PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]
Poetiſche Schriften
Sechſter Band
Mit allergnaͤdigſten Freyheiten.
[2][3]

Vorbericht.

Die mehreſten meiner Subſcribenten ha - ben gewuͤnſchet, in dieſer Samlung meiner ſaͤmtlichen poetiſchen Schriften, auch meine poetiſche Ueberſetzung von Miltons verlohr - nen Paradieſe in gegenwaͤrtigen bequemen Format abgedruckt zu ſehn; beſonders da der zweyte Theil in der bisherigen Auflage, wegen des ſchlechten Papiers, faſt gar nichtA 2zu[4]Vorbericht. zu leſen iſt. Jch habe dies Verlangen al - ſo um deſto williger erfuͤllt, da ich dadurch Gelegenheit erhalten, dieſe Ueberſetzung, die mir ſchon ſo viele Muͤhe gekoſtet, nochmals mit dem groͤßten Fleiſſe durchzuſehn, und ſie hauptſaͤchlich in Anſehung der Versart von den bisherigen harten Stellen zu reinigen, die noch darinn uͤbergeblieben waren. Jch kan ſagen, daß ich ſolchergeſtalt dieſe Ueber - ſetzung wieder ganz von neuem ausgearbei - tet habe, wovon ich ganze Seiten zur Pro - be anfuͤhren koͤnte; die Veraͤnderungen wer - den aber, wie ich mich ſchmeichle, ins Ge - hoͤr fallen, und diejenigen Kenner, die eineVer -[5]Vorbericht. Vergleichung zwiſchen den erſten Auflagen, und dieſer ietzigen machen wollen, werden meine neue Arbeit, und meine Bemuͤhung fuͤr ihr Vergnuͤgen, ſehr oft zu bemerken Gelegenheit haben.

Dieſer ſechſte Band enthaͤlt alſo die drey erſten Geſaͤnge des verlohrnen Para - dieſes. Die uͤbrigen Geſaͤnge werden den ſiebenten, achten, und neunten Band aus - machen, und ſollen kuͤnftige Michaelsmeſſe gewiß erfolgen. Die Subſcribenten bezah - len alſo bey Empfang dieſer 6. Theile auf den 7. 8. und 9ten noch einen halben Louisdor Nachſchuß.

A 3Mein[6]Vorbericht.

Mein ſchon angekuͤndigtes Heldenge - dicht Cortes, ſoll zwar in eben dieſem For - mat und auf eben dieſes Papier gedruckt werden; damit man aber den Liebhabern al - le Freyheit laſſe, ſoll dieſes Gedicht ein Werk fuͤr ſich allein ausmachen, und wird man hiezu einen eignen Subſcribtionsplan herausgeben. Braunſchweig den 2ten May 1764.

Das[7]

Das Verlohrne Paradies. Erſter Geſang.

A 4[8]9
Das verlohrne Paradies. Erſter Geſang.
Von dem erſten Vergehn des ungehorſamen Men - ſchen,
Und dem verderblichen Eſſen der Frucht des verbo - tenen Baumes,
Welches den Tod auf die Erde gebracht, und alles ihr Elend,
Mit dem Verluſte von Eden
a)Das iſt mit dem Verluſte des Paradieſes, welches in Eden lag. Newton.
a); bis jener groͤſſe - re Menſch uns
Die verlohrnen Rechte von neuem erwarb, und von neuem
Uns den ſeligen Sitz der Unſchuld wieder gewon - nen:
Sing, o himmliſche Muſe, die auf dem geheimeren Gipfel
A 5Horebs,10Das verlohrne Paradies.
Horebs, oder auf Sinais Hoͤhn, den Schaͤfer be - geiſtert,
Der den erwaͤhlten Saamen zuerſt gelehret
b)Denn Moſes huͤtete der Schaafe Jethro, ſeines Schwaͤhers. Jm 2 B. Moſ. III, 1. Es wird ſehr eigentlich von ihm geſagt, daß er den erwaͤhlten Saamen zuerſt gelehrt, weil er nicht nur der aͤlteſte Schriftſteller der Juden, ſondern der aͤlteſte von al - len iſt, von denen uns noch etwas aufbehalten wor - den. N.
b), wie anfangs
Himmel und Erde
c)Nach den erſten Worten des erſten Buchs Moſe. N.
c) dem Chaos entſprang. Doch gefaͤllt dir der Huͤgel
Sions mehr, und der Bach Siloah
d)Siloah war ein kleiner Bach, der nahe am Tempel Jeruſalems vorbey floß. Er wird erwaͤhnt Jeſ. VIII, 6. Daß Milton alſo in der That die himmliſche Mu - ſe anruft, welche den Koͤnig David und die Prophe - ten auf dem Berge Sion, und zu Jeruſalem begei - ſtert, ſo wie Moſen auf dem Berge Sinai. N.
d), der nah am Orakel
Gottes vorbey fließt: ſo ruf ich von da zum kuͤh - nen Geſange
Deine11Erſter Geſang.
Deine Huͤlfe herab, der mit nicht gewoͤhnlichem Fluge,
Ueber den hohen Aoniſchen Berg
e)Die Gebirge von Boͤotien, welches vor Alters Ao - nien g[en]annt wurde, waren der Sitz der Muſen; obgleich dieſe Gegend auch ſonſt, ich weis nicht durch was fuͤr ein Schickſal, wegen der Dummheit ihrer Einwohner beruͤhmt war. N.
e) zu ſteigen ge - denket,
Und die geheiligte Spur von groſſen Dingen ver - folget,
Die ſonſt niemand vor mir in Proſa noch Reimen
f)Milton verſteht hier, unter Reimen, Verſe uͤber - haupt. Verſe ohne ein Beywort ſchien ihm vermuth - lich nicht edel genug. Arioſto ſagt beynahe mit den naͤmlichen Worten: Coſa, non detta in proſa mai, ne in rima. Eine Sache, die niemals in Proſa, noch Rei - men, geſagt war. Pearce.
f) verſucht hat.
Und du beſonders, o Geiſt
g)Milton konnte zu ſeinem Werke gar wohl den heili - gen Geiſt anrufen, da nach Jacobi I. 17. alle guteund
g), du Schoͤpfer erhabner Gedanken,
Der12Das verlohrne Paradies.
Der du ein rein und heiliges Herz den praͤchtig - ſten Tempeln
Vorziehſt; unterrichte du mich, du weißt es
h)Theokrit. Jdyll. XXII, 116. Ειπε ϑεα, ςυ γαϱ οιδα etc. Sage Goͤttin, du weißt es ꝛc. N.
h), und wareſt
Gegenwaͤrtig im Anfang der Zeit, als uͤber den Ab - grund
Du, gleich einer bruͤtenden Taube
i)Eine Anſpielung auf 1 B. Moſ. I, 2. Der Geiſt Gottes ſchwebete auf dem Waſſer. Das Wort ſchweben in der Ueberſetzung heißt eigentlich nach der Grundſprache bruͤten, wie ein Vogel uͤber ſeinen Eyern. Er nimmt lieber die Taube, als einen an - dern Vogel, weil die Herabkunft des heiligen Geiſtes mit einer Taube verglichen wird: Luc. III, 22. DaMilton
i) die maͤchtigen Fluͤgel,
Aus -g)und alle vollkommene Gabe von oben herab koͤmmt, von dem Vater des Lichts. Er ſcheint ſich aber fuͤr einen wirklich begeiſterte Mann gehal - ten zu haben, wie ſeine hinterlaſſene Wittwe oft - mals erzaͤhlt. N. 13Erſter Geſang.
Ausgeſpreitet, und fruchtbar ihn machteſt; erleuch - te was finſter
Jn mir iſt, durch dein Licht, und alles, was niedrig iſt in mir,
Das erhebe, das ſtaͤrke: damit ich die Rechte der Vorſicht,
Nach dem erhabenen Zweck des groſſen Geſanges, be - ſchuͤtze,
Und vor den Menſchen die Wege Gottes vertheidi - gen moͤgek)Dieſes geſchieht durch das ganze Gedicht, beſonders in den Reden zwiſchen Gott dem Vater und Sohn. N. .
Sage zuerſt, denn nichts haͤlt dir der Himmel verborgen,
Noch der Hoͤlle tiefeſter Schlund
l)Der Poet ſchreibt der Muſe eine Art von Allwiſſen - heit zu, und das mit Recht, weil ſie dadurch faͤhiggemacht
l); entdecke zuerſt mir,
Was in dieſem gluͤcklichen Stande, (ſo gluͤcklich fuͤr Menſchen!)
Diei)Milton die Schrift in der Grundſprache las, ſo ſind ſeine Ausdruͤcke und Bilder oͤfter aus ihr entlehnt, als aus der Ueberſetzung. N. 14Das verlohrne Paradies.
Die Erſchaffenen trieb, von ihres Schoͤpfers Befeh - len
Abzuweichen, und ſeinem Geſetz entgegen zu han - deln,
Da es doch Eins nur verbot, und ſonſt ſie Herren der Welt ließ?
Sage, wer war es, der ſie zuerſt von ihrem Ge - horſam
Zu dem ſchaͤndlichen Abfall verleitet? Der Drache der Hoͤlle.
Dieſerl)gemacht wird, von Dingen zu reden, die ſie anders nicht wiſſen konnte. So ſagt Homer Iliad. II, 485. ᾽ϒμεις γαϱ ϑεαι εςε, παϱεςε τε, ιςε τε παντα Denn ihr ſeyd Goͤttinnen, ſeyd zugegen, und wiſ - ſet alles. Und Virgil Aen. VII, 645. Et meminiſtis enim, Divae, et memorare poteſtis. Denn ihr erinnert es euch, Goͤttinnen, und koͤnnt es erzaͤhlen. Da Miltons Muſe der heilige Geiſt iſt, ſo mußte ſie nothwendig allwiſſend ſeyn. Er erwaͤhnt hier ſehr geſchickt des Himmels und der Hoͤlle, da, der Schau - platz von einem ſo groſſen Theile des Gedichts, bald im Himmel und bald in der Hoͤlle iſt. N. 15Erſter Geſang.
Dieſer allein wars, welcher mit Liſt, von Rachſucht und Neide
Angefeuert, die Mutter des Menſchengeſchlechtes ver - fuͤhrte,
Als ihn ſein Stolz mit dem uͤbrigen Heer rebelliſcher Engel
Aus dem Himmel verjagt, durch deren Beyſtand er glaubte,
Ueber alle, die neben ihm waren, empor ſich zu ſchwingen;
Ja dem Allmaͤchtigen ſelbſt die Wage zu halten, wo - fern der
Widerſtuͤnde. Voll Ehrſucht und Stolz begann er im Himmel
Gegen den Thron und die Herrſchaft Gottes vermeſſe - ne Kriege,
Und gottloſe Schlachten, mit eitlem Beſtreben. Jhn ſtuͤrzte
Flammend von den aͤtheriſchen Hoͤhn die Kraft des All - maͤchtgen
Mit erſchrecklichem Fall, und graͤßlichem Brande herunter
Jn das bodenloſe Verderben. Hier ſollte der liegen
Jn16Das verlohrne Paradies.
Jn dem ſtrafenden Feuer, mit Ketten von Demant
m)Aeſchylus im Prometheus 6. Αδαμαντιναις πεδησιν.
m) gefeſſelt.
Der es gewagt, den Allmaͤchtigen ſelbſt zum Streite zu fodern.
Neunmal die Zeit, die den Tag und die Nacht den Sterblichen abmißt,
Lager geſtuͤrzt, und beſiegt, mit ſeinem ſcheußlichen Haufen,
Jn dem feurigen Schlunde ſich waͤlzend, vom Falle betaͤubet,
Obgleich unſterblich. Jedoch zu groͤſſeren Qualen verſpart ihn
Sein Gericht. Jhn nageten ietzt die ſchwarzen Ge - danken
Seines verlohrenen Gluͤcks, und immerwaͤhrender Schmerzen.
Ringsum waͤlzt er die giftigen Augen; ſie ſprachen Verzweiflung
Tiefe Betruͤbniß, mit grimmigem Haß, und verhaͤrte - tem Stolze
Untermiſcht! Und ſo weit, als die Blicke der Engel nur dringen,
Ueber -17Erſter Geſang.
Ueberſieht er beſtuͤrzt die wuͤſte traurige Gegend,
Unermeßlich; ein ſchrecklicher Kerker, rund um ihn her flammend,
Wie ein feuriger Ofen; doch ſchoß kein Licht von den Flammen,
Sichtbare Finſterniß
n)Dieſes iſt ein ſtarker, kuͤhner Ausdruck, womit Mil - ton, wie es ſcheint, eine dicke Daͤmmerung bezeich - nen wollen. Die Finſterniß iſt eigentlich zu reden unſichtbar. Aber wo nur eine bloſſe Daͤmmerung iſt, da bleibt noch ſo viel Licht uͤbrig, daß man Ge - genſtaͤnde erkennen, obgleich nicht genau unterſchei - den kan. Pearce. Seneka gebraucht einen gleichen Ausdruck von der Grotte des Pauſilyppus im 57. Brief. Nihil illo carcere longius, nihil illis faucibus obſcurius, quae nobis praeſtant, non vt per tenebras videa - mus, ſed vt ipſas. Es giebt nicht leicht ein laͤnge - res Gewoͤlbe, noch Schluͤnde, die dunkler ſind; ſie machen, daß wir nicht durch die Finſterniß, ſon - dern die Finſterniß ſelbſt ſehn. Antonio de SolisVI. Th. Biſt
n) zeigte vielmehr den ſchaudern - den Blicken
Lange18Das verlohrne Paradies.
Lange Proſpekte voll Jammer, und Regionen voll Kummer,
Laͤnder voll Weh; und traurige Schatten, in welchen die Ruhe,
Und der Friede nie wohnt; die nie die Hofnung be - ſuchet,
Die ſonſt alles beſucht; wo nichts als Qualen ohn Ende
Unaufhoͤrlich quaͤlen, und eine feurige Suͤndfluth,
Die mit immerbrennendem Schwefel, der niemals verzehrt wird,
Sichn)iſt auf eben den Gedanken gerathen, wenn er in ſei - ner vortreflichen Geſchichte der Eroberung von Mexico von dem Orte redet, in welchem Motezu - ma ſeine Goͤtter zu fragen pflegte. Es war ein weites, dunkles, unterirrdiſches Gewoͤlbe, (ſagt er) welches einige traurige Kerzen nur eben ſo viel erleuchteten, daß man die Finſterniß ſehen konte. Auch Euripides druͤckt ſich auf eben dieſe poetiſche Art aus. Bac. 510. ως αν σϰοτιον εισοϱα ϰνεφας, Daß er die Finſterniß ſehn koͤnte. Newton. 19Erſter Geſang.
Sich ernaͤhret. Und dies war der Ort, den die goͤtt - liche Rache
Dieſen Rebellen bereitet, hier wies ſie ihnen den Kerker
Jn der aͤuſſerſten Finſterniß an, und ihr trauriges Erb - theil,
Dreymal ſo fern von Gott, und von dem Lichte des Himmels,
Als von dem aͤuſſerſten Pol der Erde Mittelpunkt abſtehto)Der Erde Mittelpunkt war, nach Miltons Syſtem, der Mittelpunkt des ganzen Weltgebaͤudes, und der aͤuſſerſte Pol iſt gleichfalls nicht der Pol der Erde, ſondern des Weltgebaͤudes uͤberhaupt. Es iſt zu be - merken, daß Homer die Hoͤlle ſo weit unter den tiefſten Schlund der Erde ſetzt, als der Himmel von der Erde entfernt iſt. Τοσσον.
Ein unſeeliger Ort! wie ungleich dem Orte, von wel - chem
Sie herunter geſtuͤrzt! Allhier erkennet er ploͤtzlich
B 2Sei -20Das verlohrne Paradies.
Seines Falles Gefaͤhrten, von Wirbelwinden, und Fluthen
Stuͤrmenden Feuers, bedeckt. Dicht neben ihm waͤlzt ſich der naͤchſte
Nacho)
Τοσσον ενερϑ᾽ αϊδεω, ὁσον οςϱανος ες᾽ ἀπο γαιης. Iliad. VIII, 16.

Virgil ſetzt ſie zweymal ſo weit.

Tum Tartarus ipſe Bis patet in praeceps, tantum tenditque ſub umbras Quantus ad aethereum coeli ſuſpectus Olym - pum. Aen. VI, 577.
der Tartarus ſelber Thut ietzt den Abgrund zweymal ſo weit auf, und ſtrecket ſo tief ſich Unter die Schatten, ſo weit als der Blick zum aͤtherſchen Olymp reicht. Und Milton: Dreymal ſo fern von Gott und von dem Lichte des Himmels ꝛc. ꝛc. Nicht anders, als ob dieſe drey groſſen Poeten ihr aͤuſſerſtes Genie an - geſtrengt, und mit einander haͤtten wetteifern wol - len, wer ſeine Jdee von der Tiefe der Hoͤlle amhoͤchſten
21Erſter Geſang.
Nach ihm an Bosheit und Macht, den lange nachher Palaͤſtina
Unter Beelzebubs
p)Der Fliegenfuͤrſt, ein Goͤtze, der zu Ekron, einer Stadt der Philiſter, verehrt wurde, 2 B. der Koͤ - nige I, 2.
p) Namen gekannt; der Erzfeind, (im Himmel
Satan
q)Denn das Wort Satan bedeutet im Hebraͤiſchen einen Feind. Er iſt vorzuͤglicher weiſe der Feind, der Hauptfeind Gottes und des Menſchen.
q) ſeitdem deswegen genennt) er kehrte ſich zu ihm,
Und brach ſo mit vermeſſenen Worten das graͤßliche Schweigen:
O! wenn du es noch biſt; doch ach! wie gefalln, wie veraͤndert,
Biſt du von jenem, der ſonſt in den gluͤcklichen Rei - chen des Lichtes,
B 3Mito)hoͤchſten treiben koͤnne. Milton uͤbertrift ſie aber in der Beſchreibung der Hoͤlle uͤberhaupt, eben ſo ſehr, als in dieſem einzigen Umſtande von ihrer Tiefe. Newton. 22Das verlohrne Paradies.
Mit hellleuchtender Klarheit bekroͤnt, ſo hell ſie auch glaͤnzten,
Myriaden ſo weit uͤberſtralt! Wofern du noch der biſt,
Welchen der engeſte Bund, vereinte Gedanken und Tha - ten,
Gleiche Hofnung, und gleiche Gefahr, zum kuͤhnſten Entſchluſſe
Ehmals mit mir verknuͤpft, und welchen ietzo das Elend
Mit mir im gleichen Verderben vereint! du ſie - heſt, wie tief wir
Aus der Hoͤhe zum Abgrund geſtuͤrzt, ſo ſehr hat ſein Donner
Staͤrker, als uns, ihn gemacht; allein wer kannte bis hieher
Dieſer entſetzlichen Waffen Gewalt? Doch fuͤrcht ich auch ſie nicht,
Noch wird irgend etwas, womit uns der maͤchtige Sieger
Kuͤnftig in ſeinem Zorne verfolgt, zur Reue mich brin - gen,
Noch23Erſter Geſang.
Noch mein ſtandhaft Gemuͤthe veraͤndern, ſo ſehr ich veraͤndert
Nach der aͤuſſeren Herrlichkeit bin; viel weniger je - mals
Jenen ſo billigen Zorn, den meiner Verdienſte Verach - tung
Jn mir erweckt; der mit dem Allmaͤchtgen zu ſtreiten mich antrieb,
Und zu dem trotzigen Streit unzaͤhlich gewafnete Gei - ſter
Herzufuͤhren, die Muth genug hatten, ſein Reich zu verlaſſen,
Mich ihm vorzuziehn, und auf den Ebnen des Himmels
Jn der Schlacht, die ſo zweifelhaft war, mit Ge - gengewalt ſich
Jhm entgegen zu ſtellen, und ſeinen Thron zu er - ſchuͤttern.
Jſt gleich das Schlachtfeld verlohren, ſo iſt drum nicht alles verlohren.
Nicht der unbezwingliche Wille, der Trieb nicht nach Rache.
B 4Noch24Das verlohrne Paradies.
Noch der unſterbliche Haß, der unveraͤnderte Muth nicht,
Niemals ſich zu beugen vor ihm, und alles, was ſonſt noch
Aeuſſre Gewalt nicht beſiegt. Die Ehre wird er von mir nie
Weder durch Macht, noch Drohung, erzwingen! Mit flehendem Kniefall
Seine Gnade zu ſuchen, und deſſen Macht zu vergoͤt - tern,
Der bey dem maͤchtigen Schrecken, ſo dieſer Arm ihm verurſacht,
Kuͤrzlich noch ſicher nicht war, ſein wankendes Reich zu behaupten:
Dieſes waͤre niedrig, gewiß! und groͤſſere Schande
Und noch groͤſſere Schmach, als dieſer gewaltge Her - abſturz!
Da nach dem ewgen Geſchick
r)Satan ſetzt voraus, daß die Engel durchs Schickſal, und durch eine gewiſſe Nothwendigkeit exiſtiren. Erwill
r), die Staͤrke der Goͤt - ter, ihr Weſen,
Nim -25Erſter Geſang.
Nimmer vergeht; da durch die Erfahrung des wichti - gen Ausgangs
Wir in Waffen nicht ſchlechter, in Vorſicht ſtaͤrker ge - worden;
O! ſo koͤnnen wir uns mit beſſerer Hofnung entſchlieſſen,
Durch den Weg der Gewalt, wo nicht, mit heimlichen Liſten,
Einen ewigen Krieg mit unſerm Feinde zu fuͤhren,
Der ietzt im hohen Triumph ſo uͤbermaͤßig ſich freuet,
Daß er die Tyranney in ſeinem Himmel allein hat.
Alſo ſprach der rebelliſche Geiſt mit prahlenden Worten,
B 5Aberr)will ſich nicht unterwerfen, da die Engel, wie er ſagt, nothwendiger weiſe unſterblich ſind, und nicht zernichtet werden koͤnnen; da ſie nun durch die Er - fahrung gepruͤft worden, und ſich ſchmeicheln koͤn - ten, den Krieg mit mehrerm Fortgange zu fuͤhren, ungeachtet des gegenwaͤrtigen Triumphs ihres Fein - des im Himmel. Newton. 26Das verlohrne Paradies.
Aber mitten in Pein. Er ward von tiefer Verzweif - lung
Heimlich gefoltert. Jhm gab ſein frecher Gefaͤhrte die Antwort:
Fuͤrſt und maͤchtiges Haupt ſo mancher thronenden Maͤchte,
Welche die Schaaren der Seraphim ſonſt auf deine Befehle
Jn die Felder des Krieges gefuͤhrt, und mit ſchreckli - chen Thaten,
Ungeſchreckt, ſelbſt den beſtaͤndigen Koͤnig
s)Beelzebub ſagt nicht den ewigen Koͤnig, ſondern be - muͤht ſich von Gottes immerwaͤhrender Herrſchaft, ſo viel abzubrechen, als er nur kan, und nennt ihn allein den beſtaͤndigen Koͤnig, einen Koͤnig von un - endlichen Zeiten her, deſſen Herrſchaft nie unter - brochen worden; wie Ovidius ſagt, perpetuum car - men Met. I, 4. N.
s) des Him - mels erſchrecket,
Und die verjaͤhrte Herrſchaft gepruͤft, ob Zufall, ob Staͤrke,
Oder das ewge Verhaͤngnis, ſie aufrecht erhalten. Jch ſehe,
Und27Erſter Geſang.
Und empfinde zu ſehr den ſchrecklichen Ausgang des Treffens,
Welches in einer ſchaͤndlichen Flucht, nach traurige[m]Umſturz,
Uns des Himmels verluſtig gemacht; mit wilder Zer - ruͤttung
Dieſes ganze gewaltige Heer ſo zu Boden geſchlagen,
Als nur Goͤtter, und himmliſche Weſen zu fallen ver - moͤgen.
Denn das Gemuͤth, und der Geiſt, bleibt unuͤberwind - lich; die Kraͤfte
Kehren bald wieder zuruͤck, ob unſer Glanz zwar er - ſtorben,
Und das vorige Gluͤck in unaufhoͤrliches Elend
Ganz verſenkt iſt! Jedoch, wenn unſer Sieger, (dem ietzo
Jch die Allmacht zugeſtehn muß, da eben die Kriegs - macht,
Welche wir gegen ihn ſtellten, kein andrer, als nur ein Allmaͤchtger,
Ueber -28Das verlohrne Paradies.
Ueberwaͤltigen konnte); wie wenn er uns darum nur voͤllig
Dieſen unſeren Geiſt, und unſere Staͤrke gelaſſen,
Deſto beſſer die Pein zu ertragen, und ſtaͤrker zu lei - den,
Daß er ſich raͤche, ſo wie er gewuͤnſcht, und wir, als die Sklaven,
Die ihm das Kriegesrecht gab, ihm wichtgere Dienſte zu leiſten,
Deſto geſchickter ihm ſcheinen; er hab uns entweder beſtimmet,
Daß wir allhier im Herzen der Hoͤllen im Feuer ar - beiten,
Oder auch ſeinen Befehl durch dieſe finſteren Tiefen
Sklaviſch vollbringen? Was hilft es uns dann, daß unſere Staͤrke
Unvermindert noch iſt? Was hilft uns ein ewiges Weſen,
Wenn wir nur darum es haben, um ewige Stra - fen zu leiden?
Jhm29Erſter Geſang.
Jhm gab mit gefluͤgelten Worten der Erzfeind zur Antwort:
Schwach zu ſeyn, gefallener Cherub, iſt allezeit elend
t)Nachdem Satan in ſeiner Rede geprahlt, daß die Staͤrke der Goͤtter nicht vergehn koͤnne, und Beel - zebub erwiedert: Wenn Gott uns dieſe Staͤrke nur darum voͤllig gelaſſen, deſto beſſer die Pein zu ertra - gen und ſtaͤrker zu leiden, oder als ſeine Sklaven ihm wichtigere Dienſte zu leiſten, was kan uns denn unſere Staͤrke helfen? So antwortet Satan hier ſehr geſchickt: Wir moͤgen nun leiden, oder handeln, ſo iſt es allezeit noch einiger Troſt, wenn wir unſere Staͤrke unvermindert haben; denn es iſt eine elende Sache ſagt er, ſchwach zu ſeyn, wir moͤgen leiden, oder handeln. Dieſes iſt der Sinn dieſer Stelle. Newton.
t),
Wenn wir leiden, und handeln; dies ſey indeſſen ver - ſichert,
Etwas Gutes zu thun, ſoll nie uns kuͤnftig beſchaͤftgen,
Unſer einziges Vergnuͤgen vielmehr wird, Boͤſes zu thun, ſeyn;
Dies30Das verlohrne Paradies.
Dies iſt deſſen erhabenem Zweck am meiſten entgegen,
Dem wir Widerſtand leiſten. Wenn ſeine Vorſe - hung trachtet,
Gutes aus unſerm Uebel zu ziehn, ſo muͤſſen wir ſorgen,
Seine Bemuͤhung zu ſtoͤren, und auch im Guten, die Mittel
Auszufinden zum Boͤſen; dies kan uns ſo gluͤcklich ge - lingen,
Daß es ihn, wenn ich nicht irre, verdrieſſen, und maͤchtig gnug ſeyn ſoll,
Was er auch noch ſo geheim beſchloß, dadurch zu ver - eiteln.
Aber ſiehe! Der zornige Sieger hat ietzo die Diener
Seiner Verfolgung und Rache von uns an die Pfor - ten des Himmels
Wieder zuruͤck gerufen; der ſtuͤrmiſche Hagel von Schwefel,
Welchen er nach uns verſchoß, iſt von den Winden verwehet;
Dieſe31Erſter Geſang.
Dieſe feurige Fluth, die von den Hoͤhen des Himmels
Uns in unſerm Falle verſchlang, iſt ruhiger worden;
Und der Donner, gefluͤgelt mit rothen leuchtenden Bli - tzen,
Und mit ſtuͤrmiſcher Wuth, hat ſeine Koͤcher, ſo ſcheint es,
Ausgeleeret, und bruͤllet nicht mehr durch die ſchreckli - che Tiefe.
Laß die Gelegenheit nicht, die unſer Feind uns vergoͤn - net,
Uns entſchluͤpfen; er gebe ſie uns aus Verachtung ent - weder,
Oder auch weil nun ſein Grimm ſich geſaͤttigt. Er - blickeſt du dorten
Jene traurigen Ebenen, wild, und verlaſſen und oͤde;
Der Verzweifelung Sitz, und alles Lichtes beraubet,
Auſſer dem ſterbenden Schein, den dieſes graͤßliche Feuer
Fuͤrchter -32Das verlohrne Paradies.
Fuͤrchterlich um ſich ſchießt? Da laß uns hindurch ar - beiten
Aus dem Wallen der feurigen Fluth; um dorten zu ruhen,
Wenn hier einige Ruhe zu finden; und wenn wir dort wieder
Unſer geſchlagenes Heer verſammelt, ſo laſſet im Rath uns
Wohl erwaͤgen, wie wir dem Feind in Zukunft am be - ſten
Schaden koͤnnen; von unſerm Verluſt uns wieder er - holen;
Wie wir dieſen ſchrecklichen Jammer am leichtſten er - tragen,
Was wir noch von der Hofnung fuͤr Troſt zu erlangen uns ſchmeicheln,
Und wo nicht, was fuͤr Muth in uns die Verzweife - lung anfacht.
Satan redete ſo zu ſeinem naͤchſten Gefaͤhrten,
Mit dem Haupt hoch uͤber der Fluth, mit flammenden Augen.
Schwim -33Erſter Geſang.
Schwimmend lagen die uͤbrigen Glieder weit uͤber den Wellen,
Die in die Laͤng und die Breite viel Morgen Landes bedeckten.
Nicht an Groͤſſe geringer, als jene Rieſen der Fabel;
Die Titanier, Kinder der Erde, die ehmals im Kriege
Wider den Jupiter ſtunden; Briareus oder auch Ty - phon,
Der in der ſchrecklichen Kluft des alten Tarſus
u)Typhon iſt mit dem Typhoeus einerley. Wir wiſ - ſen durch den Pindar, und den Pomponius Mela, daß die Hoͤhle des Typhoeus in Cilicien lag. Tar - ſus war eine beruͤhmte Stadt in dieſer ProvinzJortin.
u) ſich aufhielt;
Oder nicht ungleich auch dem Ungeheuer des Meeres,
Levia -VI. Th. C34Das verlohrne Paradies.
Leviathan
x)Milton ſcheint unter dem Leviathan den Wallfiſch zu verſtehn, ob er ihm gleich auch, wie dem Croco - dill, eine ſchuppichte Rinde zuſchreibt. N.
x), welchen der Schoͤpfer von allem am groͤß - ten Jn des Oceans Stroͤmen erſchuf; wofern der Pilote Eines irrenden Schifs, das in Norwegiſchen Meeren Ploͤtzlich die Nacht uͤbereilt, ihn etwan ſchlummernd gefunden, Haͤlt er ihn oft, wie der Seemann
y)Dieſer Zuſatz war noͤthig, um das Unglaubliche ei - nes ſolchen Ankerwerfens zu mildern. Hume.
y) erzehlt, fuͤr ir - gend ein Eyland,
Wirft den Anker hinab in ſeine ſchuppichte Rinde;
Und indes, daß die dunkele Nacht die Wellen bedecket,
Und die Ankunft des Morgens verzoͤgert: erhaͤlt er im Schutz ſich
Vor35Erſter Geſang.
Vor dem brauſenden Sturm an ſeiner gepanzerten Seite.
So lag ungeheur auch in die Laͤnge verbreitet, der Erz - feind;
Auf den brennenden Sumpf gekettet; er waͤr auch von ihm nicht
Aufgeſtanden, und haͤtte ſein Haupt empor nicht erho - ben,
Wenn ihm nicht die Erlaubniß des alles beherrſchenden Himmels,
Seinen verruchten Entſchluß aufs neu zu vollfuͤhren, vergoͤnnet,
Um durch wiederholte Verbrechen, mit ſchwereren La - ſten
Auf ſein eigenes Haupt die ſchwarze Verdammniß zu haͤufen,
Da er andern zu ſchaden geſucht. So ſollt er erfahren,
Daß er unendliches Gutes, Vergebung und Gnade den Menſchen,
Die er verfuͤhret, ſogar durch ſeine Bosheit, gewir - ket,
C 2Aber36Das verlohrne Paradies.
Aber ſich ſelbſt mit dreyfacher Schmach, und Rache, beladen.
Jetzo richtet er ſich mit dem maͤchtigen Koͤrper vom Pful auf,
Und die Flammen kruͤmmeten ſich mit weichenden Spitzen
Jetzund an beyden Seiten, und trenneten, in Wellen gerollet,
Sich in der Mitten, ein greuliches Thal! Und alsdann regiert er
Seinen Flug in die Hoͤh mit ausgeſpanntem Gefieder
Auf der duͤſteren Luft, die ungewoͤhnliche Laſt fuͤhlt,
Bis er ſich aus der Hoͤh zum trockenen Lande herab - ließ:
Wenn dies Land war, welches beſtaͤndig von Flammen zerriſſen,
Mit gediegener Gluth, wie der See mit fluͤßiger, brannte.
Und ſo ſchien er an Farbe gleich einem fliegenden Fel - ſen,
Den37Erſter Geſang.
Den vom Pelorus
z)Ein Vorgebirge Siciliens, ietzo Capo di Faro ge - nannt. N.
z) die Macht verſchloſſener Winde geriſſen;
Oder auch gleich der zerſchmetterten Seite des donnern - den Aetna,
Deſſen Jnneres, brennbar und harzig, wofern es in Gluth koͤmmt,
Wuͤthend empor ſteigt, dunkel und ſchwarz, die Win - de verſtaͤrket,
Und das rauchende Land, in ſtinkende Daͤmpfe verhuͤl - let,
Hinter ſich laͤßt. Und ſolche Ruhſtatt fanden die Solen
Dieſer unſeeligen Fuͤſſe. Jhm folgte ſein naͤchſter Ge - faͤhrte;
Beyde ruͤhmten ſich ietzt, daß aus den ſtygiſchen Flu - then
Sie als Goͤtter geſtiegen, durch ſich allein, und durch eigne
Wiedererhaltene Staͤrke, nicht durch die Nachſicht der Allmacht.
C 3Jſt38Das verlohrne Paradies.
Jſt dies das Land? iſt dieſes der Boden, und dieſes das Clima,
Sprach der gefallene Cherub hierauf; iſt dieſes der Wohnplatz
Welchen man mit dem Himmel uns zu vertauſchen gezwungen;
Dieſe traurige Nacht an ſtatt des himmliſchen Lichtes?
Wohl! ſo ſey es! da der, der nun Monarch iſt, ver - ordnet,
Und gebietet, was recht ſeyn ſoll; das iſt wohl das Beſte,
Daß wir recht fern ſind von dem, der uns nach Billig - keit gleich war,
Und doch uͤber die andern, die gleich ihm waren, ty - ranniſch
Sich erhob! begluͤckte Gefilde, wo ewige Freude
Wohnet, gehabt euch wohl! Jhr Schreckniſſe, ſeyd mir gegruͤſſet!
Sey mir gegruͤßt, o traurige Welt; Du, tiefeſte Hoͤlle,
Nimm39Erſter Geſang.
Nimm mich; nunmehr dein neuer Beſitzer, er bringt ein Gemuͤthe
Zu dir, welches kein Ort, und keine Zeit nicht veraͤndert,
Das Gemuͤth iſt ſein eigener Platz
a)Dieſe ausſchweifenden Meynungen der Stoiker kon - ten nicht beſſer laͤcherlich gemacht werden, als in Satans Munde, und in ſeinem ietzigen Zuſtande. Thyer.
a), und macht in ſich ſelber
Aus der Hoͤlle den Himmel, und aus dem Himmel die Hoͤlle.
Und was geht es mich an, wo ich ſey, wofern ich nur der bin,
Der ich geweſen und noch ſeyn muß; geringer allein nur
Als wie jener, den bloß ſein Donner noch groͤſſer ge - macht hat.
Hier zum wenigſten, bleiben wir frey; hier hat der Allmaͤchtge
Nicht, uns zu beneiden, gebaut; er wird uns von hier nicht
C 4Zu40Das verlohrne Paradies.
Zu vertreiben gedenken; wir werden in Ruhe hier herr - ſchen;
Und nach meinem Ermeſſen iſt, waͤr es auch nur in der Hoͤlle,
Herrſchen des Wunſches wohl werth. Viel beſſer, ge - herrſcht in der Hoͤlle,
Als im Himmel gedient! Doch warum laſſen wir alſo
Unſre getreueſten Freunde, ſie, unſers Verluſtes Ge - faͤhrten,
So zerſtreut, und betaͤubt, auf dem Pful der Vergeſ - ſenheit liegen?
Warum rufen wir ſie nicht zu uns, die traurige Woh - nung
Mit uns zu theilen; oder aufs neu mit vereinigten Waffen
Zu verſuchen, was etwan im Himmel noch ietzt zu ge - winnen,
Oder im Abgrund allhier noch mehr zu verlieren uns frey ſteht?
So ſprach Satan! Jhm gab Beelzebub alſo zur Antwort:
Fuͤhrer41Erſter Geſang.
Fuͤhrer dieſer glaͤnzenden Heere, die nur ein Allmaͤcht - ger
Schlagen konte, wofern ſie deine Stimme vernehmen,
Die ſie ſo oft in Furcht und Gefahr, und in aͤuſſerſten Noͤthen
Wieder mit Hofnung belebt; dies ihr gewiſſeſtes Zei - chen
Jm gefaͤhrlichſten Zuſtand der Schlacht, und in jegli - chem Angrif,
Wo die Wuth des Krieges geraſt; wofern ſie die hoͤren,
Werden ſie ploͤtzlich, geſtaͤrkt mit vorigem Muth, ſich erholen,
Und dir bereit ſtehn, ob ſie gleich ietzt gekruͤmmt und geſchlagen
Auf dem Feuerſee liegen, wie wir vor kurzem noch ſelber
Lagen, beſtuͤrzt und betaͤubt; gewiß kein Wunder, in - dem wir
Von ſo einer verderblichen Hoͤh herunter geſtuͤrzet.
C 5Als42Das verlohrne Paradies.
Als er hier ſchloß, begab ſich bereits voll Hoch - muth der Erzfeind
Nach dem Geſtade hinzu. Sein Schild von entſetzli - cher Groͤſſe,
Breit, und rund, und maßiv, und von aͤtheriſcher Staͤhlung,
War auf ſeinen Ruͤcken geworfen; ſein ſtralender Um - kreis
Hieng von den Schultern herab, dem Mond gleich, wenn ihn am Abend
Durch ein optiſches Glas der weiſe toskaniſche Kuͤnſtler,
Zu Valdarno, oder vom Gipfel des Feſole
b)Eine Stadt in Toskana. Valdarno, oder das Thal Arno, ein Thal daſelbſt. Durch den Toskaniſchen Kuͤnſtler verſteht er den beruͤhmten Galilei, den er in Jtalien gekant und beſucht hatte. Newton und Richardſon.
b) anſchaut,
Neue Laͤnder, und Seen, auf ſeiner fleckigten Kugel
Zu43Erſter Geſang.
Zu entdecken. Gegen ſein Speer war die laͤngſte der Tannen,
Auf Norwegiſchen Bergen gehauen, um etwan ein Maſtbaum
Fuͤr ein Kriegsſchiff zu werden, ein leichter Stab nur. So gieng er
Schwer geſtuͤtzet darauf, um uͤber den gluͤhenden Boden
Seine wankenden Schritte zu leiten; (wie ungleich den Schritten
Auf des Himmels Lazur)! wobey das brennende Clima,
Rund um mit Feuer umwoͤlbt, mit heftger Gewalt auf ihn zuſchlug.
Aber doch hielt er es aus, bis er ietzo die rauchen - den Ufer
Dieſes flammenden Meeres erreicht; hier ſtand er, und rufte
Allen den Schaaren, und Engelsgeſtalten, die uͤber einander
Sinnlos44Das verlohrne Paradies.
Sinnlos lagen, ſo dick, als Blaͤtter im Herbſte
c)Virgil. Aen. VI. 309. Quam multa in ſyluis autumni frigore primo Lapſa cadunt folia. Wie vom gefallnen Laube beym erſten Froſte des Herbſtes Dich die Waͤlder beſtreut ſind.
c) die Baͤche
Vallombroſens
d)Ein beruͤhmtes Thal in Etrurien, oder Toskana, ſo genannt von Vallis und Umbra. Es iſt wegen ſeiner beſtaͤndigen kuͤhlen Schatten bekant, die durch die groſſe Menge von Baͤumen verurſacht werden, die es uͤberſpreiten. Hume.
d) beſtreun, da, wo die hetruriſchen Schatten
Hoch ſich uͤber ſie woͤlben; und gleich dem treiben - den Rohre,
Das die Ufer beſtroͤmt, wenn Orion mit wuͤthenden Windene)Orion iſt ein Geſtirn, von dem man glaubt, daß es Stuͤrme bringe. aſſurgens
Die45Erſter Geſang.
Die Geſtade des Schilfmeers gepeitſcht, wo grim - mige Wogen
Den Buſiris bedeckt, mit Memphis Wagen und Reutern,
Da ſie mit treuloſem Haß die Bewohner Goſens verfolgten,
Welche vom ſichern Geſtade die flieſſenden Leichna - me ſahen,
Und die zertruͤmmerten Raͤder der Wagen; ſo zahl - los verſtreuet
Lagen auch dieſe gefallen, verlohren, die Fluthen bedeckend,
Ueber den ſchrecklichen Fall, in tiefe Betaͤubung ver - ſunken.
Jetzt rief Satan ſo laut, daß alle Tiefen der Hoͤlle
Wieder -e)
aſſurgens fluctu nimboſus Orion. Virgil. Aen. I, 539.
Als von Stuͤrmen begleitet Orion die Fluthen heraufſteigt. Das rothe Meer iſt ſo voller Schilf, daß es in der Schrift das Schilfmeer genennt wird. N.
46Das verlohrne Paradies.
Wiederſchallten: Jhr Fuͤrſten, und Potentaten, und Helden,
Jhr der Ausbund des Himmels, der euer gehoͤret, und den ihr
Nun verlohren kan ſolches Erſtaunen ſelbſt ewi - ge Geiſter
Faſſen? Doch habt ihr vielleicht hier dieſe Zuflucht erwaͤhlet,
Nach der Arbeit der Schlacht die ermuͤdete Tapfer - keit wieder
Auszuruhn, weil ihr hier eben ſo ſuͤß den Schlum - mer gefunden,
Als in den Thaͤlern des Himmels! Wie? oder habt ihr geſchworen,
Euren Sieger allhier in dieſer niedrigen Stellung
Anzubeten? Er ſieht ietzt herab, wie Cherub und Se - raph
Unter zerſtreuten Waffen und Fahnen ſich waͤlzen, bis ploͤtzlich
Seine ſchnellen Verfolger von jenen himmliſchen Thoren
Jhren47Erſter Geſang.
Jhren Vortheil geſehn, auf uns herunter ſich ſtuͤrzen,
Und uns vollends danieder treten, indem wir ſo traͤu - men;
Oder auch mit zuſammengeketteten Donnerkeilen
f)So ſagt Virgil vom Ajax Oileus: Aen. I, 44. 45. Illum expirantem transfixo pectore flammas Turbine corripuit, ſcopuloque infixit acuto. Da er die Flammen, welche das Herz ihm durch - bohret, noch ausblies, Riß ſie ihn ſchnell im Wirbelwind fort, und hef - tet ihn raͤchend Auf den ſpitzigen Fels
Uns anheften allhier auf dieſen Abgrund. Erwachet!
Raffet, raffet euch auf, ſonſt ſeyd auf ewig gefallen!
Und ſie hoͤrten ſein maͤchtiges Wort, und ſchaͤmten ſich; alle Fuhren auf ihren Fluͤgeln ietzt auf; wie Maͤnner, beſtimmet,
Wegen48Das verlohrne Paradies.
Wegen des Feindes zu wachen, wenn ihr gefuͤrchte - ter Obrer
Schlafend ſie findet, erſchrocken, noch eh ſie ſich voͤllig ermuntert,
Wild ſich bewegen. Sie wurden nunmehr des trauri - gen Zuſtands
Bald gewahr, in welchem ſie lagen, und fuͤhlten ihr Elend.
Dennoch gehorchten ſie ſchnell der Stimme des maͤchti - gen Fuͤhrers;
Eine zahlloſe Schaar. Als wenn in den ſchrecklichen Tagen,
Die Egyptenland trafen, der Stab des Sohnes von Amramg)2 Buch Moſ. X, 13. Moſes reckte ſeinen Stab uͤber Egyptenland, und der Herr trieb einen Oſtwind ins Land, den ganzen Tag, und die ganze Nacht, und die Heuſchrecken kamen uͤber ganz Egyptenland und verfinſterten das Land.
An den Kuͤſten ſich ſchwang, und einer finſteren Wolke
Raſſeln -49Erſter Geſang.
Raſſelnder Heuſchrecken rief; ſie ſtuͤrmte daher auf dem Oſtwind,
Und hieng uͤber dem Reich des verhaͤrteten Pharao, ſchrecklich
Dunkel, wie Nacht, und deckte mit Graus die Laͤnder am Nilus;
So unzehlbar waren die Mengen gefallener Geiſter,
Die ietzt unter der Hoͤlle Gewoͤlben, auf brauſenden Fluͤgeln
Schwebten, unten und oben, und rund um mit Feuer umfloſſen.
Und ihr maͤchtiger Fuͤrſt hob nun ſein Speer in die Hoͤhe,
Als ein blitzendes Zeichen, um ihren Weg zu beſtimmen.
Senkrecht lieſſen ſie ſich zum feſten Bimſtein hernieder,
Eine Menge, dergleichen noch nie der bevoͤlkerte Norden
Aus den gefrornen Lenden entſchuͤttet, die uͤber die Do - nau,
VI. Th. DOder50Das verlohrne Paradies.
Oder den Rhein geſetzt, als ſeine barbariſchen Soͤhne
h)Dieſes waren die Gothen, Hunnen und Vanda - len, welche alle ſuͤdliche Provinzen von Europa uͤber - ſchwemmten, und, nachdem ſie das mittellaͤndiſche Meer durchkreutzt, unter Gibraltar in Afrika lan - deten, und ſich weit in die ſandichten Gegenden von Lybien verbreiteten. Sie waren im eigentlichſten Verſtande Barbaren, weil ſie nicht nur viel Grau - ſamkeit ausuͤbten, ſondern auch alle Denkmaͤler der Kunſt und Gelehrſamkeit zerſtoͤrten. N.
h),
Gleich der Suͤndfluth, vor Zeiten die ſuͤdlichen Laͤnder bedecket,
Und ſich unter Gibraltar nach Lybiens Sand zu ver - breitet.
Ploͤtzlich eilten von jeglicher Schaar, von jedem Ge - ſchwader
Jhre Haͤupter dahin, wo ihr erhabner Beherrſcher
Stand; Geſtalten, wie Goͤtter, von hoher goͤttlicher Bildung,
Ueber51Erſter Geſang.
Ueber die menſchliche weit erhoͤht; gefuͤrſtete Maͤchte,
Wuͤrden, und Kraͤfte, die ſonſt im Himmel auf Thro - nen geſeſſen;
Obgleich ihrer Namen nunmehr im Verzeichniß des Himmels
Nicht mehr gedacht wird, und alle, durch ihren ſchaͤnd - lichen Aufſtand,
Aus den Buͤchern des Lebens auf ewig ausgeloͤſcht wor - den.
Damals hatten ſie auch noch nicht die Namen empfangen,
Die ſie nachmals unter den Soͤhnen der Eva gefuͤhret,
Als Gott zuließ, daß ſie verſtellt, zur Pruͤfung der Menſchen
Ueber den Erdkreis gewandert, und durch betruͤgriſche Luͤgen
Oft den groͤſſeſten Theil des Menſchengeſchlechtes ver - fuͤhret.
Treuloſerweiſe verlieſſen ſie Gott; entehrten den Schoͤp - fer,
D 2Und52Das verlohrne Paradies.
Und die Herrlichkeit des
i)Dieſes bedeutet hier ſo viel als Religionsgebraͤuche, wie Cicero de legibus lib. I, c. 15. religiones et ce - remonias zuſammenſetzt. Pearce.
i), den ſie zu verehren gedachten,
Jn manch thieriſches Bild ward ſie verhuͤllet; ſie zierten
Jhre Religionen mit Pomp, und ſchimmernden Golde;
Bis ſie vor Teufeln, als Goͤttern, gekniet. Da wur - den ſie nachmals
Unter mancherley Namen, und mancherley Goͤtzenge - ſtalten,
Weit umher in heydniſcher Welt den Menſchen be - kannter.
Sage mir, Muſe, die dann beruͤhmt geworde - nen Namen;
Wer zuerſt, wer zuletzt, auf den Ruf des groſſen Be - herrſchers,
Da ſie auf dieſem feurigen Lager vom Schlummer er - wachet,
Jeder53Erſter Geſang.
Jeder nach ſeinem Range zu ihm an den nackenden Strand kam,
Da die Gemeinen das Feld in vermiſchten Haufen be - deckten?
Dieſe kamen zuerſt, die lange hernach aus dem Abgrund
Ueber die Erde geſtreift, um ihren Raub da zu ſuchen;
Und ſich verwegen erkuͤhnt, naͤchſt bey dem Sitz des Allmaͤchtgen
Jhre Wohnung zu nehmen; bey ſeinem heiligen Altar
Jhren ſchaͤndlichen Altar zu ſetzen, als Goͤtter verehret
Von den Nationen umher; die ſich wagten, Jehovah,
Der von Sion gedonnert, und zwiſchen den Cherubim thronte,
Auszuhalten; die ihre Greuel und Goͤtzenaltaͤre
Oft in ſein Heilges geſtellt; mit ihren verfluchten Ge - braͤuchen
D 3Seines54Das verlohrne Paradies.
Seines Tempels Gebraͤuch und heilige Feſttag entweih - ten,
Und mit Finſterniß oft des Ewigen Klarheit beleidigt.
Erſt kam Moloch, ein greulicher Koͤnig
k)Moloch war der Abgott der Ammoniter. Sein Goͤtzenbild war, nach den Rabbinen, von Erzt; er ſaß auf einem Thron von demſelben Metall, und hatte das Haupt von einem Kalbe, mit einer Koͤnigskro - ne geziert. Seine Arme waren ausgeſpreitet, die elenden Opfer zu empfangen, die darin verbrannt werden ſollten. Jn der Schrift wird geſagt, daß die Kinder dem Moloch durchs Feuer giengen. Unſer Dichter braucht eben dieſen Ausdruck, woraus zu verſtehen iſt, daß man die Kinder dieſem Goͤtzen zu Ehren nicht immer wirklich verbrannte, ſondern ſie nur geſchwind durch die Flammen gehn ließ, ſie dadurch zu reinigen, und dieſem Goͤtzen zu heiligen. Newton.
k), befleckt mit dem Blute
Menſchlicher Opfer; mit Thraͤnen der Eltern, die vor dem Geroͤſe
Schallender55Erſter Geſang.
Schallender Pauken und Trommeln das Jammern der Kinder nicht hoͤrten,
Die zu ſeinem grimmigen Bild durchs Feuer ſich nahten.
Jhn verehrte zu Rabba, in ihren waͤßrichten Ebnen,
Und in Argob, und Baſan, der Ammonit, bis zum Strome
Des entfernteſten Arnon. Die kuͤhne Nachbarſchaft war ihm
Noch nicht genung, er verſuͤhrte mit Liſt des weiſeſten Koͤnigs
Salomons Herz, auf der aͤrgernden Hoͤh, dem Tem - pel des Hoͤchſten
Gegen uͤber, ihm Tempel zu baun, und den ſchaͤndli - chen Luſtwald
Jn dem Thale von Hinnom zum Vorbild der Hoͤlle zu machen,
Welches Tophet daher, und das ſchwarze Gehennah genennt ward.
D 4Nach56Das verlohrne Paradies.
Nach ihm kam Chemos
l)Der Abgott der Moabiter. Der heil. Hieronymus und verſchiedne andre Gelehrte halten ihn mit dem Baal Peor fuͤr einerley, und glauben, daß er, wie der Priapus, der Goͤtze der Unkeuſchheit geweſen. Newton.
l), das ſchmutzige Schreck - bild der Soͤhne von Moab;
Herrſchend von Aroar an, bis nach Nebo, hinab in die Wuͤſten
Abarim, weit gen Suͤden, in Heronaim und Hesbon,
Und in Seons Gebiet, im blumichten Thale von Sibma,
Welches mit purpurnen Reben prangt, und in Eleale,
Bis zum Asphaltiſchen Pfuhl. Sein anderer Na - me war Peor,
Als er Jſrael reitzte, ſo wie es vom Nile daher zog,
Jhm in Sittim Feſte zu ſeyren, voll uͤppiger Wolluſt,
Welches57Erſter Geſang.
Welches ihnen viel Schmerzen gebracht. Von da er ſogar noch
Bis zu den Aergernißhoͤhn die ſchluͤpfrige Herrſchaft verbreitet,
Nah am Luſthayn des moͤrdriſchen Molochs; wo Blut - durſt und Wolluſt
Neben einander regiert, bis ſie der fromme Joſias
Beyde mit heiligem Eyfer von da zu der Hoͤlle hinabtrieb.
Jhnen folgeten die, die von des alten Euphrates
Grenzfluth an, bis zum Strom, der Egypten von Sy - rien trennet,
Allgemeinere Namen von Baal und Aſtharoth
m)Dieſes waren die allgemeinen Namen von den Goͤt - tern und Goͤttinnen in Syrien, Palaͤſtina, und den benachbarten Gegenden. Man glaubt, daß die Sonne, und das himmliſche Heer, darunter verſtan - den werde. N.
m) fuͤhrten.
D 5Dieſe58Das verlohrne Paradies.
Dieſe maͤnnlich, die andern weiblich, (nach ihrem Gefallen
Koͤnnen die Geiſter
n)Man meynt, daß Milton dieſe Begriffe von den Geiſtern aus einem Geſpraͤch des Michael Pſellus entlehnt; und Herr Newton lobt ihn ſehr, wegen ſei - ner mannichfaltigen Gelehrſamkeit. Jch weis aber nicht, ob Milton dieſe Beleſenheit in allen Arten von Schriftſtellern hier ſehr ſchicklich angebracht ha - be. Zu welchem Endzwecke ſollen Geiſter auch weiblich ſeyn koͤnnen? Der Leſer kan dadurch zu leicht auf Begriffe gerathen, die der Wuͤrde der Geiſter unanſtaͤndig ſind. Milton haͤtte, duͤnkt mich, dieſen Umſtand deſto eher weglaſſen ſollen, da er von dieſer Erfindung in ſeinem ganzen Gedicht keinen weitern Gebrauch macht. Das uͤbrige dienet, den Leſer zu der wunderbaren Zuſammenziehung der Geiſter, zu Ende dieſes Geſanges, vorzubereiten. Ʒ.
n) jedes Geſchlecht, oft beyde zu - gleich auch,
An ſich nehmen; ſo ſanft iſt ihr gereinigtes Weſen,
Nicht59Erſter Geſang.
Nicht zuſammenverknuͤpft mit Gliedern, oder Gelenken,
Noch auch auf der Gebeine zerbrechliche Staͤrke gebauet,
Gleich dem hindernden Fleiſch) doch welche Geſtalt ſie erwaͤhlen,
Ausgedehnt, oder zuſammengezogen, hell, oder auch dunkel,
Koͤnnen ſie doch den geiſtgen Entſchluß zur Wirklich - keit bringen,
Oder Werke des Haſſes, und Werke der Liebe vollfuͤhren.
Um ſie verließ ſelbſt Jſraels Stamm die lebendige Staͤrke,
Ließ oft einſam den heilgen Altar, und beugte ſich ſchaͤndlich
Vor den thieriſchen Goͤtzen zur Erde; da wurden zur Strafe
Jhre Haͤupter gebeugt in der Schlacht, und ſanken vor Speeren
Jhrer verachteten Feinde dahin. Drauf kam in dem Haufen
Aſtho -60Das verlohrne Paradies.
Aſthoreth
o)Aſtarte, war die Goͤttin der Phoͤnicier. Der Mond ward unter dieſem Namen angebetet. N.
o), von den Phoͤniciern auch Aſtarte ge - nennet,
Die Monarchin des Himmels mit halben Hoͤrnern. Bey Mondſchein
Weihten vor ihrem ſtralenden Bild Sidoniſche Jungfraun
Jhr Geſaͤng und Geluͤbde. Sie blieb auch ſelbſt nicht in Sion
Ohne Lieder; daſelbſt ſtand auf dem ſuͤndlichen Berge
Jhr ein Tempel erbaut von jenem buhlriſchen Koͤnig,
Deſſen edeles Herz, vom Reiz abgoͤttiſcher Schoͤnen
Ueberliſtigt, zum ſchaͤndlichen Dienſt der Goͤtzen herabfiel.
Thammuz folgte nach ihr;
p)Der Gott der Syrier. Er iſt mit dem Adonis ei - nerley. Man fabelte von ihm, daß er auf dem Ber -ge
p) durch ſeine jaͤhrlichen Wunden
Wurden61Erſter Geſang.
Wurden Syriens Toͤchter auf Libanons Hoͤhen ver - ſammlet,
Da in verliebten Geſaͤngen ſein ungluͤckſeeliges Schickſal
Einen Sommertag lang zu beweinen; der ſanfte Adonis
Floß von den Klippen indes, worauf er entſprungen, zum Meere
Purpurfarbig hinab, gefaͤrbt, wie ſie glaubten, vom Blute
Jhres jaͤhrlich verwundeten Thammuz. Die Liebesge - ſchichte
Hatte mit aͤhnlicher Glut die Toͤchter Sions entzuͤndet.
Jhrep)ge Libanon von einem Eber getoͤdtet worden. Der Fluß Adonis entſpringt auf dieſem Berge, und wenn er, wie alle Jahr zu einer gewiſſen Zeit zu geſchehn pflegt, eine rothe Farbe bekam: ſo ward das Feſt des Adonis gefeyert, indem die Weiber ein lautes Weh - klagen ſeinetwegen erhuben, und glaubten, der Strom ſey von ſeinem Blute gefaͤrbt. N. 62Das verlohrne Paradies.
Jhre ſchaͤumende Luſt ſah in dem heiligen Verhof
Ehmals Ezechiel, als er gefuͤhrt durch hohe Geſichte
Des abgoͤttiſchen Juda verdammliche Feſte geſehen.
Drauf kam einer, der ernſtlich getraurt, als im eige - nen Tempel
Die gefangene Lade des Bundes ſein thieriſches Bildniß
Jhm verſtuͤmmelt; und Haupt und Hand vom Rumpf ihm getrennet,
Daß er zum Fußgeſtell fiel, und ſeine Verehrer be - ſchaͤmte.
Dagon
q)Der Gott der Philiſter. Seine Verſtuͤmmelung durch die Lade des Bundes ſiehe 1 Buch Samuel V, 4.
q) nannte man ihn; ein Ungeheuer des Meeres,
Oben ein Menſch, und unten ein Fiſch. Doch hatt er in Azot
Einen63Erſter Geſang.
Einen hocherhabnen Tempel, und wurde gefuͤrchtet
Auf der Kuͤſte von Palaͤſtina, in Askalons Mauren,
Und zu Akkaron, Gath, bis an die Grenzen von Gaza.
Rimmon folgte hierauf
r)Ein Abgott der Syrier, zu Damaskus verehrt. Ei - ner voll Ausſatz trat aus ſeinem Dienſt, naͤmlich Naaman, der durch den Eliſa von ſeinem Ausſatz geheilt wurde, und ſich deshalb entſchloß, nicht mehr andern Goͤttern zu opfern, und Brand - opfer zu thun, ſondern dem Herrn. 2 Buch der Koͤnige V, 17. N.
r), der in dem ſchoͤnen Damas - kus
Seinen lachenden Wohnplatz erwaͤhlt, an den bluͤ - henden Ufern
Des Abbana, und Pharphar, zween lieblichflieſſen - der Stroͤme.
Dieſer auch trutzte dem Hauſe des Herrn; zwar ei - ner voll Ausſatz
Trat64Das verlohrne Paradies.
Trat aus ſeinem ſchaͤndlichen Dienſt, hergegen gewann er
Einen Koͤnig, den thoͤrichten Ahas, der erſt ihn verachtet.
Dieſen vermocht er, daß er den Altar des Hoͤchſten hinwegthat,
Einen nach ſyriſcher Art an ſeine Stelle zu ſetzen;
Seine verhaßten Gaben auf dieſem Altar zu opfern,
Und vor Goͤttern niederzuknien, die er ſelber beſieget.
Drauf erſchien die ſeltſame Schaar, die unter dem Namen
Jſis, Oſiris, und Orus
s)Egyptiſche Gottheiten, unter vielerley Thiergeſtalten angebetet. Man glaubt, daß das goldne Kalb der Jſraeliten eine Nachahmung von dem Kalbe oder Ochſen war, ſo den Oſiris vorgeſtellt. N.
s), mit ihrem Gefolge, beruͤhmt war.
Dieſe verfuͤhrten mit zaubriſcher Kunſt, und taͤuſchen - den Bildern
Die65Erſter Geſang.
Die fanatiſchen Prieſter Egyptens, die wandernden Goͤtter
Jn verlarvter Geſtalt, und unter den Thieren zu ſuchen.
Jſrael auch entgieng nicht der Peſt, da am Fuſſe des Horebs
Sie, von ihrem geſammelten Gold, ein Kalb ſich berei - tet;
Und hernach der rebelliſche Koͤnig zu Dan, und zu Bethel
Dieſe Suͤnde verdoppelt; der ſeinen Schoͤpfer im Bildniß
Eines graſenden Stieres verſtellt; den groſſen Jehovah,
Welcher in Einer Nacht, in der er Egypten verlaſſen,
Durch ſein raͤchendes Schwerd mit den Erſtgebor - nen des Landes
Alle die bloͤckenden Goͤtter in Einem Streiche vereinigt.
VI. Theil. EBelial66Das verlohrne Paradies.
Belial
t)Es ſcheint nicht, daß er irgendwo als ein Abgott ver - ehrt worden; ſondern alle liederlichen gottloſen Leu - te werden in der Schrift Kinder Belials genannt; wie die Soͤhne des Eli 1 Buch Sam. II, 12. N.
t) kam noch zuletzt, kein groͤberwolluͤſtiger Geiſt war
Von dem Himmel gefallen, als er; er liebte das Laſter
Wegen des Laſters allein; zwar war kein eigener Tem - pel
Jhm erbaut; ihm rauchte kein Altar; allein wer wird oͤftrer
Jn den Tempeln geſehn, und bey dem Altar, wenn Prieſter
Gotteslaͤugner geworden, ſo wie die Soͤhne des Eli,
Die mit Gewaltthat und Wolluſt das Haus des Hoͤch - ſten erfuͤllten?
Er regiert auch am Hof, in Pallaͤſten, und ſchwelgri - ſchen Staͤdten,
Wo das Getuͤmmel der Wolluſt, und Unrecht, und wilde Beleidgung
Ueber67Erſter Geſang.
Ueber die hoͤheſten Thuͤrme ſich ſchwingt. Wenn ietzo die Straſſen
Dunkel geworden, dann wandeln ſie fort, des Belials Soͤhne,
Ueberflieſſend von Muthwill und Wein. Die Gaſſen von Sodom
Sind hievon, wie die ſuͤndliche Nacht zu Gibea, Zeu - gen,
Als die bewirthende Thuͤr, um groͤſſere Schande zu hemmen
Eine Matrone verſtieß, und auf die Gaſſe geſtellet.
Dieſes waren an Macht und Range, die erſten. Noch andrer
Zu erwaͤhnen, waͤre zu lang, ſo beruͤhmt ſie auch waren.
Die Joniſchen Goͤtter
u)Die vornehmſten Gottheiten der Jonier und Grie - chen waren Himmel und Erde. Jhr aͤlteſter Sohn, Titan, der Vater der Rieſen, ward vom Saturn,E 2und
u), von Javans Kindern vereh - ret,
Und68Das verlohrne Paradies.
Und als Goͤtter erkannt; obgleich ſie ſelber geſtunden,
Daß ſie juͤnger noch waͤren, als ihre geprieſenen Eltern,
Himmel und Erde. Titan, der Erſtgebohrne des Himmels,
Mit dem Rieſengeſchlecht, dem Saturn, ſein juͤngerer Bruder,
Seinu)und Saturn wieder vom Jupiter, ſeinem eignen Sohn von der Rhea, der Herrſchaft beraubt. Die - ſe waren zuerſt auf der Jnſel Creta, ietzo Candia, bekant, auf welcher Jnſel der Berg Jda liegt. Dann kamen ſie nach Griechenland uͤber, und wohn - ten auf dem Berg Olympus in Theſſalien. Oder auf der Delphiſchen Klippe, dem Parnaß, auf welchem die Stadt Delphos lag, beruͤhmt, wegen des Tempels und Orakels des Apollo daſelbſt. Oder auch zu odona, einer Stadt mit einem angren - zenden Walde, dem Jupiter geheiligt; und ſo weit ſich die Grenzen des Doriſchen Landes, das iſtGriechen -69Erſter Geſang.
Sein Geburthsrecht entriß; vom maͤchtigern Jupiter aber,
Seinem eigenen Sohn von der Rhea, der Herrſchaft beraubt ward,
Welche Jupiter fuͤhrte, nachdem er des Reichs ſich be - maͤchtigt.
Dieſe waren zuerſt bekannt in Creta, und Jda;
E 3Herrſch -u)Griechenlandes, erſtreckten. Oder die uͤber Adria, uͤber das Adriatiſche Meer, zu Hesperiſchen Fel - dern, das iſt, Jtalien, flohn, und uͤber die Celti - ſche Landſchaft, Frankreich, und die andern von den Celten uͤberſchwemmten Landſchaften, bis zu den aͤuſſerſten Jnſeln geſtreift, naͤmlich Großdri - tannien, Jrrland, die Orkadiſchen Jnſeln, und Thule, ultima Thule, wie es genannt wird, als der aͤuſſerſten Grenze der Welt. Dieſe Erklaͤrungen ſind uͤberfluͤßig fuͤr diejenigen, die mit den klaßiſchen Schriftſtellern bekannt ſind; ſie dienen bloß fuͤr un - geuͤbtere Leſer. N. 70Das verlohrne Paradies.
Herrſchten hernach auf dem Gipfel des kalten beſchney - ten Olympus,
Jn der mittleren Luft, als ihrem hoͤheſten Himmel;
Oder auch zu Dodona, und auf der Delphiſchen Klippe,
Und ſo weit ſich die Grenzen des Doriſchen Landes er - ſtreckten,
Oder die mit dem alten Saturn, zu Hesperiens Feldern,
Ueber Adria flohn; und, uͤber die Celtiſche Landſchaft,
Bis zu den aͤuſſerſten Jnſeln geſtreift; die alle, nebſt mehrern,
Kamen in Schaaren herbey, mit niedergeſchlagenen Augen,
Und verfinſtertem Blick, doch ſah man noch dunke - le Funken
Einiger Freude darin, weil ſie ihr Haupt noch nicht gaͤnzlich
Jn Verzweiflung verſunken geſehn, und weil ſie ſich ſelber
Mitten71Erſter Geſang.
Mitten in dieſem Verluſt nicht ganz noch verlohren gefunden.
Dies bezog ſein Geſicht mit einer wechſelnden Farbe;
Aber er nahm den gewoͤhnlichen Stolz bald wieder zuſammen,
Und hob ihren ſinkenden Muth durch prahlende Worte,
Mit dem Scheine, nicht aber dem Weſen der Ho - heit bekleidet,
Und verjagte die Furcht aus ihren ſorgenden Herzen.
Und nun gab er Befehl, ſchnell ſeine maͤchtge Stan - darte,
Unter dem kriegriſchen Schall der lauten Trompe - ten und Zinken,
Aufzuſtellen. Das Recht des hohen Vorzugs gebuͤhrte
Einem hochragenden Cherub, Azazel. Vom ſchim - mernden Stabe
Ward das erhabne Koͤnigspanier ohn Anſtand entwickelt.
E 4Wel -72Das verlohrne Paradies.
Welches, entfaltet, nunmehr im Winde flatternd da - hinſtroͤmt,
Und die Gegend erhellt, gleich einem ſtralenden Nordſchein.
Zeichen des Sieges glaͤnzten darin, und ſeraphiſche Waffen
Reich blaſonivet mit Gold, und koͤſtlichen Edelgeſteinen;
Da indes aus klingendem Erz begeiſternde Toͤne
Schallten; wozu das ſaͤmmtliche Heer ein Feldgeſchrey machte,
Daß der Hoͤlle Gewoͤlber erbebten, und drauſſen die Reiche
Von der ewigen Nacht, und dem Chaos, darob ſich entſetzten.
Ploͤtzlich ſtiegen in duͤſterm Licht zehntauſend Paniere
Hoch in die Luft, und ſtralten mit hellen Farben des Aufgangs;
Und zugleich erhub ſich ein Wald von glaͤnzenden Spieſſen;
Helme,73Erſter Geſang.
Helme, dicht an einander gedraͤngt, und geſchloſſene Schilde,
Sah man in Ordnung zur Schlacht, von unermeßli - cher Tiefe.
Und ſo zogen ſie fort in einem vollkommenen Phalanx,
Nach der Doriſchen Tonart
x)Wir haben, von der Muſik der Alten, nur ſehr unge - wiſſe und verwirrte Begriffe. Es ſcheint, daß ſie drey Haupttonarten gehabt; die Lydiſche, Phrygi - ſche, und Doriſche. Die Lydiſche, war die trau - rigſte, die Phrygiſche, die munterſte, und die Do - riſche die ernſthafteſte, und majeſtaͤtiſchte.
x) von Pfeifen, und lieb - lichen Floͤten,
So wie ſie ehmals des Alterthums Helden zum hoͤhe - ſten Grade
Edler Grosmuth erhoͤht, wenn ſie zur Schlacht ſich ge - wafnet,
Und ſie maͤnnlicher Muth, ſtatt raſender Kuͤhnheit, be - geiſtert;
Welche die Furcht vor dem Tode zu keinem Ruͤckzug bewogen,
E 5Noch74Das verlohrne Paradies.
Noch zur ſchaͤndlichen Flucht; jedoch mit der Kraft auch begabet,
Die empoͤrten Gedanken mit feſtlichem Klange zu ſtil - len,
Und von ſterblichen Seelen ſowohl, als unſterblichen, Kummer,
Zweifelmuth, Furcht, und Angſt, und Schmerzen, und Pein zu verjagen.
Alſo athmeten ſie vereinigte Macht, mit geſetzten
Feſten Gedanken, und ruͤckten heran ſtillſchweigend, beym Schalle
Sanft ertoͤnender Floͤten, wodurch die beſchwerlichen Schritte
Auf dem brennenden Boden bezaubert wurden; und ietzo,
Voͤllig herangenaht, ſtanden ſie da, in graͤulicher Fronte,
Von entſetzlicher Laͤnge, mit hellen ſchimmernden Waffen,
Nach des Alterthums Art, mit Schilden und Spieſ - ſen verſehen,
Und75Erſter Geſang.
Und erwarteten ſo des maͤchtigen Hauptes Befehle.
Dieſer durchlief mit forſchendem Blick die blitzenden Reihen,
Ueberſah des ſaͤmmtlichen Heers geordnete Stellung,
Sah ihr Geſicht, und ihre Geſtalt, wie Geſtalten der Goͤtter,
Und nun uͤberzaͤhlt er ſie alle. Da ſchwoll ihm voll Hochmuth
Sein verhaͤrtetes Herz; auf ſeine Macht ſich verlaſſend,
Jauchzt er in ſeinem Muth. Denn ſeit der Menſchen Erſchaffung
War das groͤſſeſte Heer, ſo je vereiniget worden,
Doch nicht groͤſſer, verglichen mit dieſer gewaltigen Kriegsmacht,
Als der Zwerge Geſchlecht, mit dem die Kraniche ſtrit - teny)Alle Helden, und Kriegsheere, die jemals verſamm - let worden, waren nichts anders, als Zwerge, inVer -.
Wuͤrde76Das verlohrne Paradies.
Wuͤrde die ganze Rieſenbrut auch von Phlegra zu ihnen,
Mit dem Heldengeſchlechte geſtellt, die ehmals vor Thebe,
Und vor Jlium fochten, auf jeder Seite vermiſchet
Mit den helfenden Goͤttern; und alles, was ſonſt noch in Fabeln
Odery)Vergleichung mit dieſen Engeln, wuͤrde auch das ganze Rieſengeſchlecht von Phlegra, einer macedo - niſchen Stadt, wo die Rieſen mit den Goͤttern ſoch - ten, zu ihnen geſtellt; mit dem Heldengeſchlecht, ſo ehmals vor Thebe gefochten, einer Stadt in Boͤo - rien, die wegen des Krieges zwiſchen den Soͤhnen des Oedipus beruͤhmt iſt, welchen Statius in ſeiner Thebais beſungen; und vor Jlium, oder Troja, welches durch Homers Jliade noch beruͤhmter ge - worden, wo auf jeder Seite die Helden von Goͤt - tern unterſtuͤtzt wurden; und was in Fabeln, oder Romanen beruͤhmt iſt, von Uthers Sohne, dem Koͤnig Arthur, welcher oft von Brittiſchen und Ar -moriſchen77Erſter Geſang.
Oder Romanen beruͤhmt iſt, von Uthers Sohne, begleitet
Von Armorſchen und Brittiſchen Rittern, und allen, die nachmals,
Heydniſch, oder getauft, in Aspramont Waffen gefuͤhret,
Und in Montalban, zu Damaskus, oder Marocco,
Undy)moriſchen Rittern begleitet ward, denn er ſtand oft im Buͤndniß mit dem Koͤnig von Armorica, wel - ches, nachdem ſich die Britten daſelbſt geſetzt, Bre - tagne hieß; und allen die nachmals in Aspramont, und Montalban Waffen gefuͤhrt, Romanennamen von Oertern, die im Orlando furioſo vorkommen, oder zu Damasko, Marokko, und Trapezunt, alles Namen, die in Romanen beruͤhmt ſind; oder die noch Biſerta, ehmals Utica, von den Afrikaniſchen Ufern ſandte, welches die Saracenen ſind, die von Biſerta in Afrika nach Spanien uͤbergiengen, als Carl der Groſſe bey Fontarabbia fiel mit allen Fuͤrſten und Rittern. Milton nimmt naͤmlich, nachdem78Das verlohrne Paradies.
Und zu Trapezunt, und die noch Biſerta geſendet,
Von den Afrikaniſchen Ufern, als Carl der Groſſe
Bey Fontarabbia fiel, mit allen Fuͤrſten und Rittern:
So viel groͤſſer war es, als jede ſterbliche Kriegsmacht,
Soy)dem Mariana, und andern ſpaniſchen Schriftſtel - lern an, daß dieſer Kayſer auf ſolche Art gefallen. Mezeray aber, und andre franzoͤſiſche Schriftſteller, haben gezeigt, daß er zuletzt uͤber ſeine Feinde geſiegt, und in Frieden geſtorben. Man kan dieſe ganze Stelle mit dem D. Bentley nicht als untergeſcho - ben verwerfen; doch waͤre zu wuͤnſchen, daß unſer Dichter ſeinem Geſchmack an Romanen nicht ſo nachgehangen, auf die er in ſeiner Jugend, wie er ſelbſt geſteht, ſehr hitzig geweſen, und nicht mit ei - ner Beleſenheit in Buͤchern haͤtte Staat machen wollen, die vielleicht beſſer gar nicht haͤtten geleſen werden ſollen. N. 79Erſter Geſang.
Und doch ſah es allein auf ſeinen Fuͤhrer. Er ſtand ietzt
Einem Thurm gleich, und ragete ſtolz an Muth und Betragenz)Welch eine edle Beſchreibung von Satans Perſon! Und wie unterſchieden iſt ſie von der gewoͤhnlichen laͤcherlichen Vorſtellung derſelben mit Hoͤrnern, Schwanz, und Klauen. Und doch hat ihn ſelbſt Taſſo ſo beſchrieben. Die groͤßten Mahler hatten nicht ſo erhabene Jdeen, als Milton, wie jeder ge - ſtehen muß, der die Gemaͤhlde und Kupferſtiche Michaelis und des Teufels, vom Raphael oder Gvido, oder das Weltgericht vom Michael Ange - lo geſehn. N. Die Jtaliaͤner ſcheinen an dieſe erniedrigenden Vorſtellungen Satans, mit Hoͤrnern, Schwanz, und Klauen ſo gewoͤhnt zu ſeyn, daß er ſogar in den Kupfern vor des Rolli Ueberſetzung des verlohrnen Paradieſes noch immer ſo vorgeſtellt wird, ob ſichgleich
Ueber die andern hervor. Noch hatte ſeine Geſtalt nicht
Ganz80Das verlohrne Paradies.
Ganz den urſpruͤnglichen Schein verlohren, er ſchien nichts geringers,
Als ein Cherub, welcher gefallen; allein nur verfinſtert
An der Herrlichkeit, die bey ihm ſonſt im Uebermaaß ſtralte.
So wie die Sonne, wofern ſie verhuͤllt in Nebel her - aufſteigt;
Jhrer Stralen beraubet, erſcheint; und ſo wie ſie oft - mals
Hinter dem Mond in duͤſterer Nacht mit furchtbarem Schatten,
Ungluͤck weiſſagend, die Voͤlker erſchreckt, und Monar - chen in Sorgen
Wegen Staatsveraͤnderungen ſetzt
a)Dieſes iſt das beruͤhmte Gleichniß, weswegen dieſes vortrefliche Gedicht beynahe durch den Cenſor unter - druͤckt worden, welcher Hochverrath darin zu finden glaubte. N.
a); ſo war er ver - finſtert,
Aberz)gleich Milton ſo viel Muͤhe gegeben, dieſe niedern Jdeen von den gefallnen Engeln auszuloͤſchen Z. 81Erſter Geſang.
Aber an Glanz vortreflicher noch, als alle die andern.
Zwar ihm hatte der Donner mit Narben ſein Antlitz bezeichnet,
Und die blaſſere Wange bewohnte die Sorge; doch blickte
Unerſchuͤtterter Muth von ſeiner finſteren Stirne
Und beleidigter Stolz, der Rache drohte. Sein Auge
War voll Grimm, doch ſah man drinn Zeichen von Reu, und von Mitleid,
Seine Gefaͤhrten, oder vielmehr, die im Laſter ihm folgten, (O wie gluͤcklich vorher)! verdammt und verurtheilt zu ſehen
Zu dem Loos von ewiger Pein; Millionen von Geiſtern,
Wegen ihres Vergehns nun aus dem Himmel getrieben,
Und vom ewigen Glanz ob ſeiner Empoͤrung verſtoſſen.
Dennoch ſtanden ſie noch in ihrem verblichenen Schim - mer
VI. Th. FTreu,82Das verlohrne Paradies.
Treu, und ſtandhaft bey ihm. So wenn das Feuer vom Himmel
Jn die Eichen des Waldes, und in die Fichten des Bergs ſchlaͤgt,
Steht die ſtattliche Laͤnge, mit kahlem verſengeten Gipfel,
Auf der Haide verbrannt. Jetzt war er zu ſpre - chen bereitet;
Deshalb ſchwenkten die doppelten Reihn von Fluͤgel zu Fluͤgel
Sich um ihn her, und ſchloſſen mit allen Groſſen des Reiches
Rund ihn ein. Aufmerkſamkeit erhielt ſie im Schwei - gen.
Dreymal verſucht er zu reden
b)Er hat den Ovid in Gedanken, Met. XI, 419. Ter conata loqui, ter fletibus ora rigavit. Dreymal verſucht ſie, zu reden, und dreymal netzt ſie mit Thraͤnen Jhre Wangen. Bentley.
b), und dreymal bra - chen die Thraͤnen
Trotz des Stolzes hervor, aus ſeinen verfinſterten Augen;
Thraͤnen, wie Engel ſie weinen. Doch endlich fanden die Worte
Alſo83Erſter Geſang.
Alſo den Ausgang bey ihm, mit tiefen Seufzern ver - miſchet.
O ihr Myriaden unſterblicher Geiſter! Jhr Kraͤfte,
Die ihr mit nichts zu vergleichen, als mit dem Allmaͤcht - gen! der Streit ſelbſt,
Den wir mit ihm gefuͤhrt, war ohne Ruhm nicht; ſo grauſam
Auch der Ausgang geweſen, wie dieſe Wohnung beweiſet,
Und die Veraͤndrung, welche wir hier mit Abſcheu er - blicken.
Doch welch eine prophetiſche Kraft, und Gabe der Seele,
Etwas vorher zu ſehn, und in die Zukunft zu ſchauen,
Haͤtt aus der tiefen Erkenntniß des Gegenwaͤrtgen, und Kuͤnftgen,
Jemals zu fuͤrchten geglaubt, daß eine Kriegsmacht von Goͤttern,
So wie dieſe, vereint, und die, wie dieſe, ſo feſt ſtand,
F 2Wuͤrde84Das verlohrne Paradies.
Wuͤrde geſchlagen werden? Und wer kan ietzo noch glauben,
Selbſt nach dieſem Verluſt, daß alle die maͤchtigen Schaaren,
Deren Verbannung den Himmel entvoͤlkert
c)Man haͤlt dafuͤr, daß der dritte Theil der Engel mit Satan abgefallen, nach Offenbarung Joh. XII, 4. Und ſein Schwanz zog den dritten Theil der Sterne des Himmels nach ſich, und warf ſie auf die Erde. Milton hat dieſe Meynung in verſchie - denen Stellen ſeines Gedichts geaͤuſſert. Satan macht aber ihre Anzahl hier groͤſſer, und prahlt, als ob ihre Verbannung den Himmel entvoͤlkert. N.
c), aus ei - genen Kraͤften
Nicht aufſteigen muͤßten, um wieder vom alten Ge - burthsort
Jm Beſitz ſich zu ſehn! Was mich betrift, ruf ich hier foͤrmlich
Dieſes ſaͤmmtliche Heer des Himmels zu Zeugen, ob etwan
Mein verderblicher Rath, und furchtſam geſcheute Ge - fahren,
Unſere85Erſter Geſang.
Unſere Hofnung verlohren gemacht. Nein, der, der im Himmel
Als ein Monarch herrſcht, hatte bisher auf dem ſiche - ren Throne
Ruhig geſeſſen, als einer, den eine lange Gewohnheit,
Und ein alter Gebrauch, durch einen freyen Gehorſam
Aufrecht gehalten; ſo hat er beſtaͤndig in voͤlligem Pompe
Seine Regierung gefuͤhrt, ſtets ſeine Staͤrke verbergend,
Welches dies Unternehmen erzeugt, und Urſach geworden
Dieſes unſers erſchrecklichen Falls. Wir kennen in Zu - kunft
Seine Macht, und kennen die unſre. Wir haben nicht noͤthig,
Jhn zum Streite zu fordern, und ſo man uns dazu fordert,
Duͤrfen wir auch den Streit nicht fuͤrchten; doch bleibt wohl das beſte,
F 3Daß86Das verlohrne Paradies.
Daß wir mit unſerm Betrug, und heimlichen Liſten das zwingen,
Was die Gewalt nicht vermag. So ſoll er an uns auch erfahren,
Daß ein Sieg durch Gewalt nur halber Sieg iſt. Der Raum mag
Neue Welten gebaͤhren! So gieng im Himmel die Sage, (Wenn ich kuͤnftiger Dinge nicht ganz vergeſſen) er wuͤrde
Sie in kurzem erſchaffen, und ein Geſchlechte drein ſe - tzen,
Das er mit eben der Gunſt, als wie die Soͤhne des Himmels,
Anſehn wuͤrde. Dahin, und waͤrs nur die Gegend zu ſpaͤhen,
Thun wir den erſten Ausfall vielleicht; vielleicht auch ſonſt wo.
Dieſer hoͤlliſche Schlund ſoll nicht auf immer in Banden
Himmliſche Geiſter behalten, noch ſie mit Finſterniß lange
Dieſer87Erſter Geſang.
Dieſer Abgrund bedecken. Doch dieſe groſſen Gedanken
Muß ein verſammelter Rath zu ihrer Zeitigung bringen.
Uns bleibt keine Hofnung zum Frieden! Denn welcher von uns kan
Unterwerfung ſich denken; zum Kriege denn, zum Kriege
Oeffentlich, oder verdeckt, muß unſer Entſchluß ſich be - ſtimmen!
Alſo Satan. Es flogen ſogleich zum Zeichen des Beyfalls,
Millionen von flammenden Schwerdtern aus klirren - den Scheiden,
Von der Cherubim Seiten gezuͤckt. Das ploͤtzliche Blitzen
Machte den Abgrund weit umher hell. Sie raſeten heftig
Wider den Hoͤchſten; und machten voll Wuth mit den laͤrmenden Waffen
Ein erſchrecklich Getoͤs auf ihren praſſelnden Schilden,
F 4Und88Das verlohrne Paradies.
Und hohnſprechender Trutz ſtieg auf zum Gewoͤlbe des Himmels.
Nahe dabey erhub ſich ein Berg; ſein graͤßlicher Gipfel
Stroͤmte Feuer, und wallenden Rauch. Die uͤbrigen Theile
Glaͤnzten mit einer ſunkelnden Rinde, das ſicherſte Zeichen,
Daß des Schwefels Geburth in ſeinem Schooſſe ver - deckt lag,
Reifes metalliſches Erz. Mit ſchneller Eile befluͤgelt,
Flog ein kuͤnſtlicher Haufen dahin. Wie Schaaren Minirer
Vor des Eroberers Heer, mit Picken und Spaden be - wafnet,
Herziehn uͤber das Feld, ein ſicheres Lager zu zeichnen.
Mammon
d)Ein ſyriſcher Name, welcher Reichthum bedeutet. Einige ſehn ihn als den Gott des Reichthums an, und ſo macht ihn auch unſer Dichter zu einer Per - ſon. N.
d), der niedrigſte Geiſt, der aus dem Him - mel gefallen,
Mam -89Erſter Geſang.
Mammon fuͤhrte ſie an. Sein Blick, und ſeine Gedanken
Waren im Himmel bereits nur auf die Erde geheftet;
Er bewunderte mehr den Reichthum des himmliſchen Bodens,
Lautres geſchlagenes Gold, als alles, was goͤttlich und heilig
Man im ſeeligen Anſchaun genießt. Durch ſeine Ver - fuͤhrung
Haben die Menſchen zuerſt aus Durſt nach Gold ſich erkuͤhnet,
Mit verwegener Hand die Eingeweide der Erden,
Jhrer Mutter, zu pluͤndern, um nichtige Schaͤtze, die beſſer
Waͤren verborgen geblieben. Schnell hatte ſein Hau - fen im Felſen
Eine geraume Wunde gemacht, und Ribben vom Golde
Ausgegraben (man wundre ſich nicht, daß Reichthum und Schaͤtze
F 5Tief90Das verlohrne Paradies.
Tief im Abgrund entſtehn; die Hoͤlle ſchickt ſich am beſten
Fuͤr dies koſtbare Gift). Und hier laß alle die lernen,
Die in irrdiſchen Dingen ſich ruͤhmen, und voller Be - wundrung
Von der Herrlichkeit Babels, und von der aͤgyptſchen Monarchen
Praͤchtigen Wundern erzaͤhlen; laß alle die lernen, wie leicht ſie
Jn den herrlichſten Werken der Kunſt, der Staͤrke, des Ruhmes,
Uebertroffen ſich ſehn von dieſen verworfenen Geiſtern,
Die in einer Stunde verrichten, was kaum ein Jahr - hundert
Mit beſtaͤndigem Fleiß, und zahlloſen Haͤnden
e)An einer der aͤgyptiſchen Pyramiden haben 36000. Menſchen beynahe zwanzig Jahr gearbeitet. Nach dem Diodor. Sic. L. I. und Plin. L. 36. c. 12. N.
e), voll - bringet.
Auf der Ebene ſah man nunmehr viel Zellen bereitet,
Un -91Erſter Geſang.
Unterwerts hin mit Adern von fluͤßigem Feuer durch - kreutzet,
Aus dem brennenden See; ein andrer geſchaͤftiger Haufen
Schmelzte die Klumpen von Erz mit wundernswuͤrdi - ger Kunſt aus,
Und ſchied Arten von Art; noch andre ſchaͤumten die Schlacken
Von dem fluͤßgen Metall. Ein dritter Haufen indeſſen
Hatte den Grund in mancherley Form mit Modellen durchgraben
Und aus ſiedenden Zellen, durch manche ſeltſamen Gaͤnge,
Alle verborgenen Winkel gefuͤllt. So wie in der Orgel
Nur ein einziger Hauch, verſchiedene Reihen von Pfeifen,
Schnell harmoniſch beſeelt. Nun ſtieg ein groſſes Ge - baͤude
Aus der Erde hervor, wie ein Nebel, unter dem Schalle
Lieblicher92Das verlohrne Paradies.
Lieblicher Symphonien und Stimmen, gebaut wie ein Tempel.
Saͤulen ſtanden umher, und hohe Doriſche Pfeiler,
Mit vergoldten Geſimſen bedeckt; auch fehlten daran nicht
Frieſen, oder Karnieſſen, mit herrlichem Schnitzwerk gezieret,
Und die Decke war ganz mit ſchimmerndem Golde be - zogen.
Babylon nicht, noch das groſſe Cairo, im groͤſſeſten Flore,
Hat in Pracht dies erreicht, als ſie mit groͤßter Ver - ſchwendung
Jhren Goͤttern, dem Bel, und Serapis
f)Belus, der Sohn Nimrods, der zweyte Koͤnig von Babylon, und der erſte Menſch, welcher als ein Gott verehret worden. Er ward von den Chal - daͤern Bel, von den Phoͤniciern Baal genannt. Serapis iſt mit dem Aegyptiſchen Gott Apis einer - ley. Hume.
f) Tempel er - richtet,
Oder93Erſter Geſang.
Oder den Koͤnigen Schloͤſſer erbaut, als Aſſur vor Zeiten
Mit Aegypten in Pracht und Wolluſt und Reichthum geeifert.
Jetzo ſtanden die Saͤulen, und ſtiegen in ſtattlicher Hoͤh auf.
Ploͤtzlich oͤfneten ſich die ehernen Fluͤgel der Thore
Und der Blick entdeckte darin die geraumeſten Saͤle
Ueber das glatte polirte Pflaſter. Durch magiſche Kuͤnſte
Hiengen viel ſternende Lampen, und ſchimmernde Kro - nen, genaͤhret
Mit Asphaltus und Naphta, herab von der Decke Ge - woͤlben,
Die ſo viel Licht von ſich warf, als wie ein Himmel voll Sterne.
Nun trat eilend die Menge hinein, ganz Aug, und Bewundrung.
Einige prieſen das Werk, und andre den Meiſter. Denn ehmals
War94Das verlohrne Paradies.
War er mit Ruhm im Himmel bekant, durch manches Gebaͤude,
Manchen erhabnen gethuͤrmten Pallaſt, wo thronende Engel
Jhren Aufenthalt hatten, und gleich den Fuͤrſten re - gierten,
Da ſie der oberſte Koͤnig zu ſolchem Anſehn erhaben,
Und in ſeiner Hierarchie jedwedem, die Herrſchaft
Ueber die glaͤnzenden Reihn und Orden der Engel, ver - trauet.
Auch war ſein Name ſo unbekant nicht, noch ohne Verehrer
Jn des alten Graͤciens Graͤnzen. Jhn nannten die Menſchen
Mulziber in den Auſoniſchen Laͤndern, und fabelten von ihm,
Wie er vom Himmel gefallen, indem ihn Jupiter zornig
Von den kryſtallenen Zinnen geworfen; da ſey er vom Morgen
Bis95Erſter Geſang.
Bis zum Mittag gefall’n, und vom Mittag zum Thaue des Abends,
Einen Sommertag lang; und mit der ſinkenden Sonne
Sey er herab vom Zenith, gleich einem ſchieſſenden Sterne,
Jm Egeiſchen Meer auf die Jnſel Lemnos geſtuͤrzet.
So erzaͤhlten ſie irrig von ihm; ſein Fall war vorher ſchon
Mit der rebelliſchen Rotte geſchehn. Was halfs ihm im Himmel
Hohe Thuͤrme gebaut zu haben? Mit allen Maſchinen
Kont er ſich ietzo nicht retten; er ward vom Himmel geworfen,
Jn der Hoͤlle zu bauen mit ſeinen fleißigen Schaaren.
Auf der Obren Befehl ward nun beym Schall der Trompeten,
Unter ſtolzen Gebraͤuchen von fliegender Herolde Lippen,
Durch96Das verlohrne Paradies.
Durch das ſaͤmmtliche Heer ein groſſer Reichstag ver - kuͤndigt.
Dieſer ſollte ſogleich im Pandaͤmonium, Satans,
Und der Groſſen des Reichs erbauten goldnem Pallaſte,
Sich verſammeln. Die lauten Befehle verlangten die Haͤupter,
Und die Fuͤhrer von jedem Geſchwader, ſo wie ſie die Ordnung
Oder das Wahlrecht beſtimmt. Bey hundert und tau - ſenden kamen
Sie ſogleich in Haufen herbey. Ein wimmelnd Ge - draͤnge
Fuͤllte die Zugaͤng umher. Die weiten Thuͤren und Hallen
Und der geraume Vorhof vor allem, (obgleich wie ein Feid groß,
Wo die verwegnen Kaͤmpfer vor Alters in Waffen ſich uͤbten,
Und vor der Buͤhne des Soldans den beſten der heydniſchen Ritter
Zu97Erſter Geſang.
Zu dem toͤdtlichen Kampf, und Lanzenbrechen gefodert),
Waren erfuͤllt vom rauſchenden Schwarm, ſowohl auf dem Boden,
Als in der Luft, die vom Ziſchen ſo vieler Fluͤgel getheilt ward.
Wie die Bienen im Lenz, wenn an dem Himmel die Sonne
Jm Geſtirne des Stieres ſich zeigt, die ſchwaͤrmende Jugend
Aus dem Stocke vertreiben; bis ſich die Jrrenden end - lich
Jrgendwo in Trauben verſammeln. Sie fliegen ge - ſchaͤftig
Unter dem Thau in Blumen herum; auch wandeln ſie manchmal
Auf den ſchluͤpfrigen Bretern umher, der offenen Vor - ſtadt
Jhrer Veſtung von Stroh, mit friſchem Balſam be - ſtrichen,
Und bereden ſich murmelnd von ihres Staates Ge - ſchaͤften,
VI. Th. GEben98Das verlohrne Paradies.
Eben ſo ſchwaͤrmten die geiſtigen Schaaren in dickem Gedraͤnge,
Bis zum gegebenen Zeichen. Und ſieh ein Wun - derg)Dieſes wunderbare Zuſammenziehn der Geiſter im Pandaͤmonium iſt verſchiedentlich getadelt worden, beſonders vom Herrn von Voltaire, und andern franzoͤſiſchen Schriftſtellern, die aber von dem Wun - derbaren uͤberhaupt unſtreitig zu eingeſchraͤnkte Be - griffe haben. Milton hat mit vieler Kunſt den Le - ſer in dieſem Geſange ſchon dazu vorbereitet, wie Addiſon, und William Duncombe angemerkt, und nach der Beſchreibung des Poeten iſt nichts laͤcherliches darin; ſie iſt ſo edel und praͤchtig, als irgend eine vom Homer, oder Virgil, in dieſer Art. Es wuͤrde viel unwahrſcheinlicher geweſen ſeyn, wenn er die unzaͤhligen Myriaden gefallner Engel alle in ihrer wahren Rieſengeſtalt, in einem einzigen Saal eingeſchloſſen, vorgeſtellt haͤtte. Z. ! denn dieſe,
Die noch eben an Rieſengeſtalt die Soͤhne der Erde
Uebertrafen, ſind ietzo ſo klein, als niedrige Zwerge,
Und99Erſter Geſang.
Und ziehn ſich im engeſten Raum zuſammen, unzaͤhlig,
Gleich dem Pygmaͤen Geſchlecht jenſeit der Jndiſchen Berge,
Oder auch gleich den zaubriſchen Aelfen, wenn etwa der Landmann,
Der ſich verſpaͤtet, zur Mitternachtszeit, bey Brun - nen und Waͤldern,
Wirklich, oder im Traume vielleicht, ſie tanzen zu ſehn glaubt;
Da indeß zuſchauend der Mond ihm uͤber dem Haupt ſteht,
Und mit blaſſerem Lauf der ſchlafenden Erde ſich naͤhert;
Sie vertiefen ſich ganz in ihre froͤhlichen Reigen,
Und ergoͤtzen ſein Ohr mit ſuͤſſer Muſik, daß ſein Herz ihm
Eben ſo klopfet fuͤr Freuden als Angſt. So zogen auch ietzo
Dieſe aͤtheriſchen Geiſter die ungeheuren Geſtalten,
G 2Jn100Das verlohrne Paradies.
Jn die niedrigſten Formen zuſammen, und ſaſſen be - quem nun,
Obgleich unzaͤhlig, im praͤchtigen Saal des hoͤlliſchen Schloſſes.
Aber weiter hinein, in unverminderter Groͤſſe
Saſſen im inneren Kreis die groſſen ſeraphiſchen Herren,
Mit den Cherubim, neben einander, auf goldenen Stuͤhlen,
Jm geſchloſſnen Senat, und einem geheimen Conclave,
Herrlich, wie Goͤtter, zahlreich und voll, im ſchim - mernden Saale.
Drauf nach kurzem Schweigen, und abgeleſnen Be - fehlen,
Nahm der verſammelte Rath der hoͤlliſchen Staaten den Anfang.
Das[101]

Das Verlohrne Paradies. Zweyter Geſang.

G 3[102]103
Das Verlohrne Paradies. Zweyter Geſang.
Hoch auf einem glaͤnzenden Thron, von reicherem Schimmer,
Als der Jndiſche
a)Diamanten, der vornehmſte Reichthum von Jndien, worin ſie gefunden, und auf der Jnſel Ormus in dem Perſiſchen Meerbuſen verkauft werden. Pearce.
a) Stolz in allen Schaͤtzen von Ormus,
Oder wo ſonſt mit verſchwendriſcher Hand der Orient Perlen
G 4Und104Das verlohrne Paradies.
Und barbariſches
b)Barbarſches Gold, nach dem Beyſpiel der Griechen und Roͤmer, welche alles Auslaͤndiſche barbariſch nannten. Virgil. Aen. II, 504.
Barbarico poſtes auro ſpoliisque ſuperbi Procubuere etc.
Die mit barbariſchem Gold, und reicher Beu - te gezierten Schimmernden Pfeiler ſanken. Taſſo hat es gleichfalls in folgender Beſchreibung angenommen C. 17. N. 10.
E ricco di barbarico ornamento In habito regal ſplender ſi vede.
Und in reicher barbariſcher Pracht, in Koͤnigs - gewande Sah man ihn ſtralen. Newton.
b) Gold auf ſeine Koͤnige ſtreuet,
Saß ietzt Satan durch ſeine Verdienſte zum traurigen Vorzug
Vor den andern erhoͤht; und da er wider Vermuthen
Von105Zweyter Geſang.
Von der Verzweiflung ſo hoch empor ſich geſchwungen, ſo ſtrebt er
Hoͤher noch; unerſaͤttlich, den thoͤrichten Krieg mit dem Himmel
Zu verfolgen; und noch nicht gewarnt durch den ſchreck - lichen Ausgang,
Wandt er, verlohren in Traͤumen voll Stolz, ſich ſo zur Verſammlung.
Thronen und Fuͤrſtenthuͤmer, und Maͤchte
c)So nennt Paulus Col. I, 16. die Engel, Thronen, Herrſchaften, Fuͤrſtenthuͤmer, ꝛc. N.
c), Geburthen des Himmels!
Denn da keine Tiefe vermag, im unterſten Abgrund
Kraͤfte der Goͤtter, ſo ſehr ſie gefallen, ſo ſehr ſie ge - druͤckt ſind,
Zu behalten; ſo geb ich noch nicht den Himmel verlohren.
Himmliſche Tugenden werden ſich bald von dieſem Her - abſturz
Wieder erheben, und herrlicher noch, und furchtbarer ſtralen,
G 5Als106Das verlohrne Paradies.
Als vor ihrem erſchrecklichen Fall; ſie duͤrfen ſich zutraun,
Nicht zum zweytenmal noch ein ſolches Schickſal zu fuͤrchten.
Mich hat zwar ein billiges Recht, und die Ordnung des Himmels
Schon vom Anfang der Zeit zu eurem Haupte geſchaf - fen,
Und nachher die freyeſte Wahl, und was ich in Kriegen,
Oder im Rath verdienet um euch; doch da wir in etwas
Uns von dieſem Verluſt erhohlt: Beſteig ich nun ſichrer
Dieſen erhabenen Thron, von keinem beneidet, mit aller
Voͤlligem Beyfall. Der gluͤckliche Stand im Him - mel, begleitet
Von erhabenen Wuͤrden, vermoͤchte jedes Geringern
Neid zu erwecken; allein wer wird hier dieſen beneiden,
Den107Zweyter Geſang.
Den der monarchiſche Stand, mich, eure Schutzwehr, am naͤchſten
Wider das Ziel des Donnerers ſetzt, und zum groͤſſeſten Antheil
An der unendlichen Pein mich verdammt? Gewiß! wo kein Gut iſt,
Welches, gewuͤnſcht zu werden, verdient, da wird von Partheyen
Auch kein Streit daruͤber entſtehn. O! hier in der Hoͤlle
Wird wohl niemand den Vorzug verlangen; und wenn auch der Antheil
Seiner ietzigen Pein noch ſo gering iſt, ſo wird er
Doch gewiß nicht mit ſtolzem Gemuͤth nach groͤſſerem geitzen.
Da wir hier alſo feſter verknuͤpft, und ſtaͤrker vereint ſind,
Als man im Himmel zu ſeyn es vermag: So kehren wir ietzo
Wieder zuruͤck, das, was uns gebuͤhrt, den Antheil von Alters
Wieder108Das verlohrne Paradies.
Wieder zu fordern; und ſind des gluͤcklichen Fortgangs gewiſſer,
Als wir im Gluͤcke vordem uns zu verſprechen ver - mochten.
Aber, ob ein offener Krieg, ob heimliche Liſten
Zu erwaͤhlen, dies koͤmmt ietzt in Rath; wer rathen kan, ſpreche.
Satan endigte ſo. Der zepterfuͤhrende Koͤnig
d)So wie Homer ſagt II. I. 279. Σκηπτουχος βασιλευς.
d),
Moloch, der frecheſte Geiſt, der ehmals im Himmel gefochten,
Stand ſogleich nach ihm auf, ietzt durch Verzweif - lung noch frecher.
Er verlangte voll Stolz, an Macht und Staͤrke dem Ewgen
Gleich geachtet zu werden, und hielt in der Wuth es fuͤr beſſer,
Gar nicht zu ſeyn, als geringer zu ſeyn. Mit dieſem Gedanken
Hatt109Zweyter Geſang.
Hatt er die Furcht vor allem verlohren; er achtete nicht mehr
Weder auf Gott; noch die Hoͤlle, noch etwas aͤrgers, Er ſprach ietzt.
Meine Meynung, ihr Goͤtter, ſie raͤth zum offenen Kriege;
Unerfahrner in Liſt, kan ich mit Liſten nicht prahlen.
Dieſe moͤgen drauf ſinnen, die noͤthig ſie haben; und, wenn ſie
Noͤthig ſie haben, nicht ietzt, da hohe Thaten uns rufen!
Soll, indem ſich ihr Geiſt ſo vertieft, der Reſt, Mil - lionen,
Die in Waffen hier ſtehn, und mit Verlangen das Zeichen,
Wieder ſich aufzuſchwingen, erwarten, ſo muͤßig hier ſitzen
Aus dem Himmel verjagt, und eine ſchaͤndliche Hoͤle,
Dieſe finſtre Hoͤle der Schaam zur Wohnung behalten,
Dieſen110Das verlohrne Paradies.
Dieſen Kerker des maͤchtgen Tyrannen, der darum nur herrſchet,
Weil wir ſo zauderen? Nein! Laßt lieber uns alle bewafnet
Mit der Wuth und den Flammen der Hoͤlle, den maͤchtigen Weg uns
Ueber die Thuͤrme des Himmels erſtreiten, und un - ſere Martern
Wider den Marterer ſelbſt, in ſcheußliche Waffen verwandeln;
Daß er an ſtatt des Getoͤſes von ſeinem allmaͤchti - gen Werfzeug,
Hoͤlliſche Donner vernehme, daß, ſtatt des leuchten - den Blitzes,
Schwarzes Feuer und Graus, nach ſeinen Engeln geſchoſſen,
Jn die Augen ihm leuchte; daß er den ſtralen - den Thron ſelbſt
Mit tartariſchem Schwefel und fremden Feuer ver - miſchte)Vermiſcht iſt hier ſo viel als erfuͤllt, nach dem La - teiniſchen des Virgil Aen, II, 487. ſeh;
Plagen,At111Zweyter Geſang.
Plagen, zuerſt erfunden von ihm! Doch ſteil und be - ſchwerlich
Scheint der Weg uns vielleicht, mit aufwaͤrts gerichte - ten Schwingen
Einem ſtaͤrkeren Feind von unten entgegen zu ſtreben.
Dieſe moͤgen bedenken, wenn nicht der Schlummer - trank ietzt noch
Ause)
At domus interior gemitu miſeroque tumultu Miſcetur. Aber der innre Pallaſt ward mit erbaͤrmlichen Klagen Und mit Seufzern vermiſcht. Pearce.
Doch kan Milton das Vermiſchen auch im eigentli - chen Verſtande gebraucht haben, weil Belial gleich nachher V. 140. ſagt.
Jene himmliſche Maſſe, die keine Flecken erdul - det, Wuͤrde ſiegend gar bald von dieſem groͤberen Feuer, Und von dieſen Schlacken ſich ſaͤnbern. Z.
112Das verlohrne Paradies.
Aus der Vergeſſenheit See die traͤumenden Sinnen benebelt,
Daß wir von ſelbſt nach eigner Bewegung zu unſerm Geburtsſitz
Ohne viel Muͤh uns erheben; herunter zu ſteigen, zu fallen,
Jſt uns zuwider. Wer hat nicht von uns noch neulich empfunden,
Als der erbitterte Feind an unſern geſchlagenen Nachtrab
Siegend ſich anhieng, und weit uns durch die Tiefe verfolgte;
Wie wir mit Zwang und arbeitendem Flug ſo herunter geſunken?
Alſo iſt es uns leicht, hinaufzuſteigen. Der Ausgang
Wird gefuͤrchtet? Wofern wir unſern Staͤrkern aufs neue
Wider uns reitzen, ſo moͤchte ſein Zorn noch ſchlimme - re Wege,
Uns zu peinigen, finden; allein, iſt hier in der Hoͤlle
Noch113Zweyter Geſang.
Noch ein groͤſſer Verderben zu fuͤrchten? Was iſt denn noch ſchlimmer,
Als zu wohnen allhier, von allem Gluͤcke vertrieben;
Und zum aͤuſſerſten Weh, in dieſer Tiefe verdammet;
Wo uns Schmerzen und Pein in unausloͤſchlichem Feuer,
Ohn ein Ende zu hoffen, uns, ſeines Zornes Vaſallen,
Plagen, ſo oft, als uns nur die unerbittliche Geiſſel,
Und die Stunde der Marter zu unſrer Zuͤchtigung fordert.
Mehr noch zerſtoͤrt, als wir ietzo zerſtoͤrt ſind, wuͤrden wir voͤllig
Ausgeloͤſcht ſeyn, und vergehn. Was fuͤrchten, was zweifeln wir alſo
Seinen aͤuſſerſten Zorn zu entzuͤnden? Er wird uns, entflammet
Jn dem hoͤheſten Grad, entweder voͤllig verzehren,
VI. Th. HUnd114Das verlohrne Paradies.
Und dies Weſen in Nichts verwandeln; gewiß, fuͤr uns beſſer,
Als in ewiger Pein ein ewiges Weſen zu haben:
Oder iſt unſre Natur wahrhaftig goͤttlich, und kan ſie
Nicht aufhoͤren zu ſeyn, ſo iſt nichts ſchlimmeres moͤglich,
Welches uns unbekannt waͤre. Durch uͤberzeugende Proben
Fuͤhlen wir uns noch maͤchtig genug, den eigenen Him - mel
Jhm zu verwuͤſten, und ſelber den Thron, den das blinde Verhaͤngniß
Jhm gegeben, ſo ſicher er ſteht, mit beſtaͤndigem Anfall
Zu erſchuͤttern. Jſt dieſes nicht Sieg, ſo iſt es doch Rache.
Drohend endiget er, und ſeine Blicke verkuͤnd’gen
Rache voller Verzweiflung, und Schlachten voller Gefahren
Allen115Zweyter Geſang.
Allen geringern, als Goͤtter. Mit angenehmerem An - ſtand,
Und mit holdern Geberden, erhub an der andern Seite
Belial ſich vom goldenen Stuhl. Der Himmel verlohr nicht
Eine ſchoͤnre Geſtalt. Zu groſſen wuͤrdigen Thaten
Schien er gemacht; doch alles war taͤuſchend: ſo ſehr auch die Zunge
Manna traͤufelte; ob er auch gleich die verdaͤchtigſten Gruͤnde
Jn die beſten verwandeln konte, die reifſten Entſchluͤſſe
Zu verwirren, und aufzuhalten; denn ſeine Gedanken
Waren niedrig, zum Laſter geſchwind, doch zu edleren Thaten
Traͤg und furchtſam. Er wuſte jedoch den Ohren zu ſchmeicheln,
Und hub alſo an mit uͤberredenden Worten:
H 2Jch116Das verlohrne Paradies.
Jch auch riethe zum offenen Krieg, verſammelte Goͤtter,
Da ich den bitterſten Haß gewiß nicht weniger fuͤhle,
Wenn nicht der Hauptgrund, welcher den Krieg am meiſten uns anpreißt,
Mich zum Gegentheile beredte, mit weniger Hofnung
Zu ſo ſeltenem Gluͤck; denn der, ſo in Thaten des Krie - ges
Es am hoͤchſten gebracht, ſcheint ſelber von dem, was er anraͤth,
Nicht vollkommen gewiß; indem er, mit heimlichen Mißtraun,
Seinen muthgen Entſchluß allein auf Verzweifelung gruͤndet,
Und auf eine letzte Zernichtung, den einzigen Endzweck
Seines gewagten Verſuchs, nach einiger grauſamen Rache.
Welche Rache? dies frag ich zuerſt. Die Thuͤrme des Himmels
Sind117Zweyter Geſang.
Sind mit bewafneten Wachen beſetzt, die jeglichen Zugang
Uns unmoͤglich gemacht. Oft ſtehn am Ufer des Abgrunds
Jhre Legionen gelagert; mit einſamen Fluͤgeln
Eilen ſie tief in die Reiche der Nacht, und ſpaͤhen voll Kuͤhnheit
Alles rund um uns aus. Und koͤnten wir unſeren Weg auch
Mit Gewalt uns eroͤfnen, und folgte die ſaͤmmtliche Hoͤlle
Unſerm wuͤthendem Heer, im ſchwaͤrzeſten Aufſtand, des Himmels
Reineſtes Licht zu beflecken, ſo ſaͤſſe doch unuͤberwindlich
Unſer gefuͤrchteter Feind auf ſeinem geſicherten Throne.
Jene himmliſche Maſſe, die keine Flecken erduldet,
Wuͤrde ſiegend gar bald von dieſem groͤberen Feuer,
H 3Und118Das verlohrne Paradies.
Und von dieſen Schlacken ſich ſaͤubern. So bliebe zu - letzt denn
Uns Zuruͤckegeſchlagnen nichts, als Verzweiflung. Wir muͤßten
Unſern allmaͤchtigen Sieger bewegen, auf unſere Haͤupter
Seinen voͤlligen Zorn zu verſchuͤtten; dies waͤre viel - leicht noch
Alles, was wir gewuͤnſcht, und unſer einziger End - zweck,
Nicht mehr zu ſeyn! Hoͤchſt trauriger Endzweck! denn welcher von uns will
Dieſes denkende Weſen verlieren, ſo ſehr es auch leidet;
Dieſe Goͤttergedanken, die durch die Ewigkeit wandern,
Und, vernichtet zu ſeyn, ſich lieber wuͤnſchen, verlohren,
Jn der unerſchaffenen Nacht unfruchtbarem Schooſſe;
Aller Empfindung beraubt, und aller Bewegung. Und waͤr auch
Dieſes119Zweyter Geſang.
Dieſes das beſte fuͤr uns; wer weis es gewiß denn, ob jemals
Unſer erzuͤrnter Feind uns dieſe Wohlthat erweiſen
Kan, und will? Ob er kan, daran iſt billig zu zweifeln;
Daß er nimmer es will, iſt gewiß. Wird Er, der Allweiſe,
Seinen grimmigen Zorn, aus Schwachheit, oder Ver - ſehen,
Auf einmal, und ſo ſehr, auf unſere Haͤupter verſchuͤtten,
Daß er dadurch die Wuͤnſche von ſeinen Feinden erfuͤlle,
Und ſie in ſeinem Zorne zernichte; da eben ſein Zorn ſie
Zu unendlichen Strafen verſpart? Was zaudern wir alſo,
Sagen die, welche zum Krieg uns rathen? Zu ewi - gen Schmerzen
Sind wir verurtheilt, beſtimmt, und aufgehoben, wir moͤgen
H 4Thun,120Das verlohrne Paradies.
Thun, was wir koͤnnen und wollen; was koͤnnen wir mehr denn noch leiden,
Und was koͤnnen wir aͤrgeres leiden! Jſt dies denn das aͤrgſte,
So zu ſitzen? ſo Rath zu halten? und ſo in den Waffen?
Was! indem wir erſchrocken, entflohn, verfolgt und getroffen
Von des Himmels ſtrafendem Donner, und unten de[n]Tiefen,
Uns zu bedecken, gefleht: Da ſchien uns hier ſelber die Hoͤlle
Eine Zuflucht zu ſeyn vor jenen Wunden; und als wir
Lagen, gefeſſelt im brennenden Abgrund; gewiß, das war aͤrger!
Oder wenn ietzo der Athem, der dieſe grimmigen Feuer
f)Eſ. XXX, 33. Denn die Grube iſt von geſtern her zugericht tief und weit genug, ſo iſt die Wohnung darinnen, Feuer und Holz die Men -ge. Anblaͤßt,121Zweyter Geſang.
Anblaͤßt, wieder erwacht, zu ſiebenfaͤltiger Wuth ſie
Auffacht; in die Flammen uns ſtuͤrzt? wie? wenn ſich von oben
Jene blitzende Rechte der nachgelaſſenen Rache
Wieder von neuem bewafnet, um uns zu plagen? Wie, wenn ſie
Alle Vorrathshaͤuſer eroͤfnet; und dieſes Gewoͤlbe
Seine Stroͤme voll Feuer herabſpeyt (hangende Schrecken,
Die mit ſcheußlichem Fall einſt uͤber unſere Haͤupter
Niederzuſtuͤrzen, uns drohn), und uns vielleicht, da wir eben
Herrliche Feldzuͤg entwerfen, und muthig dazu uns er - muntern,
H 5Vonf)ge. Der Odem des Herrn wird ſie anzuͤnden, wie einen Schwefelſtrom. Newton.122Das verlohrne Paradies.
Von dem feurigen Sturm ergriffen, die Flammen hin - abſtoͤßt,
Jeden an ſeinen Felſen geſpießt; das Spiel und die Beute
Reiſſender Wirbelwinde von Feuer; vielleicht auch auf immer,
Unter dem ſiedenden Meere verſenkt, in Ketten uns an - ſchließt,
Da Jahrhunderte lang, von denen kein Ende zu hoffen,
Unter immerwaͤhrendem Jammern in Pein zu voll - bringen,
Unaufhoͤrlich, und unbedauret und ungemindert!
Das waͤr aͤrger! Drum rath ich nicht mehr, ihr Goͤtter, zum Kriege,
Weder zum offenen Krieg, noch zum verdeckten. Was kan denn
Wider den Hoͤchſten Gewalt, noch Liſt? Wer kan ihn betriegen,
Jhn, der alles, was iſt, mit Einem Blicke durchſchauet!
Von123Zweyter Geſang.
Von den himmliſchen Hoͤhn ſieht, und verſpottet er
g)Pſ. II, 4. Aber der im Himmel wohnet, lachet ihr, und der Herr ſpottet ihr. N.
g) alle
Dieſe Bewegungen; eben ſo weiſe, die liſtigen Raͤnke,
Die wir gemacht, zu vereiteln, als er allmaͤchtig iſt, ſiegend
Unſerer Macht ſich entgegen zu ſtellen. Doch ſollen wir alſo
So erniedriget leben, wir, das Geſchlechte des Him - mels,
So zu Boden geſtuͤrzt, ſo ausgeſtoſſen? und Ketten
Hier ertragen, und ſolche Martern? Nach meinem Ermeſſen
Lieber dieſe, denn aͤrgre; da uns ein eiſernes Schickſal
Unterwuͤrfig gemacht, und der Wille des Ueberwinders,
Ein allmaͤchtiger Ausſpruch! Wir haben zum Thun, und zum Leiden
Gleiche124Das verlohrne Paradies.
Gleiche Staͤrke; das harte Geſetz, ſo dieſes verordnet,
Jſt auch ungerecht nicht. Denn waren wir weiſe, ſo war es
Da ſchon beſchloſſen von uns, als wir zu ſtreiten es wagten
Mit ſo einem maͤchtigen Feind, und der Ausgang des Krieges
So ſehr zweifelhaft war. Jch lache, wenn ſie, die ſo muthig
Auf ihr Speer ſich verlaſſen, ſobald es fehlet, erzittern,
Und ſo ſchrecklich das ſcheun, wovon ſie vorher ſchon geſehen,
Daß es erfolgen mußte; Verbannung, Beſchimpfung, und Ketten
Marter und Pein, das Geſetz des Ueberwinders. Dies iſt nun
Unſre Verdammniß; koͤnnen wir ſie ertragen und leiden,
Dann kan ſich vielleicht mit der Zeit des oberen Feindes
Flammen -125Zweyter Geſang.
Flammender Zorn um ein groſſes vermindern; viel - leicht daß er endlich
Uns in dieſer Entfernung vergißt, und mit der Beſtra - fung,
Die wir ietzt dulden, wofern wir ihn nicht aufs neue beleidgen
Sich begnuͤgt. Dies Feuer vielleicht kan ruhiger werden,
Wenn uns ſein Athem die grimmige Gluth nicht hefti - ger anfacht.
Unſer reineres Weſen wird ihre ſchaͤdlichen Daͤmpfe
Ueberwinden, vielleicht ſie auch nicht, verhaͤrteter, fuͤh - len;
Oder veraͤndert zuletzt, und zu dem Orte der Quaalen
Faͤhig gemacht an Art und Natur, die grauſame Hitze,
Durch die Laͤnge der Zeit, ohn alle Schmerzen erdul - den.
Dieſe Schreckniſſe werden dann mild, die Nacht wird uns Licht ſeyn.
Ohne126Das verlohrne Paradies.
Ohne was ſonſt noch fuͤr Hofnung und Troſt der kuͤnf - tigen Tage
Nimmer endende Flucht, und was Veraͤndrung und Zufall
Uns verſpricht; da dieſes Loos zwar ietzo nicht gluͤcklich,
Doch nur ſchlimm iſt; ſchlimm, doch nicht das ſchlimm - ſte, wofern wir
Selber die Urſach nicht ſind zu neuen und groͤſſeren Schmerzen.
Belial rieth ſo mit Worten, die in das Gewand der Vernunſt ſich
Eingehuͤllet, unedele Ruh, und friedliche Faulheit,
Doch nicht ruͤhmlichen Frieden. Und ietzt nahm Mam - mon die Rede.
Wir bekriegen entweder, wofern der Krieg zu erwaͤhlen,
Jhn zu entthronen, den Koͤnig des Himmels; oder wir ſuchen
Unſer verlohrenes Recht dadurch aufs neu zu erobern.
Jhn127Zweyter Geſang.
Jhn zu entthronen, moͤgen wir dann umſonſt uns nicht ſchmeicheln,
Wenn das ewge Geſchick dem unbeſtaͤndigen Zufall
Weicht, und das Chaos allein den Streit uns zum Vor - theil entſcheidet,
Eitel iſt es, das erſte zu hoffen, und eben ſo eitel
Jſt das letzte. Denn was fuͤr ein Platz iſt fuͤr uns in den Himmels
Grenzen, wofern wir nicht ihn, den oberſten Herrſcher des Himmels,
Ueberwinden? Geſetzt, in ſeinem Zorne beſaͤnftigt,
Boͤt er uns allen Vergebung an, wofern wir von neuem
Jhm Gehorſam verſpraͤchen; mit welchem Angeſicht koͤnten
Wir von ihm erniedriget ſtehn, und die ſcharfen Geſetze
Von ihm empfangen; vor ſeinem Thron mit har - moniſchen Hymnen
Jhm128Das verlohrne Paradies.
Jhm zu feyern, und ſeiner Gottheit ſo manches ge - zwungne
Hallelujah zu ſingen, indem er, als unſer Beherrſcher,
Auf dem ſo ſehr beneideten Stuhl gebieteriſch ſaͤſſe,
Und von ſeinem Altar ambroſialiſche Duͤfte,
Und ambroſialiſche Blumen die Luͤfte durchhauchten,
Unſre ſklaviſchen Opfer. Dies waͤre das einz’ge Ge - ſchaͤfte,
Unſer einzigs Vergnuͤgen im Himmel. Wie lang, wie verdruͤßlich
Waͤre die Ewigkeit nicht, die wir mit deſſen Anbetung,
Den wir ſo haßten, verbraͤchten! O! laſſet alſo nicht laͤnger
Nach dem vorigen Stande der glaͤnzenden Knechtſchaft uns ſtreben.
Wir erlangen ihn nicht mit Gewalt, und ſelber im Himmel
Jſt129Zweyter Geſang.
Jſt er als eine Gnade nicht anzunehmen. Nein, lieber
Suchen wir unſer Heil in uns ſelbſt, und leben zu - friedner
Jn dem unſern, fuͤr uns allein; im wuͤſten Bezirk zwar,
Aber doch unabhaͤngig und frey. Laßt ewig uns Freyheit,
Harte Freyheit, dem leichteren Joch des ſklaviſchen Pompes
Herzhaft vorziehn. Unſere Groͤſſe zeigt dann ſich am hellſten
Wenn wir geſchickt aus kleinen Dingen erhabene Dinge,
Nutzen aus unſerem Schaden, und Gluͤck aus Ungluͤck erſchaffen;
Und, an welchem Ort es auch ſey, ſelbſt unter dem Un - gluͤck
Herrlicher werden, und Ruh und Vergnuͤgen durch Ar - beit und Leiden
Aus der heftigſten Marter erzwingen. Wie? fuͤrchten wir etwan
VI. Theil. JDieſe130Das verlohrne Paradies.
Dieſe finſtere Welt? Wie oft liebt ſelber des Himmels
Alles beherrſchender Herr, in duͤſteren Wolken
h)Nach Pſ. XVIII, 13. Sein Gezelt um ihn her war finſter, und ſchwarze dicke Wolken, darin er verborgen war. Der Herr donnerte im Himmel, und der Herr lies ſeinen Donner aus mit Hagel und Blitzen. Und nach Pſ. XCVII, 2. Wolken und Dunkel iſt um ihn her. N.
h) zu ſitzen,
Ohne daß ſich ſein Glanz dadurch verdunkelt, und huͤllet
Seinen ſtralenden Thron in majeſtaͤtiſche Nacht ein.
Durch der Donner Gebruͤll, und durch die leuchtenden Blitze,
Scheint denn der Himmel die Hoͤlle zu ſeyn. Und, wenn wir es wollen
Koͤnnen wir nicht, ſo wie er die Nacht im Himmel uns nachahmt,
Hier ſein Licht nachahmen? Jn dieſem veroͤdeten Bo - den
Mangelt131Zweyter Geſang.
Mangelt es nicht an Gold und koͤſtlichen Steinen; auch fehlt es
Uns nicht an Kunſt, Gebaͤude voll Pracht daraus zu errichten.
Und was hat denn der Himmel in ſeinen weiten Be - zirken
Mehr uns zu zeigen? Dann koͤnnen ſogar die ſchmer - zenden Martern,
Durch die Zeit uns vielleicht zum Elemente geworden,
Und dies ſtechende Feuer ſo ſanft uns ſcheinen, ſo ſtreng es
Jetzo uns ſcheint; in ihre Natur kan unſre Natur dann
Sich veraͤndern, welches am meiſten von Pein und von Schmerzen
Alles Empfindliche nimmt. Zu ſichern Friedensgedan - ken,i)Es ſind verſchiedne ſehr feine Zuͤge in dieſen Reden der hoͤlliſchen Geiſter, und in ihren verſchiednen Be - wegungsgruͤnden, die ſie anfuͤhren, und die ſich vor -
J 2Undtreflich132Das verlohrne Paradies.
Und zum Staate voll Ordnung und Ruh, ermahnet uns alles!
Ueberdenket deshalb, wie wir in guter Verfaſſung
Unſer ietziges Ungluͤck verbeſſern; erwaͤget voll Klugheit,
Was,i)treflich zu jedes ſeinem Charakter ſchicken, ob ſie gleich eigentlich von dem Hauptpunkte, der ausge - macht werden ſollte, abgewichen ſind; welches auch in andern Verſammlungen nur allzugewoͤhnlich iſt. Satan erklaͤrt im erſten Geſange V. 653.
Uns bleibt keine Hofnung zum Frieden; denn welcher von uns kan Unterwerfung ſich denken! zum Kriege denn, Goͤtter, zum Kriege Oeffentlich, oder verdeckt, muß unſer Entſchluß ſich beſtimmen.
Welches von dem ganzen Heere der gefallenen Engel gebilligt und beſtaͤtigt ward. Dieſem zuſolge ſetzt er bey der Eroͤfnung des Reichstages zum Hauptpunkte, der ausgemacht werden ſollte, feſt: Geſ. II, 42.
Aber133Zweyter Geſang.
Was, und wo wir ietzt ſind, und allen Gedanken zum Kriege
Laßt uns von nun an gaͤnzlich entſagen Dies iſts, was ich rathe.
J 3So
i)
Aber ob ein offener Krieg, ob heimliche Liſteu Zu erwaͤhlen, koͤmmt ietzt in Rath.
Moloch ſpricht dieſem Vortrage gemaͤß, und erklaͤret ſich v. 52.
Meine Meynung, ihr Goͤtter; ſie raͤth zum offe - nen Kriege.
Belial aber raͤth allen Krieg ab, ſowohl verdeckt als offen, v. 188.
Drum ich nicht mehr, ihr Goͤtter, zum Kriege, nicht rathen,
Weder zum offenen Krieg, noch zum verdeckten ꝛc. Mammon fuͤhrt dieſe Bewegungsgruͤnde noch wei - ter aus,
und allen Gedanken zum Kriege Laßt uns von nun an gaͤnzlich entſagen
Daß alſo in dem Fortgange der Berathſchlagung der ſtreitige Punkt gaͤnzlich veraͤndert wird. Ob der Poet dieſes mit Vorſatz gethan, oder ob es aus Un - achtſamkeit geſchehen, iſt ſchwer zu beſtimmen. N.
i)134Das verlohrne Paradies.
So wie er ſchloß, durchlief die Verſammlung ein heiſres Gemurmel,
Als wenn woͤlbende Felſen
k)Virgil vergleicht den Beyfall, den die Verſammlung der Goͤtter der Rede der Juno gegeben, Aen. X, 96. mit dem entſtehenden Winde, und unſer Dichter mit dem Murmeln des fallenden Windes;
cunctique fremebant Coelicolae aſſenſu vario; ceu flamina prima Cum deprenſa fremunt ſylvis, et coeca volutant Murmura, venturos nautis prodentia ventos. Die Bewohner des Himmels Rauſchten ihr insgeſammt Beyfall: ſo wie die entſtehenden Winde Anfangs im Walde gefangen murmeln; mit heimlichen Sauſen Durch die Zweige ſich waͤlzen, und ſchon dem erfahrnen Seemann Kommende Stuͤrme verrathen. Hume.
k) den Schall der brau - ſenden Winde,
DieDas135Zweyter Geſang.
Die durch die finſtere Nacht des Meeres Wogen em - poͤret,
Wiedermurmeln mit heiſerem Ton; der ſchlaͤfrige See - mann
J 4Wirdk)Das Verhalten beyder Poeten iſt der Sache gemaͤß. Die Abſicht von der Rede der Juno war, die Ver - ſammlung der Goͤtter aufzubringen, und anzuflam - men; Virgil vergleicht alſo die Wirkung davon ſehr geſchickt mit dem entſtehenden Winde. Mammons Abſicht aber war, die Verſammlung zu beruhigen, und zu beſaͤnftigen; und Milton vergleicht alſo die Wirkung davon eben ſo geſchickt mit dem nach ei - nem Sturme fallenden Winde. Claudian hat faſt eben ein ſolches Gleichniß in ſeiner Beſchreibung des hoͤlliſchen Reichstages. In Rufinum, I. 70.
ceu murmurat alti Impacata quies pelagi, cum flamine fracto Durat adhuc, ſaevitque tumor, dubiumque per aeſtum Laſſa recedentis fluitant veſtigia venti.
Und136Das verlohrne Paradies.
Wird vom ſteten Geraͤuſch in ſanften Schlummer ge - wieget,
Da er mit ſeiner Pinnaß, nach ausgeſtandenem Sturme,
Eben in einer felſichten Bay von ohngefehr ankert.
Solch ein Beyfall wurde gehoͤrt, da Mammon geendet,
Undk)
Und wie das ſinkende Weltmeer brauſt, wenn ietzo die Wogen Nach gebrochenem Sturme noch dauren, und hoch gehn, und wuͤthen, Und vom fallenden Winde weit uͤber die furchig - te Flaͤche Matte Fußtapfen wallen.
Noch in einigen andern kleinen Umſtaͤnden ſcheint unſer Dichter die Verſammlung der Teufel nach der Verſammlung der Furien geſchildert zu haben. Der Leſer kan die Rede der Alekto mit Molochs Rede, und der Megaͤra ihre mit Belials oder viel - mehr Beelzebubs ſeiner vergleichen. Newton.
137Zweyter Geſang.
Und ſich fuͤr den Frieden erklaͤrt; denn mehr als die Hoͤlle
Scheuten ſie ſolche kuͤnftigen Schlachten; ſo wirkte das Schrecken
Vor dem Donner und Michaels Schwerdt in ihren Gemuͤthern,
Und ſo groß war der Wunſch, ein wachſendes Reich in der Hoͤlle
Zu errichten, welches dereinſt durch weiſe Geſetze,
Und die Laͤnge der Zeit, dem Himmel aͤhnlicher wuͤrde.
Als dies Beelzebub ſah, der groͤßte der Fuͤrſten nach Satan,
Stand er alſobald auf mit hohem ernſtlichen Anſehn,
Und ſchien eine Saͤule des Staats, indem er ſo aufſtand.
Auf der finſteren Stirn ſaß Ueberlegung gegraben,
Und die Sorge des Reichs; aus ſeinem Angeſicht, welches
J 5Ma -138Das verlohrne Paradies.
Majeſtaͤtiſch noch ſchien, ſo ſehr es verfallen war, ſtralte
Fuͤrſtlicher Rathſchluß hervor. So ſtand er, ein Wei - ſer, die Schwere
Maͤchtiger Monarchien mit ſtarken atlantiſchen Schul - ternl)Eine Metapher, ſeine groſſen Faͤhigkeiten anzuzeigen. Atlas war ein ſo groſſer Sternkundiger, daß man von ihm ſagte, er habe den Himmel auf ſeinen Schultern getragen. Das ganze Gemaͤhlde vom 303 Vers an bis zu Ende dieſes Abſatzes iſt unver - gleichlich. Richardſon.
Faͤhig zu tragen. Sein Blick verlangte Gehoͤr, und erwarb ſich
Tiefe Stille, ſo ſtill als die Nacht; als ruhende Luͤfte,
Jn dem Mittag des Sommers, indem er zu reden ſo anfieng.
Thronen, und Fuͤrſten, aͤtheriſche Kraͤfte; des Himmels Geburthen;
Oder muͤſſen wir nun den praͤchtigen Wuͤrden entſagen,
Um139Zweyter Geſang.
Um mit veraͤnderten Titeln uns Fuͤrſten der Hoͤlle zu nennen?
Denn ſo ſcheint es, als ob ſich der Wunſch der mei - ſten erklaͤre,
Hier zu bleiben, und hier ein wachſendes Reich zu errichten;
Ohne Zweifel, indem es uns traͤumt, und wir nicht erwaͤgen,
Daß der Koͤnig des Himmels uns dieſe Wohnung zum Kerker,
Nicht zur ſichern Zuflucht vor ſeinem maͤchtigen Arm uns
Angewieſen; gewiß nicht hier von der Herrſchaft des Himmels
Ausgenommen zu ſeyn, und durch ein neues Ver - buͤndniß
Seinem Zepter entgegen zu ſtehn; vielmehr aufs ge - nauſte
Jn der ſtrengeſten Knechtſchaft zu bleiben, und, ob wir ſo fern gleich
Von ihm verjagt ſind, doch ſtets als ſeine gefange - nen Schaaren
Unter140Das verlohrne Paradies.
Unter ſein ſchimpfliches Joch die ſklaviſchen Nacken zu beugen.
Denn Er, ſeyd es verſichert, wird in der Hoͤh und der Tiefe,
Wird als der Erſt und der Letzte beſtaͤndig monar - chiſch regieren.
Er bleibt Koͤnig allein, und wird ob unſrer Empoͤrung
Nicht den kleineſten Theil von ſeiner Herrſchaft verlie - ren;
Sondern uͤber die Hoͤlle ſein Reich erſtrecken, und hier uns
Mit dem eiſernen Zepter
m)Das eiſerne Zepter iſt nach Pſ. II, 9. ſo wie das goldne nach Eſther V, 2. Hume.
m) regieren, ſo wie mit dem goldnen
Seine Geliebten im Himmel. Was ſitzen wir denn, und entwerfen
Krieg und Frieden. Der Krieg, den wir am erſten be - ſchloſſen,
Hat mit einem Verluſt, noch immer uns unerſetzlich,
Uns141Zweyter Geſang.
Uns betroffen. Auch hat noch niemand uns Punkte zum Frieden
Angetragen, noch wir ſie geſucht. Was giebt man fuͤr Frieden
Solchen Sklaven, wie uns? O! keinen andern, als Martern,
Oder ein ſtrenges Gefaͤngniß, und Geiſſeln, die Stra - fen der Knechte!
Und was kan er von uns fuͤr einen Frieden erwarten?
Nichts, als Feindſchaft, und Haß, nach unſerm ganzen Vermoͤgen;
Unaufhoͤrliche Wuth, beſtaͤndige Rache, zwar langſam,
Aber die immer drauf ſinnt, um ſeinen Vortheil den Sieger
Zu betriegen, damit er ſich doch ſo wenig, als moͤglich,
Ueber die Marter und Pein, die wir hier dulden, er - freue.
Die Gelegenheit zeigt ſich vielleicht. Wir haben nicht noͤthig,
Mit142Das verlohrne Paradies.
Mit gefaͤhrlichem Zug uns an den Himmel zu wagen,
Deſſen glaͤnzende Mauren, vor Sturm und Belagerung ſicher,
Unſern Anfall nicht fuͤrchten. Wie? daß wir was leich - teres faͤnden?
Wenn ein altes prophetiſch Geruͤcht im Himmel nicht irret;
So iſt wo ein freyerer Ort, die gluͤckliche Wohnung
Eines neuen Geſchlechts, mit dem Namen der Men - ſchen benennet.
Um die ietzige Zeit ward ihre Schoͤpfung beſtimmet;
Uns nicht ungleich ſollten ſie ſeyn; zwar nicht ſo erha - ben,
Noch ſo herrlich, wie wir; allein mit groͤſſeren Gnaden
Ueberſchuͤttet von dem, der in der Hoͤhe regieret.
Denn ſo war es ſein Wille; ſo that er vom furchtbaren Thron ihn
Kund,143Zweyter Geſang.
Kund, und hat vor den Goͤttern mit einem Eid
n)Er hat einen Eid dazu gethan, ſagt Paulus Ebr. VI, 17. Von dieſem Eide wird geſagt, daß er den ganzen Umkreis des Himmels erſchuͤttert, wie von dem Eide Jupiters im Virgil. Aen. IX, 104.
Dixerat: idque ratum Stygii per flumina fratris, Per pice torrentes atraque voragine ripas Annuit, et totum nutu tremefecit Olympum. Alſo ſprach er, indem er ſein Ja bey des Stygi - ſchen Bruders Unterirdiſchen Stroͤmen, und finſtern Strudeln des Abgrunds, Zuwinkt; ſein ſchrecklicher Wink erſchuͤttert den ganzen Olympus.
Virgil hat den Homer nachgeahmt. II, I, 528.
H, και κυανεησιν απ οφρνσι νευσε Κρονιων. Αμβροσιαι δ᾽ αρα χαιται επερρωσαντο ανακτος Κρατος απ᾽ αϑανατοις. μεγαν δ᾽ ελελιξεν Ολυμπον.
n) ihn beſtaͤtigt,
Welcher den ganzen Umkreis des Himmels erſchuͤttert. Dahin denn
Laßt So144Das verlohrne Paradies.
Laßt uns alle Gedanken verſammlen, damit wir entde - cken,
Was fuͤr Geſchoͤpfe da wohnen, aus welchem Grund - ſtoff ihr Schoͤpfer
Sie erſchaffen; ob ſtark, ob ſchwach der Unſterblichen Kraft iſt,
Wien)
So ſprach er, und winket Mit den ſchattichten Augenbraunen; ambroſiſche Locken Zitterten wallend herab vom Haupt des unſterb - lichen Koͤnigs, Und ſein furchtbarer Wink erſchuͤttert den maͤcht - gen Olympus.
Alle drey Poeten, wie wir ſehn, erwaͤhnen der Er - ſchuͤtterung des Himmels, nur daß Milton ſolches der Wirkung des Eides zuſchreibt, und Homer und Virgil dem Winke des Jupiters. Aber der Wink iſt hier mit Recht ausgelaſſen, da Gott nicht, wie im Homer und Virgil, die Erfuͤllung einer Bitte verſpricht, ſondern nur bloß ſeinen Willen unter den Engeln kund thut. Newton.
145Zweyter Geſang.
Wie es am leichteſten faͤllt, ſie zu verfuͤhren; mit Liſten
Oder Gewalt. Denn obgleich der Himmel verwahrt iſt, und, ſicher
Jn der eigenen Macht, des Himmels Oberherr ſitzet:
So mag doch die aͤuſſerſte Grenze von ſeinem Gebiete
Offener ſeyn, da blos die Bewohner der neueren Schoͤpfung
Sie beſchuͤtzen. Vielleicht thut hier Geſchwindigkeit et - was
Vortheilhaftes fuͤr uns. Wir koͤnnen mit hoͤlliſchem Feuer
Jhm entweder auch dort die neue Schoͤpfung verwuͤſten.
Oder fuͤr uns ſie erobern, und ſeine geliebten Bewohner
Draus vertreiben, ſo wie man auch uns aus dem Himmel vertrieben.
Gluͤckt uns dies nicht; ſo ziehen wir ſie zu unſerem Anhang,
VI. Th. KUnd146Das verlohrne Paradies.
Und ſo wird ihr Schoͤpfer ihr Feind; ſo wird er im Zorne
Selbſt mit reuender Hand das, was er erſchaffen, zer - ſtoͤren.
Dieſes waͤre fuͤrwahr mehr, als gewoͤhnliche Rache!
O wie wuͤrden wir nicht ihm uͤber unſere Martern
Seine Freude vernichten, und unſre eigene Freude
Ueber den Fehlſtreich erhoͤhn; wenn hier im hoͤlliſchen Abgrund
Seine geliebteſten Soͤhne zu uns herunter geſtuͤrzet,
Theilen muͤßten mit uns, und ihren gebrechlichen Ur - ſprung,
Und ihr verwelktes Gluͤck, ſo ſchnell verwelket, verfluch - ten.
Sagt, ob dieſes verdient, von uns gewaget zu werden;
Oder ob wir lieber allhier in Finſterniß ſitzen,
Eitle147Zweyter Geſang.
Eitle Koͤnigreiche zu bruͤten? Beelzebub gab ſo
Seinen teufliſchen Rath, vom Satan am erſten erfunden,
Und der Verſammlung bereits dem groͤſſeſten Theil nach eroͤſnet.
Denn woher, als von ihm, des Uebels einzigem Schoͤ - pfer,
Konte ſo ſchwarze Bosheit entſpringen, das Menſchen - geſchlechte
Zu verderben in Einer Wurzel, und unter einander
Erd und Hoͤlle zu miſchen, dem groſſen Schoͤpfer zum Hohne?
Aber aller ſein Hohn vermehrt nur die Ehre der All - macht.
Hoch gefiel der verwegene Vorſatz den hoͤlliſchen Staa - ten;
Jedes Auge funkelte Freude; mit voͤlligem Beyfall
Gaben ſie alle die Stimmen; worauf er von neuem ſo anhub:
K 2Ruͤhm -148Das verlohrne Paradies.
Ruͤhmlich habt ihr gedacht, und ruͤhmlich, ver - ſammelte Goͤtter,
Endet ihr eueren Streit! Jhr habt, wie man von euch erwartet,
Groſſe Dinge beſchloſſen, die aus der niedrigſten Tiefe
Uns von neuem erhoͤhn, dem neidiſchen Schickſal zum Trutze,
Naͤher zu unſerm vorigen Sitz, vielleicht im Geſichte
Dieſer ſtralenden Grenzen, von da durch benachbarte Waffen,
Und begluͤckteren Ausfall, aufs neu in den Himmel zu kommen;
Oder auch ſichrer vielleicht in einem milderen Luftſtrich,
Nicht ganz fern vom lieblichen Lichte des Himmels, zu wohnen,
Und daſelbſt am oͤſtlichen Glanz die dunkelen Flecken
Abzuſpuͤlen. Die ſanftere Luft ſoll Balſam uns hauchen,
Um149Zweyter Geſang.
Um die Narben zu heilen von dieſem verzehrenden Feuer.
Aber vor allem, wen ſenden wir aus? wen ſollen wir finden,
Welcher am tuͤchtigſten ſey, die neue Welt zu entdecken?
Wer erkuͤhnt ſich von uns, mit ſeinen wandernden Fuͤſ - ſen
Jn die grundloſe Tiefe, von dieſem unendlichen Abgrund
Sich hinunter zu wagen, und mitten durchs fuͤhlbare Dunkle
Ungezeichnete Pfade zu finden; vielleicht auch den Luft - flug
Ueber die ſchreckliche Kluft mit unermuͤdeten Schwin - gen
Zu verfolgen, bevor er zur gluͤcklichen Jnſel
o)Die Erde, welche in einer See von Luft haͤngt wie eine gluͤckliche Jnſel, oder Fortunateyland. Cicero de Nat. Deor. II. 66. nennt gleichfalls die Erde
o) gelan - get?
K 3Undquaſi150Das verlohrne Paradies.
Und welch eines Verwegenen Kunſt, und Staͤrke, ver - mag es,
Wo iſt ein Ausweg, welcher ihn ſicher die haͤufigen Po - ſten,
Und die ſpaͤhende Schaar der wachſamen Engel hindurch bringt?
Aller Vorſicht bedarf er hiebey; nicht mindere Vorſicht
Fordert unſere Wahl; denn alles, und unſere letzte
Hofnung beruhet auf dem, den wir zu ſenden beſchlieſſen.
Als er dieſes geſagt, lies er ſich nieder. Erwartung
Hielt den forſchenden Blick in ungewiſſem Verlangen,
Ob ein anderer noch es wagen wuͤrde, ſich nach ihm
Zu erheben, das, was er geſagt, zu preiſen, zu tadeln,
Odero)quaſi magnam quandam inſulam, quam nos orbem terrae vocamus. Newton. 151Zweyter Geſang.
Oder zu unternehmen. Doch alle ſaſſen verſtummet
p)Homer braucht oft gleiche Ausdruͤcke, wenn eine Sache von Wichtigkeit vorgetragen wird; als et - wan einen Kundſchafter in das Trojaniſche Lager zu ſenden, oder jemanden zu einem Zweykampf mit dem Hektor abzuſchicken. Siehe II, VII, 92. N.
p);
Jeder erwog die Gefahr in tiefen Gedanken, und jeder
Las ſein eigenes Schrecken beſtuͤrzt in des andern Ge - berden.
Keiner unter dem Ausbund und unter der Bluͤthe der Krieger,
Die den Himmel bekaͤmpft, ward ietzo gefunden, der muthig
Sich erboten, allein die ſchreckliche Reiſe zu wagen.
Bis ihr Oberhaupt, Satan, den ſchimmernde Herr - lichkeit ietzo
Ueber ſie alle erhob, mit einem monarchiſchem Stolze,
K 4Seines152Das verlohrne Paradies.
Seines hoͤheren Werths ſich bewuſt, gelaſſen ſo ſagte:
O! ihr Soͤhne des Himmels, und empyreiſche Thronen!
Uns hat alle mit Recht ein tiefes Schweigen ergriffen,
Obgleich Hofnung und Muth nicht ganz uns verlaſſen. Der Weg iſt
Lang und beſchwerlich, welcher zum Licht aus der Hoͤl - le hinauffuͤhrtq)Er hat den Virgil in Gedanken Aen. VI, 128.
Sed revocare gradum ſuperasque evadere ad auras, Hoc opus, hic labor eſt. Aber den Schritt zuruͤcke zu rufen, die oberen Luͤfte Wieder zu athmen, dieſes iſt ſchwer, und dieſes iſt Arbeit. Newton.
;
Unſer Gefaͤngniß iſt feſt; dies ungeheure Gewoͤlbe,
Von verzehrendem Feuer, umringt uns mit neunfachen Mauern;
Neben153Zweyter Geſang.
Neben uns ſchlieſſen ſich maͤchtige Pforten, von bren - nendem Demant,
Und verwehren uns jeglichen Weg; und ſo man hin - durchkoͤmmt,
Wenn ja jemand hindurch gehn kan, ſo empfaͤnget weit offen,
Jhn der unweſentlich ſchrecklichen Nacht entſetzliches Leere,
Welches, wofern er verſinkt im mißgebaͤhrenden Ab - grund,
Mit dem letzten Verluſt von ſeinem Weſen ihm drohet.
Sollt er entrinnen von da in andere Welten, und andre
Unbekannte Bezirke; was kan er geringers erwarten,
Als noch unbekannte Gefahren, aus denen es ſchwer wird
Zu entfliehn. Doch, maͤchtige Fuͤrſten, ich wuͤrde ge - wiß nicht
Dieſen monarchiſchen Thron, und dieſe Herrſchaft ver - dienen,
K 5So154Das verlohrne Paradies.
So mit Glanze geziert, und mit Macht bewafnet, wenn etwas,
Welches die Wohlfarth aller betrift, mich zu ſchrecken vermoͤchte
Durch der Schwierigkeit Schein, und durch die Geſtalt der Gefahren,
Es zu wagen. Weswegen erlaub ich, mit glaͤnzenden Wuͤrden
Mich zu bekleiden, und ſchlag es nicht ab, das Zepter zu fuͤhren,
Wenn ich mich ſtraͤubte, ſowohl die Gefahr, als die Ehre zu tragen?
Wer zu regieren verlangt, muß beyde willig erwaͤhlen,
Und noch mehr die Gefahr, da er vor andern in Ehren
Koͤniglich ſitzt. So gehet denn hin, gefuͤrchtete Maͤchte!
Noch der Schrecken des Himmels, obgleich gefallen. Erwaͤget
Mit einander daheim, weil unſere Heimath hier ſeyn ſoll,
Was155Zweyter Geſang.
Was vielleicht den ietzigen Jammer am beſten erleichtert,
Und die Hoͤll ertraͤglicher macht; wenn irgend ein Mittel
Oder eine Bezaubrung zu finden, wodurch wir die Schmerzen
Dieſes entſetzlichen Orts entweder zu ſtillen vermoͤgen,
Oder betruͤgen, und lindern. Vergeſſet niemals zu wa - chen
Gegen einen ſo wachſamen Feind; indem ich von auſſen
Alle die Kuͤſten der finſtern Verwuͤſtung durchſtreife, Befreyung
Fuͤr uns alle zu ſuchen. Dies Unternehmen ſoll niemand
Theilen mit mir
r)Satans kurze Entſchlieſſung iſt durch den abgebroche - nen Vers ſehr wohl ausgedruckt. N.
r)! Jndem er es ſprach, erhub der Monarch ſich,
Und kam allen Verſuchen zuvor, wenn andre der Haͤupter
Durch156Das verlohrne Paradies.
Durch den beherzten Entſchluß, den er gefaſſet, ermun - tert,
Und nun des Abſchlags gewiß, zu dem ſich erboͤten, wo - vor ſie
Kuͤrzlich geſchaudert, und ſo mit ihrem verſtellten Er - bieten
Doch noch Nebenbuhler von ihm den uͤbrigen ſchienen,
Und den Ruhm zu wohlfeil erwuͤrben, den er zu erlangen,
Groſſe Gefahren ietzt uͤber ſich nahm. Sie ſcheuten in - deſſen
Kaum ſo ſehr die Gefahr, als ſeine verbietende Stimme.
Alle ſtunden zugleich mit ihm auf; ihr Aufſtehn zugleich klang
Wie vom fernen Donner der Schall; ſie beugten ſich ſklaviſch
Nieder zur Erde vor ihm, indem ſie als Gott ihn erhuben,
Und ihn mit dem erhab[n]en Koͤnig des Himmels vergli - chen.
Auch157Zweyter Geſang.
Auch vergaſſen ſie nicht mit ſchmeichelnden Reden zu preiſen,
Daß er zum Schutz, und zum Beſten des Staats, ſein eigenes Beſtes
Zu verachten gewuſt. (Denn auch verworfene Geiſter
Sind nicht aller Tugend beraubt, daß niedrige Seelen
Nicht auf Erden zu ſehr ſich glaͤnzender Thaten erheben,
Thaten, vom Ehrgeitz erzeugt, und von verborgenem Stolze
Ueberfirnißt mit Eyfer). So ſchloß ſich ihr finſterer Reichstag
Ungewiß, aber doch freuten ſie ſich des muthigen Hauptes.
Als wenn von den Gipſeln der Berge die dunkelen Wol - ken,
Weil der Nordwind ietzt ſchlaͤft
s)So druͤckt es Homer aus Iliad V, 524.
οφρ᾽ ευδησι μενος Βορεαο
s), ſich erheben, und uͤber des Himmels
HoldeWeil158Das verlohrne Paradies.
Holde Geſtalt ſich verbreiten, daß auf die finſtere Land - ſchaft
Schnee und Regen ſich ſenkt; wenn dann die glaͤnzen - de Sonne
Bey dem lieblichen Abſchied die Abendſtralen umher ſtreut,
Dies)Weil dieſer Wind gemeiniglich die Luft aufklaͤrt, und die Wolken zerſtreuet. Jederman muß, durch dieſes Gleichniß, auſſerordentlich aufgeheitert werden. Die Bilder ſind eben ſo angenehm in der Natur, als ſie fuͤr den Leſer nach ſeiner langen Aufmerkſam - keit auf die vorhergegangene Berathſchlagung er - quickend ſind. Ein aͤhnliches Gleichniß haben wir im Homer, ob es gleich bey einer ſehr verſchiednen Gelegenheit angebracht iſt. Iliad XVI, 297.
Ος δ᾽ οτ᾽ αφ υψηλης κορυφης ορεος μεγαλοιο Κινησει πυκινην νεφελην ςεροπηγερετα Ζευς, Εκ τ᾽ εφανον πασαι σκοπιαι, και πρωονες ακροι Και ναται, ουρανοϑεν δ᾽ αρ᾽ ὑπερραγη ασπετος αιϑηρ.
So159Zweyter Geſang.
Die Gefilde wieder erwachen, die Saͤnger des Waldes
Jhre froͤhlichen Lieder erneun, und bloͤckende Heerden
Jhres)
So wie der Tonnerer ietzt von eines maͤchtigen Berges Gipfel die dunkeln Wolken verjagt; auf einmal erſcheinen Alle Warten, die Spitzen der Felſen, und Waͤl - der und Haine; Und der Schimmer zerreißt den unermeßlichen Aether.
Noch ein ſolches aͤhnliches Gleichniß findet man in einem Sonnet von Spenſer, wie Thyer angemerkt. Sonn. 40.
Mark when ſhe ſmiles with amiable chear, And tell me whereto can you liken it: When on each eye - lid ſweetly do appear An hundred Graces as in ſhade to ſit.
Likeſt160Das verlohrne Paradies.
Jhre Freude bezeugen, daß Huͤgel und Thaͤler erſchallen.
Welche Schande dem Menſchen! Mit Teufeln ver - dammte Teufel
Stehns)
Likeſt it ſeemeth, in my ſimple wit, Unto the fair ſun ſhine in ſummer’s day, That when a dreadfull ſtorm away is flit, Through the broad world doth ſpread his good - ly ray: At ſight whereof each bird that ſits on ſpray, And every beaſt that to his den was fled, Come forth afreſh out of their late dismay And to the light lift up their drooping head. So my ſtorm-beaten heart likewiſe is cheared, With that ſun-ſhine, when cloudy looks are cleared. Bemerke, wie ſie voller Anmuth laͤchelt, Und ſage mir, womit vergleichſt du es, Wenn hundert Gratien, als wie im Schatten Der holden ſchwarzen Augendraunen ſitzen?
Am161Zweyter Geſang.
Stehn im feſteſten Bund; und unter vernuͤnftgen Ge - ſchoͤpfen
Leben die Menſchen allein in Zwiſt, ſo ſehr ſie die Hof - nung
Himmliſcher Gnade begluͤckt! Jhr Gott verkuͤndiget Frieden,
Abers)
Am meiſten gleichts dem ſchoͤnen Sonnenſchein Jm Sommer, wenn er nach entflohnem Sturm, Mit ſeinem guͤtgen Stral, die Flur erhellt. Jedweder Vogel, den das Laub verſteckt, Jedwedes Thier, das nach der Hoͤhle floh, Koͤmmt froͤhlich nach dem dunkeln Sturm heraus, Und hebt zum Licht ſein hangend Haupt empor. So wird auch mein vom Sturm getrofnes Herz Durch dieſen Sonnenſchein aufs neu erhellt, Wenn dunkle Blicke wieder heiter ſind.
Noch ein aͤhnliches Gleichniß findet man im Boethius Conſ. Philoſoph. L. I. und in der Hoͤlle des Dante. C. 24. N.
VI. Th. L162Das verlohrne Paradies.
Aber Feindſchaft und Haß erbittert ſie wider einander;
Kriege verwuͤſten die Welt, damit ſie ſich ſelber zerſtoͤren,
Als wenn Menſchen (wie ſollte dies uns zur Einigkeit fuͤhren!)
Nicht noch hoͤlliſche Feinde gnug haͤtten, die auf ihr Verderben
Jeden Augenblick lauren! So gieng der ſtygiſche Reichstag
Aus einander. Zuerſt erſchienen in Ordnung die groſſen
Hoͤlliſchen Fuͤrſten. Jhr maͤchtiges Haupt gieng ſtolz in der Mitte,
Und ſchien auch ſchon allein der Gegner des Himmels; bekleidet,
Als der gefuͤrchtete Kayſer der Hoͤllen, mit groͤfſeſtem Pompe,
Und mit nachgeahmtem gottaͤhnlichen Staat. Jhn um - ſchloſſen
Feurige Seraphim, rund umher, mit reich blaſonirten
Fahnen,163Zweyter Geſang.
Fahnen, und ſtarrenden Spieſſen. Dann gieng der Be - fehl aus, es ſollte,
Bey der Trompeten weittoͤnendem Klang, der bekraͤftig - te Reichsſchluß
Allen verkuͤndiget werden. Vier ſchnelle Cherubim ſetzten
Jhr hellſchallendes Erz an den Mund, nach allen vier Winden
Ruften der Herolde Stimmen ihn aus. Die hallenden Tiefen
Hoͤrten ſie weit und breit, und alle Heere der Hoͤlle
Wiederhollen es laut mit einem betaͤubenden Jauchzen.
Und nun trennten die Schaaren ſich aus einan - der, und giengen
Jetzt mit leichterem Muth, von truͤgender Hofnung geſtaͤrket,
Jn die Ebenen fort, und jeder, ſo wie ihn die Neigung,
Oder die traurige Wahl, in die Jrre leitete, nahm ſich
L 2Seinen164Das verlohrne Paradies.
Seinen beſonderen Weg, um fuͤr die empoͤrten Gedan - ken
Einige Ruhe zu finden, und ſeine verdrießlichen Stun - den
Bis zur erwuͤnſchten Zuruͤckkunft des groſſen Fuͤhrers zu taͤuſchen.
Einige kaͤmpften erhitzt
t)Dieſe kriegriſchen Uebungen der gefallnen Engel ſchei - nen nach dem Homer IL. II. 774. geſchildert zu ſeyn, nur daß die Bilder nach der Natur der hier be - ſchriebnen Weſen erhoͤht worden. Vielleicht hatte der Dichter auch, die Zeitverkuͤrzungen der abgeſchied - nen Helden in den elyſaͤiſchen Feldern des Virgils, vor Augen, Aen. VI, 642.
Pars in gramineis exercent membra palaeſtris, Contendunt ludo, et fulvâ luctantur arena: Pars pedibus plaudunt choreas, et carmina di - cunt.
t) in offenen Ebnen zuſammen,
OderEinige165Zweyter Geſang.
Oder in oberer Luft auf ihren Schwingen; noch andre
Rennten im fliegenden Lauf, wie in den olympiſchen Spielen,
Oder auf Pythons Gefilden; da andre die feurigen Roſſe
Zaͤhmten; oder das Ziel mit den reiſſenden Raͤdern vermieden;
Oder geſchloßne Geſchwader formirten. Als wenn an dem Himmel
Krieg erſcheint, und ſchimmernde Heere zur Schlacht in den Wolken
Wider einander ziehn; von jeglichem Fluͤgel begeben
Sich die feurigen Ritter hervor, und meſſen die Speere
L 3Gegent)
Einige uͤbten die Glieder in edlen heroiſchen Spielen, Rungen im Sand; und fuͤhrten den Tanz in harmoniſchen Kreiſen, Oder verkuͤrzten die Stunden mit hohen begei - ſterten Liedern. N.
166Das verlohrne Paradies.
Gegen einander, bis fechtende Schaaren zuſammen ſich ſchlieſſen;
Die Gefilde der Luft gluͤhn von den kriegriſchen Thaten
Von dem Aufgang zum Niedergang hin. Mit typhoͤi - ſchem Wuͤthen
Reiſſen andre, von grimmigerm Weſen, die Felſen und Huͤgel
Aus der Wurzel, und fahren auf Wirbelwinden die Luft durch.
Kaum vermag, die erſchuͤtterte Hoͤlle, den tobenden Auf - ruhr
Zu ertragen: als wenn Alcides
u)Thyer hat ſehr wohl angemerkt, daß Milton in die - ſem Gleichniſſe ſehr unter ſeine gewoͤhnliche Hoheit herabſinkt. Wie ſehr viel kleiner iſt das Bild des Alcides, der die Theſſaliſchen Tannen ausreißt, ge - gen die Engel, die Berge und Huͤgel ausreiſſen; und wie ſchwach und unwichtig endet ſich die Anſpielung mit dem kleinen Umſtande vom Lichas, der in die euboiſche See geſchleudert wird. N.
u), mit Siege gekroͤnet,
Von167Zweyter Geſang.
Von Oechalia kam, und ſein vergiftet Gewand ietzt
Fuͤhlend, vor wuͤthendem Schmerz die Tannen Theſſa - liens ausriß,
Und den erſchrockenen Lichas herab von der Hoͤhe des Oeta
Jn die euboiſche See geſchleudert. Noch andere, mil - der,
Und von ſanfterer Art, in ſtille Thaͤler entwichen,
Sangen mit engliſchen Liedern, zu mancher toͤnenden Harfe,
Jhren heroiſchen Ruhm und ihren erlittenen Umſturz
Durch den Wechſel des Kriegs. Sie klagten, daß durch das Geſchicke
Freye Tugend der Macht, und dem Zufall, unterthan wuͤrde.
Jhr Geſang war partheyiſch; doch ihre harmoniſchen Lieder (Und wie kont es anders auch ſeyn, da Unſterbliche ſangen?)
L 4Hielten168Das verlohrne Paradies.
Hielten die ſaͤmtliche Hoͤll in aufmerkſamer Bewun - drungx)Die Wirkung ihres Geſanges iſt beynahe eben ſo, als die von dem Geſange des Orpheus in der Hoͤlle. Virg. Georg. IV, 481.
Quin ipſae ſtupuere domus, atque intima lethi Tartara, cœruleosque implexae crinibus angues Eumenides, tenuitque inhians tria Cerberus ora, Atque Ixionii vento rota conſtitit orbis. Selbſt des Tartarus Wohnungen ſtaunten; die Eumeniden Mit dem Schlangenhaar hoͤrten ihm zu, und Cerberus ſelber Stund mit dem dreyfachen Schlund verwun - drungsvoll ſtumm, und Jxlon Hielt ſein Rad auf, und lehnte ſich dran, und horchte den Liedern.
,
Und entzuͤckten der Hoͤrenden Kreis. Jn lieblichen Re - den (Denn der Beredtſamkeit Macht entzuͤckt die bezauber - te Seele,
Und169Zweyter Geſang.
Und der Geſang nur die Sinnen), in groſſen erhabnen Gedanken
Saſſen andre, beyſeit auf einen Huͤgel gewichen,
Jn verflochtene Schluͤſſe vertieft, und ſprachen von Vor - ſicht,
Von dem Wiſſen vorher, vom Willen, und von dem Geſchicke,
Von dem feſten Geſchick, vom freygelaſſenen Willen,
Und vom beſtimmenden Wiſſen vorher. So ſahn ſie im Gruͤbeln
Keinen Ausweg fuͤr ſich aus ihrer Vernunft Labyrin - then.
Alsdenn unterhielten ſie ſich vom Guten und Boͤſen,
Von dem wirklichen Gluͤck, und von dem endlichen Elend;
Von den Affekten, und ihrer Bezaͤhmung; von Ehre, von Schande.
Alles falſche Philoſophie und nichtige Weisheit;
L 5Die170Das verlohrne Paradies.
Die indes doch Schmerzen und Angſt mit ſuͤſſer Be - zaubrung
Eine Weile zu ſtillen vermocht, und taͤuſchende Hofnung
Einblies; oder mit feſter Geduld, und dreyfachem Stahley)Eine Nachahmung des Horaz, Od. III. l. 9. 10.
Illi robur et aes triplex Circa pectus erat. Die Staͤrke von dreyfachem Erz Umſchloß des Kuͤhnen Herz, der auf dem leich - ten Holz Zuerſt dem Meere ſich vertraut.
Nur daß unſer Poet das haͤrteſte Metall, nemlich Stahl, nimmt. Hume.
,
Das verhaͤrtete Herz bewafnen konte. Noch andre
Giengen, in zahlreiche Haufen, und dicke Geſchwader vertheilet,
Auf Entdeckungen aus; und ſtreiften mit forſchenden Blicken
Weit in dieſe traurige Welt, ob irgend ein Clima
Jhnen171Zweyter Geſang.
Jhnen bequemere Wohnungen boͤte. Der fliegende Zug gieng
An der vier hoͤlliſchen Fluͤſſe Geſtaden herunter, die brauſend
Jn den flammenden See die giftigen Fluthen ergoſſen.
Der abſcheuliche Styx, der Strom des toͤdtlichen Haſſes;
Und der Acheron traurig und ſchwarz, an tiefer Be - truͤbniß
Unergruͤndlich; Cocytus, benamt vom lauten Gewinſel,
Das man an ſeinen Ufern vernimmt; und Phlegeton, ſchaͤumend,
Deſſen Wellen im feurigen Strom mit Wuth ſich ent - zuͤnden.
Jn der Entfernung waͤlzte mit ſtiller und langſamer Fluth ſich
Labyrinthiſch geſchlaͤngelt, der Fluß der Vergeſſenheit, Lethe.
Wer ihn trinket, vergißt alsbald des vorigen Zuſtands,
Seines172Das verlohrne Paradies.
Seines vorigen Weſens; vergißt der Freude, der Leiden,
Und der Luſt, und der Pein. Ein rauher befrorener Landſtrich
Liegt am andern Geſtade des Fluſſes; wild, finſter, ge - troffen
Vom beſtaͤndigen Sturm, von Wirbelwinden, und Ha - gel,
Welcher am Lande nicht ſchmilzt, vielmehr ſich in Hau - fen verſammelt,
Gleich den gethuͤrmten Ruinen von alten verfallnen Gebaͤuden.
Alles umher iſt tief im Schnee und Eiſe vergraben,
Alles iſt unergruͤndlicher Schlund, dem ſerboniſchen Schlund gleich,z)Ein See zwiſchen dem alten Gebirge Caſius, und Damiata, einer aͤgyptiſchen Stadt an der oͤſtlichſten Muͤndung des Nils. Dieſer See war von alle[n]
Welcher von Damiata bis zu dem alten Gebirge
CaſiusSeiten173Zweyter Geſang.
Caſius hin ſich erſtreckt, wo ganze Heere verſunken.
Die verſengende Luft brennt hier mit Eis
a)So ſagt Virgil Georg. I. 93.
Boreae penetrabile frigus adurat; Des Nordwinds durchdringende Kaͤlte ver - ſenget.
und im Buch Sirach XLIII. 22. 23. Wenn der kalte Nordwind wehet verderbt er die Gebirge, und verbrennet die Wuͤſten, und ver - dorret alles, was gruͤn iſt, wie ein Feuer. N.
a), und die Kaͤlte
Hat die Wirkung des Feuers. Harpyenfuͤßige wilde
Furien ſchleppen hieher zu groͤſſerer Pein die Verdamm - ten,
Diez)Seiten mit Huͤgeln von Triebſand umgeben, welcher vom Sturm oft ſo dick uͤber das Waſſer geſtrent wurde, daß man den See nicht vom feſten Lande unterſcheiden konte, und ganze Kriegsbeere darinn verſanken. Herodot. B. 3. Hume. 174Das verlohrne Paradies.
Die den aͤuſſerſten Grad der Hitz und der Kaͤlte hier fuͤhlen,
Welche der Wechſel noch grauſamer macht. Aus raſen - dem Feuer
Schnell geſtoſſen in Eis, erſtirbt die aͤtheriſche Waͤrme
Unter dem Froſt; ſie ſchmachten darinn Perioden von Zeiten,
Unbeweglich, und feſt, rund eingefrohren; und werden
Drauf zuruͤck in die Flammen geſtuͤrzt. Sie ſtreichen begierig
Ueber dieſen lethaͤiſchen Sund; doch nur zur Vermeh - rung
Jhrer Quaalen; und wuͤnſchen, und ſtreben im flat - ternden Fluge
Den verſuchenden Strom zu erreichen, in ſuͤſſem Ver - geſſen
Alles ihr Elend ſogleich, und alle Quaalen und Schmer - zen,
Nur durch einen einzigen Tropfen, dem Ufer ſo nahe,
Zu175Zweyter Geſang.
Zu verlieren. Allein das Schickſal iſt ihnen entgegen;
Mit gorgoniſchen Schrecken bewacht Meduſa die Flu - thenb)Man hat unſern Poeten verſchiedentlich getadelt, daß er zu viel Mythologie in ſein Gedicht gebracht, und Heydenthum und Chriſtenthum unter einander gemengt. Man iſt darinn unſtreitig zu weit gegan - gen, da Milton dieſe Fabeln nur immer als Gleich - niſſe und Anſpielungen gebraucht hat, auſſer in die - ſer Stelle, wo er ein Schickſal und eine Meduſa in ſeine Hoͤlle wirklich hineinſetzt. Die ganze Stelle bekoͤmmt dadurch ein heydniſches Ausſehn, welches gewiß ſeine Abſicht nicht war. Man muß dies klei - ne Verſehn dem Geſchmacke der damaligen Zeiten vergeben. Z. ,
Und vor allem, was lebt, fliehn von ſich ſelber die Waſ - ſer,
Wie ſie ehmals den Mund des Tantalus flohen. So ſchweiften
Dieſe verirrten Schaaren umher, mit verlohrenem Zuge,
Blaß176Das verlohrne Paradies.
Blaß vor Schauder und Furcht. Mit ſcheußlich ſtar - renden Augen
Sahn ſie nun erſt ihr klaͤgliches Loos, und fanden zu ruhen
Keine Staͤte. Sie wandelten fort durch manches betruͤbte
Finſtere Thal, durch manche Landſchaft voll Elend und Jammer,
Ueber manche gefrohrnen, und manche feurigen Alpen,
Ueber Klippen, und Hoͤlen, und Lachen, und Strudel, und Gruͤfte,
Eine Welt des Todes, voll Bilder des Todes, im Fluche
Boͤſe geſchaffen; zum Boͤſen nur gut; wo alles, was lebet,
Stirbt, und der Tod nur lebt; in der die Natur nur verkehrte,
Ungeheure, abſcheuliche Dinge, unnennbare Dinge,
Ausgebruͤtet, abſcheulicher noch, als was man in Fabeln
Jemals177Zweyter Geſang.
Jemals erſonnen, und was ſich die Furcht und Einbil - dung dachte,
Giftige Hydern, grauſame Gorgonen, und wilde Chi - maren.
Satan, der Feind von Gott und dem Menſchen, begiebt ſich indeſſen,
Von verwegnen Gedanken entflammet, auf eilende Schwingen,
Und ſucht mit dem einſamen Flug die Thore der Hoͤlle.
Manchmal ſchweift er zur Rechten, und manchmal zur Linken. Nun ſtreicht er
Ueber die Tiefe, mit ſchwebendem Schwung. Dann ſteigt er auf einmal
Zu dem feurigen Himmel empor. Als wenn in der Ferne
Eine Flotte ſich zeigt, in Wolken hangend; von Tidor,
Oder Ternate, oder Bengala
c)Bengala ein Koͤnigreich und eine Stadt in Oſtindien dem groſſen Mogul gehoͤrig. Ternate, und Tidor,
c), geſellſchaftlich ſeegelnd,
MitVI. Theil. Mzwey178Das verlohrne Paradies.
Mit der koͤſtlichen Laſt der Spezereyen beladen.
Sie durchfahren die Fluth, zur weiten Handlung ge - zaͤhmet,
Auf der aͤthiopiſchen See zum Cap fort, und ſteuren
Gegen Norden zur Nachtzeit den Lauf. So thuͤrmte ſich Satan
Jn der Ferne; zuletzt erſchienen die Mauren der Hoͤlle,
Die zum ſchrecklichen Dach ſich erſtrecken; und drey - mal drey Pforten.
Drey beſtanden aus Kupfer, drey waren von feſteſtem Eiſen,
Und drey andere noch aus Diamantfelſen gehauen,
Rundum mit Feuer umwoͤlbt, doch unverſehret im Feuer.
Zweyc)zwey von den Molukkiſchen Jnſeln im Oſtindiſchen Meer, von da die Hollaͤnder die beſten Gewuͤrze nach Europa bringen. N. 179Zweyter Geſang.
Zwey furchtbare Schattengeſpenſter, von ſchrecklichem Anblick,
Saſſen an jeder Seite der Thore. Das eine ſchien reitzend,
Und bis in die Mitten ein Weib
d)Hier hebt Miltons beruͤhmte Allegorie an, die ei - gentlich eine Umſchreibung einer Stelle in der Epi - ſtel Jak. iſt. I, 15. Wenn die Luſt empfangen hat, gebiert ſie die Suͤnde, die Suͤnde aber wenn ſie vollendet iſt, gebiert ſie den Tod. Richardſon. Dieſe Allegorie iſt ſo ſehr gelobt, und ſo ſehr ge - tadelt worden, als nur jemals eine Stelle in einem Gedicht. Jndes wird jeder aufmerkſame Leſer die ganz beſondern Schoͤnheiten davon empfinden, die ihr die feinſten und aufgeklaͤrteſten Kunſtrichter zu - geſtanden haben. Niemanden wird der Tadel des Voltaire und andrer franzoͤſiſchen Kunſtrichter irre machen, die Miltons erhabne und vorſichtige Aus - druͤcke in laͤcherliche und gemeine verkleiden; oder
d), doch ſchloß ſie ſich unten
JnM 2wegen180Das verlohrne Paradies.
Jn einander verwickelt, in manche ſchuppichten Ringe.
Eine Schlange bewehrt mit toͤdtlichem Stachel. Es bellte,
Rund um ihren mittleren Leib, von hoͤlliſchen Hunden
Eined)wegen der Armuth ihrer Sprache, und wegen ihrer eingeſchraͤnkten Begriffe vom Wunderbaren uͤber - haupt, an einer etwas kuͤhnen Dichtung keinen Ge - ſchmack finden koͤnnen. Dem ungeachtet koͤmmt es mir doch allezeit bey Leſung dieſer vortreflichen Stel - le vor, als wenn Addiſons Tadel gegruͤndet ſey, daß nemlich dieſe Allegorie, eben weil ſie eine bloſſe Allegorie iſt, ſich in kein epiſches Gedicht ſchicke; wenigſtens glaube ich, ſchickt ſie ſich nicht in dieſes Gedicht, und das aus ſolgenden Gruͤnden. Milton hat zu den Maſchinen in ſeinem Gedicht Perſonen genommen, von deren wirklichem Daſeyn wir ver - moͤge der Schrift und Religion eben ſo gewiß ver - ſichert ſind, als von dem Daſeyn Gottes, oder un - ſerm eignen. Dieſe Maſchinen ſind die guten undboͤſen181Zweyter Geſang.
Eine grimmige Schaar, laut, und mit cerb’riſchen Maͤulern,
Unaufhoͤrlich. Doch konten ſie ſchnell, ſo oft ſie es wollten,
Undd)boͤſen Engel. Ploͤtzlich aber fuͤgt er zu ihnen zwey Weſen hinzu, von denen auch der unwiſſendſte Leſer gleich einſieht, daß es keine ſolche wirkliche Perſonen ſind, als Satan und die Engel; ſondern daß es erdichte - te Weſen ſind, die ihr Daſeyn bloß der Einbildungskraft des Dichters zu danken haben. Gedaͤchte Milton dieſer beyden Weſen bloß im Vorbeygehn, wie er manchmal das Schrecken, die Zwietracht, zu Perſonen macht, ſo wuͤrde dieſes eine gewoͤhnliche poetiſche Freyheit ſeyn. Aber er macht ſie zu Hauptperſonen, zu eben ſo wirkli - chen Perſonen, als die guten und boͤſen Engel; er laͤßt ſie uͤber das Chaos eine Bruͤcke pflaſtern, und fuͤhrt ſie durch ſein ganzes Gedicht durch. Dies wird dem Leſer, ohne daß er immer die wahren Gruͤnde davon un - terſucht, anſtoͤßig. Hiezu koͤmmt noch eine in die Augen fallende Unwahrſcheinlichkeit, daß er nem - lich Gott ſelbſt mit dieſem Weſen der bloſſen Einbil -M 3dungskraft182Das verlohrne Paradies.
Und in ihrem Geheul ſie etwas ſtoͤrte, zuruͤck ſich
Jn den Leib verkriechen, in welchem ſie lagen; und drinnen
Bell -d)dungskraft auf gewiſſe Art in Handlung ſetzt. Der Suͤnde wird der Schluͤſſel der Hoͤlle von ihm an - vertraut: der Suͤnde, einer Tochter Satans, die ſelbſt mit vom Himmel geſtuͤrzt wurde, und fuͤr die die Hoͤlle ſo gut ein Gefaͤngniß ſeyn ſollte, als fuͤr Sa - tan, und ſeine Schaaren. Kan ein Poet es uns wahrſcheinlich machen, daß Gott ein ſo wichtiges Amt, wie die Bewahrung der Hoͤllenpforten war, einer Perſon anvertrauen ſollte, die blos in der Ein - bildungskraft des Dichters da iſt, einer Perſon, die er ſelbſt zu ihrer Verdammniß und Beſtrafung in die Hoͤlle verſtoſſen hatte? Dieſe Gruͤnde ſind, glaube ich, Urſache, daß wir dieſe Allegorie zwar ſehr ſchoͤn finden, daß wir aber wuͤnſchen, die Perſonen davon moͤchten in einem bibliſchen epiſchen Gedichte nicht ſolche Hauptperſonen ſeyn, wie die guten und boͤſen Engel. 3.183Zweyter Geſang.
Bellten, und heulten ſie unſichtbar fort. Weit weni - ger ſcheußlich
Waren die wuͤthenden Hunde, die einſt die Scylla ge - plagete)Circe hatte den Theil der See vergiftet, in welcher ſich Seylla zu baden pflegte. Als ſie es das naͤch - ſtemal hierauf that, wurden ihre untern Theile in Hunde verwandelt, in dem Meer, welches Cala - brien trennet von dem heiſern trinacriſchen Ufer, das iſt, von Sicilien, welches vor Alters Trinacria hieß, von ſeinen drey Vorgebirgen, die in Form ei - nes Triangels lagen. Dies Ufer kan mit Recht hei - ſer heiſſen, nicht nur wegen der ſtuͤrmiſchen See, die daran ſchlaͤgt, ſondern auch wegen des Geraͤu - ſches, ſo der Aetna durch ſeinen Auswurf macht. Newton. ,
Als ſie zuletzt ſich gebadet im Meer, das Calabrien trennet
Von dem heiſern Trinacriſchen Ufer; ſo ſcheußliche fol - gen
Nicht der naͤchtlichen Zauberin nach, wenn, heimlich beſchieden,
M 4Durch184Das verlohrne Paradies.
Durch die Luͤfte reitend ſie koͤmmt, indem der Geruch ſie
Vom vergoßnen Kinderblut lockt, mit den Hexen von Lapland
Froͤhliche Taͤnze zu ſchlieſſen, indem der arbeitende Mondf)Die Alten glaubten, daß der Mond durch zaubriſche Kuͤnſte ſehr viel leiden koͤnne, und nannten daher die Mond finſterniſſen, labores Iunae. Die drey vorhergehenden Zeilen entbalten einen kurzen Be - grif von dem, was man vor Alters noch glaubte, und zu Miltons Zeiten nicht ſo laͤcherlich war, wie ietzo. Richardſon. ſich
Unter ihrer Bezaubrung verhuͤllt. Die andre Geſtalt ſtund,
Wenn es Geſtalt noch war, was keine hatte; woran man
Nichts gewiſſes entdeckte von Theilen, Gelenken und Gliedern,
Und wenn Weſen das hieß, was einem Schatten nur gleich war;
Beydes185Zweyter Geſang.
Beydes ſchien es indes; ſtund ſchwarz wie die Nacht da; ſo grimmig,
Wie zehn Furien; ſchrecklicher noch, als die Hoͤlle. So ſchwang es
Einen drohenden Pfeil; und was ſein fuͤrchterlich Haupt ſchien,
War mit der Schattengeſtalt von einer Krone gezieret.
Satan nahte ſich ietzt; das Ungeheuer erhub ſich
Von dem Sitz, und kam ihm entgegen mit graͤßlichen Schritten;
Unter den Schritten erbebte die Hoͤlle. Mit wundern - den Augen
Sah der verwegene Teufel den ſeltſamen Anblick; ver - wundert,
Aber fuͤrchtet ſich nicht; denn Gott, und ſeinen Geſalb - ten
Ausgenommen
g)Dies ſcheint anfaͤnglich, als ob Gott und ſein Sohn mit unter erſchaffene Dinge gerechnet werde. EsM 5ſoll
g), ſcheut er ſich nicht vor erſchaffenen Dingen,
Und186Das verlohrne Paradies.
Und fieng ſo mit veraͤchtlichem Blick zuerſt an zu re - den:
Sprich, wer biſt du, verwuͤnſchte Geſtalt, du, die du es wageſt,
Grimmig und ſcheußlich genug, mit deiner haͤßlichen Stirne
Dich mir ſo kuͤhn in den Weg nach jenen Pforten zu ſtellen?
Sey es verſichert, ich breche hindurch, und werde ge - wiß nicht
Lang um Erlaubniß dich fragen. Entweich, du Hoͤl - lengebohrner,
Oder lerne zu ſpaͤt aus einer ſchweren Erfahrung,
Wie gefaͤhrlich es ſey, mit Geiſtern des Himmels zu ſtreiten!
Jhm erwiedert voll Zorn das Geſpenſt: biſt du es, Verraͤther?
Biſtg)ſoll aber nur ſo viel heiſſen, er ſcheute allein Gott und ſeinen Geſalbten, erſchafne Dinge gar nicht. Richardſon. 187Zweyter Geſang.
Biſt du nicht jener Rebell, der Treu und Frieden im Himmel,
Ungebrochen vorher, zuerſt ſo treulos gebrochen?
Der du den dritten Theil der Soͤhne des Himmels verfuͤhret,
Wider den Hoͤchſten vereint, mit ſtolzen rebelliſchen Waffen,
Dir zu folgen, wofuͤr du mit ihnen verſtoſſen von Gott biſt,
Und verurtheilt, ewige Tage voll Jammer und Mar - tern
Zu vollbringen? Und rechneſt du dich zu den Geiſtern des Himmels,
Hoͤllenverdammter? Und willſt hier Trutz und Dro - hungen ſchnauben,
Wo ich als Koͤnig regiere; ja! dich noch mehr zu er - bittern,
Selbſt dein Koͤnig, dein Herr? Jn deine Strafen zu - ruͤcke,
Falſcher Fluͤchtling, und nimm zu der Flucht die ge - ſchwindeſten Fluͤgel,
Eh188Das verlohrne Paradies.
Eh ich mit einer Peitſche von Skorpionen dein Zoͤgern
Nicht beſchleuniget; oder, wenn dich mein Wurfſpiel beruͤhret,
Seltſame Schauder und Wehn, vorher nie empfun - den, dich faſſen!
Alſo ſprach mit drohender Stimme das graͤßli - che Scheuſal,
Und ward zehnmal ſcheußlicher noch, und furchtbarer, da es
Alſo redet und droht. An der andern Seite ſtand Sa - tan,
Unerſchrocken, voll Zorn, und brannte, gleich einem Kometenh)Die alten Dichter vergleichen ſehr oft einen Helden, der in ſeinen Waffen einherſtralt, mit einem Ko - meten, wie Virgil Aen. X, 272.
Non ſecus ac liquida ſi quando nocte cometae Sanguinei lugubre rubent Wie in heiterer Nacht die blutgefaͤrbten Kometen Ungluͤck weiſſagend feuren
Aber
,
Welcher189Zweyter Geſang.
Welcher im nordlichen Himmel den Ophiucus herab - flammt,
Und Verderben und Krieg den ſcheußlichen Haaren ent - ſchuͤttelt.
Nach des anderen Haupt zielt jeder, mit toͤdtlicher Spitze,
Nicht noch einmal umſonſt nach ſeinem Gegner zu ſtoſ - ſen;
Undh)Aber dieſer Komet iſt ſo groß, daß er das ganze Ge - ſtirn Ophiuchus, oder Anguitenens, und Serpenta - rius, wie es gemeiniglich genannt wird, herunter feuert, das iſt eine Laͤnge von mehr als 40 Graden im nordlichen Himmel, oder der nordlichen Halbku - gel, und Seuchen und Krieg den ſcheußlichen Haa - ren entſchuͤttelt. Die Poeſie hat einen Gefallen an ſolchen Wundern, und wunderbaren Begebenheiten, die, wie man vorausſetzt, auf die Erſcheinung von Kometen und Finſterniſſen erfolgen. Taſſo ver - gleicht auf eben die Art den Argantes mit einem Kometen, und gedenkt eben derſelben furchtbaren Wirkungen C. 7. St. 52. Qual190Das verlohrne Paradies.
Und ſie werfen auf ſich ſo wilde drohende Blicke;
Als wenn uͤber der Caſpiſchen See
i)Die Caſpiſche See iſt wegen ihrer Stuͤrme und Un - gewitter bekannt. N.
i) zwey finſtere Wolken,
Mit des Himmels Geſchuͤtze beſchwert, lautpraßlend einherziehn;
Eine Weile ſchweben ſie dann mit drohenden Stirnen
Gegen einander, bis drauf die ſtuͤrmenden Winde das Zeichen
Blaſenh)
Qual con le chiome ſanguinoſe horrende Splender cometa ſuol per l aria aduſta, Che i regni muta, e i feri morbi adduce, A i purpurei tiranni infauſta luce. Als wenn mit blutigem Schweif ein Komet durch die brennende Luft ſtralt, Und den Tyrannen in Purpur mit ungluͤckweiſ - ſagendem Glanz ſchreckt, Und Veraͤndrung des Reichs, und wuͤthende Seu - chen verkuͤndiget. N.
191Zweyter Geſang.
Blaſen zum Anfang der Schlacht, und ſchnell das dun - kele Treffen
Jn der mittleren Luft ſich erhebt. So drohten einander
Dieſe maͤchtigen Streiter, daß unter dem Drohen die Hoͤlle
Schwaͤrzer wurde; ſo gleich, daß nur noch einmal ein jeder
Einen ſo furchtbaren Feind fuͤr ſich
k)Dieſer iſt Jeſus Chriſtus, welcher, wie v. 729. folgt, kuͤnftig einmal ſowohl den Tod, als den, der des Todes Gewalt hat, das iſt, den Teufel, zerſtoͤ - ren wird, Hebr. II, 14. N.
k) wird finden. Nun waͤren
Groſſe Thaten geſchehn, und durch den Abgrund er - ſchallet;
Waͤre die Zauberin nicht, die an dem hoͤlliſchen Thor ſaß,
Und dazu den Schluͤſſel bewahrte, vom Sitze geſprun - gen,
Und mit einem wilden Geſchrey dazwiſchen geſtuͤrzet.
Was192Das verlohrne Paradies.
Was will deine gefaͤhrliche Hand, o Vater! ſo ſchrie ſie,
Gegen den einzigen Sohn! Und welche Verblendung, o Sohn, heißt
Deinen toͤdtlichen Pfeil auf das Haupt des Vaters dich richten?
Und fuͤr wen? fuͤr wen, als fuͤr ihn, der oben im Him - mel
Deiner ſpottet, und lacht, daß du ſein ſklaviſcher Scherge
Alles vollſtreckſt, was ſein Zorn, den er Gerechtigkeit nennet,
Dir gebietet; ſein Zorn, der einſt euch beyde zerſtoͤret.
Alſo ſprach ſie: die hoͤlliſche Peſt, indem ſie ſo ſagte,
Hemmte die raſende Wuth; worauf ihr Satan erwie - dert:
Mit ſo fremdem Geſchrey, und mit ſo ſeltſamen Worten
Faͤllſt du zwiſchen uns ein, daß meine Hand noch verzoͤ - gert,
Dir193Zweyter Geſang.
Dir mit Thaten zu ſagen, was ſie zu verrichten gedachte;
Bis ich erſt, welch ein Geſchoͤpf du ſeyſt, ſo gedoppelt geſtaltet,
Von dir erfahre; warum, da hier im hoͤlliſchen Thal doch
Wir zuerſt uns geſehn, du mit dem Namen des Vaters
Mich benenneſt; und Sohn, dies Geſpenſt! Jch habe vorher nie
Solche ſcheußlichen Weſen, als wie euch beyde, geſehen.
Jhm erwiederte drauf die hoͤlliſche Pfoͤrtnerin alſo:
Haſt du denn meiner vergeſſen, und ſchein ich dir ietzo ſo haͤßlich,
Da man mich noch vor kurzem ſo ſchoͤn im Himmel gehalten,
Als im ofnen verſammelten Kreis, und in dem Geſichte
Aller Seraphim, die ſich mit dir im verwegenen Buͤndniß
VI. Th. NWider194Das verlohrne Paradies.
Wider den Koͤnig des Himmels vereint, dich ſchmerz - liche Wehen
Ploͤtzlich ergriffen, und dir die Augen in Finſterniß ſchwammen?
Da dein ſchwellendes Haupt gewaltige Flammen um - herſchoß;
Bis ſich die linke Seite zuletzt weit oͤfnete. Dir gleich
An Geſtalt, und ſchimmerndem Anſehn, von blenden - der Schoͤnheit,
Sprang ich aus deinem Haupt
l)So wie Minerva oder die Weisheit aus Jupiters Haupte hervorſprang, ſo entſpringt die Suͤnde mit Recht aus dem Haupte Satans. N.
l) als eine gewafnete Goͤttin.
Kaltes Entſetzen ergrif die Heere der Himmliſchen; alle
Fuhren im Anfang erſchrocken zuruͤck, und nannten mich, Suͤnde:
Jch ſchien allen ein fuͤrchterlich Zeichen; doch als wir vertrauter
Mit195Zweyter Geſang.
Mit einander geworden, gefiel ich; und die, ſo am meiſten
Mir entgegen geweſen, gewann ich mit ſiegender Anmuth.
Dich vor andern; du ſaheſt in mir dein voͤlliges Bildniß,
Wurdeſt verliebt, und genoſſeſt mit mir verſchwiegene Freuden,
Daß mein ſchwangerer Leib an Buͤrde zunahm. Jndeſſen
Kam es im Himmel zum Krieg, und Schlachten wur - den gefochten,
Und, (wie konnt es anders auch ſeyn!) der voͤllige Sieg ward
Unſerm allmaͤchtigen Feinde zu Theil, und unſeren Schaaren
Blieb allein der Verluſt, und die voͤllige Flucht, durch das weite
Empyreum hindurch. Sie ſtuͤrzten hernieder, getrieben
Von den himmliſchen Hoͤhn in dieſe Tiefen hernieder;
N 2Jch196Das verlohrne Paradies.
Jch im Falle mit ihnen zugleich. Zur ſelbigen Zeit ward
Dieſer maͤchtige Schluͤſſel in meine Haͤnde gegeben,
Mit dem Befehl, die Pforten der Hoͤlle, die niemand hindurchgeht,
Wenn ich ſie nicht geoͤfnet vorher, verſchloſſen zu halten.
Jn Gedanken verſenkt, ſaß ich hier einſam; doch fuͤhlt ich
Jn dem Leibe, befruchtet von dir, und ietzund im Um - fang
Sehr gewachſen, ein ſchreckliches Bewegen, und ſchmerz - liche Wehen,
Die mich faßten. Zuletzt brach dieſe verhaßte Geburt ſich,
Die du hier ſiehſt, dein eigener Saame, gewaltſam den Ausgang
Durch mein Jnnres hindurch; von Furcht, und Schmerzen, und Quaalen,
Ward es verzerrt, und mein unterer Leib verwandelt. Doch Er hier,
Mein197Zweyter Geſang.
Mein erzeugter Feind, ſchwang ſeinen unſeligen Wurf - pfeil,
Zum Verderben gemacht; ich entfloh mit Entſetzen, und rufte,
Tod! Es erbete die Hoͤlle vom ſcheußlichen Na - men, und ſeufzte
Schrecklich aus allen Hoͤhlen zuruͤck, und hallete wie - derm)Die Wiederholung Tod iſt eine Schoͤnheit von eben der Art, als die Wiederholung des Namens Eury - dice im Virgil. Georg. IV. 525.
Eurydicen vox ipſa et frigida lingua, Ah miſeram Eurydicon, anima fugiente, vocabat; Eurydicen toto referebant flumine ripae. Eurydice rief die erſtarrte Zunge, Eurydice ſeufzt er, da ihm die Seel entfloh; Und die Geſtade ringsum hallten wieder, Eurydice.
N 3Eine
,
Tod! Voll Schrecken entfloh ich; er folgte mir; aber, (ſo ſchien es)
Mehr198Das verlohrne Paradies.
Mehr aus Wolluſt, als Wuth, und uͤberholte viel ſchneller
Seine Mutter, vom Fliehen erſchoͤpft; und zwang mit Gewalt mich
Zur ſcheuſelgen Umarmung; er hat mit mir in der Schandthat
Dieſem)Eine gleiche Wiederholung iſt Eclog. VI, 43.
His adjungit, Hylan nautae quo fonte relictum Clamaſſent; vt littus Hyla, Hyla, omne ſonaret. Newton.
Nach der vortreflichen Nachahmung des Herrn Profeſſor Schmids in den Bremiſchen Beytraͤgen Band. I. S. 255-56.
Wie eine Nymphe dort den ſchoͤnen Hylas liebte Und ihn ins Waſſer zog; wie ſich Alcid betruͤbte, Wie ihn der Schiffer ruft, und oft das Ufer ſchallt Und Hylas, Hylas, oft vom Felſen wiederhallt. Z.
199Zweyter Geſang.
Dieſe heulenden Unthier erzeugt, die, wie du geſehn haſtn)Man muß ſich naͤmlich vorſtellen, daß dieſe Unge - heuer zu der Zeit, da ſie ſprach, in ihrem Leibe verborgen lagen. N.,
Stuͤndlich empfangen, und ſtuͤndlich gebohren, ohn Unterlaß bellend,
Mich umringen, fuͤr mich zu unausſprechlichen Schmer - zen.
Denn oft gehn ſie zuruͤck in den Leib, aus dem ſie gekom - men,
Nagen mein Eingeweide daſelbſt, mit dem ſie ſich naͤh - ren;
Unter ſtetem Geheul. Denn brechen ſie wieder von neuem
Aus mir hervor mit Schrecken ohn Ende, ſo, daß ich gefoltert
Weder Ruhe finde, noch Raſt. Der grimmige Tod ſitzt
Gegen mir uͤber, mein Sohn, und mein Feind, und he - tzet ſie aͤrger
N 4Auf200Das verlohrne Paradies.
Auf mich an; und haͤtte ſchon laͤngſt mit gierigem Ra - chen
Seine Mutter verſchlungen, aus Mangel von anderer Beute;
Aber er weis, ſein Geſchick iſt mit dem meinen verbunden,
Und ich werde dereinſt fuͤr ihn ein bitterer Biſſen,
Und ſein Gift, es ſey wenn es wolle. So hat das Ver - haͤngniß
Unſer Urtheil gefaͤllt! Dich aber warn ich, o Vater,
Scheue du ſeinen toͤdtlichen Pfeil; du hoffeſt vergebens
Sicher vor Wunden zu ſeyn in dieſen ſchimmernden Waffen,
Ob gleich himmliſch geſtaͤhlt; der toͤdtlichen Spitze kan niemand
Widerſtehn, als nur der, der in der Hoͤhe regieret.
Alſo endigte ſie: ſchnell merkte der liſtige Teufel
Seinen201Zweyter Geſang.
Seinen Vortheil, und gab ihr verſtellt ietzt milder zur Antwort:
Theure Tochter, du nenneſt mich Vater, und zeigeſt zugleich mir
Meinen Sohn, das theureſte Pfand des ſuͤſſen Ver - gnuͤgens,
Das ich im Himmel genoſſen mit dir, und der Freu - den, wovon uns
Jetzt die Erinnrung ſo ſchmerzt, da dieſer grauſame Wechſel
Uns ſo unerwartet, ſo unvermuthet, betroffen.
Wiſſe dann, nicht als ein Feind komm ich zu dieſen Bezirken,
Sondern euch beyde vielmehr aus dieſem finſtern Gefaͤngniß,
Dieſem traurigen Hauſe der Pein, und alle die Gei - ſter
Zu befreyen, die wegen des Rechts auf Freyheit und Ehre
Sich gewafnet, und mit uns herab von der Hoͤhe geſtuͤrzet.
N 5Zu202Das verlohrne Paradies.
Zu dem Verſuch voll Gefahr hin ich von ihnen ge - ſendet,
Und ich wage mich ſelbſt, allein, und einer fuͤr alle,
Durch die unergruͤndliche Tiefe, mit einſamen Schrit - ten
Weit in das Leere zu wandern; da eine Wohnung zu finden,
Die ein altes Geruͤcht vorher verkuͤndigt, und ietzo
Weit, und geraum, und rund, nach zuſammentreffen - den Zeichen,
Da ſeyn muß, wofern ich nicht irre; von Wonne be - ſeligt,
Und an den Graͤnzen des Himmels, ganz neugemach - ten Geſchoͤpfen
Zur Bewohnung beſtimmt; vielleicht den Raum zu erfuͤllen,
Den wir ledig gemacht, doch weiter vom Himmel entfernet,
Daß ſich ja nicht, beſchwert von ihrer maͤchtigen Menge,
Wieder203Zweyter Geſang.
Wieder Empoͤrung entſpinne durch ſie; dies ſey nun vollendet,
Oder noch etwas geheimers, ſo muß ich es ietzo erfahren.
Hat mein Muth es entdeckt; ſo kehr ich wieder zuruͤcke,
Dich, und den Tod, zu dem Orte zu bringen, in dem ihr gemaͤchlich
Wohnen ſollet. Da werdet ihr dann unſichtbar, im Stillen
Jn der weicheren Luft, von holdem Geruche durchbalſamt,
Auf - und niederfliegen; und ohne Maaſſe gefuͤllet,
Will ich euch alle Dinge daſelbſt zum Raube vergoͤnnen.
Alſo Satan: ſie ſchienen mit ſeinen Verſpre - chungen beyde
Voͤllig vergnuͤgt. Es grinzte der Tod ein ſcheußliches Laͤchelno)Verſchiedene Dichter haben ſich bemuͤht, eben dieſes Bild auszudruͤcken, wie zum Exempel Homer S. II. VII. ,
Als204Das verlohrne Paradies.
Als er vernahm, ihm ſollte ſein Hunger geſaͤttiget werden,
Und ſein Rachen gefuͤllt. Nicht weniger freute ſich mit ihm
Seine ſchuldige Mutter, die ihrem Vater erwiedert.
Jch verwahre den Schluͤſſel zu dieſem hoͤlliſchen Abgrund
Auf den Befehl des himmliſchen Koͤnigs. Er hat mir verboten,
Dieſe Pforten von Demant zu oͤfnen; der grimmi - ge Tod ſteht
Widero)II. VII. 212. und Statius ſagt vom Tydeus, The - baid, VIII. 582. formidabile ridens, fuͤrchterlich la - chend, und Cowley vom Goliath, Davideis Buch III.
Th uncircumcis’d ſmil’d grimly with disdain Und grimmig laͤchelte der Unbeſchnittne Verachtungsvoll herab.
Arioſto und Taſſo, wie Thyer bemerkt, druͤcken es ſehr gut aus, aſpramente ſorriſe, oder ſorriſſe, amaramente. Doch wird man geſtehn muͤſſen, daß ſie Milton alle uͤbertrift. N.
205Zweyter Geſang.
Wider alle Gewalt mit ſeinem Pfeile geruͤſtet,
Ohne zu fuͤrchten, von etwas, das lebt, bezwungen zu werden.
Aber was ſoll ich dort oben nach deſſen Befehlen mich richten,
Welcher mich haßt, und vom Himmel in dieſe Tie - fen herunter
Mich in die Nacht des Tartarus warf; allhier in dem Abgrund
Einen gezwungenen Dienſt zu verſehn? Jch, die ich den Himmel
Ehmals bewohnt, gebohren im Himmel, ich ſoll hier, verbannet
Leben in ewiger Angſt, in immerwaͤhrenden Schmerzen?
Rund umher von Schrecken umringt, und wildem Ge - heule
Meiner eigenen Brut, die mein Eingeweide verzehren?
Du, mein Vater, mein Schoͤpfer, du gabſt mir mein Weſen; wem ſollt ich
Sonſt206Das verlohrne Paradies.
Sonſt gehorchen, ſonſt folgen, als dir? Du wirſt mich in kurzem
Zu der gluͤcklichen Welt, von Licht und Wonne be - ſeligt,
Unter die Goͤtter verſetzen, die koͤſtlich leben
p)Wort fuͤr Wort nach dem Homer, Θεοι ρεια ζωοντες. Bentley. Es iſt die Suͤnde, die hier ſpricht, und ſie ſpricht nach Epikuraͤiſchen Grundſaͤtzen. Richardſon.
p); da werd ich
Dann in Wolluſt und Ruh, an deiner Rechten, ohn Ende
Herrſchen, wie deiner Tochter, und deinem Schoos - kind geziemet.
Alſo ſprach ſie, und nahm von ihrer Seite den Schluͤſſel,
Das unſelige Werkzeug von allen unſerem Jammer.
Und indem ſie den viehiſchen S[ch] weif nach dem Hoͤl - lenthor hinſchleppt
Hob ſie die Decke des Schloſſes zuruͤck, das auſſer ihr ſelber
Alle207Zweyter Geſang.
Alle Stygiſchen Maͤchte nicht zu bewegen vermochten;
Dann dreht ſie den Schluͤſſel herum in den inneren Fugen,
Und hob alle Riegel von Eiſen, und Felſen von De - mant,
Ohne Muͤhe hinweg. Mit ſchnellem gewaltigen Ruͤck - ſprung
Flogen die Hoͤllenthore weit auf; von knarrenden Angeln
Hallt ein dumpfer krachender Donner zuruͤck in den Abgrund,
Daß davon der unterſte Boden des Erebus bebte.
Sie eroͤfnete ſie; allein ſie wieder zu ſchlieſſen,
War ihr vom Himmel verſagt. Weit offen ſtanden die Thore,
Daß ein maͤchtiges Heer, mit beyden verbreiteten Fluͤgeln,
Unter fliegenden Fahnen, mit Roß und Wagen, den Durchzug
Durch208Das verlohrne Paradies.
Durch ſie nehmen konte. So ſtanden ſie offen, und dampften,
Wie ein Ofenſchlund, wallenden Rauch, und roͤthli - che Flammen.
Und ietzt lagen der ewigen Tiefe Geheimniſſe ploͤtzlich
Jhren Augen entdeckt; ein unermeßlicher, dunkler
Ocean; ohne Graͤnzen, und Grund; wo Breite, wo Laͤnge,
Hoͤh, und Zeit, und Ort, ſich unter einander verlieren;
Wo die aͤlteſte Nacht, und das Chaos, noch aͤltere Weſenq)Alle alten Naturkuͤndiger, Philoſophen, und Dichter hielten das Chaos fuͤr das erſte Principium aller Dinge, und die Poeten beſonders machten aus der Nacht eine Gottheit, und ſchilderten die Nacht, oder die Finſterniß, und das Chaos, oder die Ver -wirrung,
Als die Natur, im wilden Getuͤmmel von endloſen Krie - gen
Jhr209Zweyter Geſang.
Jhr anarchiſches Reich, durch ewge Verwirrung, be - haupten.
Denn Heiß, Kalt, und Trocken, und Feucht, vier wuͤthende Kaͤmpfer,
Streiten ſich hier um den Thron, und fuͤhren die em - bryonſchen
Atomen in den Streit; ſie ſchwaͤrmen in zahlloſen Schaaren
Jeder um ſeine Fahne herum, in verſchiedenen Horden,
Schwer, und leichter bewafnet, ſcharf, ſanft, geſchwin - der, und langſam;
Gleichq)wirrung in einer ungeſtoͤrten Regierung mit einan - der vom erſten Anfang an. So ſagt Orpheus in dem Homnus auf die Nacht:
Νυκτα ϑεων γενετειραν αεισομαι ηδε και ανδρων, Νυξ γενεσις παντων. Nacht, du Mutter der Goͤtter und Menſchen und aller Dinge. N.
VI. Th. O210Das verlohrne Paradies.
Gleich dem Sande von Barka, und gleich dem ver - ſengeten Boden
Von Cyrrhene
r)Eine Stadt und Provinz in dem ſandichten Lybien. Newton.
r), wenn kriegende Winde zum Him - mel ihn jagen,
Jhren Fluͤgeln dadurch ein ſtaͤrkres Gewichte zu geben.
Wem ſie folgen, der herrſcht auf einen Augenblick. Chaos
Sitzt als Richter, und macht das Gefecht, durch wel - ches er herrſchet,
Durch die Entſcheidung noch aͤrger. Nach ihm re - gieret der Zufall
Alles monarchiſch allhier. Vor dieſem ſchrecklichen Abgrund, (Wo die erſte Natur im Mutterleibe gelegen,
Kuͤnftig vielleicht auch ihr Grab), nicht See, nicht Ufer, nicht Feuer,
Und nicht Luft; ob alles dies gleich im gebaͤhrenden Stoffe
Unter211Zweyter Geſang.
Unter einander verwirrt hier liegt; und unter einander
Ewig ſtreitet (wofern nicht vielleicht der allmaͤchtige Schoͤpfer,
Mehrere Welten zu ſchaffen, als ſeinen verborgenen Grundzeug
Sie in Ordnung bringt:) vor dieſem ſchrecklichen Ab - grund
Stand der behutſame Teufel am hoͤlliſchen Ufer, und ſchaute
Eine Weile hinab, die Reiſ erwegend; (er hatte
Keinen geringen Sund zu durchkreutzen) auch ſtuͤrm - te nicht minder
Lautes Getoͤß in ſein Ohr, als wenn im Donner des Krieges, (Groſſe Dinge mit kleinen
s)Ein Ausdruck im Virgil Ecl. I. 24. parvis com - ponere magna. Und was fuͤr einen Begrif machtO 2uns
s) zu meſſen) Bellona ſich wuͤthend
Einer212Das verlohrne Paradies.
Einer Hauptſtadt genaht, und ihre Maſchinen errichtet,
Sie zu ſchleifen; oder wenn ietzt das Gebaͤude des Himmels
Jn einander geſtuͤrzt, und wuͤthend die Elemente
Aus den Angeln den Ball der erſchuͤtterten Erde geriſſen.
Endlich ſpreitet er nun die ſeegelbreiten Gefieder
Aus zum Flug, er ſpornet den Grund, erhebet im Rauch ſich,
Und eilt in dem Sitze von Wolken viel Meilen verwe - gen
Aufwaͤrts. Aber gar bald entweichet der Sitz ihm, und laͤßt ihn
Jn unendlichen Leeren zuruͤck; nun ſinket er ploͤtzlich
Mits)uns dies nicht von dem Getoͤſe des Chaos, da die Belagerung einer Hauptſtadt, ja ſelbſt Himmel und Erde, wenn ſie in einander ſtuͤrzten, nur ein klei - nes Geraͤuſch dagegen machen wuͤrden. N. 213Zweyter Geſang.
Mit vergeblich flatternden Schwingen, zehntauſend Klaſtern
Jn den Abgrund hinab; und wuͤrde den heutigen Tag noch
Nicht aufhoͤren zu fallen, wenn zu dem Ungluͤck der Menſchent)Es war der ungluͤcklichſte Zufall fuͤr das ganze menſch - liche Geſchlecht, daß ihm ſeine Reiſe ſo gelang, und ſo beſchleunigt wurde. Pearce. ,
Nicht der ſtarke Zuruͤckſchlag von einer ſtuͤrmiſchen Wolke,
Von Salpeter und Feuer geſchwaͤngert, nicht weniger Meilen
Wieder empor ihn geworfen. Jn einer ſumpfigten Syrtis,
Welche nicht See war, noch trockenes Land, vermin - dert die Wuth ſich,
Dieſes Sturms. So fuhr er dahin, faſt ſtrandend, in - dem er
Halb zu Fuß, und halb fliegend, die rohe Feſtigkeit durchwallt,
O 3Und214Das verlohrne Paradies.
Und ſich der Ruder ſowohl, als wie der Seegel, bedie - net.
So wie durch die Wildniß ein Greif mit befluͤgeltem Laufe
Ueber Huͤgel und Sumpf den Arimaſpen verfolget
u)Die Arimaſpen waren ein einaugigtes Volk in Sey - thien. Herodotus und andre erzehlen, daß zwiſchen ihnen und den Greifen wegen des Goldes ein beſtaͤn - diger Streit war, da die Greifen es bewachten, und die Arimaſpen es ihnen bey aller Gelegenheit zu rau - ben ſuchten. Siehe Plin. Nat. Hiſt. L. 7. c. 2. N.
u),
Welcher das Gold ihm entfuͤhrt, ſo ſeiner Wache ver - traut war:
Eben ſo ſchnell nahm Satan den Weg hoch uͤber die Felſen,
Ueber unebnes, und ebnes, und uͤber dichtes und duͤnnes,
Mit den Haͤnden, dem Haupt, mit Fuͤſſen, oder mit Fluͤgeln;
Schwimmt, ſinkt, wadet, und kriecht, und fliegt. Von ferne beſtuͤrmet
Endlich215Zweyter Geſang.
Endlich ſein horchendes Ohr ein allgemeines Getuͤmmel
Von verwirrten Toͤnen und Stimmen, vermiſcht durch einander,
Die mit der heftigſten Wuth durch die hohle Finſter - niß ſchallen.
Dahin wandt er ſich kuͤhn, hier mit Gewißheit zu for - ſchen,
Welche geiſtige Macht im Laͤrm des unterſten Abgrunds
Jhre Wohnung genommen; und nach dem Wege zu fragen,
Wo der Finſterniß naͤheſte Kuͤſten zuletzt an des Lichtes
Graͤnzen ſtoſſen. Als ploͤtzlich der Thron des Chaos erſcheinet,
Und ſein dunkles Gezelt, weit uͤber die wuͤſte Tiefe
Ausgeſpreitet. Das aͤltſte der Dinge, die ewige Nacht ſaß
Auf dem Throne mit ihm, in ihrem dunkeln Gewande.
O 4Or -216Das verlohrne Paradies.
Orcus
x)Orcus wird gemeiniglich von den Poeten fuͤr den Pluto genommen, ſo wie Ades fuͤr jeden finſtern Ort. Demogorgon, oder wie einige wollen, De - miurgus, war eine Gottheit, deren bloſſem Namen die Alten eine groſſe Kraft in Zaubereyen zuſchrie - ben. Newton.
x) und Ades, ſtanden um ſie, und der ſchreckli - che Name
Demogorgon. Zunaͤchſt der Laͤrm, der Zufall, der Aufruhr,
Und die Verwirrung, voͤllig in Streit, und die Zwie - tracht, mit tauſend
Unterſchiedenen Zungen. Zu ihnen kehrte ſich Satan,
Unerſchrocken, und ſprach: Jhr dieſes unterſten Ab - grunds
Geiſter, und Maͤchte! du Nacht, und du, o Chaos! das Jnnre
Dieſer Reiche zu ſtoͤren, bin ich hieher nicht gekommen;
Sondern217Zweyter Geſang.
Sondern ich wandre gezwungen durch dieſe naͤchtlichen Wuͤſten,
Da durch euer weites Gebiet mein Flug zu dem Lichte
Mich hinauffuͤhrt; verlohren, und ohne Fuͤhrer, und einſam,
Such ich den gradeſten Weg nach jener gluͤcklichen Ge - gend,
Wo dies finſtere Reich an die Grenzen des Himmels ſich ſchlieſſet.
Oder iſt eurem Gebiet ein anderer Platz noch entzogen,
Den der Koͤnig des Himmels ſeit kurzem beſitzet; ſo gehet
Meine Reiſe dahin, durch dieſe ſchrecklichen Tiefen.
Zeigt mir den Pfad; wofern ihr ihn zeigt, ſo ſoll euch in kurzem
Keine geringe Vergeltung belohnen, indem ich von neuem
Dieſes verlohrne Reich von aller gewaltſamen Herrſchaft
O 5Wieder218Das verlohrne Paradies.
Wieder zum vorigen Zepter der erſten Finſterniß bringe;
Und, (denn dies iſt der Zweck der gegenwaͤrtigen Reiſe)
Die Standarte der ewigen Nacht von neuem errichte.
Euch bleibt aller Vortheil davon, mein ſey nur die Rache.
Satan ſprachs. Mit entſtelltem Geſicht, und ſtammelnder Zunge
Gab der Anarch ihm zur Antwort: Jch kenne zu wohl dich, o Fremder,
Denn du biſt das maͤchtige Haupt der rebelliſchen Engel,
Welche den Koͤnig des Himmels bekaͤmpft, doch die er geſchlagen.
Denn ich ſah es, und hoͤrt es. Ein ſolches gewaltiges Heer floh,
Ueber den zitternden Abgrund, gewiß nicht im ſtillen; ihm folgte
Fall auf Fall, Ruin auf Ruin; und Verwirrung, verwirrter,
So219Zweyter Geſang.
So wie ſie flohn. Und der Himmel ergoß die ſie - genden Schaaren
Millionenweiß aus, die ſie verfolgten. Jch habe
Meinen Aufenthalt hier auf meinen Grenzen genommen,
Ob mir vielleicht es gelaͤnge, das wenige, ſo mir gelaſſen,
Zu vertheidigen, welches verwirrt im eigenem Aufruhr
Jmmer weiter dem Zepter der ewigen Nacht ſich entziehet.
Anfangs euer Kerker die Hoͤlle, die unter der Tiefe
Weit in die Nacht ſich erſtreckt; dann kuͤrzlich noch Himmel und Erde,
Jene neuere Welt. Jn einer goldenen Kette
Haͤnget ſie uͤber meinem Gebiet, an der Seite des Himmels
Angeſchloſſen, von da dein uͤberwundenes Kriegsheer
Fiel.220Das verlohrne Paradies.
Fiel. Jſt dieſes dein Weg, ſo haſt du nicht weit mehr zum Ziele;
Deſto naͤher iſt auch die Gefahr. Geh, ſaͤume nicht laͤnger,
Mein Gewinn iſt Ruin, und Unordnung, Raub und Verderben.
Alſo ſprach er, und Satan verweilt ſich nicht mit der Antwort;
Sondern erfreut, daß ſein Meer nun endlich ein Ufer gefunden,
Sprang er mit friſcherem Muth, und neuvereinigten Kraͤften,
Ploͤtzlich, wie eine ſpitzige Saͤule von Feuer, hinaufwerts
Jn die ausgeſpannete Nacht; und brach durch den Anfall
Streitender Elemente, die rund umher ihn umringten.
Seine Reiſe war ſchwerer, mit groͤſſern Gefahren be - gleitet,
Als da durch die ſchaͤumende Fluth, und kaͤmpfenden Klippen,
Argo221Zweyter Geſang.
Argo durch den Boſphorus gieng; und Ulyſſes erfahren,
Als er die Wuth der Charybdis vermied, und am an - deren Strudel
Gluͤcklich entflohn. Er ſetzte den Weg mit Arbeit und Muͤh fort;
Er, mit Arbeit und Muͤh. Doch da die gefaͤhrliche Reiſe
Nur erſt einmal gluͤcklich von ihm zuruͤckegelegt war,
Sah man nach dem Falle des Menſchen die ſchnellſte Veraͤndrung.
Seinem Fußtritt folgten mit Macht der Tod und die Suͤnde, (Denn ſo war es der Wille des Himmels) und pfla - ſterten nach ihm
Einen geſchlagenen Weg weit uͤber den dunkelen Abgrund.
Willig ertrug das ſiedende Meer auf duldenden Wogen
Dieſe222Das verlohrne Paradies.
Dieſe verwegene Bruͤcke
y)Da dieſe Bruͤcke im zehnten Geſang wirklich erſt ge - pflaſtert wird, ſo hat Newton wohl nicht unrecht, wenn er die zu fruͤhzeitige Erwaͤhnung dieſer Bruͤcke in dieſer Stelle fuͤr einen kleinen Fehler in Anſe - hung des Ganzen haͤlt. Z.
y) von wundernswuͤrdiger Laͤnge,
Die ununterbrochen vom finſtern Reiche der Hoͤlle
Bis zum aͤuſſerſten Kreis von dieſer zerbrechlichen Welt gieng.
Auf ihr wandeln bequem die Schaaren der hoͤlliſchen Geiſter
Hin und wieder, die Menſchen mit ihrer Liſt zu ver - ſuchen,
Oder zu ſtrafen, wofern ſie nicht Gott und ſein Engel bewahret.
Und nun ſcheint ihm des Lichts geheiligter Aus - fluß entgegen;
Fern in den Buſen der Nacht ſchoß es vom Walle des Himmels
Einen daͤmmernden Stral. Hier ſind die aͤuſſerſten Graͤnzen
Von223Zweyter Geſang.
Von der Natur, und hier zieht ſich das Chaos zuruͤcke;
Wie mit geringerm Tumult, und weniger kriegriſchem Laͤrmen
Ein geſchlagener Feind die aͤuſſerſten Schanzen zuruͤck laͤßt.
Nun ſchwebt Satan mit weniger Muͤh, und bald drauf gemaͤchlich,
Durch ein zweifelhaft Licht geleitet, in ſtilleren Wellen,
Und eilt froͤhlich zum Hafen, gleich einem zerſchmet - terten Schiffe,
Seiner Seegel und Maſten beraubt. Er waͤgt in der leeren,
Und Luftaͤhnlichen Wuͤſte die ausgeſpreiteten Fluͤgel,
Um in der Ferne bequem den empyreiſchen Himmel
Zu betrachten, der weit ſich in dem Umkreis erſtreckte;
Ob im Viereck, oder im Zirkel, das ſchien nicht beſtimmet:
Aber doch praͤchtig umringt, mit hohen glaͤnzenden Thuͤrmen
Von224Das verlohrne Paradies.
Von Opal, und mit Zinnen geziert von lebendigem Sapphir;
Ehmals ſein eigner Geburtsort! An einer goldenen Kettez)Die goldene Kette ſcheint Milton vom Homer ge - nommen zu haben. Siehe Jl. VIII. Unter dieſer ſchwebenden Welt, verſteht er nicht dieſe Erde al - lein, ſondern das ganze groſſe Weltgebaͤude uͤber - haupt. Newton.
Hielt er dieſe ſchwebende Welt. Sie ſchien in der Ferne
Kaum ein Stern von der kleinſten Groͤſſe, zunaͤchſt an dem Monde.
Hieher nimmt er, verflucht, und in einer verfluchten Stunde,
Seinen unſeeligen Weg, erfuͤllt von wuͤthender Rache.
Das[225]

Das Verlohrne Paradies. Dritter Geſang.

VI. Th. P[226]227
Das Verlohrne Paradies. Dritter Geſang.
Sey mir gegruͤſſet, heiliges Licht
a)Dieſe Anrede unſers Dichters an das Licht, und die Klage uͤber ſeine eigne Blindheit, moͤchte vielleicht einigen ſtrengen Kunſtrichtern ein Fehler wider die Regeln der epiſchen Poeſie ſcheinen; wenn es indes auch ein Fehler ſeyn ſollte, ſo wird man ihn dochP 2dem
a)! Des ſchaffenden Himmels
Erſte Geburt; mitewiger Stral vom Ewigen. Moͤcht ich
So228Das verlohrne Paradies.
So dich untadelhaft nennen; indem Gott ſelber das Licht iſtb)Nach 1 Joh. I, 5. Gott iſt das Licht, und in ihm iſt keine Finſterniß. Und nach 1 Tim. VI, 16. Der allein Unſterblichkeit hat, der da wohnet in einem Lichte, da niemand zukommen kan. Newton.,
Und nie anders, als nur in unzunahlichen Lichte
Wohnte von Ewigkeit her; in dir denn wohnte, du heller,
Reineſter Ausfluß des reinſten, des unerſchaffenen We - ſens.
Oder hoͤrſt du vielleicht mit jenem himmliſchen Namen
Eines aͤtheriſchen Stroms, aus tiefverborgenen Quel - len,
Liebera)dem Poeten Dank wiſſen, da er zu ſo groſſen Schoͤn - heiten Gelegenheit gegeben, und uns mit ſeinen Um - ſtaͤnden und ſeinem Gemuͤthscharakter genauer be - kannt macht. Newton. 229Dritter Geſang.
Lieber dich nennen? Noch ehe die Sonnen und Him - mel geweſen,
Warſt du ſchon da, und umhuͤllteſt, auf Gottes allmaͤch - tige Stimme,
Wie ein Mantel, die Welt der dunkeln naͤchtlichen Waſſer,
Welche herauf ſtieg, indem ſie ſich ietzt dem unfoͤrmli - chen Leeren
Durch die Schoͤpfung entriß. Mit kuͤhnern Schwin - gen beſuch ich
Dich aufs neue, ſeitdem ich den ſtygiſchen Tiefen ent - ronnen,
Obgleich lange genug in dieſem finſteren Abgrund
Zu verweilen gezwungen. Auf meinem verwegenen Fluge,
Welcher mich durch das finſtere Reich der Hoͤlle gefuͤhret,
Sang ich mit hoͤherem Ton, als Orpheus Leyer geſun - genc)Orpheus machte einen Lobgeſang an die Nacht, den wir noch von ihm haben; er ſchrieb auch von derP 3Schoͤpfung,
Von230Das verlohrne Paradies.
Von der ewigen Nacht, und dem Chaos. Die himm - liſche Muſe
Unterrichtete mich, die dunkle Hinabfahrt zu wagen,
Und frey wieder herauf mich zu ſchwingen; ſo ſchwer, und ſo ſelten
Dieſes Unternehmen auch iſt. Gerettet, beſuch ich
Jetzo dich wieder; und fuͤhle dich, herrſchende Fackel des Lebens,
Die den beſeelenden Glanz auf alle Geſchoͤpfe verbreitet.
Du indeſſen beſuchſt mich nicht wieder; nicht wieder die Augen,
Die vergeblich ſich rollen, um deine durchdringenden Stralen
Wieder -c)Schoͤpfung aus dem Chaos. Siehe den Apoll. Rhodius I, 493. Orpheus ward nur durch ſeine Mutter Kalliope begeiſtert, Milton durch die himmliſche Muſe; deshalb ſagt er, daß er mit hoͤ - herem Toͤnen als Orpheus geſungen, obgleich die Gegenſtaͤnde einerley waren. Richardſon. 231Dritter Geſang.
Wiederzufinden; ſie finden ſie nicht! Der ſchwaͤcheſte Schein nicht
Bricht zu ihnen hindurch; ſo hat ein verfinſternder Tropfen,
Oder ein truͤbes Gewoͤlk, die helle Scheibe verhuͤllet.
Dennoch hoͤr ich nicht auf, an lieblichen Oertern zu wandeln,
Welche die Muſen bewohnen; an klaren rieſelnden Quellen,
Oder im ſchattichten Hain, und auf dem ſonnichten Huͤgel,
Von der Liebe begeiſtert zum heilgen Geſange. Vor allem
Komm ich, o Sion, zu dir in ſtillen naͤchtlichen Stun - den,
Zu den blumichten Baͤchen, die deine geweiheten Wur - zeln
Waſchen, und murmelnd uͤber ſie flieſſen. Jndem ich nicht ſelten
P 4An232Das verlohrne Paradies.
An den blinden Thamyr, und blinden Maͤonides
d)Maͤonides iſt Homer, von ſeinem Vater Maͤon alſo benamt, und iſt es kein Wunder, daß unſer Dichter dem an Nachruhm gleich zu ſeyn wuͤnſchte, deſſen Schriften er ſo fleißig geleſen, bewundert, und nach - geahmt. Thamyris iſt nicht ſo bekannt. Homer gedenkt ſeiner Jliad. II. 595. und Euſtathius ſetzt ihn mit dem Orpheus und Muſaͤus unter die be - ruͤhmten Poeten und Tonkuͤnſtler. Tireſias von Theben, und Phineus, Koͤnig von Arkadien, waren beyde blinde Dichter und Propheten des Alterthums; dann das Wort Prophet bedeutet oft beydes zugleich, wie im lateiniſchen Vates. N.
d) denke, (Sie, die Beyden, im Schickſal mir gleich, o moͤcht ich im Nachruhm
Jhnen ſo gleich ſeyn!) und jene der alten Weiſſager, Phineus,
Und Tireſias. Dann ernaͤhren mich groſſe Gedanken,
Welche von ſelbſt harmoniſch flieſſen; dem Vogel der Nacht gleich,
Der in einſamer Finſterniß ſitzt, und unter der Decke
Hoher233Dritter Geſang.
Hoher Schatten ſein Lied den horchenden Hainen ver - ſeufzet.
Alſo kehren in wechſelnder Ordnung die Zeiten des Jah - res
Wieder zuruͤck; doch kehret der Tag fuͤr mich nicht zu - ruͤcke,
Nicht fuͤr mich die ſuͤſſe Herankunft des Abends und Morgens;
Nicht der Anblick der Fruͤhlingsblume, der Roſe des Sommers,
Oder der Heerden; auch nicht des Menſchen goͤttliches Antlitz.
Jmmerwaͤhrende Nacht umringt ſtatt deſſen mein Auge,
Dick als Wolken; ich bin vom holden Umgang der Menſchen
Abgeſchnitten; an ſtatt des Buchs der ſchoͤnen Erkaͤnnt - niß,
Liegt nur ein weiſſes Blatt vor mir da; die herrlichen Werke
Jn der Natur ſind alle fuͤr mich vertilgt und verloſchen;
P 5Und234Das verlohrne Paradies.
Und mir ſchließt ſich auf immer die eine Pforte der Weisheit.
Scheine du alſo, himmliſches Licht, mit goͤttlichen Stra - len
Doſto ſtaͤrker in mir; erleuchte die hellere Seele!
Pflanze du Augen allda; zerſtreue die finſteren Nebel,
Die ſie umhuͤllen; und weihe ſie dir; damit ich, ge - reinigt,
Alles das ſeh, und erzehle, was Sterblicher Augen ver - huͤllt iſt.
Und ietzt wand der allmaͤchtige Vater vom ſtra - lenden Throne,
Wo er im reineſten Glanz hoch uͤber die ſeeligen Him - mel
Ueber alle Hoheit erhoͤht iſt, die Augen hernieder,
Alles das, was er erſchuf, mit Einem Blicke zu ſchauen.
Um ihn ſtanden die Schaaren des Himmels, ſo dicht als die Sterne,
Und235Dritter Geſang.
Und genoſſen von ihm und ſeinem goͤttlichen Anſchaun
Wonn ohn Ende. Sein einziger Sohn, der Ehre des Vaters
Stralendes Ebenbild
e)Nach Paulus Hebr. I. 3. Durch den Sohn welcher iſt der Glanz ſeiner Herrlichkeit, und das Ebenbild ſeines Weſens und ſich geſetzt hat zu der Rechten der Majeſtaͤt in der Hoͤhe. Einſichtsvolle Sprachverſtaͤndige wollen die vorher - gehende Beſchreibung Gottes mit des Taſſo ſeiner vergleichen, Cant. 9. St. 55. 56. 57. Hume.
e), ſaß ihm zur Rechten. Er ſah auf der Erde
Die Erſchafnen, mit Unſchuld geſchmuͤckt; die einzigen Zwey noch
Von dem Menſchengeſchlecht; in jenem gluͤcklichen Garten,
Wo ſie unſterbliche Fruͤchte von Lieb und Freuden ge - noſſen;
Ununterbrochne Freuden, und unbeneidete Liebe,
Jn236Das verlohrne Paradies.
Jn der Einſamkeit gluͤcklicher noch. Dann ſah er die Hoͤlle,
Und den ſtuͤrmiſchen Sund; ſah, wie in daͤmmernden Schatten
Satan auf duͤſterer Luft, dicht an den Mauren des Him - mels
Hinſtrich, und entſchloſſen ietzt war mit ermuͤdeten Schwingen,
Auf der unfruchtbaren Seite der Welt ſich herunter zu laſſen,
Die den Augen von fern, ein feſtes veroͤdetes Land ſchienf)Das ganze Weltgebaͤude erſchien dem Satan als ei - ne dichte Kugel, von allen Seiten umgeben, mit Waſſer oder Luft, das war ungewiß; jedoch ohne Firmament, ohne eine Sphaͤre von Fixſternen uͤber demſelben, als wir uͤber der Erde; die Sphaͤre der Fixſternen war ſelbſt mit darunter begriffen, und machte einen Theil davon aus. N.,
Ohne Himmel umher; ob im Ocean, oder dem Luftraum,
Schien237Dritter Geſang.
Schien nicht beſtimmt. Als Gott ihn erblickt vom ewi - gen Throne,
Wo er alles, was war, und was iſt, und was ſeyn wird, beſchauet;
Sprach er vorherſehend ſo zu ſeinem einigen Sohne:
Siehſt du, mein einziger Sohn, welch eine wuͤ - thende Rachſucht
Unſern Gegner entflammt, den keine bezeichneten Graͤn - zen,
Nicht die Riegel der Hoͤlle, noch alle Ketten, die dorten
Auf ihn gehaͤuft ſind den ſelbſt des Abgrunds ge - waltige Kluͤſte
Nicht zu halten vermocht! So ſcheint er, voller Ver - zweiflung,
Fortgeriſſen zur Rache; doch falle die Rache zuruͤcke
Auf ſein eignes rebelliſches Haupt! Er fliegt nun, nachdem er
Alles, was ihn gehindert, beſiegt, nicht ferne vom Him - mel,
Durch238Das verlohrne Paradies.
Durch die Vorbezirke des Lichts, gerade herunter
Nach der neuerſchaffenen Welt, und dem Menſchen, fuͤr den ich
Sie zur Wohnung beſtimmt; er ſucht mit Gewalt ihn entweder
Zu zerſtoͤren; und truͤgt ihn dieſe ſchmeichelnde Hof - nung,
Will er ihn, welches noch ſchlimmer, mit falſchem Be - truge verfuͤhren;
Und er wird ihn verfuͤhren. Der Menſch wird den gleiſſenden Luͤgen
Willig Gehoͤr verleihn; mein einzigs Gebot uͤbertreten,
Seines Gehorſams einziges Pfand. Und ſo wird er fallen
Er, und ſein ganzes treulos Geſchlecht. Und was iſt die Urſach,
Wer hat Schuld, als er ſelbſt? Er hatte, der Undank - bare,
Was er nur haben konte, von mir. Aufrichtig, und heilig,
Schuf239Dritter Geſang.
Schuf ich ihn; vermoͤgend zu ſtehn, doch frey auch, zu fallen.
Und ſo hab ich ſie alle geſchaffen, die Geiſter des Himmels,
Beyde die ſtunden, und fielen. Frey ſtunden die, wel - che geſtanden,
Und frey fielen die, welche gefallen. Wie kont ich von ihnen,
Ohne Freyheit, ſichere Proben von wahrem Gehorſam
Oder beſtaͤndiger Lieb erwarten, wofern ſie nur thaten,
Was ich erzwang, nicht was ſie gewollt? Wie konten von mir ſie
Lob und Belohnung verlangen? Was kont ich an ſol - chem Gehorſam
Fuͤr Gefallen empfinden, an ſolchem gezwungnen Ge - horſam,
Wo die Vernunft, (Vernunft auch iſt Wahl) und mit ihr der Wille,
Beyde vergeblich, unnuͤtzlich, der Freyheit beyde be - raubet,
Beyde240Das verlohrne Paradies.
Beyde nur leidend gemacht, der bloſſen Nothwendig - keit dienten
Und nicht mir. Jch habe ſie alſo mit Recht ſo erſchaffen,
Und mit Grunde koͤnnen ſie nicht den Schoͤpfer verkla - gen,
Jhre Schoͤpfung, noch minder ihr Schickſal; als ob, was ſie thaten,
Blos ein blindes Geſchick, ein unwidertreiblicher Rath - ſchluß,
Oder mein Wiſſen beſtimmt. Sie ſelbſt, ſich gelaſſen, beſchloſſen
Jhren Abfall, nicht ich; wußt ich vorher ihn
g)Dies ſoll nicht die geringſte Ungewißheit anzeigen, ſondern bedeutet nur, ob ich gleich vorher ihn ge - wußt. N.
g), ſo hatt es
Keinen Einfluß in dieſes Vergehn, das immer erfolgte,
Wenn ich auch nicht vorher es gewußt. So ſind ſie ge - fallen
Ohne241Dritter Geſang.
Ohne den mindeſten Zwang, ohn einigen Schatten vom Schickſal,
Oder durch etwas, ſo ich unhintertreiblich vorherſah.
Sie allein ſind von dem, was ſie erkennen, und waͤhlen,
Selber die Urſach; ſo ſchuf ich ſie frey; frey muͤſſen ſie bleiben,
Bis ſie ſelber ſich feſſeln. Sonſt muͤßt ich ihr Weſen ver - aͤndern,
Und den erhabnen, ewgen, unwidertreiblichen Rathſchluß
Wiederrufen, der frey ſie erklaͤrt; ſie ſelber beſchlieſſen
Jhren Fall. Es fielen die erſten durch eigenen Antrieb,
Und verfuͤhrten ſich ſelber, verderbten ſich ſelber. Der Menſch faͤllt
Durch die erſten betrogen. Drum ſchenk ich dem Men - ſchen Vergebung,
Und den Verfuͤhrenden nicht. So wird mein Ruhm in dem Himmel,
VI. Th. Q.Und242Das verlohrne Paradies.
Und auf Erden, an Gnade ſowohl, als Gerechtigkeit, leuchten;
Aber die Gnade ſoll doch vor allem am helleſten ſcheinen.
Als der Allmaͤchtge ſo ſprach, erfuͤllten ambroſi - ſche Duͤfteh)Homer und ſeine Nachfolger, wenn ſie die Gottheit redend einfuͤhren, mahlen uns eine ſchreckliche furcht - bare Scene. Die Himmel, die Meere und die Erde zittern ꝛc. Dies war den natuͤrlichen Be - griffen, die ſie von der Gottheit hatten, gemaͤß ge - nung. Dies wuͤrde ſich aber nicht ſo gut zu der ſanf - ten, gnaͤdigen und wohlthaͤtigen, Jdee geſchickt ha - ben, die wir nach der chriſtlichen Religion von der Gottheit haben; deshalb laͤßt unſer Dichter mit vie - ler Einſicht, die Worte des Allmaͤchtigen, Wohlgeruch und Vergnuͤgen ausbreiten. Jn dem Arioſto findet man eine Stelle in demſelben Geſchmack, C. 29. St. 30. Thyer.
Alle Himmel. Ein ſuͤſſes Gefuͤhl unausſprechlicher Freuden
Goß243Dritter Geſang.
Goß ſich von neuem ins Herz der reinen ſeeligen Geiſter.
Ueber alle Vergleichung erhoͤht, erſchien der Sohn Got - tes;
Jn ihm ſtralte ſein ganzer Vater, der weſentlich in ihm
i)Nach Hebr. I, 3. Wo der Sohn Gottes genennet wird: der Glanz ſeiner Herrlichkeit, und das Ebenbild ſeines Weſens ꝛc. Hume.
i)
Ausgedruͤckt war; aus ſeinem Geſicht ſprach goͤttliches Mitleid
Und unendliche Liebe mit unermeßlicher Gnade,
Die er heiterer ſo dem groſſen Vater entdeckte:
Vater! das war ein gnaͤdiges Wort, womit dein allmaͤchtger
Ausſpruch ſich ſchloß; der Menſch ſoll Gnade finden Dafuͤr ſoll
Himmel und Erde dein Lob erhoͤhn mit unzaͤhligem Schalle
Q 2Heiliger244Das verlohrne Paradies.
Heiliger Hymnen und Lieder; die ſollen dir, Suͤndever - geber,
Ewig ertoͤnen zum Ruhm. Wie? ſollte der Menſch denn zuletzt noch
Er, dein letztes Geſchoͤpf, dir noch vor kurzem ſo theuer,
Deiner Soͤhne juͤngſter, ſo fallen, durch Liſten betrogen,
Obgleich ſein thoͤrichter Stolz zu dieſem Verbrechen ge - holfen?
Das ſey fern von dir
k)Nach 1 Buch Moſ. XVIII, 25. Das ſey ferne von dir, daß du das thuſt, und toͤdteſt den Gerech - ten mit dem Gottloſen, daß der Gerechte ſey wie der Gottloſe; das ſey ferne von dir, der du aller Welt Richter biſt, du wirſt ſo nicht richten. Newton.
k)! Fern ſey von dir es, o Vater!
Der du, von allen erſchaffenen Dingen als Richter, al - lein nur
Mit Gerechtigkeit richteſt. Sollt unſer wuͤthender Gegner,
Was245Dritter Geſang.
Was er geſucht, ſo erreichen, und deinen Endzweck ver - eiteln?
Sollt er, indem er das Maaß von ſeiner Bosheit er - fuͤllet,
Deine Guͤte vernichten? Und ſollt er mit ſtolzer Zu - zuͤckkehr,
Zwar zu groͤßrer Verdammniß, doch mit vollkommener Rache,
Hinter ſich her zur Hoͤlle das ganze Menſchengeſchlecht ziehn,
Das er verfuͤhrt? Und wollteſt du ſo das, was du ge - ſchaffen,
Was du nur Dir zur Ehre geſchaffen, um ſeiner Ver - fuͤhrung
Wieder verderben? So wuͤrde man, Gott, die Erbar - mung, und Groͤſſe
Deiner Allmacht verkennen, und unvertheidigt ſie laͤſtern.
Dies der Verſoͤhner. Der Ewige gab ihm alſo zur Antwort:
O mein einiger Sohn, du, meines Herzens Gefallen,
Q 3Du,246Das verlohrne Paradies.
Du, Sohn meines Buſens, mein Ebenbild, der du alleine
Meine Weisheit, mein Wort, und meine wirkende Macht biſt;
Alles haſt du geredt nach meinen Gedanken, und alles
Wie es mein ewiger Rathſchluß beſtimmt. Nicht gaͤnz - lich verlohren
Sey in Zukunft der Menſch! Wer will, der werde gerettet,
Doch nicht gerettet durch ſich, und ſeinen eigenen Willen;
Sondern allein durch die Macht von meiner freywilli - gen Gnade,
Der ich ihn wuͤrdge. Noch einmal will ich die gefalle - nen Kraͤfte
Jn ihm erneuern, obgleich durch die Suͤnde verwirkt, und gefeſſelt
Von unmaͤßgen Begierden; er kaͤmpfe, noch einmal ge - ſtaͤrket,
Durch mich aufgerichtet, mit ſeinem grimmigen Todt - feind.
Aufge -247Dritter Geſang.
Aufgerichtet durch mich! Damit er erkenne, wie ſchwach er
Jn dein gefallenen Zuſtand iſt, und ſeine Befreyung,
Seine ganze Befreyung mir ſchuldig ſey, mir, und ſonſt keinem.
Einige hab ich erwaͤhlt, aus groͤſſeren Gnaden erwaͤhlet
Vor den uͤbrigen allen, ſo iſt es mein Wille! Die andern
Sollen gewarnt oft von mir in ihrem ſuͤndlichen Zuſtand
Meine Stimme vernehmen, damit ſie die zuͤrnende Gottheit
Zeitig verſoͤhnen, ſo lange die angebotene Gnade
Jhrer noch wartet. Dann ich will ihre verfinſterten Sinnen
Heiterer machen; will ihre verhaͤrteten ſteinernen Her - zen
Zum Gebet, und zur Reu, und ſchuldgem Gehorſam erweichen.
Q 4Zum248Das verlohrne Paradies.
Zum Gebet, und zur Reu, und ihrem ſchuldgen Gehor - ſam,
Wenn ſie ein reiner Entſchluß, und wahrer Vorſatz, be - gleitet,
Soll nicht langſam mein Ohr, mein Auge verſchloſſen nicht bleiben.
Und zum Fuͤhrer will ich mein nimmerſchweigend Ge - wiſſen
Jn ſie legen; wofern ſie es hoͤren, und wohl es gebrau - chen,
Sollen ſie Licht auf Licht erlangen; und wenn ſie zum Ende
Treulich verharren, den Port des Lebens ſicher erreichen.
Aber wer meine Langmuth
l)Es iſt zu bedauern, daß unſer Dichter die Gottheit ſo erniedrigt, da er ihr die ſo ſchreckliche Lehre von ei - nem Gnadentage in den Mund legt, nach deſſen Verlauf es nicht mehr moͤglich ſeyn ſoll, ſich zu be -kehren.
l) verſchmaͤht, und die Tage der Gnade
Fuͤhllos249Dritter Geſang.
Fuͤhllos verſaͤumt, ſoll nimmer ſie ſchmecken. Jch wer - de die Harten
Haͤrter noch machen, die Blinden noch blinder: damit ſie noch aͤrger
Straucheln, und tiefer noch fallen. Und niemand, als dieſen Verlohrnen,
Hab ich die Gnade verſagt. Doch noch iſt nicht al - les geſchehen,
Denn der ſuͤndige Menſch bricht ſeine ſchuldige Treue;
Hat ſich wider den hohen Befehl des Himmels empoͤret,
Und nach der Gottheit geſtrebt: ſo hat er alles verlohren!
Nichts iſt ihm uͤbrig geblieben, den niedern Verrath zu verſoͤhnen,
Er, und ſein ganzes Geſchlechte vielmehr, dem Verder - ben geweyhet,
Q 5Muͤſſenl)kehren. Der guͤtige Leſer wird ihn allein mit den Vorurtheilen entſchuldigen koͤnnen, die er vielleicht durch die finſtre enthuſiaſtiſche Gottesgelahrheit ſei - ner Zeiten eingeſogen. Thyer. 250Das verlohrne Paradies.
Muͤſſen ſterben! Sterben muß er, ſonſt muͤßt es ſtatt ſeiner
Die Gerechtigkeit thun; wofern fuͤr ihn, nicht ein andrer,
Tuͤchtig und willig dazu, die harte Genugthuung leiſtet,
Tod fuͤr Tod! Sagt himmliſche Kraͤfte, wo wer - den wir ſolches
Unausſprechliches Mitleid finden? und welcher von euch will
Sterblich werden, das Todesverbrechen des Menſchen zu buͤſſen?
Wer will von den Gerechten den Ungerechten erretten?
Jſt in den Himmeln allhier ſolch eine Liebe zu finden?
So der Allmaͤchtge. Jedoch ſtumm ſtunden die Schaaren des Himmels,
Jn die tiefeſte Stille verſenkt; kein Freund, und kein Mittler,
Fuͤr den gefallenen Menſchen, erſchien; noch weniger jemand,
Der251Dritter Geſang.
Der auf ſein eigenes Haupt das Todesverbrechen zu nehmen,
Oder das Loͤſegeld, ſo man geſetzt, zu bezahlen, bereit war.
Alſo waͤre nunmehr das ganze Geſchlechte der Menſchen
Ewig verlohren geweſen, vom ſtrengeſten Rechte ver - urtheilt
Zu der Hoͤll und dem Tode, wofern des Ewigen Sohn nicht,
Jn dem alle die Fuͤlle der goͤttlichen Liebe vereint war,
Bey dem Allmaͤchtigen ſo die theure Vermittlung erneuet:
Vater, du haſt es huldreich geredt, der ſuͤndige Menſch ſoll
Gnade finden; und ſollte die Gnade die Mittel nicht finden?
Sie, von deinen befluͤgelten Boten die ſchnellſte, die alle
Deine Geſchoͤpfe beſucht; zu allen vom Himmel her - abkoͤmmt,
Ungeru -252Das verlohrne Paradies.
Ungerufen, und ungeſucht? Welch Gluͤck fuͤr den Men - ſchen,
Daß ſie ſo koͤmmt. Er ſelbſt kan ihre Huͤlfe nicht ſuchen,
Da er verlohren, und todt iſt in Suͤnden; er kan ſich zur Buͤrgſchaft
Selbſt nicht ſtellen; er kan fuͤr ſich ſelbſt ein Opſer nicht finden,
So verſchuldet iſt er, ſo gaͤnzlich verlohren! Nimm mich dann,
O Allmaͤchtger, fuͤr ihn! Jch biete Leben fuͤr Leben!
Mich nur treffe dein Zorn; mich ſieh, o Vater, als Menſch an!
Jhn zu erretten, will ich von deinem Buſen mich tren - nen;
Will der Herrlichkeit, die mich umringt, freywillig entſagen,
Und fuͤr ihn ſterben zuletzt mit Freuden ſterben! Der Tod mag
Seine heftigſte Wuth auf mich verſchuͤtten; ich werde
Doch253Dritter Geſang.
Doch nicht lange beſiegt in ſeiner Finſterniß liegen.
Denn du haſt mir verliehn, daß ich das Leben auf ewig
Jn mir ſelber beſitze
m)Joh. V, 26. Denn wie der Vater das Leben hat in ihm ſelber, alſo hat er dem Sohn gege - ben das Leben zu haben in ihm ſelber. N.
m); ich lebe durch dich, ob ich ietzt zwar
Jn des Todes Gewalt mich begebe, und ob er ein Recht gleich
Auf das alles erhaͤlt, was in mir ſterblich iſt. Aber
Wenn ich die Schuld nun bezahlt, dann wirſt du, o Vater, der Gnade
Nicht dem ſcheußlichen Grabe zur Beute mich laſſen, noch leiden,
Daß der unſterbliche Geiſt in ewgen Verweſungen wohnen)Pſ. XVI, 10. Denn du wirſt meine Seele nicht in der Hoͤlle laſſen, und nicht zugeben, daß deinHeiliger.
Sondern254Das verlohrne Paradies.
Sondern ich werde vielmehr mich triumphirend erheben,
Meinen Sieger beſiegen, und ſeines Raubes berauben,
Seine toͤdtliche Wunde ſoll dann der Tod auch empfangen,
Und vom verderbenden Stachel entwafnet, verachtet im Staube
Liegen! Jch will alsdann, die weite Luft durch, die Hoͤlle,
Trotz der Hoͤllen im hohen Triumphe gefangen fuͤhren,
Und zur Schau die gefangenen Maͤchte
o)Pſ. LXVIII, 19. Du biſt in die Hoͤhe gefahren, und haſt das Gefaͤngniß gefangen. Und Col. II, 15. Er hat ausgezogen die Fuͤrſtenthuͤmer, und die Gewaltigen, und ſie Schau getragen oͤffent - lich. N.
o) der Finſter - niß zeigen
Beyn)Heiliger verweſe. Welches vom Petrus auf die Auferſtehung unſers Heylandes gedeutet wird, Apo - ſtelgeſch. II, 20. 21. ꝛc. ꝛc. N. 255Dritter Geſang.
Bey dem Anblick ſollſt du mit Wohlgefallen vom Himmel
Niederblicken und laͤcheln, indem ich, durch dich erhoͤhet,
Alle meine Feinde zertrete; mit ſeinem Gerippe
Soll der Tod noch zuletzt
p)1 Cor. XV, 26. Der letzte Feind, der aufgeha - ben wird, iſt der Tod. N.
p) den Schlund des Grabes verſchlieſſen.
Und dann will ich, mit Mengen von meinen Erloͤſten, die Himmel
Wieder nach langer Entfernung beſuchen; dann kehr ich zuruͤcke,
Vater, dein Antlitz zu ſehn, das keine Wolke des Zornes
Mehr verdunkelt. Befeſtigter Friede wird herrſchen, Allmaͤchtger,
Und Verſoͤhnung mit dir; kein Zorn wird kuͤnftig mehr flammen,
Lauter Freude wird ſeyn vor deinem gnaͤdigen Antlitz.
Seine256Das verlohrne Paradies.
Seine Reden endigten hier, doch die guͤtigen Blicke
Sprachen noch ſchweigend, und ſtralten unſterbliche goͤttliche Liebe
Fuͤr den ſterblichen Menſchen. Nichts als der Gehor - ſam des Sohnes
Stralte noch heller, als ſie. Gleich einem willigen Opfer,
Welches geopfert zu werden ſich freut, erwartet er ietzo
Seines erhabnen Vaters Befehl. Es ſtanden die Himmel
Jn Verwundrung verſenkt, was dieſes bedeuten, wo - hin es
Zielen koͤnne; doch bald erwiederte ſo der Allmaͤchtge:
O du einziger Frieden, im Himmel ſowohl, als auf Erden,
Fuͤr den ſuͤndigen Menſchen, der unter dem ewigen Zorn lag.
O du mein einzigs Ergoͤtzen; du weißt es vollkom - men, wie theuer
Alle257Dritter Geſang.
Alle meine Werke mir ſind, der Menſch nicht am mindſten,
Ob ich ihn gleich am letzten erſchuf. Jch miſſe fuͤr ihn dann
Dich von meinem Buſen, von meiner Rechten; damit ich,
Durch den kurzen Verluſt, das ganze verlohrne Geſchlechte
Rette. So fuͤge dann du, (denn du nur kanſt ſie erloͤſen),
Deine Natur zu ihrer Natur; ſey unter den Menſchen
Menſch auf Erden; zu Fleiſch in der Fuͤlle der Zeiten geworden,
Durch die Wundergeburth von reinem jungfraͤulichen Saamen.
Sey ſtatt Adams das Haupt des ganzen Geſchlechtes, obgleich du
Adams Sohn biſt. Wie alle Menſchen in Adam am erſten
VI. Th. RUn -258Das verlohrne Paradies.
Untergegangen
q)1 Cor. XV, 22. Denn gleichwie ſie in Adam alle ſterben, alſo werden ſie in Chriſto alle lebendig gemacht werden. N.
q); ſo ſollen in dir, der erneuerten Wurzel,
Alle die wieder begnadiget werden, ſo viel, als von ihnen,
Wieder begnadiget werden, und ohne dich niemand. Durch ihn ſind
Alle Soͤhne von ihm Mitſchuldge von ſeinem Verbrechen;
Aber dein zugerechnet Verdienſt ſoll von der Verdammniß
Alle die ledig ſprechen, die ihren Thaten entſagen,
Jhren gerechten, und ungerechten; die, in dich verpflanzet,
Leben in dir, und von dir ein neues Leben empfangen.
Und ſo ſoll dann der Menſch, wie die ſtrenge Gerech - tigkeit fodert
Fuͤr259Dritter Geſang.
Fuͤr den Menſchen genugthun, gerichtet werden, und ſterben;
Sterbend auferſtehn, und auferſtehend vom Tode
Seine Bruͤder, ſo theuer erloͤſt durch ſein eigenes Leben,
Mit ſich wieder erhoͤhn. So ſoll die himmliſche Liebe
Ueber den hoͤlliſchen Haß triumphiren, indem ſie dem Tod dich
Hingiebt, und mit Sterben erkauft; ſo theuer erkaufet,
Was der hoͤlliſche Haß ſo leicht zerſtoͤrt, und noch immer
Jn den Suͤndern zerſtoͤrt, die, da ſie es koͤnnen, die Gnade
Nicht annehmen, und ſchmaͤhn. Doch ſoll indes die Erniedrung
Zu des Menſchen Natur, dir nicht die eigne verdunkeln,
Oder verringern. Da du, in hoͤheſter Herrlichkeit, Gott gleich,
R 2Mit260Das verlohrne Paradies.
Mit ihm gethront, und gleichen Theil am Genuſſe der Gottheit
Mit ihm gehabt; dies alles verlaͤßt, vom aͤuſſer - ſten Elend
Eine Welt zu erretten; und mehr durch deine Verdienſte,
Als durch deine Geburth, der Sohn des Hoͤchſten er - kannt wirſt.
Da du durch Guͤte noch mehr, als durch die Groͤſſe der Hoheit
Hierzu der wuͤrdigſts biſt; da du noch reicher an Liebe,
Als an Herrlichkeit ſtralſt: ſo ſoll die freye Erniedrung
Deine Menſchheit mit dir zum Throne der Gottheit erheben,
Wo du verklaͤrt, als Gott, und als Menſch im Fleiſche, regiereſt;
Gottes und Menſchenſohn; ein geſalbter, und ewiger Koͤnig.
Dir ertheil ich alle Gewalt; regiere beſtaͤndig,
Und261Dritter Geſang.
Und gebrauche dich deiner Verdienſte. Die Thronen und Maͤchte
Sollen unter dir ſtehn, als ihrem Oberhaupt. Alles
Soll im Himmel, auf Erden, und in der tiefeſten Hoͤlle
Seine Knie dir beugen
r)Philipp. II, 10. Daß in dem Namen Jeſu ſich beugen ſollen alle derer Knie, die im Himmel und auf Erden, und unter der Erden ſind. N
r). Und koͤmmſt du in ſchim - mernden Wolken
Zu der Erde herab, und ſendeſt mit ihren Poſaunen
Deine maͤchtigen Engel voraus, den groſſen Gerichtstag
Auszurufen: dann werden ſich ſchnell von allen vier Winden
Die Lebendgen verſammeln; die vorgeforderten Todten
Aller Zeiten werden ſogleich vor deinem Gerichtsſtuhl
R 3Eilig262Das verlohrne Paradies.
Eilig ſich ſtellen; ſo ſoll ſie der Schall der Trom - meten erwecken.
Furchtbar ſollſt du alsdann, vor deiner heilgen Ver - ſammlung,
Menſchen und Engel richten; ſie ſollen danieder ſinken
Unter deinem goͤttlichen Urtheil. Die Hoͤlle, (die ietzo
Sich mit ihrer Anzahl gefuͤllt), ſey ewig geſchloſſen.
Himmel und Erde werden indes in Flammen zer - ſchmelzens)Die Himmel werden von Feuer zergehn, und die Elemente vor Hitze zerſchmelzen. Wir warten aber eines neuen Himmels, und einer neuen Er - den nach ſeiner Verheiſſung, in welchen Gerech - tigkeit wohnet. 2 Petr. III, 12. 13.;
Aber ein neuer Himmel, mit einer verneuerten Erde,
Wird aus der Aſche gar bald ſich wieder erheben. Die Frommen
Sollen263Dritter Geſang.
Sollen hier wohnen, und hier nach lang erlittenen Plagen,
Goldener Tage, bekroͤnt mit goldenen Thaten, genieſſen;
Und mit der Liebe, der Freude, wird dann die ver - herrlichte Warheit
Triumphiren. Dann wirſt du dich ſelbſt des Zepters begeben,
Denn in Zukunft wird man kein koͤniglich Zepter be - duͤrfen,
Gott wird alles in allem ſeyn
t)Nach 1 Cor. XV, 28. Wenn aber alles ihm un - terthan ſeyn wird, alsdenn wird auch der Sohn ſelbſt unterthan ſeyn dem, der ihm alles unter - than hat, auf daß Gott ſey alles in allem. N.
t). Doch ihr, o ihr Goͤtter,
Betet ihn an, der ſtirbt, um dieſes alles zu leiſten;
BetetR 4264Das verlohrne Paradies.
Betet ihn an, den Sohn; und ehret ihn, wie mich ſelberu)Joh. V, 23. Auf daß ſie alle den Sohn ehren, wie ſie den Vater ehren. N.!
Als der Allmaͤchtige ſchloß
x)Wenn der Leſer dieſe goͤttliche Rede, mit den Reden der Goͤtter im Homer oder Virgil, vergleichen will: ſo wird er finden, daß der chriſtliche Poet die heyd - niſchen eben ſo ſehr uͤbertrift, als unſre Religion al - le die andern. Jhre Goͤtter reden und handeln wie Menſchen, aber Miltons goͤttliche Perſonen ſind in der That goͤttlich, ſie reden in der Sprache Gottes, das iſt, in der Sprache der heiligen Schrift. Mil - ton iſt ſo genau und vorſichtig in dieſem Stuͤcke, daß vielleicht kein einziger Ausdruck iſt, der nicht mit der Autoritaͤt der heiligen Skribenten gerecht - fertigt werden koͤnte. Wir haben verſchiedne ange -merkt,
x) ſtieg von den Schaaren der Engel
Lautes Jauchzen empor, von einer unzehligen Anzahl,
Suͤß265Dritter Geſang.
Suͤß, wie von ſeligen Stimmen gewoͤhnlich. Die Himmel erklangen
Von dem Jubelgeſchrey, und laute Hoſannahs durch - hallten
Alle ſelgen Gefilde. Sie neigten mit tiefeſter Ehrfurcht
Sich anbetend zur Erde vor beyden Thronen, und warfen
Jhre Kronen zum Fuſſe des Stuhls
y)So werden ſie vorgeſtellt Offenbar. IV, 10. Da fielen die vier und zwanzig Aelteſten vor den, der auf dem Stuhl ſaß, und beteten an den, der da lebet von Ewigkeit zu Ewigkeit, und warfen ihre Kronen vor den Stuhl. N.
y), durchfloch - tene Kronen
Mit hellſchimmerndem Gold und unſterblichem Ama - ranthe,
Dieſerx)merkt, wo er bey dem Buchſtaben der Bibel geblie - ben iſt, das uͤbrige insgeſammt iſt in dem Geiſte der heiligen Schrift. N. R 5266Das verlohrne Paradies.
Dieſer himmliſche Blume, die nah beym Baume des Lebens
Ehmals im Paradieſe gebluͤht; doch ward ſie bald wieder
Wegen der Suͤnde der Menſchen zuruͤck in den Him - mel genommen;
Und da waͤchſt und bluͤhet ſie fort am Brunnen des Lebens,
Und da, wo der Seligkeit Strom durch die Mitte des Himmels
Ueber Elyſiſche Blumen die Amberwellen dahinrollt.
Und mit dieſer himmliſchen Blume, die niemals ver - welket,
Binden ihr glaͤnzendes Haar die ſeligen Geiſter zu - ſammen,
Und verflechten Stralen darein. Jetzt lachte der Boden,
Als er, ſo haͤufig beſtreut von hingeworfenen Kraͤnzen,
Einer267Dritter Geſang.
Einer farbichten See von Jaſpis
z)Jaſpis iſt ein koſtbarer Stein von verſchiednen Far - ben, doch wird der gruͤne am hoͤchſten geſchaͤtzt, und hat er einige Aehnlichkeit mit dem Meergruͤn. N.
z) gleich ſchien, mit Roſen
Ueberpurpert. Sie nahmen, nachdem ſie aufs neu ſich bekraͤnzet,
Jhre Harfen zur Hand, die immer harmoniſchen Har - fen,
Welche wie ſtralende Koͤcher an ihren Seiten ſie zieren.
Unter dem Schall, und der ſuͤſſen Begleitung bezau - bernder Toͤne
Huben ſie an den heilgen Geſang. Die maͤchtigen Lieder
Weckten zu hohen Begeiſtrungen auf; von unſterb - lichen Stimmen
War hier keine, die ſchwieg, und nicht in die lieb - lichen Choͤre
Sich harmoniſch gemiſcht: ſo groß iſt die Eintracht im Himmel!
Dich,268Das verlohrne Paradies.
Dich, o Vater, beſangen ſie erſt, dich, der du Allmaͤchtig,
Unveraͤnderlich biſt, Unendlich, ein ewiger Koͤnig!
Dich, du Schoͤpfer der Weſen, dich, o du Quelle des Lichtes,
Unſichtbar, ſelber im herrlichſten Glanz, in welchem du throneſt
Ohne Zugang. Auch wenn du die Fuͤlle der blenden - den Stralen
Jn die Schatten verbirgſt, und in umhuͤllenden Wolken
Deine Saͤume wir dunkel vor uͤbermaͤßigem Glanz ſehn;
Blenden ſie dennoch die Himmel. Die helleſten Sera - phim ſelber
Naͤhern ſich nicht, und bedecken mit beyden Fluͤgeln
a)Eſai. VI, 2. Seraphim ſtunden uͤber ihm, ein jeglicher hatte ſechs Fluͤgel; mit zween deckten ſie ihr Antlitz ꝛc.
a) ihr Antlitz.
Alsdann269Dritter Geſang.
Alsdann ſangen ſie dich, von aller Schoͤpfung der Erſteb)So heißt er Col. I, 15. Der Erſtgebohrne vor allen Kreaturen, oder von aller Schoͤpfung, πα - σης κλισεως, und Offenb. III, 14. Der Anfang der Kreatur Gottes. N.,
Eingebohrener Sohn, dich, o du Ebenbild Gottes!
Da in dir der allmaͤchtige Vater ſich ohne Verhuͤllung
Sichtbar gemacht; kein endlich Geſchoͤpf kan anders ihn ſchauenc)Keine Creatur kan den Vater auf andre Art ſehn, als in und durch den Sohn. Joh. I, 18. Nie - mand hat Gott je geſehen, der Eingebohrne Sohn, der in des Vaters Schooß iſt, der hat es uns verkuͤndiget. N.,
Seiner Herrlichkeit Glanz ſtralt in dich uͤber; auf dir ruht
Ausgeſchuͤttet, ſein maͤchtiger Geiſt; die Himmel der Himmel
Hat270Das verlohrne Paradies.
Hat er erſchaffen durch dich mit allen Kraͤften. Er ſtuͤrzte
Durch dich das rebelliſche Heer. Du haſt an dem Tage
Nicht den gefuͤrchteten Donner des Vaters geſpart, noch die Raͤder
Deines flammenden Wagens zuruͤckgehalten; des Himmels
Jmmerwaͤhrender Bau erbebte dem ſchrecklichen Don - ner,
Als du uͤber die Nacken der feindlichen Engel da - hinfuhrſt.
Dich erhub, bey deiner Zuruͤckkehr von ihrer Verfol - gung,
Jauchzend der himmliſchen Schaar; erhub mit freu - digem Zuruf
Dich allein, o Sohn, Sohn ſeiner ſchrecklichen All - macht,
Strenge Rache zu uͤben an ſeinen Feinden; doch nicht ſo
An dem Menſchen. Du haſt ihn, gefallen durch ihre Verfuͤhrung,
Nicht271Dritter Geſang.
Nicht ſo ſtrenge gerichtet, o Vater der Gnad und Erbarmung,
Sondern dich mehr zum Mitleid geneigt. Kaum ſahe dein theurer
Einziger Sohn den Entſchluß, ihn nicht ſo ſtrenge zu richten
Den gebrechlichen Menſchen, und daß du zum Mit - leid dich neigteſt;
Als er, Allmaͤchtiger, dich in deinem Zorne zu mildern,
Und der Gnad und Gerechtigkeit Streit zu ſchlich - ten, die Wonne,
Die ihn umringte, der zweyte nach dir, vergaß, und ſich ſelber
Fuͤr den Menſchen zu ſterben erbot. O goͤttliche Liebe,
Ohne Beyſpiel! Fuͤr Engel ſogar ein tiefes Ge - heimniß!
Heil dir, des ewigen Sohn! Erloͤſer der Menſchen! dein Name
Sey in Zukunft mein Lied, der Gegenſtand meiner Geſaͤnge,
Meine272Das verlohrne Paradies.
Meine Harfe ſoll nie dich zu erheben vergeſſen,
Noch dein Lob von dem Lobe des groſſen Allmaͤch - tigen trennen.
So verfloſſen im Himmel, hoch uͤber der Sphaͤre der Sternen,
Jhre Stunden begluͤckt, in Freuden, und heilgen Ge - ſaͤngen.
Satan indes gieng ſchnell auf dieſer Kugel der Welt fort,
Die er ſo gluͤcklich erreicht; ihr erſtes dunkles Ge - woͤlbe
Theilte die untern leuchtenden Kreiſe, bewahrt vor dem Chaos,
Und der alten Finſterniß Einbruch. Sie ſchien in der Ferne
Eine Kugel, doch ietzt ein unermeßlicher Landſtrich,
Finſter, und wuͤſt, und wild, der unter der furchtba - ren Nacht lag,
Jmmerdrohenden Stuͤrmen des Chaos, das wild ihn umbrauſte,
Ueberlaſſen;273Dritter Geſang.
Ueberlaſſen; ein trauriger Himmel! Doch wars von der Seite
Nuhiger, wo ſie vom Walle des Himmels, ſo ſehr er entfernt war,
Einigen ſchwachen Wiederſchein trank von ſchimmern - den Luͤften,
Und ſie der brauſende Sturm ſo ſehr nicht empoͤrte. Hier gieng ietzt
Auf den weiten Gefilden der Feind. Als wenn ſich ein Geyer
Welchen der Jmaus gebahr
d)Jmaus iſt ein beruͤhmtes Gebirge in Aſien, und der Ganges und Hydaſpes ſind zween bekannte Fluͤſſe in Jndien. Serica iſt eine Landſchaft zwiſchen China oſtwaͤrts, und dem Berge Jmaus weſtwaͤrts. Was unſer Verfaſſer von den chineſiſchen Wagen ſagt, ſcheint er aus Heylin’s Cosmographie genommen zu haben. p. 867. N.
d), an deſſen beſchneyten Gebirgen
Sich der ſtreifende Tartar ernaͤhrt, von Laͤndern ent - fernet
DieVI. Th. S274Das verlohrne Paradies.
Die fuͤr ihn leer ſind an Raub; nach Huͤgeln mit Heerden bedecket,
Um ſich dort mit dem Fleiſch der ſaugenden Laͤmmer zu ſaͤttgen,
Nimmt er gegen die Quellen des ſchnellen Hydaſpes, und Ganges, (Jndiſcher Fluͤſſe) den Flug, und laͤßt ſich mit ſinken - den Schwingen
Zu den veroͤdeten Ebnen von Sericana herunter,
Wo die Chineſer in Wagen von Rohr mit Seegeln und Winden
Jn dem Sande ſich fahren. So gieng auf ſtuͤrmiſchen Lande,
Welches ein Meer ſchien, Satan; allein, und nach Raube begierig.
Denn kein andres Geſchoͤpf ward ſonſt hier auſſer ihm ſelber
Leblos, oder lebendig, gefunden. Kein anderes ietzo;
Aber nachher begab ſich ein Haufen von nichtigen Dingen
Von275Dritter Geſang.
Von der Erde hieher, gleich leichten, luſtigen Duͤnſten,
Da die Suͤnde die Werke der Menſchen mit Eitelkeit fuͤllte.
Eitle Dinge nicht nur, auch die, ſo in eitelen Dingen
Jhre thoͤrichte Hofnung von Ehr, und von ewigem Nachruhm,
Und Gluͤckſeligkeit, baun, in dieſem ietzigen Leben,
Oder im andern dereinſt. Auch alle, die ihre Belohnung
Hier auf Erden genieſſen; die Fruͤchte des finſteren Eifers,
Oder des aberglaͤubiſchen Dienſtes; die anders nichts ſuchen,
Als der ſterblichen Lob, die finden hier ihre Vergeltung,
Eitel, wie ihre Thaten. Die unvollendeten Werke
Von der Hand der Natur; was ungeheuer, und unreif,
S 2Oder276Das verlohrne Paradies.
Oder ſeltſam vermiſcht, fließt hieher, wenn es auf Erden
Aufgeloͤſt worden; und wandelt allhier unnuͤtzlich, und eitel,
Bis zur letzten Vernichtung; nicht aber, wie einige traͤumten,
Jm benachbarten Mond. Die ſilbernen Felder bewohnen,
Staͤrkrer Vermuthung nach, entweder ſeelige Fromme,
Oder auch Geiſter, mittlere Weſen von Engeln und Menſchen.
Hieher kamen zuerſt die Rieſen der Vorwelt, gezeuget
Von ungleichen Soͤhnen und Toͤchtern, voll eiteler Tha - ten,
Obgleich damals beruͤhmt. Drauf die Erbauer von Ba - bel,
Die auf Sinears Ebnen gebaut. Sie wuͤrden noch immer
Neue Babel errichten, wofern ſie nur Werkzeuge haͤtten.
Einige277Dritter Geſang.
Einige kamen auch einzeln. Empedokles, welcher den Menſchen,
Daß er ein Gott ſey, glauben zu machen, ſich thoͤricht hinunter
Jn die Flammen des Aetna geſtuͤrzt. Cleombrotus nach ihm,
Der im Elyſium Platons die Freuden eher zu ſchmecken
Jn die Wellen ſich warf; und andre, zu lang zu erzehlen,
Embryonen, und Jdioten, Einſiedler, und Moͤnche,
Weiſſe, nebſt ſchwarzen und grauen, und allen betruͤg - riſchem Tande.
Pilger wallen allhier, die ſich ſo thoͤricht verirrten,
Daß ſie den, todt, auf Golgatha ſuchten, der lebet im Himmel.
Die auch, die deſto gewiſſer ins Paradies zu gelangen
Sterbend Dominikus Rock anziehn; und dieſe, die ſichrer
S 3Durch -278Das verlohrne Paradies.
Durchgelaſſen zu werden, als Franziskaner ſich kleiden.
Sie gehn durch die ſieben Planeten, durch Schaaren von Sternen,
Und durch jene kryſtallne Sphaͤre
e)Milton ſpricht hier nach der alten Aſtronomie, die Ptolomaͤus angenommen und verbeſſert. Sie gehn durch die ſieben Planeten, unſer Planeten - oder Sonnenſyſtem; und durch die Fixſterne, und die kryſtallne Sphaͤre, oder den Kryſtallhimmel, wel - chem Ptolomaͤus eine Art vom Schwunge zuſchrieb, um gewiſſe unregelmaͤßige Bewegungen der Sterne zu erklaͤren. N.
e), durch deren Be - wegung,
Jener zitternde Schwung der oberſten Sphaͤren erregt wird.
Und nun ſcheint es, der heilige Petrus erwart an den Pforten
Mit den Schluͤſſeln ſie fchon, und an der Steige zum Himmel
Hebt ſich bereits ihr Fuß in die Hoͤh; als ploͤtzlich ein Querwind
Sie279Dritter Geſang.
Sie mit Ungeſtuͤm faßt, und weit in die Luͤfte, zehn - tauſend
Meilen vom Weg ab ſie blaͤſt. Dann fliegen Kappen und Zipfel,
Kutten, in Stuͤcke zerriſſen, mit denen, die ſtolz ſie getragen,
Flatternd dahin. Auch Taxen von Suͤnden, Reliquien, Bullen,
Ablaßzettel, und aller der Tand der heiligen Bilder,
Wird den Winden zum Spiel. Dies alles flieget im Wirbel
Ueber die hintere Seite der Welt; ein finſterer Limbus,
Unter dem Namen nachher des Paradieſes der Narren
Spaͤteren Zeiten bekannt
f)Dieſes Narrenparadies hat Milton aus dem Orlan - do furioſo des Arioſto genommen C. 34. St. 70. etc. Man muß es dem Geſchmacke der damaligen Zei -S 4ten,
f), verſchlingt dies alles. Der Ort ward
Ehmals280Das verlohrne Paradies.
Ehmals haͤufig beſucht, ietzt liegt er entvoͤlkert und oͤde.
Dieſe geraume finſtere Kugel ſand Satan, und lange
Wandert er fort, bis zuletzt der Schimmer des tagen - den Lichtes
Seinenf)ten, und ſeinem Widerwillen gegen die roͤmiſchka - tholiſche Religion vergeben; denn freylich iſt dieſe ganze Stelle, fuͤr ein ſo ernſthaftes Gedicht, viel zu klein und komiſch. Z. Empedokles war ein Schuͤler des Pythagoras und ein Dichter und Weltweiſer aus Agrigent in Sicilien. Er ſchrieb in griechiſchen Verſen von der Natur der Dinge, wie Lucretius im Lateiniſchen nachher gethan. Er ſtuͤrzte ſich heimlich in die Flammen des Aetna, damit man, wenn man ihn nicht faͤnde, glauben moͤchte, er ſey als ein Gott in den Himmel genommen worden. Seine eiſernen Solen aber, die von dem Feuerſpeyenden Berge ausgeworfen worden, entdeckten ſeinen Stolz, und machten ihn laͤcherlich. Horat. de Art. Poet. 464. Hume. Cleombro -281Dritter Geſang.
Seinen ermatteten Fuß hieher zu eilen gebietet.
Fernher entdeckt er ein hohes Gebaͤude. Mit praͤchti - gen Stufen
Stieg es zum Walle des Himmels hinauf; zu oberſt am Gipfel
Sah man ein herrliches Werk, gleich hohen Koͤniges - thoren,
Aber von groͤſſerer Pracht; es glaͤnzte von Demant und Golde,
Und von funkelnden Steinen; durch ein Modell nicht auf Erden
Nachzuahmen, auch nicht durch Licht und Schatten zu zeichnen.
Seine Stufen glichen den Stufen, auf welchen vor Jakob
Ehmals Schaaren von Engeln, und Haufen himm - liſcher Waͤchter,
S 5Auf -f)Cleombrotus hatte Platons Buch von der Unſterblichkeit der Seele und der Gluͤckſeeligkeit in jenem Leben geleſen, und ſtuͤrzte ſich gleich darauf in die See, um ſie deſto eher zu genieſſen. N. 282Das verlohrne Paradies.
Auf - und niedergeſtiegen
g)Eine Nachahmung nach 1 Buch Moſ. XXVIII, 12. 13. Und ihm traͤumete und ſiehe! eine Leiter ſtund auf Erden, die ruͤhrte mit der Spitze an den Himmel, und ſiehe! die Engel Gottes ſtie - gen daran auf und nieder, und der Herr ſtand oben drauf ꝛc. N.
g), nachdem er nach Pa - dan-Aran
Jn die Gefilde von Lutz vor Eſau geflohn, und bey Nachtszeit
Unter dem offenen Himmel getraͤumt, und ausrief erwachend:
Hier iſt die Pforte des Himmels! Jedwede der glaͤnzenden Stufen
Faßt ein Geheimniß in ſich; man ſah die Treppe nicht[im]mer,
Unſichtbar ward ſie vielmehr oft auf zum Himmel gezogen.
Unter ihr floß ein ſchimmernder See von leuchten - dem Jaſpis
Oder von fluͤßigen Perlen, auf welchen die ſchiften, die nachher
Von283Dritter Geſang.
Von der Erde hieher gelangt, von Engeln begleitet;
Oder in Wagen vielleicht, von feurigen Roſſen gezogen,
Ueber die Fluthen gekommen. Die himmliſche Bruͤcke war damals
Niedergelaſſen; um Satan entweder, indem es ſo leicht waͤr
Auf ihr hinaufzuſteigen, zu dieſem Verſuche zu reitzen
Oder vielleicht auch fuͤhlender noch die Quaal ihm zu machen,
Daß der Himmel verboten ihm war. Recht unter der - ſelben
Oefnet ſich, uͤber dem ſeligen Sitz des gluͤcklichen Eden
Eine geraume Straſſe zur Erde herunter (viel breiter,
Als die uͤber Sion nachher, und breiter, als jene
Ueber dem Land der Verheiſſung, das Gott ſo geliebet), auf welcher
Oefters284Das verlohrne Paradies.
Oefters die himmliſchen Boten in ſeinen hohen Befehlen
Dieſe gluͤcklichen Staͤmme beſucht, auf die er ſein Auge
Vorzuͤglich wandte. Von Paneas an
h)Die Graͤnzen des gelobten Landes werden in der hei - ligen Schrift beſtimmt, von Dan bis nach Ber - ſaba, Dan als die nordlichſte und Berſaba als die ſuͤdlichſte Graͤnze. Die Stadt Dan ward auch Paneas genannt. N.
h), der Quelle des Jordans,
Bis nach Berſaba, da wo das heilige Land mit Aegypten,
Und dem Arabiſchen Ufer graͤnzt. So weit ſchien die Oefnung,
Wo der Finſterniß Schranken, den Schranken aͤhnlich, geſetzt ſind,
Welche des Oceans Wellen umſchlieſſen. Hier ſchauete Satan
Von der unterſten Staffel der hohen goldenen Leiter,
Welche285Dritter Geſang.
Welche die Thore des Himmels erreicht, verwundernd hinunter,
Als er auf einmal vor ſich die neue herrliche Welt ſah.
Wie ein Verwegner, den man geſandt, die Stellung des Feindes
Auszuſpaͤhen; indem er die Nacht, umringt von Ge - fahren,
Dunkele Wege gewandelt, zuletzt mit dem daͤmmernden Anbruch
Des erfreulichen Morgens, die Spitze von einem Ge - birge
Gluͤcklich erreicht, und ploͤtzlich ſein Blick in fremde Provinzen,
Die er noch niemals geſehn verwundernd die Ausſicht entdecket;
Oder ihm eine Hauptſtadt ſich zeigt, mit ſchimmern - den Thuͤrmen
Die ietzt am Morgen die Sonne mit ihren Stralen vergoldet:
Eben ſo maͤchtge Verwundrung ergrif den Geiſt des Verderbens,
Da286Das verlohrne Paradies.
Da er vorher doch den Himmel geſehn. Noch ſtaͤrker ergrif ihn
Wuͤthender Neid, beym ploͤtzlichen Anblick des herrli - chen Weltbaus.
Ningsum ſchaut er, (und kont es auch wohl, indem er erhaben
Unter dem runden Gewoͤlbe des weiten Schattens der Nacht ſtand,)
Von dem oͤſtlichen Punkt der Wage
i)Die Wage, eines der zwoͤlf himmliſchen Zeichen ſteht dem Fließgeſtirne, dem Aries oder Widder erade gegenuͤber, das iſt von Oſten nach Weſten: denn wenn die Wage in Oſten aufgeht, geht das Fließgeſtirne in Weſten unter. Es wird geſagt, daß es die Andromeda traͤgt, weil dieſes Geſtirn als eine Weibesperſon uͤber dem Widder vorge - ſtellt wird, und er alſo, wenn er untergeht, Andro - meden fern in die Atlantiſchen Fluthen in das groſſe weſtliche Meer zu tragen ſcheint, uͤber die weſtlichen Kreiſe der Luft. Er ſchauet her -nachmals
i) zum Sternbild des Widders,
Das287Dritter Geſang.
Das fern in die atlantiſche Fluth die Andromeda hintraͤgt,
Ueber die weſtlichen Kreiſe der Luft. Er ſchauet her - nachmals
Jn die Breite von Pol zu Pol. Er zoͤgert nicht laͤnger,
Sondern mit fallendem Flug ſtuͤrzt er ſich ſenkrecht herunter
Jn die erſten Bezirke der Welt, und windet gemaͤchlich
Durch die marmorne Luft
k)Milton gebraucht, wie Virgil, dies Beywort ohne Abſicht auf die Haͤrte des Marmors, blos die Fein - heit und Weiſſe der Luft dadurch anzuzeigen. N.
k), und durch unzehlige Sternen,
Seineni)nachmals in die Breite von Pol zu Pol, das iſt, von Norden gen Suͤden, und dies heißt in die Breite, weil die Alten von der Erde von Oſten gen Weſten mehr wußten, als von Norden gen Suͤden, und dies alſo die Laͤnge, jenes aber die Breite nannten. N. 288Das verlohrne Paradies.
Seinen irrenden Weg. Sie ſchienen zwar in der Ent - fernung
Sterne, doch naͤher geſehn, ſo ſchienen ſie andere Welten.
Andere Welten vielleicht; vielleicht auch gluͤckliche Jnſeln,
Gleich den Heſperiſchen Gaͤrten
l)So genannt vom Heſperus, Veſper, weil ſie im We - ſten unter dem Abendſtern lagen. Dieſe beruͤhm - ten Gaͤrten waren die Jnſeln um das gruͤne Vor - gebuͤrge in Afrika, deſſen weſtliche Spitze noch ietzo Heſperium cornu genennt wird. Andre halten die Canariſchen Jnſeln dafuͤr. Hume.
l), ſo ſehr geprieſen vor Alters.
Gluͤckliche Fluren, und Haine, und blumichte duftende Thaͤler;
Dreymal gluͤckliche Jnſeln; doch was fuͤr Begluͤckte hier wohnten,
Forſcht er nicht ſehr. Die goldene Sonne, dem Him - mel am gleichſten
Durch den herrlichen Glanz, zog ſeine Blicke vor allem
Auf289Dritter Geſang.
Auf ſich. Er wendet dahin durch die reine ruhige Feſte
Seinen eilenden Lauf; ob zu dem Mittelpunkt nieder,
Oder vom Mittelpunkt ab, ob weſtlich, oder nach Oſten,
Oder nach Suͤden, nach Norden hinauf, iſt ſchwer zu beſtimmen.
Da wo das groͤſſere Licht, hoch uͤber gemeinen Geſtirnen,
Die von ſeinem herrſchenden Blick gehoͤrig entfernt ſtehn,
Um ſich die Stralen vertheilt; indem ſie in leuchten - den Kreiſen
Jhren Sternentanz halten nach mancher Bewegung, die Tage,
Monden, und Jahre, berechnet: da nehmen ſie ihren Herumlauf
Um die alles erquickende Glut der Lampe des Himmels;
Oder ſie zieht ſie auch an durch ihre magnetiſchen Stralen,
IV. Theil. TWelche290Das verlohrne Paradies.
Welche dies Ganze ſo lieblich erwaͤrmen, und, obgleich unſichtbar,
Sanft die innerſten Theile durchdringen, und bis in die Tiefe
Ungeſehn, wirkende Kraͤfte ſchieſſen. So wunderſam hatte
Sie ihr glaͤnzendes Amt! Hier landet Satan, ein Fle - cken,
Als kein optiſches Glas in der leuchtenden Scheibe der Sonne
Nachher jemals erblickt. Er fand die erhabene Stelle
Unausſprechlich glaͤnzend; mit nichts zu vergleichen auf Erden,
Weder mit Stein noch Metall. Zwar waren die Theile nicht alle
Untereinander ſich gleich; doch waren ſie alle durchfahren
Mit dem ſtralenden Licht, wie gluͤhendes Eiſen mit Feuer.
War es Metall, ſo ſchien es Gold, und blendendes Sil - ber;
Waren291Dritter Geſang.
Waren es Steine, ſo warens Carfunkel, und Chryſo - lithen,
Oder Rubinen, Topaſen, und von den koͤſtlichen Stei - nen,
Die in Arons Bruſtſchild geglaͤnzt. Vielleicht auch dem Stein gleich,
Welchen man mehr ſich gedacht, als geſehn, den hier auf der Erde
Lang und umſonſt die Weiſen geſucht, umſonſt ihn ge - ſuchet;
Ob ſie gleich durch die maͤchtige Kunſt den fluͤchtigen Hermesm)Hermes iſt ein andres Wort fuͤr Merkurius oder Queckſilber, welches ſehr fluͤßig, fluͤchtig und ſchwer zu fixiren iſt. Proteus, ein Meergott, welcher ſich in vielecley Geſtalten verwandeln konte, aber wenn man ihn feſt hielt, zuletzt in ſeine wahre Ge - ſtalt wieder zuruͤckkehrte. N.
Binden, und ſelbſt aus den Tiefen des Meers den ent - wiſchenden Proteus,
Aufgeloͤſt in verſchiedne Geſtalten, zu feſſeln vermoͤgen,
T 2Und292Das verlohrne Paradies.
Und in die wahre Geſtalt durch kuͤnſtliche Feuer ihn zwingen
Alſo kein Wunder, daß hier von Elixiren die Landſchaft
Duftend erſchien, und trinkbar Gold in den Fluͤſſen einher rann,
Da die chymiſche Sonne, in einer ſo weiten Entfer - nung
Durch den wirkenden Stral ſchon in der irdiſchen Naͤſſe,
Und im Schooſſe der Nacht, ſo viele koͤſtliche Dinge,
Von ſo herrlichen Farben, und ſeltſamer Wirkung, her - vorbringt.
Hier fand Satan, geblendet, durch nichts, umher ſich zu ſchauen,
Neuen Stof. Sein forſchender Blick herrſcht weit in die Ferne;
Denn ſein Auge ſah hier nicht Hindrung, oder auch Schatten,
Alles war Sonnenſchein rund um ihn her; als wenn ietzt um Mittag
Senkrecht293Dritter Geſang.
Senkrecht von dem Aequator der Stral zur Erde her - abſchießt.
Denn ſo ſenkrecht ſtieg er hier auf; kein Schatten von Koͤrpern
Hemmte den Blick. Die heitere Luft, die nirgends ſo rein iſt,
Schaͤrfte ſein Auge noch mehr, entfernte Dinge zu ſehen;
Und er entdeckte gar bald, in ihren leuchtenden Kreiſen,
Einen herrlichen Engel. Jhn ſah der Seher von Path - mosn)Und ich ſahe einen Engel in der Sonnen ſtehen. Offenbarung XIX, 17.
Auch in der Sonne nachher. Er wandte nach Satan den Ruͤcken,
Aber doch blieb ſein Glanz nicht verhuͤllt. Ein goldener Hauptſchmuck,
Von hellleuchtenden Stralen durchwebt, umzirkte die Schlaͤfe,
Und nicht weniger herrlich bedeckten die blendenden Lo - cken
T 3Hinten294Das verlohrne Paradies.
Hinten wallend die Schultern, mit leichten Fluͤgeln be - fiedert.
Und ſo ſchien er beſtimmt zu einer groſſen Verrichtung,
Oder in tiefe Betrachtung verſenkt. Voll ſchmeichelnder Hofnung
War nun der unreine Geiſt, da er hier jemand gefun - den,
Welcher den irrenden Flug zum Paradieſe, des Men - ſchen
Gluͤcklichen Wohnung, beſtimmen konte; der muͤhſa - men Reiſe
Lange gewuͤnſchtes Ende, der Anfang unſeres Elends!
Er beſtrebt ſich ſogleich, die eigne Geſtalt zu verwan - deln,
Um in Gefahr nicht zu ſeyn, noch aufgehalten zu werden.
Und ſchnell ſcheint er ein himmliſcher Geiſt; zwar kei - ner der Erſten,
Aber doch laͤchelt in ſeinem Geſicht die Schoͤnheit der Jugend,
Und295Dritter Geſang.
Und die ganze Geſtalt, (ſo wohl verſtellt er ſich) ſchmuͤckte
Anmuth und Anſtand; ſein fliegendes Haar, in Locken gekruͤmmet,
Spielte, mit einem Kranze geziert, um bluͤhende Wan - gen.
Fluͤgel hatt er von farbichten Federn, mit Golde durch - ſprenget;
Aufgeſchuͤrzt traͤgt er das leichte Gewand zur eiligen Reiſe;
Und ein ſilberner Stab fuͤhrt ſeine befcheidenen Tritte.
Wie er hinzutrat, ward er gehoͤrt; der glaͤnzende Se - raph
Wandte ſich um, gewarnt durch ſein Ohr, mit dem ſtra - lenden Antlitz,
Eh er ſich mehr noch genaht; und Satan, indem er ſich umwandt,
Sah, daß es Uriel war, der ſieben Maͤchtigen einer,
Die beſtaͤndig bereit vor Gottes Angeſicht ſtehen,
T 4Seinen296Das verlohrne Paradies.
Seinen Befehl zu vollſtrecken; ſie ſind die Augen des Hoͤchſten
Durch die Himmel
o)Nach Sachariaͤ IV, 10. Mit den ſieben, welche ſind des Herrn Augen, die das ganze Land durch - ziehn. N.
o), und bringen die ſchnellen Ge - bote zur Erde
Ueber Laͤnder und Meer. Jetzt redet Satan ihn ſo an:
Uriel, denn du biſt einer der ſieben herrlichen Geiſter,
Die vor Gottes erhabnem Thron in ſeinem Geſicht ſtehn;
Du biſt einer der erſten von heller ausnehmender Klar - heit,
Da du, geſendet von ihm, oft ſeinen goͤttlichen Willen,
Durch die hoͤheſten Himmel verbreiteſt, wo deine Ge - ſandtſchaft
Alle Soͤhne des Himmels erwarten. Auf hohe Ver - ordnung
Biſt297Dritter Geſang.
Biſt du vermuthlich auch hier zu gleichen Ehren be - ſtimmet,
Und ſollſt oft als ſein Auge die neue Schoͤpfung beſuchen.
Ein verlangender Trieb, die Werke des Ewgen zu ſehen,
Alle die Wunder des Herrn, womit er die Erde ge - ſchmuͤcket,
Und vor allem den Menſchen, mit ſo vorzuͤglichen Gna - den
Von ihm geliebt; den Menſchen, fuͤr den er, ſo wun - dervoll, alle
Dieſe Werke gemacht; hat von der Cherubim Schaaren
So allein hieher mich gefuͤhrt. O helleſter Seraph,
Sage mir doch, in welcher von dieſen leuchtenden Kugeln
Jſt die Wohnung des Menſchen beſtimmt? Sprich! Hat er vielleicht nicht
Einen beſtaͤndigen Ort, und kan er nach ſeinem Gefallen
T 5Alle298Das verlohrne Paradies.
Alle die leuchtenden Kugeln beziehn? Wie kan ich ihn finden,
Um entweder an ihm die geheimen Blicke zu weiden;
Oder mit unverhohlner Verwundrung den Liebling zu ſchauen,
Den der allmaͤchtige Schoͤpfer mit Welten beſchenket, und auf ihn
So viel herrliche Gnaden gehaͤuft, damit wir geziemend
Jn ihm, und allem Erſchafnen den allgemeinen Regenten
Preiſen moͤgen; ihn, welcher mit Recht in die tiefeſte Hoͤlle
Jene Rebellen gejagt, und ihren Verluſt zu erſetzen,
Dies begluͤckte Geſchlecht der Menſchen erſchaffen, da - mit es
Beſſer ihm diene. Die Wege des Ewigen alle ſind weiſe!
Alſo ſprach in Falſchheit verſteckt der Heuchler. Nicht Engel,
Oder299Dritter Geſang.
Oder Menſchen, vermoͤgen die Heucheley zu erforſchen;
Dieſes Uebel, welches allein auf Erden, im Himmel,
Allem, auſſer nur Gott, der oft es zulaͤßt, verhuͤllt iſt.
Denn oft, wenn die Weisheit auch wacht, ſo ſchlaͤft doch der Argwohn
An der Pforte der Weisheit, und uͤberlaͤßt die Ver - waltung
Seines Amtes der Einfalt, indem die Gutheit nichts uͤbels,
Wo nichts uͤbels erſcheint, vermuthet. So ward auch der Engel
Uriel diesmal getaͤuſcht, wiewohl er der Sonne Re - gent war,
Und der erleuchteſte Geiſt von allen Geiſtern des Him - mels.
Offenherzig gab er ſogleich dem Betrieger die Antwort:
Schoͤner Engel, der maͤchtige Trieb die Werke des Hoͤchſten
Zu erkennen, um dadurch noch mehr den Schoͤpfer zu preiſen,
Leitet300Das verlohrne Paradies.
Leitet dich nicht zu ſtraͤflicher Neugier,
Sondern verdient vielmehr Lob, jemehr es tadelns - werth ſcheinet,
Was von den himmliſchen Hoͤhn ſo allein hieher dich geleitet,
Dieſe Wunder allhier mit eigenen Augen zu ſehen,
Da im Himmel ſo viel bloß mit der Erzehlung ver - gnuͤgt ſind.
Alle ſeine Werke fuͤrwahr ſind wunderbar; alle
Lieblich zu ſehn, und zu kennen; und ſie verdienen es alle,
Daß man entzuͤckt ſie beſchau. Doch welcher erſchafue Verſtand kan
Jhre Menge, noch auch die unendliche Weisheit, be - greifen,
Welche hervor ſie gebracht, die Urſach aber von ihnen
Tief verborgen. Jch ſahs, als dieſer unfoͤrmliche Klumpen,
Als der Grundſtof der Welt, auf ſeinen Befehl, ſich in Haufen
Sam -301Dritter Geſang.
Sammelte. Seine Stimme vernahm die wuͤſte Ver - wirrung,
Und bezaͤhmt, ſtand der Aufruhr, begraͤnzt, das un - endliche Leere.
Bis er zum zweytenmal ſprach, und die Finſterniß floh, und das Licht ſchien,
Und aus Unordnung Ordnung entſtand
p)So ſagt Plato im Timaͤus: Εις ταξιν αυτο ηγαγεν εϰ της αταξιας, welches Tullius ſo im Lateiniſchen ausdruckt: Id ex inordinato in ordinem adduxit. Thyer.
p). Dann eileten ploͤtzlich
Alle verwickelten Elemente, die Erde, das Waſſer,
So wie Feuer und Luft, nach ihren verſchiednen Be - zirken.
Nur die aͤtheriſche Quinteſſenz des Himmels erhub ſich
Jn verſchiednen geiſtgen Geſtalten; in ſphaͤriſche Ku - geln
Rollten ſie ſich, und wurden unzaͤhlige Sterne; du ſiehſt es,
Wie ſie umher ſich bewegen. Jedweder hat ſeine Be - ſtimmung,
Jeder302Das verlohrne Paradies.
Jeder hat ſeinen beſonderen Lauf; das uͤbrige wallet
Um dies Ganze herum. Sieh jene wandernde Kugel,
Deren nach uns gewendete Seite mit lieblichem Licht ſtralt,
Doch nur mit Licht, von uns hier erborgt, das wieder zuruͤckſchlaͤgt.
Dies iſt die Erde, die gluͤckliche Wohnung des Men - ſchen, dies Licht dort
Jſt ihr Tag. Sie wuͤrde von Nacht und Schatten umhuͤllt ſeyn,
Wie die andere Haͤlfte der Kugel; doch leiſtet bey Zei - ten
Jhr der benachbarte Mond, der Stern dort, gegen ihr uͤber,
Seine Huͤlfe. Dieſer vollfuͤhrt mit jeglichem Monath
Durch die Himmel den Lauf, und erneuert ihn wieder; von hieher
Fuͤllt, und leert er mit fremden Lichte ſein dreyfoͤrmig Antlitzq)Mit zunehmenden Hoͤrnern gen Oſten, mit abneh - menden Hoͤrnern gen Weſten, und wenn er voll iſt. Newton. ,
Um303Dritter Geſang.
Um der Erde zu leuchten, und hindert die Nacht in der Herrſchaft.
Dieſer heitere Fleck, den mein Finger bezeichnet, iſt Eden,
Adams Wohnung; du ſiehſt dort ſeine ſchattichte Laube;
Dieſes iſt dein gradeſter Weg; mich ſodert der meine.
Uriel ſprachs; und wandte ſich um. Mit tiefer Verchrung
Neigte ſich Satan vor ihm, wie man im Himmel ge - wohnt iſt
Gegen hoͤhere Geiſter zu thun, wo niemand die Ehr - furcht,
Welche dem andern gebuͤhret, vergißt. So ſcheidet er von ihm,
Und ſtuͤrzt von der Ekliptik, mit niederſchieſſendem Fluge,
Nach den Kuͤſten der Erde mit eilenden Schwingen herunter,
Schmeichelnde304Das verlohrne Paradies. Dritter Geſang.
Schmeichelnde Hofnung beſchleunigt den Flug; er ru - het nicht eher,
Bis er ſich auf dem Gebirge des hohen Niphates
r)Ein Gebirge an den Graͤnzen von Armenien, nicht weit von der Quelle des Tigris, wie Xenophon aus eigner Erfahrung verſichert. Der Dichter laͤßt Satan ſich auf dieſen Berg hernieder laſſen, weil er an Meſopotamien graͤnzt, in welches die beſten Schriftſteller das Paradies ſetzen. Hume.
r) herablaͤßt.

Ende des ſechſten Bandes.

[305]

Ferneres Verzeichniß der Subſcribenten. Nach alphabetiſcher Ordnung.

  • Jhro Koͤnigl. Hoheit, Philippine Charlotte, regierende Herzogin von Braunſchweig Luͤneburg.
  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Prinz Georg von Braunſchweig-Bevern.
  • Seine Koͤnigl. Hoheit, Friedrich Wilhelm, Kronprinz von Preuſſen.
  • Jhro Hochfuͤrſtl. Turchl. Anna Amalia, Herzogin-Regentin von Sachſen Wei - mar.
Seine[306]
  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Carl Auguſt, Her - zog von Sachſen Weimar.
  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Prinz Franz Jo - ſias, von Sachſen-Coburg Saalfeld.
  • Jhro Hochfuͤrſtl. Durchl. Friederika Sophia Auguſta, gebohrne und vermaͤhlte Fuͤrſtinn von Schwarzburg-Rudelſtadt.
  • Jhro Hochfuͤrſtl. Durchl. Sophia Eleonora, Prinzeßinn zu Schwarzburg-Rudelſtadt.

A.

  • Herr Cammerherr von Alvensleben. Jn Berlin.
  • Herr Graf von Anhalt. Obriſter und Adjutant Sr. Koͤnigl. Maj. von Preuſſen.
  • Herr von Arnim, auf Suckow.
  • Herr von Awemann. Jn Zelle.

B.

  • Herr Ballhorn. Direktor des Gymnaſ. zu Han - nover.
Herr[307]
  • Herr Hofgerichtsaktuar. Batſch. Jn Jena.
  • Herr von Bergholz. Rußiſchkayſerlicher Obercam - merherr und Ritter des St. Alexander und St. Annen Ordens. Aus Meklenburg.
  • Herr Johann Chriſtian Bergen. Graͤfl. Schulenbl. Verwalter zu Scharnebeck.
  • Herr Cammerrath Berendis. Jn Weimar.
  • Herr Bodo von Bodenhauſen. Aus dem Hannoͤ - verſchen.
  • Herr Bode. Jn Hamburg.
  • Herr Cammerjunker von Both. Jn Herzogl. Mekl. Dienſten.
  • Mademoiſelle Bouiſſont. Jn Berlin.
  • Herr Hofrath Boͤhm. Jn Breslau.
  • Herr Bubbers. Jn Hamburg.
  • Herr Generalmajor von Buddenbrock. Jn Berlin.
  • Herr Freyherr von den Buſch. Jn Hannover.

C.

  • Frau Graͤfin von Caſtell Remlingen.
* 2Herr[308]
  • Herr Freyherr von Campenhauſen, auf Orellen in Liefland.
  • Herr Major von Catt. Jn Berlin.
  • Herr Syndicus von Chariſien. Jn Stralſund.
  • Madame Cordes. gebl. Tamm. Jn Hamburg.

D.

  • Herr Major von Dachenhauſen. Jn Hannoͤv. Dienſten.
  • Herr Kriegsrath Dietrich. Jn Berlin.
  • Herr Nikolaus Dorner. Jn Hamburg.
  • Madame Johanna Dorner. gebl. Perſent.
  • Herr Amtmann Dugge. Zu Tempzin im Meckl.

E.

  • Herr Ebeling. Cand. Theol. in Goͤttingen.
  • Herr Eelking. Der Sch. W. Befl. in Bremen.
  • Herr J. D. Ellermann. Jn Hamburg.
Herr[309]
  • Herr Rittmeiſter Engel. Von den Braunſchweigl. leichten Dragonern.
  • Herr Geheimecaͤmmerier Engelhard. Jn Weimar.

F.

  • Herr Oberhauptmann von Fabrice. Zu Bruch - hauſen.
  • Herr Graf von Falkenhahn. Commandeur vom Orden von Malta. Jn Schleſien.
  • Herr Fein. Secr. Sr. Durchl. Herz. Ferdinands von Braunſchweig.
  • Herr Ernſt Johann Freyherr von Firks. Aus Curland.
  • Herr Generallieutenant von Forcade. Jn Koͤnigl. Pr. Dienſten.
  • Foͤrſterſche Buchhandlung. Jn Hannover.

G.

  • Herr Hofrath Gauſe. Zu Berlin.
* 3Herr[310]
  • Herr Oberpoſtcommiſſair Gellert. Jn Leipzig.
  • Herr Profeſſor Gellert. Daſ.
  • Herr Cammerjunker von Genz. Jn Herzogl. Meckl. Schw. Dienſten.
  • Herr Generalſuperintendent Geſenius.
  • Herr Graf von Graͤvenitz. Herzogl. Mekl. Schw. Juſtitzrath.
  • Herr von Goͤtzen. Major und Adjutant Sr. Koͤnigl. Maj. von Preuſſen.
  • Herr G. F. W. Großmann, aus Berlin.

H.

  • Herr Johann Heinrich Hahn. Kaufmann in Frank - furth am Mayn.
  • Herr Hackeborn. Studioſ. aus Coͤthen.
  • Herr von Harling. Aus dem Zelliſchen.
  • Frau Canzeleyraͤthin Hermig. Jn Rendsburg.
  • Herr Regierungsaſſeſſor Hetzer. Jn Weimar.
Herr[311]
  • Herr Geheimecammerrath von Heynitz. Jn Chur - fuͤrſtl. Saͤchſiſchen Dienſten.
  • Herr Jubelierer Hocker. Jn Dresden.
  • Herr Friedr. Auguſt Hoͤpner. Kaufmann. Jn Hamburg.

J.

  • Frau Geheimecommerzraͤthin Jakobi. Jn Koͤnigs - berg.
  • Herr Hofrath Jenke. Jn Berlin.
  • Herr Friedr. von Jtzenb[l]itz. Domherr zu Havel - berg.

K.

  • Herr Major von Kalkreuter. Adjutant Sr. Koͤ - nigl. Hoheit Prinz Heinrichs von Preuſſen.
  • Herr Cammerjunker von Kampz. Jn Herzoglich Mekl. Schw. Dienſten.
  • Herr Amtsſecretair Ketelſen.
  • Herr Carl Levin Freyherr von Keyſerling. Aus Curland.
* 4Herr[312]
  • Herr Hauptmann Kotzebur. Jn Braunſchweig - ſchen Dienſten.
  • Herr Engelbert Koͤnig. Kaufmann. Jn Hamburg.
  • Herr Generallieutenant von Krockow. Jn Koͤnigl. Pr. Dienſten.
  • Herr von Krugelſtein. Entreprenneur der Goldfa - bric in Breslau.
  • Herr Stadtſecretair Kulemann. Jn Hameln.
  • Herr Hofrath Kuͤnzel. Jn Breslau.

L.

  • Herr Geheimeſtiftsrath Freyherr von Labes. Jn Berlin.
  • Herr Profeſſor Laubmeyer. Jn Koͤnigsberg.
  • Frau Juſtitzraͤthin Lawaͤtz. Jn Rendsburg.
  • Herr Heinrich Carl Lipten. Secretair des Ober - conſiſt. zu Berlin.
  • Herr Chr. Heinr. Lodt. Kaufmann in Hamburg.
Herr[313]
  • Herr Generalmajor Graf von Lottum. Jn Koͤnigl. Pr. Dienſten.
  • Herr Feldpoſtmeiſter Luͤdemann. Jn Koͤnigl. Pr. Dienſten.
  • Herr Freyherr von Luͤtzow. Herzogl. Mekl. Schw. Geheimerrath, Ritter des Rußiſchkayſerl. St. Annen-Ordens, Geſandter zu Berlin.

M.

  • Herr Legationsſecretair Madeweiß.
  • Herr Mathias Wilhelm Madeweiß. Aus Colberg.
  • Herr von Marſchall. Jn Berlin.
  • Herr Kriegsaſſeſſor Martenſen. Jn Rendsburg.
  • Herr Cammerjunker von Meerheimb. Jn Herzogl. Mekl. Schw. Dienſten.
  • Herr Menz. Kaufmann in Hamburg.
  • Herr Buchhaͤndler Meyer. Jn Braunſchweig.
* 5Herr[314]
  • Herr Graf von Molzahn. Auf Liſſa.
  • Herr von Molzahn. Herzogl. Mekl. Schw. Ober - ſchenk.
  • Herr Joh. Daniel Momma. Kaufmann in Ham - burg.
  • Herr Buchhaͤndler Mylius. Jn Berlin.

N.

  • Herr Muͤnzmeiſter Nelker. Zu Berlin.

O.

  • Herr Steueraſſeſſor Guſt. Friedr. Mor. Olden - burg. zu Redentin. Jm Mekl.
  • Herr Regierungsrath von Olthoff. Jn Stralſund.

P.

  • Herr Phil. Mart. Perſent. Kaufmann in Hamburg.
  • Herr Piehl. Studioſ. Aus Hamburg.
Herr[315]
  • Herr Major von der Pfordten. Jn Koͤn. Daͤn. Dienſten.
  • Herr Graf von Podewils. Legationsrath. Sr. Maj. von Preuſſen.
  • Herr Obriſtlieutenant von Prittwitz, beym Ziethen - ſchen Huſarenregiment.
  • Herr Graf von Proskau. Malteſerritter. Jn Schleſien.

Q.

  • Herr Joſias von Qualen.
  • Herr Obriſter Quintus. Jn Koͤnigl. Pr. Dienſten.
  • Herr von Quitzow. Aus dem Meklenburgiſchen.

R.

  • Herr Johann Chriſtoph Wilhelm Rham.
  • Herr Johann David Reimarus. Jn Hamburg.
Herr[316]
  • Herr Zollverwalter Riſtenbarth. Zu Grohnde.
  • Herr Math. Joh. Jul. Riſchmuͤller. Stud. Jur. in Bremen.
  • Herr Domherr von Rochow. Jn Halberſtadt.
  • Herr Geheimter Oberfinanz-Kriegs - und Domai - nenrath Rode. Jn Berlin.
  • Herr Bernhard Rode. Hiſtorienmahler in Berlin.
  • Herr Heinrich Wilhelm von Roſenberg. Koͤnigl. Pohln. Geheimerkriegsrath. Jn Danzig.

S.

  • Herr Georg Reinhold Freyherr von Saß. Aus Curland.
  • Herr Oberamtsregierungsrath von Sauerma. Jn Breslau.
  • Herr Oberconſiſtorialrath Seidler. Jn Weimar.
  • Herr Wolfgang Schaubert. Kaufmann in Breslau.
  • Herr Cammerherr von Schack. Jn Berlin.
Mad.[317]
  • Mad. Anna Maria Soͤrmann. Jn Hamburg.
  • Herr Schlotter. Candid. Theol. Jm Mecklenburgl.
  • Herr Cammerſecretair Schroͤder. Jn Schwerin.
  • Herr Poſtmeiſter Schroͤder. Jn Goͤttingen.
  • Herr Joh. Georg Friedr. Schroͤder. Aus dem Mecklenburgiſchen.
  • Herr Syndicus Schuback. Jn Hamburg.
  • Herr Prorector Schulze. Jn Berlin.
  • Frau Schloßhauptmannin von Spiegel. geb. von Stammer.
  • Herr von Spoͤrke. Auf dem Carol. zu Braun - ſchweig.
  • Herr Johann David Schwerdtner. Jn Hamburg.
  • Herr Graf von Schwerin. Obriſter der Gensdar - mes in Koͤnigl. Pr. Dienſten.
  • Herr Generallieutenant von Stammer. Jn Herzogl. Braunſchweigſchen Dienſten.
Herr[318]
  • Herr Oberſtallmeiſter von Stammer. Jn Herzogl. Braunſchweigſchen Dienſten.
  • Herr Joh. Gabr. Staatz. Kaufmann in Luͤbeck.
  • Sr. Excellenz Herr Geheimerath von Steinberg. Koͤnigl. Großbritt. Geſandter zu Wien.
  • Frau Poſtſecretair Stiller. geb. Nihelmann. Jn Berlin.

T.

  • Mademoiſelle Tamm. Jn Hamburg.
  • Herr Tank. Der Rechtsgelahrtheit Doktor. Jn Luͤ - beck.
  • Herr Rittmeiſter Thielen. Von den Braunſchweig - ſchen leichten Dragonern.
  • Herr Otto Philip von Tuͤrk. Sachſen-Weimarſcher Cammerjunker und Cammerrath. Aus Curland.

U.

  • Herr Profeſſor Ungnad. Jn Berlin.
Herr[319]
  • Herr von Üſedom. Koͤnigl. Schwed. Cammerherr Hofmeiſter bey des Pr. Friedr. Franz von Mekl. Schw. Durchl. Ritter des rothen Ad - lerordens.

V.

  • Herr Cammeraſſeſſor von Veltheim. Jn Braun - ſchweig.
  • Herr von Vink. Dechant des Martiniſtifts zu Minden.
  • Herr Legationsſecretair von Voigts. Jn Braun - ſchweig.
  • Herr Cammerjunker von Voß. Jn Mekl. Schw. Dienſten.
  • Herr Regimentschirurgus Volprecht. Jn Han - nover.

W.

  • Herr Chirurgus Wallis. Jn Hamburg.
  • Herr Hofrath Wackenrode. Jn Berlin.
Herr[320]
  • Herr J. H. E. Wedel. Aus dem Hauſe Stein - hoͤfer.
  • Herr Graf von Wittgenſtein. Jn Herzogl. Braun - ſchweigſchen Dienſten.
  • Herr Woodford. Koͤnigl. Großbritt. Miniſter beym Niederſaͤchſiſchen Kreiſe. Jn Hamburg.
  • Herr von Wreech. Jn Berlin.

Z.

  • Herr Graf von Zobek. Jn Schleſien.
  • Herr Zagel. Hofmeiſter bey Herrn von dem Buſch in Hannover.
[321]

About this transcription

TextPoetische Schriften
Author Justus Friedrich Wilhelm Zachariae
Extent321 images; 32900 tokens; 8421 types; 226007 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationPoetische Schriften Sechster Band Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. . 304 S. SchröderBraunschweig1764.

Identification

SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 P GERM III, 7380:6

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Belletristik; Lyrik; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:35:57Z
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Holding LibrarySUB Göttingen
ShelfmarkSUB Göttingen, 8 P GERM III, 7380:6
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