An ſeinen Schutzgeiſt. Der du vom ſtralenden Thron des Unerſchafnen dich ſchwungeſt,
Um der Beſchuͤtzer zu ſeyn von meiner unſterblichen Seele;
Himmliſcher! ſing in mein Lied mit Toͤnen der goͤttli - chen Harfe,
Vom Halleluja der Himmel beſeelt.
A 5Laͤchle10Laͤchle gefaͤllig herab auf eine ſterbliche Leyer,
Welche fuͤr dich nur ertoͤnt in mitternaͤchtlichen Stun - den.
Sage, wie dank ich dir doch die Sorgen, aͤtheriſcher Juͤngling,
Die mich ſchon in der Kindheit beſchuͤtzt;
Aber die ietzo noch mehr in einem reifenden Alter
Wider den maͤchtigen Reiz der lockenden Wolluſt mich wafnen?
Tief in der Seele hoͤr ich die Stimme von meinem Geliebten,
Die mir erhabne Gedanken zuruft.
O! warum kanſt du mir nicht, o mein Beſchir - mer, erſcheinen,
Wenn mein erzitterndes Herz des Ewigen Throne ſich nahet;
Und hingeneigt in den Staub, in Thraͤnen der Reu ihm zuweinend,
Sich ſeiner Erbarmung unwerth erkennt.
Oder11Oder erſchieneſt du doch in meiner erkenntlichen Seele,
Wenn ſie die Sorgfalt erwaͤgt, mit der ihr Engel ſie ſchuͤtzet;
Wenn ſie in einſamer Nacht, in einem heiligen Tief - ſinn,
Zum ſtralendem Kraiſe der Seligen koͤmmt.
O! mein unſterblicher Freund, beſchuͤtze noch fer - ner die Seele,
Die dir der Schoͤpfer vertraut; daß ich einſt froh dich umarme,
Wenn du mit maͤchtiger Hand mich uͤber die Felder des Todes
Zu jenem Triumphe der Ewigkeit bringſt.
Wann du nun da ſtehſt vor mir in feyerlichem Gewande,
Und voll Vertraulichkeit mich und ewiger Freundſchaft umlaͤchelſt;
Goͤttlicher, werd ich alsdann nicht deiner Umarmung zuſtroͤmen,
Schnell als ein Stral aus dem Meere des Lichts?
Lehre12Lehre die Seel’ alsdann, mit deinem Feuer zu denken;
Lehre mich, goͤttlicher Freund, die Lieder der heiligen Sphaͤren,
Bis die Seele mit dir am Throne meines Erretters
Sich in unendliche Jubel verliert.
Die Begraͤbniſſe. Steige hinab, o eremitiſche Seele,
Unter den Staub des dich erwartenden Grabes.
Scheue du nicht den ſchwarzen entſetzlichen Anblick
Jm dunklem Schattenreich.
Seyd mir gegruͤßt, ihr Monumente des Schre - ckens:
Vor euch erbebt nur die unmaͤnnliche Seele,
Welche, noch nie dem Gegenwaͤrtgen entriſſen,
Stets an dem Staube klebt.
Schauernd ſteh ich — Tief in die traurende Stille
Sind ſie verhuͤllt, des Todes oͤde Gefilde!
Auf das Gebein, vor ſeiner Zerſtoͤrung gefuͤrchtet,
Tritt des Geringern Fuß.
Siehe!14Siehe! wie prahlt in der betruͤgriſchen Jnnſchrift
Vornehmer Grab. Jm ſtillen Schatten des Ahorns
Ruht, ungeruͤhmt vom panegyriſchen Marmor,
Des Weiſen Aſchenkrug.
Mich auch empfaͤngt einſt eine der ſchauernden Hoͤhlen,
Wenn ſich mein Haupt, gleich einer ſterbenden Roſe,
Welcher der Nordwind Unſchuld und Purpur geraubet,
Jn dunkle Schatten neigt.
Hier oder da wird mein Gebeine dann ſchlafen.
Gluͤcklich, wenn noch in Thraͤnen die zaͤrtliche Freund - ſchaft
Um mich ſich haͤrmt, und meine verlaßne Geliebte
Um mich geklaget hat.
Ru -15Ruhet dann ſanft, o ihr entſchlafnen Gebeine!
Moder und Staub wird euch nur herrlicher machen.
Herrlicher noch ſollt ihr die zaͤrtlichen Freunde,
Und die Geliebte ſehn!
Der Religionseifer. An Herrn G ‒ ‒ ‒. Mein G ‒ ‒ ‒, iſt nicht ein frommer Eifer,
Der mit dem Schwerd und mit der Flamme predigt,
Mehr haſſenswerth, als des Erobrers Blutdurſt, Der Laͤnder wuͤrgt?
Die Wuth erwacht, ſie wuͤtet in ſich ſelber;
Und ſie vergraͤbt in rauchende Ruinen
Jhr Vaterland. Der Vater mordet Soͤhne, Und duͤnkt ſich fromm.
Wenn ſie erwacht, wie ſie in Frankreich flammte,
Und dreißig Jahr Germanien verheerte;
Warum hat ſie der kriegeriſche Prieſter Selbſt fromm genannt?
Ach,17Ach, daß ſein Herz nicht ſanft und menſchenliebend
Dem ſtillen Geiſt der Duldung nachgefolget!
So haͤtt’ er nicht von Voͤlkern andre Voͤlker Mit Blut getrennt!
Sie haͤtren nicht in neugebauten Tempeln
Jn fremder Luft die Thraͤnen hingeweinet,
Die Rache ſchreyn; und ihrem Vaterlande Ungern geflucht.
Weit herrlicher ruͤhmt Fama in die Nachwelt
Des Batavers, und Preußens Menſchenliebe.
Sie ſind belohnt. Jn reichen Colonien Waͤchſt ihre Macht.
Die Orgel. Hoͤre den rauſchenden Wind in der ſtillerwartenden Orgel,
Die er bereitet zum hohen Geſang!
Folge mir, wertheſter Freund, bis unter die ſchauern - den Graͤber;
Heilige ganz dich der frommen Muſik!
Himmel! ihr Jubel hebt an. Die hohen harmoniſchen Donner
Brauſen zu unſerm erſtaunenden Ohr.
Kraft von dem Himmel hebt mich! So klangen die Hal - len des Tempels
Von der Trommeten feſtlichem Schall.
Unter mir droͤnet der Grund, und einſame Graͤber er - zittern,
Von dem belebenden Schalle begruͤßt.
Alſo, doch maͤchtiger noch, wird ſie der Engel begruͤßen,
Mit der Poſaune des letzten Gerichts.
Wenn19Wenn nun der Richter erſcheint auf einer verblendenden Wolke,
Und in dem Felde der Todten es rauſcht;
Wenn das belebte Gebein nun, ſeinem Erwecker gehor - chend,
Stimmen der ſtarken Poſaune vernimmt.
Und dann der Richter der Welt die Heiligen um ſich verſammelt,
Oder Verworfne zum Feuer verſtoͤßt;
Und auf ihr Antlitz alsdann die Thronen und Cherubim fallen,
Vor dem Allmaͤchtgen in Ehrfurcht gebeugt.
Eben ſo toͤnet der Schall durch jubilirende Roͤhren,
Seele, was hebt dich zum Himmel empor?
Biſt du nicht durch die Gewalt der hohen harmoni - ſchen Lieder
Unter die Choͤre der Engel verzuͤckt?
An Selinen. Zum zweyten mal, o meine theure Seline,
Reißt dich die ſchwarze Welle hin?
Zum zweyten mal ſchwimmſt du auf tobendem Meere
Den grimmigſten Gefahren zu?
Mit banger Nacht ſchwaͤrzt ſich der ſtuͤrmende Himmel,
Der Donner donnert vom Olymp;
Der wilde Blitz erleuchtet ſchrecklich den Abgrund,
Der oft dein zagend Schif verſchluckt.
Verfolge nicht ein ungluͤckſeliges Maͤdchen,
Natur, mit ſo viel Grauſamkeit!
Gebeut doch ietzt dem niederrollenden Donner,
Gebeut doch ietzt der frechen Fluth.
Du21Du hoͤrſt mich nicht? nicht das bewegliche Weinen
Des aͤrmſren Kindes, das verzagt?
Auſs neu waͤlzt ſich auf dunkeln wuͤtenden Wellen
Die blaſſe Todesangſt ins Schif.
Wohin, wohin reißt dich die brauſende Woge
Seline, hoͤrſt du mich nicht mehr?
Jch ruf am Strand, mit aufgehabnen Haͤnden:
Seline, hoͤrſt du mich nicht mehr?
Was hoff ich noch am ungluͤcksvollen Geſtade —
Empfange mich, grauſames Meer!
Kan ich ſie nicht auf dieſem Truͤmmer erretten,
So ſterb ich wenigſtens mit ihr!
Der Choral. Schlummer und ſchimmernder Reif, und ſtille ver - trauliche Wolken
Haͤngen ſchon uͤber der ſchlafenden Welt.
Breite dich, einſame Nacht, mit ſanfteinwiegenden Fluͤ - geln
Ueber die ruhige Haͤlfte der Welt.
Traurig verſinkt die Natur in einen heiligen Schauer,
Wie er in Waͤldern der Barden gewohnt;
Oder auch, wie er vordem auf menſchenfeindliche Grot - ten
Frommer veralteter Einſiedler fiel.
Singe der Mitternacht ietzt, du Saͤnger auf ſilbernen Saiten,
Heilig, der Nacht gleich, ſey heilig dein Lied.
Singe den hohen Choral mit Bachs ehrwuͤrdigen Toͤnen;
Fuͤlle mit Andacht das zitternde Herz!
Welch23Welch ein erhabner Geſang! Die Seele fuͤhlt ihn; und ſchauernd
Schwingt ſie ſich uͤber die Himmel hinauf.
So, aber ruͤhrender noch, ertoͤnten die Choͤre des Him - mels,
Maͤrtyrer! als ihr, mit Blute bedeckt,
Eure gefaltete Hand zum Ewigen aufhubt, und ruhig
Unter den Qualen den Feinden vergabt;
Als euch der Seraph erſchien, und triumphirend die Seele
Ueber des Todesthals Schreckniſſe hob.
Die du den Saͤnger gelehrt, o Tonkunſt unter den En - geln,
Sing ihm, du heilige Saͤngerin, auch,
Wenn er die Stunde nun ſieht, die fuͤrchterlichſte der Stunden,
Welche den Chriſten oft ſelber erſchreckt.
B 4Leit24Leit ihn mit ſicherem Schritt dann uͤber die Baͤche des Todes;
Sing ihm den hohen Geſang des Olymps!
Stimmen des heiligen Chors und Stimmen der goͤtt - lichen Harfen
Jauchzen ihm unter Unſterblichen zu!
Phantaſie. Okehre wieder zuruͤck, ſchwarzer Gedanke,
Zum Throne der Melancholey!
Jn mir erbebend, ſah ich, Goͤttin der Schwermuth,
Geſandten deines finſtern Hoſs.
Schon uͤberſchatteten mich graͤßliche Fluͤgel
Der ſchreckensvollen Einbildung.
Es ſchwaͤrmten um mich herum ſchwarze Phantomen,
Die in dem ſchweren Blut entſtehn.
Jch gieng in Graͤbern herum unter den Todten,
Und Geiſter kamen um mich her.
Seline ſelbſt trat daher himmliſch geſtaltet,
Mit einem Blumenkranz gekraͤnzt.
B 5Sie26Sie ſetzte ſich an den Fuß einer Cypreſſe,
Die rauſchend aus dem Grabe wuchs;
Sie lachte mich an, doch die Augen erſtarben,
Jn denen ich den Himmel ſah;
Und es ward Schrecken und Nacht, da ſie erblaßte,
Und mein Geſchrey durchdrang die Luft —
O kehre wieder zuruͤck, ſchwarzer Gedanke,
Zum Throne der Melancholey!
An Amintas. Du ſaheſt ſie, als in Kleanthens Armen
Dein zaͤrtlich Herz dem Freund entgegen klopfte,
Und deinen Wunſch die Freundſchaft ganz erfuͤllte.
Du ſaheſt Sie — Mein Herz nennt mir ſie ewig!
Jhr holder Blick drang unter dunkeln Thraͤnen
Doch ſanft hervor, und laͤchelte voll Unſchuld.
Wie an der Bruſt ein fruͤh ungluͤcklich Maͤdchen
Dem blanken Stahl des wilden Moͤrders laͤchelt.
O! mein Amint, du liebſt, und liebeſt gluͤcklich!
Doch du kennſt auch der Liebe bittre Schmerzen.
Beklag ein Herz, der Zaͤrtlichkeit geſchaffen,
Doch nur geliebt zum Ungluͤck und Verderben.
Dir28Dir will ich oft die ſchweren Thraͤnen weinen,
Die Freundſchaft heiſcht und reine Liebe fordert.
Doch ſchon mein Damon iſt geliebt und gluͤcklich;
Sollt ich mich nicht in Deinem Gluͤcke troͤſten?
Die Erſcheinungen. Senkt euch herab, mitternaͤchtliche Schauer,
Von des Olymps dunkeln Wolkengebuͤrgen;
Fuͤllt dies Gemach, von der ſterbenden Lampe
Furchtſam erhellt.
Jetzt, da das Herz aller Furchtſamen klopfet,
Und ſich mit Angſt vor Erſcheinungen fuͤrchtet,
Wuͤnſch ich, vertieft in den ſchrecklichen Stunden,
Geiſter um mich.
Ach! biſt du todt, oder lebſt, wie die Todten,
Die mich geliebt, ungluͤckſelige Schoͤne!
O ſo komm tetzt! Waͤr es auch nur ein Schatten
Trauriger Furcht.
Wei -30Weinend wollt ich dieſem Schatten zueilen,
Saͤh er dir gleich! Doch dich kettet das Schickſal
Feſt an den Fels — Koͤnnten Seelen erſcheinen,
Ach du erſchienſt!
Flieſſe dahin, ungeſehene Thraͤne,
Netze dies Blatt mitternaͤchtlicher Klagen!
Dunkel und ſchwer, wie ein trauriger Nebel,
Steigen ſie auf.
Du nur allein, der in heiliges Dunkel
Weiſe das Buch unſers Schickſals gehuͤllet,
Hoͤre du ſie! Eine billige Wehmuth
Opfert ſie dir.
Veſuv. An den Freyherrn von G ‒ ‒ ‒. Wenn ſich die ſchrecklichſte Nacht mit ihren gefuͤrchte - ten Fluͤgeln
Ueber ein ſchlafendes Thal am dunklem Veſuve gebreitet:
Schaudert der bangen Natur, und eherne Wolken voll Donner
Haͤngen herab auf das wartende Thal.
Aber auf einmal ertoͤnt, tief in den Gewoͤlben des Berges,
Bruͤllen verſchloſſener Gluth, und dunkles Gemurmel des Abgrunds.
Ploͤtzlich ergießen ſich Dampf und Gluth und fliegende Felſen
Ueber das Thal, das mit Schrecken erwacht.
Weinend ergreifet alsdann in voller Verzweiflung ein Juͤngling
Bey der erkalteten Hand ſein halbohnmaͤchtiges Maͤd - chen;
Fuͤhrt ſie mit Todesangſt fort von wuͤſten dampfenden Feldern,
Welche das ſchreckliche Feuer verheert.
Um32Um ſie fliegt Donner und Dampf und Schwefel und gluͤhender Bimsſtein,
Und der erſchrockene Fuß fuͤhlt ſchon den Abgrund er - beben.
Beyden eroͤfnen vielleicht die ſich entzuͤndenden Schluͤnde
Feurige Graͤber unter dem Schritt.
Aber durch Feuer und Dampf fuͤhrt ſie ein ſchuͤ - tzender Engel,
Ehe der gluͤhende Fluß noch ſeine zerſchmelzenden Wel - len
Ueber das rauchende Feld, gleich einem Bache der Hoͤlle,
Aus den metalliſchen Schleuſen ergießt.
Eine geſicherte Hoͤh, geſichert vor Feuer und Aſche,
Thuͤrmet ſich maͤchtig vor ſie; und friſche balſamiſche Myrthen
Nehmen ſie freundlich auf in ihre wohlthaͤtigen Schat - ten,
Welche noch nie die Verwuͤſtung geſtoͤrt.
Freund,33Freund, wie der wilde Veſuv, wenn er die flam - mende Wolke
Ueber Jtalien jagt, ſo donnert ietzt Ungluͤck auf Ungluͤck.
Koͤnteſt du doch aus der Noth ein zitterndes Maͤdchen erretten,
Welches das eiſerne Schickſal verfolgt.
Aber ihr winket kein Wald mehr hinter verſchon - ten Gebirgen,
Grimmiger bruͤllet um ſie das dunkle ſchwere Gewitter.
Aſche bedecket ihr Haupt, und ihren fliehenden Schritten
Folget die ziſchende flammende Fluth.
Die Nacht. Das Ende vieler dunklen Tage
Die treue Nacht bricht ſchon herein.
Verhuͤlle dich, mein Geiſt, und klage,
Vielleicht iſt dieſe Stunde dein.
Ein Leiden, das man unterdruͤcket,
Vermehret den geheimen Schmerz;
Und jede Thraͤne, die erſticket,
Graͤbt blutig ſich in unſer Herz.
Jetzt, da die Thoren mich verlaſſen,
Die dieſen truͤben Tag umſchwaͤrmt;
Will ich dem Schmerz mich uͤberlaſſen,
Der minder wird, wenn er ſich haͤrmt.
Der35Der Schlaf wird mich voruͤber gehen,
Der oft den Ruͤcken mir gewandt,
Wenn noch von aufgehellten Hoͤhen
Das Morgenroth mich weinend fand.
Jch fleh ihn an, mir zu erſcheinen,
Doch er iſt wie ein falſcher Freund;
Er koͤmmt im Gluͤck nur zu den Seinen,
Und flieht ein Auge, welches weint.
Schon ſiegt der Tag mit hellem Strale,
Wo biſt du, holder Gott der Ruh?
Er koͤmmt, und druͤckt zum erſtenmale
Ein Auge voller Thraͤnen zu.
An Selinen. Vortreflichſte deines Geſchlechts, in deren goͤttliche Seele
Der Schoͤpfer alle die Tugend gehaucht,
Durch die oft ein irdiſcher Geiſt, zum Thron der Gott - heit geriſſen,
Sich unter heilige Seraphim draͤngt.
Die Seraphim lieben ihn ſchon, und die Unſterblichen Gottes
Erziehn ihn um ſich zur Ewigkeit auf;
Und lehren auf Erden ihn ſchon ein Lied zum Lobe der Allmacht,
Und in die guͤldenen Harfen ein Lied;
Ach daß noch, Seline, mich nicht die hohe Saͤngerin lehret
Die G ‒ ‒ C ‒ ‒ und K ‒ ‒ gelehrt!
Sie, welche hoch uͤber mir ſtehn, ſie wuͤrden dich edler beſingen,
Und deine wuͤrdigern Herolde ſeyn.
Doch37Doch wie? Soll noch laͤnger mein Herz die ſtillen Lieder erſticken,
Die deine Tugenden in ihm erzeugt?
So ſchallte mein kuͤhner Geſang, von deinem Werthe begeiſtert,
Nicht in die hellere kuͤnftige Welt;
So haͤtte dein Auge noch nicht, wenn es erheiternder laͤchelt,
Als von dem Himmel ein lichtes Gewoͤlk
Jn mein gleichguͤltiges Herz die heilige Flamme gegoſſen,
Die zu unſterblichen Liedern mich zwingt;
So haͤtte mir deine Hand nie den Gram vom Auge ge - trocknet,
Der uͤber die traurige Wange gethaut;
Der Stirne die Jugend entzog, und den gewaltigſten Schmerzen
Und dunkler Verzweiflung zum Opfer mich gab;
C 3So38So haͤtt’ ich nicht Thraͤnen geſehn, durch die die maͤch - tige Liebe
Dein blaues ſiegendes Auge getruͤbt;
So haͤtt’ ich nicht Seufzer gehoͤrt, und unnachſprechli - che Worte,
Die eine Seele der andern nur ſagt.
Du Tag, da ihr ſanftes Geſicht, wie die Fruͤhlingsſon - ne, mir aufgieng,
Sey du mir ewig ein feſtlicher Tag!
Da ſagte mein klopfendes Herz, und ſagt’ es voller Be - wegung:
Das iſt Sie! Und ich empfand es, Sie wars.
So laͤchelt an Even vordem ein heitres Auge voll Un - ſchuld,
Und froͤlich huͤpfte die junge Natur:
Wie ihr triumphirender Blick, der aus unſchuldigen Augen
Tief in die weichere Seele mir drang.
Die39Die Seele verlohr ſich in ſie, und ward erhabner ge - bildet,
Und ſchloß ſich ſuͤßen Entzuͤckungen auf;
So wie dem maͤchtigen Stral die junge Roſe ſich oͤfnet,
Und froh des Morgenthaus Segen empfaͤngt.
Mein weichergebildetes Herz empfand nun hoͤhere Freu - den,
Als die, ſo flatterud die Jugend durchflog.
Wie paradieſiſch ward mir das Thal ehrwuͤrdiger Eichen,
Das dich zu mir, o Seline, gefuͤhrt!
Da ſah ich den Himmel zuerſt vom Lenz und Freude verguͤldet;
Da erſt verſtand ich der Buͤſche Geraͤuſch;
Da gieng der holdſelige Weſt zuerſt gefuͤhlt mir voruͤber,
Und fuͤhlend hoͤrt ich der Nachtigall Lied.
C 4Wie40Wie hab ich nicht damals entzuͤckt den ſelgen Himmel geſegnet,
Der uͤber ſchimmernden Gegenden hieng,
Und gluͤckliche Thaͤler umfloß, wo Blumen, die du mir pfluͤckteſt,
Der Tugend einſame Thraͤne benetzt!
O koͤnt ich, Seline, dir doch der Stunden eine belohnen,
Die in ſchuldloſen Freuden entflohn!
Nur eine der Zaͤrtlichkeit Macht entfallne redende Thraͤ - ne!
Nur einen mir unvergeßlichen Blick!
Zwar danket dir, Vorſicht, mein Herz fuͤr die mir koſt - baren Stunden,
Die Lieb und Freundſchaft mit Freude gekraͤnzt,
Ach wenige Stunden ſinds nur! Der melancholiſchen Tage
Und der durchweinten Naͤchte ſo viel!
Doch41Doch wollt’ ich mit ruhigem Blick den halbverbluͤheten Fruͤhling
Gleich ſchwarzen Wintern dahinſtuͤrmen ſehn;
Wenn nicht in dem maͤchtigſten Leid der letzte Troſt der Verlaßnen,
Die Hofnung ſelber mir Armen entfloͤh.
Willſt du auch, o Hofnung, mich fliehn? Soll ich noch troſtloſer weinen,
Als G ‒ ‒ ‒ Sch ‒ ‒ und G ‒ ‒ geweint,
Die ihr unerbittliches Loos, den beſten Freunden ent - riſſen,
Jn ferne leere Gegenden ſtieß?
Jch weine, der Hofnung beraubt, gleich einem ungluͤck - lichen Juͤngling,
Der ſich, zum Treffen und Tode bereit,
Noch einmal mit ſehnlichem Blick der Himmelsgegend zuwendet,
Jn welcher ſeine Geliebte verzagt.
C 5Okehre42O kehre doch wieder zuruͤck in die veroͤdete Seele,
Die deine ſchmeichelnde Macht nur erhaͤlt!
Entdecke mir, Hofnung, den Troſt, auch in der ferne - ſten Ausſicht,
Selinen einmal nur wieder zu ſehn.
Die Bomben. Sieh, ſchrecklich flieht ſie dahin die alles zerſchmet - ternde Bombe!
Sie ſpruͤht Verderben und Tod aus ihrem entzuͤndeten Schlunde;
Aus ihrem Bauche ſchwingt ſich die ungeheure Ver - wuͤſtung;
Jhr Athem toͤdtet, wie die Peſt.
So ſtuͤrmt ſie grauſam und wild in nie eroberte Staͤd - te;
Den Donnern der Mitternacht gleich zertruͤmmert ſie prangende Thuͤrme,
Streut Flammen uͤber die Stadt; verwuͤſtet heilige Tempel,
Und ſtuͤrzet Schloͤſſer in den Staub.
Entflammend wuͤhlt ſie ſich ietzt in Vorrathshaͤuſer von Pulver
Und Steine, Funken und Rauch, und wilde ſchmettern - de Stralen
Verbreiten gleich Blitzen den Tod; und eine Nacht der Verwuͤſtung
Bedeckt mit Schutt und Graus die Stadt.
So44So machen Sterbliche ſich zu himmelſtuͤrmenden Rieſen;
Sie rauben der raͤchenden Hand des Himmels die ſtra - fenden Donner,
Und wuͤten wider ſich ſelbſt mit Flammen des ſchwar - zen Cocytus,
Und wafnen ſich mit Hoͤllenblitz.