PRIMS Full-text transcription (HTML)
WÜLFER Jnotuit Vultus non linea Mentis ſculni: nec, MAGNUM pagina PARVA: capit. Ara æterna meret: Famam ninxere LJBELLJ; Scrintorem FATJ Fata nerire vctant. Sign. officios a manus et mens Sigismundi à Birken, dicti Betulij, S Cæſ. Maj. Com. Pal. Nob. et P. L.
[figure]
Das vertheidigte Gottes-geſchick / und vernichtete Heyden-Gluͤck.
Das iſt: Gruͤndlicher Unterꝛicht / von der Goͤttlichen Vorſeh - und Regie - rung / in dem Menſchlichen Gluͤckweſen
Mit ſchoͤnen Sinnbildern / Poetereyen und Liedern gezieret / auch mit dienlichen Anmerkungen vermehret.
Nürnberg/ Gedruckt durchChriſtoff Gerhardund zufinden bey Paulus Fuͤrſten Kunſthaͤndlern daſelbſt. AnnoM D c. LVI.

Erklaͤrung Des Titel-Kupfferbilds.

WAs iſt das Gluͤck? ein Goͤtz / den man zur Goͤttinn machte
im Heidenthum / und ihm Altar und Dienſt erdachte.
Was dann was iſt das Gluͤck / das noch zur Zeit ein Chriſt
offt in dem Munde fuͤhrt? Hier lerne / was es iſt!
Diß Buch / das Gluͤcke dich im Himmel ſuchen lehret;
Diß Buch / der Donner iſt / der dieſes Bild zerſtoͤret /
wie dorten Daniel den Bel zu Babylon.
Was Dichter-Haͤnd erdacht / dem ſinget auch der Thon
des Dichters hier zu Grab. Laß deine Augen ſehen
auf GOttes Aug und Hand / ſo alles heiſt geſchehen.
Liſ / lern / und troͤſte dich / und ehre das Geſchick;
und dieſem / der dich lehrt / wuͤnſch lauter Stern und Gluͤck.
Über

Über beygefuͤgtes Bildnis deß Herꝛn Verfaſſers.

SO ſiht Herꝛ Wuͤlffer aus: Kein Pinſel bildt die Sinnen;
ſo groſſe Sachen faſſt nit ſo ein kleines Blat.
Er iſt ſein Mahler ſelbſt: und / wie er ſiht von innen /
Diß ſeine Feder uns vorlangſt gewie - ſen hat.
Jn Bůcher hat er ſich / in ewigs Ertz / geſchrieben:
Den / der ſo ſchreibt von Gluͤck / muß Gluͤck und Ehre lieben.
Sein Lob Jhn uͤberlebt / ſtaͤts von ihm reden wird:
Wir mahlen / den einmal die Welt mit Nach-Ruhm ziert.

S. v. B.

) * (ijDem

Dem Hochgebohrnen Grafen und Herꝛn / Herꝛn Joachim Ernſten / Grafen zu Öttingen / ꝛc. Meinem gnaͤdigen Grafen und Herꝛn.

Wie auch / Der Durchleuchtigen Hochgebornen Fuͤrſtinn und Frauen / Frauen Anna Sophia / Gebohrnen Pfaltzgraͤfinn bey Rhein / Hertzoginn in Bayrn / zu Guͤlich / Cleve und Berg / ꝛc. Vermaͤhlten Graͤfinn zu Ottingen / ꝛc. Meiner gnaͤdigen Fuͤrſtinn und Frauen.

Hochgebohrner Graf / Gnaͤdiger Graf und Herꝛ. Durchleuchtige Hochgebohrne Fuͤrſtinn / Gnaͤdige Fuͤrſtinn und Frau.

U Nter vielen ſchoͤnen Lehrſpruͤchen und Er - innerungẽ / welche uns von den weiſen Heyden hinterlaſ - ſen wordẽ / iſt der baͤſten und Lehr - reichſten eine / was der Edle Raht in Griechenland / die Amphyctio - nen genennt / uͤber die Thuͤr deß Tempels ihres vermeynten Got - tes Apollo / mit guͤldnen Buch - ſtaben ſchreiben laſſen / dieſes Lauts und Jnhalts:

ΓΝΩΘΙ.ΓΝΩΘΙ ΣΕΑΥΤΟΝ. ()

Jm Teutſchen moͤcht es ungefaͤhr heißen:

Lerne dich ſelbſt kennen! ()

Und dieſe Eriñerung / (ſchreibet auch ein Heyd / der Poet Juvena - lis) iſt nirgend anders woher / als vom Himmel kommen. * De cœlo deſcendit γνῶϑι σεαυτὸν, 4. Sat. 10. . 29. Dan - nenhero Thales / einer von den ſie - ben Griechiſchen Weiſen / gefragt / was das ſchwerſte uñ was das leichteſte waͤre / wahr und wohl geantwortet: Das leichteſte ſey / einen andern meiſtern; Das ſchwerſte aber / ſich ſelbſt keñen. Die Urſach iſt / (welche Chilon / ein andrer weiſer Grieche / hinzu ſetzet) daß man / aus einer blinden Selbſt-Liebe / ihme ſelber jm̃er ein mehrers zuſchreibet / als ihme zu -) * (iiijſtehet.ſtehet. Der dapfre Held / Kaͤiſer Heinrich der Vierte / erwaͤhlte auf gleichen Schlag / dieſes zu ſeinem Symbolo oder Gedenk - Spruch: Multi multa ſciunt, ſe - ipſum nemo, d. i. Viele wiſſen zwar offt vieles: aber ſich ſelbſt will niemand wiſſen oder kennen.

Wie viel / ſonderlich uns Chri - ſten an dieſem Selbſt-Erkenntniß gelegen ſey / iſt (kuͤrtzlich davon zu reden) allein daraus abzuneh - men / wañ man bedenket / daß ein Chriſt voꝛnehmlich auf dreyerley zu ſehen habe in ſeinem gantzen Le - ben: als nemlich I. auf Gott / deſſen Geſchoͤpffe und Gefaͤß er auf Erden iſt; II. auf ſich ſelbſt / wie er / ſo viel menſchlicher Elend -ſtandſtand leidet / Leib und Gemuͤhte in Ruhe ſetze; III. auf den Naͤch - ſten und Neben-Chriſten / mit demſelben ſchied-fried - und bruͤ - derlich zuleben.

Das Erſte belangend: Weil die Vernunft uͤberal mit dem Kopf durch / odeꝛ oben aus und nirgend an will / und alſo der Menſch zu Zeiten ſich ſo gar vergiſſt / daß er GOtt die Urſachen ſeiner Werke abzufragen / zu gruͤblen / und ſei - ne Weißheit zu meiſtern beginnet und erkuͤhnet; als dienet hierwi - der / wann er auch uͤber die Thuͤr ſeiner Gedaͤchtniß ſchreibet: Nosce Teipsum, Lerne dich ſelbſt kennen! Lerne erkennen / daß du ein Menſch / uñ nicht Gott; ein Tohn und Topf / und nicht der Schoͤpffeꝛ und Toͤpffer ſeyeſt. Leꝛ -) * (vnene auch alſo das jenige gehorſam - lich ſeyn / was dein GOTT und Schoͤpfer will das du ſeyn ſolleſt.

Vor das andre: So kan ein Menſch auch ſein Gemuͤte uñ ſich ſelbſt / nicht baͤſſer in Ruhe ſetzen / als durch Erkeñtniß ſein ſelbſten / und deſſen / was ihn unruhig ma - chet. Solches / iſt die Unvergnuͤg - liichkeit / die ihm einbildet / er ſey viel eines baͤſſern Gluͤcks wehrt: Weil er aber ſolches allein ver - langen: aber nicht erlangen kan / ſo wird dadurch ſein Gemuͤte be - truͤbt und unruhig. Solcher Un - ruhe nun zuſteuren und abzukom - men / iſt kein baͤſſer Mittel / als ſich ſelbſt und ſeine Kraͤfften eꝛkennen / von Sachen / die nicht zu aͤndern oder zu endẽ / abſtehen / und beden - ken / daß man viel zu ſchwach / et -waswas dergleichen zu werden oder zu vollbringen. Wo dieſe Erkaͤñt - niß einziehet / da ziehet aus die Un - zufriedenheit / und folgbar auch die Gemuͤts beunruhigung. Alſo kan man mitten in der Ungnuͤg - lichkeit / vergnuͤgt leben.

Drittens: So pfleget aus dem / wañ man ſich unvergnuͤgt / andre aber begluͤckt / ſihet / ein Neid; aus dieſem / Haß und Feindſchafft / uñ alſo Unvertraͤglichkeit mit dem Naͤchſten / zu entſtehen.

Dieſem kan nun widerum nit baͤſſer gewehret werdẽ / als durch die Kunſt der Selbſt-Erkaͤñtniß. Dann / welcher ſich ſelbſt recht kennet / der erkennet auch ſein Un - vermõgen und des Naͤchſten Ver - moͤglichkeit / und lernet ohne Neid und Widerwillen ſeyn und eines) * (vjan -andern Gluͤcke / gegen ſeinen und eines andern Verdienſten und Kraͤfften / abwaͤgen.

Weiln aber gleichwol offt ge - ſchihet / daß auch Untuͤchtige her - vor - und empor kommen / tuͤchti - gere aber ligen bleiben; daß die Boßheit ſteiget / die Froͤmmkeit aber faͤllet; daß Tugend gedruckt / Untugend aber gefoͤrdert wird; daß endlich manch unverhoffter Gluͤcksfall den Unwuͤrdigẽ trifft / den Wuͤrdigern abeꝛ voꝛbey gehet: Als pfleget in ſolchen Faͤllen das Noſce teipſum ſchwer zu fallen / und kan ſich Fleiſch und Blut nit wol darein finden.

Habe derohalben Jch dieſes voꝛ eine noͤtige und nutzliche Matery erachtet / Feder und Gedanken damit zu ſchaͤrfen / und zu ver -ſuchen /ſuchen / ob auch deꝛgleichen Gruͤn - de aufzubringen / womit ein Chri - ſtenhertz in unſtraͤflicher Veꝛhaͤlt - niß gegen GOtt / in ſelbſt-eigner Gemuͤts-Ruhe / und in Vertraͤg - lichkeit gegẽ dem Naͤchſten / moͤch - te geſteiffet und befaͤſtet werden. Welche meine Gedanken / nach dem ich ſie mit Gott gluͤcklich zu Papieꝛ gebracht / habe ich voꝛ eine Chriſtliche Schuldigkeit erachtet / ſolche meine wolgemeynte Arbeit mit meinem Naͤchſten zu teihlen und ihn alſo verhoffentlich erbau - en zu helffen.

Weiln aber dieſes Buͤchlein / bevor es in die tadelſuͤchtige itzige Weltlufft ausfloͤge / mich gleich - ſam / daß ich es dem Schirm hoheꝛ Schutzfluͤgel untergeben moͤchte / anflehete; Weilen auch GnaͤdigeꝛGrafGraf und Herꝛ / E. Hoch-Gr. G. meine zu dieſer Arbeit anfangs et - was ſchwache Feder mit deꝛo Gn. Wolgefaͤlligkeit maͤchtig geſtaͤr - ket / und dero gnaͤdigs Veꝛlangen / dieſes Gluͤckwerkleins durch off - entlichen Druck bald theilhafft zu weꝛden / mit Worten vielfaͤltig be - zeuget; Weiln uͤber das E. Hoch - Gr. Gn. an dero Hoch-Gr. Per - ſon / miꝛ ein hohes Gluͤck-Beyſpiel zu dieſeꝛ Lehꝛ Schrifft geſteuret / da einsmals Pulver und Bley / Blitz und Stral / Dampf und Rauch / ſonſten Pfeile des gewiſſen Todes / des Lebens / welches vom Gluͤcke uñ Geſchicke / wunder - und ſondeꝛ - bar geſchutzet wuꝛde / verfehlen uñ ſchonen muſten; Weiln letzlich E. Hoch Gr. Gn. beywohnend-ho - her Verſtand / in mehrmahligemgluͤcks -gluͤckshafftem Genuß dero Gnaͤ. Anſprache / mit tieffſinnigẽ ſchwe - ren Zweiffel fragen / deren Aufloͤ - ſung meiner hierzu allbereit ange - ſetzten Feder auftragend / daduꝛch ſelbige mich und andere hierinn zu belehren und des baͤſſern zu unter - richten / gnaͤdig veranlaſſet: Als habe ich vor meine gehorſame Schuldigkeit eꝛachtet / die Fluͤſſe in das Meeꝛ / daraus ſie gefloſſen / wi - deꝛum zuſchickẽ / und E. Hoch Gr. Gn. diß geringe Werklein / zu gnaͤdigem Schutze / untertaͤhnig zu untergeben / mich ſelber theuer verſicherend / daß / wofern es ſo gluͤckſeelig iſt / ſich E. Hoch Graͤfl. Gn. hochverſtaͤndigem Uꝛtheil ge - faͤllig zu machen / es alsdañ auch der gantzen Chriſtenheit gefallen werde.

Fer -

Ferner ſo habe / Gnaͤdige Fuͤr - ſtinn und Frau / E. F. Gn. diß Buͤchlein zugleich mit unterthaͤ - nig zuwidmen / ich nicht umgehen ſollẽ / ſo wohl / weiln / da E. F. Gn. mit dero Hertz-hochgeliebtẽ Herꝛn und Gemahl / duꝛch das Goͤttliche Band der Vermaͤhlung verei - nigt / mir obligen wollen / ſolche Einbarkeit / in Ubergabe dieſer meiner ſchlechten Gabe / unge - zweyet und unzerteihlet zu laſſen; ſo wohl auch / weiln / in dem E. F. Gn. an dero Hochgebornen Gr. Jungen Herꝛſchafft in dieſer gruͤn-bluͤhenden Jugend / das fruͤzeitig-reiffe Alter einer hohen Wohlartigkeit / zu ſehen ſo gluͤck - ſeelig iſt / dieſelbe dieſem meinem Buche auch ein hochſchaͤtzbares Beyſpiel abgeben kan.

Wie

Wie nun dieſe Blaͤtter vom Gluͤcke reden / als geruhen E. Hoch-Graͤfl. Gn. und E. F. Gn. ſie in gnaden ſo gluͤckſeelig zuma - chen / daß ſie mir und Jhnen das Gluͤck dero gnaͤdigen Wolgefaͤl - ligkeit und Schutzſchiꝛmung moͤ - gen ſelbſt geweiſſagt haben. Jn deſſen unterthaͤniger Zuverſicht / E. Hoch-Graͤfl. Gn. und E. F. G. ich hiemit / noch zu dem neu-angetrettenen Jahr / dieſen treuen Wunſch uͤbergebe / daß die - ſelbe / ſamt dero ſaͤmtl. Hoch-Gr. Jungen Herꝛſchafft / alles das gu - te Gluͤck / welches hierinnen die Feder beſchrieben / im hoͤchſten Grad tauſendfaͤltig eꝛfahren und verſpuͤren / und ein ſtaͤtiges Bey - ſpiel deß unveraͤnderlichen Gluͤ -ckesckes uñ Gnadwaltenden Gottes - Geſchickes / viel liebe lange Jahre ſeyn und bleiben moͤgen: Zu dero Hoch Graͤfl. und Fuͤrſtl. Gnaden mich ferner gehorſamſt empfeh - lend / ꝛc.

Nuͤrnberg den 1. Febr. 1656. E. Hoch-Graͤfl. und Fuͤrſtl. Gn. Gn. Unterthaͤnigſter Diener Daniel Wuͤlffer.

Honori

I. Honori Excellentiſſimi Dn. AUTORIS, Fratris in Christo, Et Amici Plurimum Honorandi.

EThnica de Fato volitantia ſomnia, abeſte,
Homines Deumq; non ligabitis amplius!
WÜLFFERUS penetrante armatus acinace Verbi
Durum catenæ ſtoicæ robur ſecat.
Digna Deoq; magis nec non mortalibus affert
Mentem liquore fontis Iſrael madens.
Docte liber, tu nunc WÜLFFERI nomine notus
Virûm per ora inambulare discupis;
Nec
Nec te pœniteat; tamen hoc ſi nomen abeſſet,
Pietate ab ipsâ conditus dici queas.

l. mꝙ. ſcripſi. GERHARDVS TITIVS. S. Theol. D. & Prof. Ordin. Acad. Juliæ h. t. Pro - Rector.

II. Reverendo admodum & Clarisſimo Viro, Domino M. Danieli Wülffero, Amico veteri & certo, S. & O.

FOrtuna & Fatum, quantas, fera nu -
mina, Mundo
Multorũ offundunt pectoribus tenebras?
Non Deus eſt,*Pſal. xiv. 1. male-ſanus ait; non pro -
vida cœli
Cura ſolũ tangit, fors vaga cuncta rotat.
Ferrea vis, ait alter, & in ſuperabile fatum
Sursũ horſum raptans evehit, imminuit.
O vanas
O vanas ſecli curas, ô ſomnia vana!
Mens tua, homo! ſpisſis quàm jacet in tenebris!
(etasꝙ́
Hinc metus immanis, querulus dolor, anxi -
Hinc odium, ira, & edax livor, & omne malum.
Has, Wülffere, DEI præco vene - rande, tenebras,
Fulgida, quæ vulgas, grammata dis - cutiunt.
Lumen Scripturæ præfers, erroris id exors,
Regiâ & in media præcipit ire viâ.
Conſiliũ Jovæ prudens benè cuncta gubernat,
*Sap. xi, 22. Menſurâ is, numerô, pondere, cuncta facit.
Sincerô ſummũ affectu qui Numẽ adorant,
In verum his cedunt, cuncta τυχόντα, bonum.
Si bona, munificum laudantꝙ́ coluntqúe Datorem.
Sin mala, ſpe dites, mente decente ferunt.
Spe dites, inquam, quæ non confundit, & olim
Ἂῤῥητα cœlorum præmia conſequitur.
Fuſiùs
Fuſiùs hæc, Lector cordate, & clariús, iſt hic
Te liber, eximiô pondere & arte, docet.
Autori mecum grates age, ſupplice Jovam
Voto, vt eum ſervet, ritè precare,
Vale.

Affectus benevoli teſſeram hanc ponere volui Salomon Glaſſius, D. Gotæ, d. 3. Jan. A. 1656.

III.

CUjus hic eſt variè doctus ſcitusqúe libellus?
An, WÜLFFERE, tuus, quem Vitæ Verba docentem
Noricaberga colit, quem publica ſcripta celebrant?
Usq; adeóne Tibi ſunt curæ Fata Deusq;?
Euge, Bonum Factum! Fatum Tibi præmia reddat!
Provida Cura DEI, quæ Verbo cuncta potenti
Portat, TE ſervet, tueatur, ſospitet! Omnes
Adplau -
Adplaudunt Muſæ, Charites Bona Verba precantur,
Et Tibi pro meritis annos Eccleſia multos
Optat. Perge igitur (quid enim, Wülf - fere moraris?)
Perge Tuas Sanctas de Fato prodere curas.
Sic erit in Fatis, ut ſis poſt Fata ſuperſtes.

Adm. Rever. Dn. Autori gratulari paucis hiſce voluit in Acad. Julia. Joachimus Hildebrandus, S S. Theol. D. & Ordin. Prof.

IV.

WJR ſind es wohl gewohnt / wir hier am Teutſchen Meer /
Daß uns Herꝛn Wuͤlffers Hand ſchickt etwas Liebes her /
Die Geiſt und Feuer ſchreibt und unge - meine Sachen /
Die unſre Sinnen kan gen Himmel flie - gend machen.
Sein
Sein Foͤnix flog zu uns: (er iſt vns lieb geweſt /
Er bleibt vns ewig lieb / die Hertzen ſind ſein Neſt.)
Wie unſer JESUS ſich mit ſeinen Jüngern letzet /
Das ſchoͤne Buch / hat uns vielmehr als Gold ergetzet:
(mir /
Vor allen aber Mich; es ſcheidet nie von
Es machet mich nie ſatt / mich hungert fuͤr und fuͤr /
Jch laſ und liſ es offt. Jetzt reitzet mein Verlangen
Ein neues Buch / das man zu drucken an - gefangen /
Vom Gluͤck und vom Geſchick. Wann kommt die ſuͤſſe Koſt?
So frag ich Tag fuͤr Tag / hinſchickend auf die Poſt /
Ob es mir ſey geſchickt? Nun / endlich wird es kommen.
Es wird willkom̃en ſeyn. Und daß die Zahl der Frommen
(Zeit /
Auf Erd vermehret werd / in dieſer boͤſen
Da wenig Chriſtenthum wohnt in der Chriſtenheit:
So
So wuͤnſch ich daß noch lang Herꝛ Wůlf - fer moͤge leben /
Und daß noch manches Buch Er moͤg zu leſen geben.

Joachimus Pipenburg / Raths - und Gerichts Herꝛ in Luͤneburg.

V. Uber Das fuͤrtreffliche Buch / Von der Fuͤrſehung GOttes / heraus gegeben / von Dem Wol Ehrwuͤrdigen / Großacht - bahren und Hochgelehrten Herꝛen Daniel Wuͤlffern / Treufleiſſigen und Wolverdienten Seelenhirten in der Kaiſerlichen / Freien Reichsſtatt Nürnberg / u. ſ. v.

KAn ein Menſch in dieſem Leben
Ohne Neid und Streit wol ſeyn?
) * () * (Kan
Kan er wol in Freuden ſchweben
Stets begnügt? Jch ſage / Nein:
Einer faͤllt / der Ander ſtehet /
Einer weint / der Ander lacht /
Einer ſchlaͤfft / der Ander wacht /
Einer pocht / der Ander flehet.
2.
Wenn das Gluͤck mich hat erhoben
Und vergroͤſſert meinen Stand /
Faͤht der Neidhardt an zu toben /
Schmaͤhet mich mit Mund und Hand:
Siehet er mich aber ſinken;
Ey / ſo lachet ihm ſein Hertz /
Mein Eꝛhebung war ſein ſchmeꝛtz /
Und mein Gluͤck / ſein Galle-trincken.
3.
Manchen muß es zwar betruͤben /
Wenn er ſpuͤhret / daß ein Mann /
Der nur eitles Thun veruͤben /
Nirgend ſonſt-zu nützen kan /
Wird
Wird ſo trefflich hoch geſetzet /
daß er kaum ſich ſelber kennt /
Daß er Laſter Tugend nennt
Und nur Geld fuͤr alles ſchaͤtzet.
4.
Ey / was hilffts noch viel ſtudiren?
(So klagt oft ein edler Sinn /)
Geld / und Kraͤfft und Zeit verlieren
Bleibt uns letzlich zum Gewinn:
Ja / was nuͤtzen uns die Gaben /
Hoͤflich / klug und tapfer ſeyn /
Weil die Narren ins gemein
Groͤſſer Glůck als Ander haben.
5.
Rennen / lauffen / ſchreiben / dichten /
Bitten / ſchenken / Dienſthaft ſtehn /
Kan in Wahrheit nichts außrichten /
Wil das Gluͤck nicht mit uns gehn;
Laſſet auch den Kluͤgſten machen
) * () * (ijWie /
Wie / wenn / wo / ja was er will;
Haͤlt das Gluͤck ihm nicht fein ſtill /
Muß man ſeines Tuhns nur lachẽ.
6.
Aber / diß ſind Weltgedanken
Von den Heiden außgeheckt /
Die ſich in deß Gluͤckes Schranken
Gar zu Kindiſch oft verſteckt /
Alles iſt von Gott verſehen
Gutes / Boͤſes / Groß und Klein /
Freud und Leid muß ins gemein
Seinem Willen nach / geſchehen.
7.
Neidet dich ein ſchlechter Prahler /
Steiget oft ein Geck empor /
Welches Stafflen ſind nur Tahler;
Kom̃t ein Heuchler in den Flor?
Lieber / laß dich das nicht irren /
Weil das Gluͤck / das nur iſt blind
Wie man glaubet / gar geſchwind
Alle Wolfahrt kan verwirꝛen.
Gott
8.
Gott der ſorgt doch fuͤr die Seinen /
Gibt was ihnen nuͤtzlich iſt /
Laͤſſet nach dem Regen ſcheinen
Sonn und Liecht in ſchneller friſt /
Angſt und Truͤbſahl kan er wenden /
Kom̃t ſie doch nicht ungefehr /
Sondern von dem Hoͤchſten her /
Alles ſteht in ſeinen Haͤnden!
9.
Solches aber recht zu wiſſen /
Als ein Chriſt der billich ſol /
Lieber Leſer ſey gefliſſen
Dieſes zu betrachten wol /
Was Herꝛ Wuͤlffer hie ge - ſchrieben /
Wuͤlffer der berühmte Mann /
Deſſen Kunſt verſchaffen kan /
Daß gantz Teutſchland Jhn muß lieben.
) * () * (iijDiß
10.
Diß ſein Buch iſt wehrt zu leſen /
Denn es lehrt uns trefflich fein /
Was deß Gluͤckes Tuhn und Weſen
Muͤſſ hier einem Chriſten ſein /
Wie man ſuchen ſoll dort oben
Huͤlff und Raht in aller Noht:
Nun man wird / wann du gleich todt /
Dich / Mein Wuͤlffer / ewig loben.

Aus teutſchem / Treumeinendem Hertzen aufgeſetzet / und ſeinem Hochwehrten Bruder in Chriſto / uͤberſendet / von Johann Riſten / zwantzig - Jaͤhrigen Prediger des heiligen / Goͤttlichen Wortes zu Wedel an der Elbe / dero Roͤmiſchen / Kaiſerlichen Majeſtaͤt Pfaltz - und Hof-Grafen / auch von deroſelben Kaiſerlichen Hofe aus / Edelgekroͤhnten Poeten.

Dn. Dani -

VI. Dn. Danieli Wülffero, Viro Muneris venerandâ dignitate, ſoliditate doctrinarum, ac dotium præcellentiâ ante alios eminenti, De FATO μελέτημα accuratè publicanti, M. Christianus Betulius P. S. P.

IPſa provida Fata jusſisſe reor, Vir Excellentisſime, ut circa efformandum, inq́; lucem edendum de Fato fœtum impenſiorem cu - ram impiger ſusciperes. In magno argu - mento non niſi Ingenia magna & ϑαῤῥα - λέως ἔχοντα fas eſt occupari, ſi ad rem communem aliquid accedere debet aug - menti. Quare publicis uſibus de exaſci - ato Tuo & ſolido Opuſculo conceptis verbis gratulor, & Chriſtianorum utiliter! ingenuè acclamo. Solidum jure merito appello. Quid enim, niſi ſolidum, â Te tali Viro ſperetur, quem tum Divina, tum) * () * (4huma -humana, tum liberaliore Literatura ex - cultisſimũ, acumine inſuper & ἀκριβείας promtitudine pollentisſimũ omnes cen - ſent, quicunque amoto livore, πρὸς ἀλή - ϑειαν calculum ponunt: â tali, inquam, Viro, qui, omisſis nugamentis ἀπρος - διονύσοις καὶ ἀλλοτρίοις, ipſisſimam rem pertractat, & ἀκρότητα τὰ κύμβαλα tota mente abhorret. Accedit ſolertisſimus ille rerum uſus crebrior, quo, adhuc ju - nioribus annis, varias & violentas ſortis vices (Fati tamen benignitate maſculè ſuperatas) plus ſatis perdidiciſti. Namq; τὸ ἔργον ἂνδρα διδάσκει. Feliciùs verò docet, quem priùs ipſa exercitatio edo - cendo Magiſtrũ effecit. Cæterùm, Oden quandam ſacram Fatiloquio Tuo me an - nectere jubes. Sed quid? Visne, lacerum pannum regiæ purpuræ adſuam? Sanè ve - rendum, ne, inverſo adagio, mihi occi - natur: ου᾽δὲν ἔπος πρὸς τὸ χρῆμα. Verùm, malo hunc metum poſthabere, quàm nu - tui Tuo obſervando non obſequi. Eum n. Te plenis buccis deprædico, quem, jam annos plusculos, Amicum, Fautorẽ,Præcep -Præceptoremq́; optimum & conſtantem abundè perſenſi. Servent Te Fata, ex - oſculandum Pectus, & me Tecum! ſi non alio, hoc ſaltem nomine, quô levidenſi aliquando ſpecimine palam faciam, quan - tis officiis Candori, Patrocinio & Meri - tis Tuis æternùm obſtringar. Ita vale, Vir non niſi inter magnos accenſende, & dotes Tuas præſignes in publica emo - lumenta, faventibus Fatis & μετα τοῦ ὑπερή - δεοϑαι, quám diutisſimè alacris impende!

Scribebam Öttingæ, d. 16. Sept. A. 1655.

Willige Ergebung Jn Gottes vaͤtterliche Vorſorge. Jn der Melodey: Friſch auf / mein Herz / verzage nicht / ꝛc.

1.
DU feiges Herz / was zageſt du /
und kraͤnkeſt deine Sinnen?
Gott ſelber goͤnnet dir die Ruh:
Du wilſt ſie dir misgoͤnnen.
) * () * (vWann
Wann / nach Begehr /
es nicht geht her /
was darfſt du dich drum graͤmen?
Gott lebet doch /
das glaub ich noch!
Der mag es auf ſich nehmen.
2.
Dort oben ſitzt der groſſe Mann /
Der dieſes Rund regieret;
Der alle Ding vermag und kan /
und wunderthaͤtig fuͤhret.
Mit vorbedacht /
die Gottesmacht
verwaltet alle Sachen.
Gott herꝛſchet doch /
das glaub ich noch /
und laß ihn weißlich machen.
3.
Wie / wann / und wo / und was er heiſt /
ſo / dann / das muß geſchehen;
was er von dir und mir beſchleußt /
das ſol und wird beſtehen.
Raht / Witz und Kunſt
iſt ganz umſonſt /
laͤſt
laͤſt Gott es nicht gerahten.
Gott fůhrt mich doch /
das glaub ich noch /
in allen meinen Thaten.
4.
Die Gaben ſeine Vatters Guͤt
uns austheilt / nach Gefallen /
und mit gemeßnem Unterſchied;
er ſchenckt nicht Alles Allen.
Dort gibt er viel:
Hier ſezt er Ziel /
und haͤlt die Maß im geben.
Gott gibet doch /
das glaub ich noch /
die Nohtdurft meinem Leben.
5.
Dem reicht er Reichthum; jenem nicht /
er kan ſich kaum ernehren:
Der iſt gelehrt; Dem Wiz gebricht:
Der nidrig; Der in Ehren.
So iſts beſtellt /
ſo wird die Welt /
durch Ordnung / feſt erhalten.
) * () * (vjGott
Gott hauſet doch /
das glaub ich noch /
und laß ihn jmmer walten.
6.
Hier naͤchſt wil er die Arbeit auch
friſch angegriffen haben:
und heiſcht von dir den rechten Brauch
der Leibs - und Seelen-Gaben.
drum nicht vergrab
der Gaben Haab /
Fleiß / Schweiß / und Muͤh anwende.
Gott nehrt mich doch /
das glaub ich noch!
leg ich nur an die Haͤnde.
7.
Wornach und wie ein jeder ringt /
und dem er nachgegangen /
darnach es ihm auch oft gelingt /
mit Gott es zu erlangen.
Dein Fleiß gewinnt /
was Gott dir goͤnnt;
auf Wagnis folgt Erſprißen.
Gott ſegnet doch /
das glaub ich noch /
und laͤſt es mich genißen.
Wann
8.
Wann dann von oben ab es kom̃t /
was Zeitlich mich erfreuet;
und / was in dieſem Leben from̃t /
die Gottesgunſt verleihet:
Weg / blindes Gluͤck!
Weg / Nohtgeſchick!
hinfort ich euch verlache.
Gott goͤnnt es doch /
das glaub ich noch /
und ſtell ihm heim die Sache.
9.
Auf deine Vorſicht / Gott / ich ſchau /
die wil ich laſſen walten.
Auf deine Treu und Guͤt ich bau /
die nimmermehr erkalten.
Jch hoff und bet /
und friſch forttret
in meines Amtes Schranken.
Gott ſorget doch /
das glaub ich noch /
und trau ihm ohne Wanken.
10.
Jch ſey in Armut oder reich;
tief unten / oder oben:
Es
Es gilt / mein Gott / dir alles gleich /
ich wil dein Aufſicht loben.
Es haͤlt mein Will
dem deinen ſtill:
ſchick / was du zu wilt ſchicken.
Gott ſchickt es doch /
das glaub ich noch!
wie mir es moͤge gluͤcken.
11.
Geht mir’s bey frommen Leben ſchlecht
und wol den ſchlimſten Leuten.
Gilt Unrecht mehrmals mehr als Recht:
laß mich es ſchicklich deuten.
Du ordneſt ſchon
den Gnaden Lohn /
damit du mich wilſt zieren.
Gott liebt mich doch /
das glaub ich noch!
der wird mich ſeelig fuͤhren.
12.
Dir / Gott und Vatter / ich befehl
mein ganzes Thun und Leben;
und mich mit Sorge nimmer quaͤl:
dir bleibt es heimgegeben.
So /
So / wie es woll /
und wie es ſoll.
mag Alles jmmer gehen.
Gott hilft mir doch /
das glaub ich noch!
Es muß um mich wol ſtehen!

Chriſtian Betulius, Extraordinari Prediger und Schulen-Rector in Ottingen.

EPIGRAMMA. H. STEPHANI.

SI vitam ſpectes hominum, ſi deniq́; mores, Artem, vim, fraudem, cuncta putes agere. Si propiùs ſpectes, fortuna eſt arbitra rerum; Neſcis quam dicas, & tamen eſſe vides. At penit9 ſi introſpicias, atq́; ultima primis Connectas, Tantum est Rector In Orbe DEUS! ()
Welches

Welches ein ſuͤßklingender jungeꝛ Teutſcher Schwan / aus Lieb zu dem verfaſſeten Werk / alſo getentſchet.

Wann du aller Menſchen Leben / Thun
und Sitten ſchaueſt an /
Wirſt du meynen daß Gewalt / Kunſt /
Betrug / die Welt regieren.
Schaue naͤher auf / du findeſt / daß das
Glůcke alles kan;
Was es ſey / das weiſt du nicht / kanſt doch /
daß es ſey / verſpuͤren.
Schaueſt du gar auf den Grund / und be -
trachteſt alle Sachen /
Sieheſt du daß in der Welt / Gott allein
kan alles machen.

C. F.

Ein anderer Liebhaber der teutſchen Poeterey / von guten Sinnen und Sitten / hat es alſo / etwas weitlaͤuffiger ver - dolmetſchet.

SChau O Menſch! der Menſchen Tuhn / merk
der Erden-Kinder Sitten.
Kuñſt hat / rufft die ganze Welt / auf der Welt
den Trohn beſchritten;
Nach
Nach der Kunſt / Gewalt und Waffen; nach
Gewalt Betrug und Liſt /
ſo daß Kunſt / Gewalt / und Truͤgen in der
Welt Regierer iſt.
Aber / dieſer Wahn betreugt. Sih von des Ver -
ſtandes Zinne
etwas weiter in die Welt; Gluͤck iſt ihre
Koͤniginne.
Was es ſey / iſt dir verborgen: doch ſo viel haſt
du geſpuͤrt /
Daß ein Gluͤck iſt auf der Erden / daß ein
Gluͤck die Welt regirt.
Doch auch diß vergnuͤget nicht. Wer die rechte
Bahn wil finden /
muß hier unverdroſſen ſeyn inn - und auſſen nach -
zugruͤnden
von dem Anbeginn zum Ende. Endlich ſagt
ihm ſelbſt die Welt /
daß nit Kunſt / Gewalt und Truͤgen / ſon -
dern Gott die Welt erhaͤlt.

J. C. S.

An

An den Chriſtlichen Leſer.

CHriſtlicher lieber Leſer! Du wirſt finden / daß / was hierinnen fuͤrkommen / du / zum Teihl / entweder an dir ſelbſt: oder aber an andern gemerket habeſt / du moͤgeſt auch in der Welt leben wo du wolleſt / und in welchem Regi - ment / Herꝛſchafft / Land / Statt / Dorff; Ja nur geringen kleinen Hausweſen. Findeſt du dich ſelbſt getroffen / und deinen Sinn / mir wol in Perſon unbekanten / abgemahlet in einem und andeꝛm Menſchlichen Ge - brechen / laſſe dich es nit verdrieſſen / und danke Gott mit mir / daß er ſol - ches uns beyde hat erkennen laſſen wollen. Findeſt du / daß einem und anderm deines Hertzens Gedankẽ einGenuͤ -Genügen geſchehen / danke Gott wi - der mit mir / der uns beydẽ die Wahr - heit geoffenbaret hat. Merkeſt du an - dere in dergleichen Gedanken entwe - der anſtoſſen oder hangen; Gleich wie du hoffentlich dir wirſt geholfen befinden: Alſo baͤſſere deinen Naͤch - ſten / was an dir iſt / wider mit dem / mit dem du dich wirſt gebaͤſſert fin - den. Die Erfindung und Poetiſche Erklaͤrung jedes Sinnbildes / hat ſich freundlich belieben laſſen hinzu zu ſetzen / der Edle und Hochgelaͤhrte Herꝛ Sigmund von Birken / ſonſt Betulius genant / Roͤm. Kaͤiſ. Maj. Comes Palatinus Edler gekroͤnter Poet / ꝛc. ſamt dem zu End jedes Capitels angefuͤgten Lied. Die Dolmetſchung mancher Allegaten belangend / wiſſe / daß ſolche nit alle - zeit von Wort zu Wort geſucht: ſondern mehrmaln auf den Sinn unddasdas Gemuͤht des Autors ſelbſt geſe - hen worden ſey. Jm fall du endlich dem ſubtilen ganzen Werk naͤher und deutlicher wirſt beykommen wiſſen / und getreulich der Chriſten heit mit - teihlen / werde ich meines Teihls / ne - ben andern / ſelbiges / zu meinem eig - nen baͤſſerern Unterꝛicht mit Dank annehmen / der ich nichtes begieriger bin als der lautern Wahrheit / unan - geſehen es Freund oder Feind lehren. Gehab dich wol / und ſo dir dieſe mei - ne Arbeit gefallen wird / ſoll mit naͤch - ſtem der Abſchied Jeſu von ſeinen Juͤngern / neben meinen Paſſions - Gedanken / um viel vermehret / auch folgen.

Ver -

Verzeichniß Der Summarien und Jnn - halts aller Capitel.

  • Das Erſte haͤlt in ſich
  • Den Vortrag deß ganzen Werks.
  • Das andere Capitel.
  • Was die Heyden / und andere mehr das Gluͤck und Ungluͤck ge - nennet.
  • Das dritte Capitel.
  • Was die Chriſten das Glůck und Ungluͤck heiſſen?
  • Das vierte Capitel.
  • Haͤlt in ſich Gezeugniß der heili - gen Schrifft?
  • Das fuͤnffte Capitel.
  • Haͤlt in ſich den Unterſcheid aller Creaturen GOttes / den ſeine weiſe Güte darunter gemacht hat.
Das
  • Das ſechſte Capitel.
  • Haͤlt in ſich Exempel der heiligen Schrifft.
  • Das ſiebende Capitel.
  • Haͤlt in ſich Exempel aus Welt - lichen Hiſtorien gezogen.
  • Das achte Capitel.
  • Haͤlt in ſich die Urſachen / warum GOtt ſolch einen Unterſchied ſeiner Gaben halte unter den Menſchen?
  • Das neunte Capitel.
  • Haͤlt in ſich die Scrupel und Ein - wuͤrf / die unſer Fleiſch und Blut uͤbeꝛ ſolches alles fuͤhret und erreget.
  • Das zehende Capitel.
  • Haͤlt in ſich der heiligen Altvaͤt - ter und Kirchenlehrer Gezeugniß.
  • Das eilfte Capitel.
  • Bringt auch der Heyden Ein - ſtimmen heran.
  • Das zwoͤlfte Capitel.
  • Haͤlt in ſich allerley noͤhtige Leh - ren und nuzliche Erinnerungen an Hohe und Nidrige / Manns - und Weibs-Perſonen.
Ver -

Verzeichniß etlicher weiter erklaͤrter Spruͤche aus H. Schrifft.

  • Geneſ. XXXIX. . 2. &c. p. 136.
  • XLVIII. 14. 129.
  • XLIX. 14. 133.
  • Num. XI. 16. &c. 383.
  • XVI. 1. &c. 139.
  • XXV. 18. 85.
  • I. Sam. IX. 4. &c. 144.
  • XVI. 1. &c. 148.
  • I. Reg. XI. 12. &c. 221.
  • II. Reg. X. 26. &c. 222.
  • Nehem. II. 8. &c. 154.
  • Eſther. II. 3. 150.
  • VI. 6. &c. 42.
  • Job. XXXIV. 30. 224.
  • Pſal. CXXVII. 2. 249.
  • Prov. XVI. 1. 75.
  • 33. 89.
  • XIIX. 22. 79.
  • XX. 22. 250.
  • XXI. 31. 83.
Z 2Eccleſ.
  • Eccleſ. IX. 11. &c. 64.
  • Eſa. III. 4. 224.
  • Jer. X. 23. 67.
  • Dan. IV. 30. 211.
  • Oſe. XIII. 11. 224.
  • Sap. XI. 22. 70.
  • Tob. I. 13. &c. 157.
  • VII. 12. 80.
  • Syr. XI. 23. &c. 73.
  • XXXIII. 10. 68.
  • XXXVII. 23. &c. 76.
  • Matth. II. 12. 92.
  • V35. 259.
  • XVII. 27. 97.
  • XX. 14. 382.
  • 21. 363.
  • Joh. III. 25. &c. 76.
  • Act. X. 34. 284.
  • Rom. IX. 11. 126.
  • 15. 97.
  • 20. &c. 114.
  • I. Cor. XII. 22. &c. 115.
  • XV. 41. &c. 108.
  • Coloſ. I. 16. 105. 117.
  • I. Tim. IV. 8. 287.
  • II. Tim. II. 20. 113.
Erklaͤ -
Vor diꝛ waꝛ / dieſes Licht.
Ob man ihm widerſpricht.
Wirds doch verdũnckelt nicht.
1

Erklaͤrung.

Olim erat in cœlis mens libera, 2. Mur - mura latrent in terris: 3. Eadem libera ſemper erit.

WElt und Sonne war zu bett / als ich lag auf
meinem Lager.
Unter-Tags hatt ich zuvor mich gekraͤnket krank
und mager:
ich war neidiſch / ich war zornig auf der boͤſen
Buben Gluͤck;
ich war leidig / ob der Frommen ihrem Leid und
Mißgeſchick.
Andre ſchlieffen; aber mich ließ mein Denken gar
nit ſchlaffen.
Warum teihlet Gott nit auß / nach Verdienſte /
Lohn und Straffen?
warum muß es / wol den Boͤſen / und den From̃en
uͤbel gehn?
und wie daß Er / der Gerechte / laͤſſet was nit recht
geſchehn?
Als ich alſo dacht und lag / hoͤrt ich drauſſen ein
Gebelle.
Jch ſtund auf / und wolte ſehn / was es waͤr vor
ein Geſchaͤlle.
Bald befand ich / das anbellte / Wachtel mein
getreuer Hund /
die beglaͤntzte Nacht-Laterne / deß gefüllten Mon -
des Mund.
ABald2
Bald erkandt ich / daß diß Thier ſeines Herren
Sinnbild ware.
Dieſes Bellen ein Gebell im Gewiſſen mir ge -
bahre /
drang ins Hertze durch die Ohren. Mein Hund
war mein Prediger /
der mich ſtraffte / daß ich jetzund auch gemurret
hatt / wie Er.
I. Wie der Mond lang lang zuvor / eh der Hund
ihn angebellet
eh ein Hund er worden war / an den Himmel war
geſtellet:
Alſo war von Ewigkeiten Gottes weiſer Will
und Raht /
eh der Menſch / der ihn wil ſchelten / dieſe Welt
geſehen hat.
II. Was und warum ſey der Mond / weiß der
Hund nit / leer an Wiſſen;
darum bellt er / haͤtt wol gern ſich mit ihm herum -
gebiſſen:
Gottes Vorſicht und Regirung wiſſen oder glaͤu -
ben nicht /
macht / daß man entgegen murꝛet / wider ſeinen
Schoͤpffer ſicht.
III. Wie der Mond / bellt ſchon der Hund / bleibet
hell am Himmel ſtehen:
Alſo wird / was Gottes Raht hat verſehen / doch
geſchehen;
bellen / murren ſchon die Leute. Seine Weißheit
weiß gar wol /
wann der Mond der Gnaden ſcheinen oder ſich
verbergen ſol.
JN[3]

Jn JESU Namen Amen! Das Erſte Capitel / Haͤlt in ſich den Vortrag deß gantzen Werks.

NJchts gemeineꝛs hab ich in der Welt gefunden / und in un - ſerm Menſchlichẽ Leben / ſo wol an groſſer Herꝛen Hoͤfen / als niderern Standsperſonen; ſo wol bey Geiſt - lichen als Weltlichen; ſo wol bey Handels - als Handwercksleuten; ja bey Burger und Bauern: als vieler Klagen und Seuftzen uͤber ihren Zuſtand. Teihls waͤren gerne anderſt in der Welt angeſehen / denen der gegenwaͤrtige Zuſtand zu nider: Die Ehre / die ſie haben / zu ſchlecht: Das Amt / das ſie verwalten / zu gering: Das Einkommen / zu klein: Das Anſehen zu wenig duͤnket:A ijTeihls4Das Erſte Capitel. Teihls waͤren gerne damit zu frieden und hielten es fuͤr ihre groͤſte Gluͤckſeligkeit / wann ſie nur die Helfft der jenigen erlangen koͤntẽ.

Dieſe klagen wider teihls uͤber ſich ſelbſt: teihls uͤber jene. Jene haͤtte das Gluͤck ſo hoch erhaben / ſo reich gemacht / ſo anſehn - lich / ſo maͤchtig; und dennoch ſey keine Ver - gnuͤgligkeit bey ihnen! es ſey noch ein Miß - brauch ſolcher groſſen Guͤter in Freſſen / in Sauffen / in Panquetiren / in Pracht und Hoffart. Wir aber / ſprechen ſie / haben das Ungluͤck oder den Unſtern! Jenen fleugt es gleichſam ſelbſt in die Hand: Wir rennen / wir lauffen / wir ſchreiben / wir bitten / und hilfft doch alles nichts! Jenen traͤgt man die Ehr nach / man traͤgt ihnen das Amt nach: Uns kan keines gedeyen; oder / ſo es durch viel Muͤhe zuwegen gebracht / nimt man es unverſehens wider weg! Der Wůrdigkeit nach würde es ſich noch diſputiren laſſen / welcher unter beyden / dem / oder jenem / baͤſ - ſer anſtuͤnde? Man ſpricht: Jch bin ſo gut von Adel als der! Jch bin ſo gelehrt als der! Jch habe mich ſo lang bedienet als der! Jch habe mehr verſucht als der! Jch bin ein ge - bornes Landskind: jener ein Fremder! Jch5Das Erſte Capitel. Jch hab ſpendirt was ich gehabt hab: jener nichts / dannoch aber will das Glůck jenem / und mir nicht! Jch bin ſo emſig in meinem Amt als jener / und doch hab ich das Gluͤck zu den Leuten nit / das er hat! Jch laſſe es mir ſo ſauer werden als jener: jener aber hat den Genieß / ich den Mangel! und ob ſchon et - was von meinem Tuhn und Laſſen / in ei - nerley Ding belobt und belohnt wird: ſo hat doch jenes alles einen groͤſſern Glantz / einen maͤchtigern Schein!

Daher komt nun erſtlich die Ungedult und Kuͤmmerniß: auß dieſer der Neid: auß dem wider die Verleumdung / und das uͤble Anwuͤnſchen dem Naͤchſten / der ihn da oder da gehindert habe; das Nachreden: es muͤſſe nicht recht zugehen / daß der oder der zu dem Reichtum / zu der Handlung / zu dem Hauß / zu der Heurat / zu der Ehr ſo ſchnell komme; er muͤſſe geſtohlen / par - tirt / ſich eingeſchmeichelt / eingeheuchelt haben! Und wann uns dieſes alles in die laͤnge plaget / ſo geraͤht das Hertz letzlich in einen ſolchen ſichern Gedanken: Es ſey das Gluͤck ein plumpes blindes Ding und wer das blinde Ding finde / der finde es:A iijwer6Das Erſte Capitel. wer es nicht finde / der muͤſſe ein geſchlagner Menſch ſeyn / ſo lang er lebet.

Die Ungedult / ſprich ich / macht eben die Kuͤmmerniß im Hertzen daß einer ſich duͤn - ken laͤßt: er ſey ſo verworfen / ſo von der Natur faſt verſchlagen / ſo ungeſegnet in allem was er gedenkt / redt und tuht. Das nidergeſchlagene Gemůht gebieret fol - gend den Neid / daß eben jener das alles haben ſoll / und er nicht / dem er doch ſeinem / aber eignen / Urteihl nach gleich ſey! was man eben an jenem erſehen / und an ihm ſelbſt nicht / der ſich ja ſo wol ſehen laſſe? Zu dem Dienſt / zu dem Amt / zu der Verꝛich - tung nehme man jenen: warum ihn nicht? So giftet ſich nun der Neid im Hertzen an / biß er durch den Mund gar heraüß bricht. Da gehet dann das Laͤſtern an / das Verleumden / das Verkleinern / in ſeiner Abweſenheit / in ſeiner Gegenwart / das Stochern / das Zwicken / und wann man etwas weiß oder ſihet / daran er ſich / als ein Menſch / verſtoſſen / das Auffmutzen der ho - hen Weißheit / die ſich da oder da (aber umgewendet) ſehen laſſe / welcher wegen er andern ſey vorgezogen worden. Den ei -nigen7Das Erſte Capitel. nigen Fehltritt deß Naͤchſten macht man ſo groß / als wann es der unbeſonnenſte / der groͤſſte Tohr waͤre. Jſt es muͤglich / ihn / von Amt / von Ehren / von Wuͤrden zu brin - gen: das waͤre die groͤſte Hertzens-Ver - gnuͤgung.

Wañ nun alles umſonſt / und man weder jenem ſchaden / noch ſich ſelbſt helffen kan; ſo gehet es zu letzt dahin / daß man ſich einbil - det: Es ſey deß Gluͤcks und Ungluͤcks Schuld: Beydes aber das komme ſo ohn - gefehr her / wens trifft / den triffts / er ſey es wehrt oder ſey es nicht wehrt. Mancher komme ohngefehr hergeloffen / uͤber den falle das Gluͤck hauffenweiß / der ſein Lebtag ſolches nicht gewuͤnſchet / auch ſich nie da - von haͤtte traumen laſſen: Mancher renne / lauffe / dichte / trachte / brauche allen Raht / alle Mittel / und doch alles vergeblich. Wa - rum? Die Urſach gibt man wider: Das Ungluͤck hab er / das komme auch ſo blind eben uͤber ihn her: Sonſt wiſſe er keine Ur - ſach zu geben.

Auff zwey gefaͤhrliche Mittel iſt es offt ausgeſchlagen. Entweder auff die Gewalt / daß man gedacht mit der Spitze durchzu -A iiijdringen /8Das Erſte Capitel. dringen / oder es mit gewapneter Hand zu er - halten; daher ſo viel blutige Krieg und Schlachten kommen / daß man vermeynt: das Kaͤiſertum / Koͤnigreich / Fuͤrſten - tum / gehoͤre ihm und muͤſſe ihm werden / ehe ſol die Klinge nicht auß ſeinen Haͤnden kommen. Zum Succurs hat man den Koͤ - nig / Fuͤrſten / Herꝛen angeruffen / Gelt / Volk und Munition erlanget / und ge - dacht: nimmer fehlen koͤnne es / den ſchwaͤ - chern wolle er bald auffreiben / und ſeinen Zepter in ſeine Hand / ſeine Kron auff ſein Haubt nehmen. Jm end iſt alles verlohrn worden / ein Augenblick hat es alles ver - derbt / alle Kriegs-Raͤht ſind gefallen; die wenige Regimenter haben die gantze batta - glia getrennt. Wie da? Man ſagt: deß Gluͤcks und Ungluͤcks ſey es Schuld. Daß es viel tauſend ſchon auff das andere extre - mum gebracht / weder zu beten / noch zu ar - beiten / in ſolchen Gedanken: wann es ihm kommen ſoll / můſſe es kom̃en / er renn oder lauff / oder laß es bleiben! wann es ihm nit kommen ſoll / kaͤm es ihm doch nicht er mach was er wolle! Oder aber / man hat weder Tugend / noch Ehr noch Lob geachtet / undmit9Das Erſte Capitel. mit Hercule ſich reuẽ laſſen / daß man ſo lang ſich damit gemartert hab. Ut quid incubui virtuti, ſprach er / quam video ſubjacere fortunæ? was hat es mich geholfen / daß ich ſo viel Zeit auff die Tugend gewendet / die ich doch finde / daß ſie gegen das Gluͤck nichts iſt? Oder wie jener Geitzhals ſprach:(*)Greg. Nazianz. tetraſtic. de fortu - na & prudentia. T. II. p. 156. edit. Pariſ. M D C XI. Gutta bonæ ſortis ſive fortunæ, potior mihi eſt, bonæ mentis ſive prudentiæ cado. Jch wil ei - nem eine gantze Laͤgel Froͤmkeit und Verſtand laſſen / und nehme einem einigen Tropfen Gluͤcks darvor.

Oder / was das allerletzte iſt / man hat ge - dacht: das oder jenes Gluͤck und Unglück muͤſſe einer haben / er woll oder wolle nicht / das waͤre / wie man redt / ſein Fatum, das ſich nicht aͤndern lieſſe / weil es einmal ſo oder ſo beſchloſſen ſey / wie es ihm gehe / und wer er werden ſoll / und wo ers werden ſoll / und wie ers werden ſoll; er es alſo auf keinerley weiſe und wege haͤtte aͤndern und mindernA vkoͤnnen /10Das Erſte Capitel. koͤñen / er haͤtte es auch gemacht wie er wolle.

Solch ein denckwuͤrdig Exempel erzehlt jener Spaniſche Religioſus,(*)Antonius de Torquemada Colloq. IV. Hexäem. Anto - nius de Torquemada in ſeinem IV. der ſechstaͤgigen Geſpraͤch. Wie es der ver - nuͤnfftige und weltweiſe Hꝛ. G. F auß dem Jtalianiſchen uͤberſetzet / wollen wir es hie - mit anfuͤgen. Jch will euch ſagẽ / ſpricht je - ner / was ich ſelbſt geſehen und mir begegnet iſt. Als ich einsmals in einer der fürnehm - ſten Staͤtte dieſes Koͤnigreichs war: deß Abends aber mit etlichen Edelleuten ein wenig ausſpatzirte / wurden wir etwas ab - wegs auff einem Huͤgel dreyer Maͤnner gewahr / welche mit einem Pfahl ſich bemuͤ - heten / daran folgenden Tags einer er - wuͤrgt werden ſolte. Jemand aber unter uns wieſe auf jener einen / und ſprach zu mir: Sehet doch ſelben an: Er iſt der Hen - ker / und wie man mir ſagt / ein gelehrter und vernuͤnftiger / anmuhtiger / junger Menſch. Jch verwunderte mich daruͤber / und da es mir nimmermehr eingehen wol - te / beteuerte ers hoch / und machte / daß ichum Ge -11Das Erſte Capitel. um Gewißheit willen / und / auß einem Mitleiden ſolcher ſchoͤnen Qualitaͤten bey ſo einem ſchaͤndlichen Amt / das er haben ſolt / hinritte und nachfragte: was ſie da machten? Da ſie es eben ſo erzehlten / ſahe ich dieſen / von Perſon feinen / ſchoͤnen / jun - gen Kerlen an / der etwan auff die 20. oder 21. Jahr alt ſchiene / in huͤpſchem mittelmaͤſ - ſigem Gewand / doch ohne Kappe / wie es bey uns braͤuchlich iſt / fragte ihn dabey: Ob er der Henker waͤre? Da er ja ſagte / fragte ich ihn auff lateiniſch: ob er ſtu - dirt haͤtte? und da er in ſolcher Sprach recht zierlich auf das und andersmehr geantwortet hatte / fuhr ich fort / um / zu vernehmen / was Landsmann er waͤre. Da er aber eben darum / weil er ein ſolches Amt vertrat / antwortete / es ſich nicht ſchi - cken würde / daß er ſein Vatterland nenne - te / ſprach ich ferner / warum er ſich zu ſolch einem ſchmaͤhlichen verfeindten Amt und Handwerk gebrauchen laſſen / der ſo viel Sprachen koͤnte / und ſo einen guten Ver - ſtand haͤtte / und zu viel dapfferers / anſehn - lichers ſeine Dienſte anwenden koͤnte / und doch ſo ſchimpflich und ſchaͤndlich ſich fin -A vjden12Das Erſte Capitel. den lieſſe. Da er mir nun gar bedachtſam und lang zuhoͤrete / antwortete er zu letzt: Herr! meine Fata waren ſo / die mir nicht zulaſſen wolten / daß ich ein ander Amt ver - walten ſolte; denen hab ich ſchwacher Menſch ja nicht widerſtehen koͤnnen. Der - halben ſchicke ich mich auch noch darzu / wie ihr jetzt ſehet. Als ich nun darauß ſeinen groſſen Jrꝛtum und Unwiſſenheit erfahe / fieng ich einen langen diſcurs an / ihm zu weiſen / daß kein ſolches Fatum waͤre / wie er ſichs einbildete / nemlich / das dem Menſchen ſeinen freyen Willen nehme / und er nim̃er die Gewalt haͤtte / einen Weg zu erwehlen welchen er wolte! Nimmermehr. Solte demnach die Schuld ſeines jetzigen abſcheu - lichen Zuſtandes nicht auff ſeine / ſo ver - meinte darzuzwingende Fata geben: ſon - dern ſich ſelbſt beymeſſen / der viel eine ehr - lichere Profesſion haͤtte machen koͤnnen als er machte. Da er nun vernahm / daß ich ihm ſeinen Fehler / mit vielen andern moti - ven mehr / zum hoͤchſten verwieß / fieng er bitterlich an zu weinen / daß er mir eine Verwunderung machte / und ſprach mitSeuff -13Das Erſte Capitel. Seufftzen: All mein Ungluͤck koͤmt daher / daß mir niemand jemals das geſagt / was ihr mir ſagt / dardurch mir zeitlicher meine Augen waͤren auffgetahn worden / dieſen meinen Fehler zu erkennen. Weil dann dem ja ſo iſt / ſo will ich eheſt einen andern Weg gehen / und mein ſo fuͤrnehmes Geſchlecht nim̃er laͤnger alſo verunehren. Dañ ich ſolte wiſſen / ſprach er ferner / daß er nit gerin - ges Herkommens / und von hohen Eltern geboren ſey: uͤber dem Spielen aber ſich verderbet / und aus Mangel der Mittel auff das Handwerk ſich begeben muͤſſen. Dan - ke aber ſeinem GOtt / daß ihn in dieſem ſeinem ietzigen Amt biß hieher noch nie - mand erkennt haͤtte. Dann mein Vatter - land / ſprach er / iſt weit von hier / und von dem Minut an ſoll alles altes quittirt ſeyn / und euer Raht meine Regel werden. Da er nun nicht abließ bitterlich zu weinen / folget er mir in mein Loſament nach / biß an den Morgen ohne Schlaff und mit ſtaͤten Thraͤnen / da er ſich gar davon und un - ſichtbar machte. Biß hieher gedachter Spanier.

A vijWas14Das Erſte Capitel.

Was ſeinen Wahn anlanget / daß ei - nen jeden ſein Fatum ſo unumgaͤnglich zu dem oder jenem treibe / darinnen mag er wol noch auff die Stund viel tauſent Brüder und Schweſtern haben.

Allerhand ſolcher Gedanken hab ich nun mein lebtag viel gehoͤrt / erfahren / gele - ſen / und deßwegen etlich mal (ich muß ge - ſtehen) mich ſelbſt uͤber dieſen oder jenen froͤlichen und traurigen Fall hoͤchlich ver - wundert; Andere hab ich daruͤber teihls freudig / teihls betruͤbt und unwillig geſehen / neidiſch / laͤſtern / fluchen hoͤren. Dann dachte ich bey mir ſelbſt auff Mittel / teihls meine Verwunderung zu ſtillen / teihls an - derer Hertzen zu ſteiffen / entweder daß ſie ihres Gluͤcks / Ehren / Anſehen / Gewalt / Hoheit / Geſchickligkeit / Heurat und der - gleichen ſich ja nicht uͤberheben mit Hof - fart / mit Verachtung anderer / mit Unter - drucken / mit Verſchwendung und Miß - brauch: Anderer Hertzen aber dagegen zu beſaͤnftigen / ſich ſelbſt unbetrübt zu laſſen / oder unvergriffen gegen ſeinem Naͤchſten mit Neid / mit Laͤſterung / mit Verflu -chung15Das Erſte Capitel. chung; habe aber ſo viel befunden / darinn ich mich ſelbſt endlich habe befriedigen koͤn - nen. Zweifle auch nicht / wann der guͤnſtige Leſer ſolches gleichmaͤſſig erwegen wird / er werde / wo nicht alſobalden: doch hoffent - lich nach und nach ſich eher beguͤtigen / und in ſolche Faͤlle baͤſſer und vergnuͤgter ſchik - ken lernen.

Ehe ich nun ferner ein Wort rede / bitte ich Gottes weiſe Guͤte / ſie wolle unſer Hertz und Feder regiren und fuͤhren / daß wir ſeiner vaͤtterlichen Vorſorg gehorſamlich uns untergeben / wol lehren und ler - nen moͤgen.

Gebet -16Das Erſte Capitel.

Gebet-Lied. Um Zufriedenheit / wider Murren und Ungedult. Nach der Singweiſe: So wuͤnſch ich ihr ein gute Nacht / ꝛc.

1.
OGroſſer Gott / ich klage dir mit Reu
die Ungedult / ſo mich beſeſſen /
die wider dich ſich ſetzet ohne Scheu /
dir Gnaden denket abzupreſſen.
die fuͤr und fuͤr
den deinen hier
nach meinem Willen will abmeſſen.
2.
Bald bild ich mir Verdienſt und Froͤm̃ - keit ein /
und fordre Glück von deinen Haͤnden.
als eine Schuld / vor mein Unſchuldig-ſeyn.
wilſt du nit ſtracks Erhoͤrung ſenden /
ſo wird gar bald
die Andacht kalt /
ich denk von dir mich abzuwenden.
Mit17Das Erſte Capitel.
3.
Mit Neid ſeh ich deß Naͤchſten Wol - ſtand an /
bin nicht zu frieden mit dem Meinen;
Mein Aug ſein Gluͤck nit wol vertra - genkan /
Sein lachen darff mich machen weinen.
Jch kan gar nicht
der Sonne Liecht
auf Boͤs und Gute ſehen ſcheinen.
4.
Ach pflanze du Zufriedenheit in mich /
ſtell ab und ſtill das Widerbellen!
Mit Murren / Herꝛ / werd ich erzuͤrnen dich
und mit Gefahr zuruͤcke prellen.
Was du verſehn /
das muß geſchehn
ſolt alle Welt ſich widerſtellen.
5.
Ach! ich bin boͤß / wo ich am froͤm̃ſten bin /
ich kaͤmpfe wider dich mit Suͤnden.
Was / Lohn? bey dir ich Straffe nur verdien:
ſolt dann ein Menſch ihm Gott ver - binden?
Ein18Das Erſte Capitel.
Ein Gnaden-gab
iſt alle Haab;
kein Staͤublein wir verdienen koͤnden.
6.
(ab.
Ein Suͤnder pocht je nichts dem Richter
Jch will / in Demut / hoffen Gnaden.
Jch wuͤnſche nichts: Jch weiß / daß ich offt hab
begehret meinen bittren Schaden.
Du weiſt was mir
nütz / noͤtig hier;
Du kanſt und wirſt mich wol berahten.
7.
Dein Will / ô GOTT / ſoll auch mein Wille ſeyn:
Jch ſoll und will dir nichts fuͤrſchreiben.
Schenk / wem du wilſt / die Gaben; ſie ſind dein:
Mir wird mein Teihl doch uͤbrig bleiben.
Dann / was ſeyn ſol /
das ſchickt ſich wol;
Kein Menſch kan ſolches hintertreiben.
Erklaͤrung.
[figure]
19Das Erſte Capitel.

Erklaͤrung. Non noſtras Fortuna vices; 2. nec fulgi - dus orbis Sidere: 3. Sed prudens Rector ab axe rotat.

DAs Ungluͤck und das Glück der Boͤſen und
der Frommen.
hatt mir mit Widerſinn die Sinnen eingenom̃en.
Jch ſahe gute Tag in boͤſer Buben Hauß:
bey Frommen ſahe Noht zu allen Fenſtern auß.
Den liebt das Glück / den nicht: hoͤrt ich den Poͤ -
bel ſagen.
Sie aber hoͤrten mich / auff dieſe Sage / fragen:
Sagt an / was iſt das Gluͤck? es muß ja etwas
ſeyn /
ein Teuffel oder Gott. Es wil mir gar nit ein.
I. Ein Goͤttinn iſt es nicht; wie zwar die Heyden
ſchreiben!
Nur ein Gott / Ein Gott iſt / an den wir Chriſten
glaͤuben.
Der Teuffel iſt es nicht: Gott laͤſſet dem nit zu /
daß er / was er nur will / auff Gottes Boden thu.
Sie ſchwiegen alle ſtill. Jch hatte wol geſprochen /
und ihnen auß dem Sinn geredt / und abgebrochen
den Goͤtzen / die Fortun. Mich ſelbſt hatt ich
vergnuͤgt:
weil dieſe Fantaſey in mir mich offt bekriegt.
II. Ein Weiſer kam darzu. Als er die Frag erlernet /
ſprach er: Das Gluͤck hat ſich am Himmel ein -
geſternet.
Das20Das Erſte Capitel.
Das Tuhn der gantzen Welt auß dem Geſtirne
flieſt.
Darnach dir lacht ein Stern / darnach du glück -
lich biſt.
Diß wolt mir auch nit ein. Jch ſagte / was ich
dachte:
III. Der Schoͤpffer / deſſen Hand die Sternen
ſchuff und machte /
ſolt er ſich dem Geſchoͤpff ſo machen unterthan?
Gott / aller Sternen Herr / mehr als die Ster -
nen kan.
Bald fiele mir erſt bey / was jener Heyd ge -
ſchrieben /
Der zwar in Schranken nicht der Chriſten Lehr
geblieben:
Die Gottheit / was ſie hat erſchaffen / auch regirt
mit Raht und Vorbedacht. Kein Stern den
Zepter fuͤhrt /
kein blindes plumpes Gluͤck / kein Zufall in den
Sachen.
Gott ſelbſt iſt Gluͤck und Stern: weiß alles wol
zu machen;
gewaͤhret und verſagt; nim̃t / wie er will / und gibt.
Das iſt gerecht und gut / was unſrem Gott
beliebt.
Das21Das Andere Capitel.

Das Andere Capitel. Was die Heyden / und andere mehr / das Glück und Unglück genennet.

WAñ man von Gluͤck und Ungluͤck redet / kan man es hier auff zweyer - ley weiß verſtehen: Entweder es bedeutet den gluͤcklichen offt unverſehenen und unverhofften Fort - gang eines Dings / maſſen von Joſeph ſtehet: Er war ein gluͤckſeliger Mann in allem was er taͤht / das iſt: alles ſein Tuhn war geſegnet. Gen. XX XIX. 2. 3. oder im Gegenteihl / den ungluͤckſeligen unverſehens - und unverhofft-ge - haltenen Fortgang eines Dings / darum man ſich doch eiferig und ſtark bewirbt. So ſpricht man offt: Er iſt ein ungluͤckſeliger Menſch / das iſt: was er angreifft / gehet widerſinns. Oder es bedeutet die Urſach und den Brunnen / ſo zu reden / deſſen unver - ſehenen / unverhofften glücklichenFort -22Das Andere Capitel. Fortgangs oder Nicht-Fortgangs / Freud - oder Leidfalls; Wer nemlich ſol - chen Segen / oder Schaden gebe; oder / von wem beydes herkomme? Alſo ſpricht man ins gemein: Das Gluͤck hat ihm ſo gewolt / oder das Ungluͤck hat mir gewolt. Das iſt: Etwas / das wir das Glůck heiſſen / hat ihm das Gut / die Ehr / Reichtum / Heurat / ꝛc. gegeben / oder das widrige uͤble zugeſchickt.

Nun iſt es wol wehrt / und kan ſich auch das Hertz nicht eher zu frieden geben / als eben in der ſattſamen Antwort: was dann das Gluͤck oder Unglück ſey; oder deutlicher: wer / und was den Segen / und das Gedeyen in dieſen oder jenen Dingen gebe; und wer und was das ſey / das unſern Fuͤrſchlag hindere oder auffhalte / den oder den Schaden und Traurfall zuſchicke?

Nun wir aber dißmal allein vom Gluͤck reden wollen: als iſt foͤrderſt zu behalten: daß hierinn / ſich / unterſchiedene Meynun - gen befunden haben.

Etliche23Das Andere Capitel.

Etliche / als die / ſo genannte / Epicurer / die von keinem Gott wiſſen wollen / haben es fuͤr ein ungefaͤhres Ding gehalten / deſ - ſen man keine gewiſſe und gruͤndliche Urſach geben koͤnne / welchem nach es heiſ - ſet: Ohngefehr ſind wir geboren / und ohngefehr fahren wir wider dahin / als waͤren wir nie geweſt! ſolcher Ge - ſtalt / verſtehe / widerfaͤhrt uns auch ohnge - fehr / was uns gutes widerfaͤhrt. Sap. II. 2.

Andere / die noch befunden: daß die Welt / und was in der Welt iſt / werde von etwas erhalten / und alſo regirt: haben ſich wider ein andere Einbildung gemacht deß Gluͤcks / oder deſſen / von dem manchem Menſchen ſo viel Gutes und Gewůnſchtes herrůhre? Dieſe / wie ſie zwar geſtunden / daß etwas ſeyn muͤſte / das alles dieſes al - ſo und alſo fuͤhrte / und eben auch einen Gott genennet; So haben ſie doch dem / als dem Hoͤchſten / noch viel andere Helfer / als auch / ſo genannte / Goͤtter und Goͤttin - nen zugeordnet. Daher iſt die Meng der Goͤtter bey den Heyden kommen / deren ei - ner dieſes / ein anderer ein anders zuverwal -ten24Das Ander Capitel. ten haͤtte / als Jupiter, ſagten ſie / ſey der fuͤr - nehmſte Gott uͤber alle Goͤtter / der ein ſon - derlich Faß habe / darinn er alle Guͤter auf - behalte / Ehr / Reichtum / Gewalt / Macht / Kunſt / Gunſt und dergleichen / darauß er einem das / dem andern ein anders; oder einem mehr / einem weniger lange. Weil er aber alles nicht verwalten koͤnne oder wolle / als hab er andere Goͤtter neben ſich / deren einer ſich dieſes unterfange / ein anderer ei - nes andern / als Mars ſey der Gott des Kriegs / Vulcanus ſey der Gott des Feuers / Neptunus der Gott des Meers und ſo fortan. Jtem es ſeyen noch neben dieſen Goͤttern / Goͤttiñen auch / als Juno die Goͤt - tinn des Ehſtands / Venus die Goͤttinn der Lieb / Diana die Goͤttinn der Jaͤgerey / ꝛc. Unter dieſe gehoͤre auch die Goͤttinn deß Glücks / Fortuna genannt / die die menſch - liche Zufaͤll regire und verwalte / und deme das / jenem ein anders / einem mehr als allen beyden auß dem Faß Jovis zuertheile. Die - ſer zu Ehren haben die Roͤmer gar einen Tempel erbauet / ſie haben ihr die hoͤchſte Geluͤbd getahn / ſo ſie ſolches oder ſolches ihr Werk und Vornehmen ſegnen wuͤrde. Und25Das Andere Capitel. Und weil das menſchliche Tuhn und Laſ - ſen ſo groß / ſo viel / ſo mancherley / ſo anſehn - lich / ſo weitlaͤuffig; als haͤtte dieſe hohe und anſehnliche Verwaltung / ihr / Jupiter, als deſſen Schweſter ſie waͤre / verehret. Eben aber darum / weil es ein Weibsbild ſey / ſey es auch deſto wankelmuͤtiger / und verkehre ſich ploͤtzlich und ſchnell / nach ihrer Art wan - delbaren Sinn. Jetzt geb es einem einen Uberfluß: geſchwind nehm es ihn wider weg; bald bringe es einen zu Ehren und Würden: bald in Verachtung und Spott; ja / es verliebe ſich manchmal blind und un - beſonnen in einen / deme es aus Lieb alles mitteihle / Huld / Ehr / Reichtum / Anſehen; bald hab die Lieb auch wider ein End / und verkehre ſich in Haß / in Neid / in Gift und Gall. Um eben deß willen haben ſie es zum teihl blind gemacht / und auf eine Kugel ge - ſetzt / weil es ſeine Guͤter unbedachtſam aus - teihle / und bald wider verwende.

Das hieſſen die meinſten das Gluͤck!

Nun kan aber ein jeder leichtlich ermeſ - ſen / daß dieſe Beſchreibung deß Gluͤcks / einem verſtaͤndigen Hertzen kein Vergnů - gen machen koͤnne. Jch will davon nichtBſagen:26Das Andere Capitel. ſagen: daß es laͤcherlich laute / daß Goͤt - tinnen ſeyn ſollen / die ſolche Verwaltung auf ſich haben; was ſind aber uͤber diß / das fuͤr Goͤttliche Weſen / die man fuͤr blind halten ſoll / fuͤr unbedachtſam / fuͤr wankel - mütig?

Viel eben aus den Heyden ſelbſten / ha - ben ſich mit der Beſchreibung und Vor - bildung deß Gluͤcks nicht befriedigen laſſen. Jener Roͤmiſche Poet(*)Sat. X. v. 365. Juvenalis ver - lacht es oͤffentlich / da er ſpricht.

Nullum Numen abest, ſi ſit prudentia: ſed Te Nos facimus, Fortuna, Deam, cœloꝙ́ locamus! ()

Unſer eigne Einbildung / ſagt er / ſetzt das Gluͤck als eine Goͤttinn ůber uns in Himmel!

Andere / wie weiland die Chaldeer / und noch viel Aſtrologi, und derer Anhang / haben deß gluͤcklichen Fortgangs oder un - gluͤcklichen Ruckgangs Urſach den Ster - nen zugeſchrieben / vermeinende: welcher in einem guten Zeichen und Planeten gebo - ren ſey / als zum Exempel im Jove, dem gehees gluͤck -27Das Andere Capitel. es gluͤcklich und nach Wunſch; welcher in einem widrigen Zeichen geboren / als im Wider / oder Stier / widrig und ungluͤck - lich / darum / weil eben dieſe oder jene Stern / das menſchliche Hertz auch ſo oder ſo neig - ten / zu der oder der Zeit / da ihre Würkung am ſtaͤrckſten und beyſamm waͤren / und Sinn / Gedanken / Muht / alles dahin un - widerſtreblich trieben / wo der oder der gute Ausſchlag und nutzliche Fall ſich begeben werde. Auf welches zweifels frey die gemei - ne tentſche Rede gehet / da man ſpricht: Jch hab zu dem oder jenem Men - ſchen / zu dem oder dem Ding keinen Stern / oder / Jch hab den Unſtern darzu! Jn welchen Wahn auch die Ju - den gerahten ſind / nach dem ſie einmal den wahren GOtt verlaſſen / und von einer Ab - goͤtterey in die andere fielen. Daher es aben kommen / daß / weil ſie Gutes und Boͤſes den Sternen zuſchrieben / die die Menſchen da und dahin kraͤftiglich und unwidertreib - lich neigten / eben mit einem ſolchen Nah - men der der Sternen Wuͤrkung bedeutet / das Gluͤck benamfet und Madſal geheiſſenB ijhaben,28Das Andere Capitel. haben; auch ausdrucklich ſchreiben: daß einer weiſe / einer reich ſey und ſo fort / hab er ſeinem Planeten zu danken. Ja hieher deuten viel die Klage deß Pro - pheten Eſaiæ / daß das juͤdiſche Volk den Herꝛn verlaſſe / und richte dem Gad einen Tiſch / im LXV. 11. Gad / das iſt dem Geſtirn / das ihnen ſolches oder ſolches Gluͤck ſchenken koͤnne. Es lacht aber(*)Ambroſ. Hexaem. L. IIII. c. 4. Ambroſius wol ſolcher kin - diſchen Gedanken. Illud, ſpricht er / quàm ineptum, ut, ſi quis ſigno arietis ortum eſſe ſe dicat, ex uſu pecudis æſtimetur præſtantiſſimus conſilio, quod in grege hujusmodi emineat pecus: aut locuple - tior, quòd veſtitum habeat aries natu - ralem, & quotannis lucrum capiat indu - menti, eoq́ue viro illi familiaria videan - tur quæſtuum eſſe compendia, das iſt: Jſt das nicht eine Narꝛheit / daß / weil einer im Zeichen deß Widers gebo - ren / daher entweder ein guter Raht - geber / klug und verſtaͤndig werdenſoll /29Das Andere Capitel. ſoll / weil unter der Herd / der Wider allen fuͤrgehe: oder reich werden / weil den Wider die Natur ſelbſt kleide / und jaͤhrlich von ſeiner Wolle einen ſonderbaren Nutzen gebe / um weß - willen einer / der in dem Zeichen gebo - ren ſey / allerley Vorteihle auch in der Nahrung finden wuͤrde. Dergleichen Wort faſt auch der H. Baſilius(*)Baſil. M. Hexaem. hom. VI. fuͤhrt / die wir geliebter kuͤrtze wegen nicht beyſetzen wollen; zugeſchweigen / daß viel der Heyden ſelbſt / den Sternen - und Sternſehern / ſo ůber-viel nie zugeſchrieben haben. Nur Herꝛn Lutheri Meynung davon ſoll noch angefuͤgt werden. (†)Luth. Tom. IIII. Germ. Jen. p. 9. b. Uber das 1. Cap. deß I. Buchs Moſis ſchreibt er alſo: Daß Gott ſpricht: die Sterne ſollen Zei - chen ſeyn / da ſind die Sternkicker und natuͤrlichen Meiſter hinauf in Himmel gefahren / und haben das / das er hie von Zeichen ſagt auf ihre Lůgen gezogen / daß ſie ſagen / wer inB iijdem30Das Andere Capitel. dem oder dieſem Zeichen der Geſtirne geboren wird / der ſoll ſo oder alſo ge - ſchickt werden. Welcher unter der Sonnen geboren wird / der muͤſte ein Buler oder weiſer Mann werden / wer im Merkurio geboren wird / der werde ein guter Handtierer wer - den und ſo fort an / werd es ihme ſonſt oder ſo gehen.

Andere / ſonderlich die gelehrteſte Stoi - ker mehrenteihls / haben das / was wir das Gluͤck heiſſen Gottes Vorſorg / Gottes Rahtſchluß / ja Gott ſelbſten genennet der unfehlbar alle Ding von Ewigkeit ge - ſehen und geordnet habe / daß es kuͤnfftig er - gehen ſolle / jedoch nach eines jeden Dings Art und Weiſe / die er jedwederm ſelbſt mit - geteihlet hat. Welcher Meynung / ob ſie ſchon Heyden waren / viel ehe zu dulten iſt / als vorhergehender Wahn / und koͤmt in Wahrheit der rechten Chriſtlichen Mey - nung weit naͤher / um welches willen auch der gelehrte Vatter Auguſtinus lieber alſo reden wollen: Das hat GOtt getahn! als:31Das Andere Capitel. als:(*)Auguſtin. Tom. I. Retract. Lib. I. c. 1. Das hat das Gluͤck getahn! Es reuet mich / ſchreibt er / daß ich an - derswo das Woͤrtlein Gluͤck ge - braucht / weil ich ſehe daß die Leut die boͤſe Gewohnheit haben / und wo ſie ſagen ſolten: Gott hat das gewolt / da - fuͤr ſprichen: das Gluͤck hat es gewolt. Doch / ſpricht er:(†)Auguſtin. V. de Civit. Dei c. 1. Si quis virtutem & poteſtatem Dei, nomine fati appellat, ſententiem teneat, linguam corrigat, das iſt: Wann jemand Gottes Gewalt und Regirung das Fatum nennen wolte / ſo behalt er die Meynung / laſ - ſe nur das Wort aus.

Andere ſind noch weiter gegangen / und haben auch zum teihl die Art und Weiſe ge - ben wollen / wie in ſolchen Gluͤcksfaͤllen Gottes Rahtſchluß verfahre? So meynen ſie aber: was ein jeder Menſch in der Welt fuͤr Gluͤck erlange / es habe Namen wie es wolle / im Heuraten / in Ehren und Amts - ſtellen / in Reichtum und ſo fort / dazu ſey erB iiijvon32Das Andere Capitel. von Gott von Ewigkeit prædeſtinirt / und damit ers in der Zeit erlange / neige Gottes Finger ſein Hertz / zu der Zeit und keiner an - dern das oder das anzugreiffen; an dem Ort und keinem andern; bey dieſen Per - ſonen und keinen andern; durch ſolche Mit - tel und durch keine andere. Er neige ſie aber alſo gewaltiglich und durchdringend / daß ſie anderſt nicht koͤnnen und moͤgen / als deſ - ſen Trieb folgen / wohin ers fuͤhre und nach ſeinem ledigen Wolgefallen zu fuͤhren be - ſchloſſen hab. Welchem Wahn nach man recht ſpricht: daß der die / und die den / zum Exempel / heuratet / hat ſo ſeyn ſollen und müſſen / und hat / ſo viel an ihnen iſt / nicht anders ſeyn koͤnnen als ſo! daß der den Dienſt bekoͤmt / hat auch ſo ſeyn ſollen und muͤſſen / und er haͤtte es auch nicht umgehen koͤn - nen / daß er ihn nicht erlanget haͤtte. Dem ſey die Grafſchaft / das Fuͤr - ſtentum ſo worden / daß es ihm hat werden muͤſſen / weil ihn Gott gleich - ſam dazu gezogen hab / und ſo fort. Weiln33Das Andere Capitel. Weiln aber alle oberzehlte Meynungen teihls Gottes Heiliges Ewiges Weſen gar verneinen / teihls Gottslaͤſterlich ſind / teihls den Menſchen ſeines freyen Willens berauben / als ſind ſie unter Chriſten billich nicht zu leiden: weniger daß Chriſten ſelbſt ſolche Gedanken hegen und verteidigen wolten. Sey derowegen zum Ur - teihl das folgende dritte Ca - pitel geſetzt.

B vAn -34Das Andere Capitel.

Andacht-Lied. ach der Weiſe deß ſechſten ſalms / M. Opitzens / oder mbr. Lobwaſſers.

1.
WEg / Heydinn / blindes Gluͤcke!
weg! deiner Tuͤck und Blicke
der Gottheit lach ich nur.
Du lebſt allein in Schrifften /
die gerne Lügen ſtifften /
er Dichter Creatur!
2.
Dein unbeſtaͤndigs Weſen
ſt nur ein bloſſes leſen;
ie Warheit lacht dich aus.
er Wahn hat dich gebohren.
s iſt kein Ort erkohren
or dich im Menſchenhaus.
3.
Jhr Silberweiſſen Sternen /
hr himmliſchen Laternen /
ewohnet euer Zelt! ihr35Das Andere Capitel.
hr moͤget eure Zinken
ls Augen / laſſen blinken
nd winken in die Welt.
4.
Das aber das ſey ferne /
ich euch ſolt ihr Sterne /
ls Goͤtter / beten an;
ihr ſolt / Doͤpfe werden /
arinn das Gluͤck der Erden ſich ſelber kochen kan.
5.
Der euch in Lufft gepflanzet /
en Himmel aufgeſchanzet /
groſſe Rund umdreht /
ott / unſer euer Kaͤiſer
erſcht uͤber eure Haͤuſer /
hm zu Gebot ihr ſteht.
6.
Du Sternprintz / Weltverſuͤhner!
ort war ein Stern dein Diener /
uͤhrt dir die Heyden zu
on Mohr - und Morgengraͤnzen.
mein Geſtirne glaͤnzen / ô Jeſu / das biſt du.
B vj7. Du36Das Andere Capitel.
7.
Du ſaheſt langſt von fernen /
h waren Mond und Sternen /
as nuͤtz und ſelig mir!
ch folge wie mich fuͤhret
er / der die Welt regiret.
ein Gluͤck flieſt nur von dir.
8.
Wie du mich wilſt begluͤcken /
as du mir wilſt zufchicken /
as nimm ich alles gern.
s kan von dir / dem Frommen /
ir gar nichts boͤſes kommen!
ott iſt mein Gluͤck und Stern.
Erklaͤ -

III.

[figure]
Deꝛ alles vorgeſehen.
Und alſo heiſt ergehen.
Läſt Böß[u]nd G[u]ts geſchehen
37Das Andere Capitel.

Erklaͤrung. Vidit ab æterno ventura; 2. manuq́ gu - bernat nunc præviſa, boniq́ arbiter atq́ mali.

LAßt die Heyden auf das Gluͤck / auf den blind -
erdichten Goͤtzen
ihren eitlen Wohlſtand ſetzen!
Chriſten! laßt uns Chriſten ſeyn / an die wahre
Gottheit glauben /
ſie nit ihrer Ehr berauben!
Was geſchehen / was geſchiht / und was kuͤnfftig
wird geſchehen /
hat Gott alles vorgeſehen.
Der gemacht deß Menſchen Aug / deſſen Hand
ſchuff alle Sachen.
der noch immer pflegt zu wachen /
Gott / der in die Hertzen ſiht / der Gedanken
Sprach verſtehet /
der die Sternen bogen drehet /
der Allgegenwaͤrtig iſt: ſolt ihm etwas ſeyn ver -
borgen /
was noch ſoll geſchehen morgen?
Menſchen / mit Verſtand begabt / pflegen weit
hinaus zu ſehen /
merken / was noch wird geſchehen:
Sinnen / die da wohl und fein eines aus dem an -
dern ſchlieſſen /
koͤnnen diß / was künfftig wiſſen:
Und Gott ſolt / von dem allein koͤmmet / als aus ei -
nem Brunnen /
Weißheit und Verſtand geronnen /
B vijGott38Das Andere Capitel.
Gott ſolt etwas wiſſen nicht? Nein! im Hauß
der Ewigkeiten
ſind beſchrieben alle Zeiten.
Zu was Nutzen und Gebrauch kommen ſollen ſei -
ne Sachen /
weiß ein Meiſter in dem Machen:
Und der Schoͤpfer aller Ding ach wie ſolte der
nit wiſſen
worzu jedes ſoll erſprieſſen?
Das waͤr ja ein tummes Tuhn / gar nach keinem
Zwecke zielen /
in die Luft mit Pfeilen ſpielen.
Gott iſt weiß: hat auch die Macht / was er weiß
und will / zu enden:
Alles ſteht in ſeinen Haͤnden.
Er regiret mit der Hand / was ſein Aug zuvor ge -
ſehen:
was Er ſetzt / das muß beſtehen.
Gutes / weiß der gute Gott goͤttlich in das Werk
zu richten /
wider aller Menſchen dichten.
Boͤſes / das oft nur ſo ſcheint / kan er noch zum Baͤ -
ſten lenken /
ſteuren allen Hoͤllen-raͤnken.
Laß dir Menſch / in Wohl und Weh / Gottes wei -
ſen Raht gefallen:
ſo wirſt du ohn Anſtoß wallen.
Seiner Allmacht troͤſte dich / wann du ligſt in Ohn -
macht nieder:
Sie kan dir aufhelffen wieder.
Das39Das Dritte Capitel.

Das Dritte Capitel. Was die Chriſten das Gluͤck und Ungluͤck heiſſen?

MJt einem Wort / weil ſie gruͤnd - licher von Gottes Weſen / Wil - len / Werken / aus dem Mund Gottes ſelbſten unterꝛichtet ſind / als wiſſen ſie auch gewiſſer / daß er nach ſeinem allwei - ſen Wolgefallen / Raht und Willen / mit dem menſchlichẽ Geſchlecht vorab / alſo um - gehe / eines jeden Tuhn und Laſſen / eines je - den Anſchlaͤg und Gedanken fuͤhre / mittle / halte / wider zulaſſe / mit zeitlichen jrꝛdiſchen Dingen alſo umzugehen / zu erlangen / und nicht zu erlangen / zu erhalten oder zu verlie - ren / ehe oder ſpahter zu erwerben / oder nicht zu erwerben / wie er von Ewigkeit geſehen / daß es zu ſeines heiligen Namens Ehr / und zu eines jeden zeitlichem und ewigem Baͤſten / am baͤſten ſeyn kan.

Demnach / wann man ja manchen Men - ſchen in jrꝛdiſchen Dingen glückſeelig heiſſet / oder ſpricht: Das Gluͤck hab ihn40Das Dritte Capitel. ihn ſo erhoben / ſo reich / ſo anſehnlich / ſo maͤchtig gemacht / hat es nicht die Meynung: Plumper / allerdings zufaͤlliger Weiß / ohne einiges hoͤhers oder nidrigers Weſens Wiſſen / oder Verſtand / waͤre ihm das oder jenes zugeſtanden / fuͤr dieſem oder jenem / der es eben ſo und noch wol baͤſſer wehrt waͤre: ſondern das iſt der Chriſtliche Jnnhalt: Gott / als ein freyes Weſen / der uͤber alles lediglich Herꝛ iſt und bleibt / habe nach ſeinem weiſen Raht und Gefallen / es / entweder alſo geſchehen laſſen / wie es ihm dieſer oder jener Menſch fuͤrgenommen hat / und zum teihl ſeine Zucht oder Unterwei - ſung von Kindheit an oder ſeine Leibs - und Gemuͤts-Beſchaffenheit / und ſo genante Complexion mit ſich gebracht / oder wohin ſeine Geſellſchafft ihn gezogen hat; Oder a - ber / der groſſe und ungebundene Gott habe nach ſeinem allein weiſen Raht und ledigli - chem Belieben / mancher Menſchen Her - tzen den oder jenen Gedanken eingegeben / zu der und keiner andern Zeit das oder das vorzunehmen / bey denen und keinen andern Perſonen / an dieſem und keinem andern Ort / auf ſolche und keine andere Weiſe;Auch41Das Dritte Capitel. Auch von Ewigkeit anderſt nicht beſchloſ - ſen / als bey dieſen Gedanken / und bey der action, die der Menſch grad in der Stund / grad in dem Minut / grad an dem Ort / ꝛc. vornehmen werde / zu ſeyn / und bey keiner andern dieſes ſein Vornehmen zu foͤrdern und gedeyen zu laſſen / und ſo fort / daß das oder das jrꝛdiſche Gut unverſehens darauf gefolget / die Ehr / die Gewalt / der Reich - tum dem oder dem unwiſſend worden / und jenem / der es ſo eyferig geſucht / und wol ge - meynt er hab es ſchon / wider verhoffen nit gegeben; den erhalten / jenen nicht erhalten laſſen; den eher / den ſpahter darzu kommen laſſen / und dergleichen.

Man muß aber recht verſtehen / was da heiſſe? Unverſehens oder Unwiſſend / ſey dem oder dem / das oder das worden / auch wol wider / und ohne ſein Begehren. Nicht aber hat es die Meynung: als wann es allerdings / durchaus / ohne anſehen jcht - was wie es Namen haben moͤge und ſolle / bloͤtzlich / unvorgeſehener / zufaͤlliger Weiß geſchehe: ſondern wider wiſſen und ver - ſehen / manches Menſchen / oder wider ſein eignes Verhoffen / Einbildung / Warten /geſchehe42Das Dritte Capitel. geſchehe es / daß er entweder die Ehr / oder den Dienſt / oder dieſes Anſehen / ꝛc. erlange; oder / daß ers durch ſolche oder ſolche Mittel erlange / zu ſolcher oder ſolcher Zeit / von de - nen oder denen Perſonen / an dem oder dem Ort und dergleich en. Obs aber gleich ſchon wider ſein / deß Menſchen / eignes Wiſſen / Willen / Gedanken / Ausrechnen / Hoff - nung geſchiht: ſo darf man darum nicht gedenken / daß es gar auch ohne Gottes vor - wiſſen / Willen / oder Zulaſſung geſchehe. Nein! Gar artig laͤßt es ſich mit dem Exem - pel Mardochœi verſtehen. Der Koͤnig Ahasverus wolte ihm Ehr und Guts tuhn / um der Liebe willen / die er / Mardochœus / gegen(*)Eſth. II. 22. 23. ihm / als ſeinem Herꝛn getragen hatte. Hatte demnach / unwiſſend Haman und Mardochœo / beſchloſſen / den / von je - nem ehren zu laſſen; zu welchem End er Haman fragte: Was ſoll man dem Mann tuhn / den der Koͤnig gern eh - ren wolte? Eſth. VI. 6. Da nun Ha - man ihm unfehlbar die Rechnung machte: Er würde der ſeyn und alſo antwortete:v. VIII. 43Das Dritte Capitel. v. VIII. Den Mann / den der Koͤnig gern wolt ehren / ſoll man herbrin - gen / daß man ihm Koͤnigliche Kleider anziehe / die der Koͤnig pfleget zu tra - gen / und das Roß da der Koͤnig aufreitet / und daß man die Koͤnigliche Kron auf ſein Haubt ſetze: v. IX. Und man ſoll ſolch Kleid und Roß ge - ben in die Hand eines Fuͤrſten deß Koͤniges / daß derſelbe den Mann an - ziehe / den der Koͤnig gern ehren wolt / und fuͤhre ihn auf dem Roß in der Statt Gaſſen / und laſſe ruffen fuͤr ihm her: So wird man tuhn dem Mann den der Koͤnig gern ehren wolt! Da Haman / ſprich ich / allerdings meynte: er waͤre es / bekomt er den Befehl: v, X Eile und nimm das Kleid / und Roß / wie du geſagt haſt / und tuh al - ſo mit Mardochai dem Juden / der fuͤr dem Tohr deß Koͤniges ſitzt / und laß nichts fehlen an allem das du ge - redt haſt. Bey dieſem Exempel koͤnteman44Das Dritte Capitel. man mit Waarheit ſagen: Ungefehr / unwiſſend / ohne Mardochai Willen und Begehren / waͤre ihm die Ehr und Gnad zugeſtoſſen: aber gleich - wol ohne ihres Herꝛn / deß Koͤniges Wiſſen / ohne ihres Herꝛn Willen nicht. Jhm iſt es nicht ohngefehr / der es ſchon bey ſich geſehen / daß Mardochai zu der Zeit für dem Tohr ſitzen werde / und be - ſchloſſen / daß dieſer / Haman / jenem be - gegnen / und die Koͤnigliche Gnade ablegen ſolte. Alſo auf gegenwaͤrtiges zu applicirn / iſt der Herꝛ / der Gott und Vatter im Him - mel / der unzaͤhliche Knecht hat / einen da / den andern dorthin ſendet / einen dem andern begegnen laͤßt mit der Ehr / mit dem Amt / mit dem Anſehen / Reichtum / Ge - winn / ꝛc. Welches alles / eines Teihls recht ohngefehr / unverhofft / ohne Begehren ge - ſchihet: Betrachtend aber Gottes Ord - nung / Willen / Wiſſen / geſchiht es ja nicht ohngefehr / unverhofft / unbegehrt: ſondern wiſſentlich / vorſetzlich / mit allem Willen / mit allem Gefallen / der mit den Seinigenals45Das Dritte Capitel. als ein Herꝛ Macht hat zu tuhn / zu ſchal - ten zu walten wie er will.

Uber diß iſt wol zu merken / daß wir ſa - gten: Es geſchehe nicht ohne Gottes Willen / Geheiß / oder auch ohne Got - tes permiſſion und Zulaſſung. Dañ ohn iſt es nicht / manchmal gibt Gott ab - ſonderlich und vorſetzlicher Weiſe / einem Menſchen jrꝛdiſche zeitliche Guͤter / den er von Ewigkeit wol geſehen und gewußt / daß er ein luͤderlicher leichtfertiger Menſch werden werde; manchmal aber laͤßt ers nur zu / daß der oder der luͤderliche leichtfertige Menſch / der Hurer / Ehbrecher / Moͤrder / ungeſchickte grobe Troll mit Suͤnden ei - nen Reichtum ſamlet / mit Unrecht die Ge - walt erlangt / mit Frevel die Macht zu ſich reiſſet / tyranniſiret nach ſeinem Luſt / daß eben Gott nicht allezeit ein Gefallen daran hat: aber doch geſchiht auch das nicht al - lerdings ohngefehr / eben darum / weil es Gott vorher von Ewigkeit geſehen / und zu - zulaſſen von Ewigkeit auch beſchloſſen hat.

Welchem nach auch jenes baͤſſer wird zu verſtehen ſeyn / was dem Anſehen nach hartlauten46Das Dritte Capitel. lauten will / da wir ſagten: GOtt gebe manchem Menſchen / manchmal / nach ſeinem lediglichen Belieben / dieſen oder jenen Gedanken ein / zu der Zeit / Ort / Perſonen und keinen andern / das oder das vorzunehmen / woraus der erwuͤnſchte Außgang folge / denjemand geſuchet habe. Jtem: Gott habe es auch von Ewigkeit an - derſt nicht beſchloſſen / als bey dieſen Gedanken zu ſeyn und keinen andern / und ſelbigen eben in der Stund und Minut und keiner andern / an dieſem Ort und keinem andern / bey dieſen Perſonen und keinen andern alſo ge - ſegnet anſchlagen laſſen.

Dann es moͤchte jemand alſo ſchlieſſen: Wann Gott bey keinen andern Gedanken beſchloſſen hat / dem oder dem / ſeinen Wil - len zu erfuͤllen / als bey dieſen oder jenen Ge - danken / den er zu der Zeit / an dem Ort / bey denen Perſonen und keinen andern heraus laͤßt; Und gebe doch Gott ſelbſt den und kei - nen andern Gedanken ein: ſo muͤſſe jadem47Das Dritte Capitel. dem oder jenem Menſchen das oder das werden unfehlbar. Unausbleiblich muͤſſe ihm der Reichtum kommen / die Ehr / der Dienſt / die Heurat / das Amt / die Regi - rung / das Anſehen. Und ſage man ja noch einmal recht: Es iſt ſein Fatum ſo ge - weßt! So hab es ſich ſchicken můſ - ſen und nicht anders! So man es aber dahin kommen laſſen will / ſo werden wir ja ſo wol als andere / dem Menſchen ſeinen freyen Willen nehmen in allen ſolchen Faͤl - len / und einen Sclaven und Gefangenen aus ihm machen.

Den harten Gedanken weg zu raͤumen / muß man zu baͤſſererm Verſtand alles deſ - ſen / was bey unſern gluͤcklichen actionen vorlauft / etliche Stücke recht verſtehen und wol behalten.

Einmal aber iſt gewiß / daß Gott / wie alle Ding: alſo auch deß Menſchen Sinn und Gedanken / die er jemals machen kan und wird / zuvor weiß und ſihet. So ſpricht David: Der Herꝛ verſtehet aller Ge - danken Dichten I. Chron. XXIX. 9. Der HErꝛ weiß die Gedanken derMen -48Das Dritte Capitel. Menſchen Pſ. XCIV. 11. Jm CXXXVI. ſagt er: Herꝛ du erforſcheſt mich und kenneſt. Du verſteheſt meine Gedan - ken von ferne / ꝛc. Und weil bey Gott keine Veraͤnderung iſt Jac. I. 17. und er bleibet wie er iſt / Pſal. CII. 29. So muß er ſolches / aller Menſchen Gedanken Wiſſen / haben von Ewigkeit her. Was nun ein jeder Menſch bey ſich beſchlieſſen werde zu der oder der Zeit / an dem oder dem Ort / bey dieſen oder dieſen Perſonen ein - mal zu handeln / zu tuhn oder zu laſſen / das alles iſt fuͤr Gottes Augen blos und entdeckt / Ebr. IV. 13. da er noch in Mutterleib iſt / Pſ. CXXXIX. 13.

Fůrs Ander iſt auch das gewiß / daß Gott als ein freyes Weſen / neben dem / daß er einen Menſchen ſeine eigne Gedanken anſchlagen laͤßt / auch oft abſonderlicher Weiſe entweder unſerm menſchlichen Her - tzen dieſe oder jene Gedanken unverhoft ein - gibt / und wie die Schrifft redet / neiget wohin er will / weil ſie in ſeiner Hand ſind / wie die Waſſerbaͤche / Prov. XXI. 1. oder49Das Dritte Capitel. oder aber / ſo ſie anderswohin wolten daher wendet und lenket Pſal. XXIII. 10. 13. auch vielfaltig ein ſonderbares zeitliches Gluͤck dardurch zu erhalten / welch erley es auch ſey. Nur das Exempel Jacobs wol - len wir anfuͤhren. Weil ihn Gottes Guͤte reich machen wolte / damals aber der Reich - tum am Viehe geſchaͤzet wurde / er aber / Jacob / bey ſeinem harten Schweher nicht uͤberfluͤſſig erarnen kunte / gab ihm Gott den Sinn ein / daß er mit Laban alſo uͤberein - kommen ſolte / und auſſondern alle bunte und fleckte Schaafe und alle ſchwar - ze Schaafe unter den Laͤmmern / und die bunte und fleckte Ziegen / mit dem Beding / daß / was bunt und flecket fallen wuͤrde ſein Lohn ſeyn ſolle / wordurch ſeines Schwehers gan - tzer Reichtum ihme / Jacob / gegeben wer - den ſolte / Geneſ. XXX. 31. 41. XXXI. 5. 9. 12.

Weil wir dann fůrs Dritte in der Taht ſehen und erfahren / daß Gott bey dieſen und keinen andern Gedanken / den der Menſch zu der und keiner andern Zeit / an dem undCkeinem50Das Dritte Capitel. keinem andern Ort / bey dieſen und keinen andern Perſonen / auf Gottes eingeben zu zu Werk ſetzet / das und jenes was er ſuchet / erheben laͤßt / ſo muß eines aus dieſen zweyen folgen: Entweder es hat Gott ſolchen und keinen andern Gedanken / zu der Zeit und keiner andern / mit ſolchen Umſtaͤnden und keinen andern / zu foͤrdern ſich entſchloſſen von Ewigkeit / oder er hat den Schluß erſt gefaßt inzwiſchen der Zeit. Das lezere kan ja nicht geſagt werden / ſonſt wuͤrde Gottes unwandelbares Weſen nimmer unwan - delbar ſeyn / und er nicht bleiben wie er iſt / Pſal. CII. 29. Weil er nach der Zeit an - derſt wuͤrde / als er vor derſelben geweſen iſt. Muß demnach das erſte bleiben / daß Gott den / und keinen andern Gedanken / zu der / und keiner andern Zeit / an dieſem und kei - nem andern Ort / ꝛc. Zu ſegnen und den Zweck erhaben zu laſſen von ewiger Ewig - keit beſchloſſen habe / ehe der Menſch noch in Mutterleib empfangen / ehe er geboren worden / ehe er das oder das Werk noch einmal angegriffen habe.

Wie aber fůrs Vierte / ob ſchon / zum Exempel / ein guter und verſtaͤndigerFreund51Das Dritte Capitel. Freund dem andern die beſte Mittel weiſet und an die Hand gibt ein Ding anzugreif - fen / ſo gar / daß es auf keine andere Weiſe und Wege ſich tuhn laſſen will als auf die - ſe einige / und der gute Freund auch anderſt nicht darzu helfen will als auf dieſe einige / die er weiß / daß das Werk haben kan und wird: dardurch dannoch dem andern ſei - nen freyen Willen nicht nimt / und ſo jener folget / ſich nit ſagen laͤßt: Es hat ſchlech - ter Ding ſo ſeyn müſſen und haͤtte anderſt nit ſeyn koͤnnen. Nein! Dann es haͤtte es ja der ander ſo wol bleiben und das ganze Werck koͤnnen verligen laſſen / als wol er ſichs fuͤrgenommen hat zu erhe - ben: So viel weniger folgt es / daß / da Gott den Gedanken / gleich wie einem gu - ten Raht / zu der Zeit / Ort / bey denen Per - ſonen und nirgend anderſt eingibt / der Menſch / der denſelben nachkomme / ſeine Freyheit verliere; weil es dannoch in deß Menſchen Willkuhr ſtehet / ſolchem einge - gebenen Gedancken zu folgen und nicht zu folgen. Und ob man gleich wider ſpraͤche: GOtt hab aber beſchloſſen bey demC ijund52Das Dritte Capitel. und keinem andern Gedanken zu ſeyn / an dieſem und keinem andern Ort / Zeit / Perſonen: ſo mnß man doch wider wiſſen / daß Gott darum nicht anderſt beſchloſſen habe / weil er von Ewigkeit geſe - hen / daß der oder der Menſch alſo machen / und dieſen ſeinen eingegebenen Gedanken / nach ſeiner Freyheit / ſo / und nicht anderſt brauchen werde / ob ers ſchon / wann er le - diglich wolte / anderſt brauchen koͤnte. Um welches willen es ſich viel weniger ſagen laͤßt: Das Amt / der Dienſt / die Herꝛ - ſchaft / die Heurat / ꝛc. habe dem oder dem fataliter das iſt unumgaͤnglich und bloſſer Dinge werden muͤſſen / und haͤtte er auch keine freye Gewalt mehr gehabt den Gedanken dazu auszuſchlagen und das darauf erfolgte Gluͤck zu ver - meiden.

So wiſſe man abſonderlich fürs Fünff - te / daß viel ein anders ſey / wann man ſpricht: Das oder das Glück hat dem Menſchen unfehlbar und unaus - bleiblich kommen muͤſſen: Viel ein an -ders;53Das Dritte Capitel. ders: Es hat ihm alſo kommen muͤſ - ſen / daß ers anderſt nicht haͤtte ma - chen koͤnnen bloſſer ſchlechter Dinge / als daß ihm zukommen iſt. Dieſes Lezere folget aus jenem noch nicht / und iſt kein richtiger Schluß / ſo man ſagen wol - te: Weil / was Gott beſchloſſen hat einmal zu tuhn / unfehlbar und unausbleiblich kom - men muß / ſo muß das / was da kommet / ſo nohtwendig kommen / daß es auf keiner - ley Weiſe und Wege hinterbleiben koͤnne / es moͤge auch Namen haben wie es wolle. Nein! Mit einem Exempel kan man es zum teihl weiſen. Recht und wahr ſagt man: Dem oder dem Menſchen / der taͤglich im Luder lebt / muß unfehlbar und unausbleiblich eine Schwind - oder Waſſerſucht kommen; und wird doch das keines ſagen: Der oder der Menſch der im Luder lebt / hat die Schwind - oder Waſſerſucht bekommen / und er haͤtte es auch gemacht wie er gewolt / ſo haͤtte er die Kranckheiten doch ha - ben muͤſſen. Nein! wann er ſein FreſſenC iijund54Das Dritte Capitel. und Sauffen gelaſſen haͤtte / wie er es wol haͤtte laſſen koͤnnen / waͤre er auch der oder der Kranckheit entgangen. Alſo auch am gegenwaͤrtigen Ort. Es iſt wahr: Das oder das Gluͤck / das einer durch den von GOtt eingegebenen heilſamen Gedanken / an dieſem Ort / in dieſer Stund / bey dieſen Perſonen und kei - nen andern bekommen hat / hat ihm muͤſſen unfehlbar und unausbleiblich kommen: Warum? Weil Gott unfehl - bar geſehen und gewußt / daß der Menſch dieſem / von ihm / eingegebenen Gedanken / und der Goͤttlichen Anweiß / daraus das oder das Gluͤck gewiß folgen wurde / fleiſſig und willig nachkommen werde. Weil aber eben der Menſch dem Goͤttlichen Zeiger / dem er folgt / auch nicht folgen koͤnte; Dann er von Gott nicht darzu gezwungen wird / und ſeine einmal angeborne Freyheit deß Willens ewiglich behaͤlt / ſo laͤßt es ſich nit ſagen: Weil es ihm / nach dem Schluß Gottes / unfehlbar ſo und ſo gluͤcklich hat er - geheu müſſen / haͤtte es ihm auch aller - dings nohtwendig alſo ergehen můſſen /und55Das Dritte Capitel. und haͤtte er in ſich die Krafft nicht gehabt ſolchen Trieb und Anweiſung Gottes / und das darauf erfolgte Gluͤck zu verſchlagen.

Zwiſchen unſerer nun und obgedachter Meynung iſt das der ewige Unterſchied / daß jene darfuͤr halten: Gott neige die Hertzen der Menſchen zu dieſem und jenem Gluͤcksfall alſo ſteiff und faͤſt / daß ſie ſol - chem Trieb unumgaͤnglich folgen muͤſſen / und die jnnerliche Gewalt bey ſich nicht ha - ben ſolchen auszuſchlagen / und das darauf gefolgte Gluͤck zu verlaſſen / weil ihnen GOtt ſolches und ſolches beſcheiden habe / daß ſie es haben muͤſſen und nicht von ſich ſtoſſen koͤnnen / auch nicht einen Gedanken faſſen moͤgen ſelbiges nicht anzunehmen; Welcher Geſtalt dann dem Menſchen ſein freyer Will entzogen werden muß / und ſich nicht anderſt gehaben als ein gebundener gefangener Mann / der da / und nirgend anderſt hin kan / dort und nirgend anderſt hinaus; welches dann an ſich / in Wahrheit / eine toͤhrichte Meynung iſt. Unſere aber iſt dieſe / daß / uneracht Gottes Guͤte manch - mal wol dieſem oder jenem Menſchen ſol - chen oder ſolchen heilſamen Gedanken ein -C iiijgebe /56Das Dritte Capitel. gebe / und ſein Hertz jnnerlich zwar neige zu der Zeit das oder das zu tuhn / an dem Ort / bey der Perſon und nirgend anderſt; ja auch von Ewigkeit beſchloſſen / bey dieſen und keinen andern Gedanken / Ort / Zeit / Stund / das Gluͤck erheben zu laſſen; er dan - noch dabey dem Menſchen ſeinen freyen Willen nit nehme: ſondern wie ein treuer Rahtgeber den baͤſſern Weg fuͤrlege und darweiſe; Und weil er von Ewigkeit geſe - hen / daß der oder der Menſch dieſem Raht gehorſamlich folgen wolle und werde / da er die Macht wol hatte ſelbigem nicht zu fol - gen / hab er auch damals beſchloſſen / bey die - ſer Folg den und den erwuͤnſchten Aus - gang mitzuteihlen. Auf welchen Schlag das Lateiniſche Wort hier gelten moͤchte / da man ſpricht: Suæ quisq́ue fortunæ faber eſt, verſtehe / weil er ſeines Gottes vaͤtterlichem wolmeinenden Raht zu ſei - nem eignen Aufnahm hat gebuͤhrlich nach - kommen wollen. Und eben in ſolchem Verſtand iſt nicht uͤbel geredt / daß eine Stund gluͤckſeeliger ſey als die an - dere / weil Gott geſehen daß in dieſer unddieſer57Das Dritte Capitel. dieſer Stund / der Menſch ſeinem heiligen Anweiß und Trieb willig und vorſetzlich nachkommen werde / der ihn zu dem und je - nem Segen nach ſeiner groſſen Barm - hertzigkeit hinfuͤhren wolle.

Dieſem nach ſind die zwey Stuck or - dentlich zu erweiſen. I. Daß das / was die Chriſtẽ das Gluͤck heiſſen / Gottes allwei - ſes Wolgefallen / und heilige Ordnung; oder Vorſetzlicher Zulaß ſey / daß einem Menſchen in jrꝛdiſchen zeitlichen Dingen ſo oder nit ſo ergehe. II. Warum Gott das tuhe / und dem dieſen / zum Exempel / vorziehe / jenen nachgehen laſſe / ob ſchon die - ſer / unſerm Urteihl nach / entweder gleich wuͤrdig / oder noch wuͤrdiger waͤre? Erſt - lich wollen wir es mit Gezeugniß der Schrifft lehren: Hernach aber mit Exempeln in geiſt - und weltlichen Hi - ſtorien.

C vAn -58Das Dritte Capitel.

Andacht-Lied. Von GOttes Weißheit und Allmacht. Nach der Singweiſe: Ach wie nichtig / ach wie flüchtig / ꝛc.

1.
ACh wie nichtig /
und untuͤchtig
iſt der Menſchen Denken!
Unſre Sinnen
ſich nit koͤnnen
nach dem Guten lenken.
Blind ſind wir / uns vorzuſehen;
der Verſtand nit kan verſtehen /
welchen Weg er muͤſſe gehen.
2.
Ob wir ſehen
und verſtehen /
was uns nuͤtzen koͤnde:
Unvermoͤgen
ſteht entgegen /
faͤſſelt uns die Haͤnde.
Nichts kan unſer Machen machen;
Fleiß / und Schweiß / und Sorg und Wachen
trifft gar nicht das Ziel der Sachen.
3. Schoͤpfer /59Das Dritte Capitel.
3.
Schoͤpfer / hoͤre!
ich verehre
dein allweiſes Wiſſen.
Deine Augen
baͤſſer taugen /
Heil auf mich zu gieſſen.
Wolleſt meine Blindheit leiten;
laß dein Auge mich begleiten /
mir die rechte Bahn bedeuten.
4.
Deine Kraͤffte
dem Geſchaͤffte
koͤnnen geben Ende.
Laß mich Schwachen
ſtaͤrcker machẽ
deine Allmacht-Haͤnde.
Raht und Taht bey dir ich finde.
hilff und rahte deinem Kinde /
daß in Ohnmacht wirfft die Suͤnde.
5.
Meine Witze /
was mir nuͤtze /
gar nit kan erꝛahten
Ob ich’s treffe /
mich mit aͤffe:
es ſind deine Tahten.
Oft hat wider alles Hoffen /
weil mir deine Gnad ſtund offen /
eine Wolfahrt mich betroffen.
6. Dein60Das Dritte Capitel.
6.
Dein Geſchicke
iſt mein Gluͤcke:
Dir ich meine Sachen
nur befehle / mich nit quaͤle:
Du du wirſt’s wol machen.
Deiner Weißheit will ich trauen /
und auff deine Allmacht bauen:
Alſo werd ich wunder ſchauen.
7.
Gib / verſage;
troͤſte / plage:
wie / wann / wo / nach Willen!
Dein Gemüte
voller Guͤte
ſoll mein Hertz abſtillen.
Wollſt nur alles dir zu Ehren /
meine Seeligkeit zu mehren /
zu deß Naͤchſten Aufnahm / kehren.
Erklaͤ -

IV.

[figure]
Die Zeitlich hab.
Jſt Bottes gab.
Von oben ab.
61Das Vierte Capitel.

Erklaͤrung. Omnia quæ modò cunq́ cupis 2. ſunt munera Mentis Æternæ: 3. quantum fas dare, lance dabit.

DEr Geiſt war noch zu wach / er wolt nit ſchlaf -
fen laſſen
den abgemüdten Leib / als ich zu Bette lag.
Viel Dings ſpazirte mir durch der Gedanken
Straſſen.
das Denken war mein Tuhn biß an den liechten
Tag.
Jch triebe mit mir ſelbſt Geſpraͤche von den
Leuten /
wie dieſer und wie der nach dem und jenem
ſtrebt.
Ein jeder will das Glück / nach ſeinem Willen
leiten;
ſein Sinn / gleich wie ein Schiff / auf Sorgen -
wellen ſchwebt.
Der kratzet / ſcharꝛt und ſpaart / arbeitet daß er
ſchwitzet:
Mit dieſen Pfeilen er nach Gold und Reich -
tum zielt.
Dort einen andren hat der Ehrendurſt erhitzet:
der anderſt nicht als nur mit Hoheit / wird ge -
kuͤhlt.
C vijDer62Das Vierte Capitel.
Der dritte brennt von Lieb: die Schoͤnheit ihn
entzuͤndet;
ſein Hertze Kuͤhlung ſucht / er bittet / klagt und
fleht.
Deß Vierten Kunſtbegier ihn an die Bücher
bindet:
zu ernden Wiſſenſchafft viel Fleiß wird aus -
geſeet.
Nicht mit der Feder nur / man ringt auch mit
dem Degen
nach einem Ehrenkrantz und nach dem Sie -
geslohn.
Ein ander ſtraͤubet ſich / und ſtrebt dem Tod ent -
gegen /
wolt gerne leben lang uñ langſam ziehn davon.
So vieles und noch mehr iſt Vieler ihr Verlangẽ.
Doch ſindet unter Zehn kaum einer / was er
ſucht:
er laufft und ſchnaufft / kan doch zum Ziele nicht
gelangen;
oft ſtirbet in der Bluͤt die langgeſuchte Frucht.
Der Croͤſus werden wolt / muß armer Jrus bleibẽ.
deß Andren Ehrendurſt verdorꝛet in dem
Staub.
Der Dritte / ungeliebt muß traurigs Lieben treibẽ.
Der Künſtler nicht erlangt verlangtes Lor -
beerlaub.
Der Kriegsheld ſucht den Sieg durch Mann -
heit zu erwerben /
muß aber ſelbſt vom Feind ſich uͤberwunden
ſehn.
Der63Das Vierte Capitel.
Der langes Leben wuͤnſcht / muß vor dem Alter
ſterben.
Was der und der verlangt / pflegt ſelten zu -
geſchehen.
Als ich ſo lag und dacht / entſchlieff ich nach Ver -
langen:
Mein Denken doch mit mir nit eingeſchlaffen
war.
Jch ſahe Himmel-ab aus einer Wolke hangen
(im Traume ſtellte ſich mir diß Geſichte dar)
ich ſahe eine Wag / die alle Glückes-Haabe /
Kunſt / Hoheit / Ehr und Geld / in einer Schale
trug;
das Zuͤnglein ſich verglich mit einem Zepterſtabe:
ein Aug ſtund unten an / erwoge / was er wug:
Zur Rechten / ein Gewicht lag in der andren
Schalen /
auf welcher: Gottes Will: diß Wort ge -
ſchrieben ſtund.
Jn dem warf in mein Bett Aurora ihre Strahlẽ:
Nacht / Schlaff / und Traumgeſicht zugleich vor
mir verſchwund.
Mich lehrte dieſer Traum / daß Alles man em -
pfange
Von Gott / wie / wann er will / der alles lenkt
und ſiht.
Die kurtzen Federn ich verließ / ergriff die Lange:
die mir das / was ich dacht / bracht in ein An -
dachtlied. Sihe zu End deß Capitels.
Das64Das Vierte Capitel.

Das Vierte Capitel. Haͤlt in ſich Gezeugniß der heiligen Schrifft.

WAr deutlich aber redet hiervon Salomon in ſeinem Prediger im IX. 11. Zur ſelben Zeit waren auch ſolche Gedanken und Re - den etlicher / die ihnen das nicht einbilden kunten / wie es zugehen muͤſſe / daß der / der gegen jenem gerechnet keinen Laͤuffer gebe / und unſerm Urteihl / Sinnen / Wetten nach / von jenem zehenmal überlauffen wer - de / doch im End ihn noch uͤberlauffe; daß der / der unſern Gedanken nach ein Held ſey / und dieſen mit Haut und Haar freſſe / dannoch von dem ohnmaͤchtigen geſchla - gen werde; daß der / der ſo geſchickt ſo kunſt - reich ſey / ſo genau und ſparſam lebe / doch mit Muͤh und kuͤmmerlich ſich hinbringen koͤnne: Da hingegen ein anderer plumper ungeſchickter Menſch / der wol oft weder le - ſen / noch ſchreiben / noch rechnen koͤnne / ein reichlichs Haußhalten erlange; daß der / der ſo klug / verſchlagen / liſtig iſt / ſich kaum derArmut65Das Vierte Capitel. Armut erwehren kan: da hingegen ein bloͤ - der / und / ſo zu reden / dem Anſehen nach / ein Toͤlpel / ein groſſes Gut hinterlaſſe. Zuletzt / daß mancher Menſch keine Art und Anmut in einem Ding habe / keinen Reſpect und Anſehen / der doch in Grund daſſelbe ver - ſteht: da hingegen ein anderer / nur halb / oder das dritteihl ſo gelehrt / ſo kuͤnſtlich / ſo gefaßt ſey / und doch uͤberal in ſeinen Tah - ten / Reden / Rahten / eine gratiam habe / weit mehr als jener / der deß Dings in Wahrheit ein Meiſter iſt. Wie das zugehe / weil es ihnen viel nicht einbilden kunten / weiſet Salomon den Grund mit ſolchen Worten: Jch wandte mich / ſpricht er / und ſahe / das iſt: Jch dachte mit Fleiß und Ernſt nach / wie es unter der Son - nen / dem Anſehen nach wider alle Recht und Billigkeit gehe / und was es fuͤr eine Beſchaffenheit habe in der Welt / mit ſol - chen widerſinniſchen Faͤllen / daß zum lauffen nicht hilft ſchnell ſeyn / da es ja an den Fuͤſſen und leichtem Schwingen ligt; zum Streit nicht hilft ſtark ſeyn / da doch eine ſchwere Fauſt gewaltig dreinſchmeiſ -66Das Vierte Capitel. ſchmeiſſet; zur Nahrung nicht hilft ge - ſchickt ſeyn / da doch ein Geſchickter aller - ley Fůndlein erdenken kan; Zum Reich - tum nicht hilft klug ſeyn / da doch ein Kluger lang vorher / und weit hinaus ſehen kan / wann ein Aufſchlag oder Abſchlag ei - nes Dings werden moͤchte; daß einer an - genehm ſey / nicht hilft / daß er ein Ding wol koͤnne / da doch groſſe Herꝛn wolgemachte Arbeit und Fleiß ſo emſig ſu - chen / ſo theuer bezahlen. Nach allem mei - nem Denken aber fand ich / daß alles lige an der Zeit und Gluͤck; als welches ſein eignes gewiſſes Stůndlein hat und haͤlt; ja ſo zu reden ſeine Minut. Das Gluͤck aber iſt / was er im Eingang dieſes Capitels Predig IX. 1. nennet Gottes Hand / da - rinnen nemlich alle Werk der Menſchen ſtehen / und die einem jeden zuteihlt / oder zu - laͤßt / wann oder zu welcher Zeit / und was / und wie viel Gutes / in jrꝛdiſchen zeitlichen Guͤtern ſie über einen jeden beſchloſſen hat.

Andere gelehrte Maͤnner ziehen hieher auch die Wort Jeremiœ / wann er ſpricht;Jch67Das Vierte Capitel. Jch weiß Herꝛ / daß deß Menſchen Tuhn und Rennen und klůgſte Anſchlaͤg / ſtehet nicht in ſeiner Gewalt / wie / und wann / und wo er ſich begehre zum Exem - pel zu bereichern / wie damals Nebucadne - zar an Jeruſalem / und ſtehet in nie - mands Macht und lediger Gewalt / wie er wandele oder ſeinen Gang richte / und Ehr / und Anſehen / oder daß mehr erlauffen und gewinnen will / im X. 23. Jn der Grundſprach komt es gar ſchoͤn / darinn zwey Woͤrtlein ſtehen / de - ren das erſte einen ſchlechten / geringen / einfaͤltigen Menſchen; das ander etwas ſonderbares / fuͤrnehmes / verſtaͤndiges be - deutet. Demnach ſey deß Propheten Mey - nung / wie Herꝛ D. Martinus Chemnitius ſchreibet /(*)Mart. Chemnit. Loc. Commun. Part. I. Loc. VI. de lib. arbitrio c. II. p. m. 186. non tantùm plebeios ſæpè hallucinari in deliberationibus: ſed nec illorum quidem conſiliis ſemper reſpon - dere eventus, qui præſtantiſſimis pruden - tiæ donis inſtructi ſunt, das iſt / Es ge - ſchehe nicht nur / daß der gemeine ein -faͤltige68Das Vierte Capitel. faͤltige Mann in ſeinen Rahtſchlaͤ - gen oft fehle: ſondern es wolle mehr - mahl auch mit deren Rahten und Anſchlaͤgen nirgend fort / die auch die allerweiſeſten und erfahrnſten ſonſten waͤren. Nemlich es heiſt hierinn: Be - ſchlieſſet einen Raht und es werde nichts daraus. Beredet euch / und es beſtehe nicht. Warum? Dann hie iſt Jmmanuel! Eſai. VIII. 10. Der es wei - ter nicht kommen laſſen will / man muͤhe ſich wie man wolle; man dichte wohin man wolle; man nehme zum Gehuͤlffen wen man wolle. Das ſoll und muß das Ziel blei - ben / und dabey ſoll man lernen / das oder das / was wir gern haͤtten / ſolle nicht ſeyn! Gott wolle es nicht haben / oder wolle es auf die Art und Weiſe nicht haben / die wir ge - ſchloſſen haben / oder zu der Zeit nicht / oder durch die Perſon nicht / oder an dem Ort nicht.

Der alte Vatter Sirach komt auf der - gleichen Red: Alle Menſchen / ſpricht er / im XXXIII. v. 10. ſind aus der Er -den /69Das Vierte Capitel. den / und gleich wie Adam: alſo ſie auch aus dem Staub geſchaffen / und ver - ſtehe in dem Stuck / oder ihrer Ankunft nach einander allerdings gleich / und doch hat ſie der Herꝛ / nach ſeiner groſſen Weiß - heit und Wolgefallen unterſchieden / und mancherley Weiſe unter ihnen ge - ordnet. . XI. Wie? daß etliche reich / et - liche arm / etliche weiß und gelehrt: andere / alber und unverſtaͤndig ſeyn. Daher ſihet man / daß er etliche hat auch zeitlich ge - ſegnet / erhoͤhet / und geheiliget v. XII. das iſt: abſonderlich zu ſeinem Dienſt gefordert in Geiſtlichen Stand / wider wiſſen und ohne wollen anderer / die es ih - nen nimmermehr vergoͤnnt / und gern ge - hindert haͤtten / wann ſie es nur gekoͤñt / die er aber dagegen zeitlich verflucht / daß ſie gar dergleichen Ehre nicht erlangt; oder / wann ſie es je etwan von ſeiner Guͤtigkeit erlangt / doch wider genidriget und aus ihrem Stand mit Spott geſtuͤrtzt hat. Dann ſie ſind in ſeiner Hand wie der Tohn in deß Toͤpfers Hand. Er70Das Vierte Capitel. Er macht alle ſeine Werke / nicht wie wir denken / urteihlen / wollen / wuͤnſchen: ſondern / wie es ihm gefaͤllt. v. XIII. Alſo ſind auch die Menſchen in der Hand deß / der ſie gemacht hat / und er gibt einem jeglichen an Gaben deß Leibs / Gemuͤts oder Gluͤcks / wie es ihm gut deucht / oder nach dem er will und be - ſchloſſen hat. v. XIV.

Alſo legen ihrer viel auch aus / was in dem Buͤchlein der Weißheit ſtehet im XI. 22. Du HErꝛ haſt alles geordnet mit Maaß / Zahl und Gewicht. Dañ groß Vermoͤgen iſt allezeit bey dir / und wer kan der Macht deines Arms widerſtehen? Dann die Welt iſt fůr dir / wie das Zuͤnglein an der Wage. v. XXIII. Das iſt / Du kanſt ernidri - gen und erhoͤhen / wie / wann / und wen du wilſt / wie das Zuͤnglein auf der Wag bald aufdieſe bald auf jene Seiten ausſchlaͤgt: Hr. D. Crame - rus fuͤhrt dabey dieſe Wort: Gott / der kein Gott der Unordn[u] ng iſt / hat nitallein71Das Vierte Capitel. allein in den Creaturen: ſondern in allen ſeinen Wercken und Geſchaͤff - ten / alle Ding mit gewiſſer Maas / Zahl und Gewicht ſehr weißlich gleichſam abgezirkelt / und umſchraͤn - ket. Alſo haben nicht allein Sonn und Mond / und Sternen ihren ge - wiſſen Lauff: ſondern das Meer und Fiſch im Meer / die Baͤume und Kraͤuter / die zahme und wilde Thier haben ihre gewiſſe Anzahl / Groͤſſe der Fruͤchte / ihre Laͤnge / Breite / Weite / Dicke / und wann daraus et - was ſchreitet / ſo iſt es ſtracks ein Monſtrum, Geſtalt es nicht haͤlt / GOttes Maaß / Zahl und Gewicht. Uñ Gott tuht nichts ohne wolbedach - ten Raht / ſondern er hat alle Ding in ſeinem Rahtſchluß von Ewigkeit her / gar genau abgemeſſen. Alſo muß es mit unſern Ehren / Reichtum / Gunſt / Anſehen / ꝛc gleich ſo bewandt ſeyn / daß er einem jeden ſeinen Reichtum gleichſam von Ewigkeit dargezaͤhlt / ſolch und ſolcheSum -72Das Vierte Capitel. Summa ſoll er erlangen und mehr nicht; daß er einem jeden ſeine Ehre gleichſam von Ewigkeit dargewogen / ſo und ſo theuer ſoll er gehalten werden nnd mehr nicht gel - ten / auch weniger nicht; daß er einem jeden ſein Anſehen abgezirkelt / in dem oder dem Kreiß ſoll es bleiben / und auſſer dem weiter nicht / und ſo fort. Hr. D. Lucas Oſiander ſchleußt deßwegen gar wol: Etiamſi nos exiſtimemus pleraq́; in hoc mundo con - fusè fieri, tamen apud Deum ſummus eſt ordo, das iſt: Wir meynen oft / es ge - ſchehe in der Welt viel / unordentli - cher blinder Weiſe; aber Gott haͤlt alles in hoͤchſter Ordnung.

Etliche ſonderbare Stůck abſonderlich weiſet die Schrifft. Reichtum / zum Ex - empel / ſticht uns Menſchen maͤchtig in die Augen. Man rennt und lauft / man ſorgt und borgt / und kan doch oft kaum ſo viel zu wegen bringen / daß man nohtduͤrftiglich leben / oder ehrlich begraben werden kan; oder er komt erſt zu etwas nach vieler Zeit / da er es wenig mehr genieſſen kan. Es iſt im uͤbrigen mancher ſolcher Wuͤrgler / vormenſch -73Das Vierte Capitel. menſchlichen Augen / from̃ / er betet fleiſſig / er gehet zur Kirchen / er lebt friedlich / ſchied - lich / tauſentmal Chriſtlicher als jener / der ein Hurer / ein Ehebrecher / ein Moͤrder iſt / und doch Gelts genug hat / uñ gewiñt was er will uñ mehr als er will. Solt eines da nit anſte - hen: ob das beydes / Gottes Werk ſey / und von ihm / oder nit vielmehr blinder zufaͤlliger Weiſe den Gottloſen ſo viel: den From̃en ſo wenig / oder gar nichts gegeben werde? Gleichwol aberſagt Sirach: Gott hab in dem zeitlichen Segen / ſein Stuͤndlein ihm allein vorbehalten / daß / wann einer an - derſt einen jrꝛdiſchen Reichtum haben ſoll / nicht ehe ſolchen erlange / er renne und lauffe wie er will / biß zu der Zeit / die ihm Gott er - ſehen hat. Es iſt dem HErꝛn gar ein leichtes / ſpricht er / C. XI. einen Armen reich zu machen / verſ. XXIII. Und XXIV. v. ſteht: Wann die Zeit kom̃t / ſo gedeyen ſie bald; ehe der Zeit / verſte - he / ſollen ſie ſich nicht kraͤnken / und ſagen v. XXV. Was hilft es mich / und was hab ich die weil? v. XXV. Dann / ver - ſtehe / einmal werde Gott ſo viel beſchehren /Ddaß74Das Vierte Capitel. daß man die Nohtdurft haben koͤnne. Wann ein Uberfluß nit folge / und auch ein ſonderbares anſehnliches Zeitliches / wie es etwan ein anderer hat / ſoll man geden - ken: Es ſeyen derer noch viel / die es ſich ſauer werden laſſen und eilen zum Reichtum: hindern ſich aber nur ſel - ber damit. . XI. Jm End / komme al - les von Gott / Gluͤck und Ungluͤck / Armut und Reichtum. . XIV.

Es iſt naͤchſt dem Reichtum / oder noch drüber / die Ehr / Gravitaͤt / und Anſehen in einem Ding / die mancher hat / daß man ihn nur nicht gar anbetet / wann er etwas redet und rahtet / da ein anderer dagegen nirgend etwas gilt / der doch dem / dem er rahten will / von Hertzen guͤnſtig und wol - meinend iſt / und auch alle Huͤlf und Raht anbietet. Nicht ohngefehr geſchicht auch ſolches: ſondern wie Salomon ſpricht: Der Menſch ſetzt ihm wol für im Hertzen / wie ſtattlich er reden wolle / wie anſehnlich / lobwuͤrdig / was fuͤr herꝛliche Sachen er anbringen wolle; aber vom HErꝛn komt es / was die Zunge redenſolle /75Das Vierte Capitel. ſolle / Prov. XVI. 1. ſo wol was nutzlich iſt: als was geachtet werden ſolle von dem / zu den man reden will; oder wie es der ge - lehrte Hugo Cardinalis gibt:(*)Hugo Cardinalis in h. l. Domini eſt dirigere ſermonem loquentis usq́; ad cor audientis, quod non poteſt facere lo - quens, das iſt: Gott der Herꝛ laͤßt un - ſere Rede dem Zuhoͤrer zu Hertzen dringen / verſtehe daß es ein Anſehen hab / und geachtet werde / als welches in deß Redners Gewalt und Maͤchten ſelbſt nicht ſtehet. Das iſt eben / wie es im IX. verſ. erklaͤrt wird: Deß Menſchen Hertz ſchlaͤgt ſeinen Weg an / aber der Herꝛ allein gibt / daß er fortgehe. Sirach verſtehen etliche auch / daß er hier fuͤglich antworte in dieſen Worten: Man - cher willkluͤglich rahten / und ſucht alle Kunſt herfuͤr / und man hoͤret ihn doch nicht gerne / es hat kein Geſchick mit ſei - nen Anſchlaͤgen / er iſt zu weitlaͤuffig / zu Schulfuͤchſiſch / und bleibt ein Bettler / kan nirgend fortkommen. Dann er hat nichtD ijvom76Das Vierdte Capitel. vom Herꝛn die Gnade darzu / daß er etwas angenehmes und nutzliches vorbringen koͤnne. im XXXVII, 23. 24.

Die Wort Johannis deß Taͤuffers ge - hoͤren hieher / die er ſeinen Jüngern gibt Joh. III. . 25. 26. 27. Sie ſahen und hoͤrten / daß Jeſus durch ſeine Apoſtel tauf - te / und viel mehr Volks ihm zulieff als ih - rem Meiſter. Weil ſie nun darinn dieſe Eyferſucht / Neid und Ehrgeitz ſtach / wie der Seel. Vatter Chryſoſtomus in ſeiner Sprach redet /(*)Epiſt. l. ad Olympiadem diaco - niſſam. und meinten: Jhm / als ihrem Meiſter / würde dardurch viel abge - hen; als kommen ſie zu ihm / und ſprechen: Meiſter! Der bey dir war jenſeit deß Jordans / den du ſelbſt taufteſt / und ſo ein ehrlich Zeugniß erteihlteſt / daß er wol / ohne das / nimmermehr bey dem Volk / waͤre ſo geachtet geweſen / ſihe der taufft und gibt dir jetzt den Dank / daß er nach deiner Ehr und Autoritaͤt ſtehet / und alle deine Juͤnger und Zuhoͤrer abſpannt; dañ jedermann komt zu ihm / alſo / verſtehe /wirſt77Das Vierdte Capitel. wirſt du uͤber eine weil nichts mehr gelten und verdunkelt werden. Spitzig bringen ſie ihre Wort an / iſt wahr / und mit ſolchen motiven / die noch viel Tauſend bey ſich tra - gen / und ſich damit kraͤnken / wann ſie ſehen / daß man ſie laͤſſet / und an den oder den han - get / den ſie vermeinen gelehret / commen - dirt / promovirt zu haben. Was ſagt aber Johannes? Sey es das ungefaͤhre Gluͤck / daß der oder der ein groͤſſers eſtimo habe / einen groͤſſern Anlauf der Leute / eine mehrere Zuverſicht? Nein! Seine Antwort heiſſet: Wann ihr mich gleich in Himmel heben woltet / ſo muͤßt ihr doch wider gedenken: Ein Menſch koͤnne nichts nehmen / es ſey ihm dann gegeben vom Him̃el / oder von Gott / der im Hiel wohnet! Ddas iſt: Jch kan doch nicht mehr ſeyn / als den mich Gott im Him̃el hat wollen ſeyn laſſen. Schoͤne Wort fuͤhrt hieruͤber der Seel. Chemnitius:(*)Martin. Chemnit. Harmon. E - vangelicæ C. XXX. p. m. 383. Oſtendit, ſagt er / hæc ſententia, auctoritatem & ſucceſſum in miniſterio, eſſe peculiare donum Dei, nec poſſe hominem ſibi ſumere, quantumD iijin78Das Vierte Capitel. in functione ſua auctoritatis habere, quantum labore ſuo efficere velit, ſed ejus menſuram cuique à cœlo diſpenſari. Ideò Syrus ſignificanter reddidit: Homo non poteſt pro ſuo beneplacito, arbitrio ſeu voluntate quicquam ſumere, das iſt / Damit iſt angedeutet / daß die autori - taͤt und Succeß in ſeinem Amt ein ſonderbare Gab Gottes ſey / und koͤn - ne ein Menſch ihm ſelbſt nicht neh - men / wie viel er Anſehen haben moͤge in ſeinem Stand / wie weit ers mit ſeiner Arbeit bringen wolle: ſondern einem jeden ſey ein gewiſſes Maas vom Himmel zuerteihlt. Mit weni - gem ſoll eben das geſaget ſeyn in der Ep. Ebr. V. 4. Niemand nim̃t ihm ſelbſt die Ehre: ſondern der auch beruffen ſey von Gott / wie Aaron.

Man haͤlt ſonderlich fuͤr ein zufaͤlliges Ding / daß mancher Menſch / bloͤtzlich / in der Fremd / da es weder er noch andere vermey - neten / zu einer guten ehrlichen Heurat kom̃t / in die oder die Freundſchaft / die er ſeinLebtag79Das Vierte Capitel. Lebtag nicht gekennt / nicht geſehen. Oder aber: Mancher Menſch meynt / er habe es ſchon / es fehle ihm nimmer; bekomt dan - noch / wie man redt / einen doppeltẽ Korb / daß er vor Hertzenleid gar davon ziehen will / und ſich ſchaͤmt einen Menſchen mehr anzuſehen; Und geſchiht ihm doch noch / daß er die oder die Heurat bekom̃t / und ehe von der Fremde wider beſchrieben werden muß. Solches alles ſcheint / als heiſſe es auch die Schrifft ſelbſt unverſehens geſche - hen. Dann Salomon ſpricht: Wer ein erwuͤnſchtes Ehweib findet / der fin - det etwas gutes. Prov. XVIII. 22. Fin - den aber iſt ja nur ein unverſehens Ding / das ihm eben ſo geraͤht / weiß nicht wie? Es ſagt aber dagegen der teutſche Mann wol: Die Heuraten werden im Himmel beſchloſſen / und auf Erden vollfuͤhret / das iſt: Gottes Will / und weiſe Ordnung / und Inclination der Hertzen iſt es / daß die Beyde / die ihr Lebtag einander nicht geſe - hen / zu der oder der Zeit / an dem oder dem Ort / durch die oder die Perſonen mit ein - ander bekant werden / und wider aller Men -D iiijſchen80Das Vierte Capitel. ſchen Raht und Willen / die es uͤberal hin - dern wolten / und trennen / wie und wo ſie nur wiſſen und moͤgen / endlich doch in ein - ander verliebt werden / einander heuraten / Chriſtlich / erbar / züchtig / ehrlich leben. Sa - lomon obangezogen / da er geſagt: Wer ein Ehweib findet / der findet was gu - tes / ſetzet bedachtſam darzu: Er kan gu - ter Ding ſeyn im Herꝛn / als der ihm dieſen Ehſchatz verehrt hat; wie es dann das folgende XIX. C. 14. auslegt / das da ſpricht: Hauß und Guͤter erben die Eltern / laſſen es den Kindern zum Erbe; aber ein vernuͤnftig / tugendſames und frommes Weib / mag nicht von Menſchen allein und fuͤrnehmlich erlanget werden: ſondern komt / wird aus ſonder - barer Schickung gegeben / vom Herꝛn. Zu mehrerer Bekraͤfftigung wollen wir Tobiæ Exempel anſehen. Da er um Ra - guels Tochter warb / ihr Vatter aber weder ja noch nein ſagen wolte / ſprach der Engel zu ihm: Scheue dich nicht / ſie / ihme zum Weib zu geben! Dann es geſchihtnicht81Das Vierte Capitel. nicht plumper Ding / daß er um ſie anhaͤlt / und eine ſo unverſehene / jehe / bloͤtzliche Lieb auf ſie wirft: ſondern deine Tochter iſt ihm beſcheert zum Weibe / weil er GOtt fuͤrchtete; darum hat ſie / ob ſchon andere ſich um ſie beworben / doch kei - nẽ andern werden moͤgen / als eben dem Tobiæ. (*)Lucas Oſiander in h. l. Wol ſetzt Hr. D. Oſiander darzu: Interdum alter ex conjugibus mo - ritur citò, ut alia perſona ſuccedat, quæ illo matrimonio dignior coram Deo æſtimatur, das iſt: Bißweilen ſtirbt ein Ehegatt von dem andern geſchwind hinweg / daß jemand anders zu der Heurat komme / den Gott fuͤr jenen dieſer guten und laͤngeren Ehe hat wuͤr - dig achten wollen / Tob. VII. 12. Vor - her ſchon / ehe ſie anſchlugen / ſagte der En - gel: Dir Tobia! ſind alle Raguels - ter beſcheert / und du wirſt die Tochter nehmen! Das iſt / abermals gedachten Leh - rers gloſſa nach: Dominus tibi & illam virginem piiſſimam, Saram & amplamD 5dotem82Das Vierte Capitel. dotem atq́ue hæreditatem deſtinavit. Das iſt: Die Gottsfoͤrchtige Jung - frau ſamt ihrem reichen Vermoͤgen iſt dir von GOtt vermeynt geweſt. A Deo enim ordinantur legitima conju - gia. Die Ehen werden im Himmel gemacht. Tob. VI. 12.

Man macht manchen zum Kriegs-Ge - neral / weil er etwan hohes Herkommens iſt; man gibt ihm Voͤlker / munition, die erfahrneſte Officir mit: doch dannoch iſt kein Gluͤck bey ihm / er iſt zwey-dreymal ſtaͤrker als der Feind / und muß doch das Feld raͤumen. Solte das Ding nicht ein plumpes Werk ſeyn? Dann / wann man gleich ſagte: Gott taͤhte es! ſo muß man doch wider geſtehen / daß Gott nicht ſelbſt vom Himmel herab ſchlaͤgt / oder allezeit ei - nen Engel ſchicket / wie im Heer Sanherib. II. Reg. XIX. 35. Sondern / heut zu-tag zufoͤrderſt / durch Mittel handelt. Nun ſind aber auf jener Seiten tauſent Mittel / da da nicht eines iſt. Wann dann GOtt durch Mittel handelt / wie ſollen die wenige / jene mehrere uͤberwinden / wann nicht noch -mahl83Das Vierte Capitel. mahl ein blinder Zufall in menſchlichen Dingen waͤre? Allein auch den Gedanken hebt Salomon auf / Prov. XXI. 31. Roß / ſpricht er / werden zum Streittage be - reit: aber der Sieg komt nicht von dem oder dem / auf den wir unſer Hoffnung ſetzen: ſondern vom Herꝛn. Jonathan / ſelbſt ein Soldat / ſagt gleich ſo zu ſeinem Waffentraͤger: Es iſt dem Herꝛn nit ſchweer durch viel oder wenig zu helfen. I. Sam. XIV. 11. Ja / da zu Zei - ten der Maccabeer / das Juͤdiſche Volk gerad ſo urteihlte: Jhre Mittel waͤren gegen dem Feind zu gering / antwortete ihr Gene - ral / Judas / ſo dapfer: Es kan wol ge - ſchehen / daß wenig einen groſſen Hauffen überwinden! Dann Gott kan eben ſo wol durch wenig Sieg geben / als durch viele. Dann der Sieg komt vom Himmel / und wird nicht durch groſſe Meng erlanget. I. Maccab. III. 18. 19.

Noch mehr ſcheint es ein blindes Gluͤck zu ſeyn / daß mancher Soldat / jn drey / vierD vjStur -84Das Vierte Capitel. Stuͤrmen / in etlichen battaglien iſt / und / wie man heut zu tag redet / die avanguardi etlichmal fuͤhret / und ſein Lebtag nicht ein mal einen Schuß oder Stoß bekomt / da doch tauſend und aber tauſend vor ihm / hinder ihm / neben ihm / unter ihm / ober ihm erſchoffen / gequetſcht / gefangen worden / de - ren keiner ſo nahe zum Feind kommen iſt als er / der mitten unter ihnen chargirt hat. Mancher luͤderlicher gottloſer Geſell moͤch - te ſagen: Er waͤre / zum Exempel / vaͤſt geweſen / daß kein Bley und Klinge haͤtte durchdringen koͤnnen. Wir wol - len aber auf ſolche Teufelskunſt nicht ge - hen / und manchen frommen Chriſtlichen Cavaglier anſehen / der ihm ein Gewiſſen gemacht / ſolche verfluchte Mittel zu ergreif - fen. Wann nun wir deſſen die Grund-Ur - ſach wiſſen wollen / weiſet ſie uns Moſes / daß das GOttes abſonderliche Hut und Vorſorg ſey / die noch heutiges Tages nach ſeinem allein weiſen Raht und Willen / manchen Menſchen alſo umſchanzet / daß ihm nicht ein Haar verſengt werden / oder von ſeinem Leib fallen ſoll. Dann ſo / ſprichter /85Das Vierte Capitel. er / waͤre es zu ſeiner Zeit ergangen / daß / da die Kinder Jſrael mit den Midianitern geſtritten / und ſie aufs Haubt erlegt haͤtten / und nach dem zuſehen wolten / was unter ihrem Heer blieben waͤre / weil der Feind ja ſo wol zugeſchlagen und zugeſtoſſen habe / wie ers ehe deſſen auch ſchon getahn habe / Num. XXV. 18. Die Oberſten nach ein - ander kommen und geſagt haͤtten: Deine Knechte haben die Summa genom - men der Kriegsleut / die unter unſern Haͤnden geweſen ſind / und fehlet nit einer. Num. XXX. 48. 49. Wie gehet es aber zu? Sie finden es / daß es der Herꝛ ge - tahn hatte / dem ſie deßwegen Geſchenk bringen wolten. . L. Lang nach der Zeit / erzehlet der Seelige Auguſtinus,(*)Auguſtin. V. de Civ. Dei. c. XXIII. daß ſich zu ſeiner Zeit begeben haͤtte / da Rhadagaiſus / der Gohten Koͤnig / mit mehr als hundert tauſend Menſchen / Rom be - rennt / und doch auf einen Tag mit aller ſei - ner Macht geſchlagen / und ſelbſt / mit ſei - nen Soͤhnen gefangen worden ſey / da nicht einer von den Roͤmern nur verwundt / we -D vijniger86Das Vierte Capitel. niger geblieben waͤre. Er ſetzt aber darzu: Deus mirabiliter & miſericorditer fe - cit, GOtt habe mit Wunder ſeine Barmhertzigkeit ſehen laſſen / der Gott / von dem David ſpricht: der ſeinen Engel lagern laſſe um die er ſchuͤtzen wolle / Pſalm. XXXIV. 8. daß / Ob tau - ſend fallẽ zu ſeiner Rechten und zehen tauſend zu ſeiner Linken / ihn doch nit treffen ſoll ein Ungluͤck. Pſal. XCI. 7. Um weß willen gedachter Auguſtinus l. d. noch das darzu ſetzet / daß auf ſeine Weiſe / wol / denen auch geantwortet werden koͤnte / die ſolches der teufliſchen Kunſt / dem Vaͤſt - machen / zuſchreiben. Nemlich / was die Go - then damals dachten: quod ille, eorum dux, diis amicis protegentibus & opi - tulantibus, quibus immolare quotidie fe - rebatur, vinci omnino non poſſet, das iſt: daß ihr Feldherꝛ nicht überwunden werden koͤnte / kaͤme daher / weil er mit den falſchen Goͤttern / den Teuffeln ei - nen Pact gemacht haͤtte / denen er taͤglich opferte / daß ſie ihm helffen und ſchuͤ -tzen87Das Vierte Capitel. tzen wolten: Was dieſe / ſprich ich / dach - ten dergleichen tuhn faſt alle die die ſolcher verdamlichen Kunſt ſich bedienen. Es ant - wortet aber der Seel. Pater gar nachdenk - lich alſo: Non agunt miſeri gratias tantæ miſericordiæ Dei, quæ, cùm ſtatuiſſet, irruptione barbaricâ graviore, dignos mores hominum caſtigare; indignatio - nem ſuam tantâ manſuetudine tempera - vit, ut illum faceret mirabiliter vinci, ne ad infirmiorum animos evertendos glo - ria daretur dœmonibus, quibus eum ſup - plicare conſtabat, das iſt: Solten wol unter den Roͤmern / deren nicht einer in dem Treffen mit dem maͤchtigen Feind verwundet oder geblieben iſt / gefunden werden / die ſolches der Barmher - tzigkeit Gottes nicht mit allem Dank zumeſſen wolten? Dieſer eben / ob er zwar mit dem wilden Einfall deß Feindes / der Menſchen ſuͤndiges Verdienſt heimzuſuchen gedachte / hat doch ſeinen Zorn mit ſolcher Ge - lindigkeit gemaͤſſiget / daß er ſelbigenwun -88Das Vierte Capitel. wunderbarer Weiſe uͤberwinden lieſ - ſe / damit nicht etwan der ſchwach - glaͤubigen Hertzen verkehret / den boͤ - ſen Geiſtern ſolchen Sieg zuſchrie - ben / die der Feind ehrte und anbetete. Alſo / auf gegenwaͤrtiges zu applicirn: Jſt es allein der Barmhertzigkeit Gottes zuzu - ſchreiben / und durchaus dem boͤſen Geiſt nicht / oder der verteufelten Kunſt deß Vaͤſt - machens / daß einer / zum Exempel / weder da noch dort / doch in der groͤſten Gefahr be - ſchaͤdigt oder umkommen iſt.

Wann jrgend wo ein Spur eines blin - den Gluͤcks zu finden waͤre / waͤre es am er - ſten in dem Looß zu finden / dadurch viel und groſſe Ding geſchlichtet und gerichtet werden. Dann der Tauſendſte gedenkt: Es ſeyn die Looß nur bloſſe menſchliche Vertrags-Mittel / die dazu dienen / daß / zum Exempel / die Erben guͤtiger von ein - ander kommen; oder die / die um eine Be - lohnung mit einander ſtreiten / um einen Dienſt anhalten / ſo ſie etwan einander gleich ſind / und man keinen dem andern gern vorziehen wolte oder koͤnte; da manes89Das Vierte Capitel. es dann auf das Looß hingibt und ſpricht: Wem das Glœck will der ſoll es ha - ben! Und gewiß ſo man die Art derſelben anſihet / die zum Teihl durch ein kleines Papierlein geſchehen / zum Teihl durch Hoͤltzlein / zum Teihl Steinlein und ſo fort / ſolt eines wol gedenken: Es ſey ledig - lich ein zufaͤlliges Ding / ohne Regirung eines andern verſtaͤndigern Weſens. Viel anderſt aber ſpricht Salomon: Looß / ſpricht er / wird geworfen in den Schoß: aber es faͤllt nicht blind / nicht allerdings unwiſſend: ſondern wie der HErꝛ will. Prov. XVI. 33. Daher bey allen Rechtsgelehrten / was[durch] ein or - dentlich Sortirn gefallen / fuͤr ungezweifelt gewiß gehalten / und in keinem weitern Ge - richt tractirt oder gehandelt wird; weil For - tuna vel ſors ſuperiorem in hoc mundo non habeat, das iſt: Hoͤher kan man ein Ding nit bringen als aufs Looß / daß das allerhoͤchſte iſt / wie Baldus ſpricht /(*)l. meminimus. und deßwegen in Jure Cano -nico90Das Vierte Capiel. nico es heiſſe: in humana dubietate divi - nam indicare voluntatem,(*)can. Sors XXV I. q. 11. das iſt: Gottes Wolgefallen anzeigen / wo die Menſchen ſich nicht aus einem Zweifel helfen moͤgen.

Noch zweyer ſonderbarer Faͤlle wollen wir gedenken. Es geſchiht / daß / wann mancher Menſch bißweilen allein reiſet / und etwan auf der oder der Straſſen blei - ben will / und gleichwol meynt am ſich erſten zu ſeyn / dannoch oft wider ſeinen Willen / gleichſam verblendet / von der Straſſe weg / und in einen Abweg geraͤht: oft zwar mit Willen umreitet / weil er bey ſich merkt / daß ihn gleichſam / wie man ſpricht / einer mit Haaren da oder dorthin ziehet; Da er im End erfahren muß / wann er auf der or - dinari Straſſe geblieben waͤre / er vielleicht um Haab und Gut / um Leib und Leben kommen waͤre. Es ſolten wol viel ſeyn / die das Ding auch fuͤr einen blinden Zufall hielten / deſſen keine Urſach man wuͤſte / oder zugeben waͤre / auſſer der Unachtſamkeit / dardurch er der rechten Straſſen / in andernGedan -91Das Vierte Capitel. Gedanken nicht eben wahrgenommen ha - be: oder einer blinden Einbildung in ſei - nem Hertzen / eben da und nicht dorthin zu reiten. Nicht anders rechnete wol der tauſendeſte das aus / daß einer einen Schatz findet und einen Beutel mit Gelt / da er zum Exempel einen Keller graben wolte / oder da und dorthin gehen.

Wir wollen aber zweyer gelehrter und tiefſinniger Hiſpanier Urteihl darüber ab - hoͤren. (*)Franciſcus Suarez Diſp. Metaph. XIX. ſ. XII. n. X. Franciſcus Suarez ſpricht vom erſten alſo: Quod aliquis inceſſurus per hanc viam, quaſi rapiatur deſiderio & voluntate incedendi aliâ viâ, & ita effu - giat hoſtium inſidias, appellatur ab ho - minibus fortuna: habet tamen ille effe - ctus cauſam per ſe intendentem illum, nempe Angelum aliquem vel Deum ipſum. Das iſt / daß einer / der die Straß paſſirn will / durch ein innerliches Verlangen uñ Neigung ſeines Wil - lens / eine andere zugehen gleichſam gezogen wird / und alſo der FeindHinter -92Das Vierte Capitel. Hinterliſt entgehet / das heiſſen die Menſchen ein Gluͤck: Doch aber hat ſolcher effect eine andere Urſach / die auf ſelbigen / wiſſentlich / vorſetz - lich zielet; Die Urſach aber iſt ent - weder ein Engel / oder GOtt ſelbſt. Wann wir die Schrifft zum Gehuͤlfen nehmen / und das Exempel der Weiſen aus Morgenland; ja deß Herꝛn Jeſu ſelbſten betrachten / erhaͤlt die Meynung einen beſ - ſern Grund. Von jenem ſagt Matthæus im II. 12. Gott befahl ihnen im Traum / daß ſie ſich nicht ſolten wider zu He - rodes lenken. Und ſie zogen durch ei - nen andern Weg wider in ihr Land / nicht den / welchen Herodes wolte / bey dem etwan ſie ſo wol: als das neugeborne Je - ſulein haͤtten in Gefahr kommen koͤnnen. Von dieſem ſteht auch . XIII. Der Engel deß Herꝛn erſchien Joſeph im Traum und ſprach: Fleuch in E - gyptenland / und bleib allda ſamt dem Kindlein und ſeiner Mutter / biß ich dirs ſage: dann es iſt vorhan -den /93Das Vierte Capitel. den / daß Herodes das Kindlein ſu - che / daſſelbe umzubringen. Die Sel. Al - ten / haben beſtaͤndig dafuͤr gehalten: Ein je - der Menſch habe ſeinen eigenen Schutz - Engel. Herꝛn Lutheri Wort ſind ſonderlich ſchoͤn / und wehrt / daß mans hieher ſetze / weil ſie da recht eigentlich dienen. So ſchreibt er aber:(*)Tom. IV. Germ. Jen. p. 240. a. Alſo geſchiht und gehet es / daß mancher Menſch Feuer / Waſſer / Moͤrder und anderm Unfall entgehet / um gar ein leichtes das ihn bewegt / und faͤllt ihm ein ſol - cher Gedank / oder ſonſt ein Ding ploͤtzlich zu tuhn / damit er wird er - rettet / deß er zuvor nie ſich haͤtte ver - ſehen noch gedenken moͤgen / und muß ſagen: Wolan / wann ich das und das getahn haͤtte / ſo waͤr ich gewiß - lich erſoffen / verbrandt / ermordet / oder ſonſt umkommen oder Schaden erlitten; wie man dann auch ſpricht: Du haſt da einen guten Engel ge -habt! 94Das Vierte Capitel. habt! Darum haben die Heyden ſol - ches dem Gluͤck zugeſchrieben / und einen Abgott drauß gemacht; dann ſie ſahen und erfuhren / daß ſolch Ding geſchehe: wußten aber nicht / daß es der rechte Gott durch ſeine heilige Engel thaͤt. So geſchah S. Auguſtin. Da die Ketzer auf ihn hiel - ten / daß ſie ihn toͤdten / gieng er eine andere Gaſſen / ohn allen Bedacht; ohne zweifel aus ſeines Engels bewe - gen. Jtem da der Kaͤiſer Julius aus dem Schiff ſprang / und ſeinen Fein - den entkam mit ſchwimmen / und war doch muhtig und getroſt darzu / welchen Raht und Muht ihm ſein Engel eingab von auſſen / und GOtt von jnnwendig. Alſo gehet es mit al - len Menſchen / wo ſie dem Ungluͤck entgehen / oder Gluͤck haben; es ſind alles Gottes und der Engel Werke!

Von dem Andern ſagt Antonius Ru - vio alſo: Qui terram effodiens Theſau -rum95Das Vierte Capitel. rum(*)Anton. Ruvio Comment. in II. Phyſ. c. VI. q. I. n. X. fortè invenit, duplicem habet effectum; primarium quidem ac per ſe, qui eſt effoſio terræ; ſecundarium & per accidens, qui ex accidenti & rarò con - jungitur eidem primario, & eſt inventio Theſauri, & idem effodiens, qui eſt cauſa utriusq́ue effectus, non dicitur fortuna reſpectu effoſſionis, quia neque effoſſio dicitur fortuitus effectus, ſed per ſe in - tentus & ex intentione productus; ſed fortuna dicitur reſpectu inventionis the - ſauri, præter ſcientiam & intentionem ejus invenientis, quemadmodum inven - tio ipſa Theſauri dicitur fortuitus effe - ctus. Sed reſpectu Dei præcognoſcen - tis & ſuâ providentiâ ordinantis, ut eadem inventio Theſauri mediâ illâ causâ per accidens eveniret, nec dicitur effectus fortuitus, nec à fortuna, ſed ex providen - tia ejus per ſe intentus & ordinatus. Den Jnnhalt kurtz zu faſſen / hieß es ſo viel: Dem / der im graben einen Schatz faͤnde / waͤre es freylich ein unverhoft / unverſehens Ding. Wann man aber betrachtet / daß Gott ſol -ches96Das Vierte Capitel. ches vorher geſehen / und vermittels ſol - ches Grabens / den oder den / mit dieſem Schatz / nach ſeiner Goͤttlichen Vorſorg bereichern wollen / laͤßt ſichs nicht ſagen: Durch ein blindes unbeſonnenes zufaͤlliges Weſen ſey dem / der oder der Schatz wor - den: ſondern Gottes Vorſorg / GOttes Ordnung ſey es / ſolcher geſtalt / wie der arbeitſame und tieffſinnige Thomas de Aquino ſpricht /(*)Thomas Lib. III. contra gent. c. 92. in quantum homo à Deo inclinatur ad aliquid eligendum (faciendum) cui conjunctum eſt aliquod commodum quod eligens non conſide - rat, das iſt / weil ein Menſch von Gott geneigt und getrieben wird etwas zu - erwehlen (zu tuhn /) daran diß oder jenes nutz - und heilſamliches haͤnget / welches eben der Menſch vorher nit gewuſt / nicht geſucht hat / und daher von andern Menſchen fortunat oder gluͤckſeelig genennet wird. Etwas dergleichen iſt an dem Exempel Petri zu ſehen / da ihn der Herꝛ Jeſus heißt den An - gel werffen / und dabey andeutet: daß dererſte97Das Vierte Capitel. erſte Fiſch / den er heben werde / einen Stater in ſich habe Matth. XVII. 27. Wañ Petrus / als ein Fiſcher / von ſich / ohne ſonderbaren Geheiß / ſolchen Fiſch gefangen haͤtte / moͤchte er vielleicht ſelbſt / und noch viel neben ihm / den gefundenen Stater / als / ſo zu reden / ein kleines Schaͤtzlein / recht für ein unverſehens Gluͤck gehalten haben / als worauf Petrus keinen Gedanken ge - habt haͤtte / ob er ſchon viel tauſend Fiſch vor - her gefangen haͤtte. Meynen wir aber nicht / daß ſolches Gott nicht allein gewußt: ſon - dern auch gewolt und beſchloſſen hatte / daß Petrus / und kein anderer / denſelbigen fan - gen ſolte; in dem Articul der Zeit / und kei - nem andern / haͤtte er ſeinem Hertzen einge - geben / und ſeine Haͤnde geſtaͤrkt den Angel zu werfen an das oͤrtlein / da der Fiſch gewe - bet haͤtte / und nach der Speiß ſchnappen wuͤrde / die der damalige Angel angehaͤfftet hatte.

Alles in allem / was bißher gedacht vom zeitlichen Glůck / ſoll der Apoſtel andeuten im IX. Cap. der Epiſtel an die Roͤmer. Dann etliche Chriſtliche Lehrer / weil ſie ſa - hen / daß Paulus darinnen das ExempelEbey -98Das vierte Capitel. beyder Bruͤder / Jacobs und Eſau bey - bringt / deren einer dem andern in jrdiſchen Guͤtern fuͤrgezogen worden / der juͤngere nemlich dem groͤſſeren / wie wir im folgen - den hoͤren werden / verſtehen ſie auch dieſe darauf folgende Wort / von den zeitlichen Woltahten Gottes / da es heiſſet: . XV. Weß ich mich erbarme in jrꝛdifchen Dingen diß Leben betreffend / deß erbarme ich mich / und wem ich gnaͤdig bin / für dem andern zu ehren / zu erheben / dem bin ich gnaͤdig / als der ich uͤber meine Guͤter Macht und Recht habe. . XVI. So ligt es nun nit an jemands wol - len / geehrt / geacht / erhoben / reich werden / oder lauffen und die gantze Welt anren - nen / und die Ehr / den Dienſt / das Amt gleichſam heraus noͤhtigen wollen: ſon - dern an Gottes erbarmen / der / wie ein Chriſtlicher Lehrer ſchreibt / ſeine Be - gnadungen nicht austeihlt wie die groſſen Potentaten die Lehenguͤter / teihls nach dem Verdienſt / teihls nach dem Alter / teihls nach dem groſ -ſen99Das Vierte Capitel. ſen Anſehen / teihls nach dem uhralten Geſchlecht / teihls nach der Zahl vie - ler Paßporten / ꝛc. Dann hie hilfe nicht thurnieren noch rennen / ſtechen noch brechen: ſondern wir habens allein ſeiner Barmhertzigkeit zu dan - ken / ꝛc.

Andacht-Lied. Ergebung in den Willen GOttes. Nach der Singweiſe: Was mein Gott will / geſcheh allzeit / ꝛc.

1.
O Guter Gott / ich komm zu dir
dem Geber aller Gaben.
Viel dinges iſt / ich wuͤnſche mir
Hier diß und das zuhaben.
Jch ſtrebe nach
oft mancher Sach;
kan aber nichts erwerben.
E ijAll -100Das Vierte Capitel.
Allweiß du biſt:
Vielleicht du ſihſt /
daß es waͤr mein Verderben.
2.
Jch weiß nit / was ich wuͤnſchen ſoll;
bin blind / mein Heil zu ſehen.
Noch iſt mein Hertz Verlangens-voll /
es heiſt mich mehrmahls gehen
auf einem Pfad /
der deinem Raht
und Willen ſteht entgegen:
Daher mein Werk /
Fleiß / Witz und taͤrk
gar nichts verꝛichten moͤgen.
3.
Du wilſt / weil du ſo guͤtig biſt /
Du kanſt auch alles geben;
Du weiſt / was noht und ſeelig iſt
zu dem Beruff und Leben;
Du wirſt / wie Du
geſaget zu /
vor dein Geſchoͤpffe ſorgen:
das Du biß Heut
taͤhtſt allezeit /
das wirſt Du auch thun Morgen.
4.
So ſey dein Wille dann mein Will:
dir hab ich mich ergeben.
Was101Das Vierte Capitel.
Was Dir gefaͤllt / an mir erfuͤll:
ich will nit widerſtreben.
Allein von Dir
komt alles hier
auf Erd herab geronnen;
die gute Gab
und zeitlich Haab
ſchoͤpf ich aus dieſem Brunnen.
5.
Herꝛ! wie / wo / wann und was Du wilt /
geſchehe mir auf Erden!
Eins nur / ſo werd ich ſeyn geſtillt /
Eins laß mir allzeit werden:
Hilf mir / daß ich
ſtaͤts fuͤrchte Dich
in deiner Furcht verharꝛe;
biß daß man mich
einſtſeeliglich
ins kuͤhle Grab verſcharꝛe.
6.
Hab ich nur Dich und deine Gunſt /
ſo bin ich wohl begabet;
auf Erd begehr ich nichtes ſonſt / ſo bin ich wol gelabet.
Dann / Vater / Du
wirſt waͤgen zu
ſo viel ſtaͤts deinem Kinde /
daß es zur Noht
ein Stuͤcklein Brot
und noch was uͤbrigs finde.
E iij7. Was102Das Vierte Capitel.
7.
Was ſoll mir groſſes Gut und Geld /
Gluͤck / Ehr / und langes Leben?
Jens muß ich laſſen in der Welt;
Mein Gluͤck ſoll erſt anheben
im Himmel dort: drum will ich fort;
nichts haͤlt mich auf / auf Erden.
Ach ruffe mir /
hol mich zu dir /
da werd ich ſeelig werden.
Er -

V

Der Meiſter nimbt den Thon.
Und dreht gefeß davon.
Zu Chren und Zu hon.
103Das Fuͤnfte Capitel.

Erklaͤrung. Molle lutum figulus tractat; 2. modè vaſcula fingit Pro lubitu, 3. inq́ uſum dedecoris. decoris.

JCh laſ in dem Gottesbuch von dem Gluͤcke
zweyer Bruͤder:
Eſau hoͤret ich verworffen / und der Jacob
ward erwaͤhlt.
Dieſem Bruder ward / vor jenem / Glück und
Ehre zugezaͤhlt.
Jch warff dieſe Schrifftgeſchicht in Gedanken hin
und wieder.
Jch dacht eine Mutter hat Beyde ja zugleich ge -
boren /
Beyde ſind von einem Samen: was hat Eſau
dann verſchuldt /
daß ihm / noch in Mutterleibe / Gott verſaget
ſeine Huld /
und ihn / eh er Eſau ward / ungebohren / ſpricht
verlohren?
I. Jn dem Denken trugen mich meine Füſſe zu
der Hütten
eines Doͤpfers / und ich ſahe / wie er auf der
Scheibe ſaß /
II. aus dem Tohn Gefaͤſſe drehte / die er wolte
diß und das /
Ofen Kacheln / Doͤpf und Kruͤg / und worein ſonſt
was zu ſchuͤtten.
E iiijMuß104Das Fuͤnfte Capitel.
Muß dann / (fieng ich bey mir an) muß dann
mein Lehrmeiſter werden
dieſer Meiſter? lerne denken / lerne glaͤuben /
mein Verſtand!
Was der Tohn iſt in deß Toͤpfers / das ſind wir
in Gottes Hand;
Alle / alle Menſchen er drehet auch aus Lehm und
Erden.
Hat dann nun zu machen Macht dieſer Menſche /
dieſer Doͤpfer
alles / wie es ihm beliebet; darff er formen aus
dem Tohn /
III. Etwas das zu Ehren dienet / oder einen
Dopf zu Hon:
Waruͤm ſolte diß dann nicht auch erlaubet ſeyn
dem Schoͤpfer?
Wann er dich zum Unflats-Dopf / zur beruſten
Kachel machet;
muſt du arm / veracht / verworfen / als ein A -
ſchenbroͤtel ſtehn;
andre neben dir erhaben / reich / und hochbe -
glücket ſehn:
Murꝛ und brumm darwider nicht; Gott / nur
deiner Tohrheit lachet.
Was wird wol der Doͤpfer hier / wann der Dopf
zu ihm wolt ſagen:
Warum haſt du mich zum Dopfe / warum nicht
zum Krug gemacht?
Worzu du am baͤſten dieneſt / hat der Schoͤpfer
langſt bedacht.
Arme Scherben kan er auch machen reiche Gaben
tragen.
Das105Das Fuͤnfte Capitel.

Das Fuͤnfte Capitel. haͤlt in ſich Den Unterſchied aller Crea - turen Gottes / den ſeine weiſe Guͤ - te darunter gemacht hat.

DEutlich hat uns GOtt dieſen ſei - nen Willen und Ordnung fuͤr - geſtellet in andern ſeinen Crea - turen / Lebendigen und Lebloſen / Verſtaͤn - digen und unverſtaͤndigen. Die edelſte ſind die Engel. Wann aber die Schrifft ſagt: Durch CHriſtum ſey alles geſchaf - fen / was im Himmel und auf Erden iſt / das Sichtbare und Unſichtbare / beyde die Trohnen und Herꝛſchaff - ten / und Fuͤrſtentum / und Obrigkeit. Coloſs. I. 16. Jn der Epiſtel an die Ephe - ſer I. 21. ſtehen noch Gewalt und Macht. Jn der Epiſtel an die Roͤmer im VIII. 38. werden darzu geſetzt die Engel / in der I. Epiſtel an die Theſſal. IV. 16. der Ertzengel. Eſaiæ VI. 2. die Seraphim. E vEze -106Das Fuͤnfte Capitel. Ezechielis X. 2. 3. 21. Geneſ. III. 24. der Cherubin. Wann / ſprich ich / die Schrifft ſelbſt alſo unterſchiedlich die heili - ge Geiſterlein nennet / iſt es ja klaͤrlich ange - deutet: daß es ihm Gott alſo habe gefallen laſſen / auch unter denen hoͤchſten und reine - ſten Creaturen einen Unterſcheid / und ge - wiſſe Grad und Stuffen der Ehren zu ſe - tzen. Die Seel. Patres Dionyſius,(*)dionyſius Areop. L. de Cœli hier - arch. C. VI. & VII. Ignatius,(†)Ignatius in Ep. ad Trallianos. zum teihl auch(1)Gregorius Hom. XXXIV. in Evang. Gre - gorius, Bernhardus,(2)Bernhardus Serm. XIX. in Cant. Anſelmus(3)Anſelmus ſuper C. I. Eph. und andere / haben ſolche Grad alſo gezeh - let / daß der erſte Chor in ſich behalte die Seraphim / Cherubim / und Troh - nen. Der mittlere / die Herꝛſchafften / Machten / Gewalten; Der dritte / die Fuͤrſtentume / Ertzengel und Engel / welcher Geſtalt die erſte Ordnung / gleich - ſam wie Kammerdiener waͤren und Bey -ſitzer107Das Fuͤnfte Capitel. ſitzer Gottes / die die Offenbarungen zu den andern Engeln braͤchten. Die andere / ge - ringer als die erſte / und hoͤher als die dritte Reihe / gleichſam wie ein Mittelſtand; Die dritte aber wie die niderſten unter allen. Ob nun zwar wol andere Kirchenvaͤtter nicht eben gerad die Austeihlung alſo machen / wie dann der Seel. Auguſtinus und Hila - rius,(*)Auguſtin. Enchir. ad Laur. C. LVIII. ad Oroſ. cont. Priſcillian. c. XI. Hilar. in Pſ. CXXIX. an gedachter zweifelt / ſo geſte - het er doch das / daß Gott eine Ungleichheit gemacht hat unter denen heiligen Geiſtern / einen hoͤher als den andern erhaben / zu groͤſſern Dienſten geſetzt / lediglich / wie es ſei - nem heiligen Willen gefallen hat. Was wundert ſich dann ein Menſch / wann der weiſe Schoͤpfer dergleichen Stuffen unter den Menſchen geordnet / und den auf dieſe / jenen auf ein andere geſetzt / hoͤher und nide - rer / maͤchtiger und geringer / reicher und aͤrmer / geehrter und weniger geehrt?

Weil wir die himmliſche Creaturen be - ſehen / wollen wir weiter an dem Himmel ſelbſt ſchauen. Es ſpricht aber der ApoſtelE vjvon108Das Fuͤnfte Capitel. von den himmliſchen Coͤrpern: Ein an - dere Klarheit hat die Sonne / ein an - dere Klarheit hat der Mond / ein an - dere Klarheit haben die Sterne. Dann ein Stern uͤbertrifft den an - dern nach der Klarheit / I. Cor. XV. 41. 42. So oft wir nun ſolches ſehen / daß der Stern / als die Sonne ſo hell / ſo maͤch - tig / ſo glaͤnzend: ein anderer dagegen / als der Heſperus, oder Spica virginis, zwar auch ſchoͤn / ſubtil / klar: doch dem Liecht und der Wuͤrkung nach der Sonnen nicht gleich; ein anderer / als Comæ Berenices viel dumperer und dicker ſind / deren doch ein jeder ſo ſeyn und bleiben muß / wie ihn ſein Schoͤpfer gemacht hat / ſo oft kan ein Menſch ſelbſt ſeinen Gedanken wehren / entweder ſich zu betruͤben / weil ihn Gott / ſo zu reden / zu keiner Sonne oder Morgen - ſtern gemacht hat; oder zu neiden / daß ein Anderer den groſſen Glantz ſeiner Eh - ren / die hohe Macht ſeiner Gewalt / das helle Liecht ſeiner Glori und Nahmens hat / da er etwan kaum ein dunkles Sternlein wor - den iſt. Er gedenke: Zur Sonnen hat Gottnur109Das Fuͤnfte Capitel. nur einen Stern gemacht / zum Mond auch nur einen / andere wider auf unter - ſchiedliche Art und Weiſe begabt / wie er als ein freyer Gott Macht hat und gewalt hat.

Auch die Lufft weiſet es. Unter dem Ge - fluͤgel iſt ein Unterſchied an der Groͤſſe / Schoͤnheit / Nutzbarkeit. Die Fleder - mauß / die Nachteule / die Widhopfen ſind ja dem Anſehen nach ſcheußlich und ungeſtalt / gegen einem Adler / einem Papagey / einem Pfauen und dergleichen. Jene verbeut Gott ſelbſt zu eſſen. Levit. XI. 16. 18. 19. Viel andere dargegen / als Lerchen / Gaͤnß / Huͤner und dergleichen hat er teihls zu Nutz / teihls zur Luſt und An - muht geſchaffen / zu Luſt der Augen oder Ohren. Die Fledermaus kan nun nicht davor / daß ſie eine Fledermaus iſt / und daß die Eul ein Eul worden / und einen ſolchen Strobelkopfftraͤgt / ein Widhopff ein Wid - hoff bleiben muß. Das / das ſie ſind / ſind ſie und bleibens / ſo lang Gott will.

Das Meer und alle Waſſer lehren eben das. Es gibt nicht lauter Leviathan / Job. XXX. 8. XL. 20. oder groſſe Walfiſche / die einen Jonam koͤnnen drey Tag undE vijNacht110Das Fuͤnfte Capitel. Nacht im Bauch herum tragen / in ſeiner Prophezey. II. 1. Gott hatte neben ſolchem allerley Tiehr / das da lebet und webt / und vom Waſſer erꝛeget wird / ein jegliches nach ſeiner Art erſchaffen. Gen. I. 21. Zum teihl lieblich anmutig an - zuſchauen / auf groſſer Herꝛen Tafel ge - ordnet: zum Teihl widerwertig anzuſe - hen / die einem ſolten einen Eckel machen anzugreiffen; will geſchweigen zu eſſen / wie man nicht uͤbel ſagt von einer Meerſpinnen oder auch einem Krebs: wer ſolche am erſten gegeſſen habe / muͤſſe ein Hertz gehabt haben. Daß nun jene ſolche Ge - walt haben / ſo anmutig ſind den Augen / ſo lieblich dem Geſchmak / ja wol Perlein oder Purpur mit ſich fuͤhren; dieſe dagegen ſo ecklicht und widerwertig / woher komts? Komt es nicht von ihrem Schoͤpfer / der ei - nes ſo maͤchtig / ſo groß / ſo ſtark / ſo ſchoͤn / ſo wehrt geachtet; eines ſo ſchwach / ſo klein / ſo ohnmaͤchtig / ſo widerig proportionirt und geſtaltet hat / und ein jedes trachtet dan - noch dahin / wie es / ſeiner Art nach / ſeine Verwaltung / dazu es geſetzt iſt / verfuͤhren:nimmer -111Das Fuͤnfte Capitel. nimmermehr aber / wie es auch ſo groß / ſo maͤchtig / ſo herꝛlich werden moͤge / als das oder jenes iſt.

Grad ſo iſt es auf der Erden bewandt. Daß ein Eſel / ein Eſel iſt: ein Ochs / ein Ochs: eine Kroͤt / eine Kroͤte: eine Schlang / ein Schlang: eine Mucke / eine Mucke: edler aber ein Pferd / ein Hirſch / ein Rehe / ein Elephant; jenes / verworffen zum ſack - tragen / zum ackern / oder widrig anzuſchau - en / und mit einem Eckel und Entſetzen: Dieſes einen Kaͤiſer / einen Koͤnig / einen Fuͤrſten zu tragen oder zu fuͤhren; oder auf eine Kaͤiſerliche Tafel zukommen / oder mit einer luſtigen Jagt zu ergoͤtzen / iſt wider Gottes deß Herꝛn Satz und Willkuͤhr / der unter ſeinen Geſchoͤpfen auch Eſel und Ochſen / und Kroͤten und Mucken hat ha - ben wollen.

Noch mehr! Wann wir die lebloſen Erd - Creaturen betrachten / iſt das / zum Exem - pel / zu einer unfruchtbarn Dornhecken in ein duͤſtres Tahl hingeſetzt / jenes zu einem lieblichen Roſenſtock / Citronen-Pomeran - zenbaum gemacht / und auch dergleichen. Das / iſt mit einem lieblichen Geruch / er -quicken -112Das Fuͤnfte Capitel. quickenden Krafft / hohen Farb verſehen: jenes macht flugs dem Anſehen nach ein Grauen; oder ſtinkt / daß es kaum zu dulten ſtehet. Die Staͤm̃e im Wald lehrens. Das Holtz taugt zum brennen / und zu keinem Bau: jenes zu einem Pallaſt / Koͤniglichen Tafel / zu Schiffen / zu Kirch und Schulen / als ſonderlich die Cedern an Libanon / wie Taͤnnenholtz / wie Oelbaumholtz / und auch dergleichen. Daß nun jenes im Ofen muß zu Koln / zu Aſchen werden: Dieſes zu ei - nem Rahthauß gebraucht / zu einem Turn / zur Vaͤſtung / jenes nicht / iſt Gottes Werk / der dem Holtz die Daurung / die Vaͤſte / die Art gegeben / daß es ſich baͤſſer fuͤgen / artli - cher hauen / bequemlicher ſchneiden / ſubtiler hobeln / kůnſtlicher drexeln / ungeſplitterter bohren laͤßt / Regen und Ungewitter laͤn - ger und wehrhafter zu widerſtehen.

Unter die Erden wollen wir gehen! Es hat aber Gott nicht in alle Adern Gold und Silber gelegt: Bley - und Eiſen-Berg fin - den ſich auch; nicht uͤberal Marmol und Quaterſtuck eingeſenket: ſondern Kalch und unwehrtere Stein graben laſſen.

Ja /113Das Fuͤnfte Capitel.

Ja / wann ein jeder in ſein eigen Zimmer gehet / ſonderlich wo ein wenig groͤſſers Haußhalten iſt / findet ſich ja unter ſeinen Gefaͤſſen und Kuchengezeug das / daß ihm Gott taͤglich gleich ſam in Mund gibt. Ei - nes / zum Exempel / iſt zum Tiſchtuch / eines zur Handquaͤhle / eines zum Kuchen - und Fußhadern gemacht; Das / zur Ehrndeck / das dagegen zum Unluſt abzutreugen. Alſo gehet es / wie der Apoſtel ſpricht: Jn einem groſſen Hauſe ſind nicht allein guldene und ſilberne Gefaͤſſe / die man hoch und herꝛlich haͤlt / in die Behaͤlter und Truhen ſetzet / in Futtern verwahret: ſon - dern auch hoͤlzerne und jrꝛdinne / die man zu geringern wenigern Dienſten von noͤhten hat / und an Schloͤht haͤngt / oder an Rauch hinſetzt / oder in eine Ecken wirft / etliche zu Ehren / etliche zu Un - ehren II. Tim. II. 20. Alſo nemlich ſollen wir lernen: daß Gott auch das groſſe Hauß der Welt gubernire / und ſilberne und gul - dene Gefaͤß darein geſchafft habe / die we - gen ihrer Weißheit und hohen Verſtands in ſonderbaren Ehren und Reſpect ſeynſollen;114Das Fuͤnfte Capitel. ſollen; dagegen aber auch hoͤlzerne und jrꝛ - diſche / die jener Diener und Aufwarter wer - den muͤſſen / auf ihren Befehl rennen / lauf - fen / ſchreiben / treiben.

Gar bequem erwaͤhnt die Schrifft deß Toͤpffers / in obgedachtem IX. C. an die Roͤmer . 20. 21. 22. eben in ſolcher Mate - ri / da ſie von zeilichen Guͤtern redet: Lieber Menſch / ſpricht ſie / wer biſtu / daß du mit Gottrechten wilt? Spricht auch ein Werk zu ſeinem Meiſter: Wa - rum machſtu mich alſo? hat nicht ein Toͤpfer Macht aus einem Klum - pen zu machen ein Faß der Ehren und das andere zu Unehren? Oder ſo wirs mit den Worten deß Buͤchleins der Weiß - heit geben ſollen / hieß es alſo: Ein Toͤ - pfer / der den weichen Tohn mit, Muͤ - he arbeitet / macht allerley Gefaͤß zu unſerm Brauch: er machet aber aus einerley Tohn beyde Gefaͤſſe / die zu reinen / und zugleich auch die zu un - reinen Werken dienen. Aber wozu ein jegliches derſelbigen ſoll gebrauchtwerden /115Das Fuͤn̄fte Capitel. werden / das ſtehet bey dem Toͤpfer / in XV. 7. Nicht anders / verſtehe / ſind wir Menſchen gegen Gott / dem es keiner weh - ren kan noch ſoll / daß er dieſen erhebt: jenen nidriget; Dieſen an Herꝛen Hoͤfen zum Cantzler / Syrach. X. 5. jenen zum Stall - knecht und Hundsbuben geordnet hat; Die - ſes conſilia und Vorbringen angenehm und herꝛlich machet: jenes viel geringer und mit wenigerm effect.

Zu letzt / damit wir nicht weitlaͤuffiger gehen / betrachte ein jedes ſeine eigne Glied - maſſen deß Leibs / auf welche conſideration uns Paulus fuͤhrt. I. Cor. XII. da er ſpricht: Etliche Glieder am Leib habe Gott ſtaͤrker: etliche ſchwaͤcher gemacht. Wi - derum etliche ehrlicher / die ſich nicht verde - cken ſollen / etliche unehrlicher / die ſich ver - bergen muͤſſen; etliche die uns wol: etliche die uns uͤbel anſtehen. . XXII. XXIII. XXIV. Der Fuß / zum Exempel / beſchwe - ret ſich nicht / daß er keine Hand ſey. . XV. Das Ohr / das / zum Exempel / neben dem Kopff ſtehet / murꝛet nicht / daß es nicht ins Angeſicht geſetzt iſt / wie das Aug. . XVI. ſondern116Das Fuͤn̄fte Capitel. ſondern es ſey zu frieden / wo es ſtehe. Wa - rum? weil Gott die Glieder geſetzt / ein jegliches ſonderlich am Leib / wie er gewolt hat. . XVIII. Die taͤgliche lection gibt uns nun Gott auf / an uns / und in uns / daß wir nicht in dieſem Stuck denen teihls Corinthiern gleich werden / die ſich darum recht hartſeelig düncken lieſſen / und fuͤr veracht / weil ſie jenen nicht gleich waͤ - ren / die ſo groſſe Gaben haͤtten entweder im Lehren / oder in Weiſſagungen / oder in Churen der Krankheiten / oder mit Spra - chen reden / und dergleichen. Darum aber ſoll das nicht ſeyn / weil Gott einem jeden das ſeine zuteihlt / nach dem er will. . XI. Das aber / nach dem er will / begreift drey Stuͤck in ſich. I. Wem? II. Was fuͤr eine Gab? III. Wie viel da - von / oder mit was fuͤr Maas? Einmal nemlich teihle ers aus nach ſeinem freyen Willen; und nicht eben allen Menſchen ohne Unterſchied: ſondern welchem aus denen ers mitteihlen will; auch unter denen / denen ers verehren will / nicht einem jeden eines: ſondern dem diß / dem andern einanders;117Das Fuͤn̄fte Capitel. anders; und widerum / die einerley Gaben haben / dem eine groͤſſere: jenem eine kleine - re Maaß. So nun einer ſprechen wolte: warum hat es der / und ich nit? oder / warum iſt es bey dem alles groͤſſer / ſcheinlicher / angenehmer / und bey mir nicht? dem antwortet der Apoſtel: darum geſchehe es / weil es Gott gibt / nicht / wie ich und ein anderer wollen: ſondern wie es ihm gefaͤllt / der den Teihler / ſo zu reden / in der Rechnung / in ſeinem weiſen Sinn allein fuͤhret; wir wollens gleich multiplicirn oder dividirn, addirn oder ſubtrahirn, ſo werden wir doch auf die Rechnung nicht kom̃en / weil De Tri Regul darinn nichts gilt.

Zum allerletzten iſt wol zu bedenken / daß gewiſſe Grad und Stuffen der Ehren und Klarheit / auch unter den Außerwehlten ſelbſt / im Himmel und der ewigen Seelig - keit ſeyn ſollen / allermaſſen Paulus deutlich weiſet I. Cor. XV. 41. Nach dem er geſagt: Ein andere Klarheit hat die Sonne / ein andere Klarheit hat der Mond /ein118Das Fuͤn̄fte Capitel. ein andere Klarheit haben die Stern. Dann ein Stern ůbertrifft den an - dern nach der Klarheit / ſetzt er jetzt im XLII. . Alſo auch die Aufferſtehung der Todten / oder deutlicher: Alſo wird es auch ſeyn unter denen / die zum ewigen Leben auferſtanden ſind. Um weß willen der Prophet Daniel alſo ſchreibt: Die Lehrer werden leuchten wie deß Him - mels Glantz / und die / ſo viel zur Ge - rechtigkeit gewieſen / wie die Stern jmmer und ewiglich / im XII. 3. So dann einer findet / daß ſolche Ordnung Gottes / auch in der ewigen Seeligkeit ſeyn und bleiben werde / ſo gedenke er / einmal / es koͤnne geſchehen / daß der / der in zeitlichen jrꝛdiſchen Ehren jenem nach gehet / in jenen himmliſchen Ehren wol wider fuͤrgehen koͤnne; und / wie er in der Welt niderer iſt gegen jenem / in jener / hoͤher ſeyn koͤnne ge - gen dieſem; um weß willen er fuͤrs andere ſich deſto williger vor Mißgunſt / vor Streit / vor Schaͤnden und Laͤſtern hůten wolle / allerdings wie auch in jenem Leben unddifferenz119Das Fuͤn̄fte Capitel. differenz der Ehren / kein Neid / kein Streit: ſondern volle Vergnuͤgligkeit ſeyn werde. Id beata civitas illa(*)Auguſt. Lib. XXII. de C. D. C. XXX. ſagt der Seel. Auguſtinus, magnum in ſe bonum vide - bit, quod nulli ſuperiori ullus inferior in - videbit, ſicut nunc non invident Archan - gelis angeli cœteri: tam nolet eſſe unus - quisque quod non accepit; quamvis ſit pacatiſſimo concordiæ vinculo, ei, qui accepit, obſtrictus: quàm nec in corpore vult oculus eſſe quod eſt digitus, cum membrum utrumq́ue contineat totius carnis pacata compago. Sic itaue ha - bebit donum alius alio minus, ut hoc quoque donum habeat nec velit amplius. Das iſt / Jene ſeelige Statt wird auch das groſſe Gut in ſich haben / das kei - nem Hoͤhern / einiger Niderer miß - goͤnnen wird / gleich wie jetzund die Ertzengel nicht von den andern En - geln geneidet werden; ſo wenig wird einer / der Außerwehlten / ſeyn wollen / was er nicht ſeyn ſoll / ob er ſchon in vertraͤulichſter Einigkeit dem ver -bunden120Das Fuͤn̄fte Capitel. bunden bleiben wird / der ein mehrers empfangen hat / gleich wie an dem Leib auch der Finger nicht begehrt das Aug zu werden / da doch beyde Glieder in aller Einigkeit eine Haut zuſammen haͤlt. Demnach wird auch einer dorten ein groͤſſere / einer ein kleinere Gab haben / daß er dieſe Gab dannoch dabey habe / daß er nit mehr zu haben begehre / als er hat.

Andacht-Lied. Um Genuͤglichkeit. Nach der Singweiſe: Wie nach einer Waſſerquelle / ꝛc. oder: Werde munter / mein Gemuͤte / ꝛc.

1.
SChoͤpfer aller Menſchenkinder /
groſſer Gott / ich klage dir /
ich ſtaͤts / ich boͤſer Sünder /
urꝛe wider dich in mir. Jmmer121Das Fuͤn̄fte Capitel.
mmer will ich meiſtern dich /
aͤſſern dein Geſchoͤpfe mich; Nur denk ich zu werden jmmer
roͤſſer / aber niemals froͤmmer.
2.
Seh ich einen / der gelehrter / der beglückter iſt / als ich /
er da reicher und geehrter: ſtraks mein Hertz entruͤſtet ſich;
rotzig denkt es / und voll Neid:
as ſoll dieſer Unterſcheid? Jch moͤcht auch wohl ſolche Gaben /
ich ſolt ſie vor jenem / haben.
3.
Ach Herꝛ! ich bin dein Geſchoͤpfe: du haſt mich aus Erd gedreht /
ie ein Doͤpfer ſeine Doͤpfe; und in deinem Willen ſteht /
as du machen magſt aus mir.
olt ich widerſtreben dir? Ach! du kanſt mich ſchmeiſſen nieder
und zu Scherben machen wieder.
4.
Gnad iſt / alles was wir haben: Nichtes du uns ſchuldig biſt;FDu122Das Fuͤn̄fte Capitel.
u gibſt alle gute Gaben / wie es dir gefaͤllig iſt.
mich diß bedenken recht:
mich / als ein frommer Knecht / froͤlich deines Willens leben / ſeyn vergnuͤgt mit deinem Geben.
5.
Herꝛ! hier bin ich / dein Gefaͤſſe: leg darein / was dir beliebt /
einem weiſen Raht gemaͤſſe. Deine Hand mir nuͤtzer gibt /
ls mein Hertz verlangen kan.
nur forder ich dir an: Wolleſt (diß nur ich begehre)
in mich faſſen deine Ehre.
6.
Laß mich kein Gefaͤß der Suͤnden / noch deß Satans Werckzeug ſeyn:
du mich ſtaͤts reine finden und in mich moͤgſt faſſen ein
eine Gnade / die da nit
n ein Kohtgeſchirꝛ einzieht. Nun / Gott! dein ſind alle Gaben:
as ich ſoll / das werd ich haben.
Erklaͤ -

VI

Ein hirt der Juͤngſte Sohn.
Vor Sieben bringt davon.
Die Königliche Kron.
123Das Sechſte Capitel.

Erklaͤrung. Villoſi pecoris cuſtos 2. de Fratribus octo infimus: 3. Iſacidumregia ſceptra capit. Davids Geſchicht-Rede / Als er zum Koͤnig über Jſrael ge - kroͤnet ward.

JSrael / du Volk deß Hoͤchſten / weiſt du auch /
wen du jtzund /
dir zu einem Koͤnig / kroͤneſt?
Wer iſt David? wer iſt David? deſſen Haupt in
dieſer Stund
du mit Kronen-Gold beſchoͤneſt?
I. Fraget Bethlehems Gefilde! fraget Hirten /
Heyd / und Heerd!
fraget meine Schaͤfer-Brüder! (Erd
Dort ſpazierte meine Jugend auf deꝛ Weidbegraſtẽ
mit den Schaͤflein auf und nieder.
Dort pruͤft ich an Loͤwen / Beeren / meiner ſtarken
Gliber Krafft;
an den Woͤlffen / lernt ich kriegen;
Dorten lernt ich Steine ſchleudern / fürchten kei -
nen Riſenſchafft /
und den Goliath beſiegen.
II. Gott / der auf das Nidre ſihet / lieſſe mich durch
Samuel
holen von den Wollenheerden:
David ſoll (ſprach er / und goſſe auf mein Haupt
das Salbungs-oͤl.)
Meines Volkes Hirte werden.
F ijMeine124Das Sechſte Capitel.
Meine (wie dort / Joſefs) Bruͤder wurden uͤber
mich entbrandt
von deß gelben Neides Kerzen:
Daß der Schaͤferſtab ein Zepter werden ſolt in
meiner Hand /
dieſes ſchmerzte ſie im Herzen;
Sich verworffen / mich erwehlet / mich / Jſai
juͤn̄gſten Sohn /
Mich geſalbt vor ihnen Sieben̄ /
Mich hoch uͤber ſie erhaben / mir verſprochen ſehn
die Kron̄:
diß wolt ihnen nicht belieben.
Doch / der Neid kont mir nicht nehmen / was Gott
gab und günte mir.
Jch hab Koͤnig werden muͤſſen.
Dachte ſchon / mich aufzuopfern / dachte Saul
ſchon fuͤr und fuͤr
mich an eine Wand zuſpiſſen.
Reichsnachfolger man verfolgen / aber nicht er -
wuͤrgen kan:
Gott ſchuͤtzt Goͤtter dieſer Erden. (an;
Wem der Zepter iſt verſehen: ſtehet er ſchon unten
Was er ſoll / das muß er / werden.
Wer war David? wer iſt David? Gott erhebt
die Nidrigkeit;
ſtürzet ſtolzgeſinnte Sinnen.
Menſchen ſehen auf das Auſſen: aber ſein Allſe -
ſchauet auf das Herze Jnnen. (henheit
Ob du wuͤrdig / ob du tuͤchtig / Bauer oder Fürſt zu
ſteht nit an der Stirn geſchrieben. (ſeyn /
Laß Gott waͤhlen / walten ſchalten! dann er ſiht
in dich hinein:
Sein Verſorgen iſt ein Lieben.
Das125Das Sechſte Capitel.

Das Sechſte Capitel / haͤlt in ſich Die Exempel der Heiligen Schrifft.

AUf Exempel der Schrifft wollen wir nun kommen / doch nur etliche uñ die deutlichſte. Fuͤrnehme Leh - rer geben hierzu das Exempel an Jacob und Eſau / deren jener / ſamt ſeiner poſte - ritaͤt / Eſau / ſamt auch ſeinen Nachkomme - nen / in zeitlichen Guͤtern weit fuͤrgezogen worden. Einmal erlangte Jacob das Recht der Erſten-Geburt / das kein geringer Se - gen war. Zum Andern kam er in das Land / das Gott Abraham verheiſſen hatte. Zum Dritten ſolte aus ſeiner Linea der HErꝛ Meſſias geborn werden. Jhre Nachkoͤm - linge aber ſolten ferner einander unterworf - fen werden / und Jacobs Stamm ein Herꝛ: Eſau ein Knecht werden. Jene ein Land befitzen voller Fruchtbarkeit und reichen Uberfluſſes; Eſaus Freundſchafft dage - gen oͤde Gebuͤrge haben / anderſt nicht als wann Drachen da wohneten. Gen. F ii.XXV. 126Das Sechſte Capitel. XXV. 23. Malach. I. 2. 3. Und ſoll ſchon alſo beſchloſſen worden ſeyn / ehe ſie beyde geboren waren / und weder Gutes noch Boͤſes getahn hatten / wie Pau - lus bezeugt Rom. IX. 11. Warum doch? Beyde ſind ſie in Suͤnden empfangen und geboren: beyde haben noch keine wuͤrk - liche Suͤnde veruͤbt: beyderley kuͤnftige Werk verdienen Gott nichts ab? Warum ſoll dann Eſau und ſein Geſchlecht / deſſen / was ihm vor der gantzen erbarn Welt ge - buͤhrt / verluſtigt werden? Es iſt wider alle principia juris, moͤchte man gedenken. Allein Paulus ſetzt die Urſach darzu / auf daß der Fuͤrſatz oder das decret Got - tes beſtuͤnde / ward nach der Gna - denwahl zu Rebecca geſagt: Nicht aus Verdienſt der Werk: ſondern aus Gnaden deß Beruffers / alſo: Der Groͤſſeſte / Erſtgeborne / Eſau und ſeine Linea / ſoll dienſtbar werden dem Klei - nern Nachgebornen Jacob / wie dann geſchrieben ſtehet: Jacob hab ich ge - liebt / und mehr zeitlich gutes zu tuhn be -ſchloſſen:127Das Sechſte Capitel. beſchloſſen: Eſau aber hab ich gehaſſet / und viel geringer in zeitlichen jrꝛdiſchen Guͤtern zu verſehen mich reſolvirt. (*)Fr. Bald. in Rom. IX. 11. p. m. 614. & 638. Uſque adeò privilegium externi dominii non ab hominum meritis, non à ſplendo - re generationis carnalis: Sed ſimplici & mera Dei voluntate dependet, ſpricht hieruͤber Herꝛ D. Fridericus Balduinus in ſeiner Erklaͤrung. Alſo nemlich / haͤngt das privilegium deß aͤuſſerlichẽ do - minats und Herꝛſchafft nit an unſern Verdienſten / nicht an der herꝛlichen fleiſchlichen Geburt: ſondern an dem freyen uñ von Menſchen unverdientẽ Willen Gottes. Und in Aphoriſ. XIII. ſchreibet er alſo: Nemo ſuccenſeat alteri quod inter eos qui pares eſſe videntur, aliqui extolluntur, aliqui deprimuntur. Hoc enim à Deo eſt, qui liberrimam ha - bet poteſtatem faciendi cum creaturis ſuis quidlibet: is eſt, qui reſpexit Jaco - bum, neglexit Eſavum; ipſe etiam eſt qui hunc humiliat & hunc exaltat Pſalm. LXXV. 5. Keiner zůrne und eyfereF iiijmit128Das Sechſte Capitel. mit dem andern / daß unter denen / die einander gleich dunkẽ / etliche erhoͤhet und erhaben werden / etliche nicht. Dann das komt vom HErꝛn / der die allerfreyeſte Gewalt hat mit ſeinẽ Ge - ſchoͤpf zu tuhn / was er will. Der iſt es der Jacob angeſehen / Eſau ver - ſchlagen hat: eben er iſt es der den nidriget / jenen erhoͤhet. Pſal. LXXV. 5. Der S. Hr. D. Johannes Tarnovius aber / da er den Spruch Malachiæ erklaͤrt / ſetzt er folgendes:(*)Joh. Tarnov. in Loc. Com. ſup. C. I. Malach. v. II. n. III. p. m. 19. Deus in externis ac tem - poralibus alium alii præfert, de quo oc - culto nobis: ſed non injuſto Dei judi - cio, meritò cum Apoſtolo exclamamus: Quàm inſcrutabilia ſunt hæc judicia ejus & quàm imperveſtigabiles viæ ejus Rom. XI. 33. Quis fuit ejus conſiliarius. v. XXXIV. das iſt: Gott ziehet in aͤuſſer - und zeitlichen Guͤtern einen dem andern vor / von welchem uns verborgenen: aber nicht ungerechtenUrteihl129Das Sechſte Capitel. Urteihl GOttes wir billich mit dem Apoſtel ſagen: wie unbegreifflich ſind ſeine Gericht und unerforſchlich ſei - ne Wege Rom. XI. 33. Wer iſt ſein Rahtgeber geweſt? . XXXIV.

Ja ſo klar iſt es an Ephraim und Ma - naſſe zu ſehen. Dieſer war der Erſtgeborne; alſo gebuͤhrte ſelbem billich der Vorzug. Joſeph / als ein kluger Mann / ſo wol vom Geiſt Gottes getrieben / richtete es alſo dar - nach / daß ers ihrem Groß-Vatter recht zu Handen ſtellen kunte; Jacob aber ſtreckte ſeine rechte Hand aus / und legte ſie auf Ephraim / deß Juͤngſten Haupt. Gen. XLVIII. 14. nicht aus einer Un - achtſamkeit / oder ohngefaͤhr / oder aus Un - beſonnenheit ſeines Alters: ſondern / wie dabey ſtehet: Er taht wiſſend alſo mit ſeinen Haͤnden. Jhr rechter Vatter Jo - ſeph mag es wol ſo vorgenom̃en haben / wie es das Recht der Natur / und die Gewohn - heit deß Volks mit ſich brachte / weil der H. Geiſt ſagt: Es gefiel ihm uͤbel / daß Ja - cob das taͤht / . X VII. Faſſet derowegenF vauch130Das Sechſte Capitel. auch ſeines Vatters rechte Hand / daß er ſie von Ephraims Haubt auf Manaſſis Haubt legte / mit dem Vermelden: Nicht ſo / mein Vatter! Dieſer iſt der Erſt - geborne / lege deine rechte Hand auf ſein Haubt . XVII. XVIII. Worinn er dann / an ſich / nicht unrecht urteihlt. Aber doch geſchiht es nicht! Jacob weigerte ſich und ſprach: ich weiß wol / mein Sohn! ich weiß wol! Dieſer ſoll auch ein Volk werden / und wird groß ſeyn; aber ſein jüngſter Bruder wird groͤſ - ſer dann er / der Aelteſte / werden. . XIX. Alle Interpretes geſtehen: Jacob ſey darzu / durch einen jnnerlichen Trieb und Anraͤ - gung deß Heiligen Geiſtes / geneigt wor - den / daß er den Juͤngſten / dem Aelteſten vorziehen ſolte in zeitlichem Segen. Wie gehet aber das Ding zu? Manaſſe hat Jacob / ſeinem Groß-Vatter / niemals er - zuͤrnet; ſo meldet der Heilige Geiſt kein an - ders ſeiner Laſter / dardurch er die erſte Ge - burt verſchertzt haͤtte; ſo wird von Ephraim nichts gefunden / womit er ſeinem Groß -Vatter131Das Sechſte Capitel. Vatter / ſonders und fuͤr Manaſſe lieb wor - den ſey / oder baͤſſer aufgewartet / oder gehor - ſamer ſich erzeiget; ja der Stam̃ Ephraim / oder ſeine Nachkoͤm̃linge / ſind nit nur boͤſer worden als Manaſſe: ſondern groͤſſere Ab - goͤtterey getrieben / als alle andere Staͤmme Jſrael; weil aus dem Stamm Ephraim / der Ertzſtiffter aller oͤffentlichen Abgoͤtterey Jeroboam entſproſſen / dem die Schrifft kein anders Zeugniß erteihlt / als daß er Jſrael habe zur Abgoͤtterey gebracht. Syrach. XLVII. 29. I. Reg. XII. 26. 33. II. Paral. XI. 15. XIII. 9. Solt eines nicht nochmal ſagen mit Herꝛn Luthero S.(*)Com. in Gen. C. XLVII. T. XI. p. 308. b. edit. Germ. VVitteb. M DL XXII. Ephraim nimt die erſte Geburt hin ohn allen Verdienſt: Manaſſe aber wird derſelben beraubt / ohn alle ſeine Schuld! Es ſetzt aber gedachter Seel. Lehrer darzu: Jacob hat ſolches getahn im Glauben und durch einge - bung deß Heiligen Geiſtes. Darum muß man die rechte Urſach dieſerF vjTaht132Das Sechſte Capitel. Taht aus dem Glauben und Ver - heiſſung nehmen / und nicht aus dem Geſetz / noch aus den Rechten / oder auch nicht aus der Natur. Jtem / Er fuͤhrt Jacob ein / als wann er Joſeph alſo antwortete. (*)Luth. Tom. XI. VVitt. Germ. p. m. 306. b. Es iſt jetzt deß Ge - ſetzes (der erſten Geburt) Zeit nicht / es hat jetzt hie keine Statt: ſondern hier gilt allein der Goͤttliche Segen / welcher keinem Geſetz unterworfen iſt / auch unſern Rechten oder Weiß - heit nit. Licet enim Deo dona ſua diſtri - buere pro ſuo beneplacito, nec injuriam ei facit, cui aliquid aufert: in quem autem beneficium confert, is habet cauſam, cur miſericordiam Dei laudibus celebret, gloſſiert hieruͤber Oſiander: GOtt hat Macht ſeine Gaben aus zuteihlẽ nach ſeinem Wolgefallen / und tuht dem nit unrecht / dẽ er etwas verſagt. Der aber dẽ er woltuht / hat Urſach ſeine Barm - hertzigkeit zu loben und zu preiſen.

Noch dergleichen findet ſich an denKindern133Das Sechſte Capitel. Kindern Jacobs / ſonderlich am Jſchaſchar. Der arme Tropf muß in dem Abſchied ſei - nes Vatters unter ſeinen Bruͤdern ein beinerner Eſel heiſſen / das iſt / er werde zwar ſtark ſeyn: aber nichts dapfers noch ſonderlichs verꝛichten: ſondern allen Laſten und Betrangniſſen unterworffen ſeyn / von Freund - und Feinden. Deßwegen ſeine Schultern geneigt zu tragen / und ein zinsbar Knecht zu werden. Geneſ. XLIX. 14. 15. Oft erwaͤhnten Seel. Hr. Crameri gloſſa daruͤber heiſt alſo: Gott will auch Sacktrager haben unter ſeinem Volk. Da heiſt es dañ billich: Sis aſinus quemcunꝙ́ aſinũ ſors aſpera fecit. Dann ein leidliche Buͤrde / und er - traͤgliche Laſt auf ſich nehmen / iſt doch baͤſſer / als oftmals in groſſem Gluͤck ſchweben; weßwegen der Seel. Ambroſius(*)Ambroſ. L. IV. Hexaem. c. IV. edit. Baſil. M D L XV II. p. m. 44. dieſe billich auslacht / die ſolches etwan dem Geſtirn zuſchreiben wolten / und / wie ſeine Wort lauten: Labo -F vijrioſos134Das Sechſte Capiel. rioſos & patientes ſervitij, quos naſcentes taurus aſpexerit, quia animal laborioſum & aſſuetum jugo, ſpontanea ſervituti col - la ſubmittens, deßwegen arbeitſam und knechtlich geſinnet hielten / weil ſie im Stier geboren waͤren / der ein ar - beitſam Tiehr und deß Jochs ge - wohnt / willig den Hals hinſtrecke.

Eben Joſeph ſelbſt iſt ein lauters Exem - pel. Wann man ſagen ſolte / wie man pflegt zu reden / hat das Gluͤck wol ſonderlich mit ihm geſpielt / und ſolte wol mancher ſpre - chen / wann man ſeinen Zuſtand nach ein - nander hoͤret: er wiſſe keine Urſach zu ge - ben! Daß ihn ſeine Bruͤder in der Gru - ben / da ſie ihn hinwerfen / nicht Hunger ſter - ben laſſen / moͤchte man ſagen: iſt deß Gluͤcks ſchuld; daß eben damals / die Midianitiſche Kaufleut / vorbey paſſirn / geſchiht auch ohn - gefaͤhr. Daß ſie / ihn / denen verkauffen / macht ein Haͤndlein voll Gelts. Daß dieſe wider mit ihm wuch ern in Egypten / bringt ihr profeſſion mit. Daß er eben zu Poti - phar / deß Pharao Kaͤmmerer und Hof - meiſter / in Dienſt koͤmt / mag etwa wol derMangel135Das Sechſte Capitel. Mangel der Ehhalten getahn haben. Daß ihm ſein Herꝛ goͤnſtig wird / mag er ſich als ein frember / unbekandter / erkaufter zuge - ſchmeichelt haben. Daß er in folgender Ge - faͤngniß / auch deß Amtmanns Hertz ge - winnt / hat er biß dato gelernet / was für Manier in der Fremd gilt? Daß er Pharao die beyde Traͤume auslegt / hat ers eben un - gefaͤhr erꝛahten / weil er gute naturalien hatte. So komt er nun ferner fort / und ge - winnt Pharao Hertz / daß er ihn zu ſeinem heimlichen Raht oder Cantzler macht / mit ſolch - und ſolcher Ehr / ſolch - und ſolchem Reichtum begabet. Das alles / ſolt eines faſt denken: ſey halt ſo gerahten / wie man - cher Menſch mehr in der Welt fortkom̃en iſt / ſonderlich in der Fremd / da er eben / zu dieſer oder jener Zeit / keinen andern an - traf / der es ihm gleich taͤhte; oder ſo ers in der Taht gleich machte / und noch wol druͤ - ber waͤre / man ihm / jenen / dannoch vor - zog / weil / wie man ſpricht / das fremde Brot allzeit baͤſſer ſchmaͤcke / als das man vorhin im Hauß hat. Allen denen Gedanken aber begegnet die Schrifft / undweiſt136Das Sechſte Capitel. weiſt es: daß nicht unbeſonnener Weiſe / Joſeph / oder wer es waͤre / ſolches zu Hand ſtoſſe: ſondern Gottes Vorſorg ſey es / die ſich derer oder derer natuͤrlichen Mittel be - diene / die ſie von Ewigkeit geſehen / daß es zu der oder der Zeit / ſich ſo oder ſo ſchicken werde. Außdruͤcklich ſteht / Gen. XXXIX. 2. 3. 4. 5. Der Herꝛ war mit Joſeph / daß er ein gluͤckſeeliger Mann ward / und war in ſeines Herꝛn deß Egy - pters Hauß / und ſein Herꝛ ſahe / nicht / daß ohngefaͤhrer weiſe ihm das Gluͤck ins Hauß floͤge: ſondern / daß der Herꝛ / das iſt / was goͤttliches / uͤbermenſchliches mit Joſeph war; dann alles was er taͤht / nicht ein / zwey / drey / Stuck; das haͤt - te man fuͤr ohngefaͤhr achten koͤnnen: alles alles was er taͤht / da gab der Herꝛ Gluͤck zu durch ihn. Eben der Herꝛ / verſtehe / macht ihm die Gunſt bey Potiphar / weil er ſpuͤrte / daß von der Zeit an / da er ihn über ſein Hauß geſetzet hatte / . IV. ſolches handgreiflich zugenommen habe / und eitel Segen war in allem was erhatte137Das Sechſte Capitel. hatte / zu Hauß und zu Feld. Das kunte ja ſo beſtaͤndig von nichts herkommen / das man ſonſt bey den Egyptern / als Heyden / Gluͤck heißt / weil ſolches tauſentmal va - rire; muͤſſe demnach von einem hoͤhern / weiſern / maͤchtigern Weſen / vom HErꝛn / herꝛuͤhren. Widerum / daß er deß Amt - manns über das Gefaͤngniß Hertz gewiñt / geſchiht nicht durch Schmeicheley; es heißt gleicher weiß: Der HErꝛ war mit Joſeph / und neigete deß Amtmanns Huld zu ihm / und ließ ihn Gnade fin - den fuͤr ihm . XXI. Und nochmal: Der HErꝛ war mit Joſeph / und was er taͤht / da gab der HErꝛ Gluͤck zu. . XXIII. Was die Traͤume belangt / iſt es fuͤrwahr nicht nur ein blindes erꝛah - ten; weil alle Wahrſager und Weiſen ſol - ches nicht ausſinnen kunten: auslegen aber gehoͤrt Gott zu / ſpricht Joſeph noch in ſeiner Gefaͤngniß c. XL. 8. Und da er fuͤr Pharao komt / und der zu ihm ſprach: Jch hab gehoͤrt von dir ſagen / wann du einen Traum hoͤreſt / ſo koͤnneſt duihn138Das Sechſte Capitel. ihn deuten c. XLI. 15. antwortet er: Das ſtehet bey mir nicht! Gott wird doch Pharao Gutes weiſſagen . XVI. Gott verkuͤndigt Pharao / was er für hat . XXV. GOtt zeiget Pharao / was er fuͤr hat. . XXVIII. Pharao ſelbſt / als ein Heyd / findet es / daß das kein blindes Tappen und erꝛahten ſey / da er zu ſeinen andern Knechten ſpricht: Wie koͤnten wir einen ſolchen Mann finden / in dem der Geiſt Gottes ſey? . XXXIIX. Und Joſeph ſelbſt redet er alſo an: Weil dir Gott ſolches alles hat kund getahn / iſt keiner ſo verſtaͤn - dig und weiß als du . XXXIX. Da ihm ſein erſter Sohn Manaſſe geboren wird / ſtellt ers abermal nicht dem blinden Gluͤck zu: ſondern / Gott / ſprach er / hat mich laſſen vergeſſen alles meines Ungluͤcks . LI. Da der ander / Ephraim / geboren wird / ſpricht er wider: nicht / es ſey ihm ſo unverſehens gegluͤckt in der Frem - de; Nein! Gott / ſprach er / hat mich laſſen wachſen in dem Lande meinesElends139Das Sechſte Capitel. Elends . LII. Anreichend ſeine Brü - der / und ſein verkauffen in Egypten / ſpricht er aufs neu: Sie ſollen nicht denken / daß ohne Urſach / und Gott unwiſſend ſolches uͤber ihn ſey verhengt worden; Nein! Um eures Lebens willen / ſagt er zu ih - nen / hat mich Gott fuͤr euch herge - ſandt. C. XLV. 5. Warum hat es aber Gott getahn? Daß er euch uͤber behal - te auf Erden / und euer Leben erꝛette durch eine groſſe Erꝛettung . VII. Und nochmal nach ſeines Vatters Tod: Jhr gedacht es mit mir boͤß zu ma - chen: aber GOtt gedacht es mit mir gut zu machen / daß er taͤht / wie es jetzt am Tag iſt / zu erhalten viel Volks / Gen. L. 20.

Beydes im Geiſt - und weltlichem Stand zugleich finden ſich Exempel Num. XVI. Korah verdroß es von Hertzen / daß Moſes auf ſeinen leiblichen Bruder Aaron / und ſeine Linea / das Hoheprieſterliche Amt erblich bringen wolte / da er / Korah / doch ſo wol aus dem Stamm Levi war als Aaron /alſo140Das Sechſte Capitel. alſo meynte: Moſes taͤhte es / die andern Staͤmme dardurch zu unterdrucken / ſeinen zu erheben; er wolle aus ſeinem Bruder einen geiſtlichen Herꝛn / und wie man jetzt zu weiln redet / einen Pabſt machen / wie er / ein weltlicher waͤre; daß alſo geiſt - und weltliches Regiment bey einer Freundſchaft bliebe. Damit er aber die geiſtliche deſto mehr und eher bezwingen moͤchte / haͤngt er auch die Weltliche an ſich / Num. XVI. 1. Dothan / Abiram und On / die von dem Stamm Ruben waren / und ſich ja ſo klug und witzig dunken lieſſen / ſo qualificirt als Moſes nimmermehr das gouerno zufuͤh - ren / um derer eingebildeten qualitaͤten wil - len / ſich / noch auf die dritthalbhundert der Fůrnehmſten in der Gemein ſchlugen / noch darzu Rahtsherꝛen / . II. und im uͤbrigen ehrliche Leute / die ihres guten uñ wolgeneigten affects willen noch viel tau - ſend haͤtten an ſich haͤngen koͤnnen; daß al - ſo fuͤr menſchlichen. Augen nicht wol muͤg - lich geweſt / das Werk zu hindertreiben. Dann es bereit ſo weit kommen / daß ſie ih - nen unter die Naſen ſtunden / und ins Ge - ſicht ſagten: Jhr machts zu viel / . III. das141Das Sechſte Capitel. das iſt / Jhr bildet euch ein: Jhr / und die eurigen / waͤret allein klug und geſchickt zu geiſt - und weltlichen Aemtern / und GOtt hab ſeine Gaben auf euch allein geſchůttet / die andern zu Eſeln und Ochſen gemacht. Nein! Die gantze Gemein iſt uͤberal heilig / ein jeder iſt aus dem Gebluͤt deß Heiligen Vatters Abrahams / und der HErꝛ iſt unter ihnen / wo nicht mehr: doch ſo viel als er bey euch iſt. Was erhebt ihr euch dann uͤber die Gemeine deß HErꝛn / und wolt alles allein ſeyn und die groſſen Hanſen agirn? Es ſolt eines ja ge - denken: Bißher ſey es ſo durch das blinde Glück zugangen / und durch ein ſo lange conniventz, weil keiner das Hertz gehabt / das Maul einmal aufzutuhn. Wie gehet es aber gleichwol? . V. VI. Moſes tuht das Maul wider auf / und verweiſt ihnen die Teuffels Hoffart / daß nicht er und ſein Bruder Aaron: ſondern ſie ſich mehr ein - bildeten als recht waͤre / die mit ihrem Zu - ſtand nicht zu Frieden waͤren / da ſie doch bißher ja ſo wol fuͤr andern vorgezogen und erhaben worden / denen doch keines ihrGluͤck142Das Sechſte Capitel. Gluͤck mißgoͤnnt und angetaſt haͤtte. Wie nun ſie / zu den Ehrenſtand / in geiſt - und weltlichen Aemtern / fuͤr andern / kommen waͤren: ſo waͤre er und Aaron auch darzu kommen. Nun koͤnten ſie aber nicht ſagen / daß ſie ſich darein gedrengt und einge - ſch miert haͤtten / oder daß es blinder / plum - per Weiſe zugangen waͤre: ſondern Got - tes Werk waͤre es; Alſo ſey es mit ihnen auch beſchaffen. Sie haͤtten ſich ſo wenig darein genoͤhtiget; und von einem blinden oder ungeſcheiden Ding wiſſeten ſie nichts. So ſolten ſie / derowegen / ſich / mit dem con - tentirn laſſen / zu was ſie Gott biß dato ge - brauchen habe wollen. Seine nachdenkli - che Wort heiſſen alſo: . IX. Hoͤret doch ihr Kinder Levi! Jſts euch zu we - nig / daß euch der Gott Jſrael außge - ſondert hat von der Gemeine Jſrael / daß ihr ihm opfern ſollet / daß ihr die - net im Amt der Wohnung deß Her - ren / und fůr die Gemeine trettet / ihr zu dienen? Da viel tauſend ſind die es weder dahin gebracht / noch in Ewigkeit bringen werden. . IX. Jm End / wer iſtdeß143Das Sechſte Capitel. deß Gluͤcks Urſach bey Moſe und Aaron? Moſes und Aaron ſelber nicht! Dann / was iſt Aaron fuͤr ein ſchlechter Menſch / bey dem / das / nimmermehr ſtuͤnde / ein ſol - ches Wort / bey einer ſo maͤchtigen Gemein / fuͤrzubringen? . XI. Aus meinem Hertzen aber / ſpricht Moſes . XXIIX. oder allein nach meinem Willen und Ge - fallen / hab ich dieſe Werk auch nit getahn! Wer dann? Eben der GOtt Jſrael / der ſie / ſeine Neidhaͤmel und Mißgoͤnner / zu ihren Ehren geſetzt . IX. Der Herꝛ haͤtte ihn geſandt . XXVIII. alſo taͤh - ten ſie mit ihrem widerbellen und Gegen - ſatz anderſt nichts / als daß ſie den Herꝛn laͤſterten . XXX. um welches willen / ſie / die Erde lebendig verſchlingen muͤßte / die uͤbrige die Flam̃ verzehren. . XXXII. XXXIII. XXXIV. XXXV.

Sonderbarer zufaͤlliger Weiſe ſolt es je - mand fuͤrkommen / daß Saul zum Regi - ment gelanget / und der erſte Koͤnig in Jſrael wird. Man gedenke nur: Sein Vatter Kiß hatte ſeine Eſelinnen verlohren / undSaul144Das Sechſte Capitel. Saul befohlen ſolche zu ſuchen; er gehet durch das Gebuͤrg Ephraim / durch das Land Saliſa / durch das Land Saalin / durch das Land Jemini / I. Sam. IX. 4. und findet ſie nirgend. Er re - ſolvirt ſich endlich mit ſeinem Knecht bey einem Seher / wie man zur ſelben Zeit die Propheten hieſſe / zu erforſchen / wo ſie hin - kommen waͤren? Da er zu Samuel komt / und ſeinen Eſelinnen nachſpuͤhren will / hoͤret er von dem Propheten / den er ſein Lebtag nicht geſehen / und er ihn wider nicht / er ſoll ſich um die Eſel nit kuͤmmern; alles was das baͤſte in Jſrael ſey / ſoll ſein und ſeines Vatters gantzen Hauſes ſeyn / I. Sam. IX. 20. Saul weiß ſe[l]ber nicht / ob er / Samuel / ſeiner ſpottet / oder wie ers aufnehmen ſoll / daß er ſolche Reden tuht / ihme / der daſelbſt ein Fremder ſey / und von dem Stamm Benjamin / der wegen der greulichen Taht / davon im Buch der Richter im XIX. 25. zu leſen / in gantz Jſrael verfeindt war / in die aͤuſſerſte Ver - achtung kommen / und ſchier gantz vertilgt worden. c. XX. 46. 47. c. XXI. 3. auchweil145Das Sechſte Capitel. weil andere Staͤmme hoͤher geachtet wa - ren / und groͤſſere Verheiſſung für ſich hat - ten / Gen. XLIX. 8. & ſeqq. Bin ich nicht ein Sohn / ſpricht er zu Samuel / von Jemini / das iſt / eines Benjamiten / und von den geringſten Staͤmmen Jſrael / I. Sam. IX. 21. weil kurtz zuvor ihrer auf einmal 25000. erſchlagen wur - den / Judic. XX. 46. und mein Ge - ſchlecht das kleinſte und unanſehnlichſte unter allen Geſchlechten der Staͤm - me Benjamin. Warum ſagſt du dann mir ſolches? als wolt er ſagen: du wirſt dich gewiß jrꝛen / und mich fuͤr den un - rechten anſehen! Dann von Gott / ſcheint ja / koͤnne das nicht herkommen / der uͤber unſern Stamm ſehr erzürnt iſt! Wun - dern ſoll ſich je keiner / daß es andern vielen mehr / zur ſelben Zeit / recht fremd fuͤrkom̃en iſt / und nicht unbillich dachten: Was ſoll uns der helfen? I. Sam. X. 27. der unverſehens hergeloffen komt / von dem leichtfertigen verhurten Stamm Benja - min entſproſſen / und wird kaum fehlen /Gdaß146Das Sechſte Capitel. daß ſolche Gedanken einem andern / der die Hiſtori liſet / nicht noch einmal kommen ſol - ten: es ſey halt ſo plump zugangen / weil er ein junger feiner Mann war / eines Haupts laͤnger dann alles Volk. I. Sam. IX. . 11. Aber ſehet doch! Einen Tag zuvor / ehe dann Saul kam / of - fenbaret es der HErꝛ / ſtehet . XV. dem Samuel / und ſprach: Morgen um dieſe Zeit / will ich einen Mann zu dir ſenden / aus dem Land Benjamin / den ſoltu zum Fuͤrſten ſalben uͤber mein Volk Jſrael! . XVI. Da aber folgen - des Tags Saul ankam / antwortet der Herꝛ Samuel: Sihe / das iſt der Mann / davon ich dir geſagt hab / daß er uͤber mein Volk herꝛſche / . XVII. Und da ers Saul offenbaret / ſpricht er: Ste - he ſtill / das ich dir kund tuhe / was GOtt geſagt hat / . XXVII. Da er ihm wůrklich das Oelglaß auf ſein Haupt goß / widerholet ers alſo: I. Sam. X. 1. Siheſtu / daß dich der Herꝛ zum Fuͤr - ſten uͤber ſein Erbteihl geſalbet hat! Da147Das Sechſte Capitel. Da er ihn fuͤr voll præſentirn wolte / und um / eine mehrere Gewogenheit / Furcht und reſpect fuͤr dem Volk zu machen / es aufs ordentliche Loß ſtellte / ward nach allen Staͤm̃en und Freundſchaften der Stam̃ Benjamin getroffen; und da ſelber herzugebracht wurde mit ſeinen Ge - ſchlechten / war getroffen das Ge - ſchlecht Matri / und aus dem / Saul / der Sohn Kiß / . XX. XXI. Es wolt ihmaber ſelber noch nit in Kropf / daß er uñ - ter dem Eſel-ſuchen zum Koͤnigreich ſteigen ſoll / davon ihm ſein Lebtag nicht getraumt haͤtte / auch uͤbel lauten wuͤrde / daß einer / der verlohrne Eſel ſucht / ein gefundenes Koͤnig - reich erlangen ſolte; verſteckte ſich dero - wegen unter die Faß / oder hinter die Ruͤſtwaͤgen die ſie mit ſich fůhrten. Auf daß aber er ſo wol / als das damalige Volk / und kuͤnftig alle poſteritaͤt wiſſete: Herꝛſchaf - ten / Kaͤiſertume / Koͤnigreiche wurden dem / deme es Gott goͤñte / ſprach Samuel zu al - lem Volk: Da ſehet ihr welchen der Herꝛ erwaͤhlet hat! . XXII. XXIII. XXIV. Um weß willen ſeine Neider undG ijLaͤſterer148Das Sechſte Capitel. Laͤſterer von dem Heiligen Geiſt ſelbſten loſe Leut geheiſſen werden / . XXVII. Die dagegen / die Gottes Rahtſchluß / und Wil - len / und Ordnung fuͤr gut und bekandt aufnahmen / und zu frieden waren / die jeni - gen / welcher Hertz GOtt růhrete / oder die Gottes Ordnung ſuchen und ehren wolten / . XXVI.

Jſt ein Exempel deutlich / ſo iſts Davids Exempel I. Sam. XVI. 1. Da ein Koͤnig in Jſrael geſalbt werden ſolte / und Jſai / der unter ſeinen Soͤhnen einen haben ſolte zum kuͤnftigen Koͤnig / einen nach dem andern herfuͤrkommen lieſſe; zufoͤrderſt den aͤlte - ſten / Eliab / als deme es von Rechts we - gen gebuͤren wolte / der auch darbey ein ſtatt - liche præſenz hatte / daß Samuel der Pro - phet ſelbſt meynete: VI. Allerdings muͤſ - ſe der Koͤnig werden! bekam er doch vom Herꝛn die Antwort: . VII. Sihe nicht an ſeine Geſtalt / noch ſeine groſſe Perſon! Jch habe ihn verworfen: das iſt / ich hab ihn in dieſer Sach hindan geſetzt / und nit zum Koͤnig erſehen. Dann es gehet nicht wie ein Menſch ſihetund149Das Sechſte Capitel. und urteihlt. Ein Menſch ſihet was für Augen iſt / die Schoͤnheit / Groͤſſe / Alter / Staͤrke; Der Herꝛ aber ſihet das Hertz an / und weiß in dieſem Fall / daß Davids Hertz baͤſſer ſey / als Eliabs Hertz / ob ſchon dieſer von Perſon anſehnlicher und herꝛlicher iſt / als jener. Weils dann ja Eliab nicht ſeyn ſolte / vermuhtet Jſai nicht uͤbel: es muͤſſe der naͤchſtfolgende Bruder ſeyn / Abinadab / . VIII. allein es hieß aber - mal zu Samuel: Dieſen hat der HErꝛ auch nicht erwaͤhlet! . IX. Es komt biß auf den Dritten / Samma / und lautet gleich ſo: Der HErꝛ hat dieſen auch nicht erwaͤhlet! es komt biß auf den Siebenden / und von allen ſtehet: . X. Der Herꝛ hat der keinen erwaͤhlet! An David dacht ſein Vatter nicht / als der der juͤngſte waͤre / und ehe einen Viehhirten: als einen Koͤnig gebe; eher in Stall: als an Hoff tauge; wie er dann zu Samuel ſprach: . XI. Es iſt noch uͤbrig der kleineſte / und ſihe er huͤtet der Schaf! Gleichwol da er beygebracht wird / heißt dieG iijStim -150Das Sechſte Capitel. Stimme Gottes: . XII. Auf und ſal - be ihn / der iſts! verſtehe / den er ſich zu einem Konig erſehen habe. . I. Saul ſtellt ihm nach der Zeit oft nach; bißweilen hatte er ihn ſchon / wie man ſpricht / im Sack; weil aber einmal Gottes Schluß ergangen: David ſoll Koͤnig werden! ſo hilft kein neiden / kein verfolgen / kein Raht / kein Taht / ihn entweder zu erwuͤr - gen / oder vom Reich zu ſtoſſen.

Eſther iſt ſonderlich den Ehleuten ein Exempel. Sie war fremd / aus dem Juͤ - diſchen Geſchlecht / eine Gefangene; und wird ein Koͤniginn. Jſt das nit ein Wun - derding? Kein Reichtum iſt bey ihr / kein Adel / keine Freundſchaft; ſchoͤn iſt ſie zwar: aber es ſind noch viel ſchoͤne Frauen und Jungfrauen am Hof geweſt / wolgeuͤbt in allen Kuͤnſten / freundlich / demuͤtig; Zu - mahln / weil befohln wurde / dz aus allen ſei - nen provincien / deren er hundert ſieben und zwanzig hatte / allerley ſchoͤne Jungfrauen ſolten zuſamm gebracht werden / Eſth. II. 3. Wann nun aus jeder Provinz nur eine beygebracht worden: ſolte / unter hundertſieben151Das Sechſte Capitel. ſieben und zwantzig Jungfrauen / eine maͤchtige Wahl entſtehen / deren eine mit der andern certirn wuͤrde an Augen / Mund / Gebaͤrden / Reden / Kleidung / Nei - gen / Farb der Haaren / Wangen / Laͤnge und proportion, und was man nur an ei - nem Weibsbild ſchoͤn heiſſen kan. Wa - rum koͤmt dann eben fůr ſo vielen nur der arme Waiß / die Eſther fort? Die Schoͤn - heit wird es allein auch nicht getahn ha - ben. Jhr Gluͤck iſt eben ſo geweſt / moͤchte man ſagen / das andern nicht alſo favoriſirt. Jch frage aber weiter: Was iſt das Gluͤck? Jſt es ein ſolcher blinder Zufall? oder iſt es ein Werk der Vorſorg oder Fuͤrſehung Gottes? Die Vorꝛed / ſo über das Buͤch - lein Eſther ſtehet in der Herborniſchen Edition Anno 1612. weiſet es gar fein / mit dieſen Worten: Die Summa und Jnnhalt iſt / daß Gott er hoͤhet / wen er will; und nidriget wen er will: wie dann hierinn vermeldet / daß Eſther / eine ſchlechte Dirne / iſt zu Koͤnig - lichen Wůrden kommen; deßgleichen Mardochai ihr Vetter zu groſſenG iiijEhren152Das Sechſte Capitel. Ehren erhaben; hergegen Haman / der Juden-Feind / aus groſſer Ehr in aͤuſſerſte Schmach gefallen. Hat alſo Gott ſeine vaͤtterliche Vorſorg fuͤr die uͤbrigen ſeines Volks wollen erzeigen / dardurch ſie nicht allein wi - der ihre Feinde beſchuͤtzet: ſondern auch bey dem Koͤnige zu groͤſſerer Gunſt / Ehren / und Foͤrderniß kaͤ - men. Neque dubito, ſpricht hieruͤber(*)Nicolaus Serarius in Eſther. c. II. v. 17. & ſeq. quæſt. II. p. m. 317. Nicolaus Serarius,. quin Mardochæo, Deus, magni alicujus, pro tota gente, boni ſpem aliquam injecerit, ut non mo - non repugnaret, ſed conjugium etiam iſtud peroptaret. Das iſt: Jch zweifle nicht: Gott habe dem Mardochai die baͤſte Hoffnung eingegeben / daß dem gantzen Juͤdiſchen Volk etwas gutes für ſey / auf daß er nicht nur nit widerſtrebte / ſeinen Pupillen / einem heidniſchen Koͤnig / zum Ehgemahlzu153Das Sechſte Capitel. zu uͤberlaſſen: ſondern nichts mehr wuͤnſchte / als daß es nur geſchehen moͤchte.

Man wundert ſich freylich oft / wie der oder der Menſch / eine ſolche Gunſt bey den Leuten hat / der doch in unſern Augen we - der Safft noch Krafft hat / alle ſeine actiones ſind uns verdrießlich / ſchlaͤ - ferig / heimtuͤckiſch / laͤppiſch; es iſt wie ein antipathi zwiſchen beyden; und doch komt er in ſolche Gunſt bey andern: er bekomt Freund und groſſe Freund: es ſcheint / als ob er die gar bezaubern koͤnne / oder ver - blenden / daß ſie mit ſehenden Augen nicht ſehen. Nun iſt es nicht ohn / es laͤßt GOtt bißweilen zu / daß manchem Menſchen al - lerley Partiten angehen / daß er mit Luͤgen / mit Heucheln und Gleißnerey / mit Schmier und Gab / mit Verleumdung anderer / mit Ruhmſucht und Aufſchneiderey ſich inſi - nuirn kan / und unbekante leichtglaͤubige Hertzen uͤberꝛeden mag; Wie dann auf Gottes Verhaͤngniß jensmals Ahab wi - derfuhr / den auch ein falſcher Geiſt / durch etliche Gleißner und Schmeichler ůberꝛe -G vden154Das Sechſte Capitel. den kunte / daß der ehrliche / redliche / aufrich - tige Micha eine gute Zeit dagegen nichts geiten wolte / biß ihr Luͤgen und Truͤgen an Tag kam. I. Reg. XXXII. 25. 26. 27. Biß - weilẽ aber neigt Gott vorſetzlich / wiſſentlich / der Menſchen Hertzen zu dem oder dem / der in unſern Augen das Anſehen nie darzu ge - habt / und den wir / als einen Miſanthro - von und Menſchenfeind gehalten haͤtten.

Nehemias und Tobias ſeynd ſolche Exempel. Beyde ſind ſie Gefangene. Ne - hemias / ob er zwar / (wie es an Herꝛn-Hoͤ - fen einem gehet / der ſich ein wenig empor ſchwingen will /) ſeine Feinde am Koͤnig - lichen Hof Artaxerxis genug hatte / die ihm gewißlich / wie den andern Gefangenen / ſei - nen Landsleuten auch / gern beykommen waͤren / wann ſie nur mit Manier gekoͤnt haͤtten / und auſſer allem zweifel auf alle actiones, wie man zu Hof redt / picchirt, als ſonderlich Saneballat der Horoni - ter / und Tobia ein Ammonitiſch Knecht waren / Nehem. II. 10. 19. IV. 1. 2. 3. gleich - wol aber / da er die hohe impreſa uͤber Jeru - ſalem vor hat / ſie wider zu erbauen / und alleGefan -155Das Sechſte Capitel. Gefangene in die alte Freyheit zu ſetzen / und ſolches ſchweres Werk dem Koͤnig ent - deckte: gewinnt er ihm ſein Hertz / daß er alsbald die Koͤnigliche parola empfaͤngt / noch dabey Koͤnigliche mandata an andere Beamten / ihm / in allen zu willfahren / ne - ben einer ſtarken quardi Hauptleut und Reuter. Wie hat Nehemias / der doch nit mehr als ein Schenk war / Nehem. I. 11. ſolche ſchnelle Hofgunſt / in einem ſolchen maͤchtigen weitausſehenden Werk / erhe - ben koͤnnen? Man moͤchte denken: Er haͤtte eben ſo das tempo getroffen / und ſeine Majeſtaͤt in einem ſolchen Laun gefunden / die ſich vielleicht in einem Trunk uͤbereilet / und das Wort nimmer zuruck nehmen moͤgen. Jch laſſe wol ſeyn / daß das das Hof Urteihl waͤre; allein / was ſagt der Heilige Geiſt? Er ſpricht: Der Koͤnig gab ihm / Nehemia / nach der guten Hand ſeines Gottes ůber ihn. C. II. 8. Dz iſt: Gottes Hand hielt uͤber ihn / und nei - get ſeines Herꝛn Hertz zu ihm / daß er darein willigte; der Gott im Himmel / verſtehe / den[e]r darum bate. . IV. daß ers ihm / ſei -G vjnem156Das Sechſte Capitel. nem Knecht heut gelingen laſſen wol - te / und Barmhertzigkeit finden fuͤr ihm. Cap. I. 11.

Tobias iſt das ander Exempel. Zu den Zeiten Salmanaſſar muſte er mit Weib und Kindern in Aſſyrien / als ein armer gefangener Mann. Alle haben gewißlich an ihrem Gluͤck; ja etwan gar an ihrem Leben verzweiffelt. Zumaln er ſich nie da - hin bequemen wollen / daß er nach Lands - Art opfern / und ſich mit Abgoͤtterey verun - reinigen wolte. Kein zweifel iſt / er wird ſeine Feind ja ſo wol dabey gehabt haben / die wol ehe die Zaͤhne uͤber ihn zuſammgebiſſen / ſonderlich / daß er / als ein Gefangener / ſich unterſtehe ſo frey und ledig hin und her zu gehen / alfo in ſeiner Gefaͤngniß ungefan - gen ſeyn wolle. Man moͤchte ſagen: Er haͤtte es eben ſo gewagt / und / weil dem Sprichwort nach / Wagen gewinnt! haͤtte es ihm zur Zeit auch ſo gegluͤckt / das dem tauſentſten ſonſt nicht gelingt. Wie hat es ihm aber gegluͤckt? frag ich. Ganz ohngefaͤhr? allerdings ohne einiges We - ſens direction und Ordnung? Ey Nein! Weil157Das Sechſte Capitel. Weil er von gantzem Herzen den HErꝛen foͤrchtete gab ihm GOtt Gnade fuͤr Salmanaſſer dem Koͤ - nige zu Aſſyrien / daß er ihm erlaubt / frey zu gehen wo er hin wolte / und ausrichten was er zu tuhn hatte / ſteht in ſeinem Buͤchlein im I. 13. 14. Der ge - lehrte und wolbeleſene(*)Caſp. Sanctius in Tob. c. I. v. XV. n. 26. p. m. 148. Sanctius ſchreibt gar ſchoͤn daruͤber: Hinc apparet divinæ providentiæ atque diſpoſitionis admi - randa ſuavitas, quæ illam Regi idolola - træ ac barbaro mentem injecit, ut Tobiæ opes largiretur ingentes, quas in paupe - res amicè conferret; & facultatem, ut quocunq́ue vellet, liber abiret, ut ra - tione fratrum ſuorum inopiam levaret, & labentes jam, gentilium quotidiano congreſſu, in patria religione conſerva - ret. Das iſt / daher ſihet man die wun - derbare Süſſigkeit der Goͤttlichen providenz und Anweiſung / die dem / ſonſt abgoͤttiſchen / Koͤnig einenG vijſol -158Das Sechſte Capitel. ſolchen Sinn eingegeben / daß er To - biam reich machte / andern ſeinen Mitgefangenen zur Aushůlf; be - nebenſt freyen Paß uͤberal / abermal ſeinen Bruͤdern zum Behuf / und damit ſie nit / weil ſie taͤglich mit den Heyden umgehen muſten / ihre vaͤt - terliche Religion verlaſſen moͤchten.

Andacht-Lied. Wider den Neid. Nach der Singweiſe: Hertzlich tuht mich verlangen / ꝛc. oder: Wie man die Kaͤiſerinn Leopoldina ſingt.

1.
OGOtt ich muß dir klagen /
erklagen ſelber mich /
on meiner Boßheit ſagen /
ie kraͤnket mich und dich.
in Wurm nagt mich im Herzen.
er dürꝛe blaſſe Neid;
r plaget mich mit Schmerzen /
erſalzt mir alle Freud.
2. Hat159Das Sechſte Capitel.
2.
Hat einer viel zu zaͤhlen; prangt er mit Witz und Kunſt;
eglůckt ihn / ſein Vermaͤhlen / Luſt / Ehr / und Menſchengunſt:
ch kan es gar nit leiden; ich denke: ſeine Ehr / ſein Gut / und ſeine Freuden gebuͤhrten mir vielmebr.
3.
Dein ſind / O Gott / die Gaben; es kommt von dir allein /
as der und jener haben. Und weß ſie ſollen ſeyn /
as ſteht bey deiner Gůte; du ſchenkeſt / wem du wilt.
ein Aug ſiht ins Gemuͤte / kein Anſehn vor dir gilt.
4 -
Ein Vater oft auf Erden ein Kind / vor andren liebt:
nd ich ſolt murꝛend werden / wann Gott auch diß veruͤbt?
ag doch ein Menſche ſchenken / was / wann / und wem er wil:
nd ich ſolt Gott verdenken / ihm ſetzen Maß und Ziel?
5. Laß160Das Sechſte Capitel.
5.
Laß mich / am Bruder / lieben die Gaben / ſie ſind dein;
ich freuen / nicht betruͤben; mit ihm dir dankbar ſeyn.
as? ſolt ich ſcheel ausſehen / da du ſo guͤtig biſt?
er Geber hoͤrt ſich ſchmaͤhen / wann mich die Gab verdrieſt.
6.
Du wirſt / wann mir es nuͤtze und ſeelig dort und hier /
ehr Ehre / Gluͤck und Witze / mehr Gaben ſchenken mir.
it Murꝛen / und mit Neiden / poch ich dir nichtes ab:
ch mach mir ſelbſt nur Leiden / und doch nichts mehrers hab.
7.
Seh ich die Boͤſen gruͤnen:
hr Himmelreich iſt hier.
ie Hoͤlle ſchnappt nach ihnen / ſie buͤſſen dort dafuͤr.
ch / mag auf Erden haben mein Hoͤll / und leiden Leid:
er Himmel wird mich laben mit ſuͤſſer Ewigkeit.
Erklaͤ -

VII

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161Das Sieben̄de Cap[i]tel.

Erklaͤrung. Aurea dona ferunt ac plumbea. 2. Cap - ſulam utramvis Elige. 3. Sic ſortes experiêre tuas. Kaͤiſer Sigismundi Ge - ſchicht-Rede: Als Er ſeinen Diener / eine von den Buͤchſen erwaͤhlen / hieſſe.

WJr denken noch / ja / Diener / deiner Worte /
als auf der Reis / an einem Waſſer dorte /
ſtallt Unſer Roß; du ſagteſt unbedacht:
Gleich wie ſein Herꝛ / alſo diß Pferd es
macht:
Es laͤſſet Waſſer in das Waſſer flieſſen /
das es wol koͤnd auf truckne Erde gieſſen:
Der Kaͤiſer auch gibt dem / der ſchon gnug
hat;
Mir / dem es noht / erzeigt Er keine Gnad.
So ſagteſt du! Die Red Uns machte lachen.
Wir hoffen dich ein anders weiß zu machen.
Wir goͤnnen dir / wie andern / unſre Huld:
Daß dir nichts wird / iſt deines Gluͤckes Schuld.
I. Du ſiheſt hier zwo Büchſen vor dir ſtehen /
von gleicher Groͤß. Jn einer wirſt du ſehen
pur lauter Gold / und in der andren Blen.
II. Nimm / die du wilſt: dir ſteht das Waͤhlen frey.
Was162Das Sieben̄de Capitel.
Was hebeſt du die eine nach der andern /
Und laͤſſeſt beyde durch die Haͤnde wandern?
Das Urteihl ſoll nun ſprechen deine Wahl /
ob treue Dienſt ein Kaͤiſer auch bezahl.
III. Du haſt gewaͤhlt. Nun oͤffnet ihm die ſeine!
Was hat er? Bley? Jſt nun die Schuld nit deine /
und deines Gluͤcks? Wir goͤnnten dir das Gold;
das Unglück nur es dir nit goͤnnen wolt.
Du hattſt das Gluͤck / wie die Lateiner ſagen /
nit in der Hand. Du magſt dich ſelbſt anklagen.
Voͤnnoͤten waͤr / daß du itzt deine Hand /
wie Mutius / auch ſtraffteſt mit dem Brand.
Sie griff nach Bley / ſie hat deß Golds gefehlet:
ſie hat / vor Gluͤck / das Unglück dir erwaͤhlet.
Bekenn / du biſt ſelbſt deines Ungluͤcks Schmid;
Denk uͤber Uns zu klagen ferner nit.
Dich hat gemünzt zum Heller dein Geſchicke:
du bleibeſt wol ſo arm an reichem Glücke:
kein Tahler wirſt du werden nimmer mehr
ob Croͤſus auch dein Herꝛ / du Jrus! waͤr.
So ſchick dich nun / gedültig das zu leiden /
was dir Geſtirn / Geſchick und Gluͤck beſcheiden.
Wer ſtaͤts verlangt / was ihm doch iſt verſagt /
gewinnet nichts / und ſich nur ſelber plagt.
Wer das / was er ihm wuͤnſchet / nicht kan haben /
der nehm vor gut mit unverſagten Gaben.
Ein weiſer Mann tuht gerne / was er muß:
die Ungedult macht bittrer den Verdruß.
So magſt du nun dein Bley zu Hauſe tragen /
von deinem Glück und Unſrer Milde ſagen.
Trag auch mit dir / was du von Uns gehoͤrt /
und ſag: diß hat ein Kaͤiſer mich gelehrt.
Das163Das Sieben̄de Capitel.

Das Siebende Capitel / haͤlt in ſich Exempel aus weltlichen Hi - ſtorien gezogen.

WAr artlich hat ſolches einem ſei - ner Hofdiener zu verſtehen gege - ben Glorwuͤrdigen Andenkens Kaͤiſer Sigismundus. Als dieſer einsmals durch ein Waſſer ritte / einer aber der aͤlteſten Hofbedienten / nahe bey Seiner Majeſtaͤt reitend / warnahm / daß ſein Pfer[d]ſtallte / ſprach er: Das Pferd macht es wie ſein Herꝛ! Als nun Hochgedachte Seine Majeſtaͤt ſolche Rede hoͤrte und nachfragte: wa[r]um er ſolches ſage? er aber antwortete: Wie Seiner Majeſtaͤt Pferd ſtallte im Waſſer / wo vorhin Waſſers genug iſt: So mache Sie es auch; denen vorhin reicheſten vom Adel tuhe Sie eine Gnad uͤber die ander / dieſer unbetracht / die es weitnoͤhtiger164Das Sieben̄de Capitel. noͤhtiger brauchten! Und aber Jhre Majeſtaͤt wol merkten / daß Jhr waͤre zu verſtehen gegeben / wie Sie / ihren alten treuen Diener / bißher / nicht ſonderlich be - gnadet / antwortet Sie: Am Willen haͤt - te es Jhr nie ermanglet: er muͤſſe aber wiſſen / daß es oft ſo geſchehe / daß groſſer Herꝛn Gnad nicht jederman von GOtt beſcheret ſey / wann auch gleich ſie ſonſt gerne wolten! Jn der Taht ſolt ers zu erfahren haben. Lieſſe dem - nach bald darauf zwey Buͤchſen machen / al - lerdings an der Groͤſſe / Schwere / Farb / Geſtalt / eines / eine hieß er mit Gold / die an - dere mit Bley fuͤllen; gab dabey vorbeſag - tem ſeinem Diener die Wahl / zu erkieſen / welche ihm beliebte. Dieſer waͤgt ſie hin und wider / ſchauet bald dieſe bald jene: nach langem heben und legen nimt er die voller Bley. Worauf Seine Majeſtaͤt kluͤglich antwortete: Agnoſcis, mihi non volunta - tem: ſed tibi fortunam defuiſſe, Nun - mehr ſehe er / daß Selber nicht am Willen; ihm aber es an Gluͤck er -mangelt165Das Sieben̄de Capitel. mangelt haͤtte. Wol ſetzt der Hiſtoricus darunter:(*)Chron. Carion. L. V. p. m. 631. edit. Vlitteb. M D LXXX. Sapienter monitum eſſe: Bona non ſolâ vel dexteritate judicii vel diligentiâ humanâ acquiri: ſed, & diſtri - bui atque conferri divinitus, & ad ea con - ſequenda & percipienda homines flecti etiam, duciq́ue divinitus, & à Deo tan - quam autore præcipuo peti atque expe - ctari debere. Das iſt: weißlich waͤre erinnert / daß jrꝛdiſche und zeitliche Guͤter nicht bloß und allein durch ei - nen guten Verſtand oder menſchli - chen Fleiß zuwegen gebracht: ſon - dern von GOtt zuerteihlt und gege - ben werden. Jtem / wer ſolche erhal - ten ſolle / werde von ihm ſelbſt darzu geneigt und gefuͤhrt / von dem dann / als von dem fuͤrnehmſten Urſprung oder Haubtquell / ſelbe zu bitten und zu erwarten ſtuͤnden.

Glorwuͤrdigſten Angedenkens Kaͤiſer Maximilianus I. hat es gleicher maſſen garartlich166Das Sieben̄de Capitel. artlich zu verſtehen gegeben. Da er merkte / daß ihm viel groſſer Herꝛn ſein Kaͤiſertum nicht vergunnten / und gern andere darzu erhaben haͤtten; einer auch in geheim / an das Kaͤiſerliche Zimmer / dieſe Stichrede ſchrieb:(*)Theatr. Zuing. Vol. XIII. L. I.

Da Adam hakt und Eva ſpann /
Wo war damals ein Edelmann?

Schrieb Seine Majeſtaͤt Selbſt mit eigner Hand dieſe darunter:

Jch bin ein Mann wie ein andrer Mañ /
Ohn daß mir Gott die Ehre gann.

Klaͤrlich zeigende / daß ein Kaͤiſertum / nicht durch das bloſſe Glůck und Menſchliche Conſilien zuwegen gebracht werde: ſon - dern Gottes deß Herꝛn Werk ſey / dem be - ſchert / dem es ſeine Gnadengůte verſehen haͤtte.

Zu verwundern iſt es / daß ſolches zum guten teihl auch die Heyden geſpuͤret. Die / ob ſie ſchon nicht ſo begreiffen kunten / wie und was urſach / ſolcher oder ſolcher / wider unſere Sinne und Vernunft zutragenden / Faͤlle ſeyn moͤge; ſo haben ſie doch nichtsanders167Das Sieben̄de Capitel. anders ſagen koͤnnen / wann ſie das Gluͤck genennet / als eine Huͤlf / die von etwas groͤſ - ſers / als von ſterblichen bloſſen Menſchen herꝛuͤhren koͤnne; und ob ſie ſchon daran gefehlet / daß ſie vermeynet: Die Kaͤiſer - tume / Koͤnigreiche / Regimenter / wuͤrden den Menſchen / aus ſonderbarer Gunſt ge - wiſſer Goͤtter / die daruͤber zu walten und zu ſchalten haͤtten: (dann von Goͤttern weiß das Chriſtentum nichts) ſo iſt doch das viel / daß ſie es gleichwol fuͤr etwas Goͤttlich-beſchertes / beſtaͤndiglich gehalten haben. Denkwuͤrdig iſt die Rede Kaͤiſers Titi. Da er vernehmen mußte / daß zween Roͤmiſche Patritii nach ſeinem Kaͤiſertum geſtanden / und deſſen zu überweiſen waͤren / um weß willen ſie / den Rechten nach / Leib und Leben verfallen haͤtten / wolte er doch ſich ſolcher Schaͤrfe nicht gebrauchen; viel lieber ihnen und andern / mit hoͤchſtem Glimpf / weiſen / wie unrecht ſie urteihlten / und an wem ſie ſich verſuͤndigten: Der Roͤmiſche Hiſtoricus(*)Sueton. in Tito Cap. IX. edit. Ar - gentorat. M D CXLV II. p. 272. ſpricht: Nihil amplius quàm ut deſiſterent monuit, di -cens168Das Sieben̄de Capitel. cens: Principatum fato dari. Si quid præ - terea deſiderarent, promittens ſe tribu - turum. Das iſt: So groſſe Gnad haͤt - te er ihnen erwieſen / daß er ſie nur vermahnet / ſolche Gedanken fahren zu laſſen / in Erwaͤgung: das Kaͤiſer - tum und Koͤnigreiche nit dem wer - den / der ſich darum reiſſe: ſondern dem / dem es durch das Gluͤck oder Goͤttliche Ordnung beſcheret ſey. Was ſie ſonſten an ihn begehren wuͤrden ſolt ihnen willfahrt werden!

M. Aurelius Antoninus ſchrieb / in Be - trachtung ſolcher ſonderbaren Vorſehung deß Goͤttlichen Weſens uͤber Kaͤiſertum und Koͤnigreiche / ſeinem Bruder Lucio Vero ſeine Meynung gar ſchoͤn und wahr - hafftig. Er vernahm / daß dieſer allerdings darauf umgieng und ſchon den vollen Schluß gefaßt haͤtte / Avidium Caſſium aus dem Weg zu raͤumen; weil er beſorgte / das Regiment wuͤrde auf ihn fallẽ. Schrieb ihm demnach ſolche Wort dagegen: Si ei divinitus debetur imperium, non poteri -mus169Das Sieben̄de Capitel. mus interficere,(*)Vulcat. Gallicanus in vita Avidii Caſſii. p. m. 59. edit. Caſaub. etiamſi velimus. Scis enim Proavi tui Adriani dictum: Succeſſorem ſuum nullus occidit, das iſt: Wann ihm das Reich von GOtt beſtim̃t iſt / werden wir ihn nicht um - bringen koͤnnen / wie gern wir auch wolten. Dann du weiſſeſt / was dein Großvatter Adrianus pflegte zu ſagen: Seinen Nachfolger / (oder den / der nach einem kommen ſoll) koͤnne doch keiner toͤdten! Dergleichen vor ihm ſchon der beſch eidene Seneca, zu ſeinem un - dankbarẽ diſcipul, Kaͤiſer Neronem, ſprach / da er ſo Tyranniſch wurde gegen alle / die er meynte / daß nach ihm regieren wuͤrden:(†)Xiphilinus ex Dione in Nerone. Licet quàm plurimos occidas, ſprach er / non potes tamen ſucceſſorem tuum occidere, das iſt: Und wann du noch ſo viel niderwürgſt / ſo kanſtu doch den / der dir ſuccedirn wird / nit hin - richten.

HAn170Das Sieben̄de Capitel.

An Otho und Galba hat es ein ande - rer Roͤmiſcher Hiſtoricus ſonderlich auch gemerkt und beſchrieben. Galba meynte in ſeinem Sinn: Er habe das Kaͤiſertum ſchon; maſſen er dañ die meinſten bereit auf ſeine Seiten gebracht hatte. Wenig hiel - ten es mit Othone, daß es / menſchlichem Anſehen und Rahtſchlaͤgen nach / nimmer - mehr auf ihn kommen wuͤrde. Galba war in Opfern und Beten / noch immer in voller Hoffnung: Kron und Zepter wuͤrden ihm werden! Jnzwiſchen koͤmt das Geſchrey: Otho ſey erwaͤhlet! Wie da? ſolt eines den - ten: Es antwortet der heydniſche Hiſtori - cus tieffſinnig:(*)Tacitus I. Hiſt. c. XXIX. n. l. edit. Bernegger. M D C XXXVIII. Galba fatigabat alieni jam imperii, nempe Othoniani, Deos. Der Jnnhalt iſt: Er wolte noch ferner die Goͤtter anſprechen / die das Regiment ſchon einem andern gewidmet hatten / andeutend: Anderſt waͤre es nicht: Regimenter und Herꝛſchaften kaͤmen nicht / wie wir Men - ſchen wolten: ſondern wie das wolte / was hoͤher iſt als Menſchen ſind; das ſie zwar / Deos, Goͤtter / nenneten / von denennach -171Das Sieben̄de Capitel. nachmals die Freund Othonis, als ſie mit dem Vitellio ſchlagen ſolten / in groſſer con - fidentz ſagten:(*)Tacit. II. Hiſt. C. XXXIII. n. 2. edit. d. Das Glůck und die Goͤtter / und ſeine Vorſehung waͤre bey ſeinen Anſchlaͤgen und foͤr - dere ſein Vorhaben! Ein weiſer und fürtrefticher Politicus(†)Joh. Henricus Boecler. annotat. po - lit. in V. Lib. hiſt. Taciti ſuperſtites. CXXIX. ſetzt unter an - dern das dazu: Dii imperii, Dii Princi - pum, Numen Othonis, Fortuna regia, tituli ſunt, per ſuperſtitionem enunciati, ſed quæ ex veritate originem traxit; & ex qua de veritate convinci poſſunt, qui ve - ritatem in fabulas corruperunt. Deus eſt, qui regna & dominationes modera - tur: bonos malosq́ue Principes, pacem Reip. & perturbationem, arbitrio ſuo complectitur. Das iſt: Der Aberglaub hat die Titul: die Goͤtter deß Reichs / der Fuͤrſten / das Numen Kaͤiſers Otho / das Koͤnigliche Gluͤck / erfun - den / welcher Aberglaub gleichwolH ijnit172Das Sieben̄de Capitel. nit ohne allen Grund der Wahrheit entſproſſen; alſo / daß eben ſolche / die jenige der Warheit uͤberzeugen koͤñe / die die Wahrheit in Lügen verwan - delt haben. Gott aber iſt es / der Koͤ - nigreich und Herꝛſchaften fuͤhret und verwaltet und ſchaltet.

Nicht minder findet ſich ſolches in der Autoritaͤt und Anſehen / daß / wann man manchen nur ins Geſicht bringet / gleich ei - ne Furcht / einen reſpect gegen ihm tragen muß / ſo gar / daß / wann man oft gedacht: So man deſſen oder deſſen anſichtig wuͤr - de / man wolte ſo oder ſo mit ihm umgehen. Doch / da es geſchehen / aufs freundlichſte ſich hat erzeigen müſſen / vorab an groſſen Herꝛn. Das kan ja warlich kein blindes plumpes Ding machen / als welches keine Gewalt und Macht in die Hertzen hat. Was es dann ſey / iſt an einem ſonderlichen Exempel wehrt zu hoͤren. (*)Boufinius decad. II. Lib. VII. Emericus, Koͤnig in Ungarn / kunte fuͤr ſeinem Bru - der Andrea, der gern Koͤnig geweſen waͤre / nicht Ruh haben; ſo gar / daß er ihn mitKrieg173Das Sieben̄de Capitel. Krieg uͤberzoge. Da nun beyde Armeen gegen einander im Feld ſtunden / nnd nur den Vorteihl im Angriff ſuchten / legt Eme - ricus die Waffen ab / laͤßt alle Leib-quardi von ſich / nimt Kron und Zepter in die Hand / und gehet alſo allein auf deß Bru - ders Schlacht-Ordnung zu / mit ſolchen Worten: Wolan ihr Soldaten! wer wird dann endlich der ſeyn / der ſeine Hand in dem geheiligten Koͤnigli - chen Blut waſchen wird? Wer wird der ſeyn / der den beleidigen wird / der durch gleiche Vorſehung / wie der H. Stephanus (als der der erſte Koͤ - nig in Ungarn war) ins Regiment ge - ſetzt worden[?]Und / weil alle Obrigkeit von GOtt iſt / wo iſt der dann end - lich / der die Koͤnigliche Maieſtaͤt ge - walttaͤhtig antaſtẽ will; weil auch die Koͤnige / in Anſehung ihrer Wuͤrde / ſie wollen oder wollen nicht / ſich fuͤr ſich ſelbſt ſcheuen und fuͤrchten muͤſ - ſen? Jch bin der Emericus nit: Jch bin kein privat Perſon: ſondern deßH iijH. 174Das Sieben̄de Capitel. H. Stephani Vicarius, Urenkel / und Erb / der alſo nicht ſo wol durch eure Stim̃en und das erbliche Recht: als von dem H. Stephano, und dem Gott / der über diß Koͤnigreich herꝛ - ſchet / zum Koͤnig in Ungarn worden. Jhr elende Gemůter! wider wen greifft ihr dann zu den Waffen? Wider mich / oder wider eures Erz - Koͤnigs Succeſſorn / und den ihr euch ſelbſt durch und durch einhaͤllig er - waͤhlet habt? Ergreifft ihrs wider mich als einen Menſchen: ſo ſeyt ihr Moͤrder und Todſchlaͤger! wolt ihr aber uͤber euren Koͤnig und Stepha - ni Nachfolger / ſo ſeyt ibr gewiſſen - loſe Vatter-Moͤrder / allen Straffen und Plagen unterworfen! Jhr doͤrft nit waͤhnen / daß ihr mit einem Men - ſchen zu tuhn habt; mit dem aber habt ihr zu tuhn / der neben dem was men - ſchlich iſt / auch eine Goͤttliche Wuͤr - de an ſich traͤgt! Jn dem Schuz deßAllwal -175Das Sieben̄de Capitel. Allwaltenden GOttes leben und ſchweben die Koͤnige / derer Verle - zung eines ganzen Volks Blut nicht genug iſt bey Gott aus zuſoͤhnen! Mit der Reſolution trette ich keck in eure Wehr und Waffen; weil mich die Kron / von GOtt gegeben / und der Zepter / den ich hier trag / unter eurem Wüten und Toben ſicher genug ma - chet! Sehet zu wen ihr beleidigen werdet / und beſinnt euch: ob ihr das Rachblut Eures Koͤnigs auf euch und eure Kinder legen wollet / ꝛc. Wañ mans bloß anſihet / ſo ſind es ledige Wort / und ein todter Tohn; aber der Gott / der den geſalbet hat / laͤſſet ſie zu lauter Pfeilen und Donnerſchlaͤgen werden / die / wie Wetter - keul in die Herzen fahren / daß bey allen / al - ler Muht und Kraft entfaͤhret / und alle Furi / wie Wachs / zerſchmeltzet.

Hierbey erinnere ich mich / was weiland Victorinus Strigelius,(*)Victorin. Strigelius Comment. in I. Sam. XI. 18. & I. Paral. XII. 4. da er deß SaulsH iiijKroͤ -176Das Sieben̄de Capitel. Kroͤnung betrachtet / vernuͤnftig geſchrie - ben. Er ſpricht: Autoritas non compa - ratur noſtrâ induſtriâ: ſed eſt eximium & ſingulare Dei donum, quod non o - mnibus gubernatoribus contingit. Das iſt: Unſer Fleiß allein kan uns kein Anſehen machen. Selbes aber iſt eine vortrefliche und ſonderliche Gabe Gottes / die nicht allen Regenten zu - komt. Zum beweiß fuͤhrt er Alexandrum Magnum. Wo ſolte ſeine Jugend dazu kommen ſeyn / daß alte graue Haͤupter / ge - gen ihm lauter Generalsperſonen / ſich fuͤr ihm ſcheuen / von ihm commandirn laſſen ſolten / wann nicht GOtt ſelbſten / einen Strahlen ſeiner Majeſtaͤt / aus ſeinen Au - gen haͤtte flammen laſſen / das / wie es uns Chriſten deſto gruͤndlicher Daniel weiſet der Prophet / ſeiner Weiſſagung im VIII. 1. 20. Alſo hat die Wahrheit auch den Heyden Curtium unwiſſend bezwungen / daß er ſchreibt:(*)Q. Curtius de rebus geſtis Alexandri Lib. III. C. V l. n. 18. edit. Freinshem. M D C XL. Nihil niſi Divinâ opeaggre -177Das Sieben̄de Capitel. aggredi videbatur, das iſt: was er an - griffe / wieſe / daß Gottes Huͤlf dabey war. So darf man nun nicht fragen: Wie koͤm̃t es / daß der General ſo gluͤckſeelig iſt / ſo beliebt bey der Armee / ſo angeſehen bey den Feinden / der ander nicht; Da doch der / al - ler Zeugniß nach / viel fuͤrſichtiger gehet / viel mutiger / viel freundlicher iſt gegen die Sol - daten / viel liberaler / und hat doch weder den reſpect bey Freunden und Feinden / noch das Gluͤck zu ſchlagen / oder zu ſtuͤrmen / we - der den March oder contramarch ohne Schaden zu nehmen? Auf das alles ant - worten die Heyden: Es geſchehe divinâ ope, oder aus einer Goͤttlichen Vor - ſehung / nicht allein wie Demoſthenes waͤhnte / warum es Alexandro ſo nach Wunſch ergangen / muͤſſe man gedenken: Eum agendo & laborando, & audendo: non deſidendo, fuiſſe fortunatum, das iſt: Sein Gluͤck hab er durch ſeine Ar - beit / und Kuͤnheit: nit mit faulenzen und trocken zuwegen gebracht.

Der vielbeleſene Gregorius Richter / ſetzt unter obgedachtes Axioma Strigelii,H vunter178Das Sieben̄de Capitel. unter andern ein ſonderlich Exempel /(*)Gregor. Richter Axiomat. Polit. VII. exemplo VIII. p. m. 21. aus den Lectionibus Chronologicis Peuceri, von Hertzog Johann Friderich / und Landgraven in Haͤſſen. An dem Landgraven / ſpricht er / waren groſ - ſe ſonderliche Kriegstugenden / weß - wegen er bey allen andern ſtattlichen Kriegs-Officirn groſſes Anſehen ge - wann: Doch hatte Hertzog Johann Friderich bey weitem eine groͤſſere Gewogenheit bey allen Menſchen. Warum doch ſolt eines wol begehren zu wiſſen. Er ſetzt unter andern die teutſche Wort darzu: Wann unſer Herꝛ Gott einen will groß machen / ſo gibt er ihm auch / daß ein Will in den Leuten iſt. Nach dieſen ſetzt er folgendes: Par virtus in diſſimilibus, non conciliat paria ſtudia hominis, das iſt: Ob gleich ihrer Zwey / der Tugend nach / einander gleich ſind: ſo geſchiht es doch / daß einerdamit179Das Sieben̄de Capitel. damit viel angenehmer und anſehn - licher iſt als der ander.

Recht bedenklich faͤllt auch das / daß manche Statt und Land / manche Ver - waltung und Amt / manche Handtierung und Gewerb / ſo lang der oder der Raht oder Verwalter / oder Amtmann lebet / alles fried - lich / ſchiedlich / alles geſegnet und reichlich zunim̃t. Wann ein anderer kom̃t / iſt weder Glück noch Segen mehr; die Conſilia ſchlagen um: die Arbeit / hat keinen Fort - gang: es iſt kein Verſchluß der Wahren mehr: es geraͤht nicht wie zuvor; in Sum - ma: Statt und Land / Verwaltung und Amt / Handtierung und Gewerb iſt durch jenen alles von ſtatten gangen; jetzt wen - det man mehr Unkoſten darauf / man wacht fleiſſiger / man tuht eben das und noch fuͤrſichtiger / was man zuvor getahn / nnd will doch nimmer wie zuvor. Solt eines nicht denken: dem vorigen ſey es alſo ge - lungen / man wiſſe nicht wie / und warum. Wer aber die Schrifft anſihet / und gedenkt an Joſeph / deſſen / ſein Herꝛ / der Potiphar reichlich genoß; oder an David / mit demH vjSaul180Das Sieben̄de Capitel. Saul lauter Gluͤck wider ſeine Feind hatte: wird ſich bald die Antwort geben koͤnnen. Obgedachter Fuͤrnehme und gelehrte Poli - ticus aber ſchreibt von dergleichen Faͤllen weißlich und wol:(*)Joh. Henr. Boccl. Lib. de Auſpicio Regio c. II. n. 24. More Chriſtia - no, ſpricht er / ita loqui poſſumus, ut di - camus: Deum in uſum decusq́ue Regum & Regnorum certos homines, peculiari - bus dotibus ingenii animiq́ue inſtruere, eorumq́ue, quas ſub auſpicio imperio - que dominorum obeunt, actiones pro - ſperare, & quodammodo per illos gloriæ Regum & ſaluti Regnorum conſulere atque providere. Das iſt: Gott pflege zu Nutz und zu Zierd Koͤnigen und Herꝛn (eben das laͤſt ſich auf geringere Staͤnde applicirn) gewiſſe Perſonen mit ſonderbaren Gaben deß Gemuͤ - tes auszurůſten / und deßwegen alle ihre actiones, die ſie in ihrer Herꝛ - ſchafft Namen verbringen / zu ſegnen und zu benedeyen / alſo zum Teihldurch181Das Siebende Capitel. durch ſie / ihrer Herꝛn Principaln Ehr / und deß Regiments (oder Nah - rung oder Gewerbs) Nutzen foͤrdern. Nach etlichen ſchlieſſet er gar vernuͤnftig: Eſt hæc diſpoſitio Dei, inter eas, quas piè potius obſervare, quàm curiosè debe - mus ſcrutari; non dubitaverim tamen præter alia divinæ deſtinationis conſilia, etiam modeſtiam ita regibus commen - dari, ſi intelligant, ſe ſummi quidem in terris faſtigii auſpicium à Deo accepiſſe, ſed miniſtrorum tamen ope diſpenſan - dum, quibus nemo principum carere un - quam potuit. Das iſt: Das iſt eine Schickung Gottes / die vielmehr mit Gottesfurcht in acht zu nehmen iſt / als derer wir fuͤrwizig nachgruͤblen ſollen; Doch wolte ich nicht zweifeln / unter andern Urſachen / die der weiſe Gott hat / ſey es darum geſchehen / daß auch Kaͤiſer / Koͤnige (Herꝛn / Frauen / in was fuͤr Stand es wolle) ler - nen ſich beſcheidenlicher zu halten / ſo ſie ſinden: Gott habe ſie zwar in denH vijKaͤi -182Das Sieben̄de Capitel. Kaͤiſer-Koͤniglichen (Herꝛn-Frauen) Stand gefuͤhrt / den ſie aber doch vor ſich allein nit fortfuͤhren koͤnten: ſon - dern andere wider zu Gehuͤlfen neh - men muͤſſen / derer ſie keines Wegs entbehren koͤnnen.

An zweyen Bruͤdern Ladislao und Matthia Corvino iſt auch ein ſonderbar Exempel / das wol ein Gluͤck heiſſen mag. Jener / Ladislaus / muß den Kopf laſſen: Matthias wird vom Koͤnig / auch Ladislaus Namens / in verhafft genommen / und einen weiten Weg geſchleppt / nichts anders er - wartend / als dergleichen Urteihl. Was ge - ſchiht? Bodibratſch hieß damals der Fuͤr - nemſten Ungariſchen Herꝛn einer: der / da der Koͤnig gaͤhling zu Prag verſchied / mit allen deß Reichs zugetahnen Herꝛn / Mat - thiam alsbald aus den Banden erledigt / und zum Koͤnig erwaͤhlt. Allmaͤchtiger Gott! in einem Augenblick ein Knecht und ein Herꝛ ſeyn / iſt ja unausdenklich / wann nicht das Gluͤck ſo gewolt haͤtte! Was aber und wer das Gluͤck ſey / hat der Hiſtoricus wol erinnert: Ex carcere ad regnumMatthias183Das Sieben̄de Capitel. Matthias eductus eſt, non per ſeditionem & civilem cruorem, ſed ſingulari conſilio Dei. (*)Chron. Carion. L. V. p. m. 641. edit. d. Das iſt: Matthias iſt aus ei - nem Gefangenen / Koͤnig worden / nicht durch Aufruhr und vieler ein - heimiſchen niderꝛichten und Blut - vergieſſung: ſondern durch ſonder - bare Schickung GOttes. Die ganze Hiſtory / erzaͤhlt Camerarius(†)Cent. II. oper. ſubciſiv. c. XXXI. p. m. 132. ſeq. edit. Francof. M DC VI. in ſeinen Horis ſubciſivis weitlaͤuffig / die wir dem verſtaͤndigen Leſer anheim ſtellen vor ſich zu leſen.

Jn dem Perſianiſchen Roſentahl / vor 400. Jahren / von einem ſinnreichen Poe - ten Schich Saadi / in perſiſcher Sprach / beſchrieben / und von dem vielerfahrnen Oleario, in Hochteutſchem erſt neulich heraus gegeben / finden ſich etliche hieher maͤchtig bequeme / Hiſtorien. Das ganze XLI. Capitel ſeines Erſten Buchs gehoͤrt darzu / daß wir ſehen ſollen: Reichtum und Gewalt ſtehe nicht lediglich in deß Men -ſchen184Das Sieben̄de Capitel. ſchen Willen. So heiſt es: Haron Re - ſchied / als er das Koͤnigreich Aegypten ein - genommen hatte / ſagte: Er wolte wegen Ubermuͤtigkeit und groſſer Hoffart der Ae - gyptiſchen Koͤnige / die in gemein ſich als Goͤtter wolten ehren laſſen / das Reich einẽ von ſeinen geringeſten Schlaven beſcheiden / daß er nach ſeinem Tod das Regiment fuͤh - ren ſolte. Nun hatte er einen Mohren mit Namen Choſſib / den er zu ſolcher Hoheit wuͤrdig achtete. Man ſaget aber / daß die - ſer an Witz und Verſtande ſo einfaͤltig und ſchlecht geweſen / daß er auch einsmals / als die Ackersleute ſich beklaget / daß der Nilus im uͤberlauffen ihnen groſſen Schaden ge - tahn / in dem er den Baumwollen-Saa - men teihls verſchlemmet / teihls weggefüh - ret / ſoll geantwortet haben: Mann haͤtte die Wollen ſollen ſaͤen / ſo waͤre ſie nit verdorben. Als dieſes ein beherzter Mann / ſo dabey ſtund / hoͤrete / ſprach er: Wann Herꝛlichkeit und Reichtum nur durch Weißheit den Leuten zukaͤme / wuͤr - den die einfaͤltigen und dummen Leute groſſen Mangel leiden. Aber GOttgibt185Das Sieben̄de Capitel. gibt einem Unwiſſenden und Tohren ſo viel Reichtum / daß ſich wol hundert Weiſen mit Beſtuͤrzung darüber verwundern.

Es wird Gluͤck / Reichtum / Macht durch Weiß -
heit nit erlanget.
Dañ alles nur an dem / der droben ſizet / hanget.
Es iſt auch in der Welt nunmehr faſt aufge -
bracht /
daß man die Narꝛen ehrt / ein Weiſer wird ver -
acht.

Daß auch Kunſt nnd Geſchicklichkeit nicht überal tauge / weiſet erſtgedachter Autor abermal mit einem ſonderbaren Exempel in ſeinem dritten Buch und XXVII. Hiſtory. Jch erinnere mich / ſchreibt er / fol - gender Hiſtory: Es hatte einmal ein Koͤ - nig in Perſien / ſo in Schiras wohnete / groſſe Beliebung zum Bogenſchieſſen; Er gieng mit etlichen ſeiner fuͤrnehmſten Hof - leute fuͤr die Statt ſpazieren / und ließ ſeinen Fingerꝛing / in welchem ein ſehr koͤſtlicher Stein / auf eine Kugel ſezen / und mit Pfei - len darnach ſchieſſen / mit dieſem Verheiſ - ſen / daß / wer dardurch ſchieſſen wuͤr - de / ſolte den Ring zum Gewinſt be - kommen. Es waren damals zugegen bey400. Bo -186Das Sieben̄de Capitel. 400. Bogenſchuͤzen / deß Koͤnigs Diener / welche alle in dieſer Kunſt beruͤhmt; die verſuchten ihr Heil ſolches Kleinod zu ge - winnen / aber alle umſonſt; dann niemand unter ihnen / hatte das Gluͤck / daß er den Ring beruͤhren kunte. Ohngefaͤhr ſtehet ein Knabe auf dem Dache / eines / am ſelbi - gen Orte gelegenen / Wirtshauſes / welcher zuvor zwar niemals nach dem Ziel zu ſchieſ - ſen ſich geuͤbet; jezo Luſts halber in die freye Lufft / jedoch nach dem Zielwerz ſchieſt. Das Gluͤck treibet ihm durch einen guten Wind / den Pfeil durch den Ring. Dem Knaben wurde nach deß Koͤniges Ausſpruch / dieſer Ring zuerkañt / welchen er auch neben koͤſt - lichen Kleidern und andern herꝛlichen Ge - ſchenken empfieng. Der Knab nimt da - rauf Bogen und Pfeil / und wirft ſie ins Feuer / ſagende: Er wolte hinfort keinen Bogen mehr brauchen. Als er gefragt wurde / warum er ſolches taͤhte: hat er geantwortet: Damit die erſte Ehr deß Ziel-treffens mir ſtaͤts bleibe. Da ſihet man / daß oft eines weiſen Manns Raht nicht nach ſeiner Meynung hinausſchlaͤget /und187Das Sieben̄de Capitel. und nicht ſo wol ſeinen Fuͤrſatz / als eines unwiſſenden Kindes ohngefaͤhr-fliehender Pfeil das Ziel erꝛeiche.

Was man ſonſt ſcherzweis ſagt / aus den Teutſchen Sprichwoͤrtern /(*)Edit. Francof. ad Mœn. 1615. p. 164. b. mag ſich nicht uͤbel daher ſetzen laſſen. Man ſpricht aber: Die Fuͤrſten / Herꝛn und Edelleut / haben ihre Ankunft daher. Da Adam reutet / und Eva ſpann / gewann Eva viel Kinder. Auf eine Zeit wolt unſer Herꝛ Gott zu Eva gehen und beſehen / wie ſie haushielte. Nun haͤtte ſie eben all ihre Kinder auf einmal bey einander / wuſch ſie und ſchmucket ſie. Da aber Eva unſern HErꝛn Gott ſahe kommen / ſchaͤmet ſie ſich / daß ſie ſo viel Kin - der haͤtte / verſteckte etliche ins Stroh / etliche ins Haͤu / etliche ins Ofenloch / die aller - huͤpſcheſten behielt ſie bey ſich. Unſer Herꝛ GOtt ſahe die gebuzten Kindlein an / und ſprach zu einem: Du ſolt ein Koͤnig ſeyn! Zum andern: Du ſolt Fuͤrſt ſeyn! Du ein Edelmann! Du ſolt ein Burgermeiſter / Schuldheiß / Vogt / oder Amtmann ſeyn! Danun188Das Sieben̄de Capitel. nun Eva ſihet / daß ihre Kinder hiervornen ſo reichlich begabet waren / ſprach ſie: Herꝛ ich hab noch mehr Kinder / ich will ſie auch herbringen. Da ſie nun kamen / waren ſie ungebuzt / ſchwarz und ungeſtalt / die Haar hiengen ihnen voll Stroh und Haͤu. Da ſahe ſie unſer Herꝛ Gott an und ſprach zu ihnen: Jhr ſollet Bauren bleiben / Kuͤh - und Saͤuhirten / Acker - leut / Handwerk treiben / braͤuen / ba - chen / und den erſten Herꝛn dienen. Scherzweiß / ſage ich / iſt diß geredt / aber das iſt dannoch wahr / daß Gott Unterſcheid auf Erden haben will unter den Leuten. Gott ordnet und ſezet Obrigkeit / darum iſt der Adel von Gott. Sum̃a Gott ſchaffet alle Staͤnde auf Erden.

Andacht -189Das Sieben̄de Capitel.

Andacht-Lied. Um Weißheit / und Verſtand / das Gute zu erwaͤhlen. Nach der Singweiſe: Auf / auf! mein Hertz / und du mein ganzer Sinn / ꝛc.

AUf Erden hier wohnt lauter Un - verſtand: (terland.
Der Himmel iſt der Weißheit Vat -
Dahin will ich mich jetzt im Geiſte ſchwingen / (bringen.
Witz und Verſtand mit mir zurücke
2.
Zum Sionsberg heb ich die Augen auf /
und mit Gebet mir Raht und Huͤlfe kauff:
Dort / quellen auf / die rechten Muſen - brunnen /
aus welchen kom̃t Witz und Verſtand gerunnen.
3.
Laß deinen Geiſt / O Gott / mich feuren an /
der nur allein mich geiſtig machen kan. Ohn190Das Sieben̄de Capitel.
Ohn dich iſt nichts mein Dichten und mein Wachen;
es kan ohn dich mein Machen wenig machen.
4.
Gib ihn mir zu / als einen treuen Raht /
wann meine Wahl wankt zwiſchen Nutz und Schad:
daß mein Verſtand nit moͤg deß Guten fehlen;
und daß der Will das Baͤſte moͤg er - waͤhlen.
5.
Sag meinem Sinn / wann er ſich ſelbſt vergißt /
was mir zu tuhn und was zulaſſen iſt: daß ich nit blind und unvorſichtig lauffe /
und volles Sprungs in mein Verder - ben ſchnauffe.
6.
Oft will ich nicht / was ich doch heiſſe gut;
und tuhe das / warvor mich warnen thut dein Geiſt in mir. Laß mich nur ihm zuhoͤren /
und der Begierd ihr Drachen-Neſt zerſtoͤren.
7. Du191Das Siehen̄de Capitel.
7.
Du legeſt mir oft Tod und Leben für:
diß ſchlag ich aus / und jens erwaͤhl ich mir. Vergib die Schuld; und laß mich Suͤn - de meiden:
Vor Gottesfurcht iſt mir viel Lohns beſcheiden.
8.
Gott / laß mich Gold nit ſuchen mehr als dich;
Die Tugend / nicht das Gold / bereichre mich;
Mein Ehre ſey nur dieſes / dich zu ehren:
Laß keine Luſt mich / auſſer dir / begehren.
9.
Ob mich auf Erd plagt Schmach / und Noht / und Leid:
Auf kurze Zeit folgt lange Ewigkeit. Zwo freuden ſich und auch zwey Leiden zaͤhlen:
Man muß
  • diß
  • jens
Leid vor
  • jene
  • dieſe
Freud erwaͤhlen.
10. Hier192Das Sieben̄de Capitel.
10.
Hier Wohl / dort Weh; hier Freud / und dorten Leid;
Hier Seeligkeit / dort lange bange Zeit;
hier reich / dort arm; hier Himmel - reich / dort Hoͤlle;
Hier Ehr / dort Schmach: die Welt diß Urteihl faͤlle!
11.
Hier Weh / dort Wohl; hier Leid / und dorten Freud;
Hier Eitelkeit; nnd dorten Ewigkeit; hier arm / dort reich; dort Himmel - reich / hier Hoͤlle;
hier Schmach / dort Ehr: hierauf
mein Ziel ich ſtelle.
12.
Das baͤſte Teihl / O Gott / erwaͤhl ich mir /
das mein ſoll ſeyn und bleiben fuͤr und fuͤr: Die Welt (ſie mag ihr Teihl auf Erd verwalten)
das boͤſe Teihl dort ewig muß behalten.
Erklaͤ -

VIII.

[figure]
193Das Achte Capitel.

Erklaͤrung. Fiſtula diſpar adest. 2. Has tu compinge cicutas Ordine & arte: 3. dabunt multiſonæ harmoniam.

Jüngſthin / als ein groſſes Feſt Haͤuſer Leerte /
Gaſſen füllte /
ſo / daß man an ſtatt deß Pflaſters / nichts als
Menſchen-Koͤpfe ſah /
und ich an der Leute-Maͤng meiner Augen Hun -
ger ſtillte:
Jch will ſagen / was Gedanken kamen mir zu
Sinn allda.
Einer gieng / der ander ritt / und der dritte kam
gefahren.
Jch ſah Buͤrger / ich ſah Bauren arm und rei -
che; Herꝛn und Knecht.
Dieſer / trug zwuͤlch auf dem Leib; jener Gold und
Seiden-Waaren /
Eines kond ich gar nit ſehen / Eines duͤnkte
mich nit recht:
Einer ſtund / ich merkte wohl / daß er / was man
gibt uͤm Kleider /
daß er Tahler muͤſte haben / weil er praͤchtig
pralt herein:
Dort ein and? r armer Tropf lumpte / wie ein
Bauren-Schneider:
Gleichwohl war / an Witz und Tugend / dieſer
groß und jener Klein.
JSein194Das Achte Capitel.
Sind nit (dacht ich) dieſe Leut all aus einem
Kloß gedrehet?
werden ſie nit wieder werden in dem Grab
einander gleich?
Gleichen Brüdern werden ſonſt gleiche Kappen
abgenehet:
Warüm iſt dann der vor dieſem an ſo man -
chem Gluͤcke reich?
Jn dem Denken / fuͤhrte mich meine Andacht
hin zum Tempel.
Alda hoͤrt ich eine Orgel ihren Pfeiffen geben
Wind.
Stracks hieß mich ein guter Geiſt davon nehmen
ein Exempel
jener weiſſen Gottes-Ordnung / die ſich aller
Orten findt.
I. Gleich wie hier aus Einem Erz alle Pfeiffen
ſind gegoſſen /
gleichwol eine vor der andern groͤſſer iſt und
groͤber klingt;
II. Wie ſie / in ungleicher Reih aneinander ſind
geſtoſſen /
III. und daraus ein Orgel worden / die ſo
wunderlieblich klingt:
Alſo hat aus einem Zeug GOtt die Menſchen
zwar erſchaffen;
Doch macht Er / aus weiſem Willen / einen
groß / den andern klein.
Tummer Klügling / wolteſt du dieſe ſchoͤne Ord -
nung ſtraffen?
Soll ein Regiment beſtehen / müſſen Obern̄
Untern̄ ſeyn.
Wider -195Das Achte Capitel.
Widerdinge muͤſſen ſich naͤchſt einander ſehbar
machen.
Waͤr kein Tahl / wo waͤren Berge? wann
wir alle waͤren reich /
Wo blieb lieb und Mildigkeit? Schauet alle
Welt Rund-Sachen:
Engel / Sternen / Thiere / Baͤume / ſind auch
nicht erſchaffen gleich.
Sih dich ſelber an / O Menſch: Haubt und Hand
ſind nit gnug Glieder:
Nein! du muſt auch Füſſe haben / die dich tra -
gen hin und her.
Drüm ſo lege / du Geſchoͤpf / dich vor deinem
Schoͤpfer nieder /
und hilf ſeine Ordnung zieren / wie er will /
was Stands / und Wer.

Das Achte Capitel. Haͤlt in ſich die Urſachen / wa - rum Gott ſolch einen Unterſcheid ſeiner Gaben halte unter den Menſchen?

BEy allen ſolchen Faͤllen iſt naͤchſt der Verwunderung die erſte Frag: Wann ja das Gluͤck GOttes Vorſehung iſt / die einem jeden das wenig oder viel zumiſſet / und einen ſolchen Unter -J ijſcheid196Das Achte Capitel. ſcheid haͤlt / warum es dann unſer HErꝛ Gott tuhe? warum er dem mehr als je - nem: den Gottloſen / oͤftermal reicher / an - ſehnlicher / gewaltiger mache / als den From - men: daß der mehr Gunſt habe als jener / und ſo fort.

Zwar die Urſachen zu wiſſen begehren / ſolt ſich kein Menſch unterſtehen / eben in Betrachtung daß er ein Menſch / und der / den er fragt / kein Menſch: ſondern Gott iſt; er / das Geſchoͤpf: der / von dem ers wiſ - ſen will / der Schoͤpfer: er / der Knecht: den er examinirn will / der Herꝛ / und ſein Herꝛ iſt; Alſo lediglich in ſeines Gottes Willen ruhen / und bedenken / wie jener Kriegs - mann kluͤglich ſagte:(*)Tacit. I. hiſt. C. XC. n. 5. e. d. Militem tam neſcire quædam, quàm ſcire oportere, Ein Soldat muͤſſe wiſſen und nicht wiſſen; wiſſen / verſtehe / zu parirn / was ſein Officir commandirt; nit wiſſen eben allezeit / warum er es commandire? Jtem:(†)Cap. LXXXIV. n. 3. Parendo potius, quàm imperia Du - cum ſciſcitando, res militares contineri,das197Das Achte Capitel. das Kriegsweſen beſtehe in gehor - ſam: nicht in vielen diſputirn und nachfrag: warum es der General befehle? Zu lezt ſpricht er: Vobis arma & animus ſunt, mihi conſilium & virtutis veſtræ regimen relinquitur, das iſt: Waffen und Muht gehoͤret euch: mir aber Raht und Anordnung / wo euer Dapferkeit zu brauchen ſtehe. Das erfordert nun das Kriegs-Recht! Jn andern actionen der weltlichen Herꝛſchaft iſt es gleich ſo / und ſchickt ſich ſonderlich hie - her / was M. Terentius fuͤr dem Kaͤiſer Tiberio ſagte. Da er verklagt wurde / daß er es mit dem Sejano gehalten / der hoch am Hof angeſehen war / da viel andre ihm ſol - ches aͤuſſerſt mißgoͤnnten. (*)Tacit. VI. Annal. C. VIII. n. 5. 6. e. d. Non eſt noſtrum, ſagt er / æſtimare, quem ſupra cœteros & quibus de cauſis extollas. Tibi ſummum rerum judicium Dii dedere; mihi obſequii gloria relicta eſt. Abditos principis ſenſus, & ſi quid occultius parat, exquirere inlicitum, anceps, nec ideò aſſe - quare. Das iſt: Uns gebuͤhrt nit vielJ iijzu198Das Achte Capitel. zu gruͤbeln / wen / und warum du ei - nen über den andern erheben wilſt? Dann die Goͤtter haben dir eine freye Hand in allen Dingen gegeben; uns aber die Ehr dir zu gehorſamen. Seines Herꝛn Sinnen und Heim - ligkeiten nachforſchen iſt unrecht und mißlich / und doch nicht zuerꝛahten oder zu erꝛeichen.

Jſt es dann nun zwiſchen Menſchen recht / und eine Schuldigkeit / Seiner vor - geſetzten Ordre und Befehl / ohne wider - bellen / lediglich anzunehmen / es gehe uns ein oder nicht; wir wiſſen die Urſach oder nicht; Wie vielmehr gehoͤrt der Gedank Gottes Urteihl zu / der uns / gleichſam wie in einem Kampf / in die Welt ausgeteihlt hat / einen zum General / einen zum Leuten - amt / einen zum Fußgaͤnger / einen zum Reuter / einen zum Troſſen gemacht / und wo er nun hin commandirt / entweder zu ſchlagen / zu wachen / zu marchirn / zu gra - ben / zu quartirn / und was er fůr quartir aſſignirt; ſolches alles iſt / ſo man weiß /daß199Das Achte Capitel. daß deß Oberſten Feldherꝛn Ordre da iſt / mit ſtillſchweigẽ und das baͤſte hoffen / wie der Prophet Eſaias redt im XXX. 15. anzunehmen. Jm uͤbrigen werde weder Gluͤck noch Segen ſeyn / wie eben der Pro - phet darzu ſetzt / daß die Juden ſolches go - verno Gottes auch meiſtern wolten / und ihrem Kopf das Commando laſſen. Jhr wollet nicht / ſpricht er / wie der Herꝛ will / in ſtill ſeyn / und hoffen bleiben / und ſprecht: Nein! ſondern auf Roßen wollen wir fliehen / und Huͤlf bey den Aegyptern ſuchen / die dapffere Reuter und Ritter ſind / auf daß wir mit ihnen lauter Ritter werden. Jtem. Auf Lauffern wol - len wir reuten. . XVI. Und die Chal - deer bald uͤberjagen / oder / ſo es mißlingen ſolte / eher ausreiſſen. Darum werdet ihr fluͤchtig ſeyn / und ſie / eure Verfolger / euch uͤbereilen. Dann euer tauſent werden fliehen fuͤr eines einigen Chaldeers Schelten; ja fuͤr fuͤnfen werdet ihr alle fliehen. . XVI. XVII.

Pauli Meynung iſt allezeit das / daß manJ iiijin die200Das Achte Capitel. in die unbegreifliche Gericht Gottes / und in ſeine unerforſchliche Wege nicht zu tieff greiffen oder ſuchen wolle. Ja lieber Menſch / ſagt er / Rom. IX. 20. Wer biſtu dann fuͤr ein groſſer Hanß / daß du mit Gottrechten wilſt / und eine groſ - ſe expoſtulation machen / eine vidimirte Rechnung fordern? Spricht auch ein Werk zu ſeinem Meiſter: warum machſtu mich alſo / und nicht groͤſſer / nit von edlerem Zeug / nicht auf eine Herꝛn - Tafel / nicht ſtaͤrker / nicht bunter / nicht teu - rer? Der Seelige Gregorius gloſſirt ſehr ſchoͤn daruͤber:(*)Gregor. Magnus Moral. L. IX. c. XI. Reſpondere Deo non poſſe convincitur, quòd homo nomina - tur, quia per hoc, quod de humo ſumtus eſt, judicia ſuperna diſcutere dignus non eſt, das iſt: Daß ein Menſch GOtt dem HErꝛn darauf nicht antworten koͤnne / erhellt daher / weil er Menſch heiſſet / und eben darum / weil er von der nidern Erden iſt / nicht wuͤrdig iſt die obere hoͤhere Gericht zu durch -gehen. 201Das Achte Capitel. gehen. Hat nit ein Toͤpffer Macht / ſpricht der Apoſtel ferner / aus einem Klumpen / zu machen ein Faß zu Ehren / und das ander zu Unehren. Rom. IX. 21. Abermal ſchreibt Gregorius loco dicto: Auctoris facta ſemper indis - cuſſa veneranda ſunt, quia injuſta nequa - quam eſſe poſſunt. Rationem quippe de occulto ejus judicio quærere, nihil eſt aliud, quàm contra ejus conſilium ſuper - bire. Cùm ergo factorum cauſa non de - prehenditur, reſtat, ut ſub factis illius cum humilitate taceatur, quia nequaquam ſufficit ſenſus carnis, ut ſecreta penetret majeſtatis. Qui ergo in factis Dei ra - tionem non videt: infirmitatem ſuam conſiderans cur non videat, rationem videt. Das iſt: Deß Meiſters Werk muͤſſen ungemeiſtert geehret werden / weil ſie nie ungerecht ſeyn koͤnnen. Dann ſeines verborgenen Gerichts ein Urſach forſchen wollen / iſt nichts anders / als wider ſeinen Rahtſchluß ſtolzieren wollen. So man dann ſei -J vner202Das Achte Capitel. ner Werk keine Urſach findet / iſt ůbrig daß man daruͤber in aller De - mut ſtill ſey / weil der fleiſchliche Ver - ſtand bey weitem zu wenig iſt / daß er der Goͤttlichen Majeſtaͤt Heimlig - keiten erſinne. Derowegen / wann einer der Goͤttlichen Werke keine Urſach ſihet / wird er finden / daß das die Urſach ſey / weil er ein ſchwacher und ohnmaͤchtiger Menſch iſt. Alſo / verſtehe / wird eben allein der Menſch nicht ſeyn / mit dem Gott unter ſeinen Geſchoͤpfen allein / nicht umgehen darf / wie er will / und einen daraus ſezen auf einen Kaͤiſerlichen Stul / an eine Koͤnigliche Tafel / oder in ein reiches Haußhalten / in ein groſſes Ge - werb / und dergleichen; den andern in einen Vieheſtall / oder hinter einen Pflug / aͤrmer oder niderer / geehrter oder weniger geehrt / und ſo fortan.

Das iſt aber im End eben eine Urſach / wann mans ja wiſſen will / warum es Gott tuhe / und ſolch einen Unterſcheid halte; nemlich / weil er ein Gott iſt / das iſt / einWeſen203Das Achte Capitel. Weſen das keinem unterworfen iſt / und deßwegen eine freye Hand hat zu tuhn / zu laſſen / zu geben / zu nehmen / dem oder dem zu ſchenken / jenem nicht; deme ein mehrers / jenem ein wenigers / dem dritten davon gar nichts; auf daß wir von ſeiner Macht / und von ſeinem Reichtum recht glauben / recht Unterꝛicht haben / und ſeine Goͤttliche Ma - jeſtaͤt beſſer ehren koͤnnen / und nicht Urſach nehmen auf einige Abgoͤtterey zu fallen / und entweder von Menſchen; oder welches leider oft geſchiht / gar von Teuffeln und boͤſen Geiſtern Huͤlf ſuchen / reich / anſehn - lich / ſtark / maͤchtig / herꝛlich zu werden. Der gelehrte / oft ſchon belobte Vatter Auguſti - nus ſchreibt in Andenken ſolches gar zu ſchoͤn:(*)Auguſt. Enarr. in Pſal. L XVI. edit. dictæ p. 246. h. Parùm eſt nobis dicere: Facit hæc Deus, donat hæc Deus: ſed ſolus facit, ſolus donat. Quid ſi enim facit hæc Deus, ſed facit hæc & aliquis non Deus? Facit hæc Deus, & ſolus facit. Et ſine cauſa iſta petuntur vel ab hominibus, vel à dæmonibus, & quæcunque bona acci - piunt inimici Dei, ab illo accipiunt: &I 6cum204Das Achte Capitel. cum ab aliis petunt & accipiunt, ab illo accipiunt, das iſt: Zu wenig iſt es / daß wir nur ſagen ſollen: Gott tuht das / Gott ſchenkt das: ſondern ſo ſoll man reden: Gott tuht das allein / GOtt ſchenkt das allein. Dann wann man ſpricht: Gott tuht das / moͤcht ein an - drer denken: Etwan tuht es ein an - drer auch der nit Gott iſt. Allein da - bey bleibts: Gott tuht das / und tuhts auch allein. Um weß willen ſolches vergebens erbetten wuͤrde entweder von Menſchen / oder von Teuffeln; ja wann auch ſolches bey den Fein - den GOttes zu finden iſt: ſo wiſſe man / daß auch ſie es von Gott em - pfangen / und ob ſie es ſchon von an - dern bitten und ſichtbarlich nehmen / ſo iſts doch anders nicht / als daß man ſage: Auch unwiſſend haben ſie es / von Gott und von niemand anders / was ſie habẽ. Und abermal / ſpricht er:(*)Enarrat. in Pſal. LII. p. m. 229. h. Si205Das Achte Capitel. Si opus eſt carni pane, ſi opus eſt aquâ, ſi opus eſt vino, ſi opus eſt nummo, ſi opus eſt jumento carni huic, à Deo pe - tere debet, non à dæmoniis & idolis, & à neſcio quibus poteſtatibus hujus ſeculi. Sunt enim, qui, quando famem patiun - tur in iſto ſeculo, dimittunt Deum, & rogant Mercurium, aut rogant Jovem ut det illis, aut quem dicunt cœleſtem Pana, aut aliqua dæmonia ſimilia: non Deo ſitit caro ipſorum. Qui autem Deo ſi - tiunt, undiq́ue debent ſitire & anima & carne: quia & animæ Deus dat panem ſuum, id eſt, verbum veritatis: & carni Deus dat, quæ neceſſaria ſunt, quia Deus fecit & animam & carnem. Pro - pter carnem tuam rogas dæmonia. Num - quid animam Deus fecit & carnem tuam dœmonia fecerunt? Qui fecit animam, ipſe fe cit & carnem. Qui fecit ambas res, ipſe paſcit ambas res. Das iſt; Wann dem Fleiſch Brot von noͤhten iſt / oder Waſſer / oder Wein / oder Gelt / oder Viehe / ſolle ſie ſolches von GOtt bitten / nicht von Teuffeln / oder Goͤ -J vijtzen /206Das Achte Capitel. tzen / oder weiß nicht was fuͤr Herꝛ - ſchaften dieſer Welt mehr. Dann es ſind Leute / die / wann ſie in dieſer Welt hunger leiden / von Gott ab - weichen / und den Merkurium oder den Jupiter bitten / daß er ihnen ſol - ches gebe / oder daß ſie den him̃liſchen Pan nennen / oder andere ſolche Teu - fel mehr. Nach GOtt / duͤrſtet ihr Fleiſch nicht. Die aber nach GOtt duͤrſtet / muͤſſen mit Leib und Seel nach ihm duͤrſten / weil Er der Seel ſein Brot gibt / das iſt / das Wort der Wahrheit / und dem Fleiſch / was ihm noͤhtig iſt / als / der Gott / der Leib und Seel gemacht hat. Um deß Fleiſches willen bitteſt du die Teufel! Hat dañ GOtt die Seel gemacht / und die Teufel den Leib? Der die Seele ge - macht hat / hat auch den Leib gemacht. Der Beyde gemacht hat / ſpeiſet auch Beyde.

Es iſt aber fuͤrs andere ſchon obenauch207Das Achte Capitel. auch eine Urſach angedeutet worden / die wir da ein wenig widerholen. Alles halten wir ſonſt fuͤr weißlich und wolgetahn / daß GOtt allerley Arten Voͤgel / Vierfuͤſſiger Tiehre / Pflanzen und Baͤume geſchaffen / allerley Glieder an unſern Leib geſezt / teihls zur Nohtdurft / teihls zur Zierd. Waͤre es nun nicht eine toͤhrichte Frag / wann man zu wiſſen begehrte: warum Gott ein Glied zum Kopf gemacht hab / eines zum Herzen / eines zum Magen / eines weiß nit / zu was / eines zum Fuß? Ein Kind wurde ja ant - worten: Darum waͤre es geſchehen / weil es die Nohtdurft erfordert / und die Geſtalt eines Menſchen. Dann / wann lauter Koͤpf waͤren / lauter Herzen / lauter Maͤgen / lauter Fuͤſſe: wo wuͤrde ein ganzer Leib ſeyn? Jtem / wann das eine Schoͤnheit macht / ſo ein hoher Berg neben einem tieffen Tahl ſtehet; ſo gedenke man: daß der Gott aller Schoͤnheit / und der GOtt der da weiß / was wir alles und alle bedurfen Matt. VI. 32. auch die varietaͤt unter den Men - ſchen habe ordnen wollen / damit ſie auch an ihrem Ort / mit ſolchem Unterſcheid / dieSchoͤn -208Das Achte Capitel. Schoͤnheit diefes ganzen Weltgebaͤues und aller Creaturen zieren helfen; nicht an - derſt / als wie ein Gemaͤhl nur deſto ſchoͤner und kuͤnſtlicher geachtet wird / wann es recht umbrirt iſt / und dunkel und hell neben einander ſtehet / ſchwarz und weiß fuͤglich gemengt iſt. Anderſt wuͤrde auch das Men - ſchliche Geſchlecht nicht ernaͤhret / erhalten / nicht regieret werden koͤnnen / wann lauter Kaͤiſer / lauter Koͤnig / lauter Fuͤrſten / lau - ter Herꝛn waͤren; ja es wurde vielmehr gar kein Kaͤiſer / kein Koͤnig / kein Fůrſt / kein Herꝛ ſeyn / wann alle in der Welt Herꝛn waͤren. Dann wo waͤre alsdann ein Un - tertahn? wo waͤre ein Knecht? wo aber kein Untertahn / wo kein Knecht iſt: kan auch kein Kaͤiſer / kein Herꝛ erdacht werden. Alſo hat GOtt zur Nohtdurft deß Kaͤiſers / Koͤ - nigs / Herꝛn / die Untertahnen / die Knecht / die Bauren geſezt / die ſie ernaͤhren / verpfle - gen / ihnen arbeiten / froͤhnen muͤſſen. Zur Nohtdurft aber derer / hat er Kaͤiſer / Koͤni - ge / Fuͤrſten / Herꝛn geſetzt / mit mehrerer Weißheit begabet / einen groͤſſern reſpect erteihlt / hoͤhere Gewalt geſchenket / daß ſie jene verteidigen / beſchuͤzen / bewahren koͤn -nen /209Das Achte Capitel. nen / alſo ein Teihl dem andern helfe / der Staͤrkere dem Schwaͤchern / der Edlere dem Unedlern / der Maͤchtigere dem Ohn - maͤchtigern / wie in einerſchoͤnen Muſic ein Tohn dem andern / der Groͤſſere dem Klei - nern; oder / wie auf einer Lauten zum Ex - empel / eine Seite der andern / die Quint ſo wol der Baß-Seiten / als dieſe der Quinten.

Nun moͤcht aber vielleicht jemand dieſe Ordnung Gottes wol billichen: aber da - růber nur anſtehen: Warum GOtt eben ihn / zum Exempel / zu einem Bauren / und nicht auch zu einem Edelman gemacht ha - be; warum jenen reich / anſehnlich / herꝛ - lich / und ihn nicht? haͤtte er gleichwol einen andern arm / unanſehnlich / gering gemacht an ſeiner Statt! und ſo fort.

Wie aber? wann der Ander wider ſo daͤchte / wie du: Der Dritte auch: der Vierte auch: der Fuͤnfte / der Sechſte / und mehr / auch; wie dann das Menſchliche Herz ſich nicht leicht erſaͤttigen laͤſſet / und heißt wie der Poet ſpricht: Der Ochs wolt gern ein Pferd ſeyn / damit er nur nimmer ackern dürfte; ſo wůrdeGott210Das Achte Capitel. GOtt nimmermehr Ruhe haben von un - ſerm murꝛen und einreden / und wann er ja auß dem Baurn / zum Exempel / einen Edelmann machte / wuͤrde der etwan wol wider ein Freyherꝛ ſeyn wollen / nach dem Freyherꝛn ein Graf / nach dem Graͤflichen Stand ein Fuͤrſt / nach dem Fuͤrſten ein Koͤnig / nach dem Koͤnig ein Kaͤiſer. Wa - rum er dann nun dich zum Bauren / jenen zum Knecht / ꝛc. gemacht: dich aͤrmer / jenen reicher: dich unanſehnlicher / jenen anſehn - licher / und ſo fort / hat er darum getahn / daß du mit deinem Bauren - und Knechtſtand / mit deiner Armut und wenigerm Anſehen / die Ordnung Gottes zieren ſollſt / und an dem groſſen Gemaͤhl dieſer Welt / ein Um - bra ſeyn: auf dem weiten Erdboden / ein Tahl: in der Symphoni dieſer Creaturen / eine Quinte.

So wir uns noch weiter umſehen / wa - rum es dem dann ſo oder ſo ergehe / nur wie er ſichs fuͤrnim̃t / oder dahin er etwan gar nicht denket: dem aber nit / ob er ſichs gleich fuͤrnim̃t / rennt und laufft? geſchiht es fuͤrs dritte darum / auf daß wir lernen / nichtauf211Das Achte Capitel. auf unſere Wiz und Verſtand zu bauen / und denken / wie Nebucadnezar: Jch hab die groſſe Babel erbauet: durch mein Vermoͤgen. Dan. IV. 30. Jch hab den / meinen Feind / geſchlagen durch meine Macht! den Reichtum erworben durch meine Spizfuͤndigkeit! die Gunſt erlan - get mit meiner Kunſt! die Heurat getahn durch mein Anſehen! den Dienſt erhoben durch meine Wolredenheit! ꝛc. Wie dann auch darinn unſer menſchliches Herz ein ſtolzes Herz iſt / und ſich gern entweder ſelbſt ruͤhmt / oder ruͤhmen hoͤret. Nein! ſagt gleichſam unſer Herꝛ GOtt darauf: Jch wills dem Menſchen weiſen / daß der groſſe vorgenommene Babels Bau nicht Men - ſchenhaͤnde Werk iſt! daß der / ſein Feind / nicht durch ſeine Staͤrk geſchlagen ſey! der Reichtum nicht durch ſeinen eigenen Fleiß erworben! die Gunſt nit durch ſeine Kunſt erpracticirt! die Heurat nicht durch ſein Anſehen erhoben! Der Dienſt nicht durch ſeine Weißheit verdienet / und dergleichen. So aber will es Gott weiſen / daß er einen andern / oder zween / drey / oder zwantzig / dreiſſig / eben ſo kuͤnſtlich / ſo ſtark / ſo maͤchtig /ſo an -212Das Achte Capitel. ſo anſehnlich / ſo beredt macht / eben den Weg gehen laͤßt / eben die Mittel brauchen; und doch nichts wenigers als eben den Zwek er - reichen; an ſtatt der victori, eine verlohrne battaglia: an ſtatt deß Dienſts einen Ab - weiß: an ſtatt der Heurat / wie man ſpricht / den Korb: an ſtatt deß Reichtum / Armut tragen; Damit im End auch unſer Gebet zu Gott deſto bruͤnſtiger werde / als von dem ſolches Heil und Segen alles / allein / haubtſaͤchlich zu erbeten iſt.

Nicht aber auch nur allein um deßwil - len tuht es Gott: ſondern fuͤrs vierte auch darum / daß entweder ein Menſch dem an - dern eine Lehr und Spiegel ſey der Beſchei - denheit / und der Demut; oder einer dem andern einen Troſt mache / wann er ſihet / wie unterſchiedlich Gott das menſchliche Geſchlecht graduirt hat. Einen Reichen / zum Exempel / hat Gott dem aͤrmern ent - gegen geſetzt / auf daß er denke: ſich nicht zu erheben; weil ihn GOtt ſo wol haͤtte zu ei - nem Bettler und Kruͤpel machen koͤnnen; ja noch heut / den Reichtum / und das Ein - kommen / und Gewinn nehmen und auch in Bettelſtab fuͤhren. Der arme aber ſolldage -213Das Achte Capitel. dagegen Gott danken / daß er ihm / in ſeiner Armut / gleichwol eine Huͤlf geordnet haͤt - te / oder den Troſt und die Hoffnung tragen laſſe / daß er aus ſeiner Armut noch wol er - ledigt werden koͤnne / von eben dem Gott / der jenen ſo reich und beguͤtert gemacht haͤtte. Einem gelehrten hat Gott zugeſellt einen Ungelaͤhrten / widerum / auf daß jener an dieſem: dieſer an jenem lerne. Jener / ſo gelehrt er iſt / habe doch das zu lernen / daß er ſeiner Weißheit nicht mißbrauche / ſeinen guten Kopf nicht ſchwaͤche mit Freſſen und Sauffen / mit Hurerey und Un - zucht / dadurch er Wiz und Verſtand verlieren / und ja ſo alber und unverſtaͤn - dig werden moͤchte / als der / ſeinem Ur - teihl nach / Simpel und Einfaͤltige iſt. Der aber / haͤtte wider an jenem zu lernen / daß er ſich ſeiner Lehren und Anweiſung be - dienen ſolle / in Gehorſam folgen / und in ſeiner Einfalt / aufs wenigſte mit ſeinem Gehorſam / den gemeinen Fried und Ruhe foͤrdern helfen. Einen Fremden hat Gott außer ſeinem Vatterland / da oder dort / zu hohen Ehren gefůhrt; und die einheimi - ſchen gegen ihm viel geringer geſetzt / auf daßaber -214Das Achte Capitel. abermal einer deß andern Lehrmeiſter wer - de. Jener einheimiſche / ſoll mit ſeinem Ex - empel und geringerern Gluͤck das lehren / daß der Erdboden / und ſein altes Vat - terland / ſey deß Herꝛn / und alles was darinnen iſt; verſtehe der Dienſt / das Amt / die Stell / die Verwaltung / und nicht eben auf die Lands-Kinder verpfaͤndet / und von Gott / gleichſam zur hypothec, eynge - ſezet / der nun nimmer uͤber das Land und Herꝛſchaft / und deſſen Guͤter und Ein - kommen einig recht habe. Dieſer / ſoll jenen wider lehren / daß er ſich bey ſolchem in der Frembd erlangten Gluͤck nit aufbruͤſten ſoll noch wolle / und da / wo man ihn ein - und etwan zum Diener / angenommen hat / do - minirn / wie er ſeinem aufgeblaͤhten Sinn nach will / hindern und druͤcken wen er / durch ſein verliehenes interims-Anſehen / kan und wolle / und gleichſam deß Lands verweiſen / in Betrachtung / weil er von der Einheimi - ſchen Brot iſſet: Die Kinder aber nicht von ſeinem; alſo die Wurtzel ihn / er / die Wurtzel nicht traͤgt / deſſen Saffts erdoch215Das Achte Capitel. doch teihlhafftig worden iſt / daß wir deß Apoſtels Wort brauchen. Rom. XI. . 17. 18.

Noch eine und die fuͤnfte Urſach gibt die Betrachtung deſſen / und dieſe / daß man Gottes Gaben ſo hoch nicht achtete / wann wir nicht derſelben eine Ungleichheit wiſſe - ten. Die Perſer fuͤhren zu ſolchem End das Sprichwort: Wañ alle Naͤchte maͤch - tige Wunder naͤchte waͤren / ſo wůr - de die eine maͤchtige Wundernacht nicht in ſo groſſem wehrt mehr ſeyn. Und. Wañ alle Steine Badachſcha - niſche Rubinen waͤren / ſo wuͤrde der Preiß ſolcher Rubinnen und der ge - meinen Stein eines ſeyn. Gleich wie nun / wer nie in einem Sturm zu Waſſer geweſt / nicht bedaͤchte / was ſey mit gutem Wind fahren: Wer nie Ungewitter gehoͤ - ret / alle Heytern fuͤr ſo was ſonders nicht hielte: wer nie ein Schmerzen und Krank - heit erfahren / nimmermehr Gott ſo brün - ſtig um geſunden Leib baͤte: Alſo geſchaͤhe es fuͤrwahr auch. Wann Gott alle Men - ſchen gleich reich gemacht haͤtte / gleichmaͤchtig /216Das Achte Capitel. maͤchtig / gleich anſehnlich / erkennte man nicht ſo hoch / was Gottes Seegen ſey; Da er aber die Armut dem Reichtum: Die Macht der Ohnmacht: die groͤſſere der klei - nern Ehr: die hoͤhere der niderern Wuͤr - den / und ſo fort / an die Seiten geſezt: ſihet man erſt / was Uberfluß / was Macht / was Ehr ſey / was Würden / und dergleichen heiſſe? wann GOtt alle zu Edelleuten ge - macht haͤtte / verſtuͤnde man nicht / was der Adel iſt. Da er aber Unedle auch geſchaf - fen / rechnet mans erſt aus / was ein Edel - man iſt? Wann Gott eines jeden Tuhn und Fuͤrnehmen lieſſe fortgehen / wie er ſichs nur ſelbſt einbildet / wuͤrde mancher denken: Gott koͤnne es nicht anderſt machen / er ſey daran gebunden. Da er aber zwey-drey - zwanzig-dreyſſigmal eben das Ding an - greiffen laͤßt / eben auf ſolche Manier / eben durch ſolche Mittel / und doch nicht eben den effect erꝛeichen / eben die Gunſt erhe - ben / gleichen Gewinn erwerben / grad in ſolchen Ehren ſeyn; macht er damit das / daß jenes erſt für gluͤkſeelig / fuͤr gebenedeyet gerechnet / und Gottes Reichtum deſto deut - licher erkennt werde / der / ſo zu reden / wie einKraͤmer217Das Achte Capitel. Kraͤmer allerley Waaren im Laden hat / und recht ſortirt iſt / zum Exempel / mit Sammet / mit Seiden / mit Scharlack / und Purpur; aber darneben auch mit ge - ringern und ſchlechtern Zeug / mit Zwillich / und Boi / und Schetter; ja einerley Farb ein geringers und koſtbarers / und wider ein theurers und wolfeilers Tuch fuͤhrt / die in ſeinem wehrt alle taugen / und ihren Nuzen haben; eines aber für einen Kaͤiſer und Koͤnig / eines fuͤr einen Bauren und Pferd - Knecht gehoͤrt / deren Unterſchied man nit eher findet / als wann mans neben einan - der haͤlt / neben einander betaſtet / da jenes viel ſubtiler / und zaͤrter / und klaͤrer: dieſes zottichter / rauher / groͤber / ſchweerer iſt: Alſo / ſprich ich / kan man wol Gleichnißweiß von den Gaben GOttes reden / deren hoͤhern und niderern Gebrauch / geringern uñ groͤſ - ſern Glanz man nimmermehꝛ wuͤſte / wann GOtt nicht eines neben das andere gelegt und fuͤrgetragen haͤtte / und unſere Sinnen und Vernunft gleichſam daran greiffen ließ / und ſehen / daß die Gab / edler / reiner / anſehnlicher / groͤſſer / teurer ſey: jene nide - rer / geringer / unwehrter / ob ſie ſchon alle insKgeſamt218Das Achte Capitel. geſamt ihren Nutzen und Brauch haben: Und wann nun gleich Gott den oder den / der ja mit ſeinen Gaben nicht zu frieden ſeyn wolte / hoͤher ſetzte / und aus einem Zwillich und Schetter / ſo zu reden / einen Purpur und Scharlack machete / ſo muͤſt er doch andere haben / in deren compara - tion und Gegenſaz / jenes / fuͤr Purpur und Scharlack geachtet wuͤrde / die / wann ſie wi - der mit ihrem Stand nicht zu frieden waͤ - ren / endlich alle differenz aufheben wür - den / daran man den valor und die Wuͤrde der Gaben Gottes / baͤſſer und deutlicher vernehmen koͤnte / und moͤchte.

Es erhielt aber mancher / mehr ſeinẽ Scha - den an Leib und Seel: als ſeinen zeitlichen und ewigen Nuzen / wann ihm die Gab zu - kaͤme / die jener hat; welches eben eine neue und die ſechſte Urſach iſt / warum er den in einer Armut; jenen in einem Nidern - ſtand; dem dritten das Anſehen nit zu groß laͤßt: dem vierten die Heurat nicht fortge - hen: den fuͤnften ſo maͤchtig nicht werden / und ſo fort. Denn man gedenke nur: ob nicht dem Reichen Mann baͤſſer geweſen waͤre / an Lazari ſtatt zu ſeyn / wann manſeine219Das Achte Capitel. ſeine Angſt und ſeine Quaal bedenket / Luc. X VI. . 19. 26. Etwan wurde er andaͤchtiger ſich erwieſen haben / maͤſſiger in Eſſen und Trinken / demütiger in Klei - dungen / mitleidiger gegen ſeinen Naͤchſten / wo nicht in der Taht / doch aufs wenigſte im Herzen. Er weiſet aber mit ſeinem Exem - pel / was drey Evangeliſten ſchreiben / daß freylich wol leichter ſey / daß ein Ca - meel durch ein Nadeloͤhr gehe / als daß ein Reicher ins Reich GOttes komme. Matth. XIX. 24. Marc. X. 25. Luc. XVIII. 25. Was hat dem Haman ſein groſſes Anſehen gedient? wie ehrlicher waͤre er geſtorben / wann ihn nicht halb ſo / die Hofg[u] nſt erhoben haͤtte? Eſth. VII. . 9. 10. Wann manchem die oder die Heurat angieng / was fuͤr eine unruͤhige betruͤbte Zeit ſeines Lebens wuͤrde er haben? wann GOtt manchen ſo ſonders maͤchtig machte / und ihm die Gaben gebe / die Salo - mon gehabt: ob ſie ihn nicht ſo wol zu Fall bringen wurden als jenen / ſtehet in einem groſſen Zweifel. Alſo moͤchte es hier auch wol heiſſen / was dort der Mutter der Kin -K ijder220Das Achte Capitel. der Zebedœi zur Antwort wird: Jhr wiſ - ſet nicht was ihr bittet! Matth. XX. . 22. Marc. X. 38. Nit anders wir auch! Oft mehr wider uns / als vor uns! und da wir meynten Glůck zu erheben / erſt recht ing Ungluͤck giengen.

Oft gibt auch GOtt / fuͤrs ſiebende / manchem Menſchen / das Gluͤck / um ſeiner Eltern Froͤmkeit willen. Das weiſet der CXII. Pſalm. Wol dem / der den Her - ren fürchtet / der groſſe Luſt hat zu ſeinen Gebotten / deß Saame wird gewaltig ſeyn auf Erden / das Ge - ſchlecht der Frommen wird geſegnet ſeyn / Reichtum und Fůlle wird in ih - rem Hauſe ſeyn. . I. II. III. Moſes hat das Wort Gottes ſeinem Volk fürgetra - gen / daß er / wie er die Miſſetaht der Vaͤtter heimſuchen wolle an den Kindern / biß ins dritte und vierte Glied: alſo dagegen biß ins tauſenſte Barmherzigkeit tuhn wolle um der Eltern willen / die ihn lieben und ſeine Ge - bott halten. Exod. XX. 5. 6. Die Exem -pel221Das Achte Capitel. pel der Schrift ſind klar und deutlich. Zu Jſaac ſagte Gott ſelbſt: Jch bin deines Vatters Abrahams GOtt / fuͤrchte dich nicht! dann ich bin mit dir / und will dich ſegnen / und deinen Saa - men mehren / um meines Knechts Abrahams willen. Gen. XXVI. . 24. Ob ſich ſchon Salomon mit Abgoͤtterey ſehr verſuͤndiget hatte / und Gott billich alles Ungluͤck uͤber ihn haͤtte ſollen kommen laſ - ſen; macht dannoch ſeines Vatters Da - vids Froͤm̃keit / daß das Gluͤck und Koͤnig - liche Anſehen / weder in ſeinem Leben / noch nach ſeinem Tod / gar / von ſeinem Stam - men weggenommen werden ſolte. Bey deiner Zeit / ſpricht Gott / will ich das Koͤnigreich nicht von dir reiſſen / und deinen Knechten geben / um deines Vatters Davids willen! und ob es ſchon nach ſeinem Tod etwas einen Stoß leiden ſoll / wolle doch Gott das ganze Koͤ - nigreich nicht abreiſſen / und aufs wenigſte einen Stamm noch ſeinem Sohn laſſen um Davids willen ſeines Knechts /K iijI. Rcg. 222Das Achte Capitel. I. Reg. XI. 12. 13. Warum es dann nun der oder der familien / ſo viel Jahr / ſo nach Wunſch gehet / in flor bleibet / im eſſe, wie man ſpricht / ſihet Gott oft ihrer Vorfahren Gehorſam an; oder oft auch nur ein ſon - derlich Werk derſelben das ſie getahn / und nach ſeinem Willen verbracht haben / ob ſie auch ſchon ſonſten anderweit ſich groͤblich verſuͤndigt haben. Das Exempel iſt an Jehu / der von den Suͤnden Jeroboams / deß Sohns Nabat / der Jſrael ſündigen machte / nicht ließ / von den guldenen Kaͤl - bern zu Bethel und zu Dan; doch dan - noch / weil er den Baal aus Jſrael vertilget / ſprach der Herꝛ zu ihm: darum daß du biſt willig geweſen zu tuhn / was mir gefallen hat / und haſt am Hauſe Ahab getahn alles / was in meinem Herzen war / ſollen dir auf dem Stul Jſrael ſizen deine Kinder ins Vierte Glied. II. Reg. X. 26. -31. Wie dann Jehu ſelbſt noch Acht und Zwanzig Jahr regirt; ſein Sohn Joachas / ſiebenzehen; ſein Enen - kel Joas / ſechzehen; ſein Uhrenkel Jero - boam / Ein und Vierzig: ſein UhrurenenkelZacha -223Das Achte Capitel. Zacharias / ſechs Monat; daß alſo die Cron / bey dem Stamm / biß auf die hun - dert und zwey Jahr / ſechs Monat geblie - ben iſt. Quàm diverſa ſunt Dei judicia à judiciis hominum? Alius tot cædes à Je - hu perpetratas, dignas graviſſimis ſuppli - ciis judicaſſet: Deus verò verbo ſuo præceptam crudelitatem (ſi tamen cru - delitas eſt dicenda) laude & præmio pro - ſequendam cenſet, ſchreibt hieruͤber Oſi - ander. Das iſt. Wie ſind Gottes Ge - richte ſo viel anderſt / als der Men - ſchen Gerichte? Es ſolt einer geden - ken: So viel Todſchlaͤg / die Jehu ge - tahn / waͤren aller aͤuſſerſten Straf - fen wehrt. Gott aber will die Blut - gierigkeit (wann es anderſt ſo zu nen - nen iſt) mit Lob und Ehren belohnen. Sæpe enim fieri ſolet, ſetzt der Seel. Alte Brentius(*)Joh. Brent. Comment. in II. Reg. c. X. p. m. 1024. darzu / ut impii quidem per - ſonâ, opere tamen talia facta perpetrent, quæ à Domino bonis terrenis remune - rantur. Das iſt: Oft pflegt es alſo zu -K iiijgehen /224Das Achte Capitel. gehen / daß eine / an ſich gottloſe Per - ſon / doch ein ſolch Werk verꝛichtet das Gott mit zeitlichen Guͤtern be - lohnen will.

Zu allerlezt geſchiht es oft wol andern zur Straff / daß eben dieſe oder jene ſo reich / ſo maͤchtig / ſo anſehnlich / und dergleichen / werden / der Dienſt / die Heurat / das Amt / die Handlung erlangen / die doch in der Haut boͤſe Buben ſind. Mancher Statt / manches Landes / Regiments / Handels / Handwerkes / Amtes Suͤnden haben es verdienet / daß Gott ſolches zulaͤſſet und uͤber ſie verhaͤngt / daß ein anderer / viel untuͤchti - gerer / das Koͤnigreich / die Herꝛſchaft / die Gewalt / den Dienſt / den Genieß / die Handlung / die Kundſchaft / das Anſehen erlangt; Und dieſe oder jene familia, das ho - he Hauß / das alte Geſchlecht / die Suͤnde alſo buͤſſen muͤſſen / die entweder ihre Vor - fahren / oder ſie ſelbſt mit Hoffart / mit Ver - ſchwendung / mit Verachtung GOttes Worts / oder / wie es nahmen hat / began - gen haben / und wol ſchwerlich mehr ſo ſeelig werden / daß ſie gelehrtere Leute in Dienſten /redli -225Das Achte Capitel. redlichere in Aemtern / gewiſſenhaftere in Handlung / getreuere in der Regierung / ſorgfaͤltigere in Verꝛichtungen / wolmei - nendere in Rahtſchlaͤgen / und auch der - gleichen haben ſollen. Den Regierſtand betreffend / ſagt GOtt Ephraim unter die Augen / daß er ihm gegeben hab einen Koͤnig im Zorn. Oſ. XIII. 11. Juda und Jeruſalem drohet er / daß er ihnen Juͤng - linge zu Fuͤrſten geben / und Kindiſche uͤber ſie herꝛſchen laſſen wolle. Eſai. III. . 4. Elihu ſprach dorten: Es laſſe Gott auch uͤber Voͤlker und Leute regirn Heuchler / und laſſe dagegen einen From - men in nidererm Stand. Warum? daß jener das Volk dringe / im XXXIV. 30. Es erwaͤhnt Cedrenus dieſer Geſchicht. Da der Bluthund Phocas zu der Roͤmi - ſchen Kron gelanget / und einer aus den Geiſtlichen zu Conſtantinopel / mit unſerm Herꝛn GOtt deßwegen nicht zum baͤſten zufrieden geweſen / und ſo hefftig geklagt / daß ein ſolcher gottloſer Menſch über Chri - ſten herꝛſchen ſolle; waͤre ihm / da er ganz niemand hinter und vor ſich ſahe / dieſeK vStimm226Das Achte Capitel. Stimm worden:(*)Phil. Camerarius Cent. I. horar. ſubciſ. c. LV I. p. m. 250. Deteriorem alium inveniri potuiſſe nullum. At hoc meruiſ - ſe Conſtantinopolitanorũ vitia. Das iſt; Man haͤtte keinen ſchlimmern finden koͤnnen / als den; Und haͤtten die Suͤn - den derer zu Conſtantinopel das ver - dienet. Was da von dem hohen Politi - ſchen Stand geredet iſt / iſt von allen an - dern Faͤllen ingleichen zu verſtehen; zum Exempel / daß mancher unvernuͤnftiger / un - geſchickter zu Dienſten / zu Aemtern / zu ſol - cher Handlung / und ſo fort / kommet / man - cher feiner / gelehrter / weiſer Menſch nach - gehen / nachſitzen / weichen muß. Von dem Geiſtlichen Stand / darinn ſichs eben ſo wol findet / ſtehet in Jure Canonico(†)Cauſa VIII. q. I. c. XVIII. dieſe Red: Tale aliquod intelligamus ctiam in Eccleſiis fieri: quòd pro meritis populi, aut in verbo & opere potens tri - buitur à Deo rector Eccleſiæ: aut, ſi malignum faciat populus, in conſpectu Domini, talis Eccleſiæ judex datur, ſubquo227Das Achte Capitel. quo famem & ſitim populus patiatur; non famem panis, neque ſitim aquæ: ſed fa - mem audiendi Verbum Domini. Das iſt: dergleichen etwas ſehen wir / daß auch in der Kirche geſchiht: daß / nach dem es ein Volk verdienet / ſelbigem auch in Worten und Werken ein maͤchti - ger Lehrer gegeben werde: oder aber / wann es in Gottes Augen ſich ver - ſuͤndiget / ſo wird ihm auch ein ſolcher Kirchendiener gegeben / unter wel - chem es Hunger und Durſt leiden muß; nit einen Hunger nach Brod / oder Durſt nach Waſſer: ſondern einen Hunger / das Wort Gottes zu hoͤren. Was Evariſtus(*)Evariſtus ep. II. ad Ægyptios. den Egyptern geſchrieben / iſt wol hier anzufuͤgen wehrt. Ein Muͤnch / ſagt er / waͤre in der Statt Thebis zum Biſchoff erwaͤhlet worden / ein Grundſchalk. Da er ſich aber dieſer Bi - ſchofflichen Wuͤrde ſo maͤchtig uͤberhoben haͤtte / haͤtte der Engel deß HErꝛn zu ihm geſprochen: Warum biſtu alſo ſtolz /K vjund228Das Achte Capitel. und gefaͤlleſt dir ſelbſt ſo trefflich? O du ungluͤckſeeliger Menſch! du biſt nicht zum Biſchoff gemacht darum / daß du deß Prieſtertums wuͤrdig wa - reſt: ſondern weil die Statt keines baͤſſern Biſchoffs wehrt war.

Andacht-Lied. Wider die Hoffart. Nach der Singweiſe: Wo iſt mein ſchoͤnſter Fuͤrſt und Herꝛ hiñ - kommen / ꝛc.

1.
WElt-Mutter du! wir / Eva deine Kinder / (Suͤnder:
wir gleichen dir / wir nachgebohrne
der Hoffart Sinn
reißt uns dahin /
der Stolz iſt unſrer Herzen Uberwinder.
2.
Du / ſtiegeſt hoch und fieleſt tieff hernieder:
Wir / folgen nach / und ſtreben Gott zuwidermit229Das Achte Capitel. mit Ubermut
der nicht gut tuht:
es will doch nur der Groͤſte ſeyn ein jeder.
3.
Jch auch O Gott / bin / dieſer Suͤnder einer /
ein Eva-Sohn / der ſich gar nit kan kleiner als andre ſehn / ſich will erhoͤhn: (meiner.
der Stolz macht mich vergeſſen dein - und
4.
Biſt du es nicht / du Schoͤpfer aller Dinge /
der mich mag machẽ groß uñ auch geringe? dein Tohnbin Jch;
und meiſtre dich /
als ob dein Raht an meinem Willen hienge.
5.
(Erde / Was zeih ich mich / ich Koht / ich Staub und
daß ich vor dir aus Trotze murꝛend werde? da ich verlohrn
und bin gebohrn (Heerde.
ein Brand zu ſeyn dort auf dem Hoͤllen
6.
Laß mich vielmehr mit Danke dich erheben /
daß du mir Seel - und Menſchgeſtalt gegebẽ; und daß ich nit
ein Tuͤrk noch Jůd
noch Heyde bin; nicht hab der Thiere Lebẽ.
K vij7. Mir230Das Achte Capitel.
7.
Mir ſey genug / daß auch vor mich geſtorben
dein lieber Sohn / jens Leben mir erworben. Ach! dieſe Ehr /
und keine mehr (dorben.
begehr ein Menſch: dann ſonſt waͤr er ver -
8.
Je kleiner ich in meinen Augen ſchwebe /
je hoͤher ich in deinen mich erhebe. der Demut-Weg /
der Himmelſteg!
Gib / daß ich hoch / doch in der Nidre / ſtrebe.
9.
Du ſitzeſt hoch / und ſiheſt tieff hernider.
Muß ich ſchon ſeyn ein Fuß der andren Es ſchadt mir nicht. (Glieder:
dein Wort verſpricht:
Wer nidrigt ſich / der wird erhoͤhet wieder.
10.
Laß mich allein / wie klein ich ſey auf Erden /
ein groſſes Werkzeug deiner Ehren werdẽ. Dein Ordnung hier
gib daß ich zier
in Demut / ſchlecht und recht / und ohn Be - ſchwerden.
Erklaͤ -IX.[]
[figure]
231Das Neunte Capitel.

Erklaͤrung. Est Deus, est Juſtus. 2. Rationis murmu - ra pœnam (tace! ſollicitant. 3. Oculos comprime, crede.

DJe Sonne war zu Bett. Jch ſaß in meinem
Zimmer:
ein Liecht das muſte mir an ſtatt der Soñe ſeyn;
Die Nacht war mir nit Nacht beym hellen
Kertzen-Sche in. (jm̃er
Doch war es Nacht in mir: Es quaͤlte mich noch
der boͤſen Leute Gluͤck. Jch dachte: Jener Bub /
der ſelten denkt an Gott / iſt herꝛlich und erhaben;
Gott goͤnnt ihm / die er nur mißbrauchet / ſeine
Gaben; (grub.
und waͤr er arm / er führ nit in die Hoͤllen -
Ein andrer / der ſich ſtaͤts mit Arbeit und mit Betẽ
abmartert Nacht und Tag / der from̃ und Chriſt -
lich lebt: (begraͤbt /
es hilft ihn nichts / die Noht ihn vor dem Tod
Gott laͤßt ihn / wie er ſteckt / in Kummer / Sorg /
und Noͤten. (ſeyn.
Jch ſag / es muß kein Gott / kein Welt-Regierer
Was nutzet Froͤm̃igkeit / wann da iſt kein Belohnẽ?
Was ſchadet / Boͤſes-thun / bey Nachſehn und
verſchonen? (ein.
I. Jſt Gott / iſt Er gerecht / ſtell Er diß Unrecht
II. Als ich ſo dacht und ſaß / da hoͤrt ich etwas
ſchnurꝛen. (verbrennt /
Jch ſucht; es war ein Schnak / der ſich am Liecht
dieweil er flog darein in dem es ihn geblendt.
Straks232Das Neunte Capitel.
Straks bildet ich mir vor hierbey mein vorigs
Murꝛen. (ſtand /
Es war ein ſolcher Schnak geweſen mein Ver -
der in das Gottesliecht / in Gottes Tuhn / wolt ſehẽ.
der laͤſtern dorfte das / was er nit kan verſtehen;
der nun forcht Gottes Zorn / und fuͤhlte deſſen
Brand.
darf je ein Untertahn auch ſeinen Koͤnig fragen /
um diß und jenes Tuhn? der Menſch / der Sün -
den Knecht /
der Madenſack / darf GOtt beſprechen um ſein
Recht;
er will ſein Gluͤcke nit auf deſſen Wage wagen.
Gott iſt gerecht: und / wer diß laͤugnet / ihn ver -
leugnt.
III. Sein Raht verborgen iſt. Vernunfft / laß
dir die Augen
verbinden / die hierinn gar nichts zu ſehen taugẽ.
der Glaube baͤſſer ſiht / dem kein Geſichte eignt.
die Gottesfurcht / ein Schloß vor deine Lip -
pen lege /
daß ſie nit oͤffnen ſich / zu laͤſtern Gottes Raht.
Gott / was er will / zu tuhn und auch zu laſſen hat.
Du Blindlind / wolteſt du außforſchen ſeine
Wege?
Das233Das Neunte Capitel.

Das Neunte Capitel / haͤlt in ſich Die Scrupel und Einwuͤrf die unſer Fleiſch und Blut uͤber ſolches alles fuͤhret und erꝛeget.

OFT hab ich ſelbſten gehoͤret / wann man manchen angeſe - hen / der gern reich / hoch reſpe - ctirt ſeyn wolte / das oder das Amt gern haben / die Nahrung / die Heu - rat / das Hauß / das Gewerb / und doch nit dahin bringen koͤnnen / und ſizend blieben / nicht geachtet / nicht einmal nominiret / noch wol offentlich beſchimpfet; ein anderer aber dagegen herfuͤrgezogen worden / und man ſeine laudes groß gemacht / der jenem auch wol in der Wahrheit nicht zu vergleichen war / viel andaͤchtiger / gelehrter / bedachtſa - mer / beleſener / emſiger / ſittſamer / edler als jener. Selbſten / ſprich ich / hab ich gehoͤret /daß234Das Neunte Capitel. daß man geſagt: Es hilft kein Beten / kein Studieren / kein Arbeiten; weil es Gott / ſo oder ſo / mit einem jeden Men - ſchen zu machen / von Ewigkeit beſchloſſen hat / den zu dem Dienſt zu erheben / der deſ - ſen gegen jenem nicht wuͤrdig iſt; die Heu - rat dem zu geben / der ſich nicht groß drum reißt / den Reichtum dem / der ihn ſo uͤbel an - legt und verſchwendet: die Gunſt hoher Leut / damit er andere fromme / gelehrte / ein - faͤltige drukt und hindert. Es tuhe nun ein ſolcher was er wolle / er renne / er lauffe / er ſpendire / er ſchreibe / er bitte / ſo geſchehe es doch nicht / und koͤnne nicht geſchehen / weil GOtt jenen von Ewigkeit darzu erſe - hen hab / und dieſen nicht / der es doch noch wol tauſentmal baͤſſer anlegen wolte / als je - ner. Oder / es iſt endlich dahin kommen / daß man noch einmal nicht hat glauben koͤnnen / daß das Ding anderſt / als zufaͤlli - ger Weiſe zugehen koͤnne. Dann / wann es Gottes Will waͤre / hat man geſagt / wurde ja die Tugend / die Kunſt / die Qualitaͤten / die in dem Menſchen ſind / nicht ſo gehem̃t / gehindert / gedruckt / geſpoͤttelt; und dagegendie235Das Neunte Capitel. die Unwiſſenheit fůrgezogen / die Narꝛheit erhoben / der Stolz gefoͤrdert werden. Das tuhe ja GOtt nicht / der ſeine Gaben nicht ſelbſt deſpectire / oder dem Menſchen Anlaß gebe zu deſpectirn; oder aber / es můſſe Gott ein ungerechter Gott ſeyn / und nicht nach Billigkeit handeln! dann es ſey billich / daß ein weiſer einem Tohren vorgehe: ein Ge - lehrter einem Ungelehrten; ein Einheimi - ſcher oder Landskind einem Fremden; Ja wo bleibt ſolcher Geſtalt das / daß die Gott - ſeeligkeit die Verheiſſung habe dieſes und deß zukuͤnftigen Lebens. I. Tim. V. . 8.

Viel - und Weitlaͤuffigerer Eroͤrterung iſt das alles wehrt / um / mehrere Vergnůg - ligkeit deß Herzens zu wegen zu bringen. Wollens demnach in einer baͤſſern Ord - nung / und Stuͤck von Stuͤck erwaͤgen!

Das erſte iſt ein maͤchtiges Wort unſers Widerſpenſtigen Fleiſches / daß man den - ket / weil der oder der / das Gluͤck / Ehre / Reichtum / Gunſt / Anſehen / Heurat / Amt und Dienſt nicht erlangt / der doch GOtt ſo innbrünſtig darum bittet / ſo muͤſſe man al -lerdings236Das Neunte Capitel. lerdings gedenken: Es helf kein beten mehr; Man wolle es eben ſo mehr bleiben laſſen: Es muͤſſe doch kommen was kom - men ſoll; und was nit kom̃en ſoll / koͤnne doch auch nimmermehr erbetten werden / wann man gar die Knie wegknieete.

Man muß aber dagegen wiſſen / wie ei - nes Chriſten Gebet beſchaffen ſeyn ſoll? Dann es iſt wahr / nicht alles beten hilft; weil es auch ein Gebet darnach iſt. Der tiefſinnige Jtaliener / Thomas de Aquino,(*)Thomas de Aquino L. III. contra gentes cap. XCVI. ſezt unter andern Urſachen[warum] unſer Gebet nicht jederzeit von Gott erhoͤret werde / auch dieſe: Deus deſide - ria rationalis creaturæ adimplet, in quan - tum deſiderat bonum; quandoq́ue au - tem contingit, quòdid, quod petitur, non eſt verum bonum: ſed apparens; ſimpli - citer autem malum; non eſt ergo talis o - ratio à Deo exaudibilis. Hinc eſt quod dicitur Jacob. IV. 3. Petitis & non acci - pitis, , quòd male petatis. Das iſt: Gott erfüllt unſer menſchliches Be -gehren237Das Neunte Capitel. gehren / ſo fern wir etwas gutes be - gehren. Mehrmal aber geſchiht es / daß / was wir bitten / nur ſo ſcheinet als ob es gut waͤre / da es doch recht boͤß iſt. Daher komt es / daß ein ſolch Gebet bey Gott nicht erhoͤret ſey; wie der H. Jacobus auch ſpreche: Jhr bittet und krieget nicht / darum: daß ihr uͤbel bittet. IV. 3. Und nach etlichen ſchreibt er wider: Contingit quandoque, quòd aliquis ex amicitia deneget, quod petitur ab amico; quia cognoſcit hoc ei eſſe nocivum, vel contrarium ei magis expedire; ut medicus infirmanti quan - doq́ue denegat quod petit, conſiderans quòd non expedit ei ad ſalutem corporis conſequendam, das iſt: Es pflegt biß - weilen der baͤſte Freund / aus baͤſter Freundſchafft / ſeinem andern Freund nicht zu willfahren; weil er weiß / daß baͤſſer ſey das Ding abzuſchlagen: als zuzuſagen; gleich wie ein Arzt ſeinem Patienten je zu Zeiten etwas verſagt / in Betrachtung / daß es zu ſei -ner238Das Neunte Capitel. ner Geſundheit je nit diene. Welcher Geſtalt der Seel. Auguſtinus(*)Auguſtin. Tract. in epiſt. Johannis. auch pflegte zu ſagen: Licet aliquis non eſt ex - auditus ad voluntatem: eſt tamen exau - ditus ad ſalutem. Das iſt: Jſt eines Ge - bet nicht erhoͤret nach ſeinem Willen / ſo gedenke er / daß es erhoͤret ſey nach ſeiner Seelen baͤſten.

Demnach iſt wol zu behalten / wer Gott um zeitliche Gluͤcksguͤter / von welchen wir hier ſonderlich reden / bitten will / daß ers mit Beding tuhn ſoll / ſo der Herꝛ will Matt. VIII. 2. Jacob. IV. 15. und uns / oder den unſerigen zu Leib und Seel dienlich iſt: Weil nun Gott am baͤſten weiß / ob / wie / wo / wañ / die Ehr / der Reichtum / die Gunſt / das Amt uns nutzlich / oder den unſerigen gedeulich iſt / als iſt zwar darum keiner zu - verdenken-wann er von ſeinem Gott / ſich und den ſeinigen das begehrt / was nicht nur allein zur Noth: ſondern auch zum Uber - ſchuß gehoͤret; Dann aufs baͤſte jemand die ſeinigen verſorgen kan / auch in zeit -lichen239Das Neunte Capitel. lichen jrꝛdiſchen Guͤtern / das iſt er ſchuldig zu tuhn / und wer es unterlaͤſt / iſt aͤrger / als ein Heyd / und hat den Glauben verlaͤugnet / I. Tim. V. 8. Jedoch ſoll es mit Beding geſchehen / und nicht bloß in der gewißgemachten Hoffnung hin: Gott werde uns erhoͤren / was wir bitten werden; oder im gegenteihl / mit ſolchen Gedanken: wann er das Amt / den Dienſt / den Reſpect / den Reichtum / die Heurat nicht erlangt / darum er ſo herzlich bittet: Es helf das beten nichts. Nein! Es ſpricht Johannes: Das iſt die Freudigkeit die wir haben zu Gott / daß / ſo wir etwas bitten / nicht / was wir wollen: ſondern nach ſeinem Willen / ſo erhoͤret er uns / und ſo wir wiſſen daß er uns hoͤret / ſo wiſſen wir daß wir die Bitte haben / die wir von ihm gebetten haben. I. Ep. V. . 14. 15. Wann dann nun jemand / auch auf ſolch Beding / GOtt / um einen Dienſt bittet / um den Reſpect / die Ehr / das Amt / das Ge - werb / und doch nicht erbittet / ſo denke er nit: Sein beten helfe nichts: ſondern vielmehr /Sein240Das Neunte Capitel. Sein beten helf allerdings darzu / damit ihm am baͤſten geholffen iſt. Dann / mit dem Beding hat er gebeten / wann es zu Gottes Ehren / und ſein und ſeines Naͤchſten baͤ - ſten dienet; weils ihm aber nicht gedeyet: ſo wiſſe er / daß das Gott von Ewigkeit her wol gewuſt / daß es nicht zu ſeinen Ehren / und ſein und ſeines Naͤchſten baͤſten dienen wur - de / wanns ihm ſo oder ſo gieng; auch von Ewigkeit wol geſehen / daß er mit ſolchem Beding beten werde: deßwegen auch von Ewigkeit beſchloſſen ſein Gebet zu erhoͤren / und dieſe ſeine condition zu erfuͤllen. Alſo geſchiht es / daß eben damit / daß Gott das Gebet / um die Ehr / den Dienſt / das Ge - werb / die Kundſchafft / ꝛc. nicht erhoͤret / er rechtſchaffen erhoͤrt; da er nicht gibt / gibt er / und / laͤßt ſich nit gedenken: Gott hab ſo un - beſonnen von Ewigkeit beſchloſſen / dem oder jenem / diß oder das zu geben / unange - ſehen / ob es ihm gut oder nicht gut ſey? ob er darum bete oder nicht bete; ſondern er muͤſſe es haben / er wolle es oder wolle es nit / erlege es wol oder uͤbel an. Ey nein doch! Sein allweiſes Weſen wird ſich ja keinMenſch:241Das Neunte Capitel. Menſch: weniger ein Chriſt alſo toͤhricht einbilden.

Fuͤrs andere moͤchte mancher ſagen: Wann es dann GOtt von Ewigkeit be - ſchloſſen hat / dem oder dem / in zeitlichen / ſo oder ſo ergehen zu laſſen / das und das Gluͤck zu erlangen / die Heurat zu treffen / das Hauß zu bekommen / die Kundſchaft / und ſo fort / ſo muß es geſchehen / wann ich mich gleich gar nicht darum bewerbe. Was hilft arbeiten / rennen / lauffen? Wann es mein werden ſoll / ſo wird ſichs ſchicken / da ich kein Wort verliere? Es heißt ja: Wems GOtt goͤnnt / gibt ers im Schlaff / Pſal. CXX VII. 2. Und der weiſe Sa - lomon ſpricht: Der Segen deß Herꝛn machtreich ohne Mühe! Prov. XX. 22.

Das iſt ein trefflichs Argument zur Si - cherheit / und zum Muͤſſiggang / und / wer ſonderlich der Sternen Wůrkung den zeit - lichen Segen zuſchreibt / der kan nicht wol anderſt als ſo ſchlieſſen. Der fromme Am - broſius(*)Ambroſius L. IV. Hexaem. c. IV. e. d. p. m. 45. aber antwortet ſonderlich de -Lnen242Das Neunte Capitel. nen / die das waͤhnen / alſo ſpoͤttlich: Cur laborat agricola, & non magis expectat ut inelaboratos fructus, privilegio ſuæ nati - tivitatis, invehat receptaculis horreo - rum? Si ita natus eſt, ut ei divitiæ atq́ue opes affluant, ut ſibi ſpontaneos reditus ſine ullo ſemine atq́ue opere terra partu - riat: non vomerem arvis imprimat, non curvæ manum falci admoveat, non legen - vindemiæ ſubeat expenſam: ſed ultro ei in omnes ſerias vina fundantur fluen - tia; ſponte ei oleum, nullis inſerta caudi - cibus ſylveſtris oleæ bacca deſudet: nec diffuſi æquoris transfretaturus pericu - lum, propriæ ſalutis ſolicitus mercator horreſcat, cui ocioſo poteſt, ut ajunt, qua - dam ſorte genitali divitiarum theſaurus illabi. Das iſt. Warum arbeitet der Bauersmann / und wartet nicht viel mehr / dz er die unangebauete Frucht / aus ſeiner Geburtſtund privilegio in ſeine Scheune fůhre? wann er in einem ſolchen Zeichen geboren iſt / daß ihm Reichtum und Guͤter zuflieſ - ſen ſollen / daß ihm ſein Feld undAcker /243Das Neunte Capitel. Aker / ohne Saamen und arbeiten ſelbſt alles trage: ſo pflůge er doch nicht / ſo ſchneid er nicht / ſo wende er keinen Unkoſten auf ſein Weinleſen. Dann es werden ſchon die Wein ſel - ber in ſeine Faͤſſer und Laͤgel lauffen / es wird ihm ſchon der Wilde Stam̃ im Wald / Oel tropffen / und hat we - niger der Handelsmann Urſach daß er ſich auf die See mit Leibs und Le - bens Gefahr begebe; dann der Reich - tum ſchon ſo kommen wird / ſo er nur einen ſolchen Planeten in ſeiner na - tivitaͤt hat. Es ſezt aber gedachter Bi - ſchoff wol darzu: Sed non hæc eſt univer - ſorum ſententia. Das iſt: Nicht jeder - mann haͤlt alſo dafür.

Freylich nicht jedermann! Dann auch die Welt Weißheit hat das pflegen darauf zu ſagen: Es werde keinem eine ge - bratene Taube ins Maul fliegen; und gehoͤrt wol hieher der Alten Apologus von einem Fuhrmann / der den Herculem angeruffen / ihm von der Stelle zu helfen /L ijdarein244Das Neunte Capitel. darein ſein Karꝛen geſunken waͤre / und aber zur Antwort bekommen: Nimmermehr wuͤrde er fortkommen / wann er nicht ſelbſt Hand anlegen / heben und ſchieben wolte / anzudeuten: von dem Hoͤchſten wuͤrde kein Gluͤck vom Himmel fallen uͤber einen Faullenzer. So hat der Heyden Urteihl geheiſſen! Chriſten wiſſen noch baͤſſer was Gottes Will iſt / und gehoͤrt hieher ſonder - lich der CXX VIII. Pſalm / der unter andern ſpricht: Du wirſt dich naͤhren deiner Hand arbeit / wol dir du haſt es gut! dein Weib wird ſeyn wie ein fruchtbarer Weinſtock um dein Hauß herum / deine Kinder wie die Oel - zweige um deinen Tiſch her / der Herꝛ wird dich ſegnen aus Zion / daß du ſe - heſt das Gluͤck Jeruſalem dein Le - benlang / und ſeheſt deine Kindeskin - der / Fried uͤber Jſrael / . II. III. V. VI.

Demnach iſt beydes wahr: Gott weiß von Ewigkeit / und hat auch von Ewigkeit beſchloſſen / was fuͤr einen Stand / Amt / Dienſt / Reichtum / Heurat / Anſehen / Hauß / Nahrung / Kundſchaft / ꝛc. er einemjeden245Das Neunte Capitel. jeden geben wolle / wie weit ers bringen ſol - le / bey wem er gelten ſolle und dergleichen; und iſt doch das auch wahr: GOtt will ha - ben / daß ein jeder redlich / getreulich / fleiſſig arbeiten ſoll / und hat auch das beſchloſſen / daß / wann er nicht arbeitet / ſo ſoll er zu der Ehr / Dienſt / Amt / Anſehen / Kundſchaft / ꝛc. nicht kommen. Und folgt das bey weitem nicht / daß man ſagen wolte: wann es Gott beſchloſſen hat: ſo muß einem die Ehr / oder das Gluͤck / wie es nahmen hat / werden / er wolle oder wolle es nicht / er arbeite oder ar - beite nicht.

Dann / moͤchte man zwar ſagen / Got - tes Vorwiſſen und Rahtſchluß fehlet ja nicht; weil er es dann von Ewigkeit geſehen / und beſchloſſen / wie / wann / was / wie weit es der oder der Menſch bringen werde: ſo muß es ſo ſeyn und kan nicht an - derſt ſeyn; ſonſt fehlete Gottes præſcienz und Vorwiſſenheit: oder ſein / als Goͤttli - ches decret werde von Menſchen hinter - trieben / bey denen es ſtehe ſolches zu exe - quirn oder nicht.

Antwort aber / Erſtlich iſt es wahr. L iijAnderſt246Das Neunte Capitel. Anderſt gehet es nicht / und kans nicht gehen / als es GOtt von Ewigkeit geſehen und beſchloſſen hat. Er hat es aber / wie oben gedacht / von Ewigkeit nie anderſt beſchloſſen / als er auch von Ewigkeit geſehen / daß ſich der oder der Menſch / ein - mal halten / die oder die Gelegenheit ſich er - eignen werde / derer ſich dieſer oder jener / fuͤr dem oder dem gebrauchen werde / und aus deſſen Gebrauch / dieſer und kein anderer effect folgen koͤnne. Weil er dann ſolches alles gewiß und unfehlbar wuſte / als der deß Menſchen Herz und Nieren pruͤ - fet. Pſal. VII. 10. und doch dabey ſeine Freyheit ihm nicht nim̃t: ſondern in ſeinen Wegen gehen laͤßt; und aber auch das ge - ſehen / daß der oder der / das oder das Gluͤck mit Fuͤſſen gleichſam von ſich ſtoſſen werde / oder aus einem Muͤſſiggang / und luͤderli - chen Lůmmelhaften Weſen verlaͤiſten / der doch ſonſten / dem oder dem Werk / wol ge - wachſen waͤre / und dazu ſtattliche qualitaͤ - ten haͤtte / als laͤßt er ihn auch leer ausgehen / und weil er nichts ſuchet / auch nichts fin - den; weil er nach nichts langt / auch nichtserlan -247Das Neunte Capitel. erlangen. Weil er aber geſehen / daß ſich zu der und der Zeit / die und die Gelegenheit er - eignen / um die der oder der / ſich / ſo oder ſo bearbeiten werde; ein anderer / zween / drey zwar auch: aber nicht auf ſolche oder ſolche Weiſe / die zu der Zeit ſich ſchickt: nicht bey / oder mit ſolchen oder ſolchen Perſonen: nit an dem oder dem Ort / ꝛc. als hat er auch be - ſchloſſen jenem / das oder das Amt / Reich - tum / Ehr / Anſehen / ꝛc. entweder zu geben / oder zuzulaſſen / daß ihms von dem zukom̃e / und jenem nicht / der ſich entweder nicht darum bewirbt / oder nit mit gebuͤhrender Maaß und Weiſe / oder bey dem rechten Ort nicht / und auch dergleichen.

Man moͤchte zwar wider ſagen: Wa - rum gibt ihm Gott nicht auch einen ſolchen Verſtand / das Ding ſo oder ſo anzugreiffen / wie es jener angreif - fet? warum treibt er ihn nicht auch zu der Zeit / bey denen oder denen Per - ſonen zu arbeiten / an dem oder dem Ort anzuſchlagen / wie jener tuht?

Antwort. Gott laͤßt ordentlicher Weiſe / einer jeden Natur ſeinen Lauff; wie ſie ſichL iiijbefin -248Das Neunte Capitel. befindet / ſo gehet er / ſo zu reden / mit ihr / und hebt und legt mit ihr / als der keiner / die die Freyheit deß Willens haben / die Frey - heit nehmen will / und ob er ihn ſchon etwan alſo kraͤfftiglich dahin oder dorthin incli - niren koͤnte / daß er das Ding ſo / und nicht anderſt angreiffe / in der Stund und in kei - ner andern / mit ſolchen Reden und keinen andern / bey der Perſon uñ keiner andern / ꝛc. wie er in ſeiner Allwiſſenheit weiß / daß es zu erheben iſt; ſo iſt ers doch keinem Men - ſchen ſchuldig zu tuhn / und wann ers im End dem fuͤr jenem taͤht / und wir grad eben præcisè und eigentlich / in der oder der Action, die Urſach nicht finden / und einem jeden auf alle ſeine Fragen einen deutlichen ausfuͤhrlichen Bericht geben koͤnnen / ſo gedenke er: daß GOtt auch kei - nen Menſchen zu einen geheimen Raht / und Secretarium ſeiner Verwaltung und Negotien / in dieſer Welt angenommen hab / der ihm ſeines GOttes decreta und Verlaͤß aus der Himmeliſchen Canzley vorlegen koͤnne. Er ſehe aber zu / ob er nicht aus obangezogenen Urſachen cap. IIX. eine249Das Neunte Capitel. eine finden moͤge / die aufs wenigſte proba - bel und muhtmaͤßlich ſey.

Zu lezt muͤſſen wir das auch geſtehen / daß GOtt der HErꝛ manchem Menſchen Gelegenheit gnug an die Hand gibt / und deutlich und handgreifflich weiſet / wie / wann und wo dieſes oder jenes anzugreif - fen ſey / zu erhalten / zu verteidigen / ꝛc. Weil aber GOtt keinen mit Haaren zu einem Ding ziehet / oder einen Strick vom Him - mel herab an Hals wirft / und wie einen Ochſen fort ſchleppet; als muͤſſen wir ſelbſt geſtehen / daß mancher Menſch / der hand - greiflichen Ordnung Gottes / vorſezlich nit habe folgen wollen / und den grünen Zweig erheben / der ihm vorgezeigt worden iſt; alſo wider ſeine eigene Nachlaͤſſigkeit; nicht aber wider ſeinen Gott zu murꝛen Urſach habe.

Aber wider zuruck auf das zu kommen / daß gleichwol ſtehe Pſal. CXX VII. 2. GOtt geb es im Schlaff wem ers goͤnnt / hat es die Meynung nimmermehr / daß man deßwegen nirgend keine Hand anlegen ſoll / nirgend ſuchen / forſchen / wa - gen: ſondern / wann man ja der teutſchenL vVerſion250Das Neunte Capitel. Verſion nachgehen ſoll / iſt es ſo zu verſte - hen: Gedachte Perſonen ſollen ſich doch der herzquaͤlenden / geizigen / kleinmuͤ - tigen / Zweifelſorgen entſchlagen / und nicht waͤhnen: es lige alles Gluͤck an den uͤberſorg-vollen Tag - und Nachtarbeiten / und weder Ruh noch Raſt haben koͤnnen / oder auch ſeinem Geſind laſſen. Dann / wann ſie bey ihrem ordentlichen Beruff / und beſcheidener Maaß darinnen verblei - ben / wuͤrde Gott denſelben gleichſam uͤber - ſuͤſſen / daß ihnen ihr beſcheidener Teihl ſo zukomme / daß ſie es nicht eben merken / und wol ehe denken ſolten: es ſey ihnen der Se - gen im Schlaff ins Hauß kommen! An - derſt iſt auch Salomon nicht zu verſtehen / und ſo man abermal bey der teutſchen Ver - ſion bleiben ſoll / die es alſo gibt: Der Se - gen deß Herꝛn macht reich ohne Muͤ - he / heißt der weiſe Koͤnig damit nicht faul - lenzen / und das Maul aufſperꝛen / oder die Haͤnd in einander ſchlagen / als der nie - mand feinder iſt / als ſolchen Muͤſſiggaͤn - gern / wider die er oft ſchreibet Prov. VI. 9. XV. 19. XIX. 24. XX. 4. Das waͤreaber251Das Neunte Capitel. aber dadurch geredt: Der Segen deß Herꝛn / durch Gottesfurcht und glaubi - ges Gebet erlanget / machet reich / wann GOtt einen reich haben will; und geſchiht zwar ſolches ohne Muͤhe / das iſt: nicht durch unnoͤhtige Bekuͤmmerniß / Sorg uñ Graͤmen: ſondern durch Arbeit und Fleiß / ſo mit Freudigkeit und Ruhe deß Herzens vollbracht wird. Andere ziehen die Wort / ohne Muͤhe / auf Gott / als wann Salo - mon ſpraͤche: der Segen deß HErꝛn macht reich ohne Muͤhe / das iſt: Gott toſtet es keine Muͤhe: ſondern es iſt ihm um ein geringes und leichtes; ja nur um ein Wort zu tuhn / wann er ſpricht: Sey ge - ſegnet! muß ſein Segen hauffen weiß ſich finden.

Fůrs dritte moͤchte man gedenken: Wie ſolche herꝛliche groſſe Guͤter von Gott kommen koͤnnen / bey denen / die es ſo uͤbel anlegen / und zu nichts anders anwenden / als zu Gottes Unehr / zu lauterm Schaden ihres Naͤchſten / dem ſie bey weitem ſo wehe nicht tuhn koͤnten / ſo viel Ungluͤcks in der Welt nicht anrichten / wann ſie die Macht /L vjden252Das Neunte Capitel. den Reichtum / die Ehr / das Anſehen / ꝛc. nicht haͤtten. Entweder Gott hat auch ſol - ches von Ewigkeit geſehen oder nicht? Hat er es nicht geſehen: ſo iſt er nicht allwiſſend / und faͤllt ein groſſes Stuck von vorherge - hender Antwort und Grund hinweg. Hat er es aber geſehen: ſo iſt es nimmermehr glaͤublich / daß Gott / der ſeiner Guͤter ein Schoͤpffer iſt / und wehrt achtet / daß er ſie erſchaffen / ſelbige / dem Menſchen geben wolle / den er / daß er es ſo leichtfertig / ſo ver - dammt / ſo Gottes und Menſchen Vergeſ - ſen anwenden werde / von Ewigkeit geſehen hat. Das hieß ja dem Kind ein ſpizig Meſ - ſer in die Hand gegeben / und Gelegenheit gemacht / daß es ſich darein ſtechen ſolle / deme es ja tauſentmal baͤſſer geweſt waͤre / einen groben Knuͤttel Holz davor gegeben / oder beydes nicht gegeben haben. Wann ein Menſch wiſſentlich weiß / daß der an - dere / ſeines guten Willens ſo vorſezlich / ſo ſchaͤndlich mißbrauchen wird / ſo hat er fuͤr allen Gerichten die Schuld / der darauf er - folgten Boßheit. Eltern / die den Kindern Gelt in die Hand laſſen / haͤlt man ins ge - mein fuͤr Urſachen ihrer übelgerahtenenKinder /253Das Neunte Capitel. Kinder / die es doch zu ſolchem End tuhn / daß ihre Kinder eine Ergoͤzlichkeit haben / unter welcher ſie jmmer noch das baͤſte von ihnen hoffen: Gott aber weiß von Ewig - keit / und weiß unfehlbar / daß ſie es uͤbel an - legen werden / daß ſie es zu Suͤnden / zu Laſtern / ihm und der ehrbarn Welt zu Ver - druß gebrauchen werden. Alſo will es nim - mermehr eingehen / daß Gott ſolchen Leuten ſo viel gutes tuhe / es ſey dann / man ſage: Entweder / GOtt wolle zu ihren Suͤnden helfen; oder wolle / daß ſie ſuͤndigen / die ſonſt nicht ſuͤndigten / wann ſie dieſe Mittel nicht haͤtten; oder Gott wolle allerdings / daß dieſe endlich verdam̃t werden; weil er ihnen den Weg zur Hoͤllen / durch ſo viel Mittel dazu / ſelbſt bahne / als zum Exempel Saul obangezogen war. Der kom̃t zum Koͤnig - reich / da er Eſel ſucht / er erlangt Gunſt / Macht / Gelt / das alles / ſo er nicht bekom̃en / vielleicht weder Gott verachtet / und bey der Zaubererinn Raht geſucht / noch David ſo grimmig zugeſezt haͤtte / noch ſich ſelbſt er - ſtochen / und dem Teuffel in Rachen ge - fahren waͤre.

Jn den Einwurf hat ſich freylich menſch -L vijliche254Das Neunte Capitel. liche Vernunft nie finden wollen. Wir wollen aber ſehen / wie weit wir gehen koͤñen.

Das allererſte betreffend / ob es Gott von Ewigkeit geſehen oder nicht ge - ſehen / daß der oder der Menſch / als zum Exempel Saul / ſeine Gaben ſo uͤbel anlegen werde / antworten wir al - lerdings ja! GOtt hat es freylich geſehen / und unfehlbar zuvor gewuſt / wie / wann / wo - mit / gegen wem Saul ſolcher ſeiner verlie - henen Eminenz mißbrauchen werde.

So man weiter fragt: Ob man dañ auch ſagen koͤnne: Gott geb es ihnen? oder wie kommen ſie darzu / ſo antwor - tet fůr uns Hiob alſo: Ja / Gott geb es ih - nen! Seine Wort heiſſen: Der verſtoͤ - rer Huͤtten haben die Fülle / und to - ben wider Gott durſtiglich / (das iſt / wie es das Weinmariſche Werk erklaͤret: die ungerechte Tyrannen / ſo andere unterdrucken / haben in dieſem Leben voll auf / ob ſie gleich GOttes Nah - men ſchaͤnden / und ſeinen Gebotenwider -255Das Neunte Capitel. widerſtreben /) und dannoch ſtehet dabey im Text: wiewol es ihnen Gott in ihre Haͤnde gegeben hat / oder: wiewol es nicht ohne GOttes ſonderbare Ver - haͤngniß und Vorſehung geſchiht / dz ſie bey ihrer Gottloſigkeit ſo gluͤck - ſeelig ſind / im XII. 6. Jeremias ſagt es auch ausdruͤcklich: Herꝛ und Gott! du pflanzeſt die Gottloſen und Ver - aͤchter / daß ſie wurzeln / und wachſen / und bringen Frucht / daß ſie alles die Fuͤlle haben / ſeiner Weiſſagung im XII. . 2. David gedachte dem Ding zwar auch nach / daß er es begreiffen moͤchte / und geſte - het es / daß es ihm zu ſchwer war / biß daß er gieng in das Heiligtum Got - tes / und merkete auf der gottloſen Ende; da er gefunden / daß GOtt ſie nur aufs ſchluͤpferige ſeze / und ſtůrze ſie zu Boden. Wie werden ſie ſo ploͤz - lich zu nicht? Sie gehen unter und nehmen ein End mit Schrecken. Pſalm. LXXIII. 16. 17. 18. 19.

Wann256Das Neunte Capitel.

Wann man aber gleich das ſagen wolte mit David / oder noch mal mit Hiob: Gott behalte ſolcher Leut Ungluͤck auf ihre Kinder / im XII. 19. Sie ſelbſt werden behalten auf den Tag deß Verder - bens. . XXX. wann man gleich / ſprich ich / die Antwort gibt / ſo bleibt doch der Scrupel / Einmal / was die Kinder da - fuͤr koͤnnen / daß ihre Eltern dieſe und dieſe Guͤter Gottes ſo uͤbel angewen - det haben / und ſie erſt / jener Schuld und Ungluͤck tragen ſollen / die nicht dazu geholfen haben / oder zur ſelben Zeit gar noch nicht geweſen ſeyn? Fuͤrs ander / bleibt noch dieſe Frag: Ob Gott auch das geſehen hab oder nit? hat ers nicht geſehen / ſo iſt er nicht allwiſ - ſend; wann ers aber geſehen hat / und gibts ihnen doch / ſo wuͤrde einmal folgen: GOtt helfe ihnen zu ihren Suͤnden / oder wolle daß ſie ſuͤndigen / die ſonſt ſich ſo nicht verſuͤndi - gen koͤnten / wann ers nicht gebe.

Demnach antworten wir darauf alſo: das folge nicht daraus / und mũſſe viel -mehr257Das Neunte Capitel. mehr umgewendet werden / und ſo geur - teihlt / daß GOtt darum ſolchen Boͤſen ſo viel gutes tuhe / daß ſie ihren boͤſen Siñ eher aͤndern ſolten / weil ihnen ſo viel gutes widerfaͤhrt / deſſen ſie nimmermehr wehrt waͤren / gegen andere viel froͤmmere / ehrlichere / Chriſtlichere gerechnet. Paulus ſagt ja deutlich: Weiſtu nicht / daß dich GOttes Güte zur Buſſe leitet? Roman. II. 3. auf daß jene deſto ehe den HErꝛn ſuchen ſolten / ob ſie doch ihn / mit Seelen-Nuzen fuͤhlen und finden moͤchten. Act. XVII. 26. Weil er die Zeit der Unwiſſenheit uñ Unbedacht - ſamkeit lang uͤberſehen hat / . XXX. Der beredte Chryſoſtomus, da er von Adam handelt / und weiſen will: warum ihn Gott nicht alsbald / da er ſeine ſo herꝛli - che Gaben mißbraucht / erwuͤrgt haͤtte / ſpricht:(*)Chryſoſtomus Lib. I. de Providen - tia ad Stagirium monachum cap. II. edit. Pariſ. M DC XIV. p. 162. Deus non minùs quàm an - tea benè illi facere perſtitit, oſtendens per hoc, & liquidò comprobans, quòd nos,etſi258Das Neunte Capitel. etſi millies peccemus, illumq́ue averſe - mur ipſe tamen ſaluti noſtræ proſpicere nunquam deſiſtat, ut, ſi quidem converſi fuerimus, ſervemur: ſin autem in vitiis perſeveraverimus, ipſe tamen, quod ſuum erat, feciſſe advertatur. Das iſt: GOtt hat nicht aufgehoͤrt ihm hernach ſo wol / als zuvor / gutes zu erweiſen / da - mit er dadurch klaͤrlich zeigte / daß / ob wir ſchon tauſentmal ſuͤndigen / und ihn von uns ſtoſſen / er dannoch nimmermehr auf hoͤre unſer Heil und Wolfahrt zu ſuchen / auf daß wir nach unſerer Bekehrung erhalten wuͤrden. Jm übrigen aber ſo wir in Suͤnden verharꝛen / man doch ſehen müſſe / daß Gott das ſeine getahn habe.

Ja / ſpricht man wider: GOtt weiß aber von Ewigkeit / daß ſie ihren Siñ nit aͤndern werden noch wollen; Da er es ihnen dann gibt / iſt ja nur ein mehrere Anlaß gegeben zu ſuͤndigen.

Antwort: Von GOttes heiligem und unſtraͤflichem Weſen ſolte man ſo nicht ge -denken /259Das Neunte Capitel. denken / und kan auch nit ſeyn ohne Gottslaͤ - laͤſterung; dañ Gott iſt kein Gott dem gottloß Weſen gefaͤllt / Pſalm. IV. 5. Aber doch den Scrupel baͤſſer zu benehmen / wollen wir naͤher der Sach kommen. Jch ſeze aber entgegen das Exempel von der Sonnen / die laͤßt GOtt auch uͤber die Boͤſen ſcheinen; und vom Regen / der auch derer oder jener Geizhaͤls und Wuche - rer / oder Verſchwender und Verpraſſer / Feld und Acker nezet / und fruchtbar machet / Matth. V. 35. Grad ſo wolt ich ſagen: Ent - weder es weiß Gott von Ewigkeit / daß der oder der Ehebrecher / der Moͤrder / der Straſſenrauber / ꝛc. ſeiner lieben Sonne ſo mißbrauchen werde in Unzucht / in Die - berey / in Rauben / in Todſchlag ꝛc. Jtem / daß der oder der / derer Güter ſeines Feldes / mit Geiz / oder im Gegenteihl mit Ver - ſchwendung mißbrauchen werde; oder / er weiß es nicht. Weiß ers nicht / ſo iſt er nit allwiſſend. Weiß ers aber / wie ers weiß / warum laͤßt er ihnen dann ſeine Sonne ſcheinen / und einen fruchtbaren Regen wi - derfahren? Wann ers nicht ſcheinen ließ /und260Das Neunte Capitel. und ließ auf derer Aecker nicht regnen / koͤn - ten jene etwan ſich nicht verſündigen mit Unzucht / Rauben / Diebſtahl / Mord; und dieſe nicht mit Geiz / und Verſchwendung. Folgt es dann darum / alſo frag ich jzt da - rauf / daß Gott zu denen Suͤnden helfe / oder wolle / daß ſie ſich in Rauberey / in Pluͤndern / in Geitz und Wucher verſuͤndigen ſollen; weil ſie ſich etwan ſonſt / ſo ſie arm waͤren / oder erblindet / und die liebe Sonne nicht ſehen kuͤnten / etwan auch nicht verſuͤndiget haͤtten? Was mir nun einer darauf ant - worten wird / wird er auch ſich ſelbſt auf ſei - nen Zweifel antworten muͤſſen. Jch / fuͤr mich aber ſpreche: Nein! es folgt nimmer - mehr; vielmehr aber ſcheint Gottes Guͤte daraus / die ihnen ihr Geſicht behaͤlt / daß ſie an der edlen Creatur / der Sonnen / die ſie ſehen und ſpuͤren koͤnnen / lernen ſollen / ihrer beyder Schoͤpffer mit groͤſſerer Dankſa - gung zu verehren / und als den / der ihren Acker ſegnet / und ſeine Furchen traͤn - ket / daß ſeine Fußſtapffen von Fette trieffen. Pſal. LXV. . 12. auf daß ſie / an den reichen Guͤtern und Uberfluß / behal -ten /261Das Neunte Capitel. ten / ůber ſich zu ſehen / und nicht wie die Schwein reverenter ſich zu erzeigen / die auch nur die Eicheln unter dem Baum aufklauben / uͤber ſich aber auf den Baum / von dem ſie fallen / nicht achtung haben.

Man moͤchte zwar wider ſagen: das Exempel von der Sonnen und Regen waͤ - re gar ungleich / und auf gegenwaͤrtiges ungereimt. Dann / daß Gott ſelbige ſchei - nen laͤßt / und Regen vom Himmel ſendet / geſchehe darum / weil der Menſch or - dentlicher Weiſe anderſt nicht leben koͤnte / und er / ſolchen zu erhalten / die Sonne und Regen ſenden muͤſte / ſo er ſeine eigene Ordnung nit brechen wolte. Allein der groſſe ſondere Reich - tum / die ſonderbare Macht / die hohe Ge - walt / werde eben nicht zu deß Menſchen er - haltung erfordert / als der leben koͤnte / wann er ſchon ſolchen uͤberſchwaal der zeitlichen Guͤter nicht haͤtte. Daß nun der Menſch jenes mißbrauche / geſchehe ja wol wider Gottes Willen; dieſes aber ſcheine anderſt nicht / als wann es Gott zur Anlaß gebe ih -res262Das Neunte Capitel. res oft zeitlichen / und endlich ewigen Ver - derbens.

Antwort. Es iſt zwar ſo / daß hierinnen zwiſchen dem Sonnenſchein und Regen / und zwiſchen dem uͤberfluß der zeitlichen Guͤter / was deß Menſchen bloße Erhaltung betrifft / ein Unterſcheid ſey: weil ohne jenes ordentlicher weiß der Menſch nicht leben moͤge / wie er / ohne dieſes / den uͤberfluß in zeitlichen Guͤtern / leben koͤnte. Davon aber allein redet man nicht: ſondern die von uns baͤſſer obengeſezte conſequenz und Folge muß man bedenken / worinnen gleich wol der Zweck und die Gleichheit beſtehet / daß / gleich wie es nicht folget: Wann Gott geſe - hen daß der oder der Menſch / ſeiner Son - nen und Regen / alſo ſchaͤndlich mißbrau - chen werde / um deß willen / daß er ſeine Sonne ſcheinen laſſe / und ſeinen Regen fallen / anlaß gebe zu ſeinem Untergang / oder zu ſeinen Suͤnden helfen wolle: Alſo folge auch das nicht: Wann Gott geſehen / daß der oder der ſeiner hohen Gaben miß - brauchen werde / er darum / weil er ihm ſolche mitteihle / zu ſolchem Mißbrauch helfen oder anlaß geben wolle. Dann daß ers beydesmiß -263Das Neunte Capitel. mißbraucht / geſchihet wider Gottes Wil - len / Meynung / Befehl; als der weit ein an - ders abſehen hat / als das / deß Menſchen ſo ſchaͤndliches verſuͤndigen / an den ſo groſſen und vielen Gaben ſeiner Guͤte / maſſen zu - vor erwaͤhnt worden iſt.

Anderſt iſt auch nicht auf das andere zu antworten / da man ſo hart gedenket: daß Gott manchem Menſchen ſolche ho - he Guͤter gebe / folge ja / daß ers ihm nur zu ſeiner Verdamniß gebe; Dañ wann er / zum Exempel / dem Reichen Mañ haͤtte Lazari Armut gegeben / waͤre er ja auch / wie Lazarus / demuͤtiger / froͤmmer / ſeeliger worden.

Stattlich aber gibt uns darauf zu ant - worten anlaß / der fromme und gelehrte Vatter Proſper, ob er ſchon nur allein von einem langen Leben redet. Er ſchreibt alſo:(*)D. Proſper Reſp. ad capitula object. Gallorum calumniantium cap. III. edit. Colon. M D LXV. p. 103. Si aliquis in vitæ ſuæ longitudine de - ſeruit Deum, bono, quod erat ex Deo, malè uſus eſt. Nam longævitas non eſtniſi264Das Neunte Capitel. niſi ex Deo. Et quod ex Deo eſt, non niſi bonum eſt, & quod bonũ eſt, mali cauſa non eſt. Non itaq́; rectè opinatur, qui pu - tat, prorogatorem vitæ, lapſuris, autorẽ eſſe peccati: cùm utiq́; non peccatum ſit diu vivere: ſed malè vivere: quod etiam in paucorum annorum ætate fieri poteſt. Das iſt: Wann einer / ſo er lang lebet / etwan von GOtt weichet / braucht er das gute / daß er von Gott hat / nicht gut. Dann lang leben kom̃t von nie - mand / als von Gott. Was aber von Gott iſt / iſt nichts als gut / und was gut iſt / kan keine Urſach eines boͤſen ſeyn. Darum meynet der nicht recht / wer alſo urteihlt: Der / ſo jemand lan - ges Leben gibt / gibt ihm auch urſach / daß er ſuͤndige; (verſtehe / weil / wann er ihn in der Jugend fluchs hinſterben ließ / er die oder die Suͤnd nicht begehen koͤnte /) weil lang leben keine Sünd iſt: ſon - dern uͤbel leben / welches eben ſo wol in einem kurzen leben geſchehen kan. Mit leichtem iſt es auf gegenwaͤrtiges zudeuten.265Das Neunte Capitel. deuten. Hohe und groſſe Guͤter ha - ben / iſt keine Suͤnd: ſondern derer uͤbel gebrauchen / iſt Suͤnd. Jezt ant - worte mir aber eines rund auf das: Ob GOtt einen ſolchen Menſchen / als Saul / oder der Reiche Mann war / der deß zeitlichen ſo hoch mißbrauchte / zu ſolchem Mißbrauch noͤhtige / oder nur neige und fuͤhre / mit jnnerlichen Eingebungen zu dem Mißbrauch? Oder? ob er dannoch mitten unter de - nen hoͤchſten Gaben und Geſchen - ken / ihm / ſeinen freyen Willen laſſe / und / daß ers mißbraucht / auß eigener Willkuͤhr tuhe / wider GOttes Wil - len / Befehl / Warnungen und der - gleichen / ob er ſchon von Ewigkeit weiß daß ers uͤbel anlegen werde? Soll das erſte ſeyn / ſo wird GOtt eine Ur - ſach der Suͤnden gemacht / das kein Chriſt nur gedenken ſoll; weiln auch die Heyden es fuͤr ein ſolch dogma oder Lehr gehalten / die in keinem Regiment zu duldenMſey /266Das Neunte Capitel. ſey / wie der weiſe Plato redete. (*)Plato L. II. de Republ. Soll das andere ſeyn / ſo bringt ſich ein ſolcher Menſch ſelbſt in verderben / weil er ſeinen freyen Willen / den er hat / ſo ůbel anlegt / da er ihn auch zum baͤſſern haͤtte anlegen koͤnnen. Jſt dann nun der Menſch an ſeiner Verdam - niß / die daraus entſpringt / ſchuldig / oder Gott? Erſtgedachter Proſper ſagt noch - mal:(†)Proſper Sententiâ ſuper cap. XI. capit. Gallor. e.d.p. 107. Nec Deus, qui juſtitiæ & bo - nitatis autor eſt, & cujus omnia ſtatuta & mandata contra peccatum ſunt, quen - quam ad peccandum cogere, & ab inno - centia in facinora præcipitare credendus eſt. Si qui autem tam profundæ impieta - tis ſunt, ut extra remedium correctionis habeantur, non à Deo incrementa ini - quitatis accipiunt, ſed per ſemetipſos de - teriores fiunt; quia relinqui à Deo, ac ſibi ac deceptoribus ſuis tradi propter præcedentia peccata meruerunt, ut eis, peccatum, ſit ipſa etiam pœna peccati. Das iſt: Durchaus iſt es nicht zu glau -ben /267Das Neunte Capitel. ben / daß GOtt / der aller Gerecht - und Froͤm̃igkeit ein Urheber iſt / und deſſen alle Gebot und Befehl wider die Suͤnde ſind / einigen Menſchen zur Suͤnde noͤhtigen / und von der Unſchuld / in Laſter ſtuͤrzen ſolle. Wañ aber etliche ſo aͤuſſerſt gottloß ſind / die ſich nimmer aͤndern laſſen / empfahen ſie ſolcher ihrer Boßheit Vermeh - rung nicht von GOtt: ſondern ſie werden durch ſich ſelbſt aͤrger / und habens ihren vorigen Suͤnden zuzu - ſchreiben / daß ſie ihrem eigenen Be - trug / und denen / die ſie betriegen / hin - gegeben werden / daß die neue Suͤnde jezt zur Straff der andern Suͤnden werden muß.

Dann ſo man gleich ſpreche: Wann es ihm Gott nicht gegeben / waͤre er etwan eher in ſich geſchlagen / oder noch ſeelig worden. Gelegenheit macht Dieb / heiſt es im Sprichwort; So muß man doch wider gedenken / teihls / was oben geſagt: teihls / daß man wol darzu geſezt das WoͤrkleinM ijEtwan. 268Das Neunte Capitel. Etwan. Dann es iſt ein anzeig eines zweif - fels / und / wie der Reichtnm / die Ehr / das Anſehen / und dergleichen keinen verdam̃t: Alſo macht auch die Armut / die geringe Ehr / die Verachtung keinen ſeelig / und kan einer auch in ſeiner groͤſten Armut verdam̃t wer - den; wie es dann oft ſo gehet / daß die aͤrm - ſte die Loͤſeſte Leut ſind / und haben ſie nicht die Gelegenheit zu allen ſolchen Sünden / die die Reichen begehen: haben ſie andere Gelegenheit zu andern Suͤnden / die ja ſo wol verdammen und in die Hoͤlle bringen koͤnnen. Der ſuͤſſe Redner Chryſoſtomus ſagt gar ſchoͤn:(*)Chryſoſt. L. I. de Provid. ad Stagir. monach. c. V III. e.d. Annon vides & men - dicornm plurimos, inter preſſuras ipſas & anguſtias innumera perpetrare ſcelera? Das iſt: Siheſtu nicht / daß mitten in ihrer Armut und Aengſten: dan - noch die aller aͤrmſte / unzaͤhlich viel Schand und Laſter begehen?

Endlich bleibt es nochmal dabey: Gott laͤßt Reichen und Armen / Hohen und Ni - dern ihren freyen Willen / den er ihnen nitnehmen269Das Neunte Capitel. nehmen kan / er nehme dann zugleich / ſo zu reden / die Menſchheit weg; dann eben in dem Stuck ſonderlich der Menſch ein Menſch iſt / daß er gutes und boͤſes erwaͤhlen kan / welches ein Vieh / und eine andere leb - loſe Creatur nicht kan.

Demnach iſt ferner gar ein ungleiches Gleichniß / daß man ſprach: Es iſt eben als wann ein Vatter einem Kind ein ſpizig Meſſer gebe / oder Gelt in die Hand lieſſe. Nein! antworte ich. Ein Kind hat den Verſtand noch nicht / wie es ein Meſſer gebrauchen ſoll / zum Nuzen oder[z]um Schaden; oder auch / wie es klůglich und nuzlich das Gelt anlegen ſolle / eben da -[r]um / weil es ein Kind iſt. Ein erwachſener Menſch aber (dann von ſolchen redet man) weiß was gut und boͤß iſt / er hoͤrt es und kan es taͤglich hoͤren / es warnet ihn ſein ei - genes Herz / manche Faͤll und Exempel an ſeinem Naͤchſten / um deßwillen er den Miß - brauch wol vermeiden koͤnte / ſo er ſelbſt wol - te / ſonderlich durch ein fleiſſiges Gebet und Goͤttliche darzugenommene aſſiſtenz und Beyhuͤlf / der ſeinen Geiſt zu ſenden ver -M iijſprochen270Das Neunte Capitel. ſprochen hat / unſerer Schwachheit auf - zuhelfen Rom. VIII. 26. und ferner / wie er ſelbſt ſihet / und liſet / und hoͤret / und weiß / daß andere / die ja in ſo groſſem Glück und Flor geſtanden ſind / ſich darinnen erzeiget haben / deren Fußſtapffen er ja / ſo wol ein Menſch als ſie / vernuͤnftiglich nachgehen koͤnte.

Es moͤchte zwar fuͤrs vierte mancher wider gedenken: Wann ich / oder der / oder je - ner das Gluͤck / Ehr / Gelt / Gewalt / Hauß / Nahrung / Kundſchafft haͤtten / ich oder der wolten es wol baͤſſer anlegen; nicht ſo ver - hoffarten / nicht ſo verfreſſen / verſauffen / verhuren reverenter; ſondern zur Noht - durft anwenden / unſern Kindern zu einem Schaz / oder das und jenes davon zu legirn / zu einem ſtipendio, Allmoſen / Stifftung / Vorſchickung / oder deß etwas; zu allerfoͤr - derſt GOtt zu ſonderbaren Ehren / der uns von armen Eltern geboren / ſo reich: von unanſehnlichen / ſo anſehnlich: von ſchlech - ten / ſo hoch erhaben: von hohen / noch zu hoͤhern gemacht hat.

Zur Antwort / laß ichs zwar wol ſeyn / daßmancher271Das Neunte Capitel. mancher den Gedanken hat / und gehabt hat; aber ob er ihn behalten hat / oder / ob er ihn behalten moͤchte / wann er in ſolchen oder ſolchen Zuſtand waͤre wie jener / ſtehet in einem groſſen maͤchtigen Zweiffel. Man lobt billich unſere alte Weiſe / unter deren vielen ſchoͤnen Reden heißt eine / derer wir hier billich gedenken / alſo: Es muͤſſen ſtarke Bein ſeyn / die gute Tag ertra - gen koͤnnen / das iſt / wie ein anderer es auslegt: Ungluͤck iſt leichter zu ertragen als Gluͤck. Jenes lehret beten: dieſes / beten ver - geſſen; jenes bringt Demut: dieſes Hof - fart; jenes / oft verſchwenden: dieſes zu raht halten. Darum moͤchte man hier auch wol ſprechen: Wer ſich dunken laͤßt er ſte - he / ſehe wol zu / daß er nicht falle. I. Cor. XII. 12. Allezeit iſt das wahr / daß mehr Exempel ſind derer / die die zeitliche Gluͤckſeeligkeit gefaͤllet hat / als derer / die es mit einem unveraͤnderten Herzen ertragen haben. Salomon iſt ein Exempel aller Exempel. Von Anfang war er demuͤtig genug / andaͤchtig genug / zuͤchtig genug. Wo blieb aber der weiſe Salomon / da erM iiijMacht /272Das Neunte Capitel. Macht / Reichtum / Gewalt / Anſehen ge - wann? Die Toͤchter Pharao / und Moa - bitiſches / Ammonitiſches / Edomitiſches / Zidonitiſches und Hethitiſches Frauen - Zimmer neigten ſein Herz fremden Goͤttern nach / Aſtharoth und Mil - kom. I. Reg. XI. 15. Alſo / daß viel aus den alten Patribus gar an ſeiner Seeligkeit zweiffelen. Wie tauſentmal eher ſolt einer mit ihm beten: Armut und Reichtum / Herꝛ! gib mir nicht! laſſe mich aber meinen beſcheidenen Teihl Speiſe dahin nehmen. Jch moͤchte ſonſt / wo ich zu ſatt wurde / verlaͤugnen und ſa - gen: wer iſt der HErꝛ? oder / wo ich zu arm wuͤrde / moͤchte ich ſtehlen und mich an dem Namen meines Gottes vergreiffen. Prov. XXX. 8. 9. Ganz Jſrael aber wieſe es vorher / wie ſchweer / ſchweer es ſey / groſſes Gluͤck tragen. Moſes wirft es ihnen fuͤr / und ſpricht: Der Herꝛ ließ Jſrael hoch herfahren auf Er - den / und naͤhret ihn mit den Fruͤch - ten deß Feldes / und ließ ihn Honigſaugen273Das Neunte Capitel. ſaugen aus den Felſen / und Oel aus den harten Steinen / Butter von den Kühen / und Milch von den Schaa - fen / ſamt dem Fetten von den Laͤm - mern / und feiſte Widder und Boͤcke mit fetten Nieren / und Weizen / und traͤnket ihn mit gutem Traubenblut. Da er aber fett und ſatt war / ward er geil. Deut. XXXII. 13. 14. 15. Derer Exempel iſt die Schrifft / ja die Welt voll / und finden ſich wenig alſo darein / wie Pau - lus / der in Wahrheit ſagen kunte: Jch habe gelernet bey welchen ich bin / mir genuͤgen zu laſſen; ich bin in allen Dingen und bey allen geſchickt / ich kan beydes ſatt ſeyn und hungern / beydes ůbrig haben und Mangel lei - den. Philipp. IV. 11. Wann es nun dem / oder dem / ſo oder ſo / nach Wunſch gieng: wie man im Sprichwort ſagt / ſo würde es wahrhafftig gehen: Es waͤre kein Meſ - ſer / das ſchaͤrfer ſchiert / als wann der Baur ein Edelmann würd; oder / wieM ves274Das Neunte Capitel. es Salomon ausredet: Ein Menſch herꝛſchet zu Zeiten über den andern / zu ſeinem (aber eigenen) Ungluͤck: in ſeinem Prediger VIII. 9. Gar liebe Wort fuͤhrt auf ſolchen Schlag der heilige Gre - gorius:(*)Gregor. Magnus Lib. V, moral. c. 1. Plus in hoc mundo honor quàm deſpectio occupat, & magis pro - ſperitatem ſublimitas, quàm neceſſitatem adverſitas gravat. Per hanc namque, non - nunquam cùm homo exterius premitur, ad concupiſcenda, quæ intus ſunt, liberius relaxatur. Per illam verò animus, dum multis parere cogitur, à deſiderii ſui cur - ſu retinetur. Unde fit, ut Sancti Viri ma - gis in hoc mundo proſpera, quàm ad - verſa formident. Sciunt enim quòd mens, dum blandâ occupatione premitur, ali - quando libens ad exteriora derivatur; ſciunt, quòd ſæpe ſic hanc clandeſtina co - gitatio decipit, ut, quomodo permute - tur, ignoret. Das iſt: Die Ehr dieſer Welt nimt viel mehr weg / als die Schmach / und die Hoheit dieſer Welt beſchwert die Glůckſeeligkeitmehr /275Das Neunte Capitel. mehr / als ein Unglück das ander. Dann wañ durch dieſes ein Menſch aͤuſſerlich gedruckt wird / wird er nur deſto freyer und lediger zu begehren die jnnerliche Güter. Durch jenes aber geſchiht / daß / weil ſein Gemuͤht vielerley dienen muß / nur von dem heilſamen Verlangen mehr abgehal - ten werde. Daher geſchiht es / daß die Heiligen GOttes mehr dieſer Welt Glůck / als Unglück fürchten. Dann ſie wiſſen / wann das Gemuͤht mit vielen ſuͤſſen Dingen geſchaͤftig iſt / faͤllts bißweilen bald auf was aͤuſſer - liches hin. Sie wiſſen / daß oft ein ſolcher heimlicher Gedank betreugt / daß er nicht verſtehen laſſe / was für einen Tauſch man fuͤrhabe.

Es moͤcht einer fürs fünfte einwenden; Das koͤnne er ſich doch nicht einbilden / daß Gott ſeine Gaben ſelbſt verachten ſoll; oder nur aufs wenigſt Anlaß machen / daß mans verachte. Solches beydes aber geſchehe /M vjwann276Das Neunte Capitel. wañ mancher grundgelehrter / verſtaͤndiger ſittſamer Menſch ſo zuruck bleibe: mancher guter von Adel / oder von einer ehrlichen Freundſchafft / ungeachtet / gedruckt / ge - hem̃t werden / und ſehen muß / daß der Eſel / der Grobianus, der ungebaͤrdige Nabal / der Partitenmacher herfuͤrgezogen / emporge - hebt / venerirt werde; durch deſſen Erhe - bung ja jene Gaben minuiret / und veraͤcht - licher gemacht werden bey den Menſchen.

Wann aber das Argument angehet / ſo will ich erſtlich gleich ſo ſchlieſſen; Wann mancher frommer / gottſeeliger / recht Chriſt - licher / geiſtlicher Menſch / als zum Exempel Lazarus / arm leben / veraͤchtlich leiden / arm ſterbẽ muß: hergegen mancher Verſchwen - der / Hurer / Ehbrecher / Gottes und Men - ſchen Veraͤchter / in Reichtum / in Uber - fluß leben und ſchweben / ſo muß folgen: daß GOtt ſeine hohe Gaben deß Geiſtes / die Gottſeligkeit / den Glauben / und die Chriſtliche Lieb verachte / oder andern Men - ſchen zu verachten Urſach gebe. Der Schluß iſt grad dem vorigen gleich. Wie aber Gott die Gottſeeligkeit nicht verachten kan / oder zu verachten Anlaß gibt / ſo viel anihm277Das Neunte Capitel. ihm iſt: Alſo wenig kan er auch andere ſei - ne Gaben verachten; weil alles / was er gemacht hat / ſehr gut war / Gen. I. 31. So wird nun Kunſt / Weißheit / Verſtand / Adel / und dergleichen / was von ſeiner Hand kommet / nicht von ihm ſelbſt deſpectiret. Weißheit bleibt Weißheit; Verſtand / Verſtand; Kunſt / Kunſt / ſie ſey wo ſie wol - le; Uberal bleiben es ſeine Geſchenk und Gaben; daß ſie aber nit uͤberal / und zu allen Zeiten / und von jederman ſo geehret und ge - achtet werden aͤuſſerlich / mit eben dieſer oder jener Art der Ehre / oder auf ſolche oder ſol - che Weiſe / an dem oder dem Ort / hat es ſeine Urſachen / die zum Teihl oben angezeigt / zum Teihl ihm allein wiſſend ſind / und fol - get ja nit: Die oder die Ehr hat die Kunſt / Weißheit / Verſtand nicht / an dem oder dem Ort nit: Darum hat es gar keine Ehr nicht. Nein! Alle Weiſe lieben doch die Weißheit / die Verſtaͤndige den Verſtand; die Kuͤnſtler die Kunſt; ja oft gehet die Ehr recht an / wann einer ſchon laͤngſt todt iſt / da man gern ſeinen Aſchen von ihm ſuchen wolt / und in Gold einfaſſen / und hindenM vijnach278Das Neunte Capitel. nach erſt erkennt und bekennt / wie unrecht man getahn hab / wie zu wenig / dem oder dem / da oder dort geſchehen ſey / da es noch wol oft ſeine Kinder oder Freundſchaft zu - genieſſen hat / in denen man erſt die hohe Gaben der Eltern und Vorfahren zu re - ſpectirn anfaͤngt; zu geſchweigen / daß das Ehr genug / wann er einem ſolchen begab - ten / und doch in jrꝛdiſchen geringern / ein gutes froͤliches Gewiſſen laͤſt. Geſchiht es aber / daß ſie von Menſchen verunehret wer - den / ſo tuht es Gott nicht; Es iſt ihm auch kein Gefallen. Er laͤſt es aber zu / als ein Gott / der allen Suͤnden eine weil zuſihet / und lang zugeſehen / nicht nur / daß ſeine zeitliche Guͤter verſpottet worden: ſondern daß die geiſtliche Guͤter / die Gottesfurcht / der rechte Glaub verhoͤnet / verſpottet / ver - folget worden iſt.

Gleichwol aber / moͤcht man wider ſagen / verligen aufs wenigſt ſolche hohe Gaben jnzwiſchen / und ſind wie ein vergrabe - ner Schatz / der zu nichts nuz iſt. Syr. XX. 33. Mit einem Wort: Sie ſind einem ſolchen Menſchen umſonſt gegeben. Dann279Das Neunte Capitel. Dann er hat keine Gelegenheit / ſolche / wie man ſpricht / an den Mann zu bringen.

Antwort: Der weiſe Heyd Ariſtoteles ſagt wol: Deus & natura nihil faciunt fruſtra, das iſt: GOtt und die Natur machen nichts umſonſt. Nun heiſt ei - gentlich das Umſonſt / was nirgend keinen Nutzen gibt / auf einigerley Weiſe und We - ge. Geſezt aber / mancher guter von Adel / oder einer ehrlichen Freundſchaft / oder gu - ten Verſtands / Sitten / Gebaͤrden / ꝛc. wuͤr - de gedruckt / gehindert / nicht geachtet; ſo iſt noch kein Schluß: Ergo iſt der ſein Adel / die Weißheit und Verſtand / ihm / umſonſt gegeben. Dann Erſtlich gedenke man: Jſt es dieſer Zeit nicht geachtet / oder an dem Ort nicht: ſo kans zur andern Zeit / und an einem andern Ort geachtet werden. Gleich wie das Gelt / zum Exempel / keiner fuͤr um - ſonſt haͤlt / daß er eben Heut oder Morgen nicht wechſeln mag. Jn einem Monat / und auf der andern Meß ſchlieſſet man wider Wechſel / da es etwan / wie mans nennt / ein groͤſſers laggio traͤgt als vorhin. Fürs ander aber / geſezt / es werde der Adel / unddie280Das Neunte Capitel. die dapffere Qualitaͤten deß Gemuͤhts / auch an dem Ort / und bey der Zeit nicht reſpe - ctirt / ſo iſts doch dannoch damit nicht / wie mit einem vergrabenen Schatz bewandt. Dann deſſen kan ſich gar kein Menſch be - dienen / weil ihn keiner weiß / und ihn Gott noch keinem fuͤr die Augen geſtellt hat: jenes herꝛliche Qualitaͤten aber / haben jmmerdar Gelegenheit ſich herfuͤr zu tuhn / mit Raht / mit Lehren / mit Troͤſten / mit Schreiben / ob ſie ſchon nicht nach ihren Meriten alſo - balden verehret werden. Was aber einigen Nutzen bringet / das iſt nit fruſtra und Um - ſonſt gegeben / ob es ſchon nicht ſo oder ſo / wie es billich ſolte unſerm vernuͤnftigen Ur - teihl nach / geachtet / belohnet / beruͤhmt wer - de. Fuͤrs dritte / wann er ja / zum Uber - fluß / gar nirgend in der Welt damit ſolte geachtet werden / (das doch nicht wol ſeyn wird) ſo waͤre es doch dannoch nicht um - ſonſt. Dann alle Kuͤnſte und alle Weiß - heit haben doch das an ſich / daß ſie ihren - eignen Beſitzer jnnerlich vergnuͤgen / er - freuen / erquicken. Um weßwillen die alte Weiſen ihre Kuͤnſte und Wiſſenſchaften / ihre Weißheit ſo ſehr verdeckt / oder mit al -lerley281Das Neunte Capitel. lerley verbluͤmten Reden verdunkelt haben / daß ſie nur nit gemein werden moͤchten / wie man von den Egyptern / uñ dẽ alten Weiſen Pythagora, uñ ſeinen diſcipuln weiß. Dieſe alle haben darum ſolche Wiſſenſchaften nit fuͤr umſonſt gehalten / wans gleich niemand mehr gewußt und gelernet haͤtte; ja wañ ſie noch vielfaltig damit verhoͤnet und verlacht worden ſind / zugeſchweigen deß obgedachtẽ.

Ein anderer aber / moͤcht man noch einmal ſagen / iſt nicht halb ſo gut von Adel / nicht halb ſo gelehrt / nicht halb ſo from̃ als der / und hat doch überal baͤſſers Anſehen und groͤſſere Wuͤrde.

Antwort: Was das Geſchlecht und Ver - ſtand betrifft / mag es wol ſeyn / daß einer / der nicht halb ſo edel / nicht halb ſo gelehrt iſt / ge - achter ſey / als ein alter Edelmann / ein Grundgelehrter. Das iſt aber dagegen wi - der zu beſinnen / daß das nicht ſo wol der Adel iſt / den man von Eltern ererbt: als der durch Tugend und Dapferkeit erwor - ben oder exhalten wird. Es findet ſich aber tauſentmal das Wiederſpiel / daß einer von altem Adel / auch alter Untugend voll ſey /und282Das Neunte Capitel. und darum bloß auf ſeinen Adelsbrief zu po - chen / keine rechte Urſach habe. Was gelehrt ſeyn betrifft / moͤcht es wider ſeyn / daß zu - weiln ein halbgelehrter baͤſſern reſpect ha - be; darum / weil oft der gelehrteſte in der Kunſt / der ungeſchick teſte in moribus und Sitten iſt; ja ſo gelehrt er iſt / doch etwan ſeine Kunſt nicht ſo entdecken kan / wie jener kan. Was der Lateiner ſagt: Sæpe etiam eſt olitor valdè opportuna locutus, gibt der teutſche Mann alſo: Der Bauren Re - gel ſeynd auch nicht zu verachten; Ob ſie ſchon nicht Doctor worden ſind / doch ge - ben ſie zuweiln ſo einen klugen Raht / als ein Canzler. Anlangend die Froͤm̃keit / da man meynt: dieſer ſey ſo fromm / ſo gottsfuͤrch - tig; dabey iſt wol zu merken / was der ſchon oftbelobte Chryſoſtomus ſpricht:(*)Chryſ. L. I. de Provid. ad Stagir. monach. c. IX. p. 186. e. d. Mein ſage mir: Wer weiß eigent - lich / welche recht einhergehen / als der einem jeden unter uns das Herz ge - macht hat / und alles unſer Tuhn ver - ſtehet. Dann es geſchiht oͤfter / daßderer283Das Neunte Capitel. derer viel / die das Anſehen der Froͤm - keit hatten / boßhaftiger ſind als alle andere / maſſen ſolches noch in der Welt oft offenbar wird / wann ſie die - ſer oder jener Fall anſtoͤßt. Wann aber der / der Herz und Nieren pruͤfet / lebendig und kraͤftig iſt / und ſchaͤrfer dann kein zweyſchneidig Schwert / und durchdringet / biß daß ſcheidet Seel und Geiſt / und ein Richter kom̃en wird der Gedanken und Sin - nen deß Herzens. Ebr. IV. 12. Als - dann werden wir / nicht nur etliche: ſondern alle ſolche auch ſehen; weil zur ſelben Zeit kein Schafbelz / den Wolf; und keine Ubertuͤnchung deß Grabs / die darunter ligende Unrei - nigkeit bedecken und verbergen koͤn - nen wird; Dann kein Creatur iſt fuͤr ihm unſichtbar / der alsdann richten wird; es iſt aber alles bloß und ent - deckt fuͤr ſeinen Augen. Ebr. IV. 13. Welches auch der Apoſtel ſeinen Co -rinthiern284Das Neunte Capitel. rinthiern ſchreibt: Richtet nicht fůr der Zeit biß der Herꝛ komme / welcher auch wird ans Liecht bringen / was im Finſtern verborgen iſt / und den Raht der Herzen offenbaren. I. Cor. IV. V. Geſezt aber ſie waͤren alſo / wie man meynt; woher wiſſen wir / daß / ob ſie ſchon andere Tugenden an ſich haͤt - ten: die allerhoͤchſte Tugend / die Demuht / auch behalten wuͤrden / verſtehe / wans uͤberal lauter Ehre / Reich - tum und Anſehen regnete.

Das wird nun ferner keiner mehr denkẽ / daß GOtt ſolcher Geſtalt ein Anſe - hen der Perſon halte / der gleichwol ei - nen fuͤr dem andern exwaͤhle / und reicher / gelehrter / anſehnlicher / maͤchtiger mache. Die Perſon aber anſehen ſey kein Werk der Gerechtigkeit.

Es antwortet aber die Schrifft ſchnur - grad das Widerſpiel: Bey Gott / ſpricht es / iſt kein Anſehen der Perſon. Act. X. . 34. Weil aber ja das / was hier geſchiht / dafuͤr geachtet werden will / als wollen wirsgenauer285Das Neunte Capitel. genauer durchgehen. Bey allen Rechts - verſtaͤndigen / heiſt eigentlich die Perſon an - ſehen / fo viel / wann / da man ſchuldig iſt / bey - den Parteyen ſich zu erzeigen / nach eines jeden Rechten; bey einer aber die Gunſt / die man zu ihr traͤgt / fürſchlagen laͤßt; die Freundſchaft / damit er jemand anſtam̃et; die alte Kundſchaft / und dergleichen; un - geacht jene Partey viel gerechter / unſchul - diger / richtiger iſt als dieſe / derer man zu willen ſeyn will / um einer Spende willen / um einer recommendation willen / und dergleichen. Applicir nun eines daß auf unſern Fall / ſo wird er bald finden / wo er ge - fehlt hab in ſeiner Red. Erſtlich / wem iſt Gott etwas ſchuldig von ſeinen Guͤtern mitzuteihlen? Jſt es nit ein lauteres Werk der Barmherzigkeit / es habe gleich einer Reichtum / oder Ehr / oder Gewalt / oder An - ſehen / oder Schoͤnheit / oder dergleichen? Fuͤrs ander / was bringt ein Menſch / fuͤr Recht und Gerechtigkeit mit / fuͤr ſeinen GOtt / warum er den fuͤr jenem anſehen / erheben / bereichern / ꝛc. ſoll? Sind ſie nit allzumal Suͤnder / und mangeln deßRuhms /286Das Neunte Capitel. Ruhms / den ſie fuͤr Gott haben ſol - len? Roman. III. 23. es ſey Juͤd oder Griech / Knecht oder Freyer. Gal. III. . 28. Wann ſie dann in dieſem Unrecht / ein gleiches Recht haben: wie kan man ſa - gen: Gott ſihet die Perſon deſſen an / jenes nicht? Ein Richter / zum Exempel / der der - gleichen unter uns Menſchen tuht / heißt billich ein ungerechter Richter; weil er vor - ſezlich und wiſſentlich / jenem ſein Recht nimt / dem es gebuͤrt / und dem gibt / dem es nicht gebuͤrt / nur darum / weil er bey dem die Perſon / das Geſchlecht / die Nachbaurſchafft / Freundſchaft hat / bey je - nem nicht. Nein! So bild ſich Gott keines ein! Keinem kan Gott ſein Recht nehmen; dann er hat keines. Keinem kan Gott neh - men / was ihm gebůrt; dann es gebůrt kei - nem nichts. Ey ſo iſt ewiglich von ſeiner Natur alles ungerechtes Weſen / und keine groͤſſere Ungerechtigkeit iſt auszufinnen / als daß Gott ungerecht ſeyn ſoll. Non li - cet, ut de his, quæ divino aguntur arbitrio aliud dicas juſtum, aliud injuſtum; quia quicquid à Deo agi vides atque convin - ceris, neceſſe eſt plus quàm juſtum eſſefatearis. 287Das Neunte Capitel. fatearis. Das iſt: Wer von denen Din - gen reden will / die Gott nach ſeinem freyen Willen regieret / darf nit den - ken oder ſagen: Das ſey Recht / das Unrecht; weil alles / was du ſiheſt oder dein Herz dich uͤberweiſet / daß Gottes Werk ſey; du nur mehr als fuͤr ge - recht getahn / geſtehen muſt / ſagt der fromme Biſchoff Salvianus. (*)Salvian. L. III. de gubern. Dei edit. Rittersh. p. m. 67.

Das allerlezte iſt dieſes / daß man ſpricht: Es heiſſe gleich wol: die Gottſeelig - keit habe die Verheiſſung dieſes und deß zukůnftigen Lebens. I. Tim. IV. 8. Die Verheiſſung aber habe es von GOtt. Wann dann Gott ein wahthaftiger Gott iſt: ſo ſoll man ihm ſagen / woher es komme / daß der arme / gottſeelige / fromme Menſch / nirgend fortkommen kan / weder der Leute Gunſt erlangen / oder zu einem ehrlichen Stuͤcklein Brot kommen / oder das Anſe - hen zuwegen bringen und ſo fort / ꝛc. Weiln es dann ja nicht geſchehe / ſo koͤnne er anderſtnicht288Das Neunte Capitel. nicht urteihlen: Das blinde Gluͤck muͤſſe nochmaln in ſolchen Faͤllen regieren. Dañ wanns von Gott kaͤme / ſo kaͤme es ja denen / bey denen Gottſeeligkeit ſich finde.

Es iſt aber zumal ein uͤble Schlußrede: Die Gottſeeligkeit hat die Verheiſſung die - ſes Lebens / und / verſtehe / deſſen Guͤter. Ergo hat es die Verheiſſung deß Reich - tums den der / vor unſern Augen Gottſelige / ſuchet; oder deß Anſehens / der Ehr / die je - ner / vor unſern Augen Gottſeelige / ſuchet; und ſo ferner: dieſes oder jenen Dienſtes / zu der oder der Zeit / wan es uns gedunkt oder recht taͤhte. Nein! Das hieſſe man in den Schulen argumentirn à genere ad ſpeciem: Leiblich und ewig will es GOtt freylich vergelten. Weiln aber der leiblichen Guͤter viel und mancherley ſeynd / als / Ehr / Reichtum / Anſehen / Macht / Befoͤrderung / ein froͤlich Herz / und gut Gewiſſen / und ſo fort; als muß man wol behalten / daß / wañ einer auch mehr nicht haben folte / als nur eine Freudigkeit ſeines Gewiſſens / er von Gott ſchon die Verheiſſung der Gottſelig - keit erlanget haͤtte / die unter allen leiblichen Guͤtern das baͤſte und aͤdelſte iſt / und beyder289Das Neunte Capitel. der / die aͤrmeſte und verachteſte Chriſten / ſich ſelbſt reich und groß genug geehrt ge - halten haben. So ſtehet dort von den Apo - ſteln: Sie giengen froͤlich von deß Rahts Angeſicht / daß ſie würdig geweſen waͤren / um deß Nahmens JEſu willen Schmach zu leyden. Act. V. 41. Paulus ſagt: Ich bin gutes Muhts in Schmachen. II. Cor. XII. . 10. Von Moſe ſagt die Epiſtel an die Ebreer: Er erwaͤhlet lieber mit dem Volk Gottes Ungemach zu leyden / dañ die zeitliche Ergoͤtzung zu haben / im XI. 25. Solte dann nochmal geſchehen / daß einer in ſeiner groͤſten Froͤmmkeit / und baͤſten Leben / dannoch ungeehrt / unanſehn - lich / arm / gehindert / gedruͤckt leben ſolte und muͤßte / ſo troͤſte er ſich ſeines guten Gewiſ - ſens / das iſt ihm uͤber ganze Koͤnigreich / uͤber alle Trohnen und Herꝛligkeiten / und was die Welt mehr fuͤr hoch und erwuͤnſcht halten moͤchte.

Zum uͤberfluß wollen wir noch das eini - ge ſetzen / dergleichen vielleicht jemanden einen Scrupel bringen moͤchte. Es erzehletNFul -290Das Neunte Capitel. Fulgoſus(*)Baptiſta Fulgoſus de dictis factisꝙ́ memorabilibus Lib. I. C. III. von einer Franzoͤſiſchen Graͤ - vin / Ida Nahmens / dieſes: Als ihre drey junge Herꝛn als Kinder / bey der Mutter ſpielten / und unter ihren Rock ſich verkro - chen; ihr Herꝛ Vatter Euſtachius ohnge - faͤhr darzu kommen / und gefragt haͤtte was ſie unter ihrer Kleidung truͤge? haͤtte ſie mit lachen geantwortet: drey groſſe Herꝛn; einen Fuͤrſten / einen Koͤnig / und einen Grafen. Unbedachtes Muhts hatte ſie es geredt / und doch iſt der Außgang alſo er - folgt; weiln der Aeltiſte Godofredus Bo - lionius, ſeinem Vettern Godofredo, im Herzogtum Lothringen ſuccedirt. Baldui - nus Koͤnig zu Jeruſalem worden: Euſta - chius der Juͤngſte / die Gravſchaft Bono - nien oder Boulogne erlanget. Wann das nicht ein Anzeig iſt eines blinden unbeſon - nenen Gluͤcksfalls / ſo iſt nichts mehr mit dem Gluͤck. Was iſt es aber anders / als daß es ebenſo ungefehr erꝛahten worden iſt?

Es hat zwar / die Wahrheit zu ſagen / ei - nen groſſen Schein. Aber doch ſo man das Exempel Caiphæ betrachtet / da er unwiſ -ſend201[291]Das Neunte Capitel. ſend weiſſagte: Es waͤre gut / daß ein Menſch für das Volk ſterbe. Joh. IX. . 51. und gedenkt / daß das / aus einem heim - lichen Antrieb und Eingeben Gottes ge - ſchehen ſey / kan man ſich leichtlich die Rech - nung machen / daß / gleich wie der Zeiger an einer Uhr weiſet / welche Stund deß Tages ſey / und doch ſelbſt nicht weiß / daß ers wei - ſet: Alſo habe auch GOttes providenz, durch gedachter Graͤvin damalige Scher[z]- rede / ungewiß deß kuͤnftigen / ihrem Herꝛn zu verſtehen geben wollen / was ſeine Weiß - heit mit ſeinen Kindern mitler Zeit fuͤrha - ben werde. Auf dieſen Schlag ſchreibt der Seel. Auguſtinus:(*)Auguſt .. L. VII. Confeß, c. VI. Tu Domine ju - ſtiſſime moderator univerſitatis, conſu - lentibus, conſultisq́ue neſcientibus, oc - culto inſtinctu agis, ut, dum quisq́ue con - ſulit, hoc audiat quod oportet eum au - dire, occultis meritis animarum, ex abyſſo juſti judicii tui. Das iſt: Herꝛ du aller - gerechteſter Regierer deß ganzen Weltkreyſes / handelſt durch verbor - gene Eingebungen / beydes dem / derN ijuns292Das Neunte Capitel. uns fraget / und dem / der darahtet un - wiſſend / auf daß / in dem ein jeder Raht ſuchet / er das jenige hoͤre / was er hoͤren ſoll / nach dem du in dem tief - ſten Grund deiner gerechten Gerichte weiſſeſt und ſiheſt / daß ſich einer gegen dich halten werde.

Andacht-Lied. Umein glaͤubigs Herze / wider das Gruͤblen der Vernunft. Nach der Singweiſe: Kom̃t her zu mir / ſpricht Gottes Sohn / ꝛc. oder: Laß ab / laß ab / mein Cavalier / ꝛc.

1.
JErnunft / du blindgebohrnes Tiehr /
was bellſt / was brum̃eſt du in mir?
Blind biſt du / dañoch wilſtu ſehẽ:Dein293Das Neunte Capitel.
Dein Fledermaus-geſicht / dem Liecht
der Gottes-Weißheit widerſpricht /
es will ihm keinen Glanz geſtehen.
2.
Du richteſt nach dem Augenſchein.
Dir / Gottes Tuhn muß unrecht ſeyn:
Der doch ſchuff dich und alle Witze;
Der / Unrecht ſcharff zu raͤchen draͤut;
Der ſelbſt iſt die Gerechtigkeit /
und frey von aller Laſter ſchmitze.
3.
(nunft /
Schweigt ſtill / ihr Froͤſche! ſchweig / Ver -
mit deiner Mißgedanken-Zunft!
Aufruͤhrerinn / gib dich gefangen!
Fleuch Schnake! du verbrenneſt dich.
Fleuch / Weib! der Glaub ermannet ſich /
mit deinem Tode ſieg zu prangen.
4.
Wer glaͤubt / daß eine Gottheit ſey /
muß dieſes glaͤuben auch darbey /
daß ſie gerecht in allen Werken.
Gott iſt das hoͤchſt-vollkommne Gut:
druͤm alles / was er macht und tuht /
vor Recht und Gut iſt zu bemerken.
N iij5. O294Das Neunte Capitel.
5.
O Gott / mein Glaube zu dir fleht /
du wollſt ihn machen ſtark und ſtaͤt.
Laß mich mit Worten und Gedanken
ja laͤſtern deine Gottheit nicht;
laß / Herꝛ / mit deinem Weißheit-Liecht
nicht meinen blinden Vorwiz zanken.
6.
Dein Allmacht tuht / was ihr gefaͤllt:
Jedoch ſie erſtlich Rahtſitz haͤlt
mit deiner Weißheit / welche ſihet /
was ſey ein gut-gerechter Raht:
was dann dein Will beſchloſſen hat /
daſſelbe deine Hand vollziehet.
7.
Ich ſage: Herꝛ / dein Will geſcheh!
Ob ich ſchon nicht die Urſach ſeh:
Urſach genug iſt mir dein Wille.
Mit dem laß mich / wie ich dann ſoll /
zufrieden ſeyn in Weh und Wohl.
Der Glaube redt: Vernunft / ſey ſtille!
Erklaͤ -
[figure]
Was d[ir]behagt.
Iſts unverſagt.
Dich mehrmals Plagt.
295Das Zehende Capitel.

Erklaͤrung. Pendula poma placent. 2. Decerptis ve - ſcier optas: I, cape! 3. Sed fracta termite damuæ cave.

DIE begruͤnte Luſt der Erden lockte mich ins
Feld hinauß.
Ich ſpazierte auf und nieder /
wo der Pegnitz Hirtenbrüder
ihre krauße Schaͤflein weiden naͤchſt der Nymfen
Waſſer hauß.
Ich kam zu dem Waͤldlein dort / wo die rohten
Kirſchen hangen /
und bepurpern manchen Aſt.
I. Dorten fand ich einen Gaſt /
einen Knaben / den die Frucht reitzt und heitzte
mit Verlangen.
Die ſo ſchoͤn belaſten Aeſte ſah er lange ſehn -
lich an /
aus Begier / davon zu naſchen.
Doch er konde nichts erhaſchen /
weil er / alſo hoch zu langen / war ein gar zu nidrer
Mann.
II. Endlich bat er / und erbat / (dann er hatte
mich erſehen)
daß ich ihm zu helffen kam /
ihn auf meine Arme nahm /
N iiijund296Das Zehende Capitel.
und ihn ſchob und hob hinauf auf die Laubgehaub -
ten Hoͤhen.
III. Ach der ungluͤckhafften Hülffe! Als ich mich
kaum umgewandt /
hoͤrt ich einen von den Zweigen
ſich mit groſſem Krachen neigen /
und den Knaben ich hierunten blutig halbgeſtor -
ben fand.
Erſt bereut ich / daß ich haͤtt eines Kindes kindiſch
Bitten
alſo unbedacht gewaͤhrt /
und[dadurch] es hart verſehrt.
Bald betrachtet ich hierbey Gottes und der Men -
ſchen Sitten.
Kinder / ſind wir Adams-Kinder: wir verlangen
manchesmahl
ſcharffe Meſſer / die uns ritzen;
falſche Wolluſt / Ehrenſpitzen /
da wir dann zu todt uns naſchen / ſtürzen in das
Hoͤllentahl.
Gott / der weiſer iſt / als wir / ſihet baͤſſer / was vor
Gaben
uns noht / nütz / und ſeelig ſeynd.
Ach ſeyn Raht iſt wohlgemeynt /
wann er / was wir naͤrꝛiſch oft wünſchen / uns
nit laͤſſet haben.
Ungnad iſt es / wann er gibet / wann er unſre Bitt
erhoͤrt /
die297Das Zehende Capitel.
die gereicht zu unſrem Schaden.
Wen die Gottheit will begnaden /
dem verſagt ſie / wann er etwas / das ihm ſchaͤdlich
iſt begehrt.
Unſer Heil / nicht unſren Wunſch / pflegt er gnaͤ -
dig anzuſehen.
Was dem Kind er geben ſol /
weiß der weiſe Vatter wohl.
Menſchen koͤnnen / was ſie guts bitten ſollen / nicht
verſtehen.
(*)Aug. in l. ſent. Proſp. Supplicans Deo pro neceſſitatibus hujus vitæ, & miſeri - corditer auditur, & miſericorditer non au - ditur. Quid enim infirmo ſit utilius, magis novit medicus, quàm ægrotus. Id. in Joh. c. 14. Malè uſurus eo, quod vult accipere, Deo potiùs miſerante non accipit. Proinde ſi hæc ab illo petuntur, unde homo læditur, magis metuendum est, ne, quod non potest dare propitius, det iratus.
(*)
*Iſid. d. ſum. bon. l. 3. c. 1. Sæpe multos Deus non exaudit ad voluntatem, ut ex - andiat ad Salutem.
*
N vDas298Das Zehende Capitel.

Das Zehende Capitel / haͤlt in ſich Der Heiligen Altvaͤtter und Kirchen-Lehrer Gezeugniß.

ALſo nemlich habens alle Chriſtliche Lehrer / zu allen Zeiten gehalten / von dem blinden heidniſchen Ge - danken eines plumpen unbedachtſamen Weſens / die Gemuͤter der Menſchen weg / und einig und allein auf Gottes allweiſe Ordnung / Willen / Gefallen oder wolbe - dachte Verhaͤngniß und Zulaß anzuweiſen.

Dreyhundert und ſiebenzig Jahr nach Chriſti Geburt / hat der heilige Baſilius Bi - ſchoff zu Cæſarea in Cappadocia gelebt / und auf gegenwaͤrtig unſer Fuͤrhaben / von uns alſo verteutſchet / ſchoͤn geſchrieben:(*)Baſil. M. in Pſal[m]. XXXII. edit. M D XXIII. Lat. Interp. Raph. Volater - ranop. 81. a. Sage ja nicht; Das iſt eben ſo ohn -gefehr299Das Zehende Capitel. gefehr geſchehen / wie es geſchehen iſt; Das iſt vor ſich ſelbſt kom̃en! Nichts geſchiht ohne Ordnung / nichts ohne Maas und Ziel / nichts vergeblich und umſonſt; durchaus nichts blin - der / plumper / zufaͤlliger weiß. Unge - lehrter Leut Rede iſt es: Es hat uns eine boͤſe Stund getroffen / oder ein ohngefehrer Fall! Kauft man nicht zween Sperling um einen Heller / und deren faͤllt keiner auf die Erden ohne deß himmliſchen Vatters Wil - len. Matth. X. 30. Wie viel ſind Haar auf unſerm Haupt / und deren iſt doch nicht eines bey ihm vergeſſen? Si - heſtu dann nun das Goͤttliche Aug / dem nichts auch der allergeringſten Dinge verborgen iſt?

Erſtbelobtens heiligen Baſilii vertrauteſter und aufrichtigſter Freund Gregorius, Bi - ſchof zu Nazianzo, wovon er auch bůrtig war / und den Namen Nazianzenus traͤgt / hat eben der gleichen. Da etliche urteihlten / daß es manchẽ uͤbelgieng / waͤre ſeiner Suͤn -N vjden300Das Zehende Capitel. den Schuld; daß es ihm wol gieng / ſeiner Froͤmmkeit; und doch ſich darein nicht fin - den kunten / daß der Augenſchein oft ein anders mit ſich braͤchte / ſchreibt er unter vielen ſchoͤnen Worten /(*)Gregorius Nazianzenus T. I. Orat. XVI. de pauperum amoren. 41. 42. p. 259. ſeq. edit. Pariſ. MDCIX. nach dem la - teiniſchen Commentario Eliæ Cretenſis zu verteutſchen / alſo: Ein anderer mag ſagen was er wolle; ich aber trage bedenken das zu ſagen / daß / wann es einem uͤbel gehet / er ſeiner ſonderba - ren Sůnden wegen ſolches verdie - net habe; wann es wolgehe / ſeiner ſonderbaren Froͤmmkeit zuzuſchrei - ben ſey. Dann bißweilen auch die Gottloſe gequaͤlet werden / auf daß ſie nicht in ihren Suͤnden fortfahren koͤnnen / wie ſie wollen; hinwiderum haben auch die Fromme mehrmal gute Tag / daß ſie in ihren guten Wer - ken deſto baͤſſer fortfahren moͤgen; aber beydes geſchiht nicht allezeit:auch301Das Zehende Capitel. auch nicht nothwendig. Dann was ein jeder zu Lohn haben ſoll / wird ſich in der kuͤnftigen Welt finden / wie der Herꝛ ſpricht bey dem Johanne im V. Die da gutes getahn / werden aufer - ſtehen zum Leben; die aber boͤſes ge - tahn / zum Gericht. Was aber die - ſes Leben betrifft / gehet es viel anderſt her / doch alſo / daß die Ungleichheit dannoch bey GOtt etwas gleiches habe / gleich wie an einem Leib un - gleiche Glieder ſind / hoͤhere und ein - gezognere / groͤſſere und kleinere / aus welchen allen die Geſtalt nur deſto annehmlicher wird. Gleich wie / wañ ein Bildſchnitzer oder Stecher zu ſei - ner Arbeit Erz bereitet / und einen Teihl daran tieffer / einen Teihl nicht / hinſetzet / weiſet er uns mit groͤſter Kunſt eine ſolche Ungleichheit / die wir ehe nicht verſtehen / als wann ſei - ne Arbeit gar vollfůhret / und das ganze Werk beyſammen iſt. WannN vijwir302Das Zehende Capitel. wir aber auch gleich die Urſachen ſei - ner Kunſt nicht verſtůnden / waͤre dennoch der Meiſter nit ohne Kunſt: alſo duͤrfen wir auch nicht ſchlieſſen / daß darum alles zu hinderſtfoͤrderſt hergehe in der Welt / weil wir eben die Urſachen deſſen nicht erfinden koͤnnen.

Um eben ſelbe Zeit / hat auch der beredte Biſchoff zu Conſtantinopel Johannes Chryſoſtomus gelebt / und auf gegenwaͤr - tigen gedachten Zweck gleicher weiß alſo ge - ſchrieben /(*)Chryſoſt. Hom. ad Populum Antio - chenum LXIV. de Fato & Provid. Orat. IV. edit. Pariſ. MDCIX. p. 821. quæ pe - eadem repetuntur Tom. VI. Homil. XI. de Divitiis & Paupertate ed. MDCXXIV. p. 763. vorab / weil er geſehen / daß viel in allerley Gedanken gerahten wolten / wann ſie ſahen / wie in denen ſo genanten Gluͤcksguͤtern / ſo manche Gottloſe fuͤrge - zogen wurden manchem froͤmmſten Men - ſchen. Seine Wort heiſſen zu Teutſch alſo: Wenn du ſehen wirſt / wie mancher /der303Das Zebende Capitel. der es ja nimmermehr wehrt iſt / ſo reich worden ſey / klage ja GOttes Vorſorg nicht an; laß dir auch kei - nen ſolchen Gedanken entſtehen; In unſerm menſchlichen Leben gienge es unbedachtſam und ohngefaͤhr zu; weil der ja / der es nochmal nit wehrt iſt / ſo reich ſey. Gedenke an Lazarum und den Reichen Mann / wie dieſer den groͤſten Schatz und Uberfluß aller Dinge gehabt / der doch ſo un - barmherzig war / ſo unfreundlich / wilder als ſeine Hund. Dieſe lieſſen ſich gleichwol Lazarum / ſo zu reden / erbarmen / heilten und leckten ſeine Schwaͤren an ſeinem ganzen Leib; da dagegen er / ihm / nicht die Broſa - men ließ / die von ſeinem Tiſch fielen. Gedenke / ſprich ich / wie der allen U - berfluß hatte: jener arme aber der recht (an der Seelen) reich / recht / (in geiſtlichen Guͤtern) vermoͤglich war / dannoch in die aͤuſſerſte Armuht ge -rahten304Das Zehende Capitel. rahten ſey / daß er auch die Nohtdurft nicht hatte / und mit Hunger und Krankheit angefochten wurde; alſo / was jener zu viel / dieſer zu wenig ver - mochte. Gleichwol wurd er nicht un - gedultig / kein boͤß Wort gieng aus ſeinem Mund / uͤber GOtt klagte er nicht / ſeine Vorſorg tadelt er nicht / keinem blinden Fato ſchrieb er zu / was ihm begegnete; Er dachte auch ſo bey ſich ſelbſt nicht: Ich / der ich keine ſonderbare Suͤnd auf meinem Gewiſſen trage / muß ſolche aͤuſſerſte Straff leyden / von Hunger ver - ſchmacht / von der ſcheußlichſten Kranckheit verzehret / allmaͤhlig bald ohne Menſchen-Geſtalt hinſterbend: jener iſt reich in Wolluͤſten / meines Elendes unbedacht / noch wol ſolches mir fuͤrwerffend. Den unmenſchli - chen / unbarmhertzigen / blutgierigen / ſteinernen Menſchen hat Gott uͤber ſo viel Guͤter geſetzt: mich dagegen /der305Das Zehende Capitel. der ich ihn nit mit einem Wort belei - diget / laͤßt er in ſolchem Elend und Schmertzen ligen. Wo iſt da ſein gerechtes Gericht? wie ſchickt ſich das zu ſeiner Vorſorg uͤber uns? Aber nichts ſolches laͤßt ſich Lazarus hoͤren. Iſt es dann nun nicht ein ungereimt Ding / daß die / die ſolch E - lend leiden; dannoch von Gott das baͤſte reden; und du / der du ſolchen Jammer nicht an dir traͤgſt / wilſt da - rum ſpoͤttlich von Gott reden / wa - rum andere guts von ihm reden?

Im fünfhunderteſten Jahr nach Chriſti Geburt hat der Seel. und fuͤrtreffliche Leh - rer Aurelius Auguſtinus, Biſchoff zu Hippon in Africa, auf abermal dergleichen Schlag alſo geſchrieben:(*)Auguſtinus Enarrat. in Pſal. LXVI. e. d. p. 247. A. Nit allein haben die From̃en ihre Haͤuſer voll; oder die werden nicht allein erꝛettet / und von einer Krankheit geſund;auch306Das Zehende Capitel. auch haben nicht allein dieſe / Kinder und Erben; oder allein Gelt und Gut / oder was ſonſten zu dieſem zeitlichen und vergaͤnglichen Leben vonnoͤhten iſt. Die Boͤſen haben eben das / und bißweilen habens die Frommen nicht. Aber bißweilen mangelts auch den Boͤſen / und dieſen oft mehr als je - nen; doch zu weilen haben dieſe auch mehr als jene. Dieſe zeitliche Güter hat Gott ſo vermengt haben wollen; weil / wann ers den Frommen allein gebe / die Boͤſen darfůr halten moͤch - ten: Um derer zeitlichen Guͤter wil - len / muͤſſe man Gott fuͤrchten. Wi - derum wann er dieſe allein den Boͤſen gebe / moͤchten andere abgeſchreckt werden fromm zu werden / und ſich zu Gott zu bekehren / auf daß ſie nicht an ſolchem allen einen Mangel haben muͤßten. Auf daß nun ein jeder / wie es ihm auch in der Welt gehe / ob er geehrt oderver -307Das Zehende Capitel. veracht / gehoben oder gedruckt / reich oder arm werde / und dergleichen / nicht dem blin - den Gluͤck: ſondern GOttes Regierung zuſchreibe / die in allen ihre gewiſſe Urſachen habe / ob ſchon nicht allezeit uns wiſſend ge - machte / ſpricht er:(*)Auguſt. Enarr. in Pſal. CXLIIX. e. d. p. 648. C. D. Was uns nicht nach unſerm Willen gehet / gedenke man / daß es nach Gottes Willen ge - ſchehe / nach ſeiner Ordnung / Geheiß / nach ſeinen Geſetzen / und wann wir nicht verſtehen / was und warum es geſchehe / ſo weiſe man ſich ſelbſt auff ſeine Vorſorg / welche nichts ohne Urſach tuht; welchẽ nach alle Gotts - laͤſterung aufhoͤren wird. Dann wañ wir anfangen zu diſputiren von ſei - nen Werkẽ / warum diß / warum das? und ſo haͤtte ers nicht machen ſollen / ſo ſey das uͤbel getahn; wo bleibtda das Lob Gottes? damit haſtu das Halle - luja verlohren! Vielmehr betrachtealle308Das Zehende Capitel. alle Dinge ſo / wie du GOtt gefallen moͤgeſt / und den Werkmeiſter loben. Nit anderſt / als wann du ohngefehr in eine Schmitten kaͤmeſt / dich nicht erkuͤhnen wuͤrdeſt die Blaßbaͤlg zu tadeln / die Amboß / die Haͤmmer. Und ſetze einen ſolchen / der nicht verſtehe / was und warum das ſey / das er doch tadeln will / wird er nicht / wann er die Kunſt deß Werkmeiſters nicht kan / und nur allein ihn als einen anderu Menſchen anſihet / wird er nit ſprich ich ſich ſelbſt antworten: Nicht ohn Urſach ſind daher die Blaßbaͤlg ge - ſetzt; der Meiſter weiß wol / warum? ob ſchon ich es nicht weiß. Iſt das nun nicht ein wunderlich Ding / daß einer / der das Hertz nicht hat / in der Werkſtaͤtte den Meiſter zu tadeln / unſern Herꝛn GOtt / in der groſſen weiten Welt meiſtern will? Alſo nem - lich geſchiht nichts ſpricht er nochmal:(*)Auguſt. L. III. de Trin. c. IV. e. d. p. 93. Nichts309Das Zehende Capitel. Nichts geſchiht ſichtbarlich und em - pfindlicher weiß / was nicht unſicht - barer und unempfindlicher weiß / aus deß oberſten Herꝛn Hof entweder be - fohlen oder zugelaſſen werde / nach ſei - ner unausſprechlichen Gerechtigkeit / zu belohnen oder zu beſtraffen / zu ei - nem Dank oder Vergeltung / in dem ganzen / und gleichſam groſſen Regi - ment aller ſeiner Creaturen und Ge - ſchoͤpfe. Und an einem andern Ort ſagt er: Wer wolte Gott vorwerfen / daß er ihm auch nur im geringſten un - recht taͤhte; weil auch bey einem welt - lichen Prinzen ſtehet / dem ein Pferd / jenem eine Ketten / dem ein Amt / je - nem gar nichts zu ſchenken. Und ge - ſetzt / wir můſſen haben / was zu unſers Lebens Nohtdurft gehoͤrt / ſo taͤht uns doch Gott kein Unrecht / wañ er auch ſolches wegnaͤhme / nur um ſeiner Ma - je ſtaͤt / Ehr uñ Hoheit willẽ. Was ha - ben wir dann zu klagen Urſach. Unter -tahnen310Das Zehende Capitel. tahnen ſind wir / und nimmermehr die / die wir uns ſelbſt / wie wir wollen verpflegen koͤnnen.

Eben in dem fuͤnfhunderteſtem Jahr nach CHriſti Geburt hat Theodoretus, Biſchoff zu Cyro in Syria / von der unter - ſchiedenen Austeihlung der Gaben Gottes / alſo geſchrieben:(*)Theodoret. T. I. Q. CVIII. in Geneſ. edit. Colon. MDLXVII. p. 31. Wol iſt zu behal - ten / daß von der Welt Erſchaffung an / vaſt ůberal ſo ergangen / daß die jüngere Geſchwiſtere / den Erſtgebor - nen in zeitlichen Guͤtern vorgezogen worden ſind. Dann dem allererſtge - bornen Cain / iſt Abel fuͤrgeſetzt: dem Japhet der Sem / da er doch der an - der war (dann es heißt Gen. X. 21. Sem / Japhet deß groͤſſern / Bruder) dem Iſmael der Iſaac / dem Eſau der Jacob / Judas und Joſeph ſind Ru - ben vorgeſetzt / Ephraim dem Ma - naſſeh / und ſo fort / bey denen die her -nach311Das Zehende Capitel. nach gefolget ſind; dann auch dem Aaron Moſes / und David ſeinen ſieben Bruͤdern fuͤrgezogen worden / ob er ſchon der Juͤngſte war. Anderſt - wo gibt er unterſchiedliche Urſachen / wel - cher wegen / Gott / ſolch eine ungleiche Auß - teihlung ſeiner Guͤter behalten habe. Da er erſtlich gewieſen / daß dergleichen ſchon uns vorgezeigt worden waͤre / an dem Un - terſchied der Glieder deß menſchlichen Leibs / deren eines edler / nuzbarer / ehrlicher: eines geringer / unwehrter ſey / wie ſeine Wort in in Lateiniſcher Sprach / in den Anmerkun - gen zu leſen ſind; ſetzt er nun noch dieſe:(*)Theodoret, T. II. Serm, VI. de Pro - vid. e. d. p. 687. Wann die Menſchen alle glei - ches Stands / alle gleiches Reich - tums waͤren / wie koͤnten ſie ſich ſelbſt Nohtdurft ſchaffen? oder welcher wuͤrde dem andern dienen wollen / wann einer ſo viel als der ander haͤt - te? wer würde beym Herd ſtehen / Speiſen zu bereiten? wer wuͤrde ba -chen312Das Zehende Capitel. chen / oder malen / oder durch Siebe reuten? wer wuͤrde waſchen / kochen / beym Feuer vaſt verbraten / wann ihn nicht die Noht und der Mangel dar - zu triebe? Wer hat jemals gepfluͤget / geackert geſaͤet / gemaͤhet / eingeführt / außgedroſchen / den nicht die Armut zu ſolcher Arbeit getrieben hat? wer waͤre jemals in einem Steinbruch ge - funden worden / ſelbe gehauen / ein ſchoͤn Gebaͤu davon zu machen / wañ nicht abermal der Mangel ihn darzu gezogen? wo iſt jemand / auſſer dem / ein Schiffer worden / zur See ge - handelt / das Ruder gezogen / ein Schuſter / ein Weber / ein Toͤpfer und Schmid worden? Dann wann einer ſo viel Reichtum haͤtte als der ander / lidte ſichs nicht / daß einer dem andern dienete: ſondern eines aus die - ſen zweyen wuͤrde nohtwendig fol - gen. Entweder daß ein jeder zugleich alle Kuͤnſte koͤnte und triebe / oder eswurde313Das Zehende Capitel. wuͤrde zu beſorgen ſeyn / daß keiner ſei - ne Nohtdurft haben moͤchte. Daß aber unmuͤglich ſey / daß einer alle menſchliche Kuͤnſte lerne / darf keines Beweiſes / weil es die Erfahrung au - genſcheinlich lehret. Dann wann ei - ner nur zwo zugleich lernen will / ver - derbt er eine mit der andern; weil eine die ander hindert. Dann wann das Gemüht auf unterſchiedliche Ding denken ſoll; alſo alles zugleich nicht faſſen kan; wird es zwar etwas von beyden Kuͤnſten aufklauben: zur Vollkommenheit aber / wird er nit in einer gelangen. Alſo folgt das ander. Wañ alle gleich in Reichtum (ſo iſt es eben auch mit andern) und Guͤtern waͤ - ren / wurde ſolches einen Weg zum Untergang machen / und gieng uns wie denen / die den Luſt zum eſſen ver - lieren / wann ſie ſich uͤbereſſen: Dann wie dieſe mit vielem eſſen den appe - tit ſchwaͤchen; Alſo wollen jene denOMan -314Das Zehende Capitel. Mangel haben damit / daß ſie gar gleich reich und beguͤtert ſeyn wollen / und ziehen den Reichtum / der den Un - tergang bringet / der Armut vor / die ſie in ihrem Stand und Leben haben.

In Frankreich hat wider in ſelbigen hun - dert Jahren Divus Proſper, nur die Gemuͤ - ter der Menſchen zu befriedigen / die ſich ent - weder hartſeelig dunken lieſſen / oder neidiſch werden wolten / ſo es ihnen nicht gieng wie andern / alſo ſchoͤn(*)D. Proſper L. II. de Vocat. gentium C. XXXII. e. d. p, 310. b. geſchrieben: Wañ man nicht ůber ſeiner eigenen leibli - chen Eltern Urteihl klagen darf / wañ ſie einen oder andern Sohn / ehe ſie ihn noch recht in die Prob nehmen / ehe ſie ſich ſonderlich um die Eltern verdient: dannoch für den andern Kindern lieb haben; ja wann einem Herꝛn frey ſtehet / ſich gegen ſeinen Dienern zu erzeigen nach belieben / und mit recht von keinem getadelt wird / wann er aus denen / die alle ſeineDiener315Das Zehende Capitel. Diener ſind / einen und andern ehrli - cher haͤlt / und etwas beſſers lernen laͤſt: Soll man dann den oberſten Vatter und rechten gütigſten Herꝛn verdenken / daß in ſeinem groſſen Hauß / (dieſer Welt) auf unzaͤhliche Art und Weiß / alles / unterſchiedlich geordnet iſt.

Noch einen Biſchoff zu Maſſilien in Frankreich / Salvianum, wollen wir hoͤren / in abermal obgedachtem ſeculo, alſo võ ſei - ner Zeit / da ſie ſonderlich Gluͤck und Sieg wider ihre Feind hatten / redend:(*)Salvianus L. VII. de gub. Dei. p. 258. e. d. Wañ uns zuweiln wider unſer Hoffnung und Verdienſt / GOtt etwas zuer - teihlt / ſchreibt es einer dem Gluͤck zu / einer dem ungefaͤhren Ausgang / ei - ner dem Befehl der Oberſten / einer den Rahtſchlaͤgen / einer dem Lehr - meiſter / einer dem Schutzmann; kei - ner aber wills unſerm Herꝛn GOtt zuſchreiben; Und wundern dabey /O ijwann316Das Zehende Capitel. wann uns die himmliſche Hand et - was verſagt / und wollen ihrs doch nicht zumeſſen / was ſie gegeben hat. Damit aber tuhn wir das / weil wir / was uns zuſtoͤſſet / entweder dem zu - faͤlligen Ausgang / oder der Tugend der Oberſten / oder ſonſt andern nichts wehrten Dingen zumeſſen. Solcher Geſtalt aber muͤſſen wir auch dem Erdboden danken / daß wir jaͤhrlich unſere Exnde und Schnitt haben; und den Weinbergen / die wir leſen koͤnnen; und dem Meer / darinn wir Fiſch fangen; und den Waͤldern / darinn wir Holz faͤllen; und den Schaafen / die uns Wolle geben; und den andern Tiehren / mit deren Fleiſch wir uns ſaͤttigen. Dann warum ſol - ten wir Gott fuͤr dieſe / als Woltah - ten danken / deme wir um der groͤſten Guttahten Willen / nicht dankbar zu ſeyn begehren? Von den unterſchiedli - chen Austeihlungen aber der Guͤter deßHoͤchſten317Das Zehende Capitel. Hoͤchſten unter uns Menſchenkinder / ſchreibt er(*)Salvianus L. III. de gub. Dei. e. d. p. 67. die ſchoͤne Wort: Was fragſt du mich / warum einer groͤſſer und hoͤher / einer kleiner und niderer; einer Elend / einer nicht elend; einer ſtark / einer ſchwach ſey? Zwar um was Uꝛſachen willen ſolches unſer Herꝛ Gott tuhe / kan ich nicht wiſſen; aber Urſach uͤber Urſach iſt mir / weil ich weiß / daß das von Gott herꝛůhret. Dann / wie Gott mehr iſt / als aller Menſchen Vernunft: alſo ſoll mir nur mehr als Urſach ſeyn / weil ich weiß / daß Gott ſolches tuhe. Und et - was vor erſtgeſezten Worten ſpricht er alſo: Warum es den Frommen haͤrter ge - het als den Boͤſen; jene ligen / dieſe geſund ſeyn / kan ich zwar vernuͤnf - tiglich und mit Verſtand ſagen: Die Heimligkeit weiß ich nicht / und was Gottes Rahtſchluß iſt / kan ich nichtO iijſagen. 318Das Zehende Capitel. ſagen: Es iſt mir aber zur Sach ge - nug / was die himmliſche Wahrheit ſelbſt ſaget: Sie ſehe alles / ſie regiere alles / ſie richte alles. Wann du wiſ - ſen wilt / was von ſolchen Faͤllen zu halten ſey haſtu die Heilige Schrifft; wirſtu das behalten / was ſie dir ſaget / ſo haſt du die vollkommene Urſach. Von mir aber fordere keine weiter / warum es GOtt da und dort alſo mache? Ich bin mehr nicht / als ein Menſch / der ich Gottes Heimligkei - ten nicht ergründen mag / ſolche auch zu erforſchen mich nicht unterſtehe / und deßwegen weiter anzuruͤhren Scheu trage; weil eben das ſo viel iſt / als wann einer ſich verwegen wolte einen Kirchenraub zu begehen / ſo er mehr wiſſen wolte / als ihm zugelaſſen iſt. Laß dir das benuͤgen / daß GOtt ſpricht: Alles in allem regiere / ver - walte / verteihle er.

Sechshundert Jahr nach Chriſti Ge -burt /319Das Zehende Capitel. burt / hat Pabſt Gregorius, mit dem Zu - nahmen Magnus, gleichen Beyfall gege - ben / da er dieſe Wort ſetzt:(*)Gregor. Magn. L. XII. Moral. c. l. Ohne deß allwaltenden Gottes heimlichen Raht / widerfaͤhret den Menſchen nichts in dieſer Welt. Dann wie GOtt alles künftige vorher geſehen: alſo hat ers auch von Ewigkeit be - ſchloſſen / wie es in der Zeit nach und nach gehen ſolle. Daher iſt es dem Menſchen geſetzt / entweder was der fuͤr Gluͤck in der Welt haben werde / oder was jener fuͤr Unglück leyden ſol - le; auf daß nicht / entweder ſeine Auß - erwehlten / die uͤber groſſe Glückſee - ligkeit erhebe: oder allzugroſſes Un - gluͤck zu Boden drücke. Anderweit ſpricht er wider:(†)Idem Lib. d. c. XXII. Ofter ſehen wir / daß weiſe und verſtaͤndige Leut die - nen; Tohren aber und Albere / Herꝛn ſind. Wir ſehen / daß jene / wie KnechtO iiijgehal -320Das Zehende Capitel. gehalten werden: dieſe Hoffaͤrtig wie Tyrannen dominirn. Wie kan dann das GOttes Will und Mey - nung ſeyn / daß ein Narꝛ eines Wei - ſen Knecht ſeyn ſoll? (verſtehe wann wahr iſt / was Salomon ſagt: Prov. XI. 30.) Da doch ſolcher Geſtalt der Weiſe / eines Narꝛen Knecht wird? Es iſt aber zu wiſſen / daß / wann gleich ein Tohr ůber einen Weiſen fuͤr menſch - lichen Augen / Gewalt und Macht hat; Wann er gleich ihm Můhe und Arbeit auflegt / ſchaͤndet und ſchmaͤ - het: ihn doch nur mehr reinige / und von Suͤnden lautere / wie ein Silber im Ofen. Solcher Geſtalt geſchihet / daß ein Narꝛ auch unter dem / daß er uͤber einen Weiſen herꝛſchet / ihm doch unwiſſend diene; weil er ihn nur / mit ſeiner Herꝛſchafft über ihn / froͤm - mer und Gottſeeliger machet. Nicht anderſt pfleget zu geſchehen / daß auch bißweilen die Diener ihren JungenHerꝛn321Das Zehende Capitel. Herꝛn vorgeſetzt ſind als Hofmeiſter / uͤber ihre mores, Leben und Wan - del / ſie ziehen und ſtraffen / und doch einen Weg als den andern Diener bleiben; weil ſie darauf beſtellet ſind / daß ſie mit ihrer Zucht ihrer Herꝛ - ſchafft bedienet ſind / die nur dadurch zunim̃t und wolgezogener wird. Weil demnach damit / was die Frommen von den Boͤſen leyden muͤſſen / ihnen nur zu ihrem Baͤſten gedient wird; iſt anders nicht / als daß die Boßheit mitten in ihrem Wuͤten / der Froͤm - keit dannoch Nuzen und Heil bringet. Nochmal ſpricht er:(*)Greg. Lib. XXIX. Moral. c. XXXII. Wer ſolte es verſtehen koͤnnen / wie ſubtil Gottes Heimlichkeiten ſind / daß manchmal / der eine gerechte Sach hat / nicht nur nicht recht haben ſoll / fuͤr dem weltli - chen Gericht: ſondern noch geſtrafft werden; da doch ſein Widerpart / der allerdings unrecht hat / nicht nur nitO vabge -322Das Zehende Capitel. abgeſtrafft werden: ſondern die Sach gewinnen ſoll. Einer erlangt die Ehrenſpitze / der doch nichts ſu - chet / als den Leuten weh zu tuhn: ei - ner wolte von Herzen gern / die / ſo un - recht leyden / verteihdigen und be - ſchuͤtzen; und wird doch ſelbſt hie und da gedruͤckt. Einer ſuchet mit ver - langen ſeine Ruhe; und Geſchaͤff - te kommen ihm hauffenweiß. Ei - ner wolte ſich gern hie und da brau - chen laſſen; und kein Menſch will ihn doch brauchen. Wer wolte dann dieſer him̃liſchen Gerichte / Secreta oder verborgene Schluͤſſe eroͤffnen? Wer will dieſe unterſchiedliche Waa - ge der verborgenen Gerechtigkeit er - reichen; weil keiner in die geheime Kammer der Gerichten Gottes / als ein Regiſtrator, eingelaſſen worden iſt? So ſage mans nun einem Men - ſchen / daß er ſeine Unwiſſenheit er - kennen ſoll; Erkennt ers aber / daß erda -323Das Zehende Capitel. darum in Fuͤrchten ſtehe: in Fuͤrch - ten aber ſtehe / auf daß er demuͤtiger werde; demuͤtiger aber werde / auf daß er ſich nichts einbilde; nichts einbilde um deßwillen / auf daß er um ſeines Schoͤpfers Hülf bitte; weil er ſihet / daß / ſo er auf ſich ſelbſt bauen wolte / er lebendig tod ſeyn wuͤrde. Biß hie - her Gregorius, Alles zu dem End / auf daß er doch unſerm Grůbeln ein Gebiß anlege / weil / wie er etwas vorher ſagte:(*)Gregor. M. l. d. c. XXXI. Idonei quidem ſumus ad hæc con - ſideranda quæ fiunt: Sed idonei non ſumus ad hæc inveſtiganda, cur fiant, das iſt: wir zwaar dazu tůgen / daß wir ſolche Faͤlle / die ſich begeben / betrach - ten: aber nicht dazu / daß wir die Urſach gewiß ſagen moͤgen / warum ſie geſchehen.

O vjAn -324Das Zehende Capitel.

Andacht-Lied. Uber den Spruch Matt. XX. 22. Ihr wiſſet nicht / was ihr bittet. Nach der Singweiſe: JEſu / der du meine Seele / ꝛc. oder: Dafnis gieng vor wenig Tagen / ꝛc.

1.
BOtt / du Geber aller Gaben!
Sonſt von niemand / als von dir
muß man alle Haabe haben /
die uns nůtz und noͤhtig hier.
Vater / wir ſind deine Kinder.
Du biſt gut / ſind wir ſchon Suͤnder /
gibeſt / wann durch Jeſum ſich
unſer Bitten haͤlt an dich.
2.
Ich ſoll; Herꝛ! was ſoll ich / bitten?
Meine Seel hat kein Geſicht
in der finſtren Leibeshuͤtten.
Mein Verſtand verſtehet nicht /was325Das Zehende Capitel.
was / von dieſen Erden-ſachen
ihn recht gluͤcklich moͤge machen /
blind wie eine Fledermaus;
Suͤnd / ſticht ihm die Augen aus.
3.
Offtmals meynt er wol / er ſehe / ſetzt ihm Fleiſches-Augen ein.
Solt er / der blind in der Naͤhe /
in die Ferne ſehend ſeyn?
Fleiſch eswill iſt ſein Verlangen;
es nim̃t ſeinen Wunſch gefangen
Wolluſt / Ehre / Gut und Gelt /
und der falſche Schein der Welt.
4.
Ach! er wuͤnſcht nur meinen Schaden.
Gold macht / daß man Gott nit acht /
pflegt zn Suͤnden einzuladen /
und das Herze ſicher macht.
Luſt verjrdiſcht das Gemůte /
tritt aus der Vernunfft Gebiete.
Ehr und Hoheit / Stolz gebuͤrt /
der von Gott zur Hoͤlle führt.
5.
Weiſer Vater / du weiſt baͤſſer /
was mir nuͤtz und ſeelig hier. O vijdei -326Das Zehende Capitel.
Deinem Kind gib nicht das Meſſer /
daß es etwan heiſcht von dir.
Ja ich bitte / wann ich wolte
bitten / was mir ſchaden ſolte /
wollſt du mich erhoͤren nit.
Deine Weißheit weiter ſiht.
6.
Eine Bitt nur mir erfuͤlle /
Ach gewaͤhr mich diß allein:
Gib mir / Vater / was dein Wille;
Lehr mich dann zufxieden ſeyn /
und nach deinem Willen leben!
Du biſt gut / und wirſt mir geben /
was ich hab vonnoͤten hier /
biß ich ſeelig komm zu dir.
Erklaͤ -
[figure]
Man wird in der Welt
Wie es Gott gefelt
Auf die Schau geſtelt
327Das Eilfte Capitel.

Erklaͤrung. Scena Dei, Mundus. 2. Dare quos lubet, hiſtrio ſoccos dat tibi. 3. Perſonam, quam dedit, arte geras.

ICh bilde mir die Welt / als einen Schauplatz /
ein /
auf dem von anbeginn ein Schauſpiel wird
geſpielet:
Da tritt man auf und ab; da ſpielen groß uñ klein;
biß daß die Action vom Tode wird bezielet.
Die Spielperſonen ſind die Menſchẽ; von Geburt
und Ankunfft alle gleich / und gleich auch in dem
Sterben:
ein Koͤnig keiner nie mit Recht gebohren wurd;
durch Tugend und durch Wahl ſoll er die Kron
erwerben.
Spielſchauer / Engel ſind und Teuffel / die genau
betrachten / ſchreiben auf / und merken / Werk
und Worte.
II. Gott / Schauſpielhalter iſt / ſtellt jeden auf die
Schau;
der weißlich weiß / worzu / zu welchem Stand
und Orte
ſich der und dieſer ſchickt / was er agiren kan.
Er ſihet nicht auf das / was Menſchen-augen
preiſen;
das Herze ſihet er und die Gedanken an;
Ihm iſt nicht alles / Gold / wie uns / was pflegt
zu gleiſſen.
Dann328Das Eilfte Capitel.
Dann teihlt er Kleider aus. Die Kleider / ſind der
Stand
darinn wir leben hier / darein uns Gott geſetzet.
Der prangt im Koͤnigs-ſchmuck: der lumpt im
Knechts-gewand:
(ſchaͤtzet.
Vor GOtt / ſie beyde ſind an Ehren gleich ge -
Wohl-ſpielẽ / wird gelobt; nicht / wolgekleidet gehn /
nicht / herꝛlich treten auf auf einer Schau -
ſpiel-buͤhne:
(zu ſehn;
So / pflegt Gott auf den Stand deß Lebens nicht
Nur / daß man lebe recht / nur daß man wol
bediene
und ſpiele die Perſon / die zugeeignet wird.
( Ehre.
Du ſeyſt Herꝛ oder Knecht: Spiel wol ſo haſt du
Es wartet Lohn und Kron auf den / der wol agirt:
ob er ein Lazarus / ein armer Irus / waͤre.
III. Neid keinen / ob er baß bekleidet iſt / als du;
Nit aͤrgre dich am Glück der Gottsvergeſſnen
Leute;
Schau ſonder Neid uñ Leid dem Kleider-aufzug zu:
Es deckt das Goldgewandt oft raͤudig-ſieche
Haͤute;
es beiſſen Sorgenlaͤus oft aͤuſſerlichen Pracht /
der nur geliehen iſt / man muß ihn wieder geben.
Erwarte / biß dem Spiel ein Ende wird gemacht:
den Ausgang ſtraffet ſelbſt ein boͤßgeſpieltes
Leben.
Der Boͤſe traurig ſchlieſt / fieng er ſchon froͤlich an;
deß Frommen Leyden ſich in Freuden pflegt
zu enden.
Wohl dem / wie weh ihm iſt / der auf dem Jam -
merplan
(anlaͤnden.
Hier ſteht! gen Himmel er zur Wonne wird
Das329Das Eilfte Capitel.

Das Eilfte Capitel. Bringt auch der Heyden Einſtimmen heran.

SChamroht machen hierinn die Heyden viel unter den Chriſten / die ſich Gottes Vorſorg nicht ſo haben zuer geben wiſſen und lernen wollen; ungeacht ſie tauſentmal mehr Urſach ge - habt haben als jene. So elend dem Stand / und ſo krum̃ dem Leib nach / der Heyd Epictetus war / ſo vergnuͤgt war er mit ſeinem Zuſtand / und ſo wolt und wieſe er allen / wie ſie teihls in dergleichen / teihls in groͤſſern und kleinern Gluͤck und Ungluͤck tuhn / und Gott / der alles alſo nach ſeinem Gefallen austeihle / ſtill halten ſolten. Im XXI. Cap. ſeines Handbuͤch - leins ſchreibt er alſo: Du muſt gedenken / anderſt ſey in dieſem Leben nicht um - zugehen / als mans bey einer Gaſterey machet. Wann man dir darob etwasfůrlegt /330Das Eilfte Capitel. fůrlegt / ſo nimm mit Beſcheidenheit einen teihl davon. Ubergeht man dich! ſo laß fahren. Iſts noch nicht an dich kom̃en / ſo laſſe dir das Maul nicht waͤſſern; ſondern warte biß dich die Reihe trifft. Wann du der - gleichen tuhſt / ſo du gern ein Ehweib und Kinder haͤtteſt / gern im Regen - tenſtand waͤreſt / gern reich; wirſt du uͤber der Goͤtter Tafel ſitzen koͤnnen. Wann du es aber / ſo du es ja erlangt haſt / achteſt / als wann du es noch nit haͤtteſt / wirſtu nit ſo wol der Goͤtter Gaſt: als ihres Reichs Genoß einer heiſſen.

Im XXIII. Cap. ſpricht er abermal: Gedenke daß du in dieſer Welt wie ein Comœdiant ſeyeſt / und dieſe Comœdi oder Tragœdi dieſes Le - bens ſpielen wolleſt / die deinem Meiſter gefallen wird. Will er ein lange: ſo mache es mit; ſols ein kůr - zere ſeyn: machs auch kurtz. Willer331Das Eilfte Capitel. er daß du ſolleſt einen Bettler agirn / ſo ſihe / daß du die Perſon meiſterlich vetretteſt; alſo auch / ſo er wolte / daß du hinken ſolteſt; ſo er wider wolte daß du einẽ Fuͤrſten præſentirn ſollſt / oder im Gegenteihl einẽ gemei - nen Mann. Dann die Wahl / welche Perſon du ſeyn moͤgeſt / ſteht bey dir nicht; Das aber gebuͤrt dir / daß du dich recht und kuͤnſtlich den ſtelleſt / den du dich ſtellẽ ſolſt. Was Bion ſagte / ſchickt ſich wol darzu: Das Gluͤck / ſpricht er / iſt wie eine Comoͤdiantinn / die den zu erſt auf der Spiel buͤhne reden laͤßt / jenen zum andern; den einen Koͤnig agirn / jenen eine geringe Perſon. Wann du demnach zum andern re - den ſolleſt / ſo tritt nit zum erſten auf / ſonſt wirſtu einen grauſamẽ Unform / und ein ungereimtes Ding tuhn. Der alte Teles ſprach gleich ſo: Ein ehrliches Gemuͤht müſſe es machen / wie einer der wol agirt in einem Schauſpiel. Was332Das Eilfte Capitel. Was er fuͤr eine Perſon vertrettẽ ſoll / darein kan er ſich manierlich ſchicken: Alſo ſoll auch jenes Gemüht in dem Stand ſeyn / in dem es das Gluͤck haben will. Was aber da das Glück / oder die Comoͤdiantinn heiſſe / hat der alte Platoniſche Maximus(*)Mvximus Tyrius Diſſertatione XXXV II. ex edit. Heinſ. p. 251. ausgelegt / daß es GOtt ſelber waͤre / der einen jeden in dem gemeinen Leben / den ſich ſo zu erzeigen hieſſe / jenen wider anderſt.

Gar zu ſchoͤn aber ſpricht Epictetus wider: XXXVIII. Cap. Wer die Goͤtter ehren will / kan mehr nicht tuhn / als wann er recht von ihnen uͤrteihlet / und haͤlt; einmal / daß ſie ſeyn; anders mals / daß ſie wol und gerecht dieſes alles regieren; um weß - willen ihnen zu folgen / und mit allen vorlieb zu nehmen ſey was geſchihet / und zu vertragen williglich / eben da - rum / weil es von dem allerherꝛlich - ſten Weſen herꝛuͤhret. Dann auf die -ſe Wei -333Das Eilfte Capitel. ſe Weiſe wird man ſich nie über ſie beſchweren / anch über ſich ſelbſt nie klagen / als wann man von ihnen hin - dangeſetzt und veracht werde.

Unter vielen Reden die er noch fuͤhret / iſt nicht auszulaſſen / was er im LXXVII. Cap. ſetzet: Allezeit / wann man was angreiffen will / ſoll man vorher alſo bitten. Du hochſter Gott / und du ſei - ne Vorſehung / leite und fuͤhre mich / wohin ihr mich haben wollet. Dann ich will hurtig folgen. Im Fall ich aber je nicht wolte aus Ungehorſam: ſo treibe mich wider meinen Willen zur Nachfolg. Es ſoll aber ſolches Ge - bet Epictetus von dem weiſen Cleanthe von Aſſo buͤrtig / Zenonis Diſcipel / und Chryſippi Lehrmeiſter genommen haben / wie Simplicius in ſeinem Commentario berichtet.

Unterſchiedlicher ſolcher Reden mehr hat Arrianusaus Epicteti Mund aufge - zeichnet. Nur der deutlichſten etlicher wol - len wir gedenken. In ſeinem dritten Buchund334Das Eilfte Capitel. und deſſen XVII. Cap. ſtehet alſo: Wañ du die Vorſorg Gottes anklageſt / iſt beſſers nichts / als du geheſt in dich ſelbſt; weil du ſotahn bald finden wirſt / daß / was geſchiht / auf gewiſſe beſcheidene Weiſe geſchehe. Aber doch / ſprichſt du / gehets dem Gottlo - ſen baͤſſer als mir? Ich frag aber wo - rinn? Darinn / daß er mehr Gelt hat? Dann darinn tuht er dirs bevor / daß er ſchmeichlen kan / daß er unver - ſchaͤmt iſt / daß er darauf Tag und Nacht dichtet. Laſſe dich aber ſolches nicht jrꝛen / und ſihe vielmehr darauf / ob er dir es bevor tuhe an der Aufrich - tigkeit / an der Schamhafftigkeit. Da wirſt du es aber nicht finden; ſon - dern vielmehr das urteihlẽ: daß dir in weit baͤſſern Dingen auch weit baͤſſer gehe als ihm. Und nach wenig Worten ſetzter: Warum haͤlteſt du dann je - nen gluͤckſeelig um Derer Dinge wil - len / die du ſelbſt verfluchſt? Wasſuͤn -335Das Eilfte Capitel. ſuͤndigt die Vorſorg GOttes / ſo ſie baͤſſern / baͤſſere Guͤter gibt? Iſt es nicht edler ſchaamhaftig / als reich ſeyn? Warum zuͤrneſt du dann / ſo du das haſt / was baͤſſer iſt?

Im XXIV. Cap. gedachten Buchs ſchreibt er alſo: Ein from̃er und weiſer Menſch / eindenk wer er ſey / und von wem er kommen ſey / trachtet einig und allein dahin / wie er ſeine Stelle / die er empfangen hat / recht vertrette / und Gott damit ſeinen Gehorſam er - weiſe. Wilſtu / ſpricht er zu ihm / daß ich laͤnger leben ſoll! So will ich auch wie du mich alsdann haben wilſt / entweder in einer Freyheit / oder in einem edlen Stand. Brauchſt du meiner laͤnger nim̃er? So geſchehe auch das nach deinem Willen. Biß hieher bin ich um deinet Willen ge - blieben / und um keines andern wegen; und damit ich dir jetzt gehorche / berei - te ich mich auch zum Abſchied. Wieaber336Das Eilfte Capitel. aber moͤcht man ſagen? Antwort / wie du gewolt haſt; Entweder als einer der frey war / oder als einer der in dei - nen Dienſten war und verſtehet / was du wilſt und nicht wilſt. So lang ich in deinen Dienſten bin / wer wilſt du darinnen ſeyn / moͤchſtu mich wider fragen. Wilſtu ein Fuͤrſt ſeyn oder ein Idiot? Ein Rahtherꝛ oder ge - mein Volk? Ein Soldat oder Obri - ſter? ein Schulmeiſter oder Hauß - vatter? Ich antworte aber: Wohin / in was für Ort oder Stell du mich ſtellen wilſt! Ehe ich ſelbe verlaſſen wolte / wolt ich ehe / wie Socrates ſprach / tauſentmal lieber das Leben laſſen. Wo du mich nun hin haben wilſt / nach Rom oder Athen / nach Thebas / oder in die Inſul Giaras / bin ich zufrieden. Nur das begehr ich / daß du meiner nicht vergeſſen wolleſt / wann ich dahin ſolte / da die Leut gottloß und wider die Natur leben. Als337Das Eilfte Capitel. Als einer / der wider deinen Befehl tuht / begehr ich nicht abzuſcheiden: ſondern als ein Soldat / der von ſei - nem Obriſten durch den Trompeten - ſchall wider zuruck geruffen wird! So ſey das ewiglich ferne von mir / daß ich dich verlaſſen ſolte: ſondern ich begehre abzuſcheiden / als einer / deſſen Dienſt man nimmer gebrau - chet So ich aber nur ehrlich und from̃ leben kan / wo es auch waͤre / begehre ich keinen andern Ort / als den du mir gewieſen haſt; ich ſuche keine an - dere Leut / als die / mit denen du mich haſt umgehen laſſen wollen.

Um baͤſſere Zufriedenheit deß Herzens zumachen / ſetzt er nach etlichen einen Raht / wie einer gedachtes alles tuhn koͤnne. Er ſpricht: Wann du / in den Inſuln Gyaris ſeyn wuͤrdeſt / muſtu dir die Roͤmiſche Art zu leben nicht einbil - den / und wie viel du da Wolluͤſte ge - noſſen haſt / wie viel du genieſſen koͤn -Pteſt338Das Eilfte Capitel. teſt / wann du wider hinkaͤmeſt; Son - dern alſo muſtu da geſinnet ſeyn / wie es ſich gebuͤhret dem / der in Gyaris leben muß. Daſelbſt aber muß man dapfer und großmuͤhtig leben. Wirſt du zu Rom ſeyn / bilde dir nicht ein / daß du da leben wolleſt / wie wann du zu Athen waͤreſt; ſondern darauf denke / wie du zu Rom leben wolleſt. An aller derer Kurzweil Ergoͤzlich - keit ſtatt ſetze das einige / daß du den - keſt: du erzeigeſt den Gehorſam dei - nem Gott / und damit erweiſeſtu nit mit Worten: ſondern in der Taht und Wahrheit / daß du ein frommer und weiſer Menſch ſeyeſt. Dann wie hoch meynſtu / daß das zu ſchaͤzen ſey / wann einer zu ſich ſelbſt ſagen kan: Was andre meynen / daß ſie / in ihren Schulen / herꝛlich und wunderſam reden und lehren / das uͤbe und practi - cire ich ſchon wuͤrklich / alſo / daß jene nur ſizen und von meinen Tugendenreden339Das Eilfte Capitel. reden / von mir diſputiren / und Ju - piter ſolcher Geſtalt jene / ihrer Lehr zum Beweiß / mich fuͤrſtellen laſſe / und zugleich ſelbſt von mir verneh - me / ob ich ihm / als ein rechter Sol - dat diene? ob ich / als ein rechter Bur - ger mich halte / und er mich andern zum Exempel fuͤrſtellen koͤnne?

Aus allen ſolchen Anweiſungen / be - ſchreibt der gelehrte Heins(*)Dan. Heinſius Orat. de Stoica Phi - loſ. Operibus L. Annæi Senecæ præ - mißâ. einen wei - ſen Stoiker unter andern alſo: Er folge der Ordnung / die der unſterbliche Gott einem jeden Menſchen vorge - ſchrieben habe. Dem / den Acker zu bauen; jenem / einen Schiffmann zu - geben; dem dritten / einen Soldaten; einem ein Koͤnigreich / einem ein an - ders Regiment zu verwalten. Dem / daß er lerne; dem / daß er lehre entwe - der wenig / oder die nach ihm kom̃enP ijſol -340Das Eilfte Capitel. ſollen auf etliche hundert-jahr hin - aus. Das nemlich iſt ein groſſes und ein herꝛliches Amt! denket er; Und in dieſem allem ſich erzeigen / wie man ſoll / heißt die Ordnung behalten / die Gott behalten haben will. Wiltu ſel - be trennen / ſo tuhſt du nicht wie ein Weiſer: wilſtu dir eine andere wuͤn - ſchen / ſo tuhſt du doppelt unrecht. Dann einmal verlaͤſſeſt du dein Amt / und wirſt fůrs andere / gegen deinem Gott undankbar.

Den groſſen Alexander trieb ſolche Be - trachtung dahin /(*)Plut. in L. de diſcrimine adulatoris & amici & in L. de animi tranquillitate. daß / als er / mit dem maͤchtigen Lauffer Criſſon in die Wette lieff / und merkete / daß dieſer ihm mit allem Fleiß die Ehr laſſen wolte / er ſich recht da - ruͤber entruͤſtet / andeutend:(†)Joh. Spinæus de Tranquill. animi Lib. IV. in Invidiamp. m. 185. Er lieſſe ſichs / aus Neid / nicht verdrieſſen / wann er ſehe daß andere mehr ver -moͤchten341Das Eilfte Capitel. moͤchten als er / und verſtünde wol / daß die Goͤtter / welche freygebig ihre Guͤter austeihlen / wem ſie wollen; einem allein nicht alles geben: ſon - dern dem dieſes / jenem ein anders / aus ſonderbarer Weißheit / auf daß die Menſchen / denen ein Stolz von Natur anhaͤngt / ſich nicht unterein - ander ſelbſt verachten: ſondern / weil einer deß andern bedarf / auch einan - der lieben / und Freundſchaft und Ge - genfreundſchaft erhalten / wann die hoͤhere zu ihren Dienſten die geringe - re brauchen / und dieſe wider jene eh - ren / achten / und unter ihren Schutz leben.

Stuͤck fuͤr Stuͤck der zeitlichen Guͤter / daß ſie von oben herkommen müſſen / haben auch die Heydniſche Poeten Zeugniß ge - geben; alſo / daß ihre Reden davon Chriſt - lich genug waͤren / wann ſie nur an Statt deß Worts Goͤtter / das ſie manchmal gebrauchen / das Wort GOtt geſetzt haͤt - ten; wiewol etliche es auch alſo ausſprechen.

P iijVon342Das Eilfte Capitel.

Von den alleraͤltiſten Poeten einem Heſiodo, der zu den Zeiten der kleinern Propheten gelebt / ſagt der gelehrte Philip - pus Melanchton, in ſeinen enarrationibus uͤber ſeine vers, das: Sanctius de Deo non potuiſſe dici, etſi vim religionis non no - verat, das iſt: heiliger haͤtte von Gott nit koͤnnen geredt werden / ob er ſchon unſere Chriſtliche Religion nicht ver - ſtanden haͤtte / als wann er alſo geſchrie - ben:(*)Heſiod. Oper. & dies v. 3. Sagt mir doch / wie gehet es zu / daß ein teihl Menſchen / ſo gar ge - ring und nidrig in der Welt angeſe - hen ſeyn / ein teihl dagegen ſo hoch be - ruͤhnit und empor geſtiegen? Die Urſach aber iſt deß groſſen Gottes Will und Gefallen.

Der Poet Theognis ermahnet deßwe - gen ſo gar weißlich / daß ein jeder mit ſeinen Gaben / die er empfangen / zufrieden ſeyn ſolle. Seine Wort heiſſen alſo:(†)Theognis ſent. ed. Neandr. Baſil. M D lix. p. m. 74. Un -ter -343Das Eilfte Capitel. terſchiedlich teihlt Gott ſeine Guͤter den Menſchen aus / als deren Schul - digkeit eben deßwegen waͤre fuͤr lieb zu nehmen / was und wie viel derer ein jeder empfangen habe. Dañ / wie er un - ter andern auch ſpricht:(*)Theognis Ed. d. p. 56. Ohne deſſen Willen und Ordnung ſey keiner reich / keiner arm / keiner ungluͤckſee - lig / keiner gluͤckſeelig.

So findet es ſich auch bey Pindaro; Was er an einem Ort nennt das ἀγαθῇ τύχῃ durchs Gluͤck / oder σὺν Θεοῖς mit den Goͤttern geſchehen ſey: erklaͤret er unterſchiedlich alſo: ϑεου̃ συμπράξαν〈…〉〈…〉 ϑεου̃ ἐδέλοντος, κατὰ ϑεου̃ πρόνοιαν, σὺν ϑεῷ ϑεου´ διδόντος, das iſt: mit Gottes Bey - ſtand / nach GOttes Willen und Vorſehung / aus Gottes Geſchenk /(†)Pindarus Olymp. Oda VIII. ed. Schmi - dianæ MD CXVI. p. m. 211. und dergleichen; wie er dañ auch dahin das zaͤhlet / daß es einem da / dem andern dort gelingt: einem in dem / einem in einemP iiijandern344Das Eilfte Capitel. [andern] Stuͤck. Alle / ſpricht er / ſind nit grad in allen einander gleich: ſondern einer hat das / einer ein anders Gut empfangen / das doch Lobens wehrt iſt; und von GOtt kommen unter - ſchiedene Stuffen und Grad / dar - nach einer in dem / einer in etwas an - ders ſich kan ſehen laſſen.

Abſonderlich redet er von zeitlichem Reichtum / und weiſet: von wem der uhr - ſpruͤnglich herkomme / und wie man damit umgehen muͤſſe. Wann ich viel und groſſe Reichtum haben ſolte / ſpricht er /(*)Pindarus Pyth. Od. III. e. d. p. 111. Seq. wolte ich weder aͤrmere ver - achten / noch meines gleichen mich ungleich halten: GOtt aber / der mir ſolchen Schatz gegeben / wolte ich taͤglich nach meinem Vermoͤgen eh - ren und preiſen. Und folgend ſpricht er wider:(†)Od. VIII. l. d. p. 293. Viel Narꝛen halten dafuͤr / wann ſie ſehen / daß jemands ohneſon -345Das Eilfte Capitel. ſonderbare Arbeit / Tag und Nacht rennen und lauffen / etwas dapffers vor ſich bringt / es ſey ſeiner Weiß - heit und Vorteihl-wiſſenden Kunſt zuzuſchreiben. Aber weit iſt es ge - fehlt / und ſtehet ſolches bloß / in men - ſchlichem Tuhn und Gewalt nicht! Allein Gott iſt es / der manchen reich und groß / manchen wider arm und nider macht / nach dem er jedwedern ſolches zuzumeſſen beſchloſſen hat. Ita gentilitiâ ſuâ religione ſentit Poeta, quod Scriptura etiam docet: Deus eſt qui pauperem facit & qui ditat, ſagt hier - uͤber Lonicerus, das iſt; Alſo urteihlt von zeitlichem Reichtum und Ar - muth der Poet / ſeiner heydniſchen Religion nach / was ſonſten auch die Schrifft bedeutet: GOtt hab den Reichen und Armen gemacht!

Eben daher kommt es / daß erſtgedachter Pindarus,(*)Pindar. Pyth. Od. V. e. d. p. 227. auch das Koͤnigreich und weltliche Gewalt fuͤr Gottes SchickungenP vhaͤlt.346Das Eilfte Capitel. haͤlt. Arceſilaum nennt er deßwegen ϑεό - μορον der von GOtt die Gnad habe; und bald darauf nennt er ſeine Gewalt ϑεόςδοτον δύναμιν, eine Gewalt von Gott gegeben; ja uͤber wenige Zeil ſetzt er hinzu / was zu Cyrene oͤffentlich geſungen werde: παντὶ Θεὸν ἀιτιον ὑϖερτ ιθέμεν, Alle deine Gůter die du haſt / haſt du Gott zu danken / welches / wie ob-Ehrngedach - ter Herꝛ Schmidt wol erinnert / eben das geredt iſt / was Paulus ſeinen Corinthiern ſchreibt: Was haſtu Menſch das du nicht empfangen haſt? I. Ep. IV. 2.

Neben unſerm Pindaro, haben andere Heyden mehr / aus dem Liecht der Natur ſo viel gefunden / daß auch der Sieg von den Feinden / nicht plumper weiß: ſondern von Gott herꝛuͤhren muͤſſe. Als Xenophon die victori der Lacedemonier wider die Argiver erzehlt / ſagt er:(*)Xenophon. Hiſtor. Græc. L. IV. edit. Leunclav. græcolat. p. m. 523. Gott hat ih - nen zur ſelben Zeit das gegeben / daß ſie ſich ſelbſt nicht gewunſchet haͤtten. Dann347Das Eilfte Capitel. Dann wie ſolt einer das nicht fuͤr goͤttlich halten / daß ſie (die Lacedemo - nier) ſo viel Feind ůberwinden moch - ten / uñ ſelbe für dieſen / als viel ſchwaͤ - chern / erſchrecken ſolten / in Unord - nung gerahten / ſich nirgend wehren / und vielmehr alles zu ihrem eigenen Schaden handeln. Der Poet Sopho - cles ſtellt allen ſolchen Schnarchhanſen / und / in ihrer Einbild[u] ng / Rieſen / das Exem - pel Ajacis fuͤr / den ſein Vatter ſo treulich erinnert / daß / weil er ja nun wider die Grie - chen gehen wolle / er an ſein Wort gedenke /(*)Sophocles Ajace flagellifero. die beyde / als ſeine Tugend / und foͤrderſt GOtt zum Gehuͤlffen neh - me. Da aber Aiax ſo toͤhricht antwortete: Mit Gott kan ein jeder / auch der al - lerfeigſte / und ein Memm den Sieg erhalten. Wann mir aber auch die Goͤtter gleich nicht helffen / ſo weiß ich / und traue mir dannoch die Ehr im Krieg zu erlangen. Auf die vermeſ -P vjſene348Das Eilfte Capitel. ſene toͤhrichte Rede ſetzt der Poet: Er ha - be der Goͤttin Minervæ Zorn auf ſich geladen / weil er ſich mehr eynge - bildet als ein Menſch tuhn ſoll / wie er ſich dann im Ende ſelbſt / um ſeines ver - lohrnen Siegs willen / entleibt haͤtte.

Solches Innhalts / waͤre noch die Meng zu geben / ſo man ausſchweiffen ſolte. Nur der beſcheidenen Antwort Oreſtis wollen wir noch gedenken. Als ihn Electra ſeines Siegs wider Ægyſthũ wegen / maͤchtig lob - te / ſchreibt Euripides:(*)Eurip. in Electra Act. IV. Er habe die ſtatt - liche Antwort gegeben: Sie ſolte die Goͤt - ter (wir Chriſten ſagten: Gott) dafůr hal - ten / als τύχης ἀρχηγέ〈…〉〈…〉 ς, dieſes ſeines Glůcks Oberſte Führer: ihn aber anders nit / als τῶν Θεῶν (του̃ Θ εουđ) τε τύχης ὑϖηρέτην, der Goͤtter (GOttes) und deß Glücks Diener einen.

Belangend den Ehſtand / und daß der oder der ſo einen tugendhaften Ehgatten erlangt / wiewol Clytemneſtra zu ihrem Man Agamemnon ſprach:(†)Iphig. in aul. a. V. Seltengeſche -349Das Eilfte Capitel. geſchehe es / daß einem ein ſolch Weib wer - de / ſo ſtehet doch deutlich und ſchoͤn:(*)Electra a. IV. Das Gluͤck regiert den Ehſtand / und geht darinnen manchem Menſchen wol / manchem uͤbel / welches beydes ge - ſchehe /(†)Iphig. in aul. a. III. ſo wol aus Goͤttlicher Gnad als ſeiner Ungnad und zu unſerer Straff / wie ſie dann zu ihren baͤſſern Se - gen eine Goͤttin / Juno genannt / abſonder - lich mit Opfern verehrten / und den Tittul Domiduca gaben / das iſt: einer Lieben Hausgefehrtin und Heimfuͤhrerin.

Eines unter vielen iſt noch zu gedenken / das Simonides bey dem Xenophon ſaget / von dem Anſehen / daß mancher erlangt / ſonderlich in dem hohen Regentenſtand / wormit er bey maͤnniglich einen rechten Schrecken verurſachet. (1)Xenophon Hier. ſ. de regno e. d. p. 915. Mich daͤucht gaͤnzlich / ſagt er / daß ein Fuͤrſt und Herꝛ einen reſpect und Anmuht ha - be / koͤnne anders nicht / als von Gott und vom Himmel kommen.

P vijAn -350Das Eilfte Capitel.

Andacht-Lied. Um̃ Goͤttliche Beyſtand / in ſeinem Stand. Nach der Singweiſe: Sag / was iſt alle Welt / ꝛc.

1.
SAg / was iſt dieſe Welt?
ein Schau - und Spiel gezelt:
darinn tritt ab und auf
der Menſchen Lebenslauff.
2.
Warzu dich Gott erſchuff /
dein Amt und dein Beruff /
das iſt dein Action,
macht dich zur Spielperſon.
3.
Spiel wohl / befleiſſe dich /
das Lob moͤg finden ſich /
und zu des Spieles End
dir Gott den Lohn zuſend.
4.
Hab Dank / du Herꝛ der Welt /
daß du mich auch geſtelltauf351Das Eilfte Capitel.
auf deine Schauſpiel-Buͤhn /
daß ich ein Menſche bin.
5.
Gern will ich ſpielen wohl;
dir leben / wie ich ſol /
in dem Beruff und Stand
den du mir zuerkandt.
6.
Nur wolleſt / bitt ich dich /
wollſt unterweiſen mich
durch deines Geiſtes Raht /
und ſeine reiche Gnad!
7.
Dein Allmacht ſey bey mir!
Nur / groſſer Gott / mit dir
wird Alles wohl getahn:
Ohn dich ich nichtes kan
8.
Zieht deine Guͤtigkeit
mir an ein Ehren-Kleid:
Laß mich nit ſtolze ſeyn
mit etwas / das nit mein.
9.
Ich moͤcht erzuͤrnen dich;
Und Du entkleiden mich /und352Das Eilfte Capitel.
und werffen arm und bloß
aus deiner Gnadenſchoß.
10.
Muß ich in Lumpen gehn /
und andre prangen ſehn:
Was frag ich nach der Zier /
wann ich nur wol agir?
11.
Bin ich der Welt zuſchlecht /
kan ihr nichts machen recht:
Gefaͤllt mein Tuhn nur dir / ſo frag ich nichts nach ihr.
12.
Nach dieſem Trauerſpiel /
fuͤhr mich zum Freuden-Ziel
aus dieſem Jammert hal.
In deinem Himmel-Saal /
Erklaͤ -
[figure]
353Das Zwoͤlfte Capitel.

Erklaͤrung. Aſpera non frangant mentem; 2. non pro - ſpera faſtu tangant: 3. æquus ovet ſorte in utraꝙ́ animus.

KEin Geſtirn / kein blinder Zufall / keine Goͤt -
tinn iſt das Gluͤck:
Dieſen Nahmen gib dem weiſen Gottsge -
ſchick.
GOttes Vorſicht-volles Aug / Gottes All -
macht-Haͤnde wachen /
vorbedenken / und dann lenken alle Sachen.
Gottes Raht ſucht unſer Baͤſtes; was Er tuht /
iſt wohlgetahn:
Sein gerechtes Wollen niemand tadeln kan.
Er weiß / wo / und wann / und was er ſoll geben
und verſagen:
Laß ſein gnaͤdigs Wohlgefallen dir behagen.
I. Muſt du hier in Dornen baden / arm / veracht /
und elend / ſeyn:
Denk diß alles komt von unſrem Gott allein /
der dadurch dich pruͤfen will / ob du auch mit
Loͤwenmute
halteſt aus die Streiche ſeiner Vater-Rute.
II. Geheſt du in Roſen weiden / biſt du reich und
hochgeacht:
Denke / GOtt hat dich zu gutem Stand ge -
bracht.
Danke354Das Zwoͤlfte Capitel.
Danke ſeiner Güt dafuͤr; nicht beginne hoch -
zutraben:
es ſind Gottes / es ſind ja nit deine Gaben.
Einer iſt es / der dir Beydes / Glück und Ungluͤck /
ſchicken kan:
Druͤm ſo nim̃ auch / Eines Sinnes / Beydes an.
III. Faſſe Stand / gründ auf Beſtand / ſtelle Fel -
ſen-faͤſt dein Herze /
daß es ſtehe unverꝛückt in Freud und Schmerze.
Werde ja nicht feig und weiche / weiche nicht / ob
ſchon das Meer
dieſer Eitelkeit auf dich ergrimmet waͤr.
Mach an deinem Felſen grund / mach mit Spott
zuruͤcke prellen /
laß anfallen / doch nit faͤllen dich / die Wellen.
Laß dich auch deß Gluͤckes Stricke / Hoheit /
Ehre / Kunſt und Gelt
nicht ümreiſſen / bleibe ſteiff und faͤſt geſtellt.
Laß dich boͤſe machen nicht gute Tage / die dich labẽ:
flüchtig / nichtig / ſind deß falſchen Glückes Gabẽ.
Der dir gabe / kan dir nehmen; Gott / von welchem
alles flieſt /
bleibt nit gütig / wann du mutig worden biſt.
Bleib beſtaͤndig und getreu / wanke nicht in Leid
und Frenden /
biß zum Tode: Lohn und Kron iſt diꝛ beſcheidẽ.
Sinkeſt du / du wirſt ertrinken in der Gluͤcks - und
Ungluͤcks-flut:
ihre Stille triegt / es ſieget ihre Wut.
Allzeit-aufrecht ſich dein Herz überſich gen Him -
mel wende:
der wird ſeelig / der beharꝛet biß ans
ENDE.Das355Das Zwoͤlfte Capitel.

Das Zwoͤlfte Capitel. haͤlt in ſich Allerley noͤhtige Lehren und nutzliche Erinnerungen an Hohe und Nidrige / Manns - und Weibs Perſonen.

SO dann nun alles dieſes / was uns / und unſerem Naͤchſten ei - nem / Gluͤckſeeliges zuſtoͤſſet / ohne Gottes ſonderbaren Willen; oder nur aufs wenigſte ohne ſeinen Zulaß nicht widerfaͤh - ret: als haben wir noch ins geſammt / nach allerley angebrachten Exempeln / und Ent - ſcheidungen vieler unſerer Vernunft Ge - danken / baͤſſere Urſach / und einen leichtern Weg / allerley Suͤnden / auf welche / in Be - trachtung ſolcher unſers Naͤchſten Gluͤcks - faͤlle / uns / unſer Fleiſch und Blut bringet / zu vermeiden.

Es bringt aber / wie Eingangs geſagt / oft Betruͤbniß; es bringt Neid; es bringtMur -356Das Zwoͤlfte Capitel. Murꝛen wider Gott; es macht / daß jmmer Einer dem Andern in ſeine Ehr und Amt gꝛeiffen will / und ſich ſelbſten darein ſetzen. Selten kan ſich ein Hertz dahin bringen / daß es fuͤr ſeinen Zuſtand / den es zu der oder der Zeit hat / Gott danken will; daß es da - rinn bleiben will; daß es erwaͤgen ſolle oder wolle / es tuhe aͤrger als ein Heyd; daß es nicht ſeiner Weißheit und Witz mehr trauẽ will als Gottes Vorſorg / und ſo fort. Alle ſolche Unruh / unſers Herzens; alles ſolches Widerbellen und heimliche Mißgunſt; al - len Undank / Unbedachtſamkeit / Frevel / Hohfahrt und Stoltz zu meiden / und ruhi - ger bey ſich / demuͤtiger und dankbarer gegen Gott / fleiſſiger in ſeinem Beruff / baͤſſer als ein Heyd zu leben und zu wandeln / ſtellen wir ihm ordentlich alle motiven vor.

Erſtlich wollen wir die eigene Betruͤb - niß wegraͤumen / die wir nicht Unbillich / eine ſtolze Betruͤbniß titulirn. Dann / wo ſolche noch im Herzen iſt / laͤßt es nicht wol was anders bedenken / was man ihm auch ſagen wolle / wie es ſich gegen andere halten ſoll; weil es etwan lieber wolte / daß gar kein anderer waͤre / auſſer ihm / dem es ſooder357Das Zwoͤlfte Capitel. oder ſo froͤlich / ehrlich / anſehnlich / und ſo fort ergehen ſoll; alſo um keines willen ſich zu be - truͤben urſach haben duͤrfe.

Gleich wie man aber nimmermehr eine Wunden heilen kan / wann man ſie nicht recht anſihet: Alſo wird nimmermehr einer ſeiner eignen / in Wahrheit ſtolzen Be - trübniß abhelfen / wann er nit gewiß weiß / warum er ſich betruͤbe? Darum nem - lich / daß er nicht auch der ſey / der ein ande - rer iſt; daß er eben arm / unangeſehen / ge - druͤckt und gehindert: und ein anderer da - gegen reich / anſehnlich / gefoͤrdert und erha - ben ſeyn ſolle. Alſo hoͤre ich wol / ſey das die Wunde! wollen ſie demnach alle Beyde recht anſehen. Die erſte Frag aber iſt: Ob ſie zu aͤndern ſtehe? Ob er / Klagen - der / ſich ſelbſt reicher / anſehnlicher / maͤchti - ger machen koͤnne / und ſeinen Zuſtand ver - baͤſſern / wie er nur ſelbſt wolle und wuͤnſche? Der Sadduceer Irꝛtum / weiß ich wol / daß das war. Die dachten(*)Flav. Joſeph. L. XIII. Antiq. Jud. c. IX. de bello Jud. Lib. II. c. XII. es laͤge bey ei - nem jeden ſelbſt ſein Gluͤck zu ſchnitzen / al - lerdings wie er es begehre. Allein im gegen -teihl358Das Zwoͤlfte Capitel. teihl weiſet das die Erfahrung / daß man - cher alles verſucht / und zu unterſchiedlichen mahlen / zu unterſchiedlicher Zeit / mit un - terſchiedlichen Mitteln; und doch mit aller ſeiner Arbeit nichts erarbeiten moͤgen. Wann es ſich dann je nicht aͤndern laſſen will / ſo iſt die Kuͤmmerniß daruͤber eben ſo viel / als wann ſich ein Zwerg in den Tod le - gen wolte / und ſein kleines Herz abfreſſen / weil er nicht eines Riſen Staͤrk / eines Ri - ſen Groͤſſe / eines Riſen Anſehen hab. Ich frage dich aber / mein lieber Leſer / ob du nicht ſelbſt lachen wuͤrdeſt / wann du einen ſol - chen Zwerg ſehen ſolteſt / und heulen / und alſo ſchreyen hoͤren: Ach! Ach! Ach! ich muß ſo klein bleiben! ich muß ſo ſchwach bleiben! ich muß ſo unanſehnlich bleiben; Da der / ſo groß / ſo ſtark / ſo anſehnlich iſt! Seiner Tohrheit wuͤrdeſtu fuͤrwahr lachen / und / wann dir Chriſti Wort einfiele / ſpre - chen: Wer iſt unter uns / der ſeiner Laͤnge ein Ellen zuſetzen koͤnne / ob er gleich darum ſorget / Matth. VI. . 27. Wende nun die Rede um / auf deinen Zu - ſtand / den du etwan auch ſo beweineſt / ſo be -klageſt;359Das Zwoͤlfte Capitel. klageſt / den du / wie einen Zwerg haͤlteſt; und beſinn dich nur / ob du dich nicht ſelbſt auszulachen Urſach habeſt / der du darum dir Wehe tuhſt / daß du dir nit eine Ellen oder zwo mehr Ehr / eine Ellen oder zwo mehr Macht / eine Ellen oder zwo / und / wañ es nach deinem Sinn gieng / einen ganzen Loden / Anſehen / Reichtum / Gewalt und dergleichen zuſetzen kanſt. Im End betruͤbſt du dich ja nur um das / das du ſelbſt ausla - chen muſt / wann du anderſt die Wahrheit geſtehen wilſt.

Wart aber noch ein wenig / wir wollen deine ſtolze Betruͤbniß mit einander auf eine andere Weiſe anſehen. Frage demnach / fuͤrs ander: Wie důnket dich / wann ſich ein Geſunder kraͤnkte / daß er nicht krank werden wolte? und einer der frey waͤre / wei - nete / daß man ihn nicht gefangen legte / was wolteſtu ihm wol zuſprechen? Du wuͤrdeſt fuͤrwahr ſagen / ſo du gelinde giengeſt: Der Menſch verſtehe nicht / oder rechne es aufs wenigſt nicht ſattſam aus / was Geſundheit / was Freyheit fuͤr edle Guͤter waͤren. Recht koͤſtlich waͤre es auch geantwortet. Nur das einige gehoͤrt darzu / daß du erkennenlerneſt:360Das Zwoͤlfte Capitel. lerneſt: Du waͤreſt der Geſunde / der gern krank; und dn waͤreſt der Freye / der gern gefangen waͤre.

Ey bey Leib nicht / ſprichſtu! Ich achte mein geringes Anſehen / meinen ſchlechten Zuſtand / mein weniges Auskommen fuͤr eine Krankheit und fuͤr eine Gefaͤngniß / und begehre eben die Ehr / die jener hat; das Anſehen / das bey ihm iſt; den Aufnahm / der ihm zufliegt / daß es mir zufloͤge; Als - dann ich erſt geſund und frey werden wuͤrde.

Dieſen Gedanken kan ich leicht ſehen; aber ich kan ihn auch leicht beantworten. Du betrübeſt dich / daß du den Reichtum nicht haſt / den du ſiheſt daß jener hat in ſo voller Unruh / Wachen / Sorgen / Unbe - dachtſamkeit in Beten / und heimlich-boͤſen Gewiſſen: So betruͤbſtu dich ia nur / daß du diſſeits Sorgenfrey leben ſolleſt; du be - truͤbſt dich / daß du ruhig ſchlaffen kanſt; du betruͤbſt dich / daß du dich nicht ermuͤden ſolleſt; du betruͤbſt dich / daß du nicht auch unandaͤchtig beten ſolleſt. Biſt du dann nun nicht der Geſunde / der gern krank: und der Freye / der gern gefangen waͤre?

Man gehe ſo weiter durch[d]ie jrꝛdiſcheGuͤter;361Das Zwoͤlfte Capitel. Güter; Uberal wird es ſo hinaus lauffen. Nach dem die Lieb ein quaͤlender affect iſt: ſo ein doppelte Tyranninn will ſie werden / wann ſie nicht erlangen ſoll / was ſie liebt. Sie fuͤhrt das Fehlſchlagenein / als einen maͤchtigen Schimpf / als einen grauſamen Schaden / der ja wol betruͤben muß: Aber / Mein Lieber! und Meine Liebe! Sihe et - wan hernach zu / wie du es getroffen haͤtteſt mit dieſem oder mit dieſer? Sihe was es fuͤr eine Jeſſabel iſt / I. Reg. XVI. . 31. XVIII. XIX. XXI. II. Reg. IX. 10. 22. 36. Was fuͤr ein naͤrꝛiſches Hiobs-Weib? cap. II. 10. Was fuͤr eine Potiphars - Sau? Gen. XXXIX. 7-12. oder ſihe / was jener fuͤr ein Nabal worden? I. Sam. XXV. 3-39. Was fuͤr ein verſoffener Holofernes? Judith. XIII. 4. Was fůr ein Loͤw in ſeinem Haus? Syr IV. 35. Was fuͤr ein verlohrner Sohn? Luc. XV. 12. 13. 14. Nach ſolchem urteihle / wa - rum du dich betrübt haſt? Darum daß du rev. keine Hur bekommen haſt oder keinen Siechen / oder keinen Tohren; Darum / daß du deinen Ehſtand in Frieden haͤtteſtQzubrin -362Das Zwoͤlfte Capitel. zubringen ſollen / in Maͤſſigkeit / in baͤſſern Exempeln gegen Kinder oder Geſind / in mehrerer Freud deiner Eltern / oder Freund - ſchaft.

Es waͤre mancher gern in der Regie - rung; Er haͤtte gern den Dienſt; Das Amt ſticht ihn maͤchtig in die Augen; wann es nicht will / moͤchte er lieber / daß er todt waͤre! Wie mit tauſentmal groͤſſerer Ehr / blieb er oft darvon / weil er ſolche Verant - wortung / ſolche Gefahr nicht auf ſich haͤtte? Zugeſchweigen / daß er vielfaltig nimmer - mehr dem oder dem Dienſt und Amt ge - wachſen iſt / und einem ehrlichern weichen / und mit Schmach und Scham unten an ſitzen muß / wie dort in der Parabel ſie - heti Luc. XV. 9. Um was hat er ſich nun bekuͤmmert als daß er nicht ehe zu ſchanden worden iſt? daß er nicht ehe in Gefahr kom - men iſt? Im end iſt die Betruͤbniß tauſent - mal um nichts anders / als daß man nicht Urſach haben koͤnne ſich zu betruͤben; Und / daß wir es noch baͤſſer geben: Es iſt ſolchen / uͤber ihren Stand betruͤbten / anderſt nit / als wie denen / die die Milz-Krankheit ha -ben;363Das Zwoͤlfte Capitel. ben; Die hab ich oft ſagen hoͤren: Sie muͤſ - ſen weinen / und wiſſen doch nicht / warum ſie weinen. Gewißlich ſo iſt es bey denen auch / die ihnen das Herz abfreſſen wollen / daß ſie nit baͤſſer angeſehen ſind: nit maͤchti - ger worden: nit dieſe / oder dieſe Kundſchaft / Nahrung / Amt / und wie es Nahmen hat / erlanget haben. Was dort der Herꝛ Jeſus zu den Kindern Zebedei ſpricht / da ihre Mut - ter fein bey zeit ſich umtuhn wolte / daß ſie zween groſſe Herꝛen an ihren beydẽ Soͤhnen haͤtte / und einen / in Chriſti eingebildetẽ jrꝛdi - ſchen Reich / zu ſeiner Rechten / einen zu ſeiner Linken ſehe / Matth. XX. . 21. Was der Herꝛ Jeſus / ſprich ich / ihr fuͤr eine Antwort gab: Ihr bittet / und wiſſet nicht was ihr bittet / in gedachtem Ort / . XXII. Die gehoͤrt wol ſolchen kuͤmmer - haften auch mit wenig geaͤnderten Wor - ten: Ihr kuͤmmert euch / und wiſſet nicht warum ihr euch kümmert. Jene wußten zwar wol / was ſie geredet hatten! ihr Herz erwartete nichts anders / als eine ſolche reſolution, die Ja! hieß; und dannoch ſpricht CHriſtus: Sie wiſſen in allemQ ijihren364Das Zwoͤlfte Capitel. ihren Wiſſen nicht / was ſie bitten; da - rum weil ſie nur das Sitzen zur Rechten und Linken angeſehen / wie es an ſich ſelbſt iſt: ſehen aber nicht / wie es waͤre / wann ſie es haͤtten; wie ſchaͤdlich / gefaͤhrlich / wie miß - faͤllig es GOtt ſey / daß ſie ſeines Reichs Guͤter nicht hoͤher ſchaͤtzen wollen / als eines jrꝛdiſchen Regenten Begnadungen ſind. Fuͤrwahr / ſo iſt es tauſentmal mit ſolchẽ un - ſern ſtoltz betruͤbten Leuten auch! Sie wiſſen wol / daß es ſchmerzet / daß ſie nicht auch ſo oder ſo accommodirt ſeyn ſollen / wie der / der ein Hofraht / ein Mahrſchalk / ein Rei - cher / ein anſehnlich er Herꝛ iſt; daß ſie nicht auch die Nahrung / das Auskommen / den Gewinn / und ſo fort / haben; Sie wiſſen aber nicht / in was fuͤr Sorg / Gefahr / Muͤ - he ſie waͤren. Sie pruͤfen ſich nicht / daß ſie nicht darzu taugeten / und entweder die Ge - dult nicht haͤtten / die jener hat: ſo verſchwie - gen nicht waͤren / wie jener iſt: ſo anſchlaͤ - gig nicht wie jener; in Summa / aufkeiner - ley Weiſe und Wege dazu geſchickt waͤren / und ſo ſie alsdann ſehen ſolten / was ſie zuvor nicht geſehen / ſich tauſentmal mehr kůmmerten / daß ſie es erlangt haͤtten: alsſie365Das Zwoͤlfte Capitel. ſie ſich zuvor gekuͤmmert haben / wie ſie es erlangen moͤchten.

In dem ich das ſchreibe / koͤmmt mir noch etwas in die Feder / das ich mit anfuͤgen will. Meine eigene Kinder hatten eben da - mals von der Mutter etliche Nüſſe mit in die Schul empfangen; und weiln eine oder zwo darunter ziemlich groß / und groͤſſer als die andern / waren fieng ſich ein weinen an / ein Stutzen / daß ein es ſo kleine / das andere ſo groſſe Nuͤſſe bekommen haͤtte. Damit nun jenem ſein Will erfůllet / und ſeinem Weinen abgeholfen wuͤrde / mußte es mit dieſem tauſchen; da dann bald lauter guter Will wurde. Kaum aber / daß es zur Tuͤhr koͤmmt / und aufbeiſſet / findet es / daß ſie leer und nichts nutz ſind; Haͤtte demnach ſeine vorige kleinere gern widergenommen. La - chen mußte ich ſelbſt darob / und weil ich im Schreiben war / dachte ich eben bey mir: Rechtſchaffen ſo Kindiſch iſt manchmal unſer / der Alten / Begehren auch. Wir nei - den / wir ſtreiten / wir feinden einander an / darum / daß der und der / dem Anſehen nach / ein groͤſſers Anſehen / ein paar Diener mehr hat / ein Buchſtaben zehen zwoͤlf mehr inQ iijſeinem366Das Zwoͤlfte Capitel. ſeinem Titel fuͤhrt / ein paar Farben mehr in ſeinem Wappen / ein paar Schritt vor - her in ſeinem Gang / ein groͤſſers Anleuten an ſeiner Tühr hat / einen mehrern Ruff ſeines Nahmens / ein / den Augen nach / treff - lichers Einkommen und Gewinn / und ſo fortan. Wann uns aber eben das werden ſolte / und in dem Augenblick / jener / alles das ſeinige mit uns tauſchen muͤßte; alsdann wuͤrden wir oft und oft erſt ſehen / was fuͤr leere Nuͤſſe wir eingetauſcht / an Schaalen zwar uͤber-groß / und maͤchtig ſcheinlich: aber am Kern ſo klein und ſo duͤrꝛ / daß mans weder genieſſen / noch ſehen moͤchte; und froh ſeyn wuͤrden / und Gott danken / wann er uns unſere kleine / doch gewiſſe / gute Kern - lein / in einer kleinen Schaalen verdeckt / wider zukommen lieſſe / darinn doch noch Safft und Krafft geweſen; Da hingegen das oder jenes / ſo groß es ſchiene: ſo nicht anderſt im Grund der Wahrheit zu achten waͤre / als wie eine / vom Luft aufgeblaͤhete Blaſen / darinnen ein paar Erbeiß-Koͤrn - lein einen Hall von ſich geben / als wann es lauter kleine Heerpaucken waͤren; ſo mansheraus -367Das Zwoͤlfte Capitel. herausnimmt / und hinwirft / kaum geſehen / und wenig gehoͤret werden moͤgen.

Das ſey von der ſtolzen Kuͤmmerniß geredet / die eine Mutter deß Neides iſt / der ſich zuweiln in unſern Herzen reget. Dem - nach wird man von ihrer Frucht bald ur - teihlen koͤnnen.

Deſto bedachtſamer aber iſt da umzuge - hen / deſto gemeiner das iſt / potiſſimùm in aulis, palatiis & domibus Regum atq́ue Principum, quantumvis etiam in Acade - miis, Collegiis & Monaſteriis religioſo - rum non infrequens ſit, das iſt: ſonder - lich an Hoͤfen / und Koͤnigs - und Fuͤr - ſten-Haͤuſern / wiewol es auch auf Academien / Collegien und Kloͤſtern nit ſelzam iſt / wie(*)Ducis peccat. L. II. p. I. c. VII. p. m. III. Ludov. Grana - tenſis redet.

Ich ſage alſo: Entweder / du kanſt dem / den du neideſt / damit ſchaden und dir dardurch helfen; Oder du kanſt dardurch weder jenem ſchaden / noch dir helfen. Kanſtu ihm nit ſchaden / und dir auch nicht helfen / und wuͤrgeſt dich dochQ iiijſelbſt368Das Zwoͤlfte Capitel. ſelbſt bey dir ſelbſt ſo lang / ſo ſchmerzlich / mit ſolchem jnnerlichen Verzehren / durch deine / doch nichts / als ohnmaͤchtige Gedanken: ſo iſt der Schad ja dein und nicht ſein? Du aber wirſt ein Moͤrder an deinem Leib / ein Todſchlaͤger deiner Geſundheit / ein Freſſer deiner Kraͤfften / eine Gall deiner Seelen / ein Gift deines Gebluͤtes / und kommeſt mir eben fuͤr / wie in den Fabeln der Maul - wurf / der es ſich ſo bitterlich verdrieſſen lieſſe / und allen andern Tiehren von Herzen mißgoͤnnete / daß ſie das Geſicht haͤtten / und nicht auch blind waͤren wie er iſt. So wenig aber / als der Maulwurf andere Tiehr er - blinden kunte: ſo wenig kanſtu oft dem / den du neideſt / auch tuhn. Die Gaben deß Ge - muͤhtes kanſtu ihm nit nehmen; und wann du ſie fchon nehmen koͤnteſt / ſo kanſt du ſie doch dir nicht geben. Du kanſt ihm ſeinen Dienſt und Amt nicht nehmen; und wann du es auch nehmen koͤnteſt / ſo mag es doch ſeyn / daß du ſelbiges dannoch nicht erlan - geſt. Du kanſt ihm ſeinen Adel nit nehmen / ſeinen Reichtum nit / ſeine Kundſchaft nit / ſeine Dames nicht; warum neideſt du ihndann?369Das Zwoͤlfte Capitel. dann? Dich helf es im End ja nichts / wann er um alles kaͤme / wann er ſo arm waͤre als du. Warum quaͤlſtu dich dann / daß er nit ſo iſt wie du biſt? Nemlich: So fuͤr einen groſſen Tohren man den Siechen hielt / der ihm ſelbſt heimlich weh taͤhte und abweinte / daß nicht ein anderer auch ſiech wuͤrde / und mit ihm an der Straſſen ſaͤſſe / und bettelte! Jo ſo alber iſt der Schmerz im Herzen / der einen Neidhaͤmel kifet / daß jener nicht auch ungeachtet / nicht auch ein Idiot, nicht auch ſchlecht und nider geblieben iſt.

Vielmehr aber haͤtte ein ſolcher Urſach es umzuwenden / und / weil er es nicht hat / auch nicht zu erlangen weiß / und noch jenen darzu nicht hindern kan / ſich viel weniger helfen; zu gedenken / wie er ihm Hůlf durch jenen ſuche / durch welchen Gott manchem ſchon eine Huͤlf geſchafft / und ihm wol ſelb - ſten einen Schatz aufgeſpaart habe / den er eben jetzt noch nicht wiſſe: Heut oder Mor - gen aber noch erfahren koͤnne; entweder fuͤr ſich / oder fuͤr die Seinige / auſſer dem weder er / noch ſie haͤtten bleiben koͤnnen. Man ſehe nur die Bruͤder Joſephs an! Die Traͤum kundten ſie nicht hindertreibenQ vdie370Das Zwoͤlfte Capitel. die Joſeph hatte; Gott kundten ſie es nicht wehren / daß ers erfuͤllete; Ihnen ſelbſt kun - ten ſie keine Propheten ſeyn wer ſie werden wuͤrden; Und nun / wann es nach ihrem Neid ergangen waͤre / und Joſeph ſo elend als ſie / ſo kein Herꝛ wie ſie / daheim wie ſie / ſo nider wie ſie geblieben waͤren / wie nider wuͤrde es wol ihnen allen ergangen ſeyn / da ſo viel Jahr Hunger und Teurung kom - men iſt. Gen. XLII. 2. Wen haͤtten ſie gehindert als ſich ſelbſt? Sie ſelbſt waͤren ihre eigene Moͤrder worden! Sie ſelbſt haͤtten Menſchen und Viehe muͤſſen ver - ſchmachten ſehen: Sie ſelbſt haͤtten nirgend kein Bleiben gehabt: Nimmermehr waͤ - ren ſie ſo wol ankommen: nimmermehr ſo ruͤhig geſeſſen / ſo in allem vollen / ſo viel Zeit und Jahr / unter ſo einem groſſen Schutz und Schirm. So laß an ſtatt dieſes deines Neides das Exempel in das Herz / und ge - denke ja ſo: Wer weiß / warum es GOtt tuht / daß er jenen ſo hoch erhabẽ habe? Wer weiß / ob es nicht mir ſelbſten noch dienet? Wer weiß ob es nicht in meinem Alter? ob es nicht nach meinem Tod! ob es nit denen und jenen Armen / denen ich nimmermehrhaͤtt371Das Zwoͤlfte Capitel. haͤtte helfen koͤnnen / oder auf ſolche Weiſe nicht / oder an dem Ort nicht / oder bey denen Perſonen nicht / und ſo fort.

Das hat der zu betrachten / der einen nei - det / und ihm doch nicht ſchaden / und ſich nit helfen kan.

Kanſtu ihm aber ſchaden / ſo iſt die Frag: Ob du ihm ſchaden wolleſt / oͤder nit? und widerum / wann du ihm ſchaden willſt / warum du ihm ſchaden wolleſt? Wilt du ihm nicht ſchaden / was darfs dann deß Neids / der dich ſo kraͤnket? Wilſt du ihm / aus Neid / ſch aden / ſo muß es geſchehen / weil er entweder dir gleich ſeyn ſoll in Eh - ren / in Anſehen / in Reichtum / in Gewalt / in Kunſt; oder: daß er mehr ſey und mehr gelte; oder / daß du meyneſt / er Heut oder Morgen noch hoͤher ſtei - gen werde als du biſt. Mein! bedenke aber alle drey Urſachen / wie unwehrt ſie ſind / daß du dich ſelber wegen martern / und Muͤhe / Gefahr und Sorg; zu letzt wol Spott und Schand auf dich laden wilſt.

Jſt er Neidens und folgendes Scha - dens wehrt / weil er dir gleich iſt / ſo ſtehet esnoch372Das Zwoͤlfte Capitel. noch dahin / ob du deinen neidiſchen Sinn gegen ihm vollenden / und das mißgoͤnſtige Muͤhtlein kuͤhlen koͤnneſt? Jſt er gleich im Anſehen / ſo hat er ſo viel auf ſeiner Seiten / als du auf deiner. Jſt er gleich im Reich - tum / ſo kan er ſo viel darauf wenden als du. Jſt er gleich an der Gewalt ſo haͤlt er ſo hart als du. Jſt er gleich an der Kunſt und Wiſſenſchaft / ſo weiß er dir ſo bald zu be - gegnen als du ihm. Jm End werden alle Verſtaͤndige urteihlen: Du / der du der An - faͤnger geweſen / und jenen zur Gegenwehr getrieben / haͤtteſt Unruhe ſuchen wollen / derer man allenthalben haͤtte entbehren koͤnnen. Zu geſchweigen / ob du nicht in deß Hoͤherern Mißfallen und Ungnad faͤlleſt / in welches alles der unbeſonnene Neid laufft.

Jſt er dann mehr als du / und gilt mehr als du / ſo wird es ſchwer fallen / ob du ihm ſchaden kanſt; und wann du ja ſchaden koͤnteſt / bedarfes noch tauſent bedenken / ob du ihn angreiffen ſolteſt? eben darum / weil er mehr iſt / und mehr gilt als du.

Soll ſich dann dein Neid darum an ihn machen / daß du ihm verwehren wolteſt die kuͤnftige Gluͤckſeeligkeit / und ein folgendesgroͤſſers373Das Zwoͤlfte Capitel. groͤſſers Aufnehmen als deines iſt / ſo iſt es das allerunbeſonnenſte. Dann wer weiß ob du? wer weiß ob ers erlebt? wer weiß ob es nicht dein Nutz mehr als dein Schad iſt? ob du nicht inzwiſchen alt / abkraͤfftig / un - vermoͤglich worden biſt / und das nimmer ertragen kanſt / was er kan; nimmer dauren was er dauret; nimmer arbeiten was er ar - beitet; Dagegen in baͤſſerer Ruhe deines Alters ſitzeſt / in Beluſtigung an deinen vor - her viel-getahnen treuen Dienſten / in Bey - rahten ſo viel du noch kanſt / und dir der menſchliche Zuſtand zulaſſen will; in we - nigerer Gefahr eines übelausſchlag enden Endes / daß jener alles auf ſich hat der noch in voller Action begriffen iſt / und in ſtaͤtem Zweiffel ſtehen muß / ob er ſo lang als du gluͤckſeelig iſt / ob er den favor ſo lang erhal - te als du / ob er ſolch einen Dank erlange wie du / ob erſein Anſehen in ſein Alter verharꝛ - lich bringe / wie du? Demnach iſt dir bereit geholfen würklich / jenem erſt halb in Hoff - nung / halb in Fuͤrchten / weil ein Augen - blick allesverkehren kan.

Zu letzt / wann es auch dein Nutz nicht waͤre / ſo gedenke: Es tuhe es Gott oft demQ vijganzen374Das Zwoͤlfte Capitel. ganzen Regiment zum Baͤſten / einem gan - zen Hof; er tuhe es der ganzen Handelſchaft zum Baͤſten / dem ganzen Handwerk / ei - nem ganzen Collegio; Das alles / weil er nach dir laͤnger will ſtehen laſſen / ſelbem auch nach dir Leut beſcheeren wolle / die ihm fuͤrſtehen ſollen / und dir etwan lang an der Seiten geweſen / geſehen / gelernet haben was die Noht erfordere / wie in diefem Fall man procedirt / wie in jenem / wie mit ein - heimiſchen / wie mit Fremdem / wie mit ho - hen / wie mit niedern / wie in geheim / wie oͤffentlich! Will nun dein Neid das verhuͤ - ten / was verhuͤtet er? Er verhuͤtet das / daß dein eigener Nutz iſt / das deines Alters Ruh iſt / das dein Leben erleichtert / deine Kraͤfften unterſtuͤtzt / deinen Ruhm ver - ſichert / dein Anſehen bekraͤfftiget / dir deinen Dank verſiegelt. Er will verhüten / daß dein Vatterland / dein Regiment / der Hof - ſtab / das Collegium, die Handelſchaft / das Handwerk nimmer in ſolchem Wolſtand / in ſolchem eſſe, in ſolchem flor erhalten; oder / wie dann jmmer ein Tag deß andern Lehrmeiſter iſt / noch wol baͤſſer und hoͤher aufgebracht werde / und einen Zunahm be -komme.375Das Zwoͤlfte Capitel. komme. Nun muß man aber das ſonder - lich erwaͤgen / daß ein jeder nicht nur ihm ſelbſt und ſeinem eigenen Hauß gebohren iſt: ſondern auch dem gemeinen Weſen / das / wie es ſich weiter erſtreckt / als dein pri - vat-intereſſe, deine einige Autoritaͤt / dein allein-ſchallender Ruhm; alſo macht es / daß die Suͤnd deſto groͤſſer ſey / und fuͤr Gott und Menſchen verwerflicher / wann einer aus Neid ſelbiges nicht foͤrdern mag / und den hafſen / und hindern / und drucken will / der ihm entweder forthelfen kan mit Gaaben deß Gemuͤhtes / mit ſeinem Reich - tum / mit ſeiner Gewalt / mit ſeinem Anſe - hen / mit ſeiner Handlung / mit ſeinem Hand - werk / ꝛc. oder noch wol zu dieſer Zeit baͤſ - ſer aufſchwingen / als zu jener Zeit; weil es allezeit leichter iſt / wann / wie man ſpricht / das Eyß ſchon gebrochen iſt; und der Ruhm dem ſo wol bleibet / der einen guten Anfang; als dem / der einen guten Fortgang machet; weil dieſem von jenem der Weg gebahnt worden iſt / und er etwan nicht ſo wol den Grund haͤtte legen koͤnnen / wie jener gelegt / ob ſchon jener es nit ausbauenkan / wie die - ſer es ausbauet.

Neideſtu376Das Zwoͤlfte Capitel.

Neideſtu nun den / ſo neideſtu die Voll - kommenheit deß Werks; Hinderſtu den / ſo hinderſt du den Bau: Legſt du dich dar - zwiſchen / ſo ligt dein Grund ſo lang oͤd / und gibt einen Unform in Regiment / einen Mangel am Hof / einen Abtrag dem Colle - gio, einen Anſtoß der Handlung / eine Ab - nahm im Handwerk / ein Aergerniß der Welt / einen Schandfleck deiner Arbeit / ein Verachtung nach deinem Tod; der Re - chenſchaft zugeſchweigen / die du Gott dar - für ſchuldig bleibeſt. Jetzt antworte du mir nach deinem Gewiſſen: Ob es nit das hoͤch - ſte Unrecht ſey / ein mit Neid erſeſſenes Ge - muͤht gegen dem tragen / der dir entweder gleich / oder hoͤher iſt / oder den du beſorgeſt / daß er hoͤher ſteigen werde als du biſt?

Jn beſagtem allen moͤchte ſich aber das Herz noch befriedigen koͤnnen / wann es nur auch darinnen koͤnte / ſo es ſehen ſoll / daß manchmal ſo ein viel geringerer empor ſtei - get / und er als ein hoͤherer dahinden bleiben ſoll. Soll das nicht ein jeglich ehrlich red - lich Gemuͤht verdrieſſen / und einen Unwil - len verurſachen / wann es ſonſt niemals ei - nigen Neid getragen haͤtte?

Laſſet377Das Zwoͤlfte Capitel.

Laſſet demnach zuſehen / was da Raht? Dieſe Frag aber muß zuvor entſchieden werden: Welcher Geſtalt jener gerin - ger / dieſer hoͤher iſt? Jſt er geringer dem Stand / und Adel / und Geſchlecht / und dem Reichtum / und dergleichen nach; oder der Kunſt und Qualitaͤten nach? Um jenes willen allein einem Feind ſeyn / weil er ge - ringer vom Stand / niderer von der Geburt / aͤrmer an Mitteln; dannoch hoͤhere Ehr / ein fuͤrnehmer Amt / baͤſſere Kundſchaft / er - wuͤnſchtere Heuraht erlanget: Um deßwil - len / ſprich ich / allein einen Neiden / iſt fuͤr - wahr unbeſonnen gehandelt. Dann wie die Tugend keine Perſon anſihet / ſich auch maͤnniglich ſelbſt anbeut / weß Stands / welcher Wuͤrden er ſey: alſo geſchiht ihr auch unrecht / wann ſie gedruckt und ge - feindet werden ſoll / ſo ſie ihre Wohnung bey dieſem oder jenem von Stand / Geburt / Mitteln / geringerem aufgeſchlagẽ hat. Der Adel / den allein die Mutter gibt / iſt ein ge - mein Ding / und ſo hin zu ſchaͤtzen / wann das Gemuͤht nicht darbey einen adelt. Wann Reichtum zugleich Weißheit fuͤhr -te /378Das Zwoͤlfte Capitel. te / und das Gold / wie es die Augen deß Leibes beglaͤnzet: alſo auch die Augen deß Gemuͤhtes erleuchtete / ſo waͤre es etwas. Du aber / wann du dem Stand nach ein Edelmann / und den Gaben nach ein Bauer biſt / zu was ſoll deß Herꝛen Hof deiner / dem ein Bauernhof baͤſſer anſtehet? Das Amt / die Stelle / der Ort erfordert ſolche und ſol - che Perſonen wie jener iſt / und du nicht: Warum mißgoͤnneſtu es ihm dann? So ſiehe nun wie diß falls der Neid dich be - toͤhren will!

Jenes falls aber iſt es ſo zu bedenken. Ohn iſt es nit / wann einer / der von Qua - litaͤten nicht iſt / noch darzu vom Stand / von Mitteln nicht / einem / der ihn doch weit uͤbertrifft / vorgeſetzt werden ſoll / mehr geehrt ſeyn / mehr angeſehen / groͤſſere Gewalt er - langen / hoͤhern Reichtum / ſo ſchmerzet es fuͤrwahr / und faͤllt eben ſchwer ſein Herz zn halten / daß es ſich nicht gegen jenem ſtellen ſolle / und gar unvergriffen ſeyn mit einigem Auffatz. Aber doch / wann es ſonderlich nicht zu aͤndern ſtehet / wie es oft geſchiht / ſoll ſich einer dagegen ſo ermuntern / und denken:Es379Das Zwoͤlfte Capitel. Es ſey ihm je zu verſprechen / daß ein Narꝛ ſeines Herzens Ruhe nehmen ſoll! Es ſey ihm zu verſprechen / daß er einen Tohren neiden ſoll / daß er an einem Toͤlpel ſich rei - ben ſoll! Die kuͤnftige Zeit werde ſchon weiſen Beyder Unterſchied / und / was der Ausgang tauſentmalgelehrt / auch wol da lehren / daß / je hoͤher Gott jenen zuweilen habe ſteigen laſſen: je mit ſchwererm Fall auch wider herab ſchlagen laſſen. Wo ei - nes jeglichen vortrefflichere Qualitaͤten / ſein Adel / ſeine mehrere Mittel / ſein baͤſſerer Verſtand dienen koͤnnen / werde ſie GOtt ſchon wiſſen anzuwenden / als der ſie ihm gegeben hab / nicht allein für ſich: ſondern auch fuͤr ſeinen Naͤchſten / deme er ſo wol geboren ſey / als ihm ſelbſt / maſſen oben im IX. Capitel weiter geſagt worden.

Hat nun eines ſein Hertz alſo geſteiffet / ſo kan es deſto ehender ſich jnnhalten gegen ſeinem GOtt zu murꝛen / daß er jenen ent - weder ſelbſt herfuͤrgebracht und ihn nicht; oder doch aufs wenigſte nur zugelaſſen / daß jenem Gottloſen / Ungerechten / Unweiſen da oder da / ſo und ſo wol gehe; und ſein Fuͤr - nehmen doch nicht habe foͤrdern wollen. Dann380Das Zwoͤlfte Capitel. Dann einmal bedenke doch nur das / Mein Lieber! daß keines der zeitlichen Guͤter / dein eigen iſt. So nimt dir auch GOtt nichts von dem deinigen / wann er einem andern was gibt / es ſey groß oder klein. Gibt ers aber von dem ſeinigen / was murꝛeſt dann du wider ihn? Ob du nicht den abweiſen wuͤrdeſt / ich frag dich / der dir vorſchrei - ben wolte / wie viel du von dem / daruͤber du lediglich Herꝛ waͤreſt / dem oder dem vereh - ren wolteſt? Du wuͤrdeſt ſeine Einbildung nicht vertragen koͤnnen / und / wann du noch gelind giengeſt / wol ehe ſolche Antwort ge - ben: Weil du ihm das ſeinige nicht an - greiffeſt / und nicht ein Haar breit verꝛuckeſt oder minderſt: ſo ſoll er hinwider dir die freye Gewalt laſſen / mit dem Deinigen zu - handeln / wie du es fuͤr rahtſam befindeſt.

Eines muſt du hier rund antworten: Entweder du erkenneſt Gott fuͤr einen HErꝛn uͤber alle Zeitliche Guͤter / uͤber den Reichtum uͤber das Anſehen / uͤber alle Aempter und Dienſte / uͤber alle Herꝛ - ſchaften / und was mehr hier zeitlich heiſſet; Oder du erkenneſt Gott nicht darfůr. Erken -381Das Zwoͤlfte Capitel. Erkenneſtu ihn nicht fuͤr einen Herꝛn uͤber alles und jedes / wie es an dieſem Ort nah - men haben moͤchte / ſo widerſprichſtu rund dem / was im XXIV. Pſalm . 1. ſtehet: Die Erde iſt deß Herꝛn / und alles / alles / alles was darinnen iſt Jſt nun der Reichtum darinnen / ſo muſtu David luͤgen ſtraffen: oder du muſt geſtehen / daß er deß Herꝛn iſt: Jſt das Anſehen darinnen / ſo muſt du wider geſtehen / daß es deß Herꝛn ſey: Jſt ein Amt darinnen / wider / daß es deß Hoͤchſten ſey: Jſt eine Herꝛſchaft da - rinnen / und du hoͤreſt / daß man den oder den einen Herꝛn daruͤber heiſſet / oder nenneſt ihn ſelbſt alſo; ſo muſt du doch geſtehen / daß / ſo groß auch der Herꝛ iſt / er dannoch einen groͤſſern uͤber ſich habe. Geſteheſt du dann / daß Gott allein der Herꝛ iſt uͤber die Ehr die in der Welt iſt / uͤber das Anſehen darinnen / uͤber den Reichtum darinnen / uͤber den oder den erwuͤnſchten Fall / wa - rum brummeſt du dann / wann Er ſeiner Herꝛſchaft ſich gebrauchet / und den ſo / den wider anderft in der Welt anbringt.

Rechtſchaffen iſt ein ſolcher Sinn dortin der382Das Zwoͤlfte Capitel. in der Parabel von den Arbeitern im Weinberg abgebildet. Matt. XX. Die ſich ihrem Sinn nach baͤſſer dunken lieſ - ſen / eines mehrern wehrt als andere / fan - gen an wider den Haußvatter zu murꝛen / daß er andere / die es ja nimmermehr wehrt waͤren / auch ſo anſehe wie ſie. Jhnen ge - buͤhre allein ſo viel / und jenen nicht: auf daß zwiſchen dieſen und jenen ein Unterſcheid ſey. Allein es antwortet der Herꝛ deß Wein - berges gar ſtattlich: Jch will dieſen letz - ten geben / gleich wie dir. . XIV. Jch will / ſpricht er / oder / ſo gefaͤllt es mir / und dieſes mein Gefallen nim̃t dir ja nichts. Oder / wie? Hab ich nicht Macht zu tuhn / was ich will / mit den Meinen? . XV. Das iſt / wer will mich dann aus meiner Herꝛſchaft treiben / und mir die Ge - walt nehmen / mein eigenes anzuwenden / wie es mir beliebt. Oder / noch weiter: Si - heſtu darum ſcheel / daß ich ſo guͤtig bin? Das iſt: kanſt du es nicht leiden / daß ich das Meinige ſo mitleidig austeihle / und dir ein Trumm / jenem auch ein Trumm davon gebe?

Alles383Das Zwoͤlfte Capitel.

Alles ſolches mißgoͤnſtigen Murꝛens ſich zu entaͤuſſern / hat Moſes ſchon fuͤr viel hundert Jahren ſich ſelbſt zu einem Exem - pel geſtellet. Siebenzig Maͤnner unter den Aeltiſten deß Volks erwaͤhlte GOtt / und nahm deß Geiſtes / der auf Moſe war / und legt es auf ſie / daß ſie anfien - gen zu weiſſagen / Num. XI. . 16. 17. Moſes ſelbſt murꝛet erſtlich darwider nicht / daß 70. ſeines gleichen begabte da ſeyn ſol - len; weil er wol wuſte / daß die Gaben nicht ſein: ſondern Gottes waͤren / der ſie neh - men und geben koͤnte / wann / und wem / und wo er wolte. Er erfaͤhrt uͤber diß / daß noch uͤber zween andere / Eldad und Medad / die nicht dabey waren / der Geiſt GOttes auch ruhete. . XXVI. Darob er ja ſo wol zu frieden iſt. Joſua / den Sohn Nun / Moſe Diener verdreußt es / daß einer ſei - nem Herꝛn gleich ſeyn ſolle / als deſſen Au - toritaͤt dardurch ringer werden wuͤrde / ſei - ner Meynung nach. Laufft deßwegen im Zorn htn / und meynt Moſe fluchs aufzu - bringen daß er eifern ſolle / und ſpricht: Mein HErꝛ! Moſe / wehre ihnen. XXVIII. 384Das Zwoͤlfte Capitel. . XXVIII. Was? wolt er ſagen / du muſt dieſe nicht aufkommen laſſen; druͤcke ſie bey Zeit / ſchlag unter weil du kanſt / du ſiheſt ja ſchon fuͤr Augen / was das / wie man ſpricht / dir fuͤr Brenneſſel werden werden. Was taͤht aber Moſes? Wann er eines ſolchen Neidhaͤmels Herz gehabt haͤttc / wuͤrde er freylich ſeine grandezza, wie mans heiſſet / haben wollen ſehen laſſen / ſein Geſicht ange - pfinnet / ſeine / heimliche Conſilia aufs we - uigſte / darwider gefuͤhrt haben. Allein es findet ſich das / daß Joſua / ſo gut ers mag gemeynt haben / ſo hart angeloffen iſt. Biſt du der Eiferer fuͤr mich / ſagt Moſes zu ihm . XXXIX. das iſt: Eines ſol - chen heimlich-ſtoltzen Herzens bin ich nicht. Wolte GOtt daß alles Volk deß Herꝛn weiſſagete / und der Herꝛ ſei - nen Geiſt über ſie gebe! Jch / meynt er / wolte es ihnen wol vergoͤnnen / wann ſie alle mir gleich waͤren! Wie nun alles / was geſchrieben iſt / uns zur Lehr ge - ſchrieben iſt / Rom. XV. 4. Alſo / gedenke / ſey auch das zu deiner Lehr geſchrieben / auf daß du weniger Urſach habeſt wider GOttzu muf -385Das Zwoͤlfte Capitel. zu muffen / der du bey weitem die Ehr / und das Anſehen / und die Macht nicht haſt / die Moſes gehabt und behalten hat.

Wann dir aber je das nicht genug iſt / ſo ſag mir noch eines: Jſt dir GOtt et - was ſchuldig von den zeitlichen Guͤ - tern / wie ſie Nahmen haben moͤgen; oder iſt er dir nichts ſchuldig? Jſt er dir et - was ſchuldig / ſo verdenke ich dich nicht / wann du aufs wenigſte dein Verdienſt ſu - cheſt um den du mit ihm eins worden biſt. Aber Mein! ſag mir vor / wo biſt du mit ihm eins worden? Um wie viel? wie lang iſt es / daß du dich mit ihm ver - glichen haſt? Was fuͤr Arbeit haſtu ihm jnzwiſchen geliefert? Oder / ſag mir: Haſt du nicht ſchon etwas von deinem Lohn heraus genommen zum Vorauß? oder wol gantz und gar? oder wie viel reſtirtdir noch? Wann du aber meinem Raht folgeteſt / ſo ſchwiegſt du ſtill / Gott zu deinem Schuldner zu machen / und mit ihm zu rechten. Wer biſtu / ſagt Paulus / in ſolchem Fall Rom. IX. 20. alsRwolt386Das Zwoͤlfte Capitel. wolt er ſagen: Was bildeſt du dir ein? Wo - hin denkeſt du? Beſinneſt du dich nicht wer du ſeyeſt? wer Gott ſey? was du arbeiten kanſt? was Gott für Arbeit haben will! Jn Summa; Du biſt nichts / dein Verdienſt iſt nichts. Wann dir nun GOtt nichts ſchuldig iſt / was plagſtu ihn dann? wann er dir nichts ſchuldig iſt / was verdreußt es dich dann / wann du nichts erhaͤlteſt? was darfs dann deß groben Forderns? Es iſt das Gottes Guͤte genug / daß er dieſe oder jene Gab dem menſchlichen Geſchlecht vergoͤnnet / derer du von der Fremd her genieſſen kanſt. Noch mehr iſt es / daß ers etwan deinem Vatterland / deinem Regiment vergoͤnnet / wann ers ſchon eben durch dich nicht tuht!

Waͤre es nicht einer Statt Zierd und Nutzen / ſo ein und anderer ſchoͤner Spring - brunn darein gefuͤhrt wuͤrde / ob er ſchon nit eben durch dein eigenes / ungelegeneres Hauß geleitet / und ſelbiges damit ergoͤtzt und beſchenket wuͤrde? Jch halte du wuͤr - deſt ſagen: Ja! Es ſtehet doch wol / entweder auf der Straſſen / oder indem387Das Zwoͤlfte Capitel. dem Haus; und dich deſſen nach gele - genheit ſelbſten bedienen. Sihe aber / wie du dich mit deinen eigenen Worten oder Ge - danken ſchlaͤgſt! Ein ſolches Springbruͤnn - lein / aus dem groſſen Meer der Goͤttlichen Gnaden / iſt gleichſam die Gab / der Reich - tum / die Ehr / das Anſehen / ꝛc. die der oder der hat fuͤr dir. Du muſt geſtehen / daß die Statt / das Land / der Hof / das Collegium, der Marksplatz / und ſo fort / dardurch geziert werde; Du ſelbſt haſt dich wol oͤfter ſeiner Autoritaͤt / ſeiner Mittel / ſeines Rahts be - dienet / oder doch kuͤnftig zu bedienen. Bil - licheſt du dann jenen Werkmeiſter / der ei - nes und mehr Waſſerwerk in die Statt leitet / wann er es ſchon in deine Wohnung nicht fuͤhret: Ey ſo billiche Gottes Werk auch / daß er den Tropfen ſeiner Gnaden da und da trieffen laͤſſet / ob er ſchon aus dir nicht traͤuft / und du es von jenen erſt holen mußt. Es iſt Zier genug / es iſt Nutz genug / daß man es haben kan; und / was gebe man - cher Ort darum / ſo er nur in der Naͤhe ein kleines Rinnlein friſches Waſſer zugenieſ - ſen haͤtte? Gern wuͤrde er mit der Natur zufrieden ſeyn: Und du wilſt mit dem HerꝛnR ijder388Das Zwoͤlfte Capitel. der Natur ſtutzen / daß er allerley ſolche Gaben neben dich / um dich / vor dich flieſſen laͤßt / ſo bald zu deinem als andern Nutzen / ob er es ſchon nicht eben in dich gefloͤſſet hat. Ey! ſo laſſe die Weißheit ungemei - ſtert! Laſſe die Freyheit uneingefangen! Laſſe den Vatter ſeine Kinder halten wie er will! Und wann du dich fuͤr eines ſeiner Kinder erkenneſt / ſo nimm mit ſeiner Koſt vor lieb / wie ers gibt. So wirſt du die Ehr deines Gehorſams / und er / die Macht ſeiner Guͤter ungetadelt behalten.

Jch will noch eines beyfuͤhren. Haſtu nie einen Kaͤiſer oder Koͤnig kroͤnen ſehen? Wo nicht / ſo haſtu doch gehoͤret / daß bey ſolcher Herꝛn Kroͤnung allerley Sorten Muͤnze ausgeworfen werden / guͤldene / ſil - berne / mehreres / wenigers Wehrts. Etwan haſtu dich ſelbſt mit darum geriſſen / oder andere reiſſen ſehen / und biſt zu frieden ge - weſen / wann dir kein guldenes hat werden koͤnnen / ſo du nur ein ſilbernes erlangt haſt; wann kein groſſes / doch nur ein kleines / das du zum Gedaͤchtniß aufhebeſt / und damit du eine lange Zeit prangeſt. Sihe aber da - gegen nur / wie ſchimpflich du mit GottesGuͤtern389Das Zwoͤlfte Capitel. Guͤtern umgeheſt / wann dir deren eines nit genug ſeyn will. Taͤglich wirft er gleichſam ſolche Schaupfenninge vom Himmel un - ter die Menſchen / unter denen du viel ver - gnuͤgte Gemuͤter findeſt / die von Hertzen zu - frieden ſind / wann ſie nur ein kleines An - denken ſeiner Gnaden bekommen haben. Du aber wilſt brummen / wann du etwan ein guͤldenes erlangt haſt / und doch nicht eben in der Groͤſſe / in der Schweere / wie es jenem zugeworfen worden iſt. O Unbeſon - nenheit!

Noch eines; Du lobſt den Muͤnzmei - ſter / der allerley Praͤg drücket. Dn biſt oft unwillig / wann du keine Scheidmuͤnze haben kanſt; Du ſchickeſt hin / biß du zu wechſeln erlanget haſt; Du gibſt noch wol aufwechſel / und haͤlteſt es fuͤr einen ſonder - baren Dienſt / wann man nur die groben Sorten mit kleinerer vertauſchen mag. Be - ſinne dich abermal / mit wem du zu tuhn haſt / wann du uͤber deinen Stand murꝛeſt! Was der Munzmeiſter in ſeiner Muͤnz: das iſt Gott in der Welt. Hat er dich zum Heller gemuͤnzet / ſo gedenke; So wenig die Welt deß Hellers entbehren kan: ſo wenigR iijkoͤnne390Das Zwoͤlfte Capitel. koͤnne ſie dieſes deines geringen Standes auch entbehren / und / ſo ein groſſes Gereiß oft um Pfenninge und Heller ſey: jo ſo groß ſey es um ſolche / die deines gleichen ſeyen. So wenig einer mit groben Stucken fortkommen koͤnne: ſo wenig koͤnne unſer Leben ſeyn / wann lauter Reiche / lauter Ge - lehrte / lauter Anſehnliche waͤren; ja du lobſt den Muͤnzmeiſter / wann er nur genug gu - ter guͤltiger Scheidemuͤnze gemacht hat. Ey ſo lobe Gott auch in dem / was er an dir und deines gleichen getahn hat. Will jener die Pfenninge wider umſchmelzen / und ei - ne groͤſſere Muͤnz daraus machen / ſo ſtehet es bey ihm; und / was vor einen Heller galte / wird jetzt einen Groſchen gelten. Wird dein Gott dich auch hoͤher ſetzen wollen / darf er bey weitem ſo viel Muͤhe nicht als jener; wann er ſpricht / ſo geſchiht es / und wann er gebeut / ſo ſtehet es da. Pſalm. XXXIII. 9. Trage du ſo lang / mit Wil - len / den valor, der dir / ſo zu reden / aus ſei - ner Münze worden iſt; und denke: du gelteſt ſo wol in ſeinem Gebiet / und ſeyeſt ſo un - verſchlagen als der Tahler iſt; weil auf ei -nem391Das Zwoͤlfte Capitel. nem die autoritaͤt ſeines Herꝛn ſo wol ligt / als auf dem Andern.

Oder gehet dir das Gleichniß von einem Herꝛen Hof baͤſſer ein / ſo nehme es alſo an. Es iſt die Welt nicht anderſt / als wie eine groſſe Haußhaltung Gottes. Biſt du da - rinn / wie du darinn biſt / ſo laſſe dir das be - nuͤgen / daß dich Gott in ſeine Dienſt ge - nommen habe / welcherley ſie auch ſind und heiſſen moͤgen. Wirſt du ſeine Weiſe ler - nen / und eine Weil / ſo zu reden / in dieſer Stell dich abrichten laſſen / biß du zu was groͤſſers taugeſt / ſo wird er deiner alsdann nicht vergeſſen / dir promotion zu ſchaffen / derer du / und die hinwider dir anſtehen wird. Solleſt du aber der bleiben der du biſt / ſo ſey darinnen der du ſeyn ſolleſt / und die - ne was du bedienen kanſt / und denke: du ſeyeſt doch / ſo zu reden / mit am Hof deines Gottes! du genieſſeſt von ſeinen Guͤtern! du ſeyeſt einer von ſeinen Dienern! du lebeſt unter ſeinem Schutz; ob du ſchon nicht mit an ſeiner Tafel ſitzeſt / oder ſeine Kleider an - zieheſt / oder ſein Hofraht / ſein Geheimer Diener / ſein Geſandter werdeſt. Man haͤlt auch nur einen Stifel oder Strumpf einesR iiijjrꝛdi -392Das Zwoͤlfte Capitel. jrꝛdiſchen groſſen Herꝛn fuͤr was beſonders / ob er es ſchon in allem Unflat getragen hat; und dem ſoll eine ſonderbare Gnad wider - fahren ſeyn / der etwas davvn an ſeinem ei - genen Leib tragen darf: Wie dann? wa - rum ſollen wir da nicht auch ſo urteihlen? So / ſprich ich / ſoll man urteihlen: Und wañ auch einer / an der Weltgroſſen Hofhaltung GOttes / nur wie einer / ſo zu reden / ſeiner Schue und Stifel geachtet werden ſolle / in niderern / unſauberern Dienſten ſeine Dienſte tuhn: ſo ſey doch auch die Unehr eine Ehr; das verachte / geachtet; das nidere erhoͤhet / und wann ihn einer recht und weiß - lich betrachtet / ſo tuhe er wol mehr / und ge - treuere / und noͤtigere Dienſte: als der Al - lergroͤſte / der Allerhoͤchſte tuht; gleich wie das Leder / zum Exempel / an der Solen und Schuhen mehr nutzet einem Kaͤiſer oder Koͤnig: als der Sammet und Seiden / das Gold und Silber / das er oben traͤgt / und mehr zur Zierꝛaht gebrauchet / als zur Noht.

Die reiffliche Betrachtung naͤchſter Er - innerung / wird nun bald ſtillen den Fuͤr - witz / den das menſchliche Herz fo oft ver - uͤbet / in dem es / unbetrachtet ihres eigenenVer -393Das Zwoͤlfte Capitel. Vermoͤgens / oder vielmehr Unvermoͤgens / jmmer auſſer ſeinen Stand ſchreiten / und einem andern einen Eingriff tuhn / oder aufs wenigſte bald da / bald dort in ſeinem Amt und Beruff hofmeiſtern will. Was Herꝛ Lutherus von dem Regentenſtand ſchreibet / das findet ſich in andern Staͤn - den jo ſo wol / Er ſpricht aber:(*)Luth. T. III. Germ. VVitteb. ſuper Pſal. C l. p. m. 453. b. Jn der Welt geht es alſo zu / daß keiner ſo grob und ungeſchickt iſt / er meynet / wo er im Regiment waͤre / er wolte es gar koͤſtlich machen / und laͤſſet ihm gar nichts gefallen / was andere im Regiment machen; Gleich wie jener Knecht in der Comoͤdien Terentii, wuͤnſchet und ſpricht: Ach / ich ſolte ein Koͤnig worden ſeyn! Und Abſo - lom ſprach / hinter ſeinem Vatter David / zu den Bürgern Jſrael: Du haſt wol gute Sachen; aber es iſt vom Koͤnig niemand verordnet / der dich verhoͤre. Ach / daß ich das Regi -R vment394Das Zwoͤlfte Capitel. ment im Land haͤtte / und muͤßten alle Sachen fuͤr mich kommen / wie gar gut Recht wolt ich halten! ꝛc. II. Sa - muel. XV. 1-6. Das ſind die Mei - ſter-kluͤglinge / die das Roß fuͤr groſ - ſer Weißheit im hindern zaͤumen koͤn - nen / und nichts mehr koͤnnen / dann andere Leute urteihlen und meiſtern / und wann ſie es in die Hand kriegen / ſo gehet es alles zu grunde mit ihnen. Gleich wie man ſpricht; Wer dem Spiel zuſihet / der kans am baͤſten. Dann ſie meynen / wo ſie die Kugel in die Hand kriegen / wolten ſie wol zwoͤlf Kegel treffen / da doch nur neu - ne auf der Leich ſtehen / biß ſie erfah - ren / daß neben der Leiche auch ein Weg bey hingehe Alles das kommt / wie gemeldet / daher / daß nicht ein jeder ſeine eigene Kraͤfte recht abmiſſet / und / Sprich - worts weiß zu reden / Rieſenſchuh anlegen will / die er nicht wol erheben kan: will ge - ſcheigen / gar darinnen hereingehen / dasiſt:395Das Zwoͤlfte Capitel. iſt: Er uͤberꝛedet ſich: Das hohe Amt / die maͤchtige Verwaltung / die Fuͤrnehme Handlung und dergleichen / wolte er weit baͤſſer verſehen / mit mehr nutzen / als der oder der / der es / ſeiner Meynung nach / unver - dient beſitze / und deßwegen jmmer von ihm geſtochert / gezwickt und getretten werden muß. Mein Freund und Freundinn! ge - denke aber ſo: Wann dir der Dienſt / das Amt / die Regierung / die Handlung / die Ehr / die Heurat haͤtte werden ſollen / waͤre alsdann deines Tuhns geweſt / dein Ver - moͤgen ſehen zu laſſen. Nun dir aber ein wenigers worden iſt / ſo ſetze deine Gedan - ken auf das / und ſey darinn getreu / biß dich GOtt uͤber ein groͤſſers ſetzen moͤchte / Matth. XXV. 21. So gering es auch iſt / darein du von ihm / Gott / geſetzet biſt / ſo iſt dir doch mehr befohlen / weder du kanſt ausrichten / ſagt Syrach im III. . 25. Alſo laß dich nit duͤnken / ſpricht er abermal / fuͤr Gott / du ſeyeſt tuͤchtig genug zu dem oder dem / wol tuͤchtiger / als jener. Laß dich nicht dunken beym Koͤnige / du ſeyeſt weiſe genug / weiſerR vjals396Das Zwoͤlfte Capitel. als jener / im VII. 5. Dann es frommet dir / erſtlich / nichts / daß du gaffeſt nach dem / was dir nicht befohlen iſt; alſo laſſe da / was deines Amts nicht iſt / deinen Fürwitz. Fuͤrs andere / hat ſol - cher Důnkel viel mehr betrogen / und ihre Vermeſſenheit hat ſie geſtuͤrzet / . XXVI. Dann wer ſich gern in Gefahr gibt / der verdirbt darinn. . XXVII. und einem vermeſſenen Menſchen geht es endlich uͤbel aus. . XXIIX.

Die bißher gefuͤhrte Lehren aber gehen die ſonderlich an / die ſich hartſeelig dunken laſſen / daß ſie ſolchen Reichtum / ſolches An - ſehen / ſolche Macht / ſolche Ehr / ꝛc. nicht ha - ben / die jene haben / oder in ſolchem Glanz nicht / wie ſie es haben. Denen aber / die es haben / iſt noch eines und das andere zu Gemuͤht zu fuͤhren.

Das allererſte iſt: Ob auch der / den GOtt fuͤr andern ſo gnaͤdig angeſehen / ſo hoch erhaben / ſo reich gemacht / ſolche Hand - lung / Nahrung / Heuraht / Amt und Dienſtgegeben397Das Zwoͤlfte Capitel. gegeben hat: Ob nun der / ſprich ich / GOtt auch einmal recht darfuͤr gedankt / oder in ſolch einem demuͤtigen Dank biß dahin ver - harꝛet iſt / iſt wol die erſte Frag. Es gehe auch mancher groſſer Herꝛ zu ruͤck / und gedenke / wie hart es etwan gehalten / biß er die Ho - heit erlanget / biß ihme die Gewalt worden / biß er zu der Kron und Zepter; zu dem Land und Leuten kommen iſt. Er gedenke / wie viel Muͤhe es gekoſtet habe / wie oft er ſelbſt / und andere mit ihm ſchon halb daran verzweiffelt. Und nun / da ers alles nach Wunſch erhoben hat / und etwan ſchon lang beſeſeſſen / hab er ja / ſeinem eigenen Ge - wiſſen nach / GOtt dem hoͤchſten Gott den Dank zu ſagen / tauſentfaͤltige Urſach / durch deſſen Vorſchub und heilige Ord - nung allein / es alſo ausgeſchlagen iſt / da alle menſchliche Conſilien einen andern Weg vorhatten / bey dem es ihnen ſonder Zweiffel gefehlt haͤtte. Auch die Heydniſche Regenten hat ihr Herz dahin getrieben / nach erhaltenem dergleichen Gluͤck / ihren / doch nur vermeynten Goͤttern / Opfer und Dankfeſte anzuſtellen. Seinem Juſtiniano aber ſchreibet Agapetus das vor / daß /R vijje398Das Zwoͤlfte Capitel. (*)Agapetus Capit. admonit. V. je groͤſſerer Gaben er von ſeinem GOtt ſey wehrt geachtet worden: je groͤſſere Widervergeltung er ihm ſchuldig worden waͤre; Die Schuld aber muͤſſe Er mit Dankbarkeit be - zahlen.

Sollen aber Gott einen Dank ſchuldig ſeyn auch / an ihrem Ort / die hoͤchſte Haͤub - ter der Welt: Wie viel mehr dann andere / denen wider an ihrem Ort ſo oder ſo wun - derbar / von eben dem Gott / geholfen wor - den iſt. Es iſt mancher von ſchlechten El - tern geboren / von Unedlen / von Armen / und hat ſich empor geſchwungen / er iſt ge - adelt worden / er hat Kaͤiſer - und Koͤnigliche Gnad erlanget; der wol nie gedacht ſo ſeelig zu werden / daß er nur einen ſolchen Herꝛn ſehen ſolte / will geſchweigen mit ihm reden / oder mit einem ſolchen hohen / anſehnlichen / reichen Amt von ihm begnadet zu werden. Nun ſo gehe er weiter / und danke dem Herꝛn von ganzem Herzen / der ihn aus dem Staub gehoben / zu Ehren gebracht und bey die Fuͤrſten geſetzt hat / Syr. XI. . 1.399Das Zwoͤlfte Capitel. . 1. Seine Seele lobe den HErꝛn / und vergeſſe nicht / was Er ihm gutes getahn hat / Pſal. CIII. 2. Der ihn mit Gnad und Barmhertzigkeit gekroͤnet. . IV.

Noch weiter zukommen! Es iſt mancher in eine Freundſchaft gerahten / durch eine ſo geſegnete Heurat / da viel Hoͤhere / Edle - re / Reichere / haben neben hingehen muͤſſen. Danket er ſeinem Gott darum nit / ſo hieſſe er wol ein Unerkaͤntlich Herz. Aber nicht ſo / mein Freund und Freundinn! Danket dem HErꝛn daß er ſo guͤtig iſt / und preiſet ſeinen heiligen Nahmen ewiglich! Danket dem Herꝛn / der euch / vielleicht erſt nach der Eltern Tod / ſo wol hat verſorgen wollen / ſo friedlich mit einander leben laſſen / etwan ſchon ſo lang / und in ein ſolches Alter / und dannoch ſo viel Jahr nicht anderſt laſſen fuͤrkommen / als waͤren ſie einzele Tag / wie zwiſchen Jacob und Rahel / im I. Buch Moſis im XXIX. 20.

Mancher hat von Kindesbeinen an in die Fremde gemußt / ſich da und dort herum ſchleppen muͤſſen / in Hitz / in Froſt / zu Tagund400Das Zwoͤlfte Capitel. und Nacht / ſchlecht gekleidet / ſchlecht gegeſ - ſen / in allem Staub / in allem Miſt / als ein Jung und Diener / oder Dienerinn! Gott aber hat ihn zu einem Herꝛn gemacht / die oder die Handlung / Gewerb / Nahrung ge - geben / daß er wider andere Jungen / Die - ner / Dienerinnen haben und halten muß; Solte deren einer gefunden werden / den - ſein voriger Jungenſtand / gegen dieſem / ſeinem Herꝛnſtand geſetzet / nicht erꝛinnerte / GOtt tauſentmal und demuͤtig zu danken fuͤr den Unterſchied / den er jetzt geneußt ge - gen jenem? Hiebevor hat Er ſichs wol ge - wuͤnſcht / auch eine ſolche oder ſolche Hand - lung / Handwerk / Gewerb / Nahrung zu ha - ben: aber nie geſehen / wie es moͤglich ſeyn koͤnte. Nun ihn GOtt nach der Zeit die Moͤgligkeit erwieſen / und ſeinen Wunſch erfuͤllet hat: Und er wolte das nicht erfül - len / was zu Gottes Ehren dienet / da ſolte Moſes ſagen: Dankeſtu alſo dem Her - ren deinem Gott du toll und toͤhrich - tes Volk! Deut. XXXII. . 6. Ey ſo wende es um / nnd / wie du ihn gebetten haſt in deinen Lehrjahren und Jungenſtand:ſo dan -401Das Zwoͤlfte Capitel. ſo danke ihm jetzt in deinem Meiſter - und Herꝛenſtand; Wie du ihn gebetten haſt in deinem Mangel: ſo danke ihm jetzt in dei - nem Uberfluß. Deine Seele erhebe den HErꝛn / und dein Geiſt freue ſich GOttes deines Heylandes / der dich elenden Knecht oder Magd angeſe - hen / und groſſe Ding an dir getahn hat; einen andern undankbaren vom Stul geſtoſſen / und dich Elenden er - hoben hat; der dich Hungerigen mit Gütern gefůllet / und manchen Rei - chen wider Leer gelaſſen hat / Luc. II. . 46. 48. 52. 53,

Findet man aber das / daß der Dank deß Hoͤchſten iſt und bleibt; ſo folgt das ferner vor ſich ſelbſt / daß / in was für Hoheit / Adel / Amt / Stand / Ehren / Reichtum einer ſchwebt / ſich beſcheidener / demuͤtiger / mit - leidiger erzeige. Dann ſonſten / wie ein ver - zagtes Ding das Menſchliche Hertz iſt / wann es ihm nicht gehet / wie es gern wolte: Alſo trotzig iſt es auch / wann es erlangt hat / was es ſuchet; oder mehr erlangt als es ſu - chet. Es iſt der Reichtum / ein ungehaltenesDing402Das Zwoͤlfte Capitel. Ding und laͤſſet ſchwerlich Ruhe / daß er nit das jnnwendige in dem Menſchen auf - blaͤhen ſoll / wo nicht auch die Zunge ſtre - cken / daß ſie ſtolz rede / Prov. XVIII. 23. Macht und Gewalt will jmmer mehr haben / weil ers haben kan; oder dem ſcha - den tuhn / der ihm ein Dorn in den Augen iſt. Ein hohe Geburt und ein altes Ge - ſchlecht ſihet nidere und geringere jmmer mit ſpoͤttlichen Augen an: Groſſe Aemter und Ehrenſtellen empfinden es leichtlich / wann man auch nur eine ungefehre Rede tuht. Alſo komt allen eine Lehr / die heißt: Erhebe dich nicht / und verachte nie - mand. David hat vom Erſten eine treff - liche Rede getahn / die heiſſet: Faͤllet euch Reichtum / ſo haͤnget das Herze nicht daran. Pſal. LXII. 11. Paulus weiſet ſei - nem Timotheo / wie er Reiche unterꝛichten ſoll! Alſo nemlich / daß ſie nit ſtoltz ſeyen / und ſich nicht verlaſſen auf den un - gewiſſen Reichtum / I. Ep. VI. 16. Frey - lich wol ungewiß. Manche Exempel waͤ - ren zu weiſen in geiſt - und weltlichen Hi -ſtorien /403Das Zwoͤlfte Capitel. ſtorien / derer / die gebettelt haben / da ſie zu - vor keinen Bettler haben anſehen / oder an - hoͤren moͤgen. So erhebe dich nicht deines Reichtums / den du erlanget haſt! Beſtehet er in Handlung / ſo ſihe nur die Maͤrckt und Plaͤtze an; Wie vielen iſt das Ungluͤck kom - men zu Waſſer / zu Land / die noch wol ſtaͤr - ker handelten als du? Beſtehet er in Baar - ſchaft; wie vielen iſt ein Dieb und Rauber dahinder kommen? Beſtehet er in Feld - und Landguͤtern; wie vielen hat Waſſer und Feuer ſchaden getahn / Hagel und Schloſſen verderbt / duͤrꝛe unfruchtbare Jahr verzehret? So ſpreche ja keines: Jch habe genug / wie kan mirs feh - len? Dann wann dirs wolgehet / ſo gedenke: daß dirs wider uͤbel gehen kan / iſt Sirachs Erꝛinnerung im XI. 26. 27. Wann man gleich ſatt iſt / kan man doch wider hungern / und wann man gleich reich iſt / kan man doch wider arm werden: und es kan vor Abend wol anderſt werden als es am Morgen war; dann ſolches alles ge -ſchiht404Das Zwoͤlfte Capitel. ſchiht bald für Gott / iſt abermal Si - rachs Red im XVIII. 25. 26.

Jſt einem groſſe Gewalt in die Hand gegeben; er mißbrauche es nicht an Nide - rern und Geringern. Groſſe Tuͤrne und hohe Eichen trifft der Blitz am oͤft - und ſtaͤrkeſten; Hohe Klippen fallen deſto tief - fer; Je hoͤher der Rauch geſtiegen iſt / je ehe vergehet er. Viel Tyrannen haben müſſen herunter auf die Erde ſitzen / und iſt dem die Kron aufgeſetzt wor - den / auf den man nicht gedacht haͤtte. Viel groſſer Herꝛn ſind zu boden gangen / und gewaltige Koͤnige ſind andern in die Haͤnde kommen / iſt wi - der Syrachs Anmahnung im XI. . 5. 6. David hat einen ganzen Pſalm gemacht / da ihm Doeg der Edomiter zu maͤchtig worden war an Sauls Hof / an der Zahl den LII. Der dieſe ſchoͤne nachdenkliche Wort in ſich fuͤhret: Was trotzeſt dann du Tyrann / daß du Schaden tuhn kanſt? . III. Deine Zunge trachtet nach Schaden / . IV. Es wird dichaber405Das Zwoͤlfte Capitel. aber Gott auch gantz und gar zerſtoͤ - ren und zerſchlagen / und aus der Huͤtte reiſſen / und aus dem Lande der Lebendigen ausrotten / Sela. . VII. Und die Gerechten werden es ſehen / und ſeiner lachen. . VIII. und ſprechen: Sihe / das iſt der Mañ der ſich darauf verließ / daß er maͤch - tig war Schaden zu tuhn / . IX.

Herꝛliches Geſchlecht / fuͤrnehme Aemter und Ehrenſtellen / vorab an groſſen Herꝛen - Hoͤfen ſind freylich ein groſſes zeitliches Gut / da unter tauſenden kaum einer hinge - langt. Wer nun der iſt / und wo er iſt / dem fuͤhrt obgedachter Sirach ſolches zu Ge - muͤht: Stehe nicht auf deinem eignen Kopf in deinem Amt / nnd mache dich nicht ſtoltz wann man dein bedarf / im X. 29. Und in folgendem XI. 4. ſpricht er: Die Weißheit bringe zwar oͤfter auch einen vorher Armen / zu Ehren / und ſetze ihn bey die Fuͤrſten / und ma - che einen Edelmann / einen Herꝛn aus ihm; aber doch ſoll ein ſolcher das merken / daß erihm406Das Zwoͤlfte Capitel. ihm ſage: Erhebe dich nicht deiner Kleider / die du deinem Adel nach / deinem Amt nach tragen darfſt und muſt / und vor - her weder zu bezahlen / noch zu tragen ver - mochteſt; und ſey nicht ſtolz in deinen Ehren. Dann der Herꝛ iſt wunder - barlich in ſeinen Werken / und nie - mand weiß / was er tuhn will. Gar mit einem artigen Apologo hat es Cyrillus zu - vernehmen gegeben(*)Cyrillus L. II. Apol. c. XIV. denen / wie ſeine Vberſchrifft heiſſet / die ſchnell empor kommend / uͤber andere Niderere ſich erheben wollen. Er ſpricht: Das gemei - ne Waſſerꝛohr / das neben einem Zu - ckerſtengel jaͤhe aufgeſchoſſen waͤre / hatte ſich ſeiner Hoͤhe alſo uͤbernommen / daß es jenes hoͤniſch fragte: Wie lang es wuͤchſe? Da es zur antwort gegeben: Zwey gantzer Jahr; haͤtte das gemeine Rohr / aufgeblaſen / daß es ſolch eine laͤnge vor jenem erlanget / hoffaͤrtig angefangen: Jch hab der Natur zu danken / daß ſie mich in einem einigen Jahr ſo hochuͤber407Das Zwoͤlfte Capitel. uͤber dich geſchwungen hat. Der Zu - ckerſtengel aber haͤtte dargegen der Naͤrꝛin ihre Tohrheit alſo beantwortet: Du biſt ja wol ein duͤrꝛes Rohr / von dem Wind ein wenig aufgeflattert / unbe - dacht darinn / daß du nur die Hoͤhe ge - ſuchet empor zu ſteigen: Dagegen aber der Tieffe vergeſſen / was du fuͤr einen Grund legen wolteſt / und fuͤr Wurzel ſetzen. Jnnwendig biſt du leer / von auſſen dick / wie gemeinig - lich die hohe Baͤume ſind; zwar er - haben: aber ohne Frucht / und die in die Dicke wachſen / verdrucknen nur deſto ehender! Biß hieher Cyrillus mit verdeckten / und doch offnen Worten. Kurtz und rund iſt der Jnnhalt verfaſſet in Petri Worten: Der HErꝛ widerſtehet den Hoffaͤrtigen: aber den Demuͤtigen gibt er Gnad I. Ep. V. 5.

So demůtige ſich unter die gewal - tige Hand Gottes Hoh und Nider. I. Pet. V. 6. und / wie ſich keiner dunken laſ -ſen408Das Zwoͤlfte Capitel. ſen wird: Er habe das Kaͤiſertum / Koͤnig - reich / Herꝛſchaft allein durch ſeine Macht und Gewalt erhalten und bezwungen / und Gottes Huͤlfe nicht darzugebraucht; Dañ ſo unchriſtlich wird kein Chriſt re - den; wie ſich keiner dunken laſſen wird: Er habe den Adel / die / groſſer Herꝛn / Gnad durch ſeine Qualitaͤten zuwegen gebracht / die ihm nicht vom Himmel herab gefallen waͤren: ſondern viel Muͤhe / Fleiß / Ubung / Reiſen gekoſtet haͤtten. Dann was haſt Du / daß du nicht empfangen haſt? fragt Paulus I. Cor. IV. 7. Er ſey zu der Heurat kommen durch ſeine Hoͤflichkeit / Freundlichkeit / Schoͤne deß Leibs / groſſe Lebens-Mittel; und kein Werber waͤre aus den Wolken gefahren / der ſein Wort gere - det haͤtte. Dann Gott regiert die Her - zen der Menſchen unſichtbar: Er ſey zu dem Reichtum kommen durch ein Erb / oder durch ſeine Spitzfuͤndigkeit; Aus der Lufft ſey es ihm nicht ins Hauß geflogen. Dann es iſt vergeblich / daß man fruͤh aufſtehet / und hernach lang ſitzet / und ißt ſein Brot mit Sorgen /Pſal. 409Das Zwoͤlfte Capitel. Pſal. CXXVII. 3. Er ſey zu dem Dienſt ſeiner Tuͤchtigkeit wegen gelanget / man ſey ihm noch nachgeloffen / und die Noht dieſes und jenes Ortes habe ſeiner nicht entbehren koͤnnen. Menſchenſtimme hab er gehoͤret; Menſchenhaͤnde geſehen / die ihm nach ge - ſchrieben: Gottes-Stimme und Gottes - Finger / wie Moſes auf den zweyen Ta - feln Exod. XXXI. . 18. Deut. IX. . 10. waͤren ihm nie zukommen. Das alles / und noch ein mehrers / wie ſich keiner dunken laſſen wird; zumahln es den Kindern Jſrael ſo hart eingebunden wurde / daß / wann ſie nach Eroberung deß Landes / da Milch und Honig jnnen fließt / wuͤrden gegeſſen haben / und ſatt worden ſeyn / und ſchoͤ - ne Haͤuſer erbauet / und darinnen woh - nen / und ihre Rinder und Schafe / Silber und Gold / und alles was ſie haben / ſich mehren wuͤrde; ihr Herz ſich nit erhebe und vergeſſe deß Her - ren ihres GOttes / der ſie aus Egy - ptenland geführt habe / und aus dem Dienſthauſe / und ſie nit ſagen moͤch -Sten410Das Zwoͤlfte Capitel. ten in ihrem Herzen: Unſere Kraͤffte und unſerer Haͤnde Staͤrke haben uns das Vermoͤgen aufgericht. Deut. VIII. 12-17.

Wie ſich / ſprich ich nochmal / keiner das dunken laſſen wird: Alſo wird er auch fer - ner ſeiner Weißheit nit allein trauen / Gott auf die Seiten ſetzen und gedenken: Nun / da er das Kaͤiſertum / Koͤnigreich / Fuͤrſten - tum / Herꝛſchaft habe / koͤnne er ſich ſchon ſelbſt helfen. Ach nein! Jmmer ſetzt GOtt einem groſſen Herꝛen / wider einen groſſen Herꝛen an die Seiten / der ihm weiſen ſoll / daß er noch nicht alles ſey / und GOttes Wacht / Huͤlfe / Vorſorg io ſo wol von noͤh - ten hab uͤber ſeine Graͤnzen und Laͤnder als zuvor; ja fuͤrwahr nun noch mehr / als vorhin. Dann einmal / Er bekoͤmmt mehr zu verwalten. Die Verwaltung / ſo ſie miß - lingt / bringt ihm groͤſſern Schaden. Daß ihm der Schad nicht komme / braucht es mehr Betens / daß ihn Gott abwenden wol - le. Er bekommt mehr Diener. Dienen ſie ihm untreu / ſo gehet ſeiner Herſchaft ab. Soll die Herꝛſchaft bleiben wie ſie iſt /braucht411Das Zwoͤlfte Capitel. braucht es wider Betens. Er bekoͤmmt mehr Feind. Koͤnnen ſie ſich feindſeelig er - zeigen / ſo verbleibt es nicht. Daß es aber verbleibe / braucht abermal Betens. Er braucht mehr Raͤhte. Jſt ihr Raht un - gluͤckſeelig / ſo folget die Taht dem Raht. Daß ſie gluͤckſeelig rahten / braucht aufs neu Betens. Summa Summarum: Groſſe Lent haben groſſe Fehler / wann ſie nicht von GOtt regiert werden. Darum / wie alle Menſchen zu ihm lauffen / Hůlf und Heyl fuͤr ſich allein zu ſu - chen: ſo ſoll ein Regent fůr allen das tuhn / als der fuͤr alle zugleich ſorg - faͤltig ſeyn ſoll. So ihn ſein Gott be - wahret / werden ihm ſeine Feinde we - niger ſchaden: Er aber wird die Sei - nigen mehr bewahren koͤnnen / ſagte Agapetus(*)Agapetus Cap. admonit. LXII. zu Juſtiniano.