PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Ritterholds von Blauen.
Adriatiſche Roſemund.
Laſt haͤgt Luſt.
Amſteltam, BeiLudwich Elzevihrn.1645.

Auf-trahgs-ſchrift. Denen Hohch - und wohl-aͤdelen / geſtraͤngen und faͤſten Herren /

  • Hern Dioniſen
  • und
  • Hern Mattias
Palbizki / Gebruͤdern / auf Nemiz und Warbe - low Erbfaſſen / u. a. m.

ſeinen hohch-geehrten Herren / und grohsguͤnſti - gen / traͤu-liben fraͤunden / uͤberreichet Di Adriatiſche Roſemund / zum ſtaͤhts-waͤhrenden andaͤnken ihres unwuͤrdigen Diners / Ritterhold von Blauen.

* 2MeineAuf-trahgs-ſchrift.

MEine Herren / Wan di aufkeumende fꝛaͤundſchaft tꝛaͤu - und deutſch-ge - ſünneter gemühter zu fꝛůchten ge - deien ſol / ſo tuht man nicht baͤſſer / als daß ſi man mit den kraͤftigen ſtaͤꝛk - und fꝛucht-waſſeꝛn eineꝛ ſon - derlichen libes-bezeugung gleich - ſam begůhſſe / und ſi ſolcher geſtalt zum foͤlligen wachstuhme faͤhig machche. Dan gleich wi ein lihbli - cher Roſen-ſtok / wan der Himmel ſeineꝛ wahꝛ-nuͤmmet / und ihn bald mit einem ſanften raͤgen / bald mit einem kůhlen taue bei ſchwulem wetter befeuchtet / bald wideruͤm mit einem lihblichen ſonnen-blik - ke begnadiget / ih mehr und mehr zunuͤmmet / und ſeine froͤliche blu - men gleichſam zur dankbahrkeit gen Himmel erhoͤbet; ſo tuht aucheineAuf-trahgs-ſchrift.eine traͤu-gemeinte bꝛuͤderliche fꝛeundſchaft / welche gleiches falls / ih-mehr ſi erraͤget und er - mundtert wuͤrd / ih-mehr und mehr zunuͤmmet / und ſich in ihren grund-pfaͤlen befaͤſtiget.

Solches nuhn / meine hohch - geehrte / vihl-gůnſtige Herren / hab ich auch beobachten wollen / und di hohe fraͤundſchaft (welche ich mich aller dinge unwůrdig ſchaͤzze) mit einer ſonderlichen dihnſt - und libes-bezeugung er - widern; indaͤhm ich naͤhmlich ge - genwaͤrtiges buͤhchlein unter ih - rem bẽlihbten namen und fꝛaͤund - geſuͤnneter vertraͤtung der ge - laͤhrten und verſtaͤndigen waͤlt aus-faͤrtige. Aber indaͤſſen / daß ich ihnen einige erwiderung ihrer gunſt und freundſchaft zu leiſten gedaͤnke / ſo mus ich ſi zugleich* 3nochAuf-trahgs-ſchrift.noch mehr bemuͤhen / und mich zu ihren dihnſten vihl verpflůchtli - cher[machen] / als ich ſchohn bin; indaͤhm ich ihnen ein ſolches jung-fraͤulein zu vertraͤten anbe - faͤhle / welches noch zur zeit fremd und unbekant iſt / und bei unſerem hohch-deutſchen Frauen - zimmer gaͤrn in kundſchaft ge - rahten wolte. Es iſt di uͤber-irdi - ſche Roſemund / di nicht alein aus hohem bluht entſproſſen / ſondern auch durch ihre angebohrne ge - ſchikligkeit und zihr zu ſolchem namen gelanget iſt / daß man ſi mehr ein aͤngel - als maͤnſchen - bild zu naͤnnen pflaͤget; Es iſt nichts irdiſches und vergaͤngli - ches an ihr als der hinfaͤllige leib / welcher doch nichts daͤs zu weni - ger ſeiner ſchoͤhnheit und ahrti - gen bewaͤgung halben auch faſtgoͤtlichAuf-trahgs-ſchrift.goͤtlich ſcheinet / und billich nim - mer-mehr vergaͤhen ſolte. Diſe Schoͤne nůmmet / auf mein guht - befuͤnden und einrahten / ihre zu - flucht zu ihnẽ / und floͤhet ſi gleich - ſam an / daß ſi ihre dihnſte daͤm hohch-deutſchen Frauen-zimmer (welches meinen Herren / ihrer hohen geſchikligkeit waͤgen / ſehr geneugt und guͤnſtig iſt) auf zu tꝛa - gen geruhen wollen. Dan ſi hat das gute vertrauen / daß ſi ihr eine ſolche billige bitte nicht verſagen waͤrden; und ich ſelbſt / fohr mein teil / kan nicht ſaͤhen / wahruͤm ich zweifåln ſolte / indaͤhm ich wohl weus / daß ſi einem Frauen-zim - mer / welches nicht ſo gahr ma - chiavelliſch-waͤlt-ſaͤlig iſt / auch nicht di geringſten ehren-dihnſte verſagen koͤnnen. Jm-fal ſi ſich aber durch diſe ſchwachchen wor -* 4te jaAuf-trahgs-ſchrift.te ja nicht wolten bewaͤgen lahſ - ſen / ſo wuͤrd ſi doch / allem verhof - fen nahch / di ſchoͤhnheit diſes goͤtlichen maͤnſchen-kindes ver - zuͤkken / und in ſolcher verzükkung zu ihrem wuͤllen aufmundtern / wo ſi nicht gahr ſteinerne gemuͤh - ter und demantine haͤrzen haben.

Kein maͤnſch iſt ihmahls ein ſolcher unmaͤnſch - und wůterich gewaͤſen / daß er ſich fohr einem ſolchen lihblichen blizze nicht haͤt - te entſaͤzzen ſollen. Kein maͤnſch iſt ihmahls ſo hart und eingezo - gen gewaͤſen / daß ihn eine ſolche Schoͤne nicht haͤtte verzuͤkken und zu ihren ehren-dihnſten be - waͤgen koͤnnen: wan ſi nuhr ihren hoͤhflichen und lihblichen raͤden das gehoͤhr auf einen augen-blik vergoͤnnen waͤrden / ſo wůrd ſich gewuͤs ihr gemuͤht bald gerühretbefůn -Auf-trahgs-ſchrift.befůnden / und diſer Schoͤnen nichts verſagen koͤnnen.

Si důrfen ſich auch im ůbri - gen nicht befahren / daß ſi das hohch-deutſche Frauen-zimmer ůbel entfangen wůrd / wan ſi eine aus-laͤnderin vertraͤhten und mit ſich in ihre geſelſchaft fuͤhren waͤrden; dan ſi wuͤrd gewuͤslich ihren fleis / ſi zu vergnügen / nim - mer-mehr ſparen / und ſich zu ihrer ergaͤzzung und luſt ſo zu bekwaͤhmen wuͤſſen / daß ſich auch ihre Landes-fraͤundinnen ſelbſt gegen ſi dankbahrlich erzeugen waͤrden.

Was aber meine wenigkeit betruͤft / ſo verſichcher ich meine Herren mit wahren worten / daß ſi mich / ſolche gunſt und ehren - bezeugung zu erwidern / zu ihren dihnſten allezeit bereit und wuͤl -* 5faͤrtigAuf-trahgs-ſchrift.faͤrtig befuͤnden waͤrden; wi ich mich dan ſchohn fohrlaͤngſt in geheim ihnen ſo verpfluͤchtlich gehalten habe / daß ich anders nichts gewaͤſen bin / wi auch noch hinfůhr ſein waͤrde / als

Meiner hohch-geehrten HerrenRein-wurf / den 30. tabg des baͤu-mahndes daͤs 1645. Jahres. traͤu-ergaͤbener / ſtaͤhts - wuͤl-faͤrtiger Diner R. V. B.

Dem

Dem vernuͤnftigen Laͤſer.

WEil bis anhaͤhr der verſchmaͤhete Lihb-reiz faſt keinen Deutſchen hat ermundtern koͤnnen / daß er ſeinen mund fohr der waͤlt / von Libe zu raͤ - den / und der faͤder / von ihrer kraft zu ſchreiben / ver - hingen haͤtte; ſo hat ſich der arme knabe meiſten - teils in Spanien / Waͤlſchland und Frankreich aufhalten müſſen. Nuhn-mehr aber befuͤndet er ſich auch mit dem krige bei uns ſo eingeniſtelt / daß ich aus unſerem Trauer-ſchau-ſpihle wohl ſagen mahg:

Ja ſelbſten di kalten Hohch-deutſchen
darf keiner zur luſt
mehr ſchlagen und peutſchen;
das liben iſt ihnen von ſelbſten bewuſt.
Der hizzige / ſpizzige / wuͤzzige knabe /
das ippige / fiprige / kliprige kind /
ſo gihrig geſuͤnnt /
bringt aͤndlich di tapferſten Helden zum grabe /
zum grabe / da koͤnige /
da grohſſe / da wenige
fohr toͤhdlichen ſchmaͤrzen mit roͤhtlichen haͤrzen /
in libe /
in braͤnnender Libe
ſtaͤhn traurig und truͤbe / u. a. m.

Jah der Hohch-deutſchen ohren beguͤnnen nuhn - mehr auch hurtig zu waͤrden / und hoͤren gaͤrn von der Libe / weil ihnen ſelbige durch ůberſaͤzzung der ſpaniſchen und waͤlſchen Libes-geſchichte ſo gaͤnge gemacht ſein / daß ſi von ihrer gebuhrts-ahrt und wohl-anſtaͤndigen ernſt-haftigkeit ſchihr abweichen důrften / wan man alſo fortfahren ſolte. Druͤm / weil allen dingen ein ruͤchtiges zihl ſol geſaͤzt ſein / und unſere ſprache durch ſolche lihbliche / und den ohren und augen an-naͤhmliche ſachchen baͤſter mahſſen tan erhoben und ausgearbeitet waͤrden; ſo halt ichdafůhr /Dem vernuͤnftigen Laͤſer.dafůhr / daß es wohl das baͤſte waͤre / wan man was eignes ſchribe / und der fremden ſprachen buͤcher nicht ſo gahr haͤuffig verdeutſchte / ſonderlich / weil in den meiſten weder kraft noch ſaft iſt / und nuhr ein weit-ſchweiffiges / unabgemaͤſſenes geplauder in ſich hatten. Solches aber muſt auch nicht alzu geil und alzu weichlich ſein / ſondern bisweilen / wo es ſich leiden wolte / mit einer lihblichen ernſthaftigkeit vermiſchet / damit wihr nicht ſo gahr aus der ahrt ſchlůgen / und den ernſthaften wohlſtand verlihſſen.

Es iſt weder einem Deutſchen nahchteilig / noch einem Kriſten zur ſuͤnde zu raͤchnen / wan er ſich mit einer keuſchen libes-beſchreibung beluſtiget; aber ſolches alles zu gewůſſer zeit. Das Feuer der bluͤ - henden Jugend erraͤget ofter-mahls ſehr ahrtige gedanken / di zwahr ihr / aber keinem Greiſen / deſſen feuer ſchohn verbloſchen iſt / wohl-anſtaͤndig ſein. wohrnahch einem Jünglinge verlanget / dafuͤhr traͤget ein alter grau-bahrt ſchaͤu und ekel. es wůl ihm auch nicht gebuͤhren / ſeine gedanken ſo weit von den graͤbern ab zu laͤnken. Di Lib erfortert ein friſch - und luſtiges gemuͤhte; druͤm kan ſi in keinem alt - und erkaltetem / in keinem traͤhg - und verdroſſe - nem haͤrzen haften.

Wer wuͤl uns dan nuhn verdaͤnken / wan wihr auch (weil wihr noch jung ſein / und das libes-feuer unter der linken bruſt in follem ſuͤden entfuͤnden) ein und das andere keuſche libes-getichte ſchreiben; ſonderlich wan es von uns begaͤhret wuͤrd / und wihr der kluhg-ſuͤnnigen Adelmund / welche diſe ge - genwaͤrtige von uns erheiſchet hat / zu wuͤllen laͤben. Di Jugend flůhet mit der zeit hin; alſo fluͤhen auch di gedanken nahch ihrem alter zu / und beguͤñen ſich auf ernſthaftere dinge zu laͤnken. Wihr waͤrden auch ohne zweifaͤl hihrmit beſchluͤhſſen / und unſern pfahd-traͤtern diſen hulprich-ſanften Luſt-wandel eroͤfnet hinterlahſſen.

Gehabe dich wohl!

An

An ſeinen lihben Bruder / Ritterhold von Blauen. als Er di Adriatiſche Roſemund haͤraus gab.

Wol-aͤdeler Her / liber Bruder.

Di ehrſten bogen von deiner aͤdlen Roſemund hab ich entfangen / und durch-gelaͤſen. Es waͤre wahrlich ſchade / wan ſo ein ſchoͤnes und libes waͤrk / daͤs-gleichen noch kein Deutſcher verfaſſet hat / haͤtte ſollen verſchwigen und ungelaͤſen in der fůnſternuͤs ligen bleiben. Jch ſag es kurz und rund / daß keiner ihmahls di gebaͤhrden und beſchaffen - heiten unſerer leiber ſo eigendlich und ſo laͤbhaft hat abbilden koͤnnen / als du. Dan / Mein Bruder / deine ſchrift iſt anders nichts als laͤben / als geiſt und ſele ſelbſt. was du uns haſt gegaͤben fohrhin ans tage-luͤcht / iſt alles ruhmes waͤhrt / und würd von ihderman mit gihrigkeit begaͤhrt. Dis aber gaͤht weit fohr / dis buhch von ROSE - MVNDE / Dis al-fol-komne buhch / das uns zu aller ſtunde erfroͤlicht und ergaͤzt; das ſolche raͤden fuͤhrt / dadurch ein hoͤhfling recht und wohl wuͤrd aus - gezihrt. Wiahrtlich kanſtu nuhr den ſün der Libe bilden / das waͤſen / gaͤhn und tuhn mit farben ſchoͤhn ver - guͤlden! der augen raſchen gang / wan ſi in ihrer gluht und ſchoͤn’ſten flamme ſein; der Libe wankel - muht / ſtaͤht eigendlich alhihr. Di ROSEMVNDE laͤbet ſelb-ſelbſt in diſem Buhch / und in daͤm laͤſen ſchwaͤ - betfohrfohr angen / als ein bild / das gaͤhn und raͤden kan; dahr-uͤber ſich entſaͤzt und wundert ihderman.

Ja / mein Bruder / es hat mich diſes wunderwuͤrdi - ge Bild ſo verzuͤkt gemacht / oder vihlmehr deine ge - ſchikligkeit / daß ich mich in deiner ſchrift nicht ſat genug laͤſen kan.

Weil dan nuhn diſes aͤdle waͤrk ſo gluͤklich aus deiner faͤder haͤraus gekwollen iſt / ei liber! ſo lahs uns doch das uͤbrige von deinen ſchriften auch ſaͤ - hen / damit du dihr di ganze waͤlt verpflůchten moͤ - geſt; gleich wi du mich ſchohn ganz verpfluͤchtet haͤltſt / dehrgeſtalt / daß ich ewig bin und verbleibe /

Mein Bruder /Gruͤningen / den 6. tahg des Haͤu-mahndes / 1645. Dein traͤuer diner ſo lang ich heiſſe H. L. v. L. Der Aemſige.

Der
1

Der Adriatiſchen ROSEMVND Ehrſtes Buhch.

HAt man ihmahls di Sonne betrůhbt / und den Nord-ohſt ahtem-lohs geſaͤhen / ſo iſt es gewuͤslich damahls gewaͤſen / als ſich Markhold von ſeiner Roſem und ſcheiden und zu ſchiffe nahch Frank-reich begaͤben ſolte: Dan di Sonne / welche nuhn ehrſt aus ih - rem morgen-zimmer haͤrfuͤhr brahch / wan ſi ja diſes traute Zwei noch mit einem blikke beſaͤhligen wolte; ſo taͤht ſi es nuhr dahruͤm / daß ſi di traͤhnen diſer Maͤnſch-goͤttin an ſich zühen / und ihr guldnes ge - ſicht aus mit-leiden entfaͤrben moͤchte.

Der Nord-ohſt wolte zugleich Jhm und Jhr ge - horchen: Jhm zu gefallen haͤtt er gaͤrne ſtaͤrker ge - wehet / und Jhr zu libe lihß er ſich aͤndlich durch ih - re klaͤhgliche ſeufzer / fohr denen er ſein ſauſen ver - ſchweigen muſte / zu ruͤkke halten. Markhold aber begahb ſich nichts daͤs-zu weniger / nahchdehm er ſeine unvergleichliche Roſemund mit einem kuſſe geſaͤgnet hatte / zu ſchiffe / daͤſſen ſaͤgel ungefůllet uͤm den Maſt haͤrům flatterten; ſo / daß diſe un - entfuͤndliche dinge vihl entfuͤndlicher wahrden / und mehr mit-leidens mit den traͤhnen ſeiner Traͤuen hatten / als er ſelbſten.

Di arm-ſaͤlige Roſemund / welche fohr grohſſem weh-leiden kaum hauchen konte / hatte ſich aͤben un - ter einen Palmbaum / nicht faͤrn von daͤm unbarm - haͤrzigen uhrwaͤſen / welches ſi diſes liben Schaz - zes entſaͤzte / nider-gelahſſen. Si verlihß ihm kein auge / ſo lange ſi noch das ſchif erblikken / und fohrAtraͤh -2Der Adriatiſchen Roſemundtraͤhnen / welche di augen gemach und gemach bene - belten / ſaͤhen konte. Si baht den Nord-ohſt / er ſol - te ſich doch laͤgen / und das ſchuͤf dem Suͤhd-weſt / ihr zu gefallen / ůber-gaͤben / damit es wider zu ruͤkke kaͤhren muͤſte.

Diſes ihr floͤhen ward zwahr halb und halb er - hoͤret / und dem Markhold durch eine ploͤzlich-ſau - ſende ſtimme des Nord-ohſts / dehr ſich ſolcher ge - ſtalt ſeiner ſtille waͤgen gleichſam entſchuldigen wolte / zu erkaͤnnen gegaͤben: ihdoch muſt es ge - ſchiden ſein; dan / hatte gleich der Nord-oſt ein ſol - ches mit-leiden mit Jhr / ſo kahm doch aͤndlich der Nord ſelbſten dahrzu / und wahr ům ſo vihl daͤs - zu unbarmhaͤrziger: er blihs mit follem munde di ſaͤgel an / und trihb das ſchuͤf innerhalb wenig ta - gen nahch der Flandriſchen graͤnze / und von dahr nahch Engel-land und Bulonge zu. Markhold ſa - he ſich nuhn-mehr von ſeiner Roſemund weit ent - faͤrnet / und begunte ſi algemaͤchlich zu betauren. Er geriht auch hihr-uͤber in eine ſolche ſchwaͤhrmuͤh - tigkeit / daß er ſich / üm etwas friſchere Luft und er - gaͤzligkeit zu ſchoͤpfen / auf di hoͤhe daͤs ſchuͤffes be - gaͤben muſte.

Es begunte gleich abend zu waͤrden / und aufder Se wahr eine ſolche lihbliche wind-ſtille / daß ſi waͤgen ihrer aͤbene und der blaulichten farbe daͤs waſſers / einem flachchen faͤlde gleich ſchine. Di ſon - ne lihß ſich auch mit etlichen ſtrahlen / welche / wi - wohl ſi gleichſam von den an-ſich-gezogenen traͤh - nen ſeiner Roſemund noch etwas erblaſſet / doch gleichwohl nicht unanmuhtig an zu ſchauen waren / auf daͤm waſſer erblikken. Markhold beluſtigte ſich nicht wenig mit diſer annaͤhmlichen ſtille / und hatte nuhn ſeine ſchwaͤhr-muͤhtigkeit mehren teiles aus der acht geſchlagen.

Nahch-daͤhm er aber alſo ſeinem geſichte / ſich vergnuͤhglich zu erluſtigen / eine guhte weile verhaͤn -get3ehrſtes Buhch.

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A 24Der Adriatiſchen Roſemundget hatte / und gleich wideruͤm in ſeine Kammer gaͤ - hen wolte; ſo lihſſen ſich auf der Se fuͤnf ungeheure Braun-fiſche ſaͤhen / welche ům ihre ſchiffe haͤruͤm ſpileten / und ſeinen leuten / aus furcht eines inſtaͤ - henden ungewitters / nicht wenig erſchroͤklich fuͤhr - kahmen. Es wahr auch uͤber das der Mahnd am himmel wi feuer an zu ſaͤhen / welches ihm nichts guhtes ſchwahnen lihß.

Das haͤrz begunte zu zittern / der ganze leib boͤ - bete / ſo erſchroͤklich kahmen ihm alle diſe zeuchen fuͤhr. Er gedachte bei ſich ſelbſt / ach! wehr nuhn noch auf der Amſtel waͤre / ſo koͤnt ich noch geruhig in dem ſchohſſe der traͤuen Roſemund mein laͤben friſtẽ; da ich izund in dem ſchohſſe daͤs wilden Meh - res / welches mihr augen-bliklich den tohd fohr au - gen ſtaͤllet / in furcht und zittern ligen muß. Ach! verzeuhe mihr / ſchoͤne Roſemund / verzeuhe mihr / du goͤtliches Maͤnſchen-kind / daß ich dihr ſo unge - hohrſam gewaͤſen bin / und mich / damit ich nuhr dihr dein Laͤben mit daͤm meinigen verkuͤrzern moͤchte / auf diſes grauſame uhrwaͤſen begaͤben ha - be. Gaͤrne wolt ich ſtaͤrben / wan Du nuhr laͤben ſolteſt. aber / weil ich weus / daß mein tohd der dei - nige iſt; und wo ich ja in diſer fluht untergaͤhen ſolte / du deinen untergang ſelbſt in der fluht deiner eignen traͤhnen ſuchen wuͤrdeſt; ſo muß ich billich / Dihr zu libe / bedacht ſein / wi ich mein Laͤben / das deinige zu friſten / raͤtten wuͤl.

Mitten in diſen gedanken (als er ſich ſchohn hin - unter in das ſchuͤf begaͤben hatte) erhuhb ſich ein grohſſer ſturm / daß man nicht anders vermeinte / ſi würden alle vergaͤhen můſſen. Markhold ver - gahß uͤber diſem uhrploͤzlichen unwetter fohr angſt und entſaͤzzen aller ſeiner gedanken / und kahm faſt gahr aus ihm ſelbſt. Er lahg als im traume / und es wahr faſt nichts entfuͤndliches mehr an ihm. Solcher geſtalt bracht er di ganze nacht zu; bisſich5Ehrſtes Buhch.ſich aͤndlich des morgens diſes ungewitter ſtillete / und di ſonne ſi wideruͤm mit anmuhtigen blikken zu gruͤhſſen begunte. Markhold erhohlte ſich wider / und wahr gleichſam wi gahr von neuem gebohren; er erblikte den Gnaden-hafen in der naͤhe / und luͤhf mit follem ſaͤgel zur Saͤnen ein.

Dis iſt der lihbliche flus / dehr ſo manche maͤnſch - goͤttin erzilet / bet deſſen ſtrande di hold-ſaͤligen Franzinnen di Deutſchen gaͤſte mit leut-ſaͤligkeit entfangen. Jch weus wohl / daß ihnen di ankunft unſeres Markhold’s / als eines / dehr auch von traͤu - deutſchem gebluͤht entſproſſen iſt / nicht wenig er - fraͤulich wahr. Si hatten vernommen / wi ihn di aͤdlen Deutſchinnen / di lihblichen Muld - und El - binnen / ja di unvergleichliche Adriatinne ſelbſt / ſo hoͤhchlich gelibet; druͤm begegneten ſi ihm mit daͤs - zu hoͤhflichern und zuͤchtigern gebaͤhrden / ſich ihm auch an-naͤhmlich zu machchen. Aber der traͤu-be - ſtaͤndige Markhold wuſt in ſeinem haͤrzen von kei - ner andern / als von der alein einig hold-ſaͤligen Roſemund. Di er nuhn-mehr in der fremd / als er ſi nicht mehr ſahe / vihl haͤftiger als zufohren libete. Dan es iſt gewaͤs / daß eine traͤu-befaͤſtigte Libe di haͤrzen / ih weiter ſi dem leibe nahch von einander getraͤnnet ſein / ih faͤſter verbuͤndet.

Als er nuhn in di praͤchtige haubt-ſtat Parihs kahm / da der annoch-bluͤhende Delſihn / der koͤnigli - che Fürſt / ſeinen hohf hihlt / und gleich den Koͤnig - lichen namen entfuͤng; ſo ward er von den faͤrtigen Saͤnemnen mit traͤflicher anmuht gewuͤlkommet. Si libelten ihm mit zitternder und halb-liſplen der ſtimme; ſi begaͤhreten ſeiner kundſchaft und ſeines geſpraͤhches; ſi erzeugten ihm di hoͤchſten ehren - dihnſte: doch konten ihn diſe Schoͤnen mit ſo vihl tauſend-kuͤnſtleriſchen libes-reizungen nicht bewaͤ - gen. Dan Roſemund wahr ſein einiges Al; Ro - ſemund wahr ſein einiger trohſt; und ihr gedaͤcht -A 3nuͤs6Der Adriatiſchen Roſemundnuͤs wahr ſein lahbſahl. Taͤht er etwa führ der ſtat ſeinen luſt-wandel / und ſahe di Pariſinnen in den heiſſen Som̃er-tagen zum bade fahren / welche ſich mit ſolchen ſachchen / di nicht das haͤrz / ſondern den geilen leib / verſchoͤnern / geſchmuͤnket hatten; ſo ge - dacht er bei ſich ſelbſt / daß di mild-gůhtige Zeuge - mutter ſeiner Roſemund alle diſe ſchoͤhnheiten / di er alhihr durch kunſt und angeſtrichene farbe zu waͤge gebracht ſahe / uͤberfluͤhſſig verlihen haͤtte. Nichts kahm ihm lihblicher fůhr als Roſemund / weil er ſi zum liben ſo lihblich gebohren zu ſein ſchaͤzte: Nichts kahm ihm erfraͤulicher fuͤhr / weil ſi ein krankes haͤrz zu erfraͤuen / ſo fraͤudig wahr ge - zeuget; nichts kahm ihm laͤbendiger führ / weil ſi eine halb-erſtorbene Sele laͤbendig zu machchen / ſo laͤhbhaft wahr geſchaffen: ja Roſemund wahr ſei - ne libe / ſeine fraͤud und ſein laͤben: Nichts wahr ihm an-naͤhmlicher zuhoͤhren / als diſer aͤdle name: Roſemund / Roſemund wahr gleichſam mit de - mantinen buhchſtaben in ſein gedaͤchtnuͤs eingebil - det / daß er ihrer nimmermehr vergaͤſſen ſolte.

Er hatte ſich nuhn nichts mehr zu getroͤhſten / als eines brifes / durch welchen er ſchriftlich mit ihr raͤ - den konte. Das ſchreiben / welches er von Ruahn ab / ſeiner gluͤklichen uͤber-kunft waͤgen / ſchohn fůhr etlichen wochchen an ſi abgaͤhen lahſſen / hatte ſi durch ein kleines brihflein eilend beantwortet / wel - ches ihm von einem knaben noch bei ſpaͤtem abend eingehaͤndiget ward. Si baht ihn uͤm einen aus - fůhrlichen beruͤcht waͤgen des ablaufs ſeiner reiſe; ſi begaͤhrete mit ſolchem eifer ſeine geſundheit zu wuͤſſen / und floͤhet ihn gleichſam dahrüm mit ſol - chen haͤrz-bewaͤhglichen worten an / daß er gezwun - gen ward ſi noch ſelbigen abaͤnd zu vergnuͤgen. Er ſchrihb faſt di ganze nacht durch / unangeſaͤhen / daß er di vergangene / einer geſelſchaft zu gefallen / auch ſchlahf-lohs zu-gebracht hatte; verfaſſte ſeine gan -ze7ehrſtes Buhch.ze reiſ in einen geſang / und ſchikt ihn ſtraks des andern morgens / naͤbenſt andern ſchreiben / fort.

[Jndaͤſſen] lihß ſeine Roſemund alle poſt-tage bei dem Antorſiſchen Bohten nahch ſeinen ſchreiben fragen. Si hatte ſo ein grohſſes verlangen / ſeine gegen-antwort zu vernaͤhmen / daß ſi ſich kaum zu friden gaͤben konte. Jhr einiger wundſch wahr ſei - ne wohlfahrt zu wuͤſſen. Si begaͤhrte nichts mehr auf der ganzen waͤlt / und baht auch uͤm nichts mehr / als uͤm ſein wohl-ergaͤhen. wi oft fihl ſi ni - der auf ihre knihe / und floͤhete zu Got / daß er ihn geſund erhalten / und in guhtem fride wider zu ruͤk - ke bringen wolte.

Mitten in diſer ihrer ungedultigen hofnung wahrden ihr ſeine antworts-ſchreiben ůberluͤfert; dahruͤber ſi ſo hoͤhchlich erfraͤuet ward / daß ſi ſelbi - ge fohr fraͤuden kaum erbraͤchchen konte. Das ſigel wahr ſchohn geloͤſet / als ſi ſich ehrſt erinnerte / daß ſi ſelbige noch nicht gekuͤſſet haͤtte. welches ſi dan ſo haͤftig verdrohß / daß ſi ſich fuͤhr ſchahm und un - wůllen entfaͤrbete / gleichſam als wan es ihmand geſaͤhen haͤtte / dehr Si dahruͤber beſtrahffen wuͤr - de. aͤndlich aber / nahch-daͤhm ſi ihr verſaͤhen vihl - faͤltig erſtattet hatte / ſo eroͤfnete ſi den uͤmſchlahg / und fand ſtraks oben-auf ligen diſen

Des Markholds Reiſe-geſang an di uͤber-irdiſche Roſemund: auf di weiſe / Wi ſol der Libes-ſtruͤk / u. a. m.
i.
ALs Markhold ſich einmahl am blanken Saͤhnen-ſtrande /
(ſo weit von Roſemund) in einſamkeit be - fande;
A 4da8Der Adriatiſchen Roſemund
da ſang er bei ſich ſelbſt ein ſolches lan - ges Lihd /
das er ihr zu-geſahgt / indaͤhm er von Jhr ſchihd.
ii.
Zeit daß ich von euch bin / ihr lihbſten Am - ſt linnen /
ihr Jungfern bei der Maſ / ihr andern hold-goͤttinnen /
und ihr auch bei der Lech; ſo ſag ich ohne ſchaͤu /
daß eure Roſemund noch kraͤftig in mihr
iii.
(ſei.
Bin ich entnůchtert nicht / ſo bin ich doch enthaͤrzet /
weil eure Roſemund mit meinem haͤrzen ſchaͤrzet
nahch ihres haͤrzens luſt. Di haͤlft iſt gahr gewuͤs /
ja wo nicht ganz / bei Jhr. o welch ein ris iſt dis.
iv.
O ſuͤhſſe zauberung! Si iſt mihr zwahr entlaͤgen;
ihr mund iſt weit von mihr; doch kan er mich bewaͤgen
durch lauter bilder-waͤrk / und gihbt mihr ſolches ein /
daß ich mit wuͤllẽ mus ihr leibgeſchwohr - ner ſein.
v. Fuͤnf9ehrſtes Buhch.
v.
Fuͤnf ſuͤnnen hatt ich fohr; izt ſein ſi mihr gemindert /
ihr mund entzůht den Schmak: mein Ruͤ - chen wůrd gehindert:
ihr aug entaͤuget mich; ihr ſuͤngen macht mich taub:
mein fuͤhlen nuͤmmt ſi waͤg. o welch ein ſuͤhſſer raub!
vi.
Kein aͤſſen ſchmaͤkket mihr: kein balſam mich erkwikket:
kein garten lacht mich an: kein ſeiten-ſpihl entzuͤkket
und macht mein ohr betaͤubt: Entfůn - dung ſpuͤhr ich nicht.
Hand / Mund / Naſ / Ang und Ohr ſein ihrer luſt verpfluͤcht.
vii.
Jch daͤnke noch dahran / wi bei daͤm laͤtſten kuͤſſen
auf ihrer ſeufzer kraft di meine folgen můſſen;
di Amſtel weuß es wohl / als welche ſtil - le ſtund /
da ich den Abſchihd nahm von meiner Roſemund.
viii.
Di Maſe weuß es auch / wi ungaͤrn ich gezogen
A 5und10Der Adriatiſchen Roſemund
und mich ent-faͤrnt von ihr / vertraut daͤs Mehres wogen /
als welches rund uͤm mich di blauen waͤllen ſchluhg /
und mich nahch Frankreich zu (ſo faͤr - ne!) von ihr truhg.
ix.
Es weuß es Roͤhtelgau / da ich acht folle wochchen
di reiſe wohl erwohg / eh wihr ſein aufge - brochchen.
es weuß es auch der Brihl / wi ich ſechs tage lang
im mehres munde lahg (ſo lange!) ſtaͤr - be-krank.
x.
Der leib guͤng zwahr zur Se / doch blihb das haͤrz zu ruͤkke:
di kuͤhne Magd von Dort loͤſ’t ihr geſchůz und ſtuͤkke /
und gahb uns einen wink. Wihr luͤhffen ſe-waͤrts ein /
doch kont ich nirgends nicht als bei der Amſtel ſein.
xi.
Di ſchiffe luͤhffen fort di waͤtte mit den winden /
wie ein verlihbter ſchwahn / wan er nicht bald kan fuͤnden
di11ehrſtes Buhch.
di ſchwaͤhnin / di er ſuhcht. Der Nord pfif ſaͤgel ein /
ſo / daß es mihr gedaucht der Lihbſten klage ſein.
xii.
Der himmel wuſt es wohl. Der Nord - oſt blihs ganz ſachte /
uͤm daß er mich alda noch mehr verzuͤhen machte.
zwe tage guͤngen hin / eh ich von Se-land kahm /
und meine reiſe fort / nahch dihr / o Flan - dern / nahm.
xiii.
Tuͤhn-kirchen ſah ich ſtaͤhn; drauf kaͤhrt ich ihm den růkken /
kahm auf Bulonge zu / wo Kales ſich lihß blikken /
der Franzen graͤnze-ſtat: wo gegen uͤber lahg
der Kant von Engel-land. dis wahr der dritte tahg.
xiv.
Der abend kahm haͤhr-an! di Se ſtund ſtill und aͤben;
es hatten unſer ſchif fuͤnf Braune fiſch ům - gaͤben /
di ſpihlten auf der fluht; das ſolt ein Zeuchen ſein
A 6des12Der Adriatiſchen Roſemund
des drauf erfolgten ſturms. Der muht wahr zimlich klein.
xv.
Man ſah das nacht-luͤcht auch ganz feuer - roht aufgaͤhen /
di ſtaͤrne ganz betruͤhbt in ſtiller Stille ſtaͤhen.
o dacht ich / Roſemund / dein raht wahr alzu guht;
fohr deinen ſchohs hab ich den ſchohs der wilden fluht.
xvi.
Jhr wind erbarmt euch doch! und kan ich euch nicht ſtillen /
dehn man Neptuhn benahmt; ſo ſchohnt uͤm ihret wůllen /
daß ich nicht in der Se aufgaͤbe meinen geiſt /
und ſi in eigner fluht der zaͤhren folge leiſt.
xvii.
Jhr himmel kan ich dan nicht eure gunſt erwaͤrben;
iſt euch ſo wohl gedihnt mit unſrer beider ſtaͤrben?
lahſſt fahren euren grim; zuͤht euren ein - flus ein /
daß Roſemund und ich euch koͤnnen dankbahr ſein.
xviii.13ehrſtes Buhch.
xviii.
So tuͤhf erſeufzt ich ſtaͤhts. Der Nord zohg aus dem grunde
den ſtarken hauch / und blihs mit ausgehohl - tem munde
das ſchwachche waſſer-haus bald him - mel-hohch empohr /
bald auf den abgrund hin / daß ich mich ganz verlohr.
xix.
So guͤng di nacht fohrbei; an di ich wuͤl gedaͤnken /
ſo lange ſonn und mahnd an ihrem bogen haͤnken.
Es wahr nuhn hoher tahg / wir ſahen Tipen ſtaͤhn /
und lihſſen unſer ſchif von dahr zur Saͤhne gaͤhn.
xx.
Als nuhn der fuͤnfte tahg uns guhte zeitung brachte /
daß alles ſtille ſei (di winde bliſen ſachte)
ſo luͤhffen wihr ganz froh zum Gnaden - hafen ein /
nahch Hohn-floͤhr immer zu / bei klah - rem ſonnen-ſchein.
xxi.
Wihr lihſſen uns alda ans frohe Land an - ſaͤzzen /
A 7das14Der Adriatiſchen Roſemund
das halb-erſtorbne haͤrz mit aͤpfel-muſt zu laͤtſen /
dehr diſer Foͤlker trank. Der Nord - man ſazt uns fuͤhr
ein friſches Kirſchen-ohbſt mit ſeinem Malvaſihr.
xxii.
Was frohe luſt wahr da! Das dorf wahr ſchoͤhn geziret
mit gaſſen durch und durch von laub-waͤrk aufgefůhret:
di baͤume ſahe man in gleicher ordnung ſtaͤhn /
und uͤm den ganzen Plaz vihl ſchoͤne gaͤnge gaͤhn.
xxiii.
Wihr kahmen auf das faͤld / das ganz fol weizen ſtunde /
mit gaͤngen auch verſaͤhn; da gleich in ei - nem grunde
ein hoͤltſern Ritter kahm / ſein libes Lihb entfuͤng /
und mit daͤmſelben fort ins gruͤhne Gruͤhne guͤng.
xxiv.
Was dacht ich armer wohl! wi wahr mihr da zu haͤrzen!
ach! ach! o noch einmahl ach! moͤchte das nicht ſchmaͤrzen /
wan15ehrſtes Buhch.
wan ich mit troknem mund und naſſen augen hihr
ein ſolches ſaͤhen mus; ach! wo iſt meine Zihr?
xxv.
O aͤdle Roſemund / o ſchoͤhnſte von den Schoͤnen /
von dehr Luſtinne ſelbſt ihr ſchoͤhn-ſein mus entlaͤhnen:
wo? (ich boͤ-boͤbre ſchohn / di glider zit - tern mihr /
der kalte ſchweiß brůcht aus) wo biſt-du meine Zihr?
xxvi.
Wo bis wo biſt-du du / ach o du aus-er - waͤhlte /
di mich in gegenwart ehmahls ganz naͤu beſehlte /
und nuhn entſehlen kan. weil ich dich ſaͤhe nicht /
ſo nachtet’s ům und ům / o du mein Sonnen-licht.
xxvii.
Dis ſeufzt ich bei mihr ſelbſt; dis wahr mein heimlich klagen
bis in di doͤmmerung / ja das mich muſte nagen /
bis Foͤbus wider traht auf ſeine guͤldne bahn.
wihr16Der Adriatiſchen Roſemund
wihr lihſſen unſer ſchif / und reiſeten fohran.
xxviii.
Dis wahr der ſechſte tahg. Drauf ſein wihr angelaͤndet
des abaͤnds zu Ruahn / ſo manche ſchiffe ſaͤndet
nahch dihr / o Maſe / zu. Zwe tage blihb ich da /
bis ich den elfen auch Parihs in Frank - reich ſah.
xxix.
Das aͤdele Parihs / ja das noch aͤdler waͤre
und ſtoͤlzer / als es iſt / wans wuͤrdig waͤhr der Ehre /
dich / o du maͤnſch-goͤttin / zu ſaͤhn in dei - ner zihr /
das gruͤhſſt ich zwahr erfraͤut / doch auch betruͤhbt von Dihr.
xxx.
Hihr laͤb ich noch zur zeit inzwuͤſchen leid und fraͤude:
(de;
in leiden / weil ich dich mit widerwuͤllen mei -
in fraͤude / weil ich ſaͤh / daß dihr ſich kei - ne gleicht /
wi ſchoͤhn ſi auch mahg ſein / und faſt mein zihl erreicht.
xxxi.
Nuhn ſchluͤhſſ ich meinen mund / dehr dei - nen ruhm zu ſuͤngen
ſo17ehrſtes Buhch.
ſo faͤrtig iſt gemacht / dehm alles muß ge - luͤngen /
wan du ihm winkeſt nuhr / und dehr auf dein gebot
izt ſpruͤcht / izt wider ſchweigt. nuhn laͤb in deinem Got!

Wiwohl ſi nuhn diſes Lihd mit ſonderlichem fleiſſ und grohſſer bedachtſamkeit durch-gelaͤſen hatte / ſo lihß ſi ſich doch mit daͤm einigen mahle noch nicht begnůgen / ſondern wolt es noch eins uͤberſaͤ - hen / damit ſi dasjentge / was ſi vihlleicht noch nicht raͤcht eingenommen haͤtte / folaͤnd begreiffen moͤchte. Weil ſi aber ſeinen brihf noch nihmahls gelaͤſen hatte / ſo wolte ſi gleichſam auch gaͤrne zufohr deſ - ſen inhalt wůſſen; druͤm erbrahch ſi das ſigel / ent - faltet ihn / und laſ alſo diſes

Des Markholds Antworts-ſchreiben an di unvergleichliche ROSEMVND.

WOhl-aͤdel-gebohrne / tugend-folko - mene /

meine in ehren hohch-waͤhrte / treu-geneug - te Jungfrau; Nahchdaͤhm es nicht gnug iſt / daͤm ſchreiben meiner Schoͤnen gnuͤge zu tuhn / ſondern auch hoͤhchſt noͤhtig erach - tet wuͤrd / mein gewůſſen der ſchwaͤren buͤr - de eines naͤulich geleiſteten ſchwuhres zuent -18Der Adriatiſchen Roſemundentlaͤdigen; ſo uͤberſchikk ich ihr dasjenige / welches / wan es Si / ſeiner gering-ſchaͤzzig - keit waͤgen / nicht vergnůgen kan / doch zum wenigſten mich entbuͤrden wuͤrd. Si ſchau es nuhr / o leutſaͤlige / wo ſi es nicht laͤſen mahg / mit fraͤundlichen augen an / und lahſſ Jhr auch den blohſſen wuͤllen ih - res Traͤuen an ſtat der vergnuͤgung dinen. Jch habe wohl gewuſt / daß diſes lihd nih - mand / befohraus ihr / als einem ſo kluhg - ſuͤnnigen uͤber-irdiſchem Maͤnſchen-bilde nicht ſonderlich gefallen koͤnte; dahaͤhr ich dan auch lange zeit zweifaͤl-ſchluͤſſig gewaͤ - ſen bin / ob ichs aushaͤndigen ſolte / oder un - ter; meinen verworfenen ſchreibereien den wuͤrmen zur ſpeiſe ligen lahſſen: weil ich aber dagegen auch widerum wußte / daß Si zur geduld und ſanftmuht gleichſam gebohren waͤre / ſo bekahm ich wideruͤm ei - nen muht; und habe mich alſo / nahch mei - ner guhten zuverſicht / einer gnaͤdigen ver - zeuhung zu getroͤhſten. Jnmittels bin ich ihres verſtaͤndigen uhrteils; und wo nicht einer ſcharfen / doch gelinden ſtrahffe / ge - waͤrtig. Si hat nichts mehr zu tuhn / als ihrem diner zu winken / ſo wuͤrd er ſich ihr zu gehorſamen / entweder zu ſchweigen / oder zu raͤden wůl-faͤrtig gebrauchen lahſſen. Aber mit was fuͤhr dank ſol ich meinerJung -19ehrſtes Buhch.Jungfrauen begegnen / daß Si fuͤhr ihren Diner ſo eine traͤue fuͤhr-ſorge traͤget / und ſeine geſundheit ſo haͤrzlich zu wuͤſſen be - gaͤhret! mit was fuͤhr dank ſol ich erkaͤn - nen / daß ſi ihr alle ſeine verrůchtungen ſo traͤulich angelaͤgen ſein laͤſſet? nichts mehr weuß ich zu tuhn / als mich / dehr ich Si / meines erleidlichen zuſtandes waͤgẽ / ſchohn anderwaͤrts beruͤchtet habe / zu beklagen / daß ich mich meiner Schoͤnen und ihrer Jung - fer Schwaͤſter (welcher Si unbeſchwaͤ - ret meinen freundlichen gruhß und ehren - dihnſte vermaͤlden wolle) beraubet ſaͤhen muß / und ihnen nahch gebuͤhr nicht beiwaͤ - ſend aufwarten mahg; dan ich begaͤhre nichts mehr / als daß ich nuhr von mihr mit raͤcht ſchreiben moͤchte / wi daß ich ſei

meiner Jungfrauen aller-demuͤhtigſter und ganz - ergaͤbener Ehren-diner Markhold.

Ro -20Der Adriatiſchen Roſemund

Roſemund befand ſich / nahch verlaͤſung diſes ſchreibens / fohr verwunderung und fraͤuden zu - gleich beſtuͤrzt. Di verfaſſung ſchihn / dehm ehrſten anblikke nahch / ſchihr was fremde zu ſein fuhr Si; ſo / daß ſi nicht gewuͤß wußte / ob es auch an ſi ge - ſchriben waͤre / oder ob es nicht vihl-mehr an ihre Jungfer Schwaͤſter lautete. Si kaͤhrt es uͤm und wider um / und ſuhcht auf allen aͤnden / ob ſie eini - ge kaͤn-zeuchen / zu bekraͤftigung ihrer meinung / fuͤnden moͤchte. Si laſe di uͤberſchrift / da fand ſi ih - ren namen; doch gleichwohl blihb ſi auf ihrer ge - faſſten meinung / und gedacht / es moͤchten vihl - leicht di ſchreiben / aus uͤber eilung / verwaͤchſelt / und di uͤberſchriften unraͤcht aufgeſchriben ſein. Di anſprache kahm ihr nicht fuͤhr / als wan ſi unter verlihbten geſchaͤhe / oder aus einem ſolchen haͤrzen haͤhr-ruͤhrete; gleichwohl wahr es di antwort auf ihr ſchreiben. Si wolte muht mahſſen / als wan ein anderer ihr brihflein auf gefangen / und es dehrge - ſtalt beantwortet haͤtte; aber gleich-wohl ſahe ſi ih - res Markholds eigne hand: Zu daͤhm / ſo bezeugt es auch das ſigel / in welchem zwei haͤrzen (da aus daͤm einen ein Roſen-ſtok / aus daͤm andern ein Palm-baum mit der frucht haͤrfuͤhr wuchſſen) mit kaͤtten zuſammen-gefaͤſſelt ſtunden: das ſigel / ſag ich / welches ſi beide zum zeuchen ihrer ewigen traͤue zu fuͤhren pflaͤgten.

Di guhte Roſemund befand ſich zwiſchen furcht und hofnung; dan ob ſi ſich ſchohn fuͤrchtete / daß ſich nicht etwan eine auslaͤnderin in ihre ſtaͤlle ein - gedrungen haͤtte / und Si vihlleicht durch ſolche entlaͤgenheit / di ſi beider-ſeits daͤs anſchauens be - raubete / nicht auch aus ſeinem haͤrzen vertilget waͤ - re; ſo konte ſi doch gleichwohl noch einige hofnung ſchoͤpfen / wan ſi erwohg / daß er ſich in ſeinem ſchrei - ben noch ihren Getraͤuen benaͤnnte; wan ſi be - haͤrzte / wi fraͤund-ſaͤhlig er ihr begegnete / und widi21ehrſtes Buhch.di libe / ob er ſi ſchohn nicht an den tahg gaͤbe / doch gleichwohl unter ſolchen haͤrz-druͤngenden raͤden verborgen laͤhge.

Diſer wahn gefihl ihr abermahl nicht; dan der libes-eifer brachte ſi / nach ſeinem alten gebrauch / auf tauſendterlet gedanken. Si hihlt es nuhr fuͤhr eine angefaͤrbte ſchein-libelung / di er gegen ihder - man / da doch ſein haͤrz weit anders gedaͤchte / wohl zu gebrauchen wuͤste. Jn ſolchen unruhigen gedan - ken begahb ſi ſich an den tage-leuchter ihres zim̃ers / welcher gegen weſten guͤng / und vermeint alda was mundterer zu waͤrden: alein es wahr uͤmſonſt; di Einbildung ſtaͤllt ihr den unſchuldigen Mark - hold in den armen einer fremden fuͤhr / und ſi ſahe ihn / doch nuhr mit den gedanken; dan maͤnſchliche augen wahren zu ſchwach durch ſo vihl baͤrg und buͤſſche zu ſaͤhen; Si ſah ihn / ſag ich / uͤmarmet / und in libes-anfoͤchtung: Si ſah ihn fraͤudig und traurig zugleich. Ja ſi macht ihr ſolche wunder - ſeltſame gedanken / daß ſi dahr-uͤber wohl gahr in eine bloͤhd-ſuͤnnigkeit gerahten waͤre / wo es nicht Adelmund / di von diſen ſachchen noch ganz nichts wuste / durch ihre dahrzwuͤſchen-kunft verhindert haͤtte.

Roſemund bemuͤhte ſich / ſo bald ſi ihrer Fraͤun - din gewahr ward / ihren ſchmaͤrzen zu verbaͤrgen / damit ſi ihr di uhrſachche nicht ſagen duͤrfte: dan ſi wuſte wohl / daß Adelmund des Markholds grohſſe Goͤnnerin wahr / und nihmahls nichts ungebuͤhr - liches von ihm zu gedaͤnken / ich ſchweige / zu raͤden pflaͤgte: drüm ging ſi ihr von ſtunden an entgegen / und entfing ſi mit ſolchen fraͤudigen gebaͤhrden / welches ſi allezeit ſo meiſterlich tuhn konte / gleich - ſam in lachchendem muhte / als wan ſi ganz von kei - nem anligen wuͤste / und hatte den brihf / dehr alle diſe unruhe bei ihr veruhrſachte / fuͤhr dem tage - leuchter / deſſen flůgel ſi widerum zu-gemacht hatte /aus22Der Adriatiſchen Roſemundaus furcht ligen lahſſen: dan ſi kont ihn nicht ſo bald / daß es ihre Fraͤundin nicht waͤre gewahr wor - den / hinein naͤhmen.

Adelmund aber / welche ſehr kluhg und bedacht - ſam in allen ihren ſachchen handelte / unangeſaͤhen / daß ſi noch überaus jung wahr / ſahe wohl an ihren wangen / welche gleichſam mit blut-faͤrbigen ſtreif - fen uͤber-mahlet wahren / daß ſi geweinet hatte / und ſich nuhr / ihre traurigkeit zu verbaͤrgen / ſo fraͤudig ſtaͤllte. Si lihs ihr anfangs nichts maͤr - ken / daß ſi einige traurigkeit an ihr verſpuͤrete / und fing ſtraks von andern luſtigen ſachchen an zu raͤ - den. Meine libe Roſemund / ſagte ſi / ich bin ſehr erfraͤuet / daß ihr Her Vater ſo gluͤklich wider nahch hauſe gelanget iſt: dan er wahr gleich damahls von einer gefaͤhrlichen reiſe / da man ſein ſchif feind - lich beſtůrmet hatte / wider anheim kommen. Jch bin izund in der ſtat gewaͤſen / fuhr ſi fort / ihn zu beſuchen / da hab ich geſaͤhen / was er ihr und der Stilmuht ihrer Jungfer ſchwaͤſter / fohr koͤſtliche ſachchen an aͤdelgeſteine und ſeidenen wahren mit - gebracht hat; mihr ſelbſt hat er ein ſtuͤkke ſam̃t und atlas / ohne mein verdihnſt / und diſen uͤber-koͤſtli - chen Demant-ring / zur verehrung gegaͤben / daß ich nicht weus / wi ichs erwidern ſol.

Als ſie nuhn vermaͤrkte / daß Roſemund ihren unmuht in etwas mochte vergaͤſſen haben / ſo huhb ſi algemach von dem Markhold an zu raͤden / deſſen ſchreiben ſi aͤben entfangen hatte. Auch hab ich mich (fuhr ſi unter andern weiter fort) nicht wenig zu erfraͤuen / daß ſo ein liber Freund / als Markhold iſt / ſeinem wuͤndſchen und begaͤhren nahch / ſo glük - lich gewaͤſen iſt / und ſeine reiſe nuhnmehr bis nahch Parihs folbracht hat.

Uber diſen namen Parihs erſeufzete di guhte Roſemund / ſchwihg ſtill / und ſahe nahch dem ta - ge-leuchter zu / fohr dehm ſi ſein ſchreibẽ ligen gelahſ -ſen23ehrſtes Buhch.ſen hatte. Adelmund aber / di nuhn leichtlich maͤr - ken konte / uͤm welche zeit es waͤre / und wo ſi der floh gebiſſen haͤtte / erdachte zur ſtund einen rank / oder / damit ichs deutlicher gaͤbe / eine hoͤfliche Luͤgen / damit ſi di Roſemund befridigen moͤchte: Ja ich bin noch mehr erfraͤuet / raͤdete ſi weiter / daß er / laut ſeines an mich getahnen ſchreibens / in kurzer zeit wider zu ruͤk kommen würd.

Was! fing ihr Roſemund das wort auf / und ſahe ſi mit flinkernden augen an / ſol er in kurzer zeit wider-kommen? ich kan es faſt nicht glaͤuben / doch der Jungfer und ihm nichts zu nahe geraͤdet; er wuͤrde mihr ſonder zweifaͤl / ſo er es nuhr im ſünn haͤtte / ſolche hofnung auch gemacht haben. Ja freilich / ſagt Adelmund / er wuͤrd ſi mit ſeiner Anwaͤſenheit bald wider erfraͤuen; und indaͤhm ſi diſes raͤdete / ſo neugete ſi ſich nahch ihr zu / und ſah ihr unter das geſichte / di mahl-zeuchen ihrer traͤhnen wahr zu naͤhmen / als wan ſi ſolches nicht ſchohn fohrhin geſaͤhen haͤtte; wohrůber ſich Roſemund entfaͤrbete / und di augen fohrſchahm nider-waͤrts ſchluhg. O! fing Adelmund an / meine Jungfer / wahruͤm wuͤl ſi ihr weh-leid fůhr mihr verbaͤrgen / und wahruͤm hat ſi ihr / mihr zum fuͤhr-ſchein / eine ſo froͤhliche geſtalt angenommen / da doch di maͤrk - mahl der traͤhnen ihr weinen und innerliches haͤrz - leid verrahten.

Roſemund wolt es anfangs nicht geſtaͤhen; aͤndlich aber / als ſi ihr ſo vihl zu gemuͤhte fuͤhrete / wi aus einer blohſſen einbildung und irrigen ge - danken ſo ein grohſſes unheil erwachſen / und wi daͤmſelben durch guhten raht einer traͤuen Fraͤun - din koͤnte fohrgebauet waͤrden; ſo lihs ſi ſich beraͤ - den / und erzaͤhlte der Adelmund ihr ganzes anli - gen; ſi wolt ihr auch ſein ſchreiben ſelbſt laͤſen lahſ - ſen / aber der wind hatte ſolches ſchohn fohr dem tage leuchter waͤg gewehet.

Was24Der Adriatiſchen Roſemund
[figure]
25ehrſtes Buhch.

Was ſagt nuhn unſere Roſemund / di armſaͤlige / dahrzu / welche ehrſt raͤcht armſaͤlig wuͤrd / indaͤhm ſi ihres getraͤuen Markholds ſchreiben ſo ſchaͤndlich verſchaͤrzet hat. Da ſtaͤhet ſie verſtummet / anfangs fuͤhr ſchahm und unwuͤllen erroͤhtet / nahchmahls verblaſſet / wi eine roſe / di auch im anfang roht / haͤrnach blas / und aͤndlich gahr verwaͤlket dahin faͤllet.

Rom Markhold deiner Schoͤnen zu huͤlffe; kom und troͤhſte ſi; labe ſi und ſtaͤrke ſi; dan ſi liget in ohnmacht / ſi vergaͤhet wi eine roſe / di der Nord be - ſtuͤrmet; wi di Sonne / wan es nachtet. ach! ſchaue di arme! wi ſi kaum noch ein wenig roͤchchelt! nichts laͤbet mehr an ihr als das haͤrze / welches un - aufhoͤhrlich klopffet und puffet / daͤſſen kraft und wůrkung auch der Schlahg unter der linken hand entfůndet / dehn es fohr libe mit ſolcher ungeſtuͤh - migkeit ſchlagen machchet.

Aber Markhold iſt alzu weit entfaͤrnet; druͤm kom du / o lihb-ſaͤlige Adelmund; trit aus mitleiden haͤrzu / und raͤtte deine Fraͤundin / eile zu haͤlfen / Du haſt hohe zeit. Dan wan Du ihr laͤben raͤtteſt / ſo wuͤrſtu zugleich deinen Lands-man den Markhold / deſſen laͤben an daͤm ihrigen hanget / aus den ban - den des todes erloͤſen. ſtaͤrke ihren geiſt mit kraft - waſſer / daß er ſich wider erhohle; nuͤm den ſchlahg - balſam und beſtreiche dijenige / di das laͤben deines Fraͤundes friſten ſol.

Als ſich nuhn Roſemund durch huͤlfe ihrer Fraͤundin algemach wider zu beſuͤnnen begunte / ſo kaͤhrte ſi ihr geſicht alſo ligend nahch dem tage - leuchter gegen Weſten zu (dan auf zu ſtaͤhen wahr ſi noch zu macht-lohs) und raͤdete mit ſchwachcher ſprache dieſe halb-zerbrochchene wort: ach! ach! ver - zeuhe mihr mein haͤrzlihbſter / daß ich ſolch-ein aͤdles pfand ſo unachtſam verwahret habe: ach! ich habe mich an dihr verbrochchen; du biſt geraͤchter als ich;Bwi26Der Adriatiſchen Roſemundwi wuͤl ich das immermehr fohr dihr verantworten? diſes iſt vihlleicht di ſtrahffe meines arg-wahnes / und di rachche deiner unſchuld! wohl! ich kan nichts mehr tuhn / als dich uͤm verzeuhung bitten!

Hihrmit erhuhb ſi ſich / ſtund auf / und ſchauete zum tage-leuchter hinunter / ob ſi irgend des brifes im garten koͤnte anſichtig waͤrden. Als ſi nuhn nichts erſaͤhen konte / ſo luͤhf ſi ſelbſt hinab uñ ſuhch - te mit allem fleis / aber da wahr kein brihf fohrhan - den. Si kahm wider hinauf in ihr Zimmer / und huhb bitterlich an zu weinen / ahs noch trank nichts / und laͤgte ſich alſo / nahchdaͤhm ihr Adelmund guh - te nacht gegaͤben hatte / zu bette.

Da lahg nuhn di arm-ſaͤlige in ſo vihl hunder - terlei gedanken / daß ſi auch di ganze nacht ſchlahf - lohs durchbrachte; und des morgens / als der him̃el kaum zu grauen / und der tahg haͤrfuͤhr zu blikken begunte / ihr bette verlihs / und ſich in ihr inneres bei-zim̃er begahb / in wuͤllens ihres Markholds foh - rige ſchreiben / und alle lider / di er an ſi / und ſeine Fraͤunde verfaſſet hatte / durch zu ſaͤhen; damit ſi beides ſeine zuneugung gegen ſi auf das genaueſte beobachten / und dan auch di verdruͤhsliche zeit ver - ſuͤhſſen moͤchte.

Nahchdaͤhm ſi nuhn nahch gewohnheit ihr mor - gen-gebaͤht verruͤchtet / und etliche haubt-ſtuͤkke aus der heiligen ſchrift (in welcher ſi ſich / wi-wohl es ſonſt ihren Glaubens genoſſen verboten iſt / gleich - wohl auf einrahten der Adelmund fleiſſig zu üben pflaͤgte) in hohchdeutſcher Sprache mit ſonderli - cher andacht gelaͤſen hatte: ſo nahm ſi ihr prunk - laͤdichen / welches von fohren-holz / und gahr zihr - lich mit golde beſchlagen war / dahrinnen ſi ihres Markholds geſchribene ſachchen / als ein Heilig - tuhm verwahret hatte. So bald ſi ſolches eroͤfnet / und das Suͤñen-bild / welches ſi ſonſt / wi ich ſchohn erinnert / auf ihren pitſchaften zu fuͤhren pflaͤgten /erblik -27ehrſtes Buhch.erblikket hatte; da naͤhmlich zwei haͤrzen mit guͤld - nen Ketten zu-ſammen gefaͤſſelt ſtunden / und aus daͤm einen ein roſen ſtok haͤrfuͤhr-ſpros / naͤbenſt einer haͤl-flammenden gluht / di auf der einen ſeite nahch daͤm andern zu / aus welchem ein palmbaum mit der frucht in di hoͤhe wuchß / haͤrführ ſchluhg / und di zweige zwahr entſtahk / doch nicht verſehrete; mit diſer loſung: Keine Laſt ſonder Luſt. So bald ſi / ſag ich / ſolches ihr Suͤnnen-bild er - blikte / ſo huhb ſi an zu ſeufzen / und ſagte mit lauter ſtimme; jah es iſt wohl wahr / daß keine luſt ohne laſt iſt; und wan nuhr auch aͤndlich diſer Sůnnen - ſpruch / Auf laſt komt luſt, darauf folgete / ſo koͤnte ſich ein haͤrz noch wohl mit fraͤuden / wi ein palmbaum / der aufgelaͤgten buͤrde wider-ſaͤzzen / und ſeine beiden hůgel wider alles ungluͤk mit ge - walt auf růchten.

Als ſi ſolches geraͤdet hatte / ſo nahm ſi di brife haͤraus / und ſahe ſtraks zu oͤberſt haͤrfuͤhr blikken diſes

Des Markholds Abſchihds-lihd An ſeinen ſtand-faͤſten / getraͤuen Felſen-ſohn / Hern zur Ehren-burg / u. a. m.
i.
FElſen-ſohn / mein andres Jch /
ſei geruhig meinen Brůdern
zu zu hoͤren wuͤlliglich;
di mich mit belihbten Lidern
heute grůhſſen; da ich mahg
feiren meinen nahmens tahg.
B 2ii. Heu -28Der Adriatiſchen Roſemund
ii.
Heute / da des himmels zihr
ſich zu kleiden wahr gefliſſen /
ſchrihb mein Deutſchmuht haͤhr zu mihr /
ja mein Bornman fůhgt zu wuͤſſen /
wi er diſe ganze nacht /
und noch izund / lider macht.
iii.
Eines ſchikt mihr jener zu /
diſer koͤmmt auch an zu paren;
wo doch aber bleibeſtu?
haͤlt dich etwan bei den hahren
Deine / di Dich von mihr traͤnnt /
und ſich deine Fuͤrſtin naͤnnt.
iv.
Adelmund iſt auch ſchohn hihr /
jah ihr bruder wuͤrd bald kommen;
ſchau / es faͤhlet nuhr an Dihr;
Du haſt mihr di luſt benommen /
dahruͤm daß du dich entzuͤhſt /
und der Fraͤunde luſt nicht ſihſt.
v.
Aber du haſt andre luſt /
di Dihr tahg und nacht wuͤrd bleiben /
wi Dihr ſelbſten iſt bewuſt /
und mihr zeugt des Lihbholds ſchreiben;
Lihbhold ſchreibt es kurz und rund /
wohl! ſo bleibt mihr Roſemund.
vi. Jch29ehrſtes Buhch.
vi.
Jch erfraͤue mich mit Dihr /
und weil wihr uns bruͤder naͤnnen /
ſo wird Deine Lihbſte mihr /
hoff ich / gaͤnzlich auch vergoͤnnen /
daß ich ſelbe diſen tahg
meine ſchwaͤſter naͤnnen mahg.
vii.
dan ich truͤnk ihr wohl-ergaͤhn
bei der Amſtel in dem reihen;
Lachmund laͤſſt es auch nicht ſtaͤhn /
mus ſich ſelbſten mit mir fraͤuen;
Brunſchweig ſchikt uns aͤdles bihr /
Zerbſt iſt ſelbſten auch alhihr.
viii.
Roſemund mein einigs Al /
meine Fromme / meine Schoͤne /
mein Erhoͤben und mein Fal /
macht mihr izt ein ſolch getoͤhne /
jah ſi wůrd mihr mund und hand
gaͤben als ein Libes pfand.
ix.
Jzt gaͤh ich zu laͤtſt mit ihr
bei den blanken Amſtelinnen /
unter ihrer linden zihr;
dan / (o ſchmaͤrz!) ich mus von hinnen /
jah von hinnen mus ich zůhn /
und mein eigen gluͤkke flůhn.
B 3x. Ein30Der Adriatiſchen Roſemund
x.
Ein verhaͤngnuͤs traͤkt mich fort /
o daͤm ungemaͤnſchten Tihre!
daß ich diſen aͤdlen ohrt /
ach! o ſchmaͤrz! o leid! verluͤhre:
aber was! es muß ſo ſein /
mein gemuͤht zwuͤngt helfenbein.
xi.
Weich - und weiblich-ſein gezihmt
einer Jungfer und den Weibern;
aber dehr ſich maͤnlich ruͤhmt /
muß nicht klaͤben an den leibern /
di nahch ehr und ruhm nicht gaͤhn /
und im ſchwachchen Volke ſtaͤhn.
xii.
Sol ich dan ſo fůhr und fuͤhr
bei der aller-lihbſten ligen /
und nicht kommen fuͤhr di tůhr /
jah mich gleichſam knaͤchtiſch bůgen?
ach! das wuͤl mihr gahr nicht ein;
ich kan nicht guht weibiſch ſein.
xiii.
Bin ich gleich nicht was ich bin /
ſol ich gleich di gunſt verlůhren /
doch behalt ich meinen ſuͤn /
lahſſe mich kein ſchmaͤuchlen ruͤhren:
ſchoͤhnheit haͤlt mich ganz nicht auf /
zugend gaͤht doch ihren lauf.
xiv. Eh -31ehrſtes Buhch.
xiv.
Ehre bleibt mihr / oder nichts;
reiſen mus ich / oder ſtaͤrben:
doch di kraft daͤs nahch geruͤchts
laͤſſt ohn dis mich nicht verdaͤrben:
meine ſtarke Tichterei
macht mich fohr dem tode frei.
xv.
Tohd / was unterſtaͤhſtu dich /
wuͤltu unſre roſ ent roͤhten?
wuͤltu / Neid / vergiften mich?
nein. ihr koͤnt uns nimmer toͤhdten:
wůſſt ihr nicht / daß ins gemein
alle Tichter himliſch ſein.
xvi.
Diſe helden gaͤhn haͤrfuͤhr /
fuͤhren nichts als Ehren-zeuchen:
dinte / faͤder und papihr
waͤrden eurer macht nicht weichen;
dan ihr himliſches gemuͤht
ſchreibet kein vergaͤnglichs lihd.
xvii.
Dis / mein aͤdler Felſen-ſohn
haben wihr zum hohen lohne;
dis tuht unſer klahrer tohn /
daß wihr ſtaͤhn fohr Foͤbus trohne /
ſaͤhn bekraͤnzt den ſtaͤten Mei /
wůſſen nicht was ſtaͤrben ſei.
B 4xviii.32Der Adriatiſchen Roſemund
xviii.
Dis macht mich der fraͤuden fol /
dis erraͤget mein Gemuͤhte;
daß ich ſuͤnge / wi ich ſol /
wan mein innerlichs geblůhte
ſich erhizt mit himmels-kraft /
daß es nichts / was ſtaͤrblich / ſchafft.
xix.
Laͤtslich / weil ich jah mus zuͤhn /
und den wuͤllen nicht kan zaͤumen /
ei ſo ſol und wuͤl ich ihn
ſelbſt befoͤrtern ohne ſaͤumen.
Drům befaͤhl ich dich dem Hern /
und mich Dihr / o Fraͤunde kern!
xx.
Kern der Fraͤunde / di mihr ſein
ihmahls auf der waͤlt verpflůchtet /
mein vertrauter ohne ſchein /
dehr mich ſchwachchen auf geruͤchtet /
Dihr befaͤhl ich auch zu laͤtſt /
was ich bei Dihr ein-geſaͤzt.
xxi.
Meinen ſchoz befaͤhl ich Dihr /
dehr mihr ehmahls hat gegaͤben
meinen baͤſten ſchmuk und zihr /
jah ein unvergaͤnglichs laͤben /
daß ich nuhn im klugen Sůn
himliſch und nicht irdiſch bin.
Nach33ehrſtes Buhch.

Nahch verlaͤſung diſes begunte Roſemund wider einen muht zu ſchoͤpfen / und laſ auch di andern ſchriften alle durch; aus welchen ſi vihl anzeugun - gen ſeiner haͤrzlichen libe gegen ſi unſchwaͤhr erkaͤn - nen konte. Unter andern fand ſich auch ein gebun - denes ſchreiben / welches er fohr diſem an ſeine Frau Mutter hatte abgaͤhen lahſſen; Si uͤberluͤhf es auch / damit ſi ja ſaͤhen moͤchte / ob er etwan in ſeinem Vaterlande an eine andere verbunden waͤre / di er ſonder zweifaͤl dahrinnen ſeiner Frau Mutter fohr ſeinem Abreiſen anbefaͤhlen wuͤrde. Saͤhet / ſo verdaͤchtig iſt di eifrige Libe / und ſo argwaͤhniſch iſt unſere Roſemund! Es wahr aber ohn-gefaͤhr auf diſe weiſe verfaſſet.

Des Markholds Ticht-ſchreiben an ſeine Frau Mutter Di Himmelshulde / u. a. m.
EJn wohl-behaͤrztes haͤrz / ein aufge -
waͤkter Sůn /
ein muht / der Feuer fuͤhlt / wuͤrfft alles
ſeit-waͤrts hin /
was bloͤde-ſein uns heiſſt. Er laͤſſt ihm
nicht genuͤgen
in ſeiner Mutter ſchohs ſein laͤbelang zu
ligen /
wo ſich di tugend nicht / wi ſonſt / ver -
mehren kan;
nuͤm̃t ſeine ſchanz in acht; mus ofters
ein Tiran
B 5daͤs34Der Adriatiſchen Roſemund
daͤs mutter haͤrzens ſein. Zuͤht aus / wo
luſt und tugend
den wakren muht hin-fuͤhrt im laͤnzen ſei -
ner jugend.
Es mus ihm Se und wind kein ſchraͤk -
ken jagen ein /
wo anders ſein gemuͤht und haͤrz wuͤl tap -
fer ſein /
nicht weibiſch und verzahgt. Drům lahſſt
euch dis nicht ſchmaͤrzen /
Frau mutter / wan es gleich ein wenig gaͤht
zu haͤrzen /
daß ich izt weiter zuͤh. daͤnkt / daß di tu -
gend nicht
ſo troͤg und las kan ſein. ſi waget ſich
ans licht.
wan gleich der wider-ſtand / das ungluͤk / ſi
wuͤl ſchraͤkken /
wan gleich ein haͤrz-magnet ſi wůl zu-ruͤkke
traͤkken;
ſo eilt ſi doch hindurch / bis ſi gewonnen
hat /
vergnuͤget wider-koͤmt / und iſt der fraͤu -
den ſat.
Jch zuͤhe zwahr von euch; doch wuͤl
ich euch vergnuͤgen /
und mich zu eurer Luſt bald widerum ver -
fůgen:
wuͤrd nicht alsdan di luſt und fraͤude
groͤhſſer ſein /
di35ehrſtes Buhch.
di keinen ekel fuͤhrt / als di / ſo ſtaͤhts ge -
mein?
Ei laͤhbt in daͤſſen wohl! di zeit wůrd
bald verflůhſſen /
und meine widerkunft das leid mit luſt ver -
ſůhſſen.

Euer gehohrſamſter traͤu-liber Sohn Markhold.

Als ſi nuhn gahr nichts unter allen ſeinen Schrei - bereien fuͤnden konte / daß ihrer libe nahchteilig ſein moͤchte / ſo ſuhchte ſi noch in den unterſten ſchau - be-kaͤſtlein / dahrinnen fand ſi diſes

Einſprahch-getichte. der Gold-apfel raͤdet.
DJ Eris truhg mich feil am blanken
Amſtel-ſtrande /
Das alte Murmel-tihr / bis ſich das
Glůkke fůhgt
B 6und36Der Adriatiſchen Roſemund
und Paris mich bekahm / als er fuhr ab
vom Lande /
und laͤnkte ſich dahin / wo Lihb und
Weusheit lihgt /
wo Reichtuhm ruht und ſchlaͤhfft. Di dreie
von den Schoͤnen /
di dreie ſo di waͤlt beherſchen ům und uͤm.
Es ward uͤm mich ein zank; da teilte / dis
zu ſoͤhnen /
der Paris mich in drei / und ſtillte zank
und grim.
Aus einem warden drei / und wider eins
aus dreien;
ich eines ha[b]e nuhn den dreien gnug ge -
tahn:
was meint ihr was ich bin? Es mus ſich
alles fraͤuen
in diſer einigkeit / und froͤlich ſtim̃en an:
Runde kugeln lauffen färn;
guͤldne farbe bländet gärn /
glükkes-fügung tuht alſo /
macht uns unverſaͤhens fro.

Hihr-uͤber ſtund ſi / und beſan ſich eine lange zeit / was diſes fohr dreie ſein moͤchten / di er hihr-innen anraͤdete. Aendlich erinnerte ſi ſich / daß er kurz ſohr ſeinem Abreiſen einen Gold-apfel von einem Fraͤunde / dehr ihn bei einer alten Frauen gekaufft / zur verehrung bekommen / und ſelbigen nahch - mahls unter ſi dreie / naͤhmlich / unter Roſemund / Stil-muht und Adelmund aus-geteilet haͤtte. Jaſi37ehrſtes Buhch.ſi kont uͤberal / wo ſi nuhr ſuhchte / nichts fünden / das ihn moͤchte verdaͤchtig machchen; doch gleichwohl wolte ſi daͤs ſchreibens / welches ſi nuhn noch ein - mahl zu ſuchen hinunter in den garten ging / nicht vergaͤſſen.

Si ſuhcht eine guhte weile dahrnahch / und als ſi es aͤndlich im Waſſer-graben ligen ſahe / ſo ſtihg ſi eilend und ganz erfraͤuet hinunter / und trihb es mit einem Jndiſchen Rohrſtabe / welchen ſi aͤben zu daͤhm aͤnde mit ſich genommen hatte / nahch dem rande zu / daß ſi es erꝛeichen konte. Si truͤknet es wider bei der Sonnen; aber di dinte wahr durch di angezogene feuchtigkeit ſo ſehr zerfloſſen / daß man di ſchrift kaum laͤſen konte: gleichwohl ſchlos ſi es unter di andern mit ein / und verwahrt es ſo eigendlich / damit ſi ſich jah nicht faͤrner verbraͤch - chen moͤchte.

Es gingen zwe oder drei tage fohrbei / ehe ſi ſich zur antwort entſchluͤhſſen konte / und in diſer zeit hatte ſi wohl ſo vihl tauſendterlei einfaͤlle / ja ſo vihl als zeitblikke dahrinnen waren / daß es unmuͤhglich waͤre / ſi alle zu erzaͤhlen. Bald wolte ſi ſich / der Waͤlt ganz ab zu ſtaͤrben / in den heiligen ſtand begaͤben / und in einem Jungfer-zwuͤnger ihr Laͤben ſchluͤhſſen; bald wahrd ſi ſuͤnnes ein geluͤhbde zu tuhn / daß ſi ſich nim̃ermehr verehligen wolte; aͤnd - lich entſchlos ſi ſich das ſchaͤhffer-laͤben zu erwaͤh - len / damit ſi / im fal ihr Markhold durch ſeine kurz - kuͤnftige wider-kunſt ſeine unſchuld bezeugen wuͤr - de / einen ſolchen ſtand (welches ſi in den fohrigen beiden nicht tuhn koͤnte) wider verlahſſen / und ihm durch ihren abfal jah keinen fuhg und uhrſachche zu ſeinem verdaͤrben gaͤben moͤchte.

Als ſi nuhn diſen ſchluß bei ihr befaͤſtiget hatte / und nuhnmehr ein leichtes ſommerkleid / von ſchaͤhl - oder ſtaͤrbe-blauen zerhauenem atlas / m[i]t einem ro - ſe-farben ſeidenem futter / wi di Schaͤhfferinnen zuB 7tra -38Der Adriatiſchen Roſemuudtragen pflaͤgen / an zu laͤgen geſonnen wahr; ſo wolte ſi gleichwohl ihrem Markholde zufohr / in dehmjenigen ſtande / dahrinnen er ſi gelahſſen hat - te / noch einmahl ſchreiben; befahl alſo ihrer kam - merdinerin faͤder und dinte zu bringen / und begahb ſich in ihr geheimes zimmer ganz aleine / damit ſi in ihren gedanken nihmand verſtoͤhren moͤchte.

Nuhn wollen wihr unſere Roſemund in ihrer andacht lahſſen / und uns unterdaͤſſen nahch Parihs zu ihrem Markhold begaͤben; da wihr ihn gleich in einer luſtigen geſelſchaft fünden waͤrden. Er weus nichts von dem unwillen ſeiner Roſemund / iſt luſtig und trünkt auf ihre geſundheit. Di zeit koͤmt nuhmehr wider haͤrbei / da er ihre antworts - ſchreiben entfangen ſol / aber ſi verweilen ſich was lange; doch gleichwohl hat er keine mis-hofnung.

Er geraͤt ohn gefaͤhr / als er mit einem fůrnaͤh - men Hern ſol luſt-wandeln fahren / unter etliche Franzinnen / di ihm dan mit ſolcher ehr-erbůtigkeit begegnen / daß er ſich / unangeſaͤhen wi unwuͤllig er uͤber dis ſein verhaͤngnuͤs ward / eine guhte weile bei ihnen auf-halten mus. Si machchen ihm aller - hand kurz-weile / und beweiſen ſich ſo lihb-ſaͤlig / daß er aͤndlich gezwungen würd / ſich auch (ſeine ſchul - digkeit zu beobachten / ob es gleich nicht aller-dinge von haͤrzen gaͤhet) luſtig zu erzeugen.

Unter diſen befuͤndet ſich aͤben eine gelaͤhrte Jungfrau / derer bruſt-tuhch ohngefaͤhr auf-ge - ſprungen iſt: und als ſi daͤſſen gewahr wůrd / ſo be - gaͤhret ſi von daͤm andern Frauenzimmer eine ſtaͤk - nahtel. Markhold aber / dehr ihr am naͤheſten ſitzt / und ſich aͤndlich / weil es jah nicht anders ſein kan / zur luſt bekwaͤhmet / uͤber-reicht ihr eine. Si entfaͤhet ſelbige mit tůhffer dankbahrkeit / und in-daͤhm daß ſi unter-einander kurzweilen / und allerhand laͤchcherliche ſchümpf-raͤden fůhrbrin - gen / verlaͤtſt ſi ſich unverſaͤhens an einem fin -ger /39ehrſtes Buhch.

[figure]

40Der Adriatiſchen Roſemundger / und macht ſich bluht-ruͤnſtig. Hihrůber faͤhet di eine zu lachchen an / und ſagte / daß di nahtel aus des Lihb-reizzes bogen gemacht ſei / dahaͤhr habe ſi di alte wuͤrkung des Bogens und der pfeile / welche den maͤnſchen ſolche bitter-ſuͤhſſe wunden zu-fuͤgen koͤnten / behalten / und an ihr gleichfals bewiſen. Di eine ſpilet auch ein geticht in ihrer mutter-ſprache dahr-auf: und Markhold wuͤl ſich ſolchem gaͤrn mit einem andern wider-ſaͤzzen / und das wider - ſpihl erweiſen / wo er nuhr ihrer ſprache ſo vihl maͤchtig ſein koͤnte: gleichwohl unterlaͤſſt er nicht ſolches in lateiniſcher zunge / doch nahch der hohch - deutſchen Tichter-ahrt / zu tuhn; dehrgleichen man im lateiniſchen noch nihmahls geſaͤhen: dan er weus wohl / daß di eine / und ſonderlich di verwunde - te / der lateiniſchen ſprache kůndig iſt. Was er ge - gen-ſpilet / iſt diſes

Drei-ſaͤzzige Lihd. nach der hohch-deutſchen tichter-ahrt.
1.
HAnc acum dicitis, o Nymfæ, me feciſſe
ex arcu Gnydii? ſed negat hoc ſubmiſſe
Magnetis ſpiritus in veſtro ſanguine,
qui multùm læſus eſt, cùm traxit hanc ad ſe.
2.
O dulcis punctio! eſt talis vis in cute?
fit hoc ex ſanguinis magneticâ virtute?
quæ acum deperit & ambit protinus.
ô attractiva vis, quam cuncti ſenſimus!
3.
Non ſolùm trahitis hanc acum, o puellæ,
ſed trahitis & cor; & animæ tenellæ
vim veſtram ſentiunt; imò vos ſpiritus
attrahitis ad vos. quid, quæſo, fortius?
Sol -41ehrſtes Buhch.

Solcher geſtalt brachte Markhold diſen Luſt - wandel mit den Pariſinnen zu / und taͤht nichts im geringſten / daß ihn bei ſeiner Roſemund verklei - nern oder verdaͤchtig machchen koͤnte.

Nachdaͤhm nuhn diſer luſt-wal verruͤchtet / und ſi ſaͤmtlich von der Kutſchen abgeſaͤſſen wahren / ſo nahm Markhold von diſer luſtigen geſelſchaft / oh - ne ſonderliches wort-gepraͤnge / ſeinen abſchihd: und kahm noch ſelbigen abend zu ſeinem traͤu-liben Wahrmund von der Tannen. Diſer hohch-erfahr - ne und grund-gelaͤhrte Fraͤund / dehr ſich der grohß-maͤchtigen Deutſchinnen / durch aus-arbei - tung ihrer Helden-ſprache / ſo traͤflich verdihut ge - macht hat / unterhihlt ihn mit einem zwahr luſtigen und doch auch nuͤzlichem geſpraͤche / eine gute zeit: bis er aͤndlich von einem ſeiner lands-leute / dehr ihm zugleich ein ſchreiben von ſeiner Roſemund ů - ber-luͤferte / abgefordert wahrd.

Nihmahls iſt kein maͤnſch mehr erfraͤuet gewaͤ - ſen / als Markhold; nihmahls hat ſich ein Fraͤund dank wuͤlliger erzeuget / als er gegen den lüferer di - ſes aͤdlen ſchazzes / den traͤuen Haͤrz-waͤhrt. Nih - mahls haben bruͤder einander ſo vihl vertrauet / als diſe zwei maͤnſchen-bilder; welche beides ihre ge - buhrt - und landes-ahrt / das gluͤkk und di zuneu - gung in ſo ein faͤſtes band der ungefaͤrbeten fraͤund - ſchaft verknuͤpfet hatte. Markhold nahm abſchihd von dem raͤdlichen deutſchen haͤrzen / dem Wahr - mund von der Tannen / und begahb ſich mit ſeinem liben Haͤrz-waͤhrt nahch hauſe.

Als ſie nuhn beide in des Markholds zimmer a[l]eine waren / ſo erbrahch er den brihf / ſaͤzte ſich zum tage-leuchter aleine / in daͤſſen daß ſich ſein Fraͤund bei dem tiſche nider-gelahſſen hatte / und be - fand ihn folgender geſtalt verfaſſet.

Der42Der Adriatiſchen Roſemund

Der Roſemund Schreiben an den Markhold.

MEin Her /

ich weus nicht / ob ich mich bedanken darf / oder ob ich vihl-mehr ſeinen irtuhm be - ſtrahffen ſol / daß er ihm hat beliben lahſ - ſen eine ſolche verehrung mihr / als einem dehrſelbigen unwuͤrdig-erachtetem maͤn - ſchen-bilde / zu uͤberſaͤnden. Jch hihlte ſi hohch und waͤhrt / und koͤnte ſi nicht ta - deln / wan nuhr di an - und namen-ſchrift nicht verwaͤchſelt / und ſi der wahren beſiz - zerin zu-geſchriben waͤre. Er hat ſeiner dinerin verſprochchen di verfaſſung ſeiner reiſe zu uͤberſchikken / welches er auch ge - tahn: doch gleichwohl iſt ſi nicht vergnuͤ - get / ſondern / er verzeuhe meinem fraͤfaͤl / vihlmehr beleidiget: indaͤhm er dasjenige / was er vihlleicht ſeiner haͤrz-allerlihbſten zu uͤber-ſchikken entworfen hat / ihr / als einer ſolchen hohen libes-bezeugung unwuͤrdi - gen / gleichſam zu hohn und ſpot einhaͤndi - gen lahſſen. Aeben dasjenige wůrd di ſei - nige ſelbſten tuhn / ſo anders meine muht - maßung wahr iſt / daß er ihr daſſelbige / was er vihlleicht meiner wenigkeit zu gefallenver -43ehrſtes Buhch.verfaſſet hat / aus einem irtuhm zu-geſchri - ben hat.

Bei ſolcher geſtaltnuͤs nuhn / hab ich dis inligende reiſe-lihd / damit ich mich an der Seintgen / durch fohr-behaltung ihres eigẽ - tuhms / nicht verbraͤchchen moͤchte / wider - uͤm an ſeine uhrſtaͤlle luͤfern wollen. Be - danke mich doch auch nichts daͤs zu weniger zum hoͤhchſten / daß mein Her gleichwohl den ſuͤn gehabt hat / ſeiner Dinerin zu wuͤl - fahren / mit daͤhm erbuͤhten / daß ich ſolches durch můhglichſte dihnſt-leiſtung / wo mein Her mihr nuhr mit einem winke gebuͤten wůrd / gehohrſamlich erwidern wůl: ja / im fal mihr ſolches aus ſchwachheit oder an - dern hinter nůſſen zu fol - bringen nicht ge - ſtattet wuͤrde / ſo hab ich doch das verlan - gen / und ſolt es gleich wider ſeinen wůllen geſchaͤhen / mit taht und namen zuverblei - ben /

Mein Her / Seine alein-traͤu-eifrige und aͤrz-verpfluͤchte Dinerin / ſo lang ich bin und heiſſe Roſemund.

Mark -44Der Adriatiſchen Roſemund

Markhold erſeufzete vihlmahls uͤber diſen brihf / und entfaͤrbete ſein geſichte ſo mannigmahl / nahchdaͤhm er ihm bald vihl / bald wenig verhihſſe. Der libes-verdacht und di furcht / als zwo unfaͤhl - bahre wuͤrkungen einer ſtand-faͤſten libe / welches ihm Roſemund alles beides zu verſtaͤhen gahb / veruhrſachten zugleich fraͤud und ſchmaͤrzen. Er laſ es uͤber und wider-uͤber; beſahe den anfang und das aͤnde. Wahr der eingang hart / und das mittel untertaͤhnig / ſo wahr doch der ſchlus ſehr klaͤglich und ſehr haͤrz-entfuͤndlich. Das ganze ſchreiben kahm ihm nicht fůhr / als wan es von ſo liber hand geſchriben waͤre; dan ſi raͤdet ihn faſt nicht anders an / als in furcht / und gleichſam als einen ſtraͤngen gebůter / dehm ſi untertaͤhnig waͤre; ſonderlich wan er das mittel / nahch dem aus-gange zu / betrachtete: doch gleich-wohl gahb ihm der Schlus noch einige hofnung / und erinnert ihn ſei - nes fohrigen brifes / dahrinnen er ſi nicht als ſeine Lihbſte / ſondern nuhr alein / als ſonſt eine von ſei - nen traͤuen Fraͤundinnen angeraͤdet haͤtte: wel - ches er dan blohs zu daͤhm aͤnde getahn / damit nih - mand / ſo er etwan in andere haͤnde gerahten wuͤrde / ihre heimliche verbůndnuͤs verſtaͤhen moͤchte.

Das wider-eingehaͤndigte lihd / welches er indaͤſ - ſen / daß er den brihf laſ / in den tage-leuchter gelaͤ - get hatte / ſahe er auf eine ſeite mit unwuͤllen an / und draͤuete ſolches ins feuer zu waͤrfen. Weil er ihm aber beduͤnken lihs / daß es fohr ſolchem ſeinen harten anblikke gleichſam wi ein diner (dehr ſeine bohtſchaft nicht raͤcht beſtaͤllet hat / und unverrüch - teter ſachchen wider zu ſeinem Hern gelanget iſt) fůhr furcht erzitterte / ſo nahm er aus mit-leiden di - ſes unſchuͤldige und gleichſam verſchmaͤhete lihd - lein / und ſchlos es bei ſeite / damit es ihm nicht mehr haͤrze-leid veruhrſachte.

Alſo45ehrſtes Buhch.

Alſo ſtund der guhte Markhold eine guhte zeit[z]wiſchen furcht und hofnung; und ſahe wohl / daß er[ſ]i / wo nicht erzuͤrnet / doch gleichwohl arg-waͤhniſch[u]nd ſchaͤhl-ſichtig gemacht / uͤm daß er ſi in ſeinem[l]aͤtſten ſchreiben nicht austrüklich ſeine Lihbſte ge -[n]aͤnnet haͤtte.

Es kahm ihm ſehr befremdet fuͤhr / daß aͤben ſi / als ein ſo hohch-verſtaͤndiges und wuͤzziges Frauen - zimmer / ja dehr di lang-muͤhtigkeit / geduld und hoͤhfligkeit gleichſam angebohren waren / wider diſe ihre gebuhrts-ahrt / ihm ſolch-einen heimlichen ſtůch gaͤben konte; einen ſolchen ſtuͤch / dehr ihn ſo haͤftig ſchmaͤrzte. Aber er ſtaͤlte ſich gleichwohl bald zu fri - den / wan er in betrachtung zohg / daß ſi hihrdurch ihre eifrige Libe / di ſi zu ihm truͤge / blikken lihſſe / und daß nicht ſi / ſondern di haͤftigkeit ihrer Libes - anfoͤchtung / ihre faͤder gefuͤhret haͤtte. Er kont ihr uͤm ſo vihl daͤs zu mehr verzeuhen / weil er un - ſchwaͤhr vermaͤrkte / daß di Libe / der grauſame Saͤhlen-wuͤhterich / diſes angeſtiftet haͤtte; und ihr ein hoͤheres Lohb zu-ſchreiben / weil diſes di unver - waͤrflichen maͤrk-zeuchen ihrer unverfaͤlſchten traͤue waͤren.

Nachdaͤhm er ſich alſo eine guhte zeit mit diſen gedanken ůberworfen hatte / ſo ward ſein lihbſter Haͤrz-waͤhrt / dehm di zeit auch was lang fallen wolte / gezwungen / ihn anzuſpraͤchchen. Er fragt ihn / ob etwan ſeiner Lihbſten ein unglůk begegnet / und ob ſi irgend krank waͤre / oder ob ſi ſonſt etwas geſchriben haͤtte / welches ihn zu diſer angſt-muͤhtig - keit veruhrſachte?

Der guhte Markhold ſchwihg eine lange zeit ſtok-ſtille; dan er hatte ſich in ſeinen gedanken ſo ſehr vertuͤhffet / daß er nicht eigendlich hoͤrete / was ſein Fraͤund ſagte; weil ihn aber Haͤrz-waͤhrt ſo inſtaͤndig an-ſahe / ſo beſann er ſich aͤndlich / und gab doch nichts mehr als einen tuͤhf-gehohlten ſeuf - zer zur antwort.

Diſer46Der Adriatiſchen Roſemund

Diſer ſeufzer / welcher ohne zweifaͤl aus daͤm in - nern haͤrzen haͤrfuͤhr drang / veraͤndert ihn in ei - nem augenblikke dehr-mahſſen / daß ſein gantzer Leib / dehr fohrmahls / mit allen ſeinen glihd-mahſſen gleichſam erſtarret ſtund / wideruͤm raͤge ward. Er bewaͤgte di adern / di ſeine ſtar-ſteiffen augen gleich - ſam wi eine unruhe wideruͤm treiben machten; und trihb uͤber ſich di innerliche waͤrme / di ſein tohdten - bleiches angeſichte widerům erroͤhtete.

Jn ſolcher jaͤhligen veraͤnderung kahm er wider zu ſich ſelbſt / und fing an folgender geſtalt zu raͤ - den: ja freilich / ſagt er und ſeufzete / es iſt wohl ein raͤchtes ungluͤk / oder vihlmehr ein ſolcher unfal / welchen ihr eigner mis-verſtand / und meine guht-gemeinte / alzu gnaue bedachtſamkeit ver - uhrſachchet hat. Mein Fraͤund (fuhr er fort) kan nicht glaͤuben / wi ſehr mich diſes ſchreiben ver - unruhiget / jah was es mihr fůhr angſt und ſchmaͤr - zen machchet: und weil ich weus / daß er mein traͤueſter Fraͤund iſt / ſo kan ich wohl leiden / daß er alles dasjenige / welches diſe meine ſchwaͤhr - můhtigkeit veruhrſachchet / wůſſen mahg. Hihr - mit uͤber-reicht er ihm das ſchreiben ſeiner Ro - ſemund / und baht / daß er ſolches ſelbſt laͤſen ſolte. Haͤrzwaͤhrt aber wolt es anfangs nicht an-naͤh - men / mit fuͤhr-waͤndung / daß ihm ſolches nuhr al - ein zu laͤſen gebůhrete: Jhdoch / weil Markhold nicht nahchlahſſen wolte / ſo lihs er ſich noch aͤndlich dahrzu bewaͤgen / und laſ es zwei-mahl durch.

Als er nuhn ſolches wohl betrachtet hatte / ſo fing er an das haͤubt zu ſchuͤtteln / und ſprahch mit laͤchlendem munde; Jch laͤſe wi ich wůl / ſo fuͤnd ich nichts als libe / ja eine ſolche inbrůnſtige eiferige libe / di ich gleichſam in meiner einbildung fuͤhr heiliger furcht (daß ich alſo raͤden mahg) zittern ſaͤhe. Jhdoch / weil ich nicht weus / wi es mit ih -rer47ehrſtes Buhch.rer beiden libe bewandt iſt / und wi nahe ſi mit einander vereiniget ſein / ſo wůl ich mich nicht unterſtaͤhen / fol-koͤmlich dahrvon zu nhrtei - len. Sonſten / meinem wenigen verſtande nahch / fuͤnd ich nichts als lauter haͤrz-braͤchchende raͤ - den / di auch einen fremden / dehr ſi nicht einmahl kaͤnnet / zum mit-leiden zwůngen. Anfangs gihbt ſi ihm zwahr einen heimlichen verweis / aber ich ſchwoͤre / nahch anleitung des ſchluſſes / daß Si ſolches muͤndlich nicht wuͤrde tuhn koͤnnen: und wo ſi es jah aͤndlich uͤber ihr haͤrze bringen koͤnte / ſo wuͤrden ſolches gewuͤslich nuhr halbe worte ſein. Si wuͤl ſich wohl was fremde gegen ihn ſtaͤllen / wan es nuhr di Libe geſtatten wolte. Al - les / gahb Markhold zur antwort / waͤre noch wohl / wan ſi nuhr das lihdlein / welches ich ihr zu ehren verfaſſet habe / mit dank angenommen und nicht ſo gahr verſchmaͤhet haͤtte.

Das iſt eines ſo kluhg-ſuͤnnigen Frauen-zim - mers ahrt (fing Haͤrz-waͤhrt widerům an) daß es dasjenige verwůrfet / das es doch hoͤhchlich be - gaͤhret / und wan man es bei daͤm luͤchte beſaͤhen wuͤl / ſo befuͤndet man / daß es dahrdurch ſeinen Lihbſten an ſeiner ſtand-faͤſtigkeit nuhr bewaͤh - ren wuͤl. Wiwohl ich mich ſonſten (fuhr er fort) um anderer leute heimligkeiten wenig bekuͤmmere / ſo bringt mich doch meine fůhrwůzzigkeit dahin / daß ich gleichwohl gaͤrne wuͤſſen moͤchte / wi und durch was fuͤhr mittel mein Fraͤund mit diſer him - liſchen Roſemund in ſolche vertrauliche kund - ſchaft gerahten iſt; nahchdaͤhm ich ſeine ein gezo - gene bloͤdigkeit kaͤnne / und dahrnaͤben wol weus / daß das waͤlſche Frauen-zimmer / es ſei auch wo es wolle / ſich mit daͤm mans-folke / wi das unſri - ge zu tuhn pflaͤget / gahr nicht gemeine macht; jah ſich kaum ein mahl auf der ſtrahſſen erblik - ken laͤſſet?

Jch48Der Adriatiſchen Roſemund

Jch muß geſtaͤhen / mein lihbſter Haͤrz-waͤhrt / (gahb Markhold zur antwort) daß ſolches ohne ſonderliches verhaͤngnuͤs nicht geſchaͤhen iſt; ihdoch mus ich auch bekaͤnnen / daß es vihlmehr ein an - fang unſerer kuͤnftigen unglükſaͤhligkeit / als wohl - eingebildeten glůkſaͤhligkeit gewaͤſen iſt. Damit ich aber meinem Fraͤunde di ganze begaͤhbnuͤs mit al - len ihren ümſtaͤnden / und ohn einiges maͤnſchen dahrzwiſchen-kunft / in geheim erzaͤhlen moͤge / ſo wollen wihr zufohr di foͤrder-tůhre verruͤgeln lahſ - ſen.

Als nuhn ſolches geſchaͤhen wahr / ſo naͤhert er ſich zu ſeinem Haͤrz-waͤhrt / und huhb folgender ge - ſtalt an zu raͤden.

Di Begaͤhbnuͤſſe des Markholds und der Roſemund.

ES wuͤrd ſich mein Fraͤund ohne zweifaͤl noch wohl zu beſuͤnnen wuͤſſen / daß Adel-waͤhrt ein tapferer und aufgewaͤkter Jüngling in dem Erz-ſchreine der lihblichen Salahnen eine ſonderli - che fraͤundſchaft mit mihr gepflogen / und nahch dchrſelben zeit im kriges-waͤſen ſein heil verſuchet hat; da ihm dan das gluͤkke ſo guͤnſtig gewaͤſen iſt / daß er ſtraks Walt-haubt-man worden / und nahch einer ritterlichen Siges-eroberung auch in einem vihrteil jahre eines Haupt-mans plaz betraͤten / bis er aͤndlich in einem jahre dahrnahch / als er ſich in einer Schlacht ſo tapfer gehalten hatte / gahr zum Schalt-oberſten iſt gemacht worden. Diſer Schalt-oberſter Adel-waͤhrt nuhn iſt di haubt - uhrſachche / und ſeine Lihbſte das mittel / dadurch ich mit der uͤber-irdiſchen Roſemund in kundſchaft ge -rahten49ehrſtes Buhch.rahten bin. Dan es begahb ſich / daß er ohn-gefaͤhr fohr dreien jahren (nachdaͤhm ſich eine Schleſi - ſche von Adel / di lihb-ſaͤhlige Adelmund / eine Jungfrau von vihr-zehen jahren / mit ihm in eh-ge - luͤbnůs eingelahſſen hatte) zu Strahsburg mit ei - nem fůrnaͤhmen Hern von Venedig bekant ward / welcher ſich uͤm gewuͤſſer uhrſachchen wůllen mit ſeinem ganzen Hauſe fohr etlichen jahren aus Waͤlſchland in das Hohchdeutſche Reich begaͤben hatte / und aͤben dazumahl ſeine zwo toͤchter mit der Frau Mutter nahch Holland zu-ſchikken wolte.

Als er nuhn ſolches von dem Suͤnnebald (alſo hihs diſer Venediſche Her) vernommen hatte / ſo gahb er ihm zu verſtaͤhen / daß er auch geſonnen waͤre ſeine Lihbſte in kurzen nahch Holland zu ſaͤn - den / ſo lange / bis der Krihg in Hohch-deutſchland ein wenig nahch-lihſſe / oder er nuhr gelaͤgenheit bekommen moͤchte / ab zu danken; dan izund (ſagt er) waͤr es nicht rahtſam / daß er ſich mit ihr trauen lihſſe / da er noch in beſtallung / und ſi auch ſelbſten noch ein wenig zu jung waͤre. Weil aber weder er / noch ſi / ganz keine bekanten daſelbſt haͤtten / ſo baͤht er ihn / er wolle ſi doch in geſelſchaft ſeiner beiden toͤchter auf eine zeit zu laͤben vergoͤnnen / damit ſi ſich unterdaͤs mit einem und dem andern Hohch - deutſchen / ſo ſich daſelbſten aufhihlten / moͤchte be - kant machchen / und durch diſes mittel fuͤhr ſich und ihre Jungfer Schwaͤſter / di ihr haͤrnahch auch fol - gen wuͤrde / einen bekwaͤmen aufenthalt bekom - men.

Der Suͤnnebald wahr ſolches ſehr wohl zu fri - den / und baht ihn noch dahrzu / er wolle doch mit ſeiner Lihbſten nicht lange ſaͤumen; dan es waͤr ihm ſehr lihb / wan ſeine toͤchter / di nuhn-mehr der hohch-deutſchen ſprache ganz kuͤndig waͤren / eine ſolche ahdliche Jungfrau / di nicht alein von hohch -Cdeut -50Der Adriatiſchen Roſemunddeutſcher ankunft / ſondern auch eines ſo liben Fraͤundes haͤrz-lihbſte waͤren / zur geſpihlin haben koͤnten; und er ſolte verſichchert ſein (fuhr er fort) daß er ſi nicht als eine Fraͤundin / ſondern gahr als ſeine leibliche tochter halten wolte.

Nahchdaͤhm ſich nuhn Adelwaͤhrt ſolches guhten anerbuͤhtens waͤgen gegen ihn zum hoͤhflichſten be - danket hatte / ſo ſchrihb er alsbald an ſeine Lihbſte / und baht / ſi moͤchte ſich zur reiſe nahch Holland ge - faſt halten; dan er haͤtte ſchohn einen gewündſchten Auf-enthalt fohr ſi angetroffen. Aber es verzohg ſich noch eine zimliche zeit / indaͤhm ihnen bald diſe / bald jene ungelaͤgenheit auf-ſtůhs; dehrgeſtalt / daß ſi ehrſt ůber ein jahr dahin gelangte.

Jndaͤſſen nuhn / daß ſich Adelmund bei diſen Ve - nediſchen Jungfrauen auf-hihlt / ſo hatt ich mich auch in Holland zu begaͤben / in wüllens / von dahr nahch Frankreich zu gaͤhen; und es waren kaum drei wochchen verfloſſen / als ich ſchohn nach Engel-land zohg / von dahr ich mich aber bald wider zu ruͤk machte. Meine gedanken waren noch ganz nicht in Holland zu bleiben / ob es ſchohn mit meiner reiſe nahch Frankreich ſo bald / als ich wohl gemeinet haͤtte / nicht gluͤkken wolte. Jch ward ſuͤnnes mich nahch Preuſſen zu zu waͤnden / und dahrnach auch das benachbahrte Polen zu beſaͤhen; wi ich dan auch ſchohn einen ſchiſfer daͤshalben beſprochchen hatte / und mich in zween tagen auf di fahrt zu begaͤ - ben geſonnen wahr. Aber es konte nicht ſein; dan das Verhaͤngnuͤs zohg mich zurůkke / daß ich noch ein ganzes jahr in Holland verbleiben muſte.

Aber ach! was hat mihr ſolcher verzug nuhr fohr ein ungluͤk veruhrſachchet! vihl baͤſſer waͤr es gewaͤſen / daß ich auf der Se mein laͤben gelahſ - ſen / als durch daſſelbige di armſaͤlige Roſemund in weh-leiden / und mich aus mit leiden in jammer verſaͤzt haͤtte. Dan ich hatte mich noch kein hal -bes51ehrſtes Buhch. [b]es jahr bei den Amſtelinnen aufgehalten / als mein traͤuer Adel-waͤhrt / zu ſeiner Lihbſten gluͤkke / und[d]er Meinigen verdaͤrben / in erfahrung kommen wahr / daß ich mich in Holland begaͤben haͤtte. Er fühgte ſolches ſeiner Adelmund alſo-bald zu wuͤſſen / und lihs dahrnaͤben ein ſchreiben an mich[a]b-gaͤhen / welches mihr auch bald eingehaͤndi - get ward. Er befahl mihr ſeine Lihbſte: Er er -[i]nnerte mich der alten ſchuhl-fraͤundſchaft / und meiner pfluͤcht / di ich ihm fohr dehr zeit geleiſtet hatte; er betauerte ſich ſelbſt / daß er mich nicht gegenwaͤrtig dahruͤm anlangen koͤnte: er ver - pfluͤchte ſich / mihr wideruͤm alle mühglichſte dihn - ſte zu leiſten / wo ich di jenigen / di ich ihm ſchul - dig waͤre / nuhr ſeiner Lihbſten ab zu zahlen geru - hen wuͤrde. Jah ſein ſchreiben wahr ſo haͤrz-ent - zuͤkkend und ſo durch-drůngend / daß ich mich beides aus Libe gegen ihn / und aus begihrde / di ahdliche Braut / di fraͤundſaͤlige Adelmund / zu ſaͤhen / nicht lange ſaͤumete / ſeiner Haͤrz-allerlihb - ſten auf zu warten.

Als ich nuhn in ihr haus kahm / ſo ward ich ſtraks von einer zohffen in ein zimmer begleitet / da ſi ſich ganz aleine befand. Jch entfing ſi mit ei - nem ehr-erbůhtigen hand-kuſſe / und gahb ihr mei - ne fraͤude waͤgen ihres glůklichen wohl-ſtandes zu verſtaͤhen / naͤbenſt einer demuͤhtigen pflůcht-lei - ſtung / daß ich di ehre haben moͤchte / ihr / als mei - nes bruͤderlichen Fraͤundes / des Adelwaͤhrts Haͤrz - lihbſten / nahch meiner wenigkeit auf zu dinen. Si nahm diſes mein erbůten mit einer ſonderli - chen hoͤhfligkeit an / und verſichcherte mich kraͤf - tiglich / daß ich der erwiderung ſolcher ange - botenen dihnſte nuhr alſo gedaͤnken ſolte / gleich wi ſi bedacht waͤre / ſich mihr durch allen ihren mühglichſten fleis ins kůnftige annaͤhmlich zu machchen.

C 2Diſe52Der Adriatiſchen Roſemund

Diſe wort-gepraͤnge waͤhreten eine guhte zeit; dan hatt ich das meinige eingeworfen / ſo brachte ſi ſtraks andere gegen-wuͤrfe; wolt ich dehr laͤt - ſte ſein / ſo begaͤhrte ſi aͤben dasſelbige / dehrge - ſtalt das ich aͤndlich gezwungen ward / diſer kluhg - ſünnigen Jungfrau gewonnen zu gaͤben.

Diſes nuhn wahr unſere ehrſte zu-ſammen - kunft / bei welcher / wi auch bei der andern und dritten / ich noch ein ruhiges haͤrze behihlt; aber di vihrte begunte mich algemach zu verunruhi - gen. Dan als ich ſchohn ein vihrteil jahr mit ihr uͤmgegangen wahr / und allezeit das gluͤkke gehabt hatte / ſi ganz aleine zu ſpraͤchen / ſo / daß ich auch zeit-haͤhr keines maͤnſchen / als der maͤgd / in ih - rem hauſe wahr anſichtig worden: ſo begahb es ſich laͤtslich / daß ich mich einsmahls wider meine gewohnheit etwas lange bei ihr verweilet hatte / und zur tafel gebliben wahr; dehr-geſtalt / daß wihr uns nahch gehaltener mahlzeit ein wenig in den Luſt-garten hinunter machten.

Di Adelmund fuͤhrete mich aus ihrem Zim - mer durch einen grohſſen Sahl / welcher mit waͤl - ſchen blau-weiſſen vihr-ekkigen ſteinen gepfla - ſtert / und an den waͤnden ringſt haͤrum mit al - lerhand uͤberaus kuͤnſtlichen gemaͤlden geziret wahr; von dannen kahmen wihr durch einen verborgenen ſchnaͤkken-gang / oder waͤndel-traͤp - pe hinunter auf di hinterſte fal-brůkke / welche nahch dem grohſſen garten zu-ging. Auf ſelbi - ger bruͤkken nuhn hihlt ich mich ein wenig auf / da - mit ich das ſchoͤne gebaͤu von hinten-zu auch be - trachten moͤchte.

Jndaͤhm ich aber alſo in meinen gedanken ſtaͤ - he / ſo erhaͤbet ſich uͤber daͤm tohre / auf einem da - mahls mit grůhnen tuͤchern behangenem luſt - gange / ein uͤberaus lihbliches lauten-ſpihl / wel - ches mich gleichſam gahr entzuͤkte. Jch erhuhbmein53ehrſtes Buhch. mein geſicht / und ſahe mich auf allen ekken dahr - nahch uͤm / ich wuſte nicht ob ich bezaubert / oder ob ich mein geſicht verlohren haͤtte / weil ich keinen ei - nigen maͤnſchen erſaͤhen konte. Aendlich hoͤret ich auch ein uͤberaus-lihbliche ſtimme / di ſo klahr / ſo haͤlle / ſo zahrt / ſo rein und ſo traͤflich wahr / das ich dehrgleichen alle di tage meines laͤbens nicht gehoͤret habe.

Als ich nuhn diſem anmuhtigen Wuͤl-kommen (dan / wi ich haͤr-nahchmahls erfahren habe / di juͤngſte Jungfrau / di goͤtliche Roſemund / hatte mihr ſolches zu ehren geſpilet) eine guhte weile mit verwunderung zu-gehoͤret hatte / ſo gahb mihr A - deimund / welche ſchohn fohran gegangen wahr / ei - nen wink / und fůhrete mich in den garten / da wihr zu einem ůberaus-ſchoͤnen Luſt - und ſpruͤng-brun - nen gelangten.

Ob diſem ſo uͤberaus-kuͤnſtlichem waͤrke ward ich abermahl ſehr verwundert. Wi kan es mühg - lich ſein (fing ich an) daß diſes raͤcht zugaͤhet? ſein diſe Als-goͤttinnen laͤbendig / di ſich alhihr ſpihl - weiſe baden / oder hab ich meine vernunft verloh - ren? ſi ſein ſteinern / und gleichwohl raͤgen ſi di haͤnde / di arme / di beine / ja faſt alle glider! Jch muß auch wahrlich bekaͤnnen / daß es ein rechtes kunſt - ſtuͤkke wahr.

Der Brunnen an ſich ſelbſt / wahr von gaͤlblich - tem Marmel / di Als-goͤttinnen / derer dreie oben auf / halb entbloͤhſſet / und halb mit waſſer bedaͤkket / in einem ringel mit aneinander-haltenden haͤnden ſtunden / waren von ſchne-weiſſem marmel / ſo zahrt und ſo kuͤnſtlich gehauen / daß man auch alle di kleineſten aͤderlein ſaͤhen konte: aus den brůſten und aus dem munde kahmen ſolche lihbliche waſ - ſer-ſtrahlen haͤrfuhr geſprungen / di ſich im erhoͤ - ben von einander gaben / und in der mitten ůber dem brunnen ſchraͤnks-weiſe uͤber und durch einan -C 3der54Der Adriatiſchen Roſemundder ſchoſſen; welches ein ſolches anmuhtiges aus - ſaͤhen und ein ſolches lihbliches geraͤuſche machte / daß es einem das gehoͤhr und das geſichte beides zugleich entzuͤkte.

Jch vermeinte nicht anders / als wan ich mitten unter diſem waſſer-ſpihle di laute noch ſchlagen / und di himliſche ſtimme / di ich nuhr naͤulich ůber daͤm tohre vernommen hatte / ſuͤngen hoͤrete. Auf dem oberſten rande des brunnens ſahſſen ſechs Leu - en von Korintiſchem kupfer halb-geſchwoͤllet und halb zohticht / welche mit dẽ klauen ein-ihder ein baͤk - ken von morgen-laͤndiſchem albaſter / durchſcheinẽd wi kriſtal / und auf das kuͤnſtlichſte mit bluhm-waͤrk geziret / unter ſich hihlten / und dahrmit das waſſer / das aus ihrem munde geriſelt kahm / auf-fingen.

Der ſtein-waͤhg uͤm den brunnen haͤruͤm wahr von weiſſ - und ſchwarzem marmel; di laͤhnen von kupfernem bluhm - und laub-waͤrke / di den fluhr uͤm - ſchloſſen. uͤm diſe gegend ringſt haͤrüm wahr eine ſehr hoh und duͤk-bewachſene Sommer-laube / in welcher man allenthalben auf und abgaͤhen konte / daß einen nihmand ſaͤhen / auch di ſonne nicht zum geringſten beſcheinen mochte.

Auf der andern ſeite der luſt-laube waren aller - hand bluhmen zu ſaͤhen. da ſtunden ſo vth! manch - faͤrbige tulpen / daß man ſi nicht alle zaͤhlen konte: etliche waren ſo weis wi der ſchne; etliche roht / braun und gaͤlbe; etliche mit tauſendterlei ſchoͤnen farben vermiſchet / daß es mit luſt und verwunde - rung an zu ſaͤhen wahr.

Es wahr nuhn ſchihr eine ſtunde verlauffen / als wihr alle diſe ſchoͤne ſachchen / von denen man wohl ein ganzes buhch verfaſſen koͤnte / geſaͤhen hatten. Adelmund boht mir di hand / daß ich ſi wideruͤm auf ihr zimmer begleiten ſolte / dehrgeſtalt / daß wihr di - ſen uͤberaus-kuͤnſtlichen / und wunder-ſchoͤnen Luſt - garten verlihſſen.

Es55ehrſtes Buhch.

Es kan nuhn wohl ſein / wi ich nahch der zeit aus der Roſemund raͤden ſelbſt halb und halb vernom - men habe / daß ich diſes Venediſchen Hern Toͤchtern in ſolchem Luſt - wandel etlicher mahſſen belihblich fohrkommen bin / daß ſi vihlleicht meiner geſel - und kunſchaft auch haben genuͤhſſen / oder doch nuhr ohn gefaͤhr di Adelmund beſuchen wollen: Dan als wihr uns wideruͤm auf ihr zimmer begaͤben hatten / und ich gleich meinen abſchihd naͤhmen wolte / ſo kahm der Jůngſten kammer-jungfer / und ſagte der Adelmund an / daß ſi die Jungfrauen / ſo es ihr gelaͤgen waͤre / beſuchen wolten.

Als ich ſolches hoͤrete / ſo wolt ich mein abſchihd mit gewalt naͤhmen / und bemůhete mich ſo vihl als ich immerkonte / diſem inſtaͤhenden blizz aus dem waͤge zu weichen. Alein Adelmund wolte mich nicht gaͤhen lahſſen. Mein! ſagte ſi / iſt er nuhn ſo ſchuͤchtern? wuͤl er dan unſeres Frauen-zim - mer nicht auch ſaͤhen? wahrlich / weil ihm ihr ſuͤng - und ſeiten-ſpihi ſo wohl-gefallen hat / ſo wuͤl ich ihn verſichchern / daß ſi ihm ſelbſt / teils waͤ - gen ihrer anmuhtigen Fraͤundligkeit und hold-ſaͤ - ligen gebaͤhrden / teils auch waͤgen ihrer uͤber-ir - diſchen ſchoͤhnheit uͤber alle mahſſen gefallen waͤr - den: jah ich doͤrfte ſchihr ſagen / daß er dehr glei - chen ſein laͤhb-tage nicht geſaͤhen hat; ſein laͤhb - tage hat er nicht geſaͤhen / das weus ich wohl / was es in Waͤlſch-land fuͤhr ſchoͤne weibes-bilder gibet. Jndaͤhm ſi ſolches ſaͤgte / ward di tuͤhr eroͤfnet / und ſi kahmen alle beide / mit zwo Dinerinnen begleitet / zu uns hinein getraͤten.

Adelmund entfing ſi mit hoͤhflichen gebaͤhrden / und ich gleichesfalls mit tuͤhffer ehr-erbuͤtigkeit. Es warden uns vihr baͤnke ringel-weiſe geſaͤzt / dehrge - ſtalt / daß ich gegen der Roſemund (alſo hihs di juͤngſte / und Adelmund gegen der Stilmuht (wel - che di aͤlteſte wahr) ůber zu ſizzen kahmen.

C 4Jch56Der Adriatiſchen Roſemund

Jch habe zeitdaͤhm wohl tauſendmahl mit ver - wunderung dahran gedacht / und wan ich noch izund dahran gedaͤnke / ſo deuchtet mich / als wan ich fohr dem blizze der haͤl-flam̃enden augen meiner Schoͤ - nen noch erzitterte. Dan / mein Fraͤund / ich ſtund gleich gegen der tuͤhren über / da diſe wunder-ſchoͤne Bliz-kinder gleichſam haͤrein geflammet kahmen; gleich hatt ich di augen auf das fraͤudige geſichte der Roſemund gewaͤndet / als ſi mich im haͤrein traͤ - ten mit ſolchen blikken entfing / di ſich mit den meini - gen vereinbahrten und ſi gleichſam wideruͤm zuruͤk - ke triben. Jch weus nicht zu ſagen / und ſolt ich gleich ſtaͤrben / wi mihr damahls zu muhte wahr; es kahm mihr nicht anders fuͤhr / als wan di wunder-kraͤftige ſtrahlen ihrer haͤl-funklenden augen di meinigen zerbrochchen / oder mich durch einen ſolchen überirdi - ſchẽ ſchein gahr entaͤuget haͤtten. Auch nahchmahls / als wihr uns ſaͤmtlich nider-geſaͤzt hatten / verlihs ſi mihr faſt kein auge / dehrgeſtalt daß ſi / wan meine blikke den ihrigen zu zeiten begegneten / ganz ver - wuͤrret ward / und ihre in den meinigen verirrete augen ohn unterlahs flinkern lihs.

Jch maͤrkte woh aus ihren tuͤhffen gedanken / di ihr auch nicht zu-lihſſen nuhr etliche wenig worte zu machchen / daß ſi ſich ſtraks in dem ehrſten anblikke ſolcher geſtalt vertuͤhffet haͤtte. Dan ehe ſi noch haͤr - ein getraͤten wahr / uñ ehe ſi mihr einen ſolchen lihb - lichen blik gegaͤben hatte / ſo hatte ſi ein raͤcht fraͤudi - ges uñ laͤhbhaftes geſichte: ſo bald ſi mich aber nuhr ein einiges mahl angeblikket hatte / ſo hatte der hoch - deutſche Lihb-reiz mit dem Waͤlſchen ſchohn bruͤder - ſchaft gemacht / und wahr nuhnmehr meiſter im fel - de / dehr-geſtalt / daß di guhte Roſemund durch-aus veraͤndert ward. Di fraͤudige geſtalt wahr in eine tuͤhffe ſchwaͤhr-můhtigkeit verwandelt; di gebaͤhrden waren nicht mehr ſo raͤg und ſo faͤrtig als fohrhin; ſi vergahs faſt ihrer ſelbſt; und ſahs in ſolcher tuͤhf -ſuͤn -57ehrſtes Buhch. ſuͤnnigkeit / daß auch Adelmund zu mihr ſagte / als[ſ]i nuhn wider hinaus waren / daß es ſi ſehr wunder[n]aͤhme / wahruͤm ſi izund ſo ſchwaͤhr-muͤhtige gewaͤ - ſen waͤre / da ſi doch ſolches ihrer Jungfer ſchwaͤſter / welche ſonſt von gebuhrt etwas bloͤd und ſtil-muͤh - tig / oftmahls verwiſen haͤtte. Dis wahr alſo meine oder vihl mehr der ůber-maͤnſchlichen Roſemund ehrſte niderlage; dan / wi ich meinem Fraͤund oft - mahls geſagt habe / ich bin mehr aus mit leiden / als aus innerlicher begihr / zu ihrer libe bewogen wor - den; und ich habe diſes ſchoͤne Wunder mehrmahls mit entzůkkung und gleichſam mit einer heiligen furcht angeſchauet / als in meinẽ haͤrzen mit libe ver - ehret / weil ich ſi zu meiner libe vihl zu hohch ſchaͤzte.

Wan ich wüſte / daß ich meinem Fraͤunde nicht alzu lange verdruͤhslich waͤre / ſo haͤtt ich wohl im ſůnn / ihm das zimmer der Adelmund / als das Feld unſerer Nider-lage / zu beſchreiben. Gahr nicht / mein Fraͤund (fihl ihm der Haͤrz-waͤhrt in di raͤde) und ſolt es ſich gleich bis an den morgen verzuͤhen / ſo wolt ich ihm doch mit luſt zu hoͤren; und im fal ich mich jah ſo lange verſpaͤtigen wuͤrde / daß ich nicht koͤnte nahch hauſe gelangen / ſo wuͤrd es meinem Fraͤunde / wi ich verhoffe / nicht mis-fallen / wan ich ihn ům ein nacht-laͤger begruͤhſſen můſte.

Was bedarf es ſolcher raͤden (huhb Markhold an) iſt es nicht wahr / daß Fraͤunde / brůder / lihbſten ein algemeines guht unter einander beſizzen ſollen? ei waruͤm hoffet er dan noch vihl / ich wul nicht ſagen zweifaͤlt / an daͤhm / was ſolche gemeinſchaft betrůfft. Er hat guhte macht / ſich daͤs meinigen / nahch ſei - nem beliben / an zu mahſſen / aͤben alſo / wi ich mit daͤm ſeinigen zu tuhn pflaͤge.

Weil es dan nuhn meinem Fraͤunde belihbt / daß ich ihm unſere wal-ſtat entwaͤrfen ſol / ſo hab ich ihm nichts mehr zu beſchreiben / als di uͤberaus ſchoͤ - ne gemaͤlder / welche in diſem zimmer zu ſaͤhen wa -C 5ren:58Der Adriatiſchen Roſemundren: dan / das uͤbrige / was an flader-waͤrk / ſchniz - bluhm - und laub-waͤrk an den ſimſen / tuͤchern / tage. leuchtern und balken; jah was an koͤſtlichen prunk - tuͤchern und daͤkken zu ſaͤhen wahr / halt ich fuͤhr un - noͤhtig zu erzaͤhlen / weil es faſt uͤberal in andern fuhrnaͤhmen gebaͤuen auch zu fuͤnden iſt. Jh doch mus ich noch zufohr eines prunk-leuchters / welcher unter andern vihr kleinern mitten im zimmer hing / gedaͤnken. Dan er kan nicht glaͤuben / was diſes fuͤhr ein ſchoͤnes wunder-waͤrk iſt / fůhrnaͤhmlich / wan man ihn üm und ům mit braͤnnenden luͤch - tern beſtaͤkket ſihet.

Der leuchter an ſich ſelbſt mit alle ſeinem zu - gehoͤhr wahr von meſſing / ſtark vergüldet / und uͤberal mit ſchniz - und bluhm-waͤrk ausgeziret. Mitten in diſem leuchter ſtund di Koͤnigin der Libe Luſtinne / mit einem flaͤmlenden haͤrzen in der hand / und uͤm ſi haͤruͤm ſchwaͤbeten zwoͤlf Libes-kinder / mit roſen-kraͤnzen auf den haͤubtern / in der luft / di alle braͤnnende wachs-luͤchter in den haͤnden hihlten / und ſo ahrtig geordnet wahren / daß ſi di Libinne ganz ůmringeten. Jn den augen diſer Li - bes-kinder / und der Luſtinnen ſelbſt / wahr ein kleiner flammender tahcht / welcher durch ſeine gluht den Libes-reizzerlein di augen bewaͤhg - lich machte: in dem halb-eroͤfnetem munde glei - chesfalls branten zwei kleine lůchterlein / deren ůber-ſich-ſteigender dampf das geſichte der Luſt - kinder ſo ahrtlich benebelte / und di kleinen gold - haͤhrlein / welche durch den rauch ſo lihblich haͤrfuͤhr blikten / bewaͤgte / daß es raͤcht mit luſt an zu ſaͤ - hen wahr. Unter diſen zwoͤlfen ſchwaͤbete noch ein kleiner gleichſam erzuͤrneter Lihb-reiz / deſ - ſen fluͤgel von gůldenen und ſilbernen ſchupen / mit einem geſpanneten bogen / welchen er uͤber ſich nahch den braͤnnenden luͤchtern zu-hihlt / gleichſamals59ehrſtes Buhch.

[figure]

C 660Der Adriatiſchen Roſemundals wan er di flammen aus-ſchuͤhſſen wolte; mit di - ſer beigeſchribenen Loſung: alles verkaͤhrt.

Oben uͤber diſem prunk-leuchter / an der daͤkke / wahr ein grohſſes rundtes gemaͤlde zu ſaͤhen / in wel - chem Held-reich mit der Libinne auf daͤm bette / in ei - nem zahrten guͤldnen naͤzze / nakkend gefangen la - gen / und von der Sonnen / welche ihre ſtrahlen mit fleis auf ſi zu-warf / gleichſam verrahten und ange - gaͤben warden. Der Libinnen Ehman / der beſudelte Schmid / Gluht-fang / ſtund von faͤrne bei ſeinem Ambohs / krazte ſich mit der linken im kopfe / in mei - nung di hoͤrner / di ihm Held reich auf-geſaͤzt hatte / lohs zu waͤrden / und lihs fohr angſt den hammer aus der hand auf ſeinen ſchohn-gelaͤhmeten fuhs fallen. Auf der andern ſeite ſtunden di Als-goͤtter und Als goͤttinnen / welche die beiden verſtruͤkten gleichſam aus zu lachchen ſchinen.

Jch kan nicht ſagen / wi traͤflich / wi waͤſendlich / wi ſelblich diſes wunder-gemaͤlde gemacht wahr; dan Gluht-fang lihs ſeinen unwuͤllen und verdruß / daß er der ehrſte Heinrich oder Horn-traͤger ſein muͤſte / aus daͤm geſichte ſo ſelblich haͤrfuͤhr blikken / daß man kaum glaͤuben konte / daß es nuhr ein blohſſes gemaͤlde waͤre.

Wan man ſich von diſem prunk-leuchter gegen abend / nahch dem feuer-herde zu-waͤndete / ſo erblikte man oben ůber dem ſimſe der feuer-mauer zwei ſchoͤ - ne Suͤnnen-bilder naͤben einander. Das eine wahr ein haͤl-flam̃endes feuer / welches nahch einem braͤn - nenden wachs-luͤchte zu-ſchluhg / welches ein Frau - en-zimmer / damit es nicht gahr verſchmaͤlzen ſolte / zwahr zu raͤtten gedachte / aber doch waͤgen der grohſſen gluht daͤs feuers nicht dahrzu dorfte; mit diſer uͤberſchrift / Ardo d appreſſo & da longhi mi ſtruggo. unten ſtunden diſe wort; von innen und von auſſen / mit etlichen des Heinſius Hol - laͤndiſchen reimen.

Tvvee61ehrſtes Buhch.
Tvvee vieren krenken my ſeer ſvvaerlik
myne ſinnen;
heteen niet verr van my, het and er is van
binnen.
Het vier, dat binnen is, daer vvord ik
van verbrandt,
het vier, dat buyten is, dat helpt my
ook van kant.
Het vier, dat binnen is, dat moet ik altydt
lyden,
het vier, dat buyten is, dat komt my ook
beſtryden.
de helft is vvel by my, daervan ik gae
te niet;
dus lyd ik in myn hert een vriendelik
verdriet.

Jm daͤm gemaͤlde drinnen ſtunden diſe beiden glihdlinge raͤcht unter der Jungfrau.

Das Ab-ſein macht mein haͤrz von faͤrne
faſt zerruͤnnen /
das bei-ſein / o wi weh! verzaͤhrt es ganz
von innen.

Das andere wahr widerum ein haͤl-ſtrahlendes wind-luͤcht / ům daͤſſen flammen di můkken haͤrům flohen / derer etliche di fluͤgel verbrandt hatten / und haͤrab auf den boden filen; etlich gahr in der flam - men verzaͤhret wahrden. Oben ſtund diſer Suͤñen - ſpruch: Coſi de ben amar porto toimento; un - ten aber: luſt bringt verluſt / mit diſen zweien ticht-glidern.

C 7Di62Der Adriatiſchen Roſemund
Di můkke fleugt ſo lang uͤm diſe gluht /
bis ſi ihr ſelbſt den bittern tohd antuht.

Bei dem tiſche der Adelmund hing eine grohſſe tahffel / in welcher auf einer ſeiten ein ungeſtuͤhmer flus di felſen haͤrab geſchoſſen kahm / welcher mit ſeinem waſſer-ſchaume ſo ſelblich entworfen wahr / daß man wohl haͤtte ſchwoͤren moͤgen / daß er ſich raͤcht eigendlich haͤrab waͤlzte. Hihr zeugte ſich auch der waſſer-vater / Schwim-ahrt / mit ſeinem ſchilfichten haubte / und mit ſeinem ungeheuren kruge / aus welchem das waſſer hauffen-weiſe haͤr - aus gebrauſet kahm. Auf der andern ſeite wahr eine wildnuͤs und ein-oͤde / dahrinnen allerhand baͤume ſtunden / unter welchen ein ganzer hauffen abſchaͤulicher wald-maͤnner / und lauter reiſſende tihre / als baͤhren / leuen / greiffen / lind-wuͤrme / un - geheure ſchlangen / und unzaͤhlich vihl ungezifer zu ſaͤhen wahr: über und auf denſelben ſahe man nichts als ſchwarze raben / ſtohs-vogel / geier / eulen / kraͤhen und falken / di ſich mit einander biſſen; dehr - geſtalt / daß diſe abbildung in den gemühtern der anſchauenden gleichſam ein zittern und entſaͤzzen erwaͤkte. Es wahr in daͤm ganzen gemaͤlde nichts als furcht und ſchroͤkken zu ſaͤhen / wi wohl es ſonſt beides in der naͤhe und im verſchuͤhſſen ſo uͤberaus kuͤnſtlich gemahlet wahr: ohn alein in der mitten ſtund ein dikker dorn-hak / auf welchem eine wun - derlihbliche roſe / unglaͤublicher groͤhſſe / haͤrfuͤhr blikte. Diſe wahr auch di einige luſt und lihbligkeit daͤs ganzen gemaͤldes: dan ſi wahr ſo lihblich / ſo roht / und ſo eigendlich entworfen / daß man ſchihr luſt bekahm / dahrnahch zu greiffen. Oben auf ſtun - den diſe wort; Anche tra le ſpine naſcon le roſe. Dornen tragen auch roſen.

Raͤben diſem gemaͤlde ſahe man wider ein ande - res / welches ihm an groͤhſſe gleich wahr / dahr-in -nen63ehrſtes Buhch. nen di traurige uͤm-geſtaltnuͤs des weidmans bei daͤm bade der Jahgt-jungfrauen der weidinne entworfen wahr / mit diſem ſpruchche:

Zu fuͤhr-wuͤzzig macht zorn-hizzig.

Gegen diſen beiden ůber hing di gebuhrt der Luſtinne / oder (wi ſi dannenhaͤhr di Grichen naͤn - nen) Schauminne / welche aus dem ſalz-ſchaume daͤs Mehres gebohren wahr; mit diſem des Si - dons ſechslinge:

Egreſſam nuper Venerem de marmoris undis
adſpice, præclari nobile Apellis opus.
Exprimit æquoream manibus de crinibus undã,
è longis ſpumas exprimit ille comis.
Hac visâ, Pallas ſic cum Junone locuta eſt;
de formâ Veneri cedere jure decet.

Hihr-naͤben ſtunden auch diſe hohch-deutſche.

Di Luſtinne rädet ſelbſt.
i.
Aus daͤm Mehre bin ich kommen /
aus daͤs bitren ſalzes kraft
hab ich diſes ſein gewonnen;
daͤſſen ſchaum an meinen lokken
wi gefrohrne waſſer-flokken annoch haft.
ii.
Meinen krum-gekrůllten hahren
hat di wild-erbohſte Se
(wi di hohlen waͤllen waren)
gleiche kruͤmmen eingetrůkket /
da des ſchaumes ſilber blikket
in di hoͤh.
iii. Als64Der Adriatiſchen Roſemund
iii.
Als Kluginn und Himmelinne
dis mein bildnůs ſahen hihr /
ſprachen ſi; es kan Schauminne /
ja Schauminne kan mit raͤchte
ſchahm-roht machchen ihr geſchlaͤchte
durch di Zihr.

Diſes wahr ſo traͤflich-kuͤnſtlich gemacht / und ſo anmuhtig / daß man bekaͤnnen mußte / daß der Mahler noch den Apelles ſelbſt / von welchem er di erfündung diſes gemaͤldes entlaͤhnet hatte / weit übertroffen.

Naͤben diſem zur raͤchten hing di Deutſche Lu - ſtinne / di Freie / Jſtevons / des vihrden Koͤniges der Deutſchen Eh-gemahl / in einem blau-angelauf - fenem halben harniſch / mit verguͤldeten ſchupen. Jn der raͤchten hand hihlt ſi den koͤniglichen Reichs - ſtahb / und das ritterliche ſchwaͤrt zugleich: in der linken ein haͤrze / dahr-aus unauf-hoͤhrlich feuer - flaͤmlein haͤrfuͤhr-blizzelten. mit dem raͤchten fuhſſe traht ſi auf einen Loͤwen / und mit dem linken auf einen Lind-wurm. Aus ihrem geſichte blikte ſo ein fraͤund-ſaͤhliger ſchein / und zugleich ein durchdruͤn - gendes ernſt-haftes waͤſen haͤrfuͤhr; Fohr ihrem Reichs-ſtuhle lahg ein grohſſes Volk auf den kni - hen / das Si als eine irdiſche Goͤttin verehrete.

Jn einer andern Tafel naͤben der Luſtinne / wahr ein wunder-ſchoͤnes Nacht-ſtükke / dahrinnen bei Mahndes-ſcheine zwo Als-goͤttinnen / di Himme - linne mit der Kluginne / di eine des Himmels / di andere der Kuͤnſt und des Kriges ſich mit einander zu beklagen ſchinen; diſe wahr auf Amazoniſch ge - kleidet / hatt einen verguͤldeten ſturm-huht aufge - ſaͤzt / und fůhrte einen verſilberten Spaͤhr in der hand / auf welchen ſi ſich gleichſam mit daͤm haubtegelaͤh -65ehrſtes Buhch. gelaͤhnet hatte: Jene wahr angetahn mit einem guͤldnen ſtuͤkke / und hatt einen Koͤnigs-kranz auf daͤm haͤubte / und einen guͤldnen Reichs-ſtahb in der hand. Hinter ihr etwas im verſchühſſen / ſtund ihr koͤniglicher Ehren-wagen / fůhr welchem zwe pfauen geſpannet waren. Auf der einen ſeite ging von faͤrne in einer ſehr grohſſen Stat / di mañ waͤ - gen der entlaͤgenheit nicht wohl erkaͤnnen konte / ein grohſſer dampf hin-auf / durch welchen man hihr und dahr etliche flammen auf-ſteigen ſahe. welches wohl fuͤhr das aller-kuͤnſtlichſte in diſem ganzen ge - maͤlde zu halten wahr.

Auf den andern beiden ſeiten / über / naͤben und gegen der tůhre daͤs Zimmers uͤber / waren noch vihl uͤber-aus-ſchoͤne Landſchaften / nacht-ſtuͤkke und ſchif-fahrten entworfen / welche / ſo ich ſi alle mit einander erzaͤhlen wolte / unſere uͤbrige zeit al - eine hinnaͤhmen wůrden.

Aus diſem allen kont ich unſchwaͤhr vermaͤrken / daß der Venediſche Her Sinnebald di Adelmund hohch und waͤhrt hihlt; dan es war faſt kein Zim̃er im ganzen hauſe ſo koͤſtlich ausgeziret / als das ihri - ge / aus genommen der Sahl fohr ihrem zimmer / dahr-auf noch vihl-mehr und koͤſtlichere ſachchen zu ſaͤhen waren.

Dis wahr alſo di walſtat unſerer niderlage; dis wahr das feld / das ſi und mich in ſolches verdaͤrben geſaͤzzet hat. Hihr hat ſi ſich ihrer freiheit guhtwůl - lig begaͤben / und hihr hab ich ſi ſolcher / wiwohl un - wuͤſſend und wider meinen wůllen beraubet / und zu meiner leib-geſchwohrnen gemacht.

Weil ich nuhn diſes falles meinen Fraͤund auch vergnuͤget habe / und die geſtaltnüs daͤs zimmers der ſchoͤnen Adelmund kuͤrzlichſt entworfen / ſo hab ich ihm nichts mehr von diſem tage zu ſagen / als daß ich mich ſtraks / nahchdaͤhm diſe beide Jungfrauen von uns abſchihd genommen hatten / wider nahchAm -66Der Adriatiſchen RoſemundAmſtel-gau gemacht. Jch mus bekaͤnnen / daß ich auf ſolcher kurzen Reiſe ſo vihl tauſendterlei libes - gedanken hatte / daß ich auch faſt nicht wuſſte / wi ich nahch hauſe gelangte. Doch gleich-wohl kont ich mich nicht entſchluͤhſſen / ſolch-ein wunder - maͤnſch zu liben / unangeſaͤhen / daß ich wohl wuſſte / und wohl verſichchert wahr / daß ich von ihr gelibet wuͤrde.

Jch hihlt ſi alzu hohch; mich als einen ſtaͤrbli - chen / und Si als eine goͤtliche. druͤm ſchaͤzt ich mich vihl zu geringe mit ſolch-eknem uͤberirdiſchen maͤnſchen-bilde fraͤundſchaft oder Libe zu pflaͤgen. Jch lihbte ſi nicht / ſondern hihlt ſi nuhr hohch und waͤhrt; und kahmen mihr gleich bisweilen verlihbte gedanken ein / ſo geſchah es doch nuhr aus mit-lei - den. wi? (ſprahch ich bei mihr ſelbſt) kan es wohl muͤhglich ſein / daß dich das einzige wunder / das kunſt-ſtuͤkke der zihrligkeit / welches di grohſſe Zeuge - mutter der dinge ihmahls haͤrfuͤhr gebracht hat / li - ben ſol? du biſt jah nicht wuͤrdig / daß ſi dich ein - mahl an-blikken / vihl weniger ſo lihb-ſaͤhlig ent - fangen ſol.

Meine Fůhr-bildung entwarf ſi mihr mit ſolchen ihren libes-kuͤnſtleriſchen und blizlenden augen ſo laͤhbhaft / und ſo folkommen / daß ich aͤndlich nicht wuſſte / ob mihr diſes anbaͤhtens-wuͤrdige Suͤn - nen-bild durch eine Zauberiſche beſchwaͤrung fůhr - geſtaͤllet wuͤrde. Aber nahchdaͤhm ich erkante / daß es nuhr eine blohſſe wuͤrkung meiner ſuͤnnen waͤre / ſo gahb ich mich etlicher mahſſen zu friden. Jch be - ſuchete meine bekanten / ſprahch den Fraͤunden zu / und ergaͤzte mich bei geſelſchaften ſo lange / bis ich diſer gedanken gahr lohs ward. Jch kahm auch nicht wider hinaus di Adelmund zu beſuchen / wi - wohl ſi mich oft dahrzu an-mahnen lihs; dehr-ge - ſtalt / daß ſi ihrer geſpilin ſchuld mit-entgaͤlten muſſte.

Aend -67ehrſtes Buhch.

Aendlich aber / als aͤben ein hoher feier-tahg be - gangen ward / gedacht ich bei mihr ſelbſt / und ſagte: du haſt dich gleichwohl verpfluͤchtet / der Adelmund / aͤben als wan es ihr Lihbſter ſelbſt waͤre / nahch muͤhgligkeit auf zu warten; wahr-uͤm koͤmſtu dan deinem verſpraͤchchen nicht nahch? mus es dan aͤben di guhte Adelmund entgaͤlten / was dihr etwan ein andere zugefuͤget hat? vihl-leicht hat Roſemund ihren ſuͤn geaͤndert / und hat dich damahls nuhr ſo inſtaͤndig angeſaͤhen / weil es das ehrſte mahl ge - waͤſen iſt!

Jndaͤhm ich mich alſo mit diſen gedanken ſchlu - ge / kahm aͤben ein kammer-knabe von der Adel - mund / welcher mich ihret-halben meiner geleiſteten pflůcht erinnerte. Jch ſagt ihm alſobald / er ſolte ſtraks hin-gaͤhen / und ſeiner Jungfrauen / mit vermaͤldung meiner ſchuldigkeit / anſagen / daß ich ſchohn entſchloſſen gewaͤſen waͤre / meine dihnſte bei ihr gegen-waͤrtig ab zu laͤgen; und ſchaͤzte mich ſehr gluͤk-ſaͤlig / daß ich ihr gleich-wohl noch ſo vihl zeit gaͤben koͤnnen / mich daͤſſen zufohr zu er - innern.

Jch folgte diſem abgefaͤrtigten bald nahch / und trahf di Adelmund aͤben in ihrer einigkeit an; aber es verzohg ſich nicht lange / daß wihr alſo in unſe - rer einſamkeit ſprache hihlten. Dan di Jungfern / welche meiner ohne zweifaͤl ſchohn waren gewahr worden / lihſſen ſi fragen / ob ſi ihrer auf ein vihr - tel-ſtuͤndichen abwarten koͤnte?

Adelmund gahb alſo-bald zur antwort / daß ſi alle-zeit bereit waͤre / ihnen auf zu warten / und hihlt es ihr fůhr eine grohſſe ehre / wan ſi ihrer bei-waͤſenheit genuͤhſſen koͤnte: und was mich belanget / ſo verhofte ſi / daß mihr ihre geſel - ſchaft auch nicht un-annaͤhmlich ſein wuͤrde; ge - ſtaltſam ich kein ſonderlicher Jungfer-feind waͤre. Solches ſagte ſi / und laͤchchelte mich auf eine ſeitean;68Der Adriatiſchen Roſemundan; aber was ich fůhr gedanken hatte / und wi mihr zu muhte wahr / wuͤl ich wohl ungeſagt lahſſen.

Si fragte mich auch / ſo bald als di Dinerin wih - der hinaus wahr / wi mihr naͤulich ihr Frauen-zim - mer gefallen haͤtte? ob es nuhn nicht wahr waͤre / was ſi mihr zufohr geſagt haͤtte? Jah / gahb ich zur Antwort / ich mus es geſtaͤhen / daß ich ſehr we - nig ſolche Jungfrauen geſaͤhen habe; und daß ich zwahr ihres gleichchen in Engel-land / was di far - be der ſchoͤhnheit anbelanget / vihl angetroffen / aber gleich-wohl keine gefunden habe / di ſo wohl und ſo ahrtig gebaͤhrdet waͤren / als ſi. Von den tugen - den (fuhr ich fort) kan ich noch nicht ſagen / nahch - daͤhm es gahr gefaͤhrlich und gahr ſchwaͤhr iſt / ein Frauen-zimmer nahch ihrem aͤuſſerlichen ſcheine fohr tugendhaft zu ſchaͤzzen.

Jndaͤhm ich diſes ſagte / ſo kahm di Stilmuht ganz aleine / in traͤflicher pracht haͤrein getraͤten. Wihr entfingen ſi / und begaben uns ſaͤmtlich zu ſizzen. Jch ſahe mich etliche mahl nahch der tühren uͤm / und wahr nicht ſichcher bei mihr ſelbſt; weil ich fuͤhr und fuͤhr gedachte / daß mich di Roſemund ploͤzlich uͤberfallen wuͤrde. Adelmund vermaͤrkte ſolches alſo-bald / und ſahe mich an mit laͤchlendem geſichte / als wolte ſi ſagen; mit diſer iſt ihm nicht gedinet / er ſchauet ſich vihlleicht nahch einer andern uͤm. Aber ich gedachte weit anders / und wahr froh / daß ſich meine unruhe noch ſo lange verweilete.

Es wahr nuhn faſt eine vihrteil-ſtunde fohr-uͤ - ber / daß ich alſo zwiſchen hofnung und furcht ge - ſchwaͤbet hatte / als di tuͤhre ploͤzlich ward aufge - tahn. Jch ſahe mich um / da fand ich ſi eroͤfnet / gleich-wohl kont ich keinen einigen maͤnſchen er - blikken. es kahm mich ein entſaͤzzen an / gleichſam als man ein geiſt fohrhanden waͤre: ich zitterte fohr angſt und erblaſſte / als wan mihr ein grohſſes un - gluͤk zu-ſtuͤnde. Jndaͤhm ich alſo beaͤngſtiget wahr /da69ehrſtes Buhch. da brahch diſes wunder-luͤcht an / gleichſam wi[d]as luͤcht der Sonnen / das ſich hinter daͤm gewoͤlke[ee]ne zeit-lang verborgen haͤlt / und nahch-mahls[i]hr-ploͤzlich haͤrfůr bruͤcht; wi der bliz / dehr di ſtaͤrb -[l]i[]chen erſchraͤkket / und di augen verlaͤtſet. Si kahm in einem ſolchen glanz und ſolcher hoheit haͤrein[g]etraͤten / daß ſich unter uns allen ein grohſſes ſtil -[ſ]chweig̃; erhuhb. Es kahm mihr nicht anders fuhr /[a]ls wan izund ein ſchwaͤres ungewitter fohrhan -[d]en waͤre / da auch gemeiniglich ein ſolche ſtille fohr -[h]aͤhr-gaͤhet: es dauchte mich / als wan ſich izund das wetter kuͤhlete / als wan lauter blizlende ſtrah - len uͤm mich haͤruͤm ſchwaͤbeten. Jch ſtund im zwei - faͤl / und wuſte fohr angſt nicht / ob ich warten oder fluͤhen ſolte: ich entfing ſi / aber mit einem ſolchen haͤrz-klopfen / daß ich fuͤhr der aͤuſſerſten hizze / di mihr in das geſichte ſtihg / kaum eines und das an - dere wort-glihd machchen konte. Ja ich glaͤube / daß ich aͤndlich gahr zur aͤrden geſunken waͤre / wo wihr uns nicht ſtraks nider gelahſſen / und ich im ſizzen meine kraͤfte wihder-erholet haͤtte.

Diſes ſchoͤne Wunder kahm abermahl gleich ge - gen mich ůber zu ſizzen / und hatte izund vihl ein fraͤudigers geſichte / als da ich ſi zum ehrſten mahl ſahe. Jhre Jungfer ſchwaͤſter ſelbſten / wi ich un - ſchwaͤhr vermaͤrken konte / hihlt ſi ſehr hohch / und erhuhb gleichſam mit einer ſtillen verwunderung ihr uͤber-irdiſches / durchdruͤngendes waͤſen. dan es iſt gewuͤs / daß der Neid ſelbſten an ihr nichts zu tadeln fand.

Jhre geſtalt wahr ſo laͤhbhaft / ſo ahrtig und ſo ſchoͤhn / daß ſi dahrdurch di ganze waͤlt haͤtte moͤgen beſchaͤhmt machchen: wi ſi dan ſolches auch an ihrer Jungfer ſchwaͤſter taͤhte. Dan / wi ich ſchohn ge - ſagt habe / ſi ging uͤber-aus praͤchtig / udd wiwohl beide ganz und gahr einerlei kleider hatten / ſo hatte ſich doch di aͤlteſte vihl-mehr haͤrnus gebrochchen /als70Der Adriatiſchen Roſemundals di juͤngſte. Diſer hüng das hahr zur ſelben zeit ganz unaufgekůnſtelt und uneingeflochten bis auf di ſchultern / und kahm gleichſam wi gekrůmte waͤllen / von ſich ſelbſt / in ůber-aus anmuhtigen falten auf den hals haͤrab gefloſſen / in ſolcher ůber - zihrlichen unachtſamkeit / daß auch jene mit ihrem zu felde geſchlagenem hare (welches auf der ſtirne und auf den bakken eins teils ringel-weiſe gekruͤm - met und angeklaͤbet / anders teiles nahch der kunſt auf-geflammet / und mit graulechtem ſtaube be - ſtraͤuet wahr) ganz beſchaͤhmet ward. Jah Stil - muhthatte ſich mit ſo vihlem golde / perlen und de - manten behaͤnget / daß ich alle das koͤſtliche ge - ſchmeide alein fuͤhr einen traͤflichen ſchaz hihlt: Roſemund aber hatte dagegen nichts mehr als ei - nen demant-ring am ſinger / und an ihdem ohr ein gehaͤngke von demanten / in gold gefaſſet / mit einer grohſſen perl / haͤrab haͤngen: uͤm di haͤnde truhg ſi zwei ſchwarze ſeidene baͤnder / da ſi haͤrgegen di aͤlteſte mit zwo zimlichen guͤldnen ketten geziret hatte. Der hals wahr bis auf di bruſt / di ein we - nig erhoben wahr / ganz entbloͤhſſet / ohn einige zihr-raht / als dehn ihm di Zeuge-mutter gegaͤben hatte. er wahr weis wi der ſchne / und an etlichen orten mit einer gelinden roͤhte vermiſcht. Das antliz wahr ſo fraͤudig / ſo lihblich und ſo aufrich - tig / und di augen lihſſen einen ſolchen geiſt und ſolche lihbligkeit haͤrfuͤhr-blikken / daß es unmühg - lich wahr / ſi ohne verzuͤkkung an zu ſchauen. Si wahr muhtig und friſch / und doch dahr-naͤben ſehr ſchahmhaftig und ſehr zuͤchtig: ſi hatte hohch-an - ſaͤhnliche gebaͤhrden / und wahr doch nicht hohfaͤr - tig / da haͤrgegen ihre Jungfer Schwaͤſter unter ei - nem aͤuſſerlichen ſtillen muhte / und nider-geſchla - genen gebaͤhrden einen hohch-fahrenden geiſt / wi ich nahchmahls von der Adelmund verſtanden ha - be / verborgen hatte.

Zu71ehrſtes Buhch.

Zu allen diſen wundern kahm noch eine unaus - ſpraͤchliche holdſaͤligkeit / daß auch nuhr der einige mund / dehr in ihrem angeſichte nicht anders als eine friſch-aufgebluͤhete roſe mit lihblichem morgen - tau befeuchtet / unter den lilien und narziſſen haͤr - fuͤhr leuchtete / den aller-verſtokteſten und lihb-lo - ſeſten maͤnſchen zur verwunderung / ich wil nicht ſagen zur libe / bewaͤgte. Si waren alle beide in viohl-braunen ſammet gekleidet / und der unter-rok wahr von ſilberfarbem atlas / mit guͤldnen / und das uͤber-kleid mit ſilbernen ſpizzen verbraͤhmet; welche kleidung ſi gleich damahls zum ehrſten mahl ange - laͤget hatten.

Wiwohl nuhn diſe tracht uͤber-aus zihrlich wahr / ſo muſte ſich doch Stilmuht (gegen ihre Jungfer Schwaͤſter zu raͤchnen) gleichſam zum wohlſtande zwuͤngen / da er haͤr-gegen der Roſe - mund angebohren zu ſein ſchine.

Aber was hab ich mich unterwunden / ein ſolch - goͤtliches bild mit ſtaͤrblicher zungen ſo unſchein - bahr und ſo unaͤbenbildlich zu entwaͤrfen! Ach! mein Fraͤund / wan ich ihm di klugen raͤden / di ſi damahls mit ſolchen wohl-anſtaͤndigen und faͤrti - gen gebaͤhrden ſo meiſterlich verſchoͤnern konte / daß man nicht wuſte / ob man ehrſt das gehoͤhr oder das geſichte gebrauchen ſolte / alle mit einander er - zaͤhlen würde / ſo můſt er geſtaͤhen / daß ich ſi noch nihmahls nach wuͤrden gepriſen habe.

Wan ſi zu raͤden begunte / ſo ward alſo-bald ein ſtil-ſchweigen unter uns allen / und ein ihder wahr begihrig zu hoͤren / was diſe Schoͤne fuͤhr-bringen wuͤrde. Nihmand wolte ſich auch unterſtaͤhen ihr in di raͤde zu fallen / wo ſi nicht ehrſt eine guhte zeit ſtille geſchwigen haͤtte. dehr-geſtalt / daß ſi mei - ſten teils das wort fuͤhrete / wiwohl ſi ſolches aus keinem fuͤhr-wuͤzz oder unbedachtſamkeit taͤh - te: dan ſi verzohg oft-mahls eine guhte weile /und72Der Adriatiſchen Roſemundund wolt uns auch zeit lahſſen / das unſrige fohr zu bringen / aber nihmand wahr unter uns allen / dehr ſi nicht liber gehoͤret / als ſelbſt geraͤdet haͤtte.

Aendlich / als ſi di hohch-deutſche junge manſchaft allen andern Voͤlkerſchaften fuͤhr-zohg / und ihr ſo ein traͤfliches lohb gahb / ſo ward ich gezwungen / mich mit ihr in einen wort-ſtreit ein zu lahſſen. wel - ches ihr dan ſo uͤber-aus wohl-geſihl / daß ſi nahch - mahls ihre ganze raͤde nuhr einig und alein auf mich růchtete.

Da bekahm ſi ehrſt anlahs / mihr mit ſo libes - anlokkenden blikken zu begegnen; wi ahrtig konte ſi nuhr ihre worte draͤhen; wi kuͤnſtlich wuſte ſi nuhr ſelbige auf ſchrauben zu ſaͤzzen / daß ich ſi auch nihmahls fangen konte. Mit diſer kurz-weile brach - ten wihr etliche ſtunden zu / dehr-geſtalt / daß es nuhnmehr hohe zeit wahr / daß ich von diſer lihbli - chen Geſelſchaft meinen abſchihd naͤhmen ſolte.

Jch wahr alſo der anfaͤnger / dehr diſe luſt zer - ſtoͤhren muſte / und waͤndete mich zum aller-ehrſten nahch der Roſemund zu / als dehr ich mit meinem unnuͤzzen geſpraͤche am meiſten ungelaͤgenheit ge - macht hatte; ich baht ſi daͤswaͤgen uͤm verzeuhung / mit anerbůtung meiner wül-faͤrtigen dihnſte / dahr - führ ich nichts mehr begaͤhrete / als daß ich di ehr und gelaͤgenheit bekommen moͤchte / ſolche baͤſter mahſſen ins waͤrk zu ruͤchten.

Nahch-mahls baht ich auch di Adelmund und di Stilmuht / daß ſi gleiches falls tuhn wolten; und mihr / wan es ihnen beliben wuͤrde / fol-maͤch - tig gebuͤten; damit ich wuͤſſen moͤchte / wohrin ich ihren wuͤllen vergnuͤgen koͤnte / und was ſie von meiner wenigkeit erforterten. Jhre hoͤhfliche gegen - wuͤrfe machten / daß ich noch lange verzůhen mus - ſte; jah die wunder-würdige Roſemund gebrauchte ſich ſo vihler hoͤhflichen aus-fluchts-raͤden / dadurch ſi mich meiner dihnſt überhoͤben wolte / daß ich ihr[nd -]73ehrſtes Buhch. [n]dlich / wo ich anders nicht gahr bei ihnen verblei - be[n]wolte / das laͤtſte wort lahſſen muſte.

Nahchdaͤhm ich nuhn diſes aͤdle Drei verlahſſen h[a]tte / ſo begahb ich mich wohl-vergnuͤget nahch h[a]uſe / und begunte von daͤhm Nuhn an di Roſe - m[m]nd vihlmehr ihrer himliſchen tugend / als über - ir[d]iſchen ſchoͤnheit waͤgen / zu liben; dehr-geſtalt / d[a]ß ich mich bei weitem nicht mehr ſo verunruhigek befand / als nahch dem ehrſten an-blikke / und nuhn - mehr mich ſelbſt zu ihrer gunſt und Libes-geneu - g[e]nheit zu beraͤden begunte.

Mitler zeit entſchlos ich mich gaͤnzlich / di reife n[a]hch Frankreich ſchlaͤunigſt fort zu ſaͤzzen / und machte alle meine ſachchen faͤrtig; dehr-geſtalt / daß ich di Adelmund / nahchdaͤhm ich ſchon bei den Am - ſt[e]linnen meinen Abſchihd genommen hatte / nuhn auch noch zu guter laͤtſte beſuchen wolte.

Aber wi beſtuͤrzt / wi klein-laut ward ſi / als ſi hoͤ - r[e]te / daß mihr ſolches ein ernſt waͤre: und weil ſi es nicht hintern konte / ſo hihlt ſi inſtaͤndig bei mihr[e]n / daß ich doch nuhr noch etliche tage bei ihr ver - zuͤhen moͤchte / damit ſi noch fohr meinem abreiſen einer wuͤchtigẽ ſachche waͤgen mit mihr raͤden koͤnte.

Jch wolte mich anfangs gahr nicht dahrzu ver -[ſt]aͤhen; ihdoch / ſagt ich / wan ſi mihr izund ſtraks ſolche wůchtige ſachche nuhr mit einem wort ent -[d]aͤkken wuͤrde / ſo moͤcht ich vihlleicht veruhrſachchet waͤrden ihrethalben noch eine weile zu verwarten: und es moͤchte wohl ſo vihl daran gelaͤgen ſein / daß[i]ch waͤgen meiner pfluͤcht-ſchuldigkeit / di ich ihr ge -[g]chworen habe / gezwungen wuͤrde / meine reiſe gahr einzuſtaͤllen: dan ſi ſol ſich verſichchert halten / daß ich / ihr zu libe / alles zu tuhn / und auf ihr gebot al - les zu unterlahſſen / immer-fort wuͤllig ſein waͤrde; nahchdaͤhm ich wohl weus / daß ſi mihr nichts un - billiges auferlaͤgen / auch nichts / das zu meinem frommen gereichen moͤchte / verbuͤten würd. DiDAdel -74Der Adriatiſchen RoſemundAdelmund bedankte ſich zum hoͤhflichſten / daß ich ihr nicht alein meine dihnſte ſo eifrig zu leiſten ge - ſonnen waͤre / ſondern auch noch ſo ein guhtes ver - trauen zu ihr truͤge.

Nuhn wohlan (ſagte ſi) weil er ein ſolches haͤrzli - ches vertrauen zu mihr traͤget / ſo wůl ich mich uͤm ſo vihl daͤs zu mehr bemuͤhen / wi ich mihr dan ſchohn fuͤhrgenommen habe / ſolches an ihm mit der taht zu bekraͤftigen / und ihm aͤben dasjenige ſaͤhẽ zu lahſſen / dahraus er unſchwaͤhr errahten wuͤrd / wi ich nicht alein ſein wohl-meinendes an-erbuͤten mit dank zu erkaͤnnen / ſondern auch wuͤrklich zu erwidern von haͤrzen geſoñen ſei. Dan er kan nicht glaͤuben / was es mihr fohr eine fraͤude ſein ſolte / wan ich nuhr einige gelaͤgenheit / ihm zu dinen / erſuͤnnen koͤnte. Wolte Got! und er wůrd es auch wollen / daß nuhr mein fůhrnaͤhmen zur gewuͤndſchten aͤndſchaft ge - langen moͤchte. Wi froh wolt ich ſein; welche froͤh - liche bohtſchaft wuͤrd ich meinem Lihbſten zu-ſchrei - ben: und wi wohl würd auch ihm geholfen waͤrden.

Damit ich aber (fuhr ſi fort) meinen trauten fraͤund nicht laͤnger im zweifel vertruͤhffen lahſſe / ſo gaͤb ich ihm zu verſtaͤhen / daß ich mihr aus wohl - meinendem gemuͤhte (nahchdaͤhm mich ſchohn / auf beiden teilen / etliche maͤrk-zeuchen eines heimlichen ja-wortes verſichchert haben / daß mein unterfangen nicht waͤrde vergaͤbens ſein) faͤſtiglich fuͤhrgenom̃en / ein Eh-verbuͤndnuͤs zwuͤſchen ihm und Einer aus unſerem Frauen-zimmer zu traͤffen. Aus diſen uhrſachchen nuhn geſchihet es / daß ich ihn noch etli - che tage alhihr auf zu halten gedaͤnke. Dan er ſei verſichchert / wan es ihm nuhr ſelbſt belihblich waͤre / daß ich keine muͤhe und keinen fleis ſparen waͤrde; und ich wens gewüs / daß auf der andern ſeiten mein anſuchen ſchohn heimlich bewuͤlliget iſt.

Diſe raͤden kah men mihr zimlich fremde fůhr / und machten mich ſo verwuͤrret / daß ich eine guhte zeitſtille75ehrſtes Buhch. ſtille ſchwihg / und mich gahr auf keine antwort ent - ſchlühſſen konte. dehrgeſtalt / daß Adelmund fragte / wi mihr zu muhte waͤre? und was ich zur antwort gaͤbe? ich ſolte mich nuhr nicht ſchaͤuen / meine mei - nung frei haͤraus zu ſagen: dan es waͤre jah noch eine ungeſchaͤhene ſachche / und wuͤſte nihmand unſer fuͤhrnaͤhmen / als wihr beide.

Ach! meine grohs-geehrte Fraͤundin (gahb ich ihr zur antwort) wi ſolt ich mich daͤſſen erkuͤhnen? wo ſolten mir diſe gedanken haͤhr-kommen / daß ich ſo verwaͤgen ſein ſolte / mich in einer unmuͤhglichen ſachche zu bemůhen. Was unmuͤhglich? ſihl ſi mihr in di raͤde / und brachte mihr ſo viler hand einwuͤrfe / und befaͤſtigte ihre meinung mit ſo vihlen unver - waͤrflichen gruͤnden / daß ich aͤndlich gezwungen ward / ihren fohrſchlahg zu billigen.

Jch mus bekaͤnnen / ſagt ich / (nahchdaͤhm ich mich ihrer fuͤhr-ſorge waͤgen / di ſi fůhr mich truͤge / zum hoͤchſten bedanket hatte) daß ſi mihr leichtlich keine abſchlaͤgige antwort gaͤbẽ moͤchten / in daͤhm ich wohl weus / wi fuͤhrteilig ſi gegen mich geſuͤnnet / und w[i]wohl ſi geahrtet ſein. Aber eines ſtaͤhet mihr noch im waͤge / welches mich ſchihr zweifaͤln macht / daß ſi naͤmlich einer andern Laͤhre zu-getahn ſein / und daß ich ſi daͤswaͤgen / ohne bewůlligung meines Vaters / nicht ehligẽ darf: dan ihr Vater wuͤrd es ihnen auſ - ſer allen zweifaͤl nicht geſtatten / daß ſi ein anderes Glaubens-bekaͤntnuͤs annaͤhmẽ. Druͤm ſolt es mir ewig leid ſein / wan ich ſolch-ein libes maͤnſch ſo kraͤn - ken ſolte / und es mit libe gegen mich entzuͤnden / da ich doch wohl wüſte / daß es meiner nim̃ermehr teithaf - tig ſein koͤnte. Er ſei nuhr zu friden (gahb ſi zur ant - wort) dis wuͤrd ſich alles wohl ſchikken: der Her Va - ter iſt ein waͤltſaͤliger man / und wuͤrd hihriñen wohl zu beraͤden ſein. Er ſage mihr nuhr kurz und rund / welche ihm am baͤſten gefallen hat / und welch er fuͤr di ſeinige ſchaͤzzen wolte. Als ich aber hihrauf langeD 2zeit76Der Adriatiſchen Roſemundzeit nichts antworten wolte / ſo fuhr ſi fort / und ſahgte; ich habe ſtraks im anfange / da ich und Ro - ſemund dem Hern nicht mehr / als aus daͤm ſchrei - ben meines Lihbſten / kaͤnnten (dan wihr hatten ihn beide noch nicht geſaͤhen) aus ihren worten ver - maͤrket / daß ſie ſich nuhr daͤs blohſſen lobes waͤgen / welches ihm mein Lihbſter ſo auf-ruͤchtig gahb / in ihn verlibet hatte. Haͤrnahch ward ich auch in mei - ner fohr-gefaſſten meinung noch mehr bekraͤftiget / als ich der veraͤnderung ihres geſichtes / ihrer ge - baͤhrden / und ihres ganzen waͤſens / bei ihrer ehr - ſten zuſammenkunft / gewahr ward. Laͤtslich kont ich auch in unſerer naͤulichſten / aus ſeinen gebaͤhr - den ſelbſt / indaͤhm er ſich mit ſolchem verlangen ſo oft-mahls nahch der tuͤhren / da ſi ſolte haͤrein kom - men / ümſahe / unſchwaͤhr erachten / daß er ihr auch nicht allerdinge abhold waͤre. Jah ihre laͤtſte zu - ſammen-ſprache / di ſi mit einander hihlten / gahb ihrer beiden libe / zufohr-aus di ihrige / gnugſam an den tahg.

So iſt es dan nun gewüs / daß Roſemund und Er / einander mit libe heimlich verpfluͤchtet ſein: heimlich / ſag ich / dan ich weus aus ſo vilen der Ro - ſemund verbluͤhmten raͤden / daß ſi ihr haͤrz nuhr alein zu ſeiner Libe gewihdmet hat. Roſemund ſol di-jenige ſein / di er waͤhlet (er vergoͤnne mihr / daß ich ſeine haͤrzens-gedanken ergruͤnden darf) Ro - ſemund iſt di-jenige / di ſein haͤrz wuͤndſchet / di ſei - ne augen alein zu ſaͤhen begaͤhren / und di dehr - mahleins in ſeinen armen ſchlahffen ſol.

Dis raͤdete ſi in lachchendem muhte / ſahe mich an / und ſchwihg ein wenig ſtille; weil ich aber in meinen gedanken ſehr vertuͤhffet / und noch nicht zu antworten entſchloſſen wahr / ſo nahm ſi mich bei der hand: weil er dan nuhn / ſahgte ſi) mit ſtil - ſchweigen ſein jah-wort von ſich gibet / ſo wůl ich mich noch diſen abaͤnd bemuͤhen / den anfang zumei -77ehrſtes Buhch. meinem führnaͤhmen zu machchen; und was verzuͤ - hen wihr noch lange / daß wihr uns nicht hinunter in das grůhne begaͤben / indaͤhm uns diſer anmuh - tige tahg gleichſam dahrzu anlokket.

Hihrmit nahm ſi ihren flohr / hing ihn uͤber das hahr / und ein wenig fuͤhr das angeſichte: Si frag - te mich auch / ob mihr nicht belihbte den mantel und daͤgen ab zu laͤgen; und befahl ihrem kammer - diner / daß er meine ſachchen hin-uͤber in das andere zimmer tragen ſolte / da ich etliche tage meinen auf - enthalt haben wůrde.

Alſo gingen wihr den waͤndel-ſtein hin-ab / und kahmen durch den hinter-hohf in den garten / da ſich di Roſemund mit ihrer lauten ganz aleine befand / und dem ſprůng-brunnen zu-ſahe. Si hatte ſich raͤcht gegen diſem luſt-brunnen uͤber auf eine bank von albaſter / mit einem roht-ſammten kuͤſſen be - laͤgt / niderg lahſſen / und ſahs in ſolchen tuͤhffen ge - danken / daß ſi unſerer nicht eher gewahr ward / als bis wihr gahr nahe zu ihr gelangeten.

Si erſchrahk uͤber unſerer ploͤzlichen ankunft ſo ſehr / daß ſi ſich ganz entfaͤrbete / und nicht wuſte / ob ſi uns entfangen / oder ſizzen bleiben ſolte. Si erhuhb ſich gleichſam mit zitternden glidern / und kahm zu uns zwe oder drei ſchritt entgegen. Jch neugte mich / dem waͤlſchen gebrauche nahch / fuͤhr ihr zur aͤrden nider / ihren fluͤgel-rok zu küſſen / und baht ſi uͤm verzeuhung / daß ich ſo verwaͤgen ſein důrfte / ihre vihlleicht anmuhtige gedanken zu ver - ſtoͤhren. Adelmund trat ihr zur raͤchten / und ich zur linken / alſo / daß wihr diſe Schoͤne in der mit - ten gefaſſet hatten. Si boht mihr ihre hand / und ſahe mich auf di ſeite mit ſolchen lihblenden blikken an / daß ich dadurch in wahrheit nicht wenig ver - wundert wahrd. Dan dis aus-erlaͤſene libes-kind hat ſolch-ein lihbliches / ſolch-ein fraͤudiges / ſolch - ein freundliches und holdſaͤhliges geſichte / daß esD 3einen /78Der Adriatiſchen Roſemund

[figure]

79ehrſtes Buhch. einen / ich weus nicht wi weit / zu ſich lokken ſolte: jah man konte ſi nihmahls ohne verzuͤkkung an - ſchauen / ſonderlich wan ſi di flinkernden augen mit halb-zitterlichen blikken auf einen zuwarf: da - haͤhr ich dan einsmahls diſe reimen in ihrem Ge - traͤuen Schaͤhffer laͤgte.

Zwoͤlfling.
Halt / libe Roſemund / di Libes-reizerinnen /
di liben augen waͤg / ſonſt ſchmachten mei -
ne ſůnnen
fohr ihrer libes-gluht / di Lihb-reiz ange -
zůndt /
und di Libinne naͤhrt / du bliz - und ſtaͤr -
nen-kind.
Ei liber! ſo es dihr belihblich iſt / mein Laͤ -
ben /
ſo halt mit lihblen in; ich bin dihr jah er -
gaͤben /
Jch bin jah dich alein zu liben auser -
kohrn /
wi du zu liben nuhr ſo lihblich biſt ge -
bohrn.
Lahs aber dehn nicht nahch zu liben / dehr
dich libet /
dehr ſich aus libe Dihr / o Lihbſte / ganz
ergibet;
und lahs mich / trautes Lihb / dein lihbſter
Lihbling ſein /
dan dich erhoͤb ich / lib ich / lob ich nuhr
alein.
D 4Sol -80Der Adriatiſchen Roſemund

Solcher geſtalt gingen wihr unter dem vihr-ek - kichten Lauber-gange eine zeitlang hin und wider / und hatten aller-hand luſt-geſpraͤche. Aendlich kamen wihr widerum zum luſt-brunnen / unſere ge - ſichter zu ergaͤzzen / und lihſſen uns alle dreie naͤben einander nider. Di waſſer-ſtrahten / wi mich dauchte / ſtigen immer hoͤher und hoͤher / und ih mehr ich ſi ſahe / ih ſtaͤrker ſi riſelten. Roſemund nahm aͤndlich di laute / damit ſi ihren lihblichen klang mit daͤm ſtamrenden gemůrmel und lihblichem geraͤu - ſche daͤs waſſers vermaͤhlete.

Jn-zwiſchen ſchwigen wihr andere ganz ſtille / und ich hoͤrete mit verwunderung zu / wi diſe Schoͤ - ne ſo lihblich ſpilete; ich ſahe mit verzuͤkkung di faͤr - tigkeit der finger / di auf den ſeiten ſo ahrtig haͤruͤm irreten / und ſolch eine lihbliche zuſammen-ſtim - mung veruhrſachten.

Als wihr nuhn diſer uͤber-irdiſchen luſt auch ein wenig gepflogen hatten / und der abaͤnd alge - mach haͤrzu kahm / ſo nahmen wir unſeren waͤhg widerum auf das Haus; da uns di Stilmuht aͤben begegnete / und ein kleines luſt-ſchiflein hatte lahſ - ſen faͤrtig machchen / damit ſi nahch daͤm abaͤnd - mahle mit einander moͤchten luſt-wandeln fahren.

Jch wahrd auch mit zu diſer luſt-fahrt geladen / und kahm aͤben / ohn einiges maͤnſchen anordnen / bei der Roſemund zu ſizzen: ob ſi nuhn ſolches ſelbſt mit fleis getahn / oder ob es das gluͤkke ſonſt alſo gefuͤget hatte / kan ich nicht wůſſen. dan ich habe ſi im hinein-ſteigen unter den andern nicht eher er - kaͤnnet / als da ich ihr ſchohn zur ſeiten ſahs. Jch erfraͤuete mich ſelbſt uͤber diſen glůks-fal / und wahr froh / daß ich eine ſo libe beiſizzerin bekommen hatte.

Wihr fuhren auf di Amſtel / und bliben daſelb - ſten ſo lange / bis di abaͤnd-doͤmmerung fuͤhrůber wahr. Mitler zeit ſpilete di Roſemund mit der Stilmuht auf der lauten / und der Adelmund kam -mer -81ehrſtes Buhch.merknabe gahb das ſeinige mit der pfeiffen dahrzu. bisweilen ſungen ſi alle zugleich / und machten al - ſo / daß alle Schaͤhffer und Schaͤhfferinnen / ſo uͤm di Amſtel haͤruͤm wohneten / auf beiden ſeiten haͤrzu geeilet kahmen / und ihren lihblichen ſtimmen mit floͤhten und ſchalmeien antworteten. wihr hatten damahls eine ſolche luſt unter einander / daß ich meinem fraͤunde / ſo es di zeit leiden wolte / vihl da - von erzaͤhlen koͤnte.

Als wihr nuhn diſen luſt-wal verruͤchtet hatten / ſo begahb ich mich / nahchdaͤhm ich zufohr allen dreien guhte nacht gewuͤndſchet / und di Roſemund bis fohr ihr ſchlahf-zimmer begleitet hatte / zu bette.

Damit ich aber auch meinen Fraͤund mit ſolcher weitlaͤuftigen erzaͤhlung nicht faͤrner verunluſtige / ſo wül ich ihm nuhr kuͤrzlich erwaͤhnen / daß ich mich den andern und dritten tahg dahrnahch ganz inne gehalten habe / und daß ſich Adelmund ſtraks des andern morgens bei der Roſemund meinet - waͤgen gleichſam zur frei-waͤrberin gebrauchen lahſſen / welche ſolches gewaͤrbe mit hoͤhchſten fraͤu - den (aber ich ſůrchte zu ihrem unglůk) entfangen hat; jah daß ſi auch ſolches ihrem Hern Vater ſelbſt / welcher den dritten tahg ſi zu beſuchen kahm / zu verſtaͤhen gegaͤben.

Diſer alte aufruͤchtige Her / wiwohl er mich noch nihmahls geſaͤhen hatte / ſo lihs er ihm doch ſolches nichts daͤs-zu weniger / weil mihr der Adelwaͤhrt in ſeinem ſchreiben / und di Adelmund ſelbſt muͤnd - lich / ein ſo guhtes zeugnůs gahb / hoͤhchlich gefal - len / und fragte di Roſemund in geheim / damit es di aͤlteſte Tochter nicht erfahren ſolte / waͤſſen ſi ſich entſchloſſen haͤtte. und ob ſolches auch mit ihrem wuͤllen geſchaͤhen koͤnte?

Di guhte Roſemund entfaͤrbete ſich fůr ſchahm / ſchluhg di augen nider / und wolte nichts antwor - ten. Adelmund aber / welche ſchohn fohr diſer roh -D 5ten82Der Adriatiſchen Roſemundten tuͤhre gewaͤſen wahr / entſchuldigte ſi / und ſagte / daß ſi ihre bewuͤlligung mit ſtil-ſchweigen von ſich gaͤbe / weil ſolch-ein alzu lang-wihriges jah - wort nicht wohl von der zungen wolte. Nahch di - ſen worten ſchluhg Roſemund di augen auf / und ſahe diſe ihre Fuͤhr-ſpraͤchcherin ſo fraͤund-ſaͤlig an / gleichſam als wan ſi ſich gegen ſi bedanken wolte / daß der Vater ihren ſůn leichtlich eꝛrahten konte. Er haͤtte gaͤrn mit mihr ſelbſten auch geraͤdet / aber ich hatte mich unter-daͤſſen / daß er mit diſen beiden Jungfrauen im garten wahr / auf di ſeite gemacht / damit di Adelmund daͤs zu mehr zeit haben moͤchte / diſer ſachchen einen guhten grund zu laͤgen.

Nahch-daͤhm ich nuhn etliche ſtunden bei einem nah-bei-wohnendem Fraͤunde verzogen hatte / und der Adelmund anbringen folbracht zu ſein ſchaͤzte / ſo begahb ich mich widerum auf des Sinnebalds Hern-haus; und fand ihn gleich mit der Adelmund (welche ſtaͤhts uͤm ihn ſein muſte / wan er hinaus kahm) im tohre ſtaͤhen. Diſer alte Her entfing mich mit ſolcher leutſaͤligkeit und ſolcher ehr-erbuͤ - tung / daß ich mich hoͤhchlich verwunderte: Er nahm mich in den follen arm / und fůhrete mich alſo mit der Adelmund in ſein inneres Bei-zimmer.

Wihr hatten uns kaum nider-geſaͤzt / als er ſchohn anfing / und von daͤm gewaͤrbe der Adel - mund eine gantze raͤde haͤhr-machte: dahr-innen er mihr ſtraks ſeine tochter zu-ſahgte / doch mit daͤhm beduͤnge / daß ich mich zufohr verſchreiben ſolte / ehrſt - lich / daß ich ſi bei ihrer Laͤhre lahſſen; nahchmahls di toͤchter / ſo von ihr gebohren wuͤrden / auch dahr - innen erzühen wolte. Laͤtslich hihlt er mihr auch fohr / daß es bei ihnen nicht gebraͤuchlich waͤre / di juͤngſte tochter fohr der aͤlteſten aus zu ſtatten; und baht / daß ich mich uͤber diſe drei beduͤngungen er -[k]laͤhren ſolte.

Nahch-daͤhm ich mich nuhn meiner hoͤhfligkeitwider -83ehrſtes Buhch.wideruͤm gebrauchet / und ſeiner ſo rundten zuſage waͤgen aufs baͤſte bedanket hatte / ſo gahb ich ihm zur antwort; daß / weil ich mich auf di ehrſten zwo ſo bald nicht erklaͤren koͤnte / ſo baͤht ich ihn / daß er mihr doch ſo vihl bedaͤnk-zeit bis auf morgen lahſ - ſen wolte / da ich ihm meine geſonnenheit unfaͤhl - bahr entdaͤkken wuͤrde. was aber das laͤtſt anbe - traͤhffe (fuhr ich fort) ſo waͤhr ich gaͤnzlich entſchloſ - ſen / meine fohr-gefaſſte meinung / diweil ſi von Got und daͤm verhaͤngnüs / keines waͤges aber von mihr haͤhr-ruͤhrete / nicht zu aͤndern: und weil es auch bei mihr nicht ſtůnde / und ich keine andere li - ben koͤnte / als di-jenige / welche mich fohr ſo haͤrz - lich gelibet haͤtte / ſo wolt ich di heiraht-ſachchen vihl-liber gahr fahren lahſſen / und unverehligt mein laͤben ſchluhſſen; als eine andere wider meinen ſuͤn und wuͤllen erkoͤhren.

Ach nicht! mein liber Sohn (fihl mihr der guhte alte Her in di raͤde) er mus di ehe druͤm nicht gahr fahren lahſſen / und damit ich an ihrer beider ver - daͤrben nit ſchuld bin / ſo ſei ihm ſolches verwuͤlliget.

Es fihlen noch allerhand raͤden fuͤhr / di ich nicht all erzaͤhlen kan / weil es nicht weit mehr von mit - ternacht iſt. Jhdoch wuͤl ich noch diſes dahrbei fuͤ - gen / daß ich naͤhmlich des andern tages mich ſolcher zwo beduͤngungen ſolcher geſtalt erklaͤrete; chrſt - lich / daß es mein gewuͤſſen nicht geſtatten wolte / mich daͤſſen zu verſchreiben: dahrnahch / daß ich aus aͤben denen uhrſachchen di kinder / es waͤren nuhn toͤchter oder ſoͤhne / in keiner andern Laͤhre / als der meinigen auf-erzuͤhen koͤnte: was aber Si / di No - ſemund / an-belangte / ſo wuͤſt ich ſelbſten wohl / daß der Gewůſſens-zwang Got im Himmel nicht angenaͤhm waͤre: druͤm wolt ich ihr ſolches frei - ſtaͤllen; und wiwohl ich gaͤrn ſaͤhe / daß di-jenige / ſo in meinen armen ruhen ſolte / auch meines glau - bens waͤre / ſo wolt ich ſi daͤnnoch keines waͤges dahr-zu zwůngen.

D 6Jn84Der Adriatiſchen Roſemund

Jn etlichen tagen dahrnahch nahm ich den laͤt - ſten abſchihd von der ganzen geſelſchaft / und truhg der Adelmund di ſachche traͤulich auf / daß ſi ſelbi - ge / weil ſi den anfang ſo gluͤklich gemacht haͤtte / auch fol-aͤnd zur gluͤklichen aͤndſchaft bringen moͤchte.

Jch wuͤl nicht ſagen / wi di tauſend-ſchoͤhne Ro - ſemund (von welcher ich noch / ſo lang ich bei den Maſinnen verzohg / etliche belihbte ſchreiben erhal - ten habe / bei meinem abzuge ſo haͤftig geweinet hat / und wi hoͤhchlich ich ſi bejammern muͤſſen: dan di zeit gebuͤtet es / und di beſchaffenheit unſerer ir - diſchen leiber fortert uns zur nacht-ruhe.

Nahch ſolcher Erzaͤhlung entkleideten ſich diſe beide vertraueten Fraͤunde / und begaben ſich / nahchdaͤhm ſi einander guhte nacht gewuͤndſchet hatten / nahch bette. Aber es wahr umſonſt / daß Markhold zu ſchlahffen gedachte; es wahr nuhr vergaͤbens / daß er an einem ſolchen orte ſeine ruhe zu ſuchen geſuͤnnet wahr / da er nuhr ſeinen ſuͤnnen verhaͤngen muſte / ſelbige vihlmehr zu verſtoͤhren. Dan er lahg di ganze nacht in tauſendterlei gedan - ken / und wůnſchete mit ſo haͤftigem verlangen nahch der fraͤudigen ankunft des tages. di einbil - dung wahr di einzige / di ſeine ſůnnen bemeiſterte / di / an ſtat daß ſi ihm di nacht verkürzern ſolte / ſi vihlmehr verlaͤngerte / und ſeine ſchmaͤrzen von blik zu blik vergroͤhſſerte; dehr-geſtalt / daß er in tauſend aͤngſten lahg / und ihm nichts anders einbildete / als daß diſe verdꝛuͤhsliche nacht nimmer-mehr ein aͤnde gewuͤnnen wuͤrde.

Aende daͤs ehrſten Buhchs.

Der85anderes Buhch.

Der Adriatiſchen ROSEMVND anderes Buhch.

DEr tahg wahr ſo bald nicht angebroch - chen / als ſich Markhold ſchohn aus ſeinem lager erhuhb und zum tage - leucher machte / den brihf ſeiner No - ſemund / dehr ihn diſe nacht uͤber ſo ſehr verunruhiget hatte / noch ein-mahl durch zu laͤ - ſen Aber er hatt ihn kaum angefangen / da er uͤber ſeinem zimmer ſolch-ein ploͤzliches gerumpel hoͤrete / dahr-auf ein ſolcher ſchwaͤrer fal folgte / davon das ganze haus und er ſelbſten fuͤhr ſchroͤkken und ent - ſaͤzzen zu zittern begunte. Er ging nahch ſeinem Haͤrz-waͤhrt zu / welcher von diſem erſchroͤklichen falle ſchohn erwachchet wahr / und ihn ſtraks frahgte; was diſes fuͤhr ein gepolter gewaͤſen waͤre / welches er izund gleichſam als im Traume gehoͤret haͤtte?

Markhold / welcher ſeine furcht und angſt-můh - tigkeit führ ihm verbarg / wiwohl er ſolches fuͤhr kein guhtes zeuchen hihlt / gahb ihm zur antwort; daß vihl-leicht di kazzen etwas haͤrunter geworfen haͤtten / welches ſo ein grohſſes gepulter gegaͤben. Nein / nein! mein lihbſter Markhold (ſing Haͤrz - waͤhrt an) es mus was anders zu bedeuten haben; es ſein nicht kazzen gewaͤſen / di mihr diſen ſchweis veruhrſachchet haben; hihr-mit huhb er das bett ein wenig in di hoͤhe; Er ſaͤhe hihr (ſprahch er) wi das haͤmde ſo pfuͤzzen-truͤhffend nas iſt / wi mein ge - ſicht mit ſchweis und traͤhnen uͤber-ſchwaͤmmet / und der ſchlahg ſo ungeſtůhmlich ſchlaͤget. Hihr-aus kan er leichtlich ſchluͤhſſen / in was fohr angſt ich ge -D 7waͤſen86Der Adriatiſchen Roſemundwaͤſen bin / und was fohr weh-leiden ich ausgeſtan - den habe / eh ich bin wakker worden. Jch hab einen traum gehabt / dehr wuͤrd mihr wahrlich nichts guhtes bringen / einen ſolchen traum / als ich di tage meines laͤbens nihmahls bekommen.

Des Haͤrz-waͤhrts traum oder nacht-geſichte.

JCh ſahe einen ungeheuren Leuen mit gewalt auf mich zu-lauffen / welchen ich mit meinem daͤ - gen ſo lang abhihlt / bis mihr etliche unbekante maͤnſchen zu huͤlfe kahmen. Jch fochte ſo tapfer und widerſtund ihm mit ſolchen kraͤften / daß er mihr ganz nicht zu leibe kommen konte: ich bekahm auch nicht den geringſten ſchaden / als nuhr einen ſtreich / welchen er mihr mit der pfoten uͤber den arm gahb. Aber dehr-jenige / der ſich meiner ſo traͤulich an - nahm / und zwůſchen mihr und dem Leuen eindruͤn - gen wolte / ward ſo unfraͤundlich entfangen / daß er von einem einigen ſtreiche / welchen ihm der Leu in das geſicht verſaͤzte / zu boden ſihl. Als ich nuhn di - ſes ſahe / ſo ward ich noch vihl haͤftiger ergrimmet als zufohr / und ging mit foller ungeſtuͤhm auf den Leuen zu / den tohd diſes unbekanten Fraͤundes zu raͤchchen. Weil aber di andern alle dahr-zwuͤſchen kahmen / und mich von ihm abſcheideten / ſo nahm er aͤndlich / ehe wihr uns daͤſſen verſahen / das reis-aus / und wihr wahren mehr bemuͤhet diſem verwunde - ten huͤlflich bei zu ſpruͤngen / als dem Leuen nahch zu ſaͤzzen.

Da lahg der arme maͤnſch in ſeinem bluht / und man ſpuͤrete nichts mehr an ſeinem laͤben / als ein gelindes haͤrz-klopfen. Das geſichte wahr ſo zer - ſchmettert und ſo uͤbel zugeruͤchtet / daß er keinem maͤnſchen mehr aͤhnlich ſahe. Jch fihl uͤber ihn haͤhr / und huhb bitterlich an zu weinen / daß ſo ein haͤrz -traͤuer87anderes Buhch.traͤuer Fraͤund / indaͤhm er mihr ſeine ehrſten fraͤundes-dihnſte leiſten wollen / ſein laͤben ſo ſchaͤndlich eingebuͤhſſet haͤtte. Ach! ſahgt ich / du wiwohl noch izund unbekanter / doch aller-traͤueſter Fraͤund / wi weh tuht mihr’s / daß ich dihr nicht fohr diſes hohe fraͤund-ſtůkke / danken ſol / oder doch zum wenigſten di ehre haben / dich bei laͤben zu erkaͤnnen.

Gleich als ich in ſolchen aͤngſten wahr / ſo erhuhb ſich diſes erſchroͤkliche gepulter / dehrgeſtalt daß ich ploͤzlich erwachte / und daͤs aͤndes diſes traumes nicht fol-aͤnd erwarten konte. Was meinet nuhn mein Fraͤund (ſagt er faͤrner) ſol mihr diſes nacht - geſicht auch was guhtes bedeuten? ich habe kei - nen muht dahrzu; wahrlich / es ſchwanet mihr / und ich maͤrk es daß ein grohſſes ungluͤk fohrhanden iſt.

Markhold / wi-wohl er uͤber diſen traum ſeines Fraͤundes noch vihl haͤftiger erſchrokken wahr / ſo bemühet er ſich doch / ihm ſolches baͤſter mahſſen aus dem ſuͤnne zu raͤden. Was! fing er an / wuͤl ſich mein Fraͤund einen traum ſo einnaͤhmen lahſſen? wuͤl er ſolchem bilder-waͤrke ſeiner ſuͤnnen ein wahr - haftiges laͤben zu-ſchreiben? ach nicht! mein Liber. traͤume bleiben traͤume / und man kan gahr nicht dahrauf fuhſſen. Er hat vihl-leicht geſtern ein ſol - ches gemaͤlde geſaͤhen / welches ihm izund im ſchlahf - fe wider fuͤhrkommen iſt; oder / wi ich gaͤnzlich dahr führhalte / es moͤgen ſich ſeine ſünnen von meiner ge - ſtrigen langen erzaͤhlung ſo verunruhiget und ver - würret befunden haben / daß ſi alſo / weil ſi nicht ru - hen koͤnnen / dehrgleichen wunderliche bilder gewuͤr - ket haben.

Oh nein! (fihl ihm Haͤrz-waͤhrt in di raͤde) es ſein keine blohſſe wůrkungen meiner ſuͤnnen! es iſt mihr ſchohn mehr-mahl widerfahren / daß ich traͤume ge - habt habe / di mihr ſein alzu wahr worden / ſonderlich di morgen-traͤume / di ich keines waͤges verwaͤrffen kan; und ſolches aus diſen erhoͤhblichen uhrſach - chen:

Jn -88Der Adriatiſchen Roſemund

Jn-daͤhm er ſolcher geſtalt fort-raͤden wolte / ſo klopft ihmand mit ſolcher geſchwuͤndigkeit / daß ſi beide fohr ſchroͤkken erzitterten / an die tuͤhre. Was guͤlt es / mein Fraͤund / huhb Haͤrz-waͤhrt an / izund waͤrd ich mein ungluͤk erfahren. Kaum hatt er di - ſes geraͤdet und di tuͤhr eroͤfnet / da kahm ſein kam - mer-diner haͤrein / gahb ihm ein kleines brihflein / und ſagte / daß er ſolches ſchohn geſtern gahr bei ſpaͤtem abaͤnd bekommen / und ihn faſt di ganze nacht durch geſuhcht haͤtte: dan der luͤferer daͤſſen / haͤtt ihm geſagt / daß gahr vihl dahran gelaͤgen waͤre. Haͤrz-waͤhrt erbrahch es mit zitterlichen haͤnden / und laſe diſen unmaͤnſchlichen

Des Eiferichs Aus-forterungs-brihf.

Eiferich verkuͤndiget dem Haͤrz-waͤhrt ſeine aͤuſerſte feindliche verfolgung zufohr!

NAhch-daͤhm ich mich nicht alein von dihr an meinen ehren beleidiget / ſon - dern auch meine haͤrz-allerlihbſte ſchelmi - ſcher weiſe verfuͤhret befuͤnde / ſo waͤrd ich von raͤchts-waͤgen gezwungen / einen ſol - chen maͤuchel-verfuͤhrer / aus geraͤchter rachche / fuͤhr di kluͤnge zu fortern; und dich allezeit fuͤhr den aller-ehr-loſeſten ſchelm / dehr unter der Sonnen laͤben mahg / zu halten / wofaͤrne du dich morgen uͤm acht uhr / zwiſchen hihr und Karanton auf jen - ſeit der Saͤhne / nicht mit gewafneter und bewaͤhrter hand / gegen mich zu verant - worten ſaͤhen laͤhſſeſt / und entweder mihrden89anderes Buhch.den hals brůchſt / oder dich zum wenigſten[d]urch eine tapfere fauſt der beſizzung diſes[ä]dlen ſchazzes wuͤrdig machcheſt. Dis iſt[d]er aͤndliche ſchlus / dehr keine einige ent -[ſ]chuldigung an-naͤhmen kan: darům ſihe[n]uhr zu / daß du dich gegen deinen feind / wo du nicht mit dem ſchelme dahrvon zu flůhen gedaͤnkeſt / muhtig erzeugeſt.

Eiferich.

Als er diſes ſchreibens inhalt verſtanden hatte / ſo raͤdet er gleichſam mit frohem gemuͤhte den Markhold an: Mein Bruder! (ſahgt er) diſer brihf hat mich meiner unruhe entlaͤdiget / und nuhn wuͤl ich meine unſchuld mit hoͤhchſten fraͤuden verfoͤch - ten. Es iſt hohe zeit / daß ich mich uͤm einen guten beiſtand bemuͤhe; dan Eiferich wuͤrd meiner ſchohn warten.

Jn-mittels (raͤdet er ſeinen Diner an) ver - ſchaffe / daß mir eilendes drei pfaͤrde mit reit-puf - fern wohl-aus-gerůſtet waͤrden: und Er / mein lihbſter Bruder / (ſahgt er zum Markhold) ſei hoͤhchlich gebaͤhten / mich bis an den ort unſerer wahl-ſtat zu beg’leiten / und mihr beiſtand zu lei - ſten: dan ich wolte nicht gaͤrn / daß diſe haͤndel wei - ter unter di Leute gebracht wuͤrden / ſonſt koͤnt ich hihr-zu wohl andere vermoͤgen / daß ich meinen Fraͤund aͤben izund / da er ſich ſeiner Lihbſten waͤ - gen ſo verunruhiget befuͤndet / nicht weiter belaͤſti - gen duͤrfte.

Der90Der Adriatiſchen Roſemund

Der Markhold wahr nihmahls mit ſolchem wi - derwuͤllen an ein balgen gegangen / als aͤben izund; nicht zwahr / daß er ſich fůhr den bei-ſtaͤnden des Eiferichs geſchaͤuet haͤtte / noch dem Haͤrz-waͤhrt in ſolcher wuͤchtigen ſachche nicht bei-ſpruͤngen wollen; ſondern nuhr alein dahruͤm / weil ihm das ſchrei - ben ſeiner Schoͤnen noch ſo tuͤhf im ſuͤnne lahg / daß er ſich kaum entſchluͤhſſen konte / aus der Stadt zu reiten / oder nuhr zum wenigſten aus der kammer zu gaͤhen. Weil er ſich aber ſeiner pfluͤcht er - innerte / ſo wolt er auch gleich-wohl nicht zu - gaͤben / daß man haͤr-nahch von ihm ſagen moͤch - te / als wan er ſeinem fraͤunde nicht haͤtte beiſtaͤ - hen wollen: dehr-geſtalt / daß er ſich auch ſtraks ruͤſtete / und zur entſcheidung oder zum ſtreite ge - faſt machte.

So bald nuhn der Eiferich / welcher mit einem Waͤlſchen und Franzoſen ſchohn aufwartete / des Haͤrz-waͤhrts mit dem Markhold gewahr ward / ſo wolt er ſich mit ſeinen zwe bei-ſtaͤnden zur aͤr - den begaͤben / in wuͤllens ſich nahch gewohnheit / bis auf das Haͤmde zu entkleiden: Aber Haͤrz - waͤhrt / dehr deſſen als-bald anſichtig ward / gahb ſeinem pfaͤrde di ſporen / und als er ſich ihnen ſo vihl genaͤhert hatte / daß ſie ihn ver - ſtaͤhen konten: ſo růhf er Eiferich zu: Halt / halt! (ſchrei er) ein ei[f]riger Lihbhaber mus den preis ſeiner Lihbſten nicht zu fuhſſe ſuchen: ich bin anhaͤhr kommen kugeln und pfaͤrde zu waͤchſ - ſeln / und nicht wi di Seil-taͤnzer und gaukler zu fuhſſe / mit einem ſolchen Ritter / wi ich ihn anſaͤhe / mit der plaͤmpe zu foͤchten.

Eiferich ward uͤber diſe raͤden ſo ſehr beſtuͤrzt / daß er nicht wuſte / was er ſagen ſolte. Ku - geln zu waͤchſſeln / (raͤdet er mit ſich ſelbſt) zu pfaͤrde zu foͤchten / das iſt bei mihr nicht der brauch; zudaͤhm ſo hab ich mich auch nichtdahrauf91anderes Buhch.dahrauf gefaſſt gemacht. Haͤrz-waͤhrt aber drang auf ihn zu / zohg ſeinen reit-puffer haͤraus / und t[u]mmelte ſich damit fuͤhr ſeiner naſen haͤrum.

Als er ſich nuhn gahr nicht dahrzu entſchluͤhſſen wolte / und ſeine beide mit-gehuͤlfen fohr furcht zu zittern anfingen / ſonderlich der eine / welcher ſo tap - fer als ein ſtroh-wuͤſch / und als wan ihn ein bau -[er]mit der miſt-gabel hinauf geworfen haͤtte / zu p[f]aͤrde ſahs: ſo fing Haͤrz-waͤhrt noch ein-mahl an / und ſagte mit ſolchen harten worten / daß ſi noch[v]i[]hl mehr erzitterten; wi iſt es nuhn? man hat[m]ich lahſſen aus-fortern / meinen ehrlichen namen[zu]verfoͤchten; man hat mich unſchuldig geſchmaͤ -[h]et / man hat mich wollen zum ſchelme machchen! [w]o ſein nuhn di-jenigen / di ſolches getahn haben? [w]o iſt der grohs-ſpraͤchcher / dehr mihr meinen[e]hrlichen namen beſchmuͤzzen wolte? Er mahg[n]uhn zu-ſaͤhen / wi er den ſeinigen raͤtte; oder wo nicht / ſo mus er mit dem ſchelme das feld raͤumen.

Diſe raͤde hatte den Eiferich / welcher ſonſt ſolch eine eifer-ſuͤchtige ahrtſchaft an ſich hatte / daß er nicht vihl dehr-gleichen worte vertragen konte / noch vihl hizziger fohr der ſtirne gemacht / dehr-ge - ſtalt / daß er fohr groſſem unwůllen und rach-gihr faſt nicht wuſte / was er beguͤnnen ſolte. Dan daͤm anſuͤnnen des Haͤrz-waͤhrts kont er nicht gnuͤge tuhn / weil er ſich nicht gnugſam dahr-nahch aus - gerůſtet hatte.

Als nuhn diſes der Markhold eine guhte weile mit angeſaͤhen hatte / ſo ſprahch er ſeinem Fraͤunde zu / und baht ihn / er wolle doch nuhr ab-ſizzen / und den Eiferich nicht laͤnger im zweifaͤl lahſſen / weil er wohl ſaͤhe / daß er ſich zum kugel-waͤchſſeln nicht aus-gerüſtet haͤtte.

Er92Der Adriatiſchen Roſemund

Er waͤgerte ſich daͤſſen eine guhte zeit / als er aber ſo lange bei ihm anhihlt / ſo ruͤhf er aͤndlich dem Ei - ferich zu (dan er hihlt eine guhte ekke von uns gahr nahe bei der hehr-ſtrahſſen): nuhn wohlan! weil mein Fraͤund fohr dich gebaͤhten hat / ſo wůl ich mich aͤndlich / nicht nach deinem wuͤllen / ſondern auf ſein bitten / dihr einen daͤgen-ſtreit zu lůfern / be - kwaͤhmen: Solcher geſtalt ſtihg er ab / und nahch - daͤhm er ſein wammes abgelaͤget hatte / ſo zohg er von laͤder und ging mit entbloͤhßter kluͤnge nahch dem Eiferich zu.

So ſchauet dan nuhn al-hihr den aller-eifrich - ſten und aller-tapferſten zwe-ſtreit / dehn man ih - mahls mit augen geſaͤhen hat / und dehn ein tapfe - rer Deutſcher und ein Libes-eifriger Waͤlſcher ein - ander lůfern: jener aus billiger vertaͤhdigung ſei - ner ehre / und diſer aus eingebildetem arg-wahn und lauterer ſchaͤhl-ſichtigkeit.

Si hatten ſchohn zwe gaͤnge mit einander ge - tahn / und nuhn beider-ſeits gleich einen zeit-blik nahch-gelahſſen / dehr-geſtalt / daß ſi den dritten auch beguͤnnen ſolten: da kahmen zwe reiter von faͤrne kwaͤhr feld uͤber ſporen-ſtreichs auf ſi zu - gehauen; dehr-geſtalt / daß ſi anfangs nicht wus - ſten / was ſi gedaͤnken ſolten.

Markh old befahrte ſich / es wuͤrde vihl-leicht ein beſtallter hinterhalt des Eiferichs ſein: di an - dern muht-mahſſeten aͤben das-ſelbige / und war - den auch in ihrer muht-mahſſung nicht allerdinge betrogen. Dan es wahr kaum ein augen-blik ver - gangen / als ſich diſe beide ſchohn ſolcher mahſſen naͤherten / daß man wohl erkaͤnnen konte / daß ſi des Haͤrzwaͤhrts Tiſch-fraͤunde waͤren / welche ſei - nen Diner mit den dreien aus-gerüſteten pfaͤrden haͤtten relten ſaͤhen / und dahaͤhr gemuhtmahſſet / daß er haͤndel wuͤrde bekommen haben.

Diſe zwe Fraͤunde waren kaum angelanget / alsſich93anderes Buhch.

[figure]

94Der Adriatiſchen Roſemundſich der eine noch im lauffen mit ſolcher geſchwůn - digkeit vom pfaͤrde haͤrab-ſchwang / daß man nicht wuſte / wi er ſo jaͤhligen di aͤrde betraͤten hatte; und mit entbloͤhßtem daͤgen hinzu luͤhf / gleichſam als wan er ſeines fraͤundes wider-ſachcher ſtraks durch - ſtohſſen wolte: dehr-geſtalt / daß ihm auch ſeine bei - ſtaͤnde zu-růhffen / er ſolte gemach verfahren / oder es wuͤrde kein guhtes aͤnde gewünnen. Nichts daͤs zu weniger fol-führt er ſein fuͤhrnaͤhmen / und drang ſich mitten ein / in wůllens ſi von ein ander zu bringen; aber der guhte maͤnſch bekahm von dem Eiferich einen ſolchen ſtuͤch / raͤcht ſchelmiſcher weiſe / durch di bruſt / daß er zuſaͤhens tohd zur aͤr - den ſihl.

Als nuhn Markhold und des ertoͤhdteten gefaͤhr - te ſolches verfahrens gewahr warden / ſo bemüheten ſi ſich mit macht ſi von einander zu bringen / damit nicht noch einer auf dem plazze bleiben moͤchte: wel - thes ſi dan auch als-bald zu waͤrke ruͤchteten / alſo / daß Haͤrz-waͤhrt / welcher ſeinen lihbſten Tiſch - fraͤund im bluhte / das er fuͤhr ſeine laͤbens-erhal - tung gelahſſen hatte / ligen ſahe / aͤben zeit bekahm / ſich zu ihme zu nahen / und ſeine wunde zu beſaͤhen.

Markhold und Stilfride (alſo hihs der gefaͤhrte) taͤhten aͤben dasſelbige. Dehr-geſtalt daß Eiferich / welcher ſchohn friſche pfaͤrde bei der hand hatte / ſich mit ſeinen bei-haͤlfern ohn einige hinternůs und verfolgung / auf di flucht begaͤben konte. Haͤrz-waͤhrt lihs ſeinen Lauter-muht (alſo hihs der ertoͤhdtete) auf ſein pfaͤrd laden / und folaͤnd nach Karanton bringen / da er auf den andern oder dritten tahg ſol - te begraben waͤrden. Der wirt lihs ihm auf begaͤh - ren des Haͤrz-waͤhrts das bluhtabwaſchen / und ein naͤues haͤmd antuhn. Man bekahm auch alsbald bei dem tiſcher einen ſarg / welchen er ſchohn im fohr - raht faͤrtig hatte / und hihs ihn dahr-ein laͤgen / dehr - geſtalt / daß diſe Leiche noch ſelbigen fohr-mittahg ganz beſchikket ward.

Als95anderes Buhch.

Als ſi nuhn wideruͤm nahch Parihs reiten und den L[a]uter-muht verlahſſen ſolten / ſo brahch dem Haͤrz - waͤhrt das haͤrze / das haͤrze begunt ihm zu kwaͤllen / und veruhrſachte ſolch-eine veraͤnderung in ſeinem g[e]ſichte / daß ſein innerliches weh-leiden leichtlich ab - zunaͤhmen wahr. Er ſihl dem Leichnam noch zu guh - t[er]laͤtſt auf das geſichte / kuͤſſet ihn und ſprahch; a[c]h mein liber bruder / mein trauter fraͤund / ich mus[nu]hn von dihr / von dihr mus ich / dehr ich deinen t[o]hd veruhrſachchet habe. ach! wi gaͤrn wolt ich dein l[e]ben mit daͤm meinigẽ / ſo es muͤhglich waͤre / wider - l[ö]ſen! was hab ich deinen aͤltern nuhr fuͤhr ein haͤr - z[e]leid veruhrſachchet! was waͤrden ſi ſagen / wan ſi den uhrſachcher deines unſchuldigen todes erfahren[w]aͤrden! ſi waͤrden mich verfluchen / ob ich ſchohn an d[e]inem verdaͤrben keine ſchuld habe. Dan ich weus /[d]as ein vaͤterliches haͤrz / wan es dehr-gleichen faͤlle ſ[e]ner kinder erfaͤhret / fohr unwuͤllen uñ bangigkeit / zu tuhn pflaͤget. Si waͤrden nicht betrachten (das[w]eus ich wohl) daß ich unſchuldig bin; ſi waͤrden nich aus alzu grohſſer libe gegen ihren ſohn / uñ alzu[kr]aͤftig̃ unwuͤllen gegen mich / ohn alle gnade verur -[te]ilen. Doch was wuͤl ich tuhn? ich wůl es gahr gaͤrn[e]rtragen / was man mihr auferlaͤgen wuͤrd / und ſolt [e]s auch der tohd ſelbſtẽ ſein. Bin ich ſtrahf-faͤllig / ſo[w]uͤl ich nicht ausreiſſen / wi jener bluhthund / dehr[i]hr ſo ſchelmiſcher weiſe das laͤbẽ genom̃en hat: ſon -[d]ern mich ſelbſtẽ gutwuͤllig der ſtrahf unterwaͤrfen. Ein grim̃igerLeue (fuhr er fort) hat dich erwuͤrget / ein ſolcher Leue / dehr mihr im ſchlahff erſchinen iſt. [J]zt faͤllt mihrs ein / was ich diſe vergangne nacht fuͤhr einen ſchaͤdlichen traum gehabt habe: nuhn be - fuͤnd ich mit der wahrheit / daß traͤume nicht zu ver - waͤrfen ſein! ach! daß ich ſolchem ůbel / das mihr doch im ſchlahffe verkůndiget ward / nicht habe koͤnnen zufohr kommen! o hartes verhaͤngnuͤs uͤber mich und dich! o unverhofter / erbarmens-wuͤrdiger fal! [o]ungluͤk! o unheil!

Jn -96Der Adriatiſchen Roſemund

Jndaͤhm er alſo raͤdete / ſo mochte ſich vihl-leicht das bluht aus diſer haͤftigen bewaͤgung ſo ſehr er - hizzet haben / daß es aus der wunde / di er unwuͤſ - ſend am raͤchten arme bekommen hatte / haͤraus ge - drungen / und unter dem aͤrmel haͤrfuͤhr auf di hand gefloſſen kahm. Markhold ward daͤſſen zum ehrſten anſichtig / und ermahnt ihn alſobald / er wolle doch ſeiner ſelbſt ein wenig ſchonen / und vihlmehr gedaͤn - ken / wi ſeine wunde moͤchte verbunden waͤrden / als ſi durch diſe un-noͤhtige und nuhr vergaͤbene raͤden noch mehr veraͤrgern.

Haͤrz-waͤhrt kaͤhrte ſich anfangs gahr wenig an ſeine raͤden; als er aber ſahe / daß das bluht immer mehr und mehr unter dem aͤrmel haͤrfuͤhr gefloſſen kahm / ſo lihs er ihm das wammes aus-zuͤhen / damit er erfahren moͤchte / ob der ſchaden auch etwas auf ſich haͤtte. Nachdaͤhm er aber geſaͤhen hatte / daß di haut nuhr ein wenig auf gerizzet wahr / ſo lihs er ſich mit nichts anders als einem leinen tuche verbuͤn - den / und wolte dan ehrſt / wan ſi wider in di Stat kaͤhmen / den wund-arzt gebrauchen.

Mitler-weile hatte ſich Eiferich mit ſeinen Ge - ſellen aus daͤm Pariſiſchen Gebuͤte ſchohn haͤraus gemacht / damit man ihn (wan jah das unglůk diſes entleibten aus-kaͤhme / und es erfahren wuͤrde / daß er der taͤhter gewaͤſen waͤre) nicht etwan in haft naͤhme / und widerum zum tode verdamte. Dan das gewuͤſſen iſt ein nagender haͤrz-wurm / welcher di verbraͤchcher un-auf-hoͤhrlich zwakket und plaget / dehr-geſtalt daß ihnen alles wuͤl zu aͤnge waͤrdẽ / daß ihnen gleichſam alle uhr-waͤſen zur zuͤchtigung di - nen / und alle maͤnſchen ihre feinde zu ſein ſcheinen.

Als nuhn Haͤrz-waͤhrt mit ſeinen beiden gefaͤhr - ten (nahchdaͤhm ſi zufohr abgeſaͤſſen waren / und di pfaͤrde / damit ihre haͤndel nicht kundbahr wuͤrden / zuruͤkke gelahſſen hatten) widerům in ſeine behau - ſung einkaͤhren wolte / ſo kahmen ihm aͤben ſeineandern97anderes Buhch.a[n]dern Tiſch-fraͤunde / di im geringſten nicht von diſer ſachche wuſten / entgegen / und bahten ihn / wi auch den Markhold / daß ſi ihnen nuhr auf eine v[o]hrteil-ſtunde wolten geſelſchaft leiſten / dan ſi haͤt - ten einen naͤuen tiſch-fraͤund / welcher ehrſt aus Hol - lend angelanget waͤre / bekommen / und wolten ſich alſo mit ihm und etlichem Frauen-zimmer / ſo ihre[w]irtin dahrzu geladen haͤtte / ein wenig erluſtigen.

Haͤrz-waͤhrt hatte anfangs keinen muht dahr-zu: g[l]eich-wohl / weil er ſich befahrete / daß ſeine haͤndel[ni]cht daͤs zu eher kund wuͤrden / wan er ſich ihrer ge -[ſel]ſchaft enthihlte / ſo gahb er aͤndlich ſeinen wuͤllen[d]ahr-ein / doch mit daͤhm beduͤnge / ſo faͤrn es ſeinem Markhold beliben wůrde; Dan ohne ſeinen wuͤl -[l]en (ſahgt er) darf ich mich daͤſſen nicht unter -[f]angen.

Wiwohl nuhn Markhold liber zu hauſ alein / als in einer geſelſchaft gewaͤſen waͤre / ſo haͤtt er doch auch den naͤuen ankoͤmling aus Holland gaͤr - ne ſaͤhen moͤgen / dehr-geſtalt / daß er ſich zwahr an - fangs ein wenig weigerte / und doch aͤndlich dahrzu beraͤden lihs; Man fůhrete ſi alſo ohne verzug in ein ſchoͤnes / mit guͤldnen prunk-tůchern gantz be - haͤngtes zimmer.

Aber wi haͤftig entſaͤzten ſich diſe beiden / als ſi ſolch ein fraͤudiges Sůng - und ſeiten-ſpihl hoͤreten; als ſi ſolch-einen hauffen ſchoͤner Weibes-bilder ſa - hen: ſonderlich Haͤrz-waͤhrt / nahchdaͤhm er ſei - ner Lihbſten / der Tugendreich (welche bis-haͤhr / in daͤhm ſi nuhr ſeinet-waͤgen zu diſer geſelſchaft kom̃en wahr / ſeiner abwaͤſenheit halben zimlich be - trůhbt gewaͤſen) ſo unverhofter weiſe gewahr ward. Er entfand ſo ein ungeſtůhmes haͤrz-klopfen / daß er ſich kaum beſünnen konte / wo er waͤre; und ſ[i]entfaͤrbete ſich fuͤhr ſchahm dehr-mahſſen / und ward durch ſeine ploͤzliche dahrzwuͤſchen-kunft ſo haͤftig verunruhiget / daß ſi kaum raͤden konte.

ENahch -98Der Adriatiſchen Roſemund

Nahch-daͤhm nuhn di wort-gepraͤng auf beiden teilen geſchaͤhen waren / ſo nahm der Haͤrz-waͤhrt ſeinen Markhold bei der hand / und fůhret ihn mit ſich zu ſeiner Lihbſten / welche aͤben auf einer bant aleine ſahs: dan ſi wahren nuhr izund von der tafel auf-geſtanden / und das Frauen-zimmer hatte ſich auf der ſeite nahch der reihe haͤruͤm ge - ſaͤzt. Nuhn (ſahgt er im hingaͤhen) ſol mein Fraͤund auch hoͤren / ob ſich meine Lihbſte mit ſeiner himliſchen Roſemund an klugen raͤden et icher mahſſen vergleichen koͤnne.

Si hatten ſich kaum bei diſem hoͤhflichen Frau - en-zimmer nidergelahſſen / als di Tugend-reich ſchohn etlicher bluhts-flaͤkken in des Haͤrz-waͤhrts ſtuͤfel-tuͤchern und hand-ſchleiern gewahr ward; wohruͤber ſi nicht wenig erſchraht; gleich-wohl ver - barg ſi es noch ſo lange / bis er von ſeinem diner hin - aus geruhffen ward / und ihr alſo ſelbſten gelaͤgen - heit gahb / ſich daͤſſen bei ſeinem Fraͤunde / weil er abwaͤſend waͤre / zu erkundigen. Si baht anfangs den Markhold / er wolle ſi doch unbeſchwaͤret be - ruͤchten / wo ſi beide ſo lange gewaͤſen waͤren / daß ſi di tahffel verſaͤumet haͤtten? Markhold gahb zur antwort / daß ſi einen guhten fraͤund beſuchet haͤt - ten. Oh nein! mein Her (ſihl ſi ihm in di raͤde) er verzeuhe mihr / daß ich ihm wider-ſpraͤchchen mahg; ich habe ſchohn einen andern vogel ſuͤngen hoͤren / von dehm ich ſo vihl verſtanden habe / daß der Fraͤund nicht al-zu-guht gewaͤſen iſt.

Uber diſen raͤden entſaͤzte ſich Markhold / und entfaͤrbte ſein geſichte dehr-mahſſen / daß ſi nuhn - mehr ſchohn vergewuͤſſert wahr / daß ſi ihre muht - mahſſung nicht wuͤrde betrogẽ haben. Was bedeu - tet dan das bluht (fuhr ſi fort) das man auf ſeinen kleidern ſihet / und wahr-uͤm wuͤl er den raͤchten arm nicht raͤcht gebrauchen? iſt es nicht wahr / daß jene in der roht - und blauen tracht / di gleich gegen uns uͤberſizt /99anderes Buhch.ſizt / diſes unglůk veruhrſachet hat? GOT wolle[n]uhr / daß es wohl abgelauffen ſein mahg! dan ich[h]abe geſtern erfahren / daß thn der Waͤlſche fohr di[k]luͤnge zu fortern gedraͤuet hat / weil er mit ſeiner[L]ihbſten etwan ein-mahl zu fraͤundlich mahg geraͤ -[d]et haben; dahaͤhr ihm diſer arg-waͤhniſche / ſchaͤhl -[ſ]ichtige maͤnſch ſtraks eingebildet hat / daß er ihm de ſeinige abſpaͤnſtig machchen wůrde. Ach! mein Her / (ſahgte ſi laͤtslich mit tůhf-gehohlten ſeufzen) ich bitt ihn ům ihrer traͤuen fraͤundſchaft wuͤllen / er wolle mihr jah nichts verſchweigen / nahch-daͤhm mahl ſeine ſachchen mihr ſo wohl angaͤhen / als ihm ſelbſten: dahr-gegen ſei er wideruͤm verſichchert / daß ich mich durch meine wenige dihnſte / bei aller fuͤhr-fallenden begaͤhbnůs / meinem Hern wideruͤm annaͤhmlich machchen waͤrde.

Markhold ſahe wohl / daß es nuhr uͤmſonſt waͤ - re / diſe ſachchen weiter zu vertuſchen / drům baht er di Tugendreich uͤm verzeuhung / daß er ſich haͤtte be - muͤhen wollen / ſi hinter der wahrheit hin zu fuͤhren. So faͤrne mihr aber meine Jungfrau (ſahgt er) nuhr diſe zuſage leiſten wolte / daß ſi weder ihrem Lihbſten / noch einigem maͤnſchen etwas von diſem handel / welchen ich ihr izund entdaͤkken waͤrde / wuͤl maͤrken lahſſen: ſo waͤrd ich mich nicht weigern / ihr / als dehr ſo ein grohſſes an ihres Lihbſten wohl - ſtande gelaͤgen iſt / das-jenige zu offenbahren / wel - ches ich auch fohr meinem bruder ſelbſt wolte ver - ſchwigen halten.

Haͤrz-waͤhrt verweilte ſich zimlich lange / und lihs ſeinem fraͤunde zeit genug / der naͤu-gihrigkeit ſei - ner Lihbſten gnuͤge zu tuhn: und Markhold erzaͤhlt ihr ſeinen traum / dehn er di ſohrige nacht gehahbt / und alles / was ſich dahr-auf begaͤben haͤtte; ausge - nommen das entleiben des Lauter-muhts wolt er noch nicht ſo-bald entdaͤkken / damit er durch ſolche traurige zeitung ihre fraͤude nicht folaͤnd zerſtoͤhren moͤchte.

E 2Aber100Der Adriatiſchen Roſemund

Aber es wahr auch uͤmſonſt / daß er ſolches ver - baͤrgen wolte: dan er hatte ſeine raͤde nicht ſo bald geaͤndiget / als das geſchrei ſchohn unter di geſel - ſchaft kahm / daß der Waͤlſche den Lauter-muht er - ſtochchen haͤtte / und ſelbſten in der flucht von einer andern rotte / ſo vihlleicht dem Lauter-muht haͤtte wollen zu huͤlfe kommen / entleibet worden. Dan der Foͤchtmeiſter / welcher den Waͤlſchen und den Lauter-muht wohl kante (weil ſi ſich fohr diſem alle - beide ſeiner unterweiſung gebraucht hatten) wahr ohn gefaͤhr des waͤges / da ſich diſe ſchlaͤgerei begaͤ - ben / nahch Karanton zu / fohrbei gewandert; und hatte ſolches nahchmahls bei ſeiner wider-kunft der wirtin des Lauter-muhts angeſaget.

Di ganze Verſamlung ward uͤber diſer unan - muhtigen zeitung dehrmahſſen beſtuͤrzt / und ſo haͤf - tig betrůbet / daß ſich anfangs ihre luſt und fraͤude in ein ůber-maͤhſſiges weh-klagen und unluſtige verwürrung veraͤnderte. Seine tiſch-fraͤunde ſtun - den in ſolcher angſt / als wan ſi alle mit einander fůhr di koͤpfe geſchlagen waͤren / und wuſten nicht was ſi begaͤhen ſolten. Der eine teil ging zu pfaͤhr - de / entweder den taͤhter zu ſuchen / oder aber den leichnam ihres Lauter-muhts auf zu hoͤben: dan ſi wuſten nicht / daß Haͤrz-waͤhrt dahrbei gewaͤſen wahr / und den entleibten ſchohn hatte beſchik - ten lahſſen. Di andern ſtunden noch im zwei - faͤl fohr der tühren / nahch einer vihlleicht gruͤndli - chern zeitung zu warten / und hatten allen wohl - ſtand / dehn ſi daͤm Frauen-zimmer zu leiſten ſchuldig waren / aus der acht gelahſſen / alſo / daß ihm nihmand mehr aufwartete / als unſer Mark - hold / welchen der Haͤrz-waͤhrt / als er hinaus ge - gangen wahr / ſeiner Lihbſten auf zu dinen gebaͤh - ten hatte. Das ganze Frauen-zimmer ſtund in traͤh - nen; und weil es meiſten teils des Lauter-muhts Lundſchaft gehabt hatte / ſo wahr es ſo haͤftig be -trůhbt /101anderes Buhch.ruͤhbt / daß ſich auch etliche faſt nicht wolten troͤh - ten lahſſen. Aber wi ſehr diſe deutſche Maͤnſch - toͤttiñen (dan ſi waren meiſtenteils entweder hohch - oder nider-deutſche) den traurigen zuſtand des Lau -[t]er-muhts bejammerten / ſo konten ſi doch (welches[h]ohch zu verwundern wahr) di Lihbſte des Eiferichs[n]icht bewaͤgen / daß ſi nuhr etliche zaͤhren vergoſſen[h]aͤtte / da ſi doch wohl vernommen hatte / daß nicht[a]lein Lanter-muht / ſondern auch ihr Lihbſter ſelbſt das laͤben eingebuͤhſſet. Jah ſi ſahgte frei haͤraus / als ihr Markhold diſes fohrhihlt) es waͤren ſol - cher Leute noch mehr in der waͤlt / und ſi frahgte nahch dem Eiferich ſo vihl nicht / wan nuhr Haͤrz - waͤhrt noch laͤbete. Diſes ſahgte ſi heimlich zu ihm / daß es di Tugendreich nicht horen ſolte: aber Mark - hold gahb ihr ſolch-einen harten blik / daß ſi leichtlich verſtaͤhen konte / was er fuͤhr gedanken haͤtte.

Man ſaget ſonſt ins gemein / daß di Hohchdeut - ſchen traͤu-beſtaͤndig / di Waͤlſchen Libes-eifrig / oder ſchaͤhlſichtig / und di Franzoſen leicht-ſůnnig ſein. Wehr nuhn ſolches nicht glaͤuben wül / daß es wahr ſei / dehr verfůge ſich nuhr hihr-haͤhr / und ſchaue diſe drei maͤnſchen-bilder / den Haͤrzwaͤhrt / als einen Hohchdeutſchen / den Eiferich / als einen Waͤlſchen / und diſe Franzinne; gleichſam als einen dreifachchen laͤbendigen entwurf diſer drei Foͤlkerſchaften / mit bedachtſamkeit an. Wahrlich / er wuͤrd nicht laͤug - nen koͤnnen / daß Haͤrz-waͤhrt / als ein Hohch-deut - ſcher / der aller-traͤueſte / aller-haͤrzhafteſte und al - ler-beſtaͤndigſte ſei; daß Eiferich als ein Waͤlſcher / der aller-libes eifrigſte / aller-ſchaͤhl ſichtigſte und im ſchaͤndlichen argwahn vertuͤhfteſte wühterich ſei; und daß aͤndlich diſe Franzinne / di allerunbe - ſtaͤndigſte / di aller-wankel-muͤhtigſte und aller - leicht-ſuͤnnigſte ſei.

Als ſi ſich nuhn eine guhte zeit in diſem traurigen zuſtande befunden hatten / ſo lihs Haͤrz-waͤhrt demE 3Mark -102Der Adriatiſchen RoſemundMarkhold heimlich zu-entbuͤhten / er moͤchte ſich doch / ſo vihl als er immer koͤnte / bemuͤhen / di Tu - gendreich / daß es di andern nicht gewahr wuͤrden / mit ſich in den hinter-hof zu fuͤhren / alda er ihrer warten wolte. Markhold / dehr ihm ſeines Fraͤun - des ſachchen vihl-mehr als di ſeinigen ſelbſt angelck - gen ſein lihs / erdachte ſtraks einen rank / und lihs di wirtin bitten / ſi moͤchte doch durch ihre mahgd der Jungfer Tugend-reich anſagen lahſſen / daß man ihr einen bohtẽ geſchikt haͤtte / nahch hauſe zu kom̃en.

Diſer fund ging mehr als gewůndſcht von ſtat - ten; dan / nahch-daͤhm di ſchoͤne Tugendreich von der ganzen geſelſchaft abſchihd genommen hatte / ſo begleitete ſi der Markhold / und gahb ihr im hin - aus-fůhren zu verſtaͤhen / daß ſi nicht nahch hauſe / ſondern zu ihrem haͤrz-allerlihbſten / dehr ihrer im hinter-hofe wartete / beruhffen waͤre: und baht ſi mit ſolchen bewaͤhglichen worten / daß ſi ſich doch nicht weigern wolte / ihren Haͤrz-waͤhrt noch diſes einige mahl zu vergnuͤgen; dan er wuͤrd ihr ohne zweifaͤl noch fohr ſeinem abzuge di laͤtſte guhte nacht wuͤndſchen wollen. Di laͤtſte gute nacht (huhb ſi mit haͤrz-braͤchchenden ſeufzen an) das ſei faͤrne! ich hoffe noch zu fohr mehr / und der baͤſten naͤchte mit ihm zu genuͤhſſen / eh er mihr di laͤtſte gaͤben ſol.

Jah (fihl ihr Markhold in di raͤde) meine Jung - frau hat freilich der baͤſten noch zu genuͤhſſen / und diſer abſchihd ſol dahruͤm nicht der aller-laͤtſte ſein / ſondern in kurzen / wan es di zeit und gelaͤgenheit ein wenig leiden wuͤrd / durch eine hohch-erfraͤuliche widerkunft erſtattet waͤrden.

Jnzwiſchen naͤherten ſi ſich dem Haͤrz-waͤhrt / welcher mitten im hofe in ſolchen tuͤhffen gedanken ſtund / daß er anfangs ihrer ankunft nicht gewahr ward. Markhold / nahch-daͤhm er ihm mit ſeiner Lihbſten eine guhte weile zu-geſaͤhen hatte / huhb aͤndlich an und ſahgte; mein bruder! ich bin ſeinembefaͤhl103anderes Buhch.befaͤhl traͤulich nahch-kommen / und habe diſen hoh - waͤhrten ſchaz / welchen er mihr anvertrauet hat / nicht alein wi meinen aug-apfel ſelbſt bewahret / ſondern ihm auch hihr gegenwaͤrtig / ſeinem begaͤh - ren nahch / widerům uͤberlüfern wollen.

Er überluͤfert mihr freilich (gahb er zur antwort / nahch-daͤhm er ſich gegen ihn bedanket hatte) einen ſehr hohch-waͤhrten ſchaz / welchen ich mehr als mein laͤben libe / und an dehm mein haͤrz nuhr alein hanget / aber ich waͤrd ihn bald wideruͤm verluͤh - ren muͤſſen: und Si / aller-ſchoͤhnſte Tugendreich (ſahgt er / und waͤndete ſich nahch ſeiner Lihbſten zu) wuͤrd mihr hoͤhchlich verzeuhen / daß ich ſo un - hoͤhflich gewaͤſen bin / und ihr anmuhten důrfen / zu mihr zu kommen / da es mihr doch vihl baͤſſer ange - ſtanden waͤre / wan ich meiner Schoͤnen / ihr diſe tritte zu erſparen / ſelbſt auf-gewartet haͤtte. Aber / weil es di hohe noht erfortert / und ich ſolches / aus uhrſachchen meines izigen ungluͤkſaͤligen zuſtandes / noht-druͤnglich tuhn muͤſſen / ſo darf ich auf nichts mehr gedaͤnken / als wi ich mein ungluͤk beklagen / oder vihl-mehr mich aus einem noch inſtaͤhenden aͤrgern raͤtten ſol. Dahr-uͤm wuͤl ich ſi meine haͤrz - allerlihbſte (mit diſen worten fihl er ihr uͤm den hals) der goͤtlichen obacht traͤulich befaͤhlen / mich aber ihrer ungefaͤrbten haͤrzlichen Libe!

Uber ſolchen raͤden kahmen ihr di traͤhnen mil - diglich haͤrab gefloſſen / und er konte fůhr ſchmaͤr - zen kein wort mehr machchen / als; mein haͤrz / meine Sonne gehabe ſich wohl! ſi gehabe ſich wohl! und meine haͤrz-allerlihbſte bleibe beſtaͤndig / gleich wi ich beſtaͤndig bleiben / und der ihrige ſtaͤrben wůl.

Mit diſen worten ſchihd er von ihr / und ſaͤzte ſich mit ſeinem Markhold zu pfaͤrde / damit er ſich (ehe diſe haͤndel fůhr di obrigkeit gebracht wuͤrden / und ihm nicht etwa zum ſchuͤmpfe gereichten) in di Nord-maͤnniſche graͤnze begaͤben moͤchte.

E 4Alſo104Der Adriatiſchen Roſemund

Alſo machten ſich diſe beiden Fraͤunde auf der waͤhg / und di truͤhbſaͤlige Tugend-reich / welche fohr grohſſem weh-leiden kein einiges wort-glihd zu waͤ - ge bringen konte / verfolgte ſi mit den augen ſo weit / als ſi immer konte. Da reitet nuhn dehr-jenige[h]in (gedachte ſi bei ſich ſelbſt) dehr dihr bis-haͤhähr ſo manche ſtunde verſuͤhſſet hat / und nuhn ins kuͤ[n]f - tige alle mit einander verbittern wůrd! wehr wůrd mich arm-ſaͤligen hihr in der fremde troͤhſten / nu[n]n mein einiger trohſt hin iſt! doch was bekuͤmmer[ſtu]dich / meine Sehle (ſprahch ſi ihr ſelbſt zu) du h[a]ſt vihl-mehr zu wuͤndſchen / daß er ihm wohl gaͤ[b]e / und daß er gluͤklich moͤge wideruͤm zurükke gel[a]n - gen.

Wimanche ſeufzer taͤht ſi / wi mancher trahn jhl ihr aus den augen / eh ihr Markhold von ihr[e]m Lihbſten ein ſchreiben zuruͤk brachte; ein ſolches ſchreiben / welches ſi ſeiner traͤue verſichcherte / w[e]l - ches ſi in ihrer trůhbſahl troͤhſtete / und ein wah[re]s maͤrk-z[eu]chen ſeiner beſtaͤndigen libe wahr.

Nuhn wollen wihr den Haͤrz-waͤhrt ſo lange[b]ei den Nordmaͤnniſchen Saͤhninnen und Eptinne[n]/ di Tugendreich aber bei ihren Pariſinnen verzuͤh[e]n lahſſen / und unterdaͤſſen ſaͤhen / wi es mit den Markhold / dehr nuhn bald zweifachche zeitung v[o]n ſeiner Roſemund bekommen ſol / ablauffen wuͤ[d]. Dan er hatte ſich kaum wideruͤm nahch hauſe beg[ä]- ben / als er ſchohn wider-ům an das ſchreiben ſein[e]r traͤugelihbten gedachte / und wahr kaum in di kam̃[e]r hinein getraͤten / als er auf der aͤrden ein kleines brihflein / welches er den fohrigen abaͤnd aus der Roſemund ſchreiben unverſaͤhens verſchüttet ha - te / von faͤrnen erblikte.

Er huhb es eilend auf und ſahe / daß es ſeine R[o]- ſemund geſchriben hatte; Er laſ es und befand / daſ es gleichſam ein aus-laͤger waͤre daͤs andern ſchre - bens / welches er ſchohn gelaͤſen hatte. Er ſahe ſi ver -zwei -105anderes Buhch.zweifaͤlt / arg-waͤhniſch / libes-eiferig / und doch auch beſtaͤndig / dihnſt-erboͤhtig und wider behaͤrzt zu - gleich. Das eine macht ihm ſchmaͤrzen und weh-lei - den / das andere gahb ihm trohſt uñ hofnung. Si be - ruͤchtet ihn mit ſolchen haͤrz-druͤngenden worten / daß ſi anfangs wullens gewaͤſen waͤre / ſich in einen Jungfer-zwuͤnger zu begaͤben; weil ſi aber an ſeiner ſtandhaftigkeit nicht gahr haͤtte zweifaͤin wollen / und gedacht / daß er ſich noch wohl wider fuͤnden wuͤrde / indaͤhm ſi gahr kein einiges mis-trauen zu ihm haben koͤnte; ſo haͤtte ſi ihr fuͤhrnaͤhmen nuhr ihm zu libe geaͤndert / damit ſi jah an ſeiner ver - zweifaͤlung (welche / wan er noch traͤn verbleiben waͤre / und ihre aͤnderung vernommen haͤtte / ſonder zweifaͤl nicht auſſen bleiben wuͤrde / keine ſchuld ha - ben moͤchte / und aͤndlich beſchloſſen / ſich ſo lange in das feld - und ſchaͤhffer-laͤben zu begaͤben / dahrinnen ſi nicht gezwungen waͤre / wi in daͤm andern / ihre ganze zeit zu verſchluͤhſſen.

Wiwohl nuhn Markhold uͤber diſes ſchreiben nicht wenig betruͤbet wahr / ſo unterlihs er doch nicht / ſich widerům in di behauſung ſeines Haͤrz-waͤhrts zu verfuͤgen / in wuͤllens den hohch-deutſchen von adel / welcher ehrſt aus Holland kommen wahr / zu beſuchen. Als er nuhn di traͤppe zu ſeinem zimmer hin-auf ſteigen wolte / da kahm ihm der Diner gleich entgegen / welcher ihn auf ſein fragen beruͤch - tete / daß ſein Her zu hauſe waͤre. Markhold aber / dehr hihr-mit nicht vergnůget wahr / frahgt ihn noch weiter / aus was fuͤhr einem Lande daͤs Deut - ſchen Reiches ſein Her bůrtig / und aus was fuͤhr einem Geſchlaͤcht er entſproſſen waͤre.

Der diner / welcher den Markhold noch nicht kaͤnn - te / gahb ihm zur antwort / daß er ein Schleſiſcher von adel waͤre / und eine Schwaͤſter in Holland haͤtte / di Adelmund hihſſe / und in kurzen einem Schalt-oberſten ſolte vermaͤhlet waͤrden. Hoh! E 5(fihl106Der Adriatiſchen Roſemund(fihl er ihm in di raͤde) ſo iſt er der raͤdlichen Ade - mund bruder? ei liber! wi gaͤhet es der lihb-ſ[ä]ligen Jungfrauen / und was machchen ihre geſpilinnen / li Venediſchen / des Suͤnnebalds toͤchter? Alles guh - tes / gahb der diner zur antwort / und ſahgte; mein Her iſt gewuͤs der Markhold? dan ob ich ihn ſchohn nihmals geſaͤhen habe / ſo kan ich ihn doch aus ſei - nem waͤſen / und gebaͤhrden / wi mihr ſolches von de: Jungfer Roſemund iſt beſchriben worden / leicht - lich erkaͤnnen?

Markhold / als er ſolch-einen belihbten namen naͤnnen hoͤrete / wuſte nicht / was er zur gegen-raͤd[e]gaͤben ſolte / und wahr ſo verwůrret in ſeinen ſuͤ[n]- nen / daß er ihn nicht beantwortete / ſondern nuh[n]ſtraks frahgte / ob ihm diſe Schoͤhne nichts vermaͤ[l -]den lihſſe. Jah freilich / ſagte der Diner / ſi iſt geſon nen ſeine Traͤue zu ſtaͤrben / und laͤſſt ihm nicht - mehr als ſolchen ihren ſuͤn naͤbenſt einer unver - bluͤſchlichen libe zu-entbůten. Gleiches-falles ver - pfluͤchten ſich auch Jungfer Stil-muht und Adel mund zu ſeinen dihnſten. Hihr-mit zohg er ein ſchreiben / welches di Adelmund an ihn geſchriben hatte / haͤr-aus / und gahb ihm ſolches. Weil nuhn Markhold gedachte / daß es nuhr ein überzug eine[s]vihl aͤhdleren ſchazzes ſein wuͤrde / welchen er von ſeiner Roſemund zu gewarten haͤtte / ſo frahgt er nicht weiter nahch; ſondern ſtaͤkt es ſtraks zu ſich / und nahch-daͤhm er dem Diner befohlen hatte / daß er ihm / wan er ſich wider nahch hauſe machte / folgen ſolte / ſo ging er di traͤppen hinauf / und fand gleich den Hůlfreich (alſo hihs diſer Her) fohr der tühre ſtaͤhen.

Markhold ging ſtraks zu ihm zu / und hihs ihn wuͤlkommen ſein; gahb ihm auch mit ſeinen raͤden ſo vihl zu verſtaͤhen / daß er leichtlich abnaͤhmen kon - te / daß er dehr-jenige waͤre / fuͤhr dehn er ſich wolte angeſaͤhen haben. Huͤlfreich lihs ihn in ſein zimmereingaͤhen /107anderes Buhch.eingaͤhen / und nahch-daͤhm ſi ſich nider-gelahſſen hatten / ſo gahb er ihm auch zu erkaͤnnen / daß er der Adelmund bruder waͤre; und ihn ſchohn im ehrſten anblikke fohr den Markhold angeſaͤhen haͤtte. Er beruͤchtet ihn auch / wi es ům ſi und di beiden Jung - fern / ihre geſpihlen / ſtuͤnde; wi es im deutſchen Rei - che beſchaffen waͤre / und daß Roſemund / aus was fohr uhrſachchen wuͤſt er nicht / das ſchaͤhffer-laͤben erwaͤhlet haͤtte; doch gleich-wohl nicht unterlihſſe / ihre Jungfer Schwaͤſter mit der Adelmund noch taͤhglich zu beſuchen.

Der Markhold aber / welcher an diſem ſeinen be - ruͤchte nicht gnug hatte / ſondern ſeine Lihbſte ſelbſt gaͤrne hoͤrẽ wolte / gedachte ſchohn wider nahch hau - ſe; und nahch-daͤhm er ihn uͤm verzeuhung gebaͤhten hatte / daß er ihm izund einer wůchtigen verrůch - tung waͤgen / di ihm ehrſt eingefallen waͤre / nicht laͤnger auf-warten koͤnte / ſo nahm er ſeinen ab - ſchihd. Huͤlf-reich begleitet ihn bis fohr di tuͤhre, und nahchdaͤhm er ſich widerüm auf ſein zimmer be - gaͤben hatte / ſo folgte der Diner dem Markhold nahch; welcher fohr grohſſem verlangẽ kaum ſo lan - ge warten konte / bis er in ſein zim̃er wahr; da er dan das ſchreiben der Adelmund alſo-bald erbrahch / und nuhn-mehr ehrſt iñen ward / daß ihn ſeine hofnung betrogen haͤtte. Gleich-wohl wolt er den Diner nicht eher fragẽ / er haͤtte dan das ſchreiben der Adel - mund durch-gelaͤſen / welches ihn vihl-leicht ſeiner Schoͤnen waͤgen gruͤndlichẽ beruͤcht erteilẽ würde.

Der Diner maͤrkte wohl / als er das ſchreiben er - brochchen und faſt halb verlaͤſen hatte / daß er ſich zu unterſchihdlichen mahlen entfaͤrbete / und gahr klein-laut dahrüber ward; daruͤm wolt er ihn nicht langer verzaplen lahſſen / ſondern reicht ihm das ſchreiben ſeiner aͤdlen Roſemund dahr / und ſagte; Mein Her wolle mihr zum hoͤchſten verzeuhen / daß ich ſo kuͤhne ſein duͤrfen / diſen aͤdlen ſchaz fohr ſei -E 6nen108Der Adriatiſchen Roſemundnen augen ſo lange zu verbaͤrgen; oder vihlmehr ſeiner tauſend-liben Roſemund vergaͤben / daß ſi ihm ſolches nicht eher zu ůberlůfern befohlen hat / ich haͤtte dan geſaͤhen / daß er einige anzeugungen blikken lihſſe / dahr-aus ich ſchluͤhſſen koͤnte / daß er diſes ihr brihflein nicht verwaͤrfen / ſondern mit gnaͤdigen augen anblikken würde.

Nihmahls iſt ein maͤnſch mehr erfraͤuet gewaͤſen als Markhold; nihmahls hat man mehr veraͤnde - rungen unter ſeinem geſichte zugleich in einem eini - gen zeit-blikke geſaͤhen / als in daͤm ſeinigen. Di haͤn - de zitterten fohr furcht und fraͤuden: dan er befuͤrch - tete ſich / ſi wuͤrd ihm noch einen haͤrteren verweis zu-ſchreiben / und wahr doch auch nichts daͤs zu we - niger froh / daß ſi ſich ſeiner nicht gahr begaͤben haͤt - te / und ihn noch einer ſolchen ehre wůrdig ſchaͤzte. Er wahr ſo geruͤhret / und ſo begihrig diſes belihb - ten ſchreibens inhalt zu wuͤſſen / daß er ſolches ſchihr im erbraͤchchen zerriſſen haͤtte: und nahchdaͤhm er ſelbiges entſigelt hatte / ſo bekahm er nahch-folgende wort zu laͤſen.

Der Roſemund abgegangenes Schreiben an den Markhold.

Jhrem getraͤuen Markhold wuͤndſchet di Roſe - mund ein ewiges wohl-ergaͤhen!

MEin Her /

wan er wuͤſſen ſolte / wi mihr bei verfaſ - ſung diſer wenigen worte di hand / naͤbenſt einem haͤftigen haͤrz-klopfen / ſo unauf - hoͤhrlich zittert / ſo wuͤrde mein faͤhler ohnezweifaͤl109anderes Buhch.zweifaͤl ſchohn vergaͤben ſein / und mein alzu-haſtiges verfahren mehr verzeuhung erlangen / als ich furcht und bedaͤnken trage / di faͤder daͤswaͤgen an zu ſaͤzzen. Dan ich haͤtte vihl lihber meinen ſchaͤhffer-ſtahb / di ſchaͤhflein dahrmit zur geſunden weide zu leiten / fuͤhren wollen / als diſe faͤder / mein verbraͤchchen damit aus zu tilgen / zur hand naͤhmen. Er ſchaue doch / mein Her / den wuͤllen einer arm-ſaͤligen Schaͤhfferin fůhr ſeinen fuͤhſſen ligen / und ihr haͤrz in ſeinen haͤnden / damit ſi ſolches daͤm ſeinigen / weil es ihm alein gewihdmet iſt / uͤbereignẽ moͤge.

Jch bekaͤnne gahr gaͤrn / daß ich mich / da ich noch hohch-můhtig wahr / und in meinem angebohrnen ſtande laͤhbte / an mei - n[e]m Getraͤuen verbrochchen habe; Aber nuhn-mehr / nahch-daͤhm ich ſolchen hohch - fahrenden ſtand verlahſſen / und nicht mehr in einem ſo koͤſtlichen hauſe wohne / hab ich auch der from̃en ſchaͤhflein ahrt und ei - genſchaft an mich genom̃en / und mit einem nidrigen ſchaͤhffer-huͤtlein meinen muht ge - nidriget / und meinen unbilligen eifer fah - ren lahſſen. dehr-geſtalt / daß ich nuhn mit demůhtigem haͤrzen und nidrigem geiſte ſolches verbraͤchchen beraͤue / und dehr ge - wuͤſſen hofnung laͤbe / daß ſich mein Ge - traͤuer / uͤm ſeiner und meiner libe wuͤllen / zur guͤnſtigen verzeuhung waͤrde bewaͤgen lahſſen.

E 7Bin110Der Adriatiſchen Roſemund

Bin ich gleich mitten im Adriatiſch[e]n Mehre gebohren / und den waͤllen (welc[h]e bald from / bald ſtille / bald wideruͤm[e]r - grimmet und erbohſſet / fohr hohch-mu[ht]/ entpohr ſteigen) in etwas nahch-geahrte[t]; ſo hab ich doch izund ſolche ſtuͤrmende w[e]l - len-ahrt verlahſſen / und nahch den ſtill[e]n waͤſſerlein / an deren unabgeſpuͤhlten ufe[r]n ich meine ſehaͤhflein zu weiden pflaͤge / mei[n]e ſuͤnnen geruͤchtet. Jah ich bin from /[de]- muͤhtig / ſtil und ſit am worden; da[ic]h fohr-mahls (ich mus es wůllig be[k]aͤnne[n]) argwaͤhniſch / hohch-fahrend / auf-geblaſ[e]n und unruhig gewaͤſen bin. Solche laſ[te]r hab ich nuhn gaͤnzlich / vermittelſt diſes[ni]- drigen laͤbens / daß ich izund fuͤhre / a[u]s meinem haͤrzen vertilget. Wolte nu[h]n meinem Getraͤuen beliben / mich auch in[di]- ſem ſtillen ſtande / in diſen huͤrden / da i[c]h meine izige hohf-haltung habe / waͤſendli[c]h zu beſuchen / ſo wuͤrde ſeiner Schaͤhffer[i]n nicht alein di hoͤchſte ehre / welche ſi auf d[e]r ganzen waͤlt zu gewarten hat / geſchaͤhen; ſondern ich wolte mich auch ſo dankbah[r]- lich dahr-fuͤhr zu erzeugen wuͤſſen / daß E[r]mit der taht und wahrheit erfahren ſolte / daß ich zu ſtaͤrben geſonnen ſei /

Mein Her / Seine gehohrſame / traͤu-beſtaͤndige Roſemun[d]

Di -111anderes Buhch.

Di-jenigen / ſo aus der erfahrung di wunder - lichen wuͤrkungen einer traͤu-befaͤſtigten Libe wůſ - ſen / koͤnnen unſchwaͤhr errahten / was diſer ſo haͤrz - entzuͤkkende / ſo durch-druͤngende und mit-leidens - wurdige brihf in daͤm haͤrzen des Markholds fuͤhr eine ruhr erwaͤkket hat. Er wahr froh / daß ſi ſich ſchohn in drei oder vihr tagen ſo uͤber alle mahſſe geaͤndert hatte. (dan der fohrige brihf wahr des mahn-tages / und diſer des frei-tages dahr-nahch gegaͤben) Er verſtund ihre beſtaͤndigkeit / und haͤrz - liche beraͤuung ihres verbraͤchchens. Er ſahe ſi gleichſam laͤbendig und ſelblich fohr ſeinen fuͤhſſen ligen / und uͤm verzeuhung bitten. welches ihn ſo haͤftig jammerte / daß er ſich / wo es ihm / als einem mans-bilde / wohl anſtaͤndig gewaͤſen waͤre / daͤs wei - nens nicht enthalten haͤtte. Hatt er ſi fohr diſem haͤftig gelibet / ſo libet er ſi izund noch vihl tauſend - mahl haͤftiger / und noch vihl inbrünſtiger / als er nih-mahls getahn. Jah er begunte ſi von diſem nuhn an ſolcher geſtalt zu liben / daß er ſich auf ihre laͤtſte wort / faſt noch ſelbigen abaͤnd entſchloſſen haͤtte / Frankreich zu verlahſſen / und ſeine Schoͤne in ſolcher naͤuen behauſung zu beſuchen.

Als er nuhn / nahch verlaͤſung diſes ſchreibens / ſeinen gedanken eine guhte weile den zuͤgel gelahſ - ſen hatte / ſo raͤdet er aͤndlich den Diner des Huͤlf - reichs an / und frahgte; ob ihm ſeine Roſemund noch etwas mehr befohlen haͤtte? nahch-daͤhm er ihm aber nichts weiter in ihrem namen zu ſagen hatte / ſo baht er den Diner / er moͤcht ihm doch er - zaͤhlen / was ſich ſonſt mit ihr / zeit ſeines abwaͤſens / zu-getragen haͤtte / und wi ſi ſich in diſes Schaͤhffer - laͤben zu ſchikken wuͤſte.

Der diner wahr daͤſſen ſehr wohl zu friden / und / nahchdaͤhm er den Markhold auf ſein begaͤhrẽ noch faͤrnere verſichcherung getahn / daß er ihm nicht das geringſte / was er von ihr erfahren haͤtte / verſchwei - gen wolte / ſo fing er folgender mahſſen an zu raͤden:

Di112Der Adriatiſchen Roſemund

Di begaͤhbnuͤſſe Der Roſemund zur zeit ihres ſchaͤhffer-laͤbens.

NAhch-daͤhm mein Her nicht alein ſelbſten dur[c]h ſein eignes ſchreiben di uhrſachche gewaͤſen[in]/ daß di goͤtliche Roſemund ein ſolches ſtilles laͤb[e]n und nidrigen ſtand erwaͤhlet hat / ſondern auc[h]/ (wi ich aus ſeinen raͤden vernaͤhme) den anfa[n]g ihrer veraͤnderung baͤſſer weus / als ich ihm vi[l]- leicht erzaͤhlen wuͤrde; ſo wůl ich dan nuhn ni[ch]t ſagen / wi ſich diſe Schoͤne / nahch-daͤhm ſi ſe[i]n ſchreiben / welches ihr zur ſelbigen zeit (dan nuh[n]- mehr hat ſi es bei ihr ſelbſten baͤſſer erwogen) etw[a]s fremde zu ſein ſchine / entfangen / ſo ůberaus haͤft[i]g betruͤbet; und wi ſi von ſolcher betrůhbnůs /[w]o ihr nicht di kluge Adelmund entſaz geleiſtet haͤtt[e]/ vihlleicht gahr ůberwckltiget waͤre / und dem tode[zu]teil worden. Jch wuͤl nicht ſagen / wi ſi ſich a[n]- fangs aus mishofnung in einen Jungfer-zwuͤ[n]- ger begaͤben wollen: und wi ſi ihr nahch-mah[l]s fohr das eingezogene gelohbte laͤben diſes ihr g[e]- genwaͤrtiges / aus bewuſten uhrſachchen und eig[e]r wuͤlkuͤhr ein zu traͤten beliben lahſſen. Damith aber meinen Hern daͤs zu mehr vergnuͤge / ſo w[i]l ich ihm nuhr zufohr di gegend und gelaͤgenheit d[eſ]- ſelben ortes / wo ſi ſich meiſten-teils mit ihrer heh[r]- de auf zu halten pflaͤget / in etwas entwaͤrfen.

Unfaͤrn von der Amſtel lihgt ein ůber-aus luſ[te]- ger ort / dehr von waͤgen viler linden und erlen[de]- nen uͤmhaͤhr-wohnenden ſchaͤhffern und ſchaͤhf[er]- rinnen / in den heiſſen ſommer-tagen zu einer ang[e]- naͤhmen kuͤhlung dinet. Di ſchattichten baͤume /[d]i kihblichen wiſen / di waſſer-reiche grckben / welche[ſ]o wohl diſen luſt-plaz ringſt uͤmhaͤhr bewaͤſſern / a[l]s auch mitten durch-hin gaͤhen / gaͤben ihm ein ůb[er]-aus113anderes Buhch.aus ſchoͤnes aus-ſaͤhen. Jn der mitten lihgt ein baͤrgichter plahn / welcher waͤgen ſeiner hoͤhe den ſchahffen eine ſehr bekwaͤme weide haͤrfuhr-bringet. Das grahs iſt nicht ſo uͤber-aus fet und ſaftig / wi an den andern uͤmligenden ſůmpfichten oͤrtern / dehr-geſtalt / daß man alhihr / wiwohl man ſelbiges ſonſt in der ganzen gegend nicht tuhn kan / zimlich vihl ſchahffe zu halten pflaͤget.

Am hange diſes baͤrgleins hat di uͤber-irdiſche Roſemund ihre behauſung in einem kleinen ſchaͤhf - fer-huͤtlein genommen / welches an einem waſſer - graben erbauet / und mit etlichen linden beſchloſſen iſt / dahr-auf ihr di vogel manches morgen - und abaͤnd-ſtaͤndiein verehren / und / gleichſam als wan ſi mein Her dahr-zu hin-geſchikt haͤtte / mit ihren nacht - und tage-weiſen manche ſtunde / di ihr ſonſt vihl zu lang fallen würde / verkuͤrzern.

An einem ſolchen orte und in ſolcher einſamkeit laͤbet nuhn ſeine mehr als maͤnſchliche Roſemund / und hat aldahr in ſolcher ſtille und in ſolchem fride ihre verwuͤrrete gedanken wideruͤm entworren / ih - ren verunruhigten ſůn wider befridiget / und mit den winden anſtand gemacht: dan der aͤuſſerſte kummer iſt alſo geahrtet / daß er alwaͤge zur einſam - keit ſeine ehrſte zuflucht naͤhmen wůl / weil di Sehle bei geſelſchaften das gift ihrer krankheit ſo frei und ungehintert nicht ausſtohſſen darf / auch nicht eher / ſi ſei dan daͤſſen entladen / der gegen-mittel und des trohſtes faͤhig iſt.

Wihr waren gleich zwe tage fohr diſer ihrer ab - waͤchſelung in Holland ankommen / da wihr dan ſtraks von ihren leuten erfuhren / daß es im waͤrke waͤre. Si lihs ſich von keinem maͤnſchen ſaͤhen / lihs auch nihmand fremdes fuͤhr ſich / und kahm nicht ein-mahl aus ihrem Zimmer / dehr-geſtalt / daß mein Her / wi ſehr verlangen er auch dahr-nahch hatte / di ehre nicht haben konte / ſi nuhr einmahl zu ſaͤhen. Er114Der Adriatiſchen RoſemundEr ging oft-mahls fohr ihrem Zim̃er hin und w[i]- der / und vermeinte diſes wunder-bild / wan di tuͤhr auf-gaͤhen wůrde / ins geſichte zu bekommen: alei[n]ſi hatte ſich den tahg uͤber allezeit in ihr inneres be[i]- zimmer ſo faͤſte verſchloſſen / daß es nuhr uͤmſon[ſt]wahr / ſich daͤshalben faͤrner zu bemůhen.

Als ſi nuhn ihre reiſe des morgens ſehr fruͤh / da - mit es nihmand gewahr wuͤrde / nahch diſem plaz[ze]zugenommen hatte / ſo taͤht Jungfer Adelmund ih - rem Hern bruder den fohrſchlahg / daß er ſich[in]ſchaͤhffers-kleider verſtaͤllen / und ſi auf den abaͤnd - als ein abgefaͤrtigter ſchaͤhffer von meinem Herr[n]dem Markhold / in ihrer naͤuen wohnung beſuche[n]ſolte; welches dan auch alſo-bald geſchahe. Dan wihr verkleideten uns alle beide / bekraͤnzten da[ſ]hahr mit eingemachten und wider-angeſtrichchene[n]roſen (dan friſche konten wihr nicht bekommen nahmen / ein ihder / einen ſchaͤhffer-ſtahb in di han[d]und kahmen alſo kurz fohr der Abaͤnd-doͤmmerun[g]fuͤhr di wohnung der Roſemund.

Diſe ſchoͤne Schaͤhfferin hatte ſich gleich in[di]kuͤhre / gegen den untergang der Soñen / nider-ge - lahſſen / und ſahe di roͤhſlichten ſtrahlen / welche ſie gleich damahls ſo laͤhbhaft und ſo zihrlich an de[n]wolken ausgebreitet hatten / und durch ihren zuruͤk - prallenden ſchein / das waſſer gleichſam verguͤlde - ten / mit verwunderung an. Si hatte den linken arm auf eine krampe gelaͤhgt / und lihs das haub[t]dahr-auf ruhen. Jah ſi ſahe den himmel ſo unve[r]wandt und ſo ſteif an / und ſahs in ſolchen tuͤhffe[n]gedanken / daß ſi unſerer anfangs nicht gewah[r]ward / dehr-geſtalt / daß wihr zeit genug hatten / un[d]auf ein abaͤnd-ſpihl gefaſſt zu machchen.

Als ſich nuhn mein Her von faͤrn unter eine[n]baum geſaͤzt hatte / und ein ſchaͤhffer-lihd auf ſein[er]pfeiffen zu ſpihlen begunte / ſo fuhr ſi aus ihr[e]ſuͤhſſen verzůkkung gleichſam fuͤhr ſchroͤkken in[di]hoͤhe115anderes Buhch.

[figure]

116Der Adriatiſchen Roſemundhoͤhe / und wolte ſich in ihre ſchaͤhffer-wohnung ver - baͤrgen. Aber / nahchdaͤhm ſi ſahe / daß wihr ſo gahr nahe bei ihr waren /) dan wihr hatten uns von faͤrn unter einen baum nider-gelahſſen) und auch / allem anſaͤhen nahch / nicht wuͤllens waͤren / uns zu naͤ - hern / ſo ſaͤzte ſi ſich widerum auf die tuͤhr-ſchwaͤlle / und hoͤrete meinem Hern mit ſonderlicher aufmaͤr - kung zu. Jnzwuͤſchen ůber-laſ ich mein ſchaͤhffer - lihdlein / welches mein Her in ihres Lihbſten na - men aͤben dehnſelbigen mit-tahg gemacht hatte / und widerhohlt es etliche mahl in geheim bei mihr ſelbſt / damit ich ſolches / wan es erfortert wuͤrde / faͤrtig haͤhr-ſuͤngen koͤnte.

Als er ſi nuhn eine guhte weile mit ſeiner pfeiffen alein ergaͤzzet hatte / ſo wolt er ihr auch gaͤrn einen geſang hoͤhren lahſſen / und frahgte mich / ob ich nuhn das ſchaͤhffer-lihd / welches er mihr gegaͤben haͤtte / wohl ſuͤngen koͤnte. Jch gahb ihm zur ant - wort / daß ich mich alle-zeit / wan es ihm beliben wůrde / dahrzu gefaſſt hihite / und er duͤrfte nichts mehr tuhn / als mihr nuhr winken / ſo wolt ich mit meiner ſeim̃e ſtraks in ſeine weiſe einfallen. Hihr - auf macht er wideruͤm ein kleines fohrſpihl / und nahch-daͤhm er mihr mit den augen einen wink ge - gaͤben hatte / ſo fing ich an ſolcher geſtalt zu ſuͤn - gen:

Schähffer-lihd.
i.
SCHoͤner flus / bei deſſen ſtrande
ſeine libe Lihbſte wohnt /
di ihn jaͤhgt in ſchwaͤre bande /
und mit harten worten lohnt;
ſtaͤh und haͤmme deine fluht
ihm zu guht.
ii. Hoͤh -117anderes Buhch.
ii.
Hoͤhre / wi er ſich beklaget
fohr der Aller-lihbſten tuͤhr;
ſchaue / wi er zitternd zaget /
und darf ſelbſten nicht zu ihr:
ſeiner wangen farb entweicht
und verbleicht.
iii.
Er wuͤrd izt in ohnmacht fallen /
noch fluͤht ſeine Schaͤhfferin /
di er lihbt fohr andern allen /
und di ihn von anbeguͤn
ſelbſt ſo haͤrzlich hat gelihbt /
nuhn betruͤhbt.
iv.
Jhrer ſchoͤnen angen ſtaͤrne /
das beflamte blizzel-zwei /
blikt izund nicht mehr ſo gaͤrne /
ſein erzuͤrnt / und waͤrden ſchaͤu:
ihre fohr-belihbte zihr
weicht von hihr.
v.
Si erkaͤnt und ſiht ihn klagen /
aber hoͤren wuͤl ſi nicht /
noch mit ihm ein leiden tragen;
Markhold / Markhold / wi ſi ſpruͤcht /
iſt mein ſeind / druͤm heiſſ ich ihn
von mihr zuͤhn.
vi. Nicht118Der Adriatiſchen Roſemund
vi.
Nicht ſo ſcharf / o Schaͤhfferinne /
Markhold hat kein feindlichs haͤrz:
halt / o harte / halt nuhr inne;
doch / es iſt vihl-leicht dein ſchaͤrz /
und auf ſturm folgt ins gemein
ſonnen-ſchein.

Als ich diſe laͤtſten zwei geſaͤzze ſang / ſo hatte ſi ſich mit daͤm haͤubte faſt gahr auf den ſchohs ge - neuget / und ſahe ſich mit ſolchem aͤrnſte nahch uns uͤm / damit ſi erkaͤnnen moͤchte / wehr wihr waͤren aber es wahr ſchohn alzu dunkel / und ſi wolte ſich auch nicht erkuͤhnen aus ihrem ſchaͤhffer-huͤtlein haͤr aus zu traͤten / dehr-geſtalt / daß ſi diſen abaͤnd nichts von uns zu wuͤſſen bekahm.

Des andern tages ſehr frůh ſchikte ſi zur Adel - mund / und lihs ſi / naͤbenſt anerbuͤtung ihrer ſchul - digkeit / fragen / ob ſi keine zeitung von dem Mark - hold bekommen haͤtte: dan ſi hatt ihr eingebildet daß er fohrigen abaͤnd mit dahr-bei gewaͤſen waͤre als ihr diſes lihdlein an zu hoͤren geſungen ward Nahch-daͤhm ihr nuhn di Adelmund widerum hat te zu-entbuͤten lahſſen / daß ſi ihn zwahr noch nich geſaͤhen / aber gleich-wohl von einem ſeiner bekan ten vernommen haͤtte / daß er zu Amſtelgau gewaͤ ſen waͤre; ſo verkleidete ſi ſich auch ſelbſten / zohg ei[n]ganz ſchlohs-weiſſes atlaſſen kleid an / mit iſabe[l]faͤrbigen ſpizzen verbraͤhmet / und gahb uns beide[r]eine gefaͤhrtin.

Alſo machten wihr uns widerum ſelb dreie[r]nahch der Roſemund behauſung zu / welche ſich di[ſ]nacht (wi ſi mihr haͤhr-nahch abſonderlich ſahgte da ich ſein ſchreiben von ihr bekahm) nicht ſchlahf - fen gelaͤhgt hatte / ſondern allezeit in den gedanke[n]geſtanden wahr / daß er ihr in geſtalt eines Him -mels119anderes Buhch.[m]els-bohten erſchinen waͤre / und ſi ihres argwah -[e]ſ[]s halben haͤtte beſtrahffen wollen; dehr-geſtalt / d[a]ß ſi nuhn-mehr ihren eifer-ſuͤchtigen muht gaͤnz -[li]ch gebrochchen / und den beleidigten uͤm verzeu - h[u]ng anfloͤhen wolte.

Mein Her fuͤhrte ſeine Jungfer Schwaͤſter ehr -[ſt]es mahls unter diſelbige linde / da wihr fohrigen[ab]aͤnd unſere kurz-weile gehabt hatten / und erzaͤhlt [ih]r / wi ſich di Roſemund ſo ſchuͤchtern nahch ihnen[ü]mgeſaͤhen haͤtte.

Weil ihnen nuhn diſer baum ſehr luſtig zu ſein[ſ]chine / ſo lihſſen ſi ſich auf eine zeit dahr-unter zur[r]uhe nider / und fuͤhreten allerhand geſpraͤche mit[eina]nander. Adelmund erzaͤhlt ihm / wi ihn ſeine[h]imliſche Roſemund ſtraks im anfange / da ſi ihn[n]uhr einmahl loben hoͤren / und noch nih-mahls ge -[ſ]aͤhen / ſchohn ſo haͤftig lihb-gewonnen haͤtte / daß[ſ]i[]ihre libe auch nicht einmahl / wi ſehr ſi ſich auch[d]ahruͤm bemühet / verbaͤrgen koͤnnen; und wi ſi ſich[i]n ihrer ehrſten zu-ſam̃en-kunft ůber alle mahſſen[e]ntzükt befunden; dehr-geſtalt / daß es ihr nicht befremdet fůhrkaͤhme / daß ſi ſich bei ſeinem abwaͤ - ſen ſo haͤftig gegraͤmet / und aus alzu eiferiger Libe in eine ſolche ſchwaͤhrmuͤtigkeit gerahten waͤre / di ihr nicht haͤtte geſtatten wollen / ſich mit ihr oder ihrer Jungfer Schwaͤſter zu erluſtigen.

Jndaͤhm ſi ſolches ſahgte / da erblikte ſi ohn-ge - faͤhr etliche Tichtlinge / di in des baumes ruͤnde ge - ſchnidten waren. Sihe hihr / mein bruder (ſahgte ſi) was ſol diſes bedeuten? dis iſt noch ein friſcher ſchnidt; was guͤlt es / di Roſemund wuͤrd auf dein geſtriges lihd geantwortet haben! Als ſi ſich nuhn beide / ſelbiges zu laͤſen / erhoben hatten / ſo befan - den ſi / daß ihre muht-mahſſung nicht falſch gewaͤ - ſen wahr.

Mein Her nahm alſo-bald ſeine ſchreibe-tafel / und ſchrihb das ganze lihdlein ab / welches erſeinerahr -120Der Adriatiſchen Roſemundahrtigkeit halben / noch alle-zeit als ein heiligtuh[m]verwahret / und wuͤrd es meinem Hern / ſo er es b[e]gaͤhret / wohl ſaͤhen lahſſen.

Von diſem baume gingen wihr widerům zu e[i]nem andern / da wihr auch ein uͤberaus-ſchoͤn[en]anſpihl auf des Markholds namen fanden / we[n]aus ihrer Libe haͤftigkeit ſo ſonnen-klahr blikte. J[a]ſi hatte ſeinen namen mit dem ihrigen faſt in al[ſ]baͤume geſchnidten / damit ja das gedaͤchtnůs ihr[e]libe mit ihnen zugleich wachsſen und bekleid[en]moͤchte.

Als wihr nuhn eine guhte weile unter diſ[en]baͤumen haͤrům gewandelt waren / ſo begaben wi[hr]uns auch auf den baͤrg hinauf / da ſi gleich unt[er]einem aͤpfel-baume ſahs / und mit ihren ſchaͤhflei[n]di ſich fleiſſig beweideten / uͤmgaͤben wahr. Ad[el]mund ſchikte mich alſo-bald zu ihr / und[li]hs ſi eine fraͤundliche zuſammen-ſprache begruͤhſſen / w[el]che ſi ihr auch alſo-bald zuſtund / ſo faͤrn ſi alein z[u]ihr kommen wuͤrde.

Weil ſich nuhn di Adelmund mit einem falſch[en]geſichte vermummet hatte / ſo konte man ſi gan[tz]nicht erkaͤnnen / zufohr-aus in diſer ſchaͤhfferſ - tracht / in welcher ſi Roſemund noch nihmahls g[e]- ſaͤhen: Drům dorfte man ſich nicht verwunder[n]/ daß ſi faſt eine halbe ſtunde mit einander raͤdeten / ehe diſe ſchoͤne Schaͤhfferin ihrer Fraͤundin / der Adel-mund / unter diſem mum-geſichte gewahr ward: welche uͤber alle ihre kuͤnſtleriſche verſtaͤllu[n]- gen auch di ſprache ſelbſt ſo meiſterlich veraͤnder[n]konte / daß ſi Roſemund nicht gekaͤnnet haͤtte /[wo]ſi nicht ihr ſonnen-ſchirm / welchen ſi in der ha[nd]hatte / verrahten.

Wehr wahr froher als Roſemund; wehr wa[hr]luſtiger als diſe aͤdle Schaͤhfferin / indaͤhm ſie ih[r]e getraͤue Fraͤundin in einer ſolchen tracht uͤmfah[en]ſolte? Si verſichcherte ſich ſchohn heimlich bei i[h]rſelbſt121anderes Buhch.ſelbſt / daß ihr Markhold gewuͤslich muͤſte fohrhan - den ſein / und ſahe meinen Hern von faͤrnen an / in wůllens / ihn an zu raͤden: weil ſi aber noch nicht trauen durfte / ſo frahgte ſi zu-ehrſt di Adelmund / ob jenes nicht Markhold waͤre? Nein / (gahb Adel - mund zur antwort) es iſt mein bruder / welcher ehrſt fohr drei oder vihr tagen aus Deutſch-land kommen iſt.

Auf diſe worte fihl ihr der muht dehr-maſſen / daß ſi kaum mehr raͤden konte / gleichwohl ſahgte ſi zu ihr: ei! wahruͤm laͤhſſt-ſi dan ihren Hern bruder ſo von faͤrnen hinten-aus ſtaͤhen! wihr wollen ihm / ſo es ihr belibet / entgegen gaͤhen / damit ich mich meiner unhoͤhfligkeit waͤgen gegen ihn entſchuldi - gen moͤge.

Als ſi diſes geſahgt hatte / ſo nahm ſi di Adel - mund bei der hand / kahm uns entgegen / und ſahgte zu meinem Hern; Mein Her wird der unhoͤhfligkeit einer baͤueriſchen Schaͤhfferin etwas zu gute hal - ten / di ihm nicht anders zu begegnen weus / als wt ſi es in einem ſolchen laͤben / da man auf hoͤhfliche gepraͤng und ehr-erbuͤhtigkeit wenig ſihet / ſchohn gewohnet iſt. Hihrmit boht ſi ihm di hand ſelb - ſten / ehe ſi noch raͤcht bei uns wahr / und ehe er ſich daͤſſen verſahe.

Nihmahls hab ich ſo eine ſchoͤne ſchaͤhfferin ge - ſaͤhen / als ſi; ich habe nihmahls kein anmuhtigers / kein lihblichers Frauen-zimmer erblikket / als diſes wunder-maͤnſch. wi faͤrtig waren nuhr ihre glider / wi zahrt und behaͤnde di finger / wi hurtig di fuͤhſſe / wi belaͤhbt und fraͤundlich di gebaͤhrden. Das hahr wahr oben mit einem guͤldnen ketlein eingefaſſet / und di lokken flatterten uneingeflochten ům den hals haͤruͤm. Der wind ſpilete mit ihren foͤrder-lokken / und hatte gleichſam ſeine luſt dahran / wan er ſi in ihr angeſicht / uͤber di augen / daß er ſi zu ſaͤhen / und uͤber den mund / daß er ſi zu raͤden verhinterte / haͤr -Fuͤm122Der Adriatiſchen Roſemunduͤm wehete. Jene waren ſo wunder-lihblich / und diſer ſo roht / wi eine roſe / di ſich ehrſtlich des mor - gens auf-getahn / und noch mit tau befeuchtet iſt.

Wan ich noch dahr-an gedaͤnke / wi ſi ihren ſchaͤhffer-ſtahb / dehn ſi oben am haken mit einem kranze von roht - und weiſſen roſen / welches ihre leib-farbe wahr / gezihret hatte / ſo ahrtig ſchwaͤng - ken konte / ſo bin ich faſt noch halb verzukket. Di ſuͤnnen entgaͤhen mihr / wan ich gedaͤnke / wi ſi ſolch eine lihbliche / ſolch eine reine / und ſolch eine klahre aus-ſprache hatte. Mein Her muſte ſelbſten be - kaͤnnen / daß er ihres gleichen nihmahls geſaͤhen haͤt - te. Jah / als ſi von uns ein wenig abgetraͤten wahr / da ſahgt er in geheim zu ſeiner Schwaͤſter; wan Helene alle diſe zihrligkeiten / di er hihr ſaͤhen koͤn - te / gehabt haͤtte / ſo verwundert er ſich gahr nicht / daß ſi Paris entfuͤhret / daß ſo ein maͤchtig Folk das laͤben eingebuhſſet / und ſolch’-ein ůberaus-ſchoͤn und gewaltige Stat / als Troja gewaͤſen / um ihrer Schoͤhnheit wuͤllen / eingeaͤſchert / und verſtoͤhret worden waͤre: ſondern er muͤſſte ſich nuhr verwun - dern / wi es noch muͤhglich ſein koͤnte / daß irdiſche augen uͤber diſe uͤber-irdiſchen (dahr-in Lihb-reiz ſeinen Reichs-ſtuhl haͤtte / und unter ihren blikken mit ſolchen ſcharfen pfeilen haͤrum ſpruͤhete) noch vertragen koͤnten / und wi diſes himliſche geſchoͤpf aus einem ſtaͤrblichen leibe haͤtte koͤnnen gebohrer waͤrden!

Jch kan meinem Hern nicht ſagen / was diſes ſchoͤne Wunder fuͤhr traͤfliche nahch-daͤnkliche raͤder fuͤhrete / und wi ſi ſich zum oͤftern / ihrer unhoͤhflig - keit waͤgen / ſelbſt heimlich durch-zohg / und ſolches mit ſo ahrtigen worten bemaͤnteln konte / daß ſich ihderman hoͤhchlich verwundern muſte / und Hůlf reich aͤndlich gezwungen ward / ſolche traͤflich hoͤhfligkeit bei ihrer gegenwart ſelbſt zu erhoͤben Welcher ſchaͤhffer / (ſahgt er) o wunder-ſchoͤneund123anderes Buhch.und welcher maͤnſch hat ihmahls ſolch eine uͤber - aus-hoͤhfliche ſchaͤhfferin geſaͤhen! wi glůkſaͤlig iſt diſe hehrde / di ſolch eine ſchoͤne und ſolch eine ver - ſtaͤndige Huͤhterin hat; diſer ort / wi mich duͤnket / iſt gahr ſtolz / in-daͤhm er Si zur beſchuͤzzerin be - kommen / und pochchet auf ſeine kluge beherſcherin. Di baͤume ſtaͤhen gleichſam mit ihren ſtolzen aͤſten entbohr / und wan Si ſich ihnen nuhr ein wenig naͤhert / ſo (deuchtet mich) neugen ſich di zakken aus demuht fuͤhr ihrem herlichen anſaͤhen.

Ach mein Her (fihl ſi ihm in di raͤde) wan ich ihn diſer ſeiner worte halben beſtrahffen wolte / ſo wuͤrd ich mich an ihm mehr verbraͤchchen / als ſeinen faͤh - ler (ſo man eine tugend alſo benaͤnnen mahg) ver - baͤſſern; dan ich weus wohl / daß ihm ſeine ange - bohrne hoͤhfligkeit nichts anders zu raͤden geſtattet / als nuhr ein ſolches lob denen-jenigen zu gaͤben / di doch daͤs wenigſten nicht wuͤrdig ſein. Drům wuͤl ich meine unwuͤrdigkeit nuhr mit ſtil-ſchweigen be - kaͤnnen / und ſeine hoͤhfliche tugend mit verwunde - rung erhoͤben.

Als ſi nuhn noch eine lange zeit gehoͤhflet hat - ten / und diſe prunk-raͤden kein aͤnde naͤhmen wol - ten / in-daͤhm ein ihder das feld zu behalten gedach - te / ſo brachte ſi Adelmund noch aͤndlich von einan - der / und ſahgte mit laͤchlen zur Roſemund; Jch vermeinte / daß ich eine Schaͤhfferin beſuchen wolte / aber ich befuͤnde / daß unter einer ſchaͤhfferin tracht di aller-ſuͤnlichſte und gnaueſte hoͤhfligkeit / di man auch am erz-koͤniglichen hofe / unter daͤm Kaͤſerli - then Frauen-zimmer / zu Wihn kaum antraͤffen wuͤrd / verborgen lihgt. Meinem Bruder hab ich ſolches wohl zu-getrauet / weil er gleich izt vom hofe koͤmt / und ſolcher hohf-ſitten und wort-gepraͤnge gewohnet iſt; aber einer ſchaͤhfferin / haͤtt ich nicht gedacht / daß es anſtaͤhen ſolte / oder daß ſi in dehr - gleichen nuhr etwas erfahren waͤre. Dan hat ſiF 2nicht124Der Adriatiſchen Roſemundnicht geſaͤhen / wi ich fohr ſchahm erroͤhtet / und uͤber mich ſelbſt ſo unwuͤllig gewaͤſen bin / daß ich mich / als di ich eine ſchaͤhffers-tracht angenommen habe / auf ſolche hohf-raͤden gahr nicht gefaſſt ge - macht / und daͤs-halben nohtwaͤndig nichtſen muͤſ - ſen? Jah waͤre mein bruder nicht baͤſſer mit raͤden verſaͤhen gewaͤſen als ich / ſo wuͤrden wihr ſo zimlich beſtanden ſein.

Aeben damit ſi ihre armuht bekaͤnnet (fihl ihr di Roſemund in di raͤde) gihbt ſi ihren reichtuhm - berfluͤhſſig an den tahg; und wi koͤnnen doch di leu - teſo gahr hoͤhniſch ſein? Aber was wollen wihr di zeit (fuhr ſi fort) mit vergaͤhblichen raͤden in der hizze verſchluͤhſſen! wihr tuhn baͤſſer / daß wihr di ſchahffe weiden lahſſen / und / ſo es ihnen belihbet / zu meiner behauſung ein-kaͤhren; da wihr im kuhlen baͤſſere luſt und ergaͤzligkeit ſchoͤpfen koͤnnen.

Alſo gahb ſich diſes luſtige und in ſchaͤhffer - tracht verkleidete folk in ihre wohnung / welche ſi in - waͤndig mit ſtaͤrbe-blauen prunk-tuͤchern über-al ausgeziret hatte; der boden wahr mit ſtaͤrbe-blauen ſteinen gepflaſtert; di daͤkke mit aͤben ſelbiger farbe gemahlet / und di tiſche blaulicht angeſtrichchen mit ſtaͤrbe-blauen tuͤchern behaͤnget / alſo / daß nichts als lauter blaues zu ſaͤhen wahr. Oben uͤber der haus - tühre hing ein gemaͤlde / dahr-innen auf einem fah - len boden / mit roſen beſtraͤuet / ein Ritter / in einem ſtaͤrbe-blauen harniſch / mit einem blau-angelauffe - nen daͤgen an der ſeiten / und einem gemahlten ſpehre mit aͤben ſelbiger farbe in der fauſt / nahch dem ringel zu-raͤnnte / mit diſen über-geſchribenen worten: Es guͤlt ihre Schoͤhnheit.

Hinter diſem blauen Ritter ſtund eine Jungfrau zwuͤſchen den prunktůchern / von welcher man nichts mehr als das angeſicht / und etwas von der bruſt / erblikken konte; auf daͤm einen prunk-tuche / gleich an der ekken / da ſi haͤr-fuͤhr ſahe / ſtunden diſeworte:125anderes Buhch.worte: Jch ſaͤh und hoͤre mein Blaues wunder.

Als Markhold diſes erzaͤhlen hoͤrete / ſo ward er ſehr verwundert / und fraͤuete ſich hoͤhchlich / daß Roſemund durch diſen zihr-raht ihrer Schaͤhffer - wohnung noch ſo vihl andeuten wolte / daß ſi ſeinen traͤue nicht vergaͤſſen haͤtte; jah er hatte ſolche luſt an diſer erzaͤhlung / daß er ſi noch ein-mahl hoͤren wolte. Nahch-daͤhm ihn nuhn der Diner hihr - innen auch vergnůget hatte / ſo fuhr er in ſeiner er - zaͤhlung dehr-geſtalt fort:

Als wihr nuhn etwan eine ſtunde bei diſes Schoͤnen zu-gebracht hatten / ſo nahmen wihr wi - deruͤm unſern abſchihd / und Adelmund ermahnte ſi noch zu laͤtſt / daß ſi zwahr bei diſer ſtaͤrbe-blauen farbe ſolte beſtaͤndig bleiben / aber ihre beſtaͤndig - keit / di ſi dem Ritter ůber ihrer tuͤhren zu leiſten ſchuldig waͤre / ſamt ihrer guhten hofnung nicht ſtaͤrben lahſſen.

Des andern tages dahrnahch beſucheten wihr ſi wideruͤm; da uns dan diſe Schoͤne ih laͤnger ih hoͤhflicher fuͤhrkahm. Si begleitet uns eine guhte ekke von ihrer wohnung / und als ſi uns geſaͤgnet hatte / wideruͤm nahch hauſe zu kaͤhren / ſo muſt ich / auf meines Hern befaͤhl / mit ihr gaͤhen; daͤſſen ſi ſich auch nicht vihl waͤgerte. Dan / weil ſi von mei - nem Hern verſtanden hatte / daß er in kurzen nahch Frankreich zu reiſen gedaͤchte / ſo haͤtte ſi gaͤrn / wi ich wohl ſtraks maͤrken konte / in geheim mit mihr geraͤdet; dehr-geſtalt / daß ihr diſes eine raͤcht-ge - wuͤndſchte gelaͤgenheit wahr / deren ſi ſich auch wohl zu gebrauchen wuſte.

Wihr hatten alſo meinem Hern und der Adel - mund kaum den ruͤkken gekaͤhret / als ſi mihr ſchohn ſolche lihblende und haͤrz-entzuͤkkende worte gahb / daß ich leichtlich ſchluͤhſſen konte / ſi wuͤrde mihr et -F 3was126Der Adriatiſchen Roſemundwas ſonderliches anf-tragen wollen. welches auch alſo-bald geſchahe; dan wihr waren noch nicht gahr bei ihrer behauſung angelanget / als ſi mich ſchohn ſo hohch wuͤrdigte / ihr bohte an meinen Hern zu ſein. Si gahb mihr diſes aͤdle pfand / welches ich[i]zund ausgeluͤfert habe / und baht mich ſo eiferig und ſo fleiſſig / daß ich ſolches dem Jhrigen jah ſelbſt einhaͤndigen moͤchte / und keinem maͤnſchen etwas dahrvon ſagen. Jah ſi beſchwuhr mich ſo hart / daß ich in wahrheit ein grohſſes bedaͤnken truge / ſelbt - ges an zu naͤhmen; und ich zweifelte ſchihr / daß es in meinem vermoͤgen ſtůnde / ſolche zu-ſage zu hal - ten. Nichts daͤs-zu weniger aber / weil ich ſolch - einem goͤtlichen maͤnſchen-bilde ganz nichts verſa - gen konte / ſo nahm ich ſelbiges an / und verpfluͤchte - te mich / ihren wüllen / ſo vihl als nuhr im̃er maͤnſch - und muͤhglich waͤre / baͤſſter mahſſen zu vergnuͤgen.

Dis iſt / mein Her / was ich von der goͤtlichen Ro - ſemund ſelbſt erfahren habe / was ich geſaͤhen und erzaͤhlen hoͤren. Mehr weus ich ihm nicht zu ſagen / als unter-dihnſtlich zu bitten / daß er mit diſer un - fuͤhglichen erzaͤhlung wolle zu friden ſein / und vihl - mehr den guhten wůllen ſeines diners fohr di taht ſelbſten erkaͤnnen. dafohr ich ihm dan wideruͤm / wan ſich etwas begaͤben wuͤrd / ſtuͤndlich / jah au - genbliklich auf zu dinen geſonnen bin.

Alſo gahb Markhold / welcher aus diſer erzaͤh - lung hoͤhchſter mahſſen vergnuͤget wahr / dem diner ſeinen abſchihd / und brachte das übrige diſes tages mit lauter fraͤudigen gedanken zu. Er wolte ſich ſaͤzzen / das brihflein ſeiner Roſemund zu beant - worten / aber di fraͤude ſeines haͤrzens wahr ſo über - maͤhſſig / daß er von den frohen gedanken nicht ſo vihl ab-braͤchchen konte. Jah ſi ward noch vihl groͤſſer / als ihm der Diner des Hůlfreichs / dehr ſonſt ein raͤchter libe-diner wahr / ein lihdlein / welches Roſemund gemacht / und er ſtraks / ſo bald er wahrnahch127anderes Buhch.nahch hauſe kommen / aus ſeines Hern ſchreibe - tahffel abgeſchriben hatte / noch ſelbigen abaͤnd einhaͤndigte. Diſes lihdlein wahr ohn-gefaͤhr fol - gender geſtalt verfaſſet:

Der Roſemund Klage-lihd.

Etlicher mahſſen nahch der paimen-ahrt.

WO ſuch ich den Lihbſten / wo ſol ich ihn
fůnden?
ihr bleichen Maſinnen / weus keine mein
Lůcht?
bei welchem Gewaͤſſer und lihblichen
Grůnden
enthaͤlt ſich mein Trauter / wi? ſaget
ihrs nicht?
Jhr belihbten Amſtelinnen /
und ihr hoͤhflichen Lechchinnen /
kuͤndet meinem Schoͤhnſten an /
daß ich nicht mehr laͤben kan.
Verweilet ſich laͤnger mein einiges Laͤben /
ſo mus ich fůhr ſchmaͤrzen und aͤngſten
vergaͤhn;
ich wolt es nicht achten bei fremden zu
ſchwaͤben /
ſo faͤrn ich nuhr hoͤhrte ſein Libes-getoͤhn.
meine ſchwaͤſtern wuͤl ich muͤſſen /
di bei Pades ſiben fluͤſſen
uͤm di ſchwarzen tannen ſein /
und begaͤhr ihn nuhr alein.
F 4Di128Der Adriatiſchen Roſemund
Di blanken Etſchinnen verlahſſ ich auch
gaͤrne /
wan meine begihrde ſich naͤhrende ſtillt;
di liben Jhninnen beſeufz ich von faͤrne /
ihdaͤnnoch vergaͤſſ ich ihr lihbliches bild /
wan ich nuhr den Markhold habe /
und mein krankes haͤrze labe /
welches ſein belohbtes bild
mit dehm ſchoͤhnſten glanz erfůllt.

Nach verlaͤſung diſes lihdes begahb ſich Mark - hold gleich-wohl noch ſelbigen abaͤnd in ſein inneres Schreibe-zimmer / ſeiner ſchoͤnen Roſemund auf ſo vihl bezeugungen ihrer haͤrzlichen Libe zu antwor - ten. Man ſahe wohl an allen ſeinen gebaͤhrden / daß er ſo kraͤftig in und bei ihm ſelbſt nicht laͤhbte / als in daͤm haͤrzen ſeiner trauten Roſemund.

Weil er nuhn gahr aus ihm ſelbſten wahr / ſo kont er keine ſo zihrliche / ſo durchdruͤngende / ſo be - deutende worte fuͤnden / di ihm raͤcht gefallen haͤt - ten / und di ſeine luſt / ſeine gluͤkſaͤligkeit / ſeine Lib und traͤue nahch gnůgen aus-truͤkken mochten. Laͤtslich aber / als er gnugſam aus - und wider hin - zu-getahn hatte / ſo muſt er doch zu friden ſein / und ihm einen / nahch ſo vihlen zer-riſſenen brifen / ge - fallen lahſſen.

Nahch-daͤhm er nuhn mit der verfaſſung diſes ſchreibens und ſeinen verirreten libes-gedanken bis in di ſuͤnkende nacht bemuͤhet gewaͤſen wahr / ſo ent - kleidet er ſich / und ging nahch verruͤchtetem abaͤnd - gebaͤht zu bette. Di ganze nacht taͤht er kein auge zu / ſondern verſchlos ſi mit ſolchen ſuͤhſſen verzük - kungen / daß auch der ſchlahf / wi-wohl er ſonſt ein ſuͤhſſer und gewaltiger gaſt iſt / nicht ſo vihl macht hatte / ſeine augen zu uͤber-waͤltigen, dehr-geſtalt /daß129anderes Buhch.daß er fuͤhr grohſſem verlangen kaum ſo lange warten konte / bis der tahg angebrochchen wahr; da er ſchohn auf das lihd ſeiner Schoͤnen eine gleich-maͤhſſige antwort verfaͤrtigen wolte.

Der tauſend-kuͤnſtleriſche Lihb-reiz blihs ihm ſolche wort ein / und machte ſolche ſuͤhſſe verzukke - rungen / daß er nahch verfaſſung dehrſelben kaum ſelbſt glaͤuben konte / daß er ein ſolches haͤrz-braͤch - chendes lihdlein ſo geſchwuͤnd und in ſolcher ver - wuͤrrung ſeiner ſuͤnnen verfaſſet haͤtte. Er uͤberlaſ es hinten und forne / und fand im geringſten nichts / das aͤnderns noͤhtig waͤre; dehr-geſtalt / daß ihm diſes Lihdlein vihl gluͤklicher zu-gefloſſen wahr / als der geſtrige brihf.

Als er nuhn ſein ſchreiben zuſamt daͤm lide kaum fortgeſchikt hatte / ſo kahm einer von ſeinen Lands - leuten / ihn zu beſuchen / mit welchem er allerhand luſtige geſpraͤche von ſeiner Roſemund hatte / doch gleich-wohl lihs er ihm nichts maͤrken / daß er ſolche belihbte ſchreiben von ihr erhalten haͤtte.

Weil nuhn diſer ſein Landes-fraͤund ein guhter ſtim-ſaͤzzer wahr / ſo baht er ihn / er moͤchte doch ſeinem Reiſe-lide / welches er ſeiner Roſemund zu gefallen verfaſſet haͤtte / eine feine bewaͤhg - und klaͤhgliche weiſe gaͤben; welches dan auch geſchahe / und etliche mahl unter ihnen beiden verſuchet ward.

Huldreich (alſo hihs diſer ſein Landes-fraͤund) hatte verſprochchen auf den abaͤnd bei einer geſel - ſchaft / di einen Stim - und Lauten-ſtreit unter ſich halten wolte / zu erſcheinen: druͤm baht er den Markhold / daß er ihm doch moͤchte di ehr erzeu - gen / und ihre luſt durch ſeine gegenwart vermehren haͤlfen. Markhold entſchuldigte ſich anfangs; dan er gedachte / ſeinen gedanken / di nuhn auf nichts anders / als ſeine Roſemund / zihleten / daͤs zu baͤſ - ſer nahch zu haͤngen; indaͤhm er aber ſo inſtaͤndigF 5an -130Der Adriatiſchen Roſemundanhihlt / ſo lihs er ſich aͤndlich bewaͤgen / und gahb ihm einen gefaͤhrten.

Weil nuhn ſelbiges haus / dahrinnen der ſuͤng - und lauten-ſtreit ſolte gehalten waͤrden / nicht faͤrne von daͤm ſeinigen wahr / ſo gelangten ſi bald bei ſolcher geſelſchaft an / und warden mit fraͤuden ge - wuͤlkommet. Markhold erluſtigte ſich ſonderlich an einer Jungfern / welche des wuͤrts tochter wahr / und ſolch - eine lihbliche und haͤrz-bewaͤhgliche ober-ſtimme ſang / daß man dahr-uͤber gahr ver - zuͤkket ward. Si ſpihlt auch zimlicher mahſſen auf dem haͤrz-ſchlůſſel / welches ihn aͤben-maͤhſſig er - luſtigte.

Nahch-daͤhm nuhn diſe froͤhligkeit eine zeit-lang gewaͤhret hatte / ſo gahb Markhold der ſpihl - und ſuͤngenden geſelſchaft / ſonderlicher diſer Jungfer / zu verſtaͤhen / daß / weil es unbillich waͤre / daß er diſer luſt ganz aleine genuͤhſſen ſolte / und ſi vihl - mehr unluſt und muͤhe dahr-aus ſchoͤpften / ſo wolt er ſi gebaͤhten haben / daß ſi ſich auch / wo es ihnen belihblich waͤre / ein wenig mit einer luſti - gen unterraͤdung / oder anderer kurzweil / ergaͤzzen moͤchten.

Diſer fohrſchlahg ward alſo-bald fohr guht er - kaͤnnet / und man nahm / an ſtat daͤs ſuͤng - und feiten-ſpiles / das braͤt - und Jungfer - oder ſchacht - ſpihl zur hand / damit man einen andern kampf zu begaͤhen anfing. Huldreich wahr der ehrſte / dehr ſich mit der Heldinne (alſo hihs ſelbige fran - zoͤſiſche Jungfrau) zu felde begahb / und eine ſolche ſchlacht anboht / da er ſtraks im ehrſten anzug er - ligen muſſte.

Nahch-mahls wahrd ſolches auch dem Mark - hold angetragen / dehr ſich anfangs entſchuldigte / daß er ſolcher in diſem krige wohl-erfahrnen Hel - din nicht di gegen-wage halten koͤnte / weil er im Jungfer-ſpihl-kampfe noch alzu ungeuͤhbt waͤre /und131anderes Buhch.und damit wenig gewonnen / auch wenig verloh - ren haͤtte. dndlich aber / als man ihm nicht vom halſe lahſſen wolte / und di Jungfer ſich ſelbſt mit ihrem folke gegen ihn ins oſfenbare faͤld in ſchlacht - ordnung geſtaͤllet hatte / ſo muſt er ſchande halben den angebotenen ſtreit annaͤhmen / und ſelbiger Heldin drei ſchlachten luͤfern / von welchen dreien er mit gnauer noht di ander erhalten konte.

Wan unſere Roſemund ihrem Kaͤmpfer und diſer Heldin zu-geſaͤhen haͤtte / ſo wuͤrde ſi ſelbſten bekaͤnt haben / daß zwe harte ſtreiter gegen einan - der gewaͤſen waͤren / und ſich dahruͤber nicht alein verwundert / ſondern auch hoͤhchlich beluſtiget. Dan diſe tapfere Heldin wolte dem Markhold im geringſten nicht nahch-gaͤben / ſi benahm ihm alle ſeine fohrteile / und verhihb ihm den pas / wan er ſich etwan in eine ſichchere faͤſtung oder winkelich - tes kraͤbs-loch begaͤben wolte: und Markhold glei - ches-fals verſchnidt ihr / wo er immer konte / alle ihre ſchlaͤuf-waͤge / mit ſolcher bedachtſamkeit / und und mit ſolcher auf-acht / daß ſich auch ein einiger ſpihl-kampf / eh er ein aͤnde gewůnnen konte / zim - lich lange verzohg.

Gewan di Heldinne / ſo gahb ſi aus hoͤhfligkeit ſeiner gunſt di ſchuld / daß er ſi wuͤllig haͤtte gewůn - nen lahſſen; und di zu-ſchauer ſchriben es ihrer ſchoͤhnheit zu: dehr eine den augen / di durch ihre ſtrahlende macht obgeſiget haͤtten; der andere dem munde / dehr durch ſeine wunder-rohte farbe des Markholds augen verblaͤndet / oder ihn durch ſeine wohl-ſpraͤchligkeit verwuͤrret und zu ruͤkke ge - halten haͤtte. Wan aber der Markhold obſigete / welches doch nicht mehr als ein-mahl geſchahe / ſo ſahgte ſo wohl er als di andern alle zugleich / daß es nicht aus ihrem verſaͤhen / ſondern aus einer guͤht-wülligen uͤbergabe / indaͤhm ſi ihm gaͤrn ein - mahl ůber ſich ſelbſt di oberhand haͤtte goͤnnen wol - len / geſchaͤhen waͤre.

F 6Diſer132Der Adriatiſchen Roſemund
[figure]
133anderes Buhch.

Diſer ſchaͤrz waͤhret eine guhte zeit / und der abaͤnd ward raͤcht-ſchaffen luſtig hingebracht; wel - ches dan auch dem Markhold / indaͤhm er das alte Leid nuhn wideruͤm ganz und gahr aus der acht ge - ſchlagen hatte / ſehr lihb wahr / und ihn auch ſo weit brachte / daß er auf anhalten des Huld-reichs ſtraks in ſeiner gegen-wart auf ihre gehaltene drei ſchlachten oder Jungfer-ſpihle diſes nahchfolgen - de lihd verfaſſete.

Des Markholds Geſang an di tapfer-muͤhtige Heldinne.
HAlt / Heldin / halt doch ein! Jch laͤge
fohr dihr nider
den bogen und das ſchwaͤhrt das gluͤk iſt
mihr zu wider;
mihr faͤllt es ab / dihr zu. ich bin in dei -
ner hand /
und ſaͤhe / wi das glůk ſich hat zu dihr
gewandt.
Drei ſchlachten haben wihr zuſammen izt
gehalten:
di ehrſte gaͤhb ich dihr / und mus fohr dihr
erkalten /
di dritte noch dahrzu: di andre bleibet
mein;
doch lahſſ ich alles dihr / und wůl dein
eigen ſein.
F 7Er134Der Adriatiſchen Roſemund
Es faͤllt di frage fohr / ob weusheit oder
kraͤfte
verwalten deinen muht und tapfre krihgs -
geſchaͤfte;
ob ſchoͤhnheit ab-gewuͤnnt / und gunſt es
wuͤllig gihbt.
ob ſanftmuht oder grim bei dihr ſich
ſpihlend ůhbt?
Es mus wohl etwas ſein. dein abgeruͤcht -
te gaben /
dein kluger wůz und muht / di mich entzuͤk -
ket haben;
di haben dis getahn / di buͤnden meinen
wůz /
di fangen meinen muht / Du o der Tu -
gend Siz!

Als Markhold diſes lihd verfaͤrtiget hatte / ſo gahb er ſolches in einem von Papihr geſchnittenen haͤrz - oder zweifaͤls-knohdten geſchriben / dem Huldreich / dehr es nahch-mahls auch in franzoͤſi - ſche reimen uͤber-brachte / und beides der Heldinne von des Markholds waͤgen zu-ſtaͤllte. Di franzoͤ - ſiſchen tichtlinge waren ohn-gefaͤhr folgender ge - ſtalt entworfen:

Chanſon.
1.
Charlotte, c’eſt aſſez; je quitt icy les armes,
eſtant du tout vaincu par fortun & par charme:
je135drittes Buhch.
je ſuis en ton pouvoir, & tu me tiens ca - ptif;
ta delicate main rend tout l’eſprit pen - ſif.
2.
O que je ſuis hardy! n’ignorant ta vail - lance
(ainſi que dit ton nom) acquiſ en ta naiſſance;
ton cœur ſi genereux ſe baſtit contre moy,
& gaigna deux combats bien plus vail - lant que toy!
3.
Jl faut qu’un curieux ſe met en har - dieſſe
de faire queſtion, ſi par forc ou fi - neſſe,
par douceur, ou faveur, ou par la cruauté
Tu es victorieus, ou bien par ta beau - .
4.
O qu’oüy il eſt ainſi, c’eſt elle & ta pru - dence,
ton bon & grand eſprit reçeu par in - fluence,
que136Der Adriatiſchen Roſemund
que tout le monde ſçait, qui ſont par tout cognus,
qui m’ont ravis mes ſens, ô Maiſon des vertus!

Diſes lihdlein / dahr-innen Markhold der Pariſi - ſchen Heldinnen Siges-gepraͤnge ſelbſten erhuhb / gefihl ihr uͤber alle mahſſen / ſonderlich weil es von traͤu-deutſcher hand haͤhr-ruͤhrete / und von einem ſolchen maͤnſchen / dehr ſeine nider-lage nicht leug - nen / ſondern / ihr zur ehr und ruhm / ſelbige vihl - mehr aus-breiten wolte. Si wuſte ſich noch eins ſo vihl / daſi ſi als eine Franzinne ein hohch-deut - ſches Helden-gemuͤhte von innen bezwungen / als wan ſi ihn nuhr aͤuſſerlich / und auf daͤm Jungfer - ſpihle (welches nihmand als daͤm wetter-waͤndi - ſchen gluͤkk / und etlicher mahſſen ihrem fleiſſe zu zu ſchreiben waͤre) durch ihre geſchikligkeit uͤberwon - nen haͤtte: und Markhold beluſtigte ſich ſolcher ge - ſtalt ſelbſten; und wahr üm ſo vihl daͤs-zu froͤhli - cher / daß ſein lihdlein ſolch eine guhte herbaͤrgebe - kommen hatte; auch kont ihn daͤs-halben ſeine Roſemund nicht verdaͤnken / daß er ſich in ihrem abwaͤſen / und bei ſolcher zu-faͤlligen gelaͤgenheit mit einer aus-laͤnderin nuhr ſchaͤrz - und ſpihl-weiſe be - luſtiget hatte; weil er nichts daͤs zu weniger ſeiner pfluͤcht / di ihr ſein haͤrz unzerbruͤchlich zu halten verſprochchen hatte / mit hoͤhchſter obacht nahch - kahm / und nichts im geringſten beging / daß ihrer beider libe nahch-teilig ſein moͤchte.

Nuhn wollen wihr uns wideruͤm zu den Amſte - linnen begaͤben / zu ſaͤhen / wi unſerer Roſemund das ſchreiben ihres lihbſten gefallen wuͤrd: wihr waͤrden ſi gleich bei einem brunnen antraͤffen / da ſi ſich in ihrer einſamkeit ůber di mit-buhler des Markholds / welche ſi taͤhglich verfolgen / unange -ſaͤhen /137anderes Buhch.[ſ]aͤhen / daß ſi ihnen dahr - aus kein gehoͤhr gaͤben[w]uͤl / ſo erbaͤrmlicher weiſe beklaget.

Di arm-ſaͤlige ſtehet in angſt / und weus nicht /[w]o ſi aͤndlich noch hinfluͤhen ſol: ſi weinet von haͤr -[z]en / und betrauret ihren Markhold ſo ſchmaͤrzlich /[d] ſi ſich kaum mehr beſuͤnnet: Si wuͤl von keinem[a]ndern in ewigkeit wuͤſſen; ſi wůl kein mans-bild[a]nſaͤhen / vihl weniger beruͤhren / als ihren einigen Markhold: dan (ſahgte ſi bei ſich ſelbſt) wan es jah der himmel alſo fuͤget / und mein hartes verhaͤng - nuͤs mihr dis-falls ſo gahr zu wider iſt / daß ich ſei - ner nicht teilhaftig waͤrden kan / ſo wuͤl ich doch mei - nem einig-haͤrz-gelihbten nichts daͤs-zu weniger fohr Got und fohr der ganzen waͤlt mit einem kraͤf - tigẽ eid-ſchwure betaͤuren / daß ich keines einigen an - dern maͤnſchens leib-geſchwohrne ſein wuͤl / und kei - nen andern ihmahls zu ſaͤhen / ich ſchweige zu liben begaͤhre / als den Markhold alein. Hingegen (fuhr ſi fort) ob ich mich gleich ſo faͤſt und mit einem ſol - chen unauf-loͤhſelichen bande / ihm aus libe / verbuͤn - de; ſo wuͤl ich doch nicht / daß Er gebunden ſei: und wan es unſere zwei-ſpaͤltige laͤhre nicht geſtatten kan / daß er der meinige waͤrde / ſo gaͤhb ich ihn allezeit frei / und wuͤl durchaus nicht / daß er mihr zu libe di ehliche Libe gahr verlahſſen ſol. Es waͤr un - verantwortlich / daß er als di einige hofnung ſeines geſchlaͤchts / und di einige ſpruhſſe aus ſeinem vaͤ - terlichen Stamme / ſeinen namen / dehn Rohm ſchohn fohr ſo vilen hundert jahren gekaͤnnet hat / ſelbſt lihſſe zu nichte waͤrden / und daß ich aͤben den untergang ſeines uhr-alten bluhtes veruhrſachchen ſolte. o das ſei faͤrne!

Gleich damahls / als ſi ſich mit ſolchen klaͤhgli - chen gedanken ſchluge / kahm der Adelmund kam - mer-knabe / und uͤberluͤfert ihr von ſeiner Jung - frauen waͤgen des Markholds ſchreiben / mit dehm anhange / daß / wo nicht Markhold ſchohn auf demwaͤge /138Der Adriatiſchen Roſemundwaͤge / doch gleich-wohl des ſuͤnnes waͤre / ſeine růk - reiſe wider nahch Holland zu zu naͤhmen.

Diſe froͤliche zeitung erfraͤuete ſi dehr-geſtalt / daß ſi ihres angetahnen leides und ihrer ſchmaͤrzen ganz vergahs / ſonderlich / als ſi Markhold daͤſſen mit eig - ner hand verſicherte. Wehr (ſahgte ſi bei ſich ſelbſt) iſt nuhn glůkſaͤliger als ich / weil ſolch-ein raͤtter meiner Libe und meiner traͤue entſaz zu leiſten ge - ſonnen iſt / und mihr zu Libe von einer ſo gefaͤhrli - chen reiſe (dan er wahr anfangs gewuͤllet in Sizi - lien zu zůhen) abſtaͤhet: weil er mihr ſolche maͤrkli - che wahr-zeůchen einer ungefaͤrbten Libe blikken laͤſ - ſet / und meinem floͤhen ſolche geneugte ohren ver - leihet. Jch habe mich nuhn nichts mehr zu befah - ren / weil er ſo nahe iſt; ich laͤbe nuhn auſſer aller furcht / und darf mich ům nichtes mehr bekuͤmmern / als wi ich ihn mit hoͤchſter ehr-erbütung entfan - gen ſol.

Si hatte diſes ihres Haͤrz-aller-lihbſten ſchrei - ben kaum durch-gelaͤſen / als ſi di Adelmund / welche gleich bei ihrem Hern Vater gewaͤſen wahr / und ihm einen unter-dihnſtlichen gruhs des Markholds waͤgen vermaͤldet hatte / von faͤrnen ankommen ſa - he. Diſer anblik erfraͤuete ſi noch eins ſo ſehr / dan ſi gedachte nuhn noch mehr und vihl gewuͤſſe - re zeitung von ihres Markholds kuͤnftiger ankunft zu erfahren / dehr-geſtalt / daß ſi ihr mit gahr ge - ſchwůndem gange / gleichſam als wan ſi geflogen haͤtte / entgegen eilete.

Diſes aͤhdle zwei entfing ſich mit ſolcher hoͤhf - ligkeit und libes-bezeugungen / als ihmahls unter haͤrzens-fraͤundinnen / und traͤuen hoͤhflingen fohr-gaͤhen kan. Aber di fraͤude der Roſemund waͤhrete nicht lange: dan ſo bald ſi von ihrer fraͤun - din vernahm / daß ſich ihr Her Vater zu diſen des Markholds fuͤhr-geſchlagenen beduͤngungen ganz und gahr nicht verſtaͤhen wolte / ſo geriht ſi in einetuͤhffe139anderes Buhch.[t]uͤhffe ſchwaͤhr-muͤhtigkeit / und ward wideruͤm[ſ]o haͤftig betruͤhbt / als ſi kurz zufohr erfraͤuet ge -[w]aͤſen wahr / dehr-geſtalt / daß Adelmund gnug zu[tu]hn hatte / ihre Fraͤundin zu eroͤhſten / und in ih -[r]er bekümmernüs auf zu ruͤchten. Ach! (ſahgte[ſi]) wan es dan nuhn jah nicht ſein kan / und weil[m]ein Vater mich alſo / mein Glaubens-bekaͤnt -[n]uͤs zu behalten / zwůngen wůl / unangeſaͤhen / daß mein gewuͤſſen einen ſolchen unbilligen zwang nicht vertragen mahg / ſo mus ich mich dan aͤndlich zu friden ſtaͤllen / und mit geduld mein laͤben in einſamkeit verſchluͤhſſen. Mein Vater ſol mich zwahr wohl verhintern / und hat auch macht dahr - zu / (wiwohl er ſolches / wan ihm nuhr Markhold ſei - me zwe fohr-ſchlaͤge pfluͤchtlich zu halten verſpruͤcht / mit nichten zu tuhn geſoñen iſt) daß ich ihn nicht eh - lichen waͤrde; aber mein Glaubens-bekaͤntnüs zu aͤndern / weil mich meine Fraͤundin eines vihl baͤſſe - ren unterrüchtet hat / ſol er mihr nim̃ermehr verbuͤ - ten; und wuͤrd er mich gleich gahr enterben / und aus ſeiner fraͤundſchaft und vaͤterlichen libe ausſchlůhſ - ſen / ſo ſchwoͤr ich ihm / daß ich doch von diſer durch den heiligen Geiſt eingegaͤbenen meinung nicht ab - ſtaͤhen wůl. Jch wuͤl liber alles fahren lahſſen / wan ich nuhr diſen ſchaz erhalte; das zeitliche iſt mihr verhaſſt / und das ewige macht mich muhtig. Ja wehr wolte mich verdaͤnken / wan ich nuhn alles das meinige uͤm eines wahren ſaͤhlig-machchen - den Glaubens-bekaͤntnuͤſſes wuͤllen verlahſſen muͤſſte / und mich nahch-mahls mit meinem Lihb - ſten / dehn ich naͤhchſt Got ůber alle ſchaͤzze der waͤlt libe / in beſtaͤndiger traͤue zu laͤben / und nimmermehr von ihm ab zu lahſſen verpfluͤch - ten wuͤrde! Dan ſo mich mein Vater enter - bet (welches ich liber wuͤndſchen wolte / als di - ſer zwe aͤhdlen ſchaͤzz entbaͤhren) oder aus ſei - nen augen ewig verſtohſſen haͤtte / wehr woltenahch -140Der Adriatiſchen Roſemundnahchmahls uns (wan Markhold anders eine ver - ſtohſſene zu liben begaͤhret) verbůten ehlich mit einander zu laͤben / und das uͤbrige unſerer jahre in vergnuͤgung unſerer ſelbſt / und in einem geruhigen zuſtande zu verſchluͤhſſen?

Als ſi diſes aus-geraͤdet hatte / ſo hihlt ſi eine guhte zeit inne / damit ſi ihren traͤhnen / welche Adel - mund aͤben ſo wohl vergos als ſi ſelbſt / daͤs zu baͤſ - ſer verhaͤngen moͤchte. Si waren alle beide betruͤ - bet / und Adelmund / an ſtat / daß ſi ihrer Fraͤundin trohſt zu-ſpraͤchchen ſolte / beklahgte ſi / und half ihr den ſchmaͤrzen nuhr mehr und mehr vergroͤhſſern. Laͤtslich huhb Roſemund an ſich ſelbſt zu troͤhſten / und ſahgte / daß vihl-leicht bei ſeiner wider-kunft noch alles guht waͤrden wuͤrde / weil ſi wohl wuͤſte / daß ihr Her Vater ihm ſehr gewogen waͤre / und ſeiner alle-zeit im baͤſten erwaͤhnete / dehr-geſtalt / daß man nicht zweiſaͤln duͤrfte / der Suͤnnebald wuͤrde ſich laͤtslich beraͤden lahſſen / und ihn ſolcher unbilligen verſchreib - und verpfluͤchtung der beiden beduͤngungen uͤberhoͤben.

Adelmund / wiwohl ſi gahr klein-laut dahr-uͤber wahr / und aller-dinge keinen muht hihr-zu hatte / ſo bekraͤftigte ſi doch ihre meinung mit guht-heiſſen / und brachte laͤtslich ihre Fraͤundin wider zu raͤchte: dehr-geſtalt daß ſi diſe traurige raͤden verlihs / und ſich auf ein luſtigers geſpraͤche begahb. Si erzaͤhlt ihr / wi Markhold / ſi wuſte nicht wi / oder durch was mittel / ein lihdlein / welches ſi auf eine zeit / als ſi ſchon das ſchaͤhffer-laͤben angefangen / ihm zu gefal - len gemacht / und an eine linde gehaͤftet haͤtte / zu ge - ſichte bekommen / und ihr ein anderes Getichte dahr - gegen ůberſchikte / welches er (wi in ſeinem ſchreiben maͤldung geſchahe) an der Saͤhnen in eine linde ge - ſchnidten haͤtte / und in ſolchem diſe vihr tichtlinge / di ſi ihrer ſonderlichen ahrt waͤgen gahr eigentlich behalten haͤtte / dabrbei gefüget:

Seiner141anderes Buhch.
Seiner Trauten.
Das ich verſtruͤkt / erfråut / wund / lůſtern /
pflůchtig laͤbe /
daß macht dein hahr / di ſtirn / das auge /
bruſt / und hand:
Daß ich / o Wunder / dihr mein laͤben ganz
ergaͤbe /
daß macht der Libe garn / ſiz / bliz / ſchne -
bal und band.

Si erzaͤhlt ihr weiter / wi er ſi beraͤden wolte / daß er ſolches ihr lihdlein ohn-gefaͤhr zu Parihs in der Koͤnigin Luſt-gange bei der Saͤhnen an einer linden gefunden haͤtte; und wi er ihr verſprochchen / ſi in kurzen an-waͤſendlich zu erfraͤuen.

Als ſi nuhn noch eine guhte weile von einem und daͤm andern / wi das Frauen-zimmer zu tuhn pflaͤ - get / ſprache gehalten hatten / und der abaͤnd nuhn - mehr haͤrzu nahete / ſo nahm Adelmund ihren ab - ſchihd; und di wunder-ſchone Roſemund / nahch - daͤhm ſi ihre ſchahffe verſorget / und in di hürten in ſichcherheit gebracht hatte / begahb ſich auch in ihre ſchaͤhffer-wohnung / alda ſi ihres traͤuen Mark - holds ſchreiben noch ein-mahl uͤber-ſahe / und di uͤbrige abaͤnd-zeit mit allerhand ſ[ü]hſſen verzuͤkkun - gen und anmuhtigen gedanken zu-brachte: bis aͤndlich der ſchlahf ihre ſchoͤnen augen uͤbermeiſter - te / und ihr mit mancherlei an-naͤhmlichen traͤumen auch di nacht-ruhe ſelbſten ih mehr und mehr ver - ſuͤhſſete.

Aende daͤs zwelten Buches.

Der142Der Adriatiſchen Roſemund

Der Adriatiſchen ROSEMVND drittes Buhch.

WEil es annoch unſere Roſemund in ſolchen ſuͤhſſen traͤumen / di ihr des Markholds fohr-gebildeter an-waͤ - ſenheit ſo ſcheinbahrlich genůhſſen lahſſen / zu verſtoͤhren / und ſolch eine Schoͤne gleich zur unzeit wakker zu machchen / alzu fruͤh und unbillig iſt; ſo wollen wihr ſi vihl-liber noch eine zeit ſchlahffen lahſſen / und uns unterdaͤſ - ſen zu ihrem lihbſten Markhold begaͤben: damit wihr ihn von Parihs nahch Holland begleiten haͤl - fen / und der Roſemund ſeine froͤhliche widerkunft ankuͤndigen lahſſen.

Der tahg wahr ſo bald nicht angebrochchen / als ſich Markhold ſchohn zu Schloſſe begaͤben wolte / damit er ſich mit ſeiner Lands-fraͤundin / der De - muht / nahch ſeiner zuſage / etlicher ſachchen waͤgen beraht-ſchlagen moͤchte: dan ſi hatt ihn noch fohri - gen abaͤnd wuͤſſen lahſſen / daß di Herzogin / mit wel - cher er nuhr fohr dreien wochchẽ wahr bekant wor - den / und eine ſonderliche gnade von ihr entfangen hatte / ſehr frůh auf das koͤnigliche ſchlos (welches ohngefaͤhr eines halben tages reiſe von Parihs ge - laͤgen iſt) mit ihrem Frauen-zimmer verreiſen / und ſi / nahch-daͤhm ſi ſich / bewuſſter geſchaͤfte waͤgen / krank geſtaͤllet haͤtte / daheime bleiben wuͤrde.

Er ward von diſer krank-geſtaͤlten Jungfrau / ſo bald als er angelanget wahr / mit fraͤuden entfan - gen / und in der Fuͤrſtin geheimes zim̃er gefůhret / al - da ſi unverhindert ihrer ſachchen waͤgen mit einan - der raͤden konten. Markhold gahb ihr unter andern zu verſtaͤhen / daß er ſchreiben aus Hol-und Hohch -deutſch -143drittes Buhch.deutſch-land bekom̃en haͤtte / di ihn mit ganzer macht zu ruͤkke forterten / und weil er morgen / wan ihre Fuͤrſtliche Durchleuchtigkeit wuͤrde wider-kommen ſein / geſonnen waͤre / ſeinen abſchihd zu naͤhmen; ſo wolt er ſi (ſagt er) gebaͤhten haben / daß ſi ihm doch unbeſchwaͤret guhten raht mit-teilete / wi er ſich am baͤſſten von daͤm Fuͤrſtlichen Fraͤulein lohs-mach - chen koͤnte; nahch daͤhm mahl er wohl wuͤſſte / daß ſi ihn ſchwaͤhrlich wuͤrde zuͤhen lahſſen / und ihm ſol - che verheiſſungen und fohr-ſchlaͤge tuhn / wi dan ſchohn albereit geſchaͤhen waͤre / daß er vihl-leicht muͤſſte gehorchen / und ſich ihrem gnadigſten wuͤllen noht-dr[ü]nglich unter-waͤrfen.

Hihr-auf gahb ihm di Demuht zur antwort und ſagte; mein Her / wi wohl es mihr zum hoͤchſten zu wider iſt / daß ich ihn / als den einigen Landes - fraͤund / jah den einigen bekanten / dehn ich alhihr in der fremde haben mahg / und dehm ich mein anligen vertraͤulich zu erkaͤnnen gaͤbe / ſo geſchwuͤnde ver - luͤhren ſol; ſo ſaͤh ich doch ſolches / daß er von meinem aller-gnaͤdigſten Fraͤulein ſeinen abſchihd naͤhmen wuͤl / nicht aller dinge fohr guht an: dan ich weus ſo gewuͤs / als ich hihr ſtaͤhe / und di ehre habe ſeiner un - ter-raͤdung zu genuͤhſſen / daß das Fraͤulein ihn nicht lahſſen wůrd. Druͤm / wan er ſich jah durch mein ſo vihl-faͤltiges floͤhen nicht laͤnger wuͤl hal - ten lahſſen / ſo wuͤl ich ihm noch gleich-wohl traͤulich rahten / daß er ſich nichts im geringſten gegen ih - mand an unſerem hofe ſeines Abzugs waͤgen maͤr - ken lahſſe / auch der Fuͤrſtin ſelbſt nichts davon ſa - ge / ſondern / ſo er jah einen abſchihd naͤhmen wůl / ſo kan er nuhr fohrgaͤben / daß ein guhter Fraͤund zu Ruahn ankommen waͤre / dehn er beſuchen wol - te; und haͤrnahch / ſo es ihm belibet / ſo wuͤrd er ſol - ches ſchohn auf das baͤſſte ſchriftlich zu verruͤchten wuͤſſen / was er izund muͤndlich zu tuhn gedaͤn - ket.

Rahch -144Der Adriatiſchen Roſemund

Nahch-daͤhm nuhn diſer Fohr-ſchlahg dem Markhold über alle mahſſen wohl-gefihl / ſo be - dankt er ſich zum hoͤhchſten gegen diſe kluhg-ſuͤñige Jungfrau / und begunte von ihr ſchohn ſeinen ab - ſchihd zu naͤhmen. Es iſt mihr ſehr leid / fing er an / daß ich meine Jungfrau / ſo gahr bald verlahſſen mus / nahchdaͤhm wihr unſerer fraͤundſchaft wohl - befaͤſtigten grund-ſtein kaum gelaͤget / und ich noch nihmahls gelaͤgenheit haben moͤgen / mich fuͤhr ſo grohſſe wohl-tahten / und ſolchen hohch-geneugten wuͤllen / dehn ſi mihr ihderzeit ſo offenhaͤrzig erzeu - get hat / dantbahrlich zu erweiſen. Damit ich aber gleichwohl nuhr ein zeuchen / daß ich mich gaͤrn dankbahrlich erzeugen wolte / blikken lahſſe / ſo ver - pfluͤcht ich mich zum hoͤhchſten / jah ſolcher geſtalt / daß ich ſonſt keinem einigen maͤnſchen in ganz Frankreich zu tuhn geſuͤnnet bin / daß ich ihr aller - traͤueſter und unvermuͤdeſter Diner mein laͤbe - lang verbleiben wül: Jah ich verhoffe / ſolche meine begihrde / di ich meiner Jungfrauen auf zu dinen trage / noch ein-mahl zu erfuͤllen / und vihl-leicht auf ein andere zeit / weil es jah izund nicht hat ſein koͤn - nen / meine ſchwachheit zweifach zu erſaͤzzen.

Ach! mein Her (fihl ſi ihm in di raͤde) wahr - uͤm wuͤl er das-jenige mihr tuhn / was ich ihm zu leiſten ſchuldig bin! Jch habe mich vihl-mehr zu be - danken / daß er mihr hat di hohe ehre wider-fahren lahſſen / mich unter di zahl ſeiner Fraͤundinnen zu raͤchnen / als daß er ſich ſo hohch gegen mich ver - pfluͤchtet / daß ich gahr beſchaͤhmet bin / ſolche hohe gunſt mit ſolchem undank an zu naͤhmen. Jch ver - ſichchere meinen Hern mit kurzen worten / daß es mihr allezeit hoͤhchſt-angenaͤhm gewaͤſen iſt / wo ich nuhr ſo geſchikt habe ſein koͤnnen / ihm di geringſten ehren-dihnſte zu leiſtẽ; und es ſol mihr auch hinführ ganz nicht ſchwaͤhr fallen / alles das-jenige zu tuhn / wodurch ich mich einem ſolchen Fraͤunde / wi er iſt / verbuͤndlich machchen kan.

Als145drittes Buhch.

Als ſi nuhn in daͤm zim̃er eine guhte weile ver - raͤulich mit einander geraͤdet hatten / ſo fing Markhold an / und frahgte / ob nicht der grohſſe Sahl offen waͤre? dan er wolte gaͤrn hinauf gaͤ -[h]en / damit er noch fuͤhr ſeinem abzuge / und izund /[d]a di Hohf-jung-herrn naͤbenſt daͤm Frauen-zim - mer / mit daͤm Fraͤulein verreiſet waͤren / di ge - maͤhlder nahch gnuͤgen beſaͤhen koͤnte.

Jah / wan mihr anderſt raͤcht iſt / gahb De - muht zur antwort / ſo hab ich ihn noch izund / eh ich meinen Hern angenommen / eroͤfnet geſaͤhen; druͤm / wan es ihm belihbt / ſo wollen wihr hinü - ber gaͤhen. Hihrauf boht ihr Markhold di hand / und ſi gingen alſo ohn einiges maͤnſchen entgegen - kunft auf den ſahl.

Das ehrſte gemaͤlde / das Markhold auf der raͤchten hand erblikte / wahr der Saturn / welcher ſich auf ſeine ungeheure ſenſe geſtuͤzt hatte / mit tuͤhffen eingefallenen augen / gerunzelter ſtirne / ei - ner habichts-naſ und bluht-truͤhffendem munde / in welchem noch ein ſtükke von einem zerfleiſchten kna - ben hing. Jn der hand hihlt er ein halb-gefraͤſſenes kind / welches der mahler ſo kuͤnſtlich und ſo erbaͤrm - lich fohrgeſtaͤllet hatte / daß man ſich nicht gnug dahrůber verwundern konte. Jn der linken ſeite di - ſes kindes / welche ganz eroͤfnet wahr / ſahe man das haͤrz ſo eigendlich und ſelblich ligen / als wan es laͤ - bete: es zitterte gleichſam / und waͤndete ſich entbohr. Des alten graͤuſer bahrt / hing noch ganz fol bluh - tes / und wahr auch mit etlichen ſtuͤkken vom gehirne der erbiſſenen kinder beſprůzt: di dik-beaͤderten aͤrme waren ſo rauch wi ein igel / und di naͤgel an den fin - gern / wi ahdlers klauen; di ſchenkel waren ſo unge - ſtalt und ſo dürre / daß einem ihden / dehr ihn an - ſahe / ſchroͤkken und grauen ankahm. Fohr ſeinen fůhſſen lahg ſolch-ein grohſſer hauffen tohdten-bei - ne / deren etliche bleich / etliche noch halb mit fleiſchGbeklei -146Der Adriatiſchen Roſemundbekleidet waren / und andere ehrſt anhuben das fleiſch zu verlůhren. Auf den ſeiten ům ihn haͤhr ſa - he man einen hauffen zerruͤtteter und verwuͤhſteter ſchloͤſſer / zerbrochne koͤnigs-kraͤnze und reichs-ſtaͤbe; dehr-geſtalt / daß es ihderman ein graͤuliches ent - ſaͤzzen einjahgte.

Ein wenig weiter in den ſahl ſahe man den Pi - rahm bei einem brunnen / im bluhte ligen / und di Tiſbe / ſeine Lihbſte / ſaͤzt ihr ſeinen daͤgen in di bruſt / dehr-geſtalt / daß das bluht hauffen-weiſe uͤber den Pirahm hin-ſprůzte / und ſich mit daͤm ſei - nigen vermiſchte. Der maul-behr-baum / dahr-un - ter ſi lagen / ſchihn gleichſam mit bluht uͤber und uͤber beſpraͤngt / dehr-geſtalt / daß ſeine fruͤchte noch halb weis / und halb bluhtig waren. Von faͤrnen ſtund ein junger leue / welcher das ober-kleid der Tiſbe zerfleiſchte / und mit bluhte / welches er noch am rachchen klaͤben hatte / beſchmuzte. Auf der raͤch - ten ſeiten diſer ab-bildung hingen in einem weiſſen taͤhflein diſe reimen mit gold geſchriben:

Des Pirams Klage bei daͤm kleide ſeiner Lihbſten.
ACh weh! ach immer weh! o Tiſbe /
meine Schoͤne /
o Tiſbe / wo biſt-du? nahch dehr ich mich
nuhr ſoͤhne!
Ein ein’ge nacht wuͤl nuhn zwei Lihb -
ſten raffen hin /
davon ich nuhr alein des todes ſchuldig
bin.
Jch habe dich entleibt: ich hihs dich / Lihb -
ſte / kommen
an147drittes Buhch.
an ſolchen grimmen ort mit ſchroͤkken ein -
genommen;
Da ich nahch billigkeit der ehrſte ſol -
len ſein /
und nuhn der laͤtſte bin. kom̃t / haͤlft mihr
ab der peun /
ihr leuen / di ihr hihr in diſen klůften woh -
net /
kom̃t / nahet euch haͤr-zu / zerreiſſet mich /
und lohnet
der untråu nahch gebuͤhr. Mein
ſchwaͤhrt ſol raͤchcher ſein /
ſol raͤchchen ihren tohd / und aͤnden mei -
ne peun.

Auf der linken ſeite daͤs gemaͤldes waren auf ei - nem rohten taͤhflein mit güldnen buhchſtaben fol - gende worte zu laͤſen:

Der Tiſben Klage uͤber den tohd ihres lihbſten / des Pirams.
Otrauter-Piramus! was fuͤhr ein grim -
mes tihr /
was fůhr ein boͤſer fal beraubt mich
meiner zihr?
Pir-piram-Piramus / antworte doch mein
laͤben /
di lihbſte Tiſbe ruhft; wůlt-du gehoͤre gaͤ -
ben?
G 2Růcht148Der Adriatiſchen Roſemund
Ruͤcht auf der augen lůcht / ſih hihr
dein libes Lihb;
di Tiſbe ruhffet dich / di dich zu liben
trihb;
Di Tiſbe ruhffet dich. ach! kanſtu dich
nicht raͤgen?
wi liget hihr ſo blohs der bluht-beſprůzte
daͤgen?
ach weh! nuhn ſaͤh ichs ehrſt; dich hat
dein eigne hand /
jah deine Lib / hat dich verſaͤzt in diſen
ſtand.
Druͤm ſol auch meine fauſt mich wider -
uͤm nicht ſparen;
di lihb iſt ſtark genug / Dihr / Schoͤhnſter /
nahch zu fahren:
di libe ſtaͤrke mich. Jch habe ſchuld
dahr-ahn /
wuͤl auch gefaͤrtin ſein. Hat dis der
tohd getahn /
und aus den augen dich / o haͤrzer ſchaz / ge -
riſſen /
daß ich dich miſſen mus / ſo ſol er diſes
wůſſen /
daß ich mich nimmer-mehr von dihr ent -
faͤrnen mahg;
ich ſtaͤrbe gleich wie er / und waͤrde kei -
nen tahg /
kein ſonnen-luͤcht mehr ſaͤhn. Druͤm /
weil ihr uns im laͤben /
ihr149drittes Buhch.
ihr aͤltern / ſolche macht zu liben nicht gegaͤ -
ben /
ſo goͤnn’t uns doch / daß wihr in einem
grabe ſein.
und du / o liber baum / dehr du durch dei -
nen ſchein
hihr einen leib bedaͤkt / ſolt beide bald be -
ſchatten /
und fohr di weiſſe frucht (der Himmel
wuͤrds geſtatten
zum zeugnuͤs unſers bluht’s) mit ſchwar -
zer fuͤhr und fuͤhr
befruchtet ſein.

Straks bei diſem hing ein ůberaus ſchoͤnes ge - maͤlde / dahr-innen der tohd des ſchoͤnen Adohns / dehn di Libinne ſo inbrůnſtig gelibet hat / entwor - fen wahr. Der Adohn ward von einem eber ver - wundet / welches ſo eigendlich abgebildet wahr / daß man faſt geſchworen haͤtte / als waͤn man einen raͤchten laͤbendigen jůngling zu boden fallen / und gleichſam in ſolchem fallen ſtaͤrben ſaͤhe. Di Libin - ne kahm von dem Himmel haͤrab auf einem guͤld - nen wagen mit zwe ſchwanen gezogen / gleichſam als wolte ſi ihrem Lihbſten entſaz leiſten / und raufte führ ſchmaͤrzen das hahr aus. unter diſem gemaͤlde ſtunden folgende reimen:

Der Luſtinnen Klage uͤber den tohd ihres Adohns.
HJhr lihgt Adohn verwundt; Luſtinne
hoͤhrt ihn klagen /
und eilet nahch ihm zu auf ihrem gůldnen
wagen;
G 3Si150Der Adriatiſchen Roſemund
Si ſchlaͤhgt di zarte bruſt / reiſſt aus ihr
ſchoͤnes hahr /
weil faſt kein laͤben mehr an ihm zu ſpuͤ -
ren wahr.
Ach (ſprahch-ſi) mein Adohn! mein
aller-lihbſtes Laͤben!
wer hat dihr diſen muht und diſen raht
gegaͤben?
ich hab es wohl geſahgt / du ſolteſt ſolch
ein wild /
das nuhr mit grimmigkeit / mit rachch
und zorn erfuͤllt /
ſah nihmahls taſten an. Sol ich dich /
Schoͤhnſter / muͤſſen /
wiwohl es haͤftig ſchmaͤrzt / ſo wuͤl ich ſein
gefliſſen
ein ewiges gedaͤnk zu ſtiften deiner
ehr /
daß auch / wan du gleich tohd / dein lohb
ſich ſelbſt vermehr.
Aus deinem bluhte ſol ein anemohn auf -
ſchuͤhſſen /
di ich mit himmels-tau wuͤl lahſſen ůber -
gůhſſen;
di al-zeit / wan der laͤnz in ſeiner luſt
wuͤrd ſtaͤhn /
zum dånk-mahl deines bluhts ſol pur -
pur-roht aufgaͤhn.

Wideruͤm in einem andern / ſahe man den ſchoͤ -[n]en Jüngling Ganimedes auf einem ahdler un -glaͤub -151drittes Buhch.glaͤublicher groͤhſſe / welcher einen donner-kaͤul im ſchnabel fuͤhrete. Der juͤngling wahr nahch ahrt der indiſchen baͤrg-leute bekleidet / fraͤch und geſund von geſichte: di hahre waren gold-faͤrbig / und hatten ſich auf dem růkken in falten geſchlagen: di haut wahr ſo weis wi ſchne / und an etlichen oͤrtern mit einer gelinden roͤhte vermiſchet: di blauen aͤderlein an den armen und haͤnden waren ſo laͤhbhaft ent - worfen / und gaben dem leibe ſolch-ein lihbliches aus-ſaͤhen / daß man dahruͤber gleichſam gahr ver - zuͤkt ward. Er ſtraͤuchelte mit der einen hand des ahdlers kopf / und mit der andern wolt er dem Ju - piter / welcher auf ſeinem reichs-ſtuhle ſtraks naͤben ihm ſahs / den donner-kaͤul aus der hand naͤhmen. Ein wenig auf der ſeiten ſahe man den baͤchcher / dahraus diſer kleine ſchaͤnke den Goͤttern mit Him - mels-trank aufdinet / mit einer guͤldnen ſchale fol rohtes weines; auf welchem / als wan er gleichſam nuhr izund eingeſchaͤnkt waͤre / ein ſtaͤrbe-rohter giſch und etliche blaͤhslein ſtunden.

Sonſten hingen auf ſelbiger ſeiten keine andere gemaͤlder / als lauter fremde Frauen-trachten / als Hohch-deutſche / meiſniſche / ſaͤchſiſche und ſchwaͤbi - ſche; Perſiſche / tuͤrkiſche / waͤlſche / aͤngliſche / bra - bandiſche / indiſche / ja was man fohr trachten erdaͤn - ken konte / diſelbigen waren alhihr zu ſchauen.

Laͤtslich kahmen ſigegen der tuͤhren uͤber an eine ůberaus-koͤſtliche tafel / in welcher di entfuͤhrung der Helenen entworfen wahr. Bei diſem gemaͤlde nuhn hihlt ſich Markhold eine guhte zeit auf / und erzaͤhlte ſeiner Fraͤundin di ganze trojiſche ge - ſchicht. Als er aber ſahe / daß es faſt mittahg wahr / ſo fing er ſchohn wideruͤm an von ſeinem ab - ſchide zu raͤden / und brauchte ſolche bewaͤhgliche worte gegen di Demuht / damit er ſi zur beſtaͤn - digkeit in ihrem Glaubens-bekaͤntnuͤs ermahnte / daß ſi bitterlich zu weinen anfing. Er baht ſiG 4gleich -152Der Adriatiſchen Roſemundgleichſam / daß ſi ſich durch eitele und vergaͤngliche ehre nicht moͤchte bewaͤgen lahſſen / di ewige zu ver - ſchaͤrzen / und ihrer hohch-anſaͤhnlichen Fraͤund - ſchaft kein faͤrneres haͤrzeleid uͤber den hals zuͤhen: dan er wuſſte wohl / daß ſi das Fraͤulein ům-ſonſt nicht ſo in ehren hihlt / und daß es aͤndlich uͤm ſi wohl wuͤrde gefahr haben.

Laͤtslich / weil er ſich nuhn wideruͤm nahch hauſe begaͤben muſſte / ſo wolt er ſich gegen ſi noch ein - mahl beklagen / daß er nuhn ſo undankbahr von ihr waͤg-zůhen folte / und ſich zu ihren dihnſten faͤrner verpfluͤchten. Alein ſi baht ihn mit weinendẽ augen; er wolle doch (ſahgte ſi) mit ſolchen worten inne hal - ten / uñ meine ſchmaͤrzen nicht noch mehr veraͤrgen.

Als ſi ſich nuhn haͤr-uͤm nahch der andern ſeite des ſahles / wo ſi noch nicht gewaͤſen waren / zu waͤnde - ten / und gleich hinaus-gaͤhen wolten / ſo erſahen ſi eine hof-jnngfrau der Fuͤrſtin / welche daheim gebli - ben wahr / in einem winkel am tage-leuchter ſizzen / di ihnen di ganze zeit über zu-gehoͤret hatte; weil ſi aber di deutſche ſprache nicht verſtund / ſo hatten ſi ſich keines verrahts zu befahren. Doch gleich-wohl erſchraht di Demuht haͤftig uͤber ſolchen anblik / als wan ihr ein grohſſer unfal begegnet waͤre; ſonder - lich / weil ſi noch weinte / und di augen fol traͤhnen ſtunden: dan ſi befürchtete ſich eines arg-wahns. Druͤm baht ſi den Markhold / daß er mit hin zu ihr gaͤhen wolte / damit ſi ſich ihres weinens halben entſchuldigen moͤchte.

So bald ſi ſich nuhn nahch diſer hohf-jungfrau - en zu waͤndeten / ſo erhuhb ſi ſich / kahm ihnen entge - gen / und frahgte ſtraks / wahruͤm di Demuht ſo be -[t]ruͤhbt aus-ſaͤhe. wohr-auf ſi zur antwort gahb / daß ihr der tohd zweier Lihbſten / des Pirams und der Tiſbe / welcher in jener tafel entworfen waͤre / ſo haͤftig gejammert haͤtte / daß ſi ihren unfal haͤtte be - weinen muͤſſen. Zu-daͤhm / ſo waͤre di zerſtoͤhrungder153drittes Buhch.ſtat Troja / di ihr bei daͤm hinterſten gemaͤlde von dem Markhold erzaͤhlet worden / noch dahr-zu kom - men / und haͤtte ſolches ihr weh-leiden aufs naͤue gehaͤuffet.

Mit diſen hoͤhflichen ſchwaͤnken muſte ſich ſelbige hohf-jungfrau genuͤgen lahſſen / und kont ihrer traͤhnen halben keinen andern beruͤcht bekommen. Dan Markhold / als er zufohr di hohf-jungfrau ge - gruͤhſſet hatte / boht ſeiner Fraͤundin alſo-bald di hand / und fuͤhrete ſi wideruͤm in ihr zimmer; da er folgendes ſeinen abſchihd nahm / und ſich / nahch - daͤhm ihn diſe ahdliche jungfrau zum hoͤhchſten vergnuͤget hatte / nahch hauſe begahb.

Des andern tages beſuhcht er di Herzogin auch / di nuhnmehr ihren luſt-wandel verruͤchtet hatte / und gahb ihr untertaͤhnigſt zu vernaͤhmẽ / wi daß er von einem ſeiner guhten Landes-fraͤunde / dehr ſich izund zu Ruahn aufhihlte / ſchreiben bekommen haͤtte / und nuhn geſonnen waͤre / ihn auf ſein einladen zu beſu - chen / welches er ihrer fürſtlichen Durchleuchtigkeit gleich-wohl zu-fohr vermaͤlden wollen / damit Si ſich / wan Si etwan ſeiner geringen dihnſt in ſeinem abwaͤſen moͤchte von noͤhten haben / nicht vergaͤhb - lich bemůhen duͤrfte / ihn ſuchen zu lahſſen.

Diſe junge Fuͤrſtin (dan ſi wahr aͤben in einem ſolchen alter / welches ehrſt raͤcht zu blůhen begunte) gahb ihm eine ganz-gnaͤdige antwort; daß es ſol - cher anmaͤldung gahr nicht von noͤhten gewaͤſen waͤre; und ihr anſaͤhen wuͤrde hihrdurch / wan ſi ihn gleich ein-mahl vergaͤbens haͤtte beſchikken lahſſen / nicht ſein geringer worden. Daß er Si nuhr auf ſolche weiſe zu ſeiner gunſt und wohl-gewogenheit noch mehr zu verpflüchten / und ihm wohl zu tuhn / mit ſolcher hoͤhflichen ahrtigkeit / gleichſam zu zwuͤngen wuͤſſte.

Markhold nahm alſo ſeinen abſchihd / und wi - wohl ihn das Fraͤulein noͤhtigte / daß er noch eineG 5weile154Der Adriatiſchen Roſemundweile verharren moͤchte / ſo entſchuldigt er ſich doch auf das baͤſt als er konte /[vnd] gahb Jhrer fuͤrſtl. Gnaden untertaͤhnigſt zu vernaͤhmen / wi vihl noht-waͤndige ſachchen er noch zu beſtaͤllen haͤtte / und morgen mit daͤm fruͤheſten auf zu braͤch - chen gedaͤchte; dehr-geſtalt / daß ihm gewülliget ward ſeinen abſchihd zu naͤhmen.

Als nuhn di Demuht (welche diſe Fürſtin ſo uͤber-aus lihb hatte / daß ſie allezeit uͤm ſi ſein muſ - ſte / und dehr Si alle ihre heimligkeiten an-ver - traute) gewahr ward / daß Markhold von daͤm Fraͤulein ſeinen abſchihd nahm / und di reihe nuhn an ſi auch kommen wuͤrde / ſo machte ſi ſich eilend aus der kammer / damit ſi der Fuͤrſtin durch ihre traͤhnen (dan ſi konte ſich derer doch nicht enthalten) keine uhrſachche gaͤbe / etwas frem - des zu muht-mahſſen: dehr-geſtalt / daß Mark - hold diſe ſeine geneugte Raht-gaͤberin zwahr zu guhter laͤtſte mit ſeinen augen bis an das bei - zimmer verfolgen / aber gleich-wohl nicht geſaͤg - nen konte.

Di Fuͤrſtin / welche ſolche ihre flucht ſtraks an ſei - nem geſichte wahr-nahm / kaͤhrete ſich nahch ihrer liben und getraͤuen Demuht ům / und ſah ihr aͤbener mahſſen nahch. Gleich-wohl wolte ſi di - ſer fluͤchtigen nicht zu-ruhffen / di uhrſachche ihres geſchwuͤnden abtrits zu erforſchen: dan ſi bildet ihr dasjenige ganz und gahr nicht ein / das diſe Schoͤne wuſte / und waͤs-waͤgen ſi ſich aus daͤm zimmer zu ſtaͤhlen / ſo eilend bemuͤhete. Di zeit aber / als di verraͤhterin aller heimligkeiten / laͤh - rete ſi ſolches nicht lange dahrnahch. Dan es wa - ren kaum fuͤnf wochchen verfloſſen / als der Markhold Jhre Fuͤrſtl. Durchleuchtigkeit von Ruahn ab mit ſchreiben berůchtete / daß er in ſein vater-land gefortert wuͤrde; weil aber ſol - thes ſo eilend geſchaͤhen můſſte / und ihm ſo vihlzeit155drittes Buhch.zeit nicht ůbrig waͤre / von Jhrer fuͤrſtl. Hoheit můndlichen abſchihd zu naͤhmen / ſo wůrde ſi ihn aller-gnaͤdigſter verzeuhung wurdigen / wan er ge - zwungen wuͤrde / ſolches ſchriftlich zu tuhn. Jn daͤſ - ſen laͤhbt er noch der guhten hofnung / daß er ſich in kurzen wideruͤm zu ihren dihnſten verfuͤgen / und ſeinem allergnaͤdigſten Fraͤulein mehr annaͤhm - lich machchen wůrde.

Jn waͤrender diſer zeit nuhn / daß ſich Mark - hold zu Ruahn aufhihlt / ergaͤzt er ſich mit aller - hand zeit-verkuͤrzungen. Er hatte ſich kaum drei wochchen daſelbſten aufgehalten / als das feier des Wein-gottes / fohr der Faſten mit aller hand auf - zügen und ahrtigen mummereien von etlichen fůhr - naͤhmen bürgers-ſoͤhnen begangen ward.

Der ehrſte auf-zug wahr der hoffenden / in blau - er tracht / mit weiſſen mum-geſichtern / und hatte ein ihglicher ein ganzes ſchif mit allem zugehoͤhr auf daͤm haͤubte. Der andere wahr der halb-tohd - ten / ohn-gefaͤhr bei vihrzig pfaͤrden in fahler tracht / mit ſchwarz-weiſſen mum-geſichtern. Der dritte wahr der fiſcher / auch in weiſſer leinen tracht / mit waſſer-fahlen mum-geſichtern und fi - ſcher-reiſen / in welchen kleine gruͤndlinge hihr und dahr zwiſchen den weiden hingen / auf daͤm haͤubte. Der vihrte ſtaͤllte fohr di jaͤgerei / dahr - innen man zwoͤlf reiter mit hirſch-haͤuten uͤber - zogen / und zwe mit baͤhr-haͤuten ſahe: der eine baͤhr - hatt eine zige unter dem arm / dahrinnen eine ſak-pfeiffe verborgen wahr / damit er unter wei - len zu blaſen anfing. Der fuͤnfte wahr der wahr - haftigen / welche ganz ſchlohs-weiſſe ſeidene kleider und mum-geſichter hatten. Der ſechſte fuͤhrete di halbe trauer / uͤm ihren koͤnig / dehr nuhn-mehr fohr neun mahnden tohdes verblichchen wahr / ohn gefaͤhr bei dreißig pfaͤrden ſtark; di kleider warenG 6von156Der Adriatiſchen Roſemundvon ſchwarzen ſeidenem zeuge / mit ſilbernen ſpizzen verbraͤhmet. Jah es wahren noch vihl andere mehr / welche nicht alein des tages ůber / ſondern auch di ganzen naͤchte durch waͤhreten.

Weil ſich nuhn diſe kunter-bunten aufzuͤge drei tage nahch einander ſaͤhen lihſſen / ſo begahb es ſich / daß zwe hohchdeutſche von adel / welche aͤben in Frankreich kommen waren / den Markhold am drit - ten tage diſer mum-ſchanzereien ohngefaͤhr im ta - ge-leuchter ligen ſahen / und ihm über die ſtrahſſe / da ſi ſtunden / mit dem huht einen wink gaben.

Markhold / nahchdaͤhm er diſer ſeiner alten be - kanten anſichtig ward / erfraͤuete ſich uͤber alle mahſ - ſen / und lihs ſi zu ſich hinauf in ſein zimmer kom - men / in welchem ſchohn vihl ſeiner Lands-fraͤunde teils diſen faſt-nachts-ſpilen zu-ſahen / teils auch di zeit mit allerhand kurzweiligen erzaͤhlungen zu - brachten: dan es wahr von dem Markhold alſo an - geſtaͤklet / daß ein ihder eine wunder-oder ſonſt kurz - weilige geſchicht / di ſich bei ſeinem laͤben zu-getra - gen haͤtte / erzaͤhlen ſolte.

Als nuhn di reihe diſe beiden naͤukoͤmlinge trahf / und ſi das ihrige auch dahr-zu gaͤben ſolten / ſo ent - ſchuldigten ſi ſich zwahr eine guhte zeit: aber auf des Markholds anhalten bekwaͤhmeten ſi ſich aͤnd - lich / und weil er / der Markhold / zu verſtaͤhen gahb / daß er den Luſt-wandel des Guhts-muhts / dehn er eines mahls (wi er noch fohr ſeinem abreiſen er - fahren) mit der Wohl-ahrt verrüchtet haͤtte / gaͤrn hoͤren moͤchte; ſo fing der eine dehr-geſtalt an zu raͤden.

Der Luſt-wandel des Guhts - muhts.

WEil nuhn di ganze geſelſchaft di augen auf mich wuͤrft / meine unabgefaſſte nichts-wuͤr - dige erzaͤhlung an zu hoͤren / und mein hohch-geehr - ter Her Markhold den luſt-wandel des Guhts -muhts157drittes Buhch.muhts und der Wohl-ahrt ſo inſtaͤndig zu wuͤſſen begaͤhret / ſo wuͤl ich ihre begihrden / ſo vihl an mihr iſt / und meine ſchwachheit zu-laͤſſet / baͤſſter mahſſen vergnügen / und zweifle ganz und gahr nicht / es waͤrde diſer luſt-fal (wi ich ihn naͤnnen mahg) welcher ſich ohn-gefaͤhr fohr vihr jahren in meinem Vater-lande zu-getragen hat / der ganzen anwaͤſenden genoſſenſchaft / nicht verdrühslich fallen.

Es lihgt in Ober-ſachſen eine luſtige ſtat / welche waͤgen ihrer ſo hohch-gelaͤhrten laͤute / damit ſi ih - der-zeit uͤber-flůhſſig verſaͤhen gewaͤſen / durch di ganze waͤlt beruͤhmet iſt. dehr - geſtalt / daß auch fohr diſen zeiten di Foͤlker von morgen und abaͤnd / jah der junge tůrkiſche Grohs-koͤnig ſelbſt / ihre hohe ſchuhle (welche von den beiden Fridrichen / den Kuhr-fuͤrſten und Herzogen von Sachſen / kriſtli - cher gedaͤchtnüs / von dem einen im 1502. jahre geſtiftet / und von dem andern gewaltig vermeh - ret worden) mit hauffen beſuchet / und ſich uͤber ſol - cher grohſſen maͤnner fůhrtraͤflichen weusheit zum hoͤhchſten verwundert haben.

Jn diſer waͤlt-bekanten kuhr-ſtat Wittenbaͤrg (ich wül ihren loͤhblichen namen nicht verdunkeln) hihlt ſich aͤben damahls der Guhts-muhts auf; da - mit er ſich durch ſolcher grohſſen maͤnner unterruͤch - tung und nuͤzliche laͤhren mit allerlei kuͤnſten berei - chern moͤchte. Weil nuhn di Jugend ins gemein mit den ſůhſſen anfoͤchtungen der Libe behaftet iſt / und dahaͤhr / wo nicht dehrſelben unbeſtaͤndigkeit / doch zum wenigſten der verfolgeriſchen mis-gunſt unterworfen iſt; ſo begahb es ſich auch / daß diſer raͤdliche Deutſche von allen beiden angefeindet ward. Auf der einen ſeiten ſah er di unbeſtaͤndig - keit ſeiner Lihbſten; auf der andern verfolgeten ihn di neidiſchen feinde ſeiner wohl-fahrt; jah zu di - ſen beiden kahm auch aͤndlich di unbarmhaͤrzigkeitG 7des158Der Adriatiſchen Roſemunddes verfluhchten kriges / welcher ſeine anverwand - ten in das aͤuſſerſte verdaͤrben geſaͤzt hatte. Was raht? diſer arm-ſaͤlige maͤnſch wuſſte keinen trohſt / und es wahr ihm / nahch ſeinem beduͤnken / luft und aͤrde zu wider: dan di verfolgung diſer dreien feinde konte durch kein einiges mittel ab - gewaͤndet waͤrden; er muſſt ihr den follen lauf lahſſen / dehr-geſtalt / daß er in tauſend aͤng - ſten / und noch mehr ſchwaͤhr-můhtige gedanken / geriht.

Als ihn nuhn ſein wider-waͤrtiges verhaͤngnuͤs inſolchem elenden zuſtand eine guhte zeit hatte ver - trůhffen laſſen / ſo begahb es ſich laͤtslich / daß er mit ſeiner vihl-vertrauten Fraͤundin der Wohl - ahrt einen luſt-wandel zu tuhn / und ihr das-jenige / was ihr feindlich wahr abgenommen worden / durch feine waffen (welche doch damahls mehr fraͤund - als feindlich gemeinet waren) widerum zu waͤge zu bringen / gebaͤhten ward.

Diſes nuhn wahr ihm eine gewuͤndſchte gelaͤ - genheit / dadurch er nicht alein der gewalt ſeiner feind entruͤnnen / und an einen fichcheren ort / ſeine abgemuͤdete gedanken etlicher mahſſen wideruͤm zu erfriſchen / gelangen / ſondern auch ihre tuͤkke ver - lachchen / und ſich / an einer ungetraͤuen ſtat / nahch einer traͤueren uͤm-ſaͤhen konte: dehr-geſtalt / daß er ſich nicht lange beſan / der Wohl-ahrt diſes fal - les an einen ſolchen ort / dahin ſi zu reiten gedachte / gefaͤhrte zu ſein.

Als ſi nuhn ſchohn auf dem waͤge waren / und ůber den haubt flus daͤsſelbigen Herzogtuhms ge - langet / ſo kahmen ſi in eine uͤber-aus-luſtige ge - gend / da der Guhts-muhts nicht alein uͤber den anblik der ſchoͤn-bebluͤhmten wiſen / uͤmhaͤhr-ligen - den waͤlder / und lihblichen geſang der vogel / in eine ſuͤhſſe verzuͤkkung geriht / ſondern auch der laſt ſei -ner159drittes Buhch.ner ſchwaͤhr-muͤhtigen gedanken / durch das an - muhtige geſpraͤche der Wohl-ahrt ganz und gahr entbuͤrdet ward; dehr-geſtalt / daß er den waͤhg noch eins ſo lang wůndſchte. Aber di pfaͤrde / wel - che ſchohn fohr-haͤhr maͤrkten / in was fohr einer guhten herbaͤrge ſi ſelbiges abaͤndes ſolten entfan - gen waͤrden / waren ſo mundter / und eileten dehr - geſtalt fort / daß ſi den waͤhg / dehn andere mit zwei futtern kaum verrůchten moͤgen / in einem fol - brachten.

Weil ſich aber mit einer ſolchen uͤber maͤhſſi - gen fraͤude meiſten-teils ein trauren zu vermiſchen pflaͤget / ſo truhg es ſich zu / daß des Guhts - muhts pfaͤhrd / nahch-daͤhm ſi in einem kleinen kahne ſolchen grohſſen flus widerüm ůber-fahren ſolten / und di pfaͤhrde ſehr unbaͤndig und übel zu zaͤumen waren / mit ihm / an einem ſehr gefaͤhr - lichen orte / mit ſollem ſprunge ins waſſer ſaͤzte / dehr-geſtalt / daß es das anſaͤhen gewůnnen wol - te / als ob er aus dem raͤgen in di trauffe kom - men / und das laͤben / welches er ſonſt auf truk - kenem lande noch eine guhte zeit fuͤhren koͤnte / im naſſen auf-ſaͤzzen ſolte. Aber das gluͤk wolte ſolches einer weit-baͤſſeren luſt / als er noch ſein laͤbe-tage genoſſen hatte / aus einer ſonderlichen gunſt / fohr-ſpahren / und verhalf ſi beider-ſeits wohl hin-uͤber.

Als ſi nuhn an das ufer gelangten / da fanden ſi ſtraks einen aͤbenen waͤhg / welcher ſi erſtlich durch vihl anmuhtige wiſen / und nahch-mahls durch ein kleines luſt gebůſche fůhrte; dahrinnen ſi / teils durch den laut-ſchallenden geſang der nachtigal / teils auch durch das ſtamrende geraͤuſche eines fohrbei-fluͤhſſenden baͤchleins / hoͤhchſter mahſſen erluſtiget warden. Di naͤhchſt-beigelaͤgene uhr - alte faͤſtung Bretihn / welche fohr jahren in dem ſpaniſchen krige nicht hat koͤnnen erobert waͤrden /wahr160Der Adriatiſchen Roſemund

[figure]

161drittes Buhch.wahr ihnen auch nicht wenig verwunderlich zu be - trachten.

Di rein-ſteine des ortes / wohin ſi gedachten / hat - ten ſi nuhn-mehr uͤber-ſchritten / und fingen al-ge - mach an ſich den haͤuſern zu naͤhern; da ſi auf der einen ſeiten das bau-feld / auf der andern allerhand ſchoͤne luſt-gaͤrten ligen ſahen. dehr-geſtalt / daß Guhts-muhts weit ein anders befand / als ihm fohr diſem wahr erzaͤhlet worden. dan hatte man ihm den ort geringe beſchriben / ſo befand er ihn izund mehr als fuhr-traͤflich: hatte man ihm ein haus / wohr-innen ſich nuhr Bauren-blakker auf-hihlten / fohr-gebildet / ſo ſah er fuͤhr augen ein ſolches koͤſt - liches ſchlos / dahr-innen ſich ein koͤnig / ſeinen hohf zu halten / nicht ſchaͤhmen důrfte: gedacht er in ein armes mit ſtroh und ſchilf gedaͤktes dorf zu kom̃en / ſo gelangt er in einen dehr-maſſen wohl-aufgebau - ten wohn-plaz / daß er ihn mit keinem grohſſen und anſaͤhnlichen ſtein-hauffen irgend einer ſtat ver - tauſchen wolte. kurz / er konte ſich uͤber diſe / mit luſtigen baͤrgen / traͤflichen gaͤrten / ſchoͤnem wiſe - wachſ und feld-bau gezihrte / gegend nicht gnug - ſam verwundern.

Den eingang zu diſem wohn-plazze macht ein aͤng-verzaͤuntes gaͤſlein / dahr-innen Guhts-muhts di Wohl-ahrt abſteigen / und nahch ihrer herbaͤrge gaͤhen lihs: auch ſich ſelbſten / nahch-daͤhm ſi ihr pfaͤhrd abholen lahſſen / in eine andere begaͤben wol - te. Aber das verhaͤngnůs hatte nicht alein beſchloſ - ſen ihn an einen ſolchen luſtigen ort zu fuͤhren / ſon - dern es lihs ihm auch das-jenige wider-fahren / was zur folkommenheit ſeines glůkkes erfortert ward. Dan / als er alſo auf ſeinem pfaͤhrde hihlt / und ſich ůber di kunſt der Zeuge-mutter verwunderte / ſo ſah er ein ůber-aus ſchoͤnes Frauen-bild / in weiſſer fohr-tracht / uͤm die ekke haͤr-fuͤhr blikken / welches ihm durch ſeinen praͤchtigen ſchein ein ſolches ent -ſaͤzzen162Der Adriatiſchen Roſemundſaͤzzen einjahgte / in-daͤhm er ſi gaͤnzlich fohr eine Goͤttin hihlt / daß er nicht wuſſte / ob er warten oder weichen ſolte.

Als er ſich nuhn in ſolchen zweifaͤlhaftigen ge - danken befande / ſo kahm ein kleiner knabe fohr ihr haͤhr gelauffen / welcher das pfaͤhrd von ihm zu naͤhmen begaͤhrete / und diſem beſtuͤrzten das Frau - enzimmer / welches ihm entgegen kahm / zu erkaͤn - nen gahb.

Ob ihm nuhn ſeine unhoͤhfligkeit wohl bewuſt wahr / und er ihm dannen-haͤhr leichtlich einbilden konte / mit was fuͤhr ehr-erbůtung er diſes frauen - maͤnſch anraͤden wuͤrde / ſo ging er doch nichts daͤs - zu-weniger auf ſi zu / mit dehm fůhrſazze / daß er ſi nahch ſeinem baͤſſten vermůgen begrühſſen wolte.

Aber diſes Frauen-zimmer kahm ſeiner unmaͤch - tigen zungen zu huͤlf / und gahb ihm durch ihr hold-und lihb-ſaͤliges zu-ſpraͤchchen gelaͤgenheit / eines oder das andere wort mit verzahgtem muhte haͤr-aus zu ſtohſſen / fuͤhret ihn dahr-auf in di be - hauſung / und erhihlt von ihm diſe grobheit (wi er es ſelbſten naͤnnte / als ich di ehre hatte / ſolches ſeines luſt-wandels erzaͤhlung zu-hoͤrer zu ſein) daß er ſeine herbaͤrge alda zu naͤhmen verſprahch / und ſich alſo diſes angebohtenen glükkes ſelbige nacht gebrauchte.

Folgendes morgends / als er ſich / in dehr ihm ein - gegaͤbenen wohl aus-gezihrten ſtuben / kaum ange - gekleidet hatte / ſo kahm aͤben ein alter ernſthafter und ehr-erbůtiger ſchaͤhffer (welcher den Guhts - muhts / als er ſich eins-mahls verirret hatte / wi - deruͤm zu raͤchte gewiſen) ihn zu beſuchen / und zeugt ihm ehrſtlich alle gelaͤgenheit des ortes von innen und von auſſen / nahch-mahls wolt er ihm auch etliche Maͤnſch-goͤttinnen diſes halb-goͤtlichen Wohn-plazzes ſaͤhen lahſſen.

Bru -163drittes Buhch.

Bruder (ſahgt er) ich habe dihr zwahr alles / was alhihr daͤnk-wuͤrdiges zu ſaͤhen iſt / baͤſter maſſen gezeuget / aber noch eines hab ich mihr fohr - behalten / welches ich fohr das baͤſte ſchaͤzze / und das deine glůk-ſaͤligkeit raͤcht folkommen machchen kan. Solches ſein drei Schaͤhfferinnen / oder wohl gahr halb-goͤttinnen / welche wi di Himmelinne / Luſt - und Kluginne / den Himmel; alſo diſe di aͤrde zih - ren. Wolteſtu mihr nuhn di wahrheit zu ſagen / welcher di ober-ſtaͤlle gebuͤhrete / und ihnen zu ehren / dein uhrteil nahch tichteriſcher ahrt ab zu faſſen / verſpraͤchchen; ſo ſolten ſi dihr nicht alein unverborgen ſein / ſondern ich wolte dihr auch gelaͤgenheit machchen / ihres geſpraͤches zu ge - nuͤhſſen.

Wi (ſihl ihm di Guhts-muhts in di raͤde) ſol ich nuhn Paris ſein? diſe unerſaͤzliche wohltaht und ehre / ſo du mihr anbüteſt / iſt zwahr ſehr grohs / und mihr hoͤchſt-annaͤhmlich / aber deinem begaͤh - ren gnuͤge zu tuhn / iſt mihr unmůhglich: dan / zu ſchweigen / daß derer Schoͤnen beruͤhmtes lohb nicht alein durch mich unausgebreitet verbleiben / ſondern auch vihl-mehr verkleinert wůrde / ſo hat mihr auch di Zeuge-mutter aller dinge di-jenigen gaben / welche zu ſolchem lohb ſpruche noht-waͤndig erfortert waͤrden / gaͤnzlich verſagt.

Ei! (warf der alte Schaͤhffer ein) was du nicht kanſt / das kan ein anderer; oder ſchaͤueſtu dich an - derer huͤlfe in diſem falle zu gebrauchen? wuͤltſtu li - ber diſes glůk verſchaͤrzen / als einen deiner guhten fraͤunde hihr-innen bemuͤhen / und das-jenige / was ich begaͤhre / durch ihn verruͤchten lahſſen? Mit nichten (gahb Guhts-muhts zur antwort) begaͤhr ich diſes gluͤk hinten-an zu ſaͤzzen: wohl-ahn! hihr haſt-du meine hand.

Als ſi nuhn diſes handels eins waren / ſo führet ihn der alte ſchaͤhffer aus ſeiner wohnung / und ſtaͤl -let164Der Adriatiſchen Roſemundlet ihn weit dahrvon hinter einen mit ſtarken plan - ken wohl-verwahrten zaun: Er aber machte ſich in ein haus / zu daͤſſen hinter-tuͤhr er bald dahr-nahch ein frauen-zimmer haͤr-aus gefuͤhret brachte / und ſo lange mit ihm in dem luſt-garten haͤrům wan - delte / bis er aͤndlich an den zaun des gartens / fohr welchem er den Guhts-muht gelahſſen hatte / ge - langte; da er ihn dan alſo-bald fragte / was er da machte / aber keine andere antwort bekahm / als diſe / daß er ein wenig ſeinen gedanken nahch-hinge. hihr - auf zohg er einen pfahl oder ſtaken aus dem zaune (fohr welchem inwaͤndig fuhs-eiſen gelaͤget waren / welche bezeugeten / daß ſich der haus-vater fohr fremden gaͤſten befuͤrchtete) damit er konte hin-ein kommen.

Als er nuhn diſen luſt-garten zu beſchauen ſehr begihrig wahr / und ſich wohl zu erluſtigen gedach - te / ſo kahm ihm / an bluhmen ſtat / mehr als zu vihl an diſem anwaͤſenden weibes-bilde zu betrachten führ / welches durch ſeine ůber-irdiſche ſchoͤhnheit di vihl-faͤrbige tulpen und lihbliche narziſſen weit ůber-trahf. wan er ſeinen luͤcht-gruͤhnen rok be - trachtete / ſo ward er gewahr / daß er das grahs ge - nugſam unſcheinbahr machte; warf er ſein ge - ſicht auf die ſchuͤrze / ſo befand er / daß das waſſer / ſo bei diſem garten hin-flos / nichts als eine leim - pfuͤzze dahr-gegen waͤre. wan er ſich di tauſend - faͤrbige tulpen zu loben unter-ſtund / ſo waͤhreten ihm ſolches di purpur-rohten wangen diſer Als - goͤttin: wan er ſich ůber di ſchoͤhnheit der narziſſen verwundern wolte / ſo ſtrahfften ihn oͤffendlich luͤ - gen di ſchne-weiſſe ſtirn / und blau-geaͤderte alba - ſter-haͤnde. kurz / was er fohrhaͤhr-gaͤhendes tages in jenem grohſſen luſt-garten / deſſen beſizzerin ůber diſes ort zu gebuͤten hatte / geſaͤhen / das befand er auch alles tauſend-mahl ſchoͤner an diſem faſt-goͤt - lichen leibe. Sonſten wahr ſi nicht vihl von wor -ten /165drittes Buhch.ten; aber aus den ſchoͤnen libes-blizlenden augen / welche den ſchalk ſo ahrtig zu verbaͤrgen wuſſten / konte man leichtlich ab-naͤhmen / daß zu-gleich di lihbliche Luſtinne und di ſcharf-ſuͤnnige Kluginne ihren wohn-plaz in ihr haͤtten.

Nahch-daͤhm er nuhn diſe Schoͤne wohl betrach - tet / und abſchihd von ihr genommen hatte / ſo gin - gen ſi auch nahch einem andern hauſe zu; und im gaͤhen fragte Guhtsmuhts ſeinen fraͤund / wehr di - ſes wunder-bild / das ſi izund verlahſſen haͤtten / ge - waͤſen waͤre? wohr-auf er zur antwort bekahm / daß es di fuͤhrnaͤhme ſchaͤhfferin Sünreich waͤre / di zwahr ihren ſtaͤhten aufwarter haͤtte / und doch nichts daͤs zu weniger noch fohr kurzer zeit dem Lihbhart / ſo an Schoͤhnheit den wald-maͤnnern in etwas aͤhnlich waͤre / nicht abgeneugt gewaͤſen. So hoͤhr ich wohl / ſagte Guhts-muhts / daß di drei-zankichten fuhs-eiſen nuhr ſolche fremde gaͤſte aus daͤm gehaͤge zu halten / hinter den zaun gelaͤ - get ſein?

Als er nuhn an ſeines alten ſchaͤhffers haus kom - men wahr / und di andern beiden auch ſaͤhen ſolte / ſo ging der alte ſchaͤhffer / dehm ein teil von ihren ſchahffen anvertrauet wahr / (nahch-daͤhm er wohl wuſſte / daß ſi allezeit / wan ihre ſchahffe getraͤnket wůrden / dahrbei zu ſein pflaͤgte) zu diſer ſchaͤhffer - in zu / und gahb fuͤhr / daß eines von ihren ſchahf - fen in den zuͤh-brunnen gefallen waͤre; wohr-auf ſi zimlich erzuͤrnt aus ihrem hauſe (welches gleich ge - gen dem Guhts-muhts uͤber / unter etlichen dik-be - laubten linden / mitten im waſſer / ſtunde) gelauf - fen kahm / und uͤber ihr geſinde haͤftig eiferte.

Als ſi aber befand / daß der alte ſchaͤhffer nuhr geſchaͤrzet hatte / ſo ward ſi guhtes muhtes / und ging wideruͤm / nahch-daͤhm ſi ihm daͤs waͤgen zim - liche ſtoͤhſſe gegaͤben hatte / dahr-von. Weil aber Guhts-muhts noch nicht mit ihr geraͤdet hatte / ſover -166Der Adriatiſchen Roſemundverfolgte ſi der alte ſchaͤhffer / bis in ihre behau - ſung: dehr-geſtalt / daß er ihm gelaͤgenheit machte / ihnen nahch hin-ein zu gaͤhen: da er dan von ihr ganz fraͤundlich entfangen / und in allen zimmern ihres hauſes haͤr-ům-gefuͤhret ward / alſo / daß er zeit genug hatte / ſi zu betrachten.

Er verwunderte ſich zum hoͤhchſten ůber ihre ſchoͤhnheit / dan ſchoͤner wahr ihm am ſelbigen orte noch keine fohr-kommen / und befand dahr-naͤben / daß ſi nicht alein an ſchoͤner geſtalt der Luſtinnen gleich waͤre / ſondern auch von ihren bei-maͤnnern / aͤben wi jene / tapfer muͤſte gebraucht ſein.

Als ſi nuhn auch von diſer abſchihd genommen hatten / ſo ſahgte der alte ſchaͤhffer zu ihm: diſe iſt di Leicht-träu, welche dein lihbſter fraͤund Träu - fäſt ſehr gelibet hat / aber nichts von ihr genühſſen koͤnnen. Nuhn iſt noch eine zu beſaͤhen uͤbrig (ſahgt er faͤrner) welche / wan du ſi auch ſaͤhen wůltſt / ſo muſt-du tuhn / was ich dich heiſſe.

Bruder / gahb Guhts-muhts zur antwort / tuhe nuhr was dihr belihbt / du haſt mich in einen dehr - mahſſen gluͤkſaͤligen ſtand verſaͤzt / daß ich meines leides ganz vergaͤſſen habe / und mehr nichts wuͤnd - ſche / als daß ſolche ſuͤhſſe ſtunden ewig waͤhren moͤchten. Nein (gahb der alte ſchaͤhffer zur gegen - raͤde) du ſolteſt dihr diſes nicht wuͤndſchen; weil du noch vihl eine hoͤhere glůkſaͤligkeit zu erwarten haſt.

Hihr-mit verband er ihm das geſichte / mit einem ſchwarzen flohr / welchen er ům ſeinen ſchaͤhffer - küttel gebunden hatte / und führet ihn ſo lange haͤr - uͤm / daß er nicht maͤrken konte / wohin er kaͤhme / bis er aͤndlich eine traͤppen hin-auf-geſtigen wahr / da ihm der flohr eilend ab-geriſſen / und er / gleich - ſam noch verblaͤndet / in ein ſchoͤnes mit bildern aus-gezihrtes zimmer gefůhret ward / in welchem gleich gegen der tuͤhren uͤber ein ſolches Frauen - maͤnſch ſahs / welches er anfangs fuͤhr etwas goͤt -lichs167drittes Buhch.lichs hihlt. Als er aber wider-uͤm zu ſich ſelbſt kommen wahr / ſo befand er / daß es aͤben das-jenige Frauen-zimmer waͤre / welches ihn zwe tage zufohr in ſeine behauſung gefuͤhret hatte / und bis-haͤhr von ihm nicht raͤcht wahr in acht genommen worden.

Ja wohl heiſſt das den baͤſten biſſen bis auf di laͤtſte geſpahret; (ſprahch er bei ſich ſelbſt) dan / wan er nuhr ihr braͤunlicht-gold-gemaͤngtes hahr betrachtete / ſo waren di ehrſten beiden nichts ge - gen diſes ſchoͤne Wunder zu achten: ſah er ihre ſtirne / den ſiz des Lihb-reizzes / und den reichs-ſtuhl der Lihbinnen an / ſo ward er gahr entzuͤkt: ihre au - gen / ſo ſchwarz als ſi waren / ſo ſtark ſpihlten ſi mit feuer-flammen; ihr mund wahr korallen / ihre wangen uͤber-trahffen den purpur / ihr hals wahr wi eine ſchoͤne / von dem aller-weiſſeſten marmel / auf-gefuͤhrte ſaͤule; jah von oben an / ſo weit als der neid der kleider ſi beſchauen lihs / wahr anders nichts an ihr zu ſaͤhen / dan daß di grohſſe kuͤnſt - lerin aller dinge / di algemeine Zeuge-mutter / an ihr zur meiſterin worden wahr.

Was di gebaͤhrden anbelanget / ſo wahr ſi ganz ſitſam / und mit einem ſonderlichen hohen anſaͤhen begabet / alſo / daß ſich der Guhts-muhts anfangs ſchaͤuete / ſolche hoheit an zu raͤden / zu-mahl / weil er ihr / da ſi doch di aller-folkomneſte wahr / bis an - haͤhr nicht auf-gewartet hatte. Dahaͤhr er ſi dan hohch-betruͤhbt lahſſen muſſte / und ſich ehrſtlich in ſeiner ſtuben gegen den alten Schaͤhffer baͤſter mahſſen bedankte / haͤrnahch-mahls zu tiſche be - gahb: da ihm di Wohl-art andeutete / daß ſi ſich morgendes tages wider-uͤm nahch hauſe begaͤben muͤſſten.

O wi betruͤhbt wahr der arme Guhts-muhts / wi bejammert er ſolches bei ſich ſelbſt / daß er ſei - nes nuhr an-gegangenen gluͤkkes widerum ſolte be -raubet168Der Adriatiſchen Roſemundraubet ſein. Nichts daͤs zu weniger unterlihs er nicht / alle gelaͤgenheit zu ſuchen / ſich mit diſer ſchoͤ - nen ſchaͤhfferin noch fohr ſeinem abreiſen raͤchtſchaf - fen bekant zu machchen. welches er dan auch bald und gahr fuͤhglich tuhn konte; dan nahch-daͤhm ſi ihn / ihrer gewohnheit nahch / als di tafel gehalten wahr / wideruͤm zu ſeiner ſtuben begleitete / ſo eroͤf - nete ſich di gewuͤndſchte gelaͤgenheit / da er ſi bitten konte / eine weile bei ihm zu verzuͤhen.

Diſe Schoͤne / welche ihderman gaͤrn zum fraͤun - de haben wolte / ſchluhg’s ihm auch nicht ab / dehr - geſtalt / daß ſi ſich eine guhte zeit bei ihm auf-hihlt. da er ſi dan / unter waͤhrendem geſpraͤche / wohl be - trachten konte; und ih-mehr er ſi anſahe / ih ſchoͤner und ſchoͤner ſi ihm fuͤhr-kahm.

Jhre worte waren ſo lihblich / und auf lauter ver - ſtand gegruͤndet / ſi beklahgte ſich gegen ihn mit tuͤhf-gehohlten ſeufzen / waͤgen der untraͤue ihres Lihbſten / dehr-geſtalt / daß er wohl ſahe / daß ſi - ben mit der krankheit / di ihn kwaͤhlete / behaftet wahr / und es faͤhlete nichts mehr / als daß man diſe beide kranken nicht in ein bette / dahr-innen ſi ein - ander ſelbſt / ohne zu-tuhn einiges arztes / heilen konten / zuſammen laͤgen ſolte.

Hatt er nuhn zufohr di Sünreich gelobet / hatt er di Leicht träu erhoben / ſo muſt er diſe Gahr - ſchöne (alſo hihs ſi) ganz fůhr goͤtlich halten: und diſer ſprahch er den preis zu; diſer gahb er das ei - nige lohb / welches er den fohrigen beiden nuhr aus einem blohſſen irtuhme zu-geeignet hatte; diſer verehret er nicht alein den apfaͤl der ſchoͤhnheit / ſon - dern auch das maͤrk-zeuchen der weusheit / und der hohen ernſthaftigkeit. Ja diſe hihlt er fuͤhr di ſchoͤhnſte / fuͤhr di weiſeſte / und fuͤhr di anſaͤhnlichſte.

Nahch-daͤhm er nuhn diſer fraͤuden etliche tage lang genoſſen / und das uhrteil aus-geſprochchen hatte; ſo begahb er ſich widerum mit ſeiner ehren -fraͤun -169drittes Buhch.fraͤundin der Wohl-ahrt zu pfaͤhrde / und kahmen alſo beider-ſeits wohl-vergnuͤget nahch hauſe.

Als nuhn diſer luſt-wal erzaͤhlet wahr / und der Markhold das ſeinige auch noch nicht dahr-zu ge - gaͤben hatte / ſo huhb der erzaͤhler diſer begaͤhbnuͤs wideruͤm an / und baht ihn / daß er doch nuhn auch etwas auf di bahne bringen / und der geſelſchaft di verdroſſenheit / di er ihr durch ſeinen lang-wei - ligen luſt-wal veruhrſachchet haͤtte / benaͤhmen wolte; damit ihre gemuͤhter zu einer naͤuen luſt und ergaͤzligkeit erwaͤkket wuͤrden.

Markhold befand ſich ſtraks wüllig dahrzu / und frahgt ihn; was und von welcherlei haͤndeln er wohl am lihbſten hoͤren wolte? Sein landes - fraͤund gahb ihm zur antwort / daß er erzaͤhlen moͤchte / was ihm am baͤſten gefihle / und was er nahch ſeinem guht-důnken der geſelſchaft am luſtig - ſten zu ſein erachtete. Jh-doch (fuhr er fort) wan es meinem Hern beliben wolte / di wund erliche Libe des Wildfangs und der Boͤhmiſchen Graͤfin / weil er ſi / als derſelben veruhrſachcher / am baͤſten weus / ůmſtaͤndlich zu erzaͤhlen / ſo wuͤrd er gewuͤs der ganzen geſelſchaft ein grohſſes gefallen erweiſen.

Der Marthold waͤgerte ſich daͤſſen eine guhte zeit / und baht / man moͤcht ihn doch nuhr damit verſchohnen / weil ihm auch nuhr das andaͤnken ſolcher haͤndel ganz zu wider waͤre: und wan er der geſelſchaft (ſahgt er) ſonſt in einem oder daͤm an - dern wuͤlfahren koͤnte / ſo wolt er es nicht aus - ſchlagen. Als ſi aber ſaͤmtlich dahr-uͤm aͤnhihlten / und nicht von ihm ablahſſen wolten / ſo fing er aͤnd - lich folgender geſtalt an:

HDi170Der Adriatiſchen Roſemund

Di Begaͤbnuͤs Der Boͤhmiſchen Graͤfin und des Wild-fangs.

WEil ich dan nuhn wider meinen wüllen ſolche poſſen / di ich noch in meinen juͤngern jahren angeſtiftet habe / erzaͤhlen ſol / und ſelbige ihrer wun - derlichen verwůrrung waͤgen / nahch der ruͤchtigen ordnung kaum waͤrde widerholen koͤnnen; ſo bitt ich ſi ingeſamt / daß ſi meine faͤhler / welche dan vihl - faͤltig mit unter-lauffen waͤrden / nicht ſo gahr hart beſtrahffen wollen / und nuhr ein gnaͤdiges uhrteil dahr-ůber faͤllen. Dan ſonſten / wo ich daͤſſen nicht ſchohn etwas zufohr durch mein guhtes vertrauen / das ich zu ihnen trage / verſichchert waͤre / ſo wuͤrd ich gewůslich keines waͤges auf di beine zu bringen ſein.

Meine Herren waͤrden ohne zweifaͤl di mit-un - terbegriffene maͤnſchen-bilder nicht alle kaͤnnen / und vihl-leicht zufohr uͤm mehrer verſtaͤndnuͤs wuͤl - len / derſelben ſtand und verrůchtung zu wuͤſſen be - gaͤhren: Druͤm ſollen ſi anfangs beruͤchtet ſein / daß ſich Wildfang / ein Dribs-truͤlliſcher Freiher / in Jſabellen-burg ſchohn etliche jahr auf-gehalten hatte / als diſes traͤfliche Fraͤulein / davon man ſo vihl geſahgt hat / und ſtraks nahch ihm der Lihb - waͤhrt / ein Fraͤnkiſcher von Adel / daſelbſten an - kahm. Jch fohr meinen ſelb-ſtand / wahr auch ſchohn etliche zeit da gewaͤſen / und mit dem Wild-fang / (welcher diſen namen wohl mit der taht hatte) bei daͤm bal-ſpilen bekant worden.

Diſer ehrliche vogel Wild-fang ris mihr eins - mahls einen ſolchen poſſen / welcher mihr ſo haͤftig zu haͤrzen ging / daß ich lange zeit gelaͤgenheit ſuhch - te / mich an jhm zu raͤchchen, wo ich nuhr wuſſte /daß171drittes Buhch.daß er ſein ſolte / da verſühgt ich mich auch hin / und gahb achtung auf ſein ganzes tuhn. Jch ging ihm des abaͤnds von faͤrne nahch / zu ſaͤhen / in was führ haͤuſer er gaͤhen wuͤrde: da ward ich aͤndlich ge - wahr / daß er zu diſer Boͤhmiſchen Graͤfin / welche da-mahls noch ſehr jung / und ein uͤber-aus belihbt - und ſchoͤnes Fraͤulein wahr / oft-mahls einkaͤhrete.

Weil ich nuhn im ſelbigen hauſe / da ſi zur tafel ging / mit dem ſohne gleich kundſchaft gemacht hat - te; ſo erfuhr ich von ihm / daß di Graͤfin ſehr vihl von dem Wild-fang hihlte / und ſeinen ſelb-ſtand uͤber-aus lihbte. Hihr-auf beſuhcht ich diſen naͤuen Fraͤund oft-mahls / wan es aͤſſens-zeit wahr / damit er mich mit zur tahffel naͤhmen moͤchte: dan ich hat - te was ſonderlichs damit fohr / welches ſi bald er - fahren ſollen.

Meine gedanken ſchlugen auch nihmahls faͤhl / und ich ward alle-zeit / ſo oft ich nuhr zu ihm kahm / zur taͤhffel behalten. Jch lihs mich daͤſſen / was ich im ſuͤnn hatte / ganz nichts maͤrken / und bemuͤhete mich nuhr ůber waͤhrender tahffel (da ich dan alle - zeit bei der Graͤfin zu ſizzen kahm) mit hoͤhchſtem fleis / daß ich durch ſtaͤhtiges und frei-wuͤlliges auf - warten ihre gunſt und gnaͤdigen wůllen erlangen moͤchte.

Jch hihlt mich anfangs ſo ein-gezogen in raͤden und gebaͤhrden / und nahm alle wort / di ich raͤdete / ſo g’nau in acht / daß ich dadurch ſchohn etwas gunſt zu erlangen begunte. Nahch-mahls ward ich ſchohn kuͤhner / und fing an mit aller-hand hoͤhflichen prunk-raͤden zu ſchaͤrzen; aber ich nahm mich nichts daͤs zu weniger ſo in acht / daß ich di Graͤfin nuhr alle-zeit zur Fraͤundin behalten moͤchte. Laͤtslich kahm ich auch mit den gebaͤhrden dahr-zu / und belaͤhbte gleichſam dadurch meine worte; ich be - gegnet ihr alle-zeit mit ſolcher demuͤhtigkeit / und doch zu-gleich auch mit ſolchen libes-reizeriſchenH 2blik -172Der Adriatiſchen Roſemundblikken / daß ſi gezwungen ward / ſelbige nicht alein an zu naͤhmen / ſondern auch mit zweifachcher dank - bahrkeit zu erwidern. Si baht mich / daß ich ihr doch bis-weilen di ehre beweiſen / und auf ihrem zimmer zu-ſpraͤchchen moͤchte. wohr-auf ich mich alſo-bald mit der aller-erſuͤnlichſten hoͤhfligkeit be - dankte / und ſolcher hohen ehre vihl zu unwuͤrdig ſchaͤzte / mit fuͤhrwaͤndung / daß ich ſolch-einem hohch-verſtaͤndigem und hoͤhflichen Fraͤulein / mit meiner grobheit und unhoͤhflichen raͤden nuhr ver - druͤhslich fallen wůrde.

Nahch-daͤhm ich mich nuhn etliche mahl hatte noͤhtigen lahſſen / ſo kahm ich aͤndlich auf eine zeit / da ſich der tahg gleich zu kühlen begunte / zu Jhr / meine ſchuldigkeit ab zu laͤgen. Si entfing mich / nahch ihrem gebrauch / ůber-aus hoͤhflich / und fuͤh - rete mich auf einen grohſſen ſahl / naͤben ihr zim̄er / da wihr uns eine zeit-lang in dem aus-laden nider - lihſſen / und in den an-ſtohſſenden garten hinun - ter-ſahen.

Als wihr nuhn eine guhte weile von einem und daͤm andern geraͤdet hatten / ſo kahm ſi aͤndlich auf di deutſche Ticht - und reim-kunſt / dahr-innen ſi auch zimlicher mahſſen erfahren wahr / und ein guhtes lihdlein nahch der hand hin-ſchribe.

Jch ſtaͤllte mich nuhn ehrſtlich (uͤm bewuſſter uhrſachchen wuͤllen) als wan ich nicht vihl dahr - von verſtuͤnde / und gahb ihr auf alle fragen mit ſonderlicher beſcheidenheit zur antwort / daß es mihr das gluͤk al-zeit verſagt haͤtte / mich in ſolcher goͤt - lichen kunſt zu uͤben / dehr-geſtalt / daß ich ihr gleich - wohl / ob ich mich ſchohn als ein unwuͤſſender ſtaͤllte / ein hohes lohb zu-ſchribe / und diſelben alein fohr raͤcht-gluͤkſaͤhlig ſchaͤzte / di dahr-innen erfahren waͤren.

Nahch diſer ehrſten zuſam̄en-ſprache wartet ich diſem belihbten Fraͤulein vihl-mahls auf / und hat -te173drittes Buhch.te meine ſonderliche luſt an ihren kluhg-ſůnnigen raͤden. Nichts mehr aber nahm mich wunder / als daß ſi den Wildfang ſo hohch und waͤhrt hihlt / da er doch ein raͤchter grober und ungeſchliffener maͤnſch wahr. Er pflaͤhgt ihr allezeit gegen abaͤnd auf zu warten / und ich nahm ſelbige ſtunden ſo g’nau in acht / damit er jah nicht maͤrken moͤchte / daß ich mit daͤm Fraͤulein auch kundſchaft pflaͤhgte.

Als ich ſi nuhn zum vihrten mahle beſuhcht hat - te / und gleich von ihr haͤr-unter nahch der ſtrahſ - ſen zu ging / ſo kahm mihr der Lihb-waͤhrt (welcher ſich ům meine fraͤundſchaft ſo ſehr beworben hatte / daß er ſchohn mein vertrauter worden wahr) fohr daͤm tohr entgegen / und frahgte mich / was ich bei der Boͤhmiſchen Graͤſin gemacht haͤtte? dan er ſa - he wohl / daß ſi mich bis an das haus begleitete.

Mein Her / (gahb ich ihm gleich ſchaͤrz-weiſe zur antwort) ſi hat mich zu rahte gezogen / wi ſi doch einen getraͤuen Lihb-haber erkaͤnnen und fuͤnden moͤchte? So ſuhcht ſi einen getraͤuen Lihb-haber / fing der Lihh-waͤhrt hihr-auf an? Jah freilich / gahb ich ihm zur antwort; dan es hat ſich einer bet Jhr an-gegaͤben / dehr Jhr / nahch meinem bedun - ten / nicht aller-duͤngen getraͤu ſein wuͤrd.

Ei! mein lihbſter bruder / fing er wideruͤm an / wan er noch einmahl dahr-uͤm beraht-fraget wuͤrd / oder es ſonſt di gelaͤgenheit gihbt / ſo ſei er doch ſei - nes diners ein-gedaͤnk / und verſichchere Si / daß Si an mihr den aller-traͤueſten Lihb-haber auf der ganzen waͤlt haben wůrd.

Weil ich nuhn nicht gedachte / daß es ſein laute - rer ernſt waͤre / ſo fuhr ich noch immer mehr und mehr zu ſchaͤrzen fort / und bracht ihm aller-hand kurz weilige poſſen auf di bahne. Nein / mein Her (fihl er mihr in di raͤde) es iſt mein ſchaͤrz keines - waͤges / was ich ſage; dan ich habe mich in wahr - heit ſo haͤftig in das graͤhfliche Fraͤulein verlihbt /H 3daß174Der Adriatiſchen Roſemunddaß ich nicht weus / was ich tuhn / wi ich meine Libe bluͤſchen / oder wi ich Jhr ſelbige annaͤhmlich mach - chen ſol. Er kan mihr wahrlich (fuhr er fort) kei - nen groͤſſeren gefallen tuhn / als wan er meiner nuhr in allem guhten bei Jhr gedaͤnken / und ihre gunſt gegen mich erwaͤkken würd.

Ei mein über bruder! (ſahgt ich) kan es wohl muͤhglich ſein / daß du verlihbt biſt / und ich ſolt es nicht eher gemaͤrket haben / als izund / da du es ſelbſt bekaͤnneſt? darf ich ſolches wohl glaͤuben / daß di Graͤfin einen ſtachchel ihrer lihes-reizeriſchen pfei - le / welche ſo laͤhbhaft aus ihren augen haͤr-aus - ſchuͤhſſen / in dein haͤrz ein-geſaͤnket habe? Ach! es iſt wohl mehr als alzu wahr und alzu glaͤublich / gahb er zur antwort / dan ich hab es wohl entfun - den / ob ichs ſchohn bis-haͤhr lange verſchwigen ge - halten habe. Jch hab es zwahr fohr ihderman ver - hoͤhlet / aber nuhn-mehr iſt es zeit / daß ichs Dihr / als meinem vertraueſten Fraͤunde / jah einem ſol - chen fraͤunde / dehr mihr dahrinnen raͤht und taͤht - lich bei-ſpruͤngen kan / offenbahre!

Als er mich nuhn daͤſſen gewůs verſichchert hatte / ſo wahr ich ſchohn froh / un̄ gedachte bei mihr ſelbſt / daß ich hihrdurch eine gewündſchte gelaͤgenheit an - traͤffen koͤnte / meinem widerſachcher / dem Wild - fange / zu ſchaden / und ihm di Graͤfin zur feindin zu machchen. wohl! ſahgt ich zu ihm / wan mein bruder meinem rahte folgen wuͤl / und alles tuhn / was ich ihn heiſſe / ſo verhoff ich noch wohl etwas zu waͤge zu bringen. Fohr allen dingen halte dich nuhr ganz eingezogen / und lahs dich gegen nihmand / auch ge - gen das Fraͤulein ſelbſt / nichts maͤrken / daß du einige libe zu Jhr trageſt / bis ich deine ſachchen durch einen und den andern lohb-ſpruch / welches ich dan ſchohn waͤrde zu machchen wůſſen / bei ihr in einen guhten wohlſtand gebracht habe. Haͤrnahch / weil ſi eine grohſſe lihbhaberin der Tichterei iſt / und ſi ſelbſtenſehr175drittes Buhch.ſehr wohl verſtaͤhet / ſo muſt-du dich dahr-innen auch uͤben / wozu ich dihr ſchohn verhaͤlfen wuͤl; un̄ ſi mit der zeit / di ich dihr ſchohn benamen waͤrde / mit einem raͤhtſel-lihdlein / dahrin̄en du ihr deine libe verdaͤkter weiſe kanſt zu verſtaͤhen gaͤben / verehren.

Faͤrner / ſo iſt es auch rahtſam / und der baͤſte hohf-grif / daß du mit dem Wildfange / welcher ſich ſchohn in ihre fraͤundſchaft zimlicher mahſſen ein - gedrungen hat / dem aͤuſſerlichen ſcheine nahch / di aller-vertraulichſte fraͤundſchaft pflaͤgeſt; ihn (wi ich dan auch tuhn wuͤl) ſo es nuhr muͤhglich ſein kan / alle abaͤnde beſucheſt / und alſo abhalteſt / daß er Jhr nicht ſo oft auf-warten koͤnne; dan uͤm diſelbige zeit pflaͤgt er di Graͤfin gemeiniglich zu beſuchen: Du muſt aber auch wohl zu-ſaͤhen / daß du dich deiner li - be ganz nicht maͤrken lahſſeſt / und der Graͤfin / wan du mit ihm raͤdeſt / nicht einmahl gedaͤnkeſt: dan ein lihbhaber iſt al-zu-gnau-maͤrkend / und pflaͤgt ſeinen heimlichen mit-buler gahr zu leichtlich in verdacht zu zuͤhē / wan er nur etwas verdaͤchtiges an ihm ſpuͤret.

Aendlich ſo muſt du auch uͤm diſelbige zeit (di ich dihr wohl zu wuͤſſen fuͤgen wuͤl) wan ich ihr auf - warten / und mit Jhr in dem aus-laden nahch der ſtrahffen zu ſtaͤhen waͤrde / fohr ihrem hauſe fohr - bei-gaͤhen / und ſi mit grohſſer ehr-erbůtung grühſ - ſen: dan auf ſolche weiſe bekom̄ ich uhrſachche von dihr zu raͤden / und dein lohb haͤr-aus zu ſtreichen.

Der Lihb-waͤhrt verſichcherte mich alſo-bald / daß er alles tuhn wolte / was ich ihn hihſſe; und ich ver - fuͤhgte mich ſtraks des andern tages wider zum Fraͤulein / und brachte ſi unvermaͤrkt dahin / daß ſi von dem Wildfang zu raͤden anhuhb. wan ſi nuhn ſeine froͤmmigkeit / di ich billiger eine toͤlpiſche ein - falt naͤnnen koͤnte / lobete; ſo billigt ich ſolches / und erhuhb auch noch uͤber-das ſeine offen-haͤrzigkeit / und unbemaͤnteltes gemuͤhte. dan ein waͤlt-ſaͤliger maͤnſch mus dahin bedacht ſein / daß er ſeinenfeind176Der Adriatiſchen Roſemundfeind / wan er ihn bei ſeiner goͤnnerin / di ihn ehret und libet / veraͤchtlich machchen wuͤl / nicht ſo ge - ſchwuͤnde mis-preiſe / nicht ſo ſtraks im anfange verachte / ſondern ſein lohb noch etlicher mahſſen haͤr-aus ſtreiche / damit er ihn nahch-mahls gemach und gemach / nuhr aus ertichteter erzaͤhlung ande - rer leute / und ohne verdacht / bei ihr verhaſſt mach - chen koͤnne.

Jch nahm alſo diſen waͤlt-grif wohl in acht / und lohbt ihn den ehrſten tahg nuhr dahr-üm / daß ſi nicht maͤrken ſolte / daß ich ihm gehaͤſſig waͤre / oder ihn bei Jhr verhaſſt machchen wolte / und ich auf den andern tahg ſein lohb daͤs zu fuͤhglicher aus ei - nem ertichteten nahch-ruhffe (dehn ich Jhr / gleich - ſam als wan ich ihn nicht billigte / an zu hoͤren gaͤ - ben wolte) al-gemach benebeln / und in ihrem haͤr - zen verdunkeln moͤchte. Es ging mihr auch alles ſehr wohl an / und in-daͤhm ich ihn etliche mahl / wan ſi von ihm zu raͤden kahm / mit anderer leute munde verachtet / und mit dem meinigen widerům zu-gleich und zum ſcheine gelobet hatte / ſo begahb es ſich laͤtslich / daß Wildfang ſeinen glauben bei ihr al-gemach zu verlůhren begunte / und nicht mehr ſo angenaͤhm wahr / als fohr-hin.

So bald ich nuhn ſolches gewahr ward / ſo fing ich an den Lihb-waͤhrt / wan er / meinem eingaͤben nahch / fohr unſerem tage-lenchter fohr-ůber ging / zu loben / und verſichcherte ſi / wi er ſo ein traͤu - und aufruͤchtiges gemuͤht haͤtte. Jch bracht auch zu waͤge / daß er eines mahles von einem guhten fraͤun - de / mit an der Graͤfin tafel gefůhret ward / damit er zu ihr / als einer ſolchen / di ihm ſchohn aus mei - nem lobe ſehr guͤnſtig wahr / kundſchaft bekommen moͤchte. Diſes ſchluhg uns auch in wahrheit nicht faͤhl; dan er hatte ſich ſtraks das ehrſte mahl bei ihr ſo belihbt gemacht (in-daͤhm er naͤhmlich ein uͤber-aus-hoͤhflicher und luſtiger maͤnſch wahr) daßſi ihn177drittes Buhch.ſi ihn bitlich vermochte / daß er ſi / wan es ſeine gelaͤgenheit gaͤbe / beſuchen wolte.

Lihbwaͤhrt wahr hihr-uͤber ſo erfraͤuet / kahm ſtraks zu mihr / und erzaͤhlete ſein an-gebotenes gluͤkke; da ich ihm ſtraks dehn raht gahb / daß er ihr nuhr den andern tahg nahch daͤm mittahgs mahl auf-warten ſolte / und ſich jah nicht bis auf den abaͤnd / da der Wildfang ankommen wuͤrde / ver - weilen. Das ehrſte mahl ſolt er es nuhr kurz machchen / und ſaͤhen / daß er gelaͤgenheit bekaͤme / von der Deutſchen tichterei mit ihr zu raͤden; dan ich wuſſte wohl / daß ſi ihn ſtraks / ſo-bald ſi nuhr vernommen haͤtte / daß er etwas dahr-innen tuhn koͤnte / uͤm ein lihdlein anlangen wůrde; wan ſi dan nuhn ſolches taͤhte / ſo wolt er ihm ſchohn eines oder das andere machchen haͤlfen / daß er ihr ſolches auf den andern tahg uͤber-reichen koͤnte.

Der Lihbwaͤhrt taͤht alles / was ich ihn hihs / und ich kahm in drei oder vihr tagen nicht wider zum Fraͤulein / damit er ſeinen ſachchen einen daͤs zu baͤſ - ſern grund laͤgen koͤnte. Mitler-zeit bekahm er ihre gunſt ganz und gahr / daß ſi auch ſtraks / als ich Si widerum beſuhchte / von ihm zu raͤden anfing / und mihr das verdaͤkte raͤhtſel-lihdlein / welches ſi ſo haͤr-aus-ſtrich / ſaͤhen lihs.

Jch ſtaͤllte mich ganz fremde / als wan ich nichts dahr-von wuͤſſte / und lahs das lihdlein auch mit grohſſer verwunderung / da ichs doch ſelbſt gemacht hatte / etliche mahl durch. Da bekahm ich ehrſt raͤchten anlahs meinen fraͤund zu loben / und ſei - nen ahrtigen kopf zu preiſen. Si frahgte mich / ob ich wohl ſolche dunkele raͤden / di er dahr-innen ge - brauchte / verſtuͤnde? ob ich wohl dehr-gleichen mehr geſaͤhen haͤtte? Jch habe zwahr dehr-gleichen wohl geſaͤhen (gahb ich zur antwort) aber ſi ſein ſo ahrtig nicht gewaͤſen / als diſes iſt; di deutung ſolt ich auch ſchihr errahten koͤnnen / und wan esH 5mein178Der Adriatiſchen Roſemundmein gnaͤdiges Fraͤulein im baͤſſten vermaͤrken wolte / ſo koͤnt ich Jhm noch wohl den wahren ſuͤn (wi mich deuchtet) gnugſam eroͤfnen.

Als ſi nuhn begihrig wahr zu wuͤſſen / wohin ſo vihl in-einander verwuͤkkelte und verborgene gleichnuͤſſe zihleten; ſo gahb ich ihr meine meinung ein klein wenig zu verſtaͤhen / und laͤgte gleichſam raͤhtſel mit raͤhtſeln aus; doch alſo / daß es ihr das haͤrz wohl ſahgte / und ihr angeſichte fohr ſchahm erroͤhten machte.

Der Lihb-waͤhrt wahr alſo der gluͤkſaͤhligſte maͤnſch / dehr auf der waͤlt laͤben mahg / und ward nuhn-mehr ſeinem mit-buhler weit fohr-gezogen. Aber weil ihm noch unbewuſt wahr / wi man ſich der guͤhtigkeit und gunſt-bezeugung eines Frauen - zimmers raͤcht gebrauchen ſolte / ſo haͤtt er ſein gluͤk bei einem hahre verſchaͤrzt / wo ichs nicht widerům in den raͤchten ſchwang gebracht haͤtte. Dan di li - bes-bolzen / wan man alzu-haſtig dahr-mit uͤmgaͤ - hen wuͤl / haben den gebrauch an ſich / daß ſi gemei - niglich aus-gleiten / oder naͤben daͤm zile hin-gaͤhen. Der gute Lihb-waͤhrt vermeinte / daß er nuhn der Graͤfin haͤrz ganz und gahr an ſich gebracht haͤtte / weil ſi ihm ſchohn ſo vihl zu guht hihlt / und wolte ſich noch alzu zeitlich unterſtaͤhen / ihr einen kus ab zu ſtaͤhlen. Aber es ward ihm diſer biſſen wohl gnug verſalzen / und er muſſte mit ſchaden kluhg waͤrden.

Di Graͤfin ward (oder ſtaͤllte ſich nuhr) erzür - net / und geboht ihm / daß er ſich pakken / und nim - mer-mehr wider fohr ihre augen kom̄en ſolte. was bildet er ihm wohl ein / (ſahgte ſi) vermeinet er / daß ich ihm dahrům ſo vihl freiheit gegaͤben habe / daß er ſich eines ſolchen fraͤfaͤls unterfangen ſol? o nein! ich begaͤhre ſolcher kundſchaft gahr nicht! Da hat er ſein lthd / ſahgte ſi / und warf es ihm fohr di fůhſſe: es ſol mihr nuhn wohl eine wuͤzzigung ſein / und ich wuͤl meine gunſt hinfuͤhr baͤſſer zu rahte halten.

Als179drittes Buhch.

Als der Lihb-waͤhrt ſolches hoͤrete / ſo erſchrak er ſo ſehr / daß er eine guhte zeit raͤde-lohs fohr ihr ſtund. Si hihs ihn noch einmahl gaͤhen / und raͤdet ihm ſo lange zu / bis er ſich aͤndlich wider ermundterte / und ſi uͤm gnaͤdige verzeuhung baht; Aber weil ſi ſich ganz von ihm waͤg-waͤndete / und ihn durch-aus nicht hoͤren wolte / ſo ward er gezwungen ſeinen abſchihd mit hoͤchſter unvergnuͤgligkeit zu naͤhmen.

Er kahm alſo bald zu mihr / und klahgte ſein un - gluͤk / erzaͤhlte mihr den ganzen handel / und baht mich / daß ich ihn wideruͤm verſůhnen moͤchte. Jch ſahgt ihm ſolches zu / ſo faͤrn es nuhr immer muͤhg - lich ſein koͤnte / und beſuhchte di Graͤfin ſtraks des andern tages haͤrnahch.

So-bald ich nuhn zu ihr hin-ein-kahm / ſo ent - faͤrbte ſi ſich uͤber alle mahſſen / und wahr raͤcht klein - laut; aber ich lihs mich im geringſten nichts maͤr - ken / daß ich etwas von ihrer zwei-ſpalt wůſſte. Jch ſtaͤllte mich ganz fremde / und ging aͤndlich mit ihr an den aus-laden nahch der ſtrahſſen zu / da der Lihb - waͤhrt / auf mein anordnen / ſolte fehr-bei-gaͤhen. Jch raͤdete von aller-hand luſtigen ſachchen / und er - zaͤhlete mancherlei begaͤbnuͤſſe; aber weder des Lihb - waͤhrts / noch des Wildfangs / gedacht ich mit keinē worte. Jch kahm aͤndlich von der unterſchihdlichen eigenſchaft der Libe zu raͤden; ich gahb ihr zu verſtaͤ - hen / daß eines maͤnſchen libehaſt - un̄ haͤftiger waͤre / als des andern / und aͤben in diſem geſpraͤche kahm der Lihb-waͤhrt fohr-bei-gegangen / und gruͤhſſete di Graͤfin / ſeinem gebrauche nahch / mit tuͤhffer ehr-er - buͤtigkeit. Als ſi ſich nuhn wideruͤm ſehr hoͤhflich ge - neuget hatte / ſo fing ſi an un̄ ſagte: was mahg wohl Lihbwaͤhrt for eine Libe haben; ob ſi auch ſo haͤftig oder langſam iſt? Mein gnaͤdiges Fraͤulein wuͤrd ſolches ohne zweifaͤl (gahb ich zur antwort) als ein Frauen-zimmer / baͤſſer wuͤſſen / dan ich; und weil ich ihn nihmahls bei Frauen folke geſaͤhen / vihl weniger ſelbſt bewaͤhret habe / wi ſo ich von ſeinerH 6libe180Der Adriatiſchen Roſemundlibe uhrteilen koͤnnen? hihr-auf erroͤhtete ſich di Graͤfin / und ſahgte / warům ſol er ſolches nicht ſo wohl wüſſen als ich? weil ich mich (gahb-ich wider zur antwort) uͤm meines gleichen nicht bekuͤm̄ere / und nihmand mehr in acht naͤhme / als das Frau - en zimmer; ſo / vermein ich / waͤrde Si auch tuhn. Aber (fuhr-ich fort) wan ſi ſich etwa durch meine kuͤhnheit verlaͤtſet befuͤndet / ſo bitt ich uͤm gnaͤdi - ge verzeuhung; dan es mus entweder aus unwuͤl - len oder ſchuldig-wuͤſſen geſchaͤhen / daß ſi ſich uͤber meinen worten ſo ſehr erroͤhtet.

Mein Her beſchuldiget mich zweier dinge / gahb ſi zur antwort / und ward noch roͤhter) dahrvon ich ganz im geringſtē nichts weus; aber ich halte / Lihb - waͤhrt wuͤrd ihm ſeinē faͤhler vihlleicht ſchon bekant haben. Was fůhr einen faͤhler (ſing ich hihr-auf an / und ſtaͤllte mich / als wan ich nichts dahr-uͤm wuͤſſte? Ach ſaͤhet! ſahgte ſi / wi fremde ſtaͤllet er ſich doch / als wan es ihm alles boͤhmiſche doͤrfer waͤren!

Als ich nuhn ganz nichts wuͤſſen wolte / ſo er - zaͤhlte ſi mihr aͤndlich den handel / aber mit ſolchen klaͤhglichen gebaͤhrden / daß ich leichtlich maͤrken konte / daß es ihr ſehr leid waͤre / und daß ſi ſein un - gluͤk / welches ſi ihm veruhrſachchet hatte / betauerte; dehr-geſtalt / daß ich ſi gahr mit geringer můhe wi - deruͤm zu raͤchte bringen konte. Alſo ward Lihb - waͤhrt nicht alein wider-uͤm verſuͤhnet / ſondern auch ům ſo vihl daͤs-zu mehr gelibet; der Wildfang muſſte haͤr-gegen den plaz raͤumen / und hatte ſeine gunſt und gnade bei der Graͤfin ganz verlohren.

Di zeit wahr dem Lihb-waͤhrt unter-daͤſſen ſehr lang worden / und er hatte faſt alle augen-blikke gezaͤhlet. Jhm wahr nicht anders zu muhte gewaͤ - ſen / als daß er ſeine gunſt gahr muͤſte verlohren ha - ben / und daß ich ihn vihl-leicht nicht verſuͤhnen koͤn - te / weil ich ſo lang auſſen blibe; dehr-geſtalt / daß ich ihn in meinē tage-leuchter / als ich wider nahch hauſekahm /181drittes Buhch.kahm / in grohſſer ſchwaͤhr-muͤhtigkeit ligen fand. Er frahgte mich alſo-bald; ob nuhn das aͤnd-uhr - teil ſeines todes gefaͤllet waͤre? ich aber fing hihr - uͤber an zu lachchen / und ſahgte; ob er dan daͤshal - ben aͤben ſtaͤrben müſte? und ob dan kein Frauen - zimmer mehr in der waͤlt waͤre / als di einige Graͤh - fin? nein / gahb er zur antwort / fohr mich iſt keine mehr; druͤm wan ſi mihr nicht gnad erzeuget / ſo mus ich ſtaͤrben; und der tohd wuͤrd mihr uͤm ſo vihl daͤs zu unertraͤhglicher ſein / weil ich in ungna - den von ihr ſcheiden ſol.

Er ſei zu friden (fihl ich ihm in di raͤde) ſeine ſachchen ſtaͤhen izund tauſend-mahl baͤſſer als fohr - hin: dan ich hab es der Graͤfin ab-gemaͤrket / daß ſi ihr geſchwundes verfahren ſehr beraͤuet. Er mahg nuhn kuͤhnlich wider zu ihr gaͤhen / und da - mit ihr anſaͤhen und ehre daͤs zu mehr beobachtet waͤrde / ſo kan er Jhr zu-for durch ſeinen knaben an - dinen lahſſen / daß ſi ihm vergoͤnnen wolle / Jhr auf ein vihrteil-ſtuͤndlein auf zu warten. Wan er nuhn (fuhr ich fort) zu ihr koͤmt / und ſi ſich wider verhoffen noch was fremde gegen ihn ſtaͤllen wůr - de / ſo darf er ſich nicht entzůhen / Jhr einen fuhs-fal zu tuhn / und ſi mit fohr-abgefaſſten bewaͤhglichen und haͤrz-druͤngenden worten gleichſam mit ge - walt zur verzeuhung zu zuͤhen: dan ſi iſt ein hohes Fraͤulein / und ſolches traͤflichen ſtandes / daß er daͤſ - ſen keine ſchande haben wuͤrd.

Als nuhn der Lihbwaͤhrt des andern tages diſe verguͤnſtigung von der Graͤfin erlanget hatte / ſo ging er zu ihr / ſeinen faͤhler baͤſſter mahſſen zu ent - ſchuldigen. Si entfaͤrbete ſich zwahr anfangs / als er hinein traht / und ging ihm halb-erſchrokken ent - gegen / aber ihre raͤden / damit ſi ihn entfing / waren ihm / ſeinem bedünken nahch / zimlich hart; dehr-ge - ſtalt / daß er alſo-bald fohr ihr nider-fihl / und ſi mit ſolchen bewaͤhglichen worten anfloͤhete / daßH 7ihr182Der Adriatiſchen Roſemundihr fohr mit-leiden di traͤhnen haͤrab-luͤhffen.

Mein lihbſter Lihb-waͤhrt (ſagte ſi zu ihm) wahr - uͤm bittet er doch di-jenige uͤm verzeuhung / di ſich an ihm verbrochchen hat? wahr-uͤm wuͤl er meine ſchuld auf ſich laden / und di verbraͤchcherin uͤm ver - gaͤbnuͤs anfloͤhen? Jch alein habe mich verbroch - chen / und ich alein wül auch mich ſelbſt ihm / zur ſtrahffe / ganz und gahr zu eigen gaͤben; ich wuͤl mich zu ſeiner Leib-eignen machchen / und waͤrde / wi ich nicht zweifaͤle / uͤm ſo vihl daͤs zu eher ſeiner ver - zeuhung teilhaftig ſein.

Hihr-mit nahm ſi ihn bei der hand / und ruͤchtet ihn auf: er aber wuſte fohr fraͤuden nicht was er ſa - gen ſolte / und war faſt ganz aus ihm ſelbſt. Si ſtun - den beider-ſeits eine guhte zeit / und ſahen einander ganz raͤde-lohs an. Di Graͤfin boht ihn aͤndlich di hand / und verſichchert ihn / daß er ſich hinfůhr keiner ſolchen verfahrung mehr ſolte zu verſaͤhen haben. Si verſprahch ihm ihre libe / und er verſichcherte ſi wideruͤm der ſeinigen: dehrgeſtalt / daß ſi ſich in di - ſem zeitblikke ſo faͤſte verknuͤpften / daß ſi in ewigkeit nicht von einander lahſſen wolten. Diſe grohſſe ver - aͤnderung / und diſes traͤfliche glůk / veruhrſachte dehr einige des Lihb-waͤhrts fuhs-fal / und brachte mehr zu waͤge / als tauſend andere libes-bezeugun - gen.

Mitler-zeit nuhn / daß der Wildfang fohr di Graͤ - fin ganz nicht mehr konte gelahſſen waͤrden / und ſeine gunſt bei ihr ganz verlohren hatte / ſo wahr er in ſolcher ſeiner unſuͤnnigen leidenſchaft ſo wunder - lich / daß er fohr angſt und weh-leiden nicht wuſte / was er beguͤnnen ſolte. bald wolt er ſich erſaͤuffen / bald erhaͤnken / bald wolt er in dem krige ſein laͤ - ben einbuͤhſſen. Ja er ſtaͤllte ſich ſo naͤrriſch an / daß ihn aͤndlich ihderman fuͤhr einen hirn-bloͤden hihlt.

Als nuhn diſe tol-ſünnigkeit ein wenig fohr-belwahr /183drittes Buhch.wahr / und er in ſolcher ſeiner ungluͤklichen libes - haft vihl-mahls auf das feld luſt-wandeln ging / ſo begahb es ſich eines mahls / daß er an eine bach geriht / und eine junge bauer-mahgd baden ſahe.

Der Wild-fang ſaͤzte ſich von faͤrn unter das geſtraͤuche / und hatte di ganze zeit uͤber ſeine ſuͤn - nen und augen auf diſe fohr-gebildete Schoͤne ge - waͤndet. Als ſi nuhn wider-uͤm waͤg-gaͤhen wol - te / ſo kahm er zu ihr / und baht / ſi moͤchte ſich doch ein wenig mit ihm in das grůhne nider-ſaͤzzen / damit er eine zeit lang mit ihr ſchwazzen koͤnte. Weil ſi aber ganz keine ohren dahr-zu hatte / und ihn / er mocht auch fohr-waͤnden / was er wolte / nuhr mit ungeſtuͤhmigkeit von ſich ſtuͤhs / ſo folgt er ihr gleich - wohl nahch bis in das dorf. Di bauer - mahgd ſahgt es ihrem Vater an / daß ihr diſer kaͤrl al-zeit nahch-gegangen waͤre; welcher auch den Wild-fang / ſo-bald er zu ihm kahm / zu’r raͤde ſaͤzte. Der Wild-fang wolte noch vihl wort-ge - praͤnge machchen / gleichſam als wan er bei ſeines gleichen waͤre / und gahb zur antwort; daß man ihm ſeine kuͤhnheit wohl verzeuhen würde / wan man nuhr zufohr ſeinen ſuͤn vernaͤhmen ſolte; dan er ſei ſeiner tochter nicht in un-ehren nahch - gefolget / ſondern daß er ſi zur ehe begaͤhren moͤch - te. Dan ſi haͤtt ihm unlaͤngſt / als ſi ſich in einer bach gebadet / ſo wohl gefallen / daß er nuhn-mehr nicht von ihr lahſſen koͤnte.

Als di mahgd ſolches von faͤrnen hoͤrete / ſo huhb ſi zu ihrer mutter an / und ſahgte; ik mochte mi offer deſen kaͤrſch ſchihr buzig lachchen / dathe ſo naͤkſch und ſo trollich koſet: waͤn mi mine jun - kers vaken ſchabbernakken / ſo wehs ik noch / wat ſe menen; aber diſer ſchuft braͤnget ſolche ſchnaken und ſolche ſchwaͤnke fohr den tahg / dat ich dahr - van rehne niſcht verſtahn kan.

Der184Der Adriatiſchen Roſemund

Der Vater aber / welcher fohr diſem eines von adel auf-waͤrter gewaͤſen wahr / wuſſte ſich noch et - was hoͤhflicher zu erzeugen / als ſeine tochter / und noͤhtigte diſen hoͤhflichen freier zur mahlzeit. Da begaben ſich noch ehrſt di aller-kurzweiligſten poſ - ſen; dan der Vater hatte den Wildfang und di Wummel (alſo hihs ſeine tochter) zuſammen ge - ſaͤzt / und ihr in geheim geſahgt / daß ſi ſich fein ehr - bahr (wi Baſtien) über tiſche halten ſolte. Di toch - ter aber / welche von den hoͤhflichen ſitten ganz nichts wuſte / kaͤhrt ihm zu aller-ehrſt den ruͤkken zu / welcher ſo ſtark / ſo kwatſchlich und ſo huͤbſch un - terſaͤzt wahr / daß er wohl haͤtte tuͤrne feil tragen moͤgen. Si gruͤnſet ihm bis-weilen ůber di akſel aͤben ſo fraͤundlich zu / als eine kuh ihrem kalbe; und huhb mit ihren beinen unter der tahffel an zu bum - meln / welches er fuͤhr ein libes-zeuchen hihlt.

Er raͤdet ihr über tiſche zu / und lohbt ihre ſchoͤhn - heit. Das blikken ihrer augen (ſahgt er) wan ſi ihn auf di ſeite anſchihlete / waͤre gleich wi das lihb - liche blikken der kunſt und krihgs-goͤttin Klugin - ne. Di lippen / welche zimlich hohch auf-geworfen ſtunden / waͤren zwelihbliche luſt-waͤlle / dahr-auf man di ſtuͤkken der libe mit einem knallenden ge - toͤhne der tuͤhf-gehohlten ſeufzer ab-loͤſen koͤnte. Di bakken / welche gleichſam in foller gluht wi di roͤhſtenden braht-wuͤrſt in di hoͤhe bauſteten / waͤ - ren di anmuhtigen huͤgel / dahr-auf man di erkaͤlte - ten wangen erwaͤrmen koͤnte.

Solcher-geſtalt ging er faſt durch alle glider ih - res ganzen leibes / und gahb ihr ſeine fol - und tol - brůnſtige libe gnugſam zu verſtaͤhen / wan ſi es nuhr haͤtte verſtaͤhen koͤnnen. Si aber ſtaͤllte ſich ihres teils ſo fraͤundlich gegen ihn / wi ein halb-jaͤh - riges holz-boͤklin / und ſchluhg ihm oft-mahls / wan er ihr dem hoͤhflichen gebrauche nahch vihl fohr-laͤ - gen wolte / das maͤſſer aus der hand; dan ſi hatteſich185drittes Buhch.ſich ſtraks im anfange ſo fleiſſig in acht genom - men / daß ſi auf di laͤtſte mehr ekel als hunger hatte. Nahch gehaltener mahl-zeit ging Wildfang mit ſeiner Wummel / welche ſich ſchohn etwas zu be - kwaͤhmen laͤrnete / in den garten / da er ihr auch ſo vihl fohr-ſchwazte / daß ſi nicht wuſte / wi ſi mit jhm dahr-an wahr.

Diſe laͤchcherliche libe / da der Wild-fang fohr dē Graͤfin eine bauer-mahgd erkohren hat / entſpon ſich aͤben acht tage fohr meinem abzuge / daß ich alſo nicht wuͤſſen kan / wi es noch dahr-mit abgelauffen iſt. Di Graͤfin truhg mehr ein mit-leiden mit ihm / als daß ſi ſolches haͤtte belachchen ſollen: ſonder - lich / als ihr der Lihb-waͤhrt den ganzen handel er - zaͤhlte / daß ich ſolches alles angeſtiftet haͤtte; daß ich / aus heimlicher feindſchaft / den Wild-fang mit ſonderlicher liſt aus-gedrungen / und ihn in ſeine ſtaͤlle gebracht haͤtte. O mein Her / mein Her! ſahg - te di Graͤhfin noch zu mihr / als ich abſchihd von ihr nahm) wi iſt er ſo ein ſchaͤhdlich er feind und ſo ein traͤuer fraͤund zu-gleich! o wi hat man ſich fohr ihm zu hůten! wan es ihm in andern ſachchen aͤben ſo ab-laͤuft / als es in diſer geſchaͤhen iſt / ſo wolt ich ihn nicht gaͤrn erzuͤrnen / oder nuhr zum wenigſten mit ihm zu tuhn haben.

Diſer wunder-fal wahr gleich zu aͤnde gebracht / als dem Markhold durch einen ſchiffer angemaͤl - det ward / daß di fluht den kuͤnftigen morgen wuͤrde zu ſaͤgel gaͤhen / und di ſchiffe ſchohn von der ſtat ab - geruͤkket waͤren. Di ganze verſamlung ward raͤge / und es wolt ein ihder ſeinen abſchihd naͤhmen / da - mit ſi den Markhold an ſeinen verruͤchtungen nicht verhintern moͤchten.

Er aber hihlt ſi noch eine guhte zeit auf / und be - gahb ſich widerům mit der ganzen geſelſchaft an den tage-leuchter / da ſi dem beſchluſſe diſer auf - zůge mit hoͤhchſter verwunderung zu-ſahen. Danes186Der Adriatiſchen Roſemundes kahm aͤben / als ſi zum tage-leuchter hin-unter - ſahen / eine ſchahr in weibes-tracht / auf das praͤch - tigſte ausgezihret / ohn-gefaͤhr von dreiſſig pfaͤr - den; welche zwahr zimliche reiter gaben / aber ſich doch durch ihre fraͤchche gebaͤhrden verrihten / daß man alſo gahr-leichtlich ſaͤhen konte / daß unter ſol - chen Frauen-kleidern mans-bilder verborgen wa - ren.

Diſer laͤchcherliche hauffe machte ſolcher-geſtalt den beſchlus di ſer faſt-nachts-luſt / und des Mark - holds fraͤunde begaben ſich / nahch-daͤhm ſi ab - ſchihd genommen und ihm vihl glůk auf di reiſe ge - wuͤndſchet hatten / wider-uͤm nach hauſe.

Als ſich nuhn diſe luſtige geſelſchaft verlohren / und dem Markhold zeit übrig gelahſſen hatte / ſei - nen gedanken nahch zu haͤngen / ſo wahr er bald bei der Amſtel / und bildet ihm ein / wi er di Roſe - mund am ufer ſeiner ankunft warten ſahe; bald wahr er wider zu Parihs / und gedacht an ſeine libe Lands-fraͤundin / daͤs Fuͤrſtlichen Fraͤuleins haͤrz-vertraute / di er nuhn verlahſſen / und vihl - leicht nimmer-mehr wider ſaͤhen wuͤrde. wan er ſich ihrer traͤhnen erinnerte / di ſi bei ſeinem abſchide ſo raͤcht-maͤhſſig vergoſſen hatte / ſo ward er gahr klein-laut / und beiammerte di arme verlahſſene; wi - wohl ſi ihre Fuͤrſtin nimmer-mehr verlahſſen wuͤrd. wan er aber wider-uͤm erwohg / wi er di traͤhnen der Roſemund / di ſi bei ſeinem abwaͤſen vergoſſen hat - te / abwuͤſchen wůrde / ſo vergahs er ſeiner ſchwaͤhr - muht / und ergahb ſich der fraͤude ſo gahr / daß er an ſein foriges weh-leiden nicht mehr gedachte. Das haͤrz wallte fuͤhr fraͤuden: di lung erhuhb ſich / und begunte ſchohn luft von ſeiner Schoͤnen zu ſchoͤp - fen: der ganze leib ward raͤge: das gebluͤht in den adern verzweifaͤltigte ſeinen gang / und das geſichte gahb ſeine innerliche haͤrzens-fraͤude ſo ſcheinbahr - lich an den tahg. Di augen / welche di Libe befeuch -tet /187drittes Buhch.tet / und di fraͤude flammend gemacht hatte / waren ganz un-ſtaͤht / und luͤhffen wi eine un-ruhe von ei - nem winkel bis zum andern; bis-weilen kahm auch ein heiſſer ſenfzer haͤr-auf-geſtigen / und brahch mit ſolcher gewalt durch den mund / daß man ihn gahr von faͤrnen vernaͤhmen konte / und nicht anders vermeinte / als wan eine blaſe zerſpruͤnge / oder ein ſuͤdendes waſſer mitten in der gluht einen ſolchen ziſchenden knal von ſich gaͤhbe. Er ging in ſeinem zimmer auf und ab / und haͤtte ſich in diſen ſuͤhſſen verzuͤkkungen noch laͤnger auf-gehalten / wo nicht ſein Lihbſter Haͤrzwaͤhrt / dehn er nuhn eine lange zeit nicht geſaͤhen hatte / ſo unvermuhtlich dahr - zwuͤſchen kommen waͤre.

Nahch-daͤhm nuhn eine innerliche grohſſe fraͤu - de / wan noch eine andere ſo ploͤzlich dahr-zu koͤmt / und ſich ſolcher geſtalt uͤberhaͤuffet / daß ſi mit ge - walt haͤraus brůcht / eine ſo jaͤhlige verzuͤkk - und vergeiſterung veruhrſachchet / daß man gahr ver - ſtummet / und ſeiner ſuͤnnen und gedanken gleich - ſam beraubet wůrd; ſo kan man leichtlich erachten / wi dem Markhold bei ſo vihlen fraͤudigen auf - ſtohſſungen mus zu muhte gewaͤſen ſein. Es kahm immer eine fraͤude über di ander; immer eine froͤhli - che zeitung folgte der andern; kein tahg ging fohr - bei / da ihm nicht eine naͤue luſt auf-ſtuͤhs.

Alle diſe froͤhliche bohtſchaften / alle diſe luſti - ge zufaͤlle / und ſolche anſichtigkeit ſeines lihbſten und getraͤueſten Fraͤundes / machten ihn gleich - ſam gahr verwuͤrret in ſeinen ſünnen / daß er ihm zu-ehrſt faſt nicht zu-ſpraͤchchen konte: er ſtund in tuͤhffen gedanken / und ſahe ihn an / gleichſam als waͤr er erſchrokken / und ſchaͤuete ſich ihn an zu raͤden / dehr-geſtalt / daß ſich der Haͤrz-waͤhrt eine zeit-lang hoͤhchlich verwunderte / und in ſol - cher verwunderung auch ganz ſtille ſchwihg.

Als198[188]Der Adriatiſchen Roſemund

Als nuhn diſes entzuͤkken eine guhte weile ge - waͤhret hatte / ſo kahm Markhold wider zu ſich ſelbſten / und frahgte ſeinen Haͤrz-waͤhrt; wi es ihm bis-haͤhr in der zeit ſeiner aus-flucht ergangen waͤre / und ob er nicht bald wideruͤm nahch Parihs gedaͤchte? Ach! (gahb er mit einem tuͤhffen ſeufzer zur antwort) es iſt mihr ſo zimlich ergangen; ih - doch / wan ich nuhr zu Parihs waͤre / ſo haͤtt ich nichts zu klagen: dan meine flucht koͤmt mihr noch nicht ſo ſchwaͤhr fůhr; aber di entfaͤrnung von mei - ner Lihbſten / di ſi veruhrſachchet hat / und di ich gahr nicht vertragen kan / verſaͤzt mich in das hoͤchſte weh-leiden.

Hihr-nahch gahb ihm der Markhold zu vernaͤh - men / daß er auf den andern tahg wider nahch Hol - land verreiſen wuͤrde / ſeine Roſemund zu beſuchen. wohr-uͤber Haͤrz-waͤhrt ſo betrůhbt ward / daß er diſen ſo nahen verluſt ſeines trauten fraͤundes faſt mehr bejammerte / als den verluſt ſeiner Lihbſten. Si bliben diſe nacht bei-ein-ander / damit ſi noch zu guhter laͤtſte / raͤcht luſtig ſein moͤchten; und Markhold / nahch-daͤhm er ſeine Roſemund mit ei - nem kleinen brihflein ſeiner kurz-kuͤnftigen ankunft verſichchert hatte / begahb ſich mit dem Haͤrz-waͤhrt / welcher ihn bis zum Gnaden-hafen vergeſelſchaf - ten wolte / des kuͤnftigen morgens / zu ſchiffe.

Di ſchoͤne Ludwichche / mit welcher der Markhold von Parihs kommen wahr / und in ihrer behauſung zeit-haͤhr gelaͤgen hatte / wuͤndſcht ihm eine gluͤkli - che reiſe / und betauert ihre ſo kurze kundſchaft mit lauten traͤhnen. Der Markhold geſaͤgnete ſi / nahch landes gewohnheit / mit einem kuſſe / und truͤkt ihr ein klein-verſigeltes brihflein in di hand / mit be - gaͤhren / daß ſi es nicht eher eroͤfnen ſolte / ſi waͤre dan alein in ihrer kammer.

Der ſchiffer lihs nuhn den ſchif-halter ſchohn auf-wuͤnden / der Steuer-man ging an ſein ruder /und189anderes Buhch.und di ſaͤgel begunten ům den maſt haͤruͤm zu flat - tern. Markhold winkte der Luhdwichche noch zu guhter laͤtſte mit dem huhte / und di betruͤhbte mach - te ſich ſtraks / ſo bald ſi ſeln ſchif nicht mehr ſaͤhen konte / nahch hauſe; da ſi ſich ſeinem begaͤhren nahch in ihr ſchlahf-zimmer begahb / und das zu-geſtaͤllte brihflein mit grohſſem verlangen und haͤrz-klopfen erbrahch. Weil ſi nuhn di hohchdeutſche ſprache wohl verſtund / ſo hatt es der Markhold aͤben in dehrſelbigen / folgender geſtalt / verfaſſet:

Des Markholds Abſchihds-Lihd an di ſchoͤne Luhdwichche.
LUhdwichche / weine nicht; mein aͤhdles Bild / ſchweig ſtille /
halt inne! dan dein wuͤlle
iſt jah der meine nicht / und kan es auch nicht ſein;
dan Roſemund iſt mein /
di nuhn zehn mahndes-zeit ſich ohne mich befunden
im rauhen Niderland am blanken Am - ſtel-flus /
bei der ich wideruͤm di fraͤud ernaͤuren mus
in mehr als tauſend ſtunden.
2.
O Schoͤne / daͤnke nicht / daß ich zu euren ſitten /
von190Der Adriatiſchen Roſemund
von meinen abgeſchritten:
nein / nein! ein deutſches haͤrz iſt nih ſo leich - te nicht;
wehr pflůcht und traͤue bruͤcht /
iſt euren dinern zwahr / doch Deutſchen nicht / zu gleichen.
Du ſprůchſt ſelbſt wider dich / wan Du di Deutſchen preiſ’ſt
und ihre faͤſte traͤu ſo ſon̄en-klahr erweiſ ſt /
za wuͤllig biſt zu weichen.
3.
Du lobeſt das / was Du von mihr be - gaͤhrſt zu braͤchchen /
dideutſche traͤu zu ſchwaͤchchen.
ich ehre Dich / weil Du ſo tugend-eifrig biſt /
und was es ſonſten iſt /
o tugendhaftes Bild / wahr-ům ich Dich kan loben;
ſonſt haͤtt ich nicht ein-mahl di faͤder an - geſaͤzt /
und mich mit waͤchſel-ſchrift ſo-oft mit Dihr ergaͤzt /
ja Dich ſo hohch erhoben.
4.
Nuhn / weil ich mus von Dihr den bit - tren abſchihd naͤhmen /
ſo wuͤrſt-du dich bekwaͤhmen /
und dich nicht alſo-gahr in truͤhbnůs lah / ſen ein.
ei lahs191drittes Buhch.
ei lahs das weinen ſeln!
di alte deutſche traͤu ſol un-verrůkt beſtaͤ - hen.
Dich kuͤſſ ich noch zu-laͤtſt / nach deines landes brauch /
und bleibe Dihr geneugt / ſo lang ein wind und hauch
aus meinem munde gaͤhen.

Nahch verlaͤſung diſes lides huhb ſi noch vihl haͤftiger an zu weinen / als ſi am hafen getahn hatte; priſe di Roſemund di aller-gluͤkſaͤligſte auf der ganzen waͤlt / und naͤnnte ſich einen ſammel-plaz alles ungluͤkkes. Si wůndſchte vihl-mahls / daß ſi den Markhold nimmer-mehr moͤchte geſaͤhen ha - ben / und verſprahch ihr bei ſich ſelbſt / daß ſi keinen andern / als einen Deutſchen / di ſi fuͤhr di traͤueſten ſchaͤzte / nimmermehr ehligen wolte. Ach! ſagte ſi bei ſich ſelbſt / es iſt mihr nuhn nicht anders / als wan mihr der ganze waͤlt-kraͤus gram waͤre / als wan alle traͤue mit dem Markhold von mihr wichchen. Dan hat man wohl ihmahls einen ſolchen maͤn - ſchen / dehr ſeiner Lihbſten ſo traͤu waͤre / geſaͤhen / als Er iſt? hat man ih-mahls gehoͤret / daß ein ſolcher auf-gewaͤkter geiſt ſein glůk und ſeine ehre ſo gahr ausſchlaͤget / damit er nuhr ſeiner Getraͤuen getraͤu bleibe? Jch halt ihn uͤm ſo vihl daͤs zu hoͤher / ich waͤrd ihn mein laͤbenlang nicht gnug preiſen koͤn - nen; und ob er mihr gleich ſolche harte worte zu - ſchreibet / ſo kan ich ihn doch daͤshalben nimmer - mehr abhold waͤrden. Als ſi diſe klaͤhgliche worte fol-aͤndet hatte / ſo neugte ſi ſich halb-krank auf ihr bette / und lahg in ſolcher geſtaltnuͤs gleichſam halb-ſchlahffend bis auf den abaͤnd.

Mark -192Der Adriatiſchen Roſemund

Markhold hatt indaͤſſen keinen guhten nahch - wind / und ſein ſchif kahm ehrſt in ſechs tagen bei dem Gnaden-hafen an / da ſi noch ganzer drei woch - chen lang / waͤgen eines ſtaͤhts-waͤhrenden ſtur - mes / in der wind-ſtille ligen muſten. Der guhte Haͤrz-waͤhrt blihb naͤben einem Franzoͤſiſchen von adel / di ganze zeit uͤber / bei ihm / und vertrihb dem Markhold bald mit luſt-wandeln an dem offenba - ren Se-munde / bald mit einem annaͤhmlichen ge - ſpraͤche / di zeit / welche ihm ſonſt ohne zweifaͤl ſehr verdruͤhslich wuͤrde gefallen ſein.

Mitler-zeit erhuhb ſich ein-ſolcher haͤftiger haubt-ſturm auf der Se / daß auch in einer nacht ihre vihr kriges-ſchiffe / di im fohr-hafen auf der hoͤhe faͤſt lagen / ſo zerſchmiſſen warden / daß das ſchif-ſeil an allen vihren zerſprang / und das ſchif in di aͤuſſerſte gefahr verſaͤzte. Der ſchif-haken blihb im grunde ſtaͤkken / und di krihges-ſchiffe machten ſich des andern tages auch nahch der wind-ſtille zu / da ſi ſo lange ligen bliben / bis di ganze fluht / welche ohn-gefaͤhr in neunzig ſchiffe beſtund / auf-brahch / und den ſtrich teils nahch Se-teils nahch Nord - und Suͤhd-hol-land zu nahm.

Es war zwahr anfangs ſolch eine fluht raͤcht mit luſt an zu ſaͤhen / ſonderlich di ehrſte nacht / als ſi mit den vihr kriges-ſchiffen / dahrauf man hinten und forne / grohſſe wind-luͤchter aufgeſtaͤkt hatte / auf allen ſeiten uͤmgaͤben wahr; aber den folgen - den tahg / da ſich wideruͤm ein ſolcher grohſſer ſturm erhuhb / daß auch uͤber zehen ſchiffe von der fluht unter-gingen / ſo ſchwaͤbeten ſi (di ſchiffer und bohts-geſellen ſo wohl als unſer Markhold) in hoͤhchſter angſt. Di ungeheuren waſſer-wogen kahmen ſo ungeſtuͤhmlich auf ihr ſchif zu geſchoſ - ſen / daß man nicht anders gedachte / wan man ſi von faͤrn / gleichſam wi grohſſe baͤrge / haͤrzu-waͤlzen ſa - he / als daß ſi das ſchif ganz bedaͤkken wuͤrden.

Der193drittes Buhch.
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J194Der Adriatiſchen Roſemund

Der maſt ward von vihlen ſchiffen faſt mit al - len ſegeln ůber bort geworfen. Der wind ſauſete ganz erſchroͤklicher weiſe uͤm ſi haͤr-uͤm; ihdoch / weil er den ſteur-man ſchnuhr-ſtraks entſaͤzte und ihnen raͤcht nahch-ging / ſo trihb er ſi in vihr tagen nahch der Maſe zu: da des Markholds ſchif / weil es ůberaus wohl beſegelt wahr / zu-aller-ehrſt mit allen ſeinen leuten gleich bei wider auf-geklaͤhrtem wetter ſehr gluͤklich einlůhf.

Di bohts-geſellen jauchzeten / und warden von ihren weibern mit fraͤuden entfangen. Di ſtuͤkke warden geloͤſet / und verſuͤhſſeten gleichſam wi - derům durch ihren fraͤuden-knal und gewůndſch - tes donnern / das ſauſen und brauſen der winde. kein maͤnſch erinnerte ſich mehr der gefahr / di ſi ausgeſtanden hatten. Markhold ſelbſt wahr nicht mehr ſein eigen; und alle ſeine ſunnen waren ſchohn fohr-an-gereiſet / nahch ſeiner trauten Ro - ſemund zu / di ſich ſeiner ſtündlich / jah bliklich / ver - ſahe. Er blihb nicht mehr als eine nacht zu Ro - terdam / di er auch meiſtenteils ſchlahf-lohs zu - brachte; und machte ſich des morgens ſehr fruͤh nach ſeiner Roſemund zu.

Diſe Wunder-ſchoͤne wolte ſich gleich aus daͤm bett erhoͤben / als er an dem tage-leuchter klopfte / und erſchrahk nicht wenig dahr-uͤber / ſonderlich / als ſi ſahe / nahchdaͤhm ſi ſich angekleidet hatte / daß nihmand drauſſen waͤre; dan er hatte ſich hinter di huͤrden verborgen / und blihb daſelbſten ſo lange ligen / bis ſi zu ihren ſchahffen haͤr-aus kahm / und di huͤrden wider auf-machchen wolte. Si ging mit zittrendem tritte gleich nahch derſelben ekke zu / dahr-hinter ſich Markhold nidergetuͤkt hatte / und ward nicht anders / als wan ſi von naͤuem wider-gebohren waͤre / da er ſich gegen ſi auf-ruͤchtete / und nahch ihr zu-ging / ſeine Schoͤne zu uͤmfahen.

Si195drittes Buhch.

Si entfaͤrbte ſich anfangs / und wuſte nicht was ſi ſagen ſolte / daß ihr ſo ein ploͤzliches gluͤk auf - ſtuͤhſſe. Di fraͤude ſtihg aus ihrem haͤrzen nahch daͤm geſichte zu / und bildete ſich in ihren augen und in ihren wangen ſo laͤbendig ab / daß man un - ſchwaͤhr errahten konte / ob ſi ſchohn nicht ſo bald raͤdete / daß ihr ſolche des Markholds ankunft uͤberaus lihb waͤre. Das halb-verkuͤrzte laͤchlen ihrer roͤhſlichten wangen ward mit etlichen fraͤu - den-traͤhnen gleichſam verlihblichet: der mund ward zu unterſchihdlichen mahlen bald roht / bald blas. di augen / nahchdaͤhm das haͤrz das ſeinige / daͤſſen es fol wahr / haͤuffig ausſchuͤttete / waren bald truͤbe / bald klahr; und draͤheten ſich bald raſch / bald langſam / in ſeinen hoͤhlen haͤrům.

Markhold raͤdete ſi alſo zum chrſten an / und baht ſi ům verzeuhung / daß er ſi bei ſo fruͤher zeit uͤberfile / und zohg ſeine traͤu eifrige libe zum ſchuld-daͤkkel an. Hihr hat ſi nuhn / meine Waͤhr - te (ſagt er) das-jenige wideruͤm / was ich ihr fohr acht mahnden entwaͤndet habe. mein haͤrz iſt nihmahls von ihr abgewichchen / ob es gleich / dem taſt-bahrem leibe nahch / entfaͤrnet wahr. Markhold iſt zwahr in fremden landen gewaͤſen / aber ſeine gedanken alle-zeit zu hauſe: zu hauſe / ſag ich; dan wo haben ſi ſonſt ihren ſiz / als bei der himliſchen Roſemund?

Nahch-daͤhm nuhn diſe ſchoͤne Schaͤhfferin ih - re haͤrzliche fraͤude / ſo wohl mit den gebaͤhrden / als raͤden / zu verſtaͤhen gegaͤben hatte / ſo begahb ſi ſich mit ihrem Trauten in ihre wohnung. Si frahgt ihn / wi es ihm auf ſeiner reiſ ergangen waͤre? ob er auch alle-zeit wohl-auf und bei guhter geſund - heit gewaͤſen? ob ſi kein un-gluͤk auf daͤm mehre gehabt haͤtten? ob er nuhn in Holland zu verblei - ben gedaͤchte? jah ſi gahb ihm ſo vihlerhand fra - gen auf / daß er gnug zu tuhn fand / wan er ſi alle be - antworten wolte.

J 2Als196Der Adriatiſchen Roſemund

Als ſi nuhn den halben tahg mit dehrgleichen geſpraͤchen faſt zugebracht hatten / ſo nahm Mark - hold von der Roſemund ſeinen abſchihd / und ver - ſichcherte ſi / daß er ihr auf den andern morgen / wan er ſeine ſachchen zu Amſtelgau wůrde verruͤchtet haben / wideruͤm aufwarten wolte.

Di Roſemund laͤgte mitler zeit ihre Schaͤhf - fers-tracht ab / und taͤht ihre fohrigen kleider wider - uͤm an. Si kahm alſo zu ihrer Schwaͤſter der Stil-muht / welche ſich uͤber diſer jaͤhligen aͤnde - rung uͤber alle mahſſen verwunderte. Das ganze haus-geſinde froh-lokte / und wuſte doch nicht wahrum: dan di Roſemund hatt es noch keinem maͤnſchen ſagen wollen / daß Markhold aus Frank - reich wider-kommen waͤre. Si lihs ihr zimmer auf das aller-zihrlichſte mit guͤldnen prunk-tüchern be - haͤngen / und der Adelmund ihres auch wideruͤm verſchoͤnern / damit man ſelbiges dem Markhold / ſo lang als er bei ihnen verblibe / eingaͤben koͤnte. Si wahr den ganzen tahg geſchaͤftig bis in di nacht / da ſi auch nicht vihl ruhen konte / in-daͤhm ſi nuhr einig und alein verlangte den anbraͤchchenden tahg / und mit ihm / ihren trauten Markhold wider zu ſaͤ - hen: welcher ihre gedanken und vernunft ſo gahr eingenommen und betaͤubet hatte / daß ſi / in gegen - waͤrtiger glůkſaͤligkeit / weder an ihr fohriges noch zukuͤnftiges ungluͤk gedachte.

Aende daͤs dritten Buches.

Der197vihrtes Buhch.

Der Adriatiſchen ROSEMVND vihrtes Buhch.

EOſemund hatte nuhn-mehr mit dem haͤr-fůhr-braͤchendem tage das bette verlahſſen / und ſich in ihren tage - leuchter gegen der Sonnen aufgang begaͤben / da ſi di lihblichen ſtrahlen di - ſes grohſſen waͤlt-luͤchtes mit verwunderung be - trachtete / und ſich / in ſolcher betrachtung / ihres laͤ - bensſeiniger Sonnen / des trauten Markholds / er - innerte. Si ſtund eine guhte weile in ſolcher an - muhtigen verzuͤkkung / und truhg ein ſolch-haͤftiges verlangen / ihren haͤrzigelihbten zu grůhſſen / daß ſi kaum der fraͤuden erwarten konte.

Si ſchikt ihre kammer-jungfer hin / und lihs dem einen diner befaͤhlen / daß er den Markhold / mit vermaͤldung ihrer pfluͤcht-ſchuldigkeit / zur mit - tags mahlzeit laden ſolte. Der diner verrůchtet ih - ren befaͤhl alſo-bald / und Markhold ſtaͤllte ſich auch zwo oder drei ſtunden dahrnahch bei ſeiner Haͤrz - lihbſten ein. welche ihn zur ſtunde zur Stil-muht fuͤhrte / di von ſeiner widerkunft nicht das geringſte gewuſt hatte / und ſich dannenhaͤhr hoͤhchlich ver - wunderte.

Si entfing ihn mit ſehr hoͤhflichen und fraͤudi - gen gebaͤhrden / gahb ihm zu verſtaͤhen / wi es ihr ſo haͤrzlich lihb waͤre / daß ihn das gluͤk in ſolchem guhten wohl-ſtande wider zuruͤk gebracht haͤtte / und verwunderte ſich über ſeine ſo geſchwuͤnde widerkunft.

Markhold / welcher noch nicht wuſte / daß di kluhg-ſůnnige Adelmund wider in DeutſchlandJ 3gezo -198Der Adriatiſchen Roſemundgezogen waͤre / frahgte ſeine Gelihbte / wi es ihr ginge? Sehr wohl / gahb ihm diſe Schoͤne zur ant - wort; aber er wuͤrd ſi alhihr nicht fuͤnden; dan das gluͤk hat ſi dahin gefortert / da es ſi beſaͤligen wuͤrd: wi? fihl ihr Markhold in di raͤde / iſt ſi wider nahch Deutſchland / gereiſet? Jah freilich iſt ſi hin / (fing di Roſemund mit ſeufzen an) ſi iſt hin / di uns ſo vihl fraͤundes-dihnſte geleiſtet hat / und genuͤhſſet ihres geneugten gluͤkkes mit uͤberflus.

O mein GOT! (fing Markhold an / und wahr uͤber ſolcher zeitung ſo betrůhbt / daß er ſich faſt nicht konte troͤhſten lahſſen) wi bin ich ſo unglůkſaͤhlig! di einige Adelmund / di ich wohl mit raͤcht di einige meiſterin meines gluͤkkes naͤnnen koͤnte / hat mihr aͤben izund muͤſſen entzogen waͤrden / da ich ihrer am meiſten bedarf. wehr wůl nuhn mein gluͤkke befoͤrtern / oder vihl-mehr mein inſtaͤhendes un - gluͤk abwaͤnden! Jſt Adelmund hin / ſo iſt mein gluͤkke verſpilet / und wuͤrd mihr gewuͤs zu einer ſol - chen harten ſtihf-mutter waͤrden / daß ich ſchohn dahr-fohr erzittere.

Mein Her woll ihr doch das gluͤkke nicht mis - goͤnnen / fihl ihm di Stil-muht in di raͤde / und vihl - mehr gaͤrne ſaͤhen / daß ſi ihres einigen wundſches aͤndlich ein-mahl gewaͤhret iſt. Jch mis-goͤnn es ihr auch nicht / gahb der Markhold zur antwort / ſondern ich betaure nuhr das meinige / daß es mihr ſo gahr zu-gegen iſt.

Als ſi nuhn eine guhte weile mit-einander ſpra - che gehalten hatten / ſo ward ihnen angeſagt / daß di tafel ſchohn gedaͤkt und di ſpeiſen faͤrtig waͤren. Stilmuht erhuhb ſich zu ehrſt / und baht den Markhold / daß er mit ihrer geringen mahl-zeit wolle fohr-lihb-naͤhmen / und ſich in di tafel - ſtube verfuͤgen / welche ſtraks an ihr zimmer ſtůhs.

Mark -199vihrtes Buhch.

Markhold entſchuldigte ſich anfangs / und wol - te nicht bleiben; mit führwaͤndung / daß er in Am - ſtelgau etwas noht-waͤndiges zu beſtaͤllen haͤtte. Als ihn aber ſeine Roſemund ſelbſten ſo inſtaͤn - dig noͤhtigte / ſo lihs er ſich noch aͤndlich halten / und verzehrte mit diſen zwo Schoͤnen das mittags - mahl.

Nahch gehaltener tafel / begaben ſich diſe drei zum tage-leuchter / da ihre gebuhrts-ſtat Vene - dig in einer grohſſen ſcheiben entworffen wahr; als der Markhold ſelbiger gewahr ward / ſo ſah er ſeine Roſemund an / und ſahgte: meine Schoͤ - ne hat mihr ſchohn fohr-laͤngſt di gelaͤgenheit diſer aͤdlen Stat zu beſchreiben verſprochchen; wan ich nuhn izund ſo bit-ſaͤhlig ſein koͤnte / daß ſi ſolche muͤhwaltung auf ſich naͤhmen wol - te / ſo wuͤrd ich mihr ſelbſt vihl zu danken ha - ben / und ihr auch in wahrheit uͤber-aus-ver - pfluͤchtet ſein.

Diſe ſchuld / gahb ſi zur antwort / waͤrd ich ihm gahr gaͤrn abſtatten / wan er ſich nuhr zu - ehrſt der ſeinigen / di er mihr zu zahlen gelobet hat / entlaͤdigen wuͤrd. Meine Schoͤne (fing er ihr das wort auf) wolle mihr ſolches doch nuhr klaͤhrlicher eroͤfnen / wofaͤrn ſi wül / daß ich ſi vergnuͤgen ſol; dan ich kan aus diſen dunkelen worten ihre meinung nicht raͤcht ver - naͤhmen.

Solte ſich mein Her nicht zu erinnern wuͤſſen / (gahb ihm diſe Schoͤne zur antwort) daß er mihr ſchohn fohr langer zeit verheiſſen habe / einen kur - zen abris der alten und izzigen Deutſchen zu tuhn / das muͤſte wunder ſein! Genug / genug / meine Jungfrau / fihl ihr der Markhold in di raͤde: ſi ſpahre di übrigen worte; dan ich erinnere mich mei -J 4ner200Der Adriatiſchen Roſemundner zuſage ſchohn mehr als alzu wohl / und waͤrde mich auch nicht waͤgern / meinen worten nahch zu kommen: Aber weil es billiger iſt / daß ich ihr di eh - re lahſſe den anfang zu machchen / ſonderlich / weil wihr aͤben izund ihrer waͤlt-bekanten gebuhrts - ſtat ab-bildung fohr augen ſaͤhen / ſo wuͤl ich ſi noch ein-mahl gebaͤhten haben / daß ſi mich doch meiner bitte / weil ich der ehrſte bin / dehr dahr-uͤm an-gelanget hat / auch zu-ehrſt gewaͤhre. Daͤm groͤhſſeſten und anſaͤhnlichſten (fing ſi wideruͤm an) gebuͤhret ja al-zeit der fohr-zug; und mein vater-land kan daͤm ſeinigen / weil diſes ein ganzes Reich / und jenes nuhr eine Stat iſt / nicht fohr-go - zogen waͤrden.

Als nuhn di Stilmuht ſahe / daß ſich di zeit mit ſolchem hoͤhflichen luſt-gezaͤnke nuhr unnuͤzlich verlůhren wuͤrde / ſo raͤdete ſi ihrer Schwaͤſter zu / daß ſi doch nuhr den anfang machchen wolte; und verſichcherte ſi zu-gleich / daß ſi auch ein teil / wo es ihr zu lang fallen wuͤrde / auf ſich naͤhmen wolte / damit der Markhold jah raͤcht koͤnte vergnů - get waͤrden.

Das iſt wahrlich ein raͤcht-guht - und ſchwaͤſter - liches erbuͤhten / fing Markhold hihr-auf an / wel - ches nicht alein von der ſchoͤnen Roſemund / ſon - dern auch von mihr / mit hoͤhchſtem danke ſol er - kaͤnnet waͤrden. und ei liber! ſagt er / und ſahe di Roſemund an / meine Schoͤne wolle ſich nuhn nicht faͤrner waͤgern / in-daͤhm ihr ſo ein guhter entſaz und bei-ſtand angebohten wuͤrd.

Roſemund ward alſo gezwungen ihres Mark - holds bitten / und daͤm ein-rahten ihrer Schwaͤ - ſter gnůge zu tuhn; ſi nahm einen ſchwanken in - diſchen rohr-ſtahb / damit ſi ihm di gelaͤgenheit der Stat ſelbſt zeugen koͤnte / in di hand / und fing fol - gender geſtalt an zu raͤden.

Uhr -201vihrtes Buhch.
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J 5202Der Adriatiſchen Roſemund

Uhrſprung und Beſchreibung der Stat Venedig / aus vihlen bewaͤhrten uhr und geſchicht-ſchrei - bern kürzlich zuſammen gezogen.

DJſe grohſſ und gewaltige Stat / deren ge - ringſten ſchatten mein Her auf diſer glahs - ſcheiben entworfen ſihet / hat zur zeit des Hun - niſchen kriges / wi man uhrkundet / ihren uhr - ſprung genommen; gleich da-zu-mahl / als der(*)Archontologia Coſmica Meriani pag. 487. Caſp. Contarenus Venet. de Republ. Ven. p. 82 Veneti dominii chorograph. deſcript. p. 10. Wuͤhterich Attila ganz Waͤlſchland ůber - zohg / und mit den alten Venedigern (welche zeit daͤm 300 jahre nahch der gebuhrt unſers heilan - des / ům den Adriatiſchen Mehr-ſchohs haͤr-uͤm in den aller-ſchoͤn - und luſtigſten landſchaften wohnten) ſo uͤbel handelte / daß ſich ſehr vihl und di allermaͤchtigſten und aͤhdleſten von ihnen / mit allen den ihrigen / auf di naͤheſt-gelaͤgene wuͤhſt und oͤden ein-laͤnder begaben.

Diſe flůchtige nuhn (unter welchen di von Pa - due /(a)Ven. dom. chor. deſc. p. 11. 12. &c. di den hohen flus / dehr alhihr recht kruͤm - lings mitten durch gaͤhet / innen-hatten / di aller - chrſten waren) haben diſer waͤlt-beruhffenen Stat / im 421 jahre nahch Kriſtus gebuhrt / zur zeit des(b)Ioh. Bapt. Verus Rer. Venet. p. 2. &c: Maͤrzens / oder wi di meiſten beruͤchten / des Oſtermahndes / gleich damahls / als Klef / der Longebarder koͤnig / zu wuͤhten anfing / nahch etli - cher meinung / uͤm diſe gegend / da das Gottes-haus des heiligen Markſen ſtaͤhet / den grund-ſtein gelaͤ - get; und zu gleichem mahle / zur ehre Gottes / undaus203vihrtes Buhch.aus ſchuldiger dankbahrkeit / ein Gottes-haus er - bauet / und dem h. Jakob geweihet.

Nahch dehr zeit / ům das 456 jahr / haben ſich di uͤbrigen gleiches fals / damit ſi dem Hunniſchen wuͤhten auch entflůhen moͤchten / alhihr verſamlet / und di Stat ſo traͤflich zu erweitern angefangen / daß ſi auch uͤm den fohr-angezeugten hohen flus haͤr-uͤm(c)Ven. dom. chor. deſcr. p. 12. Mercator in Atl. p. 450. &c. ſechszig Jnlaͤnder einnahmen / und diſel - be zuſam̃en zogen / dehr-geſtalt daß aͤndlich eine ſol - che grohſſe Stat dahr-aus worden iſt / di man mehr ein wunder-waͤrk der unſtaͤrblichen Goͤtter / als ein maͤnſchliches kunſt-gemaͤchte naͤnnen mahg.

Di Stat ligt raͤcht mitten in dem innerſten win - kel daͤs Venediſchen Mehres / welcher von einem ſelb-waͤſenden tamme in geſtalt eines halben mahn - des uͤmgaͤben / und befaͤſtiget iſt / und alle ſechs ſtun - den den zu - und ab-flus (welches man zu Hamburg fluht und aͤbbe naͤnnet) zu haben pflaͤget. Diſer tam haͤlt di wogen daͤs ungeſtuͤhmen mehres / das vom anfange haͤrzu gewallet koͤm̃t / zuruͤkke / daß es der Stat keinen ſchaden tuhn kan / und iſt bei fuͤnf und dreiſſig meilen lang; wuͤrd in etliche inlaͤnder geteilet / und hat ſiben eingaͤnge / dahr-unter doch nicht mehr als zwei zur ein - und aus-fahrt dinen. auf der ſeite diſer eingaͤnge ligen ſehr ſtarke Faͤſtun - gen / welche di hafen beſchuͤhſſen / und den feind / ſo ſich einer irgend moͤchte blikken lahſſen / mit geringer muͤhe zurůkke halten koͤnnen.

Diſe teils von daͤm faͤſten lande / teils von den taͤmmen / uͤmſchloſſene Se wuͤrd achtzig waͤlſche meilen lang geſchaͤzzet; di breite kan man ſo ei - gendlich nicht wüſſen / weil ſi ſich / nahch-daͤhm der ab - und zu-fal ſtark iſt / bald verbreitert / bald wi - deruͤm ſchmaͤhlert. Si iſt allend-halben ſo untuͤhf /J 6daß204Der Adriatiſchen Roſemunddaß ſich kein ſchif der Stat nahen kan / ohn alein durch zwe wohl-verwahrte hafen; und es waͤrden gewuͤſſe Leute dahr-zu gehalten / welche den grund / ſo er irgend zu tuͤhf waͤrden wolte / ſtaͤhts ausfuͤllen müſſen / dehr-geſtalt / daß man ſi weder zu lande noch zu waſſer in der naͤhe bekrigen kan.

Di Stat wůrd in di rundte acht waͤlſche meilen geſchaͤzzet / und iſt weder mit waͤllen noch mit mau - ren verſaͤhen / da ſi doch fuͤhr un-ůberwündlich ge - halten wůrd. Jhr reichtuhm iſt unerſchaͤzlich; ihre ſchaͤzze ſein nicht zu zaͤhlen; jah ſi iſt ſo fol von guͤh - tern / daß ſi auch durch diſe unaus-ſpraͤchliche beute manchen feind von daͤm aͤnde der waͤlt zu ſich lok - ken moͤchte. Si hat vihl ſchoͤhne Jnlaͤnder / Land - ſchaften und Staͤtte erobert / manche ſchlachten gehalten und vihl-mahls ob-geſiget. Si hat ſo vihl krige gefůhret / daß ſi faſt nicht zu zaͤhlen ſein.

Der ehrſte krihg / dehn ihre Herzoge gefuͤhret ha - ben / iſt wider Ravenne gewaͤſen. Si haben ſehr vihl-mahl wider di Mehr-raͤuber geſtritten. Si haben ſechs-mahl mit dem Grohs-tuͤrken gekriget; neun-mahl mit den Genuern; vihr-mahl mit den Sarazenen; ein-mahl mit den Langebarden; zwei-mahl mit den Nordmaͤnnern; vihr-mahl mit den Sirern; drei-mahl mit der maͤchtigen Stat Konſtantinopel / di ſi auch gewoñen / aber nicht lan - ge behalten haben; vihr-mahl mit Ferrahr; zwei - mahl mit Friaul / oder dem Julius-markte; zwei - mahl mit Napel; vihr-mahl mit Oeſterreich; drei-mahl / jah mehr / mit Padue; vihr-mahl mit Hiſtrien; ein-mahl mit dem Rogerius / Koͤni - ge in Sizilien; jah ſi hat mit dem Sihgmun - de; Fridrichen / dem zweiten diſes namens / und an - dern Roͤmiſchen Kaͤſern und Erzkoͤnigen; mit den Grichiſchen Kaͤſern / mit dem wuͤtenden Akziolihn / mit den Hunnen / Siliziern / Liziern / Kretern und andern maͤchtigen foͤlkern grohſſe krige gefuͤhret. Kurz205vihrtes Buhch.Kurz / ſi hat ſo vihl und grohſſe feinde gehabt / di ihr nahch dem ehren-kranze geſtanden ſein / und iſt gleich-wohl (o welch-ein lohb!) nuhn-mehr uͤber di tauſend und etliche hundert jahr / ſo lang als ſi geſtanden hat / noch allezeit jungfrau gebliben / und nih-mahls erobert worden / welches wihr ſonſt von keiner einigen Stat geſchriben fuͤnden.

Diſe maͤchtige Stat / wi mein Her ſihet / wuͤrd hin und wider mit Se-aͤrmen zerteilet / und hat faſt in allen ſtrahſſen ihre waſſer-graͤben / uͤber welche mehr als 450 teils ſteinerne / teils hoͤlzerne bruͤkken gaͤhen. An kleinen luſt - und wal-ſchiflein / dahr - innen das Frauem zimmer / und wehr ſonſten nicht ſo weit ůmgaͤhen wůl / zu fahren pflaͤget / fuͤndet man allend-halben eine grohſſe maͤnge / und es waͤrden ihrer mehr als 8000 gezaͤhlet. Der grohſ - ſe oder (wi ſi ihn naͤnnen) hohe Se-arm / iſt 1300 ſchuhe lang / und 40 breit. Er gaͤhet raͤcht ſchlan - gen-weiſe mitten durch di Stat / und hat nicht mehr als eine ſehr grohſſe bruͤkke von marmel / nuhr mit einem hohen ſchwib-bogen / 70 ſchritte lang / und 31 breit; iſt auf beiden ſeiten mit krahm-laden ver - bauet / und hat / nahch etlicher meinung / in di acht und vihrzig mahl hundert-taufend reichs-tahler gekoſtet.

Entwurf des Marks-plazzes / und daͤs fürſtlichen Schloſſes.

DJſer breite Plaz nahch daͤm Mehre zu / dahr - auf diſe zwo aus frigiſchem marmel ſo kuͤn ſt - lich ausgehauene ſaͤulen (di man von Konſtanti - nopel bekommen hat) in der mitten entbohr ſtaͤhen / wuͤrd der Marks-plaz genaͤñet. Er ſaͤhe nuhr / was alhihr fohr traͤfliche Schloͤſſer und fůrſtliche Haͤu - ſer / mit uͤber-aus ſchoͤnen luſt-gaͤngen nahch der reihe haͤrům ſtaͤhen / ſonderlich nahch daͤm Gottes - hauſe des heiligen Markſen (von dehm diſer plazJ 7alſo206Der Adriatiſchen Roſemundalſo genaͤnnet wuͤrd) und Geminiahns zu. Hihr auf der linken hand ſihet er das uͤber-praͤchtige Schlos des Herzogs / welches man im 809 jahr nahch Kriſtus gebuhrt / als Angelus Patriziahz Herzog wahr / zu bauen hat angefangen.

Wiwohl nuhn diſes gebaͤu fuͤnf-mahl abgebrant iſt / ſo hat man es doch allezeit praͤchtiger wider - auf-bauen lahſſen. Es iſt vihr-ekkicht / doch gleich - wohl auch etwas laͤnger / als es breit iſt. Gegen aufgang iſt diſer bau uͤber-aus praͤchtig an zu ſaͤ - hen; dan es hat ſechs und zwanzig gewoͤlbe / und gleich ſo vihl ſaͤulen von marmel / ůber welchen ein luſt-gang iſt von vihr und funfzig kleinen bogen / mit aͤben ſo vihl pfeilern. Di tage-leuchter ſein alle mit einander auf das herlichſte und praͤchtigſte mit eingehauenen kraͤnzen / mit bluhm - und laub-waͤrk geziret. man ſihet auch an diſem ſchoͤnen ſchloſſe zwei ůber-aus-koͤſtliche fohr-gebaͤu / welche von auſſen mit roht - und weiſſen marmelſteinern plaͤht - lein uͤber-ſchmůkket ſein; und noch vihr andere / fohr den vihr groͤhſſeſten tühren / deren di ehrſte / welche daͤm Gottes-hauſe des heiligen Markſen am naͤheſten / von lauter marmel / und mit vihr uͤber - aus künſtlich-gehauenen bildern gezihret iſt. Von der ekken diſer ehrſten tuͤhren an / welche ſich nahch daͤm grohſſen zeughauſe der Stat zu-waͤndet / bis zur andern bei der Palienſer brükke / gegen mittahg / ſihet man ſechs und dreißig ſchwib-bogen / ſo alle auf ihren wohl - und zihrlich-ausgehauenen pfei - lern ruhen.

Wan man nuhn in diſes Schlos hin-ein koͤmt / da ſihet man ehrſt wunder uͤber wunder / und di au - gen muͤſſen fohr ſolchem praͤchtigen und koͤſtlichem zihr-rahte faſt erſtarren. Es koͤmt einem ſtraks im eingaͤhen eine lange reihe ſaͤulen und pfeiler zu ge - ſichte / da immer eine uͤber der andern ſtaͤhet / und dahr-unter ringſt uͤm das ſchlos haͤr-uͤm ſchoͤne ge -woͤl -207vihrtes Buhch.woͤlbete Luſt-gaͤnge ſein. Jnwaͤndig iſt ein zimlich - weiter hof / in deſſen mitte zwe zuͤh-brunnen ſtaͤhen / welche mit koͤſtlichen bildern und raͤben fol trauben / meiſten-teils von aͤrz / gezihret ſein.

Bei der grohſſen tuͤhre gegen mitter-nacht ſchwünget ſich ein praͤchtiger ſchnaͤkken-gang in di hoͤhe / nahch dem Sahl und Zimmer des Herzogs zu. Zu-unterſt an diſem wündel-ſteine ſtaͤhen zwo grohſſe ſaͤulen / da auf der einen di bildnuͤſſe des Kriges - und Mehr-gottes / auf der andern Adam und Eve / ſehr kuͤnſtlich aus-gehauen / geſaͤhen waͤrden.

Gegen den grohſſen oder hohen Se-arm zu / iſt ein ſchoͤner Luſt-gang / zu dehm man von beiden aͤnden durch zwo waͤndel-traͤppen noch auf mehr andere walleien gaͤhen kan. An diſer traͤppe ſtaͤhet der name des koͤniges in Frankreich und Polen / Heinrichs / des Drittens diſes namens / mit gůldenen buhchſtaben angeſchriben. Hihr - an ſtoͤhſſet ein ſchoͤner luſt-garten / in welchem des Herzohs Baͤht-haus ſtaͤhet; auch ſihet man daſelbſt unter dem freien Himmel ſehr vihl ſtuͤhle nahch der reihe haͤruͤm geſaͤzt.

Wan man ſich vom mittage gegen morgen zu waͤndet / ſo koͤmt man widerům an drei ſchnaͤk - ken-gaͤnge / durch welche man in des Herzogs Schlahf-zimmer und auf di Raht-ſtube gaͤhen kan. Das Raht-haus ſtaͤhet an der ohſt-ſeite daͤs Schloſſes ůber einem balken-waͤrke von grohſ - ſen baͤumen / welches von auſſen ſehr herlich an zu ſaͤhen / zwuͤſchen den haͤubtern verguͤldet / und mit ſchoͤnen entworfenen geſchichten aus - gezihret iſt.

Alda iſt der gemeine Siz des Herzogs / und in der mitte ſein ehren-ſtuhl: da man pflaͤgt raht zu hatten in hohch-wuͤchtigen ſachchen; da waͤrden fremder Herꝛẽ / wi auch ihrer untertahnen / geſandtenver -208Der Adriatiſchen Roſemundverhoͤret. Jn diſem Rahthauſ iſt ein weiter ſahl / dahr-innen alle der Venediger Laͤnder / Faͤſtungen / Jn-laͤnder und Staͤte / nahch daͤm laͤben entworfen ſein. Auch ſtaͤhen alda eilf kaͤſerliche bilder-ſaͤu - len / aus gemaͤngtem aͤrz-waͤrke / welche waͤgen ih - rer kunſt eines grohſſen ſchazzes waͤhrtſein.

Der Sahl / da der grohſſe Raht zuſammen koͤm̃t / wuͤrd hundert und funfzig ſchuhe lang / und 73 breit geſchaͤzzet; und iſt im 1309 jahre nahch Kriſtus gebuhrt erbauet worden. Dahr-innen ſihet man alle ſchlachten der Venediger / wi auch di bildnuͤſſe aller ihrer Herzogen / Zehnder - und Rahts-herren / mit vihlen gelaͤhrten und kriges-leuten / auf das aller-kuͤnſtlichſte ab-gebildet.

Von dannen gaͤhet ein gewoͤlbter gang bis an das grohſſe zeug-haus daͤs fuͤrſtlichen Schloſſes / das nuhr allen fůhrnaͤhmen Herren / di zu daͤhm aͤnde nahch Venedig kommen / daß ſi was ſeltſames und ſonderbares ſaͤhen wollen / gezeuget wuͤrd. von diſem baue ſuͤhd-waͤrts nahch daͤm mehre zu / koͤmt man zu den geruͤchts-ſtuben der Zehender-herren / oder Stat-voͤgte; da wider-ům aller-hand luſtige fohr-hoͤfe / luſt-gaͤnge / dahr-innen di buͤrgerſchaft / di etwas fohr geruͤchte zu tuhn hat / auf und ab zu wandeln pflaͤget / und ſonſten vihl wunder ſchoͤne ſachchen zu ſaͤhen ſein.

Beſchreibung daͤs Gottes-hauſes des heiligen Markſens.

WAn ſich nuhn mein Her hinter das Schlos waͤndet / nahch mitter-nacht zu / wo di fuͤnf rundten Daͤchcher haͤr-fuͤhr-blikken / da ſihet er das weit-beruͤhmte Gottes-haus des heiligen Mark - ſens (welches ſo wunder-ſchoͤhn iſt / daß man daͤs - gleichen in der Kriſtenheit nicht fuͤndet) auf dem raͤcht und vihrtem teile des Marks-plazzes ſtaͤhen: welcher teil alein 470 ſchuhe lang / und 120 breit iſt.

Diſer209vihrtes Buhch.

Diſer bau iſt im 829 jahre nahch Kriſtus ge - buhrt angefangen worden / und man hat ſehr vihl marmel-ſtein und über-aus kuͤnſtlich-gehauene ſaͤulen von Atehn und andern orten aus Grichen - land dahrzu gebracht. Der fuhs oder grund-ſaz iſt gleichſam als ein kreuz / und es waͤrden dahr-an ſo wohl aus-als inwaͤndig fůnf-hundert ſaͤulen ge - zaͤhlet. Man gaͤhet von allen ſeiten durch einen mit vihl-faͤrbigen marmel-ſteinen gepflaſterten Fohr-hof hinein / deſſen guͤldnes ſchnaͤkken gewoͤlbe mit aller-hand geſchichten des Alten und Naͤuen Bundes von aus-gehauener arbeit gezihret iſt.

Der Bau an ſich ſelbſt iſt von lauter marmel - ſteinen ſehr kuͤnſtlich auf-gefuͤhret; der boden mit topas und porfiren belaͤgt; di gewoͤlbte bogen und waͤnde mit Ofiht und andern koͤſtlichen ſteinen uͤber-zogen; da alles von wunder-ſchoͤnem bilder - waͤrke flinkert und blinkert. unter welchen man et - liche verborgene Suͤnnen bilder / ſehr ahrtig aus - gehauen / ſihet / deren ein gutes teil der Einſidel-mei - ſter zum heiligen Floriahn / Jochim Kaliber / aus einem wahrſager-geiſte (in-daͤhm er auf di kuͤnfti - gen veraͤnderungen und krige ſein abſaͤhen gehabt) angegaͤben hat. Man ſihet al-da unter andern zwe haͤhne mit langen ſchnaͤbeln / welche einen fuchs beiſſen / und verwunden. Dadurch ſollen di ſige zweer koͤnigen in Frankreich / Karls des achten / und Luhdwigs des zwoͤlften / diſes namens / angedeutet waͤrden; daß ſi naͤhmlich den Luhdwig Sforzien aus ſeinem Fürſtentuhme verjagen wůrden. Faͤr - ner ſihet man einen ſehr magern leuen / welcher das zeuchen des heiligen Markſens fuͤhret / auf der aͤr - den kruͤchen / und einen andern / ſehr fet und wohl - leibig; damit man der Venediger (welche zum wahl - und wapen-bildnuͤſſ einen Leuen fuͤhren) verhaͤngnuͤs und glükke bedeuten wuͤl; daß ſi naͤhm - lich auf daͤm lande keinen ſtaͤrn / zu waſſer aber dasbaͤſte210Der Adriatiſchen Roſemundbaͤſte gluͤk haben wuͤrden. Etliche wollen zwahr diſe Suͤn-bilder anders aus-laͤgen / di meiſten aber ſtimmen auf itſt-erzaͤhlte entknoͤhdtelung.

Di waͤnde ſein inwaͤndig alle mit den aͤdleſten marmel-ſcheiben uͤberzogen / und ſo kůnſtlich / daß man im geringſten keine fugen dahr-an maͤrken kan. Auf der einen ſeite ſihet man zwo ſchne-weiſſe tafeln / aus einem ſtuͤkke gehauen / in welchen man etliche ſchwarze zůg und ſtrichche fuͤndet / di eines maͤnſchlichen glides geſtalt ſo eigendlich ab-bilden / daß es auch ihrer vihle fohr einen ab-ris eines kůnſtlichen mahlers angeſaͤhen haben / da es doch nuhr ein ſelb-entſprungenes waͤrk iſt. Dem Al - brecht Magnen haben diſe beide tafeln ſo wohl ge - fallen / daß er ſi mit unter di wunder-waͤrke der grohſſen Zeuge-mutter aller dinge geraͤchnet hat.

Das gewoͤlbe diſes grohſſen baues / welches uͤber - al mit ſchoͤnem bild-waͤrke geziret iſt / ruhet auf ſechs und dreißig marmel-ſteinernen ſaͤulen / wel - che eines mannes hohch / und zwe ſchuhe / dem durch - ſchnitte nahch / dikke ſein. Durch vihr fohr-tůhren / da eine ihde vihr pfeiler hat / kan man hinein gaͤhen.

Di aus-waͤndige Bloͤhſſe diſes baues (dan es lahſſen ſich drei teile deſſelben mit kraͤnzen blohs ſaͤ - hen) ruhet auf 115 / teils porfuͤhr-teils ofiht-teils marmel-ſteinern pfeilern / welche funfzehen fuͤhſſe hohch ſein; auf diſen ſtaͤhet noch eine reihe / nicht zwahr aͤben ſo grohs als di unterſten / ihdoch glei - ches waͤhrtes / von 146 ſaͤulen; welche oben uͤber dem eingange einen eroͤfneten luſt-gang machchen / und den bau an ſich ſelbſt von auſſen uͤm-ringen. Auf diſem gange pflaͤgen di Geiſtlichen / in beiſein des Rahts und Herzogs / am Palm-ſontage / ſon - derliche gepraͤnge zu halten.

Di grohſſe tuͤhre gegen den Marks-plaz / welche nahch grichiſcher ahrt erbauet iſt / hat fůnf zimliche von aͤrz gegoſſene fluͤgel / deren di ehrſten zwe taͤhg -lich /211vihrtes Buhch.lich / di andern zwe nuhr an den hohen feier-tagen / eroͤfnet waͤrden / und di laͤtſte bleibet allezeit ge - ſchloſſen. Oben auf daͤm haubt-geruͤſte diſer tůhre / ſtaͤhen vihr pfaͤhrde / der geſtalt und groͤhſſe nahch den tuͤrkiſchen gleich / mit einem ſiges-wagen / von korintiſchem aͤrze gegoſſen; welche ehrſtlich von Rohm nahch Konſtantinopel gefuͤhret; haͤrnahch aber / als di unſrigen izt-ermaͤldete ſtat einsmahls eroberten / wideruͤm von dannen nahch Venedig gebracht / und uͤber das tuͤhr-geruͤſte diſes baues ſein geſaͤzzet worden. uͤm diſes ganze gebaͤue ringſt haͤrům ſihet man nichts als ſchnits - und draͤh-waͤrk / als kraͤnze von marmel / als bluhm-laub - und bild - waͤrk; welches alles von golde / ſonderlich bei auf - fallenden ſonnen ſtrahlen / ſo traͤflich ſchimmert / daß man fohr grohſſem glanze faſt gahr verblaͤndet wuͤrd. Jah inwaͤndig in daͤm gebaͤue ſelbſt ſihet man nichts als alles von gold / türkiſſen / alb aſter / onich - und andern koͤſtlichen ſteinen blinkern und flinkern: Es iſt uͤber-al ſo fol bilder-waͤrk uñ prunk - ſaͤulen von aͤrz und marmel-ſtein / daß man im ehr - ſten anblikke faſt ganz erſtarret; und ob-wohl diſer Bau ſo gahr koͤſtlich und praͤchtig iſt / daß er nuhr ſeines inneren zihr-rahtes waͤgen unter di wunder - waͤrke der waͤlt koͤnte geraͤchnet waͤrdẽ / ſo iſt er doch iñerhalb 20 jahren angefangen uñ folaͤndet wordẽ.

Wan man in diſen Gottes-bau hin-ein-koͤmt / ſo erblikt man ſtraks das bildnůs des heiligen Markſens / welcher den einen arm ſuͤnken laͤſſet / und den andern erhoͤbet. von dannen gaͤhet man durch etliche traͤppen von aͤdlen ſteinen hin-auf / nahch dem hohen Gottes-tiſche / dahr-auf man mit grohſſer verwunderung einer koͤſtlichen tafel ge - wahr wuͤrd / welche von Konſtantinopel nahch Venedig iſt gebracht worden. Diſe tafel iſt von lauterem gold und ſilber / mit aller-hand ein - gegrabenen bildern / und ſo vihlen unerſchaͤzlichenaͤdlen212Der Adriatiſchen Roſemundaͤdlen ſteinen und perlen gezihret / daß man ſolchen ſchaz ohne beſtuͤrzung nicht anſchauen mahg. Der erwaͤhnte hohe Gottes-tiſch / wuͤrd mit einem kreuz - gewoͤlbe von den ſchoͤhnſten marmel-ſteinen bedaͤkt / welches auf vihr kuͤnſtlich aus-gearbeiteten ſaͤulen ruhet.

Beſchreibung der Schaz-kammer des heiligen Marks-baues.

STraks zur raͤchten hand mitten in daͤm gebaͤue bekoͤmt man eine grohſſe mit guͤldnen blaͤch - chen ůberzogene tůhre zu ſaͤhen / dahr-innen man unter anderem bilder-waͤrke di bildnůſſe des heiligen Dominikus und Franzen ſihet / welche fohr-ermaͤl - deter Jochim vihl jahr zufohr / ehe ſi ſein gebohren worden / alſo angegaͤben hat. Durch diſe tuͤhre koͤmt man in di Schaz-kammer / welche von den ſechs Fohrſtaͤnden des heiligen Markſens / di ſtraks nahch dem Herzoge ihren ſiz haben / verwahret würd.

Jch habe ſolche uͤber-traͤfliche ſchaͤzze ſehr vihl - mahl geſaͤhen / weil mein Her Vater einer von den Fohrſtaͤnden mit-wahr! und weus mich wohl zu erinnern (ob ich gleich dazumahl nuhr ein kind von acht jahren gewaͤſen bin) alles daͤſſen / was mihr iſt gezeuget worden.

Es waͤrden dahr-inne verwahret allerlei bildnuͤſſe der heiligen / ſehr vihl guͤldene Reichs-kraͤnze / vihl haͤubter von arabiſchem golde / welche mit über - aus-koͤſtlichen aͤdlen ſteinen verſaͤzzet ſein. Man fůndet aldahr eine grohſſe maͤnge rubinen / ſchma - ragden / topaſer / gold-ſteine / karfunkeln / perlen / de - manten / hiazinten / und andere / in traͤflicher groͤhſ - ſe. wi auch aller-hand koͤſtliche gefaͤhſſe / als mu - ſcheln / aus agat / onich und jaſpen gemacht. Do - minikus Grimman hat einen grohſſen karfunkel dahr-ein verehret / welcher faſt unerſchaͤzlich iſt.

Man213vihrtes Buhch.

Man ſihet ingleichen auch vihl andere ehren-ge - ſchaͤnke / welche den Venedigern von grohſſen Her - ren und Koͤnigen ſein uͤberſchikket worden; als ehrſt - lich zwei hoͤrner von einem einhorne / einer maͤchti - gen groͤhſſe / und noch eines / welches etwas kleiner iſt; dahr-nahch einen kruhg von den aller-koͤſtlich - ſten aͤdlen ſteinen / welchen Uſun-kaſſan der koͤnig in Perſien unſerer Stat-herſchaft zur verehrung zugeſandt hat; mit vihl-anderen koͤſtlichen geſchür - ren. Laͤtslich wuͤrd einem auch des Herzogs ehren - huht gezeuget / welcher ihm an dem ehren-tage ſei - ner wahl und beſtaͤtigung aufgeſaͤzt würd. Diſer Herzogs huht iſt ůber und ůber mit gold und aͤd - len ſteinen bedaͤkt / dahr-unter ein ſolcher karfunkel haͤrfuͤhr-leuchtet / dehr ſeiner groͤhſſe waͤgen nicht mahg geſchaͤzzet waͤrden. Ja es ſein dahr-innen ſo vihl guͤld - und ſilberne baͤchcher / ſchuͤſſeln / baͤkken / und andere gefaͤhſſe; ſo vihl rauch-pfannen / leuch - ter / lůcht-naͤppe / und heilige prunk-gewaͤnder / daß man diſe guͤhter vihlmehr fohr einen ſchaz der gan - zen waͤlt / als einer einigen Stat / halten moͤchte. kurz / es ſein alhihr und in daͤm ganzen gebaͤue noch ſo vihl koͤſtliche ſachchen zu ſaͤhen / daß man wohl drei tage dahr-zu haben muͤſte / waͤn man alles ſo eigendlich beſchreiben wolte.

Diſem baue raͤcht gegen uͤber hangen drei tafeln von aͤrz an ſehr hohen Dannen-baͤumen / dahr-auf vihlverſtaͤkte Suͤnnen-bilder zu ſaͤhen ſein / welche der Stat Venedig freiheit zu verſtaͤhen gaͤben. Hinter diſem baue iſt der dritte teil des Marks-plaz - zes / welcher ſich bis zu des heiligen Geminiahns Gottes-hauſ erſtraͤkket; da zur raͤchten hand / wi mein Her alhihr ſihet / der maͤchtige luſt-gang haͤr - fuͤhr-blikket / welcher drei reihen pfeiler / von lauter marmel-ſtein uͤber ein-ander geſaͤzzet / ſaͤhen laͤſſet.

Auf der ſeiten / und gerade gegen daͤm waſſer uͤber / ſtaͤhet das koͤſtliche tohr / welches nahch demmarkte214Der Adriatiſchen Roſemundmarkte zu gaͤhet. Das tohr-geruͤſte iſt von lanter marmel erbauet / und hat in der hoͤhe ein herliches uhr-waͤrk ſtaͤhen / dahr-an der ſtunden / der himli - ſchen zeuchen und der ſonnen lauf / ſamt dehr-glei - chen kuͤnſtlichen ſachchen / zu ſaͤhen ſein.

Zur ſeiten diſes tohres / ohn gefaͤhr achtzig ſchuhe von dem Marks-baue / ſteigt ein ſchoͤner glokken-tuhrn uͤber ſich / welcher von lautern vihr - ekkichten ſtuͤkken auf-gefuͤhret / und auf allen ſeiten vihrzig waͤrk-ſchuhe breit iſt. Seine hoͤhe von dem grunde bis zum mittelſten Stok-waͤrke wuͤrd auf hundert und vihr und ſechszig ſchuhe geraͤch - net / von dannen bis zum verguͤldetem himmels - boten hundert zwei und funfzig. Sein grund ſol im 888 jahre ſein gelaͤgt worden; und nahch-daͤhm er eins-mahls abgebrant iſt / ſo hat man ihn wider - uͤm gebaͤſſert / und an vilen aͤnden verguͤldet. Jn daͤm 1517 jahre nahch Kriſtus gebuhrt iſt zu oberſt auf di ſpizze diſer hoͤlzerne Him̃els-bohte mit ver - guͤldet em kupfer ůberzogen / geſaͤzt worden / welcher ſich von dem winde / wi ein wetter-hahn / haͤruͤm-trei - ben laͤſſet. Das dach iſt von kupfer und verguͤldet / welches / wan di ſonne dahr-auf ſcheinet / einen traͤflichen glanz von ſich gibet / ſonderlich wan man von Jſterreich und Dalmazien zu ſchiffe nahch Venedig faͤhret. Man gaͤhet in einer ſchnaͤkken bis zu oberſt hin-auf / von dannen man di ganze Stat / ſamt den haͤrům-ligenden Jnlaͤndern über-ſaͤhen / und di Se-aͤrme fohr den ſtrahſſen gahr leichtlich erkaͤnnen kan. Auf diſem tuhrne ſihet man faſt alle Gottes-haͤuſer / deren ſechs und ſechszig / faſt alle Stifte / deren ſechs und zwanzig / ſchihr alle Mans - und Jungfer-zwünger / deren vihr und funfzig / alle kleine ſtifts-haͤuſer fuͤhr ſo vihl brü - derſchaften / deren achtzehen in der Stat ſein / und faſt alle Schloͤſſer und Herren-haͤuſer.

Man ſihet auch faͤrner von diſer hoͤhe dasKrein -215vihrtes Buhch.Kreintiſche Gebürge / di Mehr-ſpizze von Hiſter - reich / das Appenniniſche Gebürge / ſo ſich durch ganz Waͤlſchland erſtraͤkt; den Auslauf der Etſch und Po / deren jenes aus Deutſchland / diſes aus Jtalien / in das Adriatiſche Mehr laͤufft.

Hinter diſem Turne gegen daͤm tohre daͤs Schloſſes / zeugt ſich der uͤber-aus-praͤchtige kreuz - gang / von Korinter waͤrk / mit aller-hand verbor - genen bildnuͤſſen gezihret. Alda kommen di Raͤchts - verpflaͤger zuſammen / ſo oft man raht haͤlt.

Hihr haͤr-unter-waͤrts gegen dem Marks-plazz uͤber / ohn-gefaͤhr fuͤnf-hundert ſchritte von der Stat / da diſer ſchlanke turn uͤber ſich ſteiget / ligt des heiligen Gregoriens Jnland / dahr-innen ein praͤchtiger marmel-ſteinerner Gottes-bau iſt / in welchem vihl ſchoͤne bilder und gemaͤlde geſaͤhen waͤrden / ſamt etlichen begraͤbnuͤſſen der alten Her - zoge von Venedig. Der Herzog und andere grohſ - ſe Herren in der Stat / pflaͤgen oft-mahls hin-aus luſt-wandeln zu fahren / weil es ein ſo-gahr luſti - ger ort iſt.

Al-hihr auf diſer ſeiten daͤs Fůrſtlichen Schloſ - ſes ſtaͤhet auch di Schaz - und Kunſt-kammer der Stat von marmel-ſtein / ſo ahrtig zuſammen-ge - ſaͤzt / daß man keine fugen dahr-an ſaͤhen kan.

Dort hinter der Dohm-herren haͤuſer / da ſolche koͤſtliche gebaͤue ſtaͤhen / ligt unſer Schlos / dahr - innen mich / nuhn-mehr fohr ſechszehen jahren / den ehrſten tahg des Roſen-mahndes / meine Frau Mutter / di Oktavie / zur waͤlt gebohren hat. Wei - ter hihr-haͤhr / gleich gegen daͤm Schloſſe des Her - zogs uͤber iſt di Buhch-kammer der Stat Venedig / welche von des waͤlt-bekanten uñ zu Rohm bekraͤnz - ten Franz-Petrarchens buͤchern / di er dem Rah[t]e fohr ſeinem abſtaͤrben vermacht hat / den anfang ge - nom̃en: dahr-innen noch vihl ſeiner hand-ſchriftenfohr -216Der Adriatiſchen Roſemundfohr-handen ſein / und etliche gedichte / di er ſeiner / teils noch beleibten / teils ſchohn ab-gelaͤhbten haͤrz - allerlihbſten Laure zu ehren geſchriben hat. Naͤben andern zihr-rahten ſein auch in diſem gebaͤu fuͤnf und zwanzig kuͤnſtlich-gehauene bilder / in raͤchter mannes-groͤhſſe / auf di alte grichiſche ahrt.

Gegen den plaz iſt es zum aller-praͤchtigſten / und erſtraͤkket ſich bis an des heiligen Geminiahns Gottes-haus / und fuͤrters bis an den ſtunden - tuhrn. Jah der Marks-plaz wuͤrd durch diſe / und noch vihl andere koͤſtliche gebaͤue ſo verherlicht / daß ich mit dem ob-ermaͤldten Petrarchen wohl ſagen mahg / daß man dehr-gleichen in der ganzen Kri - ſtenheit nicht fůnden koͤnne.

Das Schlos des Erz-vaters von Aglar.

U Nter andern daͤnk - und beſaͤhens-wuͤrdigen waͤrken diſer Stat / iſt auch jenes alte Gebaͤu / welches des Erz-vaters von Aglar Schlos genaͤn - net würd / nicht das geringſte; in welchem eine grohſſe maͤnge gehauener und geſchnizter bilder der alten roͤmiſchen Fuͤrſten und Erz-herren / aus marmel zu ſaͤhen ſein. Etliche ſein auch aus aͤrz - waͤrk oder kupfer gegoſſen. Da ſihet man vihl bild - nuͤſſe der heidniſchen Ab - und Als-goͤtter / als des wein-Gottes Bachchus / des donner-Gottes Jupi - ters / des beſchwazten Merkuhrs; der Als goͤttin Himmelinnen / der Kluginnen / der Libinnen: wi auch di abgeſtaltnuͤſſe daͤs gluͤks / daͤs wohl-laͤbens / und des verſchalkten luſt-kindes Lihbreizes / von ko - rintiſchem aͤrz gegoſſen; welche Marihn Grim̃an / ein traͤflicher lihb-haber der alten ſeltſamkeiten / alle mit einander aus Grichenland und Jtalien geſam - let / und keine koſten geſpahret hat / damit er nuhr diſes Schlos raͤcht aus-zihren moͤchte. Man ſihetalhihr217vihrtes Buhch.alhihr manches ſchoͤnes ſtůkke / ſo nahch zerſtoͤhrung der ſchoͤnen Stat Aglar (welche der Hunnen koͤnig Attila nahch einer drei-jaͤhrigen belaͤgerung er - obert / und in di ſiben und dreißig tauſend von der buͤrgerſchaft hat enthaubten lahſſen) gen Venedig gebracht worden. Jn den innerſten zimmern diſes Schloſſes zeugt man etliche kleine bet-laden / welche di alten Heiden in ihren Heilig-tůhmern gehabt haben / daß ihre Abgoͤtter dahr-innen ligen ſolten / ſamt etlichen kleinen Gottes tiſchen / mit ihren zeuchen und ſchriften / wi man ſi zu Aglar hat zu gebrauchen pflaͤgen: wi ſolches der Juhl Kapitolihn bezeuget. unter andern iſt auch dahr-innen di - jenige tafel mit einer uhr-alten ſchrift zu fuͤnden / dehren Herodiahn im achten buche ſeiner Ge - ſchichte gedaͤnket; welche der Erz-vater Grimman gleiches falles hin-ein-gebracht hat.

Dort uͤm jene gegend liget das Deutſche Haus / ein ůber-aus-grohſſ - und praͤchtiges gebaͤue / wel - ches 512 ſchuh in ſeinem ümkreiſe haͤlt. von innen iſt es uͤber-aus-ſchoͤhn gemahlet / und mit vilen luſt-gaͤngen auf das praͤchtigſte gezihret. Es be - greiffet in ſich 200 gemaͤchcher / in denen di deut - ſchen Kauf-leute ligen koͤnnen / dehren ſtaͤhts ſehr vihl in der Stat ſein.

Beſchreibung daͤs Zeug-hauſes / und Schif-fahrt der Venediger.

AN jenem ſpizzen und hohen aͤnde der Stat / da di vihr einzele tuͤrne nahch jenem Mehre zu ſtaͤhen / ligt das Rüſt - und Zeug-haus der Stat - herſchaft / welches nicht alein ein grohſſer und weit - laͤuftiger bau iſt / ſondern auch ſo uͤber-aus-ſchoͤhn / daß daͤs gleichen in der waͤlt kaum mahg gefunden waͤrden. Es iſt ringſt haͤruͤm mit mauren verwah - ret / und es ligen dahr-innen allezeit 200 wal-ſchif -Kfe /218Der Adriatiſchen Roſemundfe / ohne di vihrzig / di ſtaͤhts auf daͤm mehre haͤr - ům kreuzen; unter welchen zwanzig grohſſe zu fuͤn - den ſein / welche man wohl mit raͤcht kriges-ſchiffe naͤnnen koͤnte; ſi ſein zwahr ſo flůchtig nicht als di andern / doch gleich-wohl wan ſi guten wind haben / ſo kan man mit diſen 20 Walleien wohl hundert kleinere angreiffen / und mit ſige beſtreiten; ſi waͤrden auch vihl baͤſſer gehalten / als di ſchiff oh - ne rimen / weil man damit ſonder wind ſchiffen kan. Man hat alhihr einen ſolchen fohr-raht an kriges - růſtung / daß man wohl ein kriges-hehr von tau - ſend ſtark aus-ruͤſten kan; auch eine ſolche an - zahl von groben ſtuͤkken und geſchuͤzzen / daß man deren zu land und zur Se uͤber-flühſſig gnug hat. Da fündet man eine grohſſe maͤnge an eiſen / aͤrz / holz / hanf und flachs / an ſchif-haken / ketten / ſaͤu - len / rudern / ſegeln / und was mehr fohr geraͤhte zu den ſchiffen von noͤhten iſt / daͤſſen noch alle-zeit mehr gemacht wuͤrd. Dan es arbeiten dahr-innen taͤhglich di aller-erfahrneſten waͤrk-meiſter / an der zahl vihr hundert / mit ſolchem fleiſſe / daß auch bis - weilen in zehen tagen dreißig wal-ſchiffe ſein faͤrtig gemacht / und fohr den feind gefůhret worden: ihre beſoldung iſt woͤchchendlich zwoͤlf-hundert gold - gůlden.

An ruder-knaͤchten und ſoldaten zu den wallei - en iſt kein mangel. Di Schifs-haubt-leute ſein meiſten-teils Venediſche von adel / deren ſo vihl ſein / daß auf einem ihglichen wal-ſchiffe zwe zu fah - ren pflaͤgen.

Zu erhaltung des Mehr-hafens und verſichche - rung der Jnlaͤnder im grichiſchen Mehre halten ſi alle-zeit vihrzig wal-ſchiffe mit einem Befaͤh - lichshaber / oder Stat-halter / wor-auf ihnen jaͤhr - lich / di zwi-bakken mit-geraͤchnet / funfzig-tauſend kronen gaͤhen. Durch diſe Fluht wuͤrd nicht al - ein das Mehr von den Se-raͤubern rein gehalten /ſon -219vihrtes Buhch.ſondern der Venediſche adel hat auch da-durch mittel ſich in den Se-krigen zu uͤben / wan es dẽ gelaͤgenheit gihbt / daß ſi dem feind eine ſchlacht luͤfern muͤſſen.

So oft man hoͤret / daß ſich der feind zur Se ruͤ - ſtet / ſo waͤrden noch eins ſo vihl walleien aus-ge - ſchikt / und ein Se-held oder Kriges-haubt erwaͤh - let / wo-fuͤhr ſich di Tůrken ſo ſehr entſaͤzzen / daß ſi ſich nicht ein-mahl zum Adriatiſchen Se-winkel nahen dürfen / vihl-weniger zur Stat Venedig. Si haben ſchohn fohr zwei und drei hundert jahren eine fluht von zwei hundert ſchiffen / nahch daͤm heiligen lande zu / abfaͤrtigen koͤnnen / da ſi / mit huͤlfe der Franzoſen / Konſtantinopel einnahmen; dehr-geſtalt / daß man ihm leichtlich einbilden kan / was ſi izund tuhn koͤnten / da ſi noch drei / ja mehr / mahl maͤchtiger ſein / als ſi damahls waren.

Jch habe mich zimlich weit verlauffen / und mehr auf der Se / als in daͤm Růſt - und Zeug-haͤuſern uͤmgeſaͤhen. Damit ich aber meine raͤde ſo vihl als muͤhglich verkuͤrzere / ſo ſol er noch wuͤſſen / daß in diſem zeug-hauſe ſehr vihl fahnen / ſo ſi dem Tuͤr - ken und Mehr-raͤubern ab-genommen / ſamt den reichen beuten / di ſi im 1571 jahre bei Naͤupakt bekommen haben / verwahret waͤrden: wi auch das grohſſe ſchif / Bucentaurus genant / auf wel - chem der Herzog mit dem ganzen Raht und den fuͤhrnaͤhmſten aus daͤm folke / alle jahr ein-mahl auf das Mehr faͤhret / mit welchem er ſich vermaͤh - let / und zu beſtaͤhtigung ſolches gepraͤnges einen gůldnen ring dahr-ein wuͤrfet.

Di anzahl der buͤrgerſchaft diſer gewaltigen Stat iſt ſehr grohs / und wůrd uͤber drei-mahl hundert tauſend geſchaͤzzet! dehr-geſtalt / daß man ein ſtarkes kriges-heer aus ihnen alein auf-bringen kan / und keine fremde dahrzu bedarf. Richts daͤs zuK 2we -220Der Adriatiſchen Roſemundweniger aber / weil ins gemein alle Waͤlſchen / ſon - derlich di Venediger / zum krig auf daͤm lande nicht ſo wohl dinen als di Hohchdeutſchen / oder andere foͤlkerſchaften; ſo pflaͤgen ſi gemeiniglich einen aus - laͤndiſchen zum Feld-krihgs-haubte zu machchen / dehm ſi nahch ſeinem Stand und Wuͤrden ge - buͤhrlich auf-warten / und zwe wohl-verdihnte Rahts-herren zu-gaͤben / welche ſi Ober-aufſaͤher naͤnnen; ohne deren bewůlligung der Feld-her kei - ne ſchlacht luͤfern darf. Di ſoldaten auch muͤſſen meiſten teils hohch-deutſche ſein / weil ſi in den feld - ſchlachten am baͤſten ſtand halten: da haͤhr haben di Venediger auf eine zeit 15000 / meiſten-teilo Deutſche / zu felde gehabt.

Solche grohſſe krige zu fuͤhren / haben ſi an der ſteuer / ſchazzung / und jaͤhrlichem einkommen uͤber - genug. Dan di Stat-herſchaft pflaͤgt jaͤhrlich aus ihren Staͤdten und Laͤndern / wan ſi im fride laͤ - ben / zweimahl hundert-tauſend Reichs-tahler zu hoͤben. Als / aus den Laͤndern und Staͤdten in Waͤlſchland 800000 kronen / dahrzu alein di zu Bres und Baͤrgam 300000 bezahlen. Aus den Zoͤllen der Stat Venedig 700000 kronen; dan der wein-zol alein traͤget 130000. ůber dis bekom̃en ſi auch ein grohſſes gaͤld aus den zehenden und auf - lagen / welche ſo wohl auf di vom adel / als das Stat-folk geſchlagen waͤrden. Gleich ſo auch vom ſalze / welches aus daͤm waſſer gemacht wůrd / und aus der ſteuer / ſo di Se-ſtaͤt erlaͤgen / welches zu - ſammen jaͤhrlich in di 500000 kronen aus-traͤget. aͤben ſo vihl hat auch fohr diſem das Jnland Zi - pern / welches nuhn in der Tuͤrken gewalt iſt / auf - gebracht.

Wan aber ob-gemaͤldete gaͤlder zu unterhal - tung des kriges nicht reichen koͤnnen / ſo wuͤſſen ſi / im noht-falle / mit ſonderlicher liſt und verſchlagenheit / gaͤld genug auf zu bringen / in-daͤhm ſi di unter -tah -221vihrtes Buhch.tahnen / welche uͤber-fluͤſſig reich ſein / nicht zwuͤn - gen / ſondern alles mit glimpf und kluhgheit an zu greiffen pflaͤgen. Ehrſtlich erhoͤhen ſi di zoͤlle / und di ſteuren naͤhmen groͤhſſere ſchazzung von den wahren / welche nahchmahls di kauf-leute ſchohn ſo zu verkauffen wuͤſſen / daß ſi auch keinẽ ſchaden dahr - an leiden / und alſo der kaͤuffer unvermaͤrkt das-je - nige wider erlaͤgen mus / was ihnen di Stat-her - ſchaft zu gaͤben auf-erlaͤgt hat. Dahr-nahch / wan das ob-gedachte nicht gnug iſt / ſo gaͤhen ſi noch ei - nen andern waͤhg / und verkauffen di fohrnaͤhmſten ehren-aͤmter und wůrden / welche ſonſten den wohl - verdihnten vom adel ohne gaͤld gegaͤben waͤrden. Jhdoch gaͤben ſi auch ſelbige nicht dehmſelben / dehr am meiſten buͤhtet / ſondern dem wuͤrdigſten unter den kauf-leuten / ob ſi ſchohn weniger bůten als an - dere. Auf diſe weiſe ſein da-zu-mahl / als ſich di groͤhſſeſten Herren der Kriſtenheit zu Kammerich wider di Venediger verbunden hatten / in di 500000 krohnen zu waͤge gebracht worden. Si naͤhmen auch wohl / im falle der noht / gaͤld / und erklaͤhren der grohſſen Herren und Geſchlaͤchter Soͤhne / ob ſi ſchohn noch zu jung ſein / fůhr tůchtig / daß ſi zu rahte gaͤhen / und daͤs zu zeitlicher zu aͤm - tern gelangen moͤgen; wi dan meinem Hern Va - ter / welcher ſchohn im zwanzigſten jahre di Raht - ſtaͤlle betraͤten hat / auch widerfahren iſt. Drittens / ſo lahſſen auch di Obrigkeiten und Amt-leute ihre beſoldung eine zeitlang fallen; und wan diſes alles nicht reichen mahg / und di Stat in hoͤchſten noͤhten iſt / ſo greiffen ſi auch der Buͤrger guͤhter an / im fal ſi jah mit guͤhte nicht wollen / vnd verkauffen den dritten teil dahr-von: doch geſchihet ſolches auch mit keiner unbilligkeit; dan ſi gaͤben dem Glaͤubi - ger eine verſichcherung / daß ihm ſolches gaͤld zu gewuͤſſer zeit wider ſol erſtattet waͤrden / und lahſ - ſen ihm auch uͤber das einen zimlichen wucher ge - nuͤhſſen.

K 3An222Der Adriatiſchen Roſemund

An laͤbens-mitteln gebruͤcht es der Stat nih - mahls / weil ihr ein grohſſer ůberflus an wein / oͤhl / korn / weizzen und anderem getreide aus der naͤhe zugefuͤhret wuͤrd. Das ganze jahr durch fuͤndet man auf ihren maͤrkten uͤber 200 ahrten von baum-fruͤchten / ohne di kuͤchchen-kraͤuter / fiſch - waͤrk / und andere ſpeiſen und zu-gemuͤhſe / damit di Reichen ihre tiſche beladen; wi dan der fuͤrſtli - chen und ahdlichen geſchlaͤchter in diſer Stat eine grohſſe zahl iſt.

Mein Her ſihet nuhn / was mein vaterland und meine gebuhrts-ſtat fohr herligkeit / pracht / gewalt und reichtuhmer hat; Jch kan ihm di haͤlfte der al - ler-führnaͤhmſten dinge nicht erzaͤhlen / dan di zeit würde vihl zu kurz ſein. Wehr wůl di beſchaffen - heit und pracht aller ſchloͤſſer beſchreiben / derer hun - dert und ein und vihrzig / jah noch hundert Herren - haͤuſer / di man auch wohl Schloͤſſer naͤnnen koͤn - te / geraͤchnet waͤrden?

Es waͤrden in diſer Stat funfzig geruͤchts-ſtuͤh - le / zehen Ehren-tohre / ſiben und zwanzig gemeine ſchlahg-uhren / ſiben und zwanzig oͤffendliche be - daͤkte Luſt-gaͤnge / drei und funfzig wandel-plaͤzze / hundert und vihr-zehen glokken-tuͤrne / zehen grohſſe gegoſſene pfaͤrde / hundert fuͤnf und funfzig gemei - ne zuͤh - und waſſer-brunnen / hundert fůnf und acht - zig luſt-gaͤrten / und dehr-gleichen ſachchen eine grohſſe maͤnge gefunden. Kurz / Venedig iſt di einige zihr des ganzen Jtaliaͤniſchen namens / ſi iſt di Kaͤſerin der Staͤdte / di uͤberwůnnerin ſo viler maͤchtigen foͤlker / und di einige unuͤberwůndliche Jungfrau / di ihr mahgd-tuhm in ſo vihl tauſend jahren unverrůkt behalten hat.

Als nuhn di Roſemund in ihrer erzaͤhlung bis hihrhaͤhr kommen wahr / ſo ſchwihg ſi eine guhte[z]eit ſtille / und ſahe den Markhold gleichſam mit laͤchlendem geſichte an; dehr-geſtalt / daß er auf -ſtaͤhen /223vihrtes Buhch.ſtaͤhen / und ſich gegen diſe Schoͤne / waͤgen ge - hahbter muͤhe / bedanken wolte. Aber ſi kahm ihm zufohr / und huhb widerům an; Mein Her (ſahgte ſi) wolle noch ein klein wenig geduld ha - ben / damit ich nuhr di gebraͤchchen / welche man unſerer foͤlkerſchaft andichtet / entſchuldigen / und das gegen-teil erweiſen moͤge.

Man wůl den Venedigern (fuhr ſi fort) ſchuld gaͤben / daß ſi ſtolz und hohch-muͤhtig ſein / und gaͤrn nahch fremden guͤtern trachten; daß das Frauen-zimmer ſich nicht in den ſchranken zu hal - ten pflaͤge / daß es ſich gern nahch fremden / und ſonderlich hohch-deutſchen / ům-ſaͤhe / und ſi durch verehrung und dihnſt-faͤrtigkeit zur libe bewaͤge / daß es in eitelen wohl-luͤſten laͤbe / und keine andere ſorge trage / als ſeine luͤſterne begihrden zu buͤhſ - ſen. Das ehrſte kan ich mit vihlen beweis-tuͤh - mern und zeugnuͤſſen widerlaͤgen / ſonderlich aber mit dem Andreſen Kontarenen / dem vihrzigſten Herzoge der Stat Venedig / welcher daͤs-halben / daß er ſich beſorgte / di Vaͤter wůrden ihn zum Fuͤrſten erwaͤhlen / gen Padue entwich / und gleich - wohl ſolcher wuͤrden nicht entgaͤhen konte: wel - ches jah wahrlich kein zeuchen eines hohch-muhts iſt. Jah diſer kluhg-ſuͤnnige Her / hat noch dahrzu / ob er ſchohn ſo vihl tapfere cahten getahn / auf ſei - nem ſuͤhch-bette befohlen / daß man ſeinen grahb - ſtein / welcher noch izund bei dem Stefahns-baue zu ſaͤhen iſt / weder mit des Herzohgs / noch der Stat wapen / zihren ſolte; und da-haͤhr koͤmt es / daß auch dem tauſendten das grahb diſes grohſſen und beruͤhmten Fuͤrſtens nicht bekant iſt.

Jch mus zwahr auch geſtaͤhen (raͤdete ſi weiter) daß ihrer vihl unter uns gefunden waͤrden / welche dem hohch-muht gahr ſehr nahch-haͤngen. Aber di mei - ſten / weus ich wohl / ſein alſo nicht geſuͤnnet / und bemuͤhen ſich / ſonderlich unter daͤm Frauen-zim̃er;K 4dan224Der Adriatiſchen Roſemunddan von daͤm mans-folke wuͤl ich nicht ſo aͤben uhr - teilen / weil ich dem waͤlſchen gebrauche nahch / we - nig mit ihnen ümgangen bin) ihrer ſehr vihl der zugend nahch-zu ſtraͤben.

So hoͤr ich wohl (fihl ihr di Stilmuht in di raͤde) daß du den hohchmuht mit unter di untugenden raͤchnen wuͤltſt / da er doch / meinem beduͤnken nahch / eine von den führ-traͤflichſten und tapferſten tu - genden iſt. Ja wohl! (gahb ihr di Roſemund zur antwort) ſol es nuhn eine tugend ſein / wan ich hohch-muͤhtig bin; und noch dahr-zu eine von den aller-fuͤhrtraͤflichſten! Oh nein / du würſt mich daͤſ - ſen nimmer-mehr ůber-raͤden; Du gedaͤnkſt ſi vihl - leicht daͤs halben dahr-unter zu zaͤhlen / weil du auch ein wenig diſem laſter ergaͤben biſt. ho; laſter! (fing ihr di Stilmuht das wort auf) ſol man diſe tugend laͤſtern / ſo darf keiner mehr geſuͤnnet ſein nahch eh - ren zu ſtraͤben; ſo muͤſſen wihr in der ſtuͤnkenden faulheit und traͤgen un-ehre / wi di ſaͤu in der ſchwaͤm̃e / ligen bleiben / und nimmer-mehr durch tu - gend erhoben zu waͤrden gedaͤnken. Hat nicht jener beruͤhmte Feld-her geſagt; daß / wan er wuͤſſte / daß der geringſte unter ſeinen ſoldaten nicht einmahl eines Oberſten plaz zu betraͤhten gedaͤchte / ſo wolt er ihn ſtraks aus ſeinem Hehre verjagen / und hin - ſaͤnden / wo hin er gehoͤrete / und wo di Tugend in faulheit verſchlummert wůrde. Jah welche tugend / oder was fohr eine ſachche / wůrket wohl ſo vihl traͤf - liche tahten / als der hohch-muht? wan di gemuͤhter der maͤnſchen / ům einer růhmlichen ehre waͤgen / auch di gefahr ſelbſt nicht achten / und mit allen kraͤften den muht / ſamt der fauſt / entpohr-hoͤben. unſer Statwaͤſen waͤre nimmer-mehr ſo traͤflich gewachſ - ſen / wo nicht unſere fohr-fahren / durch den hohch - muht geruͤhret / ihre ehre beobachtet / und nahch der hoͤhchſten gewalt geſtraͤbet haͤtten. und daß du den Andreſen Kontarenen anzůheſt / daß er nicht Her -zog225vihrtes Buhch.zog habe ſein wollen; ſolches iſt daͤs-halben keines waͤges geſchaͤhen / daß er nicht hohch-muͤhtig gewaͤ - ſenſei / und nahch ehren geſtraͤbet; ſondern er fuͤrch - tete ſich fohr den inſtaͤhenden unglüklichen krigen / di er zeit ſeiner herſchaft wuͤrde fůhren muͤſſen: und diſes wahr aͤben di raͤchte uhrſachche / wahruͤm er nahch Padue geflohen wahr.

Wan du jah beweiſen wuͤltſt (huhb di Roſemund an) daß der Hohch-muht eine tugend ſei / ſo muſt du nicht ſo gahr ins gemein hin-raͤden / und den Hohch - muht von dem hohchmuht in etwas unterſcheiden: wi ſol man dan den hohch-muht von dem hohch - muht unterſcheiden? (fing Stilmuht an) und wi ſol diſes geſchaͤhen? ich kan nicht begreiffen / wi du es meineſt.

Den Hohch-muht (gahb di Roſemund zur ant - wort) ſolteſt-du in einen aͤdlen und unaͤdlen / oder in einen zihmlichen und unzihmlichen geteilet haben - unter dem aͤdlen hohch-muht verſtaͤh ich di grohs - muͤhtigkeit und wachſamkeit zur unſtaͤrblichen tu - gend / welche den aͤdelen wohl anſtaͤhet. unter dem unaͤdlen oder unzihmlichen / verſtaͤh ich den ſtolz / (dehn ich auch zugleich mit anzohg) di hoh-fahrt / den auf-geblaſenen geiſt / dehr ſich inner den ſchran - ken der tugend nicht halten kan / dehr andere naͤben ſich verachtet / und keinen hohch-haͤlt als ſich ſelbſt.

Si hat ůber-aus-kluͤhglich geantwortet / (fing Markhold zur Roſemund an) und / o kluhg-ſuͤnni - ges Fraͤulein / wehr wuͤl ihre kluge gedanken ver - baͤſſern? wehr wuͤl ſich auch unter-ſtaͤhen / ſolch-ei - nen aͤdlen hohchmuht an der grohs-muͤhtigen Stil - muht zu tadeln? Jch habe / von meiner ehrſten ju - gend auf / diſen aͤdlen hohchmuht nicht alein ſelbſt entfunden / ſondern auch bei andern uͤber-aus geli - bet. Ja ich hab ihn auch ſelbſt an meiner Schoͤnen ſehr gepriſen / und kan mich nicht gnug wundern / daß ſi ein ſolches tugend ruͤngendes und grohſſesK 5haͤrze /226Der Adriatiſchen Roſemundhaͤrze / welches ſi taͤht - und wuͤrklich maͤrken laͤſſet / unter ſolchen leutſaͤligen / luſtigen und zugleich ein - gezogenen gebaͤhrden verbuͤrget. Aber hat nicht ihre Jungfer Schwaͤſter (wo mihr anders raͤcht iſt) verſprochchen / daß ſi auch etwas von ihrem va - ter-land erzaͤhlen wolte? und ſolchem verſpraͤch - chen koͤnte ſi nahch-kom̃en / wan ſi di beſchaffenheit der Ordnungen / Gebraͤuche / wahl-ſazz - und beher - ſchung ihres Stat-waͤſens beſchribe.

Mein Her (fing di Stilmuht hihr-auf an) ich wůl meinen worten / ob ich ſi ſchohn nicht ſo eigend - lich von mihr gegaͤben habe / gaͤrne nahch-kommen / wan nuhr meine Schwaͤſter noch zufohr das einige moͤchte behaubtet haben / daß ſich das Venediſche Frauen-zimmer nicht gaͤrn nahch jungen / und zu - fohr-aus fremden / mans-bildern uͤm zu ſaͤhen pflaͤg - te / und daß ihnen ſolches zur ſchande gedeien koͤnte.

Markhold begunte hihr-uͤber zu lachchen / und ſahe di Roſemund an / welche ſich fohr ſchahm er - roͤhtete / und di augen nider-waͤrts ſchluhg. Als aber di Stilmuht daͤſſen gewahr ward / ſo ſahgte ſi in lachchendem muhte; o meine ſchwaͤſter / hat dich nuhn dein eigne zunge ſo beſchaͤhmt und ſtrah fwuͤrdig gemacht! wi wuͤltſt-du nuhn behaub - ten / daß du ſelbſt nicht nahch jungen maͤnſchen ſchaueſt; und wuͤltſt-du dich dan alſo zu ſchanden machchen / wan du ſolches an andern mis-preiſeſt?

Jch mis-preiſe ſolches keines waͤges / (gahb ihr Roſemund zur antwort) wan es nuhr mit keuſchen ſuͤnnen geſchthet. Meine Schoͤne verzeuhe mihr (fihl ihr der Markhold in di raͤde) daß ich fragen mahg / was ſolches fohr keuſche ſuͤnnen ſein? und ob man auch mit keuſchen ſuͤnnen lihb-aͤuglen koͤnne?

Si kommen mihr alle-beide vihl zu weit in das gehaͤge / (gahb Roſemund zur antwort) und ich weus nicht / was ich aus ſeiner laͤtſten frage mach - chen ſol. Sonſten weus ich wohl / daß uns das lihb -aͤuglen227vihrtes Buhch.aͤuglen als eine angebohrne eigenſchaft zu-geſchri - ben wuͤrd / und daß es zweierlei iſt / entweder ein leut-ſaͤliges / oder ein waͤlt-ſaͤliges; das leut-ſaͤlige lihb-aͤuglen koͤmt der Kluginne zu / das waͤlt-ſaͤlige der Libinne: welches laͤtſtere wideruͤm kan geteilet waͤrden in ein keuſches / welches einer chrlichen Jungfrauen und juͤnglinge oder jung-manne ge - zihmet; und dahr-nahch in ein geiles / welches un - teuſche gemuͤhter veruhrſachchen; und diſes iſt es aͤben / welches mit keuſchen ſuͤnnen nicht geſchaͤhen kan. Di keuſche ſuͤnnen nuhn (wan ich ſeine ehrſte frage beantworten ſol) ſein di-jenigen / welche mit einem rein und lauterem haͤrzen gebraucht waͤrden. Als / ich kan eines ſtimme wohl gaͤrn und mit grohſ - ſer begihrd hoͤren / und dadurch auch zur libe bewo - gen waͤrden; ich kan eines lihbliche gebaͤhrden und ahrtige leibes-geſtalt / ſamt der ſchoͤhnheit / wohl mit entzůkkung anſchauen; aber indaͤhm mein haͤrz keuſch iſt / ſo iſt auch daͤſſelben würkung untadel - haftig. Jch kan eines juͤnglinges lippen und wan - gen noch wohl an di meinigen kommen lahſſen / und gleich-wohl ein unverruͤktes haͤrze behalten.

Das weus ich nicht (fihl ihr Markhold in di raͤ - de) ob das haͤrz nicht ein wenig wanken ſolte / nahch - daͤhm ein kus (dan diſen verſtaͤhet ſi jah durch di be - ruͤhrung der wangen und lippen) der angluͤmmende zunder einer inbruͤnſtigen Libe ſein ſol. Jah di lip - pen (wi jener fohr di wahrheit aus-gibet) ſein di anfaͤng und di aller-kaͤhneſten waͤrk-zeuge der Li - be / von denen es zu den haͤnden koͤmt / welche das ſuͤhſſe libes-gift / das di lippen dem munde gleich - ſam eingefloͤhſſet haben / halb-zitternde entfuͤnden / und ſich aus daͤm gehaͤge nicht leichtlich halten lahſ - ſen. Aber mit was fuͤhr gedanken / moͤcht ich wohr gaͤrne wuͤſſen / di Hollaͤndiſchen Jungfrauen einem juͤnglinge den abſchihds-kus gaͤben / und ob ſich ihr haͤrz auch ſo ſchne-rein und ſo unverrůkt dahr-bei befuͤndet?

K 6Jch228Der Adriatiſchen Roſemund

Jch wůl zwahr fohr andere nicht ſtreiten / gahb Roſemund zur antwort / damit ich nicht etwan ei - ne mis-vertraͤhtung tuhe: ihdoch kan ich meinen Hern noch wohl verſichchern / daß ihre gedanken (wo nicht aller / doch der meiſten) von der keuſch - heit nicht ab-geneuget fein. Jah / wan es alle-zeit Amſterdamiſche waͤren (huhb Markhold an) wel - chen ihres truͤben und faſt ſtaͤhts-gewoͤlkten him̃els ſchlaͤhfrige wuͤrkung aus den augen ab zu naͤhmen iſt; ſo wuͤl ich’s noch wohl in etwas glaͤuben. Aber wihr waͤrden mit unſeren waͤchſel-raͤden di zeit ver - ſchaͤrzen / daß mihr haͤrnahch di ſchoͤne Stilmuht ihre ſchuld nicht wuͤrd koͤnnen abzahlen; dan / der abaͤnd wuͤrd mich bald wideruͤm nahch Amſtelgan fortern. Mein Her hat dahruͤm nicht ſo zu eilen / (huhb di Roſemund an) iſt er doch alhihr aͤben ſo wohl daheim als dort; und di Stilmuht wuͤrd ih - re raͤde nicht lang machchen.

Jndaͤhm ſi ſolcher geſtalt mit einander kurz-wei - leten / ſo kahm aͤben ein diner hinein / welcher ihnen anſahgte / daß der alte Her / der Sůnnebald / ange - langet waͤre / und izund zu ihnen hin-auf-kommen wuͤrde. Markhold erhuhb ſich mit diſen zwo Schoͤ - nen / ihm entgegen zu gaͤhen; aber ſi waren kaum an di tuͤhre kommen / daß ſi hin-aus auf den Sahl traͤhten wolten / da kahm der Sůnnebald ſchohn hin-ein / und hihs den Markhold mit grohſſen fraͤu - den wuͤl-kommen. Er erkundigte ſich / wi es ihm auf der reiſe gangen waͤre? ob er auch einige unbaͤs - ligkeit verſpuͤret haͤtte? und nahch vilen dehrglei - chen fragen lihs er ſo wohl ſeine toͤchter / als den Markhold / bei ſich nider-ſizzen.

Er frahgte ſi laͤtslich / wo von ſi nahch daͤm aͤſſen ſyrache gehalten haͤtten? dahr-auf ihm Roſemund zur antwort gahb / daß ſi dem Markhold di Stat Venedig nahch ihrem bau und anſaͤhen beſchriben haͤtte; und ihre ſchwaͤſter / di Stilmuht / ſolte nochdi229vihrtes Buhch.di beſchaffenheit ihres Stat-waͤſens erzaͤhlen; wel - ches ſi gleich izund haͤtte beguͤnnen wollen / als der Her Vater ankommen waͤre.

Nuhn wohl! (huhb der Sůnnebald hihr-auf an / und waͤndete ſich nahch dem Markhold zu) weil ihm meine tochter di beſchaffenheit unſerer Stat - herſchaft hat beſchreiben wollen; ſo wuͤl ich izund / damit ich diſen waͤhg gleich-wohl nicht ůmſonſt ge - tahn habe / ſolche luſt-waltung auf mich naͤhmen / und meines Hern verlangen aufs muͤhglichſt und tuͤrzeſte vergnuͤgen.

Der Markhold bedankte ſich ſolches ſeines an - erbuͤhtens waͤgen / und ſahgte / daß es ihm ſehr lihb waͤre / di beſchaffenheit daͤs Venediſchen Stat - waͤſens / von einem ſolchen hohch-beruͤhmten man - ne zu erfahren / dehr ſelbſten eines von den fohr - naͤhmſten Glidern ihrer Stat-herſchaft gewaͤſen waͤre; mit der verſichcherung / daß er ihm wideruͤm anderwaͤrts / wan er ſein geboht / oder nuhr ſein blohſſes winken / vernaͤhmen wůrde / in dehr-glei - chen faͤllen wuͤllig gehorchen wolte.

Der Sünnebald gahb hihr-auf zur antwort / daß es nuhr ſeine hoͤchſte luſt waͤre / dehr-gleichen ſachchen zu erzaͤhlen / und fing ohne weiteren üm - ſchweif folgender geſtalt an.

Kurzer entwurf Der Beſchaffenheit daͤs Venediſchen Stat-waͤſens.

NAhch-daͤhm das Stat-waͤſen der alten Vene - diger anfaͤnglich auf dem ſtande der al-ge - meinen herſchaft daͤs ganzen folkes eine zeitlang beruhet hatte / und ſich aus vihlen ſtreitigkeiten und ſpaltungen der gemůhter in eine wuͤterei veraͤn - dert; ſo hat man aͤndlich / diſem uͤbel fohr zu bauen / ohngefaͤhr ům di zeit daͤs 536 jahres nahch Kriſtus gebuhrt / den al-herſchenden ſtand verworfen / undK 7den230Der Adriatiſchen Roſemundden vihl-herſchenden erwaͤhlet; da man naͤhmlich alle jahr einem ihden inlande einen zunft-meiſter fohr-geſaͤzt / welchem di hoͤhchſte gewalt uͤber laͤben und tohd gegaͤben ward.

Als nuhn diſe zunft-meiſterſchaft in di zwei-hun - dert jahr gewaͤhret hatte / und di graͤnzen der Stat - herſchaft von den benachbahrten foͤlkern ſo hart an - getaſtet warden / daß auch di Venediger in ihren Jnlaͤndern / aus unachtſamkeit und verwahrloſung der zunft-meiſter / faſt nicht ſichcher ſein durften; ſo haben ſi widerüm eine naͤue herſchaft aufgeruͤchtet. Dan als di Mehr-raͤuber Grahd und Heraklee be - raubet / und des nachts auf dem hohen Se-arm et - liche laſt-ſchiffe geplůndert hatten (da di wachche / welche di zunftmeiſter zur auf-ſicht beſtaͤllet / ſelbige nicht eher abgetriben / als bis ſi ſchohn mit einem unheimlichen geſchrei di ganze ſtat in ruhr gebracht hatten) ſo lůhf das ganze folk zu / und trihb di Mehr-raͤuber zwahr zu ruͤkke / aber mit grohſſem verluſt / in-daͤhm vihl von den Venedigern ver - wundet warden / und etliche gahr toht bliben. Diſe harte nider-lage verdros ſi ſo haͤftig / daß ſi auch di zunft-meiſter / gleichſam als wan der Stat freiheit und ruhe waͤre verlaͤtſet und geſtoͤret worden / ab - ſchaften / und einen Fuͤrſten / unter dem namen ei - nes Herzogs / zum haubte machten.

Zu diſer zeit huhb ſich der ein-haͤubtige ſtand ih - rer beherſchung an / und hatten di Herzoge / nahch auſſage des Janots (welcher den zuſtand diſer Stat-herſchaft vom ehrſten beguͤn an / aus den al - ler-verborgneſten jahr-bůchern / ganz eigendlich be - ſchriben hat) di folle gewalt bis auf den Sebaſtiahn Zianus / welcher ohn-gefaͤhr fohr 300 jahren ge - herſchet hat; dahr-innen ſich dan Paul Manuzius mit dem Kontarehn irret / in-daͤhm ſi fohr-gaͤben / daß di Venediger nihmahls der ein-haͤubtigen be - herſchung waͤren unter-worfen gewaͤſen.

Es231vihrtes Buhch.

Es iſt aber im 697 jahre nahch Kriſtus gebuhvt / und nahch erbauung der Stat im 276 / Pauluzius Anafeſtus zum ehrſten Herzoge in Heraklee erwaͤh - let worden / welcher der herſchaft 20 jahr und 6 mahnden fohr-geſtanden hat. Diſem iſt gefolget Marzellus Tegaliahn zu Heraklee. Der dritte wahr Horleus Urſus Hipatus ein Herakleer / wel - cher von daͤm gemeinen manne / dehr ſeine ſtraͤnge gewalt nicht vertragen wolte / in einem aufruhr erſchlagen ward.

Weil nuhn di Stat-herſchaft uͤber ſolcher ver - fahrung ſehr beſtůrzt ward / ſo wolte ſi keinen Her - zog mehr waͤhlen / ſondern nuhr einen Ritmeiſter / deſſen beherſchung jaͤhrig ſein ſolte; welches im 737 jahre fohrging. Der ehrſte Ritmeiſter wahr Do - minikus Leo; der andere / Feliks Kornikula; der drit - te Teodatus / des Urſus ſohn / welcher verjahgt und wider beruhffen ward. Diſe verwaltung aber waͤh - rete nicht laͤnger als bis in das ſechſte jahr / da di Stat-herſchaft / im 742 jahre wideruͤm einen fol - gewaltigen Herzog erwaͤhlete; dan di Rit-meiſter waren alzu hohch-muͤhtig in diſem amte worden.

Bei ſolcher ein-haͤubtigen herſchaft des Herzoges iſt es verbliben bis auf den neun und dreißigſten / namentlich Sebaſtiahn Zianus / welcher der ehrſte gewaͤſen iſt / dehr durch di zehen wahl-Hern erkoh - ren worden. Mit diſem nuhn / im 1164 jahre / hat ſich wideruͤm angefangen das vihl-haͤubtige Stat - waͤſen / und iſt auch alſo verbliben bis auf gegen - waͤrtige zeit.

Wahrüm uns aber der Kontarehn / des Meriahns vorfaſſer / Joh. Kotovius und andere mehr / ein vermiſchtes von allen dreien ſtaͤnden / als dem ein - haͤubtigen / welcher bei dem Herzoge; dem vihl-haͤub - tigen oder vihl-herſchenden / welcher bei dem Rahte; dem al-herſchenden / welcher bei dem folke beſtaͤhen ſol / zuſchreiben wuͤl / ſolches kan ich nicht begreiffen. Dan232Der Adriatiſchen RoſemundDan wi mahg des Herzogs gewalt einhaͤubtig ge - naͤnnet waͤrden / in-daͤhm er nicht ein-mahl ſo vihl bemaͤchtiget iſt / daß er einen brihf / dehr di Stat - herſchaft angaͤhet / auf-braͤchchen darf / wan der ganze Raht nicht dahr-bei iſt; jah keine ſtimme mehr hat / als ein anderer Rahts-her / und nichts fohr ſich ſelbſt tuhn und ſchlůhſſen kan / wo es nicht mit des ganzen Rahts bewuͤlligung geſchihet / wel - cher einig und alein / mit einhaͤlligen ſtimmen / den ſchlus machchet.

Jch mus zwahr geſtaͤhen / daß er das aͤuſſerliche anſaͤhen eines koͤniges fuͤhret / in-daͤhm er in koͤnig - licher herligkeit / pracht und kleidung von purpur / auf einem erhobenen ehren-ſtuhle zu ſizzen / und in dem ganzen Rahte di ober-ſtaͤlle zu haben pflaͤget; aber di koͤnigliche folle gewalt kan ich ihm ganz nicht zu-ſchreiben.

Wan koͤnigliche oder anderer Herren geſandten an di Stat-herſchaft verſchikket und verhoͤhret waͤrden / ſo pflaͤget er ihnen zwahr oͤffendlich be - ſcheid und antwort zu gaͤben; aber nicht nahch ſei - nem wuͤllen und guht-dünken / ſondern nahch des ganzen Rahtes einhaͤlligem ſchluſſe. Er mahg auch wohl in alleRucht - und Raht-haͤuſer gaͤhen / und ſeine meinung ſagen; aber doch alſo / daß ihm ein ihder aus den andern wider-ſpraͤchchen darf. Di oͤffendlichen Ausſchreiben der Stat-herſchaft waͤrden zwahr in ſeinem namen ausgegaͤben und verſigelt / aber gleich-wohl mit des ganzen Rahts fohr-bewuſt und bewuͤlligung. Dehr-geſtalt / daß der Herzog in der taht nicht mehr iſt / (ob er gleich den namen und das aͤuſſerliche anſaͤhen ei - nes koͤniges hat) als ein anderer Rahts-her / und dannen-haͤhr diſe Herſchaft izund nicht anders als eine vihl-haͤubtige kan genaͤnnet waͤrden.

Der Raht / welcher dem Herzoge folget / und izund in unterſchihdliche verſamlungen geteiletwůrd /233vihrtes Buhch.würd / hat von zeit zu zeit an Rahts-herren zu-ge - nommen. Zu-ehrſt iſt der Hohe oder Ober-raht / welcher naͤben dem Herzoge das ganze Stat-waͤ - ſen verwaltet / und ohn-gefaͤhr auf vihrzig Rahts - herren beſtaͤhet / welche jaͤhrlich von den aller aͤdle - ſten der Stat erwaͤhlet waͤrden. Di oberſten und naͤheſten nahch dem Herzoge / ſein di ſechs fohrſtaͤn - de des h. Markſens / welche aus den unterſten Rahts-herren meiſten teils / wan ſi ſich wohl ver - halten haben / zu diſen Würden erhoben waͤrden. Diſen folgen di ſechs Rahts-herren und Zehender - herren; welche ſaͤmtlich folle macht zu veruhrtei - len und zu ſchlůhſſen haben / und ihren ſpruch von keinen wider-ruhffen lahſſen.

Nahch dem Ober-rahte koͤmt der Grohſſ’-oder unter-raht / dehr auf keiner gewůſſen zahl beſtaͤhet / und bisweilen in di 225 haͤubter / aus der verſtaͤn - digſten und weiſeſten buͤrgerſchaft / begreiffet. Diſe Rahts-herren naͤnnet man zu Venedig li Pre - gadi, di Erbaͤhtenen (wi fohr alters zu Rohm di Patres Conſcripti, di Verſchribenen genaͤnnet warden) weil man fohr diſem di verſtaͤndigſten un - ter den Buͤrgern / in dem noht-falle / zum rahte bit - ten lihs.

Solche unter-Rahts-herren nuhn / haben nicht mehr als mit der blohſſen Stat ſachchen zu tuhn / und dürfen ſich uͤm di Herſchaft nicht bekuͤmmern / weil ſelbige nuhr alein den aͤdelen zu-koͤmt; welche von dem zwanzigſten jahr ihres alters / bis in das fuͤnf und zwanzigſte / durch das lohs dahrzu gelan - gen / daß ſi in den Raht kommen důrfen: wan ſi aber daſſelbige muͤndige alter erreichet haben / ſo waͤrden ſi ohne lohs hin-ein-genommen. Solcher Geſchlaͤchter und aͤdelen / di zu rahte gaͤhen moͤ - gen / ſein zuſammen 2500. weil aber ein grohſſes teil dehrſelben / auſſerhalb der Stat / in aͤmtern iſt /oder234Der Adriatiſchen Roſemundoder ſonſten in gemeinen geſchaͤften von hauſe verreiſet; ſo kommen gahr ſelten uͤber 1500 zuſam - men. Man laͤſſet auch bisweilen di jungen aͤdel - leute mit in den Raht kommen / damit ſi teils von den kindiſchen dingen ablahſſen / und ſich zu ernſt - haftern / der gemeinen wohl-fahrt zum baͤſten / von jugend auf gewoͤhnen moͤchten; teils auch ihrer ju - gend hizzige raht-ſchlaͤge durch der Alten ſitſam - keit maͤhſſigen laͤrneten.

Es iſt inſonderheit ſehr preis-wuͤrdig und růhm - lich / daß man in austeilung der aͤmter (welche ſon - taͤhglich / auch alle feiertage / des morgens geſchihet) weder auf reichtuhm noch armuht ſihet; dahaͤhr dan das gemeine folk dem Adel ſehr gewogen iſt / und mit aller ehr-erbůtung begegnet. Di aͤdelen auch erzeugen ſich wideruͤm gegen das folk ſehr glimpflich / lahſſen es bis-weilen zu ehren-aͤmtern / welche ſonſten den geſchlaͤchtern gegaͤben waͤr - den / kommen / und beſchuͤzzen ſi mit ſonderlicher ſorgfaͤltigkeit; welches ſi bei ihderman belihbet und belohbet macht. Dan / wan ſolches nicht ge - ſchaͤhen waͤre / wi haͤtte diſe Stat-herſchaft ſo traͤf - lich wachſen und zu-naͤhmen koͤnnen; wi haͤtte ſi in ſo vihlen feindlichen anſtoͤhſſen ſo unbewaͤhglich / ei - ne ſo lange zeit / bleiben und beſtaͤhen moͤgen! Der Roͤmer herſchaft iſt zwahr ſo hohch geſtigen / daß ſi ihr auch faſt den meiſten und groͤhſſeſten teil der waͤlt unterwuͤrfig gemacht hat / aber ihre macht und freiheit waͤhrete kaum 700 jahr; da haͤr-gegen di Venediger di ihrige / wi ſehr ſi auch oft-mahls auf allen aͤnden und ſeiten ſein bedraͤnget worden / nuhn-mehr ůber 1200 jahr erhalten haben / und daͤm Ottomanniſchen wůhten vihl-mahls ohn ei - nige huͤlfe widerſtand getahn.

Di235vihrtes Buhch.

Di Wahl des Herzoges zu Venedig.

ZUm beſchlus diſer erzaͤhlung wül ich meinem Hern auch di Herzogs-wahl der Stat Vene - dig kuͤrzlichſt entwaͤrfen; und geſchihet ſelbige auf folgende ahrt. Wan der kuhr-tahg haͤr-zu genahet iſt / ſo kommen alle geſchlaͤchter und aͤdel-leute der Stat / welche das dreißigſte jahr erreichet haben / an einem orte zuſammen; und wan di tuͤhren ver - ſchloſſen ſein / ſo wůrd ein kruhg auf-geſaͤzt / in wel - chem ſo vihl kugeln zu fuͤnden / als haͤubter fohr - handen ſein; unter diſen waͤrden nicht mehr als dreißig verguͤldete gefunden / und di andern ſein alzumahl ſilbern.

Aus diſem kruge nüm̃t ein ihder aͤdel-man eine kugel haͤraus; und welche verſilberte bekommen / di traͤten bei ſeite / di andern aber / ſo vergůldete hoͤben / waͤrden in ein ſonderliches zimmer gefůhret. Jn ſelbigem zimmer würd widerům ein gefaͤhſſ oder kruhg geſaͤzt / in welchem dreißig kugeln / und dahr - unter neun verguͤldete / ſein; di Herren nuhn / wel - che di neun verguͤldete haͤraus-naͤhmen / benaͤnnen vihrzig maͤnner / di man di ehrſten Wahl - oder Kuhr-herren zu naͤnnen pflaͤget. Diſe vihrzig waͤr - fen aber-mahl vihrzig lohs-kugeln in einen kruhg / dahr-unter zwoͤlf vergůldete ſein; und dijenen / ſo ſelbige bekommen / naͤnnet man di zweiten wahl - herren. Diſe nuhn benaͤnnen wideruͤm fünf und zwanzig andere / welche aͤben ſo vihl gluͤks-kugeln aus dem kruge hoͤben / dahr-unter neun vergüldete ſein; und welche ſelbige bekommen / di heiſſet man di dritten wahl-herren.

Diſe beſtim̃te ein und vihrzig maͤñer nuhn kom̃en auf daͤm grohſſen Raht-hauſe zuſam̃en / und erwaͤh - len aus ihrẽ mittel dreie / ſo fohr andern eines grohſ - ſen anſaͤhens ſein / welche ſi di Ober-herren der Ver - ſamlung naͤnnen; naͤbenſt zween geheim-ſchreibern. Di236Der Adriatiſchen RoſemundDi andern ſechs und dreiſſig aber / welche noch uͤbrig ſein / gaͤben ihre wahl-ſtimme auf folgende weiſe:

Di drei gedachte Ober-herren ſizzen auf drei ſtuͤhlen / etwas hoͤher als di andern; und di Ge - heim-ſchreiber / oder Schreinhalter / fortern di ſechs und dreiſſig wahl-herren / immer einen nahch dem andern / daß ein ihder ein brihflein / dahr-auf er dehn-jenigen / welchen er zum Herzoge waͤhlet / ge - ſchriben hat / in den ſchrein waͤrfe. Wan ſolches ge - ſchaͤhen iſt / ſo gaͤhet ein ihder widerům an ſeinen ort.

Hihr-auf laͤſen di Schreinhalter ein brihflein nahch daͤm andern / in gegenwart der drei Ober - herren; und wan ſchohn einer vihl brih flein hat / ſo wuͤrft man ſi doch alle zuſammen gewikkelt in einen huht / dahr-aus ſi widerüm gezogen / und ordentlich auf den tiſch gelaͤget waͤrden.

Wan nuhn dehr-jenige / deſſen name zum ehr - ſten haͤraus gezogen wůrd / einer von den ein und vihrzig wahl-herren iſt / ſo heiſſt man ihn in ein ſon - derliches zimmer gaͤhen / und di Ober-herren fragen di andern / ob ihmand etwas wider ihn zu ſagen habe. Wan nuhn eines und das andere fohr-ge - bracht wuͤrd / ſo fortert man ihn zur verantwor - tung: kan er ſich nicht entſchuldigen / ſo wuͤrd er von der kuhr aus-geſchloſſen / daß er nicht Herzog waͤrden kan. verantwortet er ſich aber / ſo heiſſet man ihn wideruͤm zu den andern traͤhten; und alſo macht man es auch mit dem folgenden.

Zum beſchlus waͤrden zwe kruͤge naͤben ein-an - der auf eine bank geſtaͤllet; in dem einen iſt das Jah / in dem andern das Nein. Solcher geſtalt nuhn loſet man ſo lange / bis aͤndlich / durch fůnf und zwanzig ſtimmen / einer zum Herzoge erwaͤhlet wird.

Als nuhn der alte Her ſeine raͤde geaͤndigt hat -te /237vihrtes Buhch.te / ſo bedankte ſich der Markhold gegen ihn / wi auch gegen ſeine zwo toͤchter zum hoͤhflichſten / und wolte nuhn-mehr ſeinen abſchihd naͤhmen / damit er noch fohr abaͤndes nach Amſtelgau gelangen moͤchte. Aber der Her Vater wolt ihn nicht von ſich lahſ - ſen; was / ſahgt er / wuͤl er mihr ſolche luſt / daß ich ihn nahch ſo langem ab-waͤſen ſaͤhen moͤge / nuhr einen augen-blik vergoͤnnen? nein / nein! di ge - ſchaͤfte di er zu Amſtelgau hat / waͤrden ſo noͤhtig nicht ſein; wihr wollen noch ſo lange (fuhr er fort) bis es fol-aͤnd aͤſſens zeit wuͤrd / hin-unter in den garten gaͤhen / und uns an den friſch-auf gebluͤhe - ten tulpen erluſtigen.

Markhold lihs ſich alſo bewaͤgen / und ging mit dem alten Hern hin-unter; Roſemund aber / di daͤſſen ſehr froh wahr / blihb noch ein wenig auf ihrer kammer / damit ſi ſich mit ihrer Jungfer ſchwaͤſter zufohr verſchleiren lihſſe. Si hatten di wenige zeit über / als ſi in dem garten ſein konten / noch aller hand kurz-weil und ergaͤzligkeit: Son - derlich beluſtigte ſich der alte Her mit den lihblichen ſtrahlen der nider-ſteigenden ſonnen / welche da-zu - mahl aͤben auf di Luſt-hoͤhle ſtůhſſen / und durch ih - ren zu-ruͤk prallenden ſchein / di waſſer-ſtrahlen an dem luſt-brunnen / welcher ſtraks gegen uͤber ſtund / ſo ahrtig vergüldeten / daß man nicht anders ver - meinete / als wan ſi ſolcher geſtalt aus den brůſten und munde der Holdinnen geriſelt kaͤhmen. Di ahrtigen ſchnaͤkken-haͤuſer und muſcheln / welche diſer Her ausOhſt - und Weſt-Jndien bekommen hatte / und auf unterſchihdliche ahrt / an der Luſt - hoͤhlen zu ſaͤhen waren / flinkerten und blinkerten wi lauter gold und perlen / von dem auf-fallenden ſcheine der ſonnen; und es hatte gleichſam das an - ſaͤhen / als wan ſi di ſonne an ſich zoͤgen / und nicht wolten unter-gaͤhen lahſſen. Jn ſolcher betrach - tung hihlten ſi ſich ſaͤmtlich auf / ſo lange / bis manihnen238Der Adriatiſchen Roſemundihnen andeuten lihs / daß di tafel gedaͤkt und diſpei - ſen faͤrtig waͤren.

Der alte Her nahm den Markhold / ſeinem ge - woͤhnlichen gebrauche nahch / in den arm / und fuͤh - ret ihn mit ſich in di tafel-ſtube. Di Roſemund / welche liber alle-zeit bei ihrem Trauten gewaͤſen waͤre / ging naͤben ihm haͤhr / und wahr immer-zu di naͤhſte; jah uͤber der tafel ſelbſt / kahm ſi ihrer ſchwaͤſter zufohr / und ſazte ſich alſo-bald naͤben ihn / damit ſi jah ſeiner beiwaͤſenheit raͤcht genuͤhſſen moͤchte.

Diſe mahl-zeit ward nicht weniger als der luſt - wal mit aller-hand kurz-weiligen geſpraͤchen fol - bracht / welche ſich auch ſo lange verzogen / daß es ſchon mitternacht wahr / als ſi ſich zu bette bega - ben / und di Roſemund ihren Lihbſten verlahſſen muſte: welches ihr in wahrheit uͤber alle mahſſen verdruͤhslich und ſo widerwaͤrtig fohrkahm / daß ſi faſt di ganze nacht ſchlahf-lohs und in ſtaͤhtigen libes-gedanken zu-brachte.

Aende daͤs vihrten Buches.

Der239fuͤnftes Buhch.

Der Adriatiſchen ROSEMVND fuͤnftes Buhch.

EOſemund / welche di vihlen libes-gedan - ken / damit ſi diſe ganze nacht ver - ſchloſſen / ſehr ermuͤdet hatten / begun - te gleich izund / da der lihbliche morgen ihr zimmer beſchine / und di vogel fohr ihren tage-leuchtern zu zwitſchern anfingen / in ei - nen angenaͤhmen ſchlahf zu fallen; dehr-geſtalt / daß Markhold zeit genug hatte ſeine nuhr ehrſtlich - verfaſſte tichtlinge / der Roſemund zu ehren / an et - liche linden hinter ihrem garten an zuhaͤften. Dan er wuſte wohl / daß ſi ſich alle morgen / ſo bald ſi auf - geſtanden waͤre / unter denſelbigen mit ihrer lauten zu ergaͤzzen pflaͤgte; und ſolches aus denen uhrſach - chen / weil ſich raͤcht gegen uͤber ein lihblicher wider - ſchal / welcher ihr lauten-ſpilen noch mehr verlihb - ligte / hoͤren lihs. So macht er ſich dan nuhn alſo - bald faͤrtig / ging von ſeinem ſchlahf-zimmer ſehr fruͤh / da noch nihmand im ganzen hauſe aufge - ſtanden wahr / hin-unter in diſen luſt-gang / und haͤftete daſelbſten vihr getichtlein an vihr gegen einander uͤber-ſtaͤhende linden: von denen wahr das ehrſte diſer

Zwelfling Auf den mund ſeiner Schoͤnen.
JSt das der Roſen-mund! was roſen!
welche bleichen /
wan ſi der wind anhaucht; da diſer
ſchoͤner wuͤrd /
wan240Der Adriatiſchen Roſemund
wan mein verlihbter hauch den ſeinen kan
erreichen /
und in daͤm roſen-tahl der liben lippen
irrt.
wi iſt er dan rubihn? rubihn mus eher
weichen;
er iſt zu blas / zu bleich / und hat nicht ſol -
che kraft.
wi dan koral? oh nein! koral iſt ohne ſaft /
ein ungenaͤhmer ſtein und unbelihbtes
zeuchen /
da weder ſtrahl noch farb ein friſches
haͤrz verwundt /
wi diſer pflaͤgt zu tuhn / wan ſich mit wi -
der-prallen
mein aug in ihm verirrt. Druͤm iſt
dein liber mund
vihl waͤhrter als rubihn / als roſen und ko -
rallen.

Das andere / welches raͤcht gegen diſem uͤber / und auf ein haͤrz von einer buͤrkenen baum-ſchahle geſchnidten / verfaſſet ſtund / wahr diſes

Klůng-getichte auf das Haͤrz ſeiner Traͤuen.
Otrautes haͤrts! was haͤrts? vihl haͤrter
noch als hart /
o! ſtahl? mit nichten ſtahl; es laͤſſt ſich
baͤſſer zuͤhen.
wi dan magneht? o nein; ihm iſt vihl mehr
verlihen.
iſt’s241fuͤnftes Buhch.
iſt’s dan ein deamant? auch nicht; dan
diſer ward
im ſchaͤzzen nahch-geſaͤzt daͤs haͤrzens
wunder-ahrt.
wi! iſt es dan kriſtal? durch dehn di ſtrah -
len ſpruͤhen /
wan izt di ſonne ſtaͤht in follem glanz und
glůhen.
o nein. wo-durch wůrd dan ſein waͤhrt
raͤcht offenbahrt?
indaͤhm es mehr als hart / mehr zuͤhglich iſt
und zuͤhet
als ſtahl und libes-ſtein; mehr waͤhrt
als deamant /
dehn ſonſt di blinde waͤlt fohr taͤuer-waͤhrt
anſihet;
vihl reiner als kriſtal / vihl klaͤhrer von
verſtand
als er am blohſſen ſchein. noch haͤlt daͤs
Folkes hal
dein haͤrze gleich magnet / ſtahl / demant
und kriſtal.

Naͤben diſem klüng-getichte wahr noch ein an - deres in einem laͤnglicht-rundten brihfe zu ſaͤ - hen / und ohn-gefaͤhr folgender mahſſen verfaſ - ſet.

Auf di Augen ſeiner Liben.
JHr augen fol von gluht! was gluht?
karfunkel-ſtrahlen;
Lauch242Der Adriatiſchen Roſemund
auch nicht! ſi ſein ein bliz / dehr durch di
lůfte ſprůht
und ſich aus ihrem aug-bis in di meinen
zuͤht.
nicht blizze; bolzen ſein’s / damit ſi pflaͤgt
zu prahlen /
damit ſi pflaͤgt den zol der libe bahr zu
zahlen.
nicht bolzen; ſonnen ſein’s / damit ſi ſich
bemůht
zu blaͤnden andrer lůcht; di keiner ih -
mahls ſiht /
der nicht geſtrahft mus ſein. nicht ſonnen;
ſtaͤrne tahlen
vom himmel ihrer ſtirn: auch nicht: was
ſaͤh ich ſchimmern /
dan gluht iſt nicht ſo feucht / karfunkel
ſtrahlt nicht ſo /
der bliz hat minder kraft / der pfeil macht
jah nicht fro /
di ſonn iſt nicht ſo ſtark / ein ſtaͤrn kan nicht
ſo glimmern /
(wahn
wahr-ům dan ſihet ſi daͤs Folkes aber -
fohr gluht / karfunkel / bliz / pfeil-ſon-und
ſtaͤrnen ahn?

Raͤcht gegen diſem uͤber wahr folgendes ange - haͤftet.

Auf di hahre ſeiner Trauten.
SEin das di guͤldnen hahr? ach old! ſi
koͤnnen zwuͤngen
und243fuͤnftes Buhch.
und bůnden meinen muht mit ihrem
glanz an ſich;
nicht baͤnder; ſtrahlen ſein’s / damit ſi
blaͤndet mich
di ſonne meiner zeit: nicht ſtrahlen; blizze
druͤngen
mit eingemiſcht haͤrzu / und in den luͤften
ruͤngen:
nicht blizze; ſehnen ſein’s / davon ſo ſaͤu -
berlich
di guͤldnen pfeile ſcheuſſt der kleine wuͤ -
terich:
nicht ſehnen: was dan ſonſt ſo unter vih -
len dingen?
dan guͤlden ſein ſi nicht / weil gold nicht halb
ſo taͤuer;
auch baͤnder ſein ſi nicht / weil baͤnder
ſchwaͤchcher ſein;
auch ſonnen-ſtrahlen nicht / weil nuhr ein
ſonnen-ſchein;
nicht blizze / weil der bliz ein augen-bliklich
feuer:
auch ſein ſi ſehnen nicht. noch waͤrden
ſi mit macht
gold / ſtrahlen / baͤndern / bliz und ſehnen
gleich geacht.

Als nuhn Markhold diſe vihr getichte mit al - lem fleis angehaͤftet hatte / ſo verbarg er ſich in dem garten / weil er wohl wuſte / daß ſeine Roſemund nicht lange mehr auſſen-bleiben wůrde / damit erL 2ſaͤhen244Der Adriatiſchen Roſemundſaͤhen moͤchte / wl ſi ſich ſtaͤllte / und wi ſi ſich zu ſol - chen tichtlingen gebaͤhrden wuͤrde. Diſe Schoͤne wahr in-daͤſſen gleich auf-geſtanden / und er hatte kaum ein vihrtel-ſtuͤndlein in dem garten geſaͤſſen / daß ſi mit ihrer lauten nahch ſelbigem luſt-ohrte zu gegangen kahm.

Markhold ſtund hinter einer laͤuben / und lauſch - te / was ſi beguͤnnen wuͤrde; Si aber lihs ſich ſtraks in ſelbiger gegend / da diſe vihr ſchaͤrz-getichte ſtun - den / auf eine raſen-bank nider / und ſpihlte wohl zwei oder drei lider / ehe ſi ſolcher brihfe ge - wahr ward. Als ſi aber ohn-gefaͤhr aufwaͤrts ſa - he / und ehrſtlich den zwelfling erblikte / dan ſi ſahs gleich gegen demſelbigen baum uͤber / da diſer an - gehaͤftet wahr; ſo wuſſte ſi nicht / ob ſi fort-ſpilen oder inne halten ſolte. Si ſahe ſich anfangs auf allen ekken üm / ob ſi etwan eines maͤnſchen / dehr ſolches angeſchriben haͤtte / moͤchte gewahr waͤr - den; als ſi aber nihmand vermaͤrken konte / ſo ſtund ſi auf und laſ es mit halb-zerbrochner ſtimme; Si ůberlaſ es noch eins / und als ſi ſolches zwei - mahl getahn hatte / ſo nahm ſi es zu ſich / und ſaͤz - te ſich wider-uͤm nider / in wuͤllens ihre laute zu ſtimmen: aber ſi wahr uͤber-aus-froh / als ſi im ſizzen noch dreier ſolcher brihflein anſichtig ward. Si ſprung fohr grohſſer begihrde nahch daͤm ei - nen zu / das wi ein haͤrz geſtaltet wahr / und wuſte fohr fraͤuden nicht / ob ſi es anruͤhren důrfte. aͤnd - lich aber / weil ſi leichtlich ſaͤhen konte / daß ſi Mark - hold geſchriben hatte / ſo nahm ſi alle vihre zu ſich und laͤgte ſi auf di raſen-bank / da ſi ſahs.

Jn-daͤſſen nuhn daß ſi widerüm auf ihrer lau - ten ſpilete / und ein ſo libes lihdlein zu ſuͤngen be - gunte / daß ſich Markhold hinter ſeiner laͤube kaum mehr enthalten konte / ſo kahm ein gelinder wind unter ihren erlangten fund / und zerſtraͤuet ihn / eines hihr-daß andere dort-hin. O wi flohe ſihin -245fuͤnftes Buhch.

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L 3246Der Adriatiſchen Roſemundhinter ihnen haͤhr / wi geſchwuͤnde luͤhf ſi / einem hihr / dem andern dort / nahch: gleich wi ein ahdler / wan er ſeinen raub ohn-gefaͤhr verlůhret / demſelben mit fluggem ſchoſſe nahch-eilet; alſo eilet auch diſe Schoͤne ihrer entfuͤhrten beute nahch. Markhold hatte ſolcher geſtalt ſeine raͤchte luſt / und haͤtte nichts libers und gewuͤndſchters ſaͤhen koͤnnen / als diſen eifer ſeiner trauten Roſemund: di er ům ſo vihl daͤs-zu-mehr lihbte / und von blik zu blik alle - zeit lihblicher hihlt.

Jn-zwiſchen machte ſich diſe Schoͤne mit ihren zuſammen-gelaͤſenen brihflein wider-uͤm in ihr zim - mer / da ſi ſelbige ehrſt raͤcht betrachtete / und ihrem liben Markhold immer verbuͤndlicher ward. Si ſaͤzte ſich auch aͤndlich zur faͤder / damitſi etwas in ihrer mutter-ſprache dahrauf zur antwort mach - chen moͤchte: aber di Stil-muht kahm dahr-zwuͤ - ſchen / und vermaͤldet ihr / daß Markhold ſchohn aufgeſtanden waͤr / und auf dem ſahle haͤrům luſt - wandeln ginge. Damit ſi ihn nuhn nicht ſo lang alein lahſſen moͤchten / ſo kleideten ſi ſich fol-aͤnd an / und gingen zu ihm hin-ůber.

Markhold entfuͤng diſe Schoͤnen mit grohſſer ehr-erbuͤtigkeit / und ſi fuͤhreten ihn in das naͤheſte zimmer / da ihn der Her Vater auch ſtraks dahr - nahch beſuchete / und uͤm verzeuhung baht / daß er ihn izund einer noht-waͤndigen verruͤchtung waͤgen verlahſſen muͤſſte. Markhold haͤtt auch gaͤrn ſeinen abſchihd von diſen Schoͤnen genommen / und den Hern Vater bis nach Amſtelgau begleitet / da er aͤben auch zu tuhn hatte. Aber wi ſehr er auch baht / ſo kont er es doch von dem Suͤnnebald nicht erhal - ten; nein / nein / ſahgt er / es wuͤl mihr nicht gezimen / daß ich meine gaͤſte waͤg-fuͤhren ſol; es iſt mehr als alzu vihl / daß ich ſo unhoͤhflich ſein mus / und ihn aleine lahſſen / meinen geſchaͤften ob zu ligen. Aber daͤhm ſei auch wi ihm wolle / ſo koͤnnen ihm meinetoͤch -247fuͤnftes Buhch.toͤchter di zeit noch wohl ſo guht verkuͤrzern / als wan ich ſelbſt zugegen waͤre.

Markhold muſte ſich alſo bewaͤgen lahſſen / und noch ein ſtuͤndlein verharren. welches dan der Ro - ſemund ůber-aus wohl gefihl / weil ſi ihn ſolcher ge - ſtalt ſeiner zuſage / di er ihr foriges tages verſproch - chen hatte / erinnern konte.

Der tahg wahr ſehr ſchoͤhn / der himmel klahr / und das wetter uͤber-aus-lihblich; di ſonne blikte mit ihren anmuhtigen ſtrahlen / welche raͤcht lau - licht waren / den frohen waͤlt-kraͤus ſo fraͤundlich an / daß man faſt nicht mehr luſt hatte in den haͤu - ſern zu bleiben. Di Roſemund mahnete den Mark - hold zu einem luſt-wandel an / und di Stil-muht ſelbſt baht ihn dahr-uͤm / daß er ſich mit ihnen in das grüne begaͤben moͤchte. Si gingen hihr-auf in den garten / da ſich di lihblichen roſen von der waͤr - me der ſonnen ſchohn auf-getahn hatten / und ſaͤz - ten ſich ehrſtlich zum brunnen / haͤr-nahch unter di luſt-hoͤhle / da ſich Markhold an den zihrlich-ge - ſaͤzten und uͤber-koͤſtlichen muſcheln ſonderlich er - luſtigte. Es waren ihrer daſelbſten wohl hun - derterlei ahrten / immer eine ſchoͤner als di ander / zu ſaͤhen / dahr-innen man di wunder der grohſ - ſen zeuge-mutter nicht gnugſam betrachten kon - te. unter allen aber wahr ſonderlich di purpur - muſchel zu erhoͤben / dahr-aus di koͤnigliche far - be / welche ein ſchaͤhffers-hund erfunden hat / geſamlet wuͤrd. Di zakken der ſchwarz-und rohten korallen / di magnetiſchen ſtein-rozzen / durch welche ſehr kleine waſſer-ſtrahlen geri - ſelt / und aus einer muſchel in di andere ge - ſprungen kahmen / machten das aus-ſaͤhen noch lihblicher. Di ſchau-glaͤſer / ſo auf al - len ſeiten und in allen winkeln haͤrfuͤhr blikten / gahben einen ſehr luſtigen wider-ſchein. Jn daͤm einen ſtein-waͤrke wahr ein kleiner teich /L 4dahr -248Der Adriatiſchen Roſemunddahrinnen der Se-got mit ſeinem drei-zank-ſtabe haͤr-uͤm-fuhr. Er ſahs in einer laͤnglicht-rundten ofnen muſchel als auf ſeinem koͤniglichen ſtuhle; uͤm ihn haͤrum ſchwummen allerlei kleine Se-wunder / Mehr-ammen / und waſſer-kaͤlber. Auf der an - dern ſeiten wahr noch eine kleine Se / welche faſt halb fol giſch wahr / und di Luſtinne / in einer ahr - tigen muſchel / aus-warf / welches in daͤm naͤhſten ſchau-glaſe ein ſolch ahrtiges aus-ſaͤhen gahb / daß auch Markhold ſagte; wan einer nicht begreiffen kan / wi di kunſt und ſelbheit mit einander ſtreiten koͤnnen / ſo darf er nichts mehr als diſes wunder - waͤrk anſchauen. Der eingang diſer Luſt-hoͤhle wahr ein halber mahnd / der zu beiden ſeiten zwo ahrtige mit ſchild-kroͤhten uͤberzogene toſkani - ſche (wi ſi di bau-laͤute zu naͤnnen pflaͤgen) ſaͤu - len hatte. Das fuhs-geſtaͤlle wahr von marmel / und das haubt-geruͤſte von kriſtal und albaſter mit korallen vermaͤngt. Der boden wahr mit ſchwarz - und weiſſem marmel gepflaſtert / dahrauf raͤcht in der mitten ein haͤrz von rohtem durch ſcheinendem ſteine gehauen / auf etlichen koral-zakken / gleichſam als auf dornen entpohr ſtund / und etliche duͤnne waſſer-ſtrahlen uͤber ſich ſpruͤzte. uͤm diſes haͤrze haͤrům ſahſſen auf kleinen albaſternen baͤnken neun ahrtige waſſer-fraͤulein / welche ſich gleichſam in den wider-haͤrab-fallenden waſſer-tropfen zu ba - den ſchinen. Markhold entfand aus ſolchen ſelt - ſamkeiten nicht wenig luſt / und haͤtte wohl gewuͤnd - ſchet / daß er ſolcher luſt und ergaͤzzung taͤhglich ge - nuͤhſſen koͤnte. Dan es mus ein-ihder bekaͤnnen / daß ſolche und dehr-gleichen waſſer-kuͤnſte / denen - lenigen / di den buͤchern obligen / bis-weilen ſehr wohl zu ſtatten kommen / und di abgemaͤrgel - ten ſuͤnnen wider von naͤuem erfriſchen und belaͤ - ben.

Als nuhn diſe libe geſelſchaft ſolchem waſſer -ſpihl249fuͤnftes Buhch.ſpihl und luſt-riſeln lange gnug zu-geſaͤhen hat - te / ſo begahb ſi ſich laͤtslich unter einen belaubten luſt-gang / da di Roſemund aller-hand luſtige raͤ - den fohr-brachte / und mit ſolchen uͤmſchweiffigen geſpraͤchen den Markhold noch laͤnger bei ſich be - halten wolte. Anfangs kahm ſi auf di vihlfaͤrbig - keit der tu pen / und ſagte; daß faſt ein maler meh - rerlei farben nicht zuruͤchten / und ſchoͤnere bilder fohrſtaͤllen koͤnte / als di tulpen waͤren. Ach! meine Schoͤne / was wůl ſi doch ſagen / fihl ihr Markhold in di raͤde / es iſt mihr noch wohl eine malerin be - kant / von welcher ich zwei bilder geſaͤhen habe / di vihl ſchoͤnere / vihl traͤflichre und vihl laͤhbhaftere farben haben / als diſe nichtige bluhmen. Dan ich habe nihmahls an keiner einigen tulpen ſolche rein - weiſſe farbe geſaͤhen / als ſi ihren ſtirnen angeſtrich - chen hat; keine tulpe kan auch nimmer-mehr ſolche lihbliche roͤhte haben / als ſi ihrem munde gegaͤben hat: und wehr wuͤl mihr eine ſo zahrte leib-farbe an diſen flůchtigen bluhmen weiſen / als ſi ihren wangen mit-geteilet hat?

Jch moͤchte ſolche kunſt-reiche malerin wohl kaͤnnen / gahb di Stil-muht zur antwort; und in wahrheit / ſi mus eine ſonderliche kuͤnſtlerin ſein / weil ſi ſolches zu waͤge bringen kan. Si iſt freilich (fing ihr Markhold das wort auf) eine ſonderliche kuͤnſtlerin / ja eine kuͤnſtlerin aller kuͤnſte / und wihr pflaͤgen ſi di grohſſe Zeuge-mutter aller dinge zu naͤnnen. Ach / fihl ſi ihm wider in di raͤde / iſt es di - jenige / ſo darf ich mich nicht vihl wundern / daß ſi als di kůnſtlichſte malerin / ſolche ſchoͤne bilder ge - malet hat. Darf ich aber (fuhr ſi fort) wohl ſo fuͤhr - wůzzig ſein / und zu wuͤſſen begaͤhren / was ſolches fohr zwei bilder ſein / di ſi gebildet hat / und di ein ſolches lohb verdinen? Meine Schoͤne / gahb ihr Markhold zur antwort / ich wolt ihr gaͤrne nuhr das eine ſaͤhen lahſſen / (dan das andere hat ſiL 5ſchohn250Der Adriatiſchen Roſemundſchohn geſaͤhen) aber / weil ich weus / daß es ihre au - gen nicht anders / als durch einen widerſchein / er - kaͤnnen muͤſſen / ſo würd ſi ſo lange geduld haben / bis wihr in ihr zimmer kommen. ůber ſolchen wor - ten huhb di Roſemund an zu lachchen / und entfaͤr - bete ſich; ſollen ſolche nichtige bilder / fing ſi an / ein ſolches lohb verdihnen? es hat meinem Hern nuhr alſo belihbt / und wihr ſein uns / unſererſchwachheit halben / über-gnug bewuſt. Aber damit ich ihm / fuhr ſi fort / das-jenige / was mihr izund eingefal - len iſt / nicht laͤnger verhalte / auf daß es haͤr-nahch nicht gahr vergaͤſſen waͤrde / ſo mus ich ihn erin - nern / daß ſich bald eine ſchuld-forterin bei ihm an - gaͤben würd / damit er ſich entweder zur zahl-oder verantwortung daͤs-zu baͤſſer gefaſſt halten koͤñe.

Jch hoffe nicht / gahb ihr Markhold zur ant - wort / daß man izund aͤben kommen waͤrde / meine luſt zu verſtoͤhren: und im fal ja ſelbige einmahne - rin / wider verhoffen / anlangen wuͤrde / ſo lahſſe ſi durch ihre dinerin an daͤm tohre befaͤhlen / daß man ſi abweiſe / mit fohrgaͤben / daß ich wideruͤm verreiſet waͤre. Hihr-auf huhb di Roſemund an zu laͤchlen / und ſchwihg eine gute weile ſtille. Ach! nuhn ſaͤh ich / huhb Markhold an / weſſen ſchuldner ich bin / und bitte meine Schoͤne zum hoͤchſten ům verzeu - hung / daß ich ihr mit einer ſolchen antwort begeg - nen doͤrfen. Aber / wan ſi mich einer bitte gewaͤhren wolte / und nicht eine ſolche ſcharfe glaͤubgerin ſein / ſo wolt ich ſi wohl gebaͤhten haben / daß ſi mihr nuhr noch einen tahg friſt lahſſe / damit ich mich zur ab-zahlung gefaſſt machchen koͤnne.

Di Roſemund huhb ſamt der Stilmuht an zu lachchen / und wi ſi bishaͤhr / verdaͤkter weiſe / uͤm di beſchreibung der alten und izigen Deutſchen an - gehalten hatte / ſo taͤht ſi es auch nuhn austrüklich / und wolte nicht eher ablahſſen / ſi haͤtte dan ihr be - gaͤhren erlanget. Markhold bekwaͤhmete ſich alſo /ſeine251fuͤnftes Buhch.ſeine Schoͤne zu vergnügen / und nahchdaͤhm ſi ſich alle dreie in dem luſt-gange nider-gelahſſen hat - ten / ſo fing er folgender geſtalt an.

Kurzer entwurf der alten und izigen Deutſchen.

JCh habe meiner Schoͤnen zwahr verſprochchen einen abris und entwurf der alten und izigen Deutſchen zu tuhn / und bin auch geſonnen meinen worten aufs muͤhglichſte nahch zu kommen: aber / weil di verfaſſer und auf-ſucher ihres uhrſprunges ſich meiſten-teils in denen ſo vihlen und unter - ſchihdlichen namen / damit ſi von anbeguͤn bis auf diſe gegenwaͤrtige zeit ſein genaͤnnet worden / verir - ren / dehr-geſtalt / daß ſi di ehrſten mit den laͤtſten vermiſchen und fohr einerlei anſaͤhen: ſo wůl ich zu - fohr den unterſchihd ſolcher namen / damit ſi ſich daͤs zu baͤſſer dahr-ein fuͤnden koͤñe / nahch den zeiten ih - res uhrſprunges kůrzlichſt erklaͤhren uñ dahr-nahch auch daͤm begaͤhren meiner Schoͤnen gnuͤge tuhn.

Es waͤrden aber / fohr das ehrſte / di Deutſchen Twiſkonier / das iſt / di-Aſkanier genaͤnnet / von dem Twiſkon / oder Tuaſkon / ihrem Vater und uhrhoͤber / welcher aͤben der Aſkenas (wi di Ju - den und Ebraͤer einhaͤllig vermeinen / und di Deutſchen noch heutiges tages םיונכשא Aſke - nazim / naͤnnen) ſein ſol / deſſen(*)Becman de Orig. Lat. linguæ. Der Spi - lende Durch-braͤchcher in der Geſpraͤhch - ſpile vihrtem teile. Der Suchende Schot - tel in der Sprahch-kunſt. Munſter. l. 3. Coſm. Bertius. Mercator, &c. vater Gomer / und grohs-vater Jafet / gewaͤſen iſt; welcher Jafet von dem Noeh / nahch aus-ſage der heiligen Schrift / nahch dem Sem und Ham iſt gezeu - get / und geſaͤhgnet worden / daß er ſich ausbrei -L 6ten252Der Adriatiſchen Roſemundten ſolte /(*)Geneſ. 9. cap. 27. verſ. wi auch dannen-haͤr das eine teil der waͤlt / welches er und ſeine nahchkoͤmlinge ein-ge - nommen haben / Europe (das iſt / ein breites aus-ſaͤ - hen / oder eine weite gegend) iſt benamet worden.

Weil nuhn di heidniſchen Geſchicht-ſchreiber / und denen zur folge di unſrigen / diſe des Twiſkons ankunft und gebuhrt nicht gewuſt haben / und den ſachchen nicht ſo weit nahch gedacht / daß Twiſkon oder Tuaſkon mit daͤm geſchlaͤchts-wort aus tu - Aſkenas zuſam̃en gezogen und in etwas veraͤndert ſei; ſo haben ſi fohr-gegaͤben / daß Twiſkon der Twiſkonen / oder der Deutſchen / Vater und Got gewaͤſen waͤre / welcher ſeinen uhrſprung und ge - buhrt aus der aͤrden genommen haͤtte.

Es iſt aber diſer Aſkenas / oder Twiſkon / im 130 jahre nahch der Suͤnd-fluht gebohren / und von ſei - nem Fohr-grohs-vater dem Noeh / nahch des Be - roſen zeugnuͤs / in di laͤnder / welche üm das Euxini - ſche Mehr und den Rein haͤruͤm ligen / verteilt worden. Da er der ehrſte koͤnig der Twiſkonen ge - waͤſen iſt / und ſein reich ſamt ſeinem folke / nahch mitternacht zu / gewaltig vermehret hat. Er gahb auch geſaͤzz und raͤchte / wi das folk ſolte beherſchet und im zaume gehalten waͤrden; hihlt di untertah - nen zur Gottes-furcht und guhten ſitten; und ſtarb im 1964 jahre / nahch erſchaffung der waͤlt / als Se - miramis ſechs jahr zu Babilon geherſchet hatte.

Es uhrkunden etliche / daß diſer Foͤlker ehrſter ſiz in klein Aſien gewaͤſen ſei / von dannen ſi ſich mit den Zimbrern (ihren brůdern) durch Krakan / Polen / Schleſien und andere laͤnder (wi noch etli - che namen der Staͤtt und des fluſſes Aſche / oder Aſke / aus-weiſen) nahch der gegend zu / wo izund daͤs Deutſchlandes mittel-teil liget / begaͤben haͤt - ten / und in Anhalt nidergelahſſen; daͤſſen Fuͤrſten ſich noch heut zu tage von Aſkanien ſchreiben; undes253fuͤnftes Buhch.es bemaͤrkt und bewaͤhret auch ſelbige meinung di Grahf-ſchaft Aſkanien ſelbſt / di Grahf-ſchaft Mans-faͤld / oder des Mannes Faͤld / (welcher des Twiſkons ſohn gewaͤſen iſt) di Stat Aſchers-laͤ - ben / und vihl andere mehr.

Das wort Aſkenas aber heiſſet ſo vihl als ein fohr-ſtaͤher und verwahrer daͤs feuers / vom hebrei - ſchen שא aſch / d.i. feuer / und ןהכ ein Gots-be - amter: welchen namen di Aſkanier oder Twiſko - nen mit raͤcht gefuͤhret haben / in-daͤhm ſi alle-zeit unverzahgte / tapfere und feurige helden-gemuͤhter gehabt.

Es walten auch haͤrnahch von dem algemeinen namen diſer foͤlker / dehn ſi izund fůhren / und Deutſche genaͤnnet waͤrden / viler-hand meinungen: Einer iſt in dehm wahne / daß das wort deutſch von daͤm worte Twiſkon(*)Hieronymus in Ebr. quæſtion. Euſeb. in Chronic. wi diſes von Aſke - nas haͤhr-ruͤhre / und ſei nuhr in etlichen buhch-ſta - ben veraͤndert. Andere tuhn noch diſes dahr-zu / und ſchreiben / daß man den Aſkenas / dehr ſeinen ſiz an dem Reine / gegen Koͤllen ůber / wo der Flaͤk - ken Deutſch liget / genommen haͤtte / (welches aͤnd - lich auch wohl kan geſchaͤhen ſein) den zu-namen Deuter oder Deut gegaͤben; weil er naͤhmlich aus dem fluge der voͤgel haͤtte deuten / und zu-kůnftige dinge zufohr verkuͤndigen koͤnnen. Etliche wollen / daß ſi alle ihre Goͤtter mit dem namen Deut oder Duͤd genaͤnnet haͤtten: etliche vermeinen / daß ſi nuhr einen Got diſes namens an des Merkuhrs ſtat (welchen di Egipter auch Deut zu naͤnnen pflaͤgen) verehret / und fohr den vermeinten Ver - deutſcher / das iſt (eigendlich zu erklaͤhren) Dol - metſcher / oder Auslaͤger / der Goͤtter / und goͤtlichen geheimnuͤſſ und geſaͤzze / gehalten haͤtten. Der laͤt - ſte teil wuͤl behaubten / daß der neund oder zehen -L 7de koͤ -254Der Adriatiſchen Roſemundde koͤnig ſolches folkes diſen namen gefuͤhret habe; und dahaͤhr ſei es kommen / daß ehrſtlich di foͤlker zwiſchen der Weikſel und dem Reine / und dahr - nahch auch alle di andern / Deutſche waͤren genaͤn - net worden; etliche vermeinen / daß es der Deut - ſchen fůnfter Koͤnig gewaͤſen ſei / dehn man / aus libe diſes namens / alſo genaͤnnet haͤtte. Daͤhm ſei nuhn wi ihm wolle / ſo kan man doch muht-maſſen / daß di uhr-alten Deutſchen unter daͤm worte deut (wi di Egipter einen ihden weiſen man naͤnnen / und bei den Ebreern das woͤrtlein dod דוד ein fraͤund / oder lihbſter / wi di Jſraeler den Baal ih - ren lihbſten und braͤutgam naͤnnten / geheiſſen hat) einen got / oder doch zum wenigſten etwas goͤtli - ches / verſtanden haben. Es ſtaͤrket mich auch noch in ſolcher meinung der Gotten name (welche ein teil diſer foͤlker gewaͤſen ſein / und ſich aͤndlich gahr ſehr nahch norden zu gelaͤnket) in-daͤhm ſi von daͤm worte Got / welches ſo vihl iſt als guht / wi es ihre nahchkoͤmlinge / di Daͤhnen und Schweden / noch ſchreiben und aus-ſpraͤchchen / alſo ſein genaͤn - net worden. dehr-geſtalt / daß beides di Gotten und Deutſchen (der gebraͤuchlichen bedeutung der woͤrter / got und deut / nahch) einerlei und gleich - ſam goͤtliche namen fuͤhren.

Zum dritten haben auch di Deutſchen den na - men Germanier gefuͤhret / welchen man den Latei - nern zu-ſchreiben wuͤl / daß ſi naͤhmlich das deutſche folk alſo genaͤnnet haͤtten / weil es als lauter leib - liche bruͤder an einander huͤnge. Man liſet bei al - len geſchicht-ſchreibern und ſchrift-ruͤchtern ſo vih - lerhand auslaͤgungen von diſem worte / daß es vihl zu lang waͤrden ſolte / wan ich ſi alle beibrin - gen wolte. Es iſt maͤrk-wůrdig / wan Kornelius Tazitus ſchreibet / daß di Germanier nicht anders wo-haͤhr in Deutſchland kommen waͤren / ſondern dahr-innen gebohren; und man fuͤndet auch diſeswort255fuͤnftes Buhch.wort in keinen aͤlteren lateiniſchen uhrſchreibern / welche an daͤſſen ſtat allezeit di namen Dwiſkoner oder Deutonier / gleich wi di laͤtſteren faſt allezeit Germanier / gebrauchen. Zu daͤhm ſo bekaͤnnet ſol - ches auch ob-ermaͤldter Tazitus austruͤklich / daß der Germanier name noch naͤu ſei: dan ob di Germa - niſchen foͤlker ſchohn lange zufohr gewaͤſen ſein / ſo haben ſi doch unterſchihdliche namen gehabt; etli - che hat man Zimbren / etliche Deutſchen / etliche Gotten / etliche Schwaben / u. ſ. f. genaͤnnet. Wan es mihr vergoͤnnet iſt meine auslage von ſolchem ſtreitigen namen zu ſagen / ſo halt ich dafuͤhr / daß es entweder von daͤm alten worte geren / d. i. be - zwůngen haͤhr-ruͤhre / weil ſi als zwang-maͤnner und bezwuͤnger gewaͤſen ſein; oder aber von den noch uͤblichen woͤrtern waͤhre / gewaͤhre / d. i. krihgs - ruͤſtung / oder Gewaͤrre / d. i. krihg: in welcher be - deutung di Franzoſen das ihrige von den alten Deutſchen entlaͤhnte wort guerre noch gebrau - chen; da nahch ihrem und der Lateiner gebrauch nuhr das w in waͤhre; oder aber in den andern / di ehrſten beiden wort-glider zuſammen gezogen ſein: dehr-geſtalt / daß German eigendlich nicht anders heiſſet als waͤhrman / oder ein bewaͤhrter man; oder waͤrman / d. i. kriges-man / welches mit dem andern namen Hehrman (dehn unſere Fohr-aͤltern auch geführet haben) wohl uͤber-ein-koͤmmet: und ich wolte dannen-haͤhr gedachtes wort in unſerer deutſchen ſprache nicht anders / als Waͤhrman und Waͤhrmannien / ſchreiben. Was ſchlůhslich di meinung des Junius anlanget / dehr izt-ermaͤlde - ten namen von dem jůngſten bruder des Aſkenas und des Gomers ſohne / dem To-garma / noch von der Sünd-fluht haͤhr auf-ſuchen wůl / ſo mus ich bekaͤnnen / daß mihr ſelbige faſt unter allen den andern am baͤſten gefallen hat.

Ruhn256Der Adriatiſchen Roſemund

Ruhn haben wihr noch einen namen der Deut - ſchen zu betrachten / welchen ſi zu laͤtſt / als ſi aus einem verwildetem folke ſein zu raͤcht gebracht wor - den / und ſich der ahdlichen tugenden und hoͤhflichen ſitten befliſſen / bekommen haben. Dan zur ſelben zeit / als di Deutſchen mit den Roͤmiſchen Kaͤſern / dem Konſtantihn / und dem Juliahn / krihg fuͤhre - ten / di Roͤmer uͤber di Alpen jahgken / und diſelbi - gen oͤrter / welche di Schwaben heutiges tages noch beſizzen / ein-nahmen / ſo hat man ehrſtlich diſelben foͤlker der Deutſchen / ſo ſich zwiſchen der Donau / dem Rein und Mein nider-gelahſſen hat - ten / und der Roͤmer tohd-feinde waren / Alman - nier genaͤnnet; welcher name von den woͤrtern adel und man zuſammen-geſaͤzt iſt; dan gleich wi in Adelheit ins gemein das d auſſen gelahſſen / und Ahlheit geſprochchen wuͤrd / ſo hat man es auch mit daͤm worte Adelman gemacht. Di Franzoſen (wel - che diſen ihren namen auch von den Franken oder freien Deutſchen / di ſich in Gallien / wi Frankreich ehrſtlich genaͤnnet ward / eingedrungen / und di al - ten einwohner meiſten-teils verjaget hatten / noch bis auf diſe ſtunde fuͤhren) naͤnnen di Hohch-deut - ſchen noch izund Alemands, di Grichen Elamags / di Türken Alaman. Wan es anſpihlens gaͤlten ſolte / ſo koͤnte man alhihr wideruͤm was goͤtliches aus diſem namen machchen / und wůrde daͤhmnahch ſelbiger mit den Gotten und Deutſchen uͤber-ein - kommen. Di Tuͤrken / gleich wi den Sprahch-ver - ſtaͤndigen bekant iſt / wi auch di meiſten morgen - laͤndiſchen foͤlker / haben das wort Al / el / oder Al - la / damit ſi Got bedeuten wollen: weil nuhn ſelbi - ge foͤlker di Deutſchen Alamans oder Allamans naͤnnen / ſo wuͤrde Allaman in ihrer ſprache ſo vihl heiſſen als Gottes-man / oder der Got Man / wel - cher ein ſohn oder ſohns-ſohn des Aſkenas / und ein koͤnig der Deutſchen / ſol gewaͤſen ſein.

Hihr -257fuͤnftes Buhch.

Hihr-aus ſihet nuhn meine Schoͤne / daß man uns Deutſche zu-ehrſt Twiſkonen oder Tuaſkanier; nahch-mahls / Deutſchen; faͤrner Waͤhr-maͤnner oder Germanier / und Hehrmaͤnner; aͤndlich aber Adelmaͤnner oder Alemannier / genaͤnnet hat. und diſe ſein di algemeinen der Deutſchen Foͤlker namen / haͤhr-nahch hat man auch noch ſehr vihl andere / damit ein ihde abſonderliche foͤlkerſchaft der Deutſchen iſt zu-benamet worden; welche wihr / weil es unſer zwaͤk nicht iſt / und wihr uns ſchohn alzu lange verſaͤumet haben / mit ſtil-ſchwei - gen uͤber-gaͤhen wollen.

Jch haͤtte mich in auslaͤgung ſolcher unſerer Foͤlker namen ſo lange nicht auf-gehalten / wan ich nicht gewuſt haͤtte / daß meiner Schoͤnen damit gedinet waͤre / und ſi ſich ſelbſt in unterſuchungen derer-gleichen ſachchen uͤbete; nahch-daͤhm ich ſehr wohl weus / daß ein anderes Frauen-zimmer ſehr wenig / oder bis-weilen gahr nichts / dahr-von ver - ſtaͤhen wuͤrde. Jm fall ich ihr aber nichts daͤs zu weniger verdruͤhslich gewaͤſen bin / ſo bitt ich uͤm verzeuhung / und wuͤl ihr auf ein anderes mahl di zeit mit einer froheren luſt und luſtigern geſpraͤchen verſuͤhſſen.

Damit ich aber zu den Deutſchen ſelbſt ſchreite / und dehrſelben Gebuhrts-ahrt / geſchikligkeit und gebraͤuche / ihrem begaͤhren nahch / erzaͤhle / ſo wuͤl ich ehrſtlich von den alten anfangen / und haͤrnahch von den naͤuen auch einen kurzen entwurf gaͤben.

Di alten Deutſchen (wi di wenige Geſchichte maͤlden / di uns noch uͤbrig gebliben ſein) waren ſtarke / haͤrz-hafte / grohs-muͤhtige / und gleichſam wild und rauhe leute / bei denen ih-daͤnnoch / w[i]Tazitus bezeuget / di guhten ſitten und das alte haͤhr-kommen mehr galt / als bei andern di guten geſaͤzze. Si wuſſten von den freien kůnſten wenig / oder wohl gahr nichts; und da-haͤhr iſt es kommen /daß258Der Adriatiſchen Roſemunddaß kein einiger ihre tahten und verruͤchtungen aufgeſaͤzt und daͤm gedaͤchtnůs ein-verleibet hat.

Das gedaͤchtnuͤs ihrer helden-tahten pflaͤgten ſi nuhr mit geſaͤngen / welche ſi ihre kinder laͤhreten / zu erhalten / und wan ſi den feind angreiffen ſolten / (welches dan ihres haͤrzens fraͤude wahr) ſo ſan - gen ſi dem Herkules zu ehren ein kriges-lihd / mit fohr-gaͤben / daß diſes der ſtreitbahrſte man gewaͤ - ſen waͤre. Si brauchten in diſem geſange keine lihbligkeit / di ohren damit zu kuͤzzeln / ſondern be - muͤheten ſich nuhr dadurch ihre gemuͤhter zur tu - gend zu ermundtern / und den feinden ein ſchroͤkken und entſaͤzzen ein zu jagen. Daͤs-waͤgen brauchten ſi auch ſolche harte / grob und knallende donner - worte / und hihlten di ſchilder im ſuͤngen ſohr den mund / daß es alſo mehr gebrummet als geſungen hihs. Jhr geſicht wahr meiſten-teils krigeriſch / er - ſchroͤklich / und grim̃ig an zu ſaͤhen. Si waren ein - ander getraͤu / und ſtunden di naͤhchſten bluht-ver - wandten / wan ſi in der ſchlacht waren / alle-zeit bei - einander. Wehm ſi etwas verſprachen / dehm hihl - ten ſi es auch / und warden an ihren worten nim - mer-mehr bruͤchchig; da-haͤhr man noch heutiges tages ſaget / wan einer dem andern etwas faͤſtig - lich geloben und verſpraͤchchen wuͤl / ich ſage dihr ſolches zu auf der alten Deutſchen traͤu und glau - ben. Si hihlten wi mauren bei ein-ander / und hat - ten ihre weiber und kinder alle-zeit nicht weit von ſich / damit ſi ſich ihrer erinnerten / und fohr ihre freiheit ritterlich kaͤmpfeten. Man liſet / daß es vihl-mahl geſchaͤhen ſei / wan di ſchlacht-ordnung geſchwanket / und ſich ſchohn zerſchlagen befunden haͤtte / daß alein di weiber mit ihrer gegenwart / bitten und floͤhen / in daͤhm ſi ihre fohr augen ſchwaͤ - bende dihnſtbahrkeit angezogen / ſelbige wider-uͤm zu raͤcht gebracht / und der flucht gewaͤhret haͤtten.

Tazitus / welcher unter dem Kaͤſer Veſpaſiahnſtat -259fuͤnftes Buhch.ſtathalter in Niderland gewaͤſen iſt / bezeuget der Deutſchen tapferkeit und helden-muht mit diſen worten: Nihmand (ſagt er) hat ihmahls einen krihg wider di Deutſchen ungerochchen gefuͤhret; welches fohr zeiten di drei grohſſ und erſchroͤkliche Hehr-laͤger unter dem Auguſt; und nahch-mahls der Karbo / Kaſſius / Schaurus / Aurelius / Ser - vilius / Zepio / Manlius / und etliche gewaltige Kaͤſer / mit ihrem grohſſen ſchaden gnugſam ſein gewahr worden; in-daͤhm ſi von den Deutſchen zum teil erſchlagen / zum teil in di flucht ſein getri - ben worden.

Joſef / der Grichiſche Geſchichter / naͤnnet ſi ſtarke / Dioniſius krigeriſche und ſtreitbahre / Arrius Soldaten und kriges-leute; und Sene - te ſaͤzt noch diſes hin-zu / und ſahgt; daß auf der waͤlt nichts muhtigers und behaͤrzters ſei / als di Deutſchen / wi auch nichts fraͤudigers zum anlauff / und nihmand / dehr di waffen mit ſol - cher begihr annaͤhme und gebrauche. Wehr in dem traͤffen ſeinen ſchild verlohren hatte / wurde fuͤhr ehr-lohs gehalten / dorfte zu keiner Rahts - verſamlung / auch zu keinem Gottes-dihnſte kom - men; da-haͤhr ſich ihrer vihl / aus verzweifaͤlung und unwuͤllen / erhaͤnket haben.

Jhre verſamlungen pflaͤgten ſi im wachſen des mahndes zu halten / und zaͤhlten di zeit nicht bei den tagen / ſondern bei den naͤchten. Wan di ſachche nicht ſo gahr wůchtig wahr / ſo beraht - ſchlahgten ſich nuhr di fohrnaͤhmſten unter ihnen; wan es aber eine ſchwaͤre ſachche wahr / ſo kahm di ganze gemeine zuſammen / und wan das folk ſein guht-duͤnken geſahgt hatte / ſo machten di fuͤhrnaͤhmſten den ſchlus. Si tahmen gemeinig - lich gewafnet zuſammen / und wan ihnen der fohrſchlahg gefihl / ſo huben ſi mit ihren ſpihſ - ſen an zu ſchůttern / welches dehm eine grohſſeehre260Der Adriatiſchen Roſemundehre wahr / dehr den fohrſchlahg getahn hatte. Ge - fihl ihnen aber dehrſelbige nicht / ſo murreten ſi / und ſchuͤttelten di koͤpfe dahr-uͤber.

Jn der Koͤnigs-wahl ſahen ſi alein auf den adel / und zu Kriges-oberſten nahmen ſi di-jenigen / ſo ſich am tapferſten gehalten hatten. Di Koͤnige dorften nicht herſchen und handeln / wi ſi wolten; und di oberſten befliſſen ſich mehr durch ihre tu - gend / als ſcharfe kriges-gebote / daͤm folke fohr zu ſtaͤhen / und ein haͤrze zu machchen.

Di-jenigen / ſo einem Koͤnige oder Fürſten auf - warteten / eiferten uͤber ein-ander / und es wolt im - mer ein ihder der naͤheſt und libeſte ſein. Es wahr ihrer Fuͤrſten groͤhſſeſte pracht und herligkeit / daß ſi allezeit zu kriges - und fridens-zeiten eine grohſſe anzahl wakkerer und ſtreitbarer Juͤngling ům ſich haben mochten.

Der jungen manſchaft fuͤhtnaͤhmſte uͤbungen und Ritter-ſpihle beſtunden einig und alein dahr - auf / daß ſi zwůſchen den ſpihſſen und ſchwaͤhrtern haͤhr-uͤm ſprangen / dadurch ſi kuͤhn-muhtig war - den / und der waffen gewohneten. Auf ſchoͤne tum - mel-pfaͤhrde hihlten ſi nicht vihl / ſondern gewoͤhne - ten ihre roſſe / ob ſi ſchohn ungeſtalt und mager wa - ren / zur tauerhaftigkeit und zum raͤnnen. wan di Reiterei eine ſchlacht taͤht / ſo ſprangen ſi oft-mahls von ihren pfaͤrden haͤr-unter / und fochten zu fuhſſe; inmittels warteten ihrer di pfaͤhrde / und verwaͤn - deten keinen fuhs. Såttel auf den roſſen zu fůh - ren wahr ihnen di hoͤchſte ſchande; und ſi fuͤhreten weder koͤſtliche kleider / noch krihgs-ruͤſtung. Ein reiter lihs ſich mit einem ſchild und reiſigem ſpihſſe genůgen. wenig unter ihnen hatten panzer an / kaum der zehende einen ſturm-huht / und di ſchwaͤhr - ter waren bei ihnen ſehr ſeltſam.

Es wahr dem kriges-mann eine ſchande / wan ſein Oberſter oder Feld-her in der ſchlacht uͤm-kom -men /261fuͤnftes Buhch.men / und er entronnen wahr / es waͤre dan / daß man den ſihg erhalten haͤtte. Alſo ſtritten di Hehr - fůhrer uͤm den ſihg / und di Soldaten fuͤhr ihren Feld-hern.

Si vermeinten / daß es faulen leuten zu-ſtuͤnde / mit ſchweiſſ und arbeit daſſelbige zu verdinen / was man mit ſeinem bluht erwaͤrben koͤnte; da-haͤhr konte man ſi ſo ſchwaͤhrlich dahr-zu bringen / daß ſi das feld gebauet / und ein ganzes jahr auf di fruͤchte gewartet haͤtten: aber ihren feind haͤr-aus zu for - tern / und etliche friſche wunden zu hohlen / das wahr ihre luſt. Was verraͤhter und feld-flüchtige waren / di hingen ſi an di baͤume; faule / verdroſſene ſchluͤngel / und di weder krigen noch ſonſt etwas tuhn wolten / erſaͤuften ſi in einem unbewaͤhglichen pfuhle / warfen eine geflochtene horte dahr-über / und ſahgten / ſi waͤren nicht waͤhrt / daß ſi oͤffendlich ſtaͤrben ſolten.

Si waren dem trunke ſehr ergaͤben / und achte - ten ſolches fůhr keine ſchande / wan ſi tahg und nacht an ein-ander haͤruͤm-ſoffen. Si handelten auch in ihren Gaſtereien von krihgs - und fridens - haͤndeln / da ſi dan ihr gemuͤht / weil ſi ohne dis nicht tuͤkkiſch noch argliſtig waren / bei dem trunke noch mehr eroͤfneten. und wan ſolches alſo geſchaͤhen wahr / ſo ward di ſachche des andern tages wider fuhr-genommen / und bei nůchternen gedanken ab - gehandelt.

Jhr trunk wahr meiſten-teils von gerſten / oder andern frůchten geſotten / zohg ſich in etwas auf den geſchmak des weines; di am Rein-ſtrohme pflaͤgten auch wein-baͤrge zu bauen. Jhre koſt wahr nichts mehr als buſch-ohbſt / kaͤſe / milch-ſpeiſ / und bis-weilen ein friſcher wild-braten. Das jahr hat - ten ſi in drei zeiten ab-geteilet / in den Windter / Fruͤling und Som̃er; dan vom Herbſt und deſſel - ben Gotte wuſten ſi nichts.

Jhre262Der Adriatiſchen Roſemund

Jhre Goͤtter / di ſi verehreten / waren Merkuhr / welchem ſi zu ehren maͤnſchen ſchlachteten; dahr - nahch Herkules und Mars / denen man vihe zur ſchlacht-gabe dahr-reichte. Dem laͤtſteren / als ih - rem Kriges-gotte / haben ſi einen buſch geheiliget / welcher nicht weit von daͤm Saͤchſiſchen Halle / gahr nahe bei der ſtat (welche von ihm den namen hat) Maͤrſe-burg oder Mars-burg / gelaͤgen iſt. Di Freie / Jſtevons des vihrten Koͤniges der Deutſchen Gemahl / iſt auch / wi man ſchreibet / fohr di Goͤttin der Libe oder daͤs freiens / an der Venus ſtat / geeh - ret / und auch nahch ihr der vihrde tahg in der wochche / frei-tahg / genaͤnnet worden.

Keine unter allen ihren foͤlkerſchaften wahr der abgoͤtterei mehr ergaͤben / als di alten Sachſen / welche di gruͤnen baͤume / wan ſi dik-belaubete zak - ken hatten / wi auch di brun-kwaͤlle verehreten. unter andern hatten ſi einen uͤber-aus-grohſſen ſtam eines baumes aufgeruͤchtet / dehm taͤhten ſi goͤtliche ehr an / naͤnnten ihn in ihrer ſprache Jr - men-ſaul / oder Jhdermans-ſaͤule / damit ſi Gottes al-macht / di alles traͤget und erhaͤlt / andeuten und ab-bilden wolten. Diſen hat der grohſſe Erz-her Karl uͤmgeworfen / nahch-daͤhm er di Sachſen durch einen lang-wihrigen krihg überwunnen.

Es kahm ihnen nichts ſo ungeraͤumet fohr / als daß man di goͤtliche Al-macht und Hoheit in di aͤn - ge gebaͤu und huͤtten ein-ſchlůhſſen ſolte / oder durch bilder und goͤtſen führ-bilden; weil di goͤtliche gewalt nicht von maͤnſchen-gedanken / vihl weniger zwuͤſchen vihr waͤnden koͤnte begriffen waͤrden. Aus diſen uhrſachchen nuhn weiheten ſi ihren Ab - goͤttern keine wohnungen und gebaͤue / ſondern dikke ſchattigte waͤlder / und ſagten aus-trůklich / man koͤnte Got wohl ehren / aber nicht ſaͤhen.

Di Schwaben verehreten auch di Ab-goͤttin Jſis; und heiligten ihren Goͤttern waͤlder / in wel -che263fuͤnftes Buhch.che nihmand kommen durfte / man haͤtte dan ihn zufohr gebunden / zur bezeugung ſeiner untertaͤh - nigkeit: und wan einer un-verſaͤhens ſtrauchelte / daß er zu boden fihl / ſo dorft er nicht wider auf - ſtaͤhen / ſondern man waͤlzt ihn auf der aͤrden hin-aus.

Di Sachſen pflaͤgten etliche ſchlohs-weiſſe pfaͤhrde mit gemeinen koſten zu erzůhen / welche man zu keiner arbeit gebrauchte / ſondern nuhr kuͤnftige dinge durch ſi erforſchete. Si warden in einen wagen geſpannet / naͤben dehm der Koͤnig oder Fuͤrſt haͤhr-ging / und fleiſſig in acht nahm / wi ſi ſich gebaͤhrdeten / und wi ſi ſich mit ſchreien anſtaͤllten. Von diſen zeuchen hihlten ſi uͤber-aus - vihl / und es vergaften ſich dahr-an nicht alein di gemeinen leute / ſondern auch di fohrnaͤhmſten und geiſtlichen ſelbſt. Jn ſchwaͤhren und gefaͤhrlichen trigen lihſſen ſi einen gefangenen von daͤm folke / damit ſi keihg fuͤhreten / gewafnet haͤrfuͤhr-traͤh - ten / welcher mit einem Deutſchen oder Sachſen / auf ſeine weiſe geruͤſtet / kaͤmpfen muſte. Wehr nuhn unter diſen zweien di ober-hand behihlt / deſ - ſelben folke ſchriben ſi den ſihg zu.

Diſes ſei alſo mit kurzen von der alten Deutſchen ahrt / gebraͤuchen und ſitten: nuhn wuͤl ich mei - nem Fraͤulein auch von der heutigen etwas erzaͤh - len: derer ſtand / waͤſen und gebraͤuche in allen laͤndern / jah faſt in allen Staͤtten / unterſchihdlich iſt. Es waͤrden aber di Deutſchen in zwe ſtaͤnde fohr-naͤhmlich ab-geteilet.

Der ehrſte Stand iſt der Geiſtliche / zu welchem teils fuͤrſtliche / teils adliche / teils bürgerliche und gemeine geſchlaͤchter befoͤrtert und erhoben waͤr - den. Es wůrd ein geiſtlicher / ſonderlicher ein Praͤ - diger und oͤffendlicher Beicht-vater / an keinem ort und in keinem lande hoͤher und anſaͤhnlichergehal -264Der Adriatiſchen Roſemundgehalten / als in Deutſchland. Fohr allen andern foͤlkerſchaften aber ehren di Meiſſner (welche ſon - ſten di aller-ehr-erbuͤtigſten vnd fraͤund-ſaͤhligſten leute in ganz Deutſchland ſein / und gleichfalls auch di aller-lihblichſt und reineſte ſprache haben) ihre Geiſtlichen ſo hohch / daß auch di kinder auf der ſtrahſſen / denen ſolche furcht gleichſam angeboh - ren iſt / fohr ihnen erſchroͤkken / mit den huͤhten in den haͤnden ſtok-ſtille ſtaͤhen / wan ſi etwan fohr - bei gaͤhen / und fich ſchaͤuen in ihrer gegenwart et - was laute zu ruhffen; jah / wohr-über man ſich noch mehr verwundern mus / di ſonſt unbaͤndigen kriges-gurgeln und Soldaten ſelbſt / wan ſi an ei - nem orte / ſonderlich auf hohen ſchuhlen / in beſaz - zung ligen / wůſſen nicht / wi ſi di geiſtlichen genug ehren ſollen; dan wan irgend ein gezaͤnk und un - frid unter ihnen iſt / und nuhr ein geiſtlicher in ſei - ner anſaͤhnlichen langen tracht / wi es an denen oͤr - tern gebraͤuchlich iſt / fohr-ůber gaͤhet / ſo ſchweiget ihderman fohr grohſſer ehr-erbuͤtigkeit ſtille; ſi tei - len ſich von ein-ander / ſtaͤhen auf / und grühſſen ihn mit ſehr demuͤhtigen und gleichſam untertaͤhni - gen gebaͤhrden. Jah / es haben di geiſtlichen unter den gelaͤhrten di ober-ſtaͤlle; und dahaͤhr koͤmt es / daß di von Adel / ja oft Frei-herren ſelbſt / ſich zu Praͤdigern gebrauchen lahſſen / und in der goͤtli - chen weusheit nicht alein uͤben / ſondern auch oͤffend - lich laͤhren.

Der andere ſtand iſt der waͤltliche / welcher wi - derům geteilet würd / ehrſtlich in den herlichen / un - ter welchen der Erz-her der ganzen waͤlt / der Roͤ - miſche Kaͤſer / di Kuhr-fuͤrſten / Herzoge / Mark - grafen / Land-grafen / Grafen / Freiherren / u. a. m. geraͤchnet waͤrden; dahr-nahch in den ahdlichen / dahr-unter di Ritter und aͤdel-leute begriffen ſein; Zum dritten in den ſtand der gelaͤhrten / dahr-unter di Laͤhrer auf den Hohen-ſchulen / di FuͤrſtlichenBeam -265fuͤnftes Buhch.Beamten / und dehr-gleichen / gezaͤhlet waͤrden. Zum vihrten in den bürgerlichen / dahrunter ehrſt - lich / di Rahts - und Buͤrger-meiſter / Herren und bedihnten der Stat / dahr-nahch di kauf-leute / und aͤndlich di Hand-waͤrker gehoͤren. Zum laͤtſten in den ſtand der feld-laͤbenden / unter welchem di Bauren / und tage-loͤhner begriffen ſein.

Jn allen diſen ſtaͤnden nuhn wůrd auf kein ding mehr gehalten / als auf di freien kuͤnſte; und di aller-ſchlaͤchteſten leute / wan ſi nuhr ſo vihl koſten auf-bringen koͤnnen / ſchikken ihre kinder nicht alein zur oͤffendlichen ſchuhlen / ſondern halten ihnen auch noch uͤber das zu hauſ einen abſonderlichen unter-weiſer und anfůhrer. Etliche waͤnden alle güter / und was ſi in ihrem vermoͤgen haben / dahr - an / und gedaͤnken / wi es auch di gewuͤſſeſte wahr - heit iſt / daß ihre kinder dehr-mahl-eins reich ge - nug ſein / wan ſi ihnen vihl reichtühmer und ſchaͤz - ze der unſtaͤrblichen und unvergaͤnglichen weus - heit geſamlet / und zu waͤge gebracht haben.

Di von Adel befleiſſen ſich auch in ihren juͤng - ſten jahren auf nichts anders / als ehrſtlich / auf freie kůnſte / ſi unter-ſuchen di geſchichte / waͤrden belaͤſen in waͤlt - und Stat-ſachchen / ůben ſich in ſprachen; dahr-nahch wan ſi aͤlter waͤrden / ſo be - gaͤben ſi ſich auf Reiſen / laͤrnen aller-hand ahdliche Ritter-ſpihle / als foͤchten / ringel-raͤnnen / pfaͤrde - tummeln / piken ſchwüngen / fahnen fuͤhren / ſchuͤhſ - ſen / ſpruͤngen / ruͤngen / und dehr-gleichen; und aͤndlich / wan di aͤlteſten brüder di guͤhter in beſiz - tuhm naͤhmen / ſo begaͤben ſich di juͤngſten entwe - der in den krihg / oder ligen weiter den freien kuͤn - ſten ob / daß man ſi haͤr-nahch am Kaͤſerlichen / an fůrſt - und graͤhflichen hoͤfen / zu ehren-dihnſten und beſtallungen befoͤrtern koͤnne: Dan ſonſt / wo ſi nichts tuͤchtiges in den freien kuͤnſten getahn ha - ben / ſo wuͤrd ihnen manches ſchlaͤchten mannes / jaMman -266Der Adriatiſchen Roſemundmanches bauren ſohn / dehr ſeine ſachchen ſo hohch gebracht hat / daß er eines fuͤrſtlichen Hohf-rahts ſtaͤlle betraͤten kan / fohr-gezogen.

Si fůhren ihren ahdlichen ſtand meiſten-teils auf doͤrfern / da ſi ihre Schloͤſſer und ſizze haben / welche bisweilen ſo ſchoͤhn erbauet / und mit ſchlos - graͤben und mauren befaͤſtiget ſein / daß ſich kein Koͤnig ſchaͤhmen dürfte / dahr-auf zu wohnen. Solches tuhn ſi meiſtig aus libe der freiheit / in - daͤhm ſi ſolcher-geſtalt keinem andern duͤrfen nahch - ſaͤhen / und ſelbſten meiſter und Herren in allen ih - ren geſchaͤften und verrichtungen ſein koͤnnen. Si halten ſich ſehr praͤchtig / und iſt ihnen auch vergoͤnnet einen grohſſen ſtand zu fůhren.

Das ahdliche Frauen-zimmer haͤlt ſich daͤm Fuͤrſt - und graͤhflichen in der tracht und kleidung gleich / aus-genommen / daß eine Jungfrau von adel nicht ſo vihl gold und aͤdle ſteine tragen darf / als ein fuͤrſtliches Fraͤulein. Si tragen meiſten - teils alle mit-einander fluͤgende lokken und zu felde geſchlagene hare / welches ſonſt andere Jungfrauen / wo ſi keine vom adel ſein / nicht tuhn duͤrfen. Di Toͤchter der Hohch-gelaͤhrten auf Hohen ſchulen / und der fůrſtlichen Raͤhte / moͤgen ſich zwahr denen von adel gleich halten / ob ihre aͤltern gleich von ſchlaͤchter abkunft / und nuhr durch ihre kunſt und geſchikligkeit zum adel gelanget ſein; aber man fuͤndet gleich-wohl ſehr wenige / di es zu tuhn pflaͤ - gen. Guͤldne ketten / arm-baͤnder / ſam̃et und ſei - den-zeug (welches keiner gemeinen buͤrgers tochter geſtattet wůrd) tragen ihrer vihl; aber di kleider auf eine andere ahrt / als di von gebuhrt ahdlich ſein / mit kurzen ſchauben / oder wi es di Landes - ahrt und tracht mit ſich bringet: dan daͤs Fůrſt - graͤhf - und ahdlichen Frauen-zimmers tracht und kleidung koͤmt ſchihr durch das ganze Deutſche Reich in allen laͤndern uͤber-ein; da haͤr-gegen ditrach -267fuͤnftes Buhch.trachten der andern Staͤnde faſt in allen Staͤtten unterſchihdlich ſein.

Unter daͤm Mansfolk iſt faſt kein unterſcheid / aus-genommen (ich raͤd alhihr von denen Staͤt - ten / di unter eines Fůrſten boht-maͤſſigkeit ſein) di kaufleute und gemeinere buͤrger / welche ſolche koͤſt - liche zeuge zu ihren kleidern nicht tragen duͤrfen / als den hoͤheren ſtaͤnden vergoͤnnet iſt. Wan aber ein Kaufman / oder ein anderer / ſeinen Sohn auf der Hohen ſchuhlen in freien kuͤnſten unterhaͤlt / ſo iſt ihm / ſo lang er den Freien kuͤnſten obliget / wohl vergoͤnnet / daß er ſich einem von adel gleich halten mahg; dan ein gelaͤhrter Jůngling hat di groͤhſſeſte freiheit / als ein maͤnſch immer-mehr ha - ben kan.

Di-jenigen / ſo auf Hohen ſchulen laͤben / ſein keiner laͤbens-ſtrahf unter-worfen (ich raͤde von de - nen zu Witten-baͤrg und Leipzig;) und ſi moͤgen auch tuhn was ſi wollen / ſo haben ſi doch ſolche freiheit / daß ihnen kein Stats-diner ein hahr kruͤm - men darf / vihl weniger einige gewalt antuhn. Ha - ben ſi gleich einen entleibet / oder noch eine groͤhſſe - re taht begangen / ſo darf man ſi doch nicht hoͤher ſtrahffen / als mit dem banne: dan das laͤben würd ihnen nimmer-mehr genommen / wo man nicht di grohſſen freiheiten / di ſolchen Hohen ſchulen von den Roͤmiſchen Erz-herren gegaͤben ſein / ſchwaͤch - chen und vernichtigen wül.

Was nuhn di Kuͤnſtler und Hand-waͤrker be - truͤft / ſo wuͤrd den Deutſchen von allen Geſchicht - ſchreibern das lohb gegaͤben / daß in keinem reich und lande der waͤlt ſo traͤfliche meiſter / und deren nicht wenig / ſondern in grohſſer anzahl fohr-han - den ſein / gefunden waͤrden. Man lahſſe di einige und waͤlt-beruͤhmte Stat Nürnbaͤrg auf-traͤten / und ſaͤhen / was ſi uns fohr traͤfliche kuͤnſtler dahr - ſtaͤllen wuͤrd / als ih-mahls unter der Sonnen ge -M 2laͤbet268Der Adriatiſchen Roſemundlaͤbet haben. Di von Chine ſein traͤfliche ſcharf - und kluhg-ſuͤnnige koͤpfe / dehr gleichen man ſon - ſten nicht fuͤndet; aber wan ich diſe mit jenen ver - gleichen ſolte / ſo wuͤrden di Deutſchen / wo nicht in allen / doch in den meiſten kunſt-ſtuͤkken / di ober - hand behalten. Di nuͤzliche Trukkerei / das ſchaͤhd - liche buͤchſen ſchuͤhſſen / ſo vihl ſchoͤne kunſt - und uhr-waͤrke haben alle di Deutſchen erfunden / wi - wohl ihnen di Chineer dehr-gleichen auch zuſchrei - ben. Jſt unter den Malern und kuͤnſtlern der gan - zen waͤlt wohl ein ſolcher uͤber-aus-traͤflicher man ih-mahls gewaͤſen / als der weit-bekante Albrecht Duͤrer von Nuͤrnbaͤrg? aber was halt ich mich noch lang in ſolchen weit und breit bekanten ſach - chen auf / und erzaͤhle meiner Schoͤnen das-jenige / was ſi ſchohn zu Venedig / da man di meiſten lihb - haber aller ſchoͤnen kuͤnſte fündet / mehr als al-zu - wohl / wuͤrd vernommen haben.

Was nuhn ſchluͤhſlich di Kriges-haͤndel betrůft / ſo mus ihderman bekaͤnnen / daß di aͤhdlen Hohch - deutſchen von ihrer fohrfahren gebuhrts-ahrt / in diſem falle / nicht einen fuhs-breit ab-gewichchen ſein. Dan es haben ſich ihrer ſo vihl hundert tau - ſend / jah ſo vihl / daß es faſt unglaͤublich ſcheinet / ſo wohl zu aus-als inlaͤndiſcher foͤlker krigen / ge - brauchen lahſſen. Di aus-laͤndiſchen und fremden Foͤlkerſchaften liben ſi ihrer traͤue / ſtand-faͤſtigkeit und helden-muhtes ſo ſehr / daß ſi auch Fuͤrſten und Koͤnige zu ihren fohr-naͤhmſten dihnſten be - ſtaͤllen.

Der Papſt oder Ober-erz-vater zu Rohm / der Koͤnig von Spanien / der Koͤnig von Frankreich / der Grohs-fuͤrſt von Florenz / und andere grohſſe Herren mehr / brauchen nicht alein di Hohch-deut - ſchen zu ihren krigen / ſondern ſi tuhn ihnen auch noch di ehre / daß ſi zu ihrer ehrſten Leib-wachche / di ſolcher grohſſen Herren leib und laͤben zu bewah -ren269fůnftes Buhch.ren hat / keine andere foͤlker als Hohch-deutſche (welches gemeiniglich Schweizer ſein / zu naͤhmen pflaͤgen. Ja ſi ſein des kriges ſo begihrig / daß ſi auch (gleich wi ihre uhr-aͤltern getahn haben) den ausheimiſchen foͤlkern / als den Nord-tuͤkken (un - angeſaͤhen daßſolche bluht-gihrige / verfluhcht und Gottes-vergaͤſſne moͤrder und raͤuber / ihr vater - land in den grund verdaͤrben und verwůhſten) in der maͤnge zu-lauffen.

Es iſt auch maͤnniglich bekant / was fohr eine macht di Deutſchen Fuͤrſten auf-bringen koͤnnen. Als der Grohs-tuͤrke di kaͤſerliche Haubt-ſtat Wihn in Oeſter-reich belaͤgerte / ſo zohg ihm Kaͤ - ſer Karl / der Fuͤnfte diſes namens / mit 90000 zu fuhſſ und 30000 Reitern entgegen. Maximi - liahn der Andere boht ihm das haͤubt mit 100000 zu fuhſſ und 35000 reiſigen. wan man ſich nahch unſern zeiten zu waͤndet / ſo mus man fůhr den grohſſen hehren erſchroͤkken / di man zeit daͤs 1619 jahres / da ſich diſer izige krihg entſponnen / auf dem Deutſchen boden geſaͤhen hat.

Der Kuhr-fuͤrſt von Sachſen hatte fohr 8 jah - ren alein 50000 auf den beinen / welche / wi ich mit meinen augen geſaͤhen habe / di aller-baͤſten und anſaͤhnlichſten Soldaten waren / di ein Kriges - haubt immer-mehr wuͤndſchen mahg; und faſt in einem jahre dahr-nahch alle mit ein-ander in der Marke zerſchlagen / verhungert und vernichtiget worden. Wehr wůl des Herzogs von Beiern und anderer Reichs-fůrſten (von daͤm Kaͤſerlichen Folke wuͤl ich nicht ſagen) ſo vihl und grohſſe Kri - ges-laͤger haͤhr-raͤchnen? wehr wůl alles folk / das in den zwo Leipzigſchen / in der Liziſchen / Noͤrdlin - giſchen / Wit-ſtokkiſchen und andern haubt-ſchlach - ten innerhalb zehen oder zwoͤlf jahren gebliben iſt / zaͤhlen koͤnnen?

Aber / meine Schoͤne / diſer angebohrne muht zuM 3foͤch -270Der Adriatiſchen Roſemundfoͤchten / wi nuͤzlich und loͤblich er fohr diſem den Deutſchen gewaͤſen iſt / ſo ſchaͤhdlich und verdam - lich iſt er ihnen wider-uͤm zu diſen zeiten: da ſich di Deutſchen Fuͤrſten unter-einander ſelbſt auf-raͤu - ben / und das eine teil mit den aus-laͤndiſchen foͤl - tern wider ihr eigenes vaterland in verbuͤndnuͤs trit / und daͤſſen untergang befoͤrtern huͤlfet. Jah ich kan es mit raͤcht ſeinen untergang naͤnnen; in - daͤhm di ſchoͤhnſten Staͤtte / di luſtigſten und praͤch - tigſten Schloͤſſer und Herren-haͤuſer muhtwuͤllig / nicht alein verwühſtet / verbrant und eingeaͤſchert / ſondern auch gahr geſchleiffet waͤrden. Der himmel erzittert dafohr / di wolken waͤrden bewaͤget / di ſtaͤrne lauffen betrůbet / di ſonne verhůllet ihr ant - liz / der mahnd erblaſſet / und di irdiſchen uhrwaͤ - ſen erboͤben; wan ſi ſchauen und ſaͤhen di bluhtigen und nimmer-mehr - verantwortlichen verwühſtun - gen. Mich deucht als wan ich izund ſaͤhen koͤnte / wi di allerſchoͤhnſte gegend uͤm Torgau und Dreſ - den haͤr-uͤm mit ihren aller-lihbligſten wiſen / mit ihren an-naͤhmligſten luſt-waͤldern / mit ihren ſchoͤn - ſten wein-baͤrgen / mit ihren befruchteſten feldern und luſtigſten gaͤrten / fohr trauren ihr antliz ent - zůhet / und ihre ſchoͤne ſchloͤſſer / di izund ſo un - maͤnſchlicher weiſe / ganzer ſechs mellen uͤm Leipzig haͤrům / geſchleiffet und nider-geriſſen waͤrden. O wi wahr hat Filip Melanton fohr hundert jahren zufohr geſagt / als er diſe ſchoͤne Gegend / di wohl mit raͤcht ein irdiſches Paradihs / ein Himmel der irdiſchen Goͤtter / und ſchau-plaz aller luſt und er - gaͤzligkeit heiſſen mahg / mit weinenden augen an - geſaͤhen hat; O wi jammert und kraͤnket es mich / daß diſe ſchoͤne gegend noch ein - mahl in der Tuͤrken haͤnde kommen ſol! Wan izund diſer taͤure Man noch laͤben ſolte / ſo wuͤrd er di erfuͤllung ſeiner fohr-ſage mit augenan -271fuͤnftes Buhch.anſaͤhen / und ohne zweifaͤl dafohr erſchroͤkken; ſonderlich wan er erfahren und hoͤren wuͤrde / daß es nicht alein Kriſten / ſondern auch gahr Glau - bens-genoſſen und geiſtliche bunds-verwandten waͤren / di ſolchen heiligen bund verlaͤzzen / und wi - der alles raͤcht und gewuͤſſen ſo unmaͤnſchlich han - deln. Aber was wuͤl ich mein libes Vater-land / daͤhm ich an ſchoͤhnheit und aller behaͤhgligkeit kei - nem lande / ſo vihl ich ihrer auch geſaͤhen habe / ver - gleichchen kan / noch lange betauren! es iſt unſers Gottes geraͤchte ſtrahf-ruhte; ſonſt koͤnt es nicht muͤhglich ſein / daß uns unſere eigne Glaubens-ge - noſſen ſo verfolgeten. Es wuͤrd uns der erzuͤrnte Himmel / wan er ſeinen zorn geloͤſchet hat / wohl wider gnaͤdig anblikken.

Der Roſemund luͤhffen indaͤſſen uͤber ſolcher er - baͤrmlichen raͤde di traͤhnen mildiglich uͤber di wan - gen / und diſe Schoͤne betruͤbete ſich aus grohſſem mitleiden ſo ſehr / daß auch Markhold gezwungen ward mit ſeiner erzaͤhlung auf zu hoͤhren.

Jn-daͤhm ſi nuhn alſo ſahſſen / und das arme Deutſch-land bejammerten / ſo kahm ein knabe zur Roſemund / und uͤber-reicht ihr ein ſchreiben / wel - ches di Adelmund geſchriben hatte. Weil nuhn di - ſe Schoͤne in etlichen wochchen keine zeitung von ihr gehabt hatte / ſo wahr ſi nicht wenig erfraͤuet dahr-uͤber / und konte kaum ſo lange warten / bis es auf-gebrochchen wahr. Markhold ſelbſt und di ſchoͤne Stilmuht vergahſſen aller ihrer traurigkeit ſo ploͤzlich / daß ſi fohr grohſſem verlangen zu wuͤſ - ſen / was daͤſſen inhalt waͤre / durch di gebaͤhrden ihre fraͤude gnugſam an den tahg gaben. Mitler - zeit hatte ſi ſolches eroͤfnet / und verlaſ es fohr ih - ren ohren folgender geſtalt:

M 4Der272Der Adriatiſchen Roſemund

Der Adelmund Schreiben an di fraͤundſaͤlige Roſemund.

ME in Fraͤulein /

Nahch-daͤhm der kleine wůterich der verlihbten haͤrzen das meinige / nahch ſo langem warten / aͤndlich ein-mahl befridi - gen / und das feuer / das er in meinen gli - dern angezůndet hat / mit ſeiner gewůſſen nahrung verſorgen můſſen; ſo hab ich nicht unter-lahſſen koͤnnen / mein trautes Fraͤulein mit ſolcher angenaͤhmen zeitung zu erfraͤuen. Dan wi ich mich zum hoͤch - ſten erfroͤlichen wuͤrde / wan ich erfůhre / daß ihr der Lihb-reiz / dehr ihr ſchohn fohr einer guhten zeit mark und beine geruͤhret hat; ein-mahl ſo hold ſein ſolte / daß es mit ihr zur aͤndlichen wůrkung gedeien moͤch - te; ſo weus ich auch gewuͤs / und bin daͤſſen mehr als alzu wohl verſichchert / daß ſi ſich uͤber das lang-gewuͤndſchte gluͤk ihrer tohd-fraͤundin nicht weniger erfraͤuen wuͤrd. Kurz / ſi ſol wuͤſſen / daß uns bei -de /273fuͤnftes Buhch.de / mich und meinen Lihbſten / das unge - witter der Libe / nuhn-mehr in den hafen eingeworfen / und in eine ſolche lihbliche wind-ſtill[e]verſaͤzzet hat / daß wihr uns / allem anſaͤhen nahch / keines ſturmes mehr / dehr uns ſcheiden koͤnte / bis in den tohd zu befahren haben. Jah wihr ſein nuhn-mehr ohne ſorgen / und wuͤndſchen nicht weiters / als daß meine Fraͤundin gleiches gluͤkke betraͤffen moͤchte. Mein Lihbſter floͤhet fohr deu Markhold / und ich fohr ſi / dehr - geſtalt / daß zwo ſtimmen und zwe wůnd - ſche / wi-wohl ſi unterſchihdlich ſein / doch auf einen zwaͤg zilen. unſere Hochzeit waͤ - re noch vihl luſtiger ab-gelauffen / als es geſchaͤhen iſt / wan wihr nuhr ſi und ihren Markhold zu-gegen gehabt haͤtten. Aber er wahr al-zu weit entſaͤrnet / und ſi daͤs - waͤgen in ſolcher bekuͤmmernůs / daß ihnen beiden di beſchaffenheit ihres zuſtandes nicht geſtatten wolte / unſerem ehren-feier bei zu wohnen. Solt er aber mitler-zeit / wi ich verhoffe / wideruͤm zu-ruͤk-kommen ſein / ſo verſaͤhen wihr uns ihrer beider kurz-kuͤnftigen anhaͤhr-kunft / dahr-uͤm wihr dan hoͤhchlich bitten. Mein Lihbſter laͤſſet ihnen ſaͤmtlich ſeinen ehren-gruhs und dihnſte vermaͤlden / und ich waͤrde ſi auch bitten / daß ſi ihrem Markhold / demM 5Hern274Der Adriatiſchen RoſemundHern Vater / und allen den ihrigen meine un-ermuͤdete wuͤlfaͤrtigkeit zu verſtaͤhen gaͤbe. Jn-daͤſſen laͤbe ſi wohl / und ich ver - bleibe

meines hohch-geehrten Fraͤuleins ſtaͤhts-dihnſt-ergaͤbene Adelmund.

Bei verlaͤſung diſes brifes veraͤnderte di ſchoͤne Roſemund di farb ihrer wangen faſt augen-blik - lich; bald erblaſſte ſi ſohr angſt und hofnung; bald erroͤhtete ſi ſich wider / beides fohr ſchahm und eif - riger libe / welche di verraͤhter der heimlichen haͤr - zens-ſchluͤhſſe / di augen / als gewůſſe zeugen / gnug - ſam zu verſtaͤhen gaben. Di ſeufzer / welche aus ihrem haͤrzen un-aufhoͤhrlich uͤber ſich ſtigen / und mit gewalt haͤr-fuͤhr-braͤchchen wolten / haͤtte ſi fohr der ſchoͤnen Stilmuht gaͤrne verborgẽ gehalten / und bemuͤhete ſich auch mit aller kraft ihnen den waͤbg zu verlaͤgen. aber ſi waren ſo ſtark und ſo haͤftig / daß ſi es nichts daͤs-zu-weniger an ihrem liſpeln und hin-fallender ſtimme wohl vermaͤrken konte / wi ihr zu muhte wahr. Der gaumen ward von ihrer auf - ſteigenden hizze faſt ganz aus-getruknet / und der mund blihb bisweilen / in-daͤhm er ohn unterlahs luft ſchoͤpfen muſte / und ſich faſt nihmahls ſchluͤhſ - ſen konte / mitten im worte ſtaͤhen.

Mark -275fůnftes Buhch.

Markhold ſahe ſolches alles mit nicht geringem mit-leiden an / und di Stilmuht ſelbſt wahr ihrent - halben auch nicht wenig betruͤhbt; dan ſi kont ihr unſchwaͤhr einbilden / unter welchen roſen / und an welchem glide / di binen mit ihren achchelnden pfeilen ihre Roſemund verlaͤtſet hatten.

Als ſi nuhn nahch verlaͤſung ſolches ſchreibens noch ein wenig mit ein-ander geſprachet hatten / ſo nahm Markhold ſeinen abſchihd / und begahb ſich wider nahch Amſtelgau / da ihm aͤben ein brihf - lein von ſeinem guhten Lands-fraͤunde / dehr ſich zu Reinwurf auf-hihlt / eingehaͤndiget ward. Diſer raͤhdliche Deutſche fühgt ihm zu wůſſen / daß er geſonnen waͤre ſich wider-uͤm in Frankreich zu be - gaͤben / und zu Parihs eine zeit-lang auf zu halten. Weil es aber un-muͤhglich wahr / daß er ſeinen lihbſten Markhold fohr ſeinem abreiſen zu-ſpraͤch - chen konte / ſo baht er ihn / daß er doch di muͤh-wal - tung auf ſich naͤhmen / und ihn aufs eheſte / wo es ihm nicht un-gelaͤgen kaͤhme / beſuchen moͤchte / dan er haͤtte ſehr noht-waͤndige ſachchen mit ihm zu raͤden.

Markhold wahr nahch verlaͤſung ſolches ſchrei - bens alſo-bald des ſchluſſes / daß er ſich naͤchſt-kuͤnf - tigen morgens / auf di reiſe begaͤben wolte. Jn - mittels gedacht er noch immer an ſeine libe Roſe - mund / und wiwohl ſich fohr ſeinem ſo kurzen abrei - ſen ſehr vihl zu verruͤchten fand / ſo unterlihs er doch nicht / ſeiner gelihbten auch einige zeit zu wid - men. Mit ſolchen lihblichen verzükkungen bracht er auch ſeine reiſe zu / und kahm alſo faſt unvermuht - licher weiſe zu Reinwurf an. Weil ihm nuhn di gelaͤgenheit ſelbiges ortes uͤber-aus - wohl gefihl / ſo entſchlos er ſich / eine zeit-lang daſelbſten zu ver - harren / damit er in ſolcher ſtillen luſt ſeiner buͤ - cher daͤs zu baͤſſer abwarten koͤnte: Dan / ſo lang er zu Amſtelgau wahr / ſo verſtoͤreten ihnM 6teils276Der Adriatiſchen Roſemundteils ſeine taͤhglichen fraͤunde / teils auch das alzu nahe beiſein der haͤrz-entzukkenden Roſemund. Aber er konte gleich-wohl nicht lang in ſolcher ſtille laͤben; di ſchreiben diſer Schoͤnen / und das ſtaͤtige anhalten / daß er ihrer beider fohrnaͤhmen zur aͤndlichen fol-ſtraͤkkung moͤchte kommen lahſſen / verunruhigten ihn dehr-geſtalt / daß er bis-weilen aus grohſſem weh-leiden nicht wuſte / was er be - gůnnen ſolte. Di fohr augen ſchwaͤbende unmuͤhg - ligkeit machte ſi beider-ſeits uͤber-aus-betruͤbet. Es hatte das anſaͤhen / als wan ſi nimmer-mehr ihres wundſches koͤnten gewaͤhret waͤrden / als wan ih - nen alle himliſche kraͤfte zu-gegen luͤhffen / und ſol - ches verhaͤngnuͤs ſchohn von ewigkeit haͤhr ůber ſi waͤre beſtimt worden.

Di traͤu-beſtaͤndige Roſemund / di ſich nuhn nicht mehr wolte troͤhſten lahſſen / und ihres uner - leidlichen zuſtandes waͤgen / an ihren leibes-kraͤften ſehr abgenommen hatte / begunte von tage zu ta - ge unbaͤslicher zu waͤrden / und můhete ſich ſo ſehr / daß ſi aͤndlich ganz lagerhaſtig ward / und in eine ſchwaͤhre krankheit geriht.

Di fohr-belihbten wangen verfihlen; di augen warden gleichſam wi mit einem blauen gewaͤb uͤm - gaͤben / und lagen ſchohn ſehr tuͤhf in ihren winkeln; di aller-ſchoͤhnſten lippen / di ein maͤnſch ih-mahls mit augen geſaͤhen hat / verblichchen wi eine roſe zur zeit des heiſſen mittages; di raͤgen glider / der raſche gang) di uͤber-aus-luſtige gebaͤhrden / di anmuhtige hoͤhfligkeit / di haͤrz-entzuͤkkende leibes - geſtalt / waren ganz verlaſſet / und ſpihleten faſt das gahr-aus; der reine klang ihrer ſo lihblichen ſtim̃e ward heiſch und unverſtaͤndlich; ja der gan - ze leib fleiſchte ſich von tage zu tage ſo ſehr ab / daß ſi mehr einem ſchatten als maͤnſchlichem leibe gleich ſahe.

Dem Hern Vater / welcher ſolches alles mit-an -ſahe /277fůnftes Buhch.ſahe / und di uhrſachchen ihrer lagerhaftigkeit wohl wuſte / begunt es al-gemach zu raͤuhen / daß er ſolche harte beduͤngungen fohr-geſchlagen hatte. Aber wi bekuͤmmert er auch wahr / ſo kont er ſich doch nicht entſchluͤhſſen / ſeine fohrſchlaͤge fahren zu lahſſen oder zu lindern. Er kahm ſi auf eine zeit zu beſu - chen / und frahgte / was ſi von ihm erheiſchte; er ge - lohbt ihr alles zu gaͤben und alles zu bewuͤlligen / was ihr haͤrz wuͤndſchte / und was ihm zu tuhn muͤhglich waͤre / dan er hatte ſi uͤber-aus-lihb. Aber es wahr uͤm-ſonſt / daß er ſeiner lihbſten Tochter mit ſolchen lihbenden worten auf-haͤlfen wolte. Dan ſi wuſte wohl / daß ihm ſeine al-zu-harte ſtand - haftigkeit nicht zulahſſen wuͤrde / daß er ihr nuhr daſſelbe / welches ſi einig und alein wuͤndſchte / ge - ſtatten wuͤrde. Er wolte ſi bald mit diſem / bald mit jenem troͤhſten; er ſuhchte vihlerhand aus-fluͤchte / ſeinen harten ſuͤn zu entſchuldigen: aber ihr wahr nichts troͤhſtlichers als der tohd / welchen ſi in ſeiner gegenwart oft wuͤndſchte.

Der alte Her wolt ihr ſolches aus dem ſuͤnne raͤden / und fuͤhrt ihr zu gemuͤhte / daß ſi doch bedaͤn - ken ſolte / in was fohr bekuͤmmernůs ſi ihn ſtuͤrzen / und was fohr haͤrze-leid ſi ihm uͤber den hals zuͤhen wuͤrde: ja er ſprahch ihr ſo erbaͤrmlich zu / daß ſi fohr weh - und mit-leiden weinen muſte.

Jn-daͤſſen nuhn / da ſi alſo raͤdeten / kahm der abaͤnd haͤr-bei / und di ſonne neugte ſich mit ſehr be - truͤhbtem geſichte zum untergange / nicht anders / als wan ſi mit-leiden mit daͤm geſpraͤche diſer beiden ge - habt haͤtte. Der alte Her nahm abſchihd und ge - ſaͤgnete ſeine libe tochter / di ihm vihl liber wahr als alle ſchaͤzze der waͤlt / und di nuhn-mehr ohn einige geſelſchaft und zeit-verkuͤrzung di lange nacht ſchlahf-lohs verſchluͤhſſen muſte.

Aende daͤs fuͤnften Buches.

M 7Der278Der Adriatiſchen Roſemund

Der Adriatiſchen ROSEMVND ſechſtes Buhch.

DEr lang-gewůndſchte tahg wahr kaum angebrochchen / als Markhold ſeine libe Roſemund zu beſuchen anlangte. Di tohr-waͤrterin kahm eilend gelauffen / ſolche erfraͤuliche zeitung unſerer kranken an zu kuͤndigen / welche dahr-uber ſo fro ward / daß ſi ihr eine zimliche ver - ehrung dahr zu reichen befahl. Es iſt unmuͤhglich zu beſchreiben / wi fro / wi luſtig und belaͤhbt ſich un - ſere Schoͤne bei ihres trauten ankunft erzeugte. Gleich wi ein kohl-garten / der ſeine ſtauden bei al - zu-hizzigem ſommer-tagen ohn einig enthaͤltnůs hinfallen laͤſſet / durch einen lihblichen raͤgen wi - der-uͤm erkwikket wůrd / und ſeine verwaͤlkte blaͤt - ter aufrüchtet; ſo ward auch unſere Roſemund durch den anblik ihres Gelihbten ſo erkwikket / und ſo erfraͤuet / daß an ihr keine krankheit / als an dem blohſſen auswaͤndigen leibe / zu ſpuͤhren wahr. di gebaͤhrden / wi mat vnd hinlaͤſſig ſi auch zufohr ge - waͤſen waren / warden ſo luſtig / und das angeſicht / wi blas es gewaͤſen wahr / erroͤhtete ſich bei ſeiner ankunft ſo ſehr / daß man wohl verſpůhren konte / daß ſi ihren raͤchten leib-arzt noch nicht bei ſich ge - habt hatte / und daß nuhr ein fraͤundlicher anblik ihres getraͤuen mehr kraft haͤtte / als bezoar / gold - trank / und alle koͤſtlichſte ſtaͤrk-mittel aus der arz - nei-kammer: Si begunte nuhn auch widerüm ſo zu raͤden / wi ſi fohr-haͤhr gepflogen hatte / und befand ſich faſt in gaͤnzlicher geſundheit. Ja /nahch -279ſechſtes Buhch.nahch-daͤhm ſi nuhn in drei tagen faſt nicht einen biſſen gegaͤſſen hatte / ſo lihs ſi auch tzund al - lerhand ſpeiſen auf-tragen / und taͤht mit ihrem Markhold / welcher ſich bei dem tiſche / dehr fohr ihrem bette ſtund / nider-gelahſſen hatte / eine guh - te mahl-zeit. Das ganze haus-geſinde ſahe mit grohſſer verwunderung zu / und wahr zum hoͤhch - ſten erfraͤuet / daß ſich fohr ihre krankheit ſo ein guhtes mittel gefunden haͤtte. Markhold ſelbſt wahr verwundert dahr-uͤber / und ſuchete noch mehr mittel ſeine Schoͤne zu erluſtigen. Er bracht ihr aller-hand kurz-weilige raͤden fohr / und ergaͤz - te ſi ſo vihl / als ihm muͤhglich wahr. Laͤtslich er - zaͤhlt er auch / auf ihr anhalten /

Eine Nider-laͤndiſche geſchicht von einer ahdlichen Jungfrauen und einem Rit-meiſter.

DJſe geſchicht / ſagt er / di ich meiner Schoͤnen ſchohn fohr-laͤngſt hab erzaͤhlen wollen / iſt in wahrheit noch wohl ſo vihl waͤhrt / daß ſi mein Fraͤulein wůſſen mahg; dan ſi bildet ehrſtlich eine kraͤue Libe zweier lihbſten / dahrnahch auch di ver - fluhchte kargheit und eh-zwang der aͤltern ab.

Es ligt nicht faͤrn von hihr ein Hern-hohf / auf welchem ein fohrnaͤhmer von adel wohnete / dehr ein einige tochter hatte / und diſelbe in ahdlichen tugenden ſehr wohl auf-erzuͤhen lahſſen. Diſe Tochter hatte von jugend auf grohſſe fraͤundſchaft mit einem andern von adel gepflogen / welcher ſi auch nahch-mahls / als er Rit-meiſter worden wahr / von ihrem Vater zur ehe begaͤhrete / und weder eine abſchlaͤgige noch gewuͤs-zuſaͤhgliche ant - wort bekommen hat. Mitler zeit aber / da di ſach -chen280Der Adriatiſchen Roſemundchen ſchohn zimlich lang in ſolcher ungewuͤsheit geſtanden hatten / ſo begahb es ſich / daß / ohne den fohr-bewuſt diſer Jungfrauen ein geldriſcher von adel / welcher ſchohn ein alter / aber ſehr reicher man wahr / bei ihren aͤltern uͤm ſi anhihlt / und von beiden das jah-wort und di zuſage bekahm. Di Tochter aber / als ſi gefraget ward / ob ſi ihn begaͤh - rete? gahb alſobald zur antwort / daß ſi in alle ewigkeit ſeiner nicht teilhaftig waͤrden wolte. Dan / fuhr ſi fort / wi kan ſich ein maͤnſch zu eines libe zwuͤngen? und wi ſol ich einen ſolchen lihb-gewuͤn - nen / fohr dehm ich abſchaͤu trage? Wan er ſich zu ihr nahen wolte / nahch verlihbter leute gebrauch / mit ihr zu ſchaͤrzen / ſo ſtuͤhs ſi ihn von ſich / und wolt ihm ganz keine gnad erzeugen. Als ſi aberſahe / daß ſi di aͤltern mit gewalt dahrzu zwingen wolten / ſo faͤrtigte ſi ihre dinerin in geheim zu gedachtem Ritmeiſter ab / fuͤhgt ihm durch ein kleines brihf - lein zu wuͤſſen / in was fohr noht ſi waͤre / und baht ihn / daß er doch der alten kundſchaft / di er mit ihr gepflogen haͤtte / eingedaͤnk ſein moͤchte / und ſi aus ſolcher angſt erloͤſen.

Der Ritmeiſter / der ſich beides durch lihb und barmherzigkeit bewogen befand / ſagt ihr ſeinen můhglichſten beiſtand alſo-bald zu; und ſi lihs ihm alle tage durch ihre kammer-dinerin heimlich brife zu-bringen. Weil aber di Tochterſo hart gehalten wurde / daß ſi nicht ein-mahl von dem hofe hinun - ter gaͤhen durfte / ſo ſchwomm er in der abaͤnd - doͤmmerung durch den ſchlos-graben nahch dem garten zu / dahr-in ſich diſe armſaͤlige befand / und ſeiner wartete. Aber ſi konten in ſolcher ſtille nicht lange mit einander ſprache halten; dan di hunde / welche ſeiner alſo-bald gewahr warden / huben ſo haͤftig an zu baͤllen / daß der alte Vater veruhrſach - chet ward in den garten zu gaͤhen / da er nimandes als ſeiner tochter anſichtig ward.

Diſe281ſechſtes Buhch.

Diſe arm-ſaͤlige huhb alſo-bald an zu zittern / und gahb ſich ihres verbraͤchchens (wan es anders diſen namen verdinet) ſelbſt ſchuldig / dehr-geſtalt / daß der Vater unſchwaͤhr vermaͤrken konte / daß ſi ihmand wůrde bei ſich gehabt haben. Er ſahe zwahr keinen einigen maͤnſchen / als ſi alein / dan ihr Lihbſter und erloͤſer hatte ſich ſchohn ſo wohl ver - borgen / daß man ihn weder fuͤnden noch ſaͤhen konte / gleich-wohl lihs er nahch dehr zeit diſe arme verfolgte in ihr zimmer verſchluͤhſſen / daß ſi ja mit nimand unterſchlaͤuf pflaͤgen moͤchte. Weil ſi ſich aber noch nicht in ſeinen wůllen be - kwaͤhmen wolte / und man kein antwort / als ein un-nahch-laͤßliches weinen / von ihr bekahm / ſo gahb er ihrem alten freier den raht / daß er ihr etliche ſchaz-ſtuͤkke von gold und aͤdlen ſteinen ver - ehren ſolte / damit er ſi vihl-leicht durch ſolche koͤſtliche gaben zu ſeinem wundſch er-weichen moͤchte.

Diſer alte wahr gewuͤs nicht faul: er lihs di al - ler-ſchoͤhnſten ketten / di aller-koͤſtlichſten arm-baͤn - der / di praͤchtigſten ringe und anderen weiber - ſchmuk machchen / und beſuhchte ſi mit ſolchen über-taͤuren und grohſſen ſchaͤzzen / in einem zim - mer alein; er gedacht ihr ſelbige zu uͤber-reichen / und durch den glanz diſes taͤuren aͤrz-waͤrkes di augen zu verblaͤnden; aber er haͤtte eher gedaͤn - ken ſollen / daß ein ſolcher auf-gewaͤkter / friſcher und ahdlicher geiſt / auf ſolche weiſe nuhr mehr zum zorn und unwůllen / als zur gunſt und libe / koͤnte gereizet waͤrden. Dan ſi wolte ſeine ge - ſchaͤnke durch-aus nicht annaͤhmen / und waͤger - te ſich ſo lange / bis aͤndlich Vater und Mut - ter dahrzu-kahmen / und ſi mit ſolchen harten draͤu-worten / daß ſi nimmer-mehr fohr ihr kind ſolte gehalten waͤrden / gewaltſamer weiſe zwangen / ſelbige an zu naͤhmen. Aber ach! wan282Der Adriatiſchen Roſemundwan man ein jungfraͤuliches haͤrze mit ſolchem zwang und drang erweichen ſol / ſo gaͤht es wohl raͤcht den kraͤbs-gang! es iſt doch alle mühe ver - lohren / alle unkoſten ſein ůmſonſt / und es heiſſet / gezwungen eid iſt Got im himmel leid.

Wi bitterlich huhb diſe bedraͤngte an zu wei - nen / als ſi mit ſolchen geſchaͤnken in ihr zimmer kahm! Si ſchmis alles uͤber den boden haͤhr / und traht es mit fůhſſen; ach! ſahgte ſi und ſchrie uͤber-laut / wan nuhn der tohd kommen moͤchte / mihr beiſtand zu leiſten / wi wuͤrd er mihr ſo ein angenaͤhmer gaſt ſein. aber er flůhet fuͤhr mihr / damit ich mit diſem alten noch laͤnger ſol gekwaͤh - let waͤrden: o angſt! o kwahl! o jam - mer! ich glaͤube nicht / daß ein maͤnſch ihmahls ſo arm-ſaͤlig gewaͤſen iſt als ich / und daß di hoͤllen-kwahl haͤftiger ſei / als di meinige. Jah wohl raͤcht mahg man von unſern landes-laͤuten ſagen / daß ſi ſich al-zu-ſehr durch das gaͤld bezaubern lahſſen; der verfluchte Reichtuhm ver - blaͤndet ihnen in wahrheit di augen ſo ſehr / daß ſi weder auf libe / noch geſchiklig - keit / noch tugend achten. Aber meine aͤl - tern moͤgen wůten / wi ſi wollen / ſo ſag ich doch kurz und rund / daß ich kein gaͤld / oder keinen alten eh-kroͤpel / daͤs gaͤldes halben liben kan! ei liber! was muͤſſen dijenigen jungfrauen (derer hihr zu lan - de / leider! ſehr vihl gefunden waͤrden) ſohr283ſechſtes Buhch.fohr eine libe tragen / di nuhr blohs aus lib und gihrigkeit zum gaͤlde / zur ehe ſchreiten? der reichtuhm iſt ihr Lihbſter / oder damit ichs deutlicher ſage / der ver - fluchte gaͤld-teufel / dehr mich izund auch zu beſtrikken gedaͤnket: aber ich ſchwoͤ - re bei meinem GOT / daß er nimmer - mehr teil an mihr haben ſol; meine ſeh - le iſt vihl zu aͤdel und vihl zu lauter dahr - zu / daß ſi ſich mit ſolchen waͤltlichen un - reinigkeiten beſchmuͤzzen ſol.

Als ſi aͤben diſe worte haͤr-aus-ſtuͤhs / ſo kahm ihre kammer-dinerin / ſi zur abaͤnd-mahlzeit zu ruhffen / hinein / aber ſi wolt ihr kein gehoͤhr gaͤ - ben / wolt auch von keinem aͤſſen noch truͤnken in dreien tagen hoͤren / ſondern laͤgte ſich auf ihr lager und weinete von haͤrzen; ſi ſeufzete / ſi klagte / ſi wimmerleichte ſo ſehr / daß ihr alter freier aͤndlich gezwungen ward von ihr ab zu lahſſen / und ſich mit hoͤchſtem unwuͤllen nahch hauſe zu be - gaͤben.

Der Vater ſahe ſolches noch eine lange zeit mit an / und wuſte nicht was erbeguͤnnen ſolte. Er hat - te zwahr ein wenig mit-leiden mit den traͤhnen ſei - ner tochter (dan welcher maͤnſch wolte wohl ſo hart ſein / daß er ſich uͤber ſein einiges kind nicht er - barmen ſolte:) aber ſein gaͤld-geiz gahb ihm faſt augen-bliklich di ſporen / und ſtraͤngt ihn ſolcher geſtalt an / daß er ſich aͤndlich entſchlos / diſe armſaͤlige folaͤnd arm-ſaͤliger zu machchen. Er nahm ab-raͤde mit ſeiner Frauen / daß ſi auf den andern morgen ſehr früe mit ihrer tochter nahch Geldern zu-fahren ſolte / und ſi ihrem alten Lihb-haber einhaͤndigen. Damit ſiaber284Der Adriatiſchen Roſemundaber ſolches nicht maͤrken moͤchte / ſo gaben ſi fohr / daß ſi aus luſt-wandeln fahren wuͤrden. aber di kammer-dinerin / welche von faͤrnen verſtanden hatte / daß es nahch Geldern zu gaͤlten ſolte / brach - te ſolches bei ihrer Jungfrauen an / di ihr alſo bald ſchwanen lihs / daß man ſi zum trauen zwuͤn - gen wolte; dehr-geſtalt / daß ſi noch ſelbigen abaͤnd dem Rit-meiſter zu-entbuͤten lihs / daß er ſich des andern morgens auf dem geldriſchen waͤge moͤchte fuͤnden lahſſen / und ſi aus ihrer noht er - loͤſen.

Der Ritmeiſter nahm auf den andern morgen fůnf reiter von ſeiner ſchahr zu ſich / und machte ſich mit ihnen auf di geldriſche hehr-ſtrahſſe / da er dan den himmel-wagen / dahr-auf ſeine Lihb - ſte mit ihrer Frau Mutter ſahs / alſo-bald erblik - te. Er machte ſich ganz aleine hin-zu / und lihs di reiter von faͤrnen nahch-folgen; Er boht ihnen einen guhten morgen / und frahgte di Mutter / wo ſi ſo fruͤh hin-aus gedaͤchten? aber ſi gahb ihm keinen andern beſcheld / als diſen / daß er ſich dahr - uͤm nicht zu bekuͤmmern haͤtte. gemach / gemach! meine Frau / fuhr er fort / es ſtaͤhet ja noch wohl einem bekanten fraͤund eine frage frei; und wi haͤtt ich unterlahſſen koͤnnen / ſi im führ-über rei - ten an zu ſpraͤchchen / in-daͤhm es mihr ſonderlich un-gewoͤhnlich fuͤhr-koͤmt / daß ich ſi bei ſo fruͤher zeit aus-fahren ſaͤhe? Als ſi ihm aber keinen růch - tigen beſcheid gaͤben wolte / ſo fing er aͤndlich zu ihr an und ſahgte / daß ſi doch ihrer Jungfer Toch - ter vergoͤnnen moͤchte / zu ihm haͤr-aus zu traͤten / dan er haͤtte ihr etwas in geheim zu ſagen. was ſi wuͤſſen ſol (gahb di mutter zur antwort) das mahg ich auch wohl wuͤſſen; er ſag es nuhr laut / damit ichs auch hoͤre.

Als er aber noch faͤrner dahr-uͤm angehalten hatte / und ſi ſich ganz nicht dahr-zu verſtaͤhenwollen /285ſechſtes Buhch.[w]ollen / daß ihre tochter aus dem Himmel-wagen[g]etraͤten waͤre / ſo gahb er aͤndlich ſeinen reitern[e]inen wink / dehr-geſtalt / daß der eine ſporen -[ſ]treichs auf ſi zu-kahm / und dem kutſcher ſtil-zu[h]alten befahl. Di aͤdel-fraue huhb an zu ruhf -[f]en / und hihs den kutſcher fort-raͤnnen: weil ihm[a]ber der reiter den reit-puffer fohr di bruſt ſaͤz -[t]e / ſo ward er gezwungen di pfaͤrde auf zu hal -[t]en.

Mitler zeit frahgte der Ritmeiſter di Jung - fraue / ob ſi ihm nuhn das-jenige / was ſi ihm bei traͤu und glauben ſo faͤſt verſprochchen haͤtte / hal - ten wolte? und wan ſi ſolches zu tuhn gedaͤchte (ſahgt er) ſo ſolte ſi zu ihm haͤr-aus-kommen. Di arm-ſaͤlige boht ihm alſo-bald di hand / und der eine reiter oͤfnete den ſchlahg / damit ſi haͤraus traͤten koͤnte. Als nuhn di mutter ſolches ſahe / ſo fihl ſi der tochter üm den leib / und hihlt ſi ſo faͤ - ſte / daß ihr auch di uͤbrigen reiter / di zu dem an - dern ſchlage hin-ein-kahmen / im abtraͤkken den daumen zerbrachen.

Alſo ward ſi mit gewalt aus den armen ihrer mutter haͤr-aus-geriſſen / welche ihr ganz erbaͤrm - licher weiſe nahch-růhf / ach! meine tochter / mei - me tochter / wült-du mich nuhn ſo betruͤben! wuͤlt - du nuhn deine aͤltern ſo gahr verlahſſen! Diſe worte veruhrſachten / daß ſich di Jungfrau mit weinenden augen nahch ihrer mutter uͤmſahe / und gaͤrn wideruͤm bei ihr gewaͤſen waͤre; aber der Ritmeiſter ſprahch ihr einen muht zu / und ſahg - te; weil ſi ehrſt ſo ein haͤrz gehabt haͤtte / ſol - ches an zu fangen / ſo ſolte ſi es nuhn nicht ſuͤn - ken lahſſen; jah daß ihr von Got und von den raͤchten wohl zu-gelahſſen waͤre / vater und mut - ter zu verlahſſen / und ihrem lihbſten an zu han - gen.

Mit -286Der Adriatiſchen Roſemund

Mitler-zeit ward ſi auf ein pfaͤrd geſaͤzt / und nahch daͤm Hern-hauſe / dahr-auf ſeine mutter woh - nete / zu-gebracht; da ſi ſich dan eine zimliche zeit / in hofnung / daß der vater ſeinen gefaſſten zorn und unwuͤllen wuͤrde fahren lahſſen / auf-hihlt. Aber es wahr ůmſonſt / daß man ſolcher aͤnderung von einem alten geiz-halſe wolte gewaͤrtig ſein. Es konte nichts bei ihm verfangen / und es wahr aͤben ſo vihl / als wan ihn eine gans anpfiffe / wan ihn etwan ein vernuͤnftiger maͤnſch einraͤden wolte.

Di gei ſtlichen kahmen aͤndlich auch dahr-zu / und gedachten di ſachche mit gelindigkeit zu ſchlichten / aber es half nichts; der alte bildet ihm doch ein / daß ſeine tochter ſchuldig waͤre / einen ſolchen zu li - ben und zu ehligen / dehn er wolte. Er begaͤhrte ſi nicht mehr fohr ſein kind zu erkaͤnnen; er enterbete ſi / er wolte ſi nicht mehr ſaͤhen.

Bei ſo geſtalten ſachchen nuhn wolte ſi ſich gleich - wohl / wider ihres vaters wuͤllen / nicht trauen lahſ - ſen / und begahb ſich / ihm zu gehorchen / nahch Reinwurf in ein haus von des Ritmeiſters fraͤun - den; da ſi der Vater durch einen geiſtlichen oft - mahls ermahnen lihs / daß ſi von dem Nitmeiſter ablahſſen / und ſeinem wuͤllen gehorſamen moͤchte; aber es wahr nuhn-mehr vihl ſchwaͤrer / ihr ein ſol - ches ein zu raͤden / das ihr unmuͤhglich zu tuhn wahr: dan der Ritmeiſter hatte ſi ihm durch ſolche ſeine traͤue dihnſte ſo verpfluͤchtlich gemacht / daß ſi nim̃ermehr von ihm lahſſen konte. Jah ſi lihs den vater / als er noch immer mehr und mehr anhihlt / zu-laͤzt zu-entbuͤten / daß ſi ſich ſchohn fleiſchlich zu - ſammen-gefunden haͤtten: dan ſi gedachte durch ſolche noht-luͤgen den handel daͤs zu eher zum aus - ſchlage zu bringen; wi es dan auch alſo geſchahe.

Der Vater bewuͤlligte laͤtslich / daß ſi einander trauen moͤchten; aber er wolte ſi nicht mehr fohrſein287ſechſtes Buhch.ſein kind noch erbin erkaͤnnen. Er vergahb ihr zwahr ſolchen ungehohrſam / durch vermittelung ihres kindes / das ſi von dem Ritmeiſter bekommen hatte; aber aus der erbſchaft ſchlohs er ſi in ſeinem ſtiftungs-brife gaͤnzlich aus; ihdoch lihs er auf bitten und anſuchen ihrer mutter und fraͤunde / noch fohr ſeinem tohd eine nahch-ſtiftung ſchreiben / dahr-innen er ſi wider-ům einſaͤzte. Dehr-ge - ſtalt / daß ſi / nahch ſeinem abſtaͤrben / und noch itſiger zeit / di vaͤterlichen gühter beſizzet / und das hern-haus mit ihrem eh-manne ſelbſt bewoh - net.

Diſes / mein gelihbtes Fraͤulein / iſt di wunder - begaͤbnuͤs / di ich ihm ohn-gefaͤhr fohr zwe mahn - den zu erzaͤhlen verſprochchen; und ich aus dem mund eines fohrnaͤhmen Frauen-zimmers / wel - ches ſelbſt mit dahr-bei gewaͤſen iſt / als ſich ſolches begaͤben hat / vernommen habe.

Jch mus in wahrheit bekaͤnnen / huhb di Ro - ſemund hihr-auf an / daß es eine raͤcht-wunderli - che geſchicht iſt / und ich haͤtte nicht vermeinet / daß es alhihr in diſen Niderlanden ſolche hart und unbarmhaͤrzige aͤltern gaͤbe. Ach! mein Fraͤulein / fihl ihr Markhold in di raͤde / man fuͤndet ſi noch vihl unbarmhaͤrziger; ich habe nuhr naͤulich eine freierei von einem von adel und einer fohrnaͤhmen buͤrgers-jungfrauen erzaͤhlen hoͤren / da der Va - ter ſeine einige tochter / damit er ihr das mutter - teil / ſo ſich auf ein zimliches beluͤhf / nicht haͤraus gaͤben dürfte / an ketten hat ſchluͤhſſen lahſſen / als er vernommen hatte / daß ſi ſich verehligen wolte. Dan der geiz hat alhihr ſo ſehr uͤber-hand-genom - men / daß auch ofter-mahls di alten buklichten aͤute noch bis in ihre gruben hin-ein daͤm gaͤlde ſahg und nacht nahch-trachten / und nicht aufhoͤ - ren / ſi fahren dan dahrmit ganz und gahr zur hoͤllen hin-unter.

Man288Der Adriatiſchen Roſemund

Man pflaͤget ins gemein von den hohch-deut - ſchen zu ſagen / daß ſi ehr-gihrig / hohch-muͤhtig ſein / und fuͤhr und fůhr nahch ehren zu ſtraͤben pflaͤ - gen / wi es dan di lautere wahrheit iſt; aber hin-ge - gen das gaͤld liber hinten-an-ſaͤzzen / und ſich des wohl-ſtandes befleiſſigen; von den Nider-deut - ſchen wuͤl faſt das wider-ſpihl erfolgen / weil ſi an ihrem reichtuhme ſo hart und faͤſte klaͤben / daß ſi faſt mit keiner gewalt dahr-von zu bringen ſein / und ſich vihl liber in dem ſtuͤnkenden ſchlamme der nidrigkeit und unehren haͤrüm waͤlzen / wan ſi nuhr den weiſſ-und gaͤlben koht beſizzen koͤnnen / als nahch ruhm und ehren ſtraͤben. Dahaͤhr koͤmt es oft-mahls / daß manche zahrte jungfrau von ihren aͤltern / in-daͤhm ſi nicht auf tu - gend und geſchikligkeit / ſondern auf den blohſſen verfluhchten reichtuhm ſaͤhen / ſo ůbel verehliget wuͤrd / daß ſi in ihrer ehe kei - ne froͤliche ſtunde / wan ſi naͤhmlich bei ei - nem ſolchen buͤffel und aͤſels-kopfe das junge / luſtige laͤben verſchluͤhſſen mus / zu gewarten hat. Vihl-mahls geſchihet es / daß ſolche eh-gatten / nicht alein das ihrige / ſondern auch dasſelbige / was ſi mit ihrer frauen bekommen haben / verpraſſen und verſchwaͤnden / oder doch ſonſt unfohrſich - tiger weiſe durchbringen; dehr-geſtalt / daß ſi beider-ſeits / da ſi doch kurz zufohr ſehr reich wahren / in di ſchmaͤhlichſte armuht gerahten. Vihl-mahls traͤgt es ſich zu / daß ein ſolches junges weib / wan ſi von ih - rem tummen / filzigen manne nicht raͤchtkan289ſechſtes Buhch.kan bedinet waͤrden / einen andern ſu - chet / und den ihrigen tapfer behoͤrnet: ich kan ſi nicht verdaͤnken / ſondern wil vihl - mehr ihren aͤltern di ſchuld gaͤben / di ſi baͤſſer haͤtten verheurꝛahten ſollen.

Mein her doͤrfte daͤm nider-deutſchen frauen - zimmer wohl eine guhte laͤhre gaͤben (huhb di Ro - ſemund mit laͤchlen an) und ich weus gewuͤs / di maͤnner waͤrden ihm hoͤchlich dahr-fuͤhr danken. Aber ich moͤchte wohl wuͤſſen / wi ſich das Frauen - zimmer von ſeinen unbedachtſamen aͤltern ſo un - billiger weiſe kan zwuͤngen lahſſen? ich ſolte einen ſolchen maͤnſchen / zu dehm ich keine libe / noch fraͤundſchaft / noch gunſt truͤge / nimmer-mehr ehli - gen koͤnne: wan ich gleich alle meine guͤhter / und mein ganzes erbe verlühren ſolte; ich wolte liber durch das feuer gaͤhen / und den tohd erkuͤhren / als einen eh-gatten / wider meinen ſuͤn und wuͤllen naͤh - men. Ach! was mus das fohr ein elaͤndes jaͤmmer - liches laͤben ſein! ach behuͤhte mich mein Got dahr - fuͤhr! Jch kan mihr faſt nicht einbilden / daß aͤltern koͤnnen gefunden waͤrden / di ſolcher Zitiſchen und wilden ahrt ſein / daß ſi ihre leiblichen kinder / nuhr daͤs blohſſen guhtes waͤgen ſo zwuͤngen / und aͤnd - lich wohl gahr zur hoͤllen hin-unter bringen duͤr - ſen.

Man hat dehr-gleichen begaͤbnuͤſſe gnug fohr augen / gahb Markhold zur antwort / und man erfaͤhret es noch taͤhg - lich / wi der raſende geld-teufel in den ge - můhtern der betahgten herſchet und wuͤ - tet. ja er machchet ſi ſo blind / daß ſi ſohr daͤm ſchimmern daͤs goldes / und flin - kern daͤs ſilbers nicht ſaͤhen koͤnnen / wasNguht290Der Adriatiſchen Roſemundguht oder boͤſe / was gleich oder krum iſt. di finger an den haͤnden erſtarren / und ſtaͤ - hen zum gaͤld-ſcharren und raffen ſtaͤhts gekruͤmmet. Jch kan in wahrheit nim - mer-mehr glaͤuben / daß ein ſolcher tol-ſuͤn - niger / gaͤld-geiziger und karger filz / nuhr ſo vihl ruhe hat / daß er einmahl mit an - dacht baͤhten moͤge.

Jch kan es auch aͤben ſo wenig glaͤuben (fihl ihm Roſemund in di raͤde) dan wi ſol es muͤhglich ſein / daß ein ſolcher maͤnſch / dehr auf ſeinen reichtuhm ſo gahr erpicht iſt / daß er weder tahg noch nacht ruhen kan / ſeine gedanken zu Got im himmel laͤn - ten koͤnne. Der gold-klumpen zůhet di haͤrzen der maͤnſchen an ſich / gleich wi der libes-ſtein oder magneht das ſtahl; und man darf ſich nicht muht-wůllig ſolchem laſter unterwaͤrfen / es fuͤndet ſich ohne dis mehr als al-zu-vihl.

So duͤrfte ſich kein einig maͤnſch der kaufman - ſchaft befleiſſigen / fihl ihr Markhold in di raͤde / weil man ſich ſolcher geſtalt muhtwuͤllig dem gaͤld-wu - cher unterwůrft. Jah freilich (gahb Roſemund zur antwort) dan / damit ich mit der h. ſchrift raͤde / wi ein nagel zwiſchen der wand; ſo ſtaͤkt di ſuͤnde zwuͤſchen dem kaͤuffer und verkaͤuf - fer. und man laͤſe nuhr di ganze h. ſchrift durch / und ſuche / ob ein einig ding ſo ſehr verdammet wuͤrd / als der überflůſſige reichtuhm: unſer heiland und ſaͤlig-machcher wuͤl di reichen faſt ganz aus ſei - nem erbe-teil aus-ſchluͤhſſen. di lanz-knaͤchte / di doch ſonſt von der izigen waͤlt faſt verdam̃et waͤr - den / haben noch ihre verheiſſung / und waͤrden in der ſchrift ſelbſt mit allerlei lohb-geſaͤngen gepriſen;di291ſechſtes Buhch.digelaͤhrten / wi Daniel ſagt / ſollen im ewi - gen laͤben leuchten wt des himmels glanz / und di raͤchts-befoͤrderer wi di ſtaͤrnen im - mer und ewiglich: aber di reichen kauf - leute zu Tihr und Sidon warden dagegen we - nig gepriſen / und auf nihmand eifert di ſchrift und der mund der wahrheit ſo ſehr / als auf ſt. Der reichtuhm iſt der ſprůng - und brun - kwaͤl alles boͤſen und aller laſter / di nah - rung der fuͤllerei / der hurerei / der pracht und anderer ůppigkeit.

So wül mein Fraͤulein (fing Markhold hihr - auf an) den reichtuhm ſo gahr verdammen? Reichtuhm und reichtuhm iſt zweierlei / gahb ſi ihm wider zur antwort / es mahg ein maͤnſch wohl reich ſein / und kan doch ſein gewůſſen unbeflaͤkt bewahren; der reichtuhm / dehn uns GOT im ſchlahffe gibet / dehr iſt der raͤchte; wan wihr nicht ſorgen / noch mit angſt und bekümmernůs dahr - nahch ſtraͤben. Aber wihr vertuhffen uns in di - ſem geſpraͤche zu ſehr / da wihr doch di zeit zu luſti - gern raͤden anwaͤnden ſolten.

Gleich bei fol-aͤndung diſer waͤchſel-raͤden kahm der Her Vater in das zimmer hin-ein / ſei - ne libe tochter zu beſuchen / und wahr uͤber al - le mahſſen erfraͤuet / als er ſi ſo luſtig und ſo mundter antrahf. Er entfing auch den Mark - hold / als den einigen heiland und artſt ſeiner toch - ter / mit nicht geringen fraͤuden. di luſt und froͤh - ligkeit ſahe man in ſeinem geſichte ſo ſcheinbahr - lich entworfen / daß ſi kein maler kuͤnſtlicher fohr - und ab-bilden kan. Er wuſte nicht / wi er ſich gegen den Markhold gnugſam bedanken ſolte / daß er di muͤh-waltung auf ſich genom̃en haͤtte / ſeine unbaͤs -N 2liche292Der Adriatiſchen Roſemundliche tochter nicht alein zu beſuchen / ſondern auch zu ſolcher maͤrklichen baͤſſerung zu verhaͤlfen. Dan er konte leichtlich ſaͤhen / daß ihr nuhr alein durch ihn wahr geholfen und gerahten worden / und daß er der einige mitler und waͤnder ihrer krankheit waͤre.

Das aͤlteſte Fraͤulein / Stil-muht / kahm aͤndlich auch dahrzu / und wahr aͤben ſo ſehr beſtürzet / als der alte Her / da ſi ihre Schwaͤſter in ſolchem ver - baͤſſertem zuſtande ſahe. Si unter-hihlten einan - der etliche ſtunden mit aller hand geſpraͤchen / und es haͤtte ſich noch laͤnger verzogen / wo ſi nicht der haͤr-zu-nahende abaͤnd gezwungen haͤtte / von ein - ander zu ſcheiden. Markhold muſt alſo ſeine Lihb - ſte geſaͤgnen / und ſich mit dem alten Hern wider nahch Amſtelgau begaͤben / da er ſich kaum drei oder vihr tag auf-gehalten hatte / als di Roſemund ſchohn zu einer ſolchen fol-ſtaͤndigen geſundheit gelanget wahr / daß ſi ihn noch fohr ſeinem abreiſen ſelbſt beſuhchte.

Es iſt unmuͤhglich zu beſchreiben / wi das haus - folk uͤber ſolcher jaͤhligen aͤnderung ſo hoͤhchlich er - fraͤuet ward; und was der Her Vater noch ſelbigen abaͤnd fohr luſt-ſpihle beſtaͤllen lihs. Es ward in der doͤmmerung ein ſolches lihbliches ſtim - und ſei - ten-ſpihl gehalten / daß der ganze garten da-von fol ward. ja es wahr uͤber-al in daͤm ganzen hauſe ſolche fraͤude fohr-handen / weil ſich di goͤtliche Ro - ſemund wider wohl auf befand / daß das geſinde lange zeit ſo froͤlich nicht gewaͤſen wahr. Aber wi froͤlich / wi luſtig auch diſe geſel ſchaft immer-mehr ſein mochte / ſo ward doch Markhold aͤndlich ge - zwungen / ſi zu verlahſſen / und ſeinen waͤhg des an - dern tages wideruͤm nahch Reinwurf zu zu naͤh - men.

Di Roſemund wahr mit ſolchem geſchwuͤnden ab-reiſen nicht wohl zu friden; aber der wohl-ſtandund293ſechſtes Buhch.und ihre angebohrne zucht und hoͤhfliche ſchahm wolten ihr nicht ſo vihl geſtatten / daß ſi ſich daͤs - waͤgen gegen den Markhold beklaget haͤtte. Di au - gen gaben zwahr mit ſtummen raͤden an den tahg / was ſi in ihrem haͤrzen wuͤndſchte; aber ſi hatte nicht ſo vihl macht uͤber ihre zunge / daß ſi ſolches ihr anligen haͤr-aus geſprochchen haͤtte. Di matten blikke ihrer betruͤhbten augen kahmen mit den hin - fallenden gebaͤhrden und ihrer ſchwachchen ſtimme dem wohlſtande ſo ahrtig zu huͤlfe / daß man diſes goͤtliche bild nihmahls ſo lihblich / ſo ahrtig und ſo libes-entzuͤkkend geſaͤhen hatte / als da ſi ſich in ſol - chem zuſtande befand. Wan ein mahler di truͤhb - ſaͤligkeit und das weh-leiden ab-bilden wolte / ſo koͤnt er in wahrheit kein baͤſſeres gleichnus und aͤbenbild dahr-zu fůnden / als wan man ſi in ſolcher geſtaltnuͤs entworfen haͤtte.

So bald ſi in ihr zimmer aleine kahm / ſo ſaͤzte ſi ſich auf das bette; ach! ſagte ſi / zu was fohr einem grohſſen ungluͤkke hat mich nuhr der ungeneugte himmel erzihlet / und was wuͤrd mihr noch aͤndlich fohr ein unge - ſtuͤmes verhaͤngnuͤs uͤber den kopf kom - men! ich kan di vihlheit meines ungluͤk - kes nicht zaͤhlen / es traͤkt immer eines das andere / dehr-geſtalt / daß ich ſeinem wůten unaufhoͤhrlich unterworfen bin. wan ſich nuhr di ſtunde meines tohdes haͤrzu nahen moͤchte / ſo wolt ich zur ewigen vergnuͤ - gung von hinnen fahren / weil ich doch di zeitliche nicht fuͤnden kan. o elaͤndes / o er - baͤrmliches laͤben! andere ſuchen ihre ver - gnuͤgung in den irdiſchen ſchaͤzzen undN 3reich -294Der Adriatiſchen Roſemundreichtuͤhmern; ich aber / ob ich diſe gleich habe / ſo kan ich doch jene nicht fuͤnden. al - le ſchaͤzze der waͤlt / alle reichtuͤhmer und al - le herligkeit halt ich vergaͤnglicher und vihl geringer als rauch. was ich begaͤhre / das hab ich; was ich wuͤndſche / das ſaͤh ich fohr meinen augen: aber dehr einige ſchaz / dehr mihr ſo manche traͤhnen und ſo manchen kummer veruhrſachchet / dehn kan ich nicht erlangen / wi ſehr ich mich auch dahr-uͤm bemůhe. Jch darf nuhn nicht mehr hoffen / daß ſich mein verhaͤngnuͤs aͤndern waͤrde: es iſt aus; aus iſt es / und ich waͤrde das aͤnde bald ſaͤhen.

Jn-daͤhm ſi ſolche worte mit ſeufzen haͤr-aus geſtohſſen hatte / ſo lahg ſi eine guhte weile ſtok - ſtille / nicht anders / als wan ſi in ohnmacht gefallen waͤre. Di augen waren halb eroͤfnet / der mund ver - blaſſet / di zunge verſtummet / di wangen verblich - chen / di haͤnde verwaͤlket und unbewaͤhglich; ja der ganze leib lahg eine guhte zeit gleichſam ganz geiſt - und ſehlen-lohs. aͤndlich erhuhb ſi ſich wideruͤm / und ſahgte mit ſehr klaͤhglicher ſtimme; Jah mein ungluͤk iſt noch vihl groͤhſſer / als ich mihr einbilde / indaͤhm es auch zugleich noch ein anderes erwaͤkket. ich bin armſaͤ - lig / und verarmſaͤlige dehnjenen / dehm ich alle libe / alle fraͤundſchaft und traͤue zu leiſten geſchworen habe. wan ich noch alein unglůkſaͤlig waͤre / ſo ſolte mich mein ungluͤk nicht ſo ſehr betrůben; aber weilich295ſechſtes Buhch.ich weus / daß ich meinen Gelihbten auch dahr-ein ſtuͤrze / ſo kan ich mich der haͤftig - ſten betruͤhbnuͤs nicht entaͤuſſern / und waͤr - de mich nimmer-mehr zu friden ſtaͤllen.

Als ſi ſolches geſahgt hatte / ſo ging ſi hin-un - ter in den garten / da ſi noch eine guhte weile ganz alein haͤr-uͤm-wandelte / und ſich in ſol - chen tuͤhffen gedanken befand / daß ſi der einfal - lenden nacht kaum gewahr ward. Di Sonne wahr nuhn-mehr ganz unter-gegangen / der mahnd ſtund mit ſeiner haͤlfte zwuͤſchen den ſtaͤrnen / und ſchauete diſer truͤhbſaͤligen mit traurigem geſichte zu: der himmel ſelbſt wahr aus mit-leiden ent - ſtaͤllt / und di wolken wuſten nicht (ſo als es ſchine) ob ſi eilen oder gahr verzůhen ſolten.

Roſemund lihs ſich laͤtslich entkleiden / und be - gahb ſich in ſolcher trůhbſaͤligkeit zu bette. Aber es wahr nuhr uͤmſonſt / daß ſi ihren kummer durch den ſchlahf zu verjagen gedachte. Dan er hat - te ſich in ihr haͤrz ſchohn ſolcher geſtalt einge - ſaͤnket / daß er ſo bald nicht zu vertilgen wahr. Si brachte faſt di ganze nacht ſchlahf-lohs durch / und wahr auf den morgen ſo unluſtig / daß ſi ſich ſchohn wideruͤm etlicher mahſſen unbas befand. Der Her Vater beſuhchte ſi ſehr fleiſſig / und be - muhete ſich mit aller macht / ſeine libe tochter wi - deruͤm zur fol-komnen geſundheit zu bringen. Aber es konte ſi nihmand troͤhſten / als ihr eini - ger trohſt / der nuhn-mehr ſchohn wider entfaͤr - net wahr. Si ward von tage zu tage ſchwaͤch - cher / und hatte von daͤm nuhn an faſt keine ge - ſunde ſtunde. Der Her Vater wolte ſi auch nicht wideruͤm von ſich hin-aus auf das land lahſ - ſen / ſondern lihs ihr ein ſonderliches zimmer zu - richten / dahr-innen ihr nahch mühgligkeit koͤnte gedinet waͤrden.

N 4Mit -296Der Adriatiſchen Roſemund

Mitler-zeit erſuhchte ſi Markhold ſehr oft mit ſchreiben / und erhihlt auch alle-zeit antwort; aber waren di ſeinigen fol trohſtes und hofnung / ſo waren di ihrigen fol trůhbnuͤs und verzweifelung. Si konte ſich ganz nicht beraͤden lahſſen / daß noch einige hofnung fohr-handen waͤre: di unmuͤhg - ligkeit ſchwaͤbet ihr einig und alein fohr augen / und machte ſi uͤber-aus klein-laut. Gedachte ſi an den anfang ihrer libe / ſo raͤuet es ſi / daß ſi ſich eines ſolchen unter-wunden haͤtte / das ſi nuhn nicht fol-bringen koͤnte: Erwohg ſi den fort - gang / ſo ward ſi betrůhbt; betrachtete ſi das aͤn - de / ſo erzitterte ſi / und es wahr ihr leid / daß ſi es nicht aͤndern konte. Nichts aber kahm ihr ſchmaͤrz - licher fohr / als daß ſi keinen einigen maͤnſchen hat - te / dehm ſi ihr anligen und weh-leiden klagen dorf - te; dan Markhold wahr nicht zugegen; Adel - mund / dehr ſi ſonſt alle ihre heimligkeiten / di ſt unter ihrem haͤrzen verborgen truhg / entdaͤkket hatte / wahr al-zu-weit entfaͤrnet; dem Hern Va - ter konte ſi nichts dahrvon ſagen; und ihre Schwaͤ - ſter wolte ſi es auch nicht wuͤſſen lahſſen; dehr - geſtalt / daß ſi nihmand hatte / dehm ſi ein teil ihrer bekuͤmmernuͤs auf-buͤrden koͤnte.

Solcher-geſtalt ward di wunder-ſchoͤne Ro - ſemund ihres jungen laͤbens weder ſat / noch fro / und verſchlos ihre zeit in lauter betruͤhbnuͤs. Was aber mehr von ihr zu beſchreiben iſt / und wi es aͤndlich mit ihrer krankheit hin-aus-gelauf - fen / das wůrd eine von ihren guhten Fraͤundin - nen ſelbſt auf-ſaͤzzen / und der traͤu-libenden waͤlt vihl-leicht oͤffendlich zu laͤſen gaͤben. Mihr wůl dannenhaͤhr nichts mehr gebuͤhren / als daß ich das-jenige unberühret fohr-bei-lahſſe / was ihr eine vihl - geſchiktere hand ſchohn zu beſchreiben fohr-genommen hat. und es iſt ohne dis mehrals297ſechſtes Buhch.als alzu vihl / daß ich mich hab erkuͤhnen duͤrfen / ihre heimligkeiten zu offenbahren. ih-doch weil es ſolchem goͤtlichen maͤnſchen-bilde zu nichts / als zu einem unſtaͤrblichen namen / gereichen ſol; ſo wuͤrd es ein ruhm - und tugend-libendes Frau - en-zimmer in allem baͤſten vermaͤrken / und mit mihr zu allen zeiten erhoͤben das růhmliche ge - daͤchtnuͤs der uͤber-maͤnſchlichen Adriati - ſchen ROSEMVND.

AENDE.

N 5[298][299]

Filip Zeſens von Fuͤrſtenau Luſtinne / der un-vergleichlichen RDSEMUND zu ehren und gefallen verfaſſet / und DEM SUCHENDEN uͤber-eignet. mit noch etlichen luſtigen aͤben ſelbiges verfaſſers getichten.

300

Auf di RDSEMVND.

i.
DEr blumen ſchahr / mit grohſſer zihr bekraͤnzes
Des laͤnzen luſt / der bihnen aufenthalt /
Wovon der plahn der aͤrden jaͤhrlich glaͤnzet /
Jſt zwahr fol ſchmuks; doch ſtuͤrbet ſi gahr ball.
ii.
Der Echo brunſt / di bluͤhte des narziſſen;
Di Tulipahn / der Lilien keuſche pracht
Vergaͤht und ſchwůndt: jah wovon wihr nuh wuͤſſen /
Wuͤrd durch das recht das ſtaͤrbens hinge - ſchlacht.
iii.
Wan es nuhn wahr / daß alles mus verbleichen /
Was nicht beſtaͤht durch ſchrift und klugen geiſt;
So kan kein tohd / di Roſe-mund erreichen /
Di diſe Schrift daͤm ſtaͤrblich-ſein ent-reiſſt.
Der Mundtere.301

An di uͤber-irdiſche ROSEMVND.

K Om / aͤdle Roſemund / komt haͤhr
ihr Amſtelinnen /
ihr toͤchter bei der Lech / ihr lihbli -
chen Lindinnen;
der kuͤhle maͤi komt auch / der jahr-markt
aller luſt /
und zeugt der frohen waͤlt di wider-jun -
ge bruſt.
5
7Kom ſchoͤne Roſemund / kom unter diſe
linden /
lahs mit der windters-zeit den ſchwaͤren
unmuht ſchwůnden /
und gihb mihr gůnſtig zu / daß ich auf
diſen tahg
fohr deiner Amſtel-burg von libe ſuͤngen
mahg.
9
7Des Himmels keuſche braut / di aͤrd /
iſt ſchwanger worden /
der weiſſe weſt vertreibt den ſauren wind
von norden.
der wider-grůne wald krihgt ohren und
geſicht;
der frechche wider-ruhf ſchweigt auch
ſein klagen nicht.
N 7Bluh -302An di uͤber-irdiſche
13
7Bluhminne ſtuͤkt ihr kleid mit tulpen und
narziſſen;
di hiazinten-blůht ſchuͤhſſt auf bei klahren
flůſſen /
wor-in das klaͤhglich ach annoch geſchri -
ben ſtaͤht:
der lor-behr-baum gruͤhnt auch / auf dehn
kein donner gaͤht.
17
7Der Bluhmen-kaͤſer in / di roſe / ſo fohr zeiten
auf keinem dornen ſtund / beguͤnnet aus zu
breiten
der blaͤtter blaſſes roht / da noch der
feuchte kus
(durch dehn di morgen-roͤht ihr purpur
leihen mus)
21
7 di fahlen furchen zeugt. Di vogel hoͤhrt
man ſuͤngen /
und ihr - und unſrem Gott ein morgen -
ſtaͤndlein bringen;
es zwitſchert jah ſo ſchoͤhn di ſuͤhſſe nach -
tigal /
bald brummet ſi den grund / und zuͤht
den mittel-ſchal
25
7 bald hohch / bald ůber-hohch. man hoͤhrt di
buhlen-lider /
das luft-folk gattet ſich mit ſchnaͤbeln hin
und wider;
da ſich das huͤrten-folk ins kuͤhle gruͤhne
ſaͤzt /
und303Roſemund.
und eine ſchaͤhfferin mit ihrem buhlen
laͤzt.
29
7Das ſtum̃e ſchupen-hehr ſpruͤngt / klitſchert /
ſtraͤucht und leichet
in ſeiner warmen fluht: der reh-bok ůber -
ſchleichet
di hindin unvermaͤrkt; er hoͤkkert / huͤpft
und ſprůngt /
und iſt in ſeiner brunſt. jah alles / alles
bringt
33
7 dis jahr mit liben zu. Di kraͤuter ſein ver -
libet /
Forſt / wiſen / tahl und fels zur libe ſich be -
gibet.
Luſtinne ſchlaͤgt nuhn auf ihr frohes li -
bes-zelt /
wo-Lihbreiz / als ihr ſohn / zum Zeitner iſt
beſtaͤllt.
37
7Es tanzen uͤm ſi ruͤm di fraͤundlichen Hol -
dinnen /
di ihre zohffen ſein / di Hold-ſůn-raͤuberin -
nen.
ihr wagen ſtaͤht alhihr / ihr wagen fol
rubihn /
dehn durch di graue luft zwe weiſſe
ſchwaͤne zuͤhn.
41
7Den reichs-ſtuhl ſaͤh ich auch / dahr-auf
Luſtinne ſizzet /
di Libes-koͤnigin / und durch di lůfte blizzet /
fohr304An di uͤber-irdiſche
fohr dehr ein grohſſes folk demuͤhtig
nider-kniht /
da Lihb-reiz uͤm und ům mit guͤldnen
pfeilen ſpruͤht.
45
7Der weih-rauch ſteigt entpohr. man ſihet
auf den hoͤhen
di gaben angeflam̃t in follem rauche ſtaͤhen.
Ganz Deutſch-land ſtaͤllet nuhn der
Freien feier ahn /
und ſuͤngt / auch in der angſt / ſo / als es
nih getahn.
49
7Jch wuͤl nicht laͤtſter ſein. Luſtinne lahs
mich ſpraͤchchen
von dihr und deinem ſohn; lahs aus dem
munde braͤchchen
das ſuͤhſſe zukker-wort; kom / ſchaͤrfe
meinen ſuͤn