Die Auferſtehung. I. Du tiefe, todte, grauenvolle Stille
Ums heilge Grab; um des Geopferten,
Des Gottverſoͤhners, Grab!
Verhuͤlle mich! Verhuͤlle
Mein Herz in Traurigkeit, mein Aug in Nacht! —
Soll ich den Todten ſehn?
Sehn den Verbluteten, am Holz Verbluteten?
Wer waͤlzet mir vom Grab
Den Felſen ab?
Doch240Doch wie? das Grab iſt offen? — Leer?
Wie ſchauderts mich! Auch nicht den Todten mehr —
Chor. Der Herr iſt erſtanden! Der Herr iſt erſtanden!
Jhn halten die Banden
Des Todes nicht mehr!
Die Suͤnd’ iſt verſchlungen!
Der Tod iſt bezwungen!
Hallelujah! dem Gottmenſch, dem Sieger des Todes!
Hallelujah! dem ewigen Sohn!
II. Der Engel Gottes fuhr herab,
Schnell, wie der wetterleuchtende Blitz;
Sein241Sein Kleid war weiß, wie der ſchimmernde Schnee
Des Grabes Huͤter ſahn erſchrocken in die Hoͤh;
Betaͤubet, ſeellos, legte ſie ſein Blitz,
Ums Grab zerſtreuet, vor ſich hin.
Er aber trat ans Grab,
Und waͤlzete die Laſt des Felſen ab.
Da zitterte der Erde Grund
Dem maͤchtigen Gange des Kommenden;
Und ietzt trat aus des Grabes Graus
Der Sieger des Tods im Triumphe heraus.
Chor. Der Herr iſt erſtanden! der Herr iſt erſtanden!
Jhn halten die Banden
IIIter Theil. O.Des242Des Todes nicht mehr!
Die Suͤnd’ iſt verſchlungen!
Der Tod iſt bezwungen!
Hallelujah! dem Gottmenſch, dem Sieger des Todes!
Hallelujah! dem ewigen Sohn!
III. Was ſchallt aus allen Tiefen
Fuͤr ein Geheul empor?
Mit kaltem Schauder hoͤrt mein Ohr
Hinunter in die Tiefen.
Es ſind nicht Klagen — Seufzer nicht,
Was aus der tiefſten Tiefe bricht.
Es iſt ein ſcheußliches Gebruͤll,
Es243Es iſt Verzweiſelung!
So bruͤllt ſie, die Verzweifelung!
Chor. Es iſt Verzweifelung!
So bruͤllt ſie, die Verzweifelung,
Wenn ſie der Rache Blitz durchfaͤhrt,
Und kein Erbarmer mehr ſie hoͤrt.
IV. Als ſich der Sieger ietzt aus ſeinem Grabe riß,
Fuhr er hinab ins Reich der Finſterniß,
Wo ſich die Satane, lautjauchzend, im Trinmph
Q 2Des244Des Todes des Meßias freuten.
Mit bitterm, nur der Hoͤlle wuͤrdgem, Hohn
Sprach Satan von dem Goͤtterthron:
Jhr habt ihn ſterben ſehn, den Traͤumer, den Propheten,
Den Sohn der Allmacht, wie er ſich genannt —
Doch Satan konnt’ ihn toͤdten!
Mit meiner viel gewaltgern Hand
Riß ich ihn in den Staub! — Verweſe da,
Du Goͤtterſohn! — —
V. So ſprach der wilden Laͤſtrung Stimme,
Als unter ihm der Hoͤlle Veſte bebt,
Er245Er koͤmmt, er koͤmmt in ſeinem Grimme,
Der Gottmenſch, der Gekreuzigte,
Der Todte, welcher lebt!
Zehntauſend Donner ſandt er vor ſich her;
Die Fuͤrſten ſtuͤrzten von den Thronen,
Und ohn Erbarmen, ohne Schonen,
Ward jeder in dem Feuermeer
An ſeinen Felſen angeſpießt,
Um da Jahrtauſende in Pein,
Mit Flammen uͤberſchwemmt zu ſeyn.
Da bruͤllte die Verzweifelung
Das ſcheußliche Geheul aus allen Hoͤhlen.
Ein ſcheußliches Geheul drang von verdammten Seelen
Q 3Dem246Dem Raͤcher nach, der, nach der Hoͤlle Sieg,
Herauf zur Erde ſtieg!
Chor. Preiß ihm! dem Starken, der des Raubes
Den Tod, und die Hoͤlle beraubt!
Durch den Gott das Geſchlecht des Staubes,
Durch Blut, durch theures Blut erloͤſt,
Und uns nicht ganz zur Hoͤlle verſtoͤßt.
Hallelujah, dem Gottmenſch, dem Sieger der Hoͤlle!
Hallelujah! dem ewigen Sohn.
VI. Welch eine herrliche Geſtalt
Koͤmmt unter jenen Schatten her?
Und247Und welche goͤttliche Gewalt
Spricht lauter in mir? — Er! = =
Er iſts, er iſts, den ich beweint = =
Es iſt der Goͤttliche, der Menſchenfreund
Mein Heiland, und mein Gott! —
VIIO laß mich hier zu deinen Fuͤßen
Den Staub, o du Geſalbter, kuͤſſen,
Der dich, des Todes Sieger, traͤgt,
Mein Auge ſtroͤme Freudenzaͤhren,
Daß du, um einſt mich zu verklaͤren,
Dich ſelber in den Staub gelegt.
Q 4VIII. 248VIII. Mit kaltem Schauder bebt ich ſonſt,
Wenn ich hinab ins Thal des Todes ſah!
Da war kein Stral vom Licht —
Da war kein Helfer fuͤr mich da.
Oft zagte tief in ſich
Die Seele, voll Verzweifelung,
Und ſtraͤubte ſich, und rung
Und fuͤrchtete, nicht mehr zu ſeyn! —
Der gegenwaͤrtgen Gottheit Schein
Erhellt ietzo das finſtre Todesthal.
Der beſſern Hofnung Stral
Erhellt der Seele Traurigkeit
Mit kuͤnftger Ewigkeit.
VIIII. 249VIIII. Auch ich bin Staub, auch ich, ich werde
Dereinſt in deinem Schooß, o Erde,
Sanft ruhn, wie Er.
Doch ſoll kein Tod mich zaghaft machen.
Jch weiß, ich weiß, ich werd erwachen,
Und auferſtehn, wie Er.
X. Und o! des großen Tags!
Wann ietzo der Trommeten Schall
Jn alle Graͤber dringt;
Und aller Welten Wiederhall
Q 5Den250Den Kommenden verkuͤndigt, der ins Feld
Der Todten koͤmmt und da Gerichte haͤlt.
Wenn nun, o Herr, ſo wie dein Wort gebeut,
Das Feld der Todten rauſcht; die Ewigkeit
Die Myriaden nimmt; und insgeſammt
Dein Wort ſie losſpricht, oder ſie verdammt.
XI. Laß mich nicht, Unerbittlicher,
Wenn Himmel und Erde vergehn,
Jn deinem Zorn dich ſehn!
Noch biſt du Richter nicht;
Noch251Noch hoͤreſt du das Flehn, das durch die Wolken bricht;
Laß mich, o Herr, zum Leben auferſtehn!
Chor. Du Sohn des Ewigen! hoͤr unſer Flehn!
Laß uns zum Leben auferſtehn!
XII. So biſt du auch fuͤr mich erſtanden,
O du Gekreuzigter!
So wird der Hoͤlle Spott zu Schanden,
Und ich lobſinge dir, o Herr!
Schlußchor. Jauchzt Lieder dem Herrn, der Herr iſt erſtanden!
Jauchzt ihm in ſeinem Heiligthum!
Es252Es miſchen von den hoͤhern Sphaͤren
Die Engel ſich zu unſern Choͤren,
Die Erde ſchallt von ſeiner Thaten Ruhm.
Jauchzt Lieder dem Herrn, der Herr iſt erſtanden!
Jauchzt ihm in ſeinem Heiligthum.