Dem Allerdurchlauchtigſten, Groß - maͤchtigſten und unuͤber - windlichſten Monarchen und Herrn, HERRN PETRO Dem Groſſen Kaͤyſeꝛn und aller Ruſſen Selbſt-Erhaltern &c. &c. &c. Meinem allergnaͤdigſten Kaͤyſer und Herrn. Allerdurchlauchtigſter, Groß - maͤchtigſter und unuͤbeꝛwind - lichſter Kaͤyſer, Allergnaͤdigſter Herr.
EUre Kaͤyſerl. Ma - jeſtaͤt haben durch Weißheit und Machtdasdas Rußiſche Reich erwei - tert, zu einer hoͤheren Wuͤr - de erhoben und in einen erſtaunenswuͤrdigen Flor gebracht, daß die Nach - welt ſchweer wird glau - ben koͤnnen, wie ein eini - ger Monarche in ſo kur - tzer Zeit zubewerckſtelli - gen vermocht, wozu viel groſſer Helden Tapfferkeit und vieler kluger Regen - ten Weißheit und Ver - ſtand kaum zureichen ſollte. Von allen dieſen groſſen Thaten weiß die gantze Welt zu ſagen und iſt erſt neulich an allen): (2Or -Orten erſchollen, wie ſehr Euer Kaͤyſerl. Majeſtaͤt die Voͤlcker wegen ihrer Macht fuͤrch - ten, wegen ihrer Weisheit und Gerechtigkeit lieben und veneriren. Wem iſt nicht bekandt, wie die Jnnwohner zu Derbent ſich gefreuet, daß ſie unter eines ſo weiſen und gerech - ten Monarchens Schutz ihre Gluͤckſeeligkeit finden ſollten? Wie hurtig kam der Commendant Euer Kaͤyſerlichen Maje - ſtaͤt entgegen, als Sieſichſich der Stadt naͤherten, und uͤbergab in Gegen - wart ihrer Jnfanterie und Geiſtlichkeit und einer groſſen Menge Volckes ei - nen ſilbernen Schluͤſſel von der Stadt, die frey - willig von den Jnwohnern eroͤffnet ward? Wie un - gemein war die Freude uͤ - ber die Ankunfft eines ſo unvergleichlichen Heldens und Monarchens, als bey Euer Kaͤyſerlichen Majeſtaͤt hohen An - kunfft die Stuͤcke von den Waͤllen dreymahl geloͤſet worden? Dieſes iſt ein): (3Exem -Exempel ohne Exempel, welches unter den ſpaͤten Nachkommen bewundern wird, der Euer Kaͤy - ſerlichen Majeſtaͤt groſſe Helden - Thaten in den Tage - Buͤchern der Helden leſen wird. A - LEXANDER der Groſſe, einer der beruͤhmteſten Helden der vorigen Zeiten, hat dieſe Stadt erbauet. Was iſt es Wunder, daß die Liebe zu groſſen Helden in ihr ſo tieff eingewur - tzelt? Und was iſt es Wunder, daß ſie ſich bey dem erſten AnblickeEuerEuer Kaͤyſerlichen Majeſtaͤt ſogleich geaͤuſ - ſert, da ſie mehr als A - LEXANDER den Groſſen vor ſich ſahen. Dieſer tapffere Held war nicht allein erfahren im Streit und gluͤcklich im Siege; ſondern zugleich ein maͤch - tiger Befoͤrderer der Wiſ - ſenſchafften, als der den groͤſten Philoſophum ſeineꝛ Zeiten ARISTOTE - LEM beſtaͤndig umb ſich hatte und unter ſeinen Regiments - und Kriegs - Sorgen ſich mit der Er - kaͤntnis der Natur ergoͤtz -te.te. Es weiß die gantze Welt und bewundert es, daß Euer Kaͤyſerli - che Majeſtaͤt dem groſſen ALEXANDER in beyden Stuͤcken gleich ja beſonderer Umſtaͤn - de halber, die maͤnniglich vor Augen liegen, noch weit uͤberlegen ſind. Sie erkennen inſonderheit, daß einem Lande nicht anders aufgeholffen werden kan, als wenn man zugleich gruͤndliche Wiſſenſchaff - ten, inſonderheit die ma - thematiſchen und phyſica - liſchen, in Aufnahme brin -get.get. Und wie koͤnnte es ſeyn, daß Sie es nicht er - kennen ſollten, da Dero hocherleuchteter Verſtand ſo gar ſelbſt in dieſe Wiſſenſchafften eine ſo groſſe Einſicht hat, daß Sie der Koͤniglichen Aca - demie der Wiſſenſchafften zu Paris, welche die gantze Welt fuͤr die beſte Kenne - rin haͤlt, mit Dero hohen Perſon als ein Mitglied einen ſolchen Glantz beyle - gen, der ihr in ewigen Zei - ten nicht verloͤſchen wird. Vor dieſem ſagte ein klu - ger Kopff unter den Grie - chen: alsdenn wuͤrde es): (5inin einem Lande erſt wohl zugehen, wenn entweder die Koͤnige philoſophirten, oder die Philoſophi herr - ſcheten. Nun darf man dieſes zu beſtetigen nicht mehr aus den alten Jahr - Buͤchern der Sineſer Exempel herhohlen, bey denen fuͤr uhralten Zeiten die Kaͤyſer und Koͤnige zugleich die groͤſten Philo - ſophi, das iſt, diejenigen waren, bey denen man die meiſte Erkaͤntnis antraff: denn wir doͤrffen nur nach Rußland gehen, ſo wer - den wir einen Monarchenſehen,ſehen, der ſo viel groſſe Thaten in wenigen Jah - ren vollbracht, als ſonſt viele Regenten in etliche hundert Jahren kaum be - werckſtelligen, und doch dabey den Kuͤnſten und Wiſſenſchafften ſo erge - ben iſt, daß er nichts ſiehet, daran er nicht ſelbſt Hand anleget und davon er nicht den rechten Grund begreiffen will, damit er ſelbſt nach ſei - nem hocheꝛleuchteten Ver - ſtande beurtheilen kan, welche Kuͤnſte und Wiſ - ſenſchafften einem Landevor -vortraͤglich ſind, und wel - ches die falſch beruͤhmte Gelehrſamkeit ſey, da - durch der Flor des Lan - des geſtoͤhret wird. Weil nun aber Euer Kaͤy - ſerliche Majeſtaͤt, die mehr als andere erfah - ren, was zur Verbeſſe - rung und Aufnahme ei - nes Staates am nuͤtzlich - ſten und noͤthigſten iſt, ſelbſt hocherleuchtet ein - ſehen, daß man die Ma - thematick und Phyſick auf eine ſolche Weiſe excoli - ren muͤſſe, wie ſie zurWohl -Wohlfart eines Landes foͤrderlich, woferne man alles darinnen in einen gu - ten Stand ſetzen wolle: ſo haben auch dieſelben die allergnaͤdigſte Intenti - on fuͤr Dero allergetreue - ſte Unterthanen, daß Sie ihnen zum beſten alle gruͤndliche Wiſſenſchaff - ten, inſonderheit aber die Mathematick und Phy - ſick, in mehrere Aufnah - me bringen, als ſie in an - dern Laͤndern hat, damit man mit ehiſten ſagen kan: Daß Verſtand und Wiſſenſchafft in einemſehrſehr reichen Maaß in Ruß - land anzutreffen ſey. Und ich laſſe mich beduͤncken, ich finde gewiſſe Spuren da - von in der Goͤttlichen Providentz, wenn ich be - dencke, wie die Wiſſen - ſchafften aus einem Lande in das andere fortgezogen, und ſehe ſchon vorher, daß der Wunſch Euer Kaͤy - ſerl. Majeſtaͤt mit ehiſtem werde erfuͤllet werden. Euer Kaͤy - ſerliche Majeſtaͤt ſu - chen eine Perſon, denen Sie die Bewerckſtelligungeineseines ſo glorwuͤrdigen Un - ternehmens anvertrauen koͤnnen und haben das al - lergnaͤdigſte Vertrauen, daß es durch mich am fuͤg - lichſten geſchehen koͤnne. Jch erkenne ſolche hohe Kaͤyſerliche Gnade mit dem allerunterthaͤnigſten Danck, und damit ich Ge - legenheit haͤtte, dieſelbe oͤf - fentlich zu preiſen, ſo lege mit aller unterthaͤnigſter Devotion zu den Fuͤſſen Euer Kaͤyſerlichen Majeſtaͤt dieſe meine Schrifft nieder, darinnen ich die Wuͤrckungen derNa -Natur erklaͤret und dieje - nigen Lehren feſt geſtellet, daraus man verſtehet und erklaͤren kan, was in der Natur geſchiehet. Jch zweiffele nicht im gering - ſten Euer Kaͤyſ. Maj. werden dieſe meine Arbeit mit gnaͤdigen Augen anſe - hen und verbleibe
Allerdurchlauchtigſter, Großmaͤch - tigſter und unuͤberwindlichſter Kaͤyſer Euer Kaͤyſerl. Maj. allerunterthaͤnigſter Knecht Chriſtian Wolff.
DJe Erkaͤntnis der Natur be - foͤrdert auf vielfaͤltige Wei - ſe die Gluͤckſeeligkeit des menſchlichen Geſchlechtes, und es waͤre zu wuͤnſchen, daß der Eiffer, damit man es in der letz - ten Helffte des verwichenen Jahrhun - dertes anfieng, in einem fortgedauret haͤtte, ſo wuͤrde man ſchon weiter kom - men ſeyn als bisher geſchehen. Es darf ſich niemand wundern, warumb die Er - kaͤntnis der Natur zu der Gluͤckſeeligkeit der Menſchen ſo ein groſſes beytraͤgt:): (2dennVorrede. denn ſie gewaͤhret dem Gemuͤthe ein be - ſtaͤndiges Vergnuͤgen, dem kein anderes auf der Welt gleich zuachten, und ſetzet uns in den Stand, da wir Herr werden uͤber die Creatur und ſie zu unſerem Nu - tzen brauchen koͤnnen. Wer meine vor - hergehende Lehren abſonderlich in den Gedancken von GOtt, der Welt und der Seele des Menſchen, geleſen und verſtanden hat, wird mir hierinnen gar gerne beypflichten. Wer in der Er - kaͤntnis der Natur ſo gluͤcklich iſt, daß er die Wahrheit findet, derſelbe ſiehet auf das deutlichſte ein, wie in der Na - tur immer eines um des andern willen iſt und die darinnen befindliche Coͤrper dergeſtalt beſchaffen ſind, daß diejenigen Wuͤrckungen, dazu ſie durch ihr Weſen aufgelegt erfunden werden, von ihnen auf die beſte Weiſe erfolgen koͤnnen. Und hierinnen erblicket man nicht allein die Vollkommenheit, welche GOtt in die natuͤrlichen Dinge geleget, damit ſie ein Spiegel ſeiner Vollkommenheit ſeyn moͤchten; ſondern man ſchmeckt auch zugleich den Verſtand, die Weisheit,MachtVorerde. Macht und Guͤte GOttes, indem, was in ſeinem unſichtbahren Weſen verbor - gen lieget, aus den Wercken der Natur erkandt wird. Wie ſollte aber dieſes al - les ohne Vergnuͤgen abgehen? Ein Verſtaͤndiger ſiehet vielmehr, daß die Freude umb ſoviel inniger ſey, je deut - licher man die Beſchaffenheit der Din - ge einſiehet. Und wie ſollte dieſes Ver - gnuͤgen nicht beſtaͤndig ſeyn, da die Wahrheit, daraus es entſpringet, un - veraͤnderlich iſt? Jch weiß wohl, es wird einem und dem andern hierbey ein Zweiffel entſtehen. Man wird mei - nen, die Erkaͤntniß der Natur baͤhne einem den Weg zu vielem Verdruſſe, wenigſtens wenn man in den Umbſtaͤn - den iſt, daß man ſie nicht vor ſich be - halten kan, ſondern andern mittheilen muß. Es beſtetige ſolches das Exem - pel aller Weltweiſen, die jemahls ge - lebet, denen man umb ſo viel gewalti - ger wiederſprochen, jemehr die Wahr - heit in die Augen geleuchtet. Man doͤrffe nur bloß das Leben der al - ten Weltweiſen bey den Griechen): (3durch -Vorrede. durchgehen, wie es der beruͤhmte En - gellaͤnder Thomas Stanley aus den Al - ten zuſammen getragen; ſo wuͤrde man deſſen zur Gnuͤge uͤberzeuget wer - den. Unerachtet auch in unſeren Ta - gen die Freyheit zu philoſophiren ein - gefuͤhret ſey; ſo waͤren doch deswegen, abſonderlich bey uns Deutſchen, aller - hand Arten der Leute vorhanden, die nur bloß darauf bedacht waͤren, wie ſie diejenigen kraͤncken moͤchten, deren Lehren fuͤr andern in den Gemuͤthern der Verſtaͤndigſten durchdringten. Es waͤre nicht gnung, daß man die Vorſich - tigkeit brauchte niemanden in ſeinen Schrifften zu beleidigen: denn das waͤ - re oͤffters die groͤſte Beleidigung, daß man niemanden beleidigen wollte, weil dadurch wiedriggeſinnete deſto mehr er - bittert wuͤrden, woferne ihre Heuche - ley es nicht zulaſſen wollte ſich an einen offenbahr unſchuldiger Weiſe zurei - ben. Man traͤffe hochmuͤthige Leute an, die davor angeſehen ſeyn wollten, ſie waͤren dazu geſetzt, daß ſie den Erd - boden richten ſollten, und dieſer WahnſeyVorrede. ſey bey ihnen umb ſoviel tieffer einge - wurtzelt, je unwiſſender ſie waͤren. Bey dieſen waͤre das groͤſte Verbre - chen, wenn jemand etwas vorbraͤchte, was bey vielen, abſonderlich aber bey Verſtaͤndigen, Beyfall findete, indem ſie immer in Furchten ſtuͤnden, es moͤch - te ihr Anſehen fallen, woferne man es dahin kommen lieſſe, daß den Leuten die Augen auffgethan wuͤrden. Es findeten ſich uͤber dieſes zanckſuͤchtige Leute, denen verzehrete der Neid alle Farbe und ihr gantzer Safft vertrock - nete fuͤr Wiederwillen, daß ſie nicht ge - nung zu zancken haͤtten. Dieſe legten ſich auf harte Verleumdungen, damit ſie eine Gelegenheit zu zancken von dem Zaune brechen und dabey ihre Zanck - ſucht zubeſcheinigen einige Urſache fin - den moͤchten. Es waͤren eigenſinnige Leute, die vermeinten ihre Meinungen waͤren privilegiret und ſie haͤtten ein Recht alle Wahren zuverbieten, die ſie in ihrem Krame nicht fuͤhreten. Es waͤren Bettler an Verſtande, die ihren duͤrfftigen Zuſtand erkennten, daß ſie): (4nie -Vorrede. niemanden nichts geben koͤnnten. Die - ſe legten ſich darauf, wie ſie andern ih - re Worte verkehreten und waͤren ver - wegen in den Tag hinein zu ſchwatzen, was keinen Verſtand haͤtte, damit ſie Albere bereden koͤnnten, es wuͤſten andere eben ſo wenig wie ſie. Es waͤren Leute, die bey andern ſtinckend worden waͤren, und denen thaͤt es wehe, wenn ſie hoͤren ſollten, wie weit und hoch eines andern Ruhm erſchollen. Die ſinnten Tag und Nacht darauf, wie ſie andern einen Schandfleck anhaͤn - gen moͤchten, damit ſie dadurch in ihrer Schmach ein Labſaal findeten. Es habe auch bey uns muthwillige Jugend, die ſich eine Freude machte Leuten von Anſe - hen und Meriten grob zubegegnen, weil diejenigen, welchen die Cenſur der Buͤcher anvertrauet iſt, dieſe moraliſche Lehre be - haupten, daß es nicht guten Sitten zu - wiederlauffe, ja einige es wohl gar fuͤr eine heroiſche Tugend halten, wenn es bey einer Gelegenheit geſchiehet, dabey ſie etwas zugewinnen vermeinen. Jch kan nicht leugnen, daß ich in dieſem Ein -wurffeVorrede. wurffe, der mir vielfaͤltig gemacht wor - den, wenig auszuſetzen finde: allein ob ich gleich alles einraͤume, was jetzund geſaget worden, ſo kan doch dadurch nicht das Vergnuͤgen, welches aus Er - kaͤntnis der Wahrheit und inſonderheit derjenigen erwaͤchſt, die man in na - tuͤrlichen Dingen erblicket, geſtoͤhret werden. Dieſes kan nur Misvergnuͤ - gen bey denen bringen, die dergleichen Leuten zugefallen trachten. Hingegen wer bloß bey verſtaͤndigen und tugend - hafften einen Ruhm ſuchet und hinge - gegen ſichs fuͤr eine Schande haͤlt von denen gelobet zu werden, deren Lob ein ſo groͤſſerer Schandfleck iſt, je groͤſſer es in den Ohren der einfaͤltigen klinget; dem iſt es eine Freude, wenn er ſiehet, daß er ihnen nicht angenehm iſt. Jch meines Ortes habe ſo viel Verſicherung von guter Zuneigung derer gegen mich, die Verſtand und Tugend hoch erha - ben, daß ich mich um das Urtheil ande - rer wenig bekuͤmmere. Und da ich bis - her gefunden, daß noch alles, was aus meiner Feder gefloſſen, bey denen Bey -): (5fallVorrede. fall gefunden, die nicht einen Rang un - ter den unartigen Geſchlechtern praͤten - diren, die ich kurtz vorher beſchrieben: ſo habe ich mich auch nichts abhalten laſſen in der angefangenen Arbeit fortzu - fahren, und kan andere durch mein Exempel verſichern, was ich aus der Erkaͤntnis der Natur fuͤr ein ſuͤſſes Vergnuͤgen ſchoͤpffe. Wenn man in der Erkaͤntnis der Natur die Wahrheit findet, ſo lernet man auch den Nutzen er - kennen, den die natuͤrlichen Dinge im menſchlichen Leben haben koͤnnen. Da - durch aber faͤllet gar viel Verdruß weg, den man ſonſt hat, wenn man im Leben alles bequemer findet: ja es entſtehet daraus auch ſelbſt ein vieles Vergnuͤgen, wenn man die Natur brauchen kan zu ſeinem beſten. Jch habe bisher in drey verſchiedenen Theilen allerhand nuͤtz - liche Verſuche ausfuͤhrlich beſchrie - ben, damit man nicht allein an deren Richtigkeit zu zweiffeln keine Urſache fin - den moͤchte, ſondern auch bey Gelegen - heit ſie nutzen koͤnte. Wer dieſe Abſich - ten verſtehet (es verſtehen ſie aber dieje -ni -Vorrede. nigen, welche aus den Verſuchen Gruͤn - de herleiten, die ihnen in Erklaͤrung der natuͤrlichen Begebenheiten dienlich ſind), der wird ſich uͤber keine Weitlaͤuf - tigkeit beſchweeren. Die Mathematici haben viele Wahrheiten erwieſen, die in Erklaͤrung der Natur einen gar groſſen Nutzen haben. Damit nun diejenigen, deren Werck es nicht iſt die Mathema - tick zu lernen, auch dieſelben verſtehen lerneten und uͤberhaupt alle inne wuͤr - den, daß ſie mit der Erfahrung uͤberein - ſtimmen, und als ſichere Gruͤnde in Er - klaͤrung der Natur ſich gebrauchen laſ - ſen; ſo habe ich auch, eben wie von an - dern zugeſchehen pfleget, dergleichen nuͤtzliche Saͤtze durch tuͤchtige Verſuche beſtetiget. Jch habe ſchon anderswo erinnert, daß Verſuche auch als Proben anzuſehen ſind, dadurch man die erwie - ſene Wahrheiten mehrerer Gewisheit halber examiniret. Die daſelbſt beſte - tigten Gruͤnde habe ich uͤberall gebraucht in gegenwaͤrtigem Wercke, wie man aus den citationibus erſehen kan, und habe ich uͤberhaupt alles, was ich behauptet,aufVorrede. auf die Erfahrung erbauet. Jch hal - te auch dieſes fuͤr den ſicherſten Weg, daß man weiter nichts annimmet als einen Grund, daraus man andere Dinge erklaͤret, auſſer was durch die Erfahrung beſtetiget wird. Und ſchei - net es mir noch viel zu zeitig zu ſeyn, daß man, wie z. E. CARTESIUS ge - than, gewiſſe allgemeine Gruͤnde, als Clemente der Dinge ſetzet, daraus man alles durch den bloſſen Verſtand her - leiten will, was in der Natur moͤglich iſt. Wo man einmahl dieſen Schluß gefaſſet, da haͤnget man ſeinen Gedan - cken nach und faͤnget an zu dichten, wenn es die Umſtaͤnde noch nicht leiden, daß man hinter die Wahrheit kommen kan. Gleichwie ich aber in keiner Sache niemanden etwas aufzudrin - gen ſuche, ſondern einem jeden uͤberlaſ - ſe, wie weit ihn die von mir ange - fuͤhrten Gruͤnde zum Beyfalle bewe - gen; ſo wird man auch hier ein gleiches finden. Jch meines Ortes ſuche nichts durch Zwang; ſondern liebe, was freywillig kommet, halte es aber alle -zeitVorrede. zeit fuͤr ein uͤbeles Zeichen, wo man alles durch Zwang ſuchen muß. Wer bloß mit Zwang durchdringen will, der muß ſchlechtes Vertrauen zu ſei - ner Wahre haben. Darunter aber rechne ich auch die Anfaͤnger unter den Marckt - Schreyern, die umb ihrem Wurm-Saamen einen Credit zu ma - chen die erfahrenſten Aertzte herunter machen. Jch habe dieſen Weg alle - zeit fuͤr unanſtaͤndig gehalten, und wuͤrde ich es als einen unausloͤſchli - chen Schand - Flecken anſehen, wenn ich mich in meiner Jugend hierinnen uͤbereilet haͤtte. Gleichwie ich aber in gegenwaͤrtigem Wercke bloß gezei - get habe, wie die Veraͤnderungen in der Natur aus einander erfolgen und ihre naͤchſte Urſachen, die ſie haben, unterſuchet: alſo habe ich mir nun auch vorgenommen noch in einem beſonde - ren Theile die Abſichten der natuͤrli - chen Dinge zuerklaͤren, damit dadurch der Haupt-Nutzen von der Erkaͤntniß der Natur erhalten, nemlich GOT - TES verborgene Majeſtaͤt in denWer -Vorrede. Wercken der Natur als in einem Spie - gel erblicket wird. Nach dieſem will ich auch an die gedencken, die ferne von uns ſind, und ihnen ſowohl als de - nen in meinem Vaterlande mit weite - rem Unterrichte gedienet iſt, zugefallen eine ausfuͤhrlichere Abhandlung in Lateiniſcher Sprache gewehren.
WEnn wir nach dem We -Worin - nen das Weſen der Coͤr - per ins - gemein beſtehet. ſen der Coͤrper insge - mein fragen, ſo begehren wir zu wiſſen, auf was fuͤr Art und Weiſe der - ſelbe moͤglich iſt (§. 35. (Phyſick) AMet.) 2Cap. I. Von dem WeſenMet.). Da nun Coͤrper die zuſammen - geſetzte Dinge ſind, die wir in der Welt antreffen (§. 606. Met.) und demnach aus Theilen beſtehen (§. 59. Met.); ſo verſte - het man ihr Weſen, wenn man begreiffet, wie es moͤglich iſt, daß Theile in einer gewiſ - ſen Ordnung neben einander zugleich ſeyn und ein gantzes ausmachen koͤnnen (§. 24. Met.). Jch habe dieſes ſchon an einem andern Orte gezeiget (§. 603. Met.), nem - lich da ich gewieſen habe, wie zuſammen ge - ſetzte Dinge aus einfachen kommen koͤnnen. Und demnach iſt das Weſen der Coͤrper uͤ - berhaupt ſchon an einem andern Orte erklaͤ - ret worden.
Jch habe auch ſchon erwieſen (§. 606. Met.), daß ein jeder Coͤrper nothwen - dig einen Raum erfuͤllen muͤſſe; in die Laͤn - ge, Breite und Dicke ausgedehnet ſey; eine Figur habe; ſich zertheilen und bewegen laſſe; eine abgemeſſene Groͤſſe habe; von neuem entſtehen und auffhoͤren koͤnne; ohne Ver - aͤnderung ſeines Weſens Veraͤnderungen in der Groͤſſe und Figur leide, auch deſſen un - beſchadet innerliche Bewegungen habe (§. 606. Met.). Und demnach iſt nicht noͤthig, daß ich es hier von neuem ausfuͤhre, zu - mahl da es uns in gegenwaͤrtigem Orte ge - nung ſeyn koͤnnte, wenn wir dieſes alles nur als Sachen, die in der Erfahrung gegruͤndet ſind, annehmen wollten.
Jch habe auch ſchon anderswoWie ſub - tile die Materie ſich thei - len laͤſſet. gewieſen, daß die Materie wuͤrcklich von der Natur in gar ſubtile Theile getheilet wird (§. 84. 85 Met.). Unerachtet ich nun daraus nichts weiter wiederhohlen mag, als daß daſelbſt erwieſen worden, es koͤnnten in einem Raume, der nicht groͤſſer iſt als ein Gerſten-Korn, 27000000 Thiere ſeyn, deren jedes 24 Fuͤſſe hat, und hingegen in dem Raume des ſubtileſten Sand-Koͤrnleins 294207 vielfußige Thiere ſich befinden: ſo halte ich es doch nicht fuͤr undienlich, wenn ich zu deſſen mehrerer Beſtetigung noch ei - nes und das andere anfuͤhre. Es wuͤrde hierzu verſchiedenes dienlich ſeyn, was ich in dem 6 Capitel des 3 Theiles meiner Ver - ſuche von dem angefuͤhret, was die Ver - groͤſſerungsglaͤſer zeigen. Z. E. Hieher gehoͤ - ret, daß in einem Raͤumlein, ſo bloſſen Augen nicht groͤſſer, als das geringſte Lufft - Staͤublein geſchienen, 500 Eyer bey einan - der geweſen (§. 97. T. III. Exper.). Denn daß dieſes wuͤrcklich Eyer geweſen, die ich daſelbſt davor ausgegeben, lehret mich nun die Erfahrung, maſſen ich in dem Regen - Waſſer, welches ich noch in einem Glaſe aufbehalte, wahrnehme, wie neue Thiere von der Art, wie ich dort beſchrieben, her - aus kriechen. Allein ich mag auch dieſes nicht hier anfuͤhren, was ein jeder daſelbſt vor ſich nachleſen kan. Derowegen binA 2ich4Cap. I. Von dem Weſenich auf andere Gruͤnde bedacht, die in dieſem Stuͤcke vorhanden ſind. Es haben viele unterſucht, wie ſubtile ſich das Gold theilen laͤſſet. Robert Boyle(a)in Exerc. de mira ſubtilitate effluviorum c. 2. p. m. 4. fuͤhret an, daß ein einiger Gran Gold, wenn man ihn in Blaͤttlein breit ſchlaͤget, 50 Quadrat-Zolle erfuͤlle. Derowegen wenn man die Seite eines jeden Zolles in 200 Thei - le eintheilet, ſo bekommet ein jeder Zoll 40000 Theile, deren ein jeder ein Quadrat iſt, welches zu ſeiner Seite $$\frac {1}{2000}$$ eines Zolles hat (§. 147 Geom.), das iſt $$\frac {1}{20}$$ einer Linie. Ob nun zwar der zwantzigſte Theil einer Linie nicht groß iſt, ſo kan man ihn doch noch gar wohl mit bloſſen Augen unter - ſcheiden und durch das Vergroͤſſerungs - Glaß zeiget er noch gar viele Theile, daraus er beſtehet. Nun haͤlt aber das Goldblaͤtt - lein, welches aus einem einigen Grane geſchlagen wird, 50 ſolcher Quadrat-Zolle, davon ſich einer in 40000 Theile zertheilen laͤſſet, die man noch alle mit bloſſen Augen unterſcheiden kan. Und demnach haͤlt das gantze Goldblaͤttlein 2000000 kleine Qua - dratlein in ſich, folgends iſt klar, daß ein ei - niger Gran Gold ſich in zwey Millionen Theile zertheilen laͤſſet, davon einer noch mit bloſſen Augen zuerkennen iſt. Nun iſt ein Gran Gold uͤberaus was kleines, maſſen ein Gran vor ſich ein ſehr kleines Gewichte(§. 25und der Natur der Coͤrper. (§. 2. T. I. Exper.) und hingegen die Ma - terie des Goldes unter allen die ſchweereſte iſt (§. 188 T.I. Exper.). Je ſchweerer aber eine Materie iſt, je weniger nimmet ſie Raum ein, und je kleiner iſt ſie in Anſehung ihres Gewichtes. Man kan aber ſolches auch noch deutlicher zeigen. Sengwerd hat gefunden, daß 807 Gran Gold im Waſſer 24 Gran verlieren (§. 189. T. I. Exper.). Nun habe ich gefunden, daß ein Cubic-Zoll Waſſer, das iſt, 1000 Cu - bic-Linien 495 Gran gewogen (§. 7. T. I. Exper.). Derowegen koͤnnen fuͤr 24 Gran Waſſer, folgends fuͤr 807 Gran Gold (§. 2 T. I. E.) bey nahe 49 Cubic-Linien ge - rechnet werden. Wir wollen zum Uberfluſſe davor 50, oder 50000 Cubic-Scrupel neh - men. Dieſem nach haͤlt ein Gran Gold bey nahe $$\frac {62}{1000}$$ von einer Cubic-Linie. Wir wollen zum Uberfluſſe $$\frac {64}{1000}$$ ſetzen, weil dieſes ein vollkommener Wuͤrffel iſt und dazu dienet, daß wir uns die vorigen Goldſtaͤub - lein deutlicher vorſtellen. Es iſt alſo ein Gran Gold ein Wuͤrffel, welcher zu ſeiner Seite $$\frac {4}{10}$$ oder ⅖ einer Linie hat. Wir ha - ben aber geſehen, daß ſich dieſer Wuͤrffel in zwey Millionen Theile zertheilen laͤſſet, und daher bekommet die Groͤſſe eines Theiles einer Cubic-Linie, oder, welches viel iſt (§. 75 Arithm.). Nem -A 3lich6Cap. I. Von dem Weſenlich wenn man eine Cubic-Linie, das iſt, ei - nen Wuͤrffel, der eine Linie oder $$\frac {1}{10}$$ eines Zolles lang, breit und hoch iſt, in 322 58064 Theile eintheilet, ſo bekommet man einen von denjenigen Theilen, die wir oben in dem Goldblaͤttlein angegeben, welches aus einem einigen Grane geſchlagen wird, und iſt demnach ein ſolcher Theil gar viel kleiner als ein Dreyßig Millionen Theilichen von einem ſo kleinen Wuͤrffel. Jch mercke hier - bey beylaͤuffig an, wie ſcharf unſer Geſichte ſehen kan, das noch zuerkennen vermoͤgend iſt, deſſen Seite nicht mehr als eine Linie o - der $$\frac {1}{10}$$ eines Zolles austraͤget. Damit wir die Menge der Theile in einem kleinen Stuͤcklein, ja bey nahe Staͤublein Mate - rie, dergleichen ein Gran Gold iſt, deſto ge - nauer begreiffen moͤgen; ſo muß ich noch ferner die Vergroͤſſerungs Glaͤſer zu Huͤlffe nehmen. Es iſt bekand, daß es eines von den ſchlechteſten Vergroͤſſerungs-Glaͤſern iſt, welches im Diameter nicht mehr als 20 mahl (§. 396. Dioptr. lat.) und alſo den Coͤrper 8000 mahl vergroͤſſert. Wenn man nun ein Staͤublein Gold, dergleichen wir vorhin zwey Millionen in einem Grane Golde gefunden, durch ein dergleichen ſchlechtes Vergroͤſſerungs-Glaß anſiehet; ſo ſiehet es 8000 mahl ſo groß aus als mit bloſſen Auge und wuͤrde demnach der achttau -[7]und der Natur der Coͤrper. tauſende Theil davon ſo groß ausſehen, wi das gantze bloſſen Augen ausſiehet. Alſo koͤnnen wir mit Recht ſetzen, daß in einem ſolchen Gold-Staͤublein noch 8000 von einander unterſchiedene Theile ſind. Dero - wegen hat ein Gran Gold nicht nur zwey Millionen, ſondern ſechzehen tauſend Mil - lionen Theile, deren ein jeder noch nichts anders als Gold iſt. Wenn wir nun bis auf ſolche Vergroͤſſerungs-Glaͤſer giengen, die 30000 mahl und mehr vergroͤſſern; ſo wuͤrden wir in einem einigen Grane Gold, das iſt einem Raume eines Wuͤrffels, der nicht mehr als ⅖ einer Linie lang, breit und dicke iſt, ſechzig tauſend Millionen Theile antreffen. Es iſt zu mercken, daß in einer ſolchen Vergroͤſſerung das Gold noch im - mer wie Gold ausſiehet, und man daher ſe - tzen kan, daß der ſechzig tauſende Million - Theil noch ein Stuͤcklein Gold ſey. Nun wiſſen wiꝛ, daß das Gold beſondeꝛe Raͤumlein innerhalb ſeiner Materie hat, die von dem Golde leer ſind (§. 72 T. III. Exper.). De - rogen iſt klar, daß ein ſolcher kleiner Theil noch weit kleinere in ſich faſſen muß. Jch habe dieſes mit Fleiß etwas umſtaͤndlich ausgefuͤhret, damit diejenigen, welche Ge - ſchicklichkeit und Gedult haben, die Subti - litaͤt der Materie begreiffen, die andern a - ber doch ſoviel daraus erſehen, daß man das - jenige, was von der Subtilitaͤt der Mate -A 4rie8Cap. I. Von dem Weſenrie geſaget wird, nicht erdichtet. Man hat auch ſchon unterſuchet, wie ſubtile ſich das Gold ausbreiten laͤſſet auf den Sil - ber-Faden, die verguldet werden. De Reau - mur(b)Memoire de l’ Acad. Roy des Seienc. An. 1713. p. m. 270. mercket an, daß ein Goldblaͤtt - lein nicht uͤber $$\frac {1}{3000}$$ einer Linie dicke ſey: hin - gegen zeiget er, daß das Gold, damit die Silber-Faden verguldet ſind, nicht uͤber einer Linie austrage. Wenn man nun das Gold ſo ſubtile ausgezogen anneh - men wollte, ſo wuͤrde man in dem vorher - gehenden Beweiſe noch weit mehrere Thei - le heraus bekommen, maſſen die Anzahl der Theile ſich in der Verhaͤltnis wie 30000 zu 175000, das iſt, wie 6 zu 35 vermehren muß. Man bekommet demnach bey nahe 6 mahl ſoviel Theile als vorhin, nemlich an Theilen, die man mit bloſſen Augen ſehen kan, an ſtat 2000000 bey na - he 12000000. Und dieſes allein iſt genung die Subtilitaͤt der Materie zubewundern, welche die Natur zeiget, daß in einem Raͤumlein, das nicht uͤber ⅖ einer Linie lang, breit und dicke iſt, zwoͤlff Millionen Theile ſeyn koͤñen, deren einen man noch mit bloſſen Auge ſehen kan. Der gelehrte Engellaͤn - der Herr Halley(c)Vid. Miſcellanea curioſa Lond. 1705 edita p. 246. hat gleichfalls unterſu -chet,9und der Natur der Coͤrper. chet, wie ſubtile das Gold im vergulden ge - theilet wird: er bringet aber weniger her - aus, indem er nur 100000 Theile in einem Grane Gold rechnet, die man mit bloſſen Augen ſehen kan. Es iſt wahr, daß dieſe 100000 Theile die er angiebet, ſo beſchaffen ſind, daß man einen davon mit bloſſen Augen ſehen kan: allein dieſes iſt dem nicht zuwieder, daß noch kleinere ſeyn koͤnnen, die ſich gleichfalls bloſ - ſen Augen noch zeigen, wie wir vorhin er - wieſen. Auch bringet er die Dicke des Goldes im vergulden nicht ſo duͤnne heraus als Herr Reaumur, nemlich $$\frac {1}{134500}$$ Theil eines Zolles, unerachtet der Engliſche Schuh kleiner iſt als der Pariſer. Allein in ſolchen Rechnungen iſt nicht moͤglich ei - nerley herauszubringen, weil ein jeder ſeine Erfahrung vom vergulden zum Grunde ſe - tzet. Das Vergulden aber geſchiehet nicht einmahl ſo ſtarck wie das andere. Man pfleget ſich auch auf den Geruch zuberuffen, indem die Erfahrung lehret, daß Materien, die in einem fort und zwar ſehr ſtaꝛck riechen, doch ſehr wenig von ihrem Gewichte ver - lieren. Boyle hat uͤber 100 Gran Ambra auf einer ſehr accuraten Wage bey nahe 4 Tage in freyer Lufft liegen laſſen und nichtA 5den(d)in Exercitat. de mira ſubtilitate effluvio - rum c. 5. p. m. 1510Cap. I. Von dem Weſenden geringſten Abgang im Gewichte ver - ſpuͤret. Eine Untze Muſcaten Nuͤſſe haben in 6 Tagen nicht mehr als 5½ Gran, und ſo viel Naͤgelein nicht mehr als 7½ Gran von ihrem Gewichte verlohren. Hingegen der Abgang an dem Gewichte des Teuffels - Dreckes, der ſo hefftig ſtincket, iſt gar nur der achte Theil von einem Gran geweſen. Und hat Keil(e)in Introduct. ad veram Phyſicam lect. 5. p. m. 43. & ſeqq. , der unlaͤngſt als Profeſ - ſor Aſtronom. zu Oxfurt geſtorben, ausge - rechnet, daß ein einiges ſtinckendes Staͤub - lein, dergleichen ohne Unterlaß in die freye Lufft heraus gehen, von einem Cubiczolle, oder von einer Cubic-Linie, das iſt, von einem Wuͤrffel ſey, der eine Linie lang, breit und dicke iſt. Wir wollen dieſe und andere dergleichen Rechnungen nicht umſtaͤndli - licher anfuͤhren, damit wir uns nicht ohne Noth aufhalten, zumahl da wir im folgen - den und auch kuͤnfftig bey anderer Gelegen - heit mehrere Proben von der Subtilitaͤt der Materie, darein die Natur dieſelbe einthei - let, beybringen werden. Unterdeſſen koͤnn - te nicht undienlich ſeyn, wenn man unter - ſuchte, wie ſubtile ſich allerhand Materien theilen lieſſen, daß ihre Theile noch immervon11und der Natur der Coͤrper. von der Art blieben, wie das gantze iſt: da - von wir vorhin ein Exempel im Golde ge - habt.
Vielleicht werden ſich einige wun -Warumb wir nicht die Theil - bahrkeit der Ma - terie durch die Geome - trie er - weiſen. dern, daß ich nicht die geometriſchen Be - weisthuͤmer anfuͤhre, die man hin und wie - der in dieſer Materie antrifft, ja gar dieje - nigen, welche man heute zu Tage von den verſchiedenen Arten der unendlich kleinen Groͤſſen in der neuern Geometrie hat, wo - von der gelehrte Praͤlate Guido Grandus als er noch Geometriæ und Philoſophiæ Profeſſor zu Piſa in Jtalien war, einen beſonderen Tractat geſchrieben(f)Diſquiſitio Geometrica de infinitis infini - torum & infinite parvorum ordinibus. . Herr Muys Profeſſor zu Franecker, hat(g)Element. Phyſ. prop. 6. p. 48. & ſeqq. ſon - derlich nach vielen andern, als du Hameln, Rohault en und Keilen, dieſe Beweisthuͤ - mer ausgefuͤhret, bey dem ein Liebhaber derſelben mehr finden wird, als er verlangen kan. Allein ich habe wichtige Urſachen, warum ich ihnen in Erklaͤrung der Natur keinen Platz vergoͤnne. Anfangsiſt gewiß, daß kein dergleichen Weſen, als wie die Groͤſſen ſind, welche man in der Geometrie hat, in der Natur vorhanden, noch auch in derſelben ſeyn kan. Die Gemotriſchen Coͤrper beſtehen ſowohl als die Linien und Flaͤchen aus lauter Theilen, die alle einan -der12Cap. I. Von dem Weſender aͤhnlich ſind. Jn der Natur aber kan kein Coͤrper angetroffen werden, da ein Theil dem andern aͤhnlich waͤre. Wir moͤ - gen die Theile annehmen ſo kleine als wir immer wollen, ſo iſt doch jederzeit ein jeder unter ihnen von allen uͤbrigen unterſchieden (§. 587 Met.) Und deswegen laͤſſet ſich gar nicht auf die Theile der Materie in der Na - tur deuten, was man in der Geometrie von den unendlich kleinen Theilen zuerweiſen pfleget. Carteſius hat freylich den natuͤr - lichen Coͤrper mit dem geometriſchen fuͤr einerley gehalten und daher zu dem Weſen des Coͤrpers weiter nichts er - fordert, als daß er in die Laͤnge, Breite und Dicke ausgedehnet ſey(h)Princip. Phil. part. 2. §. 4 & ſeqq. : allein er hat ſich eben hierinnen ſo wohl als Junge(i)in Logica Hamburg. lib. 1. c. 4. §. 5. p. 29, wel - cher auch dergleichen Meinung gehabt, ſo ſcharfſinnig als ſonſt beyde waren, uͤberei - let. Denn wir haben ſchon anderswo (§. 685. Met.) gezeiget, daß die Materie nicht aus einander aͤhnlichen Theilen, die nur dem Raume nach von einander unterſchieden ſind, beſtehen koͤnne, und der Satz des nicht zu unterſcheidenden, der zwey ihrem Weſen nach aͤhnliche Dinge in der Natur nicht leidet (§. 589 Met.), beſtetiget dieſes zur Gnuͤge. Uber dieſes iſt wohl zuerwegen,daß,13und der Natur der Coͤrper. daß, da der geometriſche Coͤrper bloß das - jenige in ſich faſſet, was in allen Coͤrpern uͤberhaupt betrachtet ſtat finden wuͤrde, es moͤchte eine Welt wuͤrcklich da ſeyn, was fuͤr eine nur wolte, auch diejenigen Theile, wel - che man an ihm annimmet ſo beſchaffen ſind, daß ſie nicht alle zugleich ſtat finden koͤnnen. Es ſind bloß moͤgliche Theile, da - von einige mit einander zugleich den Raum erfuͤllen und ein gantzes ausmachen koͤnnen, dergeſtalt daß mehr als auf einerley Weiſe dadurch ein gantzes herauskom̃en kan. Weñ man nun alle dieſe Theile als wuͤrcklich ne - ben einander in einem gantzen auf einmahl annimmet; ſo entſtehet dadurch nothwen - dig eine Verwirrung, daraus man nicht kommen kan. Jch will es durch ein Exempel von Zahlen genommen erlaͤutern. Es ſey die Zahl 12, deren Theile wir in Betrach - tung ziehen wollen. Niemand wird leug - nen, daß 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10. 11, das iſt, alle Zahlen, die kleiner als 12 ſeyn, Thei - le von der Zahl zwoͤlffe ſind: allein es ſind nur moͤgliche, aber nicht wuͤrckliche Theile. Nemlich nicht alle zugleich, ſondern nur ei - nige unter ihnen koͤnnen zuſammen das gan - tze ausmachen. Wollte man die moͤgli - chen Theile mit den wuͤrcklichen vermengen und den an ſich klaren Satz, das gantze iſt ſeinen Theilen zuſammen gleich, als et - was wahres annehmen; ſo folgete daraus,daß14Cap. I. Von dem Weſendaß 66 ſo groß waͤre wie 12: welches au - genſcheinlich ungereimet iſt. Hingegen wenn ich mercke, alle vorhin angefuͤhrte Zahlen ſind nur moͤgliche Theile von 12, deren einige in gewiſſer Ordnung ein gantzes ausmachen koͤnnen, keinesweges aber zu - gleich ihre Wuͤrcklichkeit erreichen, ſo ver - ſchwindet auf einmahl alle Schwierig - keit, die man ſich machet, und eben der vorige Satz lehret, welche Theile neben einander ſtat finden koͤnnen. Nem - lich wenn 11 ein Theil iſt; ſo kan nur 1 mit ihm zugleich, keine aber von den uͤbri - gen Zahlen ein Theil ſeyn. Wenn 10 ein Theil iſt; ſo kan nur 2 mit ihm zugleich ein Theil ſeyn. Wenn 9 ein Theil iſt, ſo kan entweder 3 allein, oder auch 2 und 1 zuſam - men mit ihm ein Theil ſeyn. Wenn 8 ein Theil iſt, ſo kan entweder 4, oder auch 3 und 1, oder auch 2 und 2 mit ihm zugleich ein Theil ſeyn. Wenn 7 ein Theil iſt, ſo kan entweder 5 allein, oder 1 und 4, oder auch 3 und 2 mit ihm zugleich ein Theil ſeyn. Endlich wenn 6 ein Theil iſt, ſo kan entweder 6 allein, oder 1 und 5, 2 und 4, 3 und 3, mit ihm zugleich ein Theil ſeyn. Man ſiehet hieraus, daß die Zahl Zwoͤlffe aus ihren moͤglichen Theilen ſich auf verſchiedene Art zuſammen ſetzen laͤſſet, und wenn man von dem redet, was wuͤrcklich werden kan, man nicht ohne Unterſcheid vonde -15und der Natur der Coͤrper. denen moͤglichen Theilen als einen Theil annehmenkan, welchen man will. Daß es mit den Theilen in Linien, Flaͤchen und geometriſchen Coͤrpern eben die Bewandnis habe, darf man um ſoviel weniger zweif - feln, je gewiſſer es iſt, daß ſich alle Zahlen durch Linien, Flaͤchen und Coͤrper vorſtellen laſſen und in der Mathematick in der That dazu gebrauchet werden, daß man die Groͤſſe deutlich erkennen lernet: welches alles hier deutlich auszufuͤhren, weder Ort, noch andere Umſtaͤnde leiden wollen. Es laſſen ſich demnach die mathematiſchen Be - weiſe keinesweges auf die Materie, wie ſie in der Natur angetroffen werden, deuten. Und kan man, wie aus dem, was bishero geſaget worden, uͤberfluͤßig abzunehmen, in der Natur keinen Theilen ſtat vergoͤnnen, als deren Gegenwart entweder die Erfahrung zeiget, oder auch die Vernunfft durch die Verknuͤpffung mit dieſen erſteren erweiſet. Wer anders verfaͤhret, der muß ſich gefal - len laſſen, daß er in allerhand Wiederſpruͤ - che verfaͤllet und die Wahrheit in Erkaͤntnis der Natur nicht erreichet. Naͤchſt dieſem iſt wohl zu erwegen, daß die Unendlichkeit der Theile, welche durch die geometriſchen Beweiſe herausgebracht wird, weiter nichts zuſagen hat, als daß man die Anzahl der Theile in einer gegebenen Groͤſſe durch kei - ne determinirte Zahl ausdrucken kan. Und16Cap. I. Von dem WeſenUnd hat ſchon der Herr von Leibnitz(a)in Actis Erud. A. 1712. p. 168. er - innert, daß eine unendliche Zahl bloß eine Redens-Art ſey, dadurch wir andeuten wollen, die Anzahl der Theile ſey groͤſſer als daß wir ſie durch eine gewiſſe Zahl de - terminiren koͤnnten. Ja ich ſetze noch die - ſes hinzu. Wenn wir eine gerade Linie als eine Laͤnge anſehen, deren jeder Theil der gantzen aͤhnlich iſt (§. 8 Geom.) und die ſich daher in lauter aͤhnliche und gleiche Theile zertheilen laͤſſet; ſo iſt klar, daß die Zahl dieſer Theile bald groß, bald kleine wird, nachdem man entweder einen groſ - ſen oder kleinen Theil fuͤr die Eines annim - met. Z. E. wenn die Helffte der Linie Eines iſt, ſo heiſſet die gantze Linie zwey. Wenn der dritte Theil Eines iſt, ſo heiſſet ſie drey: Wenn der hundertſte Theil Eines iſt, heiſ - ſet ſie hundert und ſo weiter fort. Alſo ſind unzehlich viel Zahlen, dadurch ſich die Theile dieſer Linie vorſtellen laſſen. Uber - haupt kan man nicht ſagen, wieviel Zahlen moͤglich ſind, dadurch ſich die Theile in ei - ner Linie andeuten laſſen. Am allerwe - nigſten gehet dieſes an, wenn man nicht von einer gewiſſen gegebenen Linie redet, die ih - re abgemeſſene Groͤſſe hat; ſondern nur gar von einer auf gewiſſe Art determinirten Linie, z. E. der Diagonal in einem Qua -dra -17und der Natur der Coͤrper. drate, deren Groͤſſe ſoviel mahl veraͤndert werden kan, daß wir es abermahl durch keine Zahl anzudeuten vermoͤgend ſind. Es faͤllet uns unmoͤglich eine gewiſſe Zahl zube - ſtimmen, indem uns die Vergroͤſſerungsglaͤ - ſer zeigen (§. 82 & ſeqq. T. III. Exper.), daß wir immer mehrere wahrnehmen, je mehr wir eine Sache vergroͤſſern und kein Ende finden koͤnnen. Wenn wir nun a - ber in der Natur ſagen ſollen, ob in einem Raume zwey, drey, hundert Theile und ſo weiter anzutreffen ſind, ſo muͤſſen wir es durch den Unterſcheid deſſen, was wir in ihm wuͤrcklich wahrnehmen, oder, daß es da ſey, ferner daraus erweiſen koͤnnen, ausmachen. Wer dieſen Weg gehet, der nimmet nichts erdichtetes an und erkennet doch uͤberall auf eine begreifliche Art den Reichthum der Natur als unergruͤndlich im allerkleineſten. Endlich muͤſſen wir auch nicht vergeſſen, daß der gantze Begriff von dem geometriſchen Coͤrper, wie auch den Linien und Flaͤchen, nichts anders als ein Bild iſt welches die Einbildungs-Krafft ver - mittelſt deſſen erdichtet, was die Sinnen in der groͤſten Verwirrung vorſtellen. So wenig nun etwas in der Natur demjenigen aͤhnliches wuͤrcklich vorhanden, was das Bild der rothen und gruͤnen, oder einer an - deren Falle vorſtellet; ſo wenig iſt auch ſo etwas wuͤrckliches in der Natur, welches(Phyſick) Bdem18Cap. I. Von dem Weſendem Bilde des geometriſchen Coͤrpers aͤhn - lich iſt, maſſen der Raum, den ein wuͤrckli - cher Coͤrper einnimmet, mit lauter wuͤrckli - chen und von einander unterſchiedenen Theilen erfuͤllet iſt, die nicht nur dem bloſſen Orte nach, den ſie einnehmen, ſondern auch an ſich von einander unterſchieden ſeyn, wie wir vorhin geſehen. Unterdeſſen iſt das er - dichtete Bild des Coͤrpers, welches von ihm nichts weiter als ſeine Groͤſſe vorſtellet, nicht gantz unnuͤtze, ſondern an ſeinem Or - te, als in der Geometrie, werth zu halten in - dem es dienlich iſt die Groͤſſe des Coͤrpers u. was ihr anhaͤngig daꝛaus zu determiniren, maſſen es mit der Groͤſſe keine andere Be - wandnis haben wuͤrde, wenn gleich der Coͤr - per wuͤrcklich ſo etwas waͤre, deſſen Theile nur dem Orte nach von einander unter - ſchieden waͤren. Damit man dieſe Wahr - heit deſto beſſer begreiffe; ſo hat man wohl zuerwegen, daß, in ſo weit wir die Coͤrper deutlich erkennen, wir keinesweges etwas antreffen, welches einem geometriſchen Coͤrper aͤhnlichet, und wenn wir in demje - gen, was die Sinnen in Verwirrung laſ - ſen, uns durch Huͤlffe der Vergroͤſſerungs - Glaͤſer Deutlichkeit zuerlangen bemuͤhen, wir es eben wieder ſo antreffen, wie wir es bey dem vorigen gefunden, was ſich mit bloſſen Augen unterſcheiden ließ (§. 82 & ſeqq. T. III. Exper.).
Jch habe ſchon anderswo gezeigetMaterie in den Coͤrpern iſt unend - lich zer - theilet. (§. 684. Met.), daß die Materie wuͤrcklich zertheilet iſt, nemlich ein Theil immer wei - ter in andere, daß wir ihre Kleinigkeit we - der mit der Vernunfft, noch mit der Einbil - dung erreichen koͤnnen. Die anderswo (§. 82 & ſeqq. T. III. Exper.) angeſtellete Be - trachtungen durch das Vergroͤſſerungs - Glaß bekraͤfftigen ſolches mit mehrerem. Und deswegen faͤllet es uns nicht moͤglich, daß wir eine Zahl erdencken, darinnen wir die wuͤrcklich vorhandenen Theile in dem geringſten Staͤublein der Materie deter - miniren, das iſt, kein Menſch iſt vermoͤ - gend zu ſagen, wiviel unterſchiedenes in ei - nem einigen Saͤublein vorkommet, wel - ches zuſammen das Raͤumlein, das es ein - nimmet, erfuͤllet, auch wenn er vermoͤgend waͤre vieles davon zuerblicken (§. 3.). De - rowegen weil wir eine ſo groſſe Menge, de - ren Anzahl wir durch keine determinirte Zahl auszuſprechen vermoͤgend ſind, un - endlich nennen (§. 4. ); ſo iſt auch jedes Staͤublein der Materie wuͤrcklich in unend - lich viel Theile zertheilet, die aber weder in der Groͤſſe, noch der Figur, noch ſonſt mit einander uͤberein kommen. Weil nun a - ber etwas ſeyn muß, wodurch die Materie wuͤrcklich getheilet wird; ſo habe ich auch ſchon (§. 685. Met.) gezeiget, daß ſolches durch die Bewegung geſchehe, und demnachB 2in20Cap. I. Von dem Weſenin der Natur alle Materie in ſteter Bewe - gung ſeyn muͤſſe: welches ich an dieſem Orte noch etwas umſtaͤndlicher ausfuͤhren will.
Damit wir die Nothwendigkeit ſehen, warum alle Materie beſtaͤndig in Bewegung ſeyn muͤſſe; ſo muͤſſen wir fuͤr allen Dingen erkennen, daß zwiſchen den Theilen der Materie, die ſich in einem Coͤr - per befinden, keine Raͤumlein ſeyn koͤnnen, die von aller Materie leer ſind. Denn ent - weder es giebet dergleichen leere Raͤumlein in einem Coͤrper, oder es ſind keine darinnen vorhanden. Wir wollen ſetzen: es waͤren einige darinnen vorhanden. So treffen wir alsdenn kleine Theile oder Staͤublein in dem Coͤrper an, die eine Figur und Groͤſſe haben, ohne daß eine Urſache ange - zeiget werden kan, warum ſie dergleichen Figur und Groͤſſe haben. Und dieſes ha - ben auch ſchon vor Zeiten diejenigen er - kandt, welche dergleichen leere Raͤumlein in den Coͤrpern ſich eingebildet, und des - wegen behauptet, daß die kleineſten Staͤub - lein der Materie nothwendig ihre Figur und Groͤſſe haͤtten, auch daher ihrer Natur und ihrem Weſen nach untheilbahr waͤren. Da nun aber hieraus folget, daß etwas ſeyn kan, davon kein zureichender Grund vorhanden, warum es iſt; ſo wieder - ſpricht der Satz von den leeren Raͤum -lein21und der Natur der Coͤrper. lein in der Materie dem Satze des zurei - chenden Grundes (§. 30. Met.) und iſt dannenhero ungereimet. Denn das nen - net man ungereimet, was einer offenbah - ren Wahrheit, dergleichen der Satz des zu - reichenden Grundesiſt, wiederſpricht. Es bleiben demnach ſo wohl die untheilbahren Staͤublein der Materie, als auch die leeren Raͤumlein zwiſchen ihnen erdichtete Din - ge, die bloß in der Einbildung beſtehen, hin - gegen der Vernunfft, welche durch den Satz des zureichenden Grundes beſtehet, wieder - ſprechen. Jch weiß wohl, daß einige ver - meinen, es habe GOtt gefallen, ihnen die - ſe Groͤſſe und Figur zu geben: allein die - ſelben vergeſſen, daß man ſich in ſolchen Dinge, die auf das Weſen der Sache an - kommen, keinesweges auf den Willen GOttes beruffen kan (§. 989 Met.). Es muß vorher moͤglich ſeyn, ehe es GOtt wol - len kan (§. 680 Met.).
Man muß aber hier einen ZweiffelWird auſſer Zweiffel geſetzet. benehmen, der einem leicht entſtehen koͤnnte, wenn man den Beweiß anſiehet, den ſchon vor dieſem die Alten gefuͤhret, wenn ſie die Wuͤrcklichkeit der leeren Raͤumlein zwi - ſchen den kleinen Staͤublein der Materie darthun wollen, wie aus dem Lucretio(a)de rerum Natura lib. 1. p. 57. edit. Wecheli - næ A. 1583. in 8. zuerſehen. Sie haben nemlich vermeinet,B 3wenn22Cap. I. Von dem Weſenwenn in einem Coͤrper keine leere Raͤumlein waͤren, ſo muͤſten zwey von gleicher Groͤſſe auch gleich viel wiegen: welches der Er - fahrung zu wieder iſt (§. 4. T. I. Exper.). Denn wenn ein Stuͤcke Gold und ein Stuͤcke Kupffer von gleicher Groͤſſe ſind und und jenes wieget 100 Gran, ſo wieget die - ſes nur 46 (§. 189. T. I. Exper.) und dem nach nicht einmahl halb ſo viel als das Gold. Derowegen vermeinet man, in dem Stuͤcklein Kupffer ſey nicht halb ſoviel Materie, als im Golde, und dannenhero waͤren in dem Kupffer viele leere Raͤumlein, die im Golde mit Materie erfuͤllet waͤren. Nun koͤnnen wir zwar nicht leugnen, daß in einem jeden Coͤrper ja ſelbſt im Golde (§. 72 T. III. Exper.) leere Raͤumlein ſind, die mit keiner ſolchen Materie erfuͤllet ſeyn, daraus der Coͤrper beſtehet, als im Golde ſind viele Raͤumlein, darinnen kein Gold an - zutreffen: allein daß gar keine Materie von anderer Art darinnen ſich befinde, kan der gegenwaͤrtige Beweiß nicht ausmachen. Denn wer ſiehet nicht, daß man annimmet, was man nicht bewieſen, nemlich daß alle Materie ſchweer ſey, wovon wir an ſeinem Orte das Gegentheil zeigen.
Nachdem wir nun wiſſen, daß der Raum, den ein Coͤrper einnimmet, gantz erfuͤllet iſt und zwiſchen den Theilen der Materie keine gantz leere Raͤumlein anzu -treffen23und der Natur der Coͤrper. treffen ſeyn (§. 6.); ſo laͤſſet ſich nun gar leicht begreiffen, daß alle Materie beſtaͤndig in Bewegung ſeyn muͤſſe. Denn entwe - der alle Materie, die in einem Raume ent - halten, iſt beſtaͤndig in Bewegung, oder nicht. Man ſetze, ſie ſey nicht in Bewe - gung, ſondern die Theile ruhen neben ein - ander. Weil die Figur nichts anders iſt als der Schrancken der Ausdehnung (§. 54. Met.), in einem gantz vollen Raume aber, darinnen keine Bewegung anzutref - fen, nichts vorhanden iſt, welches Schran - cken ſetzen koͤnnte; ſo gehet auch darinnen alles in einem fort und man findet in dem, was man als Theile annehmen will, kei - nen anderen Unterſcheid als den Ort. Kein Theil hat wuͤrcklich eine Groͤſſe, oder Figur, ſondern es iſt geſchickt eine jede Figur und Groͤſſe anzunehmen, die man ihm geben will. Und auf ſolche Weiſe waͤren wuͤrck - lich Dinge vorhanden, die ſich noch ferner auf unendliche Weiſe determini - ren lieſſen. Da nun dieſes unmoͤglich iſt, indem alles, was in eintzelen Dingen anzu - treffen, determiniret ſeyn muß (§. 27. c. 1 Log. ); ſo kan auch die Materie in einem Coͤrper nicht in Ruhe ſeyn, folgends muß ſie ſich ſtets bewegen. Und eben hier - aus ſiehet man, daß diejenigen, welche die Materie ohne Bewegung annehmen, und nichts darinnen als dasjenige, wo von ih -B 4re24Cap. I. Von dem Weſenre Groͤſſe kommet, zulaſſen wollen, die Coͤr - per keines weges betrachten, wie ſie in der Natur angetroffen werden; ſondern bloß einen Coͤrper, der nicht wuͤrcklich werden kan, in der Einbildung erdichten, maſſen ſie etwas weglaſſen, was noch noͤthig iſt, wenn eine Wuͤrcklichkeit erfolgen ſoll. Wenn man den Unterſchied begriffen haͤtte, der ſich zwiſchen eintzelen Dingen und all - gemeinen Dingen, die bloß in Gedancken be - ſtehen, befindet, und den ich zuerſt deutlich gezeiget (§. 26. 27. c. 1. Log. ); ſo wuͤrde man nimmermehr den geometriſchen Coͤr - per mit dem natuͤrlichen vermenget ha - ben.
Man begreiffet aber nun leicht fer - ner, daß nicht alle Materie, die in dem Raume, den ein Coͤrper einnimmet, ent - halten iſt, ſich auf einerley Art beweget. Der Unterſcheid, der in der Bewegung angetroffen wird, iſt theils in der Geſchwin - digkeit, theils in der Richtung zu ſuchen, vermoͤge welcher er ſich nach einer gewiſſen Gegend beweget. Denn wenn man ſetzte, alle Theile der Materie, die in einem Rau - me bey einander ſind, bewegeten ſich mit gleicher Geſchwindigkeit nach einer Ge - gend; ſo aͤnderte bloß der Coͤrper, der aus derſelben Materie beſtuͤnde, ſeine Stelle und kaͤme aus einem Orte in den andern: kei - nesweges aber entſtuͤnde dadurch ein Un -ter -25und der Natur der Coͤrper. terſcheid in dem Coͤrper ſelber. Wir fin - den aber, daß die Materie eines Coͤrpers von der Materie eines andern unterſchieden. Derowegen da der innere Unterſcheid von der Bewegung herkommen muß (§. 8); ſo kan nicht alle Materie, die den Raum er - fuͤllet, den der Coͤrper einnimmet, ſich auf einerley Art bewegen. Sie beweget ſich demnach auf verſchiedene Art und daher mit verſchiedener Geſchwindigkeit und nach verſchiedenen Gegenden. Einige von die - ſer Materie muß beſtaͤndig in einem Orte verbleiben, weil wir finden, daß die Theile eines Coͤrpers zuſammen hangen und ſich nicht anders als zuſammen, aus einem Orte in den andern bewegen laſſen, unter einan - der ſelbſt aber keine Bewegung haben. Da ſie nun aber gleichwohl in Bewegung ſeyn muͤſſen (§. 8.); ſo muͤſſen ſie ſich mit glei - cher Krafft einander entgegen bewegen. Hingegen da andere mit dieſen Theilen nicht zuſammen haͤnget, ſondern vielmehr durch ihre Bewegung die Groͤſſe und Figur der - ſelben determiniret; ſo muß ſie ſich nach ei - ner anderen Gegend als jene bewegen.
Wir haben vorhin geſehen, daßWelche ſich nicht genau determi - niren laſſet. die Staͤublein des Goldes ſich ſehr ſubtile theilen laſſen und doch immer noch Gold bleiben (§. 3.). Da wir uns nun keine Rechnung machen doͤrffen, daß wir in Thei - lung der Materie des Goldes biß auf ſolcheB 5Theile26Cap. I. Von dem WeſenTheile kommen, die nicht mehr Gold ſind, dieſelben aber in allen Gold-Staͤublein, ſie moͤgen ſo klein ſeyn als ſie wollen, in glei - cher Proportion vermiſchet ſey muͤſſen, und vermuthlich noch nicht diejenigen Theile ſind, die durch entgegen geſetzte Bewegun - gen zuſammen in einem Raume erhalten werden: ſo doͤrffen wir uns wohl keine Hoffnung machen, daß wir alle dieſe Arten der Bewegungen, die in der Materie eines Coͤrpers angetroffen wird, jemahls deut - lich begreiffen werden. Weil aber oh - ne dem dasjenige, was von dieſer Bewe - gung herkommet, nicht in die Sinnen faͤllet, auch wenn wir mit den beſten Vergroͤſſe - rungs-Glaͤſern verſehen ſind, maſſen in der groͤſten Vergroͤſſerung noch immer viel un - deutliches auch in den kleineſten Sachen uͤbrig verbleibet (§. 86. T. III. Exper.) das undeutliche aber eben daher ruͤhret, daß vie - les in einander faͤllet, was wir nicht unter - ſcheiden koͤnnen (§. 771. Met.): ſo iſt es auch nicht noͤthig, daß wir ſie wiſſen, und wollen wir uns als um eine Sache, die wir nicht brauchen werden, weiter darum nicht bekuͤmmern.
Die Geſchwindigkeit iſt an ſich ver - aͤnderlich und kan ab - und zunehmen, fol - gends kein Ding, was vor ſich beſtehen kan, ſondern nur eine Einſchraͤnckung eines vor ſich beſtehenden Dinges (§. 107. 114. Met)27und der Natur der Coͤrper. Met.). Sie richtet ſich aber nicht nach der Groͤſſe des Raumes, den dasjenige ein - nimmet, was beweget wird, indem kleine und groſſe Coͤrper ſich mit einer Geſchwin - digkeit, ja ſehr kleine geſchwinder als groſſe bewegen koͤnnen. Und alſo iſt dasjenige, welches durch die Geſchwindigkeit veraͤn - dert wird, nicht einerley mit dem, was durch den Raum ausgeſpannet wird und durch die Figur ſeine Einſchraͤnckung erhaͤlt, ſon - dern von ihm etwas beſonderes. Da nun durch die Bewegung alle Veraͤnderungen in dem Coͤrper geſchehen, die ſich in ihm er - eignen, (§. 615 Met.); ſo iſt daſſelbe, wel - ches durch die Geſchwindigkeit ſeine Schrancken erhaͤlt, die Quelle aller Veraͤn - derungen im Coͤrper und alſo eine Krafft (§. 115. Met.). Und demnach haben wir Urſache in allem, was coͤrperlich iſt, eine be - wegende Krafft zuzugeben: welches ich auch ſchon auf andere Art anderswo (§. 625 Met) erwieſen. Wir haben auch dieſelbe in fluͤßi - gen Materien durch Verſuche wuͤrcklich ent - decket (§. 48 T. I. Exper.), und nun keine Urſache zuzweiffeln, daß ſie nicht aller Ma - terie gemein ſey.
Und eben dieſe bewegende KrafftWas Natur der Coͤr - per ſey. iſt dasjenige, warum wir denen Coͤrpern eine Natur zueignen (§. 628 Met.). De - rowegen wenn wir ſagen, daß etwas der Natur eines Coͤrpers gemaͤß ſey; ſo ver -ſte -28Cap. I. Von dem Weſenſtehen wir dadurch nichts anders, als daß es aus den Bewegungen erfolgen koͤnnen, die ein Coͤrper haben kan: gleichwie wir ſagen, es ſey ſeinem Weſen gemaͤß, was ſeinen Grund in ſeiner Art der Zuſammenſetzung hat (§. 611 Met.). Ja eben deswegen nen - nen wir die Maximen, darinnen die Regeln der Bewegnng gegruͤndet ſind (§. 675. 682. Met.), Geſetze der Natur, weil ſich die Natur der Coͤrper darnach achtet.
Die Geſchwindigkeit ſowohl als die Richtung, vermoͤge welcher ſich, was beweget wird, nach einer gewiſſen Gegend beweget, wird allzeit durch die Bewegung eines andern Coͤrpers geaͤndert, der ihn be - ruͤhret und hat darinnen ihren Grund (§. 663. 664. Met.). Derowegen daß einige Theile der Materie in einem Coͤrper mit entgegen geſetzten Richtungen und gleicher Geſchwindigkeit ſich gegen einander bewe - gen und dadurch einander in einem Raume aufhalten (§. 9.), muß von der Bewegung der uͤbrigen Materie herruͤhren, die mit ih - nen nicht zuſammen haͤnget. Da nun diejenige Materie, welche in einem Coͤrper zuſammen haͤlt und daher mit ihm ſich zu - gleich bewegen laͤſſet, ſeine eigenthuͤmliche; die andere aber fremde Materie genennet wird (§. 656. Met.): ſo erkennet man hier - aus, daß nothwendig in einem jeden Coͤrper ſowohl eigenthuͤmliche, als auch fremdeMa -29und der Natur der Coͤrper. Materie ſeyn muͤſſe. Wir haben verſchie - dene fremde Materien durch Verſuche in den Coͤrpern entdecket, als wir (§. 64 & ſeq. T. III. Exper.) ihre Durchloͤcherung un - terſuchet: allein da viele in der Natur ſeyn koͤnnen, die wir nicht erkennen (§. 82 T. III. Exper.); ſo laͤſſet ſich die fremde Materie, die in einem Coͤrper anzutreffen, nicht weiter beſtimmen, als wir dieſelbe entweder durch Verſuche klaͤrlich zeigen, oder auch aus tuͤch - tigen Gruͤnden ihre Gegenwart ſchluͤſſen koͤnnen, als z. E. die magnetiſche Materie in dem Magneten und den von ihm beruͤhr - ten Eiſen (§. 39 T. III. Exp.).
Weil man diejenige Materie zuWie man ſich in Be - urthei - lung der verſchie - denen Arten der Materie in acht zu nehmen. der eigenthuͤmlichen rechnet, die mit dem Coͤrper in einem Orte verbleibet und mit ihm ſich zugleich beweget (§. 656. Met.); ſo gehoͤret alle Materie mit dazu, welche in die zwiſchen ſeinen Theilen vorhandene Raͤum - lein durch die hin und wieder vorhandene Eroͤffnungen auf einige Art und Weiſe hin - ein dringet und darinnen verbleibet, auch wenn der Coͤrper aus ſeiner Stelle bewe - get wird. Z. E. Wenn man Holtz ins Waſſer leget, ſo ziehet ſich daſſelbe uͤberall hinein, abſonderlich wenn man anfangs die Lufft, welche auf das Waſſer drucket, wegpumpet und nach dieſem dieſelbe von neuem hinzu laͤſſet (§. 161. T. I. Exper.). Die Naͤſſe, ſo ſich hineingezogen, bleibet indem30Cap. I. Von dem Weſendem Holtze, man mag es hin bewegen, wo man will, vermehret ſeine Schweere und ſtoͤſſet mit ihm zugleich in der Bewegung an einen andern Coͤrper an. Derowegen rechnet man das Waſſer, ſo ſich in das Holtz hineingezogen, mit zu der eigenthuͤm - lichen Materie des Holtzes, nemlich es ge - hoͤret nicht ſchlechterdinges zu der Mate - rie des Holtzes, ſondern nur mit zu der Materie des naſſen und feuchten Holtzes. Will man genauer unterſuchen, daß das Waſſer zugleich mit der Materie des Hol - tzes in der Bewegung den Stoß verrichte; ſo kan man es am fuͤglichſten durch die Ver - ſuche von den Regeln der Bewegung aus - machen (§. 131 T. III. Exper.). Man laſſe eine Kugel von Holtze machen und haͤnge ſie an einen Faden an das zu dieſen Verſuchen gehoͤrige Jnſtrument auf, dar - neben aber eine andere Kugel von Holtze, o - der einer andern Materie: denn daran iſt nichts gelegen. Man laſſe die Kugel, nach - dem man ſie durch einen gewiſſen Grad er - hoͤhet, fahren und mercke, wenn ſie an die andere anſtoͤſſet, wie hoch dieſelbe gehoben wird. Nach dieſem laſſe man in einem Lufft leerem Raume (§. 161. T. I. Exper.) ſich ſoviel Waſſer hinein ziehen, als nur an - gehen will. Man haͤnge ſie darauf von neuem neben die vorige Kugel auf und laſſe ſie von der Hoͤhe des vorigen Grades herun -ter31und der Natur der Coͤrper. ter fallen; ſo wird die andere Kugel durch den Stoß hoͤher gehoben werden als vor - hin. Da nun die hoͤltzerne Kugel, welche anſtoͤſſet, einmahl ſich ſo geſchwinde bewe - get als das andere, und doch wenn ſie naß iſt ſtaͤrcker anſtoͤſſet, als wenn ſie trocken iſt; ſo kan es nicht anders ſeyn, als daß nun mehr Materie anſtoſſen muß, wenn ſie naß oder feuchte, als wenn ſie trocken iſt (§. 132 T. III. Exper.). Und demnach iſt klar, daß ſich das Waſſer nicht allein mit der Kugel zugleich beweget, ſondern auch mit ihr zugleich anſtoͤſſet und in andere Coͤrper wuͤrcket (§. 620 Met.). Man hat derowe - gen hinlaͤnglichen Grund, warum man das Waſſer mit zu der eigenthuͤmlichen Materie rechnet. Wer ſiehet nicht zugleich, daß man ſich wohl in acht nehmen muß, wenn man von der eigenthuͤmlichen Materie urtheilen ſoll. Man ſiehet aber auch, daß der ange - gebene Verſuch es jeder zeit entſcheiden kan, ob man etwas zu der eigenthuͤmlichen, oder aber der fremden Materie zurechnen habe. Wir wiſſen, daß unterweilen einige Mate - rien die Schweere der Coͤrper vergeringern und daher der Bewegung wiederſtehen, daß ſie nicht mit gehoͤriger Geſchwindigkeit ge - ſchehen kan (§. 178 T. I. Exper.): allein was von dem Wiederſtande einer fluͤßigen Materie, darinnen ſich der Coͤrper beweget, ſeiner Schweere und bewegenden Krafftbe -32Cap. I. Von dem Weſenbenom̃en wird (§. 180. T. I. E.), hat man kei - nem Abgange der eigenthuͤmlichen Materie zuzuſchreibẽ. Man muß aber in dieſem Stuͤ - cke auf die Bewegung ſehen, weil davon die Wuͤrckungen der Coͤrper herruͤhren (§. 621 Met.), um deren Willen man nach der Groͤſſe der eigenthuͤmlichen Materie fraget.
Da ein jeder Raum, den ein Coͤr - per einnimmet, mit ſo viel Materie erfuͤllet iſt, als ein anderer, den ein anderer Coͤrper von gleicher Groͤſſe inne hat (§. 6) und doch gleichwohl ein Coͤrper nicht ſo ſchweer iſt als der andere (§. 4 T. I. E.), auch nicht ei - ner ſoviel Krafft hat als der andere, unerach - tet ſich beyde mit gleicher Geſchwindigkeit bewegen (§. 132 T. III. Exper.): ſo kan nicht gleichviel eigenthuͤmliche Materie in einem Coͤrper ſeyn, ſondern derjenige Coͤr - per, der leichter iſt als ein anderer, hat weni - gere, der ſchweerere aber mehrere: hinge - gegen iſt in den leichteren mehr fremde Ma - terie als in den ſchweereren. Z. E. Wenn ein Stuͤcke Gold und Kupffer von gleicher Groͤſſe ſind und das Gold wieget 100 Gran, ſo wieget das Kupffer nur etwan 47. Gran und alſo nicht voͤllig die Helffte (§. 188. T. I. Exper.). Derowegen iſt in dem Kupf - fer nicht einmahl halb ſoviel eigenthuͤmliche Materie als im Golde. Es hat demnach das Kupffer nicht nur ſo viel fremde Materie als das Gold, ſondern noch daruͤber ſovielals33und der Natur der Coͤrper. als die Helffte der eigenthuͤmlichen Mate - rie des Goldes, oder noch ſo viel als ſeine eigenthuͤmliche Materie austraͤget. Denn wir wiſſen, daß auch das Gold durchloͤchert iſt (§. 72 T. III. Exper.) und demnach fremde Materie in ſich hat (§. 13).
Wir wiſſen, daß die MaterieWo die fremde Materie zu ſuchen. des Holtzes dichter und ſchweerer iſt als das Waſſer (§. 161 T. I. Exper.) folgends auch mehr eigenthuͤmliche und weniger fremde Materie als das Waſſer hat (§. 13). Danun aber im Holtze groſſe Lufft-Hoͤh - len ſind, die es leichter als Waſſer ma - chen, wenn ſie mit Lufft oder ſonſt einer leichteren Materie als das Waſſer iſt er - fuͤllet werden; ſo hat das Holtz nur zufaͤlli - ger Weiſe mehr fremde Materie als das Waſſer, kan aber auch weniger als daſſelbe behalten, wenn darein entweder Waſſer, oder ſchweerere Materien als daſſelbe dringen. Und hieraus erhellet, daß in ei - nem Coͤrper die fremde Materie nicht in den Lufft - Hoͤhlen, daraus ſich die Lufft pumpen laͤſſet, ſondern in den kleinen Thei - len der feſten Materie zu ſuchen ſey: hin - gen in den Lufft-Hoͤhlen ſich diejenige Ma - terie aufhaͤlt, die ſich zu der eigenthuͤmlichen geſellet.
Da die Materie, welche dieWie vie - lerley die eigen - Lufft-Hoͤhlen erfuͤllet, ſich mit zu der eigen - thuͤmlichen ſchlaͤget (§. 16), und gleichwohl(Phyſick) Cvon34Cap. I. Von dem Weſenthuͤmli - che Ma - terie.von verſchiedener Art ſeyn kan, als z. E. im Holtze bald Lufft, bald Waſſer (§. 161. T. I. Exper.); ſo hat es zweyerley Arten der ei - genthuͤmlichen Materie. Eine iſt beſtaͤn - dig und daraus beſtehen die Theile des Coͤrpers: die andere iſt veraͤnderlich und die erfuͤllet die von der beſtaͤndigen leeren Raͤumlein im Coͤrper. Die erſte gehoͤret zum Weſen des Coͤrpers (§. 33 Met.): die andere hingegen laͤſſet das Weſen des Coͤrpers unveraͤndert, unerachtet es ſonſt in ihm einige Veraͤnderung hervor bringen kan, in deren Anſehung wir auch noͤthig haben ſie von der beſtaͤndigen ſo wohl als von der fremden zu unterſcheiden.
Weil das Weſen eines Coͤrpers in der Art der Zuſammen - ſetzung der Theile (§. 611 Met.), dieſe aber aus der beſtaͤndigen Materie be - ſtehen: ſo geſchiehet eine weſentliche Ver - aͤnderung, wenn in der beſtaͤndigen Ma - terie eine Aenderung vorgehet. Dahinge - gen die veraͤnderliche das Weſen des Coͤr - pers unveraͤndert laͤſſet (§. 17.); ſo bleibet ein Coͤrper noch der vorige, wenn gleich in dieſer eine Veraͤnderung vorgehet. End - lich weil die Theile der beſtaͤndigen Mate - rie durch die fremde beſtehen und erhalten werden; ſo kan auch durch Veraͤnderung der fremden Materie ſich eine weſentliche Veraͤnderung zu tragen. Dieſe drey Ar -ten35und der Natur der Coͤrper. ten der Materie, die beſtaͤndige, veraͤn - derliche und fremde, muͤſſen demnach in Erklaͤrung der Natur von einander wohl unterſchieden werden.
Vielleicht werden ſich einige ei -Ein Zweiffel wird ge - hoben. ne Schwierigkeit daruͤber machen, daß wir von weſentlichen Veraͤnderungen re - den, indem ſie ſich beſinnen, daß das We - ſen eines Dinges unveraͤnderlich iſt (§. 42 Met.). Die Schwierigkeit kommet in dieſem Falle daher, daß man vermeinet, es werde in der Metaphyſick gelehret, das Weſen eines Dinges ſey unveraͤnderlich; in der Phyſick aber gebe man zu, daß es ver - aͤnderlich ſey. Und alſo wiederſpreche man in der Phyſick demjenigen, was man in der Metaphyſick behauptet. Allein wenn man beliebet die Sache genauer zu uͤberlegen, ſo wird aller Schein des Wiederſpruches gar bald verſchwinden. Jn der Metaphyſick redet man von dem Weſen der Dinge vor und an ſich ſelbſt, ohne auf die Wuͤrcklich - keit mit acht zu haben, die ein Ding, wel - ches dieſes oder jenes Weſen hat, erreichen kan. Jn der Phyſick aber ſiehet man auf die Wuͤrcklichkeit der Dinge, die ein ge - wiſſes Weſen haben. Derowegen wenn man von weſentlichen Veraͤnderungen re - det, ſaget man keinesweges, daß ein Ding, welches wuͤrcklich war, auch noch daſſelbe verbleibet, indem ſein Weſen anders wird,C 2als36Cap. I. Von dem Weſenals es vorher war, z. E. daß eine Pflantze noch eine Pflantze verbliebe, wenn ſie in A - ſche verbrennet wird: ſondern man behaup - tet bloß, daß die Wuͤrcklichkeit des Weſens aufhoͤre und an ſtat des vorigen Dinges ein anderes ſeine Wuͤrcklichkeit erreichet, das dem Weſen nach von dem vorigen un - terſchieden iſt, als daß in unſerem Falle an ſtat der Pflantze, die vorher da war, Aſche heraus kommet.
Wir bemuͤhen uns um die Er - kaͤntnis der Natur, damit wir davon den Grund anzuzeigen wiſſen, was ſich darin - nen veraͤnderliches ereignet (§. 5. proleg. Log), und vorher ſehen koͤnnen, was un - ter dieſen oder andern Umſtaͤnden dieſe o - der jene Urſachen veraͤnderliches hervor - bringen koͤnnen, damit wir die Natur nach unſerem Gefallen koͤnnen wuͤrcken laſſen, was wir begehren, und ſolchergeſtalt die er - langte Erkaͤntnis zu unſerem Nutzen an - wenden. Da die Materie wuͤrcklich ſo ſubtil zertheilet iſt, daß wir die Kleinigkeit der Theile weder mit der Vernunfft errei - chen, noch mit der Einbildnng faſſen koͤn - nen (§. 684. met. ), das iſt, in unendliche Theile (§. 5), auch uͤber dieſes in der Mate - rie eines Coͤrpers allerhand Arten der Be - wegungen anzutreffen ſind, die wir uns je - mahls deutlich zubegreiffen keine Hoffnung machen doͤrffen (§. 10); uͤber dieſes abervor37und der Natur der Coͤrper. vor ſich klar iſt, daß durch die Bewegung je - derzeit etwas veraͤnderliches hervorgebracht wird, maſſen dadurch der Zuſtand vieler Dinge, die zugleich mit einander ſind, ge - aͤndert wird (§. 57. met. ): ſo koͤnnen gar viel Veraͤnderungen in dem Raume, den ein Coͤrper einnimmet, ſich ereignen, ohne daß man die geringſte Veraͤnderung an ihm wahrnimmet. Da wir nun dergleichen Veraͤnderungen, die man nicht wahrnim - met, weder unterſuchen, noch auch zu eini - gem Nutzen anwenden kan; ſo haben wir uns darum nicht zubekuͤmmern. Und dem - nach iſt es eben ſo wenig noͤthig, als moͤg - lich, daß wir die Natur ergruͤnden; ſon - dern diejenigen gehen zu weit und nehmen zu viel auf ſich, die weiter gehen wollen, als wir obſerviren koͤnnen.
Es iſt wohl wahr, daß unmerck -Ein Zweiffel wird be - nommen liche Veraͤnderungen, die nach und nach in einem Coͤrper vorgehen, ihn in den Stand ſetzen koͤnnen, da er zu einigen Veraͤnderun - gen geſchickt wird, welche er ſonſt nimmer - mehr haͤtte leiden koͤnnen. So findet man z. E. daß eine Artzney unterweilen eine gantz wiedrige Wuͤrckung hat, weil vorher eine andere den Weg dazu gebaͤhnet. Ja da wir ſehen, daß zuweilen einem eine Speiſe ſchadet, die er ſonſt ohne Schaden genoſ - ſen, und davon auch andere, die ſie zugleich mit ihm jetzund genieſſen, kein UngemachC 3ver -38Cap. I. Von dem Weſenverſpuͤren; ſo muß allerdings in dem Magen deſſen, dem ſie ſchadet, ei - ne Veraͤnderung ſich vorher ereignet haben, dadurch er zu der andern aufge - leget worden. Da nun die letzte Veraͤn - derung unmoͤglich verſtanden und erklaͤret werden mag, woferne man nicht die erſte erkennet, die vorhergegangen (§. 10. c. 5. Log. ); ſo ſcheinet es ja noͤthig zu ſeyn, daß wir uns auch um ſolche Veraͤnderungen bekuͤmmern, die wir nicht wahrnehmen koͤn - nen, indem ſie ſich ereignen. Allein wer ſiehet nicht, wenn er die Sache genauer uͤ - berleget, daß dieſes keinesweges demjenigen zuwieder ſey, was wir vorhin (§. 20.) be - hauptet. Nemlich eben alsdenn, wenn wir erkennen, es koͤnne eine Veraͤnderung, die ſich mit einem Coͤrper zutraͤget, keineswe - ges ſtat finden, woferne ſich nicht vorher eine andere mit ihm ereignet, nehmen wir die andere wahr, obzwar nicht klar, ſondern nur dunckel (§. 198. 199. met.). Solcher - geſtalt gehoͤret ſie mit unter diejenigen, die wir wahrnehmen koͤnnen, und darumb wir uns zubekuͤmmern Urſache haben (§. 20).
Der Unterſcheid der Coͤrper kom - met von der verſchiedenen Art der Zuſam - menſetzung der Theile her (§. 611. met. ) und zwar derjenigen, daraus die beſtaͤndige Materie und der aus ihr beſtehenden Thei - le beſtehet (§. 18). Es findet dieſes ſowohl39und der Natur der Coͤrper. wohl in der Kunſt, als in der Natur ſtat. Z. E. eine ſilberne Schaale und eine zinner - ne Kanne ſind zwey unterſchiedene Gefaͤſ - ſe. Die beſtaͤndige Materie der Schaale iſt Silber, der Kanne aber Zinn (§. 18). Das Silber iſt dichter als das Zinn (§. 188 T. I. Exper.) und demnach muͤſſen die Theile des Silbers auf eine andere Art zuſammen geſetzet ſeyn, als die Theile des Zinnes. Auſſer dem Unterſcheide aber, der ſich in der Zuſammenſetzung der eigenthuͤm - lichen Materie vor ſich befindet, treffen wir noch eine andere Art der Zuſammenſetzung der aus ihnen beſtehenden Theile in der Schaale und dem Becher an: denn eine Schaale hat gantz andere Theile als ein Becher. Wenn man aber dieſes genau - er erweget, ſo findet man, daß zwey Coͤr - per entweder verſchiedene beſtaͤndige Ma - terie haben koͤnnen und daraus zugleich auf verſchiedene Art zuſammen geſetzt ſeyn; oder daß ſie einerley beſtaͤndige Materie haben und bloß auf verſchiedene Art dar - aus zuſammengeſetzet ſind; oder endlich daß ſie verſchiedene beſtaͤndige Materie ha - ben und daraus auf einerley Art zuſammen - geſetzet ſind. Ein Exempel von der erſten Art ſind eine ſilberne Schaale und ein zin - nerner Becher, davon wir erſt ausfuͤhrli - cher geredet: eines von der andern eine ſil - berne Schaale und ein ſilberner Becher: eines von der dritten eine ſilberne SchaaleC 4und40Cap. I. Von dem Weſenund eine zinnerne Schaale. Ob nun zwar dieſes als etwas geringes von einigen ver - achtet werden doͤrffte; ſo iſt es doch als et - was wichtiges von denen anzuſehen, welche in der Erkaͤntnis der Natur ohne Anſtoß fortgehen wollen. Denn wir lernen hier - aus, was zu thun iſt, wenn wir die Be - ſchaffenheit eines Coͤrpers erkennen wollen: wir muͤſſen nemlich unterſuchen, was fuͤr ei - genthuͤmliche Materie ein Coͤrper an ſich hat, und wie daraus ſeine Theile gebildet und er aus ihnen zuſammen geſetzet worden. Wenn wir nun eines von dieſen herauszu - bringen nicht vermoͤgend ſind, ſo haben wir auch noch eine unvollkommene Erkaͤntnis deſſelben Coͤrpers und doͤrffen uns daher nicht wundern, wenn wir an ihm oder von ihm herruͤhrende Veraͤnderungen warneh - men, davon wir den Grund nicht anzuzei - gen wiſſen (§. 33. met.). Was demnach anfangs ſo ſchlecht und geringſchaͤtzig aus - ſahe, das hat ſo groſſen Nutzen, indem es ein Licht anzuͤndet, dabey wir ſehen koͤnnen, wie weit wir es in der Erkaͤntnis eines Dinges gebracht und was uns noch daran fehlet.
Es kommet bey den Coͤrpern, die viel zuſammen geſetzet ſind, auch noch dieſer Unterſcheid vor, daß die Theile entweder aus einerley eigenthuͤmlicher Materie, oder aus verſchiedener beſtehen. Wir treffen dieſen Unterſcheid abermahls auch in derKunſt41und der Natur der Coͤrper. Kunſt an. Denn z. E. in einer ſilbernen Kanne koͤnnen alle Theile von Silber ſeyn: hingegẽ in einer Uhr kan ein Theil aus Sil - ber, der andere aus einem anderen Metalle beſtehen. Und in der Natur iſt ein Theil der Steine eben ſolche Materie wie der an - dere: allein in dem Leibe eines Thieres iſt ein Theil Knochen, ein Theil Fleiſch, ein Theil Knorpel, ein anderer Theil noch et - was anders. Und hierauf haben diejeni - gen geſehen, welche die Materie eines Coͤr - pers entweder von einerley Art, oder von verſchiedener Art angeben. Wie weit aber dieſes gelte und wie man ſich dabey in acht zunehmen hat, damit man der Wahrheit nicht zu nahe trete, iſt aus dem - jenigen abzunehmen, was wieder die voͤlli - ge Aehnlichkeit zweyer der allergeringſten Staͤublein an einem andern Orte (§. 587. Met.) beygebracht worden. Und hat man auch hier zu erwegen, daß man in Beur - theilung der Zuſammenſetzung nicht weiter gehen darf, als biß man auf ſolche Theile kommet, die in gegenwaͤrtigem Falle nicht weiter anzuſehen ſind, als daß ſie in einem fortgehen (§. 67. Met.).
Da endlich aller Unterſcheid derWie ein Coͤrper aus dem andern kommen kan. Coͤrper in dem Unterſcheide der kleinen Theile und ihres Sandes gegen einander geſucht werden muß (§. 144. Met.); ſo iſt kein Wunder, daß bloß durch Aenderung der Figuren, der Groͤſſe und der LageC 5der42Cap. I. Von dem Weſender Theile oder ihres Standes gegen ein - ander aus einem Coͤrper ein gantz anderer heraus kommen kan, als vorhin da war. Wir finden dergleichen Exempel auch in der Kunſt. Weitzen, Mehl, Semmel, Brey, Kleiſter, Krafft-Mehl ꝛc. ſind alles verſchiedene Arten der Coͤrper und niemand wird es ihnen anſehen, daß einerley Mate - rie in allen ſey, woferne er es nicht aus der Erfahrung gelernet. Wenn man aber uͤberleget, wie ein Coͤrper aus dem andern kommet; ſo wird man keine Veraͤnderung finden, als die in der Figur, der Groͤſſe und der Lage der kleinen Theile vorgegangen. Z. E. Aus dem Weitzen kommet das Mehl, wenn er gemahlen, das iſt, zwiſchen zwey Steinen gerieben und durchgebeutelt wird, damit die ſubtilen Theile durchſtieben und die groben davon abgeſondert werden. Die Staͤublein Mehl haben in dem Koͤrn - lein ſchon wuͤrcklich ihre Figur und Groͤſſe und erhalten ſie nicht erſt durch die Muͤhle (§. 92. T. III. Exper.). Derowegen kan keine andere Veraͤnderung vorgehen, indem der Weitzen oder anderes Getreyde gemah - len wird, als daß die Lage der Theile ver - aͤndert wird. Und alſo beſtehet der gantze Unterſcheid zwiſchen dem Weitzen und dem Mehle in der Lage der Theile und ihres Standes gegen einander. Wenn man von Weitzen - Mehle Kleiſter machet, ſowird43und der Natur der Coͤrper. wird das Mehl im Waſſer gekocht. Das Waſſer ziehet ſich in die von eigenthuͤmli - cher Materie leeren Raͤumlein der Mehl - Staͤublein und treibet die kleineren Theile, daraus ſie beſtehen, weiter von einander und, wenn man das Mehl im Waſſer ko - chet, kan die Waͤrme, welche in die Zwi - ſchen-Raͤumlein des Waſſers und des Mehles dringet, vermoͤge ſeiner ſchnellen Bewegung, nichts anders verurſachen (§. 104 T. II. Exper.), als daß die Mehl - Staͤublein weiter getheilet, von dem Waſ - ſer einige ſubtile Materie ausgezogen und, indem das uͤberfluͤßige durch die Waͤrme ausdunſtet, auf andere Weiſe wieder gleich - ſam zuſammen geleimet werden. Hier findet man demnach weiter nichts anders, als Veraͤnderungen in der Figur, Groͤſſe und Lage der Theile und kan demnach auch in nichts anders der Unterſcheid zwiſchen dem Mehle und Kleiſter geſucht werden. Von den uͤbrigen Arten der Coͤrper, die aus dem Weitzen-Korne kommen, mag ich nichts ausfuͤhrlicheres anfuͤhren. Ein an - deres Exempel giebet der Flachs ab, der nachdem er ausgeraufft und getrocknet worden, durch Roͤſten und Brechen zum Spinnen zubereitet wird, und daraus nach dieſem Garn geſponnen, aus dem Garne Leinwand gewebet, aus den zerſtoſſenen Lumpen von der alten Leinwand in derPa -44Cap. I. Von dem WeſenPapier Muͤhle Papier gemacht wird. Man wird auch hier bey allen Veraͤnderungen, wenn man ſie genauer uͤberleget, nichts an - treffen, als Veraͤnderungen in den Figuren der Groͤſſe u. Lage der Theile, dazu wir auch die Verknuͤpffung mit einander rechnen.
Wer dieſes bedencket und noch viel anders, was in der Kunſt vorgehet, der wird ſichs nicht befremden laſſen, daß man auch in der Natur eine Menge der Materie antrifft, die ſich nach und nach in verſchiede - ne Geſtalten verwandelt und bald unter der Geſtalt dieſes Coͤrpers, bald unter der Ge - ſtalt eines andern angetroffen wird. Wer ſiehet nicht taͤglich, daß die Thiere Graß, Kraͤuter und Saamen, nebſt anderen Fruͤchten und Erdgewaͤchſen zu ihrem Fut - ter haben und demnach daraus ihr Fleiſch, ihre Knochen, Haut und was ſie ſonſt an ſich haben, kommet? Das Fleiſch der Thiere genieſſen die Menſchen und wird ſolches in ihnen zu ihrem Fleiſch und Blute, auch was ſie ſonſt verſchiedenes in ihrem Leibe haben. Die Menſchen und Thiere duͤnſten ohne Unterlaß aus, wovon unten an ſeinem Orte ſoll geredet werden. Jetzt mercke ich bloß an, daß Dodart, weiland ein Medicus in Franckreich und Mitglied der Academie der Wiſſenſchafften A. 1677 den vierzehenden Theil ſeiner eigenthuͤmli - chen Materie verlohren, als er die Faſtenuͤber45und der Natur der Coͤrper. uͤber ein ſtrenges Leben gefuͤhret. Denn im Anfange der Faſten war er 116 Pfund und eine Untze; zu Ende derſelben oder am Oſter Sonnabende aber nur 107 Pfund 12 Untzen ſchweer, und hatte demnach in - nerhalb 46 Tagen 8 Pfund 5 Untzen von der eigenthuͤmlichen Materie ſeines Leibes verlohren. Er hatte die Faſten uͤber An - fangs bloß Zugemuͤſſe des Abends um 7 Uhr gegeſſen und gegen das Ende nichts als Brodt und Waſſer genoſſen. Als er aber auf Oſtern wieder ordentlich, wie er ſonſt gewohnet war, Speiſe und Tranck zu ſich nahm, wurde er in 4 Tagen gleich wieder 4 Pfund ſchweerer und erlangte demnach in 9 Tagen wieder, was er in 46 Tagen verlohren hatte. Man ſiehet hier - aus augenſcheinlich, daß der Menſch taͤg - lich etwas von ſeiner eigenthuͤmlichen Ma - terie verlieret und dieſe hingegen wiederum durch Speiſe und Tranck erſetzet wird. Nun iſt gewiß, daß Materie, welche ver - ſchwindet und davon man keine Spur er - blicken kan, wo ſie hinkommen iſt, dennoch nicht zu nichts wird, ſondern ſich bloß durch die Lufft zertheilet (§. 85. T. II. Ex - per. ) und demnach erhellet, daß die Mate - rie, welche Fleiſch und Blut im Menſchen war, in der Lufft verſtaͤubet. Pflantzen und was nur aus der Erde waͤchſet bekom - met ſeine Nahrung von dem Thaue desHim -46Cap. I. Von dem WeſenHimmels und dem Regen, der aus der Lufft herunter faͤllet: welches ich auch un - ten an ſeinem Orte noch umbſtaͤndlicher ausfuͤhren werde. Daher iſt leicht zuer - achten, daß die Materie, welche aus den Leibern der Thiere und Menſchen, auch in Verweſung der Pflantzen, Thiere und Menſchen in die Lufft gehet, mit dem Thaue und Regen wiederum herunter ge - bracht und abermahls zum Wachsthume der Pflantzen angewandt wird. Und dem - nach iſt klar, was wir behaupten, daß nem - lich eine gewiſſe Menge Materie iſt, welche nach und nach allerhand Geſtalten annim - met und vermittelſt derer in der Natur er - halten wird, daß ein Coͤrper vergehet, der andere hingegen koͤmmet. Jch will mich jetzt nicht aufhalten mit Erwegung deſſen, was etwan von einigen, wieder eines und das andere, was wir hier annehmen, doͤrffte eingewendet werden, weil unten an ſeinem Orte aller Zweiffel verſchwinden wird, der etwan entſtehen koͤnnte. Da - mit man aber meine Worte deſto weniger als eine leere Vertroͤſtung anzuſehen Urſa - che habe; ſo will ich um eine Probe zu ge - ben nur einen einigen Zweiffel beruͤh - ren. Jch habe geſagt, der Thau, Regen und Schnee braͤchten die Materie mit ſich aus der Lufft herunter, welche aus Pflan - tzen, Thieren und Menſchen ausdunſtetund47und der Natur der Coͤrper. und in ihrer Verweſung darein gehet. Vielleicht duͤrffte ſolches ein in der Chymie erfahrener in Zweiffel ziehen, weil er ver - meinet, daß dergleichen Materie ſich nicht durch die Chymie von dem Regen-Waſſer abſondern lieſſe. Allein man ſiehet leicht, daß dieſer Zweiffel nichtig iſt. Denn man hat ja noch nicht erwieſen, daß durch die Chymie alle veraͤnderliche Materie ſich von dem Waſſer abſondern laͤſſet, die ſich mit ihm vermiſchet (§. 18): vielmehr wenn wir kuͤnfftig deutlich werden gezeiget haben, und auch ſchon durch Erwegung deſſen, was wir angefuͤhret, vorher ſehen koͤnnen, daß Regen und Thau nicht lauteres Waſſer ſey, ſondern viel veraͤnderliche Materie mit ſich fuͤhre und nicht ſowohl das Waſſer, als dieſe den Wachsthum der Pflantzen befoͤr - dere; werden wir Urſache haben zu ſetzen, daß die Chymie die veraͤnderliche Materie, die mit Regen und Thau vermiſchet iſt, nicht davon abſondern koͤnne.
Damit man nun aber alle Ver -Worauf es in allen Veraͤn - derungen ankom - met. aͤnderungen, welche ſich in einem Coͤrper ereignen, deſto beſſer begreiffen moͤgen; ſo muͤſſen wir ordentlich uͤberlegen, worauf es eigentlich ankommet. Wenn wir die Ma - terie uͤberhaupt erwegen, ehe wir einen Un - terſcheid in derſelben annehmen; ſo treffen wir in den Theilen nichts als ihre Groͤſſe, Figur und Lage an. Derowegen wennhier48Cap. I. Von dem Weſenhier eine Veraͤnderung vorgehen ſoll; ſo wird entweder von der Materie et - was hinweggenommen, oder hinzuge - ſetzet, oder auch ein Theil in die Stelle des andern verſetzet. Wenn etwas von einem Theile hinweg genommen wird, ſo wird es kleiner: wird etwas hinzugeſetzet, ſo wird es groͤſſer. Dieſe Aenderung in der Groͤſſe iſt allzeit gewiß (§. 65. met.). Hinge - gen entſtehet nicht zugleich auch jederzeit ei - ne Aenderung in der Figur; ſondern es kan auch die Figur verbleiben die ein Coͤrper hat, indem etwas hinzugeſetzet, oder davon ge - nommen wird. Wenn die Figur bleiben ſoll, die der Coͤrper hat, kan es nur auf ei - nerley Art geſchehen, nemlich wenn die Theile rings herum auf eine aͤhnliche Art hinzugeſetzt, oder davon genommen werden: wenn ſie aber veraͤndert wird, gehet es auf unzehlich viele Arten an (§. 68. Met.). Und demnach wird in den meiſten Vergroͤſſe - rungen und Verkleinerungen der Coͤrper zugleich die Figur geaͤndert. Was die Verſetzung der Theile betrifft, ſo kan da - durch gleichfalls in einem Falle die Figur unveraͤndert bleiben, nemlich wenn ein aͤhn - liches Theil in die Stelle eines aͤhnlichen geſetzet, das iſt, zweyer aͤhnlicher Theile Stelle mit einander verwechſelt wird (§. 18. Met.): hingegen in allen uͤbrigen Faͤllen kommet eine andere Figur heraus (§. 54. Met.)49und der Natur der Coͤrper. Met.). Da in der Natur zwey aͤhnliche Theile nicht ſeyn koͤnnen (§. 587. Met.); ſo iſt es wohl wahr, daß der erſte Fall der Verſetzung in der Natur nicht ſtat findet: allein da wir gleichwohl nicht allzeit auf eine voͤllige Aehnlichkeit ſehen, auch wegen der dunckelen Begriffe, die wir von einigen Dingen haben (§. 199 Met.), unterſchie - dene Dinge fuͤr aͤhnlich anſehen koͤnnen; ſo findet er wenig dem Anſehen nach ſtat. Wenn man die Materie uͤberhaupt betrach - tet, in ſo weit noch kein Unterſcheid da - rinnen anzutreffen: ſo kan man auch einen Theil wegnehmen und einen andern wie - der davor hinſetzen. Der Theil, der hinzu - geſetzet wird, kommet entweder in die Stelle deſſen, der weggenommen ward, o - der in eine andere. Wenn ein aͤhnlicher Theil in die Stelle deſſen geſetzet wird, den man weggenommen, ſo geſchiehet dadurch keine Aenderung (§. 18. Met.), ſondern der Coͤrper bleibet wie vorhin. Hingegen wenn ein unterſchiedener Theil in die Stel - le deſſen geſetzet wird, den man weggenom - men, oder auch ein aͤhnlicher, oder unaͤhn - licher Theil in einen andern Ort angeſetzet wird und die Stelle, wo etwas weggenom - men worden, bleibet leer: ſo wird dadurch die Figur des Coͤrpers geaͤndert (§. 54. Met.). Wir doͤrffen nicht meinen, als wenn dieſe Gruͤnde ohne Nutzen waͤren. (Phyſick) DDenn50Cap. I. Von dem WeſenDenn in der Kunſt ſehen wir gemeiniglich die Materie, daraus ihre Wercke verferti - get werden, nicht anders an, als wenn in ihren Theilen kein innerlicher Unterſcheid waͤre und ſie bloß der Stelle nach von ein - ander ſich unterſcheiden lieſſen. Derowe - gen wenn wir von allen Veraͤnderungen, durch welche die Wercke der Kunſt hervor - gebracht, oder auch erhalten und geaͤndert werden, urtheilen ſollen; muͤſſen wir auf dieſe Gruͤnde acht haben: wie ein jeder leicht Exempel auf alle Faͤlle vor ſich fin - den wird, wenn er die Wercke der Kunſt durchgehet, auch nur diejenigen, die uns taͤglich vor Augen ſchweben. Allein auch in der Natur ereignen ſich ſolche Faͤlle, da wir den ferneren Unterſcheid in der Materie entweder nicht anſehen doͤrffen, oder auch nicht anſehen koͤnnen, weil das uͤbrige in einander faͤllet, daß wir keinen fer - neren Unterſcheid bemercken koͤnnen. Und alsdenn haben wir gleichfalls auf die bis - her erklaͤreten Gruͤnde zu ſehen.
Wenn wir die Materie der Coͤr - per nicht mehr uͤberhaupt betrachten und auf etwas mehreres ſehen, als daß ſie einen Raum erfuͤllet; ſo muͤſſen wir in den Thei - len verſchiedene Arten der Materie mit ein - ander vermiſchet annehmen, und alsdenn ereignen ſich noch andere Veraͤnderungen als vorhin (§. 26) erklaͤret worden. Nemlich alsdenn koͤnnen die Materien von verſchie -dener51und der Natur der Coͤrper. dener Art, die mit einander vermiſchet ſind, von einander geſchieden, und einige davon, wenn ſie geſchieden ſind, von den uͤbrigen abgeſondert, auch neue entweder von eben der Art, oder von verſchiedener wieder da - zu kommen und mit ihnen vermenget wer - den. Wenn einige davon geſchieden und abgeſondert werden, keine aber wieder in de - ren Stelle kommet; ſo wird dadurch die Art der Materie geaͤndert, maſſen dieſelbe von dem Unterſcheide der Materien, die mit einander vermenget werden, und von der Proportion, in welcher ſie mit einander vermenget werden, ihren Urſprung nimmet. Gleichergeſtalt wird aus eben der Urſache die Art der Materie geaͤndert, wenn an die Stelle derjenigen, die abgeſondert worden, eine andere von verſchiedener Art, oder auch eine von eben der Art, aber in verſchiedener Proportion dazu kommet. Hingegen bleibet die Art der Materie ungeaͤndert, wenn an die Stelle derjenigen, die abge - ſondert worden, eben wieder dergleichen und in eben der Proportion hinzukommet. Da alle Materien der Coͤrper, die wir ken - nen, aus Vermiſchung verſchiedener ande - rer entſtehen; ſo hat man auf dieſe Gruͤnde in Erklaͤrung der Veraͤnderungen, die ſich in einem Coͤrper ereignen, hauptſaͤchlich zu ſehen. Wir finden ſie aber auch in der Kunſt nuͤtzlich, wie einem jeden, der dar -D 2auff52Cap. I. Von dem Weſenauf acht hat, nicht ſchweer ſeyn wird Exem - pel zu finden.
Wenn veraͤnderliche Materie in die Zwiſchen - Raͤumlein der beſtaͤndigen und des Coͤrpers hinein dringet; ſo kan ſie entweder andere herausjagen, die vorher darinnen iſt, oder die andere kan zugleich neben ihr darinnen verbleiben. Wenn nicht mehr vertrieben wird als hinein kom - met, ſo wird dadurch die Groͤſſe des Coͤr - pers nicht geaͤndert: unterdeſſen da die veraͤnderliche Materie von der vorigen un - terſchieden iſt, kan dadurch der Coͤrper einen andern Zuſtand erhalten, als er vorher hat - te. Wenn entweder mehr veraͤnderliche Materie in die Zwiſchen-Raͤumlein der be - ſtaͤndigen und des Coͤrpers hinein dringet, als heraus getrieben wird, oder auch die vo - rige darinnen verbleibet und uͤber dieſes neue hinzu kommet; ſo wird dadurch der Coͤrper groͤſſer. Jſt die veraͤnderliche Ma - terie, ſo dazu kommet, unterſchieden von der vorigen; ſo kan der Coͤrper einen neuen Zuſtand erhalten, als er vorher hatte: iſt ſie aber einerley, ſo wird nur der Grad der Eigenſchafften veraͤndert, wenn mehr hin - eindringet, als vorher darinnen war.
Mit der fremden Materie hat es faſt eben dieſes zu ſagen. Unterdeſſen hat man hier noch ferner zuerwegen, daß da die fremde Materie durch den Coͤrper ſichfrey53und der Natur der Coͤrper. frey durch bewegen kan, dieſelbe nicht al -den Ma - terie. lein ſowohl von der beſtaͤndigen, als ſon - derlich der veraͤnderlichen Materie einige Theile in Bewegung bringen kan. Da nun alle Veraͤnderungen durch die Bewe - gung geſchehen (§. 615 Met.); ſo koͤnnen auch Veraͤnderungen in der fremden Ma - terie Veraͤnderungen in dem Coͤrper her - vor bringen.
Und weil der Unterſcheid derWie weit veraͤnder - liche und fremde Materi - en fuͤr ei - nerley zu halten. veraͤnderlichen und fremden Materie bloß darinnen geſuchet wird, daß jene die Schweere des Coͤrpers vermehret und in Bewegung des gantzen Coͤrpers ſeine Krafft zu ſtoſſen vergroͤſſert (§. 13); ſo kan man nicht allein in denen Faͤllen, wo die veraͤn - derliche Materie den Coͤrper nicht innerlich ſchweer machet, ſondern auch jederzeit in Anſehung des Zuſtandes des Coͤrpers die veraͤnderliche Materie und die fremde fuͤr ei - nes halten.
Wir haben vorhin erinnert (§. Ob man von dem was in der Kunſt vorgehet auf die Natur ſchluͤſſen kan.25. 26. 27. ), daß die von dem Unterſcheide der Coͤrper und ihren moͤglichen Veraͤnde - rungen vorgetragene Gruͤnde ſich ſowohl durch Exempel der Kunſt, als der Natur erlaͤutern lieſſen: derowegen werffen wir nicht unbillich die Frage auf, wie weit man von demjenigen, was in der Kunſt vorge - het, auf das ſchluͤſſen kan, was ſich in der Natur ereignet. Damit wir dieſelbenD 3gruͤnd -54Cap. I. Von dem Weſengruͤndlich beantworten; ſo iſt fuͤr allen Dingen zu mercken, daß wir in der Kunſt zu allen Wercken, die durch ſie zum Vor - ſcheine kommen, keine andere Materien gebrauchen, als die mit unter die Arten der natuͤrlichen Coͤrper gehoͤren. Nun kan mit ihnen in der Kunſt keine Veraͤn - derung ſich ereignen, es muß auch zugleich in ihnen ein Grund anzutreffen ſeyn, warum dergleichen Veranderung mit ihnen ſich zu - tragen kan (§. 30 Met.). Derowegen er - kennet man, daß die natuͤrlichen Coͤrper, die als eigenthuͤmliche Materien zu den Wer - cken der Kunſt gebraucht werden, geſchickt ſind eine dergleichen Art der Veraͤnderung in ſich ergehen zu laſſen und aus was fuͤr ei - nem Grunde ſïe dazu aufgeleget ſind. Und eben dieſer Grund zeiget, wie allgemein man den Satz machen ſoll, wenn man ihn als einen Grund in Erklaͤrung der Natur machen will. Z. E. Jch ſehe, daß ein Ti - ſcher, wenn er das Blat zu einem Tiſche machen will, von Bretern Stuͤcke loß ſaͤ - get und ſie glatt behobelt, bis ſie genau in ei - ner ebene neben einander paſſen. Hier ent - ſtehet in dem Holtze eine Figur, die vorher nicht darinnen war, in dem Theile von ein - ander abgeſondert, einige davon genommen und die uͤbrigen auf eine andere Art neben einander geſtellet und zuſammen gefuͤget werden, als ſie vorher bey einander waren. Fraget man nun, warum ſolches angehet,ſo55und der Natur der Coͤrper. ſo hat man den Grund davon nicht in den Weſen und der Natur des Holtzes, ſondern bloß darinnen zu ſuchen, daß das Holtz ſich nach Gefallen zertheilen laͤſſet und ſolcher - geſtalt Theile hat, deren einer ohne dem andern ſeyn kan, und daß ſich dieſe Theile aus einem Orte in den andern bewegen laſſen. Derowegen lernet man hieraus insgemein, daß, wenn ein Coͤrper Theile hat, deren einer ohne den andern ſeyn kan, und ein jeder, nachdem er abgeſondert worden, ſich aus einem Orte in den andern bewegen laͤſſet, man durch Abſonderung, Wegnehmung und Verſetzung der Theile in das gantze eine andere Figur bringen koͤnne, als vorher darinnen war. Ja da man uͤberhaupt weiß, daß alle Theile ſich aus einem Orte in den andern bewegen laſ - ſen; ſo hat man dieſe Bedingung nicht ein - mahl noͤthig in den allgemeinen Satz zu bringen, ſondern ſie verſtehet ſich von ſich ſelbſt. Wenn man nun ferner darauf acht hat, wie die Veraͤnderung in der Kunſt ge - ſchiehet, indem aus einer eigenthuͤmlichen Materie ein Werck hervorgebracht wird; ſo lernet man dadurch die zu einer gewiſſen Art der Veraͤnderung noͤthige Bewegun - gen (denn alle Veraͤnderungen in coͤrperli - chen Dingen geſchehen (§. 615 Met.) durch die Bewegung) erkennen. Da nun der - gleichen Bewegungen ſowohl in der Natur als in der Kunſt noͤthig ſind, wenn derD 4er -56Cap. I. Vondem Weſengleichen Veraͤnderung ſich ereignen ſoll: ſo erſiehet man auch daraus, was fuͤr Wuͤr - ckungen in der Natur erfordert wuͤrden, wenn ſie eine dergleichen Art der Veraͤn - derung hervorbringen ſollte, als in der Kunſt geſchiehet. Als in unſerem Exempel wird durch die Saͤge der Zuſammenhang der Theile nach der Breite oder Dicke des Holtzes, durch den Hobel nach der Laͤnge deſ - ſelben gehoben. Man erkennet demnach hieraus uͤberhaupt, daß, wenn Theile von einander ſollen abgeſondert werden, ihre Verknuͤpffung mit einander muͤſſe aufgeho - ben werden und man dannenhero in ſich er - eignenden beſonderen Faͤllen darauf zu ſehen habe, wie es moͤglich ſey die Verknuͤpffung der Theile zu heben. Jn der Kunſt treffen wir jederzeit die Urſachen an, wodurch die Theile, welche mit einander verknuͤpfft ſind, getrennet werden, als in unſerem Exempel geſchiehet es durch das Saͤgen und das Hobeln: allein wenn man in die Natur kommet, muß man keine der Kunſt aͤhnliche Wuͤrckungen zugeben, bis man entweder dieſelben zeigen, oder aus der Gegenwart den kuͤnſtlichen aͤhnlicher Dinge oder auch Wuͤrckungen ſchluͤſſen kan, daß dergleichen Urſachen ſich in der Natur befinden muͤſſen, ob wir ſie gleich mit unſeren Sinnen nicht erreichen koͤnnen, auch oͤffters nicht wiſſen, ob ſie einerley ſind mit andern Dingen, die wir vorhin durch andere Wuͤrckungen ha -ben57und der Natur der Coͤrper. ben erkennen lernen. Wer dieſes alles in acht nimmet, der wird niemahls zu fruͤhzei - tig von der Kunſt auf die Natur ſchluͤſſen und aus Betrachtung der Kunſt viel gutes lernen koͤnnen, was er in Erklaͤrung der Na - tur gebrauchen kan.
Da man geſehen, daß die eigen -Ob ein - fache Materi - en in der Natur vorhan - den. thuͤmliche Materien der Coͤrper, die in un - ſere Sinnen fallen und mit denen wir zu thun haben, ſich in andere nicht allein durch die Chymie aufloͤſen laſſen, ſondern auch ſelbſt von der Natur aufgeloͤſet werden, durch deren Vermiſchung ſie entſtanden; ſo iſt man auf die Gedancken gerathen, ob nicht einige Materien vorhanden ſind, durch deren Vermiſchung alle uͤbrigen heraus kommen, die ſich aber ſelbſt nicht weiter in andere aufloͤſen laſſen. Und dieſe hat man einfache Materien, oder Elemente ge - nennet, auch ſich eingebildet, als wenn in dieſen Materien Theile angetroffen wuͤrden, die nicht weiter als dem Orte nach von ein - ander unterſchieden ſind. Nun iſt zwar das letztere nicht ungereimet (§. 587 Met.): allein deswegen kan doch nicht ſo gleich das erſtere ſchlechterdinges verworffen werden, denn es koͤnten deſſen ungeachtet doch ge - wiſſe Materien in einer determinirten Anzahl in der Natur anzutreffen ſeyn, durch deren Vermiſchung alle die uͤbrigen heraus kaͤmen, die in unſere Sinnen fallen. Ge -D 5ſetzt58Cap. I. Von dem Weſenſetzt aber, daß dergleichen Materien vorhan - den ſind, ſo iſt doch gewiß, daß dieſelben noch immer in andere einfachere ſich aufloͤ - ſen laſſen. Denn da die Materie in unend - lich kleine Theile wuͤrcklich getheilet iſt (§. 684 Met.) und die ſubtileſten Staͤublein, die wir ſowohl mit bloſſen Augen ſehen, als durch die Vergroͤſſerungs-Glaͤſer entdecken koͤnnen, noch immer gar ſehr zuſammen ge - ſetzet ſind (§. 3); uͤber dieſes nicht allein vielerley ſubtile Materien in der Natur an - getroffen werden, welche von denen unter - ſchieden ſind, ſo uns in die Augen fallen, als Lufft (§. 145 T. II. Exper.). die Materie des Lichtes, (§. 159. T. II. Experim. ), die Materie der Waͤrme (§. 104. T. II. Ex - per. ) oder das elementariſche Feuer (§. 134 T. II. Exper.) die ſchweermachende Mate - rie (§. 12. T. II. Exper.), die magnetiſche Materie (§. 39. T. III. Exper.), die von den vorigen unterſchieden iſt (§. 44. 45. 47. T. III. Exper.); ſondern auch dergleichen Materien gantz gewiß vorhanden ſeyn, die wir zur Zeit noch nicht erkennen (§. 82. T. III. Exper.): ſo verlieret es alle Wahr - ſcheinlichkeit, daß wir entweder mit unſeren Sinnen, oder auch mit unſerer Vernunfft ſolche Materien erreichen wollen, die ſich nicht anders als in Theile von ihrer Art aufloͤſen laſſen. Und daher iſt es auch ein groſſes Verſehen, wenn man vermeinet, derUn -59und der Natur der Coͤrper. Unterſcheid ſolcher Materien, die uns in die Sinnen fallen, lieſſe ſich durch die bloſſe Fi - gur und Groͤſſe der Theile beſtimmen. Denn ſo lange die ſubtileſten Theile der ei - genthuͤmlichen Materie noch aus anderen einfacheren, die in gewiſſer Proportion mit einander vermiſchet ſind, beſtehen; muß man den Unterſcheid der Materien durch die einfacheren, die mit einander vermiſchet ſind, und durch die Proportion, in welcher ſie mit einander vermiſchet ſind, beſtimmen, und iſt noch lange nicht Zeit, daß man auf die Figur und Groͤſſe der Theile kommet. Nemlich man kan nicht eher auf die mecha - niſchen Urſachen dencken, biß man vorher mit den phyſicaliſchen zur Nichtigkeit kom - men (§. 114. T. II. Exper.). Da nun zur Zeit gar wenig Hoffnung zu ſeyn ſcheinet, daß wir dieſe zwar nicht gantz einfachen, je - doch einfachere Materien entdecken, durch deren Vermiſchung diejenigen heraus kom - men, daraus die Coͤrper beſtehen, welche uns in die Sinnen fallen: ſo halten wir es auch fuͤr eine vergebliche Arbeit ſich damit zu bemuͤhen, und iſt uns genung, wenn wir in Erklaͤrung der natuͤrlichen Begebenhei - ten keine Materie annehmen, als deren Gegenwart wir hinlaͤnglich erweiſen koͤn - nen. So gehen wir ſicher und ſind gewis, daß wir nichts erdichten und der Wahr - heit verfehlen.
§. 33.60Cap. I. Von dem WeſenEs iſt jedermann bekandt, daß man eine lange Zeit mit Ariſtotele geglau - bet, es waͤren vier einfache oder elementari - ſche Materien, durch deren Vermiſchung die uͤbrigen heraus kaͤmen, nemlich Feuer, Lufft, Waſſer und Erde. Nachdem man in der Chymie gefunden, daß aus den Ma - terien der Coͤrper, die in unſere Sinnen fallen, Saltze, Schwefel oder verbrennlich - te Materie und Mercurius oder eine fluͤch - tige Materie ſich durch die Chymie heraus bringen laſſe; ſo hat man drey elementari - ſche Materien aus Saltze, Schwefel und Mercurius machen wollen. Wie man a - ber aus dem vorhergehenden (§ 32) zur Gnuͤge erſehen kan, daß man ſich in dieſem Stuͤcke beyderſeits uͤbereilet, ſo wollen wir auch nicht beſondere Gruͤnde anfuͤhren, die ſich dargegen vorbringen laſſen, und zwar um ſo viel weniger, weil wir nicht gewohnet ſind fremde Meinungen zu unterſuchen, ſondern uns vergnuͤgen, daß wir dasjenige, was wir behaupten gruͤndlich ausfuͤhren und mit einander verknuͤpffen. Carteſius ſetzet gleichfalls drey elementariſche Mate - rien, die ſubtileſte Materie oder das ele - mentariſche Feuer, die Himmels Lufft und die irrdiſche Materie, deren jene er das er - ſte, dieſe das andere und dritte Element nennet. Er hat mehr Grund gehabt, als die andern. Denn er hat nicht mehr ele -menta -61und der Natur der Coͤrper. mentariſche Materien annehmen wollen, als zu Erklaͤrung der Natur noͤthig iſt. Nun finden wir zweyerley Arten der Coͤr - per, leuchtende und dunckele. Derowegen hat er zweyerley elementariſche Materien angenommen, eine fuͤr die leuchtende, wel - che das elementariſche Feuer iſt, und die an - dere fuͤr die dunckelen Coͤrper, welche die irrdiſche Materie iſt. Uberdieſes iſt auch eine Materie noͤthig geweſen, welche den Raum zwiſchen den groſſen Welt-Coͤr - pern erfuͤllet, und dadurch das Licht ausge - breitet wird, welches von den leuchtenden Coͤrpern zu den dunckelen kommet und von dieſer einem wieder zu den andern zuruͤcke ge - worffẽ wird. Und dieſe iſt eben diejenige, wel - che die Himmels-Lufft heiſſet. Ob nun zwar dieſe drey Arten der Materien in der Na - tur wuͤrcklich angetroffen werden; ſo er - hellet doch aus dem vorhergehenden (§. 32), daß mehr als dieſe drey darinnen vorhan - den auch zu Erklaͤrung der natuͤrlichen Be - gebenheiten gebraucht werden. Z. E. Carteſius haͤlt die Materie des Lichtes mit der ſchweermachenden Materie fuͤr einerley, nemlich beyde fuͤr die Himmels-Lufft: al - lein er thut es bloß deswegen, weil er nicht mehr als drey Elemente hat, folgends aus Zwang ſeiner einmahl angenommenen Gruͤnde. Was dringet uns aber fuͤr Noth, daß wir die Anzahl der Materien, durch deren Vermiſchung andere entſtehen,deter -62Cap. I. Von dem Weſendeterminiren? Wir haben geſehen, daß es viel beſſer gehet, wenn wir ſolches noch zur Zeit unterlaſſen (§. 32.). Wird man in Erkaͤntnis der Natur weiter gehen, und in den Stand kommen, da man mit meh - rerer Zuverlaͤßigkeit den Unterſcheid der Materien determiniren kan, die man zu Erklaͤrung nicht der gantzen Natur, ſon - dern nur ihrer ſichtbahren Wuͤrckungen vonnoͤthen hat: ſo iſt es Zeit genung dar - an zugedencken. Weil wir nun alle Ele - menten-Sorge noch zur Zeit fuͤr unnuͤtze halten, als die noch viel zu fruͤhzeitig iſt; ſo waͤre es auch eine vergebene Sache, wenn wir uns mit Wiederlegung ungegruͤndeter Meinungen aufhalten wollten. Es iſt ge - nung, daß wir verſichert ſind alle Meinun - gen, die man zur Zeit aufbringen kan, muͤſſen ungegruͤndet ſeyn.
Die Figuren entſtehen in der Materie durch die unterſchiedenen Bewe - gungen (§. 8) und alle Aenderungen in der Natur werden gleichfals durch die Bewe - gungen bewerckſtelliget (§. 615. Met.). Nun kan kein Coͤrper durch ſeine Bewe - gung etwas in dem andern aͤndern, als wenn er an ihm ſtoͤſſet (§. 664. Met.), fol - gends ihn beruͤhret. Derowegen depen - diret ein jeder Coͤrper in der Welt von an - dern, die um ihn ſind und ihn beruͤhren. Solchergeſtalt iſt immer ein Coͤrper umdes63und der Natur der Coͤrper. des andern willen. Da nun aber alles, was aus dem Weſen und der Natur eines Dinges erfolget, Goͤttliche Abſichten ſind (§. 1028. Met.), die er dadurch als das Mittel zuerreichen trachtet, da er es wuͤrck - lich werden laͤſſet (§. 1032. Met.); ſo be - kommet man die Abſichten der Dinge, in - dem man verſtehet, wie eines um des an - dern Willen iſt. Da es nun angehet, daß wir theils durch die Erfahrung, theils auch durch die Vernunfft heraus bringen koͤn - nen, wie eines um des andern Willen iſt und was ein Ding in der Natur von dem andern hat, wie es ſich im Fortgange zeigen wird, auch zum Theil aus der taͤglichen Erfahrung erhellet; ſo ſind wir allerdin - ges in dem Stande GOttes Abſichten in der Natur zuerkennen, und gehoͤren dieſel - ben keinesweges unter die Geheimniſſe, welche GOtt vor ſich hat behalten wollen, wie Carteſius(a)Princ. Phil. part. I. §. 28 vorgegeben. Allein da niemand die Natur ergruͤnden kan, ſo wer - den wir auch niemahls die goͤttlichen Ab - ſichten, derer die Natur voll iſt (§. 127 Met.) voͤllig erreichen.
DJe beſtaͤndige Materie eines Coͤr - pers iſt diejenige, daraus ſeine Theile beſtehen (§. 17) und in de - nen Coͤrpern, damit wir zu thun haben, beſtehet ſie aus verſchiedenen an - dern einfacheren Materien, die mit einan - der vermiſchet worden (§. 32.). Derowe - gen wenn wir mit ihr zuthun haben, ſo koͤn - nen wir entweder auf die einfacheren Ma - terien acht haben, die mit einander vermi - ſchet werden, oder auf die Theile, die durch deren Vermiſchung heraus kommen. Ma - terien, die durch Vermiſchung mit einan - der ſollen vereiniget werden, muͤſſen vorher getheilet werden und in dieſen Theilen kan man nichts weiter als ihre Figur und Groͤſ - ſe unterſcheiden (§. 72. Met.), wenn man nicht auf ihre fernere Vermiſchung aus an - deren noch einfacheren Materien acht hat: welches nicht geſchiehet, noch geſchehen darf, wo man mit einem Coͤrper von ge - wiſſer Art zu thun hat (§. 67. Met.). Unddem -65Unterſch. wegen der beſtaͤnd. Mat. demnach kommet hier alles darauf an, wie Theile von gewiſſer Figur und Groͤſſe ſich zuſammen ſetzen laſſen und wie nach der verſchiedenen Art der Zuſammenſetzung die Materien unterſchieden. Wenn nun durch Zuſammenſetzung der Theile, die durch Vermiſchung anderer entſtehen, groͤſſere Theile heraus kommen; ſo muͤſ - ſen auch dieſe wiederum ihre Figuren und Groͤſſe haben, und man kan abermahls bey ihnen auf weiter nichts ſehen, als wie ſie mit einander zuſammen geſetzet ſind, und was daher fuͤr ein Unterſcheid in die groſſen Theile des Coͤrpers und den gantzen Coͤrper kommet. Und in dieſer Betrachtung kan man von den kleineſten Theilen bis zu den groͤſten, die ſich in einem Coͤrper unter - ſcheiden laſſen, herauf ſteigen, oder auch von den groͤſten bis auf den kleineſten zuruͤcke herunter ſteigen. Wiewohl da die Natur die Materien in unbegreiflich kleine Theile aufzuloͤſen pfleget, ehe ſie ſie zuſammen ſe - tzet (§. 3); ſo werden wir auch gar ſelten biß auf die kleineſten Theile kommen koͤn - nen. Denn ich nenne hier die kleineſten Theile eines Coͤrpers diejenigen, die man nicht weiter theilen kan, woferne noch alle einfachere Materien, durch deren Vermi - ſchung die Materie beſtehet, in den Theilen angetroffen werden ſoll. Z. E. das Pulver beſtehet aus Kohlen, Schwefel und Salpe -(Phyſick) Eter66Cap. II. Von dem Unterſcheideter, welche drey Materien mit einand er wohl vermiſchet werden (§. 29 Artiller.). Es ſind denmach die kleineſten Theile des Pulvers, die ſich nicht weiter theilen laſſen, woferne noch Kohlen-Schwefel - und Sal - peter-Staͤublein mit einander vermiſchet bleiben ſollen. Wollte man einen ſolchen Theil noch weiter theilen, ſo bliebe entweder bloß Kohle und Schwefel, oder Kohle und Salpeter, oder auch Schwefel und Salpe - ter bey einander, oder es wuͤrden durch die Theilung alle drey Materien von einander geſchieden, folgends bliebe kein Pulver mehr uͤbrig.
Wenn man verſchiedene Theile zuſammen ſetzet, ſo koͤnnen entweder die Flaͤchen, daran ſie einander beruͤhren, auf einander paſſen, oder nicht. Wenn die Flaͤchen alle auf einander paſſen, ſo bleiben zwiſchen ihnen keine leere Raͤumlein, ſon - dern der Raum, den das zuſammengeſetzte einnimmet, wird gantz von ſeinen Theilen erfuͤllet: hingegen wenn nicht alle Flaͤchen auf einander paſſen, ſondern die Theile, wel - che zuſammengeſetzet worden, nur in einigen Theilen ihrer Flaͤchen einander beruͤhren; ſo entſtehen dadurch zwiſchen ihnen Raͤum - lein, welche von derjenigen Materie leer ſind, daraus die Theile beſtehen. Man ſiehet leicht, daß dieſes von allen Theilen angehet, ſie moͤgen viel oder wenig zuſam -men -67wegen der beſtaͤndigen Materie. mengeſetzet ſeyn. Unterdeſſen hat man ei - nen Unterſcheid zu machen unter den Zwi - ſchen-Raͤumlein in den kleinoſten Theilen und unter denen in den groͤſſeren Theilen. Denn die in den kleineſten Theilen gehoͤren eigentlich zu der beſtaͤndigen eigenthuͤmli - chen Materie: hingegen die in den groͤſſe - ren hat man zu dem Coͤrper zu rechnen. Man darf ſich auch nicht einbilden, als wenn es nichts zu ſagen haͤtte, ob man die Zwiſchen-Raͤumlein zu dem Coͤrper, oder zu ſeiner eigenthuͤmlichen, zumahl beſtaͤndi - gen Materie, rechnet: denn wir werden bald ſehen, daß ein Coͤrper deswegen unter - ſchiedene Eigenſchafften von ſeiner eigen - thuͤmlichen beſtaͤndigen Materie haben kan, und wir haben ſchon ein Exempel an dem Holtze gehabt, welches von leichterer Art iſt als das Waſſer, da ſeine eigenthuͤmliche Materie zu einer ſchweereren Art gehoͤret (§. 161. T. I. Exper.).
Wenn ſowohl in den kleineſtenWoher die Dich - tigkeit der Coͤr - per kom - met. Theilen, als auch in denen, woraus ſie zu - ſammen geſetzet ſind (§. 23), wie nicht weni - ger in den groͤſſeren und endlich in dem gan - tzen Coͤrpern gar keine Zwiſchen-Raͤumlein waͤren; ſondern alle Theile giengen in ei - nem fort; ſo waͤre der Coͤrper vollkom - men dichte. Je mehr aber die Zwiſchen - Raͤumlein entweder an der Zahl, oder an der Groͤſſe zunehmen, je mehr nimmet dieE 2Dich -68Cap. II. Von dem UnterſcheideDichtigkeit ab. Und ſolcher geſtalt iſt ein Coͤrper dichter als der andere, nach dem vie - le oder wenige Zwiſchen-Raͤumlein in ſei - ner beſtaͤndigen Materie und in ihm zu fin - den ſind. Wenn wenige Zwiſchen-Raͤum - lein in den kleineſten Theilen, mehrere aber, oder auch groͤſſere zwiſchen ihnen und den groͤſſeren anzutreffen ſind; ſo iſt die beſtaͤn - dige Materie dichte, der Coͤrper hingegen iſt nicht ſo dichte: wenn in jenen viele und in dieſen viele, oder auch groſſe Zwiſchen - Raumlein vorhanden ſind; ſo iſt der Coͤr - per um ſoviel weniger dichte. Hingegen wenn in jenen viele Zwiſchen-Raͤumlein, in dieſen wenige und kleine zu finden, ſo iſt zwar der Coͤrper an ſich dichte, aber die ei - genthuͤmliche beſtaͤndige Materie iſt nicht ſo dichte, und daher iſt auch der gantze Coͤr - per uͤberhaupt betrachtet nicht dichte.
Die kleineſten Theile der na - tuͤrlichen Coͤrper laſſen ſich auch nicht durch das Vergroͤſſerungs-Glaß entdecken (§. 3.) und noch weniger die Zwiſchen-Raͤumlein, die in ihnen anzutreffen, wie auch zur Gnuͤ - ge diejenigen erfahren, welche allerhand Materien, die ſie nur immer mehr in der Natur antreffen, durch die beſten Vergroͤſ - ſerungs Glaͤſer betrachten. Und was ich davon (§. 82 & ſeq. T. III. Exper.) an - gefuͤhret, kan gleichfalls zur Erklaͤrung die - nen. Wenn demnach der Coͤrper nichtdich -69wegen der beſtaͤndigen Materie. dichte iſt, weil viele Zwiſchen-Raͤumlein in den kleineſten Theilen anzutreffen: ſo kan man nicht ſehen, daß er nicht dichte iſt. Und daher iſt er dem Anſehen nach ſo dich - te, als ein anderer, man mag ihn mit bloſſen Augen, oder durch Vergroͤſſerungs-Glaͤſer betrachten. Und dieſes iſt die Urfache, wa - rum ſich meiſtentheils die Dichtigkeit der natuͤrlichen Coͤrper von den Augen nicht un - terſcheiden laͤſſet.
Wenn ein Coͤrper wenige Zwi -Warumb dichtere Coͤrper ſchwerer ſind als andere. ſchen-Raͤumlein hat in ſeiner eigenthuͤmli - chen Materie, ſo iſt auch mehr eigenthuͤm - liche Materie in dem Raume vorhanden, den er erfuͤllet, als wenn er mehr Zwiſchen - Raͤumlein hat. Da nun die eigenthuͤmli - che Materie mit dem Coͤrper wieget (§. 656. Met.); ſo wieget auch derſelbe mehr, der wenige Zwiſchen-Raͤumlein hat, als ein anderer der mehrere oder groͤſſere hat, ob ſie gleich beyde von gleicher Groͤſſe ſind. Und demnach kan man erkennen, ob ein Coͤrper dichter iſt als der andere, ja wieviel er dich - ter iſt als der andere, wenn man Stuͤcke von gleicher Groͤſſe gegen einander abwie - get. Wir haben auch ſchon an einem an - dern Orte gezeiget, wie man ſo wohl von fluͤßigen (§. 184 T. I. Exper.), als feſten Coͤrpern (§. 189 T. I. Exper. ) unterſuchen kan, wie viel einer dichter iſt als der an - dere.
E 3§. 4070Cap. II. Von dem UnterſcheideUnter allen coͤrperlichen Dingen, die wir kennen, finden wir nichts dichteres als das Gold (§. 188. T. I. Exper.). Da nun aber dieſes gleichwohl in ſeinen kleinen Theilen Zwiſchen-Raͤumlein hat (§. 72 T. III. Exper.); ſo iſt es nicht vollkommen dichte (§. 37), folgends treffen wir auf dem Erdboden unter denen Materien, welche in die Sinnen fallen, keine an, die vollkom - men dichte waͤre. Es iſt nun aber die Fra - ge, ob nicht eine Materie moͤglich ſey, die vollkommen dichte iſt. Wenn eine Ma - terie vollkommen dichte iſt, ſo gehen ihre Theile in einem fort und ſind dannenhero bloß dem Orte nach von einander unter - ſchieden (§. 37). Derowegen ſind ſie ein - ander aͤhnlich (§. 18. Met.). Da es nun aber gleichwohl unmoͤglich iſt, daß auch die allerkleineſten Theile, man mag ſie ſo kleine annehmen, als man immer will, einander aͤhnlich ſind (§. 187 Met.); ſo gehet es auch nicht an, daß eine Materie vollkommen dichte. Es laͤſſet ſich dieſes auch noch auf eine andere Weiſe erweiſen. Wenn ein Coͤrper vollkommen dichte iſt; ſo kan kein Theil dem andern weichen und daher laͤſſet er ſich nicht zuſammen drucken, indem ein anderer an ihn ſtoͤſſet. Nun kan aber kein Coͤrper den andern bewegen, als wenn im Anſtoſſen ſeine Theile, welche einander be - ruͤhren, zuſammen gedruckt werden (§. 665Met.).71wegen der beſtaͤndigen Materie. Met.). Derowegen koͤnte ein vollkom - men dichter Coͤrper weder einem andern Be - wegung mittheilen, noch beweget werden. Es iſt aber alle Materie in ſteter Bewegung und erhalten ſelbſt die allerkleineſten Theile ihre Figur durch die Bewegung anderer Materie, die ſie beruͤhret (§. 8.) und dem - nach iſt es nicht moͤglich, daß ein Coͤrper, ſo klein als er auch angenommen wird, voll - kommen dichte ſeyn kan.
Da wir die Dichtigkeit einesEs wird einem Zweiffel begegnet. Coͤrpers aus ſeiner Schweere und Groͤſſe zuſammen genommen ermeſſen, dergeſtalt daß z. E. ein Coͤrper zweymahl ſo dichte ge - halten wird, wenn er mit einem andern ei - nerley Groͤſſe hat, aber zwey mahl ſo ſchweer iſt: ſo doͤrffte es das Anſehen gewinnen, als wenn man entweder zugeben muͤſte, daß alle Materie ſchweer ſey, welches auch vor die - ſem einige Weltweiſen behauptet(a)vid. Lucret. de rerum natura lib. 2. p. m. 174. und heute zu Tage viele von den Engellaͤndern an - nehmen; oder aber daß in Materien, die nicht ſchweer waͤren, auch keine Dichkeit an - getroffen werde. Weil die Dichtigkeit von der Lage der Theile hauptſaͤchlich her - kommet (§ 37); ſo begreifft ein jeder leicht, daß auch eine Materie, die keine Schweere hat, doch ihren abgemeſſenen Grad der Dichtigkeit haben muß, und es dannenhero ungereimet ſey, wenn man eine Materie zuE 4ge -72Cap. II. Von dem Unterſcheidegeben wollte, die gar keinen Grad der Dich - tigkeit haͤtte. Denn wenn man ſaget, eine Materie ſey eben nicht dichte, ſo ſpricht man ihr nur einen Grad der Dichtig - tigkeit ab, die eine andere hat, und iſt eben ſo viel als wenn man ſagete, ſie ſey nicht ſo dichte, als eine andere. Unterdeſſen haben wir doch auch ſchon vorhin erinnert (§. 7) und werden es an ſeinem Orte weiter aus - fuͤhren, daß nicht alle Materie ſchweer ſey. Es iſt demnach zu mercken, daß wir die Dichtigkeit der Coͤrper bloß in denen Faͤl - len durch die Schweere ermeſſen, wo ent - weder alle eigenthuͤmliche Materie ſchweer iſt und die fremde allein keine Schweere hat, oder, wo die eigenthuͤmliche Materie, der die Schweere fehlet, in Anſehung der an - dern, die ſchweer iſt, wenig oder gar nichts zubedeuten hat, dergeſtalt daß es in Anſe - hung des Fleiſſes, den wir im Abwiegen erweiſen koͤnnen, eben ſo viel iſt, als wenn ſie gar nichtda waͤre. Es gehen demnach dieje - nigen weiter als ſie ſollen, welche dieſes in Beurtheilung der Dichtigkeit der Materie durch die Schweere nicht beobachten. Die Groͤſſe der eigenthuͤmlichen Materie wird durch die Groͤſſe des Stoſſes beurtheilet, die ein Coͤrper in der Bewegung hat (§. 13) und darnach richtet ſich auch die Dichtig - keit derſelben. Bewegung aber findet auch ſtat, wo keine Schweere iſt. Denn die Bewegung durch die Schweere iſt bloß ei -ne73wegen der beſtaͤndigen Materie. ne Art der Bewegung: es giebet aber noch mehrere Arten, die ſowohl der Nichtung, als der Geſchwindigkeit nach von ihr un - terſchieden ſind. Wo man durch die Be - wegung die Groͤſſe der eigenthuͤmlichen Materie, folgends auch ihre Dichtigkeit, e - ben ſo heraus bringet, als durch die Schweere; da iſt eine bloſſe Anzeige, daß entweder alle eigenthuͤmliche Materie, oder der groͤſte Theil derſelben ſchweer iſt.
Wenn die eigenthuͤmliche Ma -Wenn Coͤrper ſchwam - loͤchericht ſind. terie dichte iſt, hingegen zwiſchen ihr hin und wieder ſichtbahre Raͤumlein angetrof - fen werden, die von derſelben leer ſind; ſo wird der Coͤrper ſchwamloͤchericht ge - nennet, eben deswegen weil der Schwam ein Exempel von dieſer Art abgiebet. Wir haben noch ein anderes Exempel an dem Bimſteine: welcher daher ſehr leichte iſt, unerachtet die eigenthuͤmliche beſtaͤndige Materie dichte genung befunden wird. Un - terweilen ſind dieſe hin und wieder zerſtreue - te Naͤumlein etwas kleine, daß ſie ſich nur durch Vergroͤſſerungs-Glaͤſer zeigen, als in der Rinde der Baͤume und in ihrem Marcke (§. 95. 96 T. III. Exper.), im Leder und andern dergleichen Materien. Und als denn nennet man die Materie ſchwam - micht. Da es keine gantz dichte Materie in der Natur giebet, ja keine geben kan (§. 40): ſo iſt wohl wahr, daß in einer jeden, ſie mag ſo dichte ſeyn wie ſie will, Zwiſchen -E 5Raͤum -74Cap. II. Von dem UnterſcheideRaͤumlein angetroffen werden, die von der eigenthuͤmlichen beſtaͤndigen Materie leer ſind. Allein da wir ſie auch durch Vergroͤſ - ſerungs. Glaͤſer nicht anſichtig werden, ſo bleibet es doch billich, daß wir unter Mate - rien einen Unterſchied machen, deren Zwi - ſchen-Raͤumlein in die Augen fallen, we - nigſtens wenn wir mit einem Vergroͤſſe - rungs-Glaſe verſehen, und unter andern, deren Zwiſchen-Raͤumlein wir auf keine Weiſe koͤnnen anſichtig werden, unerachtet wir erweiſen koͤnnen, daß ſie zugegen ſind.
Wenn demnach die kleinen Thei - le in der eigenthuͤmlichen Materie naͤher zu - ſammen gebracht werden, als ſie vorher wa - ren, ſo wird der Coͤrper dichter. Da nun dieſes geſchiehet, wenn ſich ein Coͤrper zu - ſammen drucken laͤſſet; ſo kan man ihn dichter machen, wenn man ſeine eigenthuͤm - liche Materie zuſammen drucket. Wir haben ein Exempel an dem Schwamme, welcher dichter wird, indem man ihn zu - ſammen drucket. Gleichergeſtalt wird das Leder dichter, indem man es zuſammen preſſet. Da die veraͤnderliche eigenthuͤm - liche Materie gleichfalls mit der uͤbrigen zu - ſammen hangen kan (§. 17); ſo kau auch ein Coͤrper dichter werden, wenn die Zwi - ſchen-Raͤumlein der beſtaͤndigen Materie mit einer veraͤnderlichen eigenthuͤmlichender -75wegen der beſtaͤndigen Materie. dergeſtalt erfuͤllet werden, daß ſie zugleich mit der beſtaͤndigen zuſammen hangen. E - ben dieſes gehet an, wenn in die Zwiſchen - Raͤumlein mehrere beſtaͤndige Materie ge - bracht wird. Und auf ſolche Art machet die Natur die Knochen der Thiere dichte.
Hingegen wenn die Theile derWie ein Coͤrper weniger Dichtig - keit be - haͤlt. beſtaͤndigen eigenthuͤmlichen Materie wei - ter aus einander gebracht werden, als ſie vorher waren, und dadurch entweder der Coͤrper mehrere, oder auch groͤſſere Zwi - ſchen-Raͤumlein erhaͤlt, als er vorher hatte, ſo wird dadurch derſelbe zu einem geringe - ren Grade der Dichtigkeit gebracht als er vorher hatte.
Wenn die Theile eines CoͤrpersWenn ein Coͤr - per harte iſt. dergeſtalt zuſammen hangen, daß man ſie nicht leicht von einander bringen kan, oder einige nicht leicht von den andern abweichen, weñ ſie gedruck et werden; ſo iſt derſelbe Coͤr - per harte. Da nun die kleinen Theile durch die Bewegung zuſammen hangen (§. 646. Met.); ſo kommet auch die Haͤrte der Coͤr - per endlich von der Bewegung her. Aus eben dieſem Grunde werden nicht allein von der Lufft (§. 105. 112. T. I.Exper. ), ſondern auch von andern fluͤßigen Materien (§. 129 T. III. Exper. Coͤrper zuſammen gedruckt, daß ſie an einander hangen, als waͤren ſie ein Stuͤcke, und nicht anders als durch einegroͤſſe -76Cap. II. Von dem Unterſcheidegroͤſſere Krafft, als diejenige iſt, wodurch ſie gegen einander beweget werden, ſich von einander bringen laſſen. Und in dieſem Falle kommet der Grad der Haͤrte nicht al - lein von der Krafft her, wodurch verſchiede - ne Theile gegen einander beweget werden, ſondern auch von der Groͤſſe der Flaͤche, da - ran ſie einander beruͤhren (§. 647. Met.). Es kan auch die Figur der Theile zu der Haͤrte etwas beytragen. Denn vermoͤge der Figur koͤnnen die Theile auf gar verſchiedene Art an einander befeſtiget werden, daß nicht einer leicht von den andern zu bringen iſt, wie uns die Erfahrung auch in der Kunſt im groſſen weiſet. Es hindert aber nichts, wa - rumb nicht in der Natur im kleinen angehen ſollte, was man in der Kunſt im groſſen ſie - het. Denn die Figur hat mit der Groͤſſe nichts zu thun und kan im kleinen eben der - gleichen Figur ſeyn, als man im groſſen fin - det. Was demnach von der bloſſen Figur herruͤhret, kan im kleinen ſo wohl, als im groſſen ſtat finden.
Weil die Haͤrte nicht allzeit einer - ley Urſache hat und abſonderlich ein gar groſſer Unterſcheid ſtat findet, wo die Figur das ihre mit dazu beytraͤget (§. 45); ſo iſt es auch kein Wunder, daß die harten Coͤrper nicht alle von einerley Art gefunden werden, und nicht allein im Grade der Haͤrte, ſon - dern auch noch ſonſt unterſchieden ſind. Denn77wegen der beſtaͤndigen Materie. Denn z. E. einige harte Coͤrper ſind ge - brechlich, als Glaß, toͤpfferne Gefaͤſſe ꝛc. andere koͤnnen einer groſſen Gewalt wieder - ſtehen, ehe ſie brechen. Etliche laſſen ſich ſchneiden, als Haltz; andere hingegen zer - reiben, als ein Sand-Stein, oder auch ein Ziegel. Wiederum einige laſſen ſich ſpalten; andere zerſaͤgen und ſo wei - ter.
Es wuͤrde zu weitlaͤufftig fallenWelche Coͤrper ſich ſpal - tetz laſſen. allen dieſen Unterſcheid zubemercken, und ſcheinet auch eben nicht noͤthig zu ſeyn. Deñ da dieſes beſondere Eigenſchafften der Coͤrper von beſonderer Art ſind; ſo kan man auch bequemer an andern Orten da - von handeln, wo wir durch ſie Gelegenheit dazu bekommen. Unterdeſſen will ich doch eines und dos andere hiervon zur Probe anfuͤhren. Man ſaget, daß ein Coͤrper geſpalten wird, wenn die Theile weiter von einander gehen, als das Jnſtrument, wo - mit man theilet, hinein dringet. Z. E. wenn man in ein Stuͤcke Holtz einen Keil ſchlaͤget; ſo gehen die beyden Theile wei - ter von einander, als der Keil hinein ge - trieben wird. Man ſiehet hier gar bald, daß die Theile eines Coͤrpers, der ſich ſpal - ten laͤſſet, mehr nach der Breite, als nach der Laͤnge zuſammen halten muͤſſen. Wir ſehen es auch an dem Holtze: denn dieſeslaͤſſet78Cap. II. Von dem Unterſcheidelaͤſſet ſich nach der Laͤnge, nicht aber nach der Seite ſpalten.
Gleichergeſtalt erkennet man, daß ſich ein Coͤrper leicht zerreiben laͤſſet, wenn die kleinen Theile vor ſich harte ſind, aber einander nur wenig beruͤhren und uͤberall um ſich herum Zwiſchen-Raͤumlein frey laſſen. Denn ſo laͤſſet ſich ein Theil leicht von den andern wegſtoſſen, theils weil die Flaͤche, davon es abzuſtoſſen, ſehr kleine iſt, theils weil gleich Raum vorhanden, wohin es abweichen kan. Ein Exempel haben wir an dem Zucker, der ſich um ſo viel leich - ter zerreiben laͤſſet, je weniger dichte er iſt.
Wenn die kleineſten Theile, die man mit bloſſen Augen unterſcheiden kan, kleine ſind; ſo iſt der Coͤrper zarte: hin - gegen wenn ſie groß ſind, ſo iſt er grob. Da nun die Vergroͤſſerungs-Glaͤſer die Sachen viel groͤſſer vorſtellen als ſie ſind (§. 83 T. III. Exper); ſo koͤnnen auch dadurch Ma - terien grob ausſehen, die bloſſen Augen gantz zarte vorkommen. Faden-Seide, die bloſſen Augen duͤnne ausſehen, ſind zarte: aber durch die Vergroͤſſerungs-Glaͤſer ſe - hen ſie dicke aus (§. 85 T. III. Exper.) und daher ſehen auch die Zeuge grob aus, wenn man ſie durch das Vergroͤſſerungsglaß be - trachtet, ſie moͤgen an ſich ſo zarte ſeyn, als ſie wollen.
Wenn an der Flaͤche des CoͤrpersWenn ein Coͤr - per rau - he und wenn er glatt iſt. hin und wieder kleine Theile erhaben ſind, welche uͤber die uͤbrigen hervorragen, auch hin und wieder zwiſchen ihnen kleine Ver - tieffungen angetroffen werden; ſo iſt der Coͤrper rauhe. Hingegen iſt er glatt. wenn keiner von den kleinen Theilen, die ſich mit bloſſen Augen unterſcheiden laſſen, uͤber den andern hervorraget. Es werden dem - nach rauhe Coͤrper glatt, wenn die erhabe - nen Theile ſich an ſeiner Flaͤche abſtoſſen, oder abreiben: hingegen wird ein glatter Coͤrper rauhe, wenn man hin und wieder einige kleine Theile zwiſchen anderen weg - bringen kan, daß dadurch zwiſchen ihnen Ver tieffungen entſtehen.
Wenn ein Coͤrper bald in Stuͤ -Wenn ein Coͤr - per zer - brechlich iſt. cken zerſpringet, indem darauf geſchlagen wird; ſo iſt er zerbrechlich. Dieſes kan auf verſchiedene Art geſchehen. Wenn die kleinen Theile harte ſind und einander wenig beruͤhren, als wie in Coͤrpern, die ſich leicht zerreiben laſſen (§. 48); ſo kan auch ein groſſes Stuͤcke leicht von dem an - dern abbrechen. Dergleichen Exempel geben die irrdenen Gefaͤſſe ab, die umb ſo viel gebrechlicher ſind, je mehrere Zwiſchen - Raͤumlein man in ihrer eigenthuͤmlichen Materie antrifft. Wo dieſelbe aber dich - ter erfunden wird, da nimmet auch die Zer - brechlichkeit ab. Es kan auch die eigen -thuͤm -80Cap. II. Von dem Unterſcheidethuͤmliche Materie ſich etwas, aber nicht viel beugen laſſen und bald ſpringen, wenn ſie nur ein wenig gebogen wird. Dieſe Beſchaffenheit hat es mit dem Glaſe. Und aus eben dieſer Urſache wird der Stahl ge - brechlich, wenn er ſtarck gehaͤrtet wird. Es dienet auch hier zur Erlaͤuterung, was von der Zerbrechlichkeit der Glaß Tropffen oder Springglaͤſer (§. 29. & ſeqq. T. III. Exp.) geſaget worden.
Wenn die Theile eines Coͤrpers nicht bald von einander ſpringen, indem darauf geſchlagen wird, oder auch uͤber - haupt von der Sache zu reden, wenn die Theile eines Coͤrpers ſchweer von einander abzuſondern ſind; ſo iſt der Coͤrper feſte. Feſte Coͤrper ſind ſehr harte und demnach kommet ihre Feſtigkeit eben daher, wovon die Haͤrte herkommet. Da wir nun ge - zeiget, was einen Eoͤrper ſehr harte machet (§. 45); ſo erſiehet man auch daraus, was ihn ſehr feſte machet. So nennet man fe - ſte Holtz, wenn es ſich ſchweer ſpalten laͤſſet. Man findet aber daß daſſelbe Holtz dichte iſt und daher ein Theil nicht ſo leicht nachge - ben kan, wie in anderem Holtze, wo die Zwi - ſchen-Raͤumlein haͤuffiger angetroffen wer - den.
DJe fremde Materie (§. 12) undWorauf bey der veraͤnder - lichen und und frem - den Ma - terie zu - ſehen. die veraͤnderliche (§. 17) findet nur in den Zwiſchen-Raͤumlein der eigenthuͤmlichen beſtaͤndigen Materie Platz, und zwar jene meiſtentheils in den kleinen, dieſe hingegen in den groͤſſe - ren. Auch wird fremde Materie ſowohl in den Zwiſchen-Raͤumlein der veraͤnderli - chen, als der beſtaͤndigen gefunden, welche die Zwiſchen-Raͤumlein der beſtaͤndigen er - fuͤllet. Z. E. Jn den Zwiſchen-Raͤumlein des Holtzes iſt Lufft (§. 161 T. I. Exper.): in dieſe Lufft dringet wiederumb Waͤrme (§. 134 T. I. Exper.). Derowegen wenn wir uͤberlegen wollen, was fuͤr Veraͤnde - rungen ſich mit der veraͤnderlichen und fremdem Materie zutragen koͤnnen, ſo werden wir finden, daß die veraͤnderliche Materie und die fremde in einem Coͤrper entweder vermehret, oder vermindert, oder auch in Bewegung geſetzet werden kan, da(Phyſick) Fſie82Cap. III. Von dem Unterſcheideſie vorher in Ruhe war, und hinwiederum ſich zur Ruhe bringen laͤſſet, wenn ſie in Bewegung iſt. Wenn die fremde und veraͤnderliche Materie vermehret wird, ſo kommet entweder mehrere von eben der Art dazu, oder eine andere von verſchiede - ner Art. Wird ſie hingegen vermindert, ſo kommet keine andere in ihre Stelle, oder es kommet eine andere in ihre Stelle. Ja es kan eine veraͤnderliche Materie wohl gar heraus getrieben werden und eine andere in ihre Stelle kommen. Mehreres laͤſſet ſich von einer Materie, welche die von einer an - dern zwiſchen ihren Theilen leer gelaſſene Raͤumlein erfuͤllet, nicht gedencken. Was demnach die veraͤnderliche und fremde Ma - terie in den Coͤrpern unterſchiedenes hervor bringet, muß aus dieſen Gruͤnden hergelei - tet werden.
Wenn in die Zwiſchen Raͤum - lein der Coͤrper, weiche von ihrer eigenthuͤm - lichen beſtaͤndigen Mateꝛie leer bleiben, mehr veraͤnderliche und fremde Materie kommet, als vorher darinnen war, ſo muß die Groͤſ - ſe des Coͤrpers zunehmen und ein jeder Theil von ihm mehr Raum erfuͤllen, als vorher, das iſt, der Coͤrper muß aufſchwel - len. Denn da es unmoͤglich iſt, daß zwey verſchiedene Theile der Materie einen Ort einnehmen koͤnnen, ſondern vielmehr ein jeder ſeinen beſondern Ort haben muß(§. 47.83wegen der veraͤnderlichen Materie(§. 47. Met.); ſo muß auch mehrere Ma - terie mehr Raum ein nehmen, als wenigere. Derowegen wenn mehr veraͤnderliche oder fremde Materie in die Zwiſchen Raͤum - lein der beſtaͤndigen hineindringet, als vor - her darinnen war; ſo werden dadurch die - ſelben weiter, folgends muͤſſen die Theile der beſtaͤndigen weiter von einander ge - bracht werden, als ſie vorher war. Und ſolchergeſtalt nimmet der gantze Eoͤrper mehr Raum ein als vorher. Da nun a - ber die Zwiſchen-Raͤumlein durch denſel - ben uͤberall zertheilet ſind; ſo nimmet auch ein jeder Theil in der Groͤſſe zu, und demnach ſchwellt der Coͤrper auf. Denn wir ſagen, daß ein Coͤrper aufſchwellt, wenn er dadurch groͤſſer wird, daß alle ſeine Theile einen groͤſ - ſern Raum einnehmen als vorhin. Es iſt wohl wahr, daß wir auch unterweilen im gemeinen Leben zu ſagen pflegen, es ſchwelle ein Coͤrper auf, wenn mehrere Materie von ſeiner beſtaͤndigen dazu kommet, als vorher vorhanden war. So brauchen wir dieſe Redens Art von den Fluͤſſen, wenn das Waſſer in ihnen anwaͤchſet. Allein dieſe Unbeſtaͤndigkeit im Reden kommet daher, weil wir in dergleichen Faͤllen nicht ſehen, daß mehrere eigenthuͤmliche beſtaͤndige Materie dazu kommet und es dannenhero das Anſehen hat, als wenn dieſelbe nur be - goͤnnte einen groͤſſeren Raum einzunehmen,F 2wie84Cap. III. Von dem Unterſcheidewie vorhin. Die Unbeſtaͤndigkeit im Re - den, welche von einem Jrrthume der Ein - bildungs-Krafft in Beurtheilung der Aehn - lichkeit ihren Urſprung hat, kan der Wahr - heit keinen Eintrag thun.
Wenn die fremde, oder auch die veraͤnderliche Materie in einem Coͤrper in ſolcher Menge anzutreffen iſt, daß die Thei - le der beſtaͤndigen einander entweder gar nicht, oder doch nur etwas wenig beruͤhren; ſo laſſen ſich auch ſeine Theile leicht von ein - ander ſtoſſen, und dann nennet man ihn fluͤßig. Es ruͤhret demnach die Fluͤßigkeit einer Materie von einer veraͤnderlichen, oder fremden Materie her, welche hindert, daß Theile, die ſonſt einander genau beruͤhren und von fremder Materie zuſammen getrie - ben werden, daß ſie an einander hiengen (§. 37), nun nicht einander beruͤhren, noch weniger an einander hangen koͤnnen. Wir haben ein Exempel an dem Bleye. Wenn man es uͤber das Feuer bringet, ſo wird es flieſſend und bleibet ſo lange fluͤßig, als man es uͤber dem Feuer in einerley Grade der Waͤrme erhaͤlt. Sobald man es aber wie - der von dem Feuer wegbringet und kalt wer - den laͤſſet, ja wenn nur ein Theil der Waͤr - me weggehet; ſo wird es wieder ſtehend und hangen die Theile wie vorhin zuſam - men. Hier iſt klar, daß die Urſache, wa - rum das Bley fluͤßig wird, keine andere alsdie85wegen der veraͤnderlichen Materie. die Waͤrme ſey (§. 6 c. 5. Log.). Die Waͤrme machet das Bley nicht mercklich ſchweerer, wie ein jeder leicht verſuchen kan. Deñ unerachtet Boyle durch Verſuche zei - get(a)in Tractatu de ponderabilitate flammæ. , daß auch das Feuer und die Waͤrme den Coͤrper ſchweer machet; ſo traͤget es doch gantz was weniges aus, daß man in den meiſten Faͤllen, wo man auf die Schwee - re des Coͤrpers zu ſehen Urſache hat, anneh - men kan, die Waͤrme vermehre nicht merck - lich die Schweere deſſelben, ſondern es ſey in Anſehung deſſelben gleich viel, ob er warm, oder kalt ſey. Derowegen haben wir die Waͤrme in dieſem Falle als eine fremde Materie anzuſehen (§. 13) Es gielt aber gleich viel, wenn wir ſie auch fuͤr eine eigenthuͤmliche veraͤnderliche (§. 17) halten wollten, und haben wir nicht noͤthig darin - nen einigen Scrupel zu machen. Und demnach ſehen wir, daß die Fluͤßigkeit des geſchmoltzenen Bleyes bloß von der frem - den, oder wenn man es lieber haben will, von der veraͤnderlichen eigenthuͤmlichen Materie herruͤhret, welche durch ihre Ge - genwart und Bewegung hindert, daß die kleinen Theile des Bleyes, die ſonſt zuſam - men halten wuͤrden, von einander abgeſon - dert bleiben muͤſſen. Dieſes alles aber kan nicht anders geſchehen, als weil ſie zwiſchenF 3die86Cap. III. Von dem Unterſcheidedie Theile wo ſie einander beruͤhren, hinein dringet, und ſie ſolchergeſtalt von einander erhaͤlt. Und eben dieſes iſt die Urſache, warumb geſchmoltzenes Bley zugleich auf - ſchwellt (§. 54). Das Waſſer, welches im Sommer und auch zu anderer Zeit, wenn kein groſſer Froſt iſt, fluͤßig iſt, hat eben kei - ne andere Urſache ſeiner Fluͤßigkeit als die Waͤrme, welche zwiſchen den Theilen des Waſſers ſich beweget und hindert, daß die - ſelben einander nicht genau beruͤhren und zuſammen halten koͤnnen, wie ſonſt geſche - hen wuͤrde. Denn wir finden ja, daß das Waſſer gefrieret und ſtehend wird, wenn es kalt wird (§. 120. T. III. Exper.), das iſt, wenn ihm ſeine Waͤrme entgehet (§. 116 T. III. Exper.). Wenn das Eis oder ge - frorne Waſſer wieder ins warme kommet, ſo thauet es auf und wir bekommen wieder flieſſendes Waſſer, wie vorhin, ehe es ge - froren war. Die einige Urſache demnach, warum das Waſſer wieder flieſſen wird, iſt die Waͤrme. Es hat demnach mit dem Waſſer eben die Bewandnis, die es mit dem Bleye hatte. Wenn genung Waͤr - me darinnen iſt, ſo iſt es flieſſend: wenn ihm die Waͤrme entgehet, ſo wird es ſte - hend. Freylich iſt ein groſſer Unterſcheid unter der Waͤrme, die das Bley fluͤßig ma - chet, und unter derjenigen, die das Waſſer fluͤßig erhaͤlt: dieſes aber thut nichts zurSa -87wegen der veraͤnderlichen Materie. Sache. Denn wir verlangen weiter nichts zuzeigen, als daß in beyden Faͤllen die Fluͤſ - ſigkeit von der Waͤrme, und alſo einer frem - den Materie, welche zwiſchen die Theile der beſtaͤndigen Materie dringet, und ſie von einander treibet, herruͤhret. Allein eben die beyden Exempel zeigen, daß nicht Waͤr - me in einerley Grade verſchiedene Materi - en fluͤßig erhalten kan. Wenn man auff Kalck genung Waſſer gieſſet, ſo loͤſchet er ſich nicht allein, ſondern wird auch fluͤſ - ſig. Und auch hier ruͤhret die Fluͤßigkeit des Kalckes von dem Waſſer her, welches zwiſchen die Theile des Kalckes flieſſet und hindert, daß ſie einander nicht beruͤhren koͤnnen.
Jch habe geſagt, in einem fluͤßi -Anmer - ckung. gen Coͤrper, waͤre eine fremde oder veraͤn - derliche Materie vorhanden, welche hinder - te, daß die kleinen Theile deſſelben einander nicht beruͤhren koͤnnten. Nun moͤchten vielleicht einige einwenden, daß folches der Erfahrung entgegen waͤre. Denn wir ſehen nicht allein mit bloſſen Augen, daß die Theile der fluͤßigen Coͤrper in einem fortgehen; ſondern auch die Vergroͤſſerungs Glaͤſer zeigen es nicht anders, auch wenn man fluͤßige Materien in einem Haar Roͤhrlein (§. 99 T. III. Exper.) an diejenigen bringet, welche am meiſten vergroͤſſern. Theile, die in einem fortgehen, muͤſſen noth -F 4wen -88Cap. III. Vondem Unterſcheidewendig einander beruͤhren (§. 58 Met.). Beruͤhren nun die Theile der fluͤßigen Ma - terien einander, ſo koͤnnen ſich zwiſchen ih - nen nicht andere von einer veraͤnderlichen, oder fremden Materie befinden. Es iſt wahr, daß dieſes einen Schein in den Au - gen derer hat, welche die Subtilitaͤt der Materie aus den Augen ſetzen: ſo bald wir aber nur daran gedencken, verſchwindet auf einmahl aller Zweiffel. Es iſt die Materie in ſo ſubtile Theile wuͤrcklich getheilet, die wir weder mit Sinnen noch mit der Ver - nunfft erreichen koͤnnen (§. 3), und ſelbſt die Waͤrme, welche zwiſchen ſie hinein dringet, bleibet nicht in den groſſen Zwiſchen - Raͤumlein der Coͤrper, ſondern machet ſich zwiſchen die gantz kleinen Theile hinein (§. 223. T. III. Exper.). Man kan ſich dem - nach in Beurtheilung dieſer Dinge weder auf bloſſe Augen, noch auf die Vergroͤſſe - rungs-Glaͤſer verlaſſen, und dannenhero wieder dasjenige, was durch tuͤchtige Gruͤn - de erhaͤrtet worden (§. 55), aus der Erfah - rung keinen Einwurff machen.
Weil nun auſſer Zweiffel iſt (§. 55. 56), daß die Fluͤßigkeit der Materie einig und allein von der veraͤnderlichen, oder fremden Materie herruͤhret, welche die Thei - le der eigenthuͤmlichen trennet und ihre Be - ruͤhrung hindert, ſo hat die Figur der Thei - le mit der Fluͤßigkeit uͤberhaupt nichts zuthun.89wegen der veraͤnderlichen Materie. thun. Und deswegen koͤnnen auch ſtehen - de Materien, als Bley, Zinn, Wachs ꝛc. flieſſend werden, ohne daß die Figur ihrer Theile geaͤndert werden darf: auch werden ohne dergleichen Veraͤnderung die - ſelben wieder ſtehend. Ja da ſelbſt das Waſſer und andere fluͤßige Materie bloß dadurch ſtehend werden, daß ihnen die Waͤrme entgehet (§. 55); ſo muͤſſen auch die Theile des Waſſers und anderer fluͤßiger Coͤrper ſo beſchaffen ſeyn, daß ſie feſte an einander hangen koͤnnen, wenn nur nichts vorhanden, welches ihre Beruͤhrung hin - dert.
Wir ſehen auch hieraus ferner, daßUnter - ſcheid fluͤßiger Coͤrper und in einem Hauffen bey ein - ander lie - gender Theile. zur Fluͤßigkeit nicht genung iſt, daß die Thei - le des Coͤrpers bloß von einander getrennet ſind und in einem Hauffen bey einander lie - gen; ſondern uͤber dieſes eine Materie er - fordert wird, die ihnen proportionirliche Theile hat, ſo ſich zwiſchen jene geſellen. Und daher ſehen wir den Unterſcheid, wel - cher zwiſchen einem fluͤßigen Coͤrper und ei - nem Hauffen bey einander liegender Dinge von einerley Art, zum Exempel einem Korn-Hauffen, ſich befindet. Nemlich hier iſt keine veraͤnderliche oder fremde Materie vorhanden, die in proportionirlichen Thei - len mit ihnen dergeſtalt vermiſchet waͤre, daß zweyen Koͤrnern Korn z. E. auch einF 5Korn90Cap. III. Von dem UnterſcheideKorn von der andern Materie anzutreffen waͤre. Und daher flieſſet auch nicht das Getreyde, wenn es ausgeſchuͤttet wird; ſondern es fallen einige Koͤrner nach den andern herunter, da hingegen flieſſende Materien ſich in einem Stuͤcke herunter be - wegen, als wenn ſie Theile in einem Faden oder Gewande waͤren, die zuſammen hien - gen, und da immer einer den andern nach ſich zoͤge.
Unterdeſſen da die Theile der fluͤf - ſigen Materien doch wuͤrcklich von einan - der abgeſondert ſind (§. 55); ſo iſt es kein Wunder, daß ſïe einem jeden Coͤrper, der ſich durch ſie beweget, gleich ausweichen und dannenhero ein feſter Coͤrper ſich durch fluͤßige frey hin und wieder bewegen kan.
Aus eben dieſer Urſache iſt klar, warumb von fluͤßigen Materien ein Theil ſich von dem andern leicht abſondert. Z. E. Wenn ſie eine Schweere haben, ſo ſondert ſich ein Theil von dem andern durch ſeine Schweere ab. Alſo fallen Tropffen Waſſer aus einem engen Glaſe und man kan von einer fluͤßigen ſchweeren Materie ſo viel abgieſſen als man will. Aber eben deswegen, weil ein Theil von dem andern durch ſeine Schweere abgeſondert wird; ſo kan keiner den andern nach ſich ziehen, wenn er niederfaͤllet, oder im freyen herunterfließt.91wegen der veraͤnderlichen Materie. fließt. Es iſt wohl wahr, wenn Waſſer oder Queckſilber durch eine enge Eroͤffnung heraus fließt; daß es ſich wie ein Faden in ei - nem herunter ziehet; keinesweges aber Tropffenweiſe herunter faͤllet. Allein es iſt zumercken, daß in der That ein Tropffen nach dem andern herunter faͤllet, welcher der Groͤſſe der Eroͤffnung proportionirt iſt: nur weil ein Tropffen geſchwinde nach dem andern kommet, ſo gewinnet es das Anſe - hen, als wenn alle unmittelbahr einander beruͤhreten und daher in einem fortgiengen. Und hat es eben die Bewandnis, die es mit den fluͤßigen Materien hat, die ſich Faden - Weiſe in einander hinauf und herunter zie - hen (§. 219. T. I. Exper.).
Wir brauchen auch nichts weiterWarumb fluͤßige Materi - en die Fi - gur des Bchaͤlt - niſſes an ſich neh - men. als daß die Theile fluͤßiger Materien nicht an einander hangen, ſondern vielmehr von einander getrennet ſind, wenn wir begreif - fen wollen, daß ſie jederzeit die Figur des Behaͤltniſſes an ſich nehmen, darinnen ſie find. Denn wo die Theile nicht an einander hangen, da fallen ſie zur Seite, bis ihnen Wiederſtand geſchiehet. Derowe - gen da ihnen nichts eher wiederſtehet, als bis ſie die innere Flaͤche des Behaͤltniſſes beruͤhren, darinnen ſie ſind; ſo muͤſſen ſie ſich auch bis daran ausbreiten. Weil ſie nun ſehr ſubtile ſind, maſſen man ſie auch nicht einmahl durch ein Vergroͤſſerungs -Glaß92Cap. III. Von dem UnterſcheideGlaß, welches am meiſten vergroͤſſert, un - terſcheiden kan (§. 56); ſo ſiehet man auch nirgends zwiſchen ihnen und der inneren Flaͤche des Behaͤltniſſes Zwiſchen-Raͤum - lein. Und demnach nimmet eine fluͤßige Materie gantz genau die Figur des Be - haͤltniſſes an, darinnen ſïe iſt. Man kan daher auch ſehen, ob ein Coͤrper den man in einem andern eingeſchloſſen findet, fluͤſ - ſig geweſen. Wiederum wenn man will, daß eine Materie die Figur einer inneren Hoͤhle eines Coͤrpers annehmen ſoll; ſo darf man ſie nur fluͤßig machen und hinein gieſſen: welches man in der Kunſt vielfaͤl - tig in acht nimmet.
Da die fremden Materien ſich durch die Zwiſchen-Raͤumlein der Coͤrper frey durch bewegen (§. 13), dieſe aber ſehr kleine ſind, daß man ſie in den meiſten Ma - terien auch nicht durch die beſten Vergroͤſ - ſerungs - Glaͤſer entdecken kan (§. 56); ſo muͤſſen ſie ſich ſehr ſubtile zertheilen, ſo bald ſie an einen Coͤrper kommen, der aus ande - rer Materie beſtehet. Derowegen muͤſſen auch ihre Theile wuͤrcklich von einander ab - geſondert und ſie dannenhero fluͤßig ſeyn.
Aus eben dieſer Urſache erhellet, daß auch die veraͤnderliche Materien, welche vor ſich in die Zwiſchen-Raͤumlein hinein dringen, fluͤßig ſeyn muͤſſen. Und die Er -fahrung93wegen der veraͤnderlichen Materie. fahrung ſtimmet auch damit uͤberein. Wirindie Coͤr - per drin - gen. wiſſen z. E. daß allerhand Materien durch das Waſſer koͤnnen fluͤßig werden, das Waſſer aber gehoͤret vor ſich auch unter die fluͤßigen Materien. Es iſt demnach klar, daß eine fluͤßige Materie die andere fluͤßig machen kan. Waͤrme iſt ei - ne fluͤßige Materie und ſie machet das Waſ - ſer fluͤßig (§. 55). Das Waſſer iſt eine fluͤßige Materie, und ſie machet Kalck und andere dergleichen Materien fluͤßig. Ohne Zweiffel iſt auch noch eine ſubtilere Mate - rie als die Waͤrme, welche dieſelbe fluͤßig machet, weil wegen der unendlichen Subti - litaͤt der Materie die Waͤrme noch nicht die ſubtileſte iſt (§. 3), ja auch eine andere ſich durch ſie bewegen muß, wenn ſie getheilet ſeyn ſoll (§. 5. 8. 9).
Wir finden in der Erfahrung, daßWoher es kom - met, daß die Coͤr - per weich ſind. die Materien erſt weich werden, ehe ſie flieſſen und eben, was ſie fluͤßig machet, die - ſelben erſt weich machet: jedoch trifft dieſes nicht durchgehends ein. Wachs ſchmel - tzet von der Waͤrme und flieſſet; aber die Waͤrme machet es auch weich und zwar wird es eher weich als es flieſſet, und von einem geringeren Grade der Waͤrme. Hin - gegen ſchmeltzet das Eis gleich und flieſſet in Waſſer, ohne daß man mercken kan, daß es vorher weich wuͤrde. Man ſiehet ohne mein Erinnern, daß die Waͤrme die Urſache von der Weiche des Wachſes iſt. Unterdeſſenda94Cap. III. Von dem Unterſcheideda gleichwohl nicht alle Materien von der Waͤrme weich werden, noch ſchmeltzen; ſo muß auch die Figur der kleinen Theile et - was dazu beytragen. Wir haben Steine, die flieſſen in groſſer Hitze und laſſen ſich in Glaß verwandeln: andere hingegen flieſſen nicht, ſondern werden bloß zu einem Kalcke. Es muß demnach ein Unterſcheid ſeyn unter den Steinen, die ſchmeltzen, und unter de - nen, die zu Kalck werden. Der Unterſcheid kan in nichts andern als in der Figur der Theile geſucht werden, vermoͤge welcher einige feſter zuſammen halten als andere, die ſich leichter von einander verſchieben laſſen. Worinnen dieſer Unterſcheid be - ſtehe, verlange ich nicht zu beſtimmen. Die Unterſuchung moͤchte uns zu lange aufhal - ten, und wir doͤrfften vielleicht doch nicht voͤllig zu Ende kommen. Wir ſehen uͤbri - gens, daß Coͤrper weich ſeyn koͤnnen, weil eine veraͤnderliche oder fremde Materie zwi - ſchen ihre kleine Theile hinein dringet und zwar nicht gaͤntzlich, doch in etwas von einander abſondert, daß ſie einander nicht ſo viel beruͤhren, als ſonſt geſchehen wuͤr - de, wenn dieſelbige Materie weg waͤre. Wie aber dieſe Materie eigentlich muͤſſe be - ſchaffen ſeyn, laͤſſet ſich noch nicht beſtim - men. Wenn man nun aber fraget, wo - her es denn komme, daß einige Materien nicht erſt weich werden, ehe ſie flieſſen;ſo95wegen der veraͤnderlichen Materie. ſo iſt die Urſache wohl keine andere als die - ſe, weil ſie entweder wenige von veraͤnder - licher, oder fremder Materie brauchen, wenn ſie flieſſen ſollen, oder auch gar zu viele. Denn wenn wenige dazu erfodert wird, ſo dauret der Zuſtand, darinnen eine Ma - terie weich wird, nicht lange, ſondern ſie faͤnget gleich an zu flieſſen. Derowegen ehe dieſelbe mitten hinein weich wird, ſo flieſſet ſie ſchon oben. Und die Beſchaf - fenheit hat es mit dem Eiſe: daher wir ſe - hen, wenn es oben abſchmeltzet, daß es mitten, ja noch gar nahe an der Flaͤche, wo es ſchmeltzet, noch gantz kalt und harte iſt. Hingegen wenn ein Coͤrper langſam und nicht anders als durch einen groſſen Grad der Waͤrme fluͤßig wird; ſo laͤſſet ſichs nicht wohl verſuchen, ob er weich iſt, ehe er an - faͤngt zu flieſſen. Es iſt aber wohl vermuth - lich, daß es geſchiehet. Denn die Natur thut keinen Sprung (§. 686 Met.), ſondern wuͤrcket nach und nach Ehe ſie demnach die Theile eines Coͤrpers von einander trennet, ſtoͤſſet ſie ſie nur etwas von einander weg, und dieſes iſt genung dazu, wenn er weich werden ſoll. Man muß aber hierbey nicht vergeſſen, daß, wie alles in der Natur ſei - ne Grade hat, und keines eine Eigenſchafft in eben dem Grade beſitzet, wie das ande - re, auch die Weiche ihre Grade hat, und daher ein Coͤrper wieder weicher werden kanals96Cap. III. Von dem Unterſcheideals der andere. Derowegen iſt moͤglich, daß dieſer Grad in einigen Coͤrpern ſo ge - ringe anzutreffen, daß man faſt gar nichts davon verſpuͤret. Wir haben es bey der Dichtigkeit und Schwammigkeit der Coͤr - per ſo gefunden (§. 37.42. ), und iſt dem - nach kein Wunder, daß es auch mit der Weiche der Coͤrper keine andere Beſchaf - fenheit hat.
Wenn die Weiche des Coͤrpers von einer veraͤnderlichen und fremden Ma - terie herruͤhret, die in die Zwiſchen-Naͤum - lein ihrer Materie, und von dar ferner zwi - ſchen ihre Theile hinein dringet, ſo wird derſelbe harte, ſo bald die dazwiſchen drin - gende Materie wegkommet. Jſt die Urſa - che der Weiche weg, ſo kan die Weiche nicht laͤnger dauren. Es zeiget auch ſol - ches die Erfahrung. Das Wachs wird harte, wenn es kalt wird. Jndem es a - ber kalt wird, entgehet ihm die Waͤrme (§. 116 T. II. Exper.), und dieſe iſt die Ur - ſache ſeiner Fluͤßigkeit (§. 55). Ein Teig iſt weich von dem Waſſer: ſo bald er aber austrocknet und die Naͤſſe weggehet, ſo ver - ſchwindet mit ihr auch die Weichigkeit.
Wir treffen in der Natur Coͤrper an, welche beſtaͤndig weich verbleiben, und die man auch dadurch nicht fluͤßig machen kan, daß veraͤnderliche und fremde Materien, als Waſſer oder Waͤrme in ihre Zwiſchen -Raͤum -97wegen der veraͤnderlichen Materie. Raͤumlein hinein dringen. Dergleichen iſt die Wolle und was daraus verfertiget wird, ingleichen was aus Seide und Garn gewebet oder gewircket wird. Jn dieſen Faͤllen hat es das Anſehen, als wenn die Coͤrper nicht deswegen weich waͤren, weil eine fremde, oder auch veraͤnderliche Materie zwiſchen ihre Theile hinein dringet und hindert, daß ſie nicht genau genung einan - der beruͤhren koͤnnen (§. 64). Nun folget zwar nicht daraus, daß die Urſache der Weiche, die wir vorhin angegeben, in dieſem Falle nicht ſtat finden koͤnne: denn es kan eine fremde Materie vorhanden ſeyn, die ſich niemahls abſondern laͤſſet, noch ei - ner andern Platz vergoͤnnet, jedoch aber nie - mahls in ſo groſſer Menge, daß der Coͤrper davon fluͤßig wuͤrde, wie wir es auch gar leicht durch einige Verſuche beſtetigen koͤnn - ten. Allein es iſt nicht zu leugnen, daß wir in dergleichen Faͤllen nicht Uꝛſache haben bis auf die letzte Urſache der Weiche zukommen, ſondern uns mit einer naͤheren vergnuͤgen koͤnnen. Die angegebene Exempel koͤn - nen uns Anlaß geben darauf zu kommen. Die Wolle beſtehet aus kleinen Faſen, die ſich biegen und zuſammen drucken laſſen, wenn man aber aufhoͤret zu drucken, ſich wieder aus einander geben, folgends eine ausdehnende Krafft haben (§. 52. T. I. Ex - per.). Die daraus geſponnene Faden ſo(Phyſick) Gwohl98Cap. II. Von dem Unterſcheidewohl als die Faden - Seide und leinenes Garn laſſen ſich gleichfalls willig biegen. Was nun daraus gewebet und gewuͤrcket wird, giebet leicht nach, wenn man es dru - cket, und, ſobald man aufhoͤret, gehet es wie - der aus einander. Nun nennet man des - wegen einen Coͤrper weich, weil er nachgie - bet, wenn man ihn drucket: derowegen kommet die Weiche des Coͤrpers in dieſem Falle daher, weil der Coͤrper aus Theilen be - ſtehet, die ſich leicht beugen laſſen, und nach dieſem wieder von einander gehen. Und die - ſes hat auch in der Kunſt Anlaß gegeben die Stuͤhle und Betten, darauf man ſanfte ru - hen will, durch ſtaͤhlerne Federn weich zu machen. Denn weil Federn von ſtaͤhler - nem Drathe bald nachgeben, wenn ſie ge - druckt werden, ſo bald aber als man zu dru - cken aufhoͤret, wieder von einander gehen: ſo hat es mit Stuͤhlen und Betten, darinnen dergleichen Federn zu finden ſind, eben dieſe Bewandnis wie mit den vorigen Coͤrpern, deren Weiche wir unterſuchet. Un - terdeſſen da die Faͤden ſich nicht biegen laſſen, wenn ſie nicht weich ſind; ſo muͤſſen doch dieſe wiederum eine Urſache ihrer Wei - che haben. Will man ſie aus kleineren Faden zuſam̃en ſetzen, die ſichbeugen laſſen, weil die Vergroͤſſerungs-Glaͤſer zeigen, daß es mit ihnen dergleichen Bewandnis hat (§. 85. T. III. Exper.), ſo kommet man deswe -gen99wegen der veraͤnderlichen Materie. gen doch noch nicht zu Ende. Man mag aber die groͤſſeren Faden in kleinere von eben der Art ſo lange aufloͤſen als einem gefaͤllet, oder ſich thun laͤſſet; ſo wird man doch end - lich auf etwas kommen muͤſſen, was ſeine Weiche nirgends anders her hat als von ei - ner fremden Materie, welche die genaue Verbindung der Theile mit einander ver - hindert (§. 64).
Weil man dieſe Art der weichenWie wei - che Coͤr - per harte wexden. Coͤrper, die wir jetzt beſchrieben, nicht da - durch harte machen kan, daß man ihnen die fremde Materie benimmet, welche ſie verur - ſachet; ſo ſollte man vielleicht meinen, als wenn ſie gar nicht harte gemacht werden koͤnnten. Allein es iſt noch ein anderes Mittel uͤbꝛig, wodurch ſolches erhalten wird. Die Theile dieſer Coͤrper geben nach, wenn ſie gedrucket werden, und laſſen ſich daher naͤher zuſammen drucken. Wenn ſie nun naͤher zuſammen gebracht ſind und zwar ſo nahe, daß man ſie nicht naͤher zuſammen bringen kan: ſo geben ſie nicht mehr nach, wenn man ſie drucket und daher ſind ſie auch nicht mehr weich, ſondern harte. Auf ſol - che Weiſe wird das weiche Leder harte, wenn man es mit Gewalt zuſammen preſſet. Jngleichen findet man, daß Zeuge und Leinwand harte ſind, wenn ſie dichte ge - webet werden: hingegen weich, wenn man ſie nicht ſo dichte webet. Nemlich im er -G 2ſten100Cap. III. Von dem Unterſcheideſten Falle koͤnnen die Faden nicht nachgeben, wenn man drucket, und alſo iſt der Zeug harte: aber in dem andern Falle geben die Faden um ſoviel williger nach, wenn man drucket, je mehr Raum zwiſchen ihnen frey verbleibet (§. 86 T. III. Exper.), und da - her iſt der Zeug weich.
Weil die Coͤrper harte werden, wenn die veraͤnderliche und fremde Materie aus ihren Zwiſchen-Raͤumlein vertrieben wird (§. 65), nun aber bekand iſt, daß das Waſſer und andere fluͤßige Materien von der Waͤrme ausdunſten (§. 85 T. II. Exp.); ſo werden die jenigen Coͤrper durch die Waͤr - me harte, welche das Waſſer oder eine an - dere gleichguͤltige Materie, die wie das Waſ - ſer von der Waͤrme ausdunſtet, weich oder auch wol gar fluͤßig machet. Ein Exempel ha - ben wir in der Kunſt an den Backſteinen o - der Ziegeln, die theils in der Lufft durch aus - trocknen, theils durch die Gewalt des Feu - ers im Ziegel-Ofen abgehaͤrtet werden. Jn der Natur wird auf gleiche Weiſe im heiſſen Sommer der Erdboden harte, wel - cher von dem Regen wieder erweichet wird.
Aus gleichmaͤßiger Urſache begreif - fet man, daß diejenigen Coͤrper durch die Kaͤlte harte werden, welche die Waͤrme weich und fluͤßig machet. Ein Exempel giebet das Wachs, welches in der Kaͤlte harte, in der Waͤrme weich, ja endlich gar fluͤßig wird. Es iſt aber wohl zu mercken,daß101wegen der veraͤnderlichen Materie. daß unterweilen auch von der Kaͤlte ein Coͤr - per harte werden kan, wenn die veraͤnderli - che Materie dadurch harte wird, die ihn weich machte. Z. E. Ruͤben, Aepffel und Birnen machet der Safft weich, der in ih - nen iſt und die feſten Theile derſelben durch - fließt. Dieſer Safft hat wie das Waſſer ſeine Fluͤßigkeit von der Waͤrme: denn wenn ihm die Waͤrme entgehet, ſo gefrieret er. Da nun das Eis harte iſt, welches die Zwiſchen Raͤumlein der feſten Theile erfuͤl - let; ſo koͤnnen auch dieſe Coͤrper nicht nach - geben, wenn ſie gedrucket werden und ſol - chergeſtalt ſind ſie harte (§. 45). Auf glei - che Weiſe wird der Erdboden im ſtrengen Winter harte, der im Herbſte von dem Re - gen war erweichet worden, wenn das in den Zwiſchen-Raͤumlein der Erde befindliche Waſſer gefrieret. Eben ſo findet man im ge - meinen Leben, daß die weiche Waͤſche gantz harte wird, wenn ſie naß iſt und gefrieret.
Wenn ein Coͤrper von einer ver -Wenn ein Coͤrper durch Vermeh - rung der beſtaͤndi - gen Ma - terie har - te wird. aͤnderlichen oder auch fremden Materie weich wird, ſo wird ein gewiſſes Maaß die - ſer Materie dazu erfordert. Nicht alle Waͤrme machet das Wachs weich, ſondern nur wenn ſie in gewiſſem Maaße vorhan - den. Denn wenn der Coͤrper weich wer - den ſoll, ſo muß die veraͤnderliche oder auch fremde Materie nicht allein in die von ſeiner beſtaͤndigen Materie leeren Raͤumlein drin - gen, ſondern auch weiter zwiſchen die Thei -G 3le102Cap. III. Von dem Unterſcheidele des Coͤrpers kommen, daß ſie von ein - ander abzuſondern beginnet (§. 64). Wo - ferne nun wenige von dergleichen Materie in den Coͤrper hinein kommet; ſo bleibet ſie bloß in den von ſeiner beſtaͤndigen Materie leeren Raͤumlein und dringet nicht bis zwi - ſchen ihre Theile. Wenn ein Coͤrper, der fluͤßig iſt, von ſeiner beſtaͤndigen Materie mehr bekommet und zwar dergeſtalt, daß ſie mit ein Theil von ihm wird und die ver - aͤnderliche oder auch fremde Materie ſich dergeſtalt durch ſie vertheilet, wie ſie in den uͤbrigen nach geſchehenem Zuſatze verbleibet; ſo iſt es eben ſo viel als wenn ich einen Coͤr - per haͤtte, der weniger flieſſendmachende Materie in ſich haͤtte. Wie nun in die - ſen Falle ein Coͤrper harte iſt; ſo muß auch der fluͤßige Coͤrper, oder auch der Weiche davon harte werden. Wir haben ein E - rempel an dem Teige, der aus Mehl und Waſſer zubereitet wird. Dieſer iſt fluͤßig von uͤberfluͤßigem Waſſer; weich von weni - gerem. Wenn man mehr Mehl hinein wuͤrcket, welches ſeine beſtaͤndige Materie iſt, ſo wird er dadurch derber und laͤſſet ſich auf eine ſolche Weiſe ſo harte machen als man will. Und dieſes findet auch in an - dern Faͤllen ſtat. Z. E. Ziegelſtreicher und Toͤpffer richten auf ſolche Weiſe ihre Erde zu, biß ſie ſie zu ihrem Wercke harte genung befinden. Man bedienet ſich auch in derBau -103wegen der veraͤnderlichen Materie. Bau-Kunſt dieſes Mittels, wenn man ei - nen moraſtigen Boden antrifft, der als - denn mit einer trockenen Materie ausgefuͤl - let und feſte gemacht wird.
Es iſt eine beſondere Materie inWenn ein Coͤr - per warm iſt. der Welt, welche ſich aus einem Coͤrper in den andern beweget, in deren Bewegung die Waͤrme beſtehet (§. 104 T. III. Exp.). Wir nennen einen Coͤrper warm, wenn er ſoviel von ihr in ſich hat, daß ſie ſich wieder in unſere Hand, die ihn beruͤhret, oder in andere Theile des Leibes, ſo ihm nahe ſind, in ſolcher Menge beweget, als eine empfind - liche Veraͤnderung darinnen vorzubringen genung iſt.
Weil die Materie der WaͤrmeWaͤrme kommet von einer fremden Materie. eine fremde Materie iſt (§. 4.); ſo kommet die Wārme der Coͤrper von einer fremden Materie her, die in Coͤrper hinein drin - get. Da nun aber dieſe Materie in Be - wegung ſeyn muß, wenn ſie Waͤrme ma - ſoll (§. 71); ſo kan dergleichen Mate - rie auch wuͤrcklich in einem Coͤrper vor - handen ſeyn, ohne daß er Waͤrme hat, wenn ſie nemlich entweder ſchlechte Be - wegung hat, oder gar in ihrer Bewegung gehemmet wird. Was nun dieſe Materie in Bewegung ſetzet, machet den Coͤrper warm. Und daher zeigen uns die Verſu - che, daß auch einige Coͤrper warm werden koͤnnen, ja daß ſie einen ſehr groſſen GradG 4der104Cap. III. Von dem Unterſcheideder Waͤrme erreichen, ohne daß ein war - mer Coͤrper vorhanden, der ihnen ſeine Waͤrme mittheilete (§. 111. 112. 113. T. II. Exper.).
Jch habe in Erklaͤrung dieſer Verſuche angenommen, daß von auſſen kei - ne Materie in die Coͤrper hineinkommet, wenn ſie warm werden (§. 114. T. II. Exp.). Allein vielleicht koͤnnte einigen noch dabey ein Zweiffel entſtehen: derowegen iſt noͤthig, daß ich mich in dieſer Sache noch weiter er - klaͤre. Wenn ein Eiſen geſchlagen wird, ſo wird es vom Schlagen warm (§. 113. T. II. Exper.). Wenn es warm wird, ſo werden auch ſeine Theile weiter aus einan - der getrieben, daß es einen groͤſſeren Raum einnimmet als vorhin (§. 107. T. II. Exper.) Da nun in einem natuͤrlichen Coͤrper zwi - ſchen ſeinen Theilen keine leere Raͤumlein ſeyn koͤnnen (§ 6); ſo muß ja von auſſen Materie in die Zwiſchen-Raͤumlein des Coͤrpers kommen, die vorher nicht darinnen war, indem er durch ſchlagen warm wird. Und demnach hat es das Anſehen, als wenn die Materie der Waͤrme von auſſen hinein kaͤme. Damit wir nun erkennen, was wir in dieſer Sache ſetzen ſollen: ſo haben wir fuͤr allen Dingen zu mercken, daß auſſer der Materie der Waͤrme noch viel andere in der Natur vorhanden ſind, die wir nicht kennen (§. 13). Derowegen wenn vonauſ -105wegen der veraͤnderlichen Materie. auſſen mehrere Materie in den Coͤrper kom - met, als darinnen war, ſo darf ſolches eben nicht Materie der Waͤrme ſeyn, ſondern es kan wohl Materie von einer anderen Art hineindringen, welcher die Waͤrme Platz machet, indem ſie die Theile der beſtaͤndigen und der veraͤnderlichen in den Zwiſchen - Raͤumlein von einander treibet. Es iſt demnach die Frage, welches von beyden glaublicher iſt, wenn durch Schlagen der Coͤrper erwaͤrmet und dadurch durch einen groͤſſeren Raum ausgebreitet wird, ob ſoviel Materie von auſſen hineinkommet, als zu Erfuͤllung der erweiterten Zwiſchen-Raͤum - lein erfordert wird, oder ob bloß die Materie der Waͤrme, welche bereits im Coͤrper ver - borgen lieget, in Bewegung geſetzet und durch dieſe Bewegung verurſachet wird, daß von auſſen andere fremde Materie in den Coͤrper hinein dringet und dadurch ſeine Groͤſſe vermehret (§. 28). Das letztere ſcheinet glaubwuͤrdiger zu ſeyn: denn durch Schlagen und Reiben werden die eigenthuͤmliche Theile der Materie zuſam - men gedruckt, und dadurch die Zwiſchen - Raͤumlein enger, oder es geſchiehet eine bloſſe Erſchuͤtterung, ſonderlich der veraͤn - derlichen und fremden Materie in den Zwi - ſchen-Raͤumlein des Coͤrpers, wenn die be - ſtaͤndige eigenthuͤmliche ſo feſte iſt, daß ſie nicht nachgiebet. Jn beyden Faͤllen iſt kei -G 5ne106Cap. III. Von dem Unterſcheidene Urſache vorhanden, warumb deswegen Materie, die von auſſen den Coͤrper umgie - bet, Platz bekommen ſollte ſich hinein zube - wegen. Denn wenn man auch den Thei - len des Coͤrpers eine ausdehnende Krafft zu - eignen wollte, daß ſie ſich nach dem Schlage wieder aus einander gaͤben; ſo wuͤrden doch dadurch die Zwiſchen-Raͤumlein nicht groͤſ - ſer werden als ſie vor dem Schlage waren, auch waͤre nicht die geringſte Urſache vor - handen, warum vielmehr eine andere Mate - rie, alsdie durch den Schlag heraus getriebẽ wird, wieder hinein dringen ſollte. Wenn man nun aber annimmet, daß die Materie der Waͤrme bereits im Coͤrper vorhanden; ſo hat alles ſeine Richtigkeit. Denn durch die Erſchuͤtterung, welche im Coͤrper durch den Schlag geſchiehet, wird die Materie der Waͤrme oder das elementariſche Feuer in Bewegung gebracht. Jndem ſich dieſe Materie bewegen will und ihr theils die Theile der beſtaͤndigen Materie, theils die Theile der veraͤnderlichen wiederſtehen; ſo muß ſie dieſe von ſich ſtoſſen. Weil nun hierdurch Platz wird, der nicht leer bleiben kan (§. 6.); ſo dringet auch, indem ſolches geſchiehet, andere fremde Materie, die um - her iſt, in den Coͤrper hinein. Und dadurch wird ſeine Groͤſſe vermehret (§. 28).
Weil wir einen Coͤrper fuͤr warmWarnmb einerley Coͤrper warm und auch kalt zu ſeyn ſchei - nen kan. halten, wenn von ſeiner Waͤrme ein Theil in unſere Hand faͤhret, damit wir ihn an - ruͤhren, welcher darinnen eine empfindliche Veraͤnderung zuverurſachen kraͤfftig ge - nung iſt (§. 71), die Waͤrme aber aus einem kalten Coͤrper nicht in einen waͤrmeren faͤh - ret, ſondern vielmehr, wenn ein Coͤrper, der noch waͤrmer werden kan, an einen andern waͤrmeren kommet, aus dieſem Waͤrme in ihn faͤhret (§. 116 T. II. Exper.); ſo koͤnnen wir auch keinen Coͤrper fuͤr warm halten, der unſerer Hand, damit wir ihn anruͤhren, nicht mehr Waͤrme geben kan, als ſie hat. Und eben hiervon kommet es, daß wir in Be - urtheilung der Waͤrme keinesweges den Sinnen trauen doͤrffen, auch einerley Coͤr - per in Verſuchen bald warm, bald kalt er - funden wird (§. 108 T. II. Exper.), da doch gewis iſt, daß er unmoͤglich zugleich warm und auch kalt ſeyn kan.
Da die Waͤrme ſich in den Zwi -Wenn Waͤrme die Thei - le der be - ſtaͤndigen Materi - en bewe - get. ſchen-Raͤumlein der Coͤrper beweget (§. 71), auch an die Theile der beſtaͤndigen Materie ſtoͤſſet (§. 74), ja ſie wohl gar von einander abſondert (§. 55): ſo kan es nicht anders geſchehen, als daß diejenigen Theile des Coͤrpers, die innerhalb den Zwiſchen - Raͤumlein ſich frey hin und wieder biegen laſſen und mit einer ausdehnenden Krafft verſehen ſind, von der Waͤrme in eine Be -we -108Cap. III. Von dem Unterſcheidewegung geſetzet werden, dadurch ſie ſich nach entgegen geſetzten Gegenden hin und wie - der bewegen. Eben ſo gehet es an, daß der - gleichen Theile an der aͤuſſeren Flaͤche des Coͤrpers eben dergleichen Bewegung erhal - ten: welches darinnen einen Unterſcheid machen kan, daß ein warmer Coͤrper ſich anders anfuͤhlet als der andere. Wieder - um in fluͤßigen Coͤrpern ſind die Theile alle von einander wuͤrcklich getrennet und wei - chen einer geringen Krafft ohne groſſen Wiederſtand (§. 59). Derowegen wenn ſich die Waͤrme zwiſchen ihnen beweget, ſo kan es nicht wohl anders ſeyn als daß die Theile der fluͤßigen Materie hin und wieder geſtoſſen werden. Solchergeſtalt werden durch die Waͤrme die Theile der fluͤßigen Materie in eine Bewegung geſetzet, die ſie vorher nicht hatten.
Weil ſich die Waͤrme nicht eher aus einem Coͤrper in den andern beweget, als wenn den warmen einer beruͤhret, der weniger Waͤrme hat u. noch in dem Stande iſt mehrere anzunehmen (§. 109. 110. T. II. Exper.); ſo verlieret er auch nicht ſeine Waͤrme als wenn er in die Nachbarſchafft ſolcher Coͤrper kommet, die kaͤlter ſind als er, und wird daher auch nicht kaͤlter (§. 116. T. II. Exper.). Er bleibet demnach warm, wenn er in der Gegenwart ſolcher Coͤrper iſt, die waͤrmer ſind als er, und ihndan -109wegen der veraͤnderlichen Materie. dannenhero ſeiner Waͤrme nicht berauben, oder, woferne ja einige vorhanden ſind, welche ihm die Waͤrme benehmen, doch andere ihm bald wiedergeben, was er ver - lohren. Woferne er nun eben ſoviel Waͤr - me wieder bekommet, als er verlieret; ſo bleibet er in einem Grade der Waͤrme. Hingegen woferne er mehr wieder bekom - met, als er verlieret; ſo wird er waͤrmer, bis er keine Waͤrme mehr annehmen kan (§. 109 T. II. Exper.). Wenn er weniger wieder bekommet, als ihm abgehet, ſo nimmet ſeine Waͤrme nach und nach ab und er wird kaͤl - ter, bis der Abgang der Waͤrme ſo groß iſt, daß er auch die Hand ihrer Waͤrme berau - bet, wenn ſie ihn anruͤhret. Und alsdenn nennen wir eigentlich einen Coͤrper kalt, wenn er unſerer Hand, oder einem andern Theile des Leibes ſoviel Waͤrme benimmet, daß in ihm eine uns empfindliche Veraͤnde - rung entſtehet.
Weil demnach ein Coͤrper bloßWie man einen Coͤrper kalt ma - chet. dadurch kalt wird, indem ihm die Waͤrme entgehet (§. 116. T. II. Exper.), die Waͤr - me aber in der Bewegung einer beſonderen Art der Materie beſtehet, die ſich aus einem Coͤrper in den andern beweget (§. 104. T. II. Exp.); ſo wird ein Coͤrper kalt, entweder wenn die Waͤrme ſich aus ihm in einen an - dern heraus beweget, oder wenn die Mate - rie der Waͤrme ihre Bewegung verlieret. Das110Cap. III. Von dem UnterſcheideDas erſtere geſchiehet in denen Faͤllen, wo die Durchloͤcherung der Coͤrper ſo beſchaf - fen iſt, daß die Waͤrme wo nicht uͤberall, doch hin und wieder, freye Wege findet, ohne Anſtoß an die Theile der beſtaͤndigen Materie, ſich durch den Coͤrper durch zu be - wegen: denn hier iſt nichts vorhanden, wel - ches einen Coͤrper, der in Bewegung iſt, aufhalten koͤnnte, daß er ſich nicht heraus bewegete, wir treffen auch nichts an, was ſeine Bewegung hemmen koͤnnte, indem kein Coͤrper, der einmahl in Bewegung geſetzet worden, nichts von ſeiner Bewegung verlieret, als indem er an einen andern ſtoͤſſet (§. 610 Met.). Das andere geſchie - het, wenn die Zwiſchen-Raͤumlein zwiſchen der beſtaͤndigen Materie des Coͤrpers ſo be - ſchaffen ſind, daß hin und wieder, ja in den meiſten Orten, die Wege ſehr verſchloſſen ſind, auch innerhalb den Raͤumlein Theile frey liegen, daran die Waͤrme in ihrer Be - wegung ſtoͤſſet. Denn indem die Waͤrme an die Theile der beſtaͤndigen Materie, oder auch an andere veraͤnderliche, die in ihren Zwiſchen-Raͤumlein enthalten, anſtoͤſſet; ſo verlieret ſie viel von ihrer Bewegung und nimmet dieſelbe dadurch ab (§. 664 Met.). Ja da wir gefunden, daß die Waͤrme die Theile des Coͤrpers aus einander treibet, dieſe aber nicht ohne alle auſdehnende Krafft ſind (§. 677 Met.), ſo begoͤnnen ſiewie -111wegen der veraͤnderlichen Materie. wieder zuruͤcke zu treten, indem der Waͤrme von ihrer Krafft etwas entgehet. Uber die - ſes da alles in der Natur voll iſt (§. 6. ), ſo wird dadurch, daß die Theile eines Coͤr - pers weiter von einander getrieben und ſol - chergeſtalt der Coͤrper ſelbſt durch einen groͤſſeren Raum ausgebreitet worden, zu - gleich andere auswaͤrtige Materie zuruͤcke geſtoſſen. Weilnun vermuthlich iſt, daß darunter gleichfalls Materie zufinden, welche die Theile der beſtaͤndigen Mate - rie zuſammen drucken hilfft (§. 45); ſo wer - den auch durch dieſe Materie die beſtaͤndi - gen Theile wieder zuruͤcke gedruckt, und kan daher auch geſchehen, daß durch den Druck dieſer Materien die Waͤrme in ihrer Be - wegung gehindert wird. Die Urſache, welche mich dazu bringet, daß ich glaube, es werden Coͤrper in der Natur kalt, ohne daß die Materie der Waͤrme ſich aus ih - nen heraus beweget, nur allein dadurch, daß ihre Bewegung gehemmet wird, iſt kei - ne andere als dieſe, weil ich ſehe, daß Coͤr - per Materie der Waͤrme in ſich haben und dadurch erwaͤrmet werden, indem man die - ſe Materie in Bewegung ſetzet (§. 73), der - gleichen abſonderlich das Eiſen iſt; dabey aber finde, daß, wenn dieſe Coͤrper einmahl auf ſolche Art ſind erwaͤrmet worden, und nach dieſem wieder abkuͤhlen, ſie dennoch wieder von neuem ſich durch bloſſes ſchlagenoder112Cap. III. Von dem Unterſcheideoder Reiben erwaͤrmen laſſen: welches ei - ne gewiſſe Anzeige iſt, daß noch Materie der Waͤrme zuruͤcke geblieben. Weil demnach auſſer Zweiffel iſt, daß die Coͤrper auf beyderley Art, wie jetzt beſchrieben wor - den, kalt werden; ſo ſiehet man, daß, wenn ein Coͤrper kalt werden ſoll, weiter nichts mehr dazu erfordert wird, als daß man ihn in die Gegend ſolcher Coͤrper brin - ge, die weniger Waͤrme an ſich haben, als er: denn alsdenn gehet entweder die Waͤrme aus ihm in dieſelben, oder weil ſie ihm keine Waͤrme mittheilen koͤnnen, ſo hoͤret die Bewegung der warmmachenden Materie nach und nach auf, und ſolchergeſtalt wird der Coͤrper kalt.
Weil demnach die Kaͤlte in ei - nem bloſſen Mangel der Waͤrme beſtehet und ein Coͤrper kalt von uns befunden wird, indem er uns unſerer Waͤrme an dem Theile des Leibes beraubet, dem er nahe iſt, oder das ihn beruͤhret (§. 76); ſo iſt die Kaͤlte in der That nichts anders als ein ge - ringerer Grad der Waͤrme, als vorher im Coͤrper war, und inſonderheit ein geringerer Grad der Waͤrme, als die aͤuſſeren Theile unſers Leibes haben. Nachdem nun der Unterſcheid der Waͤrme groß, oder klein iſt, nachdem iſt auch die Kalte groß oder kleine.
Und hieraus erſiehet man ferner,Wie lan - ge ein Coͤrper kaͤlter werden kan. daß ein Coͤrper ſo lange noch kaͤlter werden kan, als er noch einige Waͤrme bey ſich hat und er in die Naͤhe anderer Coͤrper kommen kan, die weniger Waͤrme haben als er und ihn ſeiner Waͤrme berauben. Derowe - gen kan auch das Eis und der Schnee kaͤl - ter werden als er iſt, und hat folgends noch einige Waͤrme bey ſich, die ihm bey zuneh - mender Kaͤlte der Lufft entgehet (§. 87. T. II. Exper.).
Wiederumb weil die Kaͤlte einOb die groͤſte Kaͤlte in der Na - tur ſeyn kan. bloſſer Mangel der Waͤrme iſt (§. 116 T. II. Exper.), und daher zunimmet, indem die Waͤrme abnim̃et (§. 79); ſo ſiehet ein jeder, daß die Kaͤlte alsdenn am groͤſten iſt, wenn gar keine Waͤrme mehr in einem Coͤrper vorhanden. Ob ein Coͤrper den groͤſten Grad der Kaͤlte jemahls erreichen koͤnne, wird billich in Zweiffel gezogen. Denn wenn er in in der Natur kalt werden ſoll, ſo muß ihm die Waͤrme entgehen und er nicht andere an deren Stelle von auſſen bekom - men (§. 76). Wenn ihm die Waͤrme ent - gehen ſoll, ſo muß ein anderer ihn beruͤhren, der kaͤlter iſt als er (§. cit.). Dieſer aber kan ihn nicht aller Waͤrme berauben. Denn wenn er einen Theil der Waͤrme dem an - dern weggenommen, ſo muß dieſem ſoviel uͤbrig bleiben, als derſelbe wuͤrde an ſich ge - nommen haben, wenn beyde in einem war -(Phyſick) Hmen114Cap. III. Von dem Unterſcheidemen Orte gelegen haͤteen, wo der eine ſoviel Waͤrme wuͤrde erhalten haben als er von ihm bekommen (§. 110 T. II. Exper.). Wie - drigenfalles waͤre der andere Coͤrper, der die Waͤrme wegraubet, waͤrmer als er ſeyn koͤnte und muͤſte daher von ſeiner Waͤr - me demjenigen wieder etwas mittheilen, dem er ſie genommen haͤtte. Und es iſt ſich nicht zuverwundern, daß keine groͤſte Kaͤlte ſeyn kan: wir finden in allen Dingen, daß die Natur niemahls das groͤſte, noch kleine - ſte, oder den letzten Grad erreichet; ſon - dern ſie bleibet allzeit bey den mittleren Gra - den, die auf unzehliche Art ſich veraͤndern laſſen.
Weil die Waͤrme in Bewegung einer Materie beſtehet, die ſich aus einem Coͤrper in den andern beweget und deren Bewegung aufhoͤren kan (§ 71.77. ); ſo be - greiffet man leicht, warum die Waͤrme veraͤnderlich iſt, und ein Coͤrper bald warm, bald kalt werden kan, folgends die Waͤrme keine beſtaͤndige Eigenſchafft der Coͤrper iſt, die wir auf dem Erdboden kennen. Denn unerachtet man ſagen moͤchte, das Feuer habe die Waͤrme zu einer beſtaͤndigen Ei - genſchafft; ſo wiſſen wir doch, daß das Feuer nichts anders iſt als eine concen - trirte Waͤrme (§. 134). Daher ſich auch das Feuer zertheilet und nicht dauret, wenn nicht etwas vorhanden iſt, welches dieFlam -115wegen der veraͤnderlichen Materie. Flamme unterhaͤlt, indem eine neue in die Stelle der andern tritt, die ſich zertheilet und verſchwindet. Wenn man demnach genau reden will, wie es die Wahrheit er - fordert, ſo kan man nicht wohl ſagen, daß die Waͤrme eine Eigenſchafft des Feuers iſt, und daher das Feuer ein Coͤrper, wel - ches die Waͤrme zu einer beſtaͤndigen Ei - genſchafft hat. Denn es iſt der groͤſte Grad, oder ein ſehr groſſer Grad der Waͤr - me, den wir kennen. Wo Feuer iſt, da iſt viel Waͤrme zugegen. Wir muͤſſen nem - lich in der Welt-Weisheit nicht nach un - ſern Sinnen und der Einbildungs-Krafft urtheilen, die Sachen verſchieden vorſtel - len, ob ſie gleich dem Weſen nach einerley ſind. Es iſt wohl wahr, daß in der Flam - me des Feuers noch etwas mehr als Waͤr - me iſt: allein dieſes kommet zufaͤlliger Weiſe mit dazu, wie wir ſolches an ſeinem Orte weiter unterſuchen werden. Wollte man man aber auch das, was wir zufaͤllig neñen, mit dem zu Feuer rechnen und ihm die Waͤrme bloß als eine beſtaͤndige Eigen - ſchafft beylegen; ſo wuͤrden wir daruͤber mit niemanden einen Streit anfangen. Wir ſehen doch aber nicht, was wir ſagen ſollen, wenn durch bloſſe Concentrirung der Sonnen-Strahlen auch bey ſolchen Coͤrpern ein Feuer erreget wird, die keineH 2ver -116Cap. III. Von dem Unterſcheideverbrennliche Materie bey ſich haben (§. 137 138. T. III. Exper.).
Unter die Eigenſchafften der Coͤr - per, welche von einer fremden Materie her - ruͤhren, rechne ich auch die Schweere, und iſt dieſes die Urſache, warum ich davon in dem gegenwaͤrtigen Capitel handele. Jch weiß wohl, daß heute zu Tage verſchiedene in Engelland vorgeben, die Schweere ſey aller Materie eigenthuͤmlich und daher in einem jeden Coͤrper der in ihm enthaltenen Materie proportional, und habe keine me - chaniſche Urſache, daraus ſie ſich erklaͤren laſſe. Wir werden bald begreiffen, daß das letztere aus dem erſteren flieſſe: hinge - gen das erſtere nehmen ſie deswegen an, da - mit ſie in dem Stande ſind zuerweiſen, es gebe Raͤumlein, die von aller Materie leer ſind (§. 7.) und folgends auch untheil - bahre Theile der Materie, die eine nohtwen - dige Figur und Groͤſſe, auch dabey eine vollkommene Haͤrte haͤtten. Allein da al - le dieſe Dinge mit der Vernunfft nicht be - ſtehen, ſo werden wir um ſo vielmehr Urſa - che haben zuzeigen, daß nicht alle Materie ſchweer ſey und daß die Schweere allerdin - ges ihre mechaniſchen Urſachen habe, das iſt, aus der Bewegung ihren Urſprung neh - me, nach den ordentlichen Regeln derſelben, die in Bewegung anderer Coͤrper von derNa -119[117]wegen der veraͤnderlichen Materie. Natur beobachtet werden (§. 132. 133 & ſq. T. III. Exper.).
Die Schweere beſtehet in einerOb die Schwee - re der Materie eigen - thůmlich ſey. Bemuͤhung ſich gegen den Mittel-Punct der Erde zu bewegen. Niemand leugnet es, daß dieſes der Begriff von der Schweere ſey, und, wenn ja noch jemanden zweiffel - hafft vorkommen moͤchte, ob die Materie, welche ſchweer iſt, ſich in ihrer Bewegung gegen den Mittel-Punct der Erde richtet; ſo koͤnnte man ſolches leicht erweiſen. Jch will jetzt nur bloß dieſes zu bedencken geben, daß an allen Orten auf dem Erdbo - den die ſchweeren Coͤrper nach Linien her - unter fallen, die auf die Flaͤche der Erde perpendicular ſtehen: woraus ſich ein Be - weis von einem, der geſchickt iſt etwas zu uͤ - berlegen, garleicht machen laͤſſet. Wenn wir aber auch noch fuͤr ungewis hielten, ob eigentlich die ſchweeren Coͤrper ſich nach dem Mittel-Puncte der Erde zubewegeten (woran wir doch zuzweiffeln nicht gnungſa - me Urſache haben), ſo thaͤte doch dieſes bey unſerem gegenwaͤrtigem Vorhaben nichts zur Sache. Hier iſt genung, daß wir wiſ - ſen, die ſchweeren Coͤrper bewegen ſich ver - mittelſt ihrer Schweere gegen die Erde zu. Es iſt demnach gewiß, daß wir die Schwee - re als eine bewegende Krafft anſehen, dar - aus eine Bewegung von einer gewiſſen Art erfolget, wenn ſie nicht gehindert wird. Ei -H 3ne118Cap. III. Von dem Unterſcheidene jede Krafft iſt von der andern ſo wohl als eine Bewegung von der andern theils durch den determinirten Grad der Geſchwin - digkeit, theils durch die Richtung nach der Gegend, nach welcher die Bewegung ge - ſchiehet, unterſchieden. Und wir treffen auch hier in der That ſowohl einen deter - minirten Grad der Geſchwindigkeit (§. 4. T. II. Exper.), als auch eine determi - nirte Richtung gegen den Mittel-Punct der Erde, oder gegen die Erde zu an. Wir wollen der Kuͤrtze halber die Geſchwindig - keit bey Seite ſetzen, und nur bloß bey der Richtung bleiben. Weil demnach alles ſeinen zureichenden Grund haben muß, wa - rum es vielmehr iſt, als nicht iſt (§. 30 Met.); ſo muß entweder die Schweere nothwendig ſeyn, oder ſie muß eine Urſache haben, woher ſiekommet. Wir finden, daß die Materie in andern Welt Eoͤrpern, als dem Mond, der Sonne und den Planeten ꝛc. ſowohl als die in in unſerer Erde gleichfalls zuſam - men haͤlt, und ſelbſt die Engellaͤnder, wel - che eine nothwendige Eigenſchafft aus der Schweere machen, geben die Schweere als eine Urſache davon an. Derowegen iſt gewiß, daß, gleichwie die eigenthuͤmliche Materie der Erderings herum eine Richtung gegen den Mittel-Punct der Erde, alſo auch die Materie im Mond, in der Sonne und in den uͤbrigen Planeten eine Richtung gegenden119wegen der veraͤnderlichen Materie. den Mittel-Punct des Monds, der Sonne und der uͤbrigen Planeten hat. Weil man demnach ſiehet, daß die Materie, welche ſchweer iſt, nicht einerley, ſondern verſchie - dene Richtungen hat; ſo ſiehet man au - genſcheinlich, daß die Richtung nicht noth - wendig (§. 36. Met.), folgends in dem Weſen der Materie nicht gegruͤndet iſt (§. 38 Met.) Weil nun keine Bewegung, auch keine bewegende Krafft ohne Richtung ſeyn kan, ja die Richtung nebſt dem Grade der Geſchwindigkeit eben dasjenige iſt, wo - durch die Art der Bewegung, und die bewe - gende Krafft determiniret und von an - dern ihres gleichen unterſchieden wird; ſo iſt mehr als zu klar, daß die Schweere der Materie nicht eigenthuͤmlich iſt, folgends eine Materie nicht nothwendig ſchweer ſeyn darf.
Wollte man einwenden, daßEinem Einwurf wird be - gegnet. zwar die Materie ohne Schweere ſeyn koͤn - ne, GOtt aber ſie nach ſeinem Wohlge - fallen mit der Schweere begabet, und dem - nach die Schweere als eine Eigenſchafft anſehen, damit GOTT die Materie frer - willig begabet; ſo ſaget man zwar et - was, damit ſich diejenigen abweiſen laſſen, welche alles nur obenhin anzuſehen gewohnet ſind; man kan aber leicht zeigen, daß alsdenn die Schweere eben ſoviel iſt als eine verborgene Eigenſchafft der Schulweiſen und keinesweges mit denH 4Gruͤn -120Cap. III. Von dem UnterſcheideGruͤnden der Vernunfft beſtehen kan. Man nennet in der Phyſick verborgene Eigen - ſchafften, die keinen Grund haben, warum ſie einem Dinge zukommen. Wenn nun kein Grund ſoll vorhanden ſeyn, warumb die Schweere einer Materie zukommet; ſo muß ſie nothwendig mit unter die verborge - nen Eigenſchafften gerechnet werden. Al - lein eben deswegen weil alles ſeinen zure - chenden Grund haben muß, warum es viel - mehr iſt, als nicht iſt (§. 30. Met.); ſo ſind eben die verborgenen Eigenſchafften etwas ungereimtes. Wer darauf acht hat, was ich ſage, wird ohne mein Erinnern ſehen, daß ich hier nicht von ſolchen Eigenſchafften, re - de, deren Grund wir aus Mangel der Er - kaͤntnis nicht anzuzeigen wiſſen; ſondern bloß von denenjenigen, davon man vor - giebt, daß ſie gar keinen haben. Jch habe aber auch ſchon anderswo erinnert §. 98. Met.), daß man nicht den Willen GOttes als einen zureichenden Grund in derglei - chen Faͤllen anfuͤhren koͤnne, und laͤngſt er - wieſen, daß es ungereimet ſey, wenn man vorgeben will, GOtt habe in das Weſen eines Dinges etwas geleget, was keinen Grund in ihm hat, warum es ihm zukom - men kan (§. 1022. Met.). Ja es wird ſich auch niemand dergleichen Dinge bereden laſſen, wer nur einmahl gelernet hat, daßdas121wegen der veraͤnderlichen Materle. das Weſen der Dinge unveraͤnderlich ſey (§. 42. Met.), auch die Eigenſchafften des einen nicht einem andern ſich mitthei - len laſſen (§. 430. Met.). Dergleichen Dinge behaupten nur diejenigen, welche nicht verſtehen, was Wahrheit iſt (§. 142. Met.) und wie ſie von dem Traume unter - ſchieden (§. 143. Met.), noch auch erwegen, was die Vernunfft iſt (§. 368. Met.).
Weil demnach die Schweere kei -Schwee - re hat ei - ne Urſa - che auſſer dem ſchwee - ren Coͤr - per. nen zureichenden Grund in den ſchweeren Coͤrpernhat (§. 83) und gleichwohl einen ha - ben muß (§. 84); ſo muß auſſer der ſchwee - ren Materie etwas anzutreffen ſeyn, darin - nen er zu finden. Und ſolchergeſtalt muß die Schweere eine Urſache auſſer dem ſchweeren Coͤrper haben (§. 29. Met.). Ge - ſetzt nun aber, daß wir es nicht bis dahin bringen koͤnten, daß wir dieſe Urſache ent - deckten; ſo wuͤrde doch deswegen der Man - gel unſerer Erkaͤntnis der Wuͤrcklichkeit der Sache keinen Eintrag thun. Es ſind ja Materien in der Natur vorhanden, die wir nicht kennen, und wir werden im Fortgange ſehen, daß viel in der Natur vorhanden iſt, an deſſen Wuͤrcklichkeit wir nicht zweiffeln koͤnnen, und gleichwohl keine Moͤglichkeit erſeben, wie wir zu deſſelben Erkaͤntnis ge - langen koͤnnen.
H 5§. 86.122Cap. III. Von dem UnterſcheideWeil nun die Schweere eine Urſa - che von auſſen hat (§. 85) und nichts anders als eine Art der Bewegung iſt (§. 83); ſo muß ſie wie alle Bewegungen aus der Bewegung einer anderen Materie entſte - hen, welche die ſchweeren Coͤrper gegen den Mittel-Punct der Erde treibet (§. 653 Met.) Und alſo giebt es eine beſondere Materie in der Natur, die in ſteter Bewegung iſt, wel - che durch ihre Bewegung die Coͤrper ſchweer machet, das iſt, auf Erden ſie gegen den Mit - tel-Punct der Erde treibet. Und dieſe Ma - terie iſt eben diejenige, welche wir die ſchweermachende Materie nennen. Wer die Schweere von etwas anders als von dieſer Materie herleiten will, der macht eben aus ihr nichts anders als eine verbor - gene Eigenſchafft, maſſen natuͤrlicher Wei - ſe keine Bewegung anders als aus einer vorhergehenden Bewegung kommen kan (§. 664 Met.) und alles was ſich in der Natur veraͤnderliches zeiget, durch die Bewegung geſchiehet (§. 615 Met.). Und ich habe erſt erwieſen (§. 84), daß verborgene Eigen - ſchafften etwas ungereimtes ſind.
Vielleicht werden einige vermei - nen, da die Materie alle in ſteter Bewegung iſt (§. 8), auch ohne Bewegung in der Welt nicht ſeyn kan, weil ſonſt die Welt ein wuͤſter und leerer Klumpe wuͤrde, darinnen ſich kein Unterſcheid, noch einige Ordnungzei -123wegen der veraͤnderlichen Materie. zeigete (§. 8),; ſo waͤre die Schweere eine eigenthuͤmliche Bewegung. Nemlich die ſchweere Materie ſey eben die jenige, welche ihre Bewegung gegen den Mittel Punct der Erde, oder einen andern Welt Coͤrper erhalten. Allein wir wiſſen, daß in der Bewegung einerley Grad der Geſchwin - digkeit verbleibet, woferne keine Urſache von auſſen vorhanden, warum ſich dieſelbe aͤndert (§. 610 Met.). Dero wegen da ein ſchweerer Coͤrper, indem er ſich gegen den Mittel-Punct der Erde beweget, ſich nicht beſtaͤndig mit einem unveraͤnderten Gra - de der Geſchwindigkeit beweget, ſondern vielmehr in einem fort ſeine Geſchwindig - keit aͤndert (§. 1. T. II. Exper.); ſo muß nothwendig eine Urſache von auſſen ſeyn, wodurch die Geſchwindigkeit veraͤndert wird. Derowegen weil ein Coͤrper ſeine Geſchwindigkeit aͤndert, indem von auſſen ein anderer an ihn ſtoͤſſet (§. 664 Met.); ſo muß auch eine ſchweermachende Materie vorhanden ſeyn, welche an die Coͤrper o - der ihre Materie ſtoͤſſet, indem ihre Ge - ſchwindigkeit im Fallen vergroͤſſert wird.
Die Verſuche zeigen es, daß einSchweer machende Materie wuͤrcket ohne Un - terlaß und iſt uͤ - ſchweerer Coͤrper, indem er zu fallen be - ginnet, ſeine Geſchwindigkeit in einem fort aͤndert und ohne Unterlaß ſort ſich immer geſchwinder beweget (§. 1 T. II. Exper.). Da nun die Geſchwindigkeit nicht andersals124Cap. III. Von dem Unterſcheideberall auf den Erd - boden zu - gegen.als durch einen neuen Stoß ſich aͤndern laͤſſet (§. 664 Met.); ſo muß auch die ſchweermachende Materie den ſchweeren Coͤrper beſtaͤndig fort ſtoſſen. Derowe - gen weil ein Coͤrper in den andern wuͤrcket, indem er ihm durch den Stoß einen Grad der Geſchwindigkeit mittheilet (§. 621 Met.); ſo wuͤrcket die ſchweermachende Materie ohne Unterlaß in die ſchweeren Coͤrper. Und da die Coͤrper, ſo weit wir uns von der Erde entfernen koͤnnen, ſchweer verbleiben, ja auch die Lufft, welche die Erde umgiebet, ſchweer iſt (§. 30. T. I. Exper.); ſo muß die ſchweermachende Materie durch den gantzen Raum ausge - breitet ſeyn, den die Erde mit der Lufft er - fuͤllet.
Weil die ſchweermachende Ma - terie auch die Lufft ſchweer machet (§. 30 T. I. Exper.), und die Coͤrper, ja ſelbſt die Lufft, auch in einem Raume ſchweer blei - ben, wo keine Lufft anzutreffen iſt (§. 182 T. I. Exper.); ſo muß die ſchweermachende Materie von der Luft unteꝛſchieden ſeyn. Da ſie aber gleichwohl auch durch den Raum ausgebreitet iſt, den die Lufft einnimmet (§. 88) und ohne Unterlaß an jedes Lufft - Staͤublein ſtoͤſſet (§. cit. ); ſo muß ſie eine Materie ſeyn, die in die Zwiſchen - Raͤumlein der Lufft hinein dringet, und alſoeine125wegen der veraͤnderlichen Materie. eine Materie, die fluͤßig. (§. 62) und ſubtiler als die Lufft iſt.
Die Schweere richtet ſich nichtSchwee - re wuͤr - cket nicht von auſ - ſen in die Coͤrper. nach der aͤuſſeren Flaͤche des Coͤrpers (§. 15. T. II. Exper.) und demnach iſt klar, daß die Materie, welche ihn ſchweer machet, nicht bloß an die aͤuſſere Flaͤche ſtoͤſſet. Denn wenn der Coͤrper bloß von auſſen geſtoſſen wuͤrde; ſo koͤnnte viel Matterie an ihn ſtoſ - ſen und ihn gegen den Mittel-Punct der Erde treiben, wenn er eine breite Flaͤche hat, hingegen um ſo viel weniger, wenn er eine ſchmaale hat. Da nun dieſes der Er - fahrung zu wieder iſt; ſo kan auch die Schweere nicht bloß von auſſen in den Coͤr - per wuͤrcken. Wollte jemand zweiffeln, ob nicht vielleicht ein Unterſcheid in der Schweere anzutreffen; wenn ſeine Flaͤche mercklich veraͤndert wird; ſo kan er es bald verſuchen und aus dem Zweiffel kommen. Man laſſe einen Wuͤrffel von Bley machen, weil dieſes Metall unter die ſchweereſten Materien zurechnen (§. 188 T. I. Exper.), dabey ſich der Unterſcheid am leichteſten zeigen muß, wenn ſich einer ereignet. Man laſſe noch einen machen, deſſen Seite zwey - mahl ſo groß iſt. Wer die Geometrie ver - ſtehet, der weiß, daß der andere acht mahl ſo groß iſt als der erſte (§. 215 Geom.), hin - gegen ſeine Flaͤche oder auch eine Seite da - von nur vier mahl ſo groß als die Flaͤche deser -126Cap. III. Von dem Unterſcheideerſten, oder auch eine Seite von dieſer Flaͤ - che. Wenn man nun beyde Wuͤrffel ge - gen einander abwieget, ſo iſt der groſſe nicht viermahl, ſondern acht mahl ſo ſchweer als der kleine. Und alſo richtet ſich die Schwee - re nicht nach der Flaͤche des Coͤrpers, ſon - dern nach der Menge der eigenthuͤmlichen Materie.
Weil nun die ſchweermachende Materie nicht von auſſen in den Coͤrper wuͤrcket, ſondern vielmehr von innen die kleinen Theile deſſelben gegen den Mittel - Punct der Erde treibet; ſo muß ſie auch in die Zwiſchen-Raͤumlein der dichteſten Coͤr - per frey hinein dringen koͤnnen. Will man ſich dieſes deutlicher vorſtellen, ſo kan es auf ſolgende Weiſe geſchehen. Das Gold iſt die ſchweereſte und dichteſte unter allen Materien, die wir kennen. Und da die kleineſten Staͤublein derſelben, welche wir durch die Vergroͤſſerungs-Glaͤſer, die am meiſten vergroͤſſern, entdecken koͤnnen, noch immer dichtes Gold bleiben; ſo iſt kein Zweiffel, daß ſie auch den Grad der Schweere behalten, welche das Gold uͤ - berhaupt hat, maſſen die Art der Schweere ſich nach der Dichtigkeit der Materie (§. 4. T. I. Exper.), dieſe nach der Zuſam - menſetzung der Theile derer Materien rich - tet, durch deren Vermiſchung das Gold in der Natur entſtehet (§. 32. 37). Derowe -gen127wegen der veraͤnderlichen Materie. gen muß die ſchweermachende Materie in die Zwiſchen-Raͤumlein der kleineſten Theile des Goldes dringen, und, da ver - muthlich iſt, daß auch die einfacheren Ma - terien, durch deren Vermiſchung die kleine - ſten Theile des Goldes heraus kommen, noch ſchweer ſind, ſo muß auch die Ma - terie der Schweere in ihre Zwiſchen-Raͤum - lein dringen. Daß ſie ſich aber auch frey durch bewegen koͤnnen, erhellet daraus, weil ſonſt die ſchweermachende Materie in den Hoͤhlen, wo ſie nicht weiter fort koͤnnte, wuͤrde ſtehen bleiben und in ihrer Bewe - gung gehemmet werden. Es iſt nicht zu - leugnen, daß dieſes der Einbildungs-Krafft zuſchaffen machet: allein wenn man beden - cket, was von der Subtilitaͤt der Materie erwieſen worden (§. 3.), dem wird die Ver - nunft weiter keine Anſtoß geben laſſen. Weñ wir dieſer Gehoͤre geben, ſo muͤſſen wir die Materie des Goldes und folgends noch mehr aller uͤbrigen Coͤrper dergeſtalt durch - loͤchert anſehen, als ein Sieb in Anſehung des Waſſers. Denn unerachtet man kei - ne Loͤcher ſiehet, ob man gleich das allerbe - ſte Vergroͤſſerungs-Glaß dazu brauchet: ſo iſt hingegen auch die ſchweermachende Materie ſo ſubtil, daß man nichts davon anfichtig werden kan, man mag ſie vergroͤſ - ſern wie man will. Wir koͤnnen uns abe um ſoviel weniger befremden laſſen, daß dieſchweer -128Cap. III. Von dem Unterſcheideſchweermachende Materie durch das Gold und alle uͤbrige Materien, die von ihr ſchweer gemacht werden, ſich frey durch beweget, indem wir durch die Erfahrung uͤ - berzeuget werden, daß ſich ſelbſt durch das Gold (§. 72. T. III. Exper.) das Licht frey durch bewegen kan. Und alſo lehret uns ſelbſt die Erfahrung, daß die allerkleineſten Theile des Goldes fuͤr ſubtile Materien gantz offen ſind und ihnen einen freyen Durchgang verſtatten.
Es iſt demnach klar, daß die Ur - ſache der Schweere eine ſehr ſubtile Materie ſey, welche in die ſubtileſten Zwiſchen - Raͤumlein der beſtaͤndigen und veraͤnderli - chen Materie dringet und durch die dichte - ſten Materien, die wir haben, ſich frey und ungehindert durch beweget. Woraus zuerſehen, daß dieſe Materie in ſubtilere Theile wuͤrcklich getheilet ſeyn muß als die Eroͤffnungen der kleineſten Hoͤhlen oder Zwiſchen-Raͤumlein der Coͤrper ſind und ihre Theile ſich leicht von einander abſon - dern laſſen. Derowegen iſt es eine fluͤßige Materie (§. 55). Weil ſie nun die kleine - ſten Theile des Coͤrpers gegen den Mittel - Punct der Erde beſtaͤndig fortſtoͤſſet (§. 90), ſo kan ſie mit der uͤbrigen Materie des Coͤr - pers, die durch ihr fortſtoſſen beweget wird, ſich nicht zugleich mit gegen den Mittel-Punct der Erde bewegen, als wennſie129wegen der veraͤnderlichen Materie. ſie mit ihm einen Coͤrper ausmachte. Sie gehoͤret demnach nicht unter die eigenthuͤm - liche, ſondern die fremde Materie des Coͤr - pers.
Weil die ſchwermachende Ma -Schwer - machen - de Ma - terie iſt nicht ſchweer. terie ſich nicht zugleich mit dem Coͤrper fort beweget; ſo kan ſie auch nicht mit ihm zu - gleich wiegen. Denn was mit einem Coͤr - per wieget, das muß mit ihm zugleich nie - derſteigen (§. 1 T. I. Exp.) Derowegen iſt die ſchweermachende Materie vor ſich nicht ſchweer. Und ſehen wir daher, daß wir Materie ohne Schweere zugeben muͤſ - ſen, wenn wir ſchweere Materie haben wollen, folgends daß nicht alle Materie ſchweer ſey.
Wenn man nun aber fraget obOb noch andere Materie vorhan - den, die nicht ſchweer iſt. denn auſſer der ſchweermachenden Mate - rie noch andere vorhanden, die gleichfals keine Schweere hat; ſo ſcheinet es wohl ſchweer hierinnen etwas mit Zuverlaͤßigkeit zuſagen, weil wir aus Mangel der Erfah - rung, auf die wir uns gruͤnden muͤſſen, wenn wir von der Wuͤrcklichkeit der Din - ge urtheilen wollen, nicht eigentlich ſagen koͤnnen, wie vielerley Arten der Materien in der Welt vorhanden ſind, deren immer eine die Zwiſchen-Raͤumlein der andern er - fuͤllet. Jedoch wenn wir genau erwegen, was es mit dieſer Frage eigentlich zuſagen hat; ſo iſt wohl mehr als vermuthlich, daß(Phyſick) Jauſ -130Cap. III. Von dem Unterſcheideauſſer der ſchweermachenden Materie noch viele andere vorhanden, die keine Schweere hat. Nemlich unſere Frage gehet dahin aus, ob noch in der Natur Materie vorhan - den, welche die ſchweermachende nicht gegen den Mittel-Punct der Erde, oder eines an - deren Welt-Coͤrpers, wenn von der Schweere ſeiner Theile die Rede iſt, trei - bet. Wenn wir auf die ſchweere Materie acht haben, ſo finden wir, daß ihre Thei - le, welche von der ſchweermachenden gegen den Mittel-Punct der Erde getrieben wer - den, groͤber ſind als die ſchweermachende. Denn dieſe dringet in die ſubtileſten Zwi - ſchen-Raͤumlein, die ſich in den kleineſten Theilen der Coͤrper, ſelbſt der Lufft, befin - den, uͤberall hinein (§. 91.). Da nun dieſe Raͤumlein kleiner ſind, als die Theile, in de - nen ſie ſich befinden: ſo muß auch die Mate - rie, die in dieſelben Raͤumlein hinein drin - get und noch ſubtiler als ſie iſt, auch noch gar viel ſubtiler als die kleineſten Theile der Coͤrper ſeyn, welche eine Schweere haben. Weil demnach die Materie, welche die ſchweermachende Materie gegen den Mit - tel-Punct der Erde treibet, groͤber als ſie iſt; ſo koͤnnen ja noch viel ſubtilere Materien in der Natur vorhanden ſeyn, welche den Zwi - ſchen-Raum der ſchweermachenden erfuͤl - len, auch wohl ihre Bewegung unterhalten,und131wegen der veraͤnderlichen Materie. und dieſe werden nicht von ihr zugleich mit der groͤberen gegen den Mittel-Punct der Erde getrieben. Ja es laͤſſet ſich gar be - greiffen, daß dergleichen ſubtilere Materie, als die ſchweermachende iſt, in der Natur muͤſſe vorhanden ſeyn. Denn da alles in der Natur voll iſt und kein leerer Raum ſeyn kan (§. 6.); ſo muͤſſen die Theile der ſchweermachenden Materie etwas ſtetiges ausmachen und koͤnnten nicht wuͤrcklich ge - theilet ſeyn. Sie ſind aber wuͤrcklich ge - theilet (§. 3.), und demnach machen ſie nichts ſtetiges aus (§. 58. Met.), ſondern haben Zwiſchen-Raͤumlein, die von einer andern Materie, welche von ihnen unter - ſchiedene Bewegungen hat (§. 9.) erfuͤllet ſeyn. Es iſt derowegen klar, daß es auſſer der ſchweermachenden Materie noch an - dere ſubtilere giebet, die gleichfals wie ſie keine Schweere hat.
Die ſchweermachende MaterieWas die ſchweer - machende Materie fuͤr eine Bewe - gung hat. iſt uͤberall in dem gantzen Raume anzutref - fen, den die Erde mit der Lufft, welche ſie umgiebet, einnimmet, und gehet ſonder Zweiffel noch uͤber die Lufft hinaus, weil ſie nemlich nicht allein alle irrdiſche Mate - rie, ſondern auch ſelbſt die Lufft gegen den Mittel-Punct der Erde zu treibet (§. 89.). Sie iſt demnach gewiſſer Maaſſen als ein groſſes Meer anzuſehen, darinnen alle zur Erde gehoͤrige Materie und die Lufft mitJ 2al -132Cap. III. Von dem Unterſcheideallem, was in ihr iſt, gleichſam ſchwim - met. Die ſchweere Materie wird von ihr ſehr ſchnelle gegen den Mittel-Punct der Erde getrieben (§. 5 T. II. Exper.), und zwar dergeſtalt, daß ihre Geſchwindigkeit in einem fort zunimmel (§. 3. T. II. Exper.) Derowegen muß ſie in uͤber aus. geſchwinder Bewegung ſeyn (§. 664 Met) Vermuthlich iſt ſie an allen Orten, oder in gleicher Weite von dem Mittel-Puncte der Erde, von gleicher Geſchwindigkeit, weil die Vermehrung der Geſchwindigkeit in verſchiedenen Weiten von der Erde einer - ley gefunden worden (§. 5 & ſeqq. T. II. Exper.). Geſetzt aber auch, daß ſich die Geſchwindigkeit mit der Weite von der Erde in etwas aͤnderte; ſo traͤget es doch fuͤr diejenigen Weiten nichts aus, in wel - chen wir mit Schweere zuthun haben. Denn wir komen eben nicht gar hoch uͤber die Erde, noch auch gar tief unter dieſelbe. Und alſo iſt es fuͤr uns gleich viel als wenn die ſchweermachende Materie ſich uͤberall mit gleicher Geſchwindigkeit bewegete, wenn ſie auch gleich ab - und zu naͤhme. Wir haben demnach nicht noͤthig weiter zu un - terſuchen, was es mit der Geſchwindigkeit fuͤr eine Beſchaffenheit habe. Wenn wir nun ferner nach der Richtung fragen, wel - che die ſchweermachende Materie in ihrer Bewegung hat; ſo findet man dabey groͤſ -ſere133wegen der veraͤnderlichen Materie. ſere Schweerigkeit en. Zwar doͤrffte es an - fangs ſcheinen, als wenn keine vorhanden waͤren. Denn die ſchweere Materie wird gegen den Mittel-Punct der Erde zugetrie - ben (§. 83). Da ſie ſich nun nach derjeni - gen Richtung beweget, welche ſie durch den Stoß erhaͤlt; ſo ſollte man vermeinen, daß die ſchweermachende Materie gleich - fals ſich nach dem Mittel-Puncte der Erde hin bewege. Allein wenn man dieſes ge - nauer betrachtet, ſo ſiehet man nicht, wie es angehen koͤnne. Denn da dieſelbe Ma - terie rings herumb umb den Mittel-Punct der Erde in wuͤrcklicher Bewegung ange - troffen wird; ſo muͤſte im Mittel-Puncte der Erde ein Theil das andere aufhalten, wenn ſie ſich einander entgegen bewegten, oder es muͤſte von der einen Seite dieſelbe ſich uͤber den Mittel-Punct der Erde hinaus bewegen. Bewegete ſie ſich irgends wo uͤber den Mittel-Punct der Erde hinaus; ſo koͤnnte ſie von der andern Seite nichts mehr gegen ihn fort ſtoſſen, ſondern ſie ſtieſ - ſen vielmehr, was ihr wiederſtuͤnde, von dem Mittel-Puncte der Erde fort: welches dem zu wieder waͤre, was die Erfahrung giebet, nemlich daß beſtaͤndig von allen Seiten des Erdbodens die ſchweere Ma - terie gegen den Mittel-Punct der Erde ge - trieben wird. Wollte man ſagen, die ſchweermachende Materie hielte einanderJ 3bey134Cap. III. Von dem Unterſcheidebey dem Mittel-Puncte der Erde auf; ſo waͤre nicht zu begreiffen, wie ſie beſtaͤndig in ſchneller Bewegung ſeyn und andere Materie fort ſtoſſen koͤnnte. Setzet man, die ſchweermachende Materie werde von dem Mittel-Puncte der Erde ringsherumb weggetrieben; ſo will es das Anſehen ge - winnen, als wenn ſie in dieſem Falle, die Materie, ſo ihr wieder ſtuͤnde, gleichfals von dem Mittel-Puncte der Erde wegtriebe. Wil man dieſe beyde Bewegungen nicht zu geben; ſo bleibet keine andere uͤbrig, als daß wir ſetzen, ſie werde umb den Mittel - Punct der Erde herumb beweget. Und die - ſe letztere Art der Bewegung iſt anfangs KeplernaEpit. Aſtron. Copern. lib. 1. p. 95. eingefallen, und Carteſius hat ſie angenommen und behauptetbPrincip. Philoſ. part. 4. §. 20. p. m. 143.. Man hat aber dieſer Meinung umb ſoviel lieber beygepflichtet, weil man geſehen, daß, wenn einen Siebe Spreue und Koͤrner in die rundte herumb beweget werden, die Koͤrner welche beweglich ſind, ſich an die Peripherien des Siebesgeſellen, die Spreu aber, welche zur Bewegung ungeſchickt iſt, ſich in die Weiten zuſammen geſellet. Hu - geniuscVid, diſeours de la cauſe de la peſanteur. hat noch deutlicher ausgefuͤh - ret, daß die Schweere von dieſer Art derBewe -135wegen der veraͤnderlichen Materie. Bewegung herkomme. Wir wollen die gantze Sache nach unſerer Art etwas or - dentlicher erwegen.
Weil die ſchweeren Coͤrper durchDaß die ſchweer - machen - de Ma - terie ſich in einem Circul bewege. die Bewegung der ſchweermachenden Ma - terie gegen den Mittel-Punct der Erde ge - trieben werden (§. 83.); ſo muß die ſchwer - machende Materie ſich entweder in einer geraden Linie, oder in einer krummen bewe - gen. Durch die Bewegung in einer gera - den Linie laͤſſet ſich kein Coͤrper gegen den Mittel-Punct der Erde treiben (§. 95.): derowegen muß ſich die ſchweermachende Materie in einer krummen Linie um den Mittel-Punct der Erde bewegen. Damit wir nun erkennen, wie es moͤglich iſt, daß durch eine krumm linichte Bewegung einer fluͤßigen Materie ein Coͤrper gegen einen Punct in einer geraden Linie getrieben werden kann; ſo hat Hugeniusdloc. cit. p. 132. 133. einen ſchoͤnen Verſuch angegeben, der dieſes au - genſcheinlich zeiget. Er hat ein cylindriſch Glaß, daß im Diameter 8. bis 10. Zoll hielt und 4. bis 5. Zoll hoch war, mit Waſ - ſer gefuͤllet, einige Stuͤcklein von Spani - ſchem Wachſe hinein geworffen, welche un - terſuncken, und oben mit einem Deckel ver - wahret, damit in der Bewegung kein Waſ - ſer heraus ſpritzte. Der Boden des Gla -J 4ſes136Cap. III. Von dem Unterſcheideſes war eben und gantz glatt, damit nicht das Wachs in ſeiner Bewegung gehindert wuͤrde. Dieſes Glaß hat er auf eine rund - te Scheibe befeſtiget, die er mit einer Ma - chine ſchnelle herumb drehen konnte. Als dieſes geſchahe, ſo bewegete ſich das Wachs bis an den Rand: als er aber eine Weile das Glaß in Kreiß beweget hatte, biß das Waſſer in ihm ſich ſchnelle im Kreiſe herum bewegete, und darauf die Bewegung deſſel - ben hemmete; ſo bewegete ſich das Waſ - ſer noch im Kreiſe herum und das Wachs ward von allen Seiten gegen den Mittel - Punct des Bodens geſtoſſen. Weil ſich hier das Wachs gegen den Mittel-Punct des Bodens beweget; ſo muß etwas ſeyn, was ihm dieſe Bewegung giebet (§. 664 Met.). Es iſt nichts vorhanden, was es in Bewegung ſetzen koͤnnte, als das Waſ - ſer, und dannenhero klar, daß es das Waſ - ſer gegen den Mittel-Punct des Bodens treiben muß. Nun beweget ſich das Waſ - ſer in einem Circul herum und das Wachs hat keine dergleichen Bewegung, ſondern lieget in ihm ſtille. Derowegen iſt klar, daß eine fluͤßige Materie, die ſich in einem Cir - cul um ſeinen Mittel-Punct beweget, andere Materien, welche ſich nicht ſo ſchnelle wie ſie darum bewegen koͤnnen, gegen denſelben treibet. Man ſetze demnach in die Stelle des Waſſers die ſchweermachende Mate - rie und an ſtat des Spaniſchen Wachſesirr -137wegen der veraͤnderlichen Materie. irrdiſche Coͤrper, endlich an ſtat des Bo - dens im Glaſe einen Circul, der die Erde in ihrem Mittel-Puncte durchſchneidet; ſo wird man bald begreiffen, daß die irrdi - ſchen Coͤrper in der ſchweermachenden Ma - terie ſich gegen den Mittel Punct der Erde bewegen muͤſſen. Es iſt wohl wahr, daß das Waſſer eine Schweere hat, die ſchweer - machende Materie aber keine (§. 92): allein da in gegenwaͤrtigem Verſuche das Waſ - ſer ſich in einen Circul um den Mittelpunct des Bodens beweget, ſo iſt es in Anſe - hung dieſer Bewegung eben ſoviel, als wenn es gar keine Schweere haͤtte. Gleicher - geſtalt thut zu der Bewegung des Spani - ſchen Wachſes gegen den Mittel-Punct des Bodens gar nichts deſſelben Schweere, und iſt gleichfalls hier nicht anders anzuſehen, als wenn es gar keine Schweere haͤtte. Es zeiget demnach gegenwaͤrtiger Verſuch, daß, wenn eine fluͤßige Materie ſich um ei - nen Mittel-Punct im Circul herum bewe - get, eine andere Materie, die ſich nicht ſo geſchwinde wie ſie herum bewegen laͤſſet, gegen den Mittel Punct des Circuls getrie - ben werde. Mehr aber verlangen wir nicht als dieſes, wenn wir zu wiſſen verlan - gen, ob vermoͤge der circulrundten Bewe - gung der ſchweermachenden Materie umb den Mittel-Punct der Erde andere Materi - en, die ſich nicht ſo ſchnelle herumb bewegen laſſen, gegen denſelben koͤnnen getriebenJ 5wer -138Cap. III. Von dem Unterſcheidewerden. Und demnach wiſſen wir, was fuͤr eine Bewegung die ſchweermachende Materie haben muß, wenn ſie Coͤrper ſchweer machen ſoll.
Jch weiß weiß wohl, daß einige in dem Verſuche des Hugenii nicht erſehen koͤnnen, daß durch eine Bewegung im Cir - cul einer fluͤßigen Materie eine andere, die ſich nicht ſo wohl mit ihr in Circul herumb bewegen laͤſſet, gegen den Mittel-Punct des Circuls getrieben werde. Man ver - meinet, es erfolge hier etwas aus einem be - ſonderen Zufalle, was in einer jeden Circul - rundten Bewegung einer fluͤßigen Mate - rie nicht ſtat finde. Jedermann iſt bekandt, daß, wenn Waſſer in einem rundten Ge - faͤſſe ſich in einem Wirbel herum beweget, in dem Mittel-Puncte des Wirbels eine Grube wird. Und zwar iſt die Grube umb ſo viel tieffer, je ſchneller ſich das Waſſer be - weget. Wenn demnach die Geſchwin - digkeit abnimmet, ſo nimmet auch nach und nach die Tieffe der Grube ab, dergeſtalt daß die Flaͤche des Waſſers endlich wieder gantz eben wird, wenn das Waſſer zu ſei - ner Ruhe kommet. So lange nun das Waſſer ſich geſchwinde beweget, ſo lange ſtehet es zu den Seiten hoͤher als in der Mitten: ſo bald aber ſeine Geſchwindig - keit nachlaͤſſet, ſetzet ſich es wieder und flieſſet vermoͤge ſeiner Schweere gegen die Mit -ten139wegen der veraͤnderlichen Materie. ten ab, wo es niedriger ſtehet. Man bildet ſich demnach ein, indem das Waſſer von den Seiten gegen den Mittel-Punct herab fließt, bewege es zugleich das Waſſer bis auf den Boden gegen die Mitte des Glaſes her - uͤber, und auf ſolche Weiſe werde das Spa - niſche Wachs zugleich mit heruͤber ge - ſchleppet, oder auch gegen den Mittel-Punct des Bodens geſtoſſen. Allein dieſes kan nur einen Schein bey denen haben, welche den Verſuch nicht ſelbſt angeſtellet und al - le Umſtaͤnde genau erwogen. Das Spa - niſche Wachs wird rings herum gegen den Mittel-Punct des Bodens getrieben, indem das Waſſer ſich noch in Circul herum bewe - get. Da nun aber das Waſſer den Boden beruͤhret, dadurch das Wachs gegen ſeinen Mittel-Punct getrieben wird, auch daruͤ - ber alles voll Waſſer iſt; ſo kan es unmoͤg - lich ſich zugleich in der Peripherie des Cir - culs und auch in ſeinem Diameter bewegen: Dieſes gehet nur im freyen an, nicht aber in einem Raume wo alles von Waſſer voll iſt. Jedoch auch im freyen gehet es nicht voͤllig ſo an, wie es hier angenommen wird. Darnach iſt es etwas hartes, welches man fuͤr die lange Weile nicht zugeben kan, daß das Waſſer, welches oben von den Seiten gegen den Mittel-Punct herab flieſſet, allem Waſſer, was unter ihm iſt, eben eine ſolche Bewegung mittheilen ſoll. Man ſiehetviel -140Cap. III. Von dem Unterſcheidevielmehr genungſame Urſache, warumb man dergleichen nicht vermuthen kan. Das Waſſer, weil als eines fluͤßigen Coͤr - pers ſeine Theile wuͤrcklich von einander ge - trennet, dabey aber ſehr beweglich ſind, iſt nicht anders anzuſehen als ein Hauffen klei - ner Kugeln, die uͤber einander liegen. Man lege Kugeln oder auch Erbſen neben einan - der und thuͤrme ſie oben zur Seite hoͤher, da - mit mitten eine Grube wird. Wenn man zu den Seiten die Kugeln ſich hinab bewe - gen laͤſſet; ſo wird deswegen keine Bewe - gung in den Kugeln, die auf dem Boden liegen, zu ſpuͤren ſeyn. Wir brauchen aber nicht viel Wiederlegens durch Gruͤnde der Vernunfft: die Erfahrung kan gleich den Ausſchlag geben. Wenn die Bewegung des Waſſers in Wirbel nichts dazu thut, daß das Spaniſche Wachs ſich gegen den Mittel-Punct beweget, ſondern bloß die Bewegung gegen den Mittel-Punct, die es durch den Druck des oben von den Seiten gegen die Mitte herabflieſſenden Waſſers erhaͤlt; ſo muß ſolches noch wie vorhin erfolgen, wenn das Waſſer auf dem Boden in Ruhe iſt und nur das obere ſich in einem Wirbel herum beweget: welches man leicht bewerckſtelligen kan, wenn man nur oben mit einem Meſſer oder einem Sto - cke das Waſſer ſchnelle hin und wieder be - weget. Denn woferne das obere Waſſer,in -141wegen der veraͤnderlichen Materie. indem es ſich an den Seiten des Gefaͤſſes nach und nach ſetzet, alles bis auf den Bo - den gegen die Axe des Glaſes bewegen, oder wenigſtens eine Neigung zu dergleichen Be - wegung geben kan; ſo muß ſolches am aller - meiſten in dem Falle geſchehen, da das un - tere Waſſer keine wiedrige Bewegung hat. Die Erfahrung aber zeiget das Wiederſpiel und bekraͤfftiget, daß Hugenius es an ſei - ner ſonſt gewoͤhnlichen Scharfſinnigkeit auch bey dieſem Verſuche nicht fehlen laſſen. Und wir achten auch daher nicht noͤthig zu ſeyn, daß wir alle das uͤbrige anfuͤhren, was ſich mit gutem Grunde dieſem Einwurffe entgegen ſetzen lieſſe. Eben ſo iſt uns ge - nung, daß wir aus der Erfahrung erſehen, es werde durch die Bewegung einer fluͤßi - gen Materie im Wirbel eine andere, die ih - rer Bewegung nicht mit folgen kan, gegen den Mittel-Punct des Wirbels getrieben, und verlangen nicht zu unterſuchen, wie es moͤglich ſey. Nur mercken wir dieſes an, daß die Materie, welche ſich in einem Circul beweget, ihre Bemuͤhung von dem Mittel - Puncte deſſelben ſich zu entfernen nicht nach dem Diameter, ſondern vielmehr einer an - deren Linie anwendet, welche den Circul be - ruͤhret. Wollte man auch gleich ſagen, daß das Waſſer, welches ſich von dem Mittel-Puncte des Bodens zu entfernen bemuͤhet, an die innere. Flaͤche des Glaſesan -142Cap. III. Von dem Unterſcheideanſtoſſe und von dar zuruͤcke pralle gegen den Mittel-Punct deſſelben, folgends das Spaniſche Wachs mit ſich fuͤhre; ſo ſiehet man doch abermaͤhl, daß das Waſſer ſeine Wirbel-Bewegung nicht behalten koͤnnte, da im Gegentheile der Verſuch klaͤrlich zei - get, daß ſie noch vorhanden, indem das Spaniſche Wachs gegen den Mittelpunct getrieben wird. Wer wieder Saͤtze was einwenden will, die man auf Verſuche ge - gruͤndet, ſollte billich nichts annehmen, als was er durch mit Fleiß angeſtellte Verſuche richtig befunden. Wir verlangen auch nicht zu unterſuchen, wo die ſchweermachen - de Materie ihre Bewegung um den Mit - tel-Punct der Erde herbekomme, maſſen wir uns begnuͤgen, wenn wir die naͤchſten Urſachen der natuͤrlichen Wuͤrckungen ent - decket haben.
Da eine fluͤßige Materie⃒ die an - dere, welche ihrer Bewegung nicht folgen kan, gegen den Mittel-Punct deſſelben Cir - culs treibet, darinnen ſie ſich beweget (§. 95.); ſo muß auch die ſchweermachende Materie die ſchweere gegen den Mittel-Punct des Circuls treiben, darinnen ſie ſich beweget. Nun finden wir, daß alle ſchweere Coͤrper gegen den Mittel-Punct der Erde getrieben werden (§. 83.). Derowegen iſt klar, daß alle ſchweermachende Materie ſich in Cir - culn bewegen muß, die durch den Mittel -Punct144[143]wegen der veraͤnderlichen Materie. Punct der Erde gehen und daſelbſt auch ih - ren Mittel-Punct haben. Sie beweget ſich demnach alle in groͤſten Circuln der Erde (§. 4.) Trigon. ſphær.). Weil nun a - ber dieſes nicht geſehehen kan, wenn ſie ſich durch einen gantzen Circul nach einer Sei - te herum bewegete; ſo hat ſchon Hugenius angemercket, daß die Bewegung an allen Orten nicht nach einer Gegend, ſondern viel mehr bald hieher, bald dorthin geſchiehet. Wie die Natur dergleichen Bewegungen durch einander hervorbringen koͤnne, haben wir eben nicht noͤthig zu unterſuchen, indem wir es weit genung gebracht, wenn wir die naͤchſten Urſachen entdecket.
Die ſchweeren Coͤrper vermehren ihreDaß ſich dieſelbe uͤber die maaſſen ſchnelle beweget. Geſchwindigkeit zufallen, ſo lange als ſie fallen, in denen Hoͤhen, wo wir Verſuche anſtellen koͤnnen. Ricciolus hat es in ei - ner Hoͤhe ⃒von 250 (§. 5. T. II. Exper.), Hauksbée in einer von 220 und Desagu - liers in einer von 272 Schuhen ſo und nicht anders befunden (§. 10. T. II. Exper.). Da man in dieſen Hoͤhen nicht den gering - ſten Abgang in der Vermehrung der Ge - ſchwindigkeit verſpuͤret, die man nach Pro - portion in kleineren Hoͤhen herausbringet; ſo wird niemand Bedencken tragen anzu - nehmen, daß in einem Raume von 400 Schuhen die ſchweermachende Materie ſich ſo geſchwinde bewege zu Ende deſſelben, wieim144Cap. III. Von dem Unterſcheideim Anfange. Nun faͤllet ein ſchweerer Coͤrper in einer Secunde 15 Schuhe 1 Zoll (§. 13. T. II. Exper.), oder bey nahe 15 Schuhe, und alſo in 5 Secunden 375 Pari - ſer-Schuhe (§. 4. ſq. T. II. Exp.), und dem - nach hat er ehe er das Ende der Hoͤhe von 400 Schuhen erreichet, eine Geſchwindig - keit, damit er ſich in 5 Secunden 800 Schuhe, oder in einer Secunde, das iſt ohngefehr in einer Zeit, da der Puls ſchlaͤ - get, 160 Schuhe bewegen koͤnnte. Es laͤſſet ſich leicht erweiſen, daß die ſchweer - machende Materie ſich noch viel geſchwin - der bewegen muͤſſe als ein Coͤrper, welcher in einer Secunde einen Weg von 260 Schuhen zuruͤcke leget. Denn ſie muß ſich geſchwinder bewegen als ein ſchweerer Coͤrper zu Ende ſeines Falles: Dieſer aber hat, wie ⃒wir geſehen, in einer geringeren Hoͤhe als von 400 Schuhe eine dergleichen Geſchwindigkeit erreichet. Wer darauff acht hat, wird nicht zweiffeln, daß die ſchweermachende Materie ſich geſchwinder bewegen muͤſſe als der Coͤrper, den ſie trei - bet. Denn wenn er ſich geſchwinder als ſie bewegete, ſo muͤſte er die ſchweerma - chende Materie unter ſich aus der Stelle treiben, daß ſie mit groͤſſerer Geſchwindig - keit uͤber ihn ſtiege als ſie ſonſt durch ihre Bewegung zuthun vermag. Jn dieſem Falle aber wuͤrde er etwas⃒ von ſeiner Ge -ſchwin -145wegen der veraͤnderlichen Materieſchwindigkeit verlieren (§ 132. 133 T. III. E.) und ſie dannenhero abnehmen, keineswe - ges aber weiter zu nehmen: welches der Er - fahrung zu wieder iſt. Unerachtet aber die Geſchwindigkeit, die wir herausgebracht, einigen faſt allzugroß ſcheinen doͤrffte; ſo iſt doch gewiß, daß ſie noch weit groͤſſer iſt als diejenige, die wir als kleiner angegeben. Hugenius(a)loc, cit. p. 142. 143. hat ſie genauer beſtimmet. Unerachtet ich ſeine Rechnung aus einigen Gruͤnden, die in den Lateiniſchen Anfangs - fangs Gruͤnden der Mechanick erwieſen worden, erklaͤren koͤnnte; ſo will es ſich doch an dieſem Orte nicht wohl ſchicken, weil wohl die wenigſten, ſo dieſes Buch leſen wer - den, ſich in der Mathematick ſo weit wer - den umgeſehen haben, als noͤthig ſeyn wuͤr - de, woferne ſie mich voͤllig verſtehen wolten. Jch mercke demnach bloß an, daß gedachte Rechnung ausweiſet, die ſchweermachende Materie bewege ſich 17 mahl ſo geſchwinde als ein Punct unter der Linie, indem die Er - de ſich innerhalb 24 Stunden um ihre Axe herum beweget. Ein ſolcher Punct bewe - get ſich innerhalb 24 Stunden 5400 groſſe deutſche Meilen, deren eine bey nahe 22917 Pariſer Schuhe haͤlt (§. 15. 16. Geogr.), und alſo in einer Stunde 225, in einer Mi -(Phyſick) Knute146Cap. III. Von dem Unterſcheidenute 3¾, in einer Secunde oder einem Puls - Schlage $$\frac {1}{16}$$ von einer deutſchen Meile. De - rowegen iſt die Geſchwindigkeit der ſchweer - machenden Materie ſo groß, daß ſie in einer Secunde, oder ohngefehr in der Zeit eines Puls-Schlages ſich bis $$\frac {17}{16}$$ oder uͤber eine deutſche Meile beweget: welche Bewe - gung in der That ſo geſchwinde iſt, daß wir ſie mit unſeren Sinnen und der Einbil - dungs-Krafft nicht erreichen koͤnnen. Weil nun aber in einer Hoͤhe von 400 Schuhen die ſchweeren Coͤrper durch den Fall nicht ei - ne viel groͤſſere Geſchwindigkeit erreichet, als damit er in einer Secunde 160 Schuhe durchlauffen kan, welches kaum der hundert zwey u. funfzigſte Theil von 24349 Schuhen iſt, welche die ſchweermachende Materie in einer Secunde vollendet; ſo ſiehet man, daß ein ſchweerer Coͤrper gar weit fallen kan, ehe er mit der ſchweermachenden Materie einer - ley Geſchwindigkeit erreichet. Es lieſſen ſich hieraus noch viele beſondere Wahrhei - ten herleiten: allein wir gehen weiter, als wir ſollen und muͤſſen uns wieder zuruͤcke in unſere Schrancken ziehen.
Weil die ſchweermachende Materie ſich 17 mahl ſo geſchwinde be - weget, als ein Punct unter der Linie auf dem Erdboden in der taͤglichen Bewegung um ihre Axe (§. 99); ſo kan die Schweerenicht147wegen der veraͤnderlichen Materie. nicht von der Bewegung der Erde um ihrewegung der Erde ihren Urſprung haben kan. Axe herkommen, wie ſich einige eingebildet. Und ſiehet man hieraus, was ich laͤngſt zu an - derer Zeit erinnert, daß man in der Erkaͤntnis der Natur oͤffters nicht zur Gewisheit kom - men kan, woferne man es nicht bis zu der mathematiſchen Erkaͤntnis bringt, da die Groͤſſe der Krafft in den wuͤrckenden Urſa - chen und die Groͤſſe der von ihnen herruͤh - renden Wuͤrckungen ausgemeſſen wird. Es kommet auch noch eine andere Urſache hinzu. Die Schweere der Coͤrper erfor - dert, daß die ſchweermachende Materie an einem Orte ſich auf den Erdboden ſo ge - ſchwinde bewege, als in dem andern. Wenn aber die ſchwermachende Materie einerley Bewegung mit der Erde haben ſollte, ſo muͤ - ſte ſie gegen die Pole abnehmen unter den Polen ſich endlich gar verlieren (§. 19. Geogr.); welches aber mit der Erfahrung nicht uͤberein kommet.
Die ausdehnende Krafft derUrſache der aus - dehnen - den Krafft. Coͤrper gehoͤret gleichfalls unter die Eigen - ſchafften, welche von einer fremden Materie herruͤhren. Ein Coͤrper aͤuſſert nicht eher dieſelbe Krafft, als bis er zuſammen gedru - cket wird, wie wir an der Lufft ſehen (§. 123 T. I. Exper.), und abſonderlich an dem Orte, wo die Theile zuſammen gedruckt werden. Denn wenn man einen Degen in die Kruͤmme beuget, ſo werden nothwen -K 2dig148Cap. III. Von dem Unterſcheidedig die inneren Theile in der hohlen Seite zuſammen gedrucket und die aͤuſſeren in der erhabenen Seite mehr aus einander gedehnet, denn die innere Peripherie wird kleiner als die aͤuſſere, da vorher die beyden Flaͤchen des Degens einander gleich waren. Nun drucket aber alsdenn der Degen von der Hohlen Seite zuruͤcke und ſpringet auch wieder in ſeine vorige Figur, ſobald man nachlaͤſſet und ihn nicht weiter zuſammen drucket. Und demnach iſt klar, daß er ſei - ne ausdehnende Krafft an dem Orte aͤuſſert, wo ſeine Theile zuſammen gedruckt ſind. Wenn ein Coͤrper zuſammen gedruckt wird, ſo kommen ſeine kleinen Theile naͤher zuſam - men, als ſie vorher waren und werden daher ſeine Zwiſchen-Raͤumlein kleiner als vor - hin. Da nun dieſelbe mit einer ſubtilen Materie erfuͤllet ſind (§. 6. 7. ); ſo muß ſie aus ihm heraus gedruckt werden, indem die Theile naͤher zuſammen gehen. Weil nun aber gleichwohl die Coͤrper eine Bemuͤhung anwenden wieder ihre vorige Figur anzu - nehmen, auch ſolches bald geſchiehet, wenn nur das Hindernis gehoben wird, indem man nemlich aufhoͤret weiter zu drucken; ſo muß die Materie, welche aus den Zwiſchen - Raͤumlein heraus gejaget worden, wieder hineindringen und die Theile von einander ſtoſſen, die man naͤher zuſammen gebracht hatte, als ſie anfangs waren. Es iſt dem -nach149wegen der veraͤnderlichen Materie. nach gewiß, daß die ausdehnende Krafft von einer ſubtilen Materie herruͤhret, welche in ſehr ſchneller Bewegung iſt (denn ſonſt koͤn - te die ausdehnende Krafft der Coͤrper nicht ſo groß ſeyn, wie wir ſie z. E. in der Lufft (§. 88 T. I. Exper.) finden) und in die ſubti - leſten Zwiſchen-Raͤumlein der Coͤrper drin - get, maaſſen dichter Stahl eine ausdehnen - de Krafft hat, deſſen Zwiſchen-Raͤumlein durch die beſten Vergroͤſſerungs-Glaͤſer ſich nicht zuerkennen geben. Unterdeſſen da wir finden, daß gleichwohl nicht alle Coͤr - per eine ausdehnende Krafft erhalten, wenn man ſie zuſammen drucket, auch nicht alle, welche damit verſehen, ſie in gleichem Gra - de haben; ſo muß auch die Art der Zuſam - menſetzung des Coͤrpers dazu etwas bey - tragen, daß er dieſer Krafft faͤhig wird; wel - ches wir aber vor dieſes mahl zu fernerer Unterſuchung ausgeſetzt ſeyn laſſen.
Ende des erſten Theiles.
JNdem ich von dem Welt-Gebaͤu - de zu handeln mir vorgenommen, ſo iſt meine Abſicht dahin gerich - tet, daß ich zeigen will, was fuͤr groſſe Welt Coͤrper vorhanden und wie da - raus die gantze Welt zuſam̃en geſetzet wor - den, auch wie einer von den Welt Coͤrpern in den andern wuͤrcket. Jch bekuͤm̃ere mich hier aber nicht um dasjenige, was die Stern - kundigen in der Aſtronomie zu dem Ende unterſuchen, damit ſie daraus den Stand der Sterne gegen die Erde und andere Himmels-Begebenheiten, die von der Sternen Bewegung herruͤhren, auf kuͤnff - tige und vergangene Zeiten ausrechnen koͤnnen. Denn die Phyſick, welche wir hier abhandeln, iſt von der Aſtrono - mie unterſchieden, ob es wohl insgemein zugeſchehen pfleget, daß man in der Aſtro - nomie auch vieles mit abhandelt, was indie151Welt-Coͤrpern uͤberhaupt. die Phyſick gehoͤret, weil inſonderheit die Sternkundigen dieſe Wahrheiten entdecket haben.
Wenn wir die Welt nur oben hinArten der Welt - Coͤrper. anſehen, ſo zeigen ſich dem erſten Anblicke nach auſſer unſerer Erde, die wir bewohnen, die Sonne, der Mond und die Sterne. Die - jenigen, welche nach ihren Sinnen zu ur - theilen gewohnet ſind, das iſt, fuͤr unter - ſchiedene Arten der Coͤrper halten, die ih - nen von den Sinnen als unterſchieden vor - geſtellet werden, halten auch die Erde, die Sonne und den Mond fuͤr Coͤrper, deren ein jeder ſeines gleichen nicht hat, und die Sterne als unterſchieden von ihnen, aber von einerley Art unter einander. Allein da dieſes kein richtiger Grund iſt, daß die Sachen unterſchieden ſind, die von den Sinnen als unterſchieden vorgeſtellet wer - den, gleichwie auch im Gegentheile nicht einerley ſeyn kan, was ſie als einerley vor - ſtellen, wie aus der Optick zur Gnuͤge be - kand iſt: ſo muͤſſen wir alles genauer unter - ſuchen, damit wir finden, wie weit einige von den Welt-Coͤrpern zu einer Art koͤnnen gerechnet werden und wie vielerley Arten derſelben zumachen ſind.
Als man auf die Sterne acht gege -Unter - ſcheid der Sterne. ben, ſo hat man gleich einen doppelten Un - terſcheid unter ihnen wahrgenommen. Die meiſten unter ihnen behalten einerley WeiteK 4von152Cap. I. Von denvon einander und werden Fixſterne genen - net: wenige aber aͤndern ihren Stand in Anſehung der uͤbrigen und heiſſen Plane - ten.
So lange man den Himmel mit bloſſen Augen angeſehen, hat man auſſer der Sonne und dem Mond, die man mit unter die Planeten gerechnet, weil ſie wie dieſelben ihren Stand gegen die Fixſterne taͤglich aͤndern und ſich von Abend gegen Morgen zubewegen ſcheinen, nur fuͤnff Pla - neten gezehlet, die Saturnus, Jupiter, Mars, Venus und Mercurius genennet worden. Venus und Mercurius gehen mit der Sonne in einem Jahre um den gan - tzen Himmel herumb, und unterweilen vor der Sonne vorher, unterweilen folgen ſie ihr nach. Mars vollendet ſeinen Lauff umb den Himmel in 2 Jahren, Jupiter in 12 und Saturnus in 30 Jahren.
Nachdem zu Anfange des verwi - chenen Jahrhunderts die Fernglaͤſer erfun - den worden (§. 45 Opt.); hat Simon Marius, der Marggraffen von Branden - burg in Francken Mathematicus, ge - gen das Ende des Novembris A. 1709. durch ein Fernglaß umb den Jupiter kleine Sterne geſehen, die bald hinter ihm bald vor ihm mit ihm in einer geraden Linie ſtunden. Weil er nun durch eben dieſes Jnſtrument in der Milchſtraſſe, dem Siebengeſtirne,den153Welt-Coͤrpern uͤberhaupt. den Hyadibus, dem Orione und an an - deren Orten des Himmels viel kleine Ster - ne geſehen hatte, die man mit bloſſen Augen nicht ſehen konnte; ſo hielt er auch die Sterne bey den Jupiter fuͤr dergleichen Fix - ſterne und gab weiter nicht darauf acht. Al - lein weil dazumahl im December Jupiter ruͤckgaͤngig war und gleichwohl dieſe kleine Sterne um ihn beſtaͤndig verblieben; ſo kam er auf die Gedancken, daß es Planeten waͤ - ren, die ſich um den Jupiter bewegeten, und fieng dannenhero den 29 Decembris ſeine obſervationen aufzuſchreiben. Er nahm anfangs nur drey davon wahr, biß er endlich gegen das Ende des Februarii und den Anfang des Martii A. 1710 voͤllig gewiß war, daß ihrer viere waren(a)Vid. Præfatio ad Mundum Jovialem. . Allein ehe er etwas davon heraus gab, welches erſt A. 1614 geſchahe; kam ihm Gallilæus A. 1610 mit ſeinem Nuncio ſidereo zuvor, darinnen er nicht allein dieſe 4 neue Plane - ten umb den Jupiter, welche er den 10 Ja - nuarii das erſte mahl geſehen hatte, ſondern auch andere Sachen beſchrieb, die er durch das Fernglaß entdecket hatte. Und uner - achtet man ihm anfangs auf der Univerſitaͤt zu Padua, wo er Profeſſor Matheſeos war, ſtarck wiederſprach und ihm nicht ein - mahl wuͤrdigte, daß man ſie durch ſein Fern -K 5glaß154Cap. I. Von denglaß ſehen wollte; ſo hat doch die Wahr - heit mit der Zeit durchgebrochen und iſt heu - te zu Tage niemand mehr vorhanden, wel - cher ſich unterſtuͤnde dieſelben in Zweiffel zu ziehen, zumahl da ſie ſo vielfaͤltig von den Sternkundigen obſerviret worden. Un - terdeſſen war Galilæus zu ſeiner Zeit darin - nen gluͤcklich, daß ihm der Groß-Hertzog von Florentz, als er ihm die neuen Planeten ge - zeiget hatte, uͤber 1000 Ducaten ſchenckte und ihn noch in demſelben Jahre, da er ſie entdecket hatte, mit einer Beſoldung von 1000 Ducaten zu ſeinem Philoſopho und Mathematico annahm, da er zu Padua nur 1000 Floren Beſoldung hatte(c)Vid. Epiſtolæ ad Keplerum Epiſt. 57. f. 95.. Es werden aber dieſe 4 Sterne insgemein Sa - tellites Jovis, Jupiters-Trabanten, oder auch Jupiters-Monden genennet.
Nachdem Chriſtian Hugeni - us die Fernglaͤſer zu groͤſſerer Vollkom - menheit gebracht als ſie vor ihm wa - ren; hat er mit einem von 12 Schuhen um den Saturnum einen neuen Planeten obſer - viret, und zwar das erſte mahl den 25. Mar - tii A. 1655. Nach dieſem hat der beruͤhm - te Aſtronomus Dominicus Caſſini, den der Koͤnig von Franckreich der Aſtronomie hal - ber aus Jtalien nach Franckreich beruffen, auf dem obſervatorio zu Paris noch vierande -155Welt-Coͤrpern uͤberhaupt. andere entdecket, daß demnach fuͤnff Plane - ten ſich um den Saturnum, wie viere umb den Jupiter bewegen. Er hat darzu ge - braucht die vortrefflichen Fernglaͤſer des Campani, der in Verfertigung der Fern - glaͤſer groſſen Ruhm erlanget. Den fuͤnf - ten oder den aͤuſſerſten hat er durch ein Fernglaß von 73 Schuhen gegen das En - de des Octobris; den dritten A. 1672 mit einem Fern-glaſe von 35 Schuhen, den erſten oder innerſten im Monathe Martio A. 1684 mit einem Fernglaſe von 100, nach dieſem auch unterweilen mit einem andern von 35 Schuhen, und endlich den andern um eben dieſe Zeit durch eben dieſe Fern - glaͤſer obſervireteActa Ernd. A. 1686. p. 469. & Joh. Bapt. du Hamel in Phil. Vet. & Nova Tom. 5. c. 9. p. m. 113. Conf. Philoſophical Transactions Num 92. p. 5178. Num. 133. p. 831. & Num. 181. p. 79.. Er hat auch von der Hand eben dieſes Kuͤnſtlers Fernglaͤſer von 136, von 90 und von 70 Schuhen gehabt, und uͤber dieſes noch andere von 40 und 70 Schuhen von Borello und von 80, 155 und 220 Schuhen von ArtouquelfPhiloſ. Transact. N. 181. p. 79.. Hu - genius hat der Koͤniglichen Societaͤt in En - gelland ein Fernglaß von 125 Schuhe ge - ſchencket, welches aber eine Zeitlang un -brauch -(d) ſyſtema Saturninum p. 3. 9.156Cap. I. Von denbrauchbahr daſelbſt gelegen. Als Derham daſſelbe borgete und den Saturnum obſer - virte, ſo ward er zweiffelhafft, ob auch die Sterne, welche er unterweilen bey ihm an - traff, Planeten waͤren, die ſich umb ihn be - wegeten, weil der Ort, wo ſie geſehen wor - den, gar nicht uͤberein kam mit der Rech - nung aus den Caßiniſchen Tabellen, in welcher Muthmaſſung er und andere mit ihm beſtaͤrcket worden, weil man in Paris lange Zeit keine Obſervationen von ihnen mehr anfuͤhrete, noch auch ſie durch die Fernglaͤſer denen zeigete, welche ſie zuſehen verlangeten. Allein als A. 1714 Jacob Caſſini, ein Sohn des groſſen Aſtrono - mi, von neuem einige obſervationes her - vorbrachte, woraus er die Tabellen ſeines Vaters verbeſſerte; ſo haben in Engelland Jacob Pound und andere durch das Huge - niſche Fernglaß den Saturnum von neuem obſerviret und ſeine Trabanten gefunden, daß man nun an der Richtigkeit der obſer - vation keinen Zweiffel zu ſetzen hatgIbid. N. 355. p. 768. & ſeqq. & Num. 356. p. 776.. Dieſe fuͤnff Planeten nennet man Satellites Saturni oder die Saturniſchen Traban - ten, weil ſie ſich um den Saturnum herumb bewegen und zugleich mit ihm unter den Fixſternen fortgehen, gleichwie ſich dieJu -157Welt-Coͤrpern uͤberhaupt. Jupiters-Trabanten um den Jupiter be - wegen und mit ihm zugleich fortruͤcken. Man nennet ſie auch die Saturniſchen Monden. Derham muthmaſſethAſtro-theology lib. 7. c. 7. p. m. 195., daß zwiſchen dem fuͤnfften und vierdten noch ei - ner ſey, weil der Raum zwiſchen ihnen nach Proportion weit groͤſſer iſt als zwiſchen den uͤbrigen. Ja er bildet ſich ein, daß uͤ - ber den fuͤnfften noch mehrere heraus liegen: allein wir haben mit Muthmaſſen nichts zu thun.
Die Zahl der Fixſterne, welcheZahl der Fixſter - ne. man mit bloſſen Augen obſerviren kan, iſt ſehr groß. Ptolomæus hat ihrer 1026 in ſeinen Catalogum fixarum gebrachtaAlmag. lib. 7. c. 5. f. m. 164. & ſeqq. ; Hevelius hingegen 1888bProdrom. Aſtron. c. 8. f. 110. 111.. Ja der de - ruͤhmte Koͤn. Aſtronomus Joh. Flamſteed zehlet in ſeinem CatalogocHiſt. Cœl[e]ſt. part. 1. f. 1. & ſeqq. 2604 Ster - ne, unerachtet er diejenigen weggelaſſen, die weiter gegen Suͤden ſtehen, als daß ſie auf dem Koͤniglichen obſervatorio zu Green - wich koͤnnten geſehen werden. Durch die Fernglaͤſer erſcheinen noch eine weit groͤſſere Menge, als man mit bloſſen Au - gen ſiehet. Galilæus z. E. hat durch ein Fern - glaß, welches noch eines von den ſchlechte -ſten158Cap. I. Von denſten war, in dem nebelichten Sterne des Orions 21, in dem nebelichten auf dem Krebſe, den man die Krippe nennet, 36 und im Siebengeſtirn mehr als 40, ja in dem ei - nigen Gurte des Orions 80 und in einem Raum von einem und dem andern Grade des Orions bis 500 Sterne gezehlet. Jn der Milchſtraffe, da man mit bloſſem Auge nichts ſiehet, als daß der Himmel heller iſt, als an den uͤbrigen Orten, kan man die Menge der Sterne nicht zehlen, welche man durch ein Fernglaß erblicketdvid. Nuncius ſidereus Galilæi p. 31. 32.. Und hat ſchon Heveliuseloc. cit. f. 119. angemercket, daß es nicht moͤglich iſt alle Sterne in eine Ver - zeichnis zu bringen, die man durch die Fern - glaͤſer erblicket, zumahl da ſich ihrer immer mehr zeigen, je beſſere Vergroͤſſerungsglaͤ - ſer man zu Betrachtung des Himmels an - wendet. Ja es iſt uͤbel nur die Anzahl de - rer zubeſtimmen, die ſich mit bloſſen Augen ſehen laſſen, indem einer immer mehr ſiehet als der andere, nachdem er ein ſchaͤrfferes Geſichte hat als ein anderer. So hat Meslinus im Siebengeſtirn mit bloſſen Au - gen 14 Sterne geſehen, da andere kaum 6 bis 7 ſehen und ein gewiſſer Geiſtlicher hat im Schilde des Orions bey hellen Naͤchten 40 Sterne unterſcheiden koͤnnen, wo ande -re159Welt-Coͤrpern uͤberhaupt. re kaum 11 bis 12 antreffen .fKeplerus in diſſertat. cum Nuncio ſidereo p. 9.. Man ſiehet hieraus zum wenigſten ſo viel, daß ei - ne unbeſchreibliche Zahl der Fixſterne im Himmel iſt.
Wer den Himmel nur oben -Schein - bare Groͤſſe. hin anſiehet, der wird gleich finden, daß ein Stern nicht ſo groß ausſiehet, als der an - dere: und daß die Anzahl der kleineren groͤſ - ſer iſt als die Zahl der groſſen. Man ſiehet aus des Ptolomei Almageſtoglib 7 c. 5 f. m. 164 & ſeqq. , daß ſie ſchon die Alten in ſechſerley Groͤſſen einge - theilet. Sterne von der erſten Groͤſſe ſind wenige, ohngefehr 13. Denn unerachtet alle Aſtronomi die Eintheilung in ſechſer - ley Groͤſſe behalten; ſo ſind ſie doch darin - nen nicht mit einander einig, welche eigent - lich zu einer jeden Claſſe zurechnen ſeyn. Die Alten haben den Unterſcheid der Groͤſ - ſe bloß nach Gutduͤncken unterſchieden: al - lein man hat es auch nicht weiter bringen koͤnnen, nachdem man die beſten Fernglaͤ - ſer erfunden. Es hat laͤngſt Hugeniushin Coſmotheoro lib. 2. p. m. 114. angemercket, daß auch durch die vortreflich - ſten Fern Glaͤſer, die ungemein vergroͤſſern, die Fixſterne dennoch nicht anders als wie untheilbare Puncte ausſehen, daß man ih - re Groͤſſe durch ein richtiges Maaß zube -ſtim -160Cap. I. Von denſtimmen keinesweges vermag. Heveliusiin Prodromo Aſtron. c. 8 f. 120. iſt gar der Meinung, daß die Groͤſſe der Fixſterne veraͤnderlich ſey, weil er ſie zu ſeiner Zeit anders gefunden, als ihre Groͤſſe von den Alten angegeben wird: denn er kan ſich nicht uͤberreden, daß ſolches aus Nachlaßigkeit der Alten, oder weil ſie ein bloͤderes Geſichte gehabt, herkomme. Er haͤlt fuͤr ungereimet, wenn man ſich ſchmei - cheln wolle, man koͤnne heute zu Tage ſchaͤrffer ſehen als vor dieſem und habe ein beſſeres Augen Maaß als die Alten gehabt, oder laſſe ſich auch eine Sache mehr ange - legen ſeyn, als man vor dieſem gethan. Und zwar haͤlt er es um ſo viel ungereimter, je leichter es zu unterſcheiden, ſonderlich bey den groſſen Sternen, ob ſie an Licht und Groͤſſe einander gleich ſind. Hevelius han - delt hierinnen, wie verſtaͤndige zuthun ge - wohnet ſind, die koͤnnen ſich um ſo viel weni - ger von Leuten von Verſtande uͤberreden, daß ſie einen Fehler in einer Sache, die ſie uͤberleget, ſollten begangen haben, je leichter derſelbe zu ſehen iſt und je ungereimter er heraus kommet.
Allein dieſes iſt wunderbahrer und verdienet mehrere Aufmerckſamkeit, daß unterweilen einige Fixſterne gar ver - ſchwinden und nicht wieder kommen, dieman161Welt-Coͤrpern uͤberhaupt. man uͤber ein paar tauſend Jahr am Him - mel glaͤntzen geſehen. Hevelius hat fuͤnffe derſelben angemercket, die von der ſechſten, fuͤnfften und vierdten Groͤſſe ſind. Z. E. Ulug Beigh hat A. 1437 auf der lincken Huͤffte des Waſſermannes einen Stern von der ſechſten Groͤſſe obſerviret, der eine ſuͤdliche Breite von ohngefehr 5 Graden hatte und deſſen Laͤnge im 20 Grade der Fiſche war. Tycho de Brahe hat ihn zu Ende des ſechzehenden Jahrhundertes noch am Himmel gefunden und ihn ſeinem Cata - logo mit einverleibet: allein Hevelius hat ihn ohngefehr 50 Jahr hernach nicht mehr finden koͤnnen, ſo ſcharfſichtig als er auch ſonſt immermehr waraProdr. Aſtron. loc cit. f. 122.. Eben ſo hat Montanari die beyden Sterne, welche Bey - er im Hintertheile des Schiffes mit β und γ bezeichnet, nebſt andern durch Veran - laſſung des Cometens A. 1664 noch am Himmel gefunden; aber von dem 10 A - prilis A. 1664 an nicht die geringſte Spur davon mehr angetroffen, unerachtet die uͤ - brigen Sterne von der vierdten und fuͤnff - ten Groͤſſe, die um ſie herum waren, unver - ruͤckt gebliebenbPhiloſoph. Transact. Num. 73. p. 2202.. Caſſini, der die Him - mels-Begebenheiten auf das ſorgfaͤltigſte beobachtet, hat gleichfals verſchiedene Ster -(Phyſick) Lne162Cap. I. Von⃒ denne angemercket, welche im Himmel zu ſeiner Zeit verſchwundencIbid. Num. 73. p. 2201. Dergleichen iſt der Stern, welchen Beyer in der Andro - meda mit A bezeichnet; ingleichen ein Stern von der vierdten Groͤſſe, den Tycho fuͤr den zwantzigſten in dem Geſtirne der Fi - ſche rechnet. Es hat aber auch im Gegen - theil Caſſini neue Sterne an ſolchen Oer - tern des Himmels wahrgenommen, da vor dem gantz gewis keine geſtanden. Al - ſo hat er einen von der vierdten und einen von der fuͤnfften Groͤſſe in der Casſiopeia, zwey andere gegen den Anfang des Eridani, wo vor dem Ende des 1664. Jahres keiner davon zuſehen war, und noch vier andere von der fuͤnfften und ſechſten Groͤſſe gegen den Nord-Pol zu obſerviret. Er hat auch angemercket, daß der Stern auf dem Knie der Andromeda, den Beyer mit ξ bezeichnet, verſchwunden und an deſſen Stelle zwey andere, etwas mehr Nordwerts, kommen: der bey dem andern Knie aber mit ξ bezeich - net, uͤber die maſſen kleiner worden; der - gleichen auch einem Sterne von der vierd - ten Groͤſſe wiederfahren, den Tycho an das Ende der Kette ſetzet, damit die Andromeda an den Felſen geſchmiedet.
Es giebt auch Sterne, die ſich eine Weile ſehen laſſen, nach dieſem ver - ſchwinden, und, wenn ſie eine Zeitlang un -ſicht -163Welt-Coͤrpern uͤberhaupt. ſichtbahr geweſen, wieder von neuem er -verſchwin den und nach die - ſem wie - der kommen. ſcheinen. Gottfried Kirch, weyland Koͤ - niglicher Aſtronomus auf dem obſerva - torio zu Berlin, hat gezeiget, daß von die - ſer Art der Stern im Halſe des Schwanes iſt, den Beyer mit χ bezeichnet, als welcher in 404½ Tagen ſeinen Lauff vollendet, nem - lich ſoviel Tage verflieſſen von der Zeit an, da er das erſte mahl verſchwindet, bis zu der Zeit, da er, nachdem er wieder erſchienen, das andere mahl unſichtbahr wird. Wenn der Stern nicht mehr mit bloſſen Augen kan geſehen werden; ſo laͤſſet er ſich doch noch durch das Vergroͤſſerungs Glaß finden, je - doch nur anfangs: denn nach dieſem kan man nichts mehr davon zu ſehen bekommen. Ja unterweilen kan man ihn, wenn er wie - der kommet, gar nicht anders als durch das Vergroͤſſerungs Glaß zuſehen bekom - menaMiſcellan. Berolinenſ. p. 208 & ſeqq. . Von eben dieſer Art iſt der Stern im Halſe des Schwanes, den Heve - lius Miram oder den Wunderbahren nennet und davon er einen kleinen beſonde - ren Tractat geſchrieben,bHiſtoriola ſtellæ miræ f. 146. & ſeqq. Mer - curii in Sole viſi. : denn auch die - ſer Stern laͤſſet ſich eine Weile ſehen und nimmet wehrender Zeit in der Groͤſſe zu, nachdem aber wiederumb ab, biß er endlich gantz verſchwindet und ei -L 2ne164Cap. II. Von der Sonne. ne Weile unſichtbahr bleibet: wenn er ver - ſchwindet, kan man ihn Anfangs noch durch das Vergroͤſſerungs Glaß ſehen; a - ber nicht die gantze Zeit, da er unſichtbahr iſt. Er faͤngt an mit der ſechſten Groͤſſe zu erſcheinen und gehet alle Groͤſſen durch bis auf die andere. Unerachtet aber Hevelius dieſen Stern ſorgfaͤltig obſerviret, ſo hat er dennoch keine gewiſſe Zeit beſtimmen koͤn - nen, in welcher er wieder kommet: denn bisweilen iſt er ſieben Monathe auſſen ge - blieben, bisweilen kaum fuͤnffe. Gleicher - geſtalt iſt er unterweilen ſechs bis 7 Mona - the ſichtbahr geweſen, bißweilen aber nicht uͤber viere. Wir koͤnnten noch mehrere dergleichen Sterne anfuͤhren, wenn es noͤ - thig waͤre, und vielleicht wuͤrden die Stern - kundigen auch noch mehrere, als bekandt ſind, wahrnehmen, wenn ſie fleißig darauf acht haͤtten: allein zu unſerem Vorhaben ha - ben wir nicht mehrere noͤthig. Was von auſſerordentlichen Sternen (worunter auch die Cometen gehoͤren) zu ſagen iſt; das ſoll unten an ſeinem Orte folgen.
EJn jeder weiß aus ſeiner taͤglichen Erfahrung, daß die Sonne diedun -165Cap. II. Von der Sonne. dunckelen Coͤrper erleuchtet und die kalten erwaͤrmet. Wir wiſſen auch, daß die Sonnen-Strahlen, wenn ſie durch Huͤlffe der Brenn-Spiegel und Brenn-Glaͤſer dichter zuſammen gebracht werden, Metalle ſchmeltzen, Eiſen und Stahl durchloͤchern, Steine, Ziegel und dergleichen wie Eiſen gluͤend machen, allerhand Materien in Glaß, andere in Kalck verwandeln, Holtz unter dem Waſſer zu Kohlen brennen und ande - re dergleichen Wuͤrckungen hervorbringen, die man von dem gewaltigſten Feuer zuer - warten hat (§. 137. 138. T. II. Exper.). Nun iſt gewiß, daß die Sonnen-Strahlen immer dichter werden, je naͤher man der Sonne kommet (§. 43 Optic.). Dero - wegen wenn wir durch Brennglaͤſer und Brennſpiegel die Sonnenſtrahlen dichter zuſammen bringen; ſo iſt es eben ſoviel als wenn wir der Sonnen naͤher kommen waͤ - ren, nemlich bis an den Ort, wo ihre Strah - len ſo dichte bey einander ſind, als ſie hin - ter dem Brennglaſe, oder vor dem Brenn - ſpiegel, angetroffen werden. Wenn es noͤthig waͤre, wollte ich ohne Muͤhe de - monſtriren, wie viel wir der Sonnen naͤ - her kommen muͤſten, ehe ſolches geſchaͤhe, und daß noch, ehe wir bis an die Sonne kommen, ein Ort anzutreffen, wo ihre Strahlen ſo beſchaffen ſind, wie man ſie durch die Brennglaͤſer und BrennſpiegelL 3er -166Cap. II. Von der Sonne. erhaͤlt. Es iſt demnach gewiß, daß, wenn wir zu der Sonne nahe genung kommen koͤnnten, ſie durch ihre Strahlen unſere Metalle ſchmeltzen und durchloͤchern, allerhand Materien, die wir auf dem Erdboden haben, theils in Glaß, theils in Kalck verwandeln, Holtz unter dem Waſſer zu Kohlen brennen und andere dergleichen Wuͤrckungen hervorbringen wuͤrde, die wir von dem gewaltigſten Feuer zuerwarten haben, folgends wenn wir gar bis an ſie hinan kaͤmen, alle dieſe Wuͤr - ckungen ſich in einem noch groͤſſeren Grade zeigen wuͤrden. Da nun die Sonne in der Naͤhe alle Wuͤrckungen verrichtet, die das Feuer hat, auch in der Weite die Eigen - ſchafften behaͤlt, die Feuer in der Weite hat, nemlich leuchtet und erwaͤrmet und durch Huͤlffe der Brenn Glaͤſer und Brennſpie - gel zum Brennen gebracht wird (§. 134. T. II. Exper.); ſo koͤnnen wir freylich nicht anders ſchluͤſſen, als daß auch die Sonne ein wuͤrckliches Feuer iſt und rings herumb uͤber und uͤber brennet. Wolte man ſa - gen, die Sonne leuchte, erwaͤrme, brenne ꝛc. anders als anderes Feuer, ſo koͤnnte man mit eben dem Rechte in Zweiffel ziehen, ob das Feuer, welches durch Vermiſchung zweyer kalter Coͤrper entſtehet (§. 135. T. II. Exper.), ſolches Feuer ſey wie anderes Feuer iſt und auf eben die Art, wie anderesbren -167Cap. II. Von der Sonne. brennet. Die Natur liebet keine Vielfaͤl - tigkeit, wo ſie mit einerley auskommen kan.
Nachdem Gallilæus durch dasWer die Sonnen - Flecken zuerſt ob - ſerviret. Fern-Glaß gar viel merckwuͤrdiges entdecket und A. 1610 in ſeinem Nuncio ſidereo bekandt gemacht hatte, wohin in - ſonderheit die Jupiters Trabanten gehoͤren (§. 106), nebſt der unzehlichen Menge der Fixſterne, die man mit bloſſen Augen nicht ſehen kan, (§. 108), ward dadurch Jo - hann Fabricius⃒, des geuͤbten Aſtrono - mi Davids Fabricii Sohn, aufgemun - tert den Himmel ſelbſt durch Fern-Glaͤ - ſer zubetrachten. Er brachte zu dem Ende eines mit von ſeiner Reiſe aus Hol - land und, da er ſich eine Weile bey ſeinem Vater in Oſtfrießland aufhielt, ward er be - gierig die Sonne zubetrachten und war gluͤcklich, daß er eben gleich Flecken in ihr wahr nahm, welche er auch ſogleich ſeinem Vater zeigete. Er wendete ⃒nach dieſem allen Fleiß an, daß er durch mehrere Obſer - vationen beſtetigte, was er bey denen von dem erſten Flecken, ſo er in der Sonne wahrgenommen hatte, angemercket und ſetz - te ſie von dem Anfange des Jahres 1611 bis zu Anfange des Junii fort, da er ſie zu Wittenberg zum Druck befoͤrderte, wo ſie auch in demſelben Jahre heraus kom -L 4men168Cap. II. Von der Sonne. menade Maculis in ſole obſervatis & apparente e - orum cum ſole converſione Narratio in 4. Jn eben dieſem Jahre erblickte der beruͤhmte Jeſuit Chriſtoph Scheiner Fle - cken in der Sonne, als er im Monathe May durch ein Fernglaß aus andern Abſichten in die Sonne ſahe: deſſen Obſervation Marcus Welſer unter dem Titul Apelles poſt Tabulam heraus gab, weil der Provin - cial der Jeſuiten Theodorus Buſæus Be - dencken trug ihm zu erlauben, daß er ſie un - ter ſeinen Nahmen heraus geben moͤchte. Dadurch ward Gallilæus aufgemuntert, daß er A. 1612. die Flecken in der Sonne gleichfalls betrachtete und nach dieſem ei - nen beſonderen Tractat davon heraus gab. Scheiner legte ſich hierauf mit allem Fleiſſe auf die Betrachtung der Sonnen - Flecke und, was er in vielen Jahren durch mehr als 2000 Obſervationen zu Rom heraus gebracht hatte, beſchrieb er in einem groſſen ausfuͤhrlichem WerckebRoſa Urſina in fol. . Da die Flecken der Sonne erſt bekandt worden, iſt kein einiger geweſen, welcher ſich auf die Betrachtung der Himmels-Begebenheiten geleget, der nicht auch darauf acht gehabt haͤtte. Es wuͤrde aber fuͤr unſere Abſicht zu weitlaͤufftig ſeyn, wenn wir ein mehreres hiervon anfuͤhren wollten.
Es iſt merckwuͤrdig, daß wennDaß ſie wuͤrcklich in der Sonne ſind. man an weit entlegenen Orten die Sonnen - Flecken an einem Tage obſerviret, ſie doch uͤberall in einem Orte der Sonne geſehen werden. Jch will zum Beweiſe nur fol - gende Obſervationen anfuͤhren. Gott - fried Kirch, als er ſich noch in Leipzig auf - hielt, hat A. 1684 von dem 26 April an bis zu dem 7. Julii einen Flecken in der Sonne obſerviretain Appendice Ephemeridum A. 1685, den auch in Paris der be - ruͤhmte Caſſini dieſe Zeit uͤber darinnen ge - ſehen. A. 1701 hat von dem 1 November an bis zu dem 12 der Jeſuit Jartoux u Peckin in China verſchiedene Flecken in der Sonne geſehen, davon er die Obſervationen an den Herrn von Leibnitz uͤberſchicktbActa Erudit. A. 1705 p. 483: allein eben dieſelben hat der juͤngere Caſſini zu Montpellier in Franckreich von dem 31 Octobris bis zu dem 11 Novembris obſer - viretcMemoires de l’ Acad. Roy. des Scienc. A. 1701. p. m. 345.. Nun iſt gewiß, daß, was in ſo weit entlegenen Orten in der Sonne geſehen wird, auch in derſelben oder wenigſtens gar nahe bey ihr ſeyn muͤſſe. Es erhellet auch daher, weil ſie ſich mit der Sonne fort be - wegen, mit ihr unter und des andern Ta - ges wieder aufgehen: woraus ſchon Fa -L 5bri -170Cap. II. Von der Sonne. briciusdin Narratione ante laudata p. C3. b geurtheilet, daß ſie nicht weit von der Sonne ſeyn koͤnnten. Gewis wenn ſie weit von ihr weg waͤren, wuͤrden ſie nicht ſo lange in der Sonne blei - ben, als wie die angefuͤhrten Obſervatio - nen anzeigen. Wir werden bald noch mehrere Umſtaͤnde von ihnen anmercken, die eben dieſes bekraͤfftigen.
Es ſind aber die Flecken dunckel, da die uͤbrige Sonne gantz helle iſt. Wenn ſie recht groß ſind, laͤſſet ſich der Unterſcheid ihrer Theile gar deutlich erkennen. Nem - lich mitten ſind ſie gantz ſchwartz, welchen Theil man den Kern zu nennen pfleget. Un - terweilen iſt der Kern zertheilet, bisweilen fahren auch die Theile wieder zuſammen. Um den Kern herum iſt der Flecken etwas weniger dunckel und endlich rings herumb gleichſam mit einem Nebel umgeben. Sehr merckwuͤrdig iſt, daß unterweilen gantz klei - ne Flecken in ein paar Tagen ſehr groß werden. Jch finde keine beſſere Obſerva - tion, dadurch ich dieſes alles erlaͤutern koͤn - te, als die Heveliusain Appendice ad Selenograph. f. 519 A. 1644 von dem 4 May an bis zu dem 16 deſſelben gehalten, und die ich zu dem Ende in einer Figur vor - ſtelle, wo AB den Diameter der Sonne und zugleich die Eckiptick oder die Sonnenbahnbe -171Cap. II. Von der Sonne. bedeutet. Der Buchſtabe d bedeutet den einen Flecken, der ſo geſchwinde groß wor - den; der andere e aber den andern Fle - cken, der nicht in ſeiner Groͤſſe ſo zugenom - men. Die Ziffern deuten die Tage an, darinnen der Flecken an dem Orte obſervi - ret worden, wo er ſtehet. A iſt der Mor - gen-Rand, B der Abend-Rand der Son - ne. Man ſiehet auch aus gegenwaͤrtiger Obſervation, daß ſich die Flecken von Morgen gegen Abend bewegen und mitten in der Sonne geſchwinder als gegen den Rand zu: auch daß ſie von der Celiptick abweichen und nicht mit ihr parallel bleiben und gegen den Rand zu ſchmaal und laͤng - licht werden: da nun aus der Optick be - kand iſt (§. 260 Opt. lat.), daß die Theile ei - ner Kugel immer ſchmaͤler ausſehen, je naͤ - her ſie dem Rande kommen; ſo erkennet man daraus von neuem, daß die Flecken in der Sonne ſind und ſiehet auch zugleich, daß die Sonne wie eine Kugel rundt iſt: wo - von wir hernach ein mehreres beybringen wollen. Unterweilen zerfahren Flecken, wie in einen Nebel, der ungemein groͤſſeren Raum einnimmet, als ſie. Dergleichen hat Heveliusbibid. fol. 510. von einen Flecken ange - mercket, den er von dem 14 Septemb. bis den 22 gantz klein obſerviret hatte, den 23und172Cap. II. Von der Sonne. und 25 aber an deſſen ſtat einen ausgebrei - teten Nebel ſahe, wie die Figur e nebſt den dabey gezeichneten Tagen ausweiſet. Man findet auch aus andern Obſervationen, daß die Figur der Sonnen-Flecken gemei - niglich ſehr irregulaͤr iſt, auch einige laͤnger als andere dauren, oͤffters mitten in der Sonne entſtehen und wiederumb daſelbſt verſchwinden. Weil nun dieſe Flecken dunckel ſind, da die Sonne ſonſt uͤber und uͤber helle iſt; ſo muͤſſen ſie auch aus einer Materie beſtehen, die an ſich dunckel iſt und das Licht der Sonne nicht durchfallen laͤſſet. Da ſie in der Sonne ſind oder doch ſehr nahe bey ihr (§. 114), ſo muß dieſe Materie aus der Sonne kommen. Wenn wir auf alles acht geben, was man von ihnen an - mercket, ſo treffen wir alles bey ihnen an, was wir bey unſeren Wolcken wahrneh - men. Denn unſere Wolcken haben auch gemeiniglich eine irregulaͤre Figur; ſind in der Mitten dichter und um den Rand her - um duͤnner; ſie fahren aus einander und werden groß, fahren auch zuweilen in ein - ander und werden klein, eine zertheilet ſich in viele, viele gehen zuſammen in eine; ſie entſtehen oͤffters bey hellen Himmel und verſchwinden auch wieder mitten im Him - mel, daß man nicht weiß, wo ſie hinkom - men. Dieſes alles findet bey den Wol - cken deswegen ſtat, weil ſie aus Duͤnſtenent -173Cap. II. Von der Sonneentſtehen, die in der Lufft ſind, wie wir unten umſtaͤndlicher zeigen werden und ein jeder durch weniges Nachdencken vor ſich erreichen kan. Derowegen koͤnnen wir hieraus erkennen, daß die Sonnen-Flecken aus einer Materie entſtehen muͤßen, welche aus der Sonne ausdunſtet. Weil nun aber die Flecken wieder vergehen und die Sonne lange Zeit ohne alle Flecken zu ſehen iſt; ſo muß auch dieſe Materie wieder in die Sonne zuruͤcke fallen. Was es eigentlich fuͤr eine Materie ſey und ob ſie mit einer uͤ - bereinkommet, die wir auf dem Erdboden haben; laͤſſet ſich wegen der Weite von der Erde nicht beſtimmen. Weil wir aber nicht weiter gehen, als wir vermoͤge der Obſervationen gelangen koͤnnen; ſo be - kuͤmmern wir uns auch nicht darum. Will man eine Wolcke einen Coͤrper nennen, der um den Welt-Coͤrper aus ſeinen Ausduͤn - ſtungen entſtehet; ſo wird niemand zuwie - der ſeyn, der das vorhergehende erkandt, wenn wir die Sonnen Flecken Sonnen - Wolcken nennen wollen: nur muͤſſen wir ſie nicht in der eigenthuͤmlichen Materie mit unſern Wolcken fuͤr einerley halten.
Weil die Materie, daraus dieDaß die Sonne kein ele - mentari - ſches Feuer iſt. Sonnen-Flecken gezeuget werden, eine dunckele Materie iſt und aus der Sonne aufſteiget (§. 115); ſo kan die Materie der Sonne keine einfache Materie (§. 32),fol -174Cap. II. Von der Sonne. folgends kein elementariſches Feuer ſeyn (§. 33). Ja weil bald Ausduͤnſtungen aufſteigen, bald wieder zuruͤcke fallen (§. 115); ſo muͤſſen allerhand Veraͤnderun - gen in dem Sonnen-Coͤrper vorgehen. Was es aber fuͤr Veraͤnderungen ſind, laͤſ - ſet ſich nicht umſtaͤndlicher ausfuͤhren.
Die Sonnen-Flecken bewegen ſich von Morgen gegen Abend durch die Sonne durch. Nachdem ſie in dem A - bend-Rande verſchwinden, bleiben ⃒ſie eine Zeitlang unſichtbahr und kommen ſo dann im Morgen-Rande wieder hervor. Sie bleiben faſt eben ſo viel Zeit hinter der Son - ne, als ſie zubringen, ehe ſie von der Seite, die wir ſehen, die Sonne durchwandern. Z. E. Kirch hat gefunden, daß der Flecken, welcher ſo lange daurete (§. 114), 12 Tage in der Sonne zu ſehen war, 15 Tage aber hinter ihr verborgen lag. Da nun der - gleichen ordentliche Bewegung in den Fle - cken vor ſich nicht wohl ſtat finden kan (§. 115), maſſen doch beſtaŬndig der voͤllige Lauf um die Sonne in 27 bis 28 Tagen zu Ende gebracht wird, ſo hat ſchon der erſte Obſer - vator Fabriciusain Narratione de maculis p. D3. a geſchloſſen, daß ſich die Sonne von Abend gegen Morgen umb ihre Axe beweget und zwar innerhalb 27bis175Cap. II. Von der Sonne. bis 28 Tagen: woran auch kein Aſtrono - mus mehr einigen Zweiffel ſetzet.
Weil die Sonne ſich um ihreDaß ſie die Figur einer Ku - gel hat. Axe beweget (§. 117) und doch beſtaͤndig wie eine Circulrundte Scheibe ausſiehet; ſo muß ſie eine Kugel ſeyn: denn ein Kugel hat die Eigenſchafft, daß ſie in einer jeden Stellung gegen das Auge von fernen wie eine Kugel ausſiehet. Daß ſie nicht voͤllig eine Kugel iſt, ſondern etwas laͤnglicht, wird aus dem erhellen, was wir unten von der Figur der Erde beybringen werden.
Weil die Sonnen Flecken laͤn -Sonnen - Flecken ſind nicht in der Sonnen - Flaͤche. ger hinter der Sonne bleiben, als ſie Zeit zubringen, indem ſie ſich durch dieſelbe be - wegen (§. 117); ſo koͤnnen ſie nicht in der Flaͤche der Sonnen ſeyn, ſondern ſie muͤſ - ſen etwas von ihr abſtehen. Waͤren ſie in der oberen Flaͤche der Sonnen, ſo waͤre nicht der geringſte Grund vorhanden, war - um ſie nicht eben ſo lange hinter ihr, als vor ihr bleiben ſollten. Allein wenn ſie von der Sonne abſtehen, verſchwinden ſie am Rande, ehe ſie ſich hinter die Sonne ver - bergen und, wenn ſie von der andern Sei - te ſchon wieder hervor kommen, kan man ſie nicht eher ſehen, bis ſie wieder vor die Sonne hervor ruͤcken. Und da bisweilen einige Flecken weiter von der Sonnen ab - ſtehen koͤnnen, als andere; ſo bleiben ſie auch laͤnger hinter der Sonne als andere, fol -gends176Cap. II. Von der Sonne. gends iſt die Zeit, in welcher ſie um die Sonne herum kommen, nicht voͤllig einer - ley. Es kan auch ſeyn, daß die Sonnen - Flecken unterweilen vor ſich eine Bewegung in Anſehung der Sonne haben. Wenn demnach ein Flecken ſich gegen Abend zu beweget, ſo kommet er geſchwinder durch die Sonne: beweget er ſich im Gegenthei - le gegen Morgen, ſo kommet er laͤngſamer durch. Und alſo kan es auch daher kommen, daß der Lauff nicht voͤllig einmahl ſo ge - ſchwinde iſt als das andere: welches ge - nauer zu unterſuchen hier zu weitlaͤufftig fallen wuͤrde, weil es ohne Vergleichung vieler Obſervationen mit einander keines - weges geſchehen kan.
Da aus der Sonne Ausduͤn - ſtungen, auſteigen und ſich in Wolcken zu - ſammen ziehen, auch wieder zertheilen und in die Sonne herunter fallen; ſo muß umb die Sonne eine fluͤßige Materie ſeyn, welche wir die Sonnen-Lufft nennen wollen. Und zwar erhellet aus dem, was erſt geſaget worden, daß die Sonnen-Lufft Veraͤnde - rungen unterworffen iſt: denn ſonſt wuͤr - den entweder gar keine Flecken entſtehen, oder die Flecken, ſo einmahl da waͤren, wuͤr - den beſtaͤndig unveraͤndert darinnen ver - bleiben.
Nachdem wir die Sonne ha - ben kennen lernen, ſoviel es ſich thun laͤſſet;ſo177Cap. II. Von der Sonne. ſo muͤſſen wir nun ferner unterſuchen, wieLicht her - vor brin - get. es moͤglich iſt, daß ſie die Erde erleuchtet und erwaͤrmet. Da ſich das Licht durch die Brennglaͤſer und Brennſpiegel dichter machen laͤſſet, indem die Strahlen naͤher zuſammen gebracht werden (§. 136. T. II. Exper.); ſo erkennet man leicht, daß es unter die coͤrperlichen Dinge gehoͤret (§. 37), folgends da es ſich aus einem Orte in den andern beweget, auch, wo es anſtoͤſſet, zu - ruͤcke prallet (§. 145. 146. T. II. Exper.), durch die Bewegung einer ſubtilen Materie fortgebracht wird. Wenn der Mond die Sonne verfinſtert (§. 245 Aſtron. ), wo - von wir hernach reden werden; ſo ſiehet man das Licht augenblicklich wieder, wo - ferne die ſcheinbahre Groͤſſe des Monds nicht merlich groͤſſer iſt als die Groͤſſe der Sonne, ja in einer jeden Verfinſterung, da die Sonne von dem Mond gantz bedeckt wird, ſiehet man das Licht ſo bald wieder, als der Mond nach der Rechnung abruͤcket. Brauchte das Licht eine merckliche Zeit, ehe es herunter kaͤme, ſo wuͤrden wir daſſelbe nicht gleich auf der Erde haben, indem der Mond abruͤcket. Der Mond iſt bis 56 halbe Diameter der Erde (§. 536. Aſtron. ), oder 48 160 groſſe deutſche Meilen (§. 16. Geogr) von der Erde. Und demnach muß ſich das Licht uͤber die maaſſen ſchnelle bewegen, daß man es in einem groͤſſeren(Phyſick) MRau -178Cap. II. Von der Sonne. Raume als 48000 Meilen nicht mercken kan, ob es einige Zeit zu ſeiner Bewegung erfordert oder nicht. Nun will zwar Koͤmer aus den Finſterniſſen der Jupiters-Tra - banten gefunden haben(a)Hugenius in Tractat, de lumine c. 1. p. 7. & ſeqq. , daß das Licht zu ſeiner Bewegung einige Zeit erfordere: al - lein die Bewegung iſt ſo ſchnelle, daß es ſich durch einen Raum der doppelt ſo groß iſt als die Weite der Sonne von der Erde, nicht uͤ - ber 22 Minuten lang beweget. Dieſe Weite iſt wenigſtens 22000 Diameter der Erde (§. 549. Aſtron. ), oder 37840000 deutſche Meilen. Derowegen beweget ſich das Licht in einer Secunde, oder ohngefehr innerhalb der Zeit eines Puls-Schlages 28666, oder uͤber 28 tauſend Meilen, wel - ches gar ungemein geſchwinder iſt als die Bewegung des Schalles §. 11. T. III. Ex - per.). Wenn nun auch gleich die Bewe - gung des Lichtes nicht ſchneller waͤre; ſo kan es doch keine Materie ſeyn, die aus der Sonne ausfließt. Man kan dieſes auch daher erſehen, daß das Licht bald verſchwin - det, wenn man einen Fenſter Laden zuma - chet, auch den Augenblick abnimmet, wenn der Mond in den gaͤntzlichen Verfinſterun - gen die Sonne bedeckt. Waͤre es ein Ausfluß aus der Sonne; ſo bliebe es wenigſtens noch eine kleine Weile da, wenngleich179Cap. II. Von der Sonne. gleich ein mehrerer Zufluß gehindert wuͤrde, und in Finſterniſſen koͤnnte noch dasjenige, was unterwegens waͤre, herab flieſſen, wenn der Mond das folgende aufhielte. Wirwiſ - ſen auch daß, was durch einen Ausfluß aus einem Coͤrper ſich ausbreitet, in entlegenen Orten immer mehr zunimmet, je laͤnger der Ausfluß dauret: allein mit dem Lichte hat es eine gantz andere Bewandnis. Das er - haͤlt gleich in dem erſten Augenblicke in einer jeden Weite von dem leuchtenden Coͤrper ſeinen gehoͤrigen Grad und kan nicht zu - nehmen, wenn der Coͤrper gleich eine Zeit - lang in einem fort leuchtet. Da nun die Umſtaͤnde des Lichtes es geben, daß daſſelbe nicht durch einen Ausfluß aus der Sonne zu uns gebracht wird; ſo muß es durch ei - ne Bewegung in einer Materie, die in ei - nem von der Sonne bis zu uns fortgehet, fortgebracht werden. Und demnach iſt der Raum von unſerer Erde bis zur Sonne, ja da das Licht der Fixſterne eben ſowohl zu uns herunter kommet, bis an die Fixſterne und daruͤber mit dergleichen Materie er - fuͤllet, wodurch das Licht fortgebracht wird. Und nun laͤſſet ſichs begreiffen, wie die Sonne ihr Licht durch den Welt-Raum ausbreiten kan. Nemlich da ſie ein wuͤrck - liches Feuer iſt (§. 112), ſo iſt auch rings her - um ihre Flamme in ſchneller Bewogung. Weil nun die Materie des Lichtes, welche man die Himmels-Lufft zunennen pfle -M 2get,180Cap. II. Von der Sonne. get, die Flamme uͤberall beruͤhret und ihrer Bewegung in Wege ſtehet; ſo kan es nicht anders geſchehen, als daß ſie dadurch in Be - wegung geſetzet wird. Da aber die Be - wegung ſo ungemein ſchnelle iſt, ſo muß auch die Bewegung im Sonnen-Feuer von un - gemein groſſer Geſchwindigkeit ſeyn⃒ (§. 133 T. III. Exper.).
Es iſt wahr, daß die Geſchwin - digkeit des Lichtes unſerer Einbildungs - Krafft ſo nahe tritt als die Subtilitaͤt der Materie, wo nicht naͤher, auch wenn man es dabey laͤſſet, was Roͤmer aus ſeiner Ob - ſervation angiebet. Wollte man gar annehmen, daß der Weg den Roͤmer fuͤr 22 Minuten angiebet, nur 7 bis 8 Minuten zu rechnen ſey, wie Herr Newton will(a)Optiks lib. 2. part. 3. prop. 11. p. m. 77.; ſo kaͤme die Geſchwindigkeit noch dreymahl ſo groß heraus als wir ſie vorher (§. 121) an - genommen. Ja wenn wir die Weite der Fixſterne von der Erde erwegen wollten, die der juͤngere Caſſini, nachdem er allen moͤgli - chen Fleiß und alle Geſchicklichkeit ange - wendet, herausgebracht(b)Memoires de l’ Acad. Roy des ſcienc, 1717. p. 330., die ſich bis auf 437800000 Diameter der Erde, oder 753016000000 deutſche Meilen belaufft und alſo uͤber 43700 mahl groͤſſer iſt als der Weg, den Roͤmer fuͤr 22, Newton fuͤr 7 bis 8 Minuten, rechnet; ſo wuͤrden wirleicht181Cap. II. Von der Sonne. leicht ſehen, daß das Licht viel geſchwinder fortkommen muß, wenn es von den Fixſter - nen auf unſere Erde zu rechter Zeit kommen ſoll. Wenn Carteſius dieſes erwogen haͤt - te, ſo wuͤrde er noch mehr Urſache gehabt haben zuſetzen, daß das Licht ohne Verlauff einiger Zeit aus einem Orte in den andern komme. Wenn man nun begreiffen will, wie es moͤglich iſt, daß das Licht faſt in kei - ner Zeit durch einen unglaublichen Raum fortgebracht werde; ſo hat man zuerwegen, was es fuͤr eine Beſchaffenheit mit der Be - wegung habe. Wir finden, wie auch Huge - nius(c)Traité de la Lumiere c. 1. p. 11. 12. ſchon angemercket, daß, wenn man eine Reihe Kugeln AB von gleicher Groͤſſe dergeſtalt in einer geraden Linie leget, daßTab. I. eine die andere beruͤhret, und die Kugeln harte ſind, auch mit einer ausdehnenden Krafft verſehen, man nach dieſem ferner eine Kugel C, wieder die erſte A ſchnellet, die letz - te B dergeſtalt abſpringet, und die mittleren insgeſamt ſtille liegen bleiben, als wenn die Kugel C an die Kugel B unmittelbahr an - geſtoſſen waͤre (§. 133 T. III. Exper.). Weil demnach das Licht ſich ſo ſchnelle durch den groͤſten Raum beweget; ſo erkennet man daraus, daß die Materie des Lichtes derge - ſtalt den Welt-Raum erfuͤllet, daß immer ein Theil den andern unmittelbahr beruͤhret. Ja eben deswegen muͤſſen wir ſetzen, daß dieM 3Theile182Cap. II. Von der Sonne. Theile der Materie des Lichtes von gleicher Groͤſſe ſeyn und eine ausdehnende Krafft haben. Denn wir muͤſſen ſie in dem Stan - de annehmen, die erfordert wird, wenn das Licht durch ſie am beſten fortgebracht wer - den ſoll.
Wir haben ſchon geſehen, daß die Materie des Lichtes, oder die Himmels - Lufft aus gleich groſſen Theilen beſtehen muß, die einander beruͤhren und eine aus - dehnende Krafft haben (§. 122): allein es iſt nun die Frage, was dieſe Theile fuͤr eine Figur haben. Es iſt wohl wahr, daß man aus dem vorhin angefuͤhrten Verſuche (§. cit) muthmaſſen koͤnnte, daß ihre Figur kugelrundt waͤre: allein wir haben einen andern Grund, daraus wir ſolches klaͤrer zeigen koͤnnen. Wenn das Licht auf eine ebe - ne und glatte Flaͤche faͤllet, dergleichen ein Spiegel iſt, ſo wird es dergeſtalt zuruͤcke geworffen, daß der einfallende Strahl und der zuruͤcke prallende mit dem Spiegel ei - nerley Winckel machen (§. 146. T. II. Exp.). Dieſes aber iſt die Eigenſchafft einer Kugel die eine ausdehnende Krafft hat (§. 400 Mech. Lat.), wie man auch mit einem har - ten Balle im Ballhauſe oder mit einer helf - fenbeinernen Kugel, die man an dem Ran - de der Taffel anſchiebet, bald verſuchen kan. Und demnach zeiget auch dieſe Eigenſchafft des Lichtes, daß die Materie, dadurch es fortgebracht wird, eine kugelrundte Fi -gur183Cap. II. Von der Sonne. gur hat, wie auch ſchon Carteſrus(a)Princip. part. 3. §. 45. p. m. 66. an - genommen. Es iſt aber dieſe Materie eine beſondere von der Lufft: denn wenn wir un - ſere Lufft aus den Glaͤſern auf das reineſte auspumpen, bleibet doch allezeit das Licht darinnen. Und in der Torricellianiſchen Roͤhre bleibet es oben uͤber dem Queckſilber einmahl ſo leichte wie das andere, es mag Lufft in demſelben Raume ſeyn, oder gar keine.
Wir finden in einem verfinſter -Wie ver - ſchiede - nes Licht zu glei - cher Zeit durch ei - nen Raum zugleich fortge - bracht wird. ten Gemache, wo wir durch ein enges Loͤch - lein Licht hinein fallen laſſen, (§. 145 T. II. Epxer. ), daß von verſchiedenen Sachen Strahlen hineinfallen koͤnnen, ohne daß ſie ſich daſelbſt mit einander vermengen. Man kan es aus der gemeinen Erfahrung lernen. Durch ein enges Loͤchlein kan man einen groſſen Raum auf einmahl uͤberſehen. Man nehme ein Stuͤcklein Papier und ſteche mit einer Nadel ein ſubtiles Loͤchlein darein, hal - te es fuͤr das Auge und ſehe in die Weite; ſo wird man einen groſſen Raum mit dem Auge faſſen. Alles, was man ſiehet, muß Licht in das Auge werffen, welches man auch daraus abnehmen kan, weil wir weder im finſtern etwas ſehen, noch wenn das Au - ge von einer Sache weggekehret wird, daß nicht mehr Licht hinein fallen kan. Dero - wegen muß durch das ſubtile Loͤchlein in dem Papiere gar viel verſchiedenes LichtM 4durch -184Cap. II. Von der Soune. durchgehen. Da wir aber gleichwohl die Sachen dadurch gantz eigentlich ſehen, als wenn das Licht einen gantz freyen Zufluß zu dem Auge haͤtte; ſo muß es ſich in dem Loͤchlein nicht mit einander vermiſchen. Wir haben vorhin geſehen (§. 121), daß das Licht durch die Bewegung der Himmels - Lufft fortgebracht wird, und dieſe aus ſub - tilen Kuͤglein beſtehet, die mit einer ausdeh - nenden Krafft verſehen (§. 123). Es muß demnach ein einiges Kuͤglein zu gleicher Zeit verſchiedene Bewegungen gegen verſchiede - ne Gegenden fortbringen koͤnnen. Man ſollte vielleicht meinen, daß dieſes nicht an - gienge: allein man kan die Moͤglichkeit durch einen Verſuch zeigen. Es hat ſchonTab. I. Fig. 3. Hugenius(a)Traite de la lumiere c. 1. p. 16 erinnert, daß wenn man ei - ne Reihe Kugeln, die harte ſind und abſon - derlich mit einer ausdehnenden Krafft ver - ſehen, von gleicher Groͤſſe in einer Reihe hinter einander leget, daß ſie einander be - ruͤhren und alle ihre Mittel-Puncte in einer Linie liegen, nach dieſem zu gleicher Zeit zwey Kugeln C und D von eben der Art und Groͤſſe wie die vorigen gegen ſie ſchnel - let, damit eine an die Kugel A, die andere hingegen an die Kugel B zugleich anſtoͤſſet, beyde Kugeln C und D zu gleicher Zeit wie - der zuruͤcke ſpringen u. mit ebë der Geſchwin -dig -185Cap. II. Von der Sonne. digkeit zuruͤcke lauffen, mit welcher ſie ange - ſchnellet worden, nicht anders als wenn ſie an einander unmittelbahr geſtoſſen und die uͤbrigen von A bis B gar weggeweſen waͤ - ren. Es iſt demnach klar, daß die Bewegung der Kugel D durch die Kugeln 11. 10. 9. 8 ꝛc. bis zu der Kugel C und die Bewegung der Kugel C durch die Kugeln 1. 2. 3. 4 ꝛc. fortgebracht wird. Weil die Kugeln C und D zu gleicher Zeit mit gleicher Ge - ſchwindigkeit anſtoſſen, ſo muß die Bewe - gung der Kugel C durch die Kugeln 1. 2. 3. 4. 5. in eben der Zeit fortgebracht werden, in welcher ſie durch die Kugeln 11. 10. 9. 8. 7. fortgebracht wird. Und demnach kommet die Bewegung der Kugel D zu einer Zeit mit der Bewegung der andern C in die Ku - gel 6. Weil aber deſſen ungeachtet die Be - wegung der Kugel B ferner durch die Kugeln 5. 4. 3. 2. 1 bis in die Kugel C und hingegen die Bewegung der Kugel C durch die Ku - geln 7. 8. 9. 10. 11 bis in die Kugel D fort - gebracht wird, wie wir vorhin geſehen: ſo muͤſſen zu gleicher Zeit durch die Kugel 6 ver - ſchiedene Bewegungen fortgebracht wer - den. Jn dieſem Verſuche haben wir gar entgegen geſetzte Bewegungen, maſſen die Kugel D und C ſich einander entgegen und alſo nach entgegen geſetzten Gegenden bewe - gen. Derowegen wenn eine Kugel zu glei - cher Zeit entgegen geſetzte Bewegungen aufM 5an -186Cap. II. Von der Sonne. andere fortbringen kan; ſo gehet es noch e - her an, daß ſie Bewegungen fortbringet, die nur nach verſchiedenen, nicht nach entgegen geſetzten Gegenden gehen. Wollte aber jemand dieſe Folge fuͤr bedencklich halten, der darf nur den Verſuch darnach einrich - ten: denn man kan die Kugeln auch gar leichte ſo legen, daß eine zwey beruͤhret, die in Reihen nach verſchiedenen Gegenden liegen uud hingegen zwey dergeſtalt an - ſchnellen, daß ſie ſich nach den geraden Lini - en bewegen, in welcher die beyden Reihen Kugeln liegen. Nur muß man Kugeln von gleicher Groͤſſe und in jeder Reihe an der Zahl ungleich nehmen, damit der Beweiß leichte wird.
Da die Theile der Himmels - Lufft, durch welche das Licht fortgebracht wird, mit einer ausdehnenden Krafft verſe - hen⃒ ſind (§. 123); die Coͤrper aber, welche der - gleichen Krafft haben, zwiſchen ihren Thei - len mit einer ſubtilen Materie erfuͤllet ſind, und aus ihren Theilen dergeſtalt zuſammen geſetzet ſeyn, daß ſie ſich naͤher zuſammen drucken laſſen (§. 101): ſo muͤſſen auch die Theile der Himmels-Lufft, unerachtet ſie vor ſich uͤber die Maaſſen kleine ſind, den - noch aus kleineren Theilen zuſammen geſe - tzet ſeyn, die nachgeben und ſich naͤher zu - ſammen drucken laſſen, und die Zwiſchen - RaŬumlein zwiſchen dieſen Theilen muͤſſenM 4mit187Cap. II. Von der Sonne. mit einer noch viel ſubtileren Materie erfuͤl - let ſeyn, als die Himmels-Lufft iſt. Und hieraus erhellet, daß die Materie, von der die Coͤrper ihre ausdehnende Krafft haben unterſchieden iſt von der Himmels-Lufft.
Wenn man aber begreiffen will,Wie ſich das Licht in die Brcite ausbrei - tet. Tab. I. Fig. 4. wie es moͤglich iſt, daß das Licht ſich immer durch einen weiteren Raum ausbreitet, je weiter man von dem leuchtenden Coͤrper kommet; ſo hat man zuerwegen, daß wenn eine Kugel A mehrere beruͤhret, als z. E. die Kugel 1. 2. 3 und es wird an ſie eine ande - re B geſchnellet, als denn zugleich die Ku - geln, welche ſie beruͤhret, als 1. 2. 3. in Be - wegung geſetzet werden. Man kan es gleich verſuchen, wenn man mit dergleichen Kugeln verſehen, die zu den vorigen Verſu - chen vorgeſchrieben worden (§. 124). Jch ha - be auch ſchon vorhin gezeiget, daß man auf die Himmels-Lufft deuten kan, was ſich bey dieſen Kugeln zeiget.
Hugenius(a)Traite de la lumiere c. 1. p. 15. & ſeqq. hat die Art derWarumb wir die Art der Bewe - gung nicht ge - nauer unterſu - chen. Bewegung, darinnen das Licht beſtehet, um - ſtaͤndlicher ausgefuͤhret, auch daraus(b)c. 2. & 3. p. 21. & 26. die Reflexion und Refraction derſelben erwie - ſen, wie ſie die Verſuche zeigen (§. 146. 147 T. II. Exper.) Allein weil man dieſes nicht wohl begreiffen kan, woferne man in der Ge -ome -188Cap. II. Von der Sonne. ometrie unerfahren; ſo habe ich auch nichts weiter davon anfuͤhren wollen.
Wir wiſſen, daß die Strahlen des Lichtes nicht alle von einerley Art ſind (§. 160 T. II. Exper.). Derowegen da das Licht durch eine beſondere Bewegung der Himmels-Lufft fort gebracht wird (§. 121), keine Bewegung aber von der andern als in der Geſchwindigkeit oder in der Men - ge der Materie, die beweget wird, unter - ſchieden ſeyn kan; ſo muͤſſen auch die ver - ſchiedenen Arten der Strahlen entweder bloß durch die verſchiedenen Grade der Ge - ſchwindigkeit, oder die Menge der mit ein - ander bewegten Himmels-Lufft beſtehen. Damit wir nun ſehen, worinnen man ſie endlich zu ſuchen habe; ſo muͤſſen wir es genauer uͤberlegen. Es iſt eine gemeine Erfahrung die man alle Tage haben kan, wenn die Sonne bey hellem Himmel unter - gehet, oder Vormittage helles Wetter iſt. Wenn man nemlich die Sonne, indem ſie niedrig ſtehet, oder bald untergehen will, ſteiff anſiehet und das Auge bald feſte zu - machet; ſo ſiehet man das Bild der Son - ne noch etliche mahl mit verſchloſſenen Au - gen, aber mit einigem Unterſcheide. Denn anfangs iſt es helle, wie die Sonne durch ein geſaͤrbtes Glaß erſcheinet: darnach wird ſie gelbe, dann roth, nach dieſem blau, und endlich ſchwartz. Hier verwandelt ſichdas189Cap. II. Von der Sonne. das Licht nach und nach in verſchiedene Farben und dieſes giebet uns Anlaß den Unterſcheid der Strahlen zubeſtimmen. Das Sehen mag geſchehen, wie es will, wel - ches wir an ſeinem Orte unterſuchen wer - den, ſo iſt gewiß, daß das Licht die Empfin - dung durch eine Bewegung hervor bringet. Das ſtarcke Licht der Sonne bringet eine ſtarcke Bewegung hervor, die nicht bald aufhoͤret. Es iſt doch aber gewiß, daß ſie nach und nach ſchwaͤcher wird: denn ſonſt wuͤrde ſie gar nicht aufhoͤren. Derowe - gen iſt die Bewegung ſtaͤrcker, wenn die Sonne weiß, als wenn ſie gelbe ausſiehet: ſtaͤrcker, wenn ſie gelbe, als wenn ſie roth ausſiehet: ſtaͤrcker, wenn ſie roth, als wenn ſie blau ausſiehet und endlich ſtaͤrcker wenn ſie blau als wenn ſie ſchwartz ausſiehet, denn hiermit hoͤret das Sehen und alſo auch die Bewegung auf. Eine ſtaͤrckere Bewegung wird von einer groͤſſeren Krafft hervorge - bracht und ein Coͤrper hat eine groͤſſere Krafft entweder von der groͤſſeren Ge - ſchwindigkeit, oder von der groͤſſeren ei - genthuͤmlichen Materie. Ein ſchwaches und ſtarckes Licht ſind allerdinges darinnen unterſchieden, daß in jenem ein geringerer, in dieſem ein groͤſſerer Theil der Himmels - Lufft beweget wird, wie es die Verſtaͤrckung des Lichtes durch die Brennglaͤſer (§. 136. T. II. Exper.) und die Schwaͤchung durchdie190Cap. II. Von der Sonne. die Hohl-Glaͤſer (§. 148. T. II. Exper.) ausweiſet. Derowegen kan der Unter - ſcheid des Lichtes, nachdem es entweder die Empfindung dieſer, oder einer anderen Art Farbe verurſachet, nicht in der Menge der bewegeten Materie geſucht werden, fol - gends nirgends anders als von der verſchie - denen Art der Geſchwindigkeit herkom - men. Es iſt wohl wahr, daß alles Licht faſt mit einer unbegreiflichen Geſchwindig - keit fortgebracht wird; allein auch in ſo un - meiner Geſchwindigkeit kan noch vieler Un - terſchei d ſeyn. Jch erinnere hier noch bey - laͤuffig wegen der groſſen Geſchwindigkeit des Lichtes, daß ſie dadurch begreiflich wird, weil kein Theil von der Himmels-Lufft wuͤrcklich aus ſeiner Stelle darf beweget werden, wie die oben angefuͤhrten Verſu - che (§. 122. 124) es augenſcheinlich geben.
Die Coͤrper haben Farben, wenn ſie das Licht, damit ſie erleuchtet wer - den, zuruͤcke werffen. Derowegen da das Licht der Sonnen aus rothem, gelbem, gruͤ - nem, blauem und Purper-Lichte zuſammen - geſetzet iſt, deren ein jedes unveraͤnderlich (§. 159. T. II. Exper.); ſo muß ein Coͤrper, der roth ausſiehet, lauter rothes Licht, oder doch mehr rothes, als anderes; einer der gelbe ausſiehet, mehr gelbes als anderes; einer der gruͤne ausſiehet, mehr gruͤnes als anderes zuruͤcke werffen. Und da durch dieVer -191Cap. II. Von der Sonne. Vermiſchung einfa cher Farben mit einan - der die zuſammengeſetzten entſtehen, nach - dem entweder dieſe oder andere von den ein - fachen, entweder in dieſer oder einer andern Proportion mit einander vermiſchet wer - den (§. 170. T. I. Exper.); ſo werffen die andern Coͤrper, welche zuſammengeſetzte Farben haben, mehr als einerley Art Strahlen, jedoch in verſchiedener Pro por - tion zuruͤcke. Daß dieſes ſo und nicht anders geſchehen muͤſſe, kan ein jeder leicht ſehẽ, dem die Newtoniſche Erfindung von dem Un - terſcheide des Lichtes, durch deſſen Vermi - ſchung das Sonnen-Licht entſtehet, bekand iſt: allein es iſt nun eben die Frage, wie es moͤglich iſt, daß einge Strahlen koͤnnen zu - ruͤcke geworffen werden, die andern aber nicht. Die Strahlen von verſchiedenem Lichte ſind in dem weiſſen Lichte, damit die Coͤrper erleuchtet werden, mit einander ver - miſchet (§. 159. T. II. Exper.). Wenn demnach einige von ihnen ſollen zuruͤcke ge - worffen werden und die andern nicht; ſo muͤſſen ſie erſt von einander abgeſondert werden. Da ſie nicht gleich ſtarck gebro - chen werden, ob ſie gleich unter einem Win - ckel einfallen (§. 160. T. II. Exper.); ſo laſſen ſie ſich durch die Refraction von ein - ander abſondern und demnach iſt klar, daß das Licht in den Flaͤchen der Coͤrper erſt muß gebrochen werden, ehe es reflectiretwird.192Welt-Coͤrpern uͤberhaupt. wird. Die kleinen Theile der dunckelſten Coͤrper ſind durchſichtig (§. 156. T. I. Ex - per.). Da ſich nun das Licht brechen laͤſſet, wenn es in einen durchſichtigen Coͤr - per faͤhret, der von der Lufft unterſchieden iſt, daraus es kom̃et, (§. 147 T. II. Exp); ſo finden wir auch die Coͤrper von der Beſchaffenheit, daß die Strahlen des Lichtes in ihnen koͤn - nen gebrochen und dadurch die von verſchie - dener Art von einander abgeſondert wer - den. Es faͤhret demnach das Licht in die kleinen Theile des Coͤrpers hinein und wird im Eingange gebrochen (§. 147. T. II. Ex - per.). Weil nun das gebrochene Licht nicht alles unter einem Winckel gebrochen wird; ſo faͤllet auch nicht alles auf die hin - tere Flaͤche des kleinen Theiles, darein es faͤhret, an einen Ort, ſondern das rothe Licht bekommet eine andere Stelle als das gelbe, das gelbe eine andere als das gruͤne und ſo weiter fort. Wenn das Licht re - flectiret wird, ſo wird es unter dem Win - ckel reflectiret, unter welchem es einfaͤllet (§. 146. T. II. Exper.). Und daher kan nicht alles, was durch die Refraction von einander abgeſondert worden, nach einer Gegend reflectiret werden, folgends iſt es moͤglich, daß einiges durch die Reflexion herausgebracht wird und aus dem Coͤrper wieder in die Lufft faͤhret, anderes hingegen in die inneren Theile deſſelben hinein gehet:welches193Cap. II. Von der Sonne. welches auch die Nephritiſche Tinctur gar deutlich vor Augen leget, die an der aͤuſſeren Flaͤche, wo ſie erleuchtet wird, blaues Licht reflectiret, in den inneren Theilen aber an - deres (§. 164. T. II. Exper.). Es erhellet demnach, daß die beſtaͤndigen Farben der Coͤrper auf eben eine ſolche Art hervorge - bracht werden, wie die im Regenbogen (§. 171. T. II. Exper.) und einigen optiſchen Jnſtrumenten (§. 158. T. II. Exper.) und in den Coͤrper nichts anders anzutreffen iſt, warum er vielmehr dieſe als eine andere Farbe hat, als weil die Theile in ſeiner Flaͤ - che dieſe oder eine andere Figur und Lage haben.
Nachdem wir geſehen, wie dieWie die Sonne erwaͤr - met. Sonne das Licht hervor bringet und die Coͤrper, welche ſie erleuchtet, gleichſam mahlet, daß ſie mit Farben prangen koͤnnen; ſo muͤſſen wir nun auch unterſuchen, wie ſie die Waͤrme in den Coͤrpern hervor bringet. Ein Coͤrper wird warm, entweder weil Waͤrme von auſſen in ſeine Zwiſchen - Raͤumlein hinein dringet, oder wenn die be - reits daſelbſt vorhandene Materie in Be - wegung geſetzt wird (§. 72). Derowegen muͤſſen entweder die Sounen-Strahlen Waͤrme ſeyn, die in den Coͤrpern hinein dringet, oder ſie muͤſſen bloß die daſelbſt vorhandene ⃒Materie der Waͤrme in Bewe - gung ſetzen, indem ſie in die ſubtileſten Zwi -Phyſick) Nſchen -194Cap. II. Von der Sonne. ſchen-Raͤumlein hinein dringen. Das er ſte findet nicht wohl ſtat. Wir wiſſen, daß die Flamme des Lichtes eine concentrirte Waͤrme iſt (§. 130 T. II. Exper.): allein dieſe Materie iſt nicht das Licht ſelbſt, ſon - dern nur die Urſache des Lichtes (§. 121), als welches daher entſtehet, indem die Flamme, deren Theile ſich ſehr ſchnelle bewegen, eine uͤber die maaſſen ſchnelle Bewegung der Himmels-Lufft mittheilen, die durch den gantzen Welt-Raum ausgebreitet iſt. Wenn auch gleich die Waͤrme ſich durch die Lufft ausbreitet, ſo machet ſie es doch nicht im finſtern helle. Und demnach iſt die Materie der Waͤrme, oder das elemen - tariſche Feuer, unterſchieden von der Ma - terie, dadurch das Licht fortgebracht wird. Weil demnach die Sonnen-Strahlen keine Waͤrme ſind, ſo koͤnnen ſie auch den Coͤrper nicht anders warm machen, als weil ſie die in ſeinen Zwiſchen-Raͤumlein befindliche Materie der Waͤrme in Bewegung ſetzen: welches von ihnen gar wohl geſchehen kan, maßen ſie in ſchneller Bewegung ſind und ihre Bewegung von eben einer ſolchen Ma - terie erhalten, die ſie wieder in Bewegung bringen. Wenn man aber fraget, warum nicht anderes Licht eben dergleichen vermag, was die Sonnen-Strahlen ausrichten: ſo iſt die Urſache nicht ſchweer zuerrathen. DasSon -195Cap. II. Von der Sonne. Sonnen-Licht iſt ſtaͤrcker als anderes und wird demnach durch die Sonne weit meh - rere Himmels-Lufft in ſtarcke Bewegung geſetzet, als von einem anderen Lichte (§. 121). Derowegen dringet das Sonnen - Licht haͤuffiger in die ſubtileſten Zwiſchen - Raͤumlein der Coͤrper und kan daher auch mehrere von der daſelbſt befindlichen Mate - rie der Waͤrme in Bewegung ſetzen. Wenn wenige in Bewegung gebracht wird, ſo ge - het es nicht an, daß wir es empfinden (§. 71): allein wenn viele darein geſetzet wird, ſo wird die Waͤrme empfindlich. Ja wenn wenige Materie der Waͤrme in Be - wegung gebracht wird, ſo kan auch das Welterglaß keine merckliche Veraͤnderung leiden (§. 59. T. II. Exper.), dergleichen gleichwohl in dem entgegen geſetzten Falle geſchiehet.
Man ſiehet auch daher, warumbWarumb dunckele Coͤrper, in der Sonne waͤrmer werden als helle. dunckele Coͤrper in der Sonne waͤrmer wer - den als helle, unerachtet beyde gleiche Zeit darinnen liegen. Ein dunckeler Coͤrper wirfft weniger Licht zuruͤcke, als ein heller, Derowegen wird in jenem mehr Licht in die inneren Theile des Coͤrpers gebracht, als in dieſen (§ 129.). Je mehr aber Licht in die inneren Theile des Coͤrpers hinein drin - get, je mehr kan es Waͤrme erregen (§. 130).
JN Sonnen-Finſterniſſen ſtehet der Mond zwiſchen unſerem Au - ge und der Sonne und decket ſie uns auf eine Weile, daß wir ſie nicht ſehen koͤnnen (§. 245 Aſtron.). Als - denn aber ſiehet er finſter aus, wie eine ſchwartze Scheibe. Derowegen muß der Mond fuͤr ſich kein Licht haben, ſondern ein dunckeler und finſterer Coͤrper ſeyn. Und weil durchſichtige Coͤrper helle ausſehen, wenn ſie zwiſchen dem Auge und dem Lich - te ſtehen, wie wir ſolches auch aus ⃒den Glaßſcheiben ſehen, die des Tages ⃒helle ausſehen, wenn man im Zimmer iſt, weil alsdenn das Licht von innen iſt, hingegen des Nachts helle ſind, wenn man ſie von auſſen auf der Straſſe anſiehet, weil als - denn das Licht im Gemache iſt; der Mond aber, wenn er zwiſchen der Sonne und dem Auge ſtehet, finſter ausſiehet: ſo muß er auch nicht durchſichtig ſeyn; folgends das Sonnen-Licht nicht durch ſich fallen laſſen, wenn er davon beſchienen wird.
Wir finden aber, daß der Mond,Daß er ſein Licht von der Sonue bekom - met. ſo bald er von der Sonne wegruͤcket und wir einen Theil davon ſehen koͤnnen, wenn er von der Sonne beſchienen wird, ſo weit Licht hat, als ihn die Sonne beſcheinet. Und wenn die Erde zwiſchen ihm und der Sonne ſtehet, daß wir die gantze Helffte ſe - hen koͤnnen, welche die Sonne beſcheinet, ſo hat er volles Licht und nennen wir ihn da - her den Vollmond. Daß aber im Voll - mond die Erde zwiſchen dem Mond und der Sonne ſtehet, kan man daher wahrnehmen, weil der Mond aufgehet, indem die Son - ne untergehet und er den halben Himmel von der Sonne entfernet iſt. Es hat dero - wegen der Mond ſein Licht, damit er des Nachts ſcheinet, von der Sonne, und iſt demnach das Mond-Licht eben das Son - nen-Licht, welches er zuruͤcke wirfft.
Man mag den Mond ſo wohlDaß der Mond nicht aus einerley Art der Materie beſtehet. mit bloſſen Augen, als durch Vergroͤſſe - rungs-Glaͤſer betrachten, ſo ſiehet er nicht durchgehends gleich helle aus, ſondern iſt in einigen Orten dunckel. Die Sonne be - ſcheinet ihn in einem Orte, wie in dem an - dern und es ſind auch die dunckelen Flecken nicht in einem Orte bey einandeꝛ anzutꝛeffen, ſondern vielmehr durch den gantzen Mond zertheilet. Derowegen kan man die Ur - ſache keinesweges darinnen ſuchen, daß ein Theil von der Sonne mehr erleuchtetN 3wird198Cap. III. Von dem Mond. wird als der andere. Es kommet demnach einig und allein daher, daß ein Theil mehr Licht reflectiret als der andere. Wenn nun aber gleichwol ein Theil ſo viel eꝛleuchtet wird, als der andere, und doch nicht ſo viel Licht zuruͤcke wirfft, ſo kan der Mond nicht durchgehends aus einerley Art der Materie beſtehen. Denn es iſt allerdinges eine Materie, die viel Licht reflectiret, unterſchie - den von einer andern, die weniger reflectiret (§. 17 Met.).
Niemand hat den Mond mit mehrerem Fleiſſe und groͤſſerer Sorgfalt obſerviret und beſchrieben als Johannes Hevelius in ſeiner Selenographia, darin - nen er alle Geſtalten des ab - und zu - neh - menden Monds darſtellet, wie er ſie mit ei - gener Hand gezeichnet und auf das netteſte ſelbſt in Kupffer geſtochen, auch was bey ei - ner jeden merckwuͤrdiges vorkommet, um - ſtaͤndlich erklaͤret. Wenn man den Mond durch ein Fernglaß betrachtet, indem er nach dem Neumond im⃒ Zunehmen zuſe - hen iſt, oder auch nach dem letzten Viertel im Abnehmen erſcheinet; ſo wird man beſſer als zu anderer Zeit wahrnehmen, daß auſſer den Graͤntzen des Lichtes hin und wie - der einige Theile zerſtreuet liegen, die in dem noch finſtern Theile des Monds erleuchtet ſind. Damit diejenigen, welche mit kei - nem Fernglaſe verſehen ſeyn, die Sache ſichbeſſer199Cap. III. Von dem Mond. beſſer vorſtellen koͤnnen; ſo habe ich zu dem Ende die Monds-Geſtalt in beygeſetzter Fi -Tab. II. Fig. 5 gur darſtellen wollen, die Hevelius 4 Tage und 17 Stunden nach dem Neumond A. 1644, den 11 Aprilis Abends um 9 Uhr zu Dantzig obſerviret, als der Mond im 26 Grade der Zwillinge war, welche Umſtaͤn - de deswegen angefuͤhret werden, weil nach dem verſchiedenen Stande des Monds im Himmel und gegen die Erde die Geſtalt ſich in etwas aͤndert. Jch weiß mich zubeſin - nen, daß ich ſie durch einen Engliſchen acht - ſchuͤhigen Tubum zu einigen Zeiten noch viel deutlicher erblicket. Weil die abge - ſonderten Theile, die uͤber die Graͤntzen des Lichtes liegen, eher erleuchtet werden als andere, die um ſie herum ſind; ſo muͤſſen ſie hoͤher liegen als die anderen. Wer beden - cket, daß das Licht in einer geraden Linie fortgehet (§. 145 T. II. Exper.) und daſelbſt den Mond beruͤhret, wo das Licht ſeine Graͤntzen hat, der wird dieſe Folge leicht be - greiffen. Man kan ſich aber deſſen auch durch die Erfahrung auf unſerem Erdboden verſichern. Denn wir ſehen taͤglich, daß, wenn die Sonne aufgehet, die Spitzen der Thuͤrme eher beſchienen werden als die Daͤ - cher der Gebaͤude, und dieſe hingegen eher Licht haben, ehe daſſelbe die Erde erreichet. Hingegen wenn die Sonne zum Untergan - ge niederſteiget, ſo gehet das Licht zuerſt vonN 4der200Cap. III. Von dem Mond. der Erde weg und verſchwindet am laͤng - ſamſten von den Spitzen. Die Theile der Erden, welche uͤber den Erdboden erhaben ſind, pflegen wir Berge zu nennen. Und demnach kan man mit eben dem Rechte Berge uͤberhaupt diejenigen Theile eines Welt-Coͤrpers nennen, welche uͤber die uͤbri - ge Flaͤche deſſelben erhaben ſind. Da wir nun dergleichen Theile im Monden antref - fen; ſo iſt klar, daß darinnen Berge ſind. Man kan es noch auf andere Art aus den Schatten der Berge und ſonderlich den Schatten in den Thaͤlern erweiſen, wie Hevelius(a)Selenogr. f. 137. 138 ausgefuͤhret: allein da der Beweiß, deſſen wir uns bedienet, leichter zu verſtehen und doch dabey durchdringend iſt, ſo waͤre es eine uͤberfluͤßige Arbeit, wenn wir noch ein mehreres dazu ſetzen wollten.
Wenn man die Graͤntzen des Lichtes im zu - und ab-nehmendem Monden durch ein tuͤchtiges Fernglaß betrachtet; ſo ſichet man, daß es ſich, wo die dunckele Flecken ſind, in einer genauen Peripherie des Circuls endet, hingegen an den uͤbrigen Orten, wo der Mond helle ausſiehet, hoͤ -Tab. II. Fig. 5. ckericht und ungleich iſt. Die Mondsge - ſtalt, welche ich aus Hevelius Monds-Be - ſchreibung vorhin (§. 135) vorgeſtellet, wei - ſet es zur Gnuͤge aus. Man darf ſie nuran -201Cap. III. Von dem Mond. anſehen, ſo wird man was ich geſaget dar - innen erblicken. Jn dem Horizont auf dem Erdboden ſcheidet ſich auch das Licht und erhaͤlt daſelbſt ſeine Graͤntzen, in ſo weit wir es ſehen koͤnnen. Es hat ſich dem - nach Hevelius auf ſeinem Obſervatorio zu Da ntzig durch ein Fernglaß umgeſehen und gefunden, daß, wo der Horizont eben iſt, dergleichen er bey ihm auf der offenbah - ren See angetroffen, die Graͤntzen des Lich - tes in einem gleichen Zuge fortgegangen; hingegen wo er Berge und Thaͤler hat, die - ſelben hin und wieder unterbrochen ſich gleichſam ſchlangenweiſe fortziehen, eben wie man es in dem Mond ſiehet. Hieraus nun erhellet, daß der Mond in den Orten, wo die dunckelen Flecken ſeyn, eben iſt; an den uͤbrigen aber, wo er helle leuchtet, hin und wieder mit Bergen und Thaͤlern ver - ſehen. Wollte man ſagen, es koͤnnten viel - leicht nur kleine Huͤgel ſeyn, die wir vor Berge ausgeben; dem wird der Gedancke bald verſchwinden, wenn er bedencket, wie weit der Mond von der Erde weg iſt (§. 536 Aſtron. ) und wie klein er nach Proportion ſeiner wahren Groͤſſe ausſiehet (§. 552 A - ſtron. ), ja daß Hevelius nach mathema - tiſchen Gruͤnden, die ich auch in meinen Anfangs-Gruͤnden (§. 562 Aſtron. ) erklaͤ - ret, ausgerechnet, daß die Berge im MondN 5bis202Cap. III. Von dem Mond. bis drey Viertel von einer deutſchen Meile hoch und 100, bis 120 Meilen lang ſeyn (§. 296). Wo es bergicht iſt, da muß keine fluͤßige Materie ſeyn: denn fluͤßige bleibet nicht aufgethuͤrmet ſtehen. Derowegen iſt in dem Monden feſtes Land, wo er helle ſcheinet. Die dunckelen Flecke ſind eben und werffen weniger Licht zuruͤcke (§. 134), und in dieſem Stuͤcke kommen ſie mit durch - ſichtigen fluͤßigen Coͤrpern uͤberein, folgends gleichen ſie unſerem Waſſer, welches gleich - falls eine fluͤßige durchſichtige Materie iſt, die hin und wieder zwiſchen den Plaͤtzen des feſten Landes anzutreffen. Es iſt demnach die Vermuthung mehr als zu groß und einer Gewißheit gleich zu achten, daß die Flecken im Mond Waſſer ſind. Hierzu kommet, daß wir auch in ihnen feſtes Land antreffen, welches zum Theil mit dem uͤbꝛigen in einem fortgehet, zum Theil von ihm gantz abge - ſondert iſt, das iſt Jnſeln und Halb-Jn - ſeln. Denn wem iſt nicht bekand, daß man feſtes Land, welches rings herum von Waſſer umfloſſen, eine Jnſul nennet; hin - gegen dasjenige, ſo nur von einer Seite umfloſſen wird, eine Halb-Jnſul heiſſet? Jch weiß wohl, daß Hugenius(b)Coſmotheoro lib. 2. p. m. 98. die Flecken fuͤr keine Meere halten will, weil er durch ein groſſes Fernglaß einige Vertief -fun -203Cap. III. Von dem Mond. fungen darinnen will wahrgenommen ha - ben, darein Schatten faͤllet. Nun iſt gewis, wenn die Obſervation in allem ihre Richtigkeit haͤtte; ſo gienge es nicht an, daß ſie Waſſer waͤren, denn in dem Waſſer als einem fluͤßigen Coͤrper koͤnnen keine Vertief - fungen ſtat finden. Allein da wir noch nie - manden haben, der dergleichen angemercket, auſſer den einigen Hugenium; ſo ſcheinet die einige Obſervation noch nicht genung zu ſeyn, daß wir ihr zu Gefallen von einer ſo ſtarcken Muthmaſſung abgehen. Er will auch keine Fluͤſſe im Monden zugeben, weil er vermeinet, man muͤſte ſie durch unſere groſſen Fernglaͤſer zu Geſichte bekommen: allein er hat die Moͤglichkeit nicht erwieſen. Und, ob ich gleich jetzt keine Rechnung vor - nehmen kan, ſo zweiffele ich doch gar ſehr, daß die Breite eines Fluſſes in einer Weite von 56 halben Diametris der Erde, oder mehr als 48000 Meilen noch zu erkennen iſt. Geſetzt demnach, daß auch die Flecken kein Waſſer, ſondern nur dunckeles Land waͤren, welches mir doch nicht wahrſchein - lich ſcheinet; ſo kan deswegen doch Waſſer genung im Mond ſeyn.
Man hat auch gefraget, ob umOb Lufft um den Mond iſt. den Mond herum eine Lufft iſt, wie um un - ſere Erde. Wir finden nichts beſſers, dar - aus wir ſie erkennen koͤnnen, als den hellen Ring, der ſich in groſſen Sonnen-Finſter -niſſen204Cap. III. Von dem Mond. niſſen um den Mond herum zeiget. Kepler(a)in libello de nova ſtella Serpentarii c. 23. p. 115. hat angemercket, daß man A. 1605. im Monath October dergleichen zu Neapel und Antwerpen obſerviret, als die Sonne gaͤntz - lich verfinſtert war. Denn ſobald der Mond die Sonne gantz deckete, ſahe man um ſeinen Umbfang rings herum eine flam - mende Roͤthe von einer ziemlichen und uͤ - berall gleichen Breite, daß es auch davon gantz helle ward und man keinen Stern im Himmel zuſehen bekam, wie ſonſt in ſo groſ - ſen Finſterniſſen zugeſchehen pfleget. Weil mir bekandt war, daß die Lufft von einigen neueren Aſtronomis in Zweiffel gezogen wird; ſo war ich A. 1706, da ſich in unſe - ren Laͤndern eine groſſe Finſternis an der Sonne ereignete, begierig zuſehen, ob auch ein ſolcher Ring, wie ihn Kepler beſchreibet, um den Mond wuͤrde zu ſehen ⃒ſeyn. Wie nun der Mond die Sonne am meiſten verdeckete, ſo blieb oben von ihr in Leipzig, wo ich mich dazumahl aufhielt, etwan ⅓; Zoll unverfin - ſtert uͤbrig, hingegen umb den Mond ſahe man einen hellen Ring, der mit dem Rande deſſelben parallel herum gieng: welches ich gar eigentlich unterſcheiden konnte, weil er ſich nicht mit dem noch uͤbrigen Stuͤcklein der Sonne in einer Peripherie endigte. Sein205Cap. III. Von dem Mond. Sein Glantz war zwar helle, aber doch viel ſchwaͤcher als das Sonnen-Licht, welches noch oben uͤber dem Monden glaͤntzte. An dem Monden ſahe er dichte aus, nahm aber immer nach und nach ab, bis er ſich endlich unvermerckt in einer voͤlligen Peripherie verlohr. Der Herr von Tſchirnhauſen, als ich ihm dieſes durch ein Schreiben mel - dete, war zwar meiner Obſervation ent - gegen, indem er damit eingenommen war, daß die neueren Aſtronomi die Lufft umb den Mond fuͤr etwas erdichtetes hielten: al - lein weil ich gar zu genau darauf acht gege - ben hatte, ſo ließ ich es doch mit in die Leipzi - ger-Acta(b)Acta Erud. A. 1706. p. 335. ſetzen. Als kurtz darauf Herrn Wurtzelbauers, des beruͤhmten Nuͤrnbergiſchen Obſervatoris Obſerva - tion von dieſer Finſternis heraus kam, fand ich, daß er dieſen Ring, der ohngefehr einen halben Zoll breit war (den Zoll fuͤr $$\frac {1}{12}$$ des Monds Diameters gerechnet) gleichfalls angemercket hatte, wie beygeſetzte Figur zei - get. Es war aber daſelbſt die Sonne gantzTab. II. Fig. 6. verfinſtert und daher der Ring auch oben zu ſehen, wo ich in Leipzig das noch uͤbri - ge Sonnen-Licht erblickte. Jch er - fuhr durch ein Schreiben von dem Herrn P. Heinrich aus Breßlau, daß er daſelbſt gleichfalls den Ring um den Mond geſehenhatte,206Cap. III. Von dem Mond. hatte, ehe ich ihm noch ſchrieb, was ich zu Leipzig obſerviret. Endlich als A. 1708. die Hiſtorie der Academie der Wiſſenſchaff - von A. 1706 heraus kam, fand ich(c)Memoires de l’ Acad. des ſcienc. A. 1715. p. 119, daß man ihn noch an anderen Orten mehr geſe - hen hatte. Abſonderlich worden in der Hi - ſtorie(d)p. m. 148. die Aſtronomi der Koͤniglichen Academie der Wiſſenſchafften zu Mont - pellier geruͤhmet, daß ſie ihn mit groͤſſerer Aufmerckſamkeit als andere obſerviret haͤt - ten. Es kam aber ihre Obſervation mit meiner voͤllig uͤberein, auſſer daß der Unter - ſcheid von dem noch uͤbrigen Sonnen-Lich - te von ihnen nicht konnte angemercket wer - den, weil bey ihnen die Sonne gantz ver - finſtert ward. Jn Franckreich war man bey der Academie der Wiſſen - ſchafften ſelbſt in etwas beſtuͤrtzt we - gen dieſes Ringes, indem verſchiedene Aſtronomi nicht gerne eine Lufft um den Mond zugeben wolten. Derowegen als A. 1715 abermahls eine groſſe Fin - ſternis an der Sonne in Engelland zuſehen war; reiſete der Herr de Louville nach Londen und wartete daſelbſt mit dem be - ruͤhmten Aſtronomo Herrn Halley die Obſervation ab. Sie ſahen aber in der gaͤntzlichen Verfinſterung der Sonne den Ring gantz eigentlich und erkannten, daß erumb207Cap. III. Von dem Mond. umb den Mond herum war(e)Philoſoph. Transact. Num. 343 p. 249. Es iſt demnach auſſer allem Zweiffel, daß in groſſen Sonnen-Finſterniſſen um den Mond her - um ein ſolcher Ring zuſehen iſt, wie wir ihn beſchrieben. Wo man Licht ſiehet, da muß etwas vorhanden ſeyn, welches das Licht zuruͤcke wirfft. Derowegen iſt klar, daß dieſer helle Ring nicht anders hat entſte - hen koͤnnen, als durch die Reflexion des Sonnen-Lichtes in einer fluͤßigen Materie. Dieſe Materie kan nicht umb die Sonne ſeyn, denn ſonſt waͤre der Ring mit der Pe - ripherie der Sonne und nicht des Monds parallel. Man kan auch nicht unſere Lufft davor annehmen: denn da der Zuſtand un - ſerer Lufft nicht zu allen Zeiten an verſchie - denen Orten einerley iſt, ſo koͤnnte man auch nicht den Ring jedesmahl an allen Orten, wo die gaͤntzliche Verfinſterung geſehen wird, erblicken. Derowegen muß ſie umb den Mond ſeyn. Es erhellet demnach aus gegenwaͤrtiger Obſervation, daß den Mond eine fluͤßige Materie umgiebet, wel - che das Sonnen-Licht reflectiret. Und zwar da derſelbe Ring nahe an dem Mon - den dichte iſt, nach dieſem immerzu nach und nach abnimmet; ſo muß die Monds-Lufft an dem Monden dichte ſeyn, und von dar an immer zu nach und nach abnehmen, bisſie184[208]Cap. III. Von dem Mond. ſie ſich endlich in der Himmels-Lufft (§. 121) verlieret. Jch weiß wohl daß de la Hire eine andere Urſache von dieſem Ringe ge - ben wollen: allein ich finde ſie nicht ge - gruͤndet.
Unſere Lufft leidet viele Veraͤn - derungen wegen der Duͤnſte, die in ihr auff - ſteigen: man kan daher auch fragen, ob eben dergleichen Veraͤnderungen in der Monds-Lufft zu ſpuͤren ſind. Hevelius hat zu verſchiedenen mahlen wahrgenom - men, daß bey gantz hellem Himmel, da er die Sterne von der ſechſten und ſiebenden Groͤſſe erkennen koͤnnen, durch einerley Fernglaß der Mond in einerley Hoͤhe uͤber dem Horizont und einerley Weite von der Erde ihm einmahl deutlicher als das andere ausgeſehen. Die Urſache davon iſt nicht aus optiſchen Gruͤnden herkommen, weil der Mond einerley Hoͤhe uͤber dem Horizont und einerley Entfernung von der Erde ge - habt. Es muß demnach eine natuͤrliche zu - gegen geweſen ſeyn, welche es gehindert, daß man nicht alle Flecken in ihm wie zu ande - rer Zeit unterſcheiden koͤnnen. Dieſe Ur - ſache kan man weder in unſerer Lufft, noch in dem Auge des Hevelii, noch auch in ſei - nem Fernglaſe ſuchen: denn ſonſt wuͤrde er die kleinen Sterne nicht ſo wohl wieſonſt(a)Cometogr lib. 7. f. 363.209Cap. III. Von dem Mond. ſonſt haben ſehen koͤnnen. Es bleibet da - her nichts uͤbrig, als daß wir ſie in etwas umb den Mond ſuchen muͤſſen. Weil dem - nach um ihn eine Lufft iſt (§. 137); ſo muß ſie zu einer Zeit durchſichtiger ſeyn, als zu der andern, folgends erhellet, daß unterwei - len Duͤnſte in ihr aufſteigen, davon ſie truͤbe wird, zu anderer Zeit aber wieder ſie verlie - ren. Es erinnert zwar Hugenius(b)in Coſinotheoro lib. 2. p. m. 98, er habe niemahls obſerviret, daß einige Fle - cken und Berge im Monden verdeckt wor - den, und haͤlt daher nicht vor glaublich, daß ſich in der Monds-Lufft Wolcken zu - ſammen ziehen. Allein da die Ge - ſtalt des Monds ſich nach ſeinem verſchie - denen Stande gegen die Erde und die Son - ne gar ſehr aͤndert; ſo iſt nicht eine jede klei - ne Veraͤnderung zu obſerviren. Darnach hat man zuerwegen, daß, da der Mond kei - ne Bewegung um ſeine Axe hat, die Sonne biß 14 Tage einen Ort beſtaͤndig beſcheinet: wodurch die Lufft mit den Duͤnſten verduͤn - net, auch die Duͤnſte auf die finſtere Seite herum getrieben werden, daß ſie ſich nicht in Wolcken zuſammen ziehen koͤnnen. Wir wiſſen auch, daß, wenn dicke Wolcken zwi - ſchen dem Auge und der Sonne ſind, die - ſelben weiß ausſehen; hingegen die duͤnnen, wenn ſie zwiſchen dem Auge und der Son -(Phyſick) One210Cap. III. Von dem Mond. ne ſtehen, dunckel erſcheinen. Derowegen wenn auch gleich dicke Wolcken uͤber dem feſten Lande und duͤnne uͤber den Flecken ſte - hen; ſo kan man ſie deswegen doch nicht erkennen. Es kan auch gar wohl ſeyn, daß ſich im Mond gar keine Wolcken aufziehen; ſondern die Duͤnſte nur wie ein Thau wie - der zuruͤcke fallen. Denn wir treffen ja auf dem Erdboden Laͤnder an, die fruchtbahr ſeyn und da es gar nicht, oder doch nur gar wenig regnet. Unterdeſſen findet ſich noch ein beſonderer Umſtand bey den Sonnen - Finſterniſſen, daraus man gar deutlich erſe - ſehen kan, daß im Mond, wenigſtens auf der finſtern Seite, die die Sonne nicht be - ſcheinet, unterweilen grobe Duͤnſte vorhan - den ſeyn, die ſich auf und nieder bewegen. Es hat nemlich der Jeſuit Scheiner(c)in Loſa Urſina lib. 4. part. 2. c. 26. f. 740 an - gemercket, daß in einer Sonnen-Finſter - nis den 25 Dec. 1628 zu Barcellona an dem Rande des vor die Sonne einruͤcken - den Monds das Sonnen-Licht gezittert, und Hevelius hat es gleichfalls zu verſchie - denen mahlen(d)Cometogr. lib. 7. f. 365., auch der Herr von Tſchirnhauſen in der Finſternis von An. 1706 durch ein ſechzehen ſchuhiges Fern - glaß obſerviret, wie mir aus ſeinem Schrei - ben bekandt iſt. Daß dieſes Zittern durchdie211Cap. III. Von dem Mond. die in der Lufft hin und wieder bewegten Duͤnſte entſtehe, koͤnnen wir auf dem Erd - boden lernen, wenn wir zu einer Zeit, da un - ſere Lufft ſehr dunſtig, durch ein gutes Fern - glaß nach der Sonne ſehen.
Jn der letzten groſſen Finſternis,Daß man es im Mond blitzen ge - ſehen. welche ſich A. 1715 ereignet, haben de Lou - uille und Halley(e)Memoir. de l’ Acad. Roy. des ſcienc. A. 1715. p. m. 126. 127., in der gaͤntzlichen Verfinſterung der Sonne im Monden Bli - tze fahren ſehen, die nur einen Augenblick gedauret und jedesmahl gleich wieder ver - ſchwunden. Da nun um den Mond her - um einige Lufft iſt (§. 137), die durch Aus - duͤnſtungen veraͤndert wird (§. 138); ſo wird man nicht irren, wenn man es fuͤr Blitze annimmet. Jch weiß gar wohl, daß dieſes vielen wunderlich vorkommet: allein wir haben nicht darauf zu ſehen, ob eine Leh - re denen, die mit Vorurtheilen wieder ſie eingenommen ſind, wunderlich vorkom - met; ſondern nur ob ſie der Wahrheit ge - maͤß iſt.
Wenn wir alles zuſammenDaß der Mond mit unſe - rer Erde voͤllig uͤ - berein - kommet nehmen, was bisher von ⃒ dem Monden erwieſen worden, ſo erſehen wir daraus, daß er mit unſerer Erde voͤllig uͤbereinkommet. Unſere Erde beſtehet aus feſtem Lande und Waſſer, hat viele Berge und Thaͤler, undO 2ſie212Cap. IV. Von den Haupt-Planetenſie umgiebet eine Lufft, darinnen ſich aller - hand Veraͤnderungen der Ausduͤnſtungen ereignen. Der Mond hat gleichfals feſtes Land und Waſſer (§. 136), viele Berge und Thaͤler (§. 135) und eine Lufft (§. 137), darinnen ſich von den Ausduͤnſtungen ver - ſchiedene Veraͤnderungen ereignen (§. 138. 139). Wir doͤꝛfen uns nicht befremden laſſen, daß der Mond frey in der Himmels-Lufft ſchwebet und leuchtet, denn unſere Erde ſchwebet auch darinnen, und wir werden nach dieſem wahrnehmen, daß ſie ebenfalls leuchte.
DAß Venus und Mercurius dun - ckele Coͤrper ſeyn, wird eben ſo wie von dem Mond erwieſen. Jeremias Horoccius hat An. 1639. d. 24. Nov. die Venus ſich wie einen dunckelen Flecken durch die Sonne durch bewegen ſehen: welches aus Mangel der Fernglaͤſer ſo lange die Welt ſtehet ſonſt noch nie von jemanden iſt obſerviret wor - den. Wir haben auch nicht eher Hoff - nung, daß ſolches wieder geſchehen wird,als213und ihren Monden. als 1761 den 25 May(a)Horoccii obſervationes cœleſtes in poſthu - mis p. 390. Eiusd. Tractatus: Venus in Sole & Acta Erudit. A. 1693. p. 66.. Den Mercu - rius hat Petrus Gaſſendus in Franckreich, nachdem Kepler dieſe Begebenheiten vor - her verkuͤndiget hatte, ſo dazumahl noch was unerhoͤrtes waren, A. 1631 den 7 Nov. zuerſt auf gleiche Weiſe ſich durch die Son - ne durch bewegen geſehen(b)Inſtit. Aſtron. lib. 2. c. 14. p. m. 97. & Epi - ſtola ad Schickardum de Mercurio in ſole vi - ſo & venere non viſo. : welches nach dieſem im verwichenen und gegenwaͤrtigem Jahrhunderte mehrmahlen von andern ob - ſerviret worden. Und hat ſonderlich Hevelius von dieſer Himmelsbegebenheit einen beſon - deren Tractat geſchrieben(c)Mercurius in ſole viſus. , dem er des Horocii ſeinen von der Venus in der Son - ne mit beygefuͤget. Man ſiehet hieraus, daß Venus und Mercurius von der Seite, wo ſie von der Sonne nicht erleuchtet wer - den, kein Licht haben, ſondern finſter ſind, auch daher kein Licht durchfallen laſſen. Es ſind demnach dunckele und dichte Coͤrper wie der Mond (§. 132).
Wenn man dieſe beyde Plane -Daß ſie ihr Licht von der Sonne haben. ten durch die Fern-Glaͤſer betrachtet, ſo wird man ſie meiſtentheils, da ſie ſichtbahr ſeyn, wie den ab - und zu - nehmenden MondO 3nur214Cap. VI. Von den Haupt-Planetennur von der Seite erleuchtet ſehen, die der Sonne entgegen gekehret iſt. Und daraus erhellet wie vorhin bey dem Mond (§. 133), daß dieſe beyden Planeten ihr Licht von der Sonne haben und bloß deswegen leuchten, weil ſie es zuruͤcke werffen.
Wenn Mars durch die Fern - glaͤſer fleißig betrachtet wird, ſo findet man auch unterweilen, daß nur ein Theil davon, welcher gegen die Sonne gekehret, erleuch - tet iſt, das uͤbrige, ſo von der Sonne abge - wandt, aber finſter ausſiehet. Man erken - net demnach daraus, daß der Mars vor ſich ein finſterer und dunckeler Coͤrper, gleichwie Venus und Mercurius iſt, ſein Licht aber von der Sonne bekommet.
Jupiter und Saturnus haben beſtaͤndig volles Licht und daher muß man von ihnen auf eine andere Art erweiſen, daß ſie dunckele und undurchſichtige Coͤrper ſind, die ihr Licht von der Sonne ha - ben. Es dienen aber dazu die Finſter - niſſe ihrer Trabanten: denn ein Coͤper, der dadurch einen andern verfinſtern kan, daß er zwiſchen ihm und der Sonne ſtehet, hat weder vor ſich Licht, noch laͤſſet das Licht der Sonne durchfallen, maſſen er ſonſt den - ſelben Coͤrper im erſten Falle mit ſeinem eigenen Lichte erleuchten wuͤrde, im andern aber keinesweges hindern, daß nicht nochdie215und ihren Monden. die Sonnen-Strahlen ihn erleuchten koͤnn - ten. Daß nun aber Jupiter und Saturnus ihre Trabanten verfinſtern, wenn ſie zwi - ſchen ihnen und der Sonne zuſtehen kom - men, iſt aus den Obſervationen der Stern - kundigen klar. Die Finſterniſſe der Ju - piters-Trabanten ſind ſehr gemein und uͤ - berall, wo Aſtronomiſche Obſervationen vorhanden anzutreffen. Was aber die Finſterniſſe der Saturnus-Trabanten be - trifft, ſo finde ich daß Maraldi der Schwieger-Sohn des beruͤhmten Caſſi - ni, und Casſini der Sohn den 25. Martii A. 1715. des Abends umb 11 Uhr die erſte Verfinſterung des vierdten Saturnus-Trabanten obſerviret(a)Memoires de l’ Acad, Roy des ſcienc. An. 1715. p. m. 57.. Uber dieſes hat man von dem Jupiter wahrge - nommen, daß, wenn ein Trabante zwiſchen ihm u. der Sonne ſtehet, ſein Schatten ſich in ihm wie ein rundter Flecken præſentiret. Weil nun aber die Trabanten des Jupiters und Saturnus kein Licht haben, wenn ſie in den Schatten dieſer Planeten kommen, wo ſie die Sonne nicht beſcheinen kan; ſo muͤſ - ſen ſie vor ſich kein Licht haben und nur das Licht der Sonne zuruͤcke werffen.
De la Hire hat A. 1700 durch einOb Ber - ge in den Planeten ſind. ſechzehnſchuhiges Fernglaß in der Venus groͤſſere Berge als im Monden obſerviret. O 4Die216Cap. IV. Von den Haupt-PlanetenDie Venus ſahe dreymahl ſo groß aus als der Mond mit bloſſen Augen. Weil man die Berge nicht obſerviren kan, als wenn der Planete nicht voͤllig erleuchtet iſt, oder durch ihren Schatten, den ſie werffen (§. 135); Saturnus aber und Jupiter ſtets volles Licht haben, Mercurius meiſten - theils unter den Sonnen-Strahlen lieget und ſich wenig obſerviren laͤſſet, Mars auch nur unterweilen ein weniges von ſeinem verfinſterten Theile zeiget; uͤberdieſes alle Planeten von der Erde ſehr weit weg ſind: ſo gehet es auch nicht wohl an, daß man in den uͤbrigen Berge entdecken kan. Unter - deſſen da dieſe Planeten insgeſamt eben ſol - che Coͤrper ſind wie der Mond (§. 141. & ſq. ) u. einer von ihnen nochgroͤſſeꝛe Beꝛge als der Mond hat; ſo kan man leicht vermuthen, daß es auch in den uͤbrigen nicht an Bergen fehlen werde. Traͤget jemand Bedencken es zuzugeben, ehe man einige Obſervatio - nen hat, dadurch man es wenigſtens noch in einem oder dem andern erweiſen kan; ſo iſt wenig daran gelegen, indem wir dieſe Er - kaͤntnis eben nicht zu nutzen wiſſen.
Caſſini hat ſchon A. 1663 den 1 Oct. als was merckwuͤrdiges angeſehen, daß ein Stern im Waſſermann, den Mars verdeckte, ſo blaß ausſahe, wie er ihn wieder verließ, daß er ihn auch nicht durch ein Fern - Glaß, was geringer als drey Schuhe war,ſehen217und ihren Monden. ſehen konnte. Er war damahls auff der Reiſe und obſervirete auſſerhalb Paris: zu Paris aber, wo der Himmel gantz helle war, konnte Roͤmer den Stern auch nicht durch ein groſſes Fernglaß eher erkennen, als bis er von dem Mars um ⅔ ſeines Diameters weg - geruͤcket war, unerachtet man ſonſt derglei - chen Sterne gantz nahe bey dem Monden gar wohl ſehen kan(a)du Hamel in Hiſtoria Reg. ſcienc. Acad. p. m. 113.. Weil das Licht des Sternes dadurch geſchwaͤcht worden, daß ihm Mars zu nahe geweſen, ſo muß um ihn herum etwas geweſen ſeyn, welches viele Strahlen des Sterns reflectiret und nur gantz wenige durchfallen laſſen. Da nun die fluͤßigen Materien um die Plane - ten, welche von der Beſchaffenheit ſind, Luft genennet werden; ſo erhellet aus dieſer Ob - ſervation, daß Mars mit Lufft umgeben iſt. Es hat auch Caſſini zu verſchiedenen mah - len Flecken im Mars obſerviret und daraus gefunden, daß er ſich innerhalb 24 Stunden und 37 bis 40 Minuten um ſeine Axe herum beweget(c)du Hamel loc. cit. p. m. 103.. Es ſcheinet aus der Erzeh - lung des du Hamels, daß er einerley Flecken in verſchiedenen Jahren geſehen: woraus zuvermuthen, daß ſie beſtaͤndig in ihm ſind. Sind ſie beſtaͤndig, ſo ſind es Meere, wieO 5wir218Cap. IV. Von den Haupt-Planetenwie wir bey dem Mond ausgefuͤhret: ſind ſie aber veraͤnderlich, ſo ſind es Duͤnſte, die ſich in der Lufft zuſammen gezogen. Wo aber Duͤnſte ſind, da muß auch Waſſer vor - handen ſeyn, welches ausdunſten kan. Und demnach moͤgen Flecken in Planeten zu ſe - hen ſeyn, von welcher Art ſie wollen, ſo ſind ſie doch allzeit ein gewiſſes Kennzeichen, daß Waſſer im Planeten vorhanden: ſind ſie aber veraͤnderlich, ſo ſiehct man daraus zu - gleich, daß um den Planeten eine Lufft iſt, darinnen Duͤnſte aufſteigen koͤnnen. Und deswegen wollen wir nur noch bloß erzehlen, was man in dieſem Stuͤcke von den uͤbrigen Planeten obſerviret. Nemlich Caſſini hat A. 1675, und 1677 einen Flecken im Jupi - ter geſehen, woraus er ſeine Bewegung um die Axe von 9 Stunden und 55 Minuten geſchloſſen(d)Idem loc. cit. p. 171 A. 1691 hat er im October noch vier andere Flecken geſehen, daraus er ſeine Bewegung um die Axe von 9 Stun - den und 51 Minuten herausgebracht: wel - ches mit dem vorigen ziemlich uͤbereinkom - met. Ja er hat den 5. Decembr. einen Flecken wahrgenommen, der ſich den 23 Dec. in drey andere zertheilet: woraus zu erſehen, daß er bloß aus einer Verſamm - lung der Duͤnſte in der Jupiters-Lufft muͤſ - ſe beſtanden ſeyn. Ja in ſolgendem Jahrehat219und ihren Monden. hat er noch gar viel veraͤnderliches von den Flecken angemercket und was das merck - wuͤrdigſte, die Bewegung des Jupiters um die Axe meiſtens 9 Stunden und 51 Mi - nuten gefunden(e)Id. loc. cit. p. m. 293. 294. Die Jupiters-Tra - banten ſind ſo klein, daß man vermeinen ſoll - te, es ſey unmoͤglich in ihnen einige Flecken zu entdecken. Unterdeſſen hat ſich doch ein gantz unvermutheter Weg gezeiget, da man dieſes bewerckſtelligen koͤnnen: woraus zu - erſehen, daß es gefaͤhrlich ſey von der Un - moͤglichkeit und Moͤglichkeit einer Sache zu urtheilen. Nemlich es ereignet ſich oͤffters, daß die Jupiters-Trabanten dergeſtalt vor dem Jupiter vorbey gehen, daß ſie in ſei - nem Lichte verſchwinden und nicht eher wieder koͤnnen geſehen werden, als bis ſie von der andern Seite heraus ruͤcken. Wenn nun der Trabante einen Flecken hat; ſo præſentiret er ſich alsdenn im Jupiter, weil uns vorkommet, als wenn das Licht des Trabantens des Jupiters ſeine waͤre, in - dem wir wegen der Weite beyde Coͤrper in einer Flaͤche bey einander ſehen. Derglei - chen Obſervationen hat Maraldi(f)Memoires de l’Acad. Roy des ſcienc. A. 1707 p. m. 375. & ſeqq. gege - ben. Nemlich A. 1707 den 6 Martii ob - ſervirte er durch ein Fernglaß von 34 Schu -hen220Cap. IV. Von den Haupt-Planetenhen den vierdten Jupiters-Trabanten, als er vor dem Jupiter vorbey paßirte, und ſahe mittler Zeit einen dunckelen Flecken ſich durch den Jupiter durch zu bewegen. So bald der Trabante verſchwand, erblickte er in dem Abend Rande den Flecken, und ſo bald der Flecken im Morgen-Rande ſeinen Adſchied nahm, ſtund der Trabante neben ihm und war gegen Morgen zuſehen. Man kan aber um ſo viel weniger argwohnen, als weñ die Zeit von ohngefehr nur mit uͤberein - ſtimmete, weil der Flecken eben die Straſſe durch den Jupiter genommen, die der Trabante gegangen, und ſich gar nicht in einer ſolchen Zeit durch beweget, in welcher ſonſt andere Flecken es zu thun pflegen. Jn eben dieſem Jahre den 4 April. obſervirte er den dritten Trabanten, wie er vor dem Jupiter vorbey ſtrich, und fand abermahls, daß ſich wehrender Zeit ein Flecken durch den Jupiter bewegete. Hingegen da eben derſelbe den 11. April. vor dem Jupiter vorbey paßirte, war nicht der geringſte Fle - cken in ihm zuſehen. Eben dergleichen hat A. 1678 Caſſini mit Roͤmern in den drit - ten, vierdten und erſten Trabanten obſervi - ret(g)Au Hamel in Hiſt. Acad. Reg. Scient. lib. 2 ſect. 6. c. 1. p. m. 183.. Es hat aber nicht allein Maraldiſon -221und ihren Monden. ſondern auch ſchon vor ihm Caſſini(h)loc. cit. wahrgenommen, daß oͤffters der Schatten des Trabantens, den er auf den Jupiter wirfft, groͤſſer iſt als der Trabante ſelbſt. Da dieſe Sterne unſtreitig kleiner ſind als die Sonne und von ihr erleuchtet werden (§. 144), ſo muß auch ihr Schatten kleiner ſeyn als ſie (§. 61. Optic.). Derowegen wenn er groͤſſer ausſiehet, ſo muß der Jupi - ters-Trabante nicht voͤllig Licht haben, daß wir nur einen Theil davon ſehen koͤn - nen. Da ihn nun aber gleichwohl die Sonne von der Seite, die wir ſehen, gantz beſcheinen kan; ſo muß ein Theil davon ſo wenig Licht zuruͤcke werffen, daß wir ihn nicht ſehen. Und alſo hat es Flecken in ihm. Es gehoͤren auch hieher die veraͤnderlichen Streiffen, die von verſchiedenen in den drey oberen Planeten, von denen wir hier re - den, obſerviret worden. Z. E. Hugenius(i)in ſyſtemate ſaturnino p. 7. hat A. 1656 im Mars einen breitenTab. II. Fig. 7 Streiffen geſehen, der mehr als den dritten Theil von ihm einnahm und den mittleren Theil verdunckelte. Er mercket auch an, daß die Streiffen in Jupiter, die von vielen geſehen worden, A. 1656. viel weiter vonFig. 8. einander geſtanden, als ſie ſonſt zu ſtehen pflegen. Sie ſind heller als das uͤbrigevom222Cap. IV. Von den Haupt-Planetenvom Jupiter, unerachtet ſie einige vor dun - ckeler ausgegeben. Caſſini, wie du Hamel in der oͤffters angefuͤhrten Hiſtorie der Aca - demie der Wiſſenſchafftrn erzehlet, hat ver - ſchiedenes von dieſen Streiffen angemercket, welches ich aber hier umſtaͤndlicher zuerzeh - len fuͤr unnoͤthig erachte. Jm Saturnus hatFig. 9. Casſini, der juͤngere, A. 1715 von dem 25 Martii an bis zu Ende des Aprils drey dun - ckele Streiffen obſerviret, dergleichen wir vorhin von dem Jupiter beſchrieben, und die die gantze Zeit uͤber ohne einige Beraͤn - derung geblieben. Keine andere Flecken aber hat er in ihm nicht finden koͤnnen (k). Der mittlere Streiffen war ſo blaß, daß man ihn nicht anders als durch ein Fern - glaß von 114 Schuhen erkennen konnte, und durch dieſes Fern-Glaß ſahe Saturnus eben ſo aus, wie Jupiter durch eines von 34 Schuhen, dadurch man in ihm gleichfalls Streiffen anzutreffen pfleget. Endlich was die beyden Planeten Venus und Mer - curius betrifft; ſo hat in den erſten Caſſini zu verſchiedenen mahlen Flecken obſerviret, aber die ſo undeutlich geweſen daß man ih - ren Umfang nicht wohl unterſcheiden koͤn - nen. Noch merckwuͤrdiger aber iſt, daß er A. 1677 einen hellen Flecken in der Venusge -(c)Memoires de l’ Acad, Roy des ſcienc. A, 1715. p. m. 56223und ihren Monden. geſehen, welcher ſich von Mittage weg her - unter beweget(l)du Hamel in Phil. Vet. & Nov. Tom. 5. p. m. 99.. Mercurius, der ſehr klein iſt und ſich nicht weit von der Sonne weg machet, hat zur Zeit noch nichts veraͤn - derliches in dieſem Stuͤcke gezeiget. Je - doch da Mercurius und Saturnus im uͤ - brigen mit den andern Planeten uͤberein - kommen; ſo iſt auch nicht zu zweiffeln, daß unterweilen ſich Duͤnſte in ihrer Lufft aufzie - hen, ob wir ſie gleich in der Weite als ſie von uns weg ſind, nicht erkennen koͤnnen.
Saturnus hat was beſondersRing des Satur - nus. fuͤr allen andern Planeten, dergleichen wir ſonſt nirgends im Himmel antreffen. Er veraͤndert ſeltſam ſeine Geſtalt und ſiehet noch ſeltſamer aus als er iſt, wenn man kei - ne tuͤchtige Fernglāſer hat, dadurch man ihn obſerviret. Alles was vor A. 1659, da Hu - genius ſein ſyſtema ſaturninum heraus gab, von den Geſtalten des Saturnus in Schrifften bekandt gemacht worden hat viel unrichtiges in ſich, und iſt daher auch kein Wunder, daß weder Hevelius in ſei - nem Tꝛactate de facie Saturni, noch andere die Urſache davon finden koͤnnen. HugeniusTab. III. Fig. 10. hat zuerſt gefunden, daß hauptſaͤchlich dreyerley Veraͤnderungen ſtat finden. Nem - lich 1. erſcheinet er unterweilen, wie die uͤbr -gen224Cap. IV. Von den Haupt-Planetengen Planeten, rundt und mitten durch gehet ein dunckeler Strich. Darnach 2. bekom - met er zwey helle Armen, die zu beyden Seiten angeſetzt erſcheinen, wo vorhin der dunckele Strich durchgieng, und zu beyden Seiten in einer geraden Linie fortgehen, na - he an dem Coͤrper des Saturnus breiter als am Ende, wo ſie ſpitzig zulauffen. Der dunckele Strich hingegen im Saturnus ſte - het etwas hoͤher als die Armen. Endlich 3. ſpalten ſich die Armen und werden in zwey Henckel verwandelt; der Strich aber unter dem unterſten Theile der Henckel tritt im Coͤrper des Saturnus weiter herunter. Jnnerhalb den Henckeln laſſen ſich die Fix -Tab. III. Fig. 11. ſterne ſehen(a)ſyſtem. ſaturn. p. 9. & ſeqq. . Hieraus hat Hugenius gezeiget, daß um den Saturnus herum ein rundter und etwas breiter, aber duͤnner Ring iſt, welcher uͤberall von ihm gleich ab - ſtehet. Denn hieraus laſſen ſich die Ge - ſtalten nicht allein erklaͤren, ſondern auch auf kuͤnfftige Zeiten vorher verkuͤndigen. Casſi - ni, wie du Hamel in mehrerwehnter Hiſto - rie der Academie der Wiſſenſchafften an - fuͤhret, hat dieſen Ring vielfaͤltig obſerviret und Hugenii Meinung richtig befunden. Casſini der juͤngere und Maraldi haben A. 1715 und 1716 den Ring um den Satur - nus auf das ſorgfaͤltigſte obſerviret, weil ſichzu225und ihren Monden. zu derſelben Zeit beſſere Gelegenheit dazu als ſonſt ereignet und viel merckwuͤrdiges davon angemercket(m)Memoir. de l’ Acad. Roy. des ſcienc. A. 1715 p. m. 13. 54. & A. 1716. p. m. 223..
Da ſowohl die Haupt-PlanetenAlle Pla - neten find der Erde aͤhnlich. Saturnus, Jupiter, Mars, Venus und Mercurius, als auch die Neben-Planeten, die Trabanten des Jupiters und Satur - nus, alle insgeſamt finſtere und undurch - ſichtige Coͤrper ſind, die von der Sonne ihr Licht haben (§. 144 & ſq. ); daſie mit einer Lufft umgeben ſind, darinnen Duͤnſte aufſteigen und ſich in Wolcken zuſammen ziehen (§. 146); da ſie Berge haben (§. 145) und alſo aus feſten Lande, dabey aber auch aus Waſ - ſer beſtehen (§. 136); ſo iſt klar, daß ſie alle insgeſamt unſerer Erde aͤhnlich ſind und al - ſo mit ihr zu einer Art der Coͤrper gehoͤren (§. 179. Met.). Man kan es auch kurtz auf folgende Manier erweiſen. Aus dem, was bisher aus den Obſervationen beyge - bracht worden, erhellet, daß dieſe Planeten insgeſamt von einerley Art mit dem Mond ſeyn. Nun iſt der Mond von einerley Art mit der Erde (§. 140) Derowegen muͤſſen auch ſie auch mit unſerer Erde von einerley Art ſeyn.
Weil demnach gewis iſt, daß die Planeten insgeſamt nichts anders als Erd-Kugeln ſind, wir aber ſehen, daß unſe - re Erde mit Kraͤutern und Baͤumen ausge -(Phyſick) Pzieret226Cap. V. Von den Fixſternenzieret und von Menſchen und Thieren be - wohnet iſt; ſo haben wir keine Urſache, wa - rum wir zweiffeln wollten, daß nicht auch die Planeten insgeſamt mit Kraͤutern und Baͤumen ausgezieret und von Menſchen und Thieren bewohnet ſind. Denn wir ſind ja in allen Dingen ſo zu urtheilen ge - wohnet, daß, was wir in einem Dinge von einer gewiſſen Art antreffen, wir auch dieſes einem jeden andern Dinge von eben der Art zueignen. Wer einen Hund aufge - ſchnitten und geſehen, wie er inwendig be - ſchaffen iſt, der zweiffelt nicht im geringſten daran, daß nicht auch andere Hunde e - ben ſo inwendig beſchaffen ſeyn. Und aus dieſem Grunde hat Hugenius in ſeinem Coſmotheoro noch mehreres von den Jnwohnern der Planeten gemuthmaſſet. Jch habe auch anderswo (§. 292 Aſtron. ) gezeiget, daß die Jnwohner der Planeten der Abſicht gemaͤß ſeyn, welche ſelbſt die Gottesgelehrten GOtt bey der Schoͤpffung zueignen.
ES iſt wohl wahr, daß es uns vor - kommet, als wenn die Planeten unter den Fixſternen ſtuͤnden undeben227und Cometen. eben ſo weit wie dieſelben von uns weg waͤ -als die Planeten. ren: allein wer weiß nicht, daß, wenn zwey Eoͤrper von uns weit weg ſind, einer unter ihnen aber doch weiter als der andere, es uns vorkomme, als wenn ſie bey einander ſtuͤnden (§. 85 Optic.). Und dieſes iſt ja die Urſache, warum in den Sonnen Finſter - niſſen es uns vorkommet, als wenn der Mond, der ſich wie eine ſchwartze Scheibe praͤſentiret, in der Sonnen waͤre (§. 102), und warum Venus und Mercurius wie Flecken in der Sonne erſcheinen, auch die Jupiters-Trabanten in dem Lichte des Ju - piters verſchwinden. Derowegen doͤrffen wir den Augen in dieſem Stuͤcke nicht trau - en. Die Planeten bewegen ſich insgeſamt von Abend gegen Morgen, wiewohl ein je - der unter ihnen in ſeiner beſonderen Zeit, um den Himmel herum und ruͤcken von de - nen Fixſternen, wo ſie ſtehen, immer weiter fort zu andern. Wir finden demnach kei - nen ſicherern Grund, daraus wir urtheilen koͤnnen, ob die Fixſterne weiter weg ſind als die Planeten, als wenn wir auf die Be - wegung der Planeten acht geben, ob nicht etwan unterweilen ein Fixſtern von ihnen verdecket wird. Denn das iſt ein richti - ger Grund: ein Coͤrper, welcher einen an - dern decket, muß weiter als er von dem Au - ge weg ſeyn. Kirch hat A. 1679 den 17 Jan. einen Fixſtern in dem ſuͤdlichen HorneP 2des228Cap. V. Von den Fixſternendes Ochſens, den Beyer mit o bezeichnet, von dem Saturnus(a)Miſcellan. Berolinenſ. part. 3. Num. 9. p. 205. & ſeqq. ; Hipparchus A. 241 vor Chriſti Geburt den 4 Sept. den Stern im ſuͤdlichen Fiſche(b)Ptolemæus Almag. lib 2. c. 3. p. m. , den man Aſellum Auſtrinum nennet durch den Ju - piter, und Mæſtlinus das Hertze des Loͤ - wens A. 1574 den 16 Sept. durch die Ve - nus verdecket geſehen(c)Keplorus in Paralip. ad Vitellion. p. 305.. Caſſini hat ob - ſerviret, wie Mars einen Fixſtern verdecket und die Verdeckungen der Fixſterne durch den Mond ſind ſo gemein, daß wir unnoͤthig zu ſeyn erachten ein einiges Exempel hiervon anzufuͤhren. Es iſt alſo aus dieſen Obſer - vationen gewiß, daß Saturnus, Jupiter, Mars, Venus und der Mond unſtreitig un - ſerer Erde naͤher ſind als die Fixſterne. Ob Mercurius jemahls einen Fixſtern verde - cket, habe ich noch nicht finden koͤnnen: al - lein wir werden im folgenden ſehen, daß Mercurius der Erde naͤher iſt als der Sa - turnus, Jupiter und Mars. Derowegen da die Fixſterne von der Erde weiter weg ſind, als dieſe drey Planeten; ſo muͤſſen ſie auch von ihr weiter weg ſeyn als Mercurius.
Die Fixſterne haben ein viel hel -Daß die Fixſterne nicht von der Son - ne er - leuchtet werden. leres Licht als die Planeten, man mag ſie entweder mit bloſſen Augen oder durch Ver - groͤſſerungs-Glaͤſer betrachten. Auch wenn man ſie nur mit bloſſen Augen anſie - het, ſo iſt das Licht der Planeten nur wie der Schein eines geſchnittenen Chryſtalles bey einem Lichte des Abends, hingegen das Licht der Fixſtern vergleicht ſich mit dem Blitzen eines Diamantens. Jenes iſt gantz matt, auch wenn es ſtarck iſt; dieſes hingegen lebhafft. Man betrachte des Abends im Winter den Hunds-Stern, wenn der Mond ſcheinet, oder wenn Jupiter zu - gleich mit ihm am Himmel glaͤntzet; ſo wird man dieſen Unterſcheid gar bald wahrneh - men. Wenn man einen Planeten, ſelbſt den Mond, durch ein Fern-Glaß betrachtet; ſo wird er um ſoviel blaͤſſer, je mehr das Fernglaß vergroͤſſert: hingegen die Fix - ſterne behalten ihr blitzendes Licht auch in dieſem Falle. Da ſie nun aber gleichwohl von der Sonne weiter weg ſind als Satur - nus (§. 150); ſo koͤnnen ſie unmoͤglich von der Sonne erleuchtet werden und vor ſich finſtere Coͤrper ſeyn, die das Sonnen-Licht zuruͤcke werffen.
Es iſt doch aber gleichwohl keinDaß ſie ihr eige - nes Licht haben. anderer helleuchtender Coͤrper im Himmel anzutreffen, von dem ſie koͤnnten erleuchtet werden: denn wenn einer vorhanden waͤre,P 3muͤ -230Cap. V. Von den Fixſternenmuͤſte man ihn entweder durch die groſſen Fern-Glaͤſer entdecken, dadurch man eine ſo groſſe Anzahl der kleineſten Coͤrper, als z. E. die Saturniſche Trabanten ſind (§. 107), anſichtig wird. Derowegen da nichts vorhanden, was ſie erleuchten koͤnnte; ſo muͤſſen ſie ihr Licht vor ſich haben.
Ein Welt-Coͤrper der ſein ei - genes Licht hat, kommet hierinnen mit der Sonne uͤberein (§. 112). Weil wir dem - nach gefunden, daß alle finſtere Coͤrper von einer Art mit der Erde ſind (§. 148) und gar fuͤglich fuͤr Erdkugeln koͤnnen gehalten wer - den; ſo haben wir auch keine Urſache zu zweiffeln, daß auch die Fixſterne mit der Sonne von einer Art ſind (§. 179 Met.). Und demnach werden wir nicht irren, wenn wir ſie fuͤr lauter Sonnen halten.
Die Urſache warumb dieſer Satz vielen wunderlich vorkommet, iſt keine andere als dieſe, daß die Sonne groß aus - ſiehet und den Erdboden ſehr ſtarck erleuch - tet, die Fixſterne aber hingegen gantz kleine ſind und der Erde gar ein wenig es Licht ge - ben. Allein dieſer Zweiffel laͤſſet ſich gar leicht benehmen. Die Fixſterne ſind ſehr weit weg und, muͤſſen daher gantz kleine aus - ſehen (§. 28. Optic. ), auch kan deswegen ihr Licht keine merckliche Erleuchtung ver - urſachen. Es iſt hier nicht der Ort, daß ich von der Weite der Fixſterne handele: denndie -231und Cometen. dieſes gehoͤret in die Aſtronomie, wo man es auch finden kan (§. 575 Aſtron.). Un - terdeſſen kan ich doch ſo viel zeigen, daß ſie gar ſehr weit von der Erde muͤſſen entfernet ſeyn. Hugenius(a)in Coſmotheoro lib. 2. p. m 114. bekraͤfftiget, daß er durch die vortreflichſten Fernglaͤſer die Fix - ſterne nur wie helle Puncte ohne alle Breite gefunden, da doch durch dieſelben die Coͤrper gar ſehr vergroͤſſert geſehen werden. Wenn nun ein Coͤrper viel vergroͤſſert wird und doch noch ſo kleine ausſiehet, wie vorhin; ſo muß er gar ſehr weit von dem Auge weg ſeyn.
Wir ſehen, daß unſere SonneOb umb die Fir - ſterne Planeten ſind. auſſer unſerer Erde noch 15 andere finſtere Coͤrper erleuchtet (§. 133. 141 & ſeqq. ) und fruchtbahr, und wohnbahr machet (§. 149). Da man nun hieraus erkennet, was GOtt fuͤr eine Abſicht bey der Sonne hat (§. 1029. Met.); ſo ſehen wir mit gutem Grunde, daß auch die uͤbrigen Sonnen zu dem Ende in der Welt ſind, daß ſie finſtere Coͤrper er - leuchten und fruchtbahr und wohnbahr machen ſollen. Weil demnach ein jeder Fixſtern eine Sonne iſt (§. 153); ſo muͤſſen auch um einen jeden dunckele Coͤrper ſeyn, die von ihm erleuchtet und erwaͤrmet wer - den, das iſt Planeten (§. 141 & ſq). Es ſcheinet auch die Erfahrung mit uͤberein zuſtimmen;P 4denn232Cap. V. Von den Fixſternendenn diejenigen Sterne, welche eine Weile ſichtbahr ſind, nach dieſem wieder weiter weggehen, daß ſie nicht koͤnnen geſehen wer - den, und zu gewiſſer Zeit wieder an ihren vorigen Ort kommen (§. 111), haben eine Bewegung in einer in ſich ſelbſtlauffenden Linie wie die Planeten, und iſt daher um ſo viel glaublicher, daß es Planeten ſind, die ſich um Fixſterne als ihre Sonnen bewegen, je naͤher die Zeit, in welcher ſie ihren Lauff vollenden, derjenigen gemaͤß iſt, die unſere Planeten um unſere Sonne zubringen (§. cit.). Man darf nicht meinen, als wenn es deswegen nicht ſeyn koͤnnte, weil der Stern beſtaͤndig in einem Orte des Him - mels verbliebe und ſich nur in einer gera - den Linie von der Erde entfernete; denn in der groſſen Weite, welche die Fixſterne von der Erde haben, kan der Diameter der Bahn nicht viel austragen. Aber eben wegen der groſſen Weite der Fixſterne (§. 575. Aſtron. ) gehet es nicht an, daß wir viele von den Planeten, welche ſich um die Fix - ſterne als ihre Sonnen bewegen, zuſehen bekommen. Es iſt vielmehr ein Wunder, wenn wir einige ſehen ſollten, als wenn wir keine ſehen. Jch ſage mit Fleiß: wenn wir einige ſehen ſollten: denn ich kan eben noch nicht fuͤr gantz gewiß ausgeben, daß die vorhin angefuͤhrte Sterne Planetenſind,233und Cometen. ſind, die ſich um die Fixſterne als ihre Son - nen bewegen.
Es ſind einige Fixſterne, die be -Daß die voͤllige Ver - ſchwin - dung und neue Er - ſcheinung der Fix - ſterne viel zuſagen haben. ſtaͤndig am Himmel geleuchtet, gaͤntzlich verſchwunden und hingegen andere von neuem kommen, die vorher nicht da gewe - ſen (§. 110). Da nun ein jeder Fixſtern eine Sonne iſt (§. 153), der vermuthlich ſei - ne Planeten um ſich hat (§. 155) ſo iſt es nicht ein geringes, wenn Fixſterne verſchwinden und entſtehen. Man bedencke, wenn un - ſere Sonne aufhoͤren ſollte zu ſcheinen, o - der wenigſtens von der Erde weiter ge - hen, als ſie jetzund ſtehet, was veraͤnderli - ches auf dem Erdboden und in den uͤbrigen Planeten erfolgen wuͤrde? Ja man bedencke, was ſich auf dem Erdboden und in den uͤbri - gen Planeten zutragen wuͤrde, wenn eine neue Sonne zu ihnen kaͤme? So wird man die Wichtigkeit dieſer Begebenheit gar bald begreiffen.
Wenn ein Fixſtern verſchwin -Was den Firſter - nen bey derglei - chen Ver - aͤnderun - gen wie - derfaͤh - ret. den ſoll, ſo muß er ſich entweder weiter von der Erde weg bewegen, daß man ihn wegen der allzugroſſen Weite nicht mehr ſehen kan, oder er muß zu druͤmmern gehen und die Materie davon verſtieben, oder er muß ſein Licht verlieren und ein dunckeler Coͤrper werden. Gleichergeſtalt wenn ein neuer Fixſtern entſtehen ſoll, der vorher nicht da geweſen, wo man ihn ſiehet, ſo muß er ent -P 5we -234Cap. V. Von den Fixſternenweder aus einem weit entlegenem Orte, wo wir ihn nicht haben ſehen koͤnnen, ſich naͤher zu uns bewegen, oder er muß von neuem erſchaffen werden, oder es muß ein duncke - ler Licht bekommen und zu einem leuchten - den werden. Daß die Fixſterne dadurch verſchwinden, weil ſie zuweit von uns weg - gehen, und dadurch andere von neuem ent - ſtehen, weil ſie naͤher zu uns kommen; ſchei - net nicht glaublich zu ſeyn, weil dieſe Ver - aͤnderungen ſich gar ſehr ſelten ereignen und inſonderheit diejenigen verſchwinden, welche nicht viel hunderte, ſondern wohl etli - che tauſend Jahre am Him̃el geſtanden, auch an den Orten ſich neue ſehen laſſen, wo man wenigſtens in 2000 Jahren, ſo weit man nemlich aus dem Catalogo des Hipparchi Nachricht hat, keinen geſehen. Da ein jeder Fixſtern eine Sonne iſt, wie man aus der Aſtronomie erlernet, und weit groͤſſer als un - ſere Erde; ſo laͤſſet ſichs auch nicht wohl be - greiffen, wie er ſollte in eine Materie aufge - loͤſet werden, die durch die Himmels-Lufft zerſtreuet wuͤrde. Wenn ein Flecken in der Sonne aus einander faͤhret, der nur eine duͤnne Wolcke iſt; ſo kan man es ſehen (§. 113). Sollte nun ein dicker und groſſer Coͤrper aus einander fahren, ſo wuͤrde die - ſes da die Natur keinen Sprung thut (§. 686. Met.), auch verſchiedenes auf den Erd - boden zu obſerviren geben, dergleichen gleich -wohl235und Cometen. wohl nicht geſchiehet. Es bleibet demnach nichts uͤbrig, als daß die Fixſterne, welche verſchwinden, aus leuchtenden Coͤrper dun - ckele werden, wie die Planeten ſind (§. 141. & ſq). Und auf ſolche Weiſe muͤſſen hinwieder - um aus dunckelẽ Coͤrper oder Planeten leuch - tende werden, dergleichen die Sonne iſt, wenn neue Fixſterne entſtehen (§. 153). Da es nun aber mit dem Verſchwinden der al - ten Fixſterne und der Erſcheinung der neuen eine ſolche Bewandnis hat; ſo darf man ſich nicht verwundern, daß man dieſe Art der Veraͤnderung ſo ſparſam obſerviret. Man ſiehet uͤbrigens hieraus, daß auch die Welt-Coͤrper ſelbſt nichts beſtaͤndiges ſind, ſondern ſo wohl als die beſonderen Arten derſelben in ihnen Veraͤnderungen erdul - den muͤſſen, unerachtet ſie in vielen tauſend Jahren ſich kaum ereignen. Dieſe wich - tige Wahrheit ſollte die Sternkundigen an - treiben, daß ſie auf die Fixſterne mit allem Fleiſſe acht gaͤben und ſie auf das genaueſte den Nachkommen zuzehleten, damit ſie von derſelben mehrere Gewisheit erhielten, als wir in unſeren Zeiten davon haben koͤn - nen.
Es haben ſich auch Sterne ſehenVon neu - en Ster - nen. laſſen, die beſtaͤndig an einem Orte des Himmels ſtehen blieben und nicht mehr wieder kommen, nachdem ſie einmahl ver - ſchwunden. Ein ſolcher Stern iſt zu denZei -236Cap. V. Von den FixſternenZeiten Hipparchi erſchienen 125 Jahr vor Chriſti Geburt, wovon er Anlaß genom - men die Fixſterne zu obſerviren und einen Catalogum daruͤber zuverfertigen, damit die Nachkommen inne werden koͤnnten, ob einige von den Fixſternen untergehen und andere neue wieder hervor kommen und ob ſie auch ſonſt einige Veraͤnderungen leiden, oder nicht(a)Plinius lib. 2. c. 16.: worinnen er auch ſeinen Zweck erhalten hat (§. 110). Unter allen neuen Sternen iſt keiner ſo merckwuͤrdig als derjenige, welcher zu den Zeiten Tycho - nis de Brahe, A. 1572 bis in den Martium 1574, in dem Geſtirne der Casſiopea er - ſchienen, welcher ihm ebenfalls wie dem Hipparcho Gelegenheit gegeben hat die Fixſterne von neuem zu obſerviren und ei - nen neuen Catalogum davon zu verferti - gen. Und dieſer Stern iſt die Materie, da - von er in dem erſten Theile ſeiner Progym - naſmatum Aſtronomiæ inſtauratæ ge - handelt, ob er zwar viel andere zur Aſtro - nomie dienliche Sachen bey Gelegenheit mit hinein bringet. Es war dieſer Stern, wie die uͤbrigen Fixſterne gantz rund und hat - te keinen Schweiff wie die Cometen, blieb auch die gantze Zeit, da er zuſehen war, an einem Orte des Himmels unbeweglich ſte - hen und aͤnderte nicht im geringſten ſeinenStand237und Cometen. Stand gegen die andern Fixſterne, die um ihn herum waren. Er warf Strahlen, wie andere groſſe Sterne und war anfangs groͤſſer als Sirius und der helle Stern in der Leyer, ja auch gar noch etwas groͤſſer als Jupiter, wenn er zu Mitternacht er - ſcheinet, in welchem Stande gegen die Er - de er am groͤſten zu ſeyn pfleget. Er kam bey nahe an Groͤſſe der Venus bey, wenn ſie der Erde am naͤchſten iſt, und konnte nicht allein des Nachts durch dicke Wolcken ge - ſehen werden, wenn man ſonſt keinen Stern ſahe, ſondern die ein ſcharffes Ge - ſichte hatten, erblickten ihn auch bey Tage. Nach dieſem nahm er ab und ward an Groͤſſe dem Jupiter gleich, nach einiger Zeit darauf ward er wie Sirius und der hel - le Stern in der Leyer, endlich wie ein Stern von der andern, dritten, vierdten, fuͤnfften u. ſechſten Gꝛoͤſſe, ja zuletzt ſo klein, daß man ihn gar nicht mehr ſehen konnte. Die Farbe war anfangs weißlicht und glaͤntzend wie helles Licht, nach dieſem gelbe, hierauf roͤth - lich wie Mars und das Ochſen-Auge, wel - ches man Adelbar an nennet. Zuletzt be - kam er eine Farbe wie Saturnus, welche von Tage zu Tage blaͤſſer ward, biß er ſich endlich verlohr(b)Progymnaſ. Aſtron. inſtauratæ Tom. 1. c. 3. p. m. 300-& ſeqq. . Mehrere neue Ster -ne,238Cap. V. Von den Firſternenne, die ſich zu verſchiedenen Zeiten ſehen laſſen, erzehlet der gelehrte Jeſuit Ricciolus(c)in Almag. Nov. lib. 8. ſect. 2. c. 1. f. 130 & ſeqq. . Wo dieſe Sterne herkommen und wo ſie wieder hingehen, laͤſſet ſich zur Zeit noch nicht wohl beſtimmen. Mit unge - gewiſſen Muthmaſſungen aber haben wir nichts zu thun.
Es erſcheinen auch Sterne im Himmel, die haben eine eigene Bewegung wie die Planeten und gehen von einem Fix - ſterne zu dem andern fort: wenn ſie aber ei - ne Weile geſchienen, ſo verſchwinden ſie wieder. Unterweilen haben ſie einen lan - gen Schweiff; unterweilen aber keinen. Und dieſes ſind eben diejenigen Sterne, wel - che man Cometen zu nennen pfleget. Es iſt wohl wahr, daß man ſich insgemein ein - bildet, ein Comete ſey ein Stern mit einem Schweiffe. Allein die Sternkundigen ſe - tzen zwiſchen den neuen Sternen u. Cometen den Unterſcheid, der ſich zwiſchen den Fix - ſternen und den Planeten befindet, daß nem - lich jene beſtaͤndig in einem Orte des Him - mels verbleiben, ſo lange ſie zu ſehen ſind, dieſe aber ſich beſtaͤndig fort bewegen und alle Tage zu andern Sternen fort ruͤcken. Von der erſten Art iſt der Comete von A. 1577, davon Tycho de Brahe den andernTheil239und Cometen. Theil ſeiner Progymnaſmatum Aſtro - nomiæ inſtauratæ geſchrieben; der Co - met von A. 1607 und der von A. 1618, welche dem groſſen Aſtronomo Keplern Anlaß gegeben ſeine drey Buͤcher von den Cometen in Lateiniſcher Sprache aufzuſe - tzen; der Comet von A. 1652 und 1661, denen zu Gefallen Hevelius ſeine Come - tographiam herausgegeben, und der groſſe Comet von 1680 und 1681, davon wir die Obſervationen des beruͤhmten Flamſtedts haben(d)in Hiſtoria cœleſti f. 164 und davon Newton weitlaͤuff - tig handelt(e)in Princip. Phil. Nat. Mathem. lib. 3. prop. 41. p. m. 405. & ſeqq. . Von der andern Art iſt der Comet von A. 1699, den der Jeſuit de Fontenay zu Peckin in China und Casſini und Maraldi zu Paris obſerviret haben, und der in der Geſtalt eines neblichten Sternes von der dritten Groͤſſe zuerſt er - ſchienen.
So viel man bisher CometenOb die Cometen in unſerer Lufft ſind. obſerviret, die haben ſich alle wie das gantze himmliſche Heer innerhalb 24 Stunden um unſere Erde beweget, zugleich mit denen Fixſternen, bey welchen ſie geſtanden, der - geſtalt daß ſie lange oder kurtze Zeit uͤber dem Horizont verblieben, nachdem die Sterne, bey denen ſie zu ſehen geweſen, we -nige240Cap. V. Von den Fixſternennige oder kurtze Zeit uͤber dem Horizont ſich zuverweilen pflegen. Ein Coͤrper der in unſerer Lufft iſt, kan dergleichen Bewegung nicht haben: denn zugeſchweigen, daß man keinen zureichenden Grund anzeigen koͤnnte, warum ſich alle Cometen von Morgen ge - gen Abend auf eben eine ſolche Art wie der Himmel um die Erde bewegeten, indem wir aus den Wolcken ſehen, welche der Bewe - gung der Lufft folgen, daß ſie bald aus die - ſer, bald aus einer andern Gegend herkom - men und ſich bald gegen dieſe, bald gegen eine andere Gegend bewegen; ſo koͤnnte es nicht geſchehen, daß ein Comet, der 12 Stunden und daruͤber uͤber dem Horizont geweſen waͤre, nach Verlauff 24 Stunden von ſeinem Aufgange wiederum von neuem aufgienge, noch auch waͤre es moͤglich, daß ein Comet uͤberall auf dem Erdboden ſo lan - ge als der Stern, bey dem er ſtehet, uͤber dem Horizont geſehen wuͤrde: welches ich an hieſigem Orte nicht wohl deutlicher aus - fuͤhren kan, weil wir mathematiſche Gruͤn - de und die Hoͤhe der Lufft dazu noͤthig haͤtten. Es hat aber auch ſchon Heveli - us dieſen Beweis weitlaͤufftiger ausge - fuͤhret(a)Cometogr. lib. 3. f. 115. & ſeqq. .
Man hat aber auch nicht noͤthig, daß man ſich um dieſen Beweiß ſo gar ſehr bekuͤmmert, indem man andere Gruͤnde hat, daraus man unwiederſprechlich bewei - ſen kan, daß die Cometen von der Erde wei - ter weg ſeyn muͤſſen als der Mond. Heveli - us(b)loc. cit. fol. 105. & ſeqq. obſervirte A. 1652 den 26. Decemb. des Abends um 9 Uhr den Cometen faſt in einer geraden Linie mit zweyen Fixſternen im Fuſſe des Perſeus. Um eben dieſelbe Zeit hat Bullialdus zu Paris, und noch an - dere haben ihn zu Coppenhagen, Koͤnigs - berg, Muͤnſter, Leyden, Bruͤſſel, Bonn⃒ und an andern Orten in eben dem Stande ob - ſerviret. Nun iſt aus den Sonnen-Fin - ſterniſſen bekandt, daß man den Mond, der die Finſternis verurſachet, nicht zu gleicher Zeit fuͤr die Sonne treten ſiehet, denn ſonſt muͤſſen ſich die Sonnen-Finſterniſſe zu glei - cher Zeit an allen Orten anfangen und auf - hoͤren. Derowegen iſt klar, daß der Come - te von der Erde weiter weg iſt als der Mond. Waͤre er nur ſo weit weg wie der Mond, ſo muͤſte man ihn zu einer Zeit an verſchiedenen Orten bey verſchiedenen Sternen ſehen.
Nachdem Tycho(a)Progymnaſm. lib. 2. p. 86. Hevelius(b)Cometogr. lib. 2. f. 105. & ſeqq. Daß die Cometen beſtaͤndi - Caſſini(c)in libello de Cometis. und andere den Lauff der Come -(Phyſick) Qten242Cap. V. Von den Fixſternenge Welt - Coͤrper ſeyn.ten genaner unterſucht, ſo hat man gefunden daß er ziemlich ordentlich iſt, ſo daß auch Caſ - ſini(d)Hiſtoire de l' Acad. Roy. des Scienc. A. 1712. p. m. 118, als er A. 1664 den damahls⃒ erſchei - nenden Cometen nur zwey Naͤchte hinter einander in Gegenwart der Koͤnigin von Schweden Chriſtina obſerviret hatte, er ſich zuerſt unterſtund der Koͤnigin auf der Himmels-Kugel den Weg zuzeichnen, den der Comet nehmen wuͤrde und 6 Tage vor - her zu ſagen, wenn er der Erde am naͤchſten kommen wuͤrde, wo er wuͤrde ſtehen bleiben, wo er wuͤrde ruͤckgaͤngig werden und wo er endlich verſchwinden wuͤrde: welches mit Verwunderung derer, die darauf acht hat - ten, und zum Spotte derjenigen, die daruͤ - ber lachten, in allem eintraff. Und als er das Jahr darauf den folgenden Cometen obſervirte, gab er innerhalb 8 bis 10 Tage eine Taffel heraus, darinnen der Lauff deſſelben Tag fuͤr Tag aus - gerechnet zu finden war: von welcher Rechnung er nach dieſem den Grund in ſei - nem Buͤchlein von dem Cometen anzeigete, welches er noch in ſelbigem Jahre zu Rom drucken ließ und der Koͤnigin von Schwe - den dedicirte. Ja der groſſe Comet, wel - cher A. 1680 und 1681 erſchien, gab einem gelehrten Prediger im Vogtlande, Geor - ge Samuel Doͤrffeln, der ein geſchickter Aſtronomus war, wie aus der einigenPro -243und Cometen. Probe zu erſehen, die er in den Actis Eru - ditorum(d)A. 1685. p. 571. & ſeqq. gegeben, Anlaß zu zeigen in einer A. 1681 von dieſem Cometen heraus - gegebenen Schrifft, daß die Cometen in ih - rer Bewegung eben diejenigen Geſetze obſer - viren, welche Kepler(e)in Commentario de ſtella Martis. von den Planeten gefunden: welches auch naͤch dieſem New - ton in Engelland(f)in princ. Phil. Nat. Mathem. lib. 2. p. 480 & ſeqq. edit. A 1687. weitlaͤufftiger ausge - fuͤhret. Und Halley(g)in Synopſi Cometiea, quæ legitur in A - ctis Erud. A. 1707 p. 218 hat nach dieſem gezeiget, wie man nach dieſer Theorie den Lauff der Cometen, wenn ſie erſcheinen, noch richtiger ausrechnen koͤnne, als Caſſini an - gewieſen. Weil demnach die Cometen ſich nach eben den Geſetzen um die Sonne bewegen, wie die Planeten; ſo ſcheinet es gar nicht glaublich zu ſeyn, daß ſie von ohn - gefehr in der Himmels-Lufft wie eine Wol - cke ſollten erzeiget werden, wie zuerſt Kep - ler(h)im Bericht don dem A. 1607 erſchienenen Co - meien. ausgedacht und nach dieſem Heve - lius(i)Cometogr. lib. 7. f. 352. & ſe qq. behauptet. Vielmehr iſt wahr - ſcheinlicher, daß ſie ſowohl als die Planeten unter die beſtaͤndigen Welt-Coͤrper gehoͤ - ren. Dieſes wird noch mehr dadurch be -Q 2kraͤff -244Cap. V. Von den Fixſternenkraͤfftiget, daß man aus dem Lauffe der Co - meten wahrgenommen, daß ſie wieder kom - men. Alſo haͤlt Caſſini den Cometen, der A. 1680 erſchienen, fuͤr einerley mit demje - gen, den Tycho A. 1577 obſerviret. Beyde haben ſich anfangs in einem Tage 4 Grad 16 Min. beweget, in beyden hat die Bewe - gung auf einerley Art abgenommen. Als der erſte verſchwand, bewegete er ſich nur 16 Minuten: als der andere ſeinen Ab - ſchied nahm, war ſeine Bewegung 18 Min. Beyde giengen durch die Ecliptick in dem 21 Grade des Schuͤtzen und ihre Bahn durch - ſchnitt ſie unter einem Winckel, ingleichen den Æquatorem unter einem Winckel von 33 Graden in dem 300 Grade von dem Anfange des Widders an gerechnet. Bey - de ſind unter einerley Fixſternen fortgegan - gen. Eben ſo haben die Cometen von A. 1665. 1672 und 1677 faſt einerley Bahn gehabt und Caſſini hat nach fleißiger Erwe - gung aller Cometen, die jemahls erſchie - nen und davon einige Obſervationen vor - handen, befunden, daß die Cometen wie die Planeten einen beſondern Thier-Kreiß haben, welchen er in folgenden Verſiculn beſchreibet:
Antinous, Pegaſusque, Andromeda, Tau - rus, Orion, Procyon atque Hydrus, Centaurus, Scorpi - us, Arcus.
End -245und Cometen.Endlich kommet hierzu, daß die Cometen bloß deswegen verſchwinden, weil ſie zuweit von uns weg gehen, daß wir ſie nicht mehr ſehen koͤnnen: denn als der Comet von A. 1680 und 1681 mit bloſſen Augen nicht mehr konnte geſehen werden, ſahe man ihn noch durch ein Fernglaß.
Die Cometen ſehen gantz blaßOb die Cometen ihr eige - nes Licht haben. aus, wenn man ſie durch Fern-Glaͤſer anſie - het. Hivelius(a)Cometogr. lib. 8. f. 576. mercket an, daß ſie ihm wie blaſſe Wolcken ausgeſehen. Als Flammſtedt den Cometen, der A. 1677 er - ſchien, den 23 April durch ein Fernglaß von 16 Schuhen betrachtete, ſahe er ihm noch blaͤſſer aus als Saturnus. Es war auch der Kopff nicht recht rundt, ſondern etwas rauhe und ſein ſcheinbahrer Diameter kaum von einer Minute(b)Hiſtoriæ cœleſt. lib. 1. part. 3. f. 108 (ct ibid. f. 105.. Als er den Come - ten A. 1680 den 21 Dec. durch das Fern - glaß betrachtete, fand er keinen Stern im Kopffe, ſondern nur ein ſchwaches Licht in der Breite ohngefehr von einer Minute, welches dem nebelichten Sterne in dem Gurte der Andromeda ſehr nahe kam, a - ber zwey mahl ſo groß war. Mit bloſſen Augen ſahe der Stern im Kopffe von der dritten Groͤſſe aus(c)ibid. f. 105.. Der Kopff des Co -Q 3me -246Cap. V. Von den Fixſternenmetens A. 1683 ſahe durch ein Fernglaß von 7 Schuhen undeutlicher aus, als durch eines von drey Schuhen, noch un - deutlicher aber durch Fernglaͤſer von 16 und 26 Schuhen. Der ſcheinbahre Dia - meter war kaum 20 Secunden(d)ibid. f. 111.. Wei - gel hat den Cometen von A. 1664 mit dem Monden und einem Woͤlcklein, ſo von der Sonne am Abend-Horizont erleuchtet ward, durch ein Fernglaß zugleich betrach - tet, und ihn der Wolcke aͤhnlicher, als dem Mond gefunden(e)in der Fortſetzung des Himmels-Spiegels c. 11. §. 5. p. 06.. Weil demnach die Cometen ein ſo gar blaſſes Licht haben und daſſelbe abſonderlich durch die Fernglaͤſer ſich ſo mercklich ſchwaͤchen laͤſſet, wie mit dem Lichte der Planeten geſchiehet, die es nur von der Sonne geborget haben (§. 141 & ſeqq. ); ſo ſcheinet es mehr als zu glaub - lich, daß ſie kein Licht vor ſich haben. Am allermeiſten bekraͤfftiget dieſes der Comet, welcher A. 1450 erſchienen, als welcher mit ſeinem Schatten den vollen Mond verfin - ſtert(f)Georgius Phranza Hiſtor. lib. 5. c. 21.. Ein Coͤrper, der einen Schatten wirfft, kan kein leuchtender Coͤrper ſeyn. Weil aber auch der Schatten dem Lichte gegen uͤber geworffen wird, ſo muß der Co -met247und Cometen. met damahls demjenigen Coͤrper ſeinen Schatten gegen uͤber geworffen haben, der ihn erleuchtet. Sein Schatten fiel auf den vollen Mond, welcher der Sonne ge - gen uͤber ſtund, und alſo der Sonne gegen uͤ - ber. Derowegen muſte er von der Sonne ſein Licht haben. Ja wenn man nur ein - mahl weiß, daß der Comete ſein Licht anders woher hat, ſo braucht es keinen weitern Be - weiß, daß er es von der Sonne hat, maſſen kein anderer leucht ender Coͤrper als die Son - ne vorhanden, die ihn erleuchten koͤnnte.
Weil der Comet von A. 1450 denDaß nicht alle Cometen einerley Weite von der Erde ha - ben. Mond durch ſeinen Schatten verfinſtert, ſo muß er der Erde naͤher geweſen ſeyn als der Mond, denn ſonſt waͤre ſein Schatten ne - ben ihm weg gefallen. Hingegen muͤſſen die Cometen von A. 1664 und 1683 von der Erde weiter weggeweſen ſeyn als die Sonne. Denn ſie hatten volles Licht, un - erachtet ſie von der Sonne nicht weiter als 22 Grad entfernet waren. Ein Coͤrper, welcher der Erde naͤher iſt als die Sonne, kan nicht eher volles Licht haben, wenn er von ihr erleuchtet wird, als bis es 180 Gr. von ihr entfernet, daß die Erde mitten zwi - ſchen der Sonne und ihm ſteher, wie wir an dem Mond ſehen: denn alsdenn gehet es an, daß wir die gantze erleuchtete Helffte ſe - hen koͤnnen. Und dannenhero iſt es allzeit ein gewiſſes Kennzeichen, daß ein Coͤrper,Q 4der248Cap. V. Von den Fixſternender von der Sonne erleuchtet wird, weiter weg ſeyn muß als ſie, wenn er noch nicht 180 Grad von ihr weg iſt und doch volles Licht hat. Denn alsdenn mag er ſtehen, wo er will, ſo kehret er der Erde eben diejenige Helffte zu, die er gegen die Sonne wendet, folgends diejenige, welche von ihr beſchienen wird.
Weil der Kopff der Cometen, wenn er viel vergroͤſſert wird, nicht rund und eben verbleibet, ſondern gantz undeutlich wird, ja eben ſo wie eine von der Sonne er - leuchtete Wolcke ausſiehet (§. 163); ſo ſchei - net es nicht glaublich daß er ein recht dichter Coͤrper iſt. Es braucht aber noch mehrere Obſervationen, ehe man von ſeiner ei - gentlichen Beſchaffenheit etwas zuverlaͤßi - ges ſetzen kan.
Durch den Schweif der Come - ten hat man die Fixſterne ſehen koͤnnen(a)Hevelius Cometogr. lib. 8. f. 516. 517. Er beſtehet demnach aus einer duͤnnen Materie, wie eine duͤnne Wolcke, durch die man gleichfalls die Sterne erblicket. Dieſe Materie muß unterſchieden ſeyn von dem uͤbrigen Himmel. Denn der uͤbrige Him - mel leuchtet nicht, wie der Schweiff der Co - meten. Weil der Comete kein eigen Licht hat, ſo ſiehet man leicht, daß auch der Schweiff keines haben kan, und alſo aus ei -ner249und Cometen. ner Materie beſtehet, die das Licht reflectiret, folgends dichter iſt als die Himmels-Lufft. Her Newton hat durch mathematiſche Gruͤnde von der Bewegung dargethan(b)Prineip. Phil. Nat. Mathem. lib. 3. p. 469. edit. poſt. , daß die Materie des Schweiffes von dem Kopffe des Cometens aufſteiget und ſol - chergeſtalt eine Art der Ausduͤnſtungen iſt, die ſich von der Soñe weg bewegen, wie der Rauch von der Erde. Weil dieſer Dampf aus den Cometen nicht aufſteigen koͤnnte, wenn keine Lufft vorhanden waͤre; ſo muß, da der Schweiff ſehr lang iſt, und ſie alſo ſehr hoch aufſteigen koͤnnen, eine ſebr groſſe Lufft um den Cometen herum ſeyn. Da nun der Stern, welcher im Kopffe iſt und der Kern genennet wird, in Anſehung die - ſer Lufft gantz kleine iſt, die Lufft aber den Sonnen-Strahlen ihren Durchgang nicht verwehret; ſo kan auch der Schweiff von der Sonne erleuchtet werden und dieſes um ſo vielmehr in denen Faͤllen, wo derſelbe von der Axe des Sternes abweichet.
Wenn demnach gewis iſt, daßWarumb nicht oͤff - ters Co - meten er - ſcheinen. die Cometen eine beſondere Art der Plane - ten ſind, die ſich um die Sonne bewegen; ſo werden einige fragen, woher es denn kom - met, daß gleichwohl dieſelben nicht oͤffters erſcheinen. Es iſt demnach zu mercken,Q 5daß250Cap. V. Von den Fixſternendaß ſie ſich dergeſtalt um die Sonne bewe - gen, daß ſie von der Seite gegen die Erde wenig von ihr weggehen, bingegen von der andern Seite weit uͤber den Saturnus hin - aus ſchweiffen. Und da ſolchergeſtalt ihr Weg um die Sonne ſehr groß iſt, ſo koͤnnen ſie auch nicht bald wieder kommen, wenn ſie einmahl da geweſen. Kommet doch Saturnus erſt in 30 Jahren wieder in den Ort, wo wir ihn heute erblicket. Wenn nun aber ein Comet wieder kommet, ſo kan es ja ſo wohl des Tages geſchehen, als des Nachts. Jn dem erſten Falle koͤnnen wir ihn nicht ſehen. Derowegen wenn er ei - nige mahl des Tages wieder kommet, ſo kan er etliche hundert Jahr auſſen bleiben, ehe wir ihn wieder anſichtig werden. Wir doͤrffen aber um ſoviel weniger zweiffeln, daß er ſowohl des Tages als des Nachts wieder kommen kan, da man findet, daß bey einer groſſen Sonnen-Finſternis einsmahls ein Comete im Himmel geſehen worden(c)Hevelins Cometogr. lib. 8. f. 450.. Und Herr Newton hat erwieſen(d)loc. cit. p. m. 444, daß die Cometen mehr bey Tage als des Nachts wieder kommen muͤſſen.
Da man in neueren Zeiten ge - lernet, daß die Cometen nicht in unſere Luft, ſondern weit davon im Himmel erhabenſind,251und Cometen. ſind, ſo iſt auch die Meinung weggefallen,Erdbo - den wuͤr - cken. daß ſie etwas auf dem Erdboden veraͤnderli - ches hervor bringen koͤnnten. Denn es kommet von ihnen nichts zu uns als das we - nige ſchwache Licht, welches ſie herab refle - ctiren. Da nun dieſes Licht eben dasjeni - ge iſt, welches die Planeten auf dem Erdbo - den zuruͤcke werffen; ſo koͤnnen wir uns nicht groͤſſere Gefahr von ihm einbilden, als wir bey dem Lichte der Planeten finden, bey dem wir keine erfahren. Zu dem iſt es ja eben das Sonnen-Licht, welches von der Sonne ſelbſt in groſſer Menge herab flieſſet. Da uns daſſelbe in groſſer Menge nicht Schaden, ſondern uͤberfluͤßigen Nutzen bringet, ſo kan es auch dadurch keinen Schaden verurſachen, daß es wenig und ſparſam kommet. Was ſchwaches Licht wuͤrcket, muß das ſtaͤrckere in einem ſo viel groͤſſeren Grade wuͤrcken, je ſtaͤrcker es iſt.
Wenn man aber fraget, ob dieOb die Cometen etwas be - deuten. Cometen als ein Zeichen etwas boͤſes, oder gutes bedeuten; ſo kan man leicht mit nein antworten. Denn was ſich um den Erd - boden herum bewegen und an allen Orten geſchen wird, das kan keinem gewiſſen Lan - de, noch auch einer gewiſſen Stadt etwas bedeuten. Man findet nicht genungſamen Grund, warum ſich dieſes Zeichens mehr dieſer, als ein anderer Ort anzunehmen hat. Soll252Cap. V. Von den FixſternenSoll man aus dem Ausgange urtheilen, daß dieſes ein Zeichen fuͤr den Ort geweſen, wo eine ungluͤckliche Veraͤnderung darauf er - folget; ſo geſchehen ja auch dergleichen Veraͤnderungen ohne vorhergehende Er - ſcheinung eines Cometens, oder eines an - dern vermeinten Wunderzeichens. Warum ſoll man demnach den Cometen als einen Ungluͤcks-Propheten anſehen. Hierzu kom - met, daß mehr Cometen bey Tage erſchei - ſcheinen, die wir wegen des Sonnen-Lich - tes nicht ſehen koͤnnen, als bey Nachte, da ſie ſichtbahr ſind. Warumb ſoll nun ein - mahl der Comete ein Vorbothe des Un - gluͤcks ſeyn, das andere nicht? Ja wir wiſ - ſen auch, daß unterweilen Cometen erſchei - nen, die niemand zuſehen bekommet, als ei - nige Aſtronomi, die alle Nachte bey hellem Himmel auf der Hut liegen und darauf acht geben, ob ſich im Himmel etwas veraͤnder - liches ereignet (§. 159). Wenn nun dieſe Cometen ein Zeichen ſeyn ſollten des heran - nahenden Ungluͤcks, ſo muͤſten ſie ja nicht fuͤr der meiſten Augen, ja oͤffters fuͤr aller Augen verborgen bleiben; ſind ſie aber kei - nes, warum ſollen nur einige von ihnen ein Zeichen ſeyn, die andern hingegen nicht, da ſie doch insgeſamt eine Art der Coͤrper ſind und aus einerley Urſachen der Erde nahe kommen. Man ſiehet gar bald, daß, dieſe Meinung gantz ungegruͤndet iſt. Ebender -253und Cometen. dergleichen kan man von den neuen Ster - nen ſagen, wie derjenige war, der zu den Zeiten Tychonis de Brabe erſchien. Denn unerachtet Peucerus damahls vermeinet, es ſey derſelbe Stern ein Vorbothe des Unter - ganges der Welt(a)Tycho Progymnaſm. lib. 1. p. m. 607.; ſo hat doch der Aus - gang gewieſen, daß er der Erde nicht ſo ge - faͤhrlich geweſen, wie man ſich ihn dazumahl eingebildet.
NAch dem wir die Arten der Welt -Verſchie - dene Weite der Pla - neten um die Erde. Coͤrper haben kennen lernen, ſo will ferner noͤthig ſeyn, daß wir unterſuchen, wie das Welt-Ge - baͤude aus ihnen zuſammengeſetzet iſt. Da - mit wir nun den Bau ſo ausfuͤhren, wie er wuͤrcklich vorhanden, und nicht nach unſeren Ein bildungen uns eine Welt erdichten, die nirgends auſſer uns zu finden: ſo wollen wir uns beſtaͤndig an die Obſervationen halten und nichts zuge ben, als was wir vermoͤge ihrer einraͤumen muͤſſen. Wir mercken demnach fuͤr allen Dingen an, daß die Planeten nicht einerley Weite vonder254Cap. VI. Von demder Erde haben, ſondern einer immer wei - ter weg iſt als der andere. Damit wir nun finden, welche unter ihnen naͤher, wel - che aber weiter weg ſind; ſo wollen wir uns eben desjenigen Grundes bedienen, den wir oben ſo nuͤtzlich befunden, als wir zuwiſ - ſen begehrten, ob die Fixſterne weiter weg waͤren als alle Planeten (§. 132). Wir wollen nemlich ſehen, welche Planeten uns, die wir auf dem Erdboden ſind, andere ver - decket haben. Wir finden dergleichen Obſervationen bey Keplern(a)in Paralipom. ad. Vitſllion. p. 305., als wel - cher anfuͤhret, daß A. 1563 Saturnus durch den Jupiter, A. 1591 den 9. Jan. Jupiter durch den Mars, A. 1590 den 3 Oct. Mars durch die Venus und A. 1599 den 8 Jan. durch den Mercurius verdeckt worden ſey. Verdeckungen der Plane - ten durch den Mond findet man in ſo groſ - ſer Menge, daß nicht noͤthig iſt einige da - von ins beſondere anzufuͤhren. Venus und Mercurius verdecken unterweilen ein Stuͤcklein von der Sonne (§. 141) und der Mond verdeckt uns in Finſterniſſen die Sonne (§. 132). Es iſt demnach klar, daß der Mond der Erde naͤher iſt als alle uͤbri - ge Planeten, Venus und Mercurius un - terweilen naͤher ſind als die Sonne, hin - gegen Mars weiter weg iſt als Venus undMer -255Welt-Baue. Mercurius, Jupiter weiter als Mars und endlich Saturnus weiter als Jupiter. Man kan auch einiges noch auf andere Art erweiſen. Saturnus, Jupiter und Mars ſcheinen mit vollem Lichte, wenn ſie bey der Sonne gantz nahe ſtehen, und werden gleichwol von ihr erleuchtet (§. 143. 144). De - rowegen muͤſſen ſie alsdenn weiter von der Erde weg ſeyn, und zwar Saturnus und Jupiter beſtaͤndig, weil ſie immer volles Licht haben; Mars hingegen mehrentheils weil er mehrentheils volles Licht hat. Aus eben dieſer Urſache erhellet, daß unterwei - len Venus und Mercurius von der Erde weiter weg kommen als die Sonne.
Wenn man auf das ab-und zu -Wie ſich Venus und Mer - curius um die Sonne bewegen. nehmende Licht der beyden Planeten Ve - nus und Mercurius acht hat; ſo kan man gar eigentlich ſehen, daß ſie ſich um die Sonne herumb bewegen. Hevelius hat hierzu dienliche Obſervationen aufgezeich - netain Prolegom, Selenogr. f. 68. & ſeqq. , aus welchen man erſiehet, daß, wenn die Venus des Abends bald nach dem Untergange der Sonne zuſehen iſt, ſie volles Licht hat, dieſes aber nach und nach abnimmet, je weiter ſie von der Sonne weggehet (welches niemahls uͤber 47 Grad austraͤget), und im Abnehmen fort faͤhret, wenn ſie gleich wiederum zu der Sonne zu -ruͤcke256Cap. VI. Von demruͤcke gehet; daß ſie ſich mit gantz wenigem Lichte unter die Sonnen-Strahlen ver - birget und, wenn ſie aus ihnen abermahls hervorruͤcket, nur gantz weniges Licht hat; daß es aber beſtaͤndig zunimmet, je weiter ſie von der Sonne als Morgenſtern weg - gehet und noch weiter zunimmet, indem ſie wieder zur Sonne zuruͤcke gehet, biß ſie ſich endlich mit vollem Lichte unter die Sonnen - Strahlen verbirget und in ſolcher Geſtalt des Abends von neuem wieder hervorruͤcket. Wenn die Venus der Sonne nahe iſt und ſcheinet mit vollem Lichte; ſo iſt ſie weiter von der Erde weg als die Sonne: wenn ſie aber wenig Licht hat, ſo iſt ſie der Erde naͤ - her. Derowegen wenn die Sonne des A - bends in der Demmerung zuerſt geſehen wird, ſo iſt ſie von der Erde weiter weg, als die Sonne. Jndem aber ihr Licht immer abnimmet, indem ſie von ihr weiter weg und naͤher zu ihr gehet, ſo kommet ſie die gantze Zeit, da ſie ſichtbahr iſt der Erde naͤ - her. Hingegen da ihr Licht zunimmet, wenn ſie des Morgends von der Sonne weg und wieder zu ihr zuruͤcke gehet; ſo ge - het ſie beſtaͤndig von der Erde weiter weg und von der andern Seite der Sonne kom - met ſie wieder zu ihr weiter herunter. Und auf ſolche Weiſe iſt klar, daß ſich Venus um die Sonne bewegen muß. Auf eine gleiche Weiſe kan man zeigen, daß ſichauch257Welt-Baue. auch Mercurius um⃒ die Sonne beweget. Weil nun aber derſelbe niemahls uͤber 28 Grad von der Sonne weggehet, er mag A - bend-Stern oder Morgen-Stern ſeyn, da hingegen Venus bis 47 ausſchweiffet: ſo beweget ſich Mercurius in einer enge - ren, Venus in einer weiteren Bahn umb die Sonne, und zwar ſchleußt die Bahn, da - rinnen ſich Venus beweget, die Bahn des Mercurius ein. Da aber die Erde nie - mahl zwiſchen die Sonne und dieſe beyde Planeten zu ſtehen kommet, ſo iſt ſie auſſer ihrer Bahn.
Der Neumond ſtehet zwiſchenDaß ſich der Mond bloß um die Erde, nicht um die Son - ne bewe - get. der Erde und der Sonne, wie es die Son - nen-Finſterniſſe geben (§. 132); hingegen wenn Vollmond iſt, ſtehet die Erde zwiſchen dem Monden und der Sonne, wie man aus den Mond-Finſterniſſen am deutlichſten er - meſſen kan (§. 259aſtr.). Da nun dieſes nicht geſchehen kan, als wenn ſich der Mond um die Erde dergeſtalt beweget, daß die Sonne auſſer ſeiner Bahn verbleibet; ſo iſt auch daraus klar, daß man ihm dergleichen Be - wegung zueignen muß.
Wir finden, daß Mars, Jupi -Wie ſich Mars, Jupiter und Sa - turnus um die Sonne bewegen. ter und Saturnus zu Mitternacht im Mit - tags-Circul ſtehen, wenn die Sonne unten den Horizont erreichet. Derowegen ſte - het zu ſelbiger Zeit die Erde zwiſchen ihnen und der Sonne. Unterdeſſen kommen ſie(Phyſick) Rzu258Cap. VI. Von demzu anderer Zeit der Sonne ſo nahe, daß ſie ſich in ihren Strahlen verlieren und mit ihr zugleich den Mittags-Circul erreichen. Da ſie aber gleichwohl weiter von der Erde weg ſind (§. 170); ſo muß alsdenn die Sonne zwiſchen der Erde und dem Planeten ſtehen. Demnach beweget ſich dieſelbe um die Erde und Sonne zugleich. Es iſt aber wohl zu mercken, daß alle drey Planeten der Erde naͤher ſind, wenn ſie zwiſchen ihnen und der Erde ſtehet, und zwar nicht um ein geringes, maſſen Mars ſo gar acht mahl der Erde naͤ - her kommet, als wenn er bey der Sonne ſte - het, wie man aus dem Ab - und Zunehmen ihrer ſcheinbahren Groͤſſe gar eigentlich mercken kan. Und hieraus erhellet, daß ihre Bewegung nicht eigentlich um die Er - de, ſondern vielmehr umb die Sonne ge - ſchiehet, nur daß die Erde innerhalb ihrer Bahn lieget. Alles dieſes giebt ſich gar eigentlich zuerkennen, wenn man die Bahn eines jeden Planetens um die Sonne der - geſtalt beſchreibet, daß die Erde zugleich mit eingeſchloſſen wird: auch hat es Tycho de Brahe ſelbſt erkandt und iſt hierinnen von dem Ptolemæo abgegangen, der ihre Bewe - gung um die Erde ordiniret.
Alle Haupt-Planeten Satur - nus, Jupiter, Mars, Venus und Mercu - curius bewegen ſich um die Sonne (§. 172. 173) und auch zugleich um ihre Axe (§. 146). Nun259Welt-Baue. Nun ſind dieſe Coͤrper alle nichts anders alsAxe bẽ - weget. Erd-Kugeln (§. 148), und die Erde ſtehet mitten unter ihnen um die Sonne herumb (§. 171. 172. 173.). Derowegen wenn wir nach der Wahrſcheinlichkeit urtheilen ſoll - ten, ſo wuͤrden wir nicht anders ſagen koͤn - nen, als daß ſich auch die Erde um ihre Axe bewege und zugleich in einem Jahre um die Sonne herum lauffe. Es bleibet auch fuͤr ſie ein Raum zwiſchen der Venus und dem Mars, wenn die Bahn der fuͤnf Haupt - Planeten (§. 171. 172) um ſie gezeichnet wird. Und wenn man die Bewegung der Erde um ihre Axe und um die Sonne einraͤumet, ſo laͤſſet ſich nicht allein in der Aſtronomie alles verſtaͤndlich erklaͤren, was man von den Bewegungen der Planeten obſerviret; ſondern man kan auch einig und allein dar - aus die Bewegung der Planeten vorher mit einiger Gewißheit ausrechnen, wie Riccio - lusaAſtron. Reform. lib. 10. c. 1. f. 353. 354 zur Gnuͤge erfahren und es auch ſelbſt geſtehen muß, da er Aſtronomiſche Tabellen ausrechnen wollte, die mit dem Himmel uͤberein ſtimmen ſollten, unerach - tet er es gerne geſehen haͤtte, daß es angehen moͤchte, auch alle Muͤhe angewendet, die man hierinnen nur verlangen konnte.
R 2§. 175.260Cap. VI. Von demMan hat in unſeren Zeiten ge - funden, daß die Coͤrper leichter werden, je naͤher man der Linie kommet. Jch achte nicht noͤthig die Hiſtorie davon hier weitlaͤufftiger anzufuͤhren, weil ſie Herr Thuͤmmigain dem Verſuche einer gruͤndlichen Crklaͤrung der merckwuͤrdigſten Begebenheiten in der Ra - tur Num. 1. §. 2. & ſeqq. p. 3. & ſeqq. ausfuͤhrlich beſchrieben und gruͤndlich erklaͤret, auch mit dem Herrn Newtonbin Princip. Phil. Nat. Mathem. p. 386. edit, poſter. von Einwuͤrffen befreyet. Dieſes aber iſt eine unſtreitige Wuͤrckung der Natur, die von der Bewegung der Erde umb ihre Axe herruͤhret. Denn dadurch, daß ſich die Materie, die zum Erdboden ge - hoͤret, mit der Lufft, die ihn umgiebet, und allem, was darinnen iſt, um die Axe der Er - de beweget, bekommet ſie eine Bemuͤhung ſich von dem Mittel-Puncte ihres Circuls, darinnen ſie ſich beweget, zu entfernen, welche Bemuͤhung die Mathematici vim centrifugam zu nennen pflegen. Die Schweere treibet dieſelbe gegen den Mit - tel-Punct der Erde (§. 83) und demnach iſt die ſo genannte vis centrifuga ihr zuwie - der. Zwey wiedꝛige Kraͤffte aber vergerin - gern einander, folgends muß die Bemuͤ - hung, die durch die Bewegung der Erde um ihre Axe erhalten wird, ſich von ihrer Axe,ſol -261Welt-Baue. folgends von dem Mittel-Puncte der Erde zu entfernen, die Schweere vergeringern. Nun hat Hugenius gefunden und ich habe es auch erwieſen (§. 4 Mech. lat.), daß gedachte Bemuͤhung groͤſſer iſt, wenn ſich der Coͤrper in einem groͤſſern, als wenn er ſich in einem kleinern Circul beweget. Dero - wegen da die Linie der groͤſte Circul iſt, der um die Erde herum gehet, die uͤbrigen aber nach und nach zu beyden Seiten abnehmen, je weiter man ſich davon gegen die Pole ent - fernet; ſo muß auch ſie unter der Linie am groͤſten ſeyn und nach und nach immer mehr und mehr abnehmen, je weiter man ſich von der Linie entfernet, folgends wird die Schweere unter der Linie mehr vermin - dert als an allen uͤbrigen Oertern des Erd - bodens, und ſind dannenhero die Coͤrper unter der Linie am leichteſten: von dar an aber werden ſie nach und nach ſchweerer, je weiter man ſich von ihr gegen die Pole ent - fernet. Man erkennet demnach, wie dieſe Begebenheit der Natur ein kraͤfftiges Zeug - nis von der Bewegung der Erde umb ihre Axe ableget.
Wenn man dieſes einraͤumenDaß ſich die Erde umb die Sonne beweget. muß, daß ſich die Erde gleich denen uͤbrigen Planeten innerhalb 24 Stunden von Abend gegen Morgen um ihre Axe beweget (§. 175) und daher es uns vorkommet, als wenn ſich der Him̃el mit der Sonne, dem Mond undR 3den262Cap. VI. Von demden Sternen von Morgen gegen Abend um die Erde beweget, gleichwie es einen in einem jeden andern Planeten vorkommen muß, als wenn ſich alle himmliſche Coͤrper innerhalb der Zeit, da ſein Lauf um die Axe vollendet wird, um ihn herum bewegeten: ſo wird man noch weniger Schwierigkeit finden ihr auch eine Bewegung umb die Sonne innerhalb Jahres-Friſt zu vergoͤn - nen. Man hat deſſen eine Probe an dem Stillſtande und Ruͤckgange der Planeten der ſich bey den oberen u. unteren Planeten mit dem Unterſcheide ereignet, wie es die Bewegung der Erde mit ſich bringet: wie man in der Aſtronomie zeiget (§. 371 Aſtr.). Hooke hat laͤngſt das Vorhaben gehabt die Bewegung der Erde um die Sonne durch einen Verſuch auszumachen, wie wir vorhin ihre Bewegung umb die Axe (§. 175) beſtetigetaAn attempt to prove the annual motion of the earths. . Nach dieſem hat auch der beruͤhmte, Koͤnigliche Aſtronomus in Engelland Flamſtedt von A. 1689 bis 1697 durch Obſervirung des Polar - Sterns dergleichen vorgehabtbWalliſius Oper. Mathem. Tom. III. f. 701. & ſeqq. : darin - nen ſich doch aber noch einige Schwierig -keit263Welt-Baue. keit gefundencMemoires de l’Academ. Roy. des ſcienc. A. 1699 p. m. 247. Endlich hat Caſſini ⃒der juͤngere A. 1717 auf eine beſondere Art die Parallaxin des Sirii oder Hundſterns ge - ſucht und ſie nicht uͤber 6 Secunden ge - fundendMemoir. de l’ Acad. des ſcienc. A. 1717 p. m. 330.: wiewohl die Obſervation auch noch ſo beſchaffen, daß man noch Zweiffel dagegen machen kan, wie auch der beruͤhm - te Koͤnigliche Aſtronomus in Engelland Herr Halley gethanePhiloſ. Tnnsact. Num. 364. p. 1.. Es waͤre frey - lich gut, wenn man durch eine Obſervation, dabey kein Zweiffel uͤbrig bliebe, ausma - chen koͤnnte, daß die Fixſterne eine Paralla - xin haͤtten in Anſehung der Erdbahn, da - rinnen die Erde ſich um die Sonne beweget, denn ſo muͤſte man ihre Bewegung noth - wendig zugeben: allein unerachtet es ſchweer iſt dazu zugelangen, weil es auf ei - ne Kleinigkeit im obſerviren ankommet, und darinnen gar leicht eine Jrrung geſchehen kan; ſo haben wir doch nicht Urſache an ei - ner Sache zu zweiffeln, die durch ſo viele andere Proben beſtetiget wird (§. 176), ob ſie zwar nicht hinreichen eine geometriſche Gewißheit hervorzubringen, als die man alldenn erſt erbellet, wo man einen hart - naͤckigen Wiederſacher gleich bey der wie - drigen Meinung zum Wiederſpruche brin - gen kan.
R 4§ 177.264Cap. VI. Von demWenn wir nun demjenigen nachgehen, was wir bisher erwieſen, ſo laͤſſet ſich der Welt-Bau ohne Muͤhe zu Stande bringen. Man ſetze in S die Sonne, in T die Erde. Wenn man umb die Erde einen Circul beſchreibet, der die Sonne nicht mit einſchlieſſet, ſo hat man die Bahn des Mands (§. 172). Beſchreibet man um die Sonne aus ihr als einem Mittel-Puncte zwey Circul in verſchiedener Weite, daß die Erde auſſer ihnen bleibet: ſo ſtellet der inne - re, welcher der Sonne am naͤchſten iſt, die Bahn des Mercurius, der aͤuſſere aber die Bahn der Venus vor (§. 171). Wenn man nun ferner aus der Sonneum ſie her - um noch 3 andere Circul beſchreibet, die die Erde zugleich mit einſchlieſſen; ſo iſt der innere die Bahn des Mars, der mittlere die Bahn des Jupiters, und der aͤuſſerſte die Bahn des Saturnus (§. 173). Will man um den Jupiter vier, um den Satur - nus aber fuͤnff kleine Circul beſchreiben; ſo ſtellen die erſten die Bahnen der Jupiters - Trabanten, die andere aber der Saturni - ſchen Trabanten vor (§. 106. 107). Endlich wenn man aus der Sonne durch die Erde einen Circul beſchreibet, ſo hat man die Erdbahn (§. 175. & ſeqq. ) und wird da - durch der Raum zwiſchen den Mars und der Venus erfuͤllet. Und dieſes iſt derBau265Welt-Baue. Bau, den Copernicus angegeben und wie er mit den Obſervationen zuſammen ſtim - met.
Da die Fixſterne, welche mitDaß alle Fix - ſterne von der Erde nicht gleich weit weg ſind. bloſſen Augen geſehen werden, von verſchie - dener Groͤſſe ſind und immer ihrer mehr und mehr geſehen werden, je groͤſſer die Fernglaͤſer ſind, damit man den Himmel beſchauet; ſo ſcheinet es gleich wahrſchein - lich zu ſeyn, daß ein Fixſtern von der Erde weiter weg iſt als andere. Wir haben a - ber auch von Caſſini eine Obſervation, da - durch wir daſſelbe ohne Wiederſprechen er - weiſen koͤnnen. Er hat unterweilen obſer - viretaGregorius in Element. Aſtron. ſchol. prop. 54, f. 274., daß der erſte Stern im Widder zuweilen in zwey zertheilet erſcheinet: der - gleichen ſich auch mit dem einen Haupte der Zwillinge zutraͤget. Ja einige in den Ple - jadibus und der mittlere in Orions Schwerdte ſind ihm zuweilen dreyfach, ja vierfach vorkommen. Da es nicht moͤg - lich iſt, daß aus einem Sterne zu gewiſſen Zeiten zwey, drey oder vier werden, ſo muß es bloß aus optiſchen Urſachen ſo vorkom - men. Derowegen muß entweder der Stand der Fixſterne, oder der Stand un - ſerer Erde gegen ſie ſich aͤndern. Die Fix - ſterne aͤndern ihren Stand unter einanderR 5nicht266Cap. VI. Von ⃒demnicht (§. 104): derowegen muß die Er - de ihren Stand gegen die Fixſtern aͤn - dern, nemlich indem ſie ſich um die Son - ne herum beweget (§. 176). Es kommet uns demnach vor als wenn nur ein Stern in einem Orte des Himmels ſtuͤnde, indem ſie mit der Erde in einer Linie ſtehen: denn in dieſem Falle kan einer die uͤbrigen decken. Wenn nun aber ein Fixſtern andere verde - cken kan, daß wir ſie nicht ſehen, ſo muß auch einer von ihnen weiter weg ſeyn als der an - dere. Aber eben hieraus folget, daß ſich die Erde um die Sonne bewegen muß. Denn wenn ſie beſtaͤndig an einem Orte verbliebe, ſo koͤnnte ſie auch ihren Stand gegen die Fixſterne nicht aͤndern, da dieſelben unver - aͤndert am Himmel ſtehen bleiben. Wenn man dieſe Art der Obſervationen fleißiger anmerckte, damit man ſie nach ihren beſon - deren Umſtaͤnden genau erwegen koͤnnte; ſo wuͤrde man auch dadurch zu voͤlliger Ge - wisheit in der Bewegung der Erde um die Sonne kommen.
Alle Fixſterne ſind Sonnen (§. 153) und haben Planeten um ſich (§. ⃒ 155). Da ſie nun nicht einerley Weite von der Sonne haben (§. 178); ſo iſt nicht unglaub - lich, daß auch um einen jeden unter ihnen ein Bau von verſchiedenen Welt-Coͤrpern aufgefuͤhret iſt als um unſere Sonne. Jchweiß267Welt-Baue. weiß wohl, daß Keplerain Epit. Aſtron. Copernic. lib. 1. p. 36 das Wiederſpiel vorgiebet, weil er vermeinet, wir wuͤrden auf ſolche Weiſe nur gantz wenige Sterne zu Geſichte bekommen, indem die andern bald ſo klein wuͤrden, daß man ſie nicht mehr ſe - hen koͤnnte. Allein dieſes wuͤrde gelten, wenn die Fixſterne kein Licht vor ſich haͤtten, ſondern dunckele Coͤrper waͤren, wie die Planeten, welche blos von der Sonne er - leuchtet werden. Da ſie aber lichte Coͤrper ſind, die ihr eigenes Licht haben (§. 152); ſo kan man ſie auch in einer ſolchen Weite erblicken, wo ſich kein dunckeler Coͤrper, er mag ſo ſtarck erleuchtet ſeyn als er will, er - kennen laͤſſet. Es kommet hier nicht auff die Groͤſſe des Sternes an, ſondern auf ſein Licht, ob dieſes ſtarck genung iſt, oder nicht. Unterdeſſen wollen wir eben nicht behaupten, daß um einen jeden Fixſtern e - ben ſo viel Planeten ſeyn muͤſſen als um un - ſere Sonne gefunden werden, und daß ſie in eben ſolchen Entfernungen von ihnen ſich umb dieſelben bewegen. Da die Natur bey aͤhnlichen Dingen immer viel Unaͤhn - lichkeit zuverbergen pfleget (§. 586 ſq. Met.); ſo wird ſich auch hier in dem Baue um eine jede Sonne bey der einen etwas finden, welches bey der andern nicht anzutreffen.
§. 180.268Cap. VI. Von dem Welt-Baue.Wenn man nun die unausſprech - liche Menge der Fixſterne, die man durch das Vergroͤſſerungs-Glaß entdecket, erweget und dabey bedencket, daß deren immer mehr geſehen werden, je groͤſſer das Fernglaß iſt, damit man den Himmel betrachtet; ſo wird man gar leicht erkennen, daß die Welt eine unendliche Groͤſſe hat, die wir ſo wenig mit unſerer Vernunfft als mit unſe - ren Sinnen ermeſſen koͤnnen.
DAß die Erde rundt iſt, wird in derWas die Erde fuͤr eine Fi - gur hat. Geographie erwieſen (§. 2. Geog.). Daß ſie aber nicht die Figur einer Kugel hat, ſondern etwas erhabe - ner in der Mitten bey der Linie, hingegen niedrig gedruͤckter gegen die Pole iſt, haben Herr Newtonain Princip. Philoſ. Nat. Mathem. lib. 3. prop. 10. p. 378 & ſeqq. , und HugeniusbDiſcours ſur la cauſe de la peſantnr p. 113. ſeqq. her - ausgebracht. Nach Hugenii Rechnung iſt der groͤſte Diameter zu dem kleinen wie 578 zu 577: nach Newtons wie 230 zu 229. Und alſo iſt nach dem erſten die Er - de unter der Linie hoͤher als unter den Polen umb $$\frac {1}{577}$$ , nach dem andern umb $$\frac {1}{229}$$ in der neuen Auflage, denn in der erſten macht er den Unterſcheid viel groͤſſer. Wenn wir nun ſetzen, daß der kleine Diameter der Er -de,270Cap. I. Von der Erdede, das iſt, die Linie von dem Pole bis in den Mittel-Punct der Erde, 860 deutſche Meilen haͤlt (§. 15. Geogr.); ſo iſt die Er - de unter der Linie nach Hugenii Rechnung 1 deutſche Meile und $$\frac {49}{100}$$ , nach Newtons Rechnung 1 deutſche Meile und $$\frac {625}{1000}$$ , das iſt, nach jenem bey nahe 1½, nach dieſem et - was uͤber 1½ deutſche Meilen. Man ſiehet hieraus, daß die Erde eben nicht gar ſehr von der Figur einer Kugel abweichet.
Die rundte Figur der Erde kommet von der Schweere her. Denn vermoͤge der Schweere wird die Materie, daraus ſie beſtehet, gegen den Mittel-Punct der Erde getrieben (§. 83) und kan dem - nach in einem Orte nicht hoͤher ſtehen als in dem andern. Wenn nun die Erde ſtille ſtuͤnde, ſo bekaͤme ſie eine kugelrundte Figur, auſſer die Ungleichheit der Flaͤche, ſo durch Berge und Thaͤler entſtehet, welche man a - ber in Anſehung der gantzen Erde fuͤr eine Kleinigkeit achtet. Allein da die Erde ſich um ihre Axe beweget, ſo bekommet die Ma - terie unter der Linie eine groͤſſere Krafft ſich vvn dem Mittel-Puncte der Erde zu entfer - nen, als gegen die Pole (§. 175). Und da - durch wird ſie daſelbſt erhabener als gegen die Pole. Es iſt wohl wahr, daß dieſer Be - weiß bloß gielt, wenn die Materie fluͤßig iſt: allein da die offene See unter der Linie iſtund271uͤberhaupt. und das Waſſer daſelbſt um ſo viel erhoͤhet wird, ſo muͤſſen allerdings auch die Ufer, folgends das feſte Land hoͤher ſeyn als wei - ter gegen die Pole, maſſen ſonſt das Waſ - ſer alles uͤberſchwemmen wuͤrde. Da nun aber auch die Erde dergleichen Figur hat, ſo iſt daraus zu ſchlieſſen, daß ſie einesmahls uͤber und uͤber fluͤßig geweſen ſey.
Man hat ſich vor dieſem ein -Warumb die Be - wegung der Erde umb ihre Axe ſie nicht zer - nichtet. gebildet, daß, wenn ſich die Erde um ihre Axe bewegen ſollte, das Waſſer ſich verſchuͤtten und ein Theil der Erde hieher, das andere dort hin fliegen muͤſte, folgends daß die gantze Erde zu druͤmmern gehen wuͤrde. Al - lein dieſe Furcht iſt vergebens. Denn die Schweere iſt groͤſſer als die Krafft ſich von von der Erde zu entfernen, und ſolcherge - ſtalt haͤlt ſie ſowohl das Waſſer zuruͤcke, daß es nicht verſchuͤttet wird, als auch die feſte Materie, daß ſie nicht wegfliegen und ſich loßreiſſen kan.
Da auch die uͤbrigen Welt -Urſache der rund - ten Figur in den uͤ - brigen Welt - Coͤrpern. Coͤrper eine rundte Figur haben; ſo ſiehet man daraus, daß auch daſelbſt die Mate - rie rings herum gegen ihren Mittel-Punct getrieben wird, folgends eine Schweere hat. Und weil ſie ſich auch um ihre Axe bewegen (§. 117. 146), ſo muß auch ihre Figur von der Kugel etwas abweichen und die Schweere groͤſſer ſeyn als die Krafft, wel - che durch die Bewegung um die Axe entſte -het272Cap. II. Von der Lufft. het von den Mittel-Puncte ſich zu entfer - nen.
DJe Lufft iſt ſchweer (§. 30. 86. T. I. Exper.) und hat eine ausdeh - nende Krafft (§. 52. 80. T. I. Ex - per. ): und dieſes ſind die beyden Eigenſchafften, die man mit ſo vielen Verſu - chen bisher uͤberfluͤßig beſtaͤrcket. Die Ur - ſache der Schweere und ihrer ausdehnenden Krafft muß eben diejenige ſeyn, die andere Eoͤrper ſchweer machet (§. 86 & ſeqq. ) und ihnen eine ausdehnende Krafft mittheilet (§. 101). Wie aber die kleinen Lufft-Theile muͤſſen beſchaffen ſeyn, damit ihnen eine ausdehnende Krafft mitgetheilet werden kan, laͤſſet ſich zur Zeit noch nicht mit Ge - wisheit beſtimmen. Deſſen ungeachtet werden wir die ausdehnende Krafft der Lufft in Erklaͤrung der natuͤrlichen Begebenhei - ten ſowohl gebrauchen koͤnnen, als wenn wir die Figur der kleinen Theile noch ſo ge - nau zu beſtimmen wuͤſten. Und demnach wollen wir uns mit Muthmaſſungen nicht aufhalten.
Es erhellet ſo gleich aus dieſenWarumb die Lufft die gantze Erde um - giebet. Eigenſchafften, daß die Lufft den gantzen Erdboden umgeben muß. Denn man ſetze, es ſey ein Ort auf der Erde vorhanden, da keine Lufft waͤre? weil daſelbſt der Lufft in den anliegenden Laͤndern nichts wiederſte - het, ſo muß ſie nicht allein durch ihre Schweere, nach Art aller fluͤßigen Coͤrper, die eine Schweere haben, ſondern auch ver - moͤge ihrer ausdehnenden Krafft ſich dahin bewegen und durch den Lufftleeren Raum ausbreiten, biß ſie ihn dergeſtalt erfuͤllet, daß die daſelbſt nunmehro vorhandene Lufft durch ihre Schweere und ausdehnende Krafft der in den anligenden Laͤndern ge - nungſam wiedeꝛ ſtehet. Man kan ein ſolches Land, da keine Lufft ſeyn ſollte, anſehen wie ein Gefaͤſſe, daraus man die Lufft ausge - pumpet. Gleichwie nun die aͤuſſere Lufft daſelbſt hinein dringet, bis es auf eine gleichmaͤßige Art wie von auſſen damit er - fuͤllet (§. 86. T. I. Exper.): eben ſo muͤſte es auf dem Erdboden geſchehen, wenn uͤber einem Lande die Lufft weggenommen wuͤrde,
Und eben dieſe Urſache iſt es,Warumb ſie in die Tieffe dringet. warum die Lufft in die Tieffe dringet, wenn eine Grube gegraben wird. Denn wir koͤnnen uns auch hier die Grube unter dem ausgeleereten Recipienten vorſtellen: wie ein jeder leicht begreiffet.
(Phyſick) S§. 188274Cap. II. Von der Lufft.Ja aus eben dieſer und keiner andern Urſache geſchiehet es, daß ſie in die groben Zwiſchen-Raͤumlein der Coͤper hin - ein dringet und ſie erfuͤllet. Denn ſo lan - ge als ſich die Lufft ſo ſubtile theilen laͤſſet, als die Eroͤffnung des Zwiſchen-Raͤum - leins an der Flaͤche des Coͤrpers iſt, ſo lange iſt auch dieſes Raͤumlein mit dem ausgelee - reten Recipienten in Vergleichung zuſtel - len (§. 186) und muß hier noch eben dieſes erfolgen, was dort geſchiehet.
Die Lufft iſt ſchweer (§. 36. T. I. Exper. und laͤſſet ſich zuſammen drucken (§ 122. T. I. Exper.). Da nun die untere Lufft von der oberen gedrucket wird, ſo muß ſie auch von ihr zuſammen gedruckt werden. Je hoͤher man kommet, je weniger Lufft drucket auf diejenige, die uns umgiebet. Da nun die Lufft nach Proportion des Druckes zuſammen gedruckt wird (§. 124. T. I. Exper.); ſo muß die obere Lufft we - niger zuſammen gedruckt werden, als die untere. Derowegen wird die Lufft immer duͤnner, je hoͤher man kommet.
Wenn die Lufft zu duͤnne wird, ſo koͤnnen Thiere darinnen nicht mehr le - ben, ſondern muͤſſen endlich gar ſterben (§. 103 T. III. Exper.). Derowegen da die Lufft beſtaͤndig duͤnner wird, je weiter man von der Erde wegkommet; ſo muß ſie end - lich ſo duͤnne werden, daß Thiere darinnennicht275Cap. II. Von der Lufft. nicht mehr leben koͤnnen. Und daher koͤn - nen auch die Voͤgel nur bis auf eine gewiſſe Hoͤhe ſich in die Lufft begeben. Da die Lufft auch zu dem Fliegen das ihre bey - traͤget, ſo kan man leicht erachten, daß dem Vogel das hoͤher fliegen verwehret wird als ſie zu ſeinem fliegen bequem iſt.
Wir wiſſen aus der Erfahrung,Woher der An - bruch des Tages und die Abend - Demme - rung kommet. daß der Tag anbricht, ehe die Sonne auf - gehet, und zwar nicht auf einmahl, ſondern nach und nach. Die Urſache haben wir in der Lufft zu ſuchen. Denn da die Lufft uͤber der Erde erhaben iſt, ſo kan das Licht der Sonnen in ſie kommen, ehe es die Erde er - reichet: wie wir denn uͤberhaupt ſehen, daß die Sachen, welche hoch ſind, als z. E. die Spitzen der Berge und Thuͤrme, Daͤcher hoher Gebaͤude ꝛc. eher erleuchtet werden als die niedrigen. Man darf aber nicht zweiffeln, daß ſolches auch in der Lufft ſtat finde. Wir koͤnnen es eigentlich ſehen, wenn Wolcken von verſchiedener Hoͤhe in der Lufft ſind. Z. E. fruͤhe, wenn die Son - ne aufgehen will, werden die hohen Wol - cken roth und die unteren bleiben dunckel: denn man ſiehet gantz eigentlich wie ſich die dunckelen unter den rothen fort bewegen und ſie verdecken. Gleichergeſtalt des A - bends, wenn die Sonne untergangen iſt, ſie - het man daß hohe Wolcken noch lange gantz helle bleiben, wenn die unteren gantz finſterS 2ſind,276Cap. II. Von der Lufft. ſind, ſo daß ſie auch das Licht auf die Erde werffen und es ſiehet, als wenn der Neu - mond ſchiene, der noch ein ſchwaches Licht hat. Wenn die Sonnen-Strahlen in die Lufft fahren, ſo werden ſie gebrochen (§. 151 T. II. Exper.) und dadurch geſchiehet es, daß ſie weiter in die Lufft herein fahren, als ſonſt geſchehen wuͤrde. Die Lufft ſowohl, als die Ausduͤnſtungen, welche in ihr ſind (§. 85. T. II. Exper.) wirfft das Sonnen - Licht zuruͤcke (§. 145 T. II. Exper.) und da - durch kommet es auf den Erdboden. Je hoͤher die Sonne gegen den Horizont her - auf ſteiget, je mehr kommet Licht in die Lufft, und ferner von ihr auf den Erdboden. Auf ſolche Weiſe kan der Tag anbrechen, ehe die Sonne aufgehet. Eine gleiche Be - wandnis hat es mit der Abend-Demme - rnng, wie ein jeder leicht ſiehet. Jn der Aſtronomie hat man laͤngſt dieſes alles ge - nauer beſtimmet nnd die Tieffe der Sonne determiniret, die ſie unter dem Horizont haben muß, wenn der Tag anbrechen, oder die Abend-Demmerung aufhoͤren ſoll. Man hat ſie nemlich 15, 18 bis 19 Grad ge - funden. Nachdem die Lufft dicke iſt und die Duͤnſte in ihr hoch in die Hoͤhe ſteigen, ſo kan auch der Tag geſchwinder und ſtaͤr - cker anbrechen, oder die Abend-Demme - rung laͤnger dauren. Denn in dicker Lufft werden die Strahlen ſtaͤrcker gebrochen(§. 151277Cap. II. Von der Lufft. (§. 151 T. II. Exper.) und fahren tieffer in die Lufft herein, als nicht geſchiehet, wenn ſie weniger gebrochen werden. Wenn viele Duͤnſte in der Hoͤhe ſind, ſo kan mehr Licht auf die Erde reflectiret werden.
Da der Tag vorher anbricht, e -Nutzen des Ta - ges-An - bruchs und der Abend - Demme - rung. he die Sonne aufgehet, und die Abend - Demmerung noch fort dauret, wenn ſie ſchon untergegangen; ſo kan ein groͤſſerer Theil der Erde von der Sonne erleuchtet werden, als ſonſt geſchehen wuͤrde, wenn ſie bloß die Erde mit ungebrochenem Lichte er - leuchten ſollte. Ob nun zwar dieſer Nu - tzen bey uns, wo auch die kuͤrtzeſten Tage noch eine ziemliche Laͤnge haben, nicht moͤch - te von einer Crheblichkeit ſcheinen; ſo hat er doch viel an denen Oertern zuſagen, die weiter gegen Norden liegen: denn da dort - hin die Nacht gantze Tage, ja gantze Mo - nathe wehret (§. 45 Geegr. ); ſo wird auch die dieſelbe durch den Anbruch des Ta - ges und die Abend-Demmerung umb gan - tze Tage und Wochen, ja gantze Monathe verkuͤrtzet, wie man in der Mathematick um - ſtaͤndlicher ausfuͤhret §. 46. 47 Geog). Wir haben auch noch einen andern Nutzen da - von, daß der Tag nicht auf einmahl mit der aufgehenden Sonne, ſondern nach und nach anbricht, noch auf einmahl mit der un - tergehenden Sonne, ſondern nach und nach ſich endiget. Gehlinge Abwechslun -S 3gen278Cap. II. Von der Lufft. gen des Lichtes und der Finſternis ſind dem Auge beſchweerlich. Wenn im Sommer ein heller Tag iſt, und der Himmel uͤberzie - het ſich auf einmahl mit finſtern Wolcken; ſo kan man eine Weile kaum ſehen und kom - met einem vor, als wenn die Nacht auf ein - mahl heran braͤche. Wenn man des A - bends im finſtern ſitzet und man bringet un - verſehens ein Licht hinein; ſo kan man ei - ne Weile nicht ſehen, ſondern wird geblen - det. Dergleichen Zufaͤlle wuͤrden ſich taͤg - lich im Auge ereignen, wenn der Tag nicht vor der Sonnen Aufgang anbraͤche, noch eine Abend-Demmerung waͤre. Und als - denn wuͤrden ſie dem Auge gefaͤhrlich ſeyn.
Wir finden im Sommer, daß eine Zeit lang der Tag die gantze Nacht durchſchimmert. Es wird niemahls gantz finſter, ſondern bleibet nur etwas helle, ſo daß auch die kleinen Sterne durch dieſes Licht verdunckelt werden. Die Sanne ſtehet zu derſelben Zeit nicht ſo tief unter dem Horizont, als noͤthig iſt, wenn die Abend - Demmerung (§. 191) aufhoͤren ſoll. Und daher iſt gewis, daß das Licht von der Sonne kom̃et, welches wir auf dem Erdbo - den haben, da ſie den andern Theil der Erde beſcheinet. Weil nun alsdenn das Licht nicht durch gerade Linien zu uns kommen kan, ſo muß es in der Lufft gebrochen und von den Lufft. Staͤublein, auch denen in ihr befindli -chen279Cap. II. Von der Lufft. chen Ausduͤnſtungen reflectiret werden. Es hat demnach dieſes Schimmmer-Licht ei - nerley Urſache mit dem Anbruche des Ta - ges und der Abend-Demmerung (§. 191).
Wenn nicht durch die gantze NachtWarumb der Him - mel des Nachts ſchwartz ausſiehet. der Tag durchſchim̃ert, ſo ſiehet der Himmel bey naͤchtlicher Weile gantz finſter aus. Alsdenn kan das Sonnen-Licht unſere Lufft nicht mehr erreichen; ſondern auch die Strahlen, die in ihr gebrochen werden, fah - ren vor ihr vorbey. Derowegen ſiehet der Himmel ſchwartz aus, wenn die Lufft kei - nen Glantz hat. Der Mond (§. 132) und alle Planeten (§. 142. & ſeqq. ) leuchten im Himmel, auch wenn die Sonne unter der Erde iſt, von dem Lichte der Sonne. De - rowegen muß auch der Theil des Himmels, der des Nachts uͤber unſerer Erde iſt, von der Sonne beſtrahlet werden. Da er doch aber gleichwohl gantz finſter ausſiehet; ſo muß nichts vorhanden ſeyn, welches das Licht reflectiret. Wo wir nun kein Licht ſehen, da ſiehet es uns ſchwartz aus.
Unſere Lufft reflectiret das Licht,Daß die Him - mels - Lufft von unſerer unter - ſchieden. wie es der Anbruch des Tages, die Abend - Demmerung und das beſtaͤndige Schim - mer-Licht im Sommer (§. 191. 193) zur Gnuͤge bekraͤfftigen. Die Himmels-Lufft, welche den Raum zwiſchen den groſſen Welt-Coͤrpern erfuͤllet (§. 121), reflectiretS 4kein280Cap. II. Von der Lufft. kein Licht (§. 191). Derowegen muß ſie von unſerer Lufft unterſchieden ſeyn.
Der Mond mit ſeiner Lufft kan von der Sonne erleuchtet werden, auch wenn die Sonne unter der Erde iſt. Un - ſere Lufft kan die Sonne nicht mehr erleuch - ten, wenn ſie nur wenige Grade unter dem Horizonte ſtehet. Derowegen kan ſie nicht bis an den Mond gehen, ſondern muß gar bald aufhoͤren. Man hat auch in der Aſtro - nomie aus dieſem Grunde die Hoͤhe der Lufft zubeſtim̃en geſuchtund Weigelain Sphærica Enclidea lib. 2. cap. 4. obſerv. 16. p. 342. hat gezeiget, daß die Lufft, welche das Licht der Sonnen bricht und reflectiret, nicht uͤber 4 deutſche Meilen hoch iſt: welches gegen die Weite des Monds von der Erde, die uͤ - ber 48000 Meilen austraͤgt (§. 536. Aſtr. & §. 15. Geog.), gar was weniges iſt.
Und eben deswegen, weil das Licht durch den Himmel ungebrochen durch - faͤhret, hingegen in unſerer Lufft gegen den Perpendicul gebrochen wird (denn ſonſt koͤnnte der gebrochene Strahl nicht in unſe - re Lufft herein fahren, indem er von ihr weg - gebrochen wuͤrde;) ſo muß die Materie des Himmels duͤnner feyn als unſere Lufft (§. 147 T. II. Exper.). Da nun unſere Lufft ſonderlich in der Hoͤhe (§. 189), eineſehr281Cap. II. Von der Lufft. ſehr duͤnne Materie iſt in Anſehung des Waſſers (§. 86. T. I. Exper.); ſo iſt leicht zuerachten, daß eine Materie, die noch duͤn - ner als ſie iſt, keine feſte Materie ſeyn kan. Und ſolchergeſtalt faͤllet nicht allein die Chryſtalline Materie der alten weg, dar - aus ſie den Himmel zuſammengeſetzet; ſon - dern es iſt auch zugleich klar, daß der Him - mels-Raum mit einer ſubtilen fluͤßigen Materie erfuͤllet ſey, die viel duͤnner iſt als unſere Lufft: welche wir eben die Him - mels-Lufft nennen (§. 121).
Weil die Strahlen der Son -Daß wir die Son - ne eher ſehen, ehe ſie auf - gehet. ne in der Lufft gebrochen werden, ſo kommen ſie auch eher in unſer Auge, ehe ſie aufgehet. Wenn ſie aber in unſer Auge kommen, ehe ſie von etwas anders reflectiret werden, ſo bringen ſie das Bildnis der Sonne mit ſich, das iſt, ſie machen, daß wir die Sonne ſehen (§. 150 T. II. Exper.). Und alſo koͤnnen wir die Sonne ſehen, ehe ſie aufge - het, und noch erblicken, wenn ſie ſchon wie - der untergegangen. Die Erfahrung der Aſtronomorum ſtimmet auch damit uͤ - berein (§. 217. 218 Aſtron.).
Weil das Licht in der Lufft ge -Daß man keinen Stern an dem Orte ſie - het, wo er ſtehet brochen wird (§. 191), und wir den Stern in einer geraden Linie mit dem gebrochenen Strahle ſehen; ſo ſehen wir keinen Stern an ſeinem Orte, wo er wuͤrcklich ſtehet. Wo wir Sterne ſehen, da ſtehen keine: hinge -S 5gen282Cap. II. Von der Lufft. gen wo wir keine ſehen, da ſtehen ſie. Wir doͤrffen nicht vermeinen, als wenn die Re - fraction des Lichtes die Sterne nicht aus ihrer Stelle verruͤcken koͤnnte. Denn ſie ſind ſehr kleine und ſehen auch durch die groͤſten Fernglaͤſer nur wie untheilbahre Puncte aus (§. 109): aus den Obſervati - onen aber der Aſtronomorum iſt bekandt, daß ſie im Horizont 32 Minuten, im 45 Grade noch 1 Minute und 11 Secunden und im 89 noch eine Secunde iſtaDe la Hire in Tabb. Aſtron. Tab. V. p. 6.. Jm Zenith faͤllet der Strahl perpendicular herunter und gehet alſo ungebrochen durch die Lufft (§. 147 T. II. Exper.). Dero - wegen ſehen wir die Sterne nicht eher in dem Orte, wo ſie ſtehen, als wenn ſie im Zenith ſind, das iſt, uͤber unſerer Scheitel ſtehen.
Wir ſehen unterweilen, daß die Sonne oval ausſieheꝛ, wenn ſie aufgehet, oder auch dem Untergange nahe iſt. Da ſie ſonſt beſtaͤndig rundt wie ein Circul ausſiehet, ſo erkennet man leicht, daß ihr dieſe Figur nicht eigenthuͤmlich ſey. Die Urſache demnach muß in unſerer Lufft zu ſuchen ſeyn. Da nun die Strahlen der Sonnen in der Lufft gebrochen werden (§. 191) und durch die Refraction des Lichtesdie283Cap. II. Von der Lufft. die Figur ſich aͤndern laͤſſet; ſo iſt kein Zweiffel, daß es von derſelben herruͤhret, wenn die Sonne oval erſcheinet. Man kan auch gar wohl begreiffen, daß ſolches durch die Refraction bewerckſtelliget wer - den kan. Denn das Licht wird nur nach der Hoͤhe, nicht aber nach der Brei - te gebrochen (§. 147. T. II. Experi - ment.). Derowegen wird hier durch die Refraction der Vertical-Diameter ver - mindert, der Horizontal-Diameter aber bleibet unveraͤndert, folgends erhaͤlt die Sonne eine Oval-Figur Man kan ſich dieſer Wuͤrckung der Refraction auch durch einen Verſuch verſichern. Man kleibe von innen in ein Glaß einen rundten Circul von Papier und gieſſe Waſſer in das Glaß. So bald man den papiernen Circul durch das Waſſer anſiehet, daß die Strahlen davon ſchief in das Auge fallen; ſiehet er wie ein Oval aus und viel groͤſſer als er iſt. Man hat mir einesmahls einen Einwurff gemacht, daß dieſes von der hohlen Figur des Glaſes, nicht von der Refraction her - kaͤme: allein es iſt nicht noͤthig darauf zu antworten. Man nehme ein viereckichtes Gefaͤſſe fuͤr das Glaß; ſo wird man ſehen, daß die Figur des Glaſes nichts dabey thut, wenn man es gleich nicht durch die Beſchaf - ſenheit der Refraction erreichen kan. Der gelehrte Jeſuit Chriſtoph Scheiner hatvon284Cap. II. Von der Lufft. von dieſer Begebenheit einen beſonderen Tractat geſchrieben. Weil ſie ſich a - ber nicht taͤglich zutraͤget; ſo iſt dieſes ei - ne Anzeige, daß eine ſtarcke Refraction da - zu erforert wird und die Lufft ſehr dunſtig ſeyn muß.
Der Mond muß ebenfalls eine Oval-Figur erhalten, wenn er in duͤnſtiger Lufft auf und unter-gehet, wie aus der erſt gegebenen Erklaͤrung dieſer Begebenheit an der Sonne ein jeder abnehmen kan, und der daſelbſt angefuͤhrte Verſuch augen - ſcheinlich zeiget. Wenn der Mond hoͤcke - richt iſt, ſo iſt er nach der Breite ſchmaal, nach der Hoͤhe hoch. Derowegen wenn der Diameter nach der Hoͤhe durch die Refraction vermindert wird, nach der Brei - te aber unveraͤndert bleibet; ſo kan der gantze Diameter dem Theile davon nach der Breite gleich werden. Solchergeſtalt bekommet der Mond die Figur eines Cir - culs und ſiehet aus, als wenn er voll waͤre. Jch weiß mich zwar nicht zu entſinnen, daß ein Aſtronomus dieſe Begebenheit an - gemercket haͤtte: allein die Urſache iſt, weil ſie nicht darauf acht haben. Jedoch beſin - ne ich mich, daß man einesmahls als ein Wunderzeichen erzehlete, man haͤtte in ei - nem Orte den Mond, da er im Abnehmen war, voll aufgehen ſehen.
Die Himmels-Lufft leidet keineWarumb des Ta - ges der Himmel blau ans - ſiehet. Aenderung durch das Licht (§. 194), aber wohl unſere (§. 191). Derowegen da der Himmel bey Tage blau ausſiehet, wenn er recht helle und heiter iſt; ſo muß die Farbe in unſerer Lufft ſeyn. Nemlich die Lufft reflectiret das Licht der Sonnen und hat ei - nen Glantz; ſie iſt aber nicht dichte in der Hoͤhe, und daher eben ſo viel als wenn ſich ſchwartze Farbe mit weiſſer vermiſchte, wel - che Vermiſchung eine Farbe hervor bringet, die ſich ins blaulichte ziehet. Das aber die blaue Farbe wuͤrcklich in unſerer Lufft iſt, keinesweges aber in der hohen Himmels - Lufft, laͤſſet ſich auch daher ermeſſen, weil bey naͤchtlicher Weile der Himmel wie eine hohle Kugel, bey Tage aber wie ein nie - drig gedrucktes Gewoͤlbe ausſiehet. Denn von dem Himmel ſehen wir die Helffte: von unſerer Luft aber, die nicht hoch uͤber die Erde herauf ſteiget| (§. 196), nur ein|weniges. De - rowegen iſt hier der Unterſcheid, der ſich in der Figur zwiſchen einer halben Kugel und einem kleineren Stuͤcke davon befindet.
Wenn im Himmel WolckenWo A - bend uud Morgen - Roͤthe herkoͤm - met. ſind, ſo machet die auf - oder untergehende Sonne darinnen Farben. Ein Exempel haben wir an der Morgen-und Abend-Roͤ - the. Da das Licht durch die Refraction in Farben verwandelt wird (§. 158 T. II. Ex -286Cap. II. Von der Lufft. Exper.) |, und dieſe rothe Farbe ſich in den Wolcken zeiget, ſo lange die Sonne einen gewiſſen Stand gegen ſie hat; ſo muͤſſen auch ſie durch die Refra - ction in den Duͤnſten, daraus die Wolcken beſtehen, hervorgebracht werden. Es iſt wohl wahr, daß das Sonnen-Licht durch die Refraction in allerhand Farben ver - verwandelt wird (§. 158 T. II. Exper.) und daher iſt nicht zu zweiffeln, daß auch durch die Refraction in Wolcken nicht alles Son - nen-Licht roth wird; allein es wird nur nichts als rothes Licht von der Wolcke auf den Erdboden reflectiret. Wenn die Son - ne einen andern Stand bekommet, daß das Licht anders gebrochen und reflectiret wird; ſo veraͤndert ſich auch die rothe Far - be, und verſchwindet endlich gar, ſo bald die Sonne gantz herauf iſt.
Unterweilen ſiehet es aus, als wenn der Himmel vor dem Aufgange der Sonne voller Feuer waͤre: welches auch nach ihrem Untergange ſich zuereignen pfle - get. Es iſt ein Licht, welches faſt ſo aus - ſiehet, wie das Licht der Planeten. Der Stand der Sonne gegen die Erde zeiget, daß dieſe Begebenheit dem Sonnen-Lichte zuzuſchreiben. Man ſiehet es auch, daß zu derſelben Zeit der Himmel voll Duͤnſte iſt,und287Cap. II. Von der Lufft. und, da ſie ſich gemeiniglich bald in einen Regen reſolviren, iſt klar, daß die Duͤnſte waͤßerig ſind. Es gewinnet demnach der Himmel die feurige Geſtalt durch die Er - lechtung der waͤßerigen Duͤnſte in der Lufft. Es bleibet nemlich das Sonnen-Licht un - geaͤndert und demnach muͤſſen es die Duͤn - ſte ohne einige Abſonderung der Strahlen zu uns herunter reflectiren und refringiren. Wir wiſſen daß der Mond im finſtern leuch - tet, bey Tage aber blaß iſt wie eine weiſſe Wolcke. Die vielen Duͤnſte verdunckeln die Lufft, daß wir den anbrechenden Tag nicht wohl ſehen koͤnnen (§. 191), und daher muͤſſen auch ſie von dem Lichte leuchten, da - mit ſie von der Soñe erleuchtet werden. Eine andere Bewandnis aber hat es, wenn ⃒ der Himmel uͤber und uͤber zu brennen ſchei - net, zu einer Zeit, da weder Sonne, noch Mond unſere Lufft erleuchten koͤnnen: wo - von wir unten an ſeinem Orte reden wer - den.
DJe Lufft ſtehet nicht ſtille, ſon - dern iſt in ſteter Bewegung, wel - che man den Wind zu nennen pfleget. Es blaͤſet aber der Wind nicht beſtaͤndig aus einer Gegend, ſondern iſt veraͤnderlich. Man ſiehet es nicht allein aus dem Zuge der Wolcken, ſondern auch aus den Flaggen und Seegeln der Schiffe und aus den Wetterhaͤhnen auf den Daͤ - chern und Thuͤrmen. Ja wenn man auf den Zug der Wolcken acht giebet; ſo wird man innen, daß der obere Wind nicht im - mer aus einerley Gegend mit dem unteren blaͤſet. Jch habe ſchon gewieſen (§. 74. T. II. Exper.), daß dergleichen Bewegun - gen in der Lufft entſtehen, wenn der wage - rechte Stand der Lufft in benachbahrten Laͤndern gehoben wird: allein hier haben wir eben zu unterſuchen, aus was fuͤr Urſa - chen ſolches geſchiehet.
Wenn die Sonne ſowohl die Lufft als auch die Erde und die darauf be - findlichen Coͤrper erwaͤrmet (§. 130.); ſo wird ſie durch einen groͤſſeren Raum aus - gebreitet (§. 133 T. I. Exper.). Sie mußſich289Cap. III. Von dem Winde. ſich aber alsdenn dahin bewegen, wo ſie am wenigſten Wiederſtand findet. Da nun die Lufft zur Seiten in einem kuͤhlen Orte mit ihr zuvor in wagerechtem Stande war, durch die Waͤrme aber ihre ausdehnende Krafft vermehret wird; ſo dringet ſie zur Seite in den kuͤhlen Ort. Findet ſie nun daſelbſt keinen freyen Gang, ſo beweget ſie ſich deſto geſchwinder, je mehr ſie aufgehal - ten wird, wie insgemein von fluͤßigen Ma - terien bekandt iſt und man es auch aus dem Verſuche mit den Dampff-Kugeln ab - nehmen kan (§. 171 T. Exper.). Auff ſolche Weiſe blaͤſet ein kuͤhles Luͤfftlein aus dem warmen in einen kuͤhlen Ort. Wir treffen dergleichen in ſchattichten Waͤldern an wenn wir im warmen Mittage darinnen herum ſpatziren: ingleichen in Thaͤlern zwiſchen Bergen, da es ſchatticht iſt und ein enger Eingang von einem freyen Felde, das die Sonne ſtarck beſcheinet. Hinge - gen wenn die unten erwaͤrmete Lufft von der Seiten Wiederſtand findet, indem die zur Seiten eben ſowohl wie ſie erwaͤr - met und dadurch ihre ausdehnende Krafft vermehret wird; ſo muß ſie in die Hoͤhe ge - trieben werden. Da nun hierdurch die o - bere Lufft vermehret und dichter wird; ſo wird auch dadurch zugleich ihre ausdehnen - de Krafft ſtaͤrcker als ſie vorher war (§. 124 T. I. Exper.). Jn dem erſten Zuſtande(Phyſick) Thielt290Cap. III. Von dem Winde. hielt ſie in ihrer Hoͤhe mit der Lufft zur Sei - ten die Wage. Derowegen weil ietzund ihre Krafft vermehret worden, wird ſie mit ihr auſſer wagerechten Stand geſetzet, und demnach muß ſie ſich dahin bewegen, wo ſie weniger Wiederſtand findet. Auf ſolche Weiſe kan oben ein Wind entſtehen, da es unten windſtille iſt, oder auch oben ein ſtaͤrckerer Wind, als unten anzutreffen, in - gleichen oben ein Wind aus einer andern Gegend blaſen als unten: welches alles der Erfahrung gemaͤß befuden wird. Es hat aber verſchiedene Urſachen, warum in einem Orte auf dem Erdboden die Lufft waͤrmer ſeyn kan, als in dem andern. Wir wiſſen, daß nicht eine Materie ſo warm wird, als die andere, ob gleich die Sonne eine ſo viel und ſo lange beſcheinet als die andere (§. 110 T. II. Exper.). Alſo wird es in Orten, wo Stein-Klippen ſind und viel Sand iſt, waͤr - mer als an andern: wovon wir unten umſtaͤndlicher reden werden. So iſt auch bekandt, daß ſich in einem Orte Hinder - niſſe koͤnnen in Weg legen, welche die Sonne in ihrem Erwaͤrmen hindern, der - gleichen man in einem andern Orte nicht zu beſorgen, als da ſind die Schatten der Ber - ge und Waͤlder, ingleichen die finſteren Wol - cken, die den Himmel uͤberziehen. Aus dieſen und dergleichen Umſtaͤnden kan ein vielfaͤltiger Unterſcheid in die ausdehnendeKrafft291Cap. III. Von dem WindeKrafft der Lufft gebracht werden, wodurch wiederum viel Unterſcheid bey den Winden entſtehet, den hier genauer zu unterſuchen zu weitlaͤufftig fallen wuͤrde.
Wenn die Lufft kalt wird, ſoWas Kaͤlte, da - bey thut. ziehet ſie ſich zuſammen und wird dadurch zugleich ihre ausdehnende Krafft geringer (§. 133. T. I. Exper.). Derowegen muß die Lufft zur Seite, die dergleichen Veraͤn - derungen nicht leidet, ſich dahin bewegen und ſolchergeſtalt einigen Wind verurſa - chen. Auf ſolche Weiſe entſtehet der Wind an dem Ufer der Fluͤſſe und an groſſen Tei - chen, den man ſonderlich gegen Abend, wenn die Lufft kuͤhle wird, daſelbſt veſpuͤ - ret. Es iſt maͤnniglich bekandt, daß das Waſſer nicht ſo warm wird, wie die Erde, und daher auch die Lufft uͤber dem Waſſer nicht ſo warm ſeyn und bleiben kan, wie uͤ - ber der Erde. Derowegen kuͤhlet ſich auch gegen Abend, da die Sonne die Erde ver - laͤſſet, oder doch wenigſtens nicht mehr ſo warm ſcheinet, die Lufft eher uͤber dem Waſſer als uͤber der Erde ab. Und daher entſtehet, wie wir erſt erklaͤret, ein kleiner Wind, oder ein kuͤhles Luͤfftlein. Eben dieſe Bewandnis hat es, wenn gegen Abend, da die durch die Waͤrme verduͤnnete Lufft wieder abgekuͤhlet wird, aus einem Walde oder Buſche, wo die Lufft dichter iſt, als auſſen im freyen, ein kuͤhles Luͤfftlein wehet.
T 2§. 208.292Cap. III. Von dem Winde.Wenn in einem Orte lange hel - les Wetter iſt, ſo duͤnſtet das flieſſende und ſtehende Waſſer, auch alles was feuchte iſt, aus (§. 85. T. II. Exper.) und die Duͤn - ſte, welche ſich einzeln hin und wieder durch die Lufft zertheilen, vermehren ihre Schwee - re (§. 40. T. II. Exper.). Da nun die Lufft dadurch ſchweerer wird als ſie vorher war, ſo kan ſie nicht mehr mit der anlie - genden, wo keine dergleichen Veraͤnde - rung vorgehet, im wagerechten Stande verbleiben, und daher muß ein Wind ent - ſtehen (§. 205). Wir finden auch, daß im Fruͤhlinge, wenn der Schnee und das Eis aufthauet und das feuchte Erdreich aus - trocknet, folgends die Lufft mit vielen Duͤnſten erfuͤllet wird, Winde entſte - hen.
Wenn die Lufft mit vielen Duͤnſten erfuͤllet war und ſie ſich in Wol - cken zuſammen ziehet, dieſe aber in einem Regen herab flieſſen, ſo wird ſie dadurch leichter als ſie vorher war. Da ſie nun nicht mehr mit der umſtehenden im wage - rechten Stande verbleiben kan; ſo muß ein Wind entſtehen (§. 205). Man begreiffet auch leicht, daß oben ein Wind entſtehen muß, wenn die Duͤnſte von ſchweererer Art werden, indem ſie dicker werden, und die Wolcke ſich in eine Tieffe ſencket: denn da - durch wird die obere Lufft von leichtererArt,293Cap. III. Von dem Winde. Art, als ſie vorher war, und die umſtehen - de kan nicht mehr in wagerechtem Stande verbleiben. Derowegen haben wir ge - nungſame Urſache zu einem Winde (§. 205).
Wenn der Himmel mit dickenWie die Wolcken zum Winde Anlaß geben. Wolcken uͤberzogen iſt, ſo laſſen ſie nicht viel Licht von der Sonnen herunter fallen, ſondern werffen es gegen den Himmel zu wieder zuruͤcke. Die verdoppelten Strah - len, welche die Waͤrme verdoppeln (§. 130), muͤſſen die Lufft verduͤnnen (§. 133. T. I. Exper.). Da ſie nun entweder in die Hoͤhe ſteiget und die gantz obere Lufft dichter machet, oder gleich zu den Seiten abflieſſet, ſo verurſachet ſie dadurch einen Wind (§. 205). Jndem aber ſolchergeſtalt die obere Lufft leichter wird, ſo kan ſie die untere bey uns nicht mehr ſo ſtarck drucken, wie vorhin. Derowegen breitet ſich die untere durch ihre ausdehnende Krafft in die Hoͤhe weiter aus (§. 124. T. I. Exper.). Weil aber hierdurch die untere Lufft duͤn - ner wird, als ſie vorher war; ſo wird da - durch ihr wagerechter Stand mit der an - dern zur Seite aufgehoben (§. 125. T. I. Exper.). Und demnach iſt wiederum eine Urſache zum Winde vorhanden.
Es kan ſeyn, daß es auſſer die -Ob an - dere Ur - ſachen ſen erzehleten Urſachen noch andere giebet, wodurch der wagerechte Stand in der LufftT 3geaͤn -294Cap. III. Von dem Winde. eyn koͤn - nen.geaͤndert wird, die uns noch unbekandt ſeyn. Jch habe laͤngſtain Element. Aerometr. A. 1709. editis prop. 105. ſchol. 6. p. 313. erinnert, daß aus dem - jenigen, was Newton behauptet von unſe - rer Erde, daß ſie eine Schweere in den Mond hat, folge, es muͤſſe auch die Lufft dadurch Veraͤnderungen leiden, welche zu einem Winde hinlaͤnglich ſind So koͤn - nen auch Urſachen vorhanden ſeyn, welche die ausdehnende Krafft der Lufft aͤndern, ohne daß die Schweere derſelben geaͤndert wird. Da nun aber alsdenn dieſelbe mit derjenigen Lufft nicht mehr in wagerechtem Stande verbleiben kan, mit der ſie vorhin einerley Grad der ausdehnenden Krafft be - ſaß; ſo iſt abermahls eine Urſache zum Winde vorhanden.
Damit man nun in Erkaͤnntnis der Urſachen der Winde weiter komme; ſo muß man auf die Veraͤnderung des Wetters, und auf die Veraͤnderungen des Thermometers (§. 55. T. II. Exp.), Baro - meters (§. 22. T. II. Exper.) und inſonder - heit des Manometers (§. 45. T. II. Exper.) fleißig acht haben und mit demjenigen, was bisher gelehret worden, vergleichen.
Es iſt nicht zu leugnen, daß de - nen, welche die Sache etwas genauer einſe - hen werden, noch dieſer Zweiffel uͤbrig blei -ben295Cap. III. Von dem Wiude. ben wird, ob die Veraͤnderungen, welchekaͤntnis hierbey nutzet. ſich durch Waͤrme, Kaͤlte und Ausduͤnſtun - gen ereignen koͤnnen (§. 206. 207. 208 ) groß genung ſind eine ſolche Bewegung in der Luft zuverurſachen, dergleichen wir bey dem Winde verſpuͤren. Und dieſer Zweiffel moͤchte denen um ſo viel eher einkommen, welche die Verſuche erwegen, dadurch ich (§. 75. 76. T. II. Exper.) die Moͤglichkeit habe zeigen wollen, daß durch dergleichen Veraͤnderungen in der Lufft Bewegungen in ihr entſtehen koͤnnen. Allein denen die - net zum Beſcheide, was ich dazu ſchon (§. 78. T. II. Exper.) ertheilet, daß man oh - ne mathematiſche Erkaͤntnis nicht erweiſen koͤnne, es uͤberſchreite die Geſchwindigkeit des Windes keinesweges die Kraͤffte der Natur, wie ich es auch ſchon A. 1709 aus - gemacht, da ich meine Elementa Aero - metriæ zuerſt heraus gab. Und ſiehet man demnach, was ich oͤffters zuerinnern gewohnet bin, daß man ohne mathemati - ſche Erkaͤntnis der Natur nicht immer zu einer Gewißheit gelangen kan. Derowe - gen werden wir uns auch kuͤnfftig in dem Lateiniſchen Wercke angelegen ſeyn laſſen auf dieſelbe mit zuſehen.
Die Winde bringen Duͤnſte,Nutzen der Winde, die von der See aufſteigen, in Laͤnder, welche weit von ihr entfernet ſind. Und eben dieſes ſind diejenigen, welche uns den Regen brin -T 4gen296Cap. III. Von dem Winde. gen: Die wenigen Duͤnſte, welche aus der Erde und aus kleinen Fluͤſſen und ſtehen - dem Waſſer aufzuſteigen pflegen, wuͤrden gar wenig Regen geben. Wiederumb bringen die Winde Lufft aus einem Lande in das andere. Da nun die Lufft in war - men Laͤndern warm, in kalten hingegen kalt iſt; ſo bringen die Winde warme Lufft in kalte Laͤnder und hinwiederum kalte Lufft in warme Laͤnder. Wiederum die Bewegung der Lufft durch Winde dienet zu ihrer Abkuͤh - lung. Wir brauchen nicht allein dieſes Mittel in der Kunſt, wenn wir die Lufft wollen kalt machen, ſondern wir treffen auch hiervon Proben in der Natur an. Wenn der Wind ſtarck blaͤſet, iſt bey hellem Son - nen-Scheine keine Hitze: wenn es aber windſtille iſt, ſo iſt im Sommer die Hitze faſt unertraͤglich. DerhamaPhyſico-theology lib. 1. c. 2. p. 17. edit; ſec. fuͤhret hier - von ein merckwuͤrdiges Exempel an. Den 8 Julii 1707 nach dem alten Calender, den die Engellaͤnder noch haben, war eine ſo un - ertraͤgliche Hitze in Engelland, weil gar kein Luͤfftlein zu ſpuͤren war, daß verſchiede - ne Perſonen, die auf dem Felde zu thun hat - ten, ſtarben und die Pferde fuͤr groſſer Mat - tigkeit umfielen. Daher man auch den - ſelben Tag Hot-Tueſday oder den heiſſenDien -297Cap. III. Von dem Winde. Dienſtag genennet. Und wir werden kuͤnff - tig bey der Witterung ſehen, was die Win - de zu verſchiedenen Jahres Zeiten beytra - gen.
Ein Wind blaͤſet immer ſtaͤrckerWoher Sturm - winde kommen. als der andere und unterweilen ſind die Winde ſo ſtarck, daß ſie auch die Baͤume in den Waͤldern mit ihren Wurtzeln her - aus reiſſen und umwerffen, auch ſonſt an Gebaͤuden und anderen Sachen vielen Schaden thun. Der Wind iſt eine Be - wegung der Lufft (§. 205). Wenn er dem - nach eine groſſe Krafft erhalten ſoll, ſo muß er ſich geſchwinde bewegen (§. 656. Met.). Und man ſpuͤret auch die Ge - ſchwindigkeit der Bewegung aus leichten Sachen, die man zur Zeit, wenn er ſtuͤrmet, in die Lufft fahren laͤſſet. Wollte man auf Jnſtrumente und Machinen bedacht ſeyn dadurch man die Geſchwindigkeit des Windes genau abmeſſen koͤnnte; ſo wuͤrde man es noch deutlicher erſehen. Die Lufft beweget ſich aus einem Orte in den andern mit deſto groͤſſerer Geſchwindigkeit, je groͤſſer der Unterſcheid ihrer ausdehnenden Krafft oder Schweere iſt (§. 75. 76 T. II. Ex - per.). Derowegen entſtehen Sturm - winde, wenn dieſer Unterſcheid in benach - bahrten Laͤndern ſehr groß iſt. Und hier - aus verſtehet man uͤberhaupt, warumb im -T 5mer298Cap. III. Von dem Winde. mer ein Wind ſtaͤrcker iſt, als der an - dere.
Auſſer dem, daß die Winde ſtarck oder ſchwach ſind, pfleget man ihnen auch andere Eigenſchafften beyzulegen. Denn entweder ſie bringen warme Lufft oder kal - te. Jm erſten Falle nennet man ſie warm, im andern hingegen kalt. Wiederumb findet ſich darinnen ein Unterſcheid zwiſchen den Winden, daß einige viel Duͤnſte mit bringen, und dadurch die Lufft feuchte ma - chen, auch Regen verurſachen; hingegen andere von Duͤnſten gereinigte Lufft zu uns treiben, oder wenigſtens ſolche Lufft, darin - nen die enthaltene Duͤnſte keine Feuchtig - keit verurſachen. Und pfleget man im er - ſten Falle die Winde feuchte, im andern hingegen trocken zu nennen. Es ſind demnach die Winde entweder warm, oder kalt und entweder feuchte oder trocken.
Ein Wind iſt warm, wenn er warme Lufft zu uns bringet (§. 216): er bringet aber warme Lufft, wenn er aus einem Lande kommet, wo es warm iſt (§. 76.). Die Laͤnder, welche gegen der Linie liegen, ſind waͤrmer als die uͤbrigen, denn dort iſt der hitzige Strich des Erdbodens (§. 32. Geogr.) und je naͤher ihm die Laͤnder lie - gen, je waͤrmer iſt es in ihnen. Derowe - gen ſind zu aller Jahres-Zeit die Winde warm, welche aus der Gegend des hitzigenStri -299Cap. III. Von dem Winde. Striches kommen. Wir wiſſen auch, daß die Sonne einen Coͤrper nicht ſo ſehr er - waͤrmet als den andern (§. 110 T. II. Exp.), und inſonderheit wird Waſſer nicht ſo warm als die Erde, wie es ein jeder verſu - chen kan, der im Sommer Waſſer und Er - de gleiche Zeit lang in einerley Gefaͤſſen in die Sonne ſetzet und ihre Waͤrme, die ſie von ihr erhalten (§. 130), mit einem Wet - terglaſe zu unterſcheiden ſuchet (§. 55 T. II. Exper.). Wo der Boden warm iſt, da wird auch die Lufft waͤrmer als an andern Orten (§. 109. 110 T. II. Exper.). Und dem - nach ſind die Winde im Sommer warm, die uͤber ein trockenes Land blaſen. Allein weil es in ſolchen Laͤndern einmahl nicht ſo warm iſt, als wie das andere, wie wir aus der beſtaͤndigen Erfahrung lernen; ſo kan auch der Wind einmal nicht ſo warme Luft mit ſich bringen, als das andere. Und des - wegen iſt der Wind aus einer ſolchen Ge - gend nicht einmahl ſo warm als das andere. Die Laͤnder, welche gegen den Pol liegen, ſind dem kalten Striche nahe (§ 32 Geogr.) nnd deſto kaͤlter je naͤher ſie an ihm anlie - gen. Deſſen aber ungeachtet hat es dort oͤffters im Sommer eine groſſe Hitze, wie wir jetzt nur aus der Erfahrung annehmen, nach dieſem aber die Urſachen davon unter - ſuchen wollen. Derowegen weñ zu einer ſol - chen Zeit Wind aus denen Laͤndern blaͤſet, ſobrin -300Cap. III. Von dem Winde. bringet er warme Lufft mit ſich und iſt dan - nenhero ein warmer Wind. Wiederum im Winter iſt die See, welche nicht zuge - froren, waͤrmer als die Erde, welche gefro - ren und mit Schnee bedecket iſt. Derowe - gen wenn der Wind uͤber die offenbahre See blaͤſet, ſo iſt er des Winters warm (§. 216).
Jn Beurtheilung der Waͤrme pflegen uns oͤffters die Sinnen zu betruͤgen: denn wir nennen die Lufft warm, wenn ſie waͤrmer iſt, als diejenige, darinnen wir ge - weſen (§. 108 T. II. Exper.). Derowe - gen wenn die Lufft bey uns kaͤlter iſt als die - jenige, welche der Wind mit bringet; ſo kommet uns der Wind warm vor: hinge - gegen wenn bey uns die Lufft waͤrmer iſt als die der Wind mit bringet, ſo kommet uns der Wind kalt vor. Und demnach iſt es moͤglich daß der Wind einmahl ſo warm iſt als das andere, und deſſen ungeachtet von uns einmahl fuͤr warm, das andere mahl a - ber fuͤr kalt gehalten wird.
Wir haben vorhin geſehen, daß der Wind die Lufft abkuͤhlet (§. 214). De - rowegen ſollten wir vermeinen, es koͤnne kein Wind warm ſeyn. Allein es iſt zu mer - cken, daß ein Unterſcheid zu machen ſey un - ter ſtarcken und ſchwachen Winden, wie die ordentliche Winde ſind. Jene erkaͤlten die Lufft, dieſe aber nicht. Darnach hat manauch301Cap. III. Von dem Winde. auch einen Unterſcheid zu machen unter der Waͤrme der Lufft und unter der Hitze. Groſ - ſe Hitze kan nicht mit dem Winde beſtehen, aber wohl Waͤrme.
Jch habe erſt vorher erinnert,Wenn der Wind kalt iſt. daß es gegen den Pol zu kaͤlter iſt als gegen die Linie (§. 217). Derowegen wenn der Wind aus denen gegen den Pol gelegenen Laͤndern blaͤſet, ſonderlich zu Winters-Zeit, ſo bringet er kalte Lufft mit ſich. Dero - wegen iſt derſelbe Wind, ſonderlich zu Win - ters-Zeit, kalt. Wenn das Land, daher der Wind blaͤſet, gefroren und mit Schnee bedecket iſt, es mag feſtes Land, oder Waſ - ſer ſeyn, ſo muß auch die Lufft daſelbſt ſehr kalt ſeyn (§. 110 T. II. Exper.). Dero - wegen bringet auch er kalte Lufft mit ſich und iſt dannenhero zur Winters-Zeit kalt. Auf Gebuͤrgen iſt es auch im Sommer kalt, und im Winter viel kaͤlter als im Thale, wie allen denen bekand iſt, die ſich um Gebuͤrge aufgehalten. Wenn demnach der Wind uͤbers Gebuͤrge blaͤſet, ſo iſt er im Sommer kuͤhle, hingegen im Winter kalt. Was ich aber vorhin erinnert, daß einerley Wind, der einmahl an ſich nicht waͤrmer iſt als das andere, doch waͤrmer zu ſeyn ſcheinen kan als das andere (§. 218); eben das gielt auch hier von der Kaͤlte des Windes. Man darf nur die daſelbſt gegebene Urſachen erwe - gen; ſo wird man es bald ſehen.
§. 221.302Cap. III. Von dem Winde.Aus der See ſteigen taͤglich eine groſſe Menge Duͤnſte auf (§. 86. T. II. Ex - per. ) und daher muß die Lufft, welche uͤber der See iſt, mit mehreren Duͤnſten erfuͤllet ſeyn, als die uͤber dem feſten Lande ſtehet. Derowegen wenn der Wind uͤber die See blaͤſet, ſo bringet er Lufft mit vielen waͤßeri - gen Duͤnſten mit ſich und demnach iſt er feuchte (§ 216): hingegen wenn er uͤber trockenes Land blaͤſet, oder auch des Win - ters uͤber gefrornes Waſſer, ſo iſt er trocken (§. cit. |).
Das Eis und der Schnee duͤn - ſten noch immer aus und zwar deſto mehr, je groͤſſer die Kaͤlte iſt (§. 87. T. II. Exper.): wie man denn auch findet, daß bey zuneh - mender Kaͤlte, das Waſſer noch immer tief - fer gefrieret, und alſo ſeine Waͤrme ihm durch das bereits gefrorne Eis entgehen muß, indem die aͤuſſere Lufft, welche es be - ruͤhret, kaͤlter wird als ſie vorher war (§. 76.). Derowegen wird die Lufft uͤber dem gefrornen Waſſer auch noch mit Duͤn - ſten erfuͤllet. Wenn demnach der Wind aus einem ſolchen Orte blaͤſet, ſo kan er noch Duͤnſte mit ſich bringen, die in unſe - rer waͤrmeren Lufft waͤſſerig werden und ſie feuchte machen. Und aus dieſer Urſache gehet es auch an, daß der Wind, welcher uͤ - ber die gefrorne See blaͤſet, noch feuchte ver - bleibet. Wiewohl da aus der gefrornenSee303Cap. II. Von dem Winde. See nicht ſo viel ausduͤnſten kan, als aus der offenen, ſo bleibet auch der Windaus einer ſolchen Gegend feuchter, wenn ſie offen, als wenn ſie zugefroren iſt.
Wenn man demanch die Win - de beurtheilen will, ob ſie warm, oder kalt, feuchte oder trocken ſind; ſo muß man fuͤr allen Dingen nachforſchen, was es fuͤr eine Beſchaffenheit mit den Laͤndern hat, die uns an dem Orte, wo wir uns aufhalten, gegen die verſchiedenen Gegenden liegen. Und ſo werden wir finden, daß z. E. hier bey uns in Halle der Morgen-Wind trocken und im Sommer zwar warm, aber doch gegen Morgen etwas kuͤhle, des Winters aber kalt ſey; hingegen der Abendwind feuchte und im Sommer kuͤhle, im Winter hingegen warm ſey: daß der Mittags-Wind warm, der Nordwind hingegen kalt, als unterwei - len im Sommer leidlich ſey: daß die Ne - benwinde von den Eigenſchafften der Hauptwinde etwas an ſich nehmen, als z. E. der Nordweſt-Wind feuchte und kalt, der Nord Oſt-Wind kalt und etwas feuchte iſt.
Es kan auch einerley Wind ver -Was die Witte - rungen zu den Ei - genſchaff - ten der Winde ſchiedene Veraͤnderungen leiden nach den verſchiedenen Witterungen in den Jahres - Zeiten: wie wir denn uͤberhaupt finden, daß der Wind im Fruͤhlinge ſehr trocknet, im Herbſte hingegegen gar wenig. Allein dawir304Cap. IV. Von den Witterungenbeytra - gen.wir noch nicht den Unterſcheid der Witte - rungen in den verſchiedenen Jahres-Zeiten erklaͤret haben; ſo koͤnnen wir auch nicht an - zeigen, was fuͤr ein Unterſcheid in den Ei - genſchafften der Winde daher ruͤhret. Es waͤre auch nicht undienlich, wenn man ihn mit mehreren Obſervationen zu erlaͤutern ſuchte: denn was wir bisher davon wiſſen, wird nur aus der gemeinen Erfahrung, die ſich von ſelbſten giebet, genommen.
WJr finden in der taͤglichen Erfah - rung, daß Waͤrme und Kaͤlte mit einander abwechſeln und zwar ſo mercklich, daß zu einer Zeit beſondere Wuͤrckungen der Waͤrme zu ſpuͤren ſind, die zu anderer Zeit aufhoͤren, und hinwiederum zu einer anderen Zeit ſich beſondere Wuͤrckungen der Kaͤlte zeigen, die ſonſt in der Natur nicht zugegen ſind. Der - gleichen Wuͤrckungen der Waͤrme iſt der Wachsthum der Pflantzen; hingegen der Kaͤlte Schnee und Eis. Ehe es aber zu dieſen Haupt-Abwechslungen kommet, iſtjeder -305der vier Jahrs-Zeiten. jederzeit ein mitlerer Zuſtand anzutreffen, welcher etwas von beyden hat. Der ge - meine Mann nennet Sommer, wenn es warm iſt, daß Pflantzen und Baͤume gruͤnen und wachſen koͤnnen; hingegen Winter, wenn es kalt iſt, daß es ſchneyet und gefrie - ret. Daher pfleget man zu ſagen, es wolle gar nicht Winter werden, wenn es zu einer Jahres-Zeit noch nicht gefrieret, da es ſonſt gefroren: auch ſaget man, es wolle noch nicht Sommer werden, wenn es zu ei - ner Jahres-Zeit noch immer kalt iſt, da es ſonſt ſehr warm zu ſeyn pfleget. Den mit - leren Zuſtand zwiſchen Winter und Som - mer, da die Kaͤlte ihren Abſchied nimmet und die Waͤrme ſich einſtellet, heiſſet der Fruͤhling: hingegen der mittlere Zuſtand zwiſchen Sommer und Winter, da ſich die Waͤrme nach und nach verlieret und die Kaͤlte herein dringet, wird der Herbſt ge - nennet. Weil aber dieſes ein Jahr nicht ſo iſt wie das andere: ſo hat man auch die vier Jahrs-Zeiten in genauere Schrancken einſchlieſſen muͤſſen, und da man geſehen, daß die Sonne dieſelben verurſachet, wie wir bald mit mehrerem zeigen werden, hie - rinnen auf ihre Bewegung acht gehabt. Wir nennen demnach die vier Jahrs-Zeiten diejenigen, welche vorbey ſtreichen, indem ſich die Sonne durch die vier Quadranten des Thier-Kreiſes beweget. Nemlich(Phyſick) UFruͤh -306Cap. IV. Von den WitterungenFruͤhling iſt die Zeit, in welcher die Sonne den Widder, Stier und die Zwillinge durch - wandert. Sommer die Zeit, in welcher ſie den Krebs, Loͤwe und die Jungfrau durchlaͤufft; Herbſt die Zeit, in welcher ſie ſich durch die Wage, den Scorpion und Schuͤtzen beweget, und endlich Winter, da ſie ihren Lauff durch den Steinbock, Waſ - ſermann und die Fiſche vollendet. Aus der Geographie iſt bekandt, daß die Erklaͤ - rungen der Jahrszeiten nicht uͤber den gan - tzen Erdboden gelten, ſondern bloß bey uns, die wir den nordiſchen Theil bewohnen: denn in dem ſuͤdlichen Theile kehret ſich alles um (§. 39. Geogr.).
Alle| Sommer kommen zwar darinnen mit einander uͤberein, daß es ſo warm iſt, daß Kraͤuter und Baͤume gruͤnen und wachſen koͤnnen; ingleichen wird kein Winter ſeyn, in dem es nicht wenigſtens ſo kalt ſeyn ſollte, daß die Baͤume ohne Laub und Wachsthum ſtehen: allein ein Som - mer iſt doch waͤrmer als der andere, und ein Winter kaͤlter als der andere. Gleicher - geſtalt kommen alle Fruͤhlinge darinnen mit einander uͤberein, daß das Eis wieder auff - thauet, der Schnee ſchmeltzet, die Baͤume ausſchlagen und die Kraͤuter aus der Erde wieder hervor kommen; ingleichen wird kein Herbſt ſeyn, da nicht die Baͤume ihr Laub fallen lieſſen und die Kraͤuter ihren Abſchiednaͤh -307der vier Jahrs-Zeiten. naͤhmen: allein es iſt doch auch ein Fruͤh - ling waͤrmer und ein Herbſt kaͤlter als der andere. Hierzu kommet noch anderer Un - terſcheid wegen des truͤben und hellen Wet - ters, wegen des Regens und Schnees, we - gen der Winde und was dergleichen mehr iſt. Man pfleget demnach die Witterun - gen in beſtaͤndige und veraͤnderliche einzu - theilen. Beſtaͤndige Wittrungen ſind diejenigen, welche in einerley Jahres-Zeiten in verſchiedenen Jahren einerley ſind: veraͤnderliche hingegen, welche in einerley Jahrs-Zeiten in verſchiedenen Jahren un - terſchieden ſeyn.
Damit wir nun die Urſache vonWarumb die Son - ne zu ver - ſchiede - nen Jah - res Zeiten nicht gleich warm ſcheinet. beyden finden moͤgen, ſo haben wir fuͤr al - len Dingen zu unterſuchen, was die Sonne veraͤnderliches in der Waͤrme auf dem Erd - boden hervor bringen kan. Wir finden demnach, daß die Sonne das gantze Jahr durch nicht ſo warm ſcheinet als das ande - re. Will man der gemeinen Erfahrung nicht trauen, weil uns die Sinnen in ge - nauer Beurtheilung der Waͤrme leicht truͤ - gen koͤnnen (§. 74); ſo kan man es durch untruͤgliche Verſuche ausmachen. Denn anfangs zeigen es die Brennſpiegel und Brennglaͤſer, als deren Wuͤrckung merck - lich unterſchieden iſt, wenn man mit ihnen Verſuche im Sommer und im Winter an - ſtellet. Darnach kan man es auch durchU 2die308Cap. IV. Von den Witterungendie Verduͤnnung der Lufft in einer Kugel, deren Eroͤffnung im Waſſer ſtehet, zeigen, wenn man ſie eine gewiſſe Zeit uͤber in die Sonne ſetzet (§. 133. T. I. Exper.): wel - cher Verſuch nach Fluddes Bericht ſchon vor alten Zeiten bekandt geweſenain Myſterio Meteororum inſalubrium part. 1. ſect. 1. c. 1. f. m. 9.. Ja wir finden es auch im Sommer, daß die Sonne im Mittage viel waͤrmer ſcheinet als des Morgends, wenn ſie erſt aufgegan - gen, oder des Abends, wenn ſie ſich zum Un - tergange neiget. Wir ſehen es mit Augen, daß ſowohl im Winter als des Morgends und gegen Abend die Sonne niedrig ſtehet, hingegen am Mittage im Sommer ſehr hoch uͤber den Horizont erhaben iſt. Dero - wegen ſcheinet die Sonne waͤrmer, wenn ſie hoch, als wenn ſie niedrig ſtehet. Wenn die Sonne im Zenith oder Scheitel-Puncte ſtuͤnde, ſo fielen ihre Strahlen perpendicu - lar herunter: je naͤher ſie demnach dem Ze - nith kommet, je naͤher kommen ihre Strah - len dem Perpendicul. Hingegen je naͤher die Sonne bey dem Horizont iſt, je mehr weichen ihre Strahlen von dem Perpendi - cul ab. Wenn man nun zwey Flaͤchen von gleicher Groͤſſe dergeſtalt gegen die Sonne ſtellet, daß das Sonnen-Licht auf die eine perpendicular, auf die andere aberſchief309der vier Jahrs-Zeiten. ſchief faͤllet; ſo wird man finden, daß auf die erſte mehr Strahlen fallen als auf die an - dere. Da ein jeder Strahl des Sonnen - Lichtes ſeine erwaͤrmende Krafft hat, ſo muͤſ - ſen viel Strahlen es waͤrmer machen als wenige: welches auch die Wuͤrckung der Brenn-Glaͤſer und Brenn-Spiegel be - kraͤfftiget, als wo das Sonnen-Licht bloß dadurch eine groͤſſere Krafft erhaͤlt, weil mehr Strahlen auf einen kleineren Raum ge - bracht werden (§. 136 T. II. Exper.). Und daß in der That keine andere Urſache vor - handen iſt, warum die Sonne einmahl waͤr - mer ſcheinet, als das andere, als weil die Strahlen einmahl in groͤſſerer Menge auf diejenigen Coͤrper fallen, welches ſie beſchei - net, als das andere; koͤnnen wir auch dar - aus abnehmen, daß uns, im Sommer ſon - derlich, die Mittags-Sonne blendet, die auf - und untergehende hingegen keines we - ges. Niemand aber wird in Abrede ſeyn, daß das Licht, welches das Auge blendet, ſtaͤrcker iſt als anderes, wodurch das Auge nicht geblendet wird. Starckes Licht aber hat mehr Strahlen als ſchwaches.
Da nun die Sonne von dem Ho -Wie die Waͤrme der ſchei - nenden Sonne ab - und zu-nim - met. rizont an bis zu dem Mittags-Circul immer hoͤher ſteiget, im Mittags Circul am hoͤch - ſten ſtehet und von dar an bis an den Abend - Horizont immer niedriger zu ſtehen kommet; ſo muß ſie auch von dem Aufgange an bis zuU 3Mitta -310Cap. IV. Von| den WitterungenMittage immer waͤrmer, und im Mittage den gantzen Tag uͤber am waͤrmeſten ſchei - nen, von Mittage aber an bis gegen Abend muß ihr Schein nach und nach immer ſchwaͤcher werden (§. 227). Gleicherge - ſtalt da die Sonne im Anfange des Krebſes bey uns, die wir den nordiſchen Theil der Welt bewohnen, das gantze Jahr uͤber am hoͤchſten ſtehet; ſo muß auch zu der Zeit, da die Sonne in Krebs tritt, welches gegen den 21 Junii zugeſchehen pfleget, dieſelbe das gantze Jahr uͤber am waͤrmeſten ſcheinen. Und da ſie im Anfange des Steinbocks bey uns des Mittags am niedrigſten ſtehet; ſo muß ſie auch zu der Zeit, da ſie in den Stein - bock tritt, welches gegen den 21 Decem - bris zugeſchehen pfleget, das gantze Jahr uͤ - ber am ſchwaͤchſten ſcheinen. Weil ſie von dem Anfange des Steinbocks an bis zu dem Anfange des Krebſes beſtaͤndig herauff ſteiget und daher im Mittags-Cir - cul eine groͤſſere Hoͤhe erreichet; ſo muß ſie auch von dem 21 Decembris an bis zu dem 21 Junii von Tage zu Tage immer waͤrmer ſcheinen. Endlich weil ſie von dem An - fange des Steinbocks immer niedriger ſtei - get und daher zu Mittage im Mittags Cir - cul eine kleinere Hoͤhe erhaͤlt; ſo muß ſie auch von dem 21 Junii an bis zu dem 21 De - cembris von Tage zu Tage immer ſchwaͤ - cher ſcheinen.
Aus eben dieſer Urſache geſchie -Warumb ſie nicht zu einer Zeit an allen Or - ten des Erdbo - dens gleich warm ſcheinet. het, daß die Sonne zu einer Zeit, wenn ſie im Mittags-Circul ſtehet, nicht an allen Orten des Erdbodens gleich warm ſcheinet. Denn je naͤher man dem hitzigen Striche kommet, je hoͤher ſtehet die Sonne im Mit - tags-Circul: hingegen je weiter man da - von weggehet und ſich dem Pole naͤhert, je tieffer ſtehet ſie. Derowegen muß ſie im̃er ſchwaͤcher ſcheinen, je weiter man ſich von dem hitzigen Striche entfernet und je naͤher man dem Pole kommet.
Wir erfahren uͤber dieſes taͤg -Warnmb die Son - ne in lan - gen Ta - gen es waͤrmer machet als in kurtzen. lich, daß die Tage eben zu der Zeit laͤnger ſind, wenn die Sonne waͤrmer ſcheinet. Wenn aber die Sonne lange ſcheinet ſo kan ſie es waͤrmer machen, als wenn ſie nicht ſo lange ſcheinet, maßen wir finden, daß ein Coͤrper waͤrmer wird, wenn er lange in der Sonne lieget, als wenn man ihn bald daraus wegnimmet: woraus augenſchein - lich zuerſehen, daß die Sonne die Waͤrme nach und nach hervor bringet. Wir ſe - hens auch daraus, wenn wir erwegen, wie die Sonne die Waͤrme hervor bringet (§. 130). Denn da ſolches geſchiehet, indem das Licht der Sonnen in die ſubtileſten Zwi - ſchen-Raͤumlein der Coͤrper hinein dringet und das darinnen befindliche elementari - ſche Feuer in Bewegung ſetzet; ſo laͤſſet ſich auch gar wohl begreiffen, wie nach undU 4nach312Cap. IV. Von den Witterungennach eine groͤſſere Menge deſſelben in Be - wegung gebracht, anch die Bewegung ver - ſtaͤrcket werden mag. Man kan es ferner auf eine ſolche Art erweiſen, daß die Sonne in langen Tagen es waͤrmer machen muß, als in kurtzen. Man ſetze, die Sonne ſtehe in einem kurtzen Tage nur 40 Grad uͤber dem Horizont, wenn ſie den Mittags-Circul er - reichet: in einem langen Tage aber ſey die Mittags Hoͤhe 70, welches gar wohl geſche - hen kan, indem der Unterſcheid der Mittags - Hoͤhe am laͤngſten und kuͤrtzeſten Tage ſich bey nahe bis 47 Grad belaufft. Zu der Zeit, wenn die Sonne im Mittage 70 Grad hoch ſtehet, ſo erhaͤlt ſie ſowohl einige Stun - den vor Mittage, als auch nach Mittage die Hoͤhe von 40 Graden. Weil nun die Sonne ihre Hoͤhe nach und nach erhaͤlt, und durch alle niedrigere zu einer hoͤheren hin - auffſteiget, hingen die Krafft des Sonnen - Scheines mit der Hoͤhe zunimmet (§. 238); ſo ſcheinet die Sonne die Zeit uͤber, da ſie von dem Horizont bis zu dem 40 Grade herauff ſteiget, und von ihm bis an den A - bend-Horizont ſich wieder hinunter begie - bet, eben ſo wie zu anderer Zeit den gantzen Tag, da die Mittags-Hoͤhe nur 40 Grad iſt. Die Zeit uͤber, welche vorbey ſtreichet, ehe die Sonne von dem 40 Grade an bis zu dem 70 herauf ſteiget und von dem 70 bis zu dem 40 ſich wieder hinunter begiebet, ſchei -net313der vier Jahrs-Zeitennet ſie noch waͤrmer als die uͤbrige Zeit, wenn ſie am waͤrmeſten ſcheinet (§. 228). Dero - wegen haben wir ja in einem langen Tage nicht allein eben die Wuͤrckung der Son - ne, welche ſich in einem kurtzen ereignet, ſondern uͤber dieſes noch eine weit ſtaͤrckere dazu, und unterweilen eben ſo lange, als vorhin die geringere allein. Und demnach iſt kein Wunder, daß es die Sonne in lan - gen Tagen waͤrmer machen kan als in kur - tzen.
Es zeiget es die taͤgliche Erfah -Was kuꝛ - tze Naͤch - te zu Ver - mehrung der Waͤr - me bey - tragen. rung, daß die Lufft kuͤhler wird, wenn die Sonne ſich zum Untergange nahet und nicht mehr ſo warm, wie vorhin, ſcheinet, noch mehr aber wenn wir ſie des Nachts gar nicht bey uns haben. Am deutlichſten a - ber ſiehet man es aus den Wetterglaͤſern, da der Spiritus die gantze Nacht uͤber faͤl - let und dadurch anzeiget, daß die Lufft bis an den Morgen, wenn die Sonne aufge - hen will, kuͤhler wird (§. 59 T. II. Exper.). Da nun die Eoͤrper kalt werden, indem ſie ihre Waͤrme verlieren (§. 76), ſo werden in einer langen Nacht die Coͤrper kaͤlter als in einer kurtzen. Derowegen wenn die Son - ne nach einer langen Nacht wieder aufge - het, ſo iſt weniger von der Wuͤrckung des vorigen Tages uͤbrig, als wenn ſie nach ei - ner kurtzen Nacht bald wieder kommet. Ein Coͤrper, der ſchon etwas Waͤrme hat, wirdU 5waͤr -314Cap. IV. Von den Witterungenwaͤrmer als ein anderer der kalt iſt, wenn beyde eine Zeit uͤber in einerley Waͤrme lie - gen: welches wir aus der gemeinen Erfah - rung lernen. Derowegen kan auch die Sonne mit ihrem Scheine mehr erwaͤrmen, wenn ſie nach einer kurtzen Nacht bald wie - der kommet, als wenn ſie in einer langen lange auſſen bleibet. Und alſo ſiehet man, daß die kurtzen Naͤchte die Wuͤrckung der Sonne befoͤrdern, hingegen die langen ihr darinnen hinderlich ſeyn. Es traͤgt aber auch nicht ein weniges zu Vermehrung der Waͤrme bey uns bey, daß eben zu der Zeit, wenn die Wuͤrckung der Sonne am ſtaͤrck - ſten iſt, ihre Naͤchte am kuͤrtzeſten ſind.
Wenn man dieſes alles, was bisher (§. 227 & ſeqq. ) ausgefuͤhret worden, erweget: ſo wird man ſehen, wie die vier Jahrs-Zeiten in dem Lauffe der Sonnen gegruͤndet ſeyn. Jm Anfange des Fruͤh - lings ſtehet die Sonne im Æquatore, als welcher die Ecliptick im Anfange des Wid - ders |durchſchneidet (§. 225 Phyſ. & §. 62. 64 Aſtron. ) und von dar an ſteiget ſie von Tage zu Tage immer weiter herauf gegen den Tropicum Cancri, wo ſie im Anfan - ge des Sommers die groͤſte Hoͤhe erreichet (§. 225), auch nimmet der Tag beſtaͤndig zu und die Nacht hingegen ab, bis im An - fange des Sommers der laͤngſte Tag und die kuͤrtzſte Nacht iſt (§. 51. Geogr.). De -ro -315der vier Jahrs-Zeiten. rowegen weil die Sonne von Anfange des Fruͤhlinges an von Tage zu Tage waͤrmer ſcheinet, im Anfange des Sommers aber am waͤrmeſten (§ 228.), auch wegen der zu - nehmenden Tage und der abnehmenden Naͤchte ſie nicht allein laͤnger erwaͤrmet (§. 230), ſondern auch wieder kommet, ehe die Coͤrper, welche ſie den vorhergehenden Tag erwaͤrmet hatte, mercklich abgekuͤhlet werden (§. cit. ); ſo muß auch die Waͤrme von dem Fruͤhlinge an bis zu dem Som - mer beſtaͤndig zu nehmen. Und weil die Sonne in Zwillingen und im Krebſe einer - ley Hoͤhen und die Tage, da ſich die Sonne in dieſen Zeiten verweilet, einerley Laͤnge ha - ben; ſo ſcheinet die Sonne ein paar Mona - the hinter einander mit einerley Krafft fort, und erwaͤrmet auf einerley Weiſe (§. 228. 230.). Derowegen dauret auch die Waͤr - me in einem fort und nimmet nicht gleich wieder mercklich ab. Eben die Beſchaffen - heit hat es mit der andern Helffte des Jahrs. Denn im Anfange des Herbſtes ſtehet die Sonne abermahls im Æquatore, als wel - cher die Ecliptick im Anfange der Wage durchſchneidet (§. 225 Phyſ. & §. 64. Aſtr. ), und von dar an ſteiget ſie von Tage zu Tage immer weiter herunter gegen den Tropi - cum Capicorni, wo ſie im Anfange des Winters die kleineſte Hoͤhe erreichet (§. 225), auch nimmet der Tag beſtaͤndig ab und dieNacht316Cap. IV. Von den WitterungenNacht hingegen zu, biß im Anfange des Winters der kuͤrtzſte Tag und die laͤngſte Nacht iſt (§. 51. Geogr.). Derowegen weil die Sonne vom Anfange des Herbſtes an von Tage zu Tage ſchwaͤcher ſcheinet, im Anfange des Winters aber am ſchwaͤchſten (§. 228), auch wegen der abnehmenden Ta - ge und der zunehmenden Naͤchte ſie nicht allein kuͤrtzere Zeit erwaͤrmet (§. 230), ſon - dern auch erſt wieder kommet, wenn ſie ſtarck abgekuͤhlet worden (§. cit. ); ſo muß auch die Kaͤlte von dem Herbſte an bis gegen den Winter beſtaͤudig zunehmen. Und weil die Sonne im Schuͤtzen und im Steinbocke ei - nerley Hoͤhen, und die Tage, da ſie ſich in die - ſen Zeichen verweilet, einerley Laͤnge haben; ſo ſcheinet die Sonne abermahl ein paar Monathe mit einerley Krafft fort und erwaͤr - met unſere Erde und, was darauf befindlich, gar wenig (§. 228. 230). Derowegen dauret auch die Kaͤlte in einem fort und nim - met nicht gleich wieder mercklich ab. Man hat aber in Beurtheilung der vier Jahrs - Zeiten, oder der beſtaͤndigen Witterung in denſelben nicht allein auf den Lauff der Son - ne und die daher ruͤhrende Veraͤnderung der Tages - und Nachts-Laͤnge zu ſehen; ſondern auch mit auf den vorhergehenden Zuſtand der Erde acht zu haben. Jm Anfan - ge des Fruͤhlinges iſt es ordentlicher Weiſe kaͤlter als im Anfange des Herbſtes, ob eswohl317der vier Jahrs-Zeiten. wohl geſchehen kan, daß, da wir in Som - mer der Waͤrme gewohnet, uns der Herbſt im Anfange kaͤlter vorkommt als der Fruͤh - ling, welcher auf den. Winter erfolget, da wir die Kaͤlte ausſtehen muͤſſen (§. 74.). Denn der Anfang des Fruͤhlinges folget auf den Winter, da die Erde durchgefroren und die darauf befindlichen Coͤrper ſehr erkaͤltet worden, folgends da es gute Weile haben will, ehe die erkalteten Coͤrper wieder durch - waͤrmet werden: hingegen der Anfang des Herbſtes folget auf den Sommer, da die Erde und die darauf befindlichen Coͤrper ſtarck durchwaͤrmet worden, folgends da es eine gute Weile brauchet, ehe die erwaͤrme - ten Coͤrper ihrer Waͤrme wiederum berau - bet werden (§. 76.). Und dieſes iſt die Ur - ſache warum die Waͤrme auf dem Erdbo - den nicht ſo zunimmet, wie die Krafft und Wuͤrckung der Sonne zunimmet, noch auch auf eben dieſe Art abnimmet, wie die Krafft und Wuͤrckung der Sonne abnim - met. Jch rede hier bloß von der Waͤrme und Kaͤlte, in ſo weit die Sonne in ihrer Wuͤrckung weder durch zufaͤllige Urſachen gehindert, noch auch befoͤrdert wird.
Und eben dieſes iſt die Urſache,Warumb die groͤſte Kaͤlte erſt im Hor - nung kommet. warum die Kaͤlte erſt gegen den Hornung kommet, wenn der Tag ſchon wieder zunim - met und die Sonne waͤrmer zuſcheinen be -gin -318Cap. IV. Von den Witterungenginnet, ſo daß man auch ſchon vor alten Zeiten dieſen Reim gemacht:
Nemlich den Sommer uͤber iſt die Erde durchwaͤrmet worden und muß dannenhero erſt wieder ihre Waͤrme alle ablegen, ehe die Lufft recht kalt werden kan. Denn ſo lange die Erde noch warm iſt, gehet beſtaͤn - dig Waͤrme aus der Erde in die Lufft (§. 79) und hindert dadurch die Kaͤlte (§. 116 T. II. Exper.). Nun weiſen es die Verſuche, welche Mariotte mit den Wetter-Glaͤſern in den Kellern zu Paris angeſtellet, daß die Waͤrme erſt gegen den 18 Decembr. aus der Erde gehet, als nach welcher Zeit das Wetterglaß unveraͤndert den gantzen Win - ter durch ſtehen bleibetaEſſay du chaud & du froid p. 40 & ſeqq. edit. Pariſ. . Derowegen kan es auch vor der Zeit nicht recht kalt werden. Wenn aber die Erde ihrer Waͤr - me voͤllig beraubet iſt, ſo bleibet die Lufft kalt und, da die erſten Wochen im Jenner die Sonne nicht mehr Krafft hat, als die beyden letzten Wochen im December (§. 227); ſo kan auch dieſe Zeit uͤber die Kaͤlte zunehmen. Solchergeſtalt findet ſich die groͤſte Kaͤlte gegen das Ende des Januarii oder den Anfang des Hornungs ein.
Vielleicht wird nicht einem je -Ein Zweiffel wird be - benom - men. den klar ſeyn, wenn ich ſage, die Erde habe alsdenn ihre Waͤrme, die ſie von der Son - ne den Sommer uͤber erhalten (denn hier - von und von keiner andern, die aus andern zufaͤlligen Urſachen entſtehet, iſt die Rede) gaͤntzlich verlohren, wenn das Wetterglaß im Keller nicht tieffer faͤllet. Derowegen iſt noͤthig, daß ich es in mehrere Klarheit ſe - tze. Wenn die Lufft kaͤlter wird, als ſie vorher war; ſo wird auch die obere Erde, welche ſie beruͤhret, kaͤlter (§ 76.). Und indem die obere Erde kaͤlter wird, muß auch die untere kaͤlter werden (§. cit.). Wenn nun aber die untere nicht mehr kaͤlter wird; ſo muß auch dieſelbe keine Waͤrme mehr haben, die ſie von der Sonne erhalten. Denn daß die Waͤrme welche ſie bey zuneh - mender Kaͤlte der Lufft fahren laͤſſet, von der Sonne iſt, kan man daraus ermeſſen, weil ſie dieſelbe wieder bekommet, wenn die Son - ne es beginnet waͤrmer zu machen. Man moͤchte zwar weiter ſagen, da es im Keller nicht ſo kalt iſt, wie oben in einem Orte, der nicht ſo tieff in der Erde iſt, wie eben Ma - riotte daſelbſt ausfuͤhret: ſo ſollte ja folgen, daß es auch unten im Keller kaͤlter werden muͤſte, je kaͤlter es oben wird. Allein wir wiſſen, daß die Waͤrme durch einen dicken Coͤrper nicht gantz durchdringet, auch wenn ſie ſtarck iſt (§. 129 T. II. Exper.): dero - wegen darf uns nicht befremden, daß aucheine320Cap. IV. Von den Witterungeneine gantz maͤßige Waͤrme, dergleichen in ei - nem tieffen Keller iſt, durch das dicke Erd - reich nicht durchdringen kan. Wir fin - den auch, daß einige Sachen die Waͤrme nicht durchdringen laſſen, als z. E. Fe - dern und Wolle, und darunter gehoͤret auch der Schnee, ja ſelbſt das Eis, damit die o - bere Erde uͤberfroren, oder durchfroren iſt. Und deswegen kan nicht die Waͤrme aus der unteren Erde in einer ſolchen Menge heraus fahren, daß es daſelbſt ſo kalt,Warumb im Fe - bruario der war - me⃒ Son - nenſchein die Kaͤlte nicht ver - treibet. oder doch bey nahe ſo kalt wuͤrde, wie oben.
Jm Hornunge kommet die Son - ne ſchon weit herauf, ſonderlich gegen das Mittel, und ſcheinet daher warm (§. 227. Derowegen ſehen wir auch, daß es in der Sonne thauet und der Schnee auf den Daͤchern und Feldern ſchmeltzet. Allein da die Erde gefroren und mit Schnee uͤ - berdeckt, andere Coͤrper aber, die uͤber der Erde erhaben ſtehen, ſehr kalt worden ſind; ſo koͤnnen ſie noch nicht von der Sonne mercklich erwaͤrmet werden. Die wenige Waͤrme, welche die Lufft in der Sonne bekommet, wird ihr im Schatten bald wie - der benommen, und des Nachts, die noch ziemlich lang iſt, gehet alles wieder verloh - ren, was die Sonne den Tag uͤber gewuͤr - cket. Wer ſich dieſer Wahrheiten mehr verſichern will, der darf nur mit Wetterglaͤ - ſern obſerviren und die Gelegenheit zu ſol - chen Obſervationen, als er noͤthig hat, ſu -chen,321der vier Jahrs-Zeiten. chen, der wird deſſen zur Gnuͤge uͤberfuͤhret werden. Deswegen aber geſchiehet es, daß im Schatten gleich wieder gefrieret, was in der Sonne aufgethauet, und es ſon - derlich des Nachts ſtarcken Froſt hat, uner - achtet die Mittags-Sonne Schnee ſchmel - tzet und das Eis an der oberen Flaͤche auff - thauet.
Die groͤſte Waͤrme pfleget erſtWarumb die groͤſte Hitze erſt in Hunds - Tagen kommet. in den Hunds-Tagen zu kommen, welche erſt gegen das Ende des Julii, wenn die Sonne in den Loͤwen tritt, ihren Anfang nehmen, und alſo wenn die Krafft der Son - nen ſchwaͤcher wird (§. 227). Jn den Zei - chen der Zwillinge und des Krebſes hat die Sonne faſt beſtaͤndig gleich warm geſchie - nen (§. cit. ) und ſind die Tage von einerley Laͤnge und die Naͤchte von einer Kuͤrtze ge - weſen. Derowegen ſind die Erde und die darauf befindlichen Coͤrper recht durch - waͤrmet worden. Weil demnach die Sonne im Loͤwen noch ziemlich warm ſcheinet, auch die Nacht in Anſehung des Tages noch kurtz iſt; ſo iſt kein Wunder, wenn auch eine etwas ſchwaͤchere Wuͤr - ckung der Sonnen dennoch mehr ausrichten kan als eine ſtaͤrckere im Anfange, da noch nichts durchwaͤrmet iſt. Und hieraus er - kennet man den Wahn der Sterndeuter, welche die Hitze der Hunds-Tage dem(Phyſick) XHunds -322Cap. IV. Von den WitterungenHundsſterne zugeſchrieben, der alsdenn mit der Sonne aufgehet.
Wenn die Sonne die einige Urſache aller Witterungen waͤre, ſo muͤſte auch dieſelbe ein Jahr wie das andere ſeyn: denn ſie beweget ſich ein Jahr wie das an - dere durch die Ecliptick und dieſe hat we - nigſtens in Anſehung einiger tauſend Jahre eine beſtaͤndige Lage im Himmel. Uner - achtet de Louvilleain Actis Erud. A. 1719. p. 281. & ſeqq. behauptet, daß der Winckel, unter welchem die Ecliptick den Æquatorem durchſchneidet, veraͤnderlich ſey; ſo traͤget es doch nach ſeiner eigenen Rechnung in 100 Jahren nicht mehr als ei - ne Minute aus; welches in gegenwaͤrti - gem Falle wenig zu ſagen hat, aber viel wuͤrde zu ſagen haben, wenn nach Verlauff 148000 Jahre die Ecliptick mit dem Æ - quatore zuſammen kommen ſollte. Da es nun aber in Anſehung der jetzigen Jahrs - Zeiten gleichviel iſt, als wenn die Ecliptick unveraͤnderlich waͤre; ſo iſt die Krafft der Sonne ein Jahr wie das andere und die Laͤnge der Tage gleichfalls ein Jahr wie das andere. Und demnach kan von der Sonne kein Unterſcheid in die Witterun - gen der vier Jahrs-Zeiten kommen. Gleich - wohl aber finden wir, daß ſie ein Jahr garnicht323der vier Jahrs-Zeiten. nicht wie das andere ſeyn: und daher muͤſ - ſen ſie andere Urſachen als die Sonne ha - ben.
Jch habe dieſe Urſachen ſchonWie die Duͤnſte die Wuͤr - ckung der Sonne hindern. vor vielen Jahrenain diſſertatione de hieme A. 1709. gezeiget und ſie nach dieſem mit der Erfahrung uͤbereinſtimmend gefunden. Wir wollen ſie auch hier or - dentlich uͤberlegen. Es koͤnnen oͤffters vie - le Duͤnſte in der Lufft ſeyn, ohne daß die Lufft dadurch truͤbe wird (§. 165. T. II. Ex - per.). Da ſie nun aber deſſen ungeachtet die Strahlen der Sonnen reflectiren (§. 195); ſo kommen ihrer weniger auf den Erdboden, als ſonſt herunter fallen wuͤrde. Und ſolchergeſtalt wird die Krafft der Son - ne geſchwaͤchet. Es ſtimmet dieſes mit der Erfahrung uͤberein. Homberg hat bey der Koͤniglichen Academie der Wiſſenſchaff - ten zu Paris gefundenbMemoires de l’ Acad. de Roy. des ſcienc. A. 1705. p. m. 50., daß die Brenn - glaͤſer eine geringere Wuͤrckung haben, wenn einige Tage hinter einander helles Wetter geweſen. Zu ſolcher Zeit trocknet alles aus, auch ſelbſt die Fluͤſſe und ſtehende Waſſer. Derowegen muß die Lufft mit vielen Duͤnſten erfuͤllet werden, folgends kommen weniger Strahlen herunter, als wenn ſie von den Duͤnſten gereiniget iſt. DaX 2nun324Cap. IV. Von den Witterungennun die Brennglaͤſer deſto groͤſſere Wuͤr - ckung haben, je mehr ſie Strahlen auffan - gen und deſto geringere, je weniger darauf fallen: ſo kan freylich ihre Wuͤrckung nicht ſo groß ſeyn, wenn einige Tage gutes Wet - ter geweſen, als wenn die| Lufft ſich durch ſtarcken Regen gereiniget und nun wieder heiterer Himmel hergeſtellet wird. Man darf ſich auch nicht befremden laſſen, daß gleichwohl zur ſelbigen Zeit eine ſehr groſſe Hitze iſt: denn die Hitze iſt durch die vor - hergehende Wuͤrckung der Sonne ſchon hervorgebracht worden und bleibet noch zu - ruͤcke, auch wenn die Sonne etwas ſchwaͤ - cher ſcheinet (§. 227). Darnach muß man auch erwegen, daß wir nicht die Hitze nach unſeren Sinnen, oder unſerer Empfindung beurtheilen muͤſſen, welche uns gar ſehr be - truͤgen koͤnnen (§. 74.), am allermeiſten aber in gegenwaͤrtigem Falle.
Noch mehr als die Duͤnſte ver - moͤgen die Wolcken, damit der Himmel uͤ - berzoͤgen wird, abſonderlich die dicken, die gantz ſchwartz ausſehen, wenn ſie vor |der Sonne ſtehen - Denn daß die Wolcken, ſonderlich die dicken, das Licht der Sonne haͤuffig zuruͤcke werffen, ſiehet man nicht allein aus den Wolcken, die nach dem Un - tergange der Sonne, wenn es ſchon dunckel wird, in der Hoͤhe erleuchtet werden, als welche faſt wie das neue Licht des Mondsdie325der vier Jahrs-Zeiten. die Coͤrper auf dem Erdboden erleuchten, ingleichen aus den Wolcken, die bey Tage gegen der Sonne uͤber ſtehen und wegen der ſtarcken Reflexion ſehr helle und weiß ausſehen; ſondern man kan es am allerdeut - lichſten wahrnehmen, wenn im Sommer bey recht hellem Wetter, ſonderlich da die Sonne noch hoch im Himmel ſtehet, der Himmel auf einmahl mit dicken Wolcken uͤberzogen wird. Denn es wird ſo finſter, daß man faſt nicht mehr ſehen kan, biß end - lich das Auge ſich in den Stand einrich - tet, wie es das ſchwache Licht erfordert, (§. 38 Opt.). Wenn ſich das Licht ploͤtzlich aͤndert, ſo koͤnnen wir den Unterſcheid mercken, welches ſonſt nicht angehet, da wir gleich fruͤhe, indem wir aufſtehen, es truͤbe und dunckel finden, oder auch wenn die Wolcken nach und nach den Himmel verdunckeln. Weil demnach die Wolcken das Licht der Sonne ſo gar ſehr vermin - dern koͤnnen; ſo muͤſſen ſie ja einen gar an - ſehnlichen Theil der Sonnen-Strahlen zuruͤcke halten, daß er nicht herunter kom - men kan. Je weniger aber Strahlen der Sonne herunter kommen, je weniger kan auch die Sonne erwaͤrmen (§. 228). Es iſt aber abſonderlich wohl zumercken, daß hauptſaͤchlich der Sonnen-Schein erwaͤr - met. Denn wenn wir mit den Brenn - glaͤſern und Brennſpiegeln was zu StandeX 3brin -326Cap. IV. Von den Witterungenbringen wollen; ſo muͤſſen wir den Schein der Sonne auffangen, das Tage-Licht, ob es gleich auch von der Sonne herkommet, iſt dazu nicht geſchickt. Woraus man ſiehet, daß das Licht, welches gerade von der Sonne herunter faͤllet, gar ungemein ſtaͤrcker iſt, als was erſt durch die Reflexion von einem andern Coͤrper zu uns kommet. Derowegen da die Wolcken den Sonnen - ſchein gantz benehmen und nichts merckli - ches davon auf den Erdboden herunter laſ - ſen, ſo wird auch durch ſie die Erwaͤrmung unſerer Erde und der darauf befindlichen Coͤrper gar mercklich gehindert.
Wir haben ſchon angefuͤhret (§ 239) und ſehen es im Sommer gar offt, daß dicke Wolcken, welche der Sonne ge - gen uͤber ſtehen, ihr Licht haͤuffig reflectiren und davon gantz weiß ausſehen. Da nun dadurch viel Sonnen-Strahlen herunter kommen, die ſonſt wegbleiben wuͤrden; ſo ſcheinet es als wenn auch dadurch die Wuͤr - ckung der Sonne verſtaͤrcket wuͤrde (§. 227). Jedoch da wir erſt vernommen, daß das re - flectirte Licht der Sonne nicht die Krafft hat, welche das jenige aͤuſſert, ſo gerade her - unter faͤllet (§. 239); ſo koͤnte man zweiffeln, ob auch etwas davon zu hoffen ſey. Allein es zeigen die Brennſpiegel, daß ein Unter - terſcheid zu machen ſey, unter dem Scheine der Sonne, der reflectiret wird, und unterdem327der vier Jahrs-Zeiten. dem Lichte was den Coͤrper vorſtellet, davon es reflectiret wird (§. 136. 150. T. II. Exp.). Das letztere iſt ſchwach; das andere blei - bet ſtarck. Die Wolcke in der Hoͤhe beſte - hen aus gefrornen Duͤnſten, das Eis aber aͤndert nicht durch ſeine Reflexion und Re - fraction den Sonnenſchein (§. 140 T. II. Ex - per. ), und daher kan auch dieſes Licht noch eine merckliche Krafft haben. Es iſt eben ſo viel, als wenn es von einem Spiegel zu - ruͤcke geworffen wuͤrde. Wenn demnach die Sonne warm ſcheinet und die Wolcken ſich nicht ſchnelle bewegen, ſondern faſt wie unbeweglich eine gute Zeit auf einer Stelle ſtehen bleiben, auch gleich andere wieder in ihre Stelle ruͤcken, wie ſie unvermerckt weg - ſchleichen; ſo darf man wohl kein Beden - cken tragen, daß nicht dadurch die Krafft der Sonne an den Orten ſollte verſtaͤrckt wer - den, wo das Licht hin reflectiret wird.
Die Duͤnſte, welche aus derDaß der Regen die Erde und Lufft abkuͤhlet. oberen Lufft ſich in die untere ſencken, kuͤh - len ſie ab und ſind kaͤlter als die Lufft, bey dem Aufgange der Sonne (§. 64. T. II. Exper.). Die Urſache faͤllet auch nicht ſchweer zuerrathen. Man hat vor uhral - ten Zeiten angemercket, daß es in der Hoͤhe viel kaͤlter iſt als in der Tieffe, als z. E. auf Gebuͤrgen kaͤlter als in Thaͤlern, ſo daß auch ſchon AriſtotelesaMeteorolog. lib. 2. c. 3. p. m. 732. den Grund davon ge -X 4ſuchet.328Cap. IV. Von den Witterungenſuchet. Derowegen muͤſſen auch die Duͤn - ſte in der oberen Lufft kaͤlter ſeyn als in der unteren. Der Regen entſtehet aus den Duͤnſten, die ſich in Wolcken zuſammen gezogen, wie jedermann aus der Erfahrung bekandt und wir nach dieſem an ſeinem Or - te weiter erklaͤren werden. Derowegen muß auch er kaͤlter ſeyn als die untere Lufft und noch kaͤlter als andere Coͤrper, welche von der Sonne die Zeit uͤber, da es helle ge - weſen, erwaͤrmet worden. Wenn demnach der Regen auf die Erde faͤllet und zugleich andere Coͤrper auf dem Erdboden befeuchtet, ſo benimmet er ihr und ihnen einen Theil der Waͤrme (§. 79.), ſolchergeſtalt wird die Erde nebſt denen darauf befindlichen Coͤrpern abgekuͤhlet. Allein eben was wir vorhin von der Abkuͤhlung der Lufft durch die Duͤnſte angefuͤhret, bekraͤfftiget zugleich, daß auch der