PRIMS Full-text transcription (HTML)
Poetiſche Schriften
Erſter Band.
Mit allergnaͤdigſten Freyheiten.

An Seine Hochfuͤrſtliche Durchlaucht den Herzog Ferdinand von Braunſchweig ꝛc. ꝛc. ꝛc.

Erwarte nicht, verehrungswuͤrdger
Held,
Du Zier der ietzigen, du Ruhm der
ſpaͤtſten Welt,
Der Muſe ſchwaches Lob. Wie koͤnnt
es ihr gelingen,
O Ferdinand, Dich wuͤrdig zu beſin -
gen,
* 3Da
Da Deine Thaten ſelbſt ein groͤßrer
Lobſpruch ſind,
Als alles, was der Witz der Dichter
ſich erſinnt.
Wofern indes den Beyfall ſpaͤter
Zeiten
Die Muſe hoffen darf: ſo ſollen ihre
Saiten
Bekraͤftigen, wie Du ein ganzes Land,
Gefeſſelt ſchon von ſeiner Feinde Hand,
So
So ſchnell befreyt, daß ſchon vor Dei -
nem Drohen
Vom Elbſtrand an des Feindes Fah -
nen flohen
Bis zum erſtaunten Rhein. Die klei -
ne Kriegerſchaar,
Die kaum bey Stade noch ein Spott
des Feindes war,
Schlug nun bey Creveld ſchon den Kern
von Frankreichs Kriegern,
Und ward, gefuͤhrt durch Dich, ein
furchtbar Heer von Siegern.
O Tag
O Tag bey Minden! Du, uns ewig
theurer Tag!
Wie vom Olymp ein ſchneller Don -
nerſchlag
Herniederfaͤhrt: ſo ſah in wenig Stun -
den
Der Gallier von dir ſich uͤberwunden;
Contades floh. Du gabſt zum zwey -
tenmal
Die Freyheit uns durch Deinen Hel -
denſtahl.
Doch
Doch wie das Meer, das durch die
Daͤmme dringet,
Auf neuem Sturm auch neue Wellen
bringet;
So drang aus Gallien, auf ein ge -
ſchlagnes Heer,
Ein ſtaͤrkeres herzu. Welch eine Ge -
genwehr
Von Dir, o Ferdinand, in Fielinghau -
ſens Flaͤchen!
Die Feinde konnten nicht in Deine
Schaaren brechen;
Du
Du ſtandeſt Tage lang in Arbeit,
Dampf und Gluth;
Der Feind entfloh, und hier auch ſiegte
Muth.
So eilteſt Du von Siegen fort zu
Siegen;
Schienſt oft dem Feind mit Deinem
Heer zu fliegen,
Wenn er bedeckt im ſichern Lager ſtand,
Und auf einmal Dein Raͤcherſchwerdt
empfand.
Sprich
Sprich, Grebenſtein, wie er bey dir ge -
ſtritten!
Sein Heer zog fort mit feſtgeſchloßnen
Schritten;
Die Fahnen flatterten, die Feldmuſik
erklang,
Als er den Gallier vor ſich zu fliehen
zwang.
Dies thateſt Du mit einem ſchwa -
chen Heere;
Mit Juͤnglingen erhieltſt Du Deutſch -
lands Ehre.
So
So macht ein Geiſt wie Ferdinand,
allein
Sein kleines Kriegsheer groß, des
Feindes Heersmacht klein.
Der Lorbeerkranz hat Deine Stirn
umflochten.
Doch nicht allein der Ruhm, den ſich
Dein Schwerdt erfochten,
Macht Dich ſo groß. Jn welchem hel -
len Licht
Erſcheineſt Du dem Menſchenfreunde
nicht!
Nimm
Nimm, Ferdinand, das Lob, ſo Dir
mit Recht gebuͤhret.
Wenn hat man je ſo edel Krieg ge -
fuͤhret,
Als Du, o Held? Nicht Raubſucht,
nicht Gewalt
Entvoͤlkerte das Land. Die ſchreckliche
Geſtalt
Verlohr der Krieg durch Dich. Man
ſah die feinern Sitten
Jm Lager auch. Du herrſchteſt uͤber
Britten,
Und
Und uͤber Gallier; ein allgemeines Lob,
Womit der Feind aufrichtig Dich er -
hob,
Drang oft zu Deinem Ohr, und die
Gefangnen giengen
Ungern von Dir zuruͤck.
Von dieſen Wunderdingen
Soll bey der Nachwelt einſt dies Lied
ein Zeuge ſeyn.
Die Muſe darf es Dir mit freyer
Stirne weyhn,
Denn
Denn Du ſiehſt auch auf dieſe deut -
ſchen Lieder
Mit Guͤtigkeit und mit Ermuntrung
nieder.
Sie fuͤrchtet nicht Staub und Vergeſ -
ſenheit;
Dein Name ſchon allein giebt ihr Un -
ſterblichkeit.

Vorbericht.

Schon ſeit einigen Jahren haben ver - ſchiedene Liebhaber der ſchoͤnen Wiſſenſchaf - ten den Wunſch geaͤußert, meine poetiſche Schriften, die zerſtreut und unter verſchie - denen Formaten herausgegeben worden, in einer vollſtaͤndigen Ausgabe zuſammengedruckt zu ſehn. Jch habe dieſes Verlangen mitadeſtoVorbericht. deſto groͤßerem Vergnuͤgen erfuͤllt, da ich dadurch Gelegenheit erhalten, dieſe meine Gedichte nochmals zu verbeſſern, und ſie dem guͤtigen Beyfalle der Leſer immer wuͤr - diger zu machen.

Jch uͤbergebe alſo den Freunden mei - ner Muſe hiermit die drey erſten Theile meiner poetiſchen Schriften. Auſſer den vielen einzeln Verbeſſerungen, habe ich die - ſelben noch mit einem ganz neuen ſcherzhaf -tenVorbericht. ten Heldengedichte, Hereynia genannt, und mit einem neuen Buche von Oden ver - mehrt. Druck und Papier habe ich noch beſſer gewaͤhlt, als in dem ausgegebnen Plane verſprochen worden, wie ſich jeder hievon uͤberzeugen kan, welcher den erſten Plan mit dieſer Auflage gegen einander hal - ten will.

Die drey uͤbrigen Theile ſollen nun mit eben der Sorgfalt und Sauberkeit ab -a 2ge -Vorbericht. gedruckt, und kuͤnftige Leipziger Oſtermeſſe 1764. unfehlbar erfolgen. Und damit die Leſer auch in den drey letzten Theilen et - was neues finden, ſo wird man ihnen die erſten Geſaͤnge eines ernſthaften Heldenge - dichts, Cortes, oder die neue Welt genannt, vorlegen.

Bey dieſer Gelegenheit kan ich nicht umhin, allen denjenigen meine oͤffentliche Erkenntlichkeit zu bezeigen, die durch ihreBe -Vorbericht. Bereitwilligkeit, voraus zu bezahlen, mich in den Stand geſetzt haben, dieſe neue Auflage zu beſorgen. Eine betraͤchtliche Au - zahl von Militairperſonen, die ſich in dem angehengten Praͤnumerantenverzeichniß fin - den, iſt ein Beweiß, wie ſehr die Liebe zu den ſchoͤnen Wiſſenſchaften ſich immer mehr und mehr ausbreitet.

Einige Namensverzeichniſſe ſind durch unvermuthete Zufaͤlle ſo ſpaͤt eingelaufen, daßa 3manVorbericht. man den Druck dieſer Theile ohnmoͤglich laͤnger darnach aufhalten konnte. Man wird indes dieſe Namen vor dem vierten Theil nachhohlen; ſo wie alle Namen der - jenigen, welche noch von dato an bis ge - gen Oſtern 1764. auf das ganze Werk ei - nen alten Louisdor vorausbezahlen. Das Werk wird in den Buchlaͤden erſt kuͤnftige Oſtermeſſe zu haben ſeyn, und alsdann um ein anſehnliches hoͤher kommen. DiePraͤ -Vorbericht. Praͤnumerationen werden entweder gerade an den Verfaſſer, oder an die Braunſchwei - giſche Waiſenhausbuchhandlung allhier in Braunſchweig frey eingeſendet. Aus einer gedruckten Nachricht wird man uͤberdies an den vornehmſten Orten in und außer Deutſchland die Namen der Goͤnner und Freunde finden, die noch bis Oſtern Praͤ - numeration annehmen.

Uebrigens finde ich fuͤr noͤthig, hier - mit zu verſichern, daß ich dieſe Auflage oh -a 4neVorbericht. ne fernere Veraͤnderungen beybehalten, und alles uͤbrige, was ich noch der Welt vor - zulegen wuͤrdig finden ſollte, als Theile der - ſelben fortdrucken laſſen werde. Das Werk wird kuͤnftig in den Meſſen in Commißion der Fuͤrſtl. Braunſchweigiſchen Waiſenhaus - buchhandlung zu haben ſeyn. Braunſchweig den 26. September 1763.

Friedrich Wilhelm Zachariaͤ, Profeſſor der Dichtkunſt am Collegio Carolino zu Braunſchweig.

Ver -

Verzeichniß der hohen Fuͤrſtlichen Perſonen, die auf dieſes Werk vorausbezahlt haben. Nach alphabetiſcher Ordnung.

Anhalt-Deſſau.

  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. der regierende Fuͤrſt, Leopold Friedrich Franz.
  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Prinz Johann Georg.
a 5Sei -
  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Prinz Albert.
  • Jhro Hochfuͤrſtl. Durchl. die Prinzeßin Agneſe.
  • Jhro Hochfuͤrſtl. Durchl. die Prinzeßin Caſimire.

Brandenburg-Culmbach.

  • Jhro Hochfuͤrſtl. Durchl. die verwittbete Marggraͤfin Sophia Carolina.

Braunſchweig-Wolfenbuͤttel.

  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. der regierende Herzog, Carl.
  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Herzog Ferdinand.
Sei -
  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Prinz Friedrich.
  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Prinz Wil - helm.

Mecklenburg-Schwerin.

  • Jhro Hochfuͤrſtl. Durchl. die regierende Her - zogin, Louiſe Friderike.
  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Prinz Ludwig.
  • Jhro Hochfuͤrſtl. Durchl. Dero Gemahlin, Charlotte Sophie.
  • Jhro Hochfuͤrſtl. Durchl. die Prinzeßin Ulrike Sophie.

Mecklenburg-Strelitz.

  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Prinz Carl Friedrich.
Sei -
  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Prinz Ernſt Gottlob Albert.

Naſſau-Saarbruͤck.

  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. der regierende Fuͤrſt, Wilhelm Heinrich.
  • Jhro Hochfuͤrſtl. Durchl. Dero Gemahlin, Sophie Chriſt. Charlotte.

Preußen.

  • Seine Koͤnigl. Hoheit Prinz Friedrich Heinrich Carl.

Sachſen-Coburg-Saalfeld.

  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. der Erbprinz, Ernſt Friedrich.
Jhro
  • Jhro Hochfuͤrſtl. Durchl. Dero Gemahlin, Sophie Antonette.
  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Prinz Chriſtian Franz.

Schwarzburg-Sondershauſen.

  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. der regierende Fuͤrſt, Guͤnther.
  • Jhro Hochfuͤrſtl. Durchl. Dero Gemahlin, Charlotte Wilhelmine.

Schwarzburg-Rudelſtadt.

  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. der regierende Fuͤrſt, Johann Friedrich.
  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Fuͤrſt Ludwig Guͤnther.
Sei -
  • Seine Hochfuͤrſtl. Durchl. Prinz Ludwig Carl.
  • Jhro Hochfuͤrſtl. Durchl. die Prinzeßin So - phie Albertine.

Wuͤrtemberg.

  • Jhro Hochfuͤrſtl. Durchl. die regierende Her - zogin, Eliſabeth Sophie Friederike Wilhelmine.
Ver -

Verzeichniß der uͤbrigen Praͤnumeranten nach alpha - betiſcher Ordnung.

A.

  • Herr Landdroſt von Alvensleben.
  • Herr Paſtor Alberti. Jn Hamburg.
  • Herr Major von Appelbom Jn Herzogl. Braun - ſchweigiſchen Dienſten.
  • Herr Oberproviantmeiſter Arndt. Jn Koͤnigl. Pr. Dienſten.
  • Herr Avenarius. Hofmeiſter bey Herrn von Len - the auf dem Carol. zu Br.
B. Ma -

B.

  • Madame Bachmann. Jn Magdeburg.
  • Herr Chriſt. Sigismund Backmeiſter. Der Sch. Wiſſ. Befl.
  • Herr Ludwig von Bar.
  • Frau Profeſſorin Baſedow. Jn Altona.
  • Herr Bayling, Kaufmann in Stuttgard.
  • Herr Regierungsrath, Freyherr von Bechtolsheim. Jn Gotha.
  • Herr Hauptmann, Freyherr von Bechtolsheim. Zu Coppenhagen.
  • Herr Landrath von Behr.
  • Herr Paſtor Belzer.
  • S. B. Jn Hannover.
  • Herr Peter Benzmann. Quartiermeiſter des ho -henhen Quart. der loͤbl. dritten Ordnung bey der Regierung zu Danzig.
  • Herr Berens. Jn Riga.
  • Herr Hofgerichtsaſſeſſor von Berg. Jn Riga.
  • Herr Cammerdiener Berg. Jn Schwerin.
  • Herr Hofjunker von Bergholz. Jn Braunſchweig.
  • Herr Kirchennotarius Bergmann. Jn Riga.
  • Herr Landrath von Bernsdorf.
  • Herr Doctor und Profeſſor Theol. Bertling. Jn Danzig.
  • Herr Artilleriehauptmann Berge. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
  • Herr Oberappellationsrath von Beulwitz. Jn Zelle.
  • Herr Franz Birke. Von Trarbach.
  • Herr Profeſſor Bodmer. Jn Zuͤrch.
bFrau
  • Frau Graͤfin von Boſe. geb. Graͤfin zu Putbus. Jn Bareith.
  • Herr Carl Friedrich Boſe. Sachſencoburgſaalfeldi - ſcher Cammerjunker und Regierungsrath.
  • Herr Chriſtian Adolph Carl Boſe. Fuͤrſtl. Anhalt - deſſ. Hof - und Jagdjunker.
  • Herr Lieutenant von Bohlen. Unter Prinz Friedrich. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
  • Herr Brandenburg, Kaufmann in Stralſund.
  • Herr Philipp von Braunſchweig. Aus Col - berg.
  • Herr Major Breymann. Unter Mannsberg in Her - zogl. Br. Dienſten.
  • Herr Hanß von Broͤmbſen. Des Hochſtifts Luͤ - beck Domcapitular, Großfuͤrſtl. Holſteiniſcher Landrath.
  • Herr Geheimetribunalsrath Buchholz. Jn Ba - reith.
Herr
  • Herr Landrichter, Gotth. Wilhelm von Budberg. Jn Riga.
  • Herr Hofgerichtsnotarius von Budberg. Jn Riga.
  • Herr Clamor Adolph Theodor, Freyherr von dem Buſche, zu Huͤnnefeld.
  • Herr Buͤrgermeiſter Buſchmann. Jn Stralſund.
  • Herr Magnus von Buttlar. Erbherr der Abgun - ſtiſchen Guͤter in Curland.
  • Herr Landrath von Buͤlow. Jn Zelle.
  • Herr von Buͤlow. Hofmeiſter bey Jhro Koͤnigl. Hoheit der Herzogin von Braunſchweig.
  • Herr Major von Buͤlow. Jn Hannoͤverſchen Dienſten.
  • Herr Hofrath von Buͤlow. Jn Hannover.
  • Herr Capitainleut. von Buͤlow. Jn Hannoͤverſchen Dienſten.
b 2C. Herr

C.

  • Herr Profeſſor Caſſell. Jn Bremen.
  • Herr Lieutenant Cleve. Jn Br. Dienſten.
  • Herr Oberſekretair Conradi. Jn Mietau.
  • Herr Regierungspraͤſident von Cramm. Jn Blan - kenburg.
  • Herr von Cramm. Herzogl. Wuͤrtembergiſcher Cammerherr, und Obriſtlieut. von der Garde.
  • Herr Profeſſor Curtius. Jn Luͤneburg.

D.

  • Herr Rittmeiſter von Dachenhauſen. Jn Hann. Dienſten.
  • Herr Graf von Dalwitz. Rittmeiſter in Churſaͤchſ. Dienſten.
  • Herr Senator Dannemann. Jn Luͤneburg.
Herr
  • Herr J. von Daßell. Barmeiſter in Luͤneburg.
  • Herr Hauptmann von der Deckna. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
  • Herr Carl Graf von Demath. Lieut. in Koͤnigl. Daͤn. Dienſten.
  • Herr G. Aug. Detharding. Des Hochſt. Luͤbeck Syndikus, Koͤnigl. Daͤniſcher Canzeleyrath.
  • Herr Schloßhauptmann von Dewitz. Jn Strelitz.
  • Herr Franz Joachim von Dewitz. Erbherr auf Friedrichsgabe, Loitmark ꝛc.
  • Herr Cammerherr Freyherr von Dieden. Koͤnigl. Daͤniſcher Geſandter in Berlin.
  • Herr Johann Ludwig Diefenbach. Jn Frankfurt am Mayn.
  • Herr von Ditten. Jm Mecklenburgiſchen.
  • Herr Friedrich Leopold, Reichsgraf von Dohna, Reichertswalde.
b 3Herr
  • Herr Reichsgraf von Dohna. Adjutant bey Sr. Durchl. dem Herzog Ferdinand von Br.
  • Herr Cammerjunker von Dorn. Jn Schwerin.
  • Herr Chr. S. Doͤrper. Pagenhofmeiſter in Mietau.
  • Herr Obriſtlieut. von Duͤring. Jn Hannoͤverſchen Dienſten.
  • Herr Hauptmann von Duͤring. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
  • Herr von Duͤring.

E.

  • Herr Heinrich Ebel. Der Sch. Wiſſ. Befl. Jn Bremen.
  • Herr Sekretair Ebeling.
  • Herr Profeſſor Ebert. Am Carol. zu Braunſchw.
  • Herr Moritz Chriſtian Ericius. Koͤn. Daͤn. Can - zeleyrath.
Herr
  • Herr Johann Benjamin Eppen. Der Gottesgel. Befl. Jn Danzig.

F.

  • Fraͤulein von Fabrice. Jn Zelle.
  • Herr Sekretair Falkmann.
  • Herr Samuel Vertraugott Faͤuſtel. Kaufmann in Breslau.
  • Herr Johann Felking. Der Sch. Wiſſ. Befl. Jn Danzig.
  • Frau Obriſtin und Baroneßin Sophia Doroth, Eleon. von Ferßen.
  • Herr Domdechant von Fink. Jn Minden.
  • Herr von Fink. Aus Curland; auf dem Carolino zu Br.
  • Herr Friedrich Ewald von Firks. Erbherr der Strickſchen und Haſenpotſchen Guͤter in Cur - land.
b 4Herr
  • Herr Carl Lewin von Firks. Erbherr der Sturm - huſiſchen Guͤter in Curland.
  • Herr Feldpoſtmeiſter Fiſcher.
  • Herr Oberſteuerprokurator D. Fleiſcher. Jn Dresden.
  • Herr von Froeden. Obriſtlieut. bey der Saͤchſi - ſchen Artillerie, und Generaladjutant bey Sr. Koͤn. Hoheit dem Herzog Carl von Curland.

G.

  • Herr Cammerjunker von Gablenz. Zu Gotha.
  • Herr Oberkirchennotarius Gadebuſch. Jn Doͤrpt.
  • Herr Profeſſor Gaͤrtner. Am Carol. zu Br.
  • Herr Geheimerath und Vicepraͤſident von Gemmin - gen. Jn Stuttgard.
  • Herr Jngenieurlieutenant Gerlach. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
Herr
  • Herr Canonikus Gleim. Jn Halberſtadt.
  • Herr Regierungsrath Gotter. Zu Altenburg.
  • Herr Cammerherr von Grone. Zu Gotha.
  • Herr Hofjunker von Groten. Jn Hannoͤverſchen Dienſten.
  • Herr Conſtantin Ernſt Groddeck. Sekretair der Stadt Danzig.
  • Herr Cammerpraͤſident, Freyherr von Guͤnderode.

H.

  • Herr Legationsrath von Hagedorn. Jn Dresden.
  • Herr Hauptmann Haller von Hallerſtein. Jn Her - zogl. Br. Dienſten.
  • Herr Hamann, Gelehrter, in Koͤnigsberg.
  • Herr Brigademajor von Hammerſtein. Jn Hann. Dienſten.
b 5Herr
  • Herr Georg Auguſt von Hammerſtein.
  • Herr Heinrich Haſe. Der Sch. Wiſſ. Befl. Jn Bremen.
  • Herr Commißionsrath Haußſchild. Jn Dresden.
  • Herr M. Haug. Paſtor in Stotzingen.
  • Herr Obriſtlieut. von Hardenberg. Jn Hannoͤv. Dienſten.
  • Herr Hofrath Hartmann. Jn Hannover.
  • Herr Cammerherr von Hellmoldt. Zu Gotha.
  • Herr Capellmeiſter Hertel. Jn Schwerin.
  • Herr Architekt Heumann. Jn Hannover.
  • Herr Ernſt Heydevogel. Aelteſter, in Riga.
  • J. Fr. H ***.
  • S. G. H in Koͤnigsberg.
  • Herr Lieutenant Hograͤfe. Jn Hann. Dienſten.
Herr
  • Herr Cammerjunker von Hoheneck. Jn Braun - ſchweig.
  • Herr Superintendent Hornboſtel. Jn Luͤne.
  • Herr Oberforſtmeiſter von Hoym. Jn Braun - ſchweig.
  • Herr Obriſter, Auguſt Wilhelm von Hoym. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
  • Herr Major von Hugo. Jn Hann. Dienſten.
  • Herr Canzeleyſekretair von Hugo. Jn Hannover.
  • Herr Generalmajor von Huth. Jn Heßiſchen Dienſten.

J.

  • Herr Hauptmann von Jſſendorf. Jn Hannoͤver - ſchen Dienſten.

K.

  • Herr Kahle, Herr der Herrſchaften Kemnitz, Bertelsdorf ꝛc.
Herr
  • Herr Leibmedikus Keck. Jn Braunſchweig.
  • Madame Kerker. Jn Bareith.
  • Herr Hofrath, Graf von Kielmannsegge. Jn Hann. Dienſten.
  • Herr Hofjunker, Graf von Kielmannsegge. Jn Hann. Dienſten.
  • Herr Lieuten. von Klitzing. Bey des Koͤnigs von Preuſſen erſten Garde.
  • Herr Hauptmann von Klinkowſtroͤm. Jn Hann. Dienſten.
  • Herr Lieuten. von Kneſebeck. Bey des Koͤnigs von Pr. erſten Garde.
  • Frau Oberappellationsraͤthin von Kopp. Jn Caſſel.
  • Herr Ferdinand von Korf. Ritter des St. An - nen-Ordens, Staroſt von Roßiten ꝛc.
  • Herr Hauptmann von Koͤnig. Unter des Erbprin - zen von Braunſchw. Regiment.
Herr
  • Herr Chriſt. Gottl. Kracker von Schwarzen - feld.
  • Herr Johann Ernſt Kracker von Schwarzen - feld.
  • Herr Chriſt. Gottfried Krauſe. Advoc. Cur. Jn Berlin.
  • Herr Gottl. Andreas Kreuſel. Kaufmann in Breslau.
  • Herr Cammerjunker von Kunſch. Jn Braun - ſchweig.
  • Herr Capitainlieutenant Kunze. Jn Hannoͤverſchen Dienſten.
  • Mademoiſelle Johanna Amalia Luiſe, Kurella. Jn Koͤnigsberg.

L.

  • Frau Reichsgraͤfin Apollonia Lacy, verwittbete Frau Generalmajorin von Witten.
Herr
  • Herr Magnus Launitz. Der Gottesgel. Befl. Jn Danzig.
  • Herr Hauptmann von Lehnert. Unter der Heßi - ſchen erſten Garde.
  • Herr Hauptmann von Lehſten. Jn Hannoͤverſchen Dienſten.
  • Herr Legationsrath Leiſching. Jn Hamburg.
  • Herr Friedrich Lemke. Der Rechte Befl. Jn Danzig.
  • Frau Landraͤthin von Lenthe. Jn Zelle.
  • Herr Kriegsrath von Lenthe. Jn Hannoͤverſchen Dienſten.
  • Herr Liebe. Medic. Licent. Jn Mietau.
  • Herr Rektor Lindner. Jn Riga.
  • Herr Lindner. Hofmeiſter bey Hrn. von Manteu - ſel auf dem Carol. zu Braunſchw.
Herr
  • Herr Lindt. Kaufmann in Bremen.
  • Herr Cammerjunker und Regierungsrath von Lin - ker. Jn Bareith.
  • Herr Major von Linſing. Jn Hannoͤverſchen Dienſten.
  • Herr Hauptmann von Loͤben. Unter des Erbprin - zen von Braunſchweig Regiment.
  • Herr Hauptmann von Loͤben. Jn Hannoͤverſchen Dienſten.
  • Herr Regierungsrath von Loͤbenſtein. Jn Caſſel.
  • Herr Sekretair Loͤwen. Jn Schwerin.
  • Herr Commißionsrath Lutterloh. Jn Braun - ſchweig.
  • Herr Hauptmann Lutterloh. Jn Braunſchweig. Dienſten.
  • Herr Cammerjunker von der Luͤhe. Jn Schwerin.
Herr
  • Herr Hofjunker von der Luͤhe. Jn Braunſchweig.
  • Herr Cammerjunker, Freyherr von Luͤtzow. Jn Schwerin.

M.

  • Herr Chriſtopher Lewin von Manteufel, genannt Szoͤge, Erbherr der Platonſchen und Blan - kenfeldſchen Guͤter, in Curland.
  • Frau Geheimeraͤthin von Maſſow. Jn Berlin.
  • Fraͤulein von Maſſow, vermaͤhlte von Riedeſel.
  • Herr Kupferſtecher Meil. Jn Berlin.
  • Herr Profeſſor Meier. Jn Halle.
  • Herr Ant. Friedr. Guſtav Meiners. Der Sch. Wiſſ. Befl. Jn Bremen.
  • Herr Cammerjunker von Mecklenburg.
  • Herr Hauptmann von Mecklenburg.
Herr
  • Herr von Mecklenburg.
  • C. S. M. Jn Hannover.
  • Mademoiſelle M.
  • Herr Regierungsſekretair Meyer. Jn Hannoͤver - ſchen Dienſten.
  • Herr Hofmedikus Meyer. Jn Hannover.
  • Herr Daniel Wilhelm Salomon Meyer. Aus Colberg.
  • Herr Aron Meyer, und
  • Herr Benedir Meyer, Gebruͤder von der Juden - ſchaft in Berlin.
  • Herr Hauptmann von Molzahn.
  • Herr Geheimerath von Moſer. Jn Frankfurt am Mayn.
  • Herr Moſes Mandelſon. Litteratus der Juden - ſchaft zu Berlin.
cHerr
  • Herr Rath Moͤſer. Jn Osnabruͤck.
  • Herr Hofſekretair Muͤldener. Jn Dresden.
  • Herr Johann Muͤller. Von Lindau am Bodenſee.
  • Herr Emanuel Muͤller. Aus Frankfurth am Mayn.
  • Herr Franz Arnold Muͤllendorf. Kaufmann in Breslau.
  • Herr Landrath von Muͤnchhauſen. Jn Hannoͤv. Dienſten.
  • Herr Hofrath Mylius. Jn Sondershauſen.

N.

  • Herr Johann Benjamin Neugebauer. Kaufmann in Breslau.
  • Herr Sekretair Neumann. Jn Schreckhauſen.
  • Herr Buchhaͤndler Nicolai. Jn Berlin.
Herr
  • Herr Studioſus Nordmann. Aus dem Coͤthen - ſchen.
  • N. N. in Ratzeburg.

O.

  • Herr Major, Graf von Oeynhauſen. Jn Han - noͤv. Dienſten.
  • Herr Oberreit. Jn Frankfurth am Mayn.
  • Herr von Oſten. Jn Bareith.
  • Herr Paſtor Overbeck. Jn Handorf bey Luͤne - burg.

P.

  • Herr von Pachaly. Koͤnigl. Preuß. Oberamtsre - gierungsſekretair in Breslau.
  • Herr Commiſſair Pape. Zu Nienburg.
  • Herr Hauptmann von Penz. Jn Hannoͤverſchen Dienſten.
c 2Herr
  • Herr Daniel Chr. Pflugradt. Der Gottesgel. Can - didat. Jn Mietau.
  • Herr Cammerherr von Planitz. Zu Altenburg.
  • Herr Lieuten. duͤ Plat. Jn Hann. Dienſten.
  • Herr Cammerjunker und Rittmeiſter von Pleß. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
  • Herr Cammerjunker und Hauptmann von Pleß. Bey Sr. Durchl. dem Prinz Carl von Meck - lenburgſtrelitz.
  • Herr Brigademajor von Poͤllnitz. Jn Hannoͤv. Dienſten.
  • Herr Preus. Koͤnigl. Pr. Hof - und Criminalrath.
  • Herr Geheimecanzeleyſekretair Preſt. Jn Londen.

R.

  • Herr Heinrich der Eilfte, regierender Graf von Reuß zu Obergraͤtz.
Herr
  • Herr Oberſteuerſekretair Rabener. Jn Dresden.
  • Herr Hofrath von Ramdohr. Jn Hannover.
  • Herr Profeſſor Ramler. Jn Berlin.
  • Herr C. S. Rappolt.
  • Herr Hauptmann Rathmann. Generalſtabsquar - tiermeiſter. Jn Hann. Dienſten.
  • Herr Generallieutenant von Reden. Jn Hannoͤv. Dienſten.
  • Frau Regierungsraͤthin von Rheinfarth. Jn Caſſel.
  • Herr Generalmajor von Rhetz. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
  • Herr Droſt von Rhetz. Jn Riddagshauſen.
  • Herr Rittmeiſter Reinhard. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
  • Herr Reiß. Kaufmann in Waldenburg.
  • Herr Cammerherr und Rittmeiſter von R[e]izenſtein. Jn Bareith.
c 3Herr
  • Herr Obriſtlieuten. von Riedeſel. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
  • Herr Hauptmann Richter. Jn Hann. Dienſten.
  • Herr Jſ. Magnus Roſenkranz. Mitglied eines loͤbl. breiten Quartiers bey der Regierung zu Danzig.
  • Herr H. B. von Rumohr. Geheimerrath und Domkapitular zu Luͤbeck.
  • Herr Friedrich von Rumohr: Domkapitular zu Luͤbeck.
  • Herr Chriſt. Auguſt von Rumohr. Erbherr auf Rundhoff.
  • Herr Paſtor Ruprecht. Jn Mietau.

S.

  • Herr Sack. Koͤnigl. Pr. Hof - und Criminalrath.
  • Herr Hofmedikus Schaͤfer. Jn Luͤneburg.
Herr
  • Herr von Schickfuß. Lieuten. unter Seydlitz. Kuͤ - raßier. in Koͤnigl. Pr. Dienſten.
  • Herr Schiller. Jn Riga.
  • Herr Obriſt von Schlieben. Jn Heßiſchen Dienſten.
  • Herr Obriſt von Schmerzing. Zu Gotha.
  • Herr Lieuten. von Schmidt. Bey der Hannoͤv. Garde.
  • Herr Canzeleyſekretair Schmidt. Jn Mietau.
  • Herr Georg Friedrich Schmidike. Regiments - quartiermeiſter bey dem Bellingſchen HuſarenR. in Koͤnigl. Pr. Dienſten.
  • Herr Jngenieurmajor Schneller. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
  • Herr von Schoͤnſtaͤtt, auf Schoͤnſtaͤtt.
  • Herr Cloſterrath von Schrader. Jn Wolfen - buͤttel.
c 4Herr
  • Herr Regierungsſekretair Schubert. Jn Ratze - burg.
  • Herr Landrath von Schulze. Jn Riga.
  • Herr Cammerſekretair Schumann. Jn Dresden.
  • Herr Hauptmann Schwanefluͤgel. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
  • Herr Regierungsrath von Schwarzenfels. Zu Gotha.
  • Herr Cammerherr von Seebach. Zu Altenburg.
  • Herr Cammerherr von Seebach. Zu Altenburg.
  • Herr Capitainlieuten. von Seebach. Jn Hannoͤv. Dienſten.
  • Herr Cammerherr und Regierungsrath, Freyherr von Seckendorf. Jn Stuttgard.
  • Herr Singer. Koͤnigl. Preußiſcher Muͤnz - meiſter.
Herr
  • Herr Graf von Solms-Laubach. Obriſtlieuten. unter dem Herzogl. Br. Leibregiment.
  • Herr Graf von Solms-Wildenfels. Canzeley - aſſeſſor in Wolfenbuͤttel.
  • Herr Domdechant von Spiegel. Jn Halberſtadt.
  • Herr Cammerherr und Domherr von Spiegel. Jn Bareith.
  • Fraͤulein Henriette von Spiegel. Hofdame bey Jh - ro Durchl. der verwittb. Frau Marggraͤfin von Bareith.
  • Fraͤulein Friederike von Spiegel. Stiſtsfraͤulein in Minden.
  • Herr Oberauditeur Sp. Jn Koͤnigsberg.
  • Herr Generalmajor von Stammer. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
  • Herr von Steinberg. Major, und Generaladju - tant des Koͤnigs von Engeland.
c 5Herr
  • Herr Baron von Stenglin. Auf dem Carol. zu Braunſchweig.
  • Herr D. Daniel Stenglin. Jn Hamburg.
  • Herr Recktor Stockhauſen. Jn Luͤneburg.
  • Herr Poſtmeiſter Strecker. Jn Braunſchweig.
  • Herr Legationsrath von Stuͤren. Jn Braun - ſchweig.
  • Herr von Sunten. Jn Braunſchweig.

T.

  • Herr Cammerjunker und Hauptmann von Tauben - heim. Jn Herzoglich Braunſchweigiſchen Dienſten.
  • Herr Profeſſor Thomſon. Jn Goͤttingen.
  • Herr Thomas Thomſon. Kaufmann in Breslau.
Fraͤu -
  • Fraͤulein von Thuͤmel. Hofdame bey Jhro Durchl. der Erbprinzeßin von Coburg.
  • Herr von Thuͤmel. Hofjunker bey Sr. Durchl. dem Erbprinzen von Coburg.
  • Fraͤulein Antonette von Tunderfeld. Hofmeiſterin bey den Durchl. Prinzeßinnen von Naſſau - Saarbruͤck.
  • Fraͤulein Louiſe von Tunderfeld. Hofdame bey Jh - ro Durchl. der verwittbeten Frau Marggraͤfin von Bareith.
  • Herr Hauptmann von Tunderfeld. Jn Herzogl. Br. Dienſten.

U.

  • Herr Oberappellationsrath von Ulmenſtein. Jn Zelle.
  • Herr Chriſtoph Georg von Ulrich. Sekretair bey dem Wendiſchen Landgericht in Riga.
Herr
  • Herr Hofrath Unger. Jn Herzogl. Braunſchweig. Dienſten.
  • Herr Juſtitzſekretair Utz. Jn Anſpach.

V.

  • Herr Geheimelegationsrath von Veltheim. Jn Her - zogl. Br. Dienſten.
  • Herr Cammerherr von Verſchuͤr.
  • Herr Geheimekanzeleyſekretair von Voigt. Jn Han - noͤverſchen Dienſten.
  • Herr Chriſtian Volkmann. Organiſt bey der Ma - rienkirche zu Danzig.
  • Herr Cammerjunker von Voͤlker. Jn Herzogl. Br. Dienſten.
  • Herr Profeſſor Volz. Jn Stuttgard.
W. Herr

W.

  • Herr Regierungsrath Wagner. Jn Stuttgard.
  • Herr Canzeleyſekretair Wackerhagen. Jn Han - nover.
  • Herr von Wallenberg. Koͤnigl. Pr. Oberamtsre - gierungsſekretair in Breslau.
  • Herr Oberappellationsrath von Walmoden. Jn Zelle.
  • Herr Obriſtlieutenant von Walmoden. Jn Her - zogl. Br. Dienſten.
  • Herr Forſtmeiſter von Wangenheim. Jn Hann. Dienſten.
  • Herr Brigademajor von Wangenheim. Jn Hann. Dienſten.
  • Herr Obriſtlieutenant von Warrenſtedt. Jn Her - zogl. Br. Dienſten.
Herr
  • Herr Carl Jakob Wegeli, und
  • Herr Johann Georg Wegeli. Gebruͤder Kaufleute in Berlin.
  • Herr Domherr von Weicks. Jn Hildes - heim.
  • Herr Kriegsſekretair Werlhoff. Jn Han - nover.
  • Herr Schloßhauptmann von Werpup. Jn Han - nover.
  • Herr Hofrath von Werpup. Jn Hannover.
  • Herr Weſtphal. Geheimerſekretair bey Seiner Durchl. dem Herzog Ferdinand von Braun - ſchweig.
  • Herr Mich. Wilder. Archidiaconus der Domkir - che zu Luͤbeck.
  • Herr Profeſſor von Windheim. Jn Erlangen.
Herr
  • Herr Major von Winzingerode. Jn Heßiſchen Dienſten.
  • Frau Hofrichterin und Domdechantin von Witzen - dorf. Zu Luͤbeck.
  • Herr Cammerherr von Wollzogen. Zu Alten - burg.
  • Herr Baron von Wolf. Aus Liefland.
  • Herr Wolf. Der Rechte Candidat. Jn Koͤnigs - lutter.
  • Herr Wunderlich. Doctor der Arzeneykunſt. Jn Breslau.

Z.

  • Herr Oberamtsrath Freyherr von Zedlitz. Jn Breslau.
  • Herr Freyherr von Zedlitz. Lieutenant unter demKoͤ -Koͤnigl. Preußiſchen Czetteritzſchen Dragonerre - giment.
  • Herr Stadtſekretair Ziegenhorn. Jn Mietau.
  • Herr Juſtus Gottfried Zitelmann. Regimentsquar - tiermeiſter bey dem Ungariſchen Jnfanterieregi - ment von Kleiſt.
[1]

Der Renommiſt. Ein ſcherzhaftes Heldengedicht.

Erſter Geſang.Der Renommiſt. Erſter Geſang.

[2][3]
[figure]
Den Helden ſingt mein Lied, den Degen, Muth und Schlacht,
Jn Jena fuͤrchterlich, in Leipzig frech gemacht,
Der oft im Zorn allein ein ganzes Heer bekriegte,
Als Held aus Jena gieng, doch nicht in Leipzig ſiegte. A 2Jch4Der Renommiſt.
Jch ſinge, wie ſein Muth ſo manchen Feind bekaͤmpft,
Und wie ſein Siegesſchwerd, des Stutzers Stolz, ge - daͤmpft.
Mod und Galanterie eroͤfnen ihm vergebens
Die blumenvolle Bahn des ſanftern Muſenlebens;
Umſonſt gebraucht Roman der Liebe ganze Liſt;
Selinde ſtralt umſonſt; er bleibt ein Renommiſt.
Bewundernswerth im Sieg, und groß auch noch im Falle,
Verlaͤßt er Leipzigs Zwang, und rettet ſich nach Halle.
Wirf einen Blick auf mich, o Goͤttinn Schlaͤ - gerey,
Damit mein Heldenlied des Helden wuͤrdig ſey!
Laß in dein Heiligthum die ſcheue Muſe ſehen,
Und laß ſie den Gebrauch der jenſchen Welt ver - ſtehen;
Daß ſie die Sprache faßt, die der Student nur ſpricht,
Und nie entweihet ward vom komiſchen Gedicht;So5Erſter Geſang.
So wird die Nachwelt noch aus dieſen Blaͤttern leſen,
Was Renommiſte war, was Stutzer einſt gewe - ſen.
Des Phoͤbus Wagen lief den Sonnenweg herab.
Mit Keichen ſtolperte der Pferde muͤder Trab;
Doch jagten ſie zuletzt, den Weg ſich zu verkuͤrzen,
Daß Thetis zitterte, ihr Phoͤbus moͤchte ſtuͤrzen:
Als auf dem muͤden Gaul, ein jeniſcher Student
Jm ſtolpernden Galop durch bunte Wieſen rennt,
Und oft voll innrer Angſt, die nie Philiſtern traute,
Zuruͤck nach Glaͤubigern, die folgen koͤnnten, ſchaute.
Es war ein Renommiſt, und Raufbold hieß der Held;
Er floh als Maͤrtyrer aus ſeiner jenſchen Welt.
Dort war ſein hohes Amt, ein großes Schwerd zu tragen,
Oft fuͤr die Freyheit ſich auf ofnem Markt zu ſchla - gen,A 3Zu6Der Renommiſt.
Zu ſingen oͤffentlich, zu ſaufen Tag und Nacht,
Und Ausfaͤll oft zu thun auf armer Schnurren Wacht.
Als Hoſpes war er oft des Bacchus erſter Prieſter,
Und ein gebohrner Feind vom Fuchs und vom Phi - liſter.
Er pruͤgelte die Magd, betrog der Glaͤubger Liſt;
Bezahlen mußte nie ein wahrer Renommiſt.
Er ſprach nie ohne Fluch, und ſprach von nichts als Morden;
Und doch hat Don Quichot von ſeinem Ritterorden
So praͤchtig nicht gedacht, als er von ſeinem Amt,
Das ihm, von Held zu Held erhalten, zugeſtammt.
Bergebens lockten ihn die angenehmen Muſen;
Ein kriegriſch Feuer brannt in ſeinem wilden Buſen.
Zum Corporal gemacht, und nicht zum Muſenſohn,
Sprach er den Gratien und Wiſſenſchaften Hohn.
Nachdem ſein ſtarker Arm den kuͤhnſten Streit voll - fuͤhret,Traf7Erſter Geſang.
Traf ihn des Bannes Stral, und er ward relegi - ret.
O Jena! (ruft er aus,) bald werd ich nicht mehr ſeyn!
Bald wird der feige Fuchs ſich meines Falles freun!
Bald wird man auf dem Markt nicht mehr mich bruͤllen hoͤren!
Kein Wetzen mehr von mir wird eure Ruhe ſtoͤren,
Philiſter! Welch ein Schlag! die Freyheit iſt dahin,
Dein Anſehn, Jena, faͤllt, da ich nun nicht mehr bin!
Er ſagts; ſpringt auf ſein Pferd; und zwanzig Cre - ditoren
Sahn ihn zu ſpaͤt entflohn, und ihren Raub ver - lohren.
Da, wo die Pleiße ſich mit krummen Fluthen ſchlingt,
Und manches bunte Schiff auf frohe Doͤrfer bringt,
Liegt eine ſtolze Stadt, die hoch die Daͤcher zeiget,
Groß durch die Muſen prangt, und durch den Han - del ſteiget.
Von der nahm Raufbold ſchon der Thuͤrme Spitzen wahr. A 4Schor -8Der Renommiſt.
Schorſteine ſchimmerten, gleich weiſſer Laͤmmer Schaar;
Die Pracht kam nach und nach von einzeln Haͤu - ſern nahe,
Bis er zuletzt die Stadt in vollem Glanze ſahe.
Ein Spornſtich und ein Fluch befluͤgelten ſein Roß.
Der großen Peitſche Knall, und mancher Ribbenſtoß
Jagt es mit Schaͤumen fort, und faſt im Augen - blicke
Fliehn ganze Gegenden im ſchnellen Lauf zuruͤcke.
Es war ein jeniſch Pferd, es flog mehr, als es lief.
Jhm war kein Berg zu hoch, kein Graben war zu tief,
Es ſprengt ihn muthig durch; im Laufen und im Setzen,
Erfuͤllt es Wink, und Ruf, dem Reuter zum Ergetzen.
Es hieß Calmuck, und ward in Jena ſehr verehrt.
Es naͤhrte ſich auch nicht, wie ein gemeines Pferd,
Mit Haber und mit Heu; nach ſeinem ſchnellen Lau - fen
Verlangt es Bier und Brod, und konnte Brandwein ſaufen. Sechs9Erſter Geſang.
Sechs Meilen war es ſchon im ſchnellen Trott ge - rennt;
Die Maͤhne flatterte, vom Suͤdwind oft zertrennt;
Es wieherte vor Luſt; als es in ſeinem Traben
Auf einmal ſtutzig wird. Es ſetzt durch Buſch und Graben,
Schlaͤgt brauſend hinten aus; ein weißer dicker Schaum
Bedeckt in ſeiner Angſt den alten rothen Zaum,
Und ſchnaubend ſteht es ſtill. Halt, Raufbold, laß es ſtehen!
Die Pferde ſehen oft, was keine Menſchen ſehen!
Es ſteht ein Geiſt vor ihm, von gnomiſcher Natur,
Der Renommiſten Schutz, ſein Name war Pandur.
Er flog oft uͤber ihm mit ſchwarz berußten Schwingen,
Und ſtaͤrkte ſeinen Muth beym Anblick ſcharfer Klin - gen.
Da er aus Jena ging, hatt er die duͤnne Luft
Um ihn herum verdickt in einen dunklen Duft;
Ein Nebel floß um ihn, der ihn dem Blick verſteckte,A 5Damit10Der Renommiſt.
Damit kein Glaͤubiger den fernen Weg entdeckte.
Nun ſieht er, doch zu ſpaͤt, das helle Leipzig nah.
Er merkt, daß Raufbolds Blick mit Luſt Pallaͤſte ſah,
Ha! (dacht er bey ſich ſelbſt,) denkſt du wohl hier zu bleiben?
Verraͤther! meine Liſt ſoll dies ſchon hintertreiben?
Wie leicht vergaͤſſeſt du den Renommiſtenſtand,
Und wuͤrdeſt auch ein Narr, gepudert und galant.
Nein! dies erlaub ich nicht. Er ſagts, und laͤhmt dem Pferde
Den linken Hinterfuß; es ſtuͤrzt, und faͤllt zur Erde.
Sogleich ſpringt Raufbold ab, und ſchreyt voll Rach - begier:
Auch du noch faͤllſt mir um, du canaljoͤſes Thier?
Er flucht, und peitſchet es mit moͤrderiſchen Haͤnden,
Doch es lag, wie es lag, entkraͤftet, lahm an Len - den.
O! (ſchrie er unmuthsvoll in ſeiner Peitſche Knall,)
Waͤrſt du, o Beſtje, doch in des Philiſters Stall,Der11Erſter Geſang.
Der dich, nichtswuͤrdgen Gaul, zum Schimpfe mir gegeben,
So moͤchteſt du allda verrecken, oder leben.
Jndem ſah ihn Calmuck mit matten Augen an,
Als ſpraͤch er: Schone mich, da ich nicht laufen kann.
Zwar Raufbold ſtreichelt ihn, daß er zu ſtehn be - gonnte;
Doch war er ſo geſchwaͤcht, daß er kaum ſchreiten konnte.
Alſo geht er geſpornt lautdonnernd neben her,
Und fuͤhrt den muͤden Gaul vom Mantelſacke ſchwer.
Die Stiefeln druͤcken ihn, doch er muß ſich beque - men,
Bis dicht an Leipzigs Thor den Weg zu Fuß zu neh - men.
Hier ſieht zuletzt Pandur, daß ſich ſein Hannibal,
Trotz aller ſeiner Liſt, und trotz Calmuckens Fall,
Nach Capua doch wagt; er heilet auf der Bruͤcke
Calmuckens lahmen Fuß, und flucht auf das Ge - ſchicke.
Doch Raufbold ſetzt ſich auf, ſprengt muthig durch das Thor,Legt12Der Renommiſt.
Legt ſich wie ein Huſar mit halbem Leibe vor,
Und ſpornt Calmucken an, der in der Angſt es wagte,
Und voll Verzweifelung mit ihm durch Leipzig jagte.
Der wilden Peitſche Knall betaͤubt die Straße ganz.
Die Schatten herrſchten ſchon, doch der Laternen Glanz
War an den Waͤnden hier, was dort an Himmels - ſphaͤren
Beſtralte Welten ſind, die Dunſt und Nacht ver - klaͤren.
Zum Blauen Hecht trug ihn Calmucks geſchwin - der Lauf.
Ein eignes Zimmer nahm den wilden Fremdling auf.
Er ſetzte ſich, und warf mit grimmiger Geberde
Den Degen auf den Tiſch, die Handſchuh auf die Erde.
Armſeelger, (ruft er aus) in Leipzig biſt du nun?
Ja, hier, wo alles ruht, wird auch dein Degen ruhn! Wer13Erſter Geſang.
Wer wird dich Renommiſt allhier zu nennen wa - gen,
Hier, wo man faſt nicht weis, daß Burſche De - gen tragen?
O! wie beſeufz ich nicht mein widriges Geſchick,
Denk ich, mein Jena, noch an deine Luſt zuruͤck!
O Schickſal! waͤr es doch dein mir geneigtrer Wille,
Doch Schnurren, doch Pedell Hier ſchwieg er ploͤtzlich ſtille,
Und warf ſein ſchweres Haupt in ſeine tapfre Hand.
Die ſtarren Augen ſahn verwirret nach der Wand.
Der Hut, den er ergrimmt tief in die Augen ruͤckte,
Verrieth des Kummers Laſt, der ihn im Herzen druͤckte.
Drauf greift er mit der Hand an den geſchaͤrften Stal,
Der auf dem Tiſche lag, zieht ihn, und wetzt drey - mal.
Aus dem zerritzten Gips ſchlug funkenreicher Schim - mer,
Und wuͤtend ſchleudert er ihn in das oͤde Zimmer.
Jndem14Der Renommiſt.
Jndem tritt voller Furcht die Jungemagd herein;
Jhr Angeſicht erblaßt bey ſeines Degens Schein.
Befehlen ſie etwas? Er ſprach mit wilden Mi - nen:
Kennſt du die Krone wohl? Sie ſagt: mein Herr, zu dienen,
So geh dahin, (fuhr er mit rauhem Baſſe fort,)
Und bringe dis Billjet an den beſtimmten Ort.
Allein du ſollſt durchaus nicht meinen Namen ſagen;
Jch bin incognito! Sey ſtumm bey ihren Fragen.
Sie eilt mit Schrecken fort. Die Stimme, die es ſprach,
Ließ in der feigen Bruſt ein ſtill Entſetzen nach.
Doch die Geſandſchaft ſchien ihr angenehm und wich - tig;
Die alte Jris ward zum erſtenmale fluͤchtig;
Zum erſtenmal verlohr der juͤngferliche Gang,
Bey Eil und Daͤmmerung, den affectirten Zwang.
An15Erſter Geſang.
An drey Jenenſer war die Einladung gerichtet.
Sie waren alle drey als Bruͤder ihm verpflichtet.
Dies Kleeblatt, welches er auf Schulen ſchon ge - kannt,
Verknuͤpft in Jena noch ein feſtes Freundſchaftsband.
Sie waren ſeines Ruhms, und ſeines Gluͤcks Acha - ten,
Beruͤhmt wie er, durch Bier, und Renommiſten - thaten,
Auch relegirt wie er, noch immer roh und wild,
Und auch in Leipzig noch der jenſchen Freyheit Bild,
Wer ſich nur unterſtund ſie kuͤhnlich anzublicken,
Den drohte ſchon voll Wuth ihr Auge zu zerſtuͤcken.
Jhr Stichblatt, das die Hand an ihrem Degen deckt,
War wie Meduſens Schild, der mit dem Anſehn ſchreckt;
Ein Stichblatt eigentlich, in Noth ein Suppenteller;
Und wer es ſah, gieng auch in panſchem Schrecken ſchneller.
Bey ihnen hieß vergnuͤgt, ſo viel, als wild und toll. Drey16Der Renommiſt.
Drey Laſen waren ſtets von Wurzner Naſſe voll.
Jhr Singen war ein Schreyn, und ihre Freude Rau - fen;
Sie haßten Buch und Fleiß, und ihr Beruf war Saufen.
Jn jenſcher Lebensart traf ſie das Maͤdchen an.
Sie opferten mit Schreyn dem Bacchus, und Vulkan,
Und ſaßen hoch und ſtolz, gleich unterirdſchen Goͤt - tern,
Bey einer Fluth von Bier, in Wolken und in Wet - tern.
Ein jeder las erſtaunt, und jeder fragt und rieth,
Was fuͤr ein Fremder ſie noch nach dem Hecht be - ſchied;
Allein des Schickſals Buch blieb unterklaͤrt verſchloſ - ſen.
Sie warfen alle ſich halbtaumelnd und verdroſſen
Jn ihren Oberrock, und eilten in den Hecht.
Die Stubenthuͤr gieng auf. Wie? Bruder, ſeh ich recht?
Sogleich ſprang jeder zu. Ja, Bruder, ſchrie ein jeder,Der17Erſter Geſang.
Der Teufel hole mich! er iſts, wir ſehn ihn wie - der.
Es druͤckt ſich Mund auf Mund, es raſſelt Bart an Bart,
Und jeder ſteht erſtaunt ob ſeiner Gegenwart.
Kerl, (ſprach zuletzt von Torf,) wie koͤmmſt du an - gezogen!
Die Manichaͤer ſind gewiß von dir betrogen!
Du biſt ein Teufelskerl! So manchen armen Tropf
Prellt und beziehet ſchon dein canaljoͤſer Kopf.
Doch du biſt relegirt, ich wollte wohl drauf ſchwoͤ - ren,
Mich duͤnkt, das Voͤgelchen hab ich ſchon ſingen hoͤren.
Doch ſage mir, warum liegt alles um dich her?
Warum der Degen blos? was ſoll dies Mordgewehr?
Er ſchwieg, und Raufbold ſprach: Laßt euch zuſammen nieder!
Sie thatens, er fuhr fort: Jhr wißt es, werthen Bruͤder,
Wie oft mein muthger Arm fuͤr Jena ſich gewagt,
Wie oft die Schnurren euch, wie oft ich ſie gejagt;BJhr18Der Renommiſt.
Jhr wißt, wie ſorgſam ich fuͤr unſre Freyheit wachte,
Wenn ſie ein neu Edikt uns zu entreißen dachte;
Dafuͤr hab ich den Lohn. Ja ich bin relegirt!
Warum? weil ich mein Amt mit Ehr und Ruhm ge - fuͤhrt.
Dreymal hatt ich mich nun auf ofnem Markt ge - ſchlagen,
Und dreymal hatt ich auch den Sieg davon getragen;
Kein andrer war, wie ich, im Stoß und Hiebe ſchnell;
So koͤmmt Beelzebub im ſchielichten Pedell.
Man forderte mich vor, ich mußte hoͤlliſch ſchwitzen,
Jch both zwoͤlf Thaler an, nichts konnte mich beſchuͤ - tzen.
Jch ſollt, ich mußte fort. Gleich ward mein Pferd beſtellt,
Und die Philiſter ſind von mir verflucht geprellt.
Nun bin ich, wie ihr ſeht, in dieſes Neſt gekommen.
Zwar hab ich mit Verdruß den dummen Weg genom - men;Allein19Erſter Geſang.
Allein was war zu thun, ihr waret alle hier.
Bleib ich nun, oder nicht? Sagt, Kerls, was rathet ihr?
Wie, wenn ein großes Volk von Rednern wird beweget,
Sich der zu der Partey, der zu der andern ſchlaͤget,
Ein murmelndes Getoͤs die ſtille Luft durcheilt;
Die Zwietracht drauf das Volk in zwo Parteyen theilt,
Davon die eine will, was jener Mund verneinet,
Bis ſich zuletzt das Heer der Streitenden vereinet:
So war auch hier der Streit; es folgte Wort auf Wort.
Der eine ſprach: Bleib hier; der andre ſprach: Zieh fort.
Doch Raufbold ſelber war ſchon insgeheim entſchloſſen,
Aus Leipzig nicht zu gehn, bis er es recht genoſſen.
Zuletzt fieng Banner an: Hoͤrt, was mein Anſchlag iſt,
Herr Bruder, hoͤre zu. Du biſt ein Renommiſt;B 2Dies20Der Renommiſt.
Dies iſt genug, bleib hier, es wird dich nicht gereuen;
Du kannſt den Leipzigern Staub in die Naſe ſtreuen.
Wie? (fiel ihm Krach ins Wort, vom Daries gelehrt,)
Dies iſt die beſte Welt; ſie wird nicht umgekehrt;
Zwey Dinge werden wir nie voͤllig aͤhnlich finden;
Denn das, was iſt, das iſt. Wer kann mich uͤber - winden?
Wann unſer Raufbold bleibt, ſo weis ich alles ſchon,
So iſt die ratio ſufficiens davon
Pedante, (rufte Torf) laß deine magern Schluͤſſe,
Waͤr es ein Wunder wohl, daß die Geduld uns riſſe?
Herr Bruder Raufbold, thu, was dir am kluͤgſten duͤnkt,
Jtzt iſt der beſte Rath, ſetzt euch, ihr Narrn, und trinkt.
Und trinkt, und trinkt, (ſchrien auch die andern um die Wette,)
Und ſauft, und ſaufet euch bis morgen in das Bette.
Sogleich bruͤllt Raufbold laut: Schafft Bier! der Hausknecht kam,Der21Erſter Geſang.
Der in den krummen Arm zwo gruͤne Laſen nahm.
Er brachte Bier, Toback, zwo Karten, und vier Pfeifen,
Und ein koſtbares Stuͤck, ein Paßglas mit zween Greifen.
Zween Voͤgel, die ſo oft die Chroniken geziert,
Und oft im Alterthum mit Rittern Krieg gefuͤhrt.
Sie zierten dieſes Glas, wie ſie ein Pfeil verfehlet,
Und ſie ein Ritter dann mit ſeiner Lanz entſeelet.
Nun Bruͤder, (rief der Wirth,) zieht eure Jacken aus,
Denn heute geb ich euch den jenſchen Abſchiedsſchmaus.
Er ſagts, und alſobald lag auf dem Nebentiſche
Stock, Kleider, Handſchuh, Hut, in ſeltſamen Ge - miſche.
Er ſetzt ſich oben an, und ruft: Auf! folget mir!
Und alſobald fuͤllt er das große Glas mit Bier,
Und ſaͤuft dem erſten zu aufs Wohlſeyn der Schar - mante,
Ein Maͤdchen, welches er dem Namen nach kaum kannte. B 3Den22Der Renommiſt.
Den Schluͤſſel von der Thuͤr hielt er dem Zepter gleich,
Als Hoſpes, in der Hand, und gab in ſeinem Reich
Ein heiliges Geſetz, ohn Abziehn auszutrinken.
Oft ließ ſein Richterarm den ſchweren Schluͤſſel ſinken;
Weh dem, der dies Geſetz als ein Rebelle brach!
Wenn er das Donnerwort, pro poͤna, zu ihm ſprach,
So mußt ein neuer Strom in ſeine Kehle fließen;
Sonſt ſtand er in Gefahr ſein Maͤdchen einzubuͤßen.
Das Bier bewies die Kraft, der falſche Witz fieng an,
Und alle prahlten nun Schandthaten, nicht gethan.
Toback und Saufen macht, daß die ſich Freunde nen - nen,
Die nach dem wilden Schmaus ſich oft nicht wieder kennen.
Mein Seele, (ſprach von Torf,) den Ruhm hat dieſe Stadt,
Daß ſie, bey allem Zwang, doch ſchoͤne Menſcher hat!
Jch habe nie mich viel mit ihnen abgegeben;Allein23Erſter Geſang.
Allein ihr Bruͤder, hoch! und laßt Selinden leben.
Vivat Selinde hoch! bruͤllt tief ihr rauher Schlund;
Vivat Selinde hoch! ſchreyt noch einmal ihr Mund,
Zum drittenmale hoch! Das ganze Zimmer fchuͤt - tert,
Daß auf dem naſſen Tiſch das gruͤne Paßglas zittert.
Wie nach Homers Bericht, wenn in dem Trojerſtreit,
Mars, gleich zehntauſend Mann, aus Schmerz der Wunde ſchreyt,
Das ganze Heer erbebt, nebſt Bergen, Thal und Felſen;
So bebt die Stube hier von vier Studentenhaͤlſen.
Drauf mahlt Torf ihr Geſicht mit ſolcher Anmuth ab,
Daß eines jeden Fluch ihm brauſend Beyfall gab.
Der Renommiſt verſetzt, der insgeheim entbrannte:
Jch waͤhle ſie hiermit mir ſelber zur Scharmante.
Den Teufel auch! (ſprach Torf, der ungern ſie ver - lohr,)
Doch Raufbold ſchwur alsbald ihm zwanzig Ganze vor. B 4Torf24Der Renommiſt.
Torf holte ſie nicht nach; die Kraft betrog ſein Hoffen,
Und Leipzigs Krone ward dem Feigen abgeſoffen.
Es ſteigt zu gleicher Zeit ein ſchwarzer Tobacksduft
Aus langen Roͤhren auf, und truͤbt die dicke Luft.
Die Wirbel drehen ſich auf wunderbare Weiſe,
Wie in Carteſens Luft die laͤnglicht runden Kraiſe.
Der Waͤchter ſingt zwey Uhr. O unbarmherzger Ton!
O neidſcher Seigerſchlag, warum ſtoͤrſt du ſie ſchon!
Doch man gehorcht ihm nicht, und laͤßt ihn pereiren,
Und ſeinen Nachtgeſang nachſpottend nicht vollfuͤhren.
Man trank nach altem Brauch, mit Schwuͤren voller Kraft,
Auf die Beſtaͤtigung der alten Bruͤderſchaft.
Zum Zeichen ewger Treu ward jeder Hut durchſtochen,
Und mit Geſchrey und Laͤrm jedwedes Glas zerbrochen.
Nun, Bruͤder, iſt es Zeit, brecht auf, es iſt vier Uhr;(So25Erſter Geſang. (So ſprach von Torf, als er von ſeinem Stuhle fuhr,)
Laßt uns zu Hauſe gehn, der Schlaf ſcheint ſich zu regen.
Man taumelt auf, und ſucht, Stock, Kleider, Hut und Degen.
Doch eh man gaͤnzlich ſchied, ſo fuͤllte man das Glas
Noch einmal oben an mit braunem Gerſtennaß.
Es lebe Jena hoch! Torf trank; im Augenblicke
Zertruͤmmert er das Glas in tauſend kleine Stuͤcke.
Krach nimmt den ganzen Reſt der Pfeifen in die Hand,
Und ſchleudert, wie ein Zevs, ſie donnernd an die Wand,
Daß der zerbrochne Thon faſt alle Winkel fuͤllte,
Und des Zerſtoͤrers Wuth erſt durch Ruinen ſtillte.
Ermuͤdet von Geſang, und Saufen, und Ge - ſchrey,
Gehn die Verwuͤſter nun, und taumeln alle drey,B 5Mit26Der Renommiſt. Erſter Geſang.
Mit ungewiſſem Schritt durch Glas - und Pfeifen - truͤmmer,
Bis auf den weiten Markt, bey heller Lampen Schim - mer.
Sie eilen nun zur Ruh, da andrer Aug erwacht,
Und rufen bruͤllend aus: Herr Bruder, gute Nacht!
Der[27]

Der Renommiſt.

Zweyter Geſang. Der Renommiſt. Zweyter Geſang.

[28]29
Der Morgenroͤthe Blick, der Glanz von einzeln Sternen
Erhellte dort die Luft, wie hier den Markt Laternen;
Zu dem die Schwaͤrmer gehn, die Bier und Nacht betriegt.
Ein bruͤllendes Geſchrey, das von den Lippen fliegt;
An jeder Wand ſich bricht; tief in die Heuſtraß hallet;
Schallt wieder, wie im Wald ein Echo wiederſchallet.
Von Torfs verwegne Fauſt nimmt einen ſchweren Stein,
Und zielt mit dieſem Fels nach einer lampe Schein,
Die wie ein Sirius an Schubarths Hauſe prahlte,
Und aller andern Glanz hochmuͤthig uͤberſtrahlte.
Sein Rieſenwurf durchfaͤhrt der Lampe glaͤſern Haus;
Er trifft das lichte Tocht, es zittert, und loͤſcht aus. Wie30Der Renommiſt.
Wie wenn der große Stern Orions ſchnell ver - ſchwindet,
Jhn kein geſchaͤrfter Blick, kein Sehrohr wieder findet;
Den Ort, den er beglaͤnzt, ein leeres Blau erfuͤllt,
Und drauf der kleine Raum in alte Nacht ſich huͤllt;
So ſinkt der Luftkrais auch, den dieſe Lamp erhellet,
Jns finſtre Schattenreich, da ſie ſein Wurf zerſchellet.
Sogleich, da durch den Stein die Lamp in Stuͤ - cken ſpringt,
Singt man ein Siegeslied, wie man in Jena ſingt.
Torf, der es freudig hoͤrt, wie man ihm Beyfall wettert,
Wird ſtolz, wie Zevs, wenn er die Rieſenbrut zer - ſchmettert.
Jn Truͤmmern von dem Glas ſucht er den kuͤhnen Stein,
Und ſteckt ſiegprangend ihn zum Angedenken ein.
Jndeſſen ſtanden ſie, und ſungen an der Wage:
Sadonc, Sadonc, Sadonc! ſo geht es alle Tage
Jm ſchoͤnſten Salathen! und hohe Lieder mehr. Jhr31Zweyter Geſang.
Jhr Schreyn war wie das Schreyn von einem gan - zen Heer;
Die ſtille Nacht trug es auf ihren ſchwarzen Schwingen,
Fern hin zu Raufbolds Ohr; Er hoͤrt ein jeniſch Singen.
Er ſpringt vom Lager auf; ſteckt ſeinen Raufer an,
Und folgt den Liedern nach, die mehr und mehr ſich nahn.
Sie fuͤhren ihn zum Markt. Hier fand er ſeine Bruͤder,
Sie ſehn ihn; Jauchzen miſcht ſich in die wilden Lieder.
Triumph, (ſchreyn ſie,) Triumph, Triumph, Victoria!
Er iſts! er iſt es ſelbſt! der alte Knab iſt da!
Sie ziehn die Degen aus, die wie ein Nordlicht ſcheinen,
Und zeichnen ihren Weg mit Feuer aus den Steinen.
Es hebt nicht weit vom Markt Schellhafers ſtol - zes Dach
Sich prangend in die Hoͤh; um das manch zaͤrtlichs Ach
Und mancher Seufzer fliegt, der, wenn ſich Liebe haͤrmet,
Hier in der Jrre bleibt, und um die Ziegel ſchwaͤrmet. Es32Der Renommiſt.
Es deckt dies ſtolze Dach den laͤngſten Saal der Stadt,
Auf welchem manche Braut den Kranz verlohren hat;
Und wo der Gratulant manch Hochzeitlied verſtreuet,
Weil ihn zu Ball und Schmaus ſein kluger Bauherr weihet.
Der Fenſter lange Reih giebt ihm ein heitres Licht,
Das in verſchiedner Form durch reines Glas ſich bricht.
Man ſieht faſt keine Wand; und wo man ſie erblicket,
Jſt ſie durch Kunſt und Pracht mit Saͤulen ausge - ſchmuͤcket:
Mit Saͤulen, die zwar erſt Corinthens Witz erdacht,
Doch die des Deutſchen Hand begluͤckter nachgemacht,
Da ſie nach Marmorart den groben Stein bezogen,
Und angenehm den Blick, den es erforſcht, betrogen.
Ein Chor haͤngt an der Wand, gleich einem halben Mond,
Wo mancher Liebesgott im hoͤlzern Schnitzwerk wohnt.
Von hier ſchallt oftermals, bey hohen Luſtbarkeiten,Trom -33Zweyter Geſang.
Trompet und Paukenſchall in feyerliche Saiten.
Die Neugier ſieht beſtuͤrzt oft aller Tanzkunſt Pracht
Auf dieſem weiten Saal in einen Ball gebracht.
Wie manches Ehpaar wird ihn mit Entzuͤcken zeigen,
Und denkt mit ſuͤßer Luſt an ſeinen erſten Reigen!
Auch ietzt war hier ein Ball den Schoͤnen angeſtellt.
Es ſchimmerte voll Glanz die junge Stutzerwelt;
Und manches ſchoͤne Kind, beſiegt vom ſanften Triebe,
Hebt die erhitzte Bruſt, und gluͤht von Tanz und Liebe.
Selbſt die Galanterie, die Goͤttin, deren Macht
Die alte deutſche Welt fein und geſittet macht,
Beſuchte dieſen Ball, und kam mit Glanz und Schimmer,
Und koͤniglichem Pomp, in das erhellte Zimmer.
Es rauſchet um ſie her ein fluͤchtiges Gewand.
Der blauen Augen Glanz ſiegt ohne Widerſtand;CJhr34Der Renommiſt.
Jhr lockigt blondes Haar, mit vieler Kunſt gekraͤuſelt,
Wird vom verliebten Weſt, von Seufzern ſtets um - ſaͤuſelt.
Sie herrſcht als Koͤnigin; ihr Zepter iſt ein Stab,
Zu dem ein Elephant die beſten Zaͤhne gab.
Jhm wird der Menſchen Mund den Namen Faͤcher geben;
Doch bey der Goͤttin iſts ein Stab zum Tod und Leben.
Ein Wink, ein ſanfter Stoß, ein leichter Schlag erklaͤrt,
Was oft ihr Mund verneint, und doch ihr Herz gewaͤhrt.
Ein maͤchtger Zauberſtab, der, wenn ſie es gebietet,
Raſch aus einander rauſcht, und wie ein Sturmwind wuͤtet;
Oft ſanft die volle Bruſt, und heiße Wangen kuͤhlt,
Wenn ſie mit Lieb und Treu, und Frauentugend ſpielt.
Er oͤfnet ſich niemals, daß er nicht Schalkhelt laͤchelt,
Und zauberiſchen Wind, voll Gluth und Wolluſt, faͤchelt.
Bey dieſer Oefnung ruͤhrt den Blick ein kuͤnſtlich Bild,Be -35Zweyter Geſang.
Bedeutender, als ſelbſt Achills berufner Schild;
Jn den der Schmiedegott mit ſeltner Kunſt geetzet,
Was ein empfindlich Herz erſchrecket, und ergetzet.
Auf dieſem Faͤcher ſteht in ſeiner ganzen Macht,
Die oft Olymp und Welt in Unordnung gebracht,
Der kleine Liebesgott, mit ſchalkheitsvollen Blicken,
Dem Bogen in der Hand, dem Koͤcher auf dem Ruͤcken;
Wie er mit ſtarkem Arm nach jungen Schoͤnen zielt,
Und Tugenden zerſtoͤrt, und Herzen unterwuͤhlt.
Er ſieht ſtolz um ſich her, wie ſeine Pfeile fliegen,
Wie Helden untergehn, und Taͤnzerinnen ſiegen;
Wie der beſtrickte Graf das Schneidermaͤdchen liebt,
Und wie der Fraͤulein Herz dem Schreiber ſich ergiebt:
So kam die Goͤttin an, und des Gefolges Menge,
Das ſtralend ſie umringt, macht faſt den Saal zu enge. C 2Jhr36Der Renommiſt.
Jhr Liebling iſt der Putz. Sein ſilbernes Gewand
Jſt reich mit Gold geſtickt, ſein Haar iſt farbigt Band.
So iſt Meduſens Haar ein Heer gekruͤmmter Schlan - gen,
Die ziſchend um ihr Haupt, lebendge Locken, hangen.
Jhm weihn, als einem Gott, die Schoͤnen zum Altar,
Den Nachttiſch, der ſo oft ein ſchoͤn Geſicht gebahr.
Er ſenkt des Morgens ſich in einem zarten Staube,
Der zierlich ſie bereift, auf Locken um die Haube.
Er flieht die Einſamkeit, und unfruchtbare Nacht,
Wenn ſie die Mummerey nicht Tagen aͤhnlich macht.
Viel Nymphen ſprungen auch auf dem beſtaͤubten Boden
Mit Schuhen von Damaſt; ſie hieſſen neue Moden.
Ein ſchoͤn gekleidet Heer, doch ſtets veraͤnderlich,
An welchem die Geſtalt bey jedem Anblick wich.
Die aufgeputzte Reih der Moden deutſcher LandeZog37Zweyter Geſang.
Zog ſich vor andern hier in reizendem Gewande
Um die Galanterie, von Dreßden, und von Wien;
Steif, die von Augſpurg her; und frey, die von Berlin.
Jedoch die artigſte von dieſen Moden allen
War Leipzigs Mode. Schoͤn, und ſicher zu gefallen,
War ſie nicht allzuſteif, und auch nicht allzufrey;
War ſtets Nachahmerin, doch im Nachahmen neu.
Franzoͤſiſch halb, halb Deutſch; begluͤckt in ihren Wahlen,
Und eine Pythia von den Provinzialen.
O Ewigkeit, wenn je der Witz etwas erdacht,
Was Ohren ſuͤß entzuͤckt, und Dichter ewig macht;
So laß die Kraͤmer nicht mein Lied zu Duͤten nehmen,
Noch meine Reime ſich bey niedern Hoͤken ſchaͤmen.
Wenn Berenizens Haar in lichtem Schimmer ſteht,
Und eine Locke glaͤnzt, die Popens Lied erhoͤht:C 3So38Der Renommiſt.
So laß der Mode Haar auch zu den Sternen dringen,
Und du, o Muſe, komm, und hilf ſie mir beſingen.
Ein dunkelbraunes Haar, mit Puder vorn be - ſtaͤubt,
Das ein durchgluͤhter Stal in runde Locken treibt,
Fließt in den Nacken hin; die Scheitel bis zur Stirne
Bedeckt ein leichter Schmuck von zartgewebtem Zwirne.
Die Haube ſchließt nicht an, und flieht aus dem Geſicht,
So wie ein Stralenſchein den Heiligen umflicht.
Gefaͤrbte Federn bluͤhn, wie Blumen an der Seite;
Und dickes goldnes Band, von der gehoͤrgen Breite,
Das hinten zierlich ſich in eine Schleife legt,
Wird an den Spitzen oft vom ſanften Weſt bewegt.
So wie ein Fluͤgelpaar am Kopf des Goͤtterbothen,
Wenn er bald Kuppler iſt, und bald Furier der Todten.
Von ihrem freyen Hals haͤngt eine Perlenſchnur,So39Zweyter Geſang.
So ſchoͤn von Wachs gemacht, als wie die von Natur.
Ein zartes Palatin, zu duͤnn etwas zu decken,
Jſt doch bemuͤht die Bruſt verraͤthriſch zu verſtecken.
Ein großer Blumenbuſch, von Seide nachgemacht,
Beſchattet ihre Bruſt in falſcher Fruͤhlingspracht.
So wie ein Perſer ſich in langen Ermeln zeiget,
Wenn er im Trauerſpiel auf unſre Buͤhne ſteiget;
So haͤngt um ihren Arm, an einem zarten Flor,
Ein zaͤrteres Geweb aus ihrem Kleid hervor.
Jhr Schuh iſt niedrig ſtumpf, mit aufgeſteifter Laſche,
Und eine Schnalle ſtralt an ſtatt des Bandes Maſche
(*)Bey Gelegenheit dieſer Beſchreibung muß man die Leſer, die ſich auf die Moden verſtehen, erinnern, daß man die Moden in dieſem ganzen Gedichte von der Zeit beybehalten, da der Renommiſt zuerſt in Leipzig her[a]us gekommen.
(*).
Dies iſt der Mode Bild. Ein Denkmaal von Genie,
Erfindung, und Geſchmack! Selbſt die GalanterieC 4Be -40Der Renommiſt.
Bemuͤht ſich, dieſer Tracht vor andern nachzuahmen;
Sie geht in Deutſchland ſo, wie Leipzigs holde Damen.
Ein ploͤtzliches Geſchrey von Raufbolds trunkner Schaar,
Macht alles aufmerkſam, was in dem Saale war;
Und ſchnell drang dies Geſchrey von Raufbolds vollen Bruͤdern
Bis zur Galanterie auf eines Nords Gefiedern.
Der blanke Degen klirrt, das Pflaſter ſpeyet Gluth;
Den Tanzenden entfaͤllt auf einmal aller Muth.
Dreymal bellt ihr Petit, der auf dem Schoße zittert;
Dreymal erbebt der Saal, dreymal wird ſie erſchuͤttert.
Geliebte, hoͤrt dies Schreyn, (ſpricht ſie, von Furcht verſtoͤrt,)
Hat man in Leipzig je ſolch einen Lerm gehoͤrt?
Jſt Wohlanſtaͤndigkeit auf einmal hier verlohren?
Und ſchreyt der Poͤbel ſo durch unſre zarten Ohren?
Sind dies Studenten? Nein! O welch ein wild Geſchrey! Wie?41Zweyter Geſang.
Wie? Leipzig, wirſt du mir auf einmal ungetreu?
Will der bebaͤnderte nie bloß geſehne Degen
Auf einmal kriegriſch ſeyn, auf einmal Laͤrm erregen?
Die Mode ſieht indeß, mit aufgebrachtem Sinn,
Voll Unmuth, Furcht, und Angſt, ſtarr auf den Bo - den hin.
Jhr Herz faͤngt bey dem Laͤrm unruhig an zu ſchlagen.
Jetzt ſchweigt ſie, ietzt will ſie beherzt zu reden wagen.
Und endlich hebt ſie an: O Goͤttin, zuͤrne nicht,
Wenn Ungezogenheit den feſten Damm durchbricht,
Den nie jedoch die Furcht verbietet ihr zu ſprechen,
Und Raufbold, und ſein Heer rathſchlagt indeß Ver - brechen.
Jhr Stuͤrmer, haltet ein! Der keichende Lindan,
Der Schutzgott Leipzigs kam auf ſchnellen Fluͤgeln an;
Mit Staub auf ſeinem Kopf, und mit zerrißnen Haaren;
Die Moden machen Platz; er draͤngt ſich durch die Schaaren,C 5Und42Der Renommiſt.
Und ſchießt, als wie ein Pfeil, auf die Galanterie.
Mit thraͤnenvollem Blick ſinkt er vor ihr aufs Knie:
Mein Leipzig, (rief er aus,) wird ſich zum Ende neigen!
Vier Stuͤrmer hoͤr ich ſchon nach dieſem Saale ſteigen;
Ein wuͤſter Renommiſt, den Jena fortgejagt,
Hat ſich durch mein Verſehn in dieſe Stadt gewagt.
Vor ihnen bebt der Markt; ſie ſchreyen wie Barbaren,
Als ſcheuten ſie ſich nicht vor meinen Waͤchterſchaaren.
Drey ſind ſchon Jahre hier; allein der Schwarm verlacht
Mit ſpoͤttiſchem Geſicht noch meiner Kinder Tracht;
Dies iſt der groͤßte Schimpf, den ſie auf Leipzig bringen.
Doch, Goͤttin, hilf mir nur den Renommiſten zwingen.
Da ſind ſie ſelber ſchon! ja, dies iſt ihr Geſchrey:
O Goͤttin, wir vergehn, das Schickſal ſteh uns bey!
Er ſprach noch, als bereits die wilden Schwaͤrmer kommen. Da43Zweyter Geſang.
Da ſie von fern Muſik und Paukenſchall vernommen,
So folgten ſie beherzt dem frohen Schalle nach,
Und ietzo traten ſie ins zitternde Gemach.
Der freche Raufbold ſah mit einer Raͤubermine
Tief in den langen Saal: Es zittert die Blondine,
Und die Brunette bebt; der junge Herr erſtarrt,
Und die Matrone ſchreyt vor ſeinem ſchwarzen Bart.
Er, Raufbold, kehrte ſich zu ſeinen Cameraden,
Und ſprach: Wir ſind zwar hier zum Tanz nicht ein - geladen,
Doch folgt mir alle nach, und fodert, ſo wie ich,
Das erſte Maͤdchen auf; der Teufel hole mich!
Schlaͤgt mir das Menſch es ab, ſo ſollt ihr Wunder ſehen,
Der ganze Tanzſaal ſoll mit Schrecken untergehen!
Er ſagts, und tritt hervor; doch alle ſchreyn, und fliehn.
Der weite Reifrock rauſcht, die jungen Stutzer ziehnWie44Der Renommiſt.
Wie Kraniche davon; die Thuͤren ſind zu enge,
Und Spitz und Band entfliegt im aͤngſtlichen Gedraͤnge.
Auf einmal war der Saal von ſo viel Schoͤnen leer,
Und niemand war darin, als Raufbold, und ſein Heer.
Er lachte wild, und laut, daß er ſie ſo erſchrecket;
Von Siegeszeichen war das Schlachtfeld ganz bedecket;
Es ſchimmerte der Staub von Flittergold, und Staat;
Wohin beynah der Fuß des ſtolzen Siegers trat,
Lag Schnupftuch, Blumenſtraus, und halbzerrißne Streifen,
Manſchetten halbzerfetzt, und halb und ganze Schleiſen.
Ein jeder buͤcket ſich, und ſteckt mit frohem Muth
Die ſchimmernde Trophee an ſeinen alten Hut;
Sie tanzen mit ſich ſelbſt, bis es drey Kuͤper wagen,
Von dem entweihten Saal die Stuͤrmer zu verjagen.
Sie eilen aus der Schlacht, von Kampf und Sie - gen ſatt,Und45Zweyter Geſang.
Und jeder ſinket bald auf ſeine Lagerſtatt.
Doch die Galanterie, die zwar im Saal geblieben,
Die aber Furcht und Angſt hoch auf das Chor getrieben,
Sah ganz erſtaunt um ſich, und rief der Mode zu:
O Freundin, welch ein Volk! und dieſes leideſt du?
Wie frech hat nicht der Mund der Raſenden geſungen!
Wie manches niedre Wort iſt in mein Ohr gedrungen!
Doch, Mode, laß nicht zu, daß dieſer Renommiſt,
Zum Trutz der artgen Welt, ein ſolcher Unhold iſt.
Der Schlaͤger muß durchaus in Leipzig ſich bekehren.
Hat ein Sylvan gelernt, dich eifrig zu verehren,
Ein Schlaͤger ſo wie er; vom jeniſchen Gebrauch
So ſehr, wie er, befleckt; ſo lernt es Raufbold auch.
Kein Schneider muͤßte mehr die Mode loben koͤnnen;
Kein Maͤdchen muͤßte mehr mit ſchwarzen Augen brennen;Des46Der Renommiſt.
Des Goldes alte Kraft, der Treſſen Wunderſchein
Muͤßt auf ein junges Herz ganz ohne Wirkung ſeyn;
Wenn dieſer Renommiſt uns widerſtehen wollte,
Und nicht auch, wie Sylvan, ein Stutzer werden ſollte.
Erſchein ihm, red ihm zu, eil in den blauen Hecht;
Und Raufbold werde bald ein ſuͤßer Jungfernknecht.
Sie ſagts; die Mode ſteigt auf ihrem goldnen Wagen,
Den Moͤpsgen durch die Luft nach Raufbolds Zimmer tragen.
Ein großer Geiſterſchwarm, ein Complimentenheer,
Setzt ſich um ſie herum, und macht den Wagen ſchwer.
Sie werden, wenn der Mund der Menſchen ſie ver - handelt,
Schnell in der obern Luft in Geiſterchen verwandelt.
Verſchiedner Mund iſt treu, man darf den Worten traun.
Die Hoͤflichkeit half ſie mit zarter Hand erbaun,
Vom Umgang lernten ſie ſich zu den Staͤdten wenden,Und47Zweyter Geſang.
Und von der Artigkeit, ihr Wortgepraͤng verſchwenden.
Sehr viele, ſieht man ſie mit ſcharfen Blicken an,
Entdecket man erſtaunt zweykoͤpfigt, wie den Jan.
Die vordre Stirne zeigt die Schmeicheley im Gluͤcke,
Und auf der hintern wohnt die Falſchheit, und die Tuͤcke.
Sie ſchweben oft am Hof, im falſchen Vorgemach,
Und loben ins Geſicht, und ſchmaͤhen hinten nach.
Die Guten ſetzen ſich der Mode nur zur Linken,
Jndem die Falſchen ſtolz zu ihrer Rechten ſinken.
Jhr Wagen kam nunmehr vor Raufbolds Zim - mer an,
Den ietzt der ſuͤße Schlaf, der Traͤume leichter Wahn,
Und auch der Geiſt Pandur auf ſeiner Streu bewachte,
Der manche Schlaͤgerey ihm ins Gedaͤchtniß brachte.
Die Mode ſteigt herab, die Geiſter warten hier,
Jhr luftger Koͤrper gieng durch die verſchloßne Thuͤr. Doch48Der Renommiſt.
Doch wie erſtaunte ſie; ein Schwindel kam ihr nahe,
Da ſie in Rauch gehuͤllt das wuͤſte Zimmer ſahe.
Auf dem verbrannten Tiſch lag halbverglimmtes Kraut,
Das in Virginien der nackte Mohr erbaut.
Zerbrochner weißer Thon in laͤnglichten Cylindern,
Und Brand und Aſche ſucht der Goͤttin Fuß zu hindern.
Noch dampfte der Toback. Wie wenn der Teuͤkrer Pracht
Jn heißen Schutt zerfaͤllt; der wilden Flammen Macht
Mit loderndem Geraͤuſch die bange Luft zertheilet;
Zuletzt ein ſchwacher Dampf aus den Ruinen eilet:
So dampfte der Toback, den das geſchwaͤrzte Rohr
Durchglimmt zuruͤcke ließ, aus Graus und Schutt hervor.
Sie floh vom Rauch erblaßt, der ihr Gewand befleckte,
Zu der verwirrten Streu, auf der ſich Raufbold ſtreckte.
Pandur verbarg ſich ihr; ſah ſie, und ward verliebt. So49Zweyter Geſang.
So maͤchtig iſt der Reiz, der unſre Mod umgiebt.
Sie ſprach alſo zu ihm: O Stuͤrmer von der Saale,
Dein Herz eroͤfne ſich vor meinem ſanften Strale,
Der ietzt zum erſtenmal auf einen Schlaͤger faͤllt;
Und ſieh, die Koͤnigin der jungen artgen Welt
Entdeckt im Traume dir, was Buͤcher dir verhehlen,
Und dunkle Weiſen nicht im Hoͤrſaal euch erzaͤhlen.
Das Schreyen deiner Schaar hat unſre Luſt geſtoͤrt;
Selbſt die Galanterie hat es erſtaunt gehoͤrt;
Der Schutzgeiſt Leipzigs kam, und hat mit vielen Klagen
Die jenſche Raſerey der Goͤttin vorgetragen.
O Held, erzuͤrne nicht die Goͤttin, deren Macht
Vielleicht die Schoͤnſte dir der Nymphen zugedacht.
Jch kan allein ihr Herz zu deinem Gluͤck verſoͤhnen,
Jch wills, wenn du verſprichſt, mich nicht mehr zu verhoͤhnen. DSey50Der Renommiſt.
Sey nur ein Leipziger; verwirf die ſchlechte Tracht,
Die dich hier laͤcherlich, und Schoͤnen ſchrecklich macht.
Dein Zopf verwandle ſich in einen ſchwarzen Beutel;
Kein Hut bedecke mehr die aufgeputzte Scheitel;
Jn Jena ließ dir nur ein kurzer Ermel ſchoͤn,
Weit beſſer wird dir hier ein langer Auſſchlag ſtehn.
Dein ungekaͤmmtes Haar gleicht einem Sperlingsneſte:
Wie haͤßlich laͤßt dir nicht die leichte gelbe Weſte.
Sie, die ietzt ſpoͤttiſch kurz um deine Huͤſten ſchlaͤgt,
Sey laͤnger aus Griſett, und ſtark mit Gold belegt.
Die Reuter laß allein die ſchweren Stiefeln druͤcken,
Wie kan die Maͤdchen nicht ein ſeidner Strumpf ent - zuͤcken!
Dein Degen werde klein, und knuͤpf um ihn ein Band,
Zum Zeichen, daß du dich zu meinem Reich bekannt.
Verabſcheu von nun an die ungezognen Haͤndel;Sprich51Zweyter Geſang.
Sprich zierlich, und galant, und rieche nach Lavendel.
Vergiß den Rauchtoback, der hier noch ſchmauchend glimmt,
Und nimm davor Rappee, wie ihn der Stutzer nimmt.
Dann will ich feſtlich dich zum Petitmaitre ſchlagen;
Du ſollſt, ein neuer Held, dich vor die Schoͤne wagen:
Der gluͤckliche Sylvan, der meine Macht verehrt,
Bekehret dich vielleicht, ſo wie ich ihn bekehrt.
Sie ſagts, und eilt davon. Er wirft mit traͤgen Wenden
Sich dreymahl gaͤhnend um, und greift mit ſchweren Haͤnden
Nach ſeinem Rauferſtahl, der zu dem Haupte lag;
Und ſpringt halbtaumelnd auf, durch einen Fechterſchlag,
Dem der ſich unterſtund, die jenſche Tracht zu ſchelten,
Mit Hieben, wie er ſprach, die Muͤhe zu vergelten.
Die Mode war entſlohn; und er ſinkt traͤg, und matt
Von neuem in die Ruh auf harte Lagerſtatt.
D 2Pan -52Der Renommiſt.
Pandur bedachte nun, mit innerlichem Grimme,
Der Mode lockend Wort, und die Sirenenſtimme.
Er lehnet ſich beſtuͤrzt auf einen Fidibus,
Groß wie ein Weberbaum, und dreymal ſtampft ſein Fuß.
Wie? (ſagt er ihm ins Ohr,) Held, laßt du dich ver - fuͤhren?
Und ſoll dich das Geſchwaͤtz der albern Mode ruͤhren?
O Raufbold, ſieh mich an! ich bin der Heldengeiſt,
Der dich oft in der Flucht dem Schnurrenſtock entreißt.
Jch ſchreck an deiner Statt die wilden Haͤſcherhaufen,
Und ſteh dir treulich bey, im Zweykampf, und im Saufen.
Jch bin dir nachgefolgt; ich bins, der vor der Stadt
Dem fluͤchtigen Calmuck den Fuß gelaͤhmet hat;
Jch dachte dich dadurch von Leipzig abzuhalten.
O haͤtt es mir gegluͤckt! Doch laß mich weiter walten.
Auch hier erwartet dich ein lorbernwerther Ruhm. Jſt53Zweyter Geſang.
Jſt hier nicht eben auch der Markt dein Eigenthum?
Kein Haͤſcher, kein Pedell, ſoll deine Freude ſtoͤren;
Der Stutzer ſoll erſtaunt das wilde Wetzen hoͤren,
Und wenn dein tapfrer Arm nichts mehr zu ſchlagen weis,
So geb ich dir zum Sturm die Haͤſcherhoͤhle preis.
Was du in Jena wagſt, das kannſt du hier auch wagen.
Wie bald kann dich Calmuck aus dieſen Mauren tragen,
Da in der[Na]chbarſchaft das ſchoͤne Halle liegt,
Wo noch die Freyheit herrſcht, wo noch der Burſche ſiegt.
Doch waͤrſt du wohl ſo klein, die jenſche Tracht zu aͤndern,
Die Haare zu beſtreun, den Degen zu bebaͤndern?
Und zoͤgeſt du den Strumpf, dem tapfern Stiefel, vor?
Kannſt du ſo niedrig ſeyn, ſo geh, und werd ein Thor.
Stink nach Pomad und Oel, wie hier die Narren pflegen,
Und laufe Chapeaubas im Sturmwind und im Regen. D 3Geh,54Der Renommiſt. Zweyter Geſang.
Geh, ſchlage weibiſch dich zum weiblichen Geſchlecht,
Und leb, und ſtirb allhier, als wie ein Jungfernknecht.
Allein ich ſehe dich mit Recht unwillig werden,
Den edelmuͤthgen Zorn verrathen die Geberden.
Wohlan ſo mache dich Pandurens Schutzes werth.
Jm Stalle trauret ſchon Calmuck, das edle Pſerd,
Daß es ſo muͤßig ſteht; flieh wieder nach der Saale,
Da wo ſie Halle netzt. Hier hofft zum zweytenmale
Auf deine Tapferkeit ein neues Ehrenfeld,
Der Bruͤder luſtge Schaar, und eine freye Welt.
Du wirſt den Officier von breiten Steinen ſchmeißen,
Und wirſt der Renommiſt von Renommiſten heißen.
So ſagt Pandur, und ſchweigt. Und Raufbolds Herz blieb treu,
Und widerſtund voll Stolz der Mode Schmeicheley.
Der[55]

Der Renommiſt.

Dritter Geſang. Der Renommiſt. Dritter Geſang.

[56]57
Die Luft belebte ſchon der Sonne reger Schimmer.
Sie warf den guͤldnen Stral in Raufbolds Ru - hezimmer;
Der Vorhang, der ihn brach, und rauſchend vor ihn trat,
Zog an der weißen Wand ein laͤnglichtes Quadrat.
Das große Stichblatt ſchien in falben Schattenbildern
Der Schreckkometen Lauf elliptiſch abzuſchildern.
Ganz Leipzig hub ſich nun halbtaumelnd in die Hoͤh.
Zur Arbeit gieng der Mann, die Dame trank Caffee;
Die Schoͤne mahlte ſich mit Roſen ihre Wangen,
Und Liljen bluͤhten auf, die in der Nacht vergangen.
Jm ganzen Leipzig war kein einzig Maͤdchen alt,
So ſehr verbeſſerte die Schminke die Geſtalt. D 5Kein58Der Renommiſt.
Kein Blaͤtterchen fuhr auf, die Muſche mußt es decken,
Und wo auch gar keins war, lag doch ein ſchwar - zer Flecken.
Nur Raufbold ruhte noch, und lag von Sorgen frey,
Bis in den hellen Tag auf einer harten Streu.
Von Schaͤtzen nie beſchwert auf ſeinen weiten Reiſen,
Schlief er ſo arm, und ſanft, als wie die alten Weiſen.
Sein ganzer Reichthum war ſein großes Raufer - ſchwerd,
Und ſeine ganze Luſt Calmuck, das edle Pferd.
So manchen ſuͤßen Traum ließ ihn Pandur ergetzen;
Vom wuͤthenden Tumult, von Schreyen, und von Wetzen
War ſeine Seele voll. Erſtiegne Schnurrbarthein,
Und Staͤndchen, fielen ihm im ſuͤßen Schlummer ein.
Ein paarmal laͤchelt er mit einer wilden Freude,
Und ſpricht verwirrt etwas von einem modſchen Kleide.
Pandur hoͤrts, und erſchrickt. Er traut der Mode nicht,Und59Dritter Geſang.
Und unterſucht genau des Helden Angeſicht.
Mißtrauiſch meynt er ſchon, zu ſeinem groͤßten Schrecken,
Geheime Neigungen zur Mode zu entdecken.
O Raufbold! (ſeufzet er,) du ſchlaͤfſt? ach wuͤßteſt du,
Wie ich unruhig bin bey deiner ſuͤßen Ruh;
Wie deine Wort, im Traum entflogen, mich erſchrecken;
Dein Antlitz wuͤrde ſich mit edlem Unmuth decken.
Wer weis, ob dich nicht ſchon der Mode Wort ver - fuͤhrt.
Wer weis es, ob nicht ſchon dein Herz die Neigung ſpuͤrt,
Die leichte jenſche Tracht rebelliſch zu veraͤndern,
Und wie ein Narr den Hals, und Degen zu bebaͤndern.
Nimmt denn auch dich der Glanz von der Veraͤnd - rung ein?
O! waͤrſt du doch zu ſtolz ein Leipziger zu ſeyn!
O! moͤchteſt du doch nie den Fuß mit weißen Struͤm - pfen,
Und deinen Degen nie mit Narrentand beſchimpfen!
So60Der Renommiſt.
So ſprach er, und ſtuͤtzt ſich auf Raufbolds Degenknopf.
Viel Anſchlaͤg irren ihm durch ſeinen ſchlauen Kopf;
Zuletzt entſchließt er ſich, vom Helden ſich zu wagen,
Und um ſein kuͤnftges Gluͤck Orakel zu befragen.
Jn Leipzig war damals, die nun verlohrne Kunſt,
Aus dickem Caffeeſatz, durch ſchwarzer Geiſter Gunſt,
Die Zukunft auszuſpaͤhn; und die geheimſten Thaten,
Geſchehn, und kuͤnftig noch, prophetiſch zu errathen.
Pandur, der dieſes weis, verſtellt ſich alſobald;
Giebt ſich aus dicker Luft die jeniſche Geſtalt;
Zieht große Handſchuh an, und eilet nach der Grotte,
Zum Delphos neurer Welt, zum pythſchen Caffee - gotte.
Vergieb es mir, o Nacht, und du, prophetſcher Geiſt,
Wenn man dein Heiligthum profanen Augen weißt.
Da, wo Schellhafers Haus die ſeſten Mauren endet,Ragt,61Dritter Geſang.
Ragt, wenn man ſeinen Blick ſchief gegen uͤber wenbet,
Ein glaͤnzend Haus empor, das durch die neue Pracht
Faſt einem Tempel gleicht, Palaͤſte finſter macht.
So wie im dicken Wald ein Kranz bejahrter Eichen,
Durch ſeine Wipfel droht den Himmel zu erreichen;
Ein ſchlanker Tannenbaum ſie ſaͤmmtlich uͤbereilt,
Und durch ſein gruͤnes Haupt die leichten Wolken theilt:
So ſtreckt dies ſtolze Haus den Giebel in die Luͤfte,
Und huͤllt das hohe Dach in ewgen Rauch und Duͤfte.
Der Eingang zeigt ſogleich in einer Schilderey,
Daß dies des Caffeegotts geweihter Tempel ſey.
Es liegt ein Araber an einem Caffeebaume;
Jhm bringt in hellem Gold von dem durchſuͤßten Schaume,
Den man aus Bohnen kocht, die die Levante ſchickt,
Ein nackter Liebesgott, der laͤchelnd auf ihn blickt. Pan -62Der Renommiſt.
Pandur trat kuͤhn herein, und ſtieg zur Grotte nieder.
Ein heiligs Schrecken fuhr durch ſeine ſtarren Glieder,
Da er dem Gott ſich naht, umringt von ſtiller Nacht,
Und fuͤrchterlich geſchmuͤckt mit unterirrdſcher Pracht.
Er ſaß im ſchwarzen Pomp. Das Zepter, das er ſuͤhrte,
War wie ein Loͤffelchen; die Krone, die ihn zierte,
Dem Zuckerhute gleich. Es ſteigt die blaue Glut
Vom rauchenden Altar, auf dem ein Keſſel ruht,
Der unaufhoͤrlich brauſt, von ſchwarzem Ruß bezogen,
So wie des Phlegethons unaufhaltſame Wogen.
So manche Mißgeburt gezeugt vom finſtern Spleen
Und dicken ſchweren Blut, umflattert rauſchend ihn.
Das Hypochonder ſaß, und kruͤmmte ſich fuͤr Schmerzen,
Und die Melancholie ſprach Selbſtmord in dem Herzen.
Pandur faßt einen Muth, und gieng hindurch zum Thron;Buͤckt63Dritter Geſang.
Buͤckt vor dem Gotte ſich, und ſprach mit rauhem Ton:
Du, der du mit Caffee die Leipziger belebeſt,
Und zur vornehmen Frau ein Gaͤrtnerweib erhebeſt;
Der du mit deinem Trank Holzhacker ſo begluͤckſt,
Als du im Staatsgemach den groſſen Herrn entzuͤckſt;
Jch nahe mich zu dir vom fernen Ruf belehret,
Daß dir des Schickſals Macht die ſeltne Gunſt ver - ehret,
Die Zukunft zu durchſchaun, und in Caffee zu ſehn,
Was Aſtrologen kaum durch das Geſtirn verſtehn.
O ſage mir, Prophet, wird Raufbold unterliegen?
Wird endlich uͤber ihn der Pleiße Mode ſiegen?
Und wird der Niedrige, nach aller meiner Muͤh,
Zuletzt doch noch ein Sklav von der Galanterie?
Er ſchwieg. Der Gott verſetzt: Der Ruf iſt wahr geweſen,
Daß ich die Zukunft kan aus dickem Caffee leſen. Doch64Der Renommiſt.
Doch biſt du nicht Pandur, der uns zuwider iſt?
Und iſt dein Raufbold nicht ein wilder Renommiſt?
Soll ich, dem Feind von uns die Zukunft zu verrathen,
Verruͤckt im Kopfe ſeyn, und auf dem Dreyfuß braten?
Denn wiſſe, Schlaͤgergeiſt, es koſtet Muͤh und Schweiß,
Eh ich, vom Geiſte voll, zu prophezeihen weiß.
Pandur verſetzte drauf: Du kennſt ſchlecht deine Freunde.
Die Leipziger allein ſind deine wahren Feinde.
Wie bin ich nicht erſtaunt! wie iſt dein Reich verheert!
Es raucht kein Tempel mehr, wo Knaſter dich verehrt;
Dein ſonſt ſo maͤchtig Reich naht ſich dem Untergange.
Das freye Caffeehaus ſeufzt ietzt im ſklavſchen Zwange;
Die Stutzer dieſer Stadt ſind meiſt von dir getrennt,
Jndem ihr Wankelmuth den Thee als Gott erkennt.
Und hat die Mode nicht die Neuerung erſonnen,Und65Dritter Geſang.
Und die Galanterie den Thee ſelbſt liebgewonnen?
Nein! Jena, glaube mir, in allem groß und frey,
Verſchmaͤht den weibſchen Thee, und iſt nur dir getreu.
Willſt du die Zukunft noch zu meiner Ruh durchſchauen,
So will ich dir voll Dank drey Caffeehaͤuſer bauen;
Von nun an ſoll Caffee, um Weihrauch dir zu ſtreun,
Wenn hoch geſchmauſet wird, des Schmauſes An - fang ſeyn.
Er ſagt es, und der Gott erhob vom Thron die Glieder,
Und ſetzt wahrſagriſch ſich auf einen Dreyfuß nieder;
Und alſobald erſchien des Tempels Prieſterin,
Die wilde Phantaſie, und reicht ihm Caffee hin.
Er trank; es herrſcht um ihn geweihte grauſe Stille;
Doch ploͤtzlich toͤnt die Gruft von ſchrecklichem Gebruͤlle,
Und blaue Flammen gehn von ſeinem Dreyfuß aus;
Panduren uͤberfiel ein ungewohnter Graus,EAls66Der Renommiſt.
Als ihm die Phantaſie den dicken Caffee brachte,
Und der prophetſche Gott alſo den Anfang machte:
Was ſeh ich? Jn die Gruft des Schreckens geht der Held
Der Panzer rauſcht daher im ſchwarzen eiſern Feld
Jch ſehe Schlacht und Krieg, und ruͤhmliche Gefahren
Kan dieſer Held ſein Herz fuͤr Liebe nicht bewahren?
Er putzt, er pudert ſich? Er ficht, es ſtroͤmet Blut
Wie? hat ein Leipziger ſolch einen tapfern Muth?
O laß nicht ab, Pandur, und ſteh ihm bey im Falle!
Dies iſt das Roſenthal, ich ſeh, ich ſehe Halle!
Alſo der Gott. Sein Mund ſchaͤumt fuͤr prophet - ſcher Wuth;
Doch nach und nach ſenkt ſich ſein aufgebrachtes Blut.
Pandur buͤckt ſich voll Dank; vom kuͤnftigen Geſchicke
Des tapfern Helden voll, eilt er zu ihm zuruͤcke.
Jndeß verſammlet ſich der Mode Vorgemach. Sie67Dritter Geſang.
Sie ſchimmert auf dem Thron, und rief dem Putz, und ſprach:
Geh hin, geliebter Putz, zum erſten meiner Soͤhne,
Der Stutzer Oberſten, Sylvanen, dem die Schoͤne
Sogleich ihr Herz ergiebt, wenn ſeine Feder ſtrahlt,
Und hohen Stand und Geld die goldne Weſte prahlt.
Erweck ihn, hilf ſein Haar durch heißes Eiſen kruͤmmen;
Jn Puder und Jeßmin laß, ſeine Locken, ſchwimmen;
Und wenn ſich ſein Verdienſt im Gallakleid erhebt;
Und endlich ſeinen Witz des Schneiders Gunſt belebt;
So laß ihn in den Hecht zum Renommiſten tragen,
Der wird vielleicht, wie er, der kurzen Tracht entſagen.
Er war ſein alter Freund; ſein ſchoͤn gepudert Haar
Erreicht vielleicht den Zweck, der mir unmoͤglich war.
Sie ſagts, der Putz eilt fort. Sein Haar im Weſt zerflogen,
Formirt den Sterblichen den ſchoͤnſten Regenbogen. E 2Sein68Der Renommiſt.
Sein halb mit Gold geſtickt, halb ſilbernes Gewand,
Das er mit viel Geſchmack nachlaͤßig um ſich wand;
Wallt in der obern Luft im allerreinſten Schimmer,
Und bald erreicht ſein Flug Sylvans geſchmuͤcktes Zimmer.
Sogleich verweilt den Blick die aufgeputzte Wand,
An der er manch Gemaͤld auf bunten Tuͤchern fand.
Zween Spiegel, deren Laſt zwo große Schleifen hielten,
Und neidiſch auf ſich ſelbſt in guͤldnen Raͤhmen ſpielten,
Entdeckten ihm ſein Bild; und mit Zufriedenheit
Tritt er ins Schlafgemach. Jn ſtiller Einſamkeit
Schlief ruhig noch Sylvan, und ließ den Morgen ſterben,
Den Nachttiſch traurig ſeyn, und den Caffee verderben.
Jhm nahte ſich der Putz, und ſprach: Auf, junger Held!
Der Ruhm erwartet dich in der beglaͤnzten Welt;
Und eine Gottheit ſelbſt befiehlt dir, zu erwachen;Die69Dritter Geſang.
Die Mode ſchickt mich her, dich heute ſchoͤn zu machen.
Dein Bruder Raufbold iſt in Leipzig angelangt;
Soll er nicht ſehn, wie ſtolz der Stutzer aus dir prangt?
Eil in den blauen Hecht, verſuch, ihn zu bekehren.
Wer kann ihn, ſo wie du, die Mode lieben lehren!
Jndem erwacht Sylvan. Er trug vor kurzer Zeit,
Als ein Jenenſer noch, ein ungeſteiftes Kleid;
Doch Stutzer lehrten bald ihn den Caput verachten.
Er ward ihr Oberhaupt, der Erſt in neuen Trachten.
So wie ein Renegat, mehr als ein Muſelmann
Von frommer Wuth erhitzt, den Chriſten haſſen kan;
So ſchien der Stutzer auch Jenenſer mehr zu haſſen,
Weil er vor kurzer Zeit erſt ihre Tracht verlaſſen.
Er warf den Schlafrock um, noch halb vom Schlaf entſtellt;
Und da der raſche Stoff von ſeinen Achſeln faͤllt,E 3Macht70Der Renommiſt.
Macht er ein ſanft Getoͤn, indem die ſeidnen Falten
Mit ſaͤuſelndem Geraͤuſch zu dem Pantoffel wallten.
Sein Diener bringt Caffee. Pardieu! (ſpricht er,) Johann,
Mir traͤumt ſehr albern Zeug doch zieh mich hur - tig an,
Und dann frag in dem Hecht, ob Rauſbold angekommen.
Er ſagts, und hurtig ward der Anputz vorgenommen.
Ein weißer ſeidner Strumpf umwickelte das Knie.
Der Schuh, ein Meiſterſtuͤck von ſeines Schuſters Muͤh,
Erhob in ſchwarzem Glanz mit Band beſetzte Kanten,
Und Schnallen ſchimmerten von boͤhmſchen Diamanten.
Le Grand trat ins Gemach; ein lumpichter Franzos,
Doch in der ſeltnen Kunſt, das Haar zu kraͤuſeln, groß.
Ein weißes Puderhemd floß zu des Stutzers Fuͤßen.
Le Grand baut das Toppee, und laͤßt ſich Locken ſchließen.
Ein dicker Staub von Mehl, der ſtill im Puͤſter lag,Schießt71Dritter Geſang.
Schießt ungeſtuͤm heraus, und truͤbt den heitern Tag.
Der Putz half ſein Toppee mit klugen Fingern thuͤr - men,
Und ſetzte ſich darauf, es tapfer zu beſchirmen.
Den weißen Hals umgab ein ſchwarzes feidnes Band,
Das ſich bey ſeinem Kinn in eine Schleife wand;
Ein neuer Modeſammt, aus aſchenfarbger Seide,
Voll Laubwerk ſchoͤn gewebt, dient ihm zum Oberkleide.
Ein breitgewirktes Gold umgab der Weſte Rand,
Und Atlas hieß der Stoff, aus welchem ſie entſtand.
Sie war noch praͤchtig neu; die Farbe glich den Luͤften,
Wenn ſie der Fruͤhling leert von rauhen Winterduͤften.
Ein ſchwarzer Atlas war der Huͤften enges Kleid;
Das Uhrband ſchimmerte mit goldner Herrlichkeit.
Um ſeinen Degen war ein weißes Band geſchlagen,
Zum Zeichen, nie damit ein Blutduell zu wagen. E 4Sein72Der Renommiſt.
Sein Rohr aus Jndien ziert ein beſondrer Knopf,
Aus Meißner Porcellan ein Frauenzimmerkopf;
Der unbeſeelte Thon ſprach in das Aug Entzuͤcken;
Der Reiz war auf der Stirn, der Muthwill in den Blicken.
So ſtellte ſich das Haupt von Leipzigs Stu - tzern dar.
Es rauſchte Weſt und Rock, es duftete ſein Haar,
Und um ihn her goß ſich, in ſuͤßer Atmoſphaͤre,
Lavendel und Jesmin, der ſchoͤnen Welt zur Ehre.
Ein kuͤhnes Entrechat trug ihn zum Spiegelglas,
Wo er Toppee und Haar noch einmal kluͤgelnd maß;
Doch haͤtt ihn, da der Schmuck ihm allzuſchoͤn ge - gluͤcket,
Beynah ſein eignes Bild, wie den Narciß, entzuͤcket.
Jndeß trat ſein Lakay ins duftende Gemach,
Und ſagte: Gnaͤdger Herr, ich fragt im Hechte nach;
Jhr Traum hat wahr geredt; Herr Raufbold iſt ge - kommen,Die73Dritter Geſang.
Die Saͤnfte wartet ſchon, die ich mit her genommen.
Sogleich fliegt er herab; allein indem er geht,
So ſchickt er noch zuvor zur Mode dies Gebet:
O Goͤttin, welcher ich drey Stunden Zeit ver - ſchwendet,
Eh ich den langen Putz auf dein Geheiß vollendet,
Die Saͤnfte bringt mich ietzt zu einem Schlaͤger hin,
Dem ich vielleicht ein Spott in meinem Anzug bin;
Doch deine Wunderkraft begleite meine Lehren!
Vielleicht kan ich zu dir ſein wildes Herz bekehren.
So ſprach er, und ſein Wort drang zu der Goͤt - tin Hoͤhn;
Die Mode liebet ihn, und ſie erhoͤrt ſein Flehn.
Ein Complimentenheer muß ſich herab begeben,
Zu ſeinem Schutze ſeyn, und ſeinen Mund beleben.
Der Putz verſammelt ſie, theilt ihre Schaaren ein,
Und er faͤngt vom Toppee gebietriſch an zu ſchreyn:E 5Du,74Der Renommiſt.
Du, zierlicher Brador, ſetz dich auf deine Schleife,
Daß um den weißen Hals dein ſchwarz Gefieder ſtreife;
Und wenn der Geiſt Charmant die Knie ihm zier - lich beugt,
So mache, daß ſein Haupt ſich gleichfalls artig neigt.
Du aber, Seladon, liebaͤugle mit den Blicken,
Die Schoͤnen, die ihn ſehn, betruͤgriſch zu beſtricken.
Beredter Florimand, den Mund eroͤfne du,
Wenn ſein Verſtand nicht denkt; und denkt er, ſchließ ihn zu.
Jhr andern Geiſter koͤnt auf ſeinem Hute ſitzen.
Die Treſſe ſoll ein Theil, ein Theil die Feder ſchuͤtzen.
Da, wo ſein ſchrof Toppee die hoͤchſte Spitze macht,
Nehm ich ſelbſt meinen Sitz. Nehmt ihr mein Wort in Acht:
Und wird Sylvan beſchuͤtzt; ſo will ich euch begluͤcken;
Wo nicht, ſo ſollen euch die ſchwerſten Strafen druͤcken.
Der eine ſoll zwoͤlf Jahr mit ſteifem Ruͤcken ſtehn;Der75Dritter Geſang.
Der andre ſoll niemals nach jungen Schoͤnen ſehn;
Der dritte, wenn er ſcherzt, ſoll ſtets vernuͤnftig ſcherzen,
Und Tobacksdampf ſoll euch die bunten Fluͤgel ſchwaͤrzen.
So ſagt er; und die Schaar wird durch die Ehr entflammt;
Mit ſtolzem Angeſicht eilt jeder an ſein Amt.
Jndeſſen laͤßt Sylvan die Thuͤr der Saͤnſte ſchließen;
Die Traͤger ſchreiten fort mit weitgedehnten Fuͤßen.
Geraͤuſch und Laͤrm nahm nun im blauen Hech - te zu.
Der wilde Renommiſt verlaͤßt die lange Ruh,
Und hebt ſein ſchweres Haupt, dem hohen Tag entgegen,
Vom harten Stroh empor, auf dem er ſanft gelegen.
Von ſeinen Lippen ſchallt ein jeniſcher Geſang,
Und nach Calmucken war ſein allererſter Gang.
Er ſtand im oͤden Stall, und hieng die ſchlaffen Ohren.
Was machſt du, armes Thier? Haſt du den Muth verlohren? Sprach76Der Renommiſt.
Sprach Raufbold ganz bewegt, und gab ihm beßres Heu:
Und dankbar wiehert er mit einem Luſtgeſchrey.
Da er zuruͤcke gieng nach ſeinem finſtern Zimmer,
Umleuchtet ploͤtzlich ihn des Stutzers heller Schimmer.
Der Renommiſt kan ſich nicht ſo geſchwind entziehn.
Sylvan fliegt auf ihn zu, umarmt, und kuͤſſet ihn.
Was Teufel! Bruderherz, (ſprach Raufbold voller Freuden,)
Wer haͤtte das gedacht bey unſerm letzten Scheiden,
Daß wir in Leipzig einſt uns wuͤrden wiederſehn!
Doch, Kerl, du biſt dir ja, der Teufel hole! ſchoͤn:
Gehſt du beſtaͤndig ſo, wie aus dem Ey geſcheelet,
Und ſind die Haare ſtets in dem Toppee gezehlet?
Mon Cher, (verſetzt Sylvan,) wir leben hier galant:
Jn Leipzig gilt doch noch Verdienſt und Adelſtand,
Und ventre bleu! wer wird in Kleidern ſchlechter gehen,Da77Dritter Geſang.
Da wir hier jeden Tag die ſchoͤnſten Damen ſehen?
Doch, Bruder, wie confus ſieht nicht dein Anzug aus!
Wie koͤmmſt du in den Hecht, in dies vilaine Haus?
Hat niemand dir im Thor den Engel angewieſen,
Und Artopoͤ gelobt, und Waplern dir geprieſen?
Jndeß erreichten ſie das finſtere Gemach.
Der Schlaͤger ſchreyt, Caffee! indem der Stutzer ſprach:
Herr Bruder, mich erfreuts, daß du hier angelanget.
Nach einem jenſchen Freund hat oft mein Herz verlanget.
Du biſt ein huͤbſcher Kerl; bleib hier, veraͤndre dich;
Vergiß die jenſche Tracht, und werde ſo, wie ich:
So ſollſt du hier mit mir ein Engels-Leben fuͤhren,
Und ich will ſelber dich bey Damen produciren.
Der Renommiſt macht ihm ein hoͤhniſches Geſicht,
Und ſagte: Nein, Sylvan, zum Narren werd ich nicht! Zum78Der Renommiſt.
Zum Narren? (fieng Sylvan ſchon hitzig an zu fragen.)
Doch indem ward Caffee und Knaſter aufgetragen.
Da Bruder, lange zu, (ſprach Raufbold,) ſtopf dir ein.
Allein, es bat Sylvan, ihm guͤtigſt zu verzeihn;
Er rauche ietzt nicht mehr. Kaum will es Raufbold glauben;
Allein du wirſt es mir doch hochgeneigt erlauben?
Sprach er mit bitterm Spott. Die Pfeife ward gefuͤllt,
Die ſein geſtraͤubtes Haupt in dicken Dampfkrais huͤllt.
Der Stutzer zitterte in fremder Atmoſphaͤre,
Wie im Cometenſchweif des bangen Erdballs Schwere.
Der kriegriſche Pandur kam aus dem Stall zuruͤck.
Die Neugier lenkt ſogleich auf den Sylvan den Blick;
Doch wie verdroß es ihn, da er den Puder wittert!
Sein Fluch macht, daß das Heer der Complimente zittert.
Der Putz, ihr Fuͤhrer, beht, und jeder wird erſchreckt,Da79Dritter Geſang.
Da dieſer wilde Geiſt mit Lachen ſie entdeckt.
Wie wenn die Froͤſch im Lenz aus lauen Suͤmpfen fliehen,
Und aus vertrautem Schilf an die Geſtade ziehen;
Die Schaar, wenn etwas rauſcht, vom Rand ins Waſ - ſer huͤpft,
Mit fluͤſterndem Geraͤuſch in ſchlanke Binſen ſchluͤpft,
Bis auf den Boden ſinkt, und ſich kaum ſicher ſchaͤtzet,
Wenn in dem Waſſergras das Heer vertraulich ſchwaͤtzet;
Jedoch, ſo bald die Fluth nicht mehr von Wellen bebt,
Der kuͤhnſte Froſch zuerſt ſein dickes Haupt erhebt,
Und wenn der gruͤne Leib kein zitternd Waſſer fuͤhlet,
Mit ſeinen Fuͤßen ſteigt, und auf der Flaͤche ſpielet:
So bebt vor ſeinem Blick der Geiſter feige Schaar.
Der, von der Furcht gejagt, flieht in des Stutzers Haar;
Der in den groſſen Hut; und jener in die Schatten,
Wo unter ſeinem Hals ſich Bind und Schleife gatten. O!80Der Renommiſt.
O! (ruft der Schlaͤgergeiſt, indem er ſpoͤttiſch lacht,)
Wie tapfer gebt ihr nicht auf euren Helden Acht!
Warum flieht ihr vor mir? Jch werd euch nicht verderben.
Jhr ſeyd zu ſchoͤn geputzt, und allzuklein zum Sterben.
Er ſprach, und lachte laut. Zu tuͤckſcher That geſchwind,
Verwandelt ſich ſein Leib in einen Wirbelwind,
Der durch das Zimmer brauſt, des Stutzers Haar verheerte,
Und eine halbe Wand von dem Toppee zerſtoͤrte.
Jedoch der treue Putz baut ſchnell es wieder auf,
Und ließ in ſeiner Wuth der Schmaͤhſucht freyen Lauf.
Pandur verhoͤhnet ihn; doch nicht zum Krieg geſchaffen,
Straft ihn des Putzes Witz mit ſtachelichten Waffen.
Die Helden ſtunden auf. Komm Raufbold, (ſprach Sylvan,)
Und ſieh einmal mit mir die hieſgen Gaͤrten an.
Und alſobald gehn ſie, dem Zufall uͤberlaſſen. Es81Dritter Geſang.
Es donnert Raufbolds Fuß, der Sporn klirrt durch die Gaſſen,
Der blanke Kieſelſtein aͤchzt unter ſeinem Schritt,
Und Fenſterglas erbebt, indem er niedertritt.
Nicht fern vom Petersthor, auf deſſen vordern Theilen
Der Helden Ruͤſtung ruht, und die verzierten Saͤulen
Die Laſt der Kugeln druͤckt, die wie Coloſſen ſtehn,
Und in gevierte Reihn erhabner Linden ſehn;
Auf dem beruͤhmten Platz, der Muhmenplatz ge - nennet,
Den, auf der Ammen Arm, die kleine Schoͤne kennet,
Und, wenn ſie groͤßer wird, an angenehmer Hand,
Die ſuͤßen Triebe fuͤhlt, die ſie noch nicht gekannt:
Gieng ietzt der Renommiſt an eines Stutzers Seite,
Kunſt und Natur lockt ihn, mit angenehmem Streite;
Doch Apels Garten prangt in koͤniglicher Pracht
Umſonſt fuͤr ſeinen Blick, zum Schoͤnen nicht erwacht. FSein82Der Renommiſt.
Sein Fuß tritt grimmig auf, daß die Allee erzittert,
Daß jede Bank erbebt, und eine Linde ſplittert.
Die Pleiße ſelber hebt, bekraͤnzt mit jungem Rohr,
Jhr neubegierigs Haupt aus traͤger Fluth empor.
Sie ſieht ſo manches Volk aus weit entlegnen Laͤndern;
Den Gallier, der floh, den Glauben nicht zu aͤndern,
Der pohlſche Jude koͤmmt zu ihren Schaͤtzen her,
Der Kaufmann Griechenlands, und der Armenier.
Es gehn an ihrem Strand die ſeltſamſten Geſichter,
Staatsleute voller Wind, und abgedankte Dichter.
Doch niemals ſah ſie noch in ihrem weiten Reich
Solch einen jungen Herrn, dem Renommiſten gleich;
Die Ungezogenheit ſprach aus den wilden Blicken,
Die große Peitſche hieng ſchief uͤber ſeinem Ruͤcken,
Der kurze Rock verrieth ein ſchmutzigs Oberhemd,Und83Dritter Geſang.
Und ſeine ganze Tracht war widerlich und fremd.
Es wieherten indeß von fern geſchmuͤckte Roſſe,
Der Stutzer ward beſtuͤrzt, beym Anblick der Caroſſe.
Selinde ſaß darin. Der Schoͤnheit Wunderſchein
Verklaͤrt Sylvans Geſicht, und Raufbold ward zum Stein.
Nun, Bruder, (ſprach Sylvan,) mich duͤnkt, du biſt getroffen.
Kan man dies Maͤdchen denn nicht nah zu ſehen hoffen? (Sprach Raufbold ganz verwirrt.) Es laͤchelte Sylvan,
Und fieng alſo zu ihm mit ſuͤßen Mienen an:
Du ſollſt den hoͤchſten Grad von meiner Freundſchaft ſehen,
Und ſollſt den Nachmittag mit zu Selinden gehen;
Doch, Raufbold, anders nicht, als wenn du dich be - kehrſt,
Und dieſes ſchoͤne Kind durch deine Tracht verehrſt.
Gern wollt ich dir ein Kleid von meinen Kleidern leihen;
Allein du moͤchteſt mir den Antrag nicht verzeihen. F 2Wohlan,84Der Renommiſt. Dritter Geſang.
Wohlan, ſo putze dich in allem andern nur.
Es lege ſich dein Haar in zierliche Friſur;
Jch will dir den Le Grand zu deinen Dienſten ſenden,
Und der friſire dich mit ſchoͤpferiſchen Haͤnden.
Doch zieh die Stiefeln aus. Jſt Kopf und Fuß galant,
So ſiegt die Miene leicht im maͤßigen Gewand.
Um vier Uhr will ich dich mit zu der Schoͤne nehmen;
Allein kein wildes Wort muß mich und ſie beſchaͤmen.
Geh, mache dich bereit, ich meld uns ſelber an.
Und Raufbold, voller Dank, umarmet den Sylvan.
Der[85]

Der Renommiſt.

Vierter Geſang. Der Renommiſt. Vierter Geſang.

[86]87
Wie, wenn ein rauher Baͤr aus Lapplands kalten Waͤldern,
Vom ſteten Nord entlaubt, zu den beſchneyten Feldern
Mit traͤgen Klauen koͤmmt, ſie halb erſtarrt bewegt,
Sich mit bereifter Haut durch oͤde Furchen traͤgt,
Die Menſchen zwar nicht flieht, doch ſie auch nicht ver - letzet;
Bis, wenn die Lappen ihn durch ein Geſchrey gehetzet,
Er ſein befrornes Haupt unwillig aufwaͤrts hebt,
Den lichten Schnee zerſcharrt, mit breiten Tatzen graͤbt;
Doch, wenn ſein feiger Feind auf ihn zu gehn verwei - let,
Er wiederum zuruͤck in finſtre Waͤlder eilet,
Mit brummendem Getoͤs zu ſeinen Hoͤhlen irrt:
So murrt der Renommiſt, da er verwundet wird. F 4Syl -88Der Renommiſt.
Sylvan laͤßt ihn allein, und eilet aus den Linden;
Und Raufbold denket nichts, als Anputz, und Selinden.
Voll Unmuth warf er ſich auf eine nahe Bank.
Er, den kein ſchoͤner Blick in Jena noch bezwang,
Fuͤhlt tief in ſeiner Bruſt die angenehme Wunde;
Und dieſe Klage brach aus ſeinem Helden-Munde:
Unwuͤrdiger, du liebſt? und ſchimpfſt den hohen Stand?
Und machſt zu Leipzigs Spott dein jeniſches Gewand?
O Jena! mußteſt du zum Ungluͤck mich verjagen?
Jch Unbezwungner ſoll der Liebe Ketten tragen?
Zu Seufzern ungewoͤhnt, fremd in galanter Kunſt,
Bewerb ich kriechend mich um eines Maͤdchens Gunſt?
Und man verlangt von mir, abtruͤnnig ſchon deswegen
Den jeniſchen Caput, und Stiefeln abzulegen?
So ſprach er, und er ſah ſtarr auf den Boden hin. O Liebe,89Vierter Geſang.
O Liebe, ſieget ſtets dein ſtolzer Eigenſinn?
Muß man bey ſo viel Muth von dieſem jenſchen Hel - den,
Mit ſeiner Liebespein, auch ſeine Schwachheit melden?
Haſt du die Schoͤnheit nicht zum Ungluͤck oft ge - braucht?
Hat nicht um Helenen ein Jlium geraucht?
Sah nicht die ganze Welt, Philippens Sohn zur Schande,
Auf einer Nymphe Wort, Perſepolis im Brande?
Wie oftmals ſuchen wir von eines Reiches Fall,
Und maͤchtger Thronen Sturz, die Urſach uͤberall?
Und oftmals, duͤrften wir in Menſchenherzen leſen,
Jſt nur ein ſchoͤner Blick der Grund davon geweſen;
Und eine Sultanin, erhitzt von Lieb und Wut,
Setzt oft allein um ſich ihr weites Reich in Blut.
Muß auch ein bloßer Blick den Schlaͤger uͤberwinden?
Doch, Held, du faͤllſt mit Ruhm. Ein Blick wars von Selinden. F 5Du90Der Renommiſt.
Du ſchmuͤckeſt den Triumph der groͤßten Siegerin.
Die Staatsperuͤke faͤllt zu ihren Fuͤſſen hin,
Der lange Zopf wuͤnſcht ſich an ihrer Sklaven Stelle,
Und alles huldigt ihr, der Degen, und die Elle.
Jndeſſen ſchaͤumt fuͤr Wut der Geiſt der Schlaͤ - gerey.
Wie? (ruft er bruͤllend aus,) mein Raufbold ungetreu?
Sein Held eilt nach der Stadt, und koͤmmt, voll von Gedanken,
Vom ſtolzen Petersthor bis an die vordern Schranken.
Auf ſeinem Poſten ſtand ein alter Stadtſoldat,
Ein ſechzigjaͤhrger Schutz der nie verlaßnen Stadt.
Nie hat er auf den Feind die Flinte losgeſchoſſen,
Sein Kriegesleben war in groͤßter Ruh verfloſſen.
Den laͤßt zum erſtenmal Mars auf die Kriegesbahn,
Der Renomm iſt ſtoͤßt ihn mit ſtarken Armen an.
Wie wenn man mit der Hand an die bejahrten RindenHalb -91Vierter Geſang.
Halbhohler Weiden ſtoͤßt, die in den ſichern Gruͤnden
Noch ſtehn, weil ſie ein Bach, der ſie benetzt, belebt;
Und wie vom kleinen Stoß die ganze Weide bebt:
So fuͤhlt auch der Soldat die duͤrre Bruſt erſchuͤttert,
Er wankt vom ſtarken Stoß, und tritt zuruͤck, und zittert;
Der wilde Renommiſt hoͤhnt ihn mit bitterm Scherz
Und hier gab ihm Pandur die große That ins Herz,
Den nie erlangten Ruhm allein davon zu tragen,
Und in die finſtre Gruft der Haͤſcher ſich zu wagen.
Voll Freude jauchzet ſchon der ſchreckliche Pandur:
Doch Leipzigs Schutzgeiſt folgt unſichtbar Raufbolds Spur,
Und, von dem ſcharfen Blick Pandurens unentdecket,
Spaͤht er den Vorſatz aus, der ihn mit Recht erſchre - cket.
Er eilet alſobald, vom kriegeriſchen Ort,
Zu der Galanterie, auf ſchnellen Schwingen fort.
Da,92Der Renommiſt.
Da, wo Verſailles ſich mit ſtolzem Haupt erhebet,
Und wo die Kunſt die Flur trotz der Natur belebet;
Wo der Galanterie ſo mancher Sieg gelingt,
Wo mancher Staatsmann luͤgt, und mancher Mar - quis ſingt:
Liegt ein verſchonter Wald von Zeit und Sturm und Winden,
Den Seladons nur ſehn, und Clelien nur finden.
Hier hat bey einem Volk, das nie beſtaͤndig iſt,
Das Schwuͤr im Friedensſchluß, wie in der Eh, ver - gißt,
Und voller Mitleid nur auf deutſche Treue ſchauet,
Sich die Galanterie ein praͤchtig Schloß erbauet.
Ein Maͤdchen, ſchoͤn und wild, ſteht an dem ſtolzen Thor;
Die volle Bruſt iſt bloß, den Leib umhuͤllt nur Flor,
Der mehr verraͤth, als deckt; Verfuͤhrung heißt die Dame,
Doch bey Franzoſen iſt nur Artigkeit ihr Name.
Verſtellung traͤgt allhier der edlen Treue Kleid,Und93Vierter Geſang.
Und um ſie her ſteht Liſt, und falſche Zaͤrtlichkeit.
Auf einem ſtolzen Thron, von Sammt und Gold be - ſchweret.
Sitzt die Galanterie, die man hier buͤckend ehret.
Zu ihren Fuͤßen ſchwingt, der kleine Gott Roman,
Den ſieggewohnten Pfeil. Jhn hat der Alten Wahn
Den Liebesgott genannt; mit ſeinen ſchwachen Haͤnden
Verwirret dieſes Kind das Gluͤck von allen Staͤnden.
Die Wolluſt ſchildert er unſchuldig, ſanft, und hold,
Und manchen Crebillon hat er in ſeinem Sold;
Er hat manch Herz verderbt, und manchen Kopf ver - wirret,
Daß er im Labyrinth der Liebe ſich verirret.
Der Schutzgeiſt Leipzigs war dem Thron der Goͤttin nah.
Als ſie ihn noch von fern mit truͤbem Antlitz ſah,
So rufte ſie ihm zu: Was quaͤlen dich fuͤr Sorgen,
Getreueſter Lindan? Haſt du an dieſem MorgenDein94Der Renommiſt.
Dein ſchoͤnes Haar verbrannt? Jſt es nunmehr zu kurz?
Waͤchſt dein Toppee nicht mehr? Verſchießt dein blauer Schurz?
Er aber buͤckte ſich, und ſprach mit ernſten Mie - nen:
O Goͤttin, welcher wir auch an der Pleiße dienen,
Seitdem Germanien begierig nachgemacht,
Was hier der Schneider traͤumt, und jeder Narr er - dacht;
Du haſt es ſelbſt geſehn, wie Raufbold uns erſchrecket.
Allein ich habe ſchon ſein ſtolzes Herz entdecket;
Er liebt; Selinde hat die große That gethan.
Doch, Goͤttin, ſend ihm noch den maͤchtgen Gott Ro - man,
Damit er ſein Gehirn mit ſuͤßem Dunſt umhuͤlle,
Und manches Abentheur die Einbildung erfuͤlle;
So wird der Renommiſt, der uns ſo lang getrutzt,
Ein Stutzer, wie Sylvan, der ſich am Nachttiſch putzt.
Er ſchwieg. Es toͤnt der Saal, die bunten Pfei - ler beben. Von95Vierter Geſang.
Von jedem ſchoͤnen Mund wird Beyfall ihm gegeben,
Und die Galanterie ſprach ſo mit ſuͤßem Ton:
Geh, wafne dich, Roman, du mein geliebter Sohn,
Und folge dieſem Geiſt bis in die ſtolzen Linden;
Die Lorbern warten dein, du gehſt zum Ueberwinden.
Beſiege Raufbolds Herz, und einen Schlaͤgergeiſt,
Den ſchrecklichen Pandur, der von der Mod ihn reißt.
Sie ſagts; der Gott Roman hebt ſeine Purpur - fluͤgel,
Und ſchwingt ſich, wie Lindan, hoch uͤber Thal und Huͤgel.
Jndem ſein ſchneller Flug durch blaue Luͤfte ſtieß,
Entdeckt er unter ſich das prangende Paris.
Sein Einfluß macht, daß ſich die wilden Koͤpf erhitzen,
Und von verliebtem Tand die Druckerpreſſen ſchwitzen.
Es wurden unter ihm, durch ſeinen hohen Schwung,
Viel Avantuͤren reif, und Hexenmaͤhrchen jung.
Vor96Der Renommiſt.
Vor Leipzig ſenken ſchon die Pilger ihr Gefieder,
Roman ſchießt in den Hecht, zu ſeinem Siege, nieder.
Er trat in das Gemach, wo Raufbold mit dem Arm
Sein ſchweres Haupt geſtuͤtzt; voll Gram und innerm Harm
Schaut er um ſich herum; Pandur ſah es, und fluchte,
Ob er ſein Schickſal gleich ſich zu verbergen ſuchte;
Obgleich ſein wilder Hauch in Raufbolds Seele ſtuͤrmt,
Und ob Gedanke gleich ſich auf Gedanken thuͤrmt.
Jndeſſen ſpannt Roman den ſiegesvollen Bogen.
Kaum iſt der ſtarke Pfeil in Raufbolds Herz geflo - gen,
So aͤndert er ſogleich die grimmige Natur;
Er ſpricht aus ſuͤßem Ton, und es erblaßt Pandur.
So wie ein ſichrer Hirſch aus ſeinem Stande ſetzet,
Wenn ihn im dicken Forſt ein wilder Pfeil verletzet;
Er faͤrbt mit ſeinem Blut den ungluͤckſelgen Ort,Und97Vierter Geſang.
Und traͤget Pfeil und Tod auf rothem Ruͤcken fort:
So ſpringt auch Raufbold auf, ſein Herz iſt uͤber - wunden,
Und fuͤhlet, trotz Pandur, der Liebe ſuͤße Wunden.
Die Mode kam ietzo, und ſiegt mit beſſerm Gluͤck.
Pandur verbirget ſich, beſchaͤmt vor ihrem Blick;
Der Renommiſt verſchmaͤht im Herzen jenſche Trach - ten;
Es jauchzete Roman; die Complimente lachten.
Le Grand trat ins Gemach, voll artger Hoͤflichkeit,
Mit einem alten Rock, von Puder uͤberſtreut.
Er ſprach aus ſuͤßem Duft wohlriechender Pomaden:
Der Herr Baron Sylvan ſchickt mich zu Jhro Gna - den,
Jhr ſchoͤnes braunes Haar koͤmmt in die rechte Hand.
Zwo Stunden nur, mein Herr, ſo ſind ſie ganz galant.
Er ſagts, und laͤßt ſogleich den Schlaͤger niederſitzen.
Die Scheere wuͤtete mit zwo geſchaͤrften Spitzen,GSein98Der Renommiſt.
Sein Haar wird abgemaͤht; ſo wie ein reifes Feld,
Das vor dem wilden Hieb der ſcharfen Sichel faͤllt.
Nun mußten Locken ſich in Papiljotten preſſen;
Sie wurden vom Le Grand ſorgfaͤltig abgemeſſen;
Sie rauchten dampfend auf, gequetſcht vom heißen Stal,
Und dreymal ruht Le Grand vor ungewohnter Quaal.
Er hatte nie ein Haar, wie dieſes Haar, geſehen;
Es ſchien, den Borſten gleich, dem Kamm zu wider - ſtehen;
Doch dem Herkulſchen Fleiß bleibt nichts mehr hinder - lich;
Stolz hebt ſich ſein Toppee, und Locken ruͤnden ſich.
Die Puderwolke floß auf ſeinen Locken nieder;
Der neue Stutzer nieſt, und das Gemach ſchallt wieder.
Nun macht ſich das Gefolg der Mode zu ihm her.
Ein kleiner Geiſt beſieht ſein ſchreckliches Gewehr;
Den Degen, den ſo oft das jenſche Pflaſter fuͤhlte,Und99Vierter Geſang.
Und der ſich oft mit Blut im wilden Zweykampf kuͤhlte.
Ein andrer Geiſt, der Tanz, nahm ſeine Handſchuh wahr,
Und zog ſie laͤchelnd an, und both ihm weiße dar.
Von einem dritten Geiſt ward ihm der Huth entfuͤhret,
Den die geſchickte Hand franzoͤſiſch aufſtaffiret.
Jndem erſcheint Sylvan, und holt den Schlaͤ - ger ab,
Der, einer Muſche gleich, ihm groͤßre Schoͤnheit gab.
Der Stutzer laͤchelte, daß ihm der Sieg gelungen,
Und ſeiner Schoͤne Blick auch Raufbolds Herz be - zwungen.
Die frohe Mode ſieht den beyden Helden nach,
Und beyden oͤfnet ſich Selindens Staatsgemach.
Die Aſſemblee erſtaunt vor dieſem ſeltnen Paare.
Ein Schlaͤger nach dem Kleid, ein Stutzer nach dem Haare,
Macht Raufbold ganz verwirrt ein krummes Com - pliment,
Und ſtarrt Perſonen an, wovon er keine kennt. G 2Ein100Der Renommiſt.
Ein Bauer, welcher nie ein Schauſpiel angeſehen,
Pflegt in der Oper ſo gedankenlos zu ſtehen;
Er ſtarrt mit ofnem Maul, und glaubet dumm manchmal,
Er ſey auf einmal nun im ewgen Freudenſaal.
Der Stutzer praͤſentirt den Schlaͤger an Selinden;
Der wilde Renommiſt kan keine Worte finden;
Jhr Blick bezaubert ihn; er buͤckt ſich ſtarr, und ſtumm;
Holdſelig laͤchelnd kehrt Selinde ſich herum.
Was iſt das fuͤr ein Thier, das ſie mir praͤſentiren?
So manches ſchoͤne Kind wird dieſer Held verfuͤhren.
Welch ein ſcharmanter Rock! O! ſehn ſie ihn doch an!
Wie heißt der Paris denn, mein Herr Baron Sylvan?
So ſpottet hinter ihm die angenehme Dame.
Der Stutzer winkt, und ſprach: Von Raufbold iſt ſein Name.
Von Raufbold? Wie? im Ernſt? (fiel ihm die Schoͤn ins Wort;) Es101Vierter Geſang.
Es ſchwur Sylvan, ma foi! und fuhr mit Lachen fort:
Er iſt in ſie verliebt. Er ſtuͤrmt zehn Haͤſcherwachen,
Wenn es ihr Mund befiehlt. Die Schoͤne fiel vor Lachen
Jn einen Lehnſtuhl hin; und Raufbold truͤbet ſchon
Mit Runzeln ſeine Stirn, die Tod und Schrecken drohn.
Vergebens ſuchen ihn zween Herrn zu unterhalten;
Er legt die krauſe Stirn in unzufriedne Falten.
Roman, der ihm gefolgt, ſieht ſeines Sieges Frucht;
Er uͤberſtroͤmt ſein Herz mit wilder Eiferfucht.
Der Zwietracht Fackel flammt; er ſieht als ein Ver - brechen
Selindens Lachen an, und denket ſich zu raͤchen.
Wie? Raufbold, (liſpelt ihm ietzo Pandur ins Herz,)
Man macht aus deiner Tracht und deinen Sitten Scherz?
Jſt denn aus deiner Bruſt die Ehrſucht ausgerottet?
Ein ſproͤdes Maͤdchen lacht, ein dummer Stutzer ſpottet;G 3Und102Der Renommiſt.
Und du ſtehſt feig und ſtumm, und ſiehſt den Spott mit an?
Verfuͤhrte darum dich, der ſklaviſche Sylvan,
Zu Puder auf dem Kopf, zu Struͤmpfen an den Fuͤßen,
An ſeinen Wagen dich, als Sieger, anzuſchließen?
Vergebens iſt dein Kopf von Weizenmehle weiß;
Er giebt verraͤthriſch dich dem Spott der Nymphe preiß,
Die er bezwungen hat. Doch was ſag ich, bezwungen?
Die er dir wider Recht meineidig abgedrungen.
Denn iſt ſie denn nicht dein? Hat nicht dein tapfrer Mund
Sie zur Scharmant erklaͤrt? Hat nicht dein edler Schlund,
Der zwanzig Ganze ließ zu deinem Magen rinnen,
Die Ehre hoch erkauft, ein Maͤdchen zu gewinnen?
O Raufbold, mache dich von ſolchen Feſſeln frey,
Und zeige, daß dein Herz noch nicht erniedrigt ſey.
Selinde bleibet dein! Will ſie Sylvan erwerben,So103Vierter Geſang.
So laß nach dem Geſetz ihn ſaufen, oder ſterben.
Wer tritt ein Maͤdchen ab, auch bey dem ſchlechtſten Muth?
Entweder ſtroͤme Bier, wo nicht, ſo fließe Blut.
Willſt du das Grundgeſetz der jenſchen Welt ver - wandeln,
Wie ein Philiſter ſtehn, und wie ein Pinſel handeln?
So ſprach der wilde Geiſt, und ließ das, was er ſprach,
Jn Raufbolds harter Bruſt mit Feuerſchriften nach.
Der Renommiſt dreht um, und ohn ein Wort zu ſprechen,
Eilt er aus dem Gemach, am Stutzer ſich zu raͤchen.
Er hoͤrt, daß hinter ihm ein laut Gelaͤchter toͤnt,
Das auf der edlen Flucht weitſchallend ihn verhoͤhnt.
Moquirt euch nur, (ſprach er,) ihr abgeſchmackte Nymphe,
Und du, geputzter Narr; Blut waͤſcht von jedem Schimpfe.
Er eilet in den Hecht mit weitem Schritt zuruͤck,
Und wie ein Meteor flammt ſein erzuͤrnter Blick.
G 4Bey104Der Renommiſt.
Bey den Jenenſern iſt ein alt Geſetz in Ehren,
Das alte Purſche ſtets die junge Nachwelt lehren;
Das man mit Ehrfurcht ſagt, und unverbruͤchlich haͤlt,
So lang in Jena noch die Freyheit ſich erhaͤlt.
Dies iſts. So oft man ſich vor volle Glaͤſer ſetzet,
Waͤhlt ſich der naſſe Purſch ein Maͤdchen, das er ſchaͤtzet.
Zu der Scharmante wird ſie feſtlich deklarirt,
Und dem Amanten nie mit andrer Art entfuͤhrt,
Als ſich auf ofnem Markt den Hals mit ihm zu brechen.
Und, wenn es Freunde ſind, in Bier ſie abzuzechen.
Man ſaͤuft ſich von Verſtand bloß auf ihr Wohlergehn.
Man kennt die Schoͤne nicht, als daß man ſie geſehn;
Doch dies iſt gnug, deshalb die Schnurrbarthey zu ſtuͤrmen,
Und ſie mit Bier und Blut herkuliſch zu beſchirmen;
Die Renommiſten ſinds, die dies Geſetz erhoͤht,Durch105Vierter Geſang.
Durch deren Heldenſtahl es immer noch beſteht.
Sie laſſen eh Toback und Karten untergehen,
Als dieſes Grundgeſetz der jenſchen Welt verſchmaͤhen.
Ein alter Renommiſt, als er im Zweykampf ſtarb,
Und in dem Paradies
(*)eine Gegend bey Jena.
(*) die Hoͤlle ſich erwarb;
Sprach noch mit blaſſem Mund zu ſeinen Sekun - danten:
Beſchuͤtzet dies Geſetz, beſchuͤtzet die Scharmanten.
Die Seel entflieht mir ietzt, die Freyheit nicht zugleich.
Sie, und mein Degen koͤmmt nach meinem Tod auf euch
Braucht ihn, daß dies Geſetz kein feiger Kerl verhoͤhne,
Sauft, fechtet und ſterbt ſo, wie ich, fuͤr meine Schoͤne.
Dies alles wiederholt der wilde Renommiſt
Jn oͤder Einſamkeit, die ſchrecklich um ihn iſt.
Er flucht durch das Gemach; Roman flieht nun er - ſchrocken;G 5Er106Der Renommiſt.
Er ſtuͤrzet wuͤtend ſich in ſeine ſchoͤnen Locken,
Und was Le Grand mit Muͤh in Stunden aufge - thuͤrmt,
Das wird im Augenblick verwuͤſtend durchgeſtuͤrmt.
Der Puder ſteigt empor, die Locke wird zerſtoͤret;
Und, wie ein dicker Wald, ſein ſtolz Toppee verheeret.
Wie auf dem rauhen Harz, wenn durch den hohen Wald
Die wilde Kuppel bellt, das laute Huͤfthorn ſchallt,
Mit wildgeſtraͤubtem Haar ein aufgebrachter Hauer
Den dickverwachſnen Hain, wo er im ſchwarzen Schauer
Bemooſter Eichen lag, mit feſtem Zahn zerſtuͤckt,
Und den beharzten Leib aus ſproͤden Buͤſchen ruͤckt:
So wuͤtet Raufbold auch erzuͤrnt und unerſchrocken
Jn ein Toppee voll Mehl, und parfumirte Locken.
Sein Schutzgeiſt aber jauchzt, daß ihm der Sieg ge - lingt,
Und Lieb und Mode nicht des Helden Herz bezwingt. Wie?107Vierter Geſang.
Wie? (ſprach der Renommiſt,) Er nimmt mich zu der Schoͤne,
Damit man meine Tracht mit blutgem Spott ver - hoͤhne?
Und uͤberdies gehoͤrt Selinde mir allein!
Sie kan von zweenen nicht zugleich Scharmante ſeyn!
Sie zu erkaufen, ließ ich Bier mit Stroͤmen fließen;
Mit gleicher Tapferkeit will ich auch Blut vergießen.
Wir wollen ſehn, Sylvan, wie ſcharf dein Degen iſt;
Ob du ſo ſtark damit, als mit der Zunge biſt?
Treuloſer, konnteſt du die alte Freundſchaft brechen?
Allein ich bin begluͤckt; ich will, und kan mich raͤchen.
Er ſprach noch, als die Schaar von ſeinen Bruͤ - dern koͤmmt,
Und mit Umarmungen des Zornes Fluten hemmt.
Von Torf, fein von Geruch, ſchrie: Was der Hagel! Bruder,
Der Teufel hole mich, hier ſtinkt Pomad, und Puder!
Wie Raufbold! Nimmermehr? Ein Renommiſt friſirt? O Pin -108Der Renommiſt.
O Pinſel, welch ein Narr hat dich dazu verfuͤhrt?
So ſagt er, und das Blut ſteigt wild in Rauf - bolds Wangen.
Nie war auf ihnen noch die Schamroͤth aufgegangen;
Er ward zum erſtenmal in ſeinem Leben roth.
Doch wahrſagt dieſe Scham Sylvanen Blut und Tod.
Setzt euch, und hoͤret mich, (ſprach er,) geliebte Bruͤder.
Sie ſetzen alle ſich, gleich ſtrengen Richtern, nieder;
Nur Raufbold ſtand allein. Voll Wut und Eigenſinn,
Schaut er mit tiefem Ernſt in die Verſammlung hin,
Und ſprach: Jhr ſeht mich hier von meiner Hoͤh ge - ſtuͤrzet,
Jhr ſeht mein Haar verſtutzt, und mein Toppee ver - kuͤrzet.
Jch ſchmiegte klein genug mich in der Mode Joch,
Und Torf hat voͤllig Recht, der Puder ſtinket noch.
Doch ſeht zu gleicher Zeit, wie ich dies Haar zerzauſet;
Die allergroͤßte Wut hat das Toppee durchbrauſet;Es109Vierter Geſang.
Es ſtraͤubt gleich Borſten ſich; Jch bin euch wie - der gleich;
Mit edlem Stolz flieh ich der Mod und Liebe Reich.
Jch baute Locken auf, ein Maͤdchen zu beſiegen;
Die Rache reißt ſie ein, und Rache heißt mich kriegen.
Sylvan hat mich beſchimpft; Selinde mich verlacht;
Man ſpottete voll Hohn auf meine jenſche Tracht.
Sagt, Bruͤder, muß ich mich nicht billig vor euch ſchaͤmen?
Allein noch kan ich mir die Rache ſelber nehmen.
Vielleicht mach ich bey euch den Fehler wieder gut,
Und waſche meinen Schimpf in dieſes Schurken Blut.
Sagt, Bruͤder, darf ich wohl die edle Zeit verlieren?
Muß ich nicht heute noch den Feigen provociren?
Ja, freylich! ruften ſie voll Eifer alleſammt
Und Raufbolds Herz und Kiel ward alſobald ent - flammt;
Von Lieb, und Raſerey, und Eiferſucht getrieben,Ward110Der Renommiſt. Vierter Geſang.
Ward ſcharfer Spott erdacht, und das Cartell ge - ſchrieben.
Wie jauchzte nicht Pandur? Er zeigt ſich alſobald,
Und nimmt vom Hausknecht Hans das Kleid, und die Geſtalt.
Er eilt mit dem Cartell, den Stutzer aufzufinden;
Sein Weg war nicht umſonſt, er fand ihn bey Selinden.
Der Stutzer lieſt beym Spiel das kriegriſche Cartell.
Voll Tapferkeit, und Muth, und im Entſchlieſſen ſchnell,
Schrieb er mit Bleyſtift nur darunter dieſe Worte:
Jch komme ganz gewiß zu dem beſtimmten Orte.
Der[111]

Der Renommiſt.

Fuͤnfter Geſang. Der Renommiſt. Fuͤnfter Geſang.

[112]113
Das wichtge Lomberſpiel war ietzt nicht wichtig gnug.
Sylvan verſtellte ſich; Selinde merkt Betrug;
Die Schlachtordnung hoͤrt auf; es fielen ungerochen,
Die Lomberkoͤnige, von Freundes Schwerd durchſtochen.
Spadilje ſaß verzagt in ſchandewerther Ruh,
Und als ein Dummkopf gab Sylvan die Baſta zu.
Selinde ſieht erſtaunt den Stutzer Fehler machen;
Der Argwohn, und die Furcht fuͤr ſeine Ruh, erwa - chen;
Das Spiel hoͤrt ploͤtzlich auf, daß durch des Schick - ſals Schlag
Der Koͤnig und der Sklav vermiſcht zuſammen lag.
So liegt im weiten Thal des Todes bey einander
Der Raͤuber und der Held, Cartouch und Alexander. HSelin -114Der Renommiſt.
Selindens truͤber Blick ſpricht Unzufriedenheit,
Und alles eilet fort vor der beſtimmten Zeit.
Sylvan nimmt ſeinen Hut, und will ſich ihr em - pfehlen;
Grauſamer, (ſagte ſie,) du willſt es mir verhehlen,
Was deinen freyen Blick in Unordnung gebracht?
Sprich, iſt es nicht der Brief, der dich verwirrt ge - macht?
Der Stutzer wird beſtuͤrzt; Ja, (ſagt er,) deinetwegen
Zieh ich mit tapfrer Fauſt den ſieggewohnten Degen.
Der Brief war ein Cartell; der wilde Renommiſt
Glaubt, daß ein Leipziger ein Baͤrenheuter iſt;
Doch, Schoͤne, da ich ietzt fuͤr deine Schoͤnheit ſtreite,
So iſt auch ſchon der Sieg mit Lorbern mir zur Seite.
Selinde, die erblaßt in ihren Lehnſtuhl ſinkt,
Und in dem bittern Schmerz geſalzne Thraͤnen trinkt,
Schien in Verzweifelung und Wehmuth zu zerfließen,Und115Fuͤnfter Geſang.
Und ließ den ganzen Strom der wilden Klagen ſchießen.
Grauſamer, (ſagte ſie,) du biſt nicht meiner werth!
Verſichre ja mich nicht, daß mich dein Herz verehrt.
Wie? mein Geliebter will ein wilder Schlaͤger werden?
Ja, ja, du biſt es ſchon in Sitten und Geberden.
Geh, Wilder, ſchlage dich; doch ruͤhme dich nur nicht,
Daß ich den je geliebt, der gleich die Haͤlſe bricht.
Und mit dem wilden Thier willſt du den Zweykampf wagen?
Wie bald wirſt du den Tod auf blaſſen Lippen tragen!
Grauſamer, nein, du biſt in Leipzig nicht erzeugt,
Und eine Furie hat dich mit Gift geſaͤugt!
O haͤtteſt du zu mir die kleinſte Gunſt getragen,
Und waͤrſt ein Leipziger, du wuͤrdeſt ihn verklagen.
Sie ſchwieg; ſo wie ein Baum den ſtolzen Wipfel neigt,
Wenn ihn jetzt bald der Suͤd, und bald der Nordwind beugt;H 2So116Der Renommiſt.
So wird Sylvan beſtuͤrmt; Er wankt auf beyde Seiten;
Die Liebe heißt ihn fliehn, die Ehre heißt ihn ſtreiten;
Allein die Ehre ſiegt. O Schoͤne, (fieng er an:)
Was foderſt du von mir! Verdiente wohl Sylvan
Selindens Zaͤrtlichkeit, wenn er ſich fuͤrchten wollte,
Und wenn ſie ungeſtraft ein Raufbold ſchimpfen ſollte?
Jch habe manchen Kampf mit allem Gluͤck gewagt;
Und Raufbold ſpricht zwar groß, allein er iſt verzagt.
Erheitre du mein Gluͤck mit deinen hellen Stralen,
So ſoll gewiß ſein Blut die Ausfodrung bezahlen.
Er ſagts, und eilt ſogleich beherzt aus dem Ge - mach.
Selinde ſieht ihn gehn, und ſieht ihm weinend nach,
Und ſchickt voll Todesangſt viel Wuͤnſche zu den Ster - nen,
Von ihres Lieblings Haupt das Ungluͤck zu entfernen.
Der zaͤrtliche Lindan, der Schutzgott Leipzigs ſieht,Daß117Fuͤnfter Geſang.
Daß uͤber ſeinen Sohn ein Ungewitter zieht;
Voll banger Sorgſamkeit eilt er mit ſchnellen Fluͤgeln,
Zu der Galanterie, ihr Streitheer aufzuwiegeln.
O Goͤttin, (fieng er an,) ich muß um Beyſtand flehn.
Wie oft zwingt mich die Noth, zu deinem Thron zu gehn!
Doch, Goͤttin, kan ich wohl der Stutzer Haupt verlaſſen,
Und Stutzer untergehn, und Schlaͤger ſiegen laſſen?
Kaum wird am Horizont die kuͤnftge Sonne ſtehn,
So wird das Roſenthal den ſchaͤrfſten Zweykampf ſehn.
Suchſt du nicht Raufbolds Arm, o Goͤttin, aufzu - halten,
So kan ein einzger Hieb Sylvanens Haupt zerſpalten.
Der Zweykampf iſt gewiß; die Streiter ſind voll Wut;
Jch, Goͤttin, zittre ſchon vor Scenen voller Blut.
Er ſagts, und heftete mit trauriger Geberde,
Den Supplikantenblick, voll Thraͤnen auf die Erde. H 3Die118Der Renommiſt.
Die Goͤttin fuͤhlt den Schmerz; voll Mitleid ſagte ſie:
Wie ſchwach iſt nicht der Blitz von der Galanterie
Jm Streit und im Duell! ſollt ich ein Herz bekriegen,
Und uͤber Sproͤdigkeit verſtellter Tugend ſiegen;
Sollt ich etwa voll Liſt den Ehmann hintergehn;
So waͤre meine Macht bereit dir beyzuſtehn.
Doch die Galanterie, was kan die da dir nuͤtzen,
Wo wilde Kaͤmpfer ſtehn, und blanke Degen blitzen?
Weit beſſer ſteht gewiß die Goͤttin Schlaͤgerey,
Die an der Saale herrſcht, dem Leipzger Helden bey.
Sylvan hat unter ihr in Jena noch gefochten,
Und manchen Lorberkranz ihr um die Stirn geflochten;
Sey klug, und ſey beredt; und fodre von ihr dreiſt,
Zu deines Helden Schutz, auch einen Schlaͤgergeiſt.
Jch kan dir weiter nichts zu deinem Troſte ſagen,Als119Fuͤnfter Geſang.
Als daß wir das Duell mit anzuſehen wagen.
So die Galanterie Lindan ſtuͤrzt in die Luft,
Und eilt zur Schlaͤgerey in die beruͤhmte Kluft.
Als Hausknecht war indeß Pandur zuruͤck ge - kommen.
Die Stuͤrmer hatten ſchon Sylvans Entſchluß ver - nommen.
Und alle lobten ihn, und ſeinen Heldenmuth,
Und ruften: Das iſt noch ein edles jenſches Blut!
Ein Renommiſt wird ſtets des andern Muth er - heben,
Und das verdiente Lob zuerſt dem Gegner geben.
Den tapfern Feind ruͤhmt oft ein großmuthsvoller Held,
Damit man ſeinen Sieg fuͤr deſto wichtger haͤlt.
Nun ſtuͤrzten ſich aufs neu des Bieres braune Wellen,
Aus dem zu vollen Glas. So wie die Fluthen ſchwel - len,
Wenn auf dem ſchweren Nil der naſſe Suͤdwind ſchwebt,
Und uͤber Strand und Damm die wilden Waſſer hebt;H 4Und120Der Renommiſt.
Und wie im lauen Lenz, wenn ſich die Nacht verkuͤrzet,
Der aufgeloͤſte Schnee von hellen Felſen ſtuͤrzet;
Mit rauſchendem Getoͤs in oͤde Thaͤler dringt,
Wo ihn im Augenblick der duͤrre Sand verſchlingt:
So ſtuͤrzt das braune Bier, mit rauſchendem Geziſche,
Dem ſchnellen Waldſtrom gleich vom uͤberſchwemmten Tiſche.
Des glimmenden Tobacks verdoppelter Gebrauch
Umnebelt das Gemach, und fuͤllt die Luft mit Rauch;
Es ſteigt Dampf und Geſang aus ihren rauhen Haͤl - ſen,
Und es gluͤhn hier und da gluthſchwangre Aſchenfelſen.
Der jauchzende Pandur ermuntert ihren Sinn.
Entzuͤckungsvoll ſchaut er auf die Verwuͤſtung hin;
Er breitet uͤber ſie die fuͤrchterlichen Schwingen,
Und laͤßt mit rauhem Mund ſie Heldenthaten ſingen.
Der Barden Lied hob oft die deutſche Tapſerkeit,Und121Fuͤnfter Geſang.
Und jeder ward ein Held, ein Heermann in dem Streit.
Auch ietzo ſeurt ein Lied des Renommiſten Wangen
Zum allerſchrecklichſten und kuͤhnſten Unterfangen.
Wer, (fieng er muthig an,) kennt, Bruͤder, unter euch
Das mir an jedem Ort verhaßte Schnurrenreich?
Wo wohnt die Haͤſcherſchaar, das Schrecken aller Fei - gen?
Darf man nie ungeſtraft zu dieſer Hoͤlle ſteigen,
Und ſehn, ob man den Kerls die Haͤlſe brechen kan?
Wer fuͤhrt mich unter euch zu dieſer Ehrenbahn?
Mein Amt verlangt von mir, von allen Schnurr - barteyen,
Jedweden Muſenſitz großmuͤthig zu befreyen.
So wie ein Reuter bebt, wenn der Befehl ihn zwingt,
Daß er verzweiflungsvoll in Bajonette dringt;
So bebt auch ietzt die Schaar von Raufbolds naſſen Bruͤdern;
Das Jauchzen und die Luſt hoͤrt auf in ihren Liedern. H 5Der122Der Renommiſt.
Der tapferſte, von Torf, ſtand endlich auf, und ſprach:
Warum fragſt du ſo ſehr nach unſern Haͤſchern nach?
Und welch ein toller Geiſt ſchuf in dir den Gedanken,
Die Hoͤlle zu beſehn, mit Teufeln dich zu zanken.
Die Haͤſcherſtube gleicht dem finſtern Hoͤllenreich;
Sie ſelber, glaube mir, ſind wilden Teufeln gleich.
Ein Harniſch, den noch nie ein Rieſenſchwerd durch - hauen,
Und Stangen wafnen ſie; und ſenden Furcht und Grauen
Vor ihren Schritten her, und ihnen folgt der Sieg.
Der edle Juͤngling ſagts, und ſetzte ſich, und ſchwieg.
Der tapfre Renommiſt erwiederte verwegen:
Wer kan mir widerſtehn? Beſchuͤtzt von dieſem Degen,
Wollt ich wie Herkules hinab zur Hoͤlle gehn,
Und kuͤhn den Acheron, und den Cocytus, ſehn.
Ja, Bruder, glaube mir, das Luder mit drey RachenWollt123Fuͤnfter Geſang.
Wollt ich, mein Seel, ſo zahm wie einen Schooßhund machen.
Warum ſollt ich denn nun nicht ſo verwegen ſeyn,
Und dieſem Haͤſcherpack in eigner Wohnung draͤun?
Mein Muth ſoll hier ſo gut, als wie in Jena, jagen;
So wahr ich Raufbold bin, ſo wahr will ich es wagen!
So ſagt er, und ſteht auf; und alle folgen ihm
Mit Rieſenſchritten nach. Pandur brauſt ungeſtuͤm
Vor ſeinen Liebling her bis zu der Haͤſcherhoͤhle,
Und gießt Verwegenheit in ſeines Helden Seele.
Die traͤge Finſterniß warf ſchon mit brauner Hand
Auf Leipzig Schlaf und Traum, und Still auf Feld und Land;
Schon ſah man den Boot den feſten Pol umgehen,
Und manche Sonne ſich im kalten Norden drehen;
Der Mann, die gnaͤdge Frau, und ihre Hunde ruhn;
Der Wangen Lilien, und Roſen lagen nunJn124Der Renommiſt.
Jn Tuͤchern abgewiſcht; und manches Gipsgeſichte,
Am Tage lang gehaßt, eroberte bey Lichte:
Da kam der Renommiſt, und ſeine treue Schaar
Auf den einſamen Markt, der ietzt ihr eigen war.
Geſtiefelt iſt ihr Fuß; umguͤrtet ihre Lenden,
Und Schlaͤgerhandſchuh ſind an den Cyklopenhaͤnden.
So oft ihr Rieſenfuß mit Schrecken niedertritt,
So oft erbebt der Markt, und jeder Waͤchter mit.
Sie ziehn die Degen aus, die Stralen um ſich ſrreuen;
Wie wenn die Loͤwin ſich aus oͤden Wuͤſteneyen
Des duͤrren Lybiens mit ihren Jungen traͤgt;
Mit langſam traͤgem Schritt ſich durch den Sand bewegt,
Das duͤrre ſcharfe Laub mit ſchweren Klauen druͤcket;
So manchen ſproͤden Buſch mit breiter Bruſt zer - ſtuͤcket,
Und ein Geraͤuſch erregt, das durch die Felder eilt,Und125Fuͤnfter Geſang.
Und in der ſanften Nacht die ſtillen Luͤfte theilt:
So hoͤrt man ihren Schritt, und den gezognen Degen,
So leiſe ſie auch gehn, ein ſanft Geraͤuſch erregen.
Da, wo der gruͤne Thurm am Rathhaus ſich erhebt,
Sind die Behauſungen, die ewge Nacht begraͤbt;
Der Knechte Schaar wohnt hier. Das fuͤrchterliche Schrecken
Steht an dem dunklen Thor; und an den beyden Ecken
Lauſcht in der Daͤmmerung ſchreckvoller Einſamkeit,
Die ſchlaue Hinterliſt, und die Verwegenheit.
Der Renommiſt ſteht ſtill, und eh er weiter eilet,
Ward alſo ſein Befehl dem kleinen Heer ertheilet:
Mein Fuß tritt ietzt den Weg zu ewgem Nachruhm an,
Doch keiner folge mir zu dieſer Ehrenbahn!
Die That iſt ſchwer, und groß, und kuͤhn mein Unter - fangen,
Den Lorberkranz davon will ich allein erlangen. Von126Der Renommiſt.
Von meiner Tapferkeit allein, doch gnug, beſchuͤtzt,
Geh ich in dieſes Loch, durch edle Rach erhitzt.
Verſolget mich der Schwarm, ſo ſteht mir bey, ihr Bruͤder!
Allein ich ſchmeichle mir, ich ſeh euch ſiegend wieder.
Er ſagts; und ſtuͤrzet ſich, des hohen Siegs gewiß,
Mit Loͤwenmaͤßgem Muth in dicke Finſterniß;
Und ſein Pandur erhebt zur tollen That die Seele:
So gieng er denn beherzt zur dunklen Haͤſcherhoͤhle.
Das Schrecken haͤlt ihn an, und haucht ihm ins Ge - ſicht,
Und treibt ſein Haar empor; allein er fliehet nicht.
Aeneas, und mit ihm die Cumiſche Matrone.
Begaben einſt ſich ſo zu Plutons ſchwarzem Throne.
Vergebens ſchreckte ſie manch ſcheußliches Phantom,
Der wilde Hoͤllenhund, und des Cocytus Strom.
Sie ließen ſich beherzt in Charons Nachen laden,Und127Fuͤnfter Geſang.
Und traten gluͤcklich aus an ſtygiſchen Geſtaden.
Es oͤfnet ſich von ſelbſt das fuͤrchterliche Thor.
Pandur geht unſichtbar dem jungen Helden vor;
Allein kaum ſieht er ſich in dieſer tiefen Grotte,
Und ſieht in wilder Pracht der Knechte ganze Rotte:
Als ihn der Muth verlaͤßt, und das Entſetzen koͤmmt,
Und einen kalten Strom von Schauder auf ihn ſchwemmt.
Die Haͤſcher ſahn ihn nicht; Pandur hielt ihn ver - borgen.
Sie ſaßen unter ſich, und ſpielten ohne Sorgen;
Der muͤßge Panzer hieng an der berußten Wand,
Bey dem ihr Mordgewehr, die lange Stange, ſtand.
Der abgenommne Helm lag draͤuend neben ihnen,
Und Muth, und freyer Scherz ſprach aus den wilden Mienen.
Auch uͤbten einge ſich in ſtolzer Sicherheit,
Spartanſcher Jugend gleich, zu einem kuͤnſtgen Streit;Sie128Der Renommiſt.
Sie warfen nach dem Ziel mit ihren ſchweren Stangen,
Und jeder ſucht erhitzt den Lorbeer zu erlangen.
Vergebens lockte ſie das angenehme Bier,
So folgen ietzt allein der hohen Ruhmbegier.
So kaͤmmten Griechen einſt in ſchuͤtzenden Gebirgen
Jhr langes gelbes Haar, die Perſer zu erwuͤrgen,
Und uͤbten ſich zur Schlacht; von eiſernem Getoͤn
Der Waffen und des Schwerds erklangen Thal und Hoͤhn.
Der tapfre Renommiſt ſchaut hoch in ihre Reihen,
Und ſieht dem Spiele zu mit heimlichem Erfreuen;
Doch endlich zeigt er ſich, trat unter ſie, und ſprach:
Jhr gebt an Staͤrke nicht den alten Helden nach.
O tapfre Krieger, ſagt, was habt ihr zu beſchuͤtzen,
Daß hier die Lanze ſtralt, und Helm und Panzer blitzen?
Ein junger Haͤſcher ſprach: Herr, ein Hochedler RathVer -129Fuͤnfter Geſang.
Vertrauet unſerm Arm die Sicherheit der Stadt.
Wenn die Studenten ſchreyn, und durch die Straßen ſtuͤrmen,
Ziehn wir gewafnet aus, die Ruhe zu beſchirmen.
Hundsfuͤtter, Kerls, ſeyd ihr, (ſprach Raufbold,) und alsbald
Reißt er aus ſeiner Hand die Stange mit Gewalt.
Mit drey entſetzlichen und rieſenmaͤßgen Spruͤngen
Eilt er, um die Trophee der Bruͤderſchaar zu bringen.
Der Haͤſcher ſteht erſtaunt und ſchreyt zuletzt: Gewalt!
Daß von dem lauten Ruf die Hoͤhle wiederſchallt.
Sie eilen alleſammt von ſuͤßem Bier und Karten,
Und greifen im Alarm nach ihren Hellebarten.
Der Renommiſt indeß ſchwingt in der Siegeshand
Den langen Weberbaum, den er dem Feind entwandt.
Hochtoͤnend ſprach ſein Mund von dieſem Siegeszei - chen:
Die ſeige Schnurrenſchaar ſoll ietzt wohl vor uns weichen. JDer130Der Renommiſt.
Der ſtaͤrkſten Stange hat ein Raufbold ſie beraubt;
Jhr eigner Donner faͤllt auf ihr gepanzert Haupt.
Auf! Bruͤder, wetzt, und ſchreyt, und laßt ſie pereiren,
So will ich euch beherzt zu neuen Siegen fuͤhren.
Sogleich durchdringt die Luft ein lautes Pereat!
Der Fehdeſchwangre Ton bruͤllt durch die ſtille Stadt;
Drauf wetzt die ganze Schaar; die Glut faͤhrt aus den Steinen,
Daß ſie in Stral und Glanz, wie Meteore, ſcheinen.
Zuletzt gehn ſie zur Thuͤr, und Raufbold ſchreyt hinein:
Verzagte Hunde, wie? ihr ſchließt euch aͤngſtlich ein?
Habt ihr noch Muth? heraus, heraus, und laßt euch ſchauen,
Wie groß iſt nicht mein Trieb, euch auf das Maul zu hauen!
So ſpottet er voll Hohn. Still wafnet ſich das Heer.
Die duͤrre Lanze klingt, der Panzer rauſcht daher,
Und endlich ſpeyt das Thor die fuͤrchterlichen HaufenAus131Fuͤnfter Geſang.
Aus ſeinem ſchwarzen Schlund, und die Jenenſer laufen.
Doch Raufbold ſammlet ſie von der unedlen Flucht,
Gießt Feuer in ihr Herz, und bittet, droht und flucht.
Jndeſſen nahet ſich, mit vorgehaltnen Spießen,
Die ſchwarze Legion, die Schlaͤger einzuſchließen.
Doch ſie erwartens nicht, und fliehn zum zweytenmal.
Und ſie verfolgt im Fliehn, gleich einem Wetterſtral,
Der Springſtock, und ein Heer von krumgehackten Stangen,
Die hinter ihnen her auf glatten Pflaſter ſprangen.
Halt Bruͤder, (ruft der Held,) der Sturm iſt nun vorbey,
Und unſer Fuß iſt nun vor ihren Stangen frey!
Ein jeder wafne ſich, wie ich, mit einer Stange,
Und jagt die Lumpenkerls zu ihrem Untergange.
Er ſagts, und es geſchieht. Bellona bruͤllt aufs neu;
Der Angriff wird erneut mit Laͤrm und mit Geſchrey. J 2O132Der Renommiſt.
O Muſe, melde mir die Helden, und die Namen,
Die in der eiſern Schlacht zum Ruhm des Kampfes kamen.
Zuerſt fuͤhlt einen Schlag von Raufbolds tapfrer Hand,
Der Haͤſcher Oberſter, der dicke Hildebrand,
Ein halbes Faß voll Bier ſchlief in dem weiten Magen;
Er taumelt von dem Schlag, und kan nicht wieder ſchlagen.
Doch ihn raͤcht Jlſeboll, in dem Gebirg erzeugt;
Er trift den Renommiſt, daß ſchon ſein Knie ſich beugt;
Doch ſchnell ſtaͤrkt ihn Pandur: er trift mit ſchweren Haͤnden
Den ſchlanken Martin Dampf an ſeine duͤrren Lenden.
Er fiel vom Schmerz betaͤubt; man ſchleppt ihn aus dem Kampf.
O ungluͤcksvolle Nacht! O armer Martin Dampf!
Wie wird die junge Frau, die du genommen, klagen!
Er war ein Ehmann erſt von vierzehn ſuͤßen Tagen.
Ein anderer Achill, der wilde Ballerſtatt,Traf133Fuͤnfter Geſang.
Traf ietzt den edlen Torf aufs rechte Schulterblatt.
Und Krach fiel ganz betaͤubt, gleich einer hohen Eiche,
Vor Wilt ehammers Wut, und ſeinem ſchweren Streiche.
Doch Raufbold traf ietzo den naſeweiſen Knall.
Die ganze Schlachtordnung erſchrack vor ſeinem Fall.
Er war der tapferſte; Jm Lande ſchoͤner Kuchen,
Jn Golitz, fieng er an die Fluͤgel zu verſuchen,
Und ſchlug, als Knabe noch, einſt einen Musquetier,
Daß er zur Erde fiel, vor ſeines Vaters Thuͤr.
Jetzt lag er ſelbſt beſiegt, und bruͤllte durch die Gaſſen.
Die Haͤſcher fiengen an das Schlachtfeld zu verlaſſen,
Und zogen langſam ſich und ordentlich zuruͤck.
Der tapfre Renommiſt, zufrieden mit dem Gluͤck,
Befahl den Streitenden, dem Feind nicht nachzuſetzen.
Sie giengen langſam fort mit Schreyen, und mit Wetzen. J 3Doch134Der Renommiſt.
Doch ihren Feind verdroß die angethane Schmach;
Sie ſandten ihnen noch die letzten Stangen nach.
Der letzte Donner traf die Schlaͤger an den Fuͤßen;
Dem Renommiſten ward der Stiefel aufgeriſſen;
Und haͤtte nicht Pandur den Helden noch beſchuͤtzt,
So haͤtte dieſer Stock ſein edles Blut verſpruͤtzt.
Sie zogen im Triumph nach ihrem blauen Hechte,
Und unters Rathhaus gieng die Schaar der ſtarken Knechte.
Mit hoher Prahlerey ward alles nun erzaͤhlt,
Und keinem hatte Herz und Tapferkeit gefehlt.
Lindan! O haͤtteſt du die wilde Schlacht ge - ſehen;
Wie haͤtteſt du geeilt den Haͤſchern beyzuſtehen!
Doch fern weg war er ietzt! Da, wo die Saale fließt,
Und an das Paradies die wilden Fluthen gießt,
Liegt eine dunkle Gruft, das Teufelsloch benennet,Jn135Fuͤnfter Geſang.
Jn der der Schlaͤgerey ein ewger Weihrauch brennet.
Am ſchwarzen Thore ſteht die wilde Trunkenheit;
Sie wankt bey jedem Schritt, ſingt Lieder, wetzt und ſchreyt.
Die Zankſucht, und das Spiel, ſtehn an des Thrones Seiten,
Die Argwohn, Eiferſucht, und Neid, und Hohn, be - gleiten.
Auf ſchwarzem Throne ſitzt, in fuͤrchterlicher Pracht,
Die Goͤttin Schlaͤgerey, und herrſcht in Graus und Nacht.
Ein weißlicher Caput, mit einem feurgen Kragen,
Jſt ihre liebſte Tracht, die ſie bisher getragen.
An ihrer Seite haͤngt ein großes Rauferſchwerd,
Gleich dem Japanſchen Stal von einem hohen Werth.
Jm Stichblatt ſind geetzt die erſten Renommiſten,
Wie ſie den Himmel drohn mit Felſen zu verwuͤſten.
Nicht weit von ihnen ſieht man kleinre Stuͤrmer ſtehn,
Die auf dem jenſchen Markt mit ſtolzen Haͤuptern gehn;J 4Auf136Der Renommiſt.
Auf glattem Kieſelſtein die blanken Degen ſchaͤrfen,
Und mit der wilden Hand in helle Scheiben werfen.
Lindan naht ſich dem Thron, und ſprach: O Schlaͤ - gerey!
Wie oft ſtehſt du dem Fuchs, und dem Verzagten bey!
Wenn die Studenten nur mit wilden Schlachten kriegen,
So iſt dirs einerley, wo Renommiſten ſiegen.
Jn Leipzig hat bisher noch niemand dich verehrt.
Allein Sylvan, der dir in Jena zugehoͤrt,
Und ietzt in Leipzig ſicht, wird unſern Stutzern zeigen,
Daß auch die Leipziger zu keinem Schimpfe ſchweigen.
Doch, Goͤttin, wird wohl dem dein maͤchtger Schutz verſagt,
Der ſich zu deinem Ruhm in einen Zweykampf wagt?
Der deinen Dienſt behaͤlt auf allen ſeinen Reiſen,
Und den die Dame liebt, doch auch die Helden preiſen.
Send ihm auch einen Geiſt aus deinem maͤchtgen Reich,Und137Fuͤnfter Geſang.
Und mache ſeinen Arm dem Arme Raufbolds gleich.
Sein Beyſpiel wird gewiß dir neue Helden ziehen,
Und deine Herrſchaft wird auch an der Pleiße bluͤhen.
Alſo Lindan. Sein Wort floß zu der Goͤttin Ohr,
Und alſobald ruft ſie den Thanathos hervor.
Ein ungeheurer Geiſt! ſein Blick weißagt Verderben;
Von ſeiner Sichel wird manch edler Juͤngling ſterben;
Die Mutter klagt um ihn in mancher ſchwarzen Nacht,
Daß in der Muſen Schooß das Schwerd ihn um - gebracht.
Sie ſchwingen beyde ſich nach Leipzigs ſtillen Linden,
Wo ſie in ſuͤßer Ruh den muͤden Stutzer finden.
Doch ſchlief er unverzagt, wie Alexander ſchlief,
Als die Trompete ſchon zum blutgen Angrif rief.
Nur Raufbold wachte noch, und ſang mit ſeinen Schaaren,
Ein wildes Siegeslied, daß ſie entkommen waren. J 5Es138Der Renommiſt. Fuͤnfter Geſang.
Es ſtuͤrzt manch volles Glas in ihren weiten Schlund.
Der Nilſtrom ſitzet ſo am ſiebenfachen Mund,
Und gießt die dicke Fluth aus ſieben Waſſerkruͤgen,
Daß Crokodille gehn, wo bald die Ochſen pfluͤgen.
Der helle Sternenrock entfiel der ſchwarzen Nacht;
Die Stuͤrmer feſſelte des Schlafes ſuͤße Macht;
Sie laſſen ſich aus Stroh ein Lager zubereiten,
Bis ſie Aurora ruft zu neuem Ruhm und Streiten.
Doch Raufbold ſelbſt legt ſich, mit ſiegesvollem Muth,
Geſtiefelt und geſpornt auf den zerfetzten Hut.
Der[139]

Der Renommiſt.

Sechſter Geſang.Der Renommiſt. Sechſter Geſang.

[140]141
Noch lag die halbe Welt im fruͤhen Schlaf verborgen.
An ſtatt des Morgenroths ſah man die blaſſen Sorgen,
Die in der ſtillen Nacht die todten Menſchen fliehn,
Den grauen Orient mit wildem Schritt beziehn.
Der muͤde Stutzer wird vom Thanathos erwecket,
Der rauſchend uͤber ihn die ſchwarzen Schwingen ſtrecket;
Und er ſtand muthig auf. Er waſnet ruhig ſich;
Er zog den Degen aus; er ſtrahlte fuͤrchterlich,
Und war ſcharf wie der Wind; auf ſeinem Tiſche lagen
Die andern Waffen noch, erfoderlich zum Schlagen.
Wenn er den Fuß erhebt, klirrt er im ſilbern Sporn;
Und ſeiner Peitſche Knall verkuͤndigt ſeinen Zorn. Sein142Der Renommiſt.
Sein Sekundant kam auch auf einem ſtolzen Pferde,
Jn ſchimmerreicher Pracht, und muthiger Geberde;
Und beyde reiten nun beym erſten Sonnenſtral,
Mit Flammen in der Bruſt, zum Kampf ins Roſen - thal.
Die Sonne ſtieg indeß blutroth zum Horizonte.
Kaum daß ihr truͤber Strahl auf Leipzig blicken konte;
Sie huͤllt in Dunſt und Nacht den feuerrothen Schein;
So ſehr verhaßt ſchien ihr der blutge Tag zu ſeyn.
Den Renommiſten weckt ihr trauervoller Schimmer;
Er ſpringt geſtiefelt auf, vom Tritte bebt das Zimmer.
Er wafnet gleichfals ſich; beſieht der Handſchuh Paar,
Zu dem von einem Hirſch das dickſte Leder war;
Er ſpiegelt ſich darauf in ſeines Degens Flaͤche,
Und ſpaͤht mit ſtillem Ernſt die Staͤrk, und auch die Schwaͤche;
Betrachtet ſeinen Hut, durch manchen Hieb zerfetzt,Den143Sechſter Geſang.
Den er mit edlem Grimm tief in die Augen ſetzt;
Er nimmt die Peitſche dann, die an der Wand gehan - gen,
Damit zuerſt den Feind lautknallend zu empfangen.
Und dann gieng er zuletzt zum wieherndem Calmuck;
Legt das Gebiß ihm an, und der Schabracke Schmuck,
Und ſprach: Geliebter Gaul, den Raufbold nur ge - ritten,
So lange ſeine Fauſt fuͤr Jena noch geſtritten;
O Gaul, der mich begluͤckt und treu davon gebracht,
Als hinter mir der Bann auf meinen Kopf gekracht;
Mein Heil ſey heute dir auch in der Flucht befohlen!
Aus Zaͤrtlichkeit zu dir hat Raufbold dich geſtohlen;
Denn nimmermehr ſollſt du den Fuchsthurm wieder ſehn,
Und, jedem Pinſel feil, bey dem Philiſter ſtehn.
Du ſollſt ein Zeuge ſeyn von meinen tapfern Thaten,
Sollſt mein Gefaͤhrte ſeyn durch alle weiten Staaten,Die144Der Renommiſt.
Die ich durchirren muß. Dafuͤr ſey Bier und Brod,
So gut, als wie mir ſelbſt, das Labſal in der Noth.
Erſt ſoll mein Schwerd den Stolz des Jungfernknech - tes ſchlagen;
Dann ſollſt du ſchleunig mich zum freyen Halle tragen.
So Raufbold Und Calmuck brauſt aus der Naſe Dampf,
Erhebt den langen Hals, und wiehert Luſt zum Kampf.
Auch ſtampften draußen ſchon noch drey Studenten - pferde,
Mit raſſelndem Gebiß, voll Ungeduld die Erde.
Sie alle ſitzen auf, und jagen durch die Stadt.
Krach, Banner, und von Torf an Sekundantens Statt.
Jndeſſen kamen auch, gleich lauten Meereswogen,
Von der Galanterie die Schaaren angezogen.
Geharniſcht alleſammt, mit Waffen angethan,
Zur Schutzwehr alleſammt fuͤr ihren Held Sylvan.
Ein jeder hatte ſich mit Schwerd und Helm beſchweret,Und145Sechſter Geſang.
Und der Galanterie Zeughaͤuſer ausgeleeret.
Ein ſeltſam Kriegesheer, auch ihren Waffen nach,
Das zu Sylvanens Schutz ſehr wenig Troſt verſprach.
Mit einer Schnuͤrbruſt war des Putzes Bruſt bedecket;
Romanens Koͤcher war mit manchem Pfeil beſtecket.
Doch was half hier der Pfeil, der durch ſein ſuͤßes Gift
Nicht Kriegern Schaden thut, und nur Verliebte trift.
Die einen wafneten geſchaͤrfte Bilderſcheeren;
Die andern wollten ſich, mit großen Nadeln, wehren.
Es ſchwingt des dritten Fauſt des Kraͤuſeleiſens Brand;
Ein voller Puderſack brauſt in der vierten Hand;
Noch andre wollten ſich mit Sonnenfaͤchern ſchlagen,
Und wenigſtens mit Wind den wilden Feind verjagen.
Der ſchwarze Thanathos ſah voller Hohn herab
Auf dieſes ſchwache Heer, das ihm die Mode gab;KDie146Der Renommiſt.
Die Staͤrk iſt nicht im Arm, kein Muth ſchlaͤgt in der Ader;
Doch weiſt er das Geſicht dem flatternden Geſchwader
Zu ſeinem Poſten an. Nehmt dieſes nur in Acht, (Ruft er,) ſo thut ihr ſchon, was euch zu Helden macht.
Da, wo vor Ranſtaͤdts Thor der krummen Pleiße Wellen
Mit ſtillem ſanftem Lauf an gruͤne Kuͤſten ſchwellen,
Liegt ein beruͤhmter Hayn, den ſchon die graue Zeit,
Jn angenehmer Nacht, den Liebenden geweiht.
Man hat den heilgen Wald das Roſenthal genennet;
Und welches Maͤdchen iſt, das dieſen Ort nicht kennet?
Hier ſieht auf ihrer Fluth die Pleiße Gondeln gehn,
Die unter Spiel, und Scherz, und blaſendem Getoͤn
Von dem beſchilften Rand auf Golitz freudig eilen,
Wo den Geſchmack Muſik, und Tanz, und Kuchen theilen.
Hier thuͤrmet ſich das Gruͤn der Eichen in die Hoͤh;Dort147Sechſter Geſang.
Dort wird der Buchen Laub zur ſchattigten Allee;
Und dort ſucht hellgruͤn Gras, durch ſeine lichten Flaͤchen,
Des dunklen Lindengangs Schattirungen zu brechen.
Ein lachender Proſpect ſteigt nach dem andern auf;
Dort hemmt ein volkreich Dorf des Auges ſchnellen Lauf,
Und hier die Pleißenburg. Die angenehmen Gaͤnge
Sehn all ein lachend Ziel von ihrer tiefen Laͤnge.
Hier war der Tummelplatz, wo Jena ſeinen Held,
Und Leipzig den Sylvan, zum Zweykampf aufgeſtellt.
Hieher ſprengt Raufbolds Roß nebſt ſeinen Se - kundanten.
Jhr rauſchender Galop, die Augen, die ſchon brannten,
Ein ausgeſtoßner Fluch, ein ſiegendes Geſchrey,
Zeigt der Galanterie, daß dieſes Raufbold ſey.
Drum ſprach ſie dieſes noch zu ihrem nahen Heere:
Jhr Geiſter, wo euch nicht der Trieb nach Ruhm und Ehre,K 2Wo -148Der Renommiſt.
Wofern euch mein Befehl zum Streit nicht ſpornen kan;
So ſeht auf dieſe Stadt, und ſchuͤtzet den Sylvan!
Wie? wollt ihr, daß dem Fuͤrſt der Stutzer meiner Reiche
Der wilde Renommiſt, mit einem einzgen Streiche
Die Schoͤnheit rauben ſoll, die ſein Geſicht geziert?
Beſchuͤtzt nur dies Geſicht, dem euer Schutz gebuͤhrt!
Auf dich, o Thanathos, ſetz ich mein ganz Vertrauen,
Laß meinem Liebling nur nicht das Geſicht zerhauen!
Dafuͤr ſoll Jena mich in meiner Hoheit ſehn;
Man ſoll dort Chapeaubas, wie hier in Leipzig, gehn;
Man ſoll ſo gut, wie hier, die Petitmaitres kennen,
Und bey Toback und Bier nicht mehr fuͤr Schoͤnen brennen.
Zu Ehren wird man mir Mehl in die Haare ſtreun;
Der Name Renommiſt wird dann ein Schimpfwort ſeyn.
Alsdann ſoll meine Macht dich ſelber auch verwandeln;Dann149Sechſter Geſang.
Dann ſollſt du jung und ſchoͤn an meinem Hofe wan - deln;
Dann ſey dir Putz und Scherz ein angenehmer Amt,
Und jede Nymphe ſey von deinem Blick entflammt.
So ſprach ſie, und der Geiſt verſpricht ihr Wun - derwerke,
Und trotzt mit edlem Stolz auf ſeine Loͤwenſtaͤrke.
Jndeſſen nahen ſich die grimmigen Partheyn,
Die ſich einander ſchon den Tod in Mienen draͤun.
So wie Dragoner ſchnell von ſchwarzen Pferden ſpringen,
Und, tapfrem Fußvolk gleich, in feſte Glieder dringen:
So ſprang der Renommiſt, und auch Sylvan herab,
Jndem der letztere ſein Pferd dem Reitknecht gab.
Sie ziehn ſich hurtig aus, und in dem Augenblicke
Tritt Raufbold, wie Sylvan, in ſeinen Stand zu - ruͤcke.
Zuerſt wagt Raufbolds Fauſt den ausgedachten Streich
Auf ſeines Feinds Geſicht; doch er mißlingt ſogleich. K 3Der150Der Renommiſt.
Der treue Thanathos hielt dem barbarſchen Degen,
Mit unſichtbarer Hand, den Goͤtterſchild entgegen.
Wie ſchaͤumte nicht Pandur! Doch wie erſtaunt er nicht,
Daß Thanathos voll Muth fuͤr einen Stutzer ficht.
Abtruͤnniger Rebell! hat Jena dich beleidigt,
Daß ietzt dein feiler Arm den Jungfernknecht ver - theidigt?
Erkenneſt du nicht mehr die Macht der Schlaͤgerey?
Sprich, feiger Renegat, was macht dich ungetreu?
Antworten konnten nie den Thanathos verweilen,
Er eilt, ihm mit dem Schwerd die Antwort zu er - theilen.
Jetzt fielen ſich erzuͤrnt die Schlaͤgergeiſter an,
Und ſtuͤrmten in den Wald. Jndeſſen ſieht Sylvan,
Daß Raufbold Bloͤße giebt; folgt dem geheimen Triebe,
Und haut den Handſchuh auf mit einem ſtarken Hiebe.
Der Renommiſt erſchrickt, doch ſieht er noch kein Blut;Und151Sechſter Geſang.
Und ſetzt die Stoͤße fort mit neuem Heldenmuth.
Sylvan ſeufzt ietzt bey ſich zu der bedraͤngten Schoͤne;
Jhr Meisner Porcellan macht ein betruͤbt Getoͤne;
Den Caffee, den man ſonſt nur dunkelbraun geſehn,
Sah man ietzt dick und ſchwarz im bunten Schaͤlgen ſtehn.
Auf dem Claviere ſprang ein ganzes Heer von Saiten,
Und eine Glocke fieng von ſelber an zu laͤuten.
Ach! (ſeufzt Selinde laut,) armſeliger Sylvan,
Vielleicht nur zu gewiß iſt es um dich gethan!
Doch lebſt du, und erhoͤrt der Himmel noch ein Flehen,
So muͤſſe dich mein Blick als Sieger wieder ſehen!
Jhr Flehn war nicht umſonſt. Zum zweyten - male bloß,
Bekoͤmmt der Renommiſt vom Stutzer einen Stoß,
Der durch den Handſchuh durch bis in die Ader dringet,
Daß das erzuͤrnte Blut hoch in die Luͤfte ſpringet. K 4Der152Der Renommiſt.
Der Renommiſt wird blaß; mit Wuth und Ungeſtuͤm
Wagt er den alten Streich; der Streich gelinget ihm,
Doch er gelingt nur halb. Nur obenhin geritzet,
Wird mit dem tapfern Blut Sylvans Geſicht be - ſpruͤtzet.
Die Geiſter flohn davon, die ſein Geſicht bewahrt,
Jm Fliehn auch noch voll Angſt, nach aller Feigen Art.
Sylvan war im Begriff den letzten Streich zu wagen,
Als ſich dazwiſchen ſchon die Sekundanten ſchlagen;
Und Raufbold hatte gnung. An ſeiner Hand gelaͤhmt,
Warf er den Degen hin ohnmaͤchtig, und beſchaͤmt.
Jſts moͤglich, (ruft er aus,) haſt du mich uͤberwunden?
O warum lehrt ich dich die Kunſt, mich zu verwunden!
Da du in Jena warſt, gab ich dir Unterricht,
Wie man nach Kreyßlers Art mit wahrem Vortheil ficht.
Du haſt ihn wohl gebraucht; ich kan das Denkmaal zeigen! Das153Sechſter Geſang.
Das groͤßte Gluͤck bleibt dein, Selinde bleibt dein eigen.
Du biſt ein braver Kerl, und meiner Freundſchaft werth;
Umarme mich, Sylvan! und nun gebt mir mein Pferd.
Es ward herbey gefuͤhrt; es hieng die ſchlaffen Ohren,
Als haͤtt es allen Muth bey Raufbolds Fall verlohren.
Er ſetzt ſich auf, und ſang: Mein Leipzig, gute Nacht!
Das Echo wiederholt: Mein Leipzig, gute Nacht!
Calmuck jagt mit ihm fort; die großen Peitſchen knallen,
Daß in dem weiten Wald die Eichen wiederſchallen.
Eh Phoͤbus Wagen noch ins Meer geſunken war,
Sah Halle dieſen Held, und ſeine Bruͤderſchaar.
Der ſiegende Sylvan eilt in die Stadt zuruͤcke,
Und ſchenkt ſich alſobald Selindens Thraͤnenblicke.
O! welch ein Strom von Luſt floß in der Schoͤne Herz,
Vor kurzer Zeit zernagt vom allerſchaͤrfſten Schmerz! K 5Sie154Der Renommiſt. Sechſter Geſang.
Sie trocknete ſein Blut mit ihren ſeidnen Haaren,
Und mancher ſuͤße Kuß belohnt Sylvans Gefahren.
Mit Herrlichkeit umringt, und Lorbern ſtolz umlaubt,
Erhob die Mode nun mit neuer Pracht ihr Haupt.
Und die Galanterie gieng nach der jenſchen Saale.
Da wurden Stutzer reif an ihrem holden Strale,
So artig, ſo geputzt, als Leipzigs Stutzer iſt;
Jn ewge Schande fiel der Name Renommiſt.

Ende des Renommiſten.

Ver -[155]

Verwandlungen.

Erſtes Buch.Verwandlungen. Erſtes Buch.

[156][157]
[figure]
Von den Verwandlungen ſoll meine Muſe ſingen,
Durch die ein Geiſt verſucht, Selinden zu bezwingen;
Und Stutzer, laͤcherlich durch Tand und Flitterpracht,
Jn thieriſcher Geſtalt ertraͤglicher gemacht. Allein158Verwandlungen.
Allein Selinde blieb ſo kalt, wie ſie geweſen.
Jn der Verwandlung ſelbſt von ihrem ganzen Weſen,
Blieb ſie ſtolz, rauh und hart; ihr Herz ward kalter Stein.
Jhr Schoͤnen, huͤtet euch durch Stolz ihr gleich zu ſeyn.
Arminde, die du ſtets, wenn du den Blick nur hebeſt,
Die Blumen fuͤhlend machſt, und das Geſtirn belebeſt;
Du, die du deine Macht ſo gar an Schoͤnen uͤbſt;
Die Menſchgeſtalten nimmſt, und Thiergeſtalten giebſt:
Arminde, hilf, daß mich Ovidens Witz beſeele!
Nichts mangelt deinem Ruhm, als daß ich ihn erzaͤhle.
O wuͤrde doch dies Lied, durch deine Wundermacht,
Zu einer Epopee, voll Anmuth und voll Pracht.
Da, wo im Schlafgemach der ſiegenden Selinde,
Sich zwey Gardinen blaͤhn im Spiel der leichten Winde,
Erhob ihr Nachttiſch ſich, der kaum geſchaffen war,Von159Erſtes Buch.
Von Reiz und Schoͤnheit voll, vor Wangen und vor Haar.
Doch ſeine Flaͤche lag im Chaos noch verborgen.
Noch ſchwaͤrmten nicht um ihn die abgezehrten Sorgen,
Die ein verliebter Brief, der oft zum Gaͤhnen zwingt,
Und nach Talandern ſchmeckt, mit auf den Nachttiſch bringt.
Kein raſender Roman in guͤldnen Marmorbaͤnden
Kein feurig Ritterbuch war in der Schoͤne Haͤnden.
Noch herrſchte der Geſchmack. Der ſpaͤtſten Zeiten Zier,
Racine, Despreaur, Voltaire, glaͤnzten hier.
Auch ſtanden hier bereit zu ihrem Unterrichte
Die Muſter der Moral, und lehrenden Geſchichte.
Oft, wenn in ihr Gemach die Morgenſonne trat,
Warf Popens Lockenraub in praͤchtigem Format
Auf den beglaͤnzten Tiſch hochmuͤthig ſeinen Schatten.
Poeten, welche ſich zu ihm gedraͤnget hatten,Sahn160Verwandlungen.
Sahn ſein erhabnes Lied, und ſahn es neidiſch an,
Und zitterten vor Furcht, dem Britten ſich zu nahn.
Selinde lebte noch in unſchuldsvollen Jahren.
Von Stutzern unbeſiegt, im Lieben unerfahren,
Genoß ſie ſtill der Zeit, da man bereits zwar liebt,
Doch noch der Neigung nicht den Namen Liebe giebt.
Unwiſſend ſiegte ſie mit ungezwungnen Blicken.
Sie gab ſich keine Muͤh, die Herzen zu entzuͤcken.
Und ſie entzuͤckte ſie. Sie floh vor jedermann,
Und auch in ihrem Fliehn ward man ihr unterthan.
Allein ſo ſanft und hold auch ihre Schoͤnheit ſtralte,
So lieblich die Natur auch ihre Wangen malte;
So ſehr betrog ſie doch mit lieblicher Geſtalt.
Jhr unempfindlich Herz ſchien zaͤrtlich, und blieb kalt.
Zwar ward ihr braunes Haar vom Puder nie bereifet;Nie161Erſtes Buch.
Nie hatte noch ihr Blick auf Sieg umhergeſtreifet;
Und Locken, denen nichts zu ihrem Reiz gebricht,
Als ſtundenlanger Putz, gefallen Stutzern nicht;
Der ſo die Wahrheit ſagt, die manche Schoͤne kraͤnket,
Jhr Spiegel ſelbſt lag noch im Futteral verſchraͤnket;
Um ſeinen Rahmen floß noch kein gekuͤnſtelt Band,
Wie es um andre ſich in ſtolze Schleifen wand;
Doch zur Coquetterie lag ſchon in ihr der Saame.
Kaum aus dem Fluͤgelkleid, ſpielt ſie ſchon ſtolz die Dame,
Und ſieht mit hohem Blick, der nie zur Lieb erwacht,
Wild auf Eroberung, nach Sklaven ihrer Macht.
Ein alt franzoͤſiſch Weib, das ſelbſt Paris gelehret,
Wie man nach Regeln liebt, wenn man verſtellt ſich wehret,
Die hagre Jeanneton gab oft ihr Unterricht,
Wie man gewiß gefaͤllt; nicht denkt, und immer ſpricht. LEinſt162Verwandlungen.
Einſt ſagte ſie zu ihr: Will ſtets Selinde leſen?
Jhr ſeyd nun vierzehn Jahr, und euch nur ſchoͤn ge - weſen;
Seyd es nun den Barons, und blonden jungen Herrn,
Bleibt von Pedanterey, und vielen Wiſſen fern.
Klug, angenehm und ſchoͤn, das heißt franzoͤſiſch werden.
Der Nachttiſch lehr euch nun die Regeln der Geberden.
Macht in der großen Welt den erſten Auftritt gut,
Und denkt, zum groͤßten Sieg gehoͤrt oft nichts als Muth.
Bald wird die Schmeicheley euch ſuͤßen Weihrauch brennen;
Wird euch auf Knien flehn, und wird euch Goͤttin nennen.
Sie ſprach noch, als ein Staub, der einer Wol - ke glich,
Traͤgwaͤlzend ins Gemach durchs ofne Fenſter ſchlich;
Auf dem der Pudergott, der holde Zephis ſchwebte,
Ein Geiſt, der durch weiß Mehl manch ſchlechtes Haar belebte.
Er war ein muntrer Geiſt von ſylphiſchem Geſchlecht;Der163Erſtes Buch.
Der zur Unſterblichkeit das angenehme Recht,
Durch einer Schoͤne Gluth, ſich zu erkaufen dachte,
Wenn ſie, von ihm beſiegt, zuerſt ihn gluͤcklich machte.
So wie, im Adler, Zevs mit koͤniglichem Flug
Den ſchoͤnen Ganymed durch hohe Wolken trug;
Der nackte Knabe ſitzt ſcheu auf des Vogels Ruͤcken,
Und ſchaut zur Welt herab mit ſehnſuchtsvollen Blicken:
So, aber Geiſtern gleich, ſchwebt Zephis durch die Luft.
Sein jugendliches Haupt umgab ein Puderduft,
Der unter ſeinem Flug geweißte Koͤpfe haͤufte,
Und Hofmann und Abbe, Matron, und Greis bereifte.
Sein Kinn umgab kein Bart, der zarte Schoͤnen ſchreckt,
Und aus den Maͤnnern nur die rauhen Spitzen ſtreckt;
Die Lippen blieben jung, und ewig jung die Wangen,
Worauf ein laͤchelnd Roth unſchuldig aufgegangen. L 2Ein164Verwandlungen.
Ein Himmelblau Gewand nachlaͤßig aufgeloͤſt,
Das halb den Leib umſchließt, und halb den Leib entbloͤßt,
Fliegt flatternd in die Luft, bewegt von leichten Win - den,
Voll Falten, die entſtehn, und auch ſogleich ver - ſchwinden;
Der Runzeln Menge gleich, die man des Morgens ſieht,
Doch die am Nachttiſch ſchnell durch Putz und Schmink entflieht.
Als Pudergott herrſcht er mit maͤchtigen Befehlen.
Das Alter lehret er, das Alter zu verhehlen.
Den Rathsherrn hebet er durch der Peruͤcke Gunſt,
Und manches rothe Haar verſtecket ſeine Kunſt.
Er ſah Selindens Glanz, durch Jugend noch er - hoben,
Und blieb verlohren ſtehn im Anſchaun, und im Loben.
Wie, wenn zum erſtenmal ein edelmuͤthger Mohr,
Der eifrig auf die Jagd in Waͤldern ſich verlohr,
Ein weißes Maͤdchen ſieht, das in den Buͤſchen irret;Jhm165Erſtes Buch.
Jhm die Verwunderung das Angeſicht verwirret;
Er zittert hin zu ihr durch den durchgluͤhten Sand,
Und ruft die Goͤttin an, die keine Gluth verbrannt:
So iſt der Geiſt erſtaunt, ein ſchwarzes Haar zu fin - den,
Zuͤrnt auf den Hochverrath, und liebet doch Selinden.
Wie? (ruft er,) ſieget ietzt ein ungepudert Haar?
Und es bringt ſelber mir, dem Pudergott, Gefahr?
Jhr Goͤtter, allzuviel! Mein Herz iſt mir entriſſen!
Wie ſehnet ſich mein Mund nach dieſer Schoͤne Kuͤſſen!
Doch wird der Sterblichen mein Kuß auch fuͤhlbar ſeyn?
Und wird ſie nicht vielleicht der Sylphen Liebe ſcheun?
Sogleich laͤßt er vom Duft ſich zu Selinden nieder.
Er kuͤßt ſie, und entflieht; er koͤmmt, und kuͤßt ſie wieder:
Doch den aͤtherſchen Kuß fuͤhlt keine Schaͤferin,
Jhr iſts, als ſtrich ein Weſt auf ihren Lippen hin. L 3O166Verwandlungen.
O Zephis, welch ein Schmerz muß deine Bruſt durch - dringen!
Der Fall macht ihn beſtuͤrzt. Er ſchuͤttelt ſeine Schwingen;
Verſammelt um ſich her den halb zerſtreuten Duft,
Und ſtuͤrzt ſich in den Raum der ausgeſpannten Luft.
Nicht fern vom wilden Harz, wo ſich Kiefhauſen hebet,
Um deſſen ſchroffe Hoͤh ein ſteter Nebel ſchwebet;
Wo der gethuͤrmte Fels vertraut mit Wolken wird,
Um welchen mancher Rab und mancher Uhu irrt;
Steigt ein veraltet Schloß aus halbverfallnen Mauern.
Jm dickverwachſnen Hayn fuͤhlt man ein heiligs Schauern,
Wenn man von einer Gruft den finſtern Eingang ſieht,
Vor der der Sterbliche mit ſcheuen Schritten flieht.
Kein Theſeus iſt noch je in dieſe Gruft gegangen;
Das blaſſe Schrecken eilt auf die erſtarrten Wangen,
Wenn man die Hoͤhl entdeckt; zu der nur der Poet,Wenn167Erſtes Buch.
Wenn ihn die Muſe fuͤhrt, mit feſtem Muthe geht.
Um dieſe Grotte buhlt kein Weſtwind mit den Buͤ - ſchen;
Man hoͤrt allein das Laub bejahrter Eichen ziſchen.
Beharzte Hauer gehn um dieſen Aufenthalt,
Und furchtſam dringt das Licht durch den verwachſnen Wald.
Arminde wohnet hier. Jhr Wink gebeut den Erden.
Die je verwandelt ſind, und noch verwandelt werden,
Stehn in der erſten Form in unbegraͤnztem Raum,
Und ſtarren noch im Fels, und gruͤnen noch im Baum.
Die ſcheue Daphne ſteht mit harter Rind um - ſchloſſen,
Jndem aus ihrem Arm die jungen Zweige ſproſſen.
Zu traͤgen Wurzeln wird der erſt ſo ſchnelle Fuß;
Sie flieht, da Phoͤbus kuͤßt, als Baum auch, ſei - nen Kuß.
Man ſieht hier vor dem Pan die Syrinx ſchnell ent - weichen;
Doch der Bockſuͤßge Gott ſucht ſchnell ſie zu erreichen;L 4Jetzt168Verwandlungen.
Jetzt, da er ſie umarmt, umarmt er feuchtes Rohr,
Es fluͤſtert Syrinx iſts, die die Geſtalt verlohr.
Die Schweſtern Phaetons ſtehn an beſchilften Baͤchen;
Als Pappeln hoͤrt man ſie von ihren Leiden ſprechen,
Und ihre Traurigkeit ſcheint ietzt aufs neu erregt,
Wenn ihr geſchwaͤtzigs Laub voll Unmuth ſich bewegt.
Als Fluß ſchleicht Acis dort durch die bebluͤmten Matten.
Pandions Tochter klagt ihr Leid im dunklen Schatten;
Vor Schmerz ſtarrt Niobe in eines Steins Geſtalt,
Und als gefleckter Luchs eilt Lynkus in den Wald.
Seht Atalanten dort, ſie geht mit Hippomenen;
Als Loͤwen ſchuͤtteln ſie fuͤr Zorn die gelben Maͤhnen.
Und Hyacinth ſtreckt dort ſein blaſſes Haupt hervor,
Der Leben und Geſtalt durch den Apoll verlohr.
Doch noch ein groͤßres Heer erdichteter GeſtaltenPflegt169Erſtes Buch.
Pflegt um die Grotte ſich im Nebel aufzuhalten.
Was in der Oberwelt der Dichter Witz erſann,
Dies alles trift man hier im Duft, als wirklich, an.
Du, der du wohlverdient mit heilgem Lorbeer prangeſt,
Und mit Ovidens Kunſt den Unzufriednen ſangeſt
(*)Jm zweyten Bande der Bremiſchen neuen Beytraͤge.
(*);
Hier wandelt auch durch dich, Armindens Burg zur Zier,
Agenor misvergnuͤgt, als Maͤdchen, und als Thier.
Was ſonſt der Dichter ſchaft zum Schrecken, und Vergnuͤgen,
Dies alles ſieht man hier wild durch einander fliegen.
Der junge Zephis kam an dieſen Zauberort.
Kuͤhn gieng er durch die Schaar ſo vieler Geiſter fort;
Und da er kaum die Schaar der Phantaſeyen ſahe,
So war Armindens Schloß ſchon ſeinen Augen nahe.
Zu ihm fuͤhrt dieſe Gruft, der ſtets der Tag gebricht. L 5Aus170Verwandlungen.
Aus tauſend Lampen ſtralt ein zauberiſches Licht,
Das mit dem truͤben Glanz die dunkle Hoͤhl erhellet,
Und manches Schattenbild vor ſcheue Blicke ſtellet.
Die Felſenwaͤnde ſchmuͤckt der Schnecken krummes Haus,
Und der barockſche Schmuck vielfarbger Muſcheln aus.
Nie wird ein Sonnenſtral die finſtre Grott entdecken;
Mit ſchwarzen Fluͤgeln ruht auf ihr das kalte Schre - cken.
Arminde ſelber ſitzt auf einem ſtolzen Thron.
Die nimmer wahre Haut von dem Cameleon
Jſt ſtatt des Baldachins; er ſchimmert von Cryſtallen,
Wovon zum ſtarren Blick viel tauſend Farben wallen.
Von ihren Schultern fließt ein ſtralendes Gewand,
Nach Schlangen Art friſirt mit manchem Zauberband.
Stets ſcheint den falſchen Stoff ein andres Licht zu faͤrben;
Die neuen Farben fliehn, noch wenn die alten ſterben. So171Erſtes Buch.
So wie ein Taubenhals ſich wankelmuͤthig malt,
Wenn ihn der erſte Glanz des Morgenlichts beſtralt.
Jhr maͤchtger Zauberſtab herrſcht durch den Krais der Erden.
Sie ſpricht, und alles bebt, und wird verwandelt werden.
Jhr ganzer Hof ſah ietzt dem Geiſt aufmerkſam nach,
Der frey zum Throne gieng, ſich buͤckt, und alſo ſprach:
Die du durch ſuͤße Macht die Herzen an dich zieheſt,
Und deinen Zauberſtab einſt einer Circe lieheſt,
Durch deren maͤchtgen Reiz Ulyß gefangen ward,
Und mancher tapfre Held gegrunzt nach Ferken Art;
O du, durch deren Gunſt die falſchen Nymphen weinen,
Und noch im Stufenjahr durch Schminke reizend ſcheinen,
Wenn das geſchwaͤrzte Haar in falſchem Glanze pralt,
Und ein erkuͤnſtelt Roth die welken Wangen malt:
Auf jener Oberwelt lebt eine junge Nymphe,Dem172Verwandlungen.
Dem Waizenmehl zum Hohn, und meiner Macht zum Schimpfe;
Sie ruͤhret noch kein Ach, und kein verliebtes Flehn,
Und glaubt voll Stolz, ſie ſey auch ohne Puder ſchoͤn.
Mein Herz, von ihr entbrannt, wuͤnſcht ſie zu uͤber - winden;
Doch wie kan ich den Weg zu ihrem Herzen finden?
Wie werd ich ſichtbar ſeyn, wenn du nicht helfen willſt,
Und das verliebte Flehn von einem Geiſt erfuͤllſt?
Und Goͤttin, wo ich ſoll ein rothes Haar verſtecken,
Und wo mein Puder ſoll die falſchen Locken decken;
So muß Selinde ſich ihr ſchwarzes Haar beſtreun,
Sonſt wuͤnſch ich mir nicht mehr der Pudergott zu ſeyn.
So mag der junge Herr vor langer Weile raſen,
Wenn er den Puder nicht kan von dem Aufſchlag blaſen;
Der dicke Rathsherr mag ohn alles Anſehn gehn,
Wenn man vom Puder nicht ſein Kleid beſtaubt wird ſehn;So173Erſtes Buch.
So ſchmuͤcke Bockshaar nicht die Stirn von jun - gen Greiſen;
So mag man Puder, Kamm, Pomad, und Kraͤu - ſeleiſen
Jm alten Chaos ſehn; und durch der Nachwelt Fleiß
Sey Puder kuͤnftig grau, und nicht mehr blendend weiß.
Er ſchwieg. Sein Donner fuhr von den erzuͤrn - ten Lippen.
Und ihm antworteten die ungeheuren Klippen.
Von jedem Felſen rauſcht, auf ſeiner Stimme Schall,
Mit fuͤrchterlichem Laut ein rauher Wiederhall.
Arminde nahm ſogleich von ihrer Goͤtterſtirne
Ein feuerrothes Band, das von geweihtem Zwirne
Die Zauberey gewebt. Sie ſpricht: Dies Band ſey dein.
Was es beruͤhrt, hoͤrt auf, das, was es war, zu ſeyn,
Und wird, was du befiehlſt. Die, ſo dein Herz entfuͤhret,
Beſtaͤubt gewiß ihr Haar, wenn ſie dies Band be - ruͤhret;
Ja durch dies Band kanſt du dich ſelbſt verwandelt ſehn;Willſt174Verwandlungen.
Willſt du ein Stutzer ſeyn, wuͤnſch es, es wird ge - ſchehn.
Sie ſchwieg. Er ſchlingt das Band um ſeine Marmorglieder,
Und eilt zur Oberwelt mit blitzendem Gefieder.
Der Nachttiſch war nunmehr von vielem Puder weiß.
Die Schoͤnen endigen des Putzens langen Fleiß;
Die Moͤpſe, die nunmehr vom traͤgen Schlaf erwa - chen,
Gewaͤhren ihnen Stoff, zu plaudern und zu lachen.
Poeten, die um Geld geprieſen, und geweint,
Sind froh, da nun der Schluß von ihrem Schmerz erſcheint;
Sie endigen ihr Lied, und ihres Goͤnners Thaten,
Sie machen einen Strich, und nehmen den Dukaten:
Als Balamir, der Uhr, und Putz, und ſich vergaß,
Jm ſeidnen Schlafrock noch vor ſeinem Nachttiſch ſaß.
Der ſchoͤne Balamir! die rundgewoͤlbte Stirne
War ſparſam nur gefuͤllt mit Witz und mit Gehirne. Er175Erſtes Buch.
Er war die meiſte Zeit zu ſeinem Vortheil ſtumm,
Bey Damen angenehm, ſehr lieblich, und ſehr dumm.
Er blaͤtterte bemuͤht, mit nimmer ſtillen Haͤnden,
Und runzelnvoller Stirn, in ungeheuren Baͤnden.
Romanen ſtiegen hier gethuͤrmet in die Hoͤh,
Voll ſchaler Zaͤrtlichkeit, und ſuͤßem Liebesweh.
Quartanten waͤlzten ſich auf ſeufzenden Quartanten,
Und Frankreichs Clelie lag neben Atalanten.
Faſt zwo Minuten ſchon las er, und dachte nach.
Er fuͤhlt in ſeiner Noth Baniſens Ungemach;
Er ſah, in welcher Angſt ihr Balacin geweſen,
Und nahm ſich grauſam vor, Baniſen durchzuleſen.
Doch Brama, welcher ſtets auf junge Stutzer ſieht,
Daß ihre Seele ſich nicht allzuſehr bemuͤht;
Der mit der groͤßten Treu die braunen Haare ſchuͤ - tzet,Und176Verwandlungen.
Und ſie vorſichtig kuͤhlt, wenn ſie der Stal erhitzet;
Nahm dies mit Schrecken wahr, und liſpelt ihm ins Ohr.
Welch eine That nimmſt du dir, Stutzer, grauſam vor!
Wie? Willſt du ewig denn in dicken Buͤchern lernen,
Und durch ſchulmaͤßgen Fleiß von Schoͤnen dich ent - fernen?
Sprich! warum gab man dir die Buͤcher praͤchtig mit?
Wenn du ſie leſen willſt, was hilft der goldne Schnitt?
Du haſt die Buͤcher nur, den Buͤcherſchrank zu zieren,
Und haſt ja Freunde gnung, die mit fuͤr dich ſtudieren.
Wie wuͤrden nicht auf dich die klugen Schoͤnen ſchmaͤhn,
Wenn ſie am Nachttiſch dich mit Buͤchern ſitzen ſaͤhn.
Nein, werther Balamir, nur der iſt klug zu nennen,
Auf deſſen ſeidnem Rock die Dreſſen ſchimmernd bren - nen.
Wohlan! So kleide dich mit aller Sorgfalt an!
Vergiß einmal den Fleiß, und eile vom Roman. Fuͤr177Erſtes Buch.
Fuͤr einen jungen Herrn haſt du genung geſeſſen;
Du mußt das wichtigſte, den Anputz, nicht vergeſſen;
Selinde, die dich wuͤnſcht den Nachmittag zu ſehn,
Fragt nicht, ob du ſtudirt, ſie fragt nur, biſt du ſchoͤn?
Sogleich zog Balamir die unachtſamen Blicke,
Die ſchon dem Buch entflohn, mit leerer Stirn zuruͤcke.
Selinde war nunmehr ſein deutlichſter Begrif;
Er ſtund bedachtſam auf, er zog den Mund, und pfif.
Wie, wenn im Schauſpiel Fauſt die Stirne mur - melnd faltet,
Die Scene furchtſam bebt, der Foliant ſich ſpaltet;
Aus welchem nach und nach drey junge Teufel gehn,
Die durch den Zauberſtab ihm zu Gebote ſtehn:
So kommen, da er pfeift, drey fertige Lakayen,
Die ſich auf ſeinen Wink gebuͤckt um ihn zerſtreuen.
Der eine, deſſen Amt der Locken Aufputz war,MEnt -178Verwandlungen.
Entreißet dem Papier ſein eingezwungnes Haar.
Manch Dreyeck, das man erſt recht winklicht abge - meſſen,
Sinkt traurig aus der Hand, und wird im Staub vergeſſen.
Die Locken winden ſich verwirret um die Hand.
Die andern reichen ihm ſein galonirt Gewand,
Jn deſſen hellem Glanz ihn ſelbſt Paris beneidet;
Man zaudert, doch er flucht, und er ward angekleidet.
Nun gieng er zum Cryſtall, der ihn ſich ſelber wies,
Und eigner Schmeicheley ihn laͤchelnd uͤberließ.
Er geht, und wenn er geht, ſo rauſchen tiefe Falten,
Die den geſteiften Rock im Gleichgewicht erhalten.
Die Saͤnfte nimmt ihn ein, die Traͤger eilen fort,
Und fliehn mit weitem Schritt nach dem beſtimmten Ort.
Der Gott des Puders ſchwebt indeſſen um Se - linden,
Mit ſeinem Zauberband die Schoͤne zu umwinden. Kaum179Erſtes Buch.
Kaum hat ſie unſichtbar das maͤchtge Band beruͤhrt,
Als ſie im Augenblick den maͤchtgen Einfluß ſpuͤrt.
Sie rennet alſobald nach einem Puderbeutel,
Und huͤllt in Weizenmehl die ſchwarzbelockte Scheitel,
Der frohe Zephis jauchzt. Doch wie ſtarrt Jean - neton,
Als ihr um das Geſicht die Puderſtaͤubchen flohn!
Selinde, (ruft ſie aus,) ſeyd ihr nicht klug geworden!
Jhr tretet abgeſchmackt aus dem Bruͤnettenorden,
Damit ihr ja recht deutſch, weiß, und gepudert ſeyd?
Wem zu gefallen iſt dies braune Haar beſtreut?
Bequemt ihr niemals euch, nach unſrer Art zu leben,
Und ſoll ich immer euch vergebens Lehren geben?
Beweiſt doch, daß ihr euch zu Frankreichs Sitten neigt,
Jhr habt ja vierzehn Jahr euch deutſch genung bezeigt.
Wir werden bald Beſuch vom Charamund empfangen;M 2Bald180Verwandlungen.
Bald ſeufzet Balamir; erfuͤllet ihr Verlangen;
Waͤhlt einen, dem ihr wollt die erſte Liebe weihn;
Doch waͤhlt den wuͤrdigſten; die Wahl ſoll euer ſeyn.
Denn wo die Locken ſich auf Locken wieder wagen,
Wo reiche Weſten ſich mit reichen Weſten ſchlagen,
Wo Feder Feder ſtoͤßt, und Treß auf Treſſe ſtralt,
Da ſchlag ich mich zu dem, der fuͤrſtlich mich bezahlt.
Doch mein getreuſter Rath iſt der, ihr liebt ſie beyde;
So ſiege, welcher will, ich fuͤhle gleiche Freude.
Dies hoͤret Zephis an, der auf dem Spiegel ſitzt.
Vom Namen Charamund, und Balamir erhitzt,
Eilt er den Augenblick, die Stutzer zu bethoͤren,
Und mit dem Zauberband ihr Abſehn zu zerſtoͤren.
Jn Charamundens Haar war noch die kluge Hand,
Die Locken nach und nach in Papiljoten wand. Man181Erſtes Buch.
Man ſah die Kohlen noch die rothen Funken ſpruͤhen,
Und zu dem Seitenhaar ein Kraͤuſeleiſen gluͤhen;
Als Zephis unſichtbar ins ofne Zimmer flog.
Kaum ſah er, daß man noch ſein Haar in Locken bog
Und daß es noch die Gluth des Eiſens kruͤmmen ſollte,
Als einen kleinen Sturm er nach dem Feuer rollte.
Er blies die rege Gluth, mit vollen Backen, an.
So wie der wilde Nord, im ſtuͤrmiſchen Orkan,
Den kriegeriſchen Hauch aus vollen Backen ſtoͤßet,
Und das beſtuͤrmte Schiff vom hohen Maſt entbloͤßet:
So ſtund der Geiſt, und blies, bis der Frieſirer kam,
Und den durchgluͤhten Stal in kluge Finger nahm.
Sogleich umgab der Geiſt ſein forſchendes Geſichte,
Durch ſeines Bandes Macht, mit zauberiſchem Lichte.
Er ſieht, und weis nicht was. Kaum raucht der heiſ - ſe Stal,M 3So182Verwandlungen.
So iſt er wieder kalt, und ſenget nicht einmal.
So ward einſt Athamas bey Jthaka betrogen,
Als eine Gottheit ihn mit falſchem Dunſt umzogen.
O armer Charamund, was droht nicht fuͤr Gefahr
Der Schoͤnheit deines Haupts, dem nie verſengten Haar?
O ſollteſt du die Uhr, die Doſe nur verlieren;
Allein dein ſchoͤnes Haar, wen ſollte das nicht ruͤhren?
Jedoch das Schickſal wills, und was es will, ge - ſchieht.
Schon nahet ſich der Stal, vor dem die Locke flieht;
Die Klappen ſchließen ſich um das Papier zuſammen;
Der Dampf ſteigt in die Hoͤh, die Locke raucht in Flammen.
Wie, wenn auf ſtiller See ein maͤchtigs Kriegsſchiff brennt,
Man einen dicken Dampf zuerſt von fern erkennt;
Bis, wenn das Pulver ſich mit Krachen ſchnell ent - zuͤndet,
Das Schiff im Knall ſich zeigt, und ſchnell im Knall verſchwindet:So183Erſtes Buch.
So ward auch dieſes Haar der wilden Flamme Raub,
Nichts blieb davon zuruͤck, als ein verbrannter Staub.
Welch ein gewaltger Fluch ward in die Luft geſchicket!
Aus Schmerz ward eine Thraͤn in ſeinem Aug er - ſticket;
Es ſeufzt der Lombertiſch, es ſeufzt das Porcellan;
Der Spiegel ſelbſt wird blind, und ſieht die Gluth nicht an;
Die Quaſte ſtuͤrzt ſich ſchnell vom weißen Vorhang nieder.
Armſelger Charamund! (Die Waͤnde riefen wieder:
Armſelger Charamund!) Betrachte nun dein Haar,
Das erſt das herrlichſte von allen Haaren war.
Mußt ich Verwegner denn dem Eiſen mich vertrauen,
Um dieſes theure Haar in ſchwarzem Staub zu ſchauen?
Jch glaub, es zitterte die aͤngſtliche Natur,
Als dieſer wilde Stal durch meine Locke fuhr.
Und der verdammte Kerl! Haͤtt er mir Geld entwen - det,M 4Haͤtt184Verwandlungen.
Haͤtt er mir Silberzeug, und Gallarock verpfaͤndet,
So wuͤrd ich zwar bewegt, doch nicht untroͤſtbar ſeyn;
Jetzt aber nimmt mein Herz nichts, als Verzweiflung, ein.
Wie! Schickſal! ſoll ich nun Selinden nicht beſu - chen?
So moͤcht ich voller Zorn den ſchwarzen Tag verflu - chen,
Da ich zum erſtenmal dem Nachttiſch mich geweiht
Verhaͤngniß, loͤſch ihn aus! Er ſey vermaledeyt!
Er ſprach noch, ſo entſtund ein angenehmer Schimmer;
Ein lautes Stutzerheer trat ſingend in das Zimmer.
Von neuem oͤfnete der arme Charamund,
Da er erzaͤhlen ſoll, tiefſeufzend ſeinen Mund.
Die Freunde klagen ihn, und weinen oft dazwiſchen,
Und ließen Thraͤnen ſich zu ſeinen Thraͤnen miſchen.
Nichts, als die Aſche war vom ſchoͤnen Haar zuruͤck,
Auf die nur ſahen ſie mit wehmuthsvollem Blick. Die185Erſtes Buch.
Die bittre Klage nahm ein feyerliches Ende.
Sie nehmen alleſammt die Doſen in die Haͤnde,
Und ſtreuen zu Toback, gleich einem Heiligthum,
Die Aſche von dem Haar, zu ihres Freundes Ruhm.
Nachdem ſie mit Rappee den kleinen Reſt vermiſchet,
Und ihn mit ſanftem Oel aus Steinklee angefriſchet;
So nahmen ſie Toback nach zierlichem Gebrauch;
Es nieſte Charamund, die Stutzer nieſten auch.
So ſaß die Koͤnigin bey Mauſols Aſchentopfe,
Und riß ihr ſchoͤnes Haar vor Schmerz ſich aus dem Kopfe.
Die Aſche des Gemahls wird in den Trank gemiſcht,
Durch den ſie ſich aufs neu zu bitterm Schmerz er - friſcht.
Und die Gewohnheit wird bis dieſen Tag erhalten.
Der Nachruhm deines Haars wird nimmermehr ver - alten;
Man wird das Stutzerheer dies Haar beweinen ſehn,M 5So186Verwandlungen.
So oft ihm beym Rappee die Augen uͤbergehn.
Der Gott des Puders eilt, Selinden zu be - triegen,
Und uͤberlaͤßt die Schaar dem ſtillen Mißvergnuͤgen;
Nimmt drauf vom Charamund Geſtalt und Klei - der an,
Und eilt, in Stutzertracht Selinden ſich zu nahn.
Die Freyheit hatte faſt ihr junges Herz verlaſſen,
Und ſoll ſie laͤnger noch den rothen Abſatz haſſen,
Durch den ihr Balamir das ſtolze Herz geraubt?
Sie liebt ihn, da ſie ihn nur nicht zu haſſen glaubt.
Der Geiſt ließ ſeinen Blick in beyder Herzen dringen,
Er ſah, daß ſie ihn kaum als einen Freund empfingen;
Er ſah des Stutzers Herz, das ſchon verzweifelnd liebt,
Und auch Selindens Herz, das ſich bereits ergiebt.
Warum, (ſprach er,) lenkſt du die halbverſtohlnen Blicke
Auf dieſen Balamir? ſagt ihm nicht dies ſein Gluͤcke? Doch187Erſtes Buch.
Doch ſtolzer Balamir, flieh, oder fuͤrchte mich!
So ſprach der wilde Geiſt in vollem Zorn bey ſich,
Und Brama hoͤret es, der Balamiren ſchuͤtzet.
Da er im Seitenhaar des Stutzers wachſam ſitzet,
So ſagt er ihm ins Ohr: O Stutzer glaubſt du nie,
Daß Brama dich beſchuͤtzt, ſo glaub es ietzt, und flieh!
Jch hoͤre, daß ein Geiſt dir deinen Sieg verfluchet;
Jch fuͤrchte, daß ſein Zorn dich zu verderben ſuchet;
Jch weis nicht, ob er dir die Uhr bezaubern wird,
Daß zu dem Rendezvous ihr goldner Zeiger irrt;
Ob er dir wehren will gedankenlos zu lachen,
Wie? oder ob er gar dich will vernuͤnftig machen?
Es ſey nun, was es ſey, ſo fliehe dies Gemach!
Vielleicht folgt er uns nicht zu deinem Zimmer nach.
Er ſagts, und Balamir gieng traurig von Se - linden;Doch188Verwandlungen.
Doch Zephis, welchen Zorn und Eiferſucht entzuͤnden,
Folgt ihm, als Charamund, bis in den Vorſaal nach,
Wo er als Pudergott, mit hoher Stimme ſprach:
Verwegner, der du laͤngſt Selinden ſtrafbar liebeſt,
Verwegner, weißt du auch, wen du dadurch betruͤbeſt?
Und weißt du, daß der Geiſt, den du ietzt reden hoͤrſt,
Weit zaͤrtlicher ſie liebt, als du ſie je verehrſt?
Du ſchoͤner Balamir! Du ſollſt zu meinen Fuͤßen,
Jn thieriſcher Geſtalt fuͤr deine Siege buͤſſen.
Geh hin, und ſey nunmehr Selindens Gegenſtand.
Er ſagts; und ihn beruͤhrt das zauberiſche Band;
Und alſobald ſieht er mit aͤngſtlichen Geberden
Sein aſchenfarbges Kleid zu weichen Haaren werden.
Er aͤndert die Geſtalt, ſein ſchlanker Leib wird klein;
Die Fuͤße ziehen ſich zu ſchwarzen Pfoten ein;Die189Erſtes Buch.
Die Augen ſprechen nicht mehr zaͤrtliches Verlangen;
Schwarz wird ſein rother Mund, und ſchwarz die hol - den Wangen.
Die Ohren werden kurz; nichts bleibt, was er ſonſt trug,
Als ein ſchwarz ſeidnes Band, das eine Schleife ſchlug.
Dies laͤßt ihm Zephis noch um ſeinen Hals ſich winden,
Und nahet ſich voll Hohn, ein Halsband draus zu binden.
Er that es, und verſchwand. Hier lag nun Balamir,
Gleich einem kleinen Mops, vor ſeiner Schoͤne Thuͤr.
Verdammte Zauberey! wollt er mit Thraͤnen ſagen,
Doch Thraͤnen floſſen nicht, er heult nur wilde Klagen.
Er ſcharret, und man macht Selindens Zimmer auf,
Sogleich floh er zu ihr mit ſchmeichelhaftem Lauf;
Er ſuchte ſeine Noth ihr traurig vorzuſtellen,
Allein ſie hoͤrte nur ihn unverſtaͤndlich bellen.
Sie nahm das ſchoͤne Thier liebkoſend auf den Schooß,Und190Verwandlungen. Erſtes Buch.
Und machte ſchmeichelnd ihm das ſchwarze Halsband los;
Und bald bekam er eins von roſenrothem Bande.
Er ward geruhiger in ſeinem neuen Stande;
Selinde ward ihm hold. Jhr Mops trank mit ihr Thee,
Jhr Mops erweckte ſie des Morgens zum Caffee.
Sein Futter war Confect, ſein Bett ein ſammtnes Kuͤſſen;
So konnt er leicht genung den Stutzerſtand vermiſ - ſen,
Er war dumm als ein Menſch, und auch dumm, als ein Thier;
Und ſo blieb Balamir im Mops noch Balamir.
Ver -[191]

Verwandlungen.

Zweytes Buch.Verwandlungen. Zweytes Buch.

[192]193
Es zittert ſchon der Grund der aufgewuͤhlten Erde;
Der leichtgehobne Fuß der ſtolzverzierten Pferde
Zerſchlaͤgt, aus Ungeduld, den harten Kieſelſtein;
Die lange Straß erſchallt, da beyde wiehernd ſchreyn.
Fioki, die ietzt auch des Kraͤmers Roſſe ſchmuͤcken,
Und blendendes Geſchirr, bedecken ihren Ruͤcken.
Des Kutſchers braune Fauſt haͤlt den gewirkten Zaum;
Er laͤßt den Zuͤgel nach; die Roſſe fuͤhlens kaum,
So ſuchen ſie auch ſchon hochmuͤthig fortzugehen;
Jedoch ſein bartigt Maul ruft: Steht! und beyde ſte - hen.
Selinde kam bereits mit zaubriſchem Geſicht.
Die ſeidne Locke wallt; die hohe Mine ſprichtNZu -194Verwandlungen.
Zufriedenheit, und Sieg, vermiſcht mit ſanften Klagen;
Der guͤldne Schlag faͤhrt auf, ſie rauſchet in den Wa - gen.
Zwey Fraͤulein folgen ihr, in angenehmer Tracht.
Jhr bluͤhendes Geſicht ſtand in der Fruͤhlingspracht;
Der ſiegesvolle Blick ſchien mit Verſtand zu laͤcheln;
Allein ſie wußten nichts, als zierlich ſich zu faͤcheln.
Bey jeder Frage zog der kleine Mund ſich ein;
Der Faͤcher rauſchte dann beſtaͤndig Ja und Nein.
Doch konnte die Natur ihr Mitleid bald erregen,
Und eine Kleinigkeit zu Thraͤnen ſie bewegen.
Wie, wenn der volle Mond, mit heitrem Silberlicht,
Durch den zerſtreuten Dunſt des Horizontes bricht;
Die dunkle Nacht verjagt mit ihrem ſchwarzen Schleyer;
Boot ſelbſt dunkel wird, und dunkel Baͤr, und Leyer:
So ſtrahlt Selindens Blick in die verliebte Welt,Da195Zweytes Buch.
Da ſie der Schatten noch der Fraͤulein mehr erhellt.
Die rothe Peitſche knallt, und Roß und Rad verſchwin - den.
Ein wankelmuͤthig Heer von gaukleriſchen Winden
Schwebt um der Schoͤnen Haar, um das ſie flatternd wehn,
Und es mit ſanftem Hauch in leichte Locken drehn.
Die Schoͤnen ſehn bereits das Luſtſchloß ſich erheben,
Zu dem ſich alle drey voll Ungeduld begeben.
Doch, Muſe, ſinge ſelbſt, womit verkuͤrzten ſich
Die Schoͤnen ihre Zeit, eh dieſer Weg verſtrich?
Du mußt uns das Geſpraͤch der Nymphen hoͤren laſſen,
Ob es gleich Sterbliche mit ihrem Witz nicht faſſen.
Die eine ſprach: wie hoch koͤmmt dieſer Palatin?
Er iſt mir zu gemein, die Jungfern tragen ihn.
Sie laͤchelt ſuͤß, und ſchweigt. Ach Schweſterchen Selinde, (Verſetzt die andre drauf) wir fahren ſehr im Winde! N 2Das196Verwandlungen.
Das Wetter waͤre gut, nur ſitzen wir zu frey.
Sie ſehn einander an, und lachen alle drey.
Selindens Schutzgeiſt hoͤrts. Auf! (ſprach er) ſchoͤne Nymphe,
Zwo Arten Witz ſind weg; die beſte bleibt dir. Schimpfe!
Jndeß erreichen ſie den ſtolzen Luſtpallaſt.
Ein angenehmer Bach, der ſcherzend ihn umfaßt,
Lockt ſie ſanftmurmelnd an; es winken hohe Zimmer,
Wo die Tapete ſtrahlt, und goldner Spiegel Schim - mer.
Der Pudergott indes irrt um den oͤden Hayn,
Hofft auf Selindens Gunſt, und wuͤnſcht geſehn zu ſeyn.
O armer Pudergott! (ſprach er mit zarter Stimme,)
Was fuͤr ein Schickſal hat in ſeinem ſchweren Grimme
Selinden dir gezeigt, da du ein Sylphe biſt,
Und ihr fuͤhlloſes Herz von kaltem Marmor iſt?
O warum waͤhlt ich mir die ſiegende Bruͤnette,Als197Zweytes Buch.
Als wenn nach Blonden nie mein Herz geſchmachtet haͤtte!
Wußt ich, als Pudergott, aus der Erfahrung nicht,
Daß wenig Zaͤrtlichkeit ein ſchwarzes Haar verſpricht?
Wie ſtill erobert nicht die zaͤrtliche Blondine!
Mein weicher Puder hebt die angenehme Miene;
Der blauen Augen Glanz, geruͤhrt von unſerm Schmerz,
Fließt ſanft in unſre Bruſt, und fuͤllt das ganze Herz.
Elender, dein Geſchick hat dich zu hart verdammet!
Von einer Sterblichen monarchſchem Blick entflammet,
Mußt du ein ganzes Heer von Nebenbuhlern ſehn,
Die gluͤcklicher vielleicht, als je ein Sylphe, flehn.
Doch nichts ſey mir zu klein! die Liſt ſoll ſie betruͤgen;
Und ſiegt die Liebe nicht, ſo ſoll die Rache ſiegen.
Er ſagts, und lehnte ſich, tief in des Waldes Schooß,
An einen Eichbaum an, bedeckt von ewgem Moos. N 3Sein198Verwandlungen.
Sein Wipfel gruͤnet noch nach ſo viel tauſend Tagen,
Und iſt Verliebten oft der Zeuge ſtiller Klagen.
Der, ſo den Laͤrm der Stadt, und ihre Narren flieht,
Blaͤſt unter dieſem Baum auf ſeiner Floͤt ein Lied;
Und mancher pfleget hier den Reſt des Briefs zu kuͤſſen,
Den er aus Zaͤrtlichkeit durch manchen Kuß zerriſſen.
Auch Dichter ſtellen hier den Reimen lauſchend nach.
Hier fliegt manch feurig O, und manch betraurend Ach.
Jſt ihr Kalender voll von Freuden, oder Klagen,
So pflegen ſie ihr Lied dem Eichbaum vorzuſagen,
Der oft beynah ſo viel von dem Gedicht verſteht,
Als der Maͤcen durch Geld, den ihre Muſ erhoͤht.
Hier ſtand der Pudergott, vertieft in ſeinem Leide;
Als Charamund, geſchmuͤckt mit einem Jaͤgerkleide,
Jm lauten Jagdgeſchrey den weiten Forſt durcheilt,Und199Zweytes Buch.
Und endlich ſeinen Fuß an dieſem Baum verweilt.
Blaß, wie ein Eremit, ſtand er hier abgehaͤrmet;
Und ſtatt, daß er bey Ball und Mummereyen ſchwaͤr - met,
Schwaͤrmt er ietzt durch den Wald, und fuͤhlt oft nach dem Haar,
Das, durch manch Oel balſamt, in neuem Wachsthum war.
Jedoch ein bellend Heer von ungeduldgen Hunden,
Und Jaͤger, die um ihn mit blanken Buͤchſen ſtunden,
Erheiterten aufs neu ſein zierliches Geſicht;
Sein Schutzgeiſt Alis nur vergaß das Ungluͤck nicht.
Ach, Stutzer, (ruft er aus) wo iſt dein Haar geblie - ben!
Du armer Charamund, hoͤr immer auf zu lieben!
Wie kanſt du kuͤnftig noch bey Schoͤnen gluͤcklich ſeyn,
Da deine Locken ſich unordentlich zerſtreun,
Und da ein Theil davon ein falber Staub geworden?
Ja, Stutzer, geh nur hin, die Hauer zu ermorden:N 4Ver -200Verwandlungen.
Verbirg dich in den Wald, und flieh die ſchoͤne Welt,
Bis dein ergaͤnztes Haar in neue Locken faͤllt.
Denn ſollten deine Stirn erborgte Haare ſchmuͤcken?
Nein, der verſtellte Staat der Touren und Peruͤcken
Jſt allzuſchlecht fuͤr dich! Wo bliebe denn die Zeit,
Die du bisher dem Putz des braunen Haars geweiht?
Laß dich, o Charamund, den Einfall nicht verfuͤhren,
Den allerſchoͤnſten Kopf mit Ziegenhaar zu zieren.
Sonſt wird dein reger Witz in ewger Faulheit ruhn,
Und du kanſt keinen Fluch bey dem Frieſiren thun.
Doch eh die Stutzer dich in falſchem Haar erblicken,
Will ich mit wilder Hand dein praͤchtig Rohr zerkni - cken;
Verzweiflungsvoll ſollſt du nach Buͤrgermaͤdchen ſehn;
Und Lombertiſch, und Welt, und alles mag vergehn.
Er ſchwieg; es zitterte vor ſeines Zornes FluchenDer201Zweytes Buch.
Der Eſpen furchtſam Laub, das rauhe Laub der Bu - chen.
Auf einmal glaͤnzt von fern die praͤchtigſte Geſtalt;
Der Schoͤnheit Goͤtterſtral verherrlichte den Wald.
Selinde trat einher mit den zwo andern Schoͤnen,
Die Jaͤger rufen, He! Die hohen Hoͤrner toͤnen;
Der frohe Charamund eilt uͤber Gras und Sand,
Fliegt auf Selinden zu, und kuͤſſet ihr die Hand.
Du Saͤnger des Achills, und auch zugleich der Ratten,
Homer, verlaß das Reich der fuͤrchterlichen Schatten,
Und ſing an meiner Statt auf deiner Leyer nach,
Wie zaͤrtlich ietzt der Mund von einem Stutzer ſprach.
Selinde klaget ihn, und ſeines Haars Ruinen;
Doch hatt er ihr noch nie ſo angenehm geſchienen,
Als in dem Jagdgewand; und ſelbſt ſein Haar gefiel,
Ob es gleich halbverſengt in ſchlechte Locken fiel. N 5Der202Verwandlungen.
Der Stutzer merkt den Sieg; ſein Blick eilt von Se - linden,
Die beyden Fraͤulein auch zugleich zu uͤberwinden.
Er lacht Charlotten zu, und ſtralt Louiſen an,
Und ſchwoͤrt Selinden zu, wie treu er lieben kan.
Der ſchoͤne Flattergeiſt! Sein Ungluͤck war beſchloſſen.
Es hatte ſchon ſein Gluͤck den Pudergott verdroſſen;
Er ſieht mit bitterm Hohn auf ſeinen Unbeſtand,
Und nahet ſich zu ihm mit ſeinem Zauberband.
Fuͤr ihre Freundlichkeit Selinden zu erſchrecken,
Tritt er, wie Charamund geſtaltet, aus den Hecken.
Zween Charamunds zugleich! Selinde ſteht erblaßt.
Jndem ſie an die Hand die beyden Fraͤulein ſaßt,
Fliehn alle drey davon; das Schrecken laͤhmt die Glie - der,
Jn banger Ohnmacht faͤllt Selinde klaͤglich nieder.
Wie wenn ein keuchend Weib, (die ihres Alters LaſtMit203Zweytes Buch.
Mit krummen Ruͤcken traͤgt; und die nicht mehr er - blaßt,
Wenn ſie was poltern hoͤrt; weil ſie ſeit ſechzig Jahren,
Bey grauſer Mitternacht, manch Abentheur erfahren;
Die ſchon den Kobold kennt; und ohn ein brennend Licht
Jn ihren Keller geht, und mit Geſpenſtern ſpricht;
Wenn Nacht und Phantaſey ihr den Verſtand gerau - bet,
Und ſie beym Mondenſchein ſich ſelbſt zu ſehen glau - bet;)
Auf einmal aller Muth in duͤrrer Bruſt verlaͤßt;
Das Schrecken heftet ihr den Fuß am Boden feſt:
So ſtarrt auch Charamund, da er ſich ſelbſt erblicket;
Jndem er ſeinen Hut tief in die Augen druͤcket,
Sieht er dem wilden Geiſt noch einmal ins Geſicht;
Springt voller Furcht zuruͤck, und weis im Schrecken nicht,
Ob man durch Zauberey die Augen ihm bethoͤret,
Ob jener, oder er, den Geiſtern zugehoͤret. Doch204Verwandlungen.
Doch Zephis, der den Zorn nicht mehr verbergen kan,
Faͤngt ſo mit finſtrem Blick zu Charamunden an:
Erzittre! denn du hoͤrſt den Gott des Puders ſprechen.
Daß du Selinden liebſt, iſt mir ſchon ein Verbrechen;
Doch daß dein Wankelmuth nicht treu ſie lieben kan,
Das ſeh ich auch mit Zorn im Nebenbuhler an.
Dein flatterhafter Geiſt hat viel zu enge Schranken;
Du ſollſt dem Pudergott ein neues Weſen danken,
Das deiner wuͤrdiger, als deine Menſchheit, iſt,
Voll Unbeſtaͤndigkeit haſt du herum gekuͤßt;
Geh hin, und kuͤſſe nun, an ſtatt der Schoͤnen, Aeſte;
Du liebteſt, wie ein Weſt: ſo werde denn zum Weſte.
So ſprach der Pudergott; und Charamund ver - ſchwand.
Doch nur ſein erſter Leib, ſein irdiſches Gewand
Verlohr ſich in der Luft; und duͤnne feinre GliederBe -205Zweytes Buch.
Bekam er durch den Geiſt in der Verwandlung wieder.
Sein liebliches Geſicht blieb zart, und jugendlich;
Es zog ein Blumenduſt, der zarten Locken glich,
Sich waͤlzend um ſein Haupt; ein luftiges Gefieder,
Das aus den Schultern wuchs, fiel auf den Ruͤcken nieder.
Er oͤfnet ſeinen Mund zu bitten, und zu drohn;
Doch da er ſprechen will, verſagt der Mund den Ton.
Aus Klagen, die er noch Selinden ſeufzen wollte,
Ward ein gelinder Hauch, der durch die Luͤfte rollte.
Ach! (dacht er bey ſich ſelbſt,) ach Charamund, entflieh!
Und halb entfloh er ſchon; doch Zephis ſprach! Verzieh!
Faſt iſt mein Zorn vorbey; merk auf, ich will dich lehren,
Jn deinem neuen Stand die Freuden zu vermehren.
Als Stutzer liebteſt du ein reizendes Geſicht:
Als Weſtwind fehle dir auch dies Vergnuͤgen nicht. Sanft206Verwandlungen.
Sanft ſoll dein holder Hauch um ſchoͤne Locken ſpielen;
Auf volle Buſen wehn, und heiße Wangen kuͤhlen.
Wenn Ritter Thoren ſind, und Stutzer ſeufzend flehn,
So weh die Seufzer weg, die auf Selinden gehn.
Und wenn ein ſchlimmer Dampf die goldnen Zimmer ſaͤrbet,
So weh den Dampf von ihr, der ihren Schmuck ver - derbet;
Und hauch ihr Angeſicht mit Roſenduͤften an,
Wenn ſie erroͤthen ſoll, und nicht erroͤthen kan.
Wirſt du, o neuer Weſt, nach dieſer Vorſchrift leben,
So will ich dich der Hand der Dichter uͤbergeben.
Wie oft, o Weſtwind, wird dich ihr Befehl erfreun!
Du wirſt zur Abendzeit der Seufzer Bote ſeyn;
Sie ſchicken dich alsdann in ſanftbewegte Buͤſche,
Und wollen nichts von dir als buhlendes Geziſche.
Und dafuͤr kuͤſſeſt du noch mehr, als der Poet,Den207Zweytes Buch.
Den angenehmen Mund, um den ihr Klaglied fleht.
Doch, Weſt, gehorchſt du nicht; ſo will ich grauſam handeln.
Jch will dich durch dies Band in einen Nord verwan - deln;
Und ſeh ich, daß dich wird ein ſchoͤnes Haar erfreun,
So ſoll dein wilder Hauch es alſobald zerſtreun;
Du ſollſt zur Winterzeit um rothe Naſen brauſen,
Und um den langen Pelz der alten Weiber ſauſen.
So ſprach der Geiſt, und ſchwieg; und ſeine Hand ließ ihn
Mit ſaͤuſelndem Geraͤuſch frey in die Luͤfte fliehn.
Der Stutzer wundert ſich, daß ihm die Flucht gelinget,
Und merkt nicht, daß er ſich durch leere Luͤfte ſchwin - get.
Doch wie erſchrack er nicht, ſobald er um ſich ſah!
Er ſah ſich in der Luft; ſein Kleid war nicht mehr da,
Er ſah ſich ſelber kaum; und wenn er ſich bewegte,
Bemerkt er, daß das Gras nur ſanft die Spitzen regte. Ach208Verwandlungen.
Ach (dacht er) Charamund! was iſt mit dir geſchehn?
Wie? ſoll dich nun nicht mehr Selinde ſchimmern ſehn?
Dreymal war er bemuͤht, Selinden noch zu nennen;
Dreymal haͤtt er geweint, haͤtt er nur weinen koͤnnen.
Zuletzt ſchoß er dahin in den bebluͤmten Raum.
Jetzt irrt er unruhvoll, und ſchwebt von Baum zu Baum;
Mit unſichtbarem Fuß huͤpft er auf gruͤnen Matten,
Waͤlzt ſich durch hohes Gras, und liſpelt in dem Schat - ten.
Noch in dem Augenblick, da er die Veilchen kuͤßt,
Eilt er der Tulpe zu, weil ſie erhabner iſt.
Von dar eilt er aufs neu zum Veilchenſtock zuruͤcke,
Und liebt ſie alle zwar, allein nur Augenblicke.
Er kraͤuſelt Gras und Laub, wie man ſein Haar ge - kruͤmmt.
Die Seele, da man ihr den alten Koͤrper nimmt,
Thut, was ſie ſonſt gethan; ſie liebt ſo ſchnell im Winde,Wie209Zweytes Buch.
Wie Charamund geliebt, und haßt auch ſo geſchwinde.
Jndes erholte ſich der Jaͤger kuͤhne Schaar
Von ihrer erſten Furcht. Mit wildgeſtraͤubtem Haar
Befragten ſie den Geiſt, wo Charamund geblieben.
Ein junger Edelmann, der nie verſucht zu lieben,
Der Schoͤnen rauher Feind, und nur ein Freund der Tracht,
Die dieſen Waldtyrann den Buͤſchen aͤhnlich macht;
Und den ein wildes Schwein, wenn es ſein Hektor hetzet,
Und es zuletzt erlegt, in groͤßre Freude ſetzet,
Als einer Schoͤne Reiz, ſprach: Wo iſt Charamund?
Thu es den Augenblick dem ganzen Haufen kund;
Sonſt ſtirb von meiner Hand! Mit einem hoͤhnſchen Lachen
Sprach Zephis: Soll ich euch, wie ihn, unſichtbar machen?
Ja, ihr verdienet es! Wohlan, es ſoll geſchehn!
Geht hin, durchzieht den Wald mit ſtetem Jagdgetoͤn;ORuft210Verwandlungen.
Ruft Charamund, daß ihn das Echo wieder nennet,
Und geht, und ſuchet ihn, wenn ihr ihn finden koͤnnet!
Er ſpricht noch, als das Heer ſchon in die Waͤl - der eilt.
Jhr wildes Jagdgeſchrey, das ſtille Luͤfte theilt,
Durchſchallt das nahe Feld mit fuͤrchterlichem Blaſen.
Auch noch zu unſrer Zeit hoͤrt man im Wald ſie raſen.
Der ſcheue Wandersmann hoͤrt ſie um Mitternacht,
Und bebt, wenn durch den Forſt der Flinten Donner kracht;
Er ſieht, wenn Mond und Stern den finſtern Wald erhellen,
Die Rehe furchtſam fliehn; er hoͤret Hunde bellen,
Und ſieht doch keinen Hund, und keine Jaͤger mehr;
Meynt, es ſey Zauberey, und nennts ein wuͤthend Heer.
Doch, Zephis, da du Rach an deinen Feinden uͤbeſt,
Liegt die vor Furcht erblaßt, die du abgoͤttiſch liebeſt;
Selinde fiel entſeelt ohnmaͤchtig in das Gras. Ver -211Zweytes Buch.
Vergebens war Toback, vergebens ungriſch Naß;
Die Fraͤulein zittern noch, und ſtehn aufs neu erſchro - cken,
Und reißen ſich den Schmuck von ihren ſchoͤnen Locken.
Faſt weint ihr Mitleid ietzt, da ſie ſonſt nur geweint,
Wenn die Geſellſchaft ſie mit Weinenden vereint.
Doch bald gefallen ſie ſich auch in ihren Thraͤnen;
Sie fangen lauter an zu ſeufzen, und zu ſtoͤhnen;
Von ihren Wangen ſchießt ein wilder Thraͤnenbach;
Das Herz iſt unbewegt, die Lippen ſeufzen Ach!
Wie (ſprach der Pudergott,) koͤnnt ihr mit ewgen Kla - gen
Beſtaͤndig einerley in falſchen Thraͤnen ſagen?
Wohlan, verwandelt euch durch dieſes Zauberband!
Seyd Reben, werdet gruͤn, und pflanzt euch in dies Land!
Hoͤrt auf, ein Thraͤnenmeer aus Thorheit zu vergießen.
Wie oſtmals ſchient ihr ſonſt in Thraͤnen zu zerfließen,O 2Wenn212Verwandlungen.
Wenn zur Geſellſchaft nur die Lippen mit geklagt,
Und nie das Herz gewußt, was euer Mund geſagt.
Er ſagt es; und ihr Fuß ſchlaͤgt Wurzeln in die Erde.
Sie wollen beyde fliehn, mit aͤngſtlicher Geberde;
Allein der Arm wird gruͤn, indem er Rettung bath;
Die Hand, die bittend fleht, wird in dem Flehn ein Blatt.
Jhr duͤnngewordner Leib wird ſchon mit Rind umge - ben,
Und beyde gruͤnen noch bis dieſen Tag, als Reben.
So oft in jedem Jahr die Trauerzeit erſcheint,
Da ſie, als Fraͤulein noch, Selindens Fall beweint;
So laſſen ſie, auch noch als Reben, Thraͤnen fließen,
Und weinen, wie ſonſt oft, ob ſie es gleich nicht wiſſen.
Selind ermuntert ſich; mit blaſſem Angeſicht,
Steht ſie erſchrocken auf, und ſieht die Fraͤulein nicht.
Mit zarter Stimme ruft ſie ihre holden Namen,Aus213Zweytes Buch.
Aus Mitleid ſcheinet ihr das Echo nachzuahmen;
Louiſe ſchallt zuruͤck aus mancher Felſenkluft,
Charlotte wiedertoͤnt, wenn ſie Charlotte ruft.
Die Fraͤulein hoͤren es, die auch als ſchlanke Reben,
Da ſie Selinde nennt, ihr gruͤnes Haupt erheben.
Sie kriechen langſam fort, und wollen ſich ihr nahn;
Doch ihre Freundin ſieht ſie nur als Reben an.
Selinde flieht ſogleich die ungluͤcksvollen Hecken;
Und Zephis, der ſich ſcheut, aufs neu ſie zu erſchrecken,
Eilt mit geſchwindem Flug in leichter Traͤume Reich;
Er reitet durch die Luft, den Zauberinnen gleich,
Die zur Walpurgisnacht, und ihren Luſtbarkeiten,
Auf einem ſchwarzen Bock zum hohen Brocken reiten.
Es iſt ein ſeltnes Thal, wo halb die Nacht regiert,
Und halb der ſtolze Tag den guͤldnen Zepter fuͤhrt;O 3Ein214Verwandlungen.
Ein ewig gruͤnend Thal, das Sterbliche nie finden;
Um das ein dicker Kranz von ſchattenreichen Linden
Mit Bluͤthen uͤberſchneit, die ſchwarzen Zweige ſtreckt,
Und einen ſchmalen Weg den Reiſenden verdeckt.
Allhier ſteht ein Pallaſt, wo nur ein Theil der Zim - mer
Jn ſtetem Abend ſteht, indem der Sonne Schimmer
Den andern Theil beſtralt. Jm Theil, umhuͤllt mit Nacht,
Wohnt Morpheus, der ſo oft die Schaͤfer gluͤcklich macht.
Allein der neure Theil, von dunkler Nacht verſchonet,
Wird von der Mittagsruh, und ihrem Hof bewohnet.
Die Stille leget hier den Finger auf den Mund;
Ein ewig Schweigen herrſcht durch den verwachſnen Grund.
Kein Wind rauſcht durch das Laub der hohen ſtillen Baͤume,
Hier iſt im tiefen Wald das Vaterland der Traͤume.
Die Phantaſey, ein Weib mit freundlichem Geſicht,Die215Zweytes Buch.
Die keinen gluͤcklich macht, und allen Gluͤck verſpricht,
Schwebt um der Traͤume Haus; ſie tanzt mit falſcher Freude,
Und Hofnung lacht mit ihr in einem leichten Kleide.
Wie mancher ſchwarze Traum, der unſern Schlummer ſtoͤrt,
Schwaͤrmt hier um den Pallaſt, mit Gift, und Dolch bewehrt.
Wie mancher heitre Traum, mit Zepter und mit Kro - nen,
Steht fertig, uns im Schlaf mit Freuden zu belohnen,
Die wachend uns entfliehn; er ſchenkt im Ueberſluß
Zufriedenheit, und Gold, und manchen ſuͤßen Kuß.
Der holde Pudergott gieng durch der Traͤume Schaaren,
Die in endloſer Zahl um ihn verſammelt waren.
Gleich einem Muͤckenſchwarm, wenn er die Sonne fuͤhlt,
Und in dem Abendglanz mit lauten Fluͤgeln ſpielt.
Er trat in das Gemach, der Mittagsruh geweihet.
Auf einem Canapee, mit Roſen uͤberſtreuet,O 4Lag216Verwandlungen.
Lag ſie in leichter Tracht nachlaͤßig hingeſtreckt;
Jhr ſchoͤner Buſen hob ſich ſanft, und unverdeckt;
Sie ließ den ſchoͤnſten Fuß mit traͤger Anmuth ſehen,
Und Zephis blieb entzuͤckt von ſo viel Liebreiz ſtehen.
Zuletzt erholt er ſich, und kuͤßt die Marmorhand,
Die er ſo weich, wie Sammt, auf ſeinen Lippen fand,
Und ſprach: O Koͤnigin! die du die Welt gelehret,
Wie man am Tag auch ſchlaͤft, und blaſſen Sorgen wehret;
Die du manch ſchoͤnes Kind dem Schaͤfer hold gemacht,
Wenn es zu ſchlafen ſchien, und doch verliebt gewacht;
O Goͤttin, hilf mir doch durch deine Kuͤnſte ſiegen,
Und hilf, durch einen Traum, Selinden mir betriegen!
Sie liebt und haßt mich nicht; ihr Herz iſt ſtill, und kalt.
Doch wieſ ihr nur ein Traum des Pudergotts Ge - ſtalt,
Jch weis, ſie wuͤrde mir nicht widerſtehen koͤnnen,
Und bald genung fuͤr mich in Liebesflammen brennen. Sie217Zweytes Buch.
Sie ſoll ein Unterthan von deinem Reich einſt ſeyn,
Und jeden Nachmittag zwo Stunden Schlaf dir weihn.
Er ſchwieg. Die Mittagsruh verſprach mit hol - dem Blicke,
Jndem der Mund noch ſchwieg, dem Pudergott ſein Gluͤcke.
Geh, nimm dir ſelbſt den Traum, war alles, was ſie ſprach.
Er geht; ſie ſieht ihm noch mit ſtiller Sehnſucht nach.
Bereits entſchloß ſie ſich, in ihn ſich zu verlieben,
Allein ihr Aug entſchlaͤft, und ſie muß es verſchieben.
Der Sylphe nahm den Traum, der lachend uns erſcheint,
Und unſerm Maͤdchen gleicht, das man zu ſehen meynt;
Wie gluͤcklich laͤßt er uns die ſproͤde Schoͤne kuͤſſen,
Die wachend unſerm Arm oft grauſam ſich entriſſen.
Jhr leichter Fuß verließ das angenehme Land,
Das ihnen nach und nach aus dem Geſicht verſchwand.
Der Sonnenſtral fiel ſchief auf unſern Theil der Erde.
Es waͤlzte ſich bereits vom ſchwarzen KuͤchenheerdeO 5Ein218Verwandlungen.
Ein dicker Caffeedampf, nach morgenlaͤndſcher Art,
Der in der obern Luft zu Phantaſien ward.
Selinde ruhte ſanft auf ihrem Roſenbette,
Als wenn das Schrecken nie ihr Blut durchſchauert haͤtte:
Jhr nahet ſich der Traum, und ſchuͤttet Ambraduft,
Und lieblichen Geruch in die balſamte Luft.
Drauf ließ er ſie im Schlaf, den Gott des Puders, ſe - hen.
Jn ſeinem ganzen Reiz ſah ſie ihn vor ſich ſtehen.
Die Nymph erroͤthet ſanft, indem er auf ſie blickt,
Und ihre weiſſe Hand an ſeine Lippen druͤckt.
O Schoͤne, (fieng er an, wie Zephis ihn gelehret)
Du weißt nicht, wie ein Geiſt als Sklave dich vereh - ret.
Du ſiehſt den Pudergott zu deinen Fuͤſſen ſtehn;
Jſt auch ein Sterblicher ſo ſiegend, und ſo ſchoͤn,
Als ich, o Schoͤne, bin! und doch ſeh ich mit Neide,
Daß dich ein Federhut, der Schnitt von einem Kleide,Und219Zweytes Buch.
Und manche Flitterpracht der jungen Herrn beſiegt,
Und meine Hofnungen zu meinem Schmerz betriegt!
Doch Schoͤne, laß mich nicht nach meinem Zorne han - deln.
Jch kan mit einem Wink verderben, und verwan - deln
So ſprach der ſuͤße Traum; als Jeanneton ſich naht,
Und mit Geraͤuſch und Laͤrm ins ſtille Zimmer trat.
Sogleich entfloh der Traum zum Schattenreich zuruͤcke.
Wie raſte Zephis nicht! Er trat mit wildem Blicke
Zur hagern Jeanneton, die voller Furcht erſtarrt,
Und von dem Zauberband ſogleich beruͤhret ward.
Unſelig Mittelding von Deutſchen und Franzoſen, (Sprach er,) mein Kuß eilt ſchon Selinden liebzuko - ſen,
Da ſie den holden Traum zufrieden angehoͤrt;
Und durch dein Plaudern wird mein ganzes Gluͤck ge - ſtoͤrt?
Erfahre meinen Zorn, verwandle deine Glieder,
Und ſing, als Papagey, die ſonſt geſungnen Lieder.
So -220Verwandlungen. Zweytes Buch.
Sogleich nimmt Jeanneton ein buntes Fluͤgel - paar,
Das aus den Armen wird, mit Schrecken an ſich wahr.
Jhr langes ſpitzes Kinn kruͤmmt ſich zum Schnabel nie - der,
Zu Krallen wird der Fuß, der Arm waͤchſt zum Ge - fieder.
Jedoch wie freuet ſich das Weib im Vogel nicht,
Da ſie zu ſprechen wuͤnſcht, und es verſucht, und ſpricht.
Gewohnheit heißt ſie gleich auf deutſche Sitten ſchmaͤ - hen;
Sie plaudert manches Wort, doch ohn es zu verſtehen.
Selinde hebet ſich aus ihrer ſuͤßen Ruh,
Fliegt auf den Papagey, den ſie nicht kennet, zu.
Mein Papgen, (rufte ſie,) wo biſt du hergekommen?
Welch ein ſcharmantes Thier! ſein Anſehn iſt vollkom - men.
Der Vogel ſchimpfte ſie, und hieß ſie deutſch und dumm,
Und kehrt ſich undankbar vor ihren Schmeicheln um.
Franzoͤſiſch blieb ſie auch im Papageygefieder;
So wie das Weib geſchimpft, ſo ſchimpft der Vogel wieder.
[221]

Verwandlungen.

Drittes Buch.Verwandlungen. Drittes Buch.

[222]223
Die Thaͤler ſchwaͤrzten ſich; die frohe Stunde kam,
Da im Redoutenſaal der Ball den Anfang nahm.
Selinde ſah nicht mehr die Lippen ſich entfaͤrben,
Und auf den Wangen nicht die friſchen Roſen ſterben.
Wie leicht bluͤht nicht aufs neu ein jugendlicher Mund;
Schnell wird die Schoͤne krank, und ſchnell wird ſie geſund.
Kaum daß der Zofe Hand den langen Anputz endet,
Und ſie im Domino ſich von dem Nachttiſch wendet;
So laͤchelt alles ſchon in ihrem Angeſicht,
Das Sieg verkuͤndiget, und lauter Freude ſpricht.
O Schade, daß es bald die Maske ſoll verhehlen;
Doch ihre Schoͤnheit wird die Maske ſelbſt beſeelen;Und224Verwandlungen.
Und ihre Taille, ſchlank, und majeſtaͤtiſch ſchoͤn,
Wird in dem freyen Tanz ſich deſtomehr erhoͤhn.
Sie rauſchet in den Saal, erhellt von tauſend Lichtern;
Sie wird ſogleich umringt von weißen Gipsgeſichtern;
Von Larven, ſchoͤn gemalt, von manchem Bart von Taft,
Von Naſen, lang und krumm, ſieht ſie ſich angegafft.
Der Tuͤrke ſteht erſtaunt von ſo viel Lieblichkeiten;
Der Spanjer ſpielet ihr auf ſeiner Laute Saiten;
Matroſ und Bauer ſperrt den Mund verwundernd auf;
Und die Tyrolerin vergißt Tanz und Verkauf,
Und ſieht ſie neidiſch an; nur mit hochmuͤthgem Hohne
Stoͤßt ſie der Federhut der ſtolzen Amazone.
Auch Zephis trat ietzo verlarvet in den Saal,
Und miſcht in Domino ſich zu der Masken Zahl.
Er geht; ihm folgt ein Schweif wohlriechender Po - made,Und225Drittes Buch.
Und parfumirt den Saal der bunten Maskerade.
So wie Ambroſia die Goͤtter ſonſt verrieth,
So ſtralt er auch hervor; ob er ſich gleich bemuͤht,
Jn Tracht und in Geſtalt den Sterblichen zu glei - chen,
Und mit unſtetem Fuß der Neugier zu entweichen.
Beſonders giebt auf ihn, in eines Schaͤfers Tracht,
Ein feiler Gratulant mit Argusaugen Acht.
So oft der Pudergott nur mit Selinden tanzet,
So oft ſteht neben ihm der Schaͤfer hingepflanzet,
Und endlich zieht er ihn vertraulich an die Wand;
Schreibt ihm geheimnißvoll viel Namen in die Hand,
Und ſpricht zuletzt: Mein Herr, verſtellen ſie ſich im - mer,
Jch kenne ſie genau, und auch ihr Frauenzimmer;
Denn welchen jungen Herrn entzuͤckt Selinde nicht?
Allein, was meynen ſie; ein zaͤrtliches Gedicht PDas226Verwandlungen.
Das ſollte Wunder thun! Jch will mich zwar nicht loben,
Doch manche Zeitung ſchon hat meinen Ruhm er - hoben.
Hauptſaͤchlich bin ich ſtark in einer Elegie;
Und ihre Fraͤulein liebt die hohe Poeſie.
Mein Herr, zwey Gulden nur, ſo dien ich ihrer Liebe;
Mein Name heißt Speront, ich wohn im guͤldnen Siebe.
Er ſagts: der Pudergott dankt ihm fuͤr ſeine Muͤh,
Und ſprach: Vielleicht, mein Herr, brauch ich die Ele - gie.
Der Gratulant buͤckt ſich, die Gulden zu gewinnen,
Bis auf die Schuh vor ihm, und Zephis eilt von hinnen.
Er hatt allein das Gluͤck, Selinden ſich zu nahn.
Die Stutzer ſahen ihn mit ſcheelen Augen an;
Und ſelbſt das Alter ward von Eiferſucht entzuͤndet,
Daß Zephis nur allein Selindens Beyfall findet.
Ein buntes Cabinet ſtieß an den langen Saal. Hier,227Drittes Buch.
Hier, wo am Pharotiſch mit Hofnung, Furcht und Quaal,
Und feyerlichem Ernſt, von ungetreuen Karten
Der Spieler ſtille Reihn auf Gluͤck und Ungluͤck warten;
Hier ſtanden auch, vertieft in Hofnung auf das As,
Urſindo, und Hojar; Spadilje fiel, und fras
Fuͤr ſeinen Banquier zwoͤlf blanke Carolinen;
Der Banquier grif zu; und mit gelaßnen Mienen
Senkt er das neue Gold in ſeinen Sack hinab;
Und traurig traten nun die beyden Grafen ab.
Das Alter beugte ſchon den abgelebten Ruͤcken;
Doch brannte Liebe noch in den erſtorbnen Blicken,
Und allezeit beherrſcht vom niedertraͤchtgen Geiz,
War nur das Rittergut Selindens groͤßter Reiz.
Sie hatten ſie geſucht, und auch bereits entdecket,
Als ihren ganzen Neid der Pudergott erwecket. P 2Er228Verwandlungen.
Er laͤßt Selinden nicht von ſeinen Haͤnden los;
Dies bringt die Grafen auf, die dieſe Gunſt verdroß;
Sie waren alt auch noch des Tanzens groͤßte Freunde.
Sie nahen ſich erzuͤrnt dem allgemeinen Feinde,
Und alſo ſprach zu ihm der keichende Hojar,
Der noch der muthigſte von beyden Helden war:
Freund, wer giebt euch das Recht, der Maske zu ver - wehren,
Auch uns mit ihrer Hand zum Tanze zu beehren?
Habt ihr ſo vielen Muth, ſo folgt des Mondes Glanz,
Und kommt in die Allee auf einen andern Tanz.
Sorgt fuͤr den Degen nicht; wir wollen euch die Waffen,
An den beſtimmten Ort, durch unſre Diener ſchaffen.
Sie gehn, und Zephis folgt ſogleich den Rittern nach.
Er nahm den Degen an, den er in Stuͤcken brach;
Und ſchickt ſich, voller Zorn die Helden zu beſtrafen;Als229Drittes Buch.
Als Zephis zeigt er ſich den halberſtarrten Grafen.
Wie Eſpen zittern ſie, da Zephis alſo ſpricht:
Jhr ſeyd nicht wichtig gnung, daß Zephis mit euch ficht:
Jhr werdet alſobald aus dieſem Garten wandeln,
Und, durch dies Band beruͤhrt, in Baͤren euch ver - wandeln.
Er ſagts, und es geſchieht. Schnell werden ſie behaart,
Und brummen bey ſich ſelbſt nach großer Baͤren Art;
Die Fuͤße fangen an, den Klauen gleich, zu kratzen;
Zum Rachen wird ihr Maul, die Haͤnde werden Tatzen.
Selbſt die Peruͤcke waͤchſt, die erſt ihr Haupt umhuͤllt,
Und wird zu rauhem Haar, das ihren Nacken fuͤllt.
Die neuen Baͤren ſehn den Pudergott verſchwin - den;
Er laͤchelt Spott auf ſie, und eilet zu Selinden.
Mit Unmuth irren ſie vom Garten in den Wald.
Der eine ſieht beſtuͤrzt des andern Baͤrgeſtalt;P 3Doch230Verwandlungen.
Doch ſcheuen ſie im Forſt ſich vor den andern Baͤren,
Als wenn die Seelen noch in Menſchenkoͤrpern waͤren.
Die Seele nimmt indeß die alten Fehler an.
Sie thun ſo muͤrriſch ietzt, als muͤrriſch ſie gethan,
Da ſie zu andrer Laſt noch unter Menſchen waren.
Sie ſchienen Menſchen nur, zu hungern, und zu ſparen;
Auch ietzt noch hungern ſie die lange Winterszeit.
Sie liegen in der Kluft im Mangel uͤberſchneit;
Allein ſie ſind vergnuͤgt; ſie ſaugen an der Tatze,
Und faſten gern, wie ſonſt, bey dem vergrabnen Schatze.
Was ſie am meiſten liebt, vergißt die Seele nie.
Sie liebten ſonſt den Tanz, noch ietzt ergoͤtzt er ſie.
So wie einſt Telemach den rauhen Sitten wehrte;
Den Maͤdchen Taͤnze wies, und Schaͤfer ſingen lehrte:
So fuͤhrten ſie zum Tanz die andern Baͤren an,Die231Drittes Buch.
Die mit Verwunderung auf ihre Kuͤnſte ſahn.
Und dieſe Tanzbegier hat ſo ſich fortgepflanzet,
Daß oft ein Baͤr von ſelbſt in Pohlens Waͤldern tan - zet.
Da auf dem Ball indeß manch junges Herz ent - brennt,
Und mancher ſeine Schoͤn in Mannshabit verkennt;
Da junge Stutzer ſich an alte Nymphen ſchließen,
Und manche grobe Hand im feinen Handſchuh kuͤſſen;
Lag Ronald ohne Schlaf. Er, der faſt nie gedacht:
Jm Luſtſpiel traurig war; im Trauerſpiel gelacht;
Bey jeder Prahlerey mit neuen Fluͤchen draͤute,
Und oft den Teufel rief, den er bey Nacht doch ſcheute;
Verwegen, ſtolz, und dumm bey rundem Angeſicht;
Der ſieht zum erſtenmal Aurorens Purpurlicht.
Sein Schutzgeiſt, der ihn treibt, manch Gaſſenlied zu ſingen,
Eilt, von der Maskerad ihm den Bericht zu bringen.
P 4Dir,232Verwandlungen.
Dir, Ronald, (fieng er an,) hat oft die Tant er - zaͤhlt,
Wie ſie bey finſtrer Nacht ein ſchwerer Alp gequaͤlt.
Du haſt es ihr geglaubt, und glaubſt es dieſe Stunde;
Denn welche Weisheit koͤmmt nicht aus der Muhmen Munde.
Jch Ariel, dein Schutz von deiner Kindheit an,
Da dich die Schoͤnen noch im Fluͤgelkleide ſahn,
Und dich auf ihrem Arm unſchuldig ſpielen ließen;
Jch lehrte da dich ſchon mit Feuer ſie zu kuͤſſen.
Jch bins, der den Verſtand aus deinem Kopf entfernt,
Dafuͤr du Unſinn, Tand, und falſchen Witz gelernt.
Jch ſuche, Ronald, dich wahrhaftig groß zu machen;
Fuͤr deinen ewgen Ruhm muß ich gehorſam wachen.
Und welch ein ſeltner Ruhm erwartet dich nicht ſchon!
Hoͤrſt du nicht ſchon von fern der Violinen Ton!
Auf! Stutzer, zeige dich in einem fremden Glanze! Das233Drittes Buch.
Das Ballhaus zittert noch von der Verlarvten Tanze;
Geh, eile noch dahin! Die Freude nimmt mich ein;
Welch ein beſondrer Fall! du wirſt der erſte ſeyn,
Der, da die Sonne ſchon in blauer Luft geſchwommen,
Noch in verlarvter Tracht zu einem Ball gekommen.
Es wird der junge Tag dich mit Erſtaunen ſehn,
Da ſchon der Landmann wacht, zur Maskerade gehn.
Jch ſeh, wie dir zum Ruhm der Enkel Enkeln ſaget,
Wie fruͤh ein junger Herr ſich an die Luft gewaget.
So lang auf Schoͤnen noch verliebte Seufzer gehn;
So lange Faͤcher noch die heiße Luft durchwehn;
So lang im Alter ſich Coquetten fromm geberden;
Und Moͤpſe, trotz dem Mann, den Caffee trinken wer - den;
So lange Stutzer ſich Theaternymphen weihn;
So lange wird die That dir ewger Nachruhm ſeyn.
P 5Er234Verwandlungen.
Er ſchwieg. Die Ruhmbegier erhob des Stu - tzers Seele.
Gleich einem Drachenpaar in einer finſtern Hoͤle
Kaͤmpft ietzo Ja und Nein ergrimmt in ſeiner Bruſt;
Doch endlich ſpringt er auf, und folgt dem Trieb zur Luſt.
Sein Angeſicht wird ſchwarz, mit ſchwarzgemachten Haͤnden
Deckt ſich die wahre Hand; um wohlgemachte Lenden
Rauſcht ein verbraͤmter Schurz von roſenrothem Taft;
Jm weißen Strumpfe pralt die dicke Wade Kraft.
Sein Hauptſchmuck iſt die Pracht der koͤniglichen Bin - den.
So eilt er, als ein Mohr, zum Tanz, zum Ueberwin - den.
Wie, wenn ein bunter Pfau von hohen Daͤchern fliegt,
Und ſich zum niedern Heer gemeiner Haͤhne fuͤgt;
Die Haͤhn ihn grimmig ſehn, und wild die Haͤlſe ſtraͤu - ben;
Sie ſuchen kaͤmpfend ihn von ihrem Hof zu treiben;
Jedoch der hohe Pfau geht koͤniglich vorbey,Und235Drittes Buch.
Und achtet nicht einmal ihr kriegeriſch Geſchrey:
So ſtolz gieng Ronald auch durch die verlarvten Schaa - ren,
Die voller Neubegier um ihn verſammelt waren.
Der Pudergott nahm ihn mit neidſchen Blicken wahr.
Er ſah Selinden an, und bebt vor der Gefahr,
Die ſproͤden Schoͤnen draͤut, die unbeſiegt geblieben,
Bis ſie das Thoͤrichte und Fremde raſend lieben.
Selinde redt ihn an, noch eh ſie ihn erkant;
Sie reicht dem falſchen Mohr die angenehme Hand,
Und fordert ihn zum Tanz; und Zephis ſieht Selinden,
Nach dem geſchloßnen Tanz, mit ihrem Mohr ver - ſchwinden.
Sogleich empfaͤnget ſie ein einſames Gemach,
Wo ſie voll Freundlichkeit zu ihrem Mohren ſprach:
Mein Freund, laß dein Geſicht die Maske nicht ver - ſtecken,
Jch glaub, ich kenne dich, du kanſt dich mir entdecken. Er236Verwandlungen.
Er nimmt die Larve ſchon, da noch die Schoͤne ſpricht,
Von dem Geſicht herab, und zeigt ſein wahr Geſicht.
Doch Zephis tritt indem mit goͤttergleichem Schimmer,
Mit drohendem Geſicht, als Zephis in das Zimmer.
Selinde flieht erblaßt; der Mohr will mit entfliehn,
Doch Zephis wirft ſogleich ſein Zauberband auf ihn.
Sein ſchwerer Fuß erſtarrt, und bleibt bezaubert ſtehen;
Er ſieht beſtuͤrzt darnach, und kan den Fuß nicht ſehen;
Der kleine Mund wird ſteif, indem er zierlich ſpricht;
Er wird ein ſchoͤner Klotz, geſchminket im Geſicht,
Ein leerer Haubenſtock; er lacht noch, wie er lachte,
Wenn ihn ſonſt ſein Geſicht mit ſich zufrieden machte.
Die Violine ſchweigt; es ſtirbt der Lichter Glanz;
Der ganze Boden bebt vom wilden deutſchen Tanz;
Es ſiegt der volle Tag mit koͤniglichem Strale;Habit237Drittes Buch.
Habit und Domino rauſcht aus dem langen Saale.
Doch faſt verwirrt ſich ietzt die zitternde Natur.
Es brauſt der Kutſcher Fluch, der Saͤnftentraͤger Schwur;
Und was zu Fuß iſt, flieh[t]durchs Chaos der Caroſſen,
Vor Eſeln an der Saͤnft, und ungeduldgen Roſſen.
Die Maske wurde nun vergeſſen abgelegt;
Thee loͤſcht das Feuer aus, das Lieb und Tanz erregt;
Die junge ſchoͤne Welt eilt, ſich zur Ruh zu legen,
Und gaͤhnt mit mattem Blick der Morgenſonn entgegen.
Selinde ſchloß bereits die holden Augen zu,
Als Zephis ihr erſchien in ihrer ſanften Ruh.
Er trat durch Morpheus Gunſt vor ſeiner Schoͤne Seele,
Und ſprach alſo zu ihr aus einer ſuͤßen Kehle:
O Schoͤne, werde nicht vor einem Sylphen roth,
Der deiner Sicherheit im tiefen Schlaf nicht droht,Jch238Verwandlungen.
Jch bin der Pudergott, ein Oberſter der Sylphen;
Begluͤckt, wenn Stand und Macht auch froh zu ma - chen huͤlfen!
O Schoͤne, nur durch dich ſuch ich Unſterblichkeit;
Sonſt haß ich einen Stand, der ewgen Unmuth draͤut.
Willſt du mich ewig fliehn? und nie ein Herz begluͤ - cken,
Das ganz verlohren iſt in Lieb und in Entzuͤcken,
Sobald ich dich nur ſeh? Wer kniet vor dir nicht gern?
Doch, Schoͤne, haſſe ſtets den ſchalen jungen Herrn,
Der ſich allein nur liebt; von euch Trophaͤen ſammelt;
Euch lauter Luͤgen ſeufzt, und Prahlereyen ſtammelt.
Wie treu verehr ich dich! Wer hat dich ſo verehrt?
Und giebt mir das bey dir nicht einen neuen Werth,
Daß ich herab mich ließ aus hoher Geiſter Sphaͤre,
Als Sylphin dich zu ſehn, der Oberwelt zur Ehre?
Wie kan dein ſproͤdes Herz ſo wankelmuͤthig ſeyn! Wie239Drittes Buch.
Wie leicht nimmt es ein Hut mit einer Feder ein!
Wer ſollte nicht dein Herz fuͤr weich und zaͤrtlich halten,
Und dennoch liebſt du nichts als Kleider und Geſtal - ten
Er ſprach noch; als er merkt, daß er nicht gluͤck - lich ſpricht,
Ein bittrer Unmuth deckt Selindens blaß Geſicht;
Und der erſchrockne Geiſt ſieht ihren Stolz beleidigt,
Und durch Empfindlichkeit ihr Herz vor ihm verthei - digt.
Sogleich verſchwindet er; ſetzt ſich zum Nachttiſch hin,
Und mancher Anſchlag irrt durch ſeinen ſchlauen Sinn.
Auf einmal findet er zu groͤßerm Misvergnuͤgen
Ein zaͤrtliches Gedicht auf ihrem Nachttiſch liegen.
Sein Blick verſchlinget es; und kein verliebtes Flehn
War, nach des Geiſtes Sinn, ſo zaͤrtlich, und ſo ſchoͤn.
Wie? (ſprach er,) findet man mit den gereimten Kla - gen
Den Weg zu ihrer Gunſt? Auch dieſes will ich wagen! Und240Verwandlungen.
Und alſobald eilt er, von neuer Hofnung voll,
Sperontens Wohnung zu, der ſiegen helfen ſoll.
Nachdem er die Geſtalt von Stutzern angenommen,
So eilt er in das Sieb, die Verſe zu bekommen.
Vertraut mit Sonn und Mond, fuͤnf Treppen unterm Dach
Verkroch im Winkel ſich ein ſchmuziges Gemach.
Hier wohnte der Poet in Freundſchaft mit den Ratten,
Die ſeit geraumer Zeit hier ihre Hauptſtadt hatten.
Die Katzen gaben ſich ſehr oft hier Rendezvous;
Und Eulen ſangen ihm die angenehme Ruh.
Jndeſſen ſchlief Speront in einem harten Bette
So ſanft, als ob er Sammt zu ſeinem Lager haͤtte.
Der Pudergott kam an, und zitterte zuruͤck,
Und die Verwundrung ſprach aus dem erſtaunten Blick.
Als Geiſt, ſah er ein Heer von ſeltſamen Geſtalten,Die241Drittes Buch.
Die, den Jnſekten gleich, in Schaaren um ihn wallten.
Zuerſt bewillkommt ihn ein langes Madrigal;
Ein Quotlibet kuͤßt ihm den Rock unzaͤhligmal;
Und aus dem Winkel kam ein blaſſes Leichenkarmen,
Das bat, ſich ſeiner Noth in Gnaden zu erbarmen.
Ach! (ſeufzt es) Herr Baron, wenn kommt die guͤldne Zeit,
Daß mich ein Kaͤufer auch aus meiner Quaal befreyt!
Mein Titel faͤngt ſchon an fuͤr Alter zu verweſen!
Jch liege Jahre hier, und niemand will mich leſen.
Hierauf trat ein Sonnet mit hohem Schritt heran,
Und ſah den Pudergott mit ſtolzen Augen an;
Sein wildes Antlitz ſchien verbrannt von Welſcher Hitze;
An ſeiner Seiten hieng ein Degen ohne Spitze.
Jndem brauſt, wie ein Sturm, ihm etwas durch das Haar,
Und Zephis ſah ſogleich, daß es die Ode war.
Sie kam, ſo wie ſie ſprach, vom Sternenpol zuruͤcke,QSang242Verwandlungen.
Sang von der Bomben Knall, und von dem Dampf der Stuͤcke.
Viel Reime lagen hier mit Laͤrm und mit Geſchrey,
Einander laͤngſt zur Laſt, in ewger Schlaͤgerey.
Jndem hier Noth und Tod im blutgen Kampfe waren,
So hatte Jugend dort die Tugend bey den Haaren.
Der Hunger trug allhier Sperontens Liverey;
Und eine Nymphe trat ſehr dick geſchminkt herbey,
Die ſich Unſterblichkeit mit hohen Mienen nannte,
Doch welche Zephis bald fuͤr eine Magd erkannte.
Nachdem der Pudergott den Reimer aufgeweckt,
Und in Geſchwindigkeit ihm ſeine Noth entdeckt;
So wirft Speront ſogleich den Schlafrock um die Len - den,
Fliegt zu dem Dintenfaß und zaubert mit den Haͤnden.
Die Reime nahten ſich mit abgemeßnem Schritt;
Die Liebe trat einher, und fuͤhrte Triebe mit;
Die liebe Sonne kam, die Wonne mit ſich brachte. Und243Drittes Buch.
Und Augen nahten ſich, die Liebe ſaugen machte.
Nachdem der Gratulant ſie alle wohl gepaart,
Und vor Gedanken ſie mit großem Fleiß verwahrt:
Und da der Pudergott, mit aller Kunſt zu leben,
An die Unſterblichkeit zween Gulden hin gegeben;
So uͤberreicht Speront ihm zierlich das Gedicht.
Der Gott des Puders lieſt; doch wie erſtaunt er nicht,
Da er nur Unſinn ſieht! Er ſprach mit bittrem Lachen:
Mein Herr! ſie werden mir ein ander Carmen machen,
Das taugt den Teufel nicht Speront ſpringt auf, und ſchaͤumt,
Und ſprach: Mein guter Herr, ich habe rein gereimt.
Gedanken ſind nicht mehr in unſern Zeiten Mode,
Jm uͤbrigen iſt dies ein Meiſterſtuͤck der Ode.
Doch Zephis warf erzuͤrnt das Carmen ins Gemach.
Dem Gratulant verdroß die angethane Schmach;
Er fiel ihn grimmig an; ſein Fall war ſchon beſtim - met;Q 2Das244Verwandlungen.
Das Band beruͤhret ihn, und Zephis ſprach ergrimmet:
Elender, zittre nur vor meiner Zauberkunſt;
Sogleich verwandle dich in einen leichten Dunſt!
Du wollteſt doch ſo gern dich von der Erd entfernen,
So geh und werde dann die Schnuppe von den Ster - nen.
Du ſollſt in kuͤhler Nacht mit wandelbarem Schein,
So wie du dir gewuͤnſcht, den Sternen aͤhnlich ſeyn:
Du wirſt dich voller Stolz in hoher Luft befinden,
Die ganze Welt verſchmaͤhn, und endlich dich entzuͤn - den;
Das Feuer, welches dir die Kraft zu ſteigen gab,
Das ſtuͤrze dich ſodann auch zum Moraſt herab.
Jch aͤndre nie den Geiſt zugleich mit den Geſtalten,
Du ſollſt die Eigenſchaft, die du gehabt, behalten:
Die Dichterwelt ſoll ſehn, daß du, und wer dir gleicht,
Die Stern erreichen will, und nimmer ſie erreicht.
Er ſagt es; und Speront ſtuͤrzt alſobald zur Er - den. Von245Drittes Buch.
Von Schrecken halb entſeelt, ſieht er ſich fluͤßig werden.
Sein Seelenloſes Haupt zerrinnt im Augenblick;
Allein die rechte Hand zieht ſtoͤrriſch ſich zuruͤck.
Durch vieles Schreiben hart, will ſie ſich nicht ver - wandeln,
Und ſucht, eh ſie zergeht, noch etwas abzuhandeln.
Jhm war die rechte Hand an des Verſtandes Statt;
Und ohne Kopf und Witz beſchrieb ſie manches Blatt.
Doch endlich, da bereits der ganze Leib zerrinnet,
Ward ſie, wie Gallerte, auch nach und nach verduͤnnet;
Und Phoͤbus zog ſogleich, als einen leichten Duft,
Durch ſeinen heißen Stral den Dichter in die Luft.
Er folgt den Stralen nach, und wartet mit Verlangen,
Bis in der kuͤhlen Luft der Sonne Gluth vergangen.
Wenn er zufrieden dann noch in Gedanken reimt,
Und von Unſterblichkeit am Sternenhimmel traͤumt;
So ſehn wir ihn als Dunſt ſich augenblicks entzuͤnden,Q 3Und246Verwandlungen.
Und auch im Augenblick aus ſeiner Hoͤh verſchwinden.
Verdrießlich und erzuͤrnt auf ſich und das Geſchick,
Eilt in Selindens Haus des Geiſtes Flug zuruͤck.
Jn ihrem Vorgemach ſieht er beſtuͤrzt Nerinen
Mit einem Diener ſtehn von angenehmen Mienen.
Ja (ſprach ſie) Herr Johann, (und ſteckte ſchnell was ein,)
Hier hat er meine Hand, ſein Herr ſoll gluͤcklich ſeyn.
Jch werde ſeinen Brief ſchon zu beſtellen wiſſen,
Und heute noch ſoll er die Hand Selinden kuͤſſen.
Johann kuͤßt ihr dafuͤr die Hand, ſo weiß wie Schnee,
Und hieß ſie Madmeſell, und nahm verliebt Adje.
Der Geiſt ſieht es erſtaunt. Wozu bin ich ver - dammet! (Sprach er mit einem Blick, von Eiferſucht entflam - met.)
Gebraucht ich auch ſogar Armindens Zauberſtab;
So naͤhme nicht die Schaar der Nebenbuhler ab.
Will mit Selinden nun ihr Kammermaͤdchen handeln? Bey -247Drittes Buch.
Beynah verdrießt es mich, beſtaͤndig zu verwandeln,
Doch, Zephis, raͤche dich, ſo lange noch die Kraft
Von deinem Bande waͤhrt; und nichts bleib ungeſtraft.
Er naht Nerinen ſich mit zornigen Geberden,
Und ſprach: Du ſollſt ſogleich zu einem Faͤcher werden.
Er ſagts, als alſobald Nerinens Armenpaar,
Das ihn noch bitten will, ſtarr Elfenbein ſchon war.
Jhr ganzer Leib verſchwand; doch ſah man von Neri - nen
Den Trieb, als Faͤcher auch, Selinden noch zu diene〈…〉〈…〉.
Als Maͤdchen ſagte ſie ihr Stutzerſeufzer vor;
Als Faͤcher weht ſie ihr auch Seufzer vor ihr Ohr.
Selinden pflegte ſie die Stunden zu vertreiben;
Als Faͤcher muß ſie auch ihr Zeitvertreiber bleiben.
Der Pudergott folgt nun des Dieners Schritten nach,
Und haͤlt ihn grimmig an vor ſeines Herrn Gemach.
Steh ſtill, galanter Herr, (ſprach, er mit bitterm Spot - te,) Q 4Und248Verwandlungen. Drittes Buch.
Und nimm auf den Befehl von einem maͤchtgen Gotte
Ein neues Weſen an; zerfließe zu Papier;
Verlaß die Liverey, und werd ein Cavalier.
Wie freuet ſich Johann, da er ſogleich zerrinnet,
Und zierlich die Geſtalt von einem Herrn gewinnet.
Er ſieht ſich niedlich klein; und war zwar eigentlich
Nur ein papierner Herr, doch der den andern glich
Nach Anſehn, Tracht und Haar. Er lag hier kaum zwo Stunden,
So ward er als Papier von ſeinem Herrn gefunden.
Der Flattergeiſt Narciß nimmt alſobald ihn auf;
Schreibt einen Liebesbrief an ſeine Schoͤne drauf,
Und ſchickt ihn voller Witz, und Wortſpiel an Selinden.
Hier ließ das Schickſal ihn Nerinen wieder finden.
Und ob die Mutter gleich ſcharfſichtig bey ihr ſtand;
So ſpielt der Faͤcher doch ihn in Selindens Hand.
Ver -[249]

Verwandlungen.

Viertes Buch.Verwandlungen. Viertes Buch.

[250]251
Der Abend faͤhrt daher, und ſchuͤttet Balſamduͤfte,
Von Roſen und Jeſmin, in die gekuͤhlten Luͤſte.
Selinde wandelte verdrießlich und allein
Den langen Garten durch; der Mond ſtreut ſeinen Schein
Gefaͤllig um ſie her; ſie ſchien worauf zu warten.
Vergebens laͤchelt ihr, im angenehmen Garten,
Die bluͤhende Natur Zufriedenheit und Ruh,
Vergebens duften ihr Orangen Freude zu;
Sie weis nicht, was ſie will. Auf einmal wird ſie heiter;
Es nahet ſich von fern in ſtolzer Tracht der Reuter
Der wilde Degenfeld, ein junger Officier,
Jm Feld und im Gemach ein rauher Cuͤraſſier. Der252Verwandlungen.
Der Pudergott erſchrickt; Geheime Seufzer ſtiegen
Wild in Selindens Blick. Der Ritter ſchien zu fliegen,
Da er ein Maͤdchen ſah; doch Zephis wartet nicht,
Bis er ihr naͤher koͤmmt, und ſein Verlangen ſpricht.
Ein Pudernebel fließt weitwallend um Selinden;
Sie ſchien dem Officier auf einmal zu verſchwinden,
Und Zephis leitet ihn zu ſeinem Untergang,
Mit einem Luftphantom, in einen dunklen Gang.
Wie weislich that er das! Denn ſchoͤn geputzte Krieger
Sind oft nur gar zu leicht der ſproͤden Herzen Sieger.
Jndem der Ritter ietzt Selinden kuͤſſen will,
So ſteht er ſtarr und ſtumm vor Zephis Glanze ſtill,
Der alſo zu ihm ſprach: Verwandle deine Glieder,
Und reite durch die Luft auf brummendem Gefieder.
Es ſchloß dein tapfres Herz ein blanker Cuͤraß ein;Auch253Viertes Buch.
Auch noch als Schroͤter
*)Eine Art von großen Kaͤſern mit Hoͤrnern, und ei - nem Harniſch uͤber den Ruͤcken.
*) ſoll dein Kleid ein Harniſch ſeyn.
Du ſtandeſt Stundenlang entzuͤckt vor deinem Spiegel;
Den Spiegel geb ich dir auch unter deine Fluͤgel.
Du pralteſt hohen Muth, und bebteſt doch im Streit;
Brumm ietzt auch fuͤrchterlich, und thue keinem Leid.
Er ſagts; der Schroͤter ſchnurrt mit ſummendem Getoͤne
Leerpralend in die Luft, und ſchoß auf ſeine Schoͤne
Mit lauten Fluͤgeln zu. Selinde flieht, und ſchreyt,
Und eilt zum Saal zuruͤck aus banger Einſamkeit.
Kaum trat ſie ins Gemach mit artgen Reverenzen,
So laͤßt Narciß ihr ſchon ſein Kleid entgegen glaͤnzen.
Mon Ange, (fieng er an) wie finden ſie dies Kleid?
Der Teufel hole mich! die Taille ſitzt geſcheut!
Mir hat es geſtern erſt mein Schneider zugeſendet;Und254Verwandlungen.
Und ſacre bleu! der Gout iſt recht daran verſchwendet!
Doch auch in ganz Paris verſteht niemand die Pracht
So, wie der Teufelskerl, der dieſen Rock gemacht.
Er ſagts; der Pudergott ſieht kaum die erſten Zuͤge
Jn ſeiner Schoͤne Blick von dieſes Stutzers Siege,
So ruͤhrt er ſtill ihn an; Narciß verliert ſein Kleid,
Und wird ein Schmetterling, mit Puder uͤberſtreut.
Die Aſſamblee erſtaunt, daß er ſo ſchnell verſchwunden;
Die Augen ſuchen ihn, Narciß wird nicht gefunden.
Der neue Schmetterling fliegt flatternd durchs Gemach.
Er reizt Selinden an; die Schoͤne geht ihm nach;
Sie laͤuft um ihn herum, und ſuchet ihn zu fangen;
Doch Zephis ſtand ihm bey, die Freyheit zu erlangen,
Und ſtieß ein Fenſter auf; der Schmetterling entflieht,
Und freut ſich, daß er ſich ſo bunt an Farben ſieht. Er255Viertes Buch.
Er ließ als Schmetterling die leichte Seele wandern,
Und buhlt im Blumenbeet von einer zu der andern.
Gepudert, flatterhaft, war er nicht da ſo ſehr,
Auch noch im Schmetterling, ein Stutzer als vorher?
Nun zweifelt Zephis faſt, Selinden zu beſiegen,
Und eilt Arminden zu, voll Gram und Mißvergnuͤgen.
O Goͤttin, (fieng er an,) was nuͤtzet mir dies Band.
Bey einer Sproͤden Stolz? Bey einem Widerſtand,
Der unbegreiflich iſt? Mit einem ſchlechten Gluͤcke
Koͤmmt von der Oberwelt der Pudergott zuruͤcke.
Selinde hat kein Herz, das treue Seufzer hoͤrt,
Und die Coquetterie hat es zu ſehr bethoͤrt.
Nach meiner beſten Liſt hab ich bisher gehandelt,
Ein ganzes Stutzerheer hat dieſes Band verwandelt;
Doch ganze Schaaren ſind noch uͤbrig, mir zur Pein,Und256Verwandlungen.
Und koͤnnen ietzt vielleicht ſchon Nebenbuhler ſeyn.
O Goͤttin, ſage mir, wie kan mein Herz ſich retten?
Wie ſchimpflich ſind fuͤr mich der ſtolzen Schoͤne Ket - ten;
Und dennoch lieb ich ſie. Jſt keine Zauberkraft,
Arminde, die das Herz der Stolzen mir verſchaft?
Er ſchwieg. Die Goͤttin ſprach: Mich ruͤhren deine Schmerzen,
Doch meine Zauberkraft verwandelt nicht die Herzen.
Den Stutzer macht auch noch im Schmetterling der Rock;
Der Dummkopf bleibet dumm auch noch im Hauben - ſtock.
Doch, Geiſt, warum brauchſt du nicht die Erfahrung beſſer?
Warum zeigſt du dich nicht noch praͤchtiger und groͤßer,
Als ſelbſt ein Balamir? Ein Hut, ein guͤldnes Kleid
Erobert oft ein Herz voll Stolz und Sproͤdigkeit.
Auf! ſey ein junger Herr. Der Anſchlag iſt der beſte.
Selinde liebt nichts mehr, als eine neue Weſte;Drum257Viertes Buch.
Drum hole von Paris die allerneuſte Tracht,
Die oft mehr, als Verdienſt, Eroberungen macht.
Sie ſagts; der Pudergott dankt ihr mit Reveren - zen,
Verlaͤßt Armindens Hof, und eilt aus Deutſchlands Graͤnzen.
Es herrſchte dazumal im ſchoͤpfriſchen Paris
Ein Schneider, deſſen Lob im Norden Fama blies.
Den deutſchen jungen Herrn formirte nur la Motte;
Und jeden Tag ſchuf er, gleich einem maͤchtgen Gotte,
So wie ſein Einfall war, bald einen langen Schooß,
Und bald die Taille kurz, und bald den Ermel groß.
Jn ſeiner Werkſtatt war, Witz und Verſtand, zu haben;
Der junge Herr empfieng durch ſeinen Schnitt die Ga - ben,
Die er durch Buͤcher nicht, durch Weisheit nicht be - kam,
Und die la Motte leicht aus Kaufmannslaͤden nahm.
Nachdem der Pudergott, gleich unſern deutſchen Affen,RSich258Verwandlungen.
Sich ein Baronsgeſicht, und reiches Kleid, geſchaffen,
So trat er ins Gemach. La Motte ſah ihn nicht,
Er war in ſich gekehrt; mit kluͤgelndem Geſicht
Wollt er die letzte Hand an einen Marquis legen.
Manch fremder Anblick ſchoß dem Pudergott entgegen;
Vor dem, der manchem Amt das Kleid und Anſehn gab,
Nahm er den Federhut mit tiefer Ehrfurcht ab.
Hier hieng ein deutſcher Graf mit Silber galoniret,
Und dort lag ein Abbe, doch noch nicht ganz vollfuͤhret;
Auf dem Geſandten hieng ſein kluͤgrer Sekretaͤr;
Und bey dem Juden lag ein Rechnungskommiſſaͤr.
Wie man im Todtenreich die Titel nicht mehr kennet,
Und nicht mehr gnaͤdger Herr den Schneppenjaͤger nen - net;
Der Koͤnig und der Sklav, der Musketier und Held,
Gehn ohne Rang, vermiſcht in ſchwarzer Unterwelt:So259Viertes Buch.
So lagen hier vermengt Baronen und Lackeyen,
Und manchen Gallarock umringten Livereyen.
Der Pudergott wagt es, la Motten ſich zu nahn;
Und alſo redet er den ſtolzen Schneider an:
Du unumſchraͤnkter Herr der Laͤngen und der Breiten,
Vom Ermel und vom Schooß; Beſtimmer wahrer Weiten
So wohl vom Domherrnrock, als Parlamentsherrn - bauch;
Der du gebiethriſch ſprichſt, dies ſey Mod und Gebrauch;
Den neuen Pair erhebſt, und unter deiner Scheere
Dem Richter Klugheit giebſt, und manchem Schelmen Ehre:
La Motte gieb auch mir Verſtand und Artigkeit,
Und mache mit Geſchmack mir ein beſetztes Kleid.
Dies ſagt der Pudergott. Der Schneider ſpricht nicht lange;
Von einem Strick reißt er Papier, gleich einer Schlan - ge,
Und nimmt geſchickt das Maaß zu einer ſeltnen Tracht;R 2Die260Verwandlungen.
Die große Scheere klingt, ſo oft er Zeichen macht.
Er nahm Stof, Seid, und Garn, und Futter, Lahn, und Treſſen,
Und acht Geſellen ward die Arbeit zugemeſſen.
Acht Nadeln flogen ſchnell mit manchem fluͤchtgen Stich;
Es ziſchet Seid und Garn, und alles ordnet ſich.
Arminde fluͤgelte unſichtbar ihre Waffen,
Und nach zwo Stunden war das ganze Kleid geſchaf - fen.
Nachdem der Pudergott ſehr deutſch und gut bezahlt,
So nimmt er ſein Gewand, von Treſſen uͤberſtralt,
Und koͤmmt vergnuͤgt zuruͤck. Er geht oft durch die Gaſſen;
Selinden und der Stadt ſein Staatskleid ſehn zu laſſen.
Der Morgen großer Welt trat aus dem ſpaͤten Thor;
Selinde ruhte noch. Jhr Schutzgeiſt Matador
Hebt ſich vom Haubenſtock mit Regenbogenſchwingen,
Und hoͤrt das Porcellan zu ſeinem Schrecken klingen. Wie261Viertes Buch.
Wie aufmerkſam wird er! Denn Porcellan erklaͤrt,
Nach uns verborgner Art, was Schoͤnen wiederfaͤhrt;
Die Geiſter koͤnnen draus ſo gut die Zukunft lernen,
Als wie Aſtrologi aus weit entlegnen Sternen.
Doch Matador, bemuͤht die Zukunft auszuſpaͤhn,
Kan doch das Ungluͤck ſelbſt im Porcellan nicht fehn.
Betruͤbniß gießet ſich in ſeine blaſſen Mienen;
Er koͤmmt mit dem Geraͤuſch der ſeidenen Gardinen
Bis zu Selindens Ohr, zu der er alſo ſprach:
O Schoͤne, dir droht heut ein ſchweres Ungemach;
Aus Porcellan allein kan ich es nicht erfahren,
Ob dich die Stutzer fliehn, die deine Sklaven waren;
Ob dir ein Sturmwind nur den Lockenbau verwirrt;
Ob dich ein Buͤrger gar als Ehmann kuͤſſen wird;
Ob der Verluſt dich wird von einem Bande ruͤhren;R 3Ob262Verwandlungen.
Ob du beym Lomberſpiel die Freyheit wirſt verlieren;
Ob du im Tanze faͤllſt auf einer Mummerey;
Dies alles weis ich nicht. Doch es ſey, was es ſey,
So laß uns alles fliehn, was boͤſe Zeichen drohen.
O Schoͤne, waͤren wir erſt dieſem Tag entflohen!
Vor Mannsperſonen nimm beſonders dich in Acht;
Flieh deine Sklaven auch, die du verliebt gemacht.
Auch duͤnkt mich, muͤßteſt du dich vor den Geiſtern huͤ - ten;
Doch es geſchieht, was Zeit und Porcellan gebieten.
So ſpricht der holde Geiſt; und legt ſein lau - ſchend Ohr
An ſeiner Schoͤne Bruſt, bedeckt mit zartem Flor.
Er fieng zween Seufzer auf, die aus der Bruſt verirr - ten,
Und alle Muthmaßung, die er gehabt, verwirrten.
Wie, (ſprach er,) ſollte ſie verliebt geworden ſeyn?
Die Liebe nahm bisher ihr kaltes Herz nicht ein. O Schoͤne,263Viertes Buch.
O Schoͤne, wenn du liebſt, ſo beb ich fuͤr Gefahren,
Vor denen deine Ruh auch Geiſter nicht bewahren.
Vielleicht entdecket mir, was eigentlich dir draͤut,
Die kluge Prieſterin verliebter Ewigkeit.
Er ſagts; und eilet fort, bald Paphos zu errei - chen.
Dort hebt ein Tempel ſich aus zarten Myrthenſtraͤu - chen;
Von Liebesbriefen ſind die ſtolzen Waͤnd erbaut,
Die man von fern ſehr feſt, doch nah ſehr loͤchricht ſchaut;
Und die man, wenn die Zeit den ſchlechten Grund verruͤcket,
Mit Memoiren ſtopft, und mit Romanen flicket.
Hier wird die Ewigkeit der Liebenden verehrt,
Die ihre Prieſterin zukuͤnftge Dinge lehrt.
Es ſchwebt hier mancher Eid, und manches Ehverſpre - chen;
Jdyllen gehen hier, und Elegien ſprechen.
Jn einen Faͤcher iſt ein Muͤfchen hier verliebt,R 4Da264Verwandlungen.
Da einem Stutzerſtock ein Band ſich dort ergiebt;
Contuſchen ſiehet man auf Andriennen ſchmaͤhen,
Da ſpitze Maͤdchenſchuh mit ſteifen Stiefeln gehen;
Peruͤcken mengen ſich zu aufgeſchwaͤrztem Haar,
Und bey den Zoͤpfen geht der Pudelkoͤpfe Schaar.
So toll die Moden ſind, ſo ſchmeicheln ſich doch alle
Mit ſteter Ewigkeit; und ſehn ſich ſchnell im Falle.
Jm Tempel ſelber ſteht ein marmorner Altar.
Auf dieſem nahm man ſonſt viel Herzen lodernd wahr,
Von Liebenden, die ſich ſelbſt pflegten zu ermorden;
Der Goͤttin iſt ſonſt oft damit geopfert worden.
Doch ietzo ſcheint der Tod auch den Verliebten ſchwer,
Und lang iſt der Altar von Herzenopfern leer.
So oft indes noch ietzt Verliebte ſich erhoͤren,
So pflegen ſie ſich hier die ewge Treu zu ſchwoͤren. Ein265Viertes Buch.
Ein Ceremoniel! Oft iſt die ewge Treu,
Der erſten Woche Schwur, die Woche drauf vorbey.
Zum Tempel trat der Geiſt mit heiligen Geber - den,
Und warf ſich vor dem Stuhl der Prieſterin zur Er - den.
Auf einmal oͤfnet ſich der Zukunft ſtaͤhlern Thor,
Und eine Stimme rief lautdonnernd: Matador,
Tritt her! was ſieheſt du? Er ſprach: Jch ſeh entzuͤcket
Die ſchoͤnſte Statue, die Gaͤrten je geſchmuͤcket;
Und vor ihr liegt ein Geiſt blaß und verzweiflungsvoll,
Daß er ſein ganzes Gluͤck verlohren haben ſoll.
Auch eine Zauberin, erhitzt von Neid und Grimme
Du haſt genung geſehn, (verſetzt die Donnerſtimme)
Ein fuͤrchterlicher Knall betaͤubt des Geiſtes Ohr,
Und voller Furchtſam[keit]entfliehet Matador.
Der Pudergott indes mit ſeinem neuen KleideR 5War266Verwandlungen.
War das Geſpraͤch der Stadt zu aller Stutzer Neide.
Noch eh der Mittag koͤmmt, ſo flieget Fama ſchon
Durch jedes Stadtquartier, und blaͤſt mit hohem Ton
Den reichen Fremdling aus; wohin er ſich nur wendet
Bewundert ihn der Blick, den ſeine Weſte blendet.
Wie liſtig war der Gott! Er kam mit aller Pracht,
Mit Laͤufer und Lakay, und in der neuſten Tracht.
Er macht Selinden Cour; nichts konnte ſie verwunden.
Doch ietzo ſiegt der Rock; faſt iſt ſie uͤberwunden.
Der Abend nahte ſich bewafnet mit Gefahr.
Schon wallt durch die Allee manch jung verliebtes Paar;
Die Augen fangen an die groͤßte Kunſt zu brauchen;
Der Blick flammt durch die Bruſt, und zarte Herzen rauchen:
Als Zephis an der Hand die ſtolze Schoͤne fuͤhrt,
Und unvermerkt mit ihr im Garten ſich verliert. Die267Viertes Buch.
Die Damen ſchoſſen ſchon viel harte Muthmaßungen,
Geſchaͤrften Pfeilen gleich, von ſuͤßen Laͤſterzungen.
O! daß der Pudergott den nahen Sieg verlohr!
Jm beſten Augenblick war er der groͤßte Thor.
Selinde, die nicht mehr dem Kleide widerſtreben
Und ſeufzen hoͤren kan, fieng an ſich zu ergeben;
Als Zephis thoͤricht gnung ihr ſeinen Stand entdeckt,
Und ihre Zaͤrtlichkeit ſogleich zuruͤcke ſchreckt.
Selinde, (fieng er an,) du ſcheinſt mich nicht zu haſſen;
Jch ſehe dein Geſicht ſanft, freundlich und gelaſſen;
Dein uͤbermuͤthger Blick ſpricht keine Gottheit mehr;
Die zarte Bruſt hebt ſich von ſtillen Seufzern ſchwer;
O Schoͤne, moͤchteſt du doch meine Treu erkennen,
Mit welcher Sterbliche gewiß nie fuͤr dich brennen!
Ein Sylphe kniet vor dir O zittre nicht zuruͤck! Selbſt268Verwandlungen.
Selbſt die Unſterblichkeit iſt ohne dich kein Gluͤck.
Jch ſah und liebte dich, und bin dir oft erſchienen;
Doch keine Zaͤrtlichkeit las ich in deinen Mienen;
Vergebens hat ein Band mit maͤchtger Zauberkraft
Ein ganzes Stutzerheer, das dich geliebt, beſtraft.
Nur deinetwegen that ich dieſe Wunderdinge;
Durch mich ward ein Narciß zum bunten Schmetter - linge;
Zu einem Schroͤter ward der kriegeriſche Held,
Und das Jnſekt iſt noch der Prahler Degenfeld;
Jm Mops hat Balamir an deiner Thuͤr geſcharret;
Und Ronald iſt durch mich zum Haubenſtock erſtarret;
Als Weſt huͤpft Charamund auf bunten Blumen fort
Wie? (fiel Selinde ietzt dem Pudergott ins Wort)
Grauſamer, konteſt du an Menſchen das veruͤben?
Und ich entſchloͤſſe mich, ſolch einen Geiſt zu lieben,Der269Viertes Buch.
Der voller Eiferſucht, durch eines Bandes Macht,
Bald den zum Schmetterling, und den zum Mops - hund macht?
Sie ſagts, und lachte laut, und ſprach mit falſchen Mienen:
Alſo biſt du kein Menſch, ſo wie du mir geſchienen?
Durch maͤchtge Zauberey, und durch ein Goͤtterband,
Veraͤnderſt du Geſtalt, und Anſehn, und Gewand!
So ſuͤße Maͤhrchen kan kein andrer mir erzaͤhlen.
Doch, großer Zauberer, willſt du dies Band verhehlen,
Und deine maͤchtge Kunſt? Wo iſt dies Zauber - band?
Nur einen Augenblick vertrau es meiner Hand.
Sie ſagt es; und faͤngt an falſchruhig ſich zu faͤ - cheln;
Der halbverwirrte Geiſt ſieht ſie ſatyriſch laͤcheln;
Wenn iſt die Liebe klug? Der Pudergott, zerſtreut,
Giebt ihr das Zauberband aus Unvorſichtigkeit.
Das Band beruͤhret ſie; ſie ſtarrt mit ſchnellen HaͤndenVer -270Verwandlungen.
Verſucht der Pudergott das Ungluͤck abzuwenden;
Allein es war geſchehn! Jhr rauſchendes Gewand
Vergieng, und halb floß es verſteinert in den Sand;
Sie ward zur Statue vor Zephis ſtarren Blicken,
Den ſo viel Reizungen auch noch im Stein entzuͤcken.
Jm Marmor noch blieb ſie die praͤchtigſte Geſtalt;
Jhr Antlitz laͤchelte mit zaubriſcher Gewalt.
Kein Phidias vermag dem Stein mehr Reiz zu geben,
Die ſtolze Schoͤne ſchien im Marmor noch zu leben.
Der arme Pudergott ſteht, wie vom Blitz geruͤhrt;
Zerreißt das Zauberband, das treulos ihn verfuͤhrt,
Und ſinkt der Statue verzweiflungsvoll zu Fuͤßen.
Auf einmal ſpringt er auf, die ſchoͤne Hand zu kuͤſſen,
Und er kuͤßt kalten Stein. Sein Klagen fuͤllt die Luft,
Und dringt mit Fittigen bis in Armindens Gruft.
Ar -271Viertes Buch.
Arminde ſetzte ſich auf ihren Drachenwagen,
Und folgt dem lauten Ruf verzweiflungsvoller Klagen;
Sie ſieht den Pudergott: Steh auf! (ſprach ſie,) mein Sohn,
Und klage laͤnger nicht in einem ſolchen Ton.
Mit ſtarrem wildem Blick ſieht er zur Erde nie - der.
O Goͤttin, (ruft er aus,) gieb mir Selinden wieder!
Dies kan ich nicht, mein Sohn, (verſetzt Arminde drauf,)
Das, was das Schickſal will, hebt meine Macht nicht auf.
Dies Band verwandelte, doch nie das ganze Weſen;
Die Seelen blieben noch, das, was ſie ſonſt geweſen.
Der Stutzer flattert noch im Schmetterling herum,
Und Ronald iſt auch noch im Haubenſtocke dumm.
Ein Charamund buhlt noch ſo gut, wie ſonſt, im Winde;
Selinde bleibet auch im Marmor noch Selinde.
Die Schoͤne, welche ſtolz, und ſchoͤn und fuͤhllos war,Stellt272Verwandlungen. Viertes Buch.
Stellt die Verwandlung auch ſtolz, ſchoͤn und fuͤhllos dar.
So ſprach die Zauberin, und nahm auf ihren Wagen
Den blaſſen Pudergott, und ſtillte ſeine Klagen;
Sie eilt Kiefhauſen zu; und er ſah oft zuruͤck
Nach ſeiner Statue mit wehmuthsvollem Blick.
Die neue Statue verherrlichte den Garten,
Und ſchien auch noch im Stein Bewundrung zu er - warten.
Sie freut ſich, daß ſie noch ſo ſehr, wie ſonſt, gefaͤllt;
Die Kenner ſahen ſie; ihr Ruhm drang durch die Welt.

Ende der Verwandlungen.

Der[273]

Der Phaeton. Ein ſcherzhaftes Heldengedicht.

Erſter Geſang.Der Phaeton. Erſter Geſang.

S[274][275]
[figure]
Singe, Muſe, den Unfall von einer verwegenen Graͤfin,
Die es gewagt, neptuniſche Roſſe mit maͤnnlichem Muthe
Zu regieren; vom Phaeton aber, ob gleich nicht beſchaͤ - digt,
Jn den See geſtuͤrzt, den ietzt noch ihr Name ver - ewigt.
S 2Die276Der Phaeton
Die du den Dichter beſeelſt, der bald die Schlach - ten der Maͤuſe
Ueber die Erde trompetet; und bald, die Locke Belin - dens,
Unter die Sterne verſetzt; begeiſtre mich, komiſche Muſe;
Oder Du, noch maͤchtger wie ſie, du, meine Seline!
Und der Oberſte Tromm ſaß hoch, im elaſtiſchen Lehn - ſtuhl,
Fuͤhlte die Stalfedern nicht und ſybaritiſchen Polſter;
Hoͤrte nicht des melodiſchen Cimbels harmoniſche Klaͤnge,
Noch den ſuͤßen Geſang von ſeiner Tochter, Diana.
Eine gefuͤrchtete Furie peitſchte, mit Geiſeln von Schlan - gen,
Lange den Alten ſchon; Podagra heißt ihr ſchrecklicher Name.
Seine Fuͤße lagen in Betten, und dicken Verbaͤnden,
Und ein knotichter Stock ward ſinkenden Armen zur Stuͤtze.
Ach! nun dacht er zuruͤck an ſeine gewonnenen Schlach - ten,
Ueber den Roßſchweif der Tuͤrken, und uͤber des Gal - liers Fahnen! Noch277Erſter Geſang.
Noch mehr dacht er zuruͤck an ſeine gewonnenen Schlachten,
Ueber die Maͤdchen der Freude, die holden Braunen und Blonden.
Denn ſie hatien, das wußt er, ſo wie die feurigen Weine,
Seinen Koͤrper verderbt, und Gift in die Fuͤße gejaget.
Zweymal ſchon hatte der Mittag die gelbe Dirne gebraten,
Und den durſtigen Landmann zum friſchen Becher gelo - cket;
Zweymal ſchon drehten umſonſt ſich fett gemaͤſtete Huͤ - ner,
Enten, und langgeſchnaͤbelte Schneppen, und Puter, ums Feuer.
Denn der Oberſte ſchrie fuͤr Schmerz, wie Mars, und zehntauſend,
Und man durfte fuͤr ihn die traurende Tafel nicht de - cken.
Aber als ietzt zum drittenmale der Mittag ſich nahte,
Sprach des Alten Tochter, Diana, zu Hannchen der Zofe:
Nimm die friſcheſten Schwaͤmme, die heute mir Pe - ter, der Kuhhirt,
Aus dem Walde gebracht. Das einzige, welches mein VaterS 3Et -278Der Phaeton
Etwan im Schmerze noch ißt, und hol mir aus mei - ner Commode,
Wo Cornetten und Hemder und Schuͤrzen bey Dutzen - den liegen,
Eine haͤusliche Schuͤrze, und folge mir nach in die Kuͤche,
Denn dem Vater will ich dies Eſſen ſelber bereiten.
Da ſchlug Hannchen voll Schmerz die niedlichen Mar - morhaͤnde
Ueber dem Kopfe zuſammen, und ſprach mit weinen - der Stimme:
Meine ſchoͤne Gebietherin, nur eine feindliche Gottheit
Schaft in deiner verwegenen Bruſt ſo ſtolze Gedanken!
Welche Graͤfin waget ſich wohl zum unterſten Stock - werk
Jn die Kuͤche? ſo tief hinab zum flammenden Feuer,
Welches die Schoͤnheit verderbt, und alle Farbe ver - wuͤſtet?
Wird, der eckle Geruch vom Eingeweide der Enten,
Deine hochadliche Naſe trotz alles Rappee nicht erfuͤllen?
Laß uns, o Schoͤne, doch nicht zu ſchmutzigen Koͤchin - nen finken,Und279Erſter Geſang.
Und vor dem ſchwarzen Geſicht der Kuͤchenjungen er - ſchrecken!
Jſt nicht Brandiß der Koch aus einer fuͤrſtlichen Kuͤche?
Wird er nicht eben ſo gut, als wir, die Schwaͤmme be - reiten?
Alſo ſprach ſie vergebens. Denn, unter den zaͤrt - lichen Klagen,
Hatte die Graͤfin ſich ſchon mit einer Schuͤrze gewafnet;
Und ſie lachte voll Hoheit, und ſprach: Komm, folg - mir, Feige!
Alsbald ſtiegen ſie beyde hinab in der Kuͤche Gewoͤlber,
Gleich dem beherzten Ulyß, und gleich dem frommen Eneas,
Jn die bruͤllende Hoͤlle, voll Gluth, und praſſelnder Flammen.
Warlich! ſchreckliche Bilder! An einen Bratſpieß ge - ſchmiedet,
Drehte der ſchwitzende Cunz, ein andrer Jxion, den Braten.
Karpfen lagen allhier mit aufgeriſſenen Baͤuchen,
Schwammen in eigenem Blut, und ſchnappten nach eignen Gedaͤrmen.
Kochender Eßig wird bald wild uͤber die Floßfedern ſtroͤmen,S 4Und280Der Phaeton
Und die glaͤnzende Schuppe mit Himmelsfarbe ſich faͤrben.
Eine gluͤhende Magd ſtreift, mit blutgierigen Faͤuſten,
Einem Haſen das Fell voll Grauſamkeit uͤber die Ohren.
Ach! er wird ſie nicht mehr am blumichten Abhang ſpitzen,
Wird nicht mehr als die Zierde der Rammler im Sprunge ſich zeigen.
Brandiß der Wuͤtrich, und Koch, war dieſer Hoͤlle Be - herrſcher,
Und ward reich und gemaͤſtet durch Marter und Quaa - len der Thiere.
Unrechtmaͤßig war er mit weißen Kleidern geſchmuͤcket,
Denn der Nacht Liverey gebuͤhrte dem Pluto zu tragen.
Eine zackigte Gabel regiert er in grimmigen Handen,
Und im Guͤrtel trug er ein ſcharfes moͤrdriſches Meſſer.
Alles buͤckte ſich tief, als ietzt die himmliſche Schoͤnheit
Sich dem Feuerheerd naht; ſie ruft dem Koch; voll Erſtaunen
Sieht er die Graͤfin vor ſich ſtehn, und ſinkt ihr zu Fuͤßen,Hoͤrt281Erſter Geſang.
Hoͤrt ihr Verlangen hierauf, und kuͤßt ihr zitternd die Schuͤrze.
Alsbald faßt er ſelber mit harten Haͤnden ins Feuer,
Legt die gluͤhenden Braͤnde zurecht, und ſpielt mit den Braͤnden.
Alſo reitet im Feuer ein Waghals auf flammenden Balken,
Waͤrmt ſich am krachendem Haus, und ſenget die gelbe Peruͤcke.
Oder ein kuͤhner Phyſikus faßt die electriſche Stange,
Foͤdert den Donner heraus, und leitet in Funken den Blitz ab.
Wellen von Butter verſchlangen nunmehr die ſpru - delnden Schwaͤmme,
Und es ſtralte voll Gluth der Graͤfin purpurne Wange;
Obgleich Hannchens zitternde Hand mit dem Schnupf - tuch ſie ſchirmte.
Und nun war es vollbracht. Auf einem ſilbernen Teller
Raucht das hohe Gericht, und wartet, verzehret zu werden.
Etwas hatte der nagende Schmerz den Alten verlaſſen,
Und ſein Magen fieng an, nach einem Ragout ſich zu ſehnen;S 5Als282Der Phaeton
Als ſich Diana zu ihm, mit ihrem Pilzengerichte,
Voller Zaͤrtlichkeit naht, und ſo holdſelig ihn anredt:
Theureſter Vater, wie ſehr hat meine Seele gezittert,
Und des Podagra Wuth vor dich gewiß mit gefuͤhlet!
Aber dieſes iſt nun der dritte Mittag, da Brandiß
Seine beſten Kuͤnſte vergeblich verſchwendet, und trauret,
Daß die Schneppe nicht ſchmeckt, und die Paſtete ver - ſchmaͤht wird.
Doch ich hoffe mit Recht, du werdeſt dein Leibgericht eſſen,
Das ich mit eigenen Haͤnden fuͤr dich, mein Vater, bereitet.
Dieſes ſagte ſie. Laͤchelnde Freude verſchoͤnert den Alten,
Und ſein ſilbernes lockigtes Haar umzittert das Haupt ihm.
Zaͤrtlich ſprach er zu ihr: Du haſt es gluͤcklich errathen,
Meine geliebte Diana, was ich zu eſſen gewuͤnſchet;
Und mein Traum wird erfuͤllt, mir hat von Schwaͤm - men getraͤumet. Keine283Erſter Geſang.
Keine Pariſerpaſtete, noch Schneppen und bunte Fo - rellen,
Koͤnten mich in Verſuchung fuͤhren, mit Wolluſt zu eſſen;
Aber Champignons, Champignons! theureſte Tochter, die ich,
Oder ich hieße nicht Hans! Wo ſind ſie? Man decke die Tafel.
Schleunig ſetzten zween Diener, in ihren Roͤcken voll Borden,
Eine Tafel gedeckt, vor den ermunterten Alten;
Und es traten herein, der Jnformator der Graͤfin,
Und die hagre Franzoͤſin, und ſetzten mit ihm ſich zur Tafel.
Ein gehoͤrnter Kapaun ward in der ſilbernen Schaale
Aufgetragen, und badete ſich in der kraͤftigen Suppe;
Von dem eignen Gebeine kraͤftig, ihm ſelbſt nicht ge - nießbar;
Einem Geizhals gleich in ungebrauchtem Vermoͤgen.
Eine Paſtete kam auch von Haſelhuͤnern, und dampfte.
Wolluſt und ſuͤßen Geruch; und ein halbwuͤchſigter Haſe,Bun -284Der Phaeton
Bunter mit Specke geſpickt, als ein Pedante mit Griechiſch.
Auch Forellen hielten den Schwanz in zaͤhnvollen Ra - chen;
Doch bald wird ſie getroſt der Jnſormator vorzehren,
Der ſie mit Fluthen von Wein in ſeinen Magen hinab - ſchwemmt.
Jetzo ſchmeckte mit Luſt der Alte die herrlichen Pilzen,
Und ein gnaͤdiger Beyfall bekroͤnt die Kochkunſt Dia - nens.
Jn dem ſuͤßen Affect beſahl er, zur Freude der Gaͤſte,
Eine Flaſche Tokaler aus ſeinem Keller zu holen.
Als ſie kam, da fuͤllt er ſelbſt die kryſtallenen Glaͤſer,
Trank auf Dianens Geſundheit, und ſprach dem Po - dagra Hohn zu.
Auch der Jnformator goß ietzt, auf der gnaͤdigen Graͤfin
Hohes Wohlſeyn, den theuren Tokaier gewaltig hinunter:
Wie ein Strom im Gebirge, Kunſtwerko zu treiben, hin - abfließt.
Voller Freuden umarmt der Alte noch einmal die Tochter,Sag -285Erſter Geſang.
Sagte: Du haſt mich gelabt; mein Podagra hat mich verlaſſen.
Bitte nun, was du nur willſt, von deinem guͤtigen Vater;
Feyerlich ſchwoͤr ich dir zu, ich halt es, ſo wahr ich Hans Tromm bin.
Dieſes war ſein groͤßeſter Schwur, ſo wie bey den Goͤt - tern
Ehmals der Styx. Die Graͤfin verfaͤrbte beſcheiden die Wangen,
Und ſtand auf, und verneigte ſich tief, und ſprach zu dem Vater:
Wenn du mich liebſt, und deine Diana nicht unwerth der Liebe
Eines Helden ſeyn ſoll, der wider die Tuͤrken geſtritten;
Wenn es wahr iſt, was du mir oft mit Beyfall ver - ſichert,
Daß kein Junge noch je ſo gut zu Pferde geſeſſen;
So erlaube mir, Vater, daß, wenn die morgende Sonne
Meinen Geburtstag beſtralt, ich, ohne maͤnnliche Huͤlſe
Mit dem Phaeton ſahre, mit welchem noch niemand gefahren,
Und in dem Stalle dazu die Pferde mir ſelber erwaͤhle.
Die -286Der Phaeton.
Dieſes ſagte ſie. Traurig zerriß der Alte den Schlafrock,
Und die Franzoͤſin ſchlug ſich vor ihren breternen Buſen.
Kind des Ungluͤcks, was bitteſt du mich! (verſetzte der Alte,)
Konteſt du anders denn nichts, als ſchwarze Gefahren verlangen?
Maͤdchen zu ſeyn, iſt dein Schickſal, du bitteſt nicht, als ein Maͤdchen.
Was du bitteſt, iſt groß, und vor die kindiſchen Jahre
Und die ſchwache weibliche Hand nur allzugefaͤhrlich!
Selber zu fahren, iſt ſchwer. Nur ich allein, und An - dreas
Koͤnnen die Pferde regieren, die du zu lenken vermey - neſt.
Warum wurdeſt du nicht zum wilden Jungen gebohren!
Aber du biſt ganz das Bild von deiner heroiſchen Mutter,
Eine tapfre Serini, die mich ins Schlachtfeld begleitet,
Und durch die wilde raſende Luſt mit Hengſten zu fahren,
Fruͤher ihr Leben verlohr ſoll ich nun dich auch ver - lieren?
Alſo287Erſter Geſang.
Alſo ſprach er; und Thraͤnen floſſen in finſtere Runzeln,
Wie der zerſchmelzende Schnee in braunen Furchen verſieget.
Aber, mein Vater, (erhub die junge Graͤfin die Stimme,)
Warum fuͤrchteſt du dich, da ich mich ſelber nicht fuͤrchte?
Hab ich von Jugend auf nicht auf wilden Pferden geritten,
Auf dem ſpaniſchen Gaul, und auf dem ungriſchen Klepper?
Oder iſt es ſo ſchwer, mit einem Wagen zu fahren?
Bin ich nicht oft auf der Jagd dein kuͤhner Kutſcher geweſen?
Vater, du willſt nur nicht den neuen Phaeton wagen!
O vertraue mir ihn, ich bring ihn ſchadlos zuruͤcke.
Alſo ſprach ſie, und ſchwieg; und ihre bluͤhende Jugend,
Und der Schoͤnheit Gewalt, beſiegen den furchtſamen Vater.
Nun, es ſey dir erlaubt, ich habe geſchworen, und halt es.
Nimm den Phaeton hin, und waͤhle dir ſelber die Pferde,Die288Der Phaeton. Erſter Geſang.
Die am willigſten ſind. Doch weiter ſollſt du nicht fahren,
Als aufs Gut Amalienburg zu deiner Verwandtin.
Alsbald kuͤßt ihm entzuͤckt die junge Heldin die Haͤnde,
Neigt ſich vor ihm, und fliegt davon, um Anſtalt zu machen.
Und vergebens ruft ſie der Jnformator zur Schule,
Und die Franzoͤſin zur Arbeit, ſie eilt, und ſuchet ihr Hannchen.
Der[289]

Der Phaeton.

Zweyter Geſang.Der Phaeton. Zweyter Geſang.

T[290]291
Hannchen! Hannchen! erſcholl der Graͤfin liebliche Stimme;
Hannchen rufte die Wand, und Hannchen rufte das Echo.
Endlich erſchien ſie. Sie hielt in ihren fleißigen Haͤnden
Einen embrioniſchen Strumpf, zur Haͤlfte gebohren,
Deſſen voͤlliges Seyn noch in der Zukunft verhuͤllt lag.
Freue dich! (ſagte die Graͤfin zu ihr) mein guͤtiger Vater
Hat mir erlaubt, mich ſelbſt im neuen Wagen zu fahren.
Morgen will ich im hohen Triumph, mit wiehernden Roſſen,
Meine Couſine beſuchen, und in dem fliegenden Trabe
Wie ein Sturmwind daherziehn, daß von dem don - nernden Rade
Jn den ſchuͤtternden Fenſtern die Scheiben erbeben ſollen.
Mache mir alles zurecht am Amazonenhabite,T 2Und292Der Phaeton.
Und bereite dich ſelber mit mir zur luſtgen Spazierfahrt.
Und die Zoſe ward blaß, ſo daß ihr Strumpf aus der Hand faͤllt,
Und ſie vor Schrecken verſtummt. Hilf Himmel! (ver - ſetzte ſie endlich)
Hoͤr ichs, oder taͤuſcht mich ein Traum? Gleich baͤrti - gen Kutſchern
Willſt du, Graͤfin, dich ſelbſt in einem Phaeton fahren?
Was fuͤr Ungluͤck drohet dir nicht! Jn was vor Ge - fahren
Renneſt du hin! Doch renne hinein! Jch liebe mein Leben,
Und verlange noch nicht, ſo jung mich raͤdern zu laſſen.
Feiges weibliches Herz! (verſetzte die muthige Graͤfin)
Biſt du denn beſſer, als ich? Wer will denn, Thoͤrin, dich raͤdern?
Laß den Sorgen nicht Raum, und nimm zum ſchlechten Geſchenke
Dieſes mohrne Kleid, das ich nur dreymal getragen.
Muth und Freude goß ſich in Hannchens beſtochene Seele.
Von dem Geſchenke der Graͤfin bekehrt, erhebet ſie ſchmeichelnd
Jhren heroiſchen Muth, und ſpricht mit prahlenden Worten:Koͤnnt293Zweyter Geſang.
Koͤnnt ich dich, o Graͤfin, verlaſſen? Mit freudigem Herzen
Geh ich mit dir in jede Gefahr. Schon ſeh ich die Zuͤgel
Jn der ſicheren Hand, du wirſt den Phaeton fuͤhren
Beſſer als wie Andreas ihn fuͤhrt, der muͤrriſche Schnurr - bart.
Alſo ſagt ſie. Diana ſchießt die Treppe hinunter,
Und ihr Achates, ihr Hannchen, mit ihr zum wiehern - dem Stalle.
An der Pſorte des Stalles empfieng ſie der Kutſcher Andreas;
That ſein Pferdemaul auf, und gruͤßte die gnaͤdge Com - teſſe.
Huldreich dankt ihm die Graͤfin mit einem bezaubern - den Laͤcheln,
Und ſie trat in den praͤchtigen Stall, von Hannchen begleitet.
Pferde ſtanden allhier in langgeordneten Reihen,
Die den guͤldenen Hafer aus muſchelfoͤrmigen Krippen
Fraßen; jegliches Roß war von dem andern geſondert,
Und ein Pfeiler von Stein ſprach ſeinen bedeutenden Namen.
Nenne die Namen, o Muſe! Der wilde Centaurus, ein Springer,T 3Leicht294Der Phaeton.
Leicht auf zierlichen Schenkeln, er wiehert der Graͤfin entgegen.
Ein hochmuͤthiger Schimmel, der gern ein Spanier ſeyn will;
Zum Baſtarde ſich wuͤnſcht, und ſeine Herkunft verachtet.
Perle, mit Aepfeln gefleckt, und eine Daͤniſche Stute,
Spitzte muthig das Ohr, und goß vom ſcheckigten Ruͤ - cken
Einen praͤchtigen Schweif herab auf marmornes Pfla - ſter.
Muck, ein ungriſcher Fuchs, prahlt mit verſtuͤmmelten Ohren,
Die ihm die Tuͤrken verſchlitzt, und mit dem Brand - mahl der Feinde.
Neben ihm ſtampfte Farouch, ein jagdgewoͤhnter Pola - cke;
Dampf brauſt aus der hohen gekruͤmmten Naſe. Die Adern
Beißt er oft ſelber ſich auf, und wiehert Begierde zum Jagen.
Dieſe hatten als Sklaven noch nie vor Wagen gezogen,
Und verachteten ſtolz die andern vollen Geſpanne.
Sechſe, von gleicher Geſtalt, mit ſchwarzen Koͤpfen und Maͤhnen,
Waren des Oberſten beſter Zug, und hießen die Moh - ren. Doch295Zweyter Geſang.
Doch zween weiße Hengſte, ſo weiß, wie der blenden - de Schnee iſt,
Waren die Krone des Stalles; von ſpaniſcher Art, und ſo muthig
Wie die Pferde der Sonne; in ihrem ſiebenten Jahre
Waren ſie erſt; man hatte beſtaͤndig zugleich ſie erzogen;
Caſtor hieß einer, und Pollux der andre. Bedeuten - de Namen,
Die dem edlen Paar der erſte Bereiter gegeben.
Dieſen naht ſich Diana. Sie kanten die Stimme der Graͤfin,
Und die ſchmeichelnde Hand, die ihre Ruͤcken geklopfet.
Jhr, großmuͤthige Roße, (ſo ſprach ſie) meine Bekanten,
Meine Lieblinge, lange ſchon hat Diana gewuͤnſchet,
Euer Kutſcher zu ſeyn, und eure Naſen zu lenken.
Dieſer mein Wunſch iſt gewaͤhrt; mein Vater hat mir erlaubet,
Jn dem Phaeton morgen die erſte Spazierfahrt zu machen.
Jch erwaͤhl euch dazu, obgleich die Mohren drob murren,
Und das Purpurgeſchirr, ſo euch wird ſchmuͤcken, benei - den. T 4Viel296Der Phaeton.
Viel zu edel und ſtolz, als daß euch Kutſcher regieren,
Will ich ſelber euch lenken, und durch die Ebene jagen.
Wenn ihr gehorſam ſeyd, und nicht rebelliſch mir durch - geht,
So verſprech ich euch auch, daß ihr zwoͤlf Tage den Hafer
Ohne Heckerling freſſen, und meine Lieblinge ſeyn ſollt.
Alſo Diana. Pollux kuͤßt ihr ſchmeichelnd die Haͤnde,
Und erfreut ſieht Caſtor ſich um, und wiehert ihr Beyfall.
Sie verließ ſie, und ſprach zum alten Kutſcher Andreas:
Schmiere des Phaetons Raͤder, denn mit der morgen - den Sonne
Will ich ſelber mich fahren. Nimm auch die rothen Geſchirre
Und polire die Schnallen und blindgewordenen Puckeln.
Voller Verwunderung ſperrt Andreas, den zaͤhnloſen Mund, auf.
Aber Diana geht fort, und laͤßt ihn in der Erſtaunung
Dumm und gedankenlos ſtehn, und eilt zum Zimmer zuruͤcke.
Jetzo warf ſich die Graͤfin in einen ſammetnen Seſſel,Und297Zweyter Geſang.
Und gab fuͤr den morgenden Putz der Zofe Befehle.
Laß uns, (ſprach ſie zu ihr,) zu dieſem wichtigem Werke
Unſre Gedanken verſammeln, und lege mir alles zurechte.
Und die Zofe gieng hin, und nahm aus einer Commode
Jhr Amazonengewand mit hellem Gruͤne gefaͤrbet.
Schimmernde Schleifen voll Lahn, und dicke goldene Trotteln
Zitterten vorn an der Bruſt, und ſtreuten Stralen ins Auge.
Einen gebiethriſchen Hut mit einer ſchimmernden Feder,
Wie ihn Juͤnglinge tragen, die an dem Ufer der Saale,
Oder der leimigten Leine, die Freyheit der Muſen be - ſchuͤtzen,
Legte die Zofe dazu, der Graͤfin Miene zu heben.
Auch ein maͤnnliches Hemd, mit ausgebognen Man - ſchetten,
Neue Daͤniſche Handſchuh, fuͤr Knabenhaͤnde geſchaffen,
Legt ſie ferner ihr hin, nebſt einer neuen Soubiſe.
Alles billigt die Graͤfin, und waͤhlt das Band zu den Haaren. T 5Per -298Der Phaeton.
Perlenfarbenes Band wird von der Graͤfin gewuͤrdigt,
Zu dem morgenden Tag pechſchwarze Locken zu binden.
Alſo lagen vor ihr unuͤberwindliche Waffen,
Herzen der Maͤnner gefaͤhrlich, und manchem Juͤng - linge toͤdtlich.
Eben ſo lagen vor dir die Waffen, ſtolzer Achilles,
Die dir im heißem Veſuv, der hinkende Schmiedegott ſtaͤhlte,
Dem Trojaner ein Donner, und toͤdlich dem Sohne des Priams.
Noch in Gedanken vertieft von ihrer morgenden Aus - fahrt,
Naht ſich Kahlmann zu ihr, der Jnformator, und ſagte:
Muthige Schoͤne, verzeih dem Groͤßten deiner Verehrer,
Oder, darf ich es wagen, mich mit dem Namen zu nen - nen,
Deinen Lehrer, der ganz in Unterthaͤnigkeit ſtirbet,
Noch ein Wort der Warnung an dich ergehen zu laſſen.
Die Geſchichte ſagt uns von einem verwegenen Juͤngling,
Einem Sohne der Sonne, dem Phaeton, welcher dem Wagen,Den299Zweyter Geſang.
Den du morgen zu ſuͤhren gedenkſt, den Namen gegeben.
Er vertraute zu viel auf ſeine Klugheit und Staͤrke,
Wollte ſo gut, wie Phoͤbus, die Himmelspferde regieren,
Aber ſtuͤrzte herab vom Wagen, und brante die Welt an,
Wie das alles mit mehrerm zu leſen Mein theureſter Kahlmann, (Fiel ihm die Graͤfin ins Wort, und lacht ihm ſaty - riſch ins Antlitz)
Welche Weisheit redet aus dir! Doch hof ich, die Warnung
Kan Dianen nicht treffen; nimm deine Warnung zu - ruͤcke.
Jch bin keine Tochter des Phoͤbus; zu himmliſchen Pferden
Will ich mich nicht verſteigen, ich fahre mit irdiſchen Hengſten,
Und vergeblich iſt es, mir meinen Entſchluß zu beſtreiten.
Kahlmann machte hierauf den ehrerbietigſten Buͤckling,
Daß die Naſe beynah bis auf die Erde geſtoßen.
Doch ein bedeutender Blick flog, da er weggieng, auf Hannchen,
Die er lange ſchon liebte, zwar etwas pedantiſch, doch zaͤrtlich. Hann -300Der Phaeton. Zweyter Geſang.
Hannchen folget ihm nach, fuͤhrt ihn aus Fenſter, und ſagte:
Welch ein verwegner Entſchluß! Die Graͤfin iſt nicht zu bewegen,
Sie beharret voll Eigenſinn drauf, ſich ſelber zu fahren,
Und ich ſoll ſie begleiten! Ach bitte, theurer Geliebter,
Daß kein Ungluͤck uns trift; mein Herz weißaget mir Boͤſes.
Da ergoſſen ſich Stroͤme von Thraͤnen, und Seufzer erſchollen
Jn den hallenden Saal, und Kuͤſſe rauſchten zum Ab - ſchied.
Wie einander umarmend, bey einem ſchleunigen Mar - ſche
An den Ecken der Straßen die Krieger und Maͤgde ſich letzen,
Ewige Treue ſich ſchwoͤren, und harte Faͤuſte ſich druͤcken:
Alſo ſuchten ſich auch die beyden Verliebten zu troͤſten.
Doch die ſilberne Schelle der Graͤfin erklinget; die Zofe
Trocknet die Augen ſich ab, und legt die Lippen in Fal - ten.
Schon hat ihr plumper Amant ſie aus dem Geſichte verlohren
Und geht hin, und vergißt ſie darauf bey der dampfen - den Pfeife.
[301]

Der Phaeton.

Dritter Geſang.Der Phaeton. Dritter Geſang.

[302]303
Fama poſaunet indes mit ihrer Wundertrompete,
Die Partheygaͤnger oft, und Held, und Dichter in Sold nimmt,
Ueber die Gegenden aus: Diana werde ſich ſelber
Mit heroiſchem Muth auf ihrem Phaeton fahren.
Dieſes hoͤrte der Neid, und ziſchte mit allen den Schlan - gen,
Welche ſein trauriges Haupt ſtatt einer Peruͤcke verhuͤl - len.
Jſt denn, (ſprach er,) die Welt zu meiner Plage ver - ſchworen,
Und will alles nunmehr merkwuͤrdge Thaten verrichten?
Von den ſtolzen Koͤnigen an, die ſelber regieren,
Selber Schlachten gewinnen, bis auf des Parnaſſus Jnſecten
Schnaubt ietzt alles nach Ruhm. Wie fruchtbar iſt Deutſchland an Helden,
Und wie fruchtbar an Dichtern, die Jliaden uns drohen! Selbſt304Der Phaeton.
Selbſt das ſchoͤne Geſchlecht iſt halb zu Maͤnnern ge - worden.
Huͤte ſchmuͤcken den Kopf, und Amazonenhabite
Oft zu zerriſſenen Hemdern gehn auf den Doͤrfern in Schaaren.
Daß die Schoͤne zu Wien auf leichten Pferden dahin - fliegt,
Von dem lauten Geſchrey des frohen Volkes begleitet,
Hab ich leider geſehn! doch ſoll ich ſogar noch erleben,
Daß, wie die Helden der Alten die Dame ſelber ſich faͤhret,
Und durch edlen Muth die blendende Schoͤnheit erhebet.
Nein, ich waͤre nicht Neid, wofern ich dies ruhig er - laubte!
Wenigſtens ſoll doch die Fahrt zu einem Trauerſpiel werden!
Schleunig ſchwinget er ſich mit ausgeſpreiteten Fluͤgeln
Ueber die ſchreckliche Hoͤle hinaus, die den Wuͤtrich be - herbergt.
Und die Nacht hieng duͤſter herab vom wolkigten Himmel
Ueber die niedern Huͤtten des eingeſchlafenen Landmanns.
Jetzo giengen, erloͤſt von ihren ehernen Ketten,Lange305Dritter Geſang.
Lange Geſpenſter umher, und machten die Hofhunde bellen.
Mancher ſchreyende Kantz, und mancher wahrſagende Kibitz,
Foderten Leichen vom Dorf; ein ſuͤßer Geſang fuͤr den Cantor,
Welcher voll Aberglauben auf haͤufige Leichen ſich freute.
Auf dem Schloß des Barons, des treuſten Verehrers der Graͤfin,
Sinkt der ruſigte Fittig des wuͤthenden Neides hernie - der.
Hier verwandelt er ſich in einen lachenden Sylphen,
Und erſchien dem Baron mit dieſen guͤldenen Worten:
Wie ſchlaͤfſt du ſo ſanft, du Schoͤnſter der Sterblichen. Anmuth
Schmuͤcket die Wang auch im Schlaf, und Sieg die offene Stirne.
O! wie ſchlank iſt dein Wuchs, und o! wie hohl iſt dein Ruͤcken,
Wenn du zu Pferde dich zeigſt, und wenn du zum Tan - ze hervortritſt.
Du verdieneſt es auch, daß eine Diana dich liebet,
Dieſe Zierde der Gegend, die erſte Blume der Schoͤnheit.
Aber weißt du auch wohl, wozu ſich die Graͤfin ent - ſchloſſen? UMit306Der Phaeton.
Mit den wildeſten Hengſten will ſie im Phaeton fahren,
Selber will ſie ſich fahren, ohn alle maͤnnliche Huͤlfe.
Aber dies heißt dich, Baron, und deine Liebe verachten.
Raubt ſie dadurch nicht dir, und allen Maͤnnern das Vorrecht,
Das geheiligte Recht, allein mit Pferden zu fahren?
Ueberlaͤſſeſt du ihr die Zuͤgel des Caſtor und Pollux,
O ſo biſt du nicht werth, die weiße Feder zu tragen,
Oder den ruͤhmlichen Namen von einem Ritter zu fuͤhren!
Kanſt du gelaſſen es ſehn, daß ſie im Phaeton glaͤnzet;
Selbſt wie Aurora ſich faͤhrt, und Maͤnnerrechte ver - hoͤhnet;
O! ſo kanſt du dich nur, gleich einem Alcides, erniedern,
Und mit Demuth am Rocken von deiner Omphale ſpinnen.
Alſo der Neid; und ließ in ſchweren aͤngſtlichen Traͤumen
Den Verliebten zuruͤck, und flog zu des Oberſten Stalle.
Eben ſchnarchte gernhig der wachehaltende Stallknecht,Und307Dritter Geſang.
Und ietzt kaͤuten die muthigen Roſſe das naͤchtliche Futter.
Hier verwandelt er ſich in den baͤrtigen Kutſcher Andreas,
Und ſprach alſo zum Caſtor, und zum ſchoͤnmaͤhnigten Pollux:
Roſſe, von ſpanſchem Geſchlecht, ihr wißt, daß immer Andreas
Euch geliebt, und euren Stammbaum getreulich bekraͤf - tigt.
Will ſich der Springer wohl ruͤhmen, als ob er mit euch zu vergleichen.
Auch ein Spanier ſey, und eben den Vorzug verdiene,
Den euch der Oberſte giebt, und euch Andreas gegeben?
Niemals hat euch der Knall der rothen Peitſche gezuͤch - tigt;
Niemals hat euch ein brauſender Fluch die Ohren be - leidigt.
Ja, ich darf es wohl ſagen, wir haben als Freunde ge - lebet,
Und ich habe mit euch ſo manche Stunde verſprochen.
Aber, wertheſten Hengſte, wie ſeyd ihr auf einmal gefal - len!
Einem Kinde ſeyd ihr, als Steckenpferde, geſchenket!
Ja, ein Maͤdchen ſoll nun die muthigen Roſſe regieren,U 2Die308Der Phaeton.
Die der Oberſte ſelbſt nicht zu regieren gewaget!
Warlich! zu ſchimpflich fuͤr euch, zu ſchimpflich fuͤr eu - ren Andreas.
Wenn ihr noch Wallachen waͤrt, waͤrt ihr nur ſchlaͤfri - ge Stuten,
Waͤrt ihr etwa niemals auf einer Reitbahn geweſen,
Oder wenn euer Kutſcher nicht Kutſcher zu heißen ver - diente!
Aber wie macht nicht mein waldichter Bart vom Bocke Parade,
Wenn ich mit ſtummen Zeichen, und mit den Augen euch lenke,
Und anſehnlicher bin, als mancher fuͤrſtliche Kutſcher.
Warum will mich denn nun die ſtolze Graͤfin verachten?
Will ſie mehr ſeyn, als ich, der alt bey Pferden gewor - den,
Und ſo manchen gefahren auf allen Naͤthen verguͤldet?
Aber leidet es nicht, ihr meine getreue Gefaͤhrten,
Daß ein Kind euch regiert; denn kan man anders ſie nennen?
Werdet fluͤchtig mit ihr! Sie wird fuͤr Schrecken er - blaſſen,
Und nicht wieder es wagen, mit euch ſpazieren zu fah - ren.
Alſo309Dritter Geſang.
Alſo ſagt er, und ſpritzt von ſeinem verderbendem Gifte,
Ein paar Tropfen ins Futter der ſonſt gehorſamen Hengſte,
Und verſchwand. Der giftige Hafer erhitzet die Roſſe,
Daß ſie wilder, als ſonſt, ſich baͤumen, und ſtampfen und wiehern.
Aber von ſchwarzen Traͤumen gequaͤlt, verließ ſchon der Freyherr
Sein damaſtenes Lager noch vor dem Anbruch des Morgens.
Dreymal pfiff er auf Petern mit einer durchdringen - den Pfeife,
Daß das einſame Schloß in allen Winkeln es hoͤrte;
Daß die Fenſter erklungen, und alle Jagdhunde bellten,
Und ein raͤubriſcher Marder, geſchreckt vom ſchmettern - den Schalle,
Ohne die Huͤhner zu ſchmecken, auf halbem Wege ſich um - wand.
Peter erſchien. Gleich ſattle mein Roß (befahl ihm der Juͤngling,)
Mit dem Anbruch des Tags will ich zum Oberſten jagen.
Da er beſchaͤftiget war, in groͤßter Eil ſich zu putzen,
Und ſchon am geſtiefelten Fuß der ſilberne Sporn klirrt;
Trat die Tante herein. Schon eine betagte Matrone,U 3Liebte310Der Phaeton. Dritter Geſang.
Liebte ſie zaͤrtlich den jungen Baron, wie Muͤtter nur lieben.
Von der ſchrecklichen Pfeife geweckt, verließ ſie das Lager,
Sah den Freyherrn geſtiefelt, und ſprach: mein Fritz, mein Geliebter,
Sage! wohin ſo fruͤh? Zur Graͤfin Diana, verſetzt er.
Wie? (ruft aͤngſtlich die Tante,) noch eh am oͤſtlichem Himmel
Sich das Morgenroth zeigt, willſt du zu Pferde dich ſe - tzen?
Wenigſtens hof ich, mein Sohn, du wirſt mit dem Trank der Levante
Dich verwahren! Dies that dein ſeliger Vater! Er ritt nicht
Ohne Caffee getrunken zu haben. Die Nebel ſind ietzt noch
Giftig. Haſt du auch Luſt, mein Sohn, zu gluͤhen - dem Weine?
Willſt du Choklate? Befiehl! Sie ſoll den Augenblick da ſtehn.
Aber der Juͤngling verbat voll Ungeduld alles; und eilet
Von der Tante die Stufen hinab. Er ſchwingt ſich zu Pferde,
Jagt von dannen, und Wolken von Staub verhuͤllen den Juͤngling.
Heiße Thraͤnen vergießt die klagenreiche Matrone,
Und ihr thraͤnender Blick folgt ihm noch lange von fern nach.
[311]

Der Phaeton.

Vierter Geſang.Der Phaeton. Vierter Geſang.

[312]313
Und ſchon zog mit roſichter Hand Aurora den Vorhang
Daͤmmernder Wolken hinweg von wieder erwachenden Fluren.
Duftend und glaͤnzend trat ſie daher, und troͤpfelte Perlen
Auf die Erde. Die Sterne verſchwanden; die ſchim - mernden Schaaren
Treibet Lucifer fort, und geht aus dem Himmel der Letzte.
Tief im erwachenden Dorf ſtand ietzt hochtoͤnend der Kuhhirt,
Und erweckte die Dirne mit einer erſchrecklichen Peitſche.
Schwarz und ſcheckigt, und roth, gieng ietzt die bloͤcken - de Heerde
Nach dem Stoppelfeld zu, und von harmoniſchen Schellen
Schallten die Thaͤler, der winkende Hain, die glaͤnzen - den Huͤgel;
Als der Kutſcher Andreas ſich in das Wagenhaus machte,
Und die Huͤlle vom Phaeton nahm; mit herkuliſchen KraͤftenU 5An314Der Phaeton.
An die Deichſel ſich ſtellt, und ihn allein auf den Hof faͤhrt.
Und er ſtand in der Mitte des Hofs. Mit guͤlde - nem Schnitzwerk
War er geziert; ein Wunder der Welt. Aurora ward neidiſch,
Daß ihr veralteter Wagen nicht dieſem Phaeton gleich kam.
Ganz im barockſchem Geſchmack war er vom Kuͤnſtler geſchaffen.
Eine verguͤldete Muſchel formirte den Kaſten; und hinten
Ragt aus der Muſchel ein Mohr, mit einem ſilbernen Turban,
Welcher einen Sonnenſchirm hielt, mit Drotteln und Franzen;
Ein neumodiſcher Himmel, der praͤchtig die Fahrenden deckte.
Purpurne Raͤder mit Laubwerk durchwebt, und leicht, wie die Raͤder
An dem Wagen Neptuns, von Waſſerpferden gezogen,
Werden im glaͤnzenden Sande die fluͤchtigen Spuren nicht zeigen,
Oder auf thauigtem Gras, wie Zephir, die Spitzen kaum biegen.
Ein balſamiſches Theer traͤnkt ietzt die durſtigen Raͤder;
Und es feget den zarten Staub ein ſtraͤubender BorſtwiſchAus315Vierter Geſang.
Aus den Fugen der Muſchel, und aus den zierlichen Speichen.
Axen werden probiert, und Linzen werden befeſtigt;
Und Andreas war fertig mit aller Arbeit am Wagen.
Ploͤtzlich ſprengt in den Hof der edelmuͤthige Frey - herr,
Sieht den Phaeton ſtehn, und fuͤrchtet des Traumes Erfuͤllung.
Kutſcher, wer faͤhrt in dem Wagen? Die Graͤfin, ver - ſetzte der Kutſcher.
Kan dies ihr Vater erlauben? ſprach voll Verwundrung der Freyherr,
Und der Kutſcher zuckte die Achſeln, und ſagte nichts weiter.
Traurig trat der Baron ins Zimmer des Alten. Er ſchrie ihm
Froͤhlich entgegen: woher ſo fruͤh? und fuͤllte die Pfeife.
Gnaͤdiger Herr, verſetzt der Baron, die Graͤfin zu retten,
Komm ich hieher, da kaum die erſte Daͤmmerung anbricht.
Wie? ihr zaͤrtlicher Vater erlaubt ihr, ſich ſelber zu fahren.
Dies iſt viel! O wenn ihr nur nicht ein Ungluͤck begegnet?
Und was treibet ſie denn zu dieſem verweg[ne]n Entſchluſſe? Hat316Der Phaeton.
Hat ſie nicht Zeitvertreib gnung? Steht nicht ein praͤchti - ger Fluͤgel
Auf dem Saale fuͤr ſie, durch den ſie uns oftmals dahin reißt,
Wenn ſie mit engliſcher Stimme, gleich einer Aſtroa, zaubert?
Und ſtehn nicht im Cloſet in ſchoͤnverguͤldeten Baͤnden
Witzige Deutſche, Franzoſen, und Britten, nur ſie zu vergnuͤgen?
Lockt nicht die bunte Tapete, die Stickerey zu vollenden,
Die ſie mit groͤßtem Geſchmack zu ihrer Freude gezeichnet?
Uns gehoͤret allein die Herrſchaft uͤber die Pferde;
Und in ſolche Gefahren muß keine Dame ſich ſtuͤrzen,
Liebreiz ſchmuͤck ihr holdes Geſicht, und Sanftmuth die Seele.
Junge, du ſprichſt wie ein Buch, (gab ihm der Alte zur Antwort,)
Aber muß ich nicht halten, was ich ausdruͤcklich ver - ſprochen?
Geſtern bringt mir das Maͤdchen, in meinem aͤuſſerſten Schmerzen,
Einen Teller mit Schwaͤmmen, die ſie mir ſelber bereitet;
Voller Freude darob verlaͤßt mich das Podagra. Maͤdchen,(Sprach317Vierter Geſang. (Sprach ich,) bitte von deinem Vater das, was du ver - langeſt;
Jch erfuͤll es, (und ſchwur dabey,) ſo wahr ich Hans Tromm bin.
Siehe, da bittet das Maͤdchen, was kaum ein Junge gebeten.
Kanſt du es hindern, mein Sohn; du wirſt mich ewig verpflichten.
Wenigſtens, (ſagte der Freyherr,) theil ich mit ihr die Gefahren,
Und verlaſſe ſie nicht im Phaeton, oder im Tode.
Fahren ſoll ſie zwar ſelbſt, doch ſollten die muthigen Hengſte
Sich in Freyheit zu ſetzen, und fluͤchtig zu werden ver - ſuchen;
So vermag ich doch noch, mit ſtarken geuͤbteren Haͤnden
Jn die Zuͤgel zu fallen, und ſie vor Ungluͤck zu retten.
Alſo ſagt er, der freudige Vater umarmet ihn zaͤrt - lich.
Aber dem Freyherrn klopfte das Herz nach ſeiner Diana,
Die am Nachttiſch noch war in Hannchens putzenden Haͤnden.
Endlich erſchien ſie, geſchmuͤckt, ſo wie die Goͤttin des Krieges,Aber318Der Phaeton.
Aber auch gleich der Cythere von Paphos voll Liebreiz und Anmuth.
Jhr ſchwarzlockigtes Haar ſchwimmt uͤber die Schultern; ein breites
Perlenfarbigtes Band nimmt ſie nachlaͤßig zuſammen.
Jhren weißen blendenden Hals erhebt die Soubiſe,
Und der ſchimmernde Federbuſch ſtralt vom drohenden Mannshut.
Jhre zierliche Hand bekleidet ein maͤnnlicher Handſchuh,
Und ſie ſchwingt die gebiethriſche Peitſche. So trat ſie heroiſch
Vor den laͤchelnden Vater, und ihren Freyherrn. Ver - ſteinert
Nahm der letzte das Wort. Was hoͤr ich, theureſte Graͤfin?
Wie? du wagſt es, allein mit muthigen Hengſten zu fahren!
Welch ein Einfall! Ein ſchrecklicher Traum weiſſaget mir Ungluͤck.
Graͤfin, wenn du mich liebſt, und dieſe feurigen Roſſe
Selbſt durchaus zu regieren gedenkſt, ſo goͤnne mir guͤtig
Dir zur Seite den Platz, und laß im aͤuſſerſten NothfallMich319Vierter Geſang.
Mich die Zuͤgel ergreifen, und vor Gefahren dich ſchirmen.
Als er ſo ſprach, ward Hannchen das Herz auf einmal erleichtert;
Mit gezwungenem Ton und affectirtem Geſichte
Sagte ſie: Soll denn das Flehn des ſchoͤnen Freyherr[n]umſonſt ſeyn?
Er wird beſſer, als ich, in dieſem Phaeton ſchimmern,
Dir bleibt, Graͤfin, noch immer der Ruhm, nach welchem du ſtrebeſt,
Sollt er im Nothfall die Zuͤgel auch faſſen, die Regeln des Wohlſtands
Leiden nicht, daß du allein ſo fluͤchtig im Lande herum - ziehſt.
Alles wagt es, der Graͤfin Entſchluß noch mehr zu be - ſtuͤrmen,
Von dem Oberſten an, bis auf die hagre Franzoͤſin.
Endlich mußte ſie ſich ſo vielen Bitten ergeben.
Und ſie ſprach: Es ſey dann, Baron! doch mußt du allein nur
Jn der groͤßten Gefahr die Zuͤgel ergreifen. Der Freyherr
Gab ihr ſein Wort, und kuͤßt ihr drauf mit frohem Ent - zuͤckenJhre320Der Phaeton.
Jhre marmorne Hand, ſchon von dem Handſchuh ge - harniſcht.
Und die Hengſte tanzten in Spruͤngen und muth - gen Courbetten
Ueber das ſchallende Pflaſter vom baͤrtigten Kutſcher ge - leitet.
Caſtor wiehert zuerſt, und der ſchoͤnmaͤhnigte Pollux
Wiehert noch heller, als er, und hebt ſich auf zierlichen Beinen.
Purpurrothes Geſchirr bedeckte die glaͤnzenden Ruͤcken,
Und ſie ſchuͤttelten ſchrecklich den dicken ſeidenen Haupt - ſchmuck.
Etwas verlaͤßt ſchon der Muth das Herz der ſtolzen Diana,
Und ſie preiſt ſich begluͤckt, daß ſie der Freyherr begleitet.
Dieſem ſtralte der Muth aus ſeinen feurigen Augen,
Und er haͤtte die wilden Pferde der Sonne beherzter
Durch den ſtaunenden Thierkrais gejagt, als Phaeton ehmals,
Welcher die Erde verbrannt, und Menſchen zu Mohren geſenget.
Und ſie ſetzten ſich beyde nunmehr in den goldenen Wagen. Welch321Vierter Geſang.
Welch ein vortreffliches Paar! Fritz war der praͤchtig - ſte Juͤngling.
Roth mit ſilbernen Schleifen, und eine Weſte von gel - bem
Blendenden Atlas erhub ihn. Schwarz war die Feder des Hutes,
Welchen die ſilberne Dreſſe, gleich einem Nordſchein, umgraͤnzte.
Gieb mir die Zuͤgel, Andreas! rief ietzt die mu - thige Graͤfin.
Und ſtolz trat er hinzu, und uͤberreicht ihr die Zuͤgel.
Alles wuͤnſchet nunmehr, ſie gluͤcklich wieder zu ſehen;
Und der Vater gab ihr zum Abſchied noch dieſe Vermah - nung:
Maͤdchen, moͤchteſt du doch des Vaters Lehren behalten!
Brauche ſelten die Peitſche, doch oͤſters die Zuͤgel. Von ſelber
Laufen die feurigen Roſſe, nur ſie zu halten, iſt Arbeit.
Bleib im ebenen Wege; den See vermeide zur Rechten,
Und die Huͤgel zur Linken! und ſchau nach Linzen und Raͤdern.
Alles befehl ich dem guͤnſtigen Gluͤck, es wolle dich leiten! XUnd322Der Phaeton. Vierter Geſang.
Und im Nothfall, dir, Fritz. Fahrt hin, der Him - mel ſey mit euch.
Auf das gegebene Zeichen entfliehn mit Wiehern die Hengſte
Durch das ſteinerne Thor. Noch einmal ſchaut ſie zu - ruͤcke;
Gruͤßt noch einmal den Alten, der ihr voll Sorgſamkeit nachruft:
Sittſam, ſittſam, Diana! Sie haut die Hengſte zuſam - men,
Wendet im vollen Trab um, und fliegt nun uͤber die Ebne.
Der[323]

Der Phaeton.

Fuͤnfter Geſang.Der Phaeton. Fuͤnfter Geſang.

[324]325
Wie ein wilder Orcan auf brauſenden Wogen daher - faͤhrt;
Sich in dicke Dunkelheit huͤllt, und Flammen umher - ſtreut:
Eben ſo flogen durchs Feld die Feuerſchnaubenden Hengſte,
Und beſtreuten mit Staub den Freyherrn, und ſeine Diana.
Doch ſie hielt noch die Zuͤgel mit unerſchrockenen Haͤnden;
War Regentin allein, und machte den Freyherrn zum Faulen.
Wie den Koͤnig im Schach die ſtolze Gemahlin beherrſchet,
Liſtig auf Unternehmungen ſinnt, und ins Treffen ſich waget;
Gleich dem toͤdtenden Blitz durchſtreift ſie die Laͤnder des Bretſpiels;
Da indeß der Monarch, tief unter den ſchwarzen Ver - ſchnittnen,
Fuͤr ſich arbeiten laͤßt, und in Panquetten ſich groß macht.
Aber der Freyherr ertrug, obgleich unwillig, die Schande,X 3Sol -326Der Phaeton.
Solchen muthigen Roſſen nicht ſelber Geſetze zu geben.
Dreymal wurden ſie ſchuͤchtern, und dreymal ſucht er die Zuͤgel,
Aus den Haͤnden Dianens, in ſeine Haͤnde zu bringen.
Doch ſie behauptet ihr Recht, und faͤhrt im fliegenden Trab fort;
Ziſchend ſah es der Neid, und ſann auf blutige Raͤnke.
Eine kryſtallene See lag an dem Wege, gekraͤnzet
Mit ſanftfliſternden Pappeln, und hohen ſchattichten Ulmen.
Karpfen wohnten darin, und große corſariſche Hechte.
An dem Ufer des See ſaß eine blonde Sirene,
Waſſernixe genannt, und kaͤmmte die guͤldenen Haare.
Manchen bluͤhenden Juͤngling, indem er am Ufer ge - angelt,
Oder im fliſternden Schilf nach wilden Enten gewadet,
Hatte die treuloſe Nymphe mit ſuͤßen Liedern gelocket,
Und ihn unter die Fluth zu ihrem Pallaſte gezogen.
Hier, wofern wir der Sage der Amm und der Waͤrte - rin trauen,Wer -327Fuͤnfter Geſang.
Werden in Staͤllen von Kuchen mit ſuͤßen Roſinen und Mandeln
Arme Knaben gemaͤſtet, und von der Nixe gefreſſen.
Freundlich ſagte der Neid zu ihr, mit gleißenden Worten:
Schoͤnſte der Nixen, wie kaͤmmſt du ſo muͤßig dein guͤl - denes Haupthaar?
Wollen die Knaben nicht mehr zu deinem Teiche ſich nahen,
Und verſchmaͤhen ſie ſcheu die zuckerſuͤßen Roſinen?
Siehſt du von fern nicht den Staub von hurtig eilen - den Roſſen,
Und den Glanz des ſtralenden Wagens, der ietzo ſich naͤhert?
Eine muthige Schoͤne ſuͤhrt einen bezaubernden Juͤng - ling;
Schoͤner haſt du noch nie ein Juͤnglingsantlitz geſehen!
Willſt du den holden Adonis; ſo lock ihn mit ſuͤßen Ge - ſaͤngen,
Daß die Schoͤne ſich naht, ſo ſchreck ich die fluͤchtigen Roſſe,
Daß ſie mit Brauſen ihr durchgehn, und in die Fluthen ihn werfen.
Alsdann bin ich von Rach, und blutigen Scenen ge - ſaͤttigt,
Wenn ſie den Wagen zerbricht, und ihren Liebling be - weinet.
X 4Alſo328Der Phaeton.
Alſo der Neid. Die Nixe laͤchelt gefaͤllig ihm Beyfall,
Und ſie ſchickt ſich ſogleich, die ſchwarze That zu voll - bringen.
Von ſireniſchen Liedern erſchallt das gruͤne Geſtade,
Daß die raͤubriſchen Hechte, die Karpfen erſtaunten, wie ehmals,
Als ſie, dem heilgen Antoni zu Ehren, die Haͤupter erhuben,
Und aufmerkſam die Predigt des frommen Mannes ver - ſchlangen.
Und ſchon ſah Diana die Nymphe mit guͤldenen Haaren,
Hoͤrte die ſchmeichelnden Lieder, und wollte naͤher ſie hoͤren;
Beugt aus dem mittelſten Weg, und faͤhrt zur Rechten am See her.
Zaͤrtlich warnt ſie der Freyherr, doch ſie, die Warnung verachtend,
Rennt in ihr Ungluͤck, die holde Saͤngerin naͤher zu ſehen.
Jetzo wirkte das Gift in aufgeſchwollenen Adern,
Und die ſchuͤchternen Roſſe gehorchten nicht laͤnger den Zuͤgeln.
Schaͤumend giengen ſie durch, vom ſcheußlichen Neide geſchrecket;
Doch beherzt ergriff ſie der Freyherr, und pries ſich ſchon gluͤcklich,Als329Fuͤnfter Geſang.
Als von der forderſten Axe das Rad verraͤtheriſch ablief,
Und die Graͤfin ſanft in wallende Fluthen hinabſank.
Aber den Augenblick ſprang der tapfre Juͤngling vom Wagen,
Faßte die blaſſe Diana, und hob ſie aus ſchaͤumenden Fluthen.
Viel zu ſpaͤt entdeckte die Nixe die bluͤhende Beute.
Denn der ſchnelle Baron trug ſchon die Graͤfin ans Ufer.
Welch ein ruͤhrender Anblick war es dem rettenden Helden,
Seine Diana durchnaͤßt in ſeinen Armen zu ſehen!
Zaͤrtlich ſah ſie ihn an, und ſprach: O du! mein Geliebter,
Gern verdank ich es dir, daß du mein Leben gerettet!
Billig hat den verwegnen Entſchluß mein Schickſal beſtrafet.
Aber du haſt mich gerettet, mein Fritz, wie muß ich dich lieben!
Dankbar kuͤßt ſie der Freyherr vor dieſes Geſtaͤnd - niß, und lehnet
Jhren zitternden Ruͤcken an einen vertraulichen Ulm - baum,
Und flog hin nach den Hengſten, und nach den zertruͤm - merten Wagen.
Dieſe ſtanden, wie Mauren, nicht weit vom verlaſſenen Wege,X 5Gleich -330Der Phaeton.
Gleichſam zu edel, um ietzt die Flucht im Ungluͤck zu nehmen.
Fritz trat ſchmeichelnd hinzu, und fuͤhrt ſie durch guͤti - ge Worte
Mit dem ſchleifenden Wagen, bis an die Fuͤße der Graͤfin.
Nichts war an dem Wagen entzwey; das purpurne Rad ſchwamm
An dem Ufer, das er ſogleich von neuem am Wagen
Wieder befeſtigt. Umſonſt winkt ihm mit freundlichen Mienen
Die betrogene Nixe. Der Freyherr hebet die Graͤfin
Jn den befeſtigten Wagen, und nimmt nun ſelber die Zuͤgel.
Jetzo fuͤhlten die Roſſe die ſtarken Haͤnde des Juͤnglings,
Und gehorchten mit Luſt dem majeſtaͤtiſchen Zuruf.
Und der Freyherr wandt um, und fuhr zuruͤck nach dem Schloſſe,
Triumphirend und ſtolz auf ſeine gerettete Schoͤne.
Alſo bringet Pluto die ſchoͤne Tochter der Ceres
Zu den Stygiſchen Ufern, und Ciane wuͤtet vergebens.
Giftig ſieht es der Neid, ſieht ſeine Liſten vereitelt,
Und geht hin, und ſtuͤrzt in eine Bentleyſche Seele,Wel -331Fuͤnfter Geſang.
Welche neidiſch auf Noten von juͤngern Gelehrten ſich haͤrmet.
Unzufrieden mit ſich, und mit dem Menſchengeſchlechte,
Wird der Neid den Koͤrper gewiß zur Verzweifelung bringen,
Daß er hingeht und trauret, und miſantropiſch ſich auf - haͤngt.
Alles ſtuͤrzte dem Schloßhof zu beym Raſſeln der Raͤder,
Alles tritt um den Wagen herum, und klaget die Graͤfin.
Aber Diana eilte beſchaͤmt durch wimmelnde Mengen,
Fiel in den Arm des Vaters, und brachte den Alten zu Thraͤnen.
Viel zu guͤtig dazu, als ihr Verweiſe zu geben,
Da ſie noch bebte vor Naͤſſe, war er bemuͤht ſie zu troͤſten.
Der erzuͤrnte Baron hob nun den raͤchenden Arm auf,
Und beſtrafte voll Zorn die durchgegangnen Rebellen.
Caſtor fuͤhlte die Peitſche, und der ſchoͤnmaͤhnichte Pol - lux
Lehnt ſich umſonſt in die Hoͤh; ſie zeichnet den Ruͤcken mit Blute.
Und indem ſie der baͤrtige Kutſcher zum Stalle zuruͤck - fuͤhrt,
Reißt er unwillig ihr Maul mit ſcharfer bezwingen - den Stange,Und332Der Phaeton. Fuͤnfter Geſang.
Und flucht Donner und Blitz zu ihren erſchrockenen Ohren.
Hannchen nahm ietzt die Graͤfin, und zog ihr am glaͤnzenden Nachttiſch
Jhren Waffenrock aus, und gab ihr weibliche Kleider.
Jn unſchuldiges Weiß ward ſie, gleich Engeln, gekleidet,
Und die amazoniſche Miene verlohr ſich in Sanftmuth.
Dreymal ſchoͤner war ſie in einer beſcheidenen Haube,
Als in der kriegriſchen Tracht und in dem drohenden Huthe.
Alles endigte ſich mit einem froͤhlichen Gaſtmahl,
Und der Bund der Verliebten ward von dem Alten be - ſtaͤtigt.
Bis auf den heutigen Tag heißt, von dem Unfall der Graͤfin,
Dieſer See, der Dianenſee. Ein warnender Name
Amazoniſchen Schoͤnen, die mit verwegenen Haͤnden
Pferd, und Ehmann regieren, und Huth und Freyheit uns rauben.

Ende des Phaeton.

Lago -[333]

Lagoſiade, oder die Jagd ohne Jagd. Ein ſcherzhaftes Heldengedicht.

Erſter Geſang.

[334] (VIRGIL. )Bella, horrida bella Et Tibrim multo ſpumantem ſanguine cerno.
335

Lagoſiade. Erſter Geſang.

Singe, Muſe, die Abentheuer, und das ſeltſame Jagdgluͤck eines edlen Yorkſchirers, welcher mit flie - genden Fuͤßen einen ſchnellen Rammler uͤberholte; ihn in den Fluß jagte, und mit einer herkuliſchen Keule ſeine Naſe zerſchmetterte, daß ſein unwilliger Schatten zu den finſtern Reichen des Pluto hinab - flog, und ſein leckeres Wildpret auf einer froͤhlichen Tafel den Jaͤger belohnte.

Sage zuerſt, o Muſe, (denn dir iſt nichts ver - borgen;) wer gab dieſem edlen Juͤnglinge den groſ - ſen Gedanken ins Herz, die weiten Riddagshaͤuſiſchen Felder zu durchirren, die unwirthbaren Gebirge zube -336Lagoſiade. beſteigen, und dem Haſen in ſein verborgenſtes La - ger nachzuſpuͤren? Wer machte ihm zuerſt die ſchmei - chelhafte Hofnung, ohne dem Donner der Jagd, oder die blutduͤrſtige Meuͤtte, ihn erlegen zu koͤnnen?

Phoͤbe war es, welche den brittiſchen Juͤngling im ſuͤßen Schlummer erblickte, als ſie von ihrem ſilbernen Wagen auf die ſtolzen Zinnen des Caroli - num herunterſchaute. Seine Miene gefiel ihr, und die bluͤhende Wange des Endymion hatte ſie ehmals nicht ſtaͤrker gereitzet, als dieſer liebenswuͤrdige wil - de Jaͤger, welcher ſie ſchon auf den brittiſchen Jn - ſeln verehrte, und das fuͤrchterliche Jagdgeſchrey ſo ſtark anzuheben wußte, daß die umliegenden Berge und Thaͤler erſchallten. Sie ſtieg ſogleich zu den Altaͤnen des Muſenſitzes herunter, nahte ſich ſeinemLager,337Erſter Geſang. Lager, und indem ſie ihn, ſchaamhafterroͤthend, ge - kuͤßt, ſagte ſie: Schlafe ſanft, edler Juͤngling, ſchlafe ſanft! Kein fuͤrchterlicher Traum muͤſſe dich be - unruhigen; kein altes Weib muͤſſe dich kuͤſſen wollen, noch ein finnichter Kerl mit einer großen gebaͤhrenden Naſe dir erſcheinen. Falle nicht herunter vom Thurm, und ertrinke nicht im ſchilfichten See! Jch, Phoͤbe - Diana, habe dich zu meinem Liebling erkohren. Und wie ſollte ich es nicht thun, da du oft mit verliebten Augen zu ganzen Stunden auf meinem Antlitz gehan - gen, und deine keuſche Liebe niemanden gewidmet haſt, als mir. Darum ſollen auch immer die ſuͤßeſten Traͤume dein Lager umflattern. Ueber zwoͤlffußbreite Graben ſollſt du hinwegſpringen, oder alle deine Ge - faͤhrten im Laufe zuruͤcklaſſen. Tauſendmal hinterein - ander ſoll der Federball von deinen Schlaͤgen durch die Luft fliegen, und ein achtfaches Entrechas ſoll dich uͤber den Boden erheben. Du ſollſt auf dem BucephalusYſitzen,338Lagoſiade. ſitzen, unerſchrocken, unbeweglich, ob er ſich gleich wie ein Elephant in die Luft hebt, ſeinen Speckhalskruͤmmt, und hintenausſtreicht, und wiehert. Du ſollſt den hi - tzigen Schwan gallopieren, daß ſeine Augen funkeln, und ſein Schweif fliegt wie Feuerſlammen; du ſollſt auf ihm ſitzen, wie eine Kerze, wenn er ſich levirt; der entzuͤckte Bereiter ſoll rufen: ah bon! und das Reit - haus ſoll wiederſchallen: ah bon! Aber noch groͤßere Freuden warten auf dich! Freuden, die nicht Traͤume ſeyn ſollen, ſondern die ich wahr machen will, dich zu großen Thaten zu ermuntern. Ehe noch die Sonne ihr Haupt, in die weſtlichen Fluten, getaucht hat; ehe noch die Taͤnzerin ihre Schminke abgewiſcht haben wird; und ehe noch die ſchamhaften Nymphen des Violengaͤß - chen, oder der Froͤſenſtraße aus ihren wohlriechenden Cabinettern unter dem Dache, oder nah am Huͤnerhau - ſe, heraustreten, und die einſamen Kirchhoͤfe und dunk - len Gaͤßgen beſuchen, ihren Schleyer zuruͤckſchlagen,und339Erſter Geſang. und das Feuer ihrer Augen verdoppeln, einen von Gold ſchimmernden Taͤnzer, oder Saͤnger, zu verfuͤhren, oder, wenn alles umſonſt iſt, das Schilderhaus eines nicht ekeln Kriegsmanns mit ihm zu theilen; (Beleidigender Anblick! welcher oft gemacht hat, daß ich mein jung - fraͤuliches Geſicht mit dem Schleyer der Wolken be - deckt!) ehe alles dieſes geſchehn wird, ſollſt du ſchon ei - nen Haſen erlegt haben, und als ein Halbgott verehrt und bewundert da ſitzen, und lachen, und jauchzen, daß die Gallerien zuſammenlaufen, und Rips, Pantalon, und Bellone, und Girl mit weitem Rachen dazwiſchen bellen, und den liederreichen Nachtwaͤchter aus ſeiner beſten Cadanz bringen ſollen. Folge deiner Beſtimmung, und verlaß dich auf meine Verſprechen! Daß es dir aber nicht an einem Gefaͤhrten und Zeugen deiner erhabnen Thaten mangele, will ich dir einen Achates erwecken, dich zu begleiten. Dieſer iſt Zelindor, welcher oft das einſame Gebirge, und die ſtillen Einoͤden darin, beſucht,Y 2oder340Lagoſiade. Erſter Geſang. oder am murmelnden Feldbach, und an den anmuthigen Ufern der Riddagshaͤuſiſchen Teiche herumwandelt, Ge - danken zu ſammeln, die ihn verewigen ſollen. Dieſer ſoll dich verewigen; ich will ſeinen Buſen entflammen, dich zu ſingen, und dein Ruhm ſoll dauren, ſo lange noch ein Federhut um das Carolinum herumflattert, und Steinſchnallen ſchimmern, Degenbaͤnder glaͤnzen, und die Koͤpfe der Stutzer mit Taubenfluͤgeln herumfliegen.

Alſo ſagte ſie, und ſtieg wieder auf ihren ſilbernen Wagen, und ließ den Juͤngling in der angenehmen Hof - nung ſeines Gluͤcks. Er erwachte, ſtand auf, und ver - gaß bald unter den Geſchaͤften des Vormittags ſeine Hofnung und ſeinen gluͤcklichen Traum.

La -[341]

Lagoſiade.

Zweyter Geſang.

[342]343

Lagoſiade. Zweyter Geſang.

Die feſtliche Mittagsſtunde war ietzt voruͤber ge - gangen. Vierzig hungrige Maͤgen waren gefuͤllt, und vierzig bluͤhende Juͤnglinge ſtiegen auf einmal von ihren kuͤnſtlich geflochtnen Rohrſtuͤhlen auf, und vertheilten ſich in Banden, oder einzeln, jeder, wohin ihn ſeine Neigung, oder Wahl, leitete, die langen Stunden zu verkuͤrzen; entweder auf einer gruͤnen Tafel an elfenbeinernen Kugeln der Bewegung ver - borgne Geſetze auszuſpaͤhen, oder auf dem anmuthi - gen Walle, und in den langen Alleen, die erſten Fruͤhlingsluͤfte zu athmen. Einige unterhielten ſich von den Abentheuern der letzten Mummerey, undY 4gien -344Lagoſiade. giengen mit Anſchlaͤgen zu kuͤnftigen Verkleidungen ſchwanger. Andre uͤbten ſich mit dem elaſtiſchen Fe - derball, ſchwammen in kuͤnſtlichen Taͤnzen dahin, oder kaͤmpften mit blinkenden Rappieren gegen ein - ander. Noch andre, ernſter und melancholiſcher, ge - ſellten ſich zu dem Roͤmer und Britten, und unter - hielten ſich mit ihnen von Weisheit und Tugend. Hektor aber, ſo hieß der brittiſche Juͤngling, wand - te ſich zu ſeinem oftmaligen Gefaͤhrten, und ſprach: Laß uns den reinen Fruͤhlingshimmel trinken, Zelin - dor, und die dumpfichte Stadt verlaſſen! Siehe, die trockenen Wieſen winken uns zu ſich; ſchon iſt die Lerche zuruͤckgekommen, und die Froͤſche fuͤhlen den herannahenden Lenz, und fangen an, aus ihrem langen Winterſchlaf zu erwachen. Sieh, wie ſtraletdie345Zweyter Geſang. die Sonne, wie locket das Feld! Laß uns eilen, da - mit dieſer herrliche Tag nicht ungenoſſen vorbeyflieh.

Alſo ſprach er, und ergrif ſeinen knotichten Dornſtock, welcher an einem Pfeiler gelehnt ſtand, und beyde giengen mit eilenden Schritten tief in das Feld. Mitten im Felde liegt ein kleines anmuthi - ges Gebirge, mit zackigten Tannen und Kiefern be - kroͤnt, welche weit in die Ebne ſchauen, und den wandernden Ortolan hieherlocken, der hier oftmals voruͤberſtreicht, und gefangen und gemaͤſtet wird, gleich den Kriegsgefangnen eines Cariben, oder Jro - quoiſen, der nach Menſchenblut duͤrſtet. Jn des Landmannes Munde heißt dieſes Gebirge der Nuß - berg, aber in der Sprache der Goͤtter wird er der Berg der Betrachtung, oder die poetiſche Klauſe, ge -Y 5nannt.346Lagoſiade. nannt. Durch ihn fuͤhret ein krummes verwachſenes Thal, eine melancholiſche Einoͤde, rund umher mit rauhen ſteilen Felſen umgeben, von denen nur eini - ge wilde Geſtraͤuche traurig und maleriſch herabhaͤn - gen, und ſich unten in einem klaren See ſpiegeln, welcher in alten Zeiten verwuͤnſcht worden, und von Feyen und Waſſernixen bewohnt wird, die an ſeinen Ufern oft ihre goldgelben Haare kaͤmmen, und oftmals tief aus ſeinen Gruͤnden ihre Klagelieder erſchallen laſſen. Jn dieſem Thale haben, ſeit un - denklichen Zeiten, die Kaninchen ihre Wohnungen an - gerichtet; es iſt eine Freyſtatt der Feldhuͤner, und die Zuflucht der Fuͤchſe und des geizigen Dachſes. Der brittiſche Juͤngling ſtand ietzt hoch auf dem Felſen, ſchaute herab in das Thal, und hob einJagd -347Zweyter Geſang. Jagdgeſchrey an, daß die Felſen erſchallten. Als er hinabſtieg ins Thal, kam ihm Diana entgegen mit einer leichten Flinte auf den Schultern, und einem Hunde an der Seite. Jhr Haar flog in den Wind, und ein weißer Federhut ſchmuͤckte die trotzige Stirn. Gleich einer Spartaniſchen Jungfrau, oder der Thraziſchen Harpalice, wenn ſie die feurigen Roſſe muͤde jagt, und auf ihrer Flucht den ſchnellen Hebrus uͤberholt; oder gleich einer Amazonin, die mit dem Morgen nach dem Lager faͤhrt, Herzen zu erobern, und die jungen Faͤhndriche zur Verzweif - lung zu bringen. Haſt du nicht, hub ſie an, eine von meinen Gefaͤhrtinnen geſehen, die dort unten im Thal irgendwo meiner wartet, und indem ich hier den Kaninchen nachgehe, oder Haſen aufſuche,un -348Lagoſiade. unterdes Operarien lernt, und den Bergen, gleich einer andern Echo, die Seufzer eines Tamerlans und Bajazeths wiederſagt? Alſo Diana; ihr gab der Juͤngling zur Antwort: Jch habe deine Ge - faͤhrtin nicht geſehn, noch ihre Triller gehoͤrt, o du, wie ſoll ich dich nennen, edles Fraͤulein, wo du nicht eine der Nymphen oder der Goͤttinnen biſt, welche ſo oft den Dichtern erſcheinen. Gluͤcklich ſeyſt du auf deiner Jagd, aber wie gluͤcklich waͤr ich, wenn mir erlaubt waͤre, dir zu folgen, und mit dir die Ehre der Jagd zu theilen! Mir auch ha - ben die Goͤtter die Augen geſchaͤrft, um in die Ferne zu ſehn, und mir Geſchicklichkeit gegeben, das don - nernde Feuerrohr gluͤcklich zu fuͤhren. Das wahre Jagdgeſchrey wohnt in meiner Kehle, davon ſinddie349Zweyter Geſang. die Gefilde Brittaniens Zeugen. Warum muß ich auf deutſchem Boden meinen Muth zuruͤckhalten, und die edle Beſchaͤftigung verlernen, ohne die man - cher Lord vor langer Weile ſich aufhaͤngen wuͤrde!

Dieſes ſagte der Juͤngling, und die Goͤttin verſetzte laͤchelnd: Folge mir nach, das Gluͤck iſt uns vielleicht nicht unguͤnſtig! Alſobald folgte der Juͤngling ihr nach, und ſtieg hinter ihr her. Als ſie ganz aus dem Gebirge gekommen, kehrte die Goͤttin ſich um, und ſprach: Siehe, dort unten fließt in den Wieſen ein Bach, nahe dich ſeinen Ufern, und ſey gluͤcklich! Alſo ſagte ſie, und ihre Roſenwangen gluͤhten ſchoͤner; ihre Haare hauchten einen ambroſialiſchen Geruch aus, ſie gieng, als eine wahre Goͤttin, einher, und verſchwand. Alſo gehteine350Lagoſiade. Zweyter Geſang. eine Theaterſchoͤne in einer ſuͤßen Atmoſphaͤre wohl - riechender Waſſer dahin; ſie laͤßt einen langen Schweif von Lavandegeruͤchen nach ſich, und ihr Schnupftuch verkuͤndigt durch eine halbe Gaſſe die Goͤttin. Hektor ſtaunte, und wandte traurig ſich um; er ſah ſeinen Freund von fern hinter ſich her - kommen, welcher in tiefen Gedanken gewandelt, und nichts von der Erſcheinung dieſer Goͤttin geſehn. Hektor aber gieng tiefſinnig vor ſich fort, und ver - ſchloß das Geſicht ſtillſchweigend in ſeinen Buſen.

La -[351]

Lagoſiade.

Dritter Geſang.

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Lagoſiade. Dritter Geſang.

Beyde giengen indes vorwaͤrts in den weiten Ge - filden nach einem ſanftrauſchenden Bach zu, der in unzaͤhligen Kruͤmmungen, gleich dem Maͤander der Fabel, ſich durch das Feld ſchlaͤngelte, und beynahe zu ſeinem erſten Urſprunge zuruͤckkehrte. Vom Re - gen - und Schneewaſſer taumelnd, ſtroͤmte er ietzt ſchaͤumend dahin; die unterwaſchenen Wurzeln der bejahrten Weiden lagen entbloͤßt da, und ſeine Wel - len drohten zuſehends, die alten Ufer zu verlaſſen, und uͤber die zagenden Wieſen zu rauſchen. Hektor mas ſchon mit ſeinen Augen die Breite der Flut, und ſuchte den Ort aus, von welchem er mit ei -Znem354Lagoſiade. nem kuͤhnen Anlauf uͤber den Graben zu ſetzen ge - dachte; als ploͤtzlich ein munterer Rammler dicht am Fluß vor ihm aufſprang, und ſo, wie er oft - mals gewohnt geweſen, uͤber den Bach huͤpfen, und mit einer ſchnellen Flucht ſeinen Feinden entgehn wollte. Aber das graͤßliche Jagdgeſchrey, welches Hektor im Augenblick anhob, erſchreckte ihn ſo ſehr, daß ihn ſeine Kraͤfte verließen; er ſprang zu kurz, und plumpte vom jaͤhen Ufer zuruͤck in die ſchaͤu - menden Fluten. Neunmal verſuchte der fluͤchtige Rammler das Ufer zu erſteigen, neunmal aber fiel er zuruͤck, und badete ſeinen ſchneeweißen Bauch in dem reißenden Strom. Aechzend ſah er die Wie - ſen, vom goldnen Tage beſtralt, und die wilden Ra - ſenbaͤnke, wo er mit ſeinen Freunden zu ſcherzen ge -wohnt355Dritter Geſang. wohnt geweſen, und ſeinen Buhlſchaften nachhieng. Als er zum zehntenmal ſeine Kraͤfte verſuchen woll - te, ſeufzte er alſo zu den Nymphen des Bachs: O ihr Najaden, die ihr oft meinen Spruͤngen zuge - ſehn, wenn ich an euren Ufern der ſchoͤnſten Haͤſin geſchmeichelt; verlaſſet mich ietzt nicht mit eurer Huͤlfe, da ich mich zu euch in den Schutz begeben habe. Helft mir das Ufer erreichen, und meinen blutduͤrſtigen Feinden entgehn! Alſo ſprach er bey ſich; ſeine Seufzer aber wurden vom leichten Win - de verweht, und drangen nicht zu den Ohren der Najaden. Die ſchwarze Todesangſt hielt ihm dar - auf ihren gorgoniſchen Schild vor, er ſahe den ſcheuß - lichen Kopf der Meduſa. Was ſollte er thun? Er gab ſeine Hofnungen auf, ſuchte ſeine letzte ſchwacheZ 2Zu -356Lagoſiade. Zuflucht in der Verzweiflung, und kehrte ſich mitten in den Wellen um, ſeinen Feinden, als ein Held, entgegen zu gehn, und ſeinen ſchoͤnen Tod durch Wunden zu beſchleunigen. Jm Augenblick ward ſeine Seele, uͤber gemeine Seelen furchtſamer Haſen, erhoben; ſeine Miene ward edel und ſchrecklich, und ſein Geſicht drohte wie das Geſicht eines Loͤwen. So ſchwamm er heruͤber, und meynte ſein Leben zu retten, aber indem hub Hektor ſeinen herkuliſchen Arm auf, mit einer Keule bewafnet, die Drachen zerquetſcht haͤtte. Die knotichte Keule fiel wie ein Donnerkeil auf die Naſe des Rammlers. Er ſchrie. Blut faͤrbte die ſchoͤnen Glieder, und er ſenkte ſein Haupt, gleich einer purpurnen Blume vom Pflug - ſchaar durchſchnitten, oder wie Mohnkoͤpfe vomſchwa -357Dritter Geſang. ſchwachen Halſe herabhangen, wenn ſie der ſtuͤrmiſche Regen belaſtet. Hektor zog ihn heraus aus dem Strom, und legte ihn zu ſeinen Fuͤßen. Die Naja - den, durch das Geſchrey erſchreckt, flohen aus ihren Wohnungen im Schilf, und der Flußgott hob ſein mooſigtes Haupt hervor, und murrte und ſchalt, da er Blut ſah. Wie ein großmuͤthiger Loͤwe, wenn er unvermuthet auf einen unbewafneten Mann ſtoͤßt, der im Walde wandelte, und ſeinen Gedanken nach - hieng, oder in ein lehrreiches Buch vergraben war; er reißt ihn zu Boden, aber ſobald er ihn todt lie - gen ſieht, ſchaͤmt er ſich ſeines unwuͤrdigen Sieges, ſchuͤttelt die zottigte Maͤhne, und geht unwillig nach ſeiner Hoͤhle zuruͤck. Alſo ſtand Hektor uͤber der Leiche des Haſen unzufrieden und finſter, und brachZ 3bald358Lagoſiade. bald in folgende Klagen aus: Armer Rammler! Wie unedel biſt du gefallen! Erſchlagen, gleich ei - nem gekrauſtem Pudel, oder kurzohrichtem Spitz, der unter einem unehrlichen Knuͤttel dahingeſunken, und deſſen Leichnam auf den Miſthaufen geworfen, oder von der reißenden Oker verſchwemmt wird. O wie ſtolz wollt ich ſeyn, wenn ich dich mit bel - lenden Hunden verfolgt, in den Fluß gejagt, und dich von ihnen zerreißen geſehn; oder wenn wenig - ſtens achtzig Schritt weit mein Donner dich einge - holt, und dein Gehirn mit Schrotkoͤrnern gefuͤllt haͤtte. Schade! Schade! daß du alſo gefallen!

Er ſprachs, und wandte ſich weg und wollte ſein Wildpret den Habichten zur Speiſe laſſen, die ſchon uͤber dem Gebirge herumſchwebten, als Zelin -dor359Dritter Geſang. dor ihn alſo anredte: Edler Juͤngling, traure nicht uͤber das Schickſal des Rammlers, und laß eine fal - ſche Großmuth dich nicht verleiten, einen Braten den Habichten und Fuͤchſen zu uͤberlaſſen, der mit allem Rechte deiner Tafel gehoͤrt. Schoͤner wird dir kein Haſe geſchmeckt haben, als dieſer, den du beynah durch ein Wunder erlegt; und ein Punſch koͤnte nie beſſer angebracht werden, als bey dem Fe - ſte, das du dieſer Jagd zu Ehren deinen Freunden anrichten wirſt. Alſo Zelindor, und Hektor billigte ſeine Rede. Alſobald nahm er ſein zweyſchneidiges Meſſer, trennte ſeine Rocktaſche entzwey, daß ein Abgrund ſich aufthat, welcher ein Reh haͤtte beher - bergen koͤnnen. Der Haſe ſtuͤrzte kopflangs hinun - ter, und ward mit ſtillem Triumph nach der StadtZ 4ge -360Lagoſiade. Dritter Geſang. getragen, und den Haͤnden des laͤchelnden Kochs uͤberliefert, der ſein Eingeweide herausnahm, ihm ſeinen Balg abzog, und ein großes Feuer anrichtete, des Gaumens eines Englaͤnders ihn wuͤrdig zu ma - chen.

Jndeſſen hatten ſich die Fluͤgel des Pantomi - menhauſes eroͤfnet; Reifroͤcke und beſetzte Kleider zu Fuß, in Kutſchen und Saͤnften, ſtroͤmten hinein; als Hektor mit einem Regen von Silber ſich den Weg zu der hellen Verſammlung der graugepuder - ten Goͤtter und Goͤttinnen eroͤfnete, und ſeine Freun - de aufſuchte, welche dem Feſte beywohnen ſollten, das indeſſen auf ſeinen Zimmern veranſtaltet wurde.

La -[361]

Lagoſiade.

Vierter Geſang.

[362]363

Lagoſiade. Vierter Geſang.

Schon waren die letzten Befehle zu Aufhebung der Hoͤlle gegeben. Die Feuerflammen auf Leinwand wurden zuſammengewickelt; der Styx und der Ache - ron vom Silberflor, welche mit ihrem Brauſen ſo viel Laͤrmen gemacht, wurden wieder in den Kaſten gelegt, und die Furie zog ietzo ihre mit Flittern be - ſetzten Tanzſchuhe aus, und legte ihre ledernen aus - geſtopften Schlangen weg, die in ihren Haͤnden zu ziſchen geſchienen. Die ſchoͤne Welt gieng aus einan - der, zufrieden und unzufrieden, ſo wie die Seufzer verſtanden, und die Blicke gluͤcklich angebracht wor - den. Schoͤne Augen hatten geliebaͤngelt, und Her -zen364Lagoſiade. zen hatten geblutet. Kuͤſſe waren unter dem Faͤcher oder dem Muffe verſchickt, Ehmaͤnner waren betro - gen, und alte Muhmen durch freundliches Laͤcheln beſtochen worden. Alles gieng mit großen Hofnun - gen nach Hauſe, als Hektor gleichfalls mit ſeinen Freunden das parfumirte Zimmer betrat, und an einer Tafel ſich niederließ, auf der das erjagte Wild - pret unter allen Speiſen hervorſtach. Bald fuhr ein großes Schlachtmeſſer durch den zartgeſpickten Ruͤcken des Haſen, der Juͤngling zerſtuͤckte ſeine Ge - beine, und ſandte jedem ſeiner Freunde ein wohl - ſchmeckendes Stuͤck zum Zeichen ſeiner Gewogenheit. Als ſich alle geſaͤttigt, ward nach brittiſcher Gewohn - heit ein praͤchtiges Porcellangefaͤß auf den Tiſch ge - ſetzt, tief und weit gleich einem Becken, welches ei -nen365Vierter Geſang. nen ganzen See, oder die anmuthge Alſter verſchluckt. Es war mit mancherley Blumen geſchmuͤckt, und oben auf ſeinem Deckel lag ein junger Bacchus, halb mit Weinreben bedeckt, freundlich und laͤchelnd, und ſchien zum Trunk einzuladen. Zwoͤlfe von den guͤldenen Aepfeln, welche ehmals in den Heſperiſchen Gaͤrten durch einen Drachen bewahrt wurden, ſpruͤtz - ten ihren aromatiſchen Saft auf einen hellglaͤnzen - den Zuckerfelſen, der nach und nach in einen See von Citronenſafte hinabſchmolz. Als der geiſtvolle Arrak, welchen die braunen Mohren, in ihren wei - ten Reißfeldern bauen, hinzugethan war, ſtuͤrzte aus dem Schwanenhalſe eines kupfernen Keſſels ein ſie - dendes Meer unaufhoͤrlich und wild, gleich der rau - chenden Lava, welche von dem Gipfel des donnern -den366Lagoſiade. den Aetna zu den parthenopiſchen Feldern herabfließt. Ein durchdringender berauſchender Dampf ſtieg em - por; und fuͤllte das ganze Zimmer mit Wohlgeruch. Drauf ſchloß ſich die ganze Geſellſchaft, in einem weiten feyerlichen Kraiſe, um die dampfende Schaale. Ueber ihnen ſchwebte die Freude, der unſchuldige Scherz; das freye Gelaͤchter gieng oft um die Tafel herum, und man ward nicht muͤde, die abentheuerliche Geſchichte der un - weidmaͤnniſchen Jagd zu hoͤren, die Felder und Ge - genden wurden beſchrieben, und die merkwuͤrdige Kaͤu - le gezeigt, welche eine ſo ſeltſame That vollfuͤhret.

Unterdes fuͤllte der edle brittiſche Juͤngling ei - nen groſſen Becher mit dem rauchenden Nektar, hielt ihn empor, und indem er den hohen Mond anſah, ſprach er alſo: O du, Phoͤbe-Diana, Zierde derGe -367Vierter Geſang. Geſtirne, Goͤttin der Jagd, Dank ſey dir, daß du mich heute dieſen Fang thun laſſen, der vielleicht noch niemals in Deutſchland erhoͤrt worden, und ſelbſt auf den Jnſeln Brittanniens Verwundrung er - wecken wird. Dir nur habe ichs zu danken, daß ich das Lager eines ſchnellen Rammlers gefunden, ihn in den Fluß gejagt, und ſein wohlſchmeckendes Wild - pret erbeutet. Die du mir erſchienſt, ſchoͤn wie die ſchlanke Thaleſtris, welche zuerſt durch ihre Blicke mei - ne Wangen mit Schamroͤthe gefaͤrbt, die du mit guͤtiger Hand meine Schritte bis zu dem Schlachtfelde geleitet, und einen Theil deines Verſprechens erfuͤllt haſt, erfuͤlle nun auch die andre Haͤlfte, und laß dieſe Begebenheit durch die Zeit nicht verloͤſcht, ſondern durch einen kuͤhnen Ge - ſang in dem Tempel der Ewigkeit aufbehalten werden.

Alſo368Lagoſiade. Vierter Geſang.

Alſo ſprach er, und Diana erfuͤllte ſeine Bitte. Jhr Einfluß begeiſterte die Bruſt des Zelindor, ſich dem harmoniſchen Clavier, oder dem bezauberndem Umgange des brittiſchen Homers zu entziehn, und das Abentheuer eines ſo edlen Weidmanns zu ſingen.

Gluͤcklicher Juͤngling, gluͤcklicher ich, wofern meine Lieder etwas vermoͤgen; frey vom Zwange des Reims, und der roͤmiſchen Fuͤße, aber vielleicht auch aller Schoͤnheit eines heroiſchen Liedes beraubet. Laß das ſterbliche Lied untergehn, dein Werth bleibt ewig in unſern Herzen, ſo lange der Name der edelſten Stif - tung uͤber die Meere gehoͤrt wird.

Ende des erſten Theils.

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About this transcription

TextPoetische Schriften
Author Justus Friedrich Wilhelm Zachariae
Extent433 images; 43696 tokens; 9365 types; 292650 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationPoetische Schriften Erster Band Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. . [32] Bl., 368 S. SchröderBraunschweig1763.

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SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 P GERM III, 7380:1

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Belletristik; Lyrik; core; ready; china

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  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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ShelfmarkSUB Göttingen, 8 P GERM III, 7380:1
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