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Grundſaͤtze des Natur - und Voͤlckerrechts,
worinn alle Verbindlichkeiten und alle Rechte aus der Natur des Menſchen in einem beſtaͤndigen Zuſammenhange hergeleitet werden.
Herausgegeben vonChriſtian Freyherrn von Wolff,Koͤnigl. Preußl. Geheimden Rath, der Halliſchen Univerſitaͤt Cantzler und Senior. Auf Verlangen aus dem Lateiniſchen ins Teutſche uͤberſetzt. Halle im Magdeburgiſchen, zu finden in der Rengeriſchen Buchhandlung. 1754.

Sr. Koͤnigl. Hoheit Dem Durchlauchtigſten Fuͤrſten und Herrn HERRN Auguſt Wilhelm Printzen in Preußen u. ſ. w. Seinem gnaͤdigſten Herrn.

Durchlauchtigſter Fuͤrſt und Herr,

Wahrheit und Gerechtigkeit ſind die Stuͤtzen des ge - meinen Weſens: fehlen jene, ſo faͤllet dieſes uͤber den Haufen. Die Wahr - heit kann von der Gerechtigkeit nichtgetren -getrennet werden, wenn anders nicht die Sitten, welche die gemeine Mey - nung gut heiſſet, den betriegeriſchen Schein derſelben annehmen ſollen. Es beſtehet aber die Gerechtigkeit in ei - nem beſtaͤndigen und unwandelbaren Willen einem jeden ſein Recht wieder - fahren zu laſſen, und folglich niemand zu beleidigen, oder ein Unrecht zu - zufuͤgen. Was unter dem Recht ver - ſtanden werde, kann man nicht voͤllig einſehen, wenn man nicht zugleich er - kennet, was gut, billig und richtig ſey. Demnach thut ein Gerechter nichts ohne eine Empfindung von ſei -) (3nerner Pflicht, und ohne ein Beſtreben recht zu handeln; und auf ſolche Art erwirbt er ſich einen gegruͤndeten und wahrhaften Ruhm, welchen keine aus Neid erwachſene Verleumdung zu ſchande machen kann. Die Guͤte, Bil - ligkeit und Richtigkeit der menſchli - chen Handlungen bewircket nicht die Meynung der Menſchen, als welche weder beſtaͤndig iſt, noch auch mit ſich in allen uͤbereinſtimmet; ſondern es ſtammet ſelbſt von der Natur der Menſchen her, und hat in dem Weſen und Natur der Dinge den hinreichen - den Grund, daß ſie gut, billig undrechtrecht ſind. Derowegen unterſcheidet ſich die Wahrheit von der Meynung, als welche ihre ewige Dauer ſelbſt von dem unveraͤnderlichen Weſen und Na - tur, wie der Menſchen, alſo auch der uͤbrigen Dinge, herleitet. Es brin - get auch die Meynung, indem ſie nie - mahls einen feſten und unbeweglichen Beyfall gewaͤhren kann, keinen be - ſtaͤndigen und unwandelbaren Willen mit ſich; ſondern es iſt das Gemuͤth nicht ſelten in einer Sache von der aͤuſſerſten Wichtigkeit zweifelhaft, und kommt an Klippen. Die Wahrheit allein, als welche nur eine einige und) (4unver -unveraͤnderlich iſt, nie aber jemand hinter das Licht fuͤhret, verdienet ei - ne Mutter der Beſtaͤndigkeit und des immerwaͤhrenden genennet zu werden. Dieſes hat mich bewogen, das keuſche und heilige Recht, welches die Natur ſelbſt unter eintzelnen Menſchen und Voͤlckern geſtiftet hat, daß es der Grund, den man nie erſchuͤttern kann, von der Gluͤckſeligkeit des gantzen menſchlichen Geſchlechts ſeyn ſollte, aus der eignen Natur des Menſchen in einem ununterbrochenen Zuſam - menhange, wiewol in einer abgepaſ - ſeten Kuͤrtze, damit ich mehrerennuͤtzlichnuͤtzlich ſeyn koͤnte, in ein kleines, doch aͤchtes Lehrgebaͤude zu bringen, wobey ich aber geſorget habe, daß die Kuͤrtze der Deutlichkeit keinen Nach - theil erwecken moͤchte. Dieweil ich nun ſattſam uͤberzeuget bin, daß Ew. Koͤnigl. Hoheit, als welche Wahrheit und Gerechtigkeit lieben, die Arbeit, welche ich zu ſtande ge - bracht, nicht misfallen werde: ſo un - terſtehe ich mich Hoͤchſt Denenſel - ben dieſes den Blaͤttern nach kleine, in Abſicht aber auf den Nutzen groſ - ſe, und des Reichthums der Sachen halber wichtige Buch in tiefſter Un -) (5terthaͤ -terthaͤnigkeit zu uͤberreichen, und mich zugleich Dero Gnade zu empfehlen, nebſt dem innbruͤnſtigen Wunſch, daß GOtt Dieſelben im Hoͤchſten Wohl - ſeyn erhalten wolle. Jch erſterbe

Ew. Koͤnigl. Hoheit unterthaͤnigſter und Ehrfurchts - volleſter Diener Chriſtian Freyherr von Wolff.

Vorrede.

Nachdem ich das wichtige Werck des Natur - und Voͤlckerrechts gaͤntzlich zum Ende gebracht ha - be; ſo faße ich nunmeh - ro, damit ich vieler Nu - tzen befoͤrdern moͤchte, dasjenige, was in jenem weitlaͤuftig abgehandelt worden, in einer fuͤglichen Kuͤrtze zuſammen, und ſtel - le es unter dem Titel der Grundſaͤtze desNatur -Vorrede. Natur - und Voͤlckerrechts an das Licht. Doch muß ich von dieſem Vorhaben Re - chenſchaft geben. Da mir die Liebe zur Wahrheit gleichſam von Natur eingepflan - tzet iſt, und ich deßwegen ſchon oft erinnert habe, daß ich mich aus keiner andern Ab - ſicht auf die Erlernung der Matheſis be - flißen, als die Urſach von der ſo groſſen Ge - wißheit in der Geometrie auf das genaueſte zu erkennen; ſo hat mir, als ich dieſe er - kant hatte, nichts ſo ſehr am Hertzen gele - gen, als daß ich die Wahrheit offenbar machte, und ihr nicht aus einer Ueberre - dung ſondern aus Ueberzeugung meinen Beyfall ertheilete. Mit eben dieſem Ge - muͤthe bin ich zu der Auswicklung der Rech - te geſchritten, und habe die Quelle alles Rechts in der menſchlichen Natur gefun - den, welches von den alten ſchon lange ein - geſchaͤrfet, von den neuern wiederholet, keinesweges aber erwieſen worden; ich aber habe mich nicht durch Meynungen uͤberre - det, ſondern vielmehr bis zur Wahrheit uͤberzeuget. Auf ſolche Weiſe iſt mir nicht nur die Art, nach welcher uns die Natur ſelbſt zur Ausuͤbung und Unterlaßung ge - wiſſer Handlungen verbindet; ſondern auchderVorrede. der gantze weitlaͤuftige Umfang des Rechts der Natur, nach welchem es ſich auf alle menſchliche Handlungen, welche es auch im - mer ſind, erſtrecket, bekant worden; und ich habe endlich verſtanden, wie die poſiti - ven Rechte aus dem Rechte der Natur ent - ſtehen muͤßen, damit ſie frey von allem Ta - del vor dem Richterſtuhle der Vernunft nicht beſorgen duͤrfen, daß man wider ſie ſprechen moͤchte. Daraus folgt nun gleich - ſam von ſich ſelbſt, daß nicht weniger bey allem poſitiven Rechte, als bey dem na - tuͤrlichen, Wahrheit ſey, und dieſe durch den Weg des Beweiſes eingeſehen, und mithin was fuͤr Recht gehalten wird, oder gehalten werden ſoll, von dem, was es wircklich iſt, gewiß und genau unterſchie - den werde. Denn gleichwie das Natur - recht den Willen aller Menſchen in eintzel - nen Handlungen lencket; alſo lencket es auch den Willen des Geſetzgebers, deſſen natuͤr - liche Freyheit eben ſo wenig, als bey ein - tzelnen Menſchen, die Verbindlichkeit auf - hebet. Alles dieſes nun konte auf keine an - dere Weiſe ans Licht kommen, als wenn man den Fußtapfen des Euclidis, wel - cher die Geſetze einer wahren Vernunftleh -reVorrede. re gar ſtrenge in Obacht genommen, folgte, und demnach alle Woͤrter mit einer voll - ſtaͤndigen Erklaͤrung belegte, alle und jede Saͤtze genugſam beſtimmte, und beydes die Erklaͤrungen als auch die Saͤtze dergeſtalt ordnete, daß ſich die folgenden aus den vor - hergehenden gaͤntzlich verſtehen ließen, und die Wahrheit der letztern aus den voraus - geſetzten erhellen muſte. Damit ich dieſe mir vorgeſteckte Abſicht erhalten moͤchte, ſo habe ich in dem weitlaͤuftigen Wercke das Natur - und Voͤlckerrecht zu beweiſen unter - nommen, und es vor nicht gar zu langer Zeit zum Ende gebracht; ich zweifle auch keinesweges, ohne mich einer Ruhmraͤthig - keit ſchuldig zu machen, daß ich dadurch der gantzen Rechtsgelehrſamkeit ein Licht an - gezuͤndet habe, und es nun endlich klar ſey, was Cicero ſehr geſchicklich geſagt, daß die Rechtswiſſenſchaft nicht aus den zwoͤlf Ta - feln, noch aus den Befehlen der Praͤtoren, ſondern allerdings aus dem innerſten der Philoſophie herzuholen ſey. Denn ich ha - be nicht nur die Naturgeſetze, welche ſich ſowol auf alle privat -, als auch oͤffentliche und Voͤlckerrechte erſtrecken, in eine Ueber - einſtimmung gebracht; ſondern es iſt auchvonVorrede. von mir gewieſen worden, daß, wenn man die poſitiven Geſetze, in den Faͤllen, worinn ſie von den natuͤrlichen abweichen, nach der Richtſchnur der natuͤrlichen, vermoͤge der natuͤrlichen Theorie der buͤrgerlichen, oder poſitiviſchen Geſetze, welches gewiß auch keinen geringen Theil des Rechts der Na - tur ausmacht, ob er gleich bisher gaͤntzlich verlaſſen und unbearbeitet geblieben iſt, pruͤfet, ſich zwiſchen der natuͤrlichen und buͤrgerlichen Rechtsgelehrſamkeit die ſchoͤn - ſte Uebereinſtimmung erzeuge, und mithin in allen eine beſtaͤndige Eintracht und Ue - bereinkommen ſey. Diejenigen, welche ſich auf die Rechte legen, ſind gemeiniglich der - jenigen Methode, welche allein zur Wiſ - ſenſchaft fuͤhret, unkundig, und uͤberſehen das weite Feld des Rechts der Natur nicht. Derowegen ſcheinet es wol nicht, daß mein Werck nach ihrem Geſchmack ſeyn werde; noch vielweniger aber reimet ſich es zu der Faͤhigkeit der Anfaͤnger, als welchen auch die Weitlaͤuftigkeit im Wege ſtehet. Da mir nun das Amt das Natur - und Voͤl - ckerrecht zu lehren aufgetragen iſt; ſo mu - ſte ich mich bemuͤhen, daß ich die zur Er - kentniß der Geſetze begierige Jugend zu ei -nerVorrede. ner gruͤndlichen und gewiſſen Wiſſenſchaft des Rechts anfuͤhrete, und den wahrhaf - ten Prieſtern der Gerechtigkeit einen gebah - neten Weg zu dem innern des Rechts ver - ſchafte, damit ihnen die Reiſe nicht mehr zu langwierig zu ſeyn deuchtete, wie ich ſie in dem Wercke des Natur - und Voͤlcker - rechts angetreten hatte. Auf daß ich nun dieſe mir vorgeſetzte Abſicht erreichen moͤch - te, ſo habe ich in dieſen Grundſaͤtzen alle Erklaͤrungen und Saͤtze, welche in dem groͤſſern Werck enthalten ſind, wenige aus - genommen, die ſich durch jene leicht verſte - hen laſſen, zuſammen gefaſſet, damit nicht das geringſte vermiſſet wuͤrde, was zu dem gantzen privat, allgemeinen oͤffentlichen, und eigentlichen Voͤlckerrecht gehoͤret. Ue - berdem, welches das vornehmſte iſt, habe ich beſonders geſorget, daß man die Gruͤn - de aller Saͤtze einſehen koͤnte, und in den Erklaͤrungen nichts annehmen duͤrfte, was noch einige Dunckelheit in dem Gemuͤthe zuruͤcke ließe, daß man es nicht voͤllig ver - ſtehen koͤnte. Und darum habe ich alles in eine ſolche Ordnung gebracht, daß das fol - gende mit dem vorhergehenden beſtaͤndig zuſammen haͤngt, und dieſes vermittelſt je -nesVorrede. nes ein durchgaͤngiges Licht gewaͤhret. Es iſt zwar nicht moͤglich geweſen, in der Aus - wickelung der Gruͤnde, ſo wie es die Stren - ge des Beweiſes erfordert, und wie ich es in dem groͤſſern Wercke geleiſtet habe, aus - fuͤhrliche Beweiſe zu geben, als welche mein gegenwaͤrtiges Vorhaben nicht ver - ſtattet hat; allein dies hindert nicht, daß man nicht von allen und jeden die aͤchten Gruͤnde, welche fuͤr die hinlaͤnglich ſind, deren Augen das helleſte Licht noch nicht vertragen koͤnnen, zu erkennen im Stande waͤre. Denn es iſt nicht allen, ja gar kei - nem gleich vom erſten Anfang an gegeben, das Sonnenlicht nach Adler Art anzuſe - hen; ſondern vorerſt tappet ein jeder bey dem hellen Mittage im Dunckeln. Nach und nach aber, wenn das Licht der Seele zunimmt, wie es alſo die Gewohnheit der Natur mit ſich bringt, verlangen diejeni - gen noch ein groͤßres, welche vorher mey - neten gaͤntzlich im Hellen zu wandeln, und ſo geſchieht es endlich, daß ſie ſich nach dem, wovor ihnen vorhin eckelte, nun be - gierig ſehnen, und ihnen nichts anders Ge - nuͤge thut als Beweiſe, welche Nachah - mungen der Euclideiſchen ſind. Daraus) () (wirdVorrede. wird aber am Ende vollſtaͤndig erhellen, daß ich in dem weitlaͤuftigen Wercke des Natur - und Voͤlckerrechts keine unnuͤtze Um - ſchweife geſucht, ſondern auf keinem kuͤr - tzern Wege zum Ziel kommen koͤnnen. Jm uͤbrigen damit ich es gleichſam auf einmahl vorſtelle, wie alle Verbindlich - keiten und alle Rechte der Menſchen aus der menſchlichen Natur ſelbſt, als aus ihrer Qvelle, fließen; ſo muß ich noch eines und das andere melden. Der Menſch beſteht aus Seele und Leib; und wie dieſer aus verſchiedenen Werckzeugen zuſammengeſetzt iſt, deren Verrichtungen zuſammengenommen auf einen gemeinſa - men Endzweck losgehen, z. E. wie die Verrichtungen der Werckzeuge, wodurch das Leben beſtehet, auf die Erhaltung des gantzen Koͤrpers, oder des Lebens und deſſen Geſundheit abzwecken; ſo wohnen auch der Seele verſchiedene Ver - moͤgen bey, durch deren vereinigten Ge - brauch der einer Vernunft theilhaftige Menſch, welche ihn eben von den uͤbri - gen Thieren unterſcheidet, geſchickt ge - macht wird ein der Vernunft gemaͤßes Leben zu fuͤhren. Dieſe GeſchicklichkeitderVorrede. der Werckzeuge ihre Verrichtungen abzu - warten, und der Vermoͤgen zu ihrem Gebrauch, welchen ſie bey der Betrei - bung des Lebens eines Menſchen haben, machen die weſentliche Vollkommenheit eines Menſchen aus. Da die Natur, welche niemahls ein Haar breit von dem Pfade der Wahrheit abweichet, nicht den geringſten Widerſpruch, als der ein beſtaͤndiger Hauptfeind der Wahrheit iſt, leidet; ſo kommt derſelben keine andere Lenckung der menſchlichen Handlungen zu, als daß ſie durch eben dieſelben Endur - ſachen beſtimmet werden, wodurch ſie die natuͤrlichen Handlungen beſtimmet, und ſie folglich mit den natuͤrlichen zu einer - ley Ziel eilen. Und die Geſchicklichkeit die freyen Handlungen ſo und nicht an - ders zu beſtimmen, macht eben die zu - faͤllige Vollkommenheit des Menſchen aus. Kommt dieſe nun zu der weſentlichen Vollkommenheit, ſo ſtellet ſie die gantze Vollkommenheit des Menſchen dar. Da - her aber ruͤhret es, daß die freyen Hand - lungen der Menſchen ſich durch eine in - nere Guͤte und Schaͤndlichkeit unterſchei - den laßen. Da aber der Menſch ver -) () (2moͤgeVorrede. moͤge der Natur uͤberhaupt beſtimmet iſt das Gute zu begehren und das Boͤſe zu verabſcheuen; ſo iſt die innere Guͤte ein Bewegungsgrund gewiſſe Handlungen auszuuͤben, und die innerliche Haͤßlichkeit ein Bewegungsgrund gewiſſe Handlun - gen zu unterlaßen. Daraus erzeuget ſich nun die natuͤrliche Verbindlichkeit; und die Lenckung der Handlungen, wovon ich geredet habe, nimmt die Geſtalt eines Geſetzes an, ſo von der Natur ſelbſt ge - geben worden. Damit aber dieſer Ver - bindlichkeit Genuͤge geſchehen moͤge, ſo muß auch den Menſchen ein Vermoͤgen beygeleget ſeyn dasjenige zu thun, ohne welches kein Genuͤge geleiſtet werden kann; und alſo entſteht aus jener, als aus einer Quelle, ein Recht ſo wol zum Gebrauch der Sachen, als auch zu gewiſſen Handlungen. Es befinden ſich aber die Menſchen von der Natur, daß ſie bloß mit vereinigten Kraͤften und mit einer wechſelsweiſe einander geleiſteten Huͤlfe auf dieſe Vollkommenheit los ge - hen koͤnnen, welches die eintzige Quelle der Gluͤckſeeligkeit iſt. Und derowegen hat die Natur ſelbſt die Pflichten gegenunsVorrede. uns mit den Pflichten gegen andere durch ein freundſchaftliches Liebesband ver - knuͤpfet, daß zu beyden einerley noth - wendige und an ſich unveraͤnderliche Ver - bindlichkeit iſt. Unterdeſſen da die Kraͤf - te des Menſchen nicht unerſchoͤpflich ſind, und deswegen nicht ohne Grund verſchwen - det werden muͤßen; ſo iſt man andern keine Pflichten mit der Hintanſetzung ſei - ner ſelbſt, und uͤberdem nicht mehr als in unſerer Gewalt ſtehet, endlich auch nicht denen, welche ſelbſt in ihrer Ge - walt haben, was ſie von andern verlan - gen, ſchuldig. Weil aber keinem Men - ſchen von Natur ein Recht uͤber die Hand - lungen eines andern zukommt; ſo muß man, wie dem um ſeines Mangels wil - len bittenden, alſo auch dem, der es lei - ſten ſoll, uͤber die Verabſaͤumung ſeiner ſelbſt, und von dem, was in ſeiner Ge - walt iſt, das Urtheil laßen. Es iſt aber nicht ſelten einem fremder Huͤlfe Beduͤrf - tigen daran gelegen, daß er von dem, was er von einem andern bittet, gewiß ſey. Derowegen kommt ihm ſelbſt von Natur ein Recht zu, ſich andere zu gewiſ - ſen Gewaͤhrungen verbindlich zu machen,) () (3ſoVorrede. ſo daß dieſelben, wo ſie nicht wollen, zur Ausrichtung ihrer Schuldigkeit koͤnnen ge - zwungen werden. Daraus erwaͤchſet in Abſicht auf die Dinge, wozu man an - dern verpflichtet iſt, ein Unterſchied zwi - ſchen der vollkommenen und unvollkom - menen Verbindlichkeit; und eben daher entſteht zu dem, was uns andere ent - richten ſollen, entweder ein vollkommes, oder ein unvollkommnes Recht. Es ver - ſchwindet aber der Grund dieſes Unter - ſchiedes bey denenjenigen Dingen, welche verbothen werden, daß man ſie andern nicht thun ſolle, dieweil es allezeit gewiß iſt, daß man ſolche unterlaſſen muͤße. De - rowegen iſt in Abſicht auf die verneinen - den Handlungen die natuͤrliche Verbind - lichkeit vollkommen, ſo, daß der andere ein vollkommenenes Recht hat nicht zu leiden, daß dies und jenes geſchehe, und denjenigen, welcher etwas thut, zu zwin - gen, daß er es nicht thue, oder ins kuͤnf - tige auf das neue zu thun ſich nicht unter - fange. Weil endlich keinem von Natur ein eigenthuͤmliches Recht zu einer Sache im eintzelnen betrachtet zuſteht; ſo ſind von Natur alle Sachen, was ihren nothwen -digenVorrede. digen Gebrauch anlanget, gemein. Aus dem, was bisher geſagt worden, erhellet, welches denn der natuͤrliche, und zwar urſpruͤngliche, Zuſtand der Menſchen, welchen ſie von Natur haben, ſey. Al - lein es war nicht etwa nur ein einiger Grund, welcher die Menſchen noͤthigte, daß ſie, welches auch das Naturgeſetz gar wohl leiden kann, ja ſelbſt erfordert, von der urſpruͤnglichen Gemeinſchaft abwi - chen, und die vorher gemein geweſenen Dinge einem eigenthuͤmlichen Recht un - terwurfen. Und daher iſt das Eigenthum entſtanden, welches das Recht ſich ande - re zu gewiſſen Leiſtungen verbindlich zu machen noch weiter ausgedehnet, die Ar - beiten denen eigenthuͤmlichen Sachen gleich geſchaͤtzet, und die Verbindlichkeit Sa - chen und Arbeiten einander mitzutheilen noch den Pflichten hinzugeſetzet hat. Dar - aus fließen alle Rechte der Sachen, ſo wol in, als zu einer Sache, ſie moͤgen Nahmen haben wie ſie wollen, von freyen Stuͤcken, und das Vertheidigungsrecht erhaͤlt auch noch weitere Graͤntzen. Die Verbindlichlichkeit das menſchliche Ge - ſchlecht fortzupflantzen verknuͤpft mit der) () (4Zeu -Vorrede. Zeugung die Auferziehung auf das aller - genaueſte, und leget deswegen den Eltern ein gewiſſes Recht uͤber die Handlungen der Kinder bey. Und weil die Ehen die - ſes Endzwecks halber vollzogen werden, ſo erlangt ein Ehegatte vermoͤge der Ein - willigung ein gewiſſes Recht uͤber die Handlungen des andern. Weil auch die Leiſtung beſtaͤndiger Arbeiten fuͤr einen beſtaͤndigen Unterhalt, worinn natuͤrli - cher weiſe die Knechtſchaft beſtehet, mit dem Recht der Natur uͤbereinſtimmt; ſo tritt aus der Unterwerfung ein Recht des Herrn uͤber die Handlungen des Knechts hervor. Derowegen weil das Recht uͤber die Handlungen des andern die Herrſchaft heißt; ſo erhellet nunmeh - ro der Urſprung der Privatherrſchaft, worinn das Recht uͤber die Perſonen, wie man es gemeiniglich nennet, enthalten iſt. Da nun aber eintzelne ihre Rechte nicht genug vertheidigen, auch dieſelben von andern, die dazu keine Luſt bezeigen wuͤr - den, ohne Gewalt und ſehr zweifelhaf - ten Ausgange nicht erhalten, und nicht fuͤglich fuͤr dasjenige ſorgen konten, was zum hinlaͤnglichen Unterhalt des Lebensgehoͤ -Vorrede. gehoͤret, und zur Gluͤckſeeligkeit dienet; ſo ſind die buͤrgerlichen Geſellſchaften dem Geſetz der Natur gemaͤß zuwege gebracht worden, und ſo iſt aus der Unterwer - fung die buͤrgerliche oder oͤffentliche Herr - ſchaft, aus welcher alles oͤffentliche oder allgemeine Staatsrecht hergeleitet wird, entſtanden. Endlich da die Staaten nun - mehro als eintzelne Perſonen, welche im natuͤrlichen Zuſtande leben, angeſehen werden muͤßen; ſo treffen ſie alle Ver - bindlichkeiten und Rechte, welche alle und jede, die im natuͤrlichen Zuſtande leben, angehen. Weil nun unter dieſe Rechte auch das Recht ſich einen andern zu ge - wiſſen Leiſtungen zu verbinden gerechnet wird; ſo flieſſen daraus die Rechte der Buͤndniſſe und anderer Vertraͤge der Voͤlcker. Und weil dadurch, daß ſich eintzelne Perſonen in buͤrgerliche Geſell - ſchaften begeben haben, die Verbindlich - keit das gemeinſame Wohl mit vereinigten Kraͤften zu befoͤrdern nicht aufgehoben werden koͤnnen; ſo hat, gleichwie ſelbſt die Natur alle und jede Menſchen ver - moͤge derſelben in eine Geſellſchaft ver - ſetzet hat, auch eben dieſe Natur unter) () (5denVorrede. den Voͤlckern eine Geſellſchaft geſtiftet, aus deren Beobachtung nach Anleitung der natuͤrlichen Theorie der buͤrgerlichen Geſetze ein gewiſſes Recht, ſo mit dem buͤrgerlichen verwandt iſt, und welches, daß ich mit dem Ulpiano rede, weder gantz von dem natuͤrlichen abweichet, noch auch ſich aller Orten nach demſel - ben richtet, hergeleitet wird. Aus dem, was nur kuͤrtzlich geſagt worden, kann, wie ich meyne, nicht undeutlich erhellen, daß alle Rechte, als welche unter einan - der in beſtaͤndigen Zuſammenhange ſind, aus der menſchlichen Natur ſelbſt herge - leitet werden, und daß hiermit klar ſey, was die Alten geſagt haben, daß das Recht ſelbſt durch die Natur aufgerichtet worden ſey. Man wird dieſen Zuſam - menhang vollſtaͤndiger einſehen, wenn man dieſe Grundſaͤtze ſelbſt mit aufmerk - ſamen Gemuͤth durchzuleſen beliebet. Jm uͤbrigen werde ich kein eitler Prophet ſeyn, wenn ich vorherſage, daß, wenn ſich iemand dieſe Grundſaͤtze fein bekant gemacht hat, er eine gruͤndliche und wah -reVorrede. re Rechtswiſſenſchaft erhalten werde, da er denn das vollſtaͤndigſte Licht, ſo bald es ſeine Schaͤrfe des Geſichtes nicht mehr verletzet, aus dem groͤſſern Werck erwar - ten muß; und wenn er ſich auf das buͤr - gerliche Recht befleißiget, ſo wird er ſich faſt ohne Muͤhe eine Erkaͤntniß deſſelben zuwege bringen. Eines iſt noch zuruͤck, was ich zu erinnern fuͤr noͤthig erachtet habe, daß ich nehmlich in dieſen Grund - ſaͤtzen nichts angenommen, was man an - derswo herholen muͤße, gleichwie hinge - gen das Natur - und Voͤlckerrecht in dem groͤſſern Werck mit den uͤbrigen Theilen der Weltweisheit zuſammen gehaͤnget iſt; damit man ohne Anſtoß in denſelben fort - gehen koͤnne, wenn auch gleich ein Leſer in meinen philoſophiſchen Wercken nicht ſollte bewandert, oder auch ſo gar in der Weltweisheit noch im hoͤchſten Grade ein Fremdling und Ankoͤmmling ſeyn. Denn wenn einige Begriffe anderswoher zu ent - lehnen waren, ſo habe ich dieſelben zu - gleich erklaͤret. Gleichwie ich aber hier - mit dem mir aufgetragenen Amte ein Ge -nuͤgenVorrede. nuͤgen geleiſtet habe; ſo wuͤnſche ich nichts mehr, als daß alle, welche das Vertrauen haben, daß ihnen meine Arbeit zu ſtatten kommen koͤnne, diejenigen Fruͤchte, wel - che ich verheiße, daraus genieſſen moͤgen. Es gebe GOtt, welcher ſelbſt der Urhe - ber alles Rechtes, welches ich erklaͤret habe, iſt, daß Recht und Gerechtigkeit auf der gantzen Erde bluͤhen moͤgen!

Halle, den 4. September, im Jahr 1749.

Vorrede des Ueberſetzers.

Geehrter Leſer.

Es iſt natuͤrlich, daß ich geglaubt haben muß, wir Deutſchen haͤt - ten in unſerer Sprache zu we - nig gute Compendia des Rechts der Natur drucken laßen, denn ſonſt haͤtte ich nicht daran gedacht, die Arbeit des vor - treflichen Herrn Barons von Wolf zu uͤberſetzen. Mein Gedanke iſt vielleicht un - recht. Deutſchland iſt zu fruchtbar an pa - triotiſchen Schriftſtellern. Sie muͤſſen die -ſenVorrede des Ueberſetzers. ſen Mangel laͤngſt vollkommen erſetzt ha - ben. Vielleicht bin ich nur ſo unbekant mit den Maͤnnern, die gute Rechte der Natur deutſch geſchrieben haben. Jſt dieſes, ſo waͤre es nicht unmoͤglich, daß ich bloß aus Mangel dieſer Erkenntnis bewogen wor - den waͤre das Recht der Natur ins Deut - ſche zu uͤberſetzen. Es bewog mich aber vornaͤmlich eine andere Urſach. Ein Goͤn - ner und Freund der Gelehrten, der bey ſeinen wichtigen Geſchaͤften, die Er dem Staate und den Kriegsdienſten unſers groſſen Koͤnigs widmet, auch die philoſo - phiſchen Wiſſenſchaften als ein Kenner liebt, verlangte es von mir. Unſere Univerſitaͤt ehrt dieſen vortreflichen Herrn ſo ſehr, daß ich nicht das geringſte unterlaßen konte, was Jhn von meiner beſondern Ergeben - heit uͤberzeugte. Jch entſchloß mich zur Ueberſetzung, um Jhm die beſondere groſſe Hochachtung zu entdecken; mit welcher ich den erhabnen Character dieſes edlen GeiſtesſoVorrede des Ueberſetzers. ſo gleich verehrte, als ich das Gluͤck hatte ihn naͤher kennen zu lernen. Der Herr Baron von Wolff billigte meinen Vorſatz. Er entdeckte mir die Art, nach welcher Er wuͤnſchte, daß die Ueberſetzung eingerichtet werden moͤchte, damit die Uebereinſtim - mung mit ſeinen andern deutſchen Werken erhalten wuͤrde. Jch folgte dieſem Plan mehr als meinen eigenen Gedanken, von der Schreibart einer guten Ueberſetzung. Es iſt mir mehr daran gelegen, daß ich von dem Herrn Cantzler ſelbſt verſichert wor - den, daß die Gedancken der Ueberſetzung voͤllig mit den ſeinigen uͤbereinſtimmten, und nach ſeinem Sinn ausgedruckt waͤren; als wenn ich mit einem etwas veraͤnderten Ausdruck mehr meinem Genie gefolgt waͤre. Der Herr Cantzler hat ſich ſo gar die Muͤ - he genommen, die letzte Reviſion der ge - druckten Bogen zu uͤbernehmen, da der Abdruck nicht hier ſondern in Halle geſche - hen konte. Er hat auch in derſelben einigeAus -Vorrede des Ueberſetzers. Ausdruͤcke geaͤndert, von welchen er glaub - te, daß ſie ſeinen Sinn beſſer anzeigen. Jch habe mich beſonders bemuͤht nie von dem Redegebrauch abzuweichen, der in den Ci - vilrechten eingefuͤhrt iſt. Die Ueberſetzung hat die Abſicht erfuͤllt, die ich mir bey der - ſelben vorgeſetzt hatte. Sie hat den Beyfall des Herrn Cantzlers, unter deſſen Augen ſie bis auf den Anfang des Regi - ſters gedruckt worden iſt. Jch wuͤnſche nichts mehr, als daß ſie vielen vortheil - haft ſeyn moͤge.

Franckfurt an der Oder, den 15. April 1754. Gottlob Samuel Nicolai.

Grund -
[1]

Grundſaͤtze des Natur - und Voͤlcker - Rechts.

Der erſte Theil.

Von dem Recht der Natur uͤberhaupt, von den Pflichten gegen ſich ſelbſt, gegen andere und gegen GOtt.

Das erſte Hauptſtuͤck.

Von dem Unterſchied der menſchlichen Handlungen und ihrer Zurechnung.

§. 1.

Jnnere Handlungen nenntDie in - nere Hand - lungen man diejenigen, welche allein durch die Kraft der SeeleNat. u. Voͤlckerrecht. Awuͤrck -2I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. und aͤuſ - ſere, freye und noth - wendige.wuͤrcklich werden; aͤußete Handlungen aber ſind diejenigen, welche durch die Be - wegung der Theile unſers Koͤrpers die Wuͤrck - lichkeit erhalten. Es ſind aber dieſelben entweder freye Handlungen, welche auf einige Weiſe von dem freyen Willen ab - haͤngen; oder natuͤrliche (nothwendige), welche von demſelben nicht abhaͤngen, ſondern durch das Weſen und die Natur der Seele und des Koͤrpers beſtimmt werden. Daher iſt klar, daß es keine aͤußere freye Handlungen giebt, ohne daß innere dabey ſind, mit welchen ſie zuſam - menhaͤngen.

§. 2.

Eine po - ſitive oder be - gangene und pri - vative oder un - terlaſſene Hand - lung.

Es iſt uͤberdem eine Handlung entwe - der poſitiv, eine auszuuͤbende (actio poſiti - va), wenn ſie in der That ausgeuͤbet wird; oder privativ, eine zu unterlaßende (actio privativa), welche in der Unterlaßung einer Handlung beſteht, welche gethan werden konnte. Eine poſitive freye Handlung heiſt eine Begehungs-That (factum com - miſſionis). Eine privative, oder verneinen - de freye Handlung, heiſt eine Unterlaſ - ſungs-That (factum omiſſionis). Dieſe pflegt man auch ſchlechtweg die That (fa - ctum), jene die Unterlaſſung (non fa - ctum) zu nennen. Oft verſteht man auch, nach Beſchaffenheit der Sache,von3und ihrer Zurechnung. von welcher man redet, unter der That die Unterlaßung zugleich mit.

§. 3.

Wenn ein Menſch etwas frey ausuͤbt,Die Zu - rechnung. oder unterlaͤßt; ſo nennt man ihn eine freye Urſache der Handlung, eben wie er auch die freye Urſache von allem demje - nigen genannt wird, was aus derſelben Handlung folgt. Das Urtheil, wodurch man erklaͤrt, die freye Urſache ſey entweder die handlende Perſon von der Handlung ſelbſt, oder desjenigen, was aus derſelben erfolgt, es ſey gut, oder boͤſe, wird die Zu - rechnung genannt. Daher koͤnnen kei - ne andere Handlungen zugerechner werden, als die freyen, in ſo weit, als ſie frey ſind; folglich auch diejenigen, welche, wenn man ſie an und vor ſich ſelbſt betrachtet, zwar natuͤrliche Handlungen ſind, aber dennoch von einer vorhergehenden freyen Hand - lung abhaͤngen.

§. 4.

Wer ſo handelt, daß er von einem andernEine ge - zwunge - ne Hand - lung. durch eine aͤußere Gewalt angetrieben wird, und bey der Handlung ſich wie ein Werck - zeug (inſtrumentum) verhaͤlt, der handelt gezwungen. Aber gezwungen leidet derjenige, welcher die Kraͤfte nicht hat, der Handlung eines andern zu wieberſtehen. Jn dieſem Falle iſt der Mangel des Wie -A 2derſte -4I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. derſtehens eine privative, (verneinende), gezwungene Handlung (actio priva - tiva coacta). Weil eine gezwungene Handlung keine freye Handlung iſt; ſo kann ſie niemanden, als dem, der ſie er - zwinget, zugerechnet werden: Wenn man ſie aber nachher billiget; ſo wird die Billigung zugerechnet.

§. 5.

Eine Hand - lung wie - der Wil - len, mit Willen, oder freywil - lige.

Von einer gezwungenen Handlung iſt diejenige unterſchieden, welche man eine Handlung wieder Willen nennet (actio - nem invitam), wenn jemand das thut, was er lieber unterlaſſen, und das unterlaͤßt, was er gern thun wolte, wenn er nur ein Uebel, welches aus der entgegen geſetzten Hand - lung entſtehet, vermeiden koͤnte. Dieſer wird die freywillige Handlung mit Wil - len (actio voluntaria) entgegen geſetzet, welche weder gezwungen iſt, noch wieder den freyen Willen desjenigen, der handelt, ausgeuͤbet wird. Eine Handlung wie - der Willen wird alſo vollbracht, wenn jemand entweder durch Furcht, oder Gewalt von einem andern bewogen wird, etwas zu thun, oder zu unter - laßen. Eine Handlung wieder ſei - nen Willen wird dennoch zugerechnet, obgleich weniger, als eine freywillige Handlung (§. 3.); weil derjenige, dernicht5und ihrer Zurechnung. nicht freywillig (ungern) eine Handlung ausuͤbt, einige Entſchuldigung hat.

§. 6.

Es ſind aber die freyen HandlungenDie - berlegte Hand - lung, die unuͤber - legte, die Ueberle - gung. entweder uͤberlegte, welche nicht eher, als nach geſchehener Ueberlegung (conſultatio - ne), ausgeuͤbet werden; oder unuͤberlegte, wenn jemand, ohne daß er vorher die Sache uͤberleget, die Handlung ausuͤbt. Es be - ſtehet aber die Ueberlegung in der Wuͤrckung des Verſtandes, durch welche man unter - ſucht, ob eine Handlung auszuuͤben ſey, oder nicht, und auf was vor Art dieſelbe auszu - uͤben ſey. Da nun eine uͤberlegte Hand - lung mehr eine freye Handlung iſt, als ei - ne unuͤberlegte (§. 1.); ſo wird eine - berlegte Handlung mehr zugerech - net, als eine unuͤberlegte; und je mehr die Handlung uͤberlegt worden iſt, deſto mehr wird ſie zugerechnet.

§. 7.

Alles Vermoͤgen (facultates) der SeeleDie Be - ſtim̃ung der Hand - lungen. iſt an und vor ſich ſelbſt zu gewiſſen Hand - lungen, und alle Glieder des Koͤrpers ſind zu gewiſſen Verrichtungen geſchickt; folg - lich ſind ſo wohl dieſe, als jene zu einem ge - wiſſen Zweck beſtimmt, auf welchen die na - tuͤrlichen Handlungen, oder die Handlun - gen der Natur abzielen (§. 1.). Es iſt aber aus der Erfahrung klar, daß die freyen Handlungen, entweder durch ebenA 3die -6I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. dieſelben Endurſachen (rationes fina - les) beſtimmt werden koͤnnen, durch welche die natuͤrlichen Handlungen beſtimmt werden; oder daß es durch verſchiedene geſchehen koͤnne.

§. 8.

Der in - nere Zu - ſtand und der aͤuſ - ſere.

Der Zuſtand uͤberhaupt beſtehet darinn, wenn veraͤnderliche Beſtimmungen (Dinge), d. i. diejenigen die auch anders beſchaffen ſeyn koͤnnen, mit einerley beſtaͤndigen Be - ſtimmungen (Dingen), die nicht anders be - ſchaffen ſeyn koͤnnen, zugleich wuͤrcklich ſind. Dieſer Zuſtand iſt der innere, in ſo weit als dieſe veraͤnderliche Beſtimmungen in eben demſelben Subject ſich befinden; oder der aͤuſſere, in ſo weit ſie ſich neben dem Subject befinden, oder von auſſen zu dem - ſelben gerechnet werden.

§. 9.

Die Vollkom - menheit.

Die Vollkommenheit einer Sache uͤberhaupt beſtehet in der Uebereinſtimmung des Mannigfaltigen in einem, oder des Vie - len, was von einander unterſchieden in ei - ner Sache enthalten iſt. Die Ueberein - ſtimmung aber nennt man die Beſtim - mung, wodurch alles, etwas gewiſſes zu er - halten, zuſammen geſchickt iſt. Alſo beſte - het die Vollkommenheit einer Uhr darinne, daß ſie durch ihre Einrichtung die Stun - de und ihre Theile genau anzeigen kann.

§. 10.7und ihrer Zurechnung.

§. 10.

Jm Gegentheil beſtehet die Unvoll -Die Un - vollkom - menheit. kommenheit in dem Mangel der Ueber - einſtimmung (diſſenſu) des Mannigfaltigen, oder des Vielen, ſo von einander unterſchie - den iſt in einer Sache. Es beſtehet aber der Mangel der Uebereinſtimmung (diſſenſus), wenn in derſelben nicht alles ſo beſchaffen iſt, wie es ſeyn ſollte, um da - durch zuſammen etwas gewiſſes zu erhalten. Alſo iſt ein unvollkommenes Auge, wenn einige Dinge in der Einrichtung deſſelben vorkommen, welche verhindern, daß eine Sache, die man ſiehet, nicht klar und deutlich in demſelben abgebildet werden kann.

§. 11.

Es iſt aber die weſentliche Vollkom -Die we - ſentliche und acci - dentelle Vollkom - menheit; Hand - lungen, welche dahin ab - zielen. menheit (perfectio eſſentialis) diejenige, welche in der Uebereinſtimmung der weſent - lichen Beſtimmungen enthalten iſt; durch welche man ſich naͤmlich eine Sache, als ei - ne Sache von dieſer Art, oder Gattung vor - ſtellet. Die accidentelle (accidentalis) Vollkommenheit aber iſt diejenige, wel - che in der Uebereinſtimmung der accidentel - len Beſtimmungen mit den weſentlichen be - ſtehet; als z. E. wenn die Fertigkeit erhal - ten wird, die Kraͤfte der Seele, oder die be - wegenden Glieder des Koͤrpers zu gebrau - chen. Die accidentelle Vollkommen -A 4heit8I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. heit muß alſo eben denſelben Beſtim - mungsgrund haben, den die weſent - liche Vollkommenheit hat (§. 9.); daher haben die freyen Handlungen, welche mit den natuͤrlichen durch ei - nerley Endzwecke (rationes finales) be - ſtimmt werden, die Abſicht, die Voll - kommenheit des Menſchen, oder ſei - nes Zuſtandes zu befoͤrdern (§. 8. 9. ); und derowegen befoͤrdern diejenigen die Unvollkommenheit, welche durch verſchiedene Endzwecke beſtimmt werden.

§. 12.

Die gu - ten und boͤſen Hand - lungen.

Da man alles dasjenige gut nennet, was den Menſchen und ſeinen Zuſtand voll - kommener macht; boͤſe oder uͤbel aber, was denſelben unvollkommener macht; ſo ſind diejenigen freyen Handlungen gut, die zur Vollkommenheit des Men - ſchen und ſeines Zuſtandes behuͤlflich ſind; und folglich mit den natuͤrlichen Handlungen, durch einerley Endzwe - cke beſtimmt worden ſind. Boͤſe aber ſind diejenigen, welche auf die Un - vollkommenheit des Menſchen und ſeines Zuſtandes abzielen; und folglich mit den natuͤrlichen Handlungen nicht durch einerley Endzwecke, ſon - dern durch verſchiedene beſtimmt werden.

§. 13.9und ihrer Zurechnung.

§. 13.

Eine Handlung iſt an und vor ſichEine Hand - lung die an und vor ſich ſelbſt gut, an und vor ſich ſelbſt boͤ - ſe, an und vor ſich ſelbſt gleich - guͤltig iſt. ſelbſt gut (actio in ſe bona), welche durch ihre weſentliche Beſtimmungen, das iſt durch diejenigen, welche machen, daß man ſie ſich als eine ſolche Handlung vorſtellt, gut iſt. Auf eben die Art erkennet man, was eine an und vor ſich ſelbſt boͤſe Handlung ſey (actio in ſe mala). Die Handlung aber, welche in ſich betrachtet we - der gut, noch boͤſe iſt, wird eine an und vor ſich gleichguͤltige Handlung (actio per ſe indifferens) genannt. Jn ſo fern ſie aber wegen der zufaͤlligen (acciden - tales) Beſtimmungen, die dazu kom - men, entweder zu unſerer, oder un - ſeres Zuſtandes Vollkommenheit, oder Unvollkommenheit gereichet, wird ſie entweder gut, oder boͤſe.

§. 14.

Derowegen haben die HandlungenDie in - nere Guͤ - te und das inne - re Uebel (Schaͤd - lichkeit) der Hand - lungen. eine innere Guͤte, oder ein inneres Uebel; in ſo fern ſie an und vor ſich ſelbſt gut, oder boͤſe ſind, oder wegen der hinzu - kommenden Beſtimmungen (accidentales determinationes) gut, oder boͤſe werden; daß es alſo nicht noͤthig iſt, daß ſie erſt durch einen Befehl gute, oder durch ein Verboth boͤſe Handlungen werden.

A 5§. 15.10I. Th. 1. H. Unterſchiede menſchl. Handl.

§. 15.

Hand - lungen, welche ei - nen Be - wegungs - grund in ſich ent - halten, und an und vor ſich ſelbſt begeh - rens-odeꝛ verab - ſcheu - ungswuͤꝛ - dig ſind.

Weil die Natur des Menſchen ſo be - ſchaffen iſt, daß er das Gute begehret, das Boͤſe aber verabſcheuet; ſo ſind die in ſich guten, oder boͤſen Handlungen an und vor ſich ſelbſt begehrens - oder verabſcheuungswuͤrdig (actiones in - trinſecae bonae, vel malae per ſe appeti - biles, vel averſabiles ſunt). Denn die Handlungen, bey welchen ein inne - res Gute, oder ein inneres Boͤſe be - findlich iſt, (actiones bonitatem, vel ma - litiam intrinſecam habentes) ſind an und vor ſich ſelbſt gut, oder boͤſe, oder werden wegen der dazu kommenden Beſtimmungen (propter determinationes accidentales ac - cedentes) gut, oder boͤſe (§. 14.); folglich enthalten ſie einen Bewegungsgrund in ſich, ſie zu wollen, oder nicht zu wollen (motivum volitionis & nolitionis in ſe continent); ſo daß, wenn man ſie deutlich erkennet, man ſie entweder will, oder nicht will. Daher aber erhellet fer - ner, 1) daß die Handlungen, welche die Volkommenheit des Menſchen, oder ſeines Zuſtandes befoͤrdern, ei - nen Bewegungsgrund in ſich ent - halten, ſie zu wollen, und alſo an und vor ſich ſelbſt begehrungsfaͤhig ſind, oder ſo beſchaffen, daß man ſie will; 2) daß aber die Handlungen, welchedie11und ihrer Zurechnung. die Unvollkommenheit des Menſchen, oder ſeines Zuſtandes befoͤrdern, einen Bewegungsgrund in ſich enthalten, ſie nicht zu wollen, und alſo an und vor ſich ſelbſt verabſcheuungsfaͤhig ſind, oder ſo beſchaffen, daß man ſie nicht will.

§. 16.

Die Richtigkeit einer HandlungDie Richtig - keit einer Hand - lung. (rectitudo actionis) iſt die Uebereinſtim - mung derſelben mit allen weſentlichen Be - ſtimmungen des Menſchen, ſo daß alſo die Handlung den hinreichenden Grund in ih - nen allen zuſammen genommen habe; und folglich durch dieſelben deutlich eingeſehen werden koͤnne, warum ſie ſo und nicht an - ders beſchaffen ſeyn muͤße. Eine richti - ge Handlung erfordert alſo den uͤber - einſtimmenden Gebrauch aller Kraͤfte der Seele, wie auch der bewegenden Kraft (fa - cultatis loco motivæ).

§. 17.

Derowegen, wenn bey einer freyenDer Mangel der Hand - lung, die Schuld, die Boß - heit. Handlung entweder von Seiten des Verſtandes, oder des Willens, oder der bewegenden Kraft etwas fehlt; ſo entſteht ein Mangel der Richtig - keit. Man nennt aber den Mangel der Richtigkeit einer Handlung, welchen man durch den Gebrauch des Verſtandes haͤtte vermeiden koͤnnen (vincibilem), ein Verſe -hen12I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. hen (culpam). Wenn es aber am Willen fehlet, Boßheit, oder auch unterweilen Vor - ſetzlichkeit (dolum). Ueberhaupt pflegt man auch den Mangel der Richtigkeit einer Handlung im Lateiniſchen culpam zu nen - nen. Ueberwindlich iſt (vincibile), was durch den Gebrauch ſeiner Kraͤfte ver - mieden werden konte. Daher iſt klar, daß ſo wohl die Handlungen, die aus Verſehen, als mit Vorſatz geſchehen, einem zugerechnet werden koͤnnen (§. 3.). Jm Gegentheil aber nennt man das unvermeidlich (invincibile), was durch den Gebrauch unſerer Kraͤſte gar nicht vermieden werden kan. Derowegen weil wir diejenigen Dinge, die durch einen bloſſen Zufall geſchehen, daran wir gar keine Schuld haben, unmoͤglich vermeiden koͤnnen; ſo koͤnnen ſie uns auch nicht zu - gerechnet werden (§. cit. ); als z. E. wenn der Hagel das Getreyde niederſchlaͤgt, oder eine Ueberſchwemmung ein Haus ein - reiſſet.

§. 18.

Was mit Vorſatz und aus Verſehen geſchie - het.

Weil es unmoͤglich iſt, daß wir etwas unbekanntes wollen, oder nicht wollen koͤn - ten; und alſo der Wille und das Nichtwol - len von dem Verſtande, oder der Erkentniß - kraft abhaͤngen; ſo thut derjenige, der vorſetzlich eine boͤſe Handlung voll - bringet, ſolches mit Wiſſen und Wil -len;13und ihrer Zurechnung. len: Wenn er aber aus Verſehen et - was thut; ſo geſchiehet es ohne ſein Wiſſen und Willen.

§. 19.

Das Verſehen und die Boßheit beſtehenUrſprung des Ver - ſehens und der Bosheit. in einem Mangel der Richtigkeit der Hand - lung, den man haͤtte vermeiden koͤnnen (§. 17.). Der Mangel, den man vermeiden kan, entſtehet aus Unterlaſſung des Ge - brauchs unſerer verliehenen Kraͤfte (§. cit.). Alſo kommet das Verſehen und die Boßheit von dem Mangel des Gebrauchs unſerer Kraͤfte.

§. 20.

Von dem Mangel des Gebrauchs mußDas Un - vermoͤ - gen zu handeln. man das Unvermoͤgen zu handeln (impotentiam agendi) unterſcheiden. Es beſtehet daſſelbe darinnen, daß der Gebrauch der Seelen - und Leibes-Kraͤfte nicht von un - ſerem Willen abhaͤnget; und alſo derſelbe uns unmoͤglich wird. Was von dieſem Unvermoͤgen herruͤhret, kan nicht vermieden (§. 17.), und folglich auch nicht zugerechnet werden, wofern wir uns daſſelbe nicht durch unſere Schuld zugezogen haben (§. cit.).

§. 21.

Es giebt viele Wuͤrckungen, welche zurDie Ar - ten des Verſe - hens. Erkentnißkraft gehoͤren; und bey freyen Handlungen, zu den Wuͤrckungen der bewe - genden Kraft vorausgeſetzt werden muͤſſen. Nach14I. Th. 1. H. Unterſchiede menſchl. Handl. Nach ihrer Verſchiedenheit, giebt es daher auch verſchiedene Arten des Verſehens. Al - ſo iſt der Mangel der Aufmerkſamkeit bey unſern Handlungen die Unachtſamkeit (incogitantia); wenn man unterlaͤßt, das - jenige zu bedencken, wodurch man erkennen koͤnnte, was aus ſeiner Handlung unter den gegenwaͤrtigen Umſtaͤnden Gutes oder Boͤſes erfolgen koͤnte, die Unbedachtſam - keit (inconſiderantia); wenn man nicht acht hat auf das Schlimme, was in gegen - waͤrtigem Falle erfolgen kan, und man haͤt - te vorausſehen koͤnnen, die Unvorſich - tigkeit (improvidentia); wenn man alle Ueberlegung, die zur Richtigkeit einer Handlung erfordert wird, bey Seite ſetzet, die Uebereilung (præcipitantia in agendo); der Mangel der Beurtheilung, was zu thun rathſamer ſey, nach Beſchaffenheit der ge - genwaͤrtigen Umſtaͤnde, die Unklugheit (imprudentia); die Abweſenheit aller Sorgfalt wegen der Richtigkeit der Hand - lung, die Sorgloſigkeit (incuria); die Unterlaſſung alles deſſen, was in gewiſſer Abſicht geſchehen ſollte, welche von dem Mangel des Gebrauchs der Erkentnißkraͤf - te herruͤhret, die Nachlaͤßigkeit (ne - gligentia). Daher iſt klar, weswegen man gemeiniglich alle Arten des Verſehens un - ter dem Namen der Nachlaͤßigkeit zu be - greifen pflegt; und daß der Fleiß (dili -gentia),15und ihrer Zurechnung. gentia), welcher ihr entgegen geſetzet wird, darinnen beſtehet, daß man alles dasjenige thut, was in einer gewiſſen Abſicht geſche - hen muß.

§. 22.

Man hat auch einen Mangel der Rich -Das mittlere, oder vor - ſetzliche Verſe - hen. tigkeit der Handlung, welcher in dem Falle entſtehet, da gewiſſe Pflichten nicht zugleich beobachtet werden koͤnnen, und die Ausnah - me nicht recht gemacht wird. Dieſe wol - len wir das mitlere Verſehen, oder das Mitlere zwiſchen Verſehen und Boß - heit (culpam mediam) nennen, andere nennen ſie ein vorſetzliches Vorſehen (culpam propoſiti); als z. E. wenn je - mand, aus Mitleiden, dem Knecht des an - dern, der gefeſſelt iſt, die Ketten loß macht, damit er davon laufen kan. Was alſo durch eine mitlere Handlung zwi - ſchen Verſehen und Boßheit ge - ſchieht, das weiß einer zwar, aber er will es doch nicht vor und an ſich ſelbſt (directe). Dieſes Mitlere zwi - ſchen Verſehen und Boßheit wird unten, bey der Abhandlung von den Pflichten, die nicht zugleich beobachtet werden koͤnnen (colliſio - ne officiorum), klaͤrer werden.

§. 23.

Die Intention (intentio agentis) iſt dasDie In - tention, ſowohl die ei - Wollen desjenigen (volitio ejus), warum man etwas thut; als z. E. wenn man einfal -16I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. gentliche, als die entfernte.falſches Zeugniß ableget, damit ein Unſchul - diger verdammt werden ſoll. Dieſe Inten - tion iſt die eigentliche (directa), wodurch eben dasjenige hervor gebracht werden ſoll, warum man etwas thut; als in dem gege - benen Exempel iſt die eigentliche Intention, daß der Unſchuldige ſoll verdammet werden. Die entfernte Intention (indirecta) iſt, da man eben dasjenige an und vor ſich ſelbſt nicht will, was aus ſeiner Handlung erfolgt, welches doch aber eben ſo wohl, als das, was man will, aus derſelben er - folgen kann. Gleicherweiſe iſt die Abſicht theils unmittelbar (immediata), da man auf eine Sache, um ihrer ſelbſt willen, ei - ne Abſicht hat; theils mittelbar (mediata), da man auf eine Sache wegen einer andern die Abſicht hat, in ſo ferne wir naͤmlich durch dieſelbe das erhalten, worauf man die Abſicht hat.

§. 24.

Eine gu - te Liſt und eine ſchlimme.

Die Alten nenneten eine gute Liſt (dolum bonum), die Verſtellung ſeiner wahren Willensmeinung, wegen einer nicht unerlaubten Abſicht. Daher wird, im Ge - genſatz gegen dieſelbe, das eine ſchlimme Liſt (dolus malus) genennet, wovon wir vorhin geredet und welche wir die Boßheit genannt haben (§. 17.).

§. 25.17und ihrer Zurechnung.

§. 25.

Die ſchlimme Liſt, oder Boßheit, wirdEine vor - ſetzliche Boßheit, und eine zum Theil unvorſetz - liche Boß - heit. eingetheilt 1) in die vorſetzliche Boß - heit (dolum ex propoſito), da man das Uebel, was aus einer Handlung entſpringet, entweder eigentlich, oder entfernter Weiſe zur Abſicht hat. 2) Jn die zum Theil unvorſetzliche Boßheit (dolum ex re), da man das Uebel zwar nicht zur Abſicht hat, aber nachdem man es nach geſchehe - ner That erkannt, doch will, daß derjenige, den es betroffen, den Schaden tragen ſoll. Jn dem erſten Fall wird ein unaͤchter Edel - ſtein wiſſentlich fuͤr einen wahren verkauft; in dem letzten, von einem der es zwar nicht weiß, aber doch nach dieſem, was bezahlt worden iſt, nicht wieder herausgeben will.

§. 26.

Die Menſchen pflegen auch oft anDie Theil - nehmung an der Hand - lung ei - nes an - dern. den Handlungen eines andern Theil zu nehmen (concurrunt ad actionem), in ſo weit ſie naͤmlich durch eine von ihren Handlungen zur Wuͤrcklichkeit der Handlun - gen des andern etwas beytragen, entweder durch ihren Verſtand, da ſie den Begriff ei - ner Handlung einem beybringen, der nichts davon weiß, die Umſtaͤnde, die in gewiſ - ſen Faͤllen vorfallen, bekannt machen, rath - geben, Bewegungsgruͤnde etwas zu thun, oder zu unterlaſſen beybringen; oder durch ih - ren Willen, als durch befehlen, bitten, ver -Nat. u. Voͤlckerrecht. Bbiethen,18I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. biethen, anmahnen, abmahnen, bedrohen, anlocken, anhalten oder noͤthigen, anrathen oder abrathen; indem wir auf dieſe Weiſe, was wir wollen, oder nicht wollen, dem an - dern zu verſtehen geben; oder endlich durch eine Wuͤrckung der bewegenden Kraft, als wenn wir andern helfen, benoͤthigten Werk - zeuge hergeben, in der Abſicht Exempel ge - ben, den andern anzureitzen, eben das zu thun. Es iſt daher leicht klar, daß die Menſchen, durch Theilnehmung an einer Handlung, auch derſelben theil - haftig werden; und daß uns folglich die Handlung des andern, an welcher wir theilnehmen, in ſo weit zuge - rechnet werde, als dieſe Theilneh - mung von unſerem freyen Willen ab - haͤngt (§. 3.); daß aber eines andern Handlung, an der wir auf keine Weiſe theilnehmen, uns auch nicht koͤnne zugerechnet werden. Die ver - ſchiedenen Arten, durch welche man an der Handlung des andern theilnehmen kann, be - zeugen es hinlaͤnglich, daß bey der Theil - nehmung ſo wohl ein Verſehen (cul - pa), als Boßheit (dolus) ſtat fin - den kann, und daß uns alſo eines an - dern Handlung bald mehr, bald we - niger zugerechnet werden koͤnne.

§. 27.

Die Einwilli -

Zu den inneren Handlungen gehoͤrt dieEin -19und ihrer Zurechnung. Einwilligung (conſenſus), welche darinnengung und wie vie - lerley dieſelbe iſt. beſtehet, daß wir wollen, es ſolle eben das - jenige geſchehen, oder unterlaſſen werden, was der andere thun, oder unterlaſſen will. Wenn man mit ausdruͤcklichen Worten, oder durch ein anderes gleichguͤltiges Zeichen er - klaͤret, daß man eben das wolle, was der andere will, ſo heißt dieſes die ausdruͤck - liche Einwilligung (conſenſus expreſ - ſus); wenn dieſelbe aber anderswoher, als z. E. aus Handlungen, oder Unterlaßungen derſelben geſchloſſen wird, ſo nennt man ſie die ſtillſchweigende Einwilligung (ta - citum conſenſum); und eben dieſelbe wird die vermuthete Einwilligung (con - ſenſus præſumtus) genannt, wenn ſie nur wahrſcheinlicher Weiſe geſchloſſen wird. Denn die Vermuthung (præſumtio) be - ſtehet darinnen, daß man, aus wahrſchein - lichen Gruͤnden, eine zweifelhafte Sache, in einem vorkommenden Falle, vor gewiß an - nimmet. Da die Art und Weiſe, wie man ſeine Willens-Meinung in Abſicht einer ge - wiſſen Handlung anzeigt, die Handlung ſelbſt nicht veraͤndert; ſo iſt die ſtill - ſchweigende Einwilligung nicht we - niger eine wahre Einwilligung, als die ausdruͤckliche.

§. 28.

Der Einwilligung wird der wiedrigeDer Wieder - wille. Wille (diſſenſus) entgegen geſetzet, da manB 2will,20I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. will, das ſolle geſchehen, was der andere nicht will, daß es geſchehen ſoll, oder daß das nicht geſchehe, was der will, daß es geſchehen ſoll. Es iſt aber, eben auf die Art, wie vorher (§. 27.), klar, daß der wiedrige Wille ent - weder der ſtillſchweigende, oder der ausdruͤckliche ſey; wie auch, welcher der vermuthete (præſumtus) genanut wird; und daß der ſtilſchweigende nicht we - niger, als der ausdruͤckliche, ein wah - ter Wiederwille ſey.

§. 29.

Die Ge - nehm - haltung.

Die Anzeige der Einwilligung, ſie mag ausdruͤcklich, oder ſtillſchweigend geſchehen, wenn ſie nachgehends (ex poſtfacto) dazu koͤmt, wird die Genehmhaltung (rati - habitio) genant. Derowegen giebt der - jenige, der eine Handlung genehm - haͤlt, zu erkennen, daß er in dieſelbe gewilliget habe; daß es alſo eben ſo viel iſt, als ob ſie mit ſeiner Einwilligung ge - ſchehen waͤre.

§. 30.

Warum man die vermu - thete Einwil - ligung keine wahre nennen koͤnne.

Uebrigens ſagt man, in eben der Bedeu - tung, daß wir etwas ausdruͤcklich wol - len, oder nicht wollen (expreſſe velle, vel nolle); wie auch, daß Wollen und nicht Wollen vermuthet werde. Wahrſcheinliche Dinge koͤnnen falſch ſeyn, und es iſt nicht gantz gewiß, ob ſie wahr ſind, oder nicht. Daher kann auch diever -21und ihrer Zurechnung. vermuthete Einwilligung, oder das vermuthete Wollen und nicht Wol - len falſch ſeyn (truͤgen); und folglich kann ſie nicht wahr genannt werden; aber ſie wird, wie alles wahrſchein - liche, ſo lange vor wahr gehalten, bis man das Gegentheil beweiſet. Wenn alſo das Gegentheil bewieſen wird, ſo daß gewiß iſt, dasjenige ſey falſch, was man fuͤr wahr hielt; ſo uͤberwindet die Wahrheit die Vermuthung, ſo daß dieſe denn aufhoͤret.

§. 31.

Die ſtillſchweigende Genehmhal -Die Ei - genſchaff - ten der Genehm - haltung. tung erfordert die Kentnis der Hand - lung, die genehmgehalten wird; weil derjenige, welcher eine Handlung des an - dern genehmhaͤlt, ſeine Einwilligung nach - her anzeigt (§. 29.): und weil die ſtill - ſchweigende Einwilligung aus dem, was man gethan, oder unterlaſſen, geſchloſſen wird; ſo erfordert die ſtillſchweigende Genehmhaltung, daß die genehmhal - tende Perſon etwas thut, oder unter - laͤßt, welches ſie nicht haͤtte thun, oder unterlaſſen koͤnnen, wenn man dasje - nige nicht voraus ſetzet, was genehm - gehalten werden ſoll.

§. 32.

Die Unwiſſenheit (ignorantiam) nenntDie Un - wiſſen - heit. man den Mangel eines Begriffes von einer Sache an ſich, oder von einem Ur -B 3theile,22I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. theile, welches ſich auf die Sache beziehet. Die Unwiſſenheit laͤßt alſo keine ſtill - ſchweigende Genehmhaltung zu (§. 31.), und wenn dieſelbe nicht vermie - den werden konte, ſo entſchuldiget ſie; aber nicht alsdenn, wenn ſie haͤt - te koͤnnen vermieden werden (§. 17.); und dieſe hat einen Einfluß in das Verſehen.

§. 33.

Die zu - ſammen - geſetzte Unwiſ - ſenheit, oder der Jrthum.

Die Scholaſticker nennen dieſe Unwiſſen - heit die einfache (ſimplicem); den Jr - thum (errorem) nennen ſie die zuſam - mengeſetzte Unwiſſenheit (ignorantiam compoſitam), da man Begriffe verbindet, welche nicht verbunden werden koͤnnen. Denn der irret, der einen wahren Satz fuͤr einen falſchen haͤlt, und folglich dem Sub - ject entweder eine bejahende, oder verneinen - de Eigenſchafft zueignet, welche demſelben nicht zukommen kann. Daher nennet man den Jrthum, den Mangel der Uebereinſtim - mung des Begriffs mit der Sache; und es iſt klar, daß ein Jrthum, der vermie - den werden kann, einen Einfluß in das Verſehen hat und einen nicht entſchul - diget (§. 17.).

§. 34.

Von der Zurech - nung der

Gleicherweiſe iſt offenbahr, daß ſo wohl die Unwiſſenheit (§. 32.), oder der Jrthum (§. 33.), wenn beyde haͤt -ten23und ihrer Zurechnung. ten koͤnnen vermieden werden, mitUnwiſ - ſenheit u. des Jr - thums. recht zugerechnet werden (§. 3. 17.). Jm Gegentheil aber iſt klar, daß die Un - wiſſenheit und der Jrthum, wenn ſie nicht vermieden werden koͤnnen, auch nicht zugerechnet werden koͤnnen. Eben dieſes muß man von den Handlun - gen behaupten, die aus Unwiſſenheit und Jrthum geſchehen.

Das zweyte Hauptſtuͤck.

Von der Verbindlichkeit, dem Rechte und Geſetze, und dem Grundſatze des Rechts der Natur.

§. 35.

Die Verbindlichkeit, wenn man ſieDie thaͤ - tige Ver - bindlich - keit. wie eine Handlung betrachtet, die wir die thaͤtige (obligationem activam) nennen wollen, iſt die Verbin - dung eines Bewegungsgrundes mit einer Handlung, es mag dieſelbe eine auszuuͤbende, oder zu unterlaſſende ſeyn. Es beſtehet aber ein Bewegungsgrund (motivum) in der Vorſtellung des Guten, welches aus der auszuuͤbenden Handlung, und des Boͤſen, welches aus der zu unterlaſſenden Handlung fließt. Da wir nichts anders wollen, als was wir uns als gut vorſtellen, und nichts anders nicht wollen, als was wir uns als boͤſeB 4oder24I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,oder ſchlimm vorſtellen; ſo erhellet aus der Natur des Willens und des Nichtwollens, daß der Menſch nicht anders ver - bunden werden kann, als durch ei - nen Bewegungsgrund, der mit der Handlung verknuͤpft wird.

§. 36.

Daß es eine na - tuͤrliche Verbind - lichkeit giebt.

Selbſt durch die Natur wird der Menſch verbunden, die Handlungen zubegehen, welche ſeine und ſeines Zu - ſtandes Vollkommenheit befoͤrdern. Denn, weil die Handlungen, welche die Voll - kommenheit des Menſchen und ſeines Zu - ſtandes befoͤrdern, einen Bewegungsgrund des Willens, diejenigen aber, welche die Un - vollkommenheit befoͤrdern, einen Bewe - gungsgrund des Nichtwollens in ſich ent - halten; ſo ſind jene an und vor ſich ſelbſt begehrunswuͤrdig, dieſe verabſcheuungswuͤr - dig (§. 15.). Folglich wird der Menſch auch durch die Natur zu denjeni - gen Handlungen verbunden, welche, wie die natuͤrlichen, durch eben dieſelbe Endurſachen (rationes finales), nicht aber durch verſchiedene beſtimt werden (§. 11).

§. 37.

Sittlich moͤglich, unmoͤg - lich und nothwen - dig. Die

Weil es unmoͤglich iſt, daß etwas zu - gleich ſeyn und nicht ſeyn kann; ſo iſt es noth - wendig, daß ein Menſch, der ein menſch - liches Leben, oder ein Leben, das ſeiner Na -tur25dem Rechte und Geſetze ꝛc. tur gemaͤß iſt, fuͤhren will, ſo und nicht an -leidende Verbind - lichkeit. ders ſeine Handlungen beſtimme. Daher nennet man das ſittlich unmoͤglich (mo - raliter impoſſibile), was der Natur des Menſchen, als eines vernuͤnftig handelnden Weſens, wiederſpricht; ſittlich moͤg - lich (moraliter poſſibile) aber iſt, was derſelben nicht wiederſpricht, oder mit derſelben uͤbereinkoͤmt, das iſt, wel - ches einen hinreichenden Grund in der - ſelben hat. Und ſittlich nothwen - dig (moraliter neceſſarium) iſt dasjenige, deſſen Gegentheil (moraliſch) ſittlich unmoͤg - lich iſt. Die ſittliche Nothwendigkeit zu handeln ſelbſt iſt die Verbindlichkeit (obligatio), welche wir die leidende (obligationem paſſivam), in Gegenſatze ge - gen die thaͤtige (§. 36.), nennen. Gemei - niglich nennt man ſie ſchlechtweg die Ver - bindlichkeit (die Obligation), und giebt auf die thaͤtige Verbindlichkeit nicht Achtung. Daß niemand dazu verbunden wer - den koͤnne, was entweder an und vor ſich ſelbſt, oder ihm unmoͤglich iſt; darf nicht bewieſen werden.

§. 38.

Wie die natuͤrli - che Ver - bindlich - keit be - ſchaf - fen ſey.

Dieſe Verbindlichkeit aber ſo wohl die thaͤtige, als leidende: welche ſelbſt aus der Natur koͤmt, wird die natuͤrliche (natu - ralis) genant. Daß alſo die natuͤrli -B 5che26I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,che Verbindlichkeit diejenige iſt, wel - che ihren hinreichenden Grund ſelbſt in dem Weſen und der Natur des Menſchen und der uͤbrigen Dinge hat. Da nun dieſe unveraͤnderlich und nothwendig iſt; ſo iſt die natuͤrliche Verbindlichkeit auch unveraͤnderlich und nothwendig; weil dieſelbe alſo bald da iſt, als man das Weſen und die Natur des Men - ſchen und der uͤbrigen Dinge annimt.

§. 39.

Ein na - tuͤrliches, wilkuͤhr - liches, ein goͤttliches u. menſch - liches Ge - ſetz.

Ein Geſetz nennt man die Vorſchrift, nach welcher wir unſere Handlungen einzu - richten verbunden ſind. Man nennt dasje - nige ein natuͤrliches Geſetz, welches ſei - nen hinreichenden Grund ſelbſt in der Na - tur des Menſchen und der Dinge hat. Aber ein wilkuͤhrliches (lex poſitiva) iſt das - jenige, deſſen Verbindlichkeit von dem Willen eines vernuͤnftigen Weſens abhaͤn - get; und beſonders iſt es ein goͤttliches Geſetz, wenn es von dem Willen Gottes, ein menſchliches (weltliches) aber, wenn es von dem Willen eines Menſchen abhaͤn - get. Das Geſetz der Natur, wird gemei - niglich auch das Recht der Natur genannt.

§. 40.

Die Un - veraͤn - derlich - keit des

Das Geſetz der Natur iſt unveraͤn - derlich und nothwendig. Denn weil das Geſetz der Natur den hinreichen -den27dem Rechte und Geſetze ꝛc. den Grund in der Natur des MenſchenGeſetzes der Na - tur. und der Dinge ſelbſt hat (§. 39.); und alſo eine natuͤrliche Verbindlichkeit in ſich faſſet (§. 38.), dieſe aber unver - aͤnderlich und nothwendig iſt; ſo muß es auch das Geſetz der Natur ſeyn (§. cit.).

§. 41.

Da das Weſen und die Natur des Men -Der Ur - heber des Geſetzes der Na - tur. ſchen und der Dinge von GOtt ihren Ur - ſprung haben, und man, bey deren Anneh - mung, ſogleich das Geſetz der Natur (§. 40.) und deſſelben Verbindlichkeit (§. 38.) an - nehmen muß; ſo iſt der Urheber des Geſetzes der Natur GOtt ſelbſt, der den Menſchen verbindet, ſeine Hand - lungen demſelben gemaͤß einzurich - ten; und alſo iſt die natuͤrliche Ver - bindlichkeit auch eine goͤttliche; und das natuͤrliche Geſetz iſt auch ein goͤttliches (§. 39.).

§. 42.

Auf gleiche weiſe beweiſen wir, daß dasDie All - gemein - heit des Geſetzes der Na - tur. Geſetz der Natur alle Menſchen ver - binde; und daß von der natuͤrlichen Verbindlichkeit kein Meuſch befreyt werden koͤnne; weil naͤmlich das natuͤr - liche Geſetz den hinreichenden Grund in der Natur des Menſchen und der Dinge ſelbſt hat (§. 39.), und die Verbindlichkeit, welche daſſelbe in ſich begreift (§. 40.), al - ſo bald ſtatt findet, wenn man die Natur unddas28I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,das Weſen der Menſchen und der uͤbrigen Dinge annimt (§. 38.).

§. 43.

Der al - gemeine Grund - ſatz des Rechts der Na - tur.

Aus eben demſelben Grunde, verbin - det uns das Geſetz der Natur, die Handlungen auszuuͤben, welche die Vollkommenheit des Menſchen und ſeines Zuſtandes befoͤrdern; und die - jenigen zu unterlaſſen, welche ſeine und ſeines Zuſtandes Unvollkommen - heit befoͤrdern; folglich, die freyen Handlungen mit den natuͤrlichen, durch eben dieſelben Endurſachen, nicht aber durch verſchiedene zu be - ſtimmen (§. 36. 39. ); und gleichfals alle Gefahr von uns und unſerm Zu - ſtande abzuwenden. Dieſer Grundſatz des Rechts der Natur (principium juris naturæ) iſt gantz allgemein. Aus demſel - ben werden, durch eine beſtaͤndige Ver - bindung von Schluͤſſen, alle Wahrheiten hergeleitet, welche zum Rechte der Natur gehoͤren; wie aus dem folgenden, hinlaͤng - lich klar werden wird. Diejenigen, wel - che aus dem Willen GOttes das Recht der Natur herleiten wollen, muͤſſen dieſen Grundſatz zulaßen, weil GOtt die Men - ſchen verbindet, ihre Handlungen dem Geſetz der Natur gemaͤß einzurichten (§. 41.).

§. 44.

Daß und wie die

Unter den Menſchen treffen wir die Be -duͤrfnis29dem Rechte und Geſetze ꝛc. duͤrfnis an, daß niemand ſich und ſeinenMen - ſchen un - ter ein - ander ei - ner gegen den an - dern ver - bunden iſt. Zuſtand allein vollkommen machen kann; ſondern ein jeder anderer Huͤlfe noͤthig hat. Da nun das Geſetz der Natur die Menſchen verbindet, ſich und ihren Zuſtand vollkom - mener zu machen, und die Unvollkommen - heit abzuwenden (§. 43.); ſo verbindet das Recht der Natur die Menſchen, 1) ſich und ihren Zuſtand mit verei - nigten Kraͤften vollkommener zu ma - chen; und ein jeder iſt verbunden, zur Vollkommenheit des andern ſo viel beyzutragen, als er kann; folglich ſo viel ohne Schaden der Verbindlichkeit gegen ſich ſelbſt (§ 42.), in den Faͤl - len, in welchen einer des andern Huͤlfe noͤthig hat, geſchehen kann; weil es keinem frey ſtehet, daß er die Ver - bindlichkeit, die er ſich ſelbſt ſchuldig iſt, ver - abſaͤume (§. cit. ): 2) auch alle Hand - lungen zu unterlaßen, wodurch der andere, oder ſein Zuſtand unvollkom - mener gemacht wird.

§. 45.

Weil ein jeder ſchuldig iſt, ſeiner Verbind -Von demjeni - gen, was noͤthig iſt, damit der Ver - bindlich - keit ein Genuͤge geſchehe. lichkeit ein Genuͤge zu leiſten (§. 42.); ſo ſtehet einem jeden frey, das zu thun, ohne welchem er ſeiner Verbindlich - keit kein Genuͤge leiſten, oder dieſel - be nicht erfuͤllen kann. Wie weit ſich dieſe Freyheit erſtrecket, muß man aus derNoth -30I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,Nothwendigkeit derjenigen Dinge beurthei - len, die zur Erfuͤllung der natuͤrlichen Ver - bindlichkeit erfordert werden.

§. 46.

Was das Recht iſt u. der Ur - ſprung deſſel - ben.

Die Faͤhigkeit, oder das moraliſche Ver - moͤgen etwas zu thun, oder zu unterlaſſen, wird das Recht genannt. Daher erhel - let, daß das Recht aus der leidenden Verbindlichkeit entſtehe; und daß kein Recht ſeyn wuͤrde, wenn keine Verbindlichkeit da waͤre; wie auch, daß uns durch das natuͤrliche Geſetze ein Recht zu allen denjenigen Hand - lungen gegeben werde, ohne welche wir die natuͤrliche Verbindlichkeit nicht erfuͤllen koͤnnen (§. 45.). Alſo hat man ein Recht zum Gebrauch der Spei - ſen; weil wir verbunden ſind unſeren Leib zu erhalten, und dieſes beſtehet in der Faͤ - higkeit, die Speiſen dieſer Verbindlich - keit gemaͤß einzurichten. Wenn uns al - ſo das Geſetze der Natur zu einem Zweck verbindet, ſo giebt es uns auch ein Recht zu den Mitteln; folg - lich, wenn nur ein eintziges Mittel da iſt, ſo bedienen wir uns auch deſſel - ben mit Recht. Denn es iſt ohnmoͤg - lich, daß man einen Zweck erhalten kann, oh - ne ſich der Mittel zu bedienen.

§. 47.

Ein ge - biethen -

Das Geſetz der Natur nennt man einGeboth,31dem Rechte und Geſetze ꝛc. Geboth, oder gebiethendes Geſetzdes, ver - biethen - des, er - lauben - des Ge - ſetz. (præceptiva), welches uns verbindet, Hand - lungen auszuuͤben; ein (Verboth), oder verbiethendes Geſetz (lex prohibitiva), welches uns verbindet, Handlungen zu unter - laſſen; eine Erlaubniß, oder ein erlau - bendes Geſetz (permiſſiva), welches uns das Recht giebt, etwas zu thun, oder zu un - terlaſſen. Eben dieſe Eintheilung findet auch bey den wilkuͤhrlichen Geſetzen (legibus poſitivis) ſtat.

§. 48.

Die Natur des Me[n] ſchen iſt ſo beſchaf -Ein voll - kommen - machen - des Geſetz der Na - tur. fen, daß er dasjenige dem andern vorzieht, von welchem er erkennet, daß es beſſer ſey, als das andere. Es iſt aber die natuͤrliche Verbindlichkeit da, ſo bald die Natur und das Weſen des Menſchen und der Dinge da iſt (§. 38.), und das Geſetz der Natur enthaͤlt die natuͤrliche Verbindlichkeit in ſich (§. 40.); daher verbindet uns auch das Geſetz der Natur, dasjenige, was beſ - ſer iſt, dem andern vorzuziehen; und in ſo weit, als es uns hierzu verbindet, wird es ein volkommenmachendes Geſetz (lex perfectiva) genennet.

§. 49.

Das, was wir auszuuͤben verbunden ſind,Was ſchuldig, was er - laubt u. uner - laubt iſt. iſt unſere Schuldigkeit (debitum); das was mir verbunden ſind, nicht auszuuͤben oder zu unterlaſſen, iſt unerlaubt (illici -tum);32I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,tum); das, zu deſſen Ausuͤbung wir nur das Recht haben, iſt erlaubt (licitum). Die natuͤrliche Schuldigkeit koͤmt alſo von einem natuͤrlichen Geboth; das Unerlaubte von einem Verboth; das Erlaubte von einer Zulaſſung (§. 47.). Ehrbahr oder Ehrlich (hone - ſtum) nennt man alles dasjenige, was mit dem Geſetze der Natur uͤbereinſtimmet, daß alſo derjenige ein ehrlicher Mann (ho - neſtus) genennet wird, der alle ſeine Handlungen nach der Richtſchnur des Geſe - tzes der Natur einrichtet; in ſo weit er naͤmlich nichts vornehmen will, als nur das, was er, ohne Nachtheil ſeiner Verbindlich - keit, und Vermoͤge ſeines Rechtes vorneh - men kann. Daher iſt ferner klar, was das heiſſe: als ein ehrlicher Man leben, oder einen Ehrbahren Wandel fuͤh - ren (honeſte vivere).

§. 50.

Daß der Gebꝛauch des Rechts nicht verhin - dert wer - den muͤße.

Wenn andere das Recht haͤtten, den Ge - brauch des Rechts zu verhindern; ſo wuͤr - den wir gar keinen haben. Ja das Geſetz der Natur wuͤrde ſich ſelbſt zuwieder ſeyn, wenn es dem einen ein Recht gaͤbe, etwas vorzunehmen; und dem andern das Recht zugeſtuͤnde, den Gebrauch dieſes Rechts nach ſeinem Gefallen zu verhindern: da dieſes nun offenbahr wiederſprechend iſt; ſo verbin - det das Geſetz der Natur, indemes33dem Rechte und Geſetze ꝛc. es uns ein Recht giebt, auch die uͤbri - gen den Gebrauch dieſes Rechts nicht zu verhindern, und daher erwaͤchſt uns das Recht nicht zu leiden, daß wir ver - hindert werden; folglich dem zu wie - derſtehen, der ſich bemuͤhet uns zu hin - dern. Es iſt alſo klar, daß die Erlaubniß, nach der Erklaͤrung eines Geſetzes uͤberhaupt, ein Geſetz genennet werde (§. 39. 47.).

§. 51.

Ein Geboth iſt zugleich ein Ver -Ein Ge - both iſt ein Ver - both des Gegen - theils. both des Gegentheils. Denn weil die Ver - bindlichkeit in der moraliſchen Nothwendigkeit zu handeln beſtehet (§. 37.), die natuͤrliche Verbindlichkeit aber gantz unveraͤnderlich iſt (§. 38.); ſo verbindet eben zugleich das Geſetz der Natur das Gegentheil zu unterlaſſen, iudem es uns etwas zu thun verbindet.

§. 52.

Das Geſetz der Natur verbinderDie Ver - bindlich - keit recht zu han - deln. Was richtig iſt. uns, uns vollkommener zu machen (§. 43.), folglich auch einen uͤbereinſtimmenden Gebrauch aller Kraͤffte bey den Hand - lungen zu erhalten (§. 9.). Da nun die Richtigkeit der Handlungen von dem uͤberein - ſtimmenden Gebrauch aller Kraͤfte abhaͤngt (§. 16.); ſo verbindet es uns recht zu han - deln. Und recht (rectum) iſt dasjenige, in welchem von Seiten keiner Kraft etwas mehr erfordert werden kann.

§. 53.

Weil bey einer richtigen Handlung, von Sei -Was zur Richtig -Nat. u. Voͤlckerrecht. Cten34I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,keit der Hand - lung er - fordert wird.ten keiner Kraft, etwas fehlen darf (§. 52.); ſo wird zu einer richtigen Handlung erfordert von Seiten des Verſtandes 1) ein hinlaͤnglich beſtimmter Begriff der Handlung, und ein wahres Urtheil von ihrer Guͤte oder Schaͤdlichkeit, oder von dem Rechte das uns zukoͤmt; 2) von Seiten des Willens und Nicht - wollens daß der Wille beſtimmet wird, durch die innre Guͤte, oder das Recht das uns zukoͤmt, das Nichtwollen aber durch das innere Uebel, oder durch den Mangel des Rechts; 3) endlich von Sei - ten der bewegenden Kraft eine Bewe - gung der Theile des Koͤrpers, die mit den inneren Handlungen uͤbereinſtimmet (§. 16. 14. 43. 46.). Dieſes erſtreckt ſich weiter, als es dem erſten Anſehen nach ſcheinet, weil die Rich - tigkeit auf alle Arten der Handlungen, ſie moͤ - gen beſchaffen ſeyn, wie ſie wollen, ſich erſtreckt.

§. 54.

Das wohlan - ſtaͤndige und un - anſtaͤndi - ge.

Man ſagt dasjenige ſtehe einen wohl an (hominem decet), welches einigen Grund in denen Eigenſchafften hat, die in demſelben befindlich ſind, oder von welchem man ſich vorſtellet, daß ſie ſich in ihm, oder in ſeinem Zuſtand befinden, warum er ſo vielmehr, als anders handeln muß. Das aber iſt unan - ſtaͤndig (dedecet), was mit einer von denen Eigenſchafften, die in ihm ſind, oder von welchen man ſich vorſtellet, daß ſie ſich in ihm befinden, oder mit ſeinem Zuſtande nicht uͤbereinſtimmt, oder demſelben wiederſpricht. Dasjenige, wasdem35dem Rechte und Geſetze ꝛc. dem Menſchen wohl anſtehet, wird der Wohl - ſtand, und was ihm unanſtaͤndig iſt der Uebel - ſtand genennet.

§. 55.

Das na - tuͤrliche Geſetz des wohlan - ſtaͤndi - gen.

Da das Geſetz der Natur auf die Vol - kommenheit des Menſchen dringet (§. 43.), und folglich keinen Wiederſpruch der aͤuſſe - ren Handlungen leidet (§. 9. 10. ); ſo ver - bindet es auch die wohlanſtaͤndigen Handlungen auszuuͤben, und die un - anſtaͤndigen zu unterlaſſen. Man hat alſo ein natuͤrliches Geſetz des Wohl - anſtaͤndigen. Dieſes natuͤrliche Wohlan - ſtaͤndige, auf welches das Geſetz der Natur dringet, muß nicht mit dem willkuͤhrlichen (arbitrario) verwechſelt werden, welches nur bloß nach den Meinungen der Menſchen fuͤr wohlanſtaͤndig angeſehen wird Aus dem, was bis hieher geſagt worden, erhellet von was vor einem weiten Umfang das Recht der Natur ſey.

§. 56.

Das Recht der Natur hat einen hinrei -Von dem Unter - ſcheide des Rechts der Na - tur in ſo weit es in her Natur des Men - ſchen ge - gruͤndet. chenden Grund in der Natur und dem We - ſen der Menſchen (§. 39.). Wenn es alſo denſelben in der Natur und Weſen hat, wel - che den Menſchen und den Thieren gemein iſt, ſo heiſt es das Menſchen und Thiere ge - meine Recht der Natur (jus naturae hominum & brutorum commune); die Roͤ - miſchen Rechtsgelehrten nennen es das Recht der Natur im eingeſchraͤnckteren Verſtande. Wenn es aber in der Natur undC 2dem36I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,dem Weſen, welche den Menſchen eigen - thuͤmlich iſt, oder in demjenigen, worinn der Menſch von den Thieren unterſchieden iſt, ſeinen hinreichenden Grund hat; ſo heiſt es das den Menſchen eigene Recht (ius hominum proprium); bey den Roͤmiſchen Rechtsgelehrten das Voͤlcker-Recht (jus gentium.). Wenn es endlich in demjenigen ſeinen hinreichenden Grund hat, welches in einigen einzelnen Menſchen, oder in einem be - findlich, ſo nennt man es, einiger Men - ſchen, oder eines einigen, eigenes Recht (jus qvorundam, aut unius proprium). Daher erhellet zugleich, welche Verbindlich - keiten allen Menſchen gemein (obliga - tiones omnium hominum communes), und welche einigen oder einem allein ei - gen ſind (qvorundam, vel unius propriae). Eben dieſes muß man auch von den Rechten annehmen, die aus dieſen Verbindlichkeiten flieſſen (§. 46.). Und daher ſind einige Menſchen zu mehreren Dingen ver - bunden, als die uͤbrigen; wie an ſeinem Orte deutlicher gelehret wird.

§. 57.

Erklaͤ - rung und Einthei - lung der Pflicht.

Eine Handlung, die nach dem Geſetz be - ſtimmt iſt, in ſo weit als wir verbunden ſind die - ſelbe alſo zu beſtimmen, wird die Pflicht (officium) genennet; und beſonders die Pflicht gegen ſich ſelbſt, welche der Menſch ſich ſelbſt ſchuldig iſt; die Pflicht gegen andere, welche er andern ſchuldigiſt,37dem Rechte und Geſetze ꝛc. iſt; und endlich die Pflicht gegen GOtt, welche wir GOtt ſchuldig ſind. Daß es Pflichten gebe, die allen Menſchen ge - mein ſind, und Pflichten, die nur ei - nige oder einen betreffen, iſt aus dem, was eben erſt (§. 56.) geſagt worden, klar.

§. 58.

Eine Handlung, die dem Geſetz der NaturWas Suͤnde, Ueber - tretung und Beob - achtung des Geſe - tzes ſey. zuwieder iſt, nennt man eine Suͤnde, und ſie iſt eine Begehungsſuͤnde (peccatum commiſſionis), wenn ſie in einer vollbrachten Handlung beſtehet; eine Unterlaſſungs - ſuͤnde (peccatum omiſſionis) aber, wenn ſie in einer unterlaſſenen Handlung beſtehet, wenn naͤmlich dasjenige nicht geſchiehet, was wir zu thun verbunden waren. Gleich - wie man aber ſagt, daß derjenige ein Ge - ſetz halte, (beobachte, ſervare legem), der das thut, was das Geſetz zu thun verbindet, und das unterlaͤßt, was es verbiethet; alſo uͤbertrit der das Geſetz (legem transgredi - tur), welcher das Gegentheil thut, oder ſuͤn - diget. Daher erhellet, was die Uebertre - tung des Geſetzes (transgreſſio legis) ſey; der die Beobachtung des Geſetzes (cu - ſtodia legis) entgegen geſetzet wird, welches die Bemuͤhung iſt, das Geſetz zu halten.

§. 59.

Wenn man Pflichten gegen andere abſchla - gen kann.

Man iſt andern keine Pflichten ſchuldig, als in ſo fern derjenige, der ſie leiſten ſoll, das Vermoͤgen dazu hat, und der andere nicht im Stande iſt, das, was er verlangt, ſelſt zuC 3thun,38I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,thun, oder ſich zu verſchaffen (§. 44. 57.). Wenn derowegen nicht in unſerm Vermoͤgen iſt dem andern eine Pflicht zu leiſten, oder der andere kan ſich ſelbſt rathen; ſo kann man ſein Begehren mit Recht abſchla - gen (§. 46.). Daher iſt zugleich klar, wenn man unrechtmaͤßiger weiſe einem eine Pflicht verſaget, und wenn man ſolglich durch die - ſes Abſchlagen ſuͤndiget (§. 58).

§. 60.

Was in unſerm Vermoͤ - gen ſte - het, und was nicht in unſern Vermoͤ - gen ſte - het.

Es iſt alſo nothwendig, daß man gehoͤriger maſſen erwege, was in unſerm Vermoͤgen, und was nicht in demſelben ſtehet. Es ſte - het naͤmlich in unſerem Vermoͤgen (in po - teſtate noſtra eſt), was wir durch den Gebrauch unſerer Kraͤfte, ſo wohl des Leibes als der See - len, Dinge die uns zugehoͤren, und durch an - derer Huͤlffe und Beyſtand erhalten, oder vermeiden koͤnnen. Es ſtehet aber nicht in unſern Vermoͤgen, was wir durch den Gebrauch unſerer Kraͤfte des Leibes und der Seele, und der Dinge die uns zugehoͤren, wie auch durch anderer Beyſtand und Huͤlfe zu erhalten, oder zu vermeiden nicht im Stan - de ſind. Es iſt uns aber allein zuzu - rechnen, daß etwas nicht in unſerm Vermoͤgen ſtehet, wenn wir ſelbſt Ur - ſache ſind, warum es nicht in unſerm Vermoͤgen iſt (§. 3.). Es hat dieſe Be - trachtung nicht allein ihren Nutzen, wenn wir andern unſere Pflichten erweiſen; ſondern auch bey anderen Arten der Handlungen. Al -ſo39dem Rechte und Geſetze ꝛc. ſo erſtreckt ſich keine Verbindlichkeit uͤber unſer Vermoͤgen (§. 37.).

§. 61.

Die Pflichten gegen andere, zu deren Lei -Liebes - Dienſte und der - ſelben Verſa - gung. ſtung ein Menſch dem andern natuͤrlicher Weiſe verbunden iſt, werden gemeiniglich Liebes-Dienſte (officia humanitatis), Hoͤf - lichkeits-Pflichten genennt. Dieſelben ver - ſagt man andern alſo mit Recht, wenn es nicht in unſerm Vermoͤgen iſt, ſie zu erweiſen, oder der andere unſere Huͤlffe nicht braucht (§. 59.). Folglich wenn die Perſon, von der etwas be - gehret wird, es nicht thun kan, oder darf (§. 60.); oder wenn dasjenige, was geſchehen ſoll, an ſich, oder ver - moͤge des Geſetzes unmoͤglich iſt; 2) oder die Perſon, welcher der Dienſt ge - leiſtet werden ſoll, nicht ſo beduͤrftig iſt, daß ſie ſich ſelbſt nicht zu helffen weiß (§. 17.).

§. 62.

Uebrigens iſt diejenige Verbindlichkeit eineEine ur - ſpruͤngli - che und eine her - geleitete Verbind - lichkeit. urſpruͤngliche (obligatio primitiva), die ihren naͤchſten Grund in dem Weſen und in der Natur des Menſchen hat; hingegen eine hergeleitete (obligatio derivativa), welche ihren Grund in einer andern Verbindlichkeit, oder in andern Verbindlichkeiten und Rech - ten zugleich hat. Eben dieſes gilt von den Pflichten (§. 57.); und weil aus den Ver - bindlichkeiten die Rechte herkommen (§. 46),C 4auch40I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,auch von den Rechten. Denn es iſt eine be - ſtaͤndige Verbindung zwiſchen allen Verbind - lichkeiten und Rechten, daß eines aus dem andern durch eine ununterbrochene Reihe von Schluͤſſen hergeleitet werden kann; und alſo alle einen Jnbegriff verbundener Wahr - heiten ausmachen, welches ein Syſtem ge - nennet wird, und von uns ein wahres Sy - ſtem (ſyſtema veri nominis); weil dieſe vortrefliche Benennung, wie es auch bey an - dern zu geſchehen pflegt, gar zu ſehr gemiß - brauchet wird.

§. 63.

Der Streit der Geſe - tze und die Aus - nahme.

Es traͤgt ſich bey vorkommenden Faͤllen oͤff - ters zu, daß man mehrere Geſetze der Natur, die man zugleich beobachten ſolte, nicht zu - gleich beobachten kann; ſo ſagt man, daß die Geſetze gegen einander ſtreiten (leges inter ſe collidunt). Weil man nun eines dem andern vorziehen muß, ſo geſchieht eine Ausnahme (exceptio), und das Geſetz wird vorgezogen (vincit), welchem man ein Genuͤge leiſtet; dasjenige aber wird nach - geſetzet (cedit), welchem man kein Genuͤ - ge leiſten kann.

§. 64.

Von der Colliſion, oder dem Streit der Ge - ſetze.

Alſo iſt klar, daß bey der Colliſion der Gebothe von den Pflichten gegen ſich ſelbſt und gegen andere, in dem Fall der Colliſion, der Pflichten gegen ſich ſelbſt und gegen andere, die Pflichten gegen ſich ſelbſt vorgezogen werden;weil41dem Rechte und Geſetze ꝛc. weil das Geboth von den Pflichten gegen an - dere die Ausnahme wuͤrcklich in ſich begreift (§. 44. 59.). Und weil ein Geboth etwas auszuuͤben, ein Verboth etwas zu unterlaßen, verbindet (§. 47.); eine Erlaubniß aber nur ein Recht giebt, etwas auszuuͤben (§. cit. ), folglich die Handlung nur zu einer erlaubten Handlung machet; ſo muß bey der Colli - ſion eines Geboths oder Verboths mit einer Erlaubniß, das Geboth oder Verboth vorgezogen werden (§. 37.). Weil das Verboth das, was das Geboth for - dert, in dem Falle moraliſch unmoͤglich macht (§. 37. 47. ); ſo muß das Verboth dem Geboth vorgezogen werden (§. 37.). Eben auf die Weiſe wird bey der Colliſion von Gebothen das, was uns zu groͤſſerer Vollkommenheit verbin - det, vorgezogen (§. 48.). Andere Faͤlle werden wir am gehoͤrigen Ort vortragen. Denn wie es das Syſtem uͤberhaupt nicht anders zulaͤßt; alſo gehet es auch bey demje - nigen nicht anders an, was eine Nachahmung deſſelben ſeyn ſoll. Eben dieſes nehmen wir auch in andern Faͤllen in acht.

§. 65.

Es kann geſchehen, daß wir zu demjeni -Von der Colliſion einerley Pflichten. gen noch aus einer andern Urſach verbunden ſind, wozu wir ſchon uͤberhaupt einem jeden, weil er ein Menſch iſt, verbunden ſind; und daß alſo die Verbindlichkeit, die aus einer zwiefachen Urſache, oder aus mehrern ent -C 5ſteht,42I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit,ſteht, ſtaͤrcker wird. Daher wenn einer - ley Liebes-Dienſt mehrern geleiſtet werden ſoll; ſo wird, im Fall eine Col - liſion entſtehet, die ſtaͤrckere Verbind - lichkeit vorgezogen; oder derjenige muß vorgezogen werden, dem wir mehr verbunden ſind.

§. 66.

Von dem Gebꝛauch des Rechts.

Der Gebrauch des Rechts (exercitium iuris) begreift alle Handlungen in ſich, die vermoͤge deſſelben demjenigen erlaubt ſind, dem das Recht zukoͤmmt. Denn das Recht ſelbſt beſtehet in der bloſſen Moͤglichkeit zu handeln (§. 46.). Und derjenige bedient ſich ſeines Rechts (jure ſuo utitur), der dasjenige wuͤrcklich thut, was er vermoͤge ſeines Rech - tes thun kann. Derowegen muß niemand in dem Gebrauch ſeines Rechts verhin - dert werden (§. 50.). Da uns nun des - wegen ein Recht gegeben wird, damit wir der Verbindlichkeit ein Genuͤgen leiſten koͤn - nen (§. 46.); ſo iſt das der rechte Ge - brauch des Rechts, welchen die Pflich - ten erfordern (§. 57.). Jm Gegentheil be - ſteht der Mißbrauch.

§. 67.

Von der Bekant - machung des Ge - ſetzes.

Die Bekanntmachung des Geſetzes (legis promulgatio) iſt die Handlung, wo - durch denjenigen das Geſetze kund gemacht wird, die es verbinden ſoll. Da nun das Geſetz der Natur ſeinen hinreichenden Grund in der Natur und dem Weſen! desMen -43dem Rechte und Geſetze ꝛc. Menſchen und der Dinge hat (§. 39.); ſo wird durch dieſelbe erkannt, wozu es uns verbindet und ein Recht giebt; folglich, da wir dieſes durch den Gebrauch unſeres Ver - ſtandes erkennen koͤnnen, ſo iſt keine Be - kantmachung bey demſelben noͤthig. Da aber die willkuͤhrlichen Geſetze von dem Willen eines andern herkommen (§. 39.), den man nicht weiß, wenn er nicht bekannt gemacht wird; ſo muͤſſen ſie bekannt ge - macht werden, und koͤnnen auch nicht eher verbinden, als nachdem ſie oͤf - fentlich bekannt gemacht worden ſind. Da nun die Verbindlichkeit von dem Willen des Geſetzgebers koͤmmt (§. cit. ); ſo verbin - den ſie entweder von der Zeit an, da ſie bekannt gemacht worden ſind, oder von der beſtimten Zeit (termino), wel - che in dem Geſetz angezeigt worden. Wem aber das Recht zukomme, Geſetze zu ge - ben, wird am gehoͤrigen Orte vorgetragen werden.

Das dritte Hauptſtuͤck.

Von der allgemeinen Verbindlich - keit und dem allgemeinen Recht der Menſchen uͤberhaupt.

§. 68.

Die allgemeine Verbindlichkeit (ob -Die all - gemeine Verbind - lichkeit. ligatio univerſalis) iſt diejenige, die jeden Menſchen verbindet, in ſo ferner44I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. Das all - gemeine Recht.er ein Menſch iſt. Und das allgemeine Recht (jus univerſale), was aus derſelben entſtehet (§. 46.), iſt dasjenige, was einem je - den Menſchen zukoͤmmt, in ſo fern als er ein Menſch iſt.

§. 69.

Daß es allgemei - ne Ver - bindlich - keiten u. Rechte gebe, und welche dieſelben ſind.

Weil die natuͤrliche Verbindlichkeit ſelbſt in der Natur und dem Weſen des Menſchen ihren hinreichenden Grund hat, und mit der - ſelben zugleich da iſt (§. 38.), und weil die Natur und das Weſen uͤberhaupt bey allen Menſchen einerley iſt; ſo iſt die Verbind - lichkeit, die der Menſch als ein Menſch erfuͤllen muß, bey allen Menſchen ei - nerley; und folglich ſind auch die Rech - te, die dem Menſchen zukommen, in ſo - fern als er ein Menſch iſt, bey jedem Menſchen einerley. Alſo iſt klar, daß es allgemeine Verbindlichkeiten und allgemeine Rechte gebe. Ja, da in dem Rechte der Natur diejenigen vornaͤmlich vor - getragen werden, welche aus der Natur und dem Weſen, ſo allen Menſchen gemein, her - geleitet werden; ſo werden auch in demſelben vorzuͤglich allgemeine Verbindlichkeiten und allgemeine Rechte erklaͤret.

§. 70.

Die na - tuͤrliche Gleich - heit der Men - ſchen.

Jm moraliſchen Verſtande ſind die Men - ſchen einander gleich (homines æquales), deren Rechte und Verbindlichkeiten einerley ſind; aber ungleich (inæquales) diejenigen, deren Verbindlichkeiten und Rechte nicht ei -nerley45und dem allgem. Recht der Menſchen. nerley ſind. Die Menſchen ſind alſo als Menſchen von Natur einander gleich (§. 69.).

§. 71.

Da ein Vorrecht (prærogativa) dasjeni -Es giebt kein na - tuͤrliches Vorrecht ge iſt, welches einem vor dem andern, mit dem er ſonſt gleiches Recht hat, zukoͤmmt; ſo hat kein Menſch von Natur als ein Menſch ein Vorrecht; und daher giebt es auch kein natuͤrliches Vor - recht (§. 70.).

§. 72.

Ja, weil jeder Menſch von Natur mit demVon dem was er - laubt und uner - laubt, u. was man ſchuldig iſt. andern einerley Rechte und einerley Verbind - lichkeiten hat (§. 69.); ſo iſt dasjenige, was natuͤrlicher Weiſe dem einen, in ſo weit als er ein Menſch iſt, erlaubt iſt, auch dem andern erlaubt; ja, was einer dem andern ſchuldig iſt, das iſt der andere ihm auch ſchuldig (§. 49.).

§. 73.

Daher iſt ferner klar, das, was manWas der andere thun und nicht thun ſoll; und die Be - ſtaͤndig - keit der Pflichten gegen an - dere. rechtmaͤßiger Weiſe nicht will, daß es uns von andern geſchehe, das muß man einem andern auch nicht thun; und was man rechtmaͤßiger Weiſe will, daß es geſchehen ſoll, das muß man auch gegen andere ausuͤben. Die - jenigen, welche anders handeln, ſtreben nach einem Vorrecht, und dergleichen findet von Natur unter den Menſchen nicht ſtatt (§. 71.); ſie heben auch die natuͤrliche Gleichheit auf(§. 69.),46I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. (§. 69.), welche in Anſehung der allgemeinen Verbindlichkeiten und Rechte ſo lange beſte - het, als der Menſch ein Menſch iſt, folglich ſo lange er lebet. Wenn alſo auch Un - gleichheiten unter den Menſchen ein - gefuͤhrt werden; denn daß dieſes geſche - hen koͤnne, wird am gehoͤrigen Ort bewieſen; ſo bleibet man ihnen doch das ſchul - dig, was ein Menſch dem andern zu leiſten ſchuldig iſt, oder die Liebes - Dienſte (§. 61.).

§. 74.

Vom an - gebohr - neu Rechte.

Das angebohrne Recht (jus connatum) nennt man dasjenige, welches aus einer an - gebohrnen Verbindlichkeit entſtehet. Es iſt aber eine angebohrne Verbindlichkeit (obligatio connata) diejenige, welche aus der Natur und dem Weſen des Menſchen noth - wendig erfolget, und davon nicht getren - net werden mag. Da nun dieſe wegen der Unveraͤnderlichkeit des Weſens und der Natur unveraͤnderlich iſt, davon ſie gar nicht getrennet werden kann; ſo iſt auch das angebohrne Recht ſo genau mit dem Menſchen verbunden, daß es ihm nicht genommen werden kann; denn er hat daſſelbe um ſeiner Verbindlichkeit ein Genuͤge zu leiſten (§. 46.).

§. 75.

Vom Range.

Der Rang (præcedentia) iſt das Recht des Vorzugs in der Ordnung, die von meh - reren zugleich zu beobachten iſt. Weil unterPerſo -47und dem allgem. Recht der Menſchen. Perſonen, die gleich ſind, kein Rang ſtatt fin - det (§. 70.), ſo koͤmmt auch keinen Men - ſchen von Natur ein Rang zu.

§. 76.

Von Natur haben alle Menſchen einerleyVon dem Recht uͤber die Hand - lungen eines an - dern. Rechte (§. 69.). Wenn wir alſo ein Recht uͤber die Handlungen des andern haben ſolten, ſo, daß er ſeine Handlungen nach unſerm Wil - len einrichten muͤſte, und das nicht thun koͤn - te, was ihm gefiele; ſo wuͤrde er wieder ein Recht uͤber unſere Handlungen haben: da nun dieſes offenbahr wiederſprechend iſt, in - dem es ohne Unterſchied, von allen Menſchen gelten muͤſte; ſo hat niemand von Natur ein Recht uͤber die Handlungen (in actiones) eines andern. Jn dem Weſen und in der Natur des Menſchen, worinn das Geſetz der Natur, und alſo eine jede Ver - bindlichkeit und jedes Recht, das aus derſelben entſtehet, ſeinen hinreichenden Grund hat, iſt kein Grund enthalten, warum dieſem oder jenem Menſchen ein Recht uͤber dieſes oder eines andeꝛn Menſchen Handlungen zukommen ſollte.

§. 77.

Es ſind alſo von Natur die Hand -Von der natuͤr - lichen Freyheit lungen des Menſchen gar nicht dem Willen eines andern, er ſey wer er wolle, unterworffen; und er darf in ſei - nen Handlungen niemanden als ſich ſelbſt folgen. Und dieſe Unabhaͤnglichkeit bey den Handlungen von dem Willen eines andern, oder die Einrichtung (dependen -tia) 48I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. tia) ſeiner Handlungen, nach ſeinen eigenen Wil - len wird die Freyheit (libertas) genannt. Von Natur ſind alſo alle Menſchen frey. Da aber die natuͤrliche Verbindlichkeit unver - aͤnderlich iſt (§. 38.), ſo hebt die Frey - heit die natuͤrliche Verbindlichkeit nicht auf, noch veraͤndert etwas in derſelben.

§. 78.

Was da - her von Seiten der an - dern vor eine Ver - bindlich - keit ſtatt findet.

Da vermoͤge der natuͤrlichen Frey - heit, der Menſch in ſeinen Handlungen ſich bloß nach ſeinem Willen, nicht aber eines an - dern richten darf (§. 77.); ſo iſt eben daher ihm zu erlauben, daß er bey der Be - ſtimmung ſeiner Handlungen ſeinem Urtheil folge, und daß er nicht gehal - ten iſt einem Menſchen Rechenſchaft zu geben, warum er dieſes thue, oder nicht thue; wenn er nur nicht gegen jemand anders etwas unternimmt, welches er zu unterlaſſen vollkommen (perfecte) verbunden iſt (§. 80.).

§. 79.

Beobach - tung der Liebes - Dienſte.

Daher erhellet ferner, daß man es in Beobachtung der Liebes-Dienſte dem Urtheil desjenigen, der ſie leiſtet, uͤber - laſſen muͤſſe, ob es in ſeinem Vermoͤ - gen ſtehe, ſie zu leiſten, oder nicht; eben wie demjenigen, der dieſelben ver - langet, das Urtheil von ſeiner Beduͤrf - nis uͤberlaſſen wird; folglich wenn einer dem andern einen Liebes-Dienſt ab -ſchlaͤgt,49und dem allgem. Recht der Menſchen. ſchlaͤgt; ſo muß es derjenige, der ihn begehrt, damit zufrieden ſeyn, und der andere kann von ihm nicht ge - zwungen werden, daß er ihn leiſten muß. Aber dem ohngeachtet, ſuͤndiget der, welcher ihn ohne Recht abſchlaͤgt (§. 58.).

§. 80.

Und daher erhellet, in welchem VerſtandeVon der vollkom - menen u. unvoll - komme - nen Ver - bindlich - keit, von dem voll - komme - nen und unvoll - komme - nen Rech - te. die Verbindlichkeit zu den Liebes-Dienſten unvollkommen genannt wird, und in welcher Ab - ſicht dieſelben unvollkommen ſchuldige Pflich - ten genannt werden; ſie werden naͤmlich nicht ſo genannt, als ob die natuͤrliche Verbindlich - keit unvolkommen waͤre, ſo daß etwas unſe - rer Freyheit uͤberlaſſen waͤre, ob wir derſelben ein Genuͤge leiſten wolten, oder nicht, als welches der natuͤrlichen Freyheit wiederſpre - chen wuͤrde (§. 77.), ſondern