Staaten entſtanden (§. 836.), und die Abſicht eines Staats beſtehe in hinlaͤnglichen Lebensunterhalt (in ſuffi - cientia vitæ), d. i. im Ueberfluß alles deſſen, was zur Nothdurft, zur Bequemlichkeit und zum Vergnuͤgen des Lebens, auch zur Gluͤckſeligkeit des Menſchen erfordert wird, in der innern Ruhe des Staats (tranquillitate civitatis), d. i. in der Befreyung von der Furcht fuͤr Unrecht, oder Verletzung ſeines Rechts (§. 87.), und der Sicherheit (ſecuritate), oder der Befreyung von der Furcht vor aͤuſ - ſerer Gewalt. Die Wohlfahrt eines Staats aber (ſalus civitatis) beſtehet in dem Genuß des hinlaͤnglichen Lebens - unterhalts, der Ruhe und der Sicher - heit (§. 837.). Jn ſo weit nun dieſes zu erhalten ſtehet, wird es das gemeine Beſte (benum publicum) genannt (§. cit.).

X x 5§. 973.698III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urſpr. der Staaten
§. 973.
Was das gemeine Weſen ſey.

Die Einrichtung eines Staats nennt man das gemeine Weſen (respublica). Ob - gleich einige den Staat und das gemeine We - ſen fuͤr einerley halten, ſo geſchieht dieſes doch mit Unrecht; maſſen der Vertrag, wo - durch ein Staat errichtet wird, von der Ein - richtung deſſelben unterſchieden iſt, in wel - cher man die Mittel, die Abſicht des Staats zu erreichen, feſt ſtellet. Denn aus jenem erhaͤlt der Staat noch nicht ſeine beſonde - re Art (forma ſpecifica), ſondern aus dieſer.

§. 974.
Was ein Volck, ein Buͤr - ger, ein Fremder und ein Einwoh - ner iſt.

Die Menge der Menſchen die ſich in einen Staat zuſammen begeben, nennt man ein Volck (populus, gens). Eine Menge Menſchen alſo, die in einer andern Ab - ſicht als derjenigen, die bey einem Staate ſtatt findet (§. 972.), ſich in ei - ne Geſellſchaft zuſammen begeben, iſt kein Volk. Die Glieder eines Staats, oder alle und jede, welche eine buͤrgerliche Ge - ſellſchaft ausmachen, werden Buͤrger (ci - vis) genannt; wer aber kein Mitglied des Staats iſt, iſt ein Fremder (peregrinus); und ein Fremder, dem es erlaubt iſt in einem andern Staate zu wohnen und daſelbſt ſein Geſchaͤfte zu treiben, heiſt ein Einwohner (incola).

§. 975.
Von der Veꝛbind -

Da aus dem Vertrage, wodurch ein Staaterrich -699und der oͤffentlichen Herrſchaft. errichtet wird (§. 972.), die Verbindlichkeitlichkeit der ein - zelen Glieder und aller zuſam - men. entſteht (§. 438.); ſo iſt jedes einzeles Glied allen zuſammengenommen das gemeine Beſte nach ſeinen Kraͤften zu befoͤrdern verbunden, und alle zuſam - mengenommen ſind jedem einzelen Gliede verbunden davor zu ſorgen, daß es ihm an hinlaͤnglichen Lebens - Unterhalt, an Ruhe und Sicherheit nicht fehle (§. 972.); folglich darf von keinem Theile etwas geſchehen, das dieſer Verbindlichkeit zuwider laͤuft, und haben demnach alle das Recht ei - nen jeden ins beſondere anzuhalten, daß er ſeiner Verbindlichkeit ein Genuͤge leiſte.

§. 976.

Weil man alſo in einem Staate nichtsVon dem Haupt - geſetze eines Staats. thun ſoll, was ſeiner Wohlfahrt zuwider iſt (§. 972. 975. ); ſo iſt das gemeine Beſte in demſelben das Hauptgeſetze; folglich wenn das gemeine Beſte erfordert, auf gewiſſe Weiſe mit beſonde - ren Perſonen zugehoͤrigen Sachen, ja ſelbſt mit ihnen zu verfahren; ſo ha - ben alle zuſammengenommen, oder das Volck das Recht dazu.

§. 977.

Da alle, welche ſich in einen Staat zuſammenVon der Freyheit eines Staats, oder Volckes. begeben, frey ſind (§. 77.), und dadurch, daß ſie ſich in den Staat begeben, niemanden, als nur ſich unter einander verbindlich machen (§. 972.);700III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urſpr. der Staaten972.); ſo wird nach dem Geſetze der Natur ein jeder Staat als eine freye Perſon angeſehen, die im natuͤrlichen Stande lebt (§. 850.); welches auch da - her erhellet, weil der Staat eine Geſellſchaft iſt (§. 972. 850.).

§. 978.
Von dem Rechte dasjenige zu be - ſtimmen, was die Abſicht des Staats zu errei - chen noͤ - thig iſt.

Da von Natur ein jeder Staat, oder ſo wie er nach ſeinem Urſprunge beſchaffen, frey iſt (§. 977.), und alſo in allem, was er vornimmt, kein ander Volck, oder Menſch, er mag ſeyn wer er will, ihm etwas zu ſagen hat (§. 77.); ſo hat er auch das Recht nach ſeinem Wohlgefallen es einzu - richten, auf was Art und Weiſe das gemeine Beſte befoͤrdert werden ſoll, oder die Mittel zu erwehlen, wodurch die Abſicht des Staats erhalten wer - den ſoll; folglich nicht allein dasjenige anzuordnen, was in dieſer Abſicht noͤ - thig iſt, und was beſtaͤndig auf einer - ley Weiſe geſchehen ſoll, und alſo Ge - ſetze zu geben (§. 39.), ſondern auch zu beſchlieſſen, was in jedem vorkom - menden Falle zu thun iſt. Es erhellet aber, daß dieſes alles mit aller Einwil - ligung geſchehen muͤße (§. 841.). Da es aber nicht wohl angehet, daß jederzeit alle mit einander eines ſind; ſo muß man was der groͤſte Theil vor gut befindet, fuͤr den Willen aller halten, und alſo wirdder701und der oͤffentlichen Herrſchaft. der kleinere Theil durch den groͤſſern verbunden.

§. 979.

Da das Recht, welches alle zuſam -Von dem Urſprung der Herr - ſchaft in einem Staate. men uͤber einen jeden ins beſondere ha - ben, darinnen beſtehet, daß ſie vorſchreiben, was ein jeder zu thun hat (§. 978.); ſo iſt es eine Herrſchaft (§. 833.), welches die Herrſchaft eines Staats, oder die Staatsherrſchaft (imperium civile), oder auch deſſelben Gewalt (poteſtas civilis) ge - nannt wird. Sie entſteht alſo aus dem Ver - trage, wodurch der Staat errichtet worden (§. 972.), und iſt urſpruͤnglich bey dem Volcke (§. 974.), als eine ihm eigenthuͤmliche uncoͤrperliche Sache (§. 206.).

§. 980.

Da die Herrſchaft in einem Staate ausVon den Schran - cken der Staats - herr - ſchaft. ſeiner Abſicht ermeſſen werden muß (§. 976. 972. ); ſo erſtreckt ſie ſich nicht weiter als auf die Handlungen der Buͤrger, welche zur Befoͤrderung der gemeinen Wohlfahrt gehoͤren; folglich da nur bloß in Abſicht dieſer Handlungen die natuͤrliche Freyheit der einzelen Glieder eingeſchraͤnckt wird (§. 975. 77. ); ſo bleibt ſie in Anſe - hung der uͤbrigen Handlungen unge - kraͤnckt.

§. 981.

Weil die Herrſchaft in einem Staate inDaß in einem Staate ihrer Ausuͤbung frey iſt von einem jeden an -dern702III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urſpr. der Staatendie hoͤch - ſie Ge - walt iſt.dern Volck, und einem jeden andern Menſchen (§. 975. 77. ); ſo kann auch keine Hand - lung, welche die Ausuͤbung der Herr - ſchaft betrift, auf einige Weiſe von einem Menſchen vernichtet werden. Derowegen da man das die hoͤchſte Ge - walt (imperium ſummum) nennt, wenn nichts, was unternommen wird, von keinem Menſchen vernichtet werden kann; ſo iſt die Herrſchaft in einem Staate an und vor ſich ſelbſt, wie ſie naͤmlich urſpruͤng - lich dem Volck zukommt (§. 979.), die hoͤchſte.

§. 982.
Wie es das Volck mit der Herr - ſchaft machen kann, und von dem Rechte des Re - genten.

Da die Herrſchaft in einem Staat ur - ſpruͤnglich bey dem Volck als eine ihm eigen - thuͤmliche Sache iſt (§. 979.); ſo muß, wenn ein Staat eingerichtet werden ſoll, das Volck, oder alle zuſammen un - ter ſich ausmachen, ob ſie die Herr - ſchaft vor ſich behalten, oder einer Perſon, oder mehreren zuſammenge - nommen, entweder gantz, oder zum Theil, unter einer gewiſſen Bedingung, oder ohne alle Bedingung auftragen wollen, ob wiederruflich, oder unwie - derruflich, ob auf eine gewiſſe Zeit, oder auf die gantze Lebenszeit, ob dergeſtalt, daß ſie von einer Perſon auf gewiſſe andere kommen ſoll, oder nicht, ob es bloß in Anſehung der Verwal - tung, oder der Herrſchaft ſelbſt geſche -hen703und der oͤffentlichen Herrſchaft. hen ſolle. Derowegen da man die Perſon den Regenten in einem Staate (re - ctor civitatis) nennt, welchem die Herrſchaft zu verwalten aufgetragen worden; ſo muß das Recht eines Regenten aus dem Willen des Volcks ermeſſen werden, den es hatte, da ihm die Herrſchaft aufgetragen worden.

§. 983.

Da die Herrſchaft in einem Staate in demVon der Einthei - lung der Herr - ſchaft. Rechte beſteht, dasjenige anzuordnen, was zu Befoͤrderung des gemeinen Beſtens erfor - dert wird (§. 602.); ſo begreift ſie verſchie - dene Rechte in ſich, welche Grotius partes imperii potentiales, oder rechtliche Thei - le der Herrſchaft nennt. Und deswegen heißt die voͤllige Herrſchaft (imperium plenum), welche um keinen Theil vermin - dert worden; die nicht voͤllige (imperium minus plenum) aber, welche um einen, oder den andern Theil vermindert worden. Eine eingeſchraͤnckte Herrſchaft aber (impe - rium limitatum) wird genannt, die an ge - wiſſe Geſetze gebunden iſt, oder eines andern Einwilligung vonnoͤthen hat; eine uneinge - ſchraͤnckte Herrſchaft aber (imperium ab - ſolutum), welche auf keine Art und Weiſe eingeſchraͤnckt iſt. Es kann alſo eine nicht voͤllige Herrſchaft uneingeſchraͤnckt, und alſo die hoͤchſte ſeyn (§. 981.); die voͤllige Herrſchaft aber kann einge - ſchraͤnckt, ja in einem Theile einge -ſchraͤnckt,704III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urſpr. der Staatenſchraͤnckt, in einem andern unum - ſchraͤnckt ſeyn. Wenn die Herrſchaft auf gewiſſe Zeit jemanden aufgetragen wird, iſt es eine nicht immer waͤhrende Herr - ſchaft (imperium temporarium); welche unumſchraͤnckt, und alſo die hoͤchſte ſeyn kann: wenn es unter der Bedingung geſchie - het, ſo lange als es dem Volcke gefallen wird; ſo hat man ſie nur bittweiſe (impe - rium precarium). Und alſo kann eine bitt - weiſe beſeſſene Herrſchaft jeden Augen - blick wiederrufen werden; folglich nicht die hoͤchſte ſeyn (§. 981.), ob ſie gleich unumſchraͤnckt ſeyn kann.

§. 984.
Von den Grund - geſetzen.

Die Geſetze, an welche die Verwaltung der Herrſchaft gebunden iſt, werden Grund - geſetze (leges fundamentales) genannt. De - rowegen iſt dieſes auch ein Grundgeſe - tze, daß der Regente in gewiſſen An - gelegenheiten die Einwilligung des gantzen Volcks, oder gewiſſer Perſo - nen noͤthig hat, wie auch dasjenige, worinnen man die Art und Weiſe die Herrſchaft einem aufzutragen feſt ſtel - let. Es erhellet auſſer dem, daß der Re - gente eines Staats zu Beobachtung der Grundgeſetze verbunden iſt, und dieſelbe nicht nach ſeinem Gefallen aͤn - dern kann (§. 982.). Da aber die Grund - geſetze von dem Volcke gemacht wer - den (§. 978.); ſo koͤnnen ſie auch vonihm705und der oͤffentlichen Herrſchaft. ihm aufgehoben und veraͤndert wer - den, wofern nur das Recht, welches der Regent eines Staats, oder ſeine Nachfolger dadurch erlangt, nicht ver - mindert wird (§. 86. 100.). Weil aber die Grundgeſetze vom Volk gemacht werden, welches nach ſeinem Velieben die Herrſchaft dem Regenten auftraͤgt (§. 982.); ſo iſt der Regente, der eine unumſchraͤnckte Herrſchaft hat, an die Geſetze nicht gebunden, nach welchen er die Herr - ſchaft zu verwalten ſich erklaͤret, oder auch gewiſſe Perſonen beſtellt, ohne deren Einwilligung er nichts thun will, und ſind dieſes keine Grundge - ſetze, ja wenn es ihm gefaͤllt, ſo kann er ſie gar wieder aufheben. Derowe - gen verbleibet auch deſſen ungeachtet die Herrſchaft unumſchraͤnckt (§. 983.), und die hoͤchſte (§. 980.). Eben dieſes gilt, wenn das Volck nur ſeinen Wil - len in Anſehung einiger Puncte an - zeigt, was der Regent thun oder laſ - ſen ſoll, nicht aber ausdruͤcklich erklaͤrt, daß ſie ſich nicht nach ſeinem Gutduͤn - cken richten wollen, oder einige Per - ſonen beſtimmet, ohne deren Einwil - ligung er nichts beſchlieſſen ſoll; indem ſich das Volck kein Recht uͤber das, was der Regente thut, vorbehaͤlt.

§. 985.

Da die Beſchaffenheit guter, oder ſchlim -Wie die Herr -Nat. u. Voͤlckerrecht. Y ymer706III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urſpr. der Staatenſchaft ei - nem nicht aufgetra - gen wer - den kann.mer Handlungen, indem nicht alle auf einer - ley Weiſe davon urtheilen, nicht geſchickt iſt das Recht des Regeuten und des Volcks zu entſcheiden; ſo kann einem die Herr - ſchaft nicht mit der Bedingung aufge - tragen werden, daß das Volck, wenn er wohl regieret, gehorchen ſoll, wenn er aber uͤbel regieret, ihm widerſtehen und ihn beſtrafen kann; folglich findet nicht ſtatt, daß der Regente und das Volck einander beſtaͤndig unterworfen ſind (§. 835.).

§. 986.
Von der Art und Weiſe die Herr - ſchaft zu erhalten.

Wenn die Herrſchaft dem Regenten nur zu verwalten aufgetragen worden; ſo hat er gleichſam nur den Nießbrauch (impe - rium uſufructuarium) davon: Wenn ihm aber die Herrſchaft vor und an ſich ſelbſt auf - getragen wird; ſo hat er ſie eigenthuͤm - lich (patrimoniale). Derowegen hat einer die eigenthuͤmliche Herrſchaft mit voͤl - ligem Rechte, die nicht eigenthuͤmli - che aber nicht mit voͤlligem Rechte (§. 198.). Es erhellet aber daß im andern Falle die Herrſchaft voͤllig, uneinge - ſchraͤnckt und die hoͤchſte ſeyn kann, hingegen im erſten die eigenthuͤmliche nicht voͤllig und eingeſchraͤnckt (§. 983. 981.). Da die Art und Weiſe, wie man die Herrſchaft beſitzt (modus habendi imperium) kein Theil derſelben iſt, ſondern eine von ihr gantz unterſchiedene Sache; ſover -707und der oͤffentlichen Herrſchaft. veraͤndert ſie in der Herrſchaft ſelbſt nichts, und gehoͤret auch nicht zu ih - rer Verwaltung (§. 66.).

§. 987.

Weil auch uncoͤrperliche Sachen zu LehnVon der Herr - ſchaft die zu Lehn genom - men wird. verliehen werden koͤnnen (§. 740.); ſo kann auch die Herrſchaft zu Lehn verliehen werden (§. 121. 979.). Da nun aber die Belehnung zu der Art und Weiſe die Herr - ſchaft zu beſitzen gehoͤrt; ſo kann eine zu Lehn gegebene Herrſchaft uneinge - ſchraͤnckt, voͤllig und die hoͤchſte ſeyn (§. 986.), man beſitzt dieſelbe aber nicht mit voͤlligem Rechte (§. 736. 986.).

§. 988.

Weil die Auftragung der Herrſchaft gaͤntz -Von der Herr - ſchaft die nach der Art eines Fidei - commißt aufgetra - gen wird. lich auf dem Willen des Volcks beruhet, wel - ches ſie einem auftraͤgt (§. 982.); ſo kann die Herrſchaft auch nach der Art eines Fideicommiß aufgetragen werden, d. i. mit der Bedingung, daß der Regent ſie nach einer gewiſſen Zeit, oder wenn er ſtirbt, einer gewiſſen andern Per - ſon uͤberlaſſen muß (§. 941.). Und es er - hellet wie vorher (§. 987.), daß die auf dieſe Weiſe uͤberlaſſene Herrſchaft unumſchraͤnckt, voͤllig, und die hoͤchſte ſeyn koͤnne.

§. 989.

Diejenigen Vertraͤge, worinnen ſich derVon der Capitu - lation. Regent und das Volck, oder die, ſo das Recht des Volcks haben, uͤber die Art der Verwaltung der Herrſchaft vergleichen, wer -Y y 2den708III. Theil 2. Abth. 2. Hauptſtuͤck. den eine Capitulation (capitulatio) genannt. Demnach iſt die Capitulation ein Grund - geſetz (§. 984.), und man hat ihrer von noͤthen, wenn die Herrſchaft ein - geſchraͤnckt ſeyn ſoll (§. 983.); iedoch giebet es keine unveraͤnderliche Grund - geſetze. Weil aber Vertraͤge muͤſſen gehal - ten werden (§. 438.); ſo darf ohne Ein - willigung deſſen, mit welchem die Ca - pitulation getroffen worden, nichts in derſelben geaͤndert werden.

Das zweyte Hauptſtuͤck.

Von den verſchiedenen Arten der Republick.

§. 990.
Von der Demo - eratie.

Wenn ſich die Herrſchaft bey dem gan - tzen Volcke befindet, ſo nennet man eine ſolche Art der Republick eine Democratie, oder Poͤbelregiment (de - mocratiam, ſtatum popularem). Weil die buͤrgerliche Freyheit eines Volcks (li - bertas civilis populi) darin beſtehet, daß es in allen denen Handlungen, welche zur Be - foͤrderung des gemeinen Beſtens gehoͤren, kei - nes andern Willen unterworffen iſt; ſo beſi - tzet das Volck in der Democratie die buͤrgerliche Freyheit, und iſt nicht nur in Abſicht auf andere Voͤlcker (§. 977.), ſondern auch in Abſicht auf ſich ſelbſt frey.

§. 991.709Von den verſchiedenen Arten der Republick.
§. 991.

Der Begrif von der Monarchie (mo -Von der Monar - chie. narchia) entſteht, wenn die Herrſchaft, ſo wie ſie ſich urſpruͤnglich bey dem Volcke be - findet, naͤmlich die voͤllige, uneingeſchraͤnckte, und hoͤchſte, bey einem eintzigen angetroffen wird. Derowegen hat der Monarch in der Monarchie eben ſo viel Gewalt, als das gantze Volck in der Democra - tie hat. Weil doch aber die Art, nach wel - cher man die Herrſchaft beſitzt, in der Herr - ſchaft ſelbſt nichts aͤndert (§. 986.); ſo iſt es in ſo weit einerley, ob die Herrſchaft in dem eigenthuͤmlichen, oder nur in der Nutzung ausgeuͤbt wird. Endlich weil das Recht des Volckes in der Monarchie dem Monarchen uͤberlaſſen worden; ſo ſtellet der Monarch das gantze Volck vor.

§. 992.

Man nennet es eine Ariſtocratie (ariſto -Von der Ariſto - cratie. cratiam), wenn die Herrſchaft, wie ſie ur - ſpruͤnglich bey dem Volcke iſt, bey einigen Perſonen angetroffen wird, welche mit dem Nahmen der vornehmſten (optimatum) beleget werden. Demnach haben die vornehmſten in der Ariſtocratie eben ſo viel Gewalt, als das Volck in der De - mocratie, und beſitzen eine voͤllige, un - eingeſchraͤnckte und hoͤchſte Herrſchaft. Was wir in Abſicht auf die Art die Herr - ſchaft zu beſitzen nur erſt (§. 991.) von dem Monarchen geſagt haben, das gilt hier gleich -Y y 3falls.710III. Theil 2. Abth. 2. Hauptſtuͤck. falls. Ja, weil den vornehmſten das Recht des Volckes zukommt; ſo ſtellen ſie auch zuſammen genommen das Volck vor. Derowegen da die buͤrgerliche Wuͤr - de (dignitas civilis) nichts anders als ein Vorzug fuͤr andern Perſonen im gemeinen Weſen iſt, welche nach denen einer Per - ſon zuſtehenden Rechten abgemeſſen werden muß; die vornehmſten aber erſt zu - ſammen genommen ihr Recht haben, was ein Monarche gantz alleine hat: ſo folget, daß die Wuͤrde des Monarchen groͤſſer ſeyn muͤſſe, als die Wuͤrde eines ieden ein - tzelnen unter den vornehmſten.

§. 993.
Von der vermiſch - ten Re - publick.

Die Republick iſt vermiſcht (respu - blica mixta), wenn ſie in einigen Stuͤcken mit der Monarchie, in einigen mit der Ari - ſtocratie, und in einigen mit der Democratie eine Aehnlichkeit hat, oder wenigſtens an zweien Arten der Republick theil nimmet. So entſtehet denn die vermiſchte Art einer Republick aus der Theilung der Herrſchaft in ihre Machttheile (§. 983.) und deren Einſchraͤnckung (§. 980.). Wann nun aber beydes auf verſchiedene Art geſchehen kann; ſo koͤnnen auch verſchie - dene Arten von einer vermiſchten Re - publick angegeben werden, deren iede durch gewiſſe Grundgeſetze zu beſtim - men iſt (§. 984.).

§. 994.711Von den verſchiedenen Arten der Republick.
§. 994.

Diejenige Verfaſſung eines gemeinen We -Das Reich. ſens, in welcher entweder eine voͤllige, unein - geſchraͤnckte und hoͤchſte, oder auf irgend ei - ne Art eingeſchraͤnckte und verringerte Herr - ſchaft bey einem eintzigen iſt, nennet man ein Reich, wobey iedoch dem Staat ſeine Hoheit ungekraͤnckt bleiben muß. Und derje - nige, welcher in einem Reich die Herrſchaft fuͤhret, heiſſet der Koͤnig. Woraus er - ſcheinet, daß ein jedes Reich entweder eine Monarchie, oder eine vermiſchte Art der Republick abgebe (§. 991. 993.). Doch ſtellet ein jeder Koͤnig in den Un - terhandlungen mit andern Voͤlckern das gantze Volck vor, es ſey denn, daß es in einigen Stuͤcken durch ge - wiſſe Grundgeſetze, welche aber den andern Voͤlckern bekannt ſeyn muͤſſen, anders verſehen worden.

§. 995.

Die Mitregentſchaft (condominatus,Die Mitre - gent - ſchaft. imperium Polyarchicum) iſt, wenn zwey, oder drey in einem Reiche eine unzertheilte Herrſchaft unter einander gemeinſchaftlich ha - ben, z. E. wenn zwey oder drey Bruͤder zu - gleich regieren. Dieſe zwey, oder mehrere aber heiſſen Mitregenten (condomini, cor - reges), bey deren jeden gleichſam die gantze koͤnigliche Macht und Wuͤrde befindlich iſt.

Y y 4§. 996.712III. Theil 2. Abth. 2. Hauptſtuͤck.
§. 996.
Obere und Un - tertha - nen.

Der Oberherr (ſuperior) in einem Staat heiſſet derjenige, welcher das Recht hat derer uͤbrigen Handlungen zu beſtimmen; und dieſe uͤbrigen werden Unterthanen (ſub - diti) genennet. Daraus flieſſet, daß in ei - ner Democratie das gantze Volck (§. 990.), in einem Reich und Monarchie der Koͤnig, oder Monarch (§. 991. 994. ) der Oberherr ſey, gleichwie es in einer Ariſtocratie die vornehmſten zuſammen genommen ſind (§. 992.); al - le und jede aber in einer Democratie, Monarchie und Ariſtocratie ja in die - ſer auch alle eintzeln betrachtete vor - nehmſten, werden mit dem Nahmen der Unterthanen belegt. Jn der Mit - regentſchaft verhaͤlt es ſich hierin anders, denn ein jeder der Mittegenten iſt ein Ober - herr, keiner aber des andern Unter - than (§. 995.).

§. 997.
Vom de - ſpotiſchen Reich.

Ein deſpotiſches, oder herrſchaftliches Reich (regnum herile) nennt man, wenn der Koͤnig uͤber ſeine Unterthanen und deren Vermoͤgen eben das Recht hat, welches ei - nem Herrn uͤber ſeinen Knecht zuſtehet, oder wo der Koͤnig auſſer der buͤrgerlichen Macht auch die herrſchaftliche beſitzet; folglich ma - chet der Koͤnig in einem deſpotiſchen Reiche die Einrichtung der Frondien - ſte, und uͤber die Sachen der Unter -thanen,713Von den verſchiedenen Arten der Republick. thanen, nach ſeinem Belieben, und al - le oͤffentliche Handlungen lencket er vornehmlich auf ſeinen eigenen Nu - tzen, da er hingegen den Nutzen der Unterthanen nur als einen Neben - zweck anſiehet. Wenn nun aber dies al - les dem Vertrage, nach welchem ein Staat aufgerichtet iſt, zuwiderlaͤuft (§. 972.); ſo iſt klar, daß das deſpotiſche Reich da - her ſeinen Urſprung nicht nehmen, und auch aus dem Endzweck eines Staates nicht hergeleitet werden koͤnne. Un - terdeſſen da ein Volck einem andern die Herr - ſchaft uͤber ſich auftragen kann, wie es ſol - ches gut befindet (§. 982.); ſo ſtehet es ihm auch frey einem Koͤnige eine de - ſpotiſche Herrſchaft uͤber ſich zu uͤber - laſſen (§. 977.). Und weil ſich alle Unter - thanen in einem herrſchaftlichen Rei - che in einer perſoͤnlichen Knechtſchaft befinden, dieſe aber an ſich nicht unerlaubt iſt (§. 948.); ſo muß auch ein herrſchaft - liches Reich an ſich nicht unerlaubt, und wenn das Volck in ſolches willi - get, es nicht ungerecht ſeyn (§. 83.). Weil aber im uͤbrigen ein Herr verbunden iſt ſeinen Knecht zu lieben, und ihm alle diejeni - gen Liebespflichten zu erweiſen, welche ein Menſch einem andern zu leiſten ſchuldig iſt (§. 952.); ſo erfordert es auch in einem herrſchaftlichen Reiche die Schuldig - keit eines Koͤniges und Beherrſchers,Y y 5daß714III. Theil 2. Abth. 2. Hauptſtuͤck. daß er ſeine Unterthanen liebe, und ihnen die Liebespflichten nicht verſa - ge, und daß er folglich in der Fuͤhrung ſeiner deſpotiſchen Herrſchaft nichts begehe, was wider dieſe Pflichten ſtrei - ten koͤnnte. Sonſten braucht es hier kei - ner Erinnerung, daß auch eine deſpotiſche Ariſtocratie moͤglich ſey, von welcher je - doch eben das zu bemercken iſt, was wir von dem deſpotiſchen Reiche bereits vorgetragen haben.

§. 998.
Von der Majeſtaͤt und dem Maje - ſtaͤtsrech - te.

Die Wuͤrde deſſen, bey dem die hoͤchſte Herrſchaft unzertrennlich iſt, heißt die Ma - jeſtaͤt (majeſtas). Dieſer hindert es nicht, daß die Verwaltung derſelben in einigen Stuͤ - cken an gewiſſe Grundgeſetze gebunden iſt, in - dem doch die dieſen gemaͤße Handlungen von keinem Menſchen umgeſtoſſen werden koͤnnen. Demnach nennet man Majeſtaͤtsrechte (jura majeſtatica) diejenigen, welche zur hoͤchſten Herrſchaft und deren Verwaltung ge - hoͤren. Jn einer Democratie hat das gantze Volck (§. 990.), in der Ariſto - cratie die Verſammlung der Vornehm - ſten (§. 992.), in der Monarchie aber und in einem Reiche der Koͤnig die Majeſtaͤt (§. 991. 994.).

§. 999.
Vom Nathe.

Die Verſammlung gewiſſer Perſonen, wel - chen das oͤffentliche Regiment in Sachen, ſo taͤglich verwaltet werden muͤſſen, oder welchekeinen715Von den verſchiedenen Arten der Republick. keinen Aufſchub leiden, nebſt der Ausfuͤhrung deſſen, was von dem Oberherrn beſchloſſen iſt, aufgetragen worden, und deren Gutach - ten uͤber oͤffentliche Angelegenheiten ſich die - ſer bedienet, heiſſet der Rath (ſenatus). Jn einer Democratie iſt es unumgaͤnglich noͤthig, daß ein Rath beſtellet werde, weil das Volck nicht taͤglich zuſammen kommen kann (§. 990.); ja je ſeltener und beſchwerlicher die Zuſammenkunft des Volckes iſt, je mehr Anſehen und Macht muß ein ſolcher Rath haben.

§. 1000.

Die Zuſammenkuͤnfte, welche oͤffentlicherVon Reichs - tagen. Angelegenheiten halber gehalten werden, heiſ - ſen Reichstage (comitia). Daher kann das gantze Volck in der Democratie die oͤffentlichen Angelegenheiten, wenn ſie nicht ſchon dem Rath zu beſorgen uͤberlaſſen worden (§. 999.), vor ſich nicht anders als auf den Reichstagen abthun (990.); und da das Volck in allem dem, was zur Ausuͤbung der Herrſchaft ge - hoͤret, nach ſeinem Gefallen verfahren kann (§. 978.), ſo beruhet es lediglich auf deſſen Willen, ob die Reichstage ein vor allemahl an gewiſſe Zeiten gebun - den, oder ob ſie nur bey beſondern Vorfallenheiten, uͤber welche man nach der Beſchaffenheit der Zeit urthei - let, gehalten werden ſollen. Das vori - ge (§. 999.) kann einen belehren, daß dasRecht716III. Theil 2. Abth. 2. Hauptſtuͤck. Recht den Reichstag zu berufen dem Rathe zukomme; und da ihm die gegen - waͤrtige Verfaſſung der Dinge am beſten be - kannt ſeyn muß, ſo muß er auch das Recht haben auf den Reichstagen den Vor - trag zu thun, oder wenigſtens dasje - nige an die Hand zu geben, woruͤber gerathſchlaget werden ſoll, obwol, weil ein jeder in der Democratie ein gleiches Recht hat (§. 70. 972. ), ein jeder zur Berath - ſchlagung anbringen kann, was er glaubt zum gemeinen Beſten dienlich zu ſeyn. Wenn aber die Wohlfahrt einer Geſellſchaft durch die Einigkeit der Mitglie - der erhalten wird (§. 847.); ſo muͤſſen, um allen Zwieſpalt zu vermeiden, Geſetze wie die Reichstage gehalten werden ſollen, gegeben werden (§. 978.), z. E. welche das Recht der Reichstage haben ſol - len, um auf demſelben eine Stimme zu fuͤh - ren, ingleichen wie das Volck in gewiſſe Ord - nungen, und dieſe in kleinere Haufen zu thei - len, welche gewiſſe Perſonen erwaͤhlen muͤſ - ſen, die in ihrem Nahmen den Reichstag beziehen, und ihre Abgeordneten ſeyn ſollen; noch weiter, wer auf den Reichstagen das Amt eines Directors uͤbernehmen ſoll, u. ſ. f. Zuletzt weil in einer vermiſchten Republick dasjenige beybehalten werden kann, was in dem Poͤbelregiment noͤthig iſt (§. 990.); ſo koͤnnen auch darin die Reichstage Platz haben.

§. 1001.717Von den verſchiedenen Arten der Republick.
§. 1001.

Weil das Volck vermoͤge der Freyheit, ſoWie eine Ariſto - cratie einge - richtet werden ſoll. es hat (§. 977.), eine Art der Republick er - waͤhlen kann, welche es will (§. 78.); ſo kommt es in der Ariſtocratie allein auf den Willen des Volckes an, nach wel - chem es zu beſtimmen hat, wie ſtarck die Zahl der vornehmſten ſeyn, ob ſie aus allen Ordnungen des Volckes, oder nur aus dem anſehnlichſten Theil deſ - ſelben beſtellet, ob ihre Regierung jaͤhrlich, oder auf eine laͤngere Zeit, oder lebenslang dauren ſolle; ingleichen ob die Nachfolger jedesmahl erwaͤhlet, oder ein gewiſſes Geſetz wegen der Nachfolge feſtgeſetzet werden muͤſſe; noch ferner, ob das Recht unter die Vornehmſten zu gehoͤren an gewiſſe Familien, oder an den Beſitz gewiſſer Landguͤther, oder an eine andere Be - ſchaffenheit der Perſonen gebunden ſeyn ſolle. Daher iſt nun die Ariſtocratie bald eine jaͤhrige, bald eine auf eine ge - wiſſe Zeit eingerichtete (temporaria), bald eine beſtaͤndige; bey einer kommt es auf die Wahl an (electiva), bey einer hat eine Folge ſtatt (ſucceſſiva); endlich iſt ſie bald eine weitlaͤuftigere (laxa), wenn die Zahl der Vornehmſten ſehr groß iſt, ob ſie wol gegen das Volck gerechnet nur einen kleinern Theil ausmachen; bald iſt ſie enger (ſtrictior), wenn die Zahl der Vornehmſtenſo718III. Theil 2. Abth. 2. Hauptſtuͤck. ſo klein iſt, daß ſie taͤglich zuſammen kom - men, oder gar bald zuſammen berufen wer - den koͤnnen.

§. 1002.
Von dem Recht ei - nes Mo - narchen und dem aͤſymne - tiſchen Reiche.

Weil der Monarch eine voͤllige, uneinge - ſchraͤnckte und hoͤchſte Herrſchaft hat (§. 990.); ſo kann er nach eigenem Gefallen uͤber alle oͤffentliche Geſchaͤfte verfuͤgen (§. 983.), und man iſt ſchuldig ſich nach ſeinen Entſchlieſſungen zu achten (§. 981.). Da aber das Recht eines Monar - chen nicht von der Zeit abhanget, ſondern es auch gantz wohl angehet, daß man eine voͤl - lige, uneingeſchraͤnckte und hoͤchſte Herrſchaft nur auf einige Zeit haben koͤune; ſo kann auch derjenige, welcher einen Staat nur auf einige Zeit regieret, ein Mo - narche ſeyn. Wenn man nun das ein aͤſymnetiſches Reich (regnum æſymneti - cum) nennet, wenn man jemanden die Herr - ſchaft nur auf eine gewiſſe Zeit uͤbertraͤgt; ſo kann die Monarchie auch ein aͤſym - netiſches Reich ſeyn, ob ſie es gleich nicht nothwendig iſt. Jm uͤbrigen kommt einem Monarchen die deſpoti - ſche Herrſchaft nicht zu, als welche von derjenigen, welche urſpruͤnglich bey dem Vol - cke iſt, und auf einen Monarchen uͤbertragen wird (§. 991.), ſich allerdings unterſcheidet (§. 997.).

§. 1003.
Vom la - coniſchen

Ein laconiſches Reich (regnum laco -nicum) 719Von den verſchiedenen Arten der Republick. nicum) iſt, wenn die Vollſtreckung der Herr -Reiche. ſchaft zwar einem anvertrauet worden, ſolche aber nach dem Willen des Volcks, oder der Staͤnde beſorget werden muß. Demnach hat ein Koͤnig in einem laconiſchen Reiche mehr das Recht zu rathen, als zu befehlen, und laſſen ſich zwiſchen einer Monarchie und einem laconiſchen Reiche, dieweil die Herrſchaft, ſo einem Koͤnige zuſtehet, auf verſchiedene Arten ein - geſchraͤnckt, oder verringert werden kann (§. 981. 983. ), gar viele Arten des Reichs annehmen. Eben ſo iſt auch klar, daß der Koͤnig in einem laconiſchen Reiche mit dem Senate ziemlich in Vergleichung komme.

§. 1004.

Man nennet ein Geſetzmaͤßiges ReichVom ge - ſetzmaͤßi - gen Rei - che. (regnum legitimum) dasjenige, in welchem der Koͤnig die Herrſchaft nach gewiſſen Grundgeſe - tzen, ſie moͤgen nun beſtaͤndig, oder ihm nur bey der Uebertragung der Herrſchaft insbeſondere vorgeſchrieben ſeyn, welche eine Capitulation heiſſen, auszuuͤben gehalten iſt. Folglich ſind die geſetzmaͤßigen Reiche vermiſch - te Republicken (§. 993.), und Arten, ſo zwiſchen einer Monarchie und einem laconiſchen Reiche angenommen wer - den koͤnnen. Ja es folget auch, daß das Recht des Koͤnigs in Geſetzmaͤßigen Reichen ſich lediglich aus den Grund - geſetzen beſtimmen laſſe.

§. 1005.720III. Theil 2. Abth. 2. Hauptſtuͤck.
§. 1005.
Vom Wahl - reiche und Zwi - ſchenrei - che.

Man nennet es ein Wahlreich (regnum electivum), wenn das Volck in Ermanglung eines Koͤniges entweder den Nachfolger ſelbſt erwaͤhlet, oder wenigſtens das Wahlrecht an - dern anvertrauet hat. Jſt ein Koͤnig ge - ſtorben, ſo iſt vor ſich offenbar, daß die Herrſchaft wieder auf das Volck zu - ruͤcke falle, und es derowegen auf deſ - ſen Willen ankomme, ob es einen neuen Koͤnig erwaͤhlen, oder aber ei - ne andere Verfaßung der Republick einfuͤhren wolle. Der Zuſtand einer Re - publick, worin der koͤnigliche Thron ledig iſt, heiſſet ein Zwiſchenreich (interregnum); und in dieſem kann das Volck die Herr - ſchaft entweder ſelbſt, oder durch ei - nen andern, oder durch mehrere ver - walten, folglich Reichsverweſer (vica - rios regni) beſtellen, deren Recht nach den Grundgeſetzen abgemeſſen werden muß (§. 984.): Und dies alles hebet ſo gleich an, als das Recht des Koͤnigs erloſchen iſt.

§. 1006.
Von der Wahl ei - nes Koͤ - niges.

Urſpruͤnglich hat das Volck das Recht die Herrſchaft auf jemand zu bringen (§. 982.): Folglich kann ſich entweder das gantze Volck das Recht einen Koͤnig zu er - waͤhlen vorbehalten, oder es kann ſol - ches ſchlechthin andern uͤbergeben, oder endlich kann es gewiſſe Wahlgeſetza[u][f][r][i]721Von den verſchiedenen Arten der Republick. aufrichten (§. 984.), wohin die Wahlsfaͤ - higkeit, desgleichen die Zeit und Art der Wahl gerechnet werden moͤgen. Wenn es nun eine rechtmaͤßige Wahl (electio legitima) heiſ - ſet, welche nach den Wahlgeſetzen befolget worden; und hingegen eine unrechtmaͤßi - ge (illegitima), welche einem ſolchen Geſetze zuwider iſt; das Recht der erwaͤhlten aber nach den Grundgeſetzen erwogen werden muß; ſo hat das Volck keine Verbindlichkeit, einen unrechtmaͤßiger Weiſe erwaͤhl - ten Koͤnig zu erkennen.

§. 1007.

Da die gemeine Wohlfahrt das hoͤchſte Ge -Von dem Rechte u. der Ver - bindlich - keit eines erwaͤhl - ten Koͤ - niges. ſetz iſt (§. 976.); ſo lieget einem erwaͤhl - ten Koͤnige ob zu verſprechen, daß er die Herrſchaft dieſem gemaͤß fuͤhren, und, wenn das Volck verlanget, daß ſolches nach Grundgeſetzen geſchehen ſoll (§. 984.), dafern ihm gewiſſe Geſetze vorgeſchrie - ben worden, dieſen zu folge verwalten wolle. Zwiſchen dem erwaͤhlten Koͤnige und dem Volck befindet ſich ein Vertrag, wodurch ſich jener zur Verwaltung der Herrſchaft ver - bindlich macht, dieſes aber ihm das Recht ſolche auszuuͤben uͤberlaͤßt (§. 438.); dar - aus flieſſet aber, daß der Koͤnig ohne Beyſtimmung des Volckes nicht abdau - cken, und das Volck den Koͤnig nicht abſetzen koͤnne (§. 100.). Weil aber ein Vertrag, dem man ein verluſtigmachendes Geſetz beygefuͤget hat, alſobald aufgehobenNat. u. Voͤlckerrecht. Z zwird,722III. Theil 2. Abth. 2. Hauptſtuͤck. wird, als die aufhebende Bedingung, welche darin ſteckt, vorhanden iſt (§. 609.); ſo fol - get, wenn man dem Koͤnige die Herr - ſchaft unter einem verluſtigmachenden Geſetze uͤbergiebet, vermoͤge welches er das Reich verlieren ſolle, wenn er dies oder jenes gethan oder nicht ge - than haben wuͤrde, daß er das Reich wuͤrcklich verlieren muͤſſe, wenn er daſſelbe gethan oder nicht gethan hat.

§. 1008.
Vom Folgerei - che.

Ein Folgereich (regnum ſucceſſorium) heiſſet, wenn jemand nach einem gewiſſen Ge - ſetze an die Stelle des nicht mehr verhande - nen Koͤniges kommt. Ein Folgegeſetz (lex ſucceſſionis) iſt dasjenige, worinnen die re - gierungsfaͤhigen Perſonen und die Art der Folge beſtimmet werden; welches bey der Uebertragung der Herrſchaft an den erſten Koͤnig mit Genehmhaltung des Volckes, oder derer, welche das Recht des Volckes haben, gemacht werden muß (§. 984.). Sind einige hieher ge - hoͤrige Dinge darin uͤbergangen wor - den, weil das Volck ſolche als vor ſich be - kannt zum voraus geſetzet hat, ſo gehet es mit der Folge nach der Gewohnheit benachbarter Voͤlcker, welche es ſtillſchwei - gend gut geheiſſen zu haben geglaubet wird. Letztens weil die Folgereiche in der Abſicht eingefuͤhret werden, daß der Nachfolger ge -wiß723Von den verſchiedenen Arten der Republick. wiß ſeyn moͤge, damit alle Unruhen, welche ſich leichtlich bey einer Wahl hervor zu thun pflegen, vermieden wuͤrden: ſo hat das Volck in einem zweifelhaften Falle die Vermuthung vor ſich, daß es dasjeni - ge gewollt habe, was die Nachfolge gewiß machet.

§. 1009.

Jn einem eigenthuͤmlichen ReicheVon der Folge in einem ei - genthuͤm - lichen Reiche. kann der zeitige Koͤnig uͤber die Herrſchaft ſelbſt die Einrichtung machen (§. 986.); und daher kann er ſich zu ſeinem Nachfol - ger erwaͤhlen, wen er nur will, es mag ein Anverwandter, oder kein An - verwandter, oder gar ein Auslaͤnder ſeyn, ja er kann ſeinen Printzen ſelbſt enterben, daß er ihm nicht folgen darf. Und da ein eigenthuͤmliches Reich entweder vollkommen eigenthuͤmlich iſt, wenn der Koͤnig die Herrſchaft voͤllig eigenthuͤmlich hat, oder unvollkommen eigenthuͤmlich, wenn der Koͤnig allein das Recht beſitzet, die Herrſchaft nach Gefallen auf einen andern zu bringen; ſo iſt offenbar, daß der Koͤnig in einem vollkommen eigenthuͤmlichen Reiche die Herrſchaft nicht nur in Ab - ſicht auf die Rechte (§. 983.), ſondern auch in Abſicht auf Land und Leute vertheilen koͤnne (in partes potentiales & ſubjectivas).

§. 1010.

Naͤmlich die Herrſchaft uͤber die Perſonen,Von der TheilungZ z 2welche724III. Theil 2. Abth. 2. Hauptſtuͤck. der Herr - ſchaft in Land und Leute.welche einen gewiſſen Theil des Gebietes be - wohnen, nennet man ſubjectiviſche Thei - le einer Herrſchaft (partes ſubjectivas im - perii). Ein Gebiet aber (territorium) heiſſet ein Ort, woruͤber jemand die buͤrger - liche Herrſchaft zukommt: Und ſo iſt denn das Gebiete eines Staates der Landes - ſtrich, welchen ein Volck bewohnet, und wor - in es urſpruͤnglich ſeine Herrſchaft hat. Wenn nun die Vertheidigung ſeiner ſelbſt wider die aͤuſſerliche Gewalt zum Endzweck des Staats gehoͤret (§. 972.); ſo laͤßet ſich eigentlich zu reden eine Herrſchaft nicht in ſub - jectiviſche Theile zerſtuͤcken, und folglich iſt zu vermuthen, daß ein Volck nur unter der Bedingung die Herrſchaft an jemand verliehen habe, daß ſie nicht ſubjectiviſch vertheilet werden ſolle.

§. 1011.
Von der Beſchaf - fenheit der Erb - folge.

Die Art der Erbfolge (modus ſucce - dendi hæreditarius) beſtehet darin, wenn man auf eben die Art in einem Reiche folget, wie man in einer Erbſchaft ohne Teſtament zu fol - gen pflegt, nemlich in derjenigen, welche bey dem Volcke zu der Zeit, als es die Herrſchaft dem erſten Koͤnige auftrug, angenommen war (§. 810.). Weil nun nur ein eintziger in einem Reiche folgen kann (§. 1010.); ſo fol - get, wenn bey Ableben eines Koͤniges mehrere Erben da ſeyn ſolten, und man haͤtte keinen innern Grund der Wahl, daß der aͤltere dem juͤngern vorgezogenwerden725Von den verſchiedenen Arten der Republick. werden muͤße, als welcher ſich ſein Folge - recht durch die Geburt zuwege gebracht hat (§. 828.). Und daferne das Volck es nicht ausdruͤcklich genehmiget hat, daß die Weiber zur Regierung gelaſſen, oder doch nicht eher regierungsfaͤhig ſeyn ſollen, als wenn der Manns - ſtamm voͤllig erloſchen iſt; ſo werden im erſten Fall die Weiber gantz uͤber - gangen, im letzten Falle aber folgt des letzten Koͤniges Printzeßin, oder naͤchſte Blutsverwandtin (§. 1008.). Jngleichen, wenn bey der Folge in den Guͤtern das Vorſtellungsrecht (jus re - præſentationis) ſtatt hat, ſo muß es auch bey der Reichsfolge gelten.

§. 1012.

Koͤnigliche Handlungen eines Koͤni -Von den oͤffentli - chen und beſon - dern koͤ - niglichen Hand - lungen und Guͤ - thern. ges (actus regis regii) ſind diejenigen, wel - che zur Ausuͤbung der Herrſchaft gehoͤren; beſondere (privati) aber ſind, welche dazu nicht gehoͤren. Ein Koͤnig muß demnach in Abſicht auf Privathandlungen auch als eine Privatperſon betrachtet wer - den, und kann er hier kein anderes als das Recht eines Privatmannes ge - nieſſen. Eben alſo ſind die Koͤniglichen, oder oͤffentlichen Guͤther des Koͤniges (bona regis regia, ſ. publica) diejenigen, de - ren Gebrauch zur Verwaltung der Herrſchaft und beſtaͤndigen koͤniglichen Anſehen gewid - met iſt. Hingegen nennet man die beſon -Z z 3dern726III. Theil 2. Abth. 2. Hauptſtuͤck. dern und eigenen Guͤther des Koͤniges (bona regis privata, ſ. propria), welche zu ſeinem beſondern Gebrauch ausgeſetzt, oder auf irgend eine Art von ihm ſelbſt angeſchaf - fet worden ſind. Daher laſſen ſich die be - ſondern und oͤffentlichen Guͤther des Koͤniges nicht in eine Maſſe bringen, und folglich gehoͤren die koͤniglichen kei - nesweges zu ſeiner Erbſchaft (§. 916.). Ob alſo gleich ein Reich erbfolgsweiſe erhal - ten wird (§. 1011.); ſo folget doch der - jenige, welcher im Reiche folget, des - wegen nicht auch in den beſondern Guͤ - thern des Koͤniges, und wenn er ſich von der Erbſchaft loßſaget, ſo kann er im Reiche folgen, und iſt nicht ver - pflichtet die Privatſchulden ſeines Vor - fahren in der Regierung zu bezahlen.

§. 1013.
Von der Folge nach den Linien.

Eine Folge nach der Linie (ſucceſſio linealis) iſt, in welcher das Reich ununter - brochen in gerader Linie von einem auf den andern kommt, und man zu keiner naͤhern - bergehet, bis jene gantz erloſchen iſt. So werden denn in der Folge nach der Linie die Todten als Lebendige ange - ſehen, und durch ſie wird das Reich auf den gebracht, der noch lebet, und gehet es in eben der Linie immer von dem Zeugenden auf den Gezeugten: Wenn aber auf eine andere Linie uͤber - gegangen werden ſoll, ſo kommt esvon727Von den verſchiedenen Arten der Republick. von der letzten Perſon in der regieren - den Linie auf die erſte in der zunaͤchſt damit verbundenen. Man nennet aber eine Folge nach der Schwerdmagenli - nie (ſucceſſio linealis agnatica), wenn die Weiber auf ewig von der Nachfolge aus - geſchloſſen ſind; hingegen heiſſet es die Fol - ge nach der Blutsfreundſchaftslinie (ſucceſſio linealis cognatica), wenn die Wei - ber eben ſo wohl als die Mannsperſonen das Nachfolgungsrecht haben, oder wenn in Er - manglung eines maͤnnlichen Nachfolgers eine Weibesperſon folget, ſo dem letzten Koͤnige am naͤchſten iſt. Es muß aber wie vorher (§. 1011.) die aͤltere der juͤngeren vor - gezogen werden. Wenn uͤbrigens die Folgereiche deswegen eingefuͤhret worden ſind, daß man ſich des Nachfolgers halber verſi - chern koͤnne (§. 1008.); ſo folget, daß wenn in Ermangelung der Folge der Schwerdtmagenlinie die Blutsfreund - ſchaftslinie dafuͤr angenommen wird, das Reich auf die Printzeßin des letz - ten Koͤniges und deren maͤnnliche Kinder, oder auf eine anderweitige naͤchſte Blutsfreundin und auf deren Printzen fallen muͤſſe.

§. 1014.

Es haͤnget von dem freyen Willen desVon an - dern Ar - ten der Folge. Volcks, welches eine Herrſchaft auftraͤgt, ab, welche Art der Reichsfolge es belieben will (§. 982.); daher ſind auch in einem ReicheZ z 4ſo728III. Theil 2. Abth. 2. Hauptſtuͤck. ſo viele Arten der Nachfolge moͤglich, als ſich nur immer dencken laſſen, und die wird als geltend betrachtet, welche das Volck bey der Aufrichtung eines Reiches erwaͤhlet hat. Es iſt aber gar nicht noͤthig, daß davon ins beſondere noch mehr geſaget werde.

§. 1015.
Woher man das Folge - recht in einem Folge - reich ha - be.

Weil jemand in einem Folgereiche deswe - gen folget, weil das Volck gewolt hat, daß jemand auf die Art nachfolgen ſoll; ſo hat der Nachfolger ſein Recht nicht von dem, dem er folget, ſondern von dem Willen des Volcks, oder von dem, der es zu erſt erworben hat. Und iſt das Folgerecht durch Vorſehung der Vor - fahren erworben worden (§. 831.); es gilt auch von der Verzicht auf daſſel - be und von dem Ausſchlagen deſſelben, was anderswo (§ 830.) von dem Rech - te, was man vor ſich an andere uͤber - laſſen kann, gezeiget werden.

§. 1016.
Von dem Rechte eine Stꝛeitig - keit we - gen der Nachfol - ge zu entſchei - den.

Weil man zum Folgerecht in einem Reich ohne den Willen des gegenwaͤrtigen Koͤniges dazu noͤthig zu haben gelanget (§. 1015.), und das Volck, nachdem es die Herrſchaft dem erſten Koͤnige unter einem gewiſſen Folge - geſetz uͤbertragen hat, darin nicht das ge - ringſte eigenmaͤchtig veraͤndern kann, wenn diejenigen nicht dazu ſtimmen, welchen da -durch729Von den verſchiedenen Arten der Republick. durch ein gewiſſes Recht zugewachſen iſt (§. 100.); ſo kann weder der Koͤnig noch das Volck die Streitigkeiten wegen des Folgerechts in ſeiner Ordnung ſchlichten. Weil doch aber das Volck an - faͤnglich vermoͤgend iſt die Herrſchaft mit der Bedingung zu uͤbergeben, die ihm gefaͤllt (§. 982.); ſo hat es ſo wohl dem erſten Koͤ - nige das Recht die Streitigkeiten uͤber das Folgerecht ertheilen, als auch ſich ſolches ſelbſt vorbehalten koͤnnen.

Das dritte Hauptſtuͤck.

Von der Einrichtung einer Re - publick.

§. 1017.

Die Einrichtung einer RepublickWas die Einrich - tung ei - ner Re - publick ſey. iſt die Beſtimmung der Art, wie der Endzweck eines Staats erhalten wer - den ſoll. Damit nun die Rechte, welche in der buͤrgerlichen Herrſchaft liegen, erkannt, und ſo wohl die Pflichten der Herrſchenden, als auch der Unterthanen offenbar, und die Rech - te aller und jeder verſtanden werden moͤgen; ſo muß von der Einrichtung einer Republick an gegenwaͤrtigem Orte gehandelt werden (§. 978.).

§. 1018.

Weil in einem Staate der Endzweck deſ -Von der Zahl der Buͤrger. ſelben mit zuſammengeſetzten Kraͤften erhal -Z z 5ten730III. Theil 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck. ten werden muß (§. 972.); ſo muß die Zahl der Buͤrger ſo groß ſeyn, als zur Be - foͤrderung des gemeinſamen Beſtens in einem Staat und zur Vertheidigung wieder die feindlichen Anfaͤlle hinrei - chend iſt, dabey aber muͤſſen ſie auch von der Beſchaffenheit ſeyn, daß ſie ſich zu dieſer und jener beſondern Ab - ſicht geſchickt befinden: folglich muß die Zahl wie uͤberhaupt, alſo auch in einer jeden Lebensart, nicht groͤſſer und nicht kleiner ſeyn, als erfordert wird eine gehoͤrige Menge dererjeni - gen Dinge anzuſchaffen, welche zur Nothdurft, zur Gemaͤchlichkeit und zum Vergnuͤgen des Lebens gehoͤren.

§. 1019.
Von den Abzuge aus ei - nem Staate.

Aus dem vorigen ergiebet ſich, daß denen - jenigen erlaubt ſey aus einem Staate zu ziehen, deren Dienſt die Republick bey der Befoͤrderung der gemeinen Wohlfahrt und der Vertheidigung ihres Staates gar wohl entrathen kann: indem aber doch der Oberherr davon am beſten urtheilen kann (§. 996.), ſo iſt niemand vergoͤnnet einen Staat ohne Einwilligung des Oberherrn, ſie mag nun ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend ſeyn, zu verlaſſen. Derowegen weil der Republick daran gelegen iſt, daß nicht die reichen oder ſehr bemittelten Perſonen, oder diejenigen, welche der Republickin731Von der Einrichtung einer Republickin einer gewiſſen Lebensart vortref - liche Dienſte leiſten koͤnnen, oder auch diejenigen, derer man zur Vertheidi - gung in der Republick benoͤthiget iſt, wegziehen; ſo iſt der Oberherr ſolches zu verſtatten nicht verbunden. Aus eben dieſer Urſache iſt es nicht erlaubt hauffen weiſe wegzugehen, es muͤſte ſich dann ein ſolcher Mangel derer Dinge hervor thun, daß man ſo gar vor die aͤuſſerſte Lebensnothdurft der Entweichenden nicht ſorgen koͤnnte (§. 442.). Derjenige, ſo ſich aus einem Staate begiebet, wird nunmehro, da er aufhoͤret ein Buͤrger zu ſeyn, ein Frem - der (§. 974.), und der Staat hat ferner - hin kein Recht uͤber ihn (§. 975.).

§. 1020.

Hieraus folget noch weiter, daß es aufVon der Aufnah - me der Frem - den. den Willen des Oberherrn ankomme, ob und unter welcher Bedingung er fremde aufnehmen, ob er ſie den Buͤr - gern gleich machen, ob er ihnen nicht alle Rechte der Buͤrger verleyhen, oder ob er ihnen nicht wenigſtens erlauben wolle, daß ſie in ſeinem Lande woh - nen, und ihre Geſchaͤfte treiben koͤn - nen, und ob er ſie als Einwohner an - nehmen wolle. Man nennet aber Ein - heimiſche (indigenas), welche von Buͤr - gern in dem Lande, worin ſie wohnen, geboh - ren ſind; Ankoͤmmlinge (advenas) hinge -gen,732III. Theil 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck. gen, welche anders woher in ein Land kom - men, oder die von Ankoͤmmlingen gebohren ſind. Das Buͤrgerrecht oder auch das Recht der Einheimiſchen (ius civitatis vel indigenatus) nennet man das Recht, ſo die Buͤrger genieſſen. Es giebt aber auch An - koͤmmlinge auf eine Zeit (advenas tem - porarios), welche anders woher zu uns kom - men, nicht zwar in der Abſicht, daß ſie be - ſtaͤndig bey uns bleiben, ſondern daß ſie nur eine zeitlang bey uns verweilen wollen: weil nun dieſe weder unter die Buͤrger noch unter die Einwohner gezaͤhlet werden koͤnnen (§. 974.), ſo ſind auch die Kin - der, welche von ihnen bey uns geboh - ren worden, weder unſre Buͤrger, noch Einwohner. Denn das Recht der Einheimiſchen und der Einwohner kann auf andere uͤbergehen (§. 821.), weil ſonſt ein Staat nicht koͤnnte erhalten werden.

§. 1021.
Von dem, was das Leben gehoͤrig zu unter - halten erfordert wird.

Auf daß alles was zum Leben erfordert wird hinlaͤnglich da ſey, ſo iſt noͤthig, daß die Wercke des Fleiſſes und der Kunſt ſo ſehr vervielfaͤltiget werden, als es moͤglich iſt, damit nicht diejenigen muͤſſig gehen duͤrffen, welche Kraͤfte zum Arbeiten haben, und es denen nicht an Arbeit fehle, die Arbeiten wollen, daß dergeſtalt ein jeder durch ſeinen Fleiß und Arbeit ſo viel vor ſich bringe, als erforderlich iſt, wo nichtnuͤtz -733Von der Einrichtung einer Republick. nuͤtzliche und zum Vergnuͤgen gehoͤ - rige, doch nothwendige Dinge anzu - ſchaffen (§. 972.); dieſem zu folge muß der Werth der Dinge und der Arbeit beſtimmet, und dafuͤr beſtens geſorget werden, daß nicht die Unterthanen in Armuth und Mangel, oder gar an Bettelſtab gerathen. Und eben deßwe - gen muß man nicht geſtatten, daß Theurung gemachet werde, ja ſo viel als es ſich thun laſſen will, muß man den Unterthanen Erleichterung ſchaf - fen, daß die Theurung ihnen nicht zur Laſt falle. Weil auch der Holtzgebrauch ungemein groß und gantz unentbehrlich iſt; ſo muß man ſorgen, daß es nicht an hinlaͤnglichen Holtzvorrath fehle, und daferne es rar werden ſollte, ſo muß man die Unterthanen zum raͤthligen Gebrauch deſſelben anhalten. Wenn ferner die Pracht in einer ſehr koſtbaren Be - ſorgung der Speiſe, des Tranckes, der Klei - dung und anderer Sachen beſtehet (§. 509.), dadurch, wie bekannt iſt, die Guͤther ver - ſchwendet werden; ſo muß man den allzu - groſſen Pracht, welcher die Buͤrger arm und zu Bettlern macht, nicht leiden. Aus eben dieſer Urſach iſt die Bosheit der Wucherer nicht zu geſtatten (§. 649.), gleich wie auch die Spiele, wodurch das Vermoͤgen verſchleudert wird, und folglich auch die Spieler, welche dasSpiel734III. Theil. 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck. Spiel zu ihrem Gewerbe machen, nicht minder die Loterien und Gluͤckstoͤpfe, es ſey denn das gemeinen Beſtens we - gen, welchem man auf andere Art nicht auf helffen koͤnnte (§. 46.), nicht zu dul - den ſind (§. 673. 674.).

§. 1022.
Dis wird fer - ner in Abſicht auf die Armen und Bett - ler erwo - gen.

Das Leben gehoͤrig hinzubringen, wird auch erfordert, daß man vor die Duͤrfti - ge und Bettler beſorge, was zur Noth - durft des Lebens noͤthig iſt, und, da - mit die Unterthanen nicht gar zu ſehr mit Allmoſengeben beſchwehret werden, iſt in ſorgfaͤltige Betrachtung zu ziehen, was das Naturgeſetz von den Allmo - ſen feſte ſetzt (§. 488. ſeqq.). Daher ſind Zuchthaͤuſer aufzubauen, worinn dieje - nigen zur Arbeit angehalten werden muͤſſen, welche, ob ſie gleich Arbeiten koͤnnten, doch lieber betteln wollen; ingleichen Armen - haͤuſer, worinn man die duͤrftigen ernaͤhret, die ſich durch Arbeiten das nicht zu erwerben im Stande ſind, was ſie zur Lebensnothdurft gebrauchen, und keine Anverwandten oder Freunde haben, welche ſich ihrer Beduͤrf - niſſe annehmen koͤnnten; noch ferner Kran - ckenhaͤuſer, worinn krancke Arme theils er - naͤhret, theils geheilet werden; So auch Way - ſenhaͤuſer, worinn man arme Wayſen er - ziehet; endlich Armenſchulen, in welchen man die Kinder armer Eltern umſonſt in dem -jeni -735Von der Einrichtung einer Republick. jenigen unterrichtet, was ihnen zu wiſſen noͤ - thig und nuͤtzlich iſt.

§. 1023.

Ja weil man auf alle Art vorzubauen hat,Von der Sorge des Ober - herrn in Abſicht auf die Vor - mund - ſchaft. daß die Unterthanen nicht arm werden (§. 1021.); ſo muß auch der Oberherr ſor - gen, daß die unmuͤndigen Vormuͤnder bekommen, die fuͤr ihre Erziehung eifrig bemuͤhet ſind, und ihre Guͤther treulich verwalten (§. 898. u. f. 972.); folglich muͤſſen die im Teſtament beſtell - te und rechtmaͤßige nach vorlaͤuffiger Unterſuchung beſtaͤtiget werden, ehe ſie ſich der Verwaltung unterziehen; damit aber theils die unfaͤhigen zuruͤck gehal - ten, theils auch der Vormundſchaft recht vor - geſtanden werden moͤge, ſo muß gewiſſen Perſonen unter oͤffentlichen Anſehen alle Beſorgung der Vormundſchaften anbefohlen ſeyn.

§. 1924.

Da die Gluͤckſeligkeit der Stand eines dau -Von der Sorge eines Ober - herrn fuͤr der Un - tertha - nen Gluͤckſe - ligkeit und Re - ligion. erhaften Vergnuͤgens und der Freude iſt (§. 118.), das Vergnuͤgen durch das Gefuͤhl einer Vollkommenheit und durch die Beobach - tung des Naturgeſetzes zu wege gebracht und erhalten wird (§. 43. 44. ); ſo erfordert es die Gluͤckſeligkeit, daß man in einer Republick denenjenigen, welche ge - neigt ſind, dem natuͤrlichen Geſetze nachzuleben, zu ſtatten komme, und ſie andere in dieſer Bemuͤhung nichtſtoͤren736III. Theil 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck. ſtoͤren laſſe, die uͤbrigen aber muß man mit Gewalt antreiben, daß ſie wenig - ſtens ihre aͤuſſerliche Handlungen nach dem Geſetze der Natur einrichten. Daher muß ein Oberherr darauf ſehen, daß die Unterthanen ſich beſtreben de - nen Pflichten gegen ſich ſelbſt, gegen andere und gegen GOtt ein Genuͤgen zu leiſten (§. 57.) und folglich daß ſie von dem und jenem, was ihnen in ihrer Lebens - art zu wiſſen noͤthig und nuͤtzlich iſt, ohne ſchwehre Unkoſten oͤffentlichen Unterricht bekommen. Hieraus iſt klar, daß man in einer Republick Schulen aufrichten muͤſſe, in welcher unter oͤffent - lichen Anſehen Kinder, Knaben und Juͤng - linge in dem, was ſie zu lernen haben, Un - terricht empfangen; man muß in denſel - ben Schulmeiſter und Lehrer beſtellen, welche dasjenige wohl verſtehen, was ſie vortragen ſollen, auch die Gabe zu Lehren beſitzen, allen Fleiß im Unter - richten anwenden, und ſich bey den Lernenden durch gute Sitten beliebt machen; Man muß auch Academien oder Geſellſchaften der Wiſſenſchaften, woriun die Wiſſenſchaften und Kuͤnſte von tuͤchtigen Perſonen vollkommner gemacht, und mit neuen Erfindungen bereichert werden, ſtifften; wie auch Academien der Kuͤnſte, worinnen man Kuͤnſtler in einer Kunſt, die ſie treiben ſollen, als vortrefliche Baumeiſter,Mahler,737Von der Einrichtung einer Republick. Mahler, Tonkuͤnſtler, erziehet. Damit aber die Unterthanen von GOtt und ſeinem Wil - len, von der Tugend und Laſtern und von dem Gottesdienſte belehret, zur Tugend er - muntert, und von den Laſtern zuruͤck gezogen werden moͤgen, ſo lieget einem Oberherrn auch die Sorge fuͤr den aͤuſſerlichen Gottes - dienſt ob (§. 179.), daß naͤmlich Kirchen, in welchen man des Gotresdienſtes wegen Zu - ſammenkuͤnfte haͤlt, aufgebauet, Feſttage, welche dem Gottesdienſte gewidmet, beſtim - met, und oͤffentliche Lehrer ſo uͤber den Gottesdienſt geſetzt ſind, und dasjenige leh - ren, was in gottesdienſtlichen Zuſammen - kuͤnften zu lehren iſt, beſtellet werden. Demnach erhellet gantz leicht, daß man es nicht dulden muͤſſe, daß der Gottes - dienſt oder die Religion, welches eine gewiſſe Art GOtt zu dienen iſt, in Verach - tung komme und allerley der Religion und guten Sitten zuwider lauffende Meinungen ausgeſtreuet werden.

§. 1025.

Heilige Sachen (res ſacras) nennet manVon hei - ligen Sachen. diejenigen, welche dem oͤffentlichen Gottes - dienſte gewidmet ſind. Daher ſind die Kir - chen heilige Oerter, und die Bilder in den Kirchen, welche die Eigenſchaf - ten und Wohlthaten GOttes, inglei - chen ausnehmende Muſter der Froͤm - migkeit wieder ins Gemuͤthe bringen ſollen, ſind heilige Sachen, weil ihr Ge -Nat. u. Voͤlckerrecht. A a abrauch738III. Theil 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck. brauch zum Gottesdienſte gehoͤret. Hingegen werden gemeine Sachen (res profanæ) ge - nennet, welche nicht heilig ſind. Und ein gemeiner Gebrauch (uſus profanus), wel - cher zum Gottesdienſt nicht gehoͤret. Eine heilige Sache aber wird gemein ge - macht, wenn ſie zu einem andern, als zu ei - nem heiligen Gebrauch angewendet wird. Selbſt aus den Erklaͤrungen iſt offenbar, daß die heiligen Sachen keinen andern als einen heiligen Gebrauch haben muͤſſen, und ſie, wenn man einen andern Ge - brauch aus ihnen machet, gemein ge - macht werden. Und da die Einwey - hung (conſecratio) eine Handlung iſt, wo - durch eine Sache zum oͤffentlichen Gottes - dienſte gewidmet wird; ſo iſt deutlich, daß die heiligen Sachen durch die Einwey - hung von allem gemeinen Gebrauch abgeſondert, und eintzig und allein zu einem heiligen Gebrauch gewidmer werden.

§. 1026.
Von der Kirche und den Kirchen - ſachen.

Die Kirche nennt man eine Verſamm - lung der Menſchen, welche GOtt auf einer - ley Art verehren, und folglich einerley Reli - gion ergeben ſind. Es heißt eine beſondere Kirche (particularis eccleſia), welche ſich an einem beſondern Orte, z. E. in einer Stadt, oder einem Theile derſelben, oder in einem Dorfe, befindet; gleichwie es die allgemei - ne (univerſa) heißt, welche auf den gantzenErd -739Von der Einrichtung einer Republick. Erdboden zerſtreuet iſt. Daher werden nun Kirchenſachen (res eccleſiaſticæ, vel ec - cleſiæ) genennet, welche zu einem gewiſſen Gebrauch der Kirche gehoͤren, ob ſie wohl nicht unmittelbar und ſchlechthin zum Gottesdienſt gewidmet ſind. Zuſammen genommen fuͤh - ren ſie den Titel der Kirchenguͤther, welche ſo wohl in coͤrperlichen, als uncoͤrperli - chen Sachen beſtehen koͤnnen (§. 121.). Weil ſo wohl die heiligen, als auch die gemeinen Sachen zum Gebrauch einer ge - wiſſen beſondern Kirche gewidmet werden (§. 1025. und gegenw. ); ſo gehoͤren beyde einer beſondern Kirche. Weil doch aber diejenigen, welche ietzt leben, eine Kirche nicht allein aus - machen, ſondern auch diejenigen mit dazu ge - rechnet werden muͤſſen, ſo nach dieſer ihrem Ableben an ihre Stellen kommen, doch ſo, daß ſie in der Gemeinſchaft einerley Religion verbleiben; ſo koͤnnen die ietzigen Glie - der der Kirche keine ſolche Einrich - tung mit den Kirchenguͤthern machen, welche der Kirche, wie ſie kuͤnftig ſeyn wird, zum Nachtheil gereichen koͤnnte.

§. 1027.

Die Vorſtellungen von Thaten gewiſſerVon Luſt - und Trauer - ſpielen. Perſonen, ſie moͤgen nun wirckliche oder er - dichtete ſeyn, welche einen erfreulichen Aus - gang haben, heiſſen Luſtſpiele (comœdiæ); haben ſie aber einen traurigen Ausgang, ſo heiſſen ſie Trauerſpiele (tragœdiæ): LaßA a a 2es740III. Theil 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck. es ſeyn, daß die Alten noch uͤberdem die Luſt - ſpiele von den Trauerſpielen durch die Be - ſchaffenheit der Perſonen, und durch die Um - ſtaͤnde des Gluͤcks und der Geſchaͤfte unter - ſchieden haben. Weil die Luſt - und Trauer - ſpiele denjenigen Nutzen gewaͤhren, welchen die Exempel ſo wir ſelbſt erlebt haben, geben; und dieſes zwar wegen der offenbaren Ver - bindung zwiſchen den Thaten und ihrem Aus - gange mit einem viel groͤſſern Nachdruck; und ſie folglich zur Ausuͤbung der Pflichten uͤberhaupt, und eines Buͤrgers inſonderheit, ein vieles beytragen: ſo ſind ſie, daferne ſie zu dieſem Endzweck geſchickt ſind, in einer Republick zu dulden; keines - weges aber alsdenn, wenn ſie denen Gemuͤthern eine Luſt zum Laſtern ein - floͤſſen koͤnten.

§. 1028.
Von der Sorg - falt eines Ober - herrn fuͤr die Gerech - tigkeit.

Wenn man nicht in Furcht ſchweben ſoll, daß man anderer Unrecht herhalten muͤſſe, welches allerdings der Endzweck einer Repu - blick erheiſchet (§. 972.), ſo iſt noͤthig, daß man einen ieden vor anderer Unrecht ſicher ſtelle, und folglich iſt es nicht zu geſtatten, daß iemand von einem andern beleidiget (§. 88.), oder betro - gen werde (§. 286.), vielmehr muß man Sorge tragen, daß jeder ſein Recht erhalte (§. 86.), alſo naͤmlich, daß er erlange, was ihm ein anderer ſchul - dig iſt (§. 80.), daß die zugefuͤgtenSchaͤ -741Von der Einrichtung einer Republick. Schaͤden verguͤtet (§. 170.), und die ſchuldigen des angethanen Unrechts halber geſtrafet werden (§. 93.). Weil die gewaltſame Verfolgung ſeines Rechtes der Krieg iſt (§. 98.); ſo kommt die Aus - uͤbung des Privatkrieges in der Repu - blick dem Oberherrn zu. Wenn es nun aber nicht moͤglich iſt, daß ein Oberherr dies alles ſelbſt befolge, Richter aber Perſonen ſind, welche ſorgen ſollen, daß ein ieder in der Republick ſein Recht erhalte, und die ei - nen ieden wider das Unrecht anderer verthei - gen; ſo muͤſſen in der Republick Rich - ter beſtellet werden. Hieraus ergiebt ſich, daß in einer Republick die Gerichte die Stellen der Privatkriege vertreten.

§. 1029.

Weil die Richter zu ſorgen haben, daß ie -Vom Rechte der Rich - ter. dermann zu ſeinem Rechte komme (§. 1028.); ſo muͤſſen ſie die Sachen, die vor Ge - richte gebracht werden, unterſuchen, ausſprechen wer Recht hat, und dem ſchuldigen auferlegen, daß er dem, der gewonnen, leiſte was er ſchuldig iſt; will er ſich nicht gutwillig dazu verſtehen, ſo haben ſie ſich der Zwangs - mittel zu bedienen. Dieweil nun die Richter gleichſam von dem Oberherrn geſetzte Schiedsmaͤnner ſind (§. 770.); ſo muß von den Richtern ebenfalls gelten, was wir von den Schiedsmaͤnnern in Abſicht auf die Art die Streitigkeiten zu endigen ge -A a a 3ſaget742III. Theil 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck. ſaget haben (§. 772. u. f.). Weil ihnen aber doch die Ausuͤbung des Privatkrieges, wel - cher von Natur einem ieden zukommt (§. 98.), aufgetragen iſt; ſo ſtehet die Erfuͤllung des Rechtes (expletio juris) (§. 793.), welche man naͤmlich die Vollſtreckung ei - nes Urtheils (executionem ſententiæ) nen - net und die Vollfuͤhrung der Strafen wegen des Privatunrechts, oder welches man eintzelen Perſonen zugefuͤget hat, denen Richtern zu. Da aber das Recht eines Privatkrieges niemand benommen iſt, ſon - dern nur durch die Richter ausgeuͤbet werden ſoll; ſo folget, daß der Privatkrieg, wenn man den Richter nicht haben kann, annoch erlaubet ſey, und man folglich die Vergoͤnſtigung habe, ſich wider den, der uns anfaͤllt (§. 90.), und ſeine Sa - chen wider einen Raͤuber, und das was man beſitzet, wider den, der ſie uns nehmen will, zu vertheidigen (§. 263. 265.).

§. 1030.
Von der Beſtra - fung oͤf - fentlicher Verbre - chen.

Dieweil die gantze Gemeinheit in einem Staate als eine moraliſche Perſon angeſehen wird (§. 972.); ſo wird der Republick ein Unrecht angethan, wenn etwas begangen wird, welches wider das Recht aller und ieder, z. E. wider die allgemeine Sicherheit laͤuft (§. 89.). Derowegen kommt allen und ieden, mithin auch dem Oberherrn (§. 996.), das Rechtzu743Von der Einrichtung einer Republick. zu denjenigen zu ſtrafen, welcher das allen zuſtehende Recht, als die oͤffent - liche Sicherheit, auf irgend eine Art verletzet hat. Eine boshafte Handlung, wodurch ein Schaden oder Unrecht zugefuͤget wird, heiſſet eine Uebelthat (maleficium): gleichwie eine ſolche aus Verſehen begangene That gleichſam eine Uebelthat (quaſi maleficium) genennet wird. Eine Uebelthat, wodurch man nur einem Privatmann Scha - den zufuͤgt, oder Unrecht thut, heiſſet ein Verbrechen (delictum); dahingegen die Uebelthat, wodurch der Republick geſchadet, oder Unrecht gethan wird, den Nahmen ei - ner Miſſethat (criminis) fuͤhret. Jenes nennt man auch Privatverbrechen (deli - cta privata), dieſe aber oͤffentliche (publi - ca delicta). Derowegen muß auch denen Richtern das Recht die oͤffentlichen Verbrechen, oder Miſſethaten zu be - ſtrafen verliehen werden.

§. 1031.

Jndem jemand mit einer Strafe ſeinesVon der Unterſu - chung. Verbrechens, oder Miſſethat halber beleget wird (§. 1030.); ſo kann niemand ge - ſtrafet werden, wenn nicht ſein Ver - brechen, oder Miſſethat genugſam be - wieſen iſt, oder er es freywillig geſtan - den hat. Und weil die annoch verborgenen Umſtaͤnde zur Linderung der Strafe etwas beytragen koͤnnen; ſo muß dem ſchuldi - gen, ehe er als uͤberwieſen und als ei -A a a 4ner744III. Theil 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck. ner der bekennet verdammet wird, ge - ſtattet werden, daß er, was er zu ſei - ner Entſchuldigung ſagen zu koͤnnen vermeinet, vorbringe; folglich iſt nie - mand vor ſeiner Vertheidigung zu ſtrafen, es ſey dann, daß er ſelbſt ein - geſtehe, daß er nichts zu ſeiner Ver - theidigung wiſſe. Weil der Republick daran gelegen iſt, daß die Verbrechen, ſon - derlich aber die Miſſethaten, nicht unbeſtraft hingehen (§. 93.); ſo muß man bemuͤhet ſeyn, wenn ſich eine Miſſethat nicht hinlaͤnglich beweiſen laͤßet, daß derje - nige, welcher ſich desfalls verdaͤchtig gemacht, beym Leugnen aber verhar - ret, zum Bekenntniß gebrachr werde; und folglich hat man ein Recht diejeni - gen Mittel zu gebrauchen, ohne wel - chen die Bekenntniß nicht zu erhalten iſt (§. 46.). Und darin beſteht die ſo ge - nannte Unterſuchung (inquiſitio); der aber, um deſſen oͤffentliches Verbrechens wil - len man die Unterſuchung anſtellet, heiſſet der Jnqviſite (inquiſitus).

§. 1032.
Von der Tortur.

Die Tortur (tortura) iſt eine Handlung, vermoͤge welcher der Koͤrper desjenigen, wel - cher ſich einer Miſſethat halber verdaͤchtig ge - machet hat, auf eine ſchmertzhafte und pein - liche Art angegriffen wird, daß er zum Ge - ſtaͤndniß derſelben gebracht werden ſolle. Die Schreckung aber (territio) beſtehet in Dro -hungen,745Von der Einrichtung einer Republick. hungen, daß jemand gemartert werden ſolle, welche einem Jnqviſiten in der Marterkam - mer, in Gegenwart des Scharfrichters, und mit Vorzeigung der Marterwerckzeuge, zuge - fuͤget werden. Jndem zwar viele, ob ſie wohl unſchuldig ſind, lieber ſterben, als die Tor - tur ausſtehen, wollen; ſo iſt die Tortur nicht geſchickt genug die Wahrheit zu erforſchen; und man hat auch wircklich Exempel, daß manche unſchuldige wegen der Grauſamkeit der Marter ein Bekenntniß ab - geleget, und darauf verdammet worden ſind. Unterdeſſen aber weil doch der Republick gar ſehr daran gelegen, daß keine Miſſethat un - beſtraft bleibe, als welches der oͤffentlichen Sicherheit ſchnur gerade entgegen ſtehet (§. 93.); ſo kann doch ein Jnqviſit, wenn er ſich einer ſchwehren Miſſethat ſehr verdaͤchtig gemacht hat, ſo daß zur voͤl - ligen Gewißheit faſt nichts als ſein eigen Ge - ſtaͤndniß fehlet, beſonders wenn er von ge - ſunden und ſtarcken Koͤrper, und ſeine Bosheit ſonſt ſchon bekannt genug iſt, gemartert werden. Der Reinigungseid, welcher einem einer Miſſethat verdaͤchtigen von dem Richter zuerkannt wird, heißt die geiſtliche Tortur (tortura ſpiritualis). Daß nun dieſe, wenn die Miſſethat entweder eine Lebens - oder Leibesſtra - fe, oder den Verluſt der Ehre nach ſich ziehet, kein hinlaͤnglich geſchicktes Mittel ſey die Wahrheit heraus zuA a a 5brin -746III. Theil 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck. bringen, iſt leicht zu erachten; indem nicht alle GOtt als einen Raͤcher fuͤrchten, andere aber glauben, daß ſie deswegen ſchon Verge - bung erhalten wuͤrden: daß ſie alſo lieber falſch ſchwoͤhren, als die Miſſethat bekennen wollen.

§. 1033.
Von der Geſan - genneh - mung und dem ſichern Geleite.

Nachdem die Miſſethaten nicht duͤrfen un - geſtraft bleiben (§. 1032.); ſo muß man ſich, wenn dergleichen begangen wor - den, bemuͤhen den ſchuldigen zu ent - decken, iſt er bereits bekannt, ſo muß man ihn ins Gefaͤngniß werfen, daß er nicht entwiſche, iſt er aber noch ver - borgen, oder iſt er fluͤchtig geworden, ſo muß man alles anwenden, daß man ihn ertappe. Und daraus folgt noch wei - ter, daß er ſo lange in Verhaft bleiben muͤſſe, bis er durch richterlichen Aus - ſpruch entweder losgeſprochen, oder verdammet wird. Dieweil er aber nur der Verwahrung wegen im Gefaͤngniß ſitzen ſoll; ſo hat man die Vollſtreckung der Strafe, ſonderlich wo es die Nothwendig - keit nicht anders befiehlet, nicht aufzuſchie - ben. Hieraus laͤſſet ſich zugleich verſtehen, daß man der Gefangennehmung ſich nicht bedienen muͤſſe, wenn man auch an einem abweſenden die Strafe voll - ziehen kann; und eben ſo klar iſt es, daß man einen der Flucht verdaͤchtigen Zeugen in Verwahrſam bringen koͤnne(§. 778.).747Von der Einrichtung einer Republick. (§. 778.). Ein Beſchuldigter (inculpa - tus) heiſſet derjenige, welcher eines Verbre - chens oder einer Miſſethat halber angeklagt wird. Solte nun ein Beſchuldigter, oder auch wohl ein ſchuldiger, als welchem man ebenfalls die Vertheidigung nicht verſa - gen kann (§. 1031.), aus Furcht vor dem Gefaͤngniß entwichen ſeyn, und dem Richter abweſend verſprechen, daß er ſich auf geſchehene Vorladung ieder - zeit vor Gerichte ſtellen, und ſeine Sa - che ausfuͤhren wolle, wenn man ihn nur verſichere, daß er nicht ſolle ein - geſtecket werden, welches man ein ſicher Geleite (ſalvum conductum) nennet; ſo muß der Richter ihm dieſes geben, doch, damit er hernach das Gericht nicht teuſchen koͤnne, dergeſtalt, daß er daruͤ - ber vorher die gehoͤrige Verſicherung leiſte, daß er allezeit vor Gericht er - ſcheinen wolle. Unterdeſſen wenn er durch das Urtheil des Richters ſollte zur Lebens - oder harter Leibesſtrafe verdammet, oder auf die Tortur ge - bracht werden, und es fiele alsdenn der Verdacht, daß er fluͤchtig worden wuͤrde, auf ihn, ſo hoͤret das ſichere Geleite auf; ja, ſollte er waͤhrender Unterſuchung eine Miſſethat begehen, welcherwe - gen man ihn gefangen nehmen koͤnnte, ſo muß man ihn, ohnerachtet desſichern748III. Theil 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck. ſichern Geleites, als welches dahin gar nicht gehoͤret, in Verhaft bringen.

§. 1034.
Von der Sorge des O - berherrn fuͤr die Geſund - heit der Unter - thanen.

Jn der Republick muß ein Menſch mit zu - ſammengeſetzten Kraͤften aller und ieder das zu erhalten ſuchen, wozu er vor ſich natuͤrli - cher Weiſe verbunden iſt (§. 972.). Was nun ein Oberherr darzu beytragen kann, daß die Geſundheit ſeiner Untertha - nen erhalten, und die verlohrne wie - derum hergeſtellet werden moͤge, dazu iſt er verbunden. Daraus entſtehet nun die Sorge fuͤr geſunde Speiſe und Tranck, fuͤr einen Vorrath der Artze - neyen, ingleichen daß es nicht an er - fahrnen Aertzten und Wundaͤrtzten fehle, und daß geſchickte Lehrer der heilſamen Kunſt beſtellet werden; fer - ner daß die Unterthanen es nicht noͤ - thig haben ihrer Geſundheit durch all - zuviele Arbeit zu ſchaden, und daß man denen, welche man in oͤffentliche Aemter ſetzet, hinlaͤnglichen Sold rei - che. Es gehoͤret auch hieher eine Sorg - falt wegen der Gemaͤchlichkeit und Sicherheit der oͤffentlichen Land - ſtraſſen.

§. 1035.
Von der Sorge fuͤr die Gebaͤu - de.

Aus eben der Urſache iſt klar (§. 116.), daß ein Oberherr Anſtalten vorkehren muͤße, daß man die Baumaterialien fuͤr einen billigen Preis bekommenkoͤnne,749Von der Einrichtung einer Republick. koͤnne, daß erfahrne Baumeiſter, Zim - merleute, Maͤurer und andere Hand - wercker vorhanden ſeyn, und zugleich daß dieſe es nicht an ihrer Schuldig - keit bey der Erbauung der Haͤuſer er - mangeln laſſen. Man rechnet auch hier - her die Sorge wegen der Feuersbruͤn - ſte, damit man ſolche beyzeiten loͤſche, und ihnen ſo viel als moͤglich vorbeu - ge. Und weil ſchoͤne oͤffentliche Gebaͤude ei - nem Staate ein Anſehen geben; ſo hat der Oberherr dafuͤr zu ſorgen, daß die Kir - chen, Rathhaͤuſer, Schul-academi - ſche und andere oͤffentliche Gebaͤude nicht nur feſt und nuͤtzlich, ſondern auch ſchoͤn aufgefuͤhret werden.

§. 1036.

Weil man fuͤr Geld theils Sachen, theilsVon der Sorge fuͤr die Muͤntze. anderer Arbeit, deren man benoͤthiget iſt, be - kommen kan (§. 494.); ſo hat der Ober - herr zu ſorgen, daß es nicht an hin - laͤnglicher Muͤntze, womit man Sa - chen und Arbeit erhalten kann, fehle. Und weil man die Betruͤgerey nicht geſtatten ſoll (§. 1028.); ſo muß er ſorgen, daß der innere Werth einer Muͤntze dem aͤuſſerlichen gemaͤß, oder daß die Muͤn - tze gut ſey; und eben deswegen liegt ihm ob, die Muͤntzverfaͤlſcher (monetæ adultera - tores), die entweder falſche Muͤntze ſchlagen, z. E. wenn ſie einen Zuſatz von ſchlechtern Me - tall, als es in oͤffentlichen Geſetzen vorge -ſchrieben750III. Theil 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck. ſchrieben iſt, nehmen, oder welche die Muͤntze durch abſchaben geringhaltiger machen, ernſt - lich zu beſtrafen, auch es nicht zu dul - den, daß die gute Muͤntze aus dem Lande geſchaffet, und dafuͤr von den Wechslern und andern ſchaͤndlichen Gewinſtes gierigen Leuten ſchlechte Muͤntze eingefuͤhret werde.

§. 1037.
Von den Laſten der Re - publick.

Alle Unkoſten, welche wegen Verwaltung der Republick muͤſſen aufgewendet werden, heiſſen Laſten der Republick (onera rei - publicæ). Da nun die Republick ohne La - ſten weder kan verwaltet noch vertheidiget werden; ſo muͤſſen alle und iede die La - ſten der Republick tragen (§. 972.), doch aber ſind ſie auch nicht weiter aufzulegen, als es die Verwaltung und Vertheidigung der Republick erfor - dert, und weil man die Buͤrger nicht an den Bettelſtab bringen muß, ſo muß auch ein ieder nur nach ſeinem Vermoͤgen dazu beytragen. Man nennet es aber or - dentliche Laſten, welche die beſtaͤndige Nothdurft erheiſchet; hingegen ſind es auſ - ſerordentliche, die einige ſich ereignende Faͤlle erfordern.

§. 1038.
Vom oͤffentli - chen Schatz.

Die oͤffentliche Schatzkammer (æra - rium publicum) iſt ein Ort, wo man das oͤffentliche Geld zuruͤcke leget. Es iſt offen - bar, daß die Republick einer oͤffentli -chen751Von der Einrichtung einer Republick. chen Schatzkammer (§. 1036.), und ſo viel baares Geldes benoͤthiget ſey, als die Verwaltung und Vertheidigung der Republick erfordert. Ja es muͤſ - ſen auch beſondere Geſellſchaften, auſ - ſer der Schatzkammer des gantzen Staates, ihre Schatzkammern haben, wo ſie die Gelder aufheben, welche von ihnen zum oͤf - fentlichen Gebrauch aufgebracht worden ſind.

§. 1039.

Von der oͤffentlichen Schatzkammer iſt dieVon der Rent - kammer. Rentkammer (fiſcus) unterſchieden, als welche das Behaͤltniß des eigenen Geldes des Koͤnigs oder des Regenten iſt. Was alſo des Koͤnigs eigenes iſt, oder zu ſeinem beſondern Nutzen beſtimmet worden, das liegt in der Rentkammer. Daher iſt die Einziehung der Guͤther (confi - ſcatio bonorum) diejenige Handlung, da man jemand zur Strafe alle Guͤther nimmt, und der Rentkammer zuſchlaͤgt. Daraus laͤßt ſich zugleich verſtehen, was man die Confiſcation einer beſondern Sache (confiſcationem rei particularis) nenne.

§. 1040.

Weil der Koͤnig ohne Aufwand weder ſichVon Kam - merguͤ - thern. und ſeine Familie erhalten, noch auch einen koͤniglichen Staat fuͤhren kann, er aber die Herrſchaft der Unterthanen halber ausuͤbet; ſo ſind die Unterthanen in einem Reich gehalten dem Koͤnige genugſame Ko - ſten darzureichen, damit er ſich undſeine752III. Theil 2. Abth. 3. Hauptſtuͤck. ſeine Familie und das Anſehen der koͤ - niglichen Wuͤrde erhalten koͤnne: Da - her muͤſſen dem Koͤnige gewiſſe Ein - kuͤnfte angewieſen werden, welche nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde zu vermehren ſind (§. 1038.). Die Landguͤ - ther, deren Einkommen zur Erhaltung des Regenten und ſeiner Familie gehoͤren, heiſ - ſen Kammerguͤther (domania), und die Einkuͤnfte davon machen ſeine eigene Guͤther aus (§. 1021.). Derowegen kann er uͤber dieſe Einkuͤnfte nach ſeinem Gefallen die Einrichtung machen (§. 195.); iedoch iſt er, als einer der nur die Nutzung davon hat, nicht befugt, ſolche zu verkaufen, oder zu verpfanden (§. 713.), ja, wenn ſie auch veraͤuſſert waͤren, kann ſie der Nachfolger wie - der einziehen, und es gilt auch hier, es mag ſo viel Zeit verfloſſen ſeyn, als es will, keine Verjaͤhrung (§. 451. 452.). Weil in einem vollkommen eigenthuͤmlichen Reiche alles, was der Herrſchaft wegen feſte geſetzet worden, ein Eigenthum des Koͤnigs iſt (§. 986.); ſo kann er auch darin ſeine Kammerguͤther veraͤuſſern oder ver - pfaͤnden (§. 257. 697.). Endlich wenn ein Koͤnig das Recht hat, um einer ieden neuen Urſache willen ohne irgend einer Einſchraͤnckung Auflagen anzu - kuͤndigen, ſo kann er ebenfalls ſeine Kammerguͤther verpfaͤnden; denn erhaͤtte753Von der Einrichtung einer Republick. haͤtte ja anſtatt des geliehenen Geldes Aufla - gen machen koͤnnen.

§. 1041.

Da man einem ieden ſeine verdiente EhreVon Titeln u. Rang. wiederfahren laſſen ſoll (§. 142.); ſo muß der Oberherr auch diejenigen aͤuſſerli - chen Handlungen beſtimmen, wodurch denen, welche ſich um die Republick wohl verdient gemacht haben, ihrer Verdienſte wegen, von denen uͤbrigen die gebuͤhrende Ehre erwieſen werden koͤnne. Hierzu ſind nun die Titel, wel - ches Woͤrter ſind, welche die Fuͤrtreflichkeit des einen fuͤr den andern andeuten, und der Rang geſchickt (§. 75.). Weil nun Ti - tel und Rang Zeichen der Verdienſte um die Republick ſeyn, und durch ſie die Buͤrger zu allerley ausnehmenden Verdienſten um die Republick verbunden werden ſollen (§. 35.); ſo muͤſſen weder Titel noch Rang ver - kaufet werden. Aus eben der Urſache muß man nicht leiden, daß jemand an - dere, ſonderlich diejenigen, welche durch buͤrgerliche Wuͤrden erhaben, oder gezieret ſind, beſchimpfe.

Nat. u. Voͤlckerrecht. B b bDas754III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck.

Das vierdte Hauptſtuͤck.

Von den Majeſtaͤtsrechten.

§. 1042.
Was zum Ma - jeſtaͤts - rechten gehoͤre.

Da man Majeſtaͤtsrechte nennet, welche zur hoͤchſten Herrſchaft und zu deren Ausuͤbung gehoͤren (§. 998.); ſo muͤſſen alle Rechte hieher gezogen werden, ohne welche ſich die oͤffentli - che Herrſchaft ſo nicht fuͤhren laͤßet, daß die oͤffentliche Wohlfahrt nach Vermoͤgen befoͤrdert werde (§. 980.); folglich kommt demjenigen, welcher die buͤrgerliche Herrſchaft ausuͤbet, das Recht zu, alles dasjenige feſt zu ſetzen, was ihm zur Erhaltung der oͤffentli - chen Wohlfahrt etwas beyzutragen ſcheinet.

§. 1043.
Die Ge - walt Ge - ſetze zu geben.

Weil eine iede Geſellſchaft, folglich auch ein Staat, ihre Geſetze haben muß, und ihr das Recht Geſetze zu geben zuſtehet (§. 846.); ſo iſt die Gewalt Geſetze zu geben, oder das Recht Geſetze zu errichten, denen Ma - jeſtaͤtsrechten zuzuzaͤhlen (§. 1042.). Derowegen weil ſich keine Geſetze ohne Verbindlichkeit gedencken laſſen (§. 39.); ſo muß man ihnen, wenn ſie nicht ſo be - ſchaffen ſind, daß ihnen nicht durch die Execution, das iſt, wenn man einen mit Gewalt antreibt das zu thun, was be -fohlen755Von den Majeſtaͤtsrechten. fohlen iſt (§. 1029.), Gnuͤge geleiſtet werden kann, ſolche und ſo groſſe Strafen anhaͤngen, welche der Ueber - tretung, ſo viel es ſich thun laͤſſet, zu ſteuren hinlaͤnglich ſind. Daraus laͤſſet ſich verſtehen, daß es noch keine Geſetze ſeyn, wenn der Oberherr nur anzei - get, was von den Unterthanen geſche - hen, oder nicht geſchehen ſolle, nicht aber hinzufuͤget, daß diejenigen, wel - che das Gegentheil thun wuͤrden, Strafe davon tragen, oder mit Ge - walt gezwungen werden ſollten: in - dem die Unterthanen durch eine ſolche Wil - lenseroͤfnung nur hoͤchſtens ihrer Pflicht er - innert werden. Zugleich aber laͤßt ſich leicht erkennen, daß die Grundgeſetze nicht der einem Regenten zukommenden Ge - walt Geſetze zu geben unterworfen ſeyn (§. 984.).

§. 1044.

Weil der Oberherr ſeinen Willen durch Ge -Das Recht Geſetze auszule - gen. ſetze kund macht, was die Unterthanen thun, oder nicht thun ſollen (§ 1043. 39. ); ſo kommt auch ihm das Recht die Geſe - tze auszulegen zu (§. 794.). Derowe - gen muß man in einem zweifelhaften Falle die Auslegung von ihm haben, welche die avthentiſche (avthentica) ge - nennet zu werden pfleget. Allein die Grund - geſetze kann er nicht auslegen.

B b b 2§. 1045.756III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck.
§. 1045.
Vom Rechte Geſetze abzu - ſchaffen und zu veraͤn - dern.

Ein Geſetz wird abgeſchaft, wenn kund gemacht wird, daß es die Unterthanen nicht mehr verbinden ſoll. Weil die Ver - bindlichkeit, welche ein menſchliches Geſetz hat, von dem Willen des Geſetzgebers abhan - get (§. 39.); ſo kann ein Oberherr, wel - cher ein Geſetz gegeben (§. 1042.), nach ſeinem Gefallen es auch wieder abſchaf - fen, folglich gehoͤrt das Recht Geſetze abzuſchaffen unter die Majeſtaͤtsrech - te (§. 1041.). Und weil Geſetze aͤndern eben ſo viel iſt als die alten aufheben, und andere an deren Stelle bringen; ſo lieget in dem Rechte Geſetze zu geben und abzuſchaf - fen auch das Recht Geſetze zu aͤndern. Hingegen weil die natuͤrliche Verbindlichkeit, welche von dem Naturgeſetze entſpringet (§. 39.), unveraͤnderlich iſt (§. 38.); ſo koͤn - nen die Naturgeſetze nicht abgeſchaffet werden.

§. 1046.
Von dem Beguͤn - ſtigungs - recht.

Die Beguͤnſtigung (diſpenſationem) nennet man eine in einem beſondern Falle gegoͤnnete Erlaubniß zu einer im Geſetz ver - bothenen Handlung. Daher weil beguͤnſtigen ſo viel iſt als ein Geſetz in einem beſondern Falle aufheben, oder iemand von der Ver - bindlichkeit dazu befreyen; ſo kann ein O - berherr bey den Geſetzen beguͤnſtigen, und folglich gehoͤret das Recht zu be - guͤnſtigen unter die Majeſtaͤtsrechte:wel -757Von den Majeſtaͤtsrechten. welches jedoch ſich auf das Naturgeſetz, wegen der Unveraͤnderlichkeit der natuͤrlichen Verbindlichkeit (§. 38.), nicht ausdehnen laͤſſet. Wenn demnach der Oberherr eines und das andere zulaſſen muß, was wider das Naturrecht ſtreitet, ſo laͤſſet er es nur ungeſtraft hingehen.

§. 1047.

Eine Freyheitbegnadigung (privile -Von dem Rechte eine Freyheit - begnadi - gung zu eꝛtheilen. gium) iſt eine Ertheilung eines Rechtes, es mag bejahend, oder verneinend, es mag einer, oder mehrern Perſonen, oder einer gewiſſen Ordnung von Leuten verliehen ſeyn, deſſen andere ermangeln muͤſſen. Jnſonderheit nennt man ein Familienprivilegium, welches ei - ner Perſon und allen ihren Abkoͤmmlingen ertheilet wird. Wer eine Freyheitbegnadi - gung hat, heißt ein Privilegirter (privile - giarius, privilegiatus). Weil durch die Er - theilung der Privilegien andere verbunden werden zu leiden, daß der Privilegiate ſeines Rechtes froh werde, und nichts thun duͤrfen, was demſelben zuwider iſt; ſo ſind die Pri - vilegien in der That Geſetze, folglich weil die Gewalt Geſetze zu geben dem Ober - herrn zugehoͤret (§. 1043.), und ihm auch das Recht zu beguͤnſtigen bey einem Geſetze zuſtehet (§. 1046.), welches bey Privilegien Platz findet; ſo gehoͤret das Recht Pri - vilegien zu ertheilen unter die Maje - ſtaͤtsrechte. Wenn aber die Privilegia nach Gutbefinden des Oberherrn gegeben wer -B b b 3den,758III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck. den, und es alſo auf ihn ankommt, wem, und unter welcher Bedingung, er Privilegia erſtatten will; ſo kann der Oberherr die Privilegien entweder auf eine Zeit, oder auf lebenslang, unter einer ge - wiſſen Beſchwerde, unter einer gewiſ - ſen Bedingung, ſonderlich die zu er - fuͤllen moͤglich iſt, oder auch umſonſt, ja unter einer gewiſſen Strafe, z. E. daß es bey einem Mißbrauch, oder bey einer gewiſſen That verlohren gehen ſolle, geben. Weil aber uͤbrigens die oͤf - fentliche Wohlfahrt das hoͤchſte Geſetz iſt in einem Staat (§. 976.); ſo muͤſſen die Freyheitsbegnadigungen auch nur um der oͤffentlichen Wohlfahrt willen ge - geben werden: Sollten ſie folglich zum Schaden der Republick, oder vieler Buͤrger, ausſchlagen, ſo kann ſie der Oberherr wiederum auf heben.

§. 1048.
Von dem Rechte zu ſtrafen und des Schwer - tes.

Da die Verbindlichkeit ihren Nachdruck von der Furcht der Strafen hat (§. 35. 93. ); ſo muͤſſen die den Geſetzen angehaͤng - te Strafen vollzogen werden. Derowe - gen da ſo wohl die Privat - als oͤffentlichen Verbrechen auch muͤſſen geſtrafet werden (§. 1029.); ſo gehoͤret das Recht zu ſtra - fen, und die Strafen zu beſtimmen zu den Majeſtaͤtsrechten. Weil nun die Strafen entweder Uebel des Gluͤcks, oder des Leibes ſind (§. 93.); ſo beſtehen ſie in derBerau -759Von den Majeſtaͤtsrechten. Beraubung deſſen was iemandes ei - gen iſt, und in einem verurſachten Leibesſchmertzen, folglich koͤnnen einem alle koͤrperliche Sachen, Geld, und al - le Arten der Rechte, und eben deswegen auch Privilegien, entweder auf ewig, oder auf eine gewiſſe Zeit zur Strafe genommen, der Verbrecher kann un - ehrlich gemacht, und an ſeinem Lei - be auf allerley Weiſe hart angegriffen werden: Ja weil die Ausuͤbung des Straf - rechtes in der That eine Vertheidigung wider diejenigen iſt, welche den Vorſatz zu beleidi - gen haben (§. 90. 93. ); ſo kann man ei - nem das Leben ſelbſt zur Strafe neh - men (§. 94.). Demnach ſind die Todes - ſtrafen vor ſich ſelbſt nicht unerlaubt, ja, wenn ſich die Miſſethaten nicht anders abwenden laſſen, ſind ſie er - laubt. Das Recht Lebensſtrafen an den Uebelthaͤtern zu vollſtrecken heißt das Recht des Schwerdtes, oder das Recht uͤber Leben und Tod, welches doch aber noch weiter gehet, in ſo fern es naͤmlich das Recht der Unterthanen Leben der Todesgefahr bloß zu ſtellen, wie im Kriege geſchiehet, mit un - ter ſich begreift.

§. 1049.

Weil die Wiedervergeltung eine Gleich -Ob man bey der Vollzie - hung der Strafen auf die heit der Rache iſt, da einer ſo viel Uebel lei - det, als er geſtiftet hat, und dieſe an ihr ſelbſt, als unerlaubt, in der Ausuͤbung desB b b 4Straf -760III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck. Wieder - vergel - tung zu ſehen ha - be.Strafrechtes, nicht in Betrachtung zu zie - hen iſt (§. 156.); ſo iſt auch bey der Be - ſtrafung der Privat - und oͤffentlichen Verbrechen nicht auf die Wiederver - geltung zu ſehen, ſondern man muß den Verbrecher zur Strafe bald mit ei - nem geringern Uebel, als er zugefuͤget hat, belegen, wie es der Endzweck der Strafe erfordert (§. 94.). Aus eben der Urſache iſt auch ein Uebel an ſich ſelbſt nicht alſo beſchaffen, daß es geſtraft werden muͤſte, und der Regent des Staats hat auch den Tod eines Uebel - thaͤters nicht zu ſeiner Abſicht, ſon - dern vielmehr die Beleidigung ſo wohl von einem ieden, als auch von der Re - publick, oder allen zuſammengenom - men abzuwenden.

§. 1050.
Was nicht ge - ſtraft werden koͤnne.

Weil die Menſchen von Natur kein Recht zu ſtrafen haben, auſſer nur wenn wircklich eine Beleidigung geſchehen iſt (§. 93.); ſo koͤnnen die innerlichen Handlungen, wenn ſie nicht aͤuſſerlich ausbrechen, nicht geſtrafet werden. Daher kann man auch der Jrrthuͤmer halber nie - mand beſtrafen, aber die Ausbreitung des Jrrthums iſt es, ſonderlich wenn man es verbothen hat, welche mit Strafe be - leget werden kann. Derowegen weil die Gottesverleugnung und der Deiſmus ebenfalls Jrrthuͤmer ſind, ſo ſind ſie derStrafe761Von den Majeſtaͤtsrechten. Strafe nicht unterworfen; aber die Ausbreitung der Atheiſterey, Deiſterey, und anderer der Religion zuwiderlau - fenden Jrrthuͤmer kann mit Strafe angeſehen werden. Weil es eben ſo viel als eine Strafe iſt, wenn iemand aus einem Staate weichen muß; ſo muß man nicht eher zu haͤrtern Strafen ſchreiten, als bis er entweder das Land nicht raͤu - men, oder von der Ausbreitung des Jrrthums nicht abſtehen will. Und die Verweiſung aus einem Staate iſt auch gewiß keine leichte Strafe, ſonderlich wo es einem ſchwer wird, anderswo ſein Gluͤck zu finden.

§. 1051.

Da man das Recht des Begraͤbniſſes derOb man jemand zur Stra - fe das Begraͤb - niß ver - ſagen koͤnne. Menſchheit ſchuldig iſt (§. 824.), und dieſes einem zur Strafe genommen werden kann (§. 1048.), und es uͤberdem ſich zum Strafen recht gut ſchicket, daß ihr Andencken erhal - ten werde, in ſo fern ſie zum Beyſpiel dienen ſollen (§. 93.); ſo kann man die Leich - name derer, die am Leben geſtraft worden ſind, gar wohl zur oͤffentli - chen Schau unbegraben liegen laſſen. Ja aus eben der Urſache wird denen Ver - aͤchtern der Religion, und denenjeni - gen, welche ſich ſelbſt, ohne daß eine Urſach, die ihnen nicht zuzurechnen waͤre, z. E. die Raſerey, Unſinnigkeit, oder Schwermuth, angefuͤhret werden koͤnte, das Leben genommen haben, zurB b b 5Strafe762III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck. Strafe das Begraͤbniß an einem ehr - lichen Orte verſagt.

§. 1052.
Ob La - ſter ge - ſtraft werden koͤnnen.

Weil ein Oberherr die groben Laſter, oder ſchaͤndliche Thaten (ſcelera, vitia fœda) in der Republick zu dulden nicht ſchul - dig iſt, ſonderlich wo zu beſorgen ſtehet, daß ſie immer mehr und mehr uͤberhand nehmen (§. 1024.), oder wenn ſie der oͤffentlichen Wohlfahrt einigermaſſen zuwiderlaufen (§. 976.); ſo kann er ſie, wie verbiethen, al - ſo auch beſtrafen, z. E. Hurerey, Ehe - bruch, widernatuͤrlichen Beyſchlaf, Gottes - laͤſterung, allzugroſſe Verſchwendung.

§. 1053.
Wie die Eltern in den Kin - dern ge - ſtrafet werden.

Wenn die Guͤther der Eltern einge - zogen werden, binnen der Zeit da die Kin - der an ihnen noch kein eigenthuͤmliches Recht haben, als welches ſie erſt nach je - ner ihrem Tode erhalten (§. 917. 921. ); ſo werden ſie wegen der That ihrer El - tern zwar nicht geſtraft (§. 1048.). Jn ſo ferne aber ihnen die Erbſchaft entzogen wird, auf welche ſie ſich Hofnung machen konten, ſo empfinden ſie in dieſer Ab - ſicht einiges Uebel. Dieweil aber die El - tern dafuͤr Sorge tragen ſollen, daß ihre Kin - der begluͤckt ſeyn moͤgen (§. 892.), wohin ſie auch die von Natur eingepflantzte Liebe leitet, welche ſelbſt bey dem Vieh anzutref - fen iſt; ſo ſchmertzet es ſie, daß die Kinder der Guͤther beraubet werden, welche ſie ſonſtnach763Von den Majeſtaͤtsrechten. nach ihrem Ableben bekommen haben wuͤrden. Und daher werden die Eltern durch das Einziehen der Guͤther in den Kindern geſtraft (§. 93.). Dieſes laͤßet ſich auf gleiche Weiſe verſtehen, wenn den Kin - dern wegen der Miſſethat der Eltern etwas genommen wird, was ſie haben, oder erwarten koͤnnen, worauf nicht ihnen ſelbſt, ſondern dem Volck, oder dem Koͤnige ein eigenthuͤmliches Recht zuſtehet, oder welches nicht zu ihrem, ſondern zu des Volckes, oder Koͤnigs Eigenthum gehoͤret. Dergleichen iſt der Adel, das Erbrecht auf gewiſſe buͤrgerliche Wuͤrden, eine buͤrgerliche Faͤhigkeit zu ge - wiſſen oͤffentlichen Aemtern, das Recht Rit - terguͤther zu beſitzen, und andere Privilegien, welche der Familie verliehen worden ſind, in - dem alle dieſe Dinge die Beſchaffenheit ha - ben, daß ſie dem Rechte des Oberherrn be - ſtaͤndig unterworfen bleiben, daß er daruͤber verfuͤgen kann, wie es die Wohlfahrt der Republick erfordert (§. 976.).

§. 1054.

Dieweil das Wohl des gemeinen WeſensVom Be - gnadi - gungs - recht. das allerhoͤchſte Geſetz iſt (§. 976.), die Be - ſchaffenheit aber und die Groͤſſe der Strafen durch den Willen des Oberherrn beſtimmet wird (§. 1048.); ſo kann der Oberherr, wenn er glaubt, daß es der Republick zum Vortheil gereiche, daß die Strafe erlaſſen, oder wenigſtens gemindertwer -764III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck. werde, ſie erlaſſen, oder mildern. Da - zu koͤnnen aber hinlaͤngliche Gruͤnde ſeyn die vortreflichen Verdienſte der Eltern, oder der Vorfahren um die Republick, oder um den Oberherrn, derentwegen eine Erlaſſung, oder Milderung der Strafe eben ſo viel als eine Wohlthat iſt, welche ihnen an ihren Kindern, oder Nachkommen, oder Anverwandten er - theilet wird. Dergleichen ſind auch die an - ſehnlichen Verdienſte der Verbrecher ſelbſt um die Republick und den Regenten des Staats, oder die groſſe Hoffnung daß ſie ſich inskuͤnftige verdient machen werden. Das Recht aber die Strafen zu erlaſſen, oder zu vermindern wird das Begnadigungsrecht (jus aggratiandi) genennet. Sind die Stra - fen bereits im Geſetz beſtimmet; ſo iſt die Begnadigung ſo gut als eine Beguͤnſtigung (§. 1046.), und das Recht zu begnadigen iſt unter dem Beguͤnſtigungsrechte euthalten.

§. 1055.
Von dem Rechte eine An - klage aufzuhe - ben.

Eine Anklage, oder Unterſuchung wird aufgehoben (accuſatio, vel inquiſi - tio aboletur), wenn uͤber die Miſſethat, de - rentwegen iemand angeklaget wird, keine Un - terſuchung angeſtellet, und folglich dieſer entweder ohne alle Erkaͤntniß der Sache, oder da die Unterſuchung noch nicht geendet iſt, aus der Zahl der ſchuldigen heraus genom - men wird. So iſt alſo die Auf hebung einer Anklage eine Erlaſſung der Stra - fe in einem zweifelhaften Falle. Wannnun765Von den Majeſtaͤtsrechten. nun unter dem Begnadigungsrechte das Recht eine Anklage aufzuheben mit begriffen iſt (§. 1054.); ſo kommt dem Oberherrn das Recht Anklagen aufzuheben zu.

§. 1056.

Von der Aufhebung der Anklage iſt dasVon der Vergeſ - ſung des vorigen Unrechts. Vergeſſen des vorigen Unrechts (amne - ſtia) unterſchieden, als welche ein auf ewig beſchloſſenes Vergeſſen des gethanen Unrechts und veruͤbter Laſter iſt. Daher wird es auch das Geſetz des Vergeſſens (lex oblivio - nis) genannt. Derowegen kann niemand wegen des geſchehenen angeklagt, und auch nicht geſtraft werden, wenn ein - mahl das Vergeſſen des vorigen Un - rechts feſte geſetzt worden iſt. Da das Wohl der Republick das hoͤchſte Geſetz iſt (§. 976.); ſo muß, wenn es des Staats Vortheil iſt, z. E. wenn man durch das Vergeſſen des vergangenen Unrechts gewiſſer verhuͤtete, daß nicht neuen und noch groͤſſern Thuͤr und Thor eroͤfnet wuͤrden, oder wenn ſie weit ſicherer zur Endſchaft kommen koͤnn - ten, dafern man die Strafe erlieſſe, als wenn die ſchuldige geſtrafet wuͤrden, das Vergeſſen des vorigen Unrechts natuͤr - licher Weiſe erlaubt, und der Ober - herr, weil dies eine Art der Erlaſſung der Strafe iſt, ſolche zu leiſten vermoͤgend ſeyn. Es laͤſſet ſich aber leicht verſtehen, daß, wenn der Oberherr in einer Re - bellion das Vergeſſen des Unrechts zu -geſtehet,766III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck. geſtehet, allwo dies naͤmlich durch eine Un - terhandlung geſchieht, daß der Friede wieder - um hergeſtellet werde, und es alſo ſeine Kraft von einem Vertrage hat (§. 764.), ſolches nicht kraft der Herrſchaft geſchehe.

§. 1057.
Von dem Rechte Abgaben aufzule - gen, und von deſ - ſen ver - ſchiede - nen Gat - tungen.

Das Recht Abgaben aufzulegen, welches dem Oberherrn zukommt (§. 1037.), gehoͤret unter die Majeſtaͤtsrechte. Tribut heiſſet dasjenige Geld, welches fuͤr unbewegliche Sachen, fuͤr betraͤgliche, fuͤr gewiſſe beſeſſene Guͤther, fuͤr einen vortheil - haften Handel, oder auch fuͤr den Kopf, um die Laſten der Republick zu tragen, gezahlet wird. Zoll aber iſt das Geld, ſo aus eben der Urſach fuͤr Waaren und Sachen, die ver - zehret werden, fuͤr Fuhrwerck, und was die - ſem allen aͤhnlich iſt, entrichtet wird. Da - hin gehoͤren auch die oͤffentlichen Geſchen - cke (munera publica), wenn die Untertha - nen, ſo keine Wuͤrde haben, des oͤffentlichen Nutzens wegen verbunden ſind etwas um - ſonſt, oder auch mit Schaden ihres Eigen - thums, und auf ihre eigene Koſten zu thun. Dergleichen oͤffentliches Geſchenck iſt, wenn man perſoͤnliche Einquartirung der Soldaten hat, oder Vormundſchaften verwaltet. Es iſt aber offenbar, daß die Tribute und oͤffentlichen Geſchencke den Werth un - beweglicher Sachen verringern, der Zoll aber den Preis der Sachen erhoͤ - he. Daraus folget aber, daß man mitAuf -767Von den Majeſtaͤtsrechten. Auflegung neuer Tribute, oͤffentlicher Geſchencke und Zoͤlle behutſam ver - fahren muͤſſe.

§. 1058.

Eine Collecte heißt Geld, welches vonVon dem Rechte Collecten anzule - gen. den Buͤrgern zu einem beſondern Gebrauch, z. E. zur Erbauung einer Kirche, oder zu ei - ner Brandſteuer, oder die Armen zu erhalten, geſammlet wird. Da die Collecten die Re - publick mittelbar angehen, in ſo fern alle ver - bunden ſind eintzelnen Perſonen, oder beſon - dern Geſellſchaften zu helffen (§. 975.), und wenn dies zum Behuf der Auswaͤrtigen ge - ſchieht, das Geld aus dem Staat geſchlep - pet wird, und dies folglich Laſten ſind, wel - che in die Republick einen Einfluß haben; ſo gehoͤret die Verſtattung des Rechts zu collectiren vor den Oberherrn (§. 1057.), und kann folglich das Recht zu collecti - ren ohne deſſen Erlaubniß nicht aus - geuͤbet werden. Und obwol Collecten mit Allmoſen nicht zu verwechſeln ſind, der - gleichen ein Privatmann um ſein Elend er - traͤglicher zu machen, in welches er etwa durch eine ungluͤckliche Feuersbrunſt, oder durch andere Heimſuchung geſtuͤrtzet worden, ſamm - let; ſo kann doch der Oberherr daruͤber die Einrichtung machen, dieweil ihm das Recht uͤber die Allmoſen zu verfuͤ - gen zuſtehet (§. 1022.), und dieſe un - ter die Abgaben der Republick gezaͤh -let768III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck. let werden muͤſſen, welche die Repu - blick mittelbar angehen.

§. 1059.
Von dem Rechte Muͤntzen zu ſchla - gen.

Weil der Oberherr ſorgen muß, daß es nicht an genugſamer guter Muͤntze fehle, und daß dieſe nicht verfaͤlſchet werde (§. 1036.); ſo gehoͤret das Recht Muͤntze ſchlagen zu laſſen unter die Majeſtaͤtsrechte (§. 1042.), und dem Oberherrn ſtehet auch das Recht zu dem aͤuſſerlichen Werth ſo wohl ſeiner eignen, als frem - der Muͤntze zu beſtimmen, wie er es dem Wohl des Staates gemaͤß zu ſeyn erachtet. Wenn ſchlimmer Zeiten we - gen den Muͤntzen, ſo aus geringer Ma - terie verfertiget ſind, und entweder einen geringen, oder faſt gar keinen Werth haben, ein unmaͤßiger aͤuſſerli - cher Werth beygeleget werden muß; ſo muß der Oberherr, daß nicht viele Buͤrger an Bettelſtab gerathen, wenn die elenden Zeiten voruͤber ſind, ſorgen, daß ſie mit guter Muͤntze vertauſchet werden.

§. 1060.
Von dem Rechte oͤffentli - che Aem - ter zu verge - ben.

Ein oͤffentliches Amt iſt die Verwal - tung gewiſſer Geſchaͤfte, welche vermoͤge der buͤrgerlichen Herrſchaft ausgefuͤhret und zur Vollſtreckung gebracht werden muͤſſen. Es verwalten alſo nicht nur diejenigen ein oͤffentliches Amt, welchen der Ober - herr die Ausuͤbung eines gewiſſenRech -769Von den Majeſtaͤtsrechten. Rechtes, ſo zur buͤrgerlichen Herr - ſchaft gehoͤret, auftraͤgt, ſondern auch die, deren Dienſt er ſich entweder ſelbſt, oder jene in der Bewerſtelli - gung der Geſchaͤfte bedienen. Jns be - ſondere aber nennet man diejenigen die O - brigkeit (magiſtratus), welchen der Ober - herr gewiſſe Theile der Herrſchaft auszuuͤben verliehen hat, dergleichen ſind die Stadtobrig - keiten, die Regierungen und auch die Rich - ter (§. 1028.). Da ein Oberherr die Herr - ſchaft vor ſich ſelbſt allein nicht ausuͤben kann, ſondern ſolches zum theil durch andere thun muß, folglich die Obrigkeiten und Rich - ter in ſeinem Nahmen thun, was ſie thun, und uͤberhaupt alle die, ſo in einem oͤffentlichen Amte ſtehen, nichts anders ausfuͤhren, als was ihnen von dem Oberherrn befohlen worden; ſo ſtehet dem Oberherrn auch das Recht zu Obrigkeiten und Richter einzuſe - tzen, und uͤberhaupt oͤffentliche Aem - ter zu verleyhen. Uebrigens hanget es von ſeinem Willkuͤhr ab, in wieferne er, was die kleinern Bedienungen be - trift, denen Obrigkeiten, den Rich - tern, und welche andere Aemter ver - walten, das Recht verſtatten wolle, und unter welcher Bedingung ſolche zu vergeben. Es erhellet aber leicht, daß dieſe ſich ihres Rechtes nicht anders bedienenNat. u. Voͤlckerrecht. C c ckoͤn -770III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck. koͤnnen, als ſo fern es von dem Willen des Oberherrn abhanget.

§. 1061.
Von dem Recht Titel und Rang, oder buͤr - gerliche Wuͤrden zu erthei - len.

Und weil Titel und Rang an ſich Beloh - nungen derer um die Republick, oder um die Perſon des Oberherrn wohlverdienten Maͤn - ner ſind (§. 1041.), wodurch die Untertha - nen ſich wohlverdient zu machen verbunden werden (§. 35.); ſo gehoͤrt das Recht Titel und Rang zu ertheilen unter die Majeſtaͤtsrechte (§. 1042.). Da aber dieſe auch mit oͤffentlichen Aemtern verknuͤpfet ſind, in ſo fern diejenigen, welche ſolche ver - walten, ſich um die Republick wohl verdient machen; ſo haben daher die Roͤmer die oͤffen - lichen Aemter, welche eine Wuͤrde mit ſich fuͤhren, Ehrenaͤmter (honores) genennt.

§. 1062.
Wie dies Recht auszuuͤ - ben.

Weil die oͤffentliche Herrſchaft der oͤffentli - chen Wohlfahrt gemaͤß ausgeuͤbet werden muß (§. 976.); ſo darf niemand ein oͤffentli - ches Amt gegeben werden, auſſer der dazu geſchickt iſt, d. i. der nicht nur genugſame Kraͤfte, ſolches recht zu verwalten, ſondern auch einen beſtaͤn - digen und unveraͤnderten Willen hat, ſolchem gehoͤrig vorzuſtehen, folglich muͤſſen die oͤffentlichen Aemter nicht verkauft, oder an den meiſtbietenden vergeben werden, und es iſt auch nicht zu dulden, daß diejenigen, welche ent -weder771Von den Majeſtaͤtsrechten. weder Aemter ertheilen, oder dem O - berherrn tuͤchtige Perſonen vorſchla - gen, oder vorſtellen ſollen, von denen die um ein Amt anhalten, Geſchencke nehmen duͤrfen. Derowegen da man es das Laſter des Erſchleichens (crimen ambitus) nennet, wenn iemand ſich fuͤr Geld, oder da er auf eine andere unerlaubte Weiſe die Stimmen beſtochen hat, ein oͤffent - liches Amt, oder eine buͤrgerliche Wuͤrde zu - wege bringet; ſo muß das Laſter des Erſchleichens nicht gelitten, folglich be - ſtrafet werden. Ja wenn derjenige, dem die Uebertragung eines oͤffentli - chen Amtes anbefohlen iſt, der Repu - blick durch Erwaͤhlung eines unwuͤr - digen ſollte einen Schaden zugefuͤget haben, ſo iſt er verbunden ſolchen zu erſetzen (§. 270.).

§. 1063.

Der wird von ſeinem Amte abgeſe -Von der Abſe - tzung, Suſpen - ſion und Erlaſ - ſung vom Dienſte. tzet, der deſſen wider ſeinen Willen beraubet wird; der wird aber ſuſpendiret, wel - chem verbothen iſt es auf eine gewiſſe, oder unbeſtimmte Zeit zu verwalten; der wird ſeines Dienſtes erlaſſen, dem der Ober - herr auf ſeine Bitte dergeſtalt willfahret, daß er nicht verbunden iſt ſolchen laͤnger zu ver - walten. Dieweil die Verleyhung eines Amtes durch einen Vertrag zwiſchen dem, der das Amt verleyhet, und dem, dem man es verleyhet, zu Stande ge -C c c 2bracht772III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck. bracht wird, vermoͤge welches jener dieſem die Verwaltung, oder Vollſtreckung gewiſſer Geſchaͤfte auftraͤgt (§. 1060.), und einen Sold verſpricht, dieſer aber ſich anheiſchig macht, er wolle die Geſchaͤfte fleißig verwal - ten, oder zur Vollſtreckung bringen (§. 438.); ſo kann niemand ohne Einwilligung des Oberherrn oder deſſen, der von ihm das Recht hat (§. 341.) von ſei - nem Amte abdancken, er kann auch deſſen nicht entſetzt, oder davon ſuſpen - diret werden ohne rechtmaͤßige Urſa - che, z. E wenn er es nachlaͤßig, oder betruͤglich verwaltet haͤtte (§. 442.), oder auch wenn es zur Strafe ſeyn ſoll (§. 1048.). So iſt dann klar, daß das Recht abzuſetzen, oder zu ſuſpen - diren, oder des Amtes zu entſetzen an ſich ſelbſt dem Oberherrn zuſtehe.

§. 1064.
Vom Rechte uͤber hei - lige Sa - chen.

Das Recht uͤber heilige Sachen (jus circa ſacra, ius ſacrorum) iſt ein Recht uͤber diejenigen Dinge, welche zum Gottesdienſt und zur Kirche gehoͤren, Verfuͤgung zu ma - chen. Dieweil die Sorge fuͤr den aͤuſſerli - chen oͤffentlichen Gottesdienſt dem Oberherrn oblieget, z. E. daß Kirchen gebauet, Feſtta - ge beſtimmet, oͤffentliche Lehrer beſtellet (§. 1024.), und daß folglich heilige Sachen recht gebrauchet (§. 1025.), und Kirchenſa - chen recht eingerichtet werden (§. 1026.); ſo kommt dem Oberherrn einiges Rechtuͤber773Von den Majeſtaͤtsrechten. uͤber die heiligen Sachen zu. Weil ſich aber die Herrſchaft, welche alle dazu gehoͤri - ge Rechte, folglich auch das Recht uͤber die heilige Sachen in ſich begreift, in Macht - theile zerſtuͤcken (§. 983.), und dieſelbe auch ſich theilweiſe uͤbertragen laͤſſet (§. 982.); ſo iſt auch das Recht uͤber heilige Sachen von dem weltlichen trennbar, und es kann ſich ſolches das Volck entweder ſelbſt vorbehalten, oder es kann auch einem beſonders uͤberlaſſen werden. Weil diejenigen Dinge, welche man zum in - nerlichen Gottesdienſte rechnet, und welche in dem aͤuſſerlichen mit ihm auf das genaue - ſte verbunden ſind, entweder auf erwegende Saͤtze von GOtt und ſeinem Willen, oder auf ausuͤbende Saͤtze von dem was man zu thun ſchuldig iſt, in ſich faſſen (§. 178.), nun aber nicht befohlen werden kan, daß man et - was fuͤr wahr halte, wovon man nicht durch Gruͤnde uͤberzeuget oder uͤberredet iſt; ſo kann das Recht uͤber heilige Sachen, ſo ferne es urſpruͤnglich bey dem Vol - cke iſt, nicht auf diejenigen Sachen ausgedehnet werden, welche zum in - nerlichen Gottesdienſte gehoͤren, und unzertrennlich mit demſelben in dem aͤuſſerlichen zuſammen hangen, auſſer in ſo fern, um Unruhen zu vermeiden, ei - ne in der Kirche entſtandene Streitig - keit vorlaͤufig zu entſcheiden iſt, damit iedermann wiſſe, was oͤffentlich gelehret wer -C c c 3den774III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck. den ſolle, oder was gewiſſes feſt geſe - tzet werden muß, z. E. daß einem iegli - chen, doch ohne Schmaͤhung und Verfolgung des Gegentheils, frey gelaſſen wird ſeine Meynung vorzutragen, und mit Beweis - gruͤnden zu vertheidigen, oder daß man von dem, was in Streit gezogen iſt, in dem oͤf - fentlichen Gottesdienſte gantz und gar ſtille ſchweigen ſolle. Was aber diejenigen Dinge anlanget, welche in dem aͤuſſer - lichen Gottesdienſte dem innern unbe - ſchadet auf verſchiedene Art geſchehen koͤnnen, ſo hat es keine Schwierigkeit, daß der, ſo das Recht uͤber heilige Sa - chen hat, nach ſeinem Belieben, wie er glaubt, daß es zum Beſten des Staats oder der Kirche ausſchlagen werde, daruͤber zu verfuͤgen in dem Stande ſey (§. 976.). Unterdeſſen da die buͤrgerliche Herrſchaft nach dem Endzweck des Staats abgemeſſen werden muß (§. 980.); ſo hanget das Recht uͤber heilige Sa - chen, was die Handlungen betrift, welche eine Verhaͤltniß gegen die Re - publick haben, oder deren Vollzie - hung den weltlichen Arm noͤthig hat, und in ſo ferne die Kirche den buͤr - gerlichen Schutz erfordert, allezeit von der buͤrgerlichen Herrſchaft ab. Weil der Regent des Staats zu der Beobachtung der Grundgeſetze verbunden iſt (§. 984.); ſo folget, daß er, wenn dies und jenesin775Von den Majeſtaͤtsrechten. in einem Grundgeſetze von den heili - gen Dingen bereits feſte geſetzet wor - den, z. E. daß keine Religion ſoll gedul - det werden, welche von der, wozu ſich das Volck bekennet, unterſchieden iſt, oder daß der Regent keiner andern Religion zugethan ſeyn ſoll, an dergleichen gebunden ſey. Stehet aber kein Grundgeſetz im Wege, daß er nun nach Gefallen daruͤber anzuordnen Macht hat, was er will; ſo kann er eine iegliche Religion im Staate dulden, wenn ſie nur dem buͤrgerlichen Zuſtan - de nicht zuwider iſt, und die Bedin - gung vorſchreiben, unter welcher er ſie dulden will.

§. 1065.

Das Recht uͤber die eigenthuͤmlichen Sa -Von dem vorzuͤgli - chen Ei - genthum und Macht. chen der Buͤrger der oͤffentlichen Wohlfahrt halber im Nothfall zu verfuͤgen nennet man das vorzuͤgliche Eigenthum (dominium eminens); das Recht aber aus eben der Ur - ſache im Falle der Noth uͤber die Perſonen der Buͤrger ſelbſt Einrichtung zu machen heiſſet die vorzuͤgliche Macht (poteſtas eminens). Beydes zuſammen, naͤmlich uͤber die Sachen und Perſonen, iſt das vorzuͤg - liche Recht (jus eminens). Derowegen kommt einem Oberherrn das vorzuͤgli - che Eigenthum und Macht, oder das vorzuͤgliche Recht zu (§. 976.), bey - des Recht iſt ein Recht in der Noth, und hat nicht eher ſtatt, als wenn derC c c 4Gebrauch776III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck. Gebrauch deſſelben das eintzige Mittel die oͤffentliche Wohlfahrt in einem ſich ereignenden Falle zu befoͤrdern iſt. Da nun die heiligen und Kirchenſachen einer be - ſondern Kirche gehoͤren, deren Glieder Buͤr - ger ſind (§. 1026.); ſo kann der Ober - herr vermoͤge des vorzuͤglichen Eigen - thums auch uͤber heilige und Kirchen - ſachen Verfuͤgung treffen, doch aber nicht ohne Einwilligung deſſen, der das Recht uͤber heilige Sachen hat, wenn es von der weltlichen Regie - rung unterſchieden iſt (§. 1064.). Weil das Eigenthum und die Herrſchaft zwey gantz von einander unterſchiedene Rechte ſind, de - ren keines von dem andern abhanget (§. 195. 833. ); ſo gehoͤret das nicht nur zur Herrſchaft, wenn der Koͤnig ein Ei - genthumsherr von Privatlaͤndereyen iſt, und macht in der Herrſchaft ſo wohl als auch in der Art die Herrſchaft zu beſitzen nicht die geringſte Aende - rung.

§. 1066.
Vom Rechte des Krie - ges.

Da der Oberherr verpflichtet iſt die Re - publick wider aͤuſſerliche Gewalt zu vertheidi - gen, und folglich die Rechte ſeines Volcks, wie auch aller und ieder Unterthanen, mit Ge - walt wider andere Voͤlcker zu verfolgen (§. 972.); ſo hat er auch das Recht wider andere zu kriegen (§. 98.), und dies ge - hoͤret zu den Majeſtaͤtsrechten (§. 1042.).777Von den Majeſtaͤtsrechten. 1042.). Ein ſolcher Krieg aber, der ver - moͤge des Rechtes des Staats gefuͤhret wird mit andern Voͤlckern, wird ein oͤffentlicher Krieg genennet.

§. 1067.

Endlich weil der Oberherr das WohlVom Rechte Vertraͤ - ge mit andern Voͤlckern zu ma - chen. des Volcks auf alle Weiſe befoͤrdern muß (§. 972. 996. ); ſo kann er, wenn er das Beſte ſeiner Buͤrger durch Huͤlfe und Beyſtand andrer Voͤlcker befoͤrdern koͤnnte, auch deßfalls mit andern Voͤl - ckern Buͤndniſſe aufrichten. Doch vom Rechte des Krieges und mit andern Voͤlckern Vertraͤge einzugehen muß in dem Voͤlcker - recht gehandelt werden.

Das fuͤnfte Hauptſtuͤck.

Von der natuͤrlichen Lehre der buͤrgerlichen Geſetze.

§. 1068.

Buͤrgerliche Geſetze ſind, die derVon buͤr - gerlichen Geſetzen. Oberherr denen Unterthanen in einem Staate giebet. Da verſchiedne Staa - ten unter einander als freye Perſonen, die im natuͤrlichen Zuſtande leben, angeſehen wer - den (§. 977.); ſo verbinden die buͤrger - lichen Geſetze niemand als die Glieder deſſelben Staates, worinn ſie gegeben ſind, wenn folglich fremde Geſetze an - genommen werden, ſo erhalten dieſel -C c c 5ben778III. Th. 2. A. 5. H. Von der natuͤrl. Lehreben erſt durch den Willen des Ober - herrn, welcher befiehlt daß es Geſetze ſeines Staats ſeyn ſollen, die Kraft zu verbinden. Weil aber die oͤffentliche Wohl - fahrt das hoͤchſte Geſetz iſt (§. 976.); ſo muͤſſen fremde Geſetze nicht ehr ange - nommen werden, als erwieſen iſt, daß durch ihre Vorſchriften das gemein - ſame Wohl dieſes Staates befoͤrdert werden koͤnne, und wenn daher, nach - dem ſich der Zuſtand der Sache geaͤn - dert, oder man den Jrrthum erkannt hat, bemercket wird, daß ſie keine Mittel das gemeinſame Beſte zu be - foͤrdern abgeben, ſo muß man ſie wie - derum abſchaffen: und dies iſt auch uͤber - haupt von allen Geſetzen zu behalten.

§. 1069.
Von dem Verhaͤlt - niſſe der buͤrgerli - chen Ge - ſetze ge - gen die natuͤrli - chen ge - bieten - den und verbie - ten den Geſetze.

Da die natuͤrliche Verbindlichkeit unver - aͤnderlich iſt (§. 38.), und ſich kein Menſch davon losmachen kann (§. 42.); ſo muͤſſen die buͤrgerlichen Geſetze denen natuͤr - lichen gebietenden und verbietenden nicht zuwider ſeyn; folglich kann das buͤrgerliche Geſetz aus dem, was man natuͤrlicher Weiſe ſchuldig iſt, nicht et - was unerlaubtes, und aus dem, was natuͤrlicher Weiſe unerlaubt iſt, nicht eine Schuldigkeit, oder etwas erlaub - tes machen (§. 49.). Derowegen wenn nach dem buͤrgerlichen Geſetze ſtill - ſchweigend zugelaſſen wird, was ei -nem779der buͤrgerlichen Geſetze. nem gebietenden, oder verbietenden entgegen ſtehet; ſo wird das nur ge - duldet, entweder daß man es unge - ſtraft hingehen laͤßt, oder daß man ei - nem die richterliche Huͤlfe deshalb ver - ſagt, um ein groͤſſeres Uebel oder Scha - den zu vermeiden, oder weil es einer andern Urſache halber noͤthig iſt, daß dies geſchehe (§. 976.). Wenn naͤmlich durch ein buͤrgerliches Geſetz etwas zugelaſſen wird, das einem natuͤrlichen gebietenden oder verbietenden Geſetze zuwider laͤuft, ſo wird die natuͤrliche Freyheit nicht mehr eingeſchraͤnckt, als es der Endzweck des Staats erheiſcht (§. 78. 980.). Jeden noch aber weil der Ober - herr durch ſeine Zulaſſung allerdings zu ver - ſtehen giebt, daß ein anderer den, der da han - deln will, nicht mit Gewalt hindern ſoll, daß er nicht handeln koͤnte; ſo folget, wenn durch ein buͤrgerliches Geſetz etwas zugelaſſen wird, ſo verbindet dieſes Zulaſſungsgeſetz die uͤbrigen, daß ſie den, der dergleichen thut, nicht hin - dern ſollen, das zu thun, was zuge - laſſen iſt, und daher erlanget derjeni - ge, welcher eine ſolche Handlung thut, ein Recht es nicht zu leiden, daß man ihn mit Gewalt hindere (§. 46.).

§. 1070.

Wenn die natuͤrliche Verbindlichkeit nichtVon den buͤrgerli - chen Ge - kraͤftig genug iſt die Beobachtung der natuͤr -lichen780III. Th. 2. A. 5. H. Von der natuͤrl. Lehreſetzen, ſo von den natuͤrli - chen, ih - rem Jn - halt nach, nicht un - terſchie - den ſind.lichen Geſetze, die doch in der Republick be - obachtet werden muͤſſen, zu bewircken; ſo werden die Naturgeſetze durch hinzu - gefuͤgte Strafen, aus deren Furcht eine willkuͤhrliche Verbindlichkeit, ſo noch ſtaͤrcker iſt als die natuͤrliche, entſtehet (§. 35. 93. ), buͤrgerliche Geſetze, in ſo ferne ſie naͤm - lich Strafen enthalten, die das Naturgeſetz gar nicht beſtimmet hat (§. 39). Ja, da die Furcht vor der Vollziehung der Strafe des Richters (§. 1029.) und eine vorherge - hende Vorſtellung, daß derſelbe eine Hand - lung werde fuͤr nichtig erklaͤren, oder aufhe - ben, eine Kraft zu verbinden hat (§. 35.); ſo bekommen auch die Naturgeſetze die Geſtalt der buͤrgerlichen, in ſo ferne man ihnen in Gerichten zu ſtatten kommt.

§. 1071.
Von dem Verhaͤlt - niſſe der buͤrgerli - chen Ge - ſetze ge - gen die natuͤr - lich zu - laßenden und die Liebes - pflichten.

Weil in einem Staate die Freyheit ein - zelner Perſonen in Abſicht auf die Handlung, welche zur Erhaltung des oͤffentlichen Wohls gehoͤren, eingeſchraͤncket wird (§. 980.); ſo kann der Oberherr aus dem was na - tuͤrlicher Weiſe erlaubt iſt durch ein buͤrgerliches Geſetz eine Schuldigkeit, oder etwas unerlaubtes, und aus dem was man unvollkommen ſchuldig iſt, oder aus einer Liebespflicht eine voll - kommene Schuldigkeit machen, wie es der Endzweck der Republick erfor - dert (§. 49. 80.). Was alle und iede ein -tzelne781der buͤrgerlichen Geſetze. tzelne vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit durch Vertraͤge thun koͤnnen (§. 667.); eben das kann der Oberherr, deſſen Rechte die natuͤr - liche Freyheit aller und ieder unterworfen iſt, auch thun, in ſo fern es der Endzweck des Staats erfordert (§. 980.). Daraus folgt, daß, wenn etwas auf verſchiedene Art und Weiſe geſchehen kann, der O - berherr befehlen koͤnne, daß es auf dieſe oder jene Art geſchehen, und es mithin keine buͤrgerliche guͤltige Hand - lung ſeyn ſolle, wenn es nicht nach der in einem Geſetz vorgeſchriebenen Wei - ſe geſchehen. Hieher gehoͤret auch, wenn der Oberherr die Art beſtimmet, nach welcher einer natuͤrlichen Verbindlich - keit Genuͤge geleiſtet werden kann, oder von ihm verhuͤtet wird, daß derſelben nichts zuwider gehandelt wetde.

§. 1072.

Weil der Oberherr die Sorge auf ſich hat,Von de - nen buͤr - gerlichen Geſetzen, welche dem Jn - halt nach von den natuͤrli - chen un - terſchie - den ſind. daß ein ieder durch den Richter zu ſeinem Rechte kommen koͤnne (§. 1028. 1029. ); ſo iſt leicht einzuſehen, daß verhuͤtet wer - den muͤße, daß die Streitigkeiten nicht zu ſehr vervielfaͤltiget, und aus einer Streitigkeit nicht immer neue Strei - tigkeiten gezeuget, noch auch vor Ge - richt ins weite Feld geſpielet werden duͤrfen, und daß dahin zu ſehen ſey, daß ſie einmal ihre Endſchaft errei -chen. 782III. Th. 2. A. 5. H. Von der natuͤrl. Lehrechen. Derowegen muͤſſen die Streitig - keiten einer ieden geringen Beleidi - gung halber in Gerichten keinen Platz haben, dieweil auch die Klugheit, oder die Liebe im natuͤrlichen Zuſtande befiehlet, daß man ſich geringer Beleidigungen wegen des Krieges enthalten, und man oͤfters um ſei - nes Verſehens willen buͤſſen muͤſſe, damit man ins kuͤnftige behutſamer zu verfahren lerne; und wenn auch einem natuͤrli - chen Geſetze ſolche Beſtimmungen an - gehaͤnget ſind, welche ſchwehr, oder gar unmoͤglich zu beweiſen ſind, ſo muͤſſen an deren Stelle andere, die ſich leicht erhaͤrten laſſen, welche wahr - ſcheinlich, oder mehrentheils jenen gleich ſind, geſetzet werden. Daher folget, daß die Beleidigungen, derent - wegen man richterliche Huͤlfe zu hof - fen, oder nicht zu hoffen hat, und wenn ehr nach Verſchiedenheit der Haͤndel iemand vor das verſehene haften ſolle, durch ein buͤrgerliches Geſetze ausge - machet werden muͤſſen.

§. 1073.
Woher der Grund zu neh - men ſey, daß aus den na - tuͤrlichen Geſetzen

Weil die buͤrgerlichen Geſetze die Mittel vorſchreiben ſollen, wodurch die gemeinſame Wohlfahrt des Staats erhalten wird (§. 1068.); ſo muß der Grund von dem, was entweder zu einem natuͤrlichen Geſetze hinzugethan, oder davon ge - nommen werden ſoll, daß ein buͤrger -liches783der buͤrgerlichen Geſetze. liches Geſetze daraus entſtehe, entwe -buͤrger - liche ge - macht werden koͤnnen. der von dem Zuſtande eines Staats uͤberhaupt, oder desjenigen Staates, in welchem das Geſetz gegeben wird, inſonderheit, hergenommen werden. Und wenn die buͤrgerlichen Geſetze fein zuſammen ſtimmen ſollen, ſo iſt vor ſich klar, daß man auch das, was mit dem Naturrecht nicht gantz uͤbereinkommt, aus andern buͤrgerlichen Geſetzen aber nothwendig folget, annehmen muͤſſe. Derowegen weil man den Willen des Geſetz - gebers nicht als widerſprechend gedencken darf; ſo muͤſſen diejenigen Dinge, welche aus einem buͤrgerlichen Geſetze nothwen - dig flieſſen, auch fuͤr Geſetze gehal - ten werden.

§. 1074.

Weil aus dem bisherigen erhellet, daß ausVon den Jrrthuͤ - mern, die man in Abſicht auf das Natur - recht zu vermei - den hat. natuͤrlichen Geſetzen die buͤrgerlichen gemacht werden; ſo muß man verhuͤten, daß der Geſetzgeber nicht gewiſſe gemeine Jrr - thuͤmer fuͤr das Recht der Natur hal - te: Wenn folglich durch Unwiſſenheit der Zeiten einige Jrrthuͤmer in die buͤr - gerlichen Geſetze eingeſchlichen, oder einige aus andern an dieſer Kranckheit liegenden durch eine Folge herausgezo - gen waͤren, ſo muͤſſen dieſelben entwe - der abgeſchaffet, oder der Wahrheit gemaͤß geaͤndert werden.

Das784III. Th. 2. A. 6. H. Von der Pflicht

Das ſechſte Hauptſtuͤck.

Von der Pflicht des Oberherrn und der Unterthanen.

§. 1075.
Von ei - ner gu - ten und ſchlim - men Re - gierung.

Die Ausuͤbung der buͤrgerlichen Herr - ſchaft heißt die Regierung (regi - men). Derowegen da die Republi - cken um der Befoͤrderung der gemeinen Wohl - fahrt willen aufgerichtet ſind (§. 972.), und die buͤrgerliche Herrſchaft in der Beſtimmung der buͤrgerlichen Handlungen, und dererjeni - gen Dinge, welche zur Erreichung des oͤf - fentlichen Wohls gehoͤren, beſtehet (§. 978. 980. ); ſo regieret der Regent eines Staates die Republick wohl, wenn er dasjenige thut, was zur Ausbrei - tung des oͤffentlichen Wohls erfor - dert wird; hingegen regieret er uͤbel, wenn er thut, was der oͤffentlichen Wohlfahrt zuwider iſt: da er doch zu einem guten Regimente verpflich - tet iſt.

§. 1076.
Von den Eigen - ſchaften eines Re - genten des Staats, und von den zu

Derowegen muß nun ein Regent des Staats eine Wiſſenſchaft dererjenigen Dinge, welche zu einer guten Regie - rung gehoͤren, und einen beſtaͤndigen und anhaltenden Willen haben, nichts anders zu thun, als was eine gute Re - gierung haben will. Unterdeſſen, da esſich785des Oberherrn und der Unterthanen. ſich nicht thun laͤßet, daß er alle oͤffentlicheeinem gu - ten Re - giment erforder - lichen Raͤthen Geſchaͤfte, und ſonderlich dasjenige, was bey den Dingen, woruͤber gegenwaͤrtig ein Ent - ſchluß gefaſſet werden ſoll, zum Grunde ge - ſetzt wird, auf das genaueſte wiſſe; ſo muß er ſich derohalben des Vortrags und Raths kluger Leute, deren einer in dieſer, der andere in einer andern Art der Geſchaͤfte ausnehmende Geſchick - lichkeit hat, bedienen. Man nennet ſol - che Raͤthe, und ſie werden nach Verſchie - denheit der Geſchaͤfte, wozu man ihren Rath bedarf, in verſchiedene Gattungen eingethei - let. Die Raͤthe muͤſſen demnach ſich nicht nur die Geſchaͤfte wohl bekannt gemacht haben, ſondern auch alles und iedes treulich vorſtellen, worauf es im gegenwaͤrtigen Fall ankommt, nichts verſchweigen, und von aller Schmei - cheley entfernet ſeyn.

§. 1077.

Dieweil das Exempel des Regenten in ei -Von der Tugend eines Regen - ten des Staates. nem Staat die groͤſſeſte Kraft die Untertha - nen zu verbinden hat; ſo muß ſich ein Re - gent des Staats in aller Tugend und Froͤmmigkeit hervorthun (§. 1024.). Und daß es ihm nicht an einem beſtaͤndigen Willen wohl zu regieren fehle (§. 1075.); ſo muß er ſein Volck lieben.

§. 1078.

Weil ihm oblieget die Republick wohl zuDer Miß - brauch regieren (§. 1075.); ſo muß er die Ho -Nat. u. Voͤlckerrecht. D d dheit786III. Th. 2. A. 6. H. Von der Pflichtder Ge - walt iſt zu ver - meiden.heit der Herrſchaft nicht mit einer will - kuͤhrlichen Gewalt verwechſeln; folg - lich muß er die Majeſtaͤtsrechte und deren rechten Gebrauch (§. 1042.), nebſt denen Grundgeſetzen, wenn der - gleichen vorhanden ſind, die er beob - achten ſoll (§. 984.), wohl inne haben, und mithin muß er auf alles aufmerck - ſam ſeyn, was von der tuͤchtigen Ein - richtung der Republick bewieſen wor - den (§. 1017.).

§. 1079.
Von dem Gehor - ſam der Unter - thanen.

Weil es die hoͤchſte Herrſchaft nicht vertra - gen kann, daß die Handlungen, ſo zur Aus - uͤbung derſelben gehoͤren, von irgend einem Menſchen uͤber den Haufen geworfen wuͤrden (§. 981.); ſo laͤßet ſich die hoͤchſte Herr - ſchaft an ihr ſelbſt nicht widerſtehen, folglich muß ſich auch das Volck in de - nen Dingen, worinn der Regent des Staats die hoͤchſte Herrſchaft hat, nicht widerſetzen. Und da man niemand die Herr - ſchaft unter der Bedingung auftragen kann, daß das gantze Volck dem loͤblich regierenden gehorſamen ſolle, dem uͤbel regierenden aber widerſtehen, und ihn zu paaren treiben koͤnne; ſo iſt das Volck zum geduldigen Ge - horſam gegen den Regenten des Staats in allen den Stuͤcken, worinn er die hoͤchſte Herrſchaft hat, verbunden, das iſt, es muß nicht nur dem, der die Re - publick wohl, ſondern auch dem, derſie787des Oberherrn und der Unterthanen. ſie uͤbel regieret, Gehorſam leiſten: Dies darf keinem hart ſcheinen, indem es doch beſſer iſt unter einem uͤblen Regiment, als in dem natuͤrlichen Zuſtande zu leben (§. 972.). Weil aber niemand von der natuͤrli - chen Verbindlichkeit befreyet werden kann (§. 42.); ſo iſt man dem Oberherrn keinen Gehorſam ſchuldig, wenn er befehlen ſollte, was einem gebietenden, oder verbietenden natuͤrlichen Geſetze ent - gegen ſtehet, und man muß es gedul - dig leiden, wenn man desfalls geſtraft, oder vielmehr mißgehandelt wird. Weil auch der Oberherr kein Recht hat etwas zu befehlen, ſo wider die Grundgeſetze ſtrei - tet (§. 984.); ſo darf man ihm auch nicht gehorſamen, wenn er etwas wi - der die Grundgeſetze befiehlet, ja es iſt erlaubt ſich dem Regenten zu wi - derſetzen, und ihn im Zaum zu halten, wenn er in das Recht, ſo dem Volck, oder den vornehmſten vorbehalten iſt, einen Eingrif thut (§. 88. 90.).

§. 1080.

Jemand ſuppliciret, wenn er mit Ehr -Vom Suppli - ciren. erbietigkeit bittet, daß dies und jenes geſche - hen, oder nicht geſchehen moͤge. Jndem nun Bewegungsgruͤnde von noͤthen ſind, wenn einer etwas wollen, oder nicht wollen ſoll; ſo iſt dem Supplicanten erlaubt die Gruͤnde, weswegen etwas geſchehen, oder nicht geſchehen ſolle, demuͤthigD d d 2vor -788III. Th. 2. A. 6. H. Von der Pflichtvorzutragen. Derowegen weil es geſche - hen kann, daß der Oberherr etwas befieh - let, was allzuhart, oder unbillig zu ſeyn ſchei - net, dieweil ihm nicht bekannt iſt, warum es zu hart, oder zu unbillig ſcheinen koͤnnte; ſo iſt in dieſem Fall den Unterthanen eine demuͤthige Bitte erlaubt, und es kommt inſonderheit denen Obrigkeiten das Recht im Nahmen der Untertha - nen ehrerbietig zu bitten zu (§. 1060.), keinesweges aber beſitzen ſie das Recht dem Unrecht des Regenten zu wider - ſtehen, denn ſie bedienen ſich keines andern Rechts, als das ihnen der Oberherr verſtattet hat, und welches nur nach ſeinem Willen ausgeuͤbet werden muß (angef. §.). Wird auf eine Ehrfurchts volle Bitte, ob ſie gleich gerecht iſt, nicht geachtet, ſo muͤſſen es die Unterthanen geduldig leiden (§. 1079.).

§. 1081.
Wenn ei - ner ab - gedanckt, oder das Reich verlaſ - ſen, oder verloh - ren hat.

Wenn ein Koͤnig ſich der Herrſchaft begeben, oder ſie verlaſſen, oder das Reich aus einer Untreue (felonia) ge - gen den, von dem er es zur Lehn traͤ - get, oder einer Bedingung halber, ſo gleich bey der Uebertragung der Herr - ſchaft feſte geſetzet worden, daß, wenn der Koͤnig dies oder jenes thun wuͤr - de, die Unterthanen von allen Ban - den des Gehorſams loß ſeyn ſollten, verlohren hat; ſo wird der Koͤnig, weiler789des Oberherrn und der Unterthanen. er eine moraliſche Perſon iſt, die nur wegen der Herrſchaft, die ſie hat, ein Koͤnig iſt (§. 994.), und folglich nach verlohrnen Reich aufhoͤret ein Koͤnig zu ſeyn, wieder eine Privatperſon, und derowegen iſt gegen ihn erlaubt, was gegen eine Privat - perſon etlaubet iſt.

§. 1082.

Weil niemand etwas thun ſoll, was widerVom La - ſter der beleidig - ten Ma - jeſtaͤt, und in - ſonder - heit des Hochver - raths. das Recht des andern laͤuft (§. 86.); ſo muß auch kein Buͤrger etwas thun, was wider die Majeſtaͤtsrechte iſt, folglich auch nichts wider die Perſon desjenigen ſchmieden, welcher im Staate die Majeſtaͤtsrechte, und eben darum die hoͤchſte Herrſchaft hat (§. 998.), wodurch ihm naͤmlich ein Recht der Majeſtaͤt, oder die gantze hoͤchſte Herrſchaft entwedet entriſſen, oder verringert, oder der Gebrauch derſel - ben auf irgend eine Weiſe gehindert werden koͤnnte (§. 83.). Derowegen muß er mit nichts ſchwanger gehen, was zum Umſturtz und Erſchuͤtterung der Republick und dem Untergang des Regentens im Staat abzielen kann. Weil das Laſter der beleidigten Maje - ſtaͤt eine That iſt, wodurch etwas wider die Majeſtaͤtsrechte, und folglich wider die Per - ſon deſſen, der die hoͤchſte Herrſchaft hat, be - gangen wird; ſo iſt dieſes Laſter natuͤrlicher Weiſe unerlaubt, oder es iſt wider dasD d d 3Recht790III. Th. 2. A. 6. H. Von der PflichtRecht der Natur. Und weil der Ober - herr das Recht denjenigen zu ſtrafen hat, wel - cher das allen zuſtehende Recht, dergleichen die Majeſtaͤtsrechte ſind, welche unter der Herrſchaft begriffen werden (§. 979.), und welche man auf den Regenten des Staats uͤbertragen hat (§. 982.), verletzet; ſo ſtehet dem Oberherrn auch das Recht zu den zu ſtrafen, welcher das Laſter der be - leidigten Majeſtaͤt begehet. Weil aber die Majeſtaͤtsrechte nicht alle von gleichem Grade ſind, vermoͤge deſſen, was wir davon erwieſen haben (§. 1042. u. f.), und uͤber - dem die Handlungen, ſo dawider begangen werden, der Republick nicht gleichen Scha - den bringen; ſo kann auch nicht ein je - des Laſter der beleidigten Majeſtaͤt auf einerley Art beſtrafet werden. Man nennet es aber inſonderheit das La - ſter des Hochverraths (crimen perduel - lionis), wenn jemand den Regenten des Staats um das Leben, oder um die Herr - ſchaft zu bringen, oder die Republick uͤber den Haufen zu werfen, oder ihr einen Stoß zu geben ſuchet: Da nun dies unter den Laſtern der beleidigten Majeſtaͤt das groͤſſeſte iſt, ſo muß es auch mit den haͤrteſten Stra - fen beleget werden. Es erhellet aber, daß man das Laſter der beleidigten Majeſtaͤt und des Hochverraths in ei - ner ieglichen Forme der Republick be - gehen koͤnne. Und weil Kinder und An -verwandte791des Oberherrn und der Unterthanen. verwandte um der Thaten der Eltern, oder der Anverwandten willen nicht zu ſtrafen ſind (§. 837.); ſo koͤnnen auch die Kinder und Anverwandten der Hochverraths - ſchuldigen nicht geſtrafet werden. End - lich weil die Verbindlichkeit das Laſter der beleidigten Majeſtaͤt nicht zu begehen aus dem Vertrage herruͤhret, nach welchem der Staat aufgerichtet iſt (§. 972.), wie auch aus dem Vertrag, vermoͤge deſſen die Herrſchaft auf den Regenten des Staats iſt gebracht wor - den (§. 982.); ſo kann das Laſter der be - leidigten Majeſtaͤt und des Hochver - raths nur allein von den Unterthanen begangen werden, und wer ſich deſſen ſchuldig macht, iſt ein Treuloſer (§. 390.).

§. 1083.

Man nennet denjenigen einen AnfallerVon dem Recht wider ei - nen der das Reich anfaͤllet. des Reichs (invaſorem imperii), welcher, da er gar kein Recht die Herrſchaft zu ſich zu reiſſen hat, ſie mit Gewalt, oder durch Liſt nimmt. Da nun ein Anfaller des Reichs ei - nem Raͤuber gleich (§. 263.), und mithin wider denſelben eben ſo viel erlaubt iſt, als hinreichet eine unrechtmaͤßige Gewalt ab - zutreiben (§. 268.); ſo ſtehet es frey ei - nem Anfaller des Reichs, wenn er in der That des Anfallens begriffen iſt, ſich mit Gewalt zu widerſetzen, und, wenn er den Beſitz durch bloſſe Gewalt erhaͤlt, und kein Vertrag etwa erfol -D d d 4get792III. Th. 2. A. 6. H. Von der Pflichtget iſt, als welchen man halten muͤſte (§. 438.), ihn mit Gewalt heraus zu ſtoſſen, ja auch in beyden Faͤllen, wo es noͤthig ſeyn ſollte, zu toͤdten. Und weil der Oberherr, dem dieſes Recht zukommt, dies entweder ſelbſt, oder durch andere ausrichten kann; ſo kann ein jeder, wenn es ohne Unterſchied einer ieden Privatperſon erlaubet worden, daß er den anfallen - den in beyden Faͤllen toͤdte, ihn toͤdten.

§. 1084.
Wenn es erlaubt ſey, mit einem Anfaller des Reichs einen Vertrag einzuge - hen.

Wenn der Regent des Staats in ei - nen ſolchen Zuſtand gerathen iſt, daß er ſeine Unterthanen nicht vertheidi - gen kann, und auch die Buͤrger ſo viel Kraͤfte nicht haben, daß ſie ohne den augenſcheinlichſten Untergang dem An - fallenden nicht widerſtehen koͤnnen; ſo iſt es denen Buͤrgern erlaubt zu ihrer Erhaltung mit dem Anfallenden einen Vertrag einzugehen, indem ſie dem Re - genten des Staats deswegen die Herrſchaft uͤbergeben haben, daß er ſie wider aͤuſſerli - che Gewalt beſchuͤtzen ſollte (§. 972.). Und dieweil Vertraͤge zu halten ſind (§. 438.); ſo muͤßen ſie nach aufgerichteten Vertrag ihm gehorchen, und es ſtehet nicht bey ihnen das geringſte wider ihn aus ei - nem feindſeligen Gemuͤthe zu unter - nehmen.

§. 1085.793des Oberherrn und der Unterthanen.
§. 1085.

Der Regent in einem Staat iſt de -Von den ſchuldi - gen Lie - bespflich - ten des Regenten in einem Staat gegen die Unter - thanen, und der Unter - thanen gegen den Regen - ten. nen Unterthanen, und die Unterthanen dem Regenten zu allen Pflichten, wel - che ein Menſch dem andern zu leiſten ſchuldig iſt, verbunden. Denn die na - tuͤrliche Verbindlichkeit iſt unveraͤnderlich (§. 38.), und kann ſich kein Menſch davon los machen (§. 42.). Derowegen da ein Staats - regente nicht aufhoͤret ein Menſch zu ſeyn, wenn er der Regent iſt, und die Unterthanen deshalb nicht aufhoͤren Menſchen zu ſeyn, weil ſie Unterthanen ſind; ſo beſtehet zwiſchen dem Regenten des Staats und den Unter - thanen die Verbindlichkeit in Abſicht auf alle Liebespflichten, und folglich muͤſſen der Regent und die Unterthanen ſich unter einander lieben (§. 136.). Ja dieſe Ver - bindlichkeit liegt in dem Vertrage, wodurch der Staat errichtet (§. 972.), wie auch in dem Vertrage, nach welchem die Herrſchaft dem Regenten des Staats uͤberlaſſen worden iſt (§. 982.).

§. 1086.

Dieweil derjenige, welcher ſich in ei -Von de - nen, die ſich in ei - nen Staat begeben. nen Staat begiebt, wo nicht mit deutli - chen Worten, doch ſtillſchweigend den Ver - trag, nach welchem ein Staat errichtet, und die Herrſchaft auf einen Regenten des Staats gebracht worden, vor genehm haͤlt; ſo iſt er zu der Beobachtung der Geſetze des Staats verbunden (§. 978. 1068.). EsD d d 5kommt794IV. Theil 1. Hauptſtuͤck. kommt dazu, daß es der Oberherr nicht lei - den wird, daß ſich iemand unter einer andern Bedingung in den Staat begebe, als daß er zugleich zur Beobachtung der Geſetze verpflich - tet ſeyn ſollte.

§. 1087.
Von der Einig - keit der Buͤrger.

Dieweil die Buͤrger Geſellſchafter ſind (§. 972. 974. ), dieſe aber einſtimmig ſeyn muͤſ - ſen (§. 847.); ſo muͤſſen auch die Buͤr - ger fein einig, folglich nicht uneinig ſeyn. Derowegen muß der Oberherr dafuͤr ſorgen, daß die Einigkeit der Buͤrger erhalten werde, keine Uneinig - keit aber Platz finde.

Der vierdte Theil.

Vom Voͤlckerrechte.

Das erſte Hauptſtuͤck.

Von dem Rechte der Voͤlcker uͤberhaupt.

§. 1088.

Von dem nothwen - digen Rechte der Voͤl - cker.

Dieweil verſchiedene Voͤlcker unter einander betrachtet werden als freye Perſonen, die im natuͤrlichen Zu - ſtande leben (§. 977.), dieſe aber ſich deswegen, weil ſie ſich in einen Staat begeben haben, von der natuͤrlichen Verbind -lichkeit795Von dem Rechte der Voͤlcker uͤberhaupt. lichkeit nicht losmachen koͤnnen (§. 42.); ſo ſind ſie zu eben denſelben Pflichten ſo wohl gegen ſich ſelbſt, als auch gegen andere Voͤlcker verbunden, wozu ein - tzelne Perſonen einander verpflichtet ſind; und aus eben dieſer entſpringen die Rechte, welche allen und ieden im natuͤrlichen Zuſtande zugehoͤren (§. 46.), die ihnen nicht koͤnnen genommen werden (§. 74.); folglich bedienen ſie ſich unter einander des Naturrechts. Das Recht der Natur, ſo fern es auf die Voͤlcker angewendet wird, wird das noth - wendige, oder natuͤrliche Voͤlckerrecht (jus gentium neceſſarium, vel naturale) ge - nennet. Einige nennen es auch mit dem Gro - tius das innerliche Voͤlckerrecht (jus gentium internum). Und dies Recht iſt gantz unveraͤnderlich (§. 40.), und kann ſich kein Volck von der daher ab - ſtammenden Verbindlichkeit befreyen (§. 42.).

§. 1089.

Vermoͤge des nothwendigen VoͤlckerrechtsVon dem Rechte der Na - tur ſo den Voͤl - ckern zu - kommt. haben die Voͤlcker alle einerley Ver - bindlichkeit und Rechte (§. 69.), und derowegen ſind ſie von Natur alle ein - ander gleich (§. 70.), keines hat ein Vorrecht (§. 71.), oder einen Rang fuͤr dem andern (§. 75.). Keinem ſteht ein Recht uͤber die Handlungen des an - dern zu (§. 76.): Alle und iede leben inFrey -796IV. Theil 1. Hauptſtuͤck. Freyheit (§. 77.), deren Gebrauch von einem andern Volcke nicht gehindert werden muß (§. 78.). Kein Volck darf das andere beleidigen, oder deſſen voll - kommnes Recht verletzen (§. 88.), oder ihm Unrecht thun (§. 87.): Ja es kommt einem ieden Volcke das Recht zu ſich wider ein zuzufuͤgendes Un - recht zu vertheidigen (§. 90.), und ein bereits angethanes zu beſtrafen (§. 93.). Ueberdem haben auch alle Voͤlcker das Recht ſich andere, daß ſie ihnen dieſes und jenes leiſten muͤſſen, verbindlich zu machen, und folglich ein vollkomm - nes Recht ſich etwas zu erwerben (§. 97.), ſo ihnen nicht entriſſen werden kann (§. 100.), und dann endlich auch das Recht des Krieges (§. 92.).

§. 1090.

Von dem will kuͤhr - lichen Rechte der Voͤl - ker.

Weil die Voͤlcker ſchuldig ſind ſich und ihren Zuſtand mit vereinigten Kraͤften vollkommner zu machen (§. 44. 1088. ); ſo hat die Natur ſelbſt un - ter den Voͤlckern eine Geſellſchaft ge - ſtiftet, in welche ſie wegen der unwiderruf - lichen Nothwendigkeit der natuͤrlichen Ver - bindlichkeit willigen muͤſſen (§. 38.), ſo daß es ſcheinet als wenn ſie durch einen eigenen Vertrag zu wege gebracht waͤre (§. 836.). Und dieſe Geſellſchaft, ſo der gemeinſamen Wohlfahrt wegen errichtet iſt, wird der groͤſſeſte Staat (civitas maxima) genen -net,797Von dem Rechte der Voͤlcker uͤberhaupt. net, deſſen Glieder, ſo zu reden als Buͤrger, die eintzelnen Voͤlcker ſind. Daraus entſpringt nun ein Recht, welches allen uͤber alle eintzel - ne Voͤlcker zukommt, welches man die all - gemeine Herrſchaft, oder die Herrſchaft der Voͤlcker (imperium univerſale ſive gentium) nennen koͤnnte, nach welchem man naͤmlich um der gemeinen Wohlfahrt willen die Handlungen derer eintzel - nen beſtimmen, und ſie zwingen kann, daß ſie ihrer Verbindlichkeit ein Gnuͤ - ge leiſten. Und da eine jede Geſellſchaft ihre Geſetze haben muß, worinn diejenigen Dinge feſte geſetzet werden, welche des ge - meinen Beſtens halber immer auf einerley Art geſchehen muͤßen (§. 846.); ſo muß auch der groͤſſeſte Staat ſeine Geſetze haben. Wie aber das Naturgeſetz die Ein - willigung in den groͤſſeſten Staat bewircket; ſo muß eben daſſelbe dieſe bey der Verferti - gung der Geſetze ergaͤntzen. Denn gleichwie in einem ieglichen Staat die buͤrgerlichen Ge - ſetze aus den natuͤrlichen verfertiget werden muͤſſen, und das Recht der Natur auch ſelbſt die Art vorſchreibet, wie dieſes geſchehen ſol - le (§. 1068. u. f.); ſo muͤſſen auch in dem groͤſſeſten Staat auf eben die Art aus den natuͤrlichen Geſetzen buͤrger - liche gemacht werden, wie es in einem ieden beſondern Staat nach dem in dem Naturgeſetz vorgeſchriebenen Lehrbegrif ergehet. Und dieſes Recht,welches798IV. Theil 1. Hauptſtuͤck. welches aus dem Begrif des groͤſſeſten Staats hergeleitet wird, nennen wir mit dem Gro - tius das willkuͤhrliche Voͤlckerrecht (jus gentium voluntarium); und diejenigen, wel - che das willkuͤhrliche Voͤlckerrecht beſtreiten, ein aͤuſſerliches aber, ſo von dem innerlichen, welches das natuͤrliche Voͤlckerrecht iſt (§. 1088.), unterſchieden ſeyn ſoll, behaupten, nehmen es in der That ſelbſt an: daß daher der Streit nicht ſo wohl uͤber die Sache, als vielmehr uͤber deren Nahmen iſt, obgleich we - der Grotius, noch ſeine Widerſacher die Dinge genug aus einander geſetzet haben, die wircklich zum willkuͤhrlichen Voͤlckerrecht ge - hoͤren.

§. 1091.

Von dem Ver - tragsvoͤl - ckerrecht.

Die Voͤlcker koͤnnen ſich auch durch Ver - traͤge allerley Rechte und Verbindlichkeiten zuwege bringen (§. 1089.). Und dieſes Recht, welches aus Vertraͤgen, ſo unter verſchiednen Voͤlckern eingegangen worden ſind, nebſt de - nen darauf paſſenden, oder ihnen anklebenden Verbindlichkeiten, entſtehet, wird das Ver - tragsrecht der Voͤlcker (jus gentium pa - ctitium) genennet. Derowegen da die Ver - traͤge nur die den Vertrag eingehende Theile verbinden (§. 438.), ſo iſt das Vertrags - voͤlckerrecht nur ein beſonderes Recht.

§. 1092.

Von dem Gewohn - heits -

Endlich nennet man das Gewohnheits - voͤlckerrecht (jus gentium conſuetudina -rium) 799Von dem Rechte der Voͤlcker uͤberhaupt. rium) dasjenige, was durch langwierigenvoͤlcker - recht. Gebrauch unter einigen Voͤlckern eingefuͤhret, und als ein Recht beobachtet worden: wel - ches nur beſonders ſeyn kann, und die - weil es ſich auf keine ausdruͤckliche Einwilli - gung gruͤndet, nicht laͤnger verbindet, als bis ein Volck ausdruͤcklich einen andern Willen an den Tag geleget hat.

Das zweyte Hauptſtuͤck.

Von den Pflichten der Voͤlcker gegen ſich ſelbſt, und denen daher entſpringenden Rechten.

§. 1093.

Die Erhaltung eines Volckes (con -Von der Erhal - tung ei - nes Vol - ckes. ſervatio gentis) beſtehet in der Fort - dauer der Vereinigung in einem Staat. Da demnach alle insgeſamt ver - pflichtet ſind fuͤr den hinlaͤnglichen Lebensun - terhalt, Ruhe und Sicherheit eines ieglichen zu ſorgen (§. 975.), als welcher Endzweck nur bey aufrechtſtehender geſellſchaftlicher Vereinigung erhalten wird; ſo iſt ein iedes Volck ſich zu erhalten verpflichtet.

§. 1094.

Die Vollkommenheit eines VolcksVon der Vollkom - menheit eines Volcks beſteht in der Geſchicklichkeit den Endzweck des Staats zu erreichen, und ſo iſt denn der Zu - ſtand eines Volckes vollkommen, wennbey800IV. Th. 2. Hauptſt. Von den Pflichtenund des Zuſtan - des deſ - ſelben.bey ihm nichts von dem vermiſſet wird, deſſen es den Endzweck zu erlangen bedarf. Derowegen da diejenigen, welche ſich in einen Staat zuſammen begeben haben, ſich unter einander verbunden, dieſen End - zweck mit vereinigten Kraͤften zu verfolgen (§. 972.); ſo iſt ein iegliches Volck ver - pflichtet ſich und ſeinen Zuſtand voll - kommner zu machen.

§. 1095.

Von der Verbind - lichkeit und dem daher ſlieſſen - den Rech - te.

Weil ein Volck ſich erhalten (§. 1093.) und vollkommen machen ſoll (§. 1094.); ſo muß es auch alle Gefahr des Unter - gangs von ſich abwenden, und ſo viel in ſeinen Kraͤften iſt, dasjenige ver - meiden (§. 60.), was ſeine und ſeines Zuſtandes Vollkommenheit auf irgend eine Art verhindert, oder es ſelbſt, oder ſeinen Zuſtand unvollkommner macht; folglich ſtehet einem ieglichen Volcke das Recht zu dem offen, wodurch es die Gefahr des Untergangs abwen - den, und ohne welches es ſich und ſei - nen Zuſtand nicht vollkommen machen, oder ſeine und ſeines Zuſtandes Unvoll - kommenheit nicht verhuͤten kann; wenn es folglich der Huͤlfe und des Bey - ſtandes eines andern Volckes zu dieſem Ende noͤthig hat, ſo muß es mit dem - ſelben daruͤber Vertraͤge errichten (§. 1091.).

§. 1096.801der Voͤlcker gegen ſich ſelbſt.

§. 1096.

Der Ruhm (gloria) iſt das einſtimmigeVon dem Ruhm. Lob guter und erfahrner Perſonen, oder derer, welche wohl urtheilen koͤnnen (§. 121.); folg - lich kann niemand ohne Tugenden des Verſtandes und Willens wahren Ruhm erlangen, und der thut es an - dern an Ruhm am meiſten zuvor, welcher andere an der Tugend weit uͤbertrift (§. 125.). Und ſo beſtehet denn der Ruhm eines Volcks in dem Lobe, welches ihm nach der Uebereinſtim - mung braver und erfahrner Leute, ſo wohl wegen der Vollkommenheit, als auch ſolcher Thaten halber, welche aus Tugenden des Verſtandes und des Willens hergefloſſen ſind, beygeleget wird. Und weil das, was eintzelne haben, auf das gantze Volck gezogen wird, und von dieſem geſaget werden muß, was von dem groͤſſeſten Theile deſſelben, oder von mehre - ren in einer gewiſſen Lebensart gilt; ſo ge - reichen die aus Tugenden des Verſtan - des und des Willens abgeſtammten Thaten eintzelner, und inſonderheit der meiſten, oder wenigſtens vieler Perſonen in einerley Lebensart, zum Ruhm eines Volcks. So wird z. E. ein Volck gelehrt genennt, wenn es einen Ueber - fluß an gelehrten Maͤnnern hat; es heißt ge - recht, wenn die meiſten in demſelben der Ge - rechtigkeit ergeben ſind, u. ſ. w.

Nat. u. Voͤlckerrecht. E e e§. 1097.802IV. Th. 2. Hauptſt. Von den Pflichten

§. 1097.

Von der Befoͤrde - rung des Ruhms.

Dieweil ſich ein ieder Menſch zu befleißi - gen hat, daß er lobenswuͤrdig ſey (§. 125.), und alſo Ruhm verdiene (§ 127.); ſo muß ſich auch ein iedes Volck Ruhm zu verdienen bewerben. Hieraus ergiebt ſich, daß auch alle und iede ihre Hand - lungen, und mithin der Regent des Staats ſelbſt ſeine koͤniglichen Hand - lungen (§. 1096.), zum Ruhm ihres Volcks einrichten muͤſſen, folglich haben ſie ſich zu huͤten, daß ſie nicht etwas begehen, was ihrem Volcke zur Schan - de gereichet. Daher erhellet noch weiter, daß die Voͤlcker auch gelehrt und geſit - tet ſeyn ſollen. Es heiſſen naͤmlich gelehr - te Voͤlcker, welche die Tugenden des Ver - ſtandes treiben, und folglich ihre Seele durch Erkaͤntniß uͤben; geſittete aber werden ge - nennet, welche nach der Vorſchrift der Ver - nunft und zur Artigkeit eingerichtete Sitten haben. Dieſen ſind wilde und ungeſittete Voͤlcker (barbaræ & incultæ) entgegen ge - ſetzet.

§. 1098.

Von dem Rechte ſich Sa - chen um einen bil - ligen Preis von ei - nem an -

Weil ſich die Menſchen unter einander ver - bunden ſind dasjenige von ihren Sachen her - zugeben, was der andere bedarf, ſie aber miſ - ſen koͤnnen (§. 329.), niemand aber ſchuldig iſt einem etwas umſonſt zu geben, der gleich - falls etwas geben kann (§. 473.); ſo hat ein iegliches Volck das Recht die Sachen,ſo803der Voͤlcker gegen ſich ſelbſt. ſo es bedarf, von andern Voͤlckern, diedern Volck an - zuſchaf - fen. ihrer nicht noͤthig haben, ſich um bil - ligen Preis anzuſchaffen: Keineswegs aber kommt ihm das Recht zu, ſeine Sachen bey einem andern Volcke zu verkaufen, wenn es ſolches nicht zu - frieden iſt, wenn folglich ein Volck nicht will, daß gewiſſe fremde Sachen in ſein Land ſollen gebracht werden, ſo thut es dem Volck, von welchem ſie kommen, kein Unrecht (§. 87.).

§. 1099.

Den Handel (commercium) nennt manVon dem Handel. das Recht, nach welchem man allerley Sa - chen, bewegliche und ſich bewegende, unter einander kaufen und verkaufen kann. Jn - neren Handel (commercia interna) heiſſet man denjenigen, welchen die, ſo einerley buͤr - gerlicher Herrſchaft unterworfen, oder unter einander Buͤrger ſind, treiben; aͤuſſerlichen aber (externa), der mit andern Voͤlckern, oder mit fremden getrieben wird. Da der innerliche Handel den Nutzen hat, daß ein ieder haben kann, was zur Nothdurft, Ge - maͤchlichkeit und Vergnuͤgen des Lebens erfor - derlich iſt, und daß einerley Geld beſtaͤndig von einem auf den andern koͤmmt, und zu mehrerer Vortheil verwendet wird; der aͤuſ - ſerliche aber dazu dienet, daß man das, was einem Volcke fehlt, von dem andern anſchaf - fet: ſo ſind ſo wohl alle und iede un - ter einander in einem Staat (§. 975.),E e e 2als804IV. Th. 2. Hauptſt. Von den Pflichtenals auch die Voͤlcker unter einander verbunden Handel zu treiben (§. 1098.). Wenn man nun aber durch einen Vertrag ein vollkommenes Recht erlanget (§. 1089.); ſo muͤſſen die Voͤlcker Handlungsver - traͤge unter einander errichten.

§. 1100.

Von dem Rechte, da etwas blos in meiner Macht ſtehet.

Das Recht, da etwas blos in mei - ner Macht ſteht (jus meræ facultatis) wird dasjenige Recht genannt, da iemand ſich etwas bedienen und nicht bedienen kann, wie es ihm gut deuchtet, frey von allem aͤuſſerli - chen Zwange. Derowegen da Handlun - gen, bey welchen es lediglich auf den Willen ankommt (actus meræ volunta - tis) diejenigen heiſſen, welche eintzig von un - ſerm Willen abhangen; ſo ſind alle Hand - lungen, die zur Ausuͤbung des Rech - tes, da etwas blos in meiner Macht ſtehet, gehoͤren, von der Art, z. E. Waa - ren kaufen, wo man will. Weil nun aus den Handlungen, ſo lediglich auf iemandes Wil - len beruhen, nicht geſchloſſen werden kann, daß ſich iemand dem andern zu gefallen ſeines Rechts begeben ſo und nicht anders zu thun; ſo koͤnnen die Rechte, da etwas blos in unſrer Macht ſtehet, nicht verjaͤh - ret werden (§. 452.), auſſer von der Zeit an, da ein Verboth oder Zwang dazwiſchen gekommen, und demſelben von uns, mit genugſamer Anzeige un -ſrer805der Voͤlcker gegen ſich ſelbſt. ſrer Einwilligung, Gehorſam gelei - ſtet worden iſt.

§. 1101.

Da ein vollkommnes Recht des Han -Von der Verjaͤh - rung des Handels. dels (jus commerciorum perfectum) nur durch einen Vertrag erworben wird (§ 1099.), und folglich an ſich betrachtet ein Recht iſt, ſo blos in unſrer Macht ſtehet (§. 1100.); ſo kann das nicht verjaͤhret werden, auſ - ſer ſeit dem ein Verboth, oder ein Zwang dazwiſchen gekommen iſt, dem man mit ſattſamer Bekantmachung ſeiner Einwilligung gehorſamet hat.

§. 1102.

Zu der Vollkommenheit eines Volcks ge -Von dem Rechte ſeine Macht zu ver - mehren. hoͤret, daß es maͤchtig ſey, das iſt, daß es der Gewalt andrer Voͤlcker, womit es ent - weder ſelbſt, oder das ſeinige uͤberfallen wird, widerſtehen koͤnne (§. 1094. 972.). Dero - wegen muß ſich ein iedes Volck befleiſ - ſigen, maͤchtig zu ſeyn, folglich hat es ein Recht zu allen dem, wodurch es ſeine Macht ohne andern Voͤlckern Un - recht zuzufuͤgen (§. 87.) vermehren kann (§. 46.). Wenn derowegen ein Volck nicht maͤchtig genug waͤre ſich wider das Unrecht andrer Voͤlcker zu beſchuͤ - tzen; ſo kann es ſich, weil durch Vertraͤ - ge vollkommene Rechte erhalten werden (§. 1089.), unter einer gewiſſen Bedin - gung, worinn ſie etwa uͤbereinkom - men, einem andern maͤchtigern VolckeE e e 3unter -806IV. Th. 2. Hauptſt. Von den Pflichtenunterwerffen, und es muͤſſen ſodenn die beyderſeitigen Rechte nach dem Vertrage der Unterwerffung abgemeſ - ſen werden (§. 317.). Wenn daher ein Volck, welches den Schutz gewaͤhren ſoll, ſich uͤber ein ohnmaͤchtigeres Volck mehr Recht anmaſſete, als es aus dem Vertrage hat; ſo kann jenes, weil alsdenn ihm unrecht geſchieht (§. 87.), ſich mit Gewalt widerſetzen und frem - de Huͤlfe anflehen (§. 90.).

§. 1103.

Von der Woh - nung.

Man nennet die Wohnung (domici - lium) einen an einem Orte aufgerichteten Aufenthalt, mit dem Vorſatz beſtaͤndig da zu bleiben. Wer ſich alſo um eines Ge - ſchaͤftes willen an einem Ort auch noch ſo lange aufhaͤlt, der hat doch ſeine Behauſung nicht da. Weil aber einem ieglichen vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit die Aendrung des Willens erlaubt iſt (§. 78.); ſo kann die Wohnung veraͤndert wer - den. Die natuͤrliche Wohnung (do - micilium naturale) heißt, welche einer durch die Geburth da, wo der Vater zu hauſe iſt, erhaͤlt; die angenommene aber (adſciti - tium) iſt, welche ſich iemand nach eignen Willen beſtimmet hat. Daher haͤlt man dafuͤr, daß iemand ſeine natuͤrliche Be - hauſung ſo lange behalte, als er ſich nicht nach ſeinem eignen Willen eineandere807der Voͤlcker gegen ſich ſelbſt. andere feſte geſetzet, oder jene nicht verlaſſen hat.

§. 1104.

Ein herumſchweifender (vagabun -Von herum - ſchwei - ſenden. dus) wird genennt, der nirgends zu hauſe iſt. Die herumſchweifenden halten ſich alſo bald hier, bald da auf, und haben nie den Vorſatz an einem Orte beſtaͤndig zu bleiben. Ob das nun gleich mehrentheils herumſchweifende ſind, die ei - ner laſterhaften, oder doch wenig ehrbaren Lebensart nachhaͤngen; ſo iſt es doch nichts widerſprechendes, daß auch die herumſchwei - fenden einer ehrbaren Lebensart ergeben ſeyn koͤnnen.

§. 1105.

Das Vaterland iſt der Ort, naͤmlich einVon dem Vater - lande und deſ - ſen Liebe. Land, oder Stadt, in welchem die Eltern, wenn iemand gebohren wird, ihre Behau - ſung haben; da man denn die Abſicht auf das Volck, oder auf eine gewiſſe Gemeinde von einem Volck, deſſen Land oder Stadt es iſt, hat. Von dem Vaterlande iſt der Ge - burtsort unterſchieden, worinn einer die Welt erblicket hat, als welches auch auſſer dem Vaterlande geſchehen kann. Da man den Geburtsort ohne eine Abſicht auf das Volck zu nehmen betrachtet; ſo giebet er auch einem gebohrnen kein Recht. Hier - aus iſt klar, daß diejenigen ſo von her - umſchweifenden gezeuget ſind, kein Vaterland haben (§. 1104.). Weil dieE e e 4Unter,808IV. Th. 2. Hauptſt. Von den PflichtenUnterthanen beſonders verbunden ſind alle und iede zu lieben (§. 1085.), und folglich ein ieglicher ſein Volck lieben ſoll (§. 974.); ſo muß er auch ſein Vaterland lieben.

1106.

Von den vertrie - benen.

Ein Vertriebener (exul) iſt, welcher aus der Stadt, oder dem Lande, wo er ſeine Wohnung hat, verjaget wird, oder ohne un - ehrlich zu werden daraus weichen muß. Der Zuſtand der Vertriebenen (exilium) kann auch eine Strafe ſeyn. Man nen - net ihn aber einen wider Willen uͤber - nommenen (exilium invitum), wenn ie - mand nach dem Ausſpruch des Richters, oder auf Befehl des Oberherrn wegzugehen ge - zwungen wird; gleichwie man es einen frey - willigen (voluntarium) nennen kann, wenn iemand um der Strafe willen, oder einer Noth zu entrinnen von freyen Stuͤcken aus dem Ort, wo er ſeine Wohnung hat, wei - chet. Weil man denenjenigen, welche ver - trieben ſind, und aufgenommen zu werden ſuchen den Aufenthalt verſtatten muß, wo nicht beſondere Gruͤnde in dem Wege ſtehen (§. 312.); ſo muß ein Volck auch den verjagten eine beſtaͤndige Wohnung in ſeinem Lande verſtatten, wenn es nicht beſondere Gruͤnde verbieten. Jn - dem aber dies das Volck ſelbſt zu beurtheilen hat (§. 1089. 78. ); ſo muß man es,wenn809der Voͤlcker gegen ſich ſelbſt. wenn einem die Anfnahme abgeſchla - gen wird, ertragen.

§. 1107.

Die Erlaubniß daß man freywillig ausVon dem Rechte aus dem Lande zu gehen. dem Ort ſeiner Wohnung weichen darf, wird das Recht aus dem Lande zu gehen (jus emigrandi) genennt. Es iſt aber leicht zu erachten, daß das Recht aus dem Lan - de zu gehen entweder von einem Ver - trage, oder von einem Grundgeſetze, oder von dem Willen des Oberherrn herruͤhre. Hieher gehoͤret auch der Ver - trag, nach welchem die Staaten errichtet ſind, welcher nur allein durch andere beſondere Ver - traͤge, wozu man auch ſelbſt die Grundgeſe - tze rechnen kann, unkraͤftig gemachet wird.

Das dritte Hauptſtuͤck.

Von den Pflichten der Voͤlcker gegen einander, und von denen da - her entſpringenden Rechten.

§. 1108.

Dieweil das Recht der Natur auf dieDie all - gemeine Pflicht eines Volckes gegen andere. Voͤlcker angewendet werden muß (§. 1088.); ſo iſt ein iedes Volck ei - nem ieden andern das ſchuldig, was es ſich ſelbſt ſchuldig iſt, in ſo ferne das andere ſolches nicht in ſeiner eig - nen Gewalt hat, und jenes Volck es ohne Hintanſetzung der Pflichten ge -E e e 5gen810IV. Th. 3. Hauptſt. Von den Pflichtengen ſich ſelbſt dem andern leiſten kann (§. 133.): Was es folglich zur Erhal - tung deſſelben, oder zu deſſen und des Zuſtandes deſſelben Vollkommenheit beytragen kann, das muß es auch bey - tragen (§. 1093. 1094.). Doch iſt das Recht, ſo ein anderes Volck dazu hat, ein unvollkommnes Recht, aber das Recht ſolches zu erbitten iſt ein voll - kommnes, und man kann es in ſeinem Bitten ohne Unrecht zu begehen nicht hindern (§. 82. 87.).

§. 1109.

Von der Liebe, dem Ruhme und dem Handel.

Aus eben dem Grunde muß ein iedes Volck zu einem andern eine Zunei - gung haben und es lieben als ſich ſelbſt (§. 136.), wenn es auch gleich ein feindſeliges Volck ſeyn ſollte (§. 137.), ſo dann muß es ſich auch bemuͤhen, daß andere Voͤlcker ruhmswuͤrdig wer - den (§. 1097.), und es muß ein iegli - ches ſo hoch ſchaͤtzen, als es daſſelbe verdienet, desgleichen ihm ſo viel Lob beylegen, als es werth iſt (§. 142.), deshalben nach Vermoͤgen behuͤlflich ſeyn, daß es gelehrt und geſittet wer - de. Hierher gehoͤret auch die Verbind - lichkeit mit andern Voͤlckern Handel zu treiben (§. 1099.).

§. 1110.

Wie man ſich we - gen der

Da ein vollkommnes Handelsrecht nur durch Vertrag erlanget wird, und darnach zuſchaͤtzen811der Voͤlcker gegen einander. ſchaͤtzen iſt (§. 438.); ſo kann der HandelHand - lung ver - einigen koͤnne. auf den Einkauf allein, oder auf den Kauf und Verkauf gewiſſer Sachen, und auf eine gewiſſe Zeit eingeſchraͤn - cket werden, und es koͤnnen den Han - delstractaten allerley Bedingungen und vorbehaltende Geſetze angehaͤnget werden: Sollten aber die Voͤlcker ein - ander den Handel, entweder ſtillſchwei - gend, oder ausdruͤcklich, nur erlau - ben, und es wuͤrde ſolcher nicht durch einen Vertrag befeſtiget, ſo kann er nach Gefallen wiederrufen werden.

§. 1111.

Weil natuͤrlicher Weiſe ein iegliches VolckDaß der Handel nicht verhin - dert wer - den muͤſ - ſe, und von ver - neinen - den Ver - traͤgen. das Recht hat mit einem ieglichen andern Volcke Handel zu treiben (§. 1099.); ſo kann kein Volck verbieten, daß ſich das eine mit einem andern in Handel einlaſſe, doch kann es mit ihm einen Vertrag machen, daß ſolches nicht ge - ſchehe (§. 337.). Und da die Vertraͤge ge - halten werden muͤſſen (§. 438.); ſo erwaͤch - ſet aus einem verneinenden Vertrage uͤber die Handlung dem einen Theil ein Recht, daß es nicht zu leiden ver - bunden iſt, daß der andre Theil mit einem andern Volck Handel treibe, oder ihn uͤber die verglichene Einſchraͤn - ckung ausdehne.

§. 1112.812IV. Th. 3. Hauptſt. Von den Pflichten

§. 1112.

Vom ent - zogenen Gewinn und von dem Han - del, den einer al - lein fuͤh - ren darf.

Dieweil es einem ieden Volcke frey ſtehet mit einem ieden andern des Handels wegen Vertraͤge zu machen (§. 1095.); ſo thut es dem andern, da es ſich ſeines Rechts be - dienet, kein Unrecht, wenn es durch ei - nen Handel, den es vorher noch nicht getrieben hatte, ein andres Volck um ſeinen Gewinſt bringet; und folglich fuͤgt es ihm auch kein Unrecht zu, wenn es ſich mit einem andern Volcke dahin vergleichet, daß es ihm allein gewiſſe Sachen verkaufe, die man nirgends anders her als von demſelben haben kann, und die es hernach andern, ſo ihrer benoͤthigt ſind, wieder verhan - delt. Es muͤſſen zwar ſo dann die Sa - chen nach der Natur um einen billigen Preis verkauft werden, damit kein Be - trug vorgehe (§. 286.): Unterdeſſen da man dem Eigenthuͤmer den Misbrauch ſeines Rechts verſtatten muß (§. 202.); ſo wird kein Unrecht begangen, wenn ſie auch nicht eben um einen billigen Preis ver - kaufet werden (§. 87.).

§. 1113.

Von der Bemuͤ - hung den Handel zu befoͤr - dern.

Da durch die Handlung das gemeinſame Wohl der Voͤlcker befoͤrdert wird (§. 1099.), wozu die Voͤlcker einander verbunden ſind (§. 1108.); ſo muß ein iedes Volck nach Vermoͤgen alles beytragen, was zur Befoͤrderung des Handels unter ein -andet813der Voͤlcker gegen einander. ander gehoͤret, folglich muß es denſel - ben nicht hindern, ſondern was ihm im Wege ſtehet, wegraͤumen. Dero - wegen muß es Sorge tragen, daß die Sachen, welche in Handel kommen, fuͤglich und ſicher ein - und ausgefuͤh - ret, und am gehoͤrigen Orte umgeſe - tzet werden, ingleichen daß die Schiffe und Frachtwagen ſicher anlangen und abgehen koͤnnen, wie auch daß diejeni - gen, welche Waaren einbringen, oder fortſchaffen, nicht ſo lange aufgehal - ten werden, damit nicht ſo viele Unko - ſten auflaufen, ferner daß man die Streitigkeiten, ſo unter den Kaufleu - ten entſtehen, ohne Verzug abthue, damit ſich nichts ereigne, was dem aus Vertraͤgen hergebrachten Rechte zu - wider iſt, und was dergleichen Din - ge mehr ſind.

§. 1114.

Weil aber niemand gehalten iſt dem andernVon dem Zoll, wel - chen man auf die Waaren legen ſoll. etwas umſonſt zu leiſten, welcher gleichfalls etwas geben kann (§. 473.); ſo kann man auf die durchgehenden, oder ins Land gebrachte, oder ausgefuͤhrte Waaren, nach Beſchaffenheit der Beſchwerlich - keiten, die man des Handels wegen uͤbernehmen muß, ſodann auch des Gewinnes, den man aus dem Verkauf derſelben hat, einen Zoll legen: Doch aber muß man ſie nicht mit ſolchenLaſten814IV. Th. 3. Hauptſt. Von den PflichtenLaſten beſchweren, welche kein Ver - haͤltniß gegen ſie haben (§. 1057.).

§. 1115.

Von Handels - ſtaͤdten.

Handelsſtaͤdte (emporia) nennet man Oerter, welche zum beſtaͤndigen Handel un - ter den Voͤlckern gewidmet ſind. Es muß demnach erlaubet ſeyn, daß man zu ie - derzeit zum Verkauf ſtehende Waaren in dieſelben hineinbringen, und die gekauften aus denſelben herausfuͤhren koͤnne. Da der Handel durch ſie erleichtert wird; ſo muͤſſen Handelsſtaͤdte angele - get, und was zur Gemaͤchlichkeit des Handels in ihnen gereichet, veranſtal - tet werden (§. 1113.). Hierher gehoͤret auch, daß man zur Befoͤrderung des Handels nuͤtzliche Privilegien, z. E. ei - ner beſtaͤndigen Wohnung, des Be - ſitzes unbeweglicher Guͤther, der freyen Religionsuͤbung, des Gebrauchs des Rechts ihres Vaterlandes unter einan - der, der Zollfreyheit, oder daß man weniger zahlet als es ordentlich traͤgt, u. ſ. f. ertheile. Und daraus iſt klar, wo - zu ein Volck das andere durch Vertraͤge ver - binden koͤnne.

§. 1116.

Von den Haaſen.

Zur Befoͤrderung des Handels auf der See dienen die Haafen, welches eingeſchloſ - ſene Oerter am Ufer des Meeres ſind, in welche man Waaren mit Schiffen ein und aus bringen kann. Damit denen Handeln -den815der Voͤlcker gegen einander. den Sicherheit verſchaffet werde, muß man ſie wider feindliche Gewalt befeſtigen. Auch gehoͤret hierher, daß ſie die Schiffe wi - der Ungewitter ſicher ſtellen muͤſſen.

§. 1117.

Das Stapelrecht (jus ſtapulæ) iſt dasVom Stapel - rechte. Privilegium die mit Waaren vorbey fahren - den auf offenen Fluß anzuhalten, daß ſie ſol - che verkaufen, oder, wenn ſie ſie nicht ver - kaufen wollen, einen Tribut geben muͤſſen: Da dies der Handelsfreyheit gar ſehr entge - gen ſtehet, ſo muß es nicht geduldet werden, wenn es nicht gantz beſonde - re Gruͤnde, welche von der oͤffentli - chen Wohlfahrt hergeholet ſind, er - heiſchen (§. 1113.).

§. 1118.

Conſul (conſules) ſind ſolche Perſonen,Von den Conſuln. welchen in den See-Handelsſtaͤdten, oder den Haafen aufgetragen iſt, die Privilegien und Rechte ihrer Nation, oder ihres Volcks zu bewahren, und die Streitigkeiten der Kauf - leute zu ſchlichten. Die Conſul bleiben Unterthanen deſſen, der ſie geſetzt hat, indem ſie ein Amt verwalten, ſo er ihnen aufgetragen hat: Allein in dem Gebiete deſſen, der ſie aufgenommen hat, wer - den ſie als Fremde, welche ſich ihrer Geſchaͤfte halber darin aufhalten, be - trachtet. Und es erhellet leicht, daß das vollkommene Recht einen Conſul zu beſtellen, und die Verbindlichkeit ihnaufzu -816IV. Th. 3. Hauptſt. Von den Pflichtenaufzunehmen aus Vertraͤgen komme (§. 1089.), und daß man ſich darinn uͤber das vereinigen koͤnne, was bey - den Theilen zum Vortheil zu gereichen ſcheinet.

§. 1119.

Von den Nahmen und Ti - tuln ei - nes Re - genten des Staats.

Weil von Natur kein Volck ein Vor - recht, oder Rang hat (§. 1089.), ſo kann beydes nicht anders als durch Vertraͤge erhalten werden. Und ver - moͤge der Freyheit der Voͤlcker ſtehet einem ieden Volck frey, mit welchem Nah - men es den Regenten ſeines Staats nennen, und welche Ehrentitul es ihm beylegen wolle; aber von andern Voͤl - ckern muß man das erſt erhalten. Doch aber wenn ein Volck durch einen Ver - trag ſich ein vollkommnes Recht zu - wege gebracht hat, daß ihr Staats - regente mit einem gewiſſen Nahmen benennet und ihm gewiſſe Titul gege - ben werden ſollen; ſo koͤnnen ſie nach - her nicht ohne Zufuͤgung eines Un - rechts verſaget werden (§. 87.).

§. 1120.

Daß das Recht der Gleich - heit nicht verletzet werden muͤſſe.

Dieweil alle Voͤlcker nach der Natur ein - ander gleich ſind (§. 1089.), und die Regen - ten der Staaten ihr Volck vorſtellen (§. 994.); ſo muß ein ieglicher Staatsregente den Regenten eines andern Staats als einen ſeines gleichen anſehen: Jndem nun dieſes Recht nicht entriſſen werden kann(§. 74.),817der Voͤlcker gegen einander. (§. 74.), ſo begehet derſelbe ein Unrecht, welcher durch Worte, oder Thaten das Gegentheil zu Tage leget (§. 87.). Da - her ſind alle Handlungen, welche zur Verachtung, oder zur Schmaͤhung des Regenten des Staats abzielen, Unrecht.

§. 1121.

Kein Volck darf das andere beleidigenVon den Beleidi - gungen der Voͤl - cker. (§. 1089.), folglich auch nicht deſſen Recht verletzen (angef. §.). Derowegen weil aus dieſer Verbindlichkeit des einen Theiles dem andern ein darauf paſſendes Recht erwaͤchſet (§. 89.); ſo kommt einem ieglichen Volck ein Recht zu nicht zu leiden, daß es von dem andern beleidiget werde, und folglich auch ein Recht nicht zu ge - ſtatten, daß ſich ein andres Volck in ſeine Regierung miſche: als welches auch wider die Freyheit der Voͤlcker ſtreitet (§. 1089. 87.). Daraus folget, daß, wenn ein Regent des Staats ſeine Untertha - nen gar zu ſehr belaͤſtiget, oder mit ih - nen allzuhart umgehet, der Regent eines andern Staats nicht mit Gewalt widerſtehen koͤnne. Dieweil aber doch ein iegliches Volck die Vollkommenheit des andern befoͤrdern ſoll, ſo viel es kann (§. 1108.); ſo iſt es erlaubt fuͤr ſie zu bitten.

Nat. u. Voͤlckerrecht. F f f§. 1122.818IV. Th. 3. Hauptſt. Von den Pflichten

§. 1122.

Daß die Religion bey an - dern Voͤl - ckern nicht mit Gewalt fortge - pflantzet werden muͤſſe.

Jndem dem Oberherrn auch ein Recht uͤber heilige Sachen zukommt (§. 1064.), und ihm die Sorge oblieget, daß die Unterthanen GOtt fuͤrchten (§. 1024.); ſo kann kein Volck das andere mit Gewalt noͤthi - gen ſeine Religion anzunehmen (§. 1120.), folglich hat es auch kein Recht der Religion halben ſich ein andres Volck zu unterwerffen, ja dies iſt auch nicht verbunden Mißionarien, das iſt, ſolche Perſonen, welche um eine andere Re - ligion auszubreiten ankommen, zu dulden, derowegen kann es auch dieſelben, wenn ſie nach vorhergegangenem Befehl nicht fort wollen, ſtrafen.

§. 1123.

Ob die Verſchie - denheit der Reli - gion den Pflichten der Voͤl - cker unter einander im Wege ſtehe.

Und weil die Pflichten des einen Volcks gegen das andere die Einigkeit der Religion nicht zum voraus ſetzen, ſondern in der menſchlichen Natur gegruͤndet ſind (§. 39.); ſo kann ein Volck dem andern die Lie - bespflichten, ſo das eine dem andern ſchuldig iſt, wegen der Verſchieden - heit der Religion nicht verſagen. De - rowegen kommt in der Leiſtung der Liebespflichten die Verſchiedenheit der Religion nicht in Betrachtung. Folg - lich befreyet der Unterſchied der Reli - gion noch vielweniger von einer voll -komme -819der Voͤlcker gegen einander. kommenen Verbindlichkeit, die man uͤber ſich hat (§. 80.).

§. 1124.

Da endlich die Voͤlcker gleichſam BuͤrgerVon der Einigkeit der Voͤl - cker. des groͤſſeſten Staats ſind (§. 1090.); ſo muͤſſen ſie unter einander einig ſeyn (§. 1087.) und mithin Uneinigkeit, wie auch alles das, was Uneinigkeiten verurſa - chet, ſorgfaͤltig vermeiden.

Das vierdte Hauptſtuͤck.

Vom Eigenthum eines Volckes.

§. 1125.

Wenn ein Volck eine ledige Land -Von dem Urſprun - ge des Eigen - thumes eines Volckes und des Gebie - tes. ſchaft einnimmt; ſo ſind, weil man eben dadurch, daß man eine keinem zugehoͤrige Sache in Beſitz nimmt, die Herrſchaft erlanget (§. 210.), das gantze Land und was darinnen iſt, auch die wuͤſten und unfruchtbaren, oder unge - baueten Oerter, und alle Rechte, wel - che dem Lande gleichſam anhaͤngen (§. 214.), ſein Eigenthum: Und weil es nun - mehro uͤber alles und iedes nach Gefallen ver - fuͤgen kann (§. 195.), ſo bleiben diejeni - gen Dinge, welche nicht unter eintzel - ne vertheilet, oder in eine vermiſchte Gemeinſchaft gewiſſer beſonderer Ge - ſellſchaften gebracht werden (§. 197.),F f f 2der820IV. Theil 4. Hauptſtuͤck. der Gemeinheit. Weil aber einem iegli - chen Volcke die buͤrgerliche Herrſchaft zu - kommt (§. 979.), es mag nun dieſelbe vor ſich ſelbſt, oder durch andere verwalten (§. 982.), und folglich nicht zu zweifeln iſt, daß es nicht auch in der Landſchaft, welche es einnimmet, oder in den Laͤndern, die ihm zu - ſtehen, eine Herrſchaft haben wolle; ſo nim - met es in der in Beſitz genommenen Landſchaft die Herrſchaft zugleich mit ein, und folglich wird die gantze Land - ſchaft ſein Gebiete. Denn das Gebiete (territorium) iſt ein Ort, woruͤber iemand ſeine Herrſchaft hat. Und daher erhellet, daß die Herrſchaft, welche zwar ein Recht des Volcks iſt, dem Strich Landes, wel - chen es bewohnet, gleichſam anhaͤn - gig, und daß demnach ein Fremder, ſo lange er in dem Lande, als in einem fremden Gebiete, verweilet, der Herr - ſchaft deſſelben Volcks unterworffen ſey. Und derowegen wird der Regent des Staats Herr des Gebietes, wie auch Herr des Landes (dominus territorii, dominus regionis) genennet.

§. 1126.

Von ab - geſonder - ten Fa - milien.

Wenn abgeſonderte Familien in ei - ner Landſchaft beyſammen wohnen und Privatgruͤnde beſitzen, indem ſolche von Anfange in Beſitz genommen worden ſind (§. 210.), ſo haben ſie daruͤber dieHerr -821Vom Eigenthum eines Volckes. Herrſchaft; die uͤbrigen Oerter aber, als welche ſie nicht eingenommen haben, bleiben in der urſpruͤnglichen erſten Gemein - ſchaft (angef. §.). Wenn aber die abge - ſonderten Familien keinen beſtaͤndigen Sitz haben, ſondern durch unbebaue - te Einoͤden herumſchweifen; ſo blei - ben die Laͤndereien, die ihnen zum Ge - brauch dienen koͤnnen, dieweil man glaubt, ſie ſeyen ſtillſchweigend zufrieden, daß die Gruͤnde in der Landſchaft, worin ſie ihren Aufenthalt nach Belieben aͤndern, und die allen eintzelnen zum Gebrauch angewendet werden, gemeinſchaftlich ſeyn ſollen, und man alſo dafuͤr haͤlt, daß ſie die Landſchaft in Ab - ſicht auf dieſe Gruͤnde zuſammen eingenom - men haben (angef. §. ), in einer vermiſch - ten Gemeinſchaft (§. 197.), da hinge - gen die uͤbrigen, ſo man naͤmlich nicht in Beſitz genommen hat, in der allererſten Gemeinſchaft bleiben (§. 210.). Unter - deſſen da dieſe Familien von Natur frey ſind (§. 77.), und ihnen die Freyheit wider ihren Willen nicht genommen werden kann (§. 74.); ſo kann man ſich auch die Herrſchaft uͤber abgeſonderte Familien, ſie moͤ - gen eine beſtaͤndige Wohnung haben, oder nicht, nicht anmaſſen, ſie koͤnnen vielmehr derſelben nicht anders als mit ihrem Willen unterworfen wer - den.

F f f 3§. 1127.822IV. Theil 4. Hauptſtuͤck.

§. 1127.

Von dem urſpꝛuͤng - lichen Za - wachs des Ge - bietes.

Weil ein Volck nebſt dem Eigenthum zu - gleich die Herrſchaft annimmt (§. 1125.); ſo folgt, daß, wenn ein Volck eine Jnſul, oder ein bewohntes Land, oder einen am feſten Lande anliegenden Theil des Meeres einnimmt, dasjenige, was es einnimmt, ein Zuwachs deſſelben Vol - ckes ſey, es mag ſo weit davon entfer - net ſeyn als es will (§. 1125.).

§. 1128.

Von ver - ſchiede - nen Be - nennun - gen der in Beſitz genom - menen Sachen.

Diejenigen Dinge, ſo nach geſchehener Be - ſitznehmung in der urſpruͤnglichen Gemein - ſchaft gelaſſen werden, nennen die Roͤmi - ſchen Rechtsgelehrten gemeinſchaftliche Dinge (res communes); diejenigen aber, welche man in die vermiſchte Gemeinſchaft des gantzen Volcks gebracht hat, und darinn geblieben ſind, nennen ſie oͤffentliche Din - ge (res publicæ); ferner, die in eine ver - miſchte Gemeinſchaft gewiſſer beſonderer Hau - fen gekommen ſind, heiſſen ſie Sachen der Gemeinheit (res univerſitatis); endlich welche Dinge dem Eigenthum eintzelner Per - ſonen unterworfen ſind, die haben ſie mit dem Nahmen der Dinge eintzelner Perſonen (res ſingulorum) belegt. Da ein Herr das Eigenthum einer ihm zuſtehenden Sache un - ter einer ihm beliebigen Bedingung auf einen andern bringen kann (§. 314.); ſo kann ein ieder aus dem ſeinigen eine Sache der Gemeinheit beydes offenbarlichals823Vom Eigenthum eines Volckes. als auch verſteckt (directe, indirecte), ent - weder ſchlechthin, oder unter einer ge - wiſſen Bedingung machen. Und dies iſt eine abſtammende Art der Gemeinheit Sa - chen zu erwerben.

§. 1129.

Weil die Sachen einer Gemeinde nicht nurVon der Zerthei - lung der Dinge. denen ietzt lebenden, ſondern auch denen, ſo nach und nach in die Stelle der verſtorbenen kommen, zugehoͤren (§. 1128.); ſo koͤnnen ſolche Sachen von einer Gemeinde nicht nach Gefallen veraͤuſſert, oder verpfaͤndet werden, wo nicht eine un - umgaͤngliche Nothwendigkeit da iſt, als welche kein Geſetz hat, oder es der of - fenbare Nutzen einer Gemeinde haben will, indem in dieſem Fall nichts zum Nach - theil der Nachkommen vorgenommen wird. Weil doch aber dem Regenten des Staats die Sorge fuͤr dasjenige oblieget, was zum oͤffentlichen Nutzen gereichet (§. 1075.), und mithin auch das vorzuͤgliche Eigenthum uͤber die Sachen der Gemeinde (§. 1065.); ſo kann weder eine Veraͤuſſerung, noch eine Verpfaͤndung ohne ſeine Einſtim - mung geſchehen. Und weil das Eigen - thum alle uͤbrige ausſchlieſſet (§. 195.); ſo kann ſich niemand, der auſſer einer Ge - meinde iſt, der Sachen derſelben, es ſey denn mit ihrer Einwilligung, be - dienen.

F f f 4§. 1130.824IV. Theil 4. Hauptſtuͤck.

§. 1130.

Von oͤf - fentlichen Dingen.

Weil man die oͤffentlichen Dinge in ei - ne vermiſchte Gemeinſchaft eines gantzen Volcks gebracht hat (§. 1128.); ſo ſind ſie das Eigenthum des gantzen Volcks, allen aber kommt ohne Unterſchied ihr Gebrauch zu, iedoch kann ſich ihrer niemand anders bedienen, als daß da - bey dem oͤffentlichen oder allen ge - meinſchaftlichen Gebrauch nichts ab - gehe (§. 197.). Und weil ein Eigenthuͤmer das Recht, welches er an einer gewiſſen Sa - che hat, auf einen andern bringen kann (§. 314.); ſo kann auch das Eigenthum - ber die oͤffentlichen Sachen auf den Regenten des Staats, als welchem nicht nur die Herrſchaft uͤber die oͤf - fentlichen Oerter zugehoͤrt, ſondern der auch das vorzuͤgliche Eigenthum an den oͤffentlichen Sachen hat, kom - men, ſo daß entweder aller, oder we - nigſtens einiger Gebrauch bey dem Volcke bleibet, woruͤber der Oberherr, wie es der gemeine Nutzen erfordert, das Recht Einrichtungen zu machen hat (§. 976.).

§. 1131.

Von dem Recht durch ein fremd Gebiete zu gehen,

Vermoͤge des Rechtes des unſchaͤdlichen Gebrauchs, welcher aus der urſpruͤnglichen Gemeinſchaft noch uͤbrig iſt (§. 311.), muß man denen Fremden und ihren Waa - ren einen Durchgang durch Laͤnderund825Vom Eigenthum eines Volckes. und Fluͤße, ſo ein Eigenthum wor -und ſich darinn aufzu - halten. den ſind, verſtatten, wie auch, daß ſich Fremde rechtmaͤßiger Urſachen wegen daſelbſt aufhalten koͤnnen (§. 312.). Weil aber nach der den Voͤlckern eignen Freyheit (§. 1089.) einem ieden Volck, oder dem der das Recht deſſel - ben hat, anheim zu ſtellen iſt, daß er urtheile, ob ihm ein gewiſſer Durch - gang unſchaͤdlich ſey, und ob die Re - publick daraus, daß ſich ein Fremder in ſeinem Gebiete aufhaͤlt, einen Scha - den zu beſorgen habe, und es bey die - ſem Urtheil ſein Bewenden haben muß (§. 78.); ſo iſt es ohne ausdruͤckliche, oder ſtillſchweigende Einwilligung des Herrn uͤber ein Gebiet nicht er - laubt durch daſſelbe zu gehen, oder ſich darin aufzuhalten. Aus eben dem Grunde erhellet, daß es auf dem Willen des Herrn des Gebietes beruhe, unter welcher Bedingung er ſolches verſtat - ten wolle. Weil man nun nicht vermuthen kann, daß er es auf eine andere Art erlau - be, es ſey dann durch eine deutliche Willens - erklaͤrung das Gegentheil bekannt gemacht worden, als daß der Fremden Handlungen den Geſetzen des Orts unterworfen ſeyn ſollen (§. 1125.); ſo ſind die Fremden, ſo lan - ge ſie ſich in einem andern Gebiete be - finden, oder verweilen, das zu thun und zu unterlaſſen verbunden, was dieF f f 5Buͤt -826IV. Theil 4. Hauptſtuͤck. Buͤrger zu der Zeit unter eben den Um - ſtaͤnden zu thun, oder zu laſſen haben, wofern nicht beſondere Geſetze von Fremden etwas anders zu erkennen ge - ben. Ja wenn es dem Wohl der Republick nicht gemaͤß zu ſeyn ſcheinet, daß das Land Fremden offen ſtehe; ſo kann es bey Stra - fe verbothen werden, daß ſich kein Fremder das Gebiete zu betreten ge - luͤſten laſſen ſoll.

§. 1132.

Von der Beſtra - fung der Frem - den, und der Art ihre Strei - tigkei - ten zu ſchlich - ten.

Weil die Fremden, wenn ſie ſich in ei - nem andern Gebiete befinden, unter den Ge - ſetzen des Ortes ſtehen (§. 1125.); ſo ſind ſie auch, wenn ſie in einem andern Gebiete etwas verbrechen, nach den Geſetzen des Ortes zu beſtrafen, und wenn unter ihnen und unter den Buͤr - gern, oder auch zwiſchen zwey Frem - den, Rechtsſtreitigkeiten entſtehen, ſo muͤſſen dieſelben durch die Richter des Ortes nach des Ortes Geſetzen ausge - macht werden. Hieraus folget auch daß ein Fremder wegen des einem Buͤrger, oder einem andern Fremden angetha - nen Unreches, geſtrafet, und ſeine mit andern genommene Abrede zu erfuͤllen gezwungen werde.

§. 1133.

Von dem Unrecht eines Buͤrgers

Weil eine fremde That niemand zugerech - net werden kann (§. 26.); ſo kann, wenn ein Buͤrger des einen Volcks einen Buͤr -ger827Vom Eigenthum eines Volckes. ger des andern Volcks beleidiget, odergegen ei - nen frem - den Buͤr - ger. Unrecht thut, dies dem Volck nicht zugerechnet werden. Weil es ſich aber zurechnen laͤſſet, wenn es auf irgend einige Art etwas dazu beytraͤgt, z. E. durch Ge - nehmhaltung, oder Billigung (angef. §. ); ſo kann man ein zugefuͤgtes Unrecht, wo - ferne es daſſelbe entweder ausdruͤck - lich, oder ſtillſchweigend genehm haͤlt, auf deſſen Rechnung bringen. Hier kommt nicht in Betrachtung, ob das Unrecht auf dem Gebiete des Volcks, oder auſſer dem - ſelben an einem ieden andern Orte geſche - hen ſey.

§. 1134.

Weil aber kein Volck ein anderes (§. 1089.),Man muß es nicht dul - den, daß fremde Unter - thanen beleidiget werden. und kein Menſch einen andern beleidigen ſoll (§. 88.); ſo muß der Regent des Staats es nicht geſtatten, daß iemand von ſeinen Unterthanen einem Buͤrger von einem andern Volcke einen Schaden zufuͤge, oder ein Unrecht anthue.

§. 1135.

Jndem ein iegliches Volck beydes das Ei -Von dem Rechte einem andern Volcke ein Recht in ſeinem Gebiete zu geben. genthum als auch die Herrſchaft in dem Lande, ſo es bewohnet, hat (§. 1125.), und alſo das Land ſein iſt (§. 195.); ſo kann ein ie - des Volck einem andern, oder deſſen Unterthanen ein gewiſſes Recht in ſei - nem Gebiete feſt ſetzen, z. E. es kann ihm das Recht im Fluß zu fiſchen, oder das Rechteine828IV. Theil 4. Hauptſtuͤck. eine Feſtung auf ſeinem Grund und Boden, oder eine Beſatzung in einer gewiſſen Feſtung zu haben, oder Landguͤther zu kaufen und zu beſitzen, verleihen (§. 260.).

§. 1136.

Daß ei - nem kein Recht auf und in dem Ge - biete ei - nes an - dern Volckes zukom - me.

Aus eben der Urſache weil niemand ſein Recht genommen (§. 100.), oder etwas da - gegen geſchehen kann (§. 86.); ſtehet kei - nem Volcke ein Recht zu das andere aus dem Lande, darinn es wohnet, zu vertreiben, daß es ſich daſelbſt feſt ſetze, gleichwie es auch nicht ein Recht hat die Grentzen ſeiner Herrſchaft zu erweitern, das iſt, ſolche bis auf die Oerter eines benachbarten Volcks uͤber die Grentzen ſeines Gebietes auszudeh - nen, noch ſich ein Volck zu unterwer - fen, weil es ein uns vorher unbekan - tes Land bewohnet, oder gewiſſe Oer - ter darinn einnehmen, und ſich ein Recht darinn anmaſſen: Ja uͤberhaupt kann ſich kein Volck, und auch kein fremder Privatmann in einem frem - den Gebiete ein Recht herausneh - men.

§. 1137.

Ob dieje - nigen, ſo ſich in ei - nem fremden Gebiete befinden,

Da ein Fremder, der ſich in einem andern Gebiete befindet, oder verweilet, ſeine Woh - nung nicht veraͤndert (§. 1103.); ſo bleibt er ein Buͤrger ſeines Volckes, folglich wenn er ſeinem Mitbuͤrger ein Unrecht anthut, oder einen Schaden zufuͤget,ſo829Vom Eigenthum eines Volckes. ſo kann er, wenn er wiederum zuruͤckBuͤrger ihres Volcks bleiben. zu den ſeinigen kehret, daſelbſt geſtra - fet, und zur Erſetzung des Schadens genoͤthiget werden, und wenn er ein Teſtament macht, ſo muß er es nach den Geſetzen, welche in dem Ort ſei - ner Wohnung vorgeſchrieben ſind, verfertigen: Jn ſo fern iedoch ein Volck die Gerichtsbarkeit des andern zu erkennen verbunden iſt (§. 1129.), ſo gilt ein Te - ſtament als ein gerichtliches, wenn es an dem Orte des Gerichts, wo es ge - macht iſt, niedergelegt worden.

§. 1138.

Weil ein Fremder, der ſich in einemVon dem Recht einen Fremden von der Eꝛbſchaft auszu - ſchlieſſen. andern Gebiete befindet, oder verweilet, ein Buͤrger ſeines Volcks bleibet (§. 1137.); ſo iſt derjenige, wenn er in demſelben ſtirbt, ſein Erbe, welcher nach den Geſetzen ſeines Vaterlandes folgen muß. Und da ein Regent des Staats nur uͤber die Handlungen eines Fremden, ſo ein Verhaͤltniß gegen den Endzweck des Staats haben, daß demſelben kein Schade zuwach - ſe (§. 1131.), ein Recht hat; ſo ſind auch die Guͤther, die er bey ſich fuͤhret, deſ - ſen, der im Vaterlande ſein Erbe iſt, folglich fallen ſie der Rentkammer nicht anheim, und es kann ihm auch die Freyheit ein Teſtament zu machen nicht genommen werden. Derowegen da es das Recht einen Fremden von derErb -830IV. Theil 4. Hauptſtuͤck. Erbſchaft auszuſchlieſſen (jus albinagii) heißt, nach welchem die Auslaͤnder des Rechts in den Guͤthern eines verſtorbenen Buͤrgers, oder eines Fremden zu folgen beraubet, und folglich nicht in einem Teſtament als Erben eingeſetzt, noch ihnen gewiſſe Vermaͤchtniſſe hinterlaſſen werden koͤnnen; ſo ſtimmet daſ - ſelbe nicht nur mit dem Voͤlckerrechte in Abſicht auf einen Fremden der in ei - nem andern Gebiete geſtorben iſt, ſon - dern auch, weil dem Oberherrn nur allein das vorzuͤgliche Eigenthum uͤber die Guͤther der Buͤrger zukommt (§. 1065.), in Abſicht auf die Buͤrger, oder Unterthanen we - nig uͤberein.

§. 1139.

Von der Beſitz - nehmung und Ver - jaͤhrung.

Weil die Beſitznehmung (uſucapio) und die Verjaͤhrung (præſcriptio) aus dem Rechte der Natur zu erkennen ſind (§. 436.); ſo haben ſie auch unter den Voͤlckern ſtatt (§. 1088.). Weil doch aber unter den Voͤlckern mehrere Urſachen vorfallen, warum man ſchweigen muß, ob ein Volck ſchon weiß, daß ihm ein anderer das ſeinige ungerechter Weiſe vorenthalte; ſo wird un - ter den Voͤlckern wegen eines langwie - rigen Stillſchweigens eine Verlaſſung, als welche zur Beſitznehmung und der daraus erfolgten Verjaͤhrung erfordert wird (§. 451. 452. ), nicht ſo leicht vermuthet, als unter Privatperſonen. Und weil nicht der, ſo eine Sache beſitzet, ſondern der, ſoſie831Vom Eigenthum eines Volckes. ſie haben will, ſein Eigenthum erweiſen muß (§. 262.), als welches nicht geſchehen kann, wenn der Beſitz von undencklichen Zei - ten her geweſen iſt (poſſeſſio immemo - rialis), deſſen Anfang ſich naͤmlich niemand erinnern kann; ſo iſt unter den Voͤlckern eine Verjaͤhrung von undencklichen Zeiten her zu geſtatten. Unterdeſſen weil die Voͤlcker uͤber Dinge, die zum gemeinen Nutzen gehoͤren, unter einander Vertraͤge er - richten koͤnnen (§. 1091.); ſo wird die Ver - jaͤhrung, wenn benachbarte Voͤlcker ſich desfalls unter einander vereinigt haben, auf die Art gelten, wie es ver - glichen worden. Und daß dies geſchehen moͤgte, erfordert der Endzweck des groͤſſeſten Staats gar ſehr.

Das fuͤnfte Hauptſtuͤck.

Von den Buͤndniſſen und Zuſa - gen ohne Vollmacht.

§. 1140.

Die hoͤchſten Gewaltigen (poteſta -Welche man Ge - waltige nennet. tes ſummæ) werden diejenigen Per - ſonen genennet, welche in einem Staat die hoͤchſte Herrſchaft haben: Die kleineren Gewaltigen (poteſtates mino - res) ſind die, welche einen Theil der Herr - ſchaft unter und im Nahmen der hoͤchſten aus - uͤben, z. E. die Obrigkeiten und Generals.

§. 1141.832IV. Th. 5. Hauptſt. Von den Buͤndniſſen

§. 1141.

Von dem Unter - ſchiede der Buͤndniſ - ſe und der Ver - traͤge.

Ein Buͤndniß (fœdus) heißt ein Ver - trag, ſo die hoͤchſten Gewaltigen zur oͤffent - lichen Wohlfahrt auf ewig, oder auf eine laͤngere Zeit unter einander eingehen. Die - jenigen Vertraͤge aber, welche uͤberhingehen - de, oder nicht zu wiederholende Leiſtungen in ſich faſſen, behalten den Nahmen (der Ver - traͤge (pactionum). Da es aber einerley iſt, ob iemand etwas ſelbſt, oder durch einen andern thue; ſo koͤnnen diejenigen auch ein Buͤndniß ſchlieſſen, welche von der hoͤchſten Gewalt dazu bevollmaͤchti - get ſind (§. 551.). Aus dem Begrif von Buͤndniſſen iſt klar, daß ein Vertrag kein Buͤndniß ſey, darinn die hoͤchſten Maͤchte, z. E. Koͤnige ſich unter einan - der uͤber Sachen, ſo ihren Privatnu - tzen angehen, oder die hoͤchſte Macht mit einem Privatmann, vergleichen.

§. 1142.

Was man von Buͤnd - niſſen zu bemer - cken.

Weil Buͤndniſſe Vertraͤge ſind (§. 1141.); ſo muß man von Buͤndniſſen eben das behalten, was von Vertraͤgen und Zuſagen erwieſen worden (§. 438.). Da man aus Buͤndniſſen ein vollkommnes Recht erhaͤlt (§. 380.); ſo iſt die Verletzung eines Buͤndniſſes ein Unrecht (§. 87.); folglich iſt es nicht erlaubt ſolche Buͤnd - niſſe einzugehen, welche denen mit ei - nem andern Volcke ſchon geſchloſſenenzuwi -833und Zuſagen ohne Vollmacht. zuwider ſind (§. 86.). Und derowegen werden die aͤltern, das iſt, vorher ſchon ge - ſchloſſene, Buͤndniſſe denen letztern vor - gezogen.

§. 1143.

Weil kein Volck das andere beleidigen ſollVon Freund - ſchafts - buͤndniſ - ſen. (§. 1089.); ſo iſt nicht noͤthig, daß man noch Buͤndniſſe um einander keine Be - leidigung zuzufuͤgen, welche man gemei - niglich Freundſchaftsbuͤndniſſe nennet, aufrichte. Unterdeſſen wenn ein Volck der Meynung ſeyn ſollte, daß es aus - waͤrtige Voͤlcker nach eignem Gefal - len beleidigen duͤrfe, ſo ſchlieſſet man mit Recht Buͤndniſſe einander nicht zu beleidigen (angef. §.).

§. 1144.

Gleiche Buͤndniſſe (fœdera æqualia)Von der Gleich - heit und Ungleich - heit der Buͤnd - niſſe. werden genennet, in welchen ſich die einen Vertrag errichtende Theile einander einerley, oder gleichviel geltende Dinge verſprechen: ungleiche aber ſind, worinn ſie einander nicht einerley, oder gleich geltende Dinge ver - ſprechen. Es giebt aber ungleiche auf Seiten des wuͤrdigern Theils (inæqua - lia ex parte digniori), wenn derjenige, ſo mehr leiſten kann, entweder etwas gantz um - ſonſt, oder etwas wichtigers zu leiſten ver - ſpricht: Hingegen giebt es auch ungleiche auf Seiten des geringern Theils (inæqua - lia ex parte minus digna), wenn derjenige, ſo ohnmaͤchtiger iſt, oder durch eine GewaͤhrungNat. u. Voͤlckerrecht. G g geiner834IV. Th. 5. Hauptſt. Von den Buͤndniſſeneiner Sache gar zu ſehr beſchweret wird, ent - weder etwas umſonſt, oder etwas groͤſſeres als er leiſten kann, oder ſo etwas das ihm ſehr zur Laſt faͤllet, verſpricht. Und dieſe ge - ſchehen entweder mit einer Verringerung der Herrſchaft, wenn ein Machttheil ſeiner Herrſchaft in Abſicht auf die Ausuͤbung deſ - ſelben, oder nach ſeinem gantzen Jnbegrif (quoad ſubſtantiam), oder wenigſtens nach dem Rechte auf alle Handlungen, ſo zur Aus - uͤbung dieſes Rechts gehoͤren, an den wuͤrdi - gern Theil uͤberlaſſen wird; oder ſie geſche - hen ohne Verringerung der Herrſchaft, wenn ſich der nicht ſo wuͤrdige Theil wenig - ſtens anheiſchig macht etwas gewiſſes zu thun, oder nicht zu thun, welches er ſonſt kraft der hoͤchſten Herrſchaft, oder der natuͤrlichen Frey - heit, oder vermoͤge des Rechts, das ihm als einem Volcke zuſtund, nicht thun, oder thun konte. Jm uͤbrigen iſt die Billigkeit der gleichen und ungleichen Buͤndniſſe aus den Pflichten der Voͤlcker gegen einander zu beurtheilen (§. 1108.). Un - terdeſſen da es lediglich auf dem Willen des - jenigen, der ein Recht auf einen andern brin - get, beruhet, ob und wie er ſolches auf ie - manden bringen will (§. 314.), und dasjeni - ge, was er hinlaͤnglich durch Worte zu er - kennen giebet, wider ihn fuͤr wahr gehalten wird (§. 318.); ſo ſind die Buͤndniſſe guͤltig, wenn nur in der Art des Ver - trages kein Fehler iſt, ohne ihre Bil -ligkeit,835und Zuſagen ohne Vollmacht. ligkeit, oder Unbilligkeit in Betrach - tung zu ziehen. Weil doch aber das Na - turgeſetz auch bey den Voͤlckern auf die Pflich - ten dringet (§. 1108.), ſo ſind die Voͤl - cker natuͤrlicher Weiſe verbunden in Schlieſſung der Buͤndniſſe die Billig - keit beyzubehalten.

§. 1145.

Ein zinsbar Volck (gens tributaria)Von ei - nem zins - baren Volcke. wird genennt, welches jaͤhrlich einem andern einen gewiſſen Tribut abtragen muß. Da die Voͤlcker natuͤrlicher Weiſe frey ſind (§. 1089.); ſo kann ein Volck nicht anders als durch einen Vertrag zinsbar wer - den (§. 667.). Weil dem einen Theil uͤber ein zinsbar Volck kein anderes Recht zukommt, als den Tribut zu fordern, wie von einem Schuldener (§. 336.); ſo verlieret ein zinsbar gewordenes Volck deswe - gen die hoͤchſte Herrſchaft nicht (§. 981.).

§. 1146.

Da ein perſoͤnlich Buͤndniß auf die einenVon perſoͤnli - chen Buͤnd - nißen u. Buͤnd - niſſen uͤber Sa - chen. Vertrag machenden Perſonen eingeſchraͤnckt wird (§. 400.), welches aber bey einem Buͤndniſſe, ſo mit Sachen zu thun hat, nicht geſchieht (§. 401.); ſo iſt es deswegen noch kein perſoͤnlich Buͤndniß, wenn nur die Nahmen derer, die den Vertrag errichten, hinzugefuͤget ſind, damit bewieſen werde, von wem das Buͤnd - niß geſchloſſen worden. Daraus laͤßetG g g 2ſich836IV. Th. 5. Hauptſt. Von den Buͤndniſſenfich auch verſtehen, es ſey ein Buͤndniß uͤber Sachen, welches auf ewig, oder auf eine gewiſſe Zeit, entweder mit dem, mit welchem man zu thun hat, und ſeinen Nachfolgern, oder auch wegen eines fortdaurenden Nutzens des Staats gemacht, oder wenn hin - zugeſetzet wird, daß es zum Beſten des Reichs geſchloſſen worden. Glei - chergeſtalt iſt es ein Buͤndniß der Sa - chen, welches mit einem freyen Volcke getroffen worden, und welches, weil bey geaͤnderter Republicksforme doch einerley Volck bleibet, als welches die Vergeſellſchaf - tung (§. 974.), nicht aber die Art die Herr - ſchaft auszuuͤben ausmacht, bey erfolgter Veraͤnderung der Republicksforme doch beſtehet, wenn es nicht etwan, welches auch vor ſich klar iſt, ein Handel geweſen, welcher der Democratie al - lein eigen iſt.

§. 1147.

Von der Verbind - lichkeit, welche aus den Buͤnd - niſſen u. Vertraͤ - gen der Koͤnige entſprin - get.

Weil der Koͤnig das Recht des Volckes hat (§. 982.), folglich aus dem Rechte des Volcks Buͤndniſſe aufrichtet (§. 1141.); ſo verbindet das Buͤndniß, welches man ſich vorſtellet daß es mit dem Volcke ſelbſt errichtet ſey, auch das Volck und die Nachfolger des Koͤniges, es gehet auch auf dieſe das durch ein Buͤndniß zuwege gebrachte Recht uͤber, wenn es nicht perſoͤnlich geweſen iſt (§. 1146.). Daraus837und Zuſagen ohne Vollmacht. Daraus folget weiter, daß das Buͤndniß, wenn das Volck wieder frey wird, nachdem der Koͤnig geſtorben, oder verjagt, oder abgeſetzt iſt, oder das Volck einen andern Koͤnig erwaͤhlet, beſtehe, wenn es nicht zur Vertheidi - gung ſeiner Perſon, als in welchem Fall es nur perſonell waͤre (§. 400.), eingegan - gen worden. Eben dieſes laͤßet ſich von andern Vertraͤgen der Koͤnige, oder Regen - ten des Staats verſtehen. Derowegen wenn der Staatsregente der Republick hal - ber auch bey Privatleuten Geld auf - nimmt, ſo ſind die Nachfolger und das Volck ſolche zu bezahlen und die verſprochenen Zinſen abzutragen ver - bunden.

§. 1148.

Weil man uͤber das was zur ErhaltungVon den Buͤndniſ - ſen, ſo mit ei - nem Vol - cke von einer an - dern Re - ligion eingegan - gen wer - den. und Vollkommenheit eines Volcks gehoͤret, Buͤndniſſe macht (§. 1141.), die Voͤlcker aber natuͤrlicher Weiſe ſich einander als Voͤl - cker verpflichtet ſind dieſelben zu befoͤrdern (§. 1095.); ſo iſt es erlaubt mit einem Volcke, welches einer andern, oder gar keiner Religion zugethan iſt, ſelbſt wider ein Volck von unſrer Religion Buͤndniſſe zu ſchlieſſen.

§. 1149.

Wenn es erlaubt ſey von dem Buͤndniß ab -Von der Gewaͤhr - leiſtung. zugehen, erhellet aus dem obigen (§. 442.). Zur Sicherheit aber des Buͤndniſſes geſchie -G g g 3het838IV. Th. 5. Hauptſt. Von den Buͤndniſſenhet von einem dritten die Gewaͤhrleiſtung (guaranda, guarantia), welche ein beyder - ſeits in Bund getretenen, oder auch nur dem einen gethanes Verſprechen iſt, daß das ab - geredete gehalten werden ſolle; folglich iſt der Gewaͤhrmann (guarandus), welcher die Verſicherung gegeben hat verbunden eine Huͤlfe, wozu er ſich anheiſchig ge - macht hat, gegen denjenigen zu leiſten, welcher das abgeredete nicht halten will, wenn der andere ſolche bedarf, folglich aber iſt er ſie nicht ſchuldig, wenn ſie nicht verlanget wird. Daraus iſt klar, was vor einen ſtillſchweigenden Ver - trag die Gewaͤhrleiſtung in ſich faſſe. Man nennet es aber eine allgemeine Gewaͤhr - leiſtung (guarantiam generalem), wenn ſie ſich auf alles erſtrecket, was im Buͤndniſſe ausgemacht worden; eine beſondere aber (ſpecialis) wird es genennet, wenn ſie nur auf einige, oder auf eines, oder das andere der verabredeten Dinge gehet. Und ein Ver - trag daruͤber die Gewaͤhr geleiſtet wor - den (pactum guarandigiatum) heißt es, wo - zu eine allgemeine, oder eine beſondere Ge - waͤhrleiſtung gekommen iſt. Ferner, da eine Gewaͤhrleiſtung nur den Nutzen deſſen, dem ſie geſchiehet, zum Augenmerck hat; ſo kann ſie auch ohne Mitwiſſen und ohne Be - fragung deſſen, wider welchen ſie fe - ſte geſetzet wird, erfolgen, und wenn mehrere ein Buͤndniß eingehen, ſo koͤn -nen839und Zuſagen ohne Vollmacht. nen alle und iede allen und ieglichen die Gewaͤhr leiſten. Es laͤſſet ſich aber ohnſchwer erkennen, daß ein Buͤndniß, darinn iemand einem Huͤlfe wider den, der ihn ſein Recht zu entziehen trach - tet, wie auch die Buͤrgſchaft fuͤr ein andres Volck, darinn zugeſagt wird, man wolle dasjenige leiſten, was ein andres Volck ſchuldig iſt, wenn es ſol - ches nicht ſelbſt leiſten wuͤrde, von der Gewaͤhrleiſtung unterſchieden ſey (§. 569.). Endlich da niemand dem andern ſein Recht nehmen darf (§. 100.); ſo kann die Gewaͤhrleiſtung nicht anders, als daß des dritten ſein Recht dabey unge - kraͤnckt bleibe, verſtanden werden.

§. 1150.

Jn einem ieglichen Buͤndniß, oderVon der Verpfaͤn - dung un - ter den Voͤlckeꝛn, und von dem Ver - trag, ſich der ver - pfaͤnde - ten Sa - che fuͤr das Dar - lehn zu ſeinem Nutzen zu bedie - nen. in einem andern Vertrag kann, weil die Verpfaͤndung zur Sicherheit der Schuld ge - ſchieht (§. 697.), durch eine Pfandſicher - heit geſchaffet werden, daß das verab - redete gehalten werden ſolle. Weil aber niemand etwas verpfaͤnden kann als ſeine ei - gene Sachen, welches auch fuͤr eine fremde Schuld angehet (§. 700.); ſo koͤnnen nicht nur die Dinge, welche ein Eigenthum des Volcks ſind, als Staͤdte, gewiſſe Stuͤcke des Gebietes, gantze Landſchaften, Rechte, die einem Volcke zugehoͤren, Koſt - barkeiten, die dem Staat zuſtehen, ſondern auch des Staatsregentens eigene, oderG g g 4Privat -840IV. Th. 5. Hauptſt. Von den BuͤndniſſenPrivatſachen fuͤr die Schulden des Volcks verpfaͤndet werden. Allein wenn eine gantze Provintz, oder ein gewiſſer Theil des Gebietes zur Si - cherheit des Darlehns, oder einer ie - den Schuldſache wegen uͤbergeben wird; ſo geſellet ſich zur Verpfaͤndung auch der Vertrag, nach welchem man das Pfand fuͤr das Darlehn zu ſeinem Nutzen gebrauchen kann. Denn es iſt der nutzbare Gebrauch eines Pfandes fuͤr das Darlehn (antichreſis) nichts an - ders als ein Recht die verpfaͤndete Sache zu gebrauchen und ſich ihrer zu bedienen anſtatt des dargeliehenen Geldes, zur Verguͤtung der Zinſen. Weil man aber die verabredeten Vertraͤge halten muß (§. 438.); ſo muß das aus dem Vertrag ein Pfand fuͤr das Darlehn nutzbar zu gebrauchen entſtandene Recht nach demjenigen be - urtheilet werden, worinn man uͤber - eingekommen iſt. Derowegen erhellet auch daraus, ob die Herrſchaft zugleich mit verpfaͤndet ſey, oder nicht. Es iſt aber vor ſich klar, daß die Verpfaͤndung und der nutzbare Gebrauch eines Pfandes fuͤr das Darlehn aufhoͤre, ſo bald als das abgetragen worden, weswegen die Verpfaͤndung geſchehen, obgleich die verpfaͤndete Sache fuͤr eine iegliche andere Schuld zuruͤckgehalten werden kann (§. 706.), wo man ſich nichtaus -841und Zuſagen ohne Vollmacht. ausdruͤcklich anders verglichen hat (§. 337. 342.).

§. 1151.

Geiſſeln (obſides) ſind Perſonen, welcheVon Geiſſeln. man zur Sicherheit der Schuld, daß naͤm - lich das verabredete gehalten, oder eine Schuld bezahlet werden ſolle, uͤberliefert. Es werden alſo die Geiſſeln wircklich verpfaͤndet (§. 697.), und man behaͤlt ſie ſo lange zuruͤck, bis das ſchuldige geleiſtet iſt. Daher kommt dem, der ſie annimmt, das Recht zu ſie ſo zu verwahren, daß ſie nicht weglaufen koͤnnen; doch aber hat er kein Recht ſie zur Arbeit zu zwingen, als welches eben ſo viel waͤre als das Pfand nutzen (§. 702.). Weil aber niemand ein Recht uͤber des andern Leben hat (§. 141.); ſo kann das Leben der Geiſſeln nicht verpfaͤn - det werden, folglich nur ihre Freyheit (§. 77.). Doch ſind ſie deswegen keine Sclaven (§. 698.), aber ſie werden Sclaven, wenn dasjenige nicht gelei - ſtet wird, deſſentwegen ſie gegeben worden (§. 947.), wenigſtens kann man ſie gefangen behalten, toͤdten aber darf man ſie nicht. Und derowegen hoͤren ſie auf Geiſſeln zu ſeyn, wenn derjenige, welcher ſie gegeben hat, keine Treue haͤlt. Und da die Geiſſeln in der That Pfaͤnder ſind; ſo koͤnnen ſie, wenn man ſie gleich einer gewiſſenG g g 5Sache842IV. Th. 5. Hauptſt. Von den BuͤndniſſenSache halber gegeben, doch eines an - dern Handels wegen zuruͤck behalten werden, wenn nicht desfalls ausdruͤck - lich etwas anders verabredet worden (§. 1150.). Weil auch die nothwendigen Unkoſten, ſo man auf ein Pfand verwenden muͤſſen, von dem, der das Pfand geſtellet hat, wieder zu erſetzen ſind (§. 702.), und was man ſchuldig iſt bezahlen muß (§. 751.); ſo muß derjenige, welcher die Geiſſeln gegeben, die zur Unterhaltung derſel - ben angewendeten Unkoſten bezahlen, und eine Geiſſel iſt verbunden, ehe ſie auf freyen Fuß geſtellet werden kann, die Schulden, ſo ſie gemacht, abzu - tragen.

§. 1152.

Von der Ver - bindlich - keit, wo - mit der, ſo eine Geiſſel giebt, der Geiſſel zugethan iſt.

Da derjenige, ſo eine Geiſſel giebt, das zu leiſten verbunden iſt, weshalb die Geiſſel gegeben worden, und mithin die Geiſſel zu befreyen (§. 1151.); ſo macht er ſich dem, welcher uͤberliefert wird, ihn frey zu machen verbindlich, und folglich wenn dieſer ein Sclave, oder wenigſtens als ein Gefangner aufbehalten wird, ſo fern er nicht Wort haͤlt (angef. §), ſo iſt er ſchul - dig ihn loszukaufen. Und weil es eine Laſt iſt, ſo des oͤffentlichen Wohls halber ge - tragen wird, und wozu demnach ein ieglicher Buͤrger, nicht allein der, den man zur Geiſſel giebt, verbunden iſt, ſich als eine Geiſſel zu ſtellen (§. 1037.); ſo iſt der Staat, oderdeſſen843und Zuſagen ohne Vollmacht. deſſen Regent gehalten die Ungemaͤch - lichkeit, welche die Geiſſel leidet, der Geiſſel, oder deren Anverwandten zu verguͤten. Jſt aber die Geiſſel als ein Selbſtſchuldner, oder als ein Buͤrge, oder als einer, der ein Buͤndniß ohne Vollmacht ſchlieſſet, (wovon bald geredet werden wird) gegeben worden; ſo iſt vor ſich offenbar, daß, wenn das nicht gelei - ſtet wird, weſſentwegen ſie geſtellet worden, ſie ihrer eignen Handlung we - gen ſchuldig ſey.

§. 1153.

Heilig (ſanctum) heißt im Voͤlckerrechte,Von der Heilig - keit der Buͤnd - niſſe. was die oͤffentliche, oder gemeine Wohlfahrt der Voͤlcker unverletzlich zu ſeyn befiehlet. Derowegen weil Buͤndniſſe des oͤffentlichen Wohls wegen geſchloſſen (§. 1141.), und nicht nur wie alle uͤbrige Vertraͤge gehalten werden muͤſſen, ſondern auch den Voͤlckern gar ſehr daran gelegen iſt, daß man ſie hal - te; ſo ſind die Buͤndniſſe heilig, und muͤſſen von den Voͤlckern heilig gehal - ten werden, und weil bey Vollziehung der Buͤndniſſe die Verſchiedenheit der Religionen nicht in Betrachtung kommt, ſo hat die Heiligkeit der Treue und Glaubens mit der Religion eines Volcks, mit wel - chem ein Buͤndniß errichtet wird, nichts zu thun.

§. 1154.844IV. Th. 5. Hauptſt. Von den Buͤndniſſen

§. 1154.

Von der ſtill - ſchwei - genden Treue u. Glauben.

Wenn man ſich uͤber einen Handel ver - gleicht, ſo wird ſtillſchweigend in alles uͤbri - ge, was erfordert wird, daß ſolcher beſtehen koͤnne, gewilliget. Derowegen wird ange - nommen, daß man ſtillſchweigend al - les verglichen und verſprochen habe, ohne welches das, worein man gewil - liget hat, nicht beſtehen kann. So liegt in einem ieden wohlthaͤtigen Contract eine Schadloshaltung deſſen, der dem andern etwas umſonſt leiſtet, als welcher nicht Platz hat auſſer der Verbindlichkeit, da niemand mit des andern ſeinem Schaden reicher werden muß (§. 271.). Es wird aber eine ſtill - ſchweigende Treue und Glaube (fides tacita) genennet, welche ſich auf eine ſtill - ſchweigende Einwilligung gruͤndet, und die deswegen nicht weniger heilig ſeyn muß, als die ausdruͤckliche, als welche naͤmlich auf einer ausdruͤcklichen Einwilligung be - ruhet.

§. 1155.

Von dem Rechte der ge - ringern Gewal - tigen.

Weil die geringern Gewaltigen alles Recht von der hoͤchſten Gewalt haben (§. 1140.); ſo koͤnnen ſie im Nahmen der hoͤch - ſten nichts verſprechen, auſſer wenn ſie ausdruͤckliche Vollmacht dazu ha - ben, oder was innerhalb den Schran - cken ihres Amts, dem ſie vorgeſetzet ſind, geſchehen kann: ſie koͤnnen auch diejenigen, welchen ſie vorgeſetzt ſind,oder845und Zuſagen ohne Vollmacht. oder auch die hoͤchſte Gewalt nicht an - ders andern verbindlich machen.

§. 1156.

Ein Buͤndniß ohne Vollmacht (ſpon -Von den Vertraͤ - gen ohne Voll - macht. ſio) iſt ein Vertrag, ſo die Republick ange - het, welcher ohne Vollmacht von der hoͤchſten Gewalt, auch nicht innerhalb den Schrancken desjenigen, woruͤber man geſetzt iſt, errichtet worden. Es verſtehet ſich aber leicht, daß ein Stifter eines Vertrags ohne Voll - macht ſich anheiſchig mache, er wolle bewircken, daß die hoͤchſte Gewalt ſein gethanes Verſprechen genehm hal - te, und er ſich folglich dazu verbinde (§. 380.). Weil niemand den andern einem dritten ohne ſeinen Willen verbinden kann (§. 385.): ſo bringt der Vertrag ohne Vollmacht keine Verbindlichkeit auf die hoͤchſte Gewalt, wo dieſe jenen nicht entweder ausdruͤcklich, oder ſtill - ſchweigend, indem ſie naͤmlich etwas thut, nachdem es ihr bekannt gewor - den, was wahrſcheinlicher Weiſe auf keine andere Urſach gezogen werden kann, gut heißet: und mithin noch vielweniger, wenn ſie ihren Misfallen deutlich zu Tage geleget hat. Weil aber der, ſo ein Buͤndniß ohne Vollmacht ſchließt, eine eigene, und nicht bloß eine fremde, Hand - lung verſpricht; ſo iſt er, daferne die Ge - nehmhaltung nicht erfolget, dem, mit welchem er den Vertrag aufgerichtethat,846IV. Theil 6. Hauptſtuͤck. Von der Arthat, zu demjenigen, woran dem andern gelegen iſt, verbunden (§. 415.), folg - lich haften dafuͤr alle Guͤter des Ver - tragſtifters (§. 705.), ja auch ſelbſt die Freyheit deſſelben (§. 950.), daß er naͤm - lich, wenn aus ſeinen Guͤthern nicht Genuͤge geleiſtet werden kann, er ſelbſt in die Scla - verey verſetzet werde. Wenn aber derjeni - ge, ſo den Vertrag ohne Vollmacht errichtet, demjenigen, mit dem er den Vertrag eingegangen, nur etwas ge - wiſſes zu leiſten zugeſagt hat, ſo iſt er auch in dem Fall, da die hoͤchſte Ge - walt zu ſeinen Vertrag die Einwilli - gung nicht geben will, zu mehrern nicht verpflichtet (§. 317.).

Das ſechſte Hauptſtuͤck.

Von der Art die Streitigkeiten der Voͤlcker beyzulegen.

§. 1157.

Von den Streitig - keiten u. den Be - ſchweꝛden der Voͤl - cker.

Die Streitigkeiten der Voͤlcker und der Regenten des Staats ſind Mißhelligkeiten, welche ſie uͤber ih - nen zuſtehende Rechte, oder ihnen zugefuͤgtes Unrecht haben. Beſchwerden (gravami - na) aber ſind Klagen, ſo ſie uͤber ein offenba - res, von einem andern Volck, oder Regen - ten eines Staats entzogenes Recht, oder uͤber ein iedes ihnen bereits angethanes, oder be -vorſte -847die Streitigkeiten der Voͤlcker beyzulegen. vorſtehendes Unrecht fuͤhren. Hieraus iſt nun leicht zu erkennen, welche Beſchwerden gerecht, und welche ungerecht ſind. Zugleich erhellet auch, daß die Beſchwerden auf - hoͤren, wenn einem andern Volck ſein Recht zugewand, des angethanen Un - rechts wegen Genuͤge geleiſtet, von dem zuzufuͤgenden abgeſtanden, oder, daferne die Treue verdaͤchtig iſt, hin - laͤngliche Sicherheit geſchaffet wird. Und da man einem ieden ſein Recht wieder - fahren laſſen (§. 86.), auch kein Volck das andere beleidigen (§. 88.), oder mit Unrecht beladen ſoll (§. 1089.); ſo iſt ein iegliches Volck verbunden die Beſchwerden zu heben, wenn ein andres dergleichen wider daſſelbe hat. Dieweil doch aber ein ieder von ſeinem Rechte nachlaſſen kann (§. 342.); ſo kann auch ein Volck, wenn es will, ſeine Beſchwerden nachlaſſen. Und indem ſich die Voͤlcker unter einander des Rechts der Natur bedienen (§. 1088.); ſo muͤſſen die Streitigkeiten der Voͤl - cker auf eben die Art beygeleget wer - den, nach welchem man die Streitig - keiten der Privatperſonen in dem na - tuͤrlichen Zuſtande zum Ende bringet, folglich entweder freundſchaftlich, oder durch einen Vergleich, oder durch Ver - mittelung, oder durch einen Schieds - mann, und derowegen ſind ſie gehalten Zuſammenkuͤnfte zu halten, und inUnter -848IV. Theil 6. Hauptſtuͤck. Von der ArtUnterredung zu treten, oder ſie muͤßen die Entſcheidung dem Looſe uͤberlaſ - ſen (§. 790.).

§. 1158.

Von dem Kriege, ſo um ei - nen Ver - gleich zu erhalten, erlaubt iſt.

Unterdeſſen wenn ſich iemand keine von dieſen Arten wollte gefallen laſ - ſen, oder leicht vorher zu ſehen waͤre, daß die Streitigkeit auf dieſe Weiſe nicht geendiget werden koͤnte; ſo hat derjenige, welcher ſie anbietet, ein Recht zum Kriege wider den, ſo ſie nicht annehmen will, damit dieſer zum Vergleich gezwungen werde (§. 790.).

§. 1159.

Ob die Strei - tigkeiten durch Ge - walt der Waffen entſchie - den wer - den koͤn - nen.

Daß der Krieg an und vor ihm ſelbſt kein geſchicktes Mittel ſey die Strei - tigkeiten zu ſchlichten, erhellet auf eben die Art, als es von dem Zweykampf gezeiget worden (§. 789.). Es betriegen ſich alſo die - jenigen ſehr, welche ſich uͤberreden, es muͤ - ſten die Streitigkeiten der Koͤnige, oder der Voͤlcker mit den Waffen entſchieden werden, und der letzte Sieg gelte ſo viel als ein von dem Richter abgefaßter Ausſpruch.

§. 1160.

Vom Wieder - vergel - tungs - recht und dem Rechte zu ſtra - fen.

Weil das natuͤrliche Vergeltungsrecht ein Unding iſt (§. 156.), die Voͤlcker aber unter einander ſich des Rechts der Natur bedienen (§. 1088.); ſo iſt auch die Wiederver - geltung unter den Voͤlckern unerlaubt. Jedoch aber da den Voͤlckern wider angetha -nes849die Streitigkeiten der Voͤlcker beyzulegen. nes Unrecht ein Recht zu ſtrafen zukommt (§. 1089.); ſo kann ein beleidigtes Volck, wenn ihm ein andres wegen eines un - erſetzlichen Schadens nicht Genuͤge leiſten will, oder keine Hoffnung zu ſeyn ſcheinet daß ihm genug gethan werde, ſich des Strafrechts bedienen, indem es demſelben entweder coͤrper - liche, oder uncoͤrperliche Dinge, z. E. Rechte, ſo es zu gewiſſen Handlungen auf dem Gebiete des beleidigten Volckes hat (§. 1048.), wegnimmt.

§. 1161.

Die Zuruͤcktreibung des Rechts (re -Von der Zuruͤck - treibung des Rechts. torſio juris) wird diejenige Verfuͤgung ge - nennt, nach welcher man rechtens zu ſeyn wider die Unterthanen eines andern Volcks beſchlieſſet, weſſen es ſich wider unſre Unter - thanen bedienet, oder es iſt der Gebrauch des Rechts wider die Unterthanen eines andern Volcks, ſo ſie ſelbſt handhabet wider die un - ſrigen. Weil es einem ieglichen Volck frey ſtehet feſte zu ſetzen, wie viel Recht es einem andern auf ſeinem Gebiete verſtatten wolle, wie es der Vortheil des Staats mit ſich zu bringen ſcheinet (§. 976.); ſo ſtehet einem ieden Volck frey das Recht zuruͤck zu treiben.

§. 1162.

Weil Voͤlcker unter einander als eintzelneVon den Guͤthern der Buͤr - ger, ſo fuͤr die - Perſonen betrachtet werden (§. 977.); ſo ſind alle Guͤther eintzelner PerſonenNat. u. Voͤlckerrecht. H h hzuſam -850IV. Theil 6. Hauptſtuͤck. Von der ArtSchul - den des Staats verhaftet ſind.zuſammengenommen in Abſicht auf auswaͤrtige Voͤlcker als Guͤther der Voͤlcker anzuſehen, und deswegen ohne Unterſchied fuͤr die Schulden des Staats verhaftet, folglich auch die Pri - vatguͤther des Koͤnigs (§. 1012.).

§. 1163.

Von dem Rechte der Re - preſſa - lien.

Da die Voͤlcker eben das Recht genieſſen, was eintzelnen im natuͤrlichen Zuſtande zu - kommt (§. 1088.), alle Guͤther aber eintzel - ner Perſonen zuſammen genommen in Abſicht auf die fremden Voͤlcker fuͤr Guͤther der Voͤl - cker gehalten werden muͤſſen (§. 1162.); ſo iſt, wenn ein Volck ſeine, oder ſeiner Buͤrger Sachen, von einem andern Volcke, ſo dieſelben aufhaͤlt, oder auf eine iede andere Art etwas ſchuldig iſt, nicht erhalten kann, oder dieſes Volck jenem, oder ſeinen Buͤrgern das Recht verſagt, unter den Voͤlckern die Er - fuͤllung des Rechts (expletio juris), und daß man zu dem Ende die Sachen ie - der Buͤrger wegnehme, erlaubt (§. 793.). Dieſe Wegnehmung der Guͤther ei - nes andern Volcks, oder des Regentens des Staats, um ſein Recht zu erfuͤllen, heiſſen Repreſſalien (repreſſaliæ). Derowegen erhellet, daß die Repreſſalien unter den Voͤlckern erlaubt ſeyn, und niemand zuſtehen als Voͤlckern, oder denen, ſo das Recht des Volcks haben, naͤmlich den Regenten des Staats, und folglichkein851die Streitigkeiten der Voͤlcker beyzulegen. kein Privatmann ſich des Rechts der Repreſſalien, ohne Erlaubniß des Re - gentens des Staats, bedienen koͤnne.

§. 1164.

Weil unter den Guͤthern der Buͤrger auchVom Buͤrger - fang. ihre natuͤrliche Freyheit enthalten iſt (§. 207.); ſo iſt auch die Freyheit aller und ieder Buͤrger, oder ihrer Perſon, als welcher dieſes Recht anhaͤngt, fuͤr die Schulden des Staats verhaftet (§. 1163.), wenn folglich ein Volck dem andern, oder deſ - ſen Unterthanen das Recht verſagt, ſo koͤnnen die Unterthanen deſſelben zum Pfande weggefangen werden. Weil man ſie aber aus der Urſach faͤngt, daß das Volck Recht zu verſchaffen gezwungen wer - de, ſo kann man Perſonen von ausneh - menden Verdienſten, oder groſſen Wuͤr - den im Staat, von beyderley Ge - ſchlecht, und auch ihre Kinder weg - nehmen. Da nun eine Wegnehmung der Buͤrger an Pfandes ſtat pflegt ein Men - ſchen - oder Buͤrgerfang (androlepſia, vi - ricapio) genennt zu werden; ſo iſt der Buͤr - gerfang unter den Voͤlckern erlaubt. Weil aber nichts anders als die Freyheit der Buͤrger fuͤr die Staatsſchulden verpfaͤndet wird; ſo iſt, wenn ein Volck nicht Recht zu verſchaffen vermocht werden kann, auf eben die Art, wie von den Geiſſeln gezei - get worden (§. 1151.) klar, daß die auf - gehobenen entweder Sclaven, oderH h h 2als852IV. Theil 6. Hauptſtuͤck. Von der Artals Gefangene im Kercker aufbehal - ten, nicht aber getoͤdtet, oder mit har - ter Leibesſtrafe beleget werden koͤn - nen.

§. 1165.

Was er - laubt ſey wider den, ſo ſich den Repreſ - ſalien u. Buͤrger - fang wi - derſetzt.

Weil die Repreſſalien (§. 1163.) und der Buͤrgerfang erlaubt ſind (§. 1164.); ſo iſt wider den, der ſich der Vollziehung der Repreſſalien und des Buͤrgerfangs widerſetzt, voͤllig erlaubt, was jedem als einem Vertheidiger erlaubt iſt (§. 90.). Derowegen muß in dieſem Fall die Gewalt nicht nach dem, was der ande - re ſchuldig, ſondern nach dem, was zur Abtreibung einer ungerechten Ge - walt, womit man widerſtehet, hinlaͤng - lich iſt, geſchaͤtzet werden.

§. 1166.

Daß der Schade, ſo durch Repreſ - ſalien verur - ſacht worden, den Mit - buͤrgern gutge - than weꝛ - den muͤße

Jndem natuͤrlicher Weiſe ein ieder ver - pflichtet iſt zugefuͤgten Schaden zu erſetzen (§. 270.); ſo muß der, ſo Urſach zu Re - preſſalien gegeben, denenjenigen den Schaden gutthun, welchen dieſer Ur - ſache wegen etwas abgegangen iſt, und es muß der Oberherr dafuͤr ſorgen, daß der zugefuͤgte Schade erſetzet wer - de. Denn es iſt kein Buͤrger fuͤr den andern zu bezahlen verbunden.

§. 1167.

Wenn ehr dies aus den

Weil der Regent des Staats aus dem Recht des Volcks handelt (§. 982.), undman853die Streitigkeiten der Voͤlcker beyzulegen. man folglich es alſo erklaͤret, als wenn dasoͤffentli - chen Guͤ - thern ge - ſchehen muͤße. Volck durch ihn handele, was er nur als ein ſolcher thut; ſo iſt das Volck verbunden die Handlung ſeines Regenten, als ei - nes Regenten, fuͤr die ſeinige zu er - kennen, und mithin auch das, wodurch den auswaͤrtigen ein Unrecht angethan wird. Es hat naͤmlich eben die Beſchaf - fenheit mit der Verbindlichkeit, welche aus einer Uebelthat entſtehet, als mit der, ſo aus den Buͤndniſſen erwaͤchſet. Derowegen wenn er durch ſeine That, oder aber eine Pri - vatperſon auf ſeinen Befehl, Urſach zum Repreſſalien gegeben, ſo muß de - nen, ſo dieſerwegen etwas abgehet, der Schade aus den oͤffentlichen Guͤ - thern erſetzet werden (§. 1166.).

§. 1168.

Weil die Repreſſalien in der ErfuͤllungVon den Wirckun - gen der Repreſ - ſalien u. des Buͤr - gerfangs. des Rechtes beſtehen (§. 1163.); ſo wird durch ſie denen, um deren willen ſie vorgenommen worden ſind, ein Ei - genthum derer weggenommenen Sa - chen zuwege gebracht, auſſer daß man das uͤberfluͤßige zuruͤck geben muß (§. 793.). Und da die Repreſſalien (§. 1163.) gleichwie auch der Buͤrgerfang erlaubt ſind (§. 1164.); ſo geben ſie dem Gegen - theil keine rechtmaͤßige Sache zum Kriege (§. 98.). Hingegen aber weil man durch dieſe Mittel ſein Recht erlangen ſoll, welches einem von dem andern vorenthaltenH h h 3wird854IV. Theil 7. Hauptſtuͤck. wird (§. 1163. 1164. ); ſo geben uns, wenn wir durch ſie zu unſerm Recht nicht kommen koͤnnen, daß naͤmlich das zugefuͤgte Unrecht gut gethan, oder uns eines unerſetzlichen Unrechts halber genug geſchehe, eben diejenigen Gruͤnde, welche ſie als erlaubt darſtellen, eine rechtmaͤßige Ur - ſache zum Kriege ab (§. 98.).

Das ſiebente Hauptſtuͤck.

Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker.

§. 1169.

Von der Einthei - lung des Krieges.

Ein oͤffentlicher Krieg (bellum pu - blicum) wird genennet, welcher un - ter den Voͤlckern, oder ſo daß dieje - nigen, welche die hoͤchſte Herrſchaft haben, Urheber davon ſind, gefuͤhret wird: ein Pri - vatkrieg (privatum) aber iſt es, welchen Privatperſonen auf ihr eignes Geheiß fuͤh - ren. Ein vermiſchter Krieg (mixtum) iſt es endlich, welcher auf der einen Seite ein oͤffentlicher, auf der andern aber ein Privat - krieg iſt, z. E. wenn der Regent des Staats einen Krieg mit rebelliſchen Unterthanen fuͤh - ret. Man nennet es aber einen Krieg zum Angrif (offenſivum bellum), womit einer uͤberzogen wird, der an keinen Krieg gedach - te; hingegen heißt es ein Vertheidigungs - krieg (bellum defenſivum), mit welchemſich855Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. ſich iemand vertheidiget wider den, der ihn mit Kriege uͤberfaͤllt. Eine Art von dem Kriege zum Angrif iſt der Strafkrieg (pu - nitivum), in welchem iemand den andern zur Strafe zieht, und der Wiederzueignungs - krieg (vindicativum), wodurch wir unſer Recht, und das, was man uns ſchuldig iſt, zu erhalten trachten.

§. 1170.

Da es keine rechtmaͤßige Urſache zum Krie -Wenn ehr der aufallen - de Straf - krieg und auch der Verthei - digungs - krieg er - laubet ſey. ge giebt auſſer nur das zugefuͤgte, oder noch zuzufuͤgende Unrecht (§. 98.); ſo iſt ein Krieg zum Angrif, er mag ein Straf - oder ein Wiederzueignungskrieg ſeyn, erlaubt, wenn unſer Recht gewiß iſt, der andere aber uns eines offenbaren unerſetzlichen Unrechts wegen nicht genug thun will, und wir es auf kei - ne andere Art erhalten koͤnnen, des - gleichen auch wenn er in einer zweifel - haften Sache deswegen gefuͤhret wird, daß der andere zum Vergleich genoͤ - thiget werden ſoll (§. 1158.). Hinge - gen iſt der Krieg zur Vertheidigung er - laubt, wenn man ſich wider einen, der uns ungerechter weiſe bekrieget, ver - theidiget (§. 1089.).

§. 1171.

So iſt alſo der alleinige Nutzen keineVon den Kriegen, die bloß des Nu - tzens we - rechtmaͤßige Urſache zum Kriege (§. 1170.). Derowegen da man es Anra - thungsgruͤnde (rationes ſuaſorias) nennet,H h h 4welche856IV. Theil 7. Hauptſtuͤck. gen ge - fuͤhret werden.welche von Nutzen hergenommen werden, oder wodurch ausgemacht wird, daß es uns vortheilhaftig ſey, einen Krieg anzufangen, welche den rechtmaͤßigen (juſtificis) entge - gen ſtehen, die man von dem uns in einem gegebenen Falle zukommenden Recht zum Krie - ge herholet; zwiſchen welchen beyden in der Mitte die gleichſam rechtmaͤßigen (quaſi juſtificæ) ſind, welche, wenn man ſie gehoͤ - rig erwaͤget, den Nahmen der rechtmaͤßigen nicht verdienen, ſondern nur den Schein ha - ben: ſo iſt der Krieg ungerecht, wel - cher bloß anrathender und gleichſam rechtmaͤßiger Gruͤnde halber angefan - gen wird. Weil es wider die menſchliche Natur ſtreitet dem andern feines Vortheils wegen zu ſchaden (§. 44); und folglich die Grauſamkeit, nach welcher einen ein Krieg an ſich ſelbſt vergnuͤget, welcher mit ſo vieler unſchuldiger Menſchen Niedermetzlung und Zerfleiſchung und Verheerung der Dinge ver - knuͤpfet iſt, die menſchliche Natur vertrei - bet; ſo uͤberſchreitet ein Krieg die Menſchlichkeit, wenn iemand darauf ohne rechtmaͤßige, oder anrathende Gruͤnde zu haben verfaͤllt, und wird des - wegen thieriſch (ferinum) genennet. Es ſind aber die anrathenden Gruͤnde bil - lig, welche aus dem Endzweck des Staats hergeleitet werden (§. 976.).

§. 1172.857Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker.

§. 1172.

Weil ein iegliches Volck das Recht hatVon der Furcht vor der benach - barten Macht, und von der Er - haltung des Gleich - gewichts. ſeine Macht zu vermehren (§. 1102.), und derjenige, ſo einem ſchaden kann, deswegen nicht gleich ſchaden will; ſo iſt die anwach - ſende Macht eines benachbarten Vol - ckes und die Furcht, die man daraus ſchoͤpfet, keine rechtmaͤßige Urſache zum Kriege (§. 1170. 1171.). Derowe - gen da das Gleichgewicht unter den Voͤlckern (æquilibrium inter gentes) der Zuſtand mehrerer Voͤlcker genennet wird, die nach der Macht unter einander in einem ge - wiſſen Verhaͤltniß ſtehen, darinn der Macht eines Maͤchtigern, oder der vereinigten Macht einiger die vereinbarte Macht der andern gleich iſt; ſo giebt die alleinige Erhal - tung des Gleichgewichts unter den Voͤlckern keine rechtmaͤßige Urſache zum Kriege ab, doch aber gehoͤret ſie unter die anrathenden Gruͤnde, wenn man uͤber einen rechtmaͤßig anzufan - genden Krieg zu rathe geht (§. 1171.). Wofern alſo ein Volck, ſo ſich auf ſei - ne Macht ſteifet, offenbare Anſchlaͤge hat ſich andere Voͤlcker unterwuͤrfig zu machen, oder ſich nicht ſcheuet die oͤffentliche Sicherheit der Voͤlcker mit ungerechten Waffen zu ſtoͤren; ſo iſt es erlaubt, weil ſich ein iedes Volck erhal - ten muß (§. 1093.), und allen Voͤlckern insgeſamt ein Recht zukommt einen StoͤrerH h h 5der858IV. Theil 7. Hauptſtuͤck. der oͤffentlichen Ruhe zu zwingen, daß er ſie nicht ſtoͤren duͤrfe (§. 1090.), der oͤffent - lichen Sicherheit zu rathen, und die anwachſende Macht zu ſchwaͤchen. Alsdenn iſt naͤmlich der Krieg, der in dieſer Abſicht ein Vertheidigungskrieg iſt, gerecht (§. 1169.).

§. 1173.

Von den Laſtern der Got - tesver - lengnung und der Abgoͤt - terey ei - nes Vol - ckes.

Weil ein Uebel an ſich ſelbſt nicht ſo be - ſchaffen iſt, daß es geſtrafet werden muͤſte (§. 1049.), und auch niemand wegen eines Jrr - thums geſtrafet werden kann (§. 1050.); ſo iſt ein ſtrafender Krieg wider ein Volck nicht erlaubt, dieweil es das Recht der Natur unmenſchlich verletzet, oder wider GOtt ſuͤndiget, oder die Got - tesverleugnung, oder die Deiſterey be - kennet, oder abgoͤttiſch iſt.

§. 1174.

Von Solda - ten und dem Rechte Solda - ten zu werben.

Soldaten nennt man Perſonen, durch welche der Urheber des Krieges dem andern Theil, mit welchem er Krieg fuͤhret, Gewalt anbringet: Waffen aber ſind alle Sachen, deren man ſich andern Gewalt anzubringen, oder ſie von ſich abzuwenden bedienet. Da den hoͤchſten Maͤchten das Recht zu krie - gen zukommt (§. 1066.); ſo haben ſie auch das Recht Soldaten zu werben, und dies gehoͤret unter die Majeſtaͤtsrech - te (angef. §. ), welches der Oberherr ausuͤben kann, wie es ihm gut deuch -tet,859Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. tet, wenn kein Grundgeſetz deshalb im Wege ſtehet (§. 984.), doch aber alſo, daß die oͤffentliche Wohlfahrt keinen Schaden darunter leide (§. 976.). Weil alle und iede verbunden ſind ſo viel zur Vertheidigung des Staats beyzutragen, als ſie koͤnnen (§. 972. 975. ); ſo ſind alle Un - terthanen, die zu Kriegsdienſten ge - ſchickt ſind (§. 60.), in dem aͤuſſerſten Nothfall gehalten Soldatendienſte zu thun, und ſie koͤnnen vermoͤge der vor - zuͤglichen Macht wider ihren Willen da - zu gezwungen werden (§. 1065.). Weil aber auſſer den Kriegesdienſten um das ge - meine Wohl zu befoͤrdern noch andere geleiſtet werden muͤßen (§. 972.), und die Untertha - nen Kriegesunkoſten zu reichen verbunden ſind (§. 1037.); ſo muͤſſen auſſer dem Noth - fall diejenigen, welche ſonſt der Re - publick nuͤtzliche und nothwendige Dienſte verrichten, und zu den Krie - gesunkoſten beytragen koͤnten, nicht wider Willen als Soldaten angewor - ben werden. Die fremden, welche von freyen Stuͤcken den Soldatenſtand erwaͤhlen, werden gedungene Soldaten (conductitii milites) genennet, und ihre Verbindlich - keit kommt aus einem Vertrag (§. 438.), welcher die Capitulation heißet; was aber darinn verabredet worden, muß ge - halten werden (angef. §.). Weil aber das Recht Soldaten anzuwerben ein Majeſtaͤts -recht860IV. Theil 7. Hauptſtuͤck. recht iſt, welches von einem auswaͤrtigen Volcke nicht verletzet werden darf (§. 1136.); ſo iſt es nicht erlaubt Soldaten in ei - nem fremden Gebiete ohne Einwilli - gung des Herrn anzuwerben: und weil hier die vorzuͤgliche Gewalt nicht ſtatt hat (§. 1065.), ſo iſt es nicht vergoͤnnet, wenn auch gleich die Werbefreyheit verſtat - tet worden, die Leute mit Gewalt anzuwerben.

§. 1175.

Vom Men - ſchen - raub.

Der Menſchenraub (plagium) iſt eine heimliche Wegnehmung eines Menſchen, wel - cher der Gewalt eines andern unterworfen iſt. Weil ein Menſchendieb einen Menſchen der Gewalt, ſo er unterworfen iſt, entziehet, und ſich ein Recht uͤber denſelben herausnimmt; ſo kommt der Menſchenraub mit dem Diebſtahl uͤberein (§. 263.), und wird deshalben von rechtswegen als ein Dieb - ſtahl an Menſchen angeſehen. Daher erhellet, daß diejenigen, welche fremde Unterthanen, die ſie betruͤglicher wei - ſe weggenommen haben, zu Krieges - dienſten zwingen, einen Menſchen - diebſtahl begehen, und die vorzuͤgliche Gewalt deſſen, dem ſie als Untertha - nen zugehoͤren, verletzen, und dieſem folglich Unrecht anthun (§. 87.), und mithin eine gerechte Urſache zum Krie - ge geben, wenn nicht des zugefuͤgtenUnrechts861Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. Unrechts wegen Genuͤge geleiſtet wird (§. 1170.).

§. 1176.

Den Sold (ſtipendium) nennt man dasVom Solde u. Quarti - ren der Solda - ten. Geld, ſo fuͤr Kriegsdienſte gezahlet wird. Weil diejenigen, welche Kriegesdienſte thun, auf andere Art nichts verdienen koͤnnen; ſo muß den Soldaten der Sold richtig gezahlet werden. Aus eben der Urſache gehoͤret ihnen nicht nur Kleidung, ſondern auch, indem ſie der Wohnung be - duͤrfen, wenn ſie ſich nicht des Krieges we - gen im Felde aufhalten, eine perſoͤnliche Einquartirung. Da dieſe Quartire un - ter die oͤffentlichen Geſchencke, folglich unter die Laſten der Republick gehoͤren (§. 1057.), ſo ſind alle Beſitzer der Haͤuſer verbun - den nach der Maße ihres Vermoͤgens die Soldaten perſoͤnlich ins Quartir zu nehmen: Damit aber die Unterthanen nicht zu ſehr belaͤſtiget werden, ſo muß der Oberherr ſorgen, daß die Bequarti - rung nicht zu ſchwer falle, und ſie nicht ohne Noth zu koſtbar ſey, man muß auch keinem Einquartirungsfrey - heit verſtatten, auſſer ſolchen Perſo - nen, denen man es als einen Theil ih - res Soldes, oder zur Belohnung der Verdienſte um die Republick anrech - nen kann, indem Privilegien nur des oͤffent - lichen Beſtens wegen gegeben werden muͤſſen (§. 1047.).

§. 1177.862IV. Theil 7. Hauptſtuͤck.

§. 1177.

Von dem Darvon - lauffen der Sol - daten.

Weil die Soldaten als geringe, oder un - ſtudirte Leute die natuͤrliche Verbindlichkeit, welche ſo wohl die einheimiſchen als fremden Soldaten uͤber ſich haben (§. 1174.), we - nig faßen; ſo muͤßen ſie eidlich verſpre - chen, daß ſie die angetretenen Krie - gesdienſte nicht verlaſſen wollen (§. 380. 446. ), und ſie koͤnnen als Meinei - dige und Treuloſe haͤrter geſtrafet wer - den. Es iſt aber klar, daß der, ſo die Ausreiſſer heimlich fortbringet, oder ſie verheelet, einen Menſchendiebſtahl begehe (§. 1175.), und daß derjenige, wel - cher auf irgend eine Art zum Ausreiſ - ſen behuͤlflich iſt, an einem Menſchen - diebſtahl theilnehme (§. 26.).

§. 1178.

Von den Offici - ren.

Officirer (præfecti militum) werden die genennt, denen von der hoͤchſten Gewalt eine gewiſſe Herrſchaft uͤber die Soldaten beyge - leget, und gewiſſe Kriegesverrichtungen an - befohlen worden. Heerfuͤhrer aber (duces) werden vorzuͤglich diejenigen genennet, wel - chen die Herrſchaft uͤber die gantze Armee, oder die Fuͤhrung des gantzen Krieges anvertrauet worden. Es ſind alſo die Officirer klei - nere Gewaltige, deren immer einige anderen unterthaͤnig gemacht, und von der hoͤchſten Gewalt deſto entfernter, dahingegen andere nach der Beſchaf - fenheit des Rechts, ſo ſie haben, ihrnaͤher863Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. naͤher ſind: aber die vorzuͤglich ſo ge - nannten Heerfuͤhrer kommen der hoͤch - ſten Gewalt am naͤchſten. Da man das Kriegesrecht (jus militare) diejenigen Ge - ſetze nennet, in welchen uͤber das verfuͤget worden, was von den Soldaten und ihren Officirern geſchehen, oder nicht geſchehen ſoll, oder was ihnen erlaubet iſt; ſo wird darinn auch von dem Rechte der Officirer, und der hoͤchſten Befehlshaber, wie auch von ihren Pflichten gehandelt.

§. 1179.

Huͤlfe, oder auch Huͤlfstruppen (auxi -Von Huͤlfs - truppen u. Sub - ſidiengel - dern. lia, auxiliares, copiæ auxiliares) werden die - jenigen Truppen, ſo wohl zu Fuß, als auch zu Pferde genennet, welche ein anderes Volck, das eigentlich ietzt nicht krieget, einem Volcke zuſendet, ſo Krieg fuͤhret. Subſidiengel - der (pecuniæ ſubſidiariæ) heiſſen die Gelder, welche ein ander Volck, das nicht krieget, dem Krieg fuͤhrenden Volcke giebt, damit dieſes die Kriegeskoſten beſtreiten koͤnne. Man nennt ſie heutiges Tages auch ſchlechtweg Subſidien (ſubſidia). Natuͤrlicher weiſe ſind die Voͤlcker verbunden einem ge - rechten Krieg fuͤhrenden Volcke Huͤlfs - truppen und Subſidien zukommen zu laſſen, und ihm auf alle Art, ſo viel als moͤglich iſt, im Kriege beyzuſtehen (§. 1108.). Damit man aber ein voll - kommenes Recht dazu erlange (§. 1086.), ſo muß man Buͤndniſſe ſchlieſſen (§. 1141.),864IV. Theil 7. Hauptſtuͤck. 1141.), als welche unter den Voͤlckern heilig gehalten werden muͤſſen (§. 1153.). Es verſtehet ſich aber, daß ſo wohl das Recht des einen, und die Verbindlichkeit des andern Theiles nach demjenigen zu ſchaͤtzen ſey, was des Buͤndniſſes wegen verabredet wor - den (§. 317.).

§. 1180.

Von den Aꝛten der Kriegs - buͤndniſ - ſe, und von dem Fall ei - nes Buͤnd - niſſes.

Man nennet es Kriegsbuͤndniſſe zum Angrif (fœdera belli offenſiva), wenn die Huͤlfe und die Subſidien nur in einem Kriege zum Angrif verſprochen werden; Kriegs - buͤndniſſe zur Vertheidigung (defenſi - va) heiſſen es, wenn man ſie nur in einem Vertheidigungskriege geben will; gleichwie es Kriegsbuͤndniſſe zum Angrif und zur Vertheidigung (offenſiva & defenſiva) zugleich ſind, wenn jene in beyden Faͤllen ſtatt haben. Ein Fall des Buͤndniſſes (caſus fœderis) iſt der Zuſammenfluß ſolcher Umſtaͤnde, unter welchen das Buͤndniß ein - gegangen worden, ſie moͤgen nun ausdruͤck - lich gemeldet, oder ſtillſchweigend zum Grun - de geſetzet ſeyn. Sind nun dieſe alle zu - ſammen da, ſo iſt der Fall des Buͤnd - niſſes da; und es iſt leicht abzunehmen, daß man nur, wenn er vorhanden iſt, zu leiſten habe, was im Buͤndniſſe ver - ſprochen worden (§. 318.). Wenn de - rowegen ein offenbar ungerechter Krieg gefuͤhret wird, oder wenn derjenige,welcher865Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. welcher das verabredete leiſten ſoll, es ſelbſt benoͤthigt iſt, ſo iſt der Fall des Buͤndniſſes nicht da; dieweil man von ſelbſt verſteht, daß beydes in einem ieglichen Buͤndniſſe ſtillſchweigend ausgenommen ſey.

§. 1181.

Diejenigen werden im Kriege neutralVon de - nen die im Krie - ge es mit keinem halten. (in bello medii, vulgo neutrales) genennt, welche ſich zu keinem unter den kriegenden Theilen ſchlagen, und ſich folglich nicht in den Krieg miſchen. Jhre Laͤnder nennt man neutrale Laͤnder (terras neutras). Ob nun gleich vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit (§. 1089.) einem ieden Volck zu geſtatten iſt, daß es in einem Kriege neutral bleibe; ſo muß man doch, daß man ein vollkommnes Recht zur Neutralitaͤt erlange, entweder mit einem, oder mit beyden kriegenden Theilen, wie es die Gelegen - heit giebt, Buͤndniſſe machen (§. 1141. 1153. ), welche Neutralitaͤtsbuͤndniſſe (fœdera neutralitatis) heiſſen; und man kann auſſer dem, ohne welchen ſich ein ſol - ches Buͤndniß nicht dencken laͤſſet, naͤmlich daß darinn verſprochen werde, daß der, ſo im Kriege neutral ſeyn will, dem Gegentheil im Kriege nicht hel - fen, hingegen aber die Bewegungen desjenigen, mit welchem das Buͤnd - niß errichtet wird, auf keine Art hin - dern wolle, darinn auch uͤber andere Punckte uͤbereinkommen, die beydeNat. u. Voͤlckerrecht. J i iThei -866IV. Theil 7. Hauptſtuͤck. Theile zu ihrem Vortheil zu gehoͤren glauben. Weil aber ein Neutralitaͤtsbuͤnd - niß nicht muß uͤber ſeine Graͤntzen, und uͤber das, woruͤber man ſich beſonders verglichen, ausgedehnet werden; ſo ſind diejenigen, welche die Neutralitaͤt halten, beyden ſtreitenden Theilen ſchuldig, was ſie nach dem Voͤlckerrechte auſſer dem Kriege ſchuldig ſind, z. E. daß ſie den Soldaten und Unterthanen von bey - den kriegenden Partheien einen ſichern Eintritt in ihr Gebiete, und den Durch - gang durch ihre Laͤnder verſtatten, wie auch, daß ſie ſich eines rechtmaͤſ - ſigen Geſchaͤftes wegen darinn auf hal - ten, und ihnen erlauben, die Dinge, deren ſie benoͤthiget ſind, ſich fuͤr einen billigen Preis anzuſchaffen (§. 1131.), woferne es nicht ausdruͤcklich anders verab - redet worden, naͤmlich daß keinem von bey - den ſtreitenden Theilen nicht erlaubet ſeyn ſolle, was ſonſt erlaubet war (§. 667.).

§. 1182.

Vom Durch - zug mit den Kriegs - truppen.

Weil der Durchzug durch das Land eines andern rechtmaͤßiger Urſachen wegen ein noch aus der allererſten Gemeinſchaft uͤbriges Recht iſt (§. 312.); ſo muß ein Volck den Kriegstruppen des andern Volcks ei - nen ſich unſchaͤdlichen und den durch - ziehenden ſichern Durchzug verſtatten. Da aber derjenige, welcher es verſtattet, da - von zu urtheilen hat, ob er unſchaͤdlich ſey (§. 1089.867Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. 1089. 78. ); ſo muß man um den Durch - zug anhalten, und weil er nicht unſchaͤd - lich iſt, wenn zu befuͤrchten ſtehet, daß derjenige, wider welchen er vergoͤn - net wird, den vergoͤnnenden bekrie - gen, oder den Schauplatz des Krieges in einem ruhigen Lande aufſchlagen, oder auf andere Art ſchaden werde, ſo kann er verſaget werden. Und aus eben der Urſache muß derjenige, welcher durchzieht, fuͤr das, was er noͤthig hat, indem es vor ſich klar iſt, daß ihm der - gleichen nicht koͤnne verſaget werden, den rechtmaͤßigen Werth bezahlen, ob man gleich den Durchzug ſelbſt, als wozu man natuͤrlicher weiſe verbunden iſt, umſonſt erlauben muß. Jndem aber der verurſachte Schaden wieder erſetzet werden ſoll (§. 270.); ſo iſt der, dem der Durch - zug verſtattet worden, verpflichtet, wenn ſeine durchziehenden Leute den Einwohnern Schaden zugefuͤget ha - ben, denſelben wiederum gut zu ma - chen, und dem Regenten des Staats lieget ob zu ſorgen, daß er denen erſe - tzet werde, die ihn gelitten haben. Derowegen wenn der, ſo den Durchzug verſtattet, befuͤrchtet, er werde nicht unſchaͤdlich, oder es werde die Leiſtung des geſchaͤtzten Schadens, wenn der - gleichen zugefuͤget werden ſollte, ſchwerlich zu erhalten ſeyn, ſo iſt erJ i i 2nicht868IV. Theil 7. Hauptſtuͤck. nicht verpflichtet ſolchen zu vergoͤn - nen, wenn nicht der durchziehende desfalls hinlaͤngliche Sicherheit gie - bet.

§. 1183.

Von der Ankuͤn - digung des Krie - ges.

Die Ankuͤndigung des Krieges (de - nunciatio belli) iſt eine Handlung, nach wel - cher ein Theil ſeinem Gegentheil bekannt macht, daß er ſein Recht mit Gewalt der Waffen verfolgen wolle. Von einigen wird es lateiniſch clarigatio genennt, ob dieſe gleich bey den Roͤmern unterſchieden war, ſo daß, wenn der Gegentheil die Genugthuung abſchlug, alsdenn erſt die Ankuͤndigung er - folgte, welche alſo nur auf allen Fall in der Clarigation lag. Es iſt aber die Kriegs - ankuͤndigung entweder bedingt, darinn erklaͤret wird, man werde einen mit Kriege uͤberziehen, wenn keine Erſetzung erfolgen, oder des geſchehenen Unrechts wegen keine Ge - nuͤge geleiſtet werden ſollte; oder ſie iſt un - bedingt (pura), wenn ohne Bedingung be - kannt gemacht wird, daß man einen be - kriegen wolle. Natuͤrlicher Weiſe iſt es nicht noͤthig, daß die unbedingte auf die bedingte folge, indem es vor ſich klar iſt, daß uns, wenn uns der andere unſer Recht abſchlaͤgt, kein andres Mittel ſolches zu erhalten uͤbrig ſey, als der Krieg. Es er - hellet auch genugſam, daß die Kriegsan - kuͤndigung nur in einem Kriege zum Anfall, nicht aber in einem Kriegezur869Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. zur Vertheidigung, erfordert werde (§. 1169.). Allein wenn derjenige, wel - chem ein Krieg angekuͤndiget werden ſoll, weder Abgeſandten zulaͤßet, noch auch ſonſt eine andere Gelegenheit vor - handen iſt ſchriftliche Eroͤfnung davon zu thun; ſo kann auch in einem Kriege zum Anfall die Ankuͤndigung unterlaſſen werden (§. 60.). Hingegen iſt die Wie - dervergeltung, als welche an ihr ſelbſt un - erlaubt iſt (§. 156.), keine rechtmaͤßige Urſach die Ankuͤndigung auszuſetzen. Endlich weil der, ſo den Krieg ankuͤndiget, nicht gehalten iſt ſeinem Gegentheil eine ihm ſchaͤdliche Friſt zu verſtatten (§. 269.); ſo iſt erlaubt, wenn nicht ſogleich nach an - gekuͤndigtem Kriege billige Friedens - bedingungen vorgeſchlagen werden, ohne allen Verzug Kriegsanſtalten vorzukehren.

§. 1184.

Weil unter den Voͤlckern ein oͤffentlicherVon den Feinden u. feind - lichen Sachen. Krieg gefuͤhret wird (§. 1169.); ſo wird angenommen, daß, wenn der Regent des einen Staats dem Regenten des andern Staats den Krieg ankuͤndiget, ein oͤffentlicher Krieg von einem gan - tzen Volcke einem andern gantzen Vol - cke angekuͤndiget ſey. Derowegen da man diejenigen Feinde (hoſtes) nennet, die unter einander Krieg haben, und ihre Sa - chen feindliche Sachen (res hoſtiles) heiſ -J i i 3ſen;870IV. Theil 7. Hauptſtuͤck. ſen; ſo ſind die Unterthanen von bey - den ſtreitenden Theilen, folglich auch Weiber, Knaben, Kinder unter der Zahl der Feinde, und ihre Sachen ſind feindlich, ſie moͤgen auch ſeyn wo ſie wollen. Weil aber doch die Fremden, ſo ſich in des Feindes Landen aufhalten, nicht unter die Feinde gehoͤren, indem ſie keine Un - terthanen des Feindes ſind (§. 1137.); ſo ſind auch die Sachen der Fremden, welche auf feindlichen Gebiete ange - troffen werden, nicht feindlich. Da aber erſt bewieſen werden muß, daß ſie Frem - den zugehoͤren; ſo werden ſie fuͤr feindli - che gehalten, bis das Gegentheil dar - gethan worden. Und weil auch die un - coͤrperlichen Sachen der Feinde feindlich ſind, folglich auch das Recht dazu; ſo ſind gleich - falls diejenigen Sachen, welche einer, ſo kein Feind iſt, dem Feinde ſchuldig iſt, mit unter der Zahl der feindlichen Sachen begriffen.

§. 1185.

Von de - nen, wel - che ſich zum Fein - de ſchla - gen.

Wer ſich zu meinem Feinde ſchlaͤgt, z. E. wenn er ihm Huͤlfstruppen, oder Subſidien zukommen laͤßet, oder ihn auf irgend eine Art im Kriege huͤlft, indem er hiermit etwas zu ſeinem Kriege bey - traͤgt, und ſich deshalb deſſen theilhaftig macht (§. 26.); der iſt mein Feind, und ſeine Sachen ſind feindlich, wenn de - rowegen der Krieg angekuͤndiget wird,ſo871Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. ſo verſtehet ſich es von ſelbſt, daß er zugleich allen denen angekuͤndiget ſey, welche ſich zu der Parthie meines Fein - des ſchlagen werden. Wenn man dem - nach dieſe mit Krieg uͤberziehen will, ſo iſt nicht erſt noͤthig ihnen den Krieg anzukuͤndigen.

§. 1186.

Die Bekantmachung des KriegesVon der Bekant - machung des Krie - ges. (publicatio belli) iſt eine Kriegesanzeige, wel - che der, ſo ſich in einen Krieg einlaͤßet, theils an andere hohe Maͤchte, theils an ſeine Un - terthanen thut: folglich iſt ſie ſo wohl in einem Kriege zur Vertheidigung, als zum Angrif vonnoͤthen. Da die Be - kantmachung auf vielerley Art geſchehen kann, ſo haͤngt es lediglich vom Willen des bekant - machenden ab, welche er erwaͤhlen wolle. Man kann den Krieg denen Regenten andrer Voͤlcker entweder durch die Ge - ſandten, welche man an fremden Hoͤfen hat, oder durch abgelaßene Schreiben, hin - gegen aber den Unterthanen entweder durch Herolde, oder durch Reſcripte, ja allen beyden durch den Druck be - kannt machen.

§. 1187.

Eine gedruckte Schrift, wodurch man ei -Von dem Manifeſt und Ge - genma - nifeſt. nen Krieg zum Angrif bekannt macht, heißt ein Manifeſt (manifeſtum), gleichwie die - jenige, in welcher man einen Krieg zur Ver -J i i 4theidi -872IV. Theil 7. Hauptſtuͤck. theidigung eroͤfnet, ein Gegenmanifeſt (antimanifeſtum) genennet wird. Derowe - gen weil niemand das Anſehen haben will, als wenn er einen unrechtmaͤßigen Krieg fuͤh - re; ſo muͤſſen in einem Manifeſt die rechtmaͤßigen Urſachen angefuͤhret, dieſe aber in dem Gegenmanifeſt wi - derleget werden (§. 1171.). Und indem ein Oberherr ſeinen Unterthanen befehlen kann; ſo muß alles, was waͤhrendes Krieges von ihnen geſchehen, oder nicht geſchehen ſoll (§. 1043.), wie dem Manifeſt, alſo auch dem Gegen - manifeſt einverleibet werden. Dieweil die Erklaͤrung der rechtmaͤßigen Gruͤnde nur die Erzaͤhlung des geſchehenen, und die An - wendung des Natur - und Voͤlckerrechts auf daſſelbe; hingegen aber die Widerlegung der Gruͤnde den Erweis der Unrichtigkeit deſſen, was geſchehen ſeyn ſoll, oder der unrecht an - gebrachten Anwendung des Rechts erfordert: ſo muß man ſich aller Worte und Re - densarten, ſo einen Haß und Rachbe - gierde verrathen, enthalten.

§. 1188.

Von der Liebe der Feinde.

Da ein Volck auch ein feindſeliges (ini - micam) Volck lieben, und ihm wie ſich ſelbſt Liebe erzeigen ſoll (§. 1109.), und von dieſer Verbindlichkeit nicht frey gemacht werden kann (§. 42.); ſo muß auch ein Feind ſei - nen Feind (hoſtis hoſtem) lieben, undihm873Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. ihm als ſich ſelbſt Liebe wiederfahren laßen. Es iſt naͤmlich einer der einen haſ - ſet von einem Feinde unterſchieden (§. 137. 1183.).

Das achte Hauptſtuͤck.

Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege.

§. 1189.

Wer einen unrechtmaͤßigen KriegJn einem unrecht - maͤßigen Kriege iſt kein Recht vorhan - den. fuͤhret, hat keine rechtmaͤßige Ur - ſache zum Kriege (§. 1170.). Was er alſo nun im Kriege thut, iſt alles unerlaubt, folglich wenn er ſeine Fein - de toͤdtet, ſo iſt er einem Moͤrder; wenn er feindliche Sachen wegnimmt, ſo iſt er einem anfallenden und Raͤu - ber gleich zu ſchaͤtzen. Und weil auch der, ſo ſich zu einem ungerechten Krie - ger geſellet, kein Recht im Kriege haben kann, indem er im Nahmen deſſen handelt, deſſen Parthey er ergriffen hat; ſo iſt alles, was er vornimmt, gleichfalls den Raͤu - bereien, Anfaͤllen und Mordthaten, oder denen Handlungen, wodurch der - gleichen befoͤrdert wird, zuzuzaͤhlen.

§. 1190.

Ein rechtmaͤßiger Krieg wird um zu ſeinemVon dem Rechte in einem gerechten Kriege. Rechte zu kommen gefuͤhret (§. 1170.). De - rowegen iſt dem, der einen rechtmaͤßi -J i i 5gen874IV. Theil 8. Hauptſtuͤck. gen Krieg fuͤhret, dasjenige im Krie - ge erlaubt, ohne welches er ſein Recht nicht erlangen kann. Was aber zur Erreichung dieſes Endzwecks nichts thut, das iſt unerlaubt. Doch vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit muß die Beur - theilung deſſen, was zur Erhaltung dieſes Endzwecks noͤthig iſt, dem Krie - genden uͤberlaſſen werden (§. 1089. 87.). Weil der Gegentheil durch ſeine un - rechtmaͤßige Gewalt die Kriegsunkoſten, wel - che, wie bekant, ſehr groß ſind, verurſachet (§. 1189), und folglich Schaden, welcher wieder erſetzet werden muß, zufuͤget (§. 269. 270. ); ſo iſt er dem, ſo einen recht - maͤßigen Krieg fuͤhret, die auf den Krieg verwendeten Unkoſten zu bezah - len ſchuldig. Und da durch unrechtmaͤßige Gewalt immer neue Schaͤden verurſachet, und neues Unrecht begangen wird (§. 269. 87. ); ſo iſt der unrechtmaͤßige Krieger in Abſicht auf die Schaͤden verbunden dem, ſo gerechte Sache hat, die weg - genommenen Sachen zu erſetzen, wenn ſie noch da ſind, oder woferne ſie nicht mehr vorhanden, muß er ihren Werth bezahlen; in Abſicht aber auf das Un - recht iſt er zur Strafe verbunden (§. 1189.). Endlich da der Krieg, als welcher einen groſſen Haufen des Ungluͤcks nach ſich zieht, und vor die Voͤlcker etwas ſehr klaͤgli - ches iſt, des Friedens wegen gefuͤhret wird,und875Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. und auch derjenige, welcher einen rechtmaͤßi - gen Krieg fuͤhret, nichts anders zur Abſicht hat, als daß er den Gegentheil noͤthige, bil - lige Friedensvorſchlaͤge zu thun, wie nicht un - deutlich aus dem bisherigen Vortrag abge - nommen werden kann; ſo hat der, ſo einen gerechten Krieg fuͤhret, auch ein Recht zu dem, was den Feind zur Endigung des Krieges bewegen kann.

§. 1191.

Was der Feind irgend des Kriegs wegenVon Kriegs - handlun - gen und Opera - tionen, wie auch von Feindſe - ligkeiten. thut, das iſt eine Kriegshandlung (actus bellicus); hingegen eine Kriesoperation (operatio bellica) wird eine ſolche Kriegshand - lung genennt, vermoͤge welcher der Feind, oder ſeine Sachen wircklich mit Gewolt angegrif - fen werden, oder dadurch man ſich den Weg bahnet, ihn mit Gewalt anzugreifen, oder die Gewalt zu vertreiben. Endlich die Kriegs - operationen, wodurch dem Feinde, oder ſei - nen Sachen wircklich Gewalt angethan wird, fuͤhren den Nahmen der Feindſeligkeiten (hoſtilitatum).

§. 1192.

Da derjenige, welcher einen ungerechtenVon dem Rechte uͤber die Perſo - nen. Krieg fuͤhret, dem Unrecht anthun will, deſ - ſen Krieg rechtmaͤßig iſt (§. 1189.), und die - ſem folglich das Recht ſich zu vertheidigen zuſtehet (§. 1089.); ſo erwaͤchſet das Recht uͤber die Perſonen in einem rechtmaͤßigen Kriege aus der Verthei - digung ſeiner ſelbſt und ſeiner Sachen,und876IV. Theil 8. Hauptſtuͤck. und muß derowegen nach dem, was noͤ - thig iſt die Gewalt des Feindes abzu - treiben, geſchaͤtzet werden (§. 90.). Demnach iſt es nicht erlaubt die Unter - thanen deſſen, der unrechtmaͤßiger Weiſe krieget, ſo lange ſie ſich aller Gewalt enthalten, und keinen Vor - ſatz Gewalt auszuuͤben zu Tage legen, zu toͤdten, oder auf eine andere Art wider ihren Leib zu wuͤten, gleichwie es auch nicht erlaubt iſt die Kriegsge - fangenen, oder die ſich ohne Bedin - gung ergeben haben ums Leben zu bringen, woferne nicht ein beſonderes Verbrechen, wodurch ſie der Todes - ſtrafe ſchuldig worden waͤren, vorher - gegangen iſt: vielweniger iſt daher er - laubt diejenigen zu toͤdten, welche ſich entweder in dem Treffen, oder in der Belagerung die Erhaltung ihres Le - bens ausgemacht haben, und muß die - ſe Bedingung nicht abgeſchlagen wer - den. Eben dies iſt von denen zu be - halten, welche in der Schlacht das Gewehr wegwerfen. Und weil das Nie - dermetzeln, wie aus angefuͤhrten erhellet, kein erlaubtes Mittel iſt, wenn es etwas beyzu - tragen ſcheinet unſer Recht wieder zu erlan - gen; ſo iſt es nicht vergoͤnnet Gefange - ne, ſolche die ſich ergeben haben, oder die ſich ergeben wollen, nieder zu ma - chen, oder ſie an ihrem Leibe miszu -han -877Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. handeln, wenn auch gleich noͤthig waͤre ein Schrecken zu machen. Ja aus der Art, wie das Recht uͤber die Perſon der Fein - de entſpringt, iſt ferner klar, daß man die Feinde nicht toͤdten koͤnne, weil ſie tapfern Widerſtand gethan; vielweni - ger aber kann man einige deswegen toͤdten, weil ſie ſich nicht gewehret haben. Sollte durch einen hartnaͤckigen Widerſtand Schaden verurſacht, und uner - ſetzliches Unrecht zugefuͤget ſeyn; ſo hat man zu andern Dingen, wodurch uns ge - nug geſchehen kann, ein Recht, z. E. zur Verbindlichkeit, daß ſie ſich ent - weder ohne alle, oder unter haͤrtern Bedingungen ergeben, eine gewiſſe Summe Geldes zahlen, Staͤdte und Haͤuſer zur Pluͤnderung uͤberlaſſen muͤſſen.

§. 1193.

Da man im Kriege damit umgehet, daßVon der Schwaͤ - chung der Kraͤfte deſſen, der einen unrecht - maͤßigen Krieg fuͤhret. der Gegentheil von demſelben abſtehen ſoll (§. 1190.); ſo iſt alles das, was zur Schwaͤ - chung der Kraͤfte deſſen, der einen un - gerechten Krieg fuͤhret, gereicht, dem - jenigen, welcher rechtmaͤßige Urſach zu kriegen hat, erlaubt, folglich iſt es er - laubt alle Feinde gefangen zu nehmen, ſo wohl in ſo ferne ſie auf irgend eine Art ſich der Wiederherſtellung unſers Rechts widerſetzen, oder das Ende des Krieges verhindern, als auch nachder878IV. Theil 8. Hauptſtuͤck. der Art des Buͤrgerfangs (§. 1164.), und derowegen kann man nicht nur die Soldaten und ihre Officirer, ſondern auch vornehme Frauen und Jung - frauen, Maͤnner, ſo in anſehnlichen Wuͤrden ſtehen, und die Republick verwalten, und alle andere Perſonen wegnehmen (angef. §.).

§. 1194.

Ob die Gefan - genen Knechte werden.

Weil man die Feinde gefangen nimmt, theils daß ſie der Wiederherſtellung un - ſers Rechts nicht hinderlich fallen ſollen, theils daß unſer Gegner bewogen werde den Krieg zu endigen, und uns unſer Recht zu - kommen zu laßen (§. 1192. 1193. ), hierzu aber genug iſt, daß man ſie ſo lange aufbe - halte, bis ſie von den ihrigen frey gemacht werden; ſo werden die Gefangenen na - tuͤrlicher Weiſe keine Knechte (§. 947.), doch aber koͤnnen ſie, nach Maßge - bung der verdienten Strafe wegen ei - nes begangenen Verbrechens in die Knechtſchaft gebracht werden, da ih - nen die Freyheit genommen wird (§. 1048.). Wenn unter den kriegenden Voͤlckern Vertraͤge uͤber die Befreyung der Ge - fangenen errichtet ſind, ſo muͤßen ſie, weil man das verabredete zu halten verbunden iſt (§. 438.), nach bezahlten Gelde aus - geliefert werden.

§. 1195.879Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege.

§. 1195.

Die Verheerung feindlicher SachenVon der Verhee - rung der Sachen. (vaſtatio rerum hoſtilium) iſt diejenige Hand - lung, vermoͤge welcher man, da man jene verdirbt, dem Feinde ſchadet, ſich aber da - durch keinen Gewinn ſtiftet. Dieſe nun iſt nicht erlaubt, auſſer in ſo ferne wir oh - ne dieſelbe unſer Recht nicht erhalten koͤnnen, oder die Kraͤfte des Feindes geſchwaͤchet, und die unſrigen ver - mehret werden, oder wenn es geſchieht zur rechtmaͤßigen Strafe (§. 1170. 1193.). Daher iſt es erlaubt die feind - lichen Aecker zu verderben, Fruͤchte und Saat auf denſelben zu zertreten, Gebaͤude niederzureiſſen, Gaͤrten und Weinberge auszurotten, wenn es die Aufſchlagung des Lagers, die Bela - gerung der Staͤdte und die Schlach - ten erfordern: hingegen iſt es uner - laubt, Staͤdte, Flecken, Doͤrfer aus - zurotten, oder zu verwuͤſten, nachdem ſie in unſre Bothmaͤßigkeit gekommen ſind, es ſey denn, daß ein Verbrechen begangen worden, das eine ſolche Strafe verdienet. Auf eben dieſe Art verſtehet ſich, daß die Schleifung der Feſtungen, nachdem ſie erobert wor - den, erlaubt ſey, wenn wir fuͤr gut be - finden dieſelben zu verlaſſen; hingegen aber iſt die Verwuͤſtung der Graͤber, der Grabmaͤhler, und der heiligen Sa -chen880IV. Theil 8. Hauptſtuͤck. chen unerlaubt. Da uns kein Recht uͤber ein anderes Volck des Unterſchiedes der Re - ligion halber, wenn es auch gleich hoͤchſt ab - goͤttiſch waͤre, zuſtehet (§. 1173.); ſo muß man auch deswegen keine heilige Sa - chen verwuͤſten, weil wir glauben, daß ſie zum Aberglauben, oder zur Abgoͤt - terey gehoͤren.

§. 1196.

Von dem was in einem friedli - chen Ge - biete nicht er - laubt iſt.

Weil ſich niemand auf einem fremden Ge - biete einiges Recht anmaſſen kann (§. 1121.); ſo iſt nicht erlaubt auf einem friedli - chen Gebiete Feinde und feindliche Sachen wegzunehmen, noch auch ge - fangene Perſonen und genommene Sa - chen durch daſſelbe zu fuͤhren. Dies ſtreitet auch mit dem Neutralitaͤtsbuͤndniß, wenn dergleichen geſchloſſen worden (§. 1181.).

§. 1197.

Von de - nen, ſo vor dem Kriege in ein feind - liches Ge - biet ge - kommen ſind.

Weil den Fremden, ſo ſich auf unſerm Ge - biete aufhalten, ein ſicherer Zutritt erlaubt iſt, und ihnen deswegen auch ein ſicherer Ab - zug muß verſtattet werden (§. 1131.); ſo muß man, wenn die Ankuͤndigung des Krieges geſchehen, in der Bekantma - chung denen Fremden, welche Buͤrger der Feinde ſind, anbefehlen, daß ſie ſich binnen einer beſtimmten Zeit weg - begeben ſollen, nach deren Verfluß ſind ſie fuͤr Feinde anzuſehen, und folglichkoͤnnen881Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. koͤnnen ſie als Gefangene zuruͤck be - halten werden (§. 1192.). Unterdeſſen da man niemand weiter zu etwas verpflich - ten kann, als was in ſeiner Gewalt iſt (§. 60.); ſo muß man dem, der durch ei - ne groͤſſere Kraft, z. E. durch eine Kranck - heit, an welcher er darnieder liegt, verhin - dert wird, daß er ſich binnen der vor - geſchriebenen Zeit nicht wegmachen kann, eine Friſt verſtatten.

§. 1198.

Feindliche bewegliche Sachen kannVon den bewegli - chen Sa - chen auf dem feindli - chen Ge - biete. man auf ſeinem Gebiete, indem es er - laubt iſt ſie wegzunehmen, nach Art einer Schuld und Strafe einziehen, und den Schuldnern der Feinde, die unſre Buͤr - ger ſind, verbieten, daß ſie waͤhren - des Krieges denen Glaͤubigern nichts bezahlen ſollen, ja man kann auch be - fehlen, daß ſie es, wenn der Zahltag kommt, uns zahlen muͤßen.

§. 1199.

Weil ein Fremder, der unbewegliche Guͤ -Von den unbe - wegli - chen. ther in einem fremden Gebiete beſitzet, als Beſitzer derſelben ein Unterthan des Herrn von dem Gebiet iſt (§. 1125.); ſo ſind die unbeweglichen Guͤther, die von einem Fremden im feindlichen Gebiete be - ſeſſen werden in Abſicht auf den Herrn des Gebietes keine feindliche Sachen, ſondern vielmehr in Abſicht auf den,Nat. u. Voͤlckerrecht. K k kdeſſen882IV. Theil 8. Hauptſtuͤck. deſſen Buͤrger er iſt, oder in deſſen Gebie - te er ſeine beſtaͤndige Wohnung hat.

§. 1200.

Von Contri - butionen im Krie - ge.

Weil demjenigen, welcher einen rechtmaͤſ - ſigen Krieg fuͤhret, auch die Kriegsunkoſten gebuͤhren (§. 1190.), man aber den Beytrag am Gelde und andern gleichguͤltigen Dingen, die von den feindlichen Unterthanen zur Er - haltung der Armee aufgebracht werden, Krie - gescontributionen (contributiones mili - tares) zu nennen pfleget; ſo kommt dem, der rechtmaͤßig krieget, das Recht zu Kriegscontributionen auszuſchreiben und beyzutreiben, doch nach Maaß - gebung des Vermoͤgens dererjenigen, welche ſolche leiſten ſollen (§. 60.).

§. 1201.

Von Pluͤnde - rungen.

Pluͤnderungen (direptiones) ſind Hand - lungen der Soldaten, da ſie bewegliche Sa - chen aus den feindlichen Haͤuſern, oder andern Oertern, worinn ſie aufbehalten, oder ver - borgen werden, wegnehmen. Es ſind alſo die Pluͤnderungen erlaubt, wenn die rechtmaͤßigen Contributionen nicht ab - getragen werden, weil ſie alsdenn zur Er - fuͤllung des Rechts geſchehen (§. 793.), gleich - wie ſie auch erlaubt ſind, wenn ſie in - nerhalb den Schrancken der verdien - ten Strafe erfolgen (§. 1190.). Jedoch aber muͤßen bey den Pluͤnderungen der Staͤdte und Haͤuſer die Sachen, welche zu pluͤndern vorkommen, nicht ver -wuͤſtet883Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. wuͤſtet werden, auſſer zu einer gerech - ten Strafe (§. 1195.).

§. 1202.

Beute ſind die beweglichen feindlichen Sa -Von der Beute. chen, ſo im Kriege von den Soldaten weg - genommen werden; folglich iſt die Berau - bung der Feinde in einem rechtmaͤßi - gen Kriege, bey ieder gegebener Gele - genheit, erlaubt (§. 1200.), und was in Pluͤnderungen genommen wird, ge - hoͤret zur Beute (§. 1201.). Weil aber im Kriege alles kraft des Rechtes der hoͤch - ſten Gewalt (§. 1169.) geſchieht; ſo iſt auch die Beute derſelben zugehoͤrig, und es kommt weder den Soldaten, welche die feindlichen Sachen ergrei - fen, noch auch ihren Officirern, ja auch nicht denen Huͤlfstruppen einiges Recht zur Beute zu. Weil aber doch die hoͤchſte Gewalt nach Belieben uͤber das ihri - ge Einrichtung machen kann (§. 195.); ſo ſtehet es bey ihr, was ſie den Solda - ten, oder ihren Officirern vor ein Recht zur Beute goͤnnen will, und ſie kann auch der Beute wegen mit dem, der die Huͤlfe ſchickt, uͤbereinkommen.

§. 1203.

Weil Verſtellung, Unwahrheit und Verhee -Ob Be - trug im Kriege erlaubt ſey, u. von Krieges - liſten. lung mit einem gemeinſchaftlichen Nahmen Betrug (dolus) genennet werden; ſo iſt nicht zu zweifeln, wenn man durch Betrug eben das erhalten kann, wasK k k 2durch884IV. Theil 8. Hauptſtuͤck. durch offenbare Gewalt zu erhalten erlaubt iſt, daß er nicht ſollte im Krie - ge erlaubet ſeyn, indem er wenigern Scha - den als die offenbare Gewalt bringet. Un - terdeſſen weil das Verſprechen gehalten wer - den muß (§. 388.), und wider den Verſpre - cher fuͤr wahr zu halten iſt, was er verſpricht (§. 318.); ſo gilt er nicht anders als auſſer einer Rede, darinn etwas zuge - ſaget wird. Weil Kriegesliſten (ſtra - tagemata) unvermuthete kriegeriſche Hand - lungen ſind, welche ſo wohl in der Gewalt, als auch im Betruge beſtehen; ſo ſind auch dieſe erlaubt.

§. 1204.

Von der kriegeri - ſchen Er - oberung.

Eine kriegeriſche Eroberung (occu - patio bellica) iſt die Handlung, da man feind - liche Sachen, ſonderlich unbewegliche, als Staͤdte und Laͤnder, durch Gewalt der Waf - fen in ſeine Bothmaͤßigkeit bringet. Da in einem rechtmaͤßigen Kriege rechtmaͤßiger Ur - ſachen wegen erlaubet iſt dem Feinde alles zu entreiſſen (§. 1190. 1193. ); ſo erhaͤlt man durch eine kriegeriſche Eroberung ein Eigenthum uͤber die dem Feinde ent - riſſenen Sachen: was aber die beweg - lichen Sachen anlanget, ſo haͤlt man ſie nicht eher fuͤr eingenommen, als man uͤber dieſelbe nach Gefallen Ver - fuͤgung machen kann (§. 200.). Und weil die buͤrgerliche Herrſchaft gleichſam an dem Lande hanget (§. 1125.), und als eineuncoͤr -885Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. uncoͤrperliche Sache dem Eigenthum unter - worfen werden kann (§. 206.); ſo iſt, wenn Staͤdte und Laͤnder eingenommen ſind, die Herrſchaft zugleich mit ein - genommen, wer folglich darinn woh - net, der wird ein Unterthan des Ero - berers (§. 996.), und hoͤret auf ein Feind zu ſeyn (§. 1184.); und derowegen ſtehet das nicht mehr gegen ſolche Perſonen frey, was wider einen Feind erlaubt war, ſondern das bleibt nur erlaubt, was kraft des Rechts der Herrſchaft gegen die Unterthanen erlaubt iſt. Ue - brigens da die Herrſchaft das Eigenthum des Volckes (§. 1130.), und das vorzuͤgliche Ei - genthum, wie auch die vorzuͤgliche Gewalt mit in ſich begreift (§. 1065.); ſo wird, wenn Staͤdte und Laͤnder eingenom - men ſind, auch das Eigenthum des Volcks zuwege gebracht, oder was zum Eigenthum eines Volckes in den - ſelben gehoͤret, nebſt dem vorzuͤglichen Eigenthum und der vorzuͤglichen Ge - walt.

§. 1205.

Da die Herrſchaft urſpruͤnglich eine demWas man vor eine Herꝛ - ſchaft uͤber die uͤbeꝛwun - denen er - halte. Volcke eigenthuͤmliche Sache iſt (§. 979.), ſo iſt ſie an ſich betrachtet eine ſolche, wie ſie bey dem Volcke iſt. Wenn man derowegen durch eine kriegeriſche Eroberung ſich die Herrſchaft zuwege bringt, ſo wird eine ſolche zuwege gebracht uͤber dieK k k 3uͤber -886IV. Theil 8. Hauptſtuͤck. uͤberwundenen, dergleichen bey dem Volcke iſt; es ſey denn, daß es durch einen Vertrag, den man halten muß, anders ausgemacht worden (§. 438.). Es iſt dieſer naͤmlich eben ſo viel als ein Grundgeſetz, vermoͤge deſſen die Herrſchaft auf den Regenten des Staats gebracht wird (§. 989.). Daher wenn der Ueberwin - der die Herrſchaft ohne einen Vertrag erhaͤlt, ſo kann er die Forme der Re - publick nach Belieben aͤndern, und ſo kann er auch uͤber die Art die Herr - ſchaft zu beſitzen nach ſeinem Willkuͤhr Einrichtung machen. Weil aber in ei - nem herrſchaftlichen, oder deſpotiſchen Reiche alle Unterthanen eine perſoͤnliche Knechtſchaft uͤbernehmen (§ 999.); ſo koͤnnen die Un - terthanen keiner herrlichen Herrſchaft, es ſey denn nach Maaßgebung einer gerechten Strafe unterworfen wer - den (§. 1194.).

§. 1206.

Wenn ehr dem Feinde keine Ge - walt uͤber die Perſon zukom̃t.

Wider denjenigen, welcher ſich der Gewalt des Feindes nicht widerſetzet, kommet auch, da man gegen ihn keine Ver - theidigung noͤthig hat (§. 90.), dem Fein - de keine Gewalt zu (§. 1192.). Dero - wegen muß man den Soldaten keine Nothzuͤchtigungen verſtatten, zumahl da ſie ſchon an ſich unerlaubt ſind (§. 862.), noch auch iſt es erlaubt die Brunnen zu vergiften, als woraus auch die Waſſerzu887Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. zu ſchoͤpfen pflegen, ſo ſich der Gewalt der Feinde nicht widerſetzen.

§. 1207.

Weil aber wider einen Feind, ſo langeVon der Anfopfe - rung der Feinde mit Gift. er der Wiederherſtellung unſers Rechts wi - derſtehet, ſo viel erlaubt iſt, als die unge - rechte Gewalt abzutreiben hinreichet (§. 90. 1192. ); ſo iſt es erlaubt ihn mit Gift hinzurichten, folglich kann man ſich auch im Kriege vergifteter Kugeln und Pfeile bedienen, und das Waſſer alſo ohne Gift verderben, daß es nicht kann getruncken werden (§. 1193.). Denn es iſt erlaubt den Feind zu zwingen, daß er ſich der unrechtmaͤßigen Gewalt ent - halten muß.

§. 1208.

Spionen (exploratores) ſind diejenigen,Von Spio - nen. welche heimlich zum Feinde kommen, um zu erforſchen, wie es mit ihm ſtehe, und was er wider uns vorhabe. Weil uns nun dieſes vortheilhaftig iſt zu wiſſen, unſre Kriegs - handlungen, ſo zur Verfolgung unſers Rechts gehoͤren, zu beſtimmen; ſo iſt es erlaubt Spionen abzuſchicken. Weil ſie aber demjenigen ſchaden, welchem ſie zugeſchickt werden, ſo hat der, ſo die Waffen recht - maͤßig ergriffen, das Recht ſie zu ſtra - fen.

§. 1209.

Ein Meuchelmoͤrder (percuſſor) iſtVon Meu - chel moͤr - dern. der, ſo um Lohn gedungen den Feind durchK k k 4hin -888IV. Theil 8. Hauptſtuͤck. hinterliſtige Nachſtellungen und Betrug toͤd - tet. Weil nun im Kriege der Betrug er - laubt iſt (§. 1203.); ſo iſt natuͤrlicher weiſe es nicht verbothen ſeinen Feind durch einen beſtellten Meuchelmoͤrder zu toͤdten (§. 1192.). Ertappet aber ein rechtmaͤßiger Krieger dergleichen Leute, ſo kann er ſie zur Strafe toͤd - ten (§. 1189. 1048.)

§. 1210.

Von den Feindſe - ligkeiten die von einer Pri - vatper - ſon un - ternom - men wer - den.

Weil das Recht zum Kriege der hoͤchſten Gewalt zuſtehet (§. 1066. 1169. ); ſo ſind denen Unterthanen eines Kriegenden die Feindſeligkeiten ohne ausdruͤckli - chen erhaltenen Befehl, oder Erlaub - niß der hoͤchſten Gewalt, die wenig - ſtens ſtillſchweigend ſeyn muß, daß man die Genehmhaltung billig zu vermuthen hat, weil das was im Kriege geſchieht von groſſer Wichtigkeit iſt, nicht erlaubt: ja ſie ſind auch nicht einmal denen Sol - daten ohne Befehl oder Verguͤnſti - gung ihrer Officirer, wie ſie ihnen nach den Schrancken ihres Dienſtes befehlen koͤnnen, erlaubt.

§. 1211.

Vom Waffen - ſtillſtand.

Ein Waffenſtillſtand (induciæ) iſt die Einſtellung der Kriegshandlungen bey bey - den kriegenden Theilen auf eine gewiſſe ver - abredete Zeit. Er wird alſo durch einen Vertrag aufgerichtet (§. 438.); folglich muß man, woruͤber man darinn uͤber -einge -889Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. eingekommen, halten (angef. §.). Durch den Waffenſtillſtand wird der Krieg nicht geendiget, ob man ihn gleich auf lange Zeit eingegangen iſt; und wenn er zum Ende iſt, ſo gehen die Feindſe - ligkeiten gleich wieder an, man ge - braucht aber dabey keine neue Kriegs - ankuͤndigung (§. 1183.). Damit diejeni - gen, welchen daran gelegen iſt, wiſſen, daß man einen Waffenſtillſtand getroffen habe; ſo muß er, ſo bald man ſich daruͤber ver - einigt hat, bekannt gemacht werden. Da die Verbindlichkeit derer ſich vertragen - den aus einem Vertrag kommt; ſo haben diejenigen, welche ſich vertragen, ſo bald als der Vertrag uͤber den Waf - fenſtillſtand zur Vollkommenheit ge - diehen iſt, gleich die Verbindlichkeit dazu uͤber ſich: es iſt aber vor ſich klar, daß ſolcher die Unterthanen nicht eher verbinden koͤnne, als von der Zeit der Bekantmachung an, wenn nicht aus - druͤcklich feſte geſetzet worden, von welchem Tage er anheben ſolle. Es wird aber der Waffenſtillſtand allgemein (induciæ univerſales) genennet, worinn alle kriegeriſche Handlungen eingeſtellet ſind; hin - gegen iſt er beſonders (induciæ particula - res), wenn nur einige aufhoͤren. Da im Kriege alles Recht der hoͤchſten Gewalt zuſte - het (§. 1066. 1169. ); ſo kann ein allge - meiner Waffenſtillſtand nur allein vonK k k 5denen,890IV. Theil 8. Hauptſtuͤck. denen, welche die hoͤchſte Gewalt ha - ben, errichtet werden; es koͤnnen ihn aber auch die geringern Gewaltigen nach Maaßgebung der Graͤntzen ihres Amts ſchlieſſen (§. 1155.). Weil die Handlungen eines Privatmannes der hoͤchſten Obrigkeit, wenn ſie nicht dazu den Befehl gegeben, oder ſie gut heiſſet, nicht zugerechnet werden kann (§. 26.); ſo zer - reiſſet ſolche den Waffenſtillſtand nicht, doch aber muß die Privatperſon ge - ſtrafet, und das geraubte wiedergege - ben werden, weil man es ſonſt gut heiſſen wuͤrde. Jndem der Waffenſtillſtand ſo wohl den Perſonen, als den Sachen Sicherheit verſchaffet; ſo iſt es zur Zeit des Waf - fenſtillſtandes erlaubt hin und her bald hier bald da hinzugehen, nicht aber iſt vergoͤnnt die Oerter, ſo nicht bewachet werden, einzunehmen. Weil aber ein Feind die verlaſſenen Oerter nicht mehr haben will (§. 203.); ſo kann man dieſe einnehmen. Endlich weil zu der Zeit des Waffenſtillſtandes alles in dem Stande blei - ben muß, worinn es iſt, und folglich nichts zum Nachtheil des Feindes geſchehen darf, was man nicht ohne einen verglichenen Waf - fenſtillſtand haͤtte thun koͤnnen; ſo iſt bey fort - waͤhrenden Waffenſtillſtand nicht er - laubt den Wall, der durch das Ge - ſchuͤtz des Feindes zerſchoſſen worden, wiederum zu ergaͤntzen, noch auch ei -ner891Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. ner in Noth liegenden Stadt Huͤlfe und andere Nothwendigkeiten zuzu - ſchicken: doch aber iſt einem erlaubt mit der Armee innerhalb ſeinen Gren - tzen zuruͤck zu gehen, die Mauern wie - der auszubauen, und Soldaten zu werben.

§. 1212.

Sicher Geleite (commeatus) iſt dasVom ſichern Geleite. Recht ſicher hin und her zu gehen, welches ſo wohl den Perſonen, als auch den Sachen vergoͤnnet wird: Die Verguͤnſtigung hierzu iſt ein Privilegium (§. 1047.). Weil ein Privilegium, ſo einer Perſon gege - ben iſt, nicht muß weiter als auf dieſelbe aus - gedehnet werden (§. 400.); ſo kann, wenn einer Perſon ein ſicher Geleite gegeben worden, ſich deſſen nicht eine andere Perſon bedienen, und wenn es der Va - ter erhalten hat, faſſet es nicht den Sohn und die Frau in ſich: wem al - ſo zu kommen erlaubt iſt, der kann kei - nen andern ſchicken. Jndem es aber gleich viel iſt, durch wen die Sachen fortge - bracht werden; ſo koͤnnen die Sachen, wenn auf ſie ein ſicheres Geleite er - theilet worden, durch iemand anders, als deſſen ſie ſind, an den beſtimmten Ort geſchaffet werden. Dieweil das ſi - chere Geleite lediglich auf dem Willen deſſen, der es giebet, beruhet, und auch dies die Ab - ſicht, weswegen es gegeben worden, anzeiget;ſo892IV. Theil 8. Hauptſtuͤck. ſo verſtehet es ſich, daß demjenigen, welchem wegzugehen, oder durchzuge - hen vergoͤnnet worden, nicht auch wieder zu kommen vergoͤnnet ſey: und wem eines gewiſſen Geſchaͤftes halber Sicherheit ertheilet iſt, dem iſt ſie ver - ſtattet, bis das Geſchaͤfte ein Ende hat. Gleichergeſtalt wem das ſichere Geleit einer Reiſe wegen gegeben wird, ſo ſchlieſſet daſſelbe auch die Ruͤckkunft ein, und es werden auch darunter die Sachen, ſo man auf die Reiſe mit zu nehmen pfleget, und ein, oder der andere Diener, ohne welchen es zu reiſen unanſtaͤndig waͤre, mit begriffen. Damit aber daruͤber kein Streit entſtehe, ſo iſt es rathſamer, daß dies alles in der Schrift, worinn das ſichere Geleite ertheilet wird, deutlich ausgedruckt werde.

§. 1213.

Von dem Ran - tzions - gelde.

Da ein iedweder ſein Recht nach Gefallen auf einen andern bringen kann (§. 314.); ſo kann auch der Preis der Ranzion ei - nes Gefangenen auf einen andern ge - ſchrieben werden. Und weil Vertraͤge ge - halten werden muͤßen (§. 438.); ſo kann der Vertrag uͤber den Preis nicht auf - gehoben werden, weil man glaubt, daß der Gefangene reicher ſey, als man vermuthete. Und da dasjenige nicht ero - bert wird, was der Gefangene heimlich bey ſich hat, oder ihm nicht genom -men893Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. men wird, und alſo das ſeinige blei - bet (§. 1204.); ſo kann dies zum Aus - loͤſungsgelde angerechnet werden. Weil man aber zur Befreyung des Gefangenen zahlet; ſo iſt man kein Rantzionsgeld ſchuldig, wenn der Gefangene ſtirbt, da das Geld noch nicht gezahlet iſt, ehe ihm die Erlaubniß wegzugehen gegeben worden, oder auf der Reiſe, als er zu den Feinden gebracht werden ſollte: hingegen iſt man es ſchuldig, wenn er in der Freyheit ſtirbt, oder wenn er nur zur Sicherheit der Schuld, als ein Pfand, zuruͤckbehalten wird (§. 697.). Endlich weil derjenige, welcher einen Gefangenen fuͤr ein gewiſſes Geld auf freyen Fuß ſtellet, nur verbunden iſt ihm eine ſichere Ruͤckkehr zu den ſeinigen zu verſchaffen; ſo muß er, nachdem er bey den ſeinigen angelanget iſt, wenn er aufs neue von einem andern gefan - gen wird, und das vorige Loͤſegeld noch nicht abgetragen hat, es zwey - mahl bezahlen.

§. 1214.

Die Wiederherſtellung der von dem FeindeVon dem Rechte der Wie - derkunft zu den ſeinen, ſo ferne es im Rech - te der genommenen, und in die Bothmaͤßigkeit ſei - nes Volckes wieder kommenden, und in vo - rigen Zuſtand tretenden Sachen und Perſo - nen nennet man das Recht der Wieder - kunft zu den ſeinen (poſtliminium). Weil die hoͤchſte Gewalt verbunden iſt ihre Unter -thanen894IV. Theil 8. Hauptſtuͤck. Natur gegruͤn - bet iſt.thanen und deren Rechte wider die aͤuſſerli - che Gewalt der Feinde zu vertheidigen (§. 972.), und ein ungerechter Krieger natuͤrli - cher weiſe durch eine kriegeriſche Einnehmung kein Recht uͤber die weggenommenen Sachen und gefangenen Perſonen erhalten kann (§. 1189.); ſo werden allerdings die mit unrechtmaͤßiger Gewalt von dem Fein - de weggenommenen Sachen und Per - ſonen, wenn ſie wiederum zu den ih - rigen kommen, in den vorigen Zuſtand geſetzet. Und hieraus erhellet, in wie fern das Recht der Wiederkunft zu den ſeinen zum Recht der Natur gehoͤre: wiefern es aber zum Voͤlckerrecht zu rechnen ſey, ſoll bald ge - lehret werden. Hingegen aber, was diejeni - gen anlanget, welche ſich und das ihri - ge dem Feinde uͤbergeben haben; ſo ge - nieſſen dieſe, und die Sachen, ſo ihnen zugehoͤret, das Recht der Wiederkunft nicht, dieweil ſie eben dadurch ſich anheiſchig gemacht haben, daß ſie und ihre Sachen dem Feinde zugehoͤren wollen und ſollen, und ihm daher dieſes Recht nicht wiedergenommen wer - den kann (§. 100.). Wenn aber Perſonen losgelaſſen, oder ſchuldige Sachen von ihm verlaſſen werden; ſo genieſſen ſie, weil der Feind hiermit andeutet, daß er ſie, ohne daß ſein Recht fernerhin im Wege ſte - hen werde, nicht mehr haben wolle, das Recht der Wiederkunft.

§. 1215.895Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege.

§. 1215.

Dieweil die Geſchaͤfte unter den VoͤlckernVon dem will kuͤhr - lichen Recht der Voͤl - cker im Kriege. endlich einmal einen Ausgang gewinnen muͤſ - ſen, beyde kriegeriſche Theile aber eine recht - maͤßige Urſach zum Kriege gehabt zu haben verlangeu, und die Voͤlcker, vermoͤge der na - tuͤrlichen Freyheit, ſo ihnen zukommt (§. 1089.), einander zu geſtatten verbunden ſind, daß ein iegliches bey ſeiner Meynung bleibe (§. 78.), ja es auch in gemeiniglich zweifel - haften Sachen nicht leicht kann entſchieden werden, und der Krieg doch nicht geſchickt iſt eine ſolche Streitigkeit auszumachen (§. 1159.), und es uͤberdem noch viel ſchwerer zu beſtim - men iſt, ob ſich auch ein Kriegfuͤhrender, wenn er gleich einen rechtmaͤßigen Krieg fuͤhret, nicht ſeines Rechts im Kriege misbrauche (§. 1190. u. f.), und dies folglich ſeinem Gewiſſen an - heim geſtellet bleiben muß (§. 78.); ſo iſt noͤthig, daß ein Werth von beyden Theilen in Abſicht auf die Wuͤrckun - gen fuͤr gerecht gehalten werde, daß naͤmlich ſich ein ieglicher einerley Rechts be - diene, und man derowegen auch iedwedes Gewiſſen uͤberlaſſe, was ihm zur Er - haltung ſeines Rechts noͤthig zu ſeyn ſcheinet. Und eben darinn beſteht das will - kuͤhrliche Voͤlckerrecht im Kriege (§. 1090.).

§. 1216.

Weil diejenigen Voͤlcker, welche ſich zuVon dem Recht der Wie - derkunft keinem Theil im Kriege ſchlagen, kein Recht haben die Urſach des Krieges, oder ob dies,oder896IV. Theil 9. Hauptſtuͤck. nach dem Voͤlcker - recht.oder jenes im Kriege rechtmaͤßig geſchehe, zu entſcheiden (§. 1215.); ſo muͤßen die Voͤl - cker, ſo ſich nicht in einen Krieg mi - ſchen, das, was ein ieglicher thut, fuͤr rechtmaͤßig, oder von rechtswegen un - ternommen halten, und derowegen gilt auch bey friedlichen Voͤlckern nach dem willkuͤhrlichen Voͤlckerrecht kein Recht der Wiederkunft (§. 1214.). Nach eben dem Rechte aber verſtehet ſich, daß dies beyden kriegenden Theilen gemein - ſchaftlich ſey.

Das neunte Hauptſtuͤck.

Von dem Frieden und dem Friedensvertrag.

§. 1217.

Man ſoll ſuchen Frieden zu behal - ten.

Friede wird der Zuſtand genennet, dar - inn wir mit keinem Krieg haben: folglich weil wir mit keinem gewalt - thaͤtig ſtreiten duͤrfen (§. 98.), ſo genieſ - ſen wir im Frieden unſer Recht ruhig. Weil kein Volck einem andern Unrecht anthun (§. 1089.), und ſorgen ſoll, daß die Strei - tigkeiten ohne Gewalt der Waffen beygeleget werden moͤgen (§. 1157.), und es folglich keine Urſach zum Kriege geben muß (§. 1158.); ſo ſind die Voͤlcker natuͤrlicher Weiſe verbunden den Frieden unter einander zu bauen. Und da die Menſchen ſich des -wegen897Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag. wegen in einen Staat begeben haben, daß ſie ihr Recht ruhig genieſſen, und ſolches ſicher von andern erhalten wollen (§. 972.); ſo iſt auch ein Regent des Staats ſo wohl ſeinen Unterthanen, als auch, in ſo fern die Natur ſelbſt die Voͤlcker in den groͤſ - ſeſten Staat zuſammen gebracht hat (§. 1090.), andern Voͤlckern dies natuͤrli - cher weiſe ſchuldig, daß er den Frieden auf alle Art zu erhalten trachte, folglich muß er nicht nur ſelbſt den Krieg moͤglichſt vermeiden, ſondern auch Muͤhe anwenden, daß er andere ab - tathe, daß ſie nicht leichtſinniger wei - ſe einen Krieg anfangen. Aus der Er - klaͤrung aber des Friedens ſelbſt iſt klar, daß zur Zeit eines Waffenſtillſtandes kein Friede ſey (§. 1211.), und hingegen der Krieg geendiget werde, wenn Frie - de gemacht worden.

§. 1218.

Ein Stoͤrer der oͤffentlichen RuheVon Stoͤrern der oͤf - fentlichen Ruhe. (turbator quietis publicæ) wird derjenige genannt, welcher andere Voͤlcker mit unbe - dachtſamen und unrechtmaͤßigen Kriegen an - ſicht. Derowegen kommt allen Voͤlckern das Recht zu die Stoͤrer der oͤffentli - chen Ruhe zu zwingen, daß ſie ſolche nicht ſtoͤren (§. 1090.). Wenn ſich de - rowegen ein Volck vor einem Stoͤrer der oͤffentlichen Ruhe fuͤrchtet, ſo mußNat. u. Voͤlckerrecht. L l les898IV. Theil 9. Hauptſtuͤck. es bey zeiten Kriegsbuͤndniſſe mit an - dern ſchlieſſen (§. 1180.).

§. 1219.

Wie lan - ge es er - laubt ſey den Krieg fortzu - ſetzen.

Da man einen rechtmaͤßigen Krieg um ſein Recht zu erlangen fuͤhret (§. 1170.); ſo iſt es erlaubt denſelben ſo lange fort - zuſetzen, bis man ſein Recht erlanget hat, folglich bis der eine entweder ei - nen Vergleich anbietet, oder den an - gebotenen annimmt (angef. §. ): aber wi - der einen Stoͤrer der oͤffentlichen Ru - he ſetzet man ihn ſo lange fort, bis man vor die kuͤnftige Sicherheit hin - laͤnglich geſorget hat (§. 1218.). Wenn aber ein Krieger nicht kann vermocht werden entweder billige Friedensbe - dingungen anzubieten, oder anzuneh - men; ſo erhellet vor ſich, daß man den Krieg fortſetzen muͤße, bis er gaͤntzlich uͤberwunden worden, daß er nicht laͤn - ger widerſtehen kann.

§. 1220.

Welche Friede machen koͤnnen.

Da der Krieg den hoͤchſten Maͤchten zu - ſteht (§. 1169.); ſo koͤnnen auch nur die hoͤchſte Maͤchte Friede machen. Weil aber ein Koͤnig, der noch ein Kind, oder minderjaͤhrig, oder faſt ohne Ver - ſtand, z. E. raſend, oder wahnwitzig iſt, die Verwaltung des Reichs nicht hat; ſo kann er auch deswegen nicht Frieden ſchlieſ - ſen, und folglich muͤßen das diejenigen thun, denen die Verwaltung desReichs899Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag. Reichs oblieget. Weil ein Anfaller des Reichs, wenn ihm die Unterthanen Treue zugeſagt haben, die hoͤchſte Herrſchaft hat, und auswaͤrtige Voͤlcker es muͤſſen bey dem Urtheil eines andern Volckes bewenden laßen (§. 1089.); ſo iſt es erlaubt mit einem Anfaller des Reichs, dem die Unter - thanen gehuldiget haben, Friede zu machen. Da ein Koͤnig uͤber ſein vaͤterli - ches Erbreich nach Gefallen Verfuͤgung tref - fen kann (§. 986.); ſo kann ein gefan - gen genommener Koͤnig, wenn ſein Reich ein vaͤterliches Erbe iſt, Frieden eingehen. Weil aber dem Koͤnige durch die Gefangenſchaft die freye Verwaltung ſei - ner Herrſchaft genommen wird, und zu be - ſorgen ſtehet, daß er zum Nachtheil ſeines Volckes etwas zu verſprechen gezwungen wer - de, was er in der Freyheit nicht wuͤrde ver - ſprochen haben; ſo kann ein gefangener Koͤnig, wenn ſein Reich nicht vom Vater geerbt iſt, durch diejenigen, wel - chen er die Verwaltung der Herrſchaft aufgetragen hat, oder, wenn daruͤber nichts verordnet worden, durch den, der die naͤchſte Hoffnung ihm in der Regierung zu folgen hat, Frieden ma - chen. Und weil er uͤber ſeine Privatſachen nach eignem Belieben Einrichtung treffen kann (§. 195.); ſo kann er auch Friede machen, wenn er ſeine Privatſachen ſchlechterdings, oder ohne Bedingung, dieL l l 2oͤffent -900IV. Theil 9. Hauptſtuͤck. oͤffentlichen aber unter dem Beding der Genehmhaltung verſpricht.

§. 1221.

Wie der Friede koͤnne gemacht werden.

Weil die Strenge der Gerechtigkeit erfor - dert, daß ein ieder zu ſeinem Recht komme; ſo muͤßte, wenn dieſe bey Schlieſſung des Frie - dens beobachtet werden ſollte, ein Urtheil uͤber die Gerechtigkeit des Krieges abgefaſſet, und demjenigen, welcher einen rechtmaͤßigen Krieg gefuͤhret, die Schuld abgetragen werden, de - rentwegen der Krieg gefuͤhret worden, man muͤßte ihm die Kriegsunkoſten wiedergeben, und ihm wegen des in dem Kriege ſelbſt an - gethanen Unrechts genug thun (§. 1190.), was aber von einem rechtmaͤßigen Krieger uͤber das Ziel der Schuld eingenommen wor - den, muͤßte dem andern wiedergegeben, und ihm wegen des Unrechts, ſo ihm durch den Misbrauch des Rechts wiederfahren, Genuͤge geleiſtet werden (§. 271.). Es erhellet gantz leicht, wenn auf dieſe Art Friede gemacht werden ſollte, ſo wuͤrde der Handel nimmer - mehr zum Ende kommen. Daher kann man nicht anders Friede ſtiften, als durch Vergleich (§. 764.), und deswegen wer - den in dem Friedensvergleich weder die Urſachen des Krieges, noch die Streitigkeiten, welche uͤber das ge - ſchehene im Kriege erreget werden konten, geſchlichtet, indem kein Theil den andern der Ungerechtigkeit bezuͤch - tiget, und man vielmehr die anrathen -den901Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag. den Urſachen in Erwegung ziehet. Weil die Amneſtie ein auf ewig feſtgeſetztes Vergeſſen des vorhergegangenen Unrechts und der Beleidigung iſt (§. 1056.); ſo liegt die - ſelbe zwar natuͤrlicher Weiſe in iedem Friedensvertrag: damit man doch aber vollkommen dazu verbunden ſey, ſo muß man vor allen Dingen ſich daruͤber vereinigen (§. 667.).

§. 1222.

Da man in einem Vergleich das, wasWie man im Frie - densver - trag et - was ver - abreden koͤnne. man unter einander verabredet, halten muß (§. 764.); ſo muß man ſich im Frie - densvertrag vergleichen, daß entwe - der alles wieder auf die Art hergeſtel - let werde, wie es vor dem Kriege war, oder daß es in dem Stande bleibe, wie es nunmehro iſt, oder daß eines und das andere, ſo im Kriege weggenom - men worden, wieder erſetzet, das uͤbri - ge aber behalten, und daß uͤberdem noch einige andere Dinge geleiſtet wer - den. Daraus folgt, daß alles das, wo - von nichts geſagt worden, bleiben muͤſ - ſe, wie es iſt. Unterdeſſen weil der Han - del kein Ende haben wuͤrde, wenn auch be - wegliche Sachen wiederum hergeſtellet wer - den ſollten; ſo werden, wenn gleich ver - glichen iſt, daß das weggenommene wiedergegeben werden ſoll, darunter die beweglichen nicht mit begriffen,L l l 3wo902IV. Theil 9. Hauptſtuͤck. wo nicht von einigen ausdruͤcklich Meldung geſchehen.

§. 1223.

Worauf ſich die Amneſtie nicht er - ſtrecke.

Weil das ewige Vergeſſen des Unrechts nur auf das geht, was im Kriege vorgegan - gen iſt (§. 1221.); ſo ſind die Schulden, die vor dem Kriege ſchon gemacht wa - ren, ſo auch das vor demſelben zuge - fuͤgte Unrecht, um deſſentwillen aber der Krieg nicht gefuͤhret iſt, und fer - ner die Schulden, ſo man waͤhrendes Krieges anderswoher ſich zugezogen hat, und dann das Unrecht, ſo man uns auſſer dem Kriege angethan, und endlich was man zur Kriegeszeit aus Privatcontracten, oder durch eine Mishandlung ſchuldig worden, nicht als ſolche anzuſehen, welche durch den Frieden erlaſſen waͤren.

§. 1224.

Von der Wieder - erſetzung der Nu - tzungen.

Da das Recht deſſen, dem etwas wieder erſetzet werden ſoll, ſo bald der Friedensver - trag zum Stande iſt, anhebet, wofern nicht die Wiedererſetzung an einen gewiſſen Tag gebunden worden (§. 438. 317. ); ſo muͤſ - ſen, wenn kraft des Friedens gewiſſe Sachen wieder erſetzet werden ſollen, auch von dem Tage der Einraͤumung an die Nutzungen wiedergegeben wer - den (§. 228.).

§. 1225.903Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag.

§. 1225.

Weil die Sache alſo muß wiedergegebenEinige Dinge, welche man bey der Wie - dererſe - tzung zu bemer - cken hat. werden, wie ſie im Kriege weggenommen worden (§. 1222.); ſo muͤſſen, wenn ei - ne Sache vermoͤge des Friedens wie - der erſtattet werden ſoll, auch die mit der Sache verbundenen Rechte wieder erſtattet werden, und derowegen iſt es nicht erlaubt die Feſtungswercke, wel - che vorhanden waren, als man ſie ein - nahm, vor der Wiedergabe abzutra - gen. Und, wenn durch den Frieden ei - nige Dinge wieder in den Stand geſe - tzet werden ſollen, in welchen ſie vor dem Kriege geweſen, ſo wird der letz - te Zuſtand gemeynet, welcher ſich fand, da der Krieg anfing; indem man billig dafuͤr haͤlt, daß die den Vertrag aufrichten - den an denſelben gedacht haben (§. 810.), woferne derſelbe nicht auf ein gewiſ - ſes Jahr eingeſchraͤncket wird (§. 438.). Wenn man ſich in einem Friedensver - trag auf andere vorhergehende bezie - het, als welches nur der Kuͤrtze wegen ge - ſchiehet, ſo muß alles das gelten, was darinn von der verglichenen Sache ausdruͤcklicher geſaget worden.

§. 1226.

Jn einem vaͤterlichen Erbreiche kannVon der Veraͤuſ - ſerung der Herr - ſchaft und ein Koͤnig uͤber die Herrſchaft nach Belieben die Einrichtung machen (§. 986.), folglich kann der Koͤnig ſo wohl dieſelbe gantz,L l l 4als904IV. Theil 9. Hauptſtuͤck. der Pri - vatſachen durch den Frieden.als auch einen Theil ohne Einſtim - mung des Volcks veraͤuſſern. Weil aber in einem Reiche, wovon er nur die Nu - tzung hat, die Eigenthuͤmlichkeit der Herr - ſchaft bey dem Volcke bleibt (angef. §. ), ſo gehoͤret die Einwilligung des Volcks zur Veraͤuſſerung, und folglich, weil alle und iede einem Theile zu dem, was zur Befoͤrderung ſeiner Wohlfahrt dienet, ver - pflichtet ſind (§. 975.), auch die Einwil - ligung desjenigen Theils, welcher ver - aͤuſſert wird, oder wenigſtens muß die Genehmhaltung deſſelben da ſeyn, welche durch Handlungen zu Tage ge - leget wird, indem ein Volck dem, der ſich es aufs neue erworben hat, ohne einigen Widerſpruch den Eid der Treue leiſtet. Unterdeſſen wenn man das Recht Frieden zu machen ohne alle Ein - ſchraͤnckung an den Koͤnig uͤbergeben hat, ſo iſt er nicht erſt gehalten die Einwilligung des Volcks zu ſuchen, wenn naͤmlich kein Grundgeſetz im Wege ſte - het, zu deſſen Beobachtung der Koͤnig ange - wieſen waͤre (§. 984.). Was aber Privat - ſachen und Perſonen anlangt, daruͤber kann er ſich, vermoͤge des vorzuͤglichen Ei - genthums und der vorzuͤglichen Gewalt, nach ſich ereignenden Faͤllen vergleichen (§. 1065.).

§. 1227.

Von der Wirkung

Weil man nach getroffenen Vergleich keineAnfor -905Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag. Anforderung erneuern kann, und man dadurchdes Frie - dens. den Zwiſt aufgiebt (§. 764.); ſo wird, nach geſchloſſenen Frieden, der Krieg geen - diget, und kann man derjenigen Ur - ſache wegen, um welcher man gekrie - get hat, nicht aufs neue einen Krieg anfangen.

§. 1228.

Weil mit den Bundesgenoſſen derer, dieVon Bundes - genoſſen im Krie - ge. den Frieden ſchlieſſen, eben der Krieg gewe - ſen iſt, den man mit dieſen gehabt hat, und nun aber uͤber die Endigung des Krieges Ver - gleichsunterhandlungen getroffen worden (§. 1221.); ſo werden in dem Friedens - vertrag auch die Bundesgenoſſen mit begriffen, folglich gehet ſie das Vergeſ - ſen des Unrechts auch an (§. 1223.). Sollte aber mit ihnen ein beſonderer Krieg vorgewaltet haben, ſo muß auch mit ihnen der Friede ausdruͤcklich gemacht werden.

§. 1229.

Der Friedensvertrag, als welcher we -Von der Verbind - lichkeit, die aus dem Frie - densver - trag kommt. gen der Fortdauer der oͤffentlichen Ruhe er - richtet iſt, iſt ein Buͤndniß uͤber Sachen (§. 1146.), und deswegen verbindet es auch das Volck und die Nachfolger. Jedoch aber verbindet es diejenigen, wel - che den Vertrag machen, augenblick - lich, ſo bald es zu ſtande gebracht wor - den, weil die Verbindlichkeit aus dem Ver -L l l 5trage906IV. Theil 9. Hauptſtuͤck. trage kommt (§. 438.); die Unterthanen aber und Soldaten nicht eher, als es ihnen kund gethan worden, weil ſie vor der Bekantmachung nichts zuverlaͤßiges wiſ - ſen koͤnnen.

§. 1230.

Vom Frie - dens - bruch.

Man ſagt, der Friede werde gebro - chen, wenn der Friedensvertrag nicht ge - halten wird, das iſt, wenn iemand etwas thut, was er vermoͤge deſſelben nicht thun konte, und ſollte, oder wenn er nicht thut, was er um deſſelben willen thun ſollen und koͤnnen. Jn eben dem Verſtande ſagt man uͤberhaupt, daß ein iedes Buͤndniß ge - brochen werde. Derjenige bricht alſo den Frieden, welcher um eben der Ur - ſache halber, weswegen der Krieg ge - fuͤhrt worden, oder um deswegen, was darinn geſchehen iſt, kriegeriſche Gewalt ausuͤbet (§. 1227.), ſo daß auch die Bundesgenoſſen hierunter mit begriffen ſind (§. 1228.); nicht aber wird der Friede gebrochen, wenn dies einer neuen Urſach wegen ge - ſchieht, als wohin der Friede nicht gezo - gen werden darf (§. 1221.): folglich iſt aus eben der Urſache kein Friedens - bruch vorhanden, wenn man ſich gleich nachher zu einem andern ſchlaͤgt, wel - cher den, mit dem wir Friede gemacht haben, mit Kriege uͤberzieht. Es ver -ſtehet907Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag. ſtehet ſich auch aus der Erklaͤrung ſelbſt, daß der Friede nicht gebrochen werde, wenn es bey uns nicht ſtehet, daß man im Frieden das Verſprechen er - fuͤlle, z. E. wenn man ſelbſt in Krieg ver - wickelt iſt, und die verheiſſenen Huͤlfstrup - pen, oder Subſidien nicht ſchicken kann, oder die Sache, die gegeben werde ſollte, verloh - ren gegangen iſt. Friedensartickel (ar - ticuli pacis) werden alle eintzelne Stuͤcke des Vergleichs genannt, in welchen diejenigen Dinge unterſchieden werden, woruͤber man ſich beſonders verglichen hat. Es ſind aber dieſelben entweder zuſammenhaͤngend (connexi), wenn man ſich uͤber Sachen ver - gleicht, welche zu einerley Handel gehoͤren, oder ſie ſind verſchieden (diverſi), wenn man uͤber Sachen einig wird, die zu ver - ſchiedenen Haͤndeln gehoͤren. Daher iſt leicht abzunehmen, daß der Friede, wenn er gleich in verſchiedenen Artickeln ge - brochen wird, doch in den uͤbrigen fortdaure; hingegen aber, wenn er von iemand in zuſammenhangenden Ar - tickeln gebrochen wird, der andere nicht weiter verbunden ſey den Frie - den zu halten (§. 442.). Da aber eine fremde That, wozu er nichts beygetragen hat, niemand zugerechnet werden kann (§. 26.); ſo wird der Friede, wenn je - mandes Unterthanen ohne ſeine Ein -willi -908IV. Theil 9. Hauptſtuͤck. willigung, oder darauf erfolgte Ge - nehmhaltung etwas thun, welches wider den Friedensvertrag laͤuft, nicht gebrochen, dahingegen aber iſt er gebrochen, wenn iemandes Untertha - nen von dem andern Theil wider die Friedensartickel beleidiget werden.

§. 1231.

Von der Bekant - machung des Frie - dens.

Die Bekantmachung des Friedens (publicatio pacis) iſt ein Vertrag, durch welchen ſo wohl den Soldaten, als den Un - terthanen angedeutet wird, daß Friede ge - macht und folglich der Krieg geendiget ſey (§. 1227.). Derowegen muß er den Soldaten ohne allen Verzug bekant ge - macht werden (§. 1174.): Weil aber die Nothwendigkeit, welche ſich findet auf Sei - ten der Soldaten, nicht einerley iſt mit der, ſo ſich auf Seiten der Unterthanen antref - fen laͤßet, ſo kann er denen Untertha - nen bekant gemacht werden, wenn es gelegen zu ſeyn ſcheinet.

§. 1232.

Von der Rebel - lion.

Rebellen werden Unterthanen genennet, welche unrechtmaͤßige Waffen wider den Re - genten des Staats ergreifen, daß ſie ihn naͤmlich entweder ſeiner Herrſchaft berauben, oder zur Annehmung gewiſſer Bedingungen zwingen wollen. Und dieſer Zuſtand heißt ei - ne Rebellion.

§. 1233.909Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag.

§. 1233.

Von der Rebellion iſt der buͤrgerlicheVom buͤrger - lichen Kriege. Krieg, in welchem die Unterthanen die Waffen rechtmaͤßig wider den Regenten des Staats ergreifen, unterſchieden. Dieſer nun iſt in einem ieglichen Falle, da man dem Regenten des Staats wi - derſtehen darf, erlaubt (§. 1097.).

§. 1234.

Von der Rebellion und dem buͤrgerlichenVom Tumult. Kriege muß ein Tumult unterſchieden werden, worinn die zuſammengelauffene Menge den Obrigkeiten, oder andern kleinen Gewaltigen, oder ihren Sachen, ſo dann auch Privatperſonen und ihren Sachen, Ge - walt anthut, oder wenigſtens anzuthun dro - het. Weil die oͤffentliche Ruhe durch einen Tumult beleidiget wird; ſo iſt dieſer ein oͤffentliches Verbrechen, oder eine Miſ - ſethat (§. 1030.). Derowegen koͤnnen diejenigen, welche einen Tumult er - regen, oder unterhalten, und ſich in denſelben miſchen, weil ſie Verbrechens ſchuldige ſind, nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde geſtrafet werden (§. 1030. 1048.).

§. 1235.

Weil die hoͤchſte Gewalt, die denDaß man das den Re - bellen Rebellen und Tumultuanten, um die Rebellion, oder den Tumult zu ſtillen,etwas910IV. Theil 10. Hauptſtuͤck. und den Tumul - tuanten gethane Verſpre - chen hal - ten muͤſ - ſe.etwas verſpricht, vermoͤge ihres Rechts wider die Rebellen und Tumultuanten nichts verſprechen kann, ſondern man annehmen muß, daß ſie ihr Recht erlaſſe (§. 337.); ſo muß dasjenige, was ſie verſpricht, gehalten werden (§. 388.). Auf eben dieſe Art iſt deutlich, daß man auch dem Feinde, den Raͤubern und Moͤrdern das Verſprechen halten muͤſſe. Dero - wegen wenn ein Vergeſſen des ange - thanen Unrechts zugeſaget worden, ſo kann niemand desjenigen halber, was in der Rebellion, oder Tumult vor - gefallen iſt, angeklagt, noch geſtrafet werden (§. 1056.).

Das zehnte Hauptſtuͤck.

Vom Geſandſchaftsrechte.

§. 1236.

Welche ſind Ge - ſandten?

Geſandten (legati) werden Perſonen genennt, ſo von einem Volcke, oder deſſen Regenten, an ein anderes Volck, oder deſſen Regenten, eines oͤffentli - chen Geſchaͤftes halber geſchickt werden. De - rowegen ſind Geſandten natuͤrlicher weiſe Gevollmaͤchtigte ihres Volcks, oder des Regentens des Staats (§. 551.). Und das Recht Abgeſandte zu ſchicken ſtehet den hoͤchſten Maͤchtenzu911Vom Geſandſchaftsrechte. zu (§. 1140.), wenn ſie auch durch ein ungleiches Buͤndniß verbunden ſind (§. 1144.).

§. 1237.

Agenten (agentes) pfleget man Perſo -Welche ſind A - genten? nen zu nennen, welche Privatangelegenhei - ten eines Regentens des Staats, oder auch ſeiner Unterthanen in ſeinem Nahmen bey ei - nem andern Volck beſorgen. Da es von dem Willen deſſen, der einen Agenten ſetzet, abhangt, was vor Geſchaͤfte er ihm anver - trauen will; ſo hindert nichts, daß de - nen Agenten nicht auch einige oͤffent - liche Geſchaͤfte, ſonderlich von gerin - gerer Erheblichkeit, koͤnten anver - trauet werden.

§. 1238.

Ein iegliches Volck hat ein vollkommnesVon dem Rechte Abge - ſandte zu ſchicken, und der Ver - bindlich - keit ſie zuzulaf - ſen. Recht von einem andern Volck Liebespflich - ten zu verlangen, und man kann ohne Un - recht zu thun es nicht hindern, daß ſie nicht ſollten verlanget werden (§. 1108.); es hat auch ein Recht mit einem andern Volcke Ver - traͤge einzugehen, wenn es deſſen Huͤlfe und Beyſtand benoͤthigt iſt (§. 1095.), um mit vereinigten Kraͤften ſich und ſeinen Zuſtand vollkommner zu machen (§. 1090.), und des - wegen Buͤndniſſe zu ſchlieſſen (§. 1141.). Sie ſind auch verbunden die Beſchwerden zu heben, und muͤßen die Streitigkeiteu beyge -leget912IV. Theil 10. Hauptſtuͤck. leget (§. 1157.), nicht aber zum Kriege, als einem an ſich wenig geſchickten Mittel die Zwiſtigkeiten zu entſcheiden (§. 1159.), oder zu andern gewaltſamen Mitteln (§. 1163. u. f.) geſchritten werden, ſo lange als noch nicht bekant iſt, ob ſich das angethane Unrecht nicht ohne Gewaltthaͤtigkeit erſetzen laße (§. 1158.). So muß man auch Krie - gesbuͤndniſſe errichten (§. 1180.), und im Kriege ſelbſt kommen Faͤlle vor, weswegen man Vertraͤge machen, oder da ein Theil dem andern ſeine Willensmeynung kund thun muß. Ja daß man endlich von dem Kriege ablaße, ſind Friedensbuͤndniſſe zu ſchlieſſen (§. 1227.). Aus allen dieſen ergiebt ſich nun, daß die Geſandſchaften noth - wendig ſeyen, und den Voͤlckern ein vollkommnes Recht zukomme Abge - ſandten an andere Voͤlcker zu ſchickrn. Da nun dies ohne Unrecht zu thun nicht ab - geſchlagen werden kann (§. 100.); ſo muß derjenige, an welchen ein Geſandter abgeſchickt wird, den Geſandten zu - laſſen, und wenn folglich ſolches nicht geſchieht, wiederfaͤhrt dem, der ihn ſendet Unrecht (§. 87.), es ſey denn, daß ſolches in einem offenbaren Streit der Pflicht gegen ſich ſelbſt und gegen andere Voͤlcker geſchaͤhe, z. E. wenn ein Geſandter abgeſchickt wuͤrde den Zuſtand des Staats zu verwirren, oder wenn ſich der -ſelbe913Vom Geſandſchaftsrechte. ſelbe der oͤffentlichen Feindſchaft ſchuldig machte.

§. 1239.

Beſtaͤndige Geſandten (legati aſſi -Von be - ſtaͤndigen Geſand - ten. dui) heiſſen die, ſo ſich viele Jahre hinter einander an fremden Hoͤfen aufhalten. Weil die Geſchaͤfte der Voͤlcker, weswegen die Geſandſchaften noͤthig erachtet werden (§. 1238.), weder taͤglich vorkommen, noch be - ſtaͤndig ſind, und uͤberdem die beſtaͤndigen Geſandten gleichſam Kundſchafter abgeben (§. 1208.); ſo iſt das Recht beſtaͤndi - ge Abgeſandten an fremden Hoͤfen zu haben weder zum nothwendigen Voͤl - ckerrecht (§. 1088.), noch zum will - kuͤhrlichen zu rechnen (§. 1090.), folg - lich ſind die beſtaͤndigen Geſandſchaf - ten nur durch die Gebraͤuche einiger Voͤlcker eingefuͤhret worden, und gehoͤren zu dem Gewohnheitsrechte der Voͤlcker (§. 1092.). Wenn ſie daher iemand nicht geſtattet, ſo thut er dem, der ſie ſchi - cken will, kein Unrecht (§. 87.).

§. 1240.

Weil ein ieder Staatsregent den Re -Was vor Geſand - ten ge - ſchickt werden ſollen. genten des andern Staats als ſeines glei - chen anſehen muß (§. 1120.), die Geſand - ten aber deswegen abgeſchickt werden, daß ſie ein gewiſſes Geſchaͤfte entweder mit dem Koͤnige ſelbſt, oder mit deſſen vornehmſtenNat. u. Voͤlckerrecht. M m mMini -914IV. Theil 10. Hauptſtuͤck. Miniſtern, denen dieſe Beſorgung aufge - tragen iſt, im Nahmen deſſen, der ſie ſen - det, abthun ſollen (§. 1236.); ſo muͤſſen ſolche Geſandten geſchickt werden, welche in der Republick deſſen, der ſie ſchickt, vorzuͤgliche Wuͤrden haben (§. 54. 55.). Und ſo ſorgt das natuͤrliche Voͤlckerrecht fuͤr die Wuͤrde deſſen, an den ſie geſchickt werden.

§. 1241.

Wie man ſie em - pfangen ſolle.

Aus eben der Urſache muͤſſen die Ge - ſandten mit gehoͤrigen Ehrenbezeu - gungen empfangen und gehalten wer - den: und indem dieſe Verbindlichkeit aus dem Geſetz der Natur abſtammet (§. 1240.), und ſich folglich davon niemand losmachen kann (§. 42.), ſo gilt eben dies, wenn ſie auch gleich vom Feinde kommen. Weil man nun alſo den Geſandten von den Feinden, oder auch denen, wel - che nicht von Feinden geſchickt wer - den, keine Schmach anthun, und ſie nicht verachten ſoll (§. 146. 51. ), nicht einmahl aus einem vorgewand - ten Recht der Wiedervergeltung, als welches ohnedem ein Unding iſt (§. 156.); ſo iſt die Verachtung und noch viel - mehr die Schmach, womit man den Abgeſandten begegnet, ein Unrecht (§. 87.), und man kann dergleichennicht915Von dem Geſandſchaftsrechte. nicht ungeſtraft hingehen laſſen (§. 93.). Und auf ſolche Art ſorget das natuͤr - liche Voͤlckerrecht fuͤr die Wuͤrde deſſen, der einen Geſandten ſchickt.

§. 1242.

Ein Character, den der GeſandteVon dem Chara - cter, den der Ge - ſandte vorſtellet. vorſtellet (character repræſentativus le - gati) iſt das Vorſtellungszeichen des abſchi - ckenden bey dem, an welchen er verſchicket wird. Da die Abgeſandten natuͤrlicher weiſe Bevollmaͤchtigte des Regentens des Staats ſind, von dem ſie geſchickt werden (§. 1236.); ſo beſtehet nach dem Recht der Natur der vorſtellende Character eines Geſandten in dem Vermoͤgen im Nahmen und nach dem Rechte der hoͤchſten Gewalt, von welcher er naͤmlich abgeſchickt wird, ein oͤffentliches Geſchaͤfte bey einer andern hoͤchſten Gewalt zu betrei - ben, folglich macht ein Geſandter nach dem Naturgeſetz gleichſam ei - nerley moraliſche Perſon mit dem, der ihn abſchickt hat, aus, ſo daß es eben ſo viel iſt, als wenn dieſer ſelbſt gegenwaͤrtig waͤre, und derienige, an wel - chen er verſchickt wird, ihn als eine ihm gleiche Perſon anſehen muß. Und weil in dem vorſtellenden Character, wel - cher in dem Recht die Perſon des ſenden -M m m 2den916IV. Theil 10. Hauptſtuͤck. den vorzuſtellen beſtehet, keine Nothwen - digkeit ſteckt, ſo entweder aus dem abzu - handelnden Geſchaͤfte, oder aus der Wuͤr - de des ſendenden, als welche ohne dieſen ungekraͤnckt bleiben kann, herkaͤme (§. 1241.); ſo iſt auch der vorſtellende Character, der weiter als der na - tuͤrliche ausgedehnet wird, nicht aus dem willkuͤhrlichen Voͤlckerrecht zu erkennen (§. 1090.): iſt er folglich durch Gebraͤuche eingefuͤhret, ſo ge - hoͤret er zu dem Gewohnheitsrecht der Voͤlcker (§. 1092.); ſchreibt er ſich von Vertraͤgen her, ſo iſt er zum Vertragsrechte zu rechnen (§. 1091.). Was derowegen aus einem ſolchen Character durch eine noth - wendige Folge von den Geſandten hergeleitet wird, das iſt weder zum Rechte der Natur, noch zum will - kuͤhrlichen Voͤlckerrechte zu ziehen, und noch vielweniger das, was oh - ne Grund denſelben zu erweitern hinzugefuͤget wird. Und demnach iſt kein Volck anders als durch einen Vertrag verbunden denſelben zu er - kennen.

§. 1243.

Von dem Rechte eines Ge - ſandten

Da die Abgeſandten denjenigen, wel - cher ſie abſchickt, nur in ſolchen Handlun -gen917Vom Geſandſchaftsrechte. gen vorſtellen, welche das Geſchaͤfte an -in Abſicht auf Pri - vathand - lungen. gehen, um deſſen willen ſie da ſind (§. 1242.); ſo koͤnnen ſie in Abſicht auf ihre Privathandlungen nicht anders als Fremde, die ſich in einem andern Gebiete aufhalten, angeſehen wer - den, folglich werden ſie natuͤrlicher weiſe nach dem Rechte der Frem - den beurtheilet. Und derowegen ſind ſie, was die Privathandlungen an - langet, nach dem natuͤrlichen Voͤl - ckerrecht mit ihrem Gefolge und Ge - raͤthe, oder Sachen ſo wohl unter der buͤrgerlichen, als peinlichen Ge - richtsbarkeit des Orts (§. 1132.); und es iſt kein Grund vorhanden, warum durch das willkuͤhrliche Voͤlckerrecht hierinn etwas geaͤndert werden ſollte (§. 1090.). Dero - wegen findet der Zuſtand da man auſ - ſer Land waͤre (exterritorialitas), nach welchem man ſich die Geſandten mit ihrem Gefolge und Geraͤthſchaften dichtet, als waͤ - ren ſie auſſer dem Gebiete, weder im na - tuͤrlichen noch in dem willkuͤhrlichen Voͤlckerrechte ſtatt, folglich auch nicht die Heiligkeit, oder Unverletzlichkeit eines Geſandten, welche in der Unab - haͤngigkeit eines Geſandten von der Herr - ſchaft deſſen, in deſſen Gebiet er ſich auf - haͤlt, beſtehen ſoll: vielweniger gilt es nach dieſen Rechten, daß der AbgeſandteM m m 3eine918IV. Theil 10. Hauptſtuͤck. eine Gerichtsbarkeit uͤber ſeine Leu - te habe, und daß dem Hauſe, das er bewohnet, ein Recht der Freyſtadt anhange. Derowegen koͤnnen derglei - chen Rechte nicht anders als durch ei - nen Vertrag, er mag nun ausdruͤck - lich, oder ſtillſchweigend ſeyn, erwor - ben werden (§. 1089.), wobey aber doch die Ausnahme in einem Fall des Streits mit der Pflicht deſſen, an wel - chen der Geſandte abgeſchickt iſt, ge - gen ſein eignes Volck gilt (§. 64.).

§. 1244.

Von der Unver - letzlich - keit eines Geſand - ten.

Weil die Fremden denen Buͤrgern, ſo ſich nur eine Zeitlang aufhalten, gleich ge - halten werden, ſo lange ſie in einem andern Gebiete ſind (§. 1125.), und der Regent des Staats es nicht leiden muß, daß ih - nen iemand ſeiner Unterthanen Schaden, oder Unrecht zufuͤge (§. 1134.); ſo ſind die Abgeſandten, ſo fern man ſie als Privatperſonen, und als Fremde, ſo in einem andern Gebiete verweilen, betrachtet, vor Unrecht ſicher, ſo wohl nach dem gemeinen Rechte der Fremden (§. 1028.), als auch nach dem gemeinen Rechte der Voͤlcker. Weil man aber, damit vor die Wuͤrde deſ - ſen, der ſie abgeſchickt, geſorget werde, die Geſandten als Geſandten mit Eh -renbe -919Vom Geſandſchaftsrechte. renbezeugungen aufnehmen und anſehen muß (§. 1241.), und folglich das ihnen zu - gefuͤgte Unrecht ſchwerer iſt als das, ſo man einem andern Fremden wiederfahren laͤßet, in ſo fern ſolches auf denjenigen, welcher ihn abgeſchickt hat, zuruͤckfaͤllet; ſo ſind ſie auch nach dem beſondern Ge - ſandtenrechte vor Unrecht ſicher. Und darinn beſtehet die natuͤrliche Heilig - keit eines Geſandten (§. 1153.).

§. 1245.

Das Creditiv (litteræ credentiales)Vom Creditiv. wird das Schreiben genennet, welches der abſchickende dem Geſandten an denjenigen giebt, an welchen er geſchickt wird, und worinn jener ihn fuͤr ſeinen Geſandten er - klaͤret. Weil gewiſſe Geſchaͤfte mit ihm ſol - len gehandelt werden (§. 1236.), und folg - lich dem, an den er abgelaſſen wird, der Wille des ſchickenden bekannt werden muß; ſo muß der Abgeſandte ein Creditiv haben.

§. 1246.

Wenn einige Voͤlcker unter einan -Vom Ver - trags - und Ge - wohn - heits - rechte. der uͤber gewiſſe Geſandſchaftsrechte, und uͤber die Art den Geſandten mit Ehrenbezeugungen zu begegnen uͤber - eingekommen ſind, oder durch Ge -M m m 4brauch920IV. Th. 10. H. Vom Geſandſchaftsrechte. brauch eines und das andere einge - fuͤhret haben; ſo verbinden dieſe Dinge, weil ſie ſich nur auf ein Vertrags - (§. 1091.), oder Gewohnheitsrecht gruͤn - den (§. 1092.), diejenigen allein, wel - che den Vertrag aufgerichtet haben, oder die, bey denen dieſe Sitten durch einen langwierigen Gebrauch einge - fuͤhret ſind, ſo lange als ſie wol - len (§. 444. 1092.).

Jnhalt[921]

Jnhalt des gantzen Werckes.

  • Der erſte Theil. Von dem Recht der Natur uͤberhaupt, von den Pflichten gegen ſich ſelbſt, gegen andere und gegen GOtt.
    • Das erſte Hauptſtuͤck. Von dem Unterſchied der menſchlichen Handlungen und ihrer Zurechnung. S. 1
    • Das zweyte Hauptſtuͤck. Von der Verbindlichkeit, dem Rechte und Geſetze, und dem Grundſatz des Rechts der Natur. 23
    • Das dritte Hauptſtuͤck. Von der allgemeinen Verbindlichkeit und dem allge - meinen Recht der Menſchen uͤberhaupt. 43
    • Das vierte Hauptſtuͤck. Von den Pflichten des Menſchen gegen ſich ſelbſt, und den Rechten, die damit verbunden ſind. 65
    • Das fuͤnfte Hauptſtuͤck. Von den Pflichten des Menſchen gegen andere, und den Rechten, die mit denſelben verbunden ſind. 86
    • [922]
    • Das ſechſte Hauptſtuͤck. Von den Pflichten gegen GOtt. 101
  • Der andere Theil. Von dem Eigenthume und den Rechten und Ver - bindlichkeiten, die daher entſpringen.
    • Das erſte Hauptſtuͤck. Von der Gemeinſchaft der erſten Zeit, und wie das Eigenthum entſtanden. 116
    • Das andere Hauptſtuͤck. Von der urſpruͤnglichen Art das Eigenthum zu er - halten. 133
    • Das dritte Hauptſtuͤck. Von den Verbindlichkeiten und Rechten, welche aus dem Eigenthume entſtehen. 157
    • Das vierte Hauptſtuͤck. Von dem Recht, das von der Gemeinſchaft der er - ſten Zeit noch uͤbrig iſt. 185
    • Das fuͤnfte Hauptſtuͤck. Von der abſtammenden Art etwas zu erhalten. 193
    • Das ſechſte Hauptſtuͤck. Von der Eroͤfnung ſeiner Gedancken gegen andere. 212
    • Das ſiebente Hauptſtuͤck. Von der Art und Weiſe ſich einem andern verbind - lich zu machen, oder von dem Verſprechen und Vertraͤgen uͤberhaupt. 229
    • [923]
    • Das achte Hauptſtuͤck. Von Erlangung des Eigenthums einer bloß beſeſſe - nen Sache, und von der Verjaͤhrung,278
    • Das neunte Hauptſtuͤck. Von den bloß wohlthaͤtigen Handlungen, die in ei - nem zu Ende gebracht werden. 290
    • Das zehente Hauptſtuͤck. Von dem Werth der Sachen und dem Gelde. 307
    • Das eilfte Hauptſtuͤck. Von wohlthaͤtigen verbindlichen Handlungen, oder von wohlthaͤtigen Contracten. 320
    • Das zwoͤlfte Hauptſtuͤck. Von den Tauſchhandlungen, oder beſchwerlichen Con - tracten. 372
    • Das dreyzehente Hauptſtuͤck. Von den Gluͤckscontracten. 451
    • Das vierzehnte Hauptſtuͤck. Von den Qvaſicontracten. 471
    • Das funfzehnte Hauptſtuͤck. Von dem Rechte, welches einem in einer fremden Sache eingeraͤumet worden, oder dem Pfande und Servituten. 481
    • Das ſechzehnte Hauptſtuͤck. Von der Erbnutzbarkeit eines Gutes, und ſonderlich dem Lehn. 506
    • [924]
    • Das ſiebzehnte Hauptſtuͤck. Wie die aus dem Contract entſtandene Verbindlich - keit aufgehoben wird. 535
    • Das achtzehnte Hauptſtuͤck. Von der Art die Streitigkeiten im natuͤrlichen Zu - ſtande zu endigen. 552
    • Das neunzehnte Hauptſtuͤck. Von der Auslegung. 587
    • Das zwantzigſte Hauptſtuͤck. Von denjenigen, welche geſtorben und noch nicht ge - bohren ſind. 602
  • Der dritte Theil. Von der Herrſchaft und den Verbindlichkeiten und Rechten, welche daher entſpringen.
    • Die erſte Abtheilung. Von der gemeinen Herrſchaft.
      • Das erſte Hauptſtuͤck. Von der Herrſchaft und der Geſellſchaft uͤberhaupt genommen. 612
      • Das zweyte Hauptſtuͤck. Von der Ehe, oder der ehelichen Geſellſchaft. 627
      • Das dritte Hauptſtuͤck. Von der Blutsverwand - und Schwaͤgerſchaft. 642
      • Das vierte Hauptſtuͤck. Von der vaͤterlichen Geſellſchaft und vaͤterlichen Ge - walt. 648
      • [925]
      • Das fuͤnfte Hauptſtuͤck. Vom Erbrecht, oder von Teſtamenten und der Erb - folge ohne Teſtament. 665
      • Das ſechſte Hauptſtuͤck. Von der Knechtſchaft und der herrſchaftlichen Ge - ſellſchaft. 683
      • Das ſiebente Hauptſtuͤck. Von dem Hauſe. 692
    • Die zweyte Abtheilung. Von der oͤffentlichen Herrſchaft, oder dem Recht eines Staats.
      • Das erſte Hauptſtuͤck. Von dem Urſprung der Staaten und der oͤffentlichen Herrſchaft. 696
      • Das zweyte Hauptſtuͤck. Von den verſchiedenen Arten der Republick. 708
      • Das dritte Hauptſtuͤck. Von der Einrichtung einer Republick. 729
      • Das vierte Hauptſtuͤck. Von den Majeſtaͤtsrechten. 754
      • Das fuͤnfte Hauptſtuͤck. Von der natuͤrlichen Lehre der buͤrgerlichen Geſetze. 777
      • Das ſechſte Hauptſtuͤck. Von der Pflicht des Oberherrn und der Unterhanen. 784
  • [926]
  • Der vierte Theil. Vom Voͤlckerrechte.
    • Das erſte Hauptſtuͤck. Von dem Rechte der Voͤlcker uͤberhaupt. 794
    • Das zweyte Hauptſtuͤck. Von den Pflichten der Voͤlcker gegen ſich ſelbſt, und denen daher entſpringenden Rechten. 799
    • Das dritte Hauptſtuͤck. Von den Pflichten der Voͤlcker gegen einander, und von denen daher entſpringenden Rechten. 809
    • Das vierte Hauptſtuͤck. Vom Eigenthum eines Volckes. 819
    • Das fuͤnfte Hauptſtuͤck. Von den Buͤndniſſen und Zuſagen ohne Vollmacht. 831
    • Das ſechſte Hauptſtuͤck. Von der Art die Streitigkeiten der Voͤlcker beyzu - legen. 846
    • Das ſiebente Hauptſtuͤck. Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. 854
    • Das achte Hauptſtuͤck. Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. 873Das neunte Hauptſtuͤck. Von dem Frieden und dem Friedensvertrag. 896
    • Das zehnte Hauptſtuͤck. Von dem Geſandſchaftsrechte. 900
Regi -[927]

Regiſter der vornehmſten Sachen, darin die Zahlen die §§. andeuten.

A.

  • Abdanken vom Amt1063. vom Koͤnigreich1007. 1081
  • Aberglauben182
  • Abgaben vom Lehngut743. vom Nießbrauch717
  • Abgoͤtterey181 ob deswe - gen ein Strafkrieg ſtatt hat1173
  • Abreiſſen245
  • Abſicht erfuͤllen404. dazu verſprechen404. was oh - ne derſelben geſchiehet360. des Hauſes965. der Ge - ſellſchaft636. des Staats972
  • Abtrag751
  • Abtretung eines Rechts338
  • Abzug aus dem Staat1019
  • Academie der Kuͤnſte, der Wiſſenſchaften1024
  • Acceptant656
  • Acker ausgemeſſener, um - grenzter, von Natur um - grenzter252
  • Adviſobrief656
  • Afterlehn, dazu machen741. wenn es wegfaͤllt743
  • Afterlebnscontract741
  • Afterlehnsherr, Afterlehn - mann741
  • Agent1237
  • Allegorie354
  • Allmoſen488. wie es im Staat damit zu halten1022. 1058
  • Allodialgeld740
  • Allodialgut736
  • Amneſtie1056. aus dem Friedensvertrage1221 .1223 .1228 . die den Re - bellen und Tumultuanten verſprochen worden1235
  • Amt oͤffentliches1060. wer dazu geſchickt iſt1062. da - von abgeſetzet, ſuſpendirt, deſſelben erlaſſen werden1063. wie die Beſoldung fuͤr daſſelbe ſeyn ſoll1034
  • Anfallen268
  • Angewieſener (aſſignatus)760. (delegatus) 759
  • Anklage aufheben1055
  • Ankoͤmmling1020. auf eine zeitlangebend.
  • Ankuͤndigung des Krieges bedingte, unbedingte1183 .1185. 1211
  • Anloͤtung236
  • Annehmen316 .317.319. Bedingungen817. eine Erkenntlichkeit525. das nichtſchuldige693. ohneUrſach,[928]Regiſter der vornehmſten Sachen. Urſach, gleichſam ohne Urſach695. das Verſpre - chen381 .384 .386 .425 .428 .431 . u. ff. vor bezahlt754
  • Anrufung GOttes175
  • Anſchweiſſung236
  • Anſehen der Perſon772
  • Anſetzen242
  • Anſpuͤhlung251. u. ff.
  • Anweiſender (aſſignator)760. (delegans) 759
  • Anweiſung gemeine760. rechtliche759
  • Arbeit124
  • Ariſtocratie922. beſtaͤn - dige1001. deſpotiſche997. auf eine gewiſſe Zeit1001. dabey die Wahl, die Folge ſtatt hat, die en - gere, die weitlaͤuftigere1001
  • Armenhaus1022
  • Armenſchule1022
  • Armuth487. wie zu ſchaͤ - tzen504. muß man mei - den513. was deswegen im Staat zu beſorgen1021. 1022
  • Art227. wenn ſie verge - het243
  • Artzeney114. was dabey im Staat zu veranſtalten1034
  • Aſſecurant679
  • Aſſecuration679
  • Aufenthalt im fremden Ge - biete113 .1106. 1132
  • Aufgeld655
  • Aufkuͤndigung752
  • Aufmerkſamkeit erhalten108
  • Aufſagen752
  • Auftragen551
  • Aufzuheben geben539
  • Ausbeute683
  • Ausdreſchen227. 232
  • Ausgabe506 .508 . auſſer - ordentliche, ordentliche, nothwendige, nuͤtzliche, zur Luſt, weniger nothwendi - ge, unnuͤtze505
  • Ausgeber des Wechſelbrie - fes, des Geldes656
  • Ausgeworfenes685
  • Auskommen noͤthiges, leich - liches486
  • Auslaͤufer240
  • Auslegung794. ff. aus dem vorhergehenden und nach - folgenden805. die av - thentiſche1044. die er - weiterte811 .812 . die einſchraͤnkende813. des Eides370. in einer weit - laͤuftigeren808. eugeren Bedeutung809. aus den Bewegungsgruͤnden806. die richtige797. einige von ihren allgemeinen Re - geln810. bey dem Frie - densvertrag1222. u. ff. nach Woͤrtern die ſich auf etwas beziehen807. wie es zu halten wenn darauswas[929]Regiſter der vornehmſten Sachen. was ungereimtes folget804. 813
  • Ausnahme63. die ſtill - ſchweigenden bey der Ein - fuͤhrung des Eigenthumes304 .310 . wo ſie allezeit gemacht iſt815. in Ver - traͤgen, dadurch Rechte fuͤr die Geſandten erworben werden1243. wo ſie ge - macht werden muß816

B.

  • Barmhertzigkeit492
  • Bauen237
  • Bedeutung der Woͤrter etymologiſche, grammati - caliſche799. die eigent - liche798. engere, weit - laͤuftigere808 .809 . die etwas nach gewiſſen Stu - fen anzeigen802. wenn man der uneigentlichen folgen darf809
  • Bedingung anbieten, an - nehmen817. aufloͤſende315 .609 . aufſchiebende, er - laubte, unerlaubte, ver - miſchte, verneinende315. die verbindungsweiſe, be - ſonders angehaͤnget wor - den399. die beſſere608. die zuerfuͤllende315 .400 . die an und vor ſich ſelbſt in einem Verſprechen ent - halten iſt439. die ſtille - ſchweigende, woferne die Sachen in gegenwaͤrtigem Stande bleiben814
  • Befreyung von der Verbind - lichkeit452 .749 . u. ff. von dem natuͤrlichen Recht42. von dem nothwendigen Voͤlckerrecht, ob ſie moͤg - lich1088
  • Befreyungsvertrag755
  • Begehungsſuͤnde58
  • Begehungsthat2
  • Beglaubiger660
  • Beglaubigter660. 661
  • Beglaubigung660 ob ſie eine Neuerung wirket758
  • Begnadigungsrecht1054
  • Begraͤbniß, das Recht dazu824. obs zur Strafe ver - ſagt werden kann1051
  • Begraben824
  • Beguͤnſtigung1046
  • Beguͤnſtigungsrecht1046
  • Beklagter773
  • Beleidigung88 .89 .97 .1072 . ihre Verhuͤtung91 .92 . der Voͤlcker1121. fremder Unterthanen1134
  • Belobnung deſſen der etwas findet285
  • Bemaͤchtigung S. Spo - lium.
  • Berathſchlagungen769
  • Bereicherung mit oder aus fremden Sachen271
  • Bergwerckstontract683
  • Beruhigung in der goͤttli - chen Vorſicht173
  • Beſchenkter475. 476
  • Beſchimpfung146
  • Beſchlieſſen843
  • Beſchuldigter1033
  • Beſchwerden1157
  • Beſchwerungen374
N n nBeſitz[930]Regiſter der vornehmſten Sachen.
  • Beſitz200. wie er erlan - get wird291 .448 .791 . ob man abweſend heſitzen kann292. deſſen Verluſt205. der gewaltſame, heimliche verſtohlener290. undenklicher1139. recht - maͤßiger, unrechtmaͤßiger456. der unbeweglichen und unkoͤrperlichen Sachen293. mit einem Titel295. die urſpruͤngliche Art ihn zu erhalten294. die ab - ſtammende Art320. wie er behalten und verlohren wird294 .296 . ſeine Ver - theydigung und Wiederer - haltung286. die Einſe - tzung in denſelben322. gleichſam ein Beſitz298
  • Beſitzer200. der gewiſ - ſenhafte, ungewiſſenhafte201. ihr Unterſcheid230. ihre Verbindlichkeit gegen den Eigenthumsherrn272. u. ff.
  • Beſte das gemeine, der Ge - ſellſchaft837. des Staats972
  • Bettelarmuth287. auf ei - ne zeitlang487. wie ſie zu ſchaͤtzen iſt503. ſoll man verhuͤten513
  • Bettler487. was ihrent - wegen im Staat fuͤr An - ſtalt zu machen1021. 1022
  • Betheurung361 .367 . hoͤch - ſte375
  • Betrug286 .356 . ob er im Kriege erlaubt iſt1203. iſt in den beſchwerlichen Contracten verboten667. was er im Kauf und Ver - kauf nach ſich ziehet604. aus Betrug wider ein Ge - ſetz handeln, was das ſey812. vorſetzlicher, unvor - ſetzlicher286
  • Beute1202
  • Bevollmaͤchtigter551. u. ff.
  • Bevollmaͤchtigender551
  • Bewahrer723
  • Bewegungsgrund35
  • Beweis, halber voͤlliger778. durch den Eid781. durch Jnſtrumente775. durch Kerbhoͤltzer777. durch Zeugen778. 779
  • Beyſchlaf erlaubter, uner - laubter854 .855 . der gleichguͤltige855. unehe - licher854
  • Bezahlung des nicht ſchul - digen693. die zum theil gefchiehet751. dieſelbe mit Worten anbieten, in der That, bloß in der That, feyerlich753
  • Billig83
  • Billigkeit86. in den Buͤnd - niſſen1144
  • Bitten551
  • Blanguet776
  • Blendwerck349
  • Blutsverwandte875. ob die unehelichen Kinder dar -unter[931]Regiſter der vornehmſten Sachen. unter gehoͤreu897. ob man ſie im Teſtament uͤber - gehen darf930. die in gerader Linie, in der Ne - benlinie878
  • Bodenzins734
  • Bodmerey681
  • Borgen528. u. ff.
  • Boͤſe12
  • Bosheit17. ihr Urſprung19. die vorſetzliche, zum theil unvorſetzliche25. bey der Theilnehmung an frem - den Handlungen26. im Kriege1203. des Knech - tes954. des Vormun - des904
  • Braͤutigam, Braut864
  • Bundesgenoſſen1228
  • Buͤndniß1141 .1142 . was daraus fuͤr eine Verbind - lichkeit entſpringet1147. ſoll heilig gehalten werden1153. daſſelbe brechen1230. gleiches, unglei - ches, auf Seiten des wuͤr - digeren Theils, oder des geringern Theils un - gleich, mit oder ohne Ver - ringerung der Herrſchaft1144. ohne Vollmacht1156. das aͤltere1142. perſoͤnliche, dingliche1146
  • Buͤrge569. u. ff .758. 760
  • Buͤrger974. ihre Zahl1018. ihre Guͤter ſind fuͤr die Staatsſchulden ver - pfaͤndet1162
  • Buͤrgerfang1164 ob ihm zu widerſtehen iſt1165. ſeine Wirkung1168
  • Buͤrgerrecht (indigenatus) 1020
  • Buͤrgerlich billig, gerecht83
  • Buͤrgſchaft569. u. ff .660 .758 . ohne oder mit einer Bedingung, auf eine ge - wiſſe Zeit571. die be - ſchworne, ſchriftliche578. fuͤr eines andern Auffuͤh - rung576. fuͤr ein Volck1149. dabey nichts gewiſ - ſes beſtimmet wird579. durch eine Mittelsperſon578. wider des Haupt - ſchuldners Willen, fuͤr ei - nen der gegenwaͤrtig iſt und es geſchehen laͤßt570

C.

  • Capital643
  • Capitulation mit dem Re - genten989. der Solda - ten1174
  • Caution daß man die quaſi - uſufructuariſche Sache wie - dergeben werde720. daß man die gleichguͤltigen Sa - chen wiedergeben werde740. daß man ſich jeder - zeit vor Gerichte ſtellen wolle1033
  • Cenſite733
  • Ceremonien180
N n n 2Clari -[932]Regiſter der vornehmſten Sachen.
  • Clarigation des Krieges1183
  • Collecten1058
  • Colliſion der Schaͤden283. der Geſetze63. u. ff. unter einerley Pflichten65. der Pflichten der Eheleute ge - gen einander869. gegen die Kinder893. des ver - abredeten Pfandrechts mit dem natuͤrlichen705. der Vertraͤge816
  • Colonus partiarius696
  • Collybiſta, Collybus655
  • Committirt, verwirckt wer - den609. wenn dieß vom Lehn geſagt wird746. 747
  • Conſul in den Seeplaͤtzen1118
  • Contract514 .667 . auf denſelben etwas geben619. ihn aufheben581 .602 . die Gefahr abzuwenden679. vermiſchter696. da man giebt, daß etwas gege - ben oder gethan werde, oder thut etwas, daß et - was gethan werde667. handſchriftlicher652. li - bellariſcher732. beſchwer - licher580. des Pfan - des704. des Wahllooſes670. des Theilungsloo - ſes671. des Zutheilungs - looſes672. föenebris, u - ſurarius650
  • Copey, vidimirte775
  • Creditiv1245
  • Curator898. wo ſeine Ein - willigung noͤthig iſt905. ſeine Schadloshaltung907

D.

  • Dank474. 476
  • Dankſagung174. iſt man Gott ſchuldig ebend. den Wohlthaͤtern474. wie ſie gegen Verſtorbene geſchie - het822
  • Darlehn S. Borgen.
  • Davonlaufen der Soldaten1177
  • Dazukommen das natuͤrli - che, kuͤnſtliche, vermiſchte242. das urſpruͤngliche zum Gebiete des Volckes1127
  • Dazukommendes242
  • Delegatarius759
  • Democratie990. 999
  • Dieb263. was wider ihn erlaubt iſt267. u. ff.
  • Diebſtahl263. heimlicher, oͤffentlicher263 .264 . des Beſitzes263. des Ge - brauchs263 .264 . bey geliehenen522. bey nie - dergelegten Sachen539
  • Diener960. u. ff.
  • Dienſtbar, wenn Sachen einander ſind708
  • Dinge von verſchiedener Art493
  • Duͤrftigkeit487 .504 . ſoll man meiden513
  • Durchgang712
Durch -[933]Regiſter der vornehmſten Sachen.
  • Durchzug mit Kriegsvoͤl - ckern1182

E.

  • Ehe856. was ihre Be - ſchwerden heiſſen868. die mit einem Weibe857. die zweyte871. zwiſchen Eltern und Kindern895. zwiſchen Seitenverwand - ten946. ihre Unaufloͤß - lichkeit944
  • Ehebruch859 .860. 871
  • Eheleute858. ihr Recht und Verbindlichkeit858 .866 .869 . ob ſie Erbfolg - vertraͤge unter einander ſchlieſſen doͤrfen942. ihre natuͤrliche Erbfolge943. ob ihnen unter einander ihre Handlungen zuzurech - nen ſind837
  • Ehefrau858
  • Ehemann858. ſeine Guͤter ſind fuͤr die Mitgabe der Frauen verpfaͤndet913. ob er die Frau Schulden halber verkaufen kann949
  • Eheſcheidung871
  • Ehrbar, ehrlich49. ehr - barer Wandel49. ehrli - cher Mann49
  • Ehre125. ob man darnach ſtreben ſoll128. ob ſie durchs Duell gerettet wird789. Gottes, dazu ſind die Menſchen verbunden161 .172 . was dieſe ver - dunkeln heiſſet165 .166. der Menſchheit823. die den Verſtorbenen zu er - weiſen iſt822. die Geſand - ten zu erweiſen iſt1241
  • Ehrentitel1041. wer ſie ertheilen kann1061. ei - nes Regenten1119
  • Ehrfurcht gegen Gott172. die kindliche894
  • Eicheln aufleſen, das Recht dazu712
  • Eid361. u. ff. ſeine Wir - kung368 .446 . die Auf - erlegung deſſelben783. ihn ausſchlagen zuruͤcke ſchleben784 .785 . ſeine Erlaſſung786. falſcher371 .376 . in des andern Seele373. ſchriftlicher372. unnuͤtzer367
  • Eidesformel364
  • Eigenthum195198 .334 . wie es auf einen andern gebracht werden kann314. deſſen Gebrauch und Miß - brauch202. wie es aus gemeinſchaftlichen Sachen entſtehet343 .344 . uͤber keinem zugehoͤrige Sachen209. aus einer vermuthli - chen Verlaßung450. ſo aus der Eroberung im Kriege erhalten wird1204. obs dem Recht der Natur zuwider iſt194. unter was fuͤr Ausnahmen es iſt ein - gefuͤhret worden304 .310 . wie es auf einen andernN n n 3uͤber -[934]Regiſter der vornehmſten Sachen. uͤbertragen wird316 .317 .329 . wenn dieß durch Kauf geſchiehet597. in der Geſellſchaft aller Guͤ - ter642. uͤber die ausge - worſenen Sachen685. man muß davon gewiß ſeyn485. das allgemeine916. das vorzuͤgliche1065 .1130 . das kuͤnftige589. voͤllige, nicht voͤllige198. der verlaßenen219. un - koͤrperlichen Sachen206
  • Eigenthumsherr195. der erblichen Nutzbarkeit724
  • Eigenthuͤmer (proprieta - rius) 198
  • Einheimiſcher1020
  • Einigkeit847. unter Buͤr - gern1086. Mitglie - dern einer Geſellſchaft847. Voͤlckern1124
  • Einkuͤnfte jaͤhrliche505 .682 . gewiſſe, veraͤnder - liche505
  • Einquartirung1057. Frey - heit davon1176
  • Einweybung der Sachen1025
  • Einwilligung die ausdruͤck - liche, ſtillſchweigende27. die vermuthete27 .30 . aus dem Stichſchweigen459 .571.686.689. 1139
  • Einwohner974
  • Einziehung der Guͤter1039 .1053 . beſonderer1039. feindlicher Sachen1198
  • Elend492
  • Eltern880. wie ſie in den Kindern geſtraft werden1053. ob ihnen die Hand - lungen der Kinder koͤnnen zugerechnet werden873. ob ſie die Kinder Schulden wegen verkaufen koͤnnen949. ihr Recht auf die Kinder887. ihre Pflicht gegen eben dieſelben890. u. ff. wieferne ihre Ein - willigung in die Heyrath der Kinder noͤthig iſt912
  • Empfaͤnger661 .758 . der Wodlthat470 .471. 826
  • Empfehlen551
  • Enterbung der Eltern, der Kinder928. in eigen - thuͤmlichen Reichen1009
  • Entheiligung der Sachen1025
  • Entſcheidungseid782. freywilliger, nothwendiger ebend.
  • Entſcheidungsrecht das willkuͤhrliche770. 771
  • Erb - und Lehnherr725
  • Erbauen237
  • Erbe916. einen andern an ſeine Stelle ſetzen940. ob er mehr zu zahlen ſchul - dig iſt, als die Erbſchaft be - traͤgt919. leiblicher921. ohne Teſtament931 .933 .936 . deſſen der in der Fremde ſtirbt1138
  • Erbenseinſetzung935
Erb -[935]Regiſter der vornehmſten Sachen.
  • Erbfolge ohne Teſtament931 .933 . wenn kein Er - be da iſt934. in gerader Linie923. der Seiten - verwandten933. natuͤr - liche der Eheleute943. der Eltern922. der Kinder921 .931 . im Reich1071. S. Folge.
  • Erbfolgevertrag945
  • Erbgeld S. Allodialgeld.
  • Erbgrundcontract734
  • Erbgrundrecht734
  • Erbgut736
  • Erbnutzbarkeit des Gutes724
  • Erbrecht916. 917
  • Erbſchaft916. was dazu gehoͤret918. ausſchlagen920 .939 . antreten, ſich anmaſſen916. erlangen917. uͤbernehmen916. ſich zueignen934. ihre Theilung unter Eltern, oder Kinder926
  • Erbzinſe725 .726 . bey dem Lehn739
  • Erbzinsbar machen731
  • Erbzinsgut725
  • Erbzinsmann725
  • Erbzinsrecht725. u. ff.
  • Erfuͤllungseid782
  • Erfuͤllung des Rechts793
  • Ergreifung320 .322 . in der Kuͤrtze323. von ferne324
  • Erhalten die Art etwas zu erhalten, was das heiſſet295. die abſtammende313. die urſpruͤngliche Art210,448
  • Erhaltung des Leibes112. des menſchlichen Ge - ſchlechts854. des Volckes1093. der Wohlfahrt der Geſellſchaft847
  • Erkenntlichkeit525. vor die Verwahrung540. vor die Vormundſchaft906
  • Erkenntniß ſein ſelbſt und andrer105
  • Erklaͤrung bloße, was man zu thun geſonnen iſt383 .385. 389
  • Erlaubt49 .72 . nach buͤr - gerlichen Geſetzen1069. laut Vertrage667
  • Eroberung im Kriege1204. 1211
  • Erſitzung451. iſt im na - tuͤrlichen Recht gegruͤndet463. erfordert einen Be - ſitz mit gutem Gewiſſen464. findet unter Voͤlckern ſtatt1139
  • Ertze, ob ſie mit zum Nieß - brauch gehoͤren714
  • Erziehung855. deswe - gen machen die Eltern gleichſam einen Vertrag909. wer nach ihrem To - de dafuͤr zu ſorgen hat897
  • Etymologie799
  • Eurythmie117
  • Execution1043
  • Exempel, gute, boͤſe139. N n n 4wie[936]Regiſter der vornehmſten Sachen. wie ſie den Kindern zu ge - ben ſind890

F.

  • Factor662
  • Faͤhigkeit80
  • Fall der im Vertrage ſtill - ſchweigend iſt ausgenom - men worden815. wel - che ausgenommen werden muͤßen816. des Buͤnd - niſſes1180
  • Falſch logicaliſch, morali - ſches348
  • Familie abgeſonderte1126. des Großvaters, Vaters, des Stammes877
  • Familienfideicommiß736
  • Familienprivilegium1047
  • Fehler der gemietheten Sa - chen637. der Waare618
  • Feind (inimious)137. (ho - ſtis) 1184. was es fuͤr ein Recht uͤber ihre Perſonen giebt1192. die ſich zur Zeit der Ankuͤndigung des Krieges in feindlichen Ge - biete aufhalten1197. die ſich in einem friedlichen Gebiete befinden1196. wie man diejenigen anzuſe - hen hat, die ſich zu ihnen ſchlagen1185. 1189
  • Feindſeligkeiten die von Pri - vatperſonen unternommen werden1210. 1211
  • Felonie747
  • Fenſter zur Ausſicht, Licht - ſenſter712
  • Fertigkeit106
  • Feſttag1024
  • Feuersbrunſt was deswegen vorzukehren iſt1035
  • Fideicommiß allgemeines, beſonderes941. ob auf dieſe Art die Herrſchaft - bertragen werden kann988
  • Fleiß21
  • Folge (ſucceſſio) in den Guͤ - tern des Verſtorbenen916. in den Guͤtern des Koͤniges1012. im Lehn743 .745 . im Reich1008 .1009 .1011 .1014 . nach der Linie, nach der Schwerdtmagenlinie, nach der Vlntsfreund - ſchaftslinie1013
  • Folgegeſetz1008
  • Folgerecht im Folgereich1015
  • Folgereich1008
  • Frechheit84
  • Fremder974. welchen Ge - ſetzen ſie unterworfen ſind1125 .1131 .1132 . ob ſie Buͤrger ihres Volckes blei - ben1137. ihre Aufnahme1020
  • Freund137. wie man ihn nach ſeinem Tode betrau - ren ſoll826
  • Freundſchaft, man ſoll ſich ihrer befleißigen138
  • Freundſchaftsbuͤndniß1143
Frey -[937]Regiſter der vornehmſten Sachen.
  • Freyheit die natuͤrliche77 .78 . wie weit ſie nach der freywilligen Unterwerfung auſboͤret835. der Geſell - ſchaft850 der Voͤlcker977 .980 .1089 . die buͤr - gerliche eines Volckes990
  • Freyheitsbegnadigung S. Privilegium.
  • Freylaßung958
  • Frieden99. wie er gemacht werden kann1221 .1222 . man ſoll ihn zu erhalten ſuchen1217. ſeine Wir - kungen1227. u. ff. ſeine Bekantmachung1231. was bey dem Friedens - ſchluß rechtens iſt1220. u. ff. denſelben brechen1230
  • Friedensartickel verſchiede - ne, zuſammenhaͤngende1230
  • Fruͤchte198. wem ſie gehoͤ - ren228 .229 . ihre ange - jangene, voͤllige Erhaltung224. die natuͤrliche, die durch Fleiß hervorgebrach - te, noch hangende, zu er - haltende, die noch vorhan - dene, verzehrte224. er - haltene224 .234 . aus dem Lehn742. von den menſch - lichen Handlungen226. die nach dem Frieden wie - dergegehen werden ſollen1224. die menſchliche, obſie im Mutterleibe eines Rechtes faͤhig iſt827
  • Fructuarius713
  • Fuͤrbitte175
  • Furcht Gottes die kindliche, die knechtiſche171

G.

  • Gantze, fuͤr daſſelbe haſten422
  • Gebaͤude, was dem Regen - ten deswegen oblieget1035
  • Geben258. die Verbind - lichkeit dazu329. ob man dasjenige zuruͤckfordern kann, was einmal gege - ben iſt331. auf den Con - tract619. auf eine ge - wiſſe Zeit332. unter ei - ner Bedingung332. um einer Urſache willen694. in den aus einander ſetzen - den Tauſchhandlungen468
  • Gebet175
  • Gebiete1010. eines Staats ebend .1125 . ſein urſpruͤng - licher Zuwachs1127. das friedliche1196. neutra - les1181
  • Gebrauch der Sache721. auf dem Lande, in der Stadt709. eine Sache dazu an ſich nehmen192. der nothwendige183. der gemeinſchaftliche in der er - ſten Gemeinſchaft187. N n n 5188.[938]Regiſter der vornehmſten Sachen. 188. der eigne in der er - ſten Gemeinſchaft192. zur aͤuſſerſten Nothdurft, da die Sache ſchon einen Herrn hat305. u. ff. der unſchaͤdliche310. der ge - meine, heilige1025. des Eigenthums202. der Herrſchaft1078. des Rechts, ſeines Rechts66. des Rechts zu ſchenken477. der niedergelegten Sache539. der vermietheten622. der eigne ob er die Miethe bricht628 .629 . der oͤf - fentlichen1130. der, wel - che einer Gemeine eigen - thuͤmlich iſt1129. des Pfandes702. eben deſſel - ben fuͤr das Darlehn1150
  • Gebrauch zu reden, der ge - meine346
  • Gebrauch (die Servitut) der voͤllige, der nicht voͤl - lige721. demſelben aͤhn - liches Recht722
  • Geburtsort1105
  • Gefahr ſoll man meiden131. wer ſie bey gekauften Sa - chen traͤgt613. u. ff. bey dem eiſernen Pacht638. bey dem Nießbrauch716. nach geſchehener Anerbie - tung zu bezahlen753. we - gen der Fruͤchte aus dem Lehn742. bey der Zuruͤck - ſendung einer geliehenen, oder niedergelegten Sache547. bey Vollmachten562. 567
  • Gefangene, wer dazu dienet1164 .1193 . das Recht uͤber ſie1192. 1194
  • Gefangennehmung1033
  • Gegenleiſtungen442
  • Gegenmanifeſt1187
  • Gegenſchenkungen483
  • Gegenwehr90
  • Gehalt (der Muͤntze) 534
  • Geheimniß einem andern verrathen, vertrauen358
  • Gehen712
  • Gehorſam168 .835 . gegen GOtt168. der Kinder889. der Knechte956. der Unterthanen1079. 1084
  • Geiſſeln1151. 1152
  • Geld494 .527 . ſeine Ma - terie und Form501. deſ - ſen Erwerb507 .508 .511 . praͤgen501. umſetzen655. auf Zinſen leihen650. ei - ne Art von Gelde, die Summe davon, den Werth des Geldes borgen535. wie dieſes wiedergegeben wird536. das baare503. das zu verzinſende650. das hinuͤber zu fahrende S. Seegeld.
  • Geldlehn740
  • Geleite, ſicheres1212
  • Gemaͤhlde239
  • Gemeine197. ihre Sa - chen1128. wie dieſe er -worben[939]Regiſter der vornehmſten Sachen. worben ebend. veraͤußert oder verpfaͤndet werden koͤnnen1129
  • Gemeine Beſte S. Beſte.
  • Gemein machen, die heili - gen Sachen1025
  • Gemeine Weſen973. S. Republick.
  • Gemeinſchaft der erſten Zeit, der Sachen186 .191 .194 .301 . u. ff.334 ihr Stoͤh - rer193. der Guͤter unter Eheleuten867. die zu - faͤllige197. die vernei - nende191. die poſitive196 .254. 345
  • Gemuͤth dankbares474. der Kinder894
  • Gemuͤthsbewegungen ſtil - len, regieren, zaͤhmen110
  • Genehmhaltung29. 81
  • Gerecht83. buͤrgerlich ge - rechtebend.
  • Gerechtigkeit, die allgemei - ne, beſondere85 .86 . ſoll im Staat gehandhabet werden1028
  • Geſandter1236. wer da - zu taugt1240. ihre Noth - wendigkeit1238. vorſtel - lender Character1242. Privathandlungen1243. natuͤrliche1244. will - kuͤhrliche Heiligkeit1243. dieſelben ſchicken, zulaßen1238. die beſtaͤndigen1239. ihr Zuſtand als waͤren ſie auſſer dem Gebiete1243
  • Geſang176
  • Geſchaͤffte, das einſeitige, zweyſeitige775. daſſelbe jemanden zugefallen fuͤh - ren560. ſich eines frem - den anmaſſen690
  • Geſchencke475. obs des Undanks wegen wiederru - fen werden kann476. we - gen der Hochzeit, was die - ſes iſt914. die oͤffentli - chen1057. S. Schen - ckung.
  • Geſellſchaft836. wie ſie anzuſehen iſt850. ihre Vollkommenheit851. welche unerlaubt iſt849. in dieſelbe treten197. von ihr abgehen852 .853 . aus derſelben ausgeſchloſſen werden853. einfache, zu - ſammengeſetzte963. die gleiche, ungleiche839. die herrſchaftliche960. die eheliche S. Ehe. die vaͤ - terliche909. gelehrte S. Academie. der Guͤter, aller Guͤter, allgemeine, beſondere641. S. Hand - lungsgeſellſchaft.
  • Geſetz39. deſſen Bekant - machung67. deſſen Be - obachtung, Uebertretung58 .846 . abſchaffen, ver - aͤndern1045 .1068 .1074 . wenn verſchiedene collidi - ren63 .64 .65 . eines vor - ziehen, nachſetzen63. goͤtt -liche,[940]Regiſter der vornehmſten Sachen. liche, menſchliche, will - kuͤhrliche39. buͤrgerliche1041 .1068 . u. ff. des groͤß - ten Staats1090. das ver - luſtigmachende uͤberhaupt609. was dieſes im Kauf - contract zu bedeuten hat609. bey der Uebertra - gung der Herrſchaft1007 .1081 . bey der Miethe628. bey Handlungsver - traͤgen1110. das natuͤr - liche39 .40 . u. ff .67 .1045 .1046 .1070 . des wohlanſtaͤndigen55. das gebiethende, verbiethende, erlaubende47. das voll - kommen machende48. des Vergeſſens1056. S. Am - neſtie. das eine Geſell - ſchaft hat846. das Haupt - geſetz im Staat976
  • Geſundheit113. der Un - terthanen ſoll der Regent beſorgen1034
  • Gewaͤhrleiſtung (gvaran - tia) allgemeine, beſondere1149
  • Gewaͤhrleiſten (evictionis præſtatio) 617
  • Gewaͤhrmann1149
  • Gewalt (poteſtas)833. die hoͤchſte im Staat981 .984 .1145 . herrſchaftliche947 .951 .955 . die vorzuͤgli - che1065. Geſetze in der Geſellſchaft846. im Staat zu geben1043. des Ehe - mannes870. die vaͤterli -che888 .910 .911 . was in unſrer Gewalt ſtehet60 .200 . die vorzuͤgliche S. Macht.
  • Gewalt (vis) die austrei - bende, antreibende, ſtoͤh - rende297. welche im Krie - ge erlaubt iſt159. wenn ſie dem Feinde uͤber Per - ſonen nicht zukommt1206
  • Gewaltigen die kleinern, die hoͤchſten1140. 1155
  • Gewicht der Muͤntze534
  • Gewinn414 .560 .646 . entzogener1112. gewiſ - ſer, ungewiſſer, deſſen Verluſt414. Hauptge - winn, Nebengewinn im Spiel678
  • Gift ob es erlaubt iſt, die Feinde damit hinzurichten1207
  • Glaͤubiger528. ſein Recht an dem Vermoͤgen des ver - ſtorbenen Schuldners820. der handſchriftliche652
  • Gleichgewicht unter Voͤl - ckern1172
  • Gleichheit natuͤrliche unter eintzeln Menſchen70. un - ter Voͤlckern1089. unter den Regenten1120. in den beſchwerlichen Con - tracten580 .581 . bey dem Tauſch584
  • Glieder die zum Leben ge - hoͤren, der Sinnen aͤuſſer -liche,[941]Regiſter der vornehmſten Sachen. liche, innerliche, die bewe - genden112. ihre Erhal - tung141
  • Gluͤck130. der Kinder zu beſorgen wem es zuſtehet892
  • Gluͤckſeligkeit118. der Un - terthanen1024
  • Gluͤckscontract668
  • Gluͤcksguͤter S. Guͤter.
  • Gluͤckstopf674. wiefern er im Staat zuzulaſſen iſt1021
  • Gott, ſeine Guͤte170. Er - kenntniß deſſelben163
  • Gottesdienſt, aͤuſſerlicher178 .1024 . abgoͤttiſcher, aberglaͤubiſcher182. der innere178. 1064
  • Gotteslaͤſterung166
  • Gottloſigkeit167
  • Gottſeligkeit167. des Re - genten1077
  • Graben des Flußes246. 248
  • Grad in der Verwand - ſchaft, in gerader Linie879. der hoͤhern und nie - dern Ordnung880. in ungleichen Linien882. der Familie881
  • Groͤſſe moraliſche, phyſiſche493
  • Grund (ratio) rechtmaͤßi - ger, anrathender zum Krie - ge1171. der buͤrgerlichen Geſetze woher er zu neh - men iſt1073
  • Grund, liegender (fundus) der beſte, dienſtbare, freye709. der von der Gewalt des Strohnis gelitten hat244
  • Grund und Boden (ſolum)237. was auf demſelben befindlich iſtebend.
  • Grundeigenthum724
  • Grundgeſetze984 .1043.1044.1064.1079. 1107
  • Grundherr734
  • Grundzins734
  • Guͤte uͤberhaupt12. des Geldes534. der menſch - lichen Handlungen14. 15
  • Guͤter (prædia) herrſchen - de, dienſtbare709. (bona)207. des Gluͤcks, des Lei - bes, der Seele104 .134 . der Eheleute866 .867 .943 . der Geſellſchaft642. die koͤniglichen, die eige - nen des Koͤniges1012. des Volckes, worinn ſie be - ſtehen1162. derer, wel - che Schifbruch gelitten ha - ben222. des Verſtorbe - nen, wie ſie auf andere ge - langen819. u. ff .917 . u. ff.

H.

  • Hader S. Streitigkeiten.
  • Hadern762
  • Hafen1116
  • Handel innerer, aͤuſſerer1099 .1109.1110.1113. ob[942]Regiſter der vornehmſten Sachen. ob er kann verjaͤhret wer - den1101. nach neutralen Laͤndern treiben1181. den einer allein fuͤhret1112
  • Handelsſtadt1115
  • Handlung aͤuſſere, natuͤrli - che, nothwendige1. in - nere1 .1050 . freye1 .11 . ihre innere Guͤte, Schaͤd - lichkeit14 .15. Beſtim - mungen7. durch Bewe - gungsgruͤnde von den goͤtt - lichen Eigenſchaften160. ihre Einrichtung zur Voll - kommenheit der Welt162. ihre Richtigkeit16 .52.53. Mangel der Rich - tigkeit17. ſind Sachen gleich zu achten225 .226 . aͤuſſerlich aufrichtige349. gute, boͤſe, an und vor ſich gute, boͤſe, gleichguͤl - tige12 .13 . vorſaͤtzlich, aus Verſehen boͤſe18. einfache, zuſammengeſetz - te465. an fremden Theil nehmen26. gezwungene, verneinend gezwungene4. vor ſich ſelbſt begehrens -, verabſcheuungswuͤrdige15. poſitive, privative2. ſchaͤndliche563. unnuͤtze360. uͤberlegte, unuͤber - legte6. mit Willen, wi - der Willen5. verbind - liche, wohlthaͤtige, bloß wohlthaͤtige466 .668. dabey e[s]lediglich auf den Willen ankommt1100
  • Handlungsgeſchaͤfte662
  • Handlungsgeſellſchaft639 .640 . dieſelbe aufheben, aufſagen648. heraustre - ten647. aus derſelben ausſchlieſſen648. fortſe - tzen647. wie Gewinn und Verluſt darinnen berechnet werden645 .646 . wie der Beytrag an Geld gegen Arbeit verglichen wird644
  • Handlungsvertraͤge1110. 1111
  • Handſchrift652 .775 . wie es damit zu halten653 .654 . wenn damit eine Neuerung geſchieht758
  • Handſchriftlicher Contract622. Glaͤubiger, Schuld - ner, Schuld652
  • Haß155
  • Hauptſache242
  • Hauptſchuldner569. ſeine Befreyung760. ihn an - greifen569
  • Hauß964. ſeine Abſicht965. vollkommenes, un - vollkommenes964
  • Haußgenoſſen964
  • Haußgeſetze967
  • Haußhaltung866
  • Haußmann620
  • Haußmutter, Haußvater964. ihr Anſehen969. Wachſamkeit968
Heer -[943]Regiſter der vornehmſten Sachen.
  • Heerfuͤhrer1178
  • Heilig unter Voͤlckern1053
  • Herr von der Sache198 .947 . ſeine Einwilligung in die Heyrath des Knech - tes959. Pflichten gegen den Knecht952. (præpo - nens)662. (herus) 960. ihn aufdringen962. des Gebietes1125. des Wech - ſels656
  • Herrſchaft833.834 ihr Ur - ſprung838. worauf ſie haf - tet1126. rechtliche Theile983. die ſubjectiviſchen1010. verſchiedene Arten dieſelbe aufzutragen982 .985.986.988.997.1007. Eintheilung983 .1009 .1010 . ihr Nießbrauch986. ihre Veraͤuſſeꝛung durch den Frieden1226. allgemei - ne1090. eigenthuͤmli - che986. eingeſchraͤnk - te, uneingeſchraͤnkte983 .984 . erbetene983. uͤber abgeſonderte Fami - lien1126. des Hauſes966. herrſchaftliche955 .1205 . die nicht immer waͤhret983. der Reichsverweſer1005. des Staats979 .980 . uͤber die Ueberwun - denen1205. voͤllige, nicht voͤllige983
  • Herrſchen833
  • Herumſchweifender1104. 1105
  • Heucheley167
  • Heyrathsvertrag913
  • Hochachtung125. gegen verſtorbene822
  • Hochverrath1082
  • Hoffnung aus dem Verſpre - chen396 .401 . das Recht durch Geburt zu erlangen829. zu gewinnen im Spielcontract678. in je - dem Gluͤckscontract668
  • Hoffnungskauf684
  • Huͤlfe bey der Beſtrafung151. im Kriege152 .1179. Gutes zu erlangen134. beyderſeitige der Mitglie - der in der Geſellfchaft848. der Eheleute869
  • Huͤlfstruppen1179
  • Hure, Hurerey854
  • Hurenkinder861
  • Hypotheck697. ihre Auf - hebung707. Ausloͤſung allgemeine, beſondere704. verabredete704. 705

J.

  • Jnjurie, real, verbale143
  • Jnguiſit1031
  • Jnſtrument775
  • Jntention, die eigentliche, entfernte, mittel -, und un - mittelbare23
  • Jntereſſe415. wer dafuͤr ſtehen ſoll416. welches in den Contracten in Be -trachtung[944]Regiſter der vornehmſten Sachen. trachtung kommt560. bey der Buͤrgſchaft fuͤr eines andern Auffuͤhrung576. des Empfaͤngers661. daß die Sache an einen andern verkauft iſt594. daß die Ar - beit zur verabredeten Zeit nicht iſt geleiſtet worden623. daß eine fehlerhafte Sache iſt vermiethet wor - den637. daß das Verſpre - chen nicht iſt gehalten wor - den416. daß eine ver - ſprochne Sache unterge - gangen iſt420. bey der Vollmacht557 .566 .568 . wegen des Verzugs419. 616
  • Jnvaſion263
  • Jnvaſor263: des Reichs1083. Vertraͤge mit dem - ſelben1084. 1220
  • Jnventarium902. obs vom beſchwohrnen Verzeichniß unterſchieden iſt919. ob der Erbe dazu verbunden iſt919. oder auch der Vor - mund und Curator902
  • Jrrthum33. der aͤuſſere113. in der Religion kann nicht geſtraft werden1050. des Kaͤufers in Anſehung der Sache, der Materie604. in der Zahlung des Kaufgeldes602
  • Jungen der Thiere233
  • Jungferſchaft862

K.

  • Kalck brennen, das Recht dazu712
  • Kammerguͤter1040
  • Kampf787
  • Kauf und Verkauf587. u. ff. ob Kauf Miethe brechen kann628. wer hier den Vortheil und die Gefahr hat613. u. ff. was fuͤr Vertraͤge dieſem angehaͤnget werden koͤnnen605. u. ff .733 . unter ei - ner aufloͤſenden Bedingung606 .607609 . unter ei - ner aufſchiebenden607. unter der Bedingung, wenn ein fetterer Kaͤufer ſich finden ſollte607. auf ei - nen gewiſſen Tag605. dem Kaͤufer, Verkaͤufer zu gefallen601. nach der Gattung der Sache595. nach Maaß und Gewicht591. mit einem verluſtig - machenden Geſetz609. des Ausgeworfenen, ſo ei - ner ergreifen wird685. einer Sache die ein ande - rer machen ſoll635. der eine gewiſſe Zeit dauren ſoll605. in Pauſch und Bogen592
  • Kaͤufer587. fetterer608
  • Kebsweib, Kebsweiberey860
  • Kerbholtz777
  • Kinder ihre Pflicht gegen dieEltern[945]Regiſter der vornehmſten Sachen. Eltern894. wer auf ihr Gluͤck bedacht ſeyn ſoll892. wer ſie zur Tugend fuͤhren, und von den Laſtern abhal - ten ſoll890. ob die Eltern ſie umbꝛingen oder wegſetzen doͤrfen886. wie lange ſie unter vaͤterlicher Gewalt ſtehen910. ihre Erbfolge921. ob ſie im Teſtament uͤbergangen werden koͤn - nen931. ob ihnen die Thaten der Eltern koͤnnen zugerechnet werden837 .1053 . ſie fuͤr die ſeinigen erkennen827. verſtoſſen925. die noch in Mutter - leibe ſind827. u. ff. die von einer Magd959. die nach des Vaters Tode ge - bohren werden931. die rechtmaͤßigen, unehelichen861. der unehelichen Ver - wandſchaſt883. ob auf dieſen ein Schandfleck we - gen der Eltern haftet873
  • Kirche (eccleſia), allgemeine, beſondere1026. (tem - plum) 1024
  • Kirchenguͤter, Kirchenſa - chen1026. ob ſie un - ter dem vorzuͤglichen Ei - genthum ſtehen1065
  • Klaͤger773
  • Knabenſchaͤnderey854
  • Knecht994. wem er er - wirbt, und ob er etwaseignes haben kann954. ſein Vermoͤgen ebend. ſei - ne Heyrath959. uͤber den - ſelben wuͤten, was das ſey955. denſelben veraͤuſſern957
  • Knechtſchaft947. freywil - lige948. gezwungen950. die vollkommene, unvoll - kommene947
  • Koͤnig994. ſeine koͤnigli - chen, ſeine eigne Guͤther, ſeine koͤnigliche, ſeine be - ſondere Handlungen1012. ſein Eigenthum uͤber Pri - vatlaͤndereyen1065. wie er in der Geſangenſchaft Frieden machen kann1220. wie er unter die Privat - leute verſetzt wird1081
  • Koͤrper menſchlicher, ſeine Vollkommenheit112
  • Korn der Muͤntze534
  • Kraͤnckang154. dieſelbe vergeben157
  • Kranckheit113
  • Kranckenhauß1022
  • Krieg98 .99 . wenn er er - laubt iſt102. ob er die Streitigkeiten unter Voͤl - kern zu entſcheiden tauget1159. fuͤhren102. wie lange er fortzuſetzen iſt1219. ſein Ende1217 .1227 . ihn ſoll man meyden790 .791 .1217 . wem die Ausuͤbung deſſelben im Staat zuſtehet1028 .1029. O o oſeine[946]Regiſter der vornehmſten Sachen. ſeine Bekantmachung1186. buͤrgerlicher1233. zum Angrif, zur Vertheidi - gung1169 .1170 . ge - rechter1190 .1191 . u. ff .1215 . bloß des Nutzens wegen1171. oͤffentlicher1166 .1169. Privatkrieg1169. zur Strafe, S. Strafkrieg. thieriſcher1171. unrechtmaͤßiger1189 .1190 . vermiſchter1169. wegen der anwachſenden Macht der Nachbarn1172. ob er bey einer zweiſelhaf - ten Sache ſtatt findet790. um einen Vergleich zu er - halten1170
  • Kriegsbuͤndniß zum Au - grif, zur Vertheidigung, auf beyde Faͤlle1180
  • Kriegscontribution1200
  • Kriegsliſt1203
  • Kriegsoperation1191. 1183
  • Kriegsrecht1178
  • Kuͤnſtler634
  • Kunſtwoͤrter802. ihr Ge - brauch798. ſollen dem Buͤrgen erklaͤrt werden578
  • Kux683

L.

  • Lacus253
  • Land S. Gebiete.
  • Landgut709. ſeine Ver - beſſerung743
  • Landlaͤufer S. Herum - ſchweifender.
  • Landſtraßen, fuͤr ihre Ge - maͤchlichkeit und Sicher - heit ſoll ein Regent ſor - gen1034
  • Laſten der Republick (o - nera reipublicæ) auſſeror - dentliche, ordentliche1037. 1057
  • Laſter85 .890 . grobe ſol - len in dem Staat geſtra - fet werden1052. ob ſie eine Urſache zum Straf - kriege abgeben1173. der beleidigten Majeſtaͤt, des Hochverraths1082. des Erſchleichens1062
  • Laͤſterer150
  • Leben bequemes, vergnuͤg - tes, worin es beſtehet119. obs zur Strafe genommen werden darf1048. als ein ehrlicher Mann leben49
  • Lebensart gewiſſe ſollen El - tern den Kindern beſorgen891
  • Lebensgefahr131
  • Lebensunterhalt972 .1021. 1022
  • Lehn736. ſeine natuͤrli - che, weſentliche, zufaͤllige Beſtimmungen737. wer dabey die Gefahr wegen der Fruͤchte hat742. zu Lehn geben736. wie und was dazu gegeben werden kann739 .740 . daſſelbeauf -[947]Regiſter der vornehmſten Sachen. auflaſſen, revociren748. deſſelben Eroͤffnung744. das auf dem Fall ſtehet ebend. ob die Herrſchaft dazu dienen kann987
  • Lebncontract (contr. feu - dalis)736 .739 . (emphy - teuticus) 725. 727
  • Lehndienſte739
  • Lehnfolger743
  • Lehngut736. wer die Be - ſchwerden deſſelben tragen muß743
  • Lehnsberr, Lehnmann736
  • Lehnsverbindlich - keit, Lehnsverbin - dung747
  • Lehnwaare728
  • Lehrer oͤffentliche1024
  • Leib deſſen Erhaltung und Vollkommenheit112
  • Leibrenten, an Fruͤchten, an Gelde682
  • Leibrentencontract682
  • Leichenbegaͤngniß824
  • Leiden, wenn man gezwun - gen leidet4
  • Leihen515. u. ff .523 . ei - nen Diener962. frem - de Sachen530. wer bey Zuruͤckſendung des gelie - henen die Gefahr hat547. auf Zinſen650. dem et - was geliehen worden515 .517 .519 . u. ff. 547
  • Leiſten328. die Verbind - lichkeit dazu329
  • Liebe gegen andre, ihre Be - weiſung136. gegen Gott167 .170 . gegen die El - tern894. der Feinde1188. zu den Kindern893. zu den Unterthanen1077. gegenſeitige zwiſchen Re - geuten und Unterthunen1085. zum Vaterlande1105. gegen andere Voͤl - cker1109. des Wohlge - fallens169. 170
  • Liebesdienſt, Liebespflicht61 .73 .79 . der Eheleute unter ſich869. der El - tern gegen die Kinder890. u. ff. in einem Hauſe971. gegen den Knecht952. der Kinder gegen die Eltern894. unter Regenten und Unterthanen1024 .1085 . der Voͤlcker gegen einander1088. ob dieſe die Reli - gion zu hindern vermag1123 S. Pflicht.
  • Linie der Verwandſchaft, die gerade aufſteigende, niederſteigende876. S. Nebenlinie.
  • Liſt, gute, ſchlimme24. S. Bosheit.
  • Lob125. ſoll man nicht begehren128. goͤttliches172. der verſtorbenen822
  • Loͤwengeſellſchaft640
  • Lohn500. billiger fuͤr die Arbeit, was darunter zuO o o 2ver -[948]Regiſter der vornehmſten Sachen. verſtehen iſt627. fuͤr die Aſſeeuration679. fuͤr die geliehene Sache524. der fuͤr die Verwahrung540. fuͤr die Sequeſtration ver - ſprochen wird550. fuͤr den Gebrauch einer Sache, fuͤr die Arbeit620 .621 .626 .627 .630 .633 . im eiſernen Pacht638
  • Looß669. deſſen Gebrauch bey ſtreitigen Faͤllen767 .1157 . bey zweifelhaften Sachen790. bey der Gleichheit der Stimmen843. S. Theilungslooß.
  • Lotterie673. wenn ſie zu - laͤßig ſind673 .674 . im Staat1021
  • Luftraum in wie weit er ei - genthuͤmlich ſeyn kann241
  • Luſtſpiel1027
  • Luͤgen351. 352

M.

  • Macht, die anwachſende der benachbarten Voͤlcker1172. die vorzuͤgliche des Regen - ten1065
  • Magd947
  • Mahlſchatz865
  • Mahnen752
  • Majeſtaͤt998
  • Majeſtaͤtsrecht998. was dazu gehoͤret1042. u. ff.
  • Mann ehrlicher49. ein red - licher772
  • Manifeſt1187
  • Maſcopey S. Handlungs - geſellſchaft.
  • Maſcopeybruͤder639
  • Materie dauerhafte zum Gelde501
  • Meuchelmoͤrder1209
  • Meineid371
  • Menſchen, ihre Vollkom - menheit112. Erhaltung ihres Geſchlechtes854 die rechte Art dazu855. ih - re Gleichheit, Ungleich - heit von Natur70. ihre Liebe gegen andere136
  • Menſchenraub1175
  • Metalle, ob ſie zum Nieß - brauch gehoͤren714
  • Miſſethat1030
  • Muͤßiggang124
  • Mißionarien1122
  • Miethe620. u. ff .664. Ver - traͤge die hinzugefuͤget wer - den koͤnnen628 dieſelbe auſſagen631. aufs neue miethen S. Wiederver - miethung. Wenn ſie zu erlaſſen iſt637
  • Miethender in Anſehung der Arbeit, Sache620
  • Miethzins, Mietlohn, S. Lohn.
  • Minervens Wahlſtimme843
  • Mißbrauch des Eigenthums202. ſeines Rechtes66. der[949]Regiſter der vornehmſten Sachen. der vermietheten Sache622
  • Mittelsperſon, im verſpre - chen429 .430 . im verbind - lich machen426. im an - nehmen426. 433
  • Mitgabe913
  • Mitglieder einer Geſell - ſchaft836. wenn eines ausgeſchloſſen werden kann853. ob ſie wider einan - der zeigen koͤnnen779. eines Staats, ihre Ver - bindlichkeit975. wenn ei - nes herausgeſtoſſen werden kann1050
  • Mittler768. 769
  • Mitregenten, Mitregent - ſchaft995. 996
  • Mitſchuldige, Glaͤubiger, der Schuld, des Stipuli - rens, des Verſprechens424
  • Mittheilung der Arbeit327. 329
  • Moͤglichkeit, ſittliche37
  • Monarchie991. 1002
  • Morgengabe915
  • Muͤndel S. Waͤiſen.
  • Muͤntze502. ihre aͤuſſere, innere Guͤte534. die gu - te, ſchlechte ebend. was der Regent dabey zu be - ſorgen hat1036. 1059
  • Muͤntzverfaͤlſcher1036

N.

  • Nachdencken108
  • Nachkommen832. die un - ſrigen ebend.
  • Nachlaͤßigkeit21
  • Nahmen, den ehrlichen ver - liehren149. ob es zur Strafe geſchehen kann1048. den guten Nahmen anderer vermindern142. durch Duell retten789. ihn beſchuͤtzen150
  • Nebenlinie in der Verwand - ſchaft876. gleiche, un - gleiche882
  • Neuerung der Verbindlich - keit758. 759
  • Neutralitaͤt im Kriege1181
  • Neutralitaͤtsbuͤndniß1181
  • Nichtſchuldiges692
  • Niedererbgrundherr734
  • Niederholtz obs unter dem Nießbrauch begriffen iſt714
  • Niederlegen eine Sache bey jemanden539. u. ff. wer die Gefahr hat bey Zu - ruͤckſendung des Niederge - legten547
  • Niederlegender539. ſei - ne Verbindlichkeit542. 547
  • Nießbrauch713. u. ff. der Herrſchaft986. das dem Nießbrauch aͤhnliche Recht719
  • Nothzuͤchtigen862. 1206
  • Nuͤtzlich was es in den Con - tracten iſt560. in der Anmaßung eines fremdenO o o 3Geſchaͤf -[950]Regiſter der vornehmſten Sachen. Geſchaͤftes wie zu ermeſ - ſen690 ob des Nutzens wegen Krieg anzufangen erlaubt iſt1171

O.

  • Oberherr996. S. Re - gent.
  • Obrigkeit1060
  • Officir1178
  • Onansſuͤnde854
  • Original vom Jnſtrument775

P.

  • Pacht eiſerner638. S. Lohn fuͤr den Gebrauch der Sache.
  • Pachtcontract auf die Helf - te der Fruͤchte696
  • Pachter620
  • Partheyiſch768
  • Pasguill149
  • Pecunia fœnebris650
  • Perſoͤnlich400
  • Perſon, gewiſſe325. mo - raliſche96. das Anſehen der Perſon772
  • Pfaͤhle zu nehmen, das Recht712
  • Pfand697. deſſen Eigen - thum698. wenn man es wegen einer andern Schuld zuruͤcke behalten kann706 .1150 . deſſen Aufhebung707. Ausloͤſung699. Verkauf697. u. ff. ſeinnutzbarer Gebrauch fuͤr das Darlehn1151. das verabredete704. 705
  • Pfandrecht697
  • Pflantzung238
  • Pflicht57. gegen ſich ſelbſt57. ihre Verſchiedenheit und Verbindung103. wie ihre Colliſion gehoben wird65. welches die ge - gen andere ſind57. ihre Beſtaͤndigkeit73. wenn man ſie abſchlagen darf59. Uebereinſtimmung der Pflichten gegen ſich ſelbſt und gegen andere133. was fuͤr welche die gegen Gott ſind57 .59 .160 . u. ff. ihre Ausuͤbung177. gegen die Verſtorbenen832. die allgemeine der Voͤlcker unter ſich1108. die eheliche871
  • Pluͤnderung1201
  • Poͤbelregiment990
  • Pracht509. die unmaͤßige1021
  • Praͤſentant656
  • Preiß des goͤttlichen Namens174
  • Preiß welcher zum Streit ausgeſetzt iſt675
  • Preiß, Werth an Gelde495 .500 . billiger, unbilli - ger499. der Schatzung wegen, des Verkaufs we - gen659. der gekauften Sache600. u. ff. bey Lot -terien[951]Regiſter der vornehmſten Sachen. terien673. der Looſe im Gluͤckstopf674
  • Privatkrieg1169. wem ſei - ne Ausuͤbung in der Re - publick zuſtehe1028. 1029
  • Privilegien, Privilegirter1047
  • Proprietaͤt198. wie ſie eingeſchraͤnckt werden kann724
  • Protocoll775
  • Punctation775

Q.

  • Qvaſiborgen691
  • Qvaſicontract686. u. ff.
  • Qvaſikauf691
  • Qvaſivermiethen, miethen691
  • Qvittung654

R.

  • Rache, Rachgier155
  • Rang75. im Staat1041. wer ihn zu ertheilen Recht hat1061. ob ihn die Voͤl - cker von Natur unter einan - der haben1089. wie er unter ihnen erworben wird1119. in der Geſellſchaft unter Mitgliedrrn840
  • Rantzion1194. 1213
  • Rath (ſenatus) 999
  • Raͤthe1076
  • Rath (conſilium) 561
  • Raub, Raͤuber263. dasRecht ihn zu ſtrafen267. ſich gegen ihn zu verthei - digen268. man ſoll ih - nen das Verſprechen hal - ten1235
  • Raͤtzel354
  • Rebellion, Rebellen1232. Verſprechen muß man ih - nen halten1235
  • Rechnung ſoll man von ei - nem gefuͤhrten Geſchaͤfte ablegen559. wegen der Vormundſchaft903
  • Recht, richtig52
  • Recht46. erlaſſen337 .341 . ausſchlagen339 .342 .830 . ſich deſſen bedienen66. be - geben341 .342 . auf die - jenigen bringen die noch nicht gebohren ſind827 .828 . auf andre bringen314 .316 .317 . dazu iſt man verbunden329. wie es einem zufaͤllt339. wer es verwirft ebend. wie es von Verſtorbenen auf an - dere kommt819 .917 . u. ff. was wiederrechtlich, was ihm gemaͤß geſchieht83. das auf einen an - dern gelangen kann, oder nicht gelangen820 .828 . das allgemeine68 .69 .101 . angebohrne74 .81 .95 . das man bittweiſe hat340. eigene101 .102 .194 .195 . den Menſchen eignes, einiger Menſchen,O o o 4eines[952]Regiſter der vornehmſten Sachen. eines einigen eigenes56. das erworbene100. er - langtes340. aus dem Vertrage1147. durch die Vorſehung der Vorfahren erlangtes Recht831. das gemeinſchaftliche186. zu den Handlungen189. das kuͤnftige589. da etwas bloß in unſrer Macht ſte - het1100. der Natur39 .56 . deſſen allgemeine Grundwahrheit43. das Menſchen und Thieren ge - mein iſt56. perſoͤnliches400. das ſtreitige762. das uͤberbliebene aus der erſten Gemeinſchaft300. u. ff. unendliche94. un - vollkommene80 vollkom - mene80. wie dieß erhal - ten wird97. eben das un - ter Boͤlckern1089. des Abweſenden844. des Ab - reiſſens245. die Ankla - ge auſzuheben1055. der Anſpuͤhlung251. u. ff. zur Artzeney114. oͤffentliche Aemter zu ertheilen1060. das Pſand auszuliefern699. ſich Sachen fuͤr billi - gen Preis anzuſchaffen307 .1098.1112.1181. Auflagen zu machen1057 .1114 . auf des Nachbars Baum241. des Begraͤb - niſſes824. des Beſitzes287. u. ff .299 .334 . zu beſitzen200. Collecten an - zulegen1058. Conſuls zu beſtellen1118. der Ein - heimiſchen1020. Frieden zu machen1220. uͤber Fremde im Gebiete1132. durch fremdes Gebiete durchzugehen312 .1131 . mit Truppen1181 .1182 . in oder auf das Gebiete eines Volckes ſtehet kei - nem zu1136. einem an - dern Volck Rechte in ſei - nem Gebiete zu geben1135. zum kuͤnftigen Ge - brauch Sachen aufzuheben185. Sachen zu geben258. zu den Fruͤchten der Sache198. uͤber die Geiſſeln1151 .1152. Geld zu praͤgen1059. Geſetze auszulegen1044. zu ge - ben S. Gewalt. der Gleichheit unter Regenten1120. zum Gebrauch der Sache198 der gerin - gern Gewaltigen1155. zu einer Handlung Recht einzuraͤumen259. Holtz zu holen712. uͤber die Handlungen eines andern76. zum Handel und Wandel1101. Haͤuſer zu bauen116. Kinder wegzuſetzen, umzubringen886. ſie zu verbinden889. zur[953]Regiſter der vornehmſten Sachen. zur Kleidung115. den Knecht zu verbinden951. im gerechten Kriege1190 .1192 . im unrechtmaͤßigen Kriege1189. zum Krie - ge98. in zweifelhaften Faͤllen790. u. ff .1159 . uͤber dem Vertrage447. uͤber dem Beſitz790. im Staat1066. das Voͤl - ckern zuſtehet1089 .1215. Kriegscuntributions aus - zuſchreiben1200. einen Koͤnig zu waͤhlen1006. ſich in fremden Landen zu verweilen190 .3121131 .1181 . aus dem Lande zu gehen1107. uͤber Leben und Todt1048. nicht zu leiden daß man in ſeinem Recht gehindert wird50 .1069 . daß ſich ein Volck in des andern Regierung miſchen ſoll1121. Liebes - dienſte zu fordern82 .1108 . das libellariſche732. die Macht zu vermehren1102. die feindliche zu ſchwaͤchen1193. des Nießbrauchs198. der Nothwendigkeit308. u. ff. des unſchaͤdli - chen Nutzens311. zum Nutzen der Sache198. Pfaͤhle zu nehmen712. Privilegien zu geben1047. des Reichstages denſelben zu berufen1000. der Re -preſſalien1163. in einer Sache334. die durch den Gebrauch verbraucht wird187. das man in ſeiner Sache jemanden einraͤu - met260. zur Sache, vollkommenes, unvollkom - menes335. uͤber heilige Sachen1064. der Si - cherheit89. zur Speiſe und Tranck114. zu ſchen - cken477. Streitigkeiten wegen der Reichsfolge zu entſcheiden1016. die in der Kirchen vorlaͤufig zu ent - ſcheiden1064. zu ſtrafen93. im Staat1048 .1029 .1030 . welches den Voͤl - ckern zuſtehet1089 .1160 . in der Geſellſchaft846. zu ſuppliciren1080. der Trift712. zu veraͤndern256. zu veraͤuſſern257 .724 . das Lehn zu ver - aͤuſſern748. zum Ver - gleich zu zwingen767 .790 .1158 . zu verderben255 .269. Vertraͤge mit andern Voͤlckern zu ma - chen1067. der natuͤrli - chen Verbindlichkeit ein Genuͤge zu leiſten81. die Jungferſchaft, oder auch die Schamhaftigkeit zu vertheidigen862. ſich zu vertheidigen90. und ſeineO o o 5Sachen[954]Regiſter der vornehmſten Sachen. Sachen268. obs im Staat beſtehet1029. obs den Voͤlckern zukommt1089. andere zu ver - theidigen151. des Vor - kaufs, geſetzmaͤßiges, ver - abredetes611. der Ue - berſchwemmung249. der Wiederkunft1214 .1216 . zu widerſtehen wenn je - mand in ſeinem Recht ge - hindert wird50. dem Regenten1079 .1080 . einem Volck1102 .1121. Wuͤrden zu ertheilen1061. 1062
  • Rede betruͤgliche801
  • Redemtor620
  • Regenten982. ihre Ei - genſchaften1076 .1077 . wenn ſie die Schulden der Vorfahren zahlen muͤßen1012 .1147 . ihre Pflicht gegen die Unterthanen1024 .1085 . ihr Recht982. ihre Gleichheit un - ter einander1120
  • Regierung welche gut oder uͤbel iſt1075. ſich in fremde Regierung zu mi - ſchen iſt nicht erlaubt1121
  • Rheder665. in deſſen Na - men handelnebend.
  • Rhedercontract665
  • Reich, Reichthum486 .504 .508 .1019 . wie es zu ſchaͤtzen iſt504. wiefernman darnach trachten darf512
  • Reich994. aͤſymnetiſches1002. das deſpotiſche997. laconiſche1003. geſetzmaͤßige1004. voll - kommen und unvollkom - men eigenthuͤmliche1009
  • Reichstag1000
  • Reichsverweſer1005
  • Reinigungseid, ſich rei - nigen782. vom Verzug418. 758
  • Religion1024. Vorſorge des Regenten fuͤr dieſelbe ebend. wie ſie fortzu - pflantzen1122. auf ihre Verſchiedenheit ſoll unter Voͤlckern nicht geſehen wer - den1148
  • Remiſſe, Remittent656
  • Rentkammer1039
  • Repraͤſentationsrecht921 .923 .926 . bey der Erb - folge im Reich1011
  • Repreſſalien1163 .1163 . u. ff.
  • Repudium871 .864. 865
  • Republick973. die ver - miſchte993
  • Richter1028. ſein Recht1029 .1030 .1132 . wer ihn beſtellen muß1060
  • Ruͤckbuͤrge574
  • Ruf126
  • Ruhm127. eines Volckes1096. was die Voͤlcker einander deswegen ſchul - dig ſind1097. 1109
Saͤen[955]Regiſter der vornehmſten Sachen.

S.

  • Saͤen238
  • Sachen121. behaupten617. Sachen und Thun ge - meinſchaftlich machen469. zu Lehn verleihen736. wenn ſie untergehet243. wenn die verſprochne un - tergehet420. oder die ge - borgte ehe man ſie ge - braucht537. oder die verpfaͤndete, was das nach ſich ziehet707. ihre Ver - beſſerung279. die Ver - aͤnderung der gemietheten636. ausgeworfene221. bewegliche211 .212 .1198 .1204 .1222 . ſich bewe - gende211 .218 . die nicht eingeſchraͤnckt und nicht vertheidiget werden koͤn - nen303. eigene191 .1128 . durch Fleiß gezo - gene121. feindliche1184 .1196 . u. ff. fruchtbare, unfruchtbare228 .550 . fremde199. durch Be - ſitz erlangen448. ver - derben oder verſchlimmern277. wiedergeben261. beſitzen278. leihen oder borgen529 .530 . hinter - legen543. veraͤuſſern585. verkaufen593. verpfaͤnden700. von un - erſchoͤpflichen Gebrauch302. geliehene verderben519. gemeine1025. der Ge -meine1128. ihre Ver - aͤuſſerung1129. gemein - ſchaftliche186 .1128 . ih - re Veraͤuſſerung330. die gemeinſchaftlichen der Eheleute867. gewiſſe325. geſtohlne264. ge - raubte264. gleichguͤlti - ge527. Hauptſache242. haͤußliche866. heilige1025. ob ſie unter dem vorzuͤglichen Recht ſtehen1065. ob ſie deswegen zu verwuͤſten ſind, weil ſie zum Aberglauben zu die - nen ſcheinen1195. kei - nem zugehoͤrige191 .209 .246 .250 .251 . koͤrperli - che121. u. ff. dieſelben erſitzen451. kuͤnſtliche121. blos naͤtuͤrliche121. nothwendige121 .305 .306 . nuͤtzliche121. oͤf - fentliche1128 .1130 . ſei - nige195 .206 . ſtreitige548 .762 . vergnuͤgende121. verlaſſene203 .209 . verlohrne220. verpfaͤn - dete697. die verzehrt werden, wie man ſie lei - het523. wie ſie dafuͤr angeſehen werden koͤnnen, als wenn ſie ſich nicht ver - zehren ließen740. unbe - wegliche211 .213 .1199 . unkoͤrperliche121. u. ff .206 .214 . wie ſie erſeſ - ſen werden451. uͤberfluͤſ -ſige[956]Regiſter der vornehmſten Sachen. ſige485. die wircklich werden ſollen, ihr Kauf590. zweifelhafte ob ſie zum Nießbrauch gehoͤren714
  • Sand graben das Recht da - zu712
  • Schaden269. in denſel - ben bringen ebend. erſe - tzen270. wenn verſchie - dene collidiren283. wel - cher im unrechtmaͤßigen Kriege erſetzt werden ſoll1190. wer ihn im Pacht auf die Helfte tragen muß696. den ein betruͤgeri - ſcher Rath verurſachet561. auf welchen in den Con - tracten geſehen wird560. bey dem Hinterlegen der Sachen541 .542 . auſſer - ordentlicher, ordentlicher beym Spielcontract678. an der gemiethehen Sache, oder ihrem Gebrauch633. bey der Vollmacht557 .568 . durch Erwaͤhlung untuͤchtiger Beamten1062. bey der verdungenen Ar - beit634. an dem Pſan - de702. durch ein Ver - ſprechen405. aus den Repreſſalien1166. den der Knecht gethan hat954. bey der Handlungs - geſellſchaft640. der Ge - ſellſchaft852. der bey dem Durchzuge mit Kriegs -voͤlckern iſt zugefuͤget wor - den1182. den der Vor - mund gethan hat904. wegen eines Fehlers der gekauften Waare618. vorſaͤtzlicher, unvorſaͤtzli - cher269. zufaͤlliger269
  • Schadloßbuͤrge575. des Buͤrgenebend.
  • Schadloßhaltung iſt in den wohlthaͤtigen Contracten begriffen1154. eines Cu - raters, Vormundes907. des Gevollmaͤchtigten557 .565. 566
  • Schamhaftigkeit862
  • Schande145. denen die in Ehren und Wuͤrden ſtehn anzuthun iſt uner - laubt1041
  • Schatz223
  • Schatzkammer oͤffentliche, ei - ner Geſellſchaft1038
  • Schaͤtzungscontract658. 659
  • Schenkender475. ob er die Gewaͤhr leiſten ſoll617
  • Schenkung475. u. ff .639. Vertraͤge die ihr angehaͤn - get zu werden pflegen478 .733 . ob ſie Undancks we - gen wiederrufen werden darf476. unter Eheleu - ten874. wegen der Hey - rath914. unter Lebendi - gen480 .481 . ums Ster - bens willen479 .481 .482 . wenn ſie wiederru -ſen[957]Regiſter der vornehmſten Sachen. ſen werden kann479. 482
  • Schertz677
  • Schiedsmann770
  • Schiedsrichter770. wenn er ſich von dem Amt loß - ſagt771. ſeine Pflicht772 .773 . ſein willkuͤhrlicher Spruch770. 772
  • Schiffer665
  • Schiffmann666
  • Schimpf S. Jnjurien.
  • Schluß der Geſellſchaft843
  • Schmaͤhſchrift149
  • Schoͤnheit natuͤrliche, kuͤnſt - liche117
  • Schreckung1032
  • Schrot (der Muͤntze) 534
  • Schulden49 .72 .336 .207 .918 .919 . ihre Erlaſſung337 .766 . des Staats1147 .1162 .1164 . des Ver - ſtorbenen820. der Fein - de1198. Privatſchulden der verſtorbenen Regen - ten1012. boͤſe503. handſchriſtliche652. ſich - re503. ſtreitige, un - ſtreitige756 .766 .767 . vollkommene667 .1069. 1071
  • Schuldigkeit336 .49.72. 667
  • Schuldner336 .528 . wie er zum Knecht wird950. handſchriftlicher652
  • Schulen1022
  • Schwaͤgerſchaft884. 885
  • Schwerdtmagen875
  • Seele ihre Vollkommenheit106
  • Seegeld, demſelben aͤhn - liches Geld680
  • Seezinſen, ihnen aͤhnliche Zinſen680
  • Seezinscontract, demſelben aͤhulicher Contract680
  • das Seinige195. wegwer - fen204 .208 . um daſſel - be kommen269
  • Seitenlinie in der Verwand - ſchaft876
  • Seitenverwandten obs er - laubt iſt ſie im Teſtament vorbeyzugehen930
  • Selbſtliebe und ihre Aus - uͤbung132
  • Selbſtmord112. 1051
  • Selbſtſchuldner579
  • Senat S. Rath.
  • Sequeſter548
  • Sequeſtriren freywilliges, nothwendiges548. u. ff.
  • Servitut708. wie man dazu kommt710 .743 . wie ſie auf Lehnguͤtern be - ſtehet743. der Sache, die perſoͤnliche, bejahen - de, verneinende ebend. eines zutragenden Gebaͤu - des, vom einzufuͤgenden Balcken, des Weiterher - ausbauens, hoͤher zu bauen, nicht hoͤher zu bauen, des Lichts, der Ausſicht, das Licht nichtzu[958]Regiſter der vornehmſten Sachen. zu benehmen, die Ausſicht nicht zu hindern, die Trauf abzuwenden, eben dieſelbe nicht wegzunehmen, eine Goſſe durch des andern Haus zu fuͤhren, einen Ab - tritt zu leiden, eine Miſt - grube zu leiden, Waſſer abzuleiten712. Servi - tut der Guͤter709. der Stadtguͤter, Landguͤterebend.
  • Sicherheit89. des Staats972. 1172
  • Sodomie854
  • Sold1176
  • Soldaten, die gedungenen1174
  • Sorgloſigkeit21
  • Specification227. 231
  • Spiel677. Haupt -, Ne - bengewinn in demſelben678. welche im Staat zu dulden ſind1021
  • Spielcontract678
  • Spieler1021
  • Spillmagen875
  • Spion1208
  • Spolium, eigene Vemaͤch - tigung288
  • Staat972 .973 . deſſen Abſicht972. Errichtung ebend. ſich hereinbegeben1086. deſſen Schulden1147 .1162 .1164 . der groͤßte1090
  • Stadtgut709
  • Stamm, gemeinſchaftlicher,maͤnnlicher, weiblicher875. ſeine Familie877
  • Stagnum253
  • Stapelrecht1117
  • Steine brechen, das Recht dazu712
  • Stillſchweigen wie daraus eine Einwilligung abzu - nehmen iſt450. oder ei - ne Verlaßung460. u. ff. beſonders unter Voͤlckern1139
  • Stimmen (in der Geſell - ſchaft)842. dieſelben er - wegen843. ihr unglei - cher Werth von Natur845. bejahende, vernei - nende, einſtimmige, ver - ſchiedene, einhellige, die mehreſten, wenigſten, glei - che842. beſſern, ent - ſcheidende843. der Ab - weſenden844
  • Stoͤhrer, Stoͤhrung der Gemeinſchaft der erſten Zeit193. der oͤffentli - chen Ruhe1218 .1219 . des Beſitzes, durch Wor - te, in der That297
  • Strafe93. ihre Arten1048. ihre Schuld153. das Verdiente in ihr153. bey derſelben verſprechen410 .758 .809 . wenn man ſie erlaſſen ſoll157. die beſſernde, exemplari - ſche93. die in buͤrger - lichen Geſetzen beſtimmtwird[959]Regiſter der vornehmſten Sachen. wird1043 .1048 .1049 . ihre Vollziehung1029 .1033. 1048
  • Strafkrieg1169 .1170 . wegen grober Laſter de - nen ein Volck ergeben iſt1173
  • Streiten mit Gewalt98. uͤber das Eigenthum548
  • Streitigkeiten beylegen765 .790 . ſollen vermindert werden1072. entſchei - den765. obs durch Zwey - kampf789. und Waffen geſchehen kann1159. wie ſie unter Voͤlckern beyge - legt werden koͤnnen1157. in der Kirche vorlaͤufige entſcheiden1064
  • Subſidien, Subſidiengeld1179
  • Suppliciren1080
  • Symmetrie117
  • Syſtem62

T.

  • Tadel146
  • Tauſch582. u. ff.
  • Tauſchhandlungen, aus - einauder ſetzende, gemein - ſchaftliche467
  • Teſtament927 .936.937. wie es gemacht wird932 .935 .936 . das geſchrie - bene, muͤndliche932. ei - nes Fremdlings1137. 1138
  • Theilung gemeinſchaftlicher Sachen343 .344 . der Erbſchaft unter Eltern oder Kindern926. der Herrſchaft983 .1009 .1010 . des Gewinns und Verluſtes in der Hand - lungsgeſellſchaft645. 646
  • Theilungslooß669. S. Wahllooß.
  • Theurung307. 1021
  • Thiere wilde, wie man ſie ſich zueignet217
  • Thun, That2. wie ſie ſich zum Geben verhaͤlt327. wie es in auseinander ſe - tzenden Tauſchhandlungen vorkommt468. umſonſt470. S. Handlung.
  • Titel (zum Recht)295. beſchwerlicher, falſcher, rechtmaͤßiger, vermeyn - ter, vortheilhafter, wah - rer454
  • Titel S. Ehrentitel.
  • Todt ſeine Wirckungen in Auſehung der Rechte818. bey Verſprechen425 .430 . u. ff.
Todes -[960]Regiſter der vornehmſten Sachen.
  • Todesfall deswegen etwas bekommen484
  • Todtſchlag vorſetzlicher, un - vorſetzlicher141. ob er natuͤrlich die Todesſtrafe nach ſich ziehet156
  • Tolerantz1064
  • Tortur1032. die geiſtli - cheebend.
  • Tractaten769
  • Traͤncke das Recht dazu712
  • Transportcontract680
  • Traſſat, Traſſant, Traßi - rer656
  • Tratta656
  • Trauer natuͤrliche, willkuͤhr - liche826
  • Trauerſpiel1027
  • Treue (fidelitas) 735
  • Treue und Glauben (fides)389. ſich ihrer von an - dern verſichern, jemanden dabey verſichern389. da - wider handeln389 .442 .446 . ſoll unter den Voͤl - ckern heilig gehalten wer - den1154. ausdruͤckliche, ſtillſchweigende1154
  • Tribut1057
  • Trieb (Recht) voͤlliger, nicht voͤlliger712
  • Trift (Recht) 712
  • Trunckenheit114
  • Tugend85. die ſittlichen, des Verſtandes125. da - zu ſollen Kinder890. Knechte952. Untertha - nen augefuͤhret werden1024. welche von Regen - ten erfordert werden1077
  • Tumult1234
  • Tumultuanten1234. Ver - ſprechen muß man ihnen halten1235

U.

  • Uebelſtand (indecorum) 54
  • Uebelthat, gleichſam eine1030
  • Uebereilung21
  • Uebereinſtimmung, ihr Mangel9
  • Ueberfluͤßig485
  • Uebergabe320. u. ff. in der Kuͤrtze,323. von fer - ne324. ſymboliſche326. die zum Gebrauch518. beym Kauf596 .598 . beym Tauſch geſchiehet582
  • Ueberlegung6
  • Ueberreſt (hyperrocha) 697
Ueber -[961]Regiſter der vornehmſten Sachen.
  • Ueberwinden, uͤberwun - den werden im Kampf788. im Wettſtreit675. gaͤntzlich in der Schlacht1219. uͤberwindlich, un - uͤberwindlich17
  • Umſonſt, geben, thun, ge - ſchehen470
  • Unachtſamkeit21
  • Unanſtaͤndig54
  • Unbedachtſamkeit21
  • Unbilligkeit83. 86
  • Undanck, undanckbar474. ob deswegen ein Geſchenck wiederrufen werden darf476
  • Uneinigkeit847
  • Unerlaubt49 .72 . nach buͤrgerlichen Geſetzen1069 .1071 . laut denen Ver - traͤgen667
  • Ungehorſam835
  • Ungerecht83
  • Ungerechtigkeit85. 86
  • Ungleichheit in beſchwerli - chen Contracten580 .581 . beym Tauſch584
  • Ungluͤck S. Zufall.
  • Ungluͤckſeligkeit118
  • Unklugheit21
  • Unkoſten279. welche der Eigenthumsherr erſetzenmuß281 .283 .285 . ab - ziehen284. wegnehmen, ohne Schaden der Sache wegnehmen282. die noth - wendigen, nuͤtzlichen, zur Luſt, zur Luſt als die vor - nehmſten, vermiſchten279. auf einen gerechten Krieg1190. bey geliehenen Sa - chen526. auf niederge - legte Sachen542550. auf gemſethete Sachen636. bey der Vollmacht557. bey der Anmaßung eines fremden Geſchaͤftes690. auf das Pfand703. auf fruchtbare Sachen in der Sequeſtration550. bey der Servitut des Ge - brauchs721. des Uſu - fructuarius717
  • Unmoͤglich, ſittlich37
  • Unpartheyiſch768
  • Unrecht87 .88.97. Privat - unrecht1029
  • Unſchamhaftigkeit862
  • Untererbzinsrecht731
  • Unterlaſſung, Unterlaſ - ſungsthat2
  • Unterlaſſungsſuͤnde58
  • Unterſchrift der Jnſtrumen - te775. des Blanquets776. des Teſtaments932
  • Unterſuchung1031
P p pUnter -[962]Regiſter der vornehmſten Sachen.
  • Unterthanen996. ihre Pflicht gegen den Ober - herrn1085
  • Unterwuͤrfigkeit835. der Kinder910. des Vol - ckes1102. ob Regent und Volck einander unter - worfen ſind985
  • Untreue390
  • Unvermeidlich17
  • Unvermoͤgen zu handeln20
  • Unvollkommenheit10. des Vermoͤgens zu begehren und zu verabſcheuen109
  • Unvorſichtigkeit21
  • Unwahrheit348 .350.356.357. 368
  • Unwiſſenheit32. einfache, zuſammengeſetzte33. was ſie bey Zahlung des Kauf - geldes thut602
  • Urſach freye der Handlung3. erfolgt nicht, was das heißet694. was ohne, oder auch gleichſam ohne Urſach angenommen wird695. am Verſprechen ſeyn405. ob ſie in der Hand - ſchrift ausgedruckt werden muß653. der Schen - ckung475. beym Ver - ſprechen407. die recht - maͤßige zur Aufkuͤndigung einer Vollmacht568
  • Urtheil von ſich und ſeinem Zuſtande129. uͤbles von andern Leuten147. des richterlichen Vollziehung1029
  • Uſuarius721
  • Uſufructuarius713

V.

  • Valuta656
  • Valvation der Muͤntzſor - ten534
  • Vaterland1105. Liebe zu demſelben1105
  • Verachtung146. der Ge - ſaudten1241. eines Re - genten1120
  • Veraͤnderung mit der Sache vornehmen256. mit den Geſetzen1045. mit dem Lehnguth743. mit ge - mietheten Sachen636
  • Veraͤuſſerung257. ver - ſprochner413. vertauſch - ter Sachen585. der Pri - vatſachen durch den Frie - den1226. S. Sachen.
  • Verbeſſerung einer Sache279. des Lehngutes743
  • Verbindlichkeit thaͤtige35. leidende37. auf - heben749. ſich eine zu - ziehen97 .377.380.381. allge -[963]Regiſter der vornehmſten Sachen. allgemeine68 .69 .101 . angebohrne74. beſonde - dere101. die dazukom - mende569. dingliche402. gegenſeitige unter den Menſchen44. Haupt - verbindlichkeit569. her - geleitete62. natuͤrliche36 .38 . ob ſie aufgeho - ben werden kann138. per - ſoͤnliche402. ſtaͤrckere65. urſpruͤngliche62. un - vollkommene, vollkomme - ne80. zugezogene100. Geſandten zuzulaſſen1238. ſie zu empfangen1241. Soldaten einzuquartiren1176. aus den Vertraͤ - gen der Koͤnige1147. deſſen, der da ſchweret368. aus dem Zulaſſungs - geſetz1069. des kleinern Theils der Mitglieder ge - gen den groͤſſern843 .978 . der eintzeln Glieder und aller zuſammen836 .975 . was fuͤr welche aus dem Quaſicoutract entſtehet687
  • Verbrechen oͤffentliche, pri - vat1030
  • Verdacht ſich davon reini - gen782
  • Verderben ſeine eigne Sa - che255. eine fremde277. geliehene519. gemie - thete633
  • Verdient was es bey der Strafe iſt153. wohlver - dient ſeyn470. wie man einen ſolchen betrauren ſoll826
  • Vergeltungsſchenckung482. 617
  • Vergeſſen des vorigen Un - rechts S. Amneſtie.
  • Vergleich764. allgemei - ner, beſonderer764 obs daruͤber Krieg zu ſuͤhren erlaubt iſt790 .1158 . wo er ſtatt hat765. u. ff.
  • Vergnuͤgen, dauerhaftes118 vergaͤngliches120
  • Verguͤtung756
  • Verhaͤltniß493
  • Verheelung349
  • Verheerung der ſeindlichen Sachen1195. 1201
  • Verhinderung unvermeid - liche, unuͤberwindliche418
  • Verjaͤhrung452. iſt dem Naturrecht gemaͤß463. erfordert ein gutes Gewiſ - ſen464. ob ein Recht, welches bloß in jemandes Macht ſtehet, kann verjaͤh - ret werden1100. hat un - ter Voͤlckern ſtatt1139
P p p 2Verkauf[964]Regiſter der vornehmſten Sachen.
  • Verkauf, ſich in die Knecht - ſchaft verkaufen948. eine Sache zweymal594. einer an andere verſprochenen ebend. einer fremden593. vermietheten628 .629 . des Pfandes697. u. ff. zu gefallen601. S. Kauf.
  • Verkaͤufer587. 588
  • Verlaſſung der Sache203 .208 .450 . wo ſie ſich vermuthen laͤßt458 .460 . der Zubuſſekuxe683. des Reichs1081. die boß - hafte der Eheleute871
  • Verlaͤumder150. Ver - laͤumdung142
  • Verletzung S. Beleidi - gung.
  • Verloͤbniß864. Verloͤb - nißgeſchenck865
  • Vermaͤchtniß929. daſſel - be ausſchlagen939. wie es beſtehet931. ihre ver - ſchiedene Weiſe935. unter den Ehegatten943
  • Vermengung235. der Schuld mit dem Darlehn761
  • Vermiethen620. S. Mie - then, Wiedervermie - thung.
  • Vermiether der Sache, Ar - beit620. u. ff.
  • Vermiſchung235. fleiſch - liche863
  • Vermittelung768
  • Vermoͤgen, geringes, groſ - ſes207. wie es zu ſchaͤ - tzen iſt207 .503 . ſoll man den Kindern beſorgen896. S. Guͤter. Des Vermoͤgens zu begehren und zu verabſcheuen Voll - kommenheit und Unvoll - kommenheit109
  • Vermuthung27. beding - te, unbedingte, rechtli - che, von Rechts wegen, eines Menſchen453. ihr Gebrauch30 .781. Noth - wendigkeit449. des Wil - lens deſſen der ohne Teſta - ment verſtorben iſt933. aus dem Stillſchweigen459. 1139
  • Verpfaͤndung, verpfaͤnden697. natuͤrliche705. nothwendige792. die Sache zweymal701. eine fremde Sache700. des Vermoͤgens des Man - nes fuͤr die Mitgabe913. des Vormundes an den Pupillen904. der Kam - merguͤter1040. der Sa - chen einer Gemeine1129. wie ſie unter Voͤlckern vor - koͤmmt1150
Ver -[965]Regiſter der vornehmſten Sachen.
  • Verſchlimmerung eigener Sachen255. fremder277 .279 . geliehener Sa - chen519. des Lehnguts743. gemietheter Sa - chen633
  • Verſchweigen die Wahrheit351. 352
  • Verſchwendung208. 509
  • Verſehen17 .19 . deſſen Ar - ten21. was das mittlere zwiſchen Verſehen u. Bos - heit heißt22. bey der Theilnehmung an fremden Handlungen26. was die buͤrgerlichen Geſetze dabey beſtimmen ſollen1072. bey dem leihen520 .521 . des Miethers633 .634 . bey niedergelegten Sachen541 .542 .546 . deſſen der ſich zur Arbeit hat dingen laſ - ſen634. der Bevollmaͤch - tigten958. bey dem Pfan - de702. des Knechts954. des Vormundes904
  • Verſicherungseid782
  • Verſprechungsannehmer379
  • Verſprechender379. ſein Jrrthum405. muß fuͤr das Jntereſſe dem an - dern Theil ſtehen416. der ein ungiltiges Verſpre - chen halten will436
  • Verſprechen379. halten388. wiederrufen427 .428 .432 . u. ff. beſchwe - ren409 .435 . zur Stra - fe, bey Strafe410. be - dingtes, unbedingtes393 .398 . u. ff. unter einer gewiſſen395. aufſchie - benden396. aufloͤſenden Bedingung397. unter der Behingung einer ſchaͤndlichen That394. unter mehr als einer Be - dingung399. unter un - erlaubter Bedingung391. das peꝛſoͤnliche400. das be - ſchwerliche425. das ding - liche401. auf eine ge - wiſſe Zeit393 .395 .398 . fuͤr den Abweſenden403. gegen einen dritten433. wegen einer Sache, die man ſchon vorher ſchuldig war408. durch den Brief428 .431 . eines irrenden405. welches von der Freygebigkeit herruͤhret425. durch Mittelsper - ſonen429. u. ff. das mehrern zuſammen gethan wird423. einer fremden Sache412. einer Sache die ſchon einmal an einen andern iſt verſprochen wor -P p p 3den[966]Regiſter der vornehmſten Sachen. den421. der Sache die noch wircklich werden ſoll420. das mit Gewalt oder durch Furcht erzwun - gen wird406. das un - ſere Krafte uͤberſteigt411. ob man es Feinden, Moͤr - dern, Naͤubern, Rebellen, Tumultuanten halten ſoll1235
  • Verſtand, ſeine Vollkom - menheit108
  • Verſteilung349 .350 .356 . ihre Sittlichkeit359
  • Vertheidigung90. Maͤſ - ſigung dabey158. des Beſitzes289 .1029 . des Beklagten1031. der Jung - ferſchaft, Schamhaftig - keit862. ſeiner Sachen268. 1029
  • Vertheidigungskrieg1169. 1170
  • Vertrag438. davon ab - geben442 .443 .619 . ihn aufheben444. ſeine ſtillſch weigende Eꝛneuerung441. auf weſſen Worte dabey am meiſten zu ſehen iſt817. wieferne ſie Ge - ſetzen gleichen816 wel - che Faͤlle dabey auszuneh - men oder ausgenommen ſind816 .817 . daruͤber die Gewehr geleiſtet wor -den1149. der ausdruͤck - liche439. beſchworner446. der guͤtliche763. u. ff.790 aufloͤſende, voritzt, nach dieſen aufloͤ - ſende610. (pactiones)1141. der ſchriftliche445. ſtillſchweigende439. auf eine zeitlang, auf ewig440. das Pfand fuͤr das Darlehn nutzbar zu ge - brauchen1150. die Schuld nicht zu fordern755. des Vorkaufs611. vom Wie - derkauf612. vom Wie - dereinloͤſen612
  • Vertrauen auf GOtt172
  • Vertriebener1050. 1106
  • Verwahrer539. ſeine Ver - bindlichkeit541. u. ff.
  • Verwahrung dazu geben539. u. ff. wie es mit den Fruͤchten ſolcher Sachen zu halten iſt550
  • Verwalter662. 663
  • Verwaltungscontract662. u. ff.
  • Verzeihen157
  • Verzicht auf ſein Recht340. auf eine Schuldforderung766. im Namen derer die gebohren werden ſol - len830. auf die Nach - folge im Folgereich1015
Ver -[967]Regiſter der vornehmſten Sachen.
  • Verzinſung der Zinſen651
  • Verzug daran ſchuld ſeyn417. u. ff .541 .753 . ſich davon reinigen418. durch die Neuerung758
  • Vicarius899. S. Reichs - verweſer.
  • Vielweiderey857
  • Vieh eiſernes638
  • Vindication der Sache S. Wiederzueignung.
  • Volck974. gelehrtes, ge - rechtes, geſittetes, unge - ſittetes, wildes1096 .1097 . maͤchtiges1102. zinsbares1145. ſein Ei - genthum1125. Voll - kommenheit1094 .1095 .1108 . natuͤrliche Gleich - heit1089. ſeine allgemeine Pflicht1108. beſondere Pflichten1088 .1123 . wer daſſelbe vorſtellet991. u. ff. ihre Liebe ge - gen einander1109. Lie - be des Regenten zu dem ſeinigen1077
  • Voͤlckerrecht, natuͤrliches1088 .1089. Gewohn - heitsvoͤlckerrecht1092. Vertragsvoͤlckerrecht1091. willkuͤhrliches1090
  • Vollkommenheit9. we -ſentliche, accidentale11. andter Menſchen140
  • Vollmacht551. u. ff .664 . aufkuͤndigen568. zei - tig, unzeitig562. wie - derrufen565. nach be - ſten Wiſſen und Gewiſſen erfuͤllen552. aufgetra - gener maſſen, durch was gleichguͤltiges564 .576 . die allgemeine, beſon - dere, mit oder ohne freye Hand, geheime, offenba - re552 .553 . das ſtill - ſchweigende555. zu ei - ner ſchaͤndlichen That563
  • Vollſtreckung des richterli - chen Urtheils1029. der Strafe1033. 1048
  • Vorausvermaͤchtniß938
  • Vorbehaltung im Sinne355. 800
  • Vorfahren832
  • Vorherzahlung694
  • Vorkauf, das Recht, ver - abredetes, geſetzmaͤßiges611. der Vertrag des Vorkaufs611
  • Vormund898. ſein Recht908. ſeine Beſtaͤtigung1023. wo ſeine Einwil - ligung erfordert wird905. was ihn entſchuldiget undP p p 4untuͤch -[968]Regiſter der vornehmſten Sachen. untuͤchtig macht901. die Verpfaͤndung ſeiner Guͤ - ther an den Pupillen904. ob er Ehrengeſchencke und Beſoldung nehmen darf906. der im Teſtament geſetzte, rechtliche, gegebe - ne898. zu der Erzie - hung, zur Verwaltung des Vermoͤgens, bloß als Aufſeher, Obervormund, Untervormund900
  • Vormundſchaft898. wie ſie entſtehet908. ihr Grund1057. was der Regent deswegen im Staat zu beſorgen ſchuldig iſt1023
  • Vornehme des Reichs992
  • Vorrecht (prærogativa)71. in der Geſellſchaft839. unter Voͤlckern1089 .1191 . (jus protimiſeos) 611
  • Vorſatz uͤberlegter, unuͤber - legter386. eine Neue - rung zu machen758. 759
  • Vorſetzlichkeit S. Bos - heit.
  • Vorſtand S. Caution.
  • Vorwand349 .350 . deſ - ſen Sittlichkeit359

W.

  • Waare587. ihre Fehler618. Vortheil und Ge - fahr bey derſelben613. u. ff.
  • Wachſamkeit968
  • Waffen1174
  • Waffenſtillſtand, allgemei - ner, beſonderer1211. ob er den Frieden aus - macht1217
  • Wahl, Koͤnigswahl die recht - maͤßige, unrechtmaͤßige1006
  • Wahlreich1005. 1007
  • Wahlloß669. S. Wahr - ſagungslooß.
  • Wahr, Wahrheit logica - liſche, moraliſche347. wahrreden347 .350 .352 . was wider jemanden der ſich erklaͤret hat fuͤr wahr gehalten wird318
  • Wahrſagung669
  • Wahrſagungslooß669. S. Zutheilungslooß.
  • Waͤiſen898. wie ihre Guͤ - ter zu verwalten ſind903. wenn ſie giltig handeln, oder nicht905
  • Waͤiſenhaus1022
  • Wandel ehrbarer49
Waſſer[969]Regiſter der vornehmſten Sachen.
  • Waſſer ſtehendes253
  • Waſſerleitungsrecht712
  • Waſſerſchoͤpfungsrecht712
  • Wechſel655. traßirter656. eigner657
  • Wechſelbrief656
  • Wechſelinhaber656
  • Wechsler655. 1036
  • Weg (ſervitus viæ) 712
  • Wegwerfang des Seinigen204. 208
  • Wehren S. Vertheidi - gung.
  • Weiber ihr Zeugniß779. ihre Nachfolge in der Re - gierung1011 .1013 . koͤn - nen im Kriege gefangen gefuͤhret werden1164. 1193
  • Werth der Sachen und Ar - beit493. der gemeine ebend .495 . ſeine Beſtim - mung498 .1021 . wie er ſich durch oͤffentliche Auflagen aͤndern laͤßt1057. der Sache im Hoffnungskauf684. in dem libellariſchen Contract732. der Waare600. u. ff. die in der Lotterie an einen geſchlagen werden ſoll673. der Zettel im Gluͤcks - topfe674. des Wechſel - briefes656. billiger, un - billiger499. im auswaͤr - tigen Handel1112. der urſpruͤngliche, hergeleite - te497. am Gelde. S. Preis.
  • Wette676. 677
  • Wettſtreit675
  • Widerwille28. der ausdruͤck - liche, ſtillſchweigende, ver - muthete28. ob durch den beyderſeitigen Ver - traͤge aufgehoben werden moͤgen444
  • Wiedererbzinsbarmachen731
  • Wiedergeben die fremde261. niedergelegte541 .543 .547 . geborgte531 .532 .538 . ſequeſtrirte Sa - chen549 .550 . was man eigenmaͤchtig weggenom - men hat288. Unkoſten S. Unkoſten erſetzen. Das nicht ſchuldige693. das ohne Urſache ange - nommene695. der Fruͤch - te274. u. ff .550 .1224 . die Sache in einerley Art, eben dieſelbe Sache515. die gleichguͤltigen SachenP p p 5527.[970]Regiſter der vornehmſten Sachen. 527. das geborgte Geld536
  • Wiedervergeltung156. ob darauf bey der Strafe zu ſehen1049
  • Wiedervergeltungsrecht156. 1160
  • Wiedervermiethung631. ausdruͤckliche, ſtillſchwei - gendeebend.
  • Wiederzueignung262 .448 . das Recht dazu264
  • Wiederzueignungskrieg1169. 1170
  • Wille ſeine allgemeine Be - ſtimmung164. der wi - drige S. Widerwille.
  • Wirthſchaftsgeſchaͤfte S. Handlungsgeſchaͤfte.
  • Witz354
  • Wohlfahrt der Geſellſchaft837 .847 . des Staats972
  • Wohlſtand54 .115 .116 . im Bauen116
  • Wohlthat470. u. ff. die - ſelben vergelten474 .822. 894
  • Wohlthaͤter470. 826
  • Wohnung (domicilium)1103. die natuͤrliche, an - genommene ebend. (habi - tationis ſervitus) 723
  • Worte, ihre Bedeutung S. Bedeutung. Wer ſie im Verſprechen auslegen darf796. auf weſſen Worte bey der Auslegung am meiſten zu ſehen iſt817. S. Auslegung. was fuͤr Worte in den Ver - traͤgen zu gebrauchen ſind798. derer ſich Zeugen bedienen ſollen780. nicht Wort halten389. ob das genug iſt von dem Vertrage deswegen abzu - gehen442. offenbare, verſchwiegene355. un - nuͤtze360
  • Wucher649. ſoll im Staat nicht geduldet werden1021
  • Wuͤrden buͤrgerliche992. 1061
  • Wuͤrdigkeit80

Z.

  • Zahlung des Geldes596. an Zahlungsſtatt angeben757. Zahlungstermin ver -laͤngern[971]Regiſter der vornehmſten Sachen. laͤngern572. ob dadurch eine Nenerung vorgehet758
  • Zergliederung todter menſchlicher Koͤrper, ob ſie ſich geziemet825
  • Zeuge779. wovon und wie ſie zeugen muͤßen780. wenn man ſie in Verwah - rung bringen kann1033. Augenzeuge, Zeuge vom hoͤren, beſchworner, fal - ſcher, glaubwuͤrdiger, ver - daͤchtiger, wahrhafter778. in ſeiner eignen Sache779
  • Zeugeneid778
  • Zieraten117
  • Zinſe (penſio)620. S. Lohn.
  • Zinſe (cenſus), geſetzte, vorbehaltene733
  • Zinſen (uſuræ)649. Ju - denzinſen ebend. wenn die ordentlichen in dem Transportcontract zu lau - fen anfangen680
  • Zinscontract733
  • Zinsgut733
  • Zinsherr, Zinsmann733
  • Zoll1057. wie man ihn einrichten ſoll1114
  • Zubuſſe683
  • Zuchthauß1022
  • Zuͤchtigung vaͤterliche889
  • Zueignung (des Kaufs) auf einen beſtimmten Tag, be - dingte, unbedingte608. des Schuldners zu ſeinem Knecht950
  • Zueignung (occupatio)210 .212 . u. ff. der erbloſen Erbſchaft934. eines Strichs Landes1127 .1136. S. Eroberung.
  • Zufall wer dafuͤr bey gelie - henen520 .521 . nieder - gelegten541. geborgten537. gemietheten Sachen633. u. ff. bey Pfaͤndern ſtehen muß702. wen er bey dem Nießbrauch716. bey dem einem Nießbrauch aͤhnlichen Recht trift719
  • Zulaſſungsgeſetz47. das buͤrgerliche was es wircket1069. wie es dasjenige enthalten kann, was dem Recht der Natur zuwider iſt1046. 1069
  • Zurechnung3. u. ff .20 .26 .34 .60 .558 . wenn die Be - leidigungen eintzeler Buͤr - ger dem gantzen Volck zu - gerechnet werden koͤnnen1133.[972]Regiſter der vornehmſten Sachen. 1133. der Thaten der Eltern denen Kindern, und umgekehrt873. des Ver - zugs418
  • Zuruͤcktreibung des Rechts1161
  • Zuſage bloſſe382 .385.389. 390
  • Zuſammenkuͤnfte des Got - tesdienſts wegen179
  • Zuſtand, innere, aͤuſſere8. natuͤrliche96. ſittliche96. urſpruͤngliche, entſtandene102
  • Zutheilungslooß669. 672
  • Zuwachs S. das Dazu - kommen.
  • Zweydeutigkeit im Reden353. wie ihre Auslegung anzuſtellen iſt803
  • Zweykampf787
  • Zwiſchenreich1005

ENDE.

[973][974][975][976]

About this transcription

TextGrundsätze des Natur- und Völckerrechts
Author Christian von Wolff
Extent1012 images; 181258 tokens; 14554 types; 1296029 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationGrundsätze des Natur- und Völckerrechts worinn alle Verbindlichkeiten und alle Rechte aus der Natur des Menschen in einem beständigen Zusammenhange hergeleitet werden Christian von Wolff. . [16] Bl., 920 S., [26] Bl. RegnerHalle (Saale)1754.

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HAB Wolfenbüttel HAB Wolfenbüttel, M: Rp 183Dig: http://diglib.hab.de/drucke/rp-183/start.htm

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Recht; Wissenschaft; Recht; core; ready; china

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Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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ImprintBerlin 2019-12-09T17:35:54Z
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ShelfmarkHAB Wolfenbüttel, M: Rp 183
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