PRIMS Full-text transcription (HTML)
Poetiſche Schriften
Dritter Band.
Mit allergnaͤdigſten Freyheiten.

Ode an den Freyherrn Eberhard von Gemmingen Seiner regierenden Herzoglichen Durchl. von Wuͤrtemberg ꝛc. Geheimenrath ꝛc.

IIIter Theil. A
3
Ode.
Freund, ich nenne Dich ſo auch vor den Augen der Welt,
Als Dich mein hingeriſſenes Herz
Jm ſympathetiſchen Zug der erſten Wallungen nannte,
Die meine durchdrungene Seele gefuͤhlt.
Denn ſie kante Dich ſchon, da ich zuerſt Dich erblickte,
Als haͤtten wir uns ſeit Aeonen geſehn.
Welch ein ſeliger Tag war nicht am Leinenſtrand der,
Da unſre Herzen zuerſt ſich vereint!
Als wir in himmliſcher Luft, in einem laͤndlichen Gar - ten,
Die goͤttliche Freundſchaft auf hellem Gewoͤlk
Laͤchelnd uͤber uns ſahn, wie ſie mit blumichten Van - den
Die ſich gefundnen Seelen umzog.
A 2Liebt4Ode.
Liebt euch zaͤrtlich und treu! (ſo ſprach harmoniſch ihr Mund,)
Jhr wart laͤngſt fuͤr einander beſtimmt.
Jch floh vom ſtralenden Tand, und von dem Poͤbel in Purpur,
Der meine holdſeligen Freuden nicht ſchmeckt.
Bey dem maͤchtigen Thron gieng ich unſichtbar vor - uͤber,
Und ſchenk euch im Tempel der Muſen mein Gluͤck.
Nicht vergebens winkt euch durch jenen heiligen Hain
Die hohe Dichtkunſt in ſpaͤtere Welt.
Sie giebt euch auch nicht umſonſt die hohe melodiſche Leyer,
Fuͤr jeden in gluͤcklichem Gleichlaut geſtimmt.
Singt die Freundſchaft darauf, das groͤßte Geſchenke des Himmels,
Das von dem Menſchen zum Engel erhebt.
Wir5Ode.
Wir umarmten uns, Freund, und ſahn mit fuͤhlendem Blick
Der holden Goͤttin im Stralenweg nach.
Der Muſen und Grazien Chor ſchloß uns in laͤchelnde Kraiſe;
Die Dichtkunſt gab uns gefaͤllig die Hand.
Und ſie reichte Dir, Freund, die maͤchtigtoͤnende Leyer,
Die noch dem Kenner in Nachwelten ſchallt.
Jch war lauter Gefuͤhl, als deine zaubernde Hand
Die reinen ſilbernen Saiten durchflog.
Erſtaunend ſah ich, wie ſchnell Du Harmonien geler - net,
Nur einem Haller und Klopſtock bekant.
Kaum gedachte mein Stolz des Lehrlings Toͤne zu hoͤ - ren,
Und ihn beſtuͤrzte des Meiſters Geſang.
A 3Furcht -6Ode.
Furchtſam ſing ich Dir ietzt Denn eines Pultes Virgil,
Und einer eroberten Locke Homer,
Hat mich vielleicht nur umſonſt mit hohen Toͤnen ent - zuͤcket,
Die unnachahmlich dem Deutſchen noch ſind.
Doch der Beyfall von Dir ſoll meine Kuͤhnheit bede - cken
Mit der ich zu ſchwindelnden Pfaden geklimmt.
Blicke guͤtig auf mich von jenen umleuchteten Hoͤhn,
Auf die Dich die guͤnſtige Muſe gefuͤhrt.
Dies iſt mein groͤßeſter Ruhm, daß mich ein Gem - mingen liebet,
Und meinen gewagten Accorden zuhoͤrt.
Meine Leyer ſoll nie in ſanften Toͤnen erzittern,
Daß ſie von unſerer Freundſchaft nicht ſingt.
Oden[7]

Oden und Lieder. Erſtes Buch.

A 4[8][9]
[figure]
An ſeinen Schutzgeiſt.
Der du vom ſtralenden Thron des Unerſchafnen dich ſchwungeſt,
Um der Beſchuͤtzer zu ſeyn von meiner unſterblichen Seele;
Himmliſcher! ſing in mein Lied mit Toͤnen der goͤttli - chen Harfe,
Vom Halleluja der Himmel beſeelt.
A 5Laͤchle10Oden und Lieder.
Laͤchle gefaͤllig herab auf eine ſterbliche Leyer,
Welche fuͤr dich nur ertoͤnt in mitternaͤchtlichen Stun - den.
Sage, wie dank ich dir doch die Sorgen, aͤtheriſcher Juͤngling,
Die mich ſchon in der Kindheit beſchuͤtzt;
Aber die ietzo noch mehr in einem reifenden Alter
Wider den maͤchtigen Reiz der lockenden Wolluſt mich wafnen?
Tief in der Seele hoͤr ich die Stimme von meinem Geliebten,
Die mir erhabne Gedanken zuruft.
O! warum kanſt du mir nicht, o mein Beſchir - mer, erſcheinen,
Wenn mein erzitterndes Herz des Ewigen Throne ſich nahet;
Und hingeneigt in den Staub, in Thraͤnen der Reu ihm zuweinend,
Sich ſeiner Erbarmung unwerth erkennt.
Oder11Erſtes Buch.
Oder erſchieneſt du doch in meiner erkenntlichen Seele,
Wenn ſie die Sorgfalt erwaͤgt, mit der ihr Engel ſie ſchuͤtzet;
Wenn ſie in einſamer Nacht, in einem heiligen Tief - ſinn,
Zum ſtralendem Kraiſe der Seligen koͤmmt.
O! mein unſterblicher Freund, beſchuͤtze noch fer - ner die Seele,
Die dir der Schoͤpfer vertraut; daß ich einſt froh dich umarme,
Wenn du mit maͤchtiger Hand mich uͤber die Felder des Todes
Zu jenem Triumphe der Ewigkeit bringſt.
Wann du nun da ſtehſt vor mir in feyerlichem Gewande,
Und voll Vertraulichkeit mich und ewiger Freundſchaft umlaͤchelſt;
Goͤttlicher, werd ich alsdann nicht deiner Umarmung zuſtroͤmen,
Schnell als ein Stral aus dem Meere des Lichts?
Lehre12Oden und Lieder.
Lehre die Seel alsdann, mit deinem Feuer zu denken;
Lehre mich, goͤttlicher Freund, die Lieder der heiligen Sphaͤren,
Bis die Seele mit dir am Throne meines Erretters
Sich in unendliche Jubel verliert.
Die13Erſtes Buch.
Die Begraͤbniſſe.
Steige hinab, o eremitiſche Seele,
Unter den Staub des dich erwartenden Grabes.
Scheue du nicht den ſchwarzen entſetzlichen Anblick
Jm dunklem Schattenreich.
Seyd mir gegruͤßt, ihr Monumente des Schre - ckens:
Vor euch erbebt nur die unmaͤnnliche Seele,
Welche, noch nie dem Gegenwaͤrtgen entriſſen,
Stets an dem Staube klebt.
Schauernd ſteh ich Tief in die traurende Stille
Sind ſie verhuͤllt, des Todes oͤde Gefilde!
Auf das Gebein, vor ſeiner Zerſtoͤrung gefuͤrchtet,
Tritt des Geringern Fuß.
Siehe!14Oden und Lieder.
Siehe! wie prahlt in der betruͤgriſchen Jnnſchrift
Vornehmer Grab. Jm ſtillen Schatten des Ahorns
Ruht, ungeruͤhmt vom panegyriſchen Marmor,
Des Weiſen Aſchenkrug.
Mich auch empfaͤngt einſt eine der ſchauernden Hoͤhlen,
Wenn ſich mein Haupt, gleich einer ſterbenden Roſe,
Welcher der Nordwind Unſchuld und Purpur geraubet,
Jn dunkle Schatten neigt.
Hier oder da wird mein Gebeine dann ſchlafen.
Gluͤcklich, wenn noch in Thraͤnen die zaͤrtliche Freund - ſchaft
Um mich ſich haͤrmt, und meine verlaßne Geliebte
Um mich geklaget hat.
Ru -15Erſtes Buch.
Ruhet dann ſanft, o ihr entſchlafnen Gebeine!
Moder und Staub wird euch nur herrlicher machen.
Herrlicher noch ſollt ihr die zaͤrtlichen Freunde,
Und die Geliebte ſehn!
Der16Oden und Lieder.
Der Religionseifer. An Herrn G .
Mein G , iſt nicht ein frommer Eifer,
Der mit dem Schwerd und mit der Flamme predigt,
Mehr haſſenswerth, als des Erobrers Blutdurſt, Der Laͤnder wuͤrgt?
Die Wuth erwacht, ſie wuͤtet in ſich ſelber;
Und ſie vergraͤbt in rauchende Ruinen
Jhr Vaterland. Der Vater mordet Soͤhne, Und duͤnkt ſich fromm.
Wenn ſie erwacht, wie ſie in Frankreich flammte,
Und dreißig Jahr Germanien verheerte;
Warum hat ſie der kriegeriſche Prieſter Selbſt fromm genannt?
Ach,17Erſtes Buch.
Ach, daß ſein Herz nicht ſanft und menſchenliebend
Dem ſtillen Geiſt der Duldung nachgefolget!
So haͤtt er nicht von Voͤlkern andre Voͤlker Mit Blut getrennt!
Sie haͤtren nicht in neugebauten Tempeln
Jn fremder Luft die Thraͤnen hingeweinet,
Die Rache ſchreyn; und ihrem Vaterlande Ungern geflucht.
Weit herrlicher ruͤhmt Fama in die Nachwelt
Des Batavers, und Preußens Menſchenliebe.
Sie ſind belohnt. Jn reichen Colonien Waͤchſt ihre Macht.
IIIter Theil. BDie18Oden und Lieder.
Die Orgel.
Hoͤre den rauſchenden Wind in der ſtillerwartenden Orgel,
Die er bereitet zum hohen Geſang!
Folge mir, wertheſter Freund, bis unter die ſchauern - den Graͤber;
Heilige ganz dich der frommen Muſik!
Himmel! ihr Jubel hebt an. Die hohen harmoniſchen Donner
Brauſen zu unſerm erſtaunenden Ohr.
Kraft von dem Himmel hebt mich! So klangen die Hal - len des Tempels
Von der Trommeten feſtlichem Schall.
Unter mir droͤnet der Grund, und einſame Graͤber er - zittern,
Von dem belebenden Schalle begruͤßt.
Alſo, doch maͤchtiger noch, wird ſie der Engel begruͤßen,
Mit der Poſaune des letzten Gerichts.
Wenn19Erſtes Buch.
Wenn nun der Richter erſcheint auf einer verblendenden Wolke,
Und in dem Felde der Todten es rauſcht;
Wenn das belebte Gebein nun, ſeinem Erwecker gehor - chend,
Stimmen der ſtarken Poſaune vernimmt.
Und dann der Richter der Welt die Heiligen um ſich verſammelt,
Oder Verworfne zum Feuer verſtoͤßt;
Und auf ihr Antlitz alsdann die Thronen und Cherubim fallen,
Vor dem Allmaͤchtgen in Ehrfurcht gebeugt.
Eben ſo toͤnet der Schall durch jubilirende Roͤhren,
Seele, was hebt dich zum Himmel empor?
Biſt du nicht durch die Gewalt der hohen harmoni - ſchen Lieder
Unter die Choͤre der Engel verzuͤckt?
B 2An20Oden und Lieder
An Selinen.
Zum zweyten mal, o meine theure Seline,
Reißt dich die ſchwarze Welle hin?
Zum zweyten mal ſchwimmſt du auf tobendem Meere
Den grimmigſten Gefahren zu?
Mit banger Nacht ſchwaͤrzt ſich der ſtuͤrmende Himmel,
Der Donner donnert vom Olymp;
Der wilde Blitz erleuchtet ſchrecklich den Abgrund,
Der oft dein zagend Schif verſchluckt.
Verfolge nicht ein ungluͤckſeliges Maͤdchen,
Natur, mit ſo viel Grauſamkeit!
Gebeut doch ietzt dem niederrollenden Donner,
Gebeut doch ietzt der frechen Fluth.
Du21Erſtes Buch.
Du hoͤrſt mich nicht? nicht das bewegliche Weinen
Des aͤrmſren Kindes, das verzagt?
Auſs neu waͤlzt ſich auf dunkeln wuͤtenden Wellen
Die blaſſe Todesangſt ins Schif.
Wohin, wohin reißt dich die brauſende Woge
Seline, hoͤrſt du mich nicht mehr?
Jch ruf am Strand, mit aufgehabnen Haͤnden:
Seline, hoͤrſt du mich nicht mehr?
Was hoff ich noch am ungluͤcksvollen Geſtade
Empfange mich, grauſames Meer!
Kan ich ſie nicht auf dieſem Truͤmmer erretten,
So ſterb ich wenigſtens mit ihr!
B 3Der22Oden und Lieder.
Der Choral.
Schlummer und ſchimmernder Reif, und ſtille ver - trauliche Wolken
Haͤngen ſchon uͤber der ſchlafenden Welt.
Breite dich, einſame Nacht, mit ſanfteinwiegenden Fluͤ - geln
Ueber die ruhige Haͤlfte der Welt.
Traurig verſinkt die Natur in einen heiligen Schauer,
Wie er in Waͤldern der Barden gewohnt;
Oder auch, wie er vordem auf menſchenfeindliche Grot - ten
Frommer veralteter Einſiedler fiel.
Singe der Mitternacht ietzt, du Saͤnger auf ſilbernen Saiten,
Heilig, der Nacht gleich, ſey heilig dein Lied.
Singe den hohen Choral mit Bachs ehrwuͤrdigen Toͤnen;
Fuͤlle mit Andacht das zitternde Herz!
Welch23Erſtes Buch.
Welch ein erhabner Geſang! Die Seele fuͤhlt ihn; und ſchauernd
Schwingt ſie ſich uͤber die Himmel hinauf.
So, aber ruͤhrender noch, ertoͤnten die Choͤre des Him - mels,
Maͤrtyrer! als ihr, mit Blute bedeckt,
Eure gefaltete Hand zum Ewigen aufhubt, und ruhig
Unter den Qualen den Feinden vergabt;
Als euch der Seraph erſchien, und triumphirend die Seele
Ueber des Todesthals Schreckniſſe hob.
Die du den Saͤnger gelehrt, o Tonkunſt unter den En - geln,
Sing ihm, du heilige Saͤngerin, auch,
Wenn er die Stunde nun ſieht, die fuͤrchterlichſte der Stunden,
Welche den Chriſten oft ſelber erſchreckt.
B 4Leit24Oden und Lieder.
Leit ihn mit ſicherem Schritt dann uͤber die Baͤche des Todes;
Sing ihm den hohen Geſang des Olymps!
Stimmen des heiligen Chors und Stimmen der goͤtt - lichen Harfen
Jauchzen ihm unter Unſterblichen zu!
Phan -25Erſtes Buch.
Phantaſie.
Okehre wieder zuruͤck, ſchwarzer Gedanke,
Zum Throne der Melancholey!
Jn mir erbebend, ſah ich, Goͤttin der Schwermuth,
Geſandten deines finſtern Hoſs.
Schon uͤberſchatteten mich graͤßliche Fluͤgel
Der ſchreckensvollen Einbildung.
Es ſchwaͤrmten um mich herum ſchwarze Phantomen,
Die in dem ſchweren Blut entſtehn.
Jch gieng in Graͤbern herum unter den Todten,
Und Geiſter kamen um mich her.
Seline ſelbſt trat daher himmliſch geſtaltet,
Mit einem Blumenkranz gekraͤnzt.
B 5Sie26Oden und Lieder.
Sie ſetzte ſich an den Fuß einer Cypreſſe,
Die rauſchend aus dem Grabe wuchs;
Sie lachte mich an, doch die Augen erſtarben,
Jn denen ich den Himmel ſah;
Und es ward Schrecken und Nacht, da ſie erblaßte,
Und mein Geſchrey durchdrang die Luft
O kehre wieder zuruͤck, ſchwarzer Gedanke,
Zum Throne der Melancholey!
An27Erſtes Buch.
An Amintas.
Du ſaheſt ſie, als in Kleanthens Armen
Dein zaͤrtlich Herz dem Freund entgegen klopfte,
Und deinen Wunſch die Freundſchaft ganz erfuͤllte.
Du ſaheſt Sie Mein Herz nennt mir ſie ewig!
Jhr holder Blick drang unter dunkeln Thraͤnen
Doch ſanft hervor, und laͤchelte voll Unſchuld.
Wie an der Bruſt ein fruͤh ungluͤcklich Maͤdchen
Dem blanken Stahl des wilden Moͤrders laͤchelt.
O! mein Amint, du liebſt, und liebeſt gluͤcklich!
Doch du kennſt auch der Liebe bittre Schmerzen.
Beklag ein Herz, der Zaͤrtlichkeit geſchaffen,
Doch nur geliebt zum Ungluͤck und Verderben.
Dir28Oden und Lieder.
Dir will ich oft die ſchweren Thraͤnen weinen,
Die Freundſchaft heiſcht und reine Liebe fordert.
Doch ſchon mein Damon iſt geliebt und gluͤcklich;
Sollt ich mich nicht in Deinem Gluͤcke troͤſten?
Die29Erſtes Buch.
Die Erſcheinungen.
Senkt euch herab, mitternaͤchtliche Schauer,
Von des Olymps dunkeln Wolkengebuͤrgen;
Fuͤllt dies Gemach, von der ſterbenden Lampe
Furchtſam erhellt.
Jetzt, da das Herz aller Furchtſamen klopfet,
Und ſich mit Angſt vor Erſcheinungen fuͤrchtet,
Wuͤnſch ich, vertieft in den ſchrecklichen Stunden,
Geiſter um mich.
Ach! biſt du todt, oder lebſt, wie die Todten,
Die mich geliebt, ungluͤckſelige Schoͤne!
O ſo komm tetzt! Waͤr es auch nur ein Schatten
Trauriger Furcht.
Wei -30Oden und Lieder.
Weinend wollt ich dieſem Schatten zueilen,
Saͤh er dir gleich! Doch dich kettet das Schickſal
Feſt an den Fels Koͤnnten Seelen erſcheinen,
Ach du erſchienſt!
Flieſſe dahin, ungeſehene Thraͤne,
Netze dies Blatt mitternaͤchtlicher Klagen!
Dunkel und ſchwer, wie ein trauriger Nebel,
Steigen ſie auf.
Du nur allein, der in heiliges Dunkel
Weiſe das Buch unſers Schickſals gehuͤllet,
Hoͤre du ſie! Eine billige Wehmuth
Opfert ſie dir.
Veſuv.31Erſtes Buch.
Veſuv. An den Freyherrn von G .
Wenn ſich die ſchrecklichſte Nacht mit ihren gefuͤrchte - ten Fluͤgeln
Ueber ein ſchlafendes Thal am dunklem Veſuve gebreitet:
Schaudert der bangen Natur, und eherne Wolken voll Donner
Haͤngen herab auf das wartende Thal.
Aber auf einmal ertoͤnt, tief in den Gewoͤlben des Berges,
Bruͤllen verſchloſſener Gluth, und dunkles Gemurmel des Abgrunds.
Ploͤtzlich ergießen ſich Dampf und Gluth und fliegende Felſen
Ueber das Thal, das mit Schrecken erwacht.
Weinend ergreifet alsdann in voller Verzweiflung ein Juͤngling
Bey der erkalteten Hand ſein halbohnmaͤchtiges Maͤd - chen;
Fuͤhrt ſie mit Todesangſt fort von wuͤſten dampfenden Feldern,
Welche das ſchreckliche Feuer verheert.
Um32Oden und Lieder.
Um ſie fliegt Donner und Dampf und Schwefel und gluͤhender Bimsſtein,
Und der erſchrockene Fuß fuͤhlt ſchon den Abgrund er - beben.
Beyden eroͤfnen vielleicht die ſich entzuͤndenden Schluͤnde
Feurige Graͤber unter dem Schritt.
Aber durch Feuer und Dampf fuͤhrt ſie ein ſchuͤ - tzender Engel,
Ehe der gluͤhende Fluß noch ſeine zerſchmelzenden Wel - len
Ueber das rauchende Feld, gleich einem Bache der Hoͤlle,
Aus den metalliſchen Schleuſen ergießt.
Eine geſicherte Hoͤh, geſichert vor Feuer und Aſche,
Thuͤrmet ſich maͤchtig vor ſie; und friſche balſamiſche Myrthen
Nehmen ſie freundlich auf in ihre wohlthaͤtigen Schat - ten,
Welche noch nie die Verwuͤſtung geſtoͤrt.
Freund,33Erſtes Buch.
Freund, wie der wilde Veſuv, wenn er die flam - mende Wolke
Ueber Jtalien jagt, ſo donnert ietzt Ungluͤck auf Ungluͤck.
Koͤnteſt du doch aus der Noth ein zitterndes Maͤdchen erretten,
Welches das eiſerne Schickſal verfolgt.
Aber ihr winket kein Wald mehr hinter verſchon - ten Gebirgen,
Grimmiger bruͤllet um ſie das dunkle ſchwere Gewitter.
Aſche bedecket ihr Haupt, und ihren fliehenden Schritten
Folget die ziſchende flammende Fluth.
IIIter Theil. CDie34Oden und Lieder.
Die Nacht.
Das Ende vieler dunklen Tage
Die treue Nacht bricht ſchon herein.
Verhuͤlle dich, mein Geiſt, und klage,
Vielleicht iſt dieſe Stunde dein.
Ein Leiden, das man unterdruͤcket,
Vermehret den geheimen Schmerz;
Und jede Thraͤne, die erſticket,
Graͤbt blutig ſich in unſer Herz.
Jetzt, da die Thoren mich verlaſſen,
Die dieſen truͤben Tag umſchwaͤrmt;
Will ich dem Schmerz mich uͤberlaſſen,
Der minder wird, wenn er ſich haͤrmt.
Der35Erſtes Buch.
Der Schlaf wird mich voruͤber gehen,
Der oft den Ruͤcken mir gewandt,
Wenn noch von aufgehellten Hoͤhen
Das Morgenroth mich weinend fand.
Jch fleh ihn an, mir zu erſcheinen,
Doch er iſt wie ein falſcher Freund;
Er koͤmmt im Gluͤck nur zu den Seinen,
Und flieht ein Auge, welches weint.
Schon ſiegt der Tag mit hellem Strale,
Wo biſt du, holder Gott der Ruh?
Er koͤmmt, und druͤckt zum erſtenmale
Ein Auge voller Thraͤnen zu.
C 2An36Oden und Lieder.
An Selinen.
Vortreflichſte deines Geſchlechts, in deren goͤttliche Seele
Der Schoͤpfer alle die Tugend gehaucht,
Durch die oft ein irdiſcher Geiſt, zum Thron der Gott - heit geriſſen,
Sich unter heilige Seraphim draͤngt.
Die Seraphim lieben ihn ſchon, und die Unſterblichen Gottes
Erziehn ihn um ſich zur Ewigkeit auf;
Und lehren auf Erden ihn ſchon ein Lied zum Lobe der Allmacht,
Und in die guͤldenen Harfen ein Lied;
Ach daß noch, Seline, mich nicht die hohe Saͤngerin lehret
Die G C und K gelehrt!
Sie, welche hoch uͤber mir ſtehn, ſie wuͤrden dich edler beſingen,
Und deine wuͤrdigern Herolde ſeyn.
Doch37Erſtes Buch.
Doch wie? Soll noch laͤnger mein Herz die ſtillen Lieder erſticken,
Die deine Tugenden in ihm erzeugt?
So ſchallte mein kuͤhner Geſang, von deinem Werthe begeiſtert,
Nicht in die hellere kuͤnftige Welt;
So haͤtte dein Auge noch nicht, wenn es erheiternder laͤchelt,
Als von dem Himmel ein lichtes Gewoͤlk
Jn mein gleichguͤltiges Herz die heilige Flamme gegoſſen,
Die zu unſterblichen Liedern mich zwingt;
So haͤtte mir deine Hand nie den Gram vom Auge ge - trocknet,
Der uͤber die traurige Wange gethaut;
Der Stirne die Jugend entzog, und den gewaltigſten Schmerzen
Und dunkler Verzweiflung zum Opfer mich gab;
C 3So38Oden und Lieder.
So haͤtt ich nicht Thraͤnen geſehn, durch die die maͤch - tige Liebe
Dein blaues ſiegendes Auge getruͤbt;
So haͤtt ich nicht Seufzer gehoͤrt, und unnachſprechli - che Worte,
Die eine Seele der andern nur ſagt.
Du Tag, da ihr ſanftes Geſicht, wie die Fruͤhlingsſon - ne, mir aufgieng,
Sey du mir ewig ein feſtlicher Tag!
Da ſagte mein klopfendes Herz, und ſagt es voller Be - wegung:
Das iſt Sie! Und ich empfand es, Sie wars.
So laͤchelt an Even vordem ein heitres Auge voll Un - ſchuld,
Und froͤlich huͤpfte die junge Natur:
Wie ihr triumphirender Blick, der aus unſchuldigen Augen
Tief in die weichere Seele mir drang.
Die39Erſtes Buch.
Die Seele verlohr ſich in ſie, und ward erhabner ge - bildet,
Und ſchloß ſich ſuͤßen Entzuͤckungen auf;
So wie dem maͤchtigen Stral die junge Roſe ſich oͤfnet,
Und froh des Morgenthaus Segen empfaͤngt.
Mein weichergebildetes Herz empfand nun hoͤhere Freu - den,
Als die, ſo flatterud die Jugend durchflog.
Wie paradieſiſch ward mir das Thal ehrwuͤrdiger Eichen,
Das dich zu mir, o Seline, gefuͤhrt!
Da ſah ich den Himmel zuerſt vom Lenz und Freude verguͤldet;
Da erſt verſtand ich der Buͤſche Geraͤuſch;
Da gieng der holdſelige Weſt zuerſt gefuͤhlt mir voruͤber,
Und fuͤhlend hoͤrt ich der Nachtigall Lied.
C 4Wie40Oden und Lieder.
Wie hab ich nicht damals entzuͤckt den ſelgen Himmel geſegnet,
Der uͤber ſchimmernden Gegenden hieng,
Und gluͤckliche Thaͤler umfloß, wo Blumen, die du mir pfluͤckteſt,
Der Tugend einſame Thraͤne benetzt!
O koͤnt ich, Seline, dir doch der Stunden eine belohnen,
Die in ſchuldloſen Freuden entflohn!
Nur eine der Zaͤrtlichkeit Macht entfallne redende Thraͤ - ne!
Nur einen mir unvergeßlichen Blick!
Zwar danket dir, Vorſicht, mein Herz fuͤr die mir koſt - baren Stunden,
Die Lieb und Freundſchaft mit Freude gekraͤnzt,
Ach wenige Stunden ſinds nur! Der melancholiſchen Tage
Und der durchweinten Naͤchte ſo viel!
Doch41Erſtes Buch.
Doch wollt ich mit ruhigem Blick den halbverbluͤheten Fruͤhling
Gleich ſchwarzen Wintern dahinſtuͤrmen ſehn;
Wenn nicht in dem maͤchtigſten Leid der letzte Troſt der Verlaßnen,
Die Hofnung ſelber mir Armen entfloͤh.
Willſt du auch, o Hofnung, mich fliehn? Soll ich noch troſtloſer weinen,
Als G Sch und G geweint,
Die ihr unerbittliches Loos, den beſten Freunden ent - riſſen,
Jn ferne leere Gegenden ſtieß?
Jch weine, der Hofnung beraubt, gleich einem ungluͤck - lichen Juͤngling,
Der ſich, zum Treffen und Tode bereit,
Noch einmal mit ſehnlichem Blick der Himmelsgegend zuwendet,
Jn welcher ſeine Geliebte verzagt.
C 5Okehre42Oden und Lieder.
O kehre doch wieder zuruͤck in die veroͤdete Seele,
Die deine ſchmeichelnde Macht nur erhaͤlt!
Entdecke mir, Hofnung, den Troſt, auch in der ferne - ſten Ausſicht,
Selinen einmal nur wieder zu ſehn.
Die43Erſtes Buch.
Die Bomben.
Sieh, ſchrecklich flieht ſie dahin die alles zerſchmet - ternde Bombe!
Sie ſpruͤht Verderben und Tod aus ihrem entzuͤndeten Schlunde;
Aus ihrem Bauche ſchwingt ſich die ungeheure Ver - wuͤſtung;
Jhr Athem toͤdtet, wie die Peſt.
So ſtuͤrmt ſie grauſam und wild in nie eroberte Staͤd - te;
Den Donnern der Mitternacht gleich zertruͤmmert ſie prangende Thuͤrme,
Streut Flammen uͤber die Stadt; verwuͤſtet heilige Tempel,
Und ſtuͤrzet Schloͤſſer in den Staub.
Entflammend wuͤhlt ſie ſich ietzt in Vorrathshaͤuſer von Pulver
Und Steine, Funken und Rauch, und wilde ſchmettern - de Stralen
Verbreiten gleich Blitzen den Tod; und eine Nacht der Verwuͤſtung
Bedeckt mit Schutt und Graus die Stadt.
So44Oden und Lieder. Erſtes Buch.
So machen Sterbliche ſich zu himmelſtuͤrmenden Rieſen;
Sie rauben der raͤchenden Hand des Himmels die ſtra - fenden Donner,
Und wuͤten wider ſich ſelbſt mit Flammen des ſchwar - zen Cocytus,
Und wafnen ſich mit Hoͤllenblitz.
Oden[45]

Oden und Lieder. Zweytes Buch.

[46]47
An den Freyherrn von G
Klage nicht immer, o Freund, von einem feindlichen Schickſal,
Welches wir feindlicher noch in ſchwarzen Stunden uns bilden.
Stelle die Welt dir nicht blos von ihrer traurigen Seite,
Stelle ſie dir von der guten auch vor.
Soll ich den Vorhang einmal, der deine Freuden verhuͤllet,
Aufziehn mit zaubernder Hand, und dir in heitern Pro - ſpecten
Helle Gefilde voll Gluͤck, und lachende Landſchaften zeit gen,
Welche die Melancholie dir verbarg?
Biſt du nicht weiſe mein Freund? Gewiß ein Ge - ſchenke des Himmels
Nicht oft zu Ahnen gelegt, und zu weſtindiſchem Reich - thum!
Kan dir das tobende Meer, kan dir die wuͤtende Flamme
Rauben das, was nur der Seele gehoͤrt?
Waͤreſt48Oden und Lieder.
Waͤreſt du nun ein Monarch, dem Millionen ge - horchten,
Deſſen gefuͤrchteten Ruhm unuͤberwindliche Flotten
Ueber das zagende Meer kleinmuͤthigen Jnſeln verkuͤn - digt,
Wuͤrdeſt du etwa gluͤckſeliger ſeyn?
Wuͤrdeſt du, einſam und ernſt, mit deiner erha - benen Seele
Mehr noch bekannt ſeyn, als ietzt? und wuͤrden ver - ſtorbene Weiſen,
Dichter aus Rom und Athen zum Throne des Koͤnigs ſich wagen,
Welcher nur blutiger Ehre gefolgt?
Oder gedaͤchteſt du denn, wenn du beladene Flot - ten
Ueber die Meere geſchickt, dich mit dem Golde zu troͤ - ſten?
Oder vermeinteſt du wohl in Cyperns bunten Gefilden
Gluͤcklicher ohne die Schwermuth zu ſeyn?
G ,49Zweytes Buch.
G , gluͤcklich biſt du, daß deine denkende Seele
Sich mit ſeraphiſchem Schwung zu hoͤhern Sphaͤren erhebet.
Fließt auch dein Leben dahin, gleich Baͤchen in trauri - gen Thalern;
Jſt denn dies Leben der Klage wohl werth?
Aber der Himmel hat ja dein philoſophiſches Le - ben
Auch mit dem Gluͤcke durchwebt, und mit der Freude gefaͤrbet.
Sage, fuͤr was fuͤr ein Gluͤck willſt du die Stunden vertauſchen,
Die du in einſamen Naͤchten durchdenkſt?
Hoͤreſt du nicht auch entzuͤckt der holden Pirkerin Stimme?
Ruͤhret dich nicht im Concert die Biankiniſche Geige?
Schaͤumet Champagner Wein nicht in deinem umkraͤn - zeten Becher;
Singet die Huberſche Leyer nicht dir?
IIIter Theil. DHeit -50Oden und Lieder.
Heitre die Stirne dann auf, die eremitiſche Run - zeln
Lange mit Tiefſinn und Ernſt und Unzufriedenheit fur - chen.
Wende den Blick zum Olymp, und deine maͤchtige Leyer
Singe dir froͤliche Stunden herab!
Das51Zweytes Buch.
Das Mitleid.
Wer hat ein reizender Geſicht,
Als Jungfer Marjonette?
Allein wer hoͤrt wohl, daß ſie ſpricht,
Wie man vermuthet haͤtte?
Sie neigt ſich artig, und ſteht da,
Und ſagt aufs hoͤchſte: Was? und Ja.
Ach! ſie iſt noch Monade!
Wahrhaftig, das iſt Schade!
Finettens Puppenangeſicht
Kan noch von fern entzuͤcken.
Sie hat viel Narren, wie ſie ſpricht,
Jn ihren Liebesſtricken.
Der Kluge geht vorbey, und lacht.
Sie macht, mit ihrer Flitterpracht,
Der Gaſſe nur Parade.
Wahrhaftig, das iſt Schade!
D 2Mein52Oden und Lieder.
Mein Fraͤulein Hey iſt frey im Scherz,
Und ſanft in ihrer Gnade.
Sie liebt mein buͤrgerliches Herz
Jn ziemlich hohem Grade.
Allein ich weiß nicht, wie das iſt,
Daß ſie den Adelſtand vergißt
Die Lieb iſt wohl nur Gnade.
Wahrhaftig, das iſt Schade.
An53Zweytes Buch.
An die Sonne.
Die du in dunkeln Wolken
Dein ſtralend Haupt verſteckeſt;
O liebe liebe Sonne,
Willſt du mir ietzt nicht ſcheinen?
Du ſcheinſt dem leeren Thoren,
Wenn ſein geſtickter Aufſchlag
Jn deinen Stralen funkelt.
Du ſcheinſt der eiteln Dame,
Wenn ihre Zitternadel
Des Buͤrgers Auge blendet.
Du wirſt ja mir auch ſcheinen,
Damit mein weißes Maͤdchen
Mich nicht umſonſt erwartet.
D 3An54Oden und Lieder.
An das Clavier.
Du Zeitvertreib ſo mancher jungen Schoͤne,
Und manches jungen Herrn, der dir ſein Opfer bringt,
Wenn er, entzuͤckt in ungefuͤhlte Toͤne,
Ein welſches Ach in zwanzig Tacten ſingt.
Auf dir war nie ein welſches Lied erklungen,
Du warſt noch von dem Tand der ewgen Triller frey.
Das, was ich ſang, ward immer deutſch geſungen;
Doch mein Geſchmack bleibt dir nicht mehr ſo treu.
Dir hat der Schwung der Oper ſchon gefallen.
Es feſſelt dich nicht mehr der deutſchen Tonkunſt Zwang.
Du faͤngſt ſchon an, die Triller nachzulallen,
Die bis ins Herz die Pompeati ſang.
Wie55Zweytes Buch.
Wie voll biſt du von neuen Zaͤrtlichkeiten,
O ſiegendes Clavier, da dich die Oper hebt.
Die Symphonie rauſcht ſchon durch deine Saiten;
Der Unmuth flieht, und alles iſt belebt.
D 4An56Oden und Lieder.
An den Freyherrn von G
Der du in Acten verſenkt, verwirrte Proceſſe durch - wuͤhleſt,
Und deine Leyer vergeſſen haſt;
G , opfre nicht ſtets auf dem Altare der Themis,
Und flieh die ſtaubichte Canzeley.
Die Muſen vertragen ſich nicht mit Advokaten und Schreibern,
Sie fliehn Archive voll Actenſtaub.
Nicht oft dringt ſich der Geſchmack bis zu dem rechten - den Volke,
Das von der Zankſucht der Menſchen lebt.
Und du, du ſuchteſt vielleicht den hohen Trieb zu er - ſticken,
Der dich zum Tempel der Zukunft fuͤhrt?
Nein, dazu biſt du zu groß! Auf! ſtimme von neuem die Leyer,
Der oft der Leinenſtrand zugehoͤrt.
Schnell57Zweytes Buch.
Schnell geht dies Leben dahin, und man vergißt nach dem Tode
Selbſt Helden ohne des Dichters Kunſt.
Viel Millionen ſind Staub; laͤngſt ſind die Namen vergeſſen;
Doch lebt Homerus und Flaccus noch.
D 5Ein -58Oden und Lieder.
Einladung an H. E
Sieh, Damon, wie von finſtern Bergen
Der Regen und der Unmuth brauſt,
Und wie ein wolkengleicher Nebel
Den ausgeſtorbnen Wald umhuͤllt.
Jn ungehemmten dicken Guͤſſen
Verfließt der melancholſche Tag.
Die Sonne ſteckt in ſchwarzen Wolken;
Wer weiß, ob wir ſie wieder ſehn.
Doch, Damon, uͤberlaß dem Schickſal,
Wie es die liebe Sonne fuͤhrt;
Und komm, und hoͤre, wie im Ofen
Der Stamm der feſten Eiche kracht.
Wir59Zweytes Buch.
Wir wollen, vor die truͤben Fenſter,
Die ſichernde Gardine ziehn;
So ſehn wir nicht den wilden Regen,
Der uͤber hohe Daͤcher ſchaͤumt.
Was fuͤrchten wir des Nordwinds Wuͤten
An einem bunten Caffeetiſch!
Wir koͤnnen Fruͤhlingswetter ſchaffen,
Durch Freundſchaft, durch Geſpraͤch, und Wein.
Komm, Damon, komm, du ſollſt es ſehen,
Wie Luſt und Freude bey uns herrſcht;
Und wie die ſchimmernde Bouteille
Das traurige Gemuͤth erhellt.
Jetzt,60Oden und Lieder.
Jetzt, da uns noch kein kruͤmmend Alter
Die eingeſchrumpfte Stirne furcht;
Jetzt, Damon, laß uns uns genießen,
Daß ungeſorgt die Tage fliehn.
Die61Zweytes Buch.
Die Entſchluͤſſe.
Alzindor bittet mich zum Weine,
Sein Wein iſt gut. Ob ich erſcheine?
Das kan wohl geſchehn!
Doch denket er mich zu beſtechen,
Von ſeiner Narrheit nicht zu ſprechen?
Das will ich doch ſehn!
Die Vettern ſagen: Bleib zu Hauſe,
Und laufe nicht zu jedem Schmauſe!
Das kan wohl geſchehn!
Doch denken mich die klugen Herren
Wie einen Haͤnfling einzuſperren?
Das will ich doch ſehn!
Man62Oden und Lieder.
Man ſoll nicht in Paſquillen ſingen,
Und Den und Die in Verſe bringen.
Das kan wohl geſchehn!
Allein denkt man mich ſcheu zu machen,
Die Narren gar nicht auszulachen?
Das will ich doch ſehn!
Mein Vormund ſpricht: Er will ſchon lieben?
Das koͤnnt er immer noch verſchieben!
Das kan wohl geſchehn!
Ja, ja; noch weicht dem Wein die Liebe;
Doch ſtets verſchmaͤht ich ihre Triebe!
Das will ich doch ſehn!
Daß63Zweytes Buch.
Daß ich nach meines Doctors Lehre
Jm Fieber allen Wein verſchwoͤre;
Das kan wohl geſchehn!
Doch wenn das Fieber mich verlaſſen,
Sollt ich den Wein noch immer haſſen?
Das will ich doch ſehn!
Die64Oden und Lieder.
Die Seuche.
Eine gefuͤrchtete Zeit! Mit peſtilenziſchem Fittig
Wallet auf Nebeln die Seuche daher.
Furchtbar verjaget ihr Arm den harten maͤnnlichen Winter
Ueber Gefilde voll Regen und Sumpf.
Hat ſie nicht Monathe ſchon des Nordpols Pforte ge - ſchloſſen,
Und die Pallaͤſte der Kaͤlte geſperrt?
Noch hat erfriſchender Schnee nicht uͤber Berge geſtoͤ - bert;
Oder der Bach ſich mit Eiſe bedeckt.
Aber auf ſuͤdlichem Sturm brauſt die verderbende Goͤt - tin
Ueber die faulenden Waſſer daher.
Gegenden trinken das Gift aus manchem unzeitigen Re - gen,
Lau, wie der Regen im fruchtbaren Lenz.
Ueber65Zweytes Buch.
Ueber die zitternde Stadt ſchaut ſie verwuͤſtend herunter,
Mit der Meduſa verderbendem Blick;
Streuet mit raͤchender Hand vergiftende Maſern und Frieſel,
Fieber und toͤdtende Pocken umher.
Juͤnglinge fallen dahin von ihrer maͤhenden Sichel,
So wie die Roſen vom Nordwind gebeugt.
Schoͤnen von himmliſchen Reiz ſehn durch verwuͤſtende Blattern
Jhre bezaubernde Schoͤnheit verheert.
Nahe dich, wuͤtendes Weib, nicht auch der matten Se - rene,
Welche den Einfluß der Witterung fuͤhlt.
Und melancholiſcher wird, wenn immer weinende Wol - ken
Ueber ermattete Gegenden ziehn.
IIIter Theil. EMache66Oden und Lieder.
Mache dich auf von dem Pol, du Feind verderbender Seuchen,
Stuͤrme, wohlthaͤtiger Winter, herab!
Reinige guͤtig die Luft, und ſtroͤm im ſchimmernden Froſte
Alle die hitzigen Duͤnſte hinweg.
An67Zweytes Buch.
An die Liebe.
Liebe, du Goͤttin zaͤrtlicher Schmerzen
Jn unſern jungen fuͤhlenden Herzen,
Laß mir, holde Liebe,
Meine Traurigkeit.
Wenn ich mich betruͤbe,
Ehret dich mein Leid.
Einſame Thraͤnen liebender Jugend
Sind oft die Zeichen hoͤherer Tugend,
Als des Weiſen Lehren,
Der in Wuͤſten flieht;
Und das Schwerdt vor Heeren,
Das zum Siege zieht.
E 2Lie -68Oden und Lieder.
Liebe, du bildeſt Herzen von neuen.
Zaͤrtliche Toͤne will ich dir weihen.
Daß mein Herz empfunden,
Das verdank ich dir.
Und auch truͤbe Stunden,
Liebe, ſende mir!
An69Zweytes Buch.
An drey Orangenbaͤumchen.
Euch, die aus einer Orange
Seline dankbar geſaͤt;
Euch, von holdſeligen Haͤnden
Der Liebe ſaͤuſelnd erzogen;
Euch, Baͤumchen, ſing ich dieſes Lied.
Den ſanften Grazien aͤhnlich,
Wachſt ihr freundſchaftlich empor,
Und den geſelligen Schatten,
Und eure ſpielenden Blaͤtter,
Umtanzt der Weſte leichtes Volk.
E 3Das70Oden und Lieder.
Das Reich der farbigten Blumen,
Wenn es der Fruͤhling beherrſcht;
Selbſt die monarchiſche Staude,
Die nach Jahrhunderten bluͤhet,
Die Aloe, reizt mich nicht ſo.
Der Reif der ſchimmernden Naͤchte
Geh ſanfter uͤber euch weg!
Die bunte Goͤttin der Blumen,
Ja ſelbſt die maͤchtige Liebe
Beſchuͤtz euch vor der Raͤuber Hand!
An71Zweytes Buch.
An das Clavier.
Du triumphirende Macht uͤber den traurigen Gram,
Du Meiſterſtuͤck der hohen Harmonie,
Du, mein getreues Clavier, o! ſinge die Tage hinweg,
Die, Naͤchten gleich, mit ſchwarzen Fluͤgeln fliehn.
Sonſt rauſcht ein froͤhlicher Ton, wie er in Opern ent - zuͤckt,
Die Saiten durch, und jauchzte Symphonien;
Auch klang ein gaukelnder Tanz, von pantomimiſchen Fuß
Dem ſchwarzen Gott der Hoͤlle vorgetanzt.
Sonſt ſang ein lachender Lied ſiegender Augen Triumph,
Die himmelblau, als wie im Lenz die Luft,
Jn mein empfindendes Herz die ſanfte Liebe gefloͤßt,
Fuͤr die allein mein Herz geſchaffen war.
E 4Doch72Oden und Lieder.
Doch ietzt, verlaßnes Clavier, ſchweiget das ſchmei - chelnde Lied,
Das Hagedorn der Freud und Jugend ſpielt.
Jn Diſſonanzen gehuͤllt, ſchaf ich mir einſam den Ton,
Der meinen Schmerz in finſtern Noten ſagt.
Wenn der erheiternde Stral beſſerer Hofnung mir lacht,
Und nicht mein Flehn der leichte Wind verweht;
Dann ſoll ein ſcherzendes Lied, dir, o Seline, geweiht,
Durch deine Macht den Liebesgott erhoͤhn.
An73Zweytes Buch.
An die Nachtigall.
Du Saͤngerin der Naͤchte,
Du liebe Philomele,
Du ſingeſt ja ſo klaͤglich.
Was iſt dir wiederfahren?
Jch glaube, daß du liebeſt.
Ach! lieber kleiner Vogel,
Jch lieb auch, wie du liebeſt,
Und bin der Stadt entflohen,
Und bin hieher gekommen,
Einmal recht auszuweinen.
Dort in den großen Haͤuſern,
Da iſt man immer luſtig;
Da will man immer lachen;
Da ſollt ich auch mit lachen;
Da bin ich weggelaufen.
E 5Komm,74Oden und Lieder. Zweytes Buch.
Komm, ich will mit dir klagen.
Wie zaͤrtlich kanſt du klagen!
Mich ruͤhren deine Seufzer;
Du ſuchſt wohl die Geliebte,
Die man von dir getrennet.
Mich hat von meinem Maͤdchen
Das Schickſal auch getrennet.
Doch, Vogel, du biſt gluͤcklich!
Sieh nur, du haſt ja Fluͤgel,
Du kanſt ja zu ihr fliegen.
Jch wollte hier nicht ſitzen,
Und um mein armes Maͤdchen
An dieſen Linden weinen.
Haͤtt ich nur deine Fluͤgel;
Wie wollt ich zu ihr fliegen!
Oden[75]

Oden und Lieder. Drittes Buch.

[76]77
An den Freyherrn von Zedlitz.
Mein Zedlitz, wie gluͤcklich biſt du im Umgang der lehrenden Todten!
Die Noth des Dummkopfs kenneſt du nicht,
Wenn ihn in ſeinem Pallaſt die Langeweile verfolget;
Wenn ſie zu hirnloſen Schoͤnen ihn ſcheucht;
Wenn er im wilden Baſſet die leeren Naͤchte durchwa - chet,
Und in dem traurigen Lomberſpiel gaͤhnt;
Wenn ſeinem ekelnden Sinn ſo wenig ſein Pferd, als der Becher,
Noch Maskerade zum Zeitvertreib wird;
Wenn er das Leere nun fuͤhlt, mit dem das Schickſal ihn ſtrafet,
Das ihm zwar Ahnen und Reichthuͤmer gab;
Doch welches dagegen ihn auch der hohen Gaben berau - bet,
Die man nicht immer von Ahnen ererbt;
Dann,78Oden und Lieder.
Dann, Zedlitz, findet man dich im Krais der baͤrtigen Weiſen.
Und bey den Helden des bluͤhenden Roms.
Du wageſt kuͤhn auch alsdann dich zu tiefſinnigen Brit - ten,
Und zu der galliſchen Dichter Geſang.
Wo bleibt alsdann dir der Tag, wo bleibt der Abend des Winters?
Rauſcht er mit eilendem Fittig nicht fort?
Und hat der Morgen nicht oft dich bey der vertrauli - chen Lampe
Auf Miltons Geſaͤnge horchend geſehn?
Welch ein entzuͤckender Troſt iſt die Geſellſchaft der Mu - ſen!
Sie folgen ſelber im Ungluͤck uns nach.
Sie laſſen uns niemals allein; und ſind ſowohl in der Wuͤſte,
Als in bevoͤlkerten Staͤdten bey uns.
An79Drittes Buch.
An den Sylphen Ariel.
Beſchuͤtzer meiner Schoͤne,
Wachſamer Ariel,
Erſchein auf dieſe Toͤne,
Und nimm von mir Befehl.
Selinden zu bewachen,
Sey kuͤnftig dein Beruf!
Nichts muß dich groͤßer machen,
Seit Gabalis dich ſchuf.
Dich finde nicht der Morgen
Bey meines Maͤdchens Putz.
Jn weit erhabnern Sorgen
Beweiſe ſich dein Schutz.
Belindens braunen Locken
Gab Pope dich zur Wacht,
Jetzt nimm ſo unerſchrocken
Selindens Herz in Acht.
Wenn,80Oden und Lieder.
Wenn, uͤberdeckt mit Treſſen,
Der Stutzer um ſie ſchwebt,
Und ſeinen Blick vermeſſen
Der Narr nach ihr erhebt;
So ſcheuche dein Gefieder
Den leeren Stutzer fort,
Und donnre Narren nieder
Durch ein geſcheutes Wort.
Erhalt in ihren Herzen
Den Spott, der ſiegreich iſt,
Wenn in gezwungnen Scherzen
Der Landwitz ſich ergießt.
Ein niederſchlagend Lachen
Bewafn ihr Angeſicht,
Den Junker klein zu machen,
Der aus Baniſen ſpricht.
Be -81Drittes Buch.
Bedeckt nun die Gefilde
Von Abend Thau und Ruh;
So ſetze meinem Bilde
Der Liebe Reizung zu.
Gieb, daß ich ſo ſie ruͤhre,
So wie ſie mich geruͤhrt,
Als ſie an dem Claviere
Mein zaͤrtlich Herz entfuͤhrt.
IIIter Theil. FEin -82Oden und Lieder.
Einladung An H. P. G ---.
Freund, unſer Leben iſt kurz, der Thoren aber ſind viel,
Die uns die theuren Stunden entziehn.
Sey geitzig, Freund, auf die Zeit, die uns die Freund - ſchaft noch goͤnnt.
Es ſey uns jede Stunde, wie Gold.
Schon lange gruͤnt uns nicht mehr der abgeſtorbene Wald,
Der in den ſuͤſſen Schatten uns rief;
Schon lange ſingt uns nicht mehr der Vogel Zaͤrtlich - keit vor,
Und wuͤſte Stuͤrme brauſen daher.
Der Schenktiſch laͤchelt zwar auch in Strephons praͤch - tigem Saal
Aus heitern Caravinen dir zu;
Doch, Freund, der praͤchtige Saal herberget luͤgenden Wein,
Und einen Narren, ſchlimm, wie ſein Wein.
Nein83Drittes Buch.
Nein, G , eile zu mir! wie froh erwartet dich ſchon
Das Weinglas, und mein treues Clavier!
Ein ungeſchwefelter Wein, und von der Lieb ein Ge - ſpraͤch
Geht allen Feſten der Koͤnige vor.
Wer weiß, wie lange das Gluͤck uns hier beyſammen noch laͤßt,
Da es uns immer grauſam getrennt.
Es hat vielleicht uns vereint, um noch grauſamer zu ſeyn,
Wenn es uns wieder ſchrecklicher trennt.
Freund, wo iſt G hin. Er ward uns wieder ge - ſchenkt;
Nun bringt kein Wunſch ihn wieder zuruͤck.
Es fließt ein trauriger Bach tief in das einſame Thal;
Allein er fließt nicht wieder zuruͤck.
O Freund, komm eilig zu mir, und ſcherz den Unmuth hinweg,
Der unſre truͤben Stirnen umwoͤlkt!
Es fliehe Schwermuth und Gram, wenn das helltoͤ - nende Glas
Auf unſrer Freunde Wohlſeyn erklingt!
F 2Auf84Oden und Lieder.
Auf einen Dompfaffen.
O Vogel, den ein gutes Gluͤck
Zu einem Dichter brachte,
Der dich im erſten Augenblick
Zu ſeinem Liebling machte;
Mein Papchen, ſey nicht ſo betruͤbt,
Daß nun ein Kaͤficht dich umgiebt.
Du kanſt zwar nichts, und ſitzeſt ſtumm,
Doch niemand ſoll dich hoͤhnen.
Du biſt, mein Papchen, ſchoͤn und dumm;
Sind das doch viele Schoͤnen.
Soll deiner Farben Pracht vergehn,
So macht dich deine Treu doch ſchoͤn.
Ach85Drittes Buch.
Ach lieber Vogel, koͤnteſt du
Dich zu Selinden ſchwingen,
Und vor der ſuͤßen Abendruh
Mir Nachricht von ihr bringen!
Ach Papchen, fliege doch zu ihr!
Den beſten Zucker geb ich dir.
F 3An86Oden und Lieder
An Herrn Fleiſcher, einen Virtuoſen auf dem Clavier.
O Fleiſcher, umſtroͤme mein Herz mit Meeren ſera - phiſcher Toͤne;
Reiß mich zu ſuͤßen Entzuͤckungen hin!
Du ſpielſt; wie praͤchtig ertoͤnt, die Stimme der maͤch - tigen Tonkunſt,
Durch Silberſaiten des hohen Claviers.
So wie im Tempel, das Chor der unentheiligten Saͤn - ger,
Ein Feſt mit Halleluja begruͤßt;
Und in dem Dom der Triumph der majeſtaͤtiſchen Or - gel
Von heiligen Tagen die Feyer anhebt:
So87Drittes Buch.
So rauſcht Accord durch Accord; doch ſchnell gehn rie - ſelnde Laͤufe,
Und zarte Triller die Saiten hinauf.
Wie aͤngſtlich zittert mein Herz vom Winſeln der klaͤg - lichen Saite,
Die unter dem ſchaffenden Finger erſeufzt.
So weint im horchenden Wald die Nachtigall zaͤrtliche Lieder;
So ſang die Colizzi dem lauſchenden Ohr;
Und ſo weint auch ein Poet in Elegien voll Wehmuth
Um ſeiner Schoͤne fruͤhzeitiges Grab.
Unwillig murret der Baß, daß im Diskante die Sai - ten
Die ſchnelle Rechte heller belebt.
Doch ploͤtzlich brauſeſt du auch mit deiner Linken hin - unter,
Und herrſcheſt zur Oberſtimme den Baß.
F 4Nun88Oden und Lieder.
Nun jauchzt das ganze Clavier, und feyert hohe Ge - ſaͤnge,
Jn Phantaſien voll Anmuth und Pracht.
O Fleiſcher, folgen dir nicht die maͤchtig bezauberten Herzen.
Wie ſonſt dem Thrazier Waͤlder gefolgt?
Der89Drittes Buch.
Der Unwillige.
Man iſt geplagt von allen Seiten!
Man mag ſtets wider Narren ſtreiten,
Sie wachſen doch ſo ſchnell wie Gras.
Zuweilen mag man ſie noch ſehen;
Doch ſtets die Herren auszuſtehen,
Das iſt kein Spaß!
Kleont lud mich vor wenig Tagen;
Und das kan ich mit Wahrheit ſagen,
Daß ich bey ihm recht praͤchtig .
Nicht lange war ich da geweſen,
Da fieng er an ſich herzuleſen,
Das war kein Spaß!
F 5Seline90Oden und Lieder.
Seline ſpricht, daß ſie mich ſchaͤtzet,
Und uͤber alle Menſchen ſetzet;
Allein der Guckguck glaub ihr das.
Oft find ich, was ich ihr nicht ſchenke,
Band, Doſen, Ring, und Ohrgehenke.
Das iſt kein Spaß!
Herr Abgrund zieht mich in die Ecken,
Vom Staat mir etwas zu entdecken,
Und laͤchelt, und vertraut mir was.
Dafuͤr bin ich gar ſchoͤn verbunden;
Er raubt mir meine beſten Stunden.
Das iſt kein Spaß!
An91Drittes Buch.
An den Harz.
O Gegend, ſchrecklich und rauh, wo melancholiſche Berge
Mit ſtarrem Haupt die Gewitter durchſchaun;
Wo um den drohenden Fels die werdenden Donner ſich ſammeln,
Und jede Wolke zum Regenguß wird;
Wo bald im rauſchenden Bach die Kutſche des Reiſen - den wallet,
Bald durch die engſten Felſen ſich zwingt;
Bald auf der Spitze des Bergs die Wolken um ſich begruͤßet,
Und bald in Thaͤlern, gleich Abgruͤnden, irrt;
Wo nur der knarrende Karn von flimmernden Erzten erſeufzet,
Das Thal vom raſenden Puchwerke ſchallt;
Und wo im ewigen Rauch, gleich einem dampfenden Aetna,
Manch Huͤttenwerk weite Gehoͤlze verſchlingt;
Wo92Oden und Lieder.
Wo nur mit blaſſem Geſicht bey Hammerwerken und Gruben
Ein Bergmann etwa die Wege durchkreuzt;
Verſchwindet, wenn man ihn ſieht, faͤhrt in die Tiefen der Erde,
Und laͤßt den Wald ſo oͤd, als er war;
O Harz, wofern auch in dir der laͤchelnde Morgen ſich bildet,
Und Abends Purpur die Felſen bekroͤnt;
So laß auch den heutigen Tag mit aller der Anmuth ſich ſchmuͤcken,
Die einen Harztag zu ſchmuͤcken vermag.
O Donner, rolle du nicht von ungeſelligen Bergen;
Und du, o Sturmwind, ſtuͤrme du nicht.
Der Weſtwind flattre durch euch, ihr tauſendjaͤhrigen Eichen;
Die Tanne rauſche Vergnuͤgen und Ruh;
Daß93Drittes Buch.
Daß ihr Serenen nicht ſchreckt, wenn ſie mit aͤngſtli - chen Augen
Die unabſehlichen Waͤlder erblickt.
Der toͤdtende Huͤttenrauch flieh, von ſanften Weſten zerſtreuet,
Und froͤhlich ruf ihr der Bergmann: Gluͤck auf!
Die94Oden und Lieder.
Die Aufmunterung.
Es iſt ſonſt nicht meine Sache,
Daß ich Complimente mache;
Doch ietzt faͤllt mir manchmal bey,
Ob ich nicht zu furchtſam ſey.
Meinem Freund darf ichs nicht ſagen,
Denn der predigt ſo genug:
Junger Menſch, werd einmal klug.
Freylich muß man etwas wagen.
Wer wird lange fragen?
Neulich ſagt ich, mir iſt bange,
Daß ich Doris nie erlange;
Sie iſt ſo voll kleiner Liſt,
Daß es nicht zu ſagen iſt.
Ey, (ſprach er,) wer wird verzagen?
Sagt ihr zaͤrtlich Auge nicht
Alles das, was ſie nicht ſpricht?
Soll ſie denn ausdruͤcklich ſagen:
Wer wird lange fragen?
Liebes95Drittes Buch.
Liebes Maͤdchen, laß dich kuͤſſen,
Sagt ich zaͤrtlich zu Clariſſen,
Doch das Maͤdchen that ganz breit;
Ey, wer kuͤßt die ganze Zeit?
Gleich drauf, ohn ein Wort zu ſagen,
Macht ich mir von neuem Muth,
Kuͤßte ſie; und es war gut.
Und ihr Auge ſchien zu ſagen:
Wer wird lange fragen?
Der96Oden und Lieder.
Der Eisbrunn.
Der du vom nackenden Fels im Krais der finſtern Ge - buͤſche
Dich ſammelſt, und in die Wieſe dich ſchlingſt;
O Quell, der Lieder verdient, ſo wie Blanduſiens Quel - len,
Dich ſingt mein Lied in die kommende Welt.
Schon ſieht mein heiterer Blick von fern den mooſich - ten Eichbaum,
Der uͤber den kahlen Felſen ſich neigt;
Und der durch duͤrres Geſtein, mit halbverdorreten Wur - zeln,
Zu deinen wohlthaͤtigen Wellen ſich dringt.
O du kryſtallener Quell, zu dir komm ich mit Selinen,
Dein angenehmes Geſtade zu weihn.
Mit einem lachenden Strauß will ich den Sonnenhut zieren,
Von dem die ſchimmernde Schleife ſich kruͤmmt.
Und97Drittes Buch.
Und aus der ſilbernen Fluth will ich die Wangen bene - tzen,
Die ihr mein Blick oft mit Unſchuld gefaͤrbt.
Zu gleichem Scherze bereit, wird ſie mich laͤchelnd be - ſprengen,
Und dankbar kuͤß ich die raͤchende Hand.
So zaͤhlt der Enkel dich einſt zu jenen unſterblichen Quellen,
Weil ich die rauſchenden Eichen geruͤhmt,
Jn deren Schatten zuerſt ich ſanfterroͤthend Selinen,
Die ſchoͤnſte Hand, mit Empfindung gekuͤßt.
IIIter Theil. GDer98Oden und Lieder.
Der Adel. An den Freyherrn von G ---.
Freund, der Adel, der dich unterſcheidet,
Den der Buͤrger ſpottend oft beneidet,
Dieſer Vorwurf in ſo viel Satyren
Wird dich ſtets zieren.
Wer gewohnt iſt, ſo, wie du, zu denken,
Und zur Weisheit ſeinen Trieb zu lenken,
Der ſtolziert nicht auf zerrißne Fahnen
Ruhmwerther Ahnen.
Er gebraucht nur, leichter ſich zu heben,
Was ein Zufall ihm umſonſt gegeben;
Da der Ruhm und Glanz von Wapenſchilden
Nicht Helden bilden.
Stand99Drittes Buch.
Stand und Adel von dem Muth gebohren
Wird zur Thorheit bey den ſtolzen Thoren.
Und wie oͤfters blaͤht die hohe Dame
Nichts, als ihr Name.
Hat ſie etwa angenehmre Wangen?
Lacht ihr Auge zaͤrtlicher Verlangen?
Und zeigt ſie uns etwa hoͤhre Sinnen
Als Buͤrgerinnen?
Jſt der Junker zum Soldaten beſſer?
Jſt ſein Fortgang in der Weißheit groͤßer?
Oder iſt er, wenn Parteyen ſprechen,
Nicht zu beſtechen?
G 2Freund,100Oden und Lieder.
Freund, du weißt es, einen wahren Weiſen
Muß die Nachwelt, ohne von, auch preiſen;
Da der Ritter, der den Fuchs bekrieget,
Vergeſſen lieget.
Dich G , braucht kein Stand zu heben;
Du wirſt ewig durch dich ſelber leben.
Auch als Buͤrger muͤßt es dir gelingen,
Dich hoch zu ſchwingen.
Ein -101Drittes Buch.
Einladung an einen Freund auf dem Harze.
Fliehe doch einmal, o Freund, aus zugeſtoͤberten Thaͤ - lern,
Welche ſo bald noch die Sonne nicht ſehn.
Biſt du von Stuͤrmen nicht taub, die hohe Tannen durchbrauſen?
Wuͤnſcheſt du ewig in Bergen zu ſeyn?
Komm in die muntere Stadt! Jn einem fluͤchtigen Schlitten
Fliegeſt du uͤber den glaͤnzenden Schnee.
Froͤhlicher ſchuͤttelt dein Roß ſchon alle die jauchzenden Schellen;
Froͤhlicher ſetzt es den Reigerbuſch auf.
G 3Eine102Oden und Lieder. Drittes Buch.
Eine bezauberte Welt wird deinen Augen ſich oͤfnen,
Wenn ſich die praͤchtige Scene dir zeigt;
Wenn du den Helden im Glanz, und ſeine ſingende Schoͤne
Unter den Wundern der Oper erblickſt,
Waͤlder, und wallendes Meer, und Goͤtter, Helden, und Drachen,
Schlachten zu Land und zu Waſſer ſiehſt du.
Zeiget dir dieſes der Harz? Singt dort der heiſere Cantor,
Wie der verſchnittne Verliebte hier ſingt?
Aber wofern dich zu uns auch nicht die Herrlichkeit lo - cket,
Welche das bunte Theater verſpricht;
Siehſt du doch Carlen am Hof, und an dem Himmel die Sonne!
Siehſt du die oftmals des Winters im Harz?
Oden[103]

Oden und Lieder. Viertes Buch.

[104]105
An den Verfaſſer der Oden, Lieder und Erzaͤhlungen*)Stuttgard 1751..
Der du mit kuͤhnem Schwung, gleich einem thraci - ſchen Adler,
Fern von gemeinen Hoͤhn der ſklaviſchen Saͤnger dich hebeſt,
O Freund, verachte den Schwarm, der niedre Ketten noch liebet,
Womit das Vorurtheil ihn angeſchmiedet hat.
Umſonſt beneidet er des Saͤngers muthige Frey - heit,
Der nie das Laſter ſchont, wenn es auch Purpur beklei - det.
Poetenpoͤbel wird nie zu dieſer Freyheit ſich ſchwingen;
Jhn blendet noch zu ſehr der Titel, und die Macht.
G 5Doch,106Oden und Lieder.
Doch, Huber, wenn du dich mit deinen freymuͤ - thigen Liedern
Vom unterthaͤnigen Schwarm der kriechenden Reimer entferneſt:
O ſo vergiß nicht, o Freund, daß du in Deutſchland noch ſingeſt,
Das nicht die Freyheit kennt, die einen Britten hebt.
Nicht hohen Stand zu ſcheun, und keinen Reich - thum zu fuͤrchten;
Vom Laſter nicht verfolgt, vom Laſter ſicher zu ſchrei - ben;
Die Freyheit herrſchet allein auf jener gluͤcklichen Jn - ſel,
Wo man Unſterblichkeit auch mit Guineen lohnt.
Der107Viertes Buch.
Der Abend.
Der Abendſtern winkt unſrer Erde
Die Ruh am Horizont herauf;
Des Tages Arbeit und Beſchwerde
Hoͤrt auf dem ſtillen Erdkrais auf.
Der Landmann, deſſen ſtille Huͤtte
Der Gott des Schlafes gern bewohut,
Tritt vor die Thuͤr mit ſchwerem Schritte,
Und ſieht mit Gaͤhnen in den Mond.
Doch in der Stadt im weiten Zimmer
Spuͤlt man die großen Glaͤſer aus,
Und bey des Wachslichts ſtolzem Schimmer
Erhebet ſich der Abendſchmaus.
Da108Oden und Lieder.
Da ſchimmern Weſten bey den Hauben,
Da herrſcht und jauchzt der freye Spaß;
Und treuer Saft aus rheinſchen Trauben
Stuͤrzt unaufhoͤrlich in das Glas.
Doch, Freund, was machſt du mit dem Weine,
Der ſchlechtgenuͤtzt ſein Lager druͤckt?
Und warum hat ihn von dem Rheine
Der milde Weingott dir geſchickt?
Jch ſeh ſchon, wie auf deinem Saale
Die Trunkenheit, nicht Bacchus, rauſcht;
Freund, man entheiligt die Pokale,
Wenn man ſich ſo, wie ihr, berauſcht.
O! daß109Viertes Buch.
O! daß in ungewuͤrzten Zuͤgen
Der edle Saft verſchwendet wird;
Und daß der Menſch auch im Vergnuͤgen
Zu ſeiner Schande ſtrafbar irrt!
Nur Freunde, die ſich gluͤcklich duͤnken,
Wenn ſie dem Becher Lieder weihn;
Wir, Freund, wir muͤßten mit dir trinken,
So wuͤrde dir dein Wein, erſt Wein.
An110Oden und Lieder.
An Selinen.
Was iſt der Muſe Pflicht an dieſem feſtlichen Tage,
Der deinen holden Namen fuͤhrt;
Als daß ſie ihn fuͤr ſich in ſtiller Einſamkeit feyret,
Und ihm die Winterblumen weiht.
Du, Knabe, nimm zur Hand die lockenſchaffenden Ei - ſen,
Und kraͤusle mir mein braunes Haar!
Verſchwende deine Kunſt in ſanfterduftenden Locken
Von Puder und von Roſenoͤl!
Jch will geputzter ſeyn, als ein beſiegender Juͤngling,
Auf den ſein weißes Maͤdchen hoft;
Den Pracht und Jugend ſchmuͤckt, und dem Verlangen und Liebe
Die aufgebluͤhten Wangen faͤrbt.
Der111Viertes Buch.
Der ſchoͤnſte Weihranch ſoll mein heitres Zimmer durch - dampſen,
Daß Gram und ſchwere Duͤnſte fliehn.
Und der geſchmuͤckte Tiſch, mit indiſchem Thone bede - cket,
Soll unter meinem Spiegel ſtehn.
Auf dem will ich dies Lied zu einem Opfer dir bringen,
Nebſt einem bunten Blumenſtrauß;
Und fuͤr ein beſſeres Gluͤck ſchick ich die treueſten Wuͤn - ſche
Zu dem verſoͤhneten Olymp.
Auch ſoll mein Saitenſpiel in ſeinen ſanfteſten Toͤnen
Zum allzuharten Schickſal flehn.
Sang eine Leyer doch ein Maͤdchen aus dem Gebiete
Des fabelhaften Hoͤllengotts.
Er -112Oden und Lieder.
Erhoͤre meinen Wunſch, o unerbittliches Schickſal,
Da dieſer Wunſch nicht eitel iſt!
Laß mich Selinens Haar mit Wintergruͤne bekraͤnzen,
Wenn dieſer Tag mir wieder lacht.
Die113Viertes Buch.
Die Linde.
Du majeſtaͤtſche Linde,
Worunter oft Lucinde
Mit ruhigem Gemuͤth
Der Nacht entgegen ſieht;
O ſchuͤtte von den Aeſten,
Bewegt von ſanften Weſten,
Der Bluͤthen ſuͤßen Duft
Jn die gekuͤhlte Luft.
Die einſame Lucinde
Genießt dich nur, o Linde,
Und koͤmmt, als Nachbarin,
Jn deinen Schatten hin.
Von Bluͤthen uͤberdecket
Haſt du ihr Herz erwecket;
Wie oft hat deine Pracht
Sie nicht entzuͤckt gemacht!
IIIter Theil. HSo114Oden und Lieder.
So bald die erſten Stralen
Die wilden Huͤgel malen,
Gruͤßt dich der Voͤgel Ton,
Und auch Lucinde ſchon.
Und wenn, mit traͤgen Roſſen,
Der Ackersmann verdroſſen
Nach ſeinen Huͤtten zieht,
Gruͤßt dich ihr muntres Lied.
O bluͤhe fuͤr Lucinden!
Jhr Herz nur kan empfinden,
Durch weſſen ſtarke Macht
Dein Haupt in Wolken lacht.
Mehr kan ein Kleiſt nicht fuͤhlen,
Wenn er, am Bach im Kuͤhlen,
Auf Thomſons Laute ſpielt,
Als hier Lucinde fuͤhlt.
Es115Viertes Buch.
Es ſchleicht mit ſtillen Schritten
Der Abend um die Huͤtten,
Der hohe Wald wird grau,
Und Wieſen traͤnkt der Thau;
O ſchicke durch die Luͤfte
Viel tauſend ſuͤße Duͤfte,
Zum Anwunſch ſanfter Ruh,
Lucindens Fenſter zu!
H 2An116Oden und Lieder.
An Herrn E --.
O E , huͤlle dich nicht in Melancholey!
Verlaß die Grotte, die du bewohnſt,
Und ſitze nicht immer allein beym klagenden Young,
Jn ſchwarze Nachtgedanken verwoͤlkt.
Schon ziehn die Stuͤrme daher vom brauſenden Harz;
Der Blocksberg dampfet ſchon Wetter herab.
So wie der Preußen Armee vom Berge ſich waͤlzt,
So ziehn die Wolken feindlich vom Harz.
Denk an die dunkele Zeit, in Stollberg verweint,
Da du des Unmuths Vaterland ſahſt.
Orkane wurden da jung, und reiſ’ten mit dir;
Jetzt naht ſich dieſe ſchreckliche Zeit.
Komm,117Viertes Buch.
Komm, Freund, und heitre ſie auf! Schon war - tet Caffee,
Und ein wohlthaͤtiger Ofen auf dich!
Dem Tobacksgotte brennt ſchon ein flammendes Licht,
Das raͤchend ſchlechte Verſe verzehrt.
Nun, E , iſt es ein Jahr, daß wir dich hier ſahn;
Jch weihe dieſen Abend mit Wein.
Wie herrlich blinkt er im Glas! Komm, ſtoß mit mir an;
Seline, Cleon, und Doris, und Du!
H 3Das118Oden und Lieder.
Das ſchlafende Maͤdchen.
Die Goͤttin ſuͤßer Freuden,
Die Nacht, ſtieg aus dem Meer,
Und ſanfter Liebe Leiden
Sang keine Floͤte mehr;
Der Mond mit blaſſem Scheine
Verſilberte die ſtillen Haine.
Da fuͤhrte mich die Liebe
Zu meinem Maͤdchen hin.
Jch fand ihr Aug oft truͤbe
Aus Lieb und Eigenſinn;
Und niemals durft ichs wagen,
Jhr was von Kuͤſſen vorzuſagen.
Nach -119Viertes Buch.
Nachlaͤßig hingelehnet,
Schlief ſie ietzt am Clavier.
Zur Ehrfurcht ſters gewoͤhnet,
Naht ich mich nicht zu ihr;
Doch weckten ihre Wangen
Mein ganzes zaͤrtliches Verlangen.
Wenn Weſte ſich liebkoſen,
Lacht ſo nicht ihr Geſicht;
Und ſo ſchoͤn ſchlaͤft auf Roſen
Die Blumengoͤttin nicht.
Jn ihren ſanften Mienen
War nie der Himmel mehr erſchienen.
H 4Kanſt120Oden und Lieder.
Kanſt du ſie ietzt nicht kuͤſſen,
So kuͤſſeſt du ſie nie!
So wollt ich mich entſchlieſſen
Ach! da erwachte ſie!
Nichts konte mehr mich ſtrafen!
Sie wird ſo ſchoͤn nicht wieder ſchlafen!
An121Viertes Buch.
An den Baron von S --.
Freund, ſetze dich ruhig zu mir im Schatten hoher Orangen,
Umwoͤlket vom paradieſiſchen Duft!
Doch ſitzeſt du lieber vielleicht in jenem heiligen Dunkel
Des ſchattenreichen Caſtanienwalds?
Du wirſt mich bald nicht mehr ſehn! Viel Meilen voll Waͤlder und Felſen
Sind zwiſchen uns, eh noch die Thraͤne verſiegt.
Dann wirſt du nicht mehr mich ſehn; nicht unter den zackichten Tannen,
Nicht mehr am Springbrunn der großen Allee.
Wenn ich nun weg bin, o Freund, wenn du die zaͤrt - liche Stimme
Der holden Freundſchaft durch mich nicht mehr hoͤrſt;
Wenn meine Pflicht dich nicht mehr zu edlen Thaten er - mahnet,
Und zur Umarmung der Muſen dich lockt;
H 5Wenn122Oden und Lieder.
Wenn ich nun weg bin, und fern von mir, und fern von dem Vater,
Den dir der Himmel zur Nachfolge ſetzt,
Du ſelbſt Geſetze dir giebſt: ſo folge doch immer dem Glanze,
Jn dem die himmliſche Tugend erſcheint!
Sey groß, nicht durch die Geburt, die oft auch Tho - ren erhoͤhet,
Groß durch ein edles gefaͤlliges Herz.
Hoͤr nicht den ſchmeichelnden Ruf der Wolluſt, welche dich hindert,
Zum ewgen Tempel der Ehre zu gehn.
So werd ich mit froͤhlichem Blick in aller Entfernung dich ſegnen,
Wenn du die gegebne Hofnung erfuͤllſt.
So wird, zufrieden mein Herz, in ſuͤßen Freuden er - zittern,
Wenn du mit reinem Leben mich lohnſt.
Der123Viertes Buch.
Der Befriedigte.
Jetzt, da die Erde ſich verjuͤngt,
Und jeder Vogel Freude ſingt;
Jetzt ſollt ich Brunnenflaſchen leeren?
Das plaudert mir kein Doktor ein.
Gebt mir die Flaſchen voller Wein!
Das laͤßt ſich hoͤren!
Was Bav in einem Abend ſchreibt,
Wenn Pflicht und Amt dazu ihn treibt,
Das laſſe, wer da will, ſich lehren.
Jch lobe, was, ohn Amt und Pflicht,
Mein Damon beym Burgunder ſpricht.
Das laͤßt ſich hoͤren!
Spe -124Oden und Lieder.
Speront reimt, doch er reimt fuͤr ſich.
Was thut das? Jhr ſeyd wunderlich;
Das kan ihm ja kein Menſch verwehren.
Daß ihr euch, ihn zu leſen, ſcheut.
Daß ihr nicht ſeine Freunde ſeyd
Das laͤßt ſich hoͤren!
Man ladet mich in Gaͤrten ein.
Sie werden uns willkommen ſeyn
Allein, ich fuͤrchte ſie zu ſtoͤren.
Es iſt wohl viel Geſellſchaft da?
Es geht noch. Daphne Daphne? Ja!
Das laͤßt ſich hoͤren!
Die125Viertes Buch.
Die Geige. An den Freyherrn von Zedlitz.
Hier liegt ſie wartend und ſtill, die Cremoneſiſche Laute,
Kein Glanz verraͤth den bezaubernden Ton.
Jn prachtloſer Einfalt hat ſie der welſche Kuͤnſtler er - ſchaffen;
Noch ſchlafen die Harmonien in ihr.
Wer nimmt den Bogen, o Freund, und folget dem maͤchtigen Benda?
O! ſingt uns niemand vom Benda ein Lied?
Was hoͤr ich? Taͤuſchet das Ohr der zaͤrtlichſten Saͤn - gerin Stimme,
Wenn ſie verſchwindende Triller hinſeufzt?
Jſt126Oden und Lieder.
Jſt dies ein Kuͤnſtler allein? Auf einer einzigen Geige
Rauſcht er vollſtimmig, als wie ein Concert?
Welch ein entzuͤckender Ton, der ſich, wie Farben in Farben,
Jn andern Toͤnen unmerklich verliert!
Tief unten brauſet das G, mit einer donnernden Stim - me,
Furcht und Entſetzen zum ſtaunenden Ohr.
So wie ein wilder Orkan, in Hoͤhlen des Harzes ver - ſchloſſen,
Die ſchallenden Felſen murmelnd durchbruͤllt.
Und in der helleſten Hoͤh, der oft der Stuͤmper ent - ſtuͤrzet,
Ertoͤnt reinklingend der ſilberne Ton.
Die hoͤchſte Note klingt ſtark, wie an dem Thurm der Pagode
Das kleinſte Gloͤckchen harmoniſch erklingt.
Auf127Viertes Buch.
Auf Virtuoſen ſey ſtolz, Germanien, die du gezeuget.
Jn Frankreich und Welſchland ſind Groͤßere nicht.
Klopſtocke zaͤhlſt du nicht viel. Jhn lohnt der nordiſche Ludwig;
O! hatteſt du keine Belohnung fuͤr ihn?
Die128Oden und Lieder.
Die Wolken.
Der bunte Wald verbluͤhte;
Die ſchwuͤle Sonne gluͤhte:
Als ich am kuͤhlen Nachmittag
Jm Schatten einer Linde lag.
Da ſah ich mit Vergnuͤgen
Die leichten Wolken fliegen;
Sie flogen nach der Gegend hin,
Jn der ich oft im Geiſte bin.
Nach welchem Himmelstheile
Fliegt ihr, wie ſchnelle Pfeile,
Rief ich der einem Wolke nach,
Die aus der dunkeln Tiefe ſprach:
Hoch129Viertes Buch.
Hoch uͤber dieſe Huͤgel
Traͤgt uns des Windes Fluͤgel;
Wir kommen von dem Ocean,
Und laufen die beſtimmte Bahn.
Da ſprach ich zu dem Kinde
Des Meeres und der Winde:
Wie gluͤcklich ziehſt du an den Ort
Von allen meinen Wuͤnſchen fort.
Vielleicht wirſt du Selinden
Jm heitern Garten finden,
Wie ſie, von dickem Laub beſchuͤtzt.
An hohen Eichen einſam ſitzt.
Schwebt dort auch in den Luͤften
Ein Heer von ſchwuͤlen Duͤften;
So maͤßige der Sonne Gluth,
Daß ſie in kuͤhlen Schatten ruht.
IIIter Theil. JAn130Oden und Lieder.
An Herrn E --.
Freund, Freund! die Jahre fliehn hin, ſo wie ein ſtaͤubender Bach,
Der von dem ſteilen Felſen fliegt;
Und wie ein fliehender Weſt, wenn er dem bluͤhenden Gras
Jn ſchneller Flucht die Spitzen beugt.
Meynſt du, ſie kommen zuruͤck, wenn ſie uns einmal entflohn?
Nein, Freund, auf ewig ſind ſie hin.
Nicht Wuͤnſche halten ſie auf, und keine Leyer ſingt ſie
Aus der Vergeſſenheit zuruͤck.
Und dennoch liebſt du noch nicht? O Freund, beſchaͤft - ge dein Herz,
Da es noch zart und fuͤhlend iſt;
Eh unbarmherzig die Hand des Alters uͤber dich faͤhrt,
Und Runzeln auf die Stirne kruͤmmt.
Der131Viertes Buch.
Der Himmel ſchuf nicht umſonſt dein leichtempfinden - des Herz;
Es muß doch wo ein Maͤdchen ſeyn,
Das auf den Juͤngling noch hoft, dem ſie die Seufzer verraͤth,
Und dem ihr loſes Auge lacht.
Sie geht mit irrendem Schritt im oͤden Garten her - um,
Und windet einen Blumenſtrauß,
Und ſieht ihn ſehnſuchtsvoll an; Die Thraͤne zittert herab,
Daß ſie ihn keinem ſchenken kan.
O E , ſuche ſie doch, damit das Maͤdchen nicht weint,
Daß ihre ſchoͤnen Tage fliehn!
Du biſt ein Menſch, ein Poet. Gedoppelt iſt dein Beruf,
Zu lieben, eh dein Lenz verſtreicht.
J 2Das132Oden und Lieder.
Das Clavier.
Du Echo meiner Klagen,
Mein treues Saitenſpiel,
Nun koͤmmt nach truͤben Tagen
Die Nacht, der Sorgen Ziel.
Gehorcht mir, ſanfte Saiten,
Und helft mein Leid beſtreiten
Doch nein, laßt mir mein Leid,
Und meine Zaͤrtlichkeit.
Wenn ich untroͤſtbar ſcheine,
Lieb ich doch meinen Schmerz;
Und wenn ich einſam weine,
Weint doch ein liebend Herz.
Die Zeit nur iſt verlohren,
Die ich mit goldnen Thoren,
Bey Spiel und Wein und Pracht,
So fuͤhllos durchgelacht.
Jhr133Viertes Buch.
Jhr, holde Saiten, klinget
Jn ſanfter Harmonie!
Flieht, was die Oper ſinget,
Und folgt der Phantaſie.
Seyd ſanft, wie meine Liebe,
Beſinget ihre Triebe,
Und zeigt durch eure Macht,
Daß ſie euch ſiegend macht.
J 3Die134Oden und Lieder.
Die Doſe.
Du Hausgeraͤth bey Thoren und bey Weiſen,
Dich, Doſe, ſoll die Leyer dankbar preiſen,
Vom Ceremoniel im Lehnſtuhl angekettet,
Haſt du oft unbemerkt vom Sprechen mich errettet.
Wenn ich gefuͤhlt, wie ſteif ich da geſeſſen,
Beym Dummkopf ſtumm, ſo nahm ich nur vermeſſen
Und voller Stolz Rappee; und ohne mein Bemuͤhen
Sah ich das finſtre Weib, die Langeweile, fliehen.
Es fehlt uns nie an Zuflucht in dem Leben.
Der Faͤcher ward dem Frauenvolk gegeben;
Geſchickt darauf zu ſehn, ihn auf und zu zu machen,
Bewahrt die Kluͤgſten oft vor Plaudern und vor Lachen.
Ein135Viertes Buch.
Ein gutes Gluͤck hat uns die Doſ erfunden.
Sie ſey mein Troſt in langen trocknen Stunden!
O Schickſal! ſoll ich oft mich bey Viſiten quaͤlen,
So laß nur nie Rappee der treuen Doſe fehlen!
J 4Die136Oden und Lieder.
Die Landſchaft.
Geliebtes Feld, dein aufgeklaͤrter Himmel,
Der ſanft und rein um ſtille Fluren fließt,
Empfange mich vom Laͤrm und vom Getuͤmmel
Der weiten Stadt, wo Unmuth mich umſchließt.
Wie froͤhlich ſteigt aus ſilberfarbnen Wellen
Das Morgenroth zum feuchten Horizont!
Der graue Wald, den Luſt und Tag erhellen,
Zeigt in der Hoͤh die Wipfel ſchon umſonnt.
Die Lerche fliegt in muſikalſchen Schaaren
Mit ſuͤßer Stimm auf ſichren Haiden fort;
Und fuͤrchtet nicht des falſchen Garns Gefahren,
Und fuͤrchtet nicht des Feuerrohres Mord.
Voll137Viertes Buch.
Voll Anmuth lockt das bluͤhende Geſtade,
Die Ocker fließt mit ſanftern Wellen fort;
Am Ufer tanzt die lachende Najade,
Der Tanz und Weſt ihr fliegend Haar verwirrt.
Der wilde Buſch, von Bluͤten uͤberſchneyet,
Beſieht ſich ſtolz in ſpiegelklarer Fluth;
Sie fließt dahin, von keinem Sturm entweihet,
So rein und ſtill, wie Silber in der Gluth.
Es haͤngt indes an Klippen voller Weide
Der baͤrtge Bock, der die Geſtraͤuche nagt;
Da unbeſorgt der Hirte Lieb und Freude
Auf heiſerm Rohr den oͤden Felſen ſagt.
J 5O Ein -138Oden und Lieder. Viertes Buch.
O Einſamkeit, duͤrft ich mich dir ergeben!
Hier herrſcheſt du im ungeſtoͤrten Hain.
Warum muß ich im Laͤrm der Staͤdte leben?
Hier koͤnnt ich froh, wie dieſer Hirte, ſeyn!
Oden[139]

Oden und Lieder. Fuͤnftes Buch.

[140]141
An das Schiff, welches Klopſtocken nach Daͤnnemark fuͤhrte.
O! der guͤnſtigſte Wind ſchwelle dein Seegel auf,
Leichtes Fahrzeug, das ietzt uͤber die Wogen hin
Mit dem Dichter und Freund, jeder Bewundrung werth,
Zu den daͤniſchen Ufern fliegt.
Leuchte, ſilberner Mond, in der geſtirnten Nacht
Seinem einſamen Pfad, uͤber die ſtille Fluth!
Und du ſchuͤtzender Geiſt, ihm vom Olympus geſchickt,
Bring ihn ſicher ans treue Land!
Mehr142Oden und Lieder.
Mehr als menſchlich ſchlug dem in der geſtaͤhlten Bruſt
Das gepanzerte Herz, welcher dem leichten Holz
Auf der trotzigen See, unter der Winde Wuth,
Kuͤhn ſein Leben zuerſt vertraut.
Der den weſtlichen Sturm, oder den wilden Suͤd,
Und den dunkeln Orkan uͤber ſich brauſen ließ;
Nicht des Siebengeſtirns Einfluß gefuͤrchtet hat,
Noch der truͤben Hyaden Zorn.
Den im brauſenden Meer ſchwimmender Ungeheur
Lange Schaaren umringt; den Leviathan oft
Stuͤrmend nachgefolgt iſt, wenn er in wilder Luſt
Stroͤme gegen die Wolken blies.
Hatte143Fuͤnftes Buch.
Hatte zehnfacher Tod furchtbare Schrecken gnug,
Fuͤr den Brittiſchen Mann, welcher die Welt umſchift?
Der Horns Vorgebirg ſah, ohne verzagt zu ſeyn,
Und die Felſen um Staatenland?
Nur vergebens dehnt ſich zwiſchen den Jndien
Und der aͤlteren Welt, weites Gewaͤſſer aus;
Durch den Ocean ſteurt ſicher Columbus fort,
Und gruͤßt donnernd die neue Welt.
Jm entwendeten Blitz ſchrecklich, den Goͤttern gleich,
Tritt er ſiegreich ans Land; weſtlicher Reichthum fließt
Jn das maͤchtige Schiff, welches mit Fittigen
Durch das ſtaunende Weltmeer flog.
Doch144Oden und Lieder.
Doch es brachte zu uns dieſes Verwegnen Schiff
Mit dem neueren Gold neuere Laſter auch.
Durch Gewuͤrze geſtaͤrkt, eilte der Seuchen Gift
Schneller unſeren Herzen zu.
Jene ſchwelgende Stadt hob nun ihr ſtolzes Haupt,
Stolz durch indiſches Gold, gegen die Wolken auf.
Jhr geſchminktes Geſicht ſpiegelte Hochmuthsvoll
Jn den Wellen des Tagus ſich.
Aber raͤchend ergrif Gott den verborgnen Blitz,
Daß die Veſten der Welt unter ihm bebeten.
Und ſein Feuer fuhr aus, fraß die verderbte Stadt
Und die Schloͤſſer der Koͤnige.
An145Fuͤnftes Buch.
An Herrn Prof. Gaͤrtner.
Mein Gaͤrtner, ſieh, der rauhe Harz
Glaͤnzt, weiß von hohem Schnee;
Und von bereiften Kiefern haͤngt
Kandirtes Eis herab!
Die Ocker rauſchet ſtiller fort,
Die blaue Well erſtarrt;
Und uͤber kahle Felder faͤhrt
Der flockenreiche Sturm.
Komm an den freundlichen Camin!
Mit unſparſamer Hand
Thuͤrm ich, den jungen Buchenwald,
Zu hellen Flammen auf.
IIIter Theil. KDie146Oden und Lieder.
Die reine Quelle brauſet ſchon
Jm ehernen Gefaͤß.
Die guͤldne Frucht Heſperiens
Saugt hellen Zucker ein.
Und nun dampft aus dem irdnen Meer
Der koͤnigliche Punſch.
Heil, England, dir! Heil dir! o Mann,
Der uns den Punſch erfand!
Jetzt lachen wir des Winters Wuth,
Der um die Fenſter ſtuͤrmt;
Und ſprechen Weisheit, hochentzuͤckt,
Jndem die Schale raucht.
Die147Fuͤnftes Buch.
Die Pantomime. An Herrn Sekr. Gl. in H ---.
Von tauſend Seufzern beſtuͤrmt, bewegt ſich praͤchtig und ernſthaft
Der majeſtaͤtiſche Vorhang vor uns.
Auf einmal rauſcht er empor! Schon lag vor warten - den Augen
Die ſchimmernde Pantomimenwelt da.
Schon borſten Felſen entzwey! ſchon brannt im inner - ſten Abgrund
Die Gluth der Hoͤlle, gemalt auf Papier;
Da ſtroͤmten Waſſer dahin; da tanzten ſcheckigte Teufel
Vor ihrem Koͤnig im rothen Gewand.
K 2Do148Oden und Lieder.
Doch alles wartete noch, es pochten die ſeufzenden Her - zen;
Da trat ſie, die Zauberin, ſiegend hervor,
Und ſchnell lief Jauchzen und Luſt durch alle frohen Geſichter,
Ah ſagte Juͤngling und Alter zugleich.
Sie gieng mit ſiegendem Stolz, ſo wie die Goͤttin der Liebe,
Von Amouretten begleitet, daher;
Jhr weißes wallendes Haar floß auf dem blendenden Buſen,
Und jedes Herz ward durch ſie beſtrickt.
Von hohem Mitleid entbrannt, ſprach ihr gefaͤlliges Auge
Troſt in des armen Harlekins Herz.
Getroͤſtet, kniet er vor ſie; und kuͤßt ihr die Hand mit Entzuͤcken,
Und in Gedanken kuͤßt jeder mit ihm.
Auf149Fuͤnftes Buch.
Auf einmal ſah ich erſtaunt, an ihre Seite gelehnet,
Den Gott der Liebe, mit Bogen und Pfeil.
Und bey ihm lag noch geſpitzt ein ganzer Haufe von Pfeilen,
Die er mit moͤrdriſchen Augen beſah.
Wie grauſam ſchoß er umher! Es flog vom bunten Theater,
Gewiß des Sieges, der ſauſende Pfeil.
Ein jeder grif ſich ans Herz, und fand ſein Herz ſchon verwundet,
Und zog den toͤdlichen Pfeil aus der Bruſt.
So wie Ulyſſes ehmals den ſtarken Bogen geſpannet,
Und ſiegend Freyer auf Freyer gehaͤuft;
So ſiegt des Liebesgotts Pfeil. Es fielen Freyherrn auf Freyherrn,
Und Gnaden auf Excellenzen dahin.
K 3O G 150Oden und Lieder.
O G wie gieng es dir da! Jch ſah dein Antlitz ver - wandelt,
Da dich der Pfeil des Kupido verletzt.
Freund! rief ich; aber ſchon war mein warnender Zuruf vergebens,
Dich zog die ſtolze Siegerin fort.
Ach! daß die Liebe geſiegt! daß unſer G ſo gefallen,
Der Held, der gluͤcklich die Liebe geflohn!
Nun traͤgt er Ketten, und ſeufzt, und ſchmuͤckt der Sie - gerin Wagen,
Und ſinget traurige Lieder ihr nach.
An151Fuͤnftes Buch.
An den Herrn Rittmeiſter von S --.
Du wafneſt dich, o junger Held,
Mit deiner Ahnen Speer;
Und ziehſt hin in den dunkeln Streit
Des Siegers Adlern nach.
O ruͤſte nicht den holden Blick
Mit Finſterniß und Tod;
Und ſchmiede nicht mein Vaterland
Jn neue Ketten ein!
Wer weiß, wo von den Mauren dich
Ein braunes Maͤdchen ſieht,
Das klaͤglich nach dem Vater weint,
Den du gefangen fuͤhrſt.
K 4Jhr152Oden und Lieder.
Jhr maͤchtig Aug entwafnet dich;
Du ſiehſt dich zaͤrtlich um,
Und ſchlieſſeſt Frieden, welchen kaum
Dein Heldenmuth verwuͤnſcht.
An153Fuͤnftes Buch.
An Herrn von St --
St --, warum ietzt das glaͤnzende Feld an der krieg - riſchen Donau
Unter dem ſtreifenden Ungar entflieht;
Oder der eiſengeharniſchte Reuter, der wilde Pandure,
Zu der Jablunka Gebirge ſich draͤngt;
Was geheim in der Seele der groſſe Friedrich beſchlieſ - ſet,
Wenn er vor Legionen ſich ſtellt,
Die, wie ein ſchweres Gewitter am langſam donnern - den Himmel,
Schrecklich und dunkel zum Schlachtfelde ziehn;
St --, dies laß uns nicht forſchen. Wir brauchen zur Freude des Lebens
Oeſterreichs Schwerdt nicht, nicht Galliens Heer.
Ach! wie entflieht uns ſo ſchnell die leichte heitere Ju - gend,
Mit ihr die Freude, die Liebe, der Scherz!
K 5Phoͤbe154Oden und Lieder
Phoͤbe lachet nicht immer mit hellem Geſicht aus den Wolken,
Jmmer nicht lacht uns der bluͤhende Lenz.
Wird nicht die Locke ſchon grau? Laß dann die Sorge dem Koͤnig,
Und uns die Freude, den Freund, und den Wein.
Warum wollen wir nicht in laubichten Lindengewoͤlben,
Oder hier unter dem Ulmenbaum ruhn?
Uns mit Roſen bekraͤnzen, und mit der Burgundiſchen Traube,
Weil wir noch leben, die Herzen erfreun?
Vor dem berauſchenden Nektar entfliehen die nagenden Sorgen,
Auch die verhaßte Melancholey flieht.
Kuͤhl uns, o Knabe, den Wein in dieſem ſilbernen Brunnen,
Welcher von ſchallenden Felſen ſich gießt.
Klagen155Fuͤnftes Buch.
Klagen eines ungluͤcklichen Liebhabers.
Erſte Ode.
Denk ihn hinaus den ſchrecklichen Gedanken,
Der maͤchtig dich ergreift!
Wie ſchwarz! Er liegt auf der gebeugten Seele,
Wie ein Gebirge liegt.
Sie liebt dich nicht! Tief im zerrißnen Herzen
Sagts ein geheim Gefuͤhl.
Bald waͤchſt es auf, und mit dem lautſten Donner
Ruft es: Sie liebt dich nicht!
O Mit -156Oden und Lieder.
O Mitternacht, die dicken Finſterniſſe
Sind noch nicht finſter gnug;
Verhuͤlle doch in zehnmal ſchwaͤrzre Schatten
Den thraͤnenvollen Blick!
Sie liebt dich nicht! Jch kan dir nicht entfliehen,
Gedanke, voller Quaal!
Laß ab, laß ab! Schon blutet dir das Opfer
Schon ſtirbt das kalte Herz.
Zwey -157Fuͤnftes Buch.
Zweyte Ode.
Warum dringt durch die lange Nacht
Ein zweifelhafter Stral?
O Hofnung, Hofnung! taͤuſche nicht
Ein ungluͤckſeligs Herz!
Laß mich in tiefer Traurigkeit,
Jn der die Seele ſtirbt!
Verzweiflung ſelbſt iſt Troſt fuͤr mich,
Wofern du mich betruͤgſt.
Zu grauſam! dennoch liſpelſt du
Dem bangen Herzen ein:
Jch ſey vielleicht vielleicht geliebt;
O niedriger Verrath!
Meynſt158Oden und Lieder.
Meynſt du, der ſchimmernde Betrug
Soll Kraft dem Herzen leihn?
Mehr gluͤcklich war es, ganz durchbohrt,
Ganz, o Verzweiflung, dein.
Umſonſt, umſonſt! Voll Grauſamkeit
Betaͤubeſt du den Schmerz.
Verbinde meine Wunden dann,
Und reiß ſie blutger auf!
Dritte159Fuͤnftes Buch.
Dritte Ode.
Nicht verzweifelungsvoll, oder des ſuͤßeſten Gluͤcks
Ungewiß, klaget mein zaͤrtliches Herz;
Nein, ich werde geliebt, und nun, da ſie mich liebt,
Bin ich doch dreymal ungluͤcklicher noch!
Daphne, liebe mich nicht! Ueber uns haͤnget voll Nacht
Schrecklich ein eiſerner Himmel herab.
Nicht ein guͤtiger Stral ſchimmert uns hinter der Nacht,
Furcht und Entſetzen ſchwebt rund um uns her.
O parteyiſches Gluͤck, warum laͤchelſt du nie
Liebender Unſchuld und ſtandhafter Treu?
Jſts der Zaͤrtlichkeit Loos, immer vom toͤdtlichen Gram,
Langſam gequaͤlet, das Opfer zu ſeyn?
Jetzo,160Oden und Lieder.
Jetzo, da du mich liebſt, Daphne, faßt mich mein Schmerz
Unuͤberwindlich, wie ſprech ich ihn aus!
Ach! du liebeſt nur den, welchen ein ploͤtzlicher Sturm
Auf den betruͤgriſchen Wellen ergrif;
Grauſam ſchmiß ihn der Sturm von dem zaubriſchen Land
An den verwuͤſteten Felſen hinan;
Jhn ergreift ſein Geſchick, ach! und der eiſerne Arm
Schmiedet ihn feſt an den blutigen Fels.
An161Fuͤnftes Buch.
An den Freyherrn von Zedlitz, bey Ueberſendung des Murners in der Hoͤlle.
Die Muſe, die der Ewigkeit
Der Maͤuſe Schlachten ſang,
Und zu der Berenice Haar
Der Fermor Locke hob;
Die ſah ich, (Nachwelt, glaub es mir!)
Jm friſchen Lindenhayn.
Ein helles Erz am Goͤttermund
Klang durch Germanien.
Jhr freyes Haar floß in die Luft,
Der Zephyr ſchwebte drauf;
Das Lachen flog um ihre Stirn,
Die Phoͤbus Laub umwand.
IIIter Theil. LDie162Oden und Lieder.
Die Scherze flatterten um ſie,
Gehuͤllt in falſchen Ernſt;
Der ziegenſuͤßge Satyr ſprang
Mit Gratien einher.
Jhr folgten in dem frohen Chor,
Mit ſcharfem Hohn im Blick;
Maͤonides, mit ihm Virgil,
Der Stolz von Latium.
Und Deſpreaux, der voller Salz
Des fetten Moͤnchs gelacht;
Und der, durch welchen Albion
Mit Griechenland ſich maß.
Der163Fuͤnftes Buch.
Der kuͤhne Deutſche draͤngte ſich,
Da die Trompet erſcholl,
Voll Stolz herzu. Die Goͤttin ſprach
Mit heitrer Majeſtaͤt:
Jhr Soͤhne Theurs, die lange Nacht
Der Barbarey entflieht;
Jhr raͤchet durch den feinren Witz
Des ſchweren Clima Schuld.
Doch nehmet die Poſaune nicht
Zu fruͤh! Und wenn ihr ſingt,
So bleibt nicht immer Wiederhall,
Und ſeyd Original!
Der deutſche Stutzer wird zu oft
Vom Satyr aufgefuͤhrt,
Und eure Schoͤnen ruͤhren nicht,
Die ihr aus Wolken greift.
L 2Welch164Oden und Lieder. Fuͤnftes Buch.
Welch eine große Schilderey
Liegt vor euch, die Natur!
Ahmt ihr, nicht ſchlechten Muſtern, nach,
Erfindet, und bleibt neu!
So ſprach ſie, Zedlitz, und ich ſtieg
Hinab zum Erebus.
Das Ungeheur am Hoͤllenthor,
Gezaͤhmet durch Geſang.
Kroch, mit dem fuͤrchterlichen Schwanz
Sanftſchmeichelnd vor mir hin;
Und durch der Muſe Gunſt ſah ich
Der Thier Elyſium.
Oden[165]

Oden und Lieder. Sechſtes Buch.

[166][167]
Ode auf die unvermuthete Ankunft des Erbprinzen, Nachdem Braunſchweig kurz vorher durch den Prinzen Friedrich gluͤcklich entſetzt worden.

Das franzoͤſiſche Kriegsbeer ruͤckte unvermuthet vor Braunſchweig und Wolfenbuͤttel. Nach einer drey - taͤgigen Bombardirung wurde Wolfenbuͤttel einge - nommen, und Braunſchweig mußte ein gleiches Schickſal erwarten; als der Prinz Friedrich mit ſehr vielem Muth einen wichtigen Poſten des Feindes an - grif, uͤberwaͤltigte, und die Stadt gluͤcklich entſetzte. Der Erbprinz war kurz darauf in eigner Perſon mit der groͤßten Geſchwindigkeit von den Enden Weſtpha - lens herzugceilt, und vereitelte die Abſichten des franzoͤſiſchen Heeres.

L 4Der168Oden und Lieder.
Der Erbprinz iſts! Sein Auge blitzt
Den Heldengeiſt, der ihn verraͤth.
Er hoͤrt es, fliegt herzu, und ſchuͤtzt
Sein Vaterland, das Jhn um Huͤlfe fleht.
So eilt der Blitz vom Niedergang
Zum Aufgang hin, des Raͤchers Willen,
Zu dem der Unſchuld Winſeln drang,
An den Verbrechern zu erfuͤllen.
Schon wieherte das ſtolze Roß
Des Galliers um uns herum;
Und Braunſchweigs Fluren, oͤd und bloß,
Und jeden Hain, vor tiefen Schrecken ſtumm,
Um -169Sechſtes Buch.
Umzingelte das freche Heer;
Sie jauchzten, trunken vor Vergnuͤgen,
Und ſahn im Staub uns ſchon ſo ſehr,
Als wie der Welfen Mauren liegen.
Mit Feuer, das der Bosheit Hand,
Nicht Menſchen aͤhnlich mehr zu ſeyn,
Dem finſtern Tartarus entwandt,
Gedachten ſie, uns unſerm Tod zu weihn.
Schon ſtand im dunkeln Sturm der Feind
Vor unſern Waͤllen; ſchon verſiegte
Vor ihm die Fluth; und ſchnell erſcheint,
Da jeder Stral von Hofnung truͤgte.
L 5Der170Oden und Lieder.
Der Sieger Friedrich. Maͤchtig bricht
Sein Phalanx durch; die Schanze trinkt
Der Feinde Blut; Er koͤmmt, Er ficht;
Der Ewge waͤgt; und Frankreichs Schale ſinkt.
Was flieht er ſo, der ſtolze Feind,
Der mit der Hoͤlle Brand geruͤſtet,
Zu unſerm Untergang vereint,
Sich kuͤrzlich noch ſo hoch gebruͤſtet?
Er flieht. Vergebens! Jhn ereilt
Carls Erſtgebohrner; und ſein Schwerdt,
Das nie unthaͤtig ſich verweilt,
Nimmt Rach an ihm, da er den Ruͤcken kehrt.
O Prinzen, Eure tapfre Hand
Zerbricht die Feſſeln! welch Vergnuͤgen,
Zu ſtreiten fuͤr das Vaterland,
Und fuͤr das Vaterland zu ſiegen!
Ge -171Sechſtes Buch.
Gebet um den Frieden.
HErr! GOtt und Vater deiner Kinder!
Vergißt du, Schoͤpfer, deiner Welt?
Jſt niemand, welcher fuͤr uns Suͤnder
Dir, Richter, in das Rachſchwerdt faͤllt?
Noch ſendeſt du zum Blutvergieſſen
Den Todesengel vor dir her;
Und unter des Erwuͤrgers Fuͤſſen
Liegt alles wuͤſt, entſtellt, und leer.
Schau doch mit Einem Blick der Gnaden
Auf die zerſtoͤrte Welt herab!
Und ſieh, wie ganze Myriaden,
Das Schwerdt frißt, und das weite Grab.
Sieh,172Oden und Lieder.
Sieh, wie die Fluren oͤde liegen;
Wie ohne Troſt der Landmann ſteht,
Der unter ſeiner Herrſcher Siegen
Jm Mangel ſchmachtet und vergeht.
Leer, und mit Thraͤnenvollen Blicken,
Verlaͤßt er ſein gepluͤndert Haus;
Es lodert hinter ſeinem Ruͤcken,
Sinkt, und zerfaͤllt in Schutt und Graus.
Und ſeine ſchwachen Kinder weinen
An ſeiner Hand umſonſt um Brod;
Und jeder Seufzer von den Seinen
Jſt fuͤr ſein Herz langſamer Tod.
Von173Sechſtes Buch.
Von ſeinem Reichthum, aller Haabe,
Bleibt ihm zur Huͤlle kein Gewand.
So ſchleppt er ſich am Pilgerſtabe
Fern in ein unbekanntes Land.
Rund um umgeben von Gefahren,
Entrinnt er ſo aus Mord und Brand;
Und ferner Voͤlker Kriegesſchaaren
Bedecken ſeiner Fluͤſſe Strand.
Die Elbe waͤlzt zum Oceane
Die Fluth, durch Leichen aufgeſchwellt.
Und an der Oder winkt die Fahne
Zu wilden Schlachten in das Feld.
Die174Oden und Lieder.
Die Spree ſieht ihrer Kinder Zagen,
Sieht ihrer Freuden ſich beraubt;
Und bey der Unterdruͤckten Klagen
Verbirgt der Weſerſtrom ſein Haupt.
Wohin man blickt, ſieht man Verheeren;
Die Staͤdte wuͤſt, das Land in Blut;
Und uͤber beyde Hemiſphaͤren
Verbreitet ſich des Krieges Wuth.
O ſieh darein! Erbarmer, Retter!
Du wirſt dich uns nicht ganz entziehn;
Wirſt nicht, verhuͤllt in Nacht und Wetter,
Stets wider uns zur Rache ziehn.
Ruf175Sechſtes Buch.
Ruf ab das Schwerdt vom Feld der Todten,
Das uns zum Fluch geſchaͤrfet ward!
Und ſende deinen Friedensboten
Dem Erdkreis, welcher auf ihn harrt!
Vernimm das Flehen frommer Bether!
Du lenkſt der Fuͤrſten Herz allein;
Lenk es zum Frieden! Laß ſie Vaͤter,
Und Menſchen wieder Menſchen ſeyn!
Ode176Oden und Lieder.
Ode An Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. den Herzog Ferdinand, von Braunſchweig. Am Abend der feyerlichen Beerdigung der Herzogin Frau Mutter entworfen.
Wer iſt der Traurige, der ſo gebeugt,
So ganz von Schmerz erfuͤllt,
Jn ſchwarzen Leichenflohr gehuͤllt,
Den Blick zur Erde neigt?
Wie,177Sechſtes Buch.
Wie, Muſe, Ferdinand? Ja! Sieh ihn ſtehn
An ſeiner Mutter Grab.
Die heiſſe Thraͤne rollt herab;
Wer kan Jhn trauren ſehn,
Und unempfindlich ſeyn? Fließt, Thraͤnen, fließt,
Die ihr den Helden ehrt!
Wie ſehr war ſie die Fuͤrſtin wehrt,
Um die er ſie vergießt!
O du, ietzt mehr als Fuͤrſt, indem du weinſt,
Bewundrung ſchaut dich an.
Wie groß der Fuͤrſt, der weinen kan,
So menſchlich, wie du weinſt!
IIIter Theil. MDer178Oden und Lieder.
Der wird einſt in der Schlacht, wenn nun das Feld
Voll von Erſchlagnen liegt,
Auch dann noch weinen, wenn er ſiegt,
Und mehr ſeyn, als ein Held.
Doch folg ihm weiter! Sieh, ietzt oͤfnet ſich
Die dunkle Fuͤrſtengruft.
Er geht, wohin ſein Herz ihn ruft,
Sieht, Tod, noch naͤher dich.
Wie groß, wie ſchaudervoll, wie voll Gewalt
Jſt dieſer Anblick nicht!
Wie ſteht hier Sarg an Sarg! Wie ſpricht
Des Todes Schreckgeſtalt!
Hier179Sechſtes Buch.
Hier ſchlummern ſie nunmehr, o Ferdinand,
Die Helden, die voll Muth,
Mit dir aus Einem Stamm, ihr Blut
Verſpritzt fuͤrs Vaterland.
Hier liegt dein Albrecht,