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Chriſtianus Wolfius Mathematum in Acadernia Fridericiana Profeßor Ordinarius Der Anfangs-Gruͤnde Aller Mathematiſchen Wiſſenſchafften
Erſter Theil /
Welcher Einen Unterricht Von Der Mathematiſchen Lehr-Art / die Rechen-Kunſt / Geometrie / Trigono - metrie / und Bau-Kunſt in ſich enthaͤlt / Und zu mehrerem Auffnehmen der Ma - thematick ſo wohl auff hohen als niedri - gen Schulen
Halle im MagdeburgiſchenA. MDCCX. Zufinden in Rengeriſcher Buchhandlung.

Dem Hochgebohrnen Brafen und Herrn / HERRN Ferdinand Ernſt / Grafen v. Herberſtein / ꝛc. ꝛc. Seiner Kaͤyſerlichen auch zu Hungarn und Boͤheim Koͤnigl. Majeſtaͤt Hochan - ſehnlichem Cammer-Herrn / des hohen Appellation - Gerichtes im Koͤnigreiche Boͤheim Hochbeſtall - ten Rathe und Referendario in Lehn-Sachen / Meinem Gnaͤdigen Herrn.

Hochgebohrner Brafe / Bnaͤdiger Herr /

DJe gruͤndliche Erkaͤntnis der Dinge iſt ein gewiſ - ſes Zeichen unſerer Voll - kommenheit. Daher entſtehet aus ihr ein ſuͤſſes Vergnuͤgen / und dieſes erreget ein inni - ges Verlangen / daß jederman wie un - unſer einer werden moͤchte. Wie tieffEuerZuſchrifft. Euer Hochgraͤflichen Gnaden die ent - ferneten Wahrheiten eingeſehen / lieget ſchon am Tage. Wie groß Dero Ver - gnuͤgen daruͤber ſey / kan man unter an - dern auch daraus abnehmen / daß ſo viel hohe und wichtige Geſchaͤffte Euer Hoch - graͤflichen Gnaden von Erſinnung neu - er Wahrheiten nicht abhalten koͤnnen / ſondern Sie in dieſer Bemuͤhung eine angenehme Ruhe finden / wenn ſie durch jene ermuͤdet worden. Endlich wie heff - tig das Verlangen nach dem Auffneh - men gruͤndlicher Wiſſenſchafften und nuͤtzlicher Kuͤnſte ſey; kan ich oͤffentlich zeigen / der ich bisher die Gnade gehabt mehr als auff eine Art ſolches zu erken - nen. Da ich nun unſeren Teutſchen in gegenwaͤrtigen Anfangs-Gruͤnden aller Mathematiſchen Wiſſenſchafften einen ebenen und geraden Weg zu einer gruͤndlichen Erkaͤntnis baͤhne; ſo trage ich nicht den geringſten Zweiffel / es wer - de niemand mehr als Euer Hochgraͤfli - chen Gnaden mein gegenwaͤrtiges Vor - haben billigen und demſelben einen er -) (3wuͤnſch -Zuſchrifft. wuͤnſchten Fortgang goͤnnen. Jch ge - dencke aber das letztere nicht beſſer zu er - halten / als wenn Dero hohes Exempel jederman / der dieſes Buch leſen wird / in die Augen leuchtet. Derowegen ha - be ich mir die Freyheit genommen / De - ro Hochgraͤflichen Nahmen demſelben vorzuſetzen / und dadurch zugleich bezei - gen ſollen / daß ich ſey

Hochgebohrner Grafe / Gnaͤdiger Herr / E. Hochgraͤfl. Gnaden

Unterthaͤnig-erge - benſter Chriſtian Wolff.

Vorrede.

DEr groſſe und vielfaͤltige Nutzen hat in un - ſeren Tagen die Mathemathiſchen Wiſſen - ſchafften ſo beliebt gemacht / daß ſie wohl niemals in ſo hohem Werthe geweſen / und mit ſol - chem Eifer getrieben worden. Und was iſt es Wun - der? So jemand uͤber die Kraͤffte des menſchlichen Verſtandes ſich erfreuet / der findet hier einen unver - gleichlichen Schatz der herrlichſten Proben / wie weit man durch rechten Gebrauch derſelben kom - men kan. Die Algebra und hoͤhere Geometrie zei - gen / daß nichts ſo tieff verborgen ſey / welches man nicht ergruͤnden koͤnte. Die Aſtronomie und Geo - graphie uͤberfuͤhren uns / daß nichts von uns ſo weit entfernet ſey / welches man nicht gnau erkennen und ausmeſſen koͤnte. Aus den Calendern und Ephe - meridibus kan man erſehen / mit was vor Gewiß - heit die Aſtronomi die Himmels-Begebenheiten vorher verkuͤndigen koͤnnen / unerachtet die Geſetze der Bewegung ihnen von niemanden offenbahret worden. Die Mathematiſche Lehr-Art giebt den rechten Gebrauch der Vernunfft zu erkennen / wie man nehmlich zu klahren / deutlichen und vollſtaͤndi - gen Begriffen gelange und daraus ohne Anſtoß die uͤbrigen Sachen herleite. Die Rechen-Kunſt / Trigonometrie und Algebra halten die allgemeinen Maximen in ſich / nach welchen der Verſtand gelei - tet wird / wenn er durch eigenes Nachſinnen die verborgene Wahrheit erfinden will / u. wie es anzu - greiffen / daß die Sinnen und Imagination im me -) (4diti -Vorrede. ditiren nicht hinderlich fallen / ſondern vielmehr die ſaure Arbeit dem Verſtande verſuͤſſen helffen. Ja die letztere giebet uns ein Muſter der vollkom - menſten Manier eines aus dem andern zuſchlieſſen / zu welcher der menſchliche Verſtand gelangen kan / wenn er den hoͤchſten Gipffel der Vollkommenheit erſtiegen. Die Optick und zum Theil die Aſtro - nomie weiſen einen klahren Unterſcheid zwiſchen der Erkaͤntnis des Verſtandes und der Vorſtel - lung der Dinge in den Sinnen und der Imagina - tion. Derowegen iſt kein gewiſſerer Weg zur Erkaͤntnis der Kraͤffte des Menſchlichen Verſtan - des zugelangen / als wenn man mit Ernſt die Mathe - matiſchen Wiſſenſchafften treibet / und / weil man eine Fertigkeit nicht anders als durch ſtete Ubung erhalten kan / iſt dieſes zugleich das ſicherſte Mittel zu hurtigem Gebrauche der Vernunfft / ſo wol in Erfindung der noch verborgenen / als in Beurthei - lung der bereits erfundenen Wahrheit zugelangen / und ſich von der ſchaͤdlichen Herrſchafft der Sin - nen und Imagination zu befreyen / das iſt / alle Jrr - thuͤmer und Vorurtheile gluͤcklich zu vermeiden. Und aus dieſer Abſicht lieſſen die alten Griechen niemanden ſtudiren / er hatte denn zuvor die Rechen - Kunſt und Geometrie inne: welchem loͤblichen Exem - pel heute zu Tage die Frantzoſen und Engellaͤnder ruͤhmlich und mit großem Nutzen nachfolgen.

Wer die Geheimniſſe der Natur zu erforſchen Luſt hat und ſich daruͤber vergnuͤget / wenn er die unermaͤßliche Weisheit und Macht des allein wei - ſen und allmaͤchtigen Schoͤpffers und ErhaltersderVorrede. der Welt nicht aus Unwiſſenheit / ſondern mit Ver - ſtande in ſeinen herrlichen Wercken bewundern / und die Creatur ſo wol ſich als anderen zu ſeinem Dienſte nach dem Befehle des HErrn unterthaͤ - nig machen kan; der wird durch Huͤlffe der Mathe - matick in kurtzem in dieſer Arbeit weiter kommen / als er jemals moͤglich zu ſeyn erachtet haͤtte / hin - gegen ohne ihren Beyſtand nur immer anfangen und nichts vollenden / ja wenn er es weit bringet / den Schatten fuͤr das Weſen halten / ich will ſagen / mit leeren Woͤrtern der Kraͤffte / Seelen und Geiſter ſich und andere unverſtaͤndige bethoͤren / folgends ſo wol von einer deutlichen Erkaͤntnis der Macht und Weisheit GOttes / als von der Herrſchafft uͤber die Creatur weit entfernet bleiben. Zeit und Ort wollen es nicht leiden / daß ich ſolches aus der Beſchaffenheit der natuͤrlichen Dinge erweiſen kan. Derowegẽ will ich dieſes bis zu andeꝛer Gelegenheit verſpahren; und begnuͤge mich jetzt das Zeugnis des beruͤhmten Boyle anzufuͤhren / welcherin der Experi - mental-Philoſophie und Chymie mehr gethan als andere / u. mehr darauff verwendet / als viele mitein - ander ſelten verwenden werden. Er ſchreibet aber in ſeinẽ Conſiderationibus circa utilitatem Philo - ſophiæ naturalis experimentalis Exercitat. 6. §. 2. p. m. 483. alſo: Unerachtet ich mich vor dieſem bemuͤhet Keplers u. anderer neueren Aſtrono - morum ungereimte Meinung zu behaupten / daß die Mathematick einẽ gaꝛ nicht geſchickter mache / die Erkaͤntnis der natuͤrl. Dinge leich - ter zu erlangen; ſo muß ich doch auffrichtig ge -) (5ſte -Vorrede. ſtehen / daß / nach dem mir meine Experimen - te / inſonderheit die Mechaniſchen / den groſſen Nutzen der Mathematick in deꝛ Phyſick hand - greifflich zu erkennen gegeben / ich ſchon oͤffters gswuͤnſchet habe / daß ich auff die Theorie in der Geometrie und auf die Algebra / welche ich noch als ein Knabe erlernet habe / den groͤſten Theil der Zeit und des Fleißes gewendet haͤt - te / den ich mit der Planimetrie und Fortifica - tion (wovon ich einen gantzen Tractat ſelbſt geſchrieben) und andern practiſchen Theilen der Mathematick zugebracht. Und in der Vorrede uͤber ſeine nova experimenta de vi aëris elaſtica leſen wir folgende Worte: Jch beſorge / daß ich die in der Mathematick erfahrnen Leſer werde um Verzeihung bitten muͤſſen / daß ich einige Dinge nicht ſo gnau abgehan - delt / als geſchehen waͤre / wenn ich die Ma - themathick beſſer verſtanden haͤtte. Allein was braucht es weiter Zeugnis / da die Sachen ſelbſt reden? Hat man nicht durch die Mathematick die Structur des groſſen Welt-Gebaͤudes / die ewigen Geſetze der Bewegung der groſſen Welt-Coͤrper / die wahre Beſchaffenheit und Eigenſchafften der - ſelben / die Urſachen ihrer Bewegung in der Aſtro - nomie erfunden und dadurch erhalten / daß ſie uns zu Zeugen der unausſprechlichen Majeſtaͤt des groſ - ſen GOttes und untruͤglichen Zeichen der Zeit in der Chronologie dienen muͤſſen / dazu ſie von dem HErꝛn geſetzet wordẽ? Hat man nicht duꝛch die Ma - themathick die Natur des Lichtes und der Farbe / unddieVorrede. die unveraͤnderl. Geſetze des Sehens in den Opti - ſchen Wiſſenſchafften heraus gebracht / u. dadurch die wahre Beſchaffenheit aller Empfindung deutlich erlaͤutert / auch die Natur ſo gluͤcklich beherrſchet / daß ſie uns muß ſehen laſſen / was ſie fuͤr uns ver - ſteckt hatte? Hat man nicht durch die Mathematick in der Mechanick und Hydraulick die Geſetze der Be - wegung; in der Hydroſtatick die Geſetze der Schwee - re erſonnen? Und wer iſt in den Schrifften der Phy - ſicorum ſo wenig erfahren / daß er nicht wuͤſte / was dieſe Wiſſenſchafften zu Erkaͤntnis der natuͤrlichen Dinge beytragen / und wie ſie es unvermerckt lichte machen / da andere in einer Egyptiſchen Finſternis ſitzen? Habe ich nicht in meinen Elementis Aëro - metriæ gewieſen / mit was fuͤr Nutzen man die Mathematick auf die Experimente applicire / und wie daher allein die voͤllige Gewißheit in der Phy - ſick komme? Mit einem Worte / es wird niemand leugnen / daß die Mathematick der Schluͤſſel zu den feſt verwahreten Schaͤtzen der Natur ſey / als der noch nichts damit auffgeſchloſſen.

Fraget einer nach Wiſſenſchafften / welche in dem menſchlichen Leben groſſen Nutzen haben; ſo trage ich kein Bedencken die Mathematiſchen zu nennen. Waͤre mir vergoͤnnet weitlaͤufftig zu ſeyn / ſo wolte ich zeigen / wie die Rechnung Haus-halten hilfft / und mit der Geometrie viele Vortheile zei - get / die man in der Haushaltung oͤffters uͤberſehen wuͤrde; wie die Arithmetick / Geometrie / Baukunſt / Mechanick und Hydraulick einen jeden Haus-Va - ter vorſichtig macht; wie die meiſten Mathemati -ſchenVorrede. ſchen Wiſſenſchafften / als die Arithmetick / die Baukunſt / Mechanick / Hydraulick / Hydroſtatick / Optick und Aſtronomie kein reiſender entrathen kan / wo er nicht der groͤſten Anmuth und des mei - ſten Nutzens / den er vom reiſen haben kan / ſich un - verantwortlich berauben will; was fuͤr Nutzen Cammer-Raͤthe groſſer Herren / Juriſten in Fa - cultaͤten / Perſohnen im Rathe und anderen Gerich - ten / ingleichen alle Kuͤnſtler von einigen Mathema - tiſchen Diſciplinen zugewarten haben; mit einem Worte: wie das groͤſte Theil der irrdiſchen Gluͤck - ſeligkeit auff die Mathematick erbauet ſey / und ohne ſie keine Republic wohl beſtellet werden kan. Allein weil dieſe Dinge groͤſten Theils einem jeden / der ſich umſiehet / in die Augen fallen: ſo habe ich um ſo viel weniger noͤthig viel Worte davon zu machen.

Weil nun die Mathematiſchen Wiſſenſchafften von ſo vielfaͤltigem Nutzen ſind / ich aber die Zeit uͤber / da ich in Leipzig und Halle dieſelben der ſtu - dierenden Jugend erklaͤret / aus eigener Erfahrung befunden / daß es an einem ſolchen Buche fehle / da - durch man ohne Umbwege allen Lernenden nach ihren gantz verſchiedenen Abſichten ein Gnuͤgen thun / auch ihnen die Repetition ſo viel moͤglich er - leichtern koͤnte; habe ich deſto lieber dieſen Mangel durch meine Arbeit zu erſetzen getrachtet / jemehr mich andere dazu auffgemuntert und ſich einigen Nutzen davon verſprochen haben. Damit aber dieſes Werck mit rechten Augen angeſehen werde; muß ich etwas weniges von deſſen Einrichtung er - rinnern. Denen jenigen zu liebe / welche die Ma -thema -Vorrede. themathick zu erlernen gedencken / wie ſie im menſchlichen Le - ben / und auff Reiſen genutzet werden kan / habe ich alle practi - ſche Theile ausfuͤhrlicher abgehandelt / als bisher in keiner Anleitung fuͤr Anfaͤnger geſchehen. Und da jeder Gedancke ſeinen beſonderen Nahmen fuͤhret; werden diejenigen leicht ſe - hen / was ſie zu uͤbergehen haben / die bloß auff praxin ſehen. Sie werden ſich nehmlich in der Arithmetick mit den Erklaͤ - rungen und Auffgaben / in der Geometrie mit den Erklaͤrun - gen / einigen Lehrſaͤtzen und Auffgaben ohne ihren Beweis / in der Trigonometrie mit den Erklaͤrungen und wenigen Auff - gaben vergnuͤgen koͤnnen. Jn der Baukunſt und Artillerie wird nichts noͤthig zu uͤbergehen ſeyn. Jn der Fortification koͤnnen ſie die Trigonometriſchen Rechnungen weg laſſen: Jn der Mechanick und Hydroſtatick den Beweis einiger Lehrſaͤ - tze. Die Aerometrie und Hydraulick enthaͤlt nichts ſchwee - res. Aus der Optick und Aſtronomie / ingleichen der Geo - graphie / erwehlen ſie nur dasjenige / was ohne die Trigonome - trie und Geometriſche Theorie erkandt werden kan. Die Chronologie und Gnomonick iſt durchgehends von ſchweeren Beweiſen frey. Die Sphaͤriſche, Trigonometrie und Alge - bra haben ſie nicht noͤthig. Jch rede aber jetzt nur von Leuten / die wenige Gedult haben: denn ſonſt doͤrffen ſie nichts als die Algebra und die Aſtro nomiſchen Rechnungen mit der Sphaͤ - riſchen Trigonometrie uͤbergehen. Die nun aber durch die Mathematick zu hurtigem Gebrauche ihrer Vernunft gelan - gen wollen / und nach gruͤndlicher Erkaͤntnis der Natur und Kunſt trachten; werden in dieſen Anfangs-gruͤnden einen ebenen Weg dazu finden. Nur muͤſſen ſie alles in der Ord - nung durchgehen und oͤffters uͤberdencken / ohne daß ſie die Baukunſt / Artillerie und Fortification weglaſſen koͤnnen / wenn ſie dazu keine Luſt haben. Abſonderlich aber iſt neben der Arithmetick / Geometrie und Trigonometrie / ihnen die Algebra und Geometriſche Aſtronomie noͤthig. Jch habe die Mathematiſche Lehr-Art ſo viel moͤglich obſerviret / und mich einig und allein an die Ordnung gebunden / wie die Sa - chen am leichteſten aus einander fließen. Die Theorie iſt mit der praxi beſtaͤndig verknuͤpffet / damit ſie nicht unange -nehmVorrede. nehm wuͤrde. Jn der Geometrie iſt der Kern von allen Lehr - ſaͤtzen enthalten / damit man uͤberall auskommen kan / wenn man es gleich weit zu bringen gedencket. Die meiſten Be - weiſe ſind aus den drey Lehrſaͤtzen von der Gleichheit der Tri - angel hergeleitet / daß es dannenhero den Anfaͤngern nicht ſchweer fallen kan derſelben zugewohnen / zumal wenn entwe weder der Lehrer / oder ſie ſelbſt alles durch die gebrauchte Zei - chen vor ſich ſchreiben / was in den angenommenen Bedin - gungen der Lehrſaͤtze / oder in den Aufloͤſungen der Auffgaben enthalten / und daraus durch vorhergehende Lehrſaͤtze geſchloſ - ſen wird. Jn den Aufloͤſungen habe ich alles / was zu thun iſt / hinter einander gleichſam an den Fingern hergezehlet / und die Exempel in Rechnungen gantz mit hinein drucken laſſen / auch durch verſchiedenen Druck die verſchiedenen Sachen von einander unterſchieden / damit die Imagination nicht geirret / und dadurch der Verſtand im Nachdencken geſtoͤhret werde. Jch habe dieſe Anfangs-Gruͤnde Teutſch geſchrieben / weil ſieunſern Tentſchen zu Dienſte ſtehen ſollen; Doch werden die Liebhaber der Lateiniſchen Sprache ſie auch bald in der - ſelben leſen koͤnnen. Die Kunſt-Woͤrter habe ich nach dem Exempel der Frantzoſen / Engellaͤnder und Auslaͤnder behal - ten / und ihnen nur unſerer Mund Art gemaͤße Endungen ge - geben. Die eingeſchlichenen Druckfehler / welche einen un - geuͤbteñ auffhalten koͤnten / ſind zu Ende angemercket worden. Die uͤbrigen wird der geneigte Leſer ſelbſt verbeſſern. GOtt aber gebe demſelben ſeinen Seegen / damit er von meiner we - nigen Arbeit den Nutzen habe / den ich ihm von Her - tzen wuͤntſche.

Bericht an den Buchbinder.

Hinter jede Wiſſenſchafft muͤſſen ſo viel weiße Blaͤtter Papier gebunden werden / als dazu Ta - bellen von den Kupffern gehoͤren / damit dieſelben dergeſtalt eingeleget werden / daß man ſie gantz aus dem Buche heraus ſchlagen kan.

[1]

Kurtzer Unterricht / Von der Mathematiſchen Methode / Oder Lehr-Art.

[2][3]

Vorrede.

Geneigter Leſer:

ES iſt viel daran gelegen / daß man die Mathematiſche Lehr - Art wohl verſtehe. Denn wenn man weiß / was ſie zu ſagen hat; giebt man nicht allein auf alle Lehren / die vorgetragen werden / genaue acht und er - kennet die Urſache ihrer unwiderſprechli - chen Gewißheit / ſondern man lernet auch dieſelbe deſto hurtiger in anderen Wiſſen - ſchafften anbringen. Dieſer Nutzen aber iſt allein zulaͤnglich alle und jede / die ſich auf das Studieren legen / zu Erlernung der Mathematick zu verbinden / wenn ſie gleich ſonſt ihre Wahrheiten die gantze Zeit ihres Lebens zu nichts brauchen wuͤrden. Und aus dieſer Abſicht pflegen auch alle verſtaͤndige mit ſonderbahrem Eyfer die Mathematick den Studierenden zu re - commendiren. Jch begnuͤge mich jetzt nur den Locke in ſeinem Tractate von der Leitung des menſchlichen Verſtandes p. 30. (welcher nebſt einigen ſeiner andern Wercke nach ſeinem Tode zu Londen 1706. heraus kommen /) den Malebranche in ſeinein Wercke von Erfindung der Wahr -A 2heit4Vorrede. heit (lib. 6. c. 4. & 5.) und den Herrn von Tſchiernhauſen in ſeiner Einleitung zur Matheſi und Phyſica, darinnen er den Nutzen dieſer beyden Wiſſenſchafften vor - ſtellet und die Art ſelbige zu ſtudieren be - ſchreibet / anzufuͤhren. Und zwar fuͤhre ich dieſe drey Maͤnner fuͤr allen andern darumb an / weil alle verſtaͤndige beken - nen: daß dieſe von dem menſchlichen Ver - ſtande am beſten geſchrieben. Die Ma - thematiſche Methode hat niemand ge - ſchickter als der Herr von Tſchiernhauſen in ſeiner Medicina mentis erklaͤhret: wel - ches Buch dannenhero alle billig mit Be - dacht durchleſen ſollen / die den Gebrauch der Kraͤffte ihres Verſtandes erlernen wollen. Doch wird in dieſem kurtzen Be - richte der geneigte Leſer vielleicht noch ei - nes und das andere finden / welches er auch in dem angefuͤhrten vortreflichen Wercke vergebens ſuchet. Und darf ich ohne Scheu ſagen / wer dieſen kleinen Un - terricht zuvor geleſen / wird des Herrn von Tſchiernhauſens Medicinam Mentis viel beſſer und leichter als ſonſt verſtehen koͤn - nen: Welches ich einem jeden Liebhaber der Wahrheit von Hertzen wuͤnſche.

5

Kurtzer Unterricht / Von der Mathematiſchen Me - thode.

§. 1.

DJe Lehr-Art der Mathe -Ordnuñg der Ma - themati - ſchen Me - thode. maticorum faͤngt an von den Erklaͤhrungen / gehet fort zu den Grund - Saͤtzen und hiervon weiter zu den Lehr-Saͤ - tzen und Aufgaben: uͤberall aber werden Zuſaͤtze und Anmer - ckungen nach Gelegenheit angehaͤnget.

§. 2. Die Erklaͤhrungen (Deſinitiones)Was Er - klaͤhrun - gen ſind. ſind zweyerley: Entweder Erklaͤhrungen der Woͤrter (definitiones nominales,) oder Erklaͤh - rungen der Sachen (definitiones reales.)

§. 3. Die Erklaͤhrungen der WoͤrterWas Er - klaͤhrun - gen der Woͤrter ſind. geben einige Kennzeichen an / daraus die Sa - che erkannt werden kan / die einen gegebenenA 3Nah -6Kurtzer UnterrichtNahmen fuͤhret Als wenn in der Geome - trie geſaget wird / ein Qvadrat ſey eine Fi - gur / welche vier gleiche Seiten und gleiche Winckel hat.

Was Er - klaͤhrun - gen der Sache ſind.

§. 4. Die Erklaͤhrungen der Sachen ſind ein klahrer und deutlicher Begrief von der Art und Weiſe / wie die Sache moͤglich iſt: Als wenn in der Geometrie geſaget wird; ein Circul wird beſchrieben / wenn ei - ne grade Linie ſich umb einen feſten Punct beweget.

Was ein Begrief iſt.

§. 5. Wir nennen einen Begrief einen jeden Gedancken / den man von einer Sa - che hat.

Was ein klahrer Begrief iſt.

§. 6. Es iſt aber mein Begrief klahr / wenn meine Gedancken machen / daß ich die Sache erkennen kan / ſo bald ſie mir vor - kommt / als z. E. daß ich weiß / es ſey dieje - nige Figur / welche man einen Triangel nennet.

Was ein dunckler Begrief iſt.

§. 7. Hingegen iſt der Begrief dunckel / wenn meine Gedancken nicht zulangen die Sache / ſo mir vorkommt / zu erkennen / als wenn mir eine Pflantze gezeiget wird und ich bin zweifelhafft / ob es eben dieſelbige ſey / die ich zu anderer Zeit geſehen und die dieſen o - der jenen Nahmen fuͤhret.

Was ein deutlicher Begrief iſt.

§. 8. Der klahre Begrief iſt deutlich / wenn ich einem ſagen kan / aus was fuͤr Merck - mahlen ich die vorkommende Sache erkenne / als wenn ich ſage. ein Circul ſey einin7von der Mathemat. Methode. in eine in ſich ſelbſt laufende krumme Linie ein - geſchloſſener Raum / deſſen iedes Punct von dem Mittelpuncte deſſelben gleich weit weg iſt.

§. 9. Ein klahrer Begrief aber iſt ver -Was ein verwier - ter Be - grief iſt. wirret / wenn man einem die Merckmahle nicht ſagen kan / daraus man die vorkom - mende Sache erkennet: dergleichen ihr von der rothen Farbe habt.

§. 10. Es iſt ein deutlicher Begrief voll -Was ein vollſtaͤn - diger Be - grief iſt. ſtaͤndig / wenn man auch von den Merckmah - len / die er einſchlieſt / deutliche Begrieffe hat. Als wenn man in der angegebenen Erklaͤh - rung des Circuls (§. 4.) auch einen deutli - chen Begrief von der graden Linie / von dem Puncte / von einem feſten Puncte und von der Bewegung umb daſſelbe hat.

§. 11. Hingegen iſt er unvollſtaͤndig /Was ein unvoll - ſtaͤndiger Begrief iſt. wenn man von den Merckmahlen / die er in ſich faſſet / keine deutliche Begrieffe hat.

§. 12. Jn den Mathematiſchen Wiſſen - ſchafften befleißiget man ſich fuͤr allen Din -Was fuͤr Begriffe in der Mathe - matick gelten. gen auff deutliche und vollſtaͤndige Begriffe / ſo wohl in den Erklaͤhrungen der Sachen / als in den Erklaͤhrungen der Woͤrter.

§. 13. Daher findet man in den folgenden Erklaͤhrungen keine Woͤrter / welche nicht ent -Beſchaf - fenheit ihrer Er - klaͤhrun - gen. weder ſchon in den vorhergehenden erlaͤutert worden oder als anders woher bekant ange - nommen werden koͤnnen.

A 4§. 14.8Kurtzer Unterricht /
Wenn man mit einem ver wirreten Begrieffe zu frie - den.

§. 14. Ja wenn man in einigen Faͤllen mit einem verwirreten Begrieffe vergnuͤget ſeyn kan / ſo muß er ſo beſchaffen ſeyn / daß man zu denſelben bald ohne Muͤhe gelangen kan / und dannenhero von einer Sache / umb derer Gegenwart man ſich nicht ſonderlich zube - muͤhen hat.

Was die Erklaͤh - rungen uͤber - haupt ſind.

§. 15. Es ſind aber die Erklaͤhrungen uͤberhaupt die erſten Gedancken / die man ſich von den Sachen macht / dadurch man ſie von andern unterſcheidet und daraus man das uͤbrige herleitet / welches man weiter von dieſen Sachen gedencken kan.

Die erſte Art Erklaͤh - rungen zufinden.

§. 16. Man gelanget zu den Erklaͤhrungen der Woͤrter auff verſchiedene Weiſe. Der erſte Weg iſt / wenn man die Sache gegen - waͤrtig wahr nimmt. Auf ſolche Weiſe er - kennet man / daß eine Monds-Finſternis eine Beraubung des Lichts im Vollmond ſey.

Ausuͤ - bung der - ſelben.

§. 17. Soll nun unſere Wort-Erklaͤhrung ein deutlicher Begrief werden / ſo muͤſſen wir mit gutem Bedacht alles von einander un - terſcheiden / was ſich unterſcheiden laͤſt / auff jedes anfangs ins beſondere acht haben und nach dem alles gegen einander halten.

Die an - dere Art.

§. 18. Wenn man die nach vorgeſchriebe - ner Art gefundene Erklaͤhrungen betrachtet / findet man zuweilen gewiſſe Umbſtaͤnde / die man weglaſſen kan; ſo bekommt man durch Weglaſſung derſelben eine neue Erklaͤhrung / die mehrern Dingen als die erſte zukommt. z. E.9von der Mathemat. Methode. z. E. Jch ſetze / ihr habet auf mehr gemeldete Weiſe den Begrief eines Dreyeckes bekom - men / daß es ein Raum ſey / der in drey Lini - en eingeſchloſſen iſt. Laſſet den beſondern Umbſtand / daß drey derſelben Linien ſeyn ſollen / weg; ſo bleibt der Begrief einer Fi - gur uͤbrig / daß ſie ſey ein Raum / der in Linien eingeſchloſſen iſt.

§. 19. Wenn man Erklaͤhrungen / ſie moͤ -Die drit - te Art. gen gefunden worden ſeyn wie ſie wollen / der - geſtalt uͤberleget / daß man auf die beſonderen Umſtaͤnde / dadurch die Sache in ihrer Art determiniret wird / acht hat; ſo kan man durch Nachahmung andere aͤhnliche Umb - ſtaͤnde erdencken / und dadurch andere Sa - chen in ihrer Art determiniren. Und ſol - cher geſtalt findet ihr abermals neue Erklaͤh - rungen. z. E. Wenn ihr bedencket / daß ei - ne Figur ein Dreyecke ſey / ruͤhre von dem be - ſonderen Umbſtande her / daß ſie drey Sei - ten hat; ſo koͤnnet ihr denſelben in einen an - dern verwandeln und z. E. ſetzen / der Raum ſey in vier / oder in 5. oder in 6. Seiten u. ſ.w. eingeſchloſſen. Alsdenn habt ihr neue Er - klaͤhrungen der Vier-Ecke / Fuͤnf-Ecke / Sechs-Ecke u. ſ. w.

§. 20. Ja wie ihr in der andern Art eini -Die vierdte Art. ge Umbſtaͤnde weglaſſet / ſo koͤnnet ihr im Widerſpiele auch neue hinzuſetzen / welche die Sache in denen Dingen determiniren / ſo in der vorgegebenen Erklaͤhrung noch unde -A 5ter -10Kurtzer Unterricht /terminiret ſind. z. E. Wenn ihr die Er - klaͤhrung eines Dreyeckes uͤberdencket / ſo findet ihr / daß in demſelben nicht determini - ret worden / ob die Linien grade oder krum / noch auch ob ſie gleich oder ungleich ſeyn ſol - len. Setzet demnach erſtlich / ſie ſollen gra - de ſeyn: ſo habet ihr die Erklaͤhrung eines gradelinichten Dreyeckes. Setzet ferner / ſie ſollen alle drey einander gleich ſeyn: ſo ha - bet ihr die Erklaͤhrung eines gleichſeitigen Dreyeckes / u. ſ. w.

Die Moͤg lichkeit der Er - klaͤhrung

§. 21. Wenn ihr die Erklaͤhrungen auf die erſte Weiſe gefunden / ſo ſeyd ihr gewiß / daß ſie moͤglich ſind. Denn wer wolte zweifflen / daß dieſes ſeyn koͤnte / welches ihr wuͤrcklich antreffet? Eben ſo ſind die - jenigen moͤglich / welche ihr nach der andern Art von moͤglichen abziehet. Hingegen wenn ihr ſie von Erklaͤhrungen abziehet / de - ren Moͤglichkeit ihr noch nicht erkant habet; ſo wiſſet ihr auch nicht / ob dieſelben moͤglich ſind oder nicht. Z. E. wenn ihr wuͤrcklich wahrgenommen / daß ein Raum in drey gerade Linien eingeſchloſſen ſey / ſo habt ihr keinen Zweiffel daruͤber / ob ein Raum in drey gerade Linien koͤnne geſchloſſen wer - den oder nicht / das iſt / ob die Erklaͤhrung des gradelienichten Dreyecks moͤglich ſey oder nicht. Wenn ihr nun den Begrief einer Figur davon abziehet / daß ſie ein Raum ſey / der in Linien eingeſchloſſen iſt; ſoiſt11von der Mathem. Methode. iſt gleichfalls gewiß gnung / daß ein Raum in Linien eingeſchloſſen werden kan. Derowe - gen koͤnnet ihr dieſe Erklaͤhrungen als unwi - derſprechliche Gruͤnde der Erkaͤntniß anneh - men und verſichert ſeyn / alles dasjenige / was durch richtige Schluͤſſe aus denſelben herge - leitet wird / ſey gleichfalls moͤglich.

§. 22. Hingegen verhaͤlt es ſich gantz an -Wenn ſie unter - ſucht werden muß. ders mit den Erklaͤhrungen / welche nach der dritten und vierdten Methode ausgeſonnen werden. Denn wenn ihr nach der dritten Methode (§. 19.) die beſondern Umſtaͤnde / dadurch die Sache in ihrer Art determini - ret wird / in andere aͤhnliche verwandelt: ſo koͤnnet ihr nicht wiſſen / ob es moͤglich ſey / daß durch die willkuͤhrlich angenommene Umſtaͤn - de eine Sache determiniret werden kan. Z. E. wenn ihr wiſſet / ein Raum kan in drey Li - nien eingeſchloſſen werden; ſo iſt daraus noch nicht klahr / daß er auch in vier / in fuͤnff und in ſechs Linien eingeſchloſſen werden kan. E - ben ſo iſt euch in der vierdten Methode unbe - kandt / ob die willkuͤhrlich hinzugeſetzten Um - ſtaͤnde / dadurch ihr eine Sache genauer zu determiniren geſucht / moͤglich ſind. Denn wenn gleich ein Raum z. E. in drey gerade Linie eingeſchloſſen werden kan; ſo folget dar - aus noch nicht / daß alle drey Linien einander gleich ſeyn koͤnnen. Denn in beyden Faͤllen kan euer Willkuͤhr nichts moͤglich machen; ſondern die Moͤglichkeit beruhet auf der Na -tur12Kurtzer Unterrichttur und Beſchaffenheit der Sachen. Und derowegen muͤſſet ihr aus dieſer dieſelbe zu er - weiſen euch bemuͤhen: Wollet ihr auch dieſe Erklaͤhrung als unwiederſprechliche Gruͤnde der Erkaͤntnis annehmen. Dannenhero als Euclides die Erklaͤhrung des gleichſeiti - gen Dreyeckes nach der vierdten Methode gefunden hatte; zeigte er bald in der erſten Aufgabe / wie ein gleichſeitiges Dreyeck auf einer jeden gegebenen Linie conſtruiret wer - de / umb die Moͤglichkeit deſſelben unter an - dern mit darzuthun.

Was bey den Er - klaͤhrun - gen der Sachen zu beden - cken.

§. 23. Was die Erklaͤhrung der Sachen betrifft / ſo zeigen dieſelbigen / wie eine Sache moͤglich iſt / das iſt / auf was fuͤr Art und Weiſe ſie entſtehen kan (§. 4.) Und derowe - gen hat man bey denſelbẽ auf zweyeꝛley zu ſe - hen / nemlich auf diejenigen Dinge / welche zu ihrer Moͤglichkeit etwas beytragen / und auf dasjenige / was ſie dazu beytragen. Z. E. wenn ein Circul erklaͤhret wird / daß er entſte - he / wenn ſich eine gerade Linie umb einen fe - ſten Punct herumb beweget; ſo erfordert man zu ſeiner Moͤglichkeit einen Punct und eine gerade Linie / der Punct ſoll unbeweglich ſeyn / und alſo die Bewegung der Linie regu - liren / die gerade Linie aber ſoll ſich dergeſtalt bewegen / daß ſie wieder an den Ort koͤmt / wo die Bewegung ſich angefangen.

Wie ihre Moͤglich - keit zu

§. 24. Wenn nun die Erklaͤhrungen der Sachen ihre Richtigkeit haben / oder moͤglichſeyn13von der Mathemat. Methode. ſeyn ſollen / ſo muß man verſichert ſeyn / daßunterſa - chen. dergleichen Dinge ſeyn koͤnnen / als darzu er - fordert werden / und daß auch von ihnen her - ruͤhren kan / was ihnen beygeleget wird. Z. E. wil man verſichert ſeyn / daß ein Circul durch die Bewegung eienr geraden Linie um einen feſten Punct koͤnne beſchrieben werden; ſo muß man gewiß ſeyn / daß eine Linie in ei - nem unbeweglichen Puncte koͤnne befeſtiget und doch umb daſſelbe beweget werden.

§. 25. Zu dieſer Gewißheit gelanget manWeitere Ausfuͤh - rung des vorigen. entweder durch die Erfahrung / oder durch die Erinnerung desjenigen / was man vorhin durch richtige Schluͤſſe gefunden. Z. E. aus der Erfahrung iſt klahr ohne vieles Nach - ſinnen / daß eine Linie an einem Puncte der - geſtalt befeſtiget werden kan / daß ſie ſich umb denſelben bewegen laͤſt. Hingegen wenn ich ein dreyeckichtes Priſma beſchreibe / daß es entſtehe / wenn ein Triangul an einer Linie ſich herunter beweget; wird durch richtige Schluͤſſe ausgemacht / daß drey Linien einen Raum einſchlieſſen koͤnnen. Denn weil man von jedem Puncte zu jedem Puncte eine gerade Linie ziehen kan / ſo kan ein jeder Win - ckel durch eine gerade Linie geſchloſſen wer - den. Nun hat der Winckel zwey gerade Liniẽn zu ſeinen Schenckeln: wenn er nun noch durch eine geſchloſſen wird / ſo iſt der Raum nothwendig von drey geraden Linien eingeſchloſſen.

§. 26.14Kurtzer Unterricht
Wie ſie in der Geome - trie zu ſinden.

§. 26. Jn der Geometrie faͤllet es nicht ſchweer die Erklaͤhrungen der Sachen zu fin - den. Denn die Bewegungen der Puncte geben Linien; die Bewegungen der Linien Flaͤchen; die Bewegungen der Flaͤchen Coͤrper. Wenn man alſo die Puncte / Li - nien und Flaͤchen auf alle erſinnliche Art com - biniret / und ihnen nach und nach alle moͤgli - che Arten der Bewegungen zueignet / ſo kom - men die verlangten Erklaͤhrungen heraus.

Was Grand - ſaͤtze ſind.

§. 27. Die Erklaͤhrungen ſowol der Woͤr - ter als der Sachen koͤnnen entweder vor ſich ins beſondere erwogen / oder mit andern ver - glichen werden. Betrachtet ihr dasjenige / was in den Erklaͤhrungen enthalten iſt / und ſchlieſſet etwas unmittelbahr daraus; ſo nen - nen wir ſolches einen Grundſatz. Z. E. wenn ihr bey der Erklaͤhrung des Circuls be - dencket / daß die Linie / welche ſich umb den Mittelpunct herumb beweget / immer einer - ley Laͤnge behaͤlt; ſo werdet ihr bald begreif - fen / daß alle Linien welche aus dem Mittel - puncte an die Peripherie gezogen werden / ein - ander gleich ſind. Dieſe Wahrheit nun iſt ein Grundſatz.

Jhr Un - terſcheid.

§. 28. Dieſe Grundſaͤtze zeigen entweder / daß etwas ſey / oder daß etwas koͤnne gethan werden. Ein Grundſatz von der erſten Art iſt / den wir erſt aus der Erklaͤhrung des Circuls hergeleitet / daß nemlich alle Li - nien / die aus dem Mittelpuncte an die Peri -phe -15von der Mathem. Methode. pherie gezogen werden / einander gleich ſind. Hingegen ein Grundſatz von der andern Art iſt / der aus der Erklaͤhrung der geraden Linie flieſſet / daß nemlich von einem jeden Puncte zu jedem Puncte eine gerade Linie koͤnne ge - zogen werden. Jm lateiniſchen nennet man die Grundſaͤtze der erſten Art Axiomata; die Grundſaͤtze aber der andern Art Poſtulata. Jch habe es nicht vor noͤthig erachtet dieſel - ben von eiander zu unterſcheiden / weil beyde auf einerley Art aus den Erklaͤhrungen ent - ſpringen / und alſo weſentlich mit einander - bereinkommen.

§. 29. Weil nun die Grundſaͤtze unmittel -Warum ſie keinen Beweiß erfodern. bahr aus den Erklaͤhrungen gezogen werden / haben ſie keines Beweiſes noͤthig / ſondern ih - re Wahrheit erhellet / ſo bald man die Erklaͤh - rungen anſiehet / daraus ſie flieſſen. Man kan demnach nicht ehe verſichert ſeyn / ob der Grundſatz wahr ſey oder nicht / biß man die Moͤglichkeit der Erklaͤhrungen unterſuchet hat. Sonſt weiß man nichts / als daß die Grundſaͤtze richtig ſind / wofern die Erklaͤhrun - gen moͤglich ſind.

§. 30. Mit den Grundſaͤtzen werden un -Was Er - fahrun - gen ſind. terweilen die Erfahrungen verworren. Man nennet aber eine Erfahrung dasjenige / wel - ches man erkennet / wenn man auf ſeine Em - pfindungen acht hat. Z. E. ich ſehe / daß / wenn ein Licht angezuͤndet wird / alle Dinge die um mich ſind / ſichtbahr werden / dieſe Er - kaͤntnis wird eine Erfaͤhrung genennet.

§. 31.16Kurtzer Unterricht
Von was fuͤr Sa - chen ſie handeln.

§. 31. Die Erfahrungen ſind demnach Saͤtze von eintzelen Dingen / weil ich nichts als eintzele Dinge empfinden kan. Dan - nenhero wer ſich auf die Erfahrung beruffet / iſt verbunden einen beſonderen Fall anzufuͤh - ren / wenn ſie nicht ſo beſchaffen iſt / daß man entweder dieſelbe bald haben kan / wenn man ſie verlangt / oder ſich bald darauf beſinnet / weil man dieſelbe oͤffters gehabt. Dieſes nimt man in der Mathematick gnau in acht. Denn wenn man Z. E. in der Aſtronomie von der Bewegung der Sonne redet / fuͤhret man keinen beſonderen Fall an / daß die Son - ne auf - und untergehet / indem es ein ieder alle Tage ſiehet. Hingegen wenn man von der ſcheinbahren Groͤſſe der Sonne redet / fuͤhret man beſondere Faͤlle an / wie groß nemlich ihr Diameter zu dieſer und einer andern Zeit von dieſem und jenem Aſtronomo durch Huͤlffe der darzu gehoͤrigen Jnſtrumente ſey gefun - den worden / weil dieſe Erfahrung nicht ein je - der haben kan / noch zu aller Zeit / wenn er ſie verlangt.

Wie ſie gnau zu unter - ſcheiden.

§. 32. Auch findet man / daß die Mathe - matici die Erfahrung von demjenigen / was daraus geſchloſſen wird / gnau unterſchei - den: welches hingegen von andern nicht ge - ſchiehet. Z. E. Es wird ein Licht angezun - den / ſo fange ich an umb mich zuſehen / was fuͤr meinen Augen vorher gantz verdeckt und verborgen war. Dieſes iſt die Erfahrung. Hin -17von der Mathem. Methode. Hingegen wenn ich bedencke / daß das Licht die Urſache ſey / warumb die Sachen geſehen werden / die im Finſtern unſichtbahr waren; und dabey uͤberlege / daß die natuͤrlichen Din - ge unter einerley Umbſtaͤnden immer einerley Wuͤrckung haben: ſo iſt bey mir kein Zwei - fel uͤbrieg / daß / weñ auch zu anderer Zeit an ei - nem andern Orte im Finſtern ein anderes Licht werde aufgeſteckt werden / man gleichfals ſe - hen werde / was im Finſtern verborgen lag. Und dannenhero ſchlieſſe ich: Das Licht macht alles ſichtbahr / was es erleuchtet. Die - ſer allgemeine Satz iſt nicht die Erfahrung ſelbſt / ſondern durch einen richtigen Schluß aus der Erfahrung hergeleitet worden.

§. 32. Wenn die Methode bekand iſt / nachWenn man die Erfah - rungen ſelbſt nicht an - fuͤhren darff. welcher aus der Erfahrung dergleichen Saͤtze hergeleitet worden / kan man dieſe ohne jene beybringen. Z. E. den groͤſten Abſtand der Sonne von dem Æquatore kan man nicht unmittelbahr ſelbſt meſſen / ſondern man leitet denſelben her aus der vorher gefundenen Hoͤhe des Æquatoris und der im Mittage des Solſtitii obſervirten Hoͤhe der Son - ne. Wenn ich nun hiervon meine Erfah - rung beybringen wil / iſt eben nicht noͤthig / daß ich die Mittags-Hoͤhe der Sonne / die ich obſerviret / mit angebe; ſondern wenn bekand iſt / wie groß ich des Æquatoris Hoͤhe annehme / darff ich nur bald ſagen / wie groß ich den gemeldeten Abſtand der SonneBvon18Kurtzer Unterricht /von dem Æquatore gefunden. Als denn weiß auch ein jeder / wie groß die Mittags-Hoͤ - he der Sonne geweſen. Kan man aber nicht aus dem angefuͤhrten Satze errathen / wie ei - ner denſelben aus ſeiner Erfahrung hergelei - tet; ſo iſt er allerdings ſchuldig dieſelbe in ih - rem beſondern Falle anzufuͤhren / damit man urtheilen kan / ob er durch richtige Schluͤſſe auf ſeinen Satz kommen ſey oder nicht. Denn daß einer etwas durch den Einfall der aͤuſſer - lichen Dinge empfunden / kan er nicht erwei - ſen / ſondern er fordert mit recht / daß man es ihm glaube; Hingegen wie er geſchloſſen / muß durch den Verſtand beurtheilet werden und demnach kan keiner mit recht fordern / daß man ihm dieſes glaube.

Was ein Lehr - Satz iſt.

§. 33. Wenn man verſchiedene Erklaͤh - rungen gegen einander haͤlt und daraus ſchließt / was durch eintzeler Betrachtung zu erkennen unmoͤglich war / ſo nennet man ſol - ches einen Lehr-Satz (Theorema. ) z. E. [we]nn man in der Geometrie einen Trian - gel mit einem Parallelogrammo vergleicht / welches einerley Grund-Linie und Hoͤhe hat / und in dieſer Vergleichung theils unmittel - bahr aus den Erklaͤhrungen dieſer beyden Flaͤchen / theils aus andern Eigenſchafften derſelben / die aus ihren Erklaͤhrungen ſchon vorher gefunden worden / ſchließt daß der Tri - angel nur halb ſo groß iſt als das Parallelo - grammum: wird dieſer Satz; der Triangeliſt19von der Mathem. Methode. iſt die Helffte eines Parallelogrammi, wel - ches mit ihm einerley Grund-Linie und Hoͤhe hat / ein Lehr-Satz genennet.

§. 34. Es iſt aber bey jedem Lehr-SatzeWas bey einem Lehr - Satze zu beden - cken. auff zweyerley zuſehen / nemlich einmal auff den Satz / darnach auff den Beweiß. Je - ner ſaget aus / was einer Sache unter ge - wiſſen Bedingungen zukommen koͤnne oder nicht: dieſer aber erklaͤhret / wie unſer Ver - ſtand dazu gebracht wird / daß er ſich ſolches von der Sache gedencken kan.

§. 35. Nichts iſt ſchlechter Dinges moͤg -Theile des Sa - tzes. lich / auſſer das Selbſt-ſtaͤndige Weſen; ſon - dern alles hat ſeine Urſachen / warumb es iſt. Derowegen muß ein richtiger Satz keinen von den Umbſtaͤnden auslaſſen / unter wel - chen dasjenige moͤglich iſt / was in demſelben bekraͤfftiget wird. z. E. der Triangel iſt die Helffte eines Parallelogrammi, wenn beyde Figuren einerley Hoͤhe und Grund - Linien haben. Sol nun der Satz richtig ſeyn / ſo muß er die Bedingung von der Gleich - heit ſo wol der Grund-Linien / als der Hoͤ - hen nothwendig in ſich faſſen. Und ſolcher geſtalt kan man jeden Satz in zwey Theile zertheilen / nemlich in die Bedingung / unter welcher etwas bekraͤfftiget oder verneinet wird / und in die Ausſage / welche dasjeni - ge in ſich begreift / ſo bekraͤfftiget oder ver - neinet wird. Jene pflegen wir im Lateini - ſchen Hypotheſin; dieſe aber Theſin zu nen -B 2nen.20Kurtzer Unterricht /nen. z. E. Jn dem angezogenen Satze iſt die Bedingung / wenn ein Triangel und Pa - rallelogrammum einerley Grund-Linie und Hoͤhe haben: die Ausſage aber; ſo iſt der Triangel die Helffte des Parallelogrammi.

Nutzen der Be - dingung ſo in je - dem Satze enthal - ten.

§. 37. Demnach zeiget mir jederzeit die Bedingung / in welchem Falle die Ausſage ſtat findet / und macht / daß ich niemals den Satz unrecht anbringen kan. Und dannen - hero hat man einen jeden Satz in dieſe zwey Theile zuzerlegen. Es iſt aber zumercken / daß zuweilen die Bedingung nicht deutlich aus gedruckt wird / wenn ſie nemlich in der Erklaͤhrung der Sache enthalten iſt. z. E. Wenn ich ſage; Alle drey Winckel in einem Triangel zuſammen genommen machen 180. Grad: ſo ſcheinet keine dergleichen Bedin - gung in dem Satze enthalten zu ſeyn. Se - tzet aber an ſtat des Wortes Triangel nur ſeine Erklaͤhrung hin; ſo werdet ihr bald die Bedingung wahr nehmen / denn der Satz wird alſo lauten: Wenn eine Figur in drey grade Linien eingeſchloſſen iſt / ſo machen ihre drey Winckel zuſammen genommen 180. Grad. Hier iſt alſo die Bedingung / unter welcher etwas ausgeſaget wird / dieſe / daß der Raum in drey grade Linien eingeſchloſ - ſen ſeyn ſol.

Beſchaf - fenheit der Aus - ſage.

§. 38. Die Ausſage nun findet unter der Bedingung / ſo im Satze enthalten / bey der Sache bloß ſtat. Denn weil bey einer Sa -che21von der Matem. Methode. che dasjenige anzutreffen iſt / was die Bedin - gung in ſich faſſet; ſo kom̃t ihr auch das an - dere zu / welches die Ausſage von ihr bekraͤf - tiget / oder es kan ihr nicht zugeeignet werden / was dieſelbe von ihr verlanget. Solcher ge - ſtalt iſt klahr / daß man bey jedem Lehr-Satze ſich zweyerley von einer Sache gedencket / und zwar das andere umb des erſtern willen / o - der auch daß man ſich das andere von einer Sache nicht gedencken kan / geſetzt man dencke ſich das erſte von derſelben. z. E. Wenn ich den Lehrſatz vor mir habe; Ein Triangel / der mit einem Parallleogrammo einerley Grund-Linie und Hoͤhe hat / iſt die Helfte deſ - ſelben; ſo gedencke ich mir erſtlich von dem Triangel / er habe einerley Grund-Linie und Hoͤhe mit einem Parallelogrammo; dar - nach / er ſey die Helfte deſſelben. Das letzte - re gedencke ich mir umb des erſten willen.

§. 39. Sol nun der Satz richtig ſeyn / ſoBeſchaf - fenheit des Be - weiſes. muß ſich eine nothwendige Verknuͤpfung meiner Gedancken finden / ſo daß / wenn ich mir das gedencke / welches die Bedingung in der Sache erfordert / es mir unmoͤglich faͤllt / das Wiederſpiel deſſen von ihr zu gedencken / was in der Ausſage von ihr bekraͤftiget wird. Oder auch wenn ich mir gedencke / was diẽ Bedingung in der Sache ſetzet / muß ich mir unmoͤglich von ihr gedencken koͤnnen / was in der Ausſage von ihr verneinet wird. Der Beweiß nun entdecket in dem erſten Falle dieB 3noth -22Kuttzer Unterricht /nothwendige / in dem andern aber die un - moͤgliche Verknuͤpfung meiner Gedancken.

Gruͤnde des Be - weiſes.

§. 40. Solcher geſtalt ſind die Gruͤnde des Beweiſes theils die Erklaͤhrungen der - jenigen Woͤrter und Sachen / die ſo wol in der Bedingung als in der Ausſage enthal - ten ſind / theils auch die aus gedachten Er - klaͤhrungen von eben dieſen Sachen ſchon vorhin hergeleiteten Eigenſchaften. Weil man nun in der Mathematick nichts zu den Gruͤnden annehmen laͤſt / als was entweder in den vorhergeſetzten Erklaͤhrungen / oder da - her geleiteten Grund - und Lehr-Saͤtzen ent - halten; ſo pflegt man die Erklaͤhrungen und Lehr-Saͤtze jederzeit anzufuͤhren / auf welche man den Beweiß gruͤndet / theils damit ein jeder ſiehet / daß die angenommenen Gruͤnde des Beweiſes ihre Richtigkeit haben; theils damit diejenigen / welche die Gruͤnde noch nicht erkannt oder auch wohl wieder vergeſ - ſen haben / nachſchlagen koͤnnen und ſich ih - rer Gewißheit verſichern.

Nutzen der cita - tionum.

§. 41. Es hat aber die Anfuͤhrung der Er - klaͤhrungen / Grund - und Lehr-Saͤtze / aus welchen der Beweiß gefuͤhret wird / groſſen Nutzen / und geſchiehet dannenhero nicht ohne Urſache / daß man in der Mathematick iedem Gedancken ſeinen beſondern Nahmen giebt / dieſen eine Erklaͤhrung / einen andern einen Grund - und Lehr-Satz / noch einẽ andern eine Aufgabe / und noch einen andern eine Zugabenen -23von der Mathem. Methode. nennet. Denn wenn mich der Beweiß von der Richtigkeit des Satzes voͤllig uͤberzeugen ſoll / ſo darff ich keinen Zweiffel an ſeinen Gruͤnden haben / ſondern muß vielmehr von ihrer Richtigkeit voͤllig uͤberfuͤhret ſeyn. Dan - nenhero zeigen mir die citationes, was man bey demjenigen als bekand vorausſetzen muß / den ich von der Richtigkeit eines jeden Lehr - ſatzes uͤberfuͤhren will. Und weil die Er - klaͤhrungen die erſten Gedancken ſind / die Grundſaͤtze aus ihnen unmittelbahr flieſſen / hingegen die Lehrſaͤtze entweder unmit - telbahr oder mittelbahr aus ihnen herge - leitet werden; ſo ſiehet man bald aus der Anfuͤhrung der Nahmen von ieder Wahr - heit / die zum Grunde des Beweiſes geleget wird / ob man viel oder wenig voraus ſetzen muß / und in was fuͤr einer Ordnung man es anfaͤngt / damit die Uberfuͤhrung ſtat ſinden kan. Ja weil auch beſondere Kunſt - Griffe ſind / dadurch man einen von der Rich - tigkeit der Erklaͤhrungen / beſondere wodurch man ihn von der Richtigkeit der Grundſaͤtze und beſondere wodurch man ihn von der Richtigkeit der Lehrſaͤtze uͤberfuͤhret; ſo geben mir die angefuͤhrte Nahmen der Gruͤn - de des Beweiſes zugleich Gelegenheit an die gehoͤrige Methode zu gedencken / dadurch ich einen von der Richtigkeit der angenommenen Gruͤnde des Beweiſes uͤberzeugen kan.

§. 42. Die Art und Weiſe aus den ge -Art aus den GruͤnB 4ſetz -23[24]Kurtzer Unterricht. den zu ſchlieſſen.ſetzten Gruͤnden zu ſchlieſſen iſt keine andere / als die laͤngſt in allen Buͤchern von der Logi - ca oder Vernunft-Kunſt beſchrieben wor - den. Es ſind die Beweiſe oder Demonſtra - tiones der Mathematicorum nichts anders als ein Hauffen nach den Regeln der Ver - nunft-Kunſt zuſammen geſetzter Schluͤſſe. Daß demnach in denſelben alles durch die ſo genanten Syliogiſmos geſchloſſen wird / nur daß man zuweilen / oder wol meiſtens eine von den præmiſſis weglaͤſſet / weil ſie entwe - der dem Leſer / der ſich den Beweiß zu geden - cken bemuͤhet / vor ſich einfaͤllt / oder aus der beygefuͤgten citation leichte kan errathen werden.

Erlaͤu - terung des vori - gen.

§. 43. Unerachtet es mir nicht ſchweer fallen wuͤrde zu behaupten / daß kein uͤberfuͤh - render Beweiß anders gefuͤhret werden kan / als wenn unſere Gedancken nach den ſyllo - giſtiſchen Regeln auf einander folgen; ſo iſt doch hier dieſe Weitlaͤufftigkeit unnoͤthig / denn da die Frage allein von dem iſt / was geſchiehet; doͤrfen wir uns nur auf Exempel beruffen. Es hat aber nicht allein Clavius ſolches an dem Beweiſe des erſten Lehrſatzes in den Elementis Euclidis; ſondern auch Daſipodius durch einige Buͤcher dieſer Ele - mentorum gewieſen.

Was Anfga - ben ſind.

§. 44. Die Aufgaben handeln von et - was / ſo gethan oder gemacht werden ſoll / und werden in drey Theile eingetheilet / in denSatz /25Von der Mathem. Methode. Satz / die Aufloͤſung und den Beweiß. Jn dem Satze geſchiehet der Vortrag von dem / was gemacht werden ſoll. Die Aufloͤ - ſung erzehlet alles / was man thun muß / und wie man eines nach dem andern zu verrichten hat / damit geſchehe / was man verlanget. Endlich der Beweiß fuͤhret aus / wenn das geſchiehet / was in der Aufloͤſung vorgeſchrie - ben wird; ſo muͤſſe man auch nothwendig erhalten / was man in dem Satze verlangte. Solchergeſtalt wird jede Aufgabe in einen Lehrſatz verwandelt / wenn ſie bewieſen wer - den ſoll / in welchen die Aufloͤſung die Bedin - gung / der Satz aber die Ausſage giebet. Es heiſſet nemlich uͤberhaupt: Wenn man al - les thut / wie es die Aufloͤſung erfordert / ſo ge - ſchiehet / was man thun ſolte. Dannenhe - ro iſt nicht noͤthig von den Aufgaben beſon - ders weitlaͤufftig zu handeln.

§. 45. Zuweilen geſchiehet es / daß manWas Zu - ſaͤtze ſind. umb beſonderer Urſachen willen einen Satz auf einen beſonderen Fall appliciret / oder auch aus demſelben durch unmittelbahre Folge einen andern Satz herleitet. Der - gleichen Arten der Wahrheiten werden Zu - ſaͤtze (Corollaria) genennet.

§. 46. Die erſte Art der Zuſaͤtze erfordertUnter - ſchied der Zuſaͤtze. keinen Beweiß. Denn was uͤberhaupt von allen Faͤllen erwieſen worden / darff nicht ins beſondere von einem von neuem dargethan werden. Z. E. wenn man von einem jedenB 5Tri -26Kurtzer Unterricht. Triangel erwieſen / daß alle drey Winckel zuſammen genommen zweyen rechten Win - ckeln gleich ſeyn: ſo darff man nicht erſt be - ſonders von einem rechtwinckelichten Trian - gel erweiſen / daß auch ſeine drey Winckel zu - ſammen genommen zweyen rechten Win - ckeln gleich ſind. Hingegen die andere Art der Zuſaͤtze hat einen Beweiß noͤthig. Denn wenn etwas aus andern Saͤtzen hergeleitet wird / ſo muß man zeigen / auf was fuͤr Art ei - nes aus dem andern geſchloſſen wird. Z. E. wenn einer zu den gemeldetem Lehrſatze dieſen Zuſatz ſetzt; Jn einem rechtwinckelichten Triangel kan nicht mehr als ein Winckel ein rechter Winckel ſeyn: ſo hat er noͤthig zu zei - gen / wie dieſer Zuſatz aus dem Lehrſatze flieſ - ſet. Nemlich weil die drey Winckel zuſam - men zwey rechte Winckel ſind / ſo bliebe von dem dritten nichts uͤbrig / wenn zwey wuͤrck - lich rechte Winckel waͤren.

Was An - merckun - gen ſind.

§. 47. Endlich in den Anmerckungen / die ſo wol den Erklaͤhrungen / als Grund - und Lehr-Saͤtzen / ingleichen den Aufgaben bey - gefuͤget werden / pfleget man das jenige / was noch dunckel ſeyn moͤchte / zu erlaͤutern / den Nutzen der vorgetragenen Lehren anzudeu - ten / die Hiſtorie der Erfindung beyzubringen und was etwan ſonſt nuͤtzlich zu wiſſen vor - faͤllt.

Die Ma - themati - ſche Lehr - Art iſt

§. 48. Wer die bißher erlaͤuterte Me - thode oder Lehr-Art betrachtet / wird ohneMuͤhe27der Mathem. Methode. Muͤhe iñen werden / daß ſie allgemein iſt / undallge - mein in allen Wiſſenſchafften gebraucht werden ſoll, wenn man anders richtige Erkaͤntnis der Dinge verlanget. Man nennet es aber die Mathematiſche / zuweilen auch gar die Geo - metriſche Methode oder Lehrart / weil bißher faſt die Mathematici allein / ſonderlich in der Geometrie / ſich derſelben bedienet.

§. 49. Und darumb / weil in der Mathe -Nutzen der Ma - thema - thick. matick dieſe Lehrart auf das allergnaueſte in acht genom̃en wird / ruͤhmet man von ihr / daß ſie den Verſtand des Menſchen ſchaͤrfe / das iſt / geſchickt mache in alle Dinge / die er erken - nen lernet / tieffer und richtiger einzuſehen / als ein anderer.

ENDE Des Unterrichts von der Me - thode.

An -[28][29]

Anfangs-Gruͤnde Der Rechen-Kunſt.

[30][31]

Vorrede.

Geehrter Leſer /

DJe meiſten / welche von der Re - chen-Kunſt geſchrieben / haben den Beweiß der Regeln weg - gelaſſen. Einige als Dechales in ſeinem Mundo Mathematico, und Tac - quet in ſeiner Theoria & Praxi Arithme - ticæ, haben die Regeln zwar richtig erwie - ſen: allein ſie ſind unterweilen durch Umb - wege gegangen und haben in der Weite geſucht / was ſie in der Naͤhe viel leichter haͤtten haben koͤnnen. Jch habe mich be - muͤhet den wahren Grund zuzeigen / in dem ich alles aus dem weſentlichen Be - griefe der Sachen hergeleitet / welcher ihre Moͤglichkeit deutlich vor Augen leget / und bringe dannenhero die Liebhaber der Wahrheit auf die rechte Spur / welcher die erſten Erfinder / gefolget ſind. Ob ich gleich aber nur auf die Dinge ge - dacht / welche ihren gewiſſen Nutzen ha - ben; ſo zweifele ich doch nicht / es werden einige vermeinen / als wenn ich zuweilen etwas unnoͤthiges mit eingeruͤckt haͤtte. Dieſe aber wil ich freundlich gebeten ha -ben -30[32]Vorrede. ben / ſie wollen nicht eher ihr Urtheil faͤl - len / biß ſie darthun koͤnnen / daß etwas vorkomme / welches in den folgenden Thei - len der Mathematick nicht wieder ange - wendet wird. Denn ſolcher geſtalt bin ich verſichert / ſie werden dergleichen Urtheil gar unterlaſſen. Von dem Nutzen der Rechen-Kunſt iſt nicht noͤthig zu reden. Jederman empfindet denſelben / und wird ihn noch mehr verſpuͤren / wenn er die Mathematiſchen Wiſſenſchafften ſtudieret. Daß aber die Rechen-Kunſt auch einige Regeln zu Leitung des Verſtandes in Er - findung und Unterſuchung der Wahr - heit an die Hand gebe / iſt in dem Wercke ſelbſt errinnert worden. Jch mache von ihr den Anfang / weil alle uͤbrige Theile der Mathematick ihre Erkaͤntnis voraus ſetzen.

An -33

Anfangs-Gruͤnde Der Rechen-Kunſt.

Die erſte Erklaͤhruug.

1. Die Rechen-Kunſt iſt eine Wiſ - ſenſchafft aus einigen gegebenen Zah - len andere zufinden / von denen eine Eigenſchafft in Anſehung der gegebe - nen Zahlen bekand gemacht wird. Z. E. Man ſol eine Zahl finden / die ſo groß iſt wie 6. und 8. zuſammen.

Der 1. Zuſatz.

2. Weil die Wiſſenſchafft eine Fertigkeit andeutet alles dasjenige / was man von ei - ner Sache behauptet / aus unumſtoͤßlichen Gruͤnden unwiederſprechlich darzuthun. So muß man nicht allein in Erklaͤhrung der Rechen-Kunſt die Regeln zeigen / nach wel - chen man die verlangte Zahlen finden kan; ſondern man muß auch deutlich begreifen / warumb durch ſelbe Regeln die verlang - ten Zahlen koͤnnen gefunden werden.

Der 2. Zuſatz.

3. Die Rechen-Kunſt iſt ein beſonderes Theil der Erfindungs-Kunſt / und kan man demnach durch reifes uͤberlegen von ihren Re - geln die all gemeine Maximen der Kunſt ver - borgene Dinge zuerfinden abziehen.

CAn -34Anfangs-Gruͤnde

Anmerckung.

4. Dergleichen haben in etwas gethan des Cartes in ſeinem Buche von der Methode und Malebranche in ſeinem Wercke von Erfindung der Wahrheit / ſo er in Frantzoͤſiſcher Sprache unter dem Titul la Re - cherche de la Verité herausgegeben. Auch gehoͤ - ret hieher meiſtentheils / was der erſtere von Leitung des Gemuͤths in Erfindung der Wahrheit geſchrie - ben / ſo unter ſeinen Wercken / die nach ſeinem Tode heraus kommen / befindlich.

Die 2. Erklaͤhrung.

5. Wenn man viel eintzele Dinge von einer Art zuſammen nimmt / ent - ſtehet daraus eine Zahl. Z. E. Wenn man zu einer Kugel noch eine andere legt / ſo hat man zwey Kugeln. Leget man noch eine dazu / ſo hat man derſelben drey. u. ſ. w.

Der 1. Zuſatz.

6. Zehlen heiſſet demnach ſo viel als an - deuten / wie viel Sachen von einer Art bey - ſammen ſind.

Der 2. Zuſatz.

7. Jede Sache / in ſo weit ſie vor ſich an - geſehen wird / macht Eins aus / und in ſo weit ſie zu einer Zahl Anlaß geben ſol / muß ſie durch gewiſſe Eigenſchaften dem Ver - ſtande vorgeſtellet werden. Denn alle die - ſe Dinge / bey denen man ſolche Merckmah - le findet / machen gleichfals eine Eines aus / und dieſe Einheiten zuſammen genommen geben eine Zahl. Z. E. Eine Kugel hat dieſe Eigenſchaft daraus ſie erkannt wird /daß35der Rechen-Kunſt. daß alle Puncte in ihrer Flaͤche von dem in - nern Mittelpuncte gleichweit abſtehen. Wenn man nun dieſe Eigenſchaft zum Merckmahle der Eines macht / ſo werden al - le Coͤrper / die eben dergleichen Eigenſchaft ha - ben / zu einer ſolchen Eins. Und eben dieſe Eigenſchaft dienet mir zum Merckmahle / daraus ich erkennen kan / wie viel dergleichen Einheiten in einem gegebenen Orte anzu - treffen / das iſt / wie viel Kugeln vorhanden ſind.

Der 3. Zuſatz.

8. Alſo erfordert jede Zahl eine gewiſſe Einheit / und laſſen ſich keine Zahlen mit ein - ander vergleichen / auch nicht zuſammen ſe - tzen / welche nicht aus einerley Einheiten ent - ſtanden.

Der 4. Zuſatz.

9. Doch weil das Weſen der Zahl bloß darinnen beſtehet / daß man einerley Einhei - ten etliche mal zuſammen nimmt; ſo hat man in Erwegung der Zahlen uͤberhaupt keines weges auf die Merckmahle der Ein - heiten zuſehen / die ſich das Gemuͤthe in Zeh - lung gewiſſer Dinge vorſtellet.

Der 5. Zuſatz.

10. Eine Zahl wird groͤſſer gemacht oder vermehret / wenn man andere Zahlen von ihrer Art hinzuſetzt: Hingegen wird ſie ver - mindert / wenn man eine oder mehrere Zah - len von ihrer Art wegnimmt. Und weiterC 2kan36Anfangs-Gruͤndekan man keine Veraͤnderung mit den Zah - len vornehmen.

Der 6. Zuſatz.

11. Wenn zwey Zahlen mit einander ver - glichen werden / ſo hat entweder eine ſo viel Einheiten als die andere / oder die eine hat mehrere / die andere weniger. Jn dem er - ſten Fall nennet man es gleiche Zahlen; in dem andern Falle iſt die erſte Zahl groͤſ - ſer als die andere / hingegen die andere klei - ner als die erſte. Daher wenn eine Zahl vermehret wird / ſind die Zahlen / ſo zu der - ſelben geſetzt werden / entweder alle vor ſich derſelben gleich / oder ſie ſind groͤſſer und klei - ner als dieſelben und dannenhero ſind zwey verſchiedene Arten eine Zahl zuvermehren.

Der 7. Zuſatz.

12. Eben ſo iſt klahr / daß / wenn eine Zahl vermindert wird / man entweder eine / oder mehrere kleinere Zahlen nacheinander von denſelben wegnimmt; oder auch nur eine Zahl / ſo viel mal von derſelben weg thut als man kan. Und demnach ſind zwey ver - ſchiedene Arten eine Zahl zu vermindern.

Der 8. Zuſatz.

13. Da nun keine andere Veraͤnderung mit den Zahlen vorgenommen werdenkan / als daß ſie vermehret oder vermindert wer - den / (§. 10.); nicht aber mehr als zwey Arten der Vermehrung (§. 11.) und zwey Arten der Verminderung (§. 12.) moͤglich ſind;ſo37der Rechen-Kunſt,ſo koͤunen auch aus gegebenen Zahlen keine andere gefunden werden als durch dieſe Ar - ten der Vermehrung und Verminderung. Nemlich man kan eine Zahl finden / die ſo groß iſt wie verſchiedene andere zuſammen genommen / oder wie eine Zahl etliche mal genommen (§. 11.): ingleichen eine Zahl / wel - che mit einer gegebenen Zahl eine andere ge - gebene Zahl ausmacht / oder auch eine Zahl welche andeutet / wie viel mal man eine ge - gebene Zahl nehmen muß / damit eine andere gegebene Zahl heraus kommt (§. 12).

Anmerckung.

14. Dieſe vier Rechnungs-Arten werden mit be - ſonderen Nahmen genennet umb eine von der andern zu unterſcheiden: Welche Nahmen hier ferner zu er - klaͤhren ſind / damit wir nicht allein kurtz von den - ſelben reden koͤnnen / ſondern auch gewiſſe Merck - mahle haben / daraus wir zu urtheilen vermoͤgend ſind / welcher man in jedem vorkommenden Falle ſich zu bedienen hat.

Die 3. Erklaͤhrung.

15. Addiren heiſſet eine Zahl finden / welche verſchiedenen. Zahlen zuſam - men genommen gleich iſt. Die gege - benen Zahlen werden die Summirenden; die gefundene aber wird die Summe oder das Aggregat genennet.

Zuſatz.

16. Weil eine jede Zahl von vielen Ein - heiten zuſammen geſetzt iſt (§. 5.) ſo geſchie - het das addiren / wenn man zu der einen ge -gebe -38Anfangs-Gruͤndegebenen Zahl die Einheiten der andern nach und nach zehlet.

Anmerckung.

17. Die Einheiten der Zahlen ſtellet man ſich an - fangs durch die Finger vor und verrichtet das zum addiren noͤthige zehlen ſo lange durch die Finger / bis man in dem Gedaͤchtnis behalten / wie viel eine jede kleine Zahl zu einer andern Zahl genommen aus macht / Z. E. daß zwey und drey fuͤnfe / ſechs und achte aber vierzehen iſt.

Die 4. Erklaͤhrung.

18. Subtrahiren oder Abziehen iſt ſo viel als eine Zahl finden / welche mit einer gegebenen Zahl zuſammen genom - men einer andern gegebenen Zahl gleich iſt. Die Zahl / welche durch ſubtrahiren ge - funden wird / heiſſet die Differentz oder der Unterſcheid der gegebenen Zahlen.

Zuſatz.

19. Weil eine jede Zahl aus vielen Ein - heiten beſtehet (§. 5); ſo geſchiehet das Subtrahiren / wenn man von der einen ge - gebenen Zahl die Einheiten der andern nach und nach wegnimmt.

Anmerckung.

20. Was in der Anmerckung uͤber die vorherge - hende Erklaͤhrung von dem Addiren erinnert wor - den / findet auch hier bey dem Subtrahiren ſtat.

Die 5. Erklaͤhrung.

21. Multipliciren iſt eine Zahl fin - den aus zwey gegebenen Zahlen / in welcheꝛ die eine gegebene ſo viel mal ent -halten39der Rechen-kunſt. halten iſt als die andere von den ge - gebenen Eines in ſich begreift. Die Zahl / ſo gefunden wird / heiſſet das Pro - duct / oder FACTUM: Die gegebenen Zahlen werden die FACTORES genennet.

Anmerckung.

22. Wenn man multipliciret / findet man eine Zahl / die ſo groß iſt / wie eine andere etliche mal ge - nommen. Alſo muß nothwendig die Zahl / welche et - lichemal genom̃en werden ſoll / ſo vielmal in der gefun - denen Zahl enthalten ſeyn als die Zahl / welche an - deutet / wie viel mal man die eine gegebene Zahl nehmen ſoll / Eines in ſich begreift.

Zuſatz.

23. Multiplieiren iſt alſo nichts anders als eine Zahl etliche mal zu ſich ſelbſt addi - ren. (§. 15.)

Die 6. Erklaͤhrung.

24. Dividiren iſt eine Zahl finden aus zwey gegebenen Zahlen / welche andeutet / wie viel mal die eine gegebe - ne Zahl in der andern enthalten iſt / und dannenhero Qvotus oder der Qvotient genennet wird.

Der 1. Zuſatz.

25. Alſo iſt dividiren nichts anders als eine Zahl von einer andern etliche mal ſub - trahiren. (§. 18.)

Der 2. Zuſatz.

26. Und wie viel mal die eine gegebene Zahl (welche Diviſor genennet wird) in derC 4andern40Anfangs-Gruͤndeandern (die man den Dividendu[m]nennt) ent - halten iſt / ſo viel mal muß Eines in dem Qvotienten enthalten ſeyn.

Der 1. Grundſatz.

27. Eine jede Zahl iſt ihr ſelber gleich.

Anmerckung.

28. Man ſagt / daß zwey Zahlen einander gleich ſind / wenn eine ſo viel Einheiten in ſich enthaͤlt / als die andere (§. 11). Derowegen weil iede Zahl aus ih - ren gehoͤrigen Einheiten beſtehet / und nicht mehr die - ſelbe Zahl bleibet / wenn man eine hin zu thut / oder da - von nimt (§. 5. 7. ); ſo iſt nothwendig iede Zahl ihr ſel - ber gleich. Es hat aber dieſer Grundſatz ſeinen Nu - tzen / weil man eine Zahl anſehen kan / wie ſie durch verſchiedene Zuſammenſetzungen oder Veraͤnderun - gen anderer Zahlen heraus kommt. Z. E. Sechs ent - ſtehet / wenn ich 4 und 2 addire; wenn ich 3 durch 2 multiplicire; wenn ich 2 von 8 ſubtrahire; wenn ich 12 durch 2 dividire. Alſo ſind vermoͤge unſers Grundſatzes die Summe von 4 und 2 / das Product aus 3 in 2 / die Differentz zwiſchen 2 und 8 / der Qvo - tient aus 12 und 2 einander gleich.

Der 2. Grundſatz.

28. Wenn zwey Zahlen einer dritten Zahl gleich ſind / ſo ſind ſie einander ſel - ber gleich.

Anmerckung.

29. Jch habe Z. E. drey Haͤuffen Geld. Jn dem erſten ſind ſo viel Thaler als wie in dem andern; in dem dritten gleichfalls ſo viel als in dem andern. Al - ſo muß auch ſo viel in dem dritten als in dem erſten ſeyn.

Der 3. Grundſatz.

30. Wenn man gleiches zu gleichemaddi -41der Rechen-Kunſt. addiret / ſo kommen gleiche Summen heraus.

Der 4. Grundſatz.

31. Wenn man gleiches von glei - chem ſubtrahiret / ſo bleibet gleiches - brig.

Der 5. Grundſatz.

32. Wenn man gleiches durch gleiches multipliciret / ſo kommen gleiche Produ - cte heraus.

Der 6. Grundſatz.

33. Wenn man gleiches durch gleiches dividiret / ſo ſind die Qvotienten einan - der gleich.

Zuſatz.

34. Daher wenn zwey ein Exempel rech - nen / und keiner von beyden fehlet / muß einer - ley heraus kommen: ſo ſie aber verſchiedenes heraus bringen / muß einer von beyden gefeh - let haben.

Der 7. Grundſatz.

35. Das gantze iſt ſeinen Theilen zu - ſammen genommen gleich.

Der 1. willkuͤhrliche Satz.

37. Man gehe im Zehlen nicht weiter fort als biß auf zehen. Wenn man biß zehen gezehlet / ſo fange man wieder von neuem an / nur daß man iederzeit dazu ſetze / wie viel mal man ſchon gezehlet.

Anmerckung.

37. Dieſes iſt das allgemeine G[e]ſetze / darnach manC 5ſich42Anfangs-Gruͤnde. ſich im Zehlen richtet: und weil wir deſſelben von Jn - gend auf ſo gewohnet ſind / ſcheinet es eine Nothwen - digkeit zu haben. Allein es hat nicht allein Weige - lius in ſeiner Arithmetica Tetractyca gewieſen / daß man nur biß auf viere zehlen koͤnne; ſondern der vor - treffliche Leibnitz hat auch eine Arithmeticam binariam erfunden / welche nicht uͤber zwey zehlet / und den Ge - lehrten die verborgenen Eigenſchaffteu der Zahlen zu unterſuchen dienen kan. Vid. Memoires de l Acade - mie Royale des Sciences A. 1703. p. 105. & ſeqq. Die Urſache aber / warumb man nur biß auf zehen zehlet / iſt ſonder zweifel daher zu holen / weil die Menſchen die Sachen an ihren Fingern zu zehlen pflegen / ehe ſie ſich im rechnen geuͤbet. (§. 17.)

Zuſatz.

38. Alſo hat man vor jede von den zehen Zahlen einen beſonderen Nahmen vonnoͤ - then / und wiederum andere Nahmen / da - durch die Vielheit der Zehner bemercket wird. Jene ſind Eins / zwey / drey / vier / fuͤnff / ſechs / ſieben / acht / neun / zehen / die - ſe aber zwantzig / dreißig / viertzig / funff - zig / ſechtzig / ſiebentzig / achtzig / neuntzig / hundert.

Der 2. willkuͤhrliche Satz.

39. Gleichwie man zehen mal zehen hundert nennet; alſo nenne man ferner zehen mal hundert Tauſend; tauſend mal tauſend eine Million; tauſend mal tauſend Millionen eine Billion; tauſend mal tauſend Billionen eine Trillion oder dreyfache Million / u. ſ. w.

An -43der Rechen-kunſt.

Anmerckung.

40. Dieſe Benennung geſchiehet bloß zu dem En - de / damit man ſich in groſſen Zahlen nicht verwirret; ſondern von iedem Theile derſelben einen deutlichen Begrief formiren kan.

Der 3. willkuͤhrliche Satz.

41. Die neun Zahlen bemercke man mit folgenden Zeichen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. damit man aber auch die Zehener / Hunderte / Tauſende / u. ſ. w. dadurch an - deuten kan / ſo gebe man ihnen ihre Be - deutung von der Stelle / in welcher ſie ſtehen. Nemlich wenn ſie entweder allein / oder in der erſten Stelle zur Rech - ten anzutreffen ſind / ſollen ſie Einer be - deuten; in der andern Zehener / in der vierdten Tauſende / u. ſ. w.

Die 1. Aufgabe.

42. Eine geſchriebene Zahl auszuſpre - chen / das iſt / einem ieden Zeichen in der - ſelben ſeinen Werth zuzueignen.

Aufloͤſung.

  • 1. Theilet die gegebene Zahl in Claſſen von der Rechten an gegen die Lincke zu vermit - telſt kleiner Strichlein / und eignet ieder Claſſe drey Stellen zu. Am Ende gegen die Lincke moͤgen drey oder wenigere uͤbrieg bleiben.
  • 2 - Uber die Zahl / welche nach dem andern Strichlein komt / machet einen Punct und uͤber die ſo nach dem vierdten folget / zwey Puncte / u. ſ. w.
  • 3. Sprecht ein bloſſes Striechlein durch Tau -ſend44Anfangs-Gruͤnde. ſend aus / einen Punct durch Million / zwey Puncte durch Billion / u. ſ. w. Hin - gegen die erſte Zahl gegen die Lincke in eine Claſſe durch Hunderte / die mittle - re durch Zehner / und die letzte durch Ei - ner. So iſt geſchehen / was man ver - langte. Z. E. wenn ihr folgende Zahl ausſprechen wollet.

2 / 125 / 473 / 613 / 578 / 432 / 597. ſo ſagt: zwey Trillionen / hundert und fuͤnf und zwantzig tauſend / und vierhun - dert und drey und ſiebentzig Billionen / ſechs hundert und dreyzehentauſend fuͤnfhun - dert und acht und ſiebentzig Millionen / vierhundert und zwey und dreyßig tauſend / fuͤnfhundert und ſieben und neuntzig.

Beweiß.

Es iſt alles klahr aus den vorhergeſetzten willkuͤhrlichen Saͤtzen. (§. 36. 41).

Die 2. Aufgabe.

43. Verſchiedene Zahlen zu addiren.

Aufloͤſung.

  • 1. Schreibet die gegebene Zahlen dergeſtalt untereinander / daß die einfachen unter den einfachen / die Zehener unter den Zehenern / die Hunderte unter den Hunderten / u. ſ. w. zu ſtehen kommen.
  • 2. Ziehet unter den geſchriebenen Zahlen einen Strich / und
  • 3. Zehlet beſonders zuſammen die Einer / und ſchreibet unter ſie ihre Summe. Enthaͤltdie45der Rechen-kunſt. die etliche Zehener in ſich / ſo zehlet dieſelben zugleich mit den gegebenen Zehenern zu - ſammen / und ſetzt ihre Summe gleichfals unter die Reihe der Zehener. Wenn ihr ſo fortfahret / werdet ihr endlich die verlang - te Summe aller Zahlen heraus bekom - men.

Z. E. wenn ihr folgende Zahlen addiren ſollet

  • 3578
  • 524
  • 63
4165

ſo ſprecht: 4 und 3 iſt 7 / noch 8 darzu iſt 15. Se - tzet 5 unter die Einer. Den 1. Zehner aber zehlet zu den gegebenen Zehenern / und ſprecht ferner: 1 (nemlich Zehener) und 6 ſind 5 (Ze - hener) / noch 2 dazu ſind 9 / noch 7 dazu ſind 16 (Zehener.) Setzet die 6 Zehener unter die Zehener der gegebenen Zahlen und die uͤbrigen 10 Zehener / das iſt 1 Hundert zehlet zu den Hunderten der gegebenen Zahlen. Sprecht demnach 1 und 5 iſt 6 / noch 5 dazu iſt 11 (nemlich Hundert.) Setzet 1 unter die Hunderte der gegebenen Zahlen / und die - brigen 10 Hunderte / das iſt 1 Tauſend / zeh - let zu den Tauſenden der gegebenen Zahlen. Sprecht alſo endlich 1 und 3 iſt 4 (nemlich Tauſend) und ſetzt die 4 unter die Tauſende der gegebenen Zahlen / ſo habt ihr die verlang - te Summe 4165.

Be -46Anfangs-Gruͤnde

Beweiß.

Vermoͤge der geſchehenen Rechnung ent - haͤlt die gefundene Zahl in ſich alle Einer / al - le Zehener / alle Hunderte / alle Tanſende u. ſ. w. der vorgegebenen Zahlen / das iſt / alle ihre Theile. Und alſo iſt ſie ſo groß wie alle gegebene zuſammen genommen / (§. 25.): fol - gends ſind die gegebenen Zahlen zuſammen addiret worden. (§. 15.) W. z. E.

Die 1. Anmerckung.

44. Wenn ihr alle Theile der gegebenen Zahlen als lauter Einer anſehet / ſo werdet ihr wahrnehmen / daß ihr in die Summe nur allzeit den Uberſchuß der ſummirten Zahlen uͤber 9. ſchreibet. Denn an ſtatt fuͤnfzehen ſchreibet ihr die Zahlen 1 und 5 / welche 6 machen / wenn man ſie beyde fuͤr Einer haͤlt / und al - ſo der Uberſchuß der Zahl funffzehen uͤber neune ſind. Eben ſo ſchreibet ihr an ſtat ſechzehen unter die Reihe der Zehener / 6. und unter die Hun - derte 1 / welche beyde Zahlen zuſammen genommen 7 ausmachen / wenn man ſie fuͤr Einer anſiehet / und demnach der Uberſchuß von ſechzehen uͤber neune ſind. u. ſ. w. hieraus iſt klahr / daß man bey Summi - rung der Zahlen bey ieder Reihe ſo viel Neunen weglaͤſſt / als man Einheiten zu der folgenden Rei - he zehlet.

Die 2. Anmerckung.

45. Wollet ihr demnach wiſſen / ob die gefundene Zahl ſo groß ſey wie die gegebenen zuſammen genom - men / ſo (1.) mercket die beſagten Einheiten auf der Seite und nach vollbrachter Rechnung zehlet die - ſelben zuſammen / damit ihr ſehet / wie vielmal 9 im Summiren weggelaſſen worden. (2.) Werfet uͤberdie -47der Rechen-Kunſt. dieſes noch aus der Summe ſo viel 9 weg / als ihr koͤn - net / und zehlet die im Summiren weggelaſſene mit dazu: die Zahl aber / ſo uͤbrieg bleibt / mercket ſo wol als die Anzahl der weggeworfenẽ Neunen. (3.) End - lich gebet auch acht / wie vielmal ihr aus den gegebenen Zahlen 9 wegwerfen koͤnnet / und was zuletzt fuͤr eine Zahl uͤbrig bleibet. Denn ſo die Anzahl der wegge - worffenen Neunen beyderſeits gleich iſt / auch einer - ley Zahl beyderſeits uͤbrig bleibet / ſo iſt die gefunde - ne Zahl ſo groß / wie die gegebenen zuſammen genom - men. (§. 31.) Und ihr ſeyd daher gewiß / daß ihr nach der Regel richtig verfahren. Als in dem vorigen E - xempel ſind wehrender Rechnung drey Neunen weggelaſſen worden / und eine laͤſt ſich noch von der ge - gebenen Summe wegwerfen / worauf 7 uͤbrieg bleiben. Wenn man aber aus den gegebenen Zahlen / die uͤber der Linie ſtehen / gleichfals 4 mal 9 ausſtreichet / blei - ben auch 7 uͤbrig. Demnach iſt recht addiret worden.

Die 3. Anmerckung.

46. Die Mathematici haben ein beſonderes Zei - chen / dadurch ſie die Addition andeuten / nemlich das Zeichen + / welches ſie durch mehr ausſprechen. Demnach ſchreiben ſie die Summe zweyer Zahlen / als 3 und 7 / alſo: 3+7.

Die 3. Aufgabe.

47. Eine kleinere Zahl von einer groͤſ - ſeren zu ſubtrahiren.

Aufloͤſung.

  • 1. Schreibet die kleinere Zahl unter die groͤſ - ſere auf die Art / wie im Addiren geſche - hen. (§. 46.)
  • 2. Ziehet unter die geſchriebene Zahlen eine Linie.
  • 3. Subtrahiret beſonders die Einer von denEi -48Anfangs-GruͤndeEinern / die Zehener von den Zehenern / die Hunderte von den Hunderten / u. ſ. w. und ſetzt allzeit die Zahl / ſo uͤbrieg bleibet / an ihren gehoͤrigen Ort unter die Linie: nemlich was bey den Einern uͤbrieg bleibt / unter die Einer / was bey den Zehenern uͤbrieg bleibt / unter die Zehener / u. ſ. w.
  • 4. Geſchiehet es aber / daß eine groͤſſere Zahl von der kleinen weggenommen werden ſol / ſo nehmet aus der folgenden Reihe eines weg / und ſetzt es in die vorhergehende / wo es zehen gielt (§. 41). Alſo kan von der umb zehen vermehrten Zahl die Sub - traction geſchehen: die Zahl aber in der folgenden Stelle iſt umb eines kleiner wor - den / welches durch einen Punct bemercket wird.
  • 5. Endlich wenn in der folgende Stelle zur Lincken 0 ſtehet / gehet ſo weit fort gegen die Lincke / biß ihr eine Zahl antrefft / und neh - met von derſelben 1 weg / ſo iſt es eben ſo viel als wenn ihr in alle leere Stellen 9 und in die wo man nicht ſubtrahiren konte / 10 ſetzet (§. 41.)
  • Nach dieſen Regeln kan man eine iede gege - gebenen Zahl ſubtrahiren. W. Z. T.

Z. E. Wenn ihr folgende Zahlen von ein - ander ſubtrahiren ſolt /

  • 98.0.0.4.0.34.59
  • 4743865263
5056538196

ſo49der Rechen-kunſt. ſo ſprecht: 3 von 9 laͤſſet 6 / und ſchreibet 6 unter die Linie in die Stelle der Einer. Sprecht ferner: 6 (nemlich Zehener) von 5 kan ich nicht (wegnehmen.) Borget demnach 1 von 4 in der folgenden Stelle / ſo bleiben in derſelben 3 und ihr habt 15 an ſtat der 5. Nun nehmet 6 von 15 / ſo bleiben 9 uͤbrieg / welche ihr wiederum unter die Linie in die Stelle der Zehener ſchreibet. Hierauf fah - ret fort und ſprecht: 2 von 3 laͤſſet 1: 5 von 3 kan ich nicht (ſubtrahiren). Derowegen borge ich 1 von 4 und ſetze es in die leere Stelle / ſo habe ich in derſelben 10. davon nehme ich 1 weg / ſo bleiben in derſelben 9 und an ſtat 3 bekomme ich 13. Nun nehmet 5 von 13 / blei - ben 8 uͤbreg und 6 von 9 laͤſſet. 3 Weil 8 von 3 wieder nicht angehet / ſo nehmet 1 von 8 und ſetzet es in die erſte leere Stelle / ſo habet ihr daſelbſt 10 und dorten noch 7. davon nehmet 1 weg / und ſetzet es in die andere leere Stelle gegen die rechte / ſo bleiben an ſtat 10 noch 9 / und in dieſer habt ihr 10. davon nehmet wieder 1 weg / ſo bleiben in derſelben noch 9 und an ſtat 3 bekommt ihr 13. Sprecht nun: 8 von 13 laͤſ - ſet 7; 3 von 9 laͤſſet 6; 4 von 9 laͤſſet 5; 7 von 7 laͤſſet 0; 4 von 9 laͤſſet 5. Wenn ihr nun das uͤbriege allzeit unter die Linie an ſeinen ge - hoͤrigen Ort ſchreibet / ſo habt ihr die verlang - te Zahl gefunden.

Beweiß.

Vermoͤge der geſchehenen Rechnung haͤltDdie50Anfangs-Gruͤndedie gefundene Zahl in ſich den Reſt aller Ei - ner / aller Zehner / aller Hunderte / aller Tauſende / u. ſ. w. das iſt den Reſt aller Theile. Da nun der Reſt aller Theile zu - ſammen dem gantzen Reſte gleich iſt (§. 35); ſo iſt die gefundene Zahl der Reſt / welcher uͤbrieg / bleibt / wenn man eine Zahl von der andern wegnimt / und folgends mit der wegge - nommenen Zahl zuſammen der andern gege - benen Zahl gleich. Derowegen geſchiehet durch die gegebenen Regeln die Subtracti - on (§. 18.) W. Z. E.

Anmerckung.

48. Wollet ihr wiſſen / ob ihr recht gerechnet / ſo ad - diret nach der 2. Aufgabe (§. 43.) die gefunde - ne Zahl zu der kleinren von den gegebenen. Die Sum - meiſt die groͤſſere. (§. 18.)

9800403459 47438652632 50565381965 9800403459

Die 2. Anmerckung.

49. Das Zeichen der Subtraction iſt wel - ches man durch weniger ausſpricht: daher ſchreibet man den Unterſchied zweyer Zahlen / als 8 und 5 alſo 8 5

Die 4. Aufgabe.

50. Das Einmahl Eins aufzuſetzen /da -51der Rechenkunſt. das iſt / eine Tabelle verfertigen / in wel - cher alle Producte zu finden / welche he - raus kommen / wenn man die Einer durcheinander multipliciret.

Aufloͤſung.

  • 1. Theilet iede Seite eines Qvadrats in 9. gleiche Theile / und zerſchneidet es durch Qverſtriche in lauter kleine Faͤcher.
  • 2. Oben in der erſten Reihe derſelben zur lin - cken ſchreibet die Zahlen von 1 bis 9 in ih - rer natuͤrlichen Ordnung.
  • 3. Addiret 2 zu ſich ſelbſt / und ſetzet das Pro - duct 4 unter die 2. dazu addiret noch 2 / ſo iſt 6 das Product aus 3 in 2 / zu 6 addiret noch einmahl 2 / ſo habt ihr 8 das Product aus 2 in 4.
  • 4. Wenn ihr nun auf gleiche Weiſe die - briegen Zahlen findet / und in ihre gehoͤri - gen Faͤcher einſchreibet; ſo iſt das Ein mal Eins fertig / welches man machen ſolte.
D 2An -52Anfangs-Gruͤnde
123456789
24681012141618
369121518212427
4812162024283236
51015202530354045
61218243036424854
71421283542495663
81624324048566472
91827364554637281

Anmerckung.

51. Das Einmal Eins muß man auswendig lernen / wenn man im multipliciren und dividi - ren hurtig fortkommen wil. So lange man es aber noch nicht inne hat / muß es iederzeit / wenn man mul - tipliciret oder dividiret / bey der Hand ſeyn.

Die 5. Aufgabe.

52. Eine gegebene Zahl durch eine andere gegebene Zahl zn multipliciren.

Auf -53der Rechen-kunſt.

Aufloͤſung.

  • 1. Schreibet die eine Zahl dergeſtalt unter die andere / wie in der Addition geſchehen. (§. 43.)
  • 2. Unter die geſchriebenen Zahlen ziehet eine Linie.
  • 3. Schreibet aus dem Einmal Eins da - runter alle Producte aus iedem Theile der untern Zahlen in iedes von der oberen / und zwar dergeſtalt / daß ihr allzeit die Zehe - ner von einem Producte zum folgenden Producte zehlet / und jede Reihe der Pro - ducte umb eine Stelle weiter hinein ruͤckt.
  • 4. Endlich addiret (§. 43.) dieſe Producte zuſammen; ſo iſt die Summe derſelben das Product / welches man finden ſolte.

Z. E. wenn ihr 38476 durch 35 multipliciret / ſo ſchreibet die Zahlen folgender geſtalt unter - einander

  • 38476
  • 35
  • 192380
  • 115428
1346660

und ſprecht: 5 mal 6 iſt 30. Schreibet die 0 unter die 5 und ſprecht weiter: 5 mal 7 iſt 35 / 3 dazu (ſo euch zuvor uͤberblieben) iſt 38. Schreibet 8 neben 0 gegen die lincke und ſprecht ferner: 4 mal 5 iſt 20 / 3 darzu iſt 23. D 3Schreibt54Anfangs-GruͤndeSchreibt 3 neben 8 und ſagt: 5 mal 8 iſt 40 / 2 dazu iſt 42. Schreibet 2 neben 3 und ſagt abermal: 5 mal 3 iſt 15 / 4 dazu iſt 19. Schreibet 19 neben 2 / ſo habt ihr die obere Zahl 5 mahl genommen. Verfahret nun auf gleiche Weiſe mit 3 und ſagt: 3 mal 6 iſt 18. Schreibet 8. um eine Stelle weiter hinein gegen die lincke und ſprecht ferner: 3 mal 7 iſt 21 / 1 dazu iſt 22. Schreibet 2 neben die 8 ge - gen die lincke / u. ſ. w. Endlich addiret die beyden gefundenen Zahlen / ſo iſt die Sum - me 1346660. das geſuchte Product.

Beweiß.

Vermoͤge der geſchehenen Rechnung und des Einmal eins begreift die erſte Reihe der Zahlen / die addiret werden / die obere Zahl ſo viel mal in ſich als die erſtere von der unteren gegen die Rechte Eins in ſich enthaͤlt. Und weil die folgenden Reihen immer umb eine Stelle weiter hineingeruͤcket werden / ſo be - greifft iede von denſelben die obere Zahl ſo vielmal in ſich / als iede von den folgenden der unteren Eins in ſich enthaͤlt (§. 41). Derowe - gen wenn man alle Reihen zuſammen addi - ret; ſo muß die Sum̃e die obere Zahl ſo viel - mal in ſich enthaltẽ / als die untere Eins in ſich begreif (§. 15). Derowegen hat man die obere Zahl durch die untere multipliciret (§. 21.) W. Z. E.

Anmerckung.

53. Wenn an einer Zahl Nullen hangen / ſo darf man dieſelben nur hinten an das Praduct der uͤbri - gen Zahlen in einander anhaͤngen wie aus beygeſetz - ten Exempeln zu erſehen.

36855der Rechenkunſt.
3684750
2003 0
73600142500

Die 6. Aufgabe.

54. Ohne das Einmal Eins zu mul - tipliciren.

Aufloͤſung.

Wenn ihr nur dupliren koͤnnet / ſo koͤnnet ihr das uͤbrige ohne das Einmal Eins mul - tipliciren. Denn addiret das Einfache und Zweyfache / ſo habt ihr das Dreyfache. Dupliciret das Zweyfache / ſo habt ihr das Vierfache. Halbiret das Zehenfache / das iſt die zu multiplicirende Zahl mit einer Nul - le vermehret / ſo habt ihr das Fuͤnfffache. Addiret dazu das Einfache / ſo habt ihr das Sechsfache. Addiret zum halben Zehen - fachen das Zweyfache / ſo habt ihr das Sie - benfache. Ziehet ab vom Zehenfachen das Zweyfache / ſo habt ihr das Achtfache. Endlich ziehet das Einfache von dem Ze - henfachen / ſo habt ihr das Neunfache.

NOMENCLATURA.

  • 1. Simplum.
  • 2. Duplum.
  • 3. Triplum
  • 4. Quadruplum
  • 5. Quintuplum
  • 6. Sextuplum
  • 1. Simplum.
  • 2. Duplum.
  • 1+2. Duplum & Sim - plum
  • 2.2 Dupli duplum
  • $$\frac {10}{2}$$ Decupli dimidium
  • $$\frac {10}{2}$$ + 1 Decupli dimidi - um & Simplum.
D 47. Se -56Anfangs-Gruͤnde
  • 7. Sextuplum
  • 8. Octuplum
  • 9. Noncuplum
  • $$\frac {10}{2}$$ +2 Decupli dimidium & duplum
  • 10 2 Decuplum ſine duplo
  • 10 3 Deculum ſine ſimplo.

Exempel.

  • 3894
  • 3)
  • 7788
11682
  • 3894
  • 4)
  • 7788
15576
  • 3894
  • 5)
19470
  • 3894
  • 6)
  • 19470
23364
  • 3894
  • 7)
  • 19470 7788
27258
  • 3894
  • 8)
  • 7788
31152
  • 389.4.
  • 9)
35046

Anmerckung.

55. Man ſiehet leicht / daß / wenn weitlaͤufftige E - xempel vorkommen / man fuͤr die Multiplication nur immer die obern Producte wieder hmſchreiben darf.

Die 7. Aufgabe.

56. Eine gegebene Zahl durch eine an - dere kleinere Zahl zu dividiren.

Aufloͤſung.

Der erſte Fall. Wenn der Diviſor o - der Theiler nur ein Einer iſt / ſo

1. Se -57der Rechenkunſt.
  • 1. Setzet ihn unter die erſte Zahl zur Lincken / und fragt / wie vielmal er in derſelben ent - halten ſey. Die Zahl / ſo ſolches andeu - tet / ſetzet an ſtat des Qvotienten hinter den zur Rechten gemachten Strich.
  • 2. Mit dieſem Qvotienten multipliciret den Diviſorem, und ziehet das Product von der Zahl ab / die ihr dividiret / ſtreicht dieſelbe aus und ſetzt / was uͤberbleibt / da - ruͤber.
  • 3. Ruͤcket den Diviſorem um eine Stelle fort / und fragt abermals wie viel derſelbe in der zur Lincken uͤbergebliebenen / und zur Rechten uͤber ihm ſtehenden Zahl zuſam - men enthalten ſey. Und verfahret im - briegen wie vorhin.

Wenn ihr dieſes durch alle Zahlen fort fuͤhret / ſo werdet ihr den verlangten Qvo - tienten finden.

Z. E. Man ſol 7856 durch 3 dividiren. 〈…〉 Setzet 3 unter 7 und ſprecht: 3 in 7 habe ich 2 mal. Schrei - bet 2 hinter den zur Rechten gemachten Striech / und fprecht ferner; 2 mal 3 iſt 6: 6 von 7 laͤſ - ſet 1. Ruͤcket 3 unter 8 und ſagt: 3 in 18 habe ich 6 mal. Setzet 6 zu dem erſten Theile des Qvotienten und ſprecht; 3 mal 6 iſt 18: 18 von 18 hebet ſich auf. Wenn ihr nun auf gleiche Weiſe fort fahret / ſo fin - det ihr den gantzen Qvotienten 2618 undD 5blei -58Anfangs-Gruͤndebleiben 2 uͤbrieg. Daraus zu erfehen / daß die vorgegebene Zahl ſich nicht voͤllig in 3 gleiche Theile theilen laͤſſet.

Beweiß.

Weil man aus dem Ein mal Eins wiſſen kan / wie viel mal eine Zahl aus der Claſſe der Einer in einer andern Zahl enthalten iſt / welche aus der Multiplica - tion der Einer durch einander entſtanden / (§. 50); ſo iſt klahr / daß die gefundene Zahl andeutet / wie vielmal der Diviſor in den Tauſenden / Hundert en / Zehenern u. Ei - nern der vorgegebenen Zahl (§. 35.) enthal - ten ſey. Derowegen iſt ſie der geſuchte Qvotient und man hat die vorgegebene Zahl durch die andere dividiret (§. 24.) w. z. E.

Der andere Fall. Wenn der Diviſor mehr als aus einem Theile beſtehet / ſo

  • 1. Fanget an denſelben unter der erſten Zahl zur lincken / und ſo fort gegen die Rechte zuſchreiben / und macht wie vorhin hinter die Zahl einen Striech.
  • 2. Unterſuchet durch Huͤlfe des Ein mal Eins / wie viel mal die erſte Zahl des Di - viſoris iu der erſten Zahl der Dividiren - den enthalten ſey.
  • 3. Multipliciret duach dieſen Qvotien - ten den gantzen Diviſorem und gebet acht / ob ſich das Product von den Zahlen die uͤber jenem ſtehen / abziehen laͤſt.
4. Wenn59der Rechen-Kunſt.
  • 4. Wenn dieſes angehet / ſo ſchreibet die vor gefundene Zahl in die Stelle des Qvo - tienten hinter den Striech / und ziehet das Product wuͤrcklich ab. Die Zahlen / von welchen ihr abziehet / ſtreichet aus und / was uͤbrieg bleibet / ſetzt daruͤber. Gehet es aber nicht an / ſo nehmet zum Qvotien - ten eines oder auch mehrere weniger / biß ihr das Product abziehen koͤnnet.
  • 5. Ruͤcket euren Diviſorem umb eine Stel - le fort gegen die Rechte und verfahret wie vorhin / bis endlich der Diviſor nicht wei - ter fortgeruͤckt werden kan. So iſt ge - ſchehen / was mau verlangte.

Z. E. Man ſol 7856 durch 32 dividiren. Setzet 32 unter 78 und ſprecht: 3 in 7 ha - 〈…〉 be ich 2 mal. Multipliciret 2 mit 32 / ſo kommt heraus 64. Weil nuu dieſes Pro - duct ſich von 78 abziehen laͤſ - ſet / ſo ſchreibet 2 an ſtat des Qvotienten / und / was nach geſchehener Subtraction uͤbrieg bleibet / 14 ſchreibet uͤber 78. Ruͤcket euren Divi - ſorem umb eine Stelle fort und ſprecht: 3 in 14 habe ich 4 mal. Multipliciret 4 mit 32 / ſo kommt heraus 128. Weil nun dieſes Product ſich von 145 abziehen laͤſt / ſo ſchreibet 4 in die Stelle des Qvotienten / und was nach geſchehener Subtraction uͤbrieg bleibt / 17 ſchreibet uͤber die ausgeſtrichenenZah -60Anfangs-GruͤndeZahlen daruͤber. Ruͤcket euren Diviſorem abermal umb eine Stelle fort und ſprecht: 3 in 17 habe ich 5 mal. Multipliciret 32. mit 5. Weil das Product 160 ſich von 176 abziehen laͤſt / ſo ſchreibet 5 zu dem Qvo - tienten und was nach geſchehener Sub - traction uͤbrieg bleibet / 16 ſchreibet uͤber die ausgeſtrichenen Zahlen daruͤber. Die ge - fundene Zahl 245 iſt der verlangte Qvo - tient.

Beweiß.

Der Beweiß iſt faſt eben wie in dem er - ſten Falle. Nur iſt zumercken / daß / weil man vermoͤge des Einmal Eins nicht wiſ - ſen kan / wie vielmal der gantze Diviſor in dem daruͤber geſchriebenen Zahlen enthal - ten iſt / man ſetze / er ſtecke ſo vielmal darin - nen als die erſte Zahl des Diviſoris zur lin - cken in der uͤber ihr geſchriebenen Zahl. Denn ob dieſes gleich nicht jederzeit ein - trieft; ſo kan es einen doch nicht in Jrr - thum verleiten / weil die Probe gleich ange - ſtellet wird / wenn man den Diviſorem durch den angenommenen Qvotienten multi - pliciret und ihn alſo vermittelſt derſelben ſo lange umb eines vermindert / biß man den rechten Qvotienten erhaͤlt.

Anmerckung.

57. Es ſcheinet zwar dieſe Methode verdruͤßlich zu ſeyn / weil man erſt verſuchen muß. Allein die Erfahrung lehret / daß man ſehr geſchwinde die Pro -be61der Rechen-Kunſt. be in den Gedancken anſtellen kan / wenn man ſich erſt eine Weile geuͤbet.

Die 8. Aufgabe.

58. Ohne das Ein mal Eins zu di - vioiren.

Aufloͤſung

  • 1. Schreibet die Zahl / welche dividiret wer - den ſol / gewoͤhnlicher maſſen vor Euch / macht darhinter einen Vertical-Striech und unter die Stelle des Qvotienten ei - nen Horizontal-Striech.
  • 2. Unter dieſen andern Striech ſchreibet den Diviſorem und daneben zur Rech - ten 1 / des Diviſoris duplum und dane - ben 2 / endlich auch die Helfte des zehen fachen und daneben 5 / ſo koͤnnet ihr dar - aus alle vielfache Zahlen des Diviſoris haben (§. 53.)
  • 3. Nehmet ſo viel Zahlen der zu dividiren - den Zahl als der Diviſor Theile hat / und vergleichet ſie mit ſeinen vielfachen; ſo werdet ihr den Qvotienten haben.
  • 2. Dieſen ſchreibet gewoͤhnlicher maßen an ſeinen Ort / das dazu gehoͤrige vielfache a - ber des Diviſoris unter die gemeldeten Theile der zu dividirenden Zahl und zie - het jenes von dieſen ab.
  • 5. Zu dem uͤberbliebenen / ſetzet zur Rechten die naͤchſt folgende Zifer von der zu divi - direnden Zahl und verfahret wie vorhin.

Wenn ihr nun ſo fortfahret / ſo werdet ihrohne62Anfangs-Gruͤndeohne Ein mal Eins und ohne beſchwerli - ches Nachdencken den voͤlligen Qvotienten finden.

Z. E. Jhr ſollet 385724615 durch 157 dividiren / ſchreibet die Zahl folgender ge - ſtalt nieder mit dem benoͤthigten vielfachen Zahlen des Diviſoris: 〈…〉

Vergleichet mit dieſen 385 / ſo ſehet ihr / daß 350 ihnen am naͤchſten kommt und demnach 2 der Qvotient iſt. Dieſen ſchreibet an ſeinen gehoͤrigen Ort / ſetzt 350 unter 385 und ziehet die erſtere Zahl von der andern ab. Zu dem uͤberbliebenen 35 ſetzet aus der zu dividirenden Zahl noch die 7 herunter. Vergleichet aber 357 mit den vielfachen Zah - len des Diviſoris, ſo werdet ihr finden / daßdie -63der Rechen-Kunſt. dieſer Zahl 350 am naͤchſten kommt und al - ſo 2 abermal der Qvotient ſey. Subtra - hiret 350 gehoͤriger maſſen von 357 / ſo blei - ben 7 uͤbrieg. Dazu ſetzet die 2 herunter / ſo werdet ihr wahrnehmen / daß 72 kleiner als der Diviſor und allſo / fuͤr dieſe Stelle der Qvotient 0 ſey. Ruͤcket demnach mit der 4 herunter / ſo ſehet ihr bald das 724 zwiſchen das zweyfache 350 und fuͤnf - fache 875 faͤllet / und zwar des zweyfa - chen zweyfaches / das iſt / das vierfache 700 denſelben am naͤchſten kommt / folgends der Qvotient 4 ſey. Wenn ihr nun ſol - cher geſtalt eure Arbeit fort ſetzet / ſo werdet ihr den voͤlligen Qvotienten 2204140 fin - den und werden euch noch 115 uͤbrieg blei - ben.

Die 1. Anmerckung.

59. Ein jeder wird verſpuͤren / daß dieſe Manier zu dividiren der gewoͤhnlicheu / die in der vorherge - henden Anfgabe erklaͤhret worden / unſtreitig weit vorzuziehen ſey / nicht allein weil das werdruͤßliche Nachſinnen / welches mit der gewoͤhnlichen Art ver - knuͤpfet iſt (§. 57.) / voͤllig gehoben wird / ſondern auch weil man hier nicht ſo leicht fehleu kan / inglei - chen in den groͤſten Exempeln ſich nicht abmattet.

Die 2. Anmerckung.

60. Es hat dieſe Art ohne das Ein mal Eins zurechnen ſchon vor langer Zeit der Herr LUDOLF / Profeſſor Mathematum zu Erfurt erſonnen / als einem ſeiner Zuhoͤrer das Ein mal Eins nicht in Kopf wolte / und ſie nach der Zeit mit gutem Fortgan - ge in den Erfurtiſchen Schulen als Inſpector -ber64Anfangs-Gruͤndeber dieſelben einfuhren laſſen. Als er mir dieſelbe communiciret / hat er mich verſichert / daß auch Hu - genius ſelbſt ſich daruͤber vergnuͤget / als er bey deſſen Leben in HAGE unter andern Mathematiſchen Diſcurſen auch von dieſer ſeiner Rechnungs-Art mit ihm geſprochen.

Die 3. Anmerckung.

61. Unerachtet ich aber dieſelbe / ſonderlich im di - vidiren / allen mit Ernſt recommendire / ſo wolte ich doch auch nicht gerne / daß man das Ein mal Eins gantz verwuͤrfe / weil gewiſſe Faͤlle vorkom - men koͤnnen / da man ohne ſich eines Vortheiles zu begeben daſſelbe nicht wohl entrathen kan. Wir werden bald ein kl[a]hres Exempel in Reduction der Bruͤche ſehen.

Die 7. Erklaͤhrung.

62. Wenn man zwey Zahlen (4 und 12) dergeſtalt mit einander vergleichet / daß man ihren Unterſcheid (8) durch die Subtraction ſuchet / nennet man ihre Relation, diẽ ſie gegen einander ha - ben / Eine Arithmetiſche Verhaͤlt - nis: ſiehet man aber auf den Qvo - tienten (3) / der durch die Diviſion gefunden wird / Eine Geometriſche Verhaͤltnis. Der Qvotient / welcher andeutet / wie vielmal die kleinere Zahl in der groͤſſern enthalten iſt / heiſſet der Nahme der Verhaͤltnis (NO - MEN ſive EXPONENS RA - TIONIS.)

Die65der Rechen-Kunſt.

Die 8. Erklaͤhrung.

63. Wenn in zweyen oder mehrern Arithmetiſchen Verhaͤltniſſen (3.5 und 6. 8) der Unterſchied der Glieder; in Geometriſchen (3.12 und 5.20) der Nah - me der Verhaͤltnis einerley iſt / ſo nen - net man ſie aͤhnllch und ihre Aehnlich - keit eine Proportion.

Anmerckung.

64. Die Zahlen / ſo eine Arithmetiſche Proportion mit einander machen / ſchreibet man alſo / 3.5 6.8[;]die in einer Geometriſchen neben einander ſtehen / dergeſtalt 3.12 5. 20 oder auch mit dem Herrn von Leibnitz 3: 12 = 5: 20. Jn beyden ſpricht man: Wie ſich ver - haͤlt die erſte Zahl zu der andern / ſo die dritte zu der vierdten. Dieſe Redeus-Art hat in dem erſten Falle den Verſtand: Umb wie viel die erſte Zahl groͤſſer ober kleiner als die andere / umb eben ſo viel iſt die dritte Zahl groͤſſer oder klei - ner als die vierdte. Hingegen in dem andern Falle muß man ſie dergeſtalt erklaͤhren: Wieviel mal die erſte Zahl die andere in ſich enthaͤlt / oder in derſel - ben enthalten iſt 3 eben ſo vielmal enthaͤlt die dritte Zahl die vierdte in ſich / oder iſt in derſelben enthal - ten.

Die 9. Erklaͤhrung.

65. Zuweilen vertrit das andere Glied zugleich die Stelle des dritten / und dann nennet man es PROPOR - TIONEM CONTINUAM. Jſt nun dieſelbe Arithmetiſch / ſo ſchreibet manEſie66Anfangs-Gruͤndeſie alſo: $$\frac {. .}{.}$$ 3. 6. 9 ; iſt ſie Geometriſch / folgender maſſen; 3. 6. 12.

Die 10. Erklaͤhrung.

66. Eine Progreßion wird ge - nennet eine Reihe Zahlen / die in einer Arithmetiſchen oder auch Geometri - ſchen Verhaͤltnis fortgehen / als im er - ſten Falle 3. 6. 9. 12. 15. 18. 21. 24. 27 : im andern 3. 6. 12. 24. 48. 96.

Der 1. Lehrſatz.

67. Wenn man zwey Zahlen (3 und 6) durch eine Zahl (4) multipliciret; ſo verhalten ſich die Producte (12 und 24) wie die multiplicirten Zahlen (3 und 6.)

Beweiß.

Denn wenn ich eine Zahl (4) durch zwey andere (3 und 6) multiplicire / ſo iſt dieſelbe in dem andern Producte umb ſo viel mal mehr enthalten / als in dem erſten / als die erſte Zahl (3) in der andern (6) ent - halten iſt. Als weil in unſerm Exempel 6 zweymal ſo groß iſt als 3 / ſo nehme ich auch 4 zweymal ſo viel wenn ich durch 6 multi - plire / als wenn ich durch 3 multiplicire / maſ - ſen das dreyfache zwey mal genommen das ſechsfache ausmacht. Derowegen iſt klahr / daß das erſtere Product (12) in dem andern (24) ſo viel mal enthalten iſt / als die erſte multiplicirte Zahl (3) in der andern (6.) W. Z. E.

Zu -67der Rechen-Kunſt.

Zuſatz.

68. Wenn man zwey Zahlen durch eine dritte dividiret / ſo muͤſſen die Qvotienten ſich verhalten wie die dividirten Zahlen: denn man kan ſie anſehen als waͤren ſie durch Multiplication der Qvotienten mit dem Di - viſore entſtanden. (§. 22. 24.)

Die 11. Erklaͤhrung.

69. Wenn man ein gantzes in gleiche Theile gnau eintheilet und nimmt ei - nen oder etliche Theile derſelben / ſo nennet man es einen Bruch.

Der 4. Willkuͤhrliche Satz.

70. Man ſchreibet ihn aber mit zwey Zahlen / ſo unter einander geſetzt und durch einen Striech von einander un - terſchieden werden. Von denen die unteꝛe andeutet / in wieviel gleiche Thei - le das gantze eingetheilet worden; die obere aber / wie viel ſolcher Theile mir zugehoͤren. Jene wird der Nenner; dieſe der Zehler genennet. Z. E. der Thaler ſol in 3 gleiche Theile getheilet wer - den und ich ſol 2 derſelben bekommen / ſo ſchreibe ich den Bruch alſo: .

Der 1. Zuſatz.

71. Daher urtheilet man die groͤſſe des Bruches aus der Verhaͤltnis des Zehlers zu dem Nenner. Denn ſteckt jener in die - ſem vielmal / ſo iſt der Bruch kleine als $$\frac {3}{37}$$ ;E 2ſteckt68Anfangs-Gruͤndeſteckt er wenig mal darinnen / ſo iſt er groß / als . Hingegen wenn die Nenner in ihren Zehlern gleichviel mal enthalten ſind / ſo ſind die Bruͤche einander gleich / als $$\frac {3}{6}$$ . $$\frac {4}{8}$$ . $$\frac {5}{10}$$ . $$\frac {25}{50}$$ .

Der 2. Zuſatz.

72. Wenn man demnach den Nen - ner und Zehler eines Bruches ( $$\frac {4}{6}$$ ) durch eine Zahl (2) multipliciret oder dividiret; ſo ſind die Bruͤche / ſo heraus kommen ( $$\frac {8}{12}$$ und ) dem gegebenen ( $$\frac {4}{6}$$ ) gleich. (§. 67. 68.)

Die 9. Aufgabe.

73. Einen Bruch aufheben / das iſt / an ſtat eines gegebenen Bruches ( $$\frac {20}{48}$$ ) einen andern zuſinden / der mit klei - neren Zahlen geſchrieben wird / aber dem gegebenen dem Werthe nach gleich iſt.

Aufloͤſung.

Dividiret den Nenner (48) und den Zehler (20) des gegebenen Bruches ( $$\frac {20}{48}$$ ) durch eine Zahl (4) / ſo formiren die heraus - kommenden Zahlen (5 und 12) den neuen Bruch ( $$\frac {5}{12}$$ ) vermoͤge des 72 §.

Die 10. Aufgabe.

74. Verſchiedene Bruͤche unter ei - nerley Benennung zu bringen / das iſt an ſtat einiger Bruͤche / die verſchiede / ne Nenner haben / andere zu finden / dieeiner -69der Rechen-Kunſt. einerley Nenner haben und den gege - benen gleich ſind.

Aufloͤſung.

  • 1. Wenn 2 Bruͤche gegeben ſind / ſo mul - tipliciret ieden Bruch durch den Nenner des andern.
  • 2. Sind aber mehrere gegeben / ſo wird der Zehler und Nenner eines jeden Bruches durch das Product aus den Nennern der uͤbriegen multipliciret. (§. 72.)

Exempel.

〈…〉

Die 11. Aufgabe.

75. Bruͤche zu addiren.

Aufloͤſung und Beweiß.

Weil die Nenner die Nahmen ſind / (§. 70) / ſo doͤrfet ihr nur die Zehler addiren. Da man aber nur Zahlen von einer Art zu - ſammen ſetzen kan (§. 8) / ſo muͤſſet ihr erſt die Bruͤche unter eine Benennung bringen (§. 74) wenn ſie verſchiedene Nenner ha - ben.

Exempel.

〈…〉

Die 12. Aufgabe.

76. Einen Bruch von dem andern zn ſubtrahiren.

E 3Auf -70Anfangs-Gruͤnde.

Aufloͤſung.

  • 1. Bringet die Bruͤche unter eine Be - nennung nach der 10 Aufgabe (§. 74) wenn ſie verſchiedene Nenner haben.
  • 2. Subtrahiret den Zehler des einen von dem Zehler des andern und laſſet den Nenner unveraͤndert.

Z. E. 〈…〉

Beweiß.

Der Beweiß iſt wie in der vorhergehen - den Aufgabe.

Die 13. Aufgabe.

77. Einen Bruch durch einen Bruch zu multipliciren.

Aufloͤſung.

Multipliciret durch einander die Nen - ner ingleichen die Zehler; ſo formiren die beyde Producte das verlangte facit.

Z. E. 〈…〉

Beweiß.

Wenn man einen Bruch durch einen Bruch multipliciren ſoll / ſo ſoll man ein Stuͤcke von demſelben geben (§. 22. 69.) Z. E. durch ½ multipliciren heiſſet ein halb mal nehmen / oder einem ½ von geben. Weil nun die Einheiten des Nenners Theile des gantzen ſind (§. 70); ſo werden ſie umb ſo viel kleiner, je mehr derſelben werden. Z. E. iſt ½ von . Derowegen wenn ich die Nenner durch einander multiplieiret ha -be71der Rechen-Kunſt. be ſo habe ich von dem einen Theile ſo ein groſſes Stuͤcke genommen als ich etliche von dem gantzen Bruche haben ſolte. Mul - tipliciret man nun die Zehler durch einan - der / ſo kommt allerdings das verlangte Stuͤcke von dem Bruche / oder der Bruch ei - nes Bruches heraus. W. Z. E.

Die 1. Anmerckung.

78. Es iſt dannenhero nicht Wunder / daß in der Multiplication immẽr weniger heraus kommt als ein jeder von den Bruͤchen / die man durch einan - der multipliciret / in dem es in der That eine Di - viſion iſt.

Die 2. Anmerckung.

79. Wenn man einen Bruch durch eine gantze Zahl multipliciren ſol / ſo iſt nicht noͤthig erſt zu erin - nern / daß man nur den Zehler multipliciren darf / in dem der Nenner nur der Nahme iſt (§. 70.) Z. E. $$\frac {3}{7}$$ mit 2 multipliciret bringen $$\frac {6}{7}$$ .

Die 14. Aufgabe.

80. Einen Bruch () durch einen an - dern () zu dividiren.

Aufloͤſung.

  • 1. Kehret den Bruch / der dividiret werden ſoll / umb / Z. E. an ſtat ſchreibet $$\frac {3}{2}$$ .
  • 2. Multipliciret hierauf wie in der vorher - gehenden Aufgabe (§. 77); ſo kommt der Qvotient ( $$\frac {12}{10}$$ = 1 $$\frac {2}{10}$$ = 1⅕) heraus.

Beweiß.

Wenn man einen Bruch durch einen an - dern dividiret / ſo fragt man / wie viel mal derE 4ei -72Anfangs-Gruͤndeeine in dem andern enthalten ſey (§. 24.) Wenn man nun die Bruͤche zugleichen Nennern bringet / ſo muß einer ſo viel mal in dem andern enthalten ſeyn als der Zehler des einen in dem Zehler des andern / weil in dieſer Vergleichung der gemeine Nenner als der gemeine Nahme derer Dinge die gezehlet werden / nicht anzuſehen (§. 70). All ein in - dem zwey Bruͤche zu einer Benennung ge - bracht werden / erwaͤchſt der Zehler des er - ſten / wenn man ſeinen Zehler durch den Nen - ner des andern multipliciret; hingegen der Zehler des andern / wenn man ſeinen Zeh - ler durch den Nenner des erſten multipli - ciret (§. 74). Allſo bekommt man die bey - den Zahlen / ſo durch einander zudividiren ſind / wenn man den Diviſorem umbkehret und hernach die Bruͤche in einander multi - pliciret. W. Z. E.

Die 12. Erklaͤhrung.

81. Wenn man eine Zahl (2) durch ſich ſelbſt multiplieiret / ſo nennet man das Product (4) das Qvadrat der - ſelben Zahl; Sie aber die Qvadrat - Wurtzel in Anſehung dieſes Qvadra - tes.

Die 14. Erklaͤhrung.

82. Multiplicirt man die Qvadrat - Zahl (4) ferner durch ihre Wurtzel (2); ſo heiſſet das neue Product (8) eineCu -73der Rechen-Kunſt. Cubic-Zahl und in Anſehung derſelben die Wurtzel (2) nunmehro die Cubic - Wurtzel.

Die 14. Erklaͤhrung.

83. Die Qvadrat-Wurtzel aus ei - ner gegebenen Zahl ausziehen iſt die - jenige Zahl finden / die durch ſich ſelbſt multipliciret die gegebene Zahl hervor - bringt.

Die 15. Erklaͤhrung.

84. Hingegen die Cubic-Wurtzel aus einer gegebenen Zahl ausziehen / heiſſet diejenige Zahl finden / die durch ihre Quadrat-Zahl multipliciret die ge - gebene Zahl hervor bringt.

Anmerckung.

85. Wenn man die Qvadrat - und Cubic - Wurtzel ausziehen will / muß man die Qva - drat - und Cubic-Zahlen aller Zahlen von 1 bis 9 wiſſen. Dazu dienet folgendes Taͤfelein:

Wurtzeln123456789
Qvadrat149162536496481
Cub. Zahl. 182764125216343512729

Der 2. Lehrſatz.

89. Die Quadrat-Zahl / deren Wur - tzel aus zweyen Theilen beſtehet / ent - haͤlt in ſich das Qvadrat des erſten Theiles / ein Product aus dem erſtenE 5Thei -74Anfangs-GruͤndeTheile zweymal genommen in den an - dern Theil und das Qvadrat des an - dern Theiles.

Beweiß.

Es ſey die Wurtzel 23 oder 20 + 3.

20 + 3400 = 20. 20
20 + 3120 = 2 (3. 20)
9 = 3. 3
+ 3. 20 + 3.3
20. 20 + 3. 20529
20. 20 + 2 (3. 20 ) + 3. 3

Jhre Qvadrat-Zahl komt heraus / wenn man ſie durch ſich ſelbſt multipliciret (§. 81). Nun multipliciret man ieden Theil durch bey - de (§. 52.) und alſo bekomt man in dem Pro - ducte das Qvadrat des erſten Theiles (400) / das Product aus dem erſten Theile zweymal genommen in den andern (120) und das Qvadrat des andern Theiles (9). W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

87. Es iſt aber das Quadrat des andern Theiles enthalten entweder gantz in der erſten Zahl gegen die Rechte / oder in der erſten und einem Theile der andern: das Product aus dem erſten Theile zweymal genom̃en in dem andern Theil entweder gantz in der andern Zahl oder zum Theil mit in den folgenden ge - gen die Lincke; endlich das Qvadrat der erſten Zahl in der Zahl oder den beyden Zah -len75der Rechen-Kunſt. len die auf die zwey zur Rechten abgeſchnitte - nen gegen die Lincke folgen.

Der 2. Zuſatz.

88. Wenn die Wurtzel aus mehr als zwey Zahlen beſtehet / ſo darf man nur die er - ſten zwey oder mehrere derſelben als eine an - fehen / und es wird bald klahr / daß jedes Qva - drat in ſich enthalte die Qvadrate aller Thei - le der Wurtzel und die Producte aus iedem Theile zweymal genommen in alle die uͤbrie - gen / ſo vor ihm gegen die Lincke ſtehen.

Der 3. Zuſatz.

89. Jn welchen Zifern aber des Quadrats iedes Qvadrat der Theile und jedes von ge - dachten Producten zu ſuchen / iſt aus dem erſten Zuſatze (§. 87.) abzunehmen.

Die 15. Aufgabe.

90. Aus einer gegebenen Zahl die Qua - drat-Wurtzel auszuziehen.

Aufloͤſung und Beweiß.

  • 1. Theilet die gegebene Zahl in Claſſen von der Rechten gegen die Lincke zu / und gebet ieder zwey Zifern: denn ſo viel Theile hat die Wurtzel als Claſſen heraus kommen. Jn der letzten Claſſe aber zur Lincken kan auch nur eine Zifer ſtehen. (§. 87. 89.)
  • 2. Da nun vermoͤge des 1 und 3 Zuſatzes des 2 Lehrſatzes (§. 87. 89. ) in der erſten Claſſe zur Lincken das Qvadrat des erſten Theiles der Wurtzel zu finden / ſo ſuchet in dem Wurtzel-Taͤffelein (§. 85.) dasQua -76Anfangs-GruͤndeQvadrat auf / welches der Zahl in der er - ſten Claſſe am naͤchſten kommt / und ziehet es von derſelben ab. Die dazu gehoͤrige Wurtzel aber ſetzet in die Stelle des Qvotienten.
  • 3. Hierauf dupliret den gefundenen Qvo - tienten und ſchreibet das Product unter die lincke Zahl der folgenden Claſſe / und wei - ter fort zuruͤcke gegen die Lincke / wenn es aus viel Zifern beſtehet: dividiret auf ge - woͤhnliche Weiſe / und ſetzet den Qvotien - ten an gehoͤrigen Ort / ſo habt ihr (§. 87.) den andern Theil der Wurtzel.
  • 4. Eben dieſen Qvotienten ſetzet unter die rechte Zahl derſelben Claſſe / und denn mul - tipliciret mit dem gefundenen Qvotienten die untergeſchriebene Zahlen / und ziehet / vermöge des 1. Zuſatzes des an - dern Lehrſatzes (§. 87.) das Product von den oberen Zahlen des Qvadrates ab.

Wenn ihr nun die dritte und vierdte Regel bey allen Claſſen appliciret / ſo kommt (§. 88.) die verlangte Quadrat-Wurtzel heraus.

〈…〉

An -77der Rechen-Kunſt,

Anmerckung.

91. Wenn die vorgegebene Zahl kein vollkommenes Qvadrat iſt / ſo kan man 10 Theilichen / 100 Theilichen u. ſ. w: haben / wenn man 2 / 4 u. ſ. w. Nullen hinten anhaͤngt / und die Rechnung fortſetzet. Denn wenn das Qvadrat um hundert vermehret oder vermindert wird / ſo wird die Wurtzel um 10 vermehret oder vermindert.

〈…〉

Der 3. Lehrſatz.

92. Wenn die Cubic-Wurtzel aus zwey Theilen beſtehet / ſo begreifft die die Cubic-Zahl in ſich die Cubic-Zahlen beyder Theile und uͤber dieſes zwey Pro - ducte aus den Qvadrat-Zahlen iedes Theiles in den andern Theil dreymal genommen.

Beweiß.

Es ſey die Wurtzel 23 oder 20 + 3 / ſo iſt (§. 86) die Quadrat-Zahl 20. 20 + 2 (3. 20 ) + 3. 3: wenn man nun dieſe durch die Wurtzel multi - pliciret / ſo kommt (§. 82.) die Cubic-Zahl her - aus.

20.78Anfangs-Gruͤnde

20.20 + 2 (3.20) + 3.3 20 + 3 + 3.20.20 + 2 (3.3.20) + 3.3.3 20.20.20 + 2 (3.20.20.) + 3.3.20 20.20.20 + 3 (2.20.20) + 3 (3.3.20) + 3.3.3 27 = 3.3.3 540 = 3 (20.3.3) 3600 = 3 (3.20.20) 8000 = 20.20.20 12167 welche in ſich begreifft die Cubic-Zahlen bey - der Theile / u. ſ. w.

Der 1. Zuſatz.

93. Es iſt aber die Cubic-Zahl des andern Theiles enthalten in der erſten Zahl gegen die Rechte / und zum Theil in denen beyden fol - genden / indem die Cubic-Zahlen der Einer biß auf 3 Zahlen ſteigen koͤnnen (§. 85.) Jn der andern Stelle hoͤret das Product aus dem Qvadrate des andern Theiles dreymal ge - nommen in den erſten Theil auf; in der drit - ten Stelle aber ein gleiches Product aus dem Quadrate des erſten Theiles dreymal ge - nommen in den andern; und endlich in den - briegen Stellen zur Lincken findet ſich die Cu - bic-Zahl des erſten Theiles der Wurtzel.

Der 2. Zuſatz.

94. Wenn die Wurtzel aus mehr als zwey Zifern beſtehet / ſo darf man nur die erſtenzwey79der Rechen-kunſt. zwey oder mehrere derſelben als eine anſehen / und alsdenn iſt klahr / daß iede Cubic-Zahl in ſich enthalte die Cubic-Zahlen aller Theile der Wurtzel / und die Producte aus den Qva - draten der vorhergehenden Theile zuſammen dreymal genommen in den naͤchſtfolgenden und dem Qvadrate eines ieden naͤchſtfolgen - den dreymal genommen in alle vorhergehende zuſammen.

Der 2. Zuſatz.

95. Jn welchen Stellen aber der gantzen Cubic-Zahl iede Cubic-Zahl der Theile und jedes von gedachten Producten aufhoͤre / iſt aus dem erſten Zuſatze (§. 93.) abzunehmen.

Die 16. Aufgabe.

96. Aus einer gegebenen Zahl die Cu - bic-Wurtzel anszuziehen.

Aufloͤſung und Beweiß.

  • 1. Theilet die gegebene Zahl in Claſſen von der Rechten gegen die Lincke / und gebt ie - der Claſſe drey Zahlen. Denn ſo viel Theile hat die Wurtzel als Claſſen heraus kommen. (§. 93. 95.)
  • 2. Suchet in dem Wurtzel-Taͤfelein (§. 85.) die Cubic-Zahl / welche derjenigen / ſo in der letzten Stelle zur linckẽ ſtehet am naͤch - ſten komt / ziehet dieſelbe davon ab / und ſe - tzet die dazu gehoͤrige Wurtzel in die Stelle des Qvotienten. Solchergeſtalt habt ihr den erſten Theil der Wurtzel. (§. 93.)
  • 3. Dieſen multipliciret mit ſich ſelbſt / und dasher -80Anfangs-Gruͤndeherauskommende Qvadrat (§. 8.) mit drey / ſetzet das Product unter die Cubic-Zahl an ſtat des Diviſoris, dergeſtalt daß deſ - ſen letzte Zahl zur Rechten unter die erſte zur Lincken in der folgenden Claſſe zu ſte - hen komt / und dividiret gewoͤhnlicher maſ - ſen: ſo komt der andere Theil der Wurtzel heraus. (§. 93).
  • 4 Alsdenn multipliciret den Diviſorem in den neuen Qvotienten und ſchreibet das Product darunter / unter der mittleren Zahl derſelben Claſſe fahet an von der Rechten gegen die Lincke zu ſchreiben das Product von dem Qvadrate des neuen Qvotienten dreymal genommen in den vorhergehenden / und endlich unter der drit - ten die Cubic-Zahl des neuen Qvotienten. Addiret dieſe drey Producte / und ziehet die Summe ab von den in der gegebenen Zahl noch uͤbrigen Zifern. (§. 93.)

Wenn man nun nach der dritten und vierd - ten Regel bey den uͤbriegen Claſſen fortfaͤhret / ſo kommt endlich die verlangte Cubic-Wur - tzel heraus. (§. 93. 95.)

47.81der Rechen-kunſt.
47437928(362
27::::::
2.0.4.37:::
Diviſor (27):::::
Fact. ex Div in N. Q. 162:::::
ex tr. N. Q. 32 4::::
in P.
Cubus Novi Quoti216:::
Sum. factorum19656. :::
781928
Diviſor(3888)::
Fact. ex Div. in N. Q. 7776::
ex tr. N. Q. in P. 432:
Cubus noviquoti8
781928
000000

Anmerckung.

97. Wenn die Cubic-Zahl um 1000 vermehret o - der vermindert wird / ſo wird die Wurtzel um 10 ver - mehret oder vermindert. Dannenhero wenn eine ge - gebene Zahl keine vollkommene Cubic-Zahl iſt / darff man nur 3. Nullen fuͤr die zehen Theilichen / drey fuͤr die hundert Theilichen u. ſ. w. anhaͤngen / und die Rech - nung nach der ordentlichen Regel fortſetzen. Z. E. es ſey aus 3 die Cubic-Zahl zu ziehen.

FDer82Anfangs-Gruͤnde
30 0 0000 (1 $$\frac {44}{100}$$ 1::: 2. 0.0.0 (3):: 1 2:: 4 8: 64 1744 256.0.0.0 (588):: 2 3 5 2: 6 7 2: 64 241 9 84 14 0 16

Der 4. Lehrſatz.

98. Jn einer Arithmetiſchen Propor - tion iſt die Summe der beyden aͤuſerſten Glieder gleich der Summe der beyden mittleren.

3. 5 8. 10 8 3 13 = 13

Beweiß.

Das andere Glied iſt die Summe aus dem erſten / und dem Unterſchiede der Glie - der in beyden Verhaͤltniſſen; das vierdte a -ber83der Rechen-kunſt. ber die Summe aus dem dritten und gedach - tem Unterſchiede (§. 64.). Derowegen wenn man das erſte und vierdte addiret / ſo kommt die Summe des erſten und dritten Gliedes / und des erwehnten Unterſchiedes heraus. Ad - diret man aber das andere und dritte / ſo kom̃t gleichfals die Summe von dem erſten und dritten Gliede und dem mehrgedachten Un - terſchiede heraus. Derowegen muͤſſen die beyden Summen einander gleich ſeyn (§. 38). W. Z. E.

Zuſatz

99. Wenn das andere Glied mit dem drit - ten uͤberein kommt; ſo iſt die Summe der bey - den aͤuſerſten von drey Arithmetiſchen Pro - portional-Zahlen der mitleren zweymal ge - nommen gleich.

$$\frac {. .}{.}$$ 3. 5. 7 5 3 10 = 10

Die 15. Aufgabe.

100. Zwiſchen zwey gegebenen Zahlen die mittlere Arithmetiſche Proportio - nal-Zahl zu finden.

Aufloͤſung

  • 1. Addiret die beyden gegebenen Zahlen (Z. E. 9 und 13).
  • 2. die Summe (22) halbiret / ſo kommt (§. 99.) die geſuchte Zahl (11) heraus.
F 2Die84Anfangs-Gruͤnde

Die 18. Aufgabe.

101. Zu drey gegebenen Zahlen die vierdte Arithmetiſche Proportional - Zahl zu finden.

Aufloͤſung.

  • 1 Addiret die andere und dritte Zahl (5 und 9)
  • 2) Von der Summe (14) ziehet die erſte (8) ab / ſo bleibet die vierdte (6) uͤbrieg. (§. 98.)

Der 5. Lehrſatz.

10. Jn einer Geometriſchen Propor - tion iſt das Product des erſten Gliedes in das vierdte gleich dem Product aus dem andern in das dritte.

3. 6 :: 4. 8 4 3 24 = 24

Beweiß.

Das andere Glied entſtehet / wenn man das erſte / und das vierdte / wann man das dritte durch den Nahmen der Verhaͤltnis multipliciret (§. 63. 64). Derowegen wenn man das erſte Glied durch das vierdte mul - tipliciret / ſo iſt das Product aus dem erſten und dritten Gliede / und dem Nahmen der Verhaͤltnis erwachſen. Multipliciret man dvs andere Glied durch das dritte / ſo iſt das Product gleichfals aus dem erſten und drit - ten Gliede und dem Nahmen der Verhaͤlt - nis erwachſen. Derowegen muͤſſen die bey -den85der Rechen-Kunſt. den Produete gleich ſeyn (§. 32.) W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

103. Wenn demnach drey Zahlen Pro - portional ſind / daß die mittlere zwey Stellen vertrit (§. 65); ſo iſt das Product aus den beyden aͤuſerſten der Qvadrat-Zahl der mitt - leren gleich (§. 81.)

Der 2. Zuſatz.

104. Weil das Product der beyden mitt - leren von 4 Proportional-Zahlen unveraͤn - dert bleibt / wenn gleich ihre Stelle verwech - ſelt wird; ſo muß ſich auch wechſelsweiſe ver - halten wie das erſte Glied zu dem dritten / ſo das andere zu dem vierdten. Z. E. wenn 3. 6 :: 9. 18 / ſo iſt auch 3. 9 :: 6. 18.

Anmerckung.

105. Hieraus kan der erſte Lehrſatz (§. 67) / daß / wenn zwey Zahlen (3 und 6) durch eine dritte (4) multipliciret werden / die Producte (12 und 14) ſich gegen einander verhalten wie die multiplicirenden Zah - len (3 und 6) noch auf eine andere Art erwieſen werden. Denn 1: 4 = 3: 12 und 1: 4 = 6: 14 (§. 21.) derowegen iſt auch 3: 12 = 6: 24 / folgends 3: 6 = 12: 24 (§. 104.)

Die 19. Aufgabe.

106. Zwiſchen zwey gegebenen Zah - len die mittlere Geometriſche Propor - tional-Zahl zu finden.

F 3Auf86Anfangs-Gruͤnde

Aufloͤſung.

  • 1. Multipliciret die beyden gegebenen Zah - len (8 und 72) durcheinander.
  • 2. Aus dem Producte (576) ziehet die Qva - drat-Wurtzel (24) nach der 15 Aufga - be (§. 96.) ſo habt ihr die verlangte Zah - len (§. 103.)

Die 22. Aufgabe.

107. Zu drey gegebenen Zahlen die vierdte Geometriſche Proportional - Zahl zu finden.

Aufloͤſung.

  • 1. Multipliciret die andere (12) durch die drit - te (5).
  • 2. Das Product (60) dividiret durch die erſte (3) / ſo iſt der Qvotient (20) die vierdte (§. 102).

Die 1. Anmerckung.

108. Die Aufloͤſung dieſer Aufgabe nennet man ins - gemein die Regel detri / weil aus drey Zahlen die vierdte gefunden wird. Und hat dieſelbe einen unausſprechlichen Nutzen / ſo wohl in dem gemeinen Leben / als in allen Wißenſchafften. Es iſt aber aus der Aufgabe leicht zu erſehen / daß man die Regel De - tri nirgend appliciren kan / als wo man vorher aus der Beſchaffenheit der Sachen verfichert iſt / daß eine Geometriſche Proportion unter ihnen anzutreffen. Z. E. Es iſt ein groſſes Gefaͤſſe mit Waſſer angefuͤllet: un - ten an dem Boden ein enges Loͤchlein / dadurch es her - aus lauſſen kan. Man hat befunden / daß in 2. Mi - nuten 3 Kannen heraus gelauffen. Die Frage iſt / wenn 100. Kannen heraus lauffen werden. Hier ſind drey Zahlen gegeben: die vierdte ſol man finden. Al -lein87der Rechen-kunſt. lein es iſt bekand / daß das Waſſer anfangs geſchwinde / hernach langſam lauft / und alſo die Zahl der ausge - lauffenen Kannen der Zeit / in welcher ſie heraus lauf - fen / keinesweges proportional iſt. Derowegen kan man auch dieſe Frage durch die Regel Detri nicht auf - loͤſen.

Die 2. Anmerckung.

109. Allein im Handel iſt der Werth der Wahre iederzeit ihrer Groͤſſe gleich. Denn wenn einer zwey - mal ſo viel nimmt / zahlet er doppelt; nimmt er drey - mal ſo viel als ein anderer / ſo zahlet er dreyfach Geld. Daher kan man aus dem gegebenen Werthe von einer gewiſſen Groͤſſe einer Wahre den Werth einer andern Groͤſſe / oder auch die Groͤſſe der Wahre von einem ge - gebenen Werthe finden. Z. E. 3. Pf. kommen 4. Thlr. wie viel kommen 17. Pf? Hier iſt klahr / daß / wie viel mal 3 Pf. in 17 Pf. enthalten ſind / eben ſo viel mal die 4 Thl. als der Werth von 3 Pf in dem Wertheder 17 Pf. enthalten ſeyn muͤſſen / den ichſuche / und nach der Regel Detri alſo finde: 3 Pf. 17 Pf. 4 Thl. $$\frac {4}{68}$$ 2 〈…〉 Thl. Oder: fuͤr 4 Thlr. bekomt man 3 Pf / wie viel wird man vor 22⅔ Thl. bekommen. Hier iſt abermal klahr / daß / wie vielm̃al der Werth von 3 Pf. nemlich 4 Thl. in dem Werthe der geſuchten Pf. nemlich 22⅔ Thl. enthalten ſind / eben ſo vielmal die 3 Pf. in den geſuchten Pf. enthalten ſeyn muͤſſen / die man durch die Regel Detri ſolcher geſtalt findet.

4 Thl. 22⅔ Thl. 3 Pf. 3 68 〈…〉 Pf.

F 4Wo -88Anfangs-Gruͤnde

Worauͤs zugleich zu erſehen / wie man in der Regel Detri die Probe anſtellen kan / ob man recht gerechnet oder nicht.

Die 3. Anmerckung.

110. Eben ſo verhaͤlt ſich der Lohn der Arbeiter / wie die Zahl der Zeiten / in welcher ſie gearbeitet / wenn man auf Tage oder Stunden mit ihnen gedungen. Jn - gleichen die Groͤſſe der verrichteten Arbeit iſt der Zeit proportional / wenn man eine Stunde ſo viel arbeitet als wie die andere; ingleichen der Zahl der Arbei - ter / wenn einer ſo viel arbeitet als der andere / u. ſ. w. Z. E. in zwey Stunden lieſet einer 6. Blaͤtter in ei - nem Buche. Die Frage iſt / in wie viel Stunden er 360. Blaͤtter leſen wird? die verlangte Zahl ſindei man nach der Regel Detri allſo: 6 Bl. 360 Bl. 1 St. 1 〈…〉

Die 4. Anmerckung.

111. Unterweilen geſchiehet es / daß zwiſchen den Zahlen keine ſolche Proportion zu finden / dergleichen zwiſchen den Sachen / die gezehlet werden / anzutref - fen / wenn nemlich nicht alle Zahlen von einerley Art ſind. Da denn noͤthig iſt / daß ſie zu einerley Art ge - bracht werden / ehe man die Regel detri anbringen kan / als wenn man die Thaler in Groſchen / die Gro - ſchen in Pfennige / die Pfunde in Lothe / die Stunden in Minuten / u. ſ. w. verwandelt. Z. E. 3. Pf. und 4. L. koſten 2. Thl. 4. gl. was kommen 2. Pf.? die Rechnung geſchiehet allſo:3. Pf.89der Rechen-kunſt. [ 〈…〉 ]

Die 5. Anmerckung.

112. Es geſchiehet meiſtentheils / daß die uͤbriegen Bruͤche eine gantz andere Eintheilung des gantzen er - fordern / als insgemein gebraͤuchlich. Als in dem vorhergehenden Exempel ſoll der Groſchen in 25 Theile getheilet werden; wir aber theilen ihn in 12 ein. Derowegen muß man einen andern Bruch fin - den / der ſo viel gilt wie der gegebene $$\frac {7}{25}$$ und zum Nenner 12. hat. Da nun der geſuchte Zehler des Bruches in 12 ſo vielmal enthalten ſeyn muß / als der gegebene Zehler 7 in ſeinem Nenner 25 (§. 71); ſo kan auch dieſe Verwandlung durch die Regel detri folgen - der Geſtalt geſchehen: 〈…〉 Weil der Pfennig nicht weiter eingetheilet wird / ſo muß man die $$\frac {9}{24}$$ / welche etwas mehr als von einem Pfennige ſind / negligiren: ſonſt koͤnte man ihren Werth gleichfals nach der Regel detri finden.

Die 6. Anmerckung.

113. Man findet in den Arithmetiſchen Schrifften auch eine verkehrte Regel detri / deren man aber nichtnoͤ -90Anfangs-Gruͤnde. noͤthig hat / wenn man die Zahlen dergeſtalt neben einander ſetzt / wie es die Proportion erfordert. Z. E. 125. Soldaten werden mit einem Feſtungs-Bau in - nerhalb 6. Monathen fertig. Es iſt aber die Frage / wie viel Soldaten muß man haben / daß der Bau fin - nerhalb 2. Monathen fertig wird? Hier iſt klahr / daß / wie viel mal 2. Monathe in 6 Monathen enthalten ſind / eben ſo vielmal die Zahl der Soldaten / welche 6 Monathe mit der Arbeit zubringen / in der Zahl de - rer enthalten ſey / welche in 2 Monathen fertig wer - den ſollen. Denn ie geſchwinder die Arbeit / fortgehen ſol / ie mehr Soldaten muß man dazu haben. Die Rechnung geſchiehet demnach allſo: 2 M. 6 M. 125 S. 〈…〉 6 750.

Die 7. Anmerckung.

114. Unterweilen muß man die Regel detri zwey mal anbringen / ehe man die verlangte Zahl finden kan: Woraus einige ohne Noth eine beſondere Re - gel gemacht und ſie die Regel de quinque, ingleichen Regulam compoſitam genennet. Z. E. 300 Thl. bringen in 2 Jahren 36 Thl. intereſſe, wie viel tra - gen 20000 Thl. in 12 Jahren? hier ſucht man erſt - lich durch die Regel detri / wie viel 20000 Thl. in 2 Jahren bringen; darnach durch eben dieſelbe / wie viel ſie in 12 Jahren tragen / folgender geſtalt:30091der Rechen-Kunſt. 300 Thl. 20000 Thl. 36 Inter. 36 720000 〈…〉 2 J. 12 J. 2400 Thl. 〈…〉 12 4800 24 28800

Die 8. Anmerckung.

115. Es laſſen ſich dergleichen Exempel auch durch eine Anwendung der Regel detri rechnen. Denn weil 2 mal 300 Thl. ſo viel in einem Jahre intereſſe bringen als 300 in zweyen / und 12 mal 20000 in einem Jahre ſo viel geben als 20000 in 12 Jahren; ſo darf ich nur die Umbſtaͤnde der Zeit weglaſſen und ſagen: 2 mal 300 das iſt 600 Thl. geben (nem - lich in einem Jahre) 36 Thl. intereſſe, was geben 12 mal 20000 das iſt 240000 Thl. (nemlich wie - derumb in einem Jahre?)

600 thl. 240000 thl. 36 Inter. 36 1440000 72 8640000 〈…〉 Und dieſe letzte Methode iſt rathſamer als die er -ſte /92Anfangs-Gruͤndeſte / weil in der erſten oͤſſters verdruͤßliche Bruch - Rechnungen vorkommen.

Die 9. Anmerckung.

116. Bey einigen Exempeln muß man die Regel detri nothwendig etliche mal anbringen / als in den Geſellſchafts-Rechnungen ſo viel mal / als Perſonen ſind / die an dem Gewin oder Verluſt in der Hand - lung Antheil haben. Denn weil derjenige doppelt Geld gewinnet und verlieret / der doppelte Zulage giebt / u. ſ. w. ſo verhaͤlt ſich jederzeit die gantze Zulage zu eines jeden Zulage ins beſondere / wie der gantze Ge - win oder Verluſt zu eines jeden Gewinn oder Verluſt insbeſondere. Z. E. Es haben drey Perſonen in einer Handlung 2000 Thl. ge-wonnen. Der erſte hat gegeben 1000 Thl. Der andere 500 Thl. Der dritte 300 Thl. Man ſol finden / wie viel jedem von dem Gewin gebuͤhre? dieſes geſchiehet folgender geſtaͤlt: Zulage des Erſten 1000 Thl. des andern 500 des dritten 300 Gantze Zulage 1800 Thl. 1800 Thl. 1000 Thl. 2000 Thl. 2 000 2 000000 〈…〉 1111 $$\frac {2}{18}$$ Thl. Gewin des erſten. 180093der Rechen-Kunſt. 1800 Thl. 500 Thl. 2000 Thl. 2 000 1000000 〈…〉 Thl. Gewinn des an - dern. 1500 Thl. 300 Thl. 2000 Thl. 2 000 600000 〈…〉 Thl. Gewin des drit - ten.

Probe.

1111 $$\frac {2}{18}$$ Gewin des erſten. 555 $$\frac {10}{18}$$ Gewin des andern. 333 $$\frac {6}{18}$$ Gewin des dritten. 2000 Thl. Gantzer Gewin.

Die 10. Anmerckung.

117. Es giebt auch viel andere Exempel / die auf eine gleiche Weiſe gerechnet werden. Als wenn man nicht allein in der Medecin / ſondern auch in andern Kuͤnſten und Wiſſenſchaften das Gewichte der Jngredientien weiß / die man mit einander in Zubereitung eines Dinges vermiſchen ſol und man wil wiſſen / wie viel von jedem zunehmen iſt / damitdas94Anfangs-Gruͤndedas Vermiſchte ein verlangtes Gewichte habe. Z. E. eine Medecin hat 3 Jngredientien / von dem einen kommen dazu 4 Loth / von dem andern 5 Loth / von dem dritten 2 Loth. Die Frage iſt / wie viel man von jedem nehmen muß / daß man von der Mede - ein 8 Pf. habe. Die Rechnung geſchiehet folgen - der maßen:

des erſten4 Loth.
Gewichtedes andernIngred. 5
des dritten2

Summe 11 L. 11. L. 8 Pf. 4 L. 32 256 L. 4 1024 〈…〉 L. Gewichte des erſten Ing. 11 L. 8 Pf. 5 L. 32 256 L. 5 1280 〈…〉 L Gewichte des andern Ing. 11. L.95der Rechen-Kunſt. 11 L. 8 Pf. 2 L. 32 256 L. 2 512 〈…〉 L. Gewichte des dritten Ingr.

Probe.
des erſten93 $$\frac {1}{11}$$ L.
Gewichtedes andernIngr. 116 $$\frac {4}{11}$$ L.
des dritten46 $$\frac {6}{11}$$ L.

Summe 256 L.

Die 11. Anmerckung.

118. Man hat in verſchiedenen Faͤllen einige Vor - theile in der Regel detri / welche insgemein die Wel - ſche Practica genennet werden. Uns begnuͤget die nuͤtzlichſten davon zu erzehlen. Weil die Regel de - tri zu drey gegebenen Zahlen die vierdte Proportio - nal-Zahl ſuchet (§. 107. 108. ) wenn man aber zwey Zahlen durch eine Zahl gnau dividiret / die heraus kommenden Ovotienten mit ihnen einerley Verhaͤlt - nis haben (§. 68.); ſo dividiret die erſte und andere / oder auch (§. 104.) die erſte und dritte Zahl (wenn ſie ſich gnau dividiren laſſen) durch eine Zahl / und brauchet die heraus kommenden Qvotienten an ſtat derſelben in der Rechnung: wie aus beygeſuͤgten Ex - empeln zu erſehen.

3. Pf.96Anfangs-Gruͤnde

3 Pf. koſten 9 Thl. wieviel 7 Pf.? 3) 1 3 3 fac. 21 Pf.

14 Pf. koſten 26 Thl. wieviel 7 Pf.? 7) 2 2) 1 fac. 13 Thl.

Die 12. Anmerckung.

119. Wenn entweder die erſte oder dritte Zahl 1 und die andere von beyden nicht allzu groß / die mitt - lere aber aus Zahlen von vielerley Arten zuſammen geſetzt iſt / hat man nicht noͤthig die in der 4. An - merckung (§. 111.) vorgeſchriebene Reduction an - zuſtellen wie folgendes Exempel ausweiſet:

1 Pf. koſtet 3 Thl. 8 gl. 6. pf. wieviel 5 Pf.? 5 Fac. 16 Thl. 18 gl. 6 pf.

Nemlich ich ſehe hier bald / daß 2 mal 6 pf. einen Groſchen machen / und allſo 5 mal 6 pf. 2 gl. 6 pf: wiederumb 3 mal 8 gl. einen Tha - ler und allſo noch 2 mal 8 daruͤber 16 gl. dan - nenhero addire ich den Thaler zu den uͤbrie - gen 15 Thl. und die 2 gl. zu den 16 gl. So iſt das verlangte facit 16 Thl. 18 gl. 6 pf.

Die 13. Anmerckung.

120. Wenn entweder die erſte oder dritte Zahl 1 iſt und in dem erſten Falle eine von den uͤbrigen beyden / in dem andern aber die erſte ſich in Factores zerfaͤllen laſſen; kan man die Rechnung oͤffters im Kopfe verrichten: wie ſichs aus beygefuͤgten Exem - peln abnehmen laͤſt.

1. Pf.97der Rechen-Kunſt.

1 Pf. koſtet 24 Thl. wie viel 20 Pf.? 4 4 6 80 6 Fac. 480 Thl. 12 Pf. koſten 18 Thl. wie viel 1 Pf.? 3 4 〈…〉 oder Thl.

Die 14. Anmerckung.

121. Wenn eine von den gegebenen Zahlen 1 iſt / laſſen ſich verſchiedene Vortheile im Kopfe zu rechnen aus der Rechnung ohne das Ein mal Eins nehmen (§. 54. 58 ) Z. E. Es koſten 9 Pf. 20 Thl. Die Fra - ge iſt / wie hoch 1 kommt? Jch ſehe hier gleich / wenn ich den zehenden Theil nehme / nemlich 2 Thl / ich noch den neundten Theil davon nemlich $$\frac {2}{9}$$ Thl. dazu addiren muß. Und allſo das facit 2 $$\frac {2}{9}$$ Thl. ſey. Jtem 5 Pf. koͤmmen 54 Thl. was 1 Pf.? Weil 5 die Helfte von 10 iſt / duplire ich nur den zehen - den Theil von 54 Thl. 5 Thl. $$\frac {4}{10}$$ / ſo kommt das fa - cit 10⅘ Thl. Jtem: 1 Pf. koſtet 18 gl. wie viel 19 Pf.? Weil 19 zwantzig weniger eines ſind / ſo dupli - re ich nur 18 und haͤnge an das Product eine Nulle - Von dieſer Zahl 360 ziehe ich 18 ab / ſo bleibet das facit 342 gl. uͤbrieg.

Die 15. Anmerckung.

122. Wenn die zwey gleichnahmlge Zahlen von einander umb 1 unterſchieden ſind / kan man einen beſonderen Vortheil brauchen / der ſich durch Exem - pel am beqvemſten zeigen laͤſt. Z. E. 5 Pf. koſten 30 Thl wie vlel 4 Pf? Weil 4 Pf. umb den fuͤnftenGTheil98Anfangs-GruͤndeTheil weniger koſten muͤſſen als 5 Pf. / ſo dividire ich nur 30 durch 5 und den Ovotienten 6 ziehe ich von 30 ab / ſo bleibet das facit 24 Thl. uͤbrieg. Jt. 8 Pf. kommen 24 Thl. wie viel 9 Pf.? Weil 9 Pf. umb mehr als 8 koſten / ſo darf ich nur den ach - tes Theil von 24 / nemlich 3 Thl / zu 24 Thl. addi - ren / ſo kommt das facit 27 Thl.

Die 16. Anmerckung.

123. Unter weilen kan man verſchiedene Vortheile bey einem Exempel anbringen. Als

100 Pf. koſten 30 Thl. 4 gl. wie viel 50 Pf? 50) 2 2) 1 Fac. 15 Thl. 2 gl. Jtem: 60 Pf. koſten 80 Thl. was 2520? 60) 1 〈…〉

ENDE.

An -[99]

Anfangs-Gruͤnde Der Beometrie.

[100][101]

Vorrede.

Geneigter Leſer:

DJe wenigſten ſehen die Geometrie mit rechten Augen an und koͤnnen dannenhero nicht begrei - fen / warumb Plato diejenigen / wel - che in derſelben unerfahren waren / aus ſeinem Auditorio zuruͤcke wieß und zum Studieren nach unſerer Mund-Art untuͤchtig erklaͤhrete. Man bildet ſich ein / es komme in ihr auf das bloſſe Feldmeſſen an: Da ſie doch den Grund zu aller genauen Erkaͤntnis in allen natuͤrlichen Wiſ - ſenſchafften leget und ohne ſie durch die Kunſt wenig ausgerichtet wer - den kan. Jch habe demnach die nuͤtzlichſten Lehrſaͤtze derſelben auf gehoͤrige Weiſe erwiſen und damit ſie nicht verdruͤßlich fielen / ihren Nutzen in Aufloͤſung verſchiedener Aufgaben jederzeit gezeiget. Unge - achtet aber dieſelben im bloſſen Feld - meſſen und Ausrechnung des Coͤr - verlichen Jnhalts zubeſtehen ſchei - nen; ſo wird doch in folgendem dasG 3Wie -102Vorrede. Wiederſpiel klaͤhrlich erhellen / weñ wir in den uͤbriegen Theilen der Ma - thematick die Geometrie appliciren werden. Jch hatte mir zwar vorge - nommen die application der Geome - triſchen Saͤtze in der Natur und Kunſt hin und wieder zuzeigen; al - lein weil dieſes fuͤr einen kurtzen Be - grief / den ich beyzubringen vorha - bens bin / zu weitlaͤuftig fallen wuͤr - de / auch nicht allen einerley Exempel noͤthig und angenehm ſind; ſo habe ſolches im Wercke ſelbſt unterlaſſen wollen und behalte mir die voͤllige Freyheit in meinen Diſcurſen nach der Beſchaffenheit meiner Zuhoͤrer Exempel zuerwehlen. Hier habe ich nur erinnern wollen / daß man durch Geome - triſche Aufloͤſungen verſchiedener Aufgaben oͤſters leichte finden kan / was man durch Rechnung weitlaͤuftig und nicht ohne Ver - druß ſuchen muͤſte. Und das war die Ab - ſicht der Alten / die zu erſt auf die Geometri - ſchen Aufloͤſungen gedacht haben / welche die Unverſtaͤndigen heute zu Tage fuͤr ein leeres Spiel-Werck anſehen. Jch wuͤnſche allen / die dieſes leſen werden / Luſt zur Geometrie; ſo werden ſie erfahren / daß ich mir nicht im geringſten vorgenommen habe eine Lob-Rede derſelben zuhalten.

103

Anfangs-Gruͤnde Der Beometrie.

Die erſte Erklaͤhruug.

1.

DJe Geometrie iſt eine Wiſſen - ſchafft des Raumes / den die coͤr - perlichen Dinge nach ihrer Laͤn - ge / Breite und Dicke einnehmen.

Die 2. Erklaͤhrung.

2. Wenn man die Laͤnge ohne die Breite und Dicke betrachtet / ſo nennet man ſie eine Linie; ihren Anfang und Ende aber einen Punct / den man ſich allſo ohne alle Theile gedencken muß / maſſen er ſonſt eine Linie waͤre und wieder ſeinen Anfang und Ende ha - ben muͤſte. Wenn nun ein Punct ſich von einem Orte gegen den andern be - weget wird eine Linie beſchrieben.

Die 1. Anmerckung.

3. Schwenter in ſeiner Geometria pra - ctica p. 2 erklaͤret gar deutlich die Beſchaffenheit eines Mathem atiſchen Puncts durch folgendes Exempel. G 4Wenn104Anfangs-GruͤndeWenn eine Linie / ſpricht er / in zwey gleiche Theile getheilet werden ſol / geſchiehet ſolches durch ein Zei - chen nur mit dem Sinn begriffen. Das iſt der Punct. Dieſer weiſet nur den Ort / da die zwey Linien ſich ſcheiden / benimmet aber beyden Linien nichts / dann ſie beyde zuſammen der erſten Linie gleich verblei - ben / ſo zu theilen fuͤrgegeben.

Die 2. Anmerckung.

4. Aus dieſer Erklaͤhrung erhellet / daß die Geo - metræ zulaͤngliche Urſachen gehabt / warumb ſie den Punct untheilbahr concipiren / unerachtet die Ein - bildung ſo wenig / als unſere Hand mit ihren Jnſtru - menten einen untheilbahren Punct formiren kan. Damit er nemlich kein Theil der Linie wuͤrde: wel - ches in der Ausuͤbung der Geometrie mit Sorgfalt zu vermeiden.

Die 3. Erklaͤhrung.

5. Gehet der Punct in ſeiner Bewe - gung von einem Orte zu dem andern dergeſtalt fort / daß ſeine Direction nie -Tab. I. Fig. 1. mals veraͤndert wird / ſo beſchreibet er eine grade Linie: wird aber ſeine Direction beſtaͤndig geaͤndert / eine kꝛum - me Linie.

Die 1. Anmerckung.

6. Auf dem Papiere wird eine grade Linie mit einer Reiß-Feder oder einem ſubtilen Stiefte nach dem Lineale gezogen / welches man auf die zwey ge - gebenen Puncte anleget; auf dem Holtze oder Stei - ne durch einen mit Kreide oder Roͤtel beſtrichenen Faden aufgeſchlagen; auf dem Felde mit zwey Staͤ - ben abgeſtecket / die an ihrem Ende aufgerichtet wer - den. Es kan aber mit zwey Staͤben der dritte in einer graden Linie geſteckt werden / wenn das Auge / ſo gegen den einen gerichtet wird / die andern beyde deckt. Wor -105der Geometrie. Woraus man ſich zugleich vorſtellen kan / wie der Punct immer eine Direction haͤlt. Nemlich wenn das Auge in den Ort geſetzt wuͤrde / wo er im Anfange ſeiner Bewegung war / und er haͤtte eine ſichtbahre Spur in allen Orten / in welchen er die Zeit ſeiner Bewegung uͤber geweſen / hinterlaſſen / ſo wuͤrde das Auge nicht mehr als die erſte zu ſehen bekommen / die uͤbriegen alle wuͤrden durch dieſe bedeckt werden. Der - gleichen Gedancken hat ſonder Zweifel Plato gehabt / wenn er die grade Linie beſchrieben / quod ejus extre - ma obumbrent omnia media.

Die 2. Anmerckung.

7. Wenn man etwas ausmeſſen will / ſo verglei - chet man es mit einem andern von ſeiner Art und ſu - chet ſeine Verhaͤltnis zu demſelben / das iſt / wie viel mal es das andere in ſich begreift oder in demſelben enthalten iſt. Daher nimmt man zum Maaßſtabe der Linie eine gewiffe Linie oder Laͤnge an / welche man eine Ruthe nennet. Dieſelbe theilet man in 10 gleiche Theile und nennet einen derſelben einen Schuh: der Schuh wird abermal in 10 Zoll und der Zoll in 10 Linien getheilet. Weil aber der Maaßſtab willknhrlich iſt / ſo kan man leicht erachten / daß nicht an allen Orten der Schuh von gleicher Groͤſſe ſey. Weiß man die Verhaͤltnis zweyer Schnhe gegen einander / ſo kan man jeder zeit durch die Regel detri (§. 107. 108. Arithm. ) ein Maaß in das andere verwandeln. Z. E. Nach dem Picard verhaͤlt ſich der Pariſer-Schutz zu dem Rhein - laͤndiſchen wie 1440 zu 1392 / das iſt / wie 30 zu 29 (§. 68. Arithm. ) Wenn nun nach dem Rheinlaͤndi - ſchen Maaße 345 Schuh gegeben wuͤrden und man wollte wiſſen / wie viel ſie nach Pariſer-Maaße ma - chen / ſo darf man nur ſetzen:G 530106Anfangs-Gruͤnde30 29 345 29 〈…〉 3105 690 10005 Alsdenn ſindet man (§. 112. Arithm., ) 333½ Pariſer - Schuhe. Es iſt aber wohl zu mercken / daß nicht an allen Orten die Ruthen und Schuhe auf gleiche Art eingetheilet werden. Denn das Rheinlaͤndiſche Maaß wird immer in 12 getheilet / da hingegen das Grometriſche nur 10 Theile hat. Darnach man ſich in Verwandlung eines Maaſſes in das andere zu achten.

Die 3. Anmerckung.

8. Unerachtet aber die Laͤnge ohne die Breite und Dicke niemals irrgendswo zu finden; ſo iſt es doch noͤthig und nuͤtzlich / daß man dieſelbe allein betrach - tet. Noͤthig iſt es / weil unſer Verſtand nicht viel Sachen auf einmal dencken kan und daher in Gedan - cken von einander trennen muß / was in der Natur ungeſchieden gefunden wird: nuͤtzlich aber / weil un - gehlich viel Faͤlle vorkommen / da man nur die eine Abmeſſung eines Coͤrpers erkennen wil / Z. E. die Hoͤhe eines Thurmes / ohne ſeine Breite und Dicke; die Breite eines Fluſſes ohne ſeine Tiefe und Laͤnge.

Die 4. Erklaͤhrung.

9. Unter den krummen Linien iſt die bekanteſte und zur Zeit die nůtzlichſteTab. I. Fig. 2. die Circul-Linie. Es wird aber ein Circul beſchrieben / wenn eine grade Li - nie CA ſich umb einen feſten Punct C be - weget.

Anmerckung.

10. Auf dem Papiere wird dieſes mit einem beſon -deren107der Geometrie. deren Jnſtrumente verrichtet / welches man einen Zirckel nennet. Auf dem Felde und im groſſen brau - chet man an ſtat der Linie einen Faden / oder eine Schnure / oder eine Stange: wie man denn auch be - ſondere Stangen-Zirckel hat.

Die 5. Erklaͤhrung.

11. Der Punct O heiſſet der Mittel -Tab. I. Fig. 3. Punct (Centrum) weil alle Puncte in der Peripherie gleich weit von demſel - ben abſtehen (§. 6): die Linie CA der Halbmeſſer (Semidiameter oder Ra - dius): die Linie / ſo von einem Puncte der Peripherie D biß zu dem andern E durch den Mittelpunct C gezogen wird / der Durchmeſſer (Diameter): Eine ande - re aufgleiche Art / aber nicht durch den Mittelpunct gezogene Linie FG eine Sehne / (Chorda.)

Anmerckung.

12. Die Peripherie eines ieden Circuls / er mag groß oder klein ſeyn / wird in 360. gleiche Theile oder Grade eingetheilet. Jeder Grad beſtehet aus 60 Minnten / iede Minute aus 60 Secunden / u. ſ. w. die Grade zeichnet man mit 0 wie die Ruthen / die Minu - ten mit wie die Schuhe. Z. E. 25′ 1″ 7 heiſſet; 3 Grad 25 Minuten 17 Secunden. 2′ 4″ 8 Ruthen 2 Schuch 4 Zoll.

Die 6. Erklaͤhrung.

13. Wenn man zwey Linien AB undTab. I. Fig. 4. AC in einem Puncte A zuſammen ſetzt / ſo heiſſet ihre Neigung gegen einander ein Winckel.

Die108Anfangs-Gruͤnde

Die 1. Anmerckung.

14. Dieſen Winckel nennet man entweder mit einem Buchſtaben A / oder in gewiſſen Faͤllen um die entſte - hende Verwirrung mit andern Winckeln zu vermei - den mit drey Buchſtaben BAC / ſo daß derjenige mit - ten ſtehet / welcher an der Spitze des Winckels zu fin - den. Seine Groͤſſe aber pfleget man durch einen Circul-Bogen / der aus dem centro A mit beliebiger Eroͤffnung des Zirckels beſchrieben wird / zu meſſen. Nemlich ſo viel der Bogen DE Grade und Minuten hat / ſo viel Grade und Minuten eignet man dem Win - ckel A zu.

Die 2. Anmerckung.

15. Umb die Zahl der Grade und Minuten / die dem Bogen DE zugehoͤren / zu finden / bereitet man halbe Circul von Meßing / und theilet ſie in Grade und halbe Grade / ja ſo viel ſichs thun laͤſt / in Minu - ten ein. Die kleinen / ſo auf dem Paviere gebraucht werden / nennet man Transporteures; die groſſen / ſo auf dem Felde erſordert werden / insgemein Aſtrolabia wiewol nicht mit gar zu gutem Rechte.

Die 7. Erklaͤhrung.

Tab. I. Fig. 5.

16. Wenn eine Linie AB auf der an - dern CD dergeſtalt aufgerichtet ſtehet / daß ſie nicht mehr gegen eine als gegen die andere Seite ſich neiget; ſo ſaget man / es ſtehe dieſelbe auf CE perpendi - cular oder ſenckrecht.

Zuſatz.

17. Die Perpendicular-Linie macht mit der Linie / worauf ſie ſtehet / zwey gleiche Win - ckel ABC und ABD (§. 13.)

Fig. 5.

Die 8. Erklaͤhrung.

18. Der Winckel ABC / den die Perpen - dicular-Linie AB mit der Linie BCmacht109der Geometriemacht / heiſſet ein rechter Winckel (an - gulus rectus) Ein ieder kleinerer WinckelTab. I. Fig. 6. E ein ſpitziger Winckel (angulus acutus) und ein ieder groͤſſerer F ein ſtumpfferTab. I. Fig. 7. Winckel (angulus obtuſus.)

Die 9. Erklaͤhrung.

Tab. I. Fig. 18.

19. Wenn man einen Winckel A durch eine grade Linie BC ſchlieſt / ſo entſtehet ein Dreyecke oder Triangel. Man nen - net es aber rechtwincklicht / wenn der ei - ne Winckel A ein rechter iſt: ſtumpf -Tab. I. Fig. 9. wincklicht / wenn der eine Winckel D ein ſtumpfer iſt; ſpietzwincklicht / wenn al -Tab. I. Fig. 10. le drey ſpietzig ſind / wie A, B, C. HingegenTab. I. Fig. 11. wenn alle drey Seiten AB, BC, CA gleich ſind / heiſſet es ein gleichſeitiger Trian -Tab. II. Fig. 12. gel (Triangulum æquilaterum): ſind zwey Seiten AB und BC gleich / ein gleich - ſchencklichter (Triangulum æquicrurumTab. II. Fig. 13. oder Iſoſceles): iſt keine Seite der an - dern gleich / ein ungleichſeitiger / als HI K, (Triangulum Scalenum.)

Die 10. Erklaͤhrung.

Tab. II. Fig. 14.

20. Ein Qvadrat (Quadratum) iſt ei - ne Figur / die 4 gleiche Seiten AB, BC, CD AD und lauter rechte Winckel hat. Tab. II. Fig. 15.Ein ablanges Vier-Ecke (oblongum oder Rectangulum) hat lauter rechte Winckel / aber es ſind nur die zwey einander entgegen geſetzten SeitenEF110Anfangs-GruͤndeEF und HG, ingleichen EH und FG einan -Tab. II. Fig. 16. der gleich: Eine Raute (Rhombus) hat vier gleiche Seiten IK. KL. LM. IM undTab. II. Fig. 17. lauter ſchiefe Winckel / keinen rechten. Eine ablange Raute (Rhomboides) hat zwar auch lauter ſchiefe Winckel / a -Tab. II. Fig. 18. ber nur die beyde einander entgegen ge - ſetzte Seiten ON und PQ, OP und QN ſind einander gleich. Die uͤbrigen Vier - Ecke werden Trapezia genennet / als ST UZ.

Die 11. Erklaͤhrung.

21. Die uͤbrigen Figuren / ſo mehr alsTab. II. Fig. 19. vier Seiten haben / werden Polygone oder Viel-Ecke genennet: und inſonder - heit Fuͤnf-Ecke / wenn ſie fuͤnf; Sechs-Ecke / wenn ſie ſechs Seiten ha - ben / u. ſ. w.

Die 12. Erklaͤhrung.

Tab. II. Fig. 20.

22. Wenn in einer Figur alle SeitenTab. II. Fig. 21. und Winckel eiuander gleich ſind / als in ABCDEF, heiſſet ſie eine Regulaͤre Fi - gur: ſind aber die Seiten und Winckel nicht alle einander gleich als in GHIKL, ſo nennet man ſie eine Jrregulaͤre Fi - gur.

Die 13. Erklaͤrung.

Tab. III. Fig. 22.

23. Wenn zwey Linien AB und CD dergeſtalt neben einander weglauffen / daß ſie immer eine Weite voneinander behalten / ſo ſind es Parallel-Linien.

Die111der Geometrie.

Die 14. Erklaͤhrung.

24 Die Vier-Ecke / deren Seiten ein - ander parallel ſind / nem tet man Paralle - logramma.

Die 15. Erklaͤhrung.

Tab. III. Fig. 23.

25. Wenn ein halber Circul X ſich um ſeinen Diameter A B herumb beweget / beſchreibeter eine Kugel.

Zuſatz.

26. Allſo ſind alle Puncte in der Kugel - Flaͤche von dem Mittelpuncte C gleich weit weg.

Die 16. Erklaͤhrung.

Tab. III. Fig. 24.

27. Wenn eine gradlinichte Figur AB C ſich an einer graden Linie AD derge - ſtalt herunter beweget / daß ſie ſich im - mer parallel bleibt; beſchreibet ſie einTab. III. Fig. 25. Prisma; beweget ſich aber ein Circul X an einer graden Linie FG gleichergeſtalt herunter / oder ein Rectangulum und Qvadrat umb ſeine Hoͤhe / ſo wird ein Cylinder oder eine Waltze beſchrie - ben.

Der 1. Zuſatz.

Tab. III. Fig. 24.

28. Ein iedes Priſma hat zwey gleiche ba - ſes und iſt um und umb von ſo vielen Vier-E - cken eingeſchloſſen / als die baſis ABC Seiten hat.

Der 2. Zuſatz.

29. Jn dem Priſmate und Cylinder ſind al -le112Anfangs-Gruͤnde. le Durchſchnitte / die mit ihren baſibus pa - rallel geſchehen / einander gleich.

Die 17. Erklaͤhrung.

Tab. III. Fig. 26.

30. Wenn ſich ein Rectangulum A B C D an einer Linie AE auf gleiche Art he -Tab. III. Fig. 27. runter beweget / bekomt man ein Paralle - jepipedum: beweget ſich aber ein Qvadrat O an einer Linie H I, die ſeiner Seite gleich iſt / herunter / einen Cubum oder Wuͤrffel.

Der 1. Zuſatz.

31. Das Parallelepipedum iſt in ſechs Re - ctangula eingeſchloſſen / deren zwey einander - uͤberſtehende gleich ſind.

Der 2. Zuſatz.

32. Ein Wuͤrffel iſt in ſechs gleiche Qva - drate eingeſchloſſen.

Tab. III. Fig. 28.

Die 18. Erklaͤhrung.

33. Wenn ſich ein Triangel ABC umb eine Seite AB herumb beweget / beſchrei - bet er einen Conum oder Kegel.

Zuſatz.

34. Alle Durchſchnitte / die im Cono mit der baſi DBC parallel geſchehen / ſind Circul / aber immer kleinere / ie naͤher ſie der Spietze A kommen (§. 11.)

Tab. III. Fig. 29.

Die 19. Erklaͤhrung.

35. Wenn eine Linie AD im Puncte D feſte iſt / und ſich umb die gantze Periphe - rie einer gradelinichten Figur ABC mit dem andern Ende A beweget; entſtehet eine Pyramide.

Zu -113der Geometrie.

Zuſatz.

36. Eine Pyramide hat zur baſi eine gra - delinichte Figur / und iſt umb und umb in ſo viel Triangel als die baſis Seiten hat einge - ſchloſſen / welche oben in einem Puncte D mit ihren Spietzen zuſammen ſtoſſen.

Die 20. Erklaͤhrung.

37. Wenn ein Coͤrper in lauter gleiche regulaͤre Figuren von einerley Art (Z. E. in lauter gleichſeitige Triangel) einge - ſchloſſen iſt / nennet man ihn Regulaͤr; die uͤbrigen werden Jrregulaͤꝛ geneñet.

Zuſatz.

38. Allſo iſt der Wuͤrfel ein regulaͤrer Coͤr - per. (§. 20, 22. 32.)

Der 1. Grundſatz.

39. Zwiſchen zwey Puncten kan nur eine grade Linie ſeyn,

Anmerckung.

40. Eine grade Linie wird beſchrieben / wenn der Punct immer einerley direction behaͤlt [§. 5.] Waͤre nun mehr als ein Weg / den der Punct in ſolcher Be - wegung nehmen koͤnte / ſo waͤre keine raifon, warumb er vielmehr dieſen als einen andern nehmen ſollte. Und dannenhero koͤnte er ſich durch keinen bewegen. Da a - ber dieſes ungereimt iſt / ſo kan nicht mehr als ein Weg ſeyn / und folgends zwiſchen. zwey Puncten nicht mehr als eine grade Linie.

Der 1. Zuſatz.

41. Derowegen koͤnnen zwey grade LinienHkei -114Anfangs-Gruͤndekeinen Raum einſchlieſſen / weil ſie in ihren beyden aͤuſerſten Puncten zufammen ſtoſſen muͤſten.

Der 2. Zuſatz.

Tab. I. Fig. 8.

42. Folgends ſind in iedem Drey-Ecke zwey Seiten AB und AC zuſammen genommen / groͤſſer als die dritte BC.

Der 2. Grundſatz.

43. Alle Radii eines Circuls ſind einan - der gleich [§. 9.]

Der 3. Grundſatz.

44. Wenn zwey Bogen einerley Verhaͤlt - nis gegen ihre Peripherie haben / ſo haben ſie eine gleiche Anzahl Grade (§. 62. Arithm. §. 12.)

Tab. IV. Fig. 30.

Der 4. Grundſatz.

45. Alle Bogen DE und BC, welche aus der Spietze eines Winckels A, innerhalb ſei - nen Schenckeln AB und AC beſchrieben wer - den / haben einerley Verhaͤltnis gegen ihre Peripherien / das iſt / fie ſind gleich groſſe Stuͤ - cke von ihren Peripherien / Z. E. beyde oder u. ſ. w.

Der 1. Zuſatz.

46. Derowegen haben ſie eine gleiche Zahl Grade (§. 44.)

Der 2. Zuſatz.

47. Weil man die Groͤſſe des Winckels A nach der Zahl der Grade eines ſolchen Bo -gens115der Geometrie. gens DE oder BC erachtet (§. 13.); ſo gielt es gleich viel / ob der Bogen D E mit einem groſ - ſen oder kleinem radio beſchrieben wird / wenn man den Winckel meſſen wil.

Der 5. Grundſatz.

48. Wenn grade Linien und Winckel ein - ander decken / ſo ſind ſie gleich: und wenn ſie gleich ſind / decken ſie einander.

Der 6. Zuſatz.

49. Figuren / die einander decken / ſind ein - ander gleich.

Anmerckung.

50. Es iſt wohl zu mercken / daß von gleichen Figu - ren erfordert wird / ſie ſollen beyde einander decken: denn wenn gleich die obere die untere deckt / ſo ſie auf dieſelbe gelegt wird / wuͤrde doch die untere die obere nicht decken / wenn ſie auf dieſelbe geleget wuͤrde / wo ſie nicht einander gleich waͤren.

Der 7. Grundſatz.

51. Wenn zwey Winckel einerley Maaß haben / ſind ſie einander gleich.

Der 8. Grundſatz.

Tab. IV Fig. 31.

52. Auf jeder Linie AB kan man aus ei - nem angenommenen Puncte C einen halben Circul beſchreiben (§. 9.)

Zuſatz.

53. Wenn man aus dem centro C eine Perpendicular-Linie aufrichtet / ſo ſind die beyden Winckel o und x einander gleich (§. 17.) Derowegen hat ein rechter Winckel zu ſeinem Maaß einen Qvadranten / das iſt / 90° (§. 12.)

H 2Der116Anfangs-Gruͤnde
Tab. IV. Fig. 32.

Der 1. Lehrſatz.

54. Die beyden Winckel x und o, wel - che eine Linie DC auf einer andern Li - nie AB macht / ſind zuſammen zweyen rechten Winckeln gleich.

Beweiß.

Aus C kan auf der Linie AB ein halber Circul beſchrieben werden (§. 52). derowe - gen haben die Winckel x und o zu ihrem Maaſſe einen halben Circul (§. 14.) / folgends ſind ſie zuſammen zwey rechten Winckeln gleich (§. 53). W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

55. Wenn allſo einer von denſelben ein rechter Winckel iſt / ſo muß der andere auch ein rechter Winckel ſeyn: und wenn beyde einander gleich ſind / ſo muß jeder ein rechter Winckel ſeyn.

Der 2. Zuſatz.

56. Demnach machen dieſe beyde Win - ckel / ingleichen mehrere zuſammen 180°. (§. 53)

Der 3. Zuſatz.

57. Wenn man allſo auf dem Felde zu einem Winckel nicht kommen kan / den man meſſen ſoll; darf man nur den Neben-Win - ckel (angulum contiguum) meſſen.

Tab. IV. Fig. 33.

Der 2. Lehrſatz.

58. Wenn eine Linie AB die andereCD117der Geometrie. CD in E ſchneidet / ſo ſind die Vertical - Winckel o und x einander gleich.

Beweiß.

Denn o + u = 180° und u + x = 180° (§. 56). Allſo iſt o + u = u + x (§. 28. Arithm. ) folgends o = x (§. 31. Arithm.). W. Z. E.

Zuſatz.

59. Daher kan man auf dem Felde / oder wo man ſonſt Winckel zu meſſen hat / an ſtat des Winckels x ſeinen Vertical-Winckel o meſſen / wenn man jenem nicht beykom - men kan.

Der 3. Lehrſatz.

Tab. IV. Fig. 34.

60. Alle Winckel / die umb einen Punct C herumb ſind / machen zuſam - men vier rechte Winckel / oder 360°.

Beweiß.

Jhr Maaß iſt ein gantzer Circul (§. 9. 14.) Allſo halten ſie zuſammen vier rechte Win - ckel in ſich (§. 53.) oder 360° (§. 12.) W. Z. E.

Die 1. Aufgabe.

61. Einen vorgegebenen Winckel zu meſſen.

Aufloͤſung.

Auf dem Papiere

  • 1. Leget das centrum des Transporteurs auf die Spitze des Winckels A und ruͤ - cket das Jnſtrument / bis die innereH 3Schaͤr -118Anfangs-GrůndeSchaͤrfe des Lineals an die Linie AB ſtreicht.
  • 2. Zehlet die Grade an dem Bogen DE, die zwiſchen die Schenckel des Winckels AC und A B fallen.

Auf dem Felde

  • 1. Richtet das Aſtrolabium dergeſtalt / daß der Radius auf den einen Schenckel des Winckels faͤllt.
  • 2. Verſchiebet das an dem centro beweg - liche Lineal und zielet durch die Dioptern auf demſelben / biß ihr das aͤuſerſte des an - dern Schenckels erblicket.
  • 3. Zehlet die Grade / ſo das Lineal auf dem Jnſtrumente abſchneidet.

So wiſſet ihr in beyden Faͤllen die groͤſſe des Winckels (§. 14. 15.)

Die 2. Aufgabe.

62. Eine grade Linie zu meſſen.

Aufloͤſung.

Tab. IV. Fig. 36.

Vor allen Dingen bereitet man ſich einen Maaßſtab. Auf dem Papiere nehmet eine Linie / ſchneidet davon 10 kleine Theile fuͤr die Schuhe ab und traget ſie zuſammen ſo viel mal in den uͤbriegen Theil der Linie / als angehen wil / fuͤr die Ruthen. So habt ihr einen Maaß-Stab (§. 7.) Auf dem Felde braucht man entweder eine Kette / oder eine Schnure / oder eine Stange die in ihre ge - hoͤrige Zolle / Schuhe und Ruthen eingethei -let119der Geometrie. let worden. Doch iſt zu mercken / daß man nur die letzte Ruthe in Schuhe und den letz - ten Schuh in Zolle eintheilen darf.

Tab. IV. Fig. 37.

Wenn ihr nun auf dem Papiere eine Li - nie meſſen wollet / fo

  • 1. Setzet den Zirckel in A und thut ihn auf biß in B.
  • 2. Den einen Fuß dieſes unverruͤckten Zir - ckels ſetzet auf dem Maaß-Stabe in dem Anfange einer Ruthe als in 1 und gebet acht / welchen Schuh der andere Fuß ab - ſticht / z. E. 5. So iſt die Linie 5′.

Anf dem Felde

  • 1. Stecket an beyde Ende der Linie einen Stab und (wenn eure Meß-Kette nicht ſo lang iſt) zwiſchen dieſelbe noch einen oder mehr andere nach dem 6. §.
  • 2. Spannet die Schnur oder Kette von ei - nem Stabe biß zum andern aus.
  • 3. Zehlet endlich daran die Ruthen / Schu - he und Zolle.

Die 1. Anmerckung.

63. Jhr koͤnnet auch an die beyden Ende der Meeß-Kette 2 Rincken machen / durch dieſelben zwey Staͤbe ſtecken / und dieſe iederzeit mit dem Stabe an dem Ende der Linie / die ihr meſſet / in eine Linie ſtel - len nach dem 6. §.

Die 2. Anmerckung.

64. Die Meeß-Ketten ſind etwas beſchweerlich zu tragen / und laſſen ſich nicht wohl ansziehen / Wenn man die Linie mit einer Stange uͤberſchlaͤgt / muß man ſo viel Stangen-Diecken zu der gefundenenH 4Laͤnge120Anfangs-GruͤndeLaͤnge addiren / als die Stange uͤberſchlagen worden / oder ſie uͤmb eine Stangen-Diecke kuͤrtzer machen / als das Maaß erfordert. Die Haͤnfene Meeß - Schnuͤre kriechen vom Feuchten ein und dehnen ſich ungleich aus. Es mercket Schwenter an (Geom. pract. lib. 1. Tract. 2. p. 81.) daß ihm eine derglei - chen Schnure von 16 Schuhen innnerhalb einer Stunde vom Reife faſt umb einen gantzen Schuh eingangen. Dieſem Fehler nun abzuhelffen / ſol man ſie widerſinnes winden / in Oele ſieden / nachdem ſie getrocknet / durch ein zerlaſſen Wachs ziehen / und mit hartem Wachſe durch und durch beſtreichen laſſen. Es verſichert Schwenter p. 382 / wann man ſie auch einen gantzen Tag im Waſſer liegen laͤſſet / ſie doch nicht mercklich kuͤrtzer werden.

Die 3. Anmerckung.

65. Man hat auf dem Papier noch ein kuͤnſtlicheres Jnſtrument die Linien zu meſſen / welches man einen verjuͤngten Maaßſtab nennet. Davon ſich erſt unten wird reden laſſen.

Die 2. Aufgabe.

66. Einen Winckel zumachen / der ſo groß iſt. wie ein anderer gegebener Winckel.

Aufloͤſung.

Tab. V. Fig. 38.

Der erſte Fall. Wenn der Winckel in Graden gegeben wird / ſo

  • 1. Ziehet eine grade Linie AC.
  • 2. Leget auf A das centrum des Trans - porteurs und an die Linie AC ſeinen ra - dium.
  • 3. Zehlet an demſelben ſo viel Grade ab als der Winckel haben ſol.
4. Bey121der Geometrie.
  • 4. Bey dem letzten Grade mercket euch den Punct B.
  • 5. Ziehet endlich von A biß B eine grade Linie.

So iſt BAC der verlangte Winckel.

Tab. V. Fig. 39.

Der andere Fall. Wenn der Win - ckel DEP nur auf dem Papiere gegeben wird / ſo

  • 1. Beſchreibet aus E mit beliebter Eroͤfnung des Zirckels einen Bogen GH.
  • 2. Ziehet euch eine grade Linie ef.
  • 3. Beſchreibet mit voriger Eroͤfnung des Zirckels aus e den Bogen hi.
  • 4. Setzet den Zirckel in H und thut ihn auf biß in G.
  • 5. Mit dieſer Eroͤfnung ſchneidet aus h von dem Bogen hi den Bogen hg ab.
  • 6. Ziehet aus e durch g eine Linie.

So iſt geſchehen / was man verlangte.

Der dritte Fall. Auf das Feld kan man einen in Graden gegebenen Winckel durch das Aſtrolabium tragen / wie aus der erſten Aufgabe (§. 61.) abzunehmen.

Beweiß.

Jm erſten und dritten Falle iſt kein Be - weiß noͤthig. Jm andern Falle iſt der Bo - gen gh = GH (§. 114.) und alſo der Win - ckel gef = DFG (§. 14. 58.) W. Z. E.

Der 4. Lehrſatz.

67. Wenn in zweyen Triangeln ABCTab. V. Fig. 40.H 5und122Anfangs-Gruͤndeund abc der Winckel A = a, AC = ac und AB = ab, ſo ſind die gantzen Tri - angel einander gleich.

Beweiß.

Man gedencke / als wuͤrde der Triangel acb dergeſtalt auf den andern ACB geleget / daß die Linie ab auf die Linie AB faͤllt. Weil nun a = A ſo faͤllet die Linie ac auf AC (§. 48.) und / da ac = AC, der Punct c auf C: folgends die Linie bc auf BC (§. 39.) derowegen ſind die Triangel. ACB und acb einander gleich (§. 49.) W. Z. E.

Der 5. Lehrſatz.

Tab. V. Fig. 40.

68 Wenn in zweyen Triangeln ACB und acb der Winckel A = a und B = b uͤber dieſes die Seite AB = ab, ſo ſind die gantzen Triangel einander gleich.

Beweiß.

Man gedencke / es werde der Triangel ABC auf den andern a b c dergeſtalt gele - get / daß die Seite AB die Seite ab deckt / (§. 48.) ſo faͤllet die Linie AC auf ac und BC auf bc [§. 48.] Da nun die Linien AC und BC im Puncte C und die Linien ac und bc im Puncte c zuſammen ſtoſſen / muß auch der Punct C auf den Punct c fallen. De - rowegen ſind die Triangel einander gleich (§. 49.) W. Z. E.

Tab. V. Fig. 41.

Der 6. Lehrſatz.

69. Wenn in zweyen Triangeln ACBund123der Geometrie. und acb, AC = ac, AB = ab und BC = bc; ſo ſind die Triangel einander gleich.

Beweiß.

Man beſchreibe aus A mit AB den Bo - gen x und aus C mit CB den Bogen y. Hierauf gedencke man / es werde der Trian - gel acb auf den Triangel ACB dergeſtalt geleget / daß der Punct a auf A und C auf c faͤllet [§. 48]: ſo wird die Linie ab in den Bo - gen x und cb in den Bogen y fallen (§. 11. 43. ) folgends der Punct b in B, wo die Bo - gen einander durchſchneiden. Dannenhero ſind die Triangel einander gleich (§. 49.) W. Z. E.

Zuſatz.

70. Allſo kan aus drey gegebenen Linien nicht mehr als einerley Triangel gemacht werden.

Die 4. Aufgabe.

Tab. V Fig. 42.

71. Auf einer gebenen Linie AB einen gleichſeitigen Triangel aufzurichten.

Aufloͤſung.

  • 1. Setzet den Zirckel in A, thut ihn auf biß in B und beſchreibet damit uͤber der Linie einen Bogen.
  • 2. Setzet hierauf den Zirckel in B und be - ſchreibet mit unveraͤnderter Eroͤfnung ei - nen andern Bogen / der den erſten in C durchſchneidet.
  • 3. Ziehet von und B in C die Linien AC undBC:124Anfangs-GruͤndeBC: ſo iſt geſchehen / was man verlang - te.

Beweiß.

Die Linien AC und BC hat man ſo groß gemacht als die Linie AB (§. 43.) Derowe - gen iſt der Triangel ACB gleichſeitig (§. 19.) W. Z. E.

Die 5. Aufgabe.

72. Aus zwey gegebenen Linien ABTab. V. Fig. 43. und BC einen gleichſchencklichten Tri - angel zu machen.

Aufloͤſung.

  • 1. Setzet an das eine Ende A der einen Li - nie AB, welche die baſin des Triangels geben ſol / den Zirckel und beſchreibet mit der Eroͤfnung nach der Laͤnge der andern gegebenen Linie einen Bogen.
  • 2. Mit eben dieſer Eroͤfnung beſchreibet aus B einen andern Bogen / der den erſten in C durchſchneidet.
  • 3. Ziehet aus C in A und B grade Linien. So iſt der begehrte Triangel fertig.

Beweiß.

Die Linien AC und CB hat man einan - der gleich gemacht. Allſo iſt A C B ein gleichſchencklichter Triangel (§. 19.) W. Z. E.

Die 6. Aufgabe.

Tab. V. Fig. 44.

73. Aus drey gegebenen Linien einen Triangel zumachen.

Auf -125der Geometrie.

Aufloͤſung.

  • 1. Nehmet die eine von den gegebenen Lini - en AB zur baſi des Triangels an.
  • 2. Aus A beſchreibet mit der Eroͤfnung des Zirckels nach der Laͤnge der andern Linie AC einen Bogen uͤber derſelben und
  • 3. Aus B mit der Eroͤfnung nach der drit - ten Linie BC einen andern Bogen / der den erſten in C durchſchneidet.
  • 4. Ziehet die Linien AC und CB, ſo iſt der Triangel fertig (§. 70.)

Die 1. Anmerckung.

74. Wenn die zwey Bogen einander nicht errei - chen / ſo kan aus den gegebenen drey Linien kein Tri - angel gemacht werden (§. 42.)

Die 2. Anmerckung.

75. Die Zeichnung der Figuren iſt von groſſem Nutzen. Sie dienet die Felder in Grund zulegen / ohne welches man ſie nicht ausrechnen kan. Dero - wegen laſſen wir es uns nicht verdrieſſen noch mehrere Aufgaben von den Triangeln hieher zuſetzen / zu mal da man aus denſelben erſehen kan / was auf dem Felde oder ſonſt in groſſem zu meſſen noͤthig iſt / wenn man es in Grund legen / das iſt / auf das Papier ins kleine bringen wil.

Die 7. Aufgabe,

76. Aus zwey gegebenen Linien ABTab. V. Fig. 45. und AC und einem Winckel A einen Tri - angel zu machen.

Aufloͤſung.

  • 1. Nehmet die eine Linie A B zur baſi an und
2. Macht126Anfangs-Gruͤnde
  • 2. Macht in A einen Winckel / der dem ge - gebenen gleich iſt / nach der 3 Aufgabe. (§. 66.)
  • 3. Auf die Linie AD traget die andere ge - gebene Linie AC und
  • 4. Ziehet von C biß B eine grade Linie / ſo iſt der Triangel fertig (§. 67.)

Anmerckung.

77. Jn der Ausuͤbung iſt niemals noͤthig die un - nuͤtzen Linie / als hier AD iſt / auszuziehen; ſondern nach dem man das Lineal angeleget / kan man gleich den Punct C abſtechen.

Tab. V. Fig. 46.

Die 8. Aufgabe.

78. Aus zwey gegebenen Winckeln und einer Linie AB einen Triangel zu - machen.

Aufloͤſung.

  • 1. Auf dem einen Ende A der gegebenen Li - nie AB richtet einen Winckel auf / der ei - nem von dem gegebenen gleich und
  • 2. Auf dem andern Ende B einen andern / der dem andern von den gegebenen gleich iſt / nach der 3. Aufgabe (§. 66.) So werden ſich die Schenckel dieſer Winckel in C durchſchneiden und den verlangten Triangel A B C auf der Linie AB formi - ren (§. 68)
Tab. VI. Fig. 47.

Die 9. Aufgabe.

79. Die Weite zweyer Oerter A und B zu meſſen / zu deren jedem man aus ei - nem in C angenommenem Stande kom - men kan.

Auf -127der Geometrie.

Aufloͤſung.

  • 1. Stecket in C einen Stab nach belieben ein.
  • 2. Meſſet die Linie AC (§. 62.) und traget ſie zuruͤcke in a, dergeſtalt daß in a ein Stab mit dem Stabe C und dem Orte A in eine Linie geſetzt wird.
  • 3. Auf gleiche Weiſe meſſet die Linie BC, traget ſie zu ruͤcke in b und ſtecket in b wie vorhin einen Stab mit C und B in einer Linie ein.
  • 4. Endlich meſſet die Linie ab / ſo habt ihr die verlangte Weite.

Beweiß.

Denn die Winckel x und y ſind einan - der gleich (§. 58.) Da nun auch AC = ac und BC = bc, ſo ſind die Triangel ACB und acb einander gleich / folgends ab = AB (§. 67.) W. Z. E.

Anmerckung.

80. Wenn man nicht Raum hat die gantze Li - nien AC und BC zuruͤcke zutragen / ſo traͤgt man nur ihre Helſten / oder den dritten / oder auch den vierd - ten Theil zu ruͤcke: Alsdenn iſt ab = ½, oder / oder ¼ AB, wie unten wird erwieſen werden.

Die 10. Aufgabe.

81. Mit einer bloſſen Schnure oderTab. VI. Fig. 48. Kette einen Winckel auf dem Felde von einem Orte auf den andern zu tragen.

Auf -128Anfangs-Gruͤnde

Aufloͤſung.

Man ſol den Winckel A in C tragen.

  • 1. Meſſet in den beyden Schenckeln A B und AC des gegebenen Winckels A zwey Linien von beliebiger Groſſe AF und Ad ab, und zugleich die Qverlinie Fd, ſo da - her entſtehet.
  • 2. Traget aus C in d die gefundene Linie Ad ſpannet an den beyden Staͤben C und d eine Schnure dergeſtalt aus / daß cf = AF und df = DF
  • 3. Stecket in F einen Stab / ſo iſt der Win - ckel dcf = FAD.

Beweiß.

Es iſt AF = Cf, Ad = Cd und DF = df. Derowegen iſt auch der Winckel C dem Winckel A gleich (§. 69.)

Die 11. Aufgabe.

82. Die Weite zweyer Oerter zu - meſſen / zu deren einem B man nur kom - men kan.

Aufloͤſung.

Tab. VI. Fig. 49.
  • 1. Stecket nach gefallen einen Stab in E und traget die Linie DE dergeſtalt zuruͤ - cke / daß der Stab C mit E und B in eine Linie kommt (§. 6.)
  • 2. Machet nach der 10. Aufgabe [§. 68.] einen Winckel in C. der ſo groß iſt wie der Winckel B.
3, End -129der Geometrie.
  • 3. Endlich gehet mit dem Stabe D ſo weit zu ruͤcke / biß er mit C und F, ingleichen mit E und A in einer Linie ſtehet.

So iſt die Linie CD der Linie AB gleich.

Beweiß.

Jhr habt den Winckel C ſo groß wie B und die Linie CE ſo groß wie EB gemacht. Nun ſind uͤber dieſes die Vertical-Winckel bey E einander gleich (§. 58.) Derowe - gen iſt auch CD = AB (§. 68.) W. Z. E.

Die 1. Anmerckung.

83. Es gielt auch hier / was bey der 9 Aufgabe erinnert worden (§. 79.)

Die 2. Anmerckung.

84. Wenn man die Breite eines Fluſſes meſſen wolte und koͤnte die Linie BE an dem Ufer nicht zu ruͤcke tragen; ſo ſtecket man den Stab B ſo weit weg vom Ufer als einem beliebet. Alsdenn wird die Linie CD umb ſo viel breiter als der Fluß / umb wie viel der Stab B von den Ufer weggeruͤcket wor - den.

Die 12. Aufgabe.

83. Die vorige Aufgabe noch auf ei - ne andere Art aufzuloͤſen.

Aufloͤſung

Tab. VII. Fig. 50.
  • 1. Steckt in C einen Stab mit den Oer - tern A und B, die man meſſen wil / in eine Linie.
  • 2. Traget nach der 2 Aufgabe (§. 79.) CD und DE durch den willkuͤhrlich ange -Jnom -130Anfangs-Gruͤndenommenen Punct D zu ruͤcke in E und F, ſo iſt der Winckel E ſo groß wie C und EF. = BC (§. 79).
  • 3. Gehet zuruͤcke in G, biß ihr den Stab G mit den Staͤben A und D, ingleichen mit den Staͤben F und E in einer Linie ſehet (§. 6): ſo iſt EG = AC (§. 82); folgends FG = AB.
Tab. VII. Fig. 51.

Die 13. Aufgabe.

84. Die Weite zweyer Oerter AB zu meſſen / zu deren keinem man kom - men kan.

Aufloͤſung.

  • 1. Stecket in C einen Stab und
  • 2. Suchet nach der 12 Aufgabe (§. 83.) die Linien AC uud CB; ſo
  • 3. Koͤnnet ihr nach der 9 Aufgabe (§. 79). die verlangte Weite AB finden.

Anmerckung.

85. Dieſe Aufgabe iſt mit bloſſen Staͤben und der Meeß-Kette ſehr weitlaͤnftig zu ſolviren: kan aber durch andere Methoden die hernach kommen / viel leichter ſolviret werden.

Die 14. Aufgabe.

Tab. VII. Fig. 52.

86. Durch einen gegebenen Punct C mit einer gegebenen Linie AB eine Pa - rallel-Linie auf dem Papiere zuzie - hen.

Auf -131der Geometrie.

Aufloͤſung.

  • 1. Leget an die Linie AB das Lineal.
  • 2. Setzet den Zirckel in C ein und thut ihn biß an das Lineal auf.
  • 3. Ziehet mit dem Zirckel an dem Lineale herunter / ſo wird der andere Fuß durch den Punct C die begehrte Parallel-Linie beſchreiben (§. 23.)

Anders.

Man kan es auch durch ein Parallel-Li -Tab. IIX. Fig. 53. neal verrichten: welches Jnſtrument aus zwey Linealen AB und CD beſtehet / die durch zwey gleich lange Qver-Baͤnder EF und GH dergeſtalt zuſammen verknuͤpfet ſind / daß ſie ſich nach gefallen von einander verſchieben laſſen. Wenn ihr nun dergleichen Jnſtru - ment habet / ſo

  • 1. Leget die Schaͤrfe des einen Lineals an die
    Tab. IIX. Fig. 54.
    gegebene Linie AB an und
  • 2. Schiebet das andere Lineal biß an den Punct C fort / ſo
  • 3. Koͤnnet ihr durch denſelben die verlangte Linie ziehen.

Die 1. Anmerckung.

87. Wenn man in der erſten Aufloͤſung den Zir - ckel nicht biß an den Punct C aufthun kan / ſo zie - het mit AB in beliebiger Weite die Parallel-Linie CD und mit dieſer die Parallel-Linie LM durch denTab. IIX. Fig. 55. gegebenen Punct E: ſo wird LM auch mit AB pa - rallel ſeyn. Denn EF = IH und FG = IK (§. 23). Derowegen EF + FG = HI + IK, das iſt /J 2EG132Anfangs-GruͤndeEG = HK, folgends iſt LM mit AB parallel (§. 23.)

Tab. IIX. Fig. 56.

Die 2. Anmerckung.

88. Eben dieſes gielt in der andern Aufloͤſung: wiewol man hier an das Parallel-Lineal doppelte Baͤnder machen kan / damit man es noch einmal ſo weit als mit einfachen aufthun kan.

Die 15. Aufgabe.

Tab. IIX. Fig. 57.

89. Von einem gegebenen Puncte C auf eine Linie AB ein Perpendicul zu - faͤllen.

Aufloͤſung.

  • 1. Setzet den Zirckel in C und ſchneidet mit gefaͤlliger Eroͤfnung in zweyen Puncten D und E die Linie AB.
  • 2. Aus D und E macht mit beliebiger Er - oͤfnung des Zirckels einen Durchſchnitt in F.
  • 2. Durch C und F ziehet die Linie FG, die - ſe ſtehet auf AB perpendicular.

Beweiß.

Denn weil DC = CB und DF = FB ſo ſind auch die Winckel CDA und CFB (§. 69) / folgends ihre Neben-Winckel DFG und GFE (§. 54) einander gleich. Da nun ferner DF = FB, ſo ſind auch die Neben - Winckel bey G einander gleich (§. 67.) fol - gends ſtehet die Linie CG auf AB perpen - dicular (§. 17.) W. Z. E.

Die133der Geometrie.

Die 16. Aufgabe.

90. Aus einem gegebenen Puncte CTab. IIX. Fig. 58. auf einer gegebenen Linie AB ein Per - pendicul aufzurichten,

Aufloͤſung.

  • 1. Setzt den Zirckel in C ein und
  • 2. Durchſchneidet die Linie AB mit belieb - ter Eroͤfnung in D und E.
  • 3. Aus D und E macht mit einerley Eroͤf - nung des Zirckels einen Durchſchnitt in F.
  • 4. Ziehet durch C und F die Linie GC, ſo ſtehet ſie auf AB perpendicular.

Beweiß.

Weil DC = EC und DF = FE, ſo ſind die Winckel bey C einander gleich (§. 69). Demnach ſtehet die Linie GC auf AB perpendicular (§. 17). W. Z. E -

Anders.

Laſſet euch einen Winckel-Hacken verfer - tigen / das iſt / ein Jnſtrument / welches aus zweyen rechtwincklicht zuſammen geſetzten Linealen beſtehet.

Tab. IIX. Fig. 59.
  • 1. Das eine Theil dieſes Jnſtrumentes le - get an die gegebene Linie AB dergeſtalt / daß die Spitze ſeines Winckels den ge - gebenen Punct C beruͤhret.
J 33. Zie -134Anfangs-Gruͤnde
  • 3. Ziehet nach dem andern Theile des Jn - ſtruments eine grade Linie CD aus dem gegebenen Puncte C. Dieſe ſtehet auf AB perpendicular.

Beweiß.

Denn der Winckelhacken iſt recht winck - licht: derowegen muͤſſen auch die beyden Li - nien CB und CD, die nach ihm gezogen ſind / einen rechten Winckel machen. Und allſo ſtehet CD auf CB perpendicular (§. 55. 57). W. Z. E.

Tab. IIX. Fig. 60.

Der 8. Lehrſatz.

91. Wenn man zwiſchen zwey Pa - rallel-Linien AB und CD zwey Perpen - dicularen E F und GH aufrichtet / ſo ſind die beyden Linien EG und FH ein - ander gleich.

Beweiß.

Wenn die Linie EF an der Linie CD ſich dergeſtalt herunter beweget / daß ſie mit ihr immer einen rechten Winckel macht; ſo iſt klahr / daß der Punct E in eben der Zeit die Linie EG beſchreibet / indem der Punct F die Linie FH beſchreibet. Da nun beyde Pun - cte gleich geſchwinde beweget werden / muͤſ - ſen auch die Linien EG und FH einander gleich ſeyn. W. Z. E.

Der 9. Lehrſatz.

Tab. IX. Fig. 61.

92. Wenn zwey Parallel-Linien AB und CD von einer dritten EF in G undH durch -135der Geometrie. H durchſchnitten werden / ſo ſind 1. die Wechſels-Winckel x und y einander gleich / 2. der aͤuſſere Winckel o iſt dem innern y gleich und 3. die beyden innern Winckel u und y machen zuſammen 180°.

Beweiß.

  • 1. Ziehet die beyden Perpendicular-Lini - en Hi und GK, welche einander gleich ſind (§. 23.) Es ſind aber auch IG und Hk ein - ander gleich (§. 91). Derowegen iſt x = y (§. 69): welches das erſte war.
  • 2. Nun iſt x = o (§. 58). Demnach y = o (§. 28. Arithm. ) welches das andere war.
  • 3. Es iſt aber y + o = 180° (§. 56). De - rowegen iſt auch u+y = 180°. W. Z. E.

Die 17. Aufgabe.

Tab. IX. Fig. 62.

93. Auf dem Felde durch einen gege - benen Punct C mit einer Linie AB eine Parallel-Linie abzuſtecken.

Aufloͤſung.

  • 1. Steckt in D mit A und B in einer graden Linie einen Stab / ingleichen einen in den gegebenen Punct C.
  • 2. Traget den Winckel CDB nach der 10 oder 12 Aufgabe (§. 81. 82. ) in C: ſo wird ſich die verlangte Parallel-Linie ge - ben (§. 92).
J 4An -136Anfangs-Gruͤnde

Anmerckung.

94. Auf dem Papiere waͤre dieſe Methode zu weit - laͤufftig.

Tab. IX. Fig. 63.

Der 9. Lehrſatz.

95. Jn jedem Triangel ABC machen alle drey Winckel zuſammen 180°,

Beweiß.

Man ziehe durch die Spitze des Trian - gels C mit ſeiner Grund-Linie AB eine Pa - rallel-Linie DE, ſo iſt 1 = I. und 2 = II (§. 92). Nun I + 3 + II = 180° (§. 56): derowe - gen 1 + 3 + 2 = 180°. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

96. Derowegen kan in einem Triangel nicht mehr als ein rechter Winckel ſeyn und wenn dieſes iſt / machen die zwey uͤbriegen zu - ſammen auch noch einen rechten Winckel / das iſt / 90° aus (§. 50).

Der 2. Zuſatz.

97. Viel weniger kan mehr als ein ſtum - pfer Winckel in einem Triangel ſeyn (§. 18).

Der 3. Zuſatz.

98. Wenn man in einem Triangel einen Winckel von 180° abziehet / ſo bleibet die Summe der beyden uͤbriegen uͤbrieg: Und wenn man die Summe zweyer von 180° weg - nimmt / bleibet der dritte uͤbrieg.

Der 4. Zuſatz.

99. Wenn in zweyen Triangeln zwey Winckel zweyen gleich ſind / muß auch derdritte137der Geometrie. dritte in einem dem dritten in dem andern gleich ſeyn.

Der 10. Lehrſatz.

100. Wenn man die eine Seite ABTab. IX. Fig. 64. eines Triangels ABC verlaͤngert / ſo iſt der aͤuſſere Winckel 4 ſo groß wie die beyden innern 1 und 2 / die ihm gegen - berſtehen / zuſammen.

Beweiß.

Denn 3 + 4 = 180° (§. 56) und 1 + 2 + 3 = 180° (§. 95). Derowegen 3 + 4 = 1 + 2 + 3 (§. 28. Arithm. ) folgends 4 = 1 + 2 (§. 31. Arithm. ) W. Z. E.

Der 11. Lehrſatz.

101. Jn einem gleichſchencklichtenTab. IX. Fig. 65. Triangel ABC ſind die Winckel an der Grundlinie x und y einander gleich.

Beweiß.

Man theile die Linie AB in 2 gleiche Theile in D und ziehe die Linie DC. Weil nun auch AC = CB, ſo iſt iſt x = y (§. 69.) W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

102. Allſo ſind in einem gleichſeitigen Tri - angel alle 3 Winckel einander gleich / und folgends ieder 60° (§. 95).

Der 2. Zuſatz.

103. Weil die Winckel bey D einander gleich ſind / ſo muß DC auf AB perpen - dicular ſtehen (§. 17). Demnach theiletJ 5die138Anfangs-Gruͤnde. die Perpendicular-Linie CD ſo wol den gan - tzen Triangel als ſeine baſin in zwey gleiche Theile / wenn er gleichſchencklicht / oder auch gar gleichſeitig iſt.

Der 3. Zuſatz.

104. Wenn man allſo einen Winckel in ei - nem gleichſchencklichten Triangel hat / kan man die uͤbriegen finden / wenn man entwe - der den gegebenen Winckel / oder ſein zwie - faches von 180°. abziehet. Denn im erſten Falle bleibet die Summe der beyden glei - chen Winckel / in dem andern der dritte un - gleiche uͤbrieg.

Der 11. Lehrſatz.

105. Der Winckel an dem centro eines Circuls iſt zwey mal ſo groß wie der Winckel an der Peripherie / der mit ihm auf einem Bogen ſtehet.

Tab. IX. Fig. 66.

Beweiß.

  • 1. o = x + u (§. 100) weil aber AC = BC (§. 43) / ſo iſt x = u (§. 101) / folgends o = u + u = 2 u.
Tab. IX. Fig. 67.,
  • 2. x = 2 y und u = 2o / wie erſt n. 1. erwie - ſen worden. Derowegen iſt x + u = 2 y + 2o (§. 30. Arithm.)
Tab. IX. Fig. 68.
  • 3. o + x = 2u + 2y und o = 2 u / wie n 1. er - wieſen worden. Derowegen iſt x = 2 y (§. 31 Arithm.) W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

106. Allſo hat der Winckel an der Peri -phe -139der Geometrie. pherie ABD zu ſeinem Maaſſe den halben Bogen AD / darauf er ſtehet: Denn der gan - tze Bogen AD iſt das Maaß des Winckels bey dem centro AD (§. 14.)

Der 2. Zuſatz.

Tab. IX. Fig. 69:

107. Wenn zwey oder mehrere Winckel ABC und ADC an der Peripherie eines Cir - culs ſich enden / und auf einem Bogen AC ſte - hen / ſo ſind ſie einander gleich.

Der 3. Zuſatz.

Tab. IX. Fig. 70.

108. Jeder Winckel in einem halben Cir - cul ACB iſt ein rechter Winckel: denn er ſte - het auf einem halben Circul / und alſo iſt ſein Maaß ein Qvadrant (§. 106.)

Der 4. Zuſatz.

109. Wenn der Winckel innerhalb einemTab. IX. Fig, 71. Circul auf einem kleineren Bogen DF als einem halben Circul ſtehet; ſo iſt er kleiner als ein rechter Winckel (§. 108.) Stehet er aber auf einem groͤſſern HK; ſo iſt er auch groͤſſer als ein rechter Winckel. (§. 108). Und dannenhero in dem erſten Falle ſpietzig; in dem andern ſtumpf (§. 19.)

Die 18. Aufgabe.

110. Einen Winckelhacken zu probi -Tab. IX. Fig. 72. ren / ob er accurat ſey oder nicht.

Aufloͤſung.

  • 1. Beſchreibet nach Belieben einen halben Circul / und
2. Zie -140Anfangs-Gruͤnde
  • 2. Ziehet nach Gefallen von den beyden En - den des Diametri biß an die Peripherie die Linien AC und BC.
  • 3. Leget den Winckelhacken mit ſeinen Winckeln an den Punct. Wenn die Schenckel deſſelben die beyden Linien zu - gleich beruͤhren / ſo iſt er richtig.

Beweiß.

Der Winckel ACB iſt ein rechter Win - ckel (§. 108.) Wenn alſo der Winckelha - cken ſich in denſelben ſchicket; ſo iſt er richtig (§. 90.) W. Z. E.

Die 19. Aufgabe.

111. Auf das Ende einer Linie ein Per - pendicul aufzurichten.

Tab. IX. Fig. 73.

Aufloͤſung

  • 1. Setzet den Zirckel in einen beliebten Punrt C und thut ihn auf bis A.
  • 2. Mit dieſer Weite bemercket auf der Linie AB den Punct D.
  • 3. Leget das Lineal auf D und C und bemer - cket aus C mit unverruͤcktem Zirckel den Punct E.
  • 4. Endlich ziehet die Linie AE / ſo ſtehet ſie auf AB perpendicular.

Beweiß.

Weil AC = CD = EC / ſo laͤſt ſich aus C durch E / A und D ein halber Circul beſchrei - ben (§. 43. 52.) Derowegen iſt bey A einrech -141der Geometrie. rechter Winckel (§. 108.) / und ſtehet die Linie EA auf AB perpendicular (§. 18.) W. Z. E.

Die 20. Aufgabe.

Tab. X. Fig. 74.

112. Eine Linie AB in zwey gleiche Theile zu theilen.

Aufloͤſung.

  • 1. Macht aus A und B nach Belieben Durch - ſchnitte in C und D.
  • 2. Ziehet die Puncte derſelben mit einer gra - den Linie DC zuſammen / ſo theilet ſie die Linie AB in zwey gleiche Theile.

Beweiß.

Weil AC = AD uud CB = DB / ſo ſind die beyden Triangel CAD und CBD einan - der gleich (§. 69.) und demnach o = y. Weil aber auch AC = BC / ſo ſind auch die Trian - gel ACE und ECB einander gleich (§. 67) / fol - gends AE = CB. W. Z. E.

Anmerckung.

Tab. X. Fig. 75.

113. Man kan es auch Mechaniſch / das iſt / durch Verſuchen verrichten. Setzet nemlich einen Zirckel in A ein / und thut ihn nach dem Augen-Maaße ſo weit auf / als bey nahe die Helfte der Linie AB betraͤgt. Schneidet damit ein in C und gleichfalls aus B in D: ſo werdet ihr ohne Muͤhe durch das Augenmaß den Punct E ſinden koͤnnen / wodurch AB in zwey gleiche Theile getheilet wird.

Der 13. Lehrſatz.

Tab. X. Fig. 76.

114. Jn einem Circul ſind die Sehnen gleicher Bogen AB und DE einander gleich.

Be -142Anfangs-Gruͤnde

Beweiß.

Man ziehe aus dem centro C die radios AC, CB, CE und CD. Dieſelben ſind alle ein - ander gleich (§. 43.) Weil nun ferner die Bogen AB und DE gleich ſind / ſo muͤſſen auch die Winckel ACB und DCE gleich ſeyn (§. 14. 51.) Derowegen iſt auch AB = DE (§. 67.) W. Z. E.

Der 1. Zuſatz

115. Wenn man allſo einen Circul in glei - che Theile theilet / und die Sehnen der Bo - gen ziehet / ſo hat die Figur lauter gleiche Sei - ten / (§. 114.); aber auch lauter gleiche Win - ckel (§. 107.) derowegen iſt es eine Regulaͤ - re Figur (§. 22.)

Der 2. Zuſatz.

116. Demnach laͤſt ſich eine iede Regulaͤre Figur in einen Circul beſchreiben.

Tab. X. Fig. 77.

Die 21. Aufgabe.

117. Einen Circul-Bogen in zwey gleiche Theile zu theilen.

Aufloͤſung.

  • 1. Macht aus A und B mit beliebter Eroͤf - nung des Circuls zwey Durchſchnitte in C und D.
  • 2. Ziehet durch die Puncte C und D eine Li - nie / ſo iſt der Bogen A B in zwey gleiche Theile in E getheilet.

Beweiß.

Die Linie CD theilet die Linie AB in F inzwey143der Geometrie. zwey gleiche Theile / und macht bey F zwey rechte Winckel (§. 112. 55.) Derowegen iſt auch AE = EB (§. 67) / folgends ſind die Bogen AE und EB einander gleich (§. 114). W. Z. E.

Der 14. Lehrſatz.

Tab. X. Fig. 78.

118. Die Perpendicular-Linie DA / welche die Sehne EF in G in zwey glei - che Theile theilet / gehet durch den Mittelpunct des Circuls / und theilet auch den Bogen EF in zwey gleiche Theile.

Beweiß.

  • 1. Weil EG = GF und bey G zwey rechte Winckel / ſo iſt EAD = DAF (§. 67.) und allſo ſind die Bogen ED und DF einander gleich (§. 107): welches das erſte war.
  • 2. Es muͤſſen ferner die Sehnen EA und AF (§. 62.) und folgends die Bogen AF und EA (§. 114.) einander gleich ſeyn. Dem - nach iſt AE + ED = AF + FD / und dannen - hero AD der Diameter des Circuls / fol - gends gehet ſie durch das centrum (§. 11.) W. Z. E.

Die 22. Aufgabe.

Tab. X. Fig. 79.

119. Einen Winckel BAC in zwey glei - che Theile zu theilen.

Aufloͤſung.

  • 1. Setzet den Zirckel in A und bemercket mit beliebter Eroͤfnung die Puncte D und E.
2. dar -144Anfangs-Gruͤnde
  • 2. daraus machet einen Durchſchnitt in F und
  • 3. Ziehet die Linie A F / dieſe theilet den Win - ckel A in zwey gleiche Theile.

Beweiß.

Die Linie A F ſtehet auf DE perpendicu - lar (§. 90.) und theilet die Linie DE in zwey gleiche Theile (112). Derowegen ſind die gan - tzen Triangel DAG und EAG / folgends auch die gleichnahmigen Winckel / einander gleich (§. 67.) W. Z. E.

Tab. X. Fig. 80.

Die 23. Aufgabe.

120. Durch drey gegebene Puncte A / B / C einen Circul beſchreiben.

Aufloͤſung.

  • 1. Machet aus A und B mit beliebter Eroͤf - nung die Durchſchnitte D und E / und zie - het die Linie D E.
  • 2. Gleicher geſtalt macht aus B und C die Durchſchnitte F und G / und ziehet die Li - nie FG.

Wo die beyden Linien FG und DE einander durchſchneiden / nemlich in H / daſelbſt iſt das centrum des Circuls.

Beweiß.

Wenn man von A und B / ingleichen von B biß C eine Linie ziehet / ſo ſind ſelbige Sehnen zweyer Bogen von dem verlangten Circul (§. 11.) Nun ſtehen die beyden Linien DE und FG auf dieſen Sehnen AB und BC per -pen -145der Geometriependicular / und theilen ſie in zwey gleiche Theile (§. 111. 112.) Derowegen gehen bey - de durch das centrum des Circuls (§. 118.) Und iſt demnach daſſelbe in H / wo die beyden Linien einander durchſchneiden.

Die 24. Aufgabe.

Tab. X. Fig. 81.

121. Den Winckel in einem Regulaͤren Viel-Ecke zu finder.

Aufloͤſung.

  • 1. Theilet 360. durch die Zahl der Seiten des Viel-Eckes.
  • 2. Was heraus kommt / ziehet von 180 ab / ſo bleibet die Zahl der Grade fuͤr den gegebe - nen Winckel uͤbrieg.

Beweiß.

Weil eine iede Regulaͤre Figur ſich in ei - nen Circul beſchreiben laͤſt (§. 116.) ſo bilde man ſich ein / es waͤren aus dem centro des Circuls O an beyde Ende einer Seite AB die beyden radii AC und CB gezogen. So ſind die Winckel B A C und ABC einander gleich (§. 101.) Weil aber der Winckel C AD = CbA (§. 69); ſo ſind die beyden Winckel BAC und ABC dem Polygon - Winckel BAD gleich. Nun findet man den Winckel ACB / wenn man die gantze Pe - ripherie oder 360° durch die Zahl der Seiten des Viel Eckes dividiret (§. 115.) derowegen wenn man den Qvotienten von 180° abziehet / bleibet die Summe der beyden Winckel CBA und CAB / das iſt / der verlangte Po -Klygon -146Anfangs-Gruͤnde. lygon-Winckel BAD uͤbrieg (§. 98.) W.Tab. X. Fig. 82. Z. E.

Anders.

  • 1. Dividiret die gantze Peripherie / das iſt 360 durch die Zahl der Seiten / ſo habet ihr den Bogen AB.
  • 2. Dieſen zweymal genommen / ziehet von 360° ab / ſo bleibet der Bogen ADC - brieg.
  • 3. Halbiret endlich denſelben / ſo komt der Bogen CD / folgends das Maaß des ver - langten Winckels ABC (§. 106.) heraus.

Z. E. Jm Sechs-Ecke dividiret 360 durch 6 ſo iſt AB 60 / ADC 120 / ABC 240 und all - ſo DC / oder der verlangte Winckel ABC 120.

Tab. XI. Fig. 83.

Die 25. Aufgabe.

122. Jn einem ieden Viel-Ecke die Summe aller Winckel zu finden.

Aufloͤſung.

  • 1. Multipliriret 180 durch die Zahl der Sei - ten.
  • 2. Von dem Product ziehet 360 ab / ſo bleibt die Summe der Winckel uͤbrieg.
180180
VEcke5VI Ecke6
9001080
360360
540720
Be -147der Geometrie.

Beweiß.

Ein iedes Viel-Ecke kan aus einem ange - nommenen Puncte F in ſo viel Triangel ge - theilet werden / als Seiten ſind. Wenn ihr 180 durch die Zahl der Seiten multipliciret / ſo kommen die Winckel in allen Triangeln heraus (§. 95.) Die Winckel umb den Punct F gehoͤren nicht zu dem Viel-Ecke / machen aber iederzeit 360° (§. 60.) Derowe - gen wenn ihr 360 von oben gefundenem Pro - ducte abziehet / bleibet die Summe der Po - lygon-Winckel uͤbrieg. W. Z. E.

Zuſatz.

123. Weil in einem Regulaͤren Viel-Ecke alle Winckel einander gleich ſind (§. 22) ſo darff man nur dieſe Summe durch die Zahl der Seiten dividiren / ſo komt der Po - lygon-Winckel heraus.

Die 26. Aufgabe.

Tab. XI. Fig. 84.

124. Auf eine gegebene Linie AB ein begehrtes Regulaͤres Viel-Ecke zu be - ſchreiben.

Aufloͤſung.

  • 1. Suchet den Winckel des verlangten Viel - Eckes (§. 121. 123. ) und
  • 2. traget ihn in A (§. 66.)
  • 3. Macht AC = A B und
  • 4. Beſchreibet durch die drey Puncte C / A / B einen Circul (§. 120): ſo koͤnnet ihr
  • 5. die uͤbriegen Seiten darinnen herumb tra - gen (§. 116).
K 2Die148Anfangs-Gruͤnde
Tab. XI .. Fig. 85.

Die 27. Aufgabe.

126. Jn einem gegebenen Circul ein Regulaͤres Viel-Ecke zu beſchreiben.

Aufloͤſung.

  • 1. Dividiret 360 durch die Zahl der Seiten / ſo habt ihr die Groͤſſe des Winckels ACB
  • 2. Dieſen traget an das centrum des Cir - culs C (§. 66) / ſo giebt ſich die Seite des Viel-Eckes AB / die ihr
  • 3. in dem Circul herum tragen koͤnnet (§. 116.)

Anmerckung.

127. Beyde Methoden ſind zwar nur Mechaniſch / weil man (§. 66.) den Transporteur dazu braucht. Unterdeſſen halten ſie doch zugleich eine Probe in ſich / daß man ſiehet / ob man es recht gemacht oder nicht. Euclides hat zwar fuͤr das Fuͤnf-Ccke / Sechs-Ecke und Funfzehn-Ecke / folgends fuͤr zehn-zwoͤlf-dreyßig-Ecke u. ſ. w. Geometriſche Methoden; allein der Beweiß kan fuͤr das Fuͤnf-Ecke aus bisher erklaͤhreten Gruͤn - den nicht hergeleitet werden. Derowegen wollen wir nur noch etwas von dem Secks-Ecke gedencken. Einige haben ſich bemuͤhet auch fuͤr das Sieben - Nenn-Eilff-Ecke u. ſ. w Geometriſche Methoden zu geben-allein ſie halten nicht den Stiech. Carolus Renaldinns giebt eine Univerſal-Methode fuͤr alle viel - Ecke an: Es hat aber ihre Unrichtigkeit der Herr Wagner Mathematum Profeſſor in Helmſtaͤdt / in einer vor etlichen Jahren gehaltenen Diſputation zur Gnuͤge erwieſen.

Tab. XI. Fig. 86.

Der 15. Lehrſatz.

128. Die Seite des Sechs-Eckes AB iſt dem Radio des Circuls AC gleich.

Be -149der Geometrie.

Beweiß.

Der Winckel A C B iſt 60° (§. 14. 115.) Dannenhero ſind die uͤbriegen beyde A und B 120 (§. 98.) Nun weil AC = BC (§. 43) ſo iſt auch A = B (§. 101.) folgends iſt ieder von beyden 60° und alſo dem Winckel C gleich. Derowegen iſt auch AB = AC (§. 102.) W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

129. Allſo darf man nur den Radium ſechs mal in dem Circul herumb tragen / wenn man in demſelben ein Sechs-Ecke be - ſchreiben ſoll.

Der 2. Zuſatz.

Tab. XI. Fig. 87.

130. Und wenn man auf eine gegebene Linie ein Sechs-Ecke machen ſol / darf man nur einen gleichſeitigen Triangel auf dieſelbe ſetzen (§. 71.) / ſo iſt die Spietze C das Centrum des Circuls / darein es kommen ſol.

Die 28. Aufgabe.

Tab. XI. Fig. 88.

131. Auf eine gegebene Linie AB ein Qvadrat zu machen.

  • 1. Richtet in A ein Perpendicul auf (§. 111. 90) und macht es ſo groß wie AB
  • 2. Aus A und B macht mit A B einen Durch - ſchnitt in D und
  • 3. Ziehet die Linien CD und BD.

Die 29. Aufgabe.

Tab. XI. Fig. 89.

132. Aus zwey gegebenen Linien AB und BC ein Rectangulum zu machen.

K 3Auf -150Anfangs-Gruͤnde

Aufloſung.

  • 1. Setzet BC auf AB perpendicular (§. 111. 90.)
  • 2. Ziehet aus A mit BC einen Bogen / und aus C mit AB einen andern / der den erſten D durchſchneidet.
  • 3. Endlich ziehet auch die Linien CD und DA.
Tab. XI. Fig. 90.

Die 30. Aufgabe.

133. Aus einer gegebenen Linie AB und einem ſchiefen Winckel einen Rhombum zu machen.

Aufloͤſung.

  • 1. Setzet auf die Linie AB den gegebenen Winckel A (§ 66.) und macht AC = AD
  • 2. Aus C und B macht mit AB einen Durch - ſchnitt in D.
  • 3. Ziehet die Linien CD und DB.
Tab. XI. Fig. 91.

Die 31. Aufgabe.

134. Aus zwey gegebenen Linien AB und AC nebſt einem ſchiefen Winckel A einen Rhomboidem zu machen.

Aufloͤſung.

  • 1. Richtet in A an dem Ende der einen gege - benen Linie AB den gegebenen Winckel auf (§. 66.) und macht AC der andern gegebenen Linie gleich.
  • 2. Ziehet aus B mit AC einen Bogen / und aus C mit AB einen andern / der den er - ſten in D durchſchneidet.
  • 3. Endlich ziehet die beyden Linien C D und DB.
Der151der Geometrie.

Der 16. Lehrſatz.

Tab. XI. Fig. 92.

135. Ein Qvadrat / Rectangulum, Rhombus und Rhomboides wird von der Diagonal Linie AD in zwey gleiche Theile getheilet.

Beweiß.

Jn allen dieſen Figuren iſt AC = DB und CD = AB (§. 19). Derowegen ſind die Triangel ACD und ABD einandergleich (§. 69.) W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

136. Derowegen ſind in einer ieden von dieſen Figuren die beyden gegenuͤberſte - hende Winckel C und B einandergleich.

Der 2. Zuſatz.

137. Und weil auch o = o und u = u / ſo ſind die Seiten CD und AB / ingleichen AC und DB einander parallel (§. 92.) und dem - nach alle dieſe Figuren Parallelogramma (§. 24.)

Die 32. Aufgabe.

Tab. XII. Fig. 93.

138. Aus allen Seiten der Figur und drey Diagonalen weniger als Seiten ſind eine jede Figur zu zeichnen.

Aufloͤſung.

Weil eine iede Figur durch Diagonal - Linien in zwey Triangel weniger als Seiten ſind reſolviret wird / ſo hat man nichts noͤ - thig / als nach der 6. Aufgabe (§. 73) immer einen Triangel auf den andern zu ſetzen.

K 4Die152Anfangs-Gruͤnde
Tab. XII. Fig 94.

Die 33. Aufgabe.

139. Aus allen Seiten der Figur und drey Winckeln weniger als Seiten ſind eine jede Figur zu zeichnen.

Aufloͤſung.

  • 1. Ziehet die Linie AB / ſo einer Seite gleicht / und traget auf A und B die gehoͤrigen Winckel A und B (§. 66) / ſo laſſen ſich
  • 2. die beyden Seiten EA und CB anſetzen.
  • 3. Wenn ihr nun in E den gehoͤrigen Win - ckel hinſetzt (§. 66) / ſo laͤſſet ſich ED anſe - ſetzen / u. ſ. w.
  • 4. Endlich mit den letzten beyden DF und FC macht aus D und C einen Durchſchnitt in F / ſo iſt die Figur geſchloſſen.

Zuſatz

140. Wenn alle Winckel weniger einen gegeben werden / ſo doͤrffen zwey Seiten nicht gegeben werden.

Die 34. Aufgabe.

141. Ein Qvadrat aus zumeſſen.

Aufloͤſung.

  • 1. Meſſet die Seite des Qvadrats / und
  • 2. Multipliciret ſie durch ſich ſelbſt / ſo kommt der Jnhalt der Flaͤche heraus.
Sei -153der Geometrie.

Seite des Qvadrats 345″ 345 1725 1380 1035 Jnhalt der Flaͤche 119025

Beweiß.

Wenn man eine Flaͤche ausmeſſen wil / muß man auch eine Flaͤche zum Maaßſtabe annehmen. Da nun das Qvadrat lauter rechte Winckel und gleiche Seiten hat / iſt ſelbiges zum Maaßſtabe anzunehmen be - liebet worden. Und demnach heiſſet eine Qvadrat-Ruthe ein Qvadrat / welches eine Ruthe lang und eine Ruthe breit iſt / ein Qvadrat-Schuh ein Qvadrat / ſo einen Schuh lang und einen Schuh breit iſt / u. ſ. w. Wenn nun die Seite AB Z. E. in 3 glei - che Theile eingetheilet iſt / oder 3 SchuhTab. XII. Fig. 95. haͤlt; ſo iſt klahr / daß ich finden kan / wie viel ſchuhige Qvadrate oder Qvadrat-Schuhe in dem groſſen Qvadrate A B C D enthalten ſind / wenn man die Seite A B mit ſich ſelbſt multipliciret. Denn im groſſen Qvadrate muͤſſen ſo viel Reihen der kleinern ſeyn / und in ieder Reihe ſo viel kleine Qvadrate / als die Seite A B Theile hat.

Der 1. Zuſatz.

142. Wenn die Seite des Qvadrates 10. iſt / ſo wird der Jnhalt deſſelben 100. ſeyn. K 5Da154Anfangs-GruͤndeDa nun eine Ruthe im Laͤngenmaſſe 10. Schuhe hat / ein Schuh 10. Zoll u. ſ. w. ſo muß im Flaͤchen-Maße eine Qvadrat-Ru - the 100 Schuhe / ein Qvadrat-Schuh hun - dert Qvadrat-Zolle u. ſ. w. haben.

Der 2. Zuſatz.

143. Daher kan man eine gegebene Zahl gar leicht in Qvadratzolle / Qvadrat-Schu - he / Qvadrat-Ruthen reſolviren; wenn man nur von der Rechten gegen die Lincke 2 Zahlen fuͤr die Zolle / 2 fuͤr die Schuhe ab - ſchneidet: deñ das uͤbriege bleibet fuͤr die Ru - then. Z. E. wenn man 119025. Zolle hat / ſo find es 11. Ruthen 90. Schuhe 25 Zolle.

Anmerckung.

144. Weil das Qvadrat der Maaßſtab iſt / nach welchem man die Groͤſſe aller uͤbriegen Figuren aus - rechnet; ſo heiſſet bey den Geometris eine Figur qvadriren ſo viel als ihren Jnhalt finden und die Qvadratur der Figur bedentet die Ausrech - nung ihres Jnhalts.

Die 25. Aufgabe.

145. Ein Rectangulum ABCD aus zu - meſſen.

Tab. XII. Fig. 96.

Aufloͤſung.

  • 1. Meſſet die Breite AB / ingleichen die Hoͤ - he B D.
  • 2. Multipliciret jene durch dieſe / ſo kommt der verlangte Jnhalt der Figur heraus.
Z. E.155der Geometrie.

Z. E. Es ſey AB = 4′ 5″ AD = 1 2 3 103 690 345 ſo iſt der Jnhalt = 2′ 43″ 5

Beweiß.

Der Beweiß iſt eben wie in der vorherge - henden Aufgabe.

Der 17. Lehrſatz.

Tab. XII: Fig. 97.

146. Zwey Parallelogramma ABCD und EFCD / die eine baſin oder Grundlinie C D und eine Hoͤhe AC haben / ſind einan - der gleich.

Beweiß.

Weil AC = BC / EC = FD und AE = BF (§. 20. 137. Geom. & §. 30. Arithm. ) ſo iſt AEC = BFD (§. 69) / folgends / wenn man beyderſeits den Triangel B E G wegnim̃t ABGC = EGDF [§. 31. Arithm. ] / addiret man nun beyderſeits den Triangel CGD / ſo iſt auch ABCD = ECDF (§. 30. Arithm.) W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

147. Allſo muͤſſen auch die Triangel / ſo gleiche Grundlinien und Hoͤhen haben / ein - ander gleich ſeyn (§. 135.)

Der 2. Zuſatz.

148. Dannenhero iſt ein Triangel die Helffte des Parallelogrammi, wenn er mit ihn eineglei -156Anfangs-Gruͤndegleiche Grundlinie hat und zwiſchen einer - ley Parallel-Linien ſtehet (§. 23).

Die 36. Aufgabe.

Tab. XII. Fig. 98.

149. Den Jnhalt eines Rhombi und Rhomboidis auszurechnen.

Aufloͤſung.

  • 1. Nehmet die eine Seite AB fuͤr die Grund - Linie an und laſſet darauf aus C einen Perpendicul CE fallen.
  • 2. Multipliciret die Grund-Linie AB durch die Hoͤhe CE; ſo kommt der verlangte Jnhalt heraus.

Z. E. Es ſey AB = 5′ 6″ CE = 2 3 4 1824 1368 912 ſo iſt der Jnhalt = 106704 °

Beweiß.

Der Rhombus oder Rhomboides ABCD iſt gleich einem Rectangulo, deſſen Grund - Linie AB, die Hoͤhe aber CE iſt (§. 146. 137). Nun findet man den Jnhalt des Rectangu - li, wenn man AB durch CE multipliciret (§. 145). Derowegen wird der Jnhalt des Rhombi und Rhomboidis gleichfals gefun - den / wenn man AB durch CE multipliciret. W. Z. E.

Die157der Geometrie.

Die 7. Aufgabe.

150. Denn Jnhalt eines jeden Trian - gels zufinden.

Aufloͤſung.

  • 1. Nehmet die eine Seite AB fuͤr die Grund -
    Tab. XII. Fig. 99.
    Linie an und laſſet darauf aus C die per - pendicular CD fallen.
  • 2. Meſſet die Linien A B und CD und mul - tipliciret ſie durch einander.
  • 3. Was heraus kommt / dividiret durch 2 fo habt ihr den Jnhalt des Triangels.

Beweiß.

Wenn ihr A B durch CD multipliciret / ſo habt ihr den Jnhalt eines Parallelogrammi, deſſen Seiten AB und DC ſind (§. 145. 149. ) da nun der Triangel die Helfte von dieſem Parallelogrammo iſt (§. 135); ſo doͤrft ihr den gefundenen Jnhalt nur durch 2 dividi - ren umb den Jnhalt des Triangels zuhaben. W. Z. E.

Anmerckung.

151. Man darf auch nur die Grundlinie AB durch die halbe Hoͤhe CD / oder auch die Hoͤhe CD durch die halbe Grundlinie AB multipliciren / wenn man den Jnhalt des Triangels haben will: wie aus bey - geſetztem Exempel zu erſehen.

AB158Anfangs-Gruͤnde
AB 4′ 2″AB 4′ 2″½ AB 7′ 1″
CD234½ CD 117CD 234
13682394684.
1026342513
684342342
80028
40014 40014
40014
Tab. XII. Fig. 100.

Die 38. Aufgabe.

152. Den Jnhalt einer jeden grade - linichten Figur zufinden.

Aufloͤſung.

Weil jede Figur ſich aus einem Winckel E durch die Diagonal-Linien EB, BD in ſo viel Triangel zertheilen laͤſſet / als Seiten ſind weniger zwey / als Z. E. das Fuͤnf-Ecke ABCDE in drey Triangel ABE, BED und BCD / ſo darf man nur nach der vorherge - henden Aufgabe (§. 150. 151. ) jeden Triangel beſonders ausrechnen und ſie hernach in eine Summe addiren.

Exem -159der Geometrie.

Exempel.

½ BD = 3′ ½ BD = 3′ ½ EB 2′ CF = 3 5 EG = 4 5 AH 3 0 215 215 AEB 1260 129 172 BCD = 1505 EBD = 1935 AEB = 1260 BCD = 1505 Jnhalt der Figur = 4700

Der 1. Zuſatz.

Tab. XII. Fig. 101.

153. Ein Regulaͤres Viel-Ecke kan aus dem centro C des Circuls / darin es ſich / beſchrei - ben laͤſſet (§. 116.) in ſo viel gleiche Trian - gel als Seiten ſind eingetheilet werden. Denn die baſes dieſer Triangel AB, BE, EF &c. ſind einander gleich (§. 22) und die Schenckel derſelben AC, CB, CD, CE &c. gleichfals (§. 43). Derowegen ſind auch die Triangel ſelbſt einander gleich (§. 69). Wenn ihr nun den Jnhalt eines von dieſen Triangeln findet (§. 151) und denſelben durch die Zahl der Seiten multipliciret / ſo kommt der Jnhalt des Viel-Eckes heraus.

Z. E.160Anfangs-Gruͤnde

Z. E. ½ AB = 7′ DC = 2 9 2 4 3 5 4 ABC 7 8 3 Zahl der Seiten 5 Jnhalt des V Eckes = 39° 15′

Der 2. Zuſatz.

Tab. XIII Fig. 100.

155. Daher iſt ein Regulaͤres Viel-Ecke ei - nem Triangel gleich / deſſen Grundlinie ſo groß iſt wie die Peripherie des gantzen Viel - Eckes / die Hoͤhe aber ſo groß als die Hoͤhe CD eines von den Triangeln / in welche es aus den centro C zertheilet worden (§. 147.)

Der 3. Zuſatz.

155. Wenn man die Seiten des Viel-Eckes / ſo in einem Circul beſchrieben worden / immer fort dupliret; ſo werden ſie ſich endlich in derTab. XII. Fig. 101. Peripherie des Circuls verlieren. Und als - denn wird die Hoͤhe der Triangel CD mit dem Radio BC uͤbereinkommen. Derowe - gen iſt der Circul einem Triangel gleich / deſ - ſen Grundlinie ſo groß iſt als die Peripherie des Circuls / die Hoͤhe aber dem Radio deſſel - ben gleichet (§. 154.)

Der 4. Zuſatz.

Tab. XII Fig. 103.

156. Der Sector eines Circuls ACB iſt allſo einem Triangel gleich / deſſen Grund -Linie161der Geometrie. Linie ſo groß iſt als der Bogen AB, die Hoͤhe aber ſo groß als der Radius AC.

Der 5. Zuſatz.

157. Wenn allſo die Peripherie und der Diameter eines Circuls gegeben werden / ſo kan man den Jnhalt finden / wenn jene durch den vierdten Theil von dieſem multipliciret wird.

Anmerckung.

158. Es haben ſich von alten Zeiten her viele un - terwunden die wahre Verhaͤltnis des Diametri ei - nes Circuls zu ſeiner Peripherie zuerfinden: Allein es iſt noch keinem gelungen / unerachtet heute zu Ta - ge die Kunſt zuerfinden bey den Mathematicis ſehr hoch geſtiegen. Unterdeſſen haben ſich einige mit gutem Fortgange bemuͤhet eine Verhaͤltnis auszu - rechnen / die bey nahe zutrift. Archimedes hat in ſeinem Buͤchlein von der Circul-Meßung in dem an - dern Lehrſatze zu erſt erwieſen / daß der Diameter ei - nes Circuls zu ſeiner Peripherie ſich bey nahe ver - halte wie 7 zu 22. Weil aber dieſe Verhaͤltnis in groſſen Circuln etwas zu viel bringt: haben andere eine genauere geſucht. Niemand aber hat ſich in dieſem Stuͤcke mehr Muͤhe gegeben als Ludolph von Coͤlln / welcher endlich heraus gebracht / daß / wenn der Diameter des Eirculs 1 00 000 000 000 000 000 000 iſt / die Peripherie bey nahe 314 159 265 358 979 323 846 ſey. Allein da dieſe Zahlen im Rech - nen viel zu weitlaͤuftig ſind / nimmt man nur beyder - ſeits die erſten drey Zifern und ſetzt die Verhaͤltais des Diametri zu der Peripherie des Circuls wie 100 zu 314: in welcher Ptoleinæus, Vieta, Hugeni - us und Ludolph von Coͤlln uͤberein kommen. Der Herr von Leibnitz hat den Jnhalt des Circuls durch eine Reihe unendlicher Bruͤche in den Leipziger -LActis162Anfangs-GruͤndeActis A. 1682 p. 44. zu erſt ausgedrucket: maſſen er gefunden / daß wenn das Qvadrat des Diametri iſt 1 / der Jnhalt des Circuls 1 $$\frac {1}{11}$$ $$\frac {1}{13}$$ $$\frac {1}{15}$$ $$\frac {1}{17}$$ $$\frac {1}{18}$$ &c. ſeyn muͤſſe. Wir wollen ſo lange die Verhaͤltnis des Diametri zu der Peripherie eines Circuls wie 100 zu 314 annehmen / biß wir unten in der Trigonometrie die Gelegenheit haben ſolches auf eine leichte Art zu erweiſen.

Der 18. Lehrſatz.

159. Der Jnhalt des Circuls verhaͤlt ſich zum Qvadrat ſeines Diametri bey nahe wie 785 zu 1000.

Beweiß.

Wenn der Diameter 100 Theile hat / be - kommt die Peripherie derſelben 314 (§. 158) / und allſo iſt der Jnhalt des Circuls 7850. (§. 157) / das Qvadrat des Diametri aber 10000. (§. 81. Arimth. ) folgends verhaͤlt ſich jener zu dieſem wie 7850 zu 10000 / das iſt / wenn man beyderſeits mit 10 dividiret / wie 785 zu 1000 (§. 68. Arithm. ) W. Z. E.

Der 19. Lehrſatz.

160. Die Flaͤchen der Circul verhal - ten ſich gegen einander wie die Qva - drate ihrer Diametrorum.

Beweiß.

Wie die Flaͤche des einen Circuls zu dem Qvadrate ſeines Diametri, ſo verhaͤlt ſich die Flaͤche des andern Circuls zu dem Qva - drate ſeines Diametri (§. 158.) Derowe - gen verhaͤlt ſich auch die Flaͤche des einenCir -163der Geometrie. Circuls zu der Flaͤche des andern wie das Qvadrat des einen Diametri zu dem Qva - drate des andern (§. 104. Arithm. ) W. Z. E.

Die 39. Aufgabe.

161. Es wird gegeben der Diameter des Circuls / man ſol die Peripherie finden.

Aufloͤſung.

Suchet zu 100 / 314. und dem gegebenen Diametro die vierdte Proportional-Zahl (§. 107. Arithm). Dieſe iſt die verlangte Peripherie (§. 158).

Es ſey der Diameter 56′. Sprecht.

100 314 56

56

1884

1570

17° 5′ 8″ 4‴ Peripherie des Circuls.

Die 40. Aufgabe.

162. Es wird gegeben die Peripherie des Circuls (17584‴) / man ſol den Diametrum finden.

Aufloͤſung.

Sucht zu 314 / 100 und der gegebenen Peripherie 18584‴ die vierdte Proportional - Zahl (§. 107. Arithm. ) ſo kommt der verlang - te Diameter heraus (§. 158).

L 2314164Anfangs-Gruͤnde

314 100 17584

100

1758400

〈…〉 Diameter.

Die 41. Aufgabe.

163. Es wird gegeben der Diameter (oder die Peripherie) des Circuls / man ſol den Jnhalt deſſelben finden.

Aufloͤſung.

  • 1. Sucht erſtlich die Peripherie (§. 161) (oder den Diametrum (§. 162).)
  • 2. Multipliciret die Peripherie durch den vierdten Theil des Diametri (§. 157).

Z. E, Es ſey der Diameter 5600‴ / ſo iſt die Peripherie 17584‴ (§. 161) / folgends der Jnhalt des Circuls 24617600‴.

Anders.

Multiplicirel den Diametrum (56″) durch ſich ſelbſt und ſuchet zu 1000 / 785 und dem gefundenen Qvadrate des Diametri 3136 die vierdte Proportional-Zahl 246176″ (§. 107165der Geometrie. 107 Arithm. ) ſo habet ihr den verlangten Jn - halt des Circuls (§. 159).

Die 42. Aufgabe.

164. Es wird gegeben der Jnhalt des Circuls / man ſol den Diametrum finden.

Aufloͤſung.

  • 1. Suchet zu 785 und 1000 und dem gege - benen Jnhalt des Circuls 246176 die vierdte Proportional-Zahl 313600″ (§. 107 Arithm.)
  • 2. Hieraus ziehet die Qvadrat-Wurtzel [§. 90 Arithm. ] 56′ / dieſe iſt der verlangte Diameter.

Zuſatz.

165. Wollet ihr die Peripherie wiſſen / ſo koͤnnet ihr / nach dem der Diameter bekand worden / dieſelbe durch die 39 Aufgabe [§. 161] ſuchen.

Die 43. Aufgabe.

166. Es wird gegeben der Radius desTab. XIII Fig. 103. Circuls AC [6′] und die groͤſſe des Bo - gens AB [36°] man ſol den Jnhalt des Sectoris ABC finden.

Aufloͤſung.

  • 1. Dupliret den Radium AC [6] ſo habt ihr den Diametrum [12′].
  • 2. Suchet die Peripherie nach der 29 Auf - gabe [§. 161] und dann ferner
L 33. Zu166Anfangs-Gruͤnde
  • 3. Zu 360° / dem gegebenen Bogen 36° und der gefundenen Peripherie 3768‴ die vierdte Proportional-Zahl 62⅘‴ [§. 107 Arithm. ] ſo iſt euch der Bogen AB in Li - nien bekand.
  • 4. Dieſe multipliciret durch den vierdten Theil des Diametri 300‴ / ſo kommt der Jnhalt des Sectoris ABC 18840‴ heraus [§. 156. 151].

Der 20. Lehrſatz.

Tab. XIII Fig. 104.

167. Jn einem rechtwincklichten Triangel ABC iſt das Qvadrat AFGC der groͤſten Seite AC den Qvadraten BCDE und ABIH der beyden uͤbriegen Seiten BC und AB gleich.

Beweiß.

Man ziehe die Linien A E und BF, in - gleichen BK mit HG parallel. Weil der Triangel BCF mit dem Rectangulo LCFK eine bafin GF hat und mit ihm zwiſchen den beyden Parallel-Linien CF und BK ſtehet / ſo iſt er die Helfte von demſelben [§. 148]. Eben ſo weil der Triangel ACE mit dem Qvadrate BCED eine baſin CE hat und zwiſchen den beyden Parallel-Linien AD und CE ſtehet iſt er die Helſte von demſel - ben [§. 137. 148.] Nun iſt CF = AC und BC = CE [§. 20.] und der Winckel ACE dem Winckel BCF gleich [§. 20. Arithm. ] weil nemlich ACF = BCF = 90° (§. 20. 53).167der Geometrie. 53). Derowegen ſind die gantzen Trian - gel ACE uud BCF [§. 67.] folgends auch das Qvadrat BDEC und das Rectangu - lum LCFK einander gleich.

Da nun aufgleiche Weiſe erwieſen wird / daß das Qvadrat AHIB dem Rectangulo ALKG gleich ſey; ſo iſt klahr / daß die bey - den Qvadrate AHIB und BCDE zuſam - men genommen dem Qvadrate A G F C gleich ſind. W. Z. E.

Anmerckung.

168. Dieſer Lehrſatz wird von ſeinem Erfin - der Pythagora der Pythagoriſche Lehrſatz und wegen ſeines vortreflichen Nutzens durch die gantze Mathematic von einigen Magiſter Matheſe - os genennet.

Die 44. Aufgabe.

109. Ein Qvadrat zu machen / wel - ches ſo groß iſt wie zwey oder mehrere andere zuſammen genommen.

Aufloͤſung.

  • 1. Setzet die Seiten der beyden Qvadrate
    Tab. XIII Fig. 105.
    AB und BC rechtwincklicht zuſammen / nach der 16 (§. 90.) oder 19 (§. 111.) Auf - gabe.
  • 2. Ziehet die Linie A C, ſo habt ihr die Seite des Qvadrates / welches ſo groß iſt wie die anderen beyde zuſammen / [§. 167.]
L 43. Rich -168Anfangs-Gruͤnde
  • 3. Richtet auf AC die Seite des dritten Qvadrates AD perpendicular auf / nach einer von den angefuͤhrten Aufga - ben und
  • 4. Ziehet die Linie DC, ſo habt ihr die Seite eiues Qvadrates / welches ſo groß iſt als die drey Qvadrate zuſammen [§. 167] u. ſ. w.
T. XIII. Fig. 106.

Der 21. Lehrſatz.

170. Wenn zwey Parallelogramma AB DC und BEFD einerley Hoͤhe AC haben / verhalten ſie ſich gegen einander wie ih - re baſes CD und DF.

Beweiß.

Den Jnhalt des Rectanguli AD be - kommt man / wenn ſeine baſis CD durch AC multipliciret wird; Hingegen den Jnhalt des Rectanguli BF / wenn ſeine Baſis DF durch AC multipliciret wird (§. 145.) Allſo verhalten ſich bie beyden Rectangula wie die Producte aus AC in CD und aus AC in DF, das iſt / wie CD zu DF (§. 68. Arithm.) W. Z. E.

Zuſatz.

171. Weil ieder Triangel als die Helffte eines parallelogrammi betrachtet werden kan (§. 135); ſo muͤſſen auch die Triangel von gleicher Hoͤhe ſich wie ihre baſes verhal - ten.

An -169der Geometrie.

Anmerckung.

172. Auf eben ſolche Art laͤſſet ſich erweiſen / daß die Parallelogramma und Triangel / wenn ſie gleiche baſes haben / ſich wie ihre Hoͤhen verhalten.

Tab. XIII. Fig 107.

Die 45. Aufgabe.

173. Ein Parallelogrammum A B E C aus einem gegebenen Puncte D in zwey gleiche Theile zu theilen.

Aufloͤſung.

  • 1. Ziehet die Diagonal-Linie BC.
  • 2. Theilet ſie in zwey gleiche Theile in D nach der 20. Aufgabe (§. 112).
  • 3. Durch D und G ziehet die Linie DF / ſo ſind die beyden Trapezia ADFC und DF EB einander gleich.

Beweiß.

Die Triangel ABC und BCE ſind einan - der gleich (§. 135). Nun iſt ferner o = x (§. 92) / y = u (§. 58) und GC = GB. Dero - wegen iſt auch DBG = GCF (§. 68) fol - gends das Trapezium ACFD dem Trape - zio DFEB gleich. W. Z. E.

Die 46. Aufgabe.

174. Es wird gegeben der Jnhalt ei - nes Triangels (36′) und ſeine baſis (18′) / man ſol die Hoͤhe finden.

Aufloͤſung.

Durch die halbe baſin (9′) dividiret den Jnhalt des Triangels (36′) / ſo kommt die Hoͤhe (4′) heraus. (§. 151).

L 5Die170Anfangs-Gruͤnde
Tab. XIII. Fig. 108.

Die 5. Aufgabe.

175. Ein Trapazium ABCD in zwey gleiche Theile zu theilen.

Aufloͤſung.

  • 1. Ziehet die Diagonal-Linie AD und ſuchet den Jnhalt der beyden Triangel ACD und ABD nach der 37 Aufgabe (§. 150. 151.)
  • 2. Den kleinern ABD ziehet von dem halben Jnhalte der gantzen Figur / das iſt / der halben Summe gedachter Triangel ab / ſo kommt die Groͤſſe des Triangels her - aus / welcher noch von ACD weggenom - men werden muß / damit die beyden Thei - le des Trapezii einander gleich werden.
  • 3. Nehmet AB zur baſi dieſes Triangels an / und ſuchet ſeine Hoͤhe nach der 46. Auf - gabe (§. 174).
  • 4. Dieſelbe zeichnet an die Seite eures Win - ckelhackens und ruͤcket mit demſelben auf der Linie AD fort / biß die darauf verzeich - nete Hoͤhe die Linie AB in E durchſchnei - det.
  • 5. Endlich ziehet die Linie ED / ſo ſind die bey - den Theile EBD und ECD einander gleich.
Exem -171der Geometrie.

Exempel.

AD = 235 AD = 235

½ B F = 37 ½ CG = 121

1645 235

705 470

235

ABD 8695

ACD 28435

ABD 8695

Jnhalt des Trapezii 37130

Der halbe Jnhalt 1. 8. 565

ABD 8695

AED 9870

〈…〉 Hoͤhe HE

Anmerckung.

176. Auf eine gleiche Weiſe kan man eine iede Jr - regulaͤre Figur in ſo viel gleiche Theile theilen / als man verlangt / wenn man nur erſt ihren Jnhalt ſucht und denſelben durch die Zahl der Theile (Z. E. durch Z / wenn 3. Theile ſeyn ſollen) divtdiret und einenvon172Anfangs-Gruͤndevon dieſen Theilen mit den Triangeln / in welche die Fi - gur im Ausrechnen reſolviret worden / vergleichet.

Tab. XIIIFig. 109.

Der 22. Lehrſatz.

177. Wenn in einem Triangel ABC eine Linie DE mit der baſi BC parallel gezogen wird / ſo verhaͤlt ſich AD zu AE wie BD zu EC

Beweiß.

Die Triangel DBE und DCE ſind einan - der gleich [§. 147. 23.) Derowegen verhaͤlt ſich der Triangel ADE zu dem Triangel DE B wie der Triangel ADE zu dem Triangel DEC. Der Triangel ADE aber verhaͤlt ſich zu dem Triangel DEB wie AD zu DB / und der Triangel ADE verhaͤlt ſich zu dem Triangel EBC wie AE zu EC [§. 171.] De - rowegen verhaͤlt ſich auch AD zu DB wie AE zu EC, folgends AD zu AE wie BD zu EC [§. 164. Arithm.] W. Z. E.

Zuſatz.

178. Derowegen verhaͤlt ſich auch AD DB zu DA wie AE EC zu AE / das iſt / AB zu AC wie AD zu AE. Denn AD DB durch ae multipliciret iſt dem Product aus ae EC in AD gleich: maſſen das erſte die Sum - me zweyer Producte iſt / deren eines zu ſeinen factoribus AD / AC und den Nahmen der Verhaͤltnis / das andere aber AD / AC und das Qvadrat des Nahmens der Verhaͤltnis hat: Das andere aber die Summe eben dieſer beyden Producte. Derowegen ſind gedachte Linien proportional (§. 120. Arithm.)

An -173der Geometrie.

Anmerckung.

179. Man ſiehet leicht / daß der beygefuͤgte Be - weiß allgemein iſt / und wir dannenhero ſagen koͤn - nen; wenn vier Zahlen / oder andere Groͤffen propor - tional ſind / ſo verhaͤlt ſich wie die Summe der erſten und andern zu der andern / alſo die Summe der dritten und vierdten zu der vierdten. Z. E. Es ſey 2: 6 = 3: 9 / ſo iſt auch 8: 6 = 12: 9.

Die 48. Aufgabe.

180. Zu zwey gegenen Linien AB undT. XIV. Fig. 110. AC die dritte Proportional-Linie zu fin - den.

Aufloͤſung.

  • 1. Machet nach Gefallen einen Winckel EA D und
  • 2. Traget aus A in B die Linie AB; aus A in C / ingleichen aus B in D die Linie AC.
  • 3. Ziehet von B in C eine grade Linie C B uud aus D die Linie DE mit CB Pa - rallel / welches geſchiehet / wenn ihr nach der dritten Aufgabe (§. 66.) den Winckel EDF dem Winckel CBD gleich macht; ſo iſt CE die verlangte dritte Proportional - Linie (§. 177.)

Die 49. Aufgabe.

Tab. XIV. Fig. 111.

181. Zu drey gegebenen Linien AB / AC und BD die vierdte proportional-Li - nie zu finden.

Aufloͤſung.

  • 1. Machet nach Belieben einen Winckel E AD.
  • 2. Traget aus A in B die Linie AB / aus A inC174Anfangs-GruͤndeC die Linie AC und aus B in D die Linie B D.
  • 3. Von B in C ziehet eine grade Linie / und
  • 4. Aus D eine andere DE mit CB parallel / wie in der vorhergehenden Aufgabe: ſo iſt CE die verlangte vierdte Proportional - Linie (§. 177.)
Tab. XIV. Fig. 112.

Der 23. Lehrſatz.

182. Wenn in zwey Triangeln ABC und ADE alle Winckel ins beſondere ein ander gleich ſind / ſo ſind die Seiten umb gleiche Winckel proportional.

Beweiß.

Man lege den Triangel ABD dergeſtalt auf den groſſen ABC / daß die Seite AD auf AB faͤllt / ſo wird / weil die Winckel A einander gleich ſind / die Linie AE auf AC fallen (§. 48.) Weil nun ferner der Winckel ADE dem Winckel ABC gleich iſt; ſo muß die Linie DE mit BC parallel ſeyn (§. 92) folgends verhaͤlt ſich AD zu AE wie AB zu BC (§. 178) Eben ſo haͤtte man den Winckel D auf B le - gen koͤnnen: und alsdenn waͤre klahr / daß ſich verhielte AD zu DE wie AB zu BC. W. Z. E.

Zuſatz.

183. Hieraus iſt klahr / dz / weñ in zweyen Tri - angeln ein Winckel einem Winckel gleich / und die Seiten / ſo ihn einſchlieſſen / einan - der proportional ſind / die gantzen Triangelei -175der Geometrie. einander aͤhnlich ſind. Denn wenn man den kleinen ade auf den groſſen abc leget / ſo iſt die Linie de mit bc parallel (§. 177. 178) folgends der Winckel ade dem Winckel abc und der Winckel aed dem Winckel acb gleich (§. 92.)

Anmerckung.

184. Dieſer Lehrſatz von der Aehnlichkeit der Tri - angel iſt einer von den nuͤtzlichſten in der gantzen Ma - thematick / und dienet zu den meiſten Erfindungen / die man in derſelben haben kan. Auch die vornehm - ſte Ausuͤbung der Geometrie auf dem Felde beruhet auf demſelben / wie bald mit mehrerem erhellen ſol.

Die 50. Aufgabe.

Tab. XIII Fig. 11

185. Eine grade Linie ab in ſo viel gleiche Theile zu theilen / als man ver - langet.

Aufloͤſung.

  • 1. Traget nach Belieben auf eine Linie c d ſo viel gleiche Theile / als die Linie ab be - kommen ſoll / Z. E. fuͤnfe.
  • 2. Setzet auf cd einen gleichſeitigen Trian - gel (§. 71).
  • 3. Traget aus e in a und aus e in b die Linie a b.
  • 4. Endlich ziehet gegen den erſten Thei - lungs-Punct g aus der Spitze des Tri - angels e die Linie eg / ſo iſt af der fuͤnfte Theil von der gegebenen Linie ab.
Be -176Anfangs-Gruͤnde

Beweiß.

Weil ae: eb = ac: ed / ſo ſind die gantzen Triangel einander aͤhnlich (§. 183.) und ich kan dannenhero auch ſagen: Es ſey ea zu ab wie ec zu cd. Nun iſt e c = c d. Dero - wegen iſt auch fa = ab. Weil nun ferner der Winckel eaf dem Winckel ecg gleich iſt / (§. 183.) ingleichen efa = egc; ſo verhaͤlt ſich wie cg zu ce ſo af zu ea (§. 182). Nun iſt cg der fuͤnfte Theil von ec. Derowegen muß auch af der fuͤnfte Theil von ea ſeyn.

Tab. XIV. Fig. 114.

Die 51. Aufgabe.

186. Eine grade Linie a b nach der Proportion einzutheilen / nach welcher eine andere cd eingetheilet worden.

Aufloͤſung

  • 1. Conſtruiret auf die eingetheilete Linie cd einen gleichſeitigen Triangel (§. 71).
  • 2. Traget aus e in a und e in b die gegebene Linie ab.
  • 3. Ziehet aus der Spietze des Triangels e an die Theilungs-Puncte g / i die Linien e g / ei. Dieſe theilen die gegebene Linie a b in f und h nach der gehoͤrigen Propor - tion.

Beweiß.

Der Beweiß iſt wie in der vorhergehen - den Aufgabe.

An -177der Geometrie.

Anmerckung.

187. Dieſer Lehrſatz hat viel Nutzen in der Bau - Kunſt und Fortification / ſonderlich wenn man einen vorgegebenen Rieß nach belieben vergroͤſſern oder ver - kleinern ſol.

Die 52. Aufgabe.

1[8]8. Einen verjuͤngten Maaßſtab zu verfertigen.

Aufloͤſung.

Tab. XIV Fig. 115.
  • 1. Ziehet eine Linie a e und traget darauf 10 gleiche Theile von beliebter Groͤſſe aus a in b / und denn ferner den Raum ab / ſo vielmal euch beliebet.
  • 2. Richtet in a von gefaͤlliger Laͤnge eine Per - pendicular-Linie ac auf / und theilet ſie in 10 gleiche Theile.
  • 3. Durch ieden Theilungs-Punct ziehet mit ae eine Parallel-Linie / und
  • 4. Traget auf die obere c d eben die Theile / welche ſich auf ab befinden.
  • 5. Ziehet oben 10 und unten 9 / oben 9 und unten 8 / oben 8 und unten 7 / oben 7 und unten 6 u. ſ. w. mit graden Linien zu - ſammen.

Jch ſage / wenn ab eine Ruthe iſt / ſo ſind die Theile b i / 1. 2 / 2. 3 u. ſ. w. Schuhe: Hingegen 9. 9 ein Zoll / 8. 8 zwey Zoll / 7. 7 drey Zoll / 6. 6 vier Zoll / 5. 5 fuͤnf Zoll / u. ſ. w.

MBe -178Anfangs-Gruͤnde

Beweiß.

Weil 10. Schuh eine Ruthe machen (§. 7) ſo iſt klahr / daß die Theile auf der Linie ab Schuhe ſind. Daß aber 9. 9 ein Zoll / 8. 8 zwey Zoll / 7. 7 drey Zoll ſind / u. ſ. w. erweiſet man allſo. Dieweil 9 9 mit a 9 parallel iſt / ſo ver - haͤlt ſich wie c 9 zu ac / ſo 9. 9 zu a 9 (§. 92. 182). Nun iſt c 9 = ac. Derowegen iſt auch 9. 9 = a 9 folgends ein Zoll / u. ſ. w. W. Z. E.

Zuſatz.

189. Allſo wenn man den Zirckel auf die dritte oder ſiebende Linie ſetzt / und ihn biß zu der Linie aufthut / die unten aus dem fuͤnften Schuhe gezogen iſt; ſo hat man uͤber 5 Schu - he noch 3 oder 7 Zoll / u. ſ. w.

Tab. XV. Fig. 116.

Die 53. Aufgabe.

190. Die Weite zweyer Oerter a und e zu finden / zu denen beyden man aus ei - nem angenommenem Stande kom - men kan.

Aufloͤſung.

  • 1. Setzt das Meß-Tiſchlein in d und erweh - let auf demſelben einen Punct c.
  • 2. Von demſelben vieſieret durch die Diop - tern in a und ziehet die Linie ca.
  • 3. Gleichergeſtalt vieſiret in b und ziehet die Linie cb.
  • 4. Meſſet mit der Ruthe die Linien ca und cb und
  • 5. Traget dieſelben von dem verjuͤngtenMaaß -179der Geometrie. Maaßſtabe (§. 188) aus C in a und b. End - lich
  • 6. Meſſet die Linie a b auf dem verjuͤngten Maaßſtabe / ſo habt ihr die Groͤſſe der verlangten Weite ab.

Beweiß.

Denn weil der Winckel c beyden Trian - geln acb und acb gemein iſt / und die Sei - ten / ſo ihn einſchlieſſen proportional ſind; ſo kan ich auch ſagen wie ca zu ca / ſo verhaͤlt ſich ab zu ab (§. 183). Nun haͤlt ca ſo viel auf dem verjuͤngten Maaßſtabe als ca auf dem groſſen: Derowegen muß auch ab ſo viel auf dem verjuͤngten Maaßſtabe hal - ten / als ab auf dem groſſen. W. Z. E.

Eine andere Aufloͤſung.

  • 1. Setzet das Jnſtrument in d und meſſet den Winckel acb (§. 61.)
  • 2. Meſſet ferner die Linien ca und cb (§. 62.)
  • 3. Conſtruiret durch Huͤlffe des Transpor - teurs und verjuͤngten Maaßſtabes einen Triangel acb (§. 76.)
  • 4. Meſſet die Linie a b auf dem verjuͤngten Maaßſtabe (§. 189.); ſo wiſſet ihr / wie viel Ruthen / Schuhe und Zolle die Linie AB iſt.

Beweiß.

Der Beweiß iſt eben ſo wie in der erſten Aufloͤſung.

M 2Die180Anfangs-Gruͤnde.

Die 54. Aufgabe.

Tab. XV. Fig. 117.

191. Die Weite zweyer Oerter a und b zu meſſen / zu deren einem a man nur kommen kan,

Aufloͤſung.

  • 1. Setzet das Meß-Tiſchlein in einen nach Belieben erwehlten Stand c und vieſiret aus dem Puncte c nach beyden Oertern a und b.
  • 2. Meſſet die Weite eures Standes c von dem Orte A zu welchem ihr kom̃en koͤnnet /
  • 3. und traget ſie von dem verjuͤngten Maaß - ſtabe (§. 189.) aus c in a.
  • 4. Gehet mit eurem Tiſchlein biß in a und ſetzt es dergeſtalt nieder / daß der Punct a in a ſtehet / und ihr durch die Dioptern nach der Linie ac den in C eingeſteckten Stab ſehen koͤnnet.
  • 5. Vieſiret hierauf durch dieſelben aus a in b und ziehet die Linie ab.
  • 6. Endlich meſſet dieſe Linie ab auf dem ver - juͤngten Maaßſtabe (§. 189.) ſo erkennet ihr die Groͤſſe der verlangten Weite ab.

Beweiß.

Weil der Winckel c = C und a = A ſo iſt auch der dritte b = B (§. 99.) / folgends verhaͤlt ſich wie ac zu AC ſo ab zu AB (§. 182) Nun hat ac ſo viel Theile vom kleinen Maaß -ſta -181der Geometrie. ſtabe als ac von dem groſſen: Derowegen muß auch ab ſo viel Theile vom kleinen Maaß Stabe als ab vom groſſen haben.

Eine andere Aufloͤſung.

  • 1. Meſſet mit dem Jnſtrument die Winckel - c und a (§. 61.) und mit der Ruthe die Li - nie ac (§. 62).
  • 2. Conſtruiret daraus durch Huͤlffe des Transporteurs und verjuͤngten Maaß - Stabes einen Triangel. (§. 78.)
  • 3. Meſſet auf dem verjuͤngten Maaßſtabe die Linie ab / ſo wiſſet ihr die verlangte Wei - te ab.

Beweiß.

Der Beweiß iſt wie vorhin.

Die 55. Aufgabe.

192. Die Weite zweyer Oerter ab / zu deren keinem man kommen kan / zu meſ - ſen.

Aufloͤſung.

Tab. XVI Fig. 118.
  • 1. Erwehlet zwey Staͤnde in c und d. Jn den einen c ſetzt das Tiſchlein / in den an - dern d ſteckt einen Stab.
  • 2. Aus dem Puncte c vieſieret durch die Di - optern nach dem Stabe d / ingleichen nach b und a / und ziehet dahin zu auf dem Tiſch - lein Linien.
  • 3. Meſſet die Weite der beyden Staͤnde cd (§. 62.) und traget ſie nach dem veriuͤngten Maaßſtabe (§. 189.) auf das Tiſchlein aus c in d.
M 34. Ste -182Anfangs-Gruͤnde
  • 4. Stecket in c einen Stab / und ſetzt das Tiſchlein dergeſtalt in d / daß der Punct d in d kommt / und wenn ihr nach der Linie c d durch die Dioptern vieſiret / ihr den Stab in c erblicket.
  • 5. Vieſiret ferner aus d gegen a und b / und ziehet auf dem Tiſchlein die Linien da und db.
  • 6. Endlich meſſet auf dem verjuͤngten Maaßſtabe ab / ſo habt ihr die Laͤnge der Weite ab.

Beweiß.

Weil der Winckel d beyden Triangeln dcb und dcb gemein / uͤber dieſes auch der Winckel c dem Winckel C gleich iſt; ſo muß auch der dritte b dem dritten b gleich ſeyn (§. 99.) Derowegen verhaͤlt ſich cd zu cd wie bc zu bc (§. 182.) / Wiederumb weil aus gleichmaͤßiger Urſache der Triangel acd dem Triangel acd aͤhnlich iſt; ſo verhaͤlt ſich cd zu cd wie ac zu ac. (§. 182.) folgends iſt auch bc zu bc wie ac zu ac. Da nun uͤber dieſes der Winckel a c b dem Winckel acb gleich iſt / ſo ſind die gleichnah - migen Triangel einander aͤhnlich (§. 183.) Und derowegen verhaͤlt ſich wie ac zu ac, ſo ab zu ab (§. 182.) Da nun ac ſo viel Theile auf dem verjuͤngten Maaßſtabe als ac im groſſen hat; ſo muß auch ab ſo viel Theileauf183der Geometrie. auf dem verjuͤngten Maaßſtabe als ab im groſſen haben. W. Z. E.

Eine andere Aufloͤſung.

  • 1. Meſſet aus den erſten Stande c die Win - ckel x und y, und aus dem Stande d die Winckel z und w / (§. 61.) ſo geben ihre Summen die Winckel acd und bdc.
  • 2. Meſſet ferner die Stand-Linie cd (§. 62).
  • 3. Traget dieſe nach dem verjuͤngten Maaß - ſtabe auf das Papier / und conſtruiret mit Huͤlffe der Winckel x und z w den Triangel bcd und mit Huͤlffe der Win - ckel z und x y den Triangel acd (§. 78.)
  • 4. Endlich meſſet auf dem verjuͤngten Maaß - ſtabe die Linie ab / ſo wiſſet ihr die verlang - te Weite.

Beweiß.

Der Beweiß iſt einerley mit dem vori - gen.

Anmerckung.

193. Auf gleiche Art kan man die Weite gar vie - ler Oerter auf einmal meſſen / wenn man nemlich aus zwey Staͤnden gegen ieden vieſiret.

Die 56. Aufgabe.

194. Die Hoͤhe eines Ortes ab zu meſ -Tab. XVII Fig. 120. ſen / zu dem man kommen kan.

Aufloͤſung.

  • 1. Erwehlet euch einen Stand in d und rich -M 4tet184Anfangs-Gruͤndedas Tiſchlein vertical, doch ſo / daß ſeine untere Seite horizontal ſey.
  • 2. Die Regel mit den Dioptern leget an daſ - ſelbe horizontal / vieſiret nach dem Orte / deſſen Hohe ihr meſſen wollt / und ziehet die Linie ec.
  • 3. Kehret an dem Puncte e die Regel mit den Dioptern in die Hoͤhe / biß ihr die Spitze b erblicket / und ziehet auf dem Tiſchle in die Linie eb.
  • 4. Meſſet die Stand-Linie da (§. 62.) und
  • 5. Traget ſie von dem verjuͤngten Maaß - ſtabe (§. 189.) auf das Tiſchlein aus e in c.
  • 6. Richtet in c ein Perpendicul c b auf (§. 90.) und
  • 7. Meſſet ſeine Laͤnge auf dem verjuͤngten Maaßſtabe (§. 189) / ſo wiſſet ihr die Hoͤ - he bc.
  • 8. Dazu addiret die Hoͤhe des Stativs ac / ſo kommt die verlangte Hoͤhe ab he - raus.

Beweiß.

Der Winckel e iſt beyden Triangeln Ecb ud ecb gemein. Bey c und C ſind rechte Winckel. Und allſo iſt auch der Winckel b dem Winckel b gleich (§. 99.) Derowegen verhaͤlt ſich wie Ec zu EC ſo bc zu BC. Nun haͤlt Ec ſo viel auf dem verjuͤngten Maaßſta - be wie EC auf dem groſſen. Derowegen mußauch185der Geometrie. auch bc ſo viel auf dem verjuͤngten Maaß - Stabe wie BC auf dem groſſen halten. W. Z. E.

Eine andere Aufloͤſung.

Ta. XVII. Fig. 121.
  • 1. Meſſet den Winckel E (§. 61.) und die Stand-Linie AD / oder CE.
  • 2. Conſtruiret daraus einen rechtwincklich - ten Triangel Ebc (§. 78. 90).
  • 3. Meſſet die Hoͤhe bc auf dem Verjuͤng - ten Maaß-Stabe / ſo habt ihr die Hoͤhe BC.
  • 4. Dazu addiret die Hoͤhe des Stativs / ſo kommt die Hoͤhe AB heraus.

Beweiß.

Der Beweiß iſt wie der vorige.

Die 57. Aufgabe.

192. Eine Hoͤhe AB zumeſſen / zu der man nicht kommen kan.

Aufloͤſung

  • 1. Erwehlet 2 Staͤnde in D und E / und
    Ta. XVII. Fig. 122.
    vieſiret wie in der vorhergehenden Aufga - be nach der Spietze A und dem Puncte C, in dem erſten Stande D.
  • 2. Meſſet die Stand-Linie ED und traget ſie aus f in e von dem verjuͤngten Maaß - Stabe (§. 189).
  • 3. Traget das Tiſchlein in E dergeſtalt / daß der Punct e uͤber E kommt und vieſiret wie vorhin nach dem Puncte C und der Spietze A.
M 54. Wo186Anfangs-Gruͤnde
  • 4. Wo die Linie ea die Linie fa durchſchnei - det / laſſet einen Perpendicul ac auf fc herunter fallen.
  • 5. Dieſen meſſet auf dem verjuͤngten Maaß - Stabe / ſo habt ihr die Hoͤhe AC.
  • 6. Addiret dazu die Hoͤhe des Stativs / ſo habt ihr die verlangte Hoͤhe AB.

Beweiß.

Der Beweiß iſt eben ſo wie in der vorigen Aufgabe.

Eine andere Aufloͤſung.

Ta. XVII. Fig. 123.
  • 1. Meſſet in dem erſten Stande D den Win - ckel F und in dem andern E den Winckel G (§. 61) und die Stand-Linie E D (§. 62).
  • 2. Dieſe traget auf das Papier nach dem verjuͤngten Maaß-Stabe und
  • 3. Conſtruiret darauf durch Huͤlfe der Winckel G und F (§. 66) einen Trian - gel fga.
  • 4. Verlaͤngert ſeine baſin fg in c und laſſet von c ein Perpendicul ac herunter fallen (§. 89).
  • 5. Endlich meſſet ac auf dem verjuͤngten Maaß-Stabe (§. 189) und addiret dazu die Hoͤhe des Jnſtrumentes / damit ihr die Winckel gemeſſen: ſo kommet die ver - langte Hoͤhe AB heraus.

Beweiß.

Der Beweiß iſt wie in der vorhergehenden Aufgabe.

Die187der Geometrie.

Die 58. Aufgabe.

193. Eine jede grade linichte Figur AT. XVIII. Fig. 124. B C D E, in die man kommen kan / in Grund zu legen.

Aufloͤſung.

Meſſet den gantzen Umbfang der Figur AB, BC, CD, DE, EA; ingleichen die Dia - gonal-Linien AC und AD, ſo koͤnnet ihr nach dem verjuͤngten Maaß-Stabe (§. 189) und der 32 Aufgabe (§. 138) die Figur auf dem Papiere aufzeichnen.

Beweiß.

Wenn man eine Figur in Grund leget / ſo muß man eine kleine Figur zeichnen / in der alle Winckel ſo groß ſind als in der groſſen und die Seiten ſich eben ſo gegen einander verhalten wie in der groſſen. Wenn man nun fuͤr jede Seite der Triangel ABC, ACD, ADE auf dem verjuͤngten Maaß-Stabe ſo viel annimmt als ſie im groſſen ausmachet / ſo verhalten ſich die Seiten in der verjuͤngten Figur eben ſo gegen einander wie die Seiten der groſſen. Denn wenn AB im groſſen 6 iſt / ſo iſt ſie im kleinen auch 6: Wenn im groſ - ſen BC 7 iſt / ſo iſt ſie im kleinen auch 7. Und allſo verhaͤlt ſich AB zu BC beyderſeits wie 6 zu 7. Derowegen ſind auch die Winckel der Triangel in der kleinen Figur ſo groß wie die Winckel in der groſſen (§. 182). Da nun die Winckel der Figur mit den Winckelnder188Anfangs-Gruͤndeder Triangel uͤber einkommen; ſo muͤſſen auch alle Winckel in der verjuͤngten Figur ſo groß ſeyn wie in der groſſen. W. Z. E.

Anders.

  • 1. Erwehlet euch innerhalb der Figur einen Punct F und ſetzet dahin das Meß-Tiſch - lein.
Ta XVIII Fig. 125.
  • 2. Aus F vieſiret gegen die Staͤbe / welche man in die Ecken der Figur A, B, C, D, E geſteckt und ziehet die Linien Fa, Fb, Fc, Fd, Fe.
  • 3. Meſſet die Linien FA, FB, FC, FD, FE (§. 62.) und
  • 4. Eben ſo groß macht nach dem verjuͤngten Maaß-Stabe (§. 189) die Linien Fa, Fb, Fc. Fd, Fe.
  • 5. Endlich ziehet die Linien ab, bc, cd, de und ca; ſo ſchließt ſich die verlangte Figur.

Beweiß.

Jn dem Triangel a Fb verhaͤlt ſich Fa zu Fb wie FA zu FB im Triangel AFB und der Winckel F iſt beyden Triangeln gemein: de - rowegen verhaͤlt ſich auch Fb zu FB wie ba zu BA (§. 183. 182). Eben ſo wird erwieſen / es verhalte ſich wie Fb zu FB ſo bc zu BC. De - rowegen iſt auch ba zu AB wie bc zu BC, fol - gends ba zu bc wie AB zu BC (§. 104. Arithm.) Es iſt aber auch der Winckel ABC ſo groß wie der Winckel a b c (§. 183). Da nun auf gleiche Weiſe von allen uͤbriegen Win -ckeln189der Geometrie. ckeln c, d, e, a erwieſen werden kan / daß ſie den Winckeln C, D, E, A gleich ſind / und auch von den uͤbriegen Seiten / daß ſie ſich ge - gen einander verhalten wie die Seiten CD, DE, EA; ſo iſt klahr / daß die groſſe Figur in Grund geleget worden. W. Z. E.

Anders.

  • 1. Meſſet aus F alle Winckel AFB, BFC, CFD, DFE, EFA (§. 61) / ingleichen die Linien FA, FB, FC, FD und FE [§. 62].
  • 2. Traget die Winckel auf das Papier (§. 66) / ingleichen die Linien nach dem ver - juͤngten Maaß-Stabe (§. 189).
  • 3. Ziehet die Linien ab, bc, cd, ed und da; ſo wird die verlangte Figur geſchloſſen.

Beweiß.

Der Beweiß iſt eben wie der vorige.

Noch anders.

  • 1. Spannet auf das Tiſchlein einen Bogen
    T. XVIII. Fig. 126.
    Papier und beſchreibet aus dem centro C einen Circul.
  • 2. Schraubet in demſelben einen Stift ein und haͤnget ein Lineal mit Dioptern dar - ein.
  • 3. Vieſieret gegen alle Ecken der Figur und mercket die beyden Puncte a und a, b und b, c und c, d und d &c. wo das Lineal den Circul durchſchneidet.
4.190Anfangs-Gruͤnde
  • 4. Meſſet wie vorhin alle Linien aus dem centro der Figur biß an die Winckel und traget ſie in euer Memorial.
  • 5. Spannet euren Circul mit ſeinen Einthei - lungen nebſt einem andern Bogen Papier auf ein Reißbret / oder leget ihn nebſt einem andern Bogen auf den Tifch. Leget fer - ner ein Parallel-Lineal an aa, an bb, an cc &c. und thut es ſo weit auf / biß ihr e - ben dieſe Linien auf dem neben liegenden Papiere ziehen koͤnnet.
  • 6. Endlich aus dem Durchſchnitte dieſer ge - zogenen Linien O traget von dem verjuͤng - ten Maaß-Stabe die auf dem Felde ge - meſſenen Linien (§. 189) und ziehet die Figur vollends aus

Beweiß.

Der Beweiß iſt faſt eben wie der vorige.

Anmerckung.

194. Dieſe letztere Methode iſt umb deswilleñ zu loben / weil man auf ein einiges Papier ein groſſes Feld ſtuͤckweiſe bringen kan: indem man nur noͤthig hat eine Zifer bey den Buchſtaben zu ſetzen / wo die Winckel eines neuen Stuͤckes angehen und / wenn ein Alphabet aus iſt / ein neues mit andern Buchſtaben anzufangen.

Die 59. Aufgabe.

Tæb. XIX Fig. 127.

194. Eine Figur ABCDE in Grund zu legen / die man aus zweyen Oertern A und B gantz uͤberſehen kan.

Auf -191der Geometrie.

Aufloͤſung.

  • 1. Setzet euer Tiſchlein in A und vieſiret nach allen Ecken der Figur B, C, D und E. und ziehet gegen dieſelben Linien aus dem Puncte A.
  • 2. Meſſet die Stand-Linie AB (§. 62) und traget ſie nach dem verjuͤngten Maaß - Stabe (§. 189) auf das Tiſchlein aus A in b.
  • 3. Traget das Tiſchlein aus A in B und rich - tet es dergeſtalt / daß der Punct b in B kommt und ihr durch die Dioptern des an die Linie b A angelegten Lineals den in A eingeſteckten Stab ſehen koͤnnet.
  • 4. Vieſiret nach allen uͤbriegen Ecken der Figur und ziehet gegen dieſelbe aus b Li - nien / welche die vorigen in e, d, c durch - ſchneiden.
  • 5. Endlich ziehet die Linien a c, e d, dc; ſo habt ihr die verlangte Figur in Grund ge - leget.

Beweiß.

Der Beweiß iſt faſt eben wie in der 55. Aufgabe (§. 192).

Anders.

  • 1. Meſſet aus A die Winckel CAB, DAC
    Ta. XVIII Fig. 128.
    EAD (§. 61) ingleichen die Linie AB (§. 62) / wie nicht weniger aus B die Win - ckel eba, ebd, dbc (§. 61).
  • 2. Zieher auf dem Papiere eine Linie ab und traget von dem verjuͤngten Maaß -Sta -192Anfangs-GruͤndeStabe (§. 189) die Groͤſſe der Linie A B darauf.
  • 3. Traget in a die Winckel c a b, d a c und ead; hingegen in b die Winckel e b a, ebd, dbc (§. 66).
  • 4. Endlich ziehet die Puncte a, e, d, c, b mit graden Linien zuſammen; ſo habt ihr die verlangte Figur in Grund geleget.

Beweiß.

Der Beweiß iſt abermals wie in der 55 Aufgabe (§. 192.)

Noch anders.

  • 1. Setzet die Bouſſole, oder ein Magnet - Kaͤſtlein / deſſen Rand in 360 Grade ein - getheilet und gegen die Ende der Mittags - Linie / darauf die Nadel ruhen muß / wenn ſie Norden zeiget / mit Dioptern verſehen iſt / dergeſtalt in A, daß ihr durch die Dio - ptern den in B eingeſteckten Stab erblie - cket / und mercket welchen Grad gegen Oſten oder Weſten die Nadel andeutet.
  • 2. Wendet die Bouſſole gleichergeſtalt ge - gen die Staͤbe in den uͤbriegen Winckeln der Figur E, D, C und mercket gleicher geſtalt die von der abweichenden Nadel in jedem Falle angedeuteten Grade.
  • 3. Gehet mit der Bouſſole in B und vieſi - ret durch die Dioptern nach allen Win - ckeln der Figur E, D, C, B und traget aber - mals die Grade / ſo die von der Mittags -Linie193der Geometrie. Linie der Bouſſole abweichende Nadel andeutet in euer Memorial ein,
  • 4. Endlich meſſet (§. 62) die Stand-Linie AB.
  • 5. Wenn ihr nach Hauſe kommt / ſetzet die von eurem Stativ abgeſchraubete Bouſ - ſole auf das Papier und ruͤcket ſie ſo lan - ge biß die Nadel an dem Grade ruhet / wel - chen ſie nach eurem Memorial erreichte / als die Mittags-Linie der Bouſſole uͤber der Stand-Linie ſtund; ſo koͤnnet ihr nach dem verjuͤngten Maaß-Stabe (§. 189) die Stand-Linie ab auf das Papier tragen.
  • 6. Wenn ihr nun aus a auf gleiche Weiſe die Linien ac, ad, ac und aus b die Linien bc, bd, be traget; ſo koͤnnet ihr durch Zu - ſammenziehung der Puncte b, c, d, e, a, die Figur ſchlieſſen.

Beweiß.

Man darf nur erweiſen / daß man auf die vorgeſchriebene Weiſe mit der Bouſſole die Winckel auf dem Felde meſſen / und auf das Papier abtragen kan; ſo iſt im uͤbriegen der Beweiß / wie bey den vorhergehenden Auf - loͤſungen. Das erſtere aber iſt gar leichteTab. XIX Fig. 129. zu begreiffen. Denn die Magnet-Nadel ſtehet in dem Puncte A und a immer auf ei - ner Linie / als a k, ich mag die Bouſſole umb den Punct a oder A drehen / wie ich wil. Wenn nun die Mittags-Linie der Bouſſo - le auf a b ſtehet / ſo zeiget die Nadel an / wieNviel194Anfangs-Gruͤndeviel ihre Mittags-Linie von der wahren Mit - tags-Linie bc abweichet / das iſt / die groͤſſe des Winckels k a b. Stehet die Mittags-Linie der Bouſſole auf a c, ſo zeiget die Nadel die groͤſſe des Winckels c a k. Stehet ſie auf a d, ſo zeiget die Nadel den Winckel k a d. Wenn man demnach auf dem Pa - piere die Bouſſole dergeſtalt richtet / daß die Nadel wieder den Winckel k a b zeiget / ſo laͤſt ſich nach ihrer Mittags-Linie die Linie ab ziehen / und auf gleiche Weiſe geben ſich die Linien ac, und ad, folgends auch die Win - ckel bac und cad, ſo man ſonſt mit dem Qva - dranten zu meſſen pfleget. W. Z. E.

Die 1. Anmerckung.

195. Aus dem Beweiſe iſt abzunehmen / daß man ohne die Bouſſole durch einen Transporteur auf das Papier tragen kan / was man auf dem Felde mit jener gemeſſen: Wenn man nemlich eine Linie A K ziehet / welche die wahre Mittags-Linie vorſtellet / an dieſel - be den Diameter des Transporteurs anleget und die in dem Memorial notirten Grade abſticht. Nur muß entweder jeder halbe Circul in ſeine 180° beſonders getheilet ſeyn / oder auf dem Transporteur muͤſſen die Grade ruͤckwarts biß 360° gezehlet wer - den.

Die 2. Anmerckung.

196. Die Magnet-Nadel muß aus ſauberm Stah - le duͤnne und lang geſchmiedet werden / doch niemals uͤber 6 Zoll ſeyn. Auch weil die Kraft des Magne - ten ſich nach einer graden Linie zertheilet / nirgends durchbrochene Zierathen haben. Es iſt gnung / daß man an einem Magnetiſchen Pole nur den einenTheil195der Geometrie. Theil der Nadel und zwar etwas langſam ſtreiche / und wird der Theil der Nadel / ſo ſich gegen Norden keh - ren ſol / auf dem Suͤder-Pole des Magnetens geſtrie - chen. Auch muß man niemals wieder zuruͤcke ſtrei - chen / weil ſonſt durch den Striech zuruͤcke wieder die Krafft benommen wird / die man durch den erſten ihr mitgetheilet. Bey uns / die wir gegen Norden woh - nen / wird das Nordtheil der Nadel jederzeit ſchwe - rer / wenn es geſtriechen worden / als das Suͤder-Theil. Derowegen muß man es anfangs etwas leichter ma - chen. Der Stift / worauf die Magnet-Nadel ruhet / kan zwar aus Meßing / doch mit einer zarten uud wohlgehaͤrte ten ſtaͤhlernen Spitze gemacht werden / damit ſie recht beweglich ſey.

Die 60. Aufgabe.

197. Eine Figur A B C D E in GrundTab XIX. Fig. 130. zu legen / die man gantz umbgehen kan.

Aufloͤſung.

  • 1. Setzet das Tiſchlein in A und vieſiret nach den Staͤben in B und E, damit ihr den Winckel BAE darauf bekommt.
  • 2. Meſſet die Linien AB und AE (§. 62.) und traget ſie nach dem verjuͤngten Maaß - Stabe (§. 189) auf das Tiſchlein.
  • 3. Gehet mit dem Tiſchlein in B und ſetzet den Punct b in B, vieſiret wieder zuruͤcke in A, ingleichen von dem neuen Puncte B in C, damit ihr den Winckel C B A auf das Tiſchlein bekommet.
  • 4. Meſſet die Linie BC (§. 62) und traget ſie auf das Tiſchlein (§. 189).
N 25. Wenn196Anfangs-Gruͤnde
  • 5. Wenn ihr die gantze Figur dergeſtalt umbgehet / ſo werdet ihr ſie in Grund ge - leget haben.

Beweiß.

Denn alle eure Winckel in der kleinen Fi - gur ſind den Winckeln in der groſſen gleich und die Linien verhalten ſich in der kleinen Fi - gur eben ſo wie in der groſſen.

Anders.

Meſſet alle Seiten der Figur (§. 62) und drey Winckel weniger als Seiten ſind (§. 61) ſo koͤnnet ihr nach der 33 Aufgabe (§. 139) die Figur in Grund legen.

Noch anders.

Tab. XX. Fig. 131.
  • 1. Setzet die Bouſſole in A und richtet ihre Mittags-Linie auf die Linie AB, verzeich - net dabey in euer Memorial / wie viel Gra - de die Magnet-Nadel davon abweichet / wie in der vorhergehenden Aufgabe (§. 194).
  • 2. Meſſet die Linie AB und traget ſie gleich - fals in euer Memorial ein.
  • 3. Umbgehet ſolcher geſtalt die gantze Figur / und zeichnet uͤberall in euer Memorial die Abweichung der Magnet-Nadel von ihrer Mittags-Linie und die Laͤnge derſelben Li - nien / daruͤber ſie ruhet. Und damit ihr die einwarts gebogenen Winckel von den andern unterſcheiden koͤnnet / ziehet nach der Laͤnge des Papieres in eurem Memoriale eine Linie und ſchreibet dieſeWin -197der Geometrie. Winckel zur Lincken / die anderen aber zur Rechten.
  • 4. Ziehet auf dem Papiere eine Linie a b und traget nach dem verjuͤngten Maaßſtabe die Linie AB aus eurem Memoriale darauf (§. 189). Setzet auf dieſelbe die Mittags - Linie euer Bouſſole und ruͤcket das Pa - pier mit derſelben ſo lange / biß die Mag - net-Nadel den in euer Memorial auf dem Felde verzeichneten Grad der Abweichung zeiget.
  • 5. Alsdenn laſſet euer Papier unverruͤckt / und ſetzt das centrum der Bouſſole auf den Punct B, wendet ſie umb daſſelbe ſo lange / biß die Magnet-Nadel den bey die - ſem Puncte auf dem Felde in euer Memo - rial verzeichneten Abweichungs-Grad zei - get / ſo koͤnnet ihr nach der Mittags-Linie der Bouſſole die Linie BC ziehen und ih - re groͤſſe aus dem Memorial durch den verjuͤngten Maaßſtab determiniren.
  • 6. Wenn ihr ſo fort fahret / werdet ihr endlich die verlangte Figur auf dem Papiere ha - ben.

Noch anders.

  • 1. Verrichtet auf dem Felde alles / wie vor -
    Tab. XX. Fig. 132.
    hin / nach der 1. 2 und 3 Regel.
  • 2. Ziehet auf dem Papiere mit Bleyweiß Parallel-Linien in beliebiger Weite.
  • 3. Nehmet einen an ein Parallel-Lineal be - feſ[ti]gten und (§. 195) in 360° eingetheiletenN 3Trans -198Anfangs-GruͤndeTransporteur. Leget das eine Lineal an eine von gedachten Parallel-Linien HK, und mercket euch auf dem Papiere den Punct / den der Grad der Abweichung auf den Felde im Puncte A nach eurem Me - moriale im Transporteur beruͤhret / und den Punct a, wo das centrum des Trans - porteurs lieget.
  • 4. Leget das Lineal an die beyden Puncte a und z, und nehmet von dem Maaß - ſtabe die Laͤnge der Linie A B, ſo koͤnnet ihr den Punct b abſtechen und die Linie ab ziehen.
  • 5. Laſſet das Lineal an einer Parallel-Linie liegen / und ſchiebet das centrum des Transporteurs biß in b, ſtechet durch Huͤlfe des auf dem Felde in B gefundenen Abweichungs-Grades andem Transpor - teur den Punct y ab, ſo koͤnnet ihr wie vorhin den Punct c finden und folgends die Linie bc ziehen.
  • 6. Wenn ihr ſo fort fahret / wird ſich endlich die gantze Figur geben.

Beweiß.

Der Beweiß iſt aus der 59 Aufgabe (§. 194) und ſeiner erſten Anmerckung (§. 195.) leicht abzunehmen. Wenn man nur mer - cket / daß die Parallel-Linien die Magnet - Nadel uͤber ihrer Mittags-Linie vorſtellen.

Die 63. Aufgabe.

198. Ein jedes Feld / oder einen jeden andern Platz auszurechnen.

Auf -199der Geometrie.

Aufloͤſung.

  • 1. Leget es zu erſt in Grund / nach den vor - hergehenden Aufgaben. Darnach
  • 2. Rechnet die Figur aus / nach der 38. Aufgabe (§. 152).

Die 62. Aufgabe.

194. Ein Parallelogrammum, inglei -Tab. XXI Fig. 133. 134. chen einen Triangel in ſo viel gleiche Theile zutheilen / als man verlanget.

Aufloͤſung.

  • 1. Theilet die baſin C D in ſo viel gleiche Theile als die Figur eingetheilet werden ſol (§. 185).
  • 2. Ziehet aus den Theilungs-Puncten 1. 2. in dem erſten Falle mit der andern Seite AC Parallel-Linien 1. 1 und 2. 2; in dem andern Falle aber Linien biß an die Spie - tze des Triangels A 1 und A 2: ſo ſind beyde Figuren in gleiche Theile getheilet (§. 170. 171).

Die 63. Aufgabe.

195. Zwiſchen zwey gegebenen Lini - en AB und BE eine mittlere Proportio -Tab. XXI Fig. 135. nal-Linie zufinden.

Aufloͤſung.

  • 1. Traget die gegebenen Linien AB und BE auf eine an einander und theilet ſie in C in zwey gleiche Theile (§. 112).
  • 2. Beſchreibet aus C mit CA einen halben Circul.
N 43. Rich -200Anfangs-Gruͤnde
  • 3. Richtet aus B die Perpendicular-Linie B D auf (§. 90). Dieſe iſt die verlangte Proportional-Linie.

Beweiß.

Der Winckel ADE iſt ein rechter Win - ckel (§. 108) ABD iſt auch ein rechter Win - ckel (§. 17). Der Winckel DAB iſt bey - den Triangeln D A B und D A E gemein. Derowegen iſt auch der Winckel ADB dem Winckel DEB gleich (§. 99). Nun iſt in dem Triangel DEB der Winckel DBE auch ein rechter Winckel (§. 17) folgends auch der Winckel BDE dem Winckel D A B gleich (§. 99). Demnach ſind die Triangel ADB und DBC einander aͤhnlich / und ich kan ſa - gen: Wie AB zu BD ſo BD zu BE (§. 182). W. Z. E.

Anmerckung.

196. Wenn man fuͤr 1 eine Linie annimmt und nach derſelben eine gegebene Zahl durch eine andere Linie exprimiret / ſo kan man durch dieſe Aufgabe vermittelſt des verjuͤngten Maaß-Stabes die Qva - drat-Wurtzel ausziehen (§. 83 21. Arithm.)

Die 64. Aufgabe.

Tab. XXI. Fig. 136.

197. Aus der gegebenen Sehne eines Bogens AB und deſſen Hoͤhe DE den Diametrum EF, und folgends das cen - trum des Circuls C zufinden.

Aufloͤſung und Beweiß:

  • 1. Suchet zu ED und DB die dritte Propor - tional-Linie (§. 107. Arithm. ) ſo habt ihr DF (§. 195).
2.201der Geometrie.
  • 2. Addiret zu DF die Hoͤhe des Bogens D E ſo habt ihr den Diametrum EF.
  • 3. Theilet denſelben in 2 gleiche Theile / ſo habt ihr den Radium EC und folgends das centrum C.

Z. E. Es ſey DE 8′ 3″ 6′ 6″

83 166 166

166

〈…〉

996

996

1696

27 556

415 EF

2)

2075‴ EC

Anmerckung.

198. Dieſe Aufgabe hat ihren Nutzen in der Bau - Kunſt / wenn man die Eroͤfnung der Thuͤren und Fenſter mit Boͤgenſchlieſſen ſol.

Die 65. Aufgabe.

Tab. XXI. Fig. 137.

198. Aus der gegebenen Sehne eines Bogens AB und ſeiner Hoͤhe DE den Jn - halt des Segments / das iſt des Stuͤckes von der Circul-Flaͤche ADBEA zu finden.

Aufloͤſung.

  • 1. Suchet zuerſt den Diametrum des Cir - culs DF (197).
  • 2. Beſchreibet damit einen Circul und trag[et]die Sehne AB darein.
N 53. Me[ſ -]202Anfangs-Gruͤnde
  • 3. Meſſet dem Winckel ACB mit dem Transporteur (§. 61) und
  • 4. Suchet alsdenn den Sectorem ACBDA (§. 166).
  • 5. Aus der gegebenen Sehne AB und dem Unterſcheide EC zwiſchen der Hoͤhe des Bogens DE und dem Radio DC ſuchet den Jnhalt des Triangels ACB (§. 150. 151.)
  • 6. Endlich ziehet den Triangel ACB von dem Sectore ACDBA ab / ſo bleibet das Seg - ment ADBEA uͤbrieg.

Die 66. Aufgabe.

200. Den Coͤrperlichen Jnhalt eines Cubi zu finden.

Aufloͤſung.

  • Der Maaßſtab des Coͤrperlichen Jnhalts iſt eine Cubic-Ruthe / das iſt / ein Wuͤrfel / der eine Ruthe lang / eine Ruthe dicke / und eine Ruthe breit iſt. Dieſe wird ein - getheilet in Cubic-Schuh / in Cubic-Zolle. Jenes ſind Wuͤrffel / die zur Seite einen Zoll haben.
  • Wenn ihr nun den Coͤrperlichen Jnhalt ei - nes Cubi wieſſen wollet / ſo
  • 1. Meſſet die Seite des Cubi und multipli - ciret ſie mit ſich ſelbſt / ſo habt ihr ſeine ba - ſin (§. 141. 32).
  • 2. Dieſe multipliciret weiter durch ſeine Sei - te / ſo kommt der Jnhalt des Cubi heraus.

Beweiß.

Man bilde ſich ein / es ſey die Seite desCubi203der Geometrie. Cubi in etliche gleiche Theile eingetheilet. So iſt klahr / daß ſo viel Schichten kleiner Wuͤrffel heraus kom̃en / als die Hoͤhe Theile hat / und in ieder Schichte ſo viel kleine Wuͤrſ - ſel als Qvadrate in der baſi ſind. Dero - wegen wenn man die Hoͤhe durch die baſin multipliciret / ſo kommt die Zahl der kleinen Wuͤrffel heraus / die der groſſe in ſich haͤlt. W. Z. E.

Zuſatz.

201. Wenn die Seite des Cubi 10 iſt / ſo iſt der Coͤrperliche Jnhalt 1000. Derowegen wenn die Seite 1 Ruthe oder 10 Schuhe haͤlt / ſo ſind 1000 ſchuhige Wuͤrfel in dem groſſen enthalten. Und demnach hat die Cubic-Ruthe 1000 Cubic-Schuhe / der Cu - bic-Schuh 1000 Cubic-Zolle; der Cubic - Zoll 1000 Cubic-Linien.

Der 24. Lehrſatz.

202. Alle Parallelepipeda, Priſmata und Cylinder / welche gleiche baſes und Hoͤ - hen haben / ſind einander gleich.

Beweiß.

Wenn man ein parallelepipedum, priſ - ma und einen Cylinder in lauter Scheiben zerſchneidet / ſo ſubtile als man wil; ſo ſind nicht allein alle Scheiben einander gleich (§. 29. 30); ſondern wenn zwey Coͤrper von ei - nerley Art auch gleiche Hoͤhe haben / ſo koͤn - nen aus einem nicht mehr als aus dem an -dern204Anfangs-Gruͤnde. dern geſchnitten werden. Und allſo faſſet ein Coͤrper ſo viel Raum in ſich als der an - dere. W. Z. E.

Tab. XXI. Fig. 139.

Die 67. Aufgabe.

203. Den Jnhalt eines Parellalepipe - di zu finden.

Aufloͤſung.

  • 1. Multipliciret die Laͤnge AB durch die Breite BC / ſo habt ihr die Baſin ABCE (§. 30. 145.).
  • 2. Dieſe multipliciret ferner durch die Hoͤhe BD / ſo kommt der verlangte Jnhalt her - aus.

Z. E. Es ſey A B 6′ / BC 15′.

B D 2

Laͤnge A B 36

Breite BC 15

180

36

Baſis ABCE 540

Hoͤhe BD 12

1080

54

Coͤrperlicher ( 4′ 80

Jnhalt.

Be -205der Geometrie.

Beweiß.

Der Beiß iſt eben wie in der 66. Aufga - be (§. 200).

Der 25. Lehrſatz.

Tab. XXII. Fig. 140.

204. Ein jedes Parallelepipedum wird durch die Diagonal-Flaͤche DBFA in zwey gleiche Priſmatæ getheilet.

Beweiß.

Die Diagonal-Linie DB theilet das pa - rallelogrammum ABCD in zwey gleiche Triangel (§. 135). Wenn dieſe beyde Tri - angel ABD und BDC ſich an einer Hoͤhe AG auf einerley Art herunter bewegen / beſchrei - ben ſie die Priſmata ADBFGH und DBCE FH (§. 27.) Derowegen muͤſſen dieſe Pri - ſmata einander gleich ſeyn. W. Z. E.

Die 68. Aufgabe.

205. Den Jnhalt eines ieden Priſmaris zu finden.

Aufloͤſung.

Tab. XXII. Fig. 14〈…〉〈…〉.
  • 1. Suchet die Baſin des Priſmatis nach der 35. 36. 37. und 38. Aufgabe / (§. 145. 149. 150. 152).
  • 2. Multipliciret ſelbige durch die Hoͤhe / ſo kommt der verlangte Jnhalt heraus.

Z. E. Es ſey AB 8′ CD 6〈…〉〈…〉 AE 15′

AB206Anfangs-Gruͤnde

AB 8

½ CD 3

Baſis ABC 24

Hoͤhe AE 15

120

24

Jnhalt des 360′

Priſmatis.

Beweiß.

Das dreyeckichte Priſma iſt die Helffte eines Parallelepipedi, welches mit ihm einer - ley Hoͤhe / aber eine doppelte baſin hat (§. 204). Wenn man die gantze baſin des Pa - rallelepipedi mit der Hoͤhe multipliciret / ſo bekommt man ſeinen Jnhalt (§. 203.) De - rowegen wenn man die Helffte von der Baſi des Parallelepipedi, das iſt / die baſin des dreyeckichten Priſmatis durch die Hoͤhe mul - tipliriret / ſo muß die Helffte des Parallelepi - pedi, das iſt / der Jnhalt des Priſmatis her - aus kommen. Alle uͤbriegen Priſmata laſ - ſen ſich in dreyeckichte zertheilen / und allſo gielt auch von ihnen / was von den dreyeckich - ten erwieſen worden.

Die 69. Aufgabe.

206. Aus der gegebenen Hoͤhe eines Cylinders und dem Diametro deſſelben ſeinen Jnhalt zu finden.

Auf -207der Geometrie.

Aufloͤſung.

  • 1. Suchet die baſin des Cylinders nach der 41. Aufgabe (§. 163).
  • 2. Multipliciret ſelbige durch ſeine Hoͤhe / ſo habet ihr den verlangten Jnhalt.

Z. E. Es ſey der Diameter AB 560″ / die Hoͤ - he BC 892 / ſo iſt

die Baſis 246176″

die Hoͤhe BC 892″

492352

22155 84

1969408

Jnhalt 219588992

des Cylinders.

Beweiß.

Weil der Circul ein Regulaͤres Viel-E - cke iſt / ſo unzehlig viel Seiten hat / ſo kan man den Cylinder als ein Priſma anſehen / welches unzehlich viel Seiten hat. Und dannenhero wird ſein Jnhalt gefunden / wenn ſeine baſis durch die Hoͤhe multipliciret wird. (§. 205) W. Z. E.

Tab XXII. Fig. 143.

Der 26. Lehrſatz.

207 Pyramiden und Coni, die gleiche baſes und Hoͤhen haben / ſind einander gleich.

Beweiß.

Es ſey ABC eine Seiten-Flaͤche von einer Pyramide / und DEF von der andern / ſo iſt AM = DO und BC = EF. Nun ziehe manGK208Anfangs-GruͤndeGK mit BF und AD parallel / ſo iſt auch AL = DN und AL: AM = GL: BM inglei - chen AL: AM = LH: MC (§. 177.) fol - gends AL: AM = GL LH: BM MC = GH: BC. Auf eben ſolche Weiſe kan er - wieſen werden / daß DN: DO = AL: AM = IK: EF. Derowegen iſt auch GH: BC = IK: EF / und GH: IK = BC: EF (§. 104. Arithm.) Da nun BC = EF / ſo iſt auch G H = IK. Weil eben dergleichen in allen - briegen Flaͤchen / welche die Pyramide ein - ſchlieſſen / erwieſen werden kan: ſo muͤſſen die Durchſchnitte in beyden Pyramiden von gleicher Groͤſſe ſeyn / wenn ſie in gleicher Hoͤ - he geſchehen. Da aber die gantze Hoͤhen der Pyramiden HM und DO von gleicher Groͤſſe ſind / kan man in einer nicht mehr Durchſchnitte haben als in der andern. Und demnach ſind die Pyramiden einander gleich: welches das erſte war.

Weñ man die Triangel abc und def fuͤr die Durchſchnitte zweyer Conorum annimmt / dadurch ſie von der Spietze bis durch die ba - ſin in zwey gleiche Theile getheilet werden; ſo ſind GH und IK die Diametri der Circul / welche aus den mit den baſibus parallel ge - ſchehenen Durchſchnitten entſtehen / (§. 54.) und alſo iſt abermahl klahr / daß dieſe Cir - cul und folgends die gantzen Coni einander gleich ſeyn muͤſſen: welches das andere war.

Der209der Geometrie.

Der 27. Lehrſatz.

Tab. XXIII. Fig. 144.

208. Ein iedes dreyeckichtes Priſma kan in drey gleiche Pyramiden getheilet werden.

Beweiß.

Die Pyramiden ADEF und ACBE ha - ben einerley Hoͤhe BE und gleiche Baſes DEF und ABC (§. 28): Derowegen ſind ſie einan - der gleich (§. 207). Wiederum die Pyra - miden ACBE und CEFA haben gleiche Ba - ſes BCE und CEF (§. 135) und einerley Hoͤhe / in dem ſie beyde in A zuſammen ſtoſ - ſen. Derowegen ſind ſie auch einander gleich (§. 207). Folgends ſind alle drey ein - ander gleich (§. 28.) W. Z. E.

Anmerckung.

209. Wenn man das Priſma aus Holtz verferti - gen und auf gehoͤrige Weiſe ſchneiden laͤſt / ſo iſt den Anfaͤngern der Beweis leichter zubegreiffen.

Der 1. Zuſatz.

210. Eine dreyeckichte Pyramide iſt der dritte Theil von einem Priſmate, ſo mit ihr gleiche baſin und gleiche Hoͤhe hat.

Der 2. Zuſatz.

211. Weil iedes vieleckichtes Priſma in vie - le dreyeckichte ſich zertheilen laͤſt; ſo muß eine iede Pyramide der dritte Theil von ei - nem Priſmate ſeyn / ſo mit ihr gleiche baſin und gleiche Hoͤhe hat.

O212.210Anfangs-Gruͤnde

Der 3. Zuſatz.

212. Da nun ein Conus vor eine Pyrami - de zu halten iſt / welche unzehlig viel Ecken hat; ſo wird auch dieſelbe der dritte Theil eines Cylinders ſeyn / ſo gleiche baſin und gleiche Hoͤhe mit ihr hat.

Die 70. Aufgabe.

213. Den Jnhalt einer Pyramide / in - gleichen eines Coni zu finden.

Aufloͤſung.

  • 1. Suchet nach der 68. und 69. Aufgabe (§. 205. 206) den Jnhalt eines Prismatis und Cylinders / ſo gleiche Baſes und Hoͤ - hen mit der Pyramide und dem Cono haben.
  • 2. Dieſen dividiret durch 3 / ſo kommt der Jnhalt der Pyramide und des Coni her - aus (§. 211. 212.)
  • Z. E. der Jnhalt des Priſmatis iſt (§. 205) 360′. Allſo iſt der Jnhalt der Pyrami - de 120. Der Jnhalt des Cylinders iſt (§. 206.) 195′ 889″ 92. Alſo kommen fuͤr den Conum 73196330⅔.
Tab. XXIIFig. 145.

Die 71. Aufgabe.

214. Den Jnhalt eines abgekuͤrtzten Coni ABCD zu finden.

Aufloͤſung.

  • 1. Wenn man inferiret: wie der Unterſcheid AH der beyden Diametrorum AB und CD zu der Hoͤhe des abgekuͤrtzten ConiCH211der Geometrie. CH / ſo der halbe groſſe Diameter A G zu der Hoͤhe des gantzen Coni EG (§. 177); ſo kan man durch die Regel detri die Hoͤ - he des gantzen Coni EG finden (§. 107).
  • 2. Aus dieſer und dem Diametro AB ſuchet den Jnhalt des gantzen Coni AEB (§. 213).
  • 3. Ziehet die Hoͤhe des abgekuͤrtzten Coni FG von der Hoͤhe des gantzen EG ab / ſo blei - bet die Hoͤhe des abgeſchnittenen Coni - brieg.
  • 4. Suchet aus dieſer und dem Diametro ED den Jnhalt des Coni ECD (§. 213.)
  • 5. Endlich ziehet den kleinen Conum ECD von dem groſſen AEB ab / ſo bleibt der Jn - halt des abgekuͤrtzten ACDB uͤbrieg.

Z. E. Es ſey AB 36 / CD 20 / FG 12; ſo iſt AG 18 / CF 10 und AH 8; demnach

O 28 212Anfangs-Gruͤnde

8 12 10

10 〈…〉

(15 EG.

120

100 314 36

36

18 84

942

113&|04 Peripherie der groſ - 〈…〉 & |00 ſen Baſis.

9 = ¼ AB

1017 die groſſe Baſis.

5 = EF

5085 Jnhalt des Coni AEB

100 314 20

20

62|80

1|00 Peripherie der klei - 50″ = ¼ CD nen Bafis.

314|00 die kleine Baſis.

1 = EF

314 Jnhalt des Coni FCD

5.0 85 Jnhalt des Coni AEB.

4771 Jnhalt des abgekuͤrtz - ten Coni ABDC.

Der213der Geometrie.

Der 28. Lehrſatz.

Tab. XXII Fig. 146.

215. Die Kugel iſt von einem Cy - linder / der gleiche baſin und Hoͤhe mit ihr hat.

Beweiß.

Weñ das Qvadrat ABCD ſich umb ſeine Seite DC herumb drehet / ſo beſchreibet es ei - nen Cylinder / der Qvadrant DBC eine hal - be Kugel / und der Triangel ADC einen Co - num (§. 25. 27. 33.) Weil die Hoͤhe DC in allen dreyen Coͤrpern einerley iſt / ſo koͤnnen in einem nicht mehr Durchſchnitte gemacht werden als in dem andern. Es ſtelle die Li - nie HE den Diameter eines Durchſchnittes vor / ſo verhaͤlt ſich der Durchſchnitt des Cy - linders wie das Qvadrat HE oder GC / der Durchſchnitt der Kugel wie das Qvadrat GE und der Durchſchnitt des Coni wie das Qvadrat FE oder EC (§. 43). Denn weil BC = HE und GC = BC (§. 43.); ſo iſt auch HE = GC. Jngleichen weil CD = AD (§. 20.) ſo iſt auch EC = EF [§. 177]. Wenn man nun das Qvadrat EC / das iſt den Durchſchnitt des Coni, von dem Qvadrat GC / das iſt dem Durchſchnitte des Cylin - ders / wegnimmt; ſo bleibet das Qvadrat GE / das iſt der Durchſchnitt der Kugel - brieg [§. 167.] Da nun dieſes von allen Durchſchnitten gielt / ſo folget / daß / wenn man den Jnhalt des Coni von dem Jnhalt des Cylinders wegnimmt / der Jnhalt derO 3fal -214Anfangs-Gruͤndehalben Kugel uͤbrieg bleibe. Derowegen weil der Conus des Cylinders iſt [§. 212.] ſo muß die halbe Kugel von demſelben ſeyn folgends auch die gantze Kugel von einem / Cylinder / der mit ihr gleiche Hoͤhe und baſin hat. W. Z. E.

Der 29. Lehrſatz.

216. Der Cubus Diametri verhaͤlt ſich zu der Kugel beynahe wie 300 zu 157.

Beweiß.

Wenn der Diameter der Kugel 100 iſt / ſo haͤlt der Cubus deſſelben 1000000 (§. 200) und der Cylinder / der mit der Kugel eine Ba - ſin und Hoͤhe hat / 785000 (§. 206). Und demnach iſt der Jnhalt der Kugel 5233 33⅓ (§. 215). Solchergeſtalt verhaͤlt ſich der Cubus zur Kugel / wie 1000000 zu 523 333⅓ / das iſt / wenn man beyderſeits mit 3 mul - tipliciret / wie 3000000 zu 1570000 (§. 67. Arithm. ) oder / wenn man ferner durch 10000 dividiret / wie 300 zu 157. (§. 68. Arithm. ) W. Z. E.

Anmerckung.

217. Jch ſage / der Cubus Diametri verhalte ſich zur Kugel beynahe wie 300 zu 157 / weil man voraus ſetzet / der Diameter im Circul verhalte ſich zu ſeiner Peripherie wie 100 zu 314: welches aber nur beyna - he zutrieft (§. 158).

Der 30. Lehrſatz.

218. Die Kugel iſt einer Pyramidegleich /215der Geometrie. gleich / deren Baſis der gantzen Kugel - Flaͤche / die Hoͤhe aber der Helffte ihres Diametri gleichet.

Beweiß.

Wenn ein vieleckichter Coͤrper um eine Kugel beſchrieben iſt / ſo kommt er ihrem Jn - halt immer naͤher / ie kleiner die Flaͤchen ſind / ſo ihn einſchlieſſen / und die Kugel beruͤhren. Wenn man nun dieſelben Flaͤchen unendlich klein annimmt / das iſt / ſo klein / als man nur ſetzen wil; werden ſie endlich mit der Kugel - Flaͤche eines werden. Jch kan aber eine ie - de von dieſen unendlich kleinen Flaͤchen fuͤr die baſin einer Pyramide annehmen / de - ren Spietze ſich im centro der Kugel endi - get. Und dannenhero iſt die Kugel anzuſe - hen / als wenn ſie aus unzehlich viel derglei - chen Pyramiden zuſammen geſetzt waͤre. Folgends kan man ſie mit Recht einer Pyra - mide gleich achten / welche zu ihrer Baſi eine Figur hat / welche der gantzen Kugel-Flaͤche gleich iſt / und zu ihrer Hoͤhe den halben Dia - metrum der Kugel (§. 213). W. Z. E.

Der 31. Lehrſatz.

219. Die Kugel-Flaͤche verhaͤlt ſich zu dem groͤſten Circul der Kugel wie 4 zu 1.

Beweiß.

Weil der Jnhalt der Kugel dem Jnhalt einer Pyramide gleich iſt / deren Baſis der Kugel-Flaͤche / die Hoͤhe aber ihrem halbenO 4Dia -216Anfangs-GruͤndeDiametro gleichet (§. 218.); ſo kommt die Kugel-Flaͤche heraus / wenn man den Coͤr - perlichen Jnhalt der Kugel durch den dritten Theil des halben Diametri / oder den ſechſten des gantzen dividiret (§. 213.) Nun wenn der Diameter 100 iſt / ſo iſt der Jnhalt des groͤſten Circuls 7850 (§. 173) / der Jnhalt a - ber der Kugel 523333⅓ (§. 215.) oder $$\frac {1570000}{3}$$ dividiret ihr dieſen durch den ſechſten Theil des Diametri $$\frac {100}{6}$$ / ſo kommt fuͤr die Kugel - Flaͤche 31400 (§. 80. Arithm.) Demnach verhaͤlt ſich die Kugel-Flaͤche zu dem groͤſten Circul der Kugel / wie 31400 zu 7850 / das iſt / wenn man beyderſeits mit 7850 dividiret / wie 4 zu 1 (§. 68. Arithm.) W. Z. E.

Zuſatz.

220. Wenn der Diameter eines Circuls 100 iſt / ſo iſt die Peripherie 314 (§. 158). All - ſo kommt die Kugel-Flaͤche 31400 heraus / wenn man die Peripherie durch den Diame - trum multipliciret. Derowegen iſt dieſel - be einem Rectangulo gleich / das zur Baſi die Peripherie des groͤſten Circuls in der Ku - gel / zur Hoͤhe aber ihren Diametrum hat (§. 145).

Die 72. Aufgabe.

221. Aus dem gegebenen Diametro ei - ner Kugel / ſo wol den Jnhalt ihrer Flaͤche / als ihren Coͤrperlichen Jnhalt zu finden.

Auf -117[217]der Geometrie.

Aufloͤſung.

  • 1. Suchet die Peripherie des groͤſten Circuls nach der 39 Aufgabe (§. 161).
  • 2. Multipliciret ſie durch den gegebenen Diametrum / ſo habt ihr die Kugel-Flaͤ - che (§. 220.)
  • 3. So ihr nun ferner dieſelbe durch den ſech - ſten Theil des Diametri multipliciret / oder durch den gantzen Diametrum und das Product durch 6 dividiret; kommet der Coͤrperliche Jnhalt der Kugel heraus (§. 218. 213).

Z. E. Es ſey der Diameter 5600″ / ſo iſt die Peripherie des groͤſten Circuls 17584‴

Diameter 5600

10550400

87920

Kugel-Flaͤche 984704″

Diameter 560

59082240

4923520

〈…〉 34240

Jnhalt der Kugel.

Die 73. Aufgabe.

222. Aus dem gegebenen Diametro ei -ner217[218]Anfangs-Gruͤndener Kugel ihren Coͤrperlichen Jnhalt noch auf eine andere Art zufinden.

Aufloͤſung.

  • 1. Suchet den Cubuum des Diametri, nach der 66 Aufgabe / (§. 200) oder in den Tabellen uͤber die Cubic-Zahlen.
  • 2. Suchet zu 300 / 157 und dem gefundenen Cubo die vierdte Proportional-Zahl (§. 107. Arithm. ) dieſe iſt der Coͤrperliche Jn - halt der Kugel (§. 216).

Z. E. Es ſey der Diameter einer Kugel 64″ ſo iſt deſſen Cubus 262144 / folgends

300 157 262144

157

1835008

1910720

262144

〈…〉 41156608

Jnhalt der Kugel.

Der 32. Lehrſatz.

223. Alle Priſmata, ingleichen Parallele - pipeda, Cylinder / Pyramiden und Coni, wenn ſie gleiche Hoͤhen haben / verhal - ten ſich wie ihre Baſes.

Beweiß.

Priſmata, Parallelepipeda und Cylinder verhalten ſich wie die Producte aus ihren Hoͤ - hen in ihre Baſes (§. 203. 205. 206 ); Py -rami -219der Geometrie. ramiden aber und Coni wie die Producte aus dem dritten Theile ihrer Hoͤhen in ihre Baſes (§. 213): und allſo alle insgeſammt / weil ihre Hoͤhen gleich ſind / wie die Baſes (§. 68. Arithm.) W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

224. Aus dieſem Beweiſe iſt zugleich klahr / daß / wenn die in dem Satze benennten Coͤr - per einerley Baſes haben / ſie ſich wie ihre Hoͤ - hen verhalten muͤſſen.

Der 2. Zuſatz.

225. Und weil die Cylinder Circul zu ih - ren Grund-Flaͤchen haben (§. 27) die Circul aber ſich wie die Qvadrate ihrer Diametro - rum verhalten (§. 160); ſo muͤſſen auch die Cylinder von gleicher Hoͤhe ſich wie die Qva - drate ihrer Diametrorum, oder der Diame - trorum ihrer Grundflaͤchen verhalten.

Der 33. Lehrſatz.

226. Die Kugeln verhalten ſich gegen einander wie die Cubi ihrer Diametro - rum.

Beweiß.

Wie die eine Kugel zu dem Cubo ihres Diametri, ſo verhaͤlt ſich auch die andere zu dem Cubo ihres Diametri, (§. 216). De - rowegen verhaͤlt ſich auch die eine Kugel zu der andern wie der Cubus des Diametri der einen zu dem Cubi des Diametri der andern (§. 104). W. Z. E.

Die220Anfangs-Gruͤnde

Die 74. Aufgabe.

227. Einen Vieſier-Stab zu verferti - gen / durch den man leichte finden kan / wie viel Kannen von einer fluͤßigen Materie als Bier / Wein / BrandteweinTab. XXII. Fig. 147. u. ſ. w. in einem Cylindriſchen Gefaͤſſe enthalten ſind / oder Raum haben.

Aufloͤſung

  • 1. Nehmet den Diameter von einem Cylin - driſchen Gefaͤße / dergleichen man zu einem Kannen-Maaſſe brauchet / und traget ihn aus A in B.
  • 2. Richtet in A eine lange Perpendicular-Li - nie auf und traget aus A in 1 den Dia - meter des Kannen-Gefaͤſſes; ſo iſt die Li - nie B 1 der Diameter von einem zweykan - nigen Gefaͤſſe / welches mit dem Einkanni - gen einerley Hoͤhe hat.
  • 3. Traget B 1 aus A in 2 / ſo iſt B 2 der Dia - meter eines dreykannigen Gefaͤſſes / wel - ches mit dem Einkannigen einerley Hoͤhe hat.
  • 4. Wenn ihr nun auf gleiche Art die Puncte 3. 4. 5. 6 u. ſ. w. gefunden / ſo traget dieſel - ben auf die eine Seite des Vieſier-Sta - bes / auf die andere aber die Hoͤhe der Kañe ſo viel mal / als angehet. So iſt ge - ſchehen / was man verlangte.

Beweiß.

Denn wenn zwey Cylindriſche Gefaͤſſe ei - nerley Hoͤhe und zwar die Hoͤhe einer Kanneha -221der Geometrie. haben / verhalten ſie ſich wie die Qvadrate ih - rer Diametrorum (§. 225). Daher iſt das Qvadrat eines zwey-kannigen Gefaͤſſes zweymal; eines drey-kannigen dreymal; eines vier-kannigen viermal ſo groß als eines Einkannigen / u. ſ. w. Nun iſt das Qvadrat B 1 oder A 2 zwey mal; Das Qvadrat B 2 oder A 3 dreymal; Das Qvadrat B 3 oder A 4 viermal ſo groß als das Qvadrat AB oder A 1 (§. 167) / u. ſ. w. Da nun AB oder A 1 der Diameter eines Einkannigen Gefaͤſſes iſt / ſo iſt A 2 der Diameter eines zwey-kannigen / A 3 der Diameter eines drey - kannigen / A 4 der Diameter eines vier-kan - nigen u. ſ. w. Derowegen wenn ihr mit der Seite des Maaß-Stabes / da dieſe Einthei - lungen aufgezeichnet ſind / den Diameter ei - nes Cylindriſchen Gefaͤſſes ausmeſſet; ſo wiſſet ihr / wie viel Kannen auf dem Boden ſtehen koͤnnen. Meſſet ihr nun ferner mit der anderen Seiten des Vieſier-Stabes die Hoͤhe des Gefaͤſſes / ſo wiſſet ihr / wie viel Kan - nen uͤbereinander ſtehen koͤnnen. Derowe - gen wenn ihr den Diameter durch die Hoͤhe multipliciret / ſo kommt die Anzahl der Kan - nen heraus / die das gantze Gefaͤſſe faſſen kan. Und ſolcher geſtalt koͤnnet ihr durch den ver - fertigten Vieſier-Stab den Jnhalt eines Cy - lindriſchen Gefaͤſſes nach Kannen-Maaſſe finden. W. Z. E.

An -222Anfangs-Gruͤnde

Anmerckung.

228. Es ſey Z. E. Der Diameter eines Cylin - driſchen Gefaͤſſes 8 / die Hoͤhe 12; ſo haben 96 Kan - nen in demſelben Raum.

Die 75. Aufgabe.

229. Ein gegebenes Faß zu vieſieren / das iſt / zufinden / wie viel Kannen inTab. XXIII. Fig. 148. demſelben Raum haben.

Aufloͤſung.

  • 1. Meſſet mit der gehoͤrigen Seite des Vie - ſier-Stabes den Diameter des Bodens AB / ingleichen den Diameter des Bau - ches durch das Spund-Loch CD: Dabey mit der andern Seite des Vieſier-Sta - bes die Laͤnge des Faſſes AE.
  • 2. Weil das Faß mitten bey dem Spund - Loche einen Bauch hat / gegen den Boden aber beyderſeits niedergedruckt iſt / ſo nimmt man an (weil es vermoͤge der Er - fahrung zutrifft / ob es gleich ſich Geome - triſch nicht erweiſen laͤſt) daß das Faß ei - nem Cylinder gleich ſey / deſſen Grund - Flaͤche oder baſis der mittlere Arithme - tiſche Proportional-Circul zwiſchen dem kleinen Circul des Bodens und dem groſſen des Bauches iſt. Suchet demnach zwi - ſchen dem groſſen Diametro CB und dem kleinen A E die mittlere Proportional - Zahl (§. 100 Arithm. ) und
  • 3. Multipliciret ſie durch die Laͤnge des Faſ - ſes AE; ſo kommt vermoͤge des Be -wei -223der Geometrie. weiſes der vorhergehenden Aufgabe (§. 227. die Zahl der Kannen heraus / welche in dem Faſſe Raum haben;

Z. E. Es ſey AB = 8

CD = 12

ſo iſt die Summe = 20

die halbe Summe = 10

AE = 15

Jnhalt des Faſſes = 150 Kannen.

Anmerckung.

230. Einige ſehen das Faß als einen aus zweỹ ab - gekuͤrtzten Conis zuſammen geſetzten Coͤrper an und ſuchen demnach deſſelben Jnhalt nach der 71. Aufgabe (§. 214). Andere haben das Faß auf andere Arten der Geometriſchen Coͤrper zu reduci - ren geſucht / wie aus des Wallifii Algebra cap. 81. f. 349. 350 Vol. 2. Oper. Mathem. zu erſehen. Und Johannes Dougharty, ein Engellaͤnder / hat in ſei - nem General Gauger oder allgemeinem Vieſierer die Regeln der Geometrarum zum Gebrauch der Wein - Vieſierer nach ihrem Begrief eingerichtet. Allein da die gemeine Methode ziemlich nahe zu trift und man im gemeinen Leben nach der Geometriſchen Schaͤrfe nicht zu fragen hat; koͤnnen wir es bey derſelben be - wenden laſſen. Nur iſt zu mercken / daß man noch keine Methode erſonnen Faͤſſer / die nicht voll ſind / zu vieſiren / wenn ſie nach der Laͤnge liegen. Wil man ſie aber auf den Boden ſetzen und hernach die Hoͤhe des Weines an ſtat der Laͤnge des Faſſes an - nehmen: ſo kan man nach gegenwaͤrtiger Aufgabe finden / wie viel Kannen darinnen enthalten ſind. Wollet ihr aber die Hoͤhe des Weiges wiſſen ſoſteckt224Anfangs-GruͤndeTab. XXIII. Fig. 149.ſteckt eine Roͤhre ABCD in das Zapfen-Loch und mercket / wie hoch der Wein in C D ſteiget: oder haͤngt einen Bleywurf durch das Spundloch hinein / biß er auf den Boden faͤllt und mercket / wie weit der Faden naß wird.

Die 76. Aufgabe.

Tab. XXIV. Fig. 150.

231. Eines ieden Jrregulaͤren Coͤr - pers Jnhalt zufinden.

Aufloͤſung.

  • 1. Leget den Coͤrper in ein aus gehoͤletes Pa - rallelepipedum und uͤbergieſſet ihn mit Waſſer / oder uͤberſchuͤttet ihn mit San - de. Mercket dabey die Hoͤhe des Waſ - ſers / oder des wohlgeebneten Sandes AB.
  • 2. Nehmet den Coͤrper heraus und mercket abermal die Hoͤhe des Waſſers oder des Sandes / nachdem er wieder geebnet wor - den / AC.
  • 3. Weil nun der Jnhalt des Coͤrpers dem Parallelepipedo DFCGE gleich iſt / ſo meſſet die Laͤnge und Breite deſſelben be / und ſuchet nach der 67 Aufgabe / (§. 203) den Jnhalt deſſelben.

Z. E. Es ſey AB 8′ / AC 5′ ſo iſt BC 3′. Es ſey ferner DB 12′ / BE 4′: ſo wird end - lich der Jnhalt des Coͤrpers 192′ gefunden.

Anmerckung.

232. Wenn man den Coͤrper in dergleichen Ge - faͤſſe nicht wohl legen kan / als wenn man zum Exem - pel eine feſt ſtehende Statue ausmeſſen ſollte; ſo darf man nur entweder ein Parallelepipedum oderein225der Geometrie. ein Viereckichtes Priſma umb denſelben aufrichten / den leeren Raum mit Sand ausfuͤllen und im uͤbrie - gen wie vorhin verfahren.

Der 34. Lehrſatz.

233. Es ſind nicht mehr als fuͤnf Re - gulaͤre Coͤrper moͤglich.

Beweiß.

Ein Regulaͤrer Coͤrper iſt in lauter gleiche regulaͤre Figuren eingeſchloſſen / und zwar in Figuren von einerley Art (§. 37). Die Winckel aber der Flaͤchen / die zuſammen ſtoſſen / muͤſſen allzeit weniger als 360 Grad ausmachen. Denn wenn ſie 360 Grad ausmachen / liegen ſie in einer ebenen Flaͤche neben einander und ſchlieſſen allſo keinen Raum ein.

Nun iſt der Winckel in einem Regulaͤren Dreyecke 60 Grad (§. 102) und drey ma - chen 180 / vier aber 240 und fuͤnfe 300. Derowegen koͤnnen drey / vier und fuͤnfe Regulaͤre oder gleichſeitige Triangel zuſam - menſtoſſen. Hingegen weil ſechs 360 Grad machen / ſo koͤnnen ſechs gleichſeitige Trian - gel / wenn ſie zuſammen ſtoſſen / keinen Coͤr - perlichen Winckel machen / folgends noch we - niger mehrere. Derowegen entſtehen ausTab. XXIV. Fig. 151. 152. 153. den gleichſeitigen Triangeln nur drey Regu - laͤre Coͤrper / nemlich das Tetraëdrum, wel - ches in vier; das Octaëdrum, welches in ach - te / und das Jcoſaëdrum, welches in zwan - tzig gleichſeitige Triangel eingeſchloſſen.

PDer226Anfangs-Gruͤnde
Tab. XXIV. Fig. 154.

Der Winckel im Qvadrate haͤlt 90 Grad (§. 20. 53). Darumb koͤnnen nicht mehr als drey Qvadrate in einem Coͤrperlichen Win - ckel zuſammen ſtoſſen. Und daher entſte - het das Hexaëdrum oder der Wuͤrfel.

Tab. XXIV. Fig. 155.

Endlich der Winckel im Fuͤnf-Ecke iſt 108 Grad (§. 121). Darumb koͤnnen nicht mehr als drey Winckel in einem Coͤrperlichen Win - ckel zuſammen kommen. Und daher entſte - het das Dodecaëdrum, welches in 12 Regu - laͤre Fuͤnf-Ecke eingeſchloſſen iſt.

Jn allen uͤbriegen Regulaͤren Figuren ſind drey Winckel mehr als 360 Grad / und koͤn - nen ſolcher geſtalt aus ihnen keine Regulaͤre Coͤrper entſtehen. Darumb haben wir nicht mehr als Fuͤnf Regulaͤre Coͤrper. W. Z. E.

Anmerckung.

234. Man zeiget insgemein in der Geometrie / wie man Netze von Papier machen kan / die fuͤnf Regu - laͤren Coͤrper daraus zuſammen zu legen. Allein weil dieſe Arbeit ſchlechten Nutzen bringt / wollen wir uns damit nicht aufhalten.

ENDE der Geometrie.

TAB. I.
TAB. I.
TAB. II.
TAB. II.
TAB. III.
TAB. III.
TAB. IV.
TAB. IV.
TAB. V.
TAB. V.
TAB. VI.
TAB. VI.
TAB. VII.
TAB. VII.
TAB. VIII.
TAB. VIII.
TAB. IX.
TAB. IX.
TAB. X.
TAB. X.
TAB. XI.
TAB. XI.
TAB. XII.
TAB. XII.
TAB: XIII
TAB: XIII
TAB: XIV.
TAB: XIV.
TAB: XV.
TAB: XV.
TAB: XVI.
TAB: XVI.
TAB: XVII.
TAB: XVII.
TAB: XVIII
TAB: XVIII
TAB: XIX.
TAB: XIX.
TAB: XX.
TAB: XX.
TAB: XXI.
TAB: XXI.
TAB: XXII.
TAB: XXII.
TAB: XXIII
TAB: XXIII
TAB: XXIV.
TAB: XXIV.
[227]

Anfangs-Gruͤnde Der Trigonometꝛie.

[228][229]

Vorrede.

Geneigter Leſer:

DJe Trigonometrie kom - met einem Anfaͤnger zwar gantz ſchlecht vor und ſollte er meinen / es waͤre an ihrer Erkaͤntnis wenig / ja gar nichts gelegen. Allein alle ver - ſtaͤndige in der Mathematick wiſ - ſen / daß wir der vortreflichſten Er - findungen wuͤrden beraubet wer - den / wenn man uns die Trigono - metrie nehmen wollte. Wir wuͤ - ſten nichts von der groͤſſe der Ster - ne / ihrer Entfernung von der Er - de / ihrer Bewegung / den Sonn - und Mond-Finſterniſſen / der groͤſſe der Erd-Kugel und anderen unzeh - lichen Dingen mehr / wenn wir nicht dieſe Wiſſenſchafft haͤtten. JhrP 3habet230Vorrede. habet demnach die Trigonometrie anzuſehen als eine Kunſt die ver - borgenſten Dinge an das Tage-Licht zubringen. Derowegen erlernet dieſelbe mit Fleiß und erwartet mit Gedult / biß ihr in den folgenden Theilen der Mathematick zum Theil auch aus dieſen Anfangs-Gruͤnden ihren unausſprechlichen Nutzen er - kennen lernet. Wenn euch aber der Glaube in die Hand kommen wird; ſo lernet ins kuͤnftige vor - ſichtiger von dem Nutzen der Sachen urtheilen.

An -231

Anfangs-Gruͤnde Der Trigonometrie.

Die erſte Erklaͤhrung.

1.

DJe Trigonometrie iſt eineTab. I. Fig. 1. Wieſſenſchaft aus drey gegebe - nen Theilen eines Triangels die uͤbriegen drey zu finden / Z. E. aus zwey Seiten AB und AC und einem Winckel C die uͤbriegen beyden Winckel A und B nebſt der Seite BC.

Die 2. Erklaͤhrung.

2. Die halbe Sehne A D eines Bo -Tab. I. Fig. 2. gens AB heiſſet der SINUS des Bogens AE, ingleichen des Bogens AI, welche die Helften der Bogen AEB und AIB ſind.

Der 1. Zuſatz.

3. Derowegen ſtehet der Sinus eines Bo - gens AD auf dem Radio des Circuls EC per - pendicular (§. 118. Geom.)

Der 2. Zuſatz.

4. Weil der Bogen AE das Maaß des Winckels ACE und der Bogen AI das Maaß des Winckels ACI iſt (§. 14. Geom.) / ſo iſt auch AD der Sinus derſelben Winckel.

Der 3. Zuſatz.

5. Und allſo haben zwey Winckel / die ne -P 4ben232Anfangs-Gruͤndeben einander auf einer Linie EI ſtehen / einer - ley Sinum.

Die 3. Erklaͤhrung.

6. Die Linie EF, welche auf dem Ende des Radii EC perpendicular aufgerich - tet wird / heiſſet des Bogens AE und fol - gends des Winckels ECA TANGENS; FC aber deſſelben Bogens und Win - ckels SECANS.

Die 4. Erklaͤhrung ..

7. Hingegen ED wird ſein SINUS VERSUS und AG (= DC) der Sinus des Bogens AH, welcher mit EA 90 Grad macht / der SINUS COMPLEMENTI ge - nennet.

Die 5. Erklaͤhrung

8. Endlich der RADIUS EC heiſſet der SINUS TOTUS.

Zuſatz.

9. Weil der Radius EC der Sinus des Qvadranten EH iſt; ſo iſt der Sinus totus der Sinus eines rechten Winckels (§. 53. Geom.)

Der 1. Lehrſatz.

Tab. I. Fig. 3.

10. Die Sinus aͤhnlicher Bogen BC und EF haben gegen ihre Radios AB und ED einerley Verhaͤltnis.

Beweiß.

Wenn die Bogen BG und EH einander aͤhnlich ſind / ſo hat jeder gleichviel Grade und allſo ſind die Winckel A und D einander gleich (§ 47 Geom). Nun ſind bey C undF rech -233der Trigonometrie. F rechte Winckel (§. 3.) Derowegen ſind anch die Winckel B und E einander gleich (§. 99. Geom.) und ich kan ſagen: Wie der Radius AB zum Sinui BC, ſo der Radius ED zum Sinui EF (§. 182. Geom.) W. Z. E.

Anmerckung.

11. Daher hat man dem Sinui toti in einem je - den Circul insgemein 10000000 Theile zu geeignet / und durch Huͤlfe der Geometrie ausgerechnet / wie viel derſelben der Sinus und Tangens von jedem Gra - de / ja einer jeden Minute durch den gantzen Qvadran - ten bekommt. Und ſolcher geſtalt ſind die Tabulæ Sinuum und Tangentium entſtanden / welche man in der Trigonometrie noͤthig hat.

Die 1. Aufgabe.

12. Aus dem gegebenen Sinu AD ei -Tab. I. Fig. 2. nes Bogens AE den Sinum Comple - menti DC oder AG zufinden.

Aufloͤſung.

  • 1. Ziehet das Qvadrat des gegebenen Sinus AD von dem Sinu toto AC ab / ſo blei - bet das Qvadrat des Sinus Complemen - ti DC uͤbrieg (§. 167 Geom).
  • 2. Aus dieſem ziehet die Qvadtat-Wurtzel (§. 90 Arithm. ) / ſo kommt der Sinus Com - plementi DC heraus.

Die 2. Aufgabe.

13. Aus dem gegebenen Sinu eines Bo -Tab. I. Fig. 4. gens AD und dem Sinu Complementi DC den Sinum des halben Bogens zufinden.

Aufloͤſung.

  • 1. Ziehet den Sinum Complementi DC vonP 5dem234Anfangs-Gruͤndedem Sinu toto EC ab / ſo bleibt der Si - nus verſus ED uͤbrieg.
  • 2. Das Qvadrat deſſelben addiret zu dem Qvadrat des gegebenen Sinus AD, ſo kommt das Qvadrat der Sehne AE her - aus (§. 167 Geom.)
  • 3. Hieraus ziehet die Qvadrat-Wurtzel (§. 90 Arithm. ) ſo habt ihr die Sehne ae.
  • 4. Endlich halbieret dieſelbe / ſo bekommet ihr am den Sinum des verlangten Bogens al (§. 2).

Die 3. Aufgabe.

Tab. I. Fig. 5.

14. Aus dem gegebenen Sinu DG eines Bogens FB den Sinum DE des doppel - ten Bogens DB zufinden.

Aufloͤſung.

Jn den Triangeln cgb und deb ſind die Winckel bey e und g rechte Winckel (§. 2.) und der Winckel b iſt beyden Triangeln ge - mein. Derowegen iſt auch C = D (§. 99. Geom.) und ihr koͤnnet ſagen (§. 182. Geom.) Wie der Sinus totus CB zu dem Sinu Com - plementi CG des Bogens FB, ſo verhaͤlt ſich der gedoppelte Sinus dieſes Bogens DB zu dem verlangten Sinui DE des doppelten Bo - gens FB / nemlich DB. Da nun die erſten drey gegeben ſind / koͤnnet ihr den vierdten durch die Regel detri (§. 107. Arithm. finden.

Die 4. Aufgabe.

Tab. I. Fig. 6.

14. Aus zwey gegebenen Sinibus fg und de zweyer Bogen fc und dc, dere Unter - ſcheid de nicht uͤber 45 Minuten iſt / denSi -235der Trigonometrie. ſinum IK eines Bogens IC / der zwieſchen ſie faͤllt / zu finden.

Aufloͤſung.

  • 1. Suchet zu dem Bogen DE / IF und dem Un - terſcheide der gegebenen Sinuum DH die vierdte Proportional-Zahl (107. Arithm.)
  • 2. Dieſelbe addiret zu dem kleinen der gegebe - nen Sinuum FG / ſo kommt der Sinus IL heraus.

Beweiß.

Weil der Bogen DF nur etliche wenige Minuten hat / ſo kan man ihn fuͤr eine grade Linie halten. Da nun bey H und K rechte Winckel ſind / ſo iſt IL mit DH parallel / (§. 92 Geom.) Und man kan ſagen / wie DF der Unterſcheid der Bogen / deren Sinus gegeben werden / zu DH dem Unterſcheide der gegebe - nen Sinuum; ſo verhaͤlt ſich IF der Unter - ſcheid des Bogens FC / zu welchem der kleine gegebene Sinus gehoͤret / von dem Bogen IC / deſſen Sinus verlangt wird / zu dem Unter - ſcheide IK zwieſchen dem kleinen gegebenen Sinu FG und dem geſuchten IH / (§. 177. 182. Geom.) Derowegen wenn ihr IH zu FG addi - ret / muß nothwendig der verlangte Sinus IL heraus kommen. W. Z. E.

Die 5. Aufgabe.

16. Einiger Bogen Sinus ohne die vor - hergehende Aufgaben zu finden.

Auf -236Anfangs-Gruͤnde

Aufloͤſung.

  • 1. Weil die Seite des Sechs-Eckes / oder die Sehne von 60 Graden dem Radio oder Sinui toti gleich iſt (§. 128 Geom.); ſo doͤrfet ihr nur den Sinum totum halbiren / wenn ihr den Sinum von 30 Graden verlangt (§. 2.)
Tab. I. Fig. 7.
  • 2. Weil die Seite des Vier-Eckes AB die Sehne von 90 Graden / und ihr Qva - drat denen beyden Qvadraten BC und AC (das iſt / da BC = AC §. 43. Geom.) dem Qvadrat BC zweymal genommen / gleich iſt; [§. 167 Geom.] dupliret das Qvadrat des Sinus totius, und ziehet aus dem Product die Qvadrat-Wurtzel heraus / ſo bekommt ihr die Sehne von 90° / deren Helffte der Sinus von 45° iſt.

Anmerckung.

17. Aus diſen Sinibus kan man durch die vorherge - henden Aufgaben die uͤbriegen finden. Zwar hat man / umb die Arbeit zu erleichtern / noch mehrere Anfgaben erdacht / die hin und wieder in den Trigo - nometriſchen Schrifften zu finden: allein da die Tabulæ Sinuum ſchon conſtruiret ſind / und wir wei - ter nichts als die Moͤglichkeit ihrer Verfertigung zu zeigen geſonnen; halten wir es vor unnoͤthig ein mehreres davon zu gedencken / und zeigen nur noch an / wie man die Tangentes und Secantes aus den Sinibus hat finden koͤnnen.

Tab. I. Fig. 2.

Die 6. Aufgabe.

18. Aus dem gegebenen Sinu eines Bogens AD die Tangentem FE zu fin - den.

Auf -237der Trigonometrie.

Aufloͤſung.

Weil bey D und E rechte Winckel ſind / ſo iſt die Linie AD mit EF parallel (§. 92 Geom.) und demnach verhaͤlt ſich der Sinus comple - menti DE zu dem Sinui AD wie der Sinus totus CE zu der Tangenti EF (§. 177. 182 Geom.)

Die 7. Aufgabe.

Tab. I. Fig. 2.

19. Aus dem gegebenen Sinu eines Bo - gens CD die Secantem deſſelben FC zu finden.

Aufloͤſung.

Vermoͤge deſſen was bey der vorherge - henden Aufgabe erwieſen worden / verhaͤlt ſich wie der Sinus complementi DC zum Sinui toti AC ſo der Sinus totus EC zu der Secanti FC: und allſo kan man die letztere durch die Regel detri finden. (§. 107 Arithm.)

Anmerckung.

20. Well die Sinus und Tangentes groſſe Zah - len ſind / welche das Multipliciren und Dividi - ren in der Trigonometrie ſehr beſchwerlich machen; ſo hat Johannes Nepper ein Schottlaͤndiſcher Baron / und nach ihm Heinrich Brigge ein Engel - laͤnder / gewiſſe Zahlen erſonnen / welche man an ſtat der ordentlichen Zahlen mit groſſem Vortheile in der Rechnung brauchen kan / indem ſie das Multipliciren in das Addiren / und das Dividiren in das Subtra - hiren verwandeln. Sie werden Logarithmi genen - net / und ſind nicht allein fuͤr alle Sinus und Tangen - tes, ſondern auch fuͤr die gemeine Zahlen von 1 bis 10000 / zuweilen auch weiter / in den gewoͤhnlichenTa -238Anfangs-GruͤndeTabulis Sinuum und Tangentium zu finden. Von denſelben muͤſſen wir noch mit wenigem handeln.

Die 6. Erklaͤhrung.

21. Wenn eine Reihe Zahlen in Geo - metriſcher Proportion und andere in Arithmetiſcher fortgehen; ſo heiſ - ſen die in der letztern die logarithmi der erſtern.

Die 1. Anmerckung.

22. Es ſeyn die beyde Reihen Zahlen

1.2.4.8.16.32.64.128.256.512
0.1.2.3.4.5.6.7.89

unter welchen die erſten in einer Geometriſchen / die andern in einer Arithmetiſchen Proportion fortgehen; ſo iſt 0 der Logarithmus von 1 / 1 der Logarithmus von 2 / 2 der Logarithmus von 4 / 7 der Logarith - mus von 128 u. ſ. w.

Die 2. Anmerckung.

23. Man hat aber wahrgenommen / daß / wenn die Geometriſche Progreßion ſich von 1 und die Ari - thmetiſche von 0 anfaͤngt / die Summe zweyer Loga - rithmorum der Logarithmus des Products der ih - nen zugehoͤrigen Zahlen / und die Differenz zweyer Logarithmorum der Logarithmus des Qvotienten ſey / welcher aus der Diviſion der dazu gehoͤrigen Zah - len durcheinander entſtehet. Z. E. 3 die Summe der Logarithmorum 1 und 2 iſt der Logarithmus von 8 dem Producte der beyden Zahlen 2 und 4. Wie - derum 7 die Summe der Logarithmorum 2 und 5 / ingleichen 4 und 3 / iſt der Logarithmus von 128 dem Producte aus den beyden Zahlen 4 und 32 / ingleichen 8 und 16. Hingegen 2 die Differentz zwieſchen 5 und 7 iſt der Logarithmus des Qvotienten 4 / welcher heraus kommt / wenn man die dazu gehoͤrigen Zah -len239der Trigonometrie. len 128 und 32 durcheinander dividiret. Jngleichen 5 die Differenz zwieſchen 3 und 8 iſt der Logarithmus von 32 dem Qvotienten / der heraus kommt / wenn man 256 durch 8 dividiret.

Die 3. Anmerckung.

24. Eben ſo hat man befunden / daß der halbe Lo - garithmus einer Zahl der Logarithmus ihrer Qva - drat-Wurtzel / und der dritte Theil des Logarithmi einer Zahl der Logarithmus ihrer Cubic-Wurtzel ſey. Allſo iſt 2 die Helfte von 4 der Logarithmus der Qvadrat-Wurtzel 4 von 16 / und 3 die Helfte von 6 iſt der Logarithmus der Qvadrat-Wurtzel von 64. Hingegen eben 2 als der dritte Theil von 6 iſt der Lo - garithmus der Cubic-Wurtzel 4 von 64 und 3 als der dritte Theil von 9 iſt der Logarithmus der Cubic - Wurtzel 8 von 512.

Die 4. Anmerckung.

25. Hieraus erhellet / wie die Logarithmi das Multipliciren in Addiren / das Dividiren in Sub - trahiren / die Ausziehung der Qvadrat-Wurtzel in Halbieren und die Ausziehung der Cubic-Wurtzel in das Dividiren durch 3 verwandeln.

Die 5. Anmerckung.

26. Ungeachtet aber alles dasjenige / was bißher von der Natur und Beſchaffenheit der Logarithmo - rum geſaget worden / ſich nicht minder als andere Mathematiſche Wahrheit aus der Natur der Geo - metriſchen und Arithmetiſchen Progreßion erweiſen laͤſt; ſo wollen wir uns doch hier nicht aufhalten / well es zu ſeiner Zeit durch die Algebraiſche Rechnung viel leichter wird geſchehen koͤnnen. Demnach fuͤgen wir nur noch bey / welchergeſtalt man die Tabulas Loga - rithmorum verfertiget.

Die240Anfangs-Gruͤnde

Die 8. Aufgabe.

27. Fuͤr eine iede Zahl den gehoͤrigen Logarithmum zu finden,

Aufloͤſung.

  • 1. Weil 1.10.100.1000.10000 u. ſ. w. in ei - ner Geometriſchen Proportion fortgehen / ſo nehmet an ſtat 0.1.2.3.4 zu ihren Lo - garithmis 0.00000000 / 1.00000000 / 2.00000000 / 3.00000000 / 4.00000000 u. ſ. w. an / damit ihr die Logarithmos der Zahlen / die zwieſchen 1 und 10 / zwieſchen 10 und 100 / zwieſchen 100 und 1000 / u. ſ. w. fallen / ohne Bruͤche finden koͤnnet.
  • 2. Wenn ihr nun den Logarathmum einer andern Zahl / Z. E. fuͤr 9 ſuchen ſollt / ſo vermehret umb in der Rechnung Bruͤche zu vermeiden / ſo wohl 1 als 10 mit ſieben Nullen und ſuchet zwieſchen dieſen beyden dergeſtalt vermehrten Zahlen A und B die mittlere Proportional-Zahl C (§. 106. Arithm.) Hingegen zwieſchen den Lo - garithmis der beyden Zahlen A und B die mittlere Arithmetiſche Proportional - Zahl (§. 100.) ſo habt ihr den Logarith - mum zu C (§. 21. ſeqq.) Hierauf ſu - chet zwiſchen B und C die mittlere Geome - triſche Proportional-Zahl D und zwie - ſchen B und D die mittlere Proportional - Zahl E / nemlich iederzeit zwieſchen den beyden Zahlen die einander am naͤch -ſten241der Trigonometrie.
    Mittere Propor - tional-Zahlen.Logarithmi.
    A1.00000000.00000000
    B10.00000001.00000000
    C3.16227770.50000000
    D5.62341320.75000000
    E7.49894210.87500000
    F8.65964320.93750000
    G9.30572040.96875000
    H8.97687130.95312500
    I9.13981700.96093750
    K9.05797770.95703125
    L9.01733330.95507812
    M8.99707960.95410156
    N9.00720080.95458984
    O9.00213880.95434570
    P8.99960880.95422363
    Q9.00087370.95428467
    R9.00024120.95425415
    S8.99992500.95421889
    T9.00008310.95424652
    U9.00000410.95424271
    X8.99996500.95424080
    Y8.99998450.95424217
    Z8.99999430.95424223
    a8.99999920.95424247
    b9.00000160.95424259
    c9.00000040.95424253
    d8.99999980.95424250
    e9.00000000.95424251
    Q242Anfangs-Gruͤndeſten kommen. Suchet ingleichen iedes - mahl die mittlere Arithmetiſche Propor - tional-Zahl zwieſchen den zugehoͤrige Lo - garithmis. Mit dieſer Arbeit fahret fort / bis 9 mit ſo viel Nullen heraus komt / als ihr an 1 und 10 angehaͤngt habet. Denn koͤnnet ihr die Nullen wieder weg - werffen / und den Logarithmum 0.954 - 24251 fuͤr die Zahl 9 behalten.
  • 3. Jhr doͤrfet aber nicht aller Zahlen Logari - thmos auf eine ſo muͤhſame Art ſuchen; ſondern wenn einige Zahlen aus Multi - plication anderer / derer Logarithmos ihr ſchon habet / erwachſen / doͤrfet ihr nur dieſelben Logarithmos addiren: kom - men einige Zahlen heraus / wenn ihr ande - re / deren Logarithmos ihr bereits gefun - den / durcheinander dividiret; ſo doͤrfet ihr nur die erwehnten Logarithmos vonein - ander ſubtrahiren / u. f. w. (§. 23. 24). Z. E. wenn ihr den Logarithmum von 9 halbieret / ſo kommt 0.47712125 der Lo - garithmns von 3 / weil 9 das Qvadrat von 3.

Die 9. Aufgabe.

28. Den Logarithmum fuͤr einen gege - benen Sınum zu finden.

Aufloͤſung.

Wenn die Logarithmiſchen Tabellen auf ſo groſſe Zahlen ausgerechnet waͤren / als die Sinus ſind; doͤrftet ihr nur die ihnen zugehoͤ -rigen243der Trigonometrie. rigen Logarithmos aus denſelben ausſchrei - ben. Allein weil ſie insgemein nur bis 10000 und in den allergroͤſſeſten in des Heinrichs Briggs Arithmetica Logarithmica bis 100000 gehen; ſo koͤnnet ihr dieſes nicht pra - cticiren. Nun lieſſen ſich zwar dieſelben auch nach der vorhergehenden Aufgabe fin - den: allein die Muͤhe und Arbeit waͤre faſt unuͤberwindlich. Der[o]wegen bedienet man ſich folgender Methode / die zwar in der Geo - metriſchen Schaͤrfe nicht eintrieft / doch wenn man ſich der groſſen Tabellen gebraucht / na - he gnung der Wahrheit tritt.

  • 1. Schneidet zur Lincken 4 oder 5 Zahlen ab / und ſuchet ihren Logarithmum in den Tabellen.
  • 2. Vermehret die erſte Zahl mit ſo viel Einheiten / als zur Rechten Zahlen uͤbrieg bleiben.
  • 3. Ziehet den ausgeſchriebenen Logarith - mum von dem naͤchſtfolgenden in den Tabellen ab.
  • 4. Sprecht: wie die Differentz der Zahlen / zu welchen beyde gedachte Logarithmi ge - hoͤren / zu der Differentz der Logarithmo - rum, allſo die uͤberbliebenen Zahlen zu der Logarithmiſchen Differentz / die ihr ſuchet / und durch die Regel detri finden koͤnnet.
  • 5. So bald ihr ſelbige gefunden / addiret ſie zu dem ausgeſchriebenen Logarithmo, die Summe iſt der verlangte Logarith - mus.
Q 2Z. E.244Anfangs-Gruͤnde

Z. E. Es ſey der Sinus totus 10000000000 / ſo iſt der Sinus von 25 Graden 4226182617. Schneidet die 5 Zahlen zur Lincken 42261 ab / und / weil auch 5 uͤbrieg bleiben / vermeh - ret ihren Logarithmum 46259398 umb 5 / ſo iſt 96259398 der Logarithmus von 4226 - 100000 (§. 27). Da nun der Logarith - mus von 42262 in den groſſen Logarithmi - ſchen Tabellen 4. 6259500 gefunden wird / und allſo die Differentz zwieſchen ihm und und dem vorigen 103 iſt / ſo ſprecht:

1000000 103 82617 103 247851 826170 85|09551 1 |00000

und ihr bekom̃t die Logarithmiſche Differentz 85 / welche zu dem Logarithmo 96259398 addirt / den Longarithmum des Sinus von 25 Graden 9.6259483 bringt.

Zuſatz.

29. Weil die Sinus nichts anders ſind als groſſe Zahlen / deren Logarithmi in den Ta - bellen nicht ſtehen; ſo iſt klahr / daß man auf eben ſolche Weiſe die Logarithmos fuͤr groͤſ - ſere Zahlen finden kan / als in den Tabellen ſtehen.

An -245der Tigronometrie.

Anmerckung.

30. Unerachtet man die Sinus nach einem groſſen Radio geſucht / damit man ſie deſto gnauer finden moͤchte; ſo wird doch der Sinus totus in den gemei - nen Tabellen umb Weitlaͤuͤfftigkeit in der Rechnung zu vermeiden / nur 10000000 angenom̃en / damit auch von den Sinibus hinten einige Zahlen wegbleiben koͤnnen. Unterdeſſen behaͤlt doch der Logarithmus ſeine zu dem groſſen Sinui gehoͤrige characteriſticam. Denn die erſte Zahl des Logarithmi wird die chara - cteriſtica genennet / weil man daraus ſiehet / zwieſchen welche Haupt-Zahlen der Logarithmus faͤllt. Nem - lich wenn ſie 0 iſt / faͤllet er zwieſchen 1 und 10: iſt ſie 1 / zwieſchen 10 und 100; iſt ſie 2 zwieſchen 100 und 1000 / u. ſ. w. [§. 27].

Die 10. Aufgabe.

31. Den Logarithmum eines Tan - gentis zu finden.

Aufloͤſung.

  • 1. Addiret die Logarithmos des Sinus und Sinus totius.
  • 2. Von der Summe ziehet den Lo - garithmum Sinus complementi ab / ſo bleibet der Logarithmus Tangentis uͤbrieg. (§. 18. 23).

Z. E. ihr ſuchet den Logarithmum Tan - gentis von 23 Graden. Addiret

Q 3Logar. 246Anfangs-Gruͤnde
Logar. Sin. 23°9.5918780
Logar Sin. tot. 100000000
Von der Summe19.591878.0
Ziehet den Logar. Compl. 99640261 ab / ſo
bleibt uͤbrieg Log. Tang. 96278519

Die 11. Aufgabe.

32. Den Logarithmum eines Secantis zu finden.

Aufloͤſung.

  • 1. Dupliret den Logarithmum des Sinus totius.
  • 2. von dem / was heraus kommt / ziehet den Logarithmum Sinus Complementi ab / ſo bleibet der Logarithmus Secantis uͤbrieg (§. 19. 23).

Z. E. ihr ſuchet den Logarithmum Secan - tis von 23° / ſo geſchiehet es alſo:

Log. Sin. tot. 100000000
2
2.0.0.0.0.0.0.0.0.
Log. Sin. Compl. 99640261
Log. Secant. 100359739
Tab. I. Fig. 8.

Der 2. Lehrſatz.

33. Jn einem ieden Triangel A B C verhalten ſich die Seiten wie die Sinus der ihnen entgegen ſtehenden Winckel.

Beweiß.

Man gedencke ſich / es ſey der Triangela b c247der Trigonometrie. a b c in einen Circul geſchrieben / welches je - derzeit geſchehen kan (§. 120. Geom.) So iſt der halbe Bogen a b das Maaß des Win - ckels c (§. 106. Geom.) und alſo die halbe Sei - te a b deſſelben Sinus (§. 2). Eben ſo iſt der halbe Bogen a c das Maaß des Winckels b (§. 106. Geom.) und daher die halbe Seite a c der Sinus des Winckels b. Derowe - gen verhaͤlt ſich / wie die Seite a b zu dem Si - nui des ihr entgegen geſetzten Winckels c / allſo die Seite a c zu dem Sinui des ihr ent - gegenſtehenden Winckels b. W. Z. E.

Die 12. Aufgabe.

Tab. 1. Fig. 9.

34. Aus der gegebenen Seite a b und zweyen Winckeln a und c / die Seite b c zu finden.

Aufloͤſung.

Sprecht (§. 33).

Wie der Sinus des Winckels c

zu der ihm entgegen geſetzten Seite a b.

So der Sinus des Winckels a

zu der ihm entgegen ſtehenden Seite b c.

Z. E. Es ſey / c = 48° 35′ / a = 57° 29′ / a b = 74′; ſo verfahret ihr mit den Logarithmis folgender geſtalt:

Q 4Log. 248Anfangs-Gruͤnde
Log. Sin. c9.8750142
Log. a b18692317
Log. Sin. a99259487
Summe11.79518.04

Log. bc 1.9201662 / zu welchem in den Tabellen der Logarithmus von 83 am naͤchſten kommt.

Die 1. Amnerckung.

35. Wollet ihr mit den 83 Schuhen nicht zufrieden ſeyn / ſondern noch Zolle dazu haben / ſo ſuchet dieſen Logarithmum unter der Characteriſtica 2 hinter 830 auf. Alsdenn werdet ihr finden / daß der Logarithmus voñ 832 ihm am allernaͤchſten kommt / und alſo uͤber 9 Schuhe noch 2 Zoll ſind. Ja wollet ihr gar Lt - nien haben / ſo ſuchet euren Lagarithmum noch ein - mal unter der Characteriſtica 3 hinter 8320 auf / ſo findet ihr daß der Logarithmus von 8321 ihm am naͤch - ſten kommt / und allſo die Seite bc 8°3′2″1‴ ſey. Und ſolchergeſtalt muͤſſet ihr allzeit verfahren / wenn der Logarithmus einer Seite unter ſeiner Characteriſtica nicht vollkommen zu finden.

Die 2. Anmerckung.

36. Weil die Aufloͤſung der Aufgabe durch die Regel detri geſchiehet (§. 107. 208. Arithm. ) und daher der Sinus A mit der Seite AB multipliciret / das Product aber durch den Sinum des Winckels C dividiret werden ſollte; ſo iſt klahr / daß man den Logarithmum von AB zu dem Logarithmo des Sinus A addiren / und von der Summe den Logarithmum des Sinus C abziehen muß. (§. 23.)

Die 13. Aufgabe.

37. Aus zweyen gegebenen Seiten abund249der Trigonometrie. und BC und einem Winckel C, der einer von ihnen entgegen ſtehet / die uͤbrie - gen Winckel zufinden.

Aufloͤſung.

Sprecht (§. 33): Wie die Seite AB zu dem Sinui des entgegen ſtehenden Winckels C;

So die Seite BC zu dem Sinui des entgegen ſtehenden Winckels A.

Z. E. Es ſey AB = 83′ / BC = 75′ / C64 33′. Verfahret alſo:

Log. A B. 1.9138138
Log. Sin. C. 99556688
Log, B C. 18750613
Summe11.83.0.73.0.1

Log. Sin. A9.9169163 / zu welchem in den Tabellen der Logarithmus von 55° 40′ am naͤchſten kommt.

Die 1. Anmerckung.

38. Seyd ihr mit 55° 40′ nicht znfrieden / ſo koͤn - net ihr noch Seeunden dazu ſuchen. Ziehet nem - lich von eurem

Q 5Lo -250Anfangs-Gruͤnde

Logarithmo 99169.1.63 den naͤchſt kleinern 99168593 ab und mer - cket die erſte Differentz 570 Jngleichen von dem naͤchſt groͤſſern 99169.4.55 den naͤchſt kleinern 99168593 und mercket die andere Differentz 862 Sprecht: 862 geben 60″ wieviel geben 570 60 34200

〈…〉

So bekommt ihr noch 39″ / und allſo iſt der Winckel A 55° 40′ 39″.

Die 2. Anmerckung.

39 Wenn ihr zwey Winckel A und C habt / koͤn - net ihr den dritten aus der Geometrie finden (§. 98. Geom.): wie aus beygefuͤgtem Exempel zuerſehen.

C 64° 33′ 0″ A 55 40 39 A + C 120 13 39 A + C + B 179 59 60 B. 59 46 21

Die251der Trigonometrie.

Die 14. Aufgabe.

40. Aus zweyen Seiten A B und BC,Tab. Fig. 10. die in einem rechtwincklichten Triangel den rechten Winckel B einſchlieſſen / die Winckel zufinden.

Aufloͤſung.

Nehmet BC fuͤr den Sinum totum an / ſo iſt AB die Tangens des Winckels C (§. 6). Sprecht demnach:

Wie die Seite BC zu der Seite AB; So verhaͤlt ſich der Sinus totus zu der Tangenti des Winckels C.

Z. E. Es ſey BC 79′; AB 54′; ſo geſchiehet die Rechnung allſo:

Log. BC. 1.8976271
Log. AB. 1.7.3.2.39.38
Log. Sin. Tot. 100000000

Log. Tang. C 98347667 / welchem in den Tabellen am nachſten kommt der Loga - rithmus Tangentis von 34° 17′. Dem - nach iſt der Winckel C 34° 17′; der Win - ckel A aber 55° 43′.

Die 15. Aufgabe.

41. Aus zwey gegebenen Seiten einesTab. II. Fig. 11. Triangels AC und CB nebſt dem Win - ckel C, den ſie einſchlieſſen / die uͤbriegen Winckel zufinden /

Auf -252Anfangs-Gruͤnde

Aufloͤſung.

  • 1. Sprecht:
    • Wie die Summe der beyden Seiten AC und CB
    • zu ihrer Differentz;
    • So die Tangens der halben Summe der beyden geſuchteu Winckel A und B
      • zu der Tangenti der halben Differentz derſelben.
  • 2. Addiret dieſe halbe Differentz zu der hal - ben Summe / ſo habt ihr den Winckel B / welcher der groͤſten von den gegebenen Seiten entgegen geſetzt iſt. Subtrahi - ret ſie von derſelben / ſo bleibet der Winckel A uͤbrieg.

Z. E. Es ſey A C 75′ / BC 58′ / C 108° 24′; ſo geſchiehet die Rechnung folgender maſſen:

AC253der Trigonometrie.
AC 75AC 7.5A+B+C179°60′
BC 58BC 58C10824
ac+bc 133ac-bc 17A+B7136
½ (A+B)3548
Log. AC + BC2.1238516
Log. AC - BC1.2304489
Log. Tang. ½ (A + B) 98580694
Summe11.088.5.18.3

Log. Tang. ½ (A - B) 89646667 / dem in den Tabellen der Logarithmus Tan - gentis von 16′ am naͤchſten kommt.

Beweiß.

Mit der groͤſten von den gegebenen Sei -Tab. II. Fig. 11. ten CB beſchreibet einen Circul und conti - nuiret die andere Seite AC beyderſeits biß an die Peripherie deſſelben in E und D: ſo iſt CE = DC = BC (§. 43. Geom.) und dem - nach AE die Summe / AD die Differentz der gegebenen Seiten AC und CB. Ziehet die Linien BD und BE, ſo iſt DBE ein rechter Win - ckel (§. 108 Geom.) und ſtehet dannenhero EB auf DB perpendicular (§. 18 Geom.) der Winckel ECB iſt den beyden geſuchten Win - ckeln A und B gleich [§. 100 Geom.]: Da nun E D B die Helfte des Winckels E C B iſt (§. 105 Geom.) / ſo iſt derſelbe die halbe Summe der geſuchten Winckel. Man beſchreibe mitDB254Anfangs-GruͤndeDB den Bogen B H / ſo iſt E B in Anſehung des Sinus totius DB die Tangens des Winckels EDB, das iſt der halben Sum - me der geſuchten Winckel. Weil ferner der Winckel CAB der halben Summe der ge - ſuchten Winckel ADB und dem Winckel abd gleich iſt (§. 100 Geom); ſo iſt abd die halbe Differentz der geſuchten Winckel. Dero - wegen beſchreibe man mit DB den Bogen dg und richte in d die Linie de perpendicular auf biß an die continuirte Seite ab; ſo iſt df die Tangens der halben Differentz der geſuchten Winckel (§. 6.)

Weil nun eb und fd auf db perpendicular ſtehen / ſo ſind ſie einander parallel (§. 18. 92. Geom). Derowegen ſind die Winckel ADF und AEB einander gleich. (§. 92. Geom.) Es ſind aber ferner die Vertical-Win - ckel bey A einander gleich [§. 58 Geom.] darumb iſt auch der dritte d f a dem dritten eba gleich (§. 99 Geom.) und koͤnnet ihr ſagem AE: EB = AD: DF (§. 182 Geom.) fol - gends auch: Wie AE die Summe der gege - benen Seiten zu AD ihrer Differentz; ſo EB die Tangens der halben Summe der ge - ſuchten Winckel zu DF der Tangenti ihrer halben Differentz (§. 104. Arithm.) W. Z. E.

Der 2. Lehrſatz.

Tab. II. Fig. 12.

42. Das Qvadrat der Tangentis AB iſt gleich dem Rectangulo aus BE in B D.

Be -255der Trigonometrie.

Beweiß.

Wenn die Secans BE durch das centrum C gehet / ſo iſt bac ein rechtwincklichter Tri - angel (§. 6) und dc = ce = ac (§. 43 Geom.) Derowegen wenn man das Qvadrat ac von dem Qvadrate bc abziehet / bleibet das Qva - drat des Tangentis ab uͤbrieg (§. 167 Geom). Nun das Qvadrat bc begreifet in ſich das Qvadrat - bd / ingleichen das Qvadrat des Radii dc und das Rectangulum aus bd in 2 dc oder de (§. 86. Arithm.) Derowegen iſt das Qvadrat ab gleich dem Qvadrate bd und dem Rectangulo aus bd in de. Das Qvadrat bd und das Rectangulum aus de in df = db (§. 20. Geom.) iſt dem Rectangu - lo aus be in eg (= bd) gleich. Und dem - nach muß auch das Qvadrat ab demſelben Rectangulo gleich ſeyn.

Wenn die Secans ag nicht durch dasTab. II. Fig. 13. centrum gehet / ſo laſſe man aus dem centro c auf die Linie fg ein perpendicul ch fallen / welches fh = hg macht (§. 118 Geom). Nun iſt das Qvadrat ac den Qvadraten ch und ah gleich (§. 167 Geom.). Das Qvadrat a - ber ah iſt gleich dem Qvadrate fh und dem Qvadrate af nebſt dem Rectangulo aus af in 2 fh oder f g (§. 86. Arithm.) Derowegen iſt das Qvadrat ac / das iſt / die beyden Qva - drate ab und bc (§. 167 Geom.) ſind den bey - den Qvadraten ch und fh und dem Rectan - gulo aus ag in af gleich (§. 86 Arithm). Weil256Anfangs-GruͤndeWeil ferner cf = bc [§. 43. Geom.] und allſo die beyden Qvadrate ch und fh dem dritten cf oder bc gleich ſind [§. 167 Geom.]; ſo muß auch das Rectangulum aus ag in af dem Qvadrate ab gleich ſeyn [§. 86 Arithm] W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

43. Weil jedes von den beyden Rectan - gulis af in ad und ag in af dem Qvadrate ab gleich iſt; ſo muͤſſen ſie auch unter einander ſelbſt gleich ſeyn [§. 104 Arithm].

Der 2. Zuſatz.

44. Nun kommt der Jnhalt dieſer Re - ctangulorum heraus / wenn man ae in ad und ag in af multipliciret [§. 145 Geom.]: Derowegen muß ſich verhalten wie ae zu ag ſo af zu ad. (§. 102 Arithm.)

Die 16. Aufgabe.

Tab. II. Fig. 14.

45. Aus drey gegebenen Seiten eines Triangels die Winckel zufinden.

Aufloͤſung.

  • 1. Beſchreibet aus der Spietze des Trian - gels a mit der kleinen Seite ab einen Cir - cul / ſo iſt cd [weil ab = ad, §. 43 Geom.] die Summe zweyer Seiten / fc ihre Dif - ferentz und ihr koͤnnet ſagen [§. 44]:
  • Wie die Grund-Linie des Triangels b c zu der Summe der beyden Seiten ab + ac;
  • So ihre Differentz fc. zu dem Segment der Grund-Linie gc.
2. Zie -257der Trigonometrie.
  • 2. Ziehet gc von der Grund-Linie bg ab / ſo bleibet bg uͤbrieg.
  • 3. Laſſet aus A ein Perpendicul AE auf BG fallen / ſo iſt BE = EG = ½ BG und ihr koͤnnet aus den beyden Seiten A B und BE in dem rechtwincklichten Triangel abe die Winckel B und A; und in dem an - dern A E C aus den beyden Seiten AC und EC die Winckel C und A durch die 13 Aufgabe (§. 37) finden.

Z. E. Es ſey A B = 36′ / A C = 45′ BC = 40′. Die Rechuung geſchiehet folgen - der maſſen:

AB 3′6AC 45′
AC 45AB 36
ab + ac 81fc = 9
Log. BC16020600
Log. ab + ac19084850
Log. FC09542425
Summe28627.275

Log. GC1.2606675 / welchem in den Tabellen der Logarithmus von 18 am naͤchſten kommt. Wenn man aber weiter nachſuchet (§. 35); findet man end - lich GC 1822‴

RGC258Anfangs-Gruͤnde
BC 4000‴EG 1039‴
GC 1822GC 1822
BG 2178EC 2861
BE 1039
Log. AB3.5563025
Log. Sin. Tot. 100000000
Log. EB3.0.166155

Log. Sin. A 9.4603130 / welchem in den Tabellen der Logarithmus von 16° 46′ am naͤchſten kommt. Und allſo iſt B 73°14′.

Log. AC3.6532125
Log. Sin. Tot. 100000000
Log EC3.4565179

Log. Sin. A 9.8033054 / welchem in den Tabellen der Logarithmus von 39° 28′ am naͤchſten kommt. Und allſo iſt der Winckel c 50° 3′2.

Solcher geſtalt ſind in dem Triangel abc die Winckel A 56° 14′ / B 73° 14 und c 50° 3′2.

Die 1. Anmerckung.

46. Weil BE und EC in Linien gegebenen ſind / ſo muß man auch an ſtat 3′6 fuͤr AB 3600″ und an ſtat 45′ fuͤr AC 4500‴ annehmen.

Die259der Trigonometrie.

Die 2. Anmerckung.

47. Wir wollen noch mit wenigem den Nutzen der Trigonometrie in Aufloͤſung einiger Geometri - ſchen Aufgaben zeigen.

Anhang.

Die 1. Aufgabe.

48. Eine Hoͤhe ab (Z. E. eines Thur -Tab. III. Fig. 15. mes) zumeſſen / zu der man aus einem angenommenen Stande e kommen kan.

Aufloͤſung.
  • 1. Meſſet den Winckel a d c (§. 61 Geom.) und die Linie BE (§. 62 Geom.).
  • 2. So wiſſet ihr auch den Winckel A / weil bey c ein rechter Winckel iſt (§. 96. Geom.)
  • 2. Suchet alsdenn die Linie ac nach der 12 Aufgabe (§. 34) und
  • 3. Addiret dazu die Hoͤhe des Jnſtrumen - tes de (= bc / weil die Linien cd und be parallel und cb und ed auf be perpendicu - lar ſind); ſo kommt die Hoͤhe AB heraus.

Die 2. Aufgabe.

Tab. III. Fig. 16.

49. Eine Hoͤhe AB zu meſſen / zu der man nicht kommen kan.

Aufloͤſung.
  • 1. Erwehlet euch zwey Staͤnde in E und F, umb ſo viel weiter von einander / je hoͤher der Berg oder der Thurm iſt / den ihrR 2meſſen260Anfangs-Gruͤndemeſſen wollet / und meſſet aus denſelben die Winckel A D C und A F C (§. 61. Geom.) uͤber dieſes die Stand-Linie G E (§. 62. Geom.)
  • 2. Ziehet den Winckel AFC von 180 Gra - den ab / ſo bleibet der Winckel AFD uͤbrieg (§. 56 Geom.)
  • 3. Addiret die beyden Winckel A F D und ADF und ziehet die Summe abermals von 180 Graden ab; ſo bleibet der Win - ckel FAD uͤbrieg (§. 98 Geom.)
  • 4. Suchet aus den nunmehro bekandten Winckeln und der Seite FD in dem Tri - angel AFD die Seite AF / nach der 12 Aufgabe (§. 34) und
  • 5. Aus dem Winckel f und der Seite AF in dem rechtwincklichten Triangel die Seite AC / nach eben derſelben Aufgabe.
  • 6. Endlich addiret zu der Hoͤhe AC die Hoͤ - he des Jnſtruments DE oder BC / ſo habt ihr die verlangte Hoͤhe AB.

Die 3. Aufgabe.

Tab. III. Fig. 17.

50. Aus zwey Fenſtern E und F in ver - ſchiedenen Stockwercken eines Gebaͤu - des eine Hoͤhe zumeſſen / deren Spie - tze A man aus beyden Fenſtern ſehen kan.

Aufloͤſung.
  • 1. Meſſet durch einen Bley-Wurf die Hoͤhe des andern Fenſters uͤber dem erſten EFund261der Trigonometrie. und des erſten uͤber der Erde FG: und aus den Fenſtern die Winckel AEC und afd (§. 6. Geom.)
  • 2. Addiret den Winckel AEC zu 90° / ſo habt ihr den Winckel AEF; ſubtrahiret von 90° den Winckel AFD / ſo bleibt der Winckel AFE uͤbrieg.
  • 3. Addiret die beyden Winckel A E F und AFE / und ziehet die Summe von 180° ab; ſo bleibet der Winckel EAF uͤbrieg (§. 98 Geom.)
  • 4. Suchet in dem Triangel AEF durch die 12 Aufgabe (§. 34) die Seite A F und ferner
  • 5. Jn dem Triangel AFD die Seite AD.
  • 6. Endlich addiret dazu die Hoͤhe des Fen - ſters F von der Erde; ſo kommt die Hoͤhe AB heraus.
Anmerckung.

51. Jn allen dieſen Aufgaben von Meſſung der Hoͤhen ſetzt man voraus / daß der Erdboden in dem̃ Stande / woraus man mieſſet / nicht hoͤher oder niedrieger ſey als wo die Hoͤhe liegt / welche man meſſen wil.

Die 4. Aufgabe.

52. Die Weite zweyer Oerter / zu de -Tab. IV. Fig. 18. ren beyden man aus einem angenomme - nen Stande kommen kan / zumeſſen.

Aufloͤſung.
  • 1. Meſſet den Winckel C (§. 61 Geom.) R 3und262Anfangs-Gruͤndeund die Linien AC und CB (§. 62 Geom.): ſo koͤnnet ihr
  • 2. Die verlangte Weite AB nach der 15 Aufgabe [§. 41] finden.

Die 5. Aufgabe.

Tab. IV. Fig. 19.

53. Die Weite zweyer Oerter AB / zu deren einem B man aus einem angenom - menen Stande C nur kommen kan (Z. E. die Breite eines Fluſſes) zumeſſen.

Aufloͤſung.
  • 1. Meſſet die beyden Winckel B und C (§. 61 Geom.) und die Stand-Linie BC (§. 62 Geom.) ſo koͤnnet ihr
  • 2. Die verlangte Weite A B nach der 12 Aufgabe (§. 34) finden.

Die 6. Aufgabe.

53. Die Weite zweyer Oerter A B / zu deren keinem man kommen kan / zu - finden.

Aufloͤſung
Tab. IV. Fig. 20.
  • 1. Erwehlet drey Staͤnde D / C und E in ei - ner Linie und meſſet die Winckel ADC / ACD / BCE und BEC (§. 61 Geom.) nebſt den beyden Stand-Linien DC und C E (§. 62 Geom).
  • 2, Subtrahieret die beyden Winckel ADC und ACD / wiederumb ACD und BCE / und abermal BCE und BEC von 180°; ſo bleibet im erſten Falle der Winckel DAC /im263der Trigonometrie. im andern der Winckel A C D und im dritten der Winckel CBE uͤbrieg (§. 56. 98. Geom.). Alsdann koͤnnet ihr
  • 3. Die Seiten A C und B C nach der 12 Aufgabe (§. 34) und ſo ferner
  • 4. Die Seite A B nach der 15 Aufgabe (§. 41) finden.

Die 7. Aufgabe.

54. Es wird gegeben die Hoͤhe A BTab, II. Fig. 21. und halbe Sehne BC eines Bogens fac / man ſol die groͤſſe des Bogens in Graden finden.

Aufloͤſung.
  • 1. Suchet anfangs dem Radium AD (§. 197 Geom.) und ziehet AB von demſelben ab / ſo bleibet BD uͤbrieg.
  • 2. Weil euch nun in dem Triangel DBC auſ - ſer dem rechten Winckel B (§. 118 Geom.) die Seiten BD und BC bekand ſind / ſo koͤnnet ihr nach der 13 Aufgabe (§. 37) den Winckel b DC finden.
  • 3. Da nun der Bogen AC das Maaß des gedachten Winckels iſt (§. 14 Geom.) doͤrfet ihr nur denſelben dupliren / ſo kom̃t die Groͤſſe des verlangten Bogens FAC heraus.
Anmerckung.

55. Dieſer Aufgabe koͤnnet ihr euch bedienen / wenn ihr in der 65 Aufgabe der Geometrie das Segment eines Circuls gnau finden wollet.

R 4Die264Anfangs-Gruͤnde

Die 8. Aufgabe.

Tab. II. Fig. 22.

56. Die Verhaͤltnis des Diametri ei - nes Circuls zu ſeiner Peripherie zu - finden.

Aufloͤſung.
  • 1. Nehmet den Radium wie in der Trigo - nometrie 10 000 000 an / damit ihr in der Rechnung die Tabulas Sinuum brauchen koͤnnet; ſo iſt die Seite des Sechs und neuntzig Eckes / oder die Seh - ne des Bogens von 45′ zweymal ſo groß als der Sinus von 52′ 30″ (§. 2). Nun iſt dieſer Sinus 327190. Wenn ihr demnach denſelben dupliret / ſo kommt die Seite des Sechs und neuntzig Eckes AB 654380 heraus.
  • 2. Dupliret die Tangentem ED 327366 von 5′2 30″; ſo habt ihr EF die Sei - te des Sechs und neuntzig Eckes 654 732 / welches umb den Circul beſchrie - ben.
  • 3. Multipliciret ſo wohl das erſtere / als das andere mit 96; ſo kommt im erſten Falle die Peripherie des eingeſchriebe - nen Sechs und neuntzig Eckes 628 20480 / im andern aber die Periphe - rie des umbgeſchriebenen 62854272.
4. Weil265der Trigonometrie.
  • 4. Weil von dieſen Peripherien die erſte groͤſſer / die andere kleiner iſt als die Peripherie des Circuls / ſo ſuchet nach dem Exempel Archimedis zwiſchen dieſen beyden die mittlere Arithmetiſche Pro - portional-Zahl. 62837376 (§. 100 Arithm. ) und nehmet ſie fuͤr die Periphe - rie des Circuls an.

Solcher geſtalt verhaͤlt ſich der Diameter zur Peripherie des Circuls wie 20000000 zu 62837376 / das iſt / wenn ihr beyder - ſeits mit 200000 dividiret (§. 68. Arithm. ) wie 100 zu 314.

ENDE der Trigonometrie.

R 5
TAB; I
TAB: II.
TAB: III.
TAB: IV.
[266][267]

Anfangs-Gruͤnde Der Bau-Kunſt.

[268][269]

Vorrede.

Geneigter Leſer:

MAn hat bißher die Bau - Kunſt meiſtens als ein Handwerck getrieben. Daher iſt es auch kom - men / daß man ſie kaum wuͤrdigen wollen unter die Mathematiſchen Wiſſenſchafften mit zuſetzen. Und doch verdienet ſie wegen ihres groſ - ſen Nutzens im menſchlichen Leben / daß ſie auf Academien gruͤndlich ge - lehret und von der Studierenden Jugend mit Fleiß erlernet werde. Zu dem Ende habe ich nicht allein in dieſen Anfangs-Gruͤnden der ge - ſammten Mathematiſchen Wieſſen - ſchaften die Bau-Kunſt etwas umb - ſtaͤndlich erklaͤhren / ſondern ſie zu - gleich auf gewiſſe Gruͤnde ſetzen wol - len / damit ſie einer Wiſſenſchaft aͤhnlich wuͤrde und ein jeder Liebha - ber derſelben zulaͤnglichen Grund von ihren Regeln in dieſem Buche finden moͤchte. Es erfordert Vi - truvius mit Recht von einem Bau - verſtaͤndigen / daß er von allem / wasin270Vorrede. in einem Gebaͤude angegeben wird / gnungſamen Grund zeigen koͤnne. Bißher aber hat man ſich wenig darumb bekuͤmmert. Und daher iſt es geſchehen und geſchiehet noch / daß viele Fehler an wichtigen Ge - baͤuden begangen worden und noch begangen werden. Vielleicht wer - den vielen die Beweißthuͤmer nicht Mathematiſch gnung herauskom - men. Allein die wollen bedencken / daß es weder noͤthig / noch moͤglich iſt alles Geometriſch zu erweiſen. Unterdeſſen werden ſie doch hoffent - lich befinden / daß ich mich der Ma - thematiſchen Methode / die oben er - klaͤhret worden / ſoviel moͤglich / be - flieſſen habe. Und zweifele ich nicht im geringſten / man werde den Nutzen der von mir angefuͤhrten Gruͤnde in der Ausuͤbung der Bau - Kunſt zur Gnuͤge verſpuͤren / ab - ſonderlich wenn es auf die Verzie - rungen ankommt: man mag ent - weder ein von andern aufgefuͤhrtes Gebaͤude oder ſonſt verfertigtes Ar - chitectoniſches Werck beurtheilen / oder ſelbſt etwas angeben wollen.

271

Anfangs-Gruͤnde Der Bau-Kunſt.

Der Erſte Theil Von den allgemeinen Regeln der Bau-Kunſt.

Die 1. Erklaͤhrung.

1.

DJe Bau-Kunſt iſt eine Wieſ - ſenſchaft ein Gebaͤude recht an - zugeben / daß es nemlich mit den Haupt-Abſichten des Bauherrns in al - lem voͤllig uͤberein kommt.

Der 1. Zuſatz

2. Weil die Wieſſenſchaft in einer Fer - tigkeit des Gemuͤthes beſtehet von allem dem / was man von einer Sache behauptet / richt - gen und gnugſamen Grund zu geben: ſo muß der Baumeiſter von dem gantzen Baue zu - laͤngliche raiſon zu geben wieſſen / das iſt / nicht allein ſagen koͤnnen / warumb er iedes ſo und nicht anders angiebt / ſondern auch dar - zuthun vermoͤgend ſeyn / es ſey der Bau ſo recht angegeben worden.

Der272Anfangs-Gruͤnde.
Der 2. Zuſatz.

3. Und weil alles in dem Gebaͤude mit den Haupt-Abſichten des Bauherrns uͤber - einkommen ſol; ſo werden die Regeln der Baukunſt gefunden / und / nachdem ſie ge - funden worden / geſchieckt angebracht / auch wird von iedem Gebaͤude ein vernuͤnfftiges Urtheil gefaͤllet werden koͤnnen; wenn man bey iedem / auch dem allergeringſten Theile nach forſchet / warumb es gemacht wird / und und wie es beſchaffen ſeyn muͤſſe / damit man ſeiner Abſicht in allem auf die leichteſte Weiſe voͤllig ein Gnuͤgen thue.

Die 2. Erklaͤrung.

4. Durch das Gebaͤude verſtehen wir einen Raum / der durch die Kunſt eingeſchloſſen wird / umb ſicher und un - gehindert gewieſſe Verrichtungen da - rinnen vorzunehmen.

Zuſatz.

5. Daher entſtehet aller Unterſcheid der Gebaͤude aus dem Unterſcheide der Verrich - tungen / welche darinnen vorgenommen wer - den.

Die 3. Erklaͤhrung.

6. Ein Gebaͤude wird Feſte genennet / wenn keine Gefahr iſt / daß es einfaͤllt / oder in kurtzem durch den Gebrauch verſchlimmert und unbrauchbahr ge - macht wird.

Die273der Baukunſt.

Die 4. Erklaͤhrung.

7. Ein Gebaͤude iſt beqvem / wenn man alle noͤthige Verrichtungen ohne Hindernis und Verdruß darinnen vor - nehmen kan.

Die 5. Erklaͤhrung.

8. Die Vollkommenheit des Ge - baͤudes beſtehet in einer voͤlligen Uber - einſtimmung deſſelben mit den Haupt - Abſichten des Bauherrns.

Die 6. Erklaͤhrung.

8. Die Schoͤnheit iſt die Vollkom - menheit oder ein noͤthiger Schein der - ſelben / in ſo weit ſo wol jene als dieſer wahrgenommen wird / und ein Gefal - len in uns verurſachet.

Der 1. Zuſatz.

10. Weil uns um eines Vorurtheiles wil - len etwas gefallen kan; ſo koͤnnen wir vor ſchoͤne halten / was in der That nicht ſchoͤne iſt / und im Gegentheil entweder die Schoͤn - heit nicht mercken / oder gar einen Ubelſtand daraus machen.

Der 2. Zuſatz.

11. Weil aber die wahre Vollkommen - heit eine nothwendige Verknuͤpfung mit den Haupt-Abſichten des Gebaͤudes haben muß (§. 8); ſo koͤnnen dergleichen Vorur - theile leicht vermieden werden / wenn man nach denſelben ſich erkundiget.

SDie274Anfangs-Gruͤnde

Die 7., Erklaͤhrung.

12. Auſſerweſentliche Zierathen des Gebaͤudes werden genennet alles dasjenige / was bloß zu dem Ende ge - macht wird / damit die vorbeygehenden dadurch angelocket werden das Gebaͤu - de anzuſchauen.

Der 1. Lehrſatz.

13. Einiedes Gebaͤude muß feſte auf - gefuͤhret werden.

Beweiß.

Denn es wird umb gewieſſer Verrich - tungen willen aufgefuͤhret / die man darinn vorzunehmen hat. (§. 4). Derowegen muͤſ - ſen ſich auch dieſelben ſicher darinnen vor - nehmen laſſen / und das Gebaͤude muß ſo lange ſtehen bleiben als die Verrichtungen waͤhren / die darinnen vorzunehmen ſind. Und allſo muß das Gebaͤude feſte ſeyn (§. 6). W. Z. E.

Zuſatz.

14. Aus dem Beweiſe erhellet / daß man die Dauerhaftigkeit des Gebaͤudes aus der Laͤnge der Zeit zu urtheilen hat / durch welche die Verrichtungen waͤhren / die in demſelben vorzunehmen.

Der 2. Lehrſatz.

15. Ein iedes Gebaͤude muß beqvem gebauet werden.

Be -275der Bau-Kunſt
Beweiß.

Man hat in iedem Gebaͤude gewieſſe Verrichtungen vorzunehmen (§. 4). De - rowegen muß es ſo aufgefuͤhret werden / daß man dieſelben ungehindert und ohne Ver - druß darinnen vornehmen kan (§. 4). Sol - chergeſtalt muß es beqvem gebauet werden (§. 7). W. Z. E.

Der 3. Lehrſatz.

16. Ein Gebaͤude muß ſchoͤn und zier - lich gebauet werden.

Beweiß.

Denn es muß mit den Haupt-Abſichten des Bauherrens voͤllig uͤbereinſtimmen (§. 1.) und allſo ſeine weſentliche Vollkommen - heit haben (§. 8). Wenn man aber dieſe wahrnimmt / verurſacht ſie in uns ein Gefal - len / und allſo nennen wir das Gebaͤude ſchoͤ - ne (§. 9). Und weil ein Schein des Man - gels einer zur Vollkommenheit des Gebaͤu - des noͤthigen Sache leicht zu einem Vorur - theile Anlaß geben kan / als wenn dem Ge - baͤude an ſeiner Vollkommenheit etwas feh - lete / und dadurch ein Mießfallen in Betrach - tung des Gebaͤudes entſtehen wuͤrde (§. 10); ſo muß der Baumeiſter bey einem Gebaͤude auch dasjenige anbringen / welches auch nur einen unvermeidlichen Schein der Nothwen - digkeit hat / umb dergleichen Vorurtheile zu verhindern / in die man verfallen kan / auchS 2wenn276Anfangs-Gruͤndewenn man nach den Abſichten des gantzen Gebaͤudes und ſeiner Theile ſich erkundiget (§. 11). Weil uns aber kein Gebaͤude ſchoͤ - ne duͤncken kan / welches wir nicht mit Fleiß betrachten; ſo muß der Baumeiſter auch bey dem Gebaͤude hin und wieder etwas an - bringen / wodurch die Leute bewogen werden es mit Ernſt anzuſchauen. Und demnach muß ein Gebaͤude nicht nur ſchoͤne / ſondern auch (§. 12.) zierlich ſeyn. W. Z. E.

Der 4. Lehrſatz.

17. Die auſſerweſentlichen Zierra - then muͤſſen weder der weſentlichen Vollkommenheit des Gebaͤudes / noch ihrem unvermeidlichem Scheine im ge - ringſten etwas benehmen.

Beweiß.

Denn weil der Baumeiſter ein Gebaͤude ſchoͤne angeben ſol (§. 16) / ſo muß er ſowohl die Vollkommenheit deſſelben / als auch ih - ren unvermeidlichen Schein voͤllig beden - cken (§. 9). Und allſo kan dasjenige / wel - ches einen dazu bringen ſol / daß wir wahr - nehmen / wie er beydes ſo wohl bedacht hat / das iſt / die auſſerweſentliche Zierrath (§. 12) / keinem etwas im geringſten benehmen. W. Z. E.

Der 5. Lehrſatz.

18. An den auſſerweſentlichen Zier - rathen muß kein Uberfluß verſpuͤret werden.

Be -277der Bau-Kunſt.
Beweiß.

Sie werden zu dem Ende angebracht / da - mit die Vorbeygehenden angefriſchet wer - den / die Vollkommenheit des Gebaͤudes zu erwegen (§. 12). Wenn nun derſelben zu - viel ſind / ſo bleibet das Auge an ihnen allein hangen / und ſie halten einen von Betrach - tung der Vollkommenheit des Gebaͤudes ab. Allſo hindert der Uberfluß dieſer Zierrathen / was ſie befoͤrdern ſollten. Derowegen kan er nicht gebilliget werden. W. Z. E.

Zuſatz

19. Wollet ihr demnach den Anſchauen - den Gedancken von der Koſtbahrkeit des Gebaͤudes beybringen; ſo muͤſſet ihr dieſes durch die Vortreflichkeit der Materie und der Arbeit / nicht aber durch den Uberfluß der auſſerweſentlichen Zierrathen zu erhalten ſuchen.

Der 6. Lehrſatz.

20. Diejenigen Verhaͤltniſſe ſind in der Bau-Kunſt die beſten / welche ſind wie eines zu einer nicht allzugroſſen Zahl / oder wie eine nicht allzugroſſe Zahl zu einer andern / die umb eines o - der einer nicht allzugroſſen Zahl groͤſſer iſt als ſie.

Beweiß.

Diejenigen Verhaͤltniſſe ſind fuͤr ſchoͤne zu erachten / welche ein Gefallen in uns ver -S 3urſa -278Anfangs-Gruͤndeurſachen / indem wir ſie wahrnehmen (§. 9). Wir koͤnnen ſie aber nicht wahrnehmen / wenn wir ſie nicht durch das Augen Maaß ausmeſſen koͤnnen: welches auch bey geuͤbten nicht angehet / als in denen Verhaͤltniſſen / welche ſind entweder wie 1 zu einer nicht all - zu groſſen Zahl oder wie eine nicht allzu groſſe Zahl zu einer andern / die umb 1 oder eine nicht allzugroſſe Zahl groͤſſer iſt als ſie. Derowegen ſind dieſe fuͤr die beſten Ver - haͤltniſſe zu achten. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

21. Die guten Verhaͤltniſſe ſind demnach 1: 1 / 1: 2 / 1: 3 / 1: 4 / 1: 5 / 1: 6 u. ſ. w. ingleichen 2: 3 / 3: 4 / 4: 5 / 5: 6 und ſ. w. noch mehr 3: 5 / 5: 7 / 7: 9 u. ſ. w.

Der 2. Zuſatz.

22. Weil das bloſſe Augen Maaß auch der geuͤbten die Verhaͤltniſſe nicht auf ein Haar treffen kan / ſo mag man ohne Gewieſ - ſen / ſonderlich wenn es andere Umſtaͤnde er - fordern / von den erzehleten in Kleinigkeiten abweichen.

Der 3. Zuſatz.

23. Durch das Augen-Maaß kan man am beſten urtheilen / ob etwas noch einmal ſo groß iſt als das andere. Derowegen iſt die Verhaͤltnis wie 1 zu 2 die zierlichſte unter al - len.

Anmerckung.

24. Die Alten haben die Verhaͤltniſſe von dem Menſchlichen Coͤrper abgenommen: andere haben ſieaus279der Bau-Kunſt. aus der Muſic hergeholet: wie aus dem Vitruvio zu erſehen (lib. 3 c. 1.). Unerachtet aber keiner von al - len Baumeiſtern hat zeigen koͤnnen / mit was vor Rechte man von dem menſchlichen Coͤrper und der Muſic auf ein Gebaͤude ſchlieſſen kan; ſo hat dennoch umb dieſer Urſachen willen Perrault in der Vorrede uͤber ſein Werck von den 5. Ordnungen f. 11 & ſeqq. und in den Anmerckungen uͤber den Vitruvium lib. 4. c. 1. n. 7. f. 105 & n. 12. f. 106. den Grund der Verhaͤltniſſe nicht wohl in der bloſſen Ge - wohnheit geſucht / und daunenhero Blondell in ſei - nem Cours d Architecture part. 5. lib. 5. c. 14. 15. f. 761 ſeqq. ihm mit Recht wiederſprochen.

Die 1. Aufgabe.

25. Jn einem ieden vorkommenden Falle aus den guten Verhaͤltniſſen die beſte zu erwehlen.

Aufloͤſung.
  • 1. Weil die Verhaͤltniſſe auch mit den Ab - ſichten der Theile des Gebaͤudes / in wel - chen ſie gebraucht werden / uͤberein kom - men muͤſſen (§. 1); ſo koͤnnet ihr aus Erwe - gung derſelben urtheilen / welche Abmeſ - ſung groͤſſer ſeyn ſol als die andere / Z. E. ob die Hoͤhe groͤſſer ſeyn ſol als die Brei - te; ja ihr koͤnnet auch daraus ſchlieſſen / ob die groͤſſere viel oder wenig groͤſſer ſeyn ſol als die kleinere.
  • 2. Nachdem ihr dieſes gefunden / ſo wehlet euch aus dem erſten Zuſatze des ſechſten Lehrſatzes (§. 21.) eine Verhaͤltnis / da die beyden Glieder entweder viel oderwenig280Anfangs-Gruͤndewenig nach Erforderung der Sache von - einander abgehen.

Die 8. Erklaͤhrung.

26. Durch den Bauzeug verſtehen wir alles / was zum Baue wuͤrcklich an - gewendet wird / als Holtz / Ziegel / Stei - ne / Sand / Kalck.

Der 7. Lehrſatz.

27. Zu einem vorhabenden Baue ſol man dauerhaften Bauzeug erwehlen.

Beweiß.

Das Gebaͤude ſol feſte aufgefuͤhret wer - den / (§. 13). Weil aber dieſes nicht lange unverſehret ſtehen kan / wenn der Bauzeug ſich in kurtzem verſchlimmern laͤſt; ſo muß man zu einem vorhabenden Baue dauerhaf - ten Bauzeug erwehlen. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

28. Derowegen muß man keinen brau - chen / an deſſen ſtat man einen dauerhafteren haben kan / es mag derſelbe entweder von verſchiedener Art (als Holtz / Ziegel / Stei - ne) oder nur von verſchiedener Guͤte ſeyn (als Steine die im Feuer ſpringen / und Steine / denen das Feuer nicht ſchadet.)

Der 2. Zuſatz.

29. Da man nun zum Bauen Holtz / Ziegel / Steine / Sand und Kalck brauchet / ſo muß ein Baumeiſter ſich die Eigenſchaff - ten dieſes Zeuges durch fleißige Erfahrungen bekand machen.

Die281der Bau-Kunſt.
Die 1. Anmerckung.

30. Es waͤre zu wuͤnſchen / daß Leute die Geſchick - lichkeit / Zeit und Gelegenheit dazu haͤtten / dieſe Ei - genſchaften gnau experimentirten und ihre Metho - de / dadurch ſie dieſelben erforſchet / zu gleich mit umb - ſtaͤndlich bekand machten / damit wir in denen Din - gen voͤllige Gewißheit bekaͤmen / die wir ietzt bloß de - nen glauben muͤſſen / welche ſie uns ſagen: Vermoͤ - ge dßen was ich in den Leipziger-Actis von den Geſetzẽ der Erfahrung angewieſen habe A. 1708. p. 163. ſeqq.

Der 3. Zuſatz.

31. Es lehret aber die Erfahrung / daß die Gebaͤude durch das Feuer / das Waſſer / die Witterungen der Luft / ihre eigene Laſt und endlich durch ihren Gebrauch verſchlimmert und verheeret werden. Derowegen wenn ihr die Dauerhaftigkeit des Bauzeuges be - urtheilen wollet; muͤſſet ihr nachforſchen / wie er ſich im Feuer / im Waſſer / in den Witterungen der Luft / unter der Laſt des Gebaͤudes und bey deſſen Gebrauch halte.

Der 4. Zuſatz.

32. Da nun das Holtz im Feuer nicht dauret / leicht wurmſtichig wird und verfau - let; ſol man in Gebaͤuden / die lange ſtehen ſollen / daſſelbe entweder gar nicht brauchen / wo man einen andern Zeug dafuͤr nehmen kan / oder / wo dieſes nicht angehet / theils den uͤberfluͤßigen Gebrauch des Holtzes vermei - den / als wenn man die unnoͤthigen Sparren in dem Dache / die hoͤltzernen Geſimſe an den Gebaͤuden / u. ſ. w. weglaͤſt / theils auchS 5ſelbſt282Anfangs-Gruͤndeſelbſt unter dem Holtze eine geſchieckte Wahl anſtellet (§. 28).

Die 2. Anmerckung.

34. Es hat nemlich nicht alles Holtz einerley Ei - genſchafften. Vitruvius (lib. 2. c. 9) mercket an / daß das Taͤnniñe fein grade bleibe / aber leicht wurm - ſtichicht werde / und ſich geſchwinde entzuͤnde; das Ei - chene in der Erde wohl daure / und im Waſſer faſt zu Stein werde / aber ſich leicht in die Kruͤmme ziehe / und Rietze gewinne; Pappein und Linden ſehr weich ſeyn / und dannenhero den Bildhauern zu Schnietzwerck dienen; Die Erle in ſumpfichtem Boden ſich wohl halte / und ungeheure Laſten trage; Cypreſſen und Fichten ſich leicht ſencken. Sonſt hat man auch von dem eichenen Holtze angemercket / daß ſich eine ſchwartze Materie heraus ziehet / davon die Fiſche ſterben.

Die 3. Anmerckung.

34. Ja auch das Holtz von einerley Art wird nicht alles von gleicher Guͤte befunden. Leewenhoeck (in Anatomia rerum cum animatarum, tum inani - matarum p. 245) behauptet / daß das Holtz / welches geſchwinde waͤchſt und dicke wird / ſtaͤrcker / feſter und dauerhaffter ſey / als das langſam waͤchſt und dicke wird / und folgends das Holtz beſſer ſey / welches brei - ter / als welches ſchmaale Jahre hat: ingleichen p. 44. daß das Holtz / welches inwendig hohl iſt / leicht faule. Und Alberti lib. 2. c. 7. haͤlt das Holtz an erhabenen Oertern fuͤr trockener und feſter / als das in niedrigen / abfonderlich ſumpfigen und mora - ſtigen. Daher wollen auch einige / man ſolle das Holtz von einerley Art alles aus einem Walde neh - men / damit es gleiche Zeit an dem Gebaͤude daure.

Der 8. Lehrſatz.

35. Das Bauholtz muß recht trocken ſeyn.

Be -283der Bau-Kunſt.
Beweiß.

Wenn das Holtz nicht trocken iſt / ſo trock - net es erſt in dem Gebaͤude. Wenn es trocknet / ſo ſchwindet es und wirft ſich. Da nun aber hiedurch das Gebaͤude verſchlim - mert wird; ſo muß man recht trocken Holtz zum Bauen nehmen. (§. 27). W Z. E.

Anmerckung.

39. Es wird wol niemand zweifeln / daß das Ge - baͤude Schaden nimmt / wenn das Holtz ſchwindet und ſich wirft / wer nur bedencket / was hieraus erfol - get. Denn wenn Z. E. nicht recht trocken Holtz zu den Thuͤren gebraucht wird / und ſie ſchwinden / ſo ge - hen ſie nicht recht zu / und kan des Winters die kalte Luft beſtaͤndig in das Zimmer hinein ſtreichen. Ja zuweilen ſpringen ſie gar / und bekom̃men in der mit - ten Rietze. Bey den Fenſter-Rahmen kan / wenn ſie geſchwunden / nicht allein der Wind / und Winters - zeit die kalte Luft in das Zimmer hinein blaſen / ſon - dern auch der Regen hinein laufen / wenn ihn der Wind wider die Fenſter ſchlaͤgt.

Zuſatz.

37. Derowegen muß man nicht allein das Holtz zu einer Zeit faͤllen / da es am allerwe - nigſten Feuchtigkeit hat / ſondern auch vor - her recht austrocknen laſſen / ehe man es zum Bauen braucht.

Die 2. Aufgabe.

38. Das Bauholtz zu faͤllen.

Aufloͤſung.
  • 1. Hauet im Herbſte die Baͤume auf der ei - nen Seite bis an die Mitte des Marcks ein / odee auch wohl (wie Boͤckler gethanin284Anfangs-Gruͤndein Not. ad Pallad. lib. 1. c. 1. f. 4.) zu unter - ſte am Stamme gerings herumb als ihr vermeinet / daß der Stamm kaum ſtehen bleibet.
  • 2. Laſſet auch / wenn es euch nicht zu be - ſchwerlich / alle Aeſte biß auf den Gipfel nach des Alberti Rath (lib. 2. c. 4.) und Boͤcklers Exempel abloͤſen / und ver - ſchmieret die obere Verletzung des Gipfels bald mit Leimen.
  • 3. Endlich vom Mittel des Decembris an bis gegen das Mittel des Februarii laſt es voͤllig faͤllen.
Beweiß.

Denn weil die Baͤume nicht allein die Feuchtigkeit aus der Erden durch die Wur - tzeln / ſondeꝛn auch von dem Regen / dem Thau und der Luft durch die Blaͤtter und Rinde an ſich ziehen / und der in ihnen ſich befind - liche Saft gleich dem Gebluͤte in dem Menſchlichen Coͤrper herumb circuliret (wie Perrault in Not. ad Vitruv. lib, 2. c. 9. n. 7. f. m. 50. und Mariotte in ſeinem Eſſai pre - miere de la Vegetation des plantes p. 63. & ſeqq. ausgefuͤhret): ſo wird durch das Abloͤſen der Aeſte und das Einhauen des Stammes dem Baume die Feuchtigkeit benommen / ſo viel nur moͤglich iſt. Da nun aber nicht allein den Sommer uͤber die uͤberfluͤßige Feuchtigkeit zur Nahrung der Blaͤtter und Fruͤchte angewendet worden;ſon -285der Bau-Kunſt. ſonderd auch hauptſaͤchlich die Erde vor dem December ihrer Waͤrme nicht voͤllig berau - bet wird / (wie Mariotte experimentiret in ſeinem Eſſai troiſieme du chaud & du froid p. 38. ſeqq. ) und folgends die Feuchtigkeit in derſelben nicht voͤllig gefrieren kan; uͤber dieſes / da umb das Mittel des Februarii die Sonne mercklich hoͤher ſteiget / der Saft wieder in die Baͤume tritt: ſo haben die Baͤu - me von dem Mittel des Decembris an / bis gegen das Mittel des Februarii die wenigſte Feuchtigkeit. Und dannenhero iſt dieſes die rechte Zeit ſie zu faͤllen (§. 27). Wenn man nun das Holtz iederzeit faͤllet / da es die wenigſte Feuchtigkeit hat / ihm auch vorher ſo viel moͤglich alle Feuchtigkeit benommen; ſo hat man alles in acht genommen / was man hat thun koͤnnen umb das Bauholtz recht tro - cken zu bekommen. W. Z. E.

Die 3. Aufgabe.

39. Das gefaͤllete Bauholtz recht aus - zutrocknen

Aufloͤſung.

Leget es unter einen Schopffen in einem trockenen Orte dergeſtalt uͤber einander / daß es nicht auf der Erde aufliegt und zwar fuͤr den Sonnen-Strahlen und dem Regen verwah - ret iſt / dennoch aber allenthalben von der freyen Luft durchſtriechen werden kan / und laſ - ſet es 3 Jahre liegen: ſo wird es nach und nach austrocknen.

Be -286Anfangs-Gruͤnde
Beweiß.

Weil der Regen das Holtz feuchte macht / ſo hindert er das Trocknen. Wenn es in der Sonne liegt / bekommt es Rietze / weil das obere Theil des Holtzes eher trocknet als das mittlere und / indem es ſich zuſammen ziehet und das mittlere nicht bedecken kan / ſpringet. Wenn das Holtz auf der Erde aufliegt / iſt es unter demſelben immer naß / unerachtet der Erdboden umb und umb trocken iſt / indem die aus der Erde ſteigende Duͤnſte nicht in die Lufft gehen koͤnnen. Die Luft trocknet faſt ge - ſchwinder als die Waͤrme der Soñe und nicht ſo ungleich wie dieſe. Daher wenn das Holtz nach und nach austrocknen und im trocknen nicht aufſpringen ſol; muß es wieder den Re - gen und die Sonne verwahret werden / die freye Luft aber muß darunter wegſtreichen und es von allen Seiten beſtreichen koͤnnen. W. Z. E.

Anmerckung.

40. Perrault (in Not, ad Vitruv. lib. 2. c. 9.) hat gefunden / daß das Maſſer durch das Holtz ſieckere / wenn es von oben begoſſen wird / nicht aber / wenn es von unten geſchiehet. Jch habe das Experiment mehr als ein mal wiederholet und richtig befunden: wie wol eine gute Weile erfordert worden / ehe es durchgelaufen iſt. Umb dieſer Urſachen willen wil Perrault man ſolle dem Holtze im Gebaͤude eine ver - kehrte Lage derjenigen geben / die es im Walde hat - te / daß dannenhero Boͤckler (in Not. ad Palladii lib. 1. c. 2. f. 5.) ohne Grund das Wiederſpiel in - cluci[c]et.

Die287der Bau-Kunſt.

Die 4. Aufgabe.

41. Die Guͤte der Steine zu erfor - ſchen.

Aufloͤſung.

Die Guͤte der Steine beſtehet darinnen / daß ſie groſſe Laſten tragen koͤnnen / auch ſich nicht leicht zerreiben / ingleichen in der Luft und dem Meer-Waſſer ſich nicht zermal - men laſſen / weder in der Kaͤlte noch im Feu - er ſpringen (§. 31).

Wollet ihr nun wiſſen / ob der Stein feſte iſt oder nicht / ſo koͤnnet ihr ſolches durch ge - waltſames Schlagen erfahren. Die Dau - erhafftigkeit in der Kaͤlte und Luft koͤnnet ihr erfahren / wenn ihr ſie nach dem Vitruvio (lib. 2. c. 7.) zwey Jahre unter freyem Himmel liegen laſſet; oder nach dem Alberti (lib, 2. c. 8. p. m. 25) ſie mit Scheide-Waſſer oder auch nur gemeinem Waſſer anfeuchtet und mit einer eiſernen Buͤrſte kratzet: denn ſo ſie in dem letztern Falle eine ſchleimigte Ma - terie von ſich gehen laſſen / ſollen ſie in der Luft ſich nicht wohl halten. Wenn ihr einen Stein ins Feuer werft / werdet ihr gewahr / ob der Stein aus eurem Stein-Bruche in demſelbẽ ſpringet oder nicht. Auch meinet Alberti (lib. 2. c. 8) es koͤnne ſich ein Stein im feuch - ten nicht wohl halten / wenn er ſchweerer wird / ſo man ihn mit Waſſer begießt.

An -288Anfangs-Gruͤnde
Anmerckung.

42. Man hat auch bey gebrochenen Steinen / die nicht gar zu harte ſind / noch unter den Marmor ge - hoͤren / acht zu geben / ob ſie Stein-Galle haben: in - dem dieſelbe oft weich wie Kreide iſt / ſich im Waſſer oder feuchtem aufloͤſet / die guten Gemaͤure verder - bet und (wie Boͤckler in ſeinen Anmerckungen uͤber den Palladium lib. 1. c. 3. f. 10 errinnert) oft - mals derſelben Fall verurſachet.

Der 9. Lehrſatz.

43. Die Steine ſollen im Sommer ge - brochen und in die Sonne gelegt wer - den / anch eine Weile liegen / ehe ſie ver - arbeitet werden.

Beweiß.

Denn alle Steinehaben eine Feuchtigkeit in ſich / wenn ſie aus der Erde kommen. Legt man ſie in die Sonne / ſo trocknen ſie aus. Ge - frieret aber im Winter dieſelbe / ſo ſpringen ſie oͤfters / oder werden wenigſtens muͤr - be. Durch das liegen aber werden die Steine harte.

Zuſatz.

44. Umb des letzteren willen wil Palladi - us (lib. 1. c, 3. f. m. 8.) den Marmor und die Bruchſteine / ſo die Steinmetzer brauchen / bald verarbeitet wieſſen / weil ſie noch gelinde und allſo gut zu arbeiten ſind.

Die 5. Aufgabe.

45. Die Back-Steine / oder Ziegel zu machen.

Auf -289der Bau-Kunſt.
Aufloͤſung.
  • 1. Streichet die Ziegel nicht aus ſandichter und ſproͤder; ſondern vielmehr aus zarter und fetter / doch auch nicht allzu fetter Lette / welche ihr / nach dem ſie eingeruͤhret wor - den / gleichſam fermentiren und hernach wohl untereinander ruͤhren laſſen. Ge - bet dabey acht / daß keine Kieſelſteine / Wuͤrtzelchen und Wuͤrme in derſelben ge - funden werden und ſtreichet die Ziegel im Fruͤhlinge und Herbſte / keines weges aber im Sommer und Winter.
  • 2. Setzet ſie in eine Scheune / da ſie zwar wieder die Sonnenſtrahlen und den Re - gen verwahret ſind / aber doch die Luft frey durchſtreichen kan: damit ſie aus - trocknen. Muͤſſet ihr ſie aber aus Noth im Sommer oder im Winter ſtreichen / ſo bedeckt ſie im Winter mit Sande / im Sommer mit angefeuchteter Spreu oder Stroh.
  • 3. Endlich wenn ſie gnung getrocknet / laſt ſie in dem Ofen brennen.
Beweiß.

Von den Ziegeln erfordert man / daß ſie feſte und nicht allzuſchweer ſind. Aus ſan - dichter Lette aber werden ſie ſchweer und ge - brechlich. Die fette Lette ſchwindet ſehr und macht daß die Ziegel im austrocknen Rietze bekommen. Die Kieſelſteine machen die Ziegel im austrocknen pucklicht / in dem dieTharte290Anfangs-Gruͤndeharte Materie der Steine nicht wie die Erde ſchwindet. Ja die Kalck-Steine werden im brennen gar zu Kalck. Wenn nun hernach die Ziegel die Feuchtigkeit in ſich ziehen / wer - den ſie von dem ſich aufblaſenden Kalcke aus einander getrieben. Die Wuͤrtzelchen und Wuͤrme werden von der Gewalt des Feuers verzehret und laſſen die Ziegel hin und wie - der hohl. Wenn nun in dem feuchten Herb - ſte die Feuchtigkeiten ſich haͤufig hinein zie - hen und in dem Winter durch den Froſt ge - frieren; ſo werden die Ziegel dadurch ge - ſprenget: wie Dieuſſart in ſeinem Theatro Archit. Civil. lib. 1. c. 6 f. 15 angemer - cket. Daher muß man im Ziegelſtreichen ſich fuͤr allen dieſen Dingen huͤtten. Wenn aber die Lette gleichſam fermentiret / ſo loͤſet ſie ſich recht auf und / in dem ſie wohl durch einander geruͤhret wird / giebet ſie ſich wieder feſter zuſammen. Daher kan man auch fe - ſte Ziegel daraus ſtreichen. Wenn der Froſt die Ziegel betrieft / ſo zerfallen ſie und iſt die gantze Arbeit vergebens: iſt der Froſt nicht zu heftig / ſo werden ſie wenigſtens ge - brechlich. Daher kan man ſie nicht im Win - ter ſtreichen / es ſey denn daß ſie zugedeckt und wieder den Froſt verwahret werden. Jn der Hietze trocknen ſie ungleich / bekommen Rietze und werfen ſich. Daher ſtreicht man ſie nicht in heiſſen Sommer-Tagen / oder bedeckt ſie mit angefeuchtetem Stroh / daßſie291der Bau-Kunſt. ſie nicht ſo geſchwinde trocknen koͤnnen: aus - welcher Abſicht auch ſie nicht in die Sonne gelegt werden doͤrfen. Und weil ſie in kal - ten Laͤndern von der Sonne / nach dem ſie aus getrocknet / nicht gnung gehaͤrtet werden koͤnnen; muß man ſie endlich brennen und durch die Gewalt des Feuers ausrichten / was die Sonnen-Strahlen bey uns nicht vermoͤ - gen. Demnach hat man guͤltige Urſachen / warumb man alles das jenige in acht nimmt / was zur Zubereitung der Ziegel vorgeſchrieben worden. W. Z. E.

Die 1. Anmerckung.

46. Die uͤbermaͤßige Fettigkeit der Lette wird durch dazu gemieſchten Sand gemaͤßiget.

Die 2. Anmerckung.

47. Damit die Steine aus der Lette koͤnnen gewor - fen werden / kan man ſie zwar erſt durch das Viehe / zu - letzt aber / wenn die grode Arbeit verrichtet worden / durch Meaſchen treten laßen.

Die 3. Anmerckung.

48. Damit die Ziegel-Erde recht aufgeloͤſet wuͤr - de / haben es die Alten (wie Dieuſſart l. c. berichtet) fuͤr gut befunden / wenn ſie in einem bey der Ziegel - Scheune dazu gemachten Kumme zwey Winter und einen Sommer aufbehalten wuͤrde / ehe man ſie zum Zieg elſtreichen braucht.

Die 4. Anmerckung.

49. Die groſſe Glut machet die Ziegel aus ge - meiner Lette oder Ziegel-Erde im Ofen fluͤßig und verwandelt ſie gar in Glaß. Daher macht man nicht allein in den Ziegel-Oefen Gewoͤlbe von Kalck-Stei - nen / damit die ſtaͤrckſte Glut daran ſchlaͤgt und ſie calcinirt; ſondern man ſetzt auch unten herumb Zie -T 2gel292Anfangs-Gruͤndegel aus Thon / denen die Glut nicht ſchadet / die aber viel ſchweerer ſind als die andern.

Die 5. Anmerckung.

50. Goldmann (lib. 1. c. 15 f. 61) erinnert / daß die Ziegel noch einmal ſo harte werden / als ſonſt / wenn man ſie wiederumb Waſſer in ſich ziehen laͤſt / nach dem ſie aus dem Ofen kommen / und zum an - dern mal brennet.

Die 6. Aufgabe.

51. Die Ziegel zu probiren / ob ſie gut ſind oder nicht.

Aufloͤſung.

Wollet ihr wieſſen / ob die Ziegel recht feſte ſind oder nicht / ſo doͤrfet ihr ſie nur beſchwee - ren / oder darauf ſchlagen.

Hingegen wenn ihr euch verſichern wollet / ob ſie recht aus gebrandt ſind oder nicht / ſo ſchlaget mit einem Hoͤltzlein / Eiſen oder Fin - ger daran / und mercket darauf / ob ſie helle klingen.

Oder tauchet ſie ins Waſſer und gebet dar - auf acht / ob ſie ſchlundig werden oder nicht. Denn wenn ſie rein klingen und nicht ſchlun - dig werden ſind ſie recht ausgebrandt.

Der 10. Lehrſatz.

52. Der Sand / den man zum Bauen brauchet / muß trocken / rauhe und rein / das iſt / mit keiner Erde vermenget ſeyn.

Beweiß.

Man miſchet im Bauen den Sand unterden293der Bau-Kunſt. den Kalck vermittelſt des Waſſers umb eine Speiſe zu bereiten / dadurch man die Ziegel und Steine im Mauerwercke mit einander verbinden kan. Derowegen muß man ſol - chen Sand brauchen / der ſich mit dem Kal - cke feſt vereiniget. Es lehret aber die Er - fahrung / daß ſolches geſchehe / wenn er tro - cken / rauhe und rein iſt. Darumb muß der Bau-Sand dieſe Eigenſchaften haben. W. Z. E.

Die 7. Aufgabe.

53. Den Bau-Sand zu probieren.

Aufloͤſung.

Reibet ihn in dem Hand-Teller und mer - cket darauf / ob er wohl knierſchet; ſehet auch nach / ob er Staub in dem Hand-Teller zu - ruͤcke laͤſt. Denn wenn er wohl knirſcht / ſo iſt er trocken und rauhe: Laͤſt er keinen Staub zuruͤcke / ſo iſt er rein.

Oder:

Ruͤhret ihn in Waſſer herumb: denn ſo er daſſelbe truͤbe macht / ſo iſt er unrein.

Oder:

Laſt ihn unter freyem Himmel liegen und gebet acht / ob er bewaͤchſt. Denn wenn die - ſes geſchiehet / ſo iſt Erde darunter und allſo der Sand unrein.

Die 1. Anmerckung.

54. Vitruvius (lib. 2. c. 4) erzehlet dreyerley Ar - ten des Sandes / nemlich den gegrabenen Sand / den Fließ-Sand und den Meer-Sand. Der gegrabent iſt entweder ſchwartz / oder grau / oder roth / oder glaͤn -T 3tzend /294Anfangs-Gruͤndetzend / oder kieſelicht. Der ſchwartze Sand iſt mit vieler Erde vermengt / allſo ſehr unrein und zum Bauen nicht tauglich (§. 52). Dẽr graue iſt etwas beſſer / weil er nicht ſo viel Erde bey ſich hat. Vitru - vius ziehet demſelben den rothen vor / den man nach des Alberti Bericht (lib. 2. c. 12) zu den oͤffentlichen Gebaͤuden in Rom gebraucht; allen Arten aber des Sandes den glaͤntzenden / weil er der reineſte und fe - ſteſte iſt.

Die 2. Anmerckung.

55. Es meldet Palladius (lib. 1. c. 4) daß unter dem gegrabenen Sande durch lange Erfahrung der weiſſe fuͤr den ſchlimſten beſunden worden / ſonder zweifel / weil er nicht rauhe gnuñg und dannenhero mit dem Kalcke ſich nicht wohl verbinden laͤſt.

Die 3. Anmerckung.

56. Uber dieſes erinnert Vitruvius (l. c.) daß der gegrabene Sand unreine werde / wenn er lange Zeit in der Luft / der Sonne / dem Mond und dem Reife liegt.

Die 4. Anmerckung.

57. Der Meer-Sand muß mit ſuͤſſem Waſſer ab - gewaſchen werden / ſonſt zerbeiſſet das mit ihm ver - miſchte Saltz den Kalck. Hingegen den Kieß-Sand muß man durch Huͤrten (das iſt / durch ein von eiſer - nem Drathe gemachtes Gegitter) werfen / damit er von den groben Kieſel-Steinen gereiniget werde / die ſonſt verhindern / daß man die Ziegel nicht gnau mit - einander verbinden kan.

Der 11. Lehrſatz.

58. Der Kalck ſol aus harten und rei - nen Steinen gebrandt werden.

Beweiß.

Denn es lehret die Erfahrung / daß die harten Steine einen weiſſen und feſten; diewei /295der Bau-Kunſt. weichen aber einen Kalck geben / der gleich - ſam in Aſche zerfaͤllt / wenn er aus dem Ofen getragen wird. Und wenn die Steine un - reine ſind / ſo wird auch der Kalck unrein. Weil aber weder der Kalck / welcher bald zerfaͤllet / noch auch der unreine eine feſte Speiſe giebt; wird keiner von beyden in der Bau-Kunſt gebilliget (§. 13). Und dan - nenhero ziehet man den aus harten und rei - nen Steinen demſelben vor. W. Z. E.

Die 1. Anmerckung.

59. Vitravius (lib. 2. c. 5) und Alberti (lib. 2. c. 11) verwerfen auch nicht den Kalck / der aus ſchwamloͤche - richten Steinen gebrannt wird. Und der letztere haͤlt den Kalck zu allem Gebrauch dienlich / den man aus Muͤhlſteinen / in welchen kein Saltz zufinden / zu bereitet. Er ziehet uͤber dieſes die gebrochenen Stei - ne den zuſammen geklaubeten vor und haͤlt die vor beſſer / welche in einem ſchattichten und feuchten / als die in einem trockenen Bruche gefunden werden. Pal - ladius aber erinnert / daß die Steine aus den flieſſen - den Waͤſſern und Baͤchen einen ſaubern und weiſſen; Kalck geben (lib. 1. c. 5).

Die 2. Anmerckung.

60. Wo man Mangel an Steinen hat / brennet man den Kalck aus Muſcheln / wie in Holland / und wer - den dazu die rundten weiſſen Muſcheln genommen / wel - che man an dem Ufer der See findet. Es erinnert aber Goldmann (lib. 1. c. 17 f. 62) daß er die Feuch - tigkeit ſehr an ſich ziehet und / wenn er zum Tuͤnch gebrauchet wird / der Regen ihn von den Waͤnden abſchaͤlet. Hingegen Dieuſſart (lib. 1. c. 7. f. 18) giebt ihn fuͤr den beſten aus.

Die 3. Anmerckung.

61. Es iſt auch eine Art Kalck / welcher aus den Kalck gruben gegraben / in Ziegel-Formen geſtriechen / hierT 4auf296Anfangs-Gruͤndeauf abgetrocknet und endlich wie die Ziegel im Ofen gebrandt wird. Und muß derſelbe trocken und im trockenen verwahret werden. (Dieuſſart lib. 1. c. 7. f. 18.) Goldmann mercket an (lib 1-c. 17. f. 68) / daß er erſt durch die laͤnge der Zeit gehaͤrtet wird.

Die 4. Anmerckung.

62. Ehe man die Steine in den Ofen wirft / ſollen ſie zuvor zerſchlagen werden. Denn wenn es ſich ſonſt fuͤgt / daß in dem Steine eine groſſe Hoͤhle iſt; ſo dehnet ſich die Luft in derſelben von der Gewalt der Flamme aus / wierft den Stein mit einem groſſen Knalle in Stuͤcken und beſchaͤdiget gerne den Ofen.

Die 5. Anmerckung.

63. Alberti und Palladius (l. c.) wollen / der Kalck ſolle 60 Stunden gebrandt werden: welches Boͤckler in den Anmerckungen uͤber den Palladium (lib. 1. c. 5) approbiret.

Die 8. Aufgabe.

64. Den Kalck zu probieren / ob er gut gebrandt ſey oder nicht.

Aufloͤſung.

Alberti (lib. 2. c. 11. lib. 3. c. 4) giebt fol - gende Proben an. Es ſollen die Steine umb leichter worden ſeyn: der Kalck ſol weiß / leicht und klingend ſeyn: er ſol ſich in dem Geſtelle / dariñen er eingemacht wird / diecke anhaͤngen / Boͤckler (l. c.) giebt als ein Merckmahl eines guten Kalckes an / wenn er im loͤſchen mit einẽ diecken Dampf auf ſteiget und Dieuſſart (l. c.) ſetzt dieſes / wenn er im loͤſchen viel Waſſer er - fordert.

Die 9. Aufgabe.

65. Den Kalck durch etliche Jahr gut erhalten,

Aufloͤſung.
  • 1. Loͤſchet ihn mit Waſſer und ruͤhret ihn in ei - nen duͤnnen Brey.
2.297der Baͤu-Kunſt.
  • 2. Laſſet ihn durch ein Loch an dem Boden des Troges in eine in der Erden zubereite - te Grube flieſſen / und werfet / indem ſol - ches geſchiehet / Sand darunter.
  • 3. Wenn die Grube voll iſt / decket ſie mit Sande zu / damit der Kalck nicht austrock - nen kan / ſondern ſo lange feuchte bleibt / biß man ihn zum Verarbeiten mit Spathen ausſticht.
Anders.

Boͤckler (in ſeinen Anmerckungen uͤber den Palladium lib. 1. c. 5.) recommendiret folgende Methode / wenn ihr den Kalck 3 / 4 / 10 und mehrere Jahre gut und kraͤftig erhal - ten wollt:

  • 1. So bald er aus dem Ofen kommt / leget ihn auf einen Platz zwey biß drey Schuh uͤbereinander.
  • 2. Streuet 2 biß 3 Schuh hoch Fließ - oder Feld-Sand daruͤber / und feuchtet den Sand durchaus an / doch daß der Kalck nicht geloͤſchet werde.
  • 3. Weñ ſich der Sand von dem aufſteigenden Dampfe ſpaltet / ziehet denſelben mit einer hoͤltzernen Schaufel bald wieder zu.

So ſollen die Kalckſteine zu lauter feiſte wie ein Kaͤſe von eitel Milchram werden / und die Ziegel als das beſte Kuͤtt heften.

Die 9. Erklaͤhrung.

66. Wenn dasjenige / was ſeinesglei -T 5chen298Anfangs-Gruͤndechen nicht hat / in der Mitten ſtehet / zu beyden Seiten aber die Theile in ihrer Groͤſſe / Figur / Zahl / Hoͤhe / Breite / Weite voneinander / Farbe u. ſ. w. mit - einander uͤbereinkommen; nennen es die Frantzoſen die SYMMETRIE, Goldmann aber die EURYTHMIE, oder Wohlge - reimheit.

Der 1. Zuſatz.

67. Da nun die Erfahrung lehret / daß / wenn man auch nur im geringſten von der Eurythmie abweichet / das gute Anſehen ſo bald verderbet wird; ſo muß der Baumei - ſter dieſelbe ſonderlich auf das ſorgfaͤltigſte in acht nehmen. (§. 16. 9).

Der 2. Zuſatz.

68. Weil aber die Eurythmie umb des guten Anſehens willen ſo ſorgfaͤltig in acht zu nehmen, ſo hat man ſie in denen Dingen zu bedencken / welche man auf einmal uͤberſehen kan.

Der 3. Zuſatz.

69. Daher wenn man etwas in der Weite gantz uͤberſiehet / in der Naͤhe aber nur einen Theil deſſelben; ſo muß man die Eurythmie mehr als als einmal anbringen.

Anmerckung.

70. Warumb eben die Eurythmie ein ſo ſonderli - ches Gefallen in uns vernrſachet / wollen wir hier nicht unterſuchen. Jn der Bau-Kunſt iſt uns gnung / daß wir wieſſen / was geſchiehet / und hilftuns299der Bau-Kunſt. uns zu nichts / wenn wir gleich wuͤſten / warumb es ge - ſchiehet. Nur wil ich dieſes anmercken / daß die Eu - rythmie nicht allein in verſchiedenen Faͤllen der Bau - Kunſt / ſondern auch in den Wercken der Natur und der uͤbriegen Kunſt oͤfters von der weſentlichen Voll - kommenheit erfordert werde. Wollet ihr nun ſetzen / daß die Seele ihrer Natur gemaͤß ein Gefallen ver - ſpuͤre / wenn ſie eine Vollkommenheit wahrnimmt / auch die ſie deutlich nicht erkennet / woferne ſie nicht durch Vorurtheile verruͤckt worden / und daß durch die Geſetze der Gedancken oͤfters eine Wuͤrckung er - folgen koͤnne / wo die wahren Urſachen derſelben nicht zu finden; ſo werdet ihr meines Erachtens weder den wahren Metaphyſiſchen Gruͤnden / noch der Erfah - rung zuwieder ſeyn. Allein es waͤre zu weitlaͤuftig an dieſem Orte ſolches zu beſtaͤtigen. Uber dieſes iſt gewiß / daß allzeit eine raiſon ſeyn muß / warumb wir zuerſt auf dieſes / als auf etwas anders ſehen; Wenn nun das mittlere anders ausſiehet / als das zur Sei - ten / ſo darf die Seele nicht erſt deliberiren / welches ſie zuerſt betrachten ſol.

Die 10. Erklaͤhrung.

71. Eine Stuͤtze nennen wir alles dasjenige / was eine Laſt aufhaͤlt / die ſonſt fallen wuͤrde.

Die 11. Erklaͤhrung

72. Die rundte Stuͤtzen werden Saͤulen genennet / und zwar Wand - ſaͤulen / wenn ihr Schaft zum Theil eingemauret.

Die 12. Erklaͤhrung.

73. Die viereckichten Stuͤtzen heiſſen Pilaſters oder Pfeiler / und nennenſie300Anfangs-Gruͤndeſie einige Wandpfeiler / wenn ſie zum Theil eingemauret ſind.

Die 13. Erklaͤhrung.

74. Ein Stein / der den Kopf eines - ber die Mauer hervorragenden Bal - ckens vorſtellet / wird ein Kragſtein ge - nennet.

Der 12. Lehrſatz.

75. Es muß an dem gantzen Gebaͤude nichts angehaͤngtes und angekleibetes erſcheinen / ſondern vielmehr alles ent - weder ſeinen feſten Grund haben / oder zulaͤnglich unterſtuͤtzt ſeyn.

Beweiß.

Denn was weder einen feſten Grund hat / noch unterſtuͤtzt iſt / wird ent weder mit der Zeit in der That herunter fallen / oder wenig - ſtens das Anſehen haben / als wenn es in die Laͤnge nicht wuͤrde dauren koͤnnen. Keines aber von beyden kan an einem Gebaͤude ge - duldet werden (§. 13. 16. 9). Derowegen muß an dem gantzen Gebaͤude ꝛc. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

76. Allſo muß man keine Stuͤtze an das Gebaͤude machen / wo nichts zu tragen iſt.

Der 2. Zuſatz.

77. Und weil die Stuͤtze hindern ſol / daß die auf ihr ruhende Laſt nicht weichen kan; ſo muß ſie auch ſelbſt nicht weichen koͤnnen /und301der Bau-Kunſt. und dannenhero auf einem feſten Grunde ruhen.

Der 3. Zuſatz.

78. Wiederumb weil alles zulaͤnglich un - terſtuͤtzt ſeyn ſoll / ſo muß man freyſtehende Saͤulen und Pfeiler brauchen / wo die Laſt weit heraus gehet / oder gar frey ſchwebet / als das Gewoͤlbe einer Kirche: Hingegen wenn die Laſt nicht weit hervor raget / kan man mit Wand-Saͤulen und Wandpfeilern vergnuͤ - get ſeyn (§. 67. 68). Wo aber zu Saͤulen und Pfeilern kein Raum iſt; bedienet man ſich der Kragſteine (§. 69).

Der 4. Zuſatz.

79. Allſo ſind Kragſteine Nothſtuͤtzen / und koͤnnen nirgends gebilliget werden / wo man fuͤr andere Raum hat. Vielweniger wuͤr - de ſichs reimen / wenn man Kragſteine auf Saͤulen und Pilaſtern legen wollte.

Der 5. Zuſatz.

80. Und damit man dem Anſehen der Fe - ſtigkeit nichts vergebe (§. 9. 16); doͤrfen die Kragſteine oder auch wuͤrckliche Koͤpfe der Balcken innerhalb der Laſt / welche ſie tra - gen / nicht verborgen werden.

Der 13. Lehrſatz.

81. Jede Stuͤtze muß in ihren Abmeſ - ſungen der Laſt proportioniret ſeyn / die ſie tragen ſol / und entweder aus e - ben ſolcher Materie zubereitet werden / aus welcher die Laſt beſtehet / oder ausgleich302Anfangs-Gruͤndegleich feſter / oder auch lieber aus noch feſterer.

Beweiß.

Denn ſonſt waͤre Geſahr / daß entweder die Stuͤtze mit der Zeit dem Drucken der Laſt nachgeben wuͤrde / wenn ſie gleich im Anfange hielte / oder nicht ſo lange daurete / als die Laſt / welche auf ihr ruhet. Da nun beydes der Feſtigkeit des Gebaͤudes zuwie - der iſt (§. 6); ſo muß iede Stuͤtze der Laſt proportioniret ſeyn / die ſie tragen ſol / u. ſ. w. (§. 13). W. Z. E.

Zuſatz.

82. Weil nun eine kurtze und diecke Stuͤ - tze mehr tragen kan als eine hohe und duͤnne; ſo muß die Diecke in der Hoͤhe wenig mal ent - halten ſeyn / wo eine groſſe Laſt zu tragen iſt / hingegen vielmal / wo eine kleine zu unterſtuͤ - tzen.

Anmerckung.
Tab. I. Fig. 1.

83. Jn der alten ſchlechten Bau-Art (welche Blondell Cours d Archite & ure lib. I. c. 2. part. 1. f. 3. und Goldmann lib. 2. c. 1. f. 73. nach An - leitung des Vitruvii lib. 2. c. 1. deutlich beſchrieben) brauchte man anfangs die Staͤmme der Baͤume K das Dach zu unterſtuͤtzen / und ſetzte ſie an die vier E - cken des Hauſes / damit das Dach darauf ru - hen moͤchte / und nicht die Waͤnde mit deſſelben Laſt beſchweeret wuͤrden. Damit nun dieſe Stuͤtzen nicht ſpalteten / umbgab man ſie oben und unten mit einem eiſernen Reifen C und B; damit ſie wieder den Regen und die Feuchtigkeit der Erden verwahret wuͤrden / ſetzte man einen viereckichten Beſetzziegel Aunter /203[303]der Bau-Kunſt. unter / und oben wurden nach der Laͤnge der Seiten des Gebaͤudes die Dachſchwellen D darauf geleget. Hierauf kam nach der Breite des Gebaͤu des qver - ber der Balcken E / auf welchen andere Balcken F, f, f, &c. ruheten / darauf die Dielen des Bodens G genagelt worden. Endlich wurden die Dachſparren I H I anfgerichtet. An die foͤrderſten derſelben machte man eine Dach-Rinne / welche auch dem Dache nu - terzogen ward / damit der Regen abſchieſſen konte. Da man aber ferner wahrnahm / daß bey groſſem Platz - Regen die Saͤulen unten Schaden nahmen / ſetzte man einen Wuͤrfel aus Werckſtuͤcke unter; damit nun auch deſſen Ecken unbeſchaͤdiget blieben / legte man unten einen breiten Grundſtein unter / oben deck - te man denſelben mit einem platten Deckel: wiewol man bald den Grundſtein und Deckel abhaͤngig ge - macht / daß der Regen daran ablaufen koͤnte.

Die 14. Erklaͤrung.

84. Alles / was in dieſer ſchlechten Bau-Art aus noͤthigen Abſichten ge - macht worden / hat man aus Steine o - der auch zuweilen aus Holtz zierlicher nach zumachen getrachtet / und das Werck / welches durch dieſe Arbeit he - raus kommen / eine Ordnung genen - net / daß allſo die Ordnung der Bau - Kunſt eine Saͤule mit ihren dazu gehoͤ - rigen Geſimſen iſt.

Der 1. Zuſatz.

85. Daher iſt es geſchehen / daß eine Ord -Tab. I. Fig. 2. nung aus drey Haupt-Theilen beſtehet / von denen der unterſte AB dasjenige / was zu Er - hoͤhung der Stuͤtzen gebraucht worden; deran -304Anfangs-Gruͤndeandere CD die Saͤule oder Stuͤtze ſelbſt; der dritte EF die Laſt / ſo auf der Stuͤtze ruhete / vorſtellet.

Der 2. Zuſatz.

86. Wenn man von den Ordnungen und ihrem Gebrauch urtheilen wil / ſo muß man die noͤthigen Abſichten in der ſchlechten Bau - Art iederzeit zum Grunde des Urtheiles ſe - tzen.

Anmerckung.

87. Hieraus ſiehet man / daß diejenigen ſich ſehr betruͤgen / welche die Lehre von den Ordnungen in der Baukunſt keinen nothwendigen Grund zu haben ver - meinen. Denn unerachtet die weſentliche Vollkom - menheit des Gebaͤudes dieſelben nicht uͤberall erfor - dert / wo man ſie zu gebrauchen pflegt; ſo muß ſie doch dieſelben zu erfordern ſcheinen. Und da der Baumei - ſter auch dieſem Scheine ein Vergnuͤgen thun muß (§. 9. 16); ſo hat er ſich voͤllig nach den Abſichten zu richten / die man haben muͤſte / wenn ſie ſchlechter din - ges noͤthig waͤren. Dieſe Abſichten aber hat man aus der ſchlechten Bau. Art (§. 83) herzuhohlen. Dan - nenhero wenn auch einer den angegebenen Urſprung der Ordnung hiſtoriſch fuͤr unrichtig hielte; ſo muß er dennoch vermoͤge der von uns beſtaͤtigten Gruͤnde der Bau-Regeln zugeben / daß man ſetzen muͤſſe / als wenn die Ordnungen dergleichen Urſprung haͤtten / oder we - nigſtens / daß man die bey der ſchlechten Bau-Art noͤ - thigen Abſichten zu Schein-Abſichten bey den Ord - nungen machen muͤſſe.

Die 15. Erklaͤhrung.

Tab. I. Fig. 2.

88. Der unterſte Theil der Ordnung AB wird das Poſtement; das mittle -re305der Bau-Kunſt. re CD die Saͤule; das obere EF das Haupt-Geſimſe genennet.

Anmerckung.

89. Goldmann nennet das Poſtement den Saͤulenſtuhl / und das Hauptgeſimſe das Ge - baͤlcke. Es iſt nemlich zu wieſſen / daß er ſich ſo wohl in der Benennung der Haupt-als anderer Glie - der beſtaͤndig nach den Lateiniſchen Nahmen des Vi - truvii richtet. Wir bleiben bey den Benennun - gen der Werckleute / theils damit auch ſie dieſe An - fangs-Gruͤnde der Bau-Kunſt ungehindert zu ihrem Nutzen leſen / theils unſere Zuhoͤrer und andere / die nach denſelben ſich etwa informiren zu laſſen belieben moͤchten / mit jenen von Bauſachen reden koͤnnen / theils weil dieſer Benennungen nicht ſo viel ſind als bey dem Goldmanne / da oͤfters ein Glied verſchiedene Nahmen bekommt bloß von der Stelle / die es in der Ordnung einnimmt.

Der 1. Zuſatz.

90. Weil das Poſtement nur zur Erhoͤ - hung der Saͤule gebraucht wird (§. 85); kan es uͤbeꝛall wegbleiben / wo die Saͤule ſchon vor ſich erhoͤhet iſt.

Der 2. Zuſatz.

91. Hingegen weil das Haupt-Geſimſe die Laſt iſt / ſo die Saͤule traͤget / (§. 85) / keine Saͤule aber gemacht werden muß / wo nichts zutragen iſt (§. 76); ſo kan das Hauptgeſim - ſe niemahls wegbleiben.

Der 3. Zuſatz.

92. Gleichwie aber das Poſtement zurUEr -306Anfangs-Gruͤnde. Erhoͤhung der Saͤulen gebraucht wird (§. 85); eben ſo kan man es zu Erhoͤhung anderer Sachen / die umb einer gleichmaͤßigen Urſa - che willen erhoͤhet werden muͤſſen / als der Statuen in einem Garten / brauchen.

Die 16. Erklaͤhrung.

931 Die Linie / umb welche ein Theil / oder auch ein Glied eines Theiles brei - ter iſt als das andere / nennet man die Ausladung / Goldmann heiſſet ſie die Vorſtechung.

Zuſatz.

94. Die Ausladung aller Glieder eines Theiles zuſammen genommen / machen die Ausladung des gantzen Theiles aus (§. 35. Arithm.)

Tab. I. Fig. 2.

Die 17. Erklaͤhrung.

95. Das Poſtement hat drey Theile / 1. das Fußgeſimſe BG (den Fuß des Saͤulenſtuhles) / 2. den Wuͤrfel / HG / 3. das Poſtement-Geſimſe AH (den Deckel): deren das erſte den Grundſtein / den man unter den Wuͤrfel; der andere aber den Deckel / den man uͤber den Wuͤr - ſel legte / vorſtellet (§. 83).

Zuſatz.

96. Da nun das Fuß - und Poſtement - Geſimſe zu Verwahrung des Wuͤrfels die - nen (§. 83); kan keines von beyden iemalsweg -307der Bau-Kunſt. weggelaſſen werden / beyde aber muͤſſen Aus - ladung uͤber den Wuͤrfel haben.

Die 18. Erklaͤrung.

97. Die Saͤule hat gleichfalls dreyTab. I. Fig. 2. Theile / 1. das Schaftgeſimſe IC (den Fuß) / 2. den Schaft IK (den Stamm) / 3. das Capitaͤl DK (den Knauf). Der erſte ſtellet den Beſetzziegel vor / der un - der die Saͤule kam; der dritte den Kopf des Balckens / ſo auf der Saͤule ruhete (§. 83).

Der 1. Zuſatz.

98. Daher muß das Schaftgeſimſe und Capitaͤl Ausladung uͤber die Saͤule haben / denn der Beſetzziegel wurde zu Verwahrung der Saͤule untergeleget / undein Balcken ru - het feſter / wenn ſein Kopf uͤber die Stuͤtze / worauf er lieget / etwas vorſticht. Hingegen kan das Schaftgeſimſe keine Ausladung uͤber den Wuͤrfel haben / weil es auf dieſem ruhet.

Der 2. Zuſatz.

99. Eben hieraus iſt zu erſehen / daß der o - bere Theil des Capitaͤls eine viereckichte Fi - gur haben muß.

Die 19. Erklaͤhrung.

Tab. I. Fig. 〈…〉〈…〉

100. Auch das Hauptgeſimſe hat drey Theile / 1. den Architrab L E (den Un - terbalcken) / 2. den Frieß MN (den Vor - ten) / 3. den Karnieß / FO (denU 2Krantz) 308Anfangs-GruͤndeKrantz.) Der erſte ſtellet den Qver - Balcken vor / der nach der Breite des Hauſes geleget wurde / der andere die Koͤpfe der Balcken / ſo auf dieſem ruhe - ten / und der dritte die Dielen / ſo darauf genagelt wurden / nebſt der Dachrinne. (§. 83).

Der 1. Zuſatz

101. Daher muß das unterſte Glied des Architrabs / ingleichen der Frieß keine Aus - ladung uͤber den Obertheil des Schaftes haben / denn keine Laſt muß breiter ſeyn als der Grund / worauf ſie ruhet / wenn ſie feſte liegen ſol.

Der 2. Zuſatz.

102. Hingegen der Karnieß muß Ausla - dung uͤber die gantze Ordnung haben / weil er den Regen von derſelben abhalten ſol (§. 83).

Anmerckung.

103. Die Nahmen / welche in einẽ parentheſin eingeſch oſſen / ſind des Goldmanns. Und ha - ben wir ſie um deswillen mit beybehalten / damit der Leſer zugleich zu dem herrlichen Wercke des Gold - manns von der Bau-Kunſt zubereitet wuͤrde.

Die 20. Erklaͤhrung.

104. Damit die erwehnten Theile der Ordnungen ein beſſeres Anſehen be - kaͤmen / hat man ſie aus kleinen Glie - dern zuſammen ſetzen wollen. Da man ſich aber vorgenommen kei - ne anzunehmen als die ſich durch Zir - ckel und Lineal zeichnen lieſſen; ſo hat man zwey erley Arten der Gliederbe -309der Bau-Kunſt. bekommen / Platte und Krum̃e. Je - ne nennet man Platten / wenn ſie groß ſind; Plaͤttlein / wenn ſie kleine ſind: dieſe aber ſind entweder erhaben / odet ausgehoͤlet / oder erhaben und aus - gehoͤlet zugleich. Es koͤnnen aber die er - habenen und ausgehoͤleten entweder aus einem halben Circul / oder nur aus einem Bogen gemacht werden. Die er - habenen heiſſen Staͤbe / wenn ſie groß ſind; Staͤblein / wenn ſie kleine ſind; Viertel-Staͤbe / wenn ihre Figur nach einem Bogen gerichtet: die ausgehoͤle - ten insgeſamt Hohlkehlen: die zugleich erhaben und ausgehoͤlet ſind / Karnieſ - ſe / wenn ſie groß ſind; Karnießlein / wenn ſie kleine ſind.

Anmerckung.

105. Goldmann nennet dieſe Glinder gantz an ders und mit viel mehrern Nahmen. Die Platten heiſſen bey ihm bald Streifen / bald Baͤnder / im Karnieße und Poſtementgeſimſe Krantzlei - ſten: die Plaͤttlein aber Riemlein; an dem Ende eines Haupttheiles Uberſchlaͤge; unten an dem Schafte Unterſaͤume / oben Oberſaͤume. Die gantzen Staͤbe nennet er Pfuͤhle / die Viertel-Staͤ - be Wuͤlſte / die Staͤblein Staͤbe und Staͤb - lein: die nach einem Bogen ausgehoͤhleten Hohlkeh - len Hohlleiſten / die uͤbriegen Einziehungen: die Karnieße / da die Ausladung der Hoͤhe gleich iſt / Rinnleiſten und Sturtz-Riñen; die uͤbriegen aber Kehlleiſten.

Die310Anfangs-Gruͤnde

Die 20. Aufgabe.

Tab. I. Fig. 3.

106. Einen Stab zu zeichnen.

Aufloͤſung.
  • 1. Theilet die Hoͤhe AB in 2 gleiche Theile in C (§. 112. 113 Geom.).
  • 2. Beſchreibet aus C mit dem Radio C A ei - nen halben Circul. (§. 104).

Die 21. Aufgabe.

Tab. I. Fig. 4.

107. Einen Viertel-Stab zu zeichnen.

Aufloͤſung.
  • 1. Theilet die Hoͤhe BC in 3 gleiche Theile / und gebt davon / nemlich BG / der Ausla - dung AB. (§. 21).
  • 2. Theilet das mittlere Drittel EG in 4 glei - che Theile / und macht BD = BF = BC + ¼ BF.
  • 3. Endlich beſchreibet aus D mit dem Radio DA den Bogen AC.
Tab. I. Fig. 5.
Anders.
  • 1. Suchet die Ausladung AB wie vorhin.
  • 2. Macht mit BC aus C und A einen Durch - ſchnitt in D.
  • 3. Beſchreibet aus D den Bogen AC.

Die 22. Aufgabe.

Tab. II. Fig. 6.

108. Eine Hohlkehle zu zeichnen.

Aufloͤſung.
  • 1. Theilet die Hoͤhe AB in 2 gleiche Theile in E und macht die Ausladung ac = ae (§. 21).
  • 2. Theilet ferner AB in zwey gleiche Theile in F und verlaͤngert BG in D / biß DB = AB + AF = $$\frac {5}{4}$$ AB wird.
3. Be -311der Bau-Kunſt.
  • 3. Beſchreibet aus D mit dem Radio DB den Bogen CB.
Anders.
  • 1. Suchet die Ausladung AC wie vorhin.
Tab. II. Fig. 7.
  • 2. Macht mit BC aus B und C einen Durch - ſchnitt in D.
  • 3. Beſchreibet aus D mit DB den Bogen BC.

Die 23. Aufgabe.

109. Einen groſſen Karnieß zu zeichnen.

Aufloͤſung.
  • 1. Macht die Ausladung AC = AB (§. 21).
Tab. II. Fig. 8.
  • 2. Nichtet aus der mitten der Hoͤhe AB ein Perpendicul DE = AC auf (§. 90. Geom).
  • 3. Beſchreibet aus D mit dem Radio DC den Qvadranten CF und aus E mit dem Ra - dio ED den Qvadranten BF.

Die 24. Aufgabe.

Tab. II. Fig. 9.

100. Einen kleinen verkehrten Kar - nieß zu zeichnen.

Aufloͤſung.
  • 1. Theilet die Hoͤhe AB in 2 gleiche Theile in E und macht die Ausladung AC = AE (§. 21).
  • 2. Ziehet eine blinde Linie BC.
  • 3. Theilet ferner AE in 4 gleiche Theile / und macht AF = AH = ¼ AE.
  • 4. Beſchreibet aus F mit FC den Bogen DC
  • 5. Macht BG = FC und
  • 6. Beſchreibet damit aus G den Bogen DB.
Anders.
Tab. II. Fig. 10.
  • 1. Macht abermahls die Ausladung AC = ½ AB.
U 42. Thei -312Anfangs-Gruͤnde
  • 2. Theilet die Linie BC in zwey gleiche Thei - le in D.
  • 3. Macht aus C und D den Durchſchnitt F / und aus D und B den andern G.
  • 4. Endlich beſchreibet aus F mit FC den Bo - gen DC und aus G mit GD den Bogen DB.
Anmerckung.

111. Weil es ſich nicht ſchieckt / daß die Ausladungen groͤſſer als die Hoͤhen werden / indem die Sachen / ſo all zu ſtarcke Ausladungen haben / das Anſehen gewin - nen / als wenn ſie herunter fallen wollten; ſo wird man aus dem 22 und 25. §. gar leicht urtheilen / daß die Verhaͤltniſſe der Ausladungen zu den Hoͤhen der Glied er wohl erwehlet worden.

Der 14. Lehrſatz.

112. Einerley Glieder ſtehen in einem Geſimſe nicht wohl unmittelbahr uͤber - einander.

Beweiß.

Der Baumeiſter ſol alles in ſeinen Wer - cken ſchoͤn machen (§. 16). Und alſo muß es ein Gefallen in uns erwecken / wenn wir es anſchauen (§. 9). Nun lehret die Erfahrung / daß ſich das Auge an einerley bald ſatt ſiehet. Derowegen koͤnnen wir uͤber einem Geſimſe kein Gefallen haben / da uns einerley Glieder unmittelbahr uͤbereinander in die Augen fallẽ / folgends ſtehen ſie nicht wohl in einem Geſim - ſe unmittelbahr uͤbereinander. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

113. Daher pflegt man auch die groſſen Glieder durch kleine und beſonders die rund - ten durch Plaͤttlein / die Platten durch Staͤb - lein zu unterſcheiden.

Der313der Bau-Kunſt.
Der 2. Zuſatz.

114. Es iſt aber aus dem Beweiſe klahr / daß der Baumeiſter uͤberall auf eine Ab - wechßlung bedacht ſeyn ſol / und dannenhero bey der Eurythmie in der Gleichheit der Seiten dennoch auch viel Ungleichheit ver - bergen / die erſt bey gnauer Betrachtung in der Naͤhe entdecket wird.

Die 1. Anmerckung.

115. Wenn man dieſe Regel recht anzubringen weiß / ſo erhaͤlt man / daß ſeine Wercke umb ſo viel mehr gefallen / ie gnauer und laͤnger man ſie betrach - tet und darinnen ie laͤnger ie mehr Schoͤnheiten von verſtaͤndigen Anſchauern entdecket werden.

Die 2. Anmerckung.

116. Jn dem Architrab / wenn er nicht zierlich ſeyn ſol / kan man wohl 2 Platten unmittelbahr uͤber ein - ander dulden / weil derſelbe nach der Laͤnge gelegte Balcken vorſtellet (§. 100). Und iſt derſelbe unter dem Worte Geſimſe in unſerem Lehrſatze eigentlich nicht mitbegriefen / als den wir nur auf das Fuß - Poſtement-Schaft - und Haupt-Geſimſe nebſt dem Capitaͤle erſtrecken.

Der 15. Lehrſatz.

117. Der Wuͤrfel / Schaft und FrießTab. II. Fig. 11. ſollen an ihre Ober - und Unter-Plaͤtt - lein ab - und an-laufen / das iſt / durch ei - nen Qvadranten des Circuls AC mit ihnen verknuͤpft werden.

Beweiß.

Der Baumeiſter ſol dem Anſehen der Staͤrcke nichts vergeben (§. 73. 16. 9). De -U 5rowe -314Anfangs-Gruͤnderowegen da die Sachen / ſo aus einem Stuͤ - cke gemacht ſind / feſter ausſehen als die aus vielen zuſammen gefuͤgt werden; der Wuͤr - fel aber / Schaft und Frieß als Dinge / die zum unterſtuͤtzen gemacht ſind / feſte ausſehen ſollen (§. 83. 95. 97. 100 ): ſo muͤſſen ſie mit ihren Ober - und Unter-Plaͤtlein nicht allein aus einem Stuͤcke gemacht werden / ſondern man muß auch dieſes deutlich wahrnehmen koͤnnen. Dieſes letztere aber wird durch den Ab - und An-lauf erhalten. Demnach muß man ſich deſſelben bedienen. W. Z. E.

Zuſatz.

118. Weil der Ablauf ein plattes Glied an das andere durch einen Qvadranten des Circuls verknuͤpfet; ſo hat es das Anſehen / als wenn ſie durch eine Hohlkehle von ein - ander unterſchieden wuͤrden und kan man allſo zwey platte Glieder mit gutem Fuge - ber einander ſetzen / wenn man ſich des Ab - laufes bedienet.

Der 16. Lehrſatz.

119. Der Schaft ſol nicht mit Ringen und Kraͤntzen umbgeben / noch mit Weinrancken umbwunden oder auf Schrauben-Art umbher ausgedrehet werden.

Beweiß.

Der Beweiß iſt faſt eben wie in der vor - hergehenden Aufgabe.

Der315der Bau-Kunſt.

Der 17. Lehrſatz.

120. Der Schaft der Saͤulen ſol kei - nen Bauch haben und aus den Flaͤchen der Wuͤrfel ſollen keine Tafeln ausge - nommen werden.

Beweiß.

Die Saͤule / als eine Stuͤtze (§. 72) / ſol gantz auf einem feſten Grunde ruhen (§. 77). Weñ ſie aber einen Bauch hat / ſo iſt ſie nicht gantz gegruͤndet. Derowegen kan man den - ſelben nicht billigen: welches das erſte war.

Das Schaft-Geſimſe kan keine Ausla - dung uͤber den Wuͤrfel haben (§. 98). Wenn aber aus der Flaͤche des Wuͤrfels Tafeln ausgenommen werden / fo bekommt es an die - ſen Orten eine Ausladung uͤber den Wuͤrfel. Derowegen doͤrfen ſie nicht ausgenommeu werden: welches das andere war.

Der 18. Lehrſatz.

121. Kein Glied eines Haupt-Thei - les darf an ein Glied eines andern ab - laufen.

Beweiß.

Der Ablauf verbindet zwey Glieder als wenn ſie eines waͤren. Derowegen wenn man ein Glied eines Haupt-Theiles an ein anderes ablaufen laͤſt / ſo ſiehet es aus / als wenn es zu einem frembden Theile gehoͤrete: welche Verwirrung nicht kan geduldet wer -den.316Anfangs-Gruͤndeden. Derowegen ſol kein Glied ꝛc. W. Z. E.

Zuſatz.

122. Daher tadelt Perrault (in ſeinem Wercke von den Saͤulen part. 2. c. 8. f. 120) mit Recht / wenn man die groſſe Plat - te des Schaft-Geſimſes an das Poſtement - Geſimſe anlaufen laͤſt.

Die 21. Erklaͤhrung.

123. Durch die weſentliche Glieder verſtehe ich diejenigen / welche in ei - nem Theile der Ordnung nothwendig ſeyn muͤſſen.

Der 19. Lehrſatz.

124. Alle Glieder / die etwas vorſtel - len / ſo in der ſchlechten Bau-Art hoͤchſt noͤthig war / ſind weſentliche Glie - der.

Beweiß.

Bey den Ordnungen muß man die noͤthi - gen Abſichten in der ſchlechten Bau-Art / dar - aus ſie entſtanden (§. 84) / ſtets vor Augen haben (§. 86). Derowegen koͤnnen die je - nigen Glieder / welche etwas vorſtellen / ſo in der ſchlechten Bau-Art ſchlechter Dinges nothwendig war / nicht weggelaſſen werden. Und allſo ſind es weſentliche Glieder (§. 123). W Z. E.

Der 1. Zuſatz.

125. Demnach muß in dem Fuß-Ge -ſimſe317der Bau-Kunſt. ſtmſe nothwendig eine Platte und in dem Poſtement-Geſimſe ein Ober-Plaͤtlein ſeyn. (§. 95).

Der 2. Zuſatz.

126. Jn dem Schaft-Geſimſe und Ca - pitaͤl muß eine groſſe Platte ſeyn (§. 97).

Der 3. Zuſatz.

127. Der Schaft muß unten und oben mit einem Plaͤtlein umbgeben werden (§. 83. 84) und vermoͤge deſſen / was im Be - weiſe des 15 Lehrſatzes (§. 117) beygebracht worden / unten an - und oben ab-laufen

Der 4. Zuſatz.

128. Jn den Architrab gehoͤret eine groſ - ſe Platte und in den Karnieß eine groſſe ab - hangende Platte nebſt dem Karnieſſe und Oberplaͤtlein (§. 100).

Der 5. Zuſatz.

129. Und weil der Schaft den Stamm eines Baumes abbildet (§. 83. 85) / dieſer aber oben duͤnner iſt als unten; ſo muß auch der Schaft oben verjuͤngt werden.

Der 20. Lehrſatz.

130. Jn das Poſtement-Geſimſe / das Capitaͤl und den Karnieß ſchiecken ſich alle Glieder auſſer dem Stabe und der Hohlkehle aus einem halben Cir - cul.

Be -318Anfangs-Gruͤnde
Beweiß.

Jn dem Poſtement-Geſimſe / Capitaͤle und Karnieſſe nimmt die Ausladung beſtaͤn - dig zu: und dannenhero ſchicken ſich dahin alle Glieder / welche nicht allein ſelbſt oben ei - ne Ausladung haben / ſondern uͤber die auch andere daruͤber geordnete Glieder eine Aus - ladung bekommen koͤnnen. Dieſes aber trieft bey allen Gliedern auſſer dem Stabe und der Hohlkehle aus einem halben Circul ein (§. 104): Denn weil im Stabe die Glie - der uͤber den Diameter / in der genannten Hohlkehle uͤber die Linie / welche den ausge - hoͤleten Bogen beruͤhret / geordnet werden muͤſſen; koͤnnten ſie keine Ausladung uͤber dieſelben bekommen. Derowegen ſchicken ſich in die erwehnten Theile der Ordnungen alle Glieder auſſer dem Stabe und der Hohlkehle aus einem halben Circul. W. Z. E.

Der 21. Lehrſatz.

131. Jn das Fuß - und Schaft-Ge - ſimſe ſchiecken ſich alle Glieder auſſer dem Viertel-Stabe.

Beweiß.

Jn dieſen beyden Geſimſen nimmt die Ausladung immer ab. Derowegen ſchie - cken ſich auſſer den Platten Gliedern / dem Stabe und der Hohlkehle aus einem halben Circul nur diejenigen Glieder dahin / welcheman319der Bau-Kunſt. man verkehrt ſetzen kan. Man kan aber alle die uͤbriegen Glieder verkehrt ſetzen auſ - ſer dem Viertel-Stabe. Derowegen ſchie - cken ſich dazu alle Glieder auſſer dem Vier - tel-Stabe. W. Z. E.

Die 25. Aufgabe.

132. Alle moͤgliche Geſimſe und Ord - nungen zu erfinden.

Aufloͤſung.
  • 1. Setzet eine Ordnung nach den Zuſaͤ - tzen des 19 Lehrſatzes (§. 125. ſeqq. ) aus den weſentlichen Gliedern zuſam - men.
  • 2. Nehmet jeden Theil beſonders und ſe - tzet nach und nach zu den weſentlichen Gliedern nach dem 20 und 21 Lehr - ſatze (§. 130. 131) eines / zwey und meh - rere Glieder / die ſich in daſſelbe ſchiecken / doch ſo daß ihr zugleich den 14 Lehrſatz mit ſeinem 1 Zuſatze (§. 112. 113. ) in acht neh - met.
  • 3. Wenn ihr nun die ſchlechten Theile zu - ſammen ſetzet / und die zierlichern wieder zuſammen ſetzet; ſo kommen gantze Ord - nungen heraus.
Beweiß.

Daß ihr auf ſolche Weiſe alle moͤgliche Geſimſe und folgends alle Ordnungen be - kommen muͤſſet; kan man nicht zweifeln / weil alle Ordnungen aus den Geſimſen / alleGe -320Anfangs-GruͤndeGeſimſe aber aus den Gliedern nach den vorhin erwieſenen Regeln zuſammen geſetzt werden muͤſſen. Wenn ihr nun von den einfachen Zuſammenſetzungen anfahet und immer weiter ordentlich zu hoͤheren fortſchrei - tet; ſo kommen nothwendig alle moͤgliche Zuſammenſetzungen heraus. W. Z. E.

Anmerckung.

133. Bey den Capitaͤlen iſt nur zu mercken / daß man ſie nicht allein aus Gliedern wie die uͤbriegen Geſimſe zuſammen ſetzt; ſondern auch die Ge - wohnheit noch andere Zierrathen daran eingefuͤhret: von welchen wir bald ein mehreres hoͤren werden. Von den Poſtementern aber haben wir nachfolgen - de Lehre zu behalten.

Der 22. Lehrſatz.

134. Die Glieder / ſo im Poſtement - Geſimſe zufinden / muͤſſen im Fuß-Ge - ſimſe verkehrt zuſehen ſeyn: auſſer wenn in jenem ein Viertel-Stab iſt / muß in dieſem ein gantzer Stab; wenn in dieſem eine gantze Hohlkehle iſt / in jenem eine Platte mit einem Ablauf an ein Plaͤttlein ſeyn.

Beweiß.

Weil man das Poſtement in der Naͤhe gantz uͤberſehen kan / muß man die Euryth - mie bey demſelben in acht nehmen (§. 68) / und dannenhero muͤſſen die Glieder des Po - ſtement-Geſimſes auch im Fuß-Geſimſe zu finden ſeyn (§. 66). Da ſich aber in dasPoſte -321der Bau-Kunſt. Poſtement-Geſimſe kein gantzer Stab und keine Hohlkehle aus einem halben Circul ſchiecket (§. 130); muß man an deren Stelle aͤhnliche Glieder ſetzen / die ſich dahin rei - men / als an die Stelle der gedachten Hohl - kehle eine Platte mit einem Ablaufe an ein Plaͤttlein. W. Z. E.

Die 1. Anmerckung.

105. Es hat noch niemand den Vorrath der Bau - Kunſt nach der 25 Aufgabe unterſucht. Weil aber Leute von geringerem Verſtande dieſe Arbeit ver - richten koͤnnen; ſo begnuͤget mich Jhnen den Weg gezeigt zuhaben und bin vor meine Perſon damit zu - frieden / daß ich Jhnen Anlaß gegeben habe ſich umb die Bau-Kunſt wohl zu verdienen. Welche ſich werden belieben laſſen / auf dem von mir an - gewieſenen Wege ordentlich fort zu gehen / denen werden ſich allgemeine Regeln von ſelbſten an die Hand geben / nach welchen unzehliche Wercke der Kunſt in ihrer voͤlligen Schoͤnheit zu verfertigen / wel - che jetzund von Drechslern / Schreinern / Toͤpfern und andern Handwerckern und Kuͤnſtlern meiſten - theils ſehr alber gemacht werden. Und was das Haupt-Werck iſt / man wird dieſe Handwercke und Kuͤnſte zu einer Vollkommenheit bringen koͤnnen. Derowegen doͤrfen auch diejenigen ſich zu dieſer Ar - beit nicht zu gut duͤncken / welche die Natur fuͤr an - dern mit mehrerem Nachſinnen begabet und denen das Gluͤck zu einem hurtigerem Gebrauch ihres Ver - ſtandes geholfen hat. Allein damit ſie ſich beſſerTab. II: Fig. 12. zurechte finden / habe ich ihnen nicht allein auf den rechten Weg helfen / ſondern ſie auch durch vorgezeich - nete Exempel auf demſelben eine weile begleiten wollen.

XDie322Anfangs-Gruͤnde
Die 2. Anmerckung.

136. die Alien / welche die Ordnungen der Bau - Kunſt zu erſt erfunden / haben es groſſen Theils auf gutes Gluͤcke ankommen laſſen. Vitru vius giebet uns (lib. 4. c. 1.) von den erſten vier Ordnungen folgen - de Nachricht. Als Dorus, der uͤber Achajam und Peloponneſum geherrſchet / der Junoni zu Argis einen Tempel erbauet / hat er die Doriſche Ord - nung zu erſt erfunden. Da hernach die Athenien - ſer dem Apollini Panjonio einen Tempel aufgefuͤh - ret; haben ſie gleichfalls dieſe Ordnung gebrauchet und die Diecke zu der Hoͤhe nach der Fußlaͤnge einer Manns-Perſon zu ſeiner gantzen Laͤnge proportioni - ret. Es iſt aber die erſte Doriſche Ordnung eben diejenige geweſen / welche ietzund die Tuſcaniſche ge - nennet wird / weil ſie ſonderlich von den Tuſcaniern in ihren Tempeln gebrauchet worden. Hingegen hat man nach und nach die erſte Doriſche Ordnung weiter ausgearbeitet / und dieſe wohl ausgearbeitete hat den Nahmen der Doriſchen Ordnung behalten. Da man der Dianæ einen Tempel aufrichten wollte / nahm man die Verhaͤltnis der Hoͤhe der Saͤule zu ihrer Diecke von dem weiblichen Coͤrper und machte den Diameter des gleichdiecken Stammes der Hoͤhe. Das Capitaͤl zierete man mit Schnoͤrckeln / die auf gebundenen Zoͤpfe der Weibs-Perſonen nach damaliger Mode damit zubezeichnen. Den Schaft hat man gerippelt / das iſt / mit Hohlkehlen verzie - ret umb die Falten des langen Rockes / ſo ihre Ma - tronen trugen / damit anzudeuten. Dieſe Ordnung iſt die Joniſche genennet worden. Die Corinthi - ſche hat man nach Jungfraͤulicher Laͤnge gemacht / und ihr Capitaͤl iſt von Callimacho, einem beruͤhm - tem Bildhauer folgender geſtalt erfunden worden. Es war zu Corintho eine manbahre Jungfrau ge - ſtorben / deren Amme etliche Geſchirre / ſo ihr lieb geweſen waren / in einem Koͤrblein auf ihr Grab ge -ſetzt323der Bau-Kunſt. ſetzt und oben mit einem Beſetz-Ziegel zu gedeckt hatte. Da es nun ohngefehr auf die Wurtzel einer Pflantze / welche Acanthus oder Welſcher Beeren - Klee genennet wird / kommen war / drungen des Fruͤh - lings die Blaͤtter unter dem Koͤrblein hervor und bekleideten es. Und als die zarten Stengel den Zie - gel erreicheten / kruͤmmeten ſie ſich in einen Wierbel. Nach dieſer Figur hat Callimachus ſein Capitaͤl eingerichtet. Nachdem Vitruvius ſeine Buͤcher von der Bau-Kunſt ſchon geſchrieben / hat man aus der Doriſchen / Joniſchen und Corinthiſchen Ordnung die fuͤnfte zuſammen geſetzel / welche daher die Com - poſita, ingleichen von ihren Erfindern den Roͤmern die Roͤmiſche genennet wird.

Die 3. Anmerckung.

137. Die Tuſcaniſche und Doriſche Ordnungen laſ - ſen ſich von den uͤbriegen leicht unterſcheiden / weil ih - re Capitaͤle gantz ſchlecht / ohne Schnoͤrckel und ohne Blaͤtter ſind: durch die Triglyphen aber an dem Frieß / welche die Koͤpfe der ſenckrecht abgeſaͤge - ten Balcken vorſtellen (§. 83) / unterſcheider ſich die Doriſche ſehr deutlich von der Tuſcaniſchen. Das Joniſche Capitaͤl giebt ſich durch die 8 Schnoͤrckel; das Roͤmiſche durch 8 Schnoͤrckel und zwey Reihen Blaͤtter; das Corinthiſche durch 16 Schnoͤrckel und drey Reihen Blaͤtter gar deutlich zu erkennen.

Die 4. Anmerckung.

138. Unerachtet aber alle Bau-Meiſter in der Zahl der Ordnungen / ihren Nahmen und Capitaͤ - len mit einander uͤbereinkommen; ſo iſt doch in den uͤbriegen Theilen derſelben keine voͤllige Uberein - ſtimmung. Daher es auch unmoͤglich faͤllet allgemei - ne Kennzeichen anzugeben. Denn die Goldmann (lib. a. c. 2. f. 80. 81) angewieſen / laſſen ſich nur / wie er ſelbſt geſtehet / auf ſeine appliciren. An ſtat des Beweiſes darf man nur des Rol. Freard de ChambrayX 2Archi. 324Anfangs-GrůndeArchitecture parallele, Caroli Philippi Dieuſſart Theatrum Architecturæ Civilis, des Herrn Prof. Sturms Anhang zu des Goldmanns Bau - Kunſt und Herrn Johann Chriſtian Seylers Paralleliſmum Architectonicum auf - ſchlagen. Weil aber Goldmann unſtreitig die Lehre von den fuͤnf Ordnungen in einen beſſern Zu - ſtand geſetzt / als ſie vorher bey andern Bau-Mei - ſtern geweſen; ſo wollen wir bey demſelben verblei - ben und ſie hernach nach ſeinem Sinne beſchreiben / wenn vorher von der Proportion ihrer Theile und Glieder gehandelt worden gleichfalls nach dem Sin - ne dieſes vortreflichen Baumeiſters.

Die 26. Aufgabe.

139. Die Hoͤhen der Glieder in den Geſimſen oder Theilen der Ordnun - gen geſchieckt gegen einander zu pro - portioniren.

Aufloͤſung.
  • 1. Weil die Hoͤhe der Saͤule nach ihrer Diecke proportioniret werden muß / ſo neh - met zum Maaß oder Modul den Semi - diater des gleichdiecken Schaftes an / und theilet ihn in 30 kleine Theile oder Minu - ten.
  • 2. Gebet den kleinen Gliedern wenige / den groſſen mehrere von dieſen dreißig theilgen des Moduls / ſo werden lauter gute Ver - haͤltniſſe der Glieder gegeneinander her - aus kommen.
Be -325der Bau-Kunſt.
Beweiß.

Der deutlichſte Beweiß iſt / wenn man ei - ne Tabelle verfertiget / darinnen die Hoͤhen jedes Gliedes nach dergleichen Theilgen an - gewieſen. Dergleichen wir auch zu dem Ende hieher ſetzen:

Nahmen der GliederHoͤhe.
Ein Plaͤttlein1 bis 2
Ein Oberplaͤttlein bis 4.
Eine Platte3 bis 10.
im Architrab8 bis 15.
Die abhangende Platte6 bis 10.
Ein Staͤblein bis 3.
Ein Stab4 bis 8.
Ein Viertel-Stab3 bis 6
Eine Hohlkehle aus einem halben Circul bis 5.
Eine Hohlkehle2 bis 5.
Ein Karnießlein2 bis 5
Ein Karnieß.5 bis 10.

Denn hier doͤrfet ihr nur die Hoͤhen verſchie - dener Glieder miteinander vergleichen; ſo werdet ihr allzeit wahrnehmen / daß eine gute Verhaͤltnis nach dem 6 Lehrſatze und ſei - nem 1. Zuſatze. (§. 20. 21) heraus kommt. W. Z. E.

Die 27. Aufgabe.

140. Die Hoͤhe der Saͤule gegen ihreX 3Diecke. 326Anfangs-GruͤndeDiecke und die Hoͤhen der Theile der Ordnungen gegen die Hoͤhe der Saͤule geſchieckt zu proportioniren.

Aufloͤſung.

Weil wir die Lehre von den Ordnungen nach dem Sinne des Goldmanns vortra - gen wollen (§. 138); ſo muͤſſen wir es auch bey ſeiner Proportionirung bewenden laſſen / und dannenhero an ſtat der Aufloͤſung folgende Tabelle herſetzen / darinnen die Hoͤhen der Theile nach Moduln angedeutet werden.

Nahmen der Theile.Tuſe.Doriſch.Joniſch.RoͤmCor.
Das Poſtement55555
Unterſatz zu Erhoͤhung der Saͤulen.11111
Die Saͤule1616162020
Das Hauptgeſimſe44444
Das Fußgeſimſe
Der Wuͤrfel
Das Poſtementgeſimſe¾¾¾¾¾
Das Schaftgeſimſe11111
Der Schaft14141416⅔16⅔
Das Capitaͤl1112⅓2⅓
Der Architrab1⅓1⅓1⅓1⅓1⅓
Der Frieß1⅓1⅓1 $$\frac {1}{15}$$ 1 $$\frac {1}{15}$$ 1 $$\frac {1}{15}$$
Der Karnieß.1⅓1⅓1⅗1⅗1⅗
Anmerckung.

141. Aus dieſer Tabelle erheller / daß Goldmann ſeine Ordnungen in zwey Claſſen theilet / nemlich in Niedrige und Hohe. Den Niedrigen giebet er 26 / den Hohen 30 Modul.

Die327der Bau-Kunſt.

Die 28. Aufgabe.

142. Es wird gegeben die Hoͤhe / wo - hin eine Ordnung kommen ſol / man ſol den Modul / und folgends die Diecke des Schaftes daraus finden.

Aufloͤſung.
  • 1. Wenn es eine von den hohen Ordnungen iſt mit Poſtemente / ſo dividiret die gegebe - ne Hoͤhe durch 30; ſol aber kein Poſtement dazu kommen / durch 26 / was heraus kommet iſt der Modul: dieſen dupliret / ſo habt ihr die Diecke des Schaftes (§. 141).
  • 2. Jſt es aber eine von den niedriegen Ord - nungen / und zwar mit einem Poſtemente / ſo theilet die gegebene Hoͤhe durch 26; Hingegen wenn kein Poſtement dabey iſt / durch 20; Was heraus kommet / iſt aber - mals der Modul. (§. 141). Dieſen dupli - ret / ſo habt ihr die Diecke des Schaftes.
Anmerckung.

143. Es kan auch kommen / daß ihr den Unterſatz be - halten ſollet / ſo muͤſſet ihr (§. 140) die gegebene Hoͤhe in dem erſten Falle durch 27 / in dem andern durch 21 dividiren. Z. E. Es iſt die Hoͤhe 16′ / dahin eine Tu - ſcaniſche Saͤule ohne Poſtement / aber mit einem Un - terſatze kommen ſol. Dividiret 16′ oder 1600‴ durch 21 / ſo kommt der Modul 76 $$\frac {4}{21}$$ Linien heraus.

Die 29. Aufgabe.

144. Aus der gegebenen Hoͤhe eines Poſtements die Hoͤhen ſeiner Theile zu finden.

Auf -328Anfangs-Gruͤnde
Aufloͤſung
  • 1. Dividiret die gegebene Hoͤhe durch 20.
  • 2. Was herauskommt / multipliciret mit 6 / mit 11 und mit 3; ſo giebt das erſte Product die Hoͤhe des Fußgeſimſes / das andere die Hoͤhe des Wuͤrfels / und das dritte die Hoͤhe des Poſtementgeſimſes (§. 140).

Z. E. die Hoͤhe des Poſtements iſt 5′ oder 50″ / ſo iſt die Hoͤhe des Fußgeſimſes 15″ / die Hoͤhe des Wuͤrfels 27″½ / die Hoͤhe des Poſtement geſimſes 7½″.

Die 30. Aufgabe.

145. Aus der gegebenen Hoͤhe eines Hauptgeſimſes die Hoͤhen ſeiner Theile zu finden.

Aufloͤſung.
  • 1. Jn der Toſcaniſchen und Doriſchen Ord - nung dividiret die gegebene Hoͤhe durch 3; ſo kommt die Hoͤhe des Architrabs / Frie - ſes und Karnieſes heraus (§. 140).
  • 2. Jn den uͤbriegen drey Ordnungen dividi - ret die Hoͤhe des Hauptgeſimſes mit 15 / was heraus kommt / multipliciret mit 5 / mit 4 und mit 6 / ſo giebt das erſte Product die Hoͤhe des Frieſes / das dritte die Hoͤhe des Karnieſes (§. 140).

Z. E. die Hoͤhe des Geſtmſes ſey 2′ oder 200‴ / ſo iſt die Hoͤhe des Architrabs 66⅔‴ / die Hoͤhe des Frieſes 53⅓‴ / die Hoͤhe des Karnießes 80.

145.329der Bau-Kunſt.
145. Tuſcaniſche Ordnung.
Fußgeſimſe. Nahmen der GliederHoͤhenAuslau - fungen.
Die Platte..0′1.23
Der Stab.4
Das Plaͤttlein.11.21
Der verkehrte Karnieß.6
Das Plaͤttlein.11.15
Die Hohlkehle.31.13½
Der Wuͤrfel.2.22½1.11
PoſtementgeſimſeDie Hohlkehle.3113½
Das Plaͤttlein.1115
Der Viertelſtab.5118⅓
Die Platte.6123
Das Plaͤttlein.1124
Die ablauffende Platte. (lein.4125
Das Oberplaͤtt -. 126
Schaftg. Der Unterſatz.1.01.11
Die Platte.151.10
Der Stab.15
Schaft. Das Plaͤtlein.31
Der verduͤnte Schaft.24
Das Plaͤttlein.227
Das Staͤblein.6
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
Capitaͤl. Der Hals.924
Das Plaͤttlein.125
Das andere Plaͤttlein.126
Das dritte Plaͤttlein.127
Der Viertel-Stab.812⅓
Die ablaufende Platte.81.3
Das Oberplaͤttlein.21.4
ArchitrabDie erſte Platte.1524
Die andere Platte.2025
Das Plaͤttlein.126
Das Oberplaͤttlein.227
Karnieß. Der Frieß.3424
Das Oberplaͤttlein.425
Die Hohlkehle.426
Das Plaͤttlein.128
Der Viertel-Stab.61.2
Die Hohlkehle.31.
Das Plaͤttlein.11.6
Die Platte.92.2
Das Plaͤttlein.12.3
Die Platte.32.4
Der Karnieß.8
Das Oberplaͤttlein.212
146. Doriſche Ordnung.
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
Fuß -Die Platte..0′.23′
Der Stab.4
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
geſimſe. Das Plaͤttlein.11.21
Der Karnieß.61.15
Das Plaͤttlein.1
Das Karnießlein.31.14
1.12½
Der Wuͤrfel.2.22½1.11
PoſtementgeſimſeDas Karnießlein.31.12½
1.14
Das Plaͤttlein.11.15
Der Viertel-Stab.51.18⅓
Die Platte.61.23
Die Hohlkehle.21.24
Die ablaufende Platte.31.25
Das Oberplaͤttlein.1.26
Der Unterſatz.1.01.11
SchaftgeſimſeDie Platte.101.10
Der Stab.8
Das Plaͤttlein.11.6
Die Hohlkehle.4
Das Plaͤltlein.11.4
Der Stab.6
Schaft. Das Plaͤttlein.21.3
Der verduͤnnte Schaft.24
Das Oberplaͤttlein.227
Das Staͤblein.6
Capitaͤl. Der Hals.1024
Das Karnießlein.324½
26
Das Plaͤttlein.127
Der Viertel-Stab.61.1
Nahmen der Glied. Hoh. Ausl.
Capitaͤl. Die Platte.51.
Das Karnießlein.31.2
1.
Das Oberplaͤttlein.21.4
Architrab. Die erſte Platte.1524
Die andere biß an die Zapfen.1525
Die Zapfen.427
Das Plaͤttlein.127
Die Hohlkehle.228
Das Oberplaͤttlein.329
Frieß. Der Frieß.1.1024
Jnnere Hoͤhe der Schlietze.1.2
Aeuſſere Hoͤhe der Schlietze.1.4
Breite eines halben Schlietzes.2
Breite zwiſchen zwey Schlietzen.4
Der gantze Tryglyph.1.6
Das Oberplaͤttlein.428
Karnieß. Das Karnießlein.329
1.½
Das Plaͤttlein.11.3
Die Platte.51.6
Das Plaͤttlein.11.7
Der Viertel-Stab.41.9⅔
Die Hohlkehle.11.10
Das Plaͤttlein.11.10½
Nahmen der Glie - der. Hoͤ - hen. Aus - lauf.
Die Platte.92
Die Hohlkehle.32.
Das Plaͤttlein.12.4
Der Karnieß.8
Das Oberplaͤttlein.32.12
Das 2dere Doriſche Hauptgeſimſe.
Architrab. Die erſte Platte.1024
Die andere bis an die Zapfen.1025¼
Die Zapfen.428
Das Plaͤttlein.128
Die Hohlkehle.229
Das Oberplaͤtttlein.330
Frieß. Der Frieß.1.2024
Jñere Hoͤhe der Schlie - tze.1.10
Aeußere Hoͤhe der Schlietze.1.12½
Breite eines halben Schlietzes.
Breite zwiſchen zwey Schlietzen.5
Der gantze Tryglyph.1.1528
Die Oberplatte.5
Der Karnieß iſt wie im vorigen Geſimſe.
Das dritte Doriſche Hauptge - ſimſe.
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl
Archit. Der Architrab iſt wie im andern Haupt - geſimſe.
Frieß. Der Frieß.1.1524
Jnnere Hoͤhe des Schlietzes.1.5
Aeußere Hoͤhe des Schlietzes.1.7
Breite eines halben Schlietzes.1
Breite zwiſchen zwey Schlietzen.3
Der gantze Tryglyph.1.10
Die Oberplatte.525
Karnieß. Das Karnießlein.41.0
1.2
Das Plaͤttlein.11.3
Der Viertel-Stab.51.6⅓
Die Platte.1.7⅔
Die Platte.2.
Das Karnießlein.3 $$\frac {2}{4}$$ 2.
2.11½
Die Platte.92.14
Die Hohlkehle.32.14½
Das Plaͤttlein.12.16
Der Karnieß.8
Das Oberplaͤttlein.2.24
147. Joniſche Ordnung.
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
FußgeſimſeDie Platte.0.271.23
Der Stab.4
Das Plaͤttlein.11.21
Der Karnieß.61.15
Das Staͤblein.2
Das Plaͤttlein.11.15
Das Karnießlein.41.14
1.12
Der Wuͤrfel /2.22½1.11
Poſtementgeſimſe. Das Karnießlein.41.12
1.14
Das Plaͤttlein.11.15
Das Staͤblein.2
Der Viertel-Stab.51.18⅓
Die Platte.51.22½
Das Karnießlein.31.23½
1.25
Das Oberplaͤttlein.1.26
Schaftgeſimſe. Die Platte.101.10
Der Stab.8
Das Plaͤttlein.11.6
Die Hohlkehle.4
Das Plaͤttlein.11.3
Der Stab.6
Schaft. Das Staͤblein.3
Das Plaͤttlein.21.
Der verduͤnte Schaft.24
Das Oberplaͤttlein.227
Das Staͤblein.6
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
Capitaͤl. Der Karnieß.24
Das Plaͤttlein.1.1
Das Staͤblein.31.½
Der Viertel-Stab.61.5
Die Platte.71.10
Das Plaͤttlein.1.13
Der Viertel-Stab.1.15
Architrab. Die Platte.27
Das Staͤblein.
Die andere Platte.1025
Das Staͤblein.2
Die dritte Platte.12½26
Das Karnießlein.427
29
Das Oberplaͤttlein.1.0
Der Frieß.29⅓24
Das Oberplaͤttlein.2⅔26½
Karnieß. Das Karnießlein.427½
29½
Das Plaͤttlein.11.½
Der Viertel-Stab.51.4
Die Platte.111.5
Das Karnießlein.31.20½
1.22
Die Platte.92.½
Das Karnießlein.32.
2.3
Das Plaͤttlein.12.4
Der Karnieß.8
Das Oberplaͤttlein.32.12
148. Roͤmiſche Ordnung.
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
Fußgeſimſe. Die Plaͤtte.25′1.23
Der Stab.5
Das Plaͤttlein.11.20½
Der Karnieß.6
Das Plaͤttlein.11.14½
Die Hohlkehle.2
Das Plaͤttlein.11.13½
Der Stab.4
Das Plaͤttlein.11.13½
Der Wuͤrfel.2.21½1.11
Poſtementgeſimſe. Das Karnießlein.41.12
1.14
Das Plaͤttlein.11.15
Das Staͤblein.2
Der Viertel-Stab.51.18⅓
Die Platte.1.23
Das Staͤblein.
Das Karnießlein.1.23¾
1.25
Das Oberplaͤttlein.21.26
Der Unterſatz.101.11.
Schaftgeſimſe. Die Platte.101.10
Der Stab.6
Das Staͤblein.31.7
Das Plaͤttlein.11.
Die Hohlkehle.4
Das Plaͤttlein.11.
Der Stab.5
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
Schaft. Das Staͤblein.3
Das Plaͤttlein.21
Der verduͤñete Schaft.25
Das Plaͤttlein.227½
Das Staͤblein.5
Capitaͤl. Der Keſſel.17½
bis an die Lippen der kleinen Blaͤtter.15
Von dar an bis an ihren Schei - tel-Punct.5
bis an die Lippen der groſſen Blaͤtter.15
bis an ihren Scheitel - punct.5
Das Oberplaͤttlein an dem Keßel.1.1.
Das Staͤblein.3
Der Viertel-Stab.61.5
Die Platte.71.10
Das Plaͤttlein.1.13
Der Viertel-Stab.1.15
Architrab. Die Platte.25
Das Staͤblein.
Die Platte.1026
Das Karnießlein.226½
27½
Die Platte.12½28
Das Staͤblein.
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
Das Karnießlein.328½
1.0
Das Oberplaͤttlein.21.1
Der Frieß.1.025
Das Staͤblein.2
Karnieß. Das Karnießlein.425⅔
27⅔
28⅔
Das Plaͤttlein.1
Das Staͤblein.1.2
Der Viertel-Stab.5
Die Platte mit kleinen Kragſteinen.1.3.
1.18.
Das Karnießlein.1.18¼
1.19½
Die Platte mit groſſen Kragſteinen.5120
Das Staͤblein.
Das Karnießlein.1.21¼
1.22½
Die Platte.2.2
Das Plaͤttlein.12.3
Der Viertel-Stab.32.5
Das Plaͤttlein.12.6
Der Karnieß.7
Das Oberplaͤttlein.22.13
149 D〈…〉〈…〉 orinthiſche Ordnung.
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl
Die Platte.25′1.2
Der Stab.4
FußgeſimſeNahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
Das Plaͤttlein.11.21
Der Karnieß.5
Das Plaͤttlein.11.16
Die Hohlkehle.
Das Plaͤttlein.11.15
Der Stab.3
Das Plaͤttlein.11.14¾
Das Karnießlein.1.13¾
1.12½
Der Wuͤrfel.2.22½1.11
Poſtementgeſimſe. Das Karnießlein.41.12
1.14
Das Plaͤttlein.11.15
Das Staͤblein.2
Der Viertel-Stab.51.18⅓
Die Platte.4122
Das Staͤblein.1
Das Karnießlein.21.23
1.24
Die Hohlkehle.21.25
Das Oberplaͤttlein.1.26
Der Unterſatz.1.01.11
Schaftgeſimſe. Die Platte.101.10
Der Stab.6
Das Staͤblein.2
Das Plaͤttlein.11.7
Die Hohlkehle.3
Das Plaͤttlein.11.6
Das Staͤblein.2
Der Stab.5
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
Schaft. Das Staͤblein.3
Das Plaͤttlein.11.
Der verduͤñete Schaft.25
Das Plaͤttlein.227½
Das Staͤblein.5
Capitaͤl. Der Keſſel.1.25
bis an die Lippen des erſten Blates15
von dar an bis an den Scheitel - punct.5
bis an die Lippen des andern Blates.15
bis an ihren Schei - telpunct.5
bis an das 3te Blat.8
Das Oberplaͤttlein des Keſſels.31.2
Die Platte.51.12
Das Plaͤttlein.11.13
Der Viertel-Stab.41.1
Architrab. Die Platte.25
Das Staͤblein.
Die Platte.925¾
Das Karnießlein.26⅜
27¼
Die Platte.1228
Das Staͤblein.
Das Karnießlein.328.¾
1.¼
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl
Die Hohlkehle.1.
Das Oberplaͤttlein.1.
Der Frieß.2925
Das Plaͤttlein.126¼
Das Staͤblein.2
Karnieß. Das Karnießlein427¼
29¼
Das Plaͤttlein.11.¼
Das Staͤblein.
Der Viertel-Stab.51.3⅔
Das Plaͤttlein.1.5
Die Platte mit Krag - ſteinen.8⅓1.5
Das Karnießlein.31.20
1.21½
Die Hohlkehle.1.22½
Die abhangende Plat - te.82.3
Das Staͤblein.
Das Karnießlein.2.4
2
Das Plaͤttlein.12.6⅓
Der Karnieß.6⅔
Das Oberplaͤttlein.22.13
Tab. III Fig. 13..Tab. V. Fig. 15Tab. VI. Fig. 15.Tab. VII. Fig. 16.Tab. VII. Fig. 17.Tab. VIII Fig. 18.Tab. IX. Fig. 19.Tab. X. Fig 20.Tab. XI. Fig. 21.Tab. XII. Fig. 22.Tab. XII. Fig. 22.Tab. XIII Fig. 23.
Die 3. Anmerckung.

150. Umb die Bruͤche zu vermeiden / theilet Gold - mann den Modul in 360 Theile ein. Weil aber vie - len die Subtilitaͤten beſchweerlich ſcheinen, habe ich die Eintheilung in 30. Theile behalten / wie ſie insgemein im Brauch iſt / und bin dannenhero an wenigen Ortenin343der Bau-Kunſt. in Kleinigkeiten von Goldmanns Zahlen abge - wichen.

Die 2. Anmerckung.

161. Wenn man / ſonderlich in den beyden er - ſten Ordnungen / nicht alle Glieder behalten wil / darf man nur einige auſſer weſentliche weglaffen und die uͤbriegen umb ſo viel ſtaͤrcker machen. Die Aus - ladungen richten ſich nach der Ausladung der Glie - der / nur iſt noch zu mercken / daß man den Platten zur Ausladung des Plaͤttleins Hoͤhe giebet. Die Ausladung aber der abhangenden Platte wird ge - funden / wenn man die Summe der Ausladungen aller uͤbriegen Glieder von der Ausladung des gan - tzen Theiles der Ordnung abziehet. Auch muß man wohl acht haben / daß durch Weglaſſung eini - ger Glieder nicht eine ungeſchickte Verknuͤpfung der uͤbriegen heraus kommet.

Die 31. Aufgabe.

152. Zu Zeichnung der OrdnungenTab. XIV. Fig. 24. einen Maaßſtab zu verfertigen.

Aufloͤſung.
  • 1. Theilet den Modul AB in 3 gleiche Theile.
  • 2. Richtet in A nach belieben ein Perpen - dicul AC auf und theilet es in 10 gleiche Theile.
  • 3. Ziehet durch alle Theilungs-Puncte Pa - rallel-Linien mit AB.
  • 4. Endlich ziehet von 38 biß 29 / von 20 biß 10 / von 10 biß 0 Linien; ſo iſt 1.1 = $$\frac {1}{30}$$ / 2. 2 = $$\frac {2}{30}$$ / 3. 3 = $$\frac {3}{30}$$ u. ſ. w.
Beweiß.

Der Beweiß iſt einerley mit dem Be - weiſe der 52 Aufgabe in der Geometrie (§. 188).

Y 4An -344Anfangs-Gruͤnde
Anmerckung.

153. Wenn ihr auf einem verjuͤngten Maaß-Sta - be 3 Ruthen fuͤr den Modul annehmet / ſo ſind die Schuhe auf demſelben die Minuten des Moduls. Nehmet ihr 3 Schuhe fuͤr den Modul an; ſo geben die Zolle die Minuten.

Die 32. Aufgabe.

154. Das Papier auf das Reißbret zuſpannen.

Tab. XIV. Fig. 25.
Aufloͤſung.
  • 1. Nehmet das Bret aus ſeinem Rahmen ABCD und leget das Papier darauf.
  • 2. Tauchet ein Schnupftuch in reines Waſ - ſer und fahret damit auf dem Papier hin und her / daß es feuchte wird: ſo wird es ſich ſehr aus einander geben.
  • 3. Leget den Rahmen uͤber das Bret und be - feſtiget dieſes in demſelben durch die Baͤn - der EF und GH.

Wenn das Papier trocknet / wird es ſich ſehr glatt anziehen.

Tab. XIV. Fig. 26.

Die 33. Aufgabe.

155. Eine Reißſchiene verfertigen zu - laſſen.

Aufloͤſung.
  • 1. Laſſet ein Lineal AB machen / welches an Laͤnge der Diagonal-Linie des Reiß - Bretes gleich iſt
  • 2. Laſſet ſelbiges in das Richt-Holtz CD nach rechten Winckeln einſchneiden und befeſtigen.
3. Jn345der Bau-Kunſt.
  • 3. Jn B richtet eine ſtaͤhlerne Schraube perpendicular auf.
  • 4. Haͤnget darein ein anderes Holtz von ei - nerley groͤſſe und Figur mit CD / welches umb die Schraube beweglich iſt und durch eine Meßingene Mutter feſt an geſchraubet werden kan.

Nach dieſer Schiene koͤnnet ihr alle Linien des Rieſſes durch einen Punct ziehen / da man ſonſt zwey von noͤthen hat / ingleichen ohne Muͤhe durch jeden Punct mit einer jeden Li - nie eine andere Parallel ziehen.

Beweiß.

Jn den Baurieſſen werden meiſtens nach der Laͤnge und Breite des Papieres aufeinander perpendicular ſtehende Paral - lel-Linien gezogen.

Weil nun die Seiten des Reiß-Bretes als eines winckelrechten Vier-Eckes auf einander perpendicular ſtehen / ſo darf man das Richt-Holtz CD an die eine Seite des Bretes anlegen und biß an einen gegebenen Punct fort ſchieben / wenn man eine Linie durch ſelbigen beſchreiben wil / die mit der andern Seite parallel und der gegebenen perpendicular iſt (§. 92. Geom.) Hingegen wenn ihr den beweglichen Theil des Richt - Holtzes CD an die eine Seite des Reißbre - tes anleget und das Lineal AB umb die Schraube herum drehet / biß es an einer ge - gebenen Linie lieget / dann daſſelbe durch dieY 5Meßin -346Anfangs-GruͤndeMeßingene Mutter an ſeiner Schraube be - feſtiget und die gantze Schiene an der Sei - te des Bretes biß an den gegebenen Punct fortſchiebet; ſo koͤnnet ihr durch denſelben mit dergegebenen Linie eine andere parallel ziehen (§. 92 Geom).

Die 34. Aufgabe.

156. Eine jede Ordnung zu zeichnen.

Aufloͤſung.
Tab. XV. Fig. 27.
  • 1. Spannet das Papier auf das Reißbret / nach der 32 Aufgabe (§. 154) und zie - het nach der Laͤnge und Breite an deſſen Seiten die beyden Linien AB und BC.
  • 2. Traget aus D in 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9 die Hoͤhen der Glieder / Z. E. eines Poſte - mentes und aus F beyderſeits gegen B und C in 1. 2. 3. 4 die Breiten oder Aus - laufungen derſelben.
  • 3. Ziehet auf die Linie AB durch die Thei - lungs-Puncte 1. 2. 3. 4. 5. 6. u. ſ. w. lau - ter perpendicular-Linien / die unter einan - der parallel ſind (§. 155).
  • 4. Leget die Reiß-Schiene an die Thei - lungs-Puncte 1. 2. 3. 4 der Linie BC und ſchneidet an den vorhin gezogenen Linien die Auslaufungen ab.
  • 5. Zeichnet endlich zwieſchen zwey und zwey derſelben Linien die Figuren der dahin gehoͤrigen Glieder.
An -347der Bau-Kunſt.
Anmerckung.

157. Die Platten Glieder werden nach dem Li - neal / die rundten aber im kleinen mit der freyen Hand ausgezogen. Gleichwie auch die Blaͤtter und Schnoͤrckel an den Capitaͤlen mit freyer Hand ge - zeichnet werden / ſonderlich im kleinen.

Die 35. Aufgabe.

157. Eine Ordnung ſo kleine zu zeich - nen / daß man keinen beſonderen Maaß - Stab darzu verfertigen kan.

Tab. XVI Fig. 28.
Aufloͤſung.
  • 1. Traget nach einem Maaß-Stabe / den ihr habet / alle Hoͤhen / Z. E. eines Po - ſtementes / auf eine Linie AB.
  • 2. Setzet darauf einen gleichſeitigen Trian - gel ACB (§. 71 Geom).
  • 3. Traget aus C in D und in E die gegebe - ne Hoͤhe / Z. E. des kleinen Poſtements / und ziehet die Linie DE.
  • 4. Endlich ziehet aus C gegen alle Thei - lungs-Puncte der Linie AB blinde Linien / welche die Linie DE in eben ſolcher Pro - portion eintheilen als die Linie AB gethei - let iſt (§. 186. Geom.)
  • 5. Von DE koͤnnet ihr die Hoͤhen der Glie - der auf das Reißbret abtragen und wo zwey Theilungs-Puncte auf einander fal - len / wird in dem Rieſſe an ſtat deſſel - ben Gliedes eine doppelte Linie gezogen.

Die 36. Aufgabe.

Tab. XVI Fig. 29.

158. Die Triglyphen mit ihren Zap -fen348Anfangs-Gruͤndefen in das Haupt-Geſimſe der Dori - ſchen Ordnung einzuzeichnen.

ufloͤſung.
  • 1. Weil die Axe der Saͤule / wenn ſie con - tinuiret wird / mitten durch einen Tri - glyph gehet; ſo traget auf die Linie / dar - an ihr die Auslaufungen bemercket (§. 156) / beyderſeits die halbe Breite eines Schlietzes 3 mal / ferner die gantze und endlich noch einmal die halbe Breite ei - nes Schlietzes.
  • 2. Hingegen auf die andere Linie / darauf ihr die Hoͤhen der Glieder gezeichnet / traget die aͤuſſere und innere Hoͤhe der Schlie - tze / die Hoͤhe des gantzen Triglyphs / die Hoͤhe der Zapfen / des Plaͤttleins / der Hohlkehle und Oberplaͤttleins / nebſt ih - ren gehoͤrigen Ausladungen auf die vori - ge Linie: ſo koͤnnet ihr wie in der 34 Aufgabe (§. 156) den gantzen Triglyph mit ſeinen Zapfen ausziehen.
  • 3. Traget die Hoͤhe des Triglyphs aus dem Ende ſeiner Breite auf die Breiten-Linie / ſo habt ihr den Anfang des andern Tri - glyphs / weil die Zwieſchen-Tiefe ein voll - kommen Qvadrat ſeyn ſol.
  • 4. So ihr euch nun ferner die halbe Tri - glyphs-Breite auf dieſe Linie zeichnet / ſo habet ihr die Axe des andern Triglyphs und koͤnnet ihn nach vorher beſchriebener maſſe zeichnen / u. ſ. w.
An -349der Bau-Kunſt.
Anmerckung.

159. Weil jederzeit ein Triglyph / als der einen Balcken vorſtellet / auf der Saͤule liegen muß / die Weiten aber der neben einander ſtehenden Saͤulen variren koͤnnen / und doch die Zwieſchen-Tiefe be - ſtaͤndig ein Ovadrat ſeyn ſol; ſo hat Goldmann verſchiedene Doriſche Gebaͤlcke ausgerechnet.

Die 37. Aufgabe.

159. Die Kaͤlberzaͤhne in die unterſteTab. XVI. Fig. 30. Platte des Karnieſſes der Doriſchen Ordnung ein zuzeichnen.

Aufloͤſung.
  • 1. Weil die continuirte Axe der Saͤule mitten durch einen Zahn gehet / ſo traget auf die Linie der Auslaufungen oder Brei - ten beyderſeits erſtlich die halbe Zahn - Breite / hernach Wechſels weiſe die Breite der Zwieſchen-Tiefe 2 und eines gantzen Zahnes 3 / an dem Ende des Ge - ſimſes aber die Zahnbreite 3 zwey mal hinter einander.
  • 2. Auf die Linie der Hoͤhen traget die inne - re Hoͤhe des Zahnes 3 und die aͤuſſere 4.

So koͤnnet ihr wie in der 34 Aufgabe die Kaͤlberzaͤhne ausziehen.

Die 38. Aufgabe.

160. Einen Schnoͤrckel zu zeichnen.

Aufloͤſung.
  • 1. Theilet die Hoͤhe GN in 13 gleiche Thei -
    Ta. XVII Fig. 31.
    le und zehlet von G biß C 7 Theile / ſo iſtC350Anfangs-GruͤndeC das centrum des Auges / aus welchem man mit einem ſolchen Theile / nemlich CH einen Circul beſchreibet / der das Au - ge giebet.
  • 2. Theilet ferner die radios des Auges CH und CI in 2 gleiche Theile in 1 und 6 / und
  • 3. Beſchreibet aus den centris 1. 2. 3. 4. 5. 6 die halben Circul GLN, NAM, MBO, OCP, PDQ, QEH.
Anders.
Tab. XVII. Fig. 32.
  • 1. Theilet mit dem Palladio die Hoͤhe AB in 8 gleiche Theile / davon iſt der fuͤnfte OP der Diameter des Schnecken-Au - ges.
  • 2. Beſchreibet aus G dem Mittel der Linie OP einen Circul und darein ein Qva - drat.
  • 3. Theilet die Seiten durch die Linien 1. 3 und 2. 4 in 2 gleiche Theile; jede aber von dieſen Linien in 6 gleiche Theile.
  • 4. Beſchreibet aus den Puncten 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12 die Qvadranten BC, CA, AD, DE, EF, FH, HI, IK, KL, LM, MN, NO.
Tab. XVIII. Fig. 32.
Noch anders.

Blondell und Daviler ruͤhmen am mei - ſten folgende Methode des Goldmanns.

  • 1. Theilet abermals die Hoͤhe des Schnoͤr - ckels AB in 8 gleiche Theile / und neh -met351der Bau-Kunſt. met den fuͤnften PQ fuͤr den Diameter des Auges an.
  • 2. Die halben Diametros PG und GQ thei - let in zwey gleiche Theile in 1 und 4 / und conſtruiret auf die Linie 1, 4 ein Qva - drat 1. 2. 3. 4 / deſſen eine Seite 1. 2 / ihr biß in C / die andere 2. 3 biß in D / und die dritte 3. 4 biß in E fortziehen muͤſſet.
  • 3. Ziehet ferner aus G die Linien G 2 und G 3 und theilet jede in 3 gleiche Theile in 6 / 10 und 11 / 7.
  • 4. Ziehet weiter durch 6 und 10 mit 1. C / durch 11 und 7 mit 3. E / durch 10. 11 und 6. 7 mit PB Parallel-Linien.
  • 5. Endlich beſchreibet aus 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12 die Qvadranten AC, CD, DE, EF, FH, HI, IK, KL, LM, MN, NO und OP.

Die 39. Aufgabe.

161. Die Kragſteine in die untere Platte des Karnieſſes der Joniſchen Ordnung einzuzeichnen.

Aufloͤſung.
  • 1. Weil die continuirte Axe der Saͤule mitten durch einen Kragſtein gehet / ſo traget erſtlich beyderſeits die halbe Brei - te eines Kragſteines 5 / hernach Wechſels Weiſe die Breite der Zwieſchen-Tiefe 20 und die Breite eines Kragſteines 10 auf die Linie der Auslaufungen.
2. Hin -352Anfangs-Gruͤnde
  • 2. Hingegen auf die Linie der Hoͤhen tra - get aus dem Anfange der Platte die Hoͤ - he eines Plaͤttleins 1: ſo koͤnnet ihr den Kragſtein ausziehen. Nur muͤſſet ihr
  • 3. Noch dem Karnießlein uͤber der Platte auch ſeine gehoͤrige Ausladung uͤber den Kragſtein geben.
Die 1. Anmerckung.
Tab. XIX. Fig. 34.

162. Auf eben ſolche Weiſe werden die Krag - ſteine an dem Karnieſſe der Corinthiſchen Ordnung gezeichnet / nur daß uͤber das Karnießlein noch die Hohlkehle mit ihrer gehoͤrigen Ausladung kommet und der Kragſtein ausgeſchnietzt oder ausgehauen wird.

Die 2. Anmerckung.
Tab. XIX. Fig. 35.

163. Jn der Roͤmiſchen Ordnung hat es mit den großen Kragſteinen eben dieſe Bewandnis. Die klei - neren unteren geben ſich leichte / wenn man den oberen die Ausladung der Platte und dem Karnießlein ſei - ne gehoͤrige Ausladung giebet. Nur iſt der einige Unterſcheid / daß der obere Kragſtein die voͤllige Hoͤ - he der Platte hat.

Die 21. Erklaͤhrung.

164. Gekuppelte Saͤulen werden genennet / welche man ſo nahe neben einander ſtellet / als moͤglich iſt.

Der 1. Zuſatz.

165. Die gekuppelten Saͤulen muͤſſen all - ſo mit den Theilen / ſo die groͤſte Ausladung haben / an einander ſtoſſen.

Der353der Bau-Kunſt.
Der 2. Zuſatz.

166. Jn der Tuſcaniſchen und Doriſchen Ordnung hat das Schaftgeſimſe groͤſſere Ausladung als das Capitaͤl (§. 145. 146). Derowegen wenn ſie gekuppelt werden / ſtoſ - ſen die Platten an den Fußgeſimſen an ein - ander.

Der 3. Zuſatz.

167. Hingegen in der Joniſchen / Roͤmi - ſchen und Corinthiſchen Ordnung iſt die Aus - ladung des Capitaͤls groͤſſer als die Ausla - dung des Schaftgeſimſes. (§. 147. 148. 149). Derowegen wenn ſie gekuppelt werden / ſtoſ - fen ihre Capitaͤle an einander.

Der 23. Lehrſatz.

168. Unter gekuppelten Saͤulen kan entweder kein Poſtement gebraucht werden / oder man muß beyde auf eines ſetzen.

Beweiß.

Gekuppelte Saͤulen ſtoſſen entweder mit ihren Schaftgeſimſen oder Capitaͤlen an einander (§. 166. 167.) Nun iſt aber die Ausladung des Poſtementgeſimſes durchge - hends groͤſſer als des Schaftgeſimſes und der Capitaͤle (§. 145. ſeqq.) Derowegen kan entweder kein Poſtement darunter geſetzt werden / oder beyde Saͤulen muͤſſen auf einem ſtehen. W. Z. E.

Zuſatz.

169. Es verſtehet ſich aber von ſich ſelbſt /Zdaß354Anfangs-Gruͤndedaß in dieſem Falle der Wuͤrfel breiter ge - macht wird / als er ſonſt iſt; Die Geſimſe a - ber ihre gehoͤrige Ausladung uͤber denſelben behalten muͤſſen.

Anmerckung.

170. Blondell (Cours d Architecture part. 3. c. 10. 11. f. 228. & ſeqq. ) zeiget / daß die gekuppelten Saͤulen ohne Grund von den neuen Baumeiſtern eingefuͤhret worden / welche in den Gebaͤuden der Al - ten faſt nicht angetroffen werden / maſſen ſie nicht beſſer als einfache den Architrab unterſtuͤtzen / indem die Saͤulenweite / von welcher die Staͤrcke der Unterſtuͤ - tzung herruͤhret / einerley bleibet: Wovon der Grund in der Mechanicke unten kommen wird. Jedoch kan man ſie einiger maſſen entſchuldigen. Denn es iſt ge - wiß / daß ſie die weſentliche Vollkommenheit nicht hin - deren / unerachtet ſie / vermoͤge deſſen / was geſaget wor - den / dieſelbe nicht befoͤrdern. Unerfahrene aber in der Mechanicke / und allſo die meiſten / welche die Wercke des Baumeiſters betrachten / bilden ſich ein / der Architrab werde von gekuppelten Saͤulen beſſer unterſtuͤtzt / als von einfachen / und halten uͤber dieſes das Werck fuͤr herrlicher: Nach dergleichen Vorur - theilen aber kan ſich der Baumeiſter ohne Tadel rich - ten. (§. 16. 17).

Tab. XX. Fig. 36.

Die 22. Erklaͤhrung.

171. Wenn Saͤulen oder Pfeiler un - ter einem Hauptgeſimſe in einer Reihe neben einander geſtellet werden / nennet man das Werck eine Colonnate oder Saͤulenſtellung / ingleichen Saͤulen - laube.

Die355der Bau-Kunſt.

Die 23. Erklaͤhrung.

Tab. XXI Fig. 37.

178. Wenn man zwieſchen den Saͤu - len oder Pilaſtern Bogẽ woͤlbet / ſo heiſ - ſet das Werck eine Arcade oder Bo - genſtellung.

Die 24. Erklaͤhrung.

Tab. XX. Fig. 36.

179. Die Saͤulenweite (Intercolu - mnium) iſt das Maaß des Abſtandes der Achſen zweyer neben einander geſetz - ten Saͤulen oder Pilaſtern / das iſt / die Perpendicular-Linie AB; welche von der Axe einer Saͤule CD bis zu der Achſe der andern EF gezogen wird.

Anmerckung.

180. Jn Colonnaten und Arcaden kommet es hauptſaͤchlich auf geſchieckte Saͤulen-Weiten an. De - rowegen haben wir zu unterſuchen / welches dieſelbige ſind.

Der 24. Lehrſatz.

181. Wenn Saͤulen gekuppelt wer - den / muͤſſen die uͤbriegen Saͤulen-Wei - ten / die neben ihnen ihnen gebraucht werden / eine geſchieckte Verhaͤltnis zu ihnen haben / ingleichen haben die groſſen zu den kleinen eine geſchieckte Verhaͤltnis / die in einer Reihe vor - kommen.

Beweiß.

Wenn man die Verhaͤltnis der Dinge gegen einander ſucht / kan man nur die mit einander vergleichen / die von gleicheꝛ Art ſind. Z 2Nun356Anfangs-GruͤndeNun fraget man in der Verhaͤltnis / wie viel - mal das kleinere in dem groͤſſeren enthalten ſey: derowegen wenn in einer Reihe ver - ſchiedene Saͤulen-Weiten vorkommen / muͤſ - ſen die groſſen zu den kleinen eine geſchickte Verhaͤltnis haben. W. Z. E.

Zuſatz.

182. Welches aber die geſchickte Ver - haͤltniſſe ſind / koͤnnet ihr nach der 1 Aufga - be (§. 25) finden.

Der 25. Lehrſatz.

183. Alle Saͤulen-Weiten ſollen ge - gen den Modul ihrer Saͤule eine ge - ſchickte Verhaͤltnis haben.

Beweiß.

Der Modul iſt der halbe Diameter der Saͤule (§. 139). Nun proportioniret man nach demſelben die Hoͤhe der Saͤule (§. 82). Allſo wenn alles unter einander geſchieckte Verhaͤltniſſe haben ſol / muß man auch die Saͤulen-Weiten durch den Modul ausmeſ - ſen / und demnach muͤſſen ſie zu demſelben ge - ſchieckte Verhaͤltniſſe haben. W. Z. E.

Zuſatz.

184. Dieſe Verhaͤltniſſe findet man aber - mals nach der 1 Aufgabe (§. 25) und hat man vermoͤge derſelben meiſtens diejenigen erwehlet / welche ſich verhalten wie eine gan - tze Zahl zu 1 / das iſt / man ſpricht die Saͤu - len-Weite durch gantze Modul aus.

Die357der Bau-Kunſt.
Die 1. Anmerckung.

185. Vitru vius (lib. 3. c. 2) erzehlet fuͤnferley Saͤulen-Weiten / daraus der gantze Unterſcheid der Gebaͤude bey den Alten entſtanden. Es waren nemlich ihre Saͤulen-Weiten 5 / 6 / / 8 und 10 Modul. Jm erſten Falle hieß das Werck Pycno - ſtylon, Dieckſaͤulig; im andern Syſtylon, Naheſaͤulig; im dritten Evſtylon, Schoͤn - ſaͤulig; im vierdten Diaſtylon, Weitſaͤulig / und endlich im fuͤnften Aræoſtylon Rarſaͤulig.

Die 2. Anmerckung.

186. Man hat an dieſe fuͤnf Saͤulen-Wei - ten der Alten ſich nicht eben auf ein Haar zu binden / ſondern kan auch wohl noch einige andere dazu neh - men. Es iſt aber in der Doriſcheu Ordnung bey Erwehlung der Saͤulen-Weite ſonderlich auf die Ein - theilung der Triglyphen und in den uͤbriegen auf die Vertheilung der Kragſteine an dem Karnieſſe des Hauptgeſimſes fleißig acht zuhaben: maſſen je - derzeit die Axe einer Saͤule mitten durch einen Tri - glyph und Kragſtein gehen muß / weil beyde Koͤpfe der Balcken vorſtellen (§. 158. 161). Eben ſo hat man bey der Saͤulen-Weite auf die Vertheilung der Kaͤl - ber-Zaͤhne in dem Karnieſſe des Hauptgeſimſes zuſe - hen (§. 159).

Die 3. Anmerckung.

187. Solcher geſtalt haͤlt man fuͤr geſchickte Saͤu - len-Weiten die 3 / 4 / 5 / 6 / 7 / 8 / 9 / und mehr Mo - dul halten. Doch vergoͤnnet man fuͤr die niedrie - gen Ordnungen nicht uͤber 14 / fuͤr die hohen nicht uͤber 16 / ja fuͤr freyſtehende Saͤulen nicht uͤber 12 Modul.

Die 30. Aufgabe.

188. Zufinden / ob ein gegebenes Haupt -Z 3Ge -358Anfangs-GruͤndeGeſimſe ſich zu einer gegebenen Saͤu - len-Weite ſchiecke.

Aufloͤſung
  • 1. Addiret die Breite eines Kragſteines / in - gleichen eines Kaͤlber-Zahnes und eines Triglyphs zu der Breite ſeiner Zwieſchen - Tiefe.
  • 2. Durch die Summe dividiret die gegebe - ne Saͤulen-Weite.

Wenn es voͤllig aufgehet und nichts uͤbrieg bleibet / ſo ſchiecket ſich das Haupt-Geſimſe zu der gegebenen Saͤulen-Weite und der Qvo - tient zeiget an / wie viel Kragſteine / Kaͤlber - Zaͤhne oder Triglyphen auf eine Saͤulen - Weite kommen muͤſſen. W. Z. F.

Beweiß.

Denn ſo viel Kragſteine / Kaͤlberzaͤhne und Triglyphen auf eine Saͤulenweite kommen / ſo viel kommen auch Zwieſchen-Weiten dar - zu. Derowegen wenn ſich durch die Sum - me eines Kragſteines / Kaͤlberzahnes oder Triglyphs und ſeiner Zwieſchen-Tiefe die Saͤulen-Weite voͤllig dividiren laͤſt / ſo gehet ſie gantz auf ſo viel Krag - ſteine / Kaͤlberzaͤhne oder Triglyphen auf / als der Qvotient Einheiten hat. Und dem - nach zeiget dieſer die Zahl derſelben / und auf das Mittel jeder Saͤule muß das Mittel eines Kragſteines / Kaͤlberzahnes oder Tri - glyphs kommen. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

189. Da die Kragſteine in der Joniſchen /Corin -359der Bau-Kunſt. Corinthiſchen und Roͤmiſchen Ordnung mit ihrẽ Zwieſchen-Tiefen einen Modul breit ſind (§. 161); ſo ſchiecken ſich dieſe drey Ordnun - gen fuͤr alle Saͤulen-Weiten / die durch gan - tze Modul ausgemeſſen werden.

Der 2. Zuſatz.

190. Weil die Breite eines Kaͤlberzahnes mit ſeiner Zwieſchen-Tiefe 5 Minuten eines Moduls macht (§. 159) und allſo den Mo - dul / der 30 Minuten haͤlt / voͤllig dividiret / ſo muß ſie auch alle Saͤulen-Weiten / die durch gantze Modul ausgeſprochen werden / voͤllig dividiren. Derowegen ſchiecket ſich ein Haupt-Geſimſe mit Kaͤlberzaͤhnen zu allen dergleichen Saͤulen-Weiten.

Der 3. Zuſatz.

191. Gleicher geſtalt / weil in dem erſten Doriſchen Geſimſe die Breite des Triglyphs mit der Breite der Zwieſchen-Tiefe 2 Modul haͤlt; ſo reimet es ſich zu allen Saͤulen - Weiten / die ſich durch 2 voͤllig dividiren und durch gantze Modul ausmeſſen laſſen / als zu den Saͤulen-Weiten von 4 / 6 / 8 / 10 Mo - dul. Jngleichen da im andern Doriſchen Geſimſe die Breite des Triglyphs mit der Breite der Zwieſchen-Tiefe 75 / im dritten 70 Minuten eines Moduls hat; ſo ſchiecket ſich jenes auf eine Saͤulen-Weite von 5 Mo - duln / dieſes zu einer von 7 Moduln.

Z 4An -360Anfangs-Gruͤnde
Anmerckung.

192. Reſolviret die Saͤulenweiten in Minuten / indem ihr ſie durch 30. multipliciret / ſo koͤnnet ihr durch die Breite des Tryglyphs und ſeiner Zwieſchen - Tiefe dieſelbe dividiren. Z. E. Wenn die Saͤulen - weite 5. Modul iſt / ſo kommen 150 Minuten fuͤr ſie heraus: welche Zahl ſich durch 75. voͤllig dividiren laͤſt.

Der 26. Lehrſatz.

193. Vor den Thuͤren muͤſſen in einer Colonnate die Saͤulen weiter von ein - ander geſetzt werden / als zu den Seiten.

Beweiß.

Denn wenn die Saͤulen-Weite klein iſt / wird der Eingang zu enge. Und weil ver - moͤge der Eurythmie das Mittel von den Seiten unterſchieden ſeyn muß (§. 66. 67); ſo muß man mitten / wo die Thuͤre lieget / eine andere Saͤulen-Weite brauchen als zu den Seiten. Man kan aber keine kleinere dahin machen / vermoͤge deſſen / was ſchon erwieſen worden. Derowegen muß man ſie groͤſſer machen. W. Z. E.

Zuſatz.

194. Da nun aber die Saͤulen-Weite vor der Thuͤre zu der Saͤulen-Weite zu den Sei - ten eine geſchieckte Verhaͤltnis haben muß (§. 181) und man in ihrer Proportionirung gegen einander auf die Eintheilung der Triglyphen / Kragſteine und Kaͤlber-Zaͤh - ne zu ſehen hat (§. 186); ſo machet Gold - mann nach dem Exempel der heiligen Bau-Kuuſt im Tempel zu Jeruſalem dieSaͤu -361der Bau-Kunſt. Saͤulen-Weite vor der Thuͤre zweymal ſo groß wie die zu den Seiten (§. 23. 189. 190. 191).

Die 1. Anmerckung.

195. Die Alten behielten in ihren Colonnaten durchgehends einerley Saͤulen-Weite / wie aus dem Vitruvio (lib. 3. c. 2.) zuerſehen: Scam̃ozzi machet die Saͤulen-Weite vor den Thuͤren nur umb ein weniges groͤſſer als die zu den Seiten. Allein beydes wird mit Recht verworfen / vermoͤge deſſen was er - wieſen worden.

Die 2. Anmerckung.

196. Goldmann giebt (lib. 2. c. 14) der Saͤu - len-Weite zu den Seiten / wenn keine Poſtementer ge - braucht werden / ¼ von der Hoͤhe der Saͤule und des Haupt-Geſimſes. Hat man aber Poſtementer / ſo addiret er noch einen Modul dazu. Da nun in den niedriegen Ordnungen die Saͤule mit dem Haupt - Geſimſe 20 / in den Hohen 24 Modul haͤlt; ſo iſt fuͤr jene in dem erſten Falle die Saͤulen-Weite 5 / in dem andern 6; hingegen fuͤr dieſe in dem erſten Falle 6 in dem andern 7 Modul. Und muß man in dem er - ſten Falle das andere / in dem andern das erſte Dori - ſche Gebaͤlcke brauchen (§. 191).

Der 27. Lehrſatz.

197. Jn Arcaden bekommet der Bo - gen die Glieder des Architrabs / und muß zu beyden Seiten auf ſeinen be - ſonderen Pfeilern ruhen.

Beweiß.

Denn der Architrab ſtellet einen qver - uͤber gelegten Balcken vor (§. 100). Da nun der Bogen an ſtat eines dergleichenZ 5Bal -362Anfangs-GruͤndeBalckens gewoͤlbet wird / giebet man ihm auch die Glieder des Architrabs: welches das erſte war.

Der Bogen leitet die auf ihm ruhende Laſt auf die Seiten / wo er auflieget. Da nun alles zulaͤnglich unterſtuͤtzt ſeyn ſol (§. 75) / eignet man ihm ſeine beſondere Pfeiler zu / und zwar nur Wand-Pfeiler (§. 78). Wel - ches das andere war.

Die 1. Anmerckung.

198. Goldmann macht zwar durch alle Ord - nungen in den Bogen nur zwey Platten; allein man findet Exempel in der Antiqvitaͤt / daß drey Platten / wie im Architrabe des Haupt-Geſimſes in den ho - hen Ordnungen behalten worden. Hieher gehoͤren des Titi, Septimii Severi und Conſtantini Ehren - Pforten bey dem Deſgodetz in ſeinen Edifices anti - ques de Rome f. 178. 199 und 230. Die Breite des Bogens iſt ein Modul.

Die 2. Anmerckung.

199. Wenn man unter den Saͤulen keine Po - ſtementer braucht / ſondern nur einen doppelten Un - terſatz macht; ſo bekommet der Neben-Pfeiler / dar - auf der Bogen ruhet / unten gleichfals nur zwey Un - terſaͤtze / die zuſammen 2 Modul hoch ſind / ſich a - ber gegen einander verhalten wie 2 zu 1. Sind a - ber Poſtementer da / ſo giebet man dem Neben-Pfei - ler die Glieder des Fuß-Geſimſes mit ihren ge - woͤhnlichen Hoͤhen und Ausladungen / damit eine Gleichheit erhalten werde. Das Capitaͤl des Ne - ben-Pfeilers nennet man den Kaͤmpfer und ſind ſei - ne Glieder aus folgender Tabelle nebſt ihren Maaſ - ſen zu erſehen.

Tuſca -363der Bau-Kunſt.
Tuſcaniſche Ordnung.
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
Das Plaͤttlein.22
Der Stab.4
Die ablaufende Platte.8
Das Plaͤttlein.13
Der Karnieß.
Das Plaͤttlein.16
Die Platte.91
Das Plaͤttlein.11
Das Oberplaͤttlein.1
Doriſche Ordnung.
Das Plaͤttlein.22
Der Stab.4
Die ablaufende Platte.8
Das Plaͤttlein.1
Der Karnieß.
Das Plaͤttlein.16
Die Platte.1
Die Hohlkehle.31
Das Oberplaͤttlein.2
Joniſche Ordnung.
Das Plaͤttlein21
Der Stab.4
Die Platte.8
Das Plaͤttlein.11
Das Staͤblein.
Der Karnieß.
Das Plaͤttlein.16
Die Platte.51
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
Das Karnießlein.3¾
Das Oberplaͤttlein.2¾
Roͤmiſche Ordnung.
Das Plaͤttlein.2
Der Stab.4
Die Platte.8
Das Plaͤttlein.12
Das Staͤblein.
Der Karnieß.
Das Plaͤttlein.16
Die Platte.41
Das Staͤblein.
Das Karnießlein.3¾
Das Oberplaͤttlein.2¾
Corinthiſche Ordnung.
Das Plaͤttlein.22
Der Stab.4
Die ablauf. Platte.
Das Plaͤttlein.1
Das Staͤblein.
Der Karnieß.
Das Plaͤttlein.16
Die Platte.41
Das Staͤblein.1
Das Karnießlein.2½
1
Die Hohlkehle.½
Das Oberplaͤttlein.2¾
Tab. XXII. Fig. 38.Tab. XXII. Fig. 39.Tab. XXII. Fig. 39.Tab. XXII. Fig. 41.Tab. XXII. Fig. 42.
365der Bau-Kunſt.

Die 31. Aufgabe.

200. Aus der gegebenen Breite des Bogens / die Saͤulen-Weite fuͤr demſel - ben zufinden.

Aufloͤſung.

Weil die Bogen auf beſonderen Neben - Pfeilern ruhen (§. 197) und dieſe einen Mo - dul breit ſind / die Saͤulen-Weite aber von dem centro der Saͤulen an gerechnet wird (§. 179); ſo addiret zu der gegebenen Brei - te des Bogens 4 Modul. Die Summe iſt die verlangte Saͤulen-Weite. W. Z. F.

Der 1. Zuſatz.

201. Wenn nun nach dem Goldman - ne die Hoͤhe der Eroͤfnung oder des Bogens der Saͤulen-Hoͤhe gleich gemacht wird / und allſo in niedriegen Ordnungen wenn keine Poſtementer da ſind 16 / im andern Falle 20 / in hohen aber im erſten Falle 20 / im andern 24 Modul haͤlt (§. 140); fuͤr die Breite a - ber die halbe Hoͤhe genommen wird (§. 23): ſo iſt die Saͤulen-Weite im erſten Falle entweder 12 oder 14 / im andern entweder 14 oder 16.

Der 2. Zuſatz.

202. Wenn kleine Bogen neben groſſen gemacht werden / oder auch nur ſonſt zur Sei - ten des Bogens mehr als eine Saͤule geſetztwird366Anfangs-Gruͤndewird (wie in Ehren-Pforten / Altaͤren und Epitaphiis oder Grabmahlen zu geſchehen pfleget); muß die Saͤulen-Weite zur Sei - te zu der Saͤulen-Weite vor dem Bogen in der mitten eine geſchickte Verhaͤltnis haben (§. 181). Und zwar wird ſie nach Erforde - rung der Umbſtaͤnde bald groͤſſer / bald klei - ner gemacht / nachdem nemlich entweder Bo - gen / oder Bilder-Blinde / oder keines von beyden zur Seiten kommen ſol.

Die 1. Anmerckung.

203. Goldmann machet die Saͤulen-Weite zur Seite in ſeinen Arcaden 3 Modul / wenn er kei - ne Poſtementer hat; hingegen 4 Modul / wenn er Poſtementer hat: auſſer in der Doriſchen und Tuſca - niſchen Ordnung werden wegen der Triglyphen und Abſchnitte im letzten Falle die Saͤulen an den Ecken 4⅔ Modul von einander geſetzt. Es kommen aber die Abſchnitte mit den Triglyphen in allem uͤberein / auſſer daß die Schlietze und an dem Architrabe die Zapfen weggelaſſen werden.

Die 2. Anmerckung.

204. Den Poſtementern giebet unſer Goldman in Arcaden 5 Modul zur Hoͤhe / und machet ſie daher nicht ſo reich an Gliedern in ihren Geſimſen.

Die 32. Aufgabe.

205. Aus der gegebenen Hoͤhe eines Bogens die Hoͤhe des Neben-Pfeilers zufinden.

Aufloͤſung.

Ziehet den vierdten Theil der Hoͤhe von der gantzen Hoͤhe des Bogens ab / ſo blei -bet367der Bau-Kunſt. bet die Hoͤhe des Neben-Pfeilers uͤbrieg W. Z. F.

Beweiß.

Die Breite des Bogens iſt der halben Hoͤhe gleich (§. 201). Nun iſt die Eroͤfnung oben mit einem halben Circul geſchloſſen. Derowegen iſt von dem Kaͤmpfer an biß an den Schlußſtein der vierdte Theil der gan - tzen Hoͤhe. Wenn man allſo denſelben von der gantzen Hoͤhe abziehet / bleibet aller - dings die Hoͤhe des Neben-Pfeilers uͤbrieg. W. Z. E.

Die 33. Aufgabe.

206. Den Schlußſtein in den Bogen zuzeichnen.

Aufloͤſung.
  • 1. Machet die untere Breite des Schluß -
    Tab. XXII. Fig. 43.
    Steines AB einen Modul.
  • 2. Weil der Schlußſtein den Architrab mit unterſtuͤtzen ſol / ſo ziehet aus dem cen - tro E des halben Circuls / damit ihr die Eroͤfnung geſchloſſen / durch A und B biß an den Architrab zwey gerade Linien AC und BD / welche den Schluß-Stein de - terminiren.
  • 3. Jn der Tuſcaniſchen Ordnung laſſet ihn gantz ſchlecht. Jn den uͤbriegen aber zie - ret ihn oben mit den Gliedern des Capi - taͤls / die uͤber dem Viertel-Stabe der Do - riſchen und Joniſchen Ordnung und uͤberdem368Anfangs-Gruͤndeden Keſſel der Corinthiſchen und Roͤmi - ſchen anzutreffen. So iſt geſchehen was man verlangete.

Die 25. Erklaͤhrung.

Tab. XX. Fig. 36.

207. Das FRONTON oder der Giebel KLM ſtellet die Figur vor / wel - che die Stuͤtzſparren an den Ende des Daches formiren.

Der 1. Zuſatz.

208. Derowegen ſol es eigentlich drey - eckicht gemacht werden: Wiewol wir auch ſchon in der Antiqvitaͤt rundte Frontons an - treffen / ſonderlich in kleinen Gebaͤuden und Wercken / als uͤber Capellen und Bilderblin - den.

Der 2. Zuſatz.

209. Weil aber das Dach zu Bedeckung des Gebaͤudes gebraucht wird; ſo muß man auch kein Fronton machen / als wo etwas we - nigſteus dem Scheine nach zu bedecken iſt (§. 9. 16).

Der 3 Zuſatz.

210. Daher verwierfet man die Frontons, ſo oben durchbrochen ſind / oder auch ſonſt durch dem Dache unanſtaͤndige Figuren verſtellet werden.

Der 4. Zuſatz.

211. Und weil die Kragſteine und Kaͤlber - Zaͤhne Koͤpfe der Balcken vorſtellen (§. 74) auf die Stuͤtz-Sparren des Daches aber kei - ne Balcken geleget werden: verwierfet Vitru - vius (lib. 4. c. 2) nach dem Exempel der Grie - chen mit Recht dieſelben in den Frontons. Uner -369der Bau-Kunſt. Unerachtet aber die Roͤmer und die neuen Bau-Meiſter in ihren Wercken dieſelben durchgehends an den Frontons behalten; ſo hat dennoch Goldmann ſich mit Recht fuͤr den Vitruvium erklaͤhret.

Der 5. Zuſatz.

252. Weil die Hoͤhe des Daches theils nach der Beſchaffenheit der Witterungen in einem Orte / theils nach der Materie / daraus es gemacht wird / bald hoch / bald niedrieg aufgefuͤhret worden; ſo haben auch die Bau - meiſter in den Wercken der Antiqvitaͤt bald hohe / bald niedrige Frontons gemacht.

Anmerckung.

213. Weil man in Griechenland nicht mit ſtarckem Regen belaͤſtiget ward / machten ſie ſehr niedrige Daͤ - cher / und folgends niedrige Frontons. Hingegen die Roͤmer machten ſie ſchon hoͤher / weil es bey ihnen ſtaͤrcker regnete. Scamozzi (lib. 6. c. 12.) giebt der Hoͤhe des Giebel-Feldes $$\frac {2}{9}$$ von der Breite des Kar - nieſſes oder $$\frac {4}{9}$$ von der Auslaufung des erſten Glie - des unter dem Karnieße oder Rinnleiſten im Karnieſ - ſe des Hauptgeſimſes; wie in dem Portal des Pan - theon zu Rom befindlich. Blondell (Cours d Architecture part. 2. lib. 7, c. 2. f. 138.) lobet dieſe Proportion fuͤr allen andern. Goldmann machet die Hoͤhe des Frontons der Saͤulen Weite zur Sei - ten gleich. Serlius (lib 4. c. 6.) giebt folgende Re - gel.

  • 1. Theilet die Breite des Karnießes AB in 2 gleiche
    Tab. XXIV. Fig. 44.
    Theile in C (§. 112 Geom.)
  • 2. Richtet in C ein Perpendicul AD auf (§. 89. Geom.) ſo groß als AC.
A a3. Aus370Anfangs-Gruͤnde
  • 3. Aus D beſchreibet mit DB den Bogen AEB.
  • 4. Verlaͤngert den Perpendicul DC bis in E / ſo iſt EC die Hoͤhe des Giebelfeldes.

Die 34. Aufgabe.

214. Ein Fronton zu zeichnen.

Tab. XXIV. Fig. 45.
Aufloͤſung.
  • 1. An dem Karnieſſe des Hauptgeſimſes zeich - net den Karnieß oder Rinnleiſten mit dem Oberplaͤttlein blind.
  • 2. Richtet auf das Horizontale Hauptge - ſimſe die Hoͤhe des Frontons EC auf (§. 213).
  • 3. Ziehet von den Enden des Oberplaͤttleins A und B in E grade Linien / und
  • 4. ferner mit dieſen in der Weite der Hoͤhen aller Glieder des Karnießes Parallel-Li - nien (§. 86. Geom.); ſo iſt geſchehen / was man verlangte.
Die 1. Anmerckung.

215. Jn dem Horizontalen Karnieße des Hauptge - ſimſes laͤſt man / wenn ein Fronton gemacht wird / den Karnieß oder Rinnleiſten weg / weil er zu dem Ende gemacht wird / damit der Regen abrinnen kan (§. 83. 84).

Die 2. Anmerckung.

216. Wenn das Fronton rundt werden ſol / findet man das centrum, daraus die Bogen gezogen werden; nach der 23. oder auch durch Rechnung nach der 64. Aufgabe der Geometrie (§. 120. 197).

Der 27. Lehrſatz.

217. Wenn man Saͤulen oder Pila - ſter uͤbereinander ſtellet / ſo muͤſſendie371der Bau-Kunſt. die oberen zaͤrter / die unteren ſtaͤrcker ſeyn.

Beweiß.

Denn die unteren haben mehr zu tragen / als die oberen / indem ſie dieſe zugleich mit tragen / und allſo muͤſſen ſie ſtaͤrcker ſeyn. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

218. Weil die verſchiedenen Ordnungen der Staͤrcke nach von einander unterſchieden ſind; ſo koͤnnen ſie auch ihrem Range nach - bereinander geſetzt werden / nemlich die Do - riſche uͤber die Tuſcaniſche / die Joniſche - ber die Doriſche / die Roͤmiſche uͤber die Jo - niſche / die Corintiſche uͤber die Roͤmiſche: wiewol man auch einerley Ordnungen uͤber - einander ſetzen kan / Z. E. inwendig in einer Kirchen Corinthiſche uͤber Corinthiſche.

Der 2. Zuſatz.

219. Daher wird der obere Modul kleiner gemacht als der untere / nachdem es die beſon - deren Umbſtaͤnde erfordern / als Z. E. die Hoͤhe der Stockwercke / die Zaͤrtlichkeit der Odnung / die Hoͤhe des gantzen Gebaͤudes u. ſ. w.

Anmerckung.

220. Vitruvius macht den oberen Modul ¾ / Palla - dius, Scamozzi und Serlius / / $$\frac {6}{7}$$ / Goldmann nach dem Exempel der heiligen Bankunſt des un - teren. Allein es erinnert Blondell (Cours d Architecture part. 3. c. 7. f. 256.) vermoͤge des vorhergehenden Zuſatzes gar wohl / daß man nicht noͤ - thig habe ſich an dieſe Proportion gnau zu binden.

A a 2Die372Anfangs-Gruͤnde

Die 35. Aufgabe.

221. Den oberen Modul richtig zu de - terminiren.

Aufloͤſung.

Weil nicht allein umb guter Proportion / ſondern auch umb geſchieckter Austheilung der Triglyphen / Kragſteine und Kaͤlberzaͤh - ne willen / oben eine geſchieckte Saͤulenwei - te erhalten werden muß; ſo reſolviret die untere Saͤulen-Weite in Minuten des un - teren Moduls / und dividiret dieſelbe durch die Anzahl der Minuten / welche ihr dem oberen Modul von dem unteren geben wollet. Ge - het es voͤllig auf / ſo giebt der angenommene Modul eine geſchieckte Saͤulenweite: Blei - bet aber etwas uͤbrieg / ſo nehmet die Saͤulen - Weite an / die dem Qvotienten am naͤchſten kommet / und dividiret dadurch die untere Saͤulenweite / damit ihr den Modul der obe - ren Saͤule erhaltet.

Z. E. Die untere Saͤulenweite ſey 6 Modul. Man verlangt / der obere Modul ſol ¾ des un - teren ſeyn. Reſolviret beyde Zahlen in Mi - nuten / und dividiret 180 durch 22½ ſo kommt heraus 8 und bleibet nichts uͤbrieg. Weil nun 8 eine gute Saͤulenweite iſt / ſo kan man den oberen Modul ¾ des unteren machen.

Der 28. Lehrſatz.

222. Die Axen der unteren und oberen Saͤulen můſſen in einer Flaͤche uͤberein - ander ſtehen / und der Unterſatz in der o -beren373der Bau-Kunſt. beren Ordnung dem verduͤnten Stam - me der unteren gleich gemacht werden.

Beweiß.

Eine iede Stuͤtze muß auf einem feſten Grunde ruhen (§. 77.) Da nun die Saͤu - len und Pfeiler Stuͤtzen ſind (§. 72. 73. ) muͤſſen auch ſie feſt gegruͤndet ſeyn. Dero - wegen muß die obere Ordnung gantz aufſte - hen: und alſo kan ihr Unterſatz uͤber den ver - duͤnten Stam̃ keine Ausladung haben / auch muͤſſen die oberen Saͤulen recht uͤber die un - teren geſetzt werden / folgends beyder Axen in einer Flaͤche fortgehen. W. Z. E.

Anmerckung.

223. Es iſt aber wohl zu mercken / daß es nicht noͤ - thi[g]ſey / daß die Axen in einer Linie fortgehen. Denn ſo nuͤſte iederzeit die Auslaufung des Unterſatzes oder (welches gleich viel iſt) des Wuͤrſels den halben Dia - meier des verduͤnten Schaftes in der unteren Saͤule gleich ſeyn: welches meiſtentheils das Gebaͤude un - proportionirlich machen / und allſo im Wercke nicht angehen wuͤrde.

Ende des Erſten Theils.

A a 3Der374Anfangs-Gruͤnde

Der andere Theil. von den beſonderen Regeln / die bey ie - dem Theile des Gebaͤudes in acht zu nehmen.

Die 1. Erklaͤhrung.

224. Das Gebaͤude hat drey Haupt - Theile / den Grund / darauf ſeine Laſt ruhet: die Maure / welche es ein - ſchließet: das Dach / welches es bedecket.

Zuſatz.

225. Derowegen muß die Staͤrcke des Grundes nach der Laſt des Gebaͤudes pro - portioniret werden.

Anmerckung.

226. Jnsgemein proportioniren alle Baumeſter die Staͤrcke des Grundes nach der Diecke der Man - re / die er zu tragen hat. Allein Perrault haͤlt die - ſes in ſeinen Anmerckungen uͤber den von ihm ins Frantzoͤſiſche uͤberſetzten Vitruvium (lib. 1. c. 5. 1. 2. f. 19. 20) mit gutem Grunde fuͤr einen Fehler / der einen oͤfters in groſſe Unkoſten ohne Noth irin - gen kan: maſſen eine Maure ſchweerer ſeyn kan als die andere / ob ſie gleich eine Diecke haben / nicht allein weil ſie hoͤher iſt als die andere / oder aus ſchweererer Materie beſtehet / ſondern auch weil ſie viel gewoͤlbete Bogen hat / und ein ſchweeres Dach traͤget.

Der 1. Lehrſatz.

227. Jedes Gebaͤude muß einen feſten Grund haben. Beweiß.

Denn ſonſt giebt der Boden der Laſt desGe -375der Bau-Kunſt. Gebaͤudes nach / und alsdenn ſencket ſich das Gebaͤude / ſpringet hin und wieder / und faͤllet wol gar ein. Derowegen muß es einen Grund haben / welcher der Laſt des Gebaͤu - des nicht nachgiebt. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

228. Wenn der Boden / darauf man bauet / ſelſicht iſt / oder auch die Laſt des Gebaͤudes geringe / und das Erdreich feſte gnung fuͤr ſie; ſo hat die Natur ſchon den Grund geleget / und darf ſich in dieſem Falle der Baumeiſter k[e]ine Muͤhe geben.

Der 2. Zuſatz.

229. Man ſol auf kein altes Gemaͤure / es ſey[a]bgebrochen oder eingefallen / ein neues Gelaͤude auffuͤhren / wenn man nicht gnung verſthert / ob es ſtarck gnung ſey den Bau zu tragen.

Anmerckung.

230. Dem Fehler / der bey dem Grunde begangen worden / iſt nicht leicht wieder abzuhelfẽ / und er macht oͤfters den uͤbriegen gantzen Bau zu nichte. Derowe - gen muß man ſich mit deſto groͤſſerem Fleiße bey dem - ſelben v[o]rſehen.

Der 3. Zuſatz.

231. Und weil der Erdboden nicht uͤberall von einerley Beſchaffenheit iſt / muͤſſet ihr euch deſſelben erſt wohl erkundigen / ehe ihr auf den Grundbau gedencket.

Der 4. Zuſatz.

232. Aus gleichmaͤßiger Urſache muͤſſet ihr erforſchen / ob das Erdreich immer in einem ſo fort gehet / wie ihr es oben gefunden.

A a 4Die376Anfangs-Gruͤnde

Die 1. Aufgabe.

233. Zufinden / ob ein alter Grund ei - nen neuen Bau werde tragen koͤnnen / o - der nicht.

Aufloͤſung.

Rechnet nach den Regeln der Geometrie die Laſt ſo wol des alten / als neuen Ge - baͤudes aus / und vergleichet beyde mit ein - ander.

Denn wenn beyde einander gleich ſind / oder auch die Laſt des neuen Gebaͤudes geringer iſt als des alten / der Grund aber vermoͤge der Erfahrung das alte hat tragen koͤnnen: ſo wird er auch das neue tragen. W. Z. F. 〈…〉〈…〉nd Z. E.

Anders.
  • 1. Erkundiget euch der Tiefe / Breite und - briegen Beſchaffenheit des alten Grundes.
  • 2. Rechnet nach den Regeln der Geonetrie die Laſt des neuen Baues aus.
  • 3. Endlich vergleichet die Feſtigkeit des Grun - des mit der der gefundenen Laſt. (§ 225).

So werdet ihr urtheilen koͤnnen / ob er ſtarck gnung ſey oder nicht.

Anmerckung.

224. Man hat zur Zeit noch keine Matlematiſche Regeln aus der gegebenen Laſt des Gebaͤides nach Beſchaffenheit des Bodens die Staͤrcke des Grun - des auszurechnen; ſondern muß ſich damit behelfen / daß man die Laſt ſeines Gebaͤudes und die Staͤrcke ſeines Grundes zugleich mit der Staͤrcke eines an - dern Grundes / und der Laſt des auf ihn ruhenden Gebaͤudes vergleichet / von deſſen Richtigkeit die Er - fahrung zulaͤngliches Zeugnis ableget.

Die377der Bau-Kunſt.

Die 2. Aufgabe.

234. Sich der Feſtigkeit des Erd - reichs zu erkundigen.

Aufloͤſung.

Es kan dieſes theils durch graben geſchehen / theils wenn ihr hin und wieder mit der Ram - me zu geſpietzte Stangen einrammet und mit Fleiß anmercket / wie viel bey jedem Schlage die Stange geſuncken.

Zuſatz.

235. Durch die letztere Methode koͤnnet ihr erforſchen / ob das Erdreich in einem Or - te viel lockerer iſt als in dem andern.

Die 3. Aufgabe.

236. Zuerforſchen / ob das Erdreich tiefer hinunter eben ſo ſey wie oben.

Aufloͤſung.

Jhr koͤnnet es nicht allein erfahren / wenn ihr in einem Orte des gemachten Grundgra - bens tiefer hinunter grabet / als zu dem Grund - baue noͤthig iſt; ſondern auch ohne vieles graben folgender geſtalt inne werden.

  • 1. Grabet in dem einen Orte des Grundgra - bens eine Gꝛube etliche Schuh tiefer als er iſt.
  • 2. Jn dieſelbe und in die eine Ecke des Gra - bens ſetzet einen irrdenen Hafen oder Topf mit Wolle und bedecket ihn beyderſeits mit Ziegeln oder Bretern / auch den Ort ſelbſt / wo er ſtehet / mit Bretern und Erde.
  • 3. Nach einem oder zwey Tagen nehmet beyde Toͤpfe heraus und wieget ſie ab.

Wenn einer ſo ſchweer wieget / als der ande -A a 5re378Anfangs-Gruͤndere und beyde ſo viel wie zuvor / ſo iſt man ge - wieß daß unten kein Moraſt und Waſſer iſt. Hingegen wenn der in der Grube ſchweerer worden / ſo iſt es ein Zeichen / daß unten Mo - raſt und Waſſer ſeyn muß: Weil die auf - ſteigende Duͤnſte ſeine Schweere vermehret haben. Endlich wenn ſich kleine Troͤpflein in geſtalt des Thaues angehaͤnget; ſo iſt unten eine Qvelle.

Die 4. Aufgabe.

237. Das lockere und moraſtige Erd - reich zu befeſtigen.

Aufloͤſung.

Jn lockerer / aber trockener Erde treibet durch die Ramme oder andere Schlagwer - cke geflammte eichene Pfaͤhle hinein (§. 83).

Jſt aber der Boden moraſtig / ſo grabet ein und raͤumet ſo viel aus / als ſich thun laͤſt. Darnach rammet ſtarcke Pfaͤhle von Erlen - Holtze ein (§. 83) / die ihr nicht allein vorher geflammt / ſondern anch wohl gar mit heiſſem Hartz und Oele beſtriechen / umb ſie deſto mehr wieder die Feuchtigkeit zu verwahren.

Auf ſolche Weiſe werdet ihr den lockeren und moraſtigen Boden befeſtigen. W. Z. T. W.

Beweiß.

Der lockere und moraſtige Boden giebt nach / weil die theilgen der Erde nicht nahe gnung bey einander ſind und dannenherodurch379der Bau-Kunſt. durch die Laſt / damit der Boden beſchwee - ret wird / ſich zu ſammen drucken laſſen. Weñ man nun Pfaͤhle hineinrammet / ſo werden die theilgen der Erde naͤher zuſammen ge - trieben. Und allſo wird dadurch der Boden feſte. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

238. Weil die Feſtigkeit des Bodens aus der Laſt des Gebaͤudes beurtheilet wird (§. 225); ſo iſt leicht zu erachten / daß / nach dem dieſelbe groß oder klein iſt / viele oder wenige / ingleichen groſſe oder kleine Pfaͤhle einzuram - men ſind.

Die 1. Anmerckung.

239. Boͤckler in dem Anhange zu dem ſieben - den Capitel des erſten Buches des Palladii erinnert / es ſollen die Pfaͤhle niemals uͤber eine halbe Elle oder einen Schuh von einander ſtehen. Wenn der Bo - den recht feſte ſeyn ſol / ſo findet Palladii Regel ſtat; daß man ſie ſo dichte einrammen muß als angehen wil.

Die 2. Anmerckung.

240. Alb. (lib. 3. c. 3) und Pallad. (lib. 1 c. 7) geben den Pfaͤhlen den achten Theil der Hoͤhe der Maure zur Laͤnge / hingegen den zwoͤlften Theil ihrer Laͤnge zur Diecke. Boͤckler in den Anmerckungen uͤber den Pal - ladium (c. 8 lib. 1) giebt in trockener Erde der Laͤnge 6 biß 7 Schuh / der Diecke 10 Zoll; in moraſtiger aber der Laͤnge 10′ biß 12′ / der Diecke 10″ biß 12″. Hartmann in ſeiner Bau-Kunſt (f. 34) ſetzet die Laͤnge 3′ 4′ 8′ biß 24′; die Diecke 6″ / 8″ biß 18″.

Die 3. Anmerckung.

241. Der Hammer an der Ramme muß nicht zu ſchweer ſeyn / damit die Pfaͤhle im einrammen nicht beſchaͤdiget werden. Jhr koͤnnet auch die Pfaͤhleoben380Anfangs-Gruͤndeoben mit eiſernen Rincken umbgeben / damit ſie nicht ſpalten / und nach verrichteter Arbeit dieſelben wie - der abnehmen. Waͤre aber dieſes auch zu koſtbahr / ſo doͤrfet ihr ſie nur oben beflammen: welches ge - ſchiehet / wenn ihr die abgehauenen Spaͤne auf einen Haufen zuſammen ſcharret / und / nach dem ihr ſie angezuͤndet / den Kopf des Pfahles uͤber die Flamme haltet.

Der 2. Zuſatz.

242. Damit die Pfaͤhle / in dem ſie einge - rammet werden / ſich in feſtem Boden nicht uͤberſtoſſen / muͤſſen ſie unten nicht allzuſpie - tzig ſeyn / ſondern lieber in der geſtalt eines Diamantes geſchniedten / auch wohl / wenn der Boden ſehr harte iſt / unten mit Eiſen be - ſchlagen werden.

Der 3. Zuſatz.

243. Weil die Schiedmauren viel duͤn - ner als die Hauptmauren gemacht werden / ſo muͤſſet ihr zwar auch in ihren Grund Pfaͤh - le einrammen / damit ſie ſich nicht ſencken und von der anderen Maure loßreiſſen / allein viel geſchmeidiger als in dem Grunde der andern (§. 238).

Der 4. Zuſatz.

244. Durch das gewaltſame Stoſſen der Ramme wird die Erde ſehr von einan - der getrieben. Damit nun daſſelbe ſich wieder zuſammen giebt und die Pfaͤhle kraͤf - tig anſaugt; ſo laſſet die eingerammte Pfaͤh - le ein Jahr ſtehen / ehe ihr die Grundmau - re auffuͤhret.

Der381der Bau-Kunſt.

Der 2. Lehrſatz.

245. Die Grundmaure muß untenTab. XXIV. Fig. 46. breiter als oben gemacht werden.

Beweiß.

Man bilde ſich ein als ſey die Grundmau - re aus lauter Ziegelſteinen mit verwechſel - ten Fugen aufgefuͤhret; ſo werdet ihr ohne vieles Nachſinnen wahrnehmen / daß jeder - zeit ein Ziegel in der oberen Reihe 1 auf zwey der unteren 2 und 3 drucket / und allſo das Drucken der Laſt / womit die Ziegel der oberen Reihe beſchweeret werden / durch die gantze untere Reihe zertheilet wird. Und allſo wird das Drucken der Laſt durch die Linie CD vertheilet / da es ſonſt gantz auf eine viel klei - nere Linie AB gewendet wuͤrde. Solcher geſtalt wird der Boden weniger beſchweeret / als wenn die Maure unten ſo diecke waͤre wie oben. Derowegen ſol man die Grund - Maure unten breiter als oben machen (§. 227). W. Z. E.

Zuſatz.

246. Die Erweiterung der Grundmau - re richtet ſich nach der Laſt des Gebaͤudes und Beſchaffenheit des Bodens / darauf man bauet (§. 225).

Die 1. Anmerckung.

247. Es iſt ſchon oben errinnert worden / daß die Baumeiſter die Staͤrcke des Grundes insgemein nach der Diecke der Maure des Gebaͤudes (§. 226) und allſo die Linie C D zu der Linie A B beſtaͤndigauf382Anfangs-Gruͤndeauf einerley Art proportioniren. Dannenhero iſt es kein Wunder / daß ſie in der Proportion mit ein - ander nicht uͤbereinkommen. Nach dem Scamozzi verhaͤlt ſich AB zu CD auf das hoͤchſte wie 4 zu 5 / wenigſtens wie 6 zu 7 / bey Thuͤrmen wie 1 zu 3; nach dem Palladio wie 1 zu 2; nach dem de Lorme wie 2 zu 3.

Die 2. Anmerckung.

248. Eine ſchief aufgefuͤhrete Grundmaure kan auch dem Erdreiche beſſer wiederſtehen / als eine an - dere / wenn es entweder von der Kaͤlte aus einan - der getrieben / oder von dem Regen aufgeſchwellet wird.

Der 3. Lehrſatz.

249. Der Grund-Graben muß wohl geebenet werden / ehe die Grundmaure aufgefůhret wird.

Tab. XXIV. Fig. 46.
Beweiß.

Denn weil alle ſchweere Coͤrper nach Perpendicular-Linien auf den Horizont dru - cken / ſo muß das gantze Gebaͤude recht auf - gerichtet ſtehen und folgends die obere Brei - te der Grund-Maure AB Horizontal / die untere CD mit ihr Parallel / folgends der Boden im Grund-Graben wohl geebenet ſeyn. W. Z. E.

Zuſatz.

250. Derowegen wenn der Boden durch hinein getriebene Pfaͤhle befeſtiget worden / in - ſonderheit ſo er moraſtig iſt / ſollet ihr den Raum zwieſchen den Pfaͤhlen mit Kohlen / Wolle / Haaren / Kieſel und andern Sachen /die383der Bau-Kunſt. die im naſſen nicht faulen / verſchuͤtten / und den Boden wohl ebenen.

Die 5. Aufgabe.

251. Einen Roſt in den Grund zuma - chen.

Aufloͤſung.
Tab. XXV. Fig. 47.
  • 1. Rammet nach der Laͤnge des Grund-Gra - bens zu beyden Seiten in der Weite von etwa 7′ Pfaͤhle ein / doch ſo daß ſie in der Diecke einer Schwelle uͤber der Erde ſte - hen bleiben.
  • 2. Schneidet an den Koͤpfen der Pfaͤhle Za - pfen ein und
  • 3. Leget die Haupt-Schwellen A dergeſtalt auf dieſelben / daß die Zapfen in ihre Loͤ - cher B kommen.
  • 4. Stoſſet Qveruͤber andere Pfaͤhle und le - get gleicher geſtalt die Zwerch-Schwel - len C darauf / verbindet aber ſelbige zu - gleich durch Schwalben-Schwaͤntze D mit den Haupt-Schwellen.
  • 4. Die Zwerch-Schwellen C verbindet durch andere mit den Haupt-Schwel - len parallel gelegten Schwellen E und
  • 5. Jn die gevierdten Loͤcher F rammet die Pfaͤhle G ein.

So iſt der verlangte Roſt fertig.

Der 1. Zuſatz.

252. Man ſiehet leicht / daß dergleichen Roſt uns des Grundes ſehr verſichert undab -384Anfangs-Gruͤndeabſonderlich dienlich iſt / wenn es unten Qvel - len hat. So aber gar Truͤbſand vorhan - den / koͤñet ihr dem wegſchwemmen des San - des durch vorgeflochtene diecke Zaͤune ſteu - ren.

Der 2. Zuſatz.

253. Weil im Leime ſich keine Pfaͤhle ſtoſſen laſſen / ſo muß man hier mit einem bloſ - ſen Roſte aus Creutzweiſe geſchrenckten Schwellen zu Frieden ſeyn.

Der 3. Zuſatz.

254. Damit die Verbindungen der Schwellen in einem Roſte deſto feſter ſind / koͤnnet ihr ſie mit hoͤltzernen Naͤgeln ver - ſpuͤnden.

Anmerckung.

255. Die Schwellen doͤrfen im trockẽnen Boden nur 3″ biß 4″ / im naſſen und moraſtigem 6″ / 7″ biß 8″ diecke ſeyn.

Die 6. Aufgabe.

256. Die Grundmaure aufzufuͤhren.

Aufloͤſung.
  • 1. Leget zwey Schuh hoch lauter Steine / abſonderlich wo ihr Pfaͤhle eingerammet oder gar einen Roſt gemacht / damit die Feuchtigkeit und der Kalck dem Holtze nicht ſchade.
  • 2. Gieſſet daruͤber zwey Schuh hoch Moͤr - tel und ebenet denſelben mit der Schau - fel.
3. Auf385der Bau-Kunſt.
  • 3. Auf dieſe Unterlagen fuͤhret die uͤbriege Mauer aus Steinen und Moͤrteln auf.
Anders.

Wenn ihr keine groſſe Steine habet / ſo

  • 1. Nehmet guten Kalck und Fließ-Sand mit Steinen / die er bey ſich fuͤhret / aber nicht groͤſſer / als daß man ſie in die Fauſt faſſen kan.
  • 2. Ruͤhret beyde Materien wohl durcheinan - der.
  • 3. Schuͤttet ſie in den Grundgraben / und ebe - net ſie mit einer Schaufel.
  • 4. Wenn ihr einen halben Schuh hoch kom - men ſeyd / ſo werfet Wackenſteine / oder Stuͤcke von anderen Steinen hinein / ſo groß als ihr ſie finden koͤnnet / doch daß ſie einander nicht beruͤhren.
  • 5. Schuͤttet von der vorigen Materie von neuem einen halben Schuh hoch darauf / und fahret mit dieſer Arbeit fort / biß der Graben voll iſt.
Der 1. Zuſatz.

257. Wenn ihr einen Roſt gemacht habet / ſo leget auf denſelben Qvaterſteine / und ver - bindet ſie miteinander durch mit Bley ein - gegoſſene Klammern (§. 227).

Der 2. Zuſatz.

258. Und weil die Grundmauer ſich erſt ſetzen muß / ehe man weiter darauf mauren kan; ſo koͤnnet ihr ſelbige im Fruͤhlinge auf -B bfuͤh -386Anfangs-Gruͤndefuͤhren / und den Sommer uͤber trocknen laſ - ſen.

Die 1. Anmerckung.

259. Es doͤrfte vielleicht einem und dem andern wunderlich ſcheinen / daß wir ſo viel Zeit erfordern / darinnen das von einander getriebene Erdreich ſich wieder zuſammen geben / und die Grundmauer aus - trocknen kan (§. 244. 258). Allein es iſt zuwieſſen / daß dergleichen Sorgfalt nur bey wichtigen Gebaͤu - den gebrauchet wird / welche nicht in einem / ſondern in viel Jahren aufgefuͤhret werden.

Die 2. Anmerckung.

260. Boͤckler in den Aumerckungẽ uͤber den Pal - ladium (lib 1. cap. 7.) erinnert: Es ſollen die Stei - ne in dem Grunde eben ſo geleget werden / wie ſie in Steinbruͤchen oder auf dem Felde gelegen / weil ſie ſonſt ſpringen / und der Bau einen halben Schuh und mehr geſpaltet wird / wenn der Stein nur einen Meſ - ſerruͤcken ſpaltet.

Die 3. Anmerckung.

261. Eben dieſer Boͤckler recommendiret in an - gezogenem Orte (f. 21. 22. ) die andẽre Art des Grund - baues bey Waſſergebaͤuden / als Bruͤcken / Muͤhlen / Daͤmmen / u. ſ. w. Hingegen in engen Gruͤnden trock - net der Kalck zu bald / ehe die Steine und der Sand ihn recht anziehen.

Die 4. Anmerckung.

262. Wenn ihr unter der Erde gewoͤlbete Keller machet / ſo muͤſſet ihr nicht allein die Grundmauer oͤf - ters tiefer / ſondern auch ſtets diecker machen / weil die Laſt der Gewoͤlber auf die Pfeiler durch Bogen geleitet wird. Und muͤſſen die Bogen unter die Er - oͤfnungen an der Mauer des Gebaͤudes kommen / da - mit ſie nicht eine unertraͤgliche Laſt zu tragen haben.

Die387der Bau-Kunſt.

Die 7. Aufgabe.

263. Einen guten Moͤrtel oder Spei - ſe zu Verbindung der Steine und Ziegel in dem Grunde zu bereiten.

Aufloͤſung.
  • 1. Gieſſet auf ungeloͤſchten Kalck Waſſer.
  • 2. Menget den Sand darein / indem der Kalck von dem Loͤſchen noch recht warm iſt.
Anmerckung.

264. Es lehret die Erfahrung / daß der Moͤrtel viel beſſer bindet / als wenn uͤugeloͤſchter Kalck darzu genommen wird. Und Hartmann mercket in ſeiner Baukunſt (f. 35.) an / daß die Mauren / dazu man ſol - chen Moͤrtel genommen / nicht leicht von dem Sat - peter Schaden nehmen.

Die 8. Aufgabe.

265. Einen Grundbau im Waßer aufzufuͤhren.

Aufloͤſung.
  • 1. Rammet eine Reihe Faltz-Pfaͤhle mit
    Tab. XXV. Fig. 48.
    doppelten Faltzen ein / umb den gantzen Ort / da der Grundbau hinkommen ſol.
  • 2. Hinter denſelben rammet eine andere Reihe Faltz-Pfaͤle mit einfachen Faltzen ein.
  • 3. Den Raum zwieſchen beyden Reihen
    Tab. XXV. Fig. 49.
    fuͤllet mit Schutt aus.
  • 4. Aus dem mittleren Raume bringet das Waſſer durch Pomp - oder Schoͤpf - Wercke heraus. Und nachdem ihr ſol - chergeſtalt einen trockenen Platz uͤberkom - men / ſo
B b 25. Fuͤh -388Anfangs-Gruͤnde
  • 5. Fuͤhret nach Beſchaffenheit des Bodens den Grundbau auf / wie vorhin gelehret worden.
Die 1. Anmerckung.

266. Wenn der Bau fertig iſt / muͤſſet ihr die Faltz - Pfaͤhle wieder ausreiſſen / und koͤnnet ihr ſie bis zu ei - nem anderen Gebrauch verwahren.

Tab. XXVFig. 50.
Die 2. Anmerckung.

267. Faͤllet es zu koſtbahr / Faltz-Pfaͤhle machen zu laſſen / ſo ſchlaget nur hin und wieder ſchlechte Pfaͤhle umb die Helfte ihrer Laͤnge ein / und nagelt an ihre Koͤpfe wenigſtens; Schuh uͤber dem Waſſer Richt - baͤume / welche ferner auf alle anderthalb Schritte mit Zwerchbaͤumen verbunden werden. An dieſen Richtbaͤumen rammet beyderſeits Pfaͤhle ein / derge - ſtalt daß ſie einander beruͤhren / und nagelt ſie oben an dieſelben mit langen Naͤgeln an. Den Raum zwie - ſchen beyden Reihen der Pfaͤhle fuͤllet mit guter Erde / Lette oder Schutt aus / und mitten aus dem eingeſchloſ - ſenen Raume bringet wie vorhin das Waſſer durch Schoͤpf - oder Pomp-Wercke heraus.

Die 3. Anmerckung.

268. Wer ein mehreres von dem Waſſerbaue zu wieſſen verlanget / kan des Baratteri Architectura d Acque (Piacenza 1656. in fol.) und abſonderlich des Cornelii Meyers / eines Hollaͤnders / L Arte di re - ſtituire à Roma la tralaſciata Navigatione del ſuo Tevere (in Roma 1685. in fol.) nebſt ſeinen Nuovi Ritrovamenti (in Roma 1696. in fol.) aufſchlagen. Was aber hiezu dienliches in des Meyers Wercke fuͤrkommen kan / hat ein gewiſſer Frantzoſe in einem beſonderen Buͤchlein unter dem Titul: Traité des moyens de rendre les rivieres navigables zu Amſter - dam 1996 in 8. herausgegeben / unerachtet er des Bu - ches mit keinem Worte gedencket / daraus er alles ge - ſchrieben.

Die389der Bau-Kunſt.

Die 9. Aufgabe.

269. Einen guten Moͤrtel zu Ver - bindung der Steine und Ziegel in Mau - ren zu bereiten.

Aufloͤſung.

Ruͤhret in Waſſer ¾ gegrabenen Sand mit ¼ Kalck / oder Fließſand / und Ziegel - Grieß mit Kalck ein / und ſparet keine Muͤ - he die Speiſe wohl durcheinander zu ruͤh - ren.

Der 4. Lehrſatz.

270. Die Mauren muͤſſen alle ſenck - recht aufgefuͤhret werden.

Beweiß.

Denn ſie drucken vermoͤge ihrer Schwee - re nach ſenckrechten Linien auf den Grund. Was aber uͤber die ſenckrechte Linien aus - warts ſtuͤnde / waͤre ungegruͤndet / und allſo verwerflich (§. 75). Wenn aber von der ſenckrechten Linie die Mauer einwarts nach und nach wie die Grundmauer zuruͤcke gezo - gen wuͤrde / legte ſich der Staub auf dieſelbe und koͤnte ſie nicht lange reine bleiben. Dero - wegen iſt noͤthig / daß die Mauer nach ſenck - rechten Linien aufgefuͤhret werde. W. Z. E.

Zuſatz.

271. Damit die Mauren nebſt den Gewoͤl - ben von dem Perpendicul nirgends abweichẽ / muͤſſen ſie an den Ecken ſtaͤrcker als an den - briegen Orten zubereitet werden.

B b 3Der390Anfangs-Gruͤnde

Der 5. Lehrſatz.

272. Die Mauren muͤſſen in iedem Stockwercke umb etwas eingezogen werden.

Beweiß.

Denn die Mauer in dem unteren Stockwer - cke muß die Laſt der oberen zugleich mit tra - gen. Derowegen muß die untere diecker als die obere ſeyn. Und allſo muß man die Mauren in iedem Stockwercke einziehen. W. Z. E.

Zuſatz.

273. Weil die Mauer in iedem Stock - wercke nach ſenckrechten Linien gleich aufge - fuͤhret wird (§. 270), ſo wird von innen in ie - dem Stockwercke ein Abſatz gemacht / und folgends die Laſt des Gebaͤudes durch den Grund gleich vertheilet.

Die 1. Anmerckung.

274. Weil die Mauer oben ſtarck gnung ſeyn muß das Dach zu tragen; ſetzen Scamozzi und Vitru - vius fuͤr die Diecke derſelben zwey Ziegel nach der Laͤnge oder 2 Schuh. Denn die Ziegel werden nach dem Vitruvio (lib. 2. c. 3) einen Schuh lang / ei - nen halben breit und hoch gemacht. Jn iedem Stock - wercke pergoͤnnen ſie zu einem Abſatze einen halben Schuh. Jn ſtarcken Gebaͤuden kaͤn die Ober-Mau - er wohl diecker / in ſchwachen hingegen nur 1′ gemacht werden.

Die 2. Anmerckung.

275. Wenn man Saͤulen oder Pilaſtern brauchet / ſo erfordert die Mauer gantz eine andere Verjuͤn - gung / weil die gantze Ausladung des Poſtementes derOrd -391der Bau-Kunſt. Ordnung auf der unteren Platz finden muß / die nicht mit Saͤulen gezieret. Sind aber an den unteren Mauren gleichfalls Saͤulen oder Pilaſter / ſo muß man ſich in Einziehung der Mauer nach denſelben mit richten / weil die oberen zum theil auf den unteren ruhen. (§. 222).

Die 10. Aufgabe.

276. Eine Mauer anfzufuͤhren.

Aufloͤſung.
  • 1. Nehmet mittelmaͤßige Bruchſteine und verbindet ſie mit reichlicher Speiſe.
  • 2. Und damit die Ecken etwas ſtaͤrcker ge - machet werden / ſo fuͤhret ſie von Ziegeln o - der Qvaterſteinen auf / die ſich mit ver - wechſelten Fugen wegen ihrer regulaͤren Figur durch den Moͤrtel beſſer verbin - den laſſen.
  • 3. Mauret auch in der uͤbriegen Mauer mit unter Ziegel oder regulaͤr gehauene Stei - ne ein.
Anders.
  • 1. Mauret von Ziegeln oder Qvaterſteinen einen Kaſten auf / welche ihr durch Moͤr - tel mit verwechſelten Fugen fleißig ver - bindet.
  • 2. Jn den mittleren Raum fuͤllet Feldſteine und andere Stuͤcken von Steinen / die nicht uͤber ein Pfundt ſchweer ſind / und gießet reichlich Speiſe darzu: ſtampfet auch alles wohl ein.
  • 3. Wenn ihr ſolcher geſtalt die Mauer dreyB b 4Schuh392Anfangs-GruͤndeSchuh hoch gefuͤhret / ſo mauret drey reihen Ziegel durch die gantze diecke der Mauer uͤber einander.
  • 4. Mit dieſer doppelten Arbeit wechſelt ab / biß die gantze Mauer fertig iſt.
Anders.
  • 1. Setzet zwey Reihen Breter gegen einan - der / welche ſo viel Raum einſchlieſſen / als die Mauer einnehmen ſol.
  • 2. Fuͤllet den leeren Raum zwieſchen den Bretern mit Moͤrtel und allerley Steinen aus / und ſtampfet den Zeug wohl ein.
Noch anders.

Mauret lauter Ziegel / oder auch regulaͤr gehauene Steine mit verwechſelten Fugen uͤber einander / damit / wenn ja einer ausge - rieſſen wuͤrde / die anderen nicht nachfallen koͤnnen.

Die 2. Erklaͤhrung.

277. Das Fenſter iſt eine Eroͤfnung in der Maure / dadurch das Licht in das Gebaͤude hinein faͤllet.

Der 1. Zuſatz.

278. Man muß allſo die Fenſter derge - ſtalt anlegen / daß ſo viel Licht in jedes Zim - mer faͤllet / als man zu den Verrichtungen von noͤthen hat / welche darinnen vorgenom - men werden (§. 7. 15).

Der 2. Zuſatz.

279. Weil nun weder alle Tage / noch alleStun -393der Bau-Kunſt. Stunden eines Tages recht helle ſind / und man dem Uberfluſſe des Lichtes / wenn es noͤ - thig iſt / Z. E. durch Vorziehung der Vor - haͤnge / leicht ſteuren kan; muß man trachten ſo viel Licht durch die Fenſter in jeden Ort des Gebaͤudes zubringen / als moͤglich iſt.

Der 3. Zuſatz.

280. Derowegen wird die Mauer vor dem Fenſter AB ſchraͤge eingeſchniedten / da - mit das Licht nicht gehindert wird durch das Zimmer ſich aus zu breiten.

Der 4. Zuſatz.

281. Und damit das Fenſter-Creutze den Zufluß des Lichtes nicht hindere / ſol es nicht uͤber zwey Zoll breit gemachet werden. Aus gleichmaͤßiger Urſache muͤſſen die Fenſter - Rahmen nicht viel uͤber Zoll breit gemachet und inwendig an den Scheiben ſchraͤge ab - geſtoſſen werden.

Der 5. Zuſatz.

282. Die Glaſe-Fenſter muͤſſen entwe - der aus groſſen und hellen Scheiben / oder am beſten aus glaͤſernen Tafeln zu bereitet werden / weil das viele Bley dem Gemache das Licht benimmet.

Der 6. Lehrſatz.

283. Ein Fenſter muß hoͤher als breit ſeyn.

B b 5Be -394Anfangs-Gruͤnde
Beweiß.

Da das Licht von oben herunter faͤllet / ſo kan man mehr Licht durch das obere Theil des Fenſters in das Gemach bekommen / als durch das untere Theil deſſelben. Man ſol aber dahin trachten / daß man ſo viel Licht in ein Gemach bekomme / als moͤglich iſt (§. 279). Derowegen muß das Fenſter hoͤ - her als breit ſeyn. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

284. Weil aber das Licht bey nahe in ei - ner geraden Linie vom Himmel herab faͤllet; ſo kan man umb ſo viel mehr Licht durch ein Fenſter haben / je einen groͤſſeren Theil des Himmels man durch daſſelbe uͤber ſehen kan. Dannenhero koͤnnen die oberen Fenſter nie - drieger als die unteren ſeyn.

Der 2. Zuſatz.

285. Wenn man unter dem Dache halbe Stockwercke anleget und allſo medriege Ge - maͤcher hat / aus denen man durch das gan - tze Fenſter den Himmel uͤberſehen und allſo nach der Breite ſo viel Licht / als nach der Hoͤ - he haben kan; ſo hindert gegenwaͤrtiger Lehr - ſatz nicht / daß man die Fenſter etwas niedrie - ger machet als ihre Breite iſt / Z. E. / oder ¾ / oder von der Breite zur Hoͤhe nimmet. Man nennet aber dergleichen Fenſter Me - zaninen / oder Baſtard-Fenſter.

An -395der Bau-Kunſt.
Anmerckung.

286. Man leget auch Mezaninen uͤber die Thuͤ - ren die Vorhaͤuſer und Vorgemaͤcher zu erleuchten / darein man ſonſt niergends her Licht haben kan.

Der 7. Lehrſatz.

287. Wenn man durch ein Fenſter den Himmel nicht ſehen kan / ſollen die Waͤnde und Mauren der uͤberſtehen - den Gebaͤude weiß angeſtriechen ſeyn.

Beweiß.

Weil das Licht in einer geraden Linie von dem Himmel herab kom̃et / ſo kan man daher kein Licht durch das Fenſter in das Zimmer bekommen / durch welches man den Himmel nicht ſehen kan. Derowegen muß man ſich in ſolchem Falle mit dem Lichte behel - fen / welches theils von dem Erdboden / theils von den Mauren und Waͤnden der uͤberſtehenden Gebaͤude zuruͤcke pral - let. Es prallet aber mehr Licht zuruͤcke / wenn die Waͤnde oder Mauren weiß ſind / als wenn ſie dunckele Farbe haben. Derowe - gen wenn man durch ein Fenſter aus einem Gemache den Himmel nicht ſehen kan / ſollen die Mauren und Waͤnde der uͤberſtehenden Gebaͤude weiß angeſtriechen werden. W. Z. E.

Die 3. Erklaͤhrung.

288. Ein fallendes Licht wird ge - nennet / wenn man aus einem erleuch -teten396Anfangs-Gruͤndeteten Orte das Licht in einen andern leitet / dahin von auſſen keines kommen. kan. Z. E. Wenn der Boden durch die Kapfen - ſter erleuchtet iſt / machet man an die Decke des Stockwerckes darunter ein viereckichtes Loch / damit das Licht herunter fallen kan.

Der 1. Zuſatz.

289. Weil das einfallende Licht ſehr ſchwach iſt / ſol man es nur in der hoͤchſten Noth brauchen (§. 279).

Der 2. Zuſatz.

298. Und damit nicht bloß zuruͤck pral - lendes Licht einfalle / ſol man ſich bemuͤhen / ſo viel moͤglich iſt / die Eroͤfnungen fuͤr das ein - fallende Licht dergeſtalt anzulegen / daß / wenn man durch ſie und den erleuchteten Ort duꝛch - ſiehet / man den Himmel ſehen kan (§. 279).

Der 8. Lehrſatz.

291. Wenn die Fenſter nicht allzu - breit ſind / ſollen ſie viereckicht gemacht werden: ſonſt aber muß man ſie oben mit einem Bogen ſchlieſſen.

Beweiß.

Wenn ein viereckichtes und rundgewoͤl - betes Fenſter einerley Hoͤhe haben; ſo iſt jenes im lichten groͤſſer als dieſes. Dem - nach giebet es auch dem Zimmer mehr Licht. Und daher ſol man die Fenſter viereckichtma -397der Bau-Kunſt. machen / wenn es nichts anders hindert (§. 179): welches das erſte war.

Allein wenn das Fenſter ſehr breit iſt / als wie die Kirchen-Fenſter; ſo wuͤrde der Fen - ſter-Sturtz brechen / wenn es viereckicht ge - macht wuͤrde. Derowegen muß man es in ſolchem Falle mit einem Bogen uͤberwoͤl - ben: welches das andere war.

Der 9. Lehrſatz.

292. Ein Fenſter muß ſo breit ſeyn / daß zwey Perſonen gemaͤchlich neben einander in demſelben liegen koͤnnen.

Beweiß.

Denn man pfleget ſich oͤfters mit einer an - deren Perſon an das Fenſter zulegen und ſich umbzuſehen. Da nun der Baumeiſter den Haupt-Abſichten des Bau-Herrens in al - len ein gnuͤgen thun ſol (§. 1); ſo muß er auch das Fenſter ſo breit machen / daß zwey Perſonen gemaͤchlich neben einander in dem - ſelben liegen koͤnnen. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

293. Derowegen muͤſſen die Fenſter in vornehmen Gebaͤuden breiter als in gemei - nen gemacht werden: nemlich niemals unter 3 / niemals uͤber 6 Schuhe.

Der 2. Zuſatz.

294. Dannenhero iſt die geſchickteſtePro -398Anfangs-GruͤndeProportion der Breite zu der Hoͤhe wie 1 zu 2 / oder nach dieſer wie 2 zu 3 (§. 21. 25) / wiewol man nach Erforderung der Umbſtaͤn - de der Hoͤhe uͤber dieſe Proportion etwas unvermercktes zuſetzen kan (§. 22).

Anmerckung.

295. Palladius (lib. 1. c. 25) giebet im unteren Stocke daruͤber: Blondell (part. 4. f. 465) $$\frac {1}{12}$$ / oder auch / ja im Falle der Noth ½ Breite uͤber 2.

Der 10. Lehrſatz.

296. Die oberen Fenſter muͤſſen eben ſo breit wie die unteren gemacht und gleich uͤber die unteren geſetzet wer - den.

Beweiß.
Tab. XXVI. Fig. 53.

Denn wenn die unteren Fenſter breiter waͤren als die oberen / oder auch nicht gleich uͤber die unteren geſetzet wuͤrden; kaͤme ein groſſes Stuͤcke Mauer a b c d uͤber der Er - ofnung zu ſtehen. Da nun dieſes den erſten Regeln der Bau-Kunſt zu wieder iſt (§. 75) / muͤſſen allerdings die Fenſter oben und un - ten von gleicher Breite gemacht / und die o - beren gleich uͤber die unteren geſetzet werden. W. Z. E.

Der 11. Lehrſatz.

297. Die viereckichten Fenſter muͤſſen mit einem ausgemaureten Bogen ůber - woͤlbet werden.

Be -399der Bau-Kunſt.
Beweiß.

Denn die Mauer / welche zwieſchen demTab. XXVI. Fig. 54. oberen und unteren Fenſter iſt / ABCD lieget auf dem Sturtze des unteren Fenſters. Da - mit nun dieſelbe von ihrem Drucken nicht boͤrſte; ſo muß die Laſt von ihm durch einen Bogen auf die feſte Mauer zur Seiten ge - leitet werden. Und demnach muß man die viereckichten Fenſter mit einem ausgemaure - ten Bogen uͤberwoͤlben. W. Z. E.

Die 12. Aufgabe.

298. Ein Fenſter zu verzieren.

Aufloͤſung.

Machet entweder einen bloſſen Rahmen umb das Fenſter / in dem ihr die Glieder des Architrabs parallel mit ſeinen Sei - ten herumb fuͤhret: oder machet uͤber den Rahmen noch einen Frieß und Karnieß ohne ein Fronton; oder mit einem Fron - ton.

So iſt geſchehen / was man verlangete.

Die 1. Anmerckung.

299. Man pfleget gemeiniglich an den Rahmen entweder einfache oder doppelte Eckenzierden zuma - chen: von welchen in den folgenden Aufgaben ge - handelt wird.

Die 2. Anmerckung.

300. Der Modul zu der Verzierung iſt biß von der Breite im Lichten.

Die 3. Anmerckung.

301. Die Geſimſe ſind aus beygefuͤgeten Tabellen zu erlernen.

Tuſca -400Anfangs-Gruͤnde
Tuſcaniſch Geſimſe.
Jm Rahmen. Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
Die Platte.10
Die Platte.15
Das Plaͤttlein.1
Das Oberplaͤttlein.4
Der Frieß.24
Jm Karnieße. Die Hohlkehle.
Das Plaͤttlein.11⅞
Die Platte.53
Das Plaͤttlein.11
Der Viertel-Stab.3
Die abhangende Plat - te.17½
Das Plaͤttlein.11
Die Platte.31
Der Karnieß.66
Das Plattlein.1
Das Oberplaͤttlein.31
Doriſch Geſimſe.
Jm Rahm. Die Platte.10
Die andere Platte.15
Die Hohlkehle.3
Das Oberplaͤttlein.2
Der Frieß.24
Jm Kar -Das Karnießlein.
1⅞
Das Plaͤttlein.11
Die Kaͤlberzaͤhne.53
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl.
nieß. Das Plaͤttlein.11
Der Viertel-Stab.3
Die Platte.16
Die Hohlkehle.3¾
Das Plaͤttlein.1
Der Karnieß.66
Das Plaͤttlein.1
Das Oberplaͤttlein.31
Joniſch Geſimſe.
Jm Rahm. Die Platte.9
Das Staͤblein.
Die Platte.13½
Das Karnießlein.
Das Oberplaͤttlein.
Der Frieß.23
Jm Karnieße. Das Plaͤttlein.11
Das Karnießlein.41
2
Das Plaͤttlein.11
Die Kaͤlberzaͤhne.53
Das Plaͤttlein.11
Das Staͤblein.
Der Viertel-Stab.3
Die Platte.15
Das Karnießlein.3½
Das Plaͤttlein.11
Der Karnieß.66
Das Oberplaͤttlein.
Roͤmiſche Geſimſe.
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl
Jm Rahmen. Die Platte.8
Das Karnießlein.2
Die Platte.12
Das Staͤblein.2
Das Karnießlein.4
Das Oberplaͤttlein.2
Der Frieß.20½
Jm Karnieß. Das Staͤblein.21
Das Karnießlein.4
2
Das Plaͤttlein.11
Die Platte.53
Das Plaͤttlein.11
Das Staͤblein.
Der Viertel-Stab.3
Die Platte.17¼
Das Plaͤttlein.1¼
Der Viertel-Stab.32
Das Plaͤttlein.11
Der Karnieß.66
Das Oberplaͤttlein.
Corinthiſch Geſimſe.
Jm Rah -Die Platte.8
Das Karnießlein.2
Die Platte.12
Das Staͤblein.2
Das Karnießlein.3
Nahmen der Glied. Hoͤh. Ausl
men. Die Hohlkehle.
Das Oberplaͤttlein2
Der Frieß.20¼
Jm Karnieß. Das Plaͤttlein.11
Das Staͤblein.2
Das Karnießlein.4
2
Das Plaͤttlein.11
Die Platte.53
Das Plaͤttlein.11
Das Staͤblein.
Der Viertel-Stab.3
Die Platte.15¼
Das Staͤblein.¾
Das Karnießlein.3
2
Das Plaͤttlein.11
Der Karnieß.66
Das Oberplaͤttlein.
Die 4. Anmerckung.

302. Man hat aber nicht noͤthig / ſich an dieſe Ge - ſimfe ſo gnau zu binden: ſondern wer ſelber ein Ge - ſimſe zu ſammen zu ſetzen / und richtig zu proportioni - ren gelernet / kan verſchiedene Veraͤnderungen vor - nehmen / nachdem es die Umſtaͤnde leiden.

Die 13. Aufgabe.

303. Eine einfache Eckenzierde zu zeichnen.

C c 2Auf -404Anfangs-Gruͤnde
Tab. XXVI. Fig. 55.
Aufloͤſung.

Wenn ihr das Fenſter im lichten aufge - rießen / ſo

  • 1. Ziehet auf den Seiten des Reißbretes zwey Theilungs-Linien AB und BC.
  • 2. Wo die Hoͤhe des Fenſters aufhoͤret / tra - get auf und niederwarts aus D in 1. 2. 3. 4 die Hoͤhen der Glieder des Rahmens.
  • 3. Wo aber die Breite des Fenſters aufhoͤ - ret / traget eben felbige Hoͤhen aus E in 1. 2. 3. 4 und abermahls aus 1 in 5. 6. 7. 8.
  • 4. Ziehet nach dieſen Theilungs-Puncten mit Huͤlfe der Reiß-Schiene Linien / wie die Figur ausweiſet. So ſind die E - ckenzierden fertig.

Die 14. Aufgabe.

304. Eine doppelte Eckenzierde zu zeichnen.

Aufloͤſung.
Tab. XXVII. Fig. 56.
  • 1. Zeichnet erſt wie vorhin das Fenſter im lichten / und ziehet an den Seiten des Reiß - bretes / wie gewoͤhnlich / die Theilungs-Li - nien AB und BC.
  • 2. Wo die Hoͤhe des Fenſters aufhoͤret / traget aus D niederwarts die Hoͤhen der Glieder des Rahmens in 1. 2. 3. 4 und auf - warts den erſten Rahmen zweymal in 1 und 1 / und hernach weiter die uͤbriege Glieder in 2. 3. 4.
  • 3. Wo aber die Breite des Fenſters aufhoͤ -ret /405der Bau-Kunſt. ret / traget einwarts aus E in 1. 2. 3. 4. eben die Hoͤhen der Glieder des Rahmens / in - gleichen auswarts theils aus E in 1. 2. 3. 4 / theils aus 1 in 5. 6. 7. 8 / wie in der vo - rigen Aufgabe.
  • 4. Ziehet aus dieſen Theilungs-Linien nach der Reiß-Schiene gerade Linien / welche die verlangte gedoppelte Eckenzierde for - miren.

Die 4. Erklaͤhrung.

305. Ein Gelaͤnder-Fenſter iſt ein Fenſter mit einem Balcon oder Trom - peter-Gaͤnglein / damit die Trompeter unter der Tafel darauf blaſen koͤnnen.

Der 1. Zuſatz.

306. Ein Fenſter mit einem Balcon ſchiecket ſich nur an Pallaͤſte und Gebaͤude groſſer Herren.

Der 2. Zuſatz.

307. Weil an den Gebaͤuden nichts an - gehaͤngtes erſcheinen ſol (§. 75.); ſo ſol der Balcon billich einen feſten Grund haben / und nicht leicht auf Kragſteine geſetzet werden.

Der 3. Zuſatz.

308. Und da das Fenſter ſeines gleichen an dem Gebaͤude nicht hat; ſol es in die mit - ten deſſelben kommen / auch mehr als die - briegen Fenſter gezieret werden. Ja man kan es auch breiter machen / als die anderen Fenſter. (§. 66. 67).

C c 3An -406Anfangs-Gruͤnde
Anmerckung.

309. Das Geſimſe des Balcon-Fenſters kan von Pilaſtern getragen werden / weil es nach Proportion des Fenſters groͤſſer iſt als die Geſimſe der uͤbriegen. Jn das Giebel-Feld / oder wenn man kein Fronton hat / auf das Geſimſe pfleget man das Wappen / inglei - chen Statuen zu ſetzen. Auch kan das Fenſter / weil es breit iſt / oben mit einem Bogen geſchloſſen werden. (§. 291).

Die 5. Erklaͤhrung.

310. Die Thuͤre iſt eine Eroͤfnung in der Maure / dadurch man in das Ge - baͤude oder in deſſen Zimmer und Ge - maͤcher gehen kan.

Der 1. Zuſatz.

311. Derowegen muß keine Thuͤre unter der Hoͤhe eines rechten Mannes / und allſo nicht unter 6′ ſeyn.

Der 2. Zuſatz.

312. Weil aber der Menſch nicht halb ſo breit als lang iſt / ſo reimet ſich am beſten fuͤr die Breite zur Laͤnge der Thuͤre die Propor - tion wie 1 zu 2 (§. 21. 25).

Anmerckung.

313. Es laͤſſet ſich fuͤr die Thuͤren uͤber - haupt keine determinirte Breite vorſchreiben / weil die Groͤße des Baues die Beſchaffenheit des Bau - Herrns und die Dinge / welche man ein und aus zu tragen hat / viele Veraͤnderungen geben. Doch pfleget man die Hauptthuͤren in kleinen Gebaͤuden wenig - ſtens 4′ bis ; in mittelmaͤßigen 5′ bis 6′; in gargroſſen407der Bau-Kunſt. groſſen 7′ bis 8′ breit zu machen. Hingegen die Ge - machthuͤren ſind in klẽinen Haͤuſern 3′ / / bis 4′ / in mittelmaͤßigen 4′ bis ; in groſſen nicht leicht - ber 5′ bis 6′ breit. Endlich die Breite der Kirch - Thuͤren iſt 5′ bis 8′; eines Stadt-Thores wenig - ſtens 10′ 3 eines Thorweges 9′ / an ſehr großen Ge - baͤuden 10′ bis 12′.

Der 3. Zuſatz.

314. Damit man beqvem durchgehen kan / ſo ſollen die Thuͤren eine viereckichte Fi - gur haben / und nur in Thoren und Thorwe - wegen umb ihrer Breite willen / jene zwar mit einem halben Circul / dieſe aber mit einem Bogen / der 16 Zoll hoch iſt / geſchloſſen wer - den.

Die 2. Anmerckung.

315. Die Hoͤhe iſt in Thoren $$\frac {5}{4}$$ von der Breite / in Thorwegen 13½ Schuh biß an den Bogen.

Der 4. Zuſatz.

316. Damit der Eingang nicht unbe - qvem falle / ſol man die Thuͤr-Schwellen entweder gar weglaſſen / oder hochſtens nicht uͤber einen Zoll hoch machen (§. 15).

Die 3. Anmerckung.

317. Die Thuͤren werden voͤllig ſo wie die Fenſter verzieret / auſſer daß man fuͤr Thoren und Thorwe - gen Arcaden; fuͤr Kirchen-Hauß - und Saal-Thuͤ - ren Colonnaten machen kan.

Der 10. Lehrſatz.

318. Die Hauß-Thuͤre ſol mitten anC c 4das408Anfangs-Gruͤndedas Gebaͤuͤde geleget werden und zu bey - den Seiten ſollen in gleicher Weite gleich viel Fenſter von ihr abſtehen. Von den Ecken ſtehen die Fenſter wei - ter weg als von einander: von der Thuͤ - re aber koͤnnen ſie weiter und weniger abſtehen.

Beweiß.

Es iſt alles klahr aus der Eurythmie (§. 66) / welche der Baumeiſter uͤberall mit der groͤſten Sorgfalt zu beobachten hat (§. 67).

Der 1. Zuſatz.

319. Eben die Eurythmie erfordert / daß / wenn man die Fenſter mit Frontons zieret / dreyeckichte und rundte zu beyden Seiten auf einerley Art abwechſeln.

Der 2. Zuſatz.

320. Und weil man in dem / was in der Weite auf einmal / in der Naͤhe aber nur ſtuͤckweiſe uͤberſehen werden kan / die Euryth - mie mehr als einmal anbringen muß (§. 69); ſol die Mauer eines breiten Gebaͤudes ent - weder in der mitten / oder an beyden Ecken / oder beyderſeits umb wenige Zolle heraus - geruͤcket werden und / damit man an jedem herausgeruͤcktem Theile die Eurythmie be - ſonders in acht nehmen koͤnne / ſollen die Fen - ſter uͤberall an der Zahl ungleich ſeyn (§. 66).

Der409der Bau-Kunſt.

Der 11. Lehrſatz.

321. Wenn neben der Haupt-Thuͤre noch andere Neben-Thuͤren entweder in das Gebaͤude ſelbſt / oder nur in dar - unter angelegte Gewoͤlber gemacht werden / ſo iſt die Haupt-Thuͤre die groͤ - ſte und kommet in die mitten / die ande - ren werden zu beyden Seiten / in glei - cher Groͤſſe und in gleicher Weite von der Haupt-Thuͤre geleget.

Beweiß.

Der Beweiß iſt eben ſo / wie in dem vor - hergehenden Lehrſatze (§. 318).

Der 12. Lehrſatz.

322. Die Bruſt-Lehne oder die Mauer von dem Boden des Gemaches biß an das Fenſter im lichten muß nicht uͤber drey Schuh hoch ſeyn.

Beweiß.

Man muß das Fenſter ſo einrichten / daß man beqvem an demſelben liegen kan (§. 292). Nun lehret aber die Erfahrung / daß man be - qvemer lieget / weñ man den Leib etwas kruͤm - men muß / als wenn man ſich faſt aufgerich - tet auflehnet. Derowegen muß das Fen - ſter im lichten nicht weiter von dem Boden weg ſeyn / als daß man den Leib noch etwas kruͤmmen muß / wenn man ſich in daſſelbe legen wil / und allſo niemals uͤber / ſondern vielmehr immer etwas unter drey Schuh. W. Z. E.

C c 5Der410Anfangs-Gruͤnde
Der 1. Zuſatz.

323. Damit nun die Fenſter in dem un - terſten Stockwercke auf der Gaſſe nicht zu niedrieg ſtehen / muͤſſen entweder inwendig die Gemaͤcher etwas erhoͤhet werden / ſo daß man vor ihre Thuͤren einige Stuffen leget; oder (welches beſſer iſt / in dem es dem Hau - ſe ein praͤchtiges Anſehen giebet und die Ver - drießlichkeit des Steigens aufhebet / wenn man aus einem Gemach in das andere ge - hen wil) man ſol vielmehr vor die Hauß - Thuͤre eine Treppe von etlichen Stuffen anlegen.

Anmerckung.

324. Dadurch erhaͤlt man zugleich / daß die Kel - ler erhaben werden.

Der 2. Zuſatz.

325. Ja wenn man in dem Fenſter beqvem liegen ſol / muß die Mauer fuͤr demſelben viel duͤnner ſeyn / als die zwieſchen denſelben: zu - mal da hierdurch auch eine unnoͤthige Laſt weggenommen wird / wodurch ſonſt der Bo - gen uͤber den untereren Fenſtern beſchweeret wuͤrde.

Die 15. Aufgabe.

326. Eine Mauer zu uͤbertuͤnchen.

Aufloͤſung.
  • 1. Wenn die Mauer recht ausgetrocknet / ſo bewerfet ſie zu dreyen unterſchiedenen malen mit Moͤrtel.
2. Wenn411der Bau-Kunſt.
  • 2. Wenn das Bewerfen getrocknet; uͤberzie - het ſie mit zaͤrterem Moͤrtel / der aus Kalck und zaͤrterem Sande als der erſte zuberei - tet worden / oder mit Gyps / gleichfals zu drey unterſchiedenen malen.
Beweiß.

Die Mauer muß erſt getrocknet ſeyn / ehe man den Tuͤnch auftraͤget / ingleichen muß man ſelbigen nicht gantz auf einmal auftra - gen. Denn ſonſt trocknet die Mauer erſt / wenn der Tuͤnch ſchon trocken worden / und der Tuͤnch trocknet oben eher als unten. Dannenhero muß er im erſten Falle entwe - der ſpringen oder ſich gar abſchaͤlen / im anderẽ Falle hin und wieder Rietze bekommen: welches beydes der Dauerhaftigkeit des Ge - baͤudes zu wieder iſt.

Zuſatz.

327. Weil die uͤbertuͤnchte Mauren nicht allein beſſer ausſehen / ſondern auch mehr Licht zuruͤcke werfen und von auſſen durch den Regen und die Feuchtigkeit der Luft nicht ſo leicht Schaden nehmen; ſo ſollen alle Mau - ren nicht allein von innen / ſondern auch von auſſen uͤbertuͤncht werden.

Die 1. Anmerckung.

328. Es wird der Tuͤnch uͤberaus ſauber und ſo bellglaͤntzend / daß man ſich in demſelben beſpiegeln kan / wenn man geſtoſſenen Marmel unter den Kalek nimmet.

Die412Anfangs-Gruͤnde
Die 2. Anmerckung.

329. Vitruvius (lib. 7. c. 2) mercket an / es diene ſehr zur Feſtigkeit des Tuͤnches / wenn man den Kalck wohl erbeitzen und nachdem man den Sand darunter geruͤhret / mit groſſen Fleiß durcharbeiten laͤſſet.

Die 3. Anmerckung.

330. Wenn die Leimerne Waͤnde den Tuͤnch wohl halten ſollen / muͤſſen ſie zu erſt berohret werden.

Die 4. Anmerckung.

331. Wollet ihr in den Tuͤnch etwas mahlen / ſo muß es geſchehen / weil er noch naß iſt: als den wird das Gemaͤhlde ſehr beſtaͤndig / und gehet nicht eher aus bis der Tuͤnch zerbrochen wird.

Die 6. Erklaͤhrung.

332. Wenn man eine Mauer mit re - gulaͤr gehauenen Steinen uͤberkleidet / nennet man es Baͤuriſch Werck (Opus ruſticum).

Zuſatz.

333. Weil das Baͤuriſche Werck die Mauren ſehr dauerhaft machet / wird es ab - ſonderlich an Gebaͤuden gebraucht / die eine Staͤrcke fuͤr andern zeigen ſollen / als an Stadt-Thoren / an dem unterſten Stock - wercke der Gebaͤude auf dem Lande u. ſ. w.

Die 1. Anmerckung.

334. Serlius (lib. 4. c. 5. f. m. 15) hat angewie - ſen / wie die Steine auf verſchiedene Art zum Baͤu - riſchen Wercke gehauen werden.

Die413der Bau-Kunſt.
Die 2. Anmerckung.

305. Man pfleget auch wol in dem unteren Stocke groſſer Stadt-Gebaͤude einen Tuͤnch von Moͤrtel in geſtalt des Baͤuriſchen Werckes aufzutragen und ihn dunckel anzuſtreichen.

Die 16. Aufgabe.

306. Aus der gegebenen Hoͤhe des Fenſters / der Hoͤhe der Bruſt-Lehne und der Hoͤhe und Diecke des Bogens / damit das Fenſter uͤberwoͤlbet worden / die Hoͤhe des Gemaches zu finden.

Aufloͤſung.

Weil die Hoͤhe des Gemaches aus der Hoͤhe der Bruſt-Lehne / der Hoͤhe des Fen - ſters und der Hoͤhe und Diecke des Bogens uͤber dem Fenſter beſtehet; ſo doͤrfet ihr dieſe gegebene Theile von der Hoͤhe des Gema - ches nur addiren / wenn ihr dieſelbe zu wieſ - ſen verlanget (§. 35. Arithm).

Zuſatz.

307. Die Hoͤhe des Fenſters entſpringet aus der Breite deſſelben (§. 294): die Hoͤhe der Bruſt-Lehne iſt allzeit unter 3 Schuh (§. 322): endlich die Hoͤhe des Bogens und ſeine Diecke kan man nach Erforderung der Umbſtaͤnde willkuͤhrlich einrichten. Dero - wegen kan man aus der gegebenen Fenſter - Breite die gantze Eintheilung der Ausſicht des Gebaͤudes nehmen.

An -414Anfangs-Gruͤnde
Anmerckung.

308. Weil die Hoͤhe des Fenſters und der Bruſt - Lehne meiſtens ihre abgemeſſene Groͤſſe haben; ſo muß man bey Erwehlung der Hoͤhe und Diecke des Bogens nicht allein auf die Staͤrcke der Wiederlage / die man zwieſchen zwey Fenſtern haben kan / ſondern auch abſonderlich mit darauf ſehen / daß die Hoͤhe des Fenſters und der Thuͤre zu der Hoͤhe des Ge - maches eine geſchieckte Proportion erhalte. Sca - mozzi recommendiret nicht ohne Grund (§. 25) die Proportion fuͤr die Hoͤhe des Fenſters zu der Hoͤhe des Gemaches wie 4 zu 7 / und fuͤr die Hoͤhe der Thuͤre zur Hoͤhe des Gemaches wie 2 zu 3.

Der 13. Lehrſatz.

309. Die Figur der Zimmer muß ein recht wincklichtes Vier-Ecke ſeyn.

Beweiß.

Man hat in den Zimmern oder Gemaͤchern Tiſche / Baͤncke / Bette / Schrancken und andere dergleichen Dinge zu ſetzen. Da - mit nun dieſes fuͤglich geſchehen koͤnne / muß ihre Figur ein rechtwincklichtes Vier Ecke ſeyn.

Anmerckung.

310. Es kommet noch eine andere raiſon dazu / weil nemlich der Platz des Gebaͤudes ein rechtwinck - lichtes Vier-Ecke iſt / indem ſonſt die Gebaͤude nicht wohl nebeneinander aufgefuͤhret / noch auch beqvem eingetheilet werden koͤnnen / daß nicht hin und wieder allerhand zum theil finſtere Winckel uͤberbleiben ſoll - ten: ein ſolcher Platz aber ſich am fuͤglichſten wieder - umb in rechtwincklichte Vier-Ecke eintheilen laͤſt.

Zuſatz.

311. Damit die Laͤnge des Gemaches zu derBrei -415der Bau-Kunſt. Breite eine geſchieckte Verhaͤltnis habe / ſo machet ſie entweder wie 1 zu 1 / das iſt ein voͤl - liges Qvadrat / oder wie 2 zu 3 / oder wie 2 zu 2 / in groſſen Saͤalen wie 1 zu 3 (§. 21).

Anmerckung.

312. Weil man nach Erforderung der Umbſtaͤnde in Kleinigkeiten von dieſen Verhaͤltniſſen abwei - cheichen darf (§. 22); ſo kan man ohne Tadel etwas daruͤber und darunter nehmen. Blondell (Cours d Architecture part. 3. c. 8. f 266-268) hat noch an - dere Verhaͤltniſſe angegeben / nemlich wie 3 zu 4 / wie 3 zu 5 / wie 4 zu 5 / wie 4 zu 7 / wie 8 zu 9.

Der 14. Lehrſatz.

313. Die Zimmer ſollen weder allzu - hoch / noch allzu niedrieg ſeyn.

Beweiß.

Denn allzuhohe Zimmer ſind im Winter ſchweer zu heitzen / und allſo dem Beutel be - ſchweerlich / wo das Holtz theuer iſt. Allzu niedrige Zimmer werden ungeſund befunden / weil die Ausduͤnſtungen aus den Coͤrpern der Menſchen und anderer in ihnen ſich be - findlichen Sachen ſich nicht gnung zertheilen koͤnnen.

Der 1. Zuſatz.

314. Weil bloß die Koſten ein Zimmer zu heitzen die ſehr hohen Zimmer verwerflich machen; ſo hat man ſich an dieſen Lehrſatz nicht zu kehren / wo man auf ſelbige nicht zu ſehen hat.

Anmerckung.

315. Doch kan in einem Falle noch eine andere Ur -ſache316[416]Anfangs-Gruͤndeſache darzu kommen. Wenn nemlich das Zimmer gegen Mittage lieget / und iſt hoch / ſo wird es im Sommer unertraͤglich warm / weil durch die hohen und folgends auch breiten Fenſter die Sonnen - Strahlen haͤufig hinein fallen.

Der 2. Zuſatz.

315. Weil die Hoͤhe des Gemaches aus ge - ſchieckter Anlegung und Proportionirung der Fenſter und Thuͤren ſich leicht giebet (§. 306. 308. ); und durch das gantze Stockwerck ei - nerley Hoͤhe der Gemaͤcher erhalten werden muß; ſo hat man ſich umb Proportionirung der Hoͤhe eines Gemaches zu ſeiner Laͤnge und Breite nicht ſonderlich zu bekuͤmmern.

Anmerckung.

315. Blondell (Cours d Architect-part. 3 c. 9. f. 269.) ſetzet in den kleineſten Gebaͤuden die Hoͤhe iedes Stockwerckes wenigſtens bis 9 Schuh. Jn Qvadratzimmern giebet er der Hoͤhe die Seiten des Gemaches / das iſt / er machet dieſelbe der Laͤnge und Breite gleich. Wenn die Breite 1 / die Laͤnge iſt / ſo macht er die Hoͤhe 1⅛. Wenn die Breite 1 / die Laͤnge iſt; machet er die Hoͤhe . Wenn die Breite 1 / die Laͤnge iſt; macht er die Hoͤhe 1⅜. Wenn die Breite 1 / die Laͤnge 2 iſt; ſo machet er die Hoͤhe . Palladius giebet noch andere Regeln.

Der 15. Lehrſatz.

316. Stuben und Kammern ſol man dielen; Saͤale und Vorgemaͤcher aber pflaſtern / oder mit einem Aeſtriche ver - ſehen.

Be -417der Bau-Kunſt.
Beweiß.

Zum Dielen nimmet man Breter / zum Pflaſter Ziegel oder Steine. Weil nun die Ziegel oder Steine kaͤlter werden / als das Holtz / ſo reimet ſich in Stuben und Kam - mern kein Pflaſter / weil man in Kammern oͤſ - ters mit bloſſen Fuͤſſen auf den Boden tritt / in Stuben die Fuͤſſe / auch wenn es eingehei - tzet iſt / auf dem kalten Pflaſter kalt bleiben. Weil man aber auf die Saͤle und in die Vor - gemaͤcher weder barfuß kommet / noch auf und in denſelben im Winter ſitzet; ſo kan man an dieſen Orten ein ob zwar kaltes / doch dauerhaftes Pflaſter machen. Da nun die Aeſtriche eben ſo kalt werden wie die Pfla - ſter / kan man ſie niergends gebrauchen / wo dieſe nicht ſtat finden. Und ſolcher geſtalt werden ſie gleichfals aus den Stuben und Kammern in die Vorgemaͤcher und Saͤle verwieſen. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

317. Weil das Taͤnninne Holtz fein gera - de bleibet (§. 83); ſo ſchiecket es ſich zum Die - len recht wohl.

Der 2. Zuſatz.

318. Damit aber zwieſchen den Dielen nicht Rietze werden / muß das Holtz wohl ausgetrocknet ſeyn.

Der 3. Zuſatz.

319. Die Ziegel zum Pflaſter koͤnnen vielD dduͤn -418Anfangs-Gruͤndeduͤnner und breiter als die Mauer-Ziegel ge - macht werden.

Der 16. Lehrſatz.

320. Von den Regulaͤr-Figuren ſchie - cken ſich nur zum Pflaſter das gleichſei - tige Dreyecke / das Qvadrat und das Sechs-Ecke.

Beweiß.

Die Winckel der zuſammen ſtoſſenden Figuren muͤſſen einen Circul fuͤllen / wenn man pflaſtern wil. Nun fuͤllen ſechs Win - ckel des Drey-Eckes / vier des Qvadrats und drey des Sechs-Eckes einen Circul (§. 121) / Hingegen keine Winckel einer ande - ren Regulaͤren Figur koͤnnen einen Circul fuͤllen / wenn ſie etliche mal genommen wer - den (§. cit.). Derowegen kan man von den Regulaͤren Figuren nur das Drey-E - cke / das Qvadrat und das Sechs-Ecke zum pflaſtern brauchen. W. Z. E.

Anmerckung.
Tab. XXVI. Fig. 57.

321. Man kan wol andere verſchiedene Figuren zuſammen legen / daß ſie ein Pflaſter formieren; al - lein es iſt nicht noͤthig / daß man ſich daruͤber viel den Kopf zerbreche / weil allein aus zweyfarbigen Qvadraten mit leichter Muͤhe unzehlich viel ange - nehme Arten der Pflaſter koͤnnen gemacht werden: wie Truchet in den Memoires de l Aca - demie Royale des Sciences A. 1704. p. m. 483. & ſeqq. angewieſen.

Die419der Bau-Kunſt.

Die 17. Aufgabe.

322. Ein Aeſtrich auf den Erdboden zu ſchlagen.

Aufloͤſung.
  • 1. Stampfet die Erde wohl ein und machet ſie eben: ja wenn ſie ſich nicht feſte gnung ein ſtampfen laͤſt / ſo treibet hin und wie - der kleine Pfloͤcke von eichenem Holtze hinein / damit nicht die Erde nachgebe und das Aeſtrich ſpringe.
  • 2. Vermieſchet Kieſelſteine oder andere feſte Steine / die man in der Hand faſſen kan / mit Moͤrtel und machet davon in der Diecke von 9 Zollen einen Unterzug.
  • 3. Vermieſchet ferner kleine Steinlein oder zerſtoſſene Ziegel mit ¾ Moͤrtel und machet uͤber den vorigen noch einen andern Guß zum wenigſten 6 Zoll diecke.
  • 4. Stampfet beyden Guß mit dem groͤſten Fleiſſe ein: ſo iſt das Aeſtrich geſchlagen. W. Z. T. W.
Anders.

Vitruvius beſchreibet (lib. 7. c. 4) noch eine beſondere Art der Aeſtriche / welche die Griechen in ihren Winter-Gemaͤchern be - qvem befunden

  • 1. Machet fuͤr allen Dingen wie vorhin die Erde feſte und eben und gieſſet darauf den Unterzug.
D d 22.420Anfangs-Gruͤnde
  • 2. Streuet uͤber dieſen erſten Guß Kohlen und ſtampfet ſie wohl ein.
  • 3. Vermieſchet Sand / Kalck und Aſchen in Waſſer mit einander / und gieſſet davon den anderen Guß einen halben Schuh hoch.

So bekommet ihr ein Aeſtrich / das ſich mit Wetzſteinen polieren laͤſt / ſehr wohl ausſie - het / nicht kalt iſt / die Feuchtigkeiten und das vergoſſene Waſſer und Getraͤncke an ſich ziehet.

Anmerckung.

323. Die Griechen machten den erſteñ Guß / daruͤber die Kohlen geſchuͤttet worden / in der mitten etwas erhaben / und legten an den Seiten Canaͤle an dadurch ſie die angezogene Feuchtigkeiten abfuͤhren konten. Man beſehe den Rivium in ſeinem Com - mentario uͤber den von ihm ins Teutſche uͤberſetzten Vitruvium f. m. 439.

Die 18. Aufgabe.

324. Ein Aeſtrich auf eine Decke zu - ſchlagen.

Aufloͤſung.
  • 1. Machet die Decke von doppelten Bretern - leget die oberen qver uͤber die unteren / und nagelt ſie mit ſtarcken Naͤgeln an die Bal - cken an / daß ſie ſich nicht winden.
  • 2. Damit der Kalck das Holtz nicht beſchaͤdi - ge / ſo uͤberſtreuet die Decke mit Hecker - linge / Farren-Kraut oder anderen der - gleichen Materien.
3.421der Bau-Kunſt.
  • 3. Das uͤbriege machet wie in der vorherge - henden Aufgabe (§. 322).
Anmerckung.

325. Jhr koͤnnet die Aeſtriche / daß ſie beſſer aus - ſehen / mit einer Oel-Farbe anſtreichen.

Die 19. Aufgabe.

326. Ein Aeſtrich auf eine Decke un - ter freyem Himmel zuſchlagen.

Aufloͤſung
  • 1. Machet alles / wie in der vorhergehenden Aufgabe / nur daß jeder Guß einen Schuh hoch kommt und zwieſchen beyde Guͤſſe ei - ne Reihe Pflaſter-Ziegel geleget werden.
  • 2. Uber den andern Guß machet ein Pflaſter und ſchmieret die Fugen jaͤhrlich vor dem Winter mit altem Oele: wie ihr denn auch unter den Moͤrtel die Pflaſter-Stei - ne zu verbinden ſtinckend Oele nehmen koͤnnet / damit die Feuchtigkeit von Re - gen und Schnee nicht durchdringe.
Zuſatz.

327. Damit das Regen - und Schnee - Waſſer abflieſſen kan / muß das Aeſtrich ge - gen die Seiten etwas abhaͤngig gemachet werden.

Die 20. Aufgabe.

328. Einen guten Kuͤtt zu bereiten / damit die Steine in einem Pflaſter un - ter freyem Himmel recht ſtarck verkuͤt - tet werden.

D d 3Auf -422Anfangs-Gruͤnde
Aufloͤſung.
  • 1. Loͤſchet Kalck in Oelhaͤfen ab und ruͤhret ihn zu einem Brey.
  • 2. Mieſchet darein rein geſtoſſenes Glaß / Marmelſtein und Feilſtaub von Eiſen.

So iſt geſchehen / was man verlangete.

Anmerckung.

329. Die Guͤte dieſes Stein-Kuͤttes ruͤhmet Ri - vius in ſeinen Commentariis uͤber den Vitruvium (lib. 7. c. 1. f. m. 426).

Die 21. Aufgabe.

320. Die Steine dauerhaft Oeltraͤncken.

Aufloͤſung.
  • 1. Laſſet die Steine in dem heiſſeſten Som - mer von der Sonne recht erhietzt werden.
  • 2. Zerlaſſet Wachs / Terpentin und ein we - nig Hartz in einem eiſernen Tiegel und / wenn es anfaͤnget zu ſieden /
  • 3. Traͤncket damit den erhietzten Stein / ſo viel er verſchlucken mag.

So iſt geſchehen / was man verlangete.

Anmerckung.

321. Durch dieſe Oeltraͤnckung / welche Rivius iñ dem angezogenen Orte anweiſet / kan man ein fuͤr alle mal in allen Faͤllen die Steine wieder die Feuch - tigkeit verwahren / daß man nicht noͤthig hat das Pflaſter von neuem alle Jahre zu Oeltraͤncken.

Die 7. Erklaͤhrung.

321. Wann eine Decke uͤber einem Zim - mer in Geometriſche Figuren eingethei - let wird / welche man mit erhabenenRah -423der Bau-Kunſt. Rahmen einfaſſet / ſo heiſſet es eine Fel - der-Decke.

Der 1. Zuſatz.

322. Damit die Eurythmie in acht ge - nommen werde / muß mitten ein groſſes Feld gemacht und an den Ecken / ingleichen unter - weilen mitten an den Seiten muͤſſen andere kleinere Felder angeordnet werden / derge - ſtalt daß diejenigen einander gleichen / welche in der Decke einander entgegen ſtehen.

Der 2. Zuſatz.

323. Es muß aber die Figur / welche in dieTab. XXVI. Fig. 58. mitten kommet / in ihrer Laͤnge und Breite nach der Laͤnge und Breite des Zimmers pro - portioniret ſeyn. Nemlich wenn das Zim - mer ein Qvadrat iſt / ſo hat auch das mittlere Feld einerley Laͤnge und Breite. Z. E. Es iſt gleichfalls ein Qvadrat / oder ein Circul / oder ein Sechs-Ecke / u. ſ. w. Jſt aber in der Figur des Zimmers eine Seite groͤſſer als die andere / ſo muß auch in dem mittleren Felde die Laͤnge groͤſſer als die Breite ſeyn. Z. E. Es iſt eine Elliptiſche Figur / oder ein rechtwincklichtes Viel-Ecke / oder eine aus Bogen und geraden Linien zuſammen geſetz - te Figur.

Der 3 Zuſatz.

324. Damit ſich die Felder wohl zuſam - men ſchiecken / muͤſſen die Linien / daraus die Neben-Felder zuſam̃en geſetzet werden / ſichD d 4nach424Anfangs-Gruͤndenach den Linien des Haupt-Feldes richten. Wenn nemlich das Haupt-Feld einen erha - benen Bogen hat / muß das Neben-Feld ei - nen ausgehoͤleten ihm entgegen kehren. Jſt das Haupt-Feld ausgehoͤlet / ſo muß das Neben-Feld gegen ſeine Aushoͤlung erha - ben ſeyn. Sind die Linien im Haupt-Fel - de zu ruͤcke gezogen / ſo ziehet man ſie im Ne - ben-Felde heraus: ſind ſie aber in jenem heraus gefuͤhret / ſo ziehet man ſie in dieſem zu ruͤcke. u. ſ. w. Eben dieſes verſtehet ſich von den Ecken-Feldern und den Neben-Fel - dern in der mitten der Seiten. Die Ecken - Felder aber werden gegen die Ecken des Zim - mers mit zwey auf einander perpendicular ſtehenden geraden Linien geſchloſſen.

Der 4. Zuſatz.

25. Endlich daß die Decke an den Waͤn - den nicht ſo platt abfaͤllet / welches dem Auge unangenehm vorkommet / indem es von den Verzierungen der Decke noch eingenommen; fuͤhret man unten an der Decke umb das gantze Zimmer ein Geſimſe.

Anmerckung.

326. Aus dieſen Regeln werdet ihr nicht allein alle vorkommende Felder-Decken und alle Riße von den - ſelben vernuͤnftig beurtheilen; ſondern auch ſelbſt ei - ne vorgegebene Decke in geſchieckte Felder eintheilen koͤnnen. Die Richtigkeit derſelben beruhet auf den allgemeinen Maximen der Baukunſt / daß alle Wer - cke des Baumeiſters ſo wol in ihren Theilen / als ge - gen andere Wercke / neben welchen ſie ihre Lage ha -ben /425der Bau-Kunſt. ben / wohl proportioniret ſeyn ſollen / und daß alle Theile in einem Wercke eine geſchieckte Verknuͤpfung haben muͤſſen / dergeſtalt / daß man aus der Beſchaf - fenheit des einen raiſon von der Beſchaffenheit des anderen geben kan.

Die 22. Aufgabe.

372. Eine hoͤltzerne Felder-Decke zu machen.

Aufloͤſung.
  • 1. Leget Balcken dergeſtalt uͤber das Zim - mer / daß keiner uͤber eine Eroͤfnung kom̃et / (§. 75) / maſſen dieſelbe dadurch mit der Zeit Schaden nehmen kan.
  • 2. Nagelt an die Balcken wohl ausgetrock - nete und glatt gehobelte Breter / damit ihr eine platte Decke bekommet.
  • 3. Theilet dieſelbe in ihre Felder (§. 322. ſeqq.)
  • 4. Faſſet die Felder mit Rahmen ein / die ihr nach gut befinden aus den Gliedern der Ordnung zuſammen geſetzet.
  • 5. Endlich ſtreichet die Decke mit einem gu - ten Firnis an.

Die 23. Aufgabe.

328. Eine Felder-Decke von Gyps zu machen.

Aufloͤſung.
  • 1. Leget / wie in der vorhergehenden Aufga - be / Balcken uͤber das Zimmer.
D d 52. Na -426Anfangs-Gruͤnde
  • 2. Nagelt an die Balcken Latten ſo nahe an einander / als moͤglich iſt.
  • 3. Berohret die Latten / dergeſtalt daß ihr ie - des Rohr mit einem ausgegluͤeten Dra - the an etlichen Orten umbſchlinget und an nagelt: Denn ſolchergeſtalt wird das Rohr theils an ſeiner Stelle befeſtiget / daß es aus derſelben nicht weichen kan / theils auch durch den Drath mit dem Rohre zur Seiten verbunden.
  • 4. Endlich traget den Gyps auf / und
  • 5. Theilet die platte Decke durch Gyps - Rahmen in ihre Felder (§. 322. ſeqq.)
Anders.
  • 1. Stecket den Raum zwieſchen den Balcken mit geſpaltenem Holtze aus.
  • 2. Uberkleibet die Decke mit Leime / darun - ter viel Stroh gemenget.
  • 3. Stecket hin und wieder / indem ſie noch naß iſt / kleine eckichte Stuͤcke Ziegel.
  • 4. Wenn die Decke getrocknet / ſo traget den Gyps auf / und
  • 5. Theilet ſie durch Gyps-Rahmen / wie vor - hin in ihre Felder.
Anmerckung.

329. Jn die Felder gehoͤren Gemaͤhlde. Damit ſie dauerhaft ſind / muͤſſen ſie in den Gyps gemahlet wer - den / weil er noch naß iſt: welches die Jtaliaͤner al freſ - co mahlen nennen. Nachdem das Gemaͤhlde ein - mal trocken worden / muß nichts darinnnen geaͤndert werden / weil die Farben nicht mehr ſo helle bleiben / wie die vorigen.

Die427der Bau-Kunſt.

Die 8. Erklaͤhrung.

330. Eine Decke / die nach einem Cir - cul oder Elliptiſchen Bogen aus Zie - geln oder gehauenen Steinen gemau - ret wird / nennen wir ein Gewoͤlbe.

Anmerckung.

331. Die krumme Linie / welche Serlius (l. 1. c. 1.) als eine gantz beſondere angewieſen / iſt in der That die Ellipſis des Apollonii. Unerachtet in der Geometrie unerfahrene Baumeiſter ſolches nicht erkeñen wollẽ; ſo hat es doch Blondell (Curſ. Arch. part. 4. l. 6. c. 8. f. 422. 423. ) als ein verſtaͤndiger Geometra wahrge - nommen / und kan richtig demonſtriret werden. E - ben ſo laͤſt ſich erweiſen / daß die verdruckten und verbuͤrſten Circul bey dem Hartmann (f. 6. 7. ) eben dieſe Ellipſis ſind / ob er gleich dawider prote - ſtiret.

Die 9. Erklaͤhrung.

332. Ein Tonnen-Gewoͤlbe iſt / wel - ches gantz nach einem Bogen fortgefuͤh - ret wird / und ein Stuͤcke von einem aus - gehoͤleten Cylinder vorſtellet.

Zuſatz.

333. Ein Tonnengewoͤlbe ſchiecket ſich - ber einen langen Gang / und uͤber das Schief einer Kirche.

Die 10. Erklaͤhrung.

334. Ein Creutz-Gewoͤlbe iſt / wel -ches428Anfangs-GruͤndeTab. XXVIII. Fig. 59.ches nach vier Bogen aufgefuͤhret wird die einander mitten in E durchkreutzen.

Die 11. Erklaͤhrung.

Tab. XXVIII. Fig. 60.

335. Wenn in dem Creutzgewoͤlbe mit - ten ein viereckichtes Feld EFGH uͤbrieg bleibet / ſo neñet man es ein Muldenge - woͤlbe.

Die 12. Erklaͤhrung

Tab. XXVIII. Fig. 61.

336. Bleibet aber mitten ein Circul E FGH uͤbrieg / ſo heiſſet es ein Spiegel - gewoͤlbe.

Anmerckung.

337. Die Steine zu den Gewoͤlbern werden auf beſondere Art zugehauen. Und haben die Frantzoſen eine Gesmetriſche Methode erfunden / ſolches fuͤr al - lerley Arten der Gewoͤlber zu verrichten. Es verdie - net hiervon des Herrn des Argues kunſtrich - tig und probmaͤßige Zeichnung zum Steinhauen in der Baukunſt geleſen zu werden / welche aus dem Frantzoͤſiſchen ins Teutſche uͤberſetzt / zu Nuͤrnberg 1699 in 8 heraus kommen. Auch kan man mit Nutzen des Dechales Tractatum de Lapidum ſectione von den Gewoͤlbern nachleſen / welcher zu Ende des andern Theiles ſeines Mundi Ma - thematici f. 619. & ſeqq. anzutreffen.

Die 13. Erklaͤhrung.

338. Weil das Gewoͤlbe uͤber den Er - oͤfnungen nicht aufliegen kan / ſo muͤſſen dieſelben von neuem uͤberwoͤlbet wer - den / und ſolches nennet man Ohren /die429der Bau-Kunſt. die Gewoͤlbe aber / ſo Ohren haben / heiſſet man Ohrengewoͤlbe.

Die 24. Aufgabe.

339. Ein Gewoͤlbe aufzurichten.

Aufloͤſung.
  • 1. Machet von Bretern etliche Leerbogen / und verbindet ſie ſo feſte / als es die Laſt des aufzufuͤhrenden Gewoͤlbes erfordert.
  • 2. Richtet auf den Mauren und Pfeilern / dar - auf das Gewoͤlbe ruhen ſol / dieſelben in der Laͤnge eines Bretes voneinander auf / und unterkeilet ſie / damit man ſie etwas niederlaſſen kan / wenn das Gewoͤlbe im trocknen ſich ſetzet.
  • 3. Uberſchlaget ſie mit Bretern / und uͤberle - get ſie mit Ziegeln an den Orten / wo ver - tiefte Felder in das Gewoͤlbe kommen ſol - len.
  • 4. Setzet auf den Bretern uͤber den Leerbo - gen aus beſonders dazu gehauenen Stei - nen das Gewoͤlbe zuſammen / oder mauret es aus feſten Ziegeln auf / etwan in der Diecke dreyer Ziegel: Wiewol da das Gewoͤlbe immer ſtaͤrcker treibet / ie naͤher es der Wiederlage kommet / das iſt / der Mauer / darauf es ruhet; ſo wird es von dem Schlußſteine an gegen die Wieder - lage zu immer umb etwas ſtaͤrcker ge - macht.
Der430Anfangs-Gruͤnde

Der 17. Lehrſatz.

340. Die Gewoͤlber muͤſſen eine ſtar - cke Wiederlage haben / das iſt / auf ſtar - cken Mauren oder Pfeilern ruhen.

Beweiß.

Die Steine / daraus die Gewoͤlber zu - ſammen geſetzet werden / ſind unten ſchmal / o - ben breit wie die Keile. Da ſie nun / ver - moͤge ihrer Schweere / nach perpendicular - Linien gegen den Horizont zu niederdrucken / und doch nicht durchfallen koͤnnen / treiben ſie nicht anders als Keile nach der Seite. De - rowegen muͤſſen die Mauren und Pfeiler / darauf ſie ruhen / ihnen gnung Wiederſtand thun koͤnnen / und folgends ſtarck oder diecke ſeyn. W. Z. E.

Die 1. Anmerckung.

341. Man hat aus der Erfahrung angemercket / daß die Gewoͤlber umb ſoviel gewaltiger treiben / ie gedruckter der Bogen iſt / und folgends auch eine umb ſo viel ſtaͤrckere Wiederlage erforderen.

Bißher hat noch niemand angewieſen nach Geometriſcher Gewisheit die Staͤrcke der Wieder - lage fuͤr ein iedes gegebenes Gewoͤlbe zu finden. Jns - gemein ſchreibet man folgende Regel vor.

Tab. XXVIII. Fig. 61.
  • 1. Theilet den Bogen ACDB in drey gleiche Theile.
  • 2. Verlaͤngert die Sehne des dritten Theiles DB bis in E und machet BE derſelben gleich.
  • 3. Richtet auf AB ein Perpen dieul BG auf / und
  • 4. Laſſet von E auf BG ein Perpendicul EF fallen /

So iſt EF die Diecke der Wiederlage / oder die Diecke der Mauer / darauf der gewoͤlbete Bogen ruhen ſol.

Jhr431der Bau-Kunſt.

Jhr koͤnnet aber die Groͤße der Linie EF auf dem verjuͤngten Maaßſtabe finden / wenn ihr die Linie AB von demſelben aufgetragen / und den Radium des Bo - gens ACDB von ihm abgenommen.

Die 2. Anmerckung.

342. Ob man gleich dieſe Regel gut befunden; ſo darf man ſich doch nicht gar zu ſicher darauf verlaſſen / maſſen nicht allein das Gewoͤlbe ſtaͤrcker treibet als ſonſt / wenn der Bogen ſehr niedrieg gedruckt iſt / ſon - dern auch wenn das Gewoͤlbe ſehr ſchweer / und die Mauren / da es auflieget / ſehr hoch ſind. Derowe - gen hat man die Erfahrung mit zu Rathe zu ziehen / abſonderlich derjenigen / die viele Gewoͤlber gluͤcklich aufgefuͤhret.

Der 18. Lehrſatz.

343. Jn eine Kammer gehoͤret we - nigſtens ein Fenſter; in eine Stube ge - hoͤren zwey; in eine ſehr groſſe Stube und einen kleinen Saal drey; in einen groſſen Saal fuͤnfe.

Beweiß.

Weil man in das Gebaͤude anders kein Licht haben kan / als durch die Fenſter / ſo muß man wenigſtens ein Fenſter in einer Kam - mer haben.

Fuͤr eine Stube aber erfordert man zwey Fenſter / und / wenn ſie ſehr groß iſt / drey / nicht allein weil man dadurch die Stuben geraumig gnung bekommet; ſondern auch / weil man ſie bey dergleichen Umbſtaͤnden nach den Regeln der Eurythmie meubli - ren tan. Denn Z. E. in eine Stube gehoͤ -ret432Anfangs-Gruͤnderet ein Spiegel / und derſelbe muß an die Seite geſetzet werden / wo die Fenſter ſind / damit das Licht auf das Geſichte faͤllet / wenn man ſich im Spiegel beſehen will. Wenn man nun zwey Fenſter hat / kan man den Spiegel zwieſchen dieſelben / und unter ihn einen Tiſch mit Gueridons ſetzen. Sind drey Fenſter / ſo kan man dieſe Zierrathen verdoppeln. Derowegen ſchiecken ſich zwey und auf das hoͤchſte drey Fenſter fuͤr eine Stube.

Ein groſſer Saal muß (wenn nemlich nur auf einer Seite Fenſter ſind) mehr als drey Fenſter haben / weil es zu dunckel ſeyn wuͤr - de / wenn die Fenſter zu weit von einander ge - leget wuͤrden; Hingegen der Raum zu enge werden / wenn ſie nahe beyeinander blieben. Man erwehlet aber eine ungleiche Zahl der Fenſter umb der Eurythmie willen / damit man ein Mittel hat / darnach man die Sei - ten reguliren kan (§. 66. 67). Derowegen muß ein groſſer Saal fuͤnf Fenſter haben.

Die 1. Anmerckung.

344. Es iſt keinesweges zu beſorgen / daß ſolcher - geſtalt die Zimmer in kleinen Gebaͤuden eben ſo groß heraus kommen wuͤrden / als wie in groſſen. Denn die Breite des Fenſters richtet ſich nach der Groͤſſe des Gebaͤudes (§. 293) und die Breite des Pfeilers zwieſchen zweyen Fenſtern nach der Breite des Fen - ſters (§. 297. 341). Derowegen nehmen zwey Fen - ſter in einem groſſen Gebaͤude mit ihren Pfeilern mehr Raum ein als in kleinen / u. ſ. w.

Der433der Bau-Kunſt.
Der 1. Zuſatz.

345. Es muͤſſen aber / vermoͤge der Euryth - mie nicht allein die Fenſter von den Schied - Mauren gleich weit abſtehen; ſondern ihr Abſtand von den Schied-Mauren muß auch gegen ihren Abſtand von einander eine ge - ſchieckte Verhaͤltnis haben (§. 66. 68).

Die 2. Anmerckung.

346. Es ſey Z. E. die Breite des Fenſters 4′ / die Breite des Pfeilers zwieſchen zwey Fenſter 3′; wenn die Schied-Maure einen Schuh diecke wird / ſo kan in iedem Zimmer das Fenſter 1′ von der Schiedwand wegſtehen.

Der 2. Zuſatz.

347. Aus der Zahl der Fenſter in einem Hauſe kan man allſo urtheilen / wie viel und wie vielerley Zimmer ſich in daſſelbe bringen laſſen.

Der 3. Zuſatz.

348. Aus der Breite der Fenſter kan man ſolcher geſtalt die gantze Eintheilung des Ge - baͤudes hernehmen.

Die 3. Anmerckung.

349. Aus der Breite des Fenſters entſpringet ſei - ne Hoͤhe und ihr Abſtand von einander (§. 294. 297. 339). Hier aus kan man ferner die Hoͤhe des Zim - mers (§. 306) und ſeine Breite (§. 343. 345) / fol - gends auch ſeine Tiefe (§. 311. 312) / wie nicht weni - ger die Zahl und Arten der Zimmer (§. 347) herleiten.

Die 4. Anmerckung.

350. Wieviel und was fuͤr Arten der Zimmer in einem Gebaͤude anzulegen ſind / ingleichen wie ſie hin - ter und neben einander gelegt werden ſollen / muß manE eaus434Anfangs-Gruͤndeaus beſonderen Umbſtaͤnden / hauptſaͤchlich aus den Abſichten des Bauherrns determiniren.

Dochkan man uͤberhaupt dieſes ſagen / daß die Zimmer eine Communication miteinander ha - ben muͤſſen / deren Gebrauch eine Verknuͤpfung mit - einander hat / als wenn Z. E. die Studier-Stube an dem Schlaſgemache lieget / daß man aus dieſem bald in lene kommen kan. Jngleichen: daß der Gebrauch des einen Zimmers nicht im geringſten den Gebrauch des andern hindere. Z. E. es ſchieckt ſich nicht die Kinder-Stube bey die Studier-Stube / weil das Schreyen und Lermen der Kinder das Studieren hin - dert. Wiederumb: daß iedes Zimmer an den Ort geleget werde / wo man am meiſten Vortheile / hinge - gen am wenigſten Hinderung fuͤr den Gebrauch deſſel - ben findet. Z. E. Wenn das Haus von hinten zu gegen Morgen lieget / und zwar auf einer Gaſſe / da den gantzen Tag uͤber viel gehens und fahrens iſt; ſo leget man die Studier-Stube lieber hinten aus / weil das helle Morgen-Licht zum Studieren angenehm / und die Stille im Hofe demſelben gleichfals vortraͤg - lich / hingegen das Poltern auf der Straſſen hinder - lich.

Die 5. Anmerckung.

351. Derowegen wenn ein Baumeiſter ſich bey Angebung eines Gebaͤudes in dieſemi Puncte recht klug auffuͤhren wil; ſo muß er die Beſchaffenheit der Verrichtungen / welche der Bauherr in den verlangten Zimmern wil vorgenommen wieſſen / auf das genane - ſte uͤberlegen / dabey fleißig nach allen Umbſtaͤnden forſchen / die ſich auf einige; Weiſe in dem Gebaͤude und umb das Gebaͤude ereignen koͤnnen / und ſowol die Verrichtungen gegeneinander ſelbſt / als auch ge - gen die angemerckten Umbſtaͤnde halten. Dann wird er bald ſehen / welche Verrichtungen einander ſtoͤhren / und welche Umſtaͤnde ſie entweder hindern / oder ihnenbe -435der Bau-Kunſt. befoͤrderlich ſind / und hieraus ferner urtheilen / an welchen Ort des Gebaͤudes iedes Zimmer am fuͤglich - ſten geleget werde / und wie eines auf das andere fol - gen ſolle.

Die 6. Anmerckung.

352. Abſonderlich mus man ſeine Sorgfalt in Au - legung der heimlichen Gemaͤcher erweiſen / damit ſie durch ihren uͤbelen Geruch niergends beſchweerlich fallen / und man dennoch beqvem zu denſelben kommen kan.

Die 25. Aufgabe.

353. Den Geſtanck von den heimlichen Gemaͤchern zu verhindern.

Aufloͤſung.

Der Geſtanck kommet nicht allein von dem Unflat her / welcher unten auf dem Grunde lieget; ſondern auch groſſentheils / und in verſchiedenen Faͤllen faſt allein von dem / was ſich oben angehaͤngt. Derowegen

  • 1. Machet den Sietz ſo weit / daß man ihn weder mit dem Urin beſprietzen / noch von dem uͤbriegen Unflat ſich etwas anhaͤngen kan.
  • 2. Laſſet unten der Luft einen freyen Gang / da ſie durchſtreichen kan: ja wenn es an - ders nicht geſchehen kan / ſo fuͤhret inner - halb der Mauren Luft-Roͤhren aus dem Secrete auf.

So werdet ihr verhindern / daß die heimli - chen Gemaͤcher nicht ſtincken. W. Z. T. W.

E e 2Be -436Anfangs-Gruͤnde
Beweiß.

Wenn der Sietz des Secretes beſprietzt wird / oder auch ſonſt ſich was anhaͤngt; ſo trocknet es eher aus / und die Duͤnſte ſteigen oben in die Luft. Davon kommet der Ge - ſtanck. Macht ihr nun den Sietz ſo weit / daß ſich weder etwas anhaͤngen / noch er ier - gends wo von dem Urin beſprietzet werden kan: ſo habt ihr verhindert / daß dieſer Ge - ſtanck entſtehet. Wiederumb wenn die Luft unten frey durchſtreichen kan / ſo fuͤhret ſie die Duͤnſte / welche aus dem Unflat von unten aufſteigen / und den Geſtanck verurſa - chen / mit ſich weg. Derowegen kan auch von unten kein Geſtanck aufſteigen. Sol - chergeſtalt habt ihr den Geſtanck des Se - crets verhindert. W. Z. E.

Anmerckung.

354. Goldmann (lib. 3. c. 2. f. 114) heiſſet einen Schacht oder viereckichte Grube graben / da man Ovellwaſſer oder Regenwaßer zum Ausſpuͤhlen durchfuͤhret: verſichert dabey aus der Erfahrung / daß der Unflat ſich darinnen verzehre / und keinen Ge - ſtanck gebe.

Er giebet in angezogenem Orte auch an / wie man den Unflat durch gewoͤlbete Gaͤnge in das flieſſen - de Waßer / nach dem Exempel der Roͤmer abfuͤhren koͤnte: allein dieſes duͤrfte wohl den meiſten zu koſt - bahr vorkommen. Wiewol es auch ziemlich koſtbahr iſt / wo man den Unflat in Gruben unter der Erde durch viele Jahre ſamlet / und ihn Winterszeit uͤberdie437der Bau-Kunſt. die Gaße in das fließende Waſſer bey naͤchtlicher Weile fuͤhren laͤſſet.

Die 26. Aufgabe.

355. Einen Camin zu bauen.

Tab. XXVIII. Fig. 62.
Aufloͤſung.
  • 1. Machet die Breite im lichten zu der Hoͤhe wie 3 zu 2 / oder auch wie 3 zu 4 / zu der Tiefe aber wie 2 zu 1.
  • 2. Machet hinten an der Mauer unweit von dem Heerde ein Luftloch / welches ihr nach Gefallen eroͤfnen und verſchlieſſen koͤnnet / damit das Feuer einen freyen Zufluß von der aͤußeren Luft hat.
  • 3. Machet ferner oben an dem Schlunde des Rauchfanges ein eiſernes Blech / durch welches ihr denſelben verſchlieſſen koͤnnet / ſo bald die Flamme aufgehoͤret.
  • 4. Verkleidet ihn wie die Fenſter (§. 298) nach dem Modul aus / oder der Brei - te im lichten / und laſſet uͤber dem Geſimſe an dem Schlunde ein Feld zu einem Ge - maͤhlde: oben aber an der Decke machet ein neues Geſimſe.

So iſt geſchehen / was man verlangete.

Beweiß.

Den Camin erbauet man / umb bey kal - tem Wetter es in der Stube warm zu ma - chen. Derowegen hat man auf zweyerley zu ſehen: einmal daß der Rauch nicht in die Stube trete / darnach / daß die Kaͤlte von auſ - ſen nicht in dieſelbe dringe. Umb des erſtenE e 3wil -438Anfangs-Gruͤndewillen macht man den Camin im lichten nicht hoch / damit der aufſteigende Rauch voͤllig in den Schlund der Feuermauer fahre. Und eben aus der Abſicht bringet man das Luft - loch an. Denn wenn das Feuer wohl bren - nen / und nicht rauchen ſol / muß es einen Zu - fluß von der Luft haben / der den Rauch in die Hoͤhe treibet. Es dienet aber auch die aͤuſſere Kaͤlte von der Stube abzuhalten. Denn wenn die Luft aus der Stube den Rauch zur Feuer-Maure hinaus treiben ſol / ſo dringet in deren Stelle die aͤuſſere Kaͤlte durch die Schluͤſſelloͤcher und Rietze zwie - ſchen den Fenſter-Rahmen hinein. Da - mit aber die kalte Luft durch das Luftloch nicht ins Zimmer kommen kan / wenn das Feuer ausgebrandt / muß man es verſchlieſ - ſen koͤnnen. Aus gleichmaͤßigen Urſachen muͤſſet ihr den Schlund verſchlieſſen koͤnnen. Solcher geſtalt iſt das Hauptwerck bey An - legung des Camines in acht genommen wor - den. W. Z. E.

Die 1. Anmerckung.

356. Die Breite des Camines in Cabineten iſt 3′ / in Kammern bis 4′ / in groſſen Gemaͤchern bis 5′ / in kleinen Saͤlen bis 5′½ / in groſſen bis 6. Doch muß die Hoͤhe niemals unter 2′½ ſeyn.

Die 2. Anmerckung.

357. Man macht an die Camine nicht allzu weit - laͤuſtige Geſimſe / damit ſie nicht durch uͤberfluͤßige Zierrathen ohne Noth beſchweeret werden.

Die439der Bau-Kunſt.
Die 3. Anmerckung.

358. Umb ber Feſtigkeit willen ſol der Camin ei - lien feſten Grund bis auf den Boden haben / weil die Fener-Mauer eine ziemliche Laſt hat: welches leicht zu erhalten iſt / wenn die Camine in verſchiedenen Stockwercken uͤbereinander geſetzt werden.

Die 4. Anmerckung.

359. Weil die Camine nicht ſtarck heitzen; ſo be - dienen wir uns in unſern Laͤndern der Kachel-Oefen: wiewohl jene einen Vorzug fuͤr dieſen darinnen haben / daß ſie die Luft in dem Gemache von Ausduͤnſtungen reinigen / indem ſie zugleich mit dem Rauche durch die Feuer. Mauer gefuͤhret werden; da hingegen in den Stuben / darinnen die Ausduͤnſtungen den gantzeu Winter uͤber bleiben / die Luft uͤbelriechend und unge - ſund wird / ſonderlich wenn ſie nicht recht hoch und viel Perſonen darinnen ſind.

Die 5. Anmerckung.

360. Es haben auch ſchon viele gezeiget / daß un - fere gewoͤhnliche Kachel-Oefen dasjenige nicht leiſten / was ſie ſollten / und dannenhero auf verſchiedene Ber - beſſerungen gedacht. Was ſonſt zerſtreuet von die - ſer Materie anzutreffen geweſen / hat der Herr Prof. Sturm in ſeiner erſten Ausuͤbung der Goldmanni - ſchen Baukunſt in der vierdien Anmerckung f. 76. & ſeqq. mit ruͤhmlichem Fleiße zuſammen getragen. Wir wollen etwas weniges nach unſerer Art davon vortragen / welches die Vollkommenheit eines rechten Ofens vorſtellet / und allſo dasjenige an die Hand ge - ben / welches man zu bedencken hat / wenn man auf einen vollkommenen Ofen ſinnen wollte.

Der 19. Lehrſatz.

361. Jn einem Ofen ſol die verbrenn -E e 4liche440Anfangs-Gruͤndeliche Materie voͤllig aufgeloͤſet wer - den / die Hietze aber alle und zwar ſchnel - le durch die gantze Stube dringen.

Beweiß.

Man verbrennet das Holtz in dem Ofen einig und allein zu dem Ende / daß es im Zimmer warm werden ſol. Derowegen wenn man der Abſicht ein Gnuͤgen thun wil / muß alles / was Waͤrme geben kan / auch dazu angewendet werden / und folgends keine verbrennliche Materie entweder mit dem Rauche aus dem Ofen gehen / oder ſonſt zuruͤcke bleiben: welches das erſte war.

Und weil man durch den Ofen das Zim̃er erwaͤrmen wil / ſo muß auch keine Waͤrme / die von dem Feuer hervorgebracht wird / an - derswohin als in das Zimmer kommen. Sonſt thut man ſeiner Abſicht nicht ein voͤlli - ges Gnuͤgen: welches das andere war.

Endlich weil uns oͤfters daran gelegen / daß das Zimmer bald warm werde / ingleichen daß die Waͤrme ſich durch die gantze Stube bald ausbreite; ſo ſollte ein vollkommener O - fen auch ſo gemacht werden / daß die Hietze / welche in demſelben von dem Feuer erreget wird / bald in die Stube dringe / und ferner / wenn ſie hinein kommt / ſich durch die Stube geſchwind zertheile: welches das dritte war.

Die 1. Anmerckung.

362. Wir haben weiter nichts zu erweiſen geſucht /als441der Bau-Kunſt. als daß dasjenige / welches in dem Lehrſatze von einem Ofen erfordert worden / der Abſicht gemaͤß ſey / die man bey demſelben haben kan / wenn man das Holtz zu ſpahren ſucht / und allſo nach den Regeln der Klug - heit nichts uͤberfluͤßiges thun wil. Unerachtet man aber an Orten / da das Holtz in der Menge iſt / nicht viel nach dieſer Abſicht fragen doͤrfte; ſo hat es doch mehr als zuviel Oerter in der Welt / da man gar ger - ne das Holtz ſpaaren wuͤrde / wenn man nur Mittel und Wege dazu wuͤſte. Daß alles dasjenige moͤglich ſey / was in dem Lehrſatze erfordret wird; haben wir noch nicht beweiſen wollen. Allein nachdem wir er - kandt / daß es dasjenige ſey / welches man bey einem Ofen wuͤnſchen koͤnte: ſo wird nun ferner noͤthig ſeyn / daß wir uns bekuͤmmern / ob und wie es zu erhalten ſtehe.

Die 2. Anmerckung.

363. Unſere gemeine Kachel-Oefen haben dieſe Vollkommenheit nicht / die in dem Lehrſatze erfordert wird. Denn in der Aſche bleiben oͤfters viel Kohlen zuruͤcke / und mit dem Rauche gehet der Ruß hinaus / der ſich in dem Schorſteine anhaͤnget / und faſt wie Schwefel brennet. Wenn man einheitzet / gehet ei - ne geraume Zeit hin / ehe der Ofen warm wird / und noch mehr / ehe die Waͤrme in das Zimmer kommet. Mit dem Rauche gehet der groͤſte Theil der Waͤrme zum Ofenloche heraus / wie man empfindet / wenn man die Hand vor daſſelbe haͤlt. Und wenn bey dem Ofen ſchon eine unertraͤgliche Hietze iſt / ſpuͤhret man bey den Fenſtern ſonderlich in groffen Zimmern noch gar keine Waͤrme. Daher werden ſie vor unvollkom - men zu erklaͤhren ſeyn / wenn wir erwieſen haben / daß die in dem Lehrſatze praͤtendirte und vermoͤge des Be - weiſes der Abſicht gemaͤſſe Eigenſchaften eines Ofens nicht unmoͤglich ſind.

E e 5Die442Anfangs-Gruͤnde

Die 27. Aufgabe.

364. Wie zu machen / daß die Waͤrme bald in das Zimmer dringe.

Aufloͤſung.
  • 1. Setzet hinten in den Ofen einen erhabenen Roſt mit einem Gelaͤnder von eiſernen Stangen auf drey Seiten / aber ſo enge / daß nichts als die Aſche durchfallen kan.
  • 2. Machet den oberen Theil des Ofens viel hoͤher / aber auch enger als den unteren.
  • 3. Stellet das Holtz beynahe aufgerichtet auf den Roſt / und leget den angezuͤnde - nen Kien gleichfalls bey nahe aufgerichtet darunter.
  • 4. Endlich machet dem Rauche in der Hoͤhe des Ofens einen Gang / dadurch er entwe - der zu dem Ofenloche / durch welches man einheitzet / oder zu einem beſonderen Loche in dem Schlunde der Feuer-Mauer ge - leitet werden kan.

So wird die Hietze viel geſchwinder als ſonſt in die Stube dringen: welches man zuwege bringen ſollte.

Beweiß.

Denn weil das Holtz auf einem erhabe - nen Roſte lieget / kan die Luft frey zuſtreichen / und wird folgends im Brennen nicht gehin - dert / ſondern vielmehr / wie die Erfahrung lehret / befoͤrdert. Weil ſerner das Holtz feſt aufgerichtet lieget / ſo wird es bald aufein -443der Bau-Kunſt. einmal uͤber und uͤber in Flamme gebracht. Derowegen da nicht allein geſchwinde ei - ne groſſe Flamme gemacht / ſondern auch in ihrem Weſen unveraͤndert erhalten wird; muß auch in dem Ofen bald eine groſſe Waͤr - me erreget werden. Wenn nun die Waͤr - me in den engen Theil des Ofens aufſteiger / und daſelbſt eingeſchloſſen wird / daß ſie nicht recht Freyheit hat ſich auszubreiten; ſo dringet ſie deſto geſchwinder hindurch / und weil der Rauch durch einen Gang oben in dem Ofen aus demſelbẽ getrieben wird / drin - get ſie zugleich durch denſelben in das Zim - mer. Derowegen kommet bald viel Waͤr - me in die Stube. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

365. Die gantze Aufloͤſung kan bey unſe - ren gewoͤhnlichen Kachel-Oefen mit einer gantz geringen Veraͤnderung derſelben prac - ticiret werden.

Der 2. Zuſatz.

366. Weil durch den Roſt nichts als die Aſche fallen kan; ſo verhindert man zugleich / daß die Kohlen in derſelben erſtickt / und all - ſo verbrennliche Materie in dem Ofen unauf - geloͤſet bleibe.

Die 1. Anmerckung.

367. Es ſcheinet auch glaublich / daß / wenn das Holtz recht trocken iſt / und auf einmal in eine ſtar - cke Flamme gebracht / ingleichen in derſelben erhal - ten wird / nicht ſo viel verbrennliche Materie mit demRauche444Anfangs-GruͤndeRauche in den Schorſtein fahre / weil die Heftigkeit der Flamme ſolche noch im Ofen ſolviret.

Die 2. Anmerckung.

368. Es ſol aber in keinem Falle die Luſt zu Un - terhaltung der Flamme aus dem Zimmer / ſondern ſtets von auſſen in den Ofen geleitet werden. Denn ſonſt dringet durch die Rietze der Fenſter und Thuͤ - ren und durch die Schluͤſſel-Loͤcher ſo viel kalte Luft in die Stube wieder hinein / als durch den Ofen mit dem Rauche von der warmen hinaus gehet. Da - her kommet es / daß die ſo genannten eiſernen Wind - Oefen dem Zimmer keine daurende Waͤrme geben / wo man nicht der aͤuſſeren Luft einen freyen Zugang in dieſelben vergoͤnnet.

Die 28. Aufgabe.

369. Wie zu machen / daß die Waͤr - me / ſo viel moͤglich / alle in das Zimmer komme und nicht in ſolcher Menge mit dem Rauche zum Ofen hinaus fah - re.

Aufloͤſung.

Weil der Rauch ſich durch alle krumme Gaͤnge leiten laͤſſet / die Hietze aber fluͤchtig iſt; ſo darf man nur den Rauch durch ver - ſchiedene Roͤhren fuͤhren / ehe er hinaus kom - men kan. Denn ſolcher geſtalt wird er in den Roͤhren von ſeiner Waͤrme beraubet und ſie dringet durch die Roͤhren in die Stu - be: welches man zu Wege bringen und er - weiſen ſollte.

Zuſatz.

370. Damit viel Waͤrme in das Zimmer kom -me /445der Vau-Kunſt. me / ſol der Ofen auf allen Seiten / auſſer wo das Ofen-Loch iſt frey / auch unten nicht aufſtehen.

Die 29. Aufgabe.

371. Wie zu machen / daß die Luft im Zimmer geſchwinde erheitzet werde und die Waͤrme bald durch das gantze Zimmer dringe.

Aufloͤſung.

Machet innerhalb dem Ofen zu beydenTab. XXVIII. Fig. 67. Seiten eine Roͤhre ABCD von eiſernem Bleche / deren beyde Eroͤfnungen in die Stube gehen.

So wird geſchehen was man verlangete.

Beweiß.

Wenn die Flamme an der Roͤhre BC hin - auf ſchlaͤgt / ſo erwaͤrmet ſie die Luft und (wie aus der Erfahrung bekandt) jaget dieſelbe durch A in die Stube heraus. Die kaͤltere Luft faͤhret aus der Roͤhre CD in die andere BC und in deren Stelle tritt durch die Eroͤf - nung D andere kalte Luft aus der Stube. Solcher geſtalt circuliret die Luft in der Stu - be durch das Feuer und wird erwaͤrmet. Fol - gends wird die Luft im Zimmer geſchwinde erheitzet und die Waͤrme durch das gantze Zimmer gebracht. W. Z. E.

Die 30. Aufgabe.

372. Mit einem Ofen zwey Zimmer zu erheitzen.

Auf -446Anfangs-Gruͤnde
Aufloͤſung.

Machet aus dem Zimmer / da der Ofen ſtehet / zwey Eroͤfnungen in das andere / wel - ches zugleich mit geheitzet werden ſol; nem - lich eine uͤber oder neben den Ofen (nachdem die Zimmer entweder uͤber oder neben einan - der ſind); die andere derſelben gleich uͤber in einer mercklichen Weite. So wird die Waͤrme aus dem einen Zimmer in das ande - re empfindlich dringen: welches man zu we - ge bringen ſollte.

Beweiß.

Jn dem die Luft bey dem Ofen erwaͤrmet wird / dehnet ſie ſich aus und tritt dannenhero in das andere Zimmer. Wenn nun zu viel hinein tritt / gehet von der Luft aus dem kal - ten Zimmer wiederumb durch die andere Er - oͤfnung ein Theil in das warme Zimmer. Und ſolcher geſtalt circuliret die Luft aus ei - nem Zimmer in das andere: folgends zer - theilet ſich die Waͤrme durch beyde Zimmer. W. Z. E.

Die 1. Anmerckung.

373. Es betruͤgen ſich diejenigen gar ſehr / welche durch eine einige kleine Eroͤfnung die Waͤrme aus dem einen Zimmer in das andere bringen wollen / weil die kalte Luft im Zimmer niergends hin weichen kan / und allſo den Zufluß der warmen hindert. Und lehret auch die Erfahrung zur Gnuͤge / daß ſolches nicht angehet. Den die Waͤrme iſt in dem oberenGe -447der Bau-Kunſt. Gemache kaum zuſpuͤren / wenn ſie in dem unteren faſt nicht leidlich iſt.

Die 2. Anmerckung.

372. Wenn man ein kleines Zimmer neben einem̃ groſſen zugleich erheitzen wolte / doͤrfte man nur durch eine Roͤhre den Rauch in einen kleinen eiſernen Ofen in dem kleinen Gemache abfuͤhren.

Der 20. Lehrſatz.

376. Der Heerd in der Kuͤche muß nicht uͤber zwey und einen halben Schuh hoch gemacht werden / und nicht mehr als auf einer Seite anſtehen.

Beweiß.

Der Heerd muß nicht hoͤher ſeyn / als daß man beqvem darauf langen kan / folgends nicht uͤber Schuh: denn ſonſt haͤtte man noͤthig die Armen in die Hoͤhe zu heben und wuͤrde bald muͤde. Welches das erſte war.

Damit man aber das Feuer von allen Seiten brauchen und zugleich kochen und braten / auch von allen Seiten ung ehindert zu dem Heerde kommen kan; ſol er nicht mehr als auf einer Seite anſtehen. Wel - ches das andere war.

Der 1. Zuſatz.

376. Damit das Feuer nicht Schaden thue / ſo muß auf der Seiten wo der Heerd anſtehet / eine ſtarcke Brand-Mauer ſeyn.

Der 2. Zuſatz.

377. Jngleichen daß durch die uͤbriegenFun -448Anfangs-GruͤndeFuncken kein Schaden geſchehe / und der Heerd immer rein kan gehalten werden; ſol innerhalb dem Heerde ein Aſchen-Loch gema - chet werden.

Der 3. Zuſatz

378. Wo man viel zu braten und zu ko - chen hat / muß der Heerd lang und breit ſeyn; wo man wenig zu kochen hat / kurtz und ſchmal.

Die 1. Anmerckung.

379. Die Laͤnge wird wenigſtens 4′½ / hoͤchſtens 8′; die Breite aber wenigſtens 3′ / hoͤchſtens 6′ gemachet.

Die 2. Anmerckung.

380. Es iſt klahr gnung / daß die wenigſte Waͤr - me auf unſern Heerden genutzt und / weil die Hietze nur von einer Seite in den Topf dringt / das Waſſer langſam zum ſieden gebracht wird. Derowegen waͤre billig / daß man auf eine andere Art der Heer - de daͤchte / da die Waͤrme beſſer genutzet wuͤrde. Wir finden aber dergleichen Gedancken in Boͤcklers Haußhaͤltichen Ofen-Kunſt und in des Herrn Sturms Anmerckungen uͤber Goldmanns Bau - Kunſt f. 85. 86.

Die 31. Aufgabe.

381. Einen Potagen-Heerd zu bau - en.

Aufloͤſung.
  • 1. Machet in dem Einſchnitte des Fenſters unten ein Aſchen-Loch ohne Thuͤrlein / da - mit die Luft zuſtreichen kan.
2. Dar -449der Bau-Kunſt.
  • 2. Daruͤber leget einen eiſernen Roſt fuͤr die Kohlen / den man mit einem eiſernen Thuͤrlein verſchlieſſen kan.
  • 3. Endlich machet oben noch einen andern Roſt / darauf ihr kochen koͤnnet. Es be - kommt aber der gantze Heerd die Weite eines Qvadrat-Schuhes.

So iſt geſchehen / was man verlangete.

Die 14. Erklaͤhrung.

381. Die Treppe wird zu dem En - de angeleget / daß man aus einem Stock - wercke in das andere kommen kan.

Der 1. Zuſatz.

382. Daher ſol die Haupt-Treppe bald in die Augen fallen / wenn man in das Ge - baͤude kommet / damit man ſie nicht lange ſu - chen darf.

Der 2. Zuſatz.

383. Jngleichen ſol ſie von unten biß auf den Boden in einem fortgehen.

Der 3. Zuſatz.

384. Und damit die in den unteren Stock - wercken von denen nicht incommodiret wer - den / welche die oberen bewohnen / auch die Vorgemaͤcher nicht unbrauchbar gemacht werden; ſo ſol die Treppe durch kein Vor - gemach durchgefuͤhret werden.

Der 4. Zuſatz.

385. Jedoch muß man auch darauf ſehen /F fdaß450Anfangs-Gruͤndedaß durch die Treppe nicht die Eurythmie der Seite des Gebaͤudes gegen den Hof ge - hindert werde (§. 67).

Der 5. Zuſatz.

386. Damit die / welche die Treppe ſtei - gen / ſich auf derſelben wohl zurechte[finden]; ſo ſol ſie durch lebendiges Licht fo helle als nur immer moͤglich iſt erleuchtet werden: und damit ſie nicht geblendet werden / ſo muͤſſen alle Theile mit gleichem Lichte erleuchtet wer - den.

Der 6. Zuſatz.

387. Damit man die Treppe beqvem ſtei - gen kan / muͤſſen die Stufen weder zu hoch noch zu niedrieg ſeyn.

Anmerckung.

388. Palladius ſetzet hoͤchſtens 6″ / wenigſtens 4″ (lib. 1. c. 28): Vitruvius (lib. 9. c. 2) vergoͤnnet 9″ biß 10″. Das gewoͤhnlichſte ſind 8″.

Der 7. Zuſatz.

389. Wenn man feſte auf der Treppe ſtehen und die Spietzen an den Schuhen ſich nicht zerſtoſſen / auch nicht mit den Schien - Beinen an die obere Stufe anſtoſſen ſol; muß die Stuffe einen Fuß breit und nicht eckicht / ſondern rund gemacht werden.

Der 8. Zuſatz.

390. Nachdem viele oder wenige zugleich hinaufſteigen und hernieder ſteigen / muß dieBrei -451der Bau-Kunſt. Breite der Treppe oder die Laͤnge der Stufen groß oder klein gemacht werden. Jnsgemein machet man ſie ſo groß / daß zwey einander auf derſelben ausweichen koͤnnen / u. allſo nicht unter 4′ / ja in den geringſten Gebaͤuden nicht unter . Hoͤchſtens machet man ſie 9′.

Der 9. Zuſatz.

391. Endlich damit ihr die Treppe beſſer erleuchten; die Sachen / ſo ihr hinauf zu - tragen habet / beqvemer hinauf bringen und nicht ſo gefaͤhrlich fallen / auch der Treppe ein herrlicheres Anſehen geben koͤnnet; ſo ſollet ihr je nach 6 oder 9 / hoͤchſtens nach 11 oder 13 Stuſen einen Ruhe-Platz in das ge - vierdte machen.

Die 15. Erklaͤhrung.

392. Eine Wendel-Treppe wird genennet / welche umb eine Spindel rings herumb gehet.

Der 1. Zuſatz.

393. Weil die Stufen an der Spindel zu ſchmal / an der Peripherie zu breit ſind / kan man nur mitten auf einer Wendel-Trep - pe beqvem ſteigen.

Der 2. Zuſatz.

394. Jngleichen laſſen ſich groſſe Sa - chen nicht wohl auf Wendel-Treppen hin - auf tragen / weil man ſie beſtaͤndig wenden muß.

F f 2Der452Anfangs-Gruͤnde
Der 3. Zuſatz.

395. Wenn man auf einer Stufe faͤllet / ſo kugelt man die gantze Treppe herunter.

Der 4. Zuſatz.

396. Derowegen ſol man Wendel-Trep - pen niergends als in der hoͤchſten Noth brau - chen; und iſt noch beſſer / wenn man nur et - liche Wendel-Stufen an ſtat der Ruhe - Plaͤtze brauchet / wo man nicht viel Raum hat.

Die 16. Erklaͤhrung.

397. Eine Romaniſche Treppe wird genennet / die keine Stufen hat.

Der 1. Zuſatz.

398. Weil man die Hoͤhe 5 biß 6 mal zu der Laͤnge nehmen muß / wenn man ſie be - qvem ſteigen wil; ſo erfordern ſie ſehr groſ - ſen Raum.

Der 2. Zuſatz.

399. Derowegen koͤnnen ſie niergends als in Pallaͤſten groſſer Herren gebrauchet werden.

Die 32. Aufgabe.

400. Aus der gegebenen Hoͤhe des Stockwerckes die Zahl der Stufen zu finden / welche die Treppe haben muß.

Aufloͤſung.
  • 1. Machet die gegebene Hoͤhe des Stock - werckes zu Zollen.
2.453der Bau-Kunſt.
  • 2. Was heraus kommet / dividiret durch die Zahl der Zolle / welche man der Hoͤhe ei - ner Stufe giebet. (§. 388).

Der Qvotient zeiget die Zahl der Stufen an.

Zuſatz.

401. Wenn ihr die Zahl der Stufen ausgerechnet / und abſonderlich wenn ihr die Hoͤhe der Stufe in gebrochenen Zahlen nehmen muͤſſet; ſo iſt es rathſam / daß ihr die Hoͤhe des Stockwerckes mit einer ge - hobelten Latte nehmet und dieſelbe mit dem Zirckel in ſo viel gleiche Theile eintheilet / als Stufen werden ſollen. Denn ſonſt kan es gar leicht geſchehen / daß die oberſte Stu - fe entweder zu hoch / oder zu niedrieg wird.

Anmerckung.

402. Die Zierrath der Stufen ſind ein Staͤb - lein / ein Plaͤttlein und ein Ablauf. Die Hoͤhe des erſten iſt / des anderen / des dritten der Hoͤ - he der Stufe. Die Ausladung des erſten iſt / des andern .

Die 33. Aufgabe.

403. Eine Treppe mit Ruhe-Plaͤtzen zu zeichnen.

Aufloͤſung.

Es ſey Z. E. eine Treppe zu zeichnen / dieTab. XXIX. Fig. 64. 2 Ruhe-Plaͤtze hat / und in dem erſten Fluͤ - gel 7 Stufen / in dem andern 5 / in dem drit - ten wiederumb 7. die Laͤnge einer Stufe ſey 6.

F f 31.454Anfangs-Gruͤnde
  • 1. Ziehet auf dem Reiß-Brete gewoͤhnli - cher maſſen die beyden Linien A B und BD.
  • 2. Traget aus H biß in G die Breite der Stufen ſiebenmal / und aus G biß H die Breite des Ruhe-Platzes 6′.
  • 3. Abermals traget auf der Linie BD aus C in F die Breite des Ruhe-Platzes 6′ / aus F in E die Breite der Stufe 1′ fuͤnfmal und aus E in D wiederumb die Breite des Ruhe-Platzes 6′.
  • 4. Leget die Reiß-Schiene an G und ziehet die Linie a h; gleicher geſtalt durch F die Linie f a, durch E die Linie e a, durch d die Linie d a, durch H die Linie h d und durch G die Linie g g.
  • 5. Endlich leget die Reiß-Schiene an alle Theilungen der Linien AG und FE nach einander; ſo koͤnnet ihr die Stufen vol - lends ausziehen. W. Z. T. W.

Die 34. Aufgabe.

404. Eine Wendel-Treppe zuzeich - nen.

Aufloͤſung.
Tab. XXIX. Fig. 65.
  • 1. Addiret die halbe Diecke der Spiendel zu der Laͤnge der Stufe.
  • 2. Beſchreibet mit der Summe einen Cir - cul.
  • 3. Theilet ſeine Peripherie in ſo viel glei -che455der Bau-Kunſt. che Theile als ihr Stufen haben ſollet. So
  • 4. Koͤnnet ihr aus dem centro des Circuls die Stuffen gegen die Theilungs-Puncte in der Peripherie ziehen.
Die 1. Anmerckung.

405. Man pfleget der Spindel zu ihrer Diecke von dem Radio des Circuls / dar ein die Wendel - Treppe kommet / zugeben.

Die 2. Anmerckung.

406. Unter weilen ſchlieſſet man auch die Wen - del-Treppen in einen Oval-Raum ein.

Der 20. Lehrſatz.

407. Die Daͤcher muͤſſen weder all - zu hoch / noch allzu niedrieg ſeyn.

Beweiß.

Wenn die Daͤcher ſehr hoch ſind / ſo wird dadurch das Gebaͤude mit einer unnoͤthigen Laſt beſchweeret und bey entſtehender Feu - ers-Noth in groͤſſere Gefahr geſetzet. Da nun beydes der Feſtigkeit des Gebaͤudes zu wieder iſt / (§. 31) muß man die Daͤcher nicht allzu hoch auf fuͤhren (§. 13); welches das erſte war.

Hingegen wenn die Daͤcher allzu niedrieg ſind / bleibet im Winter der Schnee lange darauf liegen und der Regen kan nicht wohl abflieſſen; wovon das Dach verſaulet, Da nun dieſes abermal mit der Feſtigkeit des Gebaͤudes ſtreitet (§. 6); ſo muß das DachF f 4nicht456Anfangs-Gruͤndenicht zu niedrieg aufgefuͤhret werden: wel - ches das andere war.

Zuſatz.

408. Die beqvemeſten Daͤcher nach un - ſeren Witterungen ſind / deren Durchſchnitt entweder ein gleichſeitiger Triangel iſt / oder ein anderer Triangel / der die halbe Grund - Linie zu ſeiner Hoͤhe hat.

Die 35. Aufgabe.

Tab. XXIX. Fig. 66.

409. Den Durchſchnitt eines Fran - tzoͤſiſchen Daches à la manſarte genannt zuzeichnen.

Aufloͤſung
  • 1. Auf der ſchmalen Seite des Gebaͤudes AE beſchreibet einen halben Circul.
  • 2. Theilet denſelben in 4 gleiche Theile in B, C, D (§. 117. Geom.)
  • 3. Ziehet die Sehnen AB / BC / CD und DE. So iſt der verlangte Durchſchnitt fertig.
Zuſatz.

410. Dieſe Daͤcher recommendiren ſich dadurch / daß ſie einen ſehr geraumen Bo - den geben.

Die 17. Erklaͤhrung.

411. Ein Pult-Dach wird genen - net / welches nur auf einer Seite abhaͤn - gig iſt.

Der457der Bau-Kunſt.
Der 1. Zuſatz.

412. Es ſchiecket ſich dannenhero ein Pult-Dach auf ein Gebaͤude / welches an einer hoͤheren Mauer anſtehet und nicht breit iſt

Der 2. Zuſatz.

413. Hingegen wenn ein Gebaͤude zwie - ſchen zwey anderen ſtehet / ſo muß es auf bey - den Seiten abhaͤngig gemacht werden.

Die 17. Erklaͤhrung.

414. Ein Zelt-Dach nennet man / welches auf allen vier Seiten abhaͤn - gig iſt.

Der 1. Zuſatz.

415. Es ſchiecket ſich allſo auf freyſtehen - de Gebaͤude / abſonderlich die bey nahe auf einen Qvadrat-Platz oder auch auf einen voͤlligen Qvadrat-Platz erbauet werden.

Der 2. Zuſatz.

416. Jn einem Zelt-Dache ſtehet es gar wohl / wenn man den oberen / oder auch den unteren Theil deſſelben zu einem Althane machet / welcher mit einem zierlichen Gelaͤn - der und guten Aeſtrieche verſehen wird.

Der 21. Lehrſatz.

417. Die Daͤcher ſollen entweder mit Ziegeln / oder mit Kupfer gedecket wer - den.

F f 5Be -458Anfangs-Gruͤnde
Beweiß.

Man muß die Daͤcher mit einer Materie decken / die dem Feuer und Regen wiederſte - hen kan / und das Gebaͤude nicht zu ſehr be - ſchweeret. (§. 31). Die Ziegel aber und das Kupfer ſind dergleichen Materie. Dero - wegen ſoll man die Daͤcher mit Ziegeln oder mit Kupfer decken. W. Z. E.

Der 1. Zuſatz.

418. Die kupfernen Platten werden eben wie das Bley / das Blech und der Schiefer auf Breter genagelt / die vorher an die Spar - ren des Daches befeſtiget worden.

Der 3. Zuſatz.

419. Hingegen die Ziegel werden nur auf die Latten gehaͤnget / welche man vorher an die Dachſparren genagelt.

Die 1. Anmerckung.

420. Es ſind insgemein zweyerley Arten der Dach - ziegel das Flach - und Hohl-Werck. Dleſes iſt zwar in Feuers-Noth beſſer als jenes / auch dauerhafter in Regen und Schnee; allein allzuſchweer und dabey koſtbahrer als jenes / abſonderlch wegen der vielen Speiſe / die die Ziegel freſſen.

Die 2. Anmerckung.
Tab. XXIX. Fig. 67.

421. Es giebet noch eine andere Art Dachziegel / welche aus Flach - und Hohl-Werck zugleich beſtehen / aber bey den Teutſchen nicht bekandt ſind. Sie be - ſchweeren das Dach weniger als das Hohlwerck / und koͤnnen doch wie daſſelbe mit einander verbunden wer - den.

Die459der Bau-Kunſt.

Die 18. Erklaͤrung.

422. Die Fenſter / wodurch der Boden erleuchtet wird / werden Kapfenſter genennet.

Der 1. Zuſatz.

423. Weil die Kapfenſter zwieſchen zwey Sparren kommen / kein Sparren aber uͤber die Fenſter des Gebaͤudes geleget werden kan; ſo muͤſſen die Kapfenſter uͤber den Fen - ſtern des Gebaͤudes ſtehen.

Der 2. Zuſatz.

424. Doch weil der Boden nicht ſo helle wie die Zimmer erleuchtet werden darf / und uͤber dieſes die Kapfenſter in der Hoͤhe einen freyen Zufluß des Lichtes haben, doͤrfen ſie nicht ſo breit ſeyn wie die Fenſter der Gemaͤ - cher.

Die 1. Anmerckung.

425. Man giebet der Breite der Kapfenſter oder von der Breite der unteren Fenſter / oben werden ſie mit einem halben Circul / oder einem Circulbogen / o - der auch mit ¼ Qval geſchloſſen. Zuweilen machet man ſie gantz Circulrund oder Oval / und nennet es Ochſen-Augen.

Der 3. Zuſatz.

426. Man muß aber in den Kapfenſtern die Eurythmie ſorgfaͤltig in acht nehmen (§. 68). und daher auch die Kapfenſter in der o -beren460Anfangs-Gruͤndeberen Reihe zwieſchen die in der unteren le - gen.

Anmerckung.

427. Sonſt verzieret man ſie wie die uͤbriegen Fenſter / nur daß man ihre Geſimſe nicht ſo reich von Gliedern machet.

Die 19. Erklaͤhrung.

428. Die Feuer-Mauer oder der Schorſtein iſt das Theil des Gebaͤu - des / wodurch man den Rauch aus der Kuͤchen und dem Ofen abfuͤhret.

Der 1. Zuſatz.

429. Die groͤſte Tugend einer Feuer - Mauer iſt / daß ſie nicht rauchet / das iſt / daß der Rauch nicht aus derſelben in die Kuͤche zuruͤcke tritt.

Der 2. Zuſatz.

430. Derowegen muß ſie unten ſo weit ſeyn / daß ſie allen von dem Heerde oder aus dem Ofen aufſteigenden Rauch auf einmal faſſen kan.

Der 3. Zuſatz.

431. Und weil man dieſelbe von dem Ruß fegen muß / damit er ſich nicht entzuͤndet / und die Feuer-Mauer in Brand geſteckt wird; muß ſie ſo weit ſeyn / daß ein Junge durch die - ſelbe durchkriechen kan.

Der461der Bau-Kunſt.
Der 4. Zuſatz.

432. Damit ſie aber deſto bequemer durch die Zimmer durchgefuͤhret werden kan; ſo ſol ſie die Geſtalt eines ablangen Vier-Eckes im Durchſchnitte haben.

Der 5. Zuſatz.

433. Weil man durch die Feuer-Mauren die Zimmer nicht ſchaͤnden muß / ſo follen ſie / wo diecke Schied-Mauren ſind / innerhalb denſelben gantz verſtecket; in anderen Faͤllen aber innerhalb Camine gebracht werden.

Anmerckung.

434. Jn dem letzten Falle macht man die Feuer - Mauren zu einer Zierrath der Vorgemaͤcher / und dannenhero thut man der Haupt-Maxime ein Gnuͤ - gen / vermoͤge welcher erfodert wird / daß man aus dem / was einen Ubelſtand geben wil / einen Wohlſtand ma - chen ſol.

Der 6. Zuſatz.

435. Umb Feuersgefahr zu vermeiden / ſol billig kein Holtz dem Schorſteine nahe kom - men / denn wenn der Ruß ſich entzuͤndet und der Schorſtein zerſpringet / kan die Flamme bald umb ſich greifen / ſo Holtz in der naͤhe vorhanden. Ja wenn auch nur der Schor - ſtein von den Rauche erhietzt wird / kan das anliegende Holtz ſich entzuͤnden.

Der 22. Lehrſatz.

436. Die Schorſteine muͤſſen uͤber denForſt462Anfangs-GruͤndeForſt nach den Regeln der Eurythmie herausgefuͤhret werden.

Beweiß.

Wenn der Schorſtein niedrieger iſt als der Forſt / und der Wind blaͤſet uͤber das Dach heruͤber / ſo jaget er den Rauch zuruͤ - cke / und laͤſſet ihn nicht heraus ſteigen. Eben dieſes geſchiehet / wenn er von der Seite / wo die Feuer-Mauer ſtehet / ſtarck wieder das Dach blaͤſet / indem er zuruͤcke prallet / und allſo ſich dem Aufſteigen des Rauches wie - derſetzet. Wenn die Sonne ſcheinet / ſo werden die Dachziegel ſehr warm / und von dieſer Waͤrme dehnet ſich die Luft umb die Feuer-Mauer mehr aus / als die uͤber dem Dache. Da ſie nun keinen bequemeren Raum findet / wo ſie hinweichen kan / als den Schorſtein; ſo wiederſetzet ſie ſich abermals dem aufſteigenden Rauche / und treibet ihn zuruͤcke. Derowegen muß in allen dieſen Faͤllen die Feuer-Mauer rauchen. Da nun die groͤſte Tugend derfelben iſt / daß ſie nicht rauchet (§. 429); ſo iſt allerdings noͤ - thig / daß ſie uͤber den Forſt des Hauſes her - aus gefuͤhret werde. Welches das erſte war.

Da nun aber die Eurythmie uͤberall in acht zu nehmen (§. 68); muß man ſie auch hier nicht vergeſſen: welches das andere war.

437.463der Bau-Kunſt.
Der 1. Zuſatz.

437. Damit aber die Winde ſie nicht leicht faſſen / und bey entſtehendem Sturme gar einwerſen koͤnnen; ſollen ſie ſehr nahe an dem Forſte herausgefuͤhret / und inwendig un - ter dem Dache geſchleifet werden.

Der 2. Zuſatz.

438. Wenn ein Gebaͤude zwieſchen zwey hoͤheren Gebaͤuden ſtehet / iſt ſchweerlich zu verhuͤten / daß die Schorſteine zu gewieſſen Zeiten nicht rauchen ſollten.

Der 23. Lehrſatz.

439. Es ſollen nicht zwey Feuer - Mauren in eine gebracht werden / wenn man nicht mitten einen beſtaͤndigen Un - terſcheid hat.

Beweiß.

Wenn zwey Feuer-Mauren in eine ge - bracht werden / und in der einen wird der Rauch ſtaͤrcker herauf getrieben als in der andern / ſo laͤſſet der ſtaͤrckere den ſchwaͤche - ren nicht herauf. Und allſo rauchet es / wo weniger gefeuret wird. Da nun aber die groͤſte Tugend einer Feuer-Maure iſt / daß ſie nicht rauchet (§. 429); ſo ſollen nicht zwey Feuer-Mauren in eine gebracht werden / wenn man mitten keinen beſtaͤndigen Unter - ſcheid hat. W. Z. E.

An -464Anfangs-Gruͤnde
Anmerckung.

440. Wenn die Feuer-Mauer oben weit iſt / ſo pfleget man ſie nur in der mitten mit einer langen Zunge zu verſehen; denn wenn der Rauch beyderſeits einmal eine direction bekommen / ſo kan keiner den andern hindern. Doch iſt es ſicherer / wenn ein be - ſtaͤndiger Unterſcheid iſt.

Der 1. Zuſatz

441. Weil der Rauch ſich durch alle krumme Gaͤnge leiten laͤſſet; ſo kan man nach Gefallen eine Feuer-Mauer in die andere ſchleifen.

Der 2. Zuſatz.

442. Dieſes hat man inſond erheit unter dem Dache oͤfters zu thun noͤthig / wenn man die Schorſteine nach den Regeln der Eury - thmie an dem Forſte heraus fuͤhren wil (§. 436).

Der 24. Lehrſatz.

443. Die Schorſteine ſollen auf zwan - tzig Schuch umb einen Zoll erweitert werden.

Beweiß.

Denn ie hoͤher der Rauch kommet / ie mehr nimmet der Trieb ab. Derowegen muß oben die Feuer-Mauer immer etwas weiter werden / damit der Rauch ſich zertheilen / und deſto leichter durch die Luft durchfahren kan / wenn die Feuer-Mauer nicht rauchen ſol. W. Z. E.

Anmerckung.

444. Dieſes iſt vor ſich klahr / daß die FeuerMau -465der Bau-Kunſt. Mauer weit oder enge werden muß / nachdem man viel oder wenig feuret. Wenigſtens aber iſt die Breite 10″ / die Laͤnge 15″ / hoͤchſtens 5′.

Die 20. Erklaͤhrung

445. Ein Grund-Rieß wird ge - nennet / in welchem die Diecke der Man - ren und Schiedmauren nebſt ihren Er - oͤfnungen / Thuͤren und Fenſtern / inglei - chen den Trpeppẽ und folgends die Ein - theilung des gantzen Platzes in ſeine Gemaͤcher vorgeſtellet wird.

Die 36. Aufgabe.

Tab. XXX. Fig. 67.

446. Einem Grund-Rieß zu einem Gebaͤude zu machen.

Aufloͤſung.
  • 1. Spannet das Papier auf das Reißbret (§. 145).
  • 2 Traget aus dem Mittel C der Linie AB bey - derſeits die halbe Breite der Thuͤre / uͤber dieſes die Weite der naͤchſten Fenſter von der Thuͤre / die Breiten der Fenſter und ihre Weiten von einander / und von den Ecken / und die Diecke der Schiedmau - ren in gehoͤrigen Orten.
  • 3. Hingegen auf AD traget aus dem will - kuͤhrlich angenommenem Puncte E die Diecke der Maure / die Laͤnge der Zimmer / und die Diecke der Schiedmauren zu En - de derſelben / ingleichen die Breiten der Gemach-Thuͤren in gehoͤrigem Orte.
G g4. Wenn466Anfangs-Gruͤnde
  • 4. Wenn ihr nun beyderſeits an die Thei - lungs-Puncte die Reißſchiene anleget / und gerade Linien ziehet / ſo werden ihre Durchſchnitte den gehoͤrigen Rieß ge - ben.
  • 5. Zeichnet ihr nun noch die Treppe hinein (§. 403. 404) / und ſchattiret den Rieß aus / wie es die Figur zeiget;

So iſt geſchehen / was man verlangete.

Die 21. Erklaͤhrung.

Tab. XXX. Fig. 68.

447. Der Aufrieß wird derjenige genennet / darinnen die Voͤrder-Seite des Gebaͤudes vorgeſtellet wird / mit ihren Fenſtern / der Thuͤre / dem Dache und den zugehorigen Geſimſen.

Die 37. Aufgabe.

448. Einen Aufrieß von einem Ge - baͤude zu machen.

Aufloͤſung.
  • 1. Spannet das Papier auf das Reißbret / und
  • 2. Traget auf die Linie AB alle die Einthei - lungen / die ihr in der vorhergehenden Auf - gabe darauf getragen.
  • 3. Hingegen auf die Linie AD traget aus dem willkuͤhrlich angenommenem Puncte E die Hoͤhen aller Theile / als der Fenſter / der Thuͤre / der Stockwercke u. ſ. w.
  • 4. Ziehet durch die Theilungs-Puncte bey - der Linien AB und AD gerade Linien nach der Reißſchiene;
So467der Bau-Kunſt.
  • So geben ſich die vornehmſten Theile des Rießes. Wenn ihr nun
  • 5. Die Fenſter und Thuͤre mit ihren Geſim - ſen anfangs im groſſen zeichnet (§. 303. 304) und die gꝛoſſen Rieße vor euch leget / ſo
  • 6. Koͤnnet ihr nach den Regeln der Zeichen - Kunſt auch die gehoͤrigen Geſimſe in den Aufrieß zeichnen.
Die 1. Anmerckung.

449. Man machet unterweilen auch einen Durchſchnitt / welcher das Gebaͤude vorſtellet / wie es erſcheinen wuͤrde / wenn man die voͤrdere Mauer oder Wand wegrieße. Allein hiervon achte ich unnoͤthig zu reden.

Die 2. Anmerckung.

450. Endlich koͤnnen auch perſpectiviſche Rieße gemacht werden / die das Gebaͤnde vorſtellen / wie es von auſſen in einer gewieſſen Weite und Hoͤhe des Auges in die Augen faͤllet. Von dieſen. Rieſſen handelt Andreas Pozzo in der Mahler - und Bau - meiſter-Perſpectiv / die aus dem Jtaliaͤniſchen in das Teuiſche uͤberſetzet / und zu Augsburg 1706 und 1709 von neuem heraus gegeben worden.

ENDE.
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TAB. I.
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TAB. II.
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TAB. III.
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TAB. IV.
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TAB. V.
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TAB. VI.
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TAB. VII.
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TAB. VIII.
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TAB. IX.
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TAB. X.
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TAB. XI.
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TAB. XII.
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TAB. XIII.
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TAB. XVI.
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TAB. XVII.
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TAB. XVIII.
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TAB. XIX.
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TAB. XX.
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TAB. XXI.
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TAB. XXII.
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TAB. XXIV.
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TAB. XXV.
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TAB. XXVI.
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TAB. XXVII.
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TAB. XXVIII.
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Tab XXIX
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Tab. XXX.
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Tab XXXI.

About this transcription

TextDer Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften
Author Christian von Wolff
Extent720 images; 81092 tokens; 8700 types; 525088 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDer Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften Erster Theil/ Welcher Einen Unterricht Von Der Mathematischen Lehr-Art/ die Rechen-Kunst/ Geometrie/ Trigonometrie und Bau-Kunst in sich enthält Christian von Wolff. . [8] Bl., 467 S. RegnerHalle (Saale)1710.

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Universitäts- und Landesbibliothek Halle ULB Halle, Pb 1132 u/1 (1/2)

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Mathematik; Wissenschaft; Mathematik; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

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Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:35:51Z
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ShelfmarkULB Halle, Pb 1132 u/1 (1/2)
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