Erſter Geſang . Der Renommiſt . Erſter Geſang . [2] [3] [figure] D en Helden ſingt mein Lied , den Degen , Muth und Schlacht ,
Jn Jena fuͤrchterlich , in Leipzig frech gemacht ,
Der oft im Zorn allein ein ganzes Heer bekriegte ,
Als Held aus Jena gieng , doch nicht in Leipzig ſiegte . A 2 Jch 4
Jch ſinge , wie ſein Muth ſo manchen Feind bekaͤmpft ,
Und wie ſein Siegesſchwerd , des Stutzers Stolz , ge - daͤmpft .
Mod und Galanterie eroͤfnen ihm vergebens
Die blumenvolle Bahn des ſanftern Muſenlebens ;
Umſonſt gebraucht Roman der Liebe ganze Liſt ;
Selinde ſtralt umſonſt ; er bleibt ein Renommiſt .
Bewundernswerth im Sieg , und groß auch noch im Falle ,
Verlaͤßt er Leipzigs Zwang , und rettet ſich nach Halle .
Wirf einen Blick auf mich , o Goͤttinn Schlaͤ - gerey ,
Damit mein Heldenlied des Helden wuͤrdig ſey !
Laß in dein Heiligthum die ſcheue Muſe ſehen ,
Und laß ſie den Gebrauch der jenſchen Welt ver - ſtehen ;
Daß ſie die Sprache faßt , die der Student nur ſpricht ,
Und nie entweihet ward vom komiſchen Gedicht ; So 5
So wird die Nachwelt noch aus dieſen Blaͤttern leſen ,
Was Renommiſte war , was Stutzer einſt gewe - ſen .
Des Phoͤbus Wagen lief den Sonnenweg herab .
Mit Keichen ſtolperte der Pferde muͤder Trab ;
Doch jagten ſie zuletzt , den Weg ſich zu verkuͤrzen ,
Daß Thetis zitterte , ihr Phoͤbus moͤchte ſtuͤrzen :
Als auf dem muͤden Gaul , ein jeniſcher Student
Jm ſtolpernden Galop durch bunte Wieſen rennt ,
Und oft voll innrer Angſt , die nie Philiſtern traute ,
Zuruͤck nach Glaͤubigern , die folgen koͤnnten , ſchaute .
Es war ein Renommiſt , und Raufbold hieß der Held ;
Er floh als Maͤrtyrer aus ſeiner jenſchen Welt .
Dort war ſein hohes Amt , ein großes Schwerd zu tragen ,
Oft fuͤr die Freyheit ſich auf ofnem Markt zu ſchla - gen , A 3 Zu 6
Zu ſingen oͤffentlich , zu ſaufen Tag und Nacht ,
Und Ausfaͤll oft zu thun auf armer Schnurren Wacht .
Als Hoſpes war er oft des Bacchus erſter Prieſter ,
Und ein gebohrner Feind vom Fuchs und vom Phi - liſter .
Er pruͤgelte die Magd , betrog der Glaͤubger Liſt ;
Bezahlen mußte nie ein wahrer Renommiſt .
Er ſprach nie ohne Fluch , und ſprach von nichts als Morden ;
Und doch hat Don Quichot von ſeinem Ritterorden
So praͤchtig nicht gedacht , als er von ſeinem Amt ,
Das ihm , von Held zu Held erhalten , zugeſtammt .
Bergebens lockten ihn die angenehmen Muſen ;
Ein kriegriſch Feuer brannt in ſeinem wilden Buſen .
Zum Corporal gemacht , und nicht zum Muſenſohn ,
Sprach er den Gratien und Wiſſenſchaften Hohn .
Nachdem ſein ſtarker Arm den kuͤhnſten Streit voll - fuͤhret , Traf 7
Traf ihn des Bannes Stral , und er ward relegi - ret .
O Jena ! ( ruft er aus , ) bald werd ich nicht mehr ſeyn !
Bald wird der feige Fuchs ſich meines Falles freun !
Bald wird man auf dem Markt nicht mehr mich bruͤllen hoͤren !
Kein Wetzen mehr von mir wird eure Ruhe ſtoͤren ,
Philiſter ! — Welch ein Schlag ! die Freyheit iſt dahin ,
Dein Anſehn , Jena , faͤllt , da ich nun nicht mehr bin !
Er ſagts ; ſpringt auf ſein Pferd ; und zwanzig Cre - ditoren
Sahn ihn zu ſpaͤt entflohn , und ihren Raub ver - lohren .
Da , wo die Pleiße ſich mit krummen Fluthen ſchlingt ,
Und manches bunte Schiff auf frohe Doͤrfer bringt ,
Liegt eine ſtolze Stadt , die hoch die Daͤcher zeiget ,
Groß durch die Muſen prangt , und durch den Han - del ſteiget .
Von der nahm Raufbold ſchon der Thuͤrme Spitzen wahr . A 4 Schor - 8
Schorſteine ſchimmerten , gleich weiſſer Laͤmmer Schaar ;
Die Pracht kam nach und nach von einzeln Haͤu - ſern nahe ,
Bis er zuletzt die Stadt in vollem Glanze ſahe .
Ein Spornſtich und ein Fluch befluͤgelten ſein Roß .
Der großen Peitſche Knall , und mancher Ribbenſtoß
Jagt es mit Schaͤumen fort , und faſt im Augen - blicke
Fliehn ganze Gegenden im ſchnellen Lauf zuruͤcke .
Es war ein jeniſch Pferd , es flog mehr , als es lief .
Jhm war kein Berg zu hoch , kein Graben war zu tief ,
Es ſprengt ihn muthig durch ; im Laufen und im Setzen ,
Erfuͤllt es Wink , und Ruf , dem Reuter zum Ergetzen .
Es hieß Calmuck , und ward in Jena ſehr verehrt .
Es naͤhrte ſich auch nicht , wie ein gemeines Pferd ,
Mit Haber und mit Heu ; nach ſeinem ſchnellen Lau - fen
Verlangt es Bier und Brod , und konnte Brandwein ſaufen . Sechs 9
Sechs Meilen war es ſchon im ſchnellen Trott ge - rennt ;
Die Maͤhne flatterte , vom Suͤdwind oft zertrennt ;
Es wieherte vor Luſt ; als es in ſeinem Traben
Auf einmal ſtutzig wird . Es ſetzt durch Buſch und Graben ,
Schlaͤgt brauſend hinten aus ; ein weißer dicker Schaum
Bedeckt in ſeiner Angſt den alten rothen Zaum ,
Und ſchnaubend ſteht es ſtill . Halt , Raufbold , laß es ſtehen !
Die Pferde ſehen oft , was keine Menſchen ſehen !
Es ſteht ein Geiſt vor ihm , von gnomiſcher Natur ,
Der Renommiſten Schutz , ſein Name war Pandur .
Er flog oft uͤber ihm mit ſchwarz berußten Schwingen ,
Und ſtaͤrkte ſeinen Muth beym Anblick ſcharfer Klin - gen .
Da er aus Jena ging , hatt er die duͤnne Luft
Um ihn herum verdickt in einen dunklen Duft ;
Ein Nebel floß um ihn , der ihn dem Blick verſteckte , A 5 Damit 10
Damit kein Glaͤubiger den fernen Weg entdeckte .
Nun ſieht er , doch zu ſpaͤt , das helle Leipzig nah .
Er merkt , daß Raufbolds Blick mit Luſt Pallaͤſte ſah ,
Ha! ( dacht er bey ſich ſelbſt , ) denkſt du wohl hier zu bleiben ?
Verraͤther ! meine Liſt ſoll dies ſchon hintertreiben ?
Wie leicht vergaͤſſeſt du den Renommiſtenſtand ,
Und wuͤrdeſt auch ein Narr , gepudert und galant .
Nein ! dies erlaub ich nicht . Er ſagts , und laͤhmt dem Pferde
Den linken Hinterfuß ; es ſtuͤrzt , und faͤllt zur Erde .
Sogleich ſpringt Raufbold ab , und ſchreyt voll Rach - begier :
Auch du noch faͤllſt mir um , du canaljoͤſes Thier ?
Er flucht , und peitſchet es mit moͤrderiſchen Haͤnden ,
Doch es lag , wie es lag , entkraͤftet , lahm an Len - den .
O! ( ſchrie er unmuthsvoll in ſeiner Peitſche Knall , )
Waͤrſt du , o Beſtje , doch in des Philiſters Stall , Der 11
Der dich , nichtswuͤrdgen Gaul , zum Schimpfe mir gegeben ,
So moͤchteſt du allda verrecken , oder leben .
Jndem ſah ihn Calmuck mit matten Augen an ,
Als ſpraͤch er : Schone mich , da ich nicht laufen kann .
Zwar Raufbold ſtreichelt ihn , daß er zu ſtehn be - gonnte ;
Doch war er ſo geſchwaͤcht , daß er kaum ſchreiten konnte .
Alſo geht er geſpornt lautdonnernd neben her ,
Und fuͤhrt den muͤden Gaul vom Mantelſacke ſchwer .
Die Stiefeln druͤcken ihn , doch er muß ſich beque - men ,
Bis dicht an Leipzigs Thor den Weg zu Fuß zu neh - men .
Hier ſieht zuletzt Pandur , daß ſich ſein Hannibal ,
Trotz aller ſeiner Liſt , und trotz Calmuckens Fall ,
Nach Capua doch wagt ; er heilet auf der Bruͤcke
Calmuckens lahmen Fuß , und flucht auf das Ge - ſchicke .
Doch Raufbold ſetzt ſich auf , ſprengt muthig durch das Thor , Legt 12
Legt ſich wie ein Huſar mit halbem Leibe vor ,
Und ſpornt Calmucken an , der in der Angſt es wagte ,
Und voll Verzweifelung mit ihm durch Leipzig jagte .
Der wilden Peitſche Knall betaͤubt die Straße ganz .
Die Schatten herrſchten ſchon , doch der Laternen Glanz
War an den Waͤnden hier , was dort an Himmels - ſphaͤren
Beſtralte Welten ſind , die Dunſt und Nacht ver - klaͤren .
Zum Blauen Hecht trug ihn Calmucks geſchwin - der Lauf .
Ein eignes Zimmer nahm den wilden Fremdling auf .
Er ſetzte ſich , und warf mit grimmiger Geberde
Den Degen auf den Tiſch , die Handſchuh auf die Erde .
Armſeelger , ( ruft er aus ) in Leipzig biſt du nun ?
Ja , hier , wo alles ruht , wird auch dein Degen ruhn ! Wer 13
Wer wird dich Renommiſt allhier zu nennen wa - gen ,
Hier , wo man faſt nicht weis , daß Burſche De - gen tragen ?
O! wie beſeufz ich nicht mein widriges Geſchick ,
Denk ich , mein Jena , noch an deine Luſt zuruͤck !
O Schickſal ! waͤr es doch dein mir geneigtrer Wille ,
Doch Schnurren , doch Pedell — Hier ſchwieg er ploͤtzlich ſtille ,
Und warf ſein ſchweres Haupt in ſeine tapfre Hand .
Die ſtarren Augen ſahn verwirret nach der Wand .
Der Hut , den er ergrimmt tief in die Augen ruͤckte ,
Verrieth des Kummers Laſt , der ihn im Herzen druͤckte .
Drauf greift er mit der Hand an den geſchaͤrften Stal ,
Der auf dem Tiſche lag , zieht ihn , und wetzt drey - mal .
Aus dem zerritzten Gips ſchlug funkenreicher Schim - mer ,
Und wuͤtend ſchleudert er ihn in das oͤde Zimmer .
Jndem 14 Jndem tritt voller Furcht die Jungemagd herein ;
Jhr Angeſicht erblaßt bey ſeines Degens Schein .
Befehlen ſie etwas ? — Er ſprach mit wilden Mi - nen :
Kennſt du die Krone wohl ? — Sie ſagt : mein Herr , zu dienen ,
So geh dahin , ( fuhr er mit rauhem Baſſe fort , )
Und bringe dis Billjet an den beſtimmten Ort.
Allein du ſollſt durchaus nicht meinen Namen ſagen ;
Jch bin incognito ! Sey ſtumm bey ihren Fragen .
Sie eilt mit Schrecken fort . Die Stimme , die es ſprach ,
Ließ in der feigen Bruſt ein ſtill Entſetzen nach .
Doch die Geſandſchaft ſchien ihr angenehm und wich - tig ;
Die alte Jris ward zum erſtenmale fluͤchtig ;
Zum erſtenmal verlohr der juͤngferliche Gang ,
Bey Eil und Daͤmmerung , den affectirten Zwang .
An 15 An drey Jenenſer war die Einladung gerichtet .
Sie waren alle drey als Bruͤder ihm verpflichtet .
Dies Kleeblatt , welches er auf Schulen ſchon ge - kannt ,
Verknuͤpft in Jena noch ein feſtes Freundſchaftsband .
Sie waren ſeines Ruhms , und ſeines Gluͤcks Acha - ten ,
Beruͤhmt wie er , durch Bier , und Renommiſten - thaten ,
Auch relegirt wie er , noch immer roh und wild ,
Und auch in Leipzig noch der jenſchen Freyheit Bild ,
Wer ſich nur unterſtund ſie kuͤhnlich anzublicken ,
Den drohte ſchon voll Wuth ihr Auge zu zerſtuͤcken .
Jhr Stichblatt , das die Hand an ihrem Degen deckt ,
War wie Meduſens Schild , der mit dem Anſehn ſchreckt ;
Ein Stichblatt eigentlich , in Noth ein Suppenteller ;
Und wer es ſah , gieng auch in panſchem Schrecken ſchneller .
Bey ihnen hieß vergnuͤgt , ſo viel , als wild und toll . Drey 16
Drey Laſen waren ſtets von Wurzner Naſſe voll .
Jhr Singen war ein Schreyn , und ihre Freude Rau - fen ;
Sie haßten Buch und Fleiß , und ihr Beruf war Saufen .
Jn jenſcher Lebensart traf ſie das Maͤdchen an .
Sie opferten mit Schreyn dem Bacchus , und Vulkan ,
Und ſaßen hoch und ſtolz , gleich unterirdſchen Goͤt - tern ,
Bey einer Fluth von Bier , in Wolken und in Wet - tern .
Ein jeder las erſtaunt , und jeder fragt und rieth ,
Was fuͤr ein Fremder ſie noch nach dem Hecht be - ſchied ;
Allein des Schickſals Buch blieb unterklaͤrt verſchloſ - ſen .
Sie warfen alle ſich halbtaumelnd und verdroſſen
Jn ihren Oberrock , und eilten in den Hecht .
Die Stubenthuͤr gieng auf . Wie ? Bruder , ſeh ich recht ?
Sogleich ſprang jeder zu . Ja , Bruder , ſchrie ein jeder , Der 17
Der Teufel hole mich ! er iſts , wir ſehn ihn wie - der .
Es druͤckt ſich Mund auf Mund , es raſſelt Bart an Bart ,
Und jeder ſteht erſtaunt ob ſeiner Gegenwart .
Kerl , ( ſprach zuletzt von Torf , ) wie koͤmmſt du an - gezogen !
Die Manichaͤer ſind gewiß von dir betrogen !
Du biſt ein Teufelskerl ! So manchen armen Tropf
Prellt und beziehet ſchon dein canaljoͤſer Kopf .
Doch du biſt relegirt , ich wollte wohl drauf ſchwoͤ - ren ,
Mich duͤnkt , das Voͤgelchen hab ich ſchon ſingen hoͤren .
Doch ſage mir , warum liegt alles um dich her ?
Warum der Degen blos ? was ſoll dies Mordgewehr ?
Er ſchwieg , und Raufbold ſprach : Laßt euch zuſammen nieder !
Sie thatens , er fuhr fort : Jhr wißt es , werthen Bruͤder ,
Wie oft mein muthger Arm fuͤr Jena ſich gewagt ,
Wie oft die Schnurren euch , wie oft ich ſie gejagt ; B Jhr 18
Jhr wißt , wie ſorgſam ich fuͤr unſre Freyheit wachte ,
Wenn ſie ein neu Edikt uns zu entreißen dachte ;
Dafuͤr hab ich den Lohn . Ja — ich bin relegirt !
Warum ? weil ich mein Amt mit Ehr und Ruhm ge - fuͤhrt .
Dreymal hatt ich mich nun auf ofnem Markt ge - ſchlagen ,
Und dreymal hatt ich auch den Sieg davon getragen ;
Kein andrer war , wie ich , im Stoß und Hiebe ſchnell ;
So koͤmmt Beelzebub im ſchielichten Pedell .
Man forderte mich vor , ich mußte hoͤlliſch ſchwitzen ,
Jch both zwoͤlf Thaler an , nichts konnte mich beſchuͤ - tzen .
Jch ſollt , ich mußte fort . Gleich ward mein Pferd beſtellt ,
Und die Philiſter ſind von mir verflucht geprellt .
Nun bin ich , wie ihr ſeht , in dieſes Neſt gekommen .
Zwar hab ich mit Verdruß den dummen Weg genom - men ; Allein 19
Allein was war zu thun , ihr waret alle hier .
Bleib ich nun , oder nicht ? Sagt , Kerls , was rathet ihr ?
Wie , wenn ein großes Volk von Rednern wird beweget ,
Sich der zu der Partey , der zu der andern ſchlaͤget ,
Ein murmelndes Getoͤs die ſtille Luft durcheilt ;
Die Zwietracht drauf das Volk in zwo Parteyen theilt ,
Davon die eine will , was jener Mund verneinet ,
Bis ſich zuletzt das Heer der Streitenden vereinet :
So war auch hier der Streit ; es folgte Wort auf Wort .
Der eine ſprach : Bleib hier ; der andre ſprach : Zieh fort .
Doch Raufbold ſelber war ſchon insgeheim entſchloſſen ,
Aus Leipzig nicht zu gehn , bis er es recht genoſſen .
Zuletzt fieng Banner an : Hoͤrt , was mein Anſchlag iſt ,
Herr Bruder , hoͤre zu . Du biſt ein Renommiſt ; B 2 Dies 20
Dies iſt genug , bleib hier , es wird dich nicht gereuen ;
Du kannſt den Leipzigern Staub in die Naſe ſtreuen .
Wie ? ( fiel ihm Krach ins Wort , vom Daries gelehrt , )
Dies iſt die beſte Welt ; ſie wird nicht umgekehrt ;
Zwey Dinge werden wir nie voͤllig aͤhnlich finden ;
Denn das , was iſt , das iſt . Wer kann mich uͤber - winden ?
Wann unſer Raufbold bleibt , ſo weis ich alles ſchon ,
So iſt die ratio ſufficiens davon —
Pedante , ( rufte Torf ) laß deine magern Schluͤſſe ,
Waͤr es ein Wunder wohl , daß die Geduld uns riſſe ?
Herr Bruder Raufbold , thu , was dir am kluͤgſten duͤnkt ,
Jtzt iſt der beſte Rath , ſetzt euch , ihr Narrn , und trinkt .
Und trinkt , und trinkt , ( ſchrien auch die andern um die Wette , )
Und ſauft , und ſaufet euch bis morgen in das Bette .
Sogleich bruͤllt Raufbold laut : Schafft Bier ! der Hausknecht kam , Der 21
Der in den krummen Arm zwo gruͤne Laſen nahm .
Er brachte Bier , Toback , zwo Karten , und vier Pfeifen ,
Und ein koſtbares Stuͤck , ein Paßglas mit zween Greifen .
Zween Voͤgel , die ſo oft die Chroniken geziert ,
Und oft im Alterthum mit Rittern Krieg gefuͤhrt .
Sie zierten dieſes Glas , wie ſie ein Pfeil verfehlet ,
Und ſie ein Ritter dann mit ſeiner Lanz entſeelet .
Nun Bruͤder , ( rief der Wirth , ) zieht eure Jacken aus ,
Denn heute geb ich euch den jenſchen Abſchiedsſchmaus .
Er ſagts , und alſobald lag auf dem Nebentiſche
Stock , Kleider , Handſchuh , Hut , in ſeltſamen Ge - miſche .
Er ſetzt ſich oben an , und ruft : Auf ! folget mir !
Und alſobald fuͤllt er das große Glas mit Bier ,
Und ſaͤuft dem erſten zu aufs Wohlſeyn der Schar - mante ,
Ein Maͤdchen , welches er dem Namen nach kaum kannte . B 3 Den 22
Den Schluͤſſel von der Thuͤr hielt er dem Zepter gleich ,
Als Hoſpes , in der Hand , und gab in ſeinem Reich
Ein heiliges Geſetz , ohn Abziehn auszutrinken .
Oft ließ ſein Richterarm den ſchweren Schluͤſſel ſinken ;
Weh dem , der dies Geſetz als ein Rebelle brach !
Wenn er das Donnerwort , pro poͤna , zu ihm ſprach ,
So mußt ein neuer Strom in ſeine Kehle fließen ;
Sonſt ſtand er in Gefahr ſein Maͤdchen einzubuͤßen .
Das Bier bewies die Kraft , der falſche Witz fieng an ,
Und alle prahlten nun Schandthaten , nicht gethan .
Toback und Saufen macht , daß die ſich Freunde nen - nen ,
Die nach dem wilden Schmaus ſich oft nicht wieder kennen .
Mein Seele , ( ſprach von Torf , ) den Ruhm hat dieſe Stadt ,
Daß ſie , bey allem Zwang , doch ſchoͤne Menſcher hat !
Jch habe nie mich viel mit ihnen abgegeben ; Allein 23
Allein ihr Bruͤder , hoch ! und laßt Selinden leben .
Vivat Selinde hoch ! bruͤllt tief ihr rauher Schlund ;
Vivat Selinde hoch ! ſchreyt noch einmal ihr Mund ,
Zum drittenmale hoch ! — Das ganze Zimmer fchuͤt - tert ,
Daß auf dem naſſen Tiſch das gruͤne Paßglas zittert .
Wie nach Homers Bericht , wenn in dem Trojerſtreit ,
Mars , gleich zehntauſend Mann , aus Schmerz der Wunde ſchreyt ,
Das ganze Heer erbebt , nebſt Bergen , Thal und Felſen ;
So bebt die Stube hier von vier Studentenhaͤlſen .
Drauf mahlt Torf ihr Geſicht mit ſolcher Anmuth ab ,
Daß eines jeden Fluch ihm brauſend Beyfall gab .
Der Renommiſt verſetzt , der insgeheim entbrannte :
Jch waͤhle ſie hiermit mir ſelber zur Scharmante .
Den Teufel auch ! ( ſprach Torf , der ungern ſie ver - lohr , )
Doch Raufbold ſchwur alsbald ihm zwanzig Ganze vor . B 4 Torf 24
Torf holte ſie nicht nach ; die Kraft betrog ſein Hoffen ,
Und Leipzigs Krone ward dem Feigen abgeſoffen .
Es ſteigt zu gleicher Zeit ein ſchwarzer Tobacksduft
Aus langen Roͤhren auf , und truͤbt die dicke Luft .
Die Wirbel drehen ſich auf wunderbare Weiſe ,
Wie in Carteſens Luft die laͤnglicht runden Kraiſe .
Der Waͤchter ſingt zwey Uhr. O unbarmherzger Ton !
O neidſcher Seigerſchlag , warum ſtoͤrſt du ſie ſchon !
Doch man gehorcht ihm nicht , und laͤßt ihn pereiren ,
Und ſeinen Nachtgeſang nachſpottend nicht vollfuͤhren .
Man trank nach altem Brauch , mit Schwuͤren voller Kraft ,
Auf die Beſtaͤtigung der alten Bruͤderſchaft .
Zum Zeichen ewger Treu ward jeder Hut durchſtochen ,
Und mit Geſchrey und Laͤrm jedwedes Glas zerbrochen .
Nun , Bruͤder , iſt es Zeit , brecht auf , es iſt vier Uhr ; ( So 25 ( So ſprach von Torf , als er von ſeinem Stuhle fuhr , )
Laßt uns zu Hauſe gehn , der Schlaf ſcheint ſich zu regen .
Man taumelt auf , und ſucht , Stock , Kleider , Hut und Degen .
Doch eh man gaͤnzlich ſchied , ſo fuͤllte man das Glas
Noch einmal oben an mit braunem Gerſtennaß .
Es lebe Jena hoch ! — Torf trank ; im Augenblicke
Zertruͤmmert er das Glas in tauſend kleine Stuͤcke .
Krach nimmt den ganzen Reſt der Pfeifen in die Hand ,
Und ſchleudert , wie ein Zevs , ſie donnernd an die Wand ,
Daß der zerbrochne Thon faſt alle Winkel fuͤllte ,
Und des Zerſtoͤrers Wuth erſt durch Ruinen ſtillte .
Ermuͤdet von Geſang , und Saufen , und Ge - ſchrey ,
Gehn die Verwuͤſter nun , und taumeln alle drey , B 5 Mit 26
Mit ungewiſſem Schritt durch Glas - und Pfeifen - truͤmmer ,
Bis auf den weiten Markt , bey heller Lampen Schim - mer .
Sie eilen nun zur Ruh , da andrer Aug erwacht ,
Und rufen bruͤllend aus : Herr Bruder , gute Nacht !
Zweyter Geſang . Der Renommiſt . Zweyter Geſang . [28] 29 D er Morgenroͤthe Blick , der Glanz von einzeln Sternen
Erhellte dort die Luft , wie hier den Markt Laternen ;
Zu dem die Schwaͤrmer gehn , die Bier und Nacht betriegt .
Ein bruͤllendes Geſchrey , das von den Lippen fliegt ;
An jeder Wand ſich bricht ; tief in die Heuſtraß hallet ;
Schallt wieder , wie im Wald ein Echo wiederſchallet .
Von Torfs verwegne Fauſt nimmt einen ſchweren Stein ,
Und zielt mit dieſem Fels nach einer lampe Schein ,
Die wie ein Sirius an Schubarths Hauſe prahlte ,
Und aller andern Glanz hochmuͤthig uͤberſtrahlte .
Sein Rieſenwurf durchfaͤhrt der Lampe glaͤſern Haus ;
Er trifft das lichte Tocht , es zittert , und loͤſcht aus . Wie 30
Wie wenn der große Stern Orions ſchnell ver - ſchwindet ,
Jhn kein geſchaͤrfter Blick , kein Sehrohr wieder findet ;
Den Ort , den er beglaͤnzt , ein leeres Blau erfuͤllt ,
Und drauf der kleine Raum in alte Nacht ſich huͤllt ;
So ſinkt der Luftkrais auch , den dieſe Lamp erhellet ,
Jns finſtre Schattenreich , da ſie ſein Wurf zerſchellet .
Sogleich , da durch den Stein die Lamp in Stuͤ - cken ſpringt ,
Singt man ein Siegeslied , wie man in Jena ſingt .
Torf , der es freudig hoͤrt , wie man ihm Beyfall wettert ,
Wird ſtolz , wie Zevs , wenn er die Rieſenbrut zer - ſchmettert .
Jn Truͤmmern von dem Glas ſucht er den kuͤhnen Stein ,
Und ſteckt ſiegprangend ihn zum Angedenken ein .
Jndeſſen ſtanden ſie , und ſungen an der Wage :
Sadonc , Sadonc , Sadonc ! ſo geht es alle Tage
Jm ſchoͤnſten Salathen ! — und hohe Lieder mehr . Jhr 31
Jhr Schreyn war wie das Schreyn von einem gan - zen Heer ;
Die ſtille Nacht trug es auf ihren ſchwarzen Schwingen ,
Fern hin zu Raufbolds Ohr ; Er hoͤrt ein jeniſch Singen .
Er ſpringt vom Lager auf ; ſteckt ſeinen Raufer an ,
Und folgt den Liedern nach , die mehr und mehr ſich nahn .
Sie fuͤhren ihn zum Markt . Hier fand er ſeine Bruͤder ,
Sie ſehn ihn ; Jauchzen miſcht ſich in die wilden Lieder .
Triumph , ( ſchreyn ſie , ) Triumph , Triumph , Victoria !
Er iſts ! er iſt es ſelbſt ! der alte Knab iſt da !
Sie ziehn die Degen aus , die wie ein Nordlicht ſcheinen ,
Und zeichnen ihren Weg mit Feuer aus den Steinen .
Es hebt nicht weit vom Markt Schellhafers ſtol - zes Dach
Sich prangend in die Hoͤh ; um das manch zaͤrtlichs Ach
Und mancher Seufzer fliegt , der , wenn ſich Liebe haͤrmet ,
Hier in der Jrre bleibt , und um die Ziegel ſchwaͤrmet . Es 32
Es deckt dies ſtolze Dach den laͤngſten Saal der Stadt ,
Auf welchem manche Braut den Kranz verlohren hat ;
Und wo der Gratulant manch Hochzeitlied verſtreuet ,
Weil ihn zu Ball und Schmaus ſein kluger Bauherr weihet .
Der Fenſter lange Reih giebt ihm ein heitres Licht ,
Das in verſchiedner Form durch reines Glas ſich bricht .
Man ſieht faſt keine Wand ; und wo man ſie erblicket ,
Jſt ſie durch Kunſt und Pracht mit Saͤulen ausge - ſchmuͤcket :
Mit Saͤulen , die zwar erſt Corinthens Witz erdacht ,
Doch die des Deutſchen Hand begluͤckter nachgemacht ,
Da ſie nach Marmorart den groben Stein bezogen ,
Und angenehm den Blick , den es erforſcht , betrogen .
Ein Chor haͤngt an der Wand , gleich einem halben Mond ,
Wo mancher Liebesgott im hoͤlzern Schnitzwerk wohnt .
Von hier ſchallt oftermals , bey hohen Luſtbarkeiten , Trom - 33
Trompet und Paukenſchall in feyerliche Saiten .
Die Neugier ſieht beſtuͤrzt oft aller Tanzkunſt Pracht
Auf dieſem weiten Saal in einen Ball gebracht .
Wie manches Ehpaar wird ihn mit Entzuͤcken zeigen ,
Und denkt mit ſuͤßer Luſt an ſeinen erſten Reigen !
Auch ietzt war hier ein Ball den Schoͤnen angeſtellt .
Es ſchimmerte voll Glanz die junge Stutzerwelt ;
Und manches ſchoͤne Kind , beſiegt vom ſanften Triebe ,
Hebt die erhitzte Bruſt , und gluͤht von Tanz und Liebe .
Selbſt die Galanterie , die Goͤttin , deren Macht
Die alte deutſche Welt fein und geſittet macht ,
Beſuchte dieſen Ball , und kam mit Glanz und Schimmer ,
Und koͤniglichem Pomp , in das erhellte Zimmer .
Es rauſchet um ſie her ein fluͤchtiges Gewand .
Der blauen Augen Glanz ſiegt ohne Widerſtand ; C Jhr 34
Jhr lockigt blondes Haar , mit vieler Kunſt gekraͤuſelt ,
Wird vom verliebten Weſt , von Seufzern ſtets um - ſaͤuſelt .
Sie herrſcht als Koͤnigin ; ihr Zepter iſt ein Stab ,
Zu dem ein Elephant die beſten Zaͤhne gab .
Jhm wird der Menſchen Mund den Namen Faͤcher geben ;
Doch bey der Goͤttin iſts ein Stab zum Tod und Leben .
Ein Wink , ein ſanfter Stoß , ein leichter Schlag erklaͤrt ,
Was oft ihr Mund verneint , und doch ihr Herz gewaͤhrt .
Ein maͤchtger Zauberſtab , der , wenn ſie es gebietet ,
Raſch aus einander rauſcht , und wie ein Sturmwind wuͤtet ;
Oft ſanft die volle Bruſt , und heiße Wangen kuͤhlt ,
Wenn ſie mit Lieb und Treu , und Frauentugend ſpielt .
Er oͤfnet ſich niemals , daß er nicht Schalkhelt laͤchelt ,
Und zauberiſchen Wind , voll Gluth und Wolluſt , faͤchelt .
Bey dieſer Oefnung ruͤhrt den Blick ein kuͤnſtlich Bild , Be - 35
Bedeutender , als ſelbſt Achills berufner Schild ;
Jn den der Schmiedegott mit ſeltner Kunſt geetzet ,
Was ein empfindlich Herz erſchrecket , und ergetzet .
Auf dieſem Faͤcher ſteht in ſeiner ganzen Macht ,
Die oft Olymp und Welt in Unordnung gebracht ,
Der kleine Liebesgott , mit ſchalkheitsvollen Blicken ,
Dem Bogen in der Hand , dem Koͤcher auf dem Ruͤcken ;
Wie er mit ſtarkem Arm nach jungen Schoͤnen zielt ,
Und Tugenden zerſtoͤrt , und Herzen unterwuͤhlt .
Er ſieht ſtolz um ſich her , wie ſeine Pfeile fliegen ,
Wie Helden untergehn , und Taͤnzerinnen ſiegen ;
Wie der beſtrickte Graf das Schneidermaͤdchen liebt ,
Und wie der Fraͤulein Herz dem Schreiber ſich ergiebt :
So kam die Goͤttin an , und des Gefolges Menge ,
Das ſtralend ſie umringt , macht faſt den Saal zu enge . C 2 Jhr 36
Jhr Liebling iſt der Putz . Sein ſilbernes Gewand
Jſt reich mit Gold geſtickt , ſein Haar iſt farbigt Band .
So iſt Meduſens Haar ein Heer gekruͤmmter Schlan - gen ,
Die ziſchend um ihr Haupt , lebendge Locken , hangen .
Jhm weihn , als einem Gott , die Schoͤnen zum Altar ,
Den Nachttiſch , der ſo oft ein ſchoͤn Geſicht gebahr .
Er ſenkt des Morgens ſich in einem zarten Staube ,
Der zierlich ſie bereift , auf Locken um die Haube .
Er flieht die Einſamkeit , und unfruchtbare Nacht ,
Wenn ſie die Mummerey nicht Tagen aͤhnlich macht .
Viel Nymphen ſprungen auch auf dem beſtaͤubten Boden
Mit Schuhen von Damaſt ; ſie hieſſen neue Moden .
Ein ſchoͤn gekleidet Heer , doch ſtets veraͤnderlich ,
An welchem die Geſtalt bey jedem Anblick wich .
Die aufgeputzte Reih der Moden deutſcher Lande Zog 37
Zog ſich vor andern hier in reizendem Gewande
Um die Galanterie , von Dreßden , und von Wien ;
Steif , die von Augſpurg her ; und frey , die von Berlin .
Jedoch die artigſte von dieſen Moden allen
War Leipzigs Mode . Schoͤn , und ſicher zu gefallen ,
War ſie nicht allzuſteif , und auch nicht allzufrey ;
War ſtets Nachahmerin , doch im Nachahmen neu .
Franzoͤſiſch halb , halb Deutſch ; begluͤckt in ihren Wahlen ,
Und eine Pythia von den Provinzialen .
O Ewigkeit , wenn je der Witz etwas erdacht ,
Was Ohren ſuͤß entzuͤckt , und Dichter ewig macht ;
So laß die Kraͤmer nicht mein Lied zu Duͤten nehmen ,
Noch meine Reime ſich bey niedern Hoͤken ſchaͤmen .
Wenn Berenizens Haar in lichtem Schimmer ſteht ,
Und eine Locke glaͤnzt , die Popens Lied erhoͤht : C 3 So 38
So laß der Mode Haar auch zu den Sternen dringen ,
Und du , o Muſe , komm , und hilf ſie mir beſingen .
Ein dunkelbraunes Haar , mit Puder vorn be - ſtaͤubt ,
Das ein durchgluͤhter Stal in runde Locken treibt ,
Fließt in den Nacken hin ; die Scheitel bis zur Stirne
Bedeckt ein leichter Schmuck von zartgewebtem Zwirne .
Die Haube ſchließt nicht an , und flieht aus dem Geſicht ,
So wie ein Stralenſchein den Heiligen umflicht .
Gefaͤrbte Federn bluͤhn , wie Blumen an der Seite ;
Und dickes goldnes Band , von der gehoͤrgen Breite ,
Das hinten zierlich ſich in eine Schleife legt ,
Wird an den Spitzen oft vom ſanften Weſt bewegt .
So wie ein Fluͤgelpaar am Kopf des Goͤtterbothen ,
Wenn er bald Kuppler iſt , und bald Furier der Todten .
Von ihrem freyen Hals haͤngt eine Perlenſchnur , So 39
So ſchoͤn von Wachs gemacht , als wie die von Natur .
Ein zartes Palatin , zu duͤnn etwas zu decken ,
Jſt doch bemuͤht die Bruſt verraͤthriſch zu verſtecken .
Ein großer Blumenbuſch , von Seide nachgemacht ,
Beſchattet ihre Bruſt in falſcher Fruͤhlingspracht .
So wie ein Perſer ſich in langen Ermeln zeiget ,
Wenn er im Trauerſpiel auf unſre Buͤhne ſteiget ;
So haͤngt um ihren Arm , an einem zarten Flor ,
Ein zaͤrteres Geweb aus ihrem Kleid hervor .
Jhr Schuh iſt niedrig ſtumpf , mit aufgeſteifter Laſche ,
Und eine Schnalle ſtralt an ſtatt des Bandes Maſche (*) Bey Gelegenheit dieſer Beſchreibung muß man die Leſer , die ſich auf die Moden verſtehen , erinnern , daß man die Moden in dieſem ganzen Gedichte von der Zeit beybehalten , da der Renommiſt zuerſt in Leipzig her [a ] us gekommen .
(*) . Dies iſt der Mode Bild . Ein Denkmaal von Genie ,
Erfindung , und Geſchmack ! Selbſt die Galanterie C 4 Be - 40
Bemuͤht ſich , dieſer Tracht vor andern nachzuahmen ;
Sie geht in Deutſchland ſo , wie Leipzigs holde Damen .
Ein ploͤtzliches Geſchrey von Raufbolds trunkner Schaar ,
Macht alles aufmerkſam , was in dem Saale war ;
Und ſchnell drang dies Geſchrey von Raufbolds vollen Bruͤdern
Bis zur Galanterie auf eines Nords Gefiedern .
Der blanke Degen klirrt , das Pflaſter ſpeyet Gluth ;
Den Tanzenden entfaͤllt auf einmal aller Muth .
Dreymal bellt ihr Petit , der auf dem Schoße zittert ;
Dreymal erbebt der Saal , dreymal wird ſie erſchuͤttert .
Geliebte , hoͤrt dies Schreyn , ( ſpricht ſie , von Furcht verſtoͤrt , )
Hat man in Leipzig je ſolch einen Lerm gehoͤrt ?
Jſt Wohlanſtaͤndigkeit auf einmal hier verlohren ?
Und ſchreyt der Poͤbel ſo durch unſre zarten Ohren ?
Sind dies Studenten ? Nein ! O welch ein wild Geſchrey ! Wie ? 41
Wie ? Leipzig , wirſt du mir auf einmal ungetreu ?
Will der bebaͤnderte nie bloß geſehne Degen
Auf einmal kriegriſch ſeyn , auf einmal Laͤrm erregen ?
Die Mode ſieht indeß , mit aufgebrachtem Sinn ,
Voll Unmuth , Furcht , und Angſt , ſtarr auf den Bo - den hin .
Jhr Herz faͤngt bey dem Laͤrm unruhig an zu ſchlagen .
Jetzt ſchweigt ſie , ietzt will ſie beherzt zu reden wagen .
Und endlich hebt ſie an : O Goͤttin , zuͤrne nicht ,
Wenn Ungezogenheit den feſten Damm durchbricht ,
Den nie — jedoch die Furcht verbietet ihr zu ſprechen ,
Und Raufbold , und ſein Heer rathſchlagt indeß Ver - brechen .
Jhr Stuͤrmer , haltet ein ! Der keichende Lindan ,
Der Schutzgott Leipzigs kam auf ſchnellen Fluͤgeln an ;
Mit Staub auf ſeinem Kopf , und mit zerrißnen Haaren ;
Die Moden machen Platz ; er draͤngt ſich durch die Schaaren , C 5 Und 42
Und ſchießt , als wie ein Pfeil , auf die Galanterie .
Mit thraͤnenvollem Blick ſinkt er vor ihr aufs Knie :
Mein Leipzig , ( rief er aus , ) wird ſich zum Ende neigen !
Vier Stuͤrmer hoͤr ich ſchon nach dieſem Saale ſteigen ;
Ein wuͤſter Renommiſt , den Jena fortgejagt ,
Hat ſich durch mein Verſehn in dieſe Stadt gewagt .
Vor ihnen bebt der Markt ; ſie ſchreyen wie Barbaren ,
Als ſcheuten ſie ſich nicht vor meinen Waͤchterſchaaren .
Drey ſind ſchon Jahre hier ; allein der Schwarm verlacht
Mit ſpoͤttiſchem Geſicht noch meiner Kinder Tracht ;
Dies iſt der groͤßte Schimpf , den ſie auf Leipzig bringen .
Doch , Goͤttin , hilf mir nur den Renommiſten zwingen .
Da ſind ſie ſelber ſchon ! ja , dies iſt ihr Geſchrey :
O Goͤttin , wir vergehn , das Schickſal ſteh uns bey !
Er ſprach noch , als bereits die wilden Schwaͤrmer kommen . Da 43
Da ſie von fern Muſik und Paukenſchall vernommen ,
So folgten ſie beherzt dem frohen Schalle nach ,
Und ietzo traten ſie ins zitternde Gemach .
Der freche Raufbold ſah mit einer Raͤubermine
Tief in den langen Saal : Es zittert die Blondine ,
Und die Brunette bebt ; der junge Herr erſtarrt ,
Und die Matrone ſchreyt vor ſeinem ſchwarzen Bart.
Er , Raufbold , kehrte ſich zu ſeinen Cameraden ,
Und ſprach : Wir ſind zwar hier zum Tanz nicht ein - geladen ,
Doch folgt mir alle nach , und fodert , ſo wie ich ,
Das erſte Maͤdchen auf ; der Teufel hole mich !
Schlaͤgt mir das Menſch es ab , ſo ſollt ihr Wunder ſehen ,
Der ganze Tanzſaal ſoll mit Schrecken untergehen !
Er ſagts , und tritt hervor ; doch alle ſchreyn , und fliehn .
Der weite Reifrock rauſcht , die jungen Stutzer ziehn Wie 44
Wie Kraniche davon ; die Thuͤren ſind zu enge ,
Und Spitz und Band entfliegt im aͤngſtlichen Gedraͤnge .
Auf einmal war der Saal von ſo viel Schoͤnen leer ,
Und niemand war darin , als Raufbold , und ſein Heer .
Er lachte wild , und laut , daß er ſie ſo erſchrecket ;
Von Siegeszeichen war das Schlachtfeld ganz bedecket ;
Es ſchimmerte der Staub von Flittergold , und Staat ;
Wohin beynah der Fuß des ſtolzen Siegers trat ,
Lag Schnupftuch , Blumenſtraus , und halbzerrißne Streifen ,
Manſchetten halbzerfetzt , und halb und ganze Schleiſen .
Ein jeder buͤcket ſich , und ſteckt mit frohem Muth
Die ſchimmernde Trophee an ſeinen alten Hut ;
Sie tanzen mit ſich ſelbſt , bis es drey Kuͤper wagen ,
Von dem entweihten Saal die Stuͤrmer zu verjagen .
Sie eilen aus der Schlacht , von Kampf und Sie - gen ſatt , Und 45
Und jeder ſinket bald auf ſeine Lagerſtatt .
Doch die Galanterie , die zwar im Saal geblieben ,
Die aber Furcht und Angſt hoch auf das Chor getrieben ,
Sah ganz erſtaunt um ſich , und rief der Mode zu :
O Freundin , welch ein Volk ! und dieſes leideſt du ?
Wie frech hat nicht der Mund der Raſenden geſungen !
Wie manches niedre Wort iſt in mein Ohr gedrungen !
Doch , Mode , laß nicht zu , daß dieſer Renommiſt ,
Zum Trutz der artgen Welt , ein ſolcher Unhold iſt .
Der Schlaͤger muß durchaus in Leipzig ſich bekehren .
Hat ein Sylvan gelernt , dich eifrig zu verehren ,
Ein Schlaͤger ſo wie er ; vom jeniſchen Gebrauch
So ſehr , wie er , befleckt ; ſo lernt es Raufbold auch .
Kein Schneider muͤßte mehr die Mode loben koͤnnen ;
Kein Maͤdchen muͤßte mehr mit ſchwarzen Augen brennen ; Des 46
Des Goldes alte Kraft , der Treſſen Wunderſchein
Muͤßt auf ein junges Herz ganz ohne Wirkung ſeyn ;
Wenn dieſer Renommiſt uns widerſtehen wollte ,
Und nicht auch , wie Sylvan , ein Stutzer werden ſollte .
Erſchein ihm , red ihm zu , eil in den blauen Hecht ;
Und Raufbold werde bald ein ſuͤßer Jungfernknecht .
Sie ſagts ; die Mode ſteigt auf ihrem goldnen Wagen ,
Den Moͤpsgen durch die Luft nach Raufbolds Zimmer tragen .
Ein großer Geiſterſchwarm , ein Complimentenheer ,
Setzt ſich um ſie herum , und macht den Wagen ſchwer .
Sie werden , wenn der Mund der Menſchen ſie ver - handelt ,
Schnell in der obern Luft in Geiſterchen verwandelt .
Verſchiedner Mund iſt treu , man darf den Worten traun .
Die Hoͤflichkeit half ſie mit zarter Hand erbaun ,
Vom Umgang lernten ſie ſich zu den Staͤdten wenden , Und 47
Und von der Artigkeit , ihr Wortgepraͤng verſchwenden .
Sehr viele , ſieht man ſie mit ſcharfen Blicken an ,
Entdecket man erſtaunt zweykoͤpfigt , wie den Jan.
Die vordre Stirne zeigt die Schmeicheley im Gluͤcke ,
Und auf der hintern wohnt die Falſchheit , und die Tuͤcke .
Sie ſchweben oft am Hof , im falſchen Vorgemach ,
Und loben ins Geſicht , und ſchmaͤhen hinten nach .
Die Guten ſetzen ſich der Mode nur zur Linken ,
Jndem die Falſchen ſtolz zu ihrer Rechten ſinken .
Jhr Wagen kam nunmehr vor Raufbolds Zim - mer an ,
Den ietzt der ſuͤße Schlaf , der Traͤume leichter Wahn ,
Und auch der Geiſt Pandur auf ſeiner Streu bewachte ,
Der manche Schlaͤgerey ihm ins Gedaͤchtniß brachte .
Die Mode ſteigt herab , die Geiſter warten hier ,
Jhr luftger Koͤrper gieng durch die verſchloßne Thuͤr . Doch 48
Doch wie erſtaunte ſie ; ein Schwindel kam ihr nahe ,
Da ſie in Rauch gehuͤllt das wuͤſte Zimmer ſahe .
Auf dem verbrannten Tiſch lag halbverglimmtes Kraut ,
Das in Virginien der nackte Mohr erbaut .
Zerbrochner weißer Thon in laͤnglichten Cylindern ,
Und Brand und Aſche ſucht der Goͤttin Fuß zu hindern .
Noch dampfte der Toback . Wie wenn der Teuͤkrer Pracht
Jn heißen Schutt zerfaͤllt ; der wilden Flammen Macht
Mit loderndem Geraͤuſch die bange Luft zertheilet ;
Zuletzt ein ſchwacher Dampf aus den Ruinen eilet :
So dampfte der Toback , den das geſchwaͤrzte Rohr
Durchglimmt zuruͤcke ließ , aus Graus und Schutt hervor .
Sie floh vom Rauch erblaßt , der ihr Gewand befleckte ,
Zu der verwirrten Streu , auf der ſich Raufbold ſtreckte .
Pandur verbarg ſich ihr ; ſah ſie , und ward verliebt . So 49
So maͤchtig iſt der Reiz , der unſre Mod umgiebt .
Sie ſprach alſo zu ihm : O Stuͤrmer von der Saale ,
Dein Herz eroͤfne ſich vor meinem ſanften Strale ,
Der ietzt zum erſtenmal auf einen Schlaͤger faͤllt ;
Und ſieh , die Koͤnigin der jungen artgen Welt
Entdeckt im Traume dir , was Buͤcher dir verhehlen ,
Und dunkle Weiſen nicht im Hoͤrſaal euch erzaͤhlen .
Das Schreyen deiner Schaar hat unſre Luſt geſtoͤrt ;
Selbſt die Galanterie hat es erſtaunt gehoͤrt ;
Der Schutzgeiſt Leipzigs kam , und hat mit vielen Klagen
Die jenſche Raſerey der Goͤttin vorgetragen .
O Held , erzuͤrne nicht die Goͤttin , deren Macht
Vielleicht die Schoͤnſte dir der Nymphen zugedacht .
Jch kan allein ihr Herz zu deinem Gluͤck verſoͤhnen ,
Jch wills , wenn du verſprichſt , mich nicht mehr zu verhoͤhnen . D Sey 50
Sey nur ein Leipziger ; verwirf die ſchlechte Tracht ,
Die dich hier laͤcherlich , und Schoͤnen ſchrecklich macht .
Dein Zopf verwandle ſich in einen ſchwarzen Beutel ;
Kein Hut bedecke mehr die aufgeputzte Scheitel ;
Jn Jena ließ dir nur ein kurzer Ermel ſchoͤn ,
Weit beſſer wird dir hier ein langer Auſſchlag ſtehn .
Dein ungekaͤmmtes Haar gleicht einem Sperlingsneſte :
Wie haͤßlich laͤßt dir nicht die leichte gelbe Weſte .
Sie , die ietzt ſpoͤttiſch kurz um deine Huͤſten ſchlaͤgt ,
Sey laͤnger aus Griſett , und ſtark mit Gold belegt .
Die Reuter laß allein die ſchweren Stiefeln druͤcken ,
Wie kan die Maͤdchen nicht ein ſeidner Strumpf ent - zuͤcken !
Dein Degen werde klein , und knuͤpf um ihn ein Band ,
Zum Zeichen , daß du dich zu meinem Reich bekannt .
Verabſcheu von nun an die ungezognen Haͤndel ; Sprich 51
Sprich zierlich , und galant , und rieche nach Lavendel .
Vergiß den Rauchtoback , der hier noch ſchmauchend glimmt ,
Und nimm davor Rappee , wie ihn der Stutzer nimmt .
Dann will ich feſtlich dich zum Petitmaitre ſchlagen ;
Du ſollſt , ein neuer Held , dich vor die Schoͤne wagen :
Der gluͤckliche Sylvan , der meine Macht verehrt ,
Bekehret dich vielleicht , ſo wie ich ihn bekehrt .
Sie ſagts , und eilt davon . Er wirft mit traͤgen Wenden
Sich dreymahl gaͤhnend um , und greift mit ſchweren Haͤnden
Nach ſeinem Rauferſtahl , der zu dem Haupte lag ;
Und ſpringt halbtaumelnd auf , durch einen Fechterſchlag ,
Dem der ſich unterſtund , die jenſche Tracht zu ſchelten ,
Mit Hieben , wie er ſprach , die Muͤhe zu vergelten .
Die Mode war entſlohn ; und er ſinkt traͤg , und matt
Von neuem in die Ruh auf harte Lagerſtatt .
D 2 Pan - 52 Pandur bedachte nun , mit innerlichem Grimme ,
Der Mode lockend Wort , und die Sirenenſtimme .
Er lehnet ſich beſtuͤrzt auf einen Fidibus ,
Groß wie ein Weberbaum , und dreymal ſtampft ſein Fuß .
Wie ? ( ſagt er ihm ins Ohr , ) Held , laßt du dich ver - fuͤhren ?
Und ſoll dich das Geſchwaͤtz der albern Mode ruͤhren ?
O Raufbold , ſieh mich an ! ich bin der Heldengeiſt ,
Der dich oft in der Flucht dem Schnurrenſtock entreißt .
Jch ſchreck an deiner Statt die wilden Haͤſcherhaufen ,
Und ſteh dir treulich bey , im Zweykampf , und im Saufen .
Jch bin dir nachgefolgt ; ich bins , der vor der Stadt
Dem fluͤchtigen Calmuck den Fuß gelaͤhmet hat ;
Jch dachte dich dadurch von Leipzig abzuhalten .
O haͤtt es mir gegluͤckt ! — Doch laß mich weiter walten .
Auch hier erwartet dich ein lorbernwerther Ruhm . Jſt 53
Jſt hier nicht eben auch der Markt dein Eigenthum ?
Kein Haͤſcher , kein Pedell , ſoll deine Freude ſtoͤren ;
Der Stutzer ſoll erſtaunt das wilde Wetzen hoͤren ,
Und wenn dein tapfrer Arm nichts mehr zu ſchlagen weis ,
So geb ich dir zum Sturm die Haͤſcherhoͤhle preis .
Was du in Jena wagſt , das kannſt du hier auch wagen .
Wie bald kann dich Calmuck aus dieſen Mauren tragen ,
Da in der [Na ] chbarſchaft das ſchoͤne Halle liegt ,
Wo noch die Freyheit herrſcht , wo noch der Burſche ſiegt .
Doch waͤrſt du wohl ſo klein , die jenſche Tracht zu aͤndern ,
Die Haare zu beſtreun , den Degen zu bebaͤndern ?
Und zoͤgeſt du den Strumpf , dem tapfern Stiefel , vor ?
Kannſt du ſo niedrig ſeyn , ſo geh , und werd ein Thor .
Stink nach Pomad und Oel , wie hier die Narren pflegen ,
Und laufe Chapeaubas im Sturmwind und im Regen . D 3 Geh , 54
Geh , ſchlage weibiſch dich zum weiblichen Geſchlecht ,
Und leb , und ſtirb allhier , als wie ein Jungfernknecht .
Allein ich ſehe dich mit Recht unwillig werden ,
Den edelmuͤthgen Zorn verrathen die Geberden . —
Wohlan ſo mache dich Pandurens Schutzes werth .
Jm Stalle trauret ſchon Calmuck , das edle Pſerd ,
Daß es ſo muͤßig ſteht ; flieh wieder nach der Saale ,
Da wo ſie Halle netzt . Hier hofft zum zweytenmale
Auf deine Tapferkeit ein neues Ehrenfeld ,
Der Bruͤder luſtge Schaar , und eine freye Welt .
Du wirſt den Officier von breiten Steinen ſchmeißen ,
Und wirſt der Renommiſt von Renommiſten heißen .
So ſagt Pandur , und ſchweigt . Und Raufbolds Herz blieb treu ,
Und widerſtund voll Stolz der Mode Schmeicheley .
Dritter Geſang . Der Renommiſt . Dritter Geſang . [56] 57 D ie Luft belebte ſchon der Sonne reger Schimmer .
Sie warf den guͤldnen Stral in Raufbolds Ru - hezimmer ;
Der Vorhang , der ihn brach , und rauſchend vor ihn trat ,
Zog an der weißen Wand ein laͤnglichtes Quadrat .
Das große Stichblatt ſchien in falben Schattenbildern
Der Schreckkometen Lauf elliptiſch abzuſchildern .
Ganz Leipzig hub ſich nun halbtaumelnd in die Hoͤh .
Zur Arbeit gieng der Mann , die Dame trank Caffee ;
Die Schoͤne mahlte ſich mit Roſen ihre Wangen ,
Und Liljen bluͤhten auf , die in der Nacht vergangen .
Jm ganzen Leipzig war kein einzig Maͤdchen alt ,
So ſehr verbeſſerte die Schminke die Geſtalt . D 5 Kein 58
Kein Blaͤtterchen fuhr auf , die Muſche mußt es decken ,
Und wo auch gar keins war , lag doch ein ſchwar - zer Flecken .
Nur Raufbold ruhte noch , und lag von Sorgen frey ,
Bis in den hellen Tag auf einer harten Streu .
Von Schaͤtzen nie beſchwert auf ſeinen weiten Reiſen ,
Schlief er ſo arm , und ſanft , als wie die alten Weiſen .
Sein ganzer Reichthum war ſein großes Raufer - ſchwerd ,
Und ſeine ganze Luſt Calmuck , das edle Pferd .
So manchen ſuͤßen Traum ließ ihn Pandur ergetzen ;
Vom wuͤthenden Tumult , von Schreyen , und von Wetzen
War ſeine Seele voll . Erſtiegne Schnurrbarthein ,
Und Staͤndchen , fielen ihm im ſuͤßen Schlummer ein .
Ein paarmal laͤchelt er mit einer wilden Freude ,
Und ſpricht verwirrt etwas von einem modſchen Kleide .
Pandur hoͤrts , und erſchrickt . Er traut der Mode nicht , Und 59
Und unterſucht genau des Helden Angeſicht .
Mißtrauiſch meynt er ſchon , zu ſeinem groͤßten Schrecken ,
Geheime Neigungen zur Mode zu entdecken .
O Raufbold ! ( ſeufzet er , ) du ſchlaͤfſt ? ach wuͤßteſt du ,
Wie ich unruhig bin bey deiner ſuͤßen Ruh ;
Wie deine Wort , im Traum entflogen , mich erſchrecken ;
Dein Antlitz wuͤrde ſich mit edlem Unmuth decken .
Wer weis , ob dich nicht ſchon der Mode Wort ver - fuͤhrt .
Wer weis es , ob nicht ſchon dein Herz die Neigung ſpuͤrt ,
Die leichte jenſche Tracht rebelliſch zu veraͤndern ,
Und wie ein Narr den Hals , und Degen zu bebaͤndern .
Nimmt denn auch dich der Glanz von der Veraͤnd - rung ein ?
O! waͤrſt du doch zu ſtolz ein Leipziger zu ſeyn !
O! moͤchteſt du doch nie den Fuß mit weißen Struͤm - pfen ,
Und deinen Degen nie mit Narrentand beſchimpfen !
So 60 So ſprach er , und ſtuͤtzt ſich auf Raufbolds Degenknopf .
Viel Anſchlaͤg irren ihm durch ſeinen ſchlauen Kopf ;
Zuletzt entſchließt er ſich , vom Helden ſich zu wagen ,
Und um ſein kuͤnftges Gluͤck Orakel zu befragen .
Jn Leipzig war damals , die nun verlohrne Kunſt ,
Aus dickem Caffeeſatz , durch ſchwarzer Geiſter Gunſt ,
Die Zukunft auszuſpaͤhn ; und die geheimſten Thaten ,
Geſchehn , und kuͤnftig noch , prophetiſch zu errathen .
Pandur , der dieſes weis , verſtellt ſich alſobald ;
Giebt ſich aus dicker Luft die jeniſche Geſtalt ;
Zieht große Handſchuh an , und eilet nach der Grotte ,
Zum Delphos neurer Welt , zum pythſchen Caffee - gotte .
Vergieb es mir , o Nacht , und du , prophetſcher Geiſt ,
Wenn man dein Heiligthum profanen Augen weißt .
Da , wo Schellhafers Haus die ſeſten Mauren endet , Ragt , 61
Ragt , wenn man ſeinen Blick ſchief gegen uͤber wenbet ,
Ein glaͤnzend Haus empor , das durch die neue Pracht
Faſt einem Tempel gleicht , Palaͤſte finſter macht .
So wie im dicken Wald ein Kranz bejahrter Eichen ,
Durch ſeine Wipfel droht den Himmel zu erreichen ;
Ein ſchlanker Tannenbaum ſie ſaͤmmtlich uͤbereilt ,
Und durch ſein gruͤnes Haupt die leichten Wolken theilt :
So ſtreckt dies ſtolze Haus den Giebel in die Luͤfte ,
Und huͤllt das hohe Dach in ewgen Rauch und Duͤfte .
Der Eingang zeigt ſogleich in einer Schilderey ,
Daß dies des Caffeegotts geweihter Tempel ſey .
Es liegt ein Araber an einem Caffeebaume ;
Jhm bringt in hellem Gold von dem durchſuͤßten Schaume ,
Den man aus Bohnen kocht , die die Levante ſchickt ,
Ein nackter Liebesgott , der laͤchelnd auf ihn blickt . Pan - 62
Pandur trat kuͤhn herein , und ſtieg zur Grotte nieder .
Ein heiligs Schrecken fuhr durch ſeine ſtarren Glieder ,
Da er dem Gott ſich naht , umringt von ſtiller Nacht ,
Und fuͤrchterlich geſchmuͤckt mit unterirrdſcher Pracht .
Er ſaß im ſchwarzen Pomp . Das Zepter , das er ſuͤhrte ,
War wie ein Loͤffelchen ; die Krone , die ihn zierte ,
Dem Zuckerhute gleich . Es ſteigt die blaue Glut
Vom rauchenden Altar , auf dem ein Keſſel ruht ,
Der unaufhoͤrlich brauſt , von ſchwarzem Ruß bezogen ,
So wie des Phlegethons unaufhaltſame Wogen .
So manche Mißgeburt gezeugt vom finſtern Spleen
Und dicken ſchweren Blut , umflattert rauſchend ihn .
Das Hypochonder ſaß , und kruͤmmte ſich fuͤr Schmerzen ,
Und die Melancholie ſprach Selbſtmord in dem Herzen .
Pandur faßt einen Muth , und gieng hindurch zum Thron ; Buͤckt 63
Buͤckt vor dem Gotte ſich , und ſprach mit rauhem Ton :
Du , der du mit Caffee die Leipziger belebeſt ,
Und zur vornehmen Frau ein Gaͤrtnerweib erhebeſt ;
Der du mit deinem Trank Holzhacker ſo begluͤckſt ,
Als du im Staatsgemach den groſſen Herrn entzuͤckſt ;
Jch nahe mich zu dir vom fernen Ruf belehret ,
Daß dir des Schickſals Macht die ſeltne Gunſt ver - ehret ,
Die Zukunft zu durchſchaun , und in Caffee zu ſehn ,
Was Aſtrologen kaum durch das Geſtirn verſtehn .
O ſage mir , Prophet , wird Raufbold unterliegen ?
Wird endlich uͤber ihn der Pleiße Mode ſiegen ?
Und wird der Niedrige , nach aller meiner Muͤh ,
Zuletzt doch noch ein Sklav von der Galanterie ?
Er ſchwieg . Der Gott verſetzt : Der Ruf iſt wahr geweſen ,
Daß ich die Zukunft kan aus dickem Caffee leſen . Doch 64
Doch biſt du nicht Pandur , der uns zuwider iſt ?
Und iſt dein Raufbold nicht ein wilder Renommiſt ?
Soll ich , dem Feind von uns die Zukunft zu verrathen ,
Verruͤckt im Kopfe ſeyn , und auf dem Dreyfuß braten ?
Denn wiſſe , Schlaͤgergeiſt , es koſtet Muͤh und Schweiß ,
Eh ich , vom Geiſte voll , zu prophezeihen weiß .
Pandur verſetzte drauf : Du kennſt ſchlecht deine Freunde .
Die Leipziger allein ſind deine wahren Feinde .
Wie bin ich nicht erſtaunt ! wie iſt dein Reich verheert !
Es raucht kein Tempel mehr , wo Knaſter dich verehrt ;
Dein ſonſt ſo maͤchtig Reich naht ſich dem Untergange .
Das freye Caffeehaus ſeufzt ietzt im ſklavſchen Zwange ;
Die Stutzer dieſer Stadt ſind meiſt von dir getrennt ,
Jndem ihr Wankelmuth den Thee als Gott erkennt .
Und hat die Mode nicht die Neuerung erſonnen , Und 65
Und die Galanterie den Thee ſelbſt liebgewonnen ?
Nein ! Jena , glaube mir , in allem groß und frey ,
Verſchmaͤht den weibſchen Thee , und iſt nur dir getreu .
Willſt du die Zukunft noch zu meiner Ruh durchſchauen ,
So will ich dir voll Dank drey Caffeehaͤuſer bauen ;
Von nun an ſoll Caffee , um Weihrauch dir zu ſtreun ,
Wenn hoch geſchmauſet wird , des Schmauſes An - fang ſeyn .
Er ſagt es , und der Gott erhob vom Thron die Glieder ,
Und ſetzt wahrſagriſch ſich auf einen Dreyfuß nieder ;
Und alſobald erſchien des Tempels Prieſterin ,
Die wilde Phantaſie , und reicht ihm Caffee hin .
Er trank ; es herrſcht um ihn geweihte grauſe Stille ;
Doch ploͤtzlich toͤnt die Gruft von ſchrecklichem Gebruͤlle ,
Und blaue Flammen gehn von ſeinem Dreyfuß aus ;
Panduren uͤberfiel ein ungewohnter Graus , E Als 66
Als ihm die Phantaſie den dicken Caffee brachte ,
Und der prophetſche Gott alſo den Anfang machte :
Was ſeh ich ? — Jn die Gruft des Schreckens geht der Held —
Der Panzer rauſcht daher im ſchwarzen eiſern Feld —
Jch ſehe Schlacht und Krieg , und ruͤhmliche Gefahren —
Kan dieſer Held ſein Herz fuͤr Liebe nicht bewahren ?
Er putzt , er pudert ſich ? Er ficht , es ſtroͤmet Blut —
Wie ? hat ein Leipziger ſolch einen tapfern Muth ?
O laß nicht ab , Pandur , und ſteh ihm bey im Falle !
Dies iſt das Roſenthal , ich ſeh , ich ſehe Halle !
Alſo der Gott . Sein Mund ſchaͤumt fuͤr prophet - ſcher Wuth ;
Doch nach und nach ſenkt ſich ſein aufgebrachtes Blut .
Pandur buͤckt ſich voll Dank ; vom kuͤnftigen Geſchicke
Des tapfern Helden voll , eilt er zu ihm zuruͤcke .
Jndeß verſammlet ſich der Mode Vorgemach . Sie 67
Sie ſchimmert auf dem Thron , und rief dem Putz , und ſprach :
Geh hin , geliebter Putz , zum erſten meiner Soͤhne ,
Der Stutzer Oberſten , Sylvanen , dem die Schoͤne
Sogleich ihr Herz ergiebt , wenn ſeine Feder ſtrahlt ,
Und hohen Stand und Geld die goldne Weſte prahlt .
Erweck ihn , hilf ſein Haar durch heißes Eiſen kruͤmmen ;
Jn Puder und Jeßmin laß , ſeine Locken , ſchwimmen ;
Und wenn ſich ſein Verdienſt im Gallakleid erhebt ;
Und endlich ſeinen Witz des Schneiders Gunſt belebt ;
So laß ihn in den Hecht zum Renommiſten tragen ,
Der wird vielleicht , wie er , der kurzen Tracht entſagen .
Er war ſein alter Freund ; ſein ſchoͤn gepudert Haar
Erreicht vielleicht den Zweck , der mir unmoͤglich war .
Sie ſagts , der Putz eilt fort . Sein Haar im Weſt zerflogen ,
Formirt den Sterblichen den ſchoͤnſten Regenbogen . E 2 Sein 68
Sein halb mit Gold geſtickt , halb ſilbernes Gewand ,
Das er mit viel Geſchmack nachlaͤßig um ſich wand ;
Wallt in der obern Luft im allerreinſten Schimmer ,
Und bald erreicht ſein Flug Sylvans geſchmuͤcktes Zimmer .
Sogleich verweilt den Blick die aufgeputzte Wand ,
An der er manch Gemaͤld auf bunten Tuͤchern fand .
Zween Spiegel , deren Laſt zwo große Schleifen hielten ,
Und neidiſch auf ſich ſelbſt in guͤldnen Raͤhmen ſpielten ,
Entdeckten ihm ſein Bild ; und mit Zufriedenheit
Tritt er ins Schlafgemach . — Jn ſtiller Einſamkeit
Schlief ruhig noch Sylvan , und ließ den Morgen ſterben ,
Den Nachttiſch traurig ſeyn , und den Caffee verderben .
Jhm nahte ſich der Putz , und ſprach : Auf , junger Held !
Der Ruhm erwartet dich in der beglaͤnzten Welt ;
Und eine Gottheit ſelbſt befiehlt dir , zu erwachen ; Die 69
Die Mode ſchickt mich her , dich heute ſchoͤn zu machen .
Dein Bruder Raufbold iſt in Leipzig angelangt ;
Soll er nicht ſehn , wie ſtolz der Stutzer aus dir prangt ?
Eil in den blauen Hecht , verſuch , ihn zu bekehren .
Wer kann ihn , ſo wie du , die Mode lieben lehren !
Jndem erwacht Sylvan . Er trug vor kurzer Zeit ,
Als ein Jenenſer noch , ein ungeſteiftes Kleid ;
Doch Stutzer lehrten bald ihn den Caput verachten .
Er ward ihr Oberhaupt , der Erſt ’ in neuen Trachten .
So wie ein Renegat , mehr als ein Muſelmann
Von frommer Wuth erhitzt , den Chriſten haſſen kan ;
So ſchien der Stutzer auch Jenenſer mehr zu haſſen ,
Weil er vor kurzer Zeit erſt ihre Tracht verlaſſen .
Er warf den Schlafrock um , noch halb vom Schlaf entſtellt ;
Und da der raſche Stoff von ſeinen Achſeln faͤllt , E 3 Macht 70
Macht er ein ſanft Getoͤn , indem die ſeidnen Falten
Mit ſaͤuſelndem Geraͤuſch zu dem Pantoffel wallten .
Sein Diener bringt Caffee . Pardieu ! ( ſpricht er , ) Johann ,
Mir traͤumt ſehr albern Zeug — doch zieh mich hur - tig an ,
Und dann frag in dem Hecht , ob Rauſbold angekommen .
Er ſagts , und hurtig ward der Anputz vorgenommen .
Ein weißer ſeidner Strumpf umwickelte das Knie .
Der Schuh , ein Meiſterſtuͤck von ſeines Schuſters Muͤh ,
Erhob in ſchwarzem Glanz mit Band beſetzte Kanten ,
Und Schnallen ſchimmerten von boͤhmſchen Diamanten .
Le Grand trat ins Gemach ; ein lumpichter Franzos ,
Doch in der ſeltnen Kunſt , das Haar zu kraͤuſeln , groß .
Ein weißes Puderhemd floß zu des Stutzers Fuͤßen .
Le Grand baut das Toppee , und laͤßt ſich Locken ſchließen .
Ein dicker Staub von Mehl , der ſtill im Puͤſter lag , Schießt 71
Schießt ungeſtuͤm heraus , und truͤbt den heitern Tag.
Der Putz half ſein Toppee mit klugen Fingern thuͤr - men ,
Und ſetzte ſich darauf , es tapfer zu beſchirmen .
Den weißen Hals umgab ein ſchwarzes feidnes Band ,
Das ſich bey ſeinem Kinn in eine Schleife wand ;
Ein neuer Modeſammt , aus aſchenfarbger Seide ,
Voll Laubwerk ſchoͤn gewebt , dient ihm zum Oberkleide .
Ein breitgewirktes Gold umgab der Weſte Rand ,
Und Atlas hieß der Stoff , aus welchem ſie entſtand .
Sie war noch praͤchtig neu ; die Farbe glich den Luͤften ,
Wenn ſie der Fruͤhling leert von rauhen Winterduͤften .
Ein ſchwarzer Atlas war der Huͤften enges Kleid ;
Das Uhrband ſchimmerte mit goldner Herrlichkeit .
Um ſeinen Degen war ein weißes Band geſchlagen ,
Zum Zeichen , nie damit ein Blutduell zu wagen . E 4 Sein 72
Sein Rohr aus Jndien ziert ein beſondrer Knopf ,
Aus Meißner Porcellan ein Frauenzimmerkopf ;
Der unbeſeelte Thon ſprach in das Aug Entzuͤcken ;
Der Reiz war auf der Stirn , der Muthwill in den Blicken .
So ſtellte ſich das Haupt von Leipzigs Stu - tzern dar .
Es rauſchte Weſt und Rock , es duftete ſein Haar ,
Und um ihn her goß ſich , in ſuͤßer Atmoſphaͤre ,
Lavendel und Jesmin , der ſchoͤnen Welt zur Ehre .
Ein kuͤhnes Entrechat trug ihn zum Spiegelglas ,
Wo er Toppee und Haar noch einmal kluͤgelnd maß ;
Doch haͤtt ihn , da der Schmuck ihm allzuſchoͤn ge - gluͤcket ,
Beynah ſein eignes Bild , wie den Narciß , entzuͤcket .
Jndeß trat ſein Lakay ins duftende Gemach ,
Und ſagte : Gnaͤdger Herr , ich fragt im Hechte nach ;
Jhr Traum hat wahr geredt ; Herr Raufbold iſt ge - kommen , Die 73
Die Saͤnfte wartet ſchon , die ich mit her genommen .
Sogleich fliegt er herab ; allein indem er geht ,
So ſchickt er noch zuvor zur Mode dies Gebet :
O Goͤttin , welcher ich drey Stunden Zeit ver - ſchwendet ,
Eh ich den langen Putz auf dein Geheiß vollendet ,
Die Saͤnfte bringt mich ietzt zu einem Schlaͤger hin ,
Dem ich vielleicht ein Spott in meinem Anzug bin ;
Doch deine Wunderkraft begleite meine Lehren !
Vielleicht kan ich zu dir ſein wildes Herz bekehren .
So ſprach er , und ſein Wort drang zu der Goͤt - tin Hoͤhn ;
Die Mode liebet ihn , und ſie erhoͤrt ſein Flehn .
Ein Complimentenheer muß ſich herab begeben ,
Zu ſeinem Schutze ſeyn , und ſeinen Mund beleben .
Der Putz verſammelt ſie , theilt ihre Schaaren ein ,
Und er faͤngt vom Toppee gebietriſch an zu ſchreyn : E 5 Du , 74
Du , zierlicher Brador , ſetz dich auf deine Schleife ,
Daß um den weißen Hals dein ſchwarz Gefieder ſtreife ;
Und wenn der Geiſt Charmant die Knie ihm zier - lich beugt ,
So mache , daß ſein Haupt ſich gleichfalls artig neigt .
Du aber , Seladon , liebaͤugle mit den Blicken ,
Die Schoͤnen , die ihn ſehn , betruͤgriſch zu beſtricken .
Beredter Florimand , den Mund eroͤfne du ,
Wenn ſein Verſtand nicht denkt ; und denkt er , ſchließ ihn zu .
Jhr andern Geiſter koͤnt auf ſeinem Hute ſitzen .
Die Treſſe ſoll ein Theil , ein Theil die Feder ſchuͤtzen .
Da , wo ſein ſchrof Toppee die hoͤchſte Spitze macht ,
Nehm ich ſelbſt meinen Sitz . Nehmt ihr mein Wort in Acht :
Und wird Sylvan beſchuͤtzt ; ſo will ich euch begluͤcken ;
Wo nicht , ſo ſollen euch die ſchwerſten Strafen druͤcken .
Der eine ſoll zwoͤlf Jahr mit ſteifem Ruͤcken ſtehn ; Der 75
Der andre ſoll niemals nach jungen Schoͤnen ſehn ;
Der dritte , wenn er ſcherzt , ſoll ſtets vernuͤnftig ſcherzen ,
Und Tobacksdampf ſoll euch die bunten Fluͤgel ſchwaͤrzen .
So ſagt er ; und die Schaar wird durch die Ehr entflammt ;
Mit ſtolzem Angeſicht eilt jeder an ſein Amt.
Jndeſſen laͤßt Sylvan die Thuͤr der Saͤnſte ſchließen ;
Die Traͤger ſchreiten fort mit weitgedehnten Fuͤßen .
Geraͤuſch und Laͤrm nahm nun im blauen Hech - te zu .
Der wilde Renommiſt verlaͤßt die lange Ruh ,
Und hebt ſein ſchweres Haupt , dem hohen Tag entgegen ,
Vom harten Stroh empor , auf dem er ſanft gelegen .
Von ſeinen Lippen ſchallt ein jeniſcher Geſang ,
Und nach Calmucken war ſein allererſter Gang .
Er ſtand im oͤden Stall , und hieng die ſchlaffen Ohren .
Was machſt du , armes Thier ? Haſt du den Muth verlohren ? Sprach 76
Sprach Raufbold ganz bewegt , und gab ihm beßres Heu :
Und dankbar wiehert er mit einem Luſtgeſchrey .
Da er zuruͤcke gieng nach ſeinem finſtern Zimmer ,
Umleuchtet ploͤtzlich ihn des Stutzers heller Schimmer .
Der Renommiſt kan ſich nicht ſo geſchwind entziehn .
Sylvan fliegt auf ihn zu , umarmt , und kuͤſſet ihn .
Was Teufel ! Bruderherz , ( ſprach Raufbold voller Freuden , )
Wer haͤtte das gedacht bey unſerm letzten Scheiden ,
Daß wir in Leipzig einſt uns wuͤrden wiederſehn ! —
Doch , Kerl , du biſt dir ja , der Teufel hole ! ſchoͤn :
Gehſt du beſtaͤndig ſo , wie aus dem Ey geſcheelet ,
Und ſind die Haare ſtets in dem Toppee gezehlet ?
Mon Cher , ( verſetzt Sylvan , ) wir leben hier galant :
Jn Leipzig gilt doch noch Verdienſt und Adelſtand ,
Und ventre bleu ! wer wird in Kleidern ſchlechter gehen , Da 77
Da wir hier jeden Tag die ſchoͤnſten Damen ſehen ?
Doch , Bruder , wie confus ſieht nicht dein Anzug aus !
Wie koͤmmſt du in den Hecht , in dies vilaine Haus ?
Hat niemand dir im Thor den Engel angewieſen ,
Und Artopoͤ gelobt , und Waplern dir geprieſen ?
Jndeß erreichten ſie das finſtere Gemach .
Der Schlaͤger ſchreyt , Caffee ! indem der Stutzer ſprach :
Herr Bruder , mich erfreuts , daß du hier angelanget .
Nach einem jenſchen Freund hat oft mein Herz verlanget .
Du biſt ein huͤbſcher Kerl ; bleib hier , veraͤndre dich ;
Vergiß die jenſche Tracht , und werde ſo , wie ich :
So ſollſt du hier mit mir ein Engels-Leben fuͤhren ,
Und ich will ſelber dich bey Damen produciren .
Der Renommiſt macht ihm ein hoͤhniſches Geſicht ,
Und ſagte : Nein , Sylvan , zum Narren werd ich nicht ! Zum 78
Zum Narren ? ( fieng Sylvan ſchon hitzig an zu fragen . )
Doch indem ward Caffee und Knaſter aufgetragen .
Da Bruder , lange zu , ( ſprach Raufbold , ) ſtopf dir ein .
Allein , es bat Sylvan , ihm guͤtigſt zu verzeihn ;
Er rauche ietzt nicht mehr . Kaum will es Raufbold glauben ;
Allein du wirſt es mir doch hochgeneigt erlauben ?
Sprach er mit bitterm Spott . Die Pfeife ward gefuͤllt ,
Die ſein geſtraͤubtes Haupt in dicken Dampfkrais huͤllt .
Der Stutzer zitterte in fremder Atmoſphaͤre ,
Wie im Cometenſchweif des bangen Erdballs Schwere .
Der kriegriſche Pandur kam aus dem Stall zuruͤck .
Die Neugier lenkt ſogleich auf den Sylvan den Blick ;
Doch wie verdroß es ihn , da er den Puder wittert !
Sein Fluch macht , daß das Heer der Complimente zittert .
Der Putz , ihr Fuͤhrer , beht , und jeder wird erſchreckt , Da 79
Da dieſer wilde Geiſt mit Lachen ſie entdeckt .
Wie wenn die Froͤſch im Lenz aus lauen Suͤmpfen fliehen ,
Und aus vertrautem Schilf an die Geſtade ziehen ;
Die Schaar , wenn etwas rauſcht , vom Rand ins Waſ - ſer huͤpft ,
Mit fluͤſterndem Geraͤuſch in ſchlanke Binſen ſchluͤpft ,
Bis auf den Boden ſinkt , und ſich kaum ſicher ſchaͤtzet ,
Wenn in dem Waſſergras das Heer vertraulich ſchwaͤtzet ;
Jedoch , ſo bald die Fluth nicht mehr von Wellen bebt ,
Der kuͤhnſte Froſch zuerſt ſein dickes Haupt erhebt ,
Und wenn der gruͤne Leib kein zitternd Waſſer fuͤhlet ,
Mit ſeinen Fuͤßen ſteigt , und auf der Flaͤche ſpielet :
So bebt vor ſeinem Blick der Geiſter feige Schaar .
Der , von der Furcht gejagt , flieht in des Stutzers Haar ;
Der in den groſſen Hut ; und jener in die Schatten ,
Wo unter ſeinem Hals ſich Bind und Schleife gatten . O! 80
O! ( ruft der Schlaͤgergeiſt , indem er ſpoͤttiſch lacht , )
Wie tapfer gebt ihr nicht auf euren Helden Acht !
Warum flieht ihr vor mir ? Jch werd euch nicht verderben .
Jhr ſeyd zu ſchoͤn geputzt , und allzuklein zum Sterben .
Er ſprach , und lachte laut . Zu tuͤckſcher That geſchwind ,
Verwandelt ſich ſein Leib in einen Wirbelwind ,
Der durch das Zimmer brauſt , des Stutzers Haar verheerte ,
Und eine halbe Wand von dem Toppee zerſtoͤrte .
Jedoch der treue Putz baut ſchnell es wieder auf ,
Und ließ in ſeiner Wuth der Schmaͤhſucht freyen Lauf .
Pandur verhoͤhnet ihn ; doch nicht zum Krieg geſchaffen ,
Straft ihn des Putzes Witz mit ſtachelichten Waffen .
Die Helden ſtunden auf . Komm Raufbold , ( ſprach Sylvan , )
Und ſieh einmal mit mir die hieſgen Gaͤrten an .
Und alſobald gehn ſie , dem Zufall uͤberlaſſen . Es 81
Es donnert Raufbolds Fuß , der Sporn klirrt durch die Gaſſen ,
Der blanke Kieſelſtein aͤchzt unter ſeinem Schritt ,
Und Fenſterglas erbebt , indem er niedertritt .
Nicht fern vom Petersthor , auf deſſen vordern Theilen
Der Helden Ruͤſtung ruht , und die verzierten Saͤulen
Die Laſt der Kugeln druͤckt , die wie Coloſſen ſtehn ,
Und in gevierte Reihn erhabner Linden ſehn ;
Auf dem beruͤhmten Platz , der Muhmenplatz ge - nennet ,
Den , auf der Ammen Arm , die kleine Schoͤne kennet ,
Und , wenn ſie groͤßer wird , an angenehmer Hand ,
Die ſuͤßen Triebe fuͤhlt , die ſie noch nicht gekannt :
Gieng ietzt der Renommiſt an eines Stutzers Seite ,
Kunſt und Natur lockt ihn , mit angenehmem Streite ;
Doch Apels Garten prangt in koͤniglicher Pracht
Umſonſt fuͤr ſeinen Blick , zum Schoͤnen nicht erwacht . F Sein 82
Sein Fuß tritt grimmig auf , daß die Allee erzittert ,
Daß jede Bank erbebt , und eine Linde ſplittert .
Die Pleiße ſelber hebt , bekraͤnzt mit jungem Rohr ,
Jhr neubegierigs Haupt aus traͤger Fluth empor .
Sie ſieht ſo manches Volk aus weit entlegnen Laͤndern ;
Den Gallier , der floh , den Glauben nicht zu aͤndern ,
Der pohlſche Jude koͤmmt zu ihren Schaͤtzen her ,
Der Kaufmann Griechenlands , und der Armenier .
Es gehn an ihrem Strand die ſeltſamſten Geſichter ,
Staatsleute voller Wind , und abgedankte Dichter .
Doch niemals ſah ſie noch in ihrem weiten Reich
Solch einen jungen Herrn , dem Renommiſten gleich ;
Die Ungezogenheit ſprach aus den wilden Blicken ,
Die große Peitſche hieng ſchief uͤber ſeinem Ruͤcken ,
Der kurze Rock verrieth ein ſchmutzigs Oberhemd , Und 83
Und ſeine ganze Tracht war widerlich und fremd .
Es wieherten indeß von fern geſchmuͤckte Roſſe ,
Der Stutzer ward beſtuͤrzt , beym Anblick der Caroſſe .
Selinde ſaß darin . Der Schoͤnheit Wunderſchein
Verklaͤrt Sylvans Geſicht , und Raufbold ward zum Stein .
Nun , Bruder , ( ſprach Sylvan , ) mich duͤnkt , du biſt getroffen . —
Kan man dies Maͤdchen denn nicht nah zu ſehen hoffen ? ( Sprach Raufbold ganz verwirrt . ) Es laͤchelte Sylvan ,
Und fieng alſo zu ihm mit ſuͤßen Mienen an :
Du ſollſt den hoͤchſten Grad von meiner Freundſchaft ſehen ,
Und ſollſt den Nachmittag mit zu Selinden gehen ;
Doch , Raufbold , anders nicht , als wenn du dich be - kehrſt ,
Und dieſes ſchoͤne Kind durch deine Tracht verehrſt .
Gern wollt ich dir ein Kleid von meinen Kleidern leihen ;
Allein du moͤchteſt mir den Antrag nicht verzeihen . F 2 Wohlan , 84
Wohlan , ſo putze dich in allem andern nur .
Es lege ſich dein Haar in zierliche Friſur ;
Jch will dir den Le Grand zu deinen Dienſten ſenden ,
Und der friſire dich mit ſchoͤpferiſchen Haͤnden .
Doch zieh die Stiefeln aus . Jſt Kopf und Fuß galant ,
So ſiegt die Miene leicht im maͤßigen Gewand .
Um vier Uhr will ich dich mit zu der Schoͤne nehmen ;
Allein kein wildes Wort muß mich und ſie beſchaͤmen .
Geh , mache dich bereit , ich meld uns ſelber an .
Und Raufbold , voller Dank , umarmet den Sylvan .
Vierter Geſang . Der Renommiſt . Vierter Geſang . [86] 87 W ie , wenn ein rauher Baͤr aus Lapplands kalten Waͤldern ,
Vom ſteten Nord entlaubt , zu den beſchneyten Feldern
Mit traͤgen Klauen koͤmmt , ſie halb erſtarrt bewegt ,
Sich mit bereifter Haut durch oͤde Furchen traͤgt ,
Die Menſchen zwar nicht flieht , doch ſie auch nicht ver - letzet ;
Bis , wenn die Lappen ihn durch ein Geſchrey gehetzet ,
Er ſein befrornes Haupt unwillig aufwaͤrts hebt ,
Den lichten Schnee zerſcharrt , mit breiten Tatzen graͤbt ;
Doch , wenn ſein feiger Feind auf ihn zu gehn verwei - let ,
Er wiederum zuruͤck in finſtre Waͤlder eilet ,
Mit brummendem Getoͤs zu ſeinen Hoͤhlen irrt :
So murrt der Renommiſt , da er verwundet wird . F 4 Syl - 88
Sylvan laͤßt ihn allein , und eilet aus den Linden ;
Und Raufbold denket nichts , als Anputz , und Selinden .
Voll Unmuth warf er ſich auf eine nahe Bank .
Er , den kein ſchoͤner Blick in Jena noch bezwang ,
Fuͤhlt tief in ſeiner Bruſt die angenehme Wunde ;
Und dieſe Klage brach aus ſeinem Helden-Munde :
Unwuͤrdiger , du liebſt ? und ſchimpfſt den hohen Stand ?
Und machſt zu Leipzigs Spott dein jeniſches Gewand ?
O Jena ! mußteſt du zum Ungluͤck mich verjagen ?
Jch Unbezwungner ſoll der Liebe Ketten tragen ?
Zu Seufzern ungewoͤhnt , fremd in galanter Kunſt ,
Bewerb ich kriechend mich um eines Maͤdchens Gunſt ?
Und man verlangt von mir , abtruͤnnig ſchon deswegen
Den jeniſchen Caput , und Stiefeln abzulegen ?
So ſprach er , und er ſah ſtarr auf den Boden hin . — O Liebe , 89
O Liebe , ſieget ſtets dein ſtolzer Eigenſinn ?
Muß man bey ſo viel Muth von dieſem jenſchen Hel - den ,
Mit ſeiner Liebespein , auch ſeine Schwachheit melden ?
Haſt du die Schoͤnheit nicht zum Ungluͤck oft ge - braucht ?
Hat nicht um Helenen ein Jlium geraucht ?
Sah nicht die ganze Welt , Philippens Sohn zur Schande ,
Auf einer Nymphe Wort , Perſepolis im Brande ?
Wie oftmals ſuchen wir von eines Reiches Fall ,
Und maͤchtger Thronen Sturz , die Urſach uͤberall ?
Und oftmals , duͤrften wir in Menſchenherzen leſen ,
Jſt nur ein ſchoͤner Blick der Grund davon geweſen ;
Und eine Sultanin , erhitzt von Lieb und Wut ,
Setzt oft allein um ſich ihr weites Reich in Blut .
Muß auch ein bloßer Blick den Schlaͤger uͤberwinden ?
Doch , Held , du faͤllſt mit Ruhm . — Ein Blick wars von Selinden . F 5 Du 90
Du ſchmuͤckeſt den Triumph der groͤßten Siegerin .
Die Staatsperuͤke faͤllt zu ihren Fuͤſſen hin ,
Der lange Zopf wuͤnſcht ſich an ihrer Sklaven Stelle ,
Und alles huldigt ihr , der Degen , und die Elle .
Jndeſſen ſchaͤumt fuͤr Wut der Geiſt der Schlaͤ - gerey .
Wie ? ( ruft er bruͤllend aus , ) mein Raufbold ungetreu ?
Sein Held eilt nach der Stadt , und koͤmmt , voll von Gedanken ,
Vom ſtolzen Petersthor bis an die vordern Schranken .
Auf ſeinem Poſten ſtand ein alter Stadtſoldat ,
Ein ſechzigjaͤhrger Schutz der nie verlaßnen Stadt .
Nie hat er auf den Feind die Flinte losgeſchoſſen ,
Sein Kriegesleben war in groͤßter Ruh verfloſſen .
Den laͤßt zum erſtenmal Mars auf die Kriegesbahn ,
Der Renomm iſt ſtoͤßt ihn mit ſtarken Armen an .
Wie wenn man mit der Hand an die bejahrten Rinden Halb - 91
Halbhohler Weiden ſtoͤßt , die in den ſichern Gruͤnden
Noch ſtehn , weil ſie ein Bach , der ſie benetzt , belebt ;
Und wie vom kleinen Stoß die ganze Weide bebt :
So fuͤhlt auch der Soldat die duͤrre Bruſt erſchuͤttert ,
Er wankt vom ſtarken Stoß , und tritt zuruͤck , und zittert ;
Der wilde Renommiſt hoͤhnt ihn mit bitterm Scherz —
Und hier gab ihm Pandur die große That ins Herz ,
Den nie erlangten Ruhm allein davon zu tragen ,
Und in die finſtre Gruft der Haͤſcher ſich zu wagen .
Voll Freude jauchzet ſchon der ſchreckliche Pandur :
Doch Leipzigs Schutzgeiſt folgt unſichtbar Raufbolds Spur ,
Und , von dem ſcharfen Blick Pandurens unentdecket ,
Spaͤht er den Vorſatz aus , der ihn mit Recht erſchre - cket .
Er eilet alſobald , vom kriegeriſchen Ort ,
Zu der Galanterie , auf ſchnellen Schwingen fort .
Da , 92 Da , wo Verſailles ſich mit ſtolzem Haupt erhebet ,
Und wo die Kunſt die Flur trotz der Natur belebet ;
Wo der Galanterie ſo mancher Sieg gelingt ,
Wo mancher Staatsmann luͤgt , und mancher Mar - quis ſingt :
Liegt ein verſchonter Wald von Zeit und Sturm und Winden ,
Den Seladons nur ſehn , und Clelien nur finden .
Hier hat bey einem Volk , das nie beſtaͤndig iſt ,
Das Schwuͤr im Friedensſchluß , wie in der Eh , ver - gißt ,
Und voller Mitleid nur auf deutſche Treue ſchauet ,
Sich die Galanterie ein praͤchtig Schloß erbauet .
Ein Maͤdchen , ſchoͤn und wild , ſteht an dem ſtolzen Thor ;
Die volle Bruſt iſt bloß , den Leib umhuͤllt nur Flor ,
Der mehr verraͤth , als deckt ; Verfuͤhrung heißt die Dame ,
Doch bey Franzoſen iſt nur Artigkeit ihr Name .
Verſtellung traͤgt allhier der edlen Treue Kleid , Und 93
Und um ſie her ſteht Liſt , und falſche Zaͤrtlichkeit .
Auf einem ſtolzen Thron , von Sammt und Gold be - ſchweret .
Sitzt die Galanterie , die man hier buͤckend ehret .
Zu ihren Fuͤßen ſchwingt , der kleine Gott Roman ,
Den ſieggewohnten Pfeil . Jhn hat der Alten Wahn
Den Liebesgott genannt ; mit ſeinen ſchwachen Haͤnden
Verwirret dieſes Kind das Gluͤck von allen Staͤnden .
Die Wolluſt ſchildert er unſchuldig , ſanft , und hold ,
Und manchen Crebillon hat er in ſeinem Sold ;
Er hat manch Herz verderbt , und manchen Kopf ver - wirret ,
Daß er im Labyrinth der Liebe ſich verirret .
Der Schutzgeiſt Leipzigs war dem Thron der Goͤttin nah .
Als ſie ihn noch von fern mit truͤbem Antlitz ſah ,
So rufte ſie ihm zu : Was quaͤlen dich fuͤr Sorgen ,
Getreueſter Lindan ? Haſt du an dieſem Morgen Dein 94
Dein ſchoͤnes Haar verbrannt ? Jſt es nunmehr zu kurz ?
Waͤchſt dein Toppee nicht mehr ? Verſchießt dein blauer Schurz ?
Er aber buͤckte ſich , und ſprach mit ernſten Mie - nen :
O Goͤttin , welcher wir auch an der Pleiße dienen ,
Seitdem Germanien begierig nachgemacht ,
Was hier der Schneider traͤumt , und jeder Narr er - dacht ;
Du haſt es ſelbſt geſehn , wie Raufbold uns erſchrecket .
Allein ich habe ſchon ſein ſtolzes Herz entdecket ;
Er liebt ; — Selinde hat die große That gethan .
Doch , Goͤttin , ſend ihm noch den maͤchtgen Gott Ro - man ,
Damit er ſein Gehirn mit ſuͤßem Dunſt umhuͤlle ,
Und manches Abentheur die Einbildung erfuͤlle ;
So wird der Renommiſt , der uns ſo lang getrutzt ,
Ein Stutzer , wie Sylvan , der ſich am Nachttiſch putzt .
Er ſchwieg . Es toͤnt der Saal , die bunten Pfei - ler beben . Von 95
Von jedem ſchoͤnen Mund wird Beyfall ihm gegeben ,
Und die Galanterie ſprach ſo mit ſuͤßem Ton :
Geh , wafne dich , Roman , du mein geliebter Sohn ,
Und folge dieſem Geiſt bis in die ſtolzen Linden ;
Die Lorbern warten dein , du gehſt zum Ueberwinden .
Beſiege Raufbolds Herz , und einen Schlaͤgergeiſt ,
Den ſchrecklichen Pandur , der von der Mod ihn reißt .
Sie ſagts ; der Gott Roman hebt ſeine Purpur - fluͤgel ,
Und ſchwingt ſich , wie Lindan , hoch uͤber Thal und Huͤgel .
Jndem ſein ſchneller Flug durch blaue Luͤfte ſtieß ,
Entdeckt er unter ſich das prangende Paris .
Sein Einfluß macht , daß ſich die wilden Koͤpf erhitzen ,
Und von verliebtem Tand die Druckerpreſſen ſchwitzen .
Es wurden unter ihm , durch ſeinen hohen Schwung ,
Viel Avantuͤren reif , und Hexenmaͤhrchen jung .
Vor 96 Vor Leipzig ſenken ſchon die Pilger ihr Gefieder ,
Roman ſchießt in den Hecht , zu ſeinem Siege , nieder .
Er trat in das Gemach , wo Raufbold mit dem Arm
Sein ſchweres Haupt geſtuͤtzt ; voll Gram und innerm Harm
Schaut er um ſich herum ; Pandur ſah es , und fluchte ,
Ob er ſein Schickſal gleich ſich zu verbergen ſuchte ;
Obgleich ſein wilder Hauch in Raufbolds Seele ſtuͤrmt ,
Und ob Gedanke gleich ſich auf Gedanken thuͤrmt .
Jndeſſen ſpannt Roman den ſiegesvollen Bogen .
Kaum iſt der ſtarke Pfeil in Raufbolds Herz geflo - gen ,
So aͤndert er ſogleich die grimmige Natur ;
Er ſpricht aus ſuͤßem Ton , und es erblaßt Pandur .
So wie ein ſichrer Hirſch aus ſeinem Stande ſetzet ,
Wenn ihn im dicken Forſt ein wilder Pfeil verletzet ;
Er faͤrbt mit ſeinem Blut den ungluͤckſelgen Ort , Und 97
Und traͤget Pfeil und Tod auf rothem Ruͤcken fort :
So ſpringt auch Raufbold auf , ſein Herz iſt uͤber - wunden ,
Und fuͤhlet , trotz Pandur , der Liebe ſuͤße Wunden .
Die Mode kam ietzo , und ſiegt mit beſſerm Gluͤck .
Pandur verbirget ſich , beſchaͤmt vor ihrem Blick ;
Der Renommiſt verſchmaͤht im Herzen jenſche Trach - ten ;
Es jauchzete Roman ; die Complimente lachten .
Le Grand trat ins Gemach , voll artger Hoͤflichkeit ,
Mit einem alten Rock , von Puder uͤberſtreut .
Er ſprach aus ſuͤßem Duft wohlriechender Pomaden :
Der Herr Baron Sylvan ſchickt mich zu Jhro Gna - den ,
Jhr ſchoͤnes braunes Haar koͤmmt in die rechte Hand .
Zwo Stunden nur , mein Herr , ſo ſind ſie ganz galant .
Er ſagts , und laͤßt ſogleich den Schlaͤger niederſitzen .
Die Scheere wuͤtete mit zwo geſchaͤrften Spitzen , G Sein 98
Sein Haar wird abgemaͤht ; ſo wie ein reifes Feld ,
Das vor dem wilden Hieb der ſcharfen Sichel faͤllt .
Nun mußten Locken ſich in Papiljotten preſſen ;
Sie wurden vom Le Grand ſorgfaͤltig abgemeſſen ;
Sie rauchten dampfend auf , gequetſcht vom heißen Stal ,
Und dreymal ruht Le Grand vor ungewohnter Quaal .
Er hatte nie ein Haar , wie dieſes Haar , geſehen ;
Es ſchien , den Borſten gleich , dem Kamm zu wider - ſtehen ;
Doch dem Herkulſchen Fleiß bleibt nichts mehr hinder - lich ;
Stolz hebt ſich ſein Toppee , und Locken ruͤnden ſich .
Die Puderwolke floß auf ſeinen Locken nieder ;
Der neue Stutzer nieſt , und das Gemach ſchallt wieder .
Nun macht ſich das Gefolg der Mode zu ihm her .
Ein kleiner Geiſt beſieht ſein ſchreckliches Gewehr ;
Den Degen , den ſo oft das jenſche Pflaſter fuͤhlte , Und 99
Und der ſich oft mit Blut im wilden Zweykampf kuͤhlte .
Ein andrer Geiſt , der Tanz , nahm ſeine Handſchuh wahr ,
Und zog ſie laͤchelnd an , und both ihm weiße dar .
Von einem dritten Geiſt ward ihm der Huth entfuͤhret ,
Den die geſchickte Hand franzoͤſiſch aufſtaffiret .
Jndem erſcheint Sylvan , und holt den Schlaͤ - ger ab ,
Der , einer Muſche gleich , ihm groͤßre Schoͤnheit gab .
Der Stutzer laͤchelte , daß ihm der Sieg gelungen ,
Und ſeiner Schoͤne Blick auch Raufbolds Herz be - zwungen .
Die frohe Mode ſieht den beyden Helden nach ,
Und beyden oͤfnet ſich Selindens Staatsgemach .
Die Aſſemblee erſtaunt vor dieſem ſeltnen Paare .
Ein Schlaͤger nach dem Kleid , ein Stutzer nach dem Haare ,
Macht Raufbold ganz verwirrt ein krummes Com - pliment ,
Und ſtarrt Perſonen an , wovon er keine kennt . G 2 Ein 100
Ein Bauer , welcher nie ein Schauſpiel angeſehen ,
Pflegt in der Oper ſo gedankenlos zu ſtehen ;
Er ſtarrt mit ofnem Maul , und glaubet dumm manchmal ,
Er ſey auf einmal nun im ewgen Freudenſaal .
Der Stutzer praͤſentirt den Schlaͤger an Selinden ;
Der wilde Renommiſt kan keine Worte finden ;
Jhr Blick bezaubert ihn ; er buͤckt ſich ſtarr , und ſtumm ;
Holdſelig laͤchelnd kehrt Selinde ſich herum .
Was iſt das fuͤr ein Thier , das ſie mir praͤſentiren ?
So manches ſchoͤne Kind wird dieſer Held verfuͤhren .
Welch ein ſcharmanter Rock ! O! ſehn ſie ihn doch an !
Wie heißt der Paris denn , mein Herr Baron Sylvan ?
So ſpottet hinter ihm die angenehme Dame .
Der Stutzer winkt , und ſprach : Von Raufbold iſt ſein Name . —
Von Raufbold ? Wie ? im Ernſt ? ( fiel ihm die Schoͤn ins Wort ; ) Es 101
Es ſchwur Sylvan , ma foi ! und fuhr mit Lachen fort :
Er iſt in ſie verliebt . Er ſtuͤrmt zehn Haͤſcherwachen ,
Wenn es ihr Mund befiehlt . Die Schoͤne fiel vor Lachen
Jn einen Lehnſtuhl hin ; und Raufbold truͤbet ſchon
Mit Runzeln ſeine Stirn , die Tod und Schrecken drohn .
Vergebens ſuchen ihn zween Herrn zu unterhalten ;
Er legt die krauſe Stirn in unzufriedne Falten .
Roman , der ihm gefolgt , ſieht ſeines Sieges Frucht ;
Er uͤberſtroͤmt ſein Herz mit wilder Eiferfucht .
Der Zwietracht Fackel flammt ; er ſieht als ein Ver - brechen
Selindens Lachen an , und denket ſich zu raͤchen .
Wie ? Raufbold , ( liſpelt ihm ietzo Pandur ins Herz , )
Man macht aus deiner Tracht und deinen Sitten Scherz ?
Jſt denn aus deiner Bruſt die Ehrſucht ausgerottet ?
Ein ſproͤdes Maͤdchen lacht , ein dummer Stutzer ſpottet ; G 3 Und 102
Und du ſtehſt feig und ſtumm , und ſiehſt den Spott mit an ?
Verfuͤhrte darum dich , der ſklaviſche Sylvan ,
Zu Puder auf dem Kopf , zu Struͤmpfen an den Fuͤßen ,
An ſeinen Wagen dich , als Sieger , anzuſchließen ?
Vergebens iſt dein Kopf von Weizenmehle weiß ;
Er giebt verraͤthriſch dich dem Spott der Nymphe preiß ,
Die er bezwungen hat . Doch was ſag ich , bezwungen ?
Die er dir wider Recht meineidig abgedrungen .
Denn iſt ſie denn nicht dein ? Hat nicht dein tapfrer Mund
Sie zur Scharmant erklaͤrt ? Hat nicht dein edler Schlund ,
Der zwanzig Ganze ließ zu deinem Magen rinnen ,
Die Ehre hoch erkauft , ein Maͤdchen zu gewinnen ?
O Raufbold , mache dich von ſolchen Feſſeln frey ,
Und zeige , daß dein Herz noch nicht erniedrigt ſey .
Selinde bleibet dein ! — Will ſie Sylvan erwerben , So 103
So laß nach dem Geſetz ihn ſaufen , oder ſterben .
Wer tritt ein Maͤdchen ab , auch bey dem ſchlechtſten Muth ?
Entweder ſtroͤme Bier , wo nicht , ſo fließe Blut .
Willſt du das Grundgeſetz der jenſchen Welt ver - wandeln ,
Wie ein Philiſter ſtehn , und wie ein Pinſel handeln ?
So ſprach der wilde Geiſt , und ließ das , was er ſprach ,
Jn Raufbolds harter Bruſt mit Feuerſchriften nach .
Der Renommiſt dreht um , und ohn ein Wort zu ſprechen ,
Eilt er aus dem Gemach , am Stutzer ſich zu raͤchen .
Er hoͤrt , daß hinter ihm ein laut Gelaͤchter toͤnt ,
Das auf der edlen Flucht weitſchallend ihn verhoͤhnt .
Moquirt euch nur , ( ſprach er , ) ihr abgeſchmackte Nymphe ,
Und du , geputzter Narr ; — Blut waͤſcht von jedem Schimpfe .
Er eilet in den Hecht mit weitem Schritt zuruͤck ,
Und wie ein Meteor flammt ſein erzuͤrnter Blick .
G 4 Bey 104 Bey den Jenenſern iſt ein alt Geſetz in Ehren ,
Das alte Purſche ſtets die junge Nachwelt lehren ;
Das man mit Ehrfurcht ſagt , und unverbruͤchlich haͤlt ,
So lang in Jena noch die Freyheit ſich erhaͤlt .
Dies iſts . So oft man ſich vor volle Glaͤſer ſetzet ,
Waͤhlt ſich der naſſe Purſch ein Maͤdchen , das er ſchaͤtzet .
Zu der Scharmante wird ſie feſtlich deklarirt ,
Und dem Amanten nie mit andrer Art entfuͤhrt ,
Als ſich auf ofnem Markt den Hals mit ihm zu brechen .
Und , wenn es Freunde ſind , in Bier ſie abzuzechen .
Man ſaͤuft ſich von Verſtand bloß auf ihr Wohlergehn .
Man kennt die Schoͤne nicht , als daß man ſie geſehn ;
Doch dies iſt gnug , deshalb die Schnurrbarthey zu ſtuͤrmen ,
Und ſie mit Bier und Blut herkuliſch zu beſchirmen ;
Die Renommiſten ſinds , die dies Geſetz erhoͤht , Durch 105
Durch deren Heldenſtahl es immer noch beſteht .
Sie laſſen eh Toback und Karten untergehen ,
Als dieſes Grundgeſetz der jenſchen Welt verſchmaͤhen .
Ein alter Renommiſt , als er im Zweykampf ſtarb ,
Und in dem Paradies (*) eine Gegend bey Jena .
(*) die Hoͤlle ſich erwarb ; Sprach noch mit blaſſem Mund zu ſeinen Sekun - danten :
Beſchuͤtzet dies Geſetz , beſchuͤtzet die Scharmanten .
Die Seel entflieht mir ietzt , die Freyheit nicht zugleich .
Sie , und mein Degen koͤmmt nach meinem Tod auf euch —
Braucht ihn , daß dies Geſetz kein feiger Kerl verhoͤhne ,
Sauft , fechtet und ſterbt ſo , wie ich , fuͤr meine Schoͤne .
Dies alles wiederholt der wilde Renommiſt
Jn oͤder Einſamkeit , die ſchrecklich um ihn iſt .
Er flucht durch das Gemach ; Roman flieht nun er - ſchrocken ; G 5 Er 106
Er ſtuͤrzet wuͤtend ſich in ſeine ſchoͤnen Locken ,
Und was Le Grand mit Muͤh in Stunden aufge - thuͤrmt ,
Das wird im Augenblick verwuͤſtend durchgeſtuͤrmt .
Der Puder ſteigt empor , die Locke wird zerſtoͤret ;
Und , wie ein dicker Wald , ſein ſtolz Toppee verheeret .
Wie auf dem rauhen Harz , wenn durch den hohen Wald
Die wilde Kuppel bellt , das laute Huͤfthorn ſchallt ,
Mit wildgeſtraͤubtem Haar ein aufgebrachter Hauer
Den dickverwachſnen Hain , wo er im ſchwarzen Schauer
Bemooſter Eichen lag , mit feſtem Zahn zerſtuͤckt ,
Und den beharzten Leib aus ſproͤden Buͤſchen ruͤckt :
So wuͤtet Raufbold auch erzuͤrnt und unerſchrocken
Jn ein Toppee voll Mehl , und parfumirte Locken .
Sein Schutzgeiſt aber jauchzt , daß ihm der Sieg ge - lingt ,
Und Lieb und Mode nicht des Helden Herz bezwingt . Wie ? 107
Wie ? ( ſprach der Renommiſt , ) Er nimmt mich zu der Schoͤne ,
Damit man meine Tracht mit blutgem Spott ver - hoͤhne ?
Und uͤberdies gehoͤrt Selinde mir allein !
Sie kan von zweenen nicht zugleich Scharmante ſeyn !
Sie zu erkaufen , ließ ich Bier mit Stroͤmen fließen ;
Mit gleicher Tapferkeit will ich auch Blut vergießen .
Wir wollen ſehn , Sylvan , wie ſcharf dein Degen iſt ;
Ob du ſo ſtark damit , als mit der Zunge biſt ?
Treuloſer , konnteſt du die alte Freundſchaft brechen ?
Allein ich bin begluͤckt ; ich will , und kan mich raͤchen .
Er ſprach noch , als die Schaar von ſeinen Bruͤ - dern koͤmmt ,
Und mit Umarmungen des Zornes Fluten hemmt .
Von Torf , fein von Geruch , ſchrie : Was der Hagel ! Bruder ,
Der Teufel hole mich , hier ſtinkt Pomad , und Puder !
Wie Raufbold ! Nimmermehr ? Ein Renommiſt friſirt ? O Pin - 108
O Pinſel , welch ein Narr hat dich dazu verfuͤhrt ?
So ſagt er , und das Blut ſteigt wild in Rauf - bolds Wangen .
Nie war auf ihnen noch die Schamroͤth aufgegangen ;
Er ward zum erſtenmal in ſeinem Leben roth .
Doch wahrſagt dieſe Scham Sylvanen Blut und Tod .
Setzt euch , und hoͤret mich , ( ſprach er , ) geliebte Bruͤder .
Sie ſetzen alle ſich , gleich ſtrengen Richtern , nieder ;
Nur Raufbold ſtand allein . Voll Wut und Eigenſinn ,
Schaut er mit tiefem Ernſt in die Verſammlung hin ,
Und ſprach : Jhr ſeht mich hier von meiner Hoͤh ge - ſtuͤrzet ,
Jhr ſeht mein Haar verſtutzt , und mein Toppee ver - kuͤrzet .
Jch ſchmiegte klein genug mich in der Mode Joch ,
Und Torf hat voͤllig Recht , der Puder ſtinket noch .
Doch ſeht zu gleicher Zeit , wie ich dies Haar zerzauſet ;
Die allergroͤßte Wut hat das Toppee durchbrauſet ; Es 109
Es ſtraͤubt gleich Borſten ſich ; — Jch bin euch wie - der gleich ;
Mit edlem Stolz flieh ich der Mod und Liebe Reich .
Jch baute Locken auf , ein Maͤdchen zu beſiegen ;
Die Rache reißt ſie ein , und Rache heißt mich kriegen .
Sylvan hat mich beſchimpft ; Selinde mich verlacht ;
Man ſpottete voll Hohn auf meine jenſche Tracht .
Sagt , Bruͤder , muß ich mich nicht billig vor euch ſchaͤmen ?
Allein noch kan ich mir die Rache ſelber nehmen .
Vielleicht mach ich bey euch den Fehler wieder gut ,
Und waſche meinen Schimpf in dieſes Schurken Blut .
Sagt , Bruͤder , darf ich wohl die edle Zeit verlieren ?
Muß ich nicht heute noch den Feigen provociren ?
Ja , freylich ! ruften ſie voll Eifer alleſammt
Und Raufbolds Herz und Kiel ward alſobald ent - flammt ;
Von Lieb , und Raſerey , und Eiferſucht getrieben , Ward 110
Ward ſcharfer Spott erdacht , und das Cartell ge - ſchrieben .
Wie jauchzte nicht Pandur ? Er zeigt ſich alſobald ,
Und nimmt vom Hausknecht Hans das Kleid , und die Geſtalt .
Er eilt mit dem Cartell , den Stutzer aufzufinden ;
Sein Weg war nicht umſonſt , er fand ihn bey Selinden .
Der Stutzer lieſt beym Spiel das kriegriſche Cartell .
Voll Tapferkeit , und Muth , und im Entſchlieſſen ſchnell ,
Schrieb er mit Bleyſtift nur darunter dieſe Worte :
Jch komme ganz gewiß zu dem beſtimmten Orte .
Fuͤnfter Geſang . Der Renommiſt . Fuͤnfter Geſang . [112] 113 D as wichtge Lomberſpiel war ietzt nicht wichtig gnug .
Sylvan verſtellte ſich ; Selinde merkt Betrug ;
Die Schlachtordnung hoͤrt auf ; es fielen ungerochen ,
Die Lomberkoͤnige , von Freundes Schwerd durchſtochen .
Spadilje ſaß verzagt in ſchandewerther Ruh ,
Und als ein Dummkopf gab Sylvan die Baſta zu .
Selinde ſieht erſtaunt den Stutzer Fehler machen ;
Der Argwohn , und die Furcht fuͤr ſeine Ruh , erwa - chen ;
Das Spiel hoͤrt ploͤtzlich auf , daß durch des Schick - ſals Schlag
Der Koͤnig und der Sklav vermiſcht zuſammen lag .
So liegt im weiten Thal des Todes bey einander
Der Raͤuber und der Held , Cartouch und Alexander . H Selin - 114
Selindens truͤber Blick ſpricht Unzufriedenheit ,
Und alles eilet fort vor der beſtimmten Zeit .
Sylvan nimmt ſeinen Hut , und will ſich ihr em - pfehlen ;
Grauſamer , ( ſagte ſie , ) du willſt es mir verhehlen ,
Was deinen freyen Blick in Unordnung gebracht ?
Sprich , iſt es nicht der Brief , der dich verwirrt ge - macht ?
Der Stutzer wird beſtuͤrzt ; Ja , ( ſagt er , ) deinetwegen
Zieh ich mit tapfrer Fauſt den ſieggewohnten Degen .
Der Brief war ein Cartell ; der wilde Renommiſt
Glaubt , daß ein Leipziger ein Baͤrenheuter iſt ;
Doch , Schoͤne , da ich ietzt fuͤr deine Schoͤnheit ſtreite ,
So iſt auch ſchon der Sieg mit Lorbern mir zur Seite .
Selinde , die erblaßt in ihren Lehnſtuhl ſinkt ,
Und in dem bittern Schmerz geſalzne Thraͤnen trinkt ,
Schien in Verzweifelung und Wehmuth zu zerfließen , Und 115
Und ließ den ganzen Strom der wilden Klagen ſchießen .
Grauſamer , ( ſagte ſie , ) du biſt nicht meiner werth !
Verſichre ja mich nicht , daß mich dein Herz verehrt .
Wie ? mein Geliebter will ein wilder Schlaͤger werden ?
Ja , ja , du biſt es ſchon in Sitten und Geberden .
Geh , Wilder , ſchlage dich ; — doch ruͤhme dich nur nicht ,
Daß ich den je geliebt , der gleich die Haͤlſe bricht .
Und mit dem wilden Thier willſt du den Zweykampf wagen ?
Wie bald wirſt du den Tod auf blaſſen Lippen tragen !
Grauſamer , nein , du biſt in Leipzig nicht erzeugt ,
Und eine Furie hat dich mit Gift geſaͤugt !
O haͤtteſt du zu mir die kleinſte Gunſt getragen ,
Und waͤrſt ein Leipziger , du wuͤrdeſt ihn verklagen .
Sie ſchwieg ; ſo wie ein Baum den ſtolzen Wipfel neigt ,
Wenn ihn jetzt bald der Suͤd , und bald der Nordwind beugt ; H 2 So 116
So wird Sylvan beſtuͤrmt ; Er wankt auf beyde Seiten ;
Die Liebe heißt ihn fliehn , die Ehre heißt ihn ſtreiten ;
Allein die Ehre ſiegt . O Schoͤne , ( fieng er an : )
Was foderſt du von mir ! Verdiente wohl Sylvan
Selindens Zaͤrtlichkeit , wenn er ſich fuͤrchten wollte ,
Und wenn ſie ungeſtraft ein Raufbold ſchimpfen ſollte ?
Jch habe manchen Kampf mit allem Gluͤck gewagt ;
Und Raufbold ſpricht zwar groß , allein er iſt verzagt .
Erheitre du mein Gluͤck mit deinen hellen Stralen ,
So ſoll gewiß ſein Blut die Ausfodrung bezahlen .
Er ſagts , und eilt ſogleich beherzt aus dem Ge - mach .
Selinde ſieht ihn gehn , und ſieht ihm weinend nach ,
Und ſchickt voll Todesangſt viel Wuͤnſche zu den Ster - nen ,
Von ihres Lieblings Haupt das Ungluͤck zu entfernen .
Der zaͤrtliche Lindan , der Schutzgott Leipzigs ſieht , Daß 117
Daß uͤber ſeinen Sohn ein Ungewitter zieht ;
Voll banger Sorgſamkeit eilt er mit ſchnellen Fluͤgeln ,
Zu der Galanterie , ihr Streitheer aufzuwiegeln .
O Goͤttin , ( fieng er an , ) ich muß um Beyſtand flehn .
Wie oft zwingt mich die Noth , zu deinem Thron zu gehn !
Doch , Goͤttin , kan ich wohl der Stutzer Haupt verlaſſen ,
Und Stutzer untergehn , und Schlaͤger ſiegen laſſen ?
Kaum wird am Horizont die kuͤnftge Sonne ſtehn ,
So wird das Roſenthal den ſchaͤrfſten Zweykampf ſehn .
Suchſt du nicht Raufbolds Arm , o Goͤttin , aufzu - halten ,
So kan ein einzger Hieb Sylvanens Haupt zerſpalten .
Der Zweykampf iſt gewiß ; die Streiter ſind voll Wut ;
Jch , Goͤttin , zittre ſchon vor Scenen voller Blut .
Er ſagts , und heftete mit trauriger Geberde ,
Den Supplikantenblick , voll Thraͤnen auf die Erde . H 3 Die 118
Die Goͤttin fuͤhlt den Schmerz ; voll Mitleid ſagte ſie :
Wie ſchwach iſt nicht der Blitz von der Galanterie
Jm Streit und im Duell ! ſollt ich ein Herz bekriegen ,
Und uͤber Sproͤdigkeit verſtellter Tugend ſiegen ;
Sollt ich etwa voll Liſt den Ehmann hintergehn ;
So waͤre meine Macht bereit dir beyzuſtehn .
Doch die Galanterie , was kan die da dir nuͤtzen ,
Wo wilde Kaͤmpfer ſtehn , und blanke Degen blitzen ?
Weit beſſer ſteht gewiß die Goͤttin Schlaͤgerey ,
Die an der Saale herrſcht , dem Leipzger Helden bey .
Sylvan hat unter ihr in Jena noch gefochten ,
Und manchen Lorberkranz ihr um die Stirn geflochten ;
Sey klug , und ſey beredt ; und fodre von ihr dreiſt ,
Zu deines Helden Schutz , auch einen Schlaͤgergeiſt .
Jch kan dir weiter nichts zu deinem Troſte ſagen , Als 119
Als daß wir das Duell mit anzuſehen wagen .
So die Galanterie — Lindan ſtuͤrzt in die Luft ,
Und eilt zur Schlaͤgerey in die beruͤhmte Kluft .
Als Hausknecht war indeß Pandur zuruͤck ge - kommen .
Die Stuͤrmer hatten ſchon Sylvans Entſchluß ver - nommen .
Und alle lobten ihn , und ſeinen Heldenmuth ,
Und ruften : Das iſt noch ein edles jenſches Blut !
Ein Renommiſt wird ſtets des andern Muth er - heben ,
Und das verdiente Lob zuerſt dem Gegner geben .
Den tapfern Feind ruͤhmt oft ein großmuthsvoller Held ,
Damit man ſeinen Sieg fuͤr deſto wichtger haͤlt .
Nun ſtuͤrzten ſich aufs neu des Bieres braune Wellen ,
Aus dem zu vollen Glas . So wie die Fluthen ſchwel - len ,
Wenn auf dem ſchweren Nil der naſſe Suͤdwind ſchwebt ,
Und uͤber Strand und Damm die wilden Waſſer hebt ; H 4 Und 120
Und wie im lauen Lenz , wenn ſich die Nacht verkuͤrzet ,
Der aufgeloͤſte Schnee von hellen Felſen ſtuͤrzet ;
Mit rauſchendem Getoͤs in oͤde Thaͤler dringt ,
Wo ihn im Augenblick der duͤrre Sand verſchlingt :
So ſtuͤrzt das braune Bier , mit rauſchendem Geziſche ,
Dem ſchnellen Waldſtrom gleich vom uͤberſchwemmten Tiſche .
Des glimmenden Tobacks verdoppelter Gebrauch
Umnebelt das Gemach , und fuͤllt die Luft mit Rauch ;
Es ſteigt Dampf und Geſang aus ihren rauhen Haͤl - ſen ,
Und es gluͤhn hier und da gluthſchwangre Aſchenfelſen .
Der jauchzende Pandur ermuntert ihren Sinn .
Entzuͤckungsvoll ſchaut er auf die Verwuͤſtung hin ;
Er breitet uͤber ſie die fuͤrchterlichen Schwingen ,
Und laͤßt mit rauhem Mund ſie Heldenthaten ſingen .
Der Barden Lied hob oft die deutſche Tapſerkeit , Und 121
Und jeder ward ein Held , ein Heermann in dem Streit .
Auch ietzo ſeurt ein Lied des Renommiſten Wangen
Zum allerſchrecklichſten und kuͤhnſten Unterfangen .
Wer , ( fieng er muthig an , ) kennt , Bruͤder , unter euch
Das mir an jedem Ort verhaßte Schnurrenreich ?
Wo wohnt die Haͤſcherſchaar , das Schrecken aller Fei - gen ?
Darf man nie ungeſtraft zu dieſer Hoͤlle ſteigen ,
Und ſehn , ob man den Kerls die Haͤlſe brechen kan ?
Wer fuͤhrt mich unter euch zu dieſer Ehrenbahn ?
Mein Amt verlangt von mir , von allen Schnurr - barteyen ,
Jedweden Muſenſitz großmuͤthig zu befreyen .
So wie ein Reuter bebt , wenn der Befehl ihn zwingt ,
Daß er verzweiflungsvoll in Bajonette dringt ;
So bebt auch ietzt die Schaar von Raufbolds naſſen Bruͤdern ;
Das Jauchzen und die Luſt hoͤrt auf in ihren Liedern . H 5 Der 122
Der tapferſte , von Torf , ſtand endlich auf , und ſprach :
Warum fragſt du ſo ſehr nach unſern Haͤſchern nach ?
Und welch ein toller Geiſt ſchuf in dir den Gedanken ,
Die Hoͤlle zu beſehn , mit Teufeln dich zu zanken .
Die Haͤſcherſtube gleicht dem finſtern Hoͤllenreich ;
Sie ſelber , glaube mir , ſind wilden Teufeln gleich .
Ein Harniſch , den noch nie ein Rieſenſchwerd durch - hauen ,
Und Stangen wafnen ſie ; und ſenden Furcht und Grauen
Vor ihren Schritten her , und ihnen folgt der Sieg .
Der edle Juͤngling ſagts , und ſetzte ſich , und ſchwieg .
Der tapfre Renommiſt erwiederte verwegen :
Wer kan mir widerſtehn ? Beſchuͤtzt von dieſem Degen ,
Wollt ich wie Herkules hinab zur Hoͤlle gehn ,
Und kuͤhn den Acheron , und den Cocytus , ſehn .
Ja , Bruder , glaube mir , das Luder mit drey Rachen Wollt 123
Wollt ich , mein Seel , ſo zahm wie einen Schooßhund machen .
Warum ſollt ich denn nun nicht ſo verwegen ſeyn ,
Und dieſem Haͤſcherpack in eigner Wohnung draͤun ?
Mein Muth ſoll hier ſo gut , als wie in Jena , jagen ;
So wahr ich Raufbold bin , ſo wahr will ich es wagen !
So ſagt er , und ſteht auf ; und alle folgen ihm
Mit Rieſenſchritten nach . Pandur brauſt ungeſtuͤm
Vor ſeinen Liebling her bis zu der Haͤſcherhoͤhle ,
Und gießt Verwegenheit in ſeines Helden Seele .
Die traͤge Finſterniß warf ſchon mit brauner Hand
Auf Leipzig Schlaf und Traum , und Still auf Feld und Land ;
Schon ſah man den Boot den feſten Pol umgehen ,
Und manche Sonne ſich im kalten Norden drehen ;
Der Mann , die gnaͤdge Frau , und ihre Hunde ruhn ;
Der Wangen Lilien , und Roſen lagen nun Jn 124
Jn Tuͤchern abgewiſcht ; und manches Gipsgeſichte ,
Am Tage lang gehaßt , eroberte bey Lichte :
Da kam der Renommiſt , und ſeine treue Schaar
Auf den einſamen Markt , der ietzt ihr eigen war .
Geſtiefelt iſt ihr Fuß ; umguͤrtet ihre Lenden ,
Und Schlaͤgerhandſchuh ſind an den Cyklopenhaͤnden .
So oft ihr Rieſenfuß mit Schrecken niedertritt ,
So oft erbebt der Markt , und jeder Waͤchter mit .
Sie ziehn die Degen aus , die Stralen um ſich ſrreuen ;
Wie wenn die Loͤwin ſich aus oͤden Wuͤſteneyen
Des duͤrren Lybiens mit ihren Jungen traͤgt ;
Mit langſam traͤgem Schritt ſich durch den Sand bewegt ,
Das duͤrre ſcharfe Laub mit ſchweren Klauen druͤcket ;
So manchen ſproͤden Buſch mit breiter Bruſt zer - ſtuͤcket ,
Und ein Geraͤuſch erregt , das durch die Felder eilt , Und 125
Und in der ſanften Nacht die ſtillen Luͤfte theilt :
So hoͤrt man ihren Schritt , und den gezognen Degen ,
So leiſe ſie auch gehn , ein ſanft Geraͤuſch erregen .
Da , wo der gruͤne Thurm am Rathhaus ſich erhebt ,
Sind die Behauſungen , die ewge Nacht begraͤbt ;
Der Knechte Schaar wohnt hier . Das fuͤrchterliche Schrecken
Steht an dem dunklen Thor ; und an den beyden Ecken
Lauſcht in der Daͤmmerung ſchreckvoller Einſamkeit ,
Die ſchlaue Hinterliſt , und die Verwegenheit .
Der Renommiſt ſteht ſtill , und eh er weiter eilet ,
Ward alſo ſein Befehl dem kleinen Heer ertheilet :
Mein Fuß tritt ietzt den Weg zu ewgem Nachruhm an ,
Doch keiner folge mir zu dieſer Ehrenbahn !
Die That iſt ſchwer , und groß , und kuͤhn mein Unter - fangen ,
Den Lorberkranz davon will ich allein erlangen . Von 126
Von meiner Tapferkeit allein , doch gnug , beſchuͤtzt ,
Geh ich in dieſes Loch , durch edle Rach erhitzt .
Verſolget mich der Schwarm , ſo ſteht mir bey , ihr Bruͤder !
Allein ich ſchmeichle mir , ich ſeh euch ſiegend wieder .
Er ſagts ; und ſtuͤrzet ſich , des hohen Siegs gewiß ,
Mit Loͤwenmaͤßgem Muth in dicke Finſterniß ;
Und ſein Pandur erhebt zur tollen That die Seele :
So gieng er denn beherzt zur dunklen Haͤſcherhoͤhle .
Das Schrecken haͤlt ihn an , und haucht ihm ins Ge - ſicht ,
Und treibt ſein Haar empor ; allein er fliehet nicht .
Aeneas , und mit ihm die Cumiſche Matrone .
Begaben einſt ſich ſo zu Plutons ſchwarzem Throne .
Vergebens ſchreckte ſie manch ſcheußliches Phantom ,
Der wilde Hoͤllenhund , und des Cocytus Strom .
Sie ließen ſich beherzt in Charons Nachen laden , Und 127
Und traten gluͤcklich aus an ſtygiſchen Geſtaden .
Es oͤfnet ſich von ſelbſt das fuͤrchterliche Thor .
Pandur geht unſichtbar dem jungen Helden vor ;
Allein kaum ſieht er ſich in dieſer tiefen Grotte ,
Und ſieht in wilder Pracht der Knechte ganze Rotte :
Als ihn der Muth verlaͤßt , und das Entſetzen koͤmmt ,
Und einen kalten Strom von Schauder auf ihn ſchwemmt .
Die Haͤſcher ſahn ihn nicht ; Pandur hielt ihn ver - borgen .
Sie ſaßen unter ſich , und ſpielten ohne Sorgen ;
Der muͤßge Panzer hieng an der berußten Wand ,
Bey dem ihr Mordgewehr , die lange Stange , ſtand .
Der abgenommne Helm lag draͤuend neben ihnen ,
Und Muth , und freyer Scherz ſprach aus den wilden Mienen .
Auch uͤbten einge ſich in ſtolzer Sicherheit ,
Spartanſcher Jugend gleich , zu einem kuͤnſtgen Streit ; Sie 128
Sie warfen nach dem Ziel mit ihren ſchweren Stangen ,
Und jeder ſucht erhitzt den Lorbeer zu erlangen .
Vergebens lockte ſie das angenehme Bier ,
So folgen ietzt allein der hohen Ruhmbegier .
So kaͤmmten Griechen einſt in ſchuͤtzenden Gebirgen
Jhr langes gelbes Haar , die Perſer zu erwuͤrgen ,
Und uͤbten ſich zur Schlacht ; von eiſernem Getoͤn
Der Waffen und des Schwerds erklangen Thal und Hoͤhn .
Der tapfre Renommiſt ſchaut hoch in ihre Reihen ,
Und ſieht dem Spiele zu mit heimlichem Erfreuen ;
Doch endlich zeigt er ſich , trat unter ſie , und ſprach :
Jhr gebt an Staͤrke nicht den alten Helden nach .
O tapfre Krieger , ſagt , was habt ihr zu beſchuͤtzen ,
Daß hier die Lanze ſtralt , und Helm und Panzer blitzen ?
Ein junger Haͤſcher ſprach : Herr , ein Hochedler Rath Ver - 129
Vertrauet unſerm Arm die Sicherheit der Stadt .
Wenn die Studenten ſchreyn , und durch die Straßen ſtuͤrmen ,
Ziehn wir gewafnet aus , die Ruhe zu beſchirmen .
Hundsfuͤtter , Kerls , ſeyd ihr , ( ſprach Raufbold , ) und alsbald
Reißt er aus ſeiner Hand die Stange mit Gewalt .
Mit drey entſetzlichen und rieſenmaͤßgen Spruͤngen
Eilt er , um die Trophee der Bruͤderſchaar zu bringen .
Der Haͤſcher ſteht erſtaunt und ſchreyt zuletzt : Gewalt !
Daß von dem lauten Ruf die Hoͤhle wiederſchallt .
Sie eilen alleſammt von ſuͤßem Bier und Karten ,
Und greifen im Alarm nach ihren Hellebarten .
Der Renommiſt indeß ſchwingt in der Siegeshand
Den langen Weberbaum , den er dem Feind entwandt .
Hochtoͤnend ſprach ſein Mund von dieſem Siegeszei - chen :
Die ſeige Schnurrenſchaar ſoll ietzt wohl vor uns weichen . J Der 130
Der ſtaͤrkſten Stange hat ein Raufbold ſie beraubt ;
Jhr eigner Donner faͤllt auf ihr gepanzert Haupt .
Auf ! Bruͤder , wetzt , und ſchreyt , und laßt ſie pereiren ,
So will ich euch beherzt zu neuen Siegen fuͤhren .
Sogleich durchdringt die Luft ein lautes Pereat !
Der Fehdeſchwangre Ton bruͤllt durch die ſtille Stadt ;
Drauf wetzt die ganze Schaar ; die Glut faͤhrt aus den Steinen ,
Daß ſie in Stral und Glanz , wie Meteore , ſcheinen .
Zuletzt gehn ſie zur Thuͤr , und Raufbold ſchreyt hinein :
Verzagte Hunde , wie ? ihr ſchließt euch aͤngſtlich ein ?
Habt ihr noch Muth ? heraus , heraus , und laßt euch ſchauen ,
Wie groß iſt nicht mein Trieb , euch auf das Maul zu hauen !
So ſpottet er voll Hohn . — Still wafnet ſich das Heer .
Die duͤrre Lanze klingt , der Panzer rauſcht daher ,
Und endlich ſpeyt das Thor die fuͤrchterlichen Haufen Aus 131
Aus ſeinem ſchwarzen Schlund , und die Jenenſer laufen .
Doch Raufbold ſammlet ſie von der unedlen Flucht ,
Gießt Feuer in ihr Herz , und bittet , droht und flucht .
Jndeſſen nahet ſich , mit vorgehaltnen Spießen ,
Die ſchwarze Legion , die Schlaͤger einzuſchließen .
Doch ſie erwartens nicht , und fliehn zum zweytenmal .
Und ſie verfolgt im Fliehn , gleich einem Wetterſtral ,
Der Springſtock , und ein Heer von krumgehackten Stangen ,
Die hinter ihnen her auf glatten Pflaſter ſprangen .
Halt Bruͤder , ( ruft der Held , ) der Sturm iſt nun vorbey ,
Und unſer Fuß iſt nun vor ihren Stangen frey !
Ein jeder wafne ſich , wie ich , mit einer Stange ,
Und jagt die Lumpenkerls zu ihrem Untergange .
Er ſagts , und es geſchieht . Bellona bruͤllt aufs neu ;
Der Angriff wird erneut mit Laͤrm und mit Geſchrey . J 2 O 132
O Muſe , melde mir die Helden , und die Namen ,
Die in der eiſern Schlacht zum Ruhm des Kampfes kamen .
Zuerſt fuͤhlt einen Schlag von Raufbolds tapfrer Hand ,
Der Haͤſcher Oberſter , der dicke Hildebrand ,
Ein halbes Faß voll Bier ſchlief in dem weiten Magen ;
Er taumelt von dem Schlag , und kan nicht wieder ſchlagen .
Doch ihn raͤcht Jlſeboll , in dem Gebirg erzeugt ;
Er trift den Renommiſt , daß ſchon ſein Knie ſich beugt ;
Doch ſchnell ſtaͤrkt ihn Pandur : er trift mit ſchweren Haͤnden
Den ſchlanken Martin Dampf an ſeine duͤrren Lenden .
Er fiel vom Schmerz betaͤubt ; man ſchleppt ihn aus dem Kampf .
O ungluͤcksvolle Nacht ! O armer Martin Dampf !
Wie wird die junge Frau , die du genommen , klagen !
Er war ein Ehmann erſt von vierzehn ſuͤßen Tagen .
Ein anderer Achill , der wilde Ballerſtatt , Traf 133
Traf ietzt den edlen Torf aufs rechte Schulterblatt .
Und Krach fiel ganz betaͤubt , gleich einer hohen Eiche ,
Vor Wilt ehammers Wut , und ſeinem ſchweren Streiche .
Doch Raufbold traf ietzo den naſeweiſen Knall .
Die ganze Schlachtordnung erſchrack vor ſeinem Fall .
Er war der tapferſte ; Jm Lande ſchoͤner Kuchen ,
Jn Golitz , fieng er an die Fluͤgel zu verſuchen ,
Und ſchlug , als Knabe noch , einſt einen Musquetier ,
Daß er zur Erde fiel , vor ſeines Vaters Thuͤr .
Jetzt lag er ſelbſt beſiegt , und bruͤllte durch die Gaſſen .
Die Haͤſcher fiengen an das Schlachtfeld zu verlaſſen ,
Und zogen langſam ſich und ordentlich zuruͤck .
Der tapfre Renommiſt , zufrieden mit dem Gluͤck ,
Befahl den Streitenden , dem Feind nicht nachzuſetzen .
Sie giengen langſam fort mit Schreyen , und mit Wetzen . J 3 Doch 134
Doch ihren Feind verdroß die angethane Schmach ;
Sie ſandten ihnen noch die letzten Stangen nach .
Der letzte Donner traf die Schlaͤger an den Fuͤßen ;
Dem Renommiſten ward der Stiefel aufgeriſſen ;
Und haͤtte nicht Pandur den Helden noch beſchuͤtzt ,
So haͤtte dieſer Stock ſein edles Blut verſpruͤtzt .
Sie zogen im Triumph nach ihrem blauen Hechte ,
Und unters Rathhaus gieng die Schaar der ſtarken Knechte .
Mit hoher Prahlerey ward alles nun erzaͤhlt ,
Und keinem hatte Herz und Tapferkeit gefehlt .
Lindan ! O haͤtteſt du die wilde Schlacht ge - ſehen ;
Wie haͤtteſt du geeilt den Haͤſchern beyzuſtehen !
Doch fern weg war er ietzt ! Da , wo die Saale fließt ,
Und an das Paradies die wilden Fluthen gießt ,
Liegt eine dunkle Gruft , das Teufelsloch benennet , Jn 135
Jn der der Schlaͤgerey ein ewger Weihrauch brennet .
Am ſchwarzen Thore ſteht die wilde Trunkenheit ;
Sie wankt bey jedem Schritt , ſingt Lieder , wetzt und ſchreyt .
Die Zankſucht , und das Spiel , ſtehn an des Thrones Seiten ,
Die Argwohn , Eiferſucht , und Neid , und Hohn , be - gleiten .
Auf ſchwarzem Throne ſitzt , in fuͤrchterlicher Pracht ,
Die Goͤttin Schlaͤgerey , und herrſcht in Graus und Nacht .
Ein weißlicher Caput , mit einem feurgen Kragen ,
Jſt ihre liebſte Tracht , die ſie bisher getragen .
An ihrer Seite haͤngt ein großes Rauferſchwerd ,
Gleich dem Japanſchen Stal von einem hohen Werth .
Jm Stichblatt ſind geetzt die erſten Renommiſten ,
Wie ſie den Himmel drohn mit Felſen zu verwuͤſten .
Nicht weit von ihnen ſieht man kleinre Stuͤrmer ſtehn ,
Die auf dem jenſchen Markt mit ſtolzen Haͤuptern gehn ; J 4 Auf 136
Auf glattem Kieſelſtein die blanken Degen ſchaͤrfen ,
Und mit der wilden Hand in helle Scheiben werfen .
Lindan naht ſich dem Thron , und ſprach : O Schlaͤ - gerey !
Wie oft ſtehſt du dem Fuchs , und dem Verzagten bey !
Wenn die Studenten nur mit wilden Schlachten kriegen ,
So iſt dirs einerley , wo Renommiſten ſiegen .
Jn Leipzig hat bisher noch niemand dich verehrt .
Allein Sylvan , der dir in Jena zugehoͤrt ,
Und ietzt in Leipzig ſicht , wird unſern Stutzern zeigen ,
Daß auch die Leipziger zu keinem Schimpfe ſchweigen .
Doch , Goͤttin , wird wohl dem dein maͤchtger Schutz verſagt ,
Der ſich zu deinem Ruhm in einen Zweykampf wagt ?
Der deinen Dienſt behaͤlt auf allen ſeinen Reiſen ,
Und den die Dame liebt , doch auch die Helden preiſen .
Send ihm auch einen Geiſt aus deinem maͤchtgen Reich , Und 137
Und mache ſeinen Arm dem Arme Raufbolds gleich .
Sein Beyſpiel wird gewiß dir neue Helden ziehen ,
Und deine Herrſchaft wird auch an der Pleiße bluͤhen .
Alſo Lindan . — Sein Wort floß zu der Goͤttin Ohr ,
Und alſobald ruft ſie den Thanathos hervor .
Ein ungeheurer Geiſt ! ſein Blick weißagt Verderben ;
Von ſeiner Sichel wird manch edler Juͤngling ſterben ;
Die Mutter klagt um ihn in mancher ſchwarzen Nacht ,
Daß in der Muſen Schooß das Schwerd ihn um - gebracht .
Sie ſchwingen beyde ſich nach Leipzigs ſtillen Linden ,
Wo ſie in ſuͤßer Ruh den muͤden Stutzer finden .
Doch ſchlief er unverzagt , wie Alexander ſchlief ,
Als die Trompete ſchon zum blutgen Angrif rief .
Nur Raufbold wachte noch , und ſang mit ſeinen Schaaren ,
Ein wildes Siegeslied , daß ſie entkommen waren . J 5 Es 138
Es ſtuͤrzt manch volles Glas in ihren weiten Schlund .
Der Nilſtrom ſitzet ſo am ſiebenfachen Mund ,
Und gießt die dicke Fluth aus ſieben Waſſerkruͤgen ,
Daß Crokodille gehn , wo bald die Ochſen pfluͤgen .
Der helle Sternenrock entfiel der ſchwarzen Nacht ;
Die Stuͤrmer feſſelte des Schlafes ſuͤße Macht ;
Sie laſſen ſich aus Stroh ein Lager zubereiten ,
Bis ſie Aurora ruft zu neuem Ruhm und Streiten .
Doch Raufbold ſelbſt legt ſich , mit ſiegesvollem Muth ,
Geſtiefelt und geſpornt auf den zerfetzten Hut .
Sechſter Geſang . Der Renommiſt . Sechſter Geſang . [140] 141 N och lag die halbe Welt im fruͤhen Schlaf verborgen .
An ſtatt des Morgenroths ſah man die blaſſen Sorgen ,
Die in der ſtillen Nacht die todten Menſchen fliehn ,
Den grauen Orient mit wildem Schritt beziehn .
Der muͤde Stutzer wird vom Thanathos erwecket ,
Der rauſchend uͤber ihn die ſchwarzen Schwingen ſtrecket ;
Und er ſtand muthig auf . Er waſnet ruhig ſich ;
Er zog den Degen aus ; er ſtrahlte fuͤrchterlich ,
Und war ſcharf wie der Wind ; auf ſeinem Tiſche lagen
Die andern Waffen noch , erfoderlich zum Schlagen .
Wenn er den Fuß erhebt , klirrt er im ſilbern Sporn ;
Und ſeiner Peitſche Knall verkuͤndigt ſeinen Zorn . Sein 142
Sein Sekundant kam auch auf einem ſtolzen Pferde ,
Jn ſchimmerreicher Pracht , und muthiger Geberde ;
Und beyde reiten nun beym erſten Sonnenſtral ,
Mit Flammen in der Bruſt , zum Kampf ins Roſen - thal .
Die Sonne ſtieg indeß blutroth zum Horizonte .
Kaum daß ihr truͤber Strahl auf Leipzig blicken konte ;
Sie huͤllt in Dunſt und Nacht den feuerrothen Schein ;
So ſehr verhaßt ſchien ihr der blutge Tag zu ſeyn .
Den Renommiſten weckt ihr trauervoller Schimmer ;
Er ſpringt geſtiefelt auf , vom Tritte bebt das Zimmer .
Er wafnet gleichfals ſich ; beſieht der Handſchuh Paar ,
Zu dem von einem Hirſch das dickſte Leder war ;
Er ſpiegelt ſich darauf in ſeines Degens Flaͤche ,
Und ſpaͤht mit ſtillem Ernſt die Staͤrk , und auch die Schwaͤche ;
Betrachtet ſeinen Hut , durch manchen Hieb zerfetzt , Den 143
Den er mit edlem Grimm tief in die Augen ſetzt ;
Er nimmt die Peitſche dann , die an der Wand gehan - gen ,
Damit zuerſt den Feind lautknallend zu empfangen .
Und dann gieng er zuletzt zum wieherndem Calmuck ;
Legt das Gebiß ihm an , und der Schabracke Schmuck ,
Und ſprach : Geliebter Gaul , den Raufbold nur ge - ritten ,
So lange ſeine Fauſt fuͤr Jena noch geſtritten ;
O Gaul , der mich begluͤckt und treu davon gebracht ,
Als hinter mir der Bann auf meinen Kopf gekracht ;
Mein Heil ſey heute dir auch in der Flucht befohlen !
Aus Zaͤrtlichkeit zu dir hat Raufbold dich geſtohlen ;
Denn nimmermehr ſollſt du den Fuchsthurm wieder ſehn ,
Und , jedem Pinſel feil , bey dem Philiſter ſtehn .
Du ſollſt ein Zeuge ſeyn von meinen tapfern Thaten ,
Sollſt mein Gefaͤhrte ſeyn durch alle weiten Staaten , Die 144
Die ich durchirren muß . Dafuͤr ſey Bier und Brod ,
So gut , als wie mir ſelbſt , das Labſal in der Noth .
Erſt ſoll mein Schwerd den Stolz des Jungfernknech - tes ſchlagen ;
Dann ſollſt du ſchleunig mich zum freyen Halle tragen .
So Raufbold — Und Calmuck brauſt aus der Naſe Dampf ,
Erhebt den langen Hals , und wiehert Luſt zum Kampf .
Auch ſtampften draußen ſchon noch drey Studenten - pferde ,
Mit raſſelndem Gebiß , voll Ungeduld die Erde .
Sie alle ſitzen auf , und jagen durch die Stadt .
Krach , Banner , und von Torf an Sekundantens Statt .
Jndeſſen kamen auch , gleich lauten Meereswogen ,
Von der Galanterie die Schaaren angezogen .
Geharniſcht alleſammt , mit Waffen angethan ,
Zur Schutzwehr alleſammt fuͤr ihren Held Sylvan .
Ein jeder hatte ſich mit Schwerd und Helm beſchweret , Und 145
Und der Galanterie Zeughaͤuſer ausgeleeret .
Ein ſeltſam Kriegesheer , auch ihren Waffen nach ,
Das zu Sylvanens Schutz ſehr wenig Troſt verſprach .
Mit einer Schnuͤrbruſt war des Putzes Bruſt bedecket ;
Romanens Koͤcher war mit manchem Pfeil beſtecket .
Doch was half hier der Pfeil , der durch ſein ſuͤßes Gift
Nicht Kriegern Schaden thut , und nur Verliebte trift .
Die einen wafneten geſchaͤrfte Bilderſcheeren ;
Die andern wollten ſich , mit großen Nadeln , wehren .
Es ſchwingt des dritten Fauſt des Kraͤuſeleiſens Brand ;
Ein voller Puderſack brauſt in der vierten Hand ;
Noch andre wollten ſich mit Sonnenfaͤchern ſchlagen ,
Und wenigſtens mit Wind den wilden Feind verjagen .
Der ſchwarze Thanathos ſah voller Hohn herab
Auf dieſes ſchwache Heer , das ihm die Mode gab ; K Die 146
Die Staͤrk iſt nicht im Arm , kein Muth ſchlaͤgt in der Ader ;
Doch weiſt er das Geſicht dem flatternden Geſchwader
Zu ſeinem Poſten an . Nehmt dieſes nur in Acht , ( Ruft er , ) ſo thut ihr ſchon , was euch zu Helden macht .
Da , wo vor Ranſtaͤdts Thor der krummen Pleiße Wellen
Mit ſtillem ſanftem Lauf an gruͤne Kuͤſten ſchwellen ,
Liegt ein beruͤhmter Hayn , den ſchon die graue Zeit ,
Jn angenehmer Nacht , den Liebenden geweiht .
Man hat den heilgen Wald das Roſenthal genennet ;
Und welches Maͤdchen iſt , das dieſen Ort nicht kennet ?
Hier ſieht auf ihrer Fluth die Pleiße Gondeln gehn ,
Die unter Spiel , und Scherz , und blaſendem Getoͤn
Von dem beſchilften Rand auf Golitz freudig eilen ,
Wo den Geſchmack Muſik , und Tanz , und Kuchen theilen .
Hier thuͤrmet ſich das Gruͤn der Eichen in die Hoͤh ; Dort 147
Dort wird der Buchen Laub zur ſchattigten Allee ;
Und dort ſucht hellgruͤn Gras , durch ſeine lichten Flaͤchen ,
Des dunklen Lindengangs Schattirungen zu brechen .
Ein lachender Proſpect ſteigt nach dem andern auf ;
Dort hemmt ein volkreich Dorf des Auges ſchnellen Lauf ,
Und hier die Pleißenburg . Die angenehmen Gaͤnge
Sehn all ein lachend Ziel von ihrer tiefen Laͤnge .
Hier war der Tummelplatz , wo Jena ſeinen Held ,
Und Leipzig den Sylvan , zum Zweykampf aufgeſtellt .
Hieher ſprengt Raufbolds Roß nebſt ſeinen Se - kundanten .
Jhr rauſchender Galop , die Augen , die ſchon brannten ,
Ein ausgeſtoßner Fluch , ein ſiegendes Geſchrey ,
Zeigt der Galanterie , daß dieſes Raufbold ſey .
Drum ſprach ſie dieſes noch zu ihrem nahen Heere :
Jhr Geiſter , wo euch nicht der Trieb nach Ruhm und Ehre , K 2 Wo - 148
Wofern euch mein Befehl zum Streit nicht ſpornen kan ;
So ſeht auf dieſe Stadt , und ſchuͤtzet den Sylvan !
Wie ? wollt ihr , daß dem Fuͤrſt der Stutzer meiner Reiche
Der wilde Renommiſt , mit einem einzgen Streiche
Die Schoͤnheit rauben ſoll , die ſein Geſicht geziert ?
Beſchuͤtzt nur dies Geſicht , dem euer Schutz gebuͤhrt !
Auf dich , o Thanathos , ſetz ich mein ganz Vertrauen ,
Laß meinem Liebling nur nicht das Geſicht zerhauen !
Dafuͤr ſoll Jena mich in meiner Hoheit ſehn ;
Man ſoll dort Chapeaubas , wie hier in Leipzig , gehn ;
Man ſoll ſo gut , wie hier , die Petitmaitres kennen ,
Und bey Toback und Bier nicht mehr fuͤr Schoͤnen brennen .
Zu Ehren wird man mir Mehl in die Haare ſtreun ;
Der Name Renommiſt wird dann ein Schimpfwort ſeyn .
Alsdann ſoll meine Macht dich ſelber auch verwandeln ; Dann 149
Dann ſollſt du jung und ſchoͤn an meinem Hofe wan - deln ;
Dann ſey dir Putz und Scherz ein angenehmer Amt ,
Und jede Nymphe ſey von deinem Blick entflammt .
So ſprach ſie , und der Geiſt verſpricht ihr Wun - derwerke ,
Und trotzt mit edlem Stolz auf ſeine Loͤwenſtaͤrke .
Jndeſſen nahen ſich die grimmigen Partheyn ,
Die ſich einander ſchon den Tod in Mienen draͤun .
So wie Dragoner ſchnell von ſchwarzen Pferden ſpringen ,
Und , tapfrem Fußvolk gleich , in feſte Glieder dringen :
So ſprang der Renommiſt , und auch Sylvan herab ,
Jndem der letztere ſein Pferd dem Reitknecht gab .
Sie ziehn ſich hurtig aus , und in dem Augenblicke
Tritt Raufbold , wie Sylvan , in ſeinen Stand zu - ruͤcke .
Zuerſt wagt Raufbolds Fauſt den ausgedachten Streich
Auf ſeines Feinds Geſicht ; doch er mißlingt ſogleich . K 3 Der 150
Der treue Thanathos hielt dem barbarſchen Degen ,
Mit unſichtbarer Hand , den Goͤtterſchild entgegen .
Wie ſchaͤumte nicht Pandur ! Doch wie erſtaunt er nicht ,
Daß Thanathos voll Muth fuͤr einen Stutzer ficht .
Abtruͤnniger Rebell ! hat Jena dich beleidigt ,
Daß ietzt dein feiler Arm den Jungfernknecht ver - theidigt ?
Erkenneſt du nicht mehr die Macht der Schlaͤgerey ?
Sprich , feiger Renegat , was macht dich ungetreu ?
Antworten konnten nie den Thanathos verweilen ,
Er eilt , ihm mit dem Schwerd die Antwort zu er - theilen .
Jetzt fielen ſich erzuͤrnt die Schlaͤgergeiſter an ,
Und ſtuͤrmten in den Wald . Jndeſſen ſieht Sylvan ,
Daß Raufbold Bloͤße giebt ; folgt dem geheimen Triebe ,
Und haut den Handſchuh auf mit einem ſtarken Hiebe .
Der Renommiſt erſchrickt , doch ſieht er noch kein Blut ; Und 151
Und ſetzt die Stoͤße fort mit neuem Heldenmuth .
Sylvan ſeufzt ietzt bey ſich zu der bedraͤngten Schoͤne ;
Jhr Meisner Porcellan macht ein betruͤbt Getoͤne ;
Den Caffee , den man ſonſt nur dunkelbraun geſehn ,
Sah man ietzt dick und ſchwarz im bunten Schaͤlgen ſtehn .
Auf dem Claviere ſprang ein ganzes Heer von Saiten ,
Und eine Glocke fieng von ſelber an zu laͤuten .
Ach ! ( ſeufzt Selinde laut , ) armſeliger Sylvan ,
Vielleicht nur zu gewiß iſt es um dich gethan !
Doch lebſt du , und erhoͤrt der Himmel noch ein Flehen ,
So muͤſſe dich mein Blick als Sieger wieder ſehen !
Jhr Flehn war nicht umſonſt . Zum zweyten - male bloß ,
Bekoͤmmt der Renommiſt vom Stutzer einen Stoß ,
Der durch den Handſchuh durch bis in die Ader dringet ,
Daß das erzuͤrnte Blut hoch in die Luͤfte ſpringet . K 4 Der 152
Der Renommiſt wird blaß ; mit Wuth und Ungeſtuͤm
Wagt er den alten Streich ; der Streich gelinget ihm ,
Doch er gelingt nur halb . Nur obenhin geritzet ,
Wird mit dem tapfern Blut Sylvans Geſicht be - ſpruͤtzet .
Die Geiſter flohn davon , die ſein Geſicht bewahrt ,
Jm Fliehn auch noch voll Angſt , nach aller Feigen Art.
Sylvan war im Begriff den letzten Streich zu wagen ,
Als ſich dazwiſchen ſchon die Sekundanten ſchlagen ;
Und Raufbold hatte gnung . An ſeiner Hand gelaͤhmt ,
Warf er den Degen hin ohnmaͤchtig , und beſchaͤmt .
Jſts moͤglich , ( ruft er aus , ) haſt du mich uͤberwunden ?
O warum lehrt ich dich die Kunſt , mich zu verwunden !
Da du in Jena warſt , gab ich dir Unterricht ,
Wie man nach Kreyßlers Art mit wahrem Vortheil ficht .
Du haſt ihn wohl gebraucht ; ich kan das Denkmaal zeigen ! Das 153
Das groͤßte Gluͤck bleibt dein , Selinde bleibt dein eigen .
Du biſt ein braver Kerl , und meiner Freundſchaft werth ;
Umarme mich , Sylvan ! und nun gebt mir mein Pferd .
Es ward herbey gefuͤhrt ; es hieng die ſchlaffen Ohren ,
Als haͤtt es allen Muth bey Raufbolds Fall verlohren .
Er ſetzt ſich auf , und ſang : Mein Leipzig , gute Nacht !
Das Echo wiederholt : Mein Leipzig , gute Nacht !
Calmuck jagt mit ihm fort ; die großen Peitſchen knallen ,
Daß in dem weiten Wald die Eichen wiederſchallen .
Eh Phoͤbus Wagen noch ins Meer geſunken war ,
Sah Halle dieſen Held , und ſeine Bruͤderſchaar .
Der ſiegende Sylvan eilt in die Stadt zuruͤcke ,
Und ſchenkt ſich alſobald Selindens Thraͤnenblicke .
O! welch ein Strom von Luſt floß in der Schoͤne Herz ,
Vor kurzer Zeit zernagt vom allerſchaͤrfſten Schmerz ! K 5 Sie 154
Sie trocknete ſein Blut mit ihren ſeidnen Haaren ,
Und mancher ſuͤße Kuß belohnt Sylvans Gefahren .
Mit Herrlichkeit umringt , und Lorbern ſtolz umlaubt ,
Erhob die Mode nun mit neuer Pracht ihr Haupt .
Und die Galanterie gieng nach der jenſchen Saale .
Da wurden Stutzer reif an ihrem holden Strale ,
So artig , ſo geputzt , als Leipzigs Stutzer iſt ;
Jn ewge Schande fiel der Name Renommiſt .
Ende des Renommiſten .
Erſtes Buch . Verwandlungen . Erſtes Buch . [156] [157] [figure] V on den Verwandlungen ſoll meine Muſe ſingen ,
Durch die ein Geiſt verſucht , Selinden zu bezwingen ;
Und Stutzer , laͤcherlich durch Tand und Flitterpracht ,
Jn thieriſcher Geſtalt ertraͤglicher gemacht . Allein 158
Allein Selinde blieb ſo kalt , wie ſie geweſen .
Jn der Verwandlung ſelbſt von ihrem ganzen Weſen ,
Blieb ſie ſtolz , rauh und hart ; ihr Herz ward kalter Stein .
Jhr Schoͤnen , huͤtet euch durch Stolz ihr gleich zu ſeyn .
Arminde , die du ſtets , wenn du den Blick nur hebeſt ,
Die Blumen fuͤhlend machſt , und das Geſtirn belebeſt ;
Du , die du deine Macht ſo gar an Schoͤnen uͤbſt ;
Die Menſchgeſtalten nimmſt , und Thiergeſtalten giebſt :
Arminde , hilf , daß mich Ovidens Witz beſeele !
Nichts mangelt deinem Ruhm , als daß ich ihn erzaͤhle .
O wuͤrde doch dies Lied , durch deine Wundermacht ,
Zu einer Epopee , voll Anmuth und voll Pracht .
Da , wo im Schlafgemach der ſiegenden Selinde ,
Sich zwey Gardinen blaͤhn im Spiel der leichten Winde ,
Erhob ihr Nachttiſch ſich , der kaum geſchaffen war , Von 159
Von Reiz und Schoͤnheit voll , vor Wangen und vor Haar .
Doch ſeine Flaͤche lag im Chaos noch verborgen .
Noch ſchwaͤrmten nicht um ihn die abgezehrten Sorgen ,
Die ein verliebter Brief , der oft zum Gaͤhnen zwingt ,
Und nach Talandern ſchmeckt , mit auf den Nachttiſch bringt .
Kein raſender Roman in guͤldnen Marmorbaͤnden
Kein feurig Ritterbuch war in der Schoͤne Haͤnden .
Noch herrſchte der Geſchmack . Der ſpaͤtſten Zeiten Zier ,
Racine , Despreaur , Voltaire , glaͤnzten hier .
Auch ſtanden hier bereit zu ihrem Unterrichte
Die Muſter der Moral , und lehrenden Geſchichte .
Oft , wenn in ihr Gemach die Morgenſonne trat ,
Warf Popens Lockenraub in praͤchtigem Format
Auf den beglaͤnzten Tiſch hochmuͤthig ſeinen Schatten .
Poeten , welche ſich zu ihm gedraͤnget hatten , Sahn 160
Sahn ſein erhabnes Lied , und ſahn es neidiſch an ,
Und zitterten vor Furcht , dem Britten ſich zu nahn .
Selinde lebte noch in unſchuldsvollen Jahren .
Von Stutzern unbeſiegt , im Lieben unerfahren ,
Genoß ſie ſtill der Zeit , da man bereits zwar liebt ,
Doch noch der Neigung nicht den Namen Liebe giebt .
Unwiſſend ſiegte ſie mit ungezwungnen Blicken .
Sie gab ſich keine Muͤh , die Herzen zu entzuͤcken .
Und ſie entzuͤckte ſie . Sie floh vor jedermann ,
Und auch in ihrem Fliehn ward man ihr unterthan .
Allein ſo ſanft und hold auch ihre Schoͤnheit ſtralte ,
So lieblich die Natur auch ihre Wangen malte ;
So ſehr betrog ſie doch mit lieblicher Geſtalt .
Jhr unempfindlich Herz ſchien zaͤrtlich , und blieb kalt .
Zwar ward ihr braunes Haar vom Puder nie bereifet ; Nie 161
Nie hatte noch ihr Blick auf Sieg umhergeſtreifet ;
Und Locken , denen nichts zu ihrem Reiz gebricht ,
Als ſtundenlanger Putz , gefallen Stutzern nicht ;
Der ſo die Wahrheit ſagt , die manche Schoͤne kraͤnket ,
Jhr Spiegel ſelbſt lag noch im Futteral verſchraͤnket ;
Um ſeinen Rahmen floß noch kein gekuͤnſtelt Band ,
Wie es um andre ſich in ſtolze Schleifen wand ;
Doch zur Coquetterie lag ſchon in ihr der Saame .
Kaum aus dem Fluͤgelkleid , ſpielt ſie ſchon ſtolz die Dame ,
Und ſieht mit hohem Blick , der nie zur Lieb erwacht ,
Wild auf Eroberung , nach Sklaven ihrer Macht .
Ein alt franzoͤſiſch Weib , das ſelbſt Paris gelehret ,
Wie man nach Regeln liebt , wenn man verſtellt ſich wehret ,
Die hagre Jeanneton gab oft ihr Unterricht ,
Wie man gewiß gefaͤllt ; nicht denkt , und immer ſpricht . L Einſt 162
Einſt ſagte ſie zu ihr : Will ſtets Selinde leſen ?
Jhr ſeyd nun vierzehn Jahr , und euch nur ſchoͤn ge - weſen ;
Seyd es nun den Barons , und blonden jungen Herrn ,
Bleibt von Pedanterey , und vielen Wiſſen fern .
Klug , angenehm und ſchoͤn , das heißt franzoͤſiſch werden .
Der Nachttiſch lehr euch nun die Regeln der Geberden .
Macht in der großen Welt den erſten Auftritt gut ,
Und denkt , zum groͤßten Sieg gehoͤrt oft nichts als Muth .
Bald wird die Schmeicheley euch ſuͤßen Weihrauch brennen ;
Wird euch auf Knien flehn , und wird euch Goͤttin nennen .
Sie ſprach noch , als ein Staub , der einer Wol - ke glich ,
Traͤgwaͤlzend ins Gemach durchs ofne Fenſter ſchlich ;
Auf dem der Pudergott , der holde Zephis ſchwebte ,
Ein Geiſt , der durch weiß Mehl manch ſchlechtes Haar belebte .
Er war ein muntrer Geiſt von ſylphiſchem Geſchlecht ; Der 163
Der zur Unſterblichkeit das angenehme Recht ,
Durch einer Schoͤne Gluth , ſich zu erkaufen dachte ,
Wenn ſie , von ihm beſiegt , zuerſt ihn gluͤcklich machte .
So wie , im Adler , Zevs mit koͤniglichem Flug
Den ſchoͤnen Ganymed durch hohe Wolken trug ;
Der nackte Knabe ſitzt ſcheu auf des Vogels Ruͤcken ,
Und ſchaut zur Welt herab mit ſehnſuchtsvollen Blicken :
So , aber Geiſtern gleich , ſchwebt Zephis durch die Luft .
Sein jugendliches Haupt umgab ein Puderduft ,
Der unter ſeinem Flug geweißte Koͤpfe haͤufte ,
Und Hofmann und Abbe , Matron , und Greis bereifte .
Sein Kinn umgab kein Bart , der zarte Schoͤnen ſchreckt ,
Und aus den Maͤnnern nur die rauhen Spitzen ſtreckt ;
Die Lippen blieben jung , und ewig jung die Wangen ,
Worauf ein laͤchelnd Roth unſchuldig aufgegangen . L 2 Ein 164
Ein Himmelblau Gewand nachlaͤßig aufgeloͤſt ,
Das halb den Leib umſchließt , und halb den Leib entbloͤßt ,
Fliegt flatternd in die Luft , bewegt von leichten Win - den ,
Voll Falten , die entſtehn , und auch ſogleich ver - ſchwinden ;
Der Runzeln Menge gleich , die man des Morgens ſieht ,
Doch die am Nachttiſch ſchnell durch Putz und Schmink entflieht .
Als Pudergott herrſcht er mit maͤchtigen Befehlen .
Das Alter lehret er , das Alter zu verhehlen .
Den Rathsherrn hebet er durch der Peruͤcke Gunſt ,
Und manches rothe Haar verſtecket ſeine Kunſt .
Er ſah Selindens Glanz , durch Jugend noch er - hoben ,
Und blieb verlohren ſtehn im Anſchaun , und im Loben .
Wie , wenn zum erſtenmal ein edelmuͤthger Mohr ,
Der eifrig auf die Jagd in Waͤldern ſich verlohr ,
Ein weißes Maͤdchen ſieht , das in den Buͤſchen irret ; Jhm 165
Jhm die Verwunderung das Angeſicht verwirret ;
Er zittert hin zu ihr durch den durchgluͤhten Sand ,
Und ruft die Goͤttin an , die keine Gluth verbrannt :
So iſt der Geiſt erſtaunt , ein ſchwarzes Haar zu fin - den ,
Zuͤrnt auf den Hochverrath , und liebet doch Selinden .
Wie ? ( ruft er , ) ſieget ietzt ein ungepudert Haar ?
Und es bringt ſelber mir , dem Pudergott , Gefahr ?
Jhr Goͤtter , allzuviel ! — Mein Herz iſt mir entriſſen !
Wie ſehnet ſich mein Mund nach dieſer Schoͤne Kuͤſſen !
Doch wird der Sterblichen mein Kuß auch fuͤhlbar ſeyn ?
Und wird ſie nicht vielleicht der Sylphen Liebe ſcheun ?
Sogleich laͤßt er vom Duft ſich zu Selinden nieder .
Er kuͤßt ſie , und entflieht ; er koͤmmt , und kuͤßt ſie wieder :
Doch den aͤtherſchen Kuß fuͤhlt keine Schaͤferin ,
Jhr iſts , als ſtrich ein Weſt auf ihren Lippen hin . L 3 O 166
O Zephis , welch ein Schmerz muß deine Bruſt durch - dringen !
Der Fall macht ihn beſtuͤrzt . Er ſchuͤttelt ſeine Schwingen ;
Verſammelt um ſich her den halb zerſtreuten Duft ,
Und ſtuͤrzt ſich in den Raum der ausgeſpannten Luft .
Nicht fern vom wilden Harz , wo ſich Kiefhauſen hebet ,
Um deſſen ſchroffe Hoͤh ein ſteter Nebel ſchwebet ;
Wo der gethuͤrmte Fels vertraut mit Wolken wird ,
Um welchen mancher Rab und mancher Uhu irrt ;
Steigt ein veraltet Schloß aus halbverfallnen Mauern .
Jm dickverwachſnen Hayn fuͤhlt man ein heiligs Schauern ,
Wenn man von einer Gruft den finſtern Eingang ſieht ,
Vor der der Sterbliche mit ſcheuen Schritten flieht .
Kein Theſeus iſt noch je in dieſe Gruft gegangen ;
Das blaſſe Schrecken eilt auf die erſtarrten Wangen ,
Wenn man die Hoͤhl entdeckt ; zu der nur der Poet , Wenn 167
Wenn ihn die Muſe fuͤhrt , mit feſtem Muthe geht .
Um dieſe Grotte buhlt kein Weſtwind mit den Buͤ - ſchen ;
Man hoͤrt allein das Laub bejahrter Eichen ziſchen .
Beharzte Hauer gehn um dieſen Aufenthalt ,
Und furchtſam dringt das Licht durch den verwachſnen Wald .
Arminde wohnet hier . Jhr Wink gebeut den Erden .
Die je verwandelt ſind , und noch verwandelt werden ,
Stehn in der erſten Form in unbegraͤnztem Raum ,
Und ſtarren noch im Fels , und gruͤnen noch im Baum .
Die ſcheue Daphne ſteht mit harter Rind um - ſchloſſen ,
Jndem aus ihrem Arm die jungen Zweige ſproſſen .
Zu traͤgen Wurzeln wird der erſt ſo ſchnelle Fuß ;
Sie flieht , da Phoͤbus kuͤßt , als Baum auch , ſei - nen Kuß .
Man ſieht hier vor dem Pan die Syrinx ſchnell ent - weichen ;
Doch der Bockſuͤßge Gott ſucht ſchnell ſie zu erreichen ; L 4 Jetzt 168
Jetzt , da er ſie umarmt , umarmt er feuchtes Rohr ,
Es fluͤſtert — Syrinx iſts , die die Geſtalt verlohr .
Die Schweſtern Phaetons ſtehn an beſchilften Baͤchen ;
Als Pappeln hoͤrt man ſie von ihren Leiden ſprechen ,
Und ihre Traurigkeit ſcheint ietzt aufs neu erregt ,
Wenn ihr geſchwaͤtzigs Laub voll Unmuth ſich bewegt .
Als Fluß ſchleicht Acis dort durch die bebluͤmten Matten .
Pandions Tochter klagt ihr Leid im dunklen Schatten ;
Vor Schmerz ſtarrt Niobe in eines Steins Geſtalt ,
Und als gefleckter Luchs eilt Lynkus in den Wald .
Seht Atalanten dort , ſie geht mit Hippomenen ;
Als Loͤwen ſchuͤtteln ſie fuͤr Zorn die gelben Maͤhnen .
Und Hyacinth ſtreckt dort ſein blaſſes Haupt hervor ,
Der Leben und Geſtalt durch den Apoll verlohr .
Doch noch ein groͤßres Heer erdichteter Geſtalten Pflegt 169
Pflegt um die Grotte ſich im Nebel aufzuhalten .
Was in der Oberwelt der Dichter Witz erſann ,
Dies alles trift man hier im Duft , als wirklich , an .
Du , der du wohlverdient mit heilgem Lorbeer prangeſt ,
Und mit Ovidens Kunſt den Unzufriednen ſangeſt (*) Jm zweyten Bande der Bremiſchen neuen Beytraͤge .
(*) ; Hier wandelt auch durch dich , Armindens Burg zur Zier ,
Agenor misvergnuͤgt , als Maͤdchen , und als Thier .
Was ſonſt der Dichter ſchaft zum Schrecken , und Vergnuͤgen ,
Dies alles ſieht man hier wild durch einander fliegen .
Der junge Zephis kam an dieſen Zauberort .
Kuͤhn gieng er durch die Schaar ſo vieler Geiſter fort ;
Und da er kaum die Schaar der Phantaſeyen ſahe ,
So war Armindens Schloß ſchon ſeinen Augen nahe .
Zu ihm fuͤhrt dieſe Gruft , der ſtets der Tag gebricht . L 5 Aus 170
Aus tauſend Lampen ſtralt ein zauberiſches Licht ,
Das mit dem truͤben Glanz die dunkle Hoͤhl erhellet ,
Und manches Schattenbild vor ſcheue Blicke ſtellet .
Die Felſenwaͤnde ſchmuͤckt der Schnecken krummes Haus ,
Und der barockſche Schmuck vielfarbger Muſcheln aus .
Nie wird ein Sonnenſtral die finſtre Grott entdecken ;
Mit ſchwarzen Fluͤgeln ruht auf ihr das kalte Schre - cken .
Arminde ſelber ſitzt auf einem ſtolzen Thron .
Die nimmer wahre Haut von dem Cameleon
Jſt ſtatt des Baldachins ; er ſchimmert von Cryſtallen ,
Wovon zum ſtarren Blick viel tauſend Farben wallen .
Von ihren Schultern fließt ein ſtralendes Gewand ,
Nach Schlangen Art friſirt mit manchem Zauberband .
Stets ſcheint den falſchen Stoff ein andres Licht zu faͤrben ;
Die neuen Farben fliehn , noch wenn die alten ſterben . So 171
So wie ein Taubenhals ſich wankelmuͤthig malt ,
Wenn ihn der erſte Glanz des Morgenlichts beſtralt .
Jhr maͤchtger Zauberſtab herrſcht durch den Krais der Erden .
Sie ſpricht , und alles bebt , und wird verwandelt werden .
Jhr ganzer Hof ſah ietzt dem Geiſt aufmerkſam nach ,
Der frey zum Throne gieng , ſich buͤckt , und alſo ſprach :
Die du durch ſuͤße Macht die Herzen an dich zieheſt ,
Und deinen Zauberſtab einſt einer Circe lieheſt ,
Durch deren maͤchtgen Reiz Ulyß gefangen ward ,
Und mancher tapfre Held gegrunzt nach Ferken Art ;
O du , durch deren Gunſt die falſchen Nymphen weinen ,
Und noch im Stufenjahr durch Schminke reizend ſcheinen ,
Wenn das geſchwaͤrzte Haar in falſchem Glanze pralt ,
Und ein erkuͤnſtelt Roth die welken Wangen malt :
Auf jener Oberwelt lebt eine junge Nymphe , Dem 172
Dem Waizenmehl zum Hohn , und meiner Macht zum Schimpfe ;
Sie ruͤhret noch kein Ach , und kein verliebtes Flehn ,
Und glaubt voll Stolz , ſie ſey auch ohne Puder ſchoͤn .
Mein Herz , von ihr entbrannt , wuͤnſcht ſie zu uͤber - winden ;
Doch wie kan ich den Weg zu ihrem Herzen finden ?
Wie werd ich ſichtbar ſeyn , wenn du nicht helfen willſt ,
Und das verliebte Flehn von einem Geiſt erfuͤllſt ?
Und Goͤttin , wo ich ſoll ein rothes Haar verſtecken ,
Und wo mein Puder ſoll die falſchen Locken decken ;
So muß Selinde ſich ihr ſchwarzes Haar beſtreun ,
Sonſt wuͤnſch ich mir nicht mehr der Pudergott zu ſeyn .
So mag der junge Herr vor langer Weile raſen ,
Wenn er den Puder nicht kan von dem Aufſchlag blaſen ;
Der dicke Rathsherr mag ohn alles Anſehn gehn ,
Wenn man vom Puder nicht ſein Kleid beſtaubt wird ſehn ; So 173
So ſchmuͤcke Bockshaar nicht die Stirn von jun - gen Greiſen ;
So mag man Puder , Kamm , Pomad , und Kraͤu - ſeleiſen
Jm alten Chaos ſehn ; und durch der Nachwelt Fleiß
Sey Puder kuͤnftig grau , und nicht mehr blendend weiß .
Er ſchwieg . Sein Donner fuhr von den erzuͤrn - ten Lippen .
Und ihm antworteten die ungeheuren Klippen .
Von jedem Felſen rauſcht , auf ſeiner Stimme Schall ,
Mit fuͤrchterlichem Laut ein rauher Wiederhall .
Arminde nahm ſogleich von ihrer Goͤtterſtirne
Ein feuerrothes Band , das von geweihtem Zwirne
Die Zauberey gewebt . Sie ſpricht : Dies Band ſey dein .
Was es beruͤhrt , hoͤrt auf , das , was es war , zu ſeyn ,
Und wird , was du befiehlſt . Die , ſo dein Herz entfuͤhret ,
Beſtaͤubt gewiß ihr Haar , wenn ſie dies Band be - ruͤhret ;
Ja durch dies Band kanſt du dich ſelbſt verwandelt ſehn ; Willſt 174
Willſt du ein Stutzer ſeyn , wuͤnſch es , es wird ge - ſchehn .
Sie ſchwieg . Er ſchlingt das Band um ſeine Marmorglieder ,
Und eilt zur Oberwelt mit blitzendem Gefieder .
Der Nachttiſch war nunmehr von vielem Puder weiß .
Die Schoͤnen endigen des Putzens langen Fleiß ;
Die Moͤpſe , die nunmehr vom traͤgen Schlaf erwa - chen ,
Gewaͤhren ihnen Stoff , zu plaudern und zu lachen .
Poeten , die um Geld geprieſen , und geweint ,
Sind froh , da nun der Schluß von ihrem Schmerz erſcheint ;
Sie endigen ihr Lied , und ihres Goͤnners Thaten ,
Sie machen einen Strich , und nehmen den Dukaten :
Als Balamir , der Uhr , und Putz , und ſich vergaß ,
Jm ſeidnen Schlafrock noch vor ſeinem Nachttiſch ſaß .
Der ſchoͤne Balamir ! die rundgewoͤlbte Stirne
War ſparſam nur gefuͤllt mit Witz und mit Gehirne . Er 175
Er war die meiſte Zeit zu ſeinem Vortheil ſtumm ,
Bey Damen angenehm , ſehr lieblich , und ſehr dumm .
Er blaͤtterte bemuͤht , mit nimmer ſtillen Haͤnden ,
Und runzelnvoller Stirn , in ungeheuren Baͤnden .
Romanen ſtiegen hier gethuͤrmet in die Hoͤh ,
Voll ſchaler Zaͤrtlichkeit , und ſuͤßem Liebesweh .
Quartanten waͤlzten ſich auf ſeufzenden Quartanten ,
Und Frankreichs Clelie lag neben Atalanten .
Faſt zwo Minuten ſchon las er , und dachte nach .
Er fuͤhlt in ſeiner Noth Baniſens Ungemach ;
Er ſah , in welcher Angſt ihr Balacin geweſen ,
Und nahm ſich grauſam vor , Baniſen durchzuleſen .
Doch Brama , welcher ſtets auf junge Stutzer ſieht ,
Daß ihre Seele ſich nicht allzuſehr bemuͤht ;
Der mit der groͤßten Treu die braunen Haare ſchuͤ - tzet , Und 176
Und ſie vorſichtig kuͤhlt , wenn ſie der Stal erhitzet ;
Nahm dies mit Schrecken wahr , und liſpelt ihm ins Ohr.
Welch eine That nimmſt du dir , Stutzer , grauſam vor !
Wie ? Willſt du ewig denn in dicken Buͤchern lernen ,
Und durch ſchulmaͤßgen Fleiß von Schoͤnen dich ent - fernen ?
Sprich ! warum gab man dir die Buͤcher praͤchtig mit ?
Wenn du ſie leſen willſt , was hilft der goldne Schnitt ?
Du haſt die Buͤcher nur , den Buͤcherſchrank zu zieren ,
Und haſt ja Freunde gnung , die mit fuͤr dich ſtudieren .
Wie wuͤrden nicht auf dich die klugen Schoͤnen ſchmaͤhn ,
Wenn ſie am Nachttiſch dich mit Buͤchern ſitzen ſaͤhn .
Nein , werther Balamir , nur der iſt klug zu nennen ,
Auf deſſen ſeidnem Rock die Dreſſen ſchimmernd bren - nen .
Wohlan ! So kleide dich mit aller Sorgfalt an !
Vergiß einmal den Fleiß , und eile vom Roman . Fuͤr 177
Fuͤr einen jungen Herrn haſt du genung geſeſſen ;
Du mußt das wichtigſte , den Anputz , nicht vergeſſen ;
Selinde , die dich wuͤnſcht den Nachmittag zu ſehn ,
Fragt nicht , ob du ſtudirt , ſie fragt nur , biſt du ſchoͤn ?
Sogleich zog Balamir die unachtſamen Blicke ,
Die ſchon dem Buch entflohn , mit leerer Stirn zuruͤcke .
Selinde war nunmehr ſein deutlichſter Begrif ;
Er ſtund bedachtſam auf , er zog den Mund , und pfif .
Wie , wenn im Schauſpiel Fauſt die Stirne mur - melnd faltet ,
Die Scene furchtſam bebt , der Foliant ſich ſpaltet ;
Aus welchem nach und nach drey junge Teufel gehn ,
Die durch den Zauberſtab ihm zu Gebote ſtehn :
So kommen , da er pfeift , drey fertige Lakayen ,
Die ſich auf ſeinen Wink gebuͤckt um ihn zerſtreuen .
Der eine , deſſen Amt der Locken Aufputz war , M Ent - 178
Entreißet dem Papier ſein eingezwungnes Haar .
Manch Dreyeck , das man erſt recht winklicht abge - meſſen ,
Sinkt traurig aus der Hand , und wird im Staub vergeſſen .
Die Locken winden ſich verwirret um die Hand .
Die andern reichen ihm ſein galonirt Gewand ,
Jn deſſen hellem Glanz ihn ſelbſt Paris beneidet ;
Man zaudert , doch er flucht , und er ward angekleidet .
Nun gieng er zum Cryſtall , der ihn ſich ſelber wies ,
Und eigner Schmeicheley ihn laͤchelnd uͤberließ .
Er geht , und wenn er geht , ſo rauſchen tiefe Falten ,
Die den geſteiften Rock im Gleichgewicht erhalten .
Die Saͤnfte nimmt ihn ein , die Traͤger eilen fort ,
Und fliehn mit weitem Schritt nach dem beſtimmten Ort.
Der Gott des Puders ſchwebt indeſſen um Se - linden ,
Mit ſeinem Zauberband die Schoͤne zu umwinden . Kaum 179
Kaum hat ſie unſichtbar das maͤchtge Band beruͤhrt ,
Als ſie im Augenblick den maͤchtgen Einfluß ſpuͤrt .
Sie rennet alſobald nach einem Puderbeutel ,
Und huͤllt in Weizenmehl die ſchwarzbelockte Scheitel ,
Der frohe Zephis jauchzt . Doch wie ſtarrt Jean - neton ,
Als ihr um das Geſicht die Puderſtaͤubchen flohn !
Selinde , ( ruft ſie aus , ) ſeyd ihr nicht klug geworden !
Jhr tretet abgeſchmackt aus dem Bruͤnettenorden ,
Damit ihr ja recht deutſch , weiß , und gepudert ſeyd ?
Wem zu gefallen iſt dies braune Haar beſtreut ?
Bequemt ihr niemals euch , nach unſrer Art zu leben ,
Und ſoll ich immer euch vergebens Lehren geben ?
Beweiſt doch , daß ihr euch zu Frankreichs Sitten neigt ,
Jhr habt ja vierzehn Jahr euch deutſch genung bezeigt .
Wir werden bald Beſuch vom Charamund empfangen ; M 2 Bald 180
Bald ſeufzet Balamir ; erfuͤllet ihr Verlangen ;
Waͤhlt einen , dem ihr wollt die erſte Liebe weihn ;
Doch waͤhlt den wuͤrdigſten ; die Wahl ſoll euer ſeyn .
Denn wo die Locken ſich auf Locken wieder wagen ,
Wo reiche Weſten ſich mit reichen Weſten ſchlagen ,
Wo Feder Feder ſtoͤßt , und Treß auf Treſſe ſtralt ,
Da ſchlag ich mich zu dem , der fuͤrſtlich mich bezahlt .
Doch mein getreuſter Rath iſt der , ihr liebt ſie beyde ;
So ſiege , welcher will , ich fuͤhle gleiche Freude .
Dies hoͤret Zephis an , der auf dem Spiegel ſitzt .
Vom Namen Charamund , und Balamir erhitzt ,
Eilt er den Augenblick , die Stutzer zu bethoͤren ,
Und mit dem Zauberband ihr Abſehn zu zerſtoͤren .
Jn Charamundens Haar war noch die kluge Hand ,
Die Locken nach und nach in Papiljoten wand . Man 181
Man ſah die Kohlen noch die rothen Funken ſpruͤhen ,
Und zu dem Seitenhaar ein Kraͤuſeleiſen gluͤhen ;
Als Zephis unſichtbar ins ofne Zimmer flog .
Kaum ſah er , daß man noch ſein Haar in Locken bog
Und daß es noch die Gluth des Eiſens kruͤmmen ſollte ,
Als einen kleinen Sturm er nach dem Feuer rollte .
Er blies die rege Gluth , mit vollen Backen , an .
So wie der wilde Nord , im ſtuͤrmiſchen Orkan ,
Den kriegeriſchen Hauch aus vollen Backen ſtoͤßet ,
Und das beſtuͤrmte Schiff vom hohen Maſt entbloͤßet :
So ſtund der Geiſt , und blies , bis der Frieſirer kam ,
Und den durchgluͤhten Stal in kluge Finger nahm .
Sogleich umgab der Geiſt ſein forſchendes Geſichte ,
Durch ſeines Bandes Macht , mit zauberiſchem Lichte .
Er ſieht , und weis nicht was . Kaum raucht der heiſ - ſe Stal , M 3 So 182
So iſt er wieder kalt , und ſenget nicht einmal .
So ward einſt Athamas bey Jthaka betrogen ,
Als eine Gottheit ihn mit falſchem Dunſt umzogen .
O armer Charamund , was droht nicht fuͤr Gefahr
Der Schoͤnheit deines Haupts , dem nie verſengten Haar ?
O ſollteſt du die Uhr , die Doſe nur verlieren ;
Allein dein ſchoͤnes Haar , wen ſollte das nicht ruͤhren ?
Jedoch das Schickſal wills , und was es will , ge - ſchieht .
Schon nahet ſich der Stal , vor dem die Locke flieht ;
Die Klappen ſchließen ſich um das Papier zuſammen ;
Der Dampf ſteigt in die Hoͤh , die Locke raucht in Flammen .
Wie , wenn auf ſtiller See ein maͤchtigs Kriegsſchiff brennt ,
Man einen dicken Dampf zuerſt von fern erkennt ;
Bis , wenn das Pulver ſich mit Krachen ſchnell ent - zuͤndet ,
Das Schiff im Knall ſich zeigt , und ſchnell im Knall verſchwindet : So 183
So ward auch dieſes Haar der wilden Flamme Raub ,
Nichts blieb davon zuruͤck , als ein verbrannter Staub .
Welch ein gewaltger Fluch ward in die Luft geſchicket !
Aus Schmerz ward eine Thraͤn in ſeinem Aug er - ſticket ;
Es ſeufzt der Lombertiſch , es ſeufzt das Porcellan ;
Der Spiegel ſelbſt wird blind , und ſieht die Gluth nicht an ;
Die Quaſte ſtuͤrzt ſich ſchnell vom weißen Vorhang nieder .
Armſelger Charamund ! ( Die Waͤnde riefen wieder :
Armſelger Charamund ! ) Betrachte nun dein Haar ,
Das erſt das herrlichſte von allen Haaren war .
Mußt ich Verwegner denn dem Eiſen mich vertrauen ,
Um dieſes theure Haar in ſchwarzem Staub zu ſchauen ?
Jch glaub , es zitterte die aͤngſtliche Natur ,
Als dieſer wilde Stal durch meine Locke fuhr .
Und der verdammte Kerl ! Haͤtt er mir Geld entwen - det , M 4 Haͤtt 184
Haͤtt er mir Silberzeug , und Gallarock verpfaͤndet ,
So wuͤrd ich zwar bewegt , doch nicht untroͤſtbar ſeyn ;
Jetzt aber nimmt mein Herz nichts , als Verzweiflung , ein .
Wie ! Schickſal ! ſoll ich nun Selinden nicht beſu - chen ?
So moͤcht ich voller Zorn den ſchwarzen Tag verflu - chen ,
Da ich zum erſtenmal dem Nachttiſch mich geweiht —
Verhaͤngniß , loͤſch ihn aus ! Er ſey vermaledeyt !
Er ſprach noch , ſo entſtund ein angenehmer Schimmer ;
Ein lautes Stutzerheer trat ſingend in das Zimmer .
Von neuem oͤfnete der arme Charamund ,
Da er erzaͤhlen ſoll , tiefſeufzend ſeinen Mund.
Die Freunde klagen ihn , und weinen oft dazwiſchen ,
Und ließen Thraͤnen ſich zu ſeinen Thraͤnen miſchen .
Nichts , als die Aſche war vom ſchoͤnen Haar zuruͤck ,
Auf die nur ſahen ſie mit wehmuthsvollem Blick . Die 185
Die bittre Klage nahm ein feyerliches Ende .
Sie nehmen alleſammt die Doſen in die Haͤnde ,
Und ſtreuen zu Toback , gleich einem Heiligthum ,
Die Aſche von dem Haar , zu ihres Freundes Ruhm .
Nachdem ſie mit Rappee den kleinen Reſt vermiſchet ,
Und ihn mit ſanftem Oel aus Steinklee angefriſchet ;
So nahmen ſie Toback nach zierlichem Gebrauch ;
Es nieſte Charamund , die Stutzer nieſten auch .
So ſaß die Koͤnigin bey Mauſols Aſchentopfe ,
Und riß ihr ſchoͤnes Haar vor Schmerz ſich aus dem Kopfe .
Die Aſche des Gemahls wird in den Trank gemiſcht ,
Durch den ſie ſich aufs neu zu bitterm Schmerz er - friſcht .
Und die Gewohnheit wird bis dieſen Tag erhalten .
Der Nachruhm deines Haars wird nimmermehr ver - alten ;
Man wird das Stutzerheer dies Haar beweinen ſehn , M 5 So 186
So oft ihm beym Rappee die Augen uͤbergehn .
Der Gott des Puders eilt , Selinden zu be - triegen ,
Und uͤberlaͤßt die Schaar dem ſtillen Mißvergnuͤgen ;
Nimmt drauf vom Charamund Geſtalt und Klei - der an ,
Und eilt , in Stutzertracht Selinden ſich zu nahn .
Die Freyheit hatte faſt ihr junges Herz verlaſſen ,
Und ſoll ſie laͤnger noch den rothen Abſatz haſſen ,
Durch den ihr Balamir das ſtolze Herz geraubt ?
Sie liebt ihn , da ſie ihn nur nicht zu haſſen glaubt .
Der Geiſt ließ ſeinen Blick in beyder Herzen dringen ,
Er ſah , daß ſie ihn kaum als einen Freund empfingen ;
Er ſah des Stutzers Herz , das ſchon verzweifelnd liebt ,
Und auch Selindens Herz , das ſich bereits ergiebt .
Warum , ( ſprach er , ) lenkſt du die halbverſtohlnen Blicke
Auf dieſen Balamir ? ſagt ihm nicht dies ſein Gluͤcke ? Doch 187
Doch ſtolzer Balamir , flieh , oder fuͤrchte mich !
So ſprach der wilde Geiſt in vollem Zorn bey ſich ,
Und Brama hoͤret es , der Balamiren ſchuͤtzet .
Da er im Seitenhaar des Stutzers wachſam ſitzet ,
So ſagt er ihm ins Ohr : O Stutzer glaubſt du nie ,
Daß Brama dich beſchuͤtzt , ſo glaub es ietzt , und flieh !
Jch hoͤre , daß ein Geiſt dir deinen Sieg verfluchet ;
Jch fuͤrchte , daß ſein Zorn dich zu verderben ſuchet ;
Jch weis nicht , ob er dir die Uhr bezaubern wird ,
Daß zu dem Rendezvous ihr goldner Zeiger irrt ;
Ob er dir wehren will gedankenlos zu lachen ,
Wie ? oder ob er gar dich will vernuͤnftig machen ?
Es ſey nun , was es ſey , ſo fliehe dies Gemach !
Vielleicht folgt er uns nicht zu deinem Zimmer nach .
Er ſagts , und Balamir gieng traurig von Se - linden ; Doch 188
Doch Zephis , welchen Zorn und Eiferſucht entzuͤnden ,
Folgt ihm , als Charamund , bis in den Vorſaal nach ,
Wo er als Pudergott , mit hoher Stimme ſprach :
Verwegner , der du laͤngſt Selinden ſtrafbar liebeſt ,
Verwegner , weißt du auch , wen du dadurch betruͤbeſt ?
Und weißt du , daß der Geiſt , den du ietzt reden hoͤrſt ,
Weit zaͤrtlicher ſie liebt , als du ſie je verehrſt ?
Du ſchoͤner Balamir ! Du ſollſt zu meinen Fuͤßen ,
Jn thieriſcher Geſtalt fuͤr deine Siege buͤſſen .
Geh hin , und ſey nunmehr Selindens Gegenſtand .
Er ſagts ; und ihn beruͤhrt das zauberiſche Band ;
Und alſobald ſieht er mit aͤngſtlichen Geberden
Sein aſchenfarbges Kleid zu weichen Haaren werden .
Er aͤndert die Geſtalt , ſein ſchlanker Leib wird klein ;
Die Fuͤße ziehen ſich zu ſchwarzen Pfoten ein ; Die 189
Die Augen ſprechen nicht mehr zaͤrtliches Verlangen ;
Schwarz wird ſein rother Mund , und ſchwarz die hol - den Wangen .
Die Ohren werden kurz ; nichts bleibt , was er ſonſt trug ,
Als ein ſchwarz ſeidnes Band , das eine Schleife ſchlug .
Dies laͤßt ihm Zephis noch um ſeinen Hals ſich winden ,
Und nahet ſich voll Hohn , ein Halsband draus zu binden .
Er that es , und verſchwand . Hier lag nun Balamir ,
Gleich einem kleinen Mops , vor ſeiner Schoͤne Thuͤr .
Verdammte Zauberey ! wollt er mit Thraͤnen ſagen ,
Doch Thraͤnen floſſen nicht , er heult nur wilde Klagen .
Er ſcharret , und man macht Selindens Zimmer auf ,
Sogleich floh er zu ihr mit ſchmeichelhaftem Lauf ;
Er ſuchte ſeine Noth ihr traurig vorzuſtellen ,
Allein ſie hoͤrte nur ihn unverſtaͤndlich bellen .
Sie nahm das ſchoͤne Thier liebkoſend auf den Schooß , Und 190
Und machte ſchmeichelnd ihm das ſchwarze Halsband los ;
Und bald bekam er eins von roſenrothem Bande .
Er ward geruhiger in ſeinem neuen Stande ;
Selinde ward ihm hold . Jhr Mops trank mit ihr Thee ,
Jhr Mops erweckte ſie des Morgens zum Caffee .
Sein Futter war Confect , ſein Bett ein ſammtnes Kuͤſſen ;
So konnt er leicht genung den Stutzerſtand vermiſ - ſen ,
Er war dumm als ein Menſch , und auch dumm , als ein Thier ;
Und ſo blieb Balamir im Mops noch Balamir .
Zweytes Buch . Verwandlungen . Zweytes Buch . [192] 193 E s zittert ſchon der Grund der aufgewuͤhlten Erde ;
Der leichtgehobne Fuß der ſtolzverzierten Pferde
Zerſchlaͤgt , aus Ungeduld , den harten Kieſelſtein ;
Die lange Straß erſchallt , da beyde wiehernd ſchreyn .
Fioki , die ietzt auch des Kraͤmers Roſſe ſchmuͤcken ,
Und blendendes Geſchirr , bedecken ihren Ruͤcken .
Des Kutſchers braune Fauſt haͤlt den gewirkten Zaum ;
Er laͤßt den Zuͤgel nach ; die Roſſe fuͤhlens kaum ,
So ſuchen ſie auch ſchon hochmuͤthig fortzugehen ;
Jedoch ſein bartigt Maul ruft : Steht ! und beyde ſte - hen .
Selinde kam bereits mit zaubriſchem Geſicht .
Die ſeidne Locke wallt ; die hohe Mine ſpricht N Zu - 194
Zufriedenheit , und Sieg , vermiſcht mit ſanften Klagen ;
Der guͤldne Schlag faͤhrt auf , ſie rauſchet in den Wa - gen .
Zwey Fraͤulein folgen ihr , in angenehmer Tracht .
Jhr bluͤhendes Geſicht ſtand in der Fruͤhlingspracht ;
Der ſiegesvolle Blick ſchien mit Verſtand zu laͤcheln ;
Allein ſie wußten nichts , als zierlich ſich zu faͤcheln .
Bey jeder Frage zog der kleine Mund ſich ein ;
Der Faͤcher rauſchte dann beſtaͤndig Ja und Nein .
Doch konnte die Natur ihr Mitleid bald erregen ,
Und eine Kleinigkeit zu Thraͤnen ſie bewegen .
Wie , wenn der volle Mond , mit heitrem Silberlicht ,
Durch den zerſtreuten Dunſt des Horizontes bricht ;
Die dunkle Nacht verjagt mit ihrem ſchwarzen Schleyer ;
Boot ſelbſt dunkel wird , und dunkel Baͤr , und Leyer :
So ſtrahlt Selindens Blick in die verliebte Welt , Da 195
Da ſie der Schatten noch der Fraͤulein mehr erhellt .
Die rothe Peitſche knallt , und Roß und Rad verſchwin - den .
Ein wankelmuͤthig Heer von gaukleriſchen Winden
Schwebt um der Schoͤnen Haar , um das ſie flatternd wehn ,
Und es mit ſanftem Hauch in leichte Locken drehn .
Die Schoͤnen ſehn bereits das Luſtſchloß ſich erheben ,
Zu dem ſich alle drey voll Ungeduld begeben .
Doch , Muſe , ſinge ſelbſt , womit verkuͤrzten ſich
Die Schoͤnen ihre Zeit , eh dieſer Weg verſtrich ?
Du mußt uns das Geſpraͤch der Nymphen hoͤren laſſen ,
Ob es gleich Sterbliche mit ihrem Witz nicht faſſen .
Die eine ſprach : wie hoch koͤmmt dieſer Palatin ?
Er iſt mir zu gemein , die Jungfern tragen ihn .
Sie laͤchelt ſuͤß , und ſchweigt . Ach Schweſterchen Selinde , ( Verſetzt die andre drauf ) wir fahren ſehr im Winde ! N 2 Das 196
Das Wetter waͤre gut , nur ſitzen wir zu frey .
Sie ſehn einander an , und lachen alle drey .
Selindens Schutzgeiſt hoͤrts . Auf ! ( ſprach er ) ſchoͤne Nymphe ,
Zwo Arten Witz ſind weg ; die beſte bleibt dir . — Schimpfe !
Jndeß erreichen ſie den ſtolzen Luſtpallaſt .
Ein angenehmer Bach , der ſcherzend ihn umfaßt ,
Lockt ſie ſanftmurmelnd an ; es winken hohe Zimmer ,
Wo die Tapete ſtrahlt , und goldner Spiegel Schim - mer .
Der Pudergott indes irrt um den oͤden Hayn ,
Hofft auf Selindens Gunſt , und wuͤnſcht geſehn zu ſeyn .
O armer Pudergott ! ( ſprach er mit zarter Stimme , )
Was fuͤr ein Schickſal hat in ſeinem ſchweren Grimme
Selinden dir gezeigt , da du ein Sylphe biſt ,
Und ihr fuͤhlloſes Herz von kaltem Marmor iſt ?
O warum waͤhlt ich mir die ſiegende Bruͤnette , Als 197
Als wenn nach Blonden nie mein Herz geſchmachtet haͤtte !
Wußt ich , als Pudergott , aus der Erfahrung nicht ,
Daß wenig Zaͤrtlichkeit ein ſchwarzes Haar verſpricht ?
Wie ſtill erobert nicht die zaͤrtliche Blondine !
Mein weicher Puder hebt die angenehme Miene ;
Der blauen Augen Glanz , geruͤhrt von unſerm Schmerz ,
Fließt ſanft in unſre Bruſt , und fuͤllt das ganze Herz .
Elender , dein Geſchick hat dich zu hart verdammet !
Von einer Sterblichen monarchſchem Blick entflammet ,
Mußt du ein ganzes Heer von Nebenbuhlern ſehn ,
Die gluͤcklicher vielleicht , als je ein Sylphe , flehn .
Doch nichts ſey mir zu klein ! die Liſt ſoll ſie betruͤgen ;
Und ſiegt die Liebe nicht , ſo ſoll die Rache ſiegen .
Er ſagts , und lehnte ſich , tief in des Waldes Schooß ,
An einen Eichbaum an , bedeckt von ewgem Moos . N 3 Sein 198
Sein Wipfel gruͤnet noch nach ſo viel tauſend Tagen ,
Und iſt Verliebten oft der Zeuge ſtiller Klagen .
Der , ſo den Laͤrm der Stadt , und ihre Narren flieht ,
Blaͤſt unter dieſem Baum auf ſeiner Floͤt ein Lied ;
Und mancher pfleget hier den Reſt des Briefs zu kuͤſſen ,
Den er aus Zaͤrtlichkeit durch manchen Kuß zerriſſen .
Auch Dichter ſtellen hier den Reimen lauſchend nach .
Hier fliegt manch feurig O , und manch betraurend Ach.
Jſt ihr Kalender voll von Freuden , oder Klagen ,
So pflegen ſie ihr Lied dem Eichbaum vorzuſagen ,
Der oft beynah ſo viel von dem Gedicht verſteht ,
Als der Maͤcen durch Geld , den ihre Muſ ’ erhoͤht .
Hier ſtand der Pudergott , vertieft in ſeinem Leide ;
Als Charamund , geſchmuͤckt mit einem Jaͤgerkleide ,
Jm lauten Jagdgeſchrey den weiten Forſt durcheilt , Und 199
Und endlich ſeinen Fuß an dieſem Baum verweilt .
Blaß , wie ein Eremit , ſtand er hier abgehaͤrmet ;
Und ſtatt , daß er bey Ball und Mummereyen ſchwaͤr - met ,
Schwaͤrmt er ietzt durch den Wald , und fuͤhlt oft nach dem Haar ,
Das , durch manch Oel balſamt , in neuem Wachsthum war .
Jedoch ein bellend Heer von ungeduldgen Hunden ,
Und Jaͤger , die um ihn mit blanken Buͤchſen ſtunden ,
Erheiterten aufs neu ſein zierliches Geſicht ;
Sein Schutzgeiſt Alis nur vergaß das Ungluͤck nicht .
Ach , Stutzer , ( ruft er aus ) wo iſt dein Haar geblie - ben !
Du armer Charamund , hoͤr immer auf zu lieben !
Wie kanſt du kuͤnftig noch bey Schoͤnen gluͤcklich ſeyn ,
Da deine Locken ſich unordentlich zerſtreun ,
Und da ein Theil davon ein falber Staub geworden ?
Ja , Stutzer , geh nur hin , die Hauer zu ermorden : N 4 Ver - 200
Verbirg dich in den Wald , und flieh die ſchoͤne Welt ,
Bis dein ergaͤnztes Haar in neue Locken faͤllt .
Denn ſollten deine Stirn erborgte Haare ſchmuͤcken ?
Nein , der verſtellte Staat der Touren und Peruͤcken
Jſt allzuſchlecht fuͤr dich ! Wo bliebe denn die Zeit ,
Die du bisher dem Putz des braunen Haars geweiht ?
Laß dich , o Charamund , den Einfall nicht verfuͤhren ,
Den allerſchoͤnſten Kopf mit Ziegenhaar zu zieren .
Sonſt wird dein reger Witz in ewger Faulheit ruhn ,
Und du kanſt keinen Fluch bey dem Frieſiren thun .
Doch eh die Stutzer dich in falſchem Haar erblicken ,
Will ich mit wilder Hand dein praͤchtig Rohr zerkni - cken ;
Verzweiflungsvoll ſollſt du nach Buͤrgermaͤdchen ſehn ;
Und Lombertiſch , und Welt , und alles mag vergehn .
Er ſchwieg ; es zitterte vor ſeines Zornes Fluchen Der 201
Der Eſpen furchtſam Laub , das rauhe Laub der Bu - chen .
Auf einmal glaͤnzt von fern die praͤchtigſte Geſtalt ;
Der Schoͤnheit Goͤtterſtral verherrlichte den Wald .
Selinde trat einher mit den zwo andern Schoͤnen ,
Die Jaͤger rufen , He ! Die hohen Hoͤrner toͤnen ;
Der frohe Charamund eilt uͤber Gras und Sand ,
Fliegt auf Selinden zu , und kuͤſſet ihr die Hand .
Du Saͤnger des Achills , und auch zugleich der Ratten ,
Homer , verlaß das Reich der fuͤrchterlichen Schatten ,
Und ſing an meiner Statt auf deiner Leyer nach ,
Wie zaͤrtlich ietzt der Mund von einem Stutzer ſprach .
Selinde klaget ihn , und ſeines Haars Ruinen ;
Doch hatt ’ er ihr noch nie ſo angenehm geſchienen ,
Als in dem Jagdgewand ; und ſelbſt ſein Haar gefiel ,
Ob es gleich halbverſengt in ſchlechte Locken fiel . N 5 Der 202
Der Stutzer merkt den Sieg ; ſein Blick eilt von Se - linden ,
Die beyden Fraͤulein auch zugleich zu uͤberwinden .
Er lacht Charlotten zu , und ſtralt Louiſen an ,
Und ſchwoͤrt Selinden zu , wie treu er lieben kan .
Der ſchoͤne Flattergeiſt ! Sein Ungluͤck war beſchloſſen .
Es hatte ſchon ſein Gluͤck den Pudergott verdroſſen ;
Er ſieht mit bitterm Hohn auf ſeinen Unbeſtand ,
Und nahet ſich zu ihm mit ſeinem Zauberband .
Fuͤr ihre Freundlichkeit Selinden zu erſchrecken ,
Tritt er , wie Charamund geſtaltet , aus den Hecken .
Zween Charamunds zugleich ! Selinde ſteht erblaßt .
Jndem ſie an die Hand die beyden Fraͤulein ſaßt ,
Fliehn alle drey davon ; das Schrecken laͤhmt die Glie - der ,
Jn banger Ohnmacht faͤllt Selinde klaͤglich nieder .
Wie wenn ein keuchend Weib , ( die ihres Alters Laſt Mit 203
Mit krummen Ruͤcken traͤgt ; und die nicht mehr er - blaßt ,
Wenn ſie was poltern hoͤrt ; weil ſie ſeit ſechzig Jahren ,
Bey grauſer Mitternacht , manch Abentheur erfahren ;
Die ſchon den Kobold kennt ; und ohn ein brennend Licht
Jn ihren Keller geht , und mit Geſpenſtern ſpricht ;
Wenn Nacht und Phantaſey ihr den Verſtand gerau - bet ,
Und ſie beym Mondenſchein ſich ſelbſt zu ſehen glau - bet ; )
Auf einmal aller Muth in duͤrrer Bruſt verlaͤßt ;
Das Schrecken heftet ihr den Fuß am Boden feſt :
So ſtarrt auch Charamund , da er ſich ſelbſt erblicket ;
Jndem er ſeinen Hut tief in die Augen druͤcket ,
Sieht er dem wilden Geiſt noch einmal ins Geſicht ;
Springt voller Furcht zuruͤck , und weis im Schrecken nicht ,
Ob man durch Zauberey die Augen ihm bethoͤret ,
Ob jener , oder er , den Geiſtern zugehoͤret . Doch 204
Doch Zephis , der den Zorn nicht mehr verbergen kan ,
Faͤngt ſo mit finſtrem Blick zu Charamunden an :
Erzittre ! denn du hoͤrſt den Gott des Puders ſprechen .
Daß du Selinden liebſt , iſt mir ſchon ein Verbrechen ;
Doch daß dein Wankelmuth nicht treu ſie lieben kan ,
Das ſeh ich auch mit Zorn im Nebenbuhler an .
Dein flatterhafter Geiſt hat viel zu enge Schranken ;
Du ſollſt dem Pudergott ein neues Weſen danken ,
Das deiner wuͤrdiger , als deine Menſchheit , iſt ,
Voll Unbeſtaͤndigkeit haſt du herum gekuͤßt ;
Geh hin , und kuͤſſe nun , an ſtatt der Schoͤnen , Aeſte ;
Du liebteſt , wie ein Weſt : ſo werde denn zum Weſte .
So ſprach der Pudergott ; und Charamund ver - ſchwand .
Doch nur ſein erſter Leib , ſein irdiſches Gewand
Verlohr ſich in der Luft ; und duͤnne feinre Glieder Be - 205
Bekam er durch den Geiſt in der Verwandlung wieder .
Sein liebliches Geſicht blieb zart , und jugendlich ;
Es zog ein Blumenduſt , der zarten Locken glich ,
Sich waͤlzend um ſein Haupt ; ein luftiges Gefieder ,
Das aus den Schultern wuchs , fiel auf den Ruͤcken nieder .
Er oͤfnet ſeinen Mund zu bitten , und zu drohn ;
Doch da er ſprechen will , verſagt der Mund den Ton .
Aus Klagen , die er noch Selinden ſeufzen wollte ,
Ward ein gelinder Hauch , der durch die Luͤfte rollte .
Ach ! ( dacht er bey ſich ſelbſt , ) ach Charamund , entflieh !
Und halb entfloh er ſchon ; doch Zephis ſprach ! Verzieh !
Faſt iſt mein Zorn vorbey ; merk auf , ich will dich lehren ,
Jn deinem neuen Stand die Freuden zu vermehren .
Als Stutzer liebteſt du ein reizendes Geſicht :
Als Weſtwind fehle dir auch dies Vergnuͤgen nicht . Sanft 206
Sanft ſoll dein holder Hauch um ſchoͤne Locken ſpielen ;
Auf volle Buſen wehn , und heiße Wangen kuͤhlen .
Wenn Ritter Thoren ſind , und Stutzer ſeufzend flehn ,
So weh die Seufzer weg , die auf Selinden gehn .
Und wenn ein ſchlimmer Dampf die goldnen Zimmer ſaͤrbet ,
So weh den Dampf von ihr , der ihren Schmuck ver - derbet ;
Und hauch ihr Angeſicht mit Roſenduͤften an ,
Wenn ſie erroͤthen ſoll , und nicht erroͤthen kan .
Wirſt du , o neuer Weſt , nach dieſer Vorſchrift leben ,
So will ich dich der Hand der Dichter uͤbergeben .
Wie oft , o Weſtwind , wird dich ihr Befehl erfreun !
Du wirſt zur Abendzeit der Seufzer Bote ſeyn ;
Sie ſchicken dich alsdann in ſanftbewegte Buͤſche ,
Und wollen nichts von dir als buhlendes Geziſche .
Und dafuͤr kuͤſſeſt du noch mehr , als der Poet , Den 207
Den angenehmen Mund , um den ihr Klaglied fleht .
Doch , Weſt , gehorchſt du nicht ; ſo will ich grauſam handeln .
Jch will dich durch dies Band in einen Nord verwan - deln ;
Und ſeh ich , daß dich wird ein ſchoͤnes Haar erfreun ,
So ſoll dein wilder Hauch es alſobald zerſtreun ;
Du ſollſt zur Winterzeit um rothe Naſen brauſen ,
Und um den langen Pelz der alten Weiber ſauſen .
So ſprach der Geiſt , und ſchwieg ; und ſeine Hand ließ ihn
Mit ſaͤuſelndem Geraͤuſch frey in die Luͤfte fliehn .
Der Stutzer wundert ſich , daß ihm die Flucht gelinget ,
Und merkt nicht , daß er ſich durch leere Luͤfte ſchwin - get .
Doch wie erſchrack er nicht , ſobald er um ſich ſah !
Er ſah ſich in der Luft ; ſein Kleid war nicht mehr da ,
Er ſah ſich ſelber kaum ; und wenn er ſich bewegte ,
Bemerkt er , daß das Gras nur ſanft die Spitzen regte . Ach 208
Ach ( dacht er ) Charamund ! was iſt mit dir geſchehn ?
Wie ? ſoll dich nun nicht mehr Selinde ſchimmern ſehn ?
Dreymal war er bemuͤht , Selinden noch zu nennen ;
Dreymal haͤtt er geweint , haͤtt er nur weinen koͤnnen .
Zuletzt ſchoß er dahin in den bebluͤmten Raum .
Jetzt irrt er unruhvoll , und ſchwebt von Baum zu Baum ;
Mit unſichtbarem Fuß huͤpft er auf gruͤnen Matten ,
Waͤlzt ſich durch hohes Gras , und liſpelt in dem Schat - ten .
Noch in dem Augenblick , da er die Veilchen kuͤßt ,
Eilt er der Tulpe zu , weil ſie erhabner iſt .
Von dar eilt er aufs neu zum Veilchenſtock zuruͤcke ,
Und liebt ſie alle zwar , allein nur Augenblicke .
Er kraͤuſelt Gras und Laub , wie man ſein Haar ge - kruͤmmt .
Die Seele , da man ihr den alten Koͤrper nimmt ,
Thut , was ſie ſonſt gethan ; ſie liebt ſo ſchnell im Winde , Wie 209
Wie Charamund geliebt , und haßt auch ſo geſchwinde .
Jndes erholte ſich der Jaͤger kuͤhne Schaar
Von ihrer erſten Furcht . Mit wildgeſtraͤubtem Haar
Befragten ſie den Geiſt , wo Charamund geblieben .
Ein junger Edelmann , der nie verſucht zu lieben ,
Der Schoͤnen rauher Feind , und nur ein Freund der Tracht ,
Die dieſen Waldtyrann den Buͤſchen aͤhnlich macht ;
Und den ein wildes Schwein , wenn es ſein Hektor hetzet ,
Und es zuletzt erlegt , in groͤßre Freude ſetzet ,
Als einer Schoͤne Reiz , ſprach : Wo iſt Charamund ?
Thu es den Augenblick dem ganzen Haufen kund ;
Sonſt ſtirb von meiner Hand ! Mit einem hoͤhnſchen Lachen
Sprach Zephis : Soll ich euch , wie ihn , unſichtbar machen ?
Ja , ihr verdienet es ! Wohlan , es ſoll geſchehn !
Geht hin , durchzieht den Wald mit ſtetem Jagdgetoͤn ; O Ruft 210
Ruft Charamund , daß ihn das Echo wieder nennet ,
Und geht , und ſuchet ihn , wenn ihr ihn finden koͤnnet !
Er ſpricht noch , als das Heer ſchon in die Waͤl - der eilt .
Jhr wildes Jagdgeſchrey , das ſtille Luͤfte theilt ,
Durchſchallt das nahe Feld mit fuͤrchterlichem Blaſen .
Auch noch zu unſrer Zeit hoͤrt man im Wald ſie raſen .
Der ſcheue Wandersmann hoͤrt ſie um Mitternacht ,
Und bebt , wenn durch den Forſt der Flinten Donner kracht ;
Er ſieht , wenn Mond und Stern den finſtern Wald erhellen ,
Die Rehe furchtſam fliehn ; er hoͤret Hunde bellen ,
Und ſieht doch keinen Hund , und keine Jaͤger mehr ;
Meynt , es ſey Zauberey , und nennts ein wuͤthend Heer .
Doch , Zephis , da du Rach an deinen Feinden uͤbeſt ,
Liegt die vor Furcht erblaßt , die du abgoͤttiſch liebeſt ;
Selinde fiel entſeelt ohnmaͤchtig in das Gras . Ver - 211
Vergebens war Toback , vergebens ungriſch Naß ;
Die Fraͤulein zittern noch , und ſtehn aufs neu erſchro - cken ,
Und reißen ſich den Schmuck von ihren ſchoͤnen Locken .
Faſt weint ihr Mitleid ietzt , da ſie ſonſt nur geweint ,
Wenn die Geſellſchaft ſie mit Weinenden vereint .
Doch bald gefallen ſie ſich auch in ihren Thraͤnen ;
Sie fangen lauter an zu ſeufzen , und zu ſtoͤhnen ;
Von ihren Wangen ſchießt ein wilder Thraͤnenbach ;
Das Herz iſt unbewegt , die Lippen ſeufzen Ach !
Wie ( ſprach der Pudergott , ) koͤnnt ihr mit ewgen Kla - gen
Beſtaͤndig einerley in falſchen Thraͤnen ſagen ?
Wohlan , verwandelt euch durch dieſes Zauberband !
Seyd Reben , werdet gruͤn , und pflanzt euch in dies Land !
Hoͤrt auf , ein Thraͤnenmeer aus Thorheit zu vergießen .
Wie oſtmals ſchient ihr ſonſt in Thraͤnen zu zerfließen , O 2 Wenn 212
Wenn zur Geſellſchaft nur die Lippen mit geklagt ,
Und nie das Herz gewußt , was euer Mund geſagt .
Er ſagt es ; und ihr Fuß ſchlaͤgt Wurzeln in die Erde .
Sie wollen beyde fliehn , mit aͤngſtlicher Geberde ;
Allein der Arm wird gruͤn , indem er Rettung bath ;
Die Hand , die bittend fleht , wird in dem Flehn ein Blatt .
Jhr duͤnngewordner Leib wird ſchon mit Rind umge - ben ,
Und beyde gruͤnen noch bis dieſen Tag , als Reben .
So oft in jedem Jahr die Trauerzeit erſcheint ,
Da ſie , als Fraͤulein noch , Selindens Fall beweint ;
So laſſen ſie , auch noch als Reben , Thraͤnen fließen ,
Und weinen , wie ſonſt oft , ob ſie es gleich nicht wiſſen .
Selind ermuntert ſich ; mit blaſſem Angeſicht ,
Steht ſie erſchrocken auf , und ſieht die Fraͤulein nicht .
Mit zarter Stimme ruft ſie ihre holden Namen , Aus 213
Aus Mitleid ſcheinet ihr das Echo nachzuahmen ;
Louiſe ſchallt zuruͤck aus mancher Felſenkluft ,
Charlotte wiedertoͤnt , wenn ſie Charlotte ruft .
Die Fraͤulein hoͤren es , die auch als ſchlanke Reben ,
Da ſie Selinde nennt , ihr gruͤnes Haupt erheben .
Sie kriechen langſam fort , und wollen ſich ihr nahn ;
Doch ihre Freundin ſieht ſie nur als Reben an .
Selinde flieht ſogleich die ungluͤcksvollen Hecken ;
Und Zephis , der ſich ſcheut , aufs neu ſie zu erſchrecken ,
Eilt mit geſchwindem Flug in leichter Traͤume Reich ;
Er reitet durch die Luft , den Zauberinnen gleich ,
Die zur Walpurgisnacht , und ihren Luſtbarkeiten ,
Auf einem ſchwarzen Bock zum hohen Brocken reiten .
Es iſt ein ſeltnes Thal , wo halb die Nacht regiert ,
Und halb der ſtolze Tag den guͤldnen Zepter fuͤhrt ; O 3 Ein 214
Ein ewig gruͤnend Thal , das Sterbliche nie finden ;
Um das ein dicker Kranz von ſchattenreichen Linden
Mit Bluͤthen uͤberſchneit , die ſchwarzen Zweige ſtreckt ,
Und einen ſchmalen Weg den Reiſenden verdeckt .
Allhier ſteht ein Pallaſt , wo nur ein Theil der Zim - mer
Jn ſtetem Abend ſteht , indem der Sonne Schimmer
Den andern Theil beſtralt . Jm Theil , umhuͤllt mit Nacht ,
Wohnt Morpheus , der ſo oft die Schaͤfer gluͤcklich macht .
Allein der neure Theil , von dunkler Nacht verſchonet ,
Wird von der Mittagsruh , und ihrem Hof bewohnet .
Die Stille leget hier den Finger auf den Mund ;
Ein ewig Schweigen herrſcht durch den verwachſnen Grund .
Kein Wind rauſcht durch das Laub der hohen ſtillen Baͤume ,
Hier iſt im tiefen Wald das Vaterland der Traͤume .
Die Phantaſey , ein Weib mit freundlichem Geſicht , Die 215
Die keinen gluͤcklich macht , und allen Gluͤck verſpricht ,
Schwebt um der Traͤume Haus ; ſie tanzt mit falſcher Freude ,
Und Hofnung lacht mit ihr in einem leichten Kleide .
Wie mancher ſchwarze Traum , der unſern Schlummer ſtoͤrt ,
Schwaͤrmt hier um den Pallaſt , mit Gift , und Dolch bewehrt .
Wie mancher heitre Traum , mit Zepter und mit Kro - nen ,
Steht fertig , uns im Schlaf mit Freuden zu belohnen ,
Die wachend uns entfliehn ; er ſchenkt im Ueberſluß
Zufriedenheit , und Gold , und manchen ſuͤßen Kuß .
Der holde Pudergott gieng durch der Traͤume Schaaren ,
Die in endloſer Zahl um ihn verſammelt waren .
Gleich einem Muͤckenſchwarm , wenn er die Sonne fuͤhlt ,
Und in dem Abendglanz mit lauten Fluͤgeln ſpielt .
Er trat in das Gemach , der Mittagsruh geweihet .
Auf einem Canapee , mit Roſen uͤberſtreuet , O 4 Lag 216
Lag ſie in leichter Tracht nachlaͤßig hingeſtreckt ;
Jhr ſchoͤner Buſen hob ſich ſanft , und unverdeckt ;
Sie ließ den ſchoͤnſten Fuß mit traͤger Anmuth ſehen ,
Und Zephis blieb entzuͤckt von ſo viel Liebreiz ſtehen .
Zuletzt erholt er ſich , und kuͤßt die Marmorhand ,
Die er ſo weich , wie Sammt , auf ſeinen Lippen fand ,
Und ſprach : O Koͤnigin ! die du die Welt gelehret ,
Wie man am Tag auch ſchlaͤft , und blaſſen Sorgen wehret ;
Die du manch ſchoͤnes Kind dem Schaͤfer hold gemacht ,
Wenn es zu ſchlafen ſchien , und doch verliebt gewacht ;
O Goͤttin , hilf mir doch durch deine Kuͤnſte ſiegen ,
Und hilf , durch einen Traum , Selinden mir betriegen !
Sie liebt und haßt mich nicht ; ihr Herz iſt ſtill , und kalt .
Doch wieſ ’ ihr nur ein Traum des Pudergotts Ge - ſtalt ,
Jch weis , ſie wuͤrde mir nicht widerſtehen koͤnnen ,
Und bald genung fuͤr mich in Liebesflammen brennen . Sie 217
Sie ſoll ein Unterthan von deinem Reich einſt ſeyn ,
Und jeden Nachmittag zwo Stunden Schlaf dir weihn .
Er ſchwieg . Die Mittagsruh verſprach mit hol - dem Blicke ,
Jndem der Mund noch ſchwieg , dem Pudergott ſein Gluͤcke .
Geh , nimm dir ſelbſt den Traum , war alles , was ſie ſprach .
Er geht ; ſie ſieht ihm noch mit ſtiller Sehnſucht nach .
Bereits entſchloß ſie ſich , in ihn ſich zu verlieben ,
Allein ihr Aug entſchlaͤft , und ſie muß es verſchieben .
Der Sylphe nahm den Traum , der lachend uns erſcheint ,
Und unſerm Maͤdchen gleicht , das man zu ſehen meynt ;
Wie gluͤcklich laͤßt er uns die ſproͤde Schoͤne kuͤſſen ,
Die wachend unſerm Arm oft grauſam ſich entriſſen .
Jhr leichter Fuß verließ das angenehme Land ,
Das ihnen nach und nach aus dem Geſicht verſchwand .
Der Sonnenſtral fiel ſchief auf unſern Theil der Erde .
Es waͤlzte ſich bereits vom ſchwarzen Kuͤchenheerde O 5 Ein 218
Ein dicker Caffeedampf , nach morgenlaͤndſcher Art ,
Der in der obern Luft zu Phantaſien ward .
Selinde ruhte ſanft auf ihrem Roſenbette ,
Als wenn das Schrecken nie ihr Blut durchſchauert haͤtte :
Jhr nahet ſich der Traum , und ſchuͤttet Ambraduft ,
Und lieblichen Geruch in die balſamte Luft .
Drauf ließ er ſie im Schlaf , den Gott des Puders , ſe - hen .
Jn ſeinem ganzen Reiz ſah ſie ihn vor ſich ſtehen .
Die Nymph erroͤthet ſanft , indem er auf ſie blickt ,
Und ihre weiſſe Hand an ſeine Lippen druͤckt .
O Schoͤne , ( fieng er an , wie Zephis ihn gelehret )
Du weißt nicht , wie ein Geiſt als Sklave dich vereh - ret .
Du ſiehſt den Pudergott zu deinen Fuͤſſen ſtehn ;
Jſt auch ein Sterblicher ſo ſiegend , und ſo ſchoͤn ,
Als ich , o Schoͤne , bin ! und doch ſeh ich mit Neide ,
Daß dich ein Federhut , der Schnitt von einem Kleide , Und 219
Und manche Flitterpracht der jungen Herrn beſiegt ,
Und meine Hofnungen zu meinem Schmerz betriegt !
Doch Schoͤne , laß mich nicht nach meinem Zorne han - deln .
Jch kan mit einem Wink verderben , und verwan - deln —
So ſprach der ſuͤße Traum ; als Jeanneton ſich naht ,
Und mit Geraͤuſch und Laͤrm ins ſtille Zimmer trat .
Sogleich entfloh der Traum zum Schattenreich zuruͤcke .
Wie raſte Zephis nicht ! Er trat mit wildem Blicke
Zur hagern Jeanneton , die voller Furcht erſtarrt ,
Und von dem Zauberband ſogleich beruͤhret ward .
Unſelig Mittelding von Deutſchen und Franzoſen , ( Sprach er , ) mein Kuß eilt ſchon Selinden liebzuko - ſen ,
Da ſie den holden Traum zufrieden angehoͤrt ;
Und durch dein Plaudern wird mein ganzes Gluͤck ge - ſtoͤrt ?
Erfahre meinen Zorn , verwandle deine Glieder ,
Und ſing , als Papagey , die ſonſt geſungnen Lieder .
So - 220 Sogleich nimmt Jeanneton ein buntes Fluͤgel - paar ,
Das aus den Armen wird , mit Schrecken an ſich wahr .
Jhr langes ſpitzes Kinn kruͤmmt ſich zum Schnabel nie - der ,
Zu Krallen wird der Fuß , der Arm waͤchſt zum Ge - fieder .
Jedoch wie freuet ſich das Weib im Vogel nicht ,
Da ſie zu ſprechen wuͤnſcht , und es verſucht , und ſpricht .
Gewohnheit heißt ſie gleich auf deutſche Sitten ſchmaͤ - hen ;
Sie plaudert manches Wort , doch ohn es zu verſtehen .
Selinde hebet ſich aus ihrer ſuͤßen Ruh ,
Fliegt auf den Papagey , den ſie nicht kennet , zu .
Mein Papgen , ( rufte ſie , ) wo biſt du hergekommen ?
Welch ein ſcharmantes Thier ! ſein Anſehn iſt vollkom - men .
Der Vogel ſchimpfte ſie , und hieß ſie deutſch und dumm ,
Und kehrt ſich undankbar vor ihren Schmeicheln um .
Franzoͤſiſch blieb ſie auch im Papageygefieder ;
So wie das Weib geſchimpft , ſo ſchimpft der Vogel wieder .
Drittes Buch . Verwandlungen . Drittes Buch . [222] 223 D ie Thaͤler ſchwaͤrzten ſich ; die frohe Stunde kam ,
Da im Redoutenſaal der Ball den Anfang nahm .
Selinde ſah nicht mehr die Lippen ſich entfaͤrben ,
Und auf den Wangen nicht die friſchen Roſen ſterben .
Wie leicht bluͤht nicht aufs neu ein jugendlicher Mund ;
Schnell wird die Schoͤne krank , und ſchnell wird ſie geſund .
Kaum daß der Zofe Hand den langen Anputz endet ,
Und ſie im Domino ſich von dem Nachttiſch wendet ;
So laͤchelt alles ſchon in ihrem Angeſicht ,
Das Sieg verkuͤndiget , und lauter Freude ſpricht .
O Schade , daß es bald die Maske ſoll verhehlen ;
Doch ihre Schoͤnheit wird die Maske ſelbſt beſeelen ; Und 224
Und ihre Taille , ſchlank , und majeſtaͤtiſch ſchoͤn ,
Wird in dem freyen Tanz ſich deſtomehr erhoͤhn .
Sie rauſchet in den Saal , erhellt von tauſend Lichtern ;
Sie wird ſogleich umringt von weißen Gipsgeſichtern ;
Von Larven , ſchoͤn gemalt , von manchem Bart von Taft ,
Von Naſen , lang und krumm , ſieht ſie ſich angegafft .
Der Tuͤrke ſteht erſtaunt von ſo viel Lieblichkeiten ;
Der Spanjer ſpielet ihr auf ſeiner Laute Saiten ;
Matroſ ’ und Bauer ſperrt den Mund verwundernd auf ;
Und die Tyrolerin vergißt Tanz und Verkauf ,
Und ſieht ſie neidiſch an ; nur mit hochmuͤthgem Hohne
Stoͤßt ſie der Federhut der ſtolzen Amazone .
Auch Zephis trat ietzo verlarvet in den Saal ,
Und miſcht in Domino ſich zu der Masken Zahl .
Er geht ; ihm folgt ein Schweif wohlriechender Po - made , Und 225
Und parfumirt den Saal der bunten Maskerade .
So wie Ambroſia die Goͤtter ſonſt verrieth ,
So ſtralt er auch hervor ; ob er ſich gleich bemuͤht ,
Jn Tracht und in Geſtalt den Sterblichen zu glei - chen ,
Und mit unſtetem Fuß der Neugier zu entweichen .
Beſonders giebt auf ihn , in eines Schaͤfers Tracht ,
Ein feiler Gratulant mit Argusaugen Acht.
So oft der Pudergott nur mit Selinden tanzet ,
So oft ſteht neben ihm der Schaͤfer hingepflanzet ,
Und endlich zieht er ihn vertraulich an die Wand ;
Schreibt ihm geheimnißvoll viel Namen in die Hand ,
Und ſpricht zuletzt : Mein Herr , verſtellen ſie ſich im - mer ,
Jch kenne ſie genau , und auch ihr Frauenzimmer ;
Denn welchen jungen Herrn entzuͤckt Selinde nicht ?
Allein , was meynen ſie ; ein zaͤrtliches Gedicht — P Das 226
Das ſollte Wunder thun ! Jch will mich zwar nicht loben ,
Doch manche Zeitung ſchon hat meinen Ruhm er - hoben .
Hauptſaͤchlich bin ich ſtark in einer Elegie ;
Und ihre Fraͤulein liebt die hohe Poeſie .
Mein Herr , zwey Gulden nur , ſo dien ich ihrer Liebe ;
Mein Name heißt Speront , ich wohn im guͤldnen Siebe .
Er ſagts : der Pudergott dankt ihm fuͤr ſeine Muͤh ,
Und ſprach : Vielleicht , mein Herr , brauch ich die Ele - gie .
Der Gratulant buͤckt ſich , die Gulden zu gewinnen ,
Bis auf die Schuh vor ihm , und Zephis eilt von hinnen .
Er hatt ’ allein das Gluͤck , Selinden ſich zu nahn .
Die Stutzer ſahen ihn mit ſcheelen Augen an ;
Und ſelbſt das Alter ward von Eiferſucht entzuͤndet ,
Daß Zephis nur allein Selindens Beyfall findet .
Ein buntes Cabinet ſtieß an den langen Saal . Hier , 227
Hier , wo am Pharotiſch mit Hofnung , Furcht und Quaal ,
Und feyerlichem Ernſt , von ungetreuen Karten
Der Spieler ſtille Reihn auf Gluͤck und Ungluͤck warten ;
Hier ſtanden auch , vertieft in Hofnung auf das As ,
Urſindo , und Hojar ; Spadilje fiel , und fras
Fuͤr ſeinen Banquier zwoͤlf blanke Carolinen ;
Der Banquier grif zu ; und mit gelaßnen Mienen
Senkt er das neue Gold in ſeinen Sack hinab ;
Und traurig traten nun die beyden Grafen ab .
Das Alter beugte ſchon den abgelebten Ruͤcken ;
Doch brannte Liebe noch in den erſtorbnen Blicken ,
Und allezeit beherrſcht vom niedertraͤchtgen Geiz ,
War nur das Rittergut Selindens groͤßter Reiz .
Sie hatten ſie geſucht , und auch bereits entdecket ,
Als ihren ganzen Neid der Pudergott erwecket . P 2 Er 228
Er laͤßt Selinden nicht von ſeinen Haͤnden los ;
Dies bringt die Grafen auf , die dieſe Gunſt verdroß ;
Sie waren alt auch noch des Tanzens groͤßte Freunde .
Sie nahen ſich erzuͤrnt dem allgemeinen Feinde ,
Und alſo ſprach zu ihm der keichende Hojar ,
Der noch der muthigſte von beyden Helden war :
Freund , wer giebt euch das Recht , der Maske zu ver - wehren ,
Auch uns mit ihrer Hand zum Tanze zu beehren ?
Habt ihr ſo vielen Muth , ſo folgt des Mondes Glanz ,
Und kommt in die Allee auf einen andern Tanz .
Sorgt fuͤr den Degen nicht ; wir wollen euch die Waffen ,
An den beſtimmten Ort , durch unſre Diener ſchaffen .
Sie gehn , und Zephis folgt ſogleich den Rittern nach .
Er nahm den Degen an , den er in Stuͤcken brach ;
Und ſchickt ſich , voller Zorn die Helden zu beſtrafen ; Als 229
Als Zephis zeigt er ſich den halberſtarrten Grafen .
Wie Eſpen zittern ſie , da Zephis alſo ſpricht :
Jhr ſeyd nicht wichtig gnung , daß Zephis mit euch ficht :
Jhr werdet alſobald aus dieſem Garten wandeln ,
Und , durch dies Band beruͤhrt , in Baͤren euch ver - wandeln .
Er ſagts , und es geſchieht . Schnell werden ſie behaart ,
Und brummen bey ſich ſelbſt nach großer Baͤren Art ;
Die Fuͤße fangen an , den Klauen gleich , zu kratzen ;
Zum Rachen wird ihr Maul , die Haͤnde werden Tatzen .
Selbſt die Peruͤcke waͤchſt , die erſt ihr Haupt umhuͤllt ,
Und wird zu rauhem Haar , das ihren Nacken fuͤllt .
Die neuen Baͤren ſehn den Pudergott verſchwin - den ;
Er laͤchelt Spott auf ſie , und eilet zu Selinden .
Mit Unmuth irren ſie vom Garten in den Wald .
Der eine ſieht beſtuͤrzt des andern Baͤrgeſtalt ; P 3 Doch 230
Doch ſcheuen ſie im Forſt ſich vor den andern Baͤren ,
Als wenn die Seelen noch in Menſchenkoͤrpern waͤren .
Die Seele nimmt indeß die alten Fehler an .
Sie thun ſo muͤrriſch ietzt , als muͤrriſch ſie gethan ,
Da ſie zu andrer Laſt noch unter Menſchen waren .
Sie ſchienen Menſchen nur , zu hungern , und zu ſparen ;
Auch ietzt noch hungern ſie die lange Winterszeit .
Sie liegen in der Kluft im Mangel uͤberſchneit ;
Allein ſie ſind vergnuͤgt ; ſie ſaugen an der Tatze ,
Und faſten gern , wie ſonſt , bey dem vergrabnen Schatze .
Was ſie am meiſten liebt , vergißt die Seele nie .
Sie liebten ſonſt den Tanz , noch ietzt ergoͤtzt er ſie .
So wie einſt Telemach den rauhen Sitten wehrte ;
Den Maͤdchen Taͤnze wies , und Schaͤfer ſingen lehrte :
So fuͤhrten ſie zum Tanz die andern Baͤren an , Die 231
Die mit Verwunderung auf ihre Kuͤnſte ſahn .
Und dieſe Tanzbegier hat ſo ſich fortgepflanzet ,
Daß oft ein Baͤr von ſelbſt in Pohlens Waͤldern tan - zet .
Da auf dem Ball indeß manch junges Herz ent - brennt ,
Und mancher ſeine Schoͤn ’ in Mannshabit verkennt ;
Da junge Stutzer ſich an alte Nymphen ſchließen ,
Und manche grobe Hand im feinen Handſchuh kuͤſſen ;
Lag Ronald ohne Schlaf . Er , der faſt nie gedacht :
Jm Luſtſpiel traurig war ; im Trauerſpiel gelacht ;
Bey jeder Prahlerey mit neuen Fluͤchen draͤute ,
Und oft den Teufel rief , den er bey Nacht doch ſcheute ;
Verwegen , ſtolz , und dumm bey rundem Angeſicht ;
Der ſieht zum erſtenmal Aurorens Purpurlicht .
Sein Schutzgeiſt , der ihn treibt , manch Gaſſenlied zu ſingen ,
Eilt , von der Maskerad ihm den Bericht zu bringen .
P 4 Dir , 232 Dir , Ronald , ( fieng er an , ) hat oft die Tant er - zaͤhlt ,
Wie ſie bey finſtrer Nacht ein ſchwerer Alp gequaͤlt .
Du haſt es ihr geglaubt , und glaubſt es dieſe Stunde ;
Denn welche Weisheit koͤmmt nicht aus der Muhmen Munde .
Jch Ariel , dein Schutz von deiner Kindheit an ,
Da dich die Schoͤnen noch im Fluͤgelkleide ſahn ,
Und dich auf ihrem Arm unſchuldig ſpielen ließen ;
Jch lehrte da dich ſchon mit Feuer ſie zu kuͤſſen .
Jch bins , der den Verſtand aus deinem Kopf entfernt ,
Dafuͤr du Unſinn , Tand , und falſchen Witz gelernt .
Jch ſuche , Ronald , dich wahrhaftig groß zu machen ;
Fuͤr deinen ewgen Ruhm muß ich gehorſam wachen .
Und welch ein ſeltner Ruhm erwartet dich nicht ſchon !
Hoͤrſt du nicht ſchon von fern der Violinen Ton !
Auf ! Stutzer , zeige dich in einem fremden Glanze ! Das 233
Das Ballhaus zittert noch von der Verlarvten Tanze ;
Geh , eile noch dahin ! Die Freude nimmt mich ein ;
Welch ein beſondrer Fall ! du wirſt der erſte ſeyn ,
Der , da die Sonne ſchon in blauer Luft geſchwommen ,
Noch in verlarvter Tracht zu einem Ball gekommen .
Es wird der junge Tag dich mit Erſtaunen ſehn ,
Da ſchon der Landmann wacht , zur Maskerade gehn .
Jch ſeh , wie dir zum Ruhm der Enkel Enkeln ſaget ,
Wie fruͤh ein junger Herr ſich an die Luft gewaget .
So lang auf Schoͤnen noch verliebte Seufzer gehn ;
So lange Faͤcher noch die heiße Luft durchwehn ;
So lang im Alter ſich Coquetten fromm geberden ;
Und Moͤpſe , trotz dem Mann , den Caffee trinken wer - den ;
So lange Stutzer ſich Theaternymphen weihn ;
So lange wird die That dir ewger Nachruhm ſeyn .
P 5 Er 234 Er ſchwieg . Die Ruhmbegier erhob des Stu - tzers Seele .
Gleich einem Drachenpaar in einer finſtern Hoͤle
Kaͤmpft ietzo Ja und Nein ergrimmt in ſeiner Bruſt ;
Doch endlich ſpringt er auf , und folgt dem Trieb zur Luſt .
Sein Angeſicht wird ſchwarz , mit ſchwarzgemachten Haͤnden
Deckt ſich die wahre Hand ; um wohlgemachte Lenden
Rauſcht ein verbraͤmter Schurz von roſenrothem Taft ;
Jm weißen Strumpfe pralt die dicke Wade Kraft .
Sein Hauptſchmuck iſt die Pracht der koͤniglichen Bin - den .
So eilt er , als ein Mohr , zum Tanz , zum Ueberwin - den .
Wie , wenn ein bunter Pfau von hohen Daͤchern fliegt ,
Und ſich zum niedern Heer gemeiner Haͤhne fuͤgt ;
Die Haͤhn ihn grimmig ſehn , und wild die Haͤlſe ſtraͤu - ben ;
Sie ſuchen kaͤmpfend ihn von ihrem Hof zu treiben ;
Jedoch der hohe Pfau geht koͤniglich vorbey , Und 235
Und achtet nicht einmal ihr kriegeriſch Geſchrey :
So ſtolz gieng Ronald auch durch die verlarvten Schaa - ren ,
Die voller Neubegier um ihn verſammelt waren .
Der Pudergott nahm ihn mit neidſchen Blicken wahr .
Er ſah Selinden an , und bebt vor der Gefahr ,
Die ſproͤden Schoͤnen draͤut , die unbeſiegt geblieben ,
Bis ſie das Thoͤrichte und Fremde raſend lieben .
Selinde redt ihn an , noch eh ſie ihn erkant ;
Sie reicht dem falſchen Mohr die angenehme Hand ,
Und fordert ihn zum Tanz ; und Zephis ſieht Selinden ,
Nach dem geſchloßnen Tanz , mit ihrem Mohr ver - ſchwinden .
Sogleich empfaͤnget ſie ein einſames Gemach ,
Wo ſie voll Freundlichkeit zu ihrem Mohren ſprach :
Mein Freund , laß dein Geſicht die Maske nicht ver - ſtecken ,
Jch glaub , ich kenne dich , du kanſt dich mir entdecken . Er 236
Er nimmt die Larve ſchon , da noch die Schoͤne ſpricht ,
Von dem Geſicht herab , und zeigt ſein wahr Geſicht .
Doch Zephis tritt indem mit goͤttergleichem Schimmer ,
Mit drohendem Geſicht , als Zephis in das Zimmer .
Selinde flieht erblaßt ; der Mohr will mit entfliehn ,
Doch Zephis wirft ſogleich ſein Zauberband auf ihn .
Sein ſchwerer Fuß erſtarrt , und bleibt bezaubert ſtehen ;
Er ſieht beſtuͤrzt darnach , und kan den Fuß nicht ſehen ;
Der kleine Mund wird ſteif , indem er zierlich ſpricht ;
Er wird ein ſchoͤner Klotz , geſchminket im Geſicht ,
Ein leerer Haubenſtock ; er lacht noch , wie er lachte ,
Wenn ihn ſonſt ſein Geſicht mit ſich zufrieden machte .
Die Violine ſchweigt ; es ſtirbt der Lichter Glanz ;
Der ganze Boden bebt vom wilden deutſchen Tanz ;
Es ſiegt der volle Tag mit koͤniglichem Strale ; Habit 237
Habit und Domino rauſcht aus dem langen Saale .
Doch faſt verwirrt ſich ietzt die zitternde Natur .
Es brauſt der Kutſcher Fluch , der Saͤnftentraͤger Schwur ;
Und was zu Fuß iſt , flieh [t ] durchs Chaos der Caroſſen ,
Vor Eſeln an der Saͤnft , und ungeduldgen Roſſen .
Die Maske wurde nun vergeſſen abgelegt ;
Thee loͤſcht das Feuer aus , das Lieb und Tanz erregt ;
Die junge ſchoͤne Welt eilt , ſich zur Ruh zu legen ,
Und gaͤhnt mit mattem Blick der Morgenſonn entgegen .
Selinde ſchloß bereits die holden Augen zu ,
Als Zephis ihr erſchien in ihrer ſanften Ruh .
Er trat durch Morpheus Gunſt vor ſeiner Schoͤne Seele ,
Und ſprach alſo zu ihr aus einer ſuͤßen Kehle :
O Schoͤne , werde nicht vor einem Sylphen roth ,
Der deiner Sicherheit im tiefen Schlaf nicht droht , Jch 238
Jch bin der Pudergott , ein Oberſter der Sylphen ;
Begluͤckt , wenn Stand und Macht auch froh zu ma - chen huͤlfen !
O Schoͤne , nur durch dich ſuch ich Unſterblichkeit ;
Sonſt haß ich einen Stand , der ewgen Unmuth draͤut .
Willſt du mich ewig fliehn ? und nie ein Herz begluͤ - cken ,
Das ganz verlohren iſt in Lieb und in Entzuͤcken ,
Sobald ich dich nur ſeh ? Wer kniet vor dir nicht gern ?
Doch , Schoͤne , haſſe ſtets den ſchalen jungen Herrn ,
Der ſich allein nur liebt ; von euch Trophaͤen ſammelt ;
Euch lauter Luͤgen ſeufzt , und Prahlereyen ſtammelt .
Wie treu verehr ich dich ! Wer hat dich ſo verehrt ?
Und giebt mir das bey dir nicht einen neuen Werth ,
Daß ich herab mich ließ aus hoher Geiſter Sphaͤre ,
Als Sylphin dich zu ſehn , der Oberwelt zur Ehre ?
Wie kan dein ſproͤdes Herz ſo wankelmuͤthig ſeyn ! Wie 239
Wie leicht nimmt es ein Hut mit einer Feder ein !
Wer ſollte nicht dein Herz fuͤr weich und zaͤrtlich halten ,
Und dennoch liebſt du nichts als Kleider und Geſtal - ten —
Er ſprach noch ; als er merkt , daß er nicht gluͤck - lich ſpricht ,
Ein bittrer Unmuth deckt Selindens blaß Geſicht ;
Und der erſchrockne Geiſt ſieht ihren Stolz beleidigt ,
Und durch Empfindlichkeit ihr Herz vor ihm verthei - digt .
Sogleich verſchwindet er ; ſetzt ſich zum Nachttiſch hin ,
Und mancher Anſchlag irrt durch ſeinen ſchlauen Sinn .
Auf einmal findet er zu groͤßerm Misvergnuͤgen
Ein zaͤrtliches Gedicht auf ihrem Nachttiſch liegen .
Sein Blick verſchlinget es ; und kein verliebtes Flehn
War , nach des Geiſtes Sinn , ſo zaͤrtlich , und ſo ſchoͤn .
Wie ? ( ſprach er , ) findet man mit den gereimten Kla - gen
Den Weg zu ihrer Gunſt ? Auch dieſes will ich wagen ! Und 240
Und alſobald eilt er , von neuer Hofnung voll ,
Sperontens Wohnung zu , der ſiegen helfen ſoll .
Nachdem er die Geſtalt von Stutzern angenommen ,
So eilt er in das Sieb , die Verſe zu bekommen .
Vertraut mit Sonn und Mond , fuͤnf Treppen unterm Dach
Verkroch im Winkel ſich ein ſchmuziges Gemach .
Hier wohnte der Poet in Freundſchaft mit den Ratten ,
Die ſeit geraumer Zeit hier ihre Hauptſtadt hatten .
Die Katzen gaben ſich ſehr oft hier Rendezvous ;
Und Eulen ſangen ihm die angenehme Ruh .
Jndeſſen ſchlief Speront in einem harten Bette
So ſanft , als ob er Sammt zu ſeinem Lager haͤtte .
Der Pudergott kam an , und zitterte zuruͤck ,
Und die Verwundrung ſprach aus dem erſtaunten Blick .
Als Geiſt , ſah er ein Heer von ſeltſamen Geſtalten , Die 241
Die , den Jnſekten gleich , in Schaaren um ihn wallten .
Zuerſt bewillkommt ihn ein langes Madrigal ;
Ein Quotlibet kuͤßt ihm den Rock unzaͤhligmal ;
Und aus dem Winkel kam ein blaſſes Leichenkarmen ,
Das bat , ſich ſeiner Noth in Gnaden zu erbarmen .
Ach ! ( ſeufzt es ) Herr Baron , wenn kommt die guͤldne Zeit ,
Daß mich ein Kaͤufer auch aus meiner Quaal befreyt !
Mein Titel faͤngt ſchon an fuͤr Alter zu verweſen !
Jch liege Jahre hier , und niemand will mich leſen .
Hierauf trat ein Sonnet mit hohem Schritt heran ,
Und ſah den Pudergott mit ſtolzen Augen an ;
Sein wildes Antlitz ſchien verbrannt von Welſcher Hitze ;
An ſeiner Seiten hieng ein Degen ohne Spitze .
Jndem brauſt , wie ein Sturm , ihm etwas durch das Haar ,
Und Zephis ſah ſogleich , daß es die Ode war .
Sie kam , ſo wie ſie ſprach , vom Sternenpol zuruͤcke , Q Sang 242
Sang von der Bomben Knall , und von dem Dampf der Stuͤcke .
Viel Reime lagen hier mit Laͤrm und mit Geſchrey ,
Einander laͤngſt zur Laſt , in ewger Schlaͤgerey .
Jndem hier Noth und Tod im blutgen Kampfe waren ,
So hatte Jugend dort die Tugend bey den Haaren .
Der Hunger trug allhier Sperontens Liverey ;
Und eine Nymphe trat ſehr dick geſchminkt herbey ,
Die ſich Unſterblichkeit mit hohen Mienen nannte ,
Doch welche Zephis bald fuͤr eine Magd erkannte .
Nachdem der Pudergott den Reimer aufgeweckt ,
Und in Geſchwindigkeit ihm ſeine Noth entdeckt ;
So wirft Speront ſogleich den Schlafrock um die Len - den ,
Fliegt zu dem Dintenfaß und zaubert mit den Haͤnden .
Die Reime nahten ſich mit abgemeßnem Schritt ;
Die Liebe trat einher , und fuͤhrte Triebe mit ;
Die liebe Sonne kam , die Wonne mit ſich brachte . Und 243
Und Augen nahten ſich , die Liebe ſaugen machte .
Nachdem der Gratulant ſie alle wohl gepaart ,
Und vor Gedanken ſie mit großem Fleiß verwahrt :
Und da der Pudergott , mit aller Kunſt zu leben ,
An die Unſterblichkeit zween Gulden hin gegeben ;
So uͤberreicht Speront ihm zierlich das Gedicht .
Der Gott des Puders lieſt ; doch wie erſtaunt er nicht ,
Da er nur Unſinn ſieht ! Er ſprach mit bittrem Lachen :
Mein Herr ! ſie werden mir ein ander Carmen machen ,
Das taugt den Teufel nicht — Speront ſpringt auf , und ſchaͤumt ,
Und ſprach : Mein guter Herr , ich habe rein gereimt .
Gedanken ſind nicht mehr in unſern Zeiten Mode ,
Jm uͤbrigen iſt dies ein Meiſterſtuͤck der Ode .
Doch Zephis warf erzuͤrnt das Carmen ins Gemach .
Dem Gratulant verdroß die angethane Schmach ;
Er fiel ihn grimmig an ; ſein Fall war ſchon beſtim - met ; Q 2 Das 244
Das Band beruͤhret ihn , und Zephis ſprach ergrimmet :
Elender , zittre nur vor meiner Zauberkunſt ;
Sogleich verwandle dich in einen leichten Dunſt !
Du wollteſt doch ſo gern dich von der Erd entfernen ,
So geh und werde dann die Schnuppe von den Ster - nen .
Du ſollſt in kuͤhler Nacht mit wandelbarem Schein ,
So wie du dir gewuͤnſcht , den Sternen aͤhnlich ſeyn :
Du wirſt dich voller Stolz in hoher Luft befinden ,
Die ganze Welt verſchmaͤhn , und endlich dich entzuͤn - den ;
Das Feuer , welches dir die Kraft zu ſteigen gab ,
Das ſtuͤrze dich ſodann auch zum Moraſt herab .
Jch aͤndre nie den Geiſt zugleich mit den Geſtalten ,
Du ſollſt die Eigenſchaft , die du gehabt , behalten :
Die Dichterwelt ſoll ſehn , daß du , und wer dir gleicht ,
Die Stern erreichen will , und nimmer ſie erreicht .
Er ſagt es ; und Speront ſtuͤrzt alſobald zur Er - den . Von 245
Von Schrecken halb entſeelt , ſieht er ſich fluͤßig werden .
Sein Seelenloſes Haupt zerrinnt im Augenblick ;
Allein die rechte Hand zieht ſtoͤrriſch ſich zuruͤck .
Durch vieles Schreiben hart , will ſie ſich nicht ver - wandeln ,
Und ſucht , eh ſie zergeht , noch etwas abzuhandeln .
Jhm war die rechte Hand an des Verſtandes Statt ;
Und ohne Kopf und Witz beſchrieb ſie manches Blatt .
Doch endlich , da bereits der ganze Leib zerrinnet ,
Ward ſie , wie Gallerte , auch nach und nach verduͤnnet ;
Und Phoͤbus zog ſogleich , als einen leichten Duft ,
Durch ſeinen heißen Stral den Dichter in die Luft .
Er folgt den Stralen nach , und wartet mit Verlangen ,
Bis in der kuͤhlen Luft der Sonne Gluth vergangen .
Wenn er zufrieden dann noch in Gedanken reimt ,
Und von Unſterblichkeit am Sternenhimmel traͤumt ;
So ſehn wir ihn als Dunſt ſich augenblicks entzuͤnden , Q 3 Und 246
Und auch im Augenblick aus ſeiner Hoͤh verſchwinden .
Verdrießlich und erzuͤrnt auf ſich und das Geſchick ,
Eilt in Selindens Haus des Geiſtes Flug zuruͤck .
Jn ihrem Vorgemach ſieht er beſtuͤrzt Nerinen
Mit einem Diener ſtehn von angenehmen Mienen .
Ja ( ſprach ſie ) Herr Johann , ( und ſteckte ſchnell was ein , )
Hier hat er meine Hand , ſein Herr ſoll gluͤcklich ſeyn .
Jch werde ſeinen Brief ſchon zu beſtellen wiſſen ,
Und heute noch ſoll er die Hand Selinden kuͤſſen .
Johann kuͤßt ihr dafuͤr die Hand , ſo weiß wie Schnee ,
Und hieß ſie Madmeſell , und nahm verliebt Adje .
Der Geiſt ſieht es erſtaunt . Wozu bin ich ver - dammet ! ( Sprach er mit einem Blick , von Eiferſucht entflam - met . )
Gebraucht ich auch ſogar Armindens Zauberſtab ;
So naͤhme nicht die Schaar der Nebenbuhler ab .
Will mit Selinden nun ihr Kammermaͤdchen handeln ? Bey - 247
Beynah verdrießt es mich , beſtaͤndig zu verwandeln ,
Doch , Zephis , raͤche dich , ſo lange noch die Kraft
Von deinem Bande waͤhrt ; und nichts bleib ungeſtraft .
Er naht Nerinen ſich mit zornigen Geberden ,
Und ſprach : Du ſollſt ſogleich zu einem Faͤcher werden .
Er ſagts , als alſobald Nerinens Armenpaar ,
Das ihn noch bitten will , ſtarr Elfenbein ſchon war .
Jhr ganzer Leib verſchwand ; doch ſah man von Neri - nen
Den Trieb , als Faͤcher auch , Selinden noch zu diene 〈…〉〈…〉 .
Als Maͤdchen ſagte ſie ihr Stutzerſeufzer vor ;
Als Faͤcher weht ſie ihr auch Seufzer vor ihr Ohr.
Selinden pflegte ſie die Stunden zu vertreiben ;
Als Faͤcher muß ſie auch ihr Zeitvertreiber bleiben .
Der Pudergott folgt nun des Dieners Schritten nach ,
Und haͤlt ihn grimmig an vor ſeines Herrn Gemach .
Steh ſtill , galanter Herr , ( ſprach , er mit bitterm Spot - te , ) Q 4 Und 248
Und ’ nimm auf den Befehl von einem maͤchtgen Gotte
Ein neues Weſen an ; zerfließe zu Papier ;
Verlaß die Liverey , und werd ein Cavalier .
Wie freuet ſich Johann , da er ſogleich zerrinnet ,
Und zierlich die Geſtalt von einem Herrn gewinnet .
Er ſieht ſich niedlich klein ; und war zwar eigentlich
Nur ein papierner Herr , doch der den andern glich
Nach Anſehn , Tracht und Haar . Er lag hier kaum zwo Stunden ,
So ward er als Papier von ſeinem Herrn gefunden .
Der Flattergeiſt Narciß nimmt alſobald ihn auf ;
Schreibt einen Liebesbrief an ſeine Schoͤne drauf ,
Und ſchickt ihn voller Witz , und Wortſpiel an Selinden .
Hier ließ das Schickſal ihn Nerinen wieder finden .
Und ob die Mutter gleich ſcharfſichtig bey ihr ſtand ;
So ſpielt der Faͤcher doch ihn in Selindens Hand .
Viertes Buch . Verwandlungen . Viertes Buch . [250] 251 D er Abend faͤhrt daher , und ſchuͤttet Balſamduͤfte ,
Von Roſen und Jeſmin , in die gekuͤhlten Luͤſte .
Selinde wandelte verdrießlich und allein
Den langen Garten durch ; der Mond ſtreut ſeinen Schein
Gefaͤllig um ſie her ; ſie ſchien worauf zu warten .
Vergebens laͤchelt ihr , im angenehmen Garten ,
Die bluͤhende Natur Zufriedenheit und Ruh ,
Vergebens duften ihr Orangen Freude zu ;
Sie weis nicht , was ſie will . Auf einmal wird ſie heiter ;
Es nahet ſich von fern in ſtolzer Tracht der Reuter
Der wilde Degenfeld , ein junger Officier ,
Jm Feld und im Gemach ein rauher Cuͤraſſier . Der 252
Der Pudergott erſchrickt ; Geheime Seufzer ſtiegen
Wild in Selindens Blick . Der Ritter ſchien zu fliegen ,
Da er ein Maͤdchen ſah ; doch Zephis wartet nicht ,
Bis er ihr naͤher koͤmmt , und ſein Verlangen ſpricht .
Ein Pudernebel fließt weitwallend um Selinden ;
Sie ſchien dem Officier auf einmal zu verſchwinden ,
Und Zephis leitet ihn zu ſeinem Untergang ,
Mit einem Luftphantom , in einen dunklen Gang .
Wie weislich that er das ! Denn ſchoͤn geputzte Krieger
Sind oft nur gar zu leicht der ſproͤden Herzen Sieger .
Jndem der Ritter ietzt Selinden kuͤſſen will ,
So ſteht er ſtarr und ſtumm vor Zephis Glanze ſtill ,
Der alſo zu ihm ſprach : Verwandle deine Glieder ,
Und reite durch die Luft auf brummendem Gefieder .
Es ſchloß dein tapfres Herz ein blanker Cuͤraß ein ; Auch 253
Auch noch als Schroͤter *) Eine Art von großen Kaͤſern mit Hoͤrnern , und ei - nem Harniſch uͤber den Ruͤcken .
*) ſoll dein Kleid ein Harniſch ſeyn . Du ſtandeſt Stundenlang entzuͤckt vor deinem Spiegel ;
Den Spiegel geb ich dir auch unter deine Fluͤgel .
Du pralteſt hohen Muth , und bebteſt doch im Streit ;
Brumm ietzt auch fuͤrchterlich , und thue keinem Leid .
Er ſagts ; der Schroͤter ſchnurrt mit ſummendem Getoͤne
Leerpralend in die Luft , und ſchoß auf ſeine Schoͤne
Mit lauten Fluͤgeln zu . Selinde flieht , und ſchreyt ,
Und eilt zum Saal zuruͤck aus banger Einſamkeit .
Kaum trat ſie ins Gemach mit artgen Reverenzen ,
So laͤßt Narciß ihr ſchon ſein Kleid entgegen glaͤnzen .
Mon Ange , ( fieng er an ) wie finden ſie dies Kleid ?
Der Teufel hole mich ! die Taille ſitzt geſcheut !
Mir hat es geſtern erſt mein Schneider zugeſendet ; Und 254
Und ſacre bleu ! der Gout iſt recht daran verſchwendet !
Doch auch in ganz Paris verſteht niemand die Pracht
So , wie der Teufelskerl , der dieſen Rock gemacht .
Er ſagts ; der Pudergott ſieht kaum die erſten Zuͤge
Jn ſeiner Schoͤne Blick von dieſes Stutzers Siege ,
So ruͤhrt er ſtill ihn an ; Narciß verliert ſein Kleid ,
Und wird ein Schmetterling , mit Puder uͤberſtreut .
Die Aſſamblee erſtaunt , daß er ſo ſchnell verſchwunden ;
Die Augen ſuchen ihn , Narciß wird nicht gefunden .
Der neue Schmetterling fliegt flatternd durchs Gemach .
Er reizt Selinden an ; die Schoͤne geht ihm nach ;
Sie laͤuft um ihn herum , und ſuchet ihn zu fangen ;
Doch Zephis ſtand ihm bey , die Freyheit zu erlangen ,
Und ſtieß ein Fenſter auf ; der Schmetterling entflieht ,
Und freut ſich , daß er ſich ſo bunt an Farben ſieht . Er 255
Er ließ als Schmetterling die leichte Seele wandern ,
Und buhlt im Blumenbeet von einer zu der andern .
Gepudert , flatterhaft , war er nicht da ſo ſehr ,
Auch noch im Schmetterling , ein Stutzer als vorher ?
Nun zweifelt Zephis faſt , Selinden zu beſiegen ,
Und eilt Arminden zu , voll Gram und Mißvergnuͤgen .
O Goͤttin , ( fieng er an , ) was nuͤtzet mir dies Band .
Bey einer Sproͤden Stolz ? Bey einem Widerſtand ,
Der unbegreiflich iſt ? Mit einem ſchlechten Gluͤcke
Koͤmmt von der Oberwelt der Pudergott zuruͤcke .
Selinde hat kein Herz , das treue Seufzer hoͤrt ,
Und die Coquetterie hat es zu ſehr bethoͤrt .
Nach meiner beſten Liſt hab ich bisher gehandelt ,
Ein ganzes Stutzerheer hat dieſes Band verwandelt ;
Doch ganze Schaaren ſind noch uͤbrig , mir zur Pein , Und 256
Und koͤnnen ietzt vielleicht ſchon Nebenbuhler ſeyn .
O Goͤttin , ſage mir , wie kan mein Herz ſich retten ?
Wie ſchimpflich ſind fuͤr mich der ſtolzen Schoͤne Ket - ten ;
Und dennoch lieb ich ſie . Jſt keine Zauberkraft ,
Arminde , die das Herz der Stolzen mir verſchaft ?
Er ſchwieg . Die Goͤttin ſprach : Mich ruͤhren deine Schmerzen ,
Doch meine Zauberkraft verwandelt nicht die Herzen .
Den Stutzer macht auch noch im Schmetterling der Rock ;
Der Dummkopf bleibet dumm auch noch im Hauben - ſtock .
Doch , Geiſt , warum brauchſt du nicht die Erfahrung beſſer ?
Warum zeigſt du dich nicht noch praͤchtiger und groͤßer ,
Als ſelbſt ein Balamir ? Ein Hut , ein guͤldnes Kleid
Erobert oft ein Herz voll Stolz und Sproͤdigkeit .
Auf ! ſey ein junger Herr . Der Anſchlag iſt der beſte .
Selinde liebt nichts mehr , als eine neue Weſte ; Drum 257
Drum hole von Paris die allerneuſte Tracht ,
Die oft mehr , als Verdienſt , Eroberungen macht .
Sie ſagts ; der Pudergott dankt ihr mit Reveren - zen ,
Verlaͤßt Armindens Hof , und eilt aus Deutſchlands Graͤnzen .
Es herrſchte dazumal im ſchoͤpfriſchen Paris
Ein Schneider , deſſen Lob im Norden Fama blies .
Den deutſchen jungen Herrn formirte nur la Motte ;
Und jeden Tag ſchuf er , gleich einem maͤchtgen Gotte ,
So wie ſein Einfall war , bald einen langen Schooß ,
Und bald die Taille kurz , und bald den Ermel groß .
Jn ſeiner Werkſtatt war , Witz und Verſtand , zu haben ;
Der junge Herr empfieng durch ſeinen Schnitt die Ga - ben ,
Die er durch Buͤcher nicht , durch Weisheit nicht be - kam ,
Und die la Motte leicht aus Kaufmannslaͤden nahm .
Nachdem der Pudergott , gleich unſern deutſchen Affen , R Sich 258
Sich ein Baronsgeſicht , und reiches Kleid , geſchaffen ,
So trat er ins Gemach . La Motte ſah ihn nicht ,
Er war in ſich gekehrt ; mit kluͤgelndem Geſicht
Wollt er die letzte Hand an einen Marquis legen .
Manch fremder Anblick ſchoß dem Pudergott entgegen ;
Vor dem , der manchem Amt das Kleid und Anſehn gab ,
Nahm er den Federhut mit tiefer Ehrfurcht ab .
Hier hieng ein deutſcher Graf mit Silber galoniret ,
Und dort lag ein Abbe ’ , doch noch nicht ganz vollfuͤhret ;
Auf dem Geſandten hieng ſein kluͤgrer Sekretaͤr ;
Und bey dem Juden lag ein Rechnungskommiſſaͤr .
Wie man im Todtenreich die Titel nicht mehr kennet ,
Und nicht mehr gnaͤdger Herr den Schneppenjaͤger nen - net ;
Der Koͤnig und der Sklav , der Musketier und Held ,
Gehn ohne Rang , vermiſcht in ſchwarzer Unterwelt : So 259
So lagen hier vermengt Baronen und Lackeyen ,
Und manchen Gallarock umringten Livereyen .
Der Pudergott wagt es , la Motten ſich zu nahn ;
Und alſo redet er den ſtolzen Schneider an :
Du unumſchraͤnkter Herr der Laͤngen und der Breiten ,
Vom Ermel und vom Schooß ; Beſtimmer wahrer Weiten
So wohl vom Domherrnrock , als Parlamentsherrn - bauch ;
Der du gebiethriſch ſprichſt , dies ſey Mod und Gebrauch ;
Den neuen Pair erhebſt , und unter deiner Scheere
Dem Richter Klugheit giebſt , und manchem Schelmen Ehre :
La Motte gieb auch mir Verſtand und Artigkeit ,
Und mache mit Geſchmack mir ein beſetztes Kleid .
Dies ſagt der Pudergott . Der Schneider ſpricht nicht lange ;
Von einem Strick reißt er Papier , gleich einer Schlan - ge ,
Und nimmt geſchickt das Maaß zu einer ſeltnen Tracht ; R 2 Die 260
Die große Scheere klingt , ſo oft er Zeichen macht .
Er nahm Stof , Seid , und Garn , und Futter , Lahn , und Treſſen ,
Und acht Geſellen ward die Arbeit zugemeſſen .
Acht Nadeln flogen ſchnell mit manchem fluͤchtgen Stich ;
Es ziſchet Seid und Garn , und alles ordnet ſich .
Arminde fluͤgelte unſichtbar ihre Waffen ,
Und nach zwo Stunden war das ganze Kleid geſchaf - fen .
Nachdem der Pudergott ſehr deutſch und gut bezahlt ,
So nimmt er ſein Gewand , von Treſſen uͤberſtralt ,
Und koͤmmt vergnuͤgt zuruͤck . Er geht oft durch die Gaſſen ;
Selinden und der Stadt ſein Staatskleid ſehn zu laſſen .
Der Morgen großer Welt trat aus dem ſpaͤten Thor ;
Selinde ruhte noch . Jhr Schutzgeiſt Matador
Hebt ſich vom Haubenſtock mit Regenbogenſchwingen ,
Und hoͤrt das Porcellan zu ſeinem Schrecken klingen . Wie 261
Wie aufmerkſam wird er ! Denn Porcellan erklaͤrt ,
Nach uns verborgner Art , was Schoͤnen wiederfaͤhrt ;
Die Geiſter koͤnnen draus ſo gut die Zukunft lernen ,
Als wie Aſtrologi aus weit entlegnen Sternen .
Doch Matador , bemuͤht die Zukunft auszuſpaͤhn ,
Kan doch das Ungluͤck ſelbſt im Porcellan nicht fehn .
Betruͤbniß gießet ſich in ſeine blaſſen Mienen ;
Er koͤmmt mit dem Geraͤuſch der ſeidenen Gardinen
Bis zu Selindens Ohr , zu der er alſo ſprach :
O Schoͤne , dir droht heut ein ſchweres Ungemach ;
Aus Porcellan allein kan ich es nicht erfahren ,
Ob dich die Stutzer fliehn , die deine Sklaven waren ;
Ob dir ein Sturmwind nur den Lockenbau verwirrt ;
Ob dich ein Buͤrger gar als Ehmann kuͤſſen wird ;
Ob der Verluſt dich wird von einem Bande ruͤhren ; R 3 Ob 262
Ob du beym Lomberſpiel die Freyheit wirſt verlieren ;
Ob du im Tanze faͤllſt auf einer Mummerey ;
Dies alles weis ich nicht . Doch es ſey , was es ſey ,
So laß uns alles fliehn , was boͤſe Zeichen drohen .
O Schoͤne , waͤren wir erſt dieſem Tag entflohen !
Vor Mannsperſonen nimm beſonders dich in Acht ;
Flieh deine Sklaven auch , die du verliebt gemacht .
Auch duͤnkt mich , muͤßteſt du dich vor den Geiſtern huͤ - ten ;
Doch es geſchieht , was Zeit und Porcellan gebieten .
So ſpricht der holde Geiſt ; und legt ſein lau - ſchend Ohr
An ſeiner Schoͤne Bruſt , bedeckt mit zartem Flor.
Er fieng zween Seufzer auf , die aus der Bruſt verirr - ten ,
Und alle Muthmaßung , die er gehabt , verwirrten .
Wie , ( ſprach er , ) ſollte ſie verliebt geworden ſeyn ?
Die Liebe nahm bisher ihr kaltes Herz nicht ein . O Schoͤne , 263
O Schoͤne , wenn du liebſt , ſo beb ’ ich fuͤr Gefahren ,
Vor denen deine Ruh auch Geiſter nicht bewahren .
Vielleicht entdecket mir , was eigentlich dir draͤut ,
Die kluge Prieſterin verliebter Ewigkeit .
Er ſagts ; und eilet fort , bald Paphos zu errei - chen .
Dort hebt ein Tempel ſich aus zarten Myrthenſtraͤu - chen ;
Von Liebesbriefen ſind die ſtolzen Waͤnd erbaut ,
Die man von fern ſehr feſt , doch nah ſehr loͤchricht ſchaut ;
Und die man , wenn die Zeit den ſchlechten Grund verruͤcket ,
Mit Memoiren ſtopft , und mit Romanen flicket .
Hier wird die Ewigkeit der Liebenden verehrt ,
Die ihre Prieſterin zukuͤnftge Dinge lehrt .
Es ſchwebt hier mancher Eid , und manches Ehverſpre - chen ;
Jdyllen gehen hier , und Elegien ſprechen .
Jn einen Faͤcher iſt ein Muͤfchen hier verliebt , R 4 Da 264
Da einem Stutzerſtock ein Band ſich dort ergiebt ;
Contuſchen ſiehet man auf Andriennen ſchmaͤhen ,
Da ſpitze Maͤdchenſchuh mit ſteifen Stiefeln gehen ;
Peruͤcken mengen ſich zu aufgeſchwaͤrztem Haar ,
Und bey den Zoͤpfen geht der Pudelkoͤpfe Schaar .
So toll die Moden ſind , ſo ſchmeicheln ſich doch alle
Mit ſteter Ewigkeit ; und ſehn ſich ſchnell im Falle .
Jm Tempel ſelber ſteht ein marmorner Altar .
Auf dieſem nahm man ſonſt viel Herzen lodernd wahr ,
Von Liebenden , die ſich ſelbſt pflegten zu ermorden ;
Der Goͤttin iſt ſonſt oft damit geopfert worden .
Doch ietzo ſcheint der Tod auch den Verliebten ſchwer ,
Und lang iſt der Altar von Herzenopfern leer .
So oft indes noch ietzt Verliebte ſich erhoͤren ,
So pflegen ſie ſich hier die ewge Treu zu ſchwoͤren . Ein 265
Ein Ceremoniel ! Oft iſt die ewge Treu ,
Der erſten Woche Schwur , die Woche drauf vorbey .
Zum Tempel trat der Geiſt mit heiligen Geber - den ,
Und warf ſich vor dem Stuhl der Prieſterin zur Er - den .
Auf einmal oͤfnet ſich der Zukunft ſtaͤhlern Thor ,
Und eine Stimme rief lautdonnernd : Matador ,
Tritt her ! was ſieheſt du ? — Er ſprach : Jch ſeh entzuͤcket
Die ſchoͤnſte Statue , die Gaͤrten je geſchmuͤcket ;
Und vor ihr liegt ein Geiſt blaß und verzweiflungsvoll ,
Daß er ſein ganzes Gluͤck verlohren haben ſoll .
Auch eine Zauberin , erhitzt von Neid und Grimme —
Du haſt genung geſehn , ( verſetzt die Donnerſtimme )
Ein fuͤrchterlicher Knall betaͤubt des Geiſtes Ohr ,
Und voller Furchtſam [keit ] entfliehet Matador .
Der Pudergott indes mit ſeinem neuen Kleide R 5 War 266
War das Geſpraͤch der Stadt zu aller Stutzer Neide .
Noch eh der Mittag koͤmmt , ſo flieget Fama ſchon
Durch jedes Stadtquartier , und blaͤſt mit hohem Ton
Den reichen Fremdling aus ; wohin er ſich nur wendet
Bewundert ihn der Blick , den ſeine Weſte blendet .
Wie liſtig war der Gott ! Er kam mit aller Pracht ,
Mit Laͤufer und Lakay , und in der neuſten Tracht .
Er macht Selinden Cour ; nichts konnte ſie verwunden .
Doch ietzo ſiegt der Rock ; faſt iſt ſie uͤberwunden .
Der Abend nahte ſich bewafnet mit Gefahr .
Schon wallt durch die Allee manch jung verliebtes Paar ;
Die Augen fangen an die groͤßte Kunſt zu brauchen ;
Der Blick flammt durch die Bruſt , und zarte Herzen rauchen :
Als Zephis an der Hand die ſtolze Schoͤne fuͤhrt ,
Und unvermerkt mit ihr im Garten ſich verliert . Die 267
Die Damen ſchoſſen ſchon viel harte Muthmaßungen ,
Geſchaͤrften Pfeilen gleich , von ſuͤßen Laͤſterzungen .
O! daß der Pudergott den nahen Sieg verlohr !
Jm beſten Augenblick war er der groͤßte Thor .
Selinde , die nicht mehr dem Kleide widerſtreben
Und ſeufzen hoͤren kan , fieng an ſich zu ergeben ;
Als Zephis thoͤricht gnung ihr ſeinen Stand entdeckt ,
Und ihre Zaͤrtlichkeit ſogleich zuruͤcke ſchreckt .
Selinde , ( fieng er an , ) du ſcheinſt mich nicht zu haſſen ;
Jch ſehe dein Geſicht ſanft , freundlich und gelaſſen ;
Dein uͤbermuͤthger Blick ſpricht keine Gottheit mehr ;
Die zarte Bruſt hebt ſich von ſtillen Seufzern ſchwer ;
O Schoͤne , moͤchteſt du doch meine Treu erkennen ,
Mit welcher Sterbliche gewiß nie fuͤr dich brennen !
Ein Sylphe kniet vor dir — O zittre nicht zuruͤck ! Selbſt 268
Selbſt die Unſterblichkeit iſt ohne dich kein Gluͤck .
Jch ſah und liebte dich , und bin dir oft erſchienen ;
Doch keine Zaͤrtlichkeit las ich in deinen Mienen ;
Vergebens hat ein Band mit maͤchtger Zauberkraft
Ein ganzes Stutzerheer , das dich geliebt , beſtraft .
Nur deinetwegen that ich dieſe Wunderdinge ;
Durch mich ward ein Narciß zum bunten Schmetter - linge ;
Zu einem Schroͤter ward der kriegeriſche Held ,
Und das Jnſekt iſt noch der Prahler Degenfeld ;
Jm Mops hat Balamir an deiner Thuͤr geſcharret ;
Und Ronald iſt durch mich zum Haubenſtock erſtarret ;
Als Weſt huͤpft Charamund auf bunten Blumen fort —
Wie ? ( fiel Selinde ietzt dem Pudergott ins Wort )
Grauſamer , konteſt du an Menſchen das veruͤben ?
Und ich entſchloͤſſe mich , ſolch einen Geiſt zu lieben , Der 269
Der voller Eiferſucht , durch eines Bandes Macht ,
Bald den zum Schmetterling , und den zum Mops - hund macht ?
Sie ſagts , und lachte laut , und ſprach mit falſchen Mienen :
Alſo biſt du kein Menſch , ſo wie du mir geſchienen ?
Durch maͤchtge Zauberey , und durch ein Goͤtterband ,
Veraͤnderſt du Geſtalt , und Anſehn , und Gewand !
So ſuͤße Maͤhrchen kan kein andrer mir erzaͤhlen .
Doch , großer Zauberer , willſt du dies Band verhehlen ,
Und deine maͤchtge Kunſt ? — Wo iſt dies Zauber - band ?
Nur einen Augenblick vertrau es meiner Hand .
Sie ſagt es ; und faͤngt an falſchruhig ſich zu faͤ - cheln ;
Der halbverwirrte Geiſt ſieht ſie ſatyriſch laͤcheln ;
Wenn iſt die Liebe klug ? Der Pudergott , zerſtreut ,
Giebt ihr das Zauberband aus Unvorſichtigkeit .
Das Band beruͤhret ſie ; ſie ſtarrt — mit ſchnellen Haͤnden Ver - 270
Verſucht der Pudergott das Ungluͤck abzuwenden ;
Allein es war geſchehn ! Jhr rauſchendes Gewand
Vergieng , und halb floß es verſteinert in den Sand ;
Sie ward zur Statue vor Zephis ſtarren Blicken ,
Den ſo viel Reizungen auch noch im Stein entzuͤcken .
Jm Marmor noch blieb ſie die praͤchtigſte Geſtalt ;
Jhr Antlitz laͤchelte mit zaubriſcher Gewalt .
Kein Phidias vermag dem Stein mehr Reiz zu geben ,
Die ſtolze Schoͤne ſchien im Marmor noch zu leben .
Der arme Pudergott ſteht , wie vom Blitz geruͤhrt ;
Zerreißt das Zauberband , das treulos ihn verfuͤhrt ,
Und ſinkt der Statue verzweiflungsvoll zu Fuͤßen .
Auf einmal ſpringt er auf , die ſchoͤne Hand zu kuͤſſen ,
Und er kuͤßt kalten Stein . Sein Klagen fuͤllt die Luft ,
Und dringt mit Fittigen bis in Armindens Gruft .
Ar - 271 Arminde ſetzte ſich auf ihren Drachenwagen ,
Und folgt dem lauten Ruf verzweiflungsvoller Klagen ;
Sie ſieht den Pudergott : Steh auf ! ( ſprach ſie , ) mein Sohn ,
Und klage laͤnger nicht in einem ſolchen Ton .
Mit ſtarrem wildem Blick ſieht er zur Erde nie - der .
O Goͤttin , ( ruft er aus , ) gieb mir Selinden wieder !
Dies kan ich nicht , mein Sohn , ( verſetzt Arminde drauf , )
Das , was das Schickſal will , hebt meine Macht nicht auf .
Dies Band verwandelte , doch nie das ganze Weſen ;
Die Seelen blieben noch , das , was ſie ſonſt geweſen .
Der Stutzer flattert noch im Schmetterling herum ,
Und Ronald iſt auch noch im Haubenſtocke dumm .
Ein Charamund buhlt noch ſo gut , wie ſonſt , im Winde ;
Selinde bleibet auch im Marmor noch Selinde .
Die Schoͤne , welche ſtolz , und ſchoͤn und fuͤhllos war , Stellt 272
Stellt die Verwandlung auch ſtolz , ſchoͤn und fuͤhllos dar .
So ſprach die Zauberin , und nahm auf ihren Wagen
Den blaſſen Pudergott , und ſtillte ſeine Klagen ;
Sie eilt Kiefhauſen zu ; und er ſah oft zuruͤck
Nach ſeiner Statue mit wehmuthsvollem Blick .
Die neue Statue verherrlichte den Garten ,
Und ſchien auch noch im Stein Bewundrung zu er - warten .
Sie freut ſich , daß ſie noch ſo ſehr , wie ſonſt , gefaͤllt ;
Die Kenner ſahen ſie ; ihr Ruhm drang durch die Welt .
Ende der Verwandlungen .
Erſter Geſang . Der Phaeton . Erſter Geſang . S [274] [275] [figure] S inge , Muſe , den Unfall von einer verwegenen Graͤfin ,
Die es gewagt , neptuniſche Roſſe mit maͤnnlichem Muthe
Zu regieren ; vom Phaeton aber , ob gleich nicht beſchaͤ - digt ,
Jn den See geſtuͤrzt , den ietzt noch ihr Name ver - ewigt .
S 2 Die 276 Die du den Dichter beſeelſt , der bald die Schlach - ten der Maͤuſe
Ueber die Erde trompetet ; und bald , die Locke Belin - dens ,
Unter die Sterne verſetzt ; begeiſtre mich , komiſche Muſe ;
Oder Du , noch maͤchtger wie ſie , du , meine Seline !
Und der Oberſte Tromm ſaß hoch , im elaſtiſchen Lehn - ſtuhl ,
Fuͤhlte die Stalfedern nicht und ſybaritiſchen Polſter ;
Hoͤrte nicht des melodiſchen Cimbels harmoniſche Klaͤnge ,
Noch den ſuͤßen Geſang von ſeiner Tochter , Diana .
Eine gefuͤrchtete Furie peitſchte , mit Geiſeln von Schlan - gen ,
Lange den Alten ſchon ; Podagra heißt ihr ſchrecklicher Name .
Seine Fuͤße lagen in Betten , und dicken Verbaͤnden ,
Und ein knotichter Stock ward ſinkenden Armen zur Stuͤtze .
Ach ! nun dacht er zuruͤck an ſeine gewonnenen Schlach - ten ,
Ueber den Roßſchweif der Tuͤrken , und uͤber des Gal - liers Fahnen ! Noch 277
Noch mehr dacht er zuruͤck an ſeine gewonnenen Schlachten ,
Ueber die Maͤdchen der Freude , die holden Braunen und Blonden .
Denn ſie hatien , das wußt er , ſo wie die feurigen Weine ,
Seinen Koͤrper verderbt , und Gift in die Fuͤße gejaget .
Zweymal ſchon hatte der Mittag die gelbe Dirne gebraten ,
Und den durſtigen Landmann zum friſchen Becher gelo - cket ;
Zweymal ſchon drehten umſonſt ſich fett gemaͤſtete Huͤ - ner ,
Enten , und langgeſchnaͤbelte Schneppen , und Puter , ums Feuer .
Denn der Oberſte ſchrie fuͤr Schmerz , wie Mars , und zehntauſend ,
Und man durfte fuͤr ihn die traurende Tafel nicht de - cken .
Aber als ietzt zum drittenmale der Mittag ſich nahte ,
Sprach des Alten Tochter , Diana , zu Hannchen der Zofe :
Nimm die friſcheſten Schwaͤmme , die heute mir Pe - ter , der Kuhhirt ,
Aus dem Walde gebracht . Das einzige , welches mein Vater S 3 Et - 278
Etwan im Schmerze noch ißt , und hol mir aus mei - ner Commode ,
Wo Cornetten und Hemder und Schuͤrzen bey Dutzen - den liegen ,
Eine haͤusliche Schuͤrze , und folge mir nach in die Kuͤche ,
Denn dem Vater will ich dies Eſſen ſelber bereiten .
Da ſchlug Hannchen voll Schmerz die niedlichen Mar - morhaͤnde
Ueber dem Kopfe zuſammen , und ſprach mit weinen - der Stimme :
Meine ſchoͤne Gebietherin , nur eine feindliche Gottheit
Schaft in deiner verwegenen Bruſt ſo ſtolze Gedanken !
Welche Graͤfin waget ſich wohl zum unterſten Stock - werk
Jn die Kuͤche ? ſo tief hinab zum flammenden Feuer ,
Welches die Schoͤnheit verderbt , und alle Farbe ver - wuͤſtet ?
Wird , der eckle Geruch vom Eingeweide der Enten ,
Deine hochadliche Naſe trotz alles Rappee nicht erfuͤllen ?
Laß uns , o Schoͤne , doch nicht zu ſchmutzigen Koͤchin - nen finken , Und 279
Und vor dem ſchwarzen Geſicht der Kuͤchenjungen er - ſchrecken !
Jſt nicht Brandiß der Koch aus einer fuͤrſtlichen Kuͤche ?
Wird er nicht eben ſo gut , als wir , die Schwaͤmme be - reiten ?
Alſo ſprach ſie vergebens . Denn , unter den zaͤrt - lichen Klagen ,
Hatte die Graͤfin ſich ſchon mit einer Schuͤrze gewafnet ;
Und ſie lachte voll Hoheit , und ſprach : Komm , folg - mir , Feige !
Alsbald ſtiegen ſie beyde hinab in der Kuͤche Gewoͤlber ,
Gleich dem beherzten Ulyß ’ , und gleich dem frommen Eneas ,
Jn die bruͤllende Hoͤlle , voll Gluth , und praſſelnder Flammen .
Warlich ! ſchreckliche Bilder ! An einen Bratſpieß ge - ſchmiedet ,
Drehte der ſchwitzende Cunz , ein andrer Jxion , den Braten .
Karpfen lagen allhier mit aufgeriſſenen Baͤuchen ,
Schwammen in eigenem Blut , und ſchnappten nach eignen Gedaͤrmen .
Kochender Eßig wird bald wild uͤber die Floßfedern ſtroͤmen , S 4 Und 280
Und die glaͤnzende Schuppe mit Himmelsfarbe ſich faͤrben .
Eine gluͤhende Magd ſtreift , mit blutgierigen Faͤuſten ,
Einem Haſen das Fell voll Grauſamkeit uͤber die Ohren .
Ach ! er wird ſie nicht mehr am blumichten Abhang ſpitzen ,
Wird nicht mehr als die Zierde der Rammler im Sprunge ſich zeigen .
Brandiß der Wuͤtrich , und Koch , war dieſer Hoͤlle Be - herrſcher ,
Und ward reich und gemaͤſtet durch Marter und Quaa - len der Thiere .
Unrechtmaͤßig war er mit weißen Kleidern geſchmuͤcket ,
Denn der Nacht Liverey gebuͤhrte dem Pluto zu tragen .
Eine zackigte Gabel regiert er in grimmigen Handen ,
Und im Guͤrtel trug er ein ſcharfes moͤrdriſches Meſſer .
Alles buͤckte ſich tief , als ietzt die himmliſche Schoͤnheit
Sich dem Feuerheerd naht ; ſie ruft dem Koch ; voll Erſtaunen
Sieht er die Graͤfin vor ſich ſtehn , und ſinkt ihr zu Fuͤßen , Hoͤrt 281
Hoͤrt ihr Verlangen hierauf , und kuͤßt ihr zitternd die Schuͤrze .
Alsbald faßt er ſelber mit harten Haͤnden ins Feuer ,
Legt die gluͤhenden Braͤnde zurecht , und ſpielt mit den Braͤnden .
Alſo reitet im Feuer ein Waghals auf flammenden Balken ,
Waͤrmt ſich am krachendem Haus , und ſenget die gelbe Peruͤcke .
Oder ein kuͤhner Phyſikus faßt die electriſche Stange ,
Foͤdert den Donner heraus , und leitet in Funken den Blitz ab .
Wellen von Butter verſchlangen nunmehr die ſpru - delnden Schwaͤmme ,
Und es ſtralte voll Gluth der Graͤfin purpurne Wange ;
Obgleich Hannchens zitternde Hand mit dem Schnupf - tuch ſie ſchirmte .
Und nun war es vollbracht . Auf einem ſilbernen Teller
Raucht das hohe Gericht , und wartet , verzehret zu werden .
Etwas hatte der nagende Schmerz den Alten verlaſſen ,
Und ſein Magen fieng an , nach einem Ragout ſich zu ſehnen ; S 5 Als 282
Als ſich Diana zu ihm , mit ihrem Pilzengerichte ,
Voller Zaͤrtlichkeit naht , und ſo holdſelig ihn anredt :
Theureſter Vater , wie ſehr hat meine Seele gezittert ,
Und des Podagra Wuth vor dich gewiß mit gefuͤhlet !
Aber dieſes iſt nun der dritte Mittag , da Brandiß
Seine beſten Kuͤnſte vergeblich verſchwendet , und trauret ,
Daß die Schneppe nicht ſchmeckt , und die Paſtete ver - ſchmaͤht wird .
Doch ich hoffe mit Recht , du werdeſt dein Leibgericht eſſen ,
Das ich mit eigenen Haͤnden fuͤr dich , mein Vater , bereitet .
Dieſes ſagte ſie . Laͤchelnde Freude verſchoͤnert den Alten ,
Und ſein ſilbernes lockigtes Haar umzittert das Haupt ihm .
Zaͤrtlich ſprach er zu ihr : Du haſt es gluͤcklich errathen ,
Meine geliebte Diana , was ich zu eſſen gewuͤnſchet ;
Und mein Traum wird erfuͤllt , mir hat von Schwaͤm - men getraͤumet . Keine 283
Keine Pariſerpaſtete , noch Schneppen und bunte Fo - rellen ,
Koͤnten mich in Verſuchung fuͤhren , mit Wolluſt zu eſſen ;
Aber Champignons , Champignons ! theureſte Tochter , die eß ich ,
Oder ich hieße nicht Hans ! Wo ſind ſie ? Man decke die Tafel .
Schleunig ſetzten zween Diener , in ihren Roͤcken voll Borden ,
Eine Tafel gedeckt , vor den ermunterten Alten ;
Und es traten herein , der Jnformator der Graͤfin ,
Und die hagre Franzoͤſin , und ſetzten mit ihm ſich zur Tafel .
Ein gehoͤrnter Kapaun ward in der ſilbernen Schaale
Aufgetragen , und badete ſich in der kraͤftigen Suppe ;
Von dem eignen Gebeine kraͤftig , ihm ſelbſt nicht ge - nießbar ;
Einem Geizhals gleich in ungebrauchtem Vermoͤgen .
Eine Paſtete kam auch von Haſelhuͤnern , und dampfte .
Wolluſt und ſuͤßen Geruch ; und ein halbwuͤchſigter Haſe , Bun - 284
Bunter mit Specke geſpickt , als ein Pedante mit Griechiſch .
Auch Forellen hielten den Schwanz in zaͤhnvollen Ra - chen ;
Doch bald wird ſie getroſt der Jnſormator vorzehren ,
Der ſie mit Fluthen von Wein in ſeinen Magen hinab - ſchwemmt .
Jetzo ſchmeckte mit Luſt der Alte die herrlichen Pilzen ,
Und ein gnaͤdiger Beyfall bekroͤnt die Kochkunſt Dia - nens .
Jn dem ſuͤßen Affect beſahl er , zur Freude der Gaͤſte ,
Eine Flaſche Tokaler aus ſeinem Keller zu holen .
Als ſie kam , da fuͤllt er ſelbſt die kryſtallenen Glaͤſer ,
Trank auf Dianens Geſundheit , und ſprach dem Po - dagra Hohn zu .
Auch der Jnformator goß ietzt , auf der gnaͤdigen Graͤfin
Hohes Wohlſeyn , den theuren Tokaier gewaltig hinunter :
Wie ein Strom im Gebirge , Kunſtwerko zu treiben , hin - abfließt .
Voller Freuden umarmt der Alte noch einmal die Tochter , Sag - 285
Sagte : Du haſt mich gelabt ; mein Podagra hat mich verlaſſen .
Bitte nun , was du nur willſt , von deinem guͤtigen Vater ;
Feyerlich ſchwoͤr ich dir zu , ich halt es , ſo wahr ich Hans Tromm bin .
Dieſes war ſein groͤßeſter Schwur , ſo wie bey den Goͤt - tern
Ehmals der Styx . Die Graͤfin verfaͤrbte beſcheiden die Wangen ,
Und ſtand auf , und verneigte ſich tief , und ſprach zu dem Vater :
Wenn du mich liebſt , und deine Diana nicht unwerth der Liebe
Eines Helden ſeyn ſoll , der wider die Tuͤrken geſtritten ;
Wenn es wahr iſt , was du mir oft mit Beyfall ver - ſichert ,
Daß kein Junge noch je ſo gut zu Pferde geſeſſen ;
So erlaube mir , Vater , daß , wenn die morgende Sonne
Meinen Geburtstag beſtralt , ich , ohne maͤnnliche Huͤlſe
Mit dem Phaeton ſahre , mit welchem noch niemand gefahren ,
Und in dem Stalle dazu die Pferde mir ſelber erwaͤhle .
Die - 286 Dieſes ſagte ſie . Traurig zerriß der Alte den Schlafrock ,
Und die Franzoͤſin ſchlug ſich vor ihren breternen Buſen .
Kind des Ungluͤcks , was bitteſt du mich ! ( verſetzte der Alte , )
Konteſt du anders denn nichts , als ſchwarze Gefahren verlangen ?
Maͤdchen zu ſeyn , iſt dein Schickſal , du bitteſt nicht , als ein Maͤdchen .
Was du bitteſt , iſt groß , und vor die kindiſchen Jahre
Und die ſchwache weibliche Hand nur allzugefaͤhrlich !
Selber zu fahren , iſt ſchwer . Nur ich allein , und An - dreas
Koͤnnen die Pferde regieren , die du zu lenken vermey - neſt .
Warum wurdeſt du nicht zum wilden Jungen gebohren !
Aber du biſt ganz das Bild von deiner heroiſchen Mutter ,
Eine tapfre Serini , die mich ins Schlachtfeld begleitet ,
Und durch die wilde raſende Luſt mit Hengſten zu fahren ,
Fruͤher ihr Leben verlohr — ſoll ich nun dich auch ver - lieren ?
Alſo 287 Alſo ſprach er ; und Thraͤnen floſſen in finſtere Runzeln ,
Wie der zerſchmelzende Schnee in braunen Furchen verſieget .
Aber , mein Vater , ( erhub die junge Graͤfin die Stimme , )
Warum fuͤrchteſt du dich , da ich mich ſelber nicht fuͤrchte ?
Hab ich von Jugend auf nicht auf wilden Pferden geritten ,
Auf dem ſpaniſchen Gaul , und auf dem ungriſchen Klepper ?
Oder iſt es ſo ſchwer , mit einem Wagen zu fahren ?
Bin ich nicht oft auf der Jagd dein kuͤhner Kutſcher geweſen ?
Vater , du willſt nur nicht den neuen Phaeton wagen !
O vertraue mir ihn , ich bring ihn ſchadlos zuruͤcke .
Alſo ſprach ſie , und ſchwieg ; und ihre bluͤhende Jugend ,
Und der Schoͤnheit Gewalt , beſiegen den furchtſamen Vater .
Nun , es ſey dir erlaubt , ich habe geſchworen , und halt es .
Nimm den Phaeton hin , und waͤhle dir ſelber die Pferde , Die 288
Die am willigſten ſind . Doch weiter ſollſt du nicht fahren ,
Als aufs Gut Amalienburg zu deiner Verwandtin .
Alsbald kuͤßt ihm entzuͤckt die junge Heldin die Haͤnde ,
Neigt ſich vor ihm , und fliegt davon , um Anſtalt zu machen .
Und vergebens ruft ſie der Jnformator zur Schule ,
Und die Franzoͤſin zur Arbeit , ſie eilt , und ſuchet ihr Hannchen .
Zweyter Geſang . Der Phaeton . Zweyter Geſang . T [290] 291 H annchen ! Hannchen ! erſcholl der Graͤfin liebliche Stimme ;
Hannchen rufte die Wand , und Hannchen rufte das Echo .
Endlich erſchien ſie . Sie hielt in ihren fleißigen Haͤnden
Einen embrioniſchen Strumpf , zur Haͤlfte gebohren ,
Deſſen voͤlliges Seyn noch in der Zukunft verhuͤllt lag .
Freue dich ! ( ſagte die Graͤfin zu ihr ) mein guͤtiger Vater
Hat mir erlaubt , mich ſelbſt im neuen Wagen zu fahren .
Morgen will ich im hohen Triumph , mit wiehernden Roſſen ,
Meine Couſine beſuchen , und in dem fliegenden Trabe
Wie ein Sturmwind daherziehn , daß von dem don - nernden Rade
Jn den ſchuͤtternden Fenſtern die Scheiben erbeben ſollen .
Mache mir alles zurecht am Amazonenhabite , T 2 Und 292
Und bereite dich ſelber mit mir zur luſtgen Spazierfahrt .
Und die Zoſe ward blaß , ſo daß ihr Strumpf aus der Hand faͤllt ,
Und ſie vor Schrecken verſtummt . Hilf Himmel ! ( ver - ſetzte ſie endlich )
Hoͤr ichs , oder taͤuſcht mich ein Traum ? Gleich baͤrti - gen Kutſchern
Willſt du , Graͤfin , dich ſelbſt in einem Phaeton fahren ?
Was fuͤr Ungluͤck drohet dir nicht ! Jn was vor Ge - fahren
Renneſt du hin ! Doch renne hinein ! Jch liebe mein Leben ,
Und verlange noch nicht , ſo jung mich raͤdern zu laſſen .
Feiges weibliches Herz ! ( verſetzte die muthige Graͤfin )
Biſt du denn beſſer , als ich ? Wer will denn , Thoͤrin , dich raͤdern ?
Laß den Sorgen nicht Raum , und nimm zum ſchlechten Geſchenke
Dieſes mohrne Kleid , das ich nur dreymal getragen .
Muth und Freude goß ſich in Hannchens beſtochene Seele .
Von dem Geſchenke der Graͤfin bekehrt , erhebet ſie ſchmeichelnd
Jhren heroiſchen Muth , und ſpricht mit prahlenden Worten : Koͤnnt 293
Koͤnnt ich dich , o Graͤfin , verlaſſen ? Mit freudigem Herzen
Geh ich mit dir in jede Gefahr . Schon ſeh ich die Zuͤgel
Jn der ſicheren Hand , du wirſt den Phaeton fuͤhren
Beſſer als wie Andreas ihn fuͤhrt , der muͤrriſche Schnurr - bart.
Alſo ſagt ſie . Diana ſchießt die Treppe hinunter ,
Und ihr Achates , ihr Hannchen , mit ihr zum wiehern - dem Stalle .
An der Pſorte des Stalles empfieng ſie der Kutſcher Andreas ;
That ſein Pferdemaul auf , und gruͤßte die gnaͤdge Com - teſſe .
Huldreich dankt ihm die Graͤfin mit einem bezaubern - den Laͤcheln ,
Und ſie trat in den praͤchtigen Stall , von Hannchen begleitet .
Pferde ſtanden allhier in langgeordneten Reihen ,
Die den guͤldenen Hafer aus muſchelfoͤrmigen Krippen
Fraßen ; jegliches Roß war von dem andern geſondert ,
Und ein Pfeiler von Stein ſprach ſeinen bedeutenden Namen .
Nenne die Namen , o Muſe ! Der wilde Centaurus , ein Springer , T 3 Leicht 294
Leicht auf zierlichen Schenkeln , er wiehert der Graͤfin entgegen .
Ein hochmuͤthiger Schimmel , der gern ein Spanier ſeyn will ;
Zum Baſtarde ſich wuͤnſcht , und ſeine Herkunft verachtet .
Perle , mit Aepfeln gefleckt , und eine Daͤniſche Stute ,
Spitzte muthig das Ohr , und goß vom ſcheckigten Ruͤ - cken
Einen praͤchtigen Schweif herab auf marmornes Pfla - ſter .
Muck , ein ungriſcher Fuchs , prahlt mit verſtuͤmmelten Ohren ,
Die ihm die Tuͤrken verſchlitzt , und mit dem Brand - mahl der Feinde .
Neben ihm ſtampfte Farouch , ein jagdgewoͤhnter Pola - cke ;
Dampf brauſt aus der hohen gekruͤmmten Naſe . Die Adern
Beißt er oft ſelber ſich auf , und wiehert Begierde zum Jagen .
Dieſe hatten als Sklaven noch nie vor Wagen gezogen ,
Und verachteten ſtolz die andern vollen Geſpanne .
Sechſe , von gleicher Geſtalt , mit ſchwarzen Koͤpfen und Maͤhnen ,
Waren des Oberſten beſter Zug , und hießen die Moh - ren . Doch 295
Doch zween weiße Hengſte , ſo weiß , wie der blenden - de Schnee iſt ,
Waren die Krone des Stalles ; von ſpaniſcher Art , und ſo muthig
Wie die Pferde der Sonne ; in ihrem ſiebenten Jahre
Waren ſie erſt ; man hatte beſtaͤndig zugleich ſie erzogen ;
Caſtor hieß einer , und Pollux der andre . Bedeuten - de Namen ,
Die dem edlen Paar der erſte Bereiter gegeben .
Dieſen naht ſich Diana . Sie kanten die Stimme der Graͤfin ,
Und die ſchmeichelnde Hand , die ihre Ruͤcken geklopfet .
Jhr , großmuͤthige Roße , ( ſo ſprach ſie ) meine Bekanten ,
Meine Lieblinge , lange ſchon hat Diana gewuͤnſchet ,
Euer Kutſcher zu ſeyn , und eure Naſen zu lenken .
Dieſer mein Wunſch iſt gewaͤhrt ; mein Vater hat mir erlaubet ,
Jn dem Phaeton morgen die erſte Spazierfahrt zu machen .
Jch erwaͤhl euch dazu , obgleich die Mohren drob murren ,
Und das Purpurgeſchirr , ſo euch wird ſchmuͤcken , benei - den . T 4 Viel 296
Viel zu edel und ſtolz , als daß euch Kutſcher regieren ,
Will ich ſelber euch lenken , und durch die Ebene jagen .
Wenn ihr gehorſam ſeyd , und nicht rebelliſch mir durch - geht ,
So verſprech ich euch auch , daß ihr zwoͤlf Tage den Hafer
Ohne Heckerling freſſen , und meine Lieblinge ſeyn ſollt .
Alſo Diana . Pollux kuͤßt ihr ſchmeichelnd die Haͤnde ,
Und erfreut ſieht Caſtor ſich um , und wiehert ihr Beyfall .
Sie verließ ſie , und ſprach zum alten Kutſcher Andreas :
Schmiere des Phaetons Raͤder , denn mit der morgen - den Sonne
Will ich ſelber mich fahren . Nimm auch die rothen Geſchirre
Und polire die Schnallen und blindgewordenen Puckeln .
Voller Verwunderung ſperrt Andreas , den zaͤhnloſen Mund , auf .
Aber Diana geht fort , und laͤßt ihn in der Erſtaunung
Dumm und gedankenlos ſtehn , und eilt zum Zimmer zuruͤcke .
Jetzo warf ſich die Graͤfin in einen ſammetnen Seſſel , Und 297
Und gab fuͤr den morgenden Putz der Zofe Befehle .
Laß uns , ( ſprach ſie zu ihr , ) zu dieſem wichtigem Werke
Unſre Gedanken verſammeln , und lege mir alles zurechte .
Und die Zofe gieng hin , und nahm aus einer Commode
Jhr Amazonengewand mit hellem Gruͤne gefaͤrbet .
Schimmernde Schleifen voll Lahn , und dicke goldene Trotteln
Zitterten vorn an der Bruſt , und ſtreuten Stralen ins Auge .
Einen gebiethriſchen Hut mit einer ſchimmernden Feder ,
Wie ihn Juͤnglinge tragen , die an dem Ufer der Saale ,
Oder der leimigten Leine , die Freyheit der Muſen be - ſchuͤtzen ,
Legte die Zofe dazu , der Graͤfin Miene zu heben .
Auch ein maͤnnliches Hemd , mit ausgebognen Man - ſchetten ,
Neue Daͤniſche Handſchuh , fuͤr Knabenhaͤnde geſchaffen ,
Legt ſie ferner ihr hin , nebſt einer neuen Soubiſe .
Alles billigt die Graͤfin , und waͤhlt das Band zu den Haaren . T 5 Per - 298
Perlenfarbenes Band wird von der Graͤfin gewuͤrdigt ,
Zu dem morgenden Tag pechſchwarze Locken zu binden .
Alſo lagen vor ihr unuͤberwindliche Waffen ,
Herzen der Maͤnner gefaͤhrlich , und manchem Juͤng - linge toͤdtlich .
Eben ſo lagen vor dir die Waffen , ſtolzer Achilles ,
Die dir im heißem Veſuv , der hinkende Schmiedegott ſtaͤhlte ,
Dem Trojaner ein Donner , und toͤdlich dem Sohne des Priams .
Noch in Gedanken vertieft von ihrer morgenden Aus - fahrt ,
Naht ſich Kahlmann zu ihr , der Jnformator , und ſagte :
Muthige Schoͤne , verzeih dem Groͤßten deiner Verehrer ,
Oder , darf ich es wagen , mich mit dem Namen zu nen - nen ,
Deinen Lehrer , der ganz in Unterthaͤnigkeit ſtirbet ,
Noch ein Wort der Warnung an dich ergehen zu laſſen .
Die Geſchichte ſagt uns von einem verwegenen Juͤngling ,
Einem Sohne der Sonne , dem Phaeton , welcher dem Wagen , Den 299
Den du morgen zu ſuͤhren gedenkſt , den Namen gegeben .
Er vertraute zu viel auf ſeine Klugheit und Staͤrke ,
Wollte ſo gut , wie Phoͤbus , die Himmelspferde regieren ,
Aber ſtuͤrzte herab vom Wagen , und brante die Welt an ,
Wie das alles mit mehrerm zu leſen — Mein theureſter Kahlmann , ( Fiel ihm die Graͤfin ins Wort , und lacht ihm ſaty - riſch ins Antlitz )
Welche Weisheit redet aus dir ! Doch hof ich , die Warnung
Kan Dianen nicht treffen ; nimm deine Warnung zu - ruͤcke .
Jch bin keine Tochter des Phoͤbus ; zu himmliſchen Pferden
Will ich mich nicht verſteigen , ich fahre mit irdiſchen Hengſten ,
Und vergeblich iſt es , mir meinen Entſchluß zu beſtreiten .
Kahlmann machte hierauf den ehrerbietigſten Buͤckling ,
Daß die Naſe beynah bis auf die Erde geſtoßen .
Doch ein bedeutender Blick flog , da er weggieng , auf Hannchen ,
Die er lange ſchon liebte , zwar etwas pedantiſch , doch zaͤrtlich . Hann - 300
Hannchen folget ihm nach , fuͤhrt ihn aus Fenſter , und ſagte :
Welch ein verwegner Entſchluß ! Die Graͤfin iſt nicht zu bewegen ,
Sie beharret voll Eigenſinn drauf , ſich ſelber zu fahren ,
Und ich ſoll ſie begleiten ! Ach bitte , theurer Geliebter ,
Daß kein Ungluͤck uns trift ; mein Herz weißaget mir Boͤſes .
Da ergoſſen ſich Stroͤme von Thraͤnen , und Seufzer erſchollen
Jn den hallenden Saal , und Kuͤſſe rauſchten zum Ab - ſchied .
Wie einander umarmend , bey einem ſchleunigen Mar - ſche
An den Ecken der Straßen die Krieger und Maͤgde ſich letzen ,
Ewige Treue ſich ſchwoͤren , und harte Faͤuſte ſich druͤcken :
Alſo ſuchten ſich auch die beyden Verliebten zu troͤſten .
Doch die ſilberne Schelle der Graͤfin erklinget ; die Zofe
Trocknet die Augen ſich ab , und legt die Lippen in Fal - ten .
Schon hat ihr plumper Amant ſie aus dem Geſichte verlohren
Und geht hin , und vergißt ſie darauf bey der dampfen - den Pfeife .
Dritter Geſang . Der Phaeton . Dritter Geſang . [302] 303 F ama poſaunet indes mit ihrer Wundertrompete ,
Die Partheygaͤnger oft , und Held , und Dichter in Sold nimmt ,
Ueber die Gegenden aus : Diana werde ſich ſelber
Mit heroiſchem Muth auf ihrem Phaeton fahren .
Dieſes hoͤrte der Neid , und ziſchte mit allen den Schlan - gen ,
Welche ſein trauriges Haupt ſtatt einer Peruͤcke verhuͤl - len .
Jſt denn , ( ſprach er , ) die Welt zu meiner Plage ver - ſchworen ,
Und will alles nunmehr merkwuͤrdge Thaten verrichten ?
Von den ſtolzen Koͤnigen an , die ſelber regieren ,
Selber Schlachten gewinnen , bis auf des Parnaſſus Jnſecten
Schnaubt ietzt alles nach Ruhm . Wie fruchtbar iſt Deutſchland an Helden ,
Und wie fruchtbar an Dichtern , die Jliaden uns drohen ! Selbſt 304
Selbſt das ſchoͤne Geſchlecht iſt halb zu Maͤnnern ge - worden .
Huͤte ſchmuͤcken den Kopf , und Amazonenhabite
Oft zu zerriſſenen Hemdern gehn auf den Doͤrfern in Schaaren .
Daß die Schoͤne zu Wien auf leichten Pferden dahin - fliegt ,
Von dem lauten Geſchrey des frohen Volkes begleitet ,
Hab ich leider geſehn ! doch ſoll ich ſogar noch erleben ,
Daß , wie die Helden der Alten die Dame ſelber ſich faͤhret ,
Und durch edlen Muth die blendende Schoͤnheit erhebet .
Nein , ich waͤre nicht Neid , wofern ich dies ruhig er - laubte !
Wenigſtens ſoll doch die Fahrt zu einem Trauerſpiel werden !
Schleunig ſchwinget er ſich mit ausgeſpreiteten Fluͤgeln
Ueber die ſchreckliche Hoͤle hinaus , die den Wuͤtrich be - herbergt .
Und die Nacht hieng duͤſter herab vom wolkigten Himmel
Ueber die niedern Huͤtten des eingeſchlafenen Landmanns .
Jetzo giengen , erloͤſt von ihren ehernen Ketten , Lange 305
Lange Geſpenſter umher , und machten die Hofhunde bellen .
Mancher ſchreyende Kantz , und mancher wahrſagende Kibitz ,
Foderten Leichen vom Dorf ; ein ſuͤßer Geſang fuͤr den Cantor ,
Welcher voll Aberglauben auf haͤufige Leichen ſich freute .
Auf dem Schloß des Barons , des treuſten Verehrers der Graͤfin ,
Sinkt der ruſigte Fittig des wuͤthenden Neides hernie - der .
Hier verwandelt er ſich in einen lachenden Sylphen ,
Und erſchien dem Baron mit dieſen guͤldenen Worten :
Wie ſchlaͤfſt du ſo ſanft , du Schoͤnſter der Sterblichen . Anmuth
Schmuͤcket die Wang auch im Schlaf , und Sieg die offene Stirne .
O! wie ſchlank iſt dein Wuchs , und o ! wie hohl iſt dein Ruͤcken ,
Wenn du zu Pferde dich zeigſt , und wenn du zum Tan - ze hervortritſt .
Du verdieneſt es auch , daß eine Diana dich liebet ,
Dieſe Zierde der Gegend , die erſte Blume der Schoͤnheit .
Aber weißt du auch wohl , wozu ſich die Graͤfin ent - ſchloſſen ? U Mit 306
Mit den wildeſten Hengſten will ſie im Phaeton fahren ,
Selber will ſie ſich fahren , ohn alle maͤnnliche Huͤlfe .
Aber dies heißt dich , Baron , und deine Liebe verachten .
Raubt ſie dadurch nicht dir , und allen Maͤnnern das Vorrecht ,
Das geheiligte Recht , allein mit Pferden zu fahren ?
Ueberlaͤſſeſt du ihr die Zuͤgel des Caſtor und Pollux ,
O ſo biſt du nicht werth , die weiße Feder zu tragen ,
Oder den ruͤhmlichen Namen von einem Ritter zu fuͤhren !
Kanſt du gelaſſen es ſehn , daß ſie im Phaeton glaͤnzet ;
Selbſt wie Aurora ſich faͤhrt , und Maͤnnerrechte ver - hoͤhnet ;
O! ſo kanſt du dich nur , gleich einem Alcides , erniedern ,
Und mit Demuth am Rocken von deiner Omphale ſpinnen .
Alſo der Neid ; und ließ in ſchweren aͤngſtlichen Traͤumen
Den Verliebten zuruͤck , und flog zu des Oberſten Stalle .
Eben ſchnarchte gernhig der wachehaltende Stallknecht , Und 307
Und ietzt kaͤuten die muthigen Roſſe das naͤchtliche Futter .
Hier verwandelt er ſich in den baͤrtigen Kutſcher Andreas ,
Und ſprach alſo zum Caſtor , und zum ſchoͤnmaͤhnigten Pollux :
Roſſe , von ſpanſchem Geſchlecht , ihr wißt , daß immer Andreas
Euch geliebt , und euren Stammbaum getreulich bekraͤf - tigt .
Will ſich der Springer wohl ruͤhmen , als ob er mit euch zu vergleichen .
Auch ein Spanier ſey , und eben den Vorzug verdiene ,
Den euch der Oberſte giebt , und euch Andreas gegeben ?
Niemals hat euch der Knall der rothen Peitſche gezuͤch - tigt ;
Niemals hat euch ein brauſender Fluch die Ohren be - leidigt .
Ja , ich darf es wohl ſagen , wir haben als Freunde ge - lebet ,
Und ich habe mit euch ſo manche Stunde verſprochen .
Aber , wertheſten Hengſte , wie ſeyd ihr auf einmal gefal - len !
Einem Kinde ſeyd ihr , als Steckenpferde , geſchenket !
Ja , ein Maͤdchen ſoll nun die muthigen Roſſe regieren , U 2 Die 308
Die der Oberſte ſelbſt nicht zu regieren gewaget !
Warlich ! zu ſchimpflich fuͤr euch , zu ſchimpflich fuͤr eu - ren Andreas .
Wenn ihr noch Wallachen waͤrt , waͤrt ihr nur ſchlaͤfri - ge Stuten ,
Waͤrt ihr etwa niemals auf einer Reitbahn geweſen ,
Oder wenn euer Kutſcher nicht Kutſcher zu heißen ver - diente !
Aber wie macht nicht mein waldichter Bart vom Bocke Parade ,
Wenn ich mit ſtummen Zeichen , und mit den Augen euch lenke ,
Und anſehnlicher bin , als mancher fuͤrſtliche Kutſcher .
Warum will mich denn nun die ſtolze Graͤfin verachten ?
Will ſie mehr ſeyn , als ich , der alt bey Pferden gewor - den ,
Und ſo manchen gefahren auf allen Naͤthen verguͤldet ?
Aber leidet es nicht , ihr meine getreue Gefaͤhrten ,
Daß ein Kind euch regiert ; denn kan man anders ſie nennen ?
Werdet fluͤchtig mit ihr ! Sie wird fuͤr Schrecken er - blaſſen ,
Und nicht wieder es wagen , mit euch ſpazieren zu fah - ren .
Alſo 309 Alſo ſagt er , und ſpritzt von ſeinem verderbendem Gifte ,
Ein paar Tropfen ins Futter der ſonſt gehorſamen Hengſte ,
Und verſchwand . Der giftige Hafer erhitzet die Roſſe ,
Daß ſie wilder , als ſonſt , ſich baͤumen , und ſtampfen und wiehern .
Aber von ſchwarzen Traͤumen gequaͤlt , verließ ſchon der Freyherr
Sein damaſtenes Lager noch vor dem Anbruch des Morgens .
Dreymal pfiff er auf Petern mit einer durchdringen - den Pfeife ,
Daß das einſame Schloß in allen Winkeln es hoͤrte ;
Daß die Fenſter erklungen , und alle Jagdhunde bellten ,
Und ein raͤubriſcher Marder , geſchreckt vom ſchmettern - den Schalle ,
Ohne die Huͤhner zu ſchmecken , auf halbem Wege ſich um - wand .
Peter erſchien . Gleich ſattle mein Roß ( befahl ihm der Juͤngling , )
Mit dem Anbruch des Tags will ich zum Oberſten jagen .
Da er beſchaͤftiget war , in groͤßter Eil ſich zu putzen ,
Und ſchon am geſtiefelten Fuß der ſilberne Sporn klirrt ;
Trat die Tante herein . Schon eine betagte Matrone , U 3 Liebte 310
Liebte ſie zaͤrtlich den jungen Baron , wie Muͤtter nur lieben .
Von der ſchrecklichen Pfeife geweckt , verließ ſie das Lager ,
Sah den Freyherrn geſtiefelt , und ſprach : mein Fritz , mein Geliebter ,
Sage ! wohin ſo fruͤh ? Zur Graͤfin Diana , verſetzt er .
Wie ? ( ruft aͤngſtlich die Tante , ) noch eh am oͤſtlichem Himmel
Sich das Morgenroth zeigt , willſt du zu Pferde dich ſe - tzen ?
Wenigſtens hof ich , mein Sohn , du wirſt mit dem Trank der Levante
Dich verwahren ! Dies that dein ſeliger Vater ! Er ritt nicht
Ohne Caffee getrunken zu haben . Die Nebel ſind ietzt noch
Giftig . Haſt du auch Luſt , mein Sohn , zu gluͤhen - dem Weine ?
Willſt du Choklate ? Befiehl ! Sie ſoll den Augenblick da ſtehn .
Aber der Juͤngling verbat voll Ungeduld alles ; und eilet
Von der Tante die Stufen hinab . Er ſchwingt ſich zu Pferde ,
Jagt von dannen , und Wolken von Staub verhuͤllen den Juͤngling .
Heiße Thraͤnen vergießt die klagenreiche Matrone ,
Und ihr thraͤnender Blick folgt ihm noch lange von fern nach .
Vierter Geſang . Der Phaeton . Vierter Geſang . [312] 313 U nd ſchon zog mit roſichter Hand Aurora den Vorhang
Daͤmmernder Wolken hinweg von wieder erwachenden Fluren .
Duftend und glaͤnzend trat ſie daher , und troͤpfelte Perlen
Auf die Erde . Die Sterne verſchwanden ; die ſchim - mernden Schaaren
Treibet Lucifer fort , und geht aus dem Himmel der Letzte .
Tief im erwachenden Dorf ſtand ietzt hochtoͤnend der Kuhhirt ,
Und erweckte die Dirne mit einer erſchrecklichen Peitſche .
Schwarz und ſcheckigt , und roth , gieng ietzt die bloͤcken - de Heerde
Nach dem Stoppelfeld zu , und von harmoniſchen Schellen
Schallten die Thaͤler , der winkende Hain , die glaͤnzen - den Huͤgel ;
Als der Kutſcher Andreas ſich in das Wagenhaus machte ,
Und die Huͤlle vom Phaeton nahm ; mit herkuliſchen Kraͤften U 5 An 314
An die Deichſel ſich ſtellt , und ihn allein auf den Hof faͤhrt .
Und er ſtand in der Mitte des Hofs . Mit guͤlde - nem Schnitzwerk
War er geziert ; ein Wunder der Welt . Aurora ward neidiſch ,
Daß ihr veralteter Wagen nicht dieſem Phaeton gleich kam .
Ganz im barockſchem Geſchmack war er vom Kuͤnſtler geſchaffen .
Eine verguͤldete Muſchel formirte den Kaſten ; und hinten
Ragt aus der Muſchel ein Mohr , mit einem ſilbernen Turban ,
Welcher einen Sonnenſchirm hielt , mit Drotteln und Franzen ;
Ein neumodiſcher Himmel , der praͤchtig die Fahrenden deckte .
Purpurne Raͤder mit Laubwerk durchwebt , und leicht , wie die Raͤder
An dem Wagen Neptuns , von Waſſerpferden gezogen ,
Werden im glaͤnzenden Sande die fluͤchtigen Spuren nicht zeigen ,
Oder auf thauigtem Gras , wie Zephir , die Spitzen kaum biegen .
Ein balſamiſches Theer traͤnkt ietzt die durſtigen Raͤder ;
Und es feget den zarten Staub ein ſtraͤubender Borſtwiſch Aus 315
Aus den Fugen der Muſchel , und aus den zierlichen Speichen .
Axen werden probiert , und Linzen werden befeſtigt ;
Und Andreas war fertig mit aller Arbeit am Wagen .
Ploͤtzlich ſprengt in den Hof der edelmuͤthige Frey - herr ,
Sieht den Phaeton ſtehn , und fuͤrchtet des Traumes Erfuͤllung .
Kutſcher , wer faͤhrt in dem Wagen ? Die Graͤfin , ver - ſetzte der Kutſcher .
Kan dies ihr Vater erlauben ? ſprach voll Verwundrung der Freyherr ,
Und der Kutſcher zuckte die Achſeln , und ſagte nichts weiter .
Traurig trat der Baron ins Zimmer des Alten . Er ſchrie ihm
Froͤhlich entgegen : woher ſo fruͤh ? und fuͤllte die Pfeife .
Gnaͤdiger Herr , verſetzt der Baron , die Graͤfin zu retten ,
Komm ich hieher , da kaum die erſte Daͤmmerung anbricht .
Wie ? ihr zaͤrtlicher Vater erlaubt ihr , ſich ſelber zu fahren .
Dies iſt viel ! O wenn ihr nur nicht ein Ungluͤck begegnet ?
Und was treibet ſie denn zu dieſem verweg [ne ] n Entſchluſſe ? Hat 316
Hat ſie nicht Zeitvertreib gnung ? Steht nicht ein praͤchti - ger Fluͤgel
Auf dem Saale fuͤr ſie , durch den ſie uns oftmals dahin reißt ,
Wenn ſie mit engliſcher Stimme , gleich einer Aſtroa , zaubert ?
Und ſtehn nicht im Cloſet in ſchoͤnverguͤldeten Baͤnden
Witzige Deutſche , Franzoſen , und Britten , nur ſie zu vergnuͤgen ?
Lockt nicht die bunte Tapete , die Stickerey zu vollenden ,
Die ſie mit groͤßtem Geſchmack zu ihrer Freude gezeichnet ?
Uns gehoͤret allein die Herrſchaft uͤber die Pferde ;
Und in ſolche Gefahren muß keine Dame ſich ſtuͤrzen ,
Liebreiz ſchmuͤck ’ ihr holdes Geſicht , und Sanftmuth die Seele .
Junge , du ſprichſt wie ein Buch , ( gab ihm der Alte zur Antwort , )
Aber muß ich nicht halten , was ich ausdruͤcklich ver - ſprochen ?
Geſtern bringt mir das Maͤdchen , in meinem aͤuſſerſten Schmerzen ,
Einen Teller mit Schwaͤmmen , die ſie mir ſelber bereitet ;
Voller Freude darob verlaͤßt mich das Podagra . Maͤdchen , ( Sprach 317 ( Sprach ich , ) bitte von deinem Vater das , was du ver - langeſt ;
Jch erfuͤll es , ( und ſchwur dabey , ) ſo wahr ich Hans Tromm bin .
Siehe , da bittet das Maͤdchen , was kaum ein Junge gebeten .
Kanſt du es hindern , mein Sohn ; du wirſt mich ewig verpflichten .
Wenigſtens , ( ſagte der Freyherr , ) theil ich mit ihr die Gefahren ,
Und verlaſſe ſie nicht im Phaeton , oder im Tode .
Fahren ſoll ſie zwar ſelbſt , doch ſollten die muthigen Hengſte
Sich in Freyheit zu ſetzen , und fluͤchtig zu werden ver - ſuchen ;
So vermag ich doch noch , mit ſtarken geuͤbteren Haͤnden
Jn die Zuͤgel zu fallen , und ſie vor Ungluͤck zu retten .
Alſo ſagt er , der freudige Vater umarmet ihn zaͤrt - lich .
Aber dem Freyherrn klopfte das Herz nach ſeiner Diana ,
Die am Nachttiſch noch war in Hannchens putzenden Haͤnden .
Endlich erſchien ſie , geſchmuͤckt , ſo wie die Goͤttin des Krieges , Aber 318
Aber auch gleich der Cythere von Paphos voll Liebreiz und Anmuth .
Jhr ſchwarzlockigtes Haar ſchwimmt uͤber die Schultern ; ein breites
Perlenfarbigtes Band nimmt ſie nachlaͤßig zuſammen .
Jhren weißen blendenden Hals erhebt die Soubiſe ,
Und der ſchimmernde Federbuſch ſtralt vom drohenden Mannshut .
Jhre zierliche Hand bekleidet ein maͤnnlicher Handſchuh ,
Und ſie ſchwingt die gebiethriſche Peitſche . So trat ſie heroiſch
Vor den laͤchelnden Vater , und ihren Freyherrn . Ver - ſteinert
Nahm der letzte das Wort . Was hoͤr ich , theureſte Graͤfin ?
Wie ? du wagſt es , allein mit muthigen Hengſten zu fahren !
Welch ein Einfall ! Ein ſchrecklicher Traum weiſſaget mir Ungluͤck .
Graͤfin , wenn du mich liebſt , und dieſe feurigen Roſſe
Selbſt durchaus zu regieren gedenkſt , ſo goͤnne mir guͤtig
Dir zur Seite den Platz , und laß im aͤuſſerſten Nothfall Mich 319
Mich die Zuͤgel ergreifen , und vor Gefahren dich ſchirmen .
Als er ſo ſprach , ward Hannchen das Herz auf einmal erleichtert ;
Mit gezwungenem Ton und affectirtem Geſichte
Sagte ſie : Soll denn das Flehn des ſchoͤnen Freyherr [n ] umſonſt ſeyn ?
Er wird beſſer , als ich , in dieſem Phaeton ſchimmern ,
Dir bleibt , Graͤfin , noch immer der Ruhm , nach welchem du ſtrebeſt ,
Sollt er im Nothfall die Zuͤgel auch faſſen , die Regeln des Wohlſtands
Leiden nicht , daß du allein ſo fluͤchtig im Lande herum - ziehſt .
Alles wagt es , der Graͤfin Entſchluß noch mehr zu be - ſtuͤrmen ,
Von dem Oberſten an , bis auf die hagre Franzoͤſin .
Endlich mußte ſie ſich ſo vielen Bitten ergeben .
Und ſie ſprach : Es ſey dann , Baron ! doch mußt du allein nur
Jn der groͤßten Gefahr die Zuͤgel ergreifen . Der Freyherr
Gab ihr ſein Wort , und kuͤßt ihr drauf mit frohem Ent - zuͤcken Jhre 320
Jhre marmorne Hand , ſchon von dem Handſchuh ge - harniſcht .
Und die Hengſte tanzten in Spruͤngen und muth - gen Courbetten
Ueber das ſchallende Pflaſter vom baͤrtigten Kutſcher ge - leitet .
Caſtor wiehert zuerſt , und der ſchoͤnmaͤhnigte Pollux
Wiehert noch heller , als er , und hebt ſich auf zierlichen Beinen .
Purpurrothes Geſchirr bedeckte die glaͤnzenden Ruͤcken ,
Und ſie ſchuͤttelten ſchrecklich den dicken ſeidenen Haupt - ſchmuck .
Etwas verlaͤßt ſchon der Muth das Herz der ſtolzen Diana ,
Und ſie preiſt ſich begluͤckt , daß ſie der Freyherr begleitet .
Dieſem ſtralte der Muth aus ſeinen feurigen Augen ,
Und er haͤtte die wilden Pferde der Sonne beherzter
Durch den ſtaunenden Thierkrais gejagt , als Phaeton ehmals ,
Welcher die Erde verbrannt , und Menſchen zu Mohren geſenget .
Und ſie ſetzten ſich beyde nunmehr in den goldenen Wagen . Welch 321
Welch ein vortreffliches Paar ! Fritz war der praͤchtig - ſte Juͤngling .
Roth mit ſilbernen Schleifen , und eine Weſte von gel - bem
Blendenden Atlas erhub ihn . Schwarz war die Feder des Hutes ,
Welchen die ſilberne Dreſſe , gleich einem Nordſchein , umgraͤnzte .
Gieb mir die Zuͤgel , Andreas ! rief ietzt die mu - thige Graͤfin .
Und ſtolz trat er hinzu , und uͤberreicht ihr die Zuͤgel .
Alles wuͤnſchet nunmehr , ſie gluͤcklich wieder zu ſehen ;
Und der Vater gab ihr zum Abſchied noch dieſe Vermah - nung :
Maͤdchen , moͤchteſt du doch des Vaters Lehren behalten !
Brauche ſelten die Peitſche , doch oͤſters die Zuͤgel . Von ſelber
Laufen die feurigen Roſſe , nur ſie zu halten , iſt Arbeit .
Bleib im ebenen Wege ; den See vermeide zur Rechten ,
Und die Huͤgel zur Linken ! und ſchau nach Linzen und Raͤdern .
Alles befehl ich dem guͤnſtigen Gluͤck , es wolle dich leiten ! X Und 322
Und im Nothfall , dir , Fritz . Fahrt hin , der Him - mel ſey mit euch .
Auf das gegebene Zeichen entfliehn mit Wiehern die Hengſte
Durch das ſteinerne Thor . Noch einmal ſchaut ſie zu - ruͤcke ;
Gruͤßt noch einmal den Alten , der ihr voll Sorgſamkeit nachruft :
Sittſam , ſittſam , Diana ! Sie haut die Hengſte zuſam - men ,
Wendet im vollen Trab um , und fliegt nun uͤber die Ebne .
Fuͤnfter Geſang . Der Phaeton . Fuͤnfter Geſang . [324] 325 W ie ein wilder Orcan auf brauſenden Wogen daher - faͤhrt ;
Sich in dicke Dunkelheit huͤllt , und Flammen umher - ſtreut :
Eben ſo flogen durchs Feld die Feuerſchnaubenden Hengſte ,
Und beſtreuten mit Staub den Freyherrn , und ſeine Diana .
Doch ſie hielt noch die Zuͤgel mit unerſchrockenen Haͤnden ;
War Regentin allein , und machte den Freyherrn zum Faulen .
Wie den Koͤnig im Schach die ſtolze Gemahlin beherrſchet ,
Liſtig auf Unternehmungen ſinnt , und ins Treffen ſich waget ;
Gleich dem toͤdtenden Blitz durchſtreift ſie die Laͤnder des Bretſpiels ;
Da indeß der Monarch , tief unter den ſchwarzen Ver - ſchnittnen ,
Fuͤr ſich arbeiten laͤßt , und in Panquetten ſich groß macht .
Aber der Freyherr ertrug , obgleich unwillig , die Schande , X 3 Sol - 326
Solchen muthigen Roſſen nicht ſelber Geſetze zu geben .
Dreymal wurden ſie ſchuͤchtern , und dreymal ſucht er die Zuͤgel ,
Aus den Haͤnden Dianens , in ſeine Haͤnde zu bringen .
Doch ſie behauptet ihr Recht , und faͤhrt im fliegenden Trab fort ;
Ziſchend ſah es der Neid , und ſann auf blutige Raͤnke .
Eine kryſtallene See lag an dem Wege , gekraͤnzet
Mit ſanftfliſternden Pappeln , und hohen ſchattichten Ulmen .
Karpfen wohnten darin , und große corſariſche Hechte .
An dem Ufer des See ſaß eine blonde Sirene ,
Waſſernixe genannt , und kaͤmmte die guͤldenen Haare .
Manchen bluͤhenden Juͤngling , indem er am Ufer ge - angelt ,
Oder im fliſternden Schilf nach wilden Enten gewadet ,
Hatte die treuloſe Nymphe mit ſuͤßen Liedern gelocket ,
Und ihn unter die Fluth zu ihrem Pallaſte gezogen .
Hier , wofern wir der Sage der Amm ’ und der Waͤrte - rin trauen , Wer - 327
Werden in Staͤllen von Kuchen mit ſuͤßen Roſinen und Mandeln
Arme Knaben gemaͤſtet , und von der Nixe gefreſſen .
Freundlich ſagte der Neid zu ihr , mit gleißenden Worten :
Schoͤnſte der Nixen , wie kaͤmmſt du ſo muͤßig dein guͤl - denes Haupthaar ?
Wollen die Knaben nicht mehr zu deinem Teiche ſich nahen ,
Und verſchmaͤhen ſie ſcheu die zuckerſuͤßen Roſinen ?
Siehſt du von fern nicht den Staub von hurtig eilen - den Roſſen ,
Und den Glanz des ſtralenden Wagens , der ietzo ſich naͤhert ?
Eine muthige Schoͤne ſuͤhrt einen bezaubernden Juͤng - ling ;
Schoͤner haſt du noch nie ein Juͤnglingsantlitz geſehen !
Willſt du den holden Adonis ; ſo lock ihn mit ſuͤßen Ge - ſaͤngen ,
Daß die Schoͤne ſich naht , ſo ſchreck ich die fluͤchtigen Roſſe ,
Daß ſie mit Brauſen ihr durchgehn , und in die Fluthen ihn werfen .
Alsdann bin ich von Rach , und blutigen Scenen ge - ſaͤttigt ,
Wenn ſie den Wagen zerbricht , und ihren Liebling be - weinet .
X 4 Alſo 328 Alſo der Neid . Die Nixe laͤchelt gefaͤllig ihm Beyfall ,
Und ſie ſchickt ſich ſogleich , die ſchwarze That zu voll - bringen .
Von ſireniſchen Liedern erſchallt das gruͤne Geſtade ,
Daß die raͤubriſchen Hechte , die Karpfen erſtaunten , wie ehmals ,
Als ſie , dem heilgen Antoni zu Ehren , die Haͤupter erhuben ,
Und aufmerkſam die Predigt des frommen Mannes ver - ſchlangen .
Und ſchon ſah Diana die Nymphe mit guͤldenen Haaren ,
Hoͤrte die ſchmeichelnden Lieder , und wollte naͤher ſie hoͤren ;
Beugt aus dem mittelſten Weg , und faͤhrt zur Rechten am See her .
Zaͤrtlich warnt ſie der Freyherr , doch ſie , die Warnung verachtend ,
Rennt in ihr Ungluͤck , die holde Saͤngerin naͤher zu ſehen .
Jetzo wirkte das Gift in aufgeſchwollenen Adern ,
Und die ſchuͤchternen Roſſe gehorchten nicht laͤnger den Zuͤgeln .
Schaͤumend giengen ſie durch , vom ſcheußlichen Neide geſchrecket ;
Doch beherzt ergriff ſie der Freyherr , und pries ſich ſchon gluͤcklich , Als 329
Als von der forderſten Axe das Rad verraͤtheriſch ablief ,
Und die Graͤfin ſanft in wallende Fluthen hinabſank .
Aber den Augenblick ſprang der tapfre Juͤngling vom Wagen ,
Faßte die blaſſe Diana , und hob ſie aus ſchaͤumenden Fluthen .
Viel zu ſpaͤt entdeckte die Nixe die bluͤhende Beute .
Denn der ſchnelle Baron trug ſchon die Graͤfin ans Ufer .
Welch ein ruͤhrender Anblick war es dem rettenden Helden ,
Seine Diana durchnaͤßt in ſeinen Armen zu ſehen !
Zaͤrtlich ſah ſie ihn an , und ſprach : O du ! mein Geliebter ,
Gern verdank ich es dir , daß du mein Leben gerettet !
Billig hat den verwegnen Entſchluß mein Schickſal beſtrafet .
Aber du haſt mich gerettet , mein Fritz , wie muß ich dich lieben !
Dankbar kuͤßt ſie der Freyherr vor dieſes Geſtaͤnd - niß , und lehnet
Jhren zitternden Ruͤcken an einen vertraulichen Ulm - baum ,
Und flog hin nach den Hengſten , und nach den zertruͤm - merten Wagen .
Dieſe ſtanden , wie Mauren , nicht weit vom verlaſſenen Wege , X 5 Gleich - 330
Gleichſam zu edel , um ietzt die Flucht im Ungluͤck zu nehmen .
Fritz trat ſchmeichelnd hinzu , und fuͤhrt ſie durch guͤti - ge Worte
Mit dem ſchleifenden Wagen , bis an die Fuͤße der Graͤfin .
Nichts war an dem Wagen entzwey ; das purpurne Rad ſchwamm
An dem Ufer , das er ſogleich von neuem am Wagen
Wieder befeſtigt . Umſonſt winkt ihm mit freundlichen Mienen
Die betrogene Nixe . Der Freyherr hebet die Graͤfin
Jn den befeſtigten Wagen , und nimmt nun ſelber die Zuͤgel .
Jetzo fuͤhlten die Roſſe die ſtarken Haͤnde des Juͤnglings ,
Und gehorchten mit Luſt dem majeſtaͤtiſchen Zuruf .
Und der Freyherr wandt um , und fuhr zuruͤck nach dem Schloſſe ,
Triumphirend und ſtolz auf ſeine gerettete Schoͤne .
Alſo bringet Pluto die ſchoͤne Tochter der Ceres
Zu den Stygiſchen Ufern , und Ciane wuͤtet vergebens .
Giftig ſieht es der Neid , ſieht ſeine Liſten vereitelt ,
Und geht hin , und ſtuͤrzt in eine Bentleyſche Seele , Wel - 331
Welche neidiſch auf Noten von juͤngern Gelehrten ſich haͤrmet .
Unzufrieden mit ſich , und mit dem Menſchengeſchlechte ,
Wird der Neid den Koͤrper gewiß zur Verzweifelung bringen ,
Daß er hingeht und trauret , und miſantropiſch ſich auf - haͤngt .
Alles ſtuͤrzte dem Schloßhof zu beym Raſſeln der Raͤder ,
Alles tritt um den Wagen herum , und klaget die Graͤfin .
Aber Diana eilte beſchaͤmt durch wimmelnde Mengen ,
Fiel in den Arm des Vaters , und brachte den Alten zu Thraͤnen .
Viel zu guͤtig dazu , als ihr Verweiſe zu geben ,
Da ſie noch bebte vor Naͤſſe , war er bemuͤht ſie zu troͤſten .
Der erzuͤrnte Baron hob nun den raͤchenden Arm auf ,
Und beſtrafte voll Zorn die durchgegangnen Rebellen .
Caſtor fuͤhlte die Peitſche , und der ſchoͤnmaͤhnichte Pol - lux
Lehnt ſich umſonſt in die Hoͤh ; ſie zeichnet den Ruͤcken mit Blute .
Und indem ſie der baͤrtige Kutſcher zum Stalle zuruͤck - fuͤhrt ,
Reißt er unwillig ihr Maul mit ſcharfer bezwingen - den Stange , Und 332
Und flucht Donner und Blitz zu ihren erſchrockenen Ohren .
Hannchen nahm ietzt die Graͤfin , und zog ihr am glaͤnzenden Nachttiſch
Jhren Waffenrock aus , und gab ihr weibliche Kleider .
Jn unſchuldiges Weiß ward ſie , gleich Engeln , gekleidet ,
Und die amazoniſche Miene verlohr ſich in Sanftmuth .
Dreymal ſchoͤner war ſie in einer beſcheidenen Haube ,
Als in der kriegriſchen Tracht und in dem drohenden Huthe .
Alles endigte ſich mit einem froͤhlichen Gaſtmahl ,
Und der Bund der Verliebten ward von dem Alten be - ſtaͤtigt .
Bis auf den heutigen Tag heißt , von dem Unfall der Graͤfin ,
Dieſer See , der Dianenſee . Ein warnender Name
Amazoniſchen Schoͤnen , die mit verwegenen Haͤnden
Pferd , und Ehmann regieren , und Huth und Freyheit uns rauben .
Ende des Phaeton .