Ao! Dem Durchleuchtigen / Hochgebohrnem Fuͤrſten und Herren / Hꝛn Johan Georgen / Fuͤrſten zu Anhalt / Grafen zu Askanien / Herꝛn zu Zerbſt / und Bern - burg / uu. aa. mm. Kuhrfuͤrſtlicher Durchl. zu Brandenburg der Kuhr und Mark Stathal - tern / als auch algemeinem Obergebieter uͤber Derſelben Reiterei / u. a. m. Seinem gnaͤdigſten Fuͤrſten / und Herren.
Dankbar zu ſein bin ich ſchul - dig. Seiner Durchl. Ruhm zu[erhoͤhen] bin ich verpflichtet. Hier - zu reitzet mich Ihre milde Gnade. * iijHier -Auftragsſchrift.Hierzu treibet mich Ihre uͤber - ſchwaͤngliche Guͤhte. Beide ha - ben mir iederzeit voͤllig gebluͤhet. Von beiden ſeind mir reiche fruͤch - te geworden. Vor beides habe ich auch untertaͤhnigſt gedanket: doch bisher nur im hertzen / und kaum mit dem munde. Auch iſt es nur zu weilen in geheim / und ſpahrſam mit der feder geſchehen. Aber eine ſo ſtille Dankbarkeit iſt nicht genug. Der heimliche Ruhm iſt hier zu wenig: weil S. Durchl. Tugend / und Gna - de ſo gar groß und offenbar iſt. Beide muͤſſen dan oͤffentlich aus - brechen. Meine Dankbarkeit mus ich vor den ohren und augen der Welt bezeugen. Vnd daruͤm faſ - ſe ich auch dieſe feder. Dieſelbe zei -getAuftragsſchrift.get der gantzen Welt an / daß S. Durchl. hieſige mitkommende Egiptiſche Ebreerin von mir geheiliget wird. Es iſt die ſchoͤne Aſſenat / eine Egiptiſche Fuͤr - ſtin / des Groͤſſeſten unter den E - breern Gemahlin. Sie hat von mir die Hochdeutſche ſprache ge - lernet. Damit leſſet Sie ſich vor S. Durchl. ohren hoͤren. Vnd hiermit untergiebet Sie ſich zu - gleich S. Durchl. ſchutze. Von Ihr wil Sie / als eine ankom - mende Fremde / beſchirmet ſein. Vnd hieruͤm langet S. Durchl. meine feder auch untertaͤhnigſt an. Ja ich flehe fuͤr Sie. Ich fle - he / Sie mit einem guͤhtig-gnaͤdi -* iiijgemAuftragsſchrift.gem blikke zubeſeeligen. Anders darf von Seiner Durchl. aller - guͤhtigſten angebohrenheit ich auch nicht hoffen. Vnd daͤchte / ja hofte ich anders / ſo taͤhte ich ſuͤnde. Ich wil dan keine worte mehr machen. Die Aſſenat ſol es nun ſelbſt tuhn. Vnd alſo leſ - ſet Sie in Seiner Durchl. hand derſelbe / der anders nichts wuͤnd - ſchet / als in der taht zu ſein / und zu bleiben / ſo lange er ahtemen kan /
Seiner Hochfuͤrſtl. Durchl. alleruntertaͤhnigſter / dienſtſchuldigſter Filip von Zeſen.
MIch deucht / ich ſehe die Welt ihr leſchhorn ruͤmp - fen. Mich duͤnkt / ſie zie - het das maul. Ich hoͤre / ſie fraget: was ungewoͤhnli - ches / was ſeltſames / was neues iſt dis? Sie ſiehet / daß ich dieſe Liebesgeſchicht heilig nenne. Das komt ihr fremde vor. Daruͤber verwundert ſie ſich. Dar - uͤber kreuſet und kreutzet ſie mit dem zei - ger. Freilich iſt es was neues / was fremdes / was ſeltſames. Ja es iſt was heiliges / dergleichen auf dieſe weiſe noch niemand verfaſſet.
Mit nicht-heiligen / ja unheiligen Liebesgeſchichten hat man ſich lange genug beluſtiget; mit weltlichen uͤberge - nug ergetzet. Darzu hat der Grieche Heliodor zuerſt die feder geſpitzt. So gehet die gemeine rede. Die Spanier und Waͤlſchen ſeind ihm gefolget: und* vdieſenVorrede. dieſen die Franzoſen / mit den Engliſchen. Endlich haben ſich auch[die] Hoch - und Nieder-deutſchen eingefunden. Aber nun ſollen dieſe letzten in den Nicht-heili - gen und weltlichen / die erſten ſein in den Heiligen. Hierzu veranlaßet ſie hieſige fe - der. Hierzu wird ſie ihnen eine vorgaͤn - gerin; indem ſie dieſe heilige Stahts - lieb - und lebens-geſchicht flieſſen leſſet.
Fragſtu / waruͤm ich ſie heilig nenne? Freilich iſt ſie heilig / weil ſie aus dem brunnen der heiligen Geſchichte Goͤtt - licher Schrift gefloſſen. Zudem handelt ſie von der Aſſenat / die aus einer Egipte - rin eine Ebreerin ward. Ja ſie handelt vom Joſef / der ein Nachkoͤmling und Sohn der heiligen Ertzvaͤter war: und ſelbſt ein Ertzvater worden; indem er zween Stamvaͤter des heiligen Volks der Ebreer gezeuget. Die Aſſenat war nicht allein eine gebohrene Fuͤrſtin; ſon - dern auch eines Geiſtlichen Tochter / und ſelbſt eine geiſtliche Jungfrau. Darnach ward ſie auch des Joſefs Ge -mahlin /Vorrede. mahlin / und zugleich eine Mutter des Efraimiſchen und Manaſſiſchen Stam - mes. Ja ſie ward eine Ertzmutter / wie Joſef ein Ertzvater / dieſer zween Staͤmme des heiligen Volks Iſraels. Darzu komt noch dieſes / daß die Liebe der Aſſenat ſo wohl / als des Joſefs / rein / keuſch / und heilig weſen.
Hier ſieheſtu dan klahr genug / daß ich dieſe Geſchicht nicht unbillich heilig nenne: die ich noch uͤber das / in ih - rem gantzen grund-weſen / wie ich ſie in der heiligen Schrift / und in den be - ſten unter den andern gefunden / heil und unverruͤkt gelaßen; wiewohl ich ihr zu weilen / nach dieſer ahrt zu ſchreiben / einen hoͤhern und ſchoͤneren ſchmuk und zuſatz / der zum wenigſten wahrſchein - lich / gegeben.
Sonſten ſeind alle dergleichen Liebs - geſchichte faſt bloße Gedichte. Auch iſt ſonſten zwiſchen dergleichen Ge - ſchichtſchreibern / und rechten Dicht - meiſtern ſchier kein ander unterſcheid /alsVorrede. als daß jene in gebundener / dieſe in un - gebundener rede ſchreiben. Aber dieſe meine Geſchicht iſt / ihrem grundweſen nach / nicht erdichtet. Ich habe ſie nicht aus dem kleinen finger geſogen / noch bloß allein aus meinem eigenen gehirne erſonnen. Ich weis die Schrif - ten der Alten anzuzeigen / denen ich ge - folget.
Jene werden daruͤm mit erdichteten wunderdingen ausgezieret / ja oft im grundweſen ſelbſt erdichtet / oder auf dichteriſche weiſe veraͤndert; damit ſie in den gemuͤhtern der Leſer uͤm ſo viel mehr verwunderung gebaͤhren moͤchten. In ihnen wird daruͤm die wahrheit mit einer andern geſtalt vermummet / und mit wahrſcheinlichen / auch oftmahls kaum oder gar nicht wahrſcheinlichen erdichtungen vermasket / ja ſelbſten ver - drehet; damit ſie uͤm ſo viel ſchoͤner / uͤm ſo viel herlicher / uͤm ſo viel praͤchtiger ih - ren aufzug tuhn moͤchten. Hier aber haben wir keiner erdichtungen / kei -nerVorrede. ner vermaskungen / keiner verdrehun - gen noͤhtig gehabt. Die nakte Wahr - heit dieſer ſachen / davon hieſige Ge - ſchicht handelt / konte ſolches alles ohne das genug tuhn. Aus den hinten ange - fuͤgten Anmaͤrkungen / da ich meine ver - faſſung / aus den Schriften der Alten und Neuen bewaͤhre / wird es der Leſer ſehen: wiewohl ich kaum die helfte / da - mit ich ſeiner geduld / durch alzuuͤber - fluͤßige weitſchweiffigkeit / nicht mis - brauchte / anmaͤrken duͤrfen. Doch wird verhoffendlich dieſe helfte den Lieb - habern nicht weniger angenehm ſein / als das gantze: weil ſie ihnen zum we - nigſten die ſpuhr zeiget / das gantze zu erſpuͤhren. Dahin hat ſich auch mei - ne feder bearbeitet. Ja daruͤm iſt mein raht / daß man ſolche Anmaͤrkungen zuallererſt leſe. Dan wan man dieſe wohl gefaſſet / wird man die Ge - ſchichtsverfaſſung ſelbſten mit groͤſſe - rem nutzen ſo wohl / als verſtande / le - ſen. Viel leichter wird man dan wiſſen /wohinVorrede. wohin ich ziele. Dan wird man ſe - hen / daß ich dieſes / oder jenes nicht ver - gebens und ohne vorbedacht / noch aus eigner eingebung geſetzet. Ja dan wird faſt kein wort uͤmſonſt geſchrieben zu ſein ſcheinen.
Hierbei ſol man auch dieſes wiſſen / daß wir / da / die heilige Schrift ent - weder zu kurtz redet / oder aber gar ſchweiget / in vielen den Schriften der Araber / und Ebreer / und dan des welt - beruͤhmten Atanaſius Kirchers / im meiſten aber der Aſſenat Geſchicht / und der Verfaſſung des letzten Willens der zwoͤlf Ertzvaͤter / der Soͤhne Jakobs / gefolget. Dieſe zwo letzte Schriften haben die Juͤden / aus neide / wie man ſchreibet / lange zeit verborgen gehal - ten. Endlich ſeind die Griechen dar - hinter kommen / und bemuͤhet geweſen / ſie in die Griechiſche ſprache uͤberzu - ſetzen. Hierinnen ſeind ſie ſo lange ge - blieben / bis ſie ein Engliſcher Linkolni - ſcher Biſchof / Robert der zweite / ausGrie -Vorrede. Griechenland bekommen / und im 1242 jare / mit huͤlfe Niklaſens des Griechen / und des Albaniſchen Abts Geheimver - pflegers / in die Lateiniſche ſprache uͤber - getragen: daraus man ſie nachmahls auch in die Hoch - und Nieder-deutſche gebracht.
Im uͤbrigen wuͤndſche ich / daß der Kuͤnſtler / H. K. von Hagen / im ent - werfen der Bildriſſe / welche ſich / wie - wohl ſie ſeine erſten fruͤchte ſeind / ohne mein zutuhn / ſelbſt preiſen werden / mei - nem ſinne recht eigendlich folgen koͤn - nen. Ich habe zwar mein beſtes ge - tahn / ihm denſelben deutlich genug zu er - klaͤhren. Aber es ſcheinet / daß ſich die Kunſt nicht allezeit wil binden laßen. Daruͤm hat ſie auch alhier was freier abgeſchweiffet / als mein ſin und wille war. Doch wo iemand dieſe ſtummen Gemaͤlde nicht vergnuͤgen / da werden es die beigefuͤgten redenden tuhn. Aus denen wird man genug verſtehen / wie ſie ſein ſolten / und wie die ſache ſelbſten ſich befindet.
WirdVorrede.Wird nun dieſes Werklein ange - nehm ſein / ſo ſol mein Moſes / und Simſon / auf eben dieſelbe weiſe[be - ſchrieben] / der Aſſenat folgen. In - deſſen gehabe dich wohl / lieber Leſer / und beluſtige dich hiermit nach deinem belieben / ja beguͤnſtige / wan ich deſſen waͤhrt bin / mit deiner liebe
deinen
Zeſen.
DEr liebliche Liljenmohnd war nunmehr vorbei; die Sonnenwaͤn - de durch den ruͤkgaͤngigen Kraͤbs ge - ſchehen: der Niel ſtieg immer hoͤher und hoͤher; und Oſiris begunte ſich dem Jungferſchoße ſeiner himliſchen Iſis algemach zu naͤhern / als der truͤbſeelige Joſef den Ort ſeines elendes erblikte. Memfis / die Koͤnigliche ſtadt / ſahe er mit klaͤglichen augen an. Mit traurigem und beaͤngſtigtem hertzen zog er hinein. Das gantze volk fand er in angſt: und dieſe angſt beaͤngſtigte ihn noch mehr. Er hoͤrete lauter ſeuf - zer: und dieſe ſeufzer vermiſchete er mit den ſeinigen.
Aber das aͤngſtliche ſeufzen der Egipter hatte viel ein anderes ziel. Dieſe abergleubiſche Leute ſeufzeten zu ihren ſo vielerlei falſchen und lebloſen Abgoͤttern: er aber zum einigen und wahrem lebendigem Gotte. Et - liche baͤhteten den ohnmaͤchtigen gehoͤrneten Hammel - goͤtzen / ihren gewaͤhnten Schutzvater / an. Andere floͤheten zu ihrem algemeinen Wohltaͤhter / dem guͤhti - gen Oſiris: noch andere zu ihrer Ernaͤhrerin / derAmild -2Der Aſſenatmildreichen Iſis. Etliche rieffen den hundekoͤpfich - ten Knef oder Anubis; und den kraftreichen So - tis / ſamt dem fruchtbahren Orus / zu huͤlfe. Andere ſchrien den dikbeuchichten Nielgoͤtzen Kanopus / und dergleichen laͤcherliche Ungottheiten an. Die meiſten aber wendeten ſich bald zum ſchwartzen Fluhtgoͤtzen Momft / dem verſchaffer des wachſenden Niels; bald zum ſchlammichten Ebbegoͤtzen Omft / dem gebieter des fallenden ſtrohms. Beide baͤhteten ſie an. Jener ſolte verſchaffen / daß der ſteigende Niel ihre aͤkker durchwaͤſſerte / und fruchtbar machte. Dieſer ſolte ge - bieten / daß er nicht alzuhoch aufſtiege / und zu rechter zeit wieder zuruͤktraͤhte; damit er das land nicht ver - wuͤſtete. Manche hefteten auch zugleich waͤchſerne taͤf - lein / darauf geſchrieben ſtund / was ſie ſo aͤngſtiglich be - gehreten / dieſem und jenem Goͤtzen an das bein: damit er ihrer bitte / wan ſie weggingen / ja nicht vergeße. Und das alles taͤhten ſie / teils mit klopfen und ſtoßen vor die bruſt / teils mit bluhtruͤnſtigem aufritzen ihrer ſchul - tern und aͤrme: dadurch ſie vermeinten erhoͤret / und mit gewuͤndſchter fruchtbarkeit des gewaͤchſes geſeegnet zu werden. Ja daruͤm verfluchten und beſchwuhren ſie auch zugleich alle miteinander des boßhaftigen Tifons wuͤhtende macht; damit er / durch ſeine grauſamkeit / den liebreichen ſeegen ihrer guͤhtigen Wahngoͤtter nicht verhinderte / oder verderbete.
Hingegen demuͤhtigte ſich Joſef / in ſeinem hertzen / vor dem ewigen almaͤchtigem Gotte / dem Gotte ſeiner Vaͤter / Abrahams / Iſaaks / und Jakobs. Ach! ſprach er / und erſeufzete hertzinniglich: ach Gott! ach barmherziger Gott! ach grundguͤhtiger Vater! ich bitte nicht fuͤr mich / daß du mich aus dieſer leibeigen - ſchaft erretteſt. Ich floͤhe nicht fuͤr mich / daß du mich aus dieſem jammer und elende reiſſeſt. Dis alles / ja mehr als dis / haben meine manchfaͤltige ſuͤnden verdie -net.3erſtes Buch.
4Der Aſſenatnet. Mein uͤbermuht hat es verſchuldet. Du tuhſt wohl / daß du mich zuͤchtigeſt. Es war dein Vaͤterlicher wille / daß mich meine Bruͤder verkauften. Und dar - uͤm bitte ich fuͤr ſie / daß du ihnen ihre miſſetaht ver - gebeſt / und ihre ſuͤnde nicht zurechneſt. Ja ich floͤhe vor meinem Vater. Dan er iſt troſtloß / das weis ich. Erſcheine ihm mit deinem goͤttlichen troſte: Ach! er aͤchtzet und graͤhmet ſich uͤm meinet willen. Er iſt unruhig in ſeinem hertzen; ja betruͤbt iſt er / betruͤbt bis in den tod: und daruͤm laß ihn deinen frieden befriedigen / und deine freude erfreuen. Ach! mich deucht / ich ſehe ihn vor wehleiden zerſchmeltzen; vor hertzlichen ſchmertzen in traͤhnen zerflieſſen. Mich duͤnkt / ich hoͤre ihn vor trauren wimmerleichen / und rufen: ach! mein Sohn / mein Sohn / mein lieber Sohn / wo biſtu? Wie kan es auch anders ſein? Er liebte mich / als ſeine ſeele. Ich war ſein einiger troſt. Ich war ſeine einige freude; der einige ſtab ſeines alters. Aber ach ſiehe! was hat er nun. Dieſer ſtab iſt ihm entruͤkket: dieſe freude iſt ihm entzogen: dieſer troſt iſt ihm geraubet. Ich bin nunmehr ſo weit von ſeinen au - gen entfernet. Ach! es jammert mich meines lieben Vaters / meines frommen Vaters / meines traurigen Vaters. Das hertz bricht mir / wan ich an ihn gedenke: ja es bricht mir in tauſend ſtuͤkke / wan mir in den ſin kommet / daß dieſes mein ungluͤk ſein graues haar in die grube wird bringen.
Indem er alſo erſeufzete / gelangte die Iſmaeliſche Geſpanſchaft vor das haus / da ſie ein zu kehren pflegte. Joſef ſtieg vom Elefanten herunter. Die Kaufwah - ren warden abgeloͤſet: die laſttiere in ihre ſtaͤlle ge - bracht / und alles auf die ſeite geſchaffet. Mitler weile verſamlete ſich uͤm die Ismaeler heruͤm eine große maͤn - ge volkes. Faſt iederman / der in dieſer gegend ſich be - ſand / vergaß des Buß - und baͤht-tages. Alle Jung -frauen5erſtes Buch.frauen lieffen herzu. Ja die alten Muͤtter ſelbſten ver - mochten nicht in den heuſern zu bleiben. Die unver - gleichliche ſchoͤnheit des Ebreiſchen Leibeignen machte ſie alle entzuͤkt. Aller augen ſahen auf ihn. Niemand konte / ſelbſt mit tauſend anblikken / ſein geſichte genug ſaͤttigen. Je mehr ſie ihn anſahen / ie ſchoͤner er ſchien.
Joſef war auch in warheit ſo wunderſchoͤn / daß er zu der zeit vor das allerſchoͤnſte geſchoͤpfe / ja ſelbſt vor das allervolkommenſte meiſterſtuͤkke der Zeugemut - ter aller dinge nicht unbillich geſchaͤtzet ward. Ja es iſt kein wunder. Sara war ſeine Vorgroßmutter; und ſo uͤberaus ſchoͤn / daß ſich zwee Koͤnige / der von Egip - ten / und der von Gerar / in ihre ſchoͤnheit verliebeten. Rebekka war ſeine Großmutter; und eben ſo wun - derſchoͤn / daß es wenig fehlete / der letztgemelte Koͤnig der Filiſter hette ſich auch an ihr vernarret. Ja ſeine Mutter ſelbſten / die hold - und lieb-ſeelige Rahel / fchien alle beide / durch ihre mehr als menſchliche ſchoͤn - heit / weit zu uͤbertreffen. Ihr gantzer leib befand ſich ſo ausbuͤndig zierlich gebildet / und ſo uͤber die maße ſchoͤn / daß der tadel ſelbſten keinen einigen fehler an ihr zu fin - den wuſte. Ihre haut war ſo hochweis / ſo klahr / ſo zahrt / ſo rein / und ſo ſanfte / als ein erſtgefallener ſchnee. Durch dieſe ſo reinklare haut ſchimmerten hier und dar / gleich als im allerweiſſeſten marmel / die zaͤhrte - ſten aͤderlein / ſo wohl roht / als blau: und auf den ahrti - gen ſchneeber glein der wangen bluͤhete eine recht anmuh - tige roſenroͤhte / nicht zu hoch und nicht zu bleich. Alda hatte ihren eigenen ſitz die Schaam / die eigne / wo nicht einige zier des Frauenzimmers. Uber dem allerzier - lichſten ſchneehuͤgel des kinnes erhub ſich des mundes ſchlos / mit ſtrahlrohten rubienwaͤllen uͤmgeben. Hier wohnete die Liebe. Hier laͤchelte die freundligkeit. Hier ſpielete die wohlredenheit. Unter der ſtirne / der erho - benen ſinnenburg / ſtrahlete / ja blitzelte das zweifacheA iijge -6Der Aſſenatgeſtirne der allerliebſeeligſten augen / wiewohl mit zuͤch - tigen blikken / ſo weit und mit ſolcher kraft heruͤm / daß ſie durch aller anſchauer hertzen ſtraks hindrungen. Ja was wollen wir von ihrem ſterblichen / wiewohl aller - ſchoͤnſtem Leibe / und von den allerlieblichſten leibes glie - dern viel ſagen? Er war nur ein bloßes vergaͤngliches bild / und hinfaͤlliges haus ihrer unſterblichen noch tau - ſendmahl ſchoͤneren Seele. Hieraus lieſſen ſich / als aus einem ſpiegel / alle tugenden / die eines Frauenzim - mers ſeele iemahls beſeſſen / hauffenweiſe ſchauen. Hieraus brachen herfuͤr / als mit einem hellen blitze / die recht himliſche ſchoͤnheiten. Hierdurch uͤberwand ſie die allerhaͤrteſten hertzen. Hierdurch beſaͤnftigte ſie die allerraueſten gemuͤhter. Hierdurch beguͤhtigte ſie die allerboßhaftigſten geiſter. Ja hierdurch zog ſie aller menſchen gunſt und gewogenheit auf ihre ſeite. Mit einem worte zu ſagen / Rahel / die Mutter des ſchoͤ - nen Joſefs / war mit ſo fuͤrtreflichen / ſo wohl in - als aus-wendigen ſchoͤnheiten dermaßen ausgezieret / daß Jakob ſich nicht verdrieſſen lies vierzehen gantzer jah - re / wie verdrieslich auch ſonſten ſein dienſt immer - mehr war / uͤm ſolch-einen koͤſtlichen ſchatz zu dienen. Ja er bekante es ſelbſten / daß ihm alle dieſe jahre an - ders nicht als einzele tage gedeuchtet.
Weil nun Joſefs Mutter / Großmutter / und Vor - großmutter / die alle drei aus einem und eben demſelben geſchlechte entſproſſen / welches zu der zeit den preis der ſchoͤnheit vor andern verdienete / ſo gar ſchoͤne geweſen: waruͤm wolte man ſich dan viel verwundern / daß der zweig ſeinem ſtamme nachgeahrtet / und die frucht nicht weit vom ſtokke gefallen; indem dieſer ſchoͤne Ebreer von ſeinen drei ſchoͤnen Muͤttern ſolche wunder - wuͤrdige ſchoͤnheit gewonnen?
Daß aber des Tahre / oder / wie ihn die Araber nen - nen / Aſars / Abrahams vaters / Nachkommen vorallen7erſtes Buch.allen andern damahligen Menſchen mit ſo wunderwuͤr - diger ſchoͤnheit beſeeliget geweſen; davon wollen wir der Arabiſchen / Perſiſchen / und Kaldeiſchen Weiſemeiſter urteil vernehmen. Dieſe bezeugen / daß des Joſefs Uhranherꝛ oder uͤbervorgroßvater Tahre ein fuͤrtref - licher Bildhauer / und zugleich ein Verpfleger der Goͤ - tzenheuſer des Nimrots geweſen: welcher ſeinen bil - dern eine ſo uͤberaus ſchoͤne geſtalt geben koͤnnen / daß ſich viele / die ſie geſehen / ſtraks im erſten anblikke dar - ein verliebet. Weil nun Abrahams Mutter ſolche ſo kuͤnſtlichſchoͤn ausgearbeiteten bilder fort und fort angeſehen / und ihr derſelben ſchoͤnheit dermaßen tief eingebildet / daß alle ihre Kinder ihnen gantz aͤhnlich ge - worden; ſo habe ſie ſolche ſchoͤnheit ihren nachkommen bis in das vierde Glied gleichſam erblich und eigen ge - macht. Und durch dieſe erbeigenſchaft hetten ſie ſaͤmt - lich eine ſolche wunderſchoͤnheit gewonnen: wiewohl ſie an der Lea etlicher maßen verdorben worden. Unter allen aber were Joſef / Jakobs ſohn / als das hoͤchſte Meiſterſtuͤkke der ſchoͤnheit / der allerſchoͤneſte / ja ſo un - ausſprechlich ſchoͤn geweſen / daß er dadurch die hoͤchſte ſchoͤnheit der Engel ſelbſten uͤbertroffen. Im uͤbrigen ſtehen auch viel Geſchichtſchreiber und andere in der meinung: daß Labans Goͤtzenbilder / die ihm Rahel / ohne zweiffel ihrer fuͤrtreflichen ſchoͤnheit wegen / ent - fuͤhret / und Jakob nach der zeit zu Sichem unter ei - ner eiche begraben / ein ſonderliches kunſtſtuͤkke des Tahre / und die meiſte urſache der ſchoͤnen geſtalt ſo wohl des Joſefs / als der Rahel / geweſen; weil bei - de Muͤtter / der Rahel und des Joſefs / ſie ohn unter - laß vor augen gehabt / und ihre ſchoͤne geſtalt einen ſo tieffen und feſten eindruk in ihre einbildung getahn / daß ihre Kinder denſelben gantz aͤhnlich geworden.
Und alſo ſchien es / daß die Zeugemutter aller dinge nicht allein alle ausbuͤndigſte ſchoͤnheiten der Mutter /A iiijſon -8Der Aſſenatſondern auch alle ſchoͤnſte ſchoͤnheiten ſeiner Groß - und Vorgroßmuͤtter / ſo wohl von der Mutter / als des Va - ters ſeiten zuſammengeſamlet / und dem einigen Joſef mitgeteilet / ein gantz volkommenes meiſterſtuͤkke der al - lerſchoͤnſten ſchoͤnheit herfuͤr zu bringen. Faſt eben auf dieſen ſchlag verfuhr nach der zeit Apelles / als er das Goͤtzenbild der Schoͤnheit und Liebe volkoͤmlich ſchoͤn zu mahlen geſonnen. Er erwehlete aus allen Krotoniſchen Jungfrauen die allerſchoͤnſten zu einem ſo fuͤrtreflichen kunſtſtuͤkke. Von einer ieden nahm er die ſchoͤnſte ſchoͤnheit / die an ihr vor andern zu finden. Alle dieſe ſchoͤnſte ſchoͤnheiten brachte er zuſammen / und bildete ſie ab in dem einigen bilde. Und daher war die - ſes bild oder gemaͤlde ſo uͤberaus ſchoͤn / daß es mehr durch eine goͤttliche / als menſchliche hand entworfen zu ſein ſchien.
Als nun der tag der nacht zu weichen / und die Son - ne dem Mohne das gebiet uͤber die oberſte helfte der erd - kugel ein zu reumen begunte; da begab ſich Joſef / mehr vom ſchwermuhte / als von der reiſe ermuͤdet / ungegeſ - ſen zur nachtruhe. Aber es war uͤmſonſt / daß er zu ru - hen gedachte. Es war vergebens / daß er zu ſchlafen vermeinte. Hier war weder ruhe / noch ſchlaf zu finden. Seine gedanken ſchweiften von einem orte zum an - dern. Doch nirgend hielten ſie ſich laͤnger auf / als bei ſeinem Vater: deſſen bekuͤmmernuͤs ihn weit mehr be - kuͤmmerte / als ſein eigenes ungluͤk. Ach! ſprach er / wan ich nur meinem Vater / meinem lieben Vater die unruhe ſeines hertzens benehmen koͤnte; ſo wolte ich al - les meines elendes gern vergeſſen. Aber hier iſt kein raht. Mein ungluͤk / das uns beide voneinander geriſ - ſen / gehet ihn ſo wohl an / als mich. Was ich leide / das fuͤhlet er. Was ich fuͤhle / das druͤkket ihn / das ſchmer - tzet ihn / das kraͤnket ihn. Und was noch das ſchlim - meſte iſt / ich ſehe deſſen kein ende. Morgen werde ichdem9erſtes Buch.dem Koͤnige geſchenbet werden. Aus deſſen hand wird mich niemand erretten. Meine leibeigenſchaft wird waͤhren / ſo lange ich lebe. Wo ſeind nun meine treu - me / die mir ſo viel gluͤkkes und ehre bedeuten ſolten? Ach! wie iſt ihre bedeutung verſchwunden? Meine ein - bildung hat mich betrogen. Meine hofnung iſt nun zer - runnen. Ich gedachte zu herꝛſchen: aber nun ſehe ich / daß ich ewig werde dienen muͤſſen. Ach weh mir! daß ſich das blat alſo verkehret. Moͤchte ich doch nur ewig dienſtbar ſein in meines Vaters hauſe! Moͤchten doch nur meine Bruͤder ewig uͤber mich herſchen! Ach! wie wohl ſolte mir ſein. Aber nun mus ich dienen in der fremde. Fremde werden ihre grauſamkeit uͤber mich ausſchuͤtten. Ach weh mir! ach weh mir! ach weh / und immer weh!
In ſolchen truͤbſeeligen gedanken brachte er die gantze nacht zu. Er ſtund zwar auf / ſo bald der tag an - gebrochen / in willens / im garten hinter dem hauſe / ſei - nen unmuht ein wenig zu vertreiben. Aber die ſchweer - muht / und die angſt ſeines hertzens folgeten ihm uͤberal nach. Nirgend fand er ruhe. Nirgend wuſte er troſt zu ſuchen. Alle uhrweſen ſchienen ihm zuwider. Alle ge - ſchoͤpfe ſchienen ihn verlaßen zu haben. Nur allein die Beume ſtelleten ſich mitleidendlich an. Alſo lies er ſich beduͤnken. Alſo ſchlos er aus ihren abhangenden blaͤt - tern. Alſo urteilete er aus ihren niedergebogenen zwei - gen. Was er alhier ferner vor gedanken hatte / iſt eher zu errahten / als aus zu ſprechen. Zuletzt begunte ihm dieſer luſtort ſeine unluſt noch mehr zu heuffen. Und daruͤm eilete er wieder hinaus. Aber im ausgehen kahm ihm einer von den Iſmaelern entgegen. Auf! ſprach er mit harter ſtimme / auf! und mache dich flugs faͤrtig. Itzund ſoltu dem Koͤnige uͤbergeben werden. Dieſes wort Koͤnig war ihm als ein donner zu hoͤren. Es gieng ihm als ein donnerkeul durchs hertze. Ja esA ver -10Der Aſſenaterſchroͤkte ihn dermaßen / daß er boͤbete und zitterte / als das eſpenlaub.
Nachdem nun Joſef ein zierliches ſommerkleid / welches ihm die Kaufleute zu dem ende gegeben / angele - get; ward er / ſamt den Koͤniglichen geſchenken / ſtraks auf die Burg gefuͤhret. Alda lag die Koͤnigin / mit ih - rem gantzen Frauenzimmer / ſchon in den fenſtern / und wartete mit großem verlangen auf ſeine ankunft. Dan der ruf war albereit den abend zuvor / aus der ſtadt / bis in das koͤnigliche Schlos erſchollen / daß ein uͤberaus ſchoͤner Ebreer angelanget / und heute dem Koͤnige ſolte verehret werden. Es iſt mit keiner feder aus zu druͤk - ken / wie heftig dieſe neugierigen durch den erſten an - blik des ſchoͤnen Leibeignen entzuͤkt warden. Man hatte ihn beſchrieben / als einen Engel: aber ſie ſahen ihn gar vor eine Gottheit an. Hatte man geſtern ſeine ſchoͤn - heit ſo uͤberlaut geprieſen; ſo ward ſie heute / mit be - ſtuͤrtztem ſtilſchweigen des gantzen Frauenzimmers / be - trachtet. Alle Jungfrauen ſtunden als erſtummet. Al - le Fuͤrſtinnen erſtarreten. Ja die Koͤnigin ſelbſten war faſt gantz aus ihr ſelbſten. Doch gleichwohl behiel - ten ihre Sinnen noch ſo viel kraft / daß eine iede bei ihr ſelbſt zu wuͤndſchen vermochte einen ſo ſchoͤnen Engel / in ihrer ſchlafkammer / zum ſtaͤtigen leibwaͤchter zu ha - ben. Eine guhte weile waͤhrete dieſes ſtilſchweigen. Die Koͤnigin war die erſte / welche zu reden begunte. Ha! ſagte ſie / ſol dieſes ein Leibeigner ſein? Sol dieſes ein verkaufter Ebreer ſein? Das kan ich mir nimmer - mehr einbilden. Vielmehr iſt er ein Ebreiſcher Gott; oder aber ein Fuͤrſt: und iſt er keines von beiden / ſo iſt er doch zum wenigſten wuͤrdig ſolches zu ſein; ja wuͤr - dig iſt er uͤber die gautze welt zu herſchen; wie er dan ſchon in der taht beginnet.
Dieſe reden hoͤrete Nefrem: und maͤrkte ſchon / was die glokke geſchlagen. Seine Freulein Tochter ſahe erbe -11erſtes Buch.beſtuͤrtzt: die andern Fuͤrſtinnen erſtarret: die Stahts - jungfrauen vernarret. Ja alles Frauenzimmer kahm ihm anders nicht vor / als uͤber die maße verliebt. Auch betrog ihn dieſe einbildung nicht. Er war ein alter ab - gelebter Fuͤrſt. Er war ein eiferſuͤchtiger / und was geitziger Herꝛ. Daher haſſete er die fuͤrtrefliche ſchoͤn - heit des Ebreers. Daher liebete er die koſtbarkeit der angebohtenen ſchaͤtze. Ja er haſſete den Joſef uͤm ſo viel mehr; weil er ihm leichtlich einbilden konte / daß ein alter und nunmehr ausgemaͤrgelter Koͤnig bei ſeinem Frauenzimmer / durch ihn / in die euſerſte verachtung kommen wuͤrde. Zum wenigſten / gedachte er / wird ei - ne unluſt unter dem Weibesvolke entſtehen. Die goͤtt - liche ſchoͤnheit dieſes Ebreers wird ſie zur liebe / die liebe zur ſchaͤhlſichtigkeit / die ſchaͤhlſichtigkeit zur unter - lichen feindſchaft / und dieſe endlich gar zu einer raſen - den tolſinnigkeit bewegen. Alsdan wird alles bunt durcheinander gehen. Alles wird in unordnung / und mein Hof in gefahr ſchweben. Ja wan ſich ſchon dieſes unheil nicht erregen oder euſern moͤchte; ſo wird doch eine ſo uͤbermaͤßige hertzentzuͤkkenden ſchoͤnheit meine Gemahlin und Tochter / wo nicht in der taht ſelbſten / doch gewislich in den gedanken / an ihrer keuſcheit ver - letzen. Wolte ich ihn auch ſchon muͤnchen laßen; ſo wuͤrde es mich zwar ein wenig / ſie aber nichts helfen. Vielmehr ſchmertzen wuͤrde man ihnen zuziehen; weil man ihm dadurch die mittel / ſie wuͤrklich zu vergnuͤ - gen / entzoͤge / und ſie dannoch in der brunſt verzappeln lieſſe. Aus dieſen wuͤchtigen urſachen (ſchlos er ſeine gedanken) mus ich mich nohtdruͤnglich entſchluͤßen / den ſchoͤnen Leibeignen nicht an zu nehmen. Sein er - ſter / ja kaum halber anblik hat mir mein Frauenzim - mer ſchon gantz in ruhr geſetzt. Was wuͤrde wohl ge - ſchehen / wan ich ihn gar auf das ſchlos nehmen ſolte. Nein! nein! man mus ihn aus dem wege ſchaffen. Ich12Der AſſenatIch mus mir ſelbſten keine laus in den rok ſetzen. Er mus fort! er mus fort!
Hierauf begab ſich Nefrem in den koͤniglichen Ver - hoͤrſaal: darinnen alles von golde und edelen ſteinen flinkerte. Sonderlich vermochte kein auge den praͤchti - gen Reichsſtuhl / ohne entzuͤkkung und ohne verblen - dung / an zu ſchauen. Dieſer war ein rechtes meiſterſtuͤk - ke aus dichtem golde: dem die demanten / perlen / rubie - nen / ſaffiere / und andere koͤſtliche ſteine ſeinen glantz gleich als mit helleuchtenden feuerſtrahlen vermehre - ten. Rund heruͤm / ja oben und unten war er mit aller - hand kuͤnſtlichen bildwerken gezieret. Dieſes alles hat - te / nach der geheimen Egiptiſchen bilderſchrift / ſeine ſonderliche bedeutung. Unter allen aber deutete der große guͤldene Krokodil / der gerade uͤber des Koͤniges heupte ſchwebete / auf den Koͤnig ſelbſten / als aller Egip - tiſchen Koͤnige ſinbild. Daher ward auch ſo wohl die - ſer Nefrem / als viel andere Egiptiſche Koͤnige vor und nach ihm eine lange zeit / Farao / welches auf Arabiſch ein Krokodil heiſſet / gemeiniglich genennet.
Alhier war es / da der Koͤnig der Iſmaeler geſchenke empfing. Zu allererſt ward ihm Joſef / als das aller - edleſte und allerkoͤſtlichſte / uͤberreichet. Darnach folge - ten die andern. Hierunter war das Koͤnigliche uͤber - aus kuͤnſtlich mit golde durchwuͤrkte Stahtskleid das fuͤrnehmſte. Die guͤldene Krohne ſchaͤtzte man nicht viel geringer. Auch waren die anderen ſchatzſtuͤkke ei - nes ſo hohen waͤhrtes / daß ſie vor koͤnigliche geſchenke wohl beſtehen mochten. Muſai / ein gebohrner und vieler ſprachen kuͤndiger Elamiet / fuͤhrete / als der gan - tzen Geſpanſchaft heupt / das wort.
Gnaͤdigſter Koͤnig / ſagte er / alhier erſcheinen Seiner Majeſtaͤht untertaͤnigſte knechte vor Seinem gnaͤdigſten angeſichte / unſere ſchul - digkeit demuͤhtigſt abzulegen. Wir bringen ausunſe -13erſtes Buch.
14Der Aſſenatunſerem armen vermoͤgen etliche geringſchaͤtzi - ge geſchenke / Seine gnade zu erwerben. Sie ſeind zwar geringe: iedoch verhoffen Seiner Majeſtaͤht knechte / gleichwie ſie bitten / daß Er dieſelben eben ſo gnaͤdigſt / als wir ſie unter - taͤhnigſt einreichen / an zu nehmen geruhen wer - de. Solten ſie auch ſonſten uͤber verhoffen un - angenehm ſein; ſo duͤrfen wir doch das vertrauen ſchoͤpfen / daß ſie dem Koͤnige dieſer ſchoͤne Juͤngling gleichwohl angenehm machen werde. Dan er wird mit unter unſere geſchenke gezehlet. Und ſolches geſchiehet daruͤm / daß durch ſeine ſo ſeltene ſchoͤnheit die gering - ſchaͤtzigkeit der andern ein anſehen der koſtbar - keit bekomme. Hiermit haben wir untertaͤhnigſt anzeigen wollen / daß wir Seiner Majeſtaͤht ge - horſamſte knechte ſeind: auch Dieſelbe zugleich demuͤhtigſt anfloͤhen / daß Sie unſeren Kauf - handel / wie bisher geſchehen / alſo auch hinfort / in Ihren laͤndern frei und ungehindert zu treiben gnaͤdigſt vergoͤnnen wolle.
Nefrem bedankte ſich der geſchenke wegen ſehr freundlich. Er gewaͤhrte ſie auch ihrer bitte: und ge - lobte ihnen bei der gottheit des Oſiris / daß er nimmer - mehr zulaßen wolte / ihren freien Kaufhandel auf eini - gerlei weiſe zu kraͤnken. Aber den Joſef ſchenkte er ih - nen wieder / mit angehaͤngter verſicherung / daß ſie gleichwohl deswegen an ſeiner gnade nicht wuͤrden zu zweifeln haben. Er wolte ſeinem Koͤniglichen worte dannoch folge leiſten.
Sehr fremde kahm dieſes des Koͤniges beginnen den Kaufleuten vor. Es war ein wunderſeltzames ding in ihren augen / ein ſo uͤberaus koͤſtliches geſchenke verſchmaͤhet zu ſehen. Keiner konte errahten / woher es ruͤhrete. Keiner konte begreiffen / waruͤm der Koͤnigeine15erſtes Buch.eine ſo wunderſeltene ſchoͤnheit verwuͤrfe. Dan nie - mand von ihnen hatte achtung gegeben / was ſich im er - ſten eintritte mit dem Frauenzimmer zugetragen. Nie - mand wuſte des Koͤniges argwahn. Auch hatte er ſich deſſen weder mit worten / noch gebehrden maͤrken laßen.
In dieſen wunderlichen gedanken begaben ſich die Ismaeler / mit dem verſchmaͤheten Leibeignen / wieder nach ihrem wuͤrtshauſe zu: und ließen alſo das gantze Koͤnigliche Frauenzimmer in der euſerſten betruͤbnuͤs. Es war keine Fraue / die nicht ſeuftzete: kein Freulein / das nicht weinete: keine Hofjungfer / die es nicht hertz - lich ſchmertzete / daß ſich ein ſo klahres / ſo fuͤrtrefliches / ſo ſchoͤnes licht aus ihren augen ſo uhrploͤtzlich verloh - ren. Ja die Koͤnigin ſelbſten / welche Nefrems ſchlus den ſchoͤnen Leibeignen nicht an zu nehmen allein wuſte / wuͤndſchte dem Koͤnige tauſend und abermahl tauſend / ja hundertmahl tauſend fluͤche auf den hals. Er allein / ſagte ſie / hat verurſachet / daß dieſe wunderſchoͤne Gott - heit uns mit ihrer gegenwart nicht allezeit beſeeliget. Er allein iſt es / der uns den anblik dieſer himli - ſchen ſchoͤnheit misgoͤnnet. Er / der neidſuͤchtige un - menſch / iſt es / der uns dieſe luſt entzogen / ſeine vie - hiſche luſt / uns unluſt an zu tuhn / rechtſchaffen zu buͤs - ſen. Itzt mus ich ſchweigen: aber mit der zeit ſol es gedacht werden. Wir meineten / die Sonne were in unſerem ſchloſſe aufgegangen / und wuͤrde uns nimmer - mehr verlaßen. Ach! ſie war auch aufgegangen in dem ſchoͤnen Leibeignen. Aber ploͤtzlich iſt ſie wieder ver - ſchwunden. Oſiris hatte ſich in menſchlicher / was ſage ich? in goͤttlicher geſtalt zu uns geſellet. Aber ſei - ner geſelſchaft hat uns unſer Wuͤhterich verluſtig ge - macht. Dem allein haben wir zu dancken / daß wir ohne licht leben. Dem allein muͤſſen wir die ſchuld geben / daß uns / an ſtat des hellen lichtes / eine dunkele nachtdoͤm - merung geblieben. Faſt eben ſo klaͤglich lies ſich auchdie16Der Aſſenatdie koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris vernehmen. Dieſe wolte vor unmuht baͤrſten / vor hertzweh verſchmachten / ja vor heftiger ſchmertzempfindligkeit gar ſterben. Aber wir wollen dieſe traurigen auf der koͤniglichen burg las - ſen / und uns zum Joſef begeben / zu ſehen / was ſich mit ihm in ſeinem Wuͤrtshauſe zutraͤget.
Die Ismaeliſchen Kaufleute hatten nunmehr das mittagsmahl gehalten / und ſich albereit zur reiſe nach Nubien faͤrtig gemacht. Die Kamehle ſtunden ſchon gantz beladen / und warden eben vor das tohr gefuͤhret / als Muſai ſeine mitgefaͤhrten folgender geſtalt anre - dete. Liebe Geſpanſchafter / ſagte er / weil wir itzund nach Nubien zu ziehen gedenken / da uns der ſchoͤne Leibeigne nichts nuͤtze ſein wird / ſo beduͤnkt mich / daß es das beſte ſei / ihn alhier / bis zu unſerer wiederkunft / bei einem Kaufmanne zu laßen. Dan in Egipten wird er uns mehr gelten / als dort. Die Nubier kauffen ih - re Leibeignen nur uͤm einen geringen preis. Waruͤm ſol - len wir ihn dan mitſchleppen? Indem er alſo redete / erboht ſich ein Egiptiſcher Kaufman / welcher eben dar - zu kahm und zu Memfis wohnete / alſobald / ihn ſo lange zu ſich zu nehmen. Weil nun Muſai dieſen Kauf - man viel jahre gekant / und wohl wuſte / daß ihr Leibeig - ner bei ihm am beſten verwahret ſein wuͤrde; ſo ward er ihm / mit aller bewilligung / uͤbergeben. Und alſo nahm der Kaufman den truͤbſeeligen Joſef mit ſich in ſein haus: da ihm iederman / ſonderlich ſeine Frau und Toͤchter ſehr freundſeelig begegneten.
Vierzehen tage hatte Joſef bei dieſem neuen wuͤrte zugebracht / als eine Hofjungfrau deſſelben Toͤchter beſuchte. Dieſe war uͤberaus verwundert / daß ſie den ſchoͤnen Leibeigenen alhier fand. Ja ſie wuſte zuerſt nicht / ob ſie ihren augen gleuben duͤrfte. Daruͤm ſaß ſie eine guhte weile faſt als ſtum; und eben als iemand / der den wunderſtein Bet angeſehen. Naͤhrlich wolteein17erſtes Buch.ein wort aus ihrem munde. Kaum gab ſie antwort de - nen / die ſie anſprachen: und antwortete ſie / ſo war die antwort zu weilen anders / als man fragte. Sie redete ſehr wenig: und wan ſie redete / ſo ſchweifte ſie vielmahls vom zwekke ſo gar ab / daß es alle maͤrkten. Weil ſie nun des Kaufmans Toͤchtern ſehr nahe befreundet war; ſo trugen ſie keine ſcheu / ihre Verwantin zu fragen: war - uͤm ſie ſo ſtille ſei? waruͤm ſie ſo wenig redete? und wan ſie redete / waruͤm ihre reden vom wege ſo abſchweiffeten? Ja ſie ſetzten hinzu / ob ſie irgend verliebt ſei / weil ſie in ſo tieffer entzuͤkkung ſaͤße? Auf alle dieſe fragen bekan - te die Hofjungfrau die runte wahrheit. Ja ſie ſcheuete ſich nicht einmahl in Joſefs gegenwart ſich gantz offen - hertzig heraus zu laßen. Ach! ſagte ſie / ſolte ich nicht entzuͤkt ſein? Solte ich nicht andere worte fuͤhren / als man von mir gewohnet? Dieſen augenblik iſt mir ein gluͤk aufgeſtoßen / das ich nimmermehr hoffen duͤrfen. Hierauf wendete ſie ſich zum Joſef / der eben am fen - ſter ſaß. Iſt er nicht / fragte ſie / der ſchoͤne Juͤngling / den die Ismaeler vor vierzehen tagen unſerm Koͤnige verehren / er aber ihn nicht annehmen wollen? Als ſie Joſef mit ja beantwortet; ſo fuhr ſie weiter fort: weis er dan wohl / waruͤm der Koͤnig ſolches getahn? Joſef antwortete / nein: und ſie begunte alles zu erzehlen / was ſich bei ſeiner ankunft auf der Burg begeben.
Den abend zuvor / ſagte ſie / ehe das koͤnigliche Frauenzimmer das gluͤk hatte ihn zu ſehen / kahm Se - fira / Fuͤrſt Potifars / des oberſten Kuͤchenmeiſters und Halsrichters / juͤngſte Gemahlin / der Koͤniglichen Fuͤrſt in Nitokris / der ich bedient bin / auf zu warten. Nach wenigen wortgepraͤngen / fing ſie ſtraks an zu er - zehlen / daß ſie / im fahren durch die ſtadt / eines uͤberaus ſchoͤnen Leibeigenen ſei anſichtig worden. Derſelbe / ſag - te ſie / ſei ſo ſchoͤn gebildet / ſo lieblich vom weſen / ſo ahr - tig von gebehrden / daß ſie zweifelte / ob die welt iemahlsBeine18Der Aſſenateine ſo volkommene ſchoͤnheit an einigem Juͤngling[e]erblikket. Und eben daſſelbe verurſachte ſie zu muht[-]maßen / daß er irgend eines Fuͤrſten Sohn ſei; den di[e]Ismaeler ſeinem Vater geſtohlen. Sie koͤnte nimmer[-]mehr gleuben / daß er ihnen / ihrem vorgeben nach / ver[-]kauft worden. Auch hette ſie fragen laßen: ob ſie ih[n]wieder verkauffen wolten / und wie teuer? Darauf ſe[i]ihr zur antwort worden: daß er vor kein geld / aber wohl vor des Koͤniges gnade zu kauffe were: dem er auch mor - gen fruͤh ſolte verehret werden. Nach dieſem beſcheide habe ſie ſich von ſtunden an nach der Koͤniglichen burg zu begeben / meinem gnaͤdigſten Freulein ſolche zeitung zu bringen.
Kaum waren dieſe worte aus ihrem munde / als ſie ſchon der gantze Hof wuſte. Ein Edelknabe der Koͤni - gin / der meiner Fuͤrſtin eben etwas andienen ſolte / hat - te alles mit angehoͤret. Dieſer brachte es vor ſeine gnaͤ - digſte Frau / in gegenwart anderer: welche es wieder an - dern erzehleten. Es iſt kaum zu gleuben / wie behaͤnde dieſe recht neue / ja wohl recht ſeltzame zeitung von zim - mer zu zimmer / und endlich gar durch das gantze ſchlos lief. Wo zween oder drei Hoͤflinge / oder Hofjungfrauen / ja ſelbſt Schuͤſſelwaͤſcherinnen beieinander ſtunden; da redete man von nichts / als von dieſem ſchoͤnen Leib - eigenen. Jederman war begierig ihn zu ſehen. Jeder - man verlangte nach dem morgenden tage. Ja ich hal - te gaͤntzlich darvor / daß ſchweerlich eine / es ſei Frau oder Jungfrau / im Koͤniglichen Frauenzimmer war / die ſich nicht ſchon / vom bloßen hoͤrenſagen / in ihn verlie - bet. Auch darf ich wohl melden / daß das meiſte Frauen - zimmer / aus alzuheftigem verlangen / dieſelbe nacht ſchlafloß verſchloſſen. Kaum war der tag angebrochen / als ſie ſchon alle in dem fenſtern lagen. Die meiſten hatten ſich auch ſo aufgebutzt / und ſo ausgezieret / als wan ſie denſelben tag / als Breute / ſolten zur traue ge -hen.19erſtes Buch.hen. Gleichwohl hat keine von allen das gluͤk gehabt denſelben / den ſie zum Breutigam wuͤndſchten / in der naͤ - he zuſehen / viel weniger zuſprechen. Mir allein hat itzund das gluͤk ſo guͤnſtig ſein wollen / daß mir beides wider - faͤhret. Und daruͤm darf man ſich nicht verwundern / daß ich im erſten anblikke ſchier aus mir ſelbſt geweſen.
Drei ſtunden waren vom tage ſchon verlauffen / als der ruf in das ſchlos drang: der ſchoͤne Leibeigne ſei itzt auf dem wege. Da ward vollend alles rege. Die Kuͤchenmaͤgde ſelbſt lieffen / von ihrer arbeit / auf den ſchlosplatz. Ich wolte dan auch die letzte nicht ſein. Bis - her war ich noch mit den kleidern meiner Fuͤrſtin ge - ſchaͤftig geweſen. Aber nun trieb mich die neugierigkeit auch ans fenſter. Kaum war ich / wiewohl etwas un - achtſam / hinzugetraͤhten / als ich deſſelben / den ieder - man zu ſehen ſo ſehr verlangte / ſchon von ferne gewahr ward. Mich deucht / ich fuͤhle noch itzt die wunde / die ſein allererſter anblik meinem hertzen gegeben. Wie dem andern Frauenzimmer zu muhte geweſen / laße ich un - geſagt. Allein dieſes kan ich ſagen / daß ich ſie alle / teils beſtuͤrtzt / teils erſtumt / teils erſtarret / ja wohl gar vernarret / daß ich ſo reden mag / geſehen. Zu ihrer aller gluͤkke war der Koͤnig eben bei der Koͤnigin. Auch blieb er alda noch eine guhte weile ſtehen. Indeſſen muſten die Kaufleute / mit dem ſchoͤnen Leibeignen / auf dem ſchlosplatze / vor unſerem geſichte / warten. Ja ich gleu - be / daß das meiſte / wo nicht gantze Frauenzimmer wuͤndſchete / daß ſolches warten etliche tage lang gewaͤh - ret: ſolch-eine ergetzung ſchoͤpften ſie in dieſer ſchoͤnheit. Aber der Koͤnigin was zu freimuͤhtig ausgelaßene worte von dieſem ſchoͤnen Wunder verurſachten end - lich den Koͤnig ſich in den Verhoͤrſaal zu verfuͤgen / ja gar zu entſchlieſſen / das ſo ſchoͤne Geſchenke zuruͤk zu ſenden. Und alſo ward er / vor unſern augen / wiewohl alzugeſchwinde voruͤber / wieder in die ſtadt gefuͤhret.
B ijHatte20Der AſſenatHatte uns kurtz zuvor ſeine ankunft beſtuͤrtzt ge - macht / ſo machte uns ſein ſo jaͤhligen entſtandenes ſcheiden noch tauſendmahl beſtuͤrtzter. Uns war eben zu muhte / als wan wir nur einen fluͤchtigen ſchatten geſehen. Es war auch in der taht ein ſchatte. Dan als wir vermeinten ihn in den haͤnden zu haben / flohe er darvon; und wir hatten weniger / als nichts. Nie - mand war mehr betrogen / als wir. Wir alle hatten gehoffet / wir wuͤrden nunmehr ſeiner geſelſchaft lange zeit genieſſen. Aber dieſe Hofnung ward uns zu waſſer. Kein ſchnee kan von der ſonnenhitze ſchneller zerſchmel - tzen / als dieſelbe zerſchmaltz. Ja mit ihr zerſchmaltz auch / und ward vereitelt alle unſere luſt / alle unſere freu - de: darauf ſich das gantze Frauenzimmer geſpitzet. Hier - vor hatte es nun nichts anders / als unluſt und trau - ren. Wan ich an meine Fuͤrſtin gedenke / wie ſie uͤber ſeinen verluſt ſo jaͤmmerlich kaͤrmete / ſo hertzlich erſeuf - zete; ſo deucht mich / ich werde noch itzund / aus erbaͤrm - nuͤs / mit wehleiden geſchlagen. Von andern wil ich nicht ſagen: die immer eine die andere / durch wehkla - gen / zum wehleiden anreitzeten.
Joſef hatte dieſe reden halb mit verdruſſe / halb mit vergnuͤgung angehoͤret. Es verdros ihn / daß man ſich alzuviel an ſeiner ſo nichtigen ſchoͤnheit vergaffete / ja gar vernarrete. Hingegen vergnuͤgte ihn zugleich / daß man dadurch gleichſam ein hertzliches mitleiden / ſeines elendes wegen / und ein ſo guhtes gemuͤhte / ihm daſſelbe zu benehmen / oder zum wenigſten zu erleichtern / ſpuͤh - ren lieſſe. Die Jungfrau wolte noch mehr erzehlen: aber Joſef fing ihr das wort auf. Ach! ſagte er / was kan doch ſchoͤnes ſein an einem ſo elenden und verſtoße - nem menſchen / als ich bin? Es iſt eine bloße hoͤfligkeit / ja uͤbermaͤßige guhtahrtigkeit des Egiptiſchen Frauen - zimmers / daß es einen armen fremdling / einen ſonſt verachteten Leibeignen ſo gar hoch erhoͤbet. Wiewohlich21erſtes Buch.ich ſehr ungern von einer ſchoͤnheit / die man an mir zu ſein waͤhnet / reden hoͤre; ſo mus ich dannoch auf ihre ſo offenhertzige reden / eben ſo offenhertzig bekennen / daß mir dieſelben nicht uͤbel gefallen. Ich habe daraus ihr guhtes gemuͤhte erblikket; ja ihre hertzliche zuneugung zu mir. Und daß ſie mir nicht etwan eine blaue dunſt / ſich mir gefaͤllig zu machen / vor die augen mahlen wol - len / kan ich ihr an ihren augen wohl anſehen. Sie hat aus dem grunde des hertzens geredet. Ihre gedanken hat ſie mir nakt und bloß / und ohne einigen falſchen uͤberzug oder ſchmuͤnke eroͤfnet. Ja ſie hat anders nichts geredet / als was ſie gemeinet. Das weis ich. Das ſtehet vor ihrer ſtirne geſchrieben. Das zeiget das unfalſche weſen der reinen und zuͤchtigen blikke ihrer liebſeeligen Augen an. Ja der uͤmzug / die bildung / die zuͤge / und das ſaͤmtliche weſen ihres gantzen angeſichtes ſeind mir deſſen gewiſſe zeugen. Die ſitzamen gebehrden ihres uͤbri - gen gantzen leibes bekraͤftigen eben daſſelbe. Aus einem munde / der ſich mit ſolcher ſchaamhaftigen bewegung eroͤfnet / kan kein falſches wort gehen. Und eben daruͤm koͤnnen mir ihr reden anders nicht als angenehm ſein.
Joſef hatte ihm vorgenommen die Jungfrau von ſeinem eigenen ſelbſtande gantz ab zu lenken. Dan es war ihm zuwider / ſo viel von ſich ſelbſt zu hoͤren. Und aus dieſen urſachen hatte er ſich / ihre ſinnen und gedan - ken auf ſie zuruͤkke zu wenden / bisher bemuͤhet; damit ſie ſich in ihr ſelbſten zu ſpiegeln anlaß bekaͤhmen. Ja nun trachtete er ſie gar aus ihrer gantzen geſelſchaft zu entfernen / und an einen ſolchen ort zu fuͤhren / da ſie noch weniger gelegenheit hetten auf ihn zuruͤkke zu pral - len. Die Jungfrau / ſagte er / hat im begin ihrer rede Fuͤrſt Potifars gedacht. Von dem habe ich auch in meinem Vaterlande gehoͤret. Er mus gewis ein großer man ſein / und bei dem Koͤnige in hohem anſehen.
B iijJa22Der AſſenatJa freilich iſt er / nahm ſie ihm das wort auf / ſo groß / daß er nach dem Koͤnige die dritte ſtelle beſitzet. Er iſt nicht allein der oberſte koͤnigliche Kuͤchenmeiſter / und der oberſte Halsrichter / den der Koͤnig uͤber alle gefaͤngnuͤſſe / ja uͤber leben und tod aller ſeiner untertah - nen zu walten und zu ſchalten geſetzt; wie ich zum teile ſchon geſagt: ſondern er iſt / auch ein Fuͤrſt aller fuͤrſten aus dem Rahte des Koͤniges. Er iſt der oberſte Haupt - man der gantzen Ritterſchaft / und des gantzen Reichs Mahrſchalk. Zu allen dieſen hohen wuͤrden hat ihn ſeine fuͤrtrefliche geſchikligkeit erhoben. Dan auſſer dem / daß ihn ſeine angebohrenheit mit den allerherꝛlichſten gaben / die ein ſolcher tapferer Fuͤrſt iemahls beſitzen mag / mildiglich ausgezieret / iſt er auch ſo gelehrt und erfahren in allen dingen / daß ſeine weisheit faſt unver - gleichlich. Dieſe ſo wohl goͤttliche als weltweisheit hat er in ſeinen jugendjahren von den Prieſtern zu Helio - pel eingeſogen. Da iſt er gebohren. Unter denen iſt er erzogen. Von denen hat er die kunde der Goͤttlichen ge - heimnuͤſſe / der verborgenheiten der Natur / und alle fuͤr - trefliche wiſſenſchaften erlanget. Mit denen hat er ſich in ihrer heiligen Sprache geuͤbet: welches ſonſt keinem auſſerhalb der Prieſterſchaft vergoͤnnet wird. Und eben daruͤm iſt er auch beſtimmet / nach des hochbejahr - ten Heliopoliſchen Ertzbiſchofs ableiben / dieſe hohe und heilige wuͤrde zu betraͤhten: zumahl weil er ein gebohr - ner und ſelbſt aus Koͤniglichem bluhte entſproſſener Fuͤrſt iſt. Hierzu kommet auch noch dieſes / daß er / wiewohl er im eheſtande lebet / itzund vor unfruchtbar geurteilet wird.
So hat er dan keine Leibeserben gezeuget? fiel ihr Joſef in die rede. Er hat zwar / fuhr die Jungfrau fort / bei der ein ſeiner Gemahlinnen zwei Kinder / ein Freulein / und ein junges Herꝛlein gehabt; davon dieſes erſt neulich geſtorben: aber nach der zeit iſt er / wieman23erſtes Buch.man ſaget / unfruchtbar worden. Das Freulein / wel - ches noch lebet / heiſſet Aſſenat: die der hochfuͤrſtliche Vater nicht lange nach ihrer gebuhrt den Goͤttern ge - heiliget; wie ihm der goͤttliche Ausſpruch befohlen. Woher und wie / fragte Joſef abermahl / hat man die - ſen Ausſpruch bekommen; und was hielt er eigendlich in ſich? Ich wil ihm alles / antwortete die Jungfrau / vom begin an erzehlen.
Potifar war ſchon etliche jahr verehligt geweſen: aber die Goͤtter hatten ſeine Gemahlin noch nie mit Lei - besfruͤchten geſeegnet: welches ihn ſehr ſchmertzete. Als ſie nun endlich / im fuͤnften jahre ihrer ehe / mit einem ſehr ſchoͤnen Freulein / naͤhmlich der unvergleichlichen Aſſenat / niederkahm; da war der hochfuͤrſtliche Va - ter ſo froh / daß er vor großen freuden nicht wuſte / was er beginnen ſolte. Erſtlich richtete er ein großes und ſehr koͤſtliches Kindermahl an. Darauf erſchien der Koͤnig / mit ſeiner Gemahlin / ſelbſten: welche dieſes neugebohrne Freulein / dem Vater zu liebe / vor ein Koͤ - nigliches Kind und eine Tochter des Reichs erklaͤhre - ten. Die fuͤrnehmſte Reichsfuͤrſten / ſamt des Koͤniges hohen Beamten / ſtelleten ſich gleicher geſtalt ein. Die - ſer tag war der froͤhlichſte / den ich meine lebetage geſe - ben. Alle freude / die man erdenken kan / war alda zu finden. Die ſchaͤllenſpiele klungen. Die ſeiten ſprun - gen. Die ſaͤnger ſungen. Die trompeter blieſen. Die pfeiffer pfiffen. Die reientaͤntze warden geſchwungen. Ja alles / was beweglich war / begunte vor freuden zu huͤpfen. Und dieſe uͤberſchwaͤngliche luſt waͤhrete vom mittage bis in die ſinkende nacht.
Acht tage nach ſolchem Fuͤrſtenmahle ſtellete der froͤhliche Vater auch ein Prieſtermahl an. Hierzu warden die fuͤrnehmſten Prieſter von Heliopel / ſamt dem Ertzbiſchoffe / geladen. Dieſer gab der jungen Aſſenat / nach ſo viel tauſend gluͤkwuͤndſchungen / dieB iiijman24Der Aſſenatman innerhalb zwoͤlf tagen dem Herꝛn Vater getahn / auch endlich den ſeegen. Er legte die hånde kreutzweiſe uͤber des Freuleins heupt / und ſprach: Der allerguͤh - tigſte Gott Oſiris ſeegne dich / und laße dich wachſen. Die allerliebſeeligſte Iſis / die zweifa - che Gottheit / gebe dir langes leben / geſundheit / wohlluſt und freude. Ja alle Goͤtter des Him - mels und der erde wollen alle wuͤndſche / die dei - nem Vater / dir zu liebe / geſchehen / aufs beſte erfuͤllen. Du heiſſeſt Aſſenat. Ja ſchoͤne heiſtu. Schoͤne wirſtu ſein an deinem leibe: daruͤm wer - den dich lieben die Fuͤrſten. Die Gewaltigen werden dich ehren. Schoͤne wirſtu ſein an deiner ſeelen: daruͤm werden dich lieben die Goͤtter. Der Himmel wird dich ehren. Nach volziehung dieſes ſeegens ſetzte ſich der Ertzbiſchof / ſamt der anwe - ſenden Prieſterſchaft / zur tafel: welche ſchon gedekt / und mit koͤſtlichen ſpeiſen beſetzt ſtund. Dieſes Prie - ſtermahl ward eben ſo froͤhlich / als jenes / volzogen.
Nachdem nun ſolche algemeine freude vorbei war / entſchlos ſich Potifar die Goͤtter zu fragen: wie man dieſes Freulein am beſten erziehen / und was es endlich vor ein gluͤk haben ſolte? Die Goͤtter wa - ren uͤber vier jahr mit der Aſſenat / ſie im mutterleibe zu bilden / geſchaͤftig geweſen / ehe ſie dieſelbe zur ausge - buhrt kommen laßen. Daruͤm war der frohe Vater in alwege neugierig zu wiſſen / was doch aus einem ſol - chen Kinde werden wuͤrde. Und dieſe neugierigkeit trieb ihn ſo an / daß er ſich / ſtraks nach der entſchlieſ - ſung / ſamt der Aſſenat / wiewohl ſie nur drei wochen alt war / als auch ihrer Amme / nach Heliopel begab. So bald er in dieſer heiligen ſtadt / dem Ertzbiſchof - lichen ſitze des gantzen Koͤnigreichs / angelanget / konte er kaum ſo lange warten / bis der Ertzbiſchof ſich ange - kleidet / mit ihm in das Heiligtuhm der Sonne zu ge -hen.25erſtes Buch.
26Der Aſſenathen. Alhier war es / da man das Freulein Aſſenat vor dem Sonnenbilde niederlegte. Der Ertzbiſchof taͤht erſt ſein gebeht. Darnach traht er zu einem Bekken; welches vor dem Sonnenbilde mit Nielwaſſer gefuͤllet ſtund. Alda ſprach er etliche beſchwoͤrungs worte: und Potifar ſelbſt taͤht ſeine itztgemeldte zweifache frage. Straks hierauf begunte ſich das waſſer zu bewegen. Es ſprang wållen - oder vielmehr huͤgel-weiſe in die hoͤ - he. Das war ein zeichen / daß die Gottheit ſich / die fra - ge zu beantworten / hinein begeben. Darnach drehete ſich das waſſer / als in einem kreuſe / heruͤm. Endlich hoͤrete man ein dunkeles ziſchen / mit einer gleichſam liſpelnden ſtimme: daraus man dieſe worte gantz ei - gendlich vernehmen konte.
Weil nun Potifar dieſe des Sonnengottes Aus - ſprache nicht eigendlich verſtehen konte; ſo ging er mit dem Ertzbiſchoffe eine guhte weile daruͤber zu rahte. Im erſten reimbande war ſeiner frage voͤrderſtes teil zwar deutlich genug beantwortet: naͤhmlich daß er ſeine Freulein tochter alſobald dem Sonnengotte heiligen ſolte. Aber wie und auf waſſerlei weiſe ſolches begehret wuͤrde / war nicht angedeutet. Doch machte er dieſen ſchlus. Weil er ſelbſt gefraget / wie man das Freulein Aſſenat am beſten erziehen ſolte? daß des Sonnen - gottes meinung ſei / daß ſie zu Heliopel / in der Son - nenſtadt / weil er alda ſein Heiligtuhm und wohnung hette / muͤſte erzogen / und in ſolcher erziehung / gleich - ſam von der Welt abgeſondert werden.
Schweerlich konte Potifar ſich hierzu entſchlieſſen. Schweerlich konte er ſo gar bald von ſeiner lieben Toch -ter27erſtes Buch.ter ſcheiden: daruͤm er die Goͤtter / ehe er ſie erlanget / mit ſo viel tauſend ſeufzern / ſo lange zeit angefloͤhet. Doch weil der Sonnengott ſelbſt / der das Auge der gantzen welt iſt / welches alles ſiehet / ein vaͤterliches au - ge auf ſie zu haben ſich gleichſam erklaͤhret; ſo gab er ſich endlich willig darein / ſie aus ſeinen augen zu las - ſen. Ja ſolches taͤht er uͤm ſo viel williger; weil er hof - nung hatte in kurtzer zeit ſelbſt zu Heliopel zu wohnen. Dan der Ertzbiſchof / ſprach er bei ſich ſelbſt / iſt ſchon ſo hoch bealtert / daß er nicht lange mehr leben kan. So bald er ſtirbet / komme ich in ſein Ertzbiſchoftuhm / und dan zugleich wieder zu meiner Tochter. Hierauf fragte er den Ertzbiſchof: wo / oder wem er ſeine Toch - ter / damit ſie den Goͤttern gebuͤhrender maßen moͤchte geheiliget werden / hinterlaßen ſolte? Dieſer gab ihm zur antwort: Er kan ſie auf der Sonnenburg laßen / wel - che alda gerade gegen meinem ſchloſſe uͤber lieget. Und hiermit taͤht er das Fenſter auf / und zeigte ſie dem Po - tifar. Sie ſtehet doch / fuhr er fort / ohne das ledig. Aſſenat kan ſie / mit ihrem Frauenzimmer / wohl be - wohnen.
Wer war froher als Potifar / als er von der Son - nenburg hoͤrete. Dieſe war vor ſeine Tochter die rech - te wohnung: welche die Goͤtter durch den nahmen ſelbſt darzu beſtimmet / und eben unbewohnet gelaßen zu haben ſchienen. Alda konte ſie uͤberaus wohl von der welt abgeſondert leben / und wan ſie erwachſen / unge - hindert den Goͤttern dienen. Dan ſie iſt rund heruͤm mit zimlich großen gaͤrten und vorhoͤfen uͤmgeben: und dieſe ſeind mit einer hohen und ſtarken mauer uͤm - zogen; durch welche vier tohre / mit eiſernen tohr - fluͤgeln / nach der Burg zu gehen. Und alſo kan Aſſe - nat von keinem menſchen in ihrer Gottesfurcht ge - ſtoͤhret werden; weil niemand einiger zugang ver - goͤnnet.
Auf28Der AſſenatAuf dieſe Burg ward dan Aſſenat / mit ihrer Am - me / von ſtunden an gebracht. Auch lies man ſtraks alle zimmer mit koͤſtlichen prunktuͤchern auszieren / und mit andrem haus - und zier-rahte uͤberflieſſig verſe - hen. Potifar hatte beſchloſſen / daß kein einiges mans - bild / ſo lange ſich Aſſenat alda aufhalten wuͤrde / auf dieſe heilige Burg / kommen ſolte. Daruͤm muſte ſie von lauter weibesbildern bedienet werden. Zur kuͤche / zum keller / und andern dergleichen dingen / ja ſelbſt zum anbau und wartung der Gaͤrte / beſtellete man nie - mand anders / als weibesvolk. Nur allein die tohre warden / ein iedes / achtzehen geharnſchten Kriegs - knechten zu bewachen anvertrauet. Doch ſolte kei - ner das hertz haben durch dieſe tohre hinein zu traͤh - ten. Und ſolches alles geboht und verboht er bei leibes - ſtrafe. Damit aber die nunmehr geheiligte Aſſenat auch einige geheiligte Spielgeſelſchaft haben moͤchte / ſo lies Fuͤrſt Potifar ſieben Toͤchterlein / welche mit ſeiner Freulein tochter in einer nacht gebohren / und aus anſehnlichen geſchlechtern entſproſſen / hier und dar aufſuchen. Dieſe alle warden / mit ihren Ammen / eben - maͤßig auf die Sonnenburg gebracht. Alda ſolten ſie mit der Aſſenat erzogen / und kuͤnftig / wan ſie erwach - ſen / zu ihren Stahtsjungfrauen gebraucht werden.
Nunmehr haben ſie alle / die Fuͤrſtin / und ihre ſieben Spiel - oder Kammer-jungfrauen / beinahe das neunde jahr erreichet. Und eben ſo lange ſeind ſie auf dieſer heiligen Burg geweſen. Vor ohngefaͤhr vier jahren hat man ihnen eine Lehr - und Hofmeiſterin zugeordnet. Dieſe iſt eine ſehr verſtaͤndige und tugendvolkommene Frau / aus einem vornehmen adlichem geſchlechte. In ihrer jugend hat man ſie in aller Egiptiſchen weisheit / ſonderlich die den Gottesdienſt angehet / unterwieſen: und hierinnen unterweiſet ſie wieder die junge Fuͤrſtin Aſſenat / mit ihren ſieben Geſpielen.
Es29erſtes Buch.Es ſeind keine ſechs wochen verlauffen / da ſic die Koͤ - nigliche Fuͤrſtin Nitokris / als der Aſſenat nahe Bluhtsverwantin / die ich ſelbſten begleitet habe / beſuch - te. Ich hatte viel von dieſer jungen Fuͤrſtin unver - gleichlicher ſchoͤnheit und wunderwuͤrdigen geſchiklig - keit gehoͤret. Daruͤm war ich ſo luͤſtern ſie zu ſehen / daß ich meine gnaͤdigſte Fuͤrſtin inſtaͤndig anfloͤhete / mich vor andern mit zu nehmen. Und alſo ſahe ich das ſchoͤne Wunder / das Bild aller tugend und zierligkeit. Ich hatte mir zuvor niemahls einbilden koͤnnen / daß ſie ſo gar ſchoͤne ſei / als der gemeine ruf ging. Aber nun be - fand ich in der taht / daß man ihr nicht zuviel / aber wohl viel zuwenig Schoͤnheit zugeſchrieben. Darauf ſtraks im erſten anblikke mein auge fiel / das waren ihre Augen. Darinnen vergafte und vertiefte / ja verirrete ſich mein auge dermaßen / daß es ſich daraus ſo bald kei - nes weges zuruͤk finden / noch daran ſat genug ſehen konte. Dieſe allerſchoͤnſten aͤugelein / dieſe kleine ſon - nen verurſachten / ſo waren meine blikke in ihren blitz - lenden flaͤmmelein verwuͤrret / daß ich meiner augen ei - ne lange weile nicht ſo viel maͤchtig ſein konte / die uͤbri - gen leibesglieder dieſes unvergleichlichen Engelbildes an zu ſchauen. Ja es waren / durch dis liebeflinkern / ſelbſt alle meine ſinnen ſo gar aus mir herausgeruͤkt / und ſo tief in dis karfunkellicht entzuͤkket / daß ich an - fangs ihre ſo klahre / ſo reine / ſo lieb - und hold-ſeelige ſprache nicht hoͤrete. Je laͤnger ich der ſchoͤnſten Aſ - ſenat aͤuglein betrachtete / ie mehr ich veraͤnderungen ihrer blikke fand. Und ein blik war immer ſchoͤner / als der andere: einer war immer lieblicher / als der ande - re: einer war immer ſanfter / als der andere. Endlich kahmen die hertzentzuͤkkenden hauffenweiſe herausge - drungen / ja geſchoſſen. Dieſe waren ſo uͤberaus ſcharf / und ſo maͤchtig / ja ſo durch alles hindringende / daß das ſtaͤrkſte hertz ſelbſten ſich ihrer nicht zu erwehren ver -mochte.30Der Aſſenatmochte. Ja ich laße mich leichtlich bereden / daß ſich der allerſchlaueſte und allerbehaͤndeſte vor ſolchen ſo tauſen - terlei bewegungen nicht genug huͤhten ſolte. Doch was wil ich viel ſagen / eine einige bewegung ihrer ſuͤßen eng - liſchen Euglein bewog mehr / als tauſend anderer auch wohl der ſchoͤnſten menſchlichen augen. Ja ſie hatte nicht noͤhtig / iemandes gunſt zu gewinnen / den Limi - ſchen Bilderſtein Hajaracht zu tragen.
Als ich mich nun endlich aus den ſtrahlen oder viel - mehr ſchleifſtruͤkken und dohnen dieſer wunderſchoͤnen Eugelein loß gemacht: da lies ich meine durch jene ent - zuͤndeten blikke auf das allerlieblichſte Roͤſelein ihres zahrten Mundes fliegen / ſie durch deſſen zukkerſuͤßen ho - nigtau / wieder ab zu kuͤhlen. Alda ward nicht nur mein auge / ſondern auch mein ohr entzuͤkt. Ja mein mund ſchlos ſich vor ihrem zu: und meine zunge machte die ihrige verſtummet. Ich ſahe die lieblich - und lebendig - ja hoch-rohten Lippen: die als ein anmuhtiges Zukkerroͤſe - lein / zwiſchen dem angenehmen hochweiſſem ſchnee ihrer liljenhaut herfuͤrblinkten. Ich ſchauete mit verwunde - rung an / wie ſie dieſelben ſo ahrtig / ſo zierlich zu bewe - gen wuſte. Ich hoͤrete / wan ſie ſich / in ſolcher wohl - anſtaͤndigen bewegung / auftaͤhten / eine recht Engliſche ſtimme. Ja / woruͤber ich gar beſtuͤrtzt ward / ich ver - nahm / aus ihren ſuͤßen und zugleich majeſtaͤhtiſchen re - den / einen hohen verſtand / eine gantz durchdringende kraft der vernunft und ſinnen. Ich wuſte nicht / ob ich einen Menſchen / ein Frauenzimmer / oder einen Halb - engel ſprechen hoͤrete: oder aber ob es gar ein volkomme - ner Engel ſei / der ſeinen himmel verlaßen / uns gebrech - lichen menſchen ſeine himliſche volkommenheit blik - ken zu laßen. Ich ſahe die Wunderfuͤrſtin zwar eu - ſerlich vor ein Freulein von acht jahren an. Und das war ſie auch. Mehr jahre hatte ſie nicht. Aber wan ich ſie innerlich betrachtete / wan ich ihren fuͤrtrefli -chen31erſtes Buch.chen verſtand / in ihrer rede / hoͤrete / und in ihren ſo uͤberaus hertzentzuͤkkenden gebehrden erblikte; ſo wuſte ich nicht / was ich von ihr urteilen ſolte. Ich muſte geſtehen / daß ihre achtjaͤhrige jugend ſo manches zwanzig-ja dreiſſig jaͤhriges alter uͤbertraf. Ich muſte bekennen / daß ſie / ſo jung als ſie war / eben ſo reif am verſtande ſei: und daß ſie dadurch ein volwachſenes Frauenzimmer beſchaͤhmete. Ich muſte / dan anders konte ich nicht urteilen / ſo hochvernuͤnftig fuͤhrete ſie ihre reden / daß in der gantzen welt kein Frauenzim - mer zu finden / das weiſer ſei / oder nur an weisheit ihr gliche. Es war mit luſt an zu ſehen / es war mit ergetz - ligkeit an zu hoͤren; wie ſie meine Fuͤrſtin ſo gar hoͤflich / ſo uͤberausliebſeelig / und mit ſo ſehr fuͤglich angebrach - ten worten empfing. Ein iedes wort hatte einen ſonder - lichen nachdruk. Kein einiges ward leer ausgeſprochen. Nicht eines war uͤberfluͤßig. Alle miteinander ziereten ihre rede ausdermaßen / ja ſo / daß nicht eines konte entbehret werden. Und es ſchien / daß ſie zuvor alle und iede auf der goldwage ihres verſtandes abgewogen / ehe ſie eines darvon uͤber die behaͤnde zunge herausſchieſſenlies.
Wir verharreten bei ihr drei tage. Dieſe drei tage kahmen uns kuͤrtzer vor / als drei vierteilſtunden an un - ſerm hofe. Dan dieſe zeit uͤber hielt ſie uns / ſo lange der tag waͤhrete / auch wohl zu weilen ſchier eine halbe nacht / fort und fort geſelſchaft. Der tag war kaum an - gebrochen / verlangte meine Fuͤrſtin ſchon die ſchoͤne Aſ - ſenat zu ſehen: welche auch ihr zu liebe fruͤher auf - ſtund / als ſie ſonſt gewohnet. Dan dieſe zwo Fuͤrſtin - nen liebeten einander dermaßen / daß keine der andern in der liebe nachgab. Und ob ſie ſchon ſo ungleiches al - ter hatten / indem Nitokris bei ſechs jahren aͤlter war / als Aſſenat; ſo ſchienen ſie gleichwohl eine ſeele zu ſein. Ihre hertzen hatten ſich gleichſam ſo zuſammen - verbunden / daß eine ohne die andere kaum leben konte.
Ni -32Der AſſenatNitokris wuͤndſchte wohl tauſendmahl / daß Aſ - ſenat an unſerem hofe / und in ihrem zimmer wohnen moͤchte. Und Aſſenat wuͤndſchte / daß Nitokris auf der Sonnenburg bleiben muͤſte. Aber alle dieſe wuͤnd - ſche waren vergebens. Es muſte doch endlich geſchieden ſein. Wir muſten wieder nach Memfis: und Aſ - ſenat muſte zu Heliopel bleiben. So hatte es das un - uͤmgaͤngliche verhaͤngnuͤs der Goͤtter verſehen. So wol - te es Nefrem / und Potifar haben. Jener ſchrieb al - le tage / daß wir wieder nach hofe kommen ſolten: dan er konte kaum einen tag ohne die Koͤnigliche Fuͤrſtin leben / ſo hertzlich lieb war ihm ſeine Tochter. Dieſer hatte ein unveraͤnderliches geluͤbde getahn / daß Aſſe - nat nicht eher von der Sonnenburg kommen ſolte / als bis es den Goͤttern ſelbſt beliebte / ſie / durch den Fremdling / in deſſen armen ſie liegen ſolte / von dannen abhohlen zu laßen. Und daruͤm durfte ſie nicht von dannen. Sie muſte bleiben / wohin ſie ihr Herꝛ Vater gleichſam verſchloſſen.
Alhier bei dieſen letzten worten / erkuͤhnete ſich Joſef / der Hofjungfrau in die rede zu fallen. Aber / fragte er / was vor eine deutung ſchlos Potifar aus dem andern teile des Goͤttlichen Ausſpruches? Davon hat die Jungfrau noch keine meldung getahn. Ich zweifele nicht / Potifar / der in der Egiptiſchen ſo wohl goͤttli - chen / als weltlichen weisheit / wie ſie vorhin ſelbſt ſagte / erfahren iſt / werde deſſelben auslegung auch eben ſo nahe / als des erſten / getroffen haben. Und was ihm darinnen gemangelt / hat vielleicht der Ertzbiſchof ſelb - ſten / als ein alter / in dergleichen dingen lange geuͤbter und hocherfahrner Herꝛ / ohne ſonderliche muͤhe / die wahrheit errahten koͤnnen.
Auf dieſe reden gab die Hofjungfrau zur antwort: ſie hette von ihrem gnaͤdigſten Fraͤulein gehoͤret / daß ſo wohl der Ertzbiſchof / als Fuͤrſt Potifar ſelbſten / dieletz -33erſtes Buch.letzten drei reimbaͤnde alſo ausgeleget. Naͤhmlich / daß auf eine gewiſſe zeit / welche die Goͤtter ihrer al - wiſſenheit allein vorbehalten / und alſo nicht nennen wollen / da der Niel zwanzig ellen hoch / das iſt auf das hoͤchſte / gewachſen / ein Fremder auslaͤndiſcher Herꝛ der Aſſenat wuͤrde vermaͤhlet werden. Und dieſer Herꝛſolte / uͤm der Aſſenat willen / von den Egiptern / weil ſie aus ihnen entſproſſen / und er ſelbſten ſie mit ſeiner bered - ſamkeit an ſich ziehen wuͤrde / ſo wohl / als Aſſe - nat / ſehr hoch geehret werden.
Wie verhelt es ſich eigendlich / fragte Joſef aber - mahl / mit dem anwachſe des Niels? Ich habe viel darvon / aber noch nie die rechte beſchaffenheit gehoͤret. Man hat mich berichtet / daß es in Egipten / ſonder - lich uͤm Memfis heruͤm / niemahls regnet: daher das erdreich ſo austruknete / daß es an vielen enden ſich ei - ner manslaͤnge tief voneinander ſpaltete; und wo es von menſchen oder vieh betraͤhten wuͤrde / vielmahls einen ſo dikken ſtaub von ſich gebe / daß er ſchier die gan - tze luft verfuͤnſterte / und den reiſenden ſehr beſchweerlich fiele. Aber die Goͤttliche vorſehung were dieſem unhei - le / damit es das gantze Egipten nicht als zu einer ſtaubſee machte / zu vorkommen. Sie hette den mangel des regens / durch den auf - und uͤber-lauf des Niels / reichlich erſtattet. Sie hette verſchaffet / daß dieſer flus alle jahr einmahl / und zwar in der duͤrreſten zeit / uͤber - lauffen / und alſo das erdreich befeuchten / ja durch den aufgefuͤhrten fetten ſchlam gleichſam miſten / und zum akkerbaue geſchikt machen muͤſte. Wie es nun mit die - ſem auf - und uͤber-lauffe des Niels eigendlich zugehet / iſt mir nicht erzehlet. Daruͤm verhoffe ich ſo bittſeelig zu ſein / daß ich ſolches aus ihrem leutſeeligen und ver - ſtaͤndigen reden ſchoͤpfen moͤge. Und daſſelbe verlange ich uͤm ſo viel mehr zu wiſſen; damit ich gruͤndlich ur -Ctei -34Der Aſſenatteilen koͤnne / ob die erzehlte auslegung des Goͤttlichert ausſpruches in allen ſtuͤkken / dem eigendlichen verſtan - de nach / getroffen ſei. Dan ich laße mich beduͤnken / daß gemelte Erklaͤhrung vom dem wahren und rechtem grundziele zimlich weit abweichet / und es nur ſeitwaͤrts und nebenhin beruͤhret.
Die Jungfrau war uͤber dieſen reden ſehr erfreuet. Ja ſie verlangte gleichſam mit ſchmertzen / eine neue und naͤhere Erklaͤhrung der dunkelen worte des Goͤtt - lichen ausſpruches zu vernehmen. Was vor einen an - genehmen dienſt / dachte ſie bei ſich ſelbſt / werde ich der Koͤniglichen Fuͤrſtin tuhn / wan ſie dieſelbe aus mei - nem munde wird erzehlen hoͤren. Was vor einen lie - ben dank werde ich bei der liebreichen Aſſenat erwer - ben / wan meine feder ihr ſolches offenbahren wird. Ja mit was vor gnaͤdigen anblikken wird Fuͤrſt Potifar ſelbſten mir begegnen: und was vor eine gnaͤdige Frau werde ich wohl an der Fuͤrſtin Toote / des Freuleins Aſſenat Frau Mutter / bekommen; wan ich ihnen die - ſes werde erzehlen muͤſſen. Dan ich weis / die Koͤnig - liche Fuͤrſtin wird nicht lange ſchweigen koͤnnen. Sie wird es der Fuͤrſtin Toote bald offenbahren; ſonder - lich wan dieſes ſchoͤnen Juͤnglings neue Erklaͤhrung der Aſſenat ein groͤſſeres gluͤk / wie ich verhoffe / als die erſte / verheiſſet. Ohne zweifel wird ſie es tuhn. Oh - ne zweifel ſtekt was großes darhinter. Ich ſehe es die - ſem ſchoͤnen Juͤnglinge an den augen an. Und daruͤm wil ich ihm uͤm ſo viel lieber wilfahren. Daruͤm wil ich ihm alles eroͤfnen / was ich weis; und ſolches bald bald.
Wohlan dan / ſagte ſie zum Joſef / weil er das vertrauen zu meiner wenigen wiſſenheit traͤget / daß ſie ihm mehr als ihm bewuſt iſt / wiewohl ich aus ſeinen reden ſehe / daß er ſchon viel weis / zu offenbahren ge - ſchikt ſei; ſo wil ich ſeine bitte vor einen befehl anneh -men /35erſtes Buch.men / und dieſem zur ſtunde gehohrſamlich nachleben. Ich bin nur eine einfaͤltige Jungfrau. Ich bin nicht geſchikt meine reden ordentlich vor zu bringen. Darzu weis ich ſehr wenig. Doch was ich weis / wil ich alles entdekken: und geſchiehet ſolches ſchon durcheinander verworfen; ſo laße ich mich doch damit vergnuͤgen / daß ich ſeinem befehle ſo guht / als ich kan / gehorche. Sein verſtand wird das verworfene ſchon ordentlicher ent - werfen. Seine geſchikligkeit wird das verworrene ſchon auseinander entwuͤrren. Und ſeine ſcharfſinnigkeit wird aus meiner undeutlichen rede gleichwohl den rech - ten ſin und die rechte bedeutung zu ziehen wiſſen.
So bald der liebliche Mei - oder Roſen-mohnd vor - bei iſt / und der ruͤkgaͤngige Kraͤbs / im Liljenmohnde / die Sonne von ihrer hoͤchſten ſtraße / wieder nach unten zu / gleichſam kraͤbs - oder ruͤk-gaͤngig gemacht: dan faͤl - let in der nacht uͤber das Erdreich alhier ein fruchtbah - rer Tau. Dieſer wird zwar des tages / der großen duͤrre wegen / nicht vermaͤrket: doch gleichwohl iſt er ein gewiſ - ſes zeichen und ein unfehlbarer vorbohte des im wachs - tuhme begriffenen Nieles. Auf den ſechs oder ſieben und zwanzigſten tag des Kraͤbs - oder Liljen-mohndes faͤnget ſich dieſes wachſen bei uns gemeiniglich an. So lange die Sonne im Kraͤbſe bleibet / wird der anwachs zwar noch wenig geſpuͤhret. Etwan zwee oder drei fin - ger breit hoch erhoͤbet ſich der Niel auf ieden tag. Wan ſie aber in den Leuen trit / und der Hundesſtern aufge - gangen / dan ſteiget er immer hoͤher und hoͤher. Dan waͤchſet er erſt einen halben fuß / darnach eine ſpanne: endlich gar eine elle / und ſo fort zu zwoͤlf / vierzehen / ſech - zehen / ja aufs hoͤchſte zu zwanzig ellen zu: welches aber gar ſelten / und nur zu unſrem ſchaden / ſonderlich wan er ſolche zwanzig ellen noch uͤberſchreitet / geſchiehet. Wan er nicht hoͤher als zwoͤlf ellen waͤchſet / wie es zu weilen ſich zutraͤgt; dan hat man ein mis - und hungers -C ijjahr36Der Aſſenatjahr zu gewarten. Waͤchſet er dreizehen ellen hoch / dan bringet er wohl etwas / aber noch wenig fruchtbarkeit mit ſich. Wan er aber vierzehen ellen erreichet / macht er das gantze Egipten / durch die hofnung einer reichen aͤrnte / froͤhlich. Komt er auf funfzehen ellen in die hoͤhe / ſo verheiſſet er uns getreidigs volauf. Ja wan er noch eine elle hoͤher ſteiget / dan haben wir aus einer mehr als reichen aͤrnte / allerlei wohlluſt / und einen milden uͤber - flus aller dinge zu gewarten. Seine hoͤchſte hoͤhe hat er gemeiniglich / wan die Sonne mitten im Leuen iſt. Als - dan ſtehen alle laͤnder und aͤkker mit waſſer uͤberſchwaͤm - met. Und alſo traͤnket er das erdreich / wan es am dur - ſtigſten iſt. Alſo machet er es fet / wan es am mager - ſten iſt. Ja er traͤnket es ſo wohl / und macht es ſo fet / daß es ein gantzes jahr genug hat. Von dieſer zeit an beginnet er wieder zu fallen: aber viel viel langſamer / als er geſtiegen. Dan er bleibet faſt in derſelben hoͤhe / bis die Sonne in die Jungfrau gehet. Da ſinket er al - gemach / und lauffet von den laͤndern mehr und mehr ab. Um das ende des herbſtmohndes / wan die Sonne in der Wage ſtehet / iſt er erſt volkoͤmlich von den aͤkkern abgelauffen / und wieder in ſein eigenes ufer gefallen. Und alſo pfleget der Niel / wie er nach dem laͤngſten tage zu ſteigen begonnen / erſt recht von den feldern in ſeinem buſem gefallen zu ſein / wan man im herbſte tag und nacht gleich geſehen. Alsdan wird / nicht lange darnach / in den feuchten ſchlam / damit er das erdreich gleichſam uͤbertuͤnchet / und alle aufgeſpaltene ritzen ge - fuͤllet / der ſamen ausgeſaͤet. Nach dieſer ſaatzeit / die gemeiniglich mit dem weinmohnde zu ende leuft / ſtehet gleichwohl der Niel in ſeinem buſen noch ſehr hoch; und verharret in ſolchem ſtande faſt den gantzen win - ter durch. Darnach beginnet er immer mehr und mehr zu fallen. Und dieſes fallen waͤhret bis zum ausgange des Roſenmohndes im folgenden jahre / ja oftmahlsnoch37erſtes Buch.noch laͤnger / naͤhmlich ſo lange / bis der neue anwachs ſeinen anfang gewinnet.
Aber woher entſpringet der Niel? fragte Joſef noch weiter: und wie komt es / daß er eben mitten im ſommer / da man die groͤſte hitze hat / da es / in den mei - ſten laͤndern / am wenigſten regnet / und die luft / ſamt dem erdreiche / ſonderlich in Egipten / am duͤrreſten und trukneſten iſt / ſo hoch / ja ſelbſt oftmahls zu zwan - zig ellen zu / und druͤber / in die hoͤhe ſteiget / und viel uͤmliegende laͤnder weit und breit uͤberſchwaͤmmet? Es muͤſſen ohne zweifel uͤm dieſe zeit daſelbſten / da er ſeinen uhrſprung gewinnet / nach der ſonderlichen beſchaffen - heit deſſelben luftſtriches / große ſchlag - und platz-regen ſich niederſtuͤrtzen. Auch kan es wohl ſein / daß alda große und hohe gebuͤrge / mit ſchnee uͤberdekket liegen: welcher ſchnee von der großen ſonnenhitze uͤm dieſe jahrs - zeit ſchmaͤltzet / und den Niel / ſonderlich wan gemelte ſtuͤrtzregen darzu kommen / ſo jaͤhligen und ſo uͤber die maͤße ſchwaͤngert. Sonſten kan ich nicht begreiffen / wo eine ſolche maͤnge waſſers ſo eilend und ſo gar ploͤtzlich herkommen ſolte: ſonderlich weil es hier zu lande das gantze jahr durch gar nicht / als nur nahe bei der ſee ſehr wenig zu regnen pfleget.
Hierauf gab die Jungfrau zur antwort: dieſe beide fragen zu eroͤrtern befindet ſich meine wiſſenſchaft zu klein / meine kuͤndigkeit zu ſchlecht. Sie handeln von ſolchen dingen / die ſich auſſerhalb Egipten begeben. Die ſeind meinem verſtande fremde. Gleichwohl wil ich ihm auch von dieſen fremden dingen etwas / ja ſo viel als mir bewuſt iſt / entdekken.
Ich weis mich noch wohl zu beſinnen / was der Ertz - biſchof von Heliopel / als er mit der Koͤniglichen Fuͤr - ſtin / dieſer ſache wegen / voretlichen Wochen ſprache hielt / hiervon geurteilet. Naͤhmlich daß der Niel aus dem abendteile des Koͤnigreichs Gojam / im ReicheC iijder38Der Aſſenatder Abiſſiner oder weiſſen Mohren gelegen / ſeinen uhr - ſprung hette. Alda lieſſen ſich / im lande Sakela / auf einem ſehr breiten huͤgel eines tahles / welches rund heruͤm mit hohen bergen uͤmgeben / zwee Brunnen ei - nen ſtemwurf voneinander erblikken: welche man ge - meiniglich des Niels augen zu nennen pflegte. Dieſe Brunnen / wiewohl der gantze huͤgel inwendig vol waſ - ſers were / davon auch ſeine gantze flaͤche vielmahls uͤber - aus zitterte und boͤbete / lieffen gleichwohl nicht uͤber. Aber ihr waſſer ſtuͤrtzte ſich mit großer gewalt unten am fuße des berges heraus. Alda wuͤrde er zu einem fluſſe: welcher mit vielen anderen fluͤſſen hier und dar vermehret / durch unterſchiedliche laͤnder und Koͤnig - reiche / mit vielen krummen buchten heruͤm ſchweiffete / und endlich nach Egipten zu ſeinen ſtrohm fortſetzete.
Woher aber dieſes Waſſer / fuhr der Biſchof fort / davon das eingeweide des berges / ſamt ſeinem gantzen bauche / vol iſt / und unſer Vater Niel entſpringet / in gemelte zwee brunnen komme; hiervon walten unter den Naturkuͤndigern unterſchiedliche meinungen. Ich wil allein die meinige beibringen. Weil dieſelbige ge - gend / da man ſagt / daß ſich des Niels brunnen befin - den / uͤberal mit ſehr hohen bergen uͤmringet iſt; ſo hal - te ich darfuͤr / daß vom hange ſolcher berge das regen - waſſer ſo wohl / als der zerſchmoltzene ſchnee / in das tahl herunter ſchieſſet / und unter der gemelten breiten huͤgel - flaͤche ſolches gewaltiggroße gewiſſer verurſachet. Zu - dem kan es auch wohl ſein / weil faſt das meiſte Moh - renland vol dergleichen verborgener waſſerhoͤhlen ſein ſol / daß einer oder mehr fluͤſſe / unter der erde hin / von den Mohnbergen oder anderswoher / da ſich vom ge - buͤrge viel waſſers ſamlet / in mehr beruͤhrten Sakeli - ſchen berg gefloſſen kommen / und ſein eigenes waſſer dermaßen heuffen / daß der maͤchtige Vater Niel dar - aus entſtehet.
Daß39erſtes Buch.Daß aber Fluͤſſe unter der erde gefunden werden / iſt nichts neues. Helikon / ein fllus in Mazedonien / nachdem er einen guten ſtrich uͤber der erde hin gefloſſen / ſtielet ſich gleichſam / oder kreucht in dieſelbe hinein / und ſchieſſet ſo lange unter ihr hin / bis er / uͤber zwanzig Griechiſche meilen / ſich wieder heraus begiebet. Mehr dergleichen beiſpiele beizubringen iſt unnoͤhtig. Dis ei - nige ſey uns vor dieſes mahl genug.
Wan nun auf dem Sakeliſchen gebuͤrge / als auch auf den Mohnd - und anderen bergen / in den heiſſen ſommertagen / da zugleich auch in ſelbigen gegenden uͤberaus große ſchlagregen fallen / der ſchnee von der hitze der ſonne zerſchmeltzet / und das ſchneewaſſer / ſamt dem platzregenwaſſer hauffenweiſe nach den Niels - brunnen zugeſchoſſen kommet; ſo kan daraus anders nichts folgen / als daß der Niel ſteigen / und endlich uͤber - lauffen mus. Hierzu kommen auch die Hundeswinde / welche ſeinen ſtrohm / ſonderlich bei uns / zuruͤkhalten / und auftreiben; ja zugleich mit veruhrſachen / daß der Niel in unſerem Reiche etliche tage ſpaͤter ſteiget und uͤberleuft / als an denen oͤrtern / da er ſeinen uhrſprung / aus ſo vielem herzuflieſſendem gewiſſer / gewinnet.
So viel und mehr nicht habe ich von des Ertzbiſchofs reden / die er gantz weitleuftig ausfuͤhrete / behalten. Es waren dinge / daruͤm ſich das Frauenzimmer ſonſt we - nig bekuͤmmert. Es waren ſachen / die wir den gelehr - ten an zu maͤrken / und zu eroͤrtern befehlen. Sie gehen uͤber unſern verſtand / uͤber unſern beruf / uͤber unſere gefliſſenheit; die ſich ſo hoch nicht verſteigen. Daruͤm habe ich ſie bloß mit einer uͤberhinfliegenden achtloßheit angehoͤret. Iſt mir nun im nacherzehlen einiger irtuhm entſchoſſen / ſo wird er es mir verhoffendlich nicht ver - uͤbeln.
Aber wir ſchweiffen von unſerem hauptziele zu weit ab. Ich trage verlangen ſein urteil uͤber obgedachte Er -klaͤh -41erſtes Buch.klaͤhrung des Goͤttlichen ausſpruches / oder vielmehr ſeine eigene neue zu vernehmen. Die zeit entſchießt uns unvermaͤrkt: und die ſtunde iſt ſchon da / die mir zu ſcheiden gebietet. Mich deucht / ich ſehe meine Fuͤrſt in mir einen wink geben. Mich duͤnkt / ich hoͤre / daß ſie nach mir fraget. Daruͤm / kan ich bei ihm auch ſo bit - ſeelig ſein / wie er bisher bei mir geweſen; ſo laße er ihm doch bald belieben / mein kuͤhnes anmuhten zu ver - gnuͤgen.
Joſef / der lieber reden hoͤrete / als ſelbſt redete / fing endlich ſolcher geſtalt an. Ich bin der Jungfer einen nicht geringen dank ſchuldig. Die ſchuld / damit ſie mich ihr verhaftet gemacht / kan ich ſchweerlich bezah - len. Mein vermoͤgen iſt zu ſchlecht. Alles iſt arm / was an mir iſt. Die armuht iſt mein reichtuhm. Aber da - mit iſt niemand gedienet. Damit kan ich nicht bezah - len / was ich ihr vor ihre gehabte muͤhe / die ich ihr ſelb - ſten gemacht / zu bezahlen verpflichtet bin. Doch gleich - wohl wil ich das haͤllerlein meiner armuht gegen ihren dargereichten goldguͤlden ſetzen. Ja ich wil das ſand - koͤrnlein meines verſtandes gegen den berg ihrer ſcharf - ſinnigkeit auf die wage legen. Sie wil es doch nicht an - ders haben. Sie gebietet: ich mus gehorchen. Und ſo rede ich dan / was meine ſchwache vernunft zu ergruͤn - den / meine leere ſinnen zu beſinnen / und mein unreiffer verſtand zu verſtehen ſich erkuͤhnen.
Fuͤrſt Potifar hat die Erklaͤhrung uͤber das erſte Reimband der Goͤtterſprache ſehr wohl getroffen. Beſ - ſer wuͤrde niemahls Oſiris ſelbſten ſeinen eigenen ſin erklaͤhren. So viel vermag mein ſchwacher verſtand noch wohl zu faſſen. Aber die uͤbrige erklaͤrung kan er nicht begreiffen. Die ſcheinet ihm was zu uneigendlich. Nach meinem ſchlechten urteile / muͤſſen in der andern reimzeile / durch die worte zwanzig mahl / nicht zwanzig ellen / die der Niel zuweilen auf ein mahlC vund42Der Aſſenatund in einem jahre ſteiget / ſondern zwanzig jahre ver - ſtanden werden. Und alſo wird die vermaͤhlung der Fuͤrſtin Aſſenat nicht auf eine ungewiſſe / ſondern auf eine gantz gewiſſe zeit angedeutet. Naͤhmlich nach dem zwanzigſten jahre ihres altersſol ſie ſich mit ei - nem Auslaͤnder vermaͤhlen. Mit dem wird ſie / in Egipten ſelbſten / zugleich in den hoͤchſten Ehrenſtand erhoben werden. Ja das gantze Egipten wird ihm und ihr muͤſſen nach dem Munde ſehen / ihr gebot zu erwarten: welches durch das wort mund / in der Goͤtterſprache / aus - druͤklich angedeutet wird.
So wird dan der Auslaͤnder / fiel ihm die Hofjung - frau in die rede / in Eglpten zum Koͤnige / und das Freulein Aſſenat / mit ihm / zur Koͤnigin erhoben wer - den; weil ihnen beiden das gantze Egipten wird muͤſſen nach dem munde ſehen / ihr gebot zu empfangen? An - ders kan ich / redete Joſef weiter / aus den worten des Goͤtterſpruches nicht ſchlieſſen. Zum wenigſten wird er der naͤchſte nach dem Koͤnige ſein. Und der Koͤnig ſelbſten wird ihn uͤber alle maße ehren. Er wird ihm al - le Koͤnigliche macht in ſeine haͤnde geben. Er wird ihm / ſo wohl als ſeine untertahnen / ſelbſten nach dem mun - de ſehen / ſeinen weiſen raht zu empfangen. Dem wird er folgen. Nach dem wird er ſich richten. Seinen wor - ten wird er gehorchen. Er wird tuhn und laßen / was der Auslaͤnder guht findet. Ja er wird ſich gleichſam gantz und gar nach ſeinem winke richten. Und alſo wird der Koͤnig nur dem nahmen nach Koͤnig ſein: der Fremdling aber in der taht ſelbſten. Dieſer wird her - ſchen an des Koͤniges ſtat / ja als ein volmaͤchtiger und freier Koͤnig ſelbſten. Er wird ſorge tragen vor des gan - tzen Reichs wohlfahrt. Alsdan wird Egipten bluͤhen. Alsdan wird die Koͤnigliche macht / die nun noch zim - lich gebunden iſt / gantz frei und uͤber alles erhoben wer -den.43erſtes Buch.den. Und dieſe freiheit wird ihr der fremde Herꝛ / durch ſeine große weisheit / durch ſeine vaͤterliche vorſorge vor das gantze Volk / zu wege bringen. Willig werden ihm alle Voͤlker zu fuße fallen. Willig werden ſie alle ihre freiheit ſeiner macht uͤbergeben. Ja die Fuͤrſten ſelbſten werden ſich ihm unterwerfen. Ihm werden die Gewal - tigſten des Reichs dienen. Auch nur ſeinem winke wer - den ſie gehorchen. Kein einiger wird ihm widerſpre - chen. Nicht einer wird ſich ihm widerſetzen / auch nicht einmahl mukſen duͤrfen. Ja was noch mehr iſt / ohne ſeinen willen wird ſich niemand im gantzen Egipten un - terſtehen duͤrfen auch nur ſeinen fuß zu bewegen. So groß / ſo maͤchtig / und ſo fuͤrtreflich wird ſeine herlig - keit ſein.
Mit großer verwunderung hoͤrete die Jungfrau alle dieſe reden an. Ein iedes woͤrtlein ſchien ihr die Fuͤrſt in Aſſenat zur maͤchtigſten Koͤnigin zu machen. Wer war froher / als ſie? Wer war zufriedener / als ſie? Wer war vergnuͤgter / als ſie? Ihre geſchoͤpfte hofnung hatte ſie nicht betrogen. Mehr guhtes hatte ſie gehoͤret / als ſie gehoffet. Sie ſahe den Joſef mit freundlichen augen an. Mit den allerliebſeeligſten blikken winkte ſie nach ihm zu. Vielmahls oͤfnete ſie den mund / ihm / der Fuͤr - ſtin wegen / zu danken. Aber ihre große freude zog dieſe dankworte immer zuruͤkke. Ihre uͤbermaͤßige verwun - derung druͤkte die lippen ſtraks wieder zu. Und alſo ſaß ſie eine guhte weile / in ſolcher freudigen gemuͤhtsbewe - gung / gleich als ſtum. Ach! ſprach ſie in ihrem hertzen / welcher guhte Gott hat dieſen guhten Engel zu uns ge - ſchikt / uns eine ſo froͤhliche bohtſchaft zu verkuͤndigen? Wir haben geſtern den Joſef vor einen Engel ange - ſehen. Nun befinde ich in der taht / daß er warhaftig ein Engel iſt. Egipten mus ihn ehren. Egipten mus ihn anbaͤhten. Egipten mus ihm danken / vor eine ſo angenehme zeitung / die er bringet. Was ſol aber Aſ -ſenat44Der Aſſenatſenat tuhn? Die iſt ihm am allermeiſten verpflichtet. Die iſt ihm am allernaͤchſten verbunden. Kan ſie ihm ihren dank nicht ſtraks itzund blikken laßen / wird ſie es doch zu gelegener zeit uͤm ſo viel hertzbruͤnſtiger tuhn. Mit der zeit wird es ſich alles wohl ſchikken. Inzwi - ſchen wil ich / wiewohl ich deſſen unwuͤrdig bin / ihre ſtelle vertraͤhten. Ihrentwegen wil ich ihm danken. Ich wil / ja mus es tuhn: ſtraks ſtraks.
Hiermit erhub ſich dieſe holdſeelige Jungfrau von ihrem ſtuhle. Itzt ſtehe ich auf / ſagte ſie / meinen ab - ſchied zu nehmen. Ich mus gehen / dahin mich meine Gebieterin beſtellet. Aber mein hertz wird hier bleiben. Meine gedanken mus ich hier laßen / ihm / o allerleut - ſeeligſter Engel / vor ſeine ſo freudenreiche bohtſchaft hertzinniglich zu danken. Ich meine die neue / die naͤ - here Erklaͤhrung des Ausſpruchs der Goͤtter. Seine ſo klahre Erklaͤhrung meine ich / die mir das hertz ge - ruͤhret: ſeine ſo wahre Erklaͤhrung / die mich aus mir ſelbſt entfuͤhret: ſeine ſo ſchoͤne / ſo herꝛliche / ſo erfreu - liche Erklaͤhrung / davor ihm der aller erſinlichſte dank gebuͤhret. Darf ich elendes Erdgeſchoͤpfe ihm / o himli - ſcher Engel / der Fuͤrſtin Aſſenat wegen danken; ſo ge - be er mir ſelbſten anlaß / daß ich ihm mein dankbahres gemuͤhte rechtſchaffen und in der taht kan blikken laßen. Meine dienſte ſtehen bereit. Sie warten auf ſeinen wink. Ich werde froh ſein / wan ich gelegenheit bekom - me / an ſtat lediger dankworte / ihm aus dankgeſintem hertzen zu dienen. Worte ſeind bald ausgeſprochen. Bald verſchwinden ſie auch. Ja ſie nuͤtzen weniger / als nichts. Sie fliegen / mit der warmen ahtemsluft / in die kalte und weite weltluft. Alda zertreibet ſie der wind. Alda ergreiffet und vereitelt ſie der ſturm. Zum wenig - ſten macht er ſie zu ſonnenſteublein. Aber was koͤnnen dieſe zu einem wuͤrklichen danke helfen. Wie koͤnnen dieſe eines taͤhtigen dankes nahmen verdienen? weil ſienur45erſtes Buch.nur ſtaub ſeind / ja weniger als ſtaub. Den ſtaub kan man noch fuͤhlen. Den kan auch ein grobes / ein dun - keles auge ſehen. Aber ſolche ſteublein entſchluͤpfen uns aus den haͤnden / aus dem geſichte / auch den allerbehaͤn - deſten / den allerſcharfſichtigſten. Und eben daruͤm wil ich nicht viel worte machen / ihm mit leeren worten zu danken: die keines gegendankes / ja keiner bohne waͤhrt ſeind. Ich wil keine unnuͤtze wortgepraͤnge / viel weni - ger hochfliegende prahlworte gebrauchen: die uns nur einen hohlen und leeren tohn / wie ſcharf / ja ſuͤße er auch klinget / ins ohr / und keinen / als einen ledigen dank in die hand geben. Ich wolte ihm gern in der taht danken / daß er meinen dank nicht nur hoͤren / ſondern auch wahrhaftig ſehen / fuͤhlen und empfinden koͤnte. Und daruͤm bitte ich ihn zu guhter letzte noch einmahl / mir gelegenheit zu einem ſolchen danke an die hand zu geben. Hieſige meine bitte kan ſein befehl vergnuͤgen. Nach volendung dieſer worte nahm ſie abſchied vom Joſef / von ihren Bluhtsverwanten / ja von allen im hauſe / welche ſie ſaͤmtlich hertzlich ſeegnete; und begab ſich alſo von ſtunden an wieder nach hofe.
NUn wollen wir den ſchoͤnen Leibeigenen / mit ſeinen Hausjung - frauen / ein weilichen allein laßen; und der Abgeſchiedenen nachſchlei - chen. Wir wollen ihr das geleite ge - ben; oder vielmehr von ferne folgen. Wir wollen uns / mit ihr / nach hofe begeben. Alda wollen wir / mit ihr / in der Koͤniglichen Fuͤrſtin zimmer traͤhten; oder nur hinter der tuͤhre ſte - hen bleiben / zu horchen / was dieſe Liebſeelige der Nito - kris erzehlen wird.
Die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſtund eben bereit / ihrer Frau Mutter auf zu warten / da ihre Kammerjung - frau in das zimmer traht. Aber ſie ward bald anders ſinnes / als ihr dieſe Jungfrau heimlich ins ohr fliſter - te: daß ſie den ſchoͤnen Leibeignen geſehen / ja ſelbſt ge - ſprochen. Von ſtunden an muſte iederman abtraͤhten. Straks gab ſie dem Frauenzimmer einen wink. Allen Stahts jungfrauen / welche die Koͤnigliche Fuͤrſt in hat - ten begleiten ſollen / ward gebohten wieder in ihre zim - mer zu gehen. Alle Edelknaben / alle Lakkeien / alle Kammermaͤgdlein / ja faſt alles / was ſehen und hoͤren konte / warden auf die ſeite geſchaffet.
Als ſich nun die Fuͤrſtin mit ihrer Kammerjung - frau allein ſahe; feierte ſie nicht lange zu fragen / was vor ein gluͤk ſie zum ſchoͤnen Leibeignen gefuͤhret? und wo / bei wem / und in was vor einer geſelſchaft ſie ihn an - getroffen? Flugs flugs! fuhr ſie fort / erzehlet mir al - les miteinander / und verſchweiget mir nichts / auch nicht das geringſte.
Hier -47zweites Buch.Hierauf berichtete Sie die Kammerjungfrau / daß ſie ihre Muhmen beſuchet. Alda hette ſie den ſchoͤnen Leibeigenen gefunden. Wie iſt er dahin kommen? frag - te die Fuͤrſt in weiter. Die Ismaeler haben ihn alda / bei ihrem wegzuge / in verwahrung gelaßen. So ſeind dan eure Muhmen / fiel ihr die Fuͤrſtin abermahl in die rede / gluͤkſeeliger / als die Koͤnigin / als ich ſelbſt / und das gantze koͤnigliche Frauenzimmer / ja unſer gantzer hof? Euch allein wil ich ausſchlieſſen; weil unter uns euch allein die Goͤtter mit dem gluͤkke / ihn muͤndlich zu ſpre - chen / beſeeliget. Aber was ſagte er guhtes? Das fuͤr - nehmſte / antwortete die Jungfrau / das ich Ihrer Ho - heit von ſeinen reden erzehlen kan / iſt dieſes. Er erklaͤh - rete die Goͤtterſprache / die Potifar uͤber das Freulein Aſſenat empfing / viel anders / und mit viel groͤſſerem vorteile vor das Freulein / als Potifar / oder der Ertz - biſchof. Ich wil es mit einem worte ſagen. Die Fuͤr - ſtin Aſſenat wird die maͤchtigſte Koͤnigin in Egipten werden. Was ſagt ihr mir vor ein wunder? redete Ni - tokris weiter. Aber kan der ſchoͤne Leibeigene / die dun - kelen und verborgenen reden der Goͤtter auslegen; ſo wird er auch gewis wahrſagen / und die geheimnuͤſſe der treume erklaͤhren koͤnnen? Wie kahm er doch von dem Freulein Aſſenat zu reden? Wer hat ihm von die - ſem Ausſpruche der Goͤtter geſagt?
Die Kammerjungfrau redete ferner. Ich gedachte / ſagte ſie / in meiner rede / von ohngefaͤhr des Fuͤrſten Potifars. Da fing er mir dieſen nahmen auf / und fragte / wer Potifar ſei? Ich gab ihm volkommenen beſcheid auf ſeine frage. Er fragte weiter: ob dieſer Fuͤrſt keine Leibeserben hette? Dieſe frage veruhrſach - te / daß ich von der Fuͤrſt in Aſſenat / und von der Goͤt - terſprache zu reden kahm. Und alſo gab ich ihm / unter andern / anlaß eine neue Erklaͤhrung uͤber dieſelbe Goͤt - terſprache zu machen. Dieſe nun fiel ſo gluͤtlich / wieich49zweites Buch.ich geſagt / vor die Fuͤrſtin Aſſenat aus. Seine eigene worte waren ohngefaͤhr dieſe / und zwar uͤber die drei letzten zeilen; dan die erſte erklaͤhrete er eben alſo / als Potifar. Daß Freulein Aſſenat / ſagte er / wird einem Auslaͤnder in ihrem ein und zwanzigſten jahre vermaͤhlet / und in Egipten ſelbſten / mit ihm zugleich / in den allerhoͤchſten ehrenſtand er - hoben werden. Ja das gantze Egipten wird ihm und ihr[m]uͤſſen nach dem munde ſehen / ihr gebot zu empfangen. Hierzu fuͤgte er / daß dis letzte / durch das wort[m]und / in der Goͤtterſprache / ausdruͤk - lich angedeutet werde. Als ich nun fragte: ob dan der - ſelbe Fremdli[n]g Koͤnig / und das Freulein Aſſenat Koͤnigin in E[g]ipten werden ſolten? Da gab er zur ant - wort: wird de[r]Ausheimiſche nicht Koͤnig / ſo wird er doch der naͤchſ[t]e und gewaltigſte nach dem Koͤnige ſein. Ja der Koͤni[g]wird ihm alle ſeine koͤnigliche gewalt uͤbergeben; u[n]d ſein tuhn und laßen nach ſeinem mun - de / oder weiſe[m]rahte richten. Nichts wird er tuhn oh - ne ſeinen will[e]n. Ohne dieſes Auslaͤnders willen / wird niemand / i[m]gantzen Egipten / ſeinen fuß regen duͤr - fen. Und[a]lſo wird der Koͤnig nur dem nahmen nach / der Fremdling aber in der taht ſelbſten Koͤ - nig ſein.
Nitokris konte ſich uͤber dieſe reden nicht genug ver - wundern. Nun maͤrkte ſie / daß was großes aus der Aſſenat werden wuͤrde. Nun ſahe ſie / daß ſie ewig auf der Sonnenburg zu bleiben von den Goͤttern nicht be - ſtimmet ſei. Bisher hatte ſie die Tochter Potifars / als die allerſchoͤnſte / als die allerliebſeeligſte / als die al - lergeſchikteſte / als die allerverſtaͤndigſte / und allertu - gendvolkomneſte Fuͤrſtin der gantzen welt geliebet. Nun liebete / ja ehrete ſie dieſelbe in ihrem hertzen / als eine kuͤnftige Gemahlin eines gewaltigen Koͤniges / als eine von den Goͤttern ſelbſt beſtimte Koͤnigin uͤber das gan -Dtze50Der Aſſenattze Egipten / ja uͤber ſich ſelbſten. Und daruͤm wolte ſie nicht / daß iemand in der welt dieſe wuͤchtige ſache wiſ - ſen ſolte. Daruͤm geboht ſie auch ihrer Kammerjung - frau / ſtille zu ſchweigen. Ja ſie gebo[h]t ihr ſelbſten / ſich gegen keinen menſchen verlauten zu[la]ßen / daß ſie den ſchoͤnen Leibeignen geſprochen. Doch lies ſie ihr zu / der Aſſenat alles zu offenbahren: weil ſie wohl wuſte / daß ſie es ſelbſten nicht ruchtbar machen w[uͤ]rde. Dan Aſſe - nat / ſagte ſie / iſt ſo klug und ſo ſchlau / ſo jung als ſie iſt / daß ſie es niemand / auch nicht ein[m]ahl ihrer Hof - meiſterin / anvertrauen wird. Sie wei[s]/ was und wo ſie ſchweigen / und reden ſol. Sie wei[s]/ was ihr zu tuhn / und zu laßen ſtehet. [Und] daruͤm[m]oͤgt ihr es ihr kuͤhnlich ſchreiben. Es wird ſehr viel zu ihrem nach - richte dienen. Guht iſt es / daß ſie es wei[s]: ja das beſte / daß ſie es alles weis. Und eben aus di[e]ſen uhrſachen wil ich euch uͤber acht tage zu ihr ſenden. Alsdan koͤn - net ihr alles muͤndlich erzehlen / was ihr wiſſet / und was euch duͤnkt / das ihr zu wiſſen erſpri[e]slich iſt. Ja von dieſem allem verhaͤhlet ihr nichts. Das wil ich. Das rahte ich. Das gebiete ich.
Eben als die koͤnigliche Fuͤrſtin dieſe le[tz]ten worte re - dete / ward ſie zur tafel gerufen. Auch kahmen ihre Stahtsjungfrauen ſchon an / ſie in den Speiſeſaal zu begleiten. Die Fuͤrſtin erhub ſich alſobald von ihrer ſtel - le: und das gantze Frauenzimmer folgte ihr nach. Nur ihre vertraute / die Kammerjungfrau / die ihr dieſe zei - tung gebracht / blieb zuruͤkke. Dan ihre große begierde / der Aſſenat die gemelte Erklaͤhrung des Joſefs kund zu tuhn / lies ihr keineruhe. Ja ſie trieb und ſtraͤngte ſie darzu ſo heftig an / daß ſie des eſſens / ja ſelbſt des ſchlafens vergaß. Sie nahm dan die feder / und ſchrieb dieſen
Brief51zweites Buch.Auf erlaubnuͤs der koͤniglichen Fuͤrſtin ſetze ich meine feder auf dieſes papier. Ich be - gehe eine faſt unverantwortliche kuͤhnheit. Doch Die ſie mir erleubet / wird ſie verantworten. Ja ich ſchreibe an die allerliebſeeligſte Aſſenat. Dar - uͤm taͤhte ich ſchier ſuͤnde / wan einigen arg - wahn von Ihr ich / Ihre ewiggetreue / mein guhtes vertrauen ſtoͤhren ließe. Und was noch das allerwuͤchtigſte iſt / ich ſchreibe von einer ſol - chen ſache / auf derer kunde die gantze wohlfahrt dieſer ſchoͤnen Fuͤrſtin beruhet. Daruͤm wird Sie mir eher gnade / als ſtrafe anbieten. Aber Ihrer guͤhte darf ich / durch viel vergebliche wor - te / nicht laͤnger misbrauchen. Auch darf / noch kan ich daſſelbe nicht laͤnger verſchweigen / wo - von mein hertz vol iſt. Ich mus beichten / daß meine ſuͤnden verſchwinden. Und ſo beichtet Ihr dan / o leutſeeligſte Fuͤrſtin / ihre treueſte dienerin offenhertzig; daß ein fremder und wun - derſchoͤner Leibeigner mir heute / in unſerer Stadt / von ohngefaͤhr aufgeſtoßen. Dieſer ver - mag alles deutlich zu erklaͤhren / was die Goͤtter verborgenes ſprechen. Er weis die Treume aus zu legen. Er weis aus dem Geſtirne zu ſagen / was kuͤnftig geſchehen ſol. Der Goͤtter Antwort auf die frage / welche ihnen Ihr Herꝛ Vater Ih - rentwegen vorgetragen / hat er mir viel anders und viel klaͤhrer erklaͤhret / als ſie ſonſten aus -D ijgedeu -52Der Aſſenatgedeutet worden. Ich wil den inhalt mit kur - tzen worten eroͤfnen. Die Fuͤrſtin Aſſenat / ſagte er / ſol nach dem zwanzigſten jahre ihres alters einem fremden Herren vermaͤhlet / und mit ihm / in Egipten ſelbſten / auf die allerhoͤchſte ſtaffel der ehren erhoben werden. Was er mehr hinzu ſetzte / darf ich der feder nicht vertrauen. Aber innerhalb acht ta - gen wird Sie aus meinem munde ſelbſt / die gan - tze ſache uͤmſtaͤndlich vernehmen. Dan gegen die zeit Ihr auf zu warten / hat meine Fuͤrſtin mich ſchon beuhrlaubet. Indeſſen ſei Sie den Goͤttern befohlen / und Ihrer beharlichen gna - de ich / imfal ichs verdiene /
Meines gnaͤdigſten Freuleins ewig gehohrſamſte Semeſſe.
Kaum war dieſer Brief verſiegelt / als die koͤnigliche Fuͤrſtin ſchon wieder von der tafel kahm. Straks im erſten eintritte in ihr zimmer / geboht ſie allen Jung - frauen abermahl / ſich in ihre eigene wohnungen zu be - geben. Niemand durfte bei ihr bleiben / als Semeſſe. Ja ſie wolte dieſen gantzen abend niemand anders bei ihr wiſſen / als ſie: auch von niemand anders entkleidet ſein / als von ihr. Dieſes der koͤniglichen Fuͤrſtin gantz ungewoͤhnliches beginnen verurſachte vielerlei gedan - ken. Niemand konte errahten / was geheimes ſie mit der Kammerjungfrau zu tuhn / oder zu reden hette. Eine Jungfrau fragte die andre. Eine forſchete hier / die andere dort. Dieſer ahnete was guhtes / jener was boͤſes. Ja ſie waren alle miteinander gleichſam ent - ſetzt. Die meiſten bildeten ihnen ein / daß ſich etwan eine vom Frauenzimmer verbrochen. Und eine iede unter dieſen lies ihr ſchwanen / daß ihr das verbrechen viel - leicht aufgebuͤrdet wuͤrde: daß ihre Fuͤrſtin mit derKammer -53zweites Buch.Kammerjungfrau deswegen zu rahte ginge. Alſo machte ſie ihre unnoͤhtige ſorge ſehr bange. Alſo brach - te ſie ihr unnuͤtzer argwahn in die euſerſte angſt.
Indeſſen daß ſich dieſe furchtſamen mit ſolcher be - kuͤmmernuͤs ſchlugen / fing Nitokris mit der Semeſſe ihr kurtz zuvor zerſchlagenes geſpraͤche wieder an. Die Fuͤrſtin fragte wohl hundert mahl: iſt der ſchoͤne Leib - eigne auch freundlich? iſt er auch hoͤflich? iſt er auch froͤhlich? iſt er auch wohl erzogen? Ja dieſe und derglei - chen fragen hatten kein ende. Die Kammerjungfrau beantwortete ſie alle / mit großem ruhme vor ihn. Son - derlich aber ruͤhmete ſie ſeine ſehr bedachtſame reden / ſeine ausbuͤndige vorſichtigkeit im fragen / ſeine fuͤrtref - liche ſcharfſinnigkeit im antworten. Endlich fragte die Fuͤrſten: ob ſie nicht verſtanden / aus was vor einem ge - ſchlechte er ſei? Nein / antwortete die Jungfrau: aber das weis ich wohl / daß er Joſef heiſt / und von He - bron aus Kanaan buͤrtig iſt. Als die Fuͤrſtin He - bron nennen hoͤrete / traht ihr eine ſonderliche freude von ſtunden an ins geſichte. Flugs flugs! ſagte ſie / ruft ein Kammermaͤgdlein her. So bald das Kam - mermaͤgdlein ankahm / befahl ihr die Fuͤrſtin / in die Koͤnigliche kuͤche zu gehen / und einen Ebreiſchen Juͤng - ling / den des Kochs bruder mit von Hebron gebracht / zu ihr zu hohlen. Von dieſem Juͤnglinge / ſagte die Fuͤrſtin zur Semeſſe / werden wir ohne zweifel das herkommen des ſchoͤnen Leibeignen erfahren: ſonderlich weil wir wiſſen / wie er heiſſet. Dan jener iſt auch von Hebron / und erſt heute mit des Kochs bruder hierher kommen. Ach! wie guht iſt es / daß ihr den nahmen Hebron nennetet. Dan er war mir ſchon entfallen: wiewohl er erſt itzund uͤber der tafel genennet ward / als man erzehlete / daß des Kochs bruder einen Ebreiſchen Juͤngling mit ſich von Hebron gebracht / und ihn morgen mit nach Nubien nehmen wuͤrde. Fuͤrwahr! D iijſing54Der Aſſenatſing die Jungfrau an / die Goͤtter haben es alſo geſchikt / daß ich eben itzund dieſen nahmen nennen muͤſſen. Dan hette ich ihn morgen genennet; ſo were es ſchon uͤm - ſonſt / und alzulange geharret geweſen.
Mitlerweile daß ſie alſo redeten / gelangte der Ebrei - ſche neukoͤmling an. Die Fuͤrſtin fragte ihn ſtraks / wo er herkaͤhme? Er gab zur antwort: von Hebron aus Kanaan: da hette er ſich bei den Soͤhnen Ja - kobs aufgehalten / und ihnen ihr vieh weiden helfen. Weil ihn aber ſein Herꝛ / einer luͤderlichen urſache we - gen / geſchlagen / ſei er weggelauffen / und habe ſich zu des Kochs bruder vermietet / der ihn mit in Nubien neh - men wolte. Was hat es doch unter den Ebreern zu He - bron / fragte die Fuͤrſtin ferner / vor fuͤrnehme Leute? Jakob iſt der allerfuͤrnehmſte / antwortete der Juͤng - ling / und ein ſehr maͤchtiger und gewaltiger Herꝛ. Er iſt aus einem uhralten und großem geſchlechte entſproſ - ſen: und ſein Vater Iſaak / und Großvater Abraham ſeind gleichesfals ſehr maͤchtige Leute / und in großem anſehen bei allen naͤchſtuͤmliegenden Voͤlkern geweſen. Haſtu nicht zu Hebron / fuhr die Fuͤrſtin mit fragen fort / einen ſehr ſchoͤnen Ebreiſchen Juͤngling gekennet / welcher Joſef heiſſet; den die Ismaeler ſeinem Va - ter / wie man ſagt / ſollen geſtohlen haben? Es hat ſich wohl geſtohlen / fing der Ebreer hierauf an: ſeine Bruͤ - der / die erſt im ſinne hatten ihn zu ermorden / haben ihn den Iſmaelern vor zwanzig ſilberlinge verkauft.
Die Fuͤrſtin ward froh / als ſie ſchon ſo viel berichts vom Joſef eingezogen. Daruͤm forſchete ſie immer weiter und weiter nach. Wie heiſſet dan ſein Vater? hielt ſie mit fragen an. Sein Vater / gab der Juͤngling zum beſcheide / iſt eben derſelbige Jakob / deſſen ich itzund meldung ge[t]ahn. Hierauf befahl ſie dem Ebreer zu erzehlen / wan / wie / und waruͤm Joſef ſei verkauft worden. Der Juͤngling gab zur antwort: wan es derKoͤnig -55zweites Buch.Koͤniglichen Fuͤrſtin belie[b]t / ſo wil ich dieſe geſchicht von ihrem allererſten begin[a]n / den man ſonderlich in Jakobs ehſtande erblikket / aufs kuͤrtzeſte erzehlen. Dan darinnen werden uns die urſachen / waruͤm Jo - ſef verkauft worden / alle miteinander und in einer reihe nacheinander aufſtoßen. Weil nun die Fuͤrſtin großes verlangen trug ſolches zu hoͤren; ſo befahl ſie dem Juͤnglinge in ſeinem vorſa[tz]e nur fort zu fahren. Hierauf fing der Ebreer folgender geſtalt an.
Jakob / Iſaaks aus der ſch[oͤn]en Rebekke ſohn / iſt von Gott mit zwoͤlf Soͤhnen und einer Tochter ge - ſeegnet. Er hatte vier weiber / Lea und Rahel / bei - de des Labans / der ſeiner Mutter[br]uder war / ehleib - liche toͤchter; darnach Bilha / der Rahel Magd / und dan Silpa / der Lea Magd: wel[ch]e beide in La - bans hauſe gebohren. Mit der Lea ze[u]gete er erſtlich den Ruben / Simeon / Levi / und J[u]dah. Dar - nach zeugete er mit Bilha den Dan / und Naftali: und mit Silpa den Gad / und Aſar. Dieſe viere wa - ren Soͤhne von den Mågden. Hierauf geba[h]r ihm Lea wieder den Iſaſchar / und Sebulon / als auch eine einige Tochter / die wunderſchoͤne Dina: in welche ſich Sichem / der Herꝛ von Salem / Hemors ſohn / ſo heftig verliebte / daß er von ihr nicht laßen konte. Aber dieſe liebe gewan einen bluhtigen ausſchlag. Endlich gebahr ihm auch die unvergleichlich ſchoͤne Ra[h]el / wel - cher Leib Gott ſo lange verſchloſſen hatte / den Joſef: und zu allerletzt den Benjamin; in deſſen geb[u]hrt die fromme Mutter das leben einbuͤßete.
Dieſer des Jakobs vorletzter Sohn Joſef iſt ge - wislich ein rechter ausbund und ſpiegel aller leibes - ſchoͤnheit. Und dieſe ſo fuͤrtrefliche ſchoͤnheit iſt von ſei - ner Mutter Rahel / von ſeiner Großmutter Rebek - ke / und von ſeiner Obergroßmutter Sara / w[el]che al - le drei unvergleichlich ſchoͤne Frauen waren / gl[ei]chſamD iiijauf56Der Aſſenatauf ihn geerbet / und als in ein meer der ſchoͤnheit zu - ſammengefloſſen. Ja es ſcheinet / daß ſich ſeine gebuhrt nur daruͤm ſo viel jahre verzogen / damit die Natur zeit genug haben koͤnte ein ſolches Meiſterſtuͤkke der ſchoͤn - heit zur allerhoͤchſten vo[l]kommenheit zu / wie ſie dan in der wahrheit getahn / aus zu arbeiten.
Aber dieſe euſerlich[e]leibesſchoͤnheit / ob ſie ſchon kei - ne feder beſchreiben / keine zunge ausſprechen / und kein kunſtmahler abbilde[n]kan / iſt gleichwohl gegen die an - dern gaben / darinn[en]die innerliche Seelenſchoͤnheit be - ſtehet / und damit ihn der Allerhoͤchſte ſo gar reichlich geſeegnet / nichts zu rechnen. Dan ihm iſt von ſeiner Mutter / neben[de]r uͤbertreflichen Leibesſchoͤnheit / auch eine uͤber die m[a]ße herliche Seelenſchoͤnheit angebohren. Ja dieſe Se[el]enſchoͤnheit hat er noch volkommener / und ich darf[w]ohl ſagen / auf das allervolkomneſte von ſeinem Vat[e]r / Groß - und Ober-großvater / die damit vor andern[m]enſchen begabet / ererbet. Und alſo ſeind alle Seele[n]ſchoͤnheiten nicht allein ſeines Vaters und ſeiner Mutter / ſondern auch ſeiner vaͤterlichen und muͤtterli[ch]en Voreltern alleſamt / als aus ſechs ſpring - brunne[n]in ihn / als in eine tieffe ſee der Tugenden / und in ein[un]erſchoͤpfliches meer des verſtandes gleichſam zuſam[m]en geronnen.
Aus dieſen urſachen wird nun niemand leugnen koͤn - nen / d[a]ß er wuͤrdig ſei ein Koͤnig aller koͤnige / und ein Herſ[ch]er uͤber das gantze Menſchliche geſchlecht zu ſein. Sein Verſtand war in ſeiner erſten jugendbluͤhte ſchon ſo rei[n]/ daß ſich iederman daruͤber verwunderte. Seine faͤhig[k]eit / ſeine ſcharfſinnigkeit / und ſein gedaͤchtnuͤs war[ſch]on dazumahl ſo fuͤrtreflich; daß er alles / was er ſah[e]/ und hoͤrete uͤberaus geſchwinde begreiffen / uͤber - aus f[aͤr]tig durchgruͤnden / und uͤberaus feſte behalten konte. Und eben daher kahm es / daß er in ſeinem ſo junge[n]und ſo zahrtem alter ſchon faͤhig war daſſelbeohne57zweites Buch.ohne muͤhe zu faſſen / was ſeine Voreltern in ihrem maͤnlichen alter anders nicht / als ſchweerlich / begriffen.
In dieſem noch weichlichem alter war es / da er den geheimnuͤſſen der großen Zeugemutter aller dinge ſchon ſo nachforſchete / ihre tiefſten abgruͤnde ſchon ſo ergruͤn - dete / und ihre verborgneſten geheimnuͤſſe ſchon ſo ent - dekte / daß er in kurtzer zeit in dieſen dingen zu einer ho - hen wiſſenſchaft gelangete. Und alſo verſtund er / neben dem Akkerbau / und der Viehzucht / die eigenſchaften der Menſchen und Tiere. Die wuͤrkungen und kraͤfte der Kreuter und anderer Erdgewaͤchſe waren ihm nicht unbekant. Daher wuſte er den manchfaͤltigen gebrechen der Menſchen und des Viehes mit eben ſo manchfaͤlti - gen heilſamen Artzneien vor zu kommen / ja ſie ſelbſten zu vertreiben. Und hierinnen uͤbertraf er alle ſeine Bruͤder weit; unangeſehen daß er der juͤngſte auf einen war / und ſie ſelbſten ſchon ſo viel jahre vor ſeiner gebuhrt allen die - ſen wiſſenſchaften taͤglich nachgeforſchet. Daher kahm auch der uhrſprung ihres neides und haſſes. Dieſes war die erſte urſache / daß ſie ihm gram warden.
Ja er lies ſich nicht vergnuͤgen auf der erde zu blei - ben. Sein verſtand ſtieg auch endlich gar bis an den himmel. Alda erforſchete er / aus dem lauffe der Ster - ne / den geheimen Rahtſchlus Gottes. Er ergruͤndete ihre verborgene ſchrift. Daher wuſte er die kuͤnftige wit - terung lange zuvor. Er wuſte was nach dieſem auf er - den geſchehen ſolte. Ja aus dieſem Sternbuche erblikte er den gantzen lauf der himliſchen und irdiſchen kraͤfte. Hieraus wuſte er / was dieſer und jener Menſch vor Krankheiten unterworfen. Hieraus laſe er / wan / und wie hart ihm dieſe oder jene Krankheit zuſtoßen wuͤrde: und darnach wuſte er ſeine artzneien zu richten. Ich wil mehr fagen. Er kahm endlich hierinnen ſo weit / daß ihm auch ſelbſt die ſtunde / ja der zeitblik des todes der Menſchen unverborgen war.
D[v]Zu58Der AſſenatZu ſolchem ſo fuͤrtreflichem Verſtande komt auch ei - ne ſonderliche fuͤrtrefligkeit der Tugenden / und leibes - geſchikligkeiten. Zur Gottesfurcht ſcheinet er gebohren: zur Froͤmmigkeit erkohren. Zur Demuht iſt er gezeuget: zur Sanftmuht geneuget: zur Geduld erzielet. Die Langmuͤhtigkeit / die Beſtaͤndigkeit / die Verſchwiegen - heit / die Aufrichtigkeit / die Freundligkeit / die Hold - und liebſeeligkeit ſeind ihm als eigen. Dieſe wuͤrket ſei - ne ſeele in ihm mit ſolcher kraft / daß ſie auch ſelbſt die bewegungen der augen / und alle ſeine euſerliche leibes - gebehrden verrahten. Ja die gantze leibesgeſtalt / ob ſie ſchon ohne bewegung daſtuͤnde / wuͤrde ſie gleichwohl entdekken.
Eine ſolche lange reihe dieſer und aller dergleichen Tugenden wohnet in einem ſo ſchoͤnen leibe: der daruͤm ſo gar ſchoͤn / und ſo gar huͤbſch gebildet iſt / weil er ſo viel und ſo ſchoͤne gaͤſte beherberget / und alle die haͤsli - chen ausſchlieſſet. Dan Joſef weis von keinem eini - gen Laſter. Selbſt der nahme bleibt ihm unbekant. Sei - ne angebohrenheit treibet ihn zu nichts / als zu eitel Tu - gend. In ihm und an ihm lebet und ſchwebet auch nichts / als lauter Tugend. Und daher komt es / daß er ſich iederzeit bemuͤhet ſeinem Vater / durch die allerer - ſinlichſten ehrenbezeugungen und liebesdienſte / gefaͤllig zu werden. Dieſes augenmaͤrk hat er auch gluͤklich er - reichet. Er iſt es worden / was er zu werden ſuchte. Er hat mehr erlanget / als er zu erlangen verlangte. Sein Vater liebte ihn ie laͤnger / ie mehr. Die Vaͤterliche und Kindliche liebe ſtritten gleichſam miteinander. Lange waͤhrete dieſer ſtreit. Endlich behielt jene die oberhand. Sie ward ſo uͤber aller maße hertzbruͤnſtig / daß ſich ihre flammen nicht laͤnger baͤrgen konten. Sie brach mit gantzer gewalt heraus. Sie ſcheuete ſich weder vor Jo - ſefs Stief mutter / der neidſuͤchtigen Lea / noch vor ſei - nen zehn misguͤnſtigen Stiefbruͤdern. Joſef muſteei -59zweites Buch.einen buntgeſtikten ſeidenen Rok tragen: welches eine tracht war der Koͤnigskinder. Joſef muſte ſtaͤhts uͤm ihn ſein. Jakob konte ſich kaum entſchlieſſen / ſeinen Joſef nur einen halben tag aus den augen zu laßen: zumahl weil er in Joſefs angeſichte ſeiner ſeeligen Rahel / die er ſo hertzinniglich geliebet / ſo aͤhnliches und ſchoͤnes / ja hundertmahl ſchoͤneres ebenbild erblik - te. Und daruͤm huͤpfete ihm das hertz im leibe / wan er ſeinen Sohn ſahe. Ja er weinete vor freuden.
Aber wie dem Vater vor freuden die augen uͤberlief - fen: ſo lief der Lea die galle vor unmuht und grim - migkeit uͤber; indem ſie ſahe / daß ihre Soͤhne dem Ja - kob ſo angenehm nicht waren / als Joſef. Und alſo haſſete und neidete ſie den Joſef / ſeiner Tugend we - gen: weil er daruͤm ſeinem Vater ſo lieb war. Auch gewan dieſer ſtiefmuͤtterliche neid in den meiſt vergal - ten hertzen nicht allein ihrer ſechs eigenen Soͤhne / denen er von ihr ſchon angebohren war / ſondern auch in den vier andern ſtiefbruͤdern des Joſefs ſo tieffe wurtzeln / daß er von zeit zu zeit mehr und mehr anwuchs. Dieſe Boͤſewichter lieſſen ihren has zwar zeitlich und deutlich genug blikken. Aber Joſef ſchlug gleichwohl keine acht darauf. Er gedachte / es ſei einieder ſo aufrichtig und redlich / als er.
Wie heftig nun den Joſef ſeine Stiefmutter / und Stiefbruͤder / ſeiner tugend wegen / anfeindeten; eben ſo heftig / ja hertzlich liebete ihn ſein frommer Vater. Ja Gott ſelbſt lies ihm ſeine liebe blikken. Der Hoͤchſte ſelbſt liebte ihn zum hoͤchſten. Er offenbahrte ihm im ſchlafe / durch ein geſichte / was ihm kuͤnftig begegnen ſolte. Er zeigte ihm an / im traume / was vor ein gluͤk ihm zuſtehen wuͤrde. Und hierdurch verſicherte Er ihn der kuͤnftigen belohnung ſeiner Tugend. Hierdurch reitze - te Er ihn an im tugendwege fort zu wandeln. Dieſe treu - me veranlaßeten den Joſef / auch endlich der Traum -deu -60Der Aſſenatdeuterei ob zu legen. Und hierinnen bekahm er / durch ſcharfes nachſinnen / und beihuͤlfe ſeines Vaters / eine ausbuͤndige faͤhigkeit. Weil er nun in ſeinem hertzen gantz nichts arges von ſeinen Bruͤdern gedachte / ſo ſcheuete er ſich auch nicht ſeine treume / in gegenwart / ihrer aller / zu erzehlen.
Der erſte Traum war ihm / als er / zur zeit der ernte / bei ſeinen Stiefbruͤdern / der Bilha und Silpa kin - dern / geſchlafen / in der erſten morgenwache begegnet. Denſelben erzehlete er alſo. Mir treumete / ſagte er zu ſeinen Bruͤdern / daß wir Garben auf dem felde gebunden: und daß meine Garbe ſich aufgerich - tet / und geſtanden; eure aber rund uͤmher ſich vor der meinigen geneuget. Als nun Jakob dieſe worte hoͤrete; da erſeuftzete er / und ſchwieg ſtille. End - lich aber / damit er ſeinem Sohne aus dem traume huͤl - fe / erklaͤhrete er ihn alſo. Du biſt / ſagte er / der beſte unter deinen Bruͤdern; daruͤm hat ſich deinen Garbe aufgerichtet. Und daß ſie ſtehen geblieben / die Garben aber deiner Bruͤder ſich vor ihr geneuget: daß bedeutet deine beſtaͤndigkeit / und ihre unbeſtaͤndigkeit in der tugend; ja daß deine Bruͤder des wegen mit hunger und kummer geſtraft / endlich aber dich / in deinem gluͤk und wohlſtande / uͤm rettung und huͤlfe anfloͤhen werden.
Waren dem Joſef ſeine Bruͤder zuvor feind gewe - ſen / ſo warden ſie ihm itzund noch feinder. Faſt die mei - ſten ergrimmeten und erboßten ſich dermaßen / daß ſie ihm kein freundliches wort zuſprechen konten. Was? ſagten ſie / ſolteſte unſer Koͤnig werden / und uͤber uns herꝛſchen? Und als ſie allein waren / murreten ſie / und erbitterten ſich untereinander noch mehr: ſonderlich Simeon / und die Soͤhne der Maͤgde / Dan / Nafta - li / Gad / und Aſer: die ihnen einbildeten / daß ſie der Vater am wenigſten achtete / und Junker Joſef / wie ſie ihn ſchimpfsweiſe nenneten / ihnen allen vorgezogen wuͤrde.
Ru -61zweites Buch.Ruben / als auch Judah / und Sebulon ver - meinten ihnen den gefaſten argwahn aus dem ſinne zu reden. Aber ſie grolleten und gruntzeten immerfort; ſonderlich Simeon. Judah / der ein verſtaͤndiger und beſcheidener man iſt / auch dem Joſef ſo abhold und abguͤnſtig nicht war / ſuchte ſie auf allerhand weiſe zu beguͤhtigen. Was? ſagte er / ſolte man auf treume achten. Treume ſeind treume; und nichts mehr. Sol - te man ſo toͤhricht ſein ſich uͤber einen traum zu betruͤ - ben / oder zu erfreuen? Joſef hat den tag zuvor uns im garbenbinden geholfen. Das iſt ihm die nacht darauf wieder vorkommen. Seine einbildung hat im ſchlafe ihr ſpiel gehabt. Dieſe ruhet nimmer. Sie pflegt uns allezeit / ſo wohl wan wir ſchlafen / als wan wir wa - chen / ihre bilder vor zu ſtellen. Und dieſe bilder nimt ſie gemeiniglich von ſolchen dingen / damit wir am mei - ſten uͤmgehen. Faſt eben dergleichen hielt ihnen auch Ruben / und Sebulon vor. Aber es half alles nichts. Ihr grol wuͤhtete und tobete gleichwohl ſo ſehr / daß ſie mit gantz unruhigem hertzen voneinander gingen.
Nicht lange darnach hatte Joſef noch einen andern Traum. Es dauchte ihn: daß ſich die Sonne und der Mohn / und elf Sterne fuͤr ihm neugeten. Da dieſen traum ſein Vater hoͤrete / erſeuftzete er noch mehr / als vorhin. Und weil er ſahe / daß ſeine andern Soͤhne daruͤber knurreten; ſtrafete er ihn / zum ſcheine / in ihrer gegenwart. Was iſt das vor ein Traum? ſag - te er. Sol ich und deine Mutter / und deine Bruͤder kommen / und dich anbehten? Aber er behielt gleichwohl alle dieſe worte in ſeinem hertzen. Er wuſte gewis / daß ihre bedeutung geſchehen wuͤrde. Ja er wuͤndſchte / daß er ſie bald erfuͤllet ſehen moͤchte: und erfreuete ſich ſchon in ſeinem hertzen / ſeinen liebſten Sohn in ſolcher herligkeit zu ſchauen. Wie ſehr ſich nun Jakob auf ſeines Sohnes kuͤnftige gluͤkserhoͤhung freuete; eben ſoſehr63zweites Buch.ſehr betruͤbeten ſich daruͤber ſeine anderen Kinder. Ja faſt die meiſten zitterten vor boßheit. Sie boͤbeten vor gramſchaft; und vermochten weder zu eſſen / noch zu ſchlafen vor grimmigem zorne.
Joſef konte ſich noch nicht bereden / daß ſie ihn haſſe - ten / ja ſo uͤberaus anfeindeten. Er vermochte ihnen nichts boͤſes zu zu trauen. Das lief wider ſeine guht - ahrtigkeit. Das ſtritte wider ſein aufrichtiges hertz. Er maß ſie ab nach ſeinem maße. Wie er geahrtet war / gedachte er weren ſie auch. Aber es befand ſich im aus - kehrichte viel anders. Der endliche ausſchlag lehrete ihn mit ſeinem ſchaden / daß ihn ſeine garzuguhte ge - danken betrogen. Der Vater ſelbſten lies ihm zwar wohl ſchwahnen / weil ſie ihren unmuht vor ihm nicht ſo gar / daß er ihn nicht gemaͤrket / verbergen konten / daß ſie dem Joſef ſeine vorſtehende hoheit misgoͤnne - ten. Aber es war ferne von ihm zu gleuben / daß Bruͤ - der / die noch darzu ſeine Soͤhne weren / denen er viel ein anders zutrauete / von einer boßhaftigen gemuͤhtsre - gung ſo weit koͤnten verleitet werden / daß ſie ihrem Mitbruder ſein gluͤk ſo gar feindſeelig beneideten. Und daruͤm ſchlug er alle gedanken / die ihm das gegenteil vorhielten / in den wind. Er war ſicher. Er vermuhtete das beſte. Er wolte von nichts boͤſes hoͤren.
Auf den naͤchſten morgen nach dieſer begaͤbnuͤs / machten ſich Joſefs zehen Stiefbruͤder mit den vieh - heerden fruͤh auf. Sie nahmen zwar / ihrer gewohnheit nach / ſehr freundlich abſchied vom Vater; und befah - len dem Joſef / ſeiner wohl zu pflegen. Aber ſie waren ſo bald nicht auf das feld gekommen / fing ſich unter ih - nen / ſonderlich unter der Maͤgde Soͤhnen / das alte ge - murre und geknurre ſchon wieder an. Doch knurrete von dieſen niemand mehr / als Dan und Gad. Dieſer wuͤndſchte dem Joſef alle boͤſe druͤſen an den hals. Jener verfluchte den tag / da er gebohren. Beſſerwere64Der Aſſenatwere es / ſagte er / daß er hette erde kauen muͤſſen / als ſeine Mutter. So weren wir von unſerer leibeigenſchaft erloͤſet. Dan weren wir freie leute. Nun ſeind wir dienſtbar. Nun trotzet uns der Hausjunker / wie er ſelbſten wil. Nun erzehlet er / uns nur zum verdruſſe / ſeine ſelbſt erdichteten treume. Ich weis gewis / daß er itzund mit dem Alten zu rahte gehet / wie ſie es anfan - gen ſollen / daß ſeine treume nur bald erfuͤllet werden. Mich deucht / fing ihm Gad das wort auf / ſie ſeind ſchon alzuviel erfuͤllet. Hat ihn der Vater nicht ſchon uͤber die maße verhaͤhtſchelt / verzaͤhrtelt / und verzogen? Lieget er nicht ſchon zu hauſe / als ein Dachs in ſeinem loche / und wil an keine arbeit? Wir hergegen muͤſſen ar - beiten / daß uns die ſchwahrte knakt. Und komt er ſchon zu weilen zu uns ins feld / ſo tuht er es nur daruͤm / daß er uns verkundſchaffe / und bei dem Alten boßhaftig an - gebe. Was mangelt wohl mehr / daß er nicht ein Koͤnig oder Fuͤrſt iſt / als der bloße nahme? Traͤgt er nicht ſchon koͤnigliche kleider? Wird er nicht albereit gehalten / als ein Koͤniglicher Fuͤrſt? Hat ihn der Vater nicht ſchon vorlaͤngſt in ſeinem hertzen angebaͤhtet? Ehret er ihn nicht ſchon mehr / als iemand in der welt? Endlich wer - den wir ſehen / daß ihn der Vater gar zum einigen Erben ſeines gantzen Hauſes einſetzen wird. Werden wir dan nicht / als huhrenkinder / ausgeſtoßen werden? Wer - den wir dan / mit allen unſern kindern / als Leibeigene / dem Joſef nicht frohnen muͤſſen? Das wolte ich eben ſagen / fiel ihm Aſar in die Rede. Dan itzund wird der endſchlus gemacht werden.
Ob ſchon Ruben / und Judah / als auch Sebu - lon / die noch auf Joſefs ſeite waren / darwider redeten / und einwendeten / man muͤſte vom Vater ſo gar boͤſe ge - danken nicht ſchoͤpfen; ſo blieben ſie doch auf ihrem wahne gantz verſtokt / und wolten keiner einigen ent - ſchuldigung gehoͤr geben. Was wolt ihr viel ſagen? fingSi -65zweites Buch.Simeon endlich auch an: welcher bisher vor großem zorne nicht reden koͤnnen. Haben wir nicht dergleichen beiſpiele ſchon in unſerem Geſchlechte? Ward Iſmael nicht auch ausgeſtoßen? Iſt dem Eſau / unſers Va - ters bruder / nicht faſt eben daſſelbe widerfahren? Hat unſer Vater ſich nicht geſcheuet ſeinen leiblichen und aͤlteſten Bruder / ja zugleich ſeinen Vater ſelbſten zu be - truͤgen; ſo wird er es uns nicht beſſer machen. Hat er nicht dem Eſau den vaͤterlichen ſeegen entwendet? Hat er ihm nicht das recht der erſten gebuhrt entzogen? Ja hat er nicht auch ſeinem Schwieger - und unſrem Muͤtterlichen Groß-vater / mit allerhand liſtigen raͤn - ken / das ſeinige ſo vorteilhaftig abgezwakt? Dis hat dieſer unſer Vater / als ein kind / ſeinem Vater / als ein Bruder / ſeinem Bruder / als ein Schwiegerſohn / ſei - nem Schwiegervater getahn. Was meinet ihr wohl / daß er mit uns / ſeinen kindern / nicht auch ſo ſpielen werde?
Judah / als auch Ruben / und Sebulon hatten ſich bisher auf das euſerſte bemuͤhet / ihren Vater / ja ſelbſt ihren Obergroßvater zu entſchuldigen: indem ſie vorwendeten / daß alles auf anſtiftung der Weiber ge - ſchehen; deſſen man ſich itzund nicht zu befahren / weil Joſefs mutter todt ſei. Aber als ſie ſahen / daß ſie ih - rer Bruͤder neidiſche gemuͤhter / durch ſolche reden / nur noch mehr wider den unſchuldigen Joſef erbitterten; ſo ſtelleten ſie ſich endlich / als wan ſie eben alſo geſonnen weren. Wohlan dan! fing Ruben an / weil ich ſehe / daß wohl etwas boͤſes wider uns moͤchte vorgenommen werden; ſo wollen wir mit unſern heerden was weiter von Hebron wegtreiben. Ich weis / daß bei Sichem / in einem tahle / eine ſehr fette weide vorhanden. Da wollen wir uns / mit dem viehe / eine zeit lang aufhal - ten / zu ſehen / was unſer Vater mit ſeinem Joſef im ſchilde fuͤhret. Wuͤrde er ſich dan unterſtehen / uns un -Eſer66Der Aſſenatſer erbteil zu entziehen; ſo hetten wir der ſache ſcho[n]vorgebauet. Die heerde hetten wir in unſerer hand[.]Ich wolte den wohl anſehen / der ſie uns nehmen ſolte[.]Kein raht wird beſſer ſein / als dieſer. Ich treibe fort[.]Folget mir nach.
Niemand von allen war froher / als die vier Maͤdg[e -]ſoͤhne. Niemand prieſe dieſen fund mehr / als ſie. Ru[-]ben war nun der beſte man. Niemand war ſchlaue[r /]als er. Niemand war kluͤger und verſchlagener / als e[r.]Ja niemand war weiſer / als er: der ſo einen liſtige[n]rank erdacht / einen ſo heilſamen raht erfunden / ihre[m]gewaͤhnten unheile vor zu kommen. So unmuhts al[s]ſie zuvor geweſen / ſo wohl waren ſie nun zu muhte[.]Nun wollen wir dieſen abend / ſagte Gad / rechtſchaf[-]fen luſtig ſein. Der ſtein / der uns druͤkte / iſt vom her[-]tzen verſchwunden. Der kummer / der es klaͤmmete[/]hat es verlaßen. Joſef mag nun treumen / was er wil[.]Der Vater mag ihm geben / und uns nehmen / was e[r]wil. Beide moͤgen immerhin tuhn / was ſie wollen[.]Wir haben unſer erbteil in der hand. Da wird es Jo[-]ſef nicht heraus treumen / und treumete er ſchon tau[-]ſend Treume von tauſend Garben / von tauſend Ster[-]nen / und tauſend Rindsheuptern darzu. Die Rinde[r]ſeind unſer: die Schafe nicht weniger. Sie werde[n]auch wohl unſer bleiben.
Indeſſen ergetzte ſich Jakob zu hauſe mit ſeine[m]Joſef. Allerhand reden fielen vor: aber keine / die die[-]ſen argwaͤhniſchen nachteilig war. Ihre geſpraͤche lau[-]teten viel anders. Jakob ermahnte ſeinen Sohn. E[r]ermahnte ihn zur Tugend. Dan / ſagte er / wan du di[e]tugend lieben / und feſt a[n]ihr halten wirſt; ſo werde[n]deine Treume gewislich erfuͤllet werden. Gewislic[h]wird dich Gott zum großen Herꝛn machen. Das hoff[e]ich. Das wuͤndſche ich. Ja das weis ich gewis. Hier[-]mit fiel er ihm uͤm den Hals / und kuͤſſete ihn hertzlich[.]Aber[/]67zweites Buch.Aber / fuhr er fort / wan dich der Allerhoͤchſte alſo erhoͤ - hen wird / wilſtu dan auch deines Vaters und deiner Bruͤder gedenken? Wilſtu ihnen auch helfen / wan ſie deiner huͤlfe noͤhtig haben / und dich daruͤm anlangen werden?
Auf dieſe reden fing Joſef bitterlich an zu weinen. Ach! Vater / hertzallerliebſter Vater / gab er zur ant - wort / wie ſolte ich eurer vergeſſen? Wie ſolte ich mei - nen Bruͤdern huͤlfe verſagen / wan ſie meiner huͤlfe be - noͤhtigt? Keines von beiden wird nimmermehr geſche - hen. Auch werde ich nimmermehr zulaßen / daß euer graues heupt ſich vor mir / etwas zu bitten / neugen ſolte. Nimmermehr wird ein ſolcher hochmuht mein hertz beſitzen. Das ſei ferne von mir. Wuͤrde ich ſchon ein Herꝛ uͤber die gantze welt; ſo wil ich dannoch euer treueſter und gehohrſamſter Sohn verbleiben / ſo lange mir vergoͤnnet ſein wird / euch in dieſer ſterbligkeit auf allerlei weiſe gefaͤllig zu werden.
Mit dieſen und dergleichen freundlichen geſpraͤchen brachten ſie den gantzen tag zu. Beide waren ſo wohl zu frieden / und ſo wohl vergnuͤgt / daß ſie die kuͤnftige nacht recht ſuͤße zu ruhen gedachten. Aber dieſe gedan - ken warden ihnen bald vereitelt. Dieſe ruhe ward ih - nen bald geſtoͤhret. Sie waren gewohnet / daß die heer - den gegen den abend zu hauſe kahmen. Itzund kahmen ſie nicht. Auch hatte man von ihnen nicht die geringſte zeitung. Niemand wuſte / wo ſie weideten. Jederman ward hieruͤber betruͤbt. Jederman vermuhtete ein un - gluͤk. Die Weiber der Soͤhne Jakobs lieffen heruͤm / und weineten. Etliche bildeten ihnen ein / daß etwan die Araber eingefallen / und das vieh / ſamt ihren maͤn - nern / weggeraubet. Andere argwaͤhneten ſonſt etwas. Jene dachte dis / dieſe das; ja alle das boͤſeſte: keine das beſte. Jakob ſelbſten war uͤberaus bekuͤmmert uͤm ſeine Soͤhne: und Joſef uͤm ſeine Bruͤder. UndE ijſol -68Der Aſſenatſolche bekuͤmmernuͤs mehrete das wehklagen der Wei - ber / das weinen der Kinder. Alſo ward dieſe nacht mit trauren und unruhe zugebracht. Aber auf den Mor - gen berichtete Rubens Ehliebſte / daß ſie ihren man ſagen gehoͤret / er habe bei Sichem eine fette weide ge - funden. Da ſtuͤnde das graß ſo geil / daß es jammer ſei / ſolches nicht ab zu huͤhten. Ohne zweifel weren ih - re maͤnner / mit dem viehe / dahin gezogen. Ohne zwei - fel hetten ſie ſich alda verſpaͤhtiget / daß ſie geſtern abend nicht zu hauſe gekommen.
Straks auf dieſe worte / und auf inſtaͤndiges anhal - ten der weiber / befahl Jakob ſeinem liebſten Sohne / ſie zu fuchen. Auf! auf! ſagte er / mein lieber Sohn. Setze dich auf meinen Perſichen Gaul; damit du uͤm ſo viel geſchwinder hin / und wieder her gelangen koͤn - neſt / uns die zeitung zu bringen / wie es uͤm meine Soͤh - ne ſtehet. Seume dich unterweges ja nicht. Reite tapfer fort: und laß uns deine zuruͤkkunft bald wie - der erfreuen. Joſef hatte zwar itzund nur das ſieben - zehende jahr erreichet / und war ſeinem Vater ſo lieb / daß er mehr vor ihn / als vor alles in der welt / ſorgete. Gleichwohl konte ſich Jakob entſchlieſſen / ihn zu einer ſo gefaͤhrlichen verrichtung ab zu faͤrtigen. Daraus er - blikte man ſonnenklahr / daß er auch den andern Soͤh - nen mit einer recht Vaͤterlichen liebe zugetahn war. Und alſo machte ſich Joſef auf: und der Vater gab ihm den ſeegen.
Als der abend zu nahen begunte / bekahm dieſer be - kuͤmmerte Bruder die Heerden / bei Dotan / ins geſich - te: dan bis dahin waren ſie von Sichem abgetrieben. Er fand ſie in guhtem wohlſtande. Auch erblikte er ſei - ne Bruͤder von ferne. Er ſahe ſie / auſſer gefahr / friſch und geſund. Da verſchwand alle ſeine bekuͤmmernuͤs. Alle ſeine unruhe verlohr ſich. Da erfreuete ſich ſein hertz. Ja es begunte vor freuden zu huͤpfen. Er wuͤndſch -te69zweites Buch.te feinen Vater zugegen / ihm ein teil ſeiner freude mit zu teilen. Er wuͤndſchte / daß ſeine augen ſehen moͤch - ten / was ihm zu ſehen aufſtieſſe. Und dieſen wundſch wiederholete er wohl tauſend mahl.
Aber wie erfreuet der guhthertzige Joſef war / ſeine Bruͤder zu ſehen; ſo entruͤſtet warden ſie / als ſie ihn von weitem erblikten. Seht! ſeht! ſagte Gad: dort komt unſer kundſchaffer / unſer verraͤhter / unſer unter - traͤhter an. Er wird abermahl etwas bei uns ausſpuͤh - ren wollen / damit er uns bei dem Vater noch mehr in die ſchmuͤtze bringe. Sie haben vielleicht zu hauſe kei - nen plauderzeug mehr ihr geſchwaͤtze fort zu ſetzen. Druͤm komt der plauderer / der waͤſcher / der treumer / ſeine ausgeleerte waſchtaſche wieder zu fuͤllen. Sach - te! ſachte! bruder / fing der hoͤniſche Dan an. Du giebeſt ihm auch alzu veraͤchtliche nahmen. Dadurch beſchimpfeſtu ſeine hoheit. Dadurch begeheſtu ein ver - brechen der verletzten Majeſtaͤht. Sieheſtu nicht / daß er in ſeinem koͤniglichen ſtahtsrokke einhertrabet? Bi - ſtu dan blind / daß du des Koͤniglichen roſſes unter ihm nicht gewahr wirſt. Eile ſtraks Seiner Majeſtaͤht ent - gegen / und mache ſeinen traum wahr. Wirf dich vor unſerem Fuͤrſten / vor unſerem Koͤnige nieder. Baͤhte ihn an. Bitte ihn uͤm vergaͤbnuͤs. Floͤhe ihn an uͤm ſei - ne gnade. Eben daruͤm hat ihn doch der Vater auf ſein allerkoͤſtlichſtes pferd geſetzt. Um nichts anders komt er ſo praͤchtig aufgezogen / als daß wir ihm mit dem al - leruntertaͤhnigſten fußfalle begegnen ſollen. Nichts anders hat er im ſinne / als daß er uns durch ſeine Ma - jeſtaͤht wil erſchroͤkken. Nun / denkt er / muͤſſen die Gar - ben ſich vor mir buͤkken. Nun muͤſſen die Sterne / ſelbſt Sonne und Mohn ſich vor mir neugen. Ja keine an - dere gedanken hat er / als daß wir ihm / als unſerem Obergebieter und Koͤnige / mit knechtiſchem gehohrſam / huldigen ſollen.
E iijWas70Der AſſenatWas huldigen? fing Simeon das wort auf. Wir wollen ihm auf den kopf huldigen / dem Traumkoͤnige / dem Schwarmfuͤrſten / der er iſt. Huldigen wollen wir ihm / daß er es fuͤhlen ſol. Sein bunter Fuͤrſtenrok mus zerflauſchet; er mus in ſeinem bluhte gepurper - faͤrbet werden. So bekoͤmt er eine recht koͤnigliche far - be. Waruͤm fallen wir ihn nicht ſtraks an? Waruͤm reiſſen wir ihn / den hoffaͤrtigen Prahlfuͤrſten / nicht ſtraks zu bodem? Der ſtoltze hochtrabende kopf mus herunter. Den aufgeblaſenen hochbruͤſtigen rumpf mus die erde verſchlingen / oder die ſchuͤndgrube den hunden zu freſſen geben. Das ſei ihm geſchwohren. Zu dieſem ſchwuhre ſeind wir alle verbunden.
Hiermit ging das fluchen / das raſen / das toben erſt recht an. Faſt die meiſten wuͤhteten / als die ein toller hund gebiſſen. Ruben aber und Judah trahten aber - mahl ins mittel. Dieſe ſuchten Joſefs leben zu retten. Verſuͤndigt euch nicht / ſagten ſie / an eurem Bruder. Beſudelt eure haͤnde ja nicht mit ſeinem unſchuldigen bluhte. Dieſes bluht wird uns vor Gott anklagen / und uͤm rache rufen. Dieſes bluht wird unſern alten Vater in die grube bringen. Ja es wird unſer gewiſ - ſen uns zu einem ewig nagendem wurme machen. Dis allein wuͤrde vor uns ſtrafe genug ſein: ob ſchon der Richter im Himmel ſtil darzu ſchwiege. Aber er wird nicht ſchweigen. Er hat ſeine ſtrafruhte ſchon in der hand. Was ſage ich von der ruhte? Sein ſchwert hat er gewetzet. Damit dreuet er uns zu verderben. Ge - denket doch an Kain / der erſtgebohrnen aller Menſchen. Er beging auch einen brudermord am Abel. Aber A - bels bluht ſchriehe zu Gott: und was Gott vor rache aus geuͤbet / iſt euch nicht unbekant.
Als ſie aber ſahen / daß dieſe bluhtduͤrſtigen / durch ſolche reden / nach Joſefs bluhte nur duͤrſtiger warden; ſo hingen ſie den mantel nach dem winde. Sie ſtelletenſich71zweites Buch.ſich mit ihnen in ein horn zn blaſen. Sie billigten ihre meinung. Doch / ſagten ſie / die ſache mus behuhtſam angegriffen werden. Die knechte muͤſſen nichts darvon wiſſen. Wir muͤſſen ihn heimlich aus dem wege reu - men. Sonſt moͤchte es lautbar / und wir wieder getoͤd - tet werden. Zum wenigſten wuͤrde es uns zur ewigen ſchande gereichen. Gad meinete / durch zaudern wuͤr - de man die gelegenheit verlieren. Wan dieſe einmahl entwiſchet / lieſſe ſie ſich ſchweerlich wieder faſſen. Ihr gantzes hinterteil ſei mit einer ſchluͤpfrigen ahlhaut uͤ - berzogẽ. Wan ſie den ruͤkken kehrete / were ſie nicht wieder zu erhaſchen. Daruͤm muͤſte ſie / wan ſie ſich von vornen zeigete / feſt gehalten werden. Ich ſage nicht / warf Ju - dah hierauf ein / daß man die gelegenheit aus der hand laßen ſol. Ich rahte nur / daß man ſich derſelben kluͤglich gebrauchen / und ſich nicht uͤbereilen ſol. Mit der gelegen - heit mus ſich zeit und ort fuͤgen. Wan der diebſtal ſol verſchwiegen werden / musnicht / mit der tuͤhre / der dieb ins haus fallen. Sonſt wird er / durch das gepolter ver - rahten. Auch mus er nicht bei tage einbrechen. Der tag hat alzuviel augen und ohren. Man mus nicht ſo ſtraks zu plumpen. Heimlich und leiſe mus man ſchleichen. Vorfichtig mus man handeln. Im dunkeln mus man wandeln. Am rechten orte mus man beginnen.
Indem ſie alſo redeten / ſtieg Joſef vom pferde / und ging vollend zu fuße nach ihnen zu. Er neugte ſich gantz ehrerbietig. Meldete ihnen des Vaters grus und ſeegen an. Verſtaͤndigte ſie / wie hoch er ſich ihrentwe - gen bekuͤmmerte: wie hertzlich er ſich befahrete / es moͤch - te ihnen etwan ein ungluͤk begegnet ſein; weil ſie geſtern abend nicht zu hauſe gekommen / und man keine einige zeitung von ihnen gehoͤret. Aus dieſen urſachen habe ihn auch der Vater anher geſchikt / den rechten grund zu vernehmen.
Kaum hatte Joſef dieſe worte volendet / als manE iiijihn /72Der Aſſenatihn / ohne einige antwort / ſchon zu greiffen begunte. Simeon / weil er der ſtaͤrkſte war / muſte ſeine feuſte darzu lehnen. Er muſte ihr haͤſcher / ihr haͤnkersknecht / und ſtokmeiſter ſein. Er muſte ihn binden / und in ſeine verwahrung nehmen. Unterdeſſen trahten die andern ſeitwaͤrts ab. Sie berahtfragten ſich bei Ruben / was man weiter tuhn ſolte. Dieſer hette den Joſef gern ge - rettet / und wieder zu ſeinem Vater gebracht. Aber er durfte ſich deſſen im geringſten nicht verlauten laßen, Sie hatten ihm den tod geſchworen. Das wuſte er. Ja er wuſte / daß ihre neidiſche hertzen ſo gar erbittert weren / daß / wofern er von ſeiner lebens er haltung redete / ſie ihn ſtraks toͤdten wuͤrden. Und daruͤm ſprach er ſie alſo an.
Weil allen Soͤhnen Jakobs / welche Rahel nicht gebohren / ein ungluͤk gedreuet wird; ſo were ich wohl toͤhricht / mir ein zu bilden / daß ich und meine kinder deſſen entohnigt ſein wuͤrden. Ich bin mit unter derſelben zahl. Ich wuͤrde / wan es ergehen ſolte / dem Joſef ſo wohl dienen muͤſſen / als ihr. Ich wuͤrde eben ſo wohl ſein leibeigner ſein muͤſſen / als ihr. Meine er - ſte gebuhrt wuͤrde mir nichts helfen. Der erſte wuͤrde ſo wohl das joch tragen muͤſſen / als der letzte. Und daruͤm mus ich meinen ungluͤkke ſelbſt vorbauen. Dar - uͤm mus ich meinem ſicherheit ſelbſt rahten. Ja daruͤm mus ich nohtwendig rahten / daß Joſef vertilget werde. Hierinnen beruhet unſere algemeine wohlfahrt. Aber daß wir unſere haͤnde ſelbſt an ihn legen ſollen / rahte ich itzund eben ſo wenig / als vorhin. Dan alſo begingen wir einen Brudermord. Ja wir begingen zugleich ei - nen Vatermord. Was koͤnte greulicher gedacht wer - den? Wan wir den Vater ſeines liebſten Sohnes be - raubten / wuͤrden wir ihn nicht zugleich ſeines lebens berauben? Wuͤrden wir ihn nicht muhtwillig in ein un - ausſprechliches hertzleid / und durch dieſes gar in die grube bringen? Ich wil mehr ſagen. Wuͤrde nicht Jo -ſefs73zweites Buch.
74Der Aſſenatſefs bluht uͤber uns rache fordern? Wuͤrde nicht des Va - ters fluch / an ſtat des ſeegens / uͤber uns kommen? Wuͤr - de nicht Gottes fluch ſelbſt uns treffen? Wuͤrde nicht unſer gewiſſen unaufhoͤrlich uns aͤngſtigen / und ſo er - ſchroͤklich foltern / daß wir nicht wuͤſten / wo aus oder ein? Und daruͤm muͤſſen wir in alwege auf einen andern und beſſern raht bedacht ſein. Wir haben einen eid - ſchwuhr abgelegt / zu Joſefs verderben. Der mus volzogen ſein. Aber wie? Es mus zum wenigſten den ſchein haben / als hetten wir uns ſelbſt weder an Gott / noch unſerem Vater / noch unſerem Bruder vergriffen. Nun wohlan! weil man aus zwei unuͤmgaͤnglichen boͤ - ſen das beſte erwehlen mus; ſo wil ich aus einem zwei - fachen rahte / der in dieſem handel allein ſtat kan finden / auch den beſten anrahten. Durch deſſen volziehung wird unſer eidſchwuhr volbracht / und Joſef gleich - wohl nicht / durch unſere hand ſelbſten / uͤmgebracht werden. Ich und Sebulon haben neulich / in jenem walde / eine Wolfsgrube gefunden. Darein wollen wir ihn werfen. Da wird er genug aus dem wege ge - reumet / und unſer eid volbracht ſein. Da moͤgen ihn andere Vaͤter und Muͤtter / ja andere Bruͤder / nach ſeinem traume / dienſtlich ehren und anbaͤhten / wie ſie wollen.
Dieſen raht billigten und bewilligten ſie alle. Ja ſie prieſen ſeinen klugen erfinder. Dem ward auch / zuſamt dem Judah / und Sebulon / alſobald die volziehung anbefohlen. Hierauf zogen ſie dem ungluͤkſeeligen Jo - ſef ſeinen koͤſtlichen buntgeſtikten uͤberrok aus: welcher faſt die erſte und fuͤrnehmſte urſache ihres neidiſchen grolles geweſen. Ja ſie riſſen ihm auch ſelbſt den unter - rok vom leibe. Und alſo ward er nach der Wolfsgrube zugefuͤhret. Alda lies man ihn mit ſtruͤkken / damit er nicht beſchaͤdiget wuͤrde / hinunter. Ruben aber hatte bei ſich beſchloſſen / ihn in der naͤchſtkuͤnftigennacht75zweites Buch.nacht heimlich wieder heraus zu ziehen / und ſeinem Vater zu bringen. Und eben zu dem ende ging er von ſeinen bruͤdern weg. Er gab vor / eine andere weide zu ſuchen. Aber ſein einiger wundſch war ſeinen guhten vorſatz zu volziehen. Er dankte Gott / daß er ihm die - ſen raht eingegeben. Er verlangte nach der nacht: und das uͤbrige dieſes tages duͤnkte ihn ſo lang zu ſein / als ſonſt zween volle tage.
Mitlerweile erblikten die andern bruͤder / auf der heerſtraße von Gilead / eine große Geſpanſchaft der Iſmaeler. Dieſe hatten Wuͤrtze / balſam / und mirren aus Arabien gehohlet. Damit gedachten ſie nach Egipten. Sehet / alhier / ſagte Judah / bekommen wir das rechtgewuͤndſchte mittel / Joſefs / ohne bluht - vergieſſen / loß zu werden. Was hilft es uns / daß ſich unſere haͤnde an ihm vergreiffen? Er iſt ja unſer Bru - der / unſer fleiſch und bluht. Komt! wir wollen ihn den Ismaelern verkauffen. Dieſen worten gehorchten die andern. Von ſtunden an lieffen Gad und Judah hin / und zogen den Joſef aus der Wolfsgrube. Auch verkauften ſie ihn vor dreiſſig ſilberlinge: wiewohl ſie nur zwantzig bekanten. Aber ſie bedungen darbei: daß die Keuffer ihn nicht wieder in der nachbarſchaft ver - kauften. Er ſolte in ferne laͤnder gefuͤhret werden. Das bedungen ſie ausdruͤklich. Dan ſie gedachten / kommet er ſo weit in die fremde / ſo wird er uns nicht mehr im wege ſtehen. Und ſo wird er ein ewiger leibeigner / deſ - ſen leibeigne wir zu werden uns beſorgeten. Aber Si - meon / der mitlerweile zu Sichem geweſen / war viel anders geſinnet. Dan als er wiederkahm / und den Joſef verkauft ſahe / erzuͤrnete er ſich uͤber den Judah dermaßen / daß er ihm den tod dreuete. Auch were den worten gewislich die taht gefolget; wo es Gott nicht verhindert. Die hand / damit er ihm dreuete / verdorre - te zuſehens. Und alſo konte er ſeine boßheit nicht vol -brin -76Der Aſſenatbringen. Als nun die Ismaeler etliche meilen wegwa - ren / uͤberfiel die verkeuffer alle eine ploͤtzliche reue. Itzund bedachten ſie erſt / was vor ein ſchelmenſtuͤkke ſie an ihrem Bruder veruͤbet. Itzund kahmen ſie erſt wieder zu ſich ſelbſt. Itzund hetten ſie ihn auch uͤm noch zehnmahl ſo viel gern wiedergekauft. Aber es war zu ſpaͤhte.
Mit dieſer reue uͤberfiel ſie zugleich die nacht. Ru - ben war froh / daß die gewuͤndſchte zeit / den Joſef zu erloͤſen / herzu nahete. Er verzuͤgerte nicht lange. Er ging / ja er lief eilend nach der Wolfsgrube zu. Alle tritte waren ſchritte. Alda faͤllete er einen mittelmaͤßi - gen baum. Deſſen zakken hieb er rund heruͤm ſo weit ab / daß ſie zu leiterſproſſen dienen konten. Hiermit be - gab er ſich zur grube: und lies den baum hinunter / da - mit Joſef an demſelben herauf ſtiege. Darnach legte er ſich beuchlings darvor nieder. Joſef! rief er / lieb - ſter Bruder! Aber der widerhal rief eben die worte zuruͤkke. Er wiederhohlte ſie noch ein mahl / mit viel ſtaͤrkerer ſtimme. Der widerſchal rief ſie abermahl nach. Endlich ſchrie er mit vollem halſe: Bruder ſchlaͤfſtu? Der gegenhal fragte gleich alſo: ob er ſchlief - fe? Ja er wiederhohlete dieſe worte etliche mahl: und wie oft er ſie wiederhohlte / ſo oft warden ſie ihm nach - geſprochen. Ruben gedachte an den widerſchal gantz nicht. Daruͤm ward er uͤber dieſen nachruf ſeiner wor - te ſo beſtuͤrtzt / daß er nicht wuſte / wie ihm geſchahe. Er ſtund im zweifel / ob Joſef ſelbſt / oder aber ſein Geiſt / mit ihm redete. Zum allerletzten rief er: Ach! liebſter Bruder / biſtu todt? Da hoͤrete er / was er fuͤrchtete zu hoͤren / und nicht zu hoͤren wuͤndſchte / das letzte wort todt widerſchallen. Ach! ſagte er darauf / biſtu todt? Ach! wolte Gott! ich were vor dich geſtorben.
Man kan ihm leicht einbilden / wie dem guhten Ru - ben zu muhte geweſen. Die traͤhnen / die er vergos /wa -77zweites Buch.waren nicht zu zehlen: die ſeuftzet / die aus ſeinem hertzen ſtiegen / noch viel weniger. Die ſchmertzen / die er fuͤhlete / konte keine feder beſchreiben. Keine zunge war ſo beredt / ſeine hertzensangſt aus zu druͤkken. In ſol - cher euſerſten betruͤbnuͤs brachte er die gantze nacht zu. Ja vor großem wehleiden verfluchte er auch ſeine Bruͤ - der. Er ſchalt das verhaͤngnuͤs. Er murrete wider das geſtirne / ja endlich gar wider Gott ſelbſten. Und in ſolchen halbunſinnigen gemuͤhtsbewegungen kahm er zu ſeinen Bruͤdern / eben als die dunkele nacht der liechten morgenroͤhte gewichen.
Hatte Ruben zuvor aus wehleiden gefluchet / ſo donnerte er itzund aus uͤbermaͤßigem zorne. Eine iede rede war ein donnerſchlag: ein iedes wort ein donner - keul. Seine augen wetterleuchteten. Ihre blikke blitz - ten / und ſchoſſen feurige ſtrahlen. Mit lauter donner - ſchlaͤgen oͤfnete ſich ſein mund. Mit eitel donnerkeulen bewegte ſich ſeine zunge. Seine ſtimme brummete und ſummete. Ihr nachklang knaſterte und praſſelte. Sein ahtemwind ſtuͤrmete ſo gewaltig / daß er alles gleichſam zerſchmetterte. Und ſeine ſprache brach mit ſolchem greulichen gekrache heraus / daß alles darvor er - zitterte. Durch ein ſolches unwetter ſprach er ſeine bruͤder an. Durch ein ſolches donnerwetter gab er ih - nen den morgengrus. Ihr Brudermoͤrder! ſagte er / welcher Teufel hat euch getrieben euren Bruder zu er - morden? Welcher hoͤlliſche geiſt hat eure fauſt beweget / an der Unſchuld ſelbſten einen mord zu begehen? Wel - cher Engel der fuͤnſternuͤs hat euch ſo verblendet / dem das tagelicht zu rauben / den der Himmel zu eurer Son - ne beſtimmet? Welches Geſpaͤnſte des abgrundes hat euch ſo bezaubert / dem das leben zu nehmen / den das geſtirne zum erhalter des eurigen erkohren? Welche Unholdin aus dem hoͤlliſchen giftpfuhle hat euer hertz ſo vergiftet / dem lieb - und hold-ſeeligen Joſef / durchdas78Der Aſſenatdas allerfeindlichſte / ja mordtaͤhtigſte beginnen / aus dem mittel zu reumen? O ihr ehrvergeſſene ſchaͤnder des gantzen ſtammes der redlichen Ebreer! o ihr Gottsvergeſſene Hoͤllenbraͤnde! o ihr greuliche Nat - terngezuͤchte der pech - und ſchwefel-ſuͤmpfe des Abgrun - des! Ach! du gerechter Himmel! Dieſes wort fing ihm Judah ploͤtzlich auf / ſeinen zorn zu ſtillen. Der Him - mel / ſagte er / iſt freilich gerecht. Er hat es ſo wohl geſchikt / daß er Joſefs leben in ſeine beſchirmung ge - nommen.
Das ſage / das klage ich eben / fuhr Ruben fort / daß ihr ihm das leben genommen. So verſtund er dieſe re - den; weil er / aus uͤbermaͤßiger entzuͤkkung ſeiner ſin - nen / ſie nicht recht hoͤrete. Doch bekahm er endlich ſei - nen verſtand ie mehr und mehr wieder. Er kahm wie - der zu ſich ſelbſt. Und da vernam er erſt recht / daß Jo - ſef noch lebete. Da ſahe er das geld / darvor ihn ſeine Bruͤder verkauft. Das verfluchte er. Das verſpiehe er. Aber was wolte er tuhn. Es war geſchehen. Er war verkauft. Das zeichen ſahe er vor augen. Daruͤm ſagte er: beſſer verkauft / als ermordet. Nun habe ich noch dieſen troſt: Gott iſt getreu. Verleſſet ſchon den Joſef ſein ungetreues Gebruͤder; ſo wird doch der Himmel ihn nicht verlaßen. Aber womit bedekken wir indeſſen dieſen haͤslichen ſchandflek vor der ehrbaren welt? Womit troͤſten wir unſern alten Vater? Der wird ſich todt graͤhmen / wan er erfaͤhret / daß ihr ſeinen Sohn verkauft. Hierauf ſtiegen ihnen allen die traͤh - nen ins geſichte. Sie wuͤndſchten es ungeſchehen. Aber wuͤndſche ſeind winde; und fliegen mit den winden dar - von. Dieſer wundſch nuͤtzte weniger / als nichts. Nie - mand war damit geholfen.
Nachdem ſie lange genug gekaͤrmet / und ſich nun muͤde gehaͤrmet hatten / vermeinten ſie / es ſei beſſer den Vater in ein kurtzes hertzleid / als in eine ewige bekuͤm -mer -79zweites Buch.mernuͤs zu bringen. Sie beſchloſſen / ihn / auf Dans einrahten / zu bereden / Joſef ſei todt. Er ſei von den wilden tieren zerriſſen. So / vermeinten ſie / wuͤrde er eher zu trauren aufhoͤren / als wan ſie gerade zuſagten / daß ſie ihn zum leibeignen verkauft: dadurch ſie ſich zu - gleich in eine ewige ſchande ſtuͤrtzten. Und daruͤm ver - wundeten ſie erſtlich dem Perſiſchen leuffer / darauf Joſef geritten / die ſchenkel; damit man vermeinen ſolte / die woͤlfe hetten ihn alſo zerbiſſen. Hierauf fuͤh - reten ſie ihn bei nachtzeit nach ihres Vaters hofe zu. Nicht weit darvon lieſſen ſie ihn lauffen / und aus be - gierde zum futter / ſeinen ſtal ſuchen. Und alſo lieſſen ſie dieſes pferd ihrem Vater die erſte zeitung vom tode ſeines Sohnes bringen.
Auf den morgen ſchlachteten ſie einen ziegenbok. In deſſelben bluht tunkten ſie den bunten rok ihres Bru - ders; nachdem ſie ihn zerriſſen. Und alſo ſchikten ſie ihn / mit Iſaſchar und Sebulon / zum Vater. Se - bulon ſprach: Ach! Vater / dieſen bluhtigen rok haben wir gefunden. Siehe zu / ob du ihn kenneſt. Jakob kennete ihn alſobald / und antwortete: es iſt meines Sohnes rok. Ein boͤſes tier hat ihn gefreſſen. Ein reiſſendes tier hat ihn zerriſſen. Ach! Joſef! Joſef! wo ſeind nun deine Treume? O ihr betruͤglichen treu - me! O ihr Himmel! waruͤm habet ihre meine deutun - gen vereitelen / und meine hofnung vernichtigen laßen? Mit dieſen erbaͤrmlichen worten / druͤkte er den Rok an ſeine bruſt. Er kuͤſſete das bluht ſo hertzlich / als wan es ſeines Sohnes eigenes bluht geweſen. Und alſo ward Jakob vergolten / was er an ſeinem Vater I - ſaak verſchuldet. Er hatte ihn mit Eſaus / ſeines liebſten Sohnes / Rokke betrogen. Nun muſten ihn ſeine Soͤhne wieder mit ſeines liebſten Sohnes Joſefs Rokke betruͤgen. Die ſchmertzen / welche dieſer traurige Vater uͤber einen ſo ungluͤklichen todes fal ſeines ſo lie -ben80Der Aſſenatben Sohnes empfand / koͤnnen mit keinen gedanken er - reichet / viel weniger mit einiger feder beſchrieben wer - den. Er zerris ſeine kleider. Er legte einen trauerſak uͤm ſeine lenden; und beweinete ſeinen Sohn lange zeit. Es kahmen zwar alle ſeine Soͤhne / und Toͤchter / ihn zu troͤ - ſten. Aber er wolte ſich nicht troͤſten laßen. Ach! ſprach er: ich werde mit leide zu meinem Sohne / in die grube / hinunterfahren. Ja er ſtellete ſich ſo gar erbaͤrmlich an / daß es ein ſtaͤhlernes / ein demantenes hertz zum mitleiden bewegen muſte. Wie es nun nach meinem wegzuge weiter abgelauffen / weis ich nicht. Aber das weis ich wohl / daß man vom ungluͤklichen Joſef keine einige zeitung / ſo lange er iſt verkauffet geweſen / be - kommen.
Die Koͤnigliche Fuͤrſtin war / durch dieſe erzehlung / uͤberaus vergnuͤgt. Ja ſie hette wohl eine gantze nacht zugehoͤret. Sie fragte den Juͤngling vielmahls: ob er vom Joſef gantz nichts mehr wuͤſte? Sie wolte gern alles erfahren. Alles wolte ſie wiſſen. Als er aber ſag - te / daß ihm nichts mehr bewuſt ſei; da lies ſie ihn wie - der von ſich: und verboht ihm / bei verluſt ſeines lebens / daß er ſich gegen niemand ſolte verlauten laßen / waruͤm ſie ihn entbohten / oder was er ihr vom Joſef erzehlet. Er ſolte reinen mund halten. Er ſolte auch des Jo - ſefs nicht einmahl erwaͤhnen. Und hiermit begab ſich der Ebreer wieder hinunter in die kuͤche.
So bald er weg war / brach die Fuͤrſtin gegen ihre Kammerjungfrau alſobald mit dieſen worten heraus: Joſef wird gewislich / ſagte ſie / derſelbe Fremdling ſein / davon die Goͤtter geſprochen. Er wird derſelbe ſein / der ſo volgewaltig uͤber Egipten ſol herſchen. Ich hoͤre es aus allen uͤmſtaͤnden. Er iſt es / dem Aſſenat werden ſol. Er iſt es / in deſſen armen ſie ruhen ſol. Er wird es ſein / und kein ander. Das weis ich. Das wuͤndſche ich. Das hoffe ich: ja das gleube ich gantz ge -wis.81zweites Buch.wis. Zur gluͤklichen ſtunde iſt dieſer Juͤngling hier an - gelanget: der mir alle begaͤbnuͤſſe des Joſefs erzehlet. Ja zur gluͤklichen ſtunde habt ihr den Joſef ſelbſten geſprochen: der euch den Ausſpruch der Goͤtter ſo deut - lich erklaͤhret. Dieſer tag iſt mir ein gluͤklicher tag. Die - ſer abend iſt mir ein gluͤklicher abend: da mir die Goͤt - ter beides ſo wunderbahrer weiſe geoffenbahret: da ich ſo viel wunders erfahren / ſo viel ſeltzames gehoͤret. An dieſen abend wil ich gedenken / ſo lange ich lebe. Und wolten die Goͤtter / daß ich den abend auch ſo gluͤklich erleben moͤchte / da Aſſenat in Joſefs armen ſol ru - hen. Was vor freude wuͤrde wohl ich empfinden / ein ſo ſchoͤnes / ein ſo edeles / ein ſo liebes Paar gepaaret zu ſe - hen. Anders iſt es nicht: es mus geſchehen. Der him - mel hat es alſo verhaͤnget. Die Goͤtter haben es alſo beſchloſſen. Und daruͤm wollen wir dem verhaͤngnuͤſſe / mit ſtilſchweigen / zu ſehen. Mit ſtilſchweigen laßet uns die erfuͤllung dieſes Goͤttlichen rahtſchluſſes erwarten. Wir koͤnnen nichts tuhn / als ſchweigen / und der zeit er - warten. Daruͤm / wan ihr gefraget werdet / was ich mit dieſem Ebreiſchen Juͤnglinge geredet; ſo gebet kurtzen beſcheid: daß ihr nichts daruͤm wuͤſtet; daß ich in mei - nem geheimen beizimmer allein mit ihm geſprochen; daß ihr es nicht anhoͤret. Ich wil wohl wiſſen / was ich tuhn ſol. Niemand wird etwas aus meinem munde erfahren: auch Aſſenat ſelbſt nicht; wiewohl ich ſie liebe / als meine ſeele. Und eben uͤm dieſer liebe willen / wil ichs vor ihr verſchweigen: doch gleichwohl auch die erſte ſein / die ihr alles erzehlen wird. Aber ich mus zu - vor die zeit erſehen / da es ihr zu wiſſen dienet.
Hiermit ſtund die Koͤnigliche Fuͤrſtin auf / ſich ent - kleiden zu laßen. Die Kammerjungfrau verrichtete dieſen dienſt: und ſchied endlich wohlvergnuͤget von ihr. Wohlvergnuͤget ging ſie in ihre ſchlafkammer: da ſie / eh ihr der ſchlaf die augen zuſchlos / alles / was ſie denFver -82Der Aſſenatvergangenen tag gehoͤret / uͤberdachte. Und in dieſen gedanken begab ſie ſich zur ruhe. Der ſchlummer uͤber - fiel ſie: aber das hertz blieb wakker. Die gantze nacht durch ſpieleten ihre gedanken. Die einbildung ſtellete ihr den ſchoͤnen Leibeignen bald ſo / bald anders vor. Bald ſahe ſie die Aſſenat in ſeinen armen. Bald er - blikte ſie ihn im Koͤniglichen ſtaht. Eben daſſelbe wi - derfuhr auch der Koͤniglichen Fuͤrſtin. Und uͤm die morgenſtunde hatte eine iede einen ſonderlichen traum.
Nitokris treumete: daß ſie einen ſchoͤnen und jungen Stier zehn tage lang in Potifars hofe ſahe / und darbei ein junges ſchneeweiſſes Faͤhrſichen; welche ſich beide ſehr freundlich ge - gen einander gehabten. Darzu kahm endlich eine junge Hindin: welche anfangs dem Stie - re ſchmeuchelte; aber ihn / als er ihr nicht auch ſchmeuchlen wolte / zuletzt in ein fuͤnſteres loch ſtieß. Darinnen blieb er drei tage lang / bis ihn ein Krokodil wieder heraus gezogen: da dan der Stier eben auch als in einen Krokodil ver - aͤndert ſchien.
Aber Semeſſe hatte dieſen traum. Es kahm ihr vor / als wan ſie einen fremden Vogel / nicht wu - ſte ſie in was vor einem hauſe / geſehen. Dieſer Vogel war uͤberaus ſchoͤn von farbe / und ſahe faſt aus / als ein Habicht. In einem bauer ſaß ein junges Egiptiſches Stoͤrchlein; welches er ſehr lieb hatte / und oft vor den bauer flog / mit ihm zu ſpielen. Aber der bauer war rund umher zu / und die tuͤhre ſo wohl verwahret / daß er nicht hinein konte. Auch ward ſie einer jungen Henne gewahr. Dieſe ging anfaͤnglich von ferne uͤm den Habicht heruͤm. Darnach kahm ſie ihm immer naͤher und naͤher. Endlich bewieſe ſie ihm etliche liebeszeichen mit pikken. Der Habichtaber83zweites Buch.aber kehrete ſich an nichts. Er ſtellete ſich / als verſtuͤnde er nicht / was ſie meinete. Alda be - fand ſich auch ein alter Hahn. Wan dieſer aus ſeinem Huͤhnerhauſe herfuͤr traht / verlies die Henne den Habicht. Doch kahm ſie ſtraks wie - der / ſo bald der Hahn den ruͤkken gewendet. Sie klukkerte / ſie kuͤrrete rund uͤm den Habicht her - uͤm. Sie pikte ihm erſt nach den pfoten / und dan nach dem ſchnabel. Endlich / als er unbe - weglich / und ihr lieblen gleichſam zu verſchmaͤ - hen ſchien / ergrif ſie ihn mit dem ſchnabel beiden federn. Er aber ris ſich loß / und flohe darvon. Eben kahm der alte Hahn wieder herfuͤr. Dem lief die Henne / mit des Habichts federn im ſchnabel / ſtraks entgegen. Eine guhte weile klukkerten ſie miteinander. Ohne zweifel gab die Henne dem Hahne zu verſtehen / daß ihr der Habicht gewalt zu fuͤgen wollen. Dan der Hahn ſtellete ſich / nach langem geklukkere / gantz er - grimmet an. Der kam / der zuvor bleich gewe - ſen / war nunmehr gantz feurroht. In ſolchem erboßten weſen lief er dem Habichte nach / und jagte ſich ſo lange mit ihm heruͤm / bis er ihn in ein kellerloch getrieben. Vor dieſem loche hielt der Hahn drei ſtunden lang ſchildwache; damit der Habicht nicht darvon kaͤhme. Aber ein Leus jagte den Hahn vor dem loche weg; und erloͤſete alſo den Habicht / der ſich in einen Adler zu ver - aͤndern ſchien / aus ſeiner gefaͤngnuͤs.
Kaum hatte ſich Semeſſe aus ihrem bette erho - ben / als ſie ſchon nach der Nitokris zimmer zueilete / ihr dieſen wunderſeltzamen Traum zu erzehlen. Aber die Fuͤrſt in kahm ihr zu vor. Ach! Semeſſe / Semeſ - ſe! ſchriehe ſie auf / ſo bald ſie die Jungfer erblikte. Ach! hoͤret doch / was ich vor einen wunderlichen traumF ijge -84Der Aſſenatgehabt. Und eben damit begunte ſie ihn zu erzehlen. Als er geendiget war / da erzehlte die Kammerjungfrau den ihrigen auch. Beide ſtunden uͤber dieſe beiden treu - me beſtuͤrtzt. Eine lange weile waren ſie ſprachloß. Die Fuͤrſtin brach endlich in dieſe worte aus. Es ſeind / ſagte ſie / einerlei treume. Sie zielen auf einerlei ſelb - ſtaͤnde. Doch der eurige iſt dunkeler / als der meinige. In dieſem finde ich den ort / und die zeit / da ſeine bedeu - tung ſol erfuͤllet werden: in eurem aber nicht. Ich ſa - he alles in Potifars hofe geſchehen: und zwar in zehen tagen; darauf noch drei tage folgeten. Damit war al - les zum ende. Ohne zweifel wird Aſſenat mit im ſpie - le ſein: wo nicht auch Joſef. Ohne zweifel werden die dreizehen tage dreizehen jahre bedeuten. Aſſenat iſt itzund achtjaͤhrig / aber nach dreizehen jahren wird ſie im ein und zwanzigſten ſein. Dieſes jahr iſt eben daſ - ſelbe / das ihr die Goͤtter / durch ihren Ausſpruch / zu ihrer vermaͤhlung mit dem fremden Herꝛn beſt immet. Was ich geſtern aus der deutung des Goͤttlichen aus - ſpruchs / und aus der erzehlung des Ebreers vom Jo - ſef / geſchloſſen; daſſelbe wird ohne zweifel durch dieſen meinen traum bekraͤftiget. Ja daß dieſer mein traum gewislich wird wahr werden / ſchlieſſe ich daraus: weil der eurige auf eben daſſelbe zielet; zumahl weil wir beide treume an einem morgen / und zu gleicher zeit gehabt.
Wen ſol aber / fing die Kammerjungfrau an / der Stier / und das Faͤhrſichen / mit der Hindin; ja was ſol es / daß der Stier in einen Krokodil ſich ver - aͤndert / bedeuten? Der Stier / den ich ſahe / und euer Habicht bedeuten einerlei: ſo auch mein Faͤhrſichen / und eure junge Egiptiſche Stoͤrchin; meine Hindin / und eure Henne / ja mein Krokodil / und euer Leue des gleichen. Aber auf wen ſie eigendlich zie - len / und was es bedeutet / daß mein Stier in einenKro -85zweites Buch.Krokodil / und euer Habicht in einen Adler veraͤn - dert worden / weis ich nicht zu ſagen. Auch weis ich nicht / worauf euer alter Hahn / desgleichen ich in mei - nem traume nicht finde / zielen ſol. Ja was ſol ich ſa - gen? Dieſe beiden treume ſeind mir viel zu wunderlich / und meinem verſtande viel zu hoch. Wir muͤſſen einen andern Traumdeuter ſuchen. Aber wo ſollen wir ihn finden? Niemand wird hierzu geſchikter ſein / als Jo - ſef. Daruͤm kleidet euch ſtraks an. Machet euch flugs faͤrtig / und gehet zu ihm. Erzehlet ihm alle beide treu - me von ſtuͤklein zu ſtuͤklein. Aber in dem meinigen las - ſet Potifars hof / und die zeit der zehen / und drei tage weg: weil uns beides ſchon klahr genug iſt / alſo daß wir keinen ausleger darzu beduͤrfen.
Semeſſe volbrachte dieſen befehl alſobald. Joſef ſtund eben in der tuͤhre / da ſie ankahm: Und die Jung - frauen / zuſamt der Mutter / hatten ſich in der Iſis Goͤtzenhaus begeben / ihren Goͤtzendienſt zu verrichten. Daher war ſie froh / daß ſie ſo eine gewuͤndſchte gelegen - heit angetroffen / den Joſef allein zu ſprechen. Sie gruͤßete ihn ſehr freundlich: und er unterlies auch nicht / ihr mit eben ſo freundlichem gegengruſſe zu be - gegnen. Nach wenigen wortgepraͤngen diente ſie ihm ſtraks an / daß ſie / ihrer Fuͤrſt in wegen / was geheimes mit ihm zu reden hette. Hierauf fuͤhrete ſie Joſef in den ſaal: da ſie dan ihre worte ſtraks alſo anbrachte. Meine Fuͤrſtin / ſagte ſie / hat in der naͤchſt verwichenen nacht einen Traum gehabt; und ich ſelbſt zwar einen andern / doch einen ſolchen / der jenem in allen ſtuͤkken faſt gleich iſt. Weil nun dieſe zwee gleiche treume / die uns beiden / auch in gleicher zeit / ja in einer ſtunde / zu - gleich aufgeſtoßen / was ſonderliches bedeuten werden; ſo habe ich / auf meiner Fuͤrſtin befehl / die kuͤhnheit ge - brauchen muͤſſen / ihn uͤm eine gruͤndliche auslegung derſelben an zu langen. Hierdurch wird er nicht alleinF ijjdie86Der Aſſenatdie koͤnigliche Fuͤrſtin / die ihm ohne dis ſchon ſehr hoch gewogen / zur hoͤchſten gnade / ſondern auch mich ſelbſten zur hoͤchſten wilfaͤrtigkeit verpflichten.
Joſef begunte ſeinen kleinen verſtand in dergleichen dingen ſtraks vor zu wenden. Er entſchuͤldigte ſich aufs hoͤchſte. Er ſuchte die allererſinlichſten ausfluͤchte. Er wieſe ſie zu den Prieſtern / die darinnen weit mehr geuͤ - bet weren / als er. Ja er ſchlug die Kaldeer vor / derer taͤgliches handwerk es ſei / dergleichen geheimnuͤſſe zu er - gruͤnden. Aber ie mehr er ausfluͤchte ſuchte / ie mehr ſie zufluͤchte fand. Je mehr er ſeinen verſtand verkleiner - te / ie groͤſſer ſie ihn machte. Ja / ſagte ſie / ſeine geſtrige erklaͤhrung des Goͤttlichen ausſpruches iſt ſo unver - gleichlich guht und ſo fuͤrtreflich geweſen / daß wir / in einer ſo ſchweeren und wuͤchtigen ſache / zu niemand anders / als allein zu ihm / unſere zuflucht nehmen. Kein Prieſter / kein Kaldeer / ja niemand im gantzen Egipten hat eine ſo gruͤndliche / eine ſo volkommene er - klaͤhrung uͤber gemelten Ausſpruch tuhn koͤnnen / als er. Und eben daruͤm haben wir auch von niemand / als allein von ihm / dergleichen auslegung unſerer treume zu gewarten.
Weil nun Joſef ſahe / daß alle ſeine einwendungen nichts verfingen; ſo entſchlos er ſich endlich die Se - meſſe / ſo viel ihm muͤglich / zu vergnuͤgen. Ich ver - maͤrke wohl / ſagte er / daß ich geſtern meinen vorwitz / aus unwitz / alzubloß gegeben. Ich vernehme wohl / daß meine alzumilde vermeſſenhelt ihre einbildung uͤberteubet. Dan ich ſehe / daß ſie mich vor denſelben helt / der ich nicht bin. Ich befinde / daß ſie meinen ver - ſtand hoͤher ſchaͤtzet / als er gelten kan. Ja ich ſpuͤhre / daß ſie mit gewalt von mir zu wiſſen begehret / was ich nicht weis. Daruͤm / ſolcher ihrer einbildung zu liebeln / mus ich noch vermeſſener werden. Ihr zu gefallen werde ich ge - zwungen in einer angefangenen verwaͤgenheit / die ichſonſt87zweites Buch.ſonſt vor einen fehler ſchaͤtze / zu verharren. Ja was wil ich ſagen? Das gebot der koͤniglichen Fuͤrſtin iſt mein ſpohren. Und ſo mus ich / ob ich ſchon ſonſten nicht wolte. Hier ſteht der befehl. Dem mus ſich mein wil - le unterwerfen. Kan ich nicht taͤhtig / ſo mus ich doch willig gehorchen. Und dieſer ſo willige gehorſam wird die verwegenheit meiner taht entſchuldigen: ja ſelbſt der koͤnigliche befehl meinen fehler bedekken. Wan es ihr dan beliebt / ſo laße ſie mich vernehmen / was ſie ge - treumet.
Hierauf erzehlete die Kammerjungfrau ihre Treu - me / wie es ihr die Fuͤrſtin befohlen. So bald ſie aus - geredet / fing Joſef an. Beide Treume / ſprach er / ſeind einerlei / wie ſie ſagt: und daher uͤm ſo viel leichter aus zu legen. Dan einer erklaͤhret den andern. Auch was dem andern fehlet / ergaͤntzet der andere. Der ſchoͤne junge Stier / bedeutet einen ſchoͤnen Juͤngling: das junge Faͤhrſichen / eine ſehr zahrte Jungfrau / die noch nicht volkoͤmlich erwachſen: die Hindin / eine ſchoͤne hurtige Frau. Dieſe Frau wird in den Juͤng - ling ſich verlieben. Sie wird ihn ſtraͤhlen; aber er wird ſie nicht achten. Und weil er ihr keine gegenliebe bezei - get; wird ſie ihn / aus zorne / verfolgen / ja gar ins ge - faͤngnuͤs bringen. Daß aber ein Krokodil den Stier aus dem fuͤnſteren loche erloͤſet / und der Stier darnach ſelbſt als in einen Krokodil veraͤndert geſchienen; ſol - ches bedeutet / daß ein Egiptiſcher Koͤnig den Juͤng - ling aus dem gefaͤngnuͤſſe loß / und gleichſam zum Koͤ - nige in Egipten machen werde. Dan der Krokodil iſt der Egiptiſchen Koͤnige ſinbild: welche ſich auch ſelbſt Faraonen / das iſt Krokodillen / zu nennen pflegen.
In dem ihrigen bedeutet der fremde Vogel / der wie ein Habicht ausſahe / eben auch einen Juͤng - ling / der fremde oder auslaͤndiſch / und ſchoͤn / auchF iiijei -88Der Aſſenateines fenrigen / ja faſt Goͤttlichen verſtandes / nach der eigenſchaft des Habichts / ſein wird: die junge Egiptiſche Stoͤrchin / eine noch junge Jungfrau / die in Egipten gebohren: der wohl verwahrte Vogelbauer / darinnen dieſe Stoͤrchin geſeſſen / ein Kloſter / oder ſonſten etwas / darinnen ſie / in genauer verwahrung / erzogen wird: die junge Henne / eine junge Hausfrau; welche dem Juͤng - linge zuerſt von ferne / darnach in der naͤhe ihre liebe wird blikken laßen: der alte Hahn / einen alten Eh - man; in deſſen gegenwart die junge Frau nicht wird duͤrfen maͤrken laßen / daß ſie den Juͤngling liebet. In ſeinem abweſen aber wird ſie ihm uͤm ſo viel mehr lie - beszeichen erweiſen. Ja / weil er weder mit liebesblik - ken / noch mit lieblenden worten zur gegenliebe zu bewe - gen iſt / wird ſie ihn endlich gar mit gewalt darzu ziehen wollen / ihren willen zu volbringen. Er aber wird ihr entſpringen. Hierauf wird die Frau den Juͤngling bei ihrem alten Ehliebſten / aus uͤbermaͤßigem zorne wegen ihrer verſchmaͤhung / faͤlſchlich anklagen / und ihn bewe - gen / daß er den Juͤngling gefaͤnglich wird ſetzen laßen: welches durch das jagen ins kellerloch angedeutet wird. Daß aber ein Leue / als ein koͤnigliches tier / den Hahn vor dem loche wegtreibet / und den fremden Vogel / der ſich darnach gleichſam in einen Adler / der auch ein koͤniglicher vogel iſt / veraͤndert; ſolches bedeu - tet / daß ein Koͤnig den Juͤngling erloͤſen / und in den koͤniglichen ſtand erhoͤben wird.
Wan man nun dieſe beiden Treume / deren der eine den andern / wie ich geſagt / ſehr ahrtig erklaͤhret / zu - ſammenhelt; ſo kommet dieſe volkommene bedeutung heraus. Naͤhmlich es wird ſich irgendwo ein jun - ger und ſchoͤner Auslaͤnder / welcher / gleichwie der Goͤttliche und der Sonne geheiligte Habicht / eines feurigen geiſtes iſt / mit einem ſchoͤnen noch. un -89zweites Buch.unmanbahrem Egiptiſchen Jungfreulein / das man in ſcharfer aufſicht und genauer bewah - rung / vielleicht in einem Kloſter / erziehet / zu - ſammen aufhalten; und dieſes Jungfreulein lieben / auch ihrer gegenliebe genieſſen. Es wird aber eine Ehfrau / die ſchoͤne / jung / und mun - ter / auch deſſelben ortes / da jene zween ſich be - finden / gebieterin iſt / darzwiſchen kommen / und in den Juͤngling ſich verlieben. Anfangs wird ſie ſcheu tragen / ihm ſolche liebe zu offen - bahren: und daruͤm zuerſt von ferne ihm lie - beln; darnach immer naͤher und naͤher kom - men / ihn ſtraͤhlen / ja ſelbſt kuͤſſen: bis ſie end - lich / wan ſie ihre liebe verſchmaͤhen ſiehet / ihn mit gewalt zur unkeuſchheit zu ziehen ſich unter - fangen wird. Er aber wird ihr entreiſſen: und dadurch wird ſich ihre liebe in zorn veraͤndern. Dieſer zorn wird ſie bewegen / den Juͤngling bei ihrem Ehherꝛn faͤlſchlich zu bezuͤchtigen: wel - cher ihn unſchuldig ins gefaͤngnuͤs werfen / und genau bewahren wird. Den Juͤngling aber wird endlich ein Egiptiſcher Koͤnig nicht allein aus dem gefaͤngnuͤſſe erloͤſen / ſondern ihn auch gar in den Koͤnigsſtand erhoͤben.
Joſef hatte dieſe Treume zwar ſehr kluͤglich und gruͤndlich ausgedeutet. Aber er wuſte gleichwohl nicht / daß ſie ihn ſelbſten ſo nahe angingen / und daß der junge Stier und der fremde Vogel auf ihn zieleten. Er wu - ſte nicht / daß das junge Faͤhrſichen und die junge Egip - tiſche Stoͤrchin die lieblichſchoͤne Aſſenat ſei: derer Goͤttlichen ausſpruch er geſtern eben ſo deutlich erklaͤh - ret. Doch wuͤrde er es ohne zweifel / wan man ihm in der Nitokris Traume nicht die zwei fuͤrnehmſten ſtuͤk - ke verſchwiegen / errahten haben. Dan da hette er des Potifars haus / und die zeit der vermaͤhlung derF vAſ -90Der AſſenatAſſenat / als auch der erhoͤhung des Fremdlings in den Koͤnigsſtaht / wie ſie beiderſeits von den Goͤttern beſtimt war / unſchweer gefunden. Weil nun dieſes alles / und noch darzu Joſefs eigene Treume die Koͤ - nigliche Fuͤrſtin wuſte; ſo gab ihr ihre ſcharfſinnigkeit und ſtaͤhtiges uͤberwegen dieſer des Jofefs traumdeu - tung ſehr wunderliche gedanken ein. Den gantzen tag betrachtete ſie ſo wohl die treume ſelbſten / als derſelben deutung. Semeſſe muſte ihr Joſefs worte wohl hundert mahl wiederhohlen. Ein iedes legte ſie auf die wageſchahle ihres verſtandes. Ein iedes deutwort ſchien ihr eine ſonderliche verborgenheit zu begreiffen. Und alſo verſtund ſie wohl etwas: aber lange nicht alles.
Inmittels kahm der abend herbei. Nitokris war eben aufgeſtanden zur tafel zu gehen / als man ploͤtzlich an ihre tuͤhre klopfete. Ein reitender Bohte war von Heliopel angelanget. Dieſer brachte der Aſſenat fol - gendes
IHr liebſtes brieflein empfange ich eben itzund. Nichts gebe ich zur antwort / als ei - nen unſterblichen dank. Dieſen verſpreche ich mit hertz und feder. Es ſeind zwar ſtumme geluͤbde: doch wird ſie die rede meines mundes bald be - kraͤftigen. Mein mund wird es ihr ſelbſten ins ohr / ja ins hertze ſprechen / wie dankbar ich zu ſterben geſonnen. Sie eile nur bald / mir ihre ge - genwart zu goͤnnen. Ich verlange darnach. Ja ich verlange / die volkommene Erklaͤhrung desGoͤt -91zweites Buch.
92Der AſſenatGoͤtterſpruches aus ihrem munde zu hoͤren. Iſt es muͤglich / ſo finde ſie ſich morgen ein. Mor - gen erwarte ich ihrer. Druͤm ſeume ſie nicht. Inmittels wil ich gleichwohl / daß ſie meinen Traum wiſſe: damit ich bei ihrer uͤberkunft / deſſelben deutung erfahre. Dieſen morgen / da ich kaum halb ſchlummerte / deuchtete mich in meines Herꝛn Vaters Hofe zu ſein. Alda ſahe ich ein fremdes ſchloßweiſſes tierlein; welches man ein Hårmlein nente. Dieſes wolte meine Stiefmutter mit ſchlamme beſudeln. Aber es war ſo behaͤnde / daß ſie es nicht erwiſchen konte. Letzlich be / kahm ſie es bei dem ende des ſchwantzes / und wolte es mit gewalt in den koht druͤkken. Aber das Haͤrmlein ris ſo gewaltig / daß es ihr nur ei - nen flauſch haare in der hand lies / und darvon flohe. Daruͤber erzůrnete ſich meine Stiefmut - ter dermaßen / daß ſie das liebliche tierlein in ein fas einſpuͤnden lies. Aber ein Leue ſties mit dem kopfe dem faſſe den bodem ein. Da kahm das Haͤrmlein heraus geſprungen / und ward dem Leuen gantz gleich. Hiermit ward ich eben wak - ker. Sieſehe zu / daß ſie bei dem ſchoͤnen Lerb - eignen die deutung erfahre. Sie vergeſſe es ja nicht. Bringt ſie mir dieſe mit / wird ſie mir uͤm ſo viel angenehmer ſein. Ich werde ihr / und ihm danken / ſo lange ich ahteme. Die Koͤnig - liche Fuͤrſtin ſei hertzlich gegruͤßet. Morgen ſol Sie auch ein brieflein von mir empfangen. Un - terdeſſen befaͤhle ich ſie den Goͤttern.
Aſſenat.
Dieſes ſchreiben verurſachte / daß Nitokris von der tafel blieb. Semeſſe muſte es ihr wohl zehn mahl vor - leſen; ſonderlich des Freuleins Traum: welcher diedeu -93drittes Buch.deutung der ihrigen / mit denen er faſt gantz uͤberein kahm / noch mehr bekraͤftigte. Es war zwar zimlich ſpaͤhte. Gleichwohl ſchikte die Fuͤrſt in ihre Semeſſe ſtraks zum Joſef. Noch dieſen abend wolte ſie die deutung wiſſen: welche faſt auf eben den ſchlag aus - fiel / als der erſten zwee treume. Nur ward daß rein - weiſſe Haͤrmlein / das / ſeiner angebohrnen ahrt nach / ſein reines fel durchaus nicht beſudeln wil / auf einen eben ſo keuſchen / als ſchoͤnen fremden Juͤngling ausgedeutet.
Weil nun Aſſenat ſo gar ſehr nach der Semeſſe verlangte / ſo faͤrtigte ſie die Fuͤrſtin noch dieſen abend ab; damit ſie mit dem fruͤheſten morgen aufſein moͤch - te. Sie legte ihr faſt alle worte in den mund. Sie be - fahl ihr alles / was ſie reden / und nicht reden ſolte. Auch geboht ſie ihr / auf alle gebehrden des Freuleins / wan ſie ihr dieſes oder jenes erzehlete / achtung zu geben; als auch auf alle ihre worte. Die ſolte ſie fleiſſig anmaͤr - ken / eigendlich behalten / und ja nicht vergeſſen; damit man aus beiden der Aſſenat verborgneſte gedanken ergruͤnden koͤnte. Dan die Fuͤrſtin war begierig alles zu wiſſen / auch was in des Freuleins hertzen verhohlen lag: welches / wie ſie wohl wuſte / ſeine meiſte gedanken verſchwieg / und als ein heiligtuhm / heimlich bewah - rete. Und hiermit wuͤndſchte ſie ihr gluͤk auf die reiſe.
SEfira brante noch. Das feuer / das vor etlichen tagen der ſchoͤne Leib - eigne in ihrem hertzen angezuͤndet / war noch nicht verloſchen. Daruͤm trug ſie verlangen zu wiſſen / wo er were. Daruͤm bemuͤhete ſie ſich / ihn aus zu kundſchaffen. In alle wuͤrts - håuſer ſchikte ſie ihre diener. An allen orten vernahm ſie / wo er geblieben. Etliche wochen lang lies ſie ihn ſuchen. Endlich erfuhr ſie / daß ein Memfiſcher Kauf - man ihn bewahrete. Nicht lange konte ſie ruhen. Straks muſte ſie fort. Sie ſetzte ſich auf ihre praͤchtig - ſte kutſche. Eben ſo pråchtig muſte der nachtrab ſein. In ſolcher pracht lies ſie ſich ſehen. In ſolcher herlig - keit fuhr ſie darnachzu. Gantz langſam muſten die pfer - de gehen.
Recht gegen dem ſchoͤnen Leibeignen uͤber wohnete ein Bildhauer. Vor deſſen tuͤhre hielt ſie ſtil. Sie be - gehrete ſeine Kunſt zu beſichtigen. Man muſte ihr ein Bild nach dem andern vor den wagen zur ſchaue brin - gen. Aber es war ihr nicht zu tuhn / dieſe lebloſen Bil - der zu ſehen. Joſef lag ihr im hertzen. Deſſen leben - diges bild begehrte ſie zu ſchauen. Aber dieſe augenwei - de bekahm ſie vor das mahl nicht. Der ſchoͤne Leibeigne war nirgend zu erblikken. Ihre hofnung zerſchmoltz. Ihr verlangen war vergebens. Vergebens war ihr an - ſchlag: uͤmſonſt ihr praͤchtiger aufzug. Und alſo muſte ſie unverrichteter ſachen wieder nach hauſe.
Des folgenden tages kahm ſie noch viel praͤchtiger auf -ge -95drittes Buch.
96Der Aſſenatgezogen. Sie ſaß zwar in eben demſelben wagen: wel - cher von lauterem ſilber und golde flinkerte / und von drei ſchneeweiſſen Pferden gezogen ward. Aber ihr ſchmuk und ihre kleidung war viel koͤſtlicher / als des vorigen tages. Die demanten / die perlen / die rubiene / damit ſie ihren leib gezieret / waren unſchaͤtzbar. Die kleider von weiſſer ſeide / mit guͤldenen roſen und liljen durchwuͤr - ket / gaben einen herlichen glantz von ſich. Vor der bruſt / welche ſich mit zwee lieblichen ſchneehuͤgeln erhub / trug ſie einen buſch rohter und weiſſer Roſen. Aller dieſer zierraht machte ihren ſchoͤnen leib noch viel ſchoͤner. Und alſo ſaß ſie auf ihrem wagen anders nicht / als eine Als - goͤttin der liebe. Rund uͤmher lieffen die leibdiener / auf das zierlichſte gekleidet.
Dieſer ungewoͤhnliche ſchmuk der Sefira lokkete die einwohner in allen gaſſen / da ſie durchhin fuhr / vor die tuͤhren. Die Jungfrauen im hauſe des ſchoͤnen Leibeigenen warden auch luͤſtern dieſe ſo koͤſtlich ge - ſchmuͤkte Fuͤrſtin zu ſehen. Joſef hatte zwar keine luſt einige ſchoͤne Frau an zu blikken. Er flohe ſie vielmehr. Er verbarg ſich vor ihren augen: damit ihr uͤppiger anblik ihn nicht verunruhigte. Gleichwohl lies er ſich itzund von ſeinen Hausjungfrauen bereden mit vor die tuͤhre zu traͤhten. Eben kahm die Fuͤrſtin an. Eben hielt ſie vor dem Bildhauer ſtil. Straks lies ſie die augen auf den Joſef fallen. Straks veraͤnderte ſich ihr gantzes weſen. Die roͤhte ihrer wangen verblich. Die rede ihres mundes entwich. Die bewegung aller ihrer glieder verging. Ja es war faſt nichts bewegli - ches mehr an ihr / als das auge. Dieſes rollete im heup - te heruͤm / als eine unruhe am uhrwerke. Es ſchos lau - ter flinkernde ſtrahlen. Alle blikke waren ſtruͤkke. Ein einiger traf tauſend hertzen. Ein einiger machte tauſend ſchmertzen. Sie lies zwar den Bildhauer rufen mit ihm zu reden. Aber ihre rede war ver -wuͤr -97drittes Buch.wuͤrret / ihre worte gebrochen / ihre ſtimme gehaͤm - met.
Als ſie nun eine halbe ſtunde alda verharret / fuhr ſie wieder fort. So bald ſie auf ihr Schlos gelanget / er - zehlte ſie dem Potifar: daß ein Kaufman in der ſtadt / durch den dienſt eines Ebreiſchen Juͤnglinges / auch nur in wenig tagen am reichtuhme ſehr zugenommen. Aber der ruf ginge / daß man ihn diebiſcher weiſe aus Kanaan entfuͤhret. Daruͤm ſtrafet / ſagte ſie / dieſe boͤſe taht. Tuht dem Juͤnglinge recht. Nehmt ihn zu eurem Hofmeiſter. Ich weis / der Ebreiſche Gott wird uns ſeegnen. Ja ich weis / daß der himliſche ſeegen bei ihm iſt. Was er tuht / das gelinget. Was er anfaͤnget / volendet er mit lauter gluͤkke. Dieſes gluͤk koͤnnen wir haben / wan wir es nur annehmen. Es ſtehet bei euch. Wan ihr wollet / werden wir gluͤklich ſein: wir werden geſeegnet ſein: unſer reichtuhm wird ſich mehren.
Potifar achtete zuerſt dieſe worte wenig. Er ſchob es von einem tage zum andern auf. Und dieſes zaudern machte ſeine Gemahlin gantz ungeduͤltig. Weil ſie nun ohn unterlaß anhielt; ſo befahl er endlich den Kaufman vor gerichte zu fordern. So bald er erſchie - nen / ſprach Potifar zu ihm: Wie komt ihr darzu / daß ihr in das Ebreiſche land reiſet / den Eltern ihre kinder zu ſtehlen / und verkauft ſie darnach vor Leibeigne? Der Kaufman fiel nieder auf ſein angeſicht / und baht uͤm gnade. Mein Herꝛ / ſagte er / weſſen er mich bezuͤchtiget / darvon weis ich gantz nichts. Ich weis mich unſchul - dig / und rein in meinem gewiſſen. Das verhelt ſich nicht alſo / fuhr Potifar fort. Wie komt ihr dan an den Ebreiſchen Juͤngling / den ihr in eurem hauſe ha - bet? Der Kaufman antwortete: die Ismaeler haben ihn in meiner verwahrung gelaßen / bis ſie wiederkom - men ihn ab zu hohlen. Aber Potifar gleubte ihm nicht; und befahl ihn zu ſteupen. Unterdeſſen lies erGauch98Der Aſſenatauch den Joſef hohlen. Den fragte er: Biſtu frei / oder leibeigen? Joſef antwortete: Ich bin ein Leib - eigner. Der Fuͤrſt fragte weiter: Weſſen Leibeigner biſtu? Joſef gab wieder zur antwort: der Ismaeler. Wie biſtu dan ein Leibeigener worden? fuhr der Fuͤrſt fort. Joſef gab ihm zu verſtehen: daß ihn die Ismae - ler im Kananeiſchen lande gekauft. Potifar aber wolte auch dieſes nicht gleuben. Daruͤm befahl er den Joſef gefaͤnglich zu bewahren / bis die Ismaeler wie - derkaͤhmen.
So bald aber Sefira erfuhr / daß Potifar den ſchoͤ - nen Leibeignen gefaͤnglich eingezogen / ſprach ſie zu ihm: waruͤm ſetzt ihr einen geſtohlenen Freien gefangen? Es were beſſer / daß man den edelen Juͤngling loß lieſſe / und euch geiſſelte. Waruͤm nehmt ihr ihn nicht lieber zu eurem Haushalter? Der Fuͤrſt antwortete: es iſt bei den Egiptern nicht gebreuchlich / eines andern guht / ohne bewieſene rechtmaͤßige uhrſache / weg zu nehmen. Und alſo muſte Joſef gefaͤſſelt bleiben: nachdem er drei mohnden / und fuͤnf tage bei dem Kaufmanne ge - weſen. Auch brachte er in ſolchem elende noch vier und zwanzig tage zu / ehe die Ismaeliſchen Kaufleute wieder kahmen / und ihn loß machten. Dieſe hatten gehoͤret / daß Jakob ſein Vater uͤm Joſefs willen ſehr betruͤbt ſei. Daruͤm ſprachen ſie zu ihm: waruͤm habt ihr uns geſagt / daß ihr ein Leibeigener weret? da doch euer Va - ter ein maͤchtiger Man iſt in Kanaan; dem es ſehr zu hertzen gehet / daß ihr verkauft ſeid. Joſef hette gern geweinet. Aber er enthielt ſich. Und damit er ſeine Bruͤder nicht beſchaͤmete / gab er zur antwort: man hat euch unrecht berichtet: ich bin ein Leibeigener.
Hierauf berieten ſich die Kaufleute / wo ſie ihren Leibeignen am beſten verkauffen ſolten; damit es ſein Vater nicht erfuͤhre. Dan ſie fuͤrchteten ſich vor Ja - kob. Sie befahreten / er moͤchte ſich an ihnen raͤchen. Sie99drittes Buch.Sie wuſten / daß er groß geachtet war vor Gott und Menſchen. Unterdeſſen hielt Sefira bei ihrem Ehherꝛn ſtark an / daß er den ſchoͤnen Leibeignen kauffen ſolte. Dan ich hoͤre / ſagte ſie / daß ſie ihn wieder verhandeln wollen. Potifar ſchikte ſtraks hin / und lies fragen: wie hoch ſie ihn hielten? Weil er aber zu teuer war / zerſchlug ſich der kauf. So bald es Sefira verſtund / ſandte ſie ſelbſt einen andern ihn zu kauffen; mit befehl / daß er kein geld anſehen ſolte. Dieſer kaufte ihn vor achtzig goldguͤlden: wiewohl er ſeine Fuͤrſtin berichtete / er hette hundert gegeben. Und alſo gelangte Joſef in Poti - fars ſchlos.
Sefira hatte nunmehr ihren wundſch erlanget. Nie - mand war froher / als ſie. Niemand war vergnuͤgter / als ſie. Joſef muſte ſtraks auf das ſchoͤnſte gekleidet ſein: nicht als ein Leibeigener. Als ein Hofjunker mu - ſte er gehen. Alle neue trachten / die am Koͤniglichen hofe aufkahmen / muſte er haben. Auch brachte ſie bei ihrem Herren ſo viel zu wege / daß er ihn nicht als einen Leibeignen / ſondern als einen Freien zu halten befahl. Und Joſef ſelbſten wuſte ſich bei dem Fuͤrſten ſo be - liebt zu machen / daß er ihn endlich anders nicht / als ſei - nen eignen Sohn / liebete. Er beſtelte ihn zum Hof - meiſter. Er befahl ihm das gebiet uͤber alle ſeine Leib - eigene. Ja er ſetzte ihn zuletzt gar uͤber ſein gantzes haus. Damit er aber zu ſolcher beſtallung uͤm ſo viel geſchikter were: ſo lies er ihn auch in aller Egiptiſchen weisheit unterrichten. Man muſte ihm die geheime Bilder - ſchrift eroͤfnen: darinnen alle Wiſſenſchaften und Kuͤnſte verborgen lagen. Man muſte ihm alles zeigen / was ſonſten niemand / als den Prieſtern / zu wiſſen ver - goͤnnet. Und alſo kahm Joſef in kurtzem ſo weit / daß er ſich nicht entziehen durfte mit den allergelehrte - ſten im gantzen Egipten an zu binden. Ja nicht allein dieſes / ſondern auch ſeine ſonderliche guhtahrtigkeit /G ijund100Der Aſſenatund angebohrne fuͤrtrefliche geſchikligkeit brachte ihn in großes anſehen. Seine liebſeelige freundligkeit ge - wan iedermans liebe. Seine holdreiche beſcheidenheit lokte iederman zur gunſt. Um ſeiner demuht willen ward er von iederman geehret. Ja er zog durch ſeine Tugenden aller gemuͤhter an ſich. Selbſt die allerhaͤr - teſten hertzen warden ihm gewogen. Selbſt die aller - rauſten Menſchen wardem ihm geneugt. Selbſt die allerunbaͤndigſten Leibeigenen machte er zahm. Sie taͤhten alles / was er wolte. Sein wink war ihr befehl. Man war ſonſt gewohnet die Leibeignen mit ſchlaͤgen zur arbeit zu treiben. Aber hier war es nicht noͤhtig. Joſefs liebreiche ermahnung richtete mehr aus / als alle ſchaͤrfe. Eines ſeiner guhten worte galt mehr / als ſonſt tauſend fluͤche / ja tauſend ſchlaͤge.
Dieſes alles ſahe die verliebte Sefira. Und daruͤm ward ſie ie mehr und mehr verliebt. Auch gab ſie dieſe liebe dem Joſef / durch tauſend verliebte blikke / gnug - ſam zu verſtehen. Anfangs ſahe ſie ihn von ferne mit ſpielenden augen an. Dan naͤher durfte ſie nicht kom - men. Schaam und furcht / die zwei groͤſten hindernuͤſ - ſe der liebe / ſtunden ihr im wege. Sie ſchaͤhmete ſich mit worten ihre liebe zu entdekken. Die bloͤdigkeit ihrer acht - zehenjaͤhrigen jugend hielt ſie zuruͤk. Sie fuͤrchtete ſich vor ihrem Ehliebſten. Sie befahrete ſich / ihre leute moͤchten es maͤrken. Und alſo wuſte ſie keinen raht. Ob ſie ſchon ihrem Joſef von weitem ſo viel hertzent - zuͤkkende blikke gab; ob ſie ihm ſchon von ferne ſo man - che liebesſeuftzer zuſchikte: ſo trafen doch alle dieſe feu - rige liebesbohten nur ein kaltes hertz an. Joſef wolte ihre ſtumme bohtſchaft nicht verſtehen / ob er ſie ſchon verſtund. Seine gebuhrtsahrt blieb im gluͤk und un - gluͤk unveraͤndert. Seine[Tugend] behielt er / wie ſie ihm angebohren. Hingegen wuchs ihre liebe ie laͤnger ie mehr. Ihr hertz brante liechterloh. Es ſtund in vollenflam -101drittes Buch.flammen. Dieſe konte ſie nicht laͤnger ertragen. Un - muͤglich war es ſie zu verbaͤrgen. Ausdruͤklich durfte ſie dem Joſef nichts anmuhten. Sie war noch zu bloͤ - de. Sie ſchaͤhmete ſich ihr anliegen heraus zu ſagen. Zudem fuͤrchtete ſie ſich auch / ſie moͤchte es ſo grob ma - chen / daß es ihr geſinde maͤrkte / ja ihr Ehherꝛ ſelbſten gewahr wuͤrde. Und daruͤm erdachte ſie dieſen liebes - rank. Erſtlich wolte ſie / durch die allererſinlichſten lie - besbezeugungen / in ihrem Ehliebſten ein ſo feſtes ver - trauen zu ihrer tugend erwekken / daß er nachmahls nichts boͤſes / wie boͤſe ſie es auch machte / von ihr argwaͤh - nen koͤnte. Wan ſie dieſes vorteil gewonnen; ſo wolte ſie hernach trachten auch den Joſef zu gewinnen. Sol - ches koͤnte ſie alsdan uͤm ſo viel ſicherer tuhn. Fragte er nicht nach ihren guhten worten; ſo muͤſte er wohl ih - rem befehle gehorchen.
Alſo bekahm Potifar die kuͤſſe / die allein auf Joſef zieleten. Alſo genos er die liebe / die einem andern zu - gedacht war. Dan Sefira lies ihm itzund mehr liebes - zeichen blikken / als ſie iemahls zu tuhn vermeinet. Und damit ſie ſolches uͤm ſo viel anmuhtiger taͤhte: ſo nahm ſie der zeit wahr / wan ſie gegen den Joſef am heftig - ſten entzuͤndet war. Wan ſie die groͤſten liebesſchmer - tzen fuͤhlete / hertzete ſie den Potifar am allermeiſten. Wan Joſef ihr hertz am meiſten beſaß / nahm ſie den Potifar am hertzlichſten in den arm. Solcher geſtalt ſtahl ſie dem Potifar das hertz. Durch dieſe ſcheinlie - be betoͤhrete / ja bezauberte ſie ihn ſo gar / daß er ſie vor die allerehrlichſte fraue hielt / die der erdbodem iemahls er - blikket.
Als nun Sefira ſahe / daß ihr dieſer liſtgrif ſo wohl gelungen; ſo vermeinte ſie ihr gewuͤndſchtes end - ziel eben ſo gluͤklich zu erreichen. Ihren Ehherꝛn hatte ſie in den ſchlaf gewieget: ſein mistrauen aus dem we - ge geſchaffet: ſeine eiferſucht gedaͤmpfet. Und alſo warG iijſie102Der Aſſenatſie ſeinetwegen gantz ſicher. Nun trachtete ſie auch die liebe / die Joſef in ihrem hertzen erreget / mit dem rech - ten laabſaale zu ſaͤttigen. Und zu dem ende kahm ſie von der ferne zur naͤhe: von den liebesblikken / und ſeufzern zum kuͤſſen. Des nachts ging ſie vor ſein bette / als wan ſie ihn hette beſuchen wollen. Sie ſtellete ſich / weil ſie kinderloß war / als wan ſie ihn vor ihren ſohn hielte. Unter dem ſcheine uͤmhaͤlſete ſie ihn. Sie hertz - te ihn / als eine Mutter.
Joſef dachte noch kein arges. Vielmehr hatte er mitleiden mit ihr. Er baht Gott / daß er ihr einen Sohn gebe. Ja er bemuͤhete ſich einige Artzneien zu finden / welche der Frauen fruchtbahrkeit befoͤrdern. Er nahm die wurtzel vom Knabenkraude. Die duͤrrete er / und ſties ſie klein. Hierzu maͤngete er noch andere artznei - mittel / die zum Kinderzeugen dienlich. Als ſie nun wie - derkahm / ihm ihre muͤtterliche liebe / wie ſie ſich ſtellete / zu beweiſen; da gab er ihr dieſe Artznei. Er wieſe ihr auch zugleich das Knabenkraut / ſamt der wurtzel. Dieſe wurtzel / ſagte er / iſt das fuͤrnehmſte / das ich zu hieſiger Artznei genommen. Sie iſt ſonderlich guht zum Kinderzeugen: zuvorauswan man ein Knaͤblein begeh - ret. Die euſerliche geſtalt der wurtzel zeiget es an. Dan die Natur hat vielen Kreutern / auch andern gewaͤch - ſen ein ſolches euſerliches kenzeichen gegeben. Darbei kan man zur ſtunde ſehen / wozu ſie guht ſeind. Er hat - te noch zwei andere kreuter mit aus dem garten genom - men. Dieſe lagen eben vor ſeinem bette. Sie ſehe hier / ſagte er: Dieſes kraut hat eine wurtzel / wie ein hertz ge - bildet. Daruͤm iſt ſie auch vor alle krankheiten des her - tzens guht. Daruͤm wuͤrd es auch Hertzwurtz genen - net. Und hier liegt noch ein anderes; welches Zahn - kraut heiſſet: weil es bluhmen / als zaͤhne gebildet / traͤ - get; und daher auch vor die zufaͤlle der zaͤhne dienet.
Ich habe geſehen / redete Joſef ferner / daß ſie uͤberihr103drittes Buch.
104Der Aſſenatihre unfruchtbarkeit betruͤbt iſt. Sie wird / naͤchſt der huͤlfe Gottes / den ich fleiſſig daruͤm bitten wil / wohl be - fruchtet werden. Sie habe nur einen guhten muht. Sie traure nicht. Sie brauche dieſes mittel. Sie wird mit einem jungen Herꝛlein erfreuet werden / ehe ſie ſich deſſen verſiehet. Ach! fing ſie ihm das wort auf / wo ſolte die - ſe freude herkommen? Woher ſol ich ein Soͤhnlein ge - baͤhren? Mein Herꝛ iſt ein alter / beinah ſechzigjaͤhriger Fuͤrſt. Das Kinderzeugen iſt ihm vergangen: die luſt ſelbſten darzu. Von ihm iſt nichts zu hoffen. Kan man von heerlingen wohl weinbeere pfluͤkken? Kan man aus leerem ſtrohe wohl Korn draͤſchen? Es iſt alles uͤm ſonſt. Meine Frau ſei getroſt / fing Joſef hierauf an. Sie verzweifle nicht. Beides / das ihrem Herren vergangen / wird ſich wohl wieder finden. Sie rufe nur eifrig zu Gott / und brauche darbei dieſes mittel.
Eben als Joſef dieſe worte redete / ward eine tuͤhre uͤber ſeiner ſchlafkammer eroͤfnet. Das geknarre hoͤre - ten ſie gantz eigendlich. Darzu vernahmen ſie einen ſchleichenden gang. Dieſes verurſachte / daß die Fuͤr - ſtin / mit der Artznei / eilend aus der Kammer lief. Ja ſie lies ſelbſt das licht ſtehen / und lief im dunkelen. Dan ſie befahrete ſich / ſie moͤchte verrahten werden. Man kan ihm leichtlich einbilden / mit was vor gedanken ſie vom Joſef geſchieden. Wir wollen ihre verraͤhter nicht ſein. Wer alhier ihre reden / die ſie dem Joſef zur antwort gegeben / lieſet / wird ſie ſelbſten unſchweer errahten.
Mitlerweile erfuhr Nitokris / daß Potifar den Joſef ins gefaͤngnuͤs geworfen / und hernach gar gekauft. Nun ſahe ſie den ſchoͤnen Leibeigenen in Po - tifars Schloſſe. Sie ſahe ihn bei einer jungen wohlluͤ - ſtigen Fraue. Daruͤber ſchoͤpfte ſie ſeltzame gedanken. Hier / dachte ſie / wird es auf die bedeutung unſerer treu - me ausdrehen. Hier haben wir nun den jungen Stierund105drittes Buch.und den fremden Vogel / das Faͤhrſichen und die junge Stoͤrchin / mit der Hindin und jungen Henne / ſamt dem alten Hahne / beiſammen. Hier wird nun der Aſ - ſenat Stiefmutter das reinweiſſe Haͤrmlein zu beſu - deln trachten. Hier iſt der ort der Schauburg. Hier ſeind die Schauſpieler ſchon alle beieinander. Nun wird das Schauſpiel beginnen. Es wird langſam ge - ſpielet; und der anfang mit freuden gemacht werden. Das mittel nach dem ende zu wird traurig; aber das ende ſelbſt ſehr erfreulich und gluͤklich ſein. So lange mus es waͤhren / bis Aſſenat recht volkoͤmlich wird er - wachſen ſein. Alſo hat es der Himmel verſehen. Die Goͤtter haben es alſo beſchloſſen.
Eben als Nitokris in dieſen gedanken fortfahren wolte / ward ſie / durch ein haſtiges klopfen an ihres Zimmers tuͤhre / geſtoͤhret. Semeſſe kahm ihr an zu dienen / daß der ſchoͤne Leibeigene da ſei / ſie zu ſprechen. Geſchwinde ſprang die Fuͤrſtin auf. Geſchwinde lief ſie fort / die tuͤhre ſelbſten zu eroͤfnen. So bald ſie den Jo - ſef erblikte / reichte ſie ihm die hand zu / und zog ihn al - ſo in ihr zimmer. O ein ſeltzamer / doch lieber Gaſt! waren ihre erſte worte. Und hierauf boht ſie ihm ſtraks / mit eigener hand / einen ſtuhl ſich nieder zu laßen. Aber Joſef neugte ſich zur erden nieder. Er weigerte ſich dieſe unhoͤftigkeit zu begehen. Und Nitokris lies nicht nach. Nicht eher wolte ſie ein wort hoͤren / er hette ſich dan zuvor geſetzet. So wil ichs dan tuhn / fing er an / nur ihrer Hoheit befehle zu gehorchen. Sonſten hette ich meine bohtſchaft lieber auf den knichen / wie es mir alhier geziemen wil / verrichtet.
Als ſie ſich nun beide niedergelaßen / fragte die Koͤ - nigliche Fuͤrſtin alſobald / was er guhtes braͤchte? Joſef gab zur antwort / daß ihn ſeine gnaͤdige Fuͤrſtin abgeſandt / Ihrer Koͤniglichen Hoheit derſelben unter - taͤhnige pflicht an zu melden / und darbei zu vernehmen /G vob106Der Aſſenatob es Ihr gelegen kaͤhme einen beſuch auf ein halbes ſtuͤndlein von ihr zu empfangen. Der Nitokris ge - genantwort war dieſe. Wan ſeine Fuͤrſtin / ſagte ſie / belieben traͤget / ihre Dienerin derſelben anſprache zu wuͤrdigen; ſo mag ſie ſolches wohl unangemeldet tuhn. Ihr beſuch komt mir niemahls ungelegen. Ich bin zu ihren dienſten allezeit bereit. Dieſes kan er ihr / mit an - bietung meiner gegenpflicht / aus meinem eigenen mun - de vermelden. Hierbei bleibt es. So geſagt / ſo getahn.
Auf dieſe worte erhub ſich Joſef ſeinen abſchied zu nehmen. Aber Nitokris wolte ihn nicht laßen. Nein / nein! ſagte ſie / er mus ſo bald nicht von mir eilen. Das gluͤk ſeiner gegenwart zu genieſſen / hat uns / ich weis nicht was vor ein ungluͤk / misgoͤnnet. Der himmel boht uns daſſelbe zwar erſt an: aber es iſt nunmehr in ſeiner Fuͤrſtin / meiner Frau Muhme / ſchoß gefallen. Dieſe hat ihn ja ſonſten allezeit vor ihren augen. Daruͤm wird und kan ſie ja nicht ſchaͤhl ſehen / wan ich ihr ſeine ſo liebe gegenwart nur auf ein vierteilſtuͤndlein entziehe. Eine ſo ſtachlichte rede beantwortete Joſef anders nicht / als mit einer keuſchen roͤhte / die auf ſeinen wan - gen ploͤtzlich herfuͤrbrach. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin er - blikte dieſe ſtumme antwort alſobald. Daruͤm trachte - te ſie ihn aus der ſtillen ſchaam in ein munteres weſen zu ſetzen. Vorerſt bedankte ſie ſich vor die muͤhwaltung / die er / in auslegung der neulichen Treume / ihrentwe - gen auf ſich genommen. Sie prieſe ſeinen ſo fuͤrtrefli - chen verſtand in dergleichen dingen. Sie boht ihm ihre gnade ſo volkoͤmlich an / als ſie ein menſch iemahls von ihr zu hoffen. Ja er ſolte das einige augenmaͤrk aller ihrer gunſt ſein. Das ſagte ſie ihm mit hertz und mun - de zu. Das beteuerte ſie mit einem hohe eide. Darnach fragte ſie: wie es ihm bei Fuͤrſt Potifarn gefiele?
Joſef gab zur antwort: Ich kan nicht anders ſagen / als wohl. Er helt mich nicht allein vor keinen Leibeige -nen /107drittes Buch.nen / wie Ihre Hoheit ſiehet; ſondern auch ſelbſt als ſei - nen leiblichen Sohn. Wie koͤnte ichs beſſer wuͤndſchen? Was koͤnte ich mehr begehren? Und ſo bin ich in mei - nem ungluͤkke gluͤklich. Ich bin ein Leibeigener / und doch auch keiner. Ich lebe frei. Ich habe mehr zu ge - bieten / als mir gebohten wird. Ja hierbei habe ich itzund noch dieſes gluͤk / daß ihre Hoheit meine wenig - keit ſo hoch ehret / und ſo hoch erhoͤbet / daß mir meine bewuſte unwuͤrdigkeit eine ſchaamroͤhte daruͤber ins ge - ſichte treibet. Das tuht eine Fuͤrſtin / die ſo hoch geboh - ren iſt / daß ſie unter allen Egiptiſchen Fuͤrſt innen den vorzug beſitzet. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſelbſten / die der Himmel erkohren den Egiptiſchen Reichsſtab zu fuͤh - ren / erweiſet mir dieſe hohe gnade. Ja was noch mehr iſt / dieſe hohe und große Fuͤrſtin erniedrigt und verklei - nert ſich ſelbſten ſo gar / daß ſie mir / da ich doch nur ein elender Leibeigener bin / bei ihrem Koͤniglichen eide / ver - ſpricht ihre gantze gunſt uͤber mich unwuͤrdigen aus zu ſchuͤtten. Und alſo bin ich nicht allein gluͤklich bei meinem Herꝛn; ſondern auch bei andern / uͤber mein verdienſt. Ich bin gluͤklich innerhalb hauſes. Gluͤk - lich bin ich auſſerhalb. Wie ſolte mir dan dieſer mein itziger zuſtand / den das gluͤk allenthalben uͤmgiebet / nicht gefallen? Aber wie ſolche ſo uͤber die maße hohe gnade uͤm ihre Hoheit ich elender Leibeigner verdienet / weis ich nicht. Noch viel weniger weis ich in meinem armen vermuͤgen einen dank zu finden; dadurch ich ſol - ches / in untertaͤhnigſt er gehorſamkeit / der gebuͤhr nach erkennen koͤnte.
Joſef wolte fortreden. Aber Nitokris fing ihm das wort auf. Die ehre / ſagte ſie / die ich ihm erweiſe / iſt ſchlecht. Die gunſt / die ich ihm angelobet / iſt eben ſo unſchaͤtzbar: weil ich ſie ihm nicht erzeigen kan / wie ich von hertzen wuͤndſche. Zudem verdienet ſeine geſchiklig - keit viel mehr. Seine Tugend iſt mehr ehre waͤhrt. Sie108Der AſſenatSie uͤberwaͤget aller menſchen gunſt. Und ich weis ge - wis / weil er ſich ſelbſten ſo gar erniedriget / daß ihn die Goͤtter aufs hoͤchſte erhoͤhen werden. Wer ſich ſelbſt er - hoͤhet / wird erniedriget. Wer ſich ſelbſt erniedriget / wird erhoͤhet. Das iſt ein unveraͤnderliches geſetze des Himmels. Die Demuht hat einen guͤldenen bodem. Sie bluͤhet immerdar. Sie bringet immerdar fruͤchte. Wer dieſe tugend liebet und haͤget / der wird ihrer fruͤch - te genieſſen. Es kan ihm nicht fehlen. Er mus endlich ſteigen. Iſt es nicht heute / ſo iſt es morgen. So hat es der Himmel beſchloſſen. Dieſer ſchlus ſtehet feſt. Er ſtehet in den haͤrteſten marmel gegraben. Der finger des allerhoͤchſten Gottes hat ihn ſelbſt darein geetzet. Hingegen hat der Hochmuht einen bleiernen grund. Ja dieſer grund ſtehet auf einem ſumfichten bodem. Er bluͤhet zwar auch eine weile. Aber ſeine bluͤhten fal - len ploͤtzlich ab. Dan verwehet ſie der wind. Der regen vereitelt ſie. Die fruͤchte / die er traͤget ſeind nichts: ja weniger / als nichts; weil das unzeitige abfallen der bluͤßen ihren wachstuhm haͤmmet. Daher iſt es / daß der hochmuͤhtige ſo ploͤtzlich vergehet. Wan er vermei - net am gewiſſeſten zu ſtehen / faͤllet er uͤber einen hauffen / ja verſinket in dem tiefſten mohraſt des Hoͤlliſchen ab - grundes. Und alſo iſt der Demuht das ſteigen / dem Hochmuhte das fallen beſtimmet. Jene ziehet der Him - mel / und dieſen der Abgrund zu ſich. Und ob ſchon der Hochmuht auch nach dem Himmel zuſteiget / ja uͤber alle Himmel hin zu ſteigen ſich vermiſſet; ſo wird er doch / in ſolcher ſeiner vermeſſenheit / uhrploͤtzlich herun - ter geſtuͤrtzet. Raſch faͤllet er zu bodem. Geſchwinde verſchlinget ihn die tiefe. Da findet er ſein ewiges grab. Da verbuͤrget ihn die gruſt der vergeſſenheit fuͤr und fuͤr.
Die koͤnigliche Fuͤrſtin wolte den ſchlus dieſer worte auf den Joſef ziehen. Auch wuͤndſchte er ſelbſten / daßer109drittes Buch.er ihr laͤnger zuhoͤren moͤchte. So wohl gefielen ihm ih - re reden. Dis war ſeines hertzens luſt und freude. Aber Semeſſe muͤßigte ſie darvon ab. Sie uͤberreich - te ihr einen brief von der unvergleichlichen Aſſenat. Und dieſen Nahmen nennete ſie / daß ihn Joſef hoͤre - te: den ſie zugleich ſeitwaͤrts anblikte. Zur ſtunde brach Nitokris den brief auf. Joſef aber begehrte erlaub - nuͤs ſeinen abſchied zu nehmen: den er auch bekahm. Und die Fuͤrſtin ging mit ihm bis an die treppe. Ja ſie befahl der Semeſſe ihn hinunter / bis auf den ſchlos - platz / zu begleiten. Im hinabgehen rief ſie noch hinter dem Joſef her / daß er nicht vergeſſen ſolte ſie oft zu be - ſuchen. Aber dieſes beſuchen ward ihm bald verbohten. Dan Sefira hatte ihn itzund / durch einen ſonderlichen kuͤtzel getrieben / zur Nitokris geſchikt. Sie wolte ihr nur ſehen laßen / daß der ſchoͤne Leibeigne nunmehr in ihren haͤnden ſei. Nitokris ſolte wiſſen / daß Sefira gluͤklicher ſei / als ſie / und der gantze Koͤnigliche hof. Aber hinfort ward ihm keine bohtſchaft mehr an das Koͤnigliche Frauenzimmer befohlen. Ja Sefira war ſo eiferſuͤchtig / daß er ſich / wan ſie von ihren Freundin - nen beſucht ward / kaum durfte ſehen laßen.
So bald Joſef zuruͤk kahm / fragte ſeine Fuͤrſtin ſcharf nach / was die Koͤnigliche Fuͤrſtin mit ihm gere - det. Er aber ſagte ihr nichts mehr / als was zu ſagen dienete. Nur allein prieſe er ihre ausbuͤndige hoͤfligkeit. Er lobte ihre große demuht. Hierzu fuͤgte er / daß ſie ihm weit mehr ehre angetahn / als er wuͤrdig. Er hette ſie gern noch weitleuftiger geruͤhmet. Aber er muſte mit ihrem ruhme kaͤrklicher verfahren / als er geſonnen. Weiter durfte er ſich nicht herauslaßen / aus furcht / er moͤchte ſeine Fuͤrſtin zur ſchaͤhlſichtigkeit erwekken. Sefira ſtellete ſich euſerlich / als wan ihr das lob / das er der Nitokris / wiewohl ſehr ſpahrſam / und weit un - ter ihren verdienſt / zugeſchrieben / ſehr wohl gefiele. Aberim110Der Aſſenatim hertzen dachte ſie viel anders. Und in ſolchen gedan - ten begab ſie ſich nach hofe.
Mitlerweile verrichtete Joſef ſeine geſchaͤfte. Er trieb das geſinde zur arbeit: beſichtigte den neuen Gar - tenbau: taͤht anordnung / wie die felder ſolten abgemaͤſ - ſen / und eingeteilet werden. Zu dem ende nahm er die maͤs ſchnuhr ſelbſten zur hand. Recht in der mitte ordne - te er einen runten Kreus an. Da lies er acht beſondere felder / auch in die runte heruͤm / von gleicher groͤſſe ma - chen; faſt eben auf die weiſe / wie der Egipter Gluͤks - rad pflegt abgebildet zu ſein. In iedes feldes mitte ward daſſelbe bild / das alda im gemelten Gluͤks - oder Wahr - ſager-kreuſe ſtehet / aus weiſſen marmel gehauen / auf einen ſteinern fuß geſetzt: aber in des gantzen Kreuſes mitte das bild der feuchtigkeit / der Nielgoͤtze Kano - pus / in geſtalt eines waſſerſpruͤhenden dikbeuchichten Kruges / mit eines menſchen angeſichte obenauf. Zur rechten hand des Kreuſes ſolte Momft / der Fluht - goͤtze / ſtehen: zur linken aber Omft / der Ebbegoͤtze. Weiter hin ward Oſiris / und Iſis / ein iedes in ein beſonderes feld / geſtellet. Jener ſolte die Sonne / und dieſe die Erde abbilden. Voran ſolte Orus / das ſin - bild des fruchtbahren gewitters / und der waͤchter Anu - bis ſtehen. Noch andere dergleichen bilder warden / auf Potifars befehl / hier und dar in die gartenbette ge - ſetzt. Unter denen war auch die ſo genente Zahara / oder Sahare: welche die Egipter als eine Goͤttin der Schoͤnheit und Liebe ehreten. Ohne zweifel zieleten ſie damit auf Abrahams Fraue / die wunderſchoͤne Sa - ra: darein ſich ehmahls der Egiptiſche Koͤnig Tau - tis verliebte. Alle dieſe bilder warden von den kuͤnſt - lichſten Bildhauern aus ſchneeweiſſem marmel auf das ſchoͤnſte gehauen. Joſef ordnete ſie alle / wie und wo ſie ſtehen ſolten. Auch lies er hier und dar aller - hand Luſtbeume ſetzen. Naͤhmlich Zitronen - und Gra -naten -111drittes Buch.
112Der Aſſenatnaten-beume / Goldaͤpfel - und Balſam-beume / Sant - und Dattel-beume / als auch Mirten und ſchwartze Zimtbeume / derer bluͤßen einen lieblichen geruch von ſich geben. Von den Dattelbeumen lies er zwee und zwee / naͤhmlich ein Weiblein und Maͤnlein / beieinan - der ſetzen / und beider zakken zuſammenflechten: dan ſonſten bringen ſie keine frucht. Die Egiptiſche Feigen - beume / die Bruſtbeerenbeume / und dergleichen mehr warden laͤngſt den Luſtgaͤngen hin gepflantzet.
Mit dieſer gartenarbeit lieffen etliche wochen hin. Joſef wendete ſeinen muͤglichſten fleis an alles aufs beſte zu beſtellen; damit ſein Herꝛ luſt und nutzen / er aber lob und ehre darvon hette. In ſolcher zeit war er gar wenig auf dem ſchloſſe. Und wan er ſchon dahin kahm / ſeiner andern geſchaͤfte wahr zu nehmen / hatte er ſeine gedanken doch meiſt im garten gelaßen. Alſo muſte Sefira / in aller dieſer zeit / ſeiner gegenwart miſſen. Alſo konte ſie ſeines angenehmen geſpraͤches ſehr ſelten genieſſen. Und ob er ſchon des nachts auf dem ſchloſſe ſchlief: ſo durfte ſie ſich doch nicht mehr erkuͤhnen vor ſein bette zu kommen. Sie muſte ſich vor den Leibeignen fuͤrchten / welche uͤber ſeiner Kammer ſchlieffen. Das neuliche knarren der tuͤhre hatte ſie ſchuͤchtern gemacht. Sie fuͤrchtete / man moͤchte ſie be - ſchleichen. Sie befahrete das geſinde in argwahn / und ſich in verdacht und boͤſe nachrede zu bringen. Bei ſo beſchaffener ſache wuſte ſie keinen raht ihre liebe zu ver - gnuͤgen. Ihrem Ehherꝛn allein noch laͤnger uͤm den mund zu gehen / war ihr alzu verdrieslich. Sie lies ſich beduͤnken / daß ſie ihn ſchon genug gewonnen. Sie urteilte / daß ſie ihm das mistrauen / das er etwan aus ihrem uͤmgange mit dem Joſef / hette ſchoͤpfen koͤnnen / nun gantz benommen. Doch gleichwohl durfte ſie die angefangene ſcheinliebe nicht ſinken laßen. Gefaͤhrlich war es ſo ploͤtzlich nach der rechten ſcheibe zu zielen / und der erſten den ruͤkken zu kehren.
In113drittes Buch.In ſo ſeltzamen zuſtande befand ſich dieſe verliebte Fuͤrſtin lange zeit / ja etliche jahre / ehe ſie gelegenheit finden konte / oder nehmen durfte / dem Joſef ihre liebe offenhertzig zu entdekken. Mitlerweile gelangete der neu - angelegte Garten zu ſeiner volkommenheit. Potifar trug belieben ein gaſtmahl darinnen an zu ſtellen. Hier - auf warden die fuͤrnehmſten Herren des Reichs gela - den. Dieſe fanden ſich ein. Sie machten ſich luſtig. Sie waren guhter dinge. Potifar ſelbſt war ſo froͤh - lich / als ihn Joſef noch nie geſehen. Und mitten in dieſer froͤligkeit erzehlte er ſeinen Gaͤſten / was ihm Joſef gefrommet. Er prieſe ſeine geſchikligkeit. Er lobte ſeinen verſtand. Er erhub ſeine tugenden bis an den himmel. Ja / ſagte er / ich habe meinen Joſef ſo lieb / und darf mich auf ihn ſo wohl verlaßen / daß ich ihm mein gantzes haus anvertraue. Ich laße ihn mit dem meinigen walten und ſchalten / wie er wil. Ich be - kuͤmmere mich uͤm nichts. Ich eſſe nur / und trinke. Ich gehe ſorgloß ſchlafen. Ich ſtehe ſorgloß wieder auf. Er allein traͤget ſorge vor uns alle. Und daruͤm wuͤnd - ſche ich nichts mehr / als daß ich ihm ſeine große treue wohl belohnen moͤchte. Were meine liebe Tochter und einige Erbin Aſſenat erwachſen; ſo ſolte er / mit ihr / alles des uͤberſchwaͤnglichen ſeegens / den er mir zuge - bracht / genieſſen. Er / und kein ander ſolte ihr vermaͤh - let werden. Er / und kein ander / ſolte ihrer liebe / vor die unvergleichliche treue / die er mir erweiſet / genieſſen.
Joſef hoͤrete von ferne alle dieſe worte. Er ſahe das dankbahre gemuͤht ſeines Herꝛn: welches ihm als ein ſpohren war / in ſeinem fleiſſe fort zu fahren. War er vorhin fleiſſig geweſen / ſo ward er es itzund noch tau - ſendmahl mehr. Alle ſeine ſinnen und gedanken richte - te er dahin / daß er nur ſeinem Herꝛn gefallen moͤchte. Er bemuͤhete ſich einig und allein ſeine gnade zu behal - ten. Ja er ſtrebete darnach mit allen kraͤften / ſie nochHim -114Der Aſſenatimmer zu vermehren. Faſt kein tag ging vorbei / da er nicht was neues erſan / zu ſeines Herꝛn frommen. Und darzu kahm ſo ein reicher ſeegen vom Himmel / daß Po - tifars ſchaͤtze wuchſen uͤber allen reichtuhm der Egipti - ſchen Fuͤrſten.
Wie ſehr nun Joſef trachtete ſeines Herꝛn nutzen und wohlſtand zu ſuchen; ſo wenig ſchien er ſich uͤm ſei - ner Fuͤrſtin innerliches leiden zu bekuͤmmern. Ja ie mehr ſie ſich bei ihm zu zu tuhn begunte / ie fremder er ward. Je mehr ihre liebe ſich naͤherte / ie abkehriger ſie ihn verſpuͤhrete. Alle ihre mit lauter liebe erfuͤllete blikke konten keinen einigen gegenblik erwerben. Und alſo kahmen dieſe ſtumme reden vor eines tauben und zugleich blinden tuͤhre. Ob auch ſchon / nach den flam - men dieſer blikke / der feuerkwalm ihrer hertzensſeufzer aus dem munde herfuͤr brach; ſo konte doch dieſe hertz - bruͤnſtige gluht eben ſo wenig / als der blitz ihrer augen / ſein hertz entzuͤnden. Ja ob ſchon ihre ſeufzer mit ei - nem hellen knalle loß ſchoſſen; ſo ging doch dieſer knal zu einem ohre hinein / zum andern wieder heraus. Der weg nach Joſefs hertzen zu war ihm verleget. Da hin - unter vermochte kein ſeufzer zu dringen. Alle ſtuͤrme waren vor dieſer burg vergebens.
Weil nun dieſe ſtumme und undeutliche ſprache nichts verfing; ſo entſchlos ſich Sefira ihr anliegen deutlicher heraus zu ſprechen. Sie entſchlos ſich / end - lich das hertz zu nehmen / mit ausdruͤklichen worten den Joſef an zu reden. Sie entſchlos ſich / frei heraus zu ſagen / was ihr fehlete. Das wil ich tuhn / ſagte ſie. Ja das mus ich tuhn; weil ich ihn ſo einfaͤltig im lie - beshandel befinde / daß er nicht einmahl weis / was lie - beszeichen ſeind. Man mus ihm / an ſtat der frucht - loſen zeichen / die liebe ſelbſt in den mund geben. Hier ſehe ich kein anderes mittel. Hier iſt kein ander raht. Und nach dieſer entſchlieſſung wartete ſie nur auf diezeit115drittes Buch.zeit / da Fuͤrſt Potifar etwan in des Koͤniges geſchaͤf - ten verreiſen muͤſte. Alsdan gedachte ſie ihr lange ge - wuͤndſchtes ziel gewislich zu erreichen. Mitlerweile ging ſie / ihrer gewohnheit nach / etliche mahl in die bad - ſtube. Da ſaß ſie ſo lange / bis ſie durchwarm geworden. Hierauf beſtrich ſie ihr angeſicht / ſamt dem bruͤſten und dem halſe / mit trahne vom Balſambaume gantz dik - ke. Mit dieſem anſtriche blieb ſie noch eine guhte ſtun - de ſitzen; damit die kraft des balſams durch die haut / ſie rein und klahr zu machen / auch vor runtzeln zu be - wahren / hindringen moͤchte. Ja ſie kahm nicht eher aus der badſtube / als bis der balſam gantz eingetruknet. Auch wuſch ſie ihn nicht eher ab / als nach drei tagen. Da uͤberſtrich ſie erſt die haut mit oͤhle von bittern man - deln. Darnach wuſch ſie ſich ſehr oft auf ieden tag mit bohnenwaſſer. Dieſes ſchmuͤnken wiederhohlete ſie ſo oft / bis ſie ſchoͤn und huͤbſch genug zu ſein ver - meinte.
Als nun dieſe gemelte zeit herzugenahet / legte ſie ſtraks ihren beſten ſchmuk an. Sie wuſch ihr angeſicht / ſamt den haͤnden / mit vielerhand wohlruͤchenden Waſ - ſern. Auch lies ſie die tafel dekken / und allerhand ein - gemachte koͤſtliche lekkerbislein / zuſamt den edleſten ge - traͤnken / aufſetzen. Nachdem ſie ſich vor dieſer tafel nie - dergelaßen / befahl ſie dem Joſef an zu melden / daß er ihr aufwarten ſolte. Unterdeſſen ſchikte ſie alle Kam - mermaͤgdlein von ſich. Eine iede muſte an ihre gewoͤhn - liche arbeit gehen. Joſef gehorchte ihrem befehle zur ſtunde. Er traht zu ihr hinein / und ward uͤberaus freundlich empfangen. Ihr tuht ſehr wohl / ſagte ſie / daß ihr ſo bald kommet / mir die zeit zu verkuͤrtzen. Und dieſes ſprach ſie mit halbgebrochenen worten. Auch ward ſie bald blas / bald roht; und ſchwieg hiermit eine guhte weile ſtil. Joſef maͤrkte hieraus zur ſtunde / wie hoch es an der zeit ſei. Aber er lies ſich nichts maͤrken. H ijEr116Der AſſenatEr ging an den ſchenktiſch: nahm eine Egiptiſche Bohnenſchahle in gold eingefaſſet / und ſchenkte ſie vol melohnenwaſſers / mit zukker verſuͤßet. Dieſe uͤber - reichte er der Fuͤrſtin mit tieff er ehrerbietigkeit.
Indeſſen hatte ſich Sefira erhohlet. Ach! ſprach ſie / wie wohl wird mir dieſer trunk ſchmaͤkken / den ich von meines liebſten Sohnes hand empfange! Joſef neugte ſich zur erde nieder / und ſagte: wo ſolte mir die - ſes gluͤk herkommen / daß ich armer Leibeigner einer ſo fuͤrtreflichen Fuͤrſtin Sohn ſein ſolte? Was Leib - eigner? fing ſie ihm das wort auf. Ich habe euch nie vor einen Leibeigenen erkant: aber wohl mich ſchon laͤngſt vor die eurige. Und das bin ich auch noch in der taht. Wan ich nun euch meinen Sohn nenne / ſo tuhe ich noch zu wenig. Ich achte euch mehr als meinen Sohn. Joſef beantwortete dieſe reden allein mit ſtil - ſchweigen / und neugte ſich abermahl. Sefira fuhr weiter fort. Ich ſehe / daß ihr noch gantz einfaͤltig in der liebe ſeid. Ich ſpuͤhre / daß ihr meine liebesblikke / ja ſelbſt wan ich ſie ſchon mit hertzlichen ſeufzern beſeele / nicht veaſtehet. Schon etliche jahre her habe ich euch dieſe liebeszeichen genug blikken laßen. Aber ich habe gantz keine wuͤrkung von ihnen in eurer ſeelen geſpuͤhret. Daruͤm mus ich von den zeichen zu den worten und werken ſelſt kommen. Ich mus euch verſichern / daß ich / eine Fuͤrſtin / die uͤber euch gebieten ſolte / mich euch zu eigen gegeben. Ja ich mus euch anfloͤhen / und floͤhe euch itzund an / mit meinen ſchmertzen / die ihr ſelbſten in meinem hertzen erreget / ein mitleiden zu haben. Von euch bitte ich ihre linderung / und hoffe ſie zu erbitten. Und hiermit lieffen ihr die traͤhnen mildiglich uͤber die wangen. Hiermit erſeufzete ſie ſo ſehr / daß ſie kein wort mehr machen konte.
Joſef ſtund hieruͤber beſtuͤrtzt. Er wuſte zu erſt nicht was er tuhn ſolte. Und alſo befanden ſie ſich alle beideneine117drittes Buch.eine guhte zeit als erſtummet. Endlich brach er aus in dieſe worte. Es tuht mir im hertzen weh / daß meine gnaͤdige Frau ſo gar boͤſe gedanken von ihrem getreue - ſten diener zu haben ſich verlauten leſſet. Ich vermeinte / daß ich Ihr / und meinem Fuͤrſten / denen ich nun et - liche jahr her ſo redlich gedienet / meine treue genug be - zeuget hette. Aber nun ſehe ich / daß man an ſolcher meiner treue zweifelt. Nun maͤrke ich / daß man ſie / auf eine ſo gar gefaͤhrliche weiſe / zu bewaͤhren vorhat. Ich kan hieraus anders nicht ſchlieſſen / alß daß ſie mich bei meinem Herꝛn ſchwartz zu machen geſonnen. Aber ach! womit habe ich doch dieſes / daß ſie meine treue ſo verfol - get / verdienet? Wie iſt mir dan meine gnaͤdigſte Fuͤrſtin zu einer ſo erſchroͤklichen feindin worden? Was habe ich ihr dan zu leide getahn? Worinnen habe ich mich ver - brochen? Kan ich mit meinem bluhte ſolches verbre - chen ausſuͤhnen; ſo wil ichs williglich hingeben.
Die Fuͤrſtin hatte keines weges vermuhtet / daß Joſef den ſin ihrer reden ſo gar verdrehen wuͤrde. Ehe hette ſie ſich des einfals der himliſchen feſte / als dieſer antwort / verſehen. Ach! mein Joſef / fing ſie an / wo - her ſolte mir das kommen / daß ich euch zu verſuchen trachtete? Habt ihr dan nicht geſehen / wie gnaͤdig ich euch allezeit geweſen / und wie hertzlich guht ichs mit euch gemeinet? Ihr wiſſet ſehr wohl / daß ich euch nur daruͤm vor ſo eine große anzahl geldes erkauft / daß ihr bei uns in ehren leben ſoltet? Auch iſt euch nicht unbe - wuſt / daß ich meinen Herꝛn bewogen / euch nicht als ei - nen Leibeignen / ſondern als einen Hofmeiſter / ja gar als einen Sohn zu halten. Und hierzu ſolt ihr noch dieſes wiſſen / daß ich meinem Herꝛn bloß uͤm eurentwillen / bisher ſolche ungemeine liebe bewieſen. Daruͤm laßet ja dieſen argwahn in eurem hertzen ſich nicht be - wurtzeln. Gleubet hingegen gewis / daß ich euch treulich liebe. Ja gleubet ſicherlich / daß dieſe meine reden ausH iijkei -118Der Aſſenatkeinem falſchen hertzen / euch etwan hinterliſtig zu be - waͤhren / entſproſſen. Ich habe ſie daruͤm ſo offenhertzig ausgelaßen / damit ich euch zu einiger gegenliebe bewe - gen moͤchte. Und hier mit ſtroͤhmeten die traͤhnen wie - deruͤm uͤber ihr gantzes angeſicht hin.
Joſef fing abermahl an zu klagen. Ach! ſagte er / wie mag doch meine gnaͤdige Fuͤrſtin ſo hoͤhniſch mit mir ſpotten? Meinet ſie dan / daß meine einfalt ſo tum ſei / ihr ein zu bilden / daß ſie mich liebet? Meinet ſie / ich werde gleuben / daß es ihr ernſt ſei / mich zur gegenliebe zu bewegen? Ach nein! ach nein! Ich ſehe ſie ſo from / ſo treu / und ehrlich an / daß ich ſuͤnde taͤhre / wan ich ih - re ſchertzworte ſo verkehrt ausdeutete. Und wan ſie auch ſchon daſſelbe / was ich vor ſchertz aufnehme / mit gantzem ernſte meinete; ſo werde ich doch nimmermehr die gedanken bekommen zu gleuben / daß es wahr ſei. Gott wird mich darvor bewahren. Ja viel weniger werde ich dahin verfallen / die treue / die ich meinem Herꝛn zu leiſten ſchuldig / auf einigerlei weiſe zu kraͤnken.
Bei dieſen letzten worten / lies ſich die Fuͤrſtin be - duͤnken / daß ſich iemand vor der tuͤhre bewegte. Dar - uͤm hies ſie den Joſef eilend / durch ihr ſchlafzimmer / ſeinen abtrit nehmen. Auch hatten ſie ihre gedanken nicht betrogen. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin war eben dar - vor angelanget ſie zu beſuchen / als ſie dem Joſef ihre liebe zu verſtehen gegeben. Die tuͤhre hatte ſie offen / und nicht mehr als das prunktuch darvor haͤngen gefunden. Daher waren ihr alle worte / ſo wohl der Fuͤrſtin / als des Joſefs / zu ohren gekommen. Sefira ſaß noch’eine weile ſtil. Aber als ſie ſahe / daß ſich auch das prunk - tuch bewegete / ging ſie darnachzu. Eben kahm Nito - kris hinein getraͤhten. Auf dieſen ſo unvermuhteten anblik erſchrak die Fuͤrſtin. Und Nitokris fragte ſie alſobald: waruͤm ſie ſo erſchrokken ausſehe? auch wo der ſchoͤne Leibeigene geblieben? So hat ſie dan / fingSe -119drittes Buch.Sefira hierauf an / unſere reden gehoͤhret? Ja freilch / antwortete Nitokris. Aber was gedenkt die Frau Muhme / daß ſie ihres liebſten Diener mit ſo unziemli - cher liebe begegnet? der doch ſo ehrlich iſt / daß er ſie / wie ich verſtanden / ſo beſcheidentlich ab zu leinen gedenket. Wie komt ſie doch zu ſolcher tohrheit / daraus ihr / und unſerm geſchlechte anders nichts / als ein ſchaͤndliches brandmårk / zugefuͤget wird. Sie ſehe wohl zu / was ſie tuht. Und gewislich! ich wil ſie nimmermehr vor mei - ne Muhme halten / ſo fern ſie mir nicht angelobet von ſolcher toͤhrichten liebe ab zu ſtehen.
Sefira beantwortete dieſe reden anders nicht / als mit weinen und ſeuftzen. Ja ſie weinete ſo bitterlich / daß Nitokris / aus hertzlichem mitleiden / ſie troͤſtete. Ach! ſprach ſie / liebſte Frau Muhme / ich komme nicht zu euch / euer hertz zu verunruhigen. Habet nur guhten muht. Handelt vernuͤnftig. Laßet die Tugend euer ziel ſein. Es wird ſich alles wohl ſchikken. Hierauf fiel ſie auf ein anderes luſtigers geſpraͤche. Aber Sefira ſaß allezeit betruͤbt. Keine luſt / noch freude konte bei ihr verfangen. Endlich baht ſie die Koͤnigliche Fuͤrſtin / niemand zu ſagen / was ſie gehoͤhret. Daran darf ſie nicht zweifeln / antwortete Nitokris. Sie iſt meine Muhme. Ihre ehre iſt meine ehre: und ihre ſchande meine ſchande. Alles / was ihr zuſtoͤßet / geht mich mit an. Ich wuͤrde teil haben an ihrer unehre / imfal dieſes auskaͤhme. Daruͤm werde ich wohl ſo klug ſein zu ſchweigen. Und hiermit nahm ſie ihren abſchied.
So bald die Koͤnigliche Fuͤrſtin weg war / fing Se - fira jaͤmmerlich an zu klagen. Ach! ſagte ſie / ach! ich elende! ich troſtloſe! bin ich nun ſo ungluͤklich / daß Nitokris meine liebe wiſſen mus? O grimmiges ver - haͤngnis! O ungluͤkſeelige Liebe / die ich haͤge! O Jo - ſef! Joſef! in was vor einen jammer verſetzet mich dei - ne ſchoͤnheit? Ich bitte dich / und du biſt nicht zu erbitten. H iiijIch120Der AſſenatIch floͤhe dich an / und du erhoͤreſt mich nicht. Ich fal - le dir zu fuße / und du richteſt mich nicht auf. Du leſ - ſeſt mich liegen in ſchmaach und verachtung. Iſt es wohl muͤglich / daß in einem ſo ſchoͤnen leibe ſo ein grau - ſames hertze verborgen? Iſt es wohl muͤglich / daß mir derſelbe / deſſen leben und tod in meiner gewalt ſtehet / mir ſeine liebe verweigern darf? Vielleicht kuͤtzelſtu dich noch darmit / daß du deine Gebieterin hoͤhneſt? Vielleicht iſt es deine luſt / daß du mit mir ſpotteſt? O unmenſchlicher Wuͤhterich! o grauſamer Haͤnker! Doch was ſage ich! was klage ich uͤber dich? Du haſt keine ſchuld. Du biſt ſo unmenſchlich / ſo grimmig / ſo erſchroͤklich nicht. Der argwahn / der zwiſchen mir und dir einſtehet / verhindert unſerer beider vergnuͤgung. Dieſer giebet dir ſolche ſeltzame gedanken ein. Dieſer macht dich furchtſam und ſchuͤchtern. Doch ich verhoffe noch dis uͤbel aus dem wege geſchaft zu ſehen.
Unterdeſſen hatte die Koͤnigliche Fuͤrſtin den guh - ten Joſef beklagt. Nun hatte ſie ſelbſten erfahren / wie ſich ihre und der Aſſenat Treume zu erfuͤllen an - gefangen. Sie wuͤndſchte wohl tauſendmahl / daß der ausgang ſchon vor handen. Sie hatte vor dieſem den Joſef / ſeiner unvergleichlichen ſchoͤnheit und geſchik - ligkeit wegen / geliebet. Nun liebte ſie ihn / wegen ſeiner tugend / noch viel mehr. Dieſe war ihr / aus ſeinen reden zur Sefira / auch ſo unvergleichlich vorgekommen / daß ſie ſich daruͤber nicht genug verwundern konte. Ja ſie konte kaum gleuben / daß er / als ein Leibeigner / durch ſei - ner Gebieterin ſo ſeltene ſchoͤnheit / und ſo gar freundli - ches anſuchen / zur gegenliebe nicht zu bewegen geweſen. Gleichwohl war es gewis. Ihr eigenes ohr konte ſol - ches bezeugen. Und daruͤm hielt ſie den Joſef in allem ſo volkommen / daß ſie zweifelte / ob in der gantzen welt ſeines gleichen zu finden. Sie erhub ihn uͤber alle ſterb - lichen: und ſchaͤtzte die Aſſenat mehr als gluͤklich; weilſo121drittes Buch.ſo ein koͤſtlicher ſchatz ihr dermahleins ſolte zu eigen werden.
Eine zeit darnach fing Sefira ihr altes Lied wieder an. Sie beſtuͤrmte das keuſche hertz Joſefs aufs neue. Sie gab ihm ihr begehren noch deutlicher zu verſtehen. Ach! ſagte ſie / iſt dan euer hertz ſo gar hart und unbe - weglich / daß es mit meinen ſchmertzen kein einiges mit - leiden haben kan? Iſt es dan lauter demant? Iſt es dan lauter ſtahl? Oder iſt es von der ahrt der grimmigen tiere? Einen demant kan man mit boksbluhte / wie man ſaget / bearbeiten. Das ſtahl wird durch das feuer ſchmeidig: und das wildeſte und grimmigſte tier mit guhten worten gezaͤhmet. Aber bei euch verfangen keine worte / wie guht und freundlich ſie ſeind. Das feuer der liebe / wie heftig es flakkert / kan euch nicht entzuͤn - den. Meine traͤhnen / wie heuffig ſie flieſſen / koͤnnen euch nicht erweichen. Meine ſeuſtzer / wie jaͤmmerlich ſie aͤchtzen / koͤnnen euch nicht bewegen. Ich elende! ich truͤbſeelige! was ſol ich beginnen?
Hierauf ſtund ſie eine weile / als entzuͤkt. Sie ſprach kein wort. Sie bewegte ſich auch nicht. Endlich fing ſie ploͤtzlich wieder an. Neulich klagtet ihr uͤber mich / als wan ich euch verſuchen wolte / als wan ich euch in mei - nes Herꝛn ungnade zu bringen trachtete. Aber es wa - ren nur nichtige ausfluͤchte. Ach! liebſter Joſef / ich verſichere euch / ja ich ſchwoͤre euch bei den hoͤchſten Goͤt - tern / daß ich euch wahrhaftig liebe / daß ich euch hertzlich meine. Eure ſchoͤnheit / eure tugend liebe ich uͤber alles / was in der welt iſt. Dieſe ſeind es / die mir meine ſchmer - tzen verurſachen / ach! die allererſchroͤklichſten ſchmertzen! die allerunertraͤglichſten ſchmertzen! Und daruͤm bitte ich / ja ich floͤhe euch an / mir / durch einige gegenliebe / lindrung zu ſchaffen. Sonſt mus ich ſterben. Ich ſehe ſonſt keine andere auskunft / wo ich eurer liebe nicht ge - nieſſe. Und hiermit ſank ſie in ohnmacht zur erde nieder.
H vJo -122Der AſſenatJoſef erſchrak uͤber dieſen ploͤtzlichen zufal. Er het - te gern das geſinde gerufen. Aber er durfte nicht. Auch konte er nicht; ſo ſehr haͤmmete der ſchrik ſeine zunge. Daruͤm hub er die Fuͤrſtin allein auf / und ſetzte ſie ge - maͤchlich in einen ruheſtuhl nieder. Da kahm ſie uͤber eine weile wieder zu ſich ſelbſt. Und als ſie den Joſef erblikte / der ihr mit der hand ein ſtaͤrkwaſſer im ſchnupf - tuche vor die naſenloͤcher hielt; da ſprach ſie mit ſchwaͤchlicher und boͤbender ſtimme: Iſt noch ſo viel liebe / und ſo viel mitleidens bei euch? Aber ach! war - uͤm ſucht ihr mir das leben wieder zu bringen / das ſchon verflogen war? Wiſſet ihr nicht / daß ihr zugleich meine ſchmertzen wiederbringet / die mit dem leben verſchwun - den? Mir war wohl: waruͤm lieſſet ihr mich nicht al - ſo bleiben? Ihr ſuchet mich doch nur aufs neue zu pei - nigen. Ihr erneuert doch nur meine angſt / an ſtat daß ihr ſie lindern ſoltet: welches anders nicht / als durch eine hertzliche gegenliebe / geſchehen mag. Aber darzu kan ich euch nicht bewegen. Und es ſcheinet / als wan eure grauſamkeit und meine liebe uͤm die wette ſtreiten / zu ſehen / welche die andere vertilgen kan.
Auf dieſe worte fing endlich Joſef auch an. Wie ſchoͤpfet doch meine gnaͤdige Frau von mir ſo gar boͤſe gedanken? Leiſte ich ihr dan nicht allen muͤglichſten ge - hohrſam? Bin ich ihr nicht zugetahn mit euſerſter treue? Erweiſe ich ihr dan nicht alle untertaͤhnigſte lie - be? Ja ich verſichere ſie / daß ich ſie uͤber alles liebe / ſelbſt ſo weit / als mir immermehr geziemet. Weiter kan ſich dieſe liebe nicht erſtrekken. Die treue / die ich ihren Eh - liebſten bezeugen mus / leſſet ein mehres nicht zu. Ein mehres kan und wird ſie auch ſelbſten nicht ſuchen. Ich wil mehr ſagen. Ein kind kan ſeine Mutter / unter de - rer hertzen es gelegen / hoͤher nicht lieben / als ich ſie liebe. Ja dieſe liebe ſteiget ſo hoch / daß ich auch mein leben vor ſie laßen wolte. Mein bluht wolte ich vor ſie ver -gieſ -123drittes Buch.gieſſen. Was wil ſie dan mehr von mir haben? War - uͤm ſchreibet ſie mir dan eine ſolche grauſamkeit zu? Waruͤm bildet ſie ihr ein / daß ich ſie / indem ich ihr leben zu laben gedenke / nur zu peinigen geſonnen? daß ich ſie nur daruͤm erhalten wolte / damit ich ihre ſchmertzen er - hielte? Ach! ich bitte / ſie entſchlage ſich ſolches arg - wahns. Sie ſchoͤpfe von mir andere gedanken. Sie befriedige ſich ſelbſt. Sie ſtille ihr unruhiges hertz.
Ach! fing ihm Sefira das wort auf / wie ſol ich mein hertz ſtillen? Womit ſol ichs befriedigen / wan ihr es noch immer mehr und mehr verunruhiget? Ich ſelbſt kan es nicht tuhn. Es ſtehet allein in eurer macht. Wan ihr nur meinen willen volbringt / ſo iſt mir gehol - fen. Tuht ihr das; ſo ſolt ihr uͤber mich und alles das meinige herſchen. Scheuet ihr etwan meinen Eh - herꝛn? Befahret ihr euch / daß ihr dadurch bei ihm in verdacht kommen werdet? Ach! ich verſichere euch / daß er weder von mir / noch von euch etwas boͤſes gedenken kan. Und wan ihm von uns ſchon etwas zu ohren kaͤhme; ſo wird er es doch nicht gleuben. Ich habe die - ſen dingen ſchon vorgebauet. Ich kenne alle ſeine gedan - ken. Ja ich weis ſein hertz.
Joſef ſuchte ſie mit gelindigkeit auf einen andern weg zu bringen. Er ermahnte ſie von ihrem boͤſen vor - nehmen abzuſtehen. Er erinnerte ſie ihrer pflicht und ihrer treue / die ſie ihrem Ehliebſten geſchwohren. Er baht / ſie moͤchte behertzigen / in was vor erſchroͤkliche ſuͤnde ſie beide ſich ſtuͤrtzten / im fal er ihren begierden ge - horchete. Er mahlte ihr die ſtrafe des Allerhoͤchſten / die darauf erfolgen wuͤrde / aufs greulichſte vor. Er bilde - te ihr das boͤſe gewiſſen / das ſie hernach fort und fort nagen wuͤrde / zum allerabſcheulichſten ab. Ja er machte ihr die hoͤlle ſo heis / daß ſie anfing bitterlich zu weinen. Und alſo ſchien ſie ſich zur reue zu lenken. Alſo ſchien ſie leidweſen zu haben uͤber ihre ſuͤndige gedanken. Hier -uͤber124Der Aſſenatuͤber war Joſef ſehr erfreuet. Und als ſie von ihm ge - ſchieden / rief er inbruͤnſtig zu Gott / daß er ſie bei dieſer reue erhalten moͤchte. Auch lies ſie ihn eine zeit lang zu frieden. Eine guhte weile waͤhrete dieſe ſtille. Aber endlich begunte der ſturm viel heftiger / als zuvor. Uhr - ploͤtzlich erhub ſich ein erſchroͤkliches unwetter. Unver - ſehens kahmen lauter donner / und lauter blitze auf den ungluͤkſeeligen Joſef zugeſchoſſen.
Weil nun Sefira ſahe / daß ihr die guhten worte nichts geholfen; ſo entſchlos ſie ſich mit der ſchaͤrfe zu verfahren. Und in ſolcher entſchlieſſung entboht ſie den Joſef. Ihr Herꝛ war eben mit den Koͤnige aus gerit - ten. Ihrem Frauenzimmer hatte ſie erleubet ſich im garten zu erluſtigen. Und alſo befand ſie ſich in ihrem zimmer gantz allein. Joſef maͤrkte / ſtraks im erſten ein - tritte / was die glokke geſchlagen. Er ſahe es ihr an den augen an / daß zorn und liebe in ihrem hertzen ſtritten. Er fragte / mit tiefſter ehrerbietigkeit: was ſie ihm zu befehlen hette? Ich befehle dir / antwortete ſie mit har - ter ſtimme / daß du mich hinfort / als deine Gebieterin / ehreſt. Ich gebiete dir meinen worten gehorſam zu ſein. Ja ich wil / daß mein wille geſchehe. Dieſe worte klun - gen dem Joſef / als ein donner / in ſeine ohren. Lieber het - te er gewuͤndſcht / daß man ihn in der Wolfskuhle ver - hungern laßen / als daß er alhier von dieſer Fraue / die ſei - ner keuſcheit das verderben dreuete / ſo heftig ſolte beſtuͤr - met werden. Was bildeſtu dir ein / fuhr ſie fort / daß du dich wider deine Fraue ſo ſperreſt / ja ihr ſo gar ſchimpflich begegneſt? Weiſtu nicht / daß dein leben und tod in meiner macht ſtehet? Wan ich nur winke / biſtu eintodter menſch.
Joſef wuſte nicht / ob er ſchweigen / oder antworten ſolte. Er ſahe zween gegeneinander ſtreitende feinde vor ſeinen augen. Dieſe waren Zorn und Liebe: welche ihm alle beide den untergang dreueten; jener des le - bens / und dieſe der keuſchheit. Davon muſte er einesweh -125drittes Buch.wehlen. Wolte er leben / ſo muſte er lieben. Wolte er dem Zorne entfliehen / ſo muſte er der Liebe ſich unter - werfen. Wolte er aber der Liebe entrinnen / ſo muſte er / auf gnade und ungnade / dem Zorne / ja dem tode ſelbſt ſich ergeben. Er wehlete dan lieber das letzte. Er wol - te lieber hundertmahl den tod leiden / als einmahl in unkeuſche liebe bewilligen. Ja er wolte lieber ſeine Keuſchheit / als ſein Leben / erhalten. Und daruͤm ver - ſuchte er noch einmahl mit glimpfe ſich aus dieſem lie - besgarne zu wuͤklen. Ich weis nicht / ſagte er / ob es meiner gnaͤdigen Frauen ernſt iſt / mich mit ſo harten worten zu erſchroͤkken; oder ob ſie nur ihre kurtzweile mit ihrem Diener zu haben geſonnen. Zudem kan ich nicht verſtehen / was ſie meinet / und was vor einen ge - hohrſam ſie von mir erfordert.
Seht! ſeht! rief Sefira uͤberlaut / wie er ſich ſo albern ſtellet. Habe ichs dir nicht deutlich genug ge - ſagt? Mein wille iſt / daß du mich liebeſt. Mein befehl iſt / daß du dieſen willen erfuͤlleſt. Mein gebot iſt / daß du meine ſo hertzliche liebe / die deine Tugend in mir ent - zuͤndet / mit gleicher gegenliebe vergelteſt.
Weil es dan nun meine Tugend iſt / ſing ihr Joſef das wort auf / waruͤm Sie mich liebet. Ei wohlan! ſo bitte ich untertaͤhnig / daß ſie mich nicht veranlaße / ſol - che zu verlieren. Dieſer verluſt wuͤrde ja anders nichts tuhn / als mich ihrer liebe unwuͤrdig machen. Sie wuͤrde / ja muͤſte alsdan aufhoͤren mich zu lieben. An ſtat der liebe wuͤrde mich ihr has verfolgen. Sie wuͤr - de meine feindin werden. Ja ſie wuͤrde denſelben / der das ziel ihrer liebe / die Tugend / verſchertzet / weder ſe - hen / noch hoͤren wollen. Was were ihr dan mit ſolchem meinem zweifachen verluſte gedienet?
Sefira / die ſich alſo ſelbſt ins netze gebracht / konte nicht weiter fort. Sie ſchwiegſtokſtille. Sie fand hier - auf keine antwort. Aller vorteil war ihr abgeſchnit -ten.126Der Aſſenatten. Und dieſes ſchmertzte ſie dermaßen / daß ſie aber - mahl in ohnmacht fiel. Die augen warden ſtar. Der mund erblaſſete. Ja das gantze angeſicht war als mit einer todtenfarbe beſtrichen. Joſef rief von ſtunden an ihre Stahtsjungfrauen. Dieſe kahmen eilend herzu gelauffen. Sie ſchnuͤhreten die Fuͤrſtin auf / damit ſie luft bekaͤhme. Und als ſie ein wenig wieder zu ſich ſelbſt gekommen / begehrte ſie nach bette. Alhier war es / da ſie auf allerhand liſtgriffe bedacht war / den Joſef zu uͤberliſtigen. Alhier ſuchte ſie allerhand ſchlingen und ſtruͤkke hervor / ihn zu uͤberſchnaͤllen.
Nachdem nun Sefira weder mit liebes-noch dreu - worten etwas ausrichten koͤnnen; ſo verſuchte ſie ihr heil noch auf eine andere weiſe. Sie ſtellete ſich / als wan ſie im Worte Gottes unterrichtet zu werden be - gehrte. Und daruͤm prieſe ſie zuerſt Joſefs Tugend und Gottesfurcht aufs hoͤchſte. Sie ruͤhmete ſein ed - les gemuͤhte: welches von allen laſtern ſo weit entfer - net / als die ſonne von der erde. Ihr habet getahn / ſag - te ſie zu ihm / was die Tugend gebietet; indem ihr mich meiner ehpflicht erinnert. Ihr habet gebaͤhten / was euch eure Gottesfurcht befohlen; indem ihr bahtet euch bei eurer tugend zu laßen. Mit dieſen und dergleichen reden machte ſie gleichſam ein vorſpiel. Darnach kahm ſie zur ſache ſelbſt. Wie ſol ich aber / fuhr ſie fort / un - terdeſſen meine ſchmertzen ſtillen? Wer wird meine lie - be vergnuͤgen? Daruͤm ach! liebſter Joſef / weil ihr mich ſo ſehr verwundet / ſo toͤdtet mich doch nicht gar. Es wuͤrde fuͤrwahr keine tugend ſein / eine ſchwache Fraue zu toͤdten. Imfal ihr meinen willen tuht / ſo wil ich meine Goͤtzen verlaßen. Ich wil eurem Gotte die - nen. Ja ich wil darzu auch meinen Ehherꝛn ſelbſten bereden. Und alſo wollen wir nach dem Geſetze eures Gottes leben.
Joſef aber gab ihr zur antwort: daß dieſelben / diein127drittes Buch.in unkeuſchheit lebeten / Gott nicht dienen koͤnten. Gott ſei ein reines Weſen / und wolte mit reiner ſeele geehret ſein. Er hette kein gefallen an denen / die ſich mit Ehbruche beflekten. Daruͤm / wan Sefira ſeinem Gotte dienen wolte / muͤſte ſie ihr Ehbette rein und un - beflekt bewahren. Wolte ſie nach dem Geſetze ſeines Gottes leben / ſo muͤſte ſie ſich aller ehbrecheriſchen liebe gantz entſchlagen. Dieſe worte gefielen ihr auch nicht. Sie trieben ihr gemuͤht auf ſeltzame gedanken. Ja ſie verurſachten ſie zu einer ſehr fremden ent - ſchluͤßung.
Wohlan dan / ſagte ſie / weil uns meine Ehpflicht im wege ſtehet; ſo wil ich gelegenheit ſuchen / mich von derſelben loß zu machen. Wolt oder duͤrft ihr keinen Ehbruch begehen; ſo wil ich auf mittel bedacht ſein / meinen Ehherꝛn aus dem wege zu reumen. Solches kan heimlich geſchehen. Kein ſchlag / kein ſtoß ſol es verrichten. Ich wil keinen oͤffendlichen mord begehen. Ich wil ihm keine wunde zufuͤgen: welche man ſehen koͤnte; welche die taht verriete. Nein / nein! ich wil be - huhtſam handeln. Fuͤrſichtig wil ich verfahren. Nie - mand ſol es maͤrken. Ein einiger gifttrank kan alles verrichten. So bleiben wir auſſer verdacht. Und als - dan wil ich euch zur ehe nehmen. Alsdan ſolt ihr mein Ehgemahl ſein. Alsdan koͤnnen wir / ohne Ehbruch / unſere liebe vergnuͤgen.
Auf dieſe reden zerris Joſef ſein kleid. Er ſtund gantz beſtuͤrtzt. Ein iedes wort ſchien ihm ſchon eine mordpfrieme zu ſein. Ach! ſprach er / Sie ſchaͤme ſich doch vor Gott und den heiligen Engeln / ſolche verzwei - felte worte zu reden. Sie verzweifele doch nicht ſo gar. Sie ergebe ſich doch den boͤſen nicht ſo gantz. Sie fuͤrch - te den HERꝛn. Sie baͤndige die unbaͤndigkeit ihrer be - gierden: und begehe ſolch-eine boͤſe taht nicht. Fuͤr - wahr! imfal Sie von dieſem vorſatze nicht abſtehet;ſo128Der Aſſenatſo wil ich ihre boßheit offenbahren. Ich mus es tuhn Mein gewiſſen dringet und zwinget mich darzu. Und alſo muſte ſich Sefira vor dem Joſef fuͤrchten. Sie durfte ihm in langer zeit nichts mehr von ihrer liebe ſa - gen. Ach! ſprach ſie bei ſich ſelbſt / hat mich dan Jo - ſefs ſchoͤnheit verwunden muͤſſen / daß ſeine grauſam - keit mich toͤdtete? Hat ihn dan der Himmel daruͤm mit ſo fuͤrtreflichen Tugenden gezieret / damit man ſeiner Schoͤnheit nicht genieſſen koͤnte? Worzu dienet ein ſchoͤner Apfel / der zu eſſen verbohten? Zu nichts anders / als daß er den mund waͤſſericht / die zunge luͤſtern / und das hertz vol ſchmertzen machet. Ach weh mir! daß ich ſo ungluͤklich geweſen den Joſef zu ſehen. Ach ich angſtſeelige! wer wird mich noch aus dieſer angſt erloͤſen? Ach ich armſeelige! wer wird ſich uͤber mich er - barmen?
Weil nun Sefira ſich ihrer liebe gegen den Joſef nicht kuͤhnlich mehr durfte verlauten laßen; ſo ſuchte ſie ihn gleichwohl auf eine andere weiſe zu gewinnen. Sie ſchikte ihm allerlei geſchenke. Alles / was koͤſtlich und ſchoͤn war / muſte Joſef haben. Auch ſandte ſie ihm die lieblichſten ſpeiſen. Aber ein Engel warnete ihn / darvon nicht zu eſſen. Dieſer reichte ihm ein meſ - ſer in einer ſchuͤſſel zu. Daraus verſtund Joſef / daß man ſeiner ſeelen heimlich nachſtellete. Und daruͤm aß er nichts von ihrer ſpeiſe. Er trunk nichts von ihrem tranke. Dan beide waren mit Taturenſaamen / ihn verliebt zu machen / vermiſcht.
Sefira ward es endlich gewahr / daß er von ihrer ſpeiſe nichts genoſſen. Daruͤm ſetzte ſie ihn deswegen zur rede. Joſef antwortete: ſie war mit dem tode erfuͤllet. Gott hat es mir / durch ſeinen Engel / geoffen - bahret. Und ich habe ſie / zur uͤberzeugung ihrer boß - heit / aufgehoben. Ich habe ſie bewahret; damit Sie / durch dieſelbe / zur reue bewogen wuͤrde. Nun ſol ſieſehen /129drittes Buch.ſehen / daß demjenigen / der mit keuſchem und reinem hertzen Gott dienet / die argliſtigkeit der boßhaftigen kein uͤbels zu zu fuͤgen vermag. Und hiermit nahm er die ſpeiſe / und aß ſie in ihrer gegenwart. Der Gott meiner Vaͤter / ſagte er / wird mich bewahren. Abra - hams Engel wird mich beſchirmen.
Als ſie ſolches ſahe / fiel ſie auf ihr angeſicht zur erde nieder. Sie weineke bitterlich: und ſagte dem Joſef zu / daß ſie ſolches nicht mehr tuhn ſolte. Aber ihr hertz brante gleichwohl immerfort. Die unliebe lies ihr keine ruhe. Sie weinte / ſie ſeuftzete tag und nacht. Sie aß / noch trank nichts. Dieſes alles machte ſie ſo ungeſtalt / daß ihr Ehherꝛ ſie fragte: waruͤm ſie ſo klaͤglich aus - ſehe? waruͤm ſie das heupt ſo haͤngen lieſſe? Ach! gab ſie zur antwort / mein hertz tuht mir weh. Ich bin ſo mat / daß ich kaum ahtemen kan. Potifar trug ein hertzliches mitleiden mit ihr. Er trug ſorge vor ſie; wiewohl ſie nicht krank war.
Nicht lange darnach erhub ſich abermahl ein ſturm. Sefira kahm / im abweſen ihres Ehliebſten / zum Jo - ſef. Ach! ſagte ſie / ich verſchmachte vor wehleiden; oder ich mus ſterben. Ich wil mir ſelbſt der angſt abhel - fen. Ich kan / noch mag ſie nicht laͤnger vertragen. Ich mus mich ertraͤnken. Oder ich wil vom ſchloſſe her - unter ſpringen / den hals zu brechen; wo ihr meine be - gierden nicht volbringet. Joſef ſahe wohl / daß ſie der Hoͤlliſche geiſt beſaß; daß ein Geiſt des abgrundes ſie in die euſerſte verzweifelung geſtuͤrtzt. Daruͤm rief er ihrentwegen zu Gott. Daruͤm trachtete er ihr dieſen mismuht zu benehmen. Ach! ſagte er / waruͤm iſt ſie doch ſo gar entſtellet? Waruͤm gebaͤhrdet ſie ſich ſo ſehr uͤbel? Wie leſt ſie die ſuͤnde ſo gewaltig uͤber ſich herſchen? Wie leſt ſie ihren boͤſen begierden den zuͤgel ſo gar lang? Welcher boͤſer Engel gibt ihr dieſe gedanken ein / ihr ſelbſt das leben zu nehmen? Sie gedenke doch / wan SieJdie -130Der Aſſenatdieſes volbraͤchte / wie Sechon / ihres Liebſten Bei - ſchlaͤferin / ihr gedaͤchtnuͤs vom erdbodem vertilgen wuͤrde.
Aus dieſen reden begunte Sefira einigen troſt zu ſchoͤpfen. Nuhn ſehe ich / ſagte ſie / daß Joſef die Se - fira aus ſeinem hertzen nicht gantz verwieſen. Nun maͤrke ich / daß ich noch in euren gedanken ſchwebe. Nun ſpuͤhre ich / daß ihr meiner nicht ſo gar vergeſſen. Nun habe ich guhte hofnung / daß ich endlich meinen willen werde erfuͤllet ſehen. Joſef aber meinte es viel anders. Sein gantzer vorſatz war ſie von einem ſo boͤſen vornehmen gantz ab zu lenken. Er trachtete nach nichts anders / als ihre kranke vernunft zu heilen. Und daruͤm ſeuftzete er denſelben gantzen tag und die folgende gantze nacht zu ſeinem Gotte. Er baht / mit weinenden augen / daß doch endlich einmahl dieſe Egiptiſche Fraue von ihrer blinden ſucht moͤchte erloͤſet werden.
Nicht lange darnach beging man eines der hoͤchſten Egiptiſchen Feſte. Man feierte das gedaͤchtnuͤs der Ab - goͤttin Iſis: welche / nach ihren gewaͤhnten goͤtlichen vielen verrichtungen und eigenſchaften / ſo vielerlei zu - nahmen fuͤhrete. Die Prieſter lieffen / in lang-weiſſen leinen roͤkken / auf den gaſſen heruͤm. Sie beweineten den ermordeten Oſiris. Sie heuleten / ſie klagten / ſie ſchrien ſehr jaͤmmerlich. Sie ſchlugen vor die bruſt. Sie hieben und peitſchten ſich wund. Etliche trugen des hundekoͤpfichten Anubis goͤtzenbild auf dem heupte; und in der rechten hand einen Fiechtenzweig; in der linken aber einen Seewermuhtſtrauch. Andere ſchlu - gen die Pauken / blieſen in die Krumphoͤrner / ſpieleten mit dem heiligen helklingendem Schaͤllenbuͤgel / und auf andern bei ihnen gewoͤhnlichen Spielzeugen. Nach volendeten feiergepraͤngen vermumten und verkleideten ſich die Prieſter / auf mancherlei weiſe / wie die Faſt - nachtsſpieler. Etliche gingen gekleidet als die Jaͤger:an -131drittes Buch.
132Der Aſſenatandere wie die Waldgoͤtzen; wieder andere gleich den Alsgoͤttinnen der Freien kuͤnſte / und ſo fort. Erliche trugen der Iſis goͤtzenbild / andere den ſchwartzweiſſen Goͤtzenochſen / des Oſiris ſinbild / noch andere des Orus / wieder andere des Apis / und des Harpokra - tes abgoͤttiſche bilder heruͤm. Hierauf kahmen aller - hand Saͤnger und Seitenſpieler / mit den heiligen Schaͤllenſpielen / trummeln / pfeiffen und andern Klingſpielen. Zu allerletzt trug einer die Weltkugel in der hand / mit wunderſeltzamen gebaͤhrden. Dieſem Prieſterlichen aufzuge folgete der gemeine man ſchwarmsweiſe durcheinander. Etliche trugen Kan - nen / Fruchthoͤrner / Spiegel / Kaͤmme / Leuchten / Lam - pen / und dergleichen zeug: andere Eppichtrauben / und allerhand Kraͤntze.
Weil nun Potifar dieſen heiligen feſtgepraͤngen mit beiwohnen muſte / ſo nahm Sefira der gelegenheit wahr. Sie lies ihr zimmer / ihr bette / ja ihren leib / gleichſam als hette ſie es dem hohen feſttage zu ehren ge - tahn / aufs lieblichſte und zierlichſte ſchmuͤkken. Der bodem / die tafeln / und baͤnke waren mit allerhand wohlriechenden waſſern beſpraͤnget; auch mit Roſen - blaͤttern / mit bluͤßen von Goldaͤpfel-Zitronen-ſchwar - tzen Zimmet - und Tatur-beumen / und andern lieb - lichriechenden bluhmen / als auch kreutern beſtreuet: welches nicht allein mit einem anmuhtigen geruche die luft erfuͤllete / ſondern auch mit einer ſonderlichen luſt die augen ergetzte. Die vorhaͤnge des bettes waren von wẽiſſer ſeide / mit guͤldenen bluhmen durchwuͤrkt / und voran mit roſenfaͤrbigen baͤndern recht zierlich aufge - bunden. In dieſem ſo koͤſtlichen bette lag Sefira / als eine zweite Alsgoͤttin der Schoͤnheit und Liebe. Ihr gantzer leib / den ſie mit wohlriechenden waſſern ge - waſchen / und mit koͤſtlichen ſalben / auch Oſſarmilche / alle flekker zu vertreiben / beſtrichen / war gantz nakkend. Nur133drittes Buch.Nur hatte ſie eine roſenrohte ſeidene dekke bis an die bruſt daruͤber gedekt. Und dieſe war ſo zahrt und ſo duͤnne / daß ihre ſchneeweiſſe liljenhaut gantz eigendlich durchhin blinkte. Um die aͤrme trug ſie nach oben zu zwo koͤſtliche mit demanten verſetzte guͤldene ſpangen: aber unten nach den haͤnden zu ſehr koſtbare Perlen - ſchnuͤre. Dergleichen Perlenſchnuhr hing auch uͤm den hals / bis auf das milchmeer der ſchloßweiſſen bruͤſte: welche ſich im ahtemhohlen / waͤllenweiſe erhuben / und mit dieſen ſeemuſcheltoͤchtern gleichſam ſpieleten. Mitten uͤber das heupt war auch eine ſolche Perlen - ſchnur geſchlagen: und vor derſelben nach der ſtirne zu ein koͤſtliches prunkſtuͤkke von demanten / in gold einge - faſſet / zu ſehen. An beiden ohren hingen zwo ſehr große Perlen.
Als nun alles ſolcher geſtalt auf das herlichſte und wohlluͤſtigſte ausgeſchmuͤkket war / und dieſe wohlluͤſti - ge Fuͤrſtin in ſolchem lieblichen ſchmukke zu bette lag; dadurch ſie auch ein ſtaͤhlernes hertz zur liebe bewegen koͤnnen: da lies ſie den Joſef zu ſich rufen: da vermei - nete ſie ihn / durch alle dieſe wohlluͤſtige augenweide / in ihr liebesgarn / oder auf ihren liebeskloben zu lokken: da gedachte ſie das beſte lok-aß / und die rechte beitze gefun - den zu haben / ihn endlich einmahl zu beruͤkken. Joſef gehorchte zwar ihrem befehle: aber mit großem unwil - len. Dan er wuſte wohl / was er vor einen tantz wuͤr - de tantzen muͤſſen. Er wuſte wohl / was er fuͤr einen harten ſtreit wuͤrde angehen muͤſſen: davor ihm albe - reit grauſete / ja der angſtſchweis faſt ausbrach. Dar. uͤm / eh er hinein traht / rief er zuvor ſeinen Gott hertz - inbruͤnſtig an / ihn dermaßen zu ſtaͤrken / daß er ſeinen feind tapfer bekaͤmpfen / und heldenmuͤhtig uͤberwinden moͤchte. Und hierauf begab er ſich in das Fuͤrſtliche zimmer. Er naͤherte ſich / wiewohl mit niedergeſchlage - nen ſchaamhaftigen blikken / dem Fuͤrſtlichen bette. ErJ iijneugte134Der Aſſenatneugte ſich / ſeiner gewohnheit nach / auf das allerde - muͤhtigſte; und fragte / was der Fuͤrſtin ihm zu be - fehlen beliebte?
Sefira ſtellete ſich erſtlich an / als were ſie noch ſehr unbas. Daruͤm gab ſie ihm auch zur antwort: daß ſie vermeinet hette was auf zu ſtehen / und ſich auf den ſaal zu begeben den heiligen Feſtgepraͤngen zu zu ſehen: darzu ſie ſeiner huͤlfe benoͤhtiget. Aber ſie maͤrkte nun / daß es ihre ſchwachheit noch nicht zulaßen wolte. Doch koͤnte er ihr gleichwohl ein weilichen geſelſchaft halten. Vielleicht moͤchte ſie ſich bald etwas ſtaͤrker befinden. Hiermit wieſe ſie nach dem ſtuhle zu / der vor dem bette / recht gegen ihrem angeſichte uͤber / ſtund / an zu zeigen / daß er ſich ſetzen ſolte. Und ſolches taͤht ſie nur daruͤm / damit ſie ihn / und er ſie / recht in die augen bekaͤhme.
Joſef hatte eben / weil man der Iſis feſt feierte / den Egiptern zu gefallen / ſein koͤſtlichſtes kleid anlegen muͤſſen. Dieſes gab nicht allein ſeiner ſchoͤnheit einen helleren glantz; ſondern auch der Sefira liebesgluht eine groͤſſere kraft. Und daruͤm blikte ſie ihn uͤm ſo viel oͤfter und verzuͤkter an; wiewohl ſie ihren anſchlag / ihn nicht ſtraks ſchuͤchtern zu machen / eine lange weile ver - barg. Seine blikke ſolten ſich zuvor mit den ihrigen ver - einbahren. Sie ſolten von ihrer ausbuͤndigen ſchoͤnheit / die ſo bloß und nakkend vor ſeinen augen lag / zuvor feuer ziehen / ſein kaltes hertz in den brand zu helfen / oder es zum wenigſten luͤſtern zu machen. Und zu dem ende ſpielete ſie mit den blitzen ihrer liebesreitzenden au - gen fort und fort auf ihn zu. Auch bewegte ſie viel - mahls ihren oberſten leib dermaßen / daß der zweifache ſchneehuͤgel ihres fuͤllig-ſchoͤnen Buſems / uͤber der dek - ke / gantz enbloͤßet zu liegen kahm. Hier ſahe man die rechten lokvogel der liebe; die ſich / mit ſo lieblicher / wie - wohl ſtummer ſtimme / die weisheit ſelbſten zu betoͤhren bemuͤheten.
Wel -135drittes Buch.Welcher Menſch hette wohl dieſe ſo lieblich entbloͤß - te ſchoͤnheit / ohne verzuͤkkung / anſchauen koͤnnen? Welcher menſch / der dieſe ſo ſchoͤnen augen / dieſe ſo bluͤhenden wangen / dieſen ſo lieblichen roſenmund / ja dieſes ſo zierlich gebildete angeſicht anſehen ſollen / hette wohl unbewegt und unverliebt bleiben koͤnnen? Ja wen hette ſo ein ſchoͤner und noch darzu ſo ſchoͤn ausge - ſchmuͤkter und in lauter wohlluſt entbloͤßter leib nicht zur hoͤchſten liebe bewegen ſollen? Man kan ihm leicht - lich einbilden / daß Joſef / bei dieſem anblikke / nicht un - angefochten geblieben. Er war noch in ſeiner beſten ju - gend. Sein ſechs - und zwanzigſtes jahr war kaum zum ende. Er beſtund eben / als andere menſchen / aus fleiſch und bluhte. Er hatte eben die gemuͤhtsbewegungen / als andere. Aber gleichwohl ſchien er mehr ein meiſter uͤber ſeine jugend / uͤber ſein fleiſch und bluht / ja uͤber alle ſeine gemuͤhtstriften und begierden zu ſein / als ſonſt alle ſterb - lichen. Und ob er ſchon / aus ſchuldiger ehrerbietigkeit / die augen von ſeiner Fuͤrſtin nicht ab / noch ihr den ruͤkken zu-kehren durfte; ſo blieb er gleichwohl / allen liebes-an - lokkungen / allen bewegungen ſeines hertzens / ja dem fleiſch und bluhte zu trotz / in ſeiner tugend beſtaͤndig.
Eine guhte ſtunde hatte Joſef alhier die anſtuͤr - menden flammen der liebe vertragen. Es ſchien gefaͤhr - lich zu ſein den ſtreit laͤnger zu wagen. Sein verſtand riet ihm zur flucht. Er trug ſorge vor ſeine keuſcheit. Er befahrte ſich / daß der feind von auſſen endlich mit voller gewalt in ſein hertz dringen / und alda ſeine eigene untertahnen / ſeine feinde zu werden / aufwuͤgeln moͤch - te. Dieſe / fuͤrchtete er / moͤchten alsdan von innen hefti - ger ſtuͤrmen / als der feind von auſſen; ja ihn endlich wohl gar uͤberwaͤltigen. Daruͤm wolte er dieſen ſo hef - tigen einheimiſchen krieg nicht erwarten. Er wolte flie - hen / ehe dieſer ſelbſtreit ihn gaͤntzlich zu boden wuͤrfe. Und alſo erkuͤhnte er ſich ſeinen abtrit zu nehmen / mitJ iiijvor -136Der Aſſenatvorwenden ſeine geſchaͤfte zu verrichten. Aber es war vergebens. Eine junge Katze pfleget mit der Maus zu ſpielen / ſo lange ſie ſtille liegt: wan ſie ſich aber bewegt / tappet ſie mit der pfote zu / und ſcharret ſie nach ſich; ja wan ſie gar entlauffen wil / giebet ſie ihr einen bis / und friſſet ſie endlich gantz auf. Der Leue / wan er einen Menſchen in ſeiner gewalt hat / und er ſich nur ſtille helt / tuht ihm kein leid: ſo bald er aber fliehen wil / zerreiſſet er ihn zur ſtunde. Eben alſo taͤht Sefira. Eben nach dieſer katzen - und leuen-ahrt ſpielete ſie alhier mit unſe - rem Joſef. So lange er ſtille ſaß / taͤht ſie ihm kein boͤſes. Sie ſtraͤhlte ihn nur. Sie liebelte ihm nur. Aber ſo bald er aufſtund ſeinen abtrit zu nehmen; da fing ſie erſt an ihn zu faſſen: da begunte ſie erſt zu zu taſten. Was? ſagte ſie / wolt ihr mich nun alle verlaßen? Wolt ihr nun alle von mir lauffen. Ach! mein liebſter Joſef / wie ſeid ihr ſo gar neidiſch / mir den bloßen anblik eurer ſchoͤnheit nicht laͤnger zu goͤnnen? Mag ich dan nun / in meinem ungluͤk / auch nicht einmahl ſo gluͤkſeelig ſein / euer liebliches angeſicht nach genuͤgen zu ſehen?
Joſef ſchlug / auf dieſen erſten anfal / die augen nie - der / und antwortete nichts. Und daruͤm fuhr die Fuͤr - ſtin in ihrer rede fort. Wolt ihr nun / ſagte ſie / nicht ein - mahl mit mir reden? Bin ich nun keiner antwort mehr waͤhrt? Wiſſet ihr nicht / daß ihr dadurch meiner guͤhte / meiner liebe / ja meiner demuht unverantwortlicher weiſe misbrauchet? Wiſſet ihr nicht / daß ich eure Ge - bieterin bin / der ihr zu gehohrſamen verpflichtet? Wiſ - ſet ihr nicht / daß ihr mein Leibeigener ſeid / und ich macht habe euch frei zu laßen / und gluͤkſeelig zu machen / oder aber zu ſtrafen / ja ſelbſt zu toͤdten / wie und wan es mir beliebet? Das weis ich alles ſehr wohl / ſing ihr Joſef das wort auf. Aber wie und was ich meiner gnaͤdigen Fuͤrſtin antworten ſolte / wuſte ich nicht; nachdem ſie abermahl anfing mit mir zu ſchertzen. Wasſcher -137drittes Buch.ſchertzen? fiel ſie ihm in die rede. Es war mein gantzer ernſt. Um ſo viel weniger konte ich antworten / fuhr Joſef fort. Were ihr anſuchen meiner tugend gemaͤß / ich hette ſo lange nicht geſchwiegen. Ja mit dem werke ſelbſt wolte ich ſtraks geantwortet haben. Aber die Tu - gend geboht mir zu ſchweigen: weil ich doch nicht ant - worten konte / wie meine gnaͤdige Fuͤrſtin wuͤndſchte.
Sefira ſchwieg auf dieſe reden eine guhte weile ſtil. Endlich fing ſie wieder an. Iſt dan der Gehorſam / ſag - te ſie / nicht auch eine Tugend? Und dieſen ſeid ihr / als mein Leibeigner / mir zu leiſten ſchuldig. Aber eure hals - ſtarrigkeit verhindert euch ſolche den Leibeignen ſo gantz eigene tugend zu erfuͤllen. Und weil ihr euch verhindern laßet / macht ihr die tugend zum laſter / und das laſter zur tugend. Der Gehohrſam iſt freilich eine tugend / antwortete Joſef. Aber er mus zufoͤrderſt Gotte ge - ſchehen: und dan erſt den Menſchen. Befielet ein Menſch etwas / das wider Gottes gebot iſt; ſo heiſt es: man mus Gott mehr gehorchen / als den Menſchen. Wan meiner gnaͤdigen Gebieterin befehl nicht wider Gottes gebot lieffe; ſo were es mir freilich vor eine un - tugend und vor ein ſtrafbahres laſter zu zu rechnen / wan ich ihr nicht gehorchte. Aber nun iſt es keine untugend; weil ſie begehret und gebietet / was Gott verbietet. Und daruͤm kan ſie meine weigerung wider Gottes gebot zu ſuͤndigen / oder meine halsſtarrigkeit / wie es ihr zu teuf - fen beliebet / kein laſter nennen. Es iſt vielmehr eine tu - gend / die den nahmen der Beſtaͤndigkeit im gehorſame Gottes verdienet.
Die Fuͤrſt in hatte ihr eingebildet / daß ſie den Joſef nunmehr ſo liſtiglich und ſo feſte beſtruͤkket / daß er ſich nicht heraus wuͤkkeln koͤnte. Aber ſie befand ſich in ih - rer einbildung gantz betrogen. Der vogel / den ſie gefan - gen zu haben vermeinte / ris ihre falſtruͤkke ploͤtzlich in zwei. Ihr vom eiſendrahte gewaͤhnter garnſak wardJ vzum138Der Aſſenatzum ſpingewebe. Der wind blies ihn in ſtuͤkken. Jo - ſefs ahtem hauchte ihn voneinander. Der blitz des Goͤttlichen gebots verſaͤngte ihn gar. Als ſie nun ſahe / daß ſie mit dieſem einwurfe nichts ausgerichtet; ſo trachtete ſie die Tugend ſelbſt zu vereitelen / und aus dem wege zu reumen. Ach! liebſter Joſef / ſagte ſie / was wolt ihr euch doch ſo viel auf die Tugend verlas - ſen? Sie iſt doch nur ein eiteles nichts / ein eingebilde - ter wahn / ein bloßes ſpiegelfechten. Kan dieſes ſo gar nichtige ding euch wohl der leibeigenſchaft entſchlagen / wie ich kan? Kan es euch wohl befoͤrdern / und zu ehren helfen / als ich; wan ihr meinen willen volziehet? Ja wird euch eure Tugend wohl beſchirmen / wan ſich / eu - rer hartnaͤkkigkeit wegen / meine liebe in einen has ver - aͤnderte / und ich bewogen wuͤrde mich erſchroͤklich an euch zu raͤchen? Wuͤrde ſie euch wohl aus dem feuer meines zornes erretten? Ich verſichere euch / daß ſie mehr / als alzuunmaͤchtig ſein wuͤrde. Daruͤm / mein liebſter Engel / nehmet der gelegenheit wahr / die euch itzund von ſich ſelbſt in die haͤnde faͤllet. Verſchertzt das gluͤkke nicht / das euch itzund angebohten wird. Laßet uns in wohlluſt unſere jugend ergetzen. Laßet uns liebe mit liebe vergelten. Wir ſeind allein. Niemand ſiehet es. Niemand wird uns verrahten.
Der verraͤhter ſchlaͤfet / noch ſchlummert nicht / fing ihr Joſef das wort auf. Unſer gewiſſen wuͤrde uns verrahten / ja noch darzu erſchroͤklich foltern. Gott / der alle dinge ſiehet / auch ſelbſt unſers hertzens gedan - ken weis / wuͤrde es ſehen. Die Engel / ſo wohl boͤſe / als guhte / ſeind bei und um uns her: die wuͤrden uns an - klagen. Daruͤm haben wir uns wohl vor zu ſehen / was wir tuhn. Ich weis ſehr wohl / was meine gnaͤdige Fuͤrſtin vor eine macht uͤber mich hat. Aber darneben iſt mir auch nicht unbewuſt / daß Gott noch mehr macht uͤber uns alle habe: und daß ſie keine macht hat mir einhaar139drittes Buch.haar zu kruͤmmen / wofern es ihr Gott nicht zuleſſet. Solte ſich dan ihre Liebe in einen Zorn veraͤndern; ſo wiſſe ſie / daß mir ſolcher zorn lieber ſein wird / als dieſe ſuͤndliche Liebe / damit ſie meine Keuſchheit verfolget. Ob ſie mir auch ſchon das leben / durch den allerſchroͤk - lichſten tod nehmen ſolte; ſo wuͤrde ich doch darbei ein unbeflektes gewiſſen behalten. Ich wuͤrde froh ſein / daß ich meinem Herꝛn treulich gedienet; daß ich mich an ihm / durch beſudelung ſeines ehbettes / nicht vergrif - fen. Im uͤbrigen weis ich auch ſehr wohl / daß die Tu - gend in der welt augen ein veraͤchtliches nichtiges ding iſt. Aber darneben weis ich auch / daß ſie vor Gottes augen uͤm ſo viel mehr in achtung kommet. Und ge - ſetzt daß ſie mir ſelbſt / in weltlichen dingen / nichts nuͤtzen ſolte; ſo nuͤtzet ſie doch meinem Herꝛn / weil ſie mir ge - bietet / und mich antreibet ihm in allem getreu zu ſein. Und dieſe treue wil ich nicht kraͤnken / noch kraͤnken las - ſen / weil ich ahtemen kan. Ich wil meinem Gotte / und nach ihm / meinem Fuͤrſten getreu verbleiben bis in den tod. Davon ſol mich weder freund / noch feind ab zu ziehen vermoͤgen. Davon ſol mich weder liebe / noch has / noch etwas / das in der gantzen welt iſt / abwendig machen. Ja nichts ſol meinen vorſatz / meinen ſchlus aͤndern. Dieſer ſchlus ſtehet ſo feſt / daß ihn ihre ge - dreuete rache nicht uͤmſtoßen / noch ihr allergrimmigſter zorn verſetzen kan. Und dis iſt das lied vom ende.
Weil nun Sefira ſahe / daß ſie weder mit lieblen - den / noch dreuenden worten / auch mit allen ihren liebes - reitzenden gebehrden / und allen ihren aufs anmuhtig - ſte ausgeſchmuͤkten ſchoͤnheiten nicht das geringſte ge - winnen konte; ſo entſchlos ſie ſich zu allerletzt den Jo - ſef mit gewalt zu ihrem boͤſen vorſatze zu ziehen. Und zu dem ende lies ſie eine Zitrone vom bette fallen. Die - ſe nahm Joſef auf / und reichte ſie ihr zu. Aber ſie er - wiſchte ihn bei dem rokke / ihn aufs bette zu ziehen. Auch140Der AſſenatAuch baht ſie ihn mit den allerbeweglichſten worten: Er ſolte ſie doch endlich einmahl ihre luſt buͤßen laßen. Ja dieſe worte vermiſchete ſie mit ſeufzen und traͤhnen. Joſef aber lies den Rok in ihrer hand / lief zum zim - mer hinaus / und flohe darvon. Und alſo behielt der erkaufte ſein freies gemuͤht: der geliebte enthielt ſich der liebe: der gebaͤhtene ward nicht erbaͤhten; und der er - griffene lies ſich nicht halten.
Straks machte Sefira ein ſolches er ſchroͤkliches ge - ſchrei / daß ihre Stahtsjungfrauen und Kammermaͤgd - lein zugelauffen kahmen. Dieſe entſetzten ſich aus der maßen uͤber ihrer Fuͤrſtin ſo abſcheuliche geſtalt. Kurtz zuvor war ſie ihnen vorgekommen / als eine Alsgoͤttin der liebe. Nun ſahe ſie aus als eine leibliche Teufelin. Der Zorn / der has / die rachgier blitzten ihr aus den au - gen. Lauter donnerſchlaͤge / lauter blitze gingen aus ih - rem munde. Ein flammender dampf ſtieg aus ihrer naſe. Ihre blikke waren feurige ſtrahlen: ihre worte zerſchmetternde donnerkeule. Ihr haar hing gantz zer - zauſet uͤber die zerkratzten wangen. Sie tobete / ſie raſe - te / ſie wuͤhtete / ſie fluchete / ja ſie ſtellete ſich ſo ungebaͤhr - dig / daß die Jungfern genug zu tuhn hatten ſie wieder zu beſaͤnftigen.
So bald dieſe halbtolle Fuͤrſtin ein wenig wieder zu ihr ſelbſt gekommen / ſing ſie an ihren Herꝛn ſelbſt zu be - ſchuldigen. Sehet! ſagte ſie / Er hat uns dieſen Ebrei - ſchen knecht herein gebracht / daß er uns zu ſchanden mache. Er kahm zu mir in mein zimmer / und wolte mich nohtzuͤchtigen. Ich rief aber uͤberlaut. Da flohe er darvon / und lies mir ſeinen Rok in der hand. Eben dieſe worte ſprach ſie auch zu ihrem Herꝛn / ſo bald er zu hauſe kahm. Ja / fuͤgte ſie hinzu / ſehet doch nur / wie mich der ehrvergeſſene ſchelm / der ehbrecheriſche hund zugerichtet / als ich mich zur wehre ſtellete. Und hier - mit wieſe ſie ihm auch den Rok; den ſie zum zeugnuͤſſebe -141drittes Buch.
142Der Aſſenatbehalten. Endlich ſchlos ſie mit dieſen worten: Ich habe meine ehre gerettet / wie ihr ſehet. Nun moͤget ihr vor die eurige eifern; und ihn / den undankbaren / den treuloſen / gebuͤhrlich abſtrafen.
Der guhte Potifar ward uͤber dieſen ſo ploͤtzlichen unfal uͤber die maße beſtuͤrtzt. Er hatte dem Joſef ſo ſehr viel guhtes zugetrauet. Er hatte ſeine tugend / ſeine keuſchheit / ſeine froͤmmigkeit allezeit ſo hoch ge - ruͤhmet. Ja er hatte auf ſeine treue gantze ſchloͤſſer ge - bauet. Nun erfuhr er das widerſpiel ſelbſt aus dem munde ſeiner Gemahlin. Diejenige / die ihn vor die - ſem ſo manches mahl geprieſen / klagte ihn nun ſelbſten an. Er ſahe den Rok / als ein zeichen der wahrheit / ror ſeinen augen. Er ſahe ſeine Liebſte ſo gar entſtellet / und ſo ſehr uͤbel zugerichtet. Und alſo konte er anfangs anders nicht gedenken / als daß es wahr ſei / was ihm ſo gantz unvermuhtlich zu ohren kahm. Er ward ge - zwungen / alle dieſe beſchuldigungen zu gleuben. Doch gleichwohl konte er ſich noch nicht entſchluͤßen den Jo - ſef / nach dieſes verbrechens beſchaffenheit / ſo ſtraks zu ſtrafen. Er konte es uͤber ſein hertz nicht brin - gen. Zorn und Liebe kaͤmpften hart widereinander. Der zorn wolte durchaus haben / er ſolte ihn vertil - gen. Die liebe dagegen riet ihm / gemach zu verfah - ren. Er hatte zuvor keinen einigen tadel am Joſef be - funden. Und daruͤm hatte er ihn von hertzen geliebet. Ja er hatte ihn ſo hoch geliebet / daß er ihm alles das ſeinige anvertrauet; daß er ihn anders nicht gehalten / als ſeinen Sohn; und was noch mehr iſt / ihm ſeine ei - nige Erbin und liebſte Tochter Aſſenat / in ſeinem her - tzen / zur Gemahlin verſprochen.
Dieſe ſo hertzliche liebe konte der zorn nicht ſo gar verhindern / daß ſie den Potifar nachmahls nicht uͤber - redet vom Joſef ein beſſers zu gleuben / als man ihm vorbrachte. Ja er vermochte ihm keinesweges ein zubil -143drittes Buch.bilden / daß die ſache ſo groß ſei / als man ſie machte. Er muhtmaßete / es muͤſte ein misverſtand darhinter ſein. Er gedachte / die krankheit ſeiner Gemahlin hette ihr vielleicht dieſe boͤſe gedanken eingegeben. Und in ſolchen gedanken entſchlos er ſich den Joſef ſo hart nicht ab zu ſtrafen / als ihm ſein erſter zorn gerahten. Damit er aber ſeine Gemahlin einiger maßen vergnuͤg - te / ſo befahl er ihn ins gefaͤngnuͤs zu bringen / da des Koͤnigs gefangene lagen. Darinnen moͤchte er ſo lan - ge liegen / bis man des verbrechens beſchaffenheit gruͤnd - lich entdekket.
ASſenat hatte inzwiſchen faſt al - les erfahren / was ſich mit dem ſchoͤnen Leibeignen begeben. Sie wuſte / daß ihn ihr Vater von den Ismaelern gekauft. Sie wuſte / daß er ihm faſt zehen jahr ge - dienet. Sie wuſte / daß ihn Potifar uͤber ſein gantzes Haus geſetzet; daß er ihm alles das ſeinige anvertrauet: daß er / durch Joſefs getreuen fleis und fuͤrtreflichen verſtand im haushalten / an reichtuͤhmern uͤber alle maße zugenommen. Ja ihr war unverborgen / daß ihr Vater ihn deswegen uͤberaus geliebet / und anders nicht gehalten / als ſeinen leiblichen Sohn. Auch war ihr aus Potifars eigenem ſchreiben / und aus ſeinem munde ſelbſt bekant / wie hoch er ihn iederzeit geprieſen. Daruͤm konte ſie ihr nicht einbilden / woher ſich das blat ſo gar ploͤtzlich uͤmgekehret. Sie konte nicht begreiffen / woher es kaͤhme / daß Potifar ihn in das gefaͤngnuͤs ge - worfen: davon der ruf ſchon zu Heliopel erſchollen. Ihre verwunderung uͤber eine ſo uhrploͤtzkiche veraͤnde - rung zwang ſie nach zu forſchen. Sie vernahm ein ge - mummel unter dem volke / daß Joſef unſchuldig ſei. Und dieſes verurſachte ſie noch mehr die wahrheit zu ergruͤnden. Man wolte damit nicht recht heraus. Man redete in der ſtille darvon. Und einer ſagte dis / der an - dere das. Endlich bekahm ſie ein ſchreiben von der Koͤ - niglichen Fuͤrſtin. Dieſe ſchrieb zwar anders nichts / als daß ihr Vater den Schoͤnen Leibeigenen in haft be - ſtellet; weil ihre Stiefmutter ihn bezuͤchtiget / er hetteihr145vierdes Buch.ihr unzucht angemuhtet. Gleichwohl muhtmaßete die klugſinnige Fuͤrſtin / daß hinter dieſem handel was an - ders muͤſte verborgen liegen.
Als nun Aſſenat hieruͤber auf ſo mancherlei gedan - ken gerahten; ſo geriet ſie endlich auch auf ihren Traum; den ſie vor etlichen jahren von einem Haͤrmlein das ihre Stiefmutter in den ſchlam druͤkken wollen / und hernach in ein fas einſperren laßen / gehabt. Der Nitokris eben gemeltes ſchreiben veruhrſachte / daß Aſſenat den ſchoͤ - nen Leibeignen vor daſſelbe Haͤrmlein hielt. Auch ur - teilete ſie aus den uͤmſtaͤnden des traumes / daß das heimliche gemurmel der leute von Joſefs unſchuld wahr ſein muͤſte. Daruͤm ſchrieb ſie an ihre Frau Mut - ter Toote. Erſtlich berichtete ſie ihr alles / was ſie von Joſefs gefaͤnglicher haft erfahren. Darnach erzehlte ſie ihr den oberwaͤhnten Traum von ſtuͤklein zu ſtuͤk - lein: und fuͤgte ihre eigene erklaͤhrung darzu. Endlich begehrte ſie zu wiſſen / was ihre Frau Mutter von ſol - cher begaͤbnus / und von ihrem Traume vor ein urteil faͤllete.
Eben hatte Toote dieſen brief empfangen / als Ni - tokris / ſie zu beſuchen / ankahm. Nachdem ſie ihn nun beide geleſen / fielen mancherlei fremde reden vor. Ni - tokris erzehlete / was ſie einesmahls / mit eigenen oh - ren / vor der Sefira zimmertuͤhre gehoͤret. Da Se - fira dem Joſef ſelbſten unzucht angemuhtet; aber eine abſchlaͤgige und gantz ſcharfe antwort bekommen. Auch fuͤgte ſie hinzu: daß ſie nachmahls dieſe geule Fuͤr - ſtin ſelbſt ermahnet / von ſo boͤſen begierden abzu - ſtehen: und wo ſie ſolches nicht taͤhte / wolte ſie ſich ih - rer geſelſchaft entziehen / und ſie nicht mehr vor ihre Muhme halten. Auch habe ich / ſagte ſie / alles dieſes heute fruͤh dem Potifar ſelbſten / im vertrauen / zu er - kennen gegeben: damit er Joſefs unſchuld ſehen / und ihn nicht etwan faͤlſchlich anklagen moͤchte. Es iſt guht /Kund146Der Aſſenatund ein großes gluͤk vor den Joſef / daß ihn der Fuͤrſt in das Koͤnigliche gefaͤngnuͤs legen laßen: da er nun - mehr des Koͤnigs gefangener iſt; und weder Sefira / noch Fuͤrſt Potifar ſelbſten macht uͤber ihn haben. Da wird ihn die Fuͤrſtin wohl muͤſſen zu frieden laßen. Von dannen wird ſie ihn nun nicht mehr heraus be - kommen. Davor wil ich ſelbſt ſorge tragen; auch ver - ſchaffen / daß man ihn nicht als einen gefangenen hal - ten ſol. Es wird ſich alles wohl ſchikken. Nach etlichen anderen reden ſtund Nitokris auf / und nahm ihren abſchied. Auch baht ſie die Fuͤrſtin Toote reinen mund zu halten; damit alles / was ſie des Joſefs wegen mit - einander vertraulich geſprochen / unter der Roſe moͤch - te geredet ſein. Sie ſolte ſich deſſen bei leibe gegen nie - mand verlauten laßen. Niemand ſolte etwas davon wiſſen.
Mitlerweile hatte der verdrus / die ungeduld / der zorn / die liebe und alle dergleichen heftige gemuͤhtstrif - ten durcheinander und widereinander / in der Se - fira hertzen / dermaßen geſtritten / daß ſie todtkrank zu bette lag. Nitokris ging ſie ebenmaͤßig beſuchen / zu ſehen / wie ſie ſich itzund anſtellen wuͤrde. Ach! ſagte ſie / hertzliebſte Frau Muhme / ich habe ein hertzliches mit - leiden mit ihr; weil ich vernehme / daß ſie etliche wochen nacheinander bettlaͤgerig geweſen. Und daruͤm bin ich anher kommen zu ſehen / wie es mit ihrer Krankheit be - ſchaffen.
Meine Krankheit / fing Sefira an / hatte zuerſt nicht viel zu bedeuten. Aber der Ebreiſche Leibeigne hat mich unlaͤngſt ſo heftig erzuͤrnet / daß ich itzund faſt in den letzten zuͤgen liege. Hat ſie der ſchoͤne Ebreer erzuͤr - net? fing ihr Nitokris das wort auf. Das kan ich nimmermehr gleuben. Wie ſolte die hertzliche liebe ſich ſo ploͤtzlich in eine ſo widerwaͤrtige gemuͤhtsbewegung veraͤndern? Sie mag es gleuben / oder nicht / antwor -tete147vierdes Buch.tete Sefira: es iſt alſo. Und ſo muſte es ſein. Weil man mir veruͤbelen wolte / daß ich ihn liebte; ſo muſte ich ihn haſſen. Sie ſelbſten ſagte mir neulich ins geſichte: ich muͤſte von ſolcher liebe abſtehen / wan ſie meine Freundin und Muhme bleiben ſolte. Und ſol - ches habe ich nun getahn. Ihre freundſchaft war mir lieber / als ſeine liebe. Aber hiervon iſt nichts mehr zu ſagen. Was geſchehen iſt / das iſt geſche - hen: und zwar Ihr zu gefallen. Daruͤm laßet uns dieſe ſache nicht mehr beruͤhren. Weil nun Nitokris ſahe / daß ihrer Muhme dergleichen reden verdruͤßlich fielen; ſo begunte ſie ein anderes geſpraͤche; wiewohl ſie es auch nicht lang machte. Dan ihre einige ſorge war zu ver - ſchaffen / daß Joſef bei ſeinem neuen Wuͤrte ehrlich moͤchte gehalten werden. Daruͤm eilete ſie wieder nach der Koͤniglichen burg.
Mit den Koͤniglichen Gefaͤngnuͤſſen war es dazu - mahl in Egipten faſt eben alſo beſchaffen / als mit den Zuchtheuſern in Europe. Die Koͤniglichen gefangene / wan ſie arm waren / muſten ihre koſt und kleider mit ſchweerer arbeit verdienen. Waren ſie aber reich / ſo ward ihnen ein großes koſtgeld abgenommen: und dan gingen ſie muͤßig. Beides trug der Schatzkammer des Koͤniges / als auch dem Gefaͤngnuͤsmeiſter ein großes jahrgeld ein. Und daruͤm warden wenig Verbrecher mit dem Tode geſtraft. Alle muſten in dergleichen ge - faͤngnuͤſſe tantzen. Und ihre rechtsſachen ſchob man auf die lange harrebank; damit der genos uͤm ſo viel groͤſſer waͤre. Weil nun Nitokris wohl wuſte / daß Joſef unter die zahl der armen gefangenen wuͤrde ge - rechnet / und mit harter arbeit belegt werden; ſo ſchikte ſie dem Geſaͤngnuͤsmeiſter / durch einen unbekanten menſchen / eine zimliche anzahl geldes. Darbei fuͤgte ſie dieſen Befehlbrief.
Dem Koͤniglichen Gefaͤngnuͤsmeiſter wirdK ijhier -148Der Aſſenathiermit ernſtlich befohlen den gefangenen Joſef / Fuͤrſt Potifars geweſenen Diener / aller arbeit zu entſchlagen; und ihn mit an ſeine tafel zu ſetzen / auch ſonſten ſo ehrlich zu halten / daß gemelter Gefangener oder iemand anders ſeinetwegen ſich dermahleins nicht zu beſchweeren habe. Und imfal der Gefaͤngnuͤsmeiſter / dem deswegen dieſes beigefuͤgte geld geſchikt wird / ſich moͤchte geluͤſten laßen dieſem befehle nicht in allem ge - hohrſamlich nachzukommen; ſo ſol er wiſſen / daß er ſich wider das Koͤnigliche Haus verbre - chen / und ſein leben deswegen in unvermeidli - cher gefahr ſtehen werde. Wie nun ihm mehr - gemelter befehl gnaͤdigſt erteilet wird; ſo wird er es ihm angelegen ſein laßen demſelben untertaͤh - nigſt nachzuleben / und keinem / auch nicht ei - nem menſchen deſſen oͤfnung zutuhn.
Dieſem befehle gehorchte der Gefaͤngnuͤsmeiſter alſo - bald. Von ſtunden an ward Joſef entfeſſelt. Flugs ward er aller arbeit uͤberhoben. Straks zog er ihn an ſeine tafel. Ja er gewan ihn endlich ſo lieb / daß er ihn allen andern gefangenen vorzog. Und ſolches taͤht er nicht allein dem gemelten befehle zu gehohrſamen / ſon - dern auch aus eigener bewegung. Er ſahe Joſefs große tugend. Er erblikte ſeinen fuͤrtreflichen verſtand. Er verwunderte ſich uͤber ſeine unvergleichliche geſchik - ligkeit: und daruͤm uͤbergab er ihm auch ſelbſt das ge - biete uͤber alle gefangene; alſo daß er ſich keines dinges mehr annahm. Was Joſef taͤht / war wohl getahn. Was er hies / das muſte geſchehen. Alle gefangene muſten ſeinem befehle gehorchen. Alles ſtund in ſeiner hand: und was er anfing / da gab der HErꝛ gluͤk zu. Al - ſo war er in ſeinem ungluͤkke gluͤklich: in ſeinem gefaͤng - nuͤſſe frei: in ſeiner knechtſchaft ein gebieter. Ja er hat - te alhier ſo viel ledige ſtunden / daß er ſich in der Stern -deu -149vierdes Buch.deuterei unverhindert uͤben konte. Zu dem ende ging er viel uͤm mit einem gefangenen Kaldeer. Den ent - ſchlug er auch von ſeiner arbeit; damit er die geheimnuͤſ - ſe dieſer Kunſt von ihm uͤm ſo viel beſſer erfahren koͤnte. In kurtzer zeit gelangte er darinnen ſo weit / daß er aus dem ſtande des Geſtirnes in ſeiner gebuhrtsſtunde das gantze gluͤk und ungluͤk ſeines Lebens erſahe. Er ſahe / was ihm vormahls begegnet; was ihm itzund begegne - te; und was ihm noch kuͤnftig begegnen wuͤrde. Er ſa - he / daß er uͤber zwei jahr auf eine hohe ſtaffel der ehren wuͤrde erhoben werden. Auch unterſuchte er den ſtern - ſtand in der gebuhrtsſtunde ſeines Vaters / die ihm noch wohl bewuſt war. Darinnen befand er / daß Ja - kob kurtzkuͤnftig in ein fremdes land ziehen ſolte; und alda wuͤrde er ſterben.
Solchergeſtalt uͤbte ſich Joſef in dieſer Kunſt / die verborgenheiten der Sternſchrift zu erforſchen / tag und nacht. Dieſes große Buch der Natur war ihm nun nicht mehr dunkel zu leſen. Sein ſcharf ſinniger ver - ſtand drung faſt durch alle deſſelben geheimnuͤſſe hin. Jedoch war er in dieſer ſache ſo abergleubiſch nicht / als die Kaldeer. Er machte daraus keine nohtwendigkeit / wie ſie. Er wuſte zwar / daß Gott die Natur geſchaffen / und daß Er ihren lauf eingerichtet. Aber er wuſte auch / daß es in ſeiner macht ſtuͤnde / ſie / zuſamt ihrem lauf - ſe / zu aͤndern: welches Er gleichwohl ohne hochwuͤchti - ge urſachen niemahls taͤhte. Er wuſte / daß das Stern - buch anders nicht / als Gottes Warn - und zeichen-buch ſei: dadurch Er zugleich den Menſchen ſeine Almacht / ſo wohl im zorne das ungluͤk / als in der guͤhte das gluͤk kommen zu laßen / vor augen geſtellet: daß Er naͤhm - lich / wan ſie in ihren ſuͤnden verharreten / boͤſes / und wan ſie darvon abſtuͤnden / guhtes tuhn koͤnte; aber nicht alzeit wolte: indem Er das angezeigte oder ver - ſprochene guhte / wan ſie boͤſes taͤhten / ſo wohl als dasK iijge -150Der Aſſenatgedreuete boͤſe / wan ſie hingegen guhtes taͤhten / nicht tuhn wolte. Er wuſte / daß Gott den menſchen hier - durch nur vor ungluͤk zu warnen / und ihm das kuͤnftige gluͤk und ungluͤk anzuzeigen / nicht aber gewis zuzufuͤ - gen geſonnen: ja daß Er / durch die ungluͤkszeichen / ihn zur reue / und / durch die gluͤkszeichen / zur dankbarkeit zu lokken trachtete. Und daruͤm gleubte Joſef keinesweges / daß es nohtwendig geſchehen muͤſte / was das Geſtirn andeutete. Er gleubte vielmehr / daß es in des Schoͤp - fers macht ſtuͤnde / dieſes / wan es Ihm beliebete / doch nicht ohne erhoͤbliche urſachen / zu aͤndern: nachdem Er ſehen wuͤrde / wie ſich der Menſch anlieſſe / und in ſei - nem wandel guht / oder boͤſe verharrete. Ja er gleubte / daß Gott dem Geſtirne keine macht uͤber den Menſchen zu herꝛſchen eingepflantzet: ſondern Ihm ſolche macht ſelbſten vorbehalten; und uͤber das geſtirn / auch uͤber ihr angedeutetes gluͤk oder ungluͤk zugleich herſchete. Und dieſes beides veraͤnderte Er / nachdem er urteilete / daß es dem Menſchen erſprieslich.
Alſo verlies ſich Joſef auf ſein inſtehendes durch das geſtirn angedeutetes gluͤk keinesweges ſo feſt / daß er ihm einbildete / es muͤſte alſo geſchehen. Sondern er verlies ſich auf Gott allein: der es ihm durch dieſe ſternzeichen zwar angedeutet / aber gleichwohl ſolche an - deutung gantz anders koͤnte ausfallen laßen; imfal er ſich ſolches gluͤkkes ſelbſt unwuͤrdig machte / oder daſſel - be durch achtloßheit oder ſonſt verſchertzete. Ein Koͤ - nig oder Fuͤrſt giebt manchem ſeiner untertahnen ein zeichen ſeiner gnade / und verſpricht ihm dadurch ein großes gluͤk: aber er wil auch haben / daß er ſich der wuͤrk - lichen gnade / und des gluͤkkes / das er ihm verſpricht / wuͤrdig mache; und daß er ſelbſt darnach ringe: weil keinem eine gebrahtene taube von ſich ſelbſt in den mund flieget. Dan wan er ſolche gnade / durch uͤbeles ver - halten / oder unachtſamkeit / verſchertzet; ſo veraͤndertder151vierdes Buch.
152Der Aſſenatder Fuͤrſt ſeine gnade in ungnade / und leſſet ihm das angezeigte oder verſprochene gluͤk keinesweges wider - fahren. Auch dreuet ein Fuͤrſt ſeinem untertahnen oftmahls eine ſtrafe: wan aber der untertahner ſich beſ - ſert / ſo reuet es den Fuͤrſten / und leſt die ſtrafe nicht er - gehen.
Eben alſo tuht Gott / wan Er uns / durch die Stern - ſchrift / auch ſonſten etwan ein gluͤk verſpricht / oder ein ungluͤk dreuet. Dreuet Er ein ungluͤk; ſo wil Er nicht / daß der Menſch die Sterne / oder das ungluͤk / das Er durch die ſterne dreuet / ſondern Gott ſelbſt fuͤrchten / und mit bußfaͤrtigem leben und gebaͤht Ihm in die dreu - und ſtraf-ruhte fallen ſol. Ja Er wil / daß der Menſch uͤber ſolches zeichen nicht verzagen / noch ihm gewis ein - bilden / daß es alſo ergehen muͤſſe; ſondern daß er das inſtehende ungluͤk mit tapferem muhte / und mit vor - ſichtigem handel und wandel ableinen und vermeiden ſol. Und eben daruͤm offenbahret Gott demſelben / den Er liebet / ſolches ungluͤk; und zeigt es auch allen zuvor / durch die ſternſchrift / an: doch giebt Er nicht allen den verſtand ſie zu verſtehen. Verſpricht Er ihm aber ein gluͤk; ſo wil Er nicht / daß der Menſch meinen ſol / er habe es ſchon in den haͤnden / und ſich mehr darauf ver - laßen / als auf Gott: ſondern Er wil / daß der Menſch ſolches / durch inbruͤnſtiges gebaͤht / tugendhaften wan - del / und ſeine eigene geſchikligkeit zugleich / zu befoͤr - dern trachte / und ſich deſſen wuͤrdig mache.
Mit dieſem ruͤhmlichen zeitvertreibe brachte Joſef ſeine muͤßigen ſtunden zu. Und darbei vergaß er alles ſeines leides. Aber Sefira lag inzwiſchen in den allet - groͤſten ſchmertzen. Die liebe / der zorn / die rache / der eifer / die reue / die furcht / und alle dergleichen Seelen - oder vielmehr Hoͤllen-geſpenſter aͤngſtigten ſie dermaßen / daß ſie immer ſchwaͤcher und ſchwaͤcher ward. Joſef hatte im anfange / in einem finſtern loche / deſſen einigesfen -153vierdes Buch.fenſter in ihrem hof ausging / geſeſſen. Alhier hatte ſie ſich bei naͤchtlicher weile vielmahls finden laßen / einen verſuch zu tuhn / ob ſie den gefangenen Joſef nicht itzund bewegen koͤnte. Sie hatte ihm angebohten / ihn aus dieſem loche zu erloͤſen / ſo bald er nur angelobte ihren willen zu volbringen. Aber Joſef liebte ſeine feſſel und bande mehr / als eine ſolche freiheit / die er durch den verluſt ſeiner keuſchheit erlangen ſolte. Nicht einen einigen trieb / der darnach zu wolte / empfand er in ſei - ner ſeele. Und alſo ſtellete ſie dem Keuſchen Joſef ſelbſt in ſeinem gefaͤngnuͤſſe nach. Aber die treue vorſorge der liebreichen Nitokris benahm ihr dieſen weg. Sie ret - tete den Joſef aus dieſem loche. Und hiermit hatte Sefira alle ihre hofnung verlohren. Hiermit veraͤn - derte ſich ihre Liebeskrankheit in eine rechte Leibeskrank - heit. Ja ſie ward ſo krank / daß die Aertzte an ihrem le - ben zu zweifeln begunten.
Als nun Sefira ſahe / daß ihr ende vor handen / ſo dachte ſie auf mittel den Joſef aus dem wege zu reu - men; damit er ja keiner andern zu teil wuͤrde. Ihre eiferſucht trieb ſie ſo weit / daß ſie beſchlos / ihm einen gifttrank beibringen zu laßen. Solchen giftigen an - ſchlag entdekte ſie ihrer Kammerjungfrau. Aber dieſe war viel zu ehrlich ſolches ſchandſtuͤkke zu verſchweigen. Viel weniger wolte ſie damit zu ſchaffen haben. Sie offenbahrte es der Nitokris. Dieſe ſchrieb an den Ge - faͤngnuͤs meiſter ſtraks einen Brief; welcher alſo lau - tete:
Diejenige hand / welche neulich den Koͤnig - lichen Gefaͤngnůsmeiſter gewuͤrdiget an ihn zu ſchreiben / befielet ihm noch einmahl den Joſef wohl in acht zu nehmen. Auch wird ihm in ge - heim berichtet / daß man vorhat gemelten Ge - fangenen mit gifte zu toͤdten. Daruͤm wil ich / daß er zur ſtunde gewarnet / und wohl bewah -K vret154Der Aſſenatret werde. Wan es aber der Gefaͤngnuͤsmeiſter verſeumet / und ſolche ſchaͤndliche mordtaht vol - zogen wuͤrde; ſo ſol des ermordeten unſchuldiges bluht von ſeinen haͤnden gefoͤrdert werden. Ja der Koͤnigliche Hof ſelbſten wird ihn zur verant - wortung ziehen.
Dieſes alles taͤht die koͤnigliche Fuͤrſtin der ſchoͤnen Aſſenat zu liebe: wiewohl ſie ihr ſelbſten noch zur zeit nicht das geringſte maͤrken lies. Semeſſe beſtelte den brief auch ſo heimlich / daß niemand erfuhr / wo er her - kaͤhme. Joſef ſelbſten konte nicht errahten / wer ſo treulich vor ihn ſorgete. Daruͤm dankte er Gott / der die hertzen lenkte ſich uͤber ihn zu erbarmen. Auch baht er hertzinniglich ſolche ſo große wohltaht tauſendfaͤltig zu vergaͤlten. Und alſo warden alle der Sefira anſchlaͤge vereitelt. Alle ihre giftige raͤnke gingen den kraͤbs - gang. Gott ſorgete vor Joſef. Der Hoͤchſte nahm ſich ſeiner an.
Potifar hatte bisher mit der Anklage wider den Joſef verzuͤgert. Und wiewohl Sefira tag und nacht uͤm rache gerufen / ſo bekahm ſie doch nur eine leere ver - troͤſtung. Er taͤht gantz nichts zur ſache. Die worte der Nitokris lagen ihm ſtaͤhts im ſinne. Und daraus konte er unſchweer ſchlieſſen / daß dieſe ſache / wan er ſie viel ruͤhrete / ihm und ſeiner Gemahlin mehr ſchimpfes / als ehre / bringen wuͤrde. Gleichwohl muſte dem Jo - ſef die Uhrſache ſeiner gefaͤngnuͤs ſchriftlich eingehaͤn - diget werden. Das erforderte der Egipter Geſetz. Es war eine alte gewohnheit. Und daruͤm befahl er eine ſolche Schrift aufzuſetzen. Aber der Sefira ploͤtzlicher tod veruhrſachte / daß ſie nicht eingehaͤndiget ward. Al - ſo blieb die gantze ſache ſtekken.
Etliche wochen nach der Sefira ableiben ſtarb auch der Ertzbiſchof von Heliopel. In deſſen ſtelle war Po - tifar ſchon erwehlet. Dieſe muſte ſtraks beſetzt ſein. Dar -155vierdes Buch.Daruͤm brach er eilend auf / und zog nach Heliopel. Gern hette er den Joſef aus dem Gefaͤngnuͤſſe erloͤſet. Gern hette er ihn wieder gehabt. Gern hette er ihn wie - der in ſein amt geſetzt. Aber er durfte nicht. Er be - fahrete / es moͤchte ihm / und ſeiner verſtorbenen Ge - mahlin zur ſchande gereichen. Daruͤm ſchwieg er itzund gantz ſtil. Er erwaͤhnte des Joſefs mit keinem worte. Gleichwohl vergaß er ſeiner nicht. Seine tugen - den ſpieleten ſtaͤhts in ſeinen ſinnen. Doch lies er ſich deſſen nichts maͤrken. Er gedachte: mit der zeit wird es ſich alles wohl ſchikken.
Straks hierauf verſuͤndigten ſich wider den Koͤnig zween ſeiner Kaͤmmerer / der Mundſchenke / und der Oberſte der Baͤkker. Jener hatte ſich im einſchenken des weinbechers verſehen: und dieſer ſehr viel des Koͤ - niglichen getreidichs veruntrauet. Der Koͤnig ward uͤber ſie ſehr zornig / ſonderlich uͤber den Oberſten der Baͤkker. Gleichwohl muſten ſie beide fort. Es half kein vorbitten. Beide warf man ins gefaͤngnuͤs / da Joſef gefangen lag. Doch weil ſie ſo vornehme Beam - ten waren / lies man ſie ehrlich bewuͤrten. Joſef ward beſtellet ihnen aufzuwarten. Fleiſſig verſahe er dieſe beſtallung. Mit allen dienſten ging er ihnen zur hand. Sie hatten nunmehr etliche tage geſeſſen / als ſie Jo - ſef auf einen morgen ſehr traurig fand. Zur ſtunde fragte er: was ihnen fehlete? Der Mundſchenke gab zur antwort: uns hat heunte etwas getreumet / und wir haben niemand / der es uns ausleget. Das ausle - gen / fuhr Joſef fort / gehoͤret Gott zu: doch laßet hoͤh - ren / was es iſt. Der Mundſchenke fing an: Ich ſahe vor mir einen Weinſtok ſtehen. Der hatte drei Reben. Er gruͤhnete tapfer. Erbluͤ - hete / und trug fruͤchte. Endlich warden ſeine trauben reif. Und ich hatte des Koͤnigs Be - cher in der hand. Darein druͤkte ich denſaft156Der Aſſenatſaft der weinbeeren aus: und reichte ihn dem Koͤnige zu. Der Koͤnig nahm ihn / und trank.
Dieſes iſt ein guhter traum / fing Joſef hierauf an. Die drei Reben ſeind drei tage. Uber drei tage wird der Koͤnig ſein heupt erhoͤhen. Er wird ihn wieder anſein amtſtellen. Ihm wird er den Becher wieder zureichen / wie zuvor. Aber er ge - denke meiner / wan es ihm wohl gehet; und tuhe barm - hertzigkeit an mir. Er vergeſſe nicht den Koͤnig zu er - innern / daß er mich aus dieſer haft erloͤſe. Dan ich bin aus dem lande der Ebreer heimlich geſtohlen. Darzu habe ich alhier nichts ſtrafwuͤrdiges getahn: und gleich - wohl hat man mich gefangen geſetzt.
Als der oberſte Baͤkkereiverwalter hoͤrete / daß ſeines Mitgefangenen Traum ſo eine guhte deutung bekahm; ſo erzehlete er ſeinen traum gleichesfals. Ich treume - te / ſagte er / daß ich auf meinem heupte drei weiſſe Koͤrbe truͤge. Im oberſten Korbelag al - lerhand Gebakkenes vor den Koͤnig. Aber die vogel fraßen aus dem korbe auf meinem heupte. Joſef antwortete: ich wolte ihm auch gern was guh - tes goͤnnen: aber dis iſt des Traumes bedeutung. Die drei Koͤrbe ſeind drei tage. Nach drei tagen wird der Koͤnig ihm ſein heupt erhoͤben: er wird ihn an den galgen haͤnken. Und alsdan wer - den die vogel auf ſeinem Kopfe ſitzen / und ſein fleiſch freſſen.
Am dritten tage darnach beging der Koͤnig ſei - nen Jahrstag. Ein herliches gaſtmahl hatte er ange - ſtellet. Darzu waren alle ſeine Beamten geladen. Und da erhub er das heupt des Oberſten Mundſchen - kens: als auch des Oberſten Verwalters der Baͤkkerei. Den Oberſten Mundſchenken ſetzte er wieder in ſein ſchenkamt. Aber den Oberſten der Baͤkker lies er / als einen des diebſt als uͤberwieſenen / an den galgen knuͤp -fen.157vierdes Buch.fen. Und alſo begegnete beiden / wie Joſef ihre treu - me gedeutet. Aber der oberſte Mundſchenke vergaß des Joſefs / und gedachte nicht mehr weder ſeines dien - ſtes / nach der auslegung ſeines traumes. So gehet es gemeiniglich bei Hofe. Die hofluft hat dieſe ahrt / daß ſie das gedaͤchtnuͤs der wohltahten in einem hut verzehret / oder doch zum wenigſten benebelt. Kaum hatte ſie der Mundſchenke eingeſogen / da fuͤhlete er ih - re wuͤrkung ſchon; und lies alſo den unſchuldigen Joſef in ſeiner gefangenſchaft noch zwei jahre verzap - peln.
Aber die aufrichtige Nitokris war weit anders ge - ſinnet. Sie war zwar bei hofe gebohren; und mitten im hofweſen erzogen. Gleichwohl hatte die ſchaͤrfe der hofluft die lauterkeit ihres redlichen hertzens keineswe - ges verletzen oder benebeln koͤnnen. Der Aſſenat zu lie - be hette ſie den Joſef gern erloͤſet. Sefira war zwar todt. Joſefs einige verfolgerin war den weg aller welt gegangen. Die ſtund ihr nicht mehr im wege. Bei dem Koͤnige / ihrem Herꝛn Vater / vermochte ſie ſehr viel. Es were nur uͤm ein wort zu tuhn geweſen. Doch gleichwohl durfte ſie es nicht wagen. Der wohlſtand wolte es nicht zulaßen. Sie befahrete ſich eines uͤbelen nachklangs; wan ſie ſich des Joſefs ſo eifrig und ſo oͤf - fendlich annehme: wan ſie demſelben / den ihre Muhme bezuͤchriget / als wan er ihre ehre zu kraͤnken ſich unter - wunden / das Wort redete. Und eben daruͤm war ſie heftig bekuͤmmert. Sie trug ein großes mitleiden mit ihm. Ja es ſchmertzte ſie uͤber alle maßen / daß eine ſo unvergleichliche ſchoͤnheit im gefaͤngnuͤſſe veralten ſol - te. Noch mehr betauerte ſie ſeine himliſche Tugenden / daß ſie ihre ſtrahlen nicht vor der gantzen welt ſolten leuchten laßen. Aber was wolte ſie tuhn? Sie muſte einer fuͤglichern gelegenheit erwarten. Unterdeſſen kon - te der Sefira beſchuldigung in vergeſſenheit gerahten. Mit158Der AſſenatMit der zeit konten die Roſen wohl bluͤhen. Ja ſie ſtunden auch endlich in voller bluͤhte / und gaben der Nitokris anlaß ſie zu pfluͤkken.
Nach zwei jahren beging der Koͤnig wieder ſein Jahrsfeſt. Und dieſes ward viel herlicher gefeiert / als alle die vorigen iemahls. Die fuͤrnehmſten Fuͤrſten des Reichs kahmen nach Memfis / dem Koͤnige gluͤk zu wuͤndſchen. Ja ſelbſt der Adel aus den fuͤrnehmſten laͤn - dern legte dieſe ſchuldigkeit ab. In der ſtadt kribbelte und wibbelte alles von menſchen. Die Koͤnigliche Burg war erfuͤllet mit Fuͤrſten. Auch kahm das fuͤr - nehmſte Frauenzimmer des gantzen Egiptens der Koͤ - nigin aufzuwarten. Alles huͤpfte vor freuden. Wo man hinſahe / war lauter luſt. Ja es ſchien / als wan ſich alle luſt und alle freude aus der gantzen welt itzund in Memfis zuſammengefunden. In allen gaſſen klungen die trummeln. Faſt in allen Heuſern ſungen die ſaͤnger. Schier aus allen fenſtern halleten die trom - peten. Beinah aus allen tuͤhren ſchalleten die Krump - hoͤrner. Ja die lieblichſchallenden Klingelſpiele erfuͤlle - ten die gantze ſtadt. Die Jungfrauen tantzeten bei dreien. Bei drei mahl dreien fuͤhreten ſie den reihen. Die Juͤnglinge ſprungen. Die ſchalmeien klungen. Das jauchzen / das frohlokken / das gluͤkrufen hatte kein ende. So lange Memfis geſtanden / war ein ſo froͤh - licher Mei nicht erſchienen. So eine froͤhliche Roſen - zeit hatte man nie geſehen.
Die Aernte war eben vor der tuͤhre. Der Koͤnig be - kahm luſt die Felder zu beſehen. Alle Fuͤrſten ſetzten ſich zu pferde / ihn zu begleiten. Der Adel folgte hauffenwei - ſe. Die Koͤnigin ſelbſt erſchien / bei dieſer feldluſt / auf einem gantz guͤldenem wagen. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris hatte ſie allein bei ihr ſitzen. Das andere Frauenzimmer folgete. Eine Fuͤrſtin war immer koͤſt - licher / als die andere: eine Jungfrau immer geſchmuͤk -ter /159vierdes Buch.
160Der Aſſenatter als die andere: ein Wagen immer praͤchtiger / als der andere. Der ſchmuk / die pracht / die freude zogen / mit dieſer luſt fahrt / gleichſam aus der ſtadt. Aber nach zwo ſtunden kehrete alles wieder zuruͤk. Der gantze ſchwalk begleitete den Koͤnig bis in die Burg. Alda ſtunden die tafeln ſchon gedekt: die ſpeiſen bereitet: die Mahrſchaͤlke faͤrtig den gaͤſten des Koͤniges ihre ſtellen anzuweiſen. Es war eben mittag / als die ſpeiſen aufge - tragen warden. Und von der zeit an blieb man ſitzen bis gegen den abend. Da erhub ſich der Koͤnig. Da ſtunden die Fuͤrſten auf. Da ward der gantze Adel rege. Noch eine zeit lang ergetzte man ſich ſtehende. Man hoͤrete den Kunſtſaͤngern und Meiſterſpielern zu. Teils ſpracheten miteinander. Teils trunken miteinander. Endlich ward ein ſtilſchweigen / durch die Mahrſchaͤlke / geboh - ten. Und damit traht der Reichskantzler hervor. Die - ſer taͤht eine kurtzbuͤndige rede. Er dankte / im nahmen des Koͤniges / der gantzen Verſamlung / daß ſie / ſeine luſt zu vermehren / mit ihrer gegenwart dieſes Koͤnig - liche Feſt zieren wollen. Er dankte ihnen allen / daß ſie / dem Koͤnige zu liebe / auf ſein ausgeſchriebenes Ge - buhrtsmahl erſcheinen wollen. Endlich dankte er auch den Goͤttern / daß ſie dieſen froͤhlichen tag den Koͤnig geſund erleben laßen. Ja er baht ſie zugleich / daß ſie ihm denſelben / bei eben ſolcher geſundheit / noch lange erleben lieſſen. Hierauf rief einieder: Lange lebe der Koͤnig! Und mit dieſem zurufe ſchieden ſie alle vonein - ander.
Alſo nahm dieſer erſte tag des Koͤniglichen Feſtes ſein gewuͤndſchtes ende. Alſo war dieſer erſte freudentag mit vollen freuden volzogen. Und alſo begab ſich der Koͤnig wohlvergnuͤget und wohlbeluſtiget zur ruhe. Auch ruhete er die gantze nacht durch / nach eignem wundſche. Er ſchlief gantz ſanfte bis an den liechten morgen. Da bekahm er einen wunderlichen Traum:dar -161vierdes Buch.daruͤber er wakker ward. Aber er ſchlief ſtraks wieder ein: und treumete noch einen andern / der viel wunder - licher ſchien; wiewohl er dem erſten nicht ungleich war.
Dieſe zween Treume / ſonderlich weil ſie ſo ſtraks und in einer ſtunde auf einander gefolget / machten dem Koͤ - nige ſehr fremde gedanken. Er bekuͤmmerte ſich daruͤber den gantzen morgen. Er war uͤberaus unruhig in ſei - nem geiſte. Ja er konte nicht ruhen / er hette dan zuvor ihre deutung erfahren. Und daruͤm lies er von ſtun - den an alle Wahrſager / und alle Weiſen zuſammenru - fen. Straks muſten ſie kommen. Flugs ſolten ſie ſolche treume auslegen. Geſchwinde wolte der Koͤnig die deutung wiſſen. Er erzehlete ſie zwar von ſtuͤkken zu ſtuͤkken: und ſie ſonnen ihnen auch eifrig nach. Aber Gott benahm ihnen alle ihre weisheit. Der HERR entzog ihnen allen ihren verſtand. Sie trahten zwar zuſammen. Sie trugen alle ihre weisheit zuſammen. Sie brachten alle ihre Traumbuͤcher zuſammen. Sie ſuchten / ſie forſcheten / ſie berahtfragten ſich unterein - ander. Aber ſie konten nichts finden / ſie konten nichts er - forſchen / ja ſie ſahen keinen raht dieſe treume zu deuten.
Es fielen auch unter ihnen allerhand ſtreitreden vor. Der eine teil wolte behaupten / daß es rechte bedeutende treume weren: ſonderlich weil ſie der Koͤnig in der fruͤhſtunde / da die ſpeiſen im magen ſchon gantz ver - tauet geweſen / und derſelben duͤnſte keine ſchweermuͤh - tige einbildungen mehr wuͤrken koͤnnen / gehabt hette. Gleichwohl konten ſie keinesweges errahten / was ſie bedeuteten. Die meiſten aber ſtunden in der meinung / daß es keine bedeutende oder vorſpielende / ſondern nur nachſpielende treume weren. Der Koͤnig / ſagten ſie / hette ſich geſtern auf dem felde erluſtiget. Da hette er das Vieh in den Niel und wieder heraus ſteigen geſe - hen. Da hette er die Kornaͤhren auf ihren haͤlmern er - blikket. Das beides were ihm die nacht darauf / imLſchla -162Der Aſſenatſchlafe / wieder vorgekommen. Dergleichen bilder hette ihm die einbildung vorgeſtellet. Dieſe hette mit dem - ſelben / was ſie den vorigen tag gefaſſet / bloß allein ihr ſpiel gehabt. Und daruͤm bedeuteten dieſe treume / weil die einbildung von den Goͤttern ſelbſten darzu nicht we - re getrieben worden / nichts ſonderliches.
Eben als dieſe letzten ihrer meinung eroͤrterung vor - brachten / war noch ein alter Kaldeer hinein gekommen. Der befeſtigte ſolche meinung auch. Unter andern ſag - te er: daß dieſe Treume / als auch alle die andern / die aus den tagsgedanken herruͤhreten / nicht anders weren / als der nachklang der ſeiten / wan man ſie aufhoͤhrete zu ſchlagen; welcher vom ſchlage gleichſam zuruͤkpral - lete / und / wan dieſer nachlieſſe / noch eine zeitlang waͤh - rete. Zudem / fuhr er fort / pflegen dergleichen Treume / die bloß allein aus der uͤbermaͤßigſten der vier Feuchtig - keiten des menſchlichen leibes entſtehen / eben ſo wenig zu bedeuten. Naͤhmlich wan die Fluͤſſigen von waſ - ſern / ſuͤmpfen / ſchif bruͤchen / vom ertruͤnken / und auf halten im fliehen; die Bluhtreichen von gaſtmahlen / luſtigen wieſen / vogeln / vom fluͤ - gen / als auch vom ſing - und ſeitenſpiele; die Ver - galten vom feuer / vom fechten / ſtreiten / und mor - den; die Schwartzvergalten von ſchwartzen und traurigen dingen / von graͤbern / Mohren / Teu - feln / und dem tode / treumen. Weil nun im Koͤnige die Galle / und dan die Fluͤſſe am meiſten herſchen: ſo iſt es nicht fremde / daß ihm im traume gedeuchtet / als wan eine Kuh oder Ahre die andere verſchlungen; wie auch als wan die Kuͤhe aus dem waſſer weren geſtiegen.
Der Koͤnig hoͤrete dieſes alles mit an. Er maͤrkte auf alle ihre worte. Aber als er ſahe / daß aus ihren ſo unterſchiedlichen ſtreit-reden nicht die geringſte deu - tung ſeiner treume folgete; da ward er ſehr ungedul - tig. Auch maͤrkte er / daß dieſelben / welche ſie vor bedeu -tende136[163]vierdes Buch.tende Treume hielten / mit ihrer deutung nicht heraus wolten. Dan weil der Koͤnig eine Kuh und eine Ahre die andere verſchlingen geſehen / ſo urteilten ſie / daß es nichts guhtes bedeutete. Sie ſtunden und zauderten / und durften nichts ſagen. Zuvor hatten die Traum - deuter / in auslegung der Koͤniglichen treume / gemei - niglich geſchmeuchelt. Sie hatten den Koͤnigen nichts / als kuͤnftige gluͤkſeeligkeit / verkuͤndiget. Und hierdurch hatten ſie getrachtet ihre gunſt und gnade zu gewinnen. Aber alhier wolte das ſchmeucheln keine ſtat finden. Dieſe Treume ſchienen ihnen alzuboͤſe. Sie befahre - ten ſich / wan ſie ſchmeuchelten / daß der ungluͤkliche ausfal ſie bald beſchaͤmen wuͤrde. Schmeuchelten ſie aber nicht / und ſagten die wahrheit frei heraus; ſo het - ten ſie anders nichts / als des Koͤniges ungnade zu ver - muhten. Und daruͤm wolten ſie lieber ſchweigen / als eines von beiden zu tuhn ſich erkuͤhnen; weil ſie ſich / ſamt ihrer kunſt / durch jenes ſo wohl / als dieſes / in ge - fahr ſtuͤrtzen konten. Dieſes war ſo feſt bei ihnen be - ſchloſſen / daß der Koͤnig weder mit guhten / noch dreu - worten / nicht das geringſte erlangen konte. Und ob er ſchon befahl / ſie ſolten die runte wahrheit nur unge - ſcheuet herausſagen / es moͤchte guht / oder boͤſe ſein; ſo blieben ſie doch bei ihrem ſchluſſe.
Es war niemahls erhoͤret / ſo lange ein Koͤnig in E - gipten geherſchet / daß ein Koͤniglicher Traum nicht hette koͤnnen gedeutet werden. Egipten hatte die fuͤlle ſolcher Leute / welche ſo faͤrtig in der Traumdeuterei wa - ren / daß ihnen ſonſt kein traum zu ſchweer oder zu dun - kel fiel. Gleichwohl fand ſich alhier nicht einer. Nicht einer durfte das hertz nehmen / dieſe zween treume zu deuten. Und hieruͤber ward nicht allein der Koͤnig / ſondern auch die gantze verſamlung der Reichsſtaͤnde zum hoͤchſten beſtuͤrtzt. Dieſe waren auch entbohten / ihr guhtduͤnken zu ſagen. Es betraf des Reichs wohlfahrt. L ijDem164Der AſſenatDem gantzen Egiptiſchen Staht war daran gelegen / daß die Koͤniglichen Treume recht gruͤndlich ausgele - get wuͤrden. Einer dachte dis / der andere das. Einer gab dieſen / der andere jenen raht. Aber aus allen dieſen rahtſchlaͤgen ward kein endſchlus. Niemand wuſte / wie man in dieſer wuͤchtigen ſache verfahren ſolte. End - lich ward den Wahrſagern und Traumdeutern ein tag zur bedenkzeit gegeben. Ja der Koͤnig befahl ihnen ausdruͤklich / daß ſie vor ihm / bei verluſt ihres lebens / ohne die deutung ſeiner treume nicht erſcheinen ſolten. Und hiermit wanderten ſie hin.
Nitokris lag eben im fenſter / als die Egiptiſchen Weiſen und Traumdeuter vom Koͤnige kahmen. Sie ſahe / wie heftig ſie untereinander ſtritten. Sie maͤrk - te es aus ihren gebaͤhrden / daß etwas ſonderliches muͤſte vor handen ſein. Geſchwinde ſchikte ſie hin zu erfahren / was es were. Sie bekahm beſcheid / daß der Koͤnig in der vergangenen nachnacht zween unterſchiedliche Treu - me gehabt: daruͤber er ſehr entſtellet ſei. Er hette des - wegen alle Kaldeer / ſamt den Egiptiſchen Traum - deutern / entbohten. Aber keiner wuͤſte ſie auszulegen. Niemand von allen hette einigen beſcheid gegeben. Selbſt die Reichsſtaͤnde weren deswegen uͤberaus be - ſtuͤrtzt. Der Koͤnig hette ſie verſamlet / ihr rahtsbeden - ken einzuziehen. Aber da ſei kein raht zu finden.
Nun ſahe Nitokris die zeit gebohren / da ſie den Joſef erloͤſen koͤnte. Nun ſahe ſie die endliche erfuͤllung ihres und der Semeſſe traumes vor der tuͤhre. Nun war es keine zeit mehr zu ſchlafen. Vor drei tagen hatte ſie dem Joſef in geheim ein ſtuͤkke geldes / mit ei - nem koͤſtlichen ſeidenen zeuge zum kleide / geſchikt. Dar - bei hatte ſie ſchriftlich erinnert / daß er ſolches kleid aufs zierlichſte und zur ſtunde ſolte verfaͤrtigen laßen. In zwee tagen wuͤrde der Koͤnig ſeinen Jahrstag feiren. Da moͤchte gelegenheit vorfallen den Joſef zu erloͤſen. Dar -165vierdes Buch.Daruͤm / wan er entbohten wuͤrde / ſolte er in dieſem neuen kleide erſcheinen.
Alſo hatte Nitokris ſchon in vorraht ſorge getra - gen gegen dieſe zeit. Und das kahm auch itzund ſehr wohl zu ſtatten. Ihr vorſatz war / den Koͤnig ſtraks zu beſuchen. Straks wolte ſie ihn des Joſefs geſchiklig - keit offenbahren. Aber es konte nicht ſein. Die Reichs - ſtaͤnde waren bei ihrem Herꝛn Vater verſamlet. Er hielt mit ihnen raht uͤber ſeine Treume. Daruͤm wol - te es ihr / als einem Frauenzimmer / nicht gebuͤhren / bei ſo einer großen verſamlung der Herren / den Koͤnig anzuſprechen. Ja es wolte ihr / als einer Tochter / nicht geziemen / den Vater in ſeinen ſo wuͤchtigen ge - ſchaͤften durch ihre gegenwart / zu ſtoͤhren. Gleich - wohl hette ſie dem Joſef gern geholfen. Die gelegen - heit darzu war da. Sie hatte ſie in den haͤnden. Es war nicht rahtſam lange zu zaudern. Sie befahrete ſich / ſie moͤchte ihr entſchluͤpfen. Endlich entſchlos ſie ſich bei dem Koͤnige ſchriftlich deswegen einzukommen. Es muſte gewagt ſein. Eher konte ſie nicht ruhen. Und in dieſer entſchlieſſung entwarf ſie folgendes
Ich bin ſein Kind. Ich bin ſeine Tochter. Ein Kind iſt mehr / als andere / verpflich - tet ſeinem Vater zu dienen. Eine Tochter iſt vor allen verbunden / dem / der ihr das leben ge - geben / mit ihrem leben zu helfen. Doch hier wird ſo viel nicht erheiſchet. Ein guhter raht kan esL iijal -166Der Aſſenatalles ſchlichten. Ich habe verſtanden / daß der Herꝛ Vater betruͤbt ſei uͤber ſeine Treume. Dar - uͤm mus Denſelben ich / als ſeine Tochter / troͤ - ſten. Ich habe vernommen / daß Erungedul - tig ſei; weil keiner von allen Traumdeutern ſie auszulegen weis. Daruͤm erfordert meine kin - despflicht / Ihn aus ſolcher ungeduld / durch einen guhten raht / zu reiſſen. Der Herꝛ Vater betruͤbe ſich nicht. Er bekuͤmmere ſich nicht. Er laße nur allen unmuht fahren. Wan ſonſt nie - mand raht weis ſeine treume zu deuten; ſo weis ichs. Ich weis raht. Und daruͤm wird es mir verhoffentlich nicht veruͤbelt werden / daß den Herꝛn Vater / in ſeinen geſchaͤften / mit dieſer ſchrift zu ſtoͤhren / ich mich erkuͤhne. Aber ich wil ihn / ohne weiteren uͤmſchweif / entdekken. Der - ſelbe edele Ebreer / welcher vor zwoͤlf jahren dem Herꝛn Vater von den Ismaelern verehret ward / und eine zeit her Fuͤrſt Potifars Hofmeiſter ge - weſen / weis aller treume verſtand aus dem grun - de zu erklaͤhren. Ja er weis nicht allein dieſes. Er weis auch aus dem geſtirne alles zu ſagen / was kuͤnftig geſchehen ſol. Selbſt die Ausſpruͤ - che der Goͤtter ſeind ihm unverborgen. Alle ihre heimligkeiten ſeind ihm offenbahr. Ich rede darvon aus eigener erfahrenheit. Itzund befin - det er ſich / wiewohl gantz unſchuldig / unter den Koͤniglichen gefangenen. Wan es dem Herꝛn Vater beliebt / kan er ihn alda abhohlen laßen. Ich weis gewis / Er wird mehr vergnuͤgung von ihm bekommen / als ich ſagen kan. Sein fuͤrtreflicher Verſtand / ja mehr als menſchliche Weisheit wird ſich ſelbſten genug dartuhn. Und dieſes iſt der raht / den ich weis. Dis iſt der raht / den Ihm / Hertzhochgeliebter Herꝛ Vater / ausge -167vierdes Buch.getreueſter Kindespflicht hat entdekken wol - len
Deſſelben gehohrſamſte Tochter Nitokris.
Dieſes Schreiben ſchikte ſie alſobald dem Koͤnige zu. Aber eh es ankahm / hatte dem rahte der Nitokris der Oberſte Mundſchenke ſchon den weg gebahnet. Dieſer / nachdem er des Koͤniges ſo wohl / als der Reichsfuͤrſten beſtuͤrtzung vernommen / begehrte gehoͤhret zu werden. Es ward ihm zugeſtanden. Er traht auf; und redete den Koͤnig alſo an. Gnaͤdigſter Koͤnig / ſagte er / itzund gedenke ich an mein ehmahliges verbre - chen. Itzund erinnere ich mich des zorns / den der Koͤnig dazumahl auf ſeine knechte gewor - fen. Itzund faͤllet mir ein / was mir und dem oberſten Baͤkkereiverwalter damahls / im ge - faͤngnuͤſſe / begegnet. Wir hatten in einer nacht einieder einen ſonderlichen Traum. Des mor - gens waren wir deswegen beide betruͤbt. Ein - ieder verlangte deſſelben deutung zu wiſſen. A - ber wir hatten keinen ausleger. Da kahm Joſef / ein edler Juͤngling aus dem Geſchlechte der E - breer / der des Gefaͤngnuͤsmeiſters diener war / zu uns hinein. Dieſer legte uns unſere treume von ſtunden an aus. Und wie er ſie deutete / ſo iſt es ergangen. Ich kahm wieder an mein Schenkamt: und jener an den Galgen.
Alſo war der Koͤniglichen Fuͤrſtin der Koͤnigli - che Mundſchenke zuvorkommen. Und als der Koͤ - nig ſahe / daß das Schreiben ſeiner Freulein Toch - ter des Mundſchenkens worte bekraͤftigte; da vergaß er alles ſeines kummers. Alle ſeine traurigkeit ver - lohr ſich. Er hatte ihm zuerſt vorgenommen dieſen gantzen tag zu faſten. Aber nun ward er anders ſin -L iiijnes;168Der Aſſenatnes; gleichſam als wan er ſchon vorher wuͤſte / daß ihm Joſef was guhtes anzeigen wuͤrde. Nun be - fahl er die tafeln zu dekken; und allen ſeinen gaͤſten an - zuſagen / daß ſie ſich eilend zu des Koͤniges gaſtmahle wieder einſtelleten. Auch hatte er dem Oberſten Mund - ſchenken ſtraks befohlen / daß er ſelbſten geſchwinde hin - gehen ſolte / den Joſef zu hohlen. Dieſem befehle ge - horchte der Oberſte Mundſchenke zur ſtunde. Doch ſchikte er ſeinen diener zuvor hin den Joſef anzudeu - ten / daß er ſich gefaſt machte / wan er abgehohlet wuͤrde / ſtraks vor dem Koͤnige zu erſcheinen.
Niemand war froher / als Joſef / da er dieſe froͤh - liche zeitung bekahm. Seine freude war nicht auszu - ſprechen. Keine feder konte ſie beſchreiben. Er machte ſich flugs faͤrtig. Er wuſch ſich. Er reinigte ſich. Er badete ſich. Auch lies er das erſte mahl ſeinen bahrt bu - tzen. Und ſolches taͤht er alles nach der Egipter gewohn - heit / wan ſie vor ihren Koͤnigen erſcheinen ſollen. End - lich zog er ſein neues kleid an: darzu er den ſeidenen zeug / nicht wuſte er von wem / geſchikt bekommen. Alſo ſtund nun Joſef bereit; und wartete mit ſchmertzli - chem verlangen auf ſeine erloͤſung.
Indeſſen kahm der oberſte Mundſchenke ſelbſt an / ihn abzuhohlen. Er ſaß auf einer koͤſtlichen Kutſche / mit vielen dienern begleitet. Joſef muſte ſich neben ihn ſetzen. Und alſo fuhren ſie beide nach der Koͤnigli - chen Burg zu. So bald ſie alda angelanget / ward Jo - ſef ſtraks in den Koͤniglichen ſaal gefuͤhret. Der Koͤnig ſtund eben mitten unter den Reichsfuͤrſten / als er hin - eintraht. Dieſe verwunderten ſich alle / ja der Koͤnig ſelbſten uͤber ſeine herliche ſchoͤnheit. Sie verwunder - ten ſich uͤber ſein anſaͤhnliches weſen. Alle ſahen ſeine edele geſtalt gleich als beſtuͤrtzt an: ſonderlich als er ſich / mit ſo hoͤflichen und wohlanſtaͤndigen gebaͤhrden / zu neugen wuſte. Der Reichskantzler aber winkte ihm /was169vierdes Buch.was naͤher herbei zu traͤhten. Joſef gehorchte: und jener ſprach ihn alſo an. Lieber Juͤngling / ſagte er / wir haben erfahren / daß dir die Goͤtter verſtand und weisheit gegeben die Treume zu deuten. Weil ich nun auch zween Treume gehabt / derer bedeutung mir niemand ſagen kan; ſo haben wir dich hohlen laßen / ſolche von dir / in des Koͤ - niges gegenwart / zu vernehmen. Wirſtu recht zutreffen / ſolſtu nicht allein deine freiheit / ſon - dern auch ſonſten eine ſonderliche Koͤnigliche gnade darvontragen. Joſef neugte ſich zur erde nieder / und antwortete: Das ſtehet in meiner macht nicht. Gleichwohl kan mein Herꝛ / was er getreumet / erzehlen: und Gott wird ihm guhtes ankuͤndigen.
Hierauf erzehlete der Reichskantzler den erſten Traum. Mir treumete / ſagte er / als wan ich an einem Waſſer ſtuͤnde. Und aus dieſem waſſer ſahe ich ſieben ſchoͤne und wohlleibichte Kuͤhe an das land ſteigen. Dieſe blieben alda in der weide des graſes gehen. Darnach ſahe ich noch andere ſieben Kuͤhe / welche gantz haͤslich und mager / aus eben demſelben waſſer aufſteigen. Dieſe trahten neben jene / an das ufer des waſ - ſers; und fraßen ſie auf: doch blieben ſie mager und duͤrre / wie vorhin. Hieruͤber entſetzte ich mich dermaßen / daß ich erwachte. Aber ich ſchlief ſtraks wie - der ein: und da ſties mir noch einander traum auf. Ich ſahe ſieben dikke und volle Kornahren auf einem halme wachſen: darnach noch andere ſie - ben duͤnne und verſaͤngte neben jenen aufgehen. Und dieſe ſieben magere Ahren verſchlungen die erſten ſieben. Das ſeind meine beiden treume / derer auslegung ich zu wiſſen verlange.
So bald der Reichskantzler ausgeredet / fing Joſef an. Mein Herꝛ / ſagte er / iſt mir erleubet die wahrheitL vzu170Der Aſſenatzu ſagen? und wil er es nicht uͤbel vermaͤrken? Der Reichskantzler gab ihm erleubnuͤs: und Joſef fuhr fort. So ſage ich dan / ſprach er / daß dieſe Treume ſei - ne eigene Treume nicht ſeind. Alle uͤmſtaͤnde zeigen es an / daß ſie ein Koͤnig in Egipten getreumet. Dan Gott verkuͤndiget hierdurch einem Egiptiſchen Koͤnige / was unter ſeiner herꝛſchaft geſchehen ſol. Und ſoches tuht er daruͤm / damit er wiſſe / was er kuͤnftig ruhn und laßen ſol / ſein Reich / ſamt den untertahnen / gluͤklich zu beherſchen / und im erbaulichen wohlſtande zu erhalten.
Woher weiſtu das / fing der Reichskantzler wieder an / daß dieſe Treume Koͤnigliche Treume ſeind? Aus den uͤmſtaͤnden / antwortete Joſef; wie ich ſchon ge - ſagt. Und die uͤmſtaͤnde ſeind dieſe. Durch das Waſ - ſer / darbei der Treumende geſtanden / verſtehe ich den Niel: der die Wohlfahrt und herꝛligkeit des gantzen Egiptens bedeutet; weil es von ihm allein ſeine fruchtbarkeit zu gewarten. Daß aber der Treumende bei dem Niele geſtanden: dadurch verſtehe ich ſein ge - biet uͤber den Niel / und zugleich uͤber das gantze Egip - ten. Wem nun ein ſolcher Traum getreumet / der mus nohtwendig ein Egiptiſcher Koͤnig entweder ſchon ſein / oder doch bald werden. Hiermit gab der Koͤnig dem Reichskantzler einen wink / daß er mit dem Joſef in das naͤchſte beizimmer abtraͤhten ſolte: welches auch alsbald geſchahe. Und der Koͤnig ſelbſt folgete / mit dem Reichs-ſchatzmeiſter / ihnen ſtraks nach.
Sobald dieſe beide zu jenen hinein getraͤhten / fing der Koͤnig zum Joſef an. Du haſt recht geurteilet / daß die erzehlten Treume ein Koͤnig in Egipten getreu - met. Ich bin es ſelbſt / dem ſie begegnet. Daruͤm eroͤf - ne mir ihre bedeutung. Joſef neugte ſich gegen den Koͤnig zur erde nieder. Großmaͤchtigſter Koͤnig / ſag - te er / beide Treume bedeuten einerlei. Die ſiebenſchoͤ -171vierdes Buch.
172Der Aſſenatſchoͤne und fette Kuͤhe oder Ochſen / ſeind ſieben fruchtbahre oder wohlfeile jahre. Die ſieben guh - te und volle Ahren gleichesfals. Aber die ſieben magere und haͤsliche Ochſen oder Kuͤhe ſeind ſie - ben unfruchtbahre und teure jahre. Die ſieben leere und duͤrre Ahren ebenmaͤßig. Hierdurch wird dem Koͤnige angezeiget / daß im gantzen Egipten ſie - ben reiche Jahre kommen; und ſtraks auf dieſe / ſie - ben magere Hungersjahre folgen werden / in wel - chen man aller fuͤlle der vorigen ſieben fetten jahre vergeſ - ſen / und die teurung das land verzehren wird. Alsdan wird aller vorraht / den man in den ſieben fruchtbah - ren jahren geſamlet / aufgehen; und es wird dannoch teuer ſein und bleiben. Und dieſes bedeuten die ſieben magere Ochſen / und die ſieben duͤrre Ahren; welche die ſieben fette Ochſen / und Ahren ver - ſchlungen / und gleichwohlſo mager geblieben / daß man es nicht gemaͤrket / daß ſie die fetten gefreſſen. Daß aber der Koͤnig dieſe zween einerlei treume ſtraks aufeinander gehabt hat / daſſelbe bedeu - tet / daß es Gott gar gewis und eilend tuhn werde.
Hierauf fragte der Koͤnig: Waruͤm haben dan die fetten / und mageren Ochſen eben aus dem Niele ſtei - gen muͤſſen? Daruͤm / gab Joſef zur antwort: weil der Niel dem Egiptiſchen lande ſeine fruchtbarkeit und fettigkeit / wan er ſich hoch genug ergeuſt; oder aber ſeine unfruchtbarkeit und magerheit / wan er nicht hoch genug / oder alzuuͤbermaͤßig hoch aufleuft / veruhr - ſachet. Der Koͤnig fragte ferner: wie ſol man ihm aber tuhn / daß die Teurung in den ſieben unfruchtba - ren jahren nicht alzuſehr uͤberhand nehme / und meine untertahnen vor hunger nicht gantz verſchmachten? Hierzu weis ich keinen beſſeren raht / antwortete Jo - ſef / als daß der Koͤnig ſich nach einem weiſen und ver - ſtaͤndigem Manne uͤmtuhe / und ihn uͤber das gantze E -gip -173vierdes Buch.gipten ſetze. Dieſer koͤnte dan auch Amtleute verordnen in allen laͤndern; und / durch dieſelben / den fuͤnften teil aller fruͤchte in den reichen jahren einſamlen / und gegen die kuͤnftigen hungersjahre bewahren laßen. Und zu dem ende muͤſten Koͤnigliche Kornheuſer gebauet wer - den: da man das Getreidich / zum vorrahte der laͤnder und ſtaͤdte / aufſchuͤtten; und in der folgenden teuren zeit den nohtleidenden / zu ihrem aufenthalt / und nutze des Koͤniges / verkauffen koͤnne. Auf dieſe weiſe wuͤrde nicht allein die wohlfahrt der untertahnen / in ſo gar boͤſer zeit / erhalten; ſondern auch die Koͤnigliche macht und herligkeit ſelbſten uͤm ein maͤrkliches vermehret / und zu hoͤherer gluͤkſeeligkeit erhoben werden.
Dieſe rede gefiel dem Koͤnige uͤberaus wohl. Auch konten ſie ſeine Beamten nicht genug preiſen. Joſef muſte noch ein wenig im Beizimmer verziehen; und der Koͤnig begab ſich / mit dem Reichskantzler und Reichs - ſchatzmeiſter / wieder in den ſaal. Sein froͤhliches we - ſen zeigte genug an / daß ihn Joſefs erklaͤhrung uͤber ſeine treume ſatſam vergnuͤget. Er erzehlete allen an - weſenden Fuͤrſten die klugen reden des Joſefs. Er ruͤh - mete ſeinen fuͤrtreflichen verſtand. Er lobete ſeine un - vergleichliche geſchikligkeit in ſtahtsſachen. Er erhub ſeine große fuͤrſichtigkeit / ſeine weit ausſehenden an - ſchlaͤge. Alles / alles / was er redete / war anders nichts / als den Joſef zu preiſen. Ja / ſagte er endlich / wie koͤn - ten wir einen ſolchen Man finden / in dem der Geiſt Gottes iſt? Wem koͤnten wir ſolches hohe werk / darzu mir Joſef gerahten / auszufuͤhren beſſer anvertrauen / als dem Joſef ſelbſten? Wohlan dan! laßet ihn ſtraks herkommen.
Mitlerweile war Fuͤrſt Potifar / der neue Heliopli - ſche Ertzbiſchof / auch angelanget; und hatte alle reden des Koͤniges mit angehoͤret. Er war verwundert uͤber das ploͤtzliche gluͤk des Joſefs: der nunmehr aus einemLeib -174Der AſſenatLeibeignen ein Freigelaßener / aus einem Gefangenen ein Liebling des Koͤniges worden. Ja er ward noch mehr verwundert / als er den Joſef ſelbſten herein traͤh - ten ſahe: als er ſahe / daß er mitten unter die Reichs - fuͤrſten geſtellet ward: als er hoͤrete / daß ihn der Koͤnig alſo anredete. Lieber Joſef / ſo ſprach ihn der Koͤnig an / wir haben deinen verſtand geſehen. Wir ha - ben deine weisheit vernommen. Deine faͤhigkeit in der Stahtskunde iſt uns nunmehr nicht un - bekant. Und weil dir Gott alles / was wir aus deinem munde gehoͤret / hat kund getahn / hal - ten wir niemand ſo verſtaͤndig und weiſe / als dich. Du wirſt die ſtelle deſſelben / den du uns zu ſuchen gerahten / am beſten vertraͤhten koͤnnen. Und daruͤm ſetze ich dich itzund uͤber mein Haus. Ja ich ſetze dich uͤber das gantze Egipten. Alles uͤbergebe ich deiner macht. Nur des Koͤnigli - chen Stuhles und Nahmens wil ich hoͤher ſein. Deinem worte ſollen alle meine Voͤlker gehor - chen. Hier ſtehen die Fuͤrſten des Reichs dein gebot zu vernehmen. Siehe! ich bin Farao: oh - ne deinen willen ſol niemand im gantzen Reiche ſeine hand / oder ſeinen fuß regen.
Joſef neugte ſich hierauf gantz demuͤhtig zur erde nieder. Er bedankte ſich untertaͤhnigſt vor die hohe Koͤnigliche gnade. Er bedankte ſich vor die aufgetrage - ne hohe wuͤrde. Er erkante das guhte vertrauen / daß der Koͤnig zu ſeiner wenigkeit gnaͤdigſt geſchoͤpfet. Er verſicherte ihn ſeines gehohrſams / und ſeines getreuen fleiſſes / ſo wohl in des Koͤniges / als Reichsgeſchaͤften. Ja / ſagte er / ich verhoffe / durch meine treue / allen ein gnuͤgen zu tuhn. Und hiermit wuͤndſchten ihm alle Reichsfuͤrſten gluͤk. Jederman war erfreuet. Poti - far ſelbſten / der bisher ſtil geſchwiegen / bezeugete nun - mehr auch eine gantz uͤbermaͤßige freude. Er war froh /daß175vierdes Buch.daß er die ehre hatte / denſelben / der ſein Hofemeiſter ge - weſen / in einen ſo hohen ehrenſtand erhoben zu ſehen. Ja niemand ſchien ſo vergnuͤget / als er. Niemand eu - ſerte ſeine freude mehr / als er. Mitten in ſolcher alge - meinen freude begunte man / auf befehl des Koͤnigs / die ſuͤßen ſeitenſpiele zu ruͤhren. Darnach blies man auch die trompeten. Die trummeln warden geſchlagen. Und dieſer freudentohn erhub ſich ſo hoch / daß die gantze Burg widertoͤhnete. Ja das jauchzen / das frohlokken / das freudengeſchrei / daß ſich mit dieſem tohne vermi - ſchete / machte ihn ſo groß / daß ihm die Burg viel zu aͤn - ge ward. Er barſt in die ſtadt aus / und drang durch alle ihre gaſſen hin.
Indeſſen hatte man das gaſtmahl wieder bereitet. Der Koͤnig lies ſich am oberſten ende / unter einem him - mel / nieder: und Joſef muſte / weil der Koͤnigliche Fuͤrſt / aus unbaͤsligkeit / nicht zugegen war / auf ſeinen befehl / allein neben ihm ſitzen. Hierauf verfuͤgten ſich auch alle Reichsfuͤrſten / und der gantze Adel an ihre ſtellen. Ein wenig darnach kahm die Koͤnigin / mit ei - ner großen maͤnge Frauenzimmers / in den ſaal getraͤh - ten. Da erhuben ſich die Fuͤrſten; und blieben ſo lan - ge ſtehen / bis das Frauenzimmer ſeine ſtellen genom - men. Der Herren tafeln ſtunden auf der rechten ſeite des ſaals: und des Frauenzimmers auf der linken. Zuoberſt ſaß die Koͤnigin / und ein wenig von ihr ab die Koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris / unter einem himmel. Und alſo ſaß Nitokris an der Koͤnigin tafel in eben der ſtelle / darinnen Joſef bei dem Koͤnige ſich nieder - gelaßen. Der Ertzbiſchof Potifar war unter allen Fuͤr - ſten / der dem Koͤnige am naͤchſten ſaß. Eben alſo war auch ſeine Gemahlin Toote / der Aſſenat Frau Mut - ter / der Koͤnigin / unter allen Fuͤrſtinnen / die naͤchſte.
Niemand unter dem gantzen Frauenzimmer wuſte von Joſefs Erhoͤhung. Daruͤm waren ſie alle ver -wun -176Der Aſſenatwundert / als ſie dieſen neuen Gaſt neben dem Koͤnige ſitzen ſahen. Selbſt die Koͤnigin konte nicht begreiffen / was es bedeutete. Etliche urteileten / er muͤſte aus Koͤ - niglichem bluhte entſproſſen ſein. Andere gedachten was anders. Der Nitokris allein kahm es nicht frem - de vor. Sie wuſte / was ſie getreumet. Sie wuſte / was die Fuͤrſtin Aſſenat / und was Semeſſe vor treume gehabt. Sie wuſte Joſefs eigene erklaͤhrung des Goͤt - terſpruches wegen der Aſſenat erziehung. Ja ihr war noch nicht entfallen / was ſie vor etlichen jahren einen Ebreer von Joſefs eigenen treumen erzehlen gehoͤhret. Und daruͤm urteilete ſie ſtraks / daß das jenige / was die Goͤtter uͤber den Joſef beſchloſſen / itzund erfuͤllet zu werden anfinge. Ja ſie begunte ihm / in ihrem her - tzen / ſchon gluͤk zu wuͤndſchen. Sie dankte den Goͤt - tern / daß ſie den tag erlebet den anfang ſeiner herꝛlig -
Grundſtimme.
keit zu ſehen. Auch wuͤndſchte ſie wohl tauſendmahl die Aſſenat zugegen; dainit ſie das verſtoßene Haͤrm - lein nunmehr wahrhaftig in einen Koͤniglichen Leu - en veraͤndert ſehen moͤchte.
Mitten in dieſen wunderſeltzamen gedanken kahmen zwee Koͤnigliche Heerolden in den ſaal. Dieſe teileten ſo wohl an des Frauenzimmers / als an der Herren tafeln / einen Freudengeſang aus. Dadurch eroͤfnete der Koͤnigliche Dichtmeiſter dem Frauenzimmer erſt die augen. Nun ſahen ſie auf Joſefs heupte die Egipti - ſche Krohne. Nun erblikten ſie den Egiptiſchen Reichs - ſtab in ſeiner hand. Ja was ihnen bisher unſichtbar geweſen / das ward itzund ihren augen entdekket. Was ſie bisher nicht verſtanden / deſſen verſtand kahm ihnen itzund in die haͤnde. Die Koͤnigin ſelbſt laſe dieſes Freudenlied mit lauter ſtimme.
Oberſtimme.
Hierauf trahten auch die Meiſterſaͤnger herfuͤr. Die - ſe ſungen / auf befehl des Koͤniges / das gantze Lied / mit heller ſtimme. Ja ſie muſten es darnach noch einmahl wiederhohlen; und die Klingel - und ſeiten-ſpiele dar - unter gehen. Dieſer liebliche tohn machte die zuhoͤhrer dermaßen verzuͤkt / daß ſie des eſſens und trinkens ver - gaßen. Ja das gantze Frauenzimmer war als erſtarret. M ijAlle180Der AſſenatAlle Fuͤrſtinnen / alle Freulein und Jungfrauen ſas - ſen unbeweglich. Sie ſaßen / als die Bilder; daran ſich nichts mehr / als die augen / durch ein inwendiges kunſtwerk / beweget. Allein ihre augen bewegten ſich. Dieſe ſpieleten / dieſe rolleten in ihren hoͤhlen heruͤm / als ein geſchwindes uhrwerk. Sie funkelten / ſie feuer - ten: ſie warfen ihre ſtrahlen ohn unterlaß auf den ſchoͤnen Joſef. Dem ſchikten ſie tauſend liebliche blikke zu: ja tauſend wuͤndſche zugleich. Ein iedes Freulein wuͤndſchte wohl tauſendmahl dieſelbe Heilandin zu ſein / die in Joſefs armen ruhen ſolte. Es war kein wunder. Joſef war ohne das ſchoͤhn: und ſeine ſchoͤnheit uͤbertraf alle Menſchenkinder. Aber nuhn ſchien er tauſendmahl ſchoͤner; weil er / als ein Egipti - ſcher Nebenkoͤnig / in der ſchoͤnſten herligkeit ſaß. Sie ſa - hen ihn nun nicht mehr an / als einen Fremden / als ei - nen gaſt in Egipten: ſondern als einen eingebohrnen Fuͤrſten. Ja als einen Beherſcher des gantzen Egip - tens ſahen ſie ihn an. Ich wil mehr ſagen: alle Freu - lein / alle Jungfrauen / auch die Frauen ſelbſten ſahen ihn an als einen / der uͤber alle ihre hertzen herſchete. Ihm / gedachten ſie / weren ſie zu huldigen ſchuldig. Ihm / gedachten ſie / weren ſie ihre frohndienſte zu lei - ſten verpflichtet. Ihm / gedachten ſie / weren ſie ihre ſchatzung der liebe zu geben verbunden. Und alſo konten ſie ihre verliebte augen an der majeſtaͤtiſchen ſchoͤnheit des Joſefs nicht genug ſaͤttigen. Were die Fuͤrſtin Aſſenat gegenwaͤrtig geweſen; ich gleube gewis / es wuͤrde ohne ſchaͤhlſichtigkeit nicht abgelauffen ſein. Het - te ſie dieſe ſpielenden blikke / die alle auf Joſefs herliche ſchoͤnheit zuſpieleten / erblikket; ſie wuͤrde ihnen gewis mit liebseifrenden blikken begegnet haben.
Aber Joſef lies ſich nichts anfechten. Er ſtellete ſich / als wuͤrde er deſſen nicht gewahr. Er ſahe ſich kaum einmahl uͤm. Kaum lies er ſein auge auf etwas an -ders181vierdes Buch.ders fliegen / als auf den Koͤnig / und die Reichsfuͤr - ſten / die in der naͤhe ſaßen. Kaum fuͤhrete er andere reden / als von ſtahtsſachen. Und dieſe alle waren ernſthaftig; doch darbei auch uͤberaus freundlich und holdſeelig. Eben alſo waren auch ſeine gebaͤhrden. Er ſprach nicht ein wort / das nicht zuvor als auf der gold - wage abgewogen zu ſein ſchien. Und alſo waren alle ſeine worte anders nicht / als kletten / die in der zuhoͤ - renden hertzen haͤngen blieben. Zu zeiten / wan er ſie ei - ne weile / mit einem ernſthaften fuͤrſtlichem weſen / aus - geſprochen / laͤchelte er ein wenig darzu. Doch dieſes taͤht er niemahls zur unzeit: auch nie zu viel. Der Koͤ - nig / der ein klugſinniger Fuͤrſt war / maͤrkte auf alles genau. Er konte nichts finden / das den geringſten ta - del verdienete. Jofef wuſte ſein gantzes weſen / alle ſeine gebaͤhrden / und alle ſeine worte ſo ahrtig zu maͤßi - gen / daß ihm iederman mit verwunderung zuſahe / mit beſtuͤrtzung zuhoͤrete.
In dergleichen faͤllen pflegt ſich ſonſt der Neid gemei - niglich mit einzumiſchen. Aber alhier ſchien dieſes la - ſter gleich als gantz verbannet. Es war ein großes wun - der. Wunder war es gewis / daß den Joſef nicht einer beneidete. Den Joſef / ſage ich; der als eine Sonne der Tugenden / als ein Licht der Schoͤnheiten herfuͤr - leuchtete: deſſen Verſtandes ſtrahlen den nebel der un - wiſſenheit zertrieben: dem die Ehre hoͤfelte / die Herꝛlig - keit liebelte. Man pfleget ſonſten zu ſagen: wo Tugend wohnet / wo Verſtand hauſet / wo Schoͤnheit ſich findet / wo Ehre ſich hin verfuͤget; da blaͤſet und ſpeiet der Neid ſein gift aus. Aber alhier allein war dieſe ſage falſch. Hier war gantz kein Neid zu finden. Dis untier hatte ſich in dieſem klahren Spiegel der Tugend / der Weis - heit und Schoͤnheit / gleich als ein Baſiliske / wie es ſchien / albereit zu Hebron blind geſpiegelt / ja gar zu tode geblaſen. Jederman ſahe den Joſef mit guͤnſti -M iijgen182Der Aſſenatgen augen an. Der Misgunſt Unke war / aus allen hertzen / in ſeinen miſtpfuhl verwieſen. Joſef ward von iederman gelobet / geliebet / beguͤnſtiget. Niemand hatte nur die gedanken ihn zu tadeln / zu haſſen / oder unguͤnſtig anzublikken.
In ſolcher vergnuͤgung auf allen ſeiten ward dieſe herliche mahlzeit volbracht. Der Koͤnig / ſamt allen Fuͤrſten / und dem gantzen Adel / erhub ſich zuerſt. Dar - nach folgete die Koͤnigin / mit allen Fuͤrſtinnen / und dem gantzen Frauenzimmer. Die Herren hielten dem Koͤnige / auf dem Tafelſaale / noch eine zeit lang geſel - ſchaft. Aber die Koͤnigin nahm / mit dem Frauenzim - mer / ihren abtrit. Weil ſie nun alda / wo bei dem Koͤ - nige Joſef ſtund / vorbei muſten; ſo rieffen ſie dem neuerkohrnen Schaltkoͤnige / im voruͤbergehen / alle nach der reihe gluͤk zu! Joſef bedankte ſich gegen eine iede mit der allertiefſten ehrerbietigkeit. Nicht lange dar - nach ſchieden die Herren auch voneinander.
Vor den Joſef hatte man auf der Burg zwei koͤſt - liche Zimmer zubereitet. Dahin fuͤhrete ihn der Koͤnig ſelbſten. Und als ſie alda ein wenig ſprache gehalten / gingen ſie beide zur Koͤnigin. Leiſe befahl der Koͤnig die tuͤhre zu eroͤfnen. Leiſe trahten ſie hinein. Unverſehens uͤberraſcheten ſie das Frauenzimmer. Niemand ward ihrer gewahr / als da der Koͤnig redete. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris war die erſte / die den Joſef erblikte. Straks gab ſie der Frau Mutter einen wink / daß der neue Schaltkoͤnig vorhanden. Die Koͤnigin wendete ſich nach ihm zu / ihn wilkommen zu heiſſen. Geſchwin - de haſtete ſich Joſef ihr entgegen / die zugereichte hand zu kuͤſſen. Kurtz / doch anmuhtig waren die erſten hoͤf - ligkeiten auf beiden teilen. Joſef traht wieder in et - was zuruͤk. Aber die Koͤnigliche Fuͤrſtin gab ihm / durch entbloͤßung ihrer hand und bewegung ihrer fuͤße / ein zeichen / daß ſie ihn ebenmaͤßig empfangen wolte. Ei -lend183vierdes Buch.lend naͤherte er ſich abermahl / ihrem herzutritte zuvor - zukommen. Noch etliche Fuͤrſtliche Freulein / die auf der Burg uͤbernachten ſolten / begegneten ihm mit glei - cher hoͤfligkeit. Es war ſchon zimlich ſpaͤte. Joſefs beſcheidenheit wolte nicht geſtatten dem Frauenzimmer laͤnger verdruͤßlich zu fallen. Daruͤm nahm er / nach ei - nem kurtzen geſpraͤche / gebuͤhrender maßen abſchied.
Die Edelknaben leuchteten dem Joſef / auf befehl des Koͤniges / nach ſeinem zimmer zu. Davor fand er ſchon eine Koͤnigliche wache. Er fand ſchon eine Koͤ - nigliche bedienung. Er fand ſchon ſeine Kammerdie - ner / ſeine eigene Edelknaben / ſeine eigene Lakkeien. Das war eine ploͤtzliche veraͤnderung. Vor zehen oder zwoͤlf ſtunden war er noch ein Gefangner / ein Leibeig - ner / ein dienſtbohte: er lag in einem betruͤbten gefaͤng - nuͤſſe; er ſaß in einem dunkelen gewoͤlbe; er muſte tuhn / was der Gefaͤngnuͤs meiſter ihn hies. Itzund aber war er ein Freier / ein Fuͤrſt / ja ein Gebieter uͤber das gantze Egipten. Er befand ſich auf einer koͤniglichen Burg / in einem luſtigen zimmer. Er hatte ſeine leibwache / ſei - ne leibdiener. Die muſten ſein gebot ausrichten. Ja er hatte ſelbſt die macht den Fuͤrſten zu befehlen. Jeder - man muſte ſeinen worten gehorchen.
Das zimmer / darinnen Joſef ſchlafen ſolte / hatte eine luſtige ausſicht in den Koͤniglichen garten / und nach dem Niele zu. Das andere hatte ſeine ausſicht auf den ſchlosplatz. Beider ſchmuk war koͤniglich. Die mauren rund uͤmher ſahe man mit uͤberaus koͤſtlichen prunktuͤchern behaͤnget: und dieſe von reiner ſeide mit golde durchwuͤrket. Der bodem war von weiſſem mar - mel / und ebenmaͤßig mit prunktuͤchern beleget: die dek - ke mit zedernholtze uͤbertaͤfelt / und uͤber und uͤber dichte verguͤldet. Doch den waͤhrt des goldes und des holtzes uͤbertraf die koͤſtligkeit der kunſt bei weitem. Das ſchnitz - und bild-werk / da die gantze Egiptiſche weisheitM iiijal -184Der Aſſenatalhier ihre ſaͤmtliche kraft / in ausbildung ihres verbor - genen ſinnes / angewendet / war eben ſo unſchaͤtzbar / als wunderwuͤrdig. Das Bette ſtund als ein Koͤnigliches gezelt aufgeſchlagen / und auf das praͤchtigſte geſchmuͤk - ket. Die ſeulen waren von dem reinſten und weiſſeſtem elfenbeine auf das zierlichſte gedrehet: die uͤmhaͤnge von klahrer weiſſer ſeide / mit ſilbernem bluhmwerke durchwuͤrket. Eben eine ſolche dekke war auch uͤber das bette geſchlagen. Alhier begab ſich Joſef endlich zur ruhe.
In der erſten morgenwache erſchienen ihm im ſchlafe zwoͤlf Hirſche. Dieſe warden endlich zu neunen / und in den Laͤndern zerſtreuet. Auch ſahe er aus ſeines Bruders Judah nachkommen eine Jungfrau / in reine weiſſe ſeide gekleidet / herfuͤr - gehen. Dieſe gebahr ein unbeflektes Lam. Zur linken hand des Lammes ſtund ein Leue. Und alle Tiere ſtrenbeten ſich wider ihn / und fielen ihn an. Das Lam aber uͤberwand ſie / und traht ſie alle unter die fuͤße. Und uͤber ihm erfreueten ſich die Engel / die Menſchen / und das gantze Erdreich.
Mitten in ſocher algemeinen freude ward Joſef wak - ker / und dachte dieſem Geſichte nach. Er ſahe wohl / daß es erſt in den letzten zeiten erfuͤllet; und aus dem Stamme Judah der laͤngſt verheiſſene Heiland der Welt ſolte gebohren werden. Nun ſahe er dem Wei - besſamen entgegen / welcher der Schlange den kopf zer - traͤhten ſolte. Mitten in ſolchen gedanken erhub er ſich aus ſeiner ruhe. So bald er rege ward / kahm einer von ſeinen Kammerdienern hinein. Der brachte ihm / auf befehl des Koͤniges / ein uͤberaus koͤſtliches Kleid / mit allem zugehoͤre. Auch ward ihm ſtraks darauf eine Koͤ - nigliche Befehlſchrift an den Schatzmeiſter des Koͤni - ges eingereichet. Durch dieſe war ihm vergoͤnnet / ſoviel185vierdes Buch.viel gelder / als er zu ſeiner ausruͤſtung / auch ſonſten noͤhtig / aus der Koͤniglichen Schatzkammer zu hoͤben.
Unterdeſſen trug der Koͤnig verlangen den Joſef zu ſprechen / ehe die Reichsfuͤrſten ankaͤhmen. Daruͤm ſchikte er einen ſeiner Kammerherren hin ihm anzudie - nen / daß er ſeiner wartete. Joſef gehorchte zur ſtunde. Straks ging er hin die antwort ſelbſten zu bringen. Der Koͤnig ſtund eben in der tuͤhre ſeines zimmers / da er an - kahm: und zog ihn bei der hand hinein. Sehr freund - lich ſprach er ihn an. Aus der maßen liebſeelig empfing er ihn. Nach etlichen gewechſelten grusreden / fing er ſtraks wieder an von ſeinen geſtrigen Treumen zu ſpre - chen. Die deutung lag ihm noch immer im ſinne. Bald fragte er dieſes / bald jenes: und Joſef gab ihm auf alles beſcheid. Unter andern begehrte er zu wiſſen / wan die ſieben fruchtbaren Jahre beginnen ſolten? Joſef gab zur antwort: er vermeinte / daß ſich das erſte ſchon begonnen. Nun wohlan! fuhr der Koͤnig fort: ſo muͤſ - ſen wir dan anſtalt machen / daß unſer vorhaben mit dem erſten ſeinen anfang gewinne. Mein Jahrsfeſt habe ich beſchloſſen erſt uͤber ſechs tage zu endigen. Und dan ſolt ihr den Landſtaͤnden / und Reichsfuͤrſten / als auch der gantzen Ritterſchaft / und dem gantzen Egiptiſchem Volke / mit oͤffendlichen gepraͤngen / vorgeſtellet werden. Unterdeſſen wil ich verſchaffen / daß gegen die zeit alles faͤrtig ſei. Ich wil euch eine ſonderliche Koͤnigliche Hofſtat zuordnen. Ich wil haben / daß ihr auf das praͤchtigſte aufziehet. So mus es ſein. Einen ſolchen ſtaht muͤſſet ihr fuͤhren: damit mein Volk euch fuͤrchte; damit es euch gehorche.
Joſef bedankte ſich auf das allerdemuͤhtigſte vor die ſo gar hohe gnade / die ihm der Koͤnig anzutuhn belie - bete. Er bedankte ſich vor die ſo gar große Koͤnigliche vorſorge ſein anſehen und ſeine ehre zu erhoͤben. Auch fuͤgte er darbei: daß er dem Koͤnige hierinnen nicht an -M voder186Der Aſſenatoder ab-rahten wolte. Er unterwuͤrfe ſich ſeinem wil - len gantz und gar. Seinem guhtduͤnken ſei er bereit zu folgen: ſeinem befehle verbunden zu gehorchen: ſeinem winke ſelbſten ſei er ſchuldig auf das untertaͤhnigſte nachzuleben.
Eben als Joſef dieſes redete / kahm ein Edelknabe dem Koͤnige anzudienen / daß die Reichsſtaͤnde verſam - let weren. Hierauf fragte der Koͤnig den Joſef: ob ihm beliebte mit in die Rahtsverſamlung zu gehen? Joſef antwortete: dis ſtelle ich in des Koͤniges belie - ben. Aber was duͤnkt euch? fuhr der Koͤnig fort: ſehet ihr es vor guht an? Ich darf mich zwar nicht un - terfangen / redete Joſef weiter / dem Koͤnige vorzu - ſchreiben: aber auf ſeinen befehl mus ich mich erkuͤhnen zu ſagen / das es vor dieſes mahl ſich ſo wohl nicht fuͤgen wil. Ich bin nun noch als ein fremder. Ich bin in meinem gnaͤdigſt aufgetragenem Reichsgebiete noch nicht beſtaͤhtiget. Wan aber dieſes geſchehen iſt; als - dan wird es ſich beſſer ſchikken. Itzund moͤchte mir ſolches veruͤbelt werden. Man moͤchte es ſo deuten / als wan ich gebietſuͤchtig were / und das gebiet vor der zeit ſuchte. Dieſes iſt mein geringfuͤgiges guhtduͤnken. Doch des Koͤniges mus vorgehen. So koͤnt ihr euch inmittelſt / fing hierauf der Koͤnig an / im garten erlu - ſtigen. Wan es zeit zur tafel iſt / wird man es euch ſchon anmelden. Und hiermit begab ſich der Koͤnig in den Rahtsſaal: Joſef aber hinunter in den Garten.
Semeſſe lag eben in ihrem zimmerfenſter / das nach dem garten zuging / als Joſef hineinkahm. Straks lief ſie zur Koͤniglichen Fuͤrſtin / ihr ſolches anzumelden. Dieſe ſeumete ſich nicht lange. Eine ſo gewuͤndſchte ge - legenheit / ihn allein zu ſprechen / wolte ſie nicht ſchluͤpfen laßen. Eilend ging ſie hinunter. Niemand folgte ihr / als Semeſſe. Eben unter einem ſchattenreichen lau - bergange traf ſie den Joſef an. Da konte ſie niemandſehen.187vierdes Buch.
188Der Aſſenatſehen. Da konten ſie frei und ungehindert ſprache hal - ten. Sobald ſie Joſef erblikte / ging er zu ihr zu. Nach erwieſenen hoͤfligkeiten gegeneinander / fing Nitokris ſtraks an zu fragen: wie es ihm im gefaͤngnuͤſſe gegan - gen? Ob er auch mangel gelitten? Ob man ihn auch ehrlich gehalten? Als nun Joſef geantwortet: daß es ihm im gefaͤngnuͤſſe beſſer gegangen / als bei Fuͤrſt Po - tifarn: da fing die Fuͤrſtin an zu laͤchlen. Wie ſo? fragte ſie ferner. Er hatte ja alda ungezweifelt mehr luſt / ſonderlich bei einer ſo ſchoͤnen und holdſeeligen Fraue. Die Fraue war guht / fing Joſef hierauf an: aber ich war dannoch ungluͤklich. Ihre guhtheit konte mir wenig helfen.
Weil nun Nitokris ſahe / daß Joſef ſich nicht her - auslaßen wolte / und dieſe reden ihm nur verdruͤßlich fielen: ſo fuͤhrete ſie ſeine gedanken wieder ins gefaͤng - nuͤs. Aber / fragte ſie / wie ſtellete ſich der Gefaͤngnuͤs - meiſter gegen ihn an? Sehr wohl / antwortete Joſef: und ich bin von ihm gehalten worden / als wan ich ſein ſohn geweſen. Das pflegt er ſonſt nicht zu tuhn / fuhr die Fuͤrſtin fort: daruͤm bin ich verwundert. Vielleicht hat er einen guhten Freund gehabt / der ſein Wort gere - det. Vielleicht iſt iemand geweſen / der ihm zu liebe dem Gefaͤngnuͤsmeiſter ſolche guhtheit belohnet.
Aus dieſen verbluͤhmten reden muhtmaßete Joſef von ſtunden an / daß es die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſein muͤ - ſte / die ihn dem Gefaͤngnuͤsmeiſter ſo hoch anbefohlen. Daruͤm gab er zur antwort: Ja freilich habe ich ſol - ches einem großen Freunde zu danken; der große barm - hertzigkeit an mir erwieſen: der dem Gefaͤngnuͤsmeiſter alles / was er mir guhtes getahn / reichlich bezahlet. Be - zahlet! fing ihm die Fuͤrſtin das wort auf. Hat ihm dan iemand geld geſchikt? Ja freilich / antwortete Joſef / ihm / und mir. Und das kleid / das ich geſtern anhatte / habe ich demſelben / ja noch viel mehr / ebenmaͤßig zudan189vierdes Buch.danken. Aber was iſt doch das vor ein Freund? fuhr die Fuͤrſtin fort. Bis auf dieſe ſtunde / antwortete Jo - ſef / habe ich ihm / nur als einem unbekanten / gedanket: aber nunmehr habe ich hofnung ihm bald / als einem bekanten / zu danken. Waruͤm ſolte er dieſes erſt itzund tuhn koͤnnen? fragte Nitokris abermahl. Weil ich den Freund oder die Freundin / antwortete Joſef / erſt itzund / aus ihren worten / kennen lerne. So meinet er dan / daß ichs ſelbſten ſein ſol? gab Nitokris zur gegen - antwort. In alwege / antwortete Joſef wieder. Und hiermit brach er aus in dieſe worte. Vorlaͤngſt habe ich gewuͤndſcht / ſagte er / dieſe barmhertzige See - le zu kennen. Tauſendmahl habe ich begehrt das treuhertzige hertz zu wiſſen / daß ſich meiner ſo getrenlich augenommen. Aber es hat mir nicht widerfahren koͤnnen. Dieſe ſtunde allein hat es mir geoffenbahret. Ihr leutſeeliger mund hat ſich ſelbſten verrahten. Keinen tag meines lebens ſchaͤtze ich ſo gluͤklich / als dieſen: der mich ſo gluͤkſeelig gemacht / daß ich dieſelbe mildtaͤh - tige hand / die mir ſo hohe gnade erwieſen / in al - leruntertaͤhnigſter dankbarkeit zu kuͤſſen ver - mag. Ach! wie ſol ich ſolche ſo treue gunſt / ſolche mehr als gnaͤdige barmhertzigkeit erwiedern? Mein bluht iſt zu wenig darzu: mein vermoͤgen zu arm. Ich werde Ihr ſchuldner bleiben muͤſ - ſen / ſo lange ich ahteme: iedoch ein dankbarer ſchuldener / der ſein leben zu pfande ſetzet / zum zeichen / daß er gern bezahlen wolte / wan er koͤnte.
Aber woher weis er / daß ich ſeinetwegen dem Ge - faͤngnuͤsmeiſter ſolte geld geſchikt haben? fiel ihm die Fuͤrſtin in die rede. Daß er geld bekommen / antwortete Joſef / mich ehrlich zu halten; das hat er mir ſelbſt ge - ſagt / auch die beigefuͤgten brkefe gewieſen. Aber wederich190Der Aſſenatich / noch er konten dazumahl errahten / von wem ſolche uͤberſchwaͤnglich große wohltaht kaͤhme. Und nun bin ich begierig zu wiſſen / was doch Meine allergnaͤdigſte Fuͤrſtin bewogen / mir unverdientem ſo gar große gnade zu erweiſen? Vor mich ſelbſt / antwortete Nitokris / habe ichs nicht getahn. Eine Fuͤrſtin / die er noch nie geſehen / aber auſſer allem zweifel bald wird ſehen / und mehr als mich kennen lernen / hat mich hierzu bewo - gen. Was von mir geſchehen iſt / iſt alles ihr zu liebe ge - ſchehen. Daruͤm iſt er gantz nicht verbunden mir zu danken. Der dank gebuͤhret ihr. Ihr allein iſt er ver - pflichtet zu danken.
Eben als die Koͤnigliche Fuͤrſtin dieſe worte redete / hoͤreten ſie zur tafel blaſen. Und daruͤm nahm ſie ſtraks ihren abſchied. Joſef aber blieb noch eine kleine weile im garten. Darnach begab er ſich auch in ſein zimmer. Alhier verzog er ſo lange / bis ihm angeſagt ward zum Koͤnige zu kommen. Mit großer ehrerbietigkeit begeg - neten ihm alle Fuͤrſten. Sobald ſie ihn erblikten / mach - ten ſie raum. Sie trahten eilend voneinander in zwo reihen; damit er ungehindert hindurch koͤnte. Nach ge - ſchehenen ehrenbezeugungen zu beiden ſeiten / ſetzte man ſich ſtraks zur tafel. Einieder Fuͤrſt nahm ſeine ſtelle / da er des vorigen tages geſaͤſſen. Und Joſef lies ſich neben dem Koͤnige nieder. Die luſt / die freude / die ergetzligkeit ſchienen taͤglich zuzunehmen. Auch wuchs die unterli - che liebe der Fuͤrſten mehr und mehr an. Die hertzliche vertrauligkeit ward immer groͤſſer und groͤſſer / ſo lange dieſes Freudenmahl waͤhrete. Die vergnuͤgung / die der Koͤnig hieraus ſchoͤpfte / kan keine feder beſchreiben. Keine zunge vermag ſie auszuſprechen. Ja keine ge - danken koͤnnen ſie faſſen. Er ſelbſten war ſo froͤh - lich. Er erzeigte ſich ſo luſtig / daß ſich iederman ver - wunderte. Und dieſem vorgaͤnger folgeten alle ſeine gaͤſte. Nicht einer verderbete das ſpiel. Die traurig -keit191vierdes Buch.keit ſchien gantz verbannet: die unluſt verwieſen: die ſchweermuͤhtigkeit verjaget.
Dieſer algemeinen luſt der Fuͤrſten gab des Frauen - zimmers froͤhligkeit nichts zuvor. Die Fuͤrſtliche Ge - mahlinnen ſchritten ſelbſt uͤber die ſchranken ihrer acht - barkeit; welche ſie ſonſten ſo genau zu bewahren pflegen. Die Freulein und Jungfrauen vergaßen ihrer ſtrengen eingezogenheit. Ihrer ſonſt angebohrnen bloͤdigkeit / und gewoͤhnlichen ſitſamkeit / gaben ſie vor dieſes mahl uhrlaub. Das kind der zucht / die edele Schaamhaftig - keit / milterten und maͤßigten ſie dermaßen / daß ſie ſo uͤbermaͤßig nicht zuͤchteten / ſo aus der weiſe nicht prunkten / ſo ohne ſchertzſpiele nicht ernſteten; wie ſie ſonſten zuweilen gewohnet. Die gemeinſamheit / die offenhertzigkeit / die freimuͤhtigkeit / die ſprachſamkeit / die ausgelaßenheit zur luſt und ergetzung hatten das ſtoͤltzeln / das praͤngeln / ſamt dem alzuernſthaftigen niedergeſchlagenem weſen / verdrungen. Ihre augen liebelten. Ihre wangen laͤchelten. Ihre ſtirnen ſpiele - ten. Ihr mund entſchlos ſich. Ihre zunge ward geloͤſet. Und alſo lies ſich das gantze antlitz aus in ein froͤhli - ches anmuhtiges weſen. Ja der gantze leib ſaß / wo er ſaß / und ſtund / wo er ſtund / in einer freudigen unge - zwungenen bewegung.
In ſolcher unterlich einpaͤrigen luſt und freude kahm der achte und letzte tag des Koͤniglichen Jahrfeſtes herbei. Joſef begunte der hofluft / als nunmehr ein hofman von ſechs tagen / alhand zu gewohnen. Bisher war er noch zimlich eingezogen und ſtille geweſen. Er hatte wenig geredet / noch weniger geſchertzet. Aber itzund fing er an dreiſter zu werden. Itzund machte er ſich erſt bekant. Itzund lies er ſo ein freudiges und ſo munters weſen blikken / daß er mehr / als iemahls zuvor / die augen dieſer Fuͤrſtlichen verſamlung auf ſich zog. Sobald er in den Saal traht / redete er / mit einer ſon -der -192Der Aſſenatderlichen wohlanſtaͤndigkeit / bald dieſen / bald jenen Fuͤrſten an. Und dieſe reden waren meiſtenteils mit einem anmuhtigen ſchertze vermiſcht. Er gedachte: ende guht / alles guht. Er wolte dis Feſt / das er mit ſtil - le beginnen helfen / mit freuden ſchlieſſen. Und daruͤm erzeigte er ſich auch ſo luſtig / und ſo froͤhlich / als wan ihn kein ungluͤk iemahls betroffen. Hatte man ihn vor dieſem geruͤhmet / ſo erhub man ihn itzund bis an den himmel. Alle hertzen hingen ihm an. Alle gemuͤh - ter waren ihm gewogen. Der Koͤnig ſelbſten hatte ein ſolches wohlgefallen an ihm / daß er uͤberlaut ſagte: dis ſei der luſtigſte tag von allen / weil ſich Joſef ſo luſtig erzeigte. Ja es ſchien / als wan er / durch ſolche ſeine froͤhligkeit / die gantze froͤhliche verſamlung noch froͤhli - cher gemacht.
Ohngefaͤhr drei ſtunden hatte man tafel gehalten. Der Nachtiſch ward aufgetragen. Allerlei Zukkerge - bakkenes / allerlei eingemachte fruͤchte / allerlei obſt / al - lerlei ſchaugerichte / und allerlei lekkerſpeiſen warden aufgeſetzt. Die tafeln ſtunden ſchon gleich als bedekt mit guͤldenen ſchuͤſſeln vol dergleichen lekkerkoſt. In dem augenblikke war es / da ſich der Koͤnig ploͤtzlich er - hub. Ploͤtzlich ſtund er auf / und befahl dem Joſef / und allen Fuͤrſten ihm zu folgen. Jederman war hier - uͤber verwundert. Niemand wuſte / was es bedeuten ſolte. Alle ſtunden im zweifel. Endlich ging der Koͤnig nach der Koͤnigin zu. Dieſe zog er / bei der hand / von der tafel: und winkte dem Joſef / daß er die Koͤnig - liche Fuͤrſtin nehmen ſolte. Das taͤht er auch alſobald mit der allerhoͤflichſten ehrerbietigkeit. Hierauf ward den andern Herren befohlen dergleichen zu tuhn. Ein - ieder geſelte ſich zu einer aus dem Frauenzimmer. Und alſo ſtunden ſie alle gepaaret. Die Kunſtſpieler muſten ſpielen / und die Meiſterſaͤnger ſingen. Noch konte nie - mand aus ſinnen / was der Koͤnig zu tuhn geſonnen. Die193vierdes Buch.Die meiſten gedachten / man wuͤrde einen Reientantz tuhn ſollen. Aber der Koͤnig befahl die tuͤhre zu oͤfnen: und die ſaͤnger / ſamt den ſpielern / muſten forttraͤhten. Alle gingen zur tuͤhre hinaus. Der Koͤnig / mit der Koͤnigin gepaaret / folgete: und ihm die gantze gepaarte verſamlung. Endlich gelangte man in den Koͤniglichen Luſtgarten. Da hielt dieſe luſtige geſelſchaft einen uͤm - gang. Dis geſchahe mit ſehr langſamen tritte. Zu - weilen ſtund man auch ein wenig ſtil / das geſicht was mehr zu ergetzen.
An der uͤberſeite des Gartens war eine ſchoͤne waſ - ſerkunſt in etlichen marmelſteinernen Bildern verbor - gen. Dieſe Bilder ſtunden in einer langen reihe laͤngſt dem gange hin. Eben als der Koͤnig und Joſef hier vorbei waren / ſingen die Bilder an ihre kunſt zu bewei - ſen. Etliche ſehr duͤnne waſſerſtrahlen kahmen ihnen ploͤtzlich aus den augen / und aus dem munde / ja ſelbſt aus den ohren und bruͤſten geſchoſſen. Dadurch bekah - men die voruͤbergehenden ein unverſehenes bad. Als ſie nun von oben alſo befeuchtet waren; da ſprangen und rieſelten auch von unten / aus der erde ſelbſt / etliche zahrte waſſerſtrahten in die hoͤhe. Und dieſes geſchahe allein auf der ſeite / da das Frauenzimmer ging: wel - ches / ſo bald es die kalten waſſerſtrahlen / unter den roͤk - ken / auf der bloßen haut fuͤhlete / mit dem waſſer als uͤm die wette zu ſpringen und zu huͤpfeln begunte. Dar - uͤber erhub ſich ein großes gelaͤchter. Der Koͤnig befahl den Kunſtſpielern luſtig aufzuſpielen. Dieſe Schoͤnen ſolten nach dem tohne tantzen. Nach dem hohen und niedrigem / nach dem langſamen und geſchwindem klan - ge ſolten ſie ihre fuͤße bewegen.
Nach dieſer kurtzweile begaben ſie ſich alle wieder in den Saal. Ein ieder ſetzte ſich in ſeine ſtelle. Der Nachtiſch ward vorgedienet. Die baͤcher gingen rund heruͤm. Die geſundheit des Koͤniges und des neuenNSchalt -194Der AſſenatSchaltkoͤniges ward ſtehende getrunken. Man wuͤnd - ſchte ihnen beiden gluͤk. Man rief / durch den gantzen ſaal: Lange lebe der Koͤnig! Nefrem lebe ge - ſund! Lange lebe der Schaltkoͤnig! Joſef lebe geſund! Dieſes freudige zurufen hatte faſt kein ende. Den gan - tzen abend erklungen dieſe gluͤkswuͤndſche / unter dem ſchalle der trompeten. Sie hoͤreten nicht eher auf / als bis der Koͤnig ſich erhub. Sie lieſſen nicht eher nach / als bis die gantze geſelſchaft bereit ſtund zu ſcheiden. Und in dieſem augenblikke traht ein Heerold auf. Der rief durch den gantzen Saal aus. Auf des Koͤnigs be - fehl / ſolten ſich morgen fruͤh alle Fuͤrſten und Staͤnde des Reichs auf dem Reichsſaale verſamlen. Die gan - tze Ritterſchaft ſolte ſich einfinden / der beſtaͤtigung des neuen Schaltkoͤniges beizuwohnen. Hiermit ſchieden die Fuͤrſten voneinander. Hiermit beſchlos man das Koͤnigliche Jahrsfeſt. Hiermit nahm dieſes freuden - mahl ſein gewuͤndſchtes ende.
DIe ſonne hatte mit ihren herfuͤrbre - chenden ſtrahlen den Niel zu erleuch - ten kaum begonnen: kaum hatte ſie deſſelben ſtille fluht zu verguͤlden ange - fangen: kaum hatte ſich ihr liebliches antlitz uͤber die ſpitzen des gebuͤrges er - hoben; als ein großes freudengetoͤhne die gantze koͤnig - liche ſtadt Memfis erfuͤllete. Die Trompeten warden geblaſen; die trummeln geruͤhret; die ſchaͤllenſpiele be - weget; die zinken beſeelet; die zittern geſchlagen / und andere ſeitenſpiele geſpielet. Die Reichsſtaͤnde warden rege. Die Ritterſchaft erhub ſich. Mit einem großen geſchleppe zogen ſie nach der Burg zu. Einieder war aufs koͤſtlichſte gezieret / aufs praͤchtigſte geſchmuͤkket. In dieſem herlichen gepraͤnge trahten ſie in den Reichs - ſaal. Da war der Koͤnig / mit den Reichsraͤhten / ſchon zugegen. Er ſaß auf einem koͤſtlichen Reichsſtuhle / von hintenzu mit ſeinen Kammerherren und Hofjun - kern uͤmringet. Auf der rechten hand hatte ſich der He - liopelſche Ertzbiſchof / mit dem Reichskantzler / und Reichsſchatzmeiſter / niedergelaßen: und auf der linken die Reichsraͤhte.
Als ſie nun alle beiſammen waren / ſtund der Reichs - kantzler auf / und taͤht / im nahmen des Koͤniges / an die Reichsſtaͤnde eine kurtzbuͤndige rede. Darinnen gab er ihnen den willen des Koͤniges zu verſtehen / auch war - uͤm er ſie entbohten. Und dieſe rede beſchlos er mit zwo fragen: erſtlich / ob ſie alle geſonnen weren den Joſef vor ihren Schaltkoͤnig zu erkennen? darnach / ob ſie ihmN ijhul -196Der Aſſenathuldigen wolten? Des Reichskantzlers rede beantwor - tete der Reichsſtaͤnde Worthalter eben ſo kurtzbuͤndig: und ſie ſelbſten rieffen auf die zwo vorgeſtellete fragen einmuͤndig ja.
Auf dieſes ſo willige jawort erhub ſich / auf befehl des Koͤniges / der Ertzbiſchof / ſamt dem Reichskantzler und Reichsſchatzmeiſter / als auch allen Reichsraͤhten / den Joſef zu hohlen. Nicht lange darnach brachten ſie ihn gefuͤhret. Ein Hofmahrſchalk ging allein voran; und Joſef / zwiſchen dem Ertzbiſchoffe und dem Reichs - kantzler / hernach: denen alle die uͤbrigen folgeten. So - bald ſie vor den Koͤnig gelanget / begaben ſie ſich alle wie - der in ihre ſtellen. Und Joſef blieb allein / nachdem er ſich auf das allerehrbietigſte geneuget / vor dem Reichs - ſtuhle ſtehen. Der Koͤnig gab ihm einen wink / daß er naͤhern ſolte. Er gehorchte zur ſtunde / und traht dichte vor die ſtufen des Reichsſtuhls. Darauf wiederhohle - te der Koͤnig faſt alle worte / die er vor ſechs tagen zu ihm geredet / als er ihn zum Schaltkoͤnige erwehlet. Joſef neugte ſich abermahl zur erden nieder / und als er ſahe / daß der Koͤnig ſich bewegte aufzuſtehen / ſtieg er bis auf die oberſte ſtufe des Reichsſtuhls / und fiel alda nieder auf ſeine kniehe.
Hierauf zog der Koͤnig ſeinen Siegelring vom fin - ger / und ſtekte ihn auf Joſefs finger. Darnach nahm er auch eine guͤldene Kette / die er am halſe trug; und hing ſie uͤm Joſefs hals. Unten an dieſe Kette war ein Bruſtpfennig / darauf ein Elefant gepraͤget ſtund / angegliedert. Der Elefant ſolte die Koͤnigliche Majaͤ - ſtaͤht / die ſich / wie der Elefant / vor niemand neuget / bezeichnen. Hiermit uͤbergebe ich euch / ſagte der Koͤnig / alle gewalt uͤber das gantze Egipten. Ich bin Farao: ohne euren willen ſol niemand im gantzen Reiche / ſeine hand / oder ſeinen fuß regen. Alles ſol euch / und ihr niemand / unter -tahn197fuͤnftes Buch.
198Der Aſſenattahn ſein. Ich heiſſe Farao: und ihr ſolt Zafnat Paaneach / das iſt Heiland der Welt / genennet wer - den. Wir haben ein ſolches vertrauen zu euch / daß wir es unnoͤhtig achten / uns / durch den eid der treue / euch zu verbinden. Ja wir zweiflen keines weges / ihr werdet ohne das / eurer weis - heit nach / ſo zu herſchen wiſſen / daß es uns nim - mermehr gereuen wird euch zu unſrem Mither - ſcher erkohren zu haben.
Hiernach boht der Koͤnig dem Joſef die hand / und richtete ihn / mit einem hertzlichen gluͤkswundſche / wie - der auf. Er hingegen neugte ſich gegen den Koͤnig drei - mahl zu erde nieder; und bedankte ſich vor die hohe gna - de / vor das guhte vertrauen / und den hertzlichen wundſch des Koͤniges / in alleruntertaͤhnigſter niedrig - keit. Inzwiſchen ſtunden der Ertzbiſchof und der Reichskantzler auf / und fuͤhreten den neuen Schaltkoͤ - nig auf einen beſonderen Reichsſtuhl. Dieſen hatte man / zur linken ſeite des Koͤniglichen Reichsſtuhls / auf ein etwas erhobenes geſtelle geſetzt / und mit den allerkoͤſtlichſten prunktuͤchern ausgezieret. Sobald ſich Joſef alhier niedergelaßen / ſetzte ihm der Ertzbiſchof eine koͤnigliche Krohne / welche der Reichsſchatzmeiſter auf einem weiſſen ſeidenem kuͤſſen nachtrug / auf das heupt. Hierauf gab ihm der Reichskantzler auch den Reichsſtab / deſſen ſpitze mit einem Storche / und das unterende mit einer klaue vom Fluspferde gezieret / der ebenmaͤßig durch einen Reichsraht nachgetragen ward / in die hand: und der Ertzbiſchof ſprach endlich uͤber ihn / der gewohnheit nach / den ſeegen.
Nach volendeten dieſen Kroͤhnungsgepraͤngen / deu - tete der Reichskantzler den Egiptiſchen Reichs ſtaͤnden und der gantzen Ritterſchaft / durch eine zierliche / doch kurtze rede / die huldigung an. Sobald er ausgeredet / ward ihnen der Eid ihrer gehohrſamkeit vorgeleſen; undſie199fuͤnftes Buch.ſie bekraͤftigten denſelben mit aufgerekten fingern. Der Koͤnig hatte zwar anſtalt machen laßen / daß Joſef / ſtraks nach der Kroͤhnung / durch die gaſſen der ſtadt Memfis ſolte gefuͤhret werden / dem Volke ſeinen neuen Schaltkoͤnig zu zeigen. Aber die helfte dieſes ta - ges war ſchon verlauffen. Der mittag war herbei ge - nahet; und die tafeln zum Kroͤhnungsmahle albereit gedekket. Daruͤm ward ſolches gepraͤnge bis auf den kuͤnftigen morgen verſchoben: und das neugierige Volk bekahm vor dieſes mahl ſeinen neuen Gebieter nicht zu ſehen. Vor dieſes mahl muſte es ſein großes verlangen mit geduld ſpeiſen: ein ſolches verlangen demſelben gluͤk zu wuͤndſchen / von deſſen wunderlichen gluͤksfaͤllen der ruf uͤberal / durch die gantze ſtadt / erſchollen.
Mitlerweile ward das uͤbrige des tages in voller luſt zugebracht. Und dieſe luſt uͤm ſo viel angenehmer zu machen / hatte der Koͤnig / im Burggarten / eine große Laͤube laͤngſt der mauer hin aufrichten laßen. Alhier gab der ſchatten eine kuͤhle luft / das auf den bodem ge - ſtreuete bluhmenwerk einen anmuhtigen geruch / und der luſt garten ſelbſt ein liebliches ausſehen. Hierunter ward das Kroͤhnunsgmahl gehalten. Hier ergetzte ſich der Koͤnig: und mit ihm der ausbund des gantzen E - giptiſchen Adels. Hier ſaß Joſef nunmehr in voller herligkeit / und freude. Alles ſeines vorigen elendes / und alles ſeines leides hatte er vergeſſen. An ſtat ſeiner leibeigenſchaft / hatte er das gebiet eines ſo maͤchtigen Koͤnigreichs in ſeinen haͤnden. An ſtat ſeiner vorigen ſchmaach und verachtung / ward er itzund mit kniebeu - gen geehret. An ſtat des knechtiſchen nahmens / fuͤh - rete er itzund einen koͤniglichen; und ward ein Heiland der welt genennet. An ſtat des Rokkes / den ihm die Ehbrecherin vom halſe geriſſen / hatte ihn der Koͤnig in reine weiſſe ſeide gekleidet. An ſtat der eiſernen ketten ſeines gefaͤngnuͤſſes / trug er eine guͤldene: an ſtat desN iiijknech -200Der Aſſenatknechtiſchen feſſelringes / einen Koͤniglichen Siegel - ring / zur bekraͤftigung ſeiner macht. An ſtat des zei - chens der Leibeignen / fuͤhrete er einen Koͤnigsſtab in der hand / und einen Koͤnigskrantz auf dem heupte. An ſtat des ſchlammichten Stokhauſes / hatte er eine Koͤ - nigliche wohnung. Ja alles / was er zuvor elendes gehabt / war nunmehr in lauter herligkeit veraͤndert. So herlich ward ihm ſeine Gottesfurcht belohnet / ſei - ne Tugend bezahlet / ſeine Keuſchheit vergolten.
Auf den morgen ward des Koͤniges zweiter Stahts - wagen faͤrtig gemacht. Dieſer blinkte von lauter golde. Vier ſchneeweiſſe pferde zogen ihn. Der pferdeſchmuk ſchimmerte von koͤſtlichen ſteinen. Auf dieſem praͤchti - gen wagen fuhr Joſef durch die fuͤrnehmſten gaſſen der ſtadt. Zween Heerolden / aus den aͤlteſten des Heers erleſen / ritten vor ihm her / in goldgeſtikten koͤſtlichen roͤkken: und vor dieſen vier Trompeter. So oft der Stahtswagen vor einen marktplatz / oder an eine neue gaſſe kahm; da blieſen die Trompeter / und die Heerol - den rieffen mit lauter ſtimme vor dem Joſef aus: Dis iſt der junge Koͤnigliche Vater; dis iſt der junge Vater des Reichs. Hinter dem Stahtswagen her ritten etliche Hofjunkern des Schaltkoͤniges auf koͤſtli - chen Arabiſchen und Perſiſchen pferden. Alle waren auf das koͤſtlichſte gezieret. Zu beiden ſeiten des wagens lieffen die Edelknaben / die Kammerdiener / die Lakkeien / in uͤberaus zierlicher leibestracht. Die Menſchen lagen in den fenſtern / ſtunden auf den taͤchern / warteten in den tuͤhren / lieffen und draͤngeten ſich auf den gaſſen. Alle verlangeten den neuen Schaltkoͤnig zu ſehen. Wo Joſef voruͤberfuhr / da hoͤrete man ein großes freuden - geſchrei. Das frohlokken / das jauchzen / das gluͤkzu / das lebe lange hatte kein ende. Ob er ſchon lange vor - bei war / ſo klung doch der nachruf immer hinter ihm her. Man rief ohn unterlaß / ſo lange man den Stahts -wagen201fuͤnftes Buch.wagen erblikken konte. Ja viele ſtreueten palmenzwei - gen vor ihm her: andere vielerlei bluhmen. Damit la - gen alle ſtraßen bedekt / wo er durchhinfuhr.
Es war nun hoher mittag. Eben machte die ſonne den kuͤrtzeſten ſchatten / als Joſef wieder nach der Burg zu kehrete. Unterdeſſen hoͤrete doch die freude des vol - kes nicht auf. Wer nur etwas vermochte / der hatte ſeine nachbaren und freunde zu gaſte. Man teilete den armen reichlich aus; ja etliche lieſſen ſie ſpeiſen. Dieſe algemeine freude waͤhrete bis in die ſinkende nacht. Al - le reden / die man hoͤrete / waren vom Joſef. Sein lob erklung durch die gantze ſtadt. Eines ieden mund war vol ſeines ruhmes. Sie prieſen ſeine fuͤrtrefliche ſchoͤn - heit / ſein uͤber aus leutſeeliges weſen. Die ihn niemahls reden gehoͤret / urteileten dannoch von ſeiner ſo volkom - menen Tugend aus den Augen: die als zween unbetruͤg - liche verraͤhter des hertzens weren. Sein gantzes Ange - ſicht / ſagten ſie / da man die Seele / als auf einem oͤf - fentlichen markte / mit den euſerlichen dingen handeln ſiehet / zeigt es genug an / was vor edle ſchaͤtze ſein hertz verbuͤrget. Wir ſeind gluͤklich / daß wir einen ſolchen / den die Goͤtter ſo volkommen geſchaffen / uͤber uns her - ſchen ſehen. Das gantze Egipten hat ein großes von ihm zu hoffen. Wir alle haben dem Himmel nicht ge - nug zu danken. An dieſen und mehr dergleichen reden war des volkes vergnuͤgung gnugſam zu ſpuͤhren. Ja ſie bezeugten / durch ihre milde gaſtfreiheit / und große freude / mehr als genug / daß die worte mit dem hertzen uͤbereinſtimmeten.
Noch zween tage blieb Joſef auf der Burg. Inner - halb dieſer zeit redete er mit dem Koͤnige von allem / was des Reichs wohlfahrt betraf. Fort und fort wa - ren ſie beieinander. Alles / was Joſef riet / ward be - liebet. Seine rahtſchlaͤge hatten ein weites ausſehen. Sie gingen durch die inſtehenden ſieben reichen jahre /N vbis202Der Aſſenatbis in die ſieben Mageren. Er erwug alles / was zu tuhn ſtuͤnde / mit reiffem vor bedacht. Alle ſeine anſchlaͤ - ge zieleten fuͤrnaͤhmlich auf zwei dinge: den Koͤnig groß / und die Untertahnen wohlfahrend zu machen. Und daruͤm entſchlos er ſich das gantze Egipten zu be - ſehen. Die beſchaffenheit der Koͤniglichen herſchaft war ihm nunmehr aus dem munde des Koͤniges ſelb - ſten bekant. Er hatte deswegen ſchon alles genau un - terſuchet; auch albereit mittel gefunden / ſie in einen beſſeren ſtand zu bringen. Aber ſolches recht auszu fuͤh - ren / muſte er nohtwendig die gelegenheit aller Laͤnder beſichtigen. Und dieſes muſte mit eheſtem geſchehen; damit er ſeine ſchluͤſſe darnach anlegen koͤnte. So zog er dan auf den dritten tag aus. Der erſte zug ging auf Heliopel zu.
Dieſe ſchoͤne Stadt lag auf einem hohen ſchutte / in einer anmuhtigen aue des landes Geſſen / zwiſchen zween aͤrmen des Niels: zu welcher man / durch einen verborgenen gang unter der erden und dem Niele hin / von Memfis gelangen konte. Die Ebreer nennen ſie On; die Griechen aber Heliopel / das iſt Sonnen - ſtadt; und die Araber Betſames / Sonnenhaus / oder Ainſemes / Sonnenauge. Und dieſe drei letz - te nahmen fuͤhrete ſie vom Sonnenſpiegel / welcher alda im Goͤtzenhauſe der Sonne gefunden ward / und es mit ſeinen ſtrahlen den gantzen tag durch erleuchtete. Egip - ten hatte keine aͤltere ſtadt / als dieſe. Mizraim / des Noah enkel / und Hams zweiter ſohn / der erſte Egip - tiſche Koͤnig nach der Suͤndfluht / hatte ſie gebauet. Alhier hat er ſeinen Koͤniglichen ſitz gehabt: als auch nach ihm ſein ſohn Mesramutiſis; und nach dieſem der dreimahl große Hermes / der Sonnenſeulen er - finder / und uhrhoͤber der heiligen Bilderſchrift / ja der gantzen Egiptiſchen weisheit. Und alſo war dieſer Hermes der dritte Egiptiſche Koͤnig nach der Suͤnd -fluht.203fuͤnftes Buch.fluht. Er war derſelbe Merkuhr / den die Egipter Tot / und Ftat / das iſt den Gott der Goͤtter / die Foͤnizier Taut / die Araber Idris / die Ebreer Hador / das iſt einen fuͤrtreflichen Vernunftfechter / nenten. Ja er war in dieſer erſten Koͤniglichen und Prieſter - lichen Egiptiſchen Stadt der erſte Prieſter. Er war derſelbe / der / zu Abrahams zeiten / die Egiptiſche Prieſterſchaft geſtiftet. Er war derſelbe / der den grund geleget zum Heliopelſchen Ertzbiſchoftuhme. Einer von deſſen nachſaſſen im Prieſtertuhme war itzund Fuͤrſt Potifar: den die Ebreer einen großen Weltweiſen / als auch einen Vorſteher der Gelehrtheit und des goͤtzen - dienſtes der Sonne nennen. Dieſen / als ſeinen ehmah - ligen Herꝛn / wolte Joſef beſuchen. Ein Hofjunker muſte voran reiten / dem Ertzbiſchoffe ſolches anzu - melden.
Sobald der Heliopelſche Ertzbiſchof Joſefs an - kunft verſtanden; da lies er alles / was er noͤhtig achte - te / einen ſo großen Gaſt auf das herlichſte zu bewuͤrten / alſobald zuſchikken. Auch befahl er ſeine Freulein Tochter / die Fuͤrſtin Aſſenat / von der Sonnenburg zu hohlen. Dieſe hatte bis auf gegenwaͤrtige ſtunde noch niemahls einiges Mansbild geſehen. Und daruͤm war ſie ſchuͤchtern vor allen mansbildern. Ja ſie ver - achtete ſie ſchier alle. Und dieſes wolte ihr / faſt als eine hofart und vermaͤſſenheit / zugemaͤſſen werden. Son - ſten war ſie in allen dingen den Ebreiſchen Toͤchtern gleich / und uͤberaus guhtahrtig / auch ſo ſchoͤn / daß ſie vor die ſchoͤnſte des gantzen Reichs gehalten ward. Als ſie nun ankahm / gab ihr der Ertzbiſchof alſobald Jo - ſefs ankunft zu erkennen. Joſef / ſagte er / der Starke Gottes / wird zu uns kommen: und ich habe beſchloſ - ſen / dich mit ihm zu vermaͤhlen. Sie aber gab eine wei - gerliche antwort: dan ihr war noch zur zeit unbekant / daß der Koͤnig ihn zum Herſcher uͤber das gantze Egip -ten204Der Aſſenatten geſetzet. Nein / nein! rief ſie uͤberlaut: ich wil kei - nem Gefangenem oder Leibeigenem / aber wohl einem Koͤniglichen Fuͤrſten vermaͤhlet ſein. Und indem ſie alſo redeten / kahm einer von den tohrwaͤchtern dem Ertzbiſchoffe anzumelden / daß der Schaltkoͤnig ſchon in der ſchlosgaſſe ſei. Als Aſſenat dieſe zeitung hoͤrete / da eilete ſie geſchwinde nach ihrer Burg zu. Gleichwohl trieb ſie ihre neugierigkeit ſo weit / daß ſie luͤſtern ward den Joſef zu ſehen. Und daruͤm blieb ſie oben uͤber dem Burgtohre / in einem fenſter / ſtehen.
Unterdeſſen ging der Ertzbiſchof / mit ſeiner Gemah - lin Toote / dem Joſef entgegen / bis vor das Schlos - tohr. Da empfingen ſie ihn mit der allertiefſten ehrer - bietigkeit. Und er begab ſich / ſamt ſeinem gantzen ge - folge / in den vorhof: deſſen tohre zur ſtunde wieder ge - ſchloſſen / und mit einer ſtaͤrkeren wache verſehen war - den. Joſef ſaß auf dem zweiten Stahtswagen des Koͤniges / welcher mit golde gantz uͤberzogen / und mit uͤberaus kuͤnſtlichem bildwerke gezieret. Vier ſchnee - weiſſe Pferde / derer zeume / gebis und ſchnallen von dich - tem golde / mit edelen ſteinen ausgeſetzt / zogen dieſen wa - gen. Er ſelbſten war gekleidet in reine weiſſe ſeide; und daruͤber trug er einen ſammeten Rok mit golde ſehr zierlich geſtikt. Auf ſeinem heupte ſtund eine guͤldene Krohne / mit zwoͤlf koͤſtlichen ſteinen / daruͤber zwoͤlf ſterne zu ſehen / verſetzet. In der hand hielt er einen guͤldenen Reichsſtab / und einen Oehlzweig / ſamt der frucht. Vier Edelknaben gingen auf ieder ſeite des wagens. Ihre langen uͤber die ſchultern fliegende haar - lokken waren zierlich verguͤldet / und eben ſo zierlich ge - kruͤllet. Ihre kleider waren von ſchneeweiſſer ſeide / mit guͤldenen bohrten verbraͤhmet. In der rechten hand tru - gen ſie einen wurfſpies / und in der linken einen ſchild / uͤberzogen mit golde. Der vor - und nach-trab war nicht weniger koͤſtlich und praͤchtig.
In205fuͤnftes Buch.In dieſer pracht und herligkeit erblikte die junge Fuͤr - ſtin Aſſenat den Joſef. Sie ſahe ſeine himliſche ſchoͤnheit: und war betruͤbt uͤber die worte / welche ſie kurtz zuvor geſprochen. Ach! ſagte ſie / ſehet! die Son - ne vom himmel iſt auf ihrem wagen zu uns kommen. Ich wuſte nicht / daß Joſef Gottes Sohn were. Dan keiner unter allen Menſchen hat eine ſolche ſchoͤnheit koͤnnen zeugen. Keiner Frauen leib hat ein ſolches Licht koͤnnen gebaͤhren. Mit klaͤglicher ſtimme ſprach ſie die - ſe worte. Mit bereuenden ſeufzern klagte ſie ihre vorige unbefonnenheit an. Mit traurigem weſen ging ſie nach ihrem zimmer zu. Nicht ein wort kahm mehr aus ih - rem munde. Sie war gleich als entzuͤkt: und in ſol - cher entzuͤkkung ſetzte ſie ſich auf ihr bette.
Unterdeſſen begab ſich Joſef von dem wagen / und ging / mit dem Ertzbiſchoffe Potifar / in ſein ſchlos. Straks wuſch man ihm / nach der Egiptiſchen weiſe / die fuͤße. Und er fragte mit gebietender ſtimme: was iſt das vor ein Weibesbild / das uͤber dem burgtohre im fenſter lag? daß man ſie ſtraks aus dieſem Schloſſe ſchaffe. Dan er befahrete / ſie moͤchte ihm auch / wie viel andere getahn / mit geſchenken verdruͤßlich fallen: die er doch mit unwillen von ſich warf. Aber der Ertz - biſchof gab ihm zur antwort: Mein Herꝛ / ſagte er / es iſt meine Tochter / die alle Mansbilder fliehet. Auch hat ſie zuvor niemahls einiges Mansbild geſehen / als uns an dieſem heutigen tage. Doch wan es Meinem Herꝛn beliebt / ſo ſol ſie kommen ihn zu gruͤßen. Joſef gedachte bei ſich ſelbſt / wan ſie alles mansvolk fliehet / ſo wird ſie mich auch wohl zu frieden laßen. Und daruͤm ſagte er zum Ertzbiſchoffe: wan eure Tochter ein ſolches Freulein iſt / ſo habe ich ſie lieb / als were ſie meine Ge - mahlin. Sobald die Mutter dieſes vernahm / lief ſie ei - lend auf die Burg ihre Tochter zu hohlen. Und ſie brach - te ſie in den ſaal / und ſtellete ſie vor Joſefs angeſicht. Da206Der AſſenatDa geboht ihr der Vater / und ſagte: Meine Tochter / gruͤße deinen Bruder / der alle fremde Frauen haſſet / gleichwie du alle Maͤnner. Und Aſſenat neugte ſich mit ſehr zierlichen und ſchaamhaftigen gebaͤhrden / und ſprach: Gegruͤßet ſei der Geſeegnete des allerhoͤchſten Gottes. Darauf antwortete Joſef / und ſagte: Gott / der alle dinge lebendig machet / ſeegene Sie. Und Po - tifar befahl ſeiner Tochter ferner / daß ſie den Joſef kuͤſſen ſolte. Aber als ſie ſich ſolches zu tuhn naͤherte; da ſtrekte Joſef ſeine hand aus / beruͤhrete ihre bruſt / und ſagte: Demſelben / der dem lebendigen Gotte die - net / und iſſet das broht des lebens / und trinket den trank der unſterbligkeit / geziemet nicht / daß er eine fremde mit ſeinem munde beruͤhre. Es geziemet ihm nicht den mund einer ſolchen zu kuͤſſen / welche die ſtum - men und gehoͤhrloſen Abgoͤtter kuͤſſet / und iſſet der Goͤtzen broht / und trinket / aus den baͤchern der Abgoͤt - terei / den trank des todes und der fuͤnſternuͤs / und ſchmieret ſich mit oͤhle der unreinigkeit.
Als nun Aſſenat Joſefs reden hoͤrete / und ſich gleichſam verſchmaͤhet ſahe; da ward ſie von hertzen be - truͤbt. Sie weinete bitterlich. Die traͤhnen ſchoſſen / als zwee ſchmertzenſtroͤhme / mildiglich aus den augen. Ja es fehlete wenig / daß ſie / vor uͤbermaͤßigen ſchmer - tzen / nicht gar in ohnmacht niederſunk. Joſef hatte zwar nicht gern mit dem Frauenzimmer zu tuhn. Kaum goͤnnete er ihnen / daß ſie ihn anſehen mochten. Er befahrete ſich ſtaͤhts / daß dadurch der ſpiegel ſeiner keuſchheit verdunkelt wuͤrde. Ja noch weniger lies er zu / daß ſie ihn anruͤhreten. Daß eine Fraue den Einwoh - ner des Paradieſes aus ſeiner herligkeit geſtoßen / lag ihm ſtaͤhts im ſinne. Daruͤm flohe er den uͤmgang mit Weibesbildern / als eine anſtekkende ſeuche. Gleichwohl bewegte ihn Aſſenat zum mitleiden. Ihr betruͤbtes / doch zugleich allerholdſeeligſtes und ſchaamhaftigeswe -207fuͤnftes Buch.
208Der Aſſenatweſen zog ihn zur barmhertzigkeit. Hatte er ſich von ihr kurtz zuvor nicht wollen kuͤſſen oder beruͤhren laßen; ſo ruͤhrete er ſie itzund ſelbſten an. Er legte ſeine hand auf ihr heupt / und ſeegnete ſie. Und Aſſenat erfreuete ſich uͤber ſeinem ſeegen in ihrem hertzen dermaßen / daß ſie vor großen freuden krank ward. Sie ging hin / und neugte ſich auf ihr bette. Da uͤberdachte ſie alle worte des Joſefs. Da beherzigte ſie alle ſeine reden. Dieſe wuͤrkten in ihr ein hertzliches leidweſen / eine recht buß - faͤrtige reue. Hertzlich bereuete ſie ihr abgoͤttiſches we - ſen. Von hertzen war es ihr leid / daß ſie bisher den lebloſen Abgoͤttern gedienet. Sie verleugnete ſie alle: und erkante den wahren lebendigen Gott.
Unterdeſſen machte ſich Joſef froͤhlich. Er aß und trank. Und nach gehaltener tafel / taͤht er / mit dem Ertzbiſchoffe / einen luſtwandel: da er zugleich die gele - genheit und fuͤrnehmſten gebeue der Stadt beſichtigte. [Unter] andern beſahe er die fuͤrtrefliche Sonnenſpitze / welche die allererſte war / die man in der gantzen welt ge - ſehen. Mizraim der erſte Egiptiſche Koͤnig nach der ſuͤndfluht / hatte dieſelbe / auf Hermes Trismegiſts angeben / zu bauen beſchloſſen; aber ſein Sohn und Nachſas Mesramutiſis volzogen. Dieſes geſchahe uͤm das 2213 jahr nach erſchaffung der welt / und vor der heilgebuhrt im 1840. Vom erfinder derſelben / dem itztgenenten Hermes / haben die noch heutiges tages in Deutſchland und anderwaͤrts befindliche Irmenſeu - len oder Hermesſeulen ihren nahmen.
Weil nun Joſef ſahe / daß dieſe Sonnenſeule aus einem ſonderlichenund gantz ungemeinem Marmelſtei - ne beſt und; ſo fragte er den Ertzbiſchof: woher dieſer Marmel kaͤhme? Er antwortete: der Erfinder der Sonnenſpitzen / mein vorfahr Hermes Trismegiſt / oder Tot / wie wir ihn eigendlich nennen / hat ihn aus dem gebuͤrge gegen der ſtadt Tebe uͤber brechen laßen:und209fuͤnftes Buch.und von dannen wird er noch itzund zu allen Egipti - ſchen Sonnenſpitzen gehohlet. Kein ander wird zu den - ſelben iemahls gebrauchet / als dieſer. Daß aber der Er - finder darzu eben dieſen Marmel erleſen / hat er nicht ohne ſonderliche uhrſachen getahn. Er hatte beſchloſſen die Feuerſpitzen / welche man bisher allein den Men - ſchen zum gedaͤchtnuͤſſe gebauet / in eine andere geſtalt zu veraͤndern / die zu ſeinem vorſatze geſchikter were. Dieſer vorſatz war / daß die Strahlen der Sonne / wie des Feuers durch jene / hierdurch ſolten abgebildet; und ihr / der Sonne ſelbſten / ſolche Spitzen geheiliget; auch ſein ſin an denſelben / durch eine verborgene Bilder - ſchrift / entworfen werden. Daher hat er dieſe neuer - fundene Spitzen auch Sonnenſpitzen / oder viel mehr Sonnenfinger genennet: und ſie ſchlånker und gera - der in die hoͤhe fuͤhren laßen; damit ſolche heilige Schrift daran uͤm ſo viel beſſer koͤnte geleſen werden. Weil er nun ſahe / daß die Sonne / der dieſe Spitzen / wie jene den Menſchen / zu ehren ſolten geſtiftet ſein / ihre herſchaft uͤber die vier Uhrweſen am allermeiſten ausuͤbete; ſo hat er auch / zum baue derſelben / einen vierfaͤrbigen Stein / der das geheimnuͤs ſolcher vier - fachen Herſchaft der Sonne abbildete / erkohren. Dan dieſer Tebiſche Marmel / desgleichen ſonſt nirgend ge - funden wird / hat gleichſam zur grundfarbe eine gold - glaͤntzende roͤhte: welche bald mit Kriſtal - oder ametiſt - hellen / bald mit aſchgrauen oder waſſerfårbigen / bald mit ſchwartzen flekkern durchſchaͤkkert und eingeſpraͤn - kelt iſt. Die gold - oder feuer-rohte farbe ſol das Feuer; die durchſcheinenden Kriſtalflekker die Luft; die grau - blauen oder waſſergrauen das Waſſer; und die ſchwar - tzen oder grauſchwartzen die Erde bedeuten.
Wie groß aber / fragte Joſef weiter / und wie hoch werden dieſe Sonnenſpitzen gemeiniglich aufgefuͤhret; und was wird eigendlich vor ein maß im aufbaue der -Oſel -210Der Aſſenatſelben beobachtet? Die kleineſten Sonnenſpitzen / ant - wortete der Ertzbiſchof / ſeind zehen oder zwoͤlf fuͤße / die groͤſten hundert / ja wohl hundert und vierzig hoch. Auch ſeind ſie nicht alle gleich vierekkicht / das iſt an ih - ren ſeiten nicht alle von einerlei breite. Wan eine ihrer vier ſeiten unten am grundſatze drei ellen breit iſt; ſo iſt die gantze Seule / vom unterſten grundſatze an / bis an den oberſten grundſatz der aufgeſetzten oder abgeſtumpf - ten ſpitze / dreiſſig ellen hoch. Und alſo befindet ſie ſich allezeit zehn mahl ſo hoch / als eine ſeite des unterſten grundſatzes breit iſt. Die ſeite aber des oberſten grund - ſatzes der abgeſtumpften ſpitze iſt allemahl uͤm das drit - te teil ſchmaͤhler / als die breite an des unterſten grund - ſatzes ſeite. Daruͤm / wan die ſeite unten am grundſatze drei ellen breit iſt / mus dieſelbe unter dem uͤberſatze der abgeſtumpften ſpitze nur eine elle breit; und die hoͤhe der aufgeſetzten oder abgeſtumpften ſpitze eben ſo hoch ſein / als die ſeite des unterſten grundſatzes breit iſt. Wie nun dieſe Sonnenſeulen oder Sonnenſpitzen von un - ten auf bis an den oberſten guͤpfel zwar algemach ſchlaͤn - ker und ſchlaͤnker werden / aber nicht gantz gerade ſpitz zu lauffen / ſondern oben eine abgeſtumpfte ſpitze bekommen; ſo lauffen hingegen die Feuerſpitzen / oder / wie man ſie von ihrem nachmahligen gebrauche eigendlich nen - nen kan / die Grabſpitzen von ihrem viel breiterem grundſatze nach oben zu / mit allen ihren ekken und ſei - ten / in einem gantz geraden lauffe hin / bis in das euſer - ſte der ſpitze. Und was vor ein unterſcheid iſt zwiſchen den Sonnenſtrahlen / und Feuerſtrahlen; ein ſolcher iſt auch zwiſchen den Sonnen - und Feuer - oder Grab - ſpitzen: indem dieſe viel plumper und dikker / ja viel ſchieffer; jene aber viel ſchmaͤhler / ſchlaͤnker / und duͤn - ner / ja mehr aufgerichteter zu ſtehen pflegen.
Nachdem ſich Joſef im beſichtigen dieſer uhralten Stadt / daher alle Egiptiſche weisheit entſprungen /und211fuͤnftes Buch.und faſt alle andere voͤlker ſie gehohlet / bei zwo ſtunden beluſtiget; da begab er ſich wieder auf das Ertzbiſchof - liche ſchlos. Alhier verzog er noch ein halbes ſtuͤndlein: welches mit allerhand gelehrten reden zugebracht ward. Darnach nahm er ſeinen abſchied. Der Ertzbiſchof noͤh - tigte ihn zwar bei ihm zu uͤbernachten. Aber ſo bitſeelig konte er nicht ſein. Joſef reiſete weg. Gleichwohl verhies er uͤber acht tage wiederzukommen. Seine rei - ſe ging auf die ſtadt Tanis zu: welche die Ebreer Zoan nennen. Dieſe hatte Mizraim ebenmaͤßig er - bauet. Auch ward ſie nach der zeit der Egiptiſchen Koͤ - nige Sitz: da Moſes ſo viel wunderwerke verrichtete.
Unterdeſſen legte Aſſenat ein ſchwartzes trauerkleid an: und warf alle Goͤtzenbilder zum fenſter hinaus / welches nach dem mittage zuging. Auch beſtreuete ſie ihr heupt mit aſche / lag auf den kniehen / faſtete / und wei - nete ſieben tage nacheinander. In aller dieſer zeit hoͤre - te ſie nicht auf zu baͤhten. Sie baͤhtete den lebendigen Gott an / den Gott Joſefs. Sie floͤhete / ſie ſeufzete tag und nacht; und lies nicht nach / als bis ſie der Hoͤch - ſte erhoͤret. Sie ward auch in warheit erhoͤret: und die herligkeit Gottes erſchien ihr.
Auf den achten tag ſahe Aſſenat / in der morgen - doͤmmerung / zum fenſter hinaus / nach dem aufgange zu. Da erblikte ſie den morgenſtern: und neben ihm taͤht ſich der himmel auf. Ploͤtzlich erſchien ein großes maͤchtiges Licht. Das ſahe ſie; und fiel in die aſche nie - der / auf ihr angeſicht. Mitlerweile lies ſich ein Man vom himmel hernieder. Der ſtund bei ihrem heupte. Er rief ſie bei ihrem nahmen. Aber aus furcht konte ſie nicht antworten. Er rief zum andern mahle: Aſſe - nat / Aſſenat. Da ermunterte ſie ſich / und antwor - tete: Herꝛ hier bin ich: ſage mir / wer du biſt? Ich bin ein Fuͤrſt / gab er zur antwort / des Hauſes Gottes / und ein Herzog der Heerſchaaren des HERꝛn. Stehe auf /O ijund212Der Aſſenatund trit auf deine fuͤße; damit ich mit dir rede. Aſſe - nat richtete ſich auf. Sie ſahe den Man an: und er war Joſef gantz gleich. Er war eben gekleidet / wie Jo - ſef. Eben einen ſolchen Reichsſtab hatte er in der hand. Eben eine ſolche Krohne trug er auf dem heupte. Aber ſein angeſicht war / als der blitz. Seine augen ſtrahle - ten / wie die Sonne. Und ſeine haare glaͤntzeten und ſchimmerten / als feuerflammen. Aſſenat erſchrak uͤber dieſen anblik. Sie fuͤrchtete ſich / und fiel wieder auf ihr angeſicht. Der Engel aber troͤſtete ſie / und rich - tete ſie auf. Lege dein trauerkleid ab / ſagte er. Tuhe das guͤrtel deiner buße weg: und den ſak deiner reue von deinen lenden. Waſche den ſtaub ab von deinem heupte. Reinige dein angeſicht / und deine haͤnde mit dem lebendigen waſſer / und lege deinen ſchmuk und zier - raht an; damit ich mit dir rede.
Hierauf ging Aſſenat eilend hin / in ihre kammer. Eilend legte ſie ihren beſten ſchmuk an; und kahm wie - der zum Engel. Da befahl ihr der Engel / daß ſie ihr heupt entbloͤßen / und den ſchleier ablegen ſolte. Dan du biſt / ſagte er / ein Freulein. Eine Jungfrau biſtu. Daruͤm ſei ſtark / und freue dich / o Jungfrau Aſſe - nat. Dein gebaͤht iſt erhoͤret. Deine ſeufzer ſeind durch die wolken gedrungen. Dein Nahme ſtehet ſchon in das Buch des lebens geſchrieben. Daraus ſol er nimmer - mehr vertilget werden. Von dieſem tage an ſolſtu / als eine gantz erneuerte und lebendig gemachte / das geſeeg - nete Broht des lebens eſſen / und den Trank der unver - gaͤngligkeit trinken: ja mit dem heiligen oͤhle ſolſtu ge - ſalbet werden. Heute iſt dir Joſef zum Breutigam gegeben. Und hinfort ſolſtu Vielzuflucht heiſſen. Dan deine Bußfaͤrtigkeit hat dich bei dem Allerhoͤch - ſten verſuͤhnet. Nun hat Er dir ſeine gnade geſchenket. Du biſt eine Tochter des Allerhoͤchſten / eine froͤhliche / eine fort und fort lachende / und eine zuͤchtige Jungfrau.
Alſo213fuͤnftes Buch.Alſo war Aſſenat nunmehr bekleidet mit weiſſem ſammet der Heiligkeit. Sie war angetahn mit reiner ſeide der Gottſeeligkeit. Im ungefaͤrbtem atlaſſe der Keuſchheit ſchimmerte ſie / als eine liebliche Lilje. Im purper der Schaamhaftigkeit bluͤhete ſie / als eine an - muhtige Roſe. In allen Jungfreulichen Tugenden gruͤhnete ſie / als ein luſtiger Lorbeerbaum; und wuchs auf / als eine herliche Zeder. Ja ſie war volkommen ſchoͤn / als Sara; gantz holdſeelig / als Rebekka; uͤberaus lieblich / als Rahel. Und in ſolchem herlichen ſchmukke gefiel ſie Gott / und ihrem Breutigam.
Die freude / welche dieſe junge Fuͤrſtin uͤber ſolcher froͤhlichen bohtſchaft empfand / war unausſprechlich. Auch freuete ſie ſich in wahrheit nicht uͤmſonſt. Die hoͤchſte gnade des Allerhoͤchſten war ihr verkuͤndiget. Der Himmel ſtund ihr offen: im Buche des lebens ihr nahme: die lebensſpeiſe vor ſie bereitet. Die ſalbung mit dem Oehle der heiligkeit war ihr verſprochen: Jo - ſef zum Breutigam geſchenket. Nichts konte ſie mehr wuͤndſchen. Sie war in die volle gluͤkſeeligkeit verſetzet. Die zeitliche und ewige hatte ſie beiſammen. Und dar - uͤm trug ſie verlangen deſſen nahmen zu wiſſen / der ihr alle dieſe gluͤkſeeligkeit verkuͤndigte. Sie fragte den En - gel / wie er hieſſe? Er aber gab zur antwort: mein Nah - me ſtehet mit dem finger Gottes in das Buch des Aller - hoͤchſten geſchrieben; und alle dinge / die in demſelben buche ſtehen / ſeind nicht auszuſprechen. Auch iſt es kei - nem ſterblichen Menſchen nuͤtz ſolches zu hoͤren / oder zu ſehen.
Hierauf hielt Aſſenat den Engel bei dem ſaume ſeines Rokkes. Ach! ſprach ſie / habe ich gnade fuͤr dei - nen augen gefunden / ſo ſetze dich ein wenig auf mein bette / darauf noch kein Mansbild geſeſſen. Ich wil un - terdeſſen hingehen / und dir die tafel bereiten. Und der Engel ſagte / daß ſie es mit der haſt tuhn ſolte. HieraufO iijſetzte214Der Aſſenatſetzte ſie ihm alſobald eine neue tafel vor: und etwas brohtes / und weines / mit koͤſtlichen gewuͤrtzen / darauf. Der Engel begehrte auch einen Honigfladen. Und als ſie betruͤbet ſtund / weil ſie keinen hatte: da ſagte er / daß ſie in ihrer ſpeiſekammer / auf dem anrichttiſche / zuſehen ſolte. Als ſie nun hinging zu ſehen / da fand ſie einen ſchoͤnen Fladen / vom allerreineſten honige; der ſo weis war / als der ſchnee / und gantz lieblich ſchmaͤkte. Dieſen trug ſie dem Engel vor / und ſagte: Ach! Herꝛ / ich habe gantz keinen Fladen gehabt: aber mit deinem heiligen munde haſtu es geſprochen; und es iſt alſo ge - ſchehen. Daruͤm iſt auch ſein geſchmak eben ſo ſuͤße / als der ahtem deines mundes.
Der Engel erfreuete ſich inzwiſchen uͤber der Aſſe - nat hohem verſtande. Auch hub er ſeine hand auf / und legte ſie auf ihr heupt. Seelig biſtu / ſagte er / O Aſſe - nat / die du die Abgoͤtter verlaßen / und an den lebendi - gen Gott gegleubet haſt. Daruͤm ſolſtu / und alle die - ſelben / die / mit hertzlicher reue / ſich zu dem HERRn be - kehren / von dieſem Fladen eſſen; den die Bienen des Paradieſes Gottes von ſeinen edlen Roſen gemacht ha - ben. Darvon eſſen alle Engel Gottes: und alle / die darvon eſſen / werden in ewigkeit nicht ſterben. Und er brach ein ſtuͤkke vom Fladen / und aß darvon. Das uͤbrige ſtekte er in der Aſſenat mund / und ſagte zu ihr: nun haſtu das Broht des lebens gegeſſen / und biſt mit dem Oehle der heiligkeit geſalbet. Von dieſem ta - ge an ſolſtu gantz erneuert und geſund werden. Du ſolſt eine Hofſtat ſein aller derſelben / welche zum Nahmen des almaͤchtigen Gottes / des Koͤniges der ewigkeit / ih - re zuflucht nehmen. Hierauf ruͤhrete er den Fladen an / da das ſtuͤkke war abgebrochen: und er ward wieder gantz. Straks ruͤhrete er ihn / mit dem euſerſten des fingers / noch einmahl an: und der ſtrichſeines fingers ward zu bluhte. Aſſenat war verwundert / als ſie ſol -ches215fuͤnftes Buch.ches ſahe. Ja ſie verwunderte ſich noch vielmehr / als ſie gewahr ward / daß ſich ein gantzer ſchwarm Bienen darinnen bewegte: welche ſo weis waren / als der ſchnee / und fluͤgel hatten / als ſammet / mit vielerlei farben. Dieſe Bienen flogen alle zuſammen uͤm die junge Fuͤr - ſtin her / und machten einen Honigfladen in ihrer hand. Endlich geboht ihnen der Engel / daß ſie wieder in ihr vaterland kehren ſolten; und ſie flogen / nach dem mor - gen zu / ins Paradies. Darnach ruͤhrete der Engel den Fladen zum driten mahl an: und ein feuer ging von der tafel auf / welches den Fladen verzehrete; die tafel aber blieb unbeſchaͤdiget: und der rauch dieſes feuers roch uͤber alle maße lieblich.
Bisher war Aſſenat gantz allein bei dem Engel ge - weſen. Aber itzund wuͤndſchte ſie / daß ihre Stahtsjung - frauen ſeiner angenehmen geſelſchaft auch genieſſen moͤchten. Ach! ſagte ſie / Herꝛ / ich habe ſieben Jung - frauen / welche mit mir in einer nacht gebohren / und mit mir auch auferzogen ſeind. Koͤnte ich doch ſo bitſeelig ſein / daß ſie moͤchten geſeegnet werden / gleich als ich. Der Engel gewaͤhrete ſie ihrer bitte: und als die Jung - frauen hineingetraͤhten waren / ſeegnete er ſie / und ſprach: Der allerhoͤchſte Gott ſeegne euch / und laße euch werden zu ſieben Seulen der Stat der zuflucht. Hier - auf befahl er / daß die tafel wieder aufgehoben wuͤrde: und ſobald ſolches geſchehen war / verſchwand er vor ih - ren augen.
Nicht wenig verwundert war Aſſenat. Nicht wenig beſtuͤrtzt machte ſie dieſe begaͤbnuͤs. Ihr Frauenzimmer erſchrak. Es geriet in eine ploͤtzliche furcht. Furcht und zittern uͤberfiel ſie. Nicht wuſten ſie / wie ihnen ge - ſchahe. Inmittels erhub ſich unverſehens ein ſchal der trompeten. Aſſenat ſchikte geſchwinde hin zu verneh - men / was es were. Man brachte bericht / der Schalt - koͤnig ſei vor dem tohre. Straks lief ſie hinab. FlugsO iiijei -216Der Aſſenateilete ſie dem Joſef entgegen. Er zog eben in den vor - hof ein / als ſie ihn erblikte. Sie nahete ſich haſtig. Sie traht vor den wagen / und gruͤßete ihn mit tiefſter ehrerbietigkeit. Sie erzehlete ihm alles / was ſich bege - ben. Sie ſagte ihm alle worte des Engels. Nicht eines ward verſchwiegen. Und Joſef erwog ſie in ſeinem her - tzen. Aber er lies ſich nicht maͤrken / was er bei ihm be - ſchloſſen. Er ſchwieg ſtil. Doch ermahnte er ſie in ih - rer Gottesfurcht zu verharren.
Nach gehaltenem mittagsmahle brach Joſef eilend auf / und zog wieder nach Memfis. Unterwegens begegnete ihm die Koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris. Die - ſe reiſete nach Heliopel / die Aſſenat zu beſuchen. Bei - de Stahtswagen hielten ſtil. Joſef ſtieg ab / und ging nach der Fuͤrſtin zu / ſeine ſchuldigkeit abzulegen. Nach geſchehenen gruͤſſen / fragte ſie zur ſtunde: ob er die Fuͤr - ſtin Aſſenat geſehen? und wie es ihr ginge? Eben dieſen morgen / gab er zur antwort / habe ich die ehre gehabt ſie zu ſprechen: und ich weis nicht anders / als daß es ihr wohl gehet. Das hat er vor ein großes gluͤk zu ſchaͤtzen / fing die Fuͤrſtin hierauf an: dan ſie zu ſprechen iſt kei - nem Herꝛn iemahls widerfahren. Es iſt ein ſehr guhtes zeichen / und ein vorſpiel / daß er derſelbe Fremdling ſein wird / der in ihren armen ſchlafen ſol. Ja er iſt es ſelbſten / auf den der Goͤttliche Ausſpruch ſchon vor zwanzig jahren gezielet. Nun ſehe ich deſſelben erfuͤl - lung vor der tuͤhre. Ja nun ſtehet es allein bei ihm / daß er ihr bald die tuͤhre eroͤfne. Bei ihm allein ſtehet es / uns einen froͤhlichen tag zu machen. Daruͤm was er tuhn wil / daß tuhe er bald. Mich ſelbſten verlanget darnach.
Ich maͤrke wohl / antwortete Joſef / daß die Koͤ - nigliche Fuͤrſtin mit ihrem diener zu ſchertzen geſonnen. Ich ſchertze keinesweges / fiel ihm Nitokris in die re - de. Es iſt mein lauter ernſt. Und ſchon vor zehen oderzwoͤlf217fuͤnftes Buch.zwoͤlf jahren habe ich die gedanken gehabt / daß er derſel - be ſei / der kuͤnftig der Fuͤrſt in Aſſenat ſolte vermaͤhlet werden. Und hierzu hat mich veruhrſachet die Aus - ſprache der Goͤtter / die er dazumahl ſelbſten erklaͤhrete. Ja die drei Treume / die er / auf mein anſuchen / gedeu - tet / haben mich darinnen bekraͤftiget. Alles iſt nun - mehr erfuͤllet / bis auf dis einige / daß er in der ſchoͤnen Aſſenat armen ruhen ſol. Er unterſuche die ſache ſelbſten. Er denke ihr ſelbſten nach. Ich weis / er wird es anders nicht befinden. Und keine andere / als die liebſeelige Aſſenat / iſt dieſelbe Fuͤrſtin / der zu liebe ich ihm alle die gunſt erwieſen / die er iemahls von mir ge - noſſen. Sie iſt dieſelbe / die ich meinete / als ich neulich im Burggarten mit ihm redete. Mehr weis ich nun nichts zu ſagen / als ihm und ihr gluͤk zu wuͤndſchen. Und hiermit nahm ſie ploͤtzlich ihren abſcheid / damit ſie vor abende nach Heliopel gelangen moͤchte.
Als nun Joſef zu Memfis angelanget / da begab er ſich ſtraks zum Koͤnige. Erſtlich erzehlte er ihm / was er verrichtet. Darnach taͤht er etliche vorſchlaͤge / wie man das Getreidich / in den ſchon angefangenen reichen jahren / ſolte zum vorraht einſamlen. Delta oder Un - ter-Egipten hatte er nunmehr meiſt beſichtiget. Die - ſer ſudwinkel beſtund fuͤrnehmlich in drei teilen. Dar - uͤm war er geſonnen auch drei Kornverwalter alda zu verordnen. Hierzu ſchlug er den Sohn des Kaufman - nes / bei dem er gewohnet / eh er zu Fuͤrſt Potifarn kahm / und dan zween ſeiner geweſenen Mitgefangenen vor. Auch ſolten ihnen noch fuͤnf andere Unterver - walter zugefuͤget werden. Dieſe alle waͤhlete er aus den beſten und treueſten / die ihm bekant waren. Sonder - lich ſahe er auf dieſelben / von denen er ehmahls guhtes genoſſen. Und ſolche befoͤrderte er vor allen andern / wo - zu ſie geſchikt waren. So dankbar war ſein hertz / daß er nicht eines vergaß. Der Koͤnig lies ihm alles gefallen. O vWas218Der AſſenatWas er taͤht / war wohl getahn. Was er ſagte / das galt. Er ſetzte ein / er ſetzte ab / nach eigener wilkuͤhr. Alles ſtund in ſeiner macht.
Nach abgehandelten Reichsgeſchaͤften / kahm Jo - ſef endlich auf ſeine eigene. Er hatte nunmehr beinahe das dreiſſigſte jahr uͤberſchritten. Auch ſolte er nun ſei - ne eigene haus - oder hof-haltung fuͤhren. Darzu war ihm eine Gehuͤlfin noͤhtig. Es war zeit zur heurraht zu ſchreiten. Die gelegenheit boht ſich ſelbſten an. Die Fuͤrſtin Aſſenat ſchien darzu von Gott verſehen. Ihr einundzwanzigſtes jahr hatte ſie erreichet. Ob ſie ſchon keine Ebreerin war / ſo war ſie doch den Ebreiſchen Toͤch - tern gleich. Zudem hatte ſie / aus Goͤttlichem antriebe / den Ebreiſchen Gottesdienſt uͤmhaͤlſet. Ja es ſchien / als wan ſie zu Joſefs Gemahlin gebohren. Es ſchien / als wan ſie darzu albereit in ihrer gebuhrt erkohren. Es ſchien / daß ſie darzu ſo ſonderlich erzogen. Kein Frauen - zimmer fand ſich im gantzen Egipten / das ſich zum Jo - ſef ſo wohl ſchikte / als Aſſenat. Keine ſtund ihm ſo wohl an / als ſie. Und alſo entſchlos er ſich den Koͤnig ſelbſten daruͤm anzuſprechen. Er wartete nicht lange. Straks taͤht er ihm ſeinen ſchlus kund. Straks brach - te er ſein begehren an. Zur ſtunde ward es gebilliget: ohne verzug bewilliget. Der Koͤnig ſchikte flugs hin / die Fuͤrſt in Aſſenat ſelbſten zu hohlen. Er befahl den Ertzbiſchof / ſamt ſeiner Gemahlin / mitzubringen. Ei - lend ſolten ſie kommen. Der wille des Koͤniges litte kei - nen verzug. Er verlangte faſt mehr dieſe neue Braut zu ſehen / als Joſef ſelbſten.
Mitlerweile hatte die Koͤnigliche Fuͤrſtin den weg glat gebahnet. Sie hatte der ſchoͤnen Aſſenat des Jo - ſefs herkommen entdekt. Sie hatte ihr alle ſeine gluͤks - faͤlle geoffenbahret. Sie hatte ihr der Semeſſe Traum / ſamt dem ihrigen / erzehlet. Alle erklaͤhrungen / alle gedanken / die ſie daruͤber gehabt / hatte ſie ihr eroͤf -net.219fuͤnftes Buch.net. Nichts / ja gar nichts hatte ſie ihr verſchwiegen. Und alſo ſahe Aſſenat augenſcheinlich / daß der Him - mel ſie ſchon vorlaͤngſt zur Gemahlin des Joſefs be - ſtimmet. Ja auſſer dem / was ihr der Engel geoffen - bahret / ſahe ſie aus dieſen erzehlungen / daß die zeit ih - rer vermaͤhlung vor handen. Daruͤm dankte ſie dem Himmel fuͤr ſeine ſo treue vorſorge. Daruͤm machte ſie ſich ie mehr und mehr bereit / ihr verhingenes gluͤk dank - barlich anzunehmen.
Als nun die Koͤniglichen Abgefaͤrtigten ankahmen / die Aſſenat / ſamt ihrem Herꝛn Vater und ihrer Frau Mutter / zu hohlen; da muhtmaßete ſie zur ſtunde / daß der Allerhoͤchſte ſeinen ſchlus uͤber ſie zu volziehen vor - hette. Sie konte anders nicht tuhn / als die Goͤttliche ſchikkung annehmen / und dem Koͤniglichen befehle ge - horchen. Sie zog alſo bald mit. Des morgens ſehr fruͤh brach man auf. Die Koͤniglichen Abgeordneten / als auch der Ertzbiſchof / ſamt ſeiner Gemahlin / fuhren voraus. Die Fuͤrſtin Aſſenat folgete. Bei ihr ſaß die Koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris. Straks hinter die - ſen zwo Fuͤrſtinnen kahm Semeſſe / mit den ſieben Stahtsjungfrauen der Aſſenat / auf vier ſonderlichen kutſchen. Eben ſo viel kutſchen hatten auch die Kam - mermaͤgdlein. Eine ſchoͤne reiterei von drei hundert koͤpfen machte den nachſchwalk.
Sobald ſie bei Hofe angelangten / ward der Ertzbi - ſchof / ſamt ſeiner Gemahlin und Freulein Tochter / vor den Koͤnig gefuͤhret. Dieſer empfing ſie uͤberaus freundlich / ſonderlich die Fuͤrſtin Aſſenat: die er an - ders nicht / als ſeine Tochter / nennete. Nach abgeleg - ten wenigen hoͤfligkeiten / redete er den Ertzbiſchof alſo an: Ich habe gegenwaͤrtige ſeine Tochter / ſo - bald ſie gebohren war / vor meine und des Reichs Tochter angenommen. Und daruͤm bin ich ver - pflichtet / ſie zu verſorgen. Ich bin verbunden /auf220Der Aſſenatauf ihre wohlfahrt bedacht zu ſein. Beſſer aber kan und weis ich ſolches nicht zu tuhn / als durch eine guhte vermaͤhlung. Des Egiptiſchen Reichs Schaltkoͤnig Joſef / den ich gleichmaͤßig vor meinen Sohn erkenne / traͤget belieben zu ihr. Und daher bin ich hertzlich erfreuet. Auch wuͤndſchet nun mein hertz nichts mehr / als daß ihr belieben mit dem ſeinigen uͤbereinſtimme. Ja ich hofe gewis / ihr Ja werde dem ſeinigen be - gegnen. Und in ſolcher hofnung / bin ich bereit / Sie mit Ihm zu vermaͤhlen. Aus meiner hand ſol Er Sie / als meine eigene Tochter / empfan - gen. Ich wil / daß ſie meine untertahnen vor ihre Schaltkoͤnigin erkennen. Und mit dieſem meinem willen / zweifle ich nicht / werde ſich der wille ihrer leiblichen Eltern vereinbahren.
Der Ertzbiſchof bedankte ſich gegen den Koͤnig zum alleruntertaͤhnigſten. Er bedankte ſich vor die hohe Koͤ - nigliche gnade; vor die treue Vaͤterliche vorſorge; ja vor das allerguͤhtigſte hertz / das er ſeinem gantzen Hauſe zuzutragen ſo gar gnaͤdig geruhete. Auch uͤbergab er ihm ſeine Tochter gantz und gar / mit ihr / nach ſeinem aller - gnaͤdigſten willen / zu walten und zu ſchalten. Hierauf wendete ſich der Koͤnig nach der Fuͤrſtin Aſſenat zu. Meine Tochter / ſagte er / ich habe das guhte ver - trauen zu ihr / es werde meine gefaſte hofnung auf ihrer ſeite nicht vergebens ſein. Weil nun das Freulein / mit ſchaamhaftigen blikken / die augen nieder - ſchlug / und keine antwort gab; ſo fragte der Koͤnig: weſſen habe ich mich dan nun zu meiner Tochter zu verſehen? Mein dankbahres hertz / antwortete ſie / habe ich Seiner Majeſtaͤht ſchon vorlaͤngſt / in allerun - tertaͤhnigſter gehorſamkeit / zu eigen gegeben; und eben alſo uͤbergebe ichs itzund aufs neue. So wil dan mei - ne Tochter / fuhr der Koͤnig fort / daß ich Sie mitdem221fuͤnftes Buch.dem Schaltkoͤnige vermaͤhle? Mein wille hat hier keine wahl / gab Aſſenat zur antwort; weil er dem willen Seiner Majeſtaͤht gantz untergeben iſt / ſo daß er auch Seinem winke gehorchen mus. Gehorchen mus / fing der Koͤnig das wort auf: das iſt mein wille nicht. Sondern ich wil / daß ſie willig / und nicht gezwungen ihr Jawort von ſich gebe. Wie es der allerhoͤchſte Gott ſchikket / fuhr das Freulein weiter fort / und es der Koͤnig mittelt / damit bin ich zu frieden. Beides nehme ich willig an; weil ich wohl weis / daß es zu meinem aufnehmen gereichet. Wie ſolte ich der Goͤttlichen ſchikkung / und dem Koͤniglichen wil - len / die beide ſo guht ſeind / widerſtreben? Es ſei ferne von mir auch nur die gedanken zu haben.
Weil nun der Koͤnig ſahe / daß Aſſenat von ſeinem vorſchlage nicht abgeneugt were; ſo lies er den Schalt - koͤnig hohlen. Dieſer erſchien alſobald. Sehr freundlich empfing er ſeinen kuͤnftigen Vater / ſeine kuͤnftige Mut - ter / ſeine kuͤnftige Gemahlin. Auf allen ſeiten offen - bahrte ſich die freude. Die liebe / die ſich bisher verbor - gen gehalten / euſerte ſich itzund mit voller kraft. Jo - ſef ſelbſten konte ſie nicht laͤnger verhehlen. Man er - blikte ſie aus allen ſeinen gebaͤhrden. Alle ſeine worte gaben ſie genug zu verſtehen. Es war mit luſt anzu - ſehen / wie er der Aſſenat ſo liebſeelig begegnete: und ſie wieder ihn ſo holdſeelig anblikte. Der Koͤnig maͤrk - te / daß ſeine gegenwart die liebe / ſich recht zu euſern / verhinderte. Daruͤm ſagte er zum Ertzbiſchoffe: daß er geſonnen ſei ein luſtgaͤnglein im Burggarten zu tuhn; und wan es ihm beliebte / ſo koͤnte er ihm / mit ſeiner Gemahlin / geſelſchaft leiſten. Hierauf ging er ſtraks nach der tuͤhre zu / und der Ertzbiſchof / ſamt ſeiner Ge - mahlin / folgete. Joſef nahm die Aſſenat bei der hand / in willens die geſelſchaft mit zu halten. Aber der Koͤnig winkte ihm / daß er bleiben ſolte. Wir drei / ſag -te222Der Aſſenatte er / haben etwas heimlichs miteinander zu reden / daß ſie beide nicht wiſſen ſollen. Und vielleicht wollen ſie zwei dergleichen tuhn / da der dritte zu viel iſt. Daruͤm koͤnnen ſie hier allein bleiben: und wir wollen auch al - lein unſern luſtwandel verrichten. Bald wird es zeit ſein das abendmahl zu halten. Dan wollen wir wieder - kommen / und uns miteinander ergetzen.
Alſo blieb Joſef mit der Fuͤrſtin Aſſenat im Koͤ - niglichen zimmer. Die geſpraͤche / die ſie in geheim hielten / wollen wir nicht offenbahren. Was alhier un - ter der Roſe geredet worden / gebuͤhret uns nicht nachzu - ſchwatzen. Doch wollen wir dieſes ſagen / daß der un - terliche liebesvergleich in einem ſtuͤndlein volkoͤmlich ge - troffen worden. Dan ſobald der Koͤnig / mit ſeiner ge - ſelſchaft / wiederkahm / und laͤchlende fragte: ob ſie nun - mehr eins weren? da gab ihm Joſef zur anwort: Eins iſt in alwege beſſer / als zwei. Daruͤm haben wir uns bemuͤhet / dieſes zwei in Eins zu bringen. Und das iſt auch gluͤklich geſchehen. O eine himliſche rechenkunſt / die aus zweien Eins machet! rief der Koͤnig uͤberlaut. Lange muͤſſe dieſes Eins waͤhren! Lange muͤſſe dieſe Vereinigung tauren! Lange muͤſſe dieſes vereinbahrte Paar leben! Der Himmel muͤſſe es ſeegnen! Ihm muͤſſe kein boͤſes begegnen! Alles muͤſſe zum beſten ge - deien.
Wie nun ſolche Vereinigung in geheim geſchloſſen war; ſo ward ſie noch dieſen abend / in gegenwart des Koͤniges / der Koͤnigin / und beider hochfuͤrſtlichen Eltern des Freuleins Aſſenat / ja des gantzen Koͤnig - lichen Frauenzimmers / und aller Hofbedienten / durch ein oͤffentliches Verloͤbnuͤs volzogen. Und alſo bekahm Joſef ſeines geweſenen Herꝛn Tochter zur Gemahlin; und mit ihr / zum Brautſchatze / ſechzig tauſend guͤlde - ne krohnen. So herlich ward ihm ſeine Tugend beloh - net / ſo reichlich ſeine Keuſchheit vergolten. Ja ſo koͤſt -liche /223fuͤnftes Buch.
224Der Aſſenatliche / ſo fuͤrtrefliche / ſo ſchoͤne fruͤchte trug ihm ſeine Gottesfurcht. Aſſenat war die ſchoͤnſte / die Tugend - volkomneſte / und / naͤchſt der Koͤniglichen Fuͤrſtin Nitokris / die allerfuͤrnehmſte junge Fuͤrſtin des gan - tzen Egiptens. Eine ſo fuͤrtrefliche Braut ward dem Joſef zu teile. Ein ſo edeler ſchatz muſte die bitterkeit ſeines gelittenen elendes verſuͤßen. Aus dem Hauſe / da man ihm die meiſte ſchmaach zugefuͤget / ward er mit ehren gekroͤhnet / mit freuden erfuͤllet / mit wohlluſt ge - ſaͤttiget. Jederman war / mit ihm / erfreuet. Jeder - man wuͤndſchte den neuen Breuten gluͤk. Unter dem getoͤhne der klingſpiele / unter dem ſchalle der trompeten / erhub ſich / durch den gantzen ſaal / ein froͤhlicher zuruf. Und dieſer waͤhrete ſo lange / bis die ſpaͤhte nacht ſie zu ſcheiden noͤhtigte.
Auf den morgen ward der tag zum Beilager beſtim - met. Inzwiſchen ſolte alles darzu auf des Koͤniges ko - ſten / faͤrtig gemacht werden. Inzwiſchen wolte Joſef das Ober - und Mittel-Egipten durchreiſen. Alda wolte er gleich alſo / wie er im Unter-Egipten getahn / zur einſamlung des getreidichs anſtalt machen. Nach dieſer entſchlieſſung begab ſich der Ertzbiſchof / ſamt ſei - ner gemahlin und Freulein Tochter / wieder nach He - liopel. Der Schaltkoͤnig begleitete ſie: und als man daſelbſten angelanget / beſahe er zugleich die heilige Sonnenburg / die zwanzigjaͤhrige wohnung der ſchoͤ - nen Aſſenat.
Dieſe Burg lag recht vor dem Ertzbiſchoflichen Schloſſe / rundheruͤm mit Luſt-Baum - und andern gaͤrten / als auch einer ſtarken und hohen mauer uͤmge - ben. Zwei tohre gingen in den hof des gemelten Schlos - ſes / und eben ſo viel nach der ſtadt zu: jene gegen mor - gen und mittag / dieſe gegen abend und mitternacht. Auf der Morgenſeite lag der Luſtgarten: auf der mit - tagsſeite der Baumgarten: auf der abendſeite der Kuͤ -chen -225fuͤnftes Buch.chengarten; und auf der nordſeite der Tiergarten. Der Luſtgarten war mit vielerhand bluhmen und andern fremden gewaͤchſen bepflantzet. Hier ſchimmerten die Roſen. Hier blinkten die Liljen. Hier lachten die Narziſſen und Hiazinten. Hier bluͤheten die Ta - tuhrſtauden / und das wohlriechende Moſchkraut. Hier gruͤhneten die heiligen Kreuter und pflantzen; die Seewermuht / das Efeu: die heiligen ſtauden und beume; der Rundbaum / der Lorbeerbaum / der Magenbaum / und andere dergleichen. Hier wuchs das Knabenkraut / die Hertzwurtz / der Augen - troſt / das Zahnkraut; derer euſerliche geſtalt ihre in - nerliche kraft und wuͤrkung anzeigete. Hier ſtund auch das wunderſeltzame Surnag: deſſen wurtzeln / durch ihre entjungfernde manskraft / das zahrte Frau - enzimmer verſcheuchet. Von den andern beumen / ſtau - den / pflantzen / kreutern und bluhmen / die ſich alhier befanden / wollen wir nichts melden.
Der Baumgarten war mit vielerhand Beumen rei - henweiſe beſetzet. Dieſe alle ſtunden ſchnuhrgerade / in unterſchiedlichen ſchichten: in der erſten / Goldaͤpfel - beume / Zitronenbeume / Granahtaͤpfelbeume / Feigenbeume; in der zweiten / Zipreſſenbeume / Mirtenbeume / Sant - oder Hartzbeume / Kar - neb - oder Horn-beume / daran das Johannes - broht waͤchſet; in der dritten / die Muſenbeume / die Wollenbeume / Atlenbeume / Lablab - oder Bo - nenbeume / Alkannen; in der vierden / Schwartze Zimmet - oder Schoten-beume / Sebeſtenbeume / Oehlbeume / Dattelnbeume / derer maͤnlein man mit den weiblein aneinander geflochten / Tamarin - den - oder Sonnen-beume / Bruſtbeerenbeume / Balſambeume / und ſo fort.
Der Kuͤchengarten war mit allerhand Egiptiſchen Kohl-muß - und andern Kuͤchen-kreutern beflantzet:Pwelche226Der Aſſenatwelche man ſo wohl roh / als gekocht / und eingemacht zur ſpeiſe gebrauchte. Hier wuchſen die beruͤhmten E - giptiſchen Bohnen. Hier ſtund das Egiptiſche Pappelnkraut oder Bammia: deſſen vielekkichte flaſchenfrucht ein angenehmes eſſen verſchafte. Son - derlich befand ſich alhier der Egiptiſche Kohl in großer maͤnge: deſſen verluſt die Kinder Iſraels in der Wuͤſte mit ſchmertzen bejammerten. Darzu kah - men allerhand ahrten der Melonen / und eine große anzahl kreuter / und anderer fruͤchte / die man alle zur ſpeiſe zu nuͤtzen pflegte.
Der Tiergarten war mit allerhand Egiptiſchen ge - heiligten Tieren verſehen; welche ſie als Goͤtter zu eh - ren pflegten: als Krokodillen / Katzen / Hunde / Boͤkke / Widder / Baͤhre / Woͤlfe / Leuen / und dergleichen. Sonderlich aber ward alhier der Goͤtzen / ochſe / der ſchwartz war und weis geflekkert / in einem ſtal - le ſehr heiliggehalten: als auch der Babian / der dem Ab - gotte Serapis geheiliget / und zur erfindung des Waſ - ſeruhrs anlaß gegeben. Gleichesfals ſahe man alda / in einem Vogelhauſe / mancherlei Egiptiſche geheiligte Vogel; als den Habicht / den Eib oder Egiptiſchen Storch / den Adler / den Sonnenvogel / und der - gleichen mehr. Im vorhofe ſtund auf der rechten hand ein Springbrun lebendiges waſſers / welches in einen großen ſteinernen trog geſchoſſen kahm. Hiermit pfleg - te man die gaͤrte zu waͤſſern / auf das ihre gewaͤchſe be - kleiben moͤchten.
Mitten in dieſem weiten uͤmfange lag die Burg ſelb - ſten / mit zehen großen zimmern und ſaͤhlern verſehen. Im erſten hatten die algemeinen Egiptiſchen guͤldenen und ſilbernen Abgoͤtter / denen die Fuͤrſtin Aſſenat taͤglich gedienet / geſtanden. Der bodem war mit glat - ten vierekkichten marmelſtuͤkken belegt; die mauren rund heruͤm mit edlen ſteinen geſchmuͤkt; und die ſeu -len227fuͤnftes Buch.len von lauterem golde. Im andern ward der Fuͤrſt in Kleiderſchmuk / Geſchmeide / Tafelzierraht / Gold - und ſilber-werk / ſamt den Prunktuͤchern / verwahret. Im dritten hatten ſich allerhand Goͤtzen des Landes befun - den; da die Fuͤrſt in ihr gebåht taͤglich verrichtet. Im vierden / welches ſehr groß / und mit drei großen fenſtern nach dem morgen / mittage / und mitternacht zu verſehn war / wohnete die Fuͤrſtin Aſſenat ſelbſten. Hierinnen ſtund ein gantz guͤldenes bette / mit ſammet / und aller - hand ſeidenem zeuge gezieret. In den uͤbrigen gemaͤchern befand ſich der Aſſenat Frauenzimmer. Dieſe alle wa - ren mit koͤſtlichen prunktuͤchern behangen / und mit an - derem ſchmukke uͤberfluͤßig verſehen.
Als nun Joſef alhier alles beſehen / und ſich / mit ſeiner Aſſenat / ein wenig ergetzt hatte; da nahm er ſeinen abſchied / die Laͤnder durchzureiſen. Der Ertzbi - ſchof begleitete ihn bis an den Sonnenbrun / der nicht weit von Heliopel gelegen. Dieſen brunnen halten et - liche vor denſelben / in deſſen waſſer die Jungfraumut - ter Marie des Kindleins Jeſus wuͤndeln gewaſchen / als ſie nach der zeit / mit ihm / vor dem Koͤnige Hero - des in Egipten geflohen / und ſich in dieſer gegend ver - borgen gehalten. Auch zeiget man noch itzund alda / bet dem Flekken Matarea / einen alten Egiptiſchen Feigenbaum / welcher hohl und auf der einen ſeite voneinander geborſten. In dieſem Baume ſol ſich ge - melte Jungfrau Marie / mit dem Heilkinde / vor ih - ren verfolgern einige tage lang verborgen haben. Etliche fuͤgen hinzu / daß gemelter Feigenbaum eben dazumahl voneinander geborſten; und als die Mutter / mit dem Kindlein / ſich darein verſtekt gehabt / wieder zuſammen - geſchloſſen worden / ſo lange bis die verfolger vorbei ge - weſen: da er ſich aufs neue geoͤfnet / und mit ſolcher oͤfnung bis auf den heutigen tag ſtehen geblieben.
Und alſo beſichtigte Joſef zum allererſten dieſe ſchoͤ -P ijne228Der Aſſenatne gegend des landes Geſſen; die er nachmahls vor ſeinen Vater und ſeine Bruͤder / ſie zu bewohnen / er - leſen. Hierauf reiſete er nach Bubaſt: da der goͤtzen - dienſt der Katzen und Hunde fuͤrnehmlich im ſchwange. Bei den Ebreern heiſſet es Pileſet; bei den itzigen Egip - tern Azut oder Aziot. Nach dieſer ſtadt zu warden eh - mahls alle Katzen / die in Egipten ſtarben / eingeſaltzen geſchikt; und alda / gleichwie die Habichte zu Butis / mit heiligen gepraͤngen begraben. Von dannen ging die reiſe ferner fort in die andern ſtaͤdte des Mittel-Egip - tens. Endlich zog er auch in das Ober-Egipten; deſ - ſen hauptſtadt das pråchtige Tebe / der nachmahlige Koͤnigliche ſitz / war. Dieſe Stadt iſt ehmahls ſo ge - waltig groß geweſen / daß ſie mit hundert tohren geprah - let. Als er nun alles beſichtiget / und uͤberal anſt alt ge - macht das getreidich einzuſamlen / auch hierzu koͤnig - liche Kornheuſer zu bauen befohlen; da begab er ſich wieder nach Memfis.
Acht tage vor der beſtimten zeit des Beilagers kahm Joſef in dieſer koͤniglichen ſtadt an. Eben hatte ſich die Fuͤrſtin Aſſenat alda auch eingefunden / die Koͤ - nigliche Fuͤrſtin zu beſuchen. Eben ſtunden dieſe beide Fuͤrſtinnen im fenſter / als der Schaltkoͤnig zum Burg - tohre hineinfuhr. Niemand war froher / als Aſſenat / da ſie ihren Breutigam erblikte. Kaum konte ſie ſich halten / daß ſie ihm nicht ſtraks entgegen lief. Kaum konte ſie ſo lange warten / bis er ſelbſten kahm ſeine ſchuldigkeit bei ſeiner Braut abzulegen. Das gluͤk wolte beiden ſo wohl / daß der Koͤnig eben vor die ſtadt geritten. Und alſo gab deſſen abweſen ihnen gelegen - heit einander uͤm ſo viel eher wilkommen zu heiſſen. Dieſes geſchahe mit den hoͤchſten freudenbezeugungen. Niemahls hat die Morgenſonne den Erdkreus liebli - cher gegruͤßet / als beiderſeits gruͤſſe waren. Die holdſee - ligen reden / die anmuhtigen blikke ſpieleten durchein -an -229fuͤnftes Buch.ander. Dieſe zeigeten an / was jene nicht durften. Die freudigen bewegungen des hertzens euſerten ſich durch die augen / die eignen werkzeuge der Liebe. War die zunge bloͤde / ſo waren dieſe deszukuͤhner.
Mitlerweile kahm der Koͤnig an. Unverſehens uͤber - raſchete er dieſes liebe Paar. Unvermuhtlich traht er zum zimmer hinein. Zur ſtunde ward ein ſtilſchweigen. Joſef eilete ihm ſtraks entgegen / die Koͤnigliche hand zu kuͤſſen. Da veraͤnderte ſich der ſchertz in ernſt; der liebeshandel in ſtahtsgeſchaͤfte. Der Schaltkoͤnig er - zehlte den verlauf ſeiner reiſe. Seine verrichtungen taͤht er kund. Der Koͤnig billigte ſie alle. Alles / was Joſef angeordnet / gefiel ihm uͤber die maße. Die Kornverwalter waren nunmehr durch das gantze Egip - ten beſtellet. Hieruͤber ſolten auch Oberaufſeher verord - net werden. Derer ſieben / vermeinte Joſef / wuͤrden genug ſein. Naͤhmlich drei im Ober-Egipten; und ſo viel im Unter-Egipten; aber im Mittel-Egipten nur einer; weil er alda ſelbſten zugegen / und neben dieſem die aufſicht zu haben vermoͤchte. Die wahl dieſer ſieben hohen Beamten uͤbergab er dem Koͤnige: und der Koͤ - nig ihm wieder. Darbei blieb es. Auf dem Schaltkoͤ - nige ſolte alles beruhen. Alle ſolten ihre aͤmter und be - fehle nur aus Joſefs hand empfangen.
Weil nun des Koͤniges wille war / das Joſef alles allein nach ſeinem eigenen guhtduͤnken / beſtellen ſolte; ſo machte er ſeinen eigenen Hofmeiſter zum Oberaufſe - her im Mittel-Egipten. Die uͤbrigen ſechſe waͤhlete er / auf erleubnuͤs des Koͤniges / aus den Koͤniglichen Hoͤf - lingen. Dieſe alle waren aus dem fuͤrnehmſten Egip - tiſchem Adel entſproſſen / und darbei noch unverehligt. Nach geſchehener wahl / baht Joſef den Koͤnig ihm zu erleuben / daß er auf den abend ſeine Braut / ſamt ih - rem Frauenzimmer / und den erwehlten Oberaufſe - hern / im koͤniglichen Luſtgarten bewuͤrten moͤchte. Al -P iijles230Der Aſſenatles ward ihm zugeſtanden; und darzu dem Kuͤchen - meiſter befohlen / daß er ſolches Mahl auf das herlichſte zurichten lieſſe. Hierauf ging der Koͤnig zu ſeiner Ge - mahlin / den Joſef bei ſeiner Liebſten allein zu laßen. Auch ward gemelten ſechs Hoͤflingen angeſagt; daß ſie dieſen abend des Schaltkoͤniges gaͤſte ſein ſolten; und uͤber eine ſtunde in der Fuͤrſtin Aſſenat zimmer ſich einfinden. Dieſe / welche von ihren neuen Beſtal - lungen noch nichts wuſten / waren uͤberaus verwun - dert. Sie konten ihnen nicht einbilden / woher ihnen ſolche ehre kaͤhme.
Nach verlauf der angeſagten zeit erſchienen die ein - geladenen / auf das praͤchtigſte gekleidet. Der Schalt - koͤnig empfing ſie alle ſehr freundlich. Auch zeigete er ihnen alſobald an / mit was vor Beſtallungen er ſie verſehen. Sie bedankten ſich auf das untertaͤhnigſte vor ſolche ſo hohe gnade. Einieder gelobte mit mund und hertzen an / ſeinem befehle getreulich nachzukom - men. Der Fuͤrſtin Aſſenat ſieben Stahtsjungfrauen kahmen eben zum zimmer hinein getraͤhten / die Fuͤrſtin zur tafel zu begleiten. Und hiermit erhub ſich der Schaltkoͤnig / und nahm ſeine Liebſte bei der hand. Auch befahl er ſeinem Hofmeiſter / und den andern ſechs O - beraufſehern dergleichen zu tuhn. Einieder ſolte vor ſich eine Jungfrau erwehlen; und alſo gepaaret ihm fol - gen. Sobald ſie in den garten gelanget / lies ſich Joſef / mit ſeiner Braut / bei der tafel nieder: und die gaͤſte folgeten ihm / wie ſie gegangen / zu paaren. Jederman war froͤhlich. Joſef ſelbſten hatte ſeine ſonderliche luſt an dieſer bunten reihe. Er fragte das Frauenzimmer: ob ihnen dieſe gepaarte geſelſchaft nicht beſſer anſtuͤnde / als ihr bisher gefuͤhrtes einſames leben? Termuhtis / darzu ſich ſein Hofmeiſter geſellet / gab offenhertzig zur antwort: ſie wuͤndſchte vor ihr teil ſo gepaaret zu blei - ben. Sie ſol es auch bleiben / fing ihr Joſef das wortauf:231fuͤnftes Buch.auf: und ich zweifle nicht / es werde ihrem gatten eben alſo belieben. Es kan mir nichts beſſer belieben / fing der Hofmeiſter hierauf an: und ich bin mit meiner gattin mehr als wohl zu frieden. Hierauf rieffen ſie beiden al - le gluͤkzu: und der Schaltkoͤnig fragte die uͤbrigen / ob ſie auch alſo geſonnen? Weil nun keine von den Jung - frauen einige antwort gab; ſo antworteten endlich die ſechs Hoͤflinge alle zugleich / ſie wuͤndſchten nichts lie - bers / als fort und fort ſo gegattet zu leben: auch fuͤgten ſie hinzu / daß ſie nicht zweifelten / ihre gattinnen wuͤrden dergleichen wuͤndſchen; weil ſie ihr ja mit ſtilſchweigen andeuteten.
Alle dieſe ſieben Jungfrauen waren aus dermaßen ſchoͤn. Sie waren alle aus den fuͤrtreflichſten Adlichen geſchlechtern entſproſſen. Und wie ſie / dem alter und ſtande nach / alle gleich waren / ſo waren ſie es auch in der ſchoͤnheit. Keine hatte ſich weder hier / noch dar ei - nigen vorzug anzumaßen: ſo gleichmåßig ſchoͤn / und edel waren ſie alle. Und eben daruͤm war einieder gatte mit ſeiner gewehlten gattin uͤber die maße vergnuͤget. Keiner misgoͤnnete dem andern ſein teil. Einieder bil - dete ihm ein / er hette die ſchoͤnſte gewehlet. Der Schalt - koͤnig ſprach endlich das letzte wort aus. Weil ich dan ſehe / ſagte er / daß ſie ſaͤmtlich gepaaret ſein / und bleiben wollen; ſo wuͤndſche ich ihnen allen den himliſchen ſeegen. Ja ich wil / daß mein trautag ihr trautag ſei. Ich wil / daß meine freude die ihrige vermehre. Das wil ich; damit meine luſt uͤm ſo viel volkommener ſei / wan ich / mit meiner traue / die ihrige volziehen ſehe.
Mitlerweile war der ruf von dieſem neuen Liebes - handel vor des Koͤniges ohren gelanget. Er ſaß noch / uͤber der tafel. Aber aus neugierigkeit / ſolche gepaarte ſieben in ihrer vollen luſt zu ſehen / ſtund er eher auf / als er gewohnet. Unvermuhtlich traht er in den garten. Die Koͤnigin hatte er an der rechten / und die KoͤniglicheP iiijFuͤr -232Der AſſenatFuͤrſtin an der linken hand. Alſo nahete er der Som - merlaube / darunter alle dieſe Breute ſaßen. Eben wa - ren ſie in ihrer beſten luſt / als er ſie uͤberraſchete. Zur ſtunde bewegte ſich alles. Alleſamt ſtunden ſie auf / des Koͤniges gegenwart zu ehren. Der Schaltkoͤnig Jo - ſef und die Fuͤrſtin Aſſenat trahten von ihrer ſtelle / dem Koͤnige ſie zu uͤbergeben. Aber er winkte ihnen / daß ſie bleiben ſolten. Wir kommen nicht / ſagte er / ſie in ihrer luſt zu ſtoͤhren; ſondern den neuen Breuten gluͤk zu wuͤndſchen. Auf dieſe worte neugten ſie ſich alle mit tiefſter ehrerbietigkeit. Mein Hof / fuhr der Koͤnig fort / hat heute von großem gluͤkke zu ſagen; weil er ſechzehen Breute beieinander ſchauet. Das iſt nie erhoͤhret / ſo lange dieſe Burg geſtanden. Aber woher komt uns ein ſo ploͤtzliches und ſo ſeltenes gluͤk? Ohne zweifel haben wir es der Fuͤrſtin Aſſenat zu danken. Hiermit ging er von ihnen / nach dem hinterſten ende des gartens zu; damit er ſie in ihrer freude nicht ſtoͤhrete.
Unterdeſſen ſetzten ſich alle dieſe Verlobten noch ei - nen augenblik nieder. Nicht mehr als einmahl ward heruͤm getrunken / und dem Frauenzimmer noch etwas vom nachtiſche vorgedienet. Darnach erhub ſich der Schaltkoͤnig / mit der Fuͤrſtin / als auch alle ſeine gaͤſte. Er nahm ſeine Liebſte bei der hand / ſich zum Koͤnige zu begeben: und die neuen Oberaufſeher / ſamt ihren Breuten / folgeten ihm nach. Alſo gingen ſie gepaaret nach hinten zu; da der koͤnig / ſamt ſeiner Gemahlin und Freulein Tochter / unter einem laubergange ſaß. Alda ergetzten ſie ſich mit allerhand kurtzweiligen ge - ſpraͤchen. Allerhand ſchertzreden fielen vor. Allerhand luſtſpiele warden begonnen. Aber Niemand ſchien lu - ſtiger zu ſein / als der Koͤnig. Er ſchertzte fort und fort. Fort und fort erwaͤhnte er des unvermuhteten gluͤkkes / das heute ſeinem Hofe zugeſtoßen. Dieſer abend / ſagte er / ſei wuͤrdig / daß ihn der hoͤchſte der Goͤtter auf ſei -ner233fuͤnftes Buch.ner Amme fel mit guͤldenen buchſtaben anzeichnete; daß deſſen gedaͤchtnuͤs im himliſchen Ertzſchreine verwahret wuͤrde.
Es war nunmehr ſehr ſpaͤte. Es nachtete auf dem gantzen oberſten weltkreuſe. Der fuͤnſtere ſchatten hat - te die helfte der erdkugel uͤmgeben. Doch machten ihn die fuͤnkelnden ſterne liechte. Der aufgehende mohn zer - trieb ihn. Der Kanohpſtern ſchimmerte von ferne. Er winkte durch die ſtille luft den Verliebten ein zeichen zu geben / daß ſie ſcheiden ſolten. Es war hohe zeit die nachtruhe zu nehmen / und die ermuͤdeten glieder / durch den ſchlaf / zu erfriſchen. Der Koͤnig begab ſich endlich aus dem garten. Die gantze geſelſchaft folgete bis vor der Koͤnigin zimmer. Alda geſeegnete ſie der Koͤnig. Bei der Fuͤrſtin Aſſenat ſchieden ſie zuletzt alle vonein - ander. Einieder ging an ſeinen ort / und begab ſich wohlvergnuͤget zur ruhe.
Auf den andern tag bekahm Joſef luſt die naͤchſt - gelegenen Grabſpitzen zu beſichtigen. Der Koͤnig ſelbſt zog mit. Die Koͤnigin / ſamt dem gantzen Koͤnig - lichen Frauenzimmer / folgete. Die Fuͤrſtin Aſſenat hielt ihnen geſelſchaft. Der erſte zug ging auf die zwo aͤlteſten zu: welche Schur / Schahaluaks Sohn / vor der Suͤndfluht / auf der abendſeite des Niels gebauet. Andere melden / daß Enoch die eine geſtiftet: und darein alle ſeine guͤhter / und buͤcher / auch was er ſonſt koͤſtliches gehabt / geſchaffet; weil er gewuſt / daß die Er - de / mit waſſerfluhten / kurtzkuͤnftig uͤberſchwaͤmmet werden ſolte. Eine iede dieſer Grab - oder Feuer-ſpitzen war vierekkicht / gantz glat / und drei hundert und ſie - benzehen ellen hoch / auch vierhundert und ſechzig auf allen vier ſeiten breit. Man hatte ſie ſo ſtark / ſo fuͤr - ſichtig / und ſo auf die waͤhre gebauet / daß ſie weder vom erdboͤben / noch von den heftigſten ſturmwinden den geringſten ſchaden leiden konten. Alle und iede ſtei -P vne /234Der Aſſenatne / damit man ſie in die hoͤhe gefuͤhret / waren zwo el - len hoch / und fuͤnfe lang. Inwaͤndig befanden ſich ſieben gemaͤcher: welche man nach den ſieben Schweif - ſternen genennet. In ieden gemache ſtund ein guͤldener Goͤtze. Der eine wieſe mit der hand nach dem munde / und hielt ein buch vor der ſtirne. Wan iemand nach ihm zutraht / taͤht er den mund auf. In dieſem lag ein ſchluͤſſel an einer kette. Die oſtliche Grabſpitze ſolte Koͤ - nig Schurids / die weſtliche ſeines Bruders Hugits begraͤbnuͤs ſein. Aber die Sabeer melden / daß in der einen Agatemon / das iſt Set / und in der andern Hermes / das iſt Enoch / und Elmalum / mit dem Zab / des Hermes Sohne / begraben ſei.
Hierauf beſahe man auch die Grabſpitzen und Grabhoͤhlen auf der morgenſeite des Niels / vor der ſtadt Memſis. Alda befand ſich der grund weit und breit gantz ſteinicht und felſicht; wiewohl er mit ſande anderthalben fuß hoch bedekt war. In und durch dieſen ſteinichten grund hin waren die Grabhoͤhlen / mit ih - ren untererdiſchen gaͤngen / gehauen: und auf demſel - ben ſtunden die ungeheuer-großen gewaltigen Grab - ſpitzen. Dieſe waren nicht aus ſteinen des grundes / darauf ſie ſtunden / gebauet; ſondern aus andern / die man von anderwaͤrts her / mit großer muͤhe / darzu ge - hohlet. Und daruͤm hat man ſich uͤm ſo viel weniger zu verwundern / wan wir leſen: daß man mit dem baue der groͤſten Grabſpitze wohl zwanzig jahre zugebracht / ja wohl dreihundert tauſend menſchen / in waͤhrender zeit / fort und fort daran arbeiten laßen. In dieſen Grab - ſpitzen ſtunden die Leichen der Egiptiſchen Koͤnige / und anderer fuͤrnehmen Herꝛen: und in den ſteinernen Grabhoͤhlen unter der erde der andern Einwohner. So heilig und ſorgfaͤltig bewahreten die Egipter aller ihrer Abgeſtorbenen leiber; damit ſie vor der gewalttaͤhtig - keit des feuers / des waſſers / und der luft ewig befreihetblie -235fuͤnftes Buch.blieben. Ja ſie ſalbeten ſie auch uͤberdas / wider die verwaͤſung / mit allerhand kraͤftigen artzneien / ehe ſie in gemelte Grabſpitzen oder Grabgewoͤlbe beigeſetzt war - den. Und darzu ſpahreten ſie keine koſten.
Mit verwunderung war es zu ſehen / wie ſolche Grabhoͤhlen ſo weit unter der erde hingingen. Eine war immer groͤſſer und koͤſtlicher / als die andere: und von einer zur andern konte man allezeit durch ſchmahl aus - gehauene gaͤnge gelangen. Dieſer hoͤhlen und gaͤnge ſa - he man ſo viel; auch lieffen ſie ſo krum und ſo wunder - ſeltzam in - und durch-einander heruͤm / daß ſie anders nicht / als ein Irgarten zu ſein ſchienen. Sie erſtrek - ten ſich nicht allein bis unter die Stadt / derer meiſtes teil auf dieſen Grabgewoͤlben ſtund; ſondern auch / un - ter der Sandſee hin / ſelbſt bis an das Ammoniſche und Serapiſche Goͤtzenhaus in der Sarkiſchen wuͤſte. Und dieſes kahm den Prieſtern ſehr wohl zu ſtatten; weil ſie ohne einiges ungemach / vermittelſt dieſer hoͤhlen / von beiderſeits oͤrtern zuſammenkommen konten. Dan ſon - ſten hetten ſie / im reiſen uͤber der Sandſee hin / nicht allein der heftigen Sonnenhitze / ſondern auch dem uͤber - aus verdruͤslichen ſandſtaube unterworfen ſein muͤſſen: darunter die reiſenden vielmahls / wan es ein wenig ſtuͤrmet / erſtuͤkt / und mit ſak - und pakke begraben wer - den. Gemeiniglich waren ſolche Gewoͤlbe funfzehen / oder zwanzig fuͤße lang / und eben ſo breit; dergeſtalt daß ſie recht vierekkicht lagen. Auch ſtunden in den ſel - ben gemeiniglich vier reihen tafeln / aus eben demſelben ſteine gehauen. Jede tafel war ohngefaͤhr fuͤnf fuͤße lang / drittehalben breit / und einen hoch. Hierauf pflegte man die Leichen / in hoͤltzernen / auch wohl ſtei - nernen ſaͤrgen / zu ſetzen. An den ſeitenmauren ſahe man etliche Bilder der Egiptiſchen Beſchirmgoͤtzen in ei - ner laͤnglichrunten tafel / mit vorwaͤrtsgebuͤkten geſich - tern / ihre aufſicht uͤber die leichen anzudeuten / ausge -hauen.236Der Aſſenathauen. Dergleichen Beſchirmgoͤtze ſtund auch oben am hauptende / auf den ſarg geſchnitzt oder gehauen: wie - wohl auf etlichen / an deſſelben ſtat / des Verſtorbenen bildnuͤs geſehen ward. Am fußende ſtund vielmahls ein Habicht / und mitten auf der dekke des ſarges eine verborgene bilderſchrift; welche gemeiniglich auf die be - ſchirmung des Leichnams zielete.
Meiſtenteils war der todtenkaſten / darinnen eine Fraue lag / oben auch als eine Fraue / und darinnen ein Mansbild lag / auch als ein Mansbild geſtaltet. Auf etlichen Frauenſaͤrgen ſahe man der Abgoͤttin Iſis bild / mit den ſinbildern der ſechs Gottheiten / welche das boͤſe vertreiben ſolten: als den Orus / in ge - ſtalt eines knabens; den Anubis / mit einem hundeskop - fe; die Nefte / welche die Egiptiſche Venus ſein ſol - te / als ein kniehendes Frauenbild; den Babian oder Kinozefal / als einen affen; den Oſiris / in geſtalt eines Habichts; und Arueris / mit einem ſtruͤkke / wie auch alle die andern / die gewalt der gegenſtreitenden machten zu binden; damit ſie die Seele des abgeſtorbe - nen uͤm ſo viel ungehinderter nach den ſieben him - melskreuſen zufuͤhren moͤchten. Die Iſis hatte ei - nen zierlich geſtikten ſchleier uͤm den kopf / deſſen enden auf die ſchultern hingen: und vor der bruſt ſieben ahr - tig geſtikte ſchweiffe / welche die ſieben Himmelskreuſe bedeuteten. Zwiſchen iedem der erſten drei ſchweiffe ſtunden zween von den gemelten ſechs Gottheiten: und ein Frauenbild mit ausgeſtrekten armen in der mitte; welche in ieder hand eine ſchlagfeder / mit einem dreifa - chen fluͤgel / hielt / und die Egiptiſche Jinx / das iſt das Goͤttliche ebenbild / darnach alles geſchaffen worden / bedeutete. Sonſten war gemelte Iſis mit einem zahr - ten netze uͤberzogen.
Die Leichen ſelbſt / welche gebalſemet in dieſen ſaͤr - gen lagen / waren mit duͤnnem leinwand oder ſeidenemzeu -237fuͤnftes Buch.
238Der Aſſenatzeuge / das man mit wachſe / peche und einer kreidich - ten pappe ſteif und tauerhaftig gemacht / zierlich und dichte bewunden. Und auf dieſen gepapten wuͤndeln ſtund gemeiniglich des Abgeſtorbenen bild / mit unver - gaͤnglichen farben / gemahlet: welches die kenzeichen ihres Goͤtzendienſtes / mit den fruͤchten / die man den Goͤtzen zu weihen pfleget / in den haͤnden hielt. Auch ſahe man alda unterſchiedliche vielfaͤrbige baͤnder / mit flinkerndem zeuge beſtreuet / ſchweifsweiſe uͤber die wuͤndeln hin gezogen oder zuſammengehaͤftet. Zwiſchen dieſen ſchweiffen oder kreuſen befanden ſich vielerhand heilige bildzeichen; die alle ihre ſonderliche bedeutungen hatten.
Auf eben dieſelbe weiſe waren auch die meiſten Se - rapen oder Beſchirmgoͤtzlein / welche man an die wuͤn - deln der Leichen / ſie vor den boͤſen geiſtern zu beſchir - men / feſt genaͤhet / gewuͤndelt / und mit verborgenen ſinbildern gezieret. Dieſe beſtunden an ſich ſelbſten aus gebakkenem tohne / und hatten die långe eines fingers / auch wohl einer hand. Etliche waren gebildet als eine Frau / andere als ein Man. Gemeiniglich hatten ſie eben dieſelbe bilderſchrift vor der bruſt / als die Leiche ſelbſten: und dieſe kahm meiſtenteils auf folgenden ſin aus: Der Beſchirmgott / durch geheiligte ga - ben / und angenehme dienſte bewogen / goͤnne dieſer Leiche das leben / und fuͤhre ſie in die Him - liſchen kreuſe. Oder aber alſo: Der Geiſt dieſes leibes / durch das leben der gnaͤdigen und vorſe - henden Gottheit beſeeliget / ſol durch das an - baͤhten der Staͤbe des Orus / der die jahre beher - ſchet / nach dem himmel zu fliegen. Neben gemel - ten Schirmgoͤtzlein lagen auch zu weilen mit im ſarge etliche papierne Rollen / mit Egipitiſchen Sinbildern bemahlet. Darauf ſtund das Leicher gepraͤnge / oder vielmehr die abbildung der Goͤtzen / welche man darinnender239fuͤnftes Buch.der Leiche / auf heiligen bahren / nachgetragen. Dan die Egipter hatten die gewohnheit / wan ſie ihrer ver - ſtorbenen begraͤbnuͤſſe / ſonderlich der Koͤnige / Prieſter / oder anderer vornehmen leute / hielten / daß ſie ihnen die Bilder der fuͤrnehmſten Abgoͤtter / in eben der ord - nung / als in den uͤmgaͤngen der hohen feſttage gebreuch - lich / nachtragen ließen. Und hierdurch waͤhneten ſie / wan ihre Goͤtzen ſie ſolchergeſtalt gleichſam mit zu gra - be begleiteten / daß ſie ihre Seelen uͤm ſo viel eher in die ſeelige wohnung fuͤhren / und vor aller gewalt der ge - genſtrebenden boͤſen Geiſter vertaͤhtigen wuͤrden. Ja eben daſſelbe augenmaͤrk hatten ſie auch / wan ſie die gemelten rollen / mit den bildnuͤſſen ſolcher Abgoͤtter be - mahlet / zu den leichen in die ſaͤrge legten.
In einer Grabſpitze ſahen ſie auch etliche Todtenge - faͤße / darinnen man die Leichen der Koͤniglichen Kin - der gelegt hatte. Dieſe waren laͤnglichtrund / uͤber dem fuße dikbeuchicht / und warden nach dem halſe zu im - mer ſchmaͤhler und ſchmaͤhler. Etliche hatten oben auf des Kanopus angeſicht / andere einen Habichtskopf ſte - hen. Rund uͤmher waren ſie mit Egiptiſchen Sinbil - dern reihenweiſe gezieret. Bei dieſen Leichengefaͤßen / als auch in etlichen Grabgewoͤlben unter der erde / fan - den ſie zugleich ewigbrennende Lichter oder Lampen. Dieſe Lampen waren von gekochter kreide zubereitet. Teils hatten die geſtalt eines hundes / teils eines Menſchen / teils eines habichts / teils eines ſtiers / auch wohl einer ſchlange. Etliche branten mit drei / an - dere mit vier / auch wohl mit acht / ja zwoͤlf daachten. Die daachte waren von unverbrenlichem ſteinichtem flachſe: welche mit Steinoͤhl oder Juͤdenpeche / durch verborgene roͤhren / die man aus den oͤhl - oder pech - brunnen in die Lampen geleitet / fort und fort befeuch - tet und getraͤnket warden.
Mit ſolchen ewigen Lichtern wolte man die unſterb -lig -240Der Aſſenatligkeit der Seele bezeichnen; auch zugleich die unſterb - lich gewåhnten Gottheiten der Egipter darnachzu zie - hen / die Leiche zu beſchirmen / und die Seele / durch ihre ſtaͤhtige gegenwart / zu verherlichen. Dan weil die E - giptiſchen Weiſemeiſter ſahen / daß die eigenſchaft des Lichtes oder Feuers den Goͤttlichen wuͤrkungen ſehr gleich war; ſo hielten ſie das Feuer vor ein ſolches ſicht - bahres zeichen der Gottheit / welches ſie / durch eine verborgene kraft / luͤſtern machte das Licht mit ihrer ge - genwart ſtaͤhts zu beſeeligen. Ja ſie waͤhneten / wan ihre Gottheiten alſo bei dieſen lichtern ſtaͤhts zugegen weren / daß ſie der Verſtorbenen Seelen / damit ſie in keine leiber der unvernuͤnftigen Tiere fuͤhren / da ſie elendiglich leben muͤſten / bewahren wuͤrden. Eben zu dem ende wendeten ſie auch ſo viel koſten an / ihre Lei - chen durch balſemen unverwaͤſelich / und ihre Grab - ſtaͤtten unvergaͤnglich zu machen; damit die Seelen / imfal ſie nicht in den Himmel / oder in andere Menſch - liche leiber gelangten / gleichwohl in oder bei dem graͤ - bern ſo lange verbleiben moͤchten / bis ſie nach verlauf der ſieben tauſend jahre wieder in ihre eigene leiber kehreten. Dan ſie hielten darvor / daß die Seelen der Menſchen / wan ſie gottloß gelebet / ſo lange uͤm die graͤber heruͤm ſchwaͤrmeten / bis ſie eines andern Men - ſchen / oder auch wohl Viehes leib angetroffen / dahin - ein zu fahren; ſonderlich wan der Leichnam / ihr altes wohnhaus / verwaͤſet / und die Gottheiten von dannen weggewichen.
Nachdem man nun dieſe Grabſtaͤtten wohl beſichti - get / da zog man weiter fort / nach dem Maͤriſchen Irhofe zu. Dieſes große weit uͤmfangene gebeu be - ſtund in drei tauſend und fuͤnfhundert heuſern / alſo daß es eine große ſtadt zu ſein ſchien. Alda hatten alle Egiptiſche Goͤtzen ihre Heiligtuͤhmer: darinnen unter - ſchiedliche Grabſpitzen von vierzig ellen ſtunden. Auchbe -241fuͤnftes Buch.befand ſich eine Grabſpitze von vierzig ſchritten am eu - ſerſten ende des gantzen baues. Dieſe war mit großen ausgehauenen bildern allerlei tiere gezieret; und hatte ei - nen gang unter der erden hin. Im eingange gelangte man in ſo viel und ſo lange irgaͤnge; welche ſo wunder - lich und ſo krum heruͤm durcheinander lieffen / daß ſich niemand / ohne geleitsman / weder hinein / noch heraus zu finden vermochte. Der gantze bau war in zwoͤlf un - terſchiedliche Hoͤfe geteilet. Hier lagen / in ſehr praͤch - tigen gewoͤlben unter der erde / zwoͤlf Koͤnige / die die - ſen Irhof gebauet / als auch die heiligen Krokodillen begraben. In allen dieſen Hoͤfen befanden ſich ſehr hohe koͤſtliche ſåhler; und uͤm die plaͤtze heruͤm uͤberaus praͤch - tige gaͤnge / derer taͤcher auf porfierſteinernen bildſeulen ruheten. Etliche bildeten die Goͤtzen ab / andere die Koͤ - nige: wieder andere hatten die geſtalt der ungeheuren Rieſen / und dergleichen Wundergeſchoͤpfe. Wan etli - che tuͤhren aufgetahn warden / hoͤrete man ein heftiges donnern. Auch taͤhten ſich etliche der Goͤtzenheuſer von ſich ſelbſten auf / ſobald das feuer auf der brandhoͤhe flammete: wan es aber verloſchen / ſprangen ſie ploͤtzlich wieder zu.
Inmittelſt nahete die beſtimte zeit zum Beilager des Schaltkoͤniges herbei. Man verfuͤgte ſich wieder nach Memfis. Da war eben der Koͤnigliche Fuͤrſt von Libien angelanget. Aber er gab ſich nicht kund. Man wuſte anders nicht / als daß er ein Edelgeſteinhåndler were. Davor wolte er auch gehalten ſein. Hierdurch bekahm er gelegenheit die Koͤnigliche Fuͤrſtin zu ſpre - chen. Etliche mahl kahm er zu ihr / ſeine wahren fe - hen zu laßen. Allezeit brachte er was ſonderliches / was neues / was koͤſtlichers. Endlich lies er ihr eine ſehr koͤſtliche Perlenſchnuhr zur ſchaue. Sie fragte / was ſie gelten ſolte? Er gab zur antwort: er hofte mehr darvor zu bekommen / als ſie waͤhrt ſei. Die Koͤnigliche FuͤrſtinQfragte242Der Aſſenatfragte wieder: wie ſie das verſtehen ſolte? und er ant - wortete: einer Liebhaberin iſt nichts zu teuer. Sie be - ſahe die Perlen. Sie befand ſie uͤberaus rein / uͤberaus klahr. Nicht eine konte ſie finden / daran der geringſte ta - del zu ſpuͤhren. Sie waren groß. Sie hatten einen ſchoͤ - nen glantz. Ihrerecht runte glaͤtte ſtund ihr wunderwohl an. Dieſe Perlen / gedachte ſie bei ſich ſelbſt / mus ich haben / und ſolten ſie auch noch ſo viel koſten. Daruͤm behielt ſie die Schnuhr bei ſich / ſie dem Koͤnige ſehen zu laßen: und befahl dem verkeuffer auf den folgenden morgen wiederzukommen. Er ſagte ja: aber der nicht wiederkahm / war er. In etlichen tagen lies er ſich nicht blikken. Ob ſchon die Koͤnigliche Fuͤrſtin hin und wie - der nach ihm vernehmen lies / ſo war er doch nirgend zu finden.
Joſef hatte nunmehr alles beſtellet / was zu ſeinem Trautage noͤhtig. Die eingeladenen gaͤſte begunten al - gemach anzukommen. Der Ertzbiſchof / ſamt ſeiner Ge - mahlin / war ſchon vorhanden. Der gantze Hof machte ſich bereit gegen kuͤnftigen morgen. Alles Frauenzim - mer verlangte die ſchoͤne Braut / in ihrem koͤſtlichen brautſchmukke / zu ſehen. Nicht weniger verlangen trugen ihre Stahtsjungfrauen dieſer liebſeeligſten Fuͤrſtin geſelſchaft zu leiſten. Sie zehleten alle ſtunden / ja alle zeitblikke. Auf den abend verſuchten die Kunſt - ſpieler und Meiſterſånger die Brautlieder / welche bei der traue ſolten erſchallen. Dis war ein vorſpiel der in - ſtehenden freude. Und hiermit erreichte dieſer letzte hofnungstag ſein lang gewuͤndſchtes ende.
DIe Sonne hatte ſich uͤber das Ara - biſche gebuͤrge ſchon vor zwo ſtunden erhoben. Mit uͤberaus lieblichen ſtrahlen blikte ſie die Stadt Memfis an. Der klahre tag / die heitere Luft reitzeten alle Menſchen zur freude. Aſſenat ſtund ſchon in ihrem koͤſtlichen Brautſchmuk - ke. Ihr kleid war von reiner weiſſer ſeide / mit ſilbernen bluhmen / aus denen die ſchoͤnſten demanten ſchimmer - ten / durchwuͤrkt. Ein guͤldenes Kroͤhnlein / mit de - manten und perlen verſetzt / ſtrahlete von ihrem heup - te: und eine Roſe von demanten vor ihrer bruſt. Eine dreifache Perlenſchnuhr hing uͤm ihren hals / und uͤm beide haͤnde: auch ein Ohrengehaͤnke mit einer großen Perle zu beiden ſeiten des heuptes.
In dieſem herlichen zierahte fiel Aſſenat nieder auf ihre kniehe. Ihr gebaͤht ſtuͤrtzte ſie aus zum HERRN aller herren. Zum allerhoͤchſten Gotte floͤhete ſie. Den baht ſie mit hertzinbruͤnſtigen ſeuftzern / daß er zu ihrer vorſtehenden Ehe gedeihen und ſeegen verleihen moͤchte. Ohngefaͤhr eine vierteilſtunde hatte ſie ſich in dieſer andacht befunden / als die Koͤnigin / mit der Koͤnigli - chen Fuͤrſtin / ankahm / die Hochfuͤrſtliche Braut zur traue zu fuͤhren. Vierzehen Kammer - und Stahts - jungfrauen folgeten. Dieſe waren beſtimmet die an - dern ſieben Breute / der Fuͤrſtin Aſſenat Stahts - jungfrauen / gleichergeſtalt zu begleiten. Die ordnung ward gemacht: die glieder geſchloſſen. Je drei und drei folgeten nacheinander.
Q iiIn244Der AſſenatIndeſſen hatte ſich der Koͤnig mit dem Reichskantz - ler / auch in des Schaltkoͤniges zimmer verfuͤget / ihn ebenmaͤßig zu begleiten. Der Koͤnigliche Fuͤrſt / der ſonſt / neben dem Koͤnige / den Breutigam fuͤhren ſol - len / lag noch krank zu bette. Daruͤm muſte der Reichs - kantzler ſeine ſtelle verſehen. Vierzehen der fuͤrnehm - ſten Hofbedienten gelangten zugleich an / den ſieben O - beraufſehern eben daſſelbe zu erweiſen. Alle waren auf das herlichſte / und der Schaltkoͤnigliche Breutigam gleicher weiſe / wie ſeine Braut / gekleidet. Auch trug er auf dem heupte eine guͤldene Krohne / die mit aus - geſetzten edelen ſteinen flinkerte. Eben waren ſie in den Trauſaal getraͤhten / als das gepraͤnge der hochfuͤrſtli - chen Braut / mit den andern ſieben Breuten / ankahm.
Ein Ebreiſcher Juͤngling / den der Schaltkoͤnig et - liche tage vorher in ſeinen dienſt genommen / fuͤhlete ei - nen ſonderlichen trieb zur Dichtkunſt. Fuͤrnehmlich hatte er ſich geuͤbt in den Huͤrtengedichten / der E - breer eigenen erfindung. Dieſe pflegten unter andern / wan ſie im heiſſen mittage / unter dem ſchatten der beu - me / bei ihren heerden ruheten / ein Schattenliedlein von ihrer liebe zu ſpielen. Ein ſolches hatte gemelter Juͤngling der Hochfuͤrſtlichen Braut zu ehren verfaſſet. Und dieſes ward im eintritte derſelben in den Trau - ſaal / erſtlich auf Ebreiſch / darnach in Egiptiſcher ſpra - che geſungen. Die Klingel - und ſeiten-ſpiele gingen darunter. Den Egiptern war es was neues / was ſel - tzames. Nie hatten ſie ſo ein anmuhtiges Liedlein ge - hoͤret. Daher ſtunden alle zuhoͤrer entzuͤkt. Alle ihre ſinne warden ihnen gleichſam entraft. Aber was ver - ziehen wir den verſuch zu tuhn / ſolches mit einer Hoch - deutſchen zunge nachzuſingen. Wir wollen es wagen. Und ſo ſingen wir dan verhochdeutſcht / der ſchoͤnen Aſſenat zum heiligen gedåchtnuͤſſe / ſolches
Schat -245ſechſtes Buch.Grund - oder unter-ſtimme.
Hoch - oder Ober-ſtimme.
Nachdem man dieſes Schatten - oder Schaͤfer - liedlein geſungen und geſpielet / da ward alles gantz ſtil; und die Traue durch den Ertzbiſchof ſelbſt verrichtet. Dieſer gab zuerſt den Schaltkoͤnig mit ſeiner Freulein Tochter zuſammen: darnach auch die andern ſieben Breute. Nach geſchehener einſeegnung / wuͤndſchten ihnen alle anweſenden gluͤk. Und dieſes geſchahe unter dem lieblichen getoͤhne der ſeitenſpiele / unter dem froͤh - lichen halle der trompeten und krumphoͤrner; welcher die gantze Burg erfuͤllete. Straks hierauf begab man ſich in den Tafelſaal / da ſchon alles zu einem koͤſtlichen Braut - mahle bereitet ſtund.
Sieben tage lang waͤhrete dieſe freude. Der Koͤnig ſpahrete keine koſten. Alles war auf das praͤchtigſte an - geſtellet / auf das herlichſte zugeruͤſtet. Alles muſte mehr als koͤniglich zugehen. Es gebrach nichts am zierrahte / der zu einem ſo praͤchtigen Beilager erfordert ward. Es fehlete nichts an koͤſtlichen ſpeiſen. Allerlei getraͤnke ward aufgeſchaffet. Allerlei Kunſtſpieler / mit den be - ſten Saͤngern / die man finden konte / muſten dieſe freu - de vermehren. Jederman war froͤhlich. Alle luſt / die man erdenken konte / ward veruͤbet.
Drei tage hatten die Herren an beſondern tafeln al - lein geſeſſen: und das Frauenzimmer auch allein. Aber am vierden bekahm der Koͤnig luſt eine bunte reihe zu ſe - hen. Jede Braut ward ihrem Breutigam zur ſeite ge - ſetzt: und das uͤbrige Frauenzimmer unter die andern Herren verteilet. Eben als man dieſe bunte reihe zu ma - chen begonnen / ward dem Koͤnige bericht getahn / der Libiſche Koͤnigliche Fuͤrſt ſei zugegen. Dieſer ſtund mitten unter den zuſchauern; und vermeinte / niemandwuͤr -250Der Aſſenatwuͤrde ihn kennen. Aber einer von den Hoͤflingen / der ſich in Libien aufgehalten / ward deſſen von ohngefaͤhr gewahr. Er ward dem Koͤnige heimlich gewieſen. Un - vermaͤrkt ging er nach ihm zu. Die zuſchauer wichen zuruͤk. So taͤht auch der Libier. Aber der Koͤnig er - grif ihn bei der hand. Solchen gaͤſten / ſagte er / gebuͤh - ret eine andere ſtelle. Wir ſeind erfreuet den Libiſchen Fuͤrſten zu ſehen. Noch mehr werden wir uns freuen / wan deſſen gegenwart unſer Brautmahl zieren wird. Der Libier neugte ſich mit tiefſter ehrerbietigkeit. Er trachtete ſich zu entſchuldigen. Aber der Koͤnig wolte von keiner entſchuldigung wiſſen. Er zog ihn nach der tafel zu / und fuͤgte ihn neben ſeine Freulein tochter Ni - tokris. Dieſe ward beſtuͤrtzt / als ſie den Libier ſahe. Noch wuſte ſie nicht / wer er were. Noch ſahe ſie ihn vor denjenigen an / davor er ſich ſelbſten ausgeben. Daruͤm konte ſie ihr nicht einbilden / waruͤm ihn ihr Herꝛ Va - ter ſo hoch ehrete. Eben trug ſie die Perlenſchnuhr / die er ihr neulich gelaßen. Daher erroͤhtete ſie ſich / daß ſie dieſelbe noch nicht bezahlet. Ihr erſtes wort / das ſie ſprach / war ein verweis; weil er die bezahlung nicht ge - fordert. Der Libier antwortete: die Perlenſchnuhr ſei in guhter hand: ſeine bezahlung werde wohl folgen.
Mitlerweile eroͤfnete der Koͤnig dem Schaltkoͤnige / wer dieſer neue gaſt ſei. Sonſt niemand muſte es wiſſen; auch die Koͤnigin ſelbſt nicht. Und daruͤm warfen ſie alle die augen auf ihn; ſonderlich als er mit der Koͤnig - lichen Fuͤrſtin vertraulicher uͤmzugehen ſich erkuͤhnete / als ſie meineten ihm zu geziemen. Dieſe war ſonſt uͤber - aus leutſeelig. Gleichwohl nahm ſie ſolche kuͤhnheit nicht aller dinge wohl auf. Aber ſie lies ſich nichts maͤr - ken. Ehrete ihn der Koͤnig / ſo konte ſie anders nicht tuhn / als ſich auch ehrerbietig zu erweiſen. Und dieſe der Fuͤrſtin ehrerbietigkeit veruhrſachte noch mehr ver -[wunderung]. Wunderliche gedanken ſchoͤpften ſie alle. [Je -]251ſechſtes Buch.Jederman verlangte das ende zu ſehen. Jederman wuͤndſchte zu wiſſen / was den Koͤnig bewogen dieſen Li - bier ſo hoch zu wuͤrdigen. Nach einer guhten weile ſtund der Koͤnig ploͤtzlich auf. So ſtehende trunk er dem Schalt - koͤnige die geſundheit des Koͤniglichen Fuͤrſtens aus Li - bien zu. Der Schaltkoͤnig erhub ſich gleichergeſtalt. So taͤht auch der Libier / mit tiefſter ehrerbietigkeit. War man zuvor verwundert geweſen / daß der Koͤnig dieſen Libier ſo hoch geehret; ſo war man es itzund noch viel mehr / da er eine ſolche geſundheit anfing. Niemand kon - te begreiffen zu was ende. Man geriet in die gedanken / dieſer Libier were vielleicht ein Geſanter aus Libien. Dan keiner bildete ihm ein / daß er der Koͤnigliche Fuͤrſt ſelbſten ſei: auch Nitokris nicht. In ſolchen zweifel - haftigen gedanken warden ſie dieſen gantzen tag gelas - ſen. So ſchied man auch voneinander. Inmittels hatte der Koͤnig befohlen ſeinen ſchoͤnſten Stahtswagen an - zuſpannen. Hiermit ward der Libier / durch etliche Hoͤflinge begleitet / in ſein wuͤrtshaus gebracht. Dieſe Hoͤflinge beſchenkte er alle mit koͤſtlichen guͤldenen ket - ten. Der Koͤnigliche Kutſcher bekahm zweihundert goldguͤlden. Wunderlich kahm ihnen diéſe große frei - gebigkeit vor. Solche ungewoͤhnliche geſchenke veruhr - ſachten allerhand gedanken. Noch denſelben abend be - kahm die koͤnigliche Fuͤrſt in dieſes alles zu wiſſen. Auch wolte ſie bei ihrem Herꝛn Vater ſich erkundigen / wer dieſer Libier ſei. Er aber gab ihr keinen andern be - ſcheid / als daß ſie ſich bis auf den morgen gedulden ſol - te; da wuͤrde ſie es ſelbſt ſehen. Dieſe worte machten ſie zimlich unruhig. Nun begunte ſie ihn hoͤher zu halten / als einen Edelgeſteinhaͤndler; auch hoͤher / als einen Ge - ſanten. Nun betrachtete ſie erſt ſein weſen / ſeine gebaͤhr - den / ſeine geſchikligkeit. Alles kahm ihr hoͤher und edeler vor / als eines ſolchen / der nicht aus Koͤniglichem bluht entſproſſen. Und mit ſolcher betrachtung brach -te252Der Aſſenatte ſie die gantze zeit zu / bis ſie endlich der ſchlaf uͤberfiel.
Auf den morgen entboht der Koͤnig den Reichskantz - ler und Reichsſchatzmeiſter zu ſich. Dieſen eroͤfnete er erſt itzund / daß ſein geſtriger Gaſt der Koͤnigliche Fuͤrſt aus Libien ſei. Sechs Koͤnigliche Stahtswagen warden faͤrtig gemacht ihn wieder auf die Burg zu hoh - len. Der Reichskantzler und Reichsſchatzmeiſter war - den darzu befehlicht. Alle Hoͤflinge muſten zu pferde. Alle waren auf das herlichſte und praͤchtigſte ausge - ruͤſtet / eben als ſolten ſie noch einen Breutigam einhoh - len. In ſolcher pracht gelangten ſie vor das wuͤrtshaus des Libiers. Da fanden ſie den koͤniglichen Fuͤrſten / mit einem hauffen des Libiſchen Adels uͤmringet. Die - ſe hatten ſich bisher in der ſtadt hier und dar unbekant aufgehalten / eben wie ihr Fuͤrſt. Aber itzund waren ſie alhier / auf ſeinen befehl / alle zuſammengekommen. Alle ſahe man auf das praͤchtigſte bekleidet: darzu auch die diener. Der Koͤnigliche Fuͤrſt ſelbſten trug ein uͤber - aus koͤſtliches und zierliches ſommerkleid von zahrtem ſeidenen zeuge / mit golde durchwuͤrkt. So bald er die Abgeſanten erblikte / eilte er ihnen entgegen. Sehr freundlich empfing er ſie. Der Reichskantzler fuͤhrete das wort. Er erſuchte den Libier / im nahmen des Schaltkoͤniglichen Breutigams und der Braut / auf ihrem beilager / ſamt ſeinem bei ſich habendem Adel / zu erſcheinen. Sehr hoͤflich nahm er dis anbringen / ſehr froͤhlich dieſes erſuchen an. Zur ſtunde begab ſich ieder - man entweder zu wagen / oder zu pferde. Die Koͤnig - lichen Hoͤflinge ritten voran. Darauf folgeten der Reichskantzler und Reichsſchatzmeiſter / ſamt etlichen Bedienten des Libiers / auf fuͤnf Stahtswaͤgen. Endlich kahm der Koͤnigliche Fuͤrſt ſelbſten im praͤch - tigſten Stahtswagen des Koͤniges: den eine große maͤn - ge leibwaͤrter uͤmgab. Den nachtrab hatten etliche Li - bier zu pferde / die das gantze gepraͤnge beſchloſſen.
Die253ſechſtes Buch.Die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſtund eben im fenſter / da der koͤnigliche Fuͤrſt ankahm. Der Koͤnig ſelbſten ging ihm / mit dem Schaltkoͤnige / und etlichen Fuͤrſten / bis faſt an das tohr entgegen. Straks ſchwang ſich der Libier vom wagen / als er den Koͤnig erblikte. Mit ungemei - nen freudenbezeugungen empfingen ſie ſich unterein - ander. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſahe dieſes alles mit großer verwunderung an. Nun zweifelte ſie nicht / daß dieſer Libier weit mehr ſei / als ſie gewaͤhnet. Daruͤm war es ihr lieb / daß ſie ihm des vorigen tages hoͤflicher begegnet / als ihr wille geweſen.
Mitlerweile begaben ſich alle dieſe Herrn in den Ta - felſaal: da ſie das Brautmahl ſchon wieder bereitet fanden. Nicht lange darnach kahm das Frauenzimmer auch an. Dem Koͤnige beliebte wiederuͤm eine bunte reihe zu machen. Nichts liebers wuͤndſchte der Libier. Nichts angenehmers konte ihm wiederfahren / als bei der Koͤniglichen Fuͤrſtin zu ſitzen. Dieſe hatte nun - mehr wind bekommen / daß er der Koͤnigliche Libiſche Fuͤrſt ſei. Daruͤm baht ſie ihn / ſo bald ſie gelegenheit bekahm / ihr nicht zu veruͤbeln / daß ſie ihm bisher nicht nach ſeinem Stande begegnet. Sie wendete ihre unwiſ - ſenheit vor: die ſolte ihrer unhoͤfligkeit dekmantel ſein. Er antwortete: daß ſie gantz nicht noͤhtig hette einige entſchuldigung einzuwenden. Sie hette ihm mehr ehre erwieſen / als er wuͤrdig ſei; auch ſelbſten dazumahl / da er / als ein Edelgeſteinhaͤndler / die gnade gehabt ſie zu ſprechen. Uber dieſem worte Edelgeſteinhaͤndler fing die Fuͤrſtin an zu laͤchlen. Aber / ſagte ſie / ich bin noch in ſeiner ſchuld. Wan und womit ſol ich ſeine Perlen - ſchnuhr bezahlen? Die bezahlung / gab der Fuͤrſt zur antwort / iſt ſchon geſchehen. Ich habe einen ſolchen ſchatz darvor erlanget / der mir lieber iſt / als die gan - tze Welt. Nitokris erroͤhtete ſich hieruͤber / und wuſte ſo ſtraks nicht / was ſie zur wiederantwort geben ſolte.
In254Der AſſenatIn zwiſchen trunk man dem Libiſchen Koͤniglichem Fuͤrſten die geſundheit der Neugetrauten zu. Und hier - mit ward alles rege. Die kunſtſaͤnger hatten bisher ge - ſchwiegen; aber nun erhuben ſie ihre ſtimmen. Die ſeiten - ſpiele klungen darunter: und wan dieſe nachlieſſen / er - ſchalleten die trompeten. Hierdurch ward die freude gleichſam wakker / der geiſt zur luſt ermuntert / und die gantze geſelſchaft froͤhlich. Der Schaltkoͤnig ſelbſten war ihr vorgaͤnger. Seine liebe Aſſenat half ihm ge - treulich. Beide waren an dieſem tage ſo luſtig / als ſie noch niemahls geweſen. Und hiermit zogen ſie aller au - gen auf ſich. Jederman ſahe dieſes liebe / dieſes ſchoͤ - ne / dieſes froͤhliche paar an: doch niemand mehr / als der Libiſche Fuͤrſt. Dieſer konte ſich uͤber die Fuͤrſtliche Braut nicht genug verwundern. Seine ſonderliche luſt hatte er an ihren blikken / die ihrem Breutigam ſo gar lieblich begegneten. Ihr ſo gar holdſeeliges weſen / ihre ſo gar anmuhtige gebaͤhrden / ja ihre gantze ſo ſchoͤne leibesgeſtalt betrachtete er mit ſonderlicher aufmaͤr - kung. Er betrachtete alle ihre reden / alle ihre worte; davon nicht eines ohne ſonderlichen nachdruk ausge - ſprochen ward. Aber nichts gefiel ihm an unſerer Braut ſo wohl / als daß ſie ihrem Breutigam ſo liebſeelig zu begegnen wuſte. Und dadurch machte ſie ihm den mund waͤſſericht. Dadurch mehrete ſie ſein verlangen / der - gleichen teilhaftig zu werden. Auch entſchlos er ſich dieſen augenblik / ſtraks auf den folgenden morgen ſein vorhaben zu volziehen. Und zu dem ende erſuchte er den Koͤnig / im ſcheiden / daß er ihm gegen kuͤnftigen tag ei - ne ſtunde zu beſtimmen belieben lieſſe; da er ihm in ge - heim aufzuwarten geſonnen.
Weil nun der Koͤnig hierzu den folgenden gantzen vormittag benennet / ſo befahl er auf den morgen ſehr fruͤh alles faͤrtig zu machen / den Koͤniglichen Fuͤrſten zu hohlen. Alle Herren / und alle Hoͤflinge / die des vo -ri -255ſechſtes Buch.rigen tages die einhohlung getahn / begaben ſich itzund wieder / in eben demſelben gepraͤnge / vor die behauſung des Libiers. Dieſer ſeumete ſich nicht lange. Straks machte er ſich / mit allen ſeinen leuten / nach der Burg zu. Der Koͤnig empfing ihn mitten auf dem platze / und fuͤhrete ihn ſtraks in den Burggarten. Zwiſchen deſſen hielten der Reichskantzler und der Reichsſchatzmeiſter den Libiſchen Hoͤflingen im Reichsſaale geſelſchaft. Nach unterſchiedlichen hoͤflichen wortgepraͤngen / gab der Libier die uhrſache ſeiner ankunft in Egipten zu verſtehen. Darneben zeigte er mit kurtzbuͤndigen wor - worten an: daß ſeine liebe auf die Koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris gefallen; daß er verhofte / der Himmel hette ſie zu ſeiner Gemahlin verſehen: daher were er ent - ſchloſſen / weil er ſelbſten gegenwaͤrtig ſei / auch ſelb - ſten / mit eigenem munde / ſeine werbung anzubrin - gen. Er wolte nicht viel uͤmſchweiffe gebrauchen. Dar - uͤm erſuchte er den Koͤnig mit kurtzen / wiewohl hertz - lich gemeinten worten / ihm / in ſolcher ſache / dieſe bit - ſeeligkeit zu goͤnnen / daß er nicht traurig von ſeinem angeſichte ſcheiden duͤrfte. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin / ſeine Freulein Tochter / daruͤm er ihn demuͤhtigſt anlangete / hielte er ſo guͤhtig / daß ſie ſein anſuchen nicht ausſchlagen wuͤrde. Und an des Koͤniges gunſt und zuneugung truͤge er gantz keinen zweifel; dergeſtalt / daß er gewis vertrauete die freiheit bald zu erlangen / ihn ſeinen Vater / und ſich ſelbſten deſſelben gehohrſamſten Sohn zu nennen.
Der Koͤnig bedankte ſich vor die guhte zuneugung / die er zu ſeiner Tochter truͤge. Er bedankte ſich vor die hohe ehre / damit er ſein Haus zu wuͤrdigen geſonnen. Ja er ſchaͤtzte ſich gluͤkſeelig / von einem ſo fuͤrtref - lichem Fuͤrſten Vater genennet zu werden. Weil er aber in ſolcher ſache / darzu vor allen dingen der wille ſeiner Tochter erfordert wuͤrde / den endſchlus nichtmachen256Der Aſſenatmachen koͤnte; ſo wolte er ihn zuvoͤrderſt vor dieſe fe - ſtung / ſie zu gewinnen / gewieſen haben. Eben als der Koͤnig dieſe worte redete / kahm zu guhtem gluͤkke die Koͤnigliche Fuͤrſtin in den laubergang / da ſie ſaßen. Sie ging / in tieffen gedanken / eine guhte weile fort. Und alſo ward ſie ihrer nicht eher gewahr / als bis ſie gantz nahe zu ihnen gelangte. So bald ſie des Libiſchen Fuͤrſtens anſichtig ward / kehrete ſie eilend zuruͤk. Aber der Koͤnig rief; ſie ſolte ſtand halten. Und hiermit er - huben ſie ſich / ihr entgegen zu gehen. Iſt meine Tochter / redete ſie der Koͤnig an / nun ſo ſchuͤch - tern worden / daß ſie vor Menſchen fliehet? Hier ſiehet ſie vor ihren augen zwee / die ihr alle liebe zu erzeigen gebohren. Der eine iſt ihr Vater: der andere / wan es den Goͤttern beliebet / ihr kuͤnftiges Ehgemahl.
Auf dieſe worte traht der Fuͤrſtin die ſchaamroͤhte ſo ſtark insgeſichte / daß ſie ſich gantz entfaͤrbete. Das antlitz ſchlug ſie zuͤchtiglich nieder. Die bloͤdigkeit / die eingezogenheit / die ſitſamkeit miſcheten ſich alle zuſam - men unter ihre ſtille gebaͤhrden. Die ſchaam ſchlos ihre lippen dermaßen / daß ſie ſchier zu keiner bewegung zu bringen. Der mund vermochte kein wort zu machen. Die augen ſtunden in ihren hoͤhlen gantz ſtil / und kaum halb offen. Wan ein Mahler die Schaamhaftigkeit abbilden wollen / ſo hette er es eigendlicher nicht tuhn koͤnnen / als nach dieſem ſo niedergeſchlagenem weſen. Eine guhte weile blieb ſie ſo ſchaamhaftig ſtehen. Eine guhte weile durfte ſie nicht aufblikken / weder nach dem Koͤnige / noch dem Koͤniglichen Fuͤrſten zu. Endlich begunte ſie ihrer was maͤchtig zu werden. Endlich er - hub ſich ein bliklein / erſt nach dem Koͤnige / und dan nach dem Libier. Den blikken folgete die ſprache; wie - wohl ſehr ſchwach / und halb gebrochen. Sie begunte ſich zu entſchuldigen. Sie wendete vor / daß ihr nichtgezie -257ſechſtes Buch.
258Der Aſſenatgeziemen wollen / ſie in ihrem geſpraͤche zu ſtoͤhren. Das ſei die uhrſache / waruͤm ſie ſo ſtraks ihren zuruͤktrit ge - nommen.
Der Koͤnig fuhr in ſeiner rede fort. Meine Toch - ter / ſagte er / ſtoͤhret uns in unſerem geſpraͤche nicht. Dan was wir geredet / mag ſie alles wohl hoͤren. Ja es iſt ihr noͤhtig / daß ſie es hoͤret. Sie mus es nohtwendig wiſſen. Ihr ſelbſten iſt zum hoͤchſten daran gelegen. Der Koͤnigliche Fuͤrſt aus Libien hat mich zu ſeinem Vater / und Sie zu ſeiner Gemahlin auserſehen. Dis iſt es / das er mir geoffenbahret. Davon haben wir itzund ſprache gehalten. Nun liegt es allein an meiner Tochter ſich zu erklaͤhren. Ihr wille wird der meinige ſein: ihr ja mein ja / ihr nein mein nein. Hieruͤber erroͤhtete ſich Nitokris abermahl. Abermahl ward ihre zunge gehaͤmmet. Sie ſchwieg ſtil. Sie ant - wortete nichts. Der Koͤnig wendete ſich nach dem Li - bier zu. Wer ſchweigt / der bewilliget / ſagte er laͤchlen - de. Dis pflegt / gab der Fuͤrſt zur antwort / zuvoraus bei dem Frauenzimmer / gemeiniglich wahr zu ſein. Daruͤm wil ich hoffen / daß es ſich alhier auch nicht an - ders verhalte. Und hiermit traht er ein wenig ſeit - waͤrts / Vater und Tochter allein zu laßen.
Hertzliebſte Tochter / fing der Koͤnig wieder an / ihr ſeid es / vor die ich die meiſte ſorge trage. Die ſorge des Reichs habe ich dem Schaltkoͤnige uͤ - bergeben. Nun gehet mir eure wohlfahrt allein zu hertzen. Nun trachte ich allein euch gluͤkſeelig zu machen. Die gelegenheit darzu ſtoͤßet uns itzund auf. Der Libiſche Fuͤrſt iſt euch mit liebe zu - getahn. Er verlanget nach eurer gegenliebe. Er traͤget belieben / durch ſeine vermaͤhlung / euch zur Koͤnigin in Libien zu machen. Groͤſſere gluͤk - ſeeligkeit habet ihr nicht zu hoffen. Ich wuͤnd -ſche259ſechſtes Buch.ſche vor mein teil nichts mehr / als euch hierzu ge - neugt zu ſehen. Eure bewilligung wird die mei - nige ſein. Die Libiſche Krohne iſt ſo edel / daß ſie nicht auszuſchlagen. Iſt euer wille dem mei - nigen gleich / ſo wird ſie bald auf eurem heupte glaͤntzen. Dieſer glantz wird Egipten erfreuen. Ich ſelbſten werde daruͤber zum hoͤchſten froh ſein. Wan ich dieſes ſehe / wil ich mit freuden ſterben. Wohlan dan! erklaͤhret euch bald. Sagt an / was euch duͤnket.
Die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſtund noch in etwas im zwei - fel. Gleichwohl gab ſie ſo viel zu verſtehen / daß ſie ge - neugter ſei eine ſolche Krohne anzunehmen / als abzu - ſchlagen. Der Herꝛ Vater / ſagte ſie / kennet mein gemuͤht. Er weis meinen kindlichen gehohr - ſam. Er weis / wie mein wille dem ſeinigen ie - derzeit unterworfen geweſen. Und das ſol er auch itzund ſein; ſonderlich in einer ſo hochwich - tigen ſache / da mein verſtand ſeiner weisheit weichet. Ich ſtelle alles in ſein belieben. Seinem winke wil ich folgen: ſeinem befehle gehorchen: ſeinen ſchlus guht heiſſen. Ja alles / was er ge - bietet / wil ich gehohrſamlich volbringen. Dis iſt mein vorſatz: und der wird es auch bleiben / ſo lange ich ahteme. So gebet ihr dan / fing der Koͤnig hierauf an / mir die gantze ſache uͤber? Ja freilich / gab ſie zur antwort. Der Herꝛ Vater verſtehet alles beſſer / als ich. Darzu bin ich verſichert / daß er mir nichts uͤbels weder goͤnnen / noch rahten wird. Und hiermit nahm ſie ihren abtrit nach ihrem zimmer zu; der Koͤnig aber verfuͤgte ſich hin zu einem ſpringbrunnen / bei dem der Libiſche Fuͤrſt ſich niedergelaßen.
Iſt die zeitung guht? rief der Fuͤrſt dem Koͤnige fra - gende entgegen. Ja / antwortete dieſer: morgen fruͤh / wan es ihm beliebet / kan er einen Abgeſanten an unſernR ijHof260Der AſſenatHof ſchikken / und oͤffendlich uͤm meine Tochter waͤrben laßen. Unterdeſſen wollen wir uns berahten. Der wohlſtand wil das ſeinige auch haben. Drei ſtunden vor dem mittags mahle ſollen ſich meine Raͤhte verſam - ken. In derer gegenwart kan die ſache vorgetragen wer - den. Ich ſelbſten wil die antwort tuhn. Hierauf hat er ſich zu verlaßen. Der Koͤnigliche Fuͤrſt war uͤber ei - ne ſo guhte entſchluͤßung zum hoͤchſten erfreuet. Zum hoͤchſten bedankte er ſich deswegen gegen den Koͤnig. In tiefſter demuht verpflichtete er ſich ihm / mit ſeinem gan - tzen vermoͤgen. Indeſſen nahete die tafelzeit herbei. Der Koͤnig begab ſich / mit dem Libier / auf den tafelſaal. Da war der Schaltkoͤnig eben angelanget. Ein hauffen Adels ſtund uͤm ihn her. Straks kahm auch der Reichs - kantzler an / ſamt des Libiers Hofbedienten. Der Koͤ - nig zog den Schaltkoͤnig auf die ſeite. Er fuͤhrete ihn an ein fenſter. Da offenbahrte er ihm des Libiers an - bringen / ſich rahtes zu erhohlen. Dem Schaltkoͤnige ſtund alles uͤber die maße wohl an. Auf dieſer Eh - ſtiftung / ſagte er von ſtunden an / beruhet des gan - tzen Egiptens wohlfahrt. Die Libier haben viel maͤchtige Bundsgenoſſen. Sie ſelbſten beſitzen eine gewaltige macht. Sie grentzen an unſer Reich. Wan wir / vermittelſt der Koͤniglichen Fuͤrſtin / uns mit ihnen vereinigen; ſo werden zugleich alle ihre Bundsverwanten mit uns ver - einiget. Welcher feind wird uns dan anfallen duͤrfen? Welche macht wird uns dan beſtuͤr - men duͤrfen? Die vereinigung dieſer zwo maͤch - tigen benachbahrten Krohnen wird allen ein ſchroͤkken einjagen. Jederman wird Egipten fuͤrchten. Unſer Staht wird aufs herlichſte bluͤhen. Wir werden in gewuͤndſchtem friede leben. Unſer anſehen wird groß / unſere wohl - fahrt vermehret / unſere macht geehret wer -den. 261ſechſtes Buch.den. Die Gewaltigſten der Welt werden un - ſere freundſchaft ſuchen. Ja / was noch das allerfuͤrnehmſte iſt / die Koͤnigliche macht kan / durch dieſes mittel / zur hoͤchſten freiheit gelan - gen. Der Koͤnig kan hierdurch uͤber das gantze Egipten das freie volgewaltige gebiete bekom - men. Dan wird er ſagen koͤnnen / deſſen ſich noch kein Koͤnig vor ihm unterſtehen duͤrfen: dis wil ich / dis gebiete ich; ſo mus es geſchehen.
Eben als der Schaltkoͤnig dieſe worte geredet / kahm der Hofmahrſchalk ihnen anzudienen / die ſpeiſen we - ren ſchon aufgetragen. Straks trahten ſie nach der ta - fel zu. Von ſtunden an ward alles rege. Einieder be - kleidete ſeine gewoͤhnliche ſtelle. Zuerſt ſchwieg ieder - man. Alles war ſtil. Aber auf dieſe ſtille brach die froͤhligkeit jaͤhligen herfuͤr. Der Libier war der erſte / der ſich luſtig erzeigte. Dem folgete die gantze geſelſchaft. Das Frauenzimmer ſelbſten vergaß ſein zuͤchten. Die eingezogenheit ward verbannet: die luſt beliebet; alle freude veruͤbet. Und alſo ward dieſer tag der froͤhlichſte von allen den vorigen des gantzen Beilagers.
Aber der folgende gab ihm nichts zuvor. Ja er war derſelbe / der ihn weit uͤbertraf. An jenem blieb die froͤhligkeit / gleich als eingeſchloſſen / in der Burg. Aber an dieſem brach ſie aus in die Stadt / auf das uͤmliegende land / ja endlich gar durch das gantze Egip - ten. Die vermaͤhlung der Koͤniglichen Fuͤrſtin mit dem Libier blieb nicht lange verſchwiegen. Kaum hat - ten die Libiſchen Abgeſanten das jawort weg / da der ruf es ſchon uͤberal ausbreitete. Was vor freude die - ſer ruf veruhrſachte / kan keine feder beſchreiben. Das frohlokken / das jauchzen / das freudengeſchrei klung durch alle gaſſen der gantzen Stadt Memfis. Selbſt / die ohren des Libiers warden darvon vol. Als er nun auf die Burg fuhr / da rief iederman gluͤkzu! SelbſtR iijdie262Der Aſſenatdie kleinen kinder / die noch nicht ſprechen konten / lal - leten aus den fenſtern. Ja das froͤhliche zurufen hatte alhier faſt kein ende. Es waͤhrete noch / als der Libi - er ſchon laͤngſt in der Burg war.
Dieſer tag war der letzte des Schaltkoͤniglichen Bei - lagers. An dieſem tage warden die Brautnahmen ver - wechſelt. Nun hoͤrete Joſef auf Breutigam genen - net zu werden. Nun uͤbergab er dieſen Nahmen dem Libier. Heute ward Aſſenat eine Fraue. Heute ward Nitokris eine Braut. Alſo machte das ende des ei - nen Beilagers den anfang zum andern. Die Koͤnigli - che Fuͤrſt in ward dem Libier verſprochen: das Ehver - loͤbnuͤs geſchloſſen: der Trautag beſtimmet; und den neuen Breuten gluͤkgewuͤndſchet. Und hiermit lief die - ſer tag mit vollen freuden zum ende.
Auf den Morgen entſchlos ſich der Schaltkoͤnig wieder eine reiſe zu tuhn. Er hatte vor ſeinem Beilager zum bau etlicher Frucht - und Korn-heuſer anordnung getahn. Nun wolte er ſehen / wie das werk von ſtatten ginge. Etliche ſolten auf die weiſe der Feuer-ſpitzen ge - bauet werden: andere nur ſchlechthin / als gemeine ge - beue. In dieſen ſolte man das Korn von gegenwaͤrti - gem / und den zwei naͤchſtkuͤnftigen reichen jahren auf - ſchuͤtten: in jenen die Fruͤchte von den vier letzten; und darbei das Futter vor das vieh zugleich auflegen. Am dritten tage ſetzte er dieſe reiſe fort. Seine liebe Aſſe - nat war ſeine gefaͤhrtin. Wo er hin zog / begleitete ſie ihn. Aſſenat konte ohne ihren Joſef / und Joſef ohne ſeine Aſſenat nicht ſein: ſo lieb hatten ſie einander.
Weil nun Joſef ſahe / daß dieſe jahre ſich ſo gar uͤberfluͤßig fruchtbar anlieſſen / ſo nahm er nicht allein den fuͤnften teil aller fruͤchte / als des Koͤniges teil / vor - weg; ſondern er lies auch allen uͤberflus vor bahres geld einkauffen. Ja er geboht bei leibesſtrafe / daß nicht das geringſte / was der Menſch genieſſen koͤnte / vor dasVieh263ſechſtes Buch.Vieh verfuͤttert / oder ſonſt unnuͤtzlich vertahn wuͤrde. Alles muſte in des Koͤniges Kornheuſer und Scheunen geluͤfert werden. Das bezahlete man / nach dem damah - ligen gemeinem / wiewohl ſehr geringem preiſe / mit koͤ - niglichen geldern. Und alſo kahm eine große maͤnge zu - ſammen. Alle Kornheuſer warden erfuͤllet. Man mu - ſte derer immer mehr und mehr bauen.
Die große fruchtbarkeit des landes machte die Egipter uͤbertaͤhtig und verzaͤhrtelt. Der uͤberflus be - wegte ſie zu aller uͤppigkeit. Die uͤberaus wohlfeile zeit veruhrſachte ſie ſchlaͤferig / faul und hinlaͤßig zu wer - den. Joſef / der alles genau unterſuchte / ward deſ - ſen ſtraks gewahr. Dem muſte / durch heilſame ſatzun - gen / bei zeiten vorgebauet werden. Bei zeiten muſte man dieſem uͤbel ſteuren. Die fruchtbaren jahre fingen erſt recht an: und gleichwohl nahm ſolches unheil ſchon uͤberhand. In den kuͤnftigen war noch ein groͤſſeres zu vermuhten. Das ſchien dem Reiche den untergang zu dreuen. Dieſes alles erwog Joſef bei ſich ſelbſt. Und daruͤm ſtiftete er Unterſuchungen des lebens. Allen Egiptern ward auferlegt / jaͤhrlich vor der Obrig - keit zu erſcheinen. Einieder ſolte verpflichtet ſein re - chenſchaft zu tuhn / wie er lebete / was er taͤhte / womit er ſich und die ſeinigen ernaͤhrete. Alles unweſen ſolte vertilget / aller muͤßiggang abgeſchaffet / alles uͤppige le - ben geſtrafet werden.
Mitlerweile nahete die beſtimte zeit zum Beilager der Koͤniglichen Fuͤrſtin herbei. Der Schaltkoͤnig be - gab ſich / mit ſeiner Gemahlin / wieder nach hofe. Eben kahm der Hochfuͤrſtliche Breutigam auch an. Straks folgeten die eingeladenen. Das Beilager nahm ſeinen anfang / mit ungemeiner pracht. Der Ertzbiſchof ver - richtete die Traue. Jederman erzeigete ſich froͤhlich. Die freude ſchien ſelbſten leibhaftig gegenwaͤrtig zu ſein. Sie brach an allen enden herfuͤr. Aus allen win -R iiijkeln264Der Aſſenatkeln lachte die luſt. An allen ekken befand ſich lauter er - getzung. Hiermit lieffen ſieben tage zum ende. Noch ſieben tage letzte ſich die Koͤnigliche Fuͤrſtin. Hierauf ward die heimfuͤhrung volbracht. Der Koͤnig begleite - te ſeine Tochter bis an die grentzen des Reichs. So weit zog auch mit der Schaltkoͤnig / ſamt ſeiner Ge - mahlin / und den fuͤrnehmſten Reichsfuͤrſten. Die Koͤnigin aber folgete der Koͤniglichen Fuͤrſtin bis in Libien.
Nach volendeten dieſen ſtahtsgepraͤngen machte ſich der Schaltkoͤnig wieder auf. Bald zog er hier - bald dort-hin. Bald verordnete er dis / bald das. Bald lies er in dieſer / bald in jener ſtadt neue Kornheuſer bauen. Und dieſes bauen waͤhrete ſo lange / bis die ſieben frucht - bare jahre beinah zu ende gelauffen. Ein uͤberaus gros - ſer vorraht ward geſamlet: ein großes geld ausgegeben. Der gemeine man wuſte nicht zu was ende. Fremde kahm ihm dieſes beginnen vor. Man war der Egipti - ſchen fruchtbarkeit alle jahr gewohnet. Trug das land nicht uͤberflieſſig / ſo gab es doch zur nohtdurft ſeine fruͤchte. Und daruͤm gedachte einer dis / der andere das. Joſef aber lies ſich nichts anfechten. Er fuhr in ſei - nem beginnen fort. Er ſamlete von jahren zu jahren im - mer mehr und mehr ein. Er ſpielete aufs kuͤnftige. Er kaufte ſo viel getreide zuſammen / daß alle Kornheuſer gedruͤkt und geruͤttelt vol / und alle Koͤnigliche Geld - kaſten ledig warden. Dan des eingeſamleten getreides war ſo uͤber die maße viel / daß man endlich aufhoͤren muſte zu zehlen.
Die koͤniglichen Beamten ſahen es zuerſt mit guh - ten augen an. Aber zuletzt / als man auch das koͤnigli - che geſchmeide / die koͤſtlichen ſchatzſtuͤkke / ja alles was ſeltzam und koſtbar in den kunſtkammern war / anta - ſtete; da begunten ſie zu murmeln. Seltzame reden fie - len vor. Jener ſagte dis / dieſer das. Jederman warver -265ſechſtes Buch.verwundert / daß der Koͤnig dieſem Fremdlinge / die - ſem neuen Stahtsverpfleger ſo viel zulieſſe. Niemand konte begreiffen / wozu dieſer unraht dienen ſolte. Alle hielten es vor eine tohrheit. Meinet dan dieſer Auslaͤn - der / ſagten etliche / daß der Niel austruknen wird? Waͤhnet er / daß der Himmel dem lande ſeine gewoͤhn - liche fruchtbarkeit zu entziehen beſchloſſen? Andere re - deten was anders. Ja ja / ſagten etliche ſpotweiſe / der Koͤnig mus auch leute haben / die das geld unter den ge - meinen man bringen. Es moͤchte ſonſt in den Schatz - kammern verſchimmeln.
Als nun dieſe ſo ſeltzame reden auf das hoͤchſte gekom - men / und dem Reiche ſchon einen ſchaͤdlichen aufruhr zu dreuen ſchienen; da kehrete ſich das blat uhrploͤtzlich uͤm. Die fruchtbarkeit blieb aus. Die wohlfeile zeit ver - ſchwand. Im einen jahre blieb der Niel zuruͤk; im an - dern lief er ſo uͤbermaͤßig hoch auf / daß er alles verderbe - te / alles verwuͤſtete. Keine felder konten beſtellet / keine aͤk - ker beſaͤet / keine gaͤrte bepflantzet werden. Und alſo ward nichts eingeaͤrntet. Der mangel entſt und an allen orten. Die Teurung uͤberfiel das gantze Egipten. Der hunger nahm zu. Die einwohner verſchmachteten. Die noht zwang ſie ihren Schaltkoͤnig uͤm rettung anzuflehen. Nunmehr verkehreten ſich ihre gedanken. Nun veraͤn - derten ſich ihre reden. Nun ſahen ſie / was Joſef ge - tahn. Nun maͤrkten ſie / wie vorſichtig / wie kluͤglich er gehandelt. Die ihn vor dieſem beſchimpfet / prieſen nun ſeine weisheit. Die ihn verſpottet / erhuben ſeine ſo treue vorſorge himmelhoch. Die ihn verlachet / floͤ - heten ihn an uͤm gnade. Ja ſie nenneten ihn ihren Er - halter / ihren Heiland / ihren Reichsvater.
Aber ehe ſich dieſe teure zeit fand / waren dem Jo - ſef von ſeiner lieben Aſſenat zween Soͤhne gebohren. Den erſten hies er Manaſſe: dan Gott / ſprach er / hat mich alles meines ungluͤks / und meinesR vgantzen266Der Aſſenatgantzen Vaͤterlichen hauſes vergeſſen laßen. Den andern nennete er Efraim: weil ihn Gott im lan - de ſeines elendes wachſend gemacht. Hatte er ſeine Aſſenat zuvor geliebet / ſo liebte er ſie nun noch tauſend mahl mehr. Auch gab ihre liebe der ſeinigen nichts zuvor. Erſtlich liebte ſie ihn / daß er ſie zur er - kaͤntnuͤs des waren Gottes gebracht. Dan Joſef hat - te nicht allein ſeiner Gemahlin / ſondern auch dem Ertz - biſchoffe ihrem Herꝛn Vater / die Geheimnuͤſſe der Goͤttlichen wahrheit geoffenbahret. Dieſer verbarg ſie in ſeinem hertzen / als einen koͤſtlichen ſchatz. Er behielt ſie allein vor ſich. Er taͤht ſie niemand kund. Es ſchien auch mehr unnuͤtz / als erſprieslich zu ſein / dieſe heili - ge Wiſſenſchaft unter das im aberglauben erſoffene voͤlklein zu bringen: zumahl weil es gewohnet war / da - mit es im gehohrſam verbliebe / nur mit Abgoͤttereien und falſchen Gottesdienſten abgeſpeiſet zu werden. Darnach heuffeten ſolche liebe dieſe zwei lieben Ehpfaͤn - de / die ſie von ihrem hertzlieben Joſef hatte / noch mehr. Und darzu kahm auch endlich der uͤberſchwaͤng - lich große reichtuhm; den ſo wohl ihr / als ihrem Va - ter / Joſefs kluͤglicher handel veruhrſachte. Dan er hat - te vor beiderſeits gelder / in der wohlfeilen zeit / eine große maͤnge getreides eingekauft: und dieſe bekahmen ſie hernach / in der teurung / tauſendfach wieder.
Im begin dieſer Teurung kahmen alle benachbahr - ten Voͤlker / die der hunger zum erſten druͤkte / zum Koͤ - nige. Darnach erſchienen auch die Egipter im Tebi - ſchen gebiete. Alle begehrten Korn zu kauffen. Alle rief - fen uͤm Broht. Aber der Koͤnig wieſe ſie zum Schalt - koͤnige. Was der euch befielet / ſagte er / das tuht. Als nun die teurung durch das gantze Egipten uͤberhand nahm; da taͤht Joſef allenthalben die Kornheuſer auf / und lies das getreide verkauffen. Straks lief der ruf hiervon in alle laͤnder. Straks machten ſich alle Voͤlker /Korn267ſechſtes Buch.Korn zu hohlen / nach Egipten. Und alſo verkaufte Joſef iederman getreide. Niemand zog leer weg. Al - len fremdlingen ward geholfen. Man ſahe niemand an. Der Auslaͤnder galt hier eben ſo viel / als der Egipter.
Auf einen morgen ward dem Schaltkoͤnige / da er eben mit ſeinen Soͤhnen ſchertzte / angedienet; daß ze - hen Ebreer ihn zu ſprechen begehrten. Das hertz pukte dem Joſef ſtraks. Es ſagte ihm von ſtunden an / daß es ſeine Bruͤder weren. Eilend taͤht er ſein koͤſtliches ſtahtskleid an. In ſolchem koͤniglichen ſchmukke traht er in den Verhoͤrſaal: da alles von golde / perlen und edelen ſteinen flinkerte. Eine große maͤnge diener beglei - tete ihn. Einieder zog uͤberaus praͤchtig auf. Und die - ſes alles geſchahe daruͤm / damit ihn ſeine Bruͤder nicht kenneten. Hierauf befahl er ſie einzuhohlen. Einer ſei - ner diener verrichtete dieſen befehl. Ihre ſchuhe muſten ſie abloͤſen. Und alſo brachte man ſie baarfuͤßig vor den Schaltkoͤnig. Da ward ihnen gebohten / auf das ant - litz nieder zu fallen / und ihn koͤniglich zu ehren. Joſef ſahe ſie rund heruͤm an. Seine Treume fielen ihm ein. Er kante ſie ſtraks. Aber er ſtellete ſich gantz fremde. Ja er redete ſie ſehr hart an. Woher komt ihr? fragte er durch einen Kaldeiſchen Tahlmetſcher. Sie antwor - teten auf Kaldeiſch: aus dem Lande Kanaan / ſpeiſe zu kauffen. Ihr ſeid Kundſchaffer / fuhr er fort. Ihr komt zu ſehen / wo das Reich offen iſt. Nein / mein Herꝛ / antworteten ſie abermahl. Seine knechte ſeind kommen ſpeiſe zu kauffen. Wir ſeind alle eines ehrli - chen Mannes ſoͤhne. Wir ſeind redlich: und ſeine knech - te ſeind nie Kundſchaffer geweſen. Ihr ſeid freilich Kundſchaffer / wiederhohlte er ſeine vorigen worte: ja ihr kommet zu ſehen / wo das Reich offen ſtehet. Wir ſeine knechte / fuhren ſie in ihrer antwort ferner fort / ſeind zwoͤlf bruͤder / eines Mannes ſoͤhne im lande Ka -naan:268Der Aſſenatnaan: und der juͤngſte iſt noch bei unſrem Vater; aber einer iſt nicht mehr vorhanden.
Joſef redete weiter. Das iſts / ſagte er / ihr ſeid Kund - ſchaffer. Verraͤhter ſeid ihr. Man kan es euch an den geſichtern anſehen. Die augen weiſen es aus. Ich wil erfahren / ob ihr wahr redet. Bei dem leben Faraons! ihr ſolt nicht eher von hier kommen / es komme dan euer juͤngſter Bruder her. Sendet einen unter euch hin / der ihn hohle. Ihr unterdeſſen ſolt meine gefangene ſein. Alſo wil ich eure reden bewaͤhren / ob ſie gleichzu treffen / oder nicht. Wird man ſie unwahrhaftig befinden / ſo ſeid ihr bei dem leben Faraons! Kundſchaffer. Hierauf lies er ſie alleſamt drei tage gefaͤnglich bewahren. Da ver - wieſe Ruben ſeinen Bruͤdern / was ſie am Joſef ver - uͤbet. Sehet! ſprach er / habe ichs nicht lange geſagt / daß euch eure boßheit endlich einmahl wuͤrde vergolten werden. Alles dieſes habet ihr an eurem unſchuldigen Bruder verdienet. Hettet ihr meinem rahte gefolget / ſo wuͤrde dis ungluͤk euch nicht treffen. Uber dieſen wor - ten begunten ſie alle kleinlaut zu werden. Keiner ver - mochte nicht ein wort zu ſprechen. Kaum ruͤhreten ſie ſich. Kaum bewegte ſich ein glied an ihrem leibe.
Am dritten tage lies ſie Joſef fragen; ob ſie ſich be - dacht? Da taͤhten ſie alle einen fußfal. Ruben / wel - cher der behertztere war / weil er ein reines gewiſſen hatte / fuͤhrete das wort. Mein Herꝛ / ſagte er / wir ſeind nicht anher kommen / das land zu verkundſchaffen. Wir kom - men nur / als auf einen freien markt. Und daruͤm ha - ben wir das vertrauen / man werde uns das recht / das man auch den wildeſten Voͤlkern vergoͤnnet / nicht wei - gern. Doch / imfal mein Herꝛ ſeinen knechten keinen glauben zuſtellet / ſo bitten wir untertaͤhnig / daß erei - nen ſeiner leute mitſchikke. Wir wollen ihn koſtfrei hal - ten: und er wird befinden / daß wir alle eines redlichen Mannes ſoͤhne ſeind. Joſef antwortete: wolt ihr den -ſel -269ſechſtes Buch.ſelben betruͤgen / der den geiſt der unſterblichen Goͤtter beſitzet? Duͤrft ihr wol ſo kuͤhne ſein / mich zu uͤberzeu - gen / daß ich irre? Duͤrft ihr wohl leugnen / was euch ſo deutlich vor euren ſtirnen ſtehet? Ich ſage noch / und darbei bleibt es / daß ihr ein greßes ſchelmenſtuͤkke ent - weder ſchon begangen / oder zu begehen im ſinne habet.
Hierauf gab ihnen der Tahl metſcher auch vor ſich zu verſtehen: daß der Schaltkoͤnig die wahrheit redete. Dan / ſagte er / wiſſet ihr nicht mehr / daß ihr vor zwan - zig jahren einer Arabiſchen Geſpanſchaft einen ſchoͤnen Juͤngling verkauftet? Ich ſelbſt war mit bei dem kauf - fe. Ich weis es alles noch ſehr wohl. Auch ſeind mir eure geſichter nicht unbekant. Hieraus allein mus ich gleuben / daß ihr Verraͤhter / oder zum wenigſten Men - ſchendiebe ſeid. Daruͤm hat man ſich freilich vor euch wohl zu huͤhten. Ja daruͤm kan ich nicht vorbei / ſol - ches meinem Herꝛn anzuzeigen. Dieſer Tahlmetſcher war eben derſelbe Muſai / deſſen wir droben gedacht. Er war derſelbe / der gemelter Geſpanſchaft hauptman geweſen. Er war derſelbe / der den Joſef kauffen / und wieder verkauffen helfen. Und durch einen ſonderlichen gluͤksfal war er ſchon vor etlichen jahren zum Schalt - koͤnige gelanget. Dem dienete er nicht allein als ein Haushalter / ſondern auch als ein Tahlmetſcher; weil er vielerhand ſprachen kuͤndig.
Auf dieſe reden erblaſſeten ſie alle. Kein glied befand ſich an ihrem leibe / das nicht zitterte. Die taht war da. Sie konten es nicht leugnen: wiewohl Ruben mit ei - nem ſchwuhre beteuerte / daß er weder den Muſai / noch die Geſpanſchaft iemahls geſehen. Joſef aber re - dete weiter: wolt ihr leben / ſagte er / ſo tuht / was ich euch befehle. Seid ihr redlich / ſo laßt einen von euch in eurem gefaͤngnuͤſſe liegen. Die andern koͤnnen hinzie - hen / und heimfuͤhren / was man euch verkauffen wird. Aber euren juͤngſten Bruder bringet zu mir. Dan wilich270Der Aſſenatich euren worten gleuben / und euch frei kennen / daß ihr nicht ſterben muͤſſet. Sie aber ſprachen untereinander auf Ebreiſch / damit es der Schaltkoͤnig / und Muſai nicht verſtehen ſolten: das haben wir verſchuldet an unſrem Bruder. Wir ſahen die angſt ſeiner ſeelen / da er uns floͤhete; und wir wolten ihn nicht erhoͤren. Dar - uͤm komt nun dieſe truͤbſaal uͤber uns. Ja Ruben fuͤgte hinzu: ich ſagte es euch wohl / ſprach er: verſuͤn - diget euch nicht an dem Knaben. Aber ihr woltet nicht hoͤren. Nun wird ſein bluht gefordert. Ach! ich be - jammere unſern lieben alten Vater / der durch ſeiner kinder boßheit ſo gar ſehr betruͤbet wird.
Sie bildeten ihnen ein / daß ſie der Schaltkoͤnig nicht verſtuͤnde; weil er / durch einen Tahlmetſcher / auf Kaldeiſch mit ihnen redete. Aber er verſtund es alles. Und daruͤm wendete er ſich von ihnen weg / und weinete bitterlich. Da er nun ausgeweinet hatte / und das wehleiden vorbei war; nahm er den Simeon / weil er die meiſte ſchuld hatte / mitten aus ihnen her - aus / und lies ihn vor ihren augen feſſeln. Hierauf taͤht er befehl / daß man ihre ſaͤkke mit Korne fuͤllete / und ihr geld darzu ſtekte / einem ieden ſein teil in ſeinen ſak. Auch lies er ſie mit zehrung wohl verſorgen. Und ſie luden das getreidich auf die eſel / und zogen von dan - nen. Unterwegens taͤht einer ſeinen ſak auf / ſeinem eſel futter zu geben. Da ward er oben im ſakke ſeines geldes gewahr. Sobald die Bruͤder ſolches ſahen / entfiel ih - nen der muht. Sie zitterten vor ſchroͤkken; und ſpra - chen untereinander: waruͤm hat uns Gott das getahn?
Als ſie nun heim / ins land Kanaan / kahmen; da erzehleten ſie ihrem Vater Jakob alles / was ihnen in Egipten begegnet war. Der man / ſagten ſie / der des Koͤniges Verweſer / und Herſcher des Reichs iſt / redete ſehr hart mit uns. Er hielt uns vor Kundſchaffer und verraͤhter des landes. Wir aber antworteten ihm: daßwir271ſechſtes Buch.wir redlich weren / und nie Kundſchaffer geweſen; daß wir mit uns zwoͤlfen alle einen Vater hetten; daß einer nicht mehr vorhanden / und der juͤngſte noch bei unſerem Vater ſei. Hierauf begehrte der Herſcher des Reichs: wir ſolten einen von uns allen bei ihm laßen / und mit dem getreidich hinziehen unſern juͤngſten Bruder zu hohlen. Darbei / ſagte er / wil ich maͤrken / daß ihr red - lich ſeid. Und dan wil ich euch euren Bruder wiederge - ben: auch moͤget ihr im Reiche waͤrben / wo ihr wollet.
Da ſie nun die Saͤkke ausſchuͤtteten / fand einieder ſein buͤndlein geldes in ſeinem ſakke. Hieruͤber er - ſchraken ſie / ſamt ihrem Vater. Ach! ſagte Jakob / dieſes alles geſchiehet mit einem gefaͤhrlichen vorſatze / mich aller meiner kinder zu berauben. Joſef iſt eurent - halben uͤmkommen. Den Simeon habt ihr ohne zwei - fel / durch eure unvorſichtigkeit / verſchertzet. Und nun wollet ihr den Bemjamin auch hinnehmen. Ja wer weis / ob ich nicht zugleich eurer aller entbaͤhren mus. Es gehet nur alles uͤber mich. Ruben aber ſuchte ſei - nen Vater zu bereden / daß er den Benjamin mitziehen lieſſe. Gib ihn nur / ſagte er / in meine hand. Ich wil ihn wiederbringen. Und wan ich ihn nicht wiederbringe / ſo erwuͤrge meine zween ſoͤhne. Jakob antwortete: mein Sohn ſol nicht mit euch ziehen. Dan ſein Bruder iſt todt. Er iſt nur allein noch uͤbrig. Wan ihm ein un - fal auf der reiſe begegnete / wuͤrdet ihr nicht mein graues haar mit hertzeleid in die grube bringen?
Mit der zeit ging das Korn auf. Die teurung ward in Kanaan ie laͤnger ie groͤſſer. Jakob begehrte; daß ſie wieder hinziehen ſolten / was friſches zu kauffen. Aber Judah gab ihm zur antwort: wan du unſern Bruder mitſendeſt / ſo wollen wir ziehen. Wo nicht / ſo ziehen wir auch nicht. Dan der Herſcher des Reichs ſagte zu uns: ihr ſolt mein angeſicht nicht ſehen / es ſei dan euer Bruder mit euch. Jakob aber fuhr fort: war -uͤm272Der Aſſenatuͤm habt ihr ſo uͤbel an mir getahn / daß ihr ihm ſagtet / ihr hettet noch einen Bruder zu hauſe? Sie antworteten: der Man forſchte ſo genau nach uns und unſrer freund - ſchaft. Ja er fragte: lebet euer Vater noch? und habt ihr auch noch einen Bruder? Wir gaben ihm beſcheid / wie er fragte. Dan wer hette gedacht / daß er uns befeh - len wuͤrde unſern Bruder mitzubringen? Judah redete weiter. Ach! lieber Vater / ſagte er / laß unſern Bru - der mit mir ziehen / daß wir uns aufmachen / ehe wir ſterben. Wilſtu dan / daß wir / uͤm ſeinet willen / ja du ſelbſten / und er zugleich mit uns / vor hunger ver - ſchmachten ſollen? Wilſtu dan / daß auch Simeon wan wir nicht wiederkommen / ſol hingerichtet werden? Ei lieber! laß ihn mitreiſen / damit wir leben. Ich wil buͤrge fuͤr ihn ſein. Von meinen haͤnden ſoltu ihn fordern. Wan ich ihn nicht wiederbringe / und fuͤr dein angeſicht ſtelle; ſo wil ich mein lebenlang die ſchuld tra - gen. Hetteſtu ihn eher mitgelaßen / ſo weren wir ſchon wohl zweimahl wiederkommen.
Hierauf entſchlos ſich Jakob endlich / ſeinen Ben - jamin mitzugeben. Mus es dan alſo ſein / ſagte er; ſo tuht es / und nehmet ihn hin. Darzu nehmet auch von des landes beſten fruͤchten mit euch. Bringet dem Manne geſchenke. Bringet ihm Balſam / Honig / Ro - ſienen / und allerlei Wuͤrtze. Bringet ihm Mirren / Datteln / Feigen / und Mandeln; ſo viel / als ihr in eure ſaͤkke zu bringen vermoͤget. Und alſo wird er euch uͤm ſo viel mehr gnade erweiſen. Nehmet auch zum einkauffe des getreides ſo viel geldes mit / als genug iſt: und darzu daſſelbe / das ihr in euren ſaͤkken gefunden. Der almaͤchtige Gott laße euch barmhertzigkeit finden vor dem Manne / daß ihr euren andern Bruder / mit dem Benjamin / wiederbringet. Nun ſo ziehet hin im friede. Ich aber mus ſein als einer / der aller ſeiner kinder beraubet iſt.
Al -273ſechſtes Buch.Alſo machten ſich die eilf Soͤhne Jakobs auf die reiſe / und kahmen in wenig tagen gluͤklich zu Memfis an. Eben befand ſich Joſef bei der uͤberfahrt vor der ſtadt. Er ſahe ſeine Bruͤder / mit dem Benjamin: und befahl dem Muſai / ſie ſaͤmtlich auf ſein ſchlos zu fuͤhren. Auch fuͤgte er hinzu: daß er ſolte ſchlachten / und zurichten laßen: dan ſie ſolten das mittagsmahl mit ihm halten. Als ſie nun ſahen / daß ſie auf das Schaltkoͤnigliche ſchlos gefuͤhret warden / da erſchraken ſie. Das hertz entfiel ihnen. Ach! ſagten ſie unterein - ander / wir werden uͤm des geldes willen / das wir in un - ſern ſaͤkken gefunden / hierher gebracht. Man wil uns eines diebſtals bezuͤchtigen. Man wil ein urteil uͤber uns faͤllen; damit man uns zu leibeignen / ſamt unſern eſeln / behalte. Und daruͤm redeten ſie mit dem Muſai vor dem tohre. Mein Herꝛ / ſagten ſie / wir haben bei euch vor dieſem getreide gekauft / aber auf dem ruͤkwege alles geld / das wir darvor gegeben / in unſern ſaͤkken wieder - gefunden. Nuhn wiſſen wir nicht / wie es hinein kom - men. Daruͤm bringen wir daſſelbe / als auch noch mehr mit uns; alles / was wir gekauft / und noch kauffen wuͤrden / richtig zu bezahlen. Der Haushalter aber ant - wortete: fuͤrchtet euch nicht. Euer geld iſt mir wor - den. Euer Gott und eures Vaters Gott hat euch einen ſchatz beſchceret in eure ſaͤkke. Ich habe die volle bezah - lung bekommen.
Hierauf brachte ſie Muſai in ein Fuͤrſtliches zim - mer; lies ihnen waſſer reichen / die fuͤße zu waſchen / und ihren eſeln futter geben. Auch fuͤhrete er ihren bru - der Simeon zu ihnen: der ſie mit großen freuden em - pfing. Sie aber gingen hinaus / und eroͤfneten ihre ſaͤk - ke. Daraus nahmen ſie die mitgebrachten fruͤchte / wel - che dem Schaltkoͤnige ſolten verehret werden. Von ei - ner ieden ahrt legten ſie etwas zur ſchaue in unterſchied - liche ſchuͤſſeln / dem Schaltkoͤnige / ſobald er wiederSheim274Der Aſſenatheim kaͤhme / zu zeigen. Die uͤbrigen warden ordentli - cher gepakt / und alſo die geſchenke bereitet.
Auf den mittag begab ſich Joſef wieder auf ſein ſchlos. Straks lies er ſeine Bruͤder vor ſich kommen. Dieſe erſchienen mit ihren geſchenken / und fielen vor ihm zur erde nieder. Er aber empfing ſie uͤberaus freundlich. Von ſtunden an fragte er nach ihrem Va - ter. Wie gehet es / ſagte er / eurem Vater dem alten / deſſen ihr ehmahls gedachtet? Iſt er noch bei leben? Sie antworteten: es gehet meines Herꝛn knechte / unſ - rem Vater / ſehr wohl / auch lebet er noch. Hiermit neu - geten ſie ſich abermahl / und fielen zur erde nieder. Dar - nach warf Joſef das auge auf ſeinen Bruder Ben - jamin. Iſt das / fragte er / euer juͤngſter Bruder / von dem ihr ſagtet? und ſtraks fing er an: Gott ſei dir gnaͤdig / mein ſohn. Weil ihm nun das hertz gegen ſei - nen Bruder dermaßen entbrante / daß er die traͤhnen nicht laͤnger halten konte; ſo machte er ſich eilend auf die ſeite. Eilend entwich er in ſein zimmer / und weine - te daſelbſt eine guhte weile.
Endlich / als Joſef ſein angeſicht gewaſchen / kahm er wieder / und hielt ſich hart. Straks befahl er die ta - feln zu dekken / und die ſpeiſen aufzutragen. Da kahm ſeine liebe Aſſenat auch an: welche noch nicht wuſte / daß es ſeine Bruͤder weren. Mit derſelben begab er ſich an eine ſonderliche tafel. Gegen dieſer uͤber hatte man eine andere vor ſeine Bruͤder gedekt: ja noch eine andere vor die Egipter; dan dieſe durften mit den Ebreern nicht eſſen / weil es ein greuel war vor ihren augen. Alle dieſe tafeln / ob ſie ſchon unterſchiedlich / und mit unterſchiedlichen ſpeiſen bedienet warden / hielt man gleichwohl vor eine / naͤhmlich des Schaltkoͤniges tafel. Seine Bruͤder warden ihm recht ins geſicht / und in ſolcher ordnung ihres alters / wie ſie in ihres Vaters hauſe zu ſitzen pflegten / geſetzet. Und hieruͤber verwun -der -275ſechſtes Buch.derten ſie ſich alle. Alle teller / alle ſchuͤſſeln waren von lauterem golde. Auch trug man ihnen ihre ſpeiſen auf von des Schaltkoͤniges tafel ſelbſten / einem ieden ſein teil. Aber dem Benjamin ward fuͤnf mahl mehr. Alſo aßen und tranken ſie / und waren guhtes muhtes.
Nach gehaltener tafel befahl Joſef ſeinem Haus - halter / daß er ihre ſaͤkke mit getreide fuͤllen ſolte / ſo viel / als ſie fortbringen koͤnten. Auch ſolte er in geheim ei - nes ieden geld oben in ſeinen ſak legen; in Benjamins aber auch ſeinen ſilbernen Trinkbecher darzu. Hiermit machten ſie ſich des morgens fruͤh auf / und zogen froͤh - lich darvon. Aber dieſe freude waͤhrete nicht lange. Kaum waren ſie eine ſtunde von der ſtadt / als ſie etliche zwanzig reiter hinter ihnen her eilen ſahen. Sie erſchra - ken nicht wenig. Ploͤtzlich uͤberfiel ſie die furcht. Ja dieſe heuffete ſich noch mehr / als ſie den Muſai erblik - ten / und ihn von ferne rufen hoͤreten: Haltet ſtil / ihr diebe! haltet ſtil / ihr leichtfaͤrtigen boͤſewichter! ihr undankbaren vogel! Als er nun naͤher hinzukommen; da verwieſe er ihnen ihre boßheit. Er bezuͤchtigte ſie des diebſtals. Ihr habt / ſagte er / meines Herꝛn Trink - baͤcher entwendet. Ihr habt ihm den Baͤcher geſtohlen / damit er weiſſaget. Iſt das die dankbarkeit vor ſeine erwieſene guhttaht. Hat euch euer Vater ausgeſchikt denſelben zu beſtehlen / der euch / uͤm ſeinetwillen / ſo herlich bewuͤrtet? Straks gebt den dieb her / ſamt dem geſtohlnen: wo nicht / ſo ſolt ihr alle miteinander an - geſichts niedergehauen werden.
Waruͤm iſt mein Herꝛ ſo gar zornig? antwortete Ruben. Waruͤm begegnet er uns mit ſolchen ſchmaach - reden? Es ſei ferne von uns ein ſolches zu tuhn. Sein Herꝛ hat uns geſtern als ehrliche leute befunden / und als liebe gaͤſte gnaͤdig bewuͤrtet. Woher komt nun dieſer ploͤtzliche uͤberfal? Fraget ihr noch waruͤm? fuhr Mu - ſai gantz erhitzet fort. Daruͤm / weil ihr diebe ſeid: weilS ijihr276Der Aſſenatihr meinen gnaͤdigen Fuͤrſten beſtohlen. An den galgen mit ſolchen buben! Ruben antwortete wieder. Mein Herꝛ ſehe zu / was er tuht. Hat er etwas verlohren / ſo ſuche er nach / bis er es findet. Unterdeſſen laße man uns ungeſchaͤndet. Wir ſeind nicht gewohnet des dieb - ſtals bezuͤchtiget zu werden. Wir haben ja das geld / das wir in unſern ſaͤkken fanden / wiedergebracht. Wie ſol - ten wir dan darzu kommen / ſilber oder gold zu ſtehlen aus ſeines Herꝛn ſchloſſe? Bei welchem der Baͤcher / fing Judah gleichfals an / gefunden wird / der ſei des to - des: und wir alle wollen meines Herꝛn knechte ſein.
Muſai war damit zu frieden. Zur ſtunde ſuchte er rundheruͤm in allen ſaͤkken. Von des aͤlteſten ſeinem fing er an. Er fuhr nach der reihe fort. Zuletzt kahm er an des juͤngſten ſeinen. Da fand ſich endlich der Baͤcher in Benjamins ſakke. Hierauf lies Muſai den taͤh - ter ſtraks binden / ihn wieder mit ſich zuruͤkzufuͤhren. Noch heute / ſagte er / ſol dieſer dieb haͤngen; damit er morgen nicht auch den Koͤnig ſelbſten beſtielet. Ihr aber ziehet mit euren fruͤchten hin. Euch erkennen wir frei. Mit euch haben wir nichts zu ſchaffen.
Es iſt nicht zu beſchreiben / wie jaͤmmerlich dieſe Bruͤ - der taͤhten. Alle zerriſſen ihre kleider. Alle kehreten / mit dem Benjamin / nach der Stadt zu. Zur ſtunde gingen ſie auf des Schaltkoͤniges ſchlos. Da taͤhten ſie einen fußfal. Joſef aber ſagte zu ihnen: wie habt ihr euch duͤrfen unterfangen ein ſolches zu tuhn? Wiſſet ihr nicht / daß es ein man / als ich bin / errahten koͤnte? Judah fing endlich an / und ſagte: ach! mein Herꝛ / was ſollen wir reden? oder was ſollen wir nicht reden? und womit ſollen wir uns rechtfaͤrtigen? Gott hat die miſſetaht deiner knechte gefunden. Siehe da? wir / und der / bei dem man den Baͤcher gefunden / ſeind mei - nes Herrn knechte. Joſef aber antwortete: das ſei ferne von mir. Der man / bei dem der Baͤcher gefun -den277ſechſtes Buch.
278Der Aſſenatden iſt / ſol mein knecht ſein. Ihr aber ziehet hinauf / zu eurem Vater / mit frieden.
Zwiſchen deſſen ſtunden ſie alle miteinander in großer angſt. Und dieſe angſt machte ihnen Ruben / durch ſtaͤhtige ſtichelworte / noch immer groͤſſer und groͤſſer. Unaufhoͤrlich verwieſe er ihnen die taht / am Joſef be - gangen. Und ſolches taͤht er ſo uͤberlaut / daß es der Schaltkoͤnig ſelbſt hoͤrete; wiewohl er ſich ſtellete / als verſtuͤnde er ihre ſprache nicht. Auch rief er etliche mahl: ach Joſef! Joſef! wie viel ſeeliger biſtu / als wir. Ach! du magſt todt / oder lebendig ſein / ſo biſtu doch aller die - ſer ſchmertzen / die wir uͤm deines liebſten Bruders wil - len leiden / uͤberhoben. Dan du ſieheſt es nicht / was wir ſehen. Du weiſt nicht / daß er ſo unſchuldig in ewige dienſtbarkeit geraͤht.
Unter allen aber war niemand mehr bekuͤmmert / als Judah. Niemand war mehr in angſt / als er; weil er ſeinen Vater beredet / daß er den ungluͤklichen Ben - jamin mitziehen laßen. Daruͤm warf er ſich auch noch einmahl vor den fuͤßen des Schaltkoͤniges nieder. Mein Herꝛ / ſagte er / laße ſeinen knecht ein wort reden vor ſei - nen ohren. Und ſein zorn ergrimme nicht uͤber ſeinen knecht. Dan Mein Herꝛ iſt eben als Farao. Keiner von uns allen darf wieder in unſer vaterland. Keiner darf wieder vor unſern Vater kommen / wo wir unſern Bruder nicht mitbringen. Ich am allermeiſten werde die ſchuld tragen muͤſſen. Darzu habe ich mich verpflich - tet. Darzu habe ich mich verpfaͤndet. Dan ich bin es / der unſern Vater beweget / ihn mitzuſchikken. Auf mei - nes Herꝛn befehl habe ich ſolches getahn. Weil mein Herꝛ ſagte / wir ſolten ſein angeſicht nicht ſehen / wan unſer Bruder nicht mitkaͤhme; ſo muſte ſolches geſche - hen. Meinem Herꝛn zu gehohrſamen / muſte ſein knecht / unſer Vater / beredet werden. Und daruͤm muſte ich mich ſelbſten zum buͤrgen ſtellen. Kan ich nun ſo vielgnade279ſechſtes Buch.gnade maͤchtig ſein / ſo behalte mein Herꝛ mich / an mei - nes Bruders ſtat / zum leibeignen; und laße den Juͤng - ling / mit ſeinen Bruͤdern / hinauf ziehen. Dan / ohne ihn / darf ich nach hauſe nicht kommen. Ich wuͤrde den jammer meines Vaters / deſſen ſeele an ſeines Sohnes ſeele haͤnget / ſehen muͤſſen. Ich wuͤrde ſehen muͤſſen / daß er vor großem hertzleide ſtuͤrbe. Ja ich wuͤrde hoͤren muͤſſen / daß ich ſeine grauen haare mit jammer hinun - ter in die grube gebracht.
Dieſes alles hatte Joſef bisher getahn / ſeine Bruͤ - der zu verſuchen. Er wolte erfahren / ob ſie mit dem Benjamin auch ſo tuͤkkiſch handeln wuͤrden / als mit ihm. Er wolte wiſſen / ob ſie ſeinem Bruder eben ſo we - nig liebe zutruͤgen / als ihm: und ob ſie denſelben eben ſo boßhaftig verlaßen wolten / als ihn. Weil er nun mehr liebe bei ihnen befand / als er ihm eingebildet; ſo brach ihm endlich das hertz. Es ward muͤrbe: es ſchmoltz ihm im leibe. Er konte ſich laͤnger nicht halten. Er rief; daß iederman von mir hinausgehe! Als nun kein menſch mehr vor ihm ſtund / als ſeine Bruͤder; da gab er ſich ihnen zu erkennen. Da fing er ſo laut an zu wei - nen / daß es die Egipter / und das geſinde des Koͤni - ges hoͤreten. Da ſprach er zu ſeinen Bruͤdern: Ich bin Joſef. Lebet mein Vater noch? Und ſeine Bruͤder konten ihm nicht antworten: ſo erſchraken ſie vor ſei - nem angeſichte. Joſef aber fuhr fort: traͤhtet doch her zu mir / ſagte er. Und ſie trahten herzu. Da ſprach er: ich bin Joſef / euer Bruder / den ihr den Ismaelern verkauftet. Nun bekuͤmmert euch deswegen nicht: ja denket nicht / daß ich daruͤm zuͤrne / weil ihr mich hierher verkauft habt. Dan uͤm eures lebens willen hat mich Gott fuͤr euch hergeſandt. Zwei jahr haben wir ſchon teure zeit gehabt. Nun ſeind noch fuͤnf jahre vorhan - den / daß man weder pfluͤgen / noch aͤrnten wird. Aber Gott hat mich fuͤr euch hergeſandt / daß er euch uͤbrig be -S iiijhal -280Der Aſſenathalte auf erden / und euer leben errette / durch eine große errettung. Ja Gott hat es getahn / nicht ihr. Gott hat mich dem Koͤnige zum Vater geſetzt / und zum Herꝛn uͤber ſein gantzes Haus: ja zum Fuͤrſten uͤber das gantze Egipten. Eilet nun / und ziehet hinauf zu meinem Vater. Machet euch ſtraks auf / ihm anzumelden / daß ich noch lebe. Saget ihm / daß mich Gott zum Herꝛn uͤber das gantze Egipten geſetzt hat. Sprecht zu ihm / das leſt dir Joſef ſagen: kom herab zu mir. Du ſolt im lande Geſſen wohnen / und nahe bei mir ſein. Sa - get zu ihm / daß er / mit ſeinen Kindern / mit ſeinen Kindeskindern / und mit ſeinem kleinen und großem Viehe / herabkomme. Ich wil ihn verſorgen; damit er nicht verderbe / mit ſeinem hauſe / und allem / was er hat: dan die teurung wird noch fuͤnf jahre waͤhren. Berichtet ihn / daß eure eigene augen / und meines Bru - ders Benjamins augen ſelbſten geſehen / daß ich muͤndlich mit euch geredet. Ja verkuͤndiget meinem Vater alle meine herꝛligkeit in Egipten / und alles / was ihr geſehen. Eilet / und komt bald hernieder / mit meinem Vater.
Hierauf fiel er ſeinem Bruder Benjamin uͤm den hals / und weinete: und Benjamin weinete gleiches - fals an ſeinem halſe. Auch kuͤſſete er alle ſeine Bruͤder / und weinete uͤber ſie. Endlich redeten ſie miteinander; und warden froͤhlich. Niemand aber war froͤhlicher / als Benjamin / und Ruben. Eben kahm die lieb - ſeelige Aſſenat auch hinein / ihre Schwaͤger wilkom - men zu heiſſen. Sie hatte ihre zwei junge Herlein bei der hand: welche ihre Vettern ebenmaͤßig empfingen. Zum wilkommen verehrete ſie iedem Schwager ein Fei - erkleid; dem Benjamin aber zwei. Es war ihr leid / daß ſieihre freude / aus unkuͤndigkeit der Ebreiſchen ſprache / ihnen nicht mit eigenem munde bezeugen konte. Doch erſetzte ſolches ihr aͤlteſtes Herlein Manaſſe. Die -281ſechſtes Buch.Dieſer war ihr Tahlmetſcher: dan er hatte einen eige - nen Sprachmeiſter / der ihn im Ebreiſchen und Kaldei - ſchen unterwieſen.
Zwiſchen deſſen kahm der ruf auf die Koͤnigliche Burg / daß des Schaltkoͤniges Bruͤder kommen we - ren. Da erhub ſich eine große freude. Es gefiel dem Koͤnige / ja allen ſeinen leuten ſo uͤberaus wohl / daß er von ſtunden an hinſchikte / den Schaltkoͤnig zu hoh - len. Dieſer ſtund eben dazumahl bei dem Koͤnige in hoͤchſten gnaden; weil er ihm ſo wohl / als dem gantzen Reiche / ſo gar großen nutzen ſchaffete. Dan er erhielt das Reich vor andern Reichen und laͤndern im hoͤchſten wohlſtande. Er errettete die untertahnen vom hunger. Er ſtiftete hoͤchſterſpriesliche Satzungen. Er meh - rete die koͤniglichen Schaͤtze. Er erhub die Koͤnigliche Macht. Ja er machte den Koͤnig ſo reich / und ſo maͤch - tig / daß er der gewaltigſte ward unter allen benachbahr - ten Koͤnigen. Und daruͤm liebte ihn der Koͤnig uͤber al - le maßen. Er ſuchte allerhand mittel ihm ſeine dank - barkeit blikken zu laßen. Keine gelegenheit lies er vor - bei / ihm ſeine ſo treuen dienſte zu belohnen. Faſt kein augenblik verging / da er ihm nicht eine neue gnade wi - derfahren lies. Ja er hatte den Joſef ſchon ſo reich gemacht / und ſo hoch erhoben / daß es faſt unmuͤglich war ein mehres zu tuhn.
Weil nun der Koͤnig erfahren / daß Joſefs Vater noch lebte / und ſeine Bruͤder ihm ſelbſt die zeitung gebracht; ſo lies er auch uͤber dieſe ſolche ſeine gnade gantz uͤberſchwaͤnglich gehen. Befehlet euren Bruͤdern / ſagte er zum Joſef / daß ſie ihre tiere mit des Reichs be - ſten fruͤchten beladen / und hin nach hauſe ziehen. Auch ſaget zu ihnen alſo: nehmet euren Vater / und euer ge - ſinde / und komt zu mir. Ich wil euch guͤhter geben in Egipten: und ihr ſollet das mark der laͤnder eſſen. Ja gebietet ihnen / und ſprechet: nehmet mit euch ausS vEgip -282Der AſſenatEgipten ſo viel waͤgen / als ihr noͤhtig habet zu euren Kindern und weibern; und fuͤhret ſie alle / mit eurem Vater / zu mir. Sehet euren hausraht nicht an. Dan die guͤhter des gantzen Egiptens ſollen euer ſein.
Joſef taͤht alſo / wie der Koͤnig geſagt hatte. Er verſchafte ſeinen Bruͤdern waͤgen; und gab ihnen zeh - rung mit auf den weg. Auch gab er einem ieden ein Feſtkleid; dem Benjamin aber fuͤnfe / mit dreihun - dert ſilberlingen darzu. Ja er ſchikte ſeinem Vater ze - hen eſel mit Egiptiſchen guͤhtern / und eben ſo viel mit getreide beladen. Zudem verſorgte er ſie mit broht und ſpeiſen auf den ruͤkweg. Hierbei gingen auch des Koͤ - niges geſchenke von guͤldenen und ſilbernen geſchirren / und andern koͤſtlichen ſachen: welche zwoͤlf reiter aus den Koͤniglichen Einſpaͤnnigern begleiten muſten. End - lich als alles zum aufbruche faͤrtig war / da befahl Jo - ſef ſeinen bruͤdern noch zu guhter letzte: ſie ſolten ſeinem Vater nicht ſagen / daß er von ihnen verkauft worden. Dan er fuͤrchtete / Jakob wuͤrde ſich deswegen uͤber ſie entruͤſten. Daruͤm hatte er auch beſchloſſen / ihn ſelb - ſten zu bereden / daß er den wilden tieren entronnen / und den Ismaelern in die haͤnde gerahten: welche ihn in Egipten verkauft hetten.
Alſo reiſeten Joſefs Bruͤder / unter Koͤniglichem geleite / fort / und gelangten in wenig tagen friſch und geſund zu Hebron an. Zur ſtunde verkuͤndigten ſie ih - rem Vater: daß Joſef noch lebte; und daß er / nach dem Koͤnige / der groͤſte Herꝛ in Egipten ſei. Aber Jakobs hertz dachte viel anders. Er konte ſich gantz nicht bereden ihnen zu gleuben. Doch als ſie ihm alle worte des Joſefs erzehlet / und er die wagen / ſamt den geſchenken / ſahe / die er ihm ſchikte; da ward ſein geiſt wieder lebendig. Da gedachte er an Joſefs Traum / den er von den eilf Sternen / von der Sonne und vom Mohnde / die ſich alle dreizehen vor ihm geneuget / ge -habt283ſechſtes Buch.habt hatte. Da ſahe er / daß dieſe dreizehende zahl / die dreizehen jahre bedeutet / nach welchen Joſef zu ſeiner herligkeit erhoben worden. Dan im ſiebenzehenden jah - re ſeines alters hatte Joſef dieſen Traum / und im dreiſſigſten / naͤhmlich dreizehen jahre darnach / ward er Schaltkoͤnig: und dieſe hohe ſtahtswuͤrde hatte er eben itzund neun jahre beſeſſen. Und daruͤm ſprach Israel: ich habe genug / daß mein Sohn noch lebet. Ich wil hin / und ihn ſehen / eh ich ſterbe.
Straks ward alles zur reiſe faͤrtig gemacht. Ge - ſchwinde muſte ſich iederman ruͤſten. Flugs warden die guͤhter gepakt / die waͤgen beladen / die eſel belaͤſti - get. Eilend lies man die Viehheerden zuſammentrei - ben. In der haſt muſte alles geſchehen. Und alſo mach - te ſich Jakob alſobald auf / mit allem was er hatte. Aber als er nach Berſaba / bei den Brunnen des Ei - des / gelanget: da opferte er zuvor dem Gotte ſeines Vaters Iſaaks; damit Er ſeine reiſe begluͤkken / und zugleich auch anzeigen moͤchte / ob ſie vor ſein Geſchlecht erſprieslich ſein wuͤrde. Dan er beſorgete ſich / ſeine Nachkommen moͤchten in der Egiptiſchen wohlluͤſtigen fruchtbarkeit kuͤnftig ſo große luſt ſchoͤpfen / daß ſie al - da gar blieben / und das land Kanaan / das ihnen Gott verſprochen / einzunehmen vergeſſen wuͤrden.
Hierauf erſchien ihm der HERR des nachtes im geſichte. Jakob / Jakob / rief Er: und Jakob ant - wortete / hier bin ich. Da ſprach der HERR zu ihm: Ich bin Gott / der Gott deines Vaters. Fuͤrchte dich nicht hinab / in Egipten / zu ziehen. Dan daſelbſt wil ich dich zu einem großen Volke machen. Ich wil mit dir hinab ziehen. Ich wil dich fuͤhren: und Joſef ſol ſeine haͤnde auf deine augen legen. Deſſen Nachkommen werden lange zeit herſchen: und aus ih - nen wil ich einen Fuͤrſten erwekken: der das verſproche - ne Land mit gewaltiger hand einnehmen / und unter dein Geſchlecht austeilen wird.
Straks284Der AſſenatStraks auf den morgen brach Jakob von Berſa - ba auf. Seine Soͤhne fuͤhreten ihn / ſamt ihren Kin - dern und Weibern / auf den waͤgen / die der Koͤnig ge - ſchikt hatte. Alles Vieh / und alle habe / die ſie in Ka - naan erworben hatten / nahmen ſie mit: und kahmen alſo in Egipten / Jakob / und ſein Saame mit ihm. Judah eilete mit ſtarken tagereiſen voran / dem Jo - ſef ſeines Vaters ankunft zu verkuͤndigen. Straks ſetzte ſich der Schaltkoͤnig / mit ſeiner Gemahlin / auf ſeinen wagen / und zog ins land Geſſen / ſeinem Va - ter entgegen. Sobald er ihn ſahe / fiel er ihm uͤm den hals / und weinete lange an ſeinem halſe. Jakob aber ſprach zum Joſef: ich wil nun gerne ſterben / nachdem ich dein angeſicht geſehen. Dan nun bin ich verſichert / daß du noch lebeſt.
Aſſenat / und alle Egipter verwunderten ſich uͤber Jakobs ſo anſehnliche und gleichſam bluͤhende geſtalt. Dan ſein altertuhm war noch ſo ſchoͤn als eine jugend; ſeine lippen ſo roht / ſein angeſicht ſo lebendig von farbe / ſeine augen ſo klahr und helle / als eines dreiſſigjaͤhrigen Mannes. Auch war er an ſchultern / kniehen / beinen und ſeenen ſo ſtark / als ein held: und ſein haar auf ſeinem heupte ſo weis / als der ſchnee. So weis war auch ſein bahrt; der ſich bis uͤber die bruſt recht zierlichausbreitete. Ja ſie verwunderten ſich auch uͤber die maͤnge ſo wohl / als anſehnligkeit ſeiner Kinder und Kindeskinder; derer dazumahl / den Ertzvater ſelbſten mitgerechnet / ſieben - zig ſeelen beieinander waren. Aſſenat empfing den Ertzvater mit uͤberaus großen freudenbezeugungen: und er gab ihr den ſeegen / und kuͤſſete ſie.
Mitlerweile redete Joſef mit ſeinen Bruͤdern / und gab ihnen / unter andern / zu verſtehen / daß er dem Koͤ - nige andienen wolte: ſein Vater / mit ſeinem gantzen Hauſe / ſei angelanget; auch hetten ſie alle ihre habe / und alles ihr vieh mitgebracht. Daruͤm / wan der Koͤ -nig285ſechſtes Buch.nig ſie fordern lieſſe / und fragte: was ihr tuhn und ge - werbe ſei? ſolten ſie antworten: daß ſie leute weren / die gewohnet mit Vieh uͤmzugehen / eben wie ihre Vaͤter getahn. Dan er wolte gern / daß ſie / im lande Geſſen / ſaͤmtlich beieinander allein und abſonderlich wohnen moͤchten; weil alle Viehhuͤrten / und die das Vieh ſchlachteten / den Egiptern / die es vor Goͤtter hielten / ein greuel weren.
Hierauf begab ſich Joſef ſtraks zum Koͤnige / und ſagte ihm ſolches an. Auch baht er zugleich / daß der Koͤnig ſeinen Bruͤdern / weil ſie mit der viehzucht ſich naͤhreten / vergoͤnnen moͤchte im lande Geſſen zu woh - nen. Dan alda war eine fette viehweide / eine rechte ſchmaltzgrube. Alda hatte Joſef und Aſſenat viel eigene liegende gruͤnde. Zudem gehoͤhrete das gantze land ohne das ſeiner Gemahlin Vater / als Heliopel - ſchem Ertzbiſchoffe / zu. Kein beſſeres und gelegneres hetten ſie wuͤndſchen koͤnnen / als dieſes; da ſie von al - len Egiptern abgeſondert wohnen / und ihr tuhn und weſen allein haben mochten. Alſo konte ſich kein unwil - le unter beiden erregen. Alſo konten ſie die Egipter / welche kein vieh mochten ſchlachten ſehen / nicht aͤrgern.
Straks darnach fuͤhrete Joſef auch fuͤnf ſeiner juͤngſten Bruͤder zum Koͤnige: welcher ſie ſehr freund - lich empfing. Von ſtunden an fragte er: was ihre nah - rung ſei? Sie antworteten: des Koͤniges knechte ge - hen mit Vieh uͤm / wie unſere Vaͤter getahn. Wir ſeind kommen alhier zu wohnen. Dan im lande Ka - naan war nichts / als misgewachs / zu finden: und wir hatten kein futter mehr vor unſere heerden: ſo hart druͤk - ten die misjahre das land. Daruͤm bitten wir unter - taͤhnigſt / daß der Koͤnig im lande Geſſen ſeinen knech - tenzu wohnen vergoͤnne. Hierauf wendete ſich der Koͤ - nig nach Joſef zu. Es iſt euer Vater / ſagt er / und es ſeind eure Bruͤder / die zu euch ſeind kommen. Dasgantze286Der Aſſenatgantze Egipten ſtehet euch offen. Laßt ſie im beſten lande wohnen. Laßt ſie wohnen im lande Geſſen. Wan auch leute unter ihnen zu finden / die ihr wiſſet / daß ſie tuͤchtig ſeind; ſo ſetzt ſie uͤber mein Vieh.
Endlich brachte Joſef ebenmaͤßig ſeinen Vater hin - ein / und ſtellete ihn vor den Koͤnig. Den ſeegnete Ja - kob. Der Koͤnig aber / welcher uͤber ſein hohes / und zugleich geruhiges alter verwundert war / fragte ihn: wie alt er ſei? Der Ertzvater antwortete: der jahre mei - ner walfahrt ſeind hundert und dreiſſig. Wenig und boͤſe iſt die zeit meines lebens / und langet nicht an die zeit meiner Vaͤter / in ihrer walfahrt. Nach etlichen wenigen reden mehr ſeegnete Jakob den Koͤnig aber - mahl / und nahm ſeinen abtrit. Joſef aber verſchafte ſeinen Bruͤdern wohnungen am beſten orte des landes: naͤhmlich uͤm Heliopel heruͤm; wie der Koͤnig befoh - len. Ja er verſorgete ſeinen Vater / und ſein gantzes Haus. Er verſorgete ſeine Bruͤder / nachdem ein ieder kinder hatte.
Eben damahls ward die Teurung in allen laͤndern rund heruͤm ie laͤnger ie groͤſſer. Nirgend war broht zu finden. Egipten und Kanaan verſchmachteten vor hunger. Im erſten und itzt verfloſſenem zweiten mis - jahre hatte Joſef / durch den verkauf des getreides / al - les gemuͤntzte gold und ſilber aus Egipten und Ka - naan zuſammengebracht. Nun ging es an das ſilber - werk. Nun brachte man dem Joſef alle ſilberne und guͤldene geſchirre. Alle ringe / alle edele ſteine / alle ſchatz - ſtuͤkke muſten herhalten: ja alles was ſeltzam und koͤſt - lich war. In der wohlfeilen zeit hatte der Schaltkoͤnig / zum einkauffe des getreides / vier Einhoͤrner aus der koͤ - niglichen kunſtkammer zu gelde gemacht. Aber ehe vier hungers jahre verlieffen / waren derer zwoͤlfe vor han - den. Ja er loͤſete vor Korn / in den erſten drei teuren jahren / hundert mahl mehr wieder ein / als er in den vo -rigen287ſechſtes Buch.rigen wohlfeilen ſieben jahren ausgegeben. Dan alle ſchaͤtze aus Aſien und Afriken brachte Joſef / durch dieſes mittel / in die Schatzkammer des Reichs und des Koͤniges zuſammen. Zudem zogen auch viel menſchen aus den uͤmliegenden reichen und laͤndern / ihr leben zu erhalten / in Egipten.
Alſo hatte zu der zeit das Egiptiſche Reich ſeines gleichen nicht / weder an geldmitteln / noch an macht der manſchaft / noch auch an lebensmitteln / in der gantzen welt: welches man / naͤchſt Gott / niemand / als dem ei - nigen Joſef / zu danken. Daruͤm liebte ihn auch ieder - man. Jederman ehrete ihn / als einen Vater / als ei - nen Heiland und Erhalter des gantzen Egiptens. Es war faſt kein haus zu finden / da Fuͤrſt Joſefs Bild - nuͤs / neben dem Koͤniglichen / nicht hing. Ja ſie hetten ihn oͤffendlich / wie ſie es ſchon heimlich taͤhten / gar vor einen Gott angebaͤhtet; wo es Joſef nicht ernſtlich verbohten. Und alſo war es weit gefehlet / daß ihn ei - niger Egiptiſcher Fuͤrſt / wie bei andern Hoͤfen gewoͤhn - lich / beneiden ſollen. Joſef verhielt ſich gegen iederman ſolchergeſtalt / daß er allen hohen Heuptern allen eifer / und alle misgunſt benahm. Sie muſten ihn lieben. Anders konten ſie nicht tuhn. Joſef war derſelbe / der alles verſorgete. Er war derſelbe / der ſeinen Beſchuͤtzer beſchuͤtzte. Er war des Koͤniges Augapfel; der ſtab / darauf er ſich lehnete. Ja er war alles in allen.
Die Mohren und Araber ſpanneten zuſammen. Sie kahmen mit gewafneter hand Egipten zu uͤber - fallen. In ihren laͤndern litte man hunger. Der ſahe ihnen aus den augen. Der machte der Araber grauſa - me geſtalt noch grauſamer; ihr wuͤhtendes hertz noch wuͤhtender; ihre reuberiſche ahrt / noch reuberiſcher / noch bluhtduͤrſtiger. Sie unterſtunden ſich die Egipti - ſchen Kornheuſer zu pluͤndern. Sie unterfingen ſich das getreidig wegzurauben. Aber Joſef begegnete ih -nen288Der Aſſenatnen mit einer gewaltigen macht. Man ſchlug ſie zum Reiche hinaus. Ihr Feldherꝛ ward gefangen. Den ſtelte Joſef / ohne einiges loͤſegeld / auf freien fuß. Darzu verehrte er ihm eine zimliche maͤnge getreides. Darzu vergoͤnte er allen Arabern ein ſicheres geleite. Sie mochten frei und ungehindert in Egipten kom - men / getreide zu kauffen. Aber nicht mehr als hundert auf ein mahl. Hetten ſie kein geld mehr / ſo moͤchten ſie vieh bringen. Kein lebensvorraht ſolte ihnen gewei - gert werden. Durch ſolche freigebigkeit und verguͤnſti - gung / beguͤhtigte Joſef dieſe wilden Voͤlker dermas - ſen / daß ſie ſich uͤberaus friedlich erzeigten. Ja ſie ſchaͤtzten ſich gluͤklich / daß man ihnen lebensmittel / vor geld oder geldeswaͤhrt / zukommen lieſſe.
Inmittelſt wuchs die Teurung immer mehr und mehr an. Die hungersnoht ward ie laͤnger ie groͤſſer. Kein geld / noch andere ſachen / die man zu gelde ma - chen konte / getreide zu kauffen / waren mehr vor han - den. Die Egipter ſchrien uͤm broht. Sollen wir / nun / ſagten ſie zum Schaltkoͤnige / vor hunger ſterben / weil wir kein geld haben? Joſef antwortete: ſchaffet euer vieh her. Da brachten ſie das vieh: und er gab ih - nen broht uͤm ihre pferde / ſchafe / rinder und eſel. Al - ſo ernaͤhrete er ſie daſſelbe jahr / uͤm alles vieh / das ſie hatten / mit brohte. Da nun dieſes vierde jahr uͤm war / kahmen ſie im fuͤnften wieder zu ihm. Wir koͤn - nen / ſagten ſie / unſrem Herꝛn nicht verhalten / daß alles geld und alles vieh hin iſt zu unſrem Herꝛn. Nun haben wir fuͤr ihn nichts mehr uͤbrig / als nur unſre leiber und unſre felder. Waruͤm ſollen wir ſterben fuͤr unſrem Her - ren? Er kauffe uns und unſer land / und gebe uns broht und ſaamen. Wir und unſer land wollen dem Koͤnige leibeigen ſein: damit wir leben und nicht ſterben / auch unſer feld nicht veroͤde. Alſo kaufte Joſef dem Koͤni - ge das gantze Egipten. Dan die Egipter / weil diehun -289ſechſtes Buch.hungersnoht ſo gar groß war / verkauften / einieder / ſei - nen akker. Dergeſtalt ward das gantze land / mit allen einwohnern / dem Koͤnige eigen. Und Joſef teilete das Volk aus in die ſtaͤdte. Aber der Prieſter feld kaufte er nicht. Die behielten ihre freiheit / und aͤkker. Dan der Koͤnig hatte verordnet / daß ſie von dem benanten / da - mit er ſie begnadiget / ernaͤhret wuͤrden.
Als nun Joſef alle Egipter gekauft hatte / da ſprach er zu ihnen: heute habe ich euch und euer feld dem Koͤnige zu eigen gekauft. Da habet ihr ſaamen / und beſaͤet das feld. Von dem gewaͤchſe ſolt ihr den fuͤnften dem Koͤnige geben. Vier teile ſollen euer ſein. Damit koͤnt ihr euer haus / und eure kinder verſorgen. Sie antworteten alle: wan wir nur leben / und gnade fin - den fuͤr unſrem Herren / ſo wollen wir dem Koͤnige gern leibeigen ſein. Alſo machte Joſef ein ewiges ge - ſetz uͤber der Egipter feld: daß der fuͤnfte dem Koͤni - ge gegeben wuͤrde. Aber der Prieſter feld blieb frei.
Hingegen hatte der Schaltkoͤnig / ſo lange die teu - rung waͤhrete / die gantze maͤnge des volkes zu ſpeiſen. Das muſte er tuhn / wan er diejenigen / die er dem Koͤnige zu leibeignen gekauft / nicht wolte verhungern laßen. Er beſtellete dan uͤberal Ausſpender der lebens - mittel. Durch dieſe lies er iedem taͤglich nur ſo viel rei - chen / als die nohtdurft erheiſchete. Davor muſten ſie zu hofe dienen. Sie muſten dem Koͤnige froͤhnen. Weil in den noch waͤhrenden misjahren der akker nur verge - bens beſtellet ward; ſo warden ſie zu andern frohndien - ſten angehalten. Joſef lies niemand ledig gehen. Kei - nem lies er den muͤßiggang zu. Sie warden zum baue der Staͤdte / Schloͤſſer / Tuͤrne / und anderer gebeue ge - brauchet. Teils muſten an den Grab - und Sonnen-ſpi - tzen helfen. Andere muſten Waſſerleitungen / und Fiſchteiche graben. Noch andere die Taͤmme uͤm den Niel und vor den aͤkkern ausbuͤßen und erhoͤhern.
TAuch290Der AſſenatAuch lies Joſef / nach ſeiner eignen erfindung / ein Nielsmaß bauen: welches den groͤſten / kleinſten / und mittelmaͤßigen anwachs des Niels eigendlich an - wieſe. Dieſes ſtund am Ufer des fluſſes. Rund uͤm - her war eine ſtarke ſteinerne mauer gezogen. Von hier ging man / durch eine ſteinerne treppe / hinunter an den brunnen: deſſen waſſer / mit dem Niele / zugleich ſtieg / und fiel. Mitten in dieſem Waſſer / das durch roͤhren aus dem Niele dahin geleitet ward / ſtund das Nielmaß ſelbſten. Es war eine lange marmelſteinerne Seule / mit etlichen gewiſſen zeichen nach oben zu. An denen konte man ſehen / wie hoch ſich der Niel taͤglich erhub. Alſo hielt Joſef nicht allein alle Egipter zur arbeit; ſondern ſtiftete ihm auch / durch ſolche herliche gebeue / ein ewiges gedåchtnuͤs. Ja er zierete dadurch das gan - tze Egipten.
Endlich fand Joſef vor die muhtwilligen faullen - tzer / und andere verbrecher noch eine andere arbeit. Die ward ihnen zur ſtrafe auferlegt. In den Mohrenlaͤn - diſchen Bergen giebt es ſehr viel Goldadern: durch wel - che zu weilen der Niel faͤllet / und den Goldſand abſpuͤh - let. Dieſen fuͤhret er / unter dem andern ſchlamme / mit ſich in Egipten. Aus ſolchem ſchlamme lies Jo - ſef / mit waſchen und reinigen / den goldſand ſamlen. Der ward hernach gantz klein zu ſtaube gerieben / und in ſchmaͤltzkruͤgen geſchmoltzen. Auch ſchikte er ein teil ge - melter verbrecher an die Egiptiſchen grentzen / nach Ara - bien und dem Mohrenlande zu. Alda hatte er / im ge - buͤrge / befunden / daß durch etliche weiſſe marmelrotſen hin goldadern lieffen. Dieſe goldadern muſten ſie / ſamt den ſteinen / aushakken / und in moͤrſeln zum ſtaube ſtos - ſen: darnach den ſtaub auf breiten marmeltafeln noch kleiner reiben / und dan mit waſſer ſo vielmahls abſpuͤh - len / bis ſie das gold vom ſteinichten zeuge geſondert. Endlich ward dieſer geriebene und gereinigte goldſt aub /mit291ſechſtes Buch.mit blei und anderem ertzwerke / in ſchmaͤltztoͤpfe / welche man oben mit erde feſt vermachte / getahn / und auf ei - nem kohlfeuer geſchmoltzen. Und alſo zeigete Joſef den Egiptern / durch die Scheidekunſt / auch das gold - machen: darinnen ſie ſich nach der zeit immer mehr und mehr geuͤbet. Doch hielten ſie es ſo heimlich / daß es an - dere voͤlker nicht nachtuhn ſolten.
Eben uͤm dieſe zeit / da Joſef am allergeſchaͤftigſten war den Egiptern das muͤßiggehen abzugewoͤhnen / trug ſich was wunderſeltzames zu. Der Koͤnigliche Fuͤrſt ſahe die Aſſenat ohngefaͤhr auf der Koͤniglichen burg wandeln. Er ſahe ihre fuͤrtrefliche ſchoͤnheit. Er erblik - te ihr allerliebſeeligſtes weſen. Zur ſtunde ward er ver - liebt. Ein ſtrahl ihrer ſchoͤnen augen verwundete ſein hertz. Dis brante vor liebe. Und dieſe liebe trieb ihn zu einer fremden entſchlieſſung. Er entſchlos ſich den Schaltkoͤnig aus dem wege zu reumen / und die Aſſe - nat zu ehligen. Dieſes vornehmen offenbahrte er dem Gad und Simeon. Er ſuchte ſie zu vermoͤgen / den Joſef zu toͤdten. Eine große maͤnge goldes und ſilbers verhies er ihnen. Darzu ſolten ſie zu großen aͤmtern be - foͤrdert werden. Die verheiſſungen waren groß. Aber ihre bruͤderliche treue war noch groͤſſer. Sie wolten an ihrem Bruder / dem ſie ſo viel guhtes zu danken / keine verraͤhter / keine meuchel moͤrder werden. Sie taͤhten / als hoͤreten ſie nicht. Sie ſchlugen keine achtung auf ſeine worte.
Weil nun dieſer anſchlag dem koͤniglichen Fuͤrſten nicht gelungen / ſo war er auf einen andern bedacht. Mit liſt ſuchte er ſie zu gewinnen. Mit luͤgen vermeinte er zu ſeinem ziele zu bekommen. Er verfuͤgte ſich dan al - lein zu der Magd ſoͤhnen / dem Dan und Gad. Die - ſen rieb er die ohren. Er gab ihnen zu verſtehen: daß ihnen Joſef den tod gedreuet. So bald ihr Vater das heupt legte / ſolten ſie hingerichtet werden. Sie werenT ijnur292Der Aſſenatnur Maͤgdekinder. Sie hetten ihn den Ismaelern ver - kauft. Und noch itzund beneideten ſie ihn. Daruͤm wolte er nicht zulaßen / daß ſie mit ſeinen Bruͤdern er - ben ſolten. Dieſes alles hette Joſef vor den ohren des Koͤniges geredet. Er ſelbſten were darbei geweſen. Was meinet ihr nun / fuhr der Koͤnigliche Fuͤrſt fort? was urteilet ihr von dieſen reden? Habt ihr nun nicht uhrſa - che genug eurem untergange bei zeiten vorzukommen? Wan euer Vater todt iſt / wird es zu ſpaͤhte ſein. Straks mus es geſchehen. Itzund muͤſt ihr den Joſef aufreiben. Ich wil euch etliche reiter darzu verſchaf - fen. Morgen wird er / mit ſeiner Gemahlin / von He - liopel nach Memfis reiſen. Unterwegens wartet ihm auf den dienſt. Schlaget ihn todt. Nehmet die Aſſenat gefangen / und fuͤhret ſie in den buſch. Da wil ich zu euch kommen. Ja ich ſelbſten wil auch mei - nen Vater aus dem wege reumen. Zu gleicher zeit wil ichs tuhn. Und dieſes mus ich tuhn; weil er dem Jo - ſef als ein Vater iſt: damit er ſeinen tod nicht rechen koͤnne.
Mit dieſen liſtigen reden lieſſen ſich Dan und Gad fangen. Darzu kahmen noch große verheiſſungen. Zur ſtunde entſchloſſen ſie ſich. Alſobald griffen ſie zur ſa - che. Straks machten ſie ſich auf. Geſchwinde muſten ihnen dreiſſig reiter folgen. In einem buſche wolten ſie zuſammenkommen. Da ſolte man auf Joſef lauren. Unterdeſſen ging der Koͤnigliche Fuͤrſt des nachts nach des Koͤniges ſchlafkammer zu. Da gedachte er ſeinen Vater hinzurichten. Aber dieſer anſchlag ſchlug ihm fehl. Gott bewahrte den Koͤnig. Die leibwaͤchter wolten ihn nicht hinein laßen. Dem Koͤnige / ſagten ſie / hat das heupt weh getahn. Nun hat er ſich ein wenig zur ruhe begeben. Und wir haben befehl / niemand / auch nicht den Koͤniglichen Fuͤrſten / zu ihm einzulaßen. Das hat er uns ausdruͤklich gebohten.
Weil293ſechſtes Buch.Weil nun der Koͤnigliche Fuͤrſt alhier nichts ſchaf - fen konte / ſo nahm er funfzig kriegsknechte zu ſich. Mit denen eilete er nach dem orte der lauerwache zu; da Gad und Dan in bereitſchaft ſtunden. Eben brach die mor - genroͤhte herfuͤr / als er alda ankahm. Nicht lange dar - nach nahete ſich die Schaltkoͤnigin Aſſenat. Mit ſie - ben hundert teils reitern / teils fußgaͤngern ward ſie be - gleitet. Straks fiel der Koͤnigliche Fuͤrſt auf den vor - trab an. Unverſehens ward er uͤberraſchet. Ploͤtzlich er - hub ſich der ſtreit. Alſobald warden alle / die nicht ſtraks zum gewehre kommen konten / niedergehauen. Ben - jamin ſaß eben bei der Schaltkoͤnigin auf ihrem wa - gen. Dieſer ſahe den Koͤniglichen Fuͤrſten mit gewalt auf ſie zu dringen. Geſchwinde ſprang er aus der kut - ſche. Haſtig nahm er einen ſtein. Damit ſchleiderte er dem Fuͤrſten in ſeine linke ſeite / und traf ihn ſo wohl / daß er ploͤtzlich vom pferde ſtuͤrtzte.
Mitlerweile waren alle der Aſſenat leute / bis auf einen / niedergemaͤtſelt. Der hatte ſich mit der flucht gerettet / und dem Simeon und Levi angezeiget / was ſich begeben. Straks nahmen dieſe alle ſtreitbare maͤn - ner / die bei ihnen waren / mit ſich; und eileten / die Schaltkoͤnigin zu retten. Unvermuhtlich fielen ſie auf die Straßenſchaͤnder zu. Viele ſchlugen ſie todt. Dan und Gad aber flohen in das Papierſchilf / da es am dikkeſten ſtund.
Benjamin / welcher / mit der Schaltkoͤnigin / noch im fliehen begriffen / ward deſſen ſtraks gewahr. Zur ſtunde kante er ſeine Bruͤder. Flugs lies er uͤmkehren. Er fand Simeon und Levi ſehr erhitzt / und im vor - ſatze den Dan und Gad zu toͤdten. Aber er ward ein friedemacher. Er beſaͤnftigte ihren zorn. Er verſuͤh - nete die Bruͤder. Der koͤnigliche Fuͤrſt lag noch auf der ſchaarmuͤtzelſtat. Man hub ihn auf. Man wuſch und verband ſeine wunde. Alſo brachte man ihn zu ſeinemkoͤnigli -295ſechſtes Buch.koͤniglichen Vater. Dem erzehlete man die gantze be - gaͤbnuͤs. Der Koͤnig ſtrafte die ſache nicht. Er dankte ihnen vielmehr / daß ſie ſeines Sohnes geſchohnet / und ihn nicht gar todt geſchlagen. Gleichwohl ſtarb er auf den dritten tag darnach.
Dieſer tod des Koͤniglichen Fuͤrſtens ging dem Koͤ - niglichen Vater ſo zu hertzen / daß er ihm in kurtzer zeit folgete. Neun und neuntzig jahr alt war er / da er ſtarb. Sein Reich befahl er dem Joſef: welcher eben zwoͤlf jahr Schaltkoͤnig geweſen. Dan ſein zweiter Koͤnigli - cher Sohn und kuͤnftiger Nachſas / den ihm Gott in ſei - nem hohen alter gegeben / lag itzund noch an ſeiner Mut - ter bruſt. An deſſen ſtat ſolte Joſef ſo lange herſchen / bis er die jahre erreichet gekroͤhnet zu werden. Dieſes verrichtete er auch ſo treulich / daß man ihn / durch das gantze Egipten / anders nicht nennete / als den Vater des jungen Koͤniges. Ja er wolte rechtſchaffen dank - bar ſein / vor die uͤberſchwaͤngliche gunſt / die ihm der alte Koͤnig Nefrem erwieſen. Daruͤm lies er ihm auch vor der ſtadt Memfis / eine praͤchtige Grabſpitze bauen. Kaum war Nefrem verblichen / als er hierzu ſchon anſtalt machte. Straks warden die ſteine gehauen / und herzu gefuͤhret. Faſt das gantze Egipten muſte helfen. Auch war iederman willig. Keinen antreiber hatte man noͤhtig. Niemand wolte der letzte ſein / mit eigener hand ſeinem Koͤnige die letzte ſchuldigkeit abzuſtatten. Friſch ging der bau fort. Noch zwei jahre waͤhrete der hunger: und faſt ſo lange der ſtilſtand des akkerbaues. Daruͤm ward ſolcher bau in ſo kurtzer zeit weiter ge - bracht / als man ſonſt in zwoͤlf jahren tuhn koͤnnen. Dan als der miswachs aufhoͤrete / ſtund er meiſt in ſei - nem vollen weſen.
Nunmehr beſaͤnftigte ſich der zorn des Himmels. Seine ruhte verſchwand. Die misjahre lieffen zum en - de. Seine vorige ahrt nahm der Niel wieder an. Bis -T iiijher296Der Aſſenather hatte er ſich / als ein karger ſtiefvater / erwieſen. Nun ward er uͤm ſo viel milder. Recht våterlich erzeig - te er ſich uͤber Egipten. Reichlich ergos er ſich. Reich - lich befeuchtete er das lechzende land. Mildiglich traͤnk - te er die duͤrſtigen aͤkker. uͤberflieſſig befruchtete er die unfruchtbaren felder. Indeſſen war Joſef ſchon her - uͤm gezogen. Er hatte zur ſaatzeit ſchon anſtalt gemacht. Er hatte die aͤkker ausgeteilet: die landguͤhter des Koͤ - niges eigenen leuten ausgelehnet; ja alles / was den landbau betraf / durch das gantze Egipten verſorget. Dieſe Land - und lehn-guͤhter ſolten ſie beſitzen und nuͤ - tzen / als ihr eigentuhm. Davor ſolte dem Koͤnige von den eingeaͤrnteten fruͤchten der fuͤnfte teil jaͤhrlich gege - ben werden. Und hierdurch ward ſo wohl den untertah - nen / als dem Koͤnige / maͤrklich geholfen. Dieſem / weil er / und alle ſeine nachkommen zu ewigen zeiten ein großes jaͤhrliches einkommen zu hoffen: und jenen / weil ſie ſo unvermuhtlich wieder zu Landguͤhtern kahmen.
Nach verrichtung ſo vieler muͤhſeeligen ſtahts ge - ſchaͤfte / zog Joſef / mit ſeiner Aſſenat / nach He - liopel / ſich mit ſeinem Vater und Schwiegervater ei - ne zeit lang zu ergetzen. Alda nahm er ſeinen ſitz auf der Sonnenburg: die er / ſeiner Gemahlin zu liebe / ſchon mit pråchtigen gebeuen ergroͤſſert. Auch hatte er nahe darbei den grund gelegt zu einem nicht weniger praͤchti - gem Schuhlbaue. Dieſen bau ſetzte er / durch ſeine ge - genwart / dermaßen fort / daß er in ſechs mohnden vol - endet ward. Inmittels hatte er zu Lehrern albereit die beruͤhmteſten Sternſchauer / und in andern kuͤnſten er - fahrneſten Maͤnner entbohten. Dan er war geſonnen alhier eine Schuhle zu ſtiften / darinnen die jugend in der großen Lehrkunſt ſolte unterwieſen werden. Auch ging alles nach ſeinem ſinne gluͤklich fort. Es war kei - ne Kunſt / die alhier nicht bluͤhete: keine Wiſſenſchaft /die297ſechſtes Buch.die nicht zu ihrer muͤglichſten volkommenheit gelangete. Die Maßkunſt ſtieg uͤberaus hoch: die Sternſchauerei noch hoͤher. Alle Deutkuͤnſte ſo wohl der haͤnde / geſich - ter / geſtalten und gebaͤhrden der Menſchen / als des Ge - ſtirnes ſelbſten / warden alhier geuͤbet. Ja man lehrete / wie man aus den zeichen und zuͤgen der euſerlichen ge - ſtalt die innerliche kraft und beſchaffenheit aller geſchaf - fenen dinge erkennen ſolte. Und alſo erzog und erzielete dieſe Schuhle viel fuͤrtrefliche gelehrte Leute. Sie brach - te der Gelehrten welt einen uͤberſchwaͤnglichen ſchmuk / einen uͤberaus großen nutzen; und ihrem Stifter einen ewigen nahmen.
ASſenat hatte den ſchrik / den ihr der Koͤnigliche Fuͤrſt / durch ſein gewalt - taͤhtiges beginnen / eingejagt / noch nicht vergeſſen. Er lag ihr noch in allen glie - dern. Ja er hatte ſich ſo eingewurtzelt / daß er ſie immer mehr und mehr ſchwaͤchete. Von der zeit an hatte ſie keine recht froͤhliche ſtunde gehabt: wie - wohl der Schaltkoͤnig alle mittel / ſie zu erluſtigen / ge - ſuchet. Auch tåht er es noch alle tage / bald durch luſt - fahrten / bald durch ergetzliche geſpreche / bald durch an - dere kurtzweile. Aber alles half ſehr wenig. Ihre leben - dige farbe verlohr ſich von tage zu tage mehr und mehr. Ihr liebliches angeſicht ward immer bleicher und blei - cher. Ihre zuvor klahre helleuchtende augen verlohren ihren glantz ie laͤnger ie mehr. Die ehmahls ſo lieblich / ſo froͤhlich / ſo anmuhtig ſpielenden blikke warden im - mer ſchwaͤcher und ſchwaͤcher / immer trauriger und trauriger: ja die gebaͤhrden ingeſamt allezeit niederge - ſchlagener. Und alſo lies es ſich mit ihr / wo nicht zum tode / doch zum wenigſten zu einer gefaͤhrlichen krank - heit an.
Auf einen mittag war Joſef / mit ſeiner lieben Aſ - ſenat / bei ſeinem Vater zu gaſte. Bei dieſem mahle befanden ſich auch ihre zween Soͤhne / Manaſſe und Efraim: als auch Joſefs zwee Bruͤder / der aͤlteſte Ruben / und der juͤngſte Benjamin. Man trachtete die Aſſenat auf allerlei weiſe froͤhlich zu machen. Der Ertzvater Jakob ſelbſten ſchien ſeine jugendlichen ſpie - le wieder hervor zu ſuchen. Allerhand ſchertzworte lieser299ſiebendes Buch.
300Der Aſſenater aus. Allerhand kurtzweile ſtellete er an. Und dieſes alles geſchahe unter dem lieblichſten getoͤhne der helklin - genden ſchaͤllenſpiele / unter dem anmuhtigſten klange der ſingenden ſtimmen. Ja es ging ſo hertzlich froͤh - lich / ſo lieblich luſtig / ſo anmuhtig vertraulich zu / daß es ein halbhimliſches wohlleben zu ſein ſchien. Dadurch vermeinte man die traurige Aſſenat zu erfroͤhlichen / ihren unmuht zu vertreiben / ihre ſchwaͤchligkeit zu er - friſchen. Aber wiewohl ſie ſich froͤhlich zu ſein zwang / ſo hatte es doch keinen beſtand. Es waͤhrete nur eine kleine weile. Ploͤtzlich erblaſſete ſie / als eine leiche. Jaͤhligen ward ſie ſtille. Die lippen warden todtenbleich: die au - gen halb gebrochen. Der ahtem blieb zuruͤk. Sie ſank auf ihres Liebſten ſchoß nieder. Jederman erſchrak. Die luſt verſchwand. Die ſaͤnger ſchwiegen. Die ſchaͤllen - ſpiele warden nicht mehr beweget. Die gantze geſelſchaft ward traurig. Joſef ſtrich ihr ſtraks ſeinen ſchlag - balſam unter die naſe. Der Ertzvater tunkte ſein tafel - tuͤchlein in eſſig / und hielt es ihr vor. Benjamin nahm ſafran und ein wenig goldes. Damit rieb er in - wendig das unterſte glied des goldfingers an ihrer lin - ten hand / ihr hertz zu ſtaͤrken. Hierauf erhohlte ſie ſich ein wenig. Hierauf kahm ſie / aus ihrer ohnmacht / wieder zu ſich ſelbſt. Und ſo bald ſie ſprechen konte / be - gehrte ſie zu bette.
Zwiſchen deſſen warden zween Aertzte gehohlet. Einer ſolte das Hertz / der andere das ſchweere durch ſchroͤkken entſtellete gebluͤhte genaͤſen. Dan dazumahl war es bei den Egiptern gebreuchlich / daß ein ieder Artzt nur ein glied des menſchlichen leibes artzneien muſte. Dieſe ur - teileten aus allen uͤmſtaͤnden / daß die unbaͤsligkeit der Schaltkoͤnigin von einem jaͤhligen ſchroͤkken herruͤhre - te. Hiernach richteten ſie auch ihre artzneien. Hier - nach ward die gantze genaͤſung angeſtellet. In drei ta - gen brachten ſie es ſo weit / daß ſie wieder ſo viel kraͤftebe -301ſiebendes Buch.betahm / daß ſie gehen und ſtehen konte. Aber ſich in die luft zu wagen / weil es eben winterte / wolten ſie ihr nicht rahten. Daruͤm blieb ſie noch acht tage bei dem Schwiegervater / ſich was mehr zu erhohlen. Auch er - hohlte ſie ſich / und bekahm ihre kraͤfte zimlich wieder: aber ihre vorige bluͤhende farbe nicht. Die blieb auſſen / ſo lange ſie lebete.
Nach verfloſſenen acht tagen begab ſie ſich wieder auf ihre Sonnenburg. Alda trug ſie belieben die meiſte zeit ihres uͤbrigen lebens zu verſchlieſſen. Joſef be - muͤhete ſich unterdeſſen ſie zu ergetzen / ſo viel als er kon - te. Auch beſuchte ſie der Ertzbiſchof / ihr Vater / faſt al - le tage. Mit dem fuͤhrete Joſef viel reden / die den wahren Gottesdienſt betrafen. Unter andern eroͤfnete er ihm auch den Nahmen Gottes / Jehovah: welchen Er ſelbſt ſeinem Obergroßvater dem Abraham zum allererſten geoffenbahret. Darneben erklaͤhrete er deſ - ſelben ſin und eigendlichen verſtand. Dieſes gefiel dem Ertzbiſchoffe ſo wohl / daß er in das Heliopelſche Goͤ - tzenhaus der Sonne von ſtunden an dieſe worte mit guͤldenen buchſtaben / in Egiptiſcher ſprache / ſchreiben lies: Ich bin / der da war / der da iſt / und der da ſein wird: meine dekke hat niemand iemahls aufgedekt. Auch warden ſie nachmahls in die mei - ſten Egiptiſchen Goͤtzenheuſer gleichesfals geſchrieben. Ja ſelbſt uͤber der Weisheit Goͤtzenbilde / welches an - ders nicht / als die Iſis oder Aſſenat ſelbſten / ſein ſol - te / laſe man / in ihrem Goͤtzenbaue zu Sais / folgende uͤberſchrift: Ich bin das algemeine Alles / das ge - weſen iſt / das noch iſt / und das zukuͤnftig ſein wird: meine ſtrahldekke hat kein ſterblicher ie - mahls aufgedekt.
Aſſenat ſelbſten / welche nunmehr der Welt ſchon abgeſtorben zu ſein ſchien / hatte ihre ſonderliche luſt in dergleichen geſpråchen. Faſt von nichts anders / alsdem302Der Aſſenatdem lebendigen Gotte / wolte ſie hoͤren In keinen an - dern / als in Goͤttlichen dingen / ſchoͤpfte ſie freude. Schwatzte ſchon iemand von der Welt / und weltli - chen ſachen; ſo gingen doch unterdeſſen alle ihre gedan - ken nach dem Himmel und den himliſchen dingen zu. Da war ihr gantzes hertz. Dieſes ging ihr / mit den ohren / zugleich auf / wan ihr liebſter Joſef davon zu ſprachen begunte. Immerfort reitzte ſie ihn darzu an. Fort und fort fragte ſie dis und das / bald vom Goͤttlichen weſen / bald vom zuſtande der Engel / bald von der freude der Menſchen / die ſie in jenem leben zu gewarten. Und wan der Schaltkoͤnig ſeiner reichsgeſchaͤfte wegen ver - reiſen muſte; ſo lies ſie ihr unterdeſſen allezeit etwas aus dem Buche Enochs / welches ihr Jakob vereh - ret / durch ihren Sohn Manaſſe / vorleſen / und in die Egiptiſche ſprache uͤberſetzen. Ja dieſes Buch hat - te ſie ſo lieb / daß ſie es nachmahls / als es gantz uͤberge - ſetzt war / ſelbſten allezeit laſe. Und konte ſie eine und andere dunkele rede nicht verſtehen / ſo ſuchte ſie bei ih - rem Gemahle derſelben erklaͤhrung.
Zu dieſer der Aſſenat Gottesfurcht / kahm auch ei - ne ſonderliche Barmhertzigkeit gegen die nohtduͤrftigen. Eine große Liebe gegen ihren bedraͤngten und nohtleiden - den naͤchſten lies ſie leuchten. Die hungrigen ſpeiſete ſie. Die durſtigen traͤnkte ſie. Den kranken verſchafte ſie artzneien. In den ſieben hungersjahren ermahnete ſie ihren Ehherꝛn taͤglich / der armen nicht zu vergeſſen. Auch warden ſie / auf ihr ſtaͤhtiges anhalten / ſo wohl verſorget / daß kein einiger noht litte. Und noch itzund er hielt ſie ihrer viele. Ihre milde hand ſtund gegen ſie allezeit offen. Des Morgens / wan ſie aus ihrem bette ſich erhoben / fand ſich ſchon eine große maͤnge vor ihrer tuͤhre. Die pflegte ſie ihre gaͤſte zu nennen. Denen tei - lete ſie reichlich mit. Sehr freundlich ſprach ſie ihnen zu. War iemand von dieſen ihren gaͤſten krank / dem erſchienſie303ſiebendes Buch.ſie als eine Aertztin / als eine Heilandin. Mit eigner hand richtete ſie die genaͤßmittel zu. Auch muſten ihre Stahtsjungfrauen taͤglich waſſer brennen aus aller - hand kreutern. Zu gewiſſen zeiten / da ſie am kraͤftig - ſten waren / lies ſie dieſelben ſamlen. Hierzu hatte ſie ihre ſonderliche Kreuterweiber. Die brachten ihr tåg - lich / was ſie begehrete. Und alſo begab ſich Aſſenat / uͤm der armen kranken willen / auf die Artzneikunſt. Darinnen kahm ſie in kurtzer zeit zu ſo hohen verſtande / daß ſie faſt alle krankheiten gluͤklich genaͤſete. Dadurch erlangte ſie einen großen ruhm durch das gantze Egip - ten. Ihre Weisheit lobeten alle. Ihren verſtand in der Heilkunſt erhub man bis an den himmel. Ja es kahm endlich ſo weit / daß ſie der gemeine man / auch ſchon vor ihrem tode heimlich / und nach demſelben oͤf - fendlich / vergoͤttlichte. Man machte ſie zu einer Goͤt - tin der Weisheit. Man ehrete ſie als eine Goͤttin der Artzneikunſt. Man ſchrieb ihr derſelben erfindung zu. Und weil ſie zugleich die armen mit brohte verſorget / båhtete man ſie auch an als eine Frucht - und Zehr-goͤt - tin. Alle dieſe ehre geſchahe ihr unter den nahmen Iſis.
Mitlerweile hatte der Ertzvater Jakob erfahren / wie ſeine ſoͤhne Dan / und Gad ſich an ſeiner Schwie - gertochter verbrochen. Er hatte vernommen / daß ſie uhrſache waren an ihrer unbaͤsligkeit. Er hatte ver - ſtanden / daß ſie dem Koͤniglichen Fuͤrſten / in ſeinem boͤſen anſchlage / die hand gebohten: ohne welche zu ei - ner ſo frefelhaften unterwindung er nie wuͤrde gekom - men ſein. Daher war er uͤber ſie zornig. Daher durf - ten ſie vor ſein angeſicht eine lange weile nicht kommen. Er wolte ſie vor ſeine Kinder nicht mehr erkennen. Ja ſie ſolten kein anteil an ſeiner verlaßenſchaft haben. Gantz ſolten ſie ausgeſtoßen und enterbet ſein. Aſſe - nat aber beſaͤnftigte ſeinen zorn. Ihre langmuͤhtigkeitwar304Der Aſſenatwar ſo groß / daß ſie ihnen alles vergab. Ihre leidſam - heit war ſo uͤbermaͤßig / daß ſie ſolches verbrechens auch nicht einmahl wolte gedacht haben. Eine ewige undacht ſolte zwiſchen ihr und ihnen ſein. Daruͤm baht ſie ih - ren Schwiegervater / wan er ſie lieb hette / als ſeine Toch - ter / daß er ſeinen Soͤhnen ſolchen fehler verzeihen wol - te / gleichwie ſie ſelbſten ihnen alles verziehen. Er ſolte keinen has tragen. Er ſolte an kein boͤſes gedenken. Er ſolte von nun an die ſonne nicht mehr uͤber ſeinen zorn untergehen laßen. Ja ſie lies nicht eher nach / als bis ſie ihn beguͤhtiget / und ſeine Soͤhne bei ihm ausge - ſuͤhnet.
Nachdem es dieſe Liebſeelige ſo weit gebracht hatte; nachdem ſie dieſe verſuͤhnung geſtiftet: da lies ſie ſich beduͤnken / als hette ſie alle ihre geſundheit wieder ge - wonnen. Vor großen freuden befand ſie ſich auch eine guhte zeit ſehr wohl. Eine guhte weile ſpuͤhrete ſie keine beſchweerung. Alles ihr ungemach ſchien als ver - ſchwunden. Der Schaltkoͤnig war hieruͤber von hertzen erfreuet; als auch mit ihm der gantze hof. Nie war er milder geweſen gegen die duͤrftigen. Nie hatte er ſo rei - che armenſpenden ausgeteilet / als itzund. Und hierdurch teilete er zugleich den armen ſeine freude mit. Dieſe frohlokten. Dieſe ruͤhmeten ſeine freigebigkeit. Ja ſie wuͤndſchten ihm / und ſeiner Aſſenat tauſend geſun - der jahre.
Aber wie nichts unbeſtaͤndiger iſt / als die zeit; ſo ſeind auch alle / die in der zeit leben / mit lauter unbe - ſtaͤndigkeit uͤmfangen. Und wie nichts veraͤnderlicher / nichts fluͤchtiger iſt / als die zeit; ſo iſt auch die zeitliche geſundheit / die zeitliche freude / ja alles was zeitlich iſt / der flucht und veraͤnderung unterwofen. Wan die freude auf das hoͤchſte gekommen / dan mus man den - ken / daß die traurigeikeit bald folgen werde. Man hat - te ſich uͤber die ſcheinbare geſundheit der Aſſenat kaumer -305ſiebendes Buch.erfreuet; da ward / durch einen jaͤhligen uͤberfal / ſol - che freude ſchon geſtoͤhret. Ploͤtzlich fiel ſie in eine hefti - ge krankheit. Die hielt ſo hart an / daß ſie innerhalb neun tagen geſund und todt war.
Als nun die Schaltkoͤnigin vermaͤrkte / daß ihr ende herzunahete; da ermahnte ſie ihre zween Soͤhne / ihr vertrauen auf den wahren lebendigen Gott / den Gott ihres Vaters Joſefs / zu ſetzen. Dem ſolten ſie an - hangen. Den ſolten ſie lieben und ehren. Der wuͤrde ihr ſchirm und ſchild ſein; und ihnen geben / was ih - nen erſprieslich. Auch baht ſie ihren lieben Ehherꝛn / ihre ſtelle zu vertraͤhten / und nicht nur als ein Vater / ſondern auch als eine Mutter / vor ihre Ehpflantzen ſorge zu tragen. Endlich nahm ſie abſcheid von allen / und befahl ihre Seele dem Schoͤpfer aller dinge. Und alſo ſtarb die fromme Aſſenat im einundvierzigſten jahre ihres alters / und im zwanzigſten ihrer ehe; als Joſef das funfzigſte / Manaſſe das neunzehende / und Efraim das achtzehende lebensjahr erreichet.
Dieſer ſo fruͤhzeitige hintrit einer ſo tugendvolkom - menen und alles ruhmes wuͤrdigen Fuͤrſtin veruhrſach - te eine große trauer durch das gantze Egipten. Je - derman war betruͤbt. Das gantze Volk vergaß aller ſeiner freude. Die Armen beweineten ihre Ernaͤhrerin. Die Kranken beklagten ihre Aertztin. Die Bedraͤng - ten bejammerten ihre Erretterin. Die Angefochtenen betrauerten ihre Beſchirmerin. Wo man ſich hinwen - dete / da hoͤrete man ein klaͤgliches kaͤrmen / ein erbaͤrm - liches jammern; zuvoraus im Schaltkoͤniglichen Ho - fe. Da konte man nicht aufhoͤren zu kaͤrmen. Die Stahtsjungfrauen wolten ſich kaum troͤſten laßen; ſo gar hatte ſie der ſchmertz beſeſſen. Die Hoͤflinge waren als vor den kopf geſchlagen. Das gantze Hofgeſinde ging und wimmerleichte. Ja die zween hinterlaßene jun - ge Herren waren faſt aus ihnen ſelbſt uͤber den verluſtVihrer306Der Aſſenatihrer Mutter. Der Schaltkoͤnig aber blikte zwar ſeiner lieben Gemahlin mit uͤberaus traurigen augen nach. Gleichwohl wuſte er ſeine traurigkeit dermaßen zu maͤs - ſigen / daß ſich iederman daruͤber verwunderte. Er wu - ſte ſeine ſchmertzen dermaßen zu verbergen / daß man ihm euſerlich kaum einige traurigkeit anſahe. Und was wolte er auch viel trauren uͤber eine ſo liebe Seele / die der Himmel ſelbſt liebete / ja ſie ſo liebete / daß er ſie ſeiner freude teilhaftig gemacht. So wolte es Gott ha - ben. Das war ſein gnaͤdiger wille. Wider den wolte Joſef / durch eine alzuuͤbermaͤßige trauer / nicht mur - ren. Vielmehr unterwarf er ihm ſeinen willen. Viel - mehr war er zu frieden / daß Gott ſeine Gemahlin aus ſo vielen truͤbſaalen geriſſen.
Sobald die trauerzeit vorbei war / ward der Aſſe - nat Leiche / durch die gewoͤhnlichen traͤger / in das Balſemhaus gebracht / gebalſemet zu werden. Den Balſemern befahl man ihren beſten fleis zu tuhn. Kei - ne koſten ſolten ſie ſpahren. Daruͤm bedung man auch keinen preis. Keine gemahlte Leichenbilder / darnach das balſemen ſonſten geſchahe / warden gezeiget. Man nahm es an auf das allerkoͤſtlichſte zu balſemen. Und das ward auch treulich verrichtet. Erſtlich zogen ſie mit einem krummen eiſen / durch die naſeloͤcher / das Ge - hirn aus dem heupte. Das legten ſie in ihren zugerichte - ten ſiedendheiſſen pechbalſam / ſo lange / bis er ſich gantz hinein gezogen. Dieſer Pechbalſam war aus Juͤdenlei - me und todtenpeche / mit mirren / hartze vom balſam - baume / zimmet und andern dergleichen ſachen vermaͤn - get / geſotten. Darnach ſchnitten ſie mit einem ſchar - fen Mohrenlaͤndiſchem ſteine das weiche des leibes von - einander. Das eingeweide nahmen ſie heraus. Die - ſes reinigten ſie zuerſt / und ſpuͤhleten es mit Foͤnizi - ſchem weine wohl ab. Darnach beſtreueten ſie es mit geſtoßenen gewuͤrtzen / mit mirren / zimmet und andernwohl -307ſiebendes Buch.wohlriechenden ſachen: doch hierzu nahmen ſie keinen Weihrauch / als welcher den Goͤttern geheiliget. Da - mit fuͤlleten ſie auch das hohle des Leibes: und fuͤgten das eingewand wieder hinein. So bald dieſes geſche - hen / legten ſie den Leichnam ſiebenzig tage lang in ſaltz. Nach verlauf dieſer ſiebenzig tage / ward er gewaſchen; und uͤber und uͤber mit ſeidenen tuͤchern / wuͤndelweiſe geſchnitten / nachdem man zuvor ein guͤldenes blech un - ter die zunge geleget / uͤmwunden. Hierauf lieſſen ſie ihn in obgemeltem ſiedendheiſſem Pechbalſam ſo lange wei - chen / bis der balſam ſich in die innerſten teile des leibes hineingezogen. Und dan ward der Leichnam erſt her - ausgenommen / und bei dem feuer ſo lange getruknet / bis es alle feuchtigkeit verzehret.
Dieſe ſo koͤſtlich gebalſemte Leiche ſchikte man end - lich wieder auf die Sonnenburg. Da ward ſie noch mit andern ſeidenen wuͤndeln uͤmwunden / und in ei - nen mit dichtem golde uͤberzogenen ſark / aus einem Egiptiſchen feigenbaume gehauen / geleget. Dieſe wuͤn - deln oder vielmehr dekkleider beſtrich man mit einer kreidichten pappe / darunter wachs und pech gemaͤnget. Und ſolches geſchahe daruͤm / damit ſie nicht verfaulen / und die heilige Bilderſchrift uͤm ſo viel eher und feſter faſſen koͤnten. Auf das oberſte dekkleid / das man gantz uͤberguͤldete / ward der Aſſenat Bildnuͤs / und noch an - dere bilder der Egiptiſchen Prieſterſchrift / mit unver - gånglichen farben / gemahlet. Auch ſchrieb man recht vor ihre bruſt den Nahmen Gottes Jehovah / mit Ebreiſchen buchſtaben. Auf den ſark / der nach unten zu immer ſchmaͤhler und ſchmaͤhler gehauen / ſtund ihr Bildnuͤs ebenmaͤßig geſchnitten / und mit allerhand farben uͤbermahlet. Vor der bruſt dieſes bildnuͤſſes wa - ren ſieben ringweiſe gezogene ſtriche oder kreuſe / mit et - lichen kenzeichen der heiligen Bilderſchrift aus gezieret / zu ſehen. Gemelte ſchrift kahm auf folgenden ſin aus:V ijDer308Der AſſenatDer da war / der da iſt / und der da ſein wird / mache / durch ſeine Goͤttliche kraft / die Abgeſtor - bene ſeelig.
Nachdem nun der Aſſenat Leichnam wider die ver - weſung mit balſemen / und mit dem koͤſtlichſten leichen - ſchmukke genug verſehen war; da ward ſie endlich in ihres Vaters / des Heliopelſchen Ertzbiſchofs / pråchti - ges Grabmahl / mit gewoͤhnlichen trauergepraͤngen / beigeſetzt. Die liebe / die ihr Joſef in ihrem leben zu - getragen / konte er nicht vergeſſen / ſo lange er lebete. Daruͤm vermochte ihn auch niemand zu bereden zur zweiten vermaͤhlung zu ſchreiten. Man ſchlug ihm zwar dieſe und jene Fuͤrſtin vor. Man ſuchte ihn / durch gaſtereien / mit dem ſchoͤnſten und fuͤrnehmſten Frauen - zimmer bekant zu machen. Aber er hatte beſchloſſen ein einſames leben zu fuͤhren. Er hatte den witwenſtand erwehlet. Er hatte die keuſchheit zu ſeiner liebſten er - leſen. Darbei blieb er beſtaͤndig. Davon konte niemand ihn abbringen. Hatte er in ſeiner jugend das Frauen - zimmer geflohen; hatte er ihren uͤmgang vermieden: ſo taͤht er es itzund noch vielmehr. Er hielt ſich ſtaͤhts al - lein / als ein einſamer Turtelteubrich / dem ſein Teub - lein geſtorben. Ob er ſchon in der beſten zeit ſeines le - bens war / ob er ſchon ſeine beſte kraft noch hatte; ſo war es doch ferne von ihm auf eine andere Gemahlin zu den - ken. Noch ſechzig jahre lebte er nach ſeiner liebſten Aſ - ſenat tode. Aber in aller dieſer zeit kahmen ihm nicht die geringſten fråuersgedanken in den ſin. Er war einig und allein bedacht / Gott und dem Koͤnige zu dienen.
Aber Manaſſe und Efraim / Joſefs ſoͤhne / die nunmehr ihre jahre zu erreichen begunten / waren ge - neugter zur ehe. Sie waren ſo ſcheu vor der Liebe nicht. Sie mochten ein ſchoͤnes Frauenzimmer wohl ſehen. Und hierinnen ahrteten ſie weder Vater / noch Mutter nach. Es war auch kein wunder. Sie warden erzogenals309ſiebendes Buch.
310Der Aſſenatals junge Fuͤrſten. Sie hatten ihr anteil an der herlig - keit ihres Vaters. Sie zogen auf in koͤſtlichen kleidern. Sie waren ohne einige ſorge. Sie lebten in hoͤchſter gluͤkſeeligkeit. Sie hatten uͤberal einen freien zutrit. Die ſchoͤnheit / die ihnen von beiden Eltern angebohren / machte ſie beliebt. Die tugend / die geſchikligkeit / die liebſeeligkeit / die alle ihr eigentuhm waren / brachten ſie in gunſt. Daher war auch kein Frauenzimmer / das ihnen nicht mit liebesblikken begegnete. Und davor flo - hen ſie keinesweges. Sie waren nicht ſchuͤchtern. Sie durften ihnen wohl unter augen traͤhten.
Aſanel / eine einige Tochter und erbin des Reichs - ſchatzmeiſters / war dem Manaſſe mit liebe ſehr zuge - tahn / und er ihr auch nicht weniger. Lange zeit lag dieſe liebes gluht unter der lodderaſche verborgen. Techos / des Reichskantzlers Sohn / kahm endlich darzwiſchen. Er begunte bei der Aſanel auch haken anzuſchlagen. Er gab ihr ſeine liebe zu erkennen. Sie aber wieſe ihn ab. Sie gab vor / daß ſie ihrem Vater auf ſeinem todbette verſprochen / unverehligt zu bleiben. Daher moͤchte er ſeine liebe nur auf eine andere werfen. Bei ihr were nichts auszurichten. Sie hette gaͤntzlich beſchloſſen in ewiger keuſchheit zu leben. Sie hette ihr feſtiglich vor - geſetzt keinen ihre lebetage zu lieben. Das ſei ihr ſchlus; den wolte ſie nicht uͤmſtoßen. Das ſei ihr vorſatz; der ſtuͤnde nimmermehr zu veraͤndern. Techos hoͤrete die - ſes mit traurigem hertzen an. Er verſtumte ſo gar / daß eine guhte weile kein wort aus ſeinem munde ging. Doch ſchoͤpfte er endlich wieder muht. Er hielt aber - mahl an. Und dieſes anhalten waͤhrete ſo lange und mit ſolcher ungeſtuͤhmigkeit / bis Aſanel ihm endlich geboht nimmermehr wieder vor ihr angeſicht zu kommen.
Inzwiſchen hatte Manaſſe einen freien zutrit. In deſſen gegenwart war Aſanel viel anders geſinnet. Viel311ſiebendes Buch.Viel anders klungen ihre reden. Dem Techos kahm dieſes zu ohren. Was wolte er tuhn? Er konte ſich nicht raͤchen. Wider den Schaltkoͤniglichen Fuͤrſten durfte er nichts vornehmen. Das ſchmertzte ihn am allermeiſten. Und dieſer ſchmertz bewog ihn zu einer fremden entſchlieſſung. Er lies ſich oͤffendlich verlau - ten / ihm das leben zu verkuͤrtzen. Auch ſchrieb er ſol - ches der Aſanel ſelbſten. Dieſer brief war ſo klaͤglich / und ſo vol der allertraurigſten reden / daß er ſie zum mit - leiden bewog. Sie beklagte ſein ungluͤk. Sie bejammer - te ſeine ſchmertzen. Sie hette ſie ihm gern benommen. Aber ſie fand keinen raht. Endlich offenbahrte ſie es dem Manaſſe. Sie erzehlte die gantze ſache. Ma - naſſe riet ihr des Techos liebe auf eine andere zu len - ken. Aber wie? fragte die Aſanel; Manaſſe gab zur antwort: unter meines Großvaters Jakobs leuten / hat einer eine ſehr ſchoͤne Tochter / die beweglich ſchwa - tzen und meiſterlich liebeuglen kan. Dieſe wil ich / aufs ſchoͤnſte gebutzt / zu ihr ſenden. Unterdeſſen kan ſie dem Techos einen zutrit vergoͤnnen. Wan er ankoͤmt / las - ſe ſie ihn durch dieſes ſchoͤne Maͤgdlein in den ſaal fuͤh - ren / und eine zeit lang allein unterhalten. Sich ſelbſten kan ſie entſchuldigen / daß ſie eben fremde leute bei ihr hette: doch wolte ſie bald zu ihm kommen. Auch mus man dem Maͤgdlein eingeben / daß ſie ſich aufs aller - freundlichſte gegen ihn anſtelle. Ich weis / ſie wird ihn ſtraks verliebt machen. Straks wird ſie ſeine liebe ge - winnen.
Aſanel nahm dieſen vorſchlag an. Sie lies dem Techos ihren willen / ihn zu ſprechen / zuentbieten. Das ſchoͤne Maͤgdlein ward ihr geſchikt. Den verlieb - ten Techos muſte ſie empfangen / und / an der Aſanel ſtat / unterhalten. Uberaus lieblich blikte ſie ihn an. Aus der maße freundlich waren ihre reden: welche ſie mit einem anmuhtigen laͤchlen vermiſchte. EiniederV iiijblik312Der Aſſenatblik war ein pfeil: einiedes wort eine angel: einie der lach ein ſtruͤk. Techos ward auf einmahl verwundet / gefangen / und verſtruͤkt. Hatte ihn Aſanel verliebt gemacht / ſo machte ihn die ſchoͤne Ebreerin noch tau - ſendmahl verliebter. Und dieſe liebe war ihm ſo ſuͤße / daß er der bitterkeit aller ſeiner ſchmertzen vergaß. Der verdrus / den ihm Aſanel zugefuͤget / war gantz ver - ſchwunden. Ja er wuͤndſchte wohl tauſendmahl / daß Aſanel ihm nimmermehr ihre gegenwart goͤnte. Und alſo zog Techos von dieſer ſeine liebe gantz ab / und warf ſie auf die ſchoͤne Ebreerin.
Als nun Aſanel endlich hineinkahm / da war ſie zum hoͤchſten verwundert / daß ſie ihren Liebhaber ſo gar ploͤtzlich veråndert ſahe. Sie wolte ſich entſchuldigen / daß ſie ſo lange von ihm geblieben. Er aber gab zur ant - wort: ihm were gleichwohl die zeit nicht lang gefallen. Er habe ſich bei der ſchoͤnen Ebreerin ſo wohl befun - den / daß ihm eine ſtunde ſchnaͤller / als ein augenblik / vergangen. Aſanel war froh / daß ihr dieſer liſtgrif ſo wohl gelungen. Sie war froh / daß ſie des Techos auf dieſe weiſe loß worden / und zugleich ſeinen gefa - ſten fremden vorſatz vereitelt. Nun konte ſie die lie - be / die ſie dem Manaſſe zutrug / ſicherer blikken laßen. Nun durfte ſie dieſelbe ſo gantz nicht mehr ver - bergen.
Manaſſe kahm des andern morgens ſeiner Aſanel aufzuwarten / und zugleich aus ihrem munde zu ver - nehmen / ob die ſchoͤne Ebreerin daß Wild / in ihrem gehaͤge / gefangen. Seine erſte worte / nach erwieſenen hoͤfligkeiten / waren: wie iſt geſtern der fang gelungen? Seind der Ebreerin pfleile auch maͤchtig genug gewe - ſen den Hirſch zu faͤllen? Aſanel antwortete: die ſchoͤne Ebreerin hat ihr meiſterſtuͤkke in der jagt dermaßen erwieſen / daß ſie billich eine Jagt - und Liebe-goͤttin zu nennen. Ihr pfeil wuſte ſie ſo behaͤnde und ſo gerade zuſchieſ -313ſiebendes Buch.ſchieſſen / daß ſie des Techos hertz recht in die mitte ge - troffen. Eh ich ankahm / war ſchon alles geſchehen. Techos war gantz verwundet; und die Jaͤgerin ſahe / mit muͤßigen haͤnden / zu / wie ſein hertz zappelte / ſeine augen dreheten / ſeine haͤnde boͤbeten. Manaſſe frag - te weiter: wie iſt es endlich abgelauffen? Seine Liebſte gab zur antwort: ſehr wohl. Dan da wir noch ein vier - teilſtuͤndlein miteinander ſprache gehalten / brachte Techos dieſelbe / die ihn verwundet / auf ſeiner kutſche nach hauſe. Ob ſie nun alda ſeine wunde wird verbun - den haben / weis ich nicht.
Eben als ſie von dieſer jagt redeten / kahm die Jaͤge - rin ſelbſt an. Eben traht die ſchoͤne Ebreerin in das zimmer. An ihrem goldfinger erblikte Aſanel zur ſtun - de den Demantring / den Techos geſtern an ſeinem ohr - finger getragen. Daruͤber war ſie zum hoͤchſten verwun - dert. Und daruͤm fragte ſie ſtraks: ob man ihr gluͤk wuͤndſchen ſolte? Der ſchoͤnen Ebreerin ſtieg / unter einem lieblichen laͤchlen / eine gelinde / doch anmuhtige roͤhte ins angeſicht. Eben ſo anmuhtig war auch ihre antwort. Wan Sie mich urteilet in dem ſtande zu ſein / ſagte ſie / daß man mir gluͤk wuͤndſchen ſol; ſo habe ich ſolches gluͤk Ihr allein zu danken. Und eben daruͤm bin ich auch fruͤher / als Sie begehret / anher kommen. Aber woher urteilet Sie ſolches? fing ſie zu fragen an. Aus dem zeichen an ihrem goldfinger / gab Aſanel zur antwort. So ſol dieſer Ring das zeichen ſein? fragte die ſchoͤne Ebreerin ferner. Den habe ich ſchon lange gehabt. Er iſt freilich ein unfehlbahres zeichen / antwor - tete Aſanel; ja ein rechtes wahrzeichen. Und eben ſo lange iſt es nicht / als ich ihn den Techos tragen ſahe. Aber wie iſt er ſo bald an ihren finger gerahten? Weil nun die ſchoͤne Ebreerin ſahe / daß Aſanel den ring alzu wohl kennete; ſo wolte ſie ihr zugeſtoßenes gluͤk nicht laͤnger verbergen. Sie beichtete frei heraus / undP vſag -314Der Aſſenatſagte: daß ihr Techos denſelben nur vor einer ſtunde zugeſchikt. Auch wieſe ſie zugleich ſein beigefuͤgtes
IHre ſchoͤnheit / ihre freundſeeligkeit / ihre klugſinnigkeit hat mich gefangen. Und ich wil auch gern gefangen bleiben. Zum zeugnuͤſſe deſſen ſchikke ich Ihr eingelegten Ring / mit bit - te / ihn guͤnſtig anzunehmen. Dieſe gunſt wird mir genug ſein / mich zu verſichern / daß ſie mich eben ſo treulich meinet / als ich Sie. Die liebe / welche Sie in meinem hertzen angezuͤndet / hat mich zu dieſer entſchlieſſung bewogen. Und hierbei kan Sie feſtiglich gleuben / daß ſolche lie - be beſtaͤndig ſein werde. Dergleichen hoffe ich auch von Ihr. Anders darf ich nicht hoffen. Das gebietet oder verbietet ihre Tugend. Ihre leutſeeligkeit leſt es nicht zu. Ja ich taͤhte ſuͤnde / wan ich zweifelte. Und alſo lebe ich vergnuͤgt. Mein hertz iſt geruhig: mein gemuͤht befriedigt. Gegen den abend verhoffe ich die ehre zu haben Sie zu ſehen. Ich wolte / daß er ſchon da were. So ſehr verlanget mich nach ihrer gegenwart. Doch ich zweifle nicht mit eheſtem den tag zu ſe - hen / welcher der anfang ſein wird unſerer ſtaͤhti - gen beiwohnung. In deſſen bin und verbleibe ich / bis an meinen letzten ahtemzug /
Meiner Schoͤnen treuergebneſter Techos.
War Aſanel uͤber den Ring verwundert geweſen / ſo war ſie es uͤber dieſen Brief noch vielmehr. Kaum konte ſie ihr einbilden / daß ihn Techos geſchrieben. Aber ſie kennete ſeine hand. Daruͤm muſte ſie es gleu - ben. Sehet! ſagte ſie / wie maͤchtig die Liebe iſt. Sie kan den hochmuht zu bodem ſchmeiſſen. Sie kan den trotz baͤndigen. Techos war vor dieſem ſo hochmuͤhtig / daß er ſich uͤber alles erhub: und itzund erniedrigt er ſich dermaßen / daß er gleichſam auf den kniehen vor ihr lieget. Er war ſo trotzig / daß er niemand etwas zuvor - gab: und nunmehr hat er ſich durch einen blik ihrer ſchoͤnen augen ſo gar feſſeln laßen / daß er ſich willig un - ter ihr joch buͤkket. Sie iſt in wahrheit gluͤklich: weil ſie ſo viel vermocht / als das gantze Egiptiſche Frauen - zimmer nicht vermoͤgen konte. Er bildete ihm ein / man muͤſte ihn wohl ohne das lieben. Er gab gewislich nicht viel guhte worte. Er trotzete / ich weis nicht wor - auf. Er pochete / ich weis nicht womit. Und gleich - wohl wolte er geliebet ſein. Das habe ich Ihr ja zu - vor geſagt / fing Manaſſe hierauf an. Ich wuſte es wohl / daß es alſo gehen wuͤrde. Dieſe kunſt kan gegen - waͤrtige ſchoͤne Ebreerin. Dieſe kraft haben die ſtrah - len ihrer augen. Damit kan ſie alles / was gewaltig iſt / uͤberwaͤltigen. Alſo ſchertzete Manaſſe: und nach etlichen mehr dergleichen reden / ſchieden ſie vonein - ander.
Mitlerweile nahete die zeit herbei / daß Jakob ſter - ben ſolte. Daruͤm lies er ſeinen ſohn Joſef zu ſich ru - fen / ihm zu ſagen / wie es mit ihm / nach ſeinem tode / ſolte gehalten werden. Habe ich gnade fuͤr dir gefunden / ſagte er / ſo lege deine hand unter meine huͤfte. Gelobe mir an / daß du die liebe und treue an mir tuhn wolleſt / mich nicht in Egipten zu begraben. Dan ich wil in Kanaan / bei meinen Vaͤtern / liegen. Da lieget A - braham und Sara. Da ruhet Iſaak und Rebek -ka. 316Der Aſſenatka. Da habe ich meine Lea / und meine liebſte Ka - hel hingeleget. Ja ſelbſt Adam / unſer algemei - ner Vater / und Eva / unſerer aller Mutter / liegen alda / zu Hebron / begraben. Da wil ich dan auch lie - gen. Dahin fuͤhre mich aus Egipten / und laß mich in unſer erbbegraͤbnuͤs ſetzen. Joſef antwortete: ich wil tuhn / wie du geſagt haſt. Israel aber ſprach weiter: ſo ſchwoͤre mir. Und Joſef ſchwuhr ihm. Da neugte ſich Jakob vor Joſefs Reichsſtabe / und wendete ſich zu baͤhten / nach dem hauptende / nach dem heiligen Lan - de zu.
Als nun Israel kurtz darnach ſehr krank war / da machte ſich Joſef / mit ſeinen zwee Soͤhnen / auf / ihn zu beſuchen. Zur ſtunde ſagte man ihm an: ſiehe! dein ſohn Joſef komt zu dir. Und Israel machte ſich ſtark / und ſetzte ſich im bette. Der almaͤchtige Gott / ſagte er zu Joſef / erſchien mir zu Lus / im lande Kanaan; und ſeegnete mich. Siehe! ſprach er / Ich wil dich wachſen laßen. Ich wil dich mehren / und zum hauffen Volks machen. Ich wil dieſes Land deinem Saamen nach dir ewiglich zu eigen geben. So ſollen nun deine zween Soͤhne / Efraim und Manaſſe / die dir in E - gipten gebohren worden / eh ich hinein kommen / mein ſein / gleichwie Ruben und Simeon. Welche du aber nach ihnen zeugeſt / ſollen dein ſein; und genennet wer - den / wie ihre Bruͤder in ihrem erbteile. Dan da ich aus Meſopotamien kahm / ſtarb mir Rahel zu geſchwin - de weg / in Kanaan / nicht weit von Efrat; alſo daß ich keine kinder mehr von ihr bekahm. Und ich begrub ſie daſelbſt am wege bei Efrat / die nun Betlehem heiſſet.
Nachdem Jakob dieſes geſagt hatte / ſahe er die Soͤhne Joſefs / und ſprach: wer ſeind dieſe? dan ſei - ne augen waren dunkel worden vor alter / daß er nicht wohl ſehen konte. Joſef antwortete: es ſeind meineSoͤh -217[317]ſiebendes Buch.Soͤhne / die mir Gott alhier gegeben. Und Jakob ſag - te: bringe ſie her zu mir / daß ich ſie ſeegne. Joſef brachte ſie zu ihm. Und er kuͤſſete und hertzete ſie. Sie - he! ſagte er zu Joſef / ich habe dein angeſicht geſehen / das ich nicht gemeinet hette. Und Gott hat mich auch deinen Saamen ſehen laßen. Hierauf nahm ſie Joſef von ſeinem ſchoße / und neugte ſich zur erde gegen ſein angeſicht. Er nahm ſie aber beide / Efraim in ſeine rechte hand / gegen Iſraels linke; und Manaſſe in ſeine linke hand / gegen Israels rechte; und alſo ſtelte er ſie vor ihn. Doch ſtrekte Israel ſeine rechte hand aus / und legte ſie auf Efraims des juͤngſten heupt / und ſeine linke auf Manaſſes heupt: dergeſtalt / daß ſie kreutz - weiſe zu liegen kahmen. Das taͤht er wiſſendlich: dan er wuſte wohl / das Manaſſe der erſtgebohrne war. Und er ſeegnete den Joſef / und ſprach: Gott / fuͤr dem meine Vaͤter / Abraham und Iſaak / gewandelt ha - ben / Gott / der mich meine lebetage / bis auf dieſen tag / ernaͤhret hat / der Engel / der mich von allem uͤbel erloͤſet / der ſeegne die Juͤnglinge / daß ſie nach meinem / und nach meiner Vaͤter / Abrahams / und Iſaaks / nah - men genennet werden / daß ſie wachſen / und vervielfaͤl - tiget werden auf erden.
Als aber Joſef ſahe / daß ſein Vater die rechte hand auf Efraims heupt legte / gefiel es ihm uͤbel. Und er nahm ſeines Vaters rechte hand / ſie von Efraims auf Manaſſes heupt zu legen. Nicht alſo / ſagte er / mein Vater. Dieſer iſt der erſtgebohrne. Lege deine rechte hand auf ſein heupt. Aber ſein Vater weigerte ſich / und ſprach: ich weis es wohl / mein Sohn / ich weis es wohl. Dieſer ſol auch ein Volk werden / und wird groß ſein: aber ſein juͤngſter Bruder wird groͤſſer / als er / ja ſein ſaame ein ſehr großes Volk werden. Und alſo ſeegnete er ſie / und ſprach: wer in Israel iemand ſeegnen wil / der ſage: Gott ſetze dich / wie Efraim undMa -218[318]Der AſſenatManaſſe. Solcher geſtalt ſetzte er Efraim dem Manaſſe vor. Weiter ſprach Jakob zu Joſef: ſiehe! ich ſterbe; und Gott wird mit euch ſein. Er wird euch wieder in das Land eurer Vaͤter bringen. Ich habe dir ein ſtuͤkke landes gegeben / auſſer deinen Bruͤdern. Das habe ich / aus der hand der Amoriter / mit meinem bogen und ſchwerte gewonnen.
Auch lies Jakob alle ſeine Soͤhne zuſammenru - fen. Verſamlet euch / ſagte er / daß ich euch verkuͤndi - ge / was euch in kuͤnftigen zeiten begegnen wird. Komt zu hauffe / und hoͤret zu / ihr Kinder Jakobs. Hoͤret euren Vater Israel. Ruben / mein erſter Sohn / du biſt meine kraft / und meine erſte macht / der oberſte im opfer / und der oberſte im reich. Er fuhr leichtfaͤrtig dahin / wie waſſer. Du ſolt nicht der Oberſte ſein. Dan du biſt auf deines Vaters lager geſtiegen. Daſelbſt haſtu / im aufſteigen / mein bette beſudelt. Nun folgen die Bruͤder Simeon / und Levi. Ihre ſchwerter ſeind moͤrderiſche waffen. Meine Seele komme nicht in ihren raht. Dan in ihrem zorne haben ſie den Man erwuͤrget: und in ihrem muhtwillen haben ſie den Och - ſen verderbet. Verflucht ſei ihr zorn / daß er ſo heftig iſt; und ihr grim / daß er ſo ſtoͤrriſch iſt. Ich wil ſie zerteilen in Jakob / und zerſtreuen in Israel. Ju - dah du biſt es. Dich werden deine Bruͤder loben. Dei - ne hand wird deinen feinden auf dem halſe ſein. Fuͤr dir werden deines Vaters kinder ſich neugen. Judah iſt ein junger Leue. Du biſt hoch kommen / mein Sohn / durch großen ſieg. Er hat niedergekniehet / und ſich ge - lagert / wie ein Leue / und wie eine Leuin. Wer wil ſich wider ihn auflehnen. Es wird der Reichsſtab von Judah nicht entwendet werden / noch ein Meiſter von ſeinen fuͤßen / bis der Held kommet. Und dem - ſelben werden die Voͤlker anhangen. Er wird ſein Fuͤllen an den Weinſtok binden / und ſeiner Eſelinſohn219[319]ſiebendes Buch.
320Der Aſſenatſohn an den edelen Reben. Er wird ſein kleid im weine waſchen / und ſeinen mantel im weinbeeren - bluhte. Seine augen ſeind roͤhtlicher / dan wein; und ſeine zaͤhne weiſſer / dan milch. Sebulon wird am anfurte des Meers wohnen / und am anfurte der ſchiffe. Er wird reichen bis an Sidon. Iſaſchar wird ein beinerner Eſel ſein / und ſich lagern zwiſchen die grentzen. Und er ſiehet die ruhe / daß ſie guht iſt; und das land / daß es luſtig iſt. Er hat aber ſeine ſchul - tern geneuget zu tragen; und iſt ein zinsbahrer knecht worden. Dan wird Richter ſein in ſeinem Volke / wie ein anderes Geſchlecht in Israel. Dan wird eine Schlange werden auf dem wege / und eine Natter auf dem ſteige. Er wird das Pferd in die ferſen beiſſen / daß ſein Reiter zuruͤkfalle. HERꝛ / ich warte auf dein heil. Gad geruͤſtet / wird das heer fuͤhren / und wieder heruͤmfuͤhren. Vom Aſer komt ſein fettes Broht: und er wird den Koͤnigen zugefallen ſein. Naftali iſt ein ſchnaͤller Hirſch / und giebt ſchoͤne rede. Joſef wird wachſen. Er wird wachſen / wie an einer kwaͤlle. Die Toͤchter lauffen auf die mauren den ſchoͤnen Juͤngling zu ſchauen / in koͤniglicher pracht. Und wiewohl ihn die Schuͤtzen zoͤrgen / und wider ihn kriegen / und ihn verfolgen; ſo bleibet doch ſein boge feſt / und die aͤrme ſeiner haͤnde ſtark / durch die haͤnde des Maͤchtigen in Jakob. Aus ihnen ſeind kommen Huͤrten und Steine in Israel. Von deines Vaters Gott iſt dir geholfen / und von dem Almaͤchtigen biſtu geſeegnet: mit ſeegen des himmels von oben herab / mit ſeegen von der tieffe / die hierunten liegt / mit ſeegen an bruͤſten und beu - chen. Die ſeegen deines Vaters gehen ſtaͤrker / dan die ſeegen meiner Voreltern / nach wundſche der Ho - hen in der welt; und ſollen kommen auf das heupt Joſefs / und auf die ſcheitel des Naſir unter ſeinen Bruͤdern. Benjamin iſt ein reiſſender Wolf. Desmor -321ſiebendes Buch.morgens wird er den raub freſſen; aber des abendes ihn austeilen.
Alſo ſeegnete Jakob ſeine zwoͤlf Soͤhne / einen ieden mit ſeinem ſonderlichen ſeegen. Und als er alle dieſe ſeegen volbracht hatte / geboht er ihnen und ſagte: Ich werde verſamlet zu meinem volke. Begrabet mich bei meine Vaͤter / in der hoͤhle auf dem akker Efrons aus den kindern Hets: in der zweifachen hoͤhle / die gegen Mamre lieget / im lande Kanaan; die Abraham kaufte / zuſamt dem akker / vom Efron aus Hets kin - dern zum Erbbegraͤbnuͤſſe. Alda haben ſie Abraham begraben / und Sara ſeine frau. Alda haben ſie auch Iſaak begraben / ſamt ſeiner Fraue Rebekka. Alda habe ich ebenmaͤßig die Lea begraben / in der hoͤhle des akkers / der von den kindern Hets gekauft iſt. Alda wil ich auch / daß man mich begraben ſol. Als nun Jakob alle dieſe und andere gebohte mehr an ſeine kinder vol - endet hatte / da taͤht er auf dem bette ſeine fuͤße zuſam - men / und verſchied / und ward verſamlet zu ſeinem Volke. Joſef aber fiel auf ſeines Vaters angeſicht / und weinete uͤber ihm / und kuͤſſete ihn. Alſo ſtarb Ja - kob / als er ſiebenzehen jahr in Egipten geweſen / im hundert und ſiebenundvierzigſten ſeines alters / und im ſechsundfunfzigſten des alters ſeines Sohns Joſefs.
Sobald die erſten trauertage verlauffen / befahl Jo - ſef den Aertzten / die ihm bedient waren / ſeines Vaters Leichnam zu balſemen. Und ſie balſemeten ihn vierzig tage lang. Auch beweineten ihn die Egipter ſiebenzig tage. Nach verlauf dieſer zeit redete Joſef mit den Hofbedienten des jungen Koͤniges: der nunmehr das funfzehende jahr erreichet. Mein Vater / ſagte er / hat einen eid von mir genommen / als er ſterben wolte / daß ich ihn im lande Kanaan / in ſeinem eigenen Grab - mahle / begraben ſolte. Daruͤm erweiſet mir die freund -Xſchaft /322Der Aſſenatſchaft / und redet mit dem Koͤnige / daß er mich laße. Ich wil hinauf ziehen meinen Vater zu begraben / und wiederkommen. Die Hofbedienten gehorchten ihm al - ſobald. Und der Koͤnig gab ſeinen willen darein. Alſo zog Joſef hinauf ſeinen Vater zu begraben. Und es begleiteten ihn alle Bedienten des Koͤniges / die fuͤr - nehmſten ſeines Hauſes / und die fuͤrnehmſten des gan - tzen Egiptens. Auch zogen mit ihm / alle ſeine Leute / alle ſeine Bruͤder / und das geſinde ſeines Vaters. Nur ihre kinder / ſamt ihrem viehe / lieſſen ſie im lande Geſ - ſen. Und alſo hatte Joſef ein uͤberausgroßes heer bei ſich.
Da ſie nun an die Tenne des Dornbuſches kah - men / welche jenſeit dem Jordan lieget / hielten ſie eine ſehr große und bittere klage. Und Joſef trug leid uͤber ſeinen Vater ſieben tage. Die Kananeer / des landes einwohner / ſahen dieſes Leichengepraͤnge bei der Tenne des Dornbuſches / und ſprachen untereinander; die Egipter halten alda eine große klage. Und daher heiſſet man den ort der Egipter klage. Hierauf taͤhten die Kinder Israels / wie er ihnen befohlen hatte; und fuͤhreten und begruben ihn in die zweifache Hoͤhle des akkers / den Abraham vom Efron gekauft hatte / mit der Hoͤhle / zum Erbbegraͤbnuͤſſe.
Nachdem ſie nun ihren Vater begraben hatten / tru - gen die Bruͤder Joſefs ſcheu mit ihm in Egipten zu - ruͤkzuziehen. Dan ſie fuͤrchteten ſich / er wuͤrde nun - mehr / weil ihr Vater todt ſei / alle boßheit / die ſie an ihm veruͤbet / raͤchen. Daruͤm ſchikten ſie Ruben / als welcher an ihrem verbrechen keine ſchuld hatte / zu ihm ab. Und durch dieſen lieſſen ſie ihm anmelden: dein Vater befahl uns vor ſeinem tode / dir ſeinet wegen zu ſagen: lieber! vergib deinen Bruͤdern ihre miſſetaht und ihre ſuͤnde / damit ſie uͤbel an dir getahn haben. So vergib dan nun ei lieber! die miſſetaht uns / den knech -ten323ſiebendes Buch.ten des Gottes deines Vaters: und vergilt uns ja nicht / was wir an dir verſchuldet. Rechne uns die ſchmaach / damit wir dich beleidiget / nicht zu: und laß uns allen deine gnade widerfahren.
Dieſe worte gingen dem Joſef ſo nahe zu hertzen / daß er bitterlich zu weinen anfing. Ja er ward noch hefti - ger zum wehleiden beweget / als ſie ſelbſten kahmen / und ſich vor ihm auf die kniehe niederwarfen; als er hoͤrete / daß ſie ſagten: ſiehe! wir ſeind deine knechte. Das hertz brach ihm. Sehr freundlich / ſehr liebſeelig ſprach er ſie an. Fuͤrchtet euch nicht / ſagte er: dan ich bin unter Gott. Ihr gedachtet es boͤſe zu machen: aber Gott gedachte es guht zu machen. Er gedachte es ſo zu machen / daß er taͤhte / was er getahn hat zur erhaltung vieler voͤlker; wie itzt am tage iſt. Daruͤm ſetzet alles misvertrauen bei ſeite. Gedenket / daß unſer ſeeliger Vater mir meine Soͤhne genommen / und ſie zu ſeinen Soͤhnen / und euch zu Bruͤdern gemacht. Gedenket / daß ich euch hierdurch naͤher verbunden bin / als zuvor iemahls. Ja gedenket / daß unſer Vater dieſes unter andern zufoͤrderſt daruͤm getahn / daß ich / nach ſeinem abſterben / eurer aller Vater und eurer aller Verſorger ſein ſolte. Und das wil ich auch ſein. Nicht allein euer Bruder / ſondern auch euer / ja eurer kinder Vater wil ich ſein. Ich wil ſo wohl vor euch / und eure kinder / als meine leiblichen kinder / vaͤterlich ſorgen. Das ſage ich zu. Das gelobe ich. Das ſchwoͤhre ich bei dem Gotte meiner Vaͤter / Abrahams / Iſaaks / und Jakobs.
Als Joſef zu reden aufhoͤrete / fingen ſeine Bruͤder vor freuden an zu weinen; und verſprachen ihm allen kindlichen gehohrſam. Ja ſie verſprachen bei ihm zu le - ben und zu ſterben. Hierauf machten ſie ſich ſaͤmtlich auf. Joſef und ſeine Bruͤder / und alle / die mit ihm hinauf gezogen waren den Ertzvater zu begraben / wen - deten ſich wieder nach Egipten. Alda blieb das HausX ijIs -324Der AſſenatIsraels im lande Geſſen wohnen. Und ſie wuchſen in Egipten und vermehreten ſich uͤber die maße. Jo - ſef aber lebete nach ſeines Vaters abſterben noch vier - undfunfzig jahr: und als er das neunzigſte erreichet / und nunmehr / nach dem letzten willen des verſtorbenen Koͤnigs Nefrems / an des jungen koͤniglichen Fuͤr - ſtens ſtat / achtund vierzig geherſchet; da ſetzte er ihn auf den koͤniglichen Reichsſtuhl / und uͤbergab ihm die Vaͤ - terliche Krohne.
Mitler zeit hatte ſich Joſef der herſchaft ſo getreu - lich angenommen / daß er des Koͤnigreichs wohlſtand immer hoͤher und hoͤher gebracht / ja die koͤnigliche macht dermaßen erhoben / daß kein Koͤnig in der Welt war / der ſo freimaͤchtig herſchete / als der Egiptiſche. Auch ſahe er nunmehr ſeine lieben Soͤhne / den Ma - naſſe und Benjamin / nach hertzens wundſche ver - maͤhlet. Ja er ſahe Efraims kinder / bis in das drit - te glied. Er ſahe Machirs / des Sohnes erſtgebohr - nen Manaſſes / kinder; welche wieder kinder zeu - geten auf ſeinem Schoſſe.
Aber als Joſef nunmehr das hunderte jahr ſeines - alters erreichet; da begunten ihn ſo wohl / als alle kin - der Israels / etliche Raͤhte des Koͤniges anzufein - den. Der große anwachs der Ebreer war ihnen ein dorn in den augen. Sie konten nicht vertragen / daß ein fremdes Volk in Egipten ſo maͤchtig ward. Mit neidiſchen augen ſahen ſie ihre wohlfahrt an. Mit al - lerhand tuͤkkiſchen anſchlaͤgen ſuchten ſie dieſelbe zu faͤl - len. Zwei jahre nacheinander rieben ſie dem Koͤnige die ohren. Ohn unterlaß trachteten ſie ihn wider dis unſchuldige Volk aufzureitzen. Joſef / ſagten ſie / iſt alt. Er iſt ausgemaͤrgelt und unvermoͤgend. Seinen verſtand hat er verlohren. Seine weisheit iſt ihm ent - gangen. Ja er iſt gantz kindiſch worden. Nun iſt es zeit ſein Volk unterzutraͤhten. Nun hat der Koͤnig diebeſte352[325]ſiebendes Buch.beſte gelegenheit daſſelbe zu zeumen / eh es uns zu maͤch - tig wird. Man mus ihm ein joch uͤm den hals werfen. Man mus es froͤhnen laßen; damit es nicht alzuwohl - luͤſtig werde. Man mus ihm den kitzel mit hofedienſten vertreiben. Die koͤnnen dem Koͤnige großen nutzen ſchaffen. Mit dieſen und dergleichen worten hielten ſie fort und fort an. Der Koͤnig aber gab ihnen wenig ge - hoͤhr. Nicht das geringſte konten ſie ausrichten. Ja als ſie ihm endlich ſo gar verdruͤßlich fielen / und den Joſef ſo uͤberaus kindiſch einbilden wolten: da gab er endlich eine ſolche antwort / die eben ſo wohl in ihren ohren nicht klung. Wohlan dan / ſagte er / weil ihr den Joſef vor ſo gar kindiſch haltet / ſo laßet uns erfahren / ob es wahr ſei. Niemand hat bisher raht gewuſt die große ſumpfichte gegend / im Nieder-Egipten / bei der ſee zum lande zu machen. Nun wollen wir verſuchen / was Joſefs kindiſcher raht hierinnen vermag.
Hierauf entboht der Koͤnig den Joſef alſobald. Der entbohtene erſchien: und als er gefraget ward / ob er raht wuͤſte ſolches Geſuͤmpfe trukken zu machen? da antwortete er von ſtunden an / ja. So ziehet dan hin / fuhr der Koͤnig fort / und tuht euer beſtes. Neh - met ſo viel volkes mit euch / als ihr darzu noͤhtig habt. Straks machte ſich Joſef faͤrtig. Zur ſtunde lies er 2000 Graͤber aufbieten. Und mit dieſen fing er das werk an. Erſtlich warden drei tieffe graͤben nach dem Niele zu gezogen. Darnach lies er hierein das waſſer des gantzen Sumpfes / und aus den uͤmliegenden Pfuͤh - len leiten / und in den Niel lauffen. Innerhalb ſie - benzig tagen war dieſes alles verrichtet / und alles waſ - ſer abgezapfet; dergeſtalt daß die gantze gegend bloß und trukken lag.
Nach volzogener arbeit reiſete der Koͤnig / ſamt ſei - nen Raͤhten / darnachzu / das neue land zu beſichtigen. Niemand hatte mehr ehre / als der Schaltkoͤnig. Nie -X iijmand326Der Aſſenatmand ward mehr geprieſen / als er; wiewohl gegen et - licher Raͤhte dank / welche nun rechtſchaffen beſchaͤhmet ſtunden. Sehet! ſagte der Koͤnig zu ihnen / ſehet hier! dieſes werk iſt kein werk von ſiebenzig tagen / ſondern von tauſend: und gleichwohl hat es der Schaltkoͤnig in ſie - benzig tagen volendet. Nach dieſer rede des Koͤniges ward ſolches neugemachte Land auch Elfium / das iſt von tauſend tagen / genennet.
Zuvor war der gemelte gantze landſtrich ein ſtuͤnken - der dampfichter ſumpf geweſen; welcher unter den her - uͤmwohnenden Menſchen viel boͤſe ſeuchen veruhrſachet. Nun aber war es ein trukkenes / zum akkerbau geſchik - tes / und wohnbares land. Zuvor hatte ſein fauler ſchlam anders nichts / als drachen / ſchlangen / nattern / und dergleichen giftiges ungeziefer / erzielet; welche die luft noch mehr vergifteten. Nun aber begunte er ſchon mit Menſchen bewohnet / und mit allerhand fruͤchten bebauet zu werden. Ja er iſt nach der zeit ſo fruchtbahr worden / daß er mehr getreides getragen / als ſonſten faſt alle Egiptiſche laͤnder: auch uͤberdas ſo geſund und luſtig / daß der Koͤnig / als er dieſe gegend nachmahls wieder beſuchet / mit verwunderung uͤberlaut ausgeru - fen: ſehet! ein teil des himliſchen Reichs. Daher ſol auch Schagen / da ſich ſolches begeben / bis auf den heutigen tag das Reich Gottes ſein genennet wor - den. Ja es ſcheinet zugleich / daß / dieſer luſtigen ge - legenheit wegen / die Egiptiſchen Koͤniglichen Fuͤrſten / nach der zeit zu Safe / welches Joſef alda gebauet / ihren hof gehalten.
Nicht allein dieſes gemelte Safe / ſondern auch mehr andere ſtaͤdte hat Joſef alhier geſtiftet. Darun - ter iſt dieſelbe / welche / nach dem gantzen Landſtriche / Elfium oder Fium genennet worden / die fuͤrnehmſte. Vor alters ſol ſie Abid oder Abutich / und Piton / nach einer großen Schlange dieſes ortes / die viel men -ſchen327ſiebendes Buch.ſchen und viehes erwuͤrget / und endlich vom Herkules / darunter etliche den Joſef verſtehen / erleget worden / geheiſſen haben. In dieſer ſtadt hat Joſef ſehr viel herliche und große gebeue aufgefuͤhret: auch ſelbſten ſein Grab bauen laßen; wiewohl etliche ſchreiben / daß dieſes zu Nitriote / in einem winkel zwiſchen zween aͤr - men des Niels / bei dem Seebuſem Meris / geſtanden. Den gemelten und andern ſtaͤdten dieſes ortes hat er zu - gleich ein gewiſſes land und ſonderliche grentzen gege - ben: welche er alle nach der kunſt abgemaͤſſen; und hier - durch den Egiptern mit einem das Landmaͤſſen ge - wieſen.
Die aͤrme des Niels / welche uͤber Alkeir oder dem alten Memfis / nach dem Mohrenlande zu / durch die ehmahls gantz duͤrren Lantſtriche ſtreichen / hatte der Schaltkoͤnig ſchon zuvor graben laßen / und dadurch dieſelben laͤnder auch fruchtbahr gemacht. Und alſo waren ihm die Egipter nur hiervor zum hoͤchſten ver - pflichtet. Auch erkenneten ſie ſolches / in der taht / mit der hoͤchſten dankbahrkeit / nicht allein bei ſeinem leben / ſondern auch / ja noch viel mehr / nach ſeinem tode. Sei - ne Misgoͤnner aber / die ihn in des Koͤniges ungnade zu bringen getrachtet / warden alle / teils durch den ſchlag / teils durch einen andern uͤberfal / ploͤtzlich hingeruͤkt. Das war der lohn vor ihre undankbahrkeit. Das war die ſtrafe vor ihre boßheit; welche zuletzt allen Neid - haͤmmeln das garaus ſpielet.
Alſo trachtete Joſef ohn unterlaß / auch ſelbſten in ſeinem hohen alter / des Koͤnigreichs frommen und nu - tzen zu ſuchen. Allezeit erſon er was neues. Immerzu erdachte er was ſonderliches. Die wohlfahrt des Reichs / das aufnehmen des Koͤniges / die nahrung der Untertahnen behertzigte er mit ſolchem eifer / daß er al - le ſeine ſinnen und gedanken darnachzu lenkte. Den ei - gennutz kente er nicht. Nur der algemeine war ihm be -X iiijwuſt.328Der Aſſenatwuſt. Er wolte ſein amt treulich verwalten. Und das taͤht er auch redlich. Er war ein ſolcher getreuer Stahtsman / daß ich zweifle / ob ſeines gleichen in der gantzen Welt zu finden. Und eben daruͤm ſeegnete ihn Gott ſo uͤberfluͤßig. Er ſuchte keinen reichtuhm: gleich - wohl kahm er ihm von ſich ſelbſt ſo reichlich in den ſchoß. Selbſt im ſchlafe fiel er ihm zu. Wan er ſaß / und ſich uͤm die algemeine wohlfahrt bekuͤmmerte; da truͤpfte / da flos / da ſchos ein guͤldener regen vom Himmel. In - deſſen er vor andere ſorgete / ſorgete der Himmel vor ihn: und belohnete ihm ſeine treue mit uͤberſchwaͤng - lichen guͤhtern.
Wir wollen mehr ſagen? Joſef war ein rechter Lehrſpiegel vor alle Stahtsleute. Er gab ein lehrbild allen Beamten der Koͤnige und Fuͤrſten. Vor dieſen edlen Spiegel moͤchten alle Stahtsleute / alle Amtsleu - te / alle Befehlshaber traͤhten / und ſich beſpiegeln. Hier moͤchten ſie lernen / wie man / durch liebe zur algemei - nen wohlfahrt / ſeine eigene befoͤrdert; wie man durch treue reich wird / und aus vermeidung ſeines eigennu - tzes gleichwohl einen großen nutzen ziehet. Dan wan ſie dieſem Spiegel folgen / ſo wird ihre eigene wohlfahrt / ihr eigener reichtuhm / ihr eigener nutz von ſich ſelbſten bluͤhen. So wird er gruͤhnen / und nicht verwelken. So wird er wachſen / und nicht verſchwinden. So wird er beſtehen / und nicht vergehen.
Aber darbei muͤſſen ſie auch nicht ihre eigene ehre ſelbſt ſuchen. Und ſolches werden ſie gleichmaͤßig aus dieſem Spiegel ſehen. Joſef ſuchte keinen ruhm / kei - ne ehre vor ſich. Er trachtete allein treulich / redlich und aufrichtig ſeinem Naͤchſten zu dienen. Gleichwohl fiel ihm ein uͤberſchwaͤnglich großer ruhm / und eine unver - gaͤngliche ehre zu. Hette er in befoͤrderung der algemei - nen wohlfahrt ſeine eigene ehre geſucht; hette er ſolches nur daruͤm getahn / damit er geruͤhmet wuͤrde: ſo we -ren329ſiebendes Buch.ren gewislich ſeine anſchlaͤge / wie weislich und kluͤglich ſie auch erſonnen waren / ſo wohl nicht gelungen. Auch wuͤrden ſie ihm nimmermehr zu ſolcher ehre gediehen ſein. Keines weges wuͤrde er ſolchen ruhm vor aller Welt erlanget haben. Und wir ſelbſt wuͤrden dieſen lobſpruch ihm nicht zueignen koͤnnen. Und alſo gab Joſef in alle ſeinem tuhn Gott allein die ehre. Aus einfaͤltigem hertzen taͤht er alles; und was er taͤht / ſchrieb er Gott zu. Und daruͤm ward auch ſein tuhn ge - ſeegnet. Daruͤm ging alles ſo wohl von ſtatten. Dar - uͤm fiel ihm auch reichtuhm und ehre zu. Dieſe waren der lohn ſeiner ſo einfaͤltigen treue.
Nach der zeit / da Jakob dieſe welt geſeegnet / waren ihm faſt die meiſten ſeiner Soͤhne ſchon gefolget. Aber Benjamin und Naftali lebeten noch. Die hatte Jo - ſef unter ſeinen Bruͤdern ſonderlich lieb: dieſen / weil ihn Bilha / ſeiner Mutter magd / auf ihrer huͤfte gebohren / und ihn Rahel daher / als ihren eigenen ſohn / geliebet: jenen aber am allermeiſten / weil er ſein einiger leiblicher Bruder war. Beide muſten faſt ſtaͤhts uͤm ihn ſein; ſonderlich Benjamin. Und hatte er ie - mand was wuͤchtiges anzumelden / ſo ward Naftali ausgeſchikt. Dan dieſer war geſchwinde vom geiſte / und raſch auf den fuͤßen. Daruͤm hatte ihn auch ſein Vater zu allerhand bohtſchaften gebraucht / ja ſelbſt in ſeinem letzten willen einem Hirſche verglichen. Hatte Joſef einige muͤßige ſtunden / ſo ergetzte er ſich mit ih - nen in geſpraͤchen von vielerhand dingen. Sonderlich aber hoͤrete er von denen / die ſich / in ſeinem abweſen / unter ſeinen Bruͤdern begeben / gern reden. Unter an - dern erzehlete ihm Naftali auf eine zeit ſeine treume: darinnen ſich Joſef alle mahl mitbefunden. Und daher hatte Jakob gemuhtmaßet / daß Joſef noch lebete.
Im vierzigſten jahre ſeines alters hatte er folgenden Traum. Er ſahe die Oehlberge auf der oſt ſeite der ſtadtX vJe -330Der AſſenatJeruſalem: und die Sonne / ſamt dem Mohne / ſtille ſtehen. Auch hoͤrete er ſeinen Großvater Iſaak zu ſeinen Bruͤdern ſagen: lauft hin / einieder nach ſei - nem vermoͤgen: dan die Sonne und der Mohn koͤn - nen ergriffen werden. Darauf lieffen ſie alle zugleich ſo ſtark / als ſie konten / darnachzu. Levi ergrif die Son - ne; Judah aber den Mohn: und ſie warden beide / mit den Lichtern / aufgehoben. Hierauf gab ein Juͤng - ling dem Levi / der gleich als die Sonne glaͤntzete / zwoͤlf Palmenzweige. Judah aber / der wie der Mohn blinkte: hatte zwoͤlf ſtrahlen unter ſeinen fuͤßen. Beide ergriffen und hielten einander. Darnach ſahe er einen Stier mit großen hoͤrnern / und Adlers - fluͤgeln auf dem ruͤkken. Dieſer ſtund uͤber dem Erd - bodem. Und ſie wolten ihn ergreiffen: aber Joſef kahm ihnen zuvor / und fing ihn; auch ward er / mit ihm / in die hoͤhe gehoben. Endlich ſahe er eine heilige ſchrift / welche alſo lautete: die Aſſirer / Meder / Elami - ter / Galater / Kaldeer / und Sirer ſollen / durch gefaͤngnuͤſſe / den Reichsſtab beſitzen.
Sieben mohnde darnach hatte er abermahl einen Traum. Er ſahe ſeinen Vater Jakob / mit allen ſei - nen Soͤhnen / in der Jammiſchen ſee ſtehen. Und ein Schif / mit getruknetem Fleiſche beladen / kahm / ohne ſchiffer und ſteuerman / mit vollem lauffe geſegelt. Auf dieſem ſchiffe ſtund geſchrieben: dis iſt Jakobs ſchif. Und Jakob ſagte zu ſeinen Soͤhnen: laßt uns in unſer ſchif gehen. Aber ſobald ſie in das ſchif getraͤh - ten waren / da erhub ſich ein großes unwetter / und der wind ſtuͤrmete dermaßen / daß alles erkrachte. Hierauf ging Jakob von ihnen / nach dem ruder zu. Der ſturm ſchlug ſie von einer ſeite zur andern / und trieb ſie ſee - waͤrtsein. Das ſchif ward bald hier / bald dort gegen den grund angeſchmiſſen; und bekahm ſo große ſpalten / daß es vol waſſers lief. In dieſer gefahr flohe Joſef indas331ſiebendes Buch.das Boht / das am ſchiffe hing: und die andern Bruͤ - der ergriffen zehen breter. Hierauf hielten ſie ſich feſt / und warden / durch den ſturm / einer hierhin / der andere dorthin / voneinander getrieben. Aber Levi zog einen ſak an / und baht den HERꝛn vor ſie alle. Sobald nun dieſer große ſturm geſtillet war / gelangte das Boht unbeſchaͤdigt zu lande. Und Jakob kahm endlich auch an / alſo daß ſie ſich ſaͤmtlich erfreueten.
Joſef hoͤrete / mit großer aufmaͤrkung / allen dieſen und dergleichen erzehlungen zu. Er erwog ſie bei ſich in ſeinem hertzen: und ſahe wohl / was der Allerhoͤchſte mit Levi und Judah beſchloſſen. Auch ſagte er zu ſeinen Bruͤdern: dis ſeind keine eitele Treume. Gott wil uns dadurch anzeigen / was kuͤnftig geſchehen ſol. Gewislich wird einieder erfuͤllet werden zu ſeiner zeit. Und daruͤm beweiſet den Staͤmmen Levi / und Ju - dah ihre gebuͤhrende ehre. Dan aus dieſen Staͤmmen wird das Lam Gottes entſpruͤßen: durch deſſen gnade wird das Heidentuhm / ſamt Israel / erhalten und ſeelig werden. Sein Reich wird ein ewiges unver - gaͤngliches Reich ſein. Aber mein Reich ſol in meinen Kindern volendet werden / als eine bewahrung der Aep - fel. Dan nach der aͤrnte wird man es nicht mehr ſehen.
Mitlerzeit maͤrkte Joſef / daß ſeine ſterbeſtunde ſich alhand zu nahen anfinge. Daruͤm lies er / bei geſunden tagen / ſeine Soͤhne / Manaſſe und Efraim / ſamt ih - ren Kindern / als auch ſeine Bruͤder / die noch bei leben waren / zu ſich kommen. Die ermahnete er alle / daß ſie bruͤderlich / friedlich / und eintraͤchtig untereinander le - ben: auch ſich beſtaͤndig an den Gott ihrer Vaͤter / Abra - hams / Iſaaks und Jakobs / halten / und ihn nicht verlaßen ſolten. Ja er gab ihnen zugleich zu verſtehen: es ſei ihm wohl bewuſt / daß ſie / nach ſeinem tode / von den Egiptern ſehr wuͤrden geplaget und beaͤngſtiget wer - den. Aber der Allerhoͤchſte wuͤrde ſie heimſuchen / undaus332Der Aſſenataus Egipten in das Land Kanaan fuͤhren: welches er ſchon vorlaͤngſt ihren Vaͤtern verſprochen. Und daruͤm muſten ſie ihm / mit einem eide / angeloben / daß ſie ſeinen Leichnam alsdan / wan ſie Gott heimſuchte / mit ſich hinweg fuͤhren wolten. Dan imfal ihr meine Gebeine / ſagte er / mit euch fuͤhret / ſo wird Gott / wider die Egipter / im lichte / mit euch ſein; und der Teufel / in der fuͤnſternuͤs / mit den Egiptern. Auch befahl er ihnen zugleich / daß ſie ihre Mutter Silpa ebenmaͤßig mitnehmen / und zur Bilha / nicht weit von ſeiner Mutter Rahel / begraben ſolten.
Kurtz hiernach gelangte / von Aſtarot aus dem lan - de Uz / ein Bluhtsverwanter des beruͤhmten und maͤchtigen Jobs / des Fuͤrſtens zu Edom / an. Die - ſer brachte dem Joſef eine ſehr betruͤbte zeitung. Er erzehlte ihm / wie Job auf einen tag viererlei ſehr gros - ſe ungluͤksfaͤlle gehabt. Eben an dem tage / ſagte er / da ſeine ſieben Soͤhne / ſamt ſeinen drei Toͤchtern / die er mit euer Schweſter Dina gezeuget / in des erſtgebohr - nen hauſe ſaßen / und guhter dinge waren; da kahm ein bohte zum Job / und zeigete ihm an / daß die Sabeer aus dem reichen Arabien die Rinder vom pfluge / ſamt den Eſelinnen aus der weide / weggeraubet / und alle ſeine Knechte / bis auf ihn / der allein entronnen / todtgeſchlagen. Als dieſer noch redete / kahm einander / der brachte die zeitung: das feuer Gottes ſei vom Him - mel gefallen / und hette Schaͤfer und Schafe verbrant / alſo daß nur er allein uͤbrig geblieben. Kaum hatte der knabe ausgeredet / da kahm abermahl einander / welcher meinen Vetter mit dieſen worten anredete: die Kal - deer / ſagte er / kahmen / mit drei hauffen / auf die Ka - mehle gefallen / nahmen ſie weg / und hieben alle Huͤhter nieder. Ich allein bin darvon gelauffen / damit ich die zeitung braͤchte. Naͤhrlich waren ihm dieſe worte aus dem munde / da kahm der vierde. Der brachte die aller -be -333ſiebendes Buch.betruͤbteſte zeitung. Ach! ſagte er / eure Soͤhne und Toͤchter aßen und trunken im hauſe ihres aͤlteſten Bru - ders; da kahm ein großer ſturmwind aus der Wild - nuͤs / und ſties ſo gewaltig auf die vier[e]kken des hau - ſes / das es uͤber einen hauffen fiel / und alle menſchen erſchlug / bis auf mich / der ich allein der gefahr ent - kommen.
Weil nun dieſer fromme Job ſich dem Joſef nicht allein ſeiner Schweſter Dina wegen / ſondern auch von ſeinem Obergroßvater Abraham her / deſſen Bru - ders Nahors ſohn er war / mit bluhtsfreundſchaft zu - getahn befand; ſo ging ihm ſein ungluͤk ſehr nahe zu her - tzen. Er erſchrak und entſetzte ſich ſo heftig uͤber dieſer unvermuhteten zeitung / daß er eine guhte weile kaum reden konte. Ja als er vernahm / daß dem frommen Job des andern tages darauf noch ein fuͤnftes ungluͤk zugeſtoßen / und ſein gantzer leib uͤber und uͤber mit boͤ - ſen blattern geſchlagen worden: da ward er noch viel - mehr zum wehleiden bewegt. Ach! ſagte er / geſchiehet dieſes am gruͤhnen holtze / was wird am duͤrren geſche - hen? Job iſt ſchlecht und recht; er iſt Gottesfuͤrchtig; er meidet das boͤſe: und hierinnen hat er ſeines gleichen nicht. Gleichwohl hat ihm ein ſo gar großes ungluͤk be - gegnen muͤſſen. Gleichwohl iſt ihm ein ſo unertraͤgli - ches kreutz aufgelegt worden. Ach! wir arme Menſchen / was ſeind wir? Mus der froͤmmeſte alſo leiden; was / werde dan ich / und einander / die wir lange ſo from nicht ſeind / leiden muͤſſen? Doch was wil ich ſagen? Es iſt ein zeichen / daß Gott ihn hertzlich liebet; weil er ihn ſo vaͤterlich zuͤchtiget. Dan es iſt einmahl gewis / daß wir ſchweerlich anders / als durch viel truͤbſaal / und zeitli - ches leiden / zur ewigen freude gelangen koͤnnen. So mus es ſein. Darzu ſeind wir in dieſer zeitligkeit be - ſtimt. Ich habe das meinige auch erfahren. Meine ſeelige Liebſte hat kreutzes und leidens genug / und ich ih -rent -334Der Aſſenatrentwegen / ausgeſtanden. Meine liebe Aſſenat. Hier blieb die rede ſtekken. Weiter konte ſie nicht fort. Der ſchmertz haͤmmete die zunge. Endlich folgeten die traͤh - nen / welche ſtrohmsweiſe uͤber die wangen floſſen.
Die tafel zum abendeſſen war ſchon gedekt. Die ſpeiſen warden aufgetragen. Aber den Schaltkoͤnig hatte der ſchmertz ſo eingenommen / daß er nicht eſſen konte. Daruͤm befahl er ſeinem Sohne Efraim / und ſeinem Bruder Benjamin / die eben bei ihm waren / daß ſie ihrem angelangten Bluhtsfreunde geſelſchaft halten ſolten. Er inzwiſchen begab ſich zu bette / nach - dem er gegen ſeinen gaſt ſich zum beſten entſchuldiget. Efraim begleitete ihn in ſein ſchlafzimmer: da er ihm / im ſcheiden / abermahl befahl / dem Gaſte zu ſagen / daß er auf den morgenden tag ihm ſelbſt geſelſchaft zu halten verhofte.
Aber Joſef / es ſei / daß das ſchroͤkken uͤber das un - gluͤk des Jobs / oder der ſchmertz uͤber das andenken ſei - ner lieben Aſſenat ihn uͤbermeiſtert / brachte die gantze nacht ſchlafloß zu. Und darbei war er ſo ſchwach / daß er kaum luft zu hohlen vermochte. Ja ſein hertz befand ſich anders nicht / als zwiſchen zwei bretern eingeklaͤm - met. Er vermeinte zwar als der tag angebrochen / auf - zuſtehen. Aber er war ſo mat / daß er nicht konte. Sei - ne Leibaͤrtzte warden gehohlet. Dieſe urteileten von ſtunden an aus ſeinem weſen und ſchlage / daß dieſe machtloßheit aus einer heftigen gemuͤhtsbewegung herruͤhrete: welche das hertz und heupt verletzet. Dar - uͤm verordnete ihm der eine ſtraks etliche Hertzartzneien. Der andere verſchrieb ihm einige Hauptmittel die ver - unruhigten ſinnen zu beſaͤnftigen / und den ſchlaf zu er - wekken. Dieſe taͤhten zwar ihre wuͤrkungen / ſo viel ſie in einem alten und ſchwachem leibe vermochten. Der Schaltkoͤnig fuͤhlete zwar einiger maßen linderung. Das hertzklopfen verlohr ſich. Die ohnmaͤchtigkeit liesnach.335ſiebendes Buch.nach. Der ſchlaf fand ſich wieder. Doch gleichwohl hatte er ſo viel kraͤfte nicht / daß er aufſtehen konte. Auch vermochte der Magen keine ſpeiſe anzunehmen.
Zween tage lang blieb er ohne einige nuͤtzung der ſpeiſe liegen. Endlich richtete ihm der Magenartzt auch eine Magenartznei zu. Dieſe wuͤrkte ſo viel / daß er luſt bekahm zuerſt ein Huͤhnerſuͤplein einzuſchlurfen: dar - nach auch vom Huͤhnlein ſelbſten zu eſſen. Doch meiſt behalf er ſich mit Mandelmuͤſern. Hierdurch bekahm er ſo viel kraͤfte / daß er am fuͤnften tage ſich aus dem bette erhub / ja ſelbſten ſeinem Gaſte bei der tafel geſel - ſchaft hielt. Aber dieſe erhohlung der kraͤfte waͤhrete nicht lange. Kaum konte er ſo lange ſitzen / als die mahl - zeit waͤhrete. Sobald die Tafel aufgehoben war / mu - ſte er ſich wieder legen. Seine ſchwaͤchligkeit wolte nicht geſtatten laͤnger aufzubleiben.
Der Koͤnig hatte mitlerweile des Schaltkoͤniges unbaͤsligkeit zu wiſſen bekommen. Straks faͤrtigte er den Reichskantzler ab ihn zu beſuchen. Und als er ver - ſtund / daß gefahr darbei were; da ſchikte er auch zween ſeiner Leibaͤrtzte zu ihm. Dieſe ſolten zuſehen / ob die ge - fahr ſo groß ſei / als er gehoͤret. Nach eingezogenem be - richte / beſuchte er den Kranken ſelbſt. Zwo gantze ſtun - den waͤhrete dieſer beſuch. Der Koͤnig bezeugte ſein hertzliches mitleiden: und Joſef ſeine ſchuldigſte dankbarkeit. Nach volendeten hoͤfligkeiten ward befoh - len / daß iederman hinausgehen ſolte. Hierauf fing der Koͤnig ſtraks an von Reichsgeſchaͤften zu reden. Aller - lei worte / und wiederworte fielen vor. Endlich erſuchte er den Schaltkoͤnig / daß er ſeinen letzten Willen / ent - weder ſelbſt / oder durch einen vertrauten / aufſetzte. Dan / ſagte er / ihr ſeid nunmehr hochbejahret. Das al - ter ſchwaͤchet eure kraͤfte. Hierzu iſt dieſe krankheit ge - ſtoßen. Leichtlich moͤchte noch ein anfal darzu kommen / der euch ploͤtzlich aus unſern augen ruͤkte. Daruͤm iſtmein336Der Aſſenatmein begehren / daß ihr bei zeiten anordnung tuht / wie es nach eurem hintritte / in einem und dem andern / was den Staht und deſſelben beherſchung betrift / ſol gehalten werden. Bei euch beruhen alle geheimnuͤſſe des Reichs. Ihr allein habet wiſſenſchaft von den ver - borgneſten ſachen des Stahts. Von euch allein auch haben wir einen guhten raht zu gewarten.
Weil nun Joſef dieſes alles ſchon lange verſorget / ſo gab er folgende antwort. Die gantze verfaſſung / ſag - te er / iſt vorlaͤngſt geſchehen. Ich ſelbſten habe ſie mit eigener hand aufgeſetzt. Und darbei ſeind etliche Bei - lagen; die der Koͤnig / zu ſeinem nachrichte / vor ſich allein und in geheim behalten ſol. Geſtern habe ich alles mei - nem Sohne Efraim wohlverſiegelt zugeſtelt. Dem iſt auch befehl geſchehn / ſolches dem Koͤnige / ſo bald meine ſeele von mir geſchieden / in geheim zu uͤberreichen. Der Koͤnig verlangte ſie zu ſehen / ſonderlich die Beilagen; da - mit er vom Joſef ſelbſten noch einige erklaͤhrungen dar - uͤber einziehen koͤnte. Straks ward hingeſchikt / ſie zu hoh - len. Efraim brachte ſie ſelbſten. Der Koͤnig empfing ſie aus ſeiner hand. Er entſiegelte ſie / und laſe ſie durch. In den Beilagen ſtunden etliche heimligkeiten des Stahts; ſonderlich wie der Koͤnig ſein freimaͤchtiges gebiet erhalten ſolte. Auch ward darinnen weitleuftig erklaͤhret / durch was mittel und wege Joſef die koͤnig - liche macht zu ſolcher freiheit gebracht. Alles gefiel dem Koͤnige uͤberaus wohl. Er dankte dem Joſef vor ſeine ſo getreue vorſorge: welcher auch noch zum uͤberfluſſe ſein gantzes Rahtsbedenken muͤndlich wiederhohlte / und mit deutlichern reden erklaͤhrete. Hierinnen ſchoͤpf - te der Koͤnig eine ſolche vergnuͤgung / daß er auch uner - ſuchet und aus eigenem triebe dem Joſef die hand zu - reichte / und mit einem hohen eidſchwuhre verſprach / daß er ſolches / nach ſeinem tode / ſeinen Kindern ver - gelten / und ſie befoͤrdern / und beſchirmen wolte / wound337ſiebendes Buch.und wan ſie ſeiner befoͤrderung und beſchirmung benoͤh - tigt. Der Schaltkoͤnig bedankte ſich vor ſolche hohe gnade: als auch / daß der Koͤnig ſich ſo weit erniedriget / ſeinen Diener zu beſuchen. Und hiermit geſeegneten ſie einander; und der Koͤnig begab ſich wieder auf die Burg.
Vor dem Schaltkoͤniglichen Schloſſe hatte ſich in - deſſen eine große maͤnge volkes verſamlet. Niemand wuſte / was es bedeutete / daß der Koͤnig den Joſef be - ſuchete / und ſich ſo lange bei ihm verweilete. Der eine urteilete dis / der andere das. Man ſtekte die koͤpfe zu - ſammen. Man fuͤhrete wunderliche reden. Der Schalt - koͤnig hatte ſich ſonſten faſt alle tage auf der Burg be - funden. Aber in acht tagen war er alda nicht geſehen: auch nie auf der gaſſe vernommen. Etliche tage nach - einander waren die Aertzte bei ihm aus - und ein-gegan - gen. Auch hatte man zween koͤnigliche Leibaͤrtzte vor et - lichen ſtunden aus ſeinem Schloſſe kommen ſehen. Aus allen dieſen begaͤbnuͤſſen muhtmaßeten die mei - ſten / daß ihr Schaltkoͤnig krank ſei. Und in ſolcher muhtmaßung warden ſie noch mehr geſtaͤrket / als ſie den Koͤnig trauriger / dan er pflegte / wiederkehren ſa - hen. Ja das alberne einfaͤltige volk wolte ſelbſt aus dem langſamen tritte der koͤniglichen Pferde einige traurigkeit ſchlieſſen. Sehet doch! ſagten etliche / wie die unvernuͤnftigen tiere ſo traurig gehen / wie ſie die koͤpfe haͤngen laßen. Gewislich muͤſſen ſie es maͤrken / daß der Verſorger / der Verpfleger / der Heiland des gantzen Egiptens krank iſt. Ja die alten Muͤtterchen fingen ſchon an zu weinen. Die kinder folgeten; wiewohl ſie nicht wuſten waruͤm. Man ſahe ein erbaͤrmliches we - ſen. Die nicht weineten / ſeufzeten und aͤchzeten: und die keines von beiden taͤhten / gaben gleichwohl / durch ihre hinlaͤſſige gebaͤhrden / ihre traurigkeit gnugſam an den tag. Nunmehr gleubeten alle / daß Joſef krank ſei: ja etliche gar / daß er ſchon geſtorben. Und dieſe mach -Yten338Der Aſſenatten den tod des Schaltkoͤniges ſtraks durch die gantze ſtadt ruchtbar. Dis geruͤchte lief ſo eilend von hauſe zu hauſe / daß es auch endlich ſelbſt in des Manaſſe ſchlos drung. Dieſer erſchrak uͤber alle maße. Ja er geriet dergeſtalt aus ſich ſelbſten / daß er zuerſt nicht wu - ſte / was er tuhn ſolte.
Mitlerweile kahm Efraim an. Der berichtete / daß der Koͤnig ſelbſten ihren Vater beſuchet. Da faſſete Manaſſe wieder muht. Doch gleichwohl lag ihm dieſer falſche ruf ſo feſt in den gedanken / daß er nicht eher ruhen konte / er hette dan ſeinen Vater ſelbſt geſe - hen. Geſchwinde lies er anſpannen. Eilend ſetzte er ſich mit ſeinem Sohne Machir / der eben bei ihm war / zu wagen. Straks eilete er nach dem kranken Vater zu. Nicht haſtig genug konten ihm die pferde gehen. In einem hui gelangte er vor dem ſchloſſe an. Da fand er alles vol menſchen. Nicht allein die gaſſen waren er - fuͤllet / ſondern auch die heuſer rund heruͤm. Kaum konte er durch das gedraͤnge hin kommen. Naͤhrlich konte der wagen das tohr erreichen. Manaſſe verlang - te ie mehr und mehr. Des Schaltkoͤniges Leibwaͤchter warden ſeiner gewahr. Die machten ihm raum / und trieben den drang zuruͤk. Alſo gelangte er endlich in das ſchlos. Das erſte / das er fragte / war dieſes: ob der Va - ter noch lebte? ſo zweifelhaftig war er inſeinen gedanken.
Als er nun in die kammer traht / da fand er den Schaltkoͤnig ſehr ſchwach. Kaum konte er ſich nur et - was aufrichten ſeinem Sohne die hand zu bieten. Ma - naſſe fragte zur ſtunde: wie es mit ſeiner krankheit be - ſchaffen? Ach! gab Joſef zur antwort / ſehr uͤbel. Vor einer halben ſtunde befand ich mich zimlich wohl. Aber dieſen augenblik bin ich ſo ſchwach worden / daß ich kaum ahtemen kan. Ich maͤrke wohl / daß ſich meine Sterbe - ſtunde nahet. Wo iſt doch mein Sohn Efraim / und mein Bruder Benjamin? Laßet ſie flugs hohlen. Nicht lange darnach erſchienen ſie beide / ſamt ihren Kindern. Da339ſiebendes Buch.Da wiederholete Joſef eben dieſelben worte / die er zuvor in ſeinen geſunden tagen / zu ihnen geſprochen. Auch fuͤg - te er noch mehr hinzu. Sonderlich aber ermahnte er ſie zur Gottesfurcht / und zur unterlichen einigkeit. End - lich gab er allen den ſeegen: und hiermit ſtrekte er ſeine fuͤße aus / und verſchied ſo ſanfte / daß er ausging / als ein licht. Dieſes begab ſich im 110 jahre ſeines alters / im 80 ſeines Fuͤrſtentuhms / im 61 nach ſeiner lieben Aſſenat tode / und im 67 nach ſeines Vaters Jakobs / als er eben 93 jahr in Egipten geweſen.
Straks hierauf warden reitende bohtſchaften ausge - ſchikt den uͤbrigen Kindern Israels zu Heliopel / und im gantzen Lande Geſſen / den tod ihres algemeinen Vaters Joſefs anzumelden; damit ſie ihn gebuͤhrender maßen betrauren moͤchten. Und hierdurch erſchol der ruf durch das gantze Egipten. Ploͤtzlich lief er von laͤndern zu laͤndern / von ſtaͤdten zu ſtaͤdten / von heuſern zu heuſern / bis er endlich das gantze Reich erfuͤllete. Da erhub ſich uͤberal ein großes trauren / ein heftiges klagen / ein erbaͤrmliches jammern. Das gantze Israel be - weinte den Joſef / als ſeinen Vater / als ſeinen Ernaͤh - rer / als ſeinen Beſchirmer. Und die Egipter gaben ih - nen nichts zuvor. Sie betraureten ihn ſaͤmtlich / als ei - nen Vater ihres Vaterlandes / als einen Erhalter und Vermehrer ihrer Wohlfahrt / als einen Stifter ſo vieler heilſamer Satzungen. Ja die Armen bejammerten ihn / als ihren Verſorger: die Bedraͤngten / als ihren Noht - helfer / und Erretter: die Bauren als ihren Lehnver - pfleger: die Buͤrger / als ihren Friedeſchild: die Stahts - leute / als ihr Auge und Oberheupt: der Adel / als ſeine Stuͤtze: die Fuͤrſten / als ihre Krohne. Selbſt der Koͤ - nig betrauerte ihn / als die edleſte / die koͤſtlichſte Perle / die von ſeiner Krohne gefallen.
Und alſo nahm das gantze Egipten / ſamt dem gan - tzen Israel / die trauer an. Von hertzen waren ſie be - truͤbt. Mildiglich vergoſſen ſie die traͤhnen. JedermanY ijkaͤr -340Der Aſſenatkaͤrmete. Jung und alt weinete. Selbſt die kleinen kin - der ſchienen dieſen tod zu bejammern. Es iſt auch kein wunder. Joſef war ein Herꝛ / deſſen Tugenden eben ſo unvergleichlich / als ſein Gluͤk wunderſeltſam / gewe - ſen. Er fuͤhrte / in ſeiner großen gewalt / ein gantz unta - delhaftes leben. Er lies iederman recht und gerechtigkeit widerfahren. In ſeinem groͤſten gluͤkke / und hoͤchſtem ehrenſtande uͤberhub er ſich keines weges. Vielmehr war er niedrig und demuͤhtig. Ja er war uͤberaus langmuͤh - tig / uͤberaus ſanftmuͤhtig / uͤberaus barmhertzig. Er hat - te mitleiden gehabt mit allen Egiptern / eben als mit ſei - nen eigenen gliedmaßen. Er hatte ihnen alles guhtes be - wieſen. Mit raht und taht hatte er ihnen geholfen. Die algemeine wohlfahrt hatte er uͤber alle maße vermehret: das Reich in geruhigem frieden allezeit erhalten: des Koͤ - niges macht uͤber alles erhoben; und doch darbei der Un - tertahnen beſtes niemahls verſeumet.
Faſt auf eben dieſelbe weiſe / wie man die Aſſenat balſemen laßen / ward Joſefs Leiche gebalſemet: auch eben alſo ausgezieret / und in einen koͤſtlichen ſarg geleget. Als dieſes alles verrichtet war / folgete das Leichengepraͤn - ge. Die Leiche ward auf einem gantz verſilbertem wagen gefuͤhret. Dieſen zogen vier pferde / mit einem uͤberzuge von weiſſem ſeidenem zeuge / der / uͤber die fuͤße hin / bis auf die erde hing / bekleidet. Hinter dem Leichenwagen her ritte ſein Hofmeiſter / mit einer guͤldenen Krohne in der hand. Hierauf folgete der Mahrſchalk / mit einem Reichsſtabe / gleichmaͤßig zu pferde. Dieſem ritte nach ein Kammerjunker mit des Schaltkoͤniges Schwerte. Hierauf kahmen ſeine zween Soͤhne / Manaſſe und Efraim / mit ihren Soͤhnen: und dan Joſefs Bruͤ - der / die noch bei leben waren. Auf dieſe weiſe ward des Schaltkoͤniges Leiche nach dem Grabmahle zu / das er ihm ſelbſt bauen laßen / gefuͤhret / und alda beigeſetzt. In eben demſelben Grabmahle blieb ſie eine lange zeit ſtehen. Aber endlich ward ſie von dannen in die Koͤ -nig -341ſiebendes Buch.
342Der Aſſenatnigliche Schatzkammer gebracht. Dan die Zeuberer und Zeichendeuter hatten dem Koͤnige gerahten / daß er ja zuſehen ſolte / ſie wohl zu verwahren. Wan er ſolches nicht taͤhte / und Joſefs Leichnam aus Egipten tragen lieſſe; ſo wuͤrden große plagen uͤber die Egipter kommen / ja eine ſo dikke fuͤnſternuͤs das gantze Egipten uͤberfallen / daß keiner den andern / ſelbſt bei brennenden lichtern / wuͤrde ſehen koͤnnen. Zudem hatte man ausgekundſchaffet / daß Joſef vor ſeinem abſterben ſelbſt befohlen / ſeinen Leich - nam in das Land Kanaan zu tragen; auch darbei von eben derſelben fuͤnſternuͤs geweiſſaget.
Nach Joſefs ſeeligem hintritte vermehreten ſich die Kinder Israels in kurtzen jahren dermaßen / daß ſie in ihren ſtaͤdten / welche ſie bisher gehabt / nicht raumes genug fanden zu wohnen. Und daruͤm muſte man noch etliche neue bauen. Ja die Muͤtter in Is - rael gaben den Egiptiſchen nichts zuvor. In einer eini - gen tracht brachten ſie zu weilen vier / ſechs / ja acht kin - der zur welt. Und dieſe große fruchtbarkeit veruhrſach - te das ſtaͤhtige trinken des Nielwaſſers: welches die Aekker und Leiber nicht allein fet / ſondern auch ſo frucht - bahr machte / daß beide ſo uͤberaus reichlich fruͤchte tru - gen. Man pfleget den Fluͤſſen ſonſten gemeiniglich den nahmen Vater zu geben. Aber keinem ſcheinet ſolcher nahme ſo rechtmaͤßig und ſo eigentuͤhmlich zuzukom - men / als dem Niele: der ſo ein reicher fruchtbarer Va - ter und Erzieler iſt nicht allein der Erdgewaͤchſe / ſondern auch der Menſchen / daß Egipten darinnen ſchier alle Reiche der Welt uͤbertrift. Und eben daruͤm war auch ſein waſſer in ſolchem waͤhrte / daß man es iederzeit als was heiliges verwahret / ja als ein ſonderbahres geſchenk / in ferne laͤnder den Gewaltigſten der Welt zugeſchikt. Ich wil mehr ſagen / ſeine große fruchtbarkeit hat auch den al - ten Egiptern ſelbſten anlaß gegeben / daß ſie ihrem Niele / wie wir droben gemeldet / Goͤttliche ehre angetahn / und ſo vielerlei ehrennahmen gegeben.
Wir343ſiebendes Buch.Wir haben ſchon in etwas beruͤhret / daß die abergleu - biſchen Egipter ihren Joſef / da er noch lebete / goͤttlich geehret: wiewohl in geheim und in der ſtille; weil er es ſelbſten ſo ernſtlich verbohten. Aber dieſes Verbot ſchien / nach ſeinem tode / verjahret zu ſein / und nichts mehr zu gaͤlten. Ihre gemuͤhter waren ihm dermaßen zuge - tahn / daß ſie ihn nunmehr oͤffendlich gantz und gar vor einen Gott aufwarfen. Sie baueten ihm zu ehren Goͤ - tzenheuſer; ſonderlich zu Memfis. Ihm zu ehren rich - teten ſie Goͤtzenbilder auf. Dieſe baͤhteten ſie an. Hiervor fielen ſie nieder; und ehrten ſie als Goͤtter. Dieſem neuen Gotte muſten alle die alten Abgoͤtter weichen. Die ehre / ja die nahmen die ſie jenen gegeben / eigneten ſie nun die - ſem zu. Er ward der anſehnlichſte / der fuͤrnehmſte / der hoͤchſte unter allen. Damit auch der nahme Joſef ſelb - ſten uͤm ſo viel herlicher und goͤttlicher ſchiene / ſo veraͤn - derten ſie ihn: ſie ſetzten die buchſtaben uͤm; ſie verwech - ſelten ſie mit ihren verwanten / und machten Apis dar - aus. Eben daſſelbe taͤhten ſie auch mit dem Nahmen Aſſenat: den ſie ſo verzwikten und ſo verwandelten / daß ſie nur deſſelben fuͤrnehmſten grundbuchſtaben s behiel - ten / und Iſſe / darnach Iſis daraus machten.
Joſef hatte dem Reiche fuͤrnaͤhmlich dreierlei Guht - tahten erwieſen. Erſtlich hatte er den Koͤniglichen zwei - fachen Traum gedeutet: an deſſen deutung dem gantzen Stahte ſo ſehr viel gelegen. Darnach hatte er einen ſo heilſamen raht gegeben: und dan alle Egipter ſo weislich und treulich verſorget; indem er ihnen vorraht und le - bensmittel verſchaffet. Dieſe dreifache wohltaht abzu - bilden ſchien kein fuͤglichers ſinbild zu ſein / als der Och - ſe / aus des Koͤniges Traume; als auch die Kornahre / aus eben demſelben. Beides hatte ihnen Gott ſelbſt gleichſam vorgeſchrieben. Und daruͤm eigneten ſie jenes / naͤhmlich den Ochſen / dem Joſef zu: und dieſes / naͤhmlich die Kornahren / der Aſſenat / mit dem nah - men Iſis. Unter andern war es auch kein wunder / daßY iiijbei -344Der Aſſenat ſiebendes Buch.beiderlei Goͤtzendienſt ſich ſo bald ausbreitete / und ſolche tieffe wurtzeln in den abgoͤttiſchen hertzen der Egipter ge - wan. Die Aſſenat war eine Tochter / ja noch darzu ei - ne einige Erbin des algemeinen Egiptiſchen Ertzbiſchofs. Und Joſef war ihr vermaͤhlet. Er war des Ertzbiſchofs Eidam geweſen. Darzu hatte er der Prieſterſchaft uͤber - aus viel gunſt und wohltahten erwieſen. Und eben dar - uͤm trieben die Prieſter / die auch das meiſte darbei ver - mochten / das werk mit gantzer macht fort. Mit allem ei - fer ſtrebeten ſie darnach / ſo wohl dem Joſef / als der Aſ - ſenat / eine ewige Goͤttliche ehre zu ſtiften. Hierzu half auch nicht wenig der alte Ertzbiſchof ſelbſt: und deſſel - ben nahe verwandſchaft mit den maͤchtigſten des Reichs / ja mit dem Koͤnige ſelbſten.
Es war ohne dis bei den Egiptern der gebrauch / daß ſie das gedaͤchtnuͤs ihrer Wohltaͤhter mit zugeheiligten Sinbildern erhielten. Sie waren gewohnet ihren Nah - men hierdurch zu verewigen / ja zu vergoͤttlichen / und auf die ſpaͤhte Nachwelt fortzupflantzen. Und ſolches geſcha - he alhier / aus itzt erzehlten uhrſachen / uͤm ſo viel mehr / uͤm ſo viel eifriger / uͤm ſo viel herlicher. Ja uͤm der Aſ - ſenat willen / widerfuhr dem Joſef uͤm ſo viel groͤſſere ehre: wiewohl ſie uͤm ſeinetwillen auch nicht wenig mehr ehre bekahm. Eines half dem andern. Eine uhrſache ſtaͤrkte die andere. Und alſo erlangten beide die hoͤchſte ehre: welche / wiewohl nur etliche hundertjaͤhrige zeiten im goͤtzendienſte / nunmehr uͤber die dreitauſend dreihun - dert jahre gewaͤhret / ja noch waͤhren wird / ſo lange die welt ſtehet. Mit einem worte: die ehre / der ruhm / das lob des Joſefs und der Aſſenat ſeind / mitten in der zer - ſtoͤhrung des Ebreiſchen und Egiptiſchen Stahts / ge - blieben bis hierher / und werden auch bleiben bis alles Irdiſche ſehen wird ſein endliches
Ende.
WIe man den drei luſtigſten und gleichſam vor andern bluͤhenden mit - telſten / und ſtraks aufeinander fol - genden Mohnden unſerer jahre ge - meiniglich die drei fuͤrnehmſten Bluhmen zueignet / naͤhmlich dem fuͤnften die Roſen / dem ſechſten die Liljen / dem ſtebenden die Naͤglein; weil eine iede dieſer Bluhmen in einem / als ihrem eignen / derſelben Mohnden am erſten oder meiſten zu bluͤhen pfleget: ſo haben wir auch dieſe Mohnden ſelbſt / einen ieden / nach ſeiner zugeeigneten Bluhme / benahmet. Naͤhmlich den erſten benahmen wir den Roſenmohnd; den Karl der Große den Wonnemohnd / der Sternſchauer / nach ſeinem eigenen Sternzeichen / den Zwillings - mohnd / und die gemeine gewohnheit den Mai - als auch den Bluͤh - oder Bluhmen-mohnd nennet: den andern den Liljenmohnd; den wir auch ander - waͤrts den Sommermohnd / vom beginne des Som - mers in demſelben / als auch den Kraͤbsmohnd / vom Kraͤbſe / dem ſo genenten vierden Stern - oder himmels-zeichen des Tierkreuſes / welches in dieſer mohndzeit die ſonne durchlauffet / benahmet: und dan den dritten den Naͤgleinmohnd; den man auch / nach ſeinem zugeeigneten Sternzeichen / wie er anders gemei - niglich / vom heumachen in demſelben / der Heu - mohnd heiſſet / den Leuenmohnd nennen koͤnte. Sonſten fuͤhret der mittelſte von dieſen dreien gemei - niglich den nahmen des Brachmohndes / vom blos - ſen brachen und uͤmpfluͤgen der aͤkker / das in dieſem mohnde geſchiehet. Und wie die Lateiner den nåchſtvor -her -348Kurtzbuͤndigehergehenden / von der Maja / des Merkuhrs mutter / παρὰ τὸ μαίεσθαι, oder vielmehr à Majoribus, das iſt den aͤlteren oder maͤchtigern und groͤſſern / Majus heiſ - ſen: alſo heiſſen ſie auch dieſen / von der Abgoͤttin Ju - no / oder vielmehr von den juͤngern oder der jugend / à juvenum ſive juniorum honore, Junius; als ſagte man der Jugendmohnd / oder der Juͤnglinge mohnd / Juvenum ſive juniorum, aut Juventæ deæ menſis. Ju - nonius menſis wird er auch vom Feſtus / und von an - dern Junonialis genennet. Juno ſelbſten ſagt bei dem Ovidius / im erſten ſeiner Jahrbuͤcher:
Nec tamen ignores, vulgique errore traharis:Junius à noſtro nomine nomen habet.
Die uhrſache der alſo geſchehenen benahmung dieſer zween mohnden zeiget Makrobins an: naͤhmlich weil Romulus / der ſtifter und uhrhoͤber der ſtadt Rohm / das Roͤhmiſche volk in Aeltere und Juͤngere / oder Groͤſſere und Kleinere / damit jene mit raht / und dieſe mit taht / das iſt mit waffen / dem Stahtsweſen behuͤlflich weren / geteilet; ſo habe er nachmahls / dieſen zweiteilen zu ehren / gemelten zween Mohnden ſolche nahmen gegeben. Fulvius Nobilior, ſchreibt er l. 1 Sa - turnal. cap. 12, in Faſtis Romulum dicit, poſtquam po - pulum in majores, minoresve ſeu juniores diviſit, ut alte - ra pars conſiliis, altera armis rempublicam tueretur, in honorem utriusque partis, hunc Majum, ſequentem Junium menſem vocâſſe. Daher ſagt auch Ovidius an obangezogenem orte:
Junius eſt Juvenum; qui fuit ante, Senum.
Es iſt aber das Wort Junius aus Juvenius zuſammen - gezogen; wie Junior aus Juvenior: welches von Juve - nis, und dieſes ſcheinbahrlich von juvo, das iſt ich hel - fe / entſprungen. Hiervon ſchreibet Kriſtian Bek - man in ſeinen Grundforſchungen der Lateiniſchenſpra -349Anmaͤrkungen.ſprache alſo: Sed Juvenis, νεαρὸς unde? Fortè à Juvo: an poſſis aliunde, in incerto ſitum. Ut ita Juvenis ſit vegetus, promtus ad laborandum, aut juvandum. Unter den Griechen ſcheinen die Atehner dieſen mohnd auch von βαιὸς, das iſt klein / ἑϰατομϐαιὼν genennet zu ha - ben. Bei den Beoziern aber hies er ἱπποδρόμιος, das iſt Rosſpielmohnd / der mohnd des Roslaufs / darinnen die Renſpiele gehalten warden; wie Plu - tarch bezeuget: bei den Mazedoniern δέσιος, der Bindemohnd / wie Suidas meldet: bei dem Ga - lenus / und Joſef dem Juͤdiſchen Geſchichtſchreiber λωὸς, als ſagte man der beſſere mohnd / oder der mohnd nach hertzens wundſche; welches wort die Mazedonier ebenmaͤßig gebrauchten: bei dem Plu - tarchen κρόνιος, der Saturnsmohnd: bei den Egip - tern / wie etliche wollen / παυνὶ; welchen nahmen Ptolo - meus / wiewohl andere bayne ſchreiben / gebrauchet: und bei den Ebreern תמ וּ ך.
Wan dieſer mohnd / darinnen ſich die ſonne von ih - rer hoͤchſten hoͤhe wieder zuruͤck / nach untenzu / gewendet / und gleichſam kraͤbsgaͤngig worden / vorbei iſt; dan faͤnget der Niel in Egipten zu wachſen an. Seneca l. 4 quæſt. natural. c. 2: Natura ita diſpoſuit, ut Nilus ſol - ſtitio æſtivo incipiat inundare Ægyptum, & æquino - ctio auctumnali deſinat.
DUrch den Oſiris / als welchem die Egipter / unter andern / die guͤhtigkeit der Sonne zueigneten / ver - ſtehen wir auch alhier die Sonne: und durch die Iſis das ſternzeichen der Jungfrau; darnachzu die Son - ne / durch den Leuen / lief / als Joſef in Egipten an - kahm. Hiervon kan geleſen werden unſer Dichteriſcher Sternhimmel / Cœlum Aſtronomico-Poëticum, in Virginis ſigno: Voſſius de Idololatr. p. 355.
MEmfis / die werkſtat der Goͤtter / und fruchtbare mutter der ungeheuren bauwerke / eine ſehr beruͤh - mete Egiptiſche hauptſtadt / da die Koͤnige eine zeit lang ihren ſitz gehabt. Athanaſius Kircherius Oedipi Ægypt. part. 1, pag. 26, 27. Ihr eigendlicher Egipti - ſcher nahme war Monf / wie der Ebreer Balmis meldet / oder vielmehr Momf oder Momft; wel - ches / wie es der Araber Abenef erklaͤhret / Gott des waſſers / oder das waſſer Gottes oder des HERꝛn bedeutet. Daraus haben nachmahls die Griechen den noch gebreuchlichen nahmen Μέμφις; und die Ebreer ihr Mef oder Mof מוף, oder Nof נוף, (Ptolomeus ſchreibet im 5 h. des 4 b. Nofet) gebil - det: bei denen dieſe ſtadt ſonſten auch Migdol / das iſt ein Turn / ja zuweilen Mafes / und Mizraim / nach ihrem erſten ſtifter / heiſſet. Eben gemelter Kir - cher meldet / in ſeiner Egiptiſchen Landbeſchreibung am 27 bl. daß Hams ſohn Mizraim ſich / mit ſeinen leuten / nach der ſuͤndfluht zum allererſten in dieſe ge - gend begeben; und ſeine gezelte / auf den huͤgeln uͤm Memfis heruͤm / weil das uͤbrige land nach der ſee zu meiſtenteils noch unter waſſer lag / aufgeſchlagen. Als aber nach der zeit die uͤmliegende gegend trukner und wohnbahr worden / habe er alda die erſte ſtadt / die er nach ſeinem nahmen Mizraim / gleichwie auch endlich den gantzen landſtrich / genennet / am ufer des Niels ge - ſtiftet. Hierzu fuͤgt er / daß man zuletzt dieſer ſtadt / als man geſehen / daß ſie / mit dem uͤmliegenden lande / durch den Niel / ie laͤnger ie fruchtbarer worden / den nahmen Monft oder Momfta / das iſt das waſſer Gottes / als wolte man ſagen die ſtadt des waſſers Gottes oder des Niels / gegeben. Herodotus be - zeuget in ſeiner Euterpe gleichmaͤßig / daß der erſte E - giptiſche Koͤnig Menis oder Μνεῦις, der niemand an -ders351Anmaͤrkungen.ders / als Mizraim / iſt / gemelte ſtadt Memfis ge - bauet. Eben daſſelbe ſchreibet auch Promiſius im E - breiſchen Wortbuche dem Mizraim zu. Aber Ro - bert Steffan / in ſeinem Wortbuche der eignen nah - men / nennet ihren ſtifter Ogdous: welches vielleicht des Mizraims zunahme geweſen. Seine eigene worte ſeind dieſe: Memphis, Ægypti urbs, quam Ogdous rex Ægypti condidit, ambitus ſtadiorum centum & quin - quaginta, urbem omnium Ægypti præclariſſimam op - portuniori totius ejus oræ loco, ubi Nilus in plures ſciſſus partes, efficit formam Deltæ. Quo fit, ut tanquam in Nili clauſtro poſita aditum præbeat, prohibeatque ad ſuperiora loca navigantibus, &c. Unde & poſteri re - ges ferè omnes, relictis Thebis, eam ſibi regiam delege - runt; ut ſcribit Diodorus Siculus l. 2. Hodie Alcairum vulgò vocant. Daß aber etliche wollen / Epafus / der Jo ſohn / den ſie auch vor den Egiptiſchen Abgott Apis halten / habe die ſtadt Memfis gebauet / und nach ſeiner gemahlin / eines Egiptiſchen Koͤniges toch - ter / nahmen alſo genennet; das ſtreitet gantz und gar wider die geſchichte der Egipter. Und hiervon kan He - rodotus im 2 und 3 b. Eliahn im 10 h. des 11 b. ſei - ner Tieregeſch. und Voſſius vom uhrſprunge der Ab - goͤtterei am 113 / und 215 bl. geleſen werden.
Sabellikus / Poſtellus / und andere meinen / daß das heutige Alkair / welches itzund des gantzen Egip - tens hauptſtadt iſt / eben daſſelbe uhralte Memfis ſei. Aber ſie irren: weil Memfis und Alkair wohl drei meilen / wie der Ebreer Benjamin in ſeinem Reiſe - buche bezeuget / voneinander / und jenes / nach Herodo - tus und der meiſten Alten zeugnuͤſſe / auf der abendſei - te / dieſes aber auf der morgenſeite des Niels gelegen. Ja noch mehr irren dieſelben / welche das alte Egipti - ſche Babilon / das vom Deltiſchen ekke nur 14 oder 15000 ſchritte lag / wie Strabo meldet / deſſen verfalle - ne ſteinhauffen man auch noch itzund auf der oſtſeitedes352Kurtzbuͤndigedes Niels ſiehet / mit dem mehrgemelten Memfis ver - miſchen / und vor eine ſtadt halten wollen: da doch des letzteren verfallene ſchuͤtte / ſamt deſſelben uͤbriggeblie - benen Grabſpitzen / auf der abendſeite des Niels / nach dem rohten Meere zu / recht gegen Alkair uͤber / geſehen werden; auch der aus Memfis verzwikte nahme Men - chis / wie Poſtellus meldet / alda noch itzund zu fin - den. Dieſer Poſtellus nennet es / in ſeinen Morgen - laͤndiſchen Geſchichten / Mitzir / Foſtat / Nitzrula - tik. Mitzir und Miſſir heiſſet das heutige Alkair / auch bei den Tuͤrken; und bei den Arabern Mizir und Mazar oder Maſer / מעף; auch Maſſar bei den Ar - meniern: welche nahmen alle aus Mizraim / oder die - ſer vielmehr aus jenen gebildet. Bochardus in Phaleg. p. 293. Die Kaldeer aber nennen es Alchabir: dar - aus Alkair gebildet zu ſein ſcheinet. Doch meldet Marmol / daß Alkair ein Arabiſches wort ſei / aus elkahira / das iſt eine verſamlung oder kloſtergeſel - ſchaft. Und andere fuͤgen hinzu / daß dieſe ſtadt / wel - che zuvor Mezere oder Mesre geheiſſen / ſolchen nah - men von einem darbeigelegenem Schloſſe bekommen. Dieſes ſchlos hette ein Stathalter des Koͤniges Mo - hes nahe darbei wider die feindlichen einfaͤlle gebauet / und nach der Koͤnigin nahmen Kairet genennet: der - geſtalt daß nach der zeit auch die naͤchſtgelegene ſtadt ſelbſten denſelben nahmen Kairet / der endlich in Kai - ro oder Alkair veraͤndert worden / bekommen / und ih - ren alten Mesre algemach verlohren. Auch hat das obgemelte Egiptiſche Babilon ſelbſten / wie Strabo meldet / ſeinen anfang von einem ſchloſſe deſſelben nah - mens / welches die hierher gezogenen Babilonier geſtif - tet / bekommen. Und wiewohl es mit der zeit zerſtoͤhret worden / ſo hat ſich doch nachmahls die unfern darvon gelegene neue ſtadt Alkair ſo weit / naͤhmlich auf 30 meilen in die runte / wie Beauvau meldet / ausgebreitet / daß ſie itzund das alte Babilon in ihrem uͤmkreuſemit -353Anmaͤrkungen.mitbegreiffet. Daher ſchreibet Brokard ſehr wohl: daß Babilon und Alkair zwo ſtaͤdte weren / aber in ei - ne zuſammengefuͤget. Ja daher wird auch Alkair von etlichen in das alte und neue geteilet. Durch das neue verſtehen ſie Alkair / welches auch / nach Marmols und Leons des Afrikers zeugnuͤſſe / eine noch neue und junge ſtadt iſt: durch das alte aber das Egiptiſche Babilon; davon der Juͤdiſche Geſchichtſchreiber Jo - ſef im 5 h. des 2 b. meldet / daß es Kambiſes auf des alten Letuspels ſtelle gebauet. Dieſes liegt itzund / wie Belloon und Peter della Valla melden / ſehr wuͤ - ſte / und unbemauret; wiewohl ihm Kruſius eine mauer von 24 meilen zuſchreibet. In einer Kirche al - hier / die den Griechiſchen und Armeniſchen Kriſten zu - komt / werden noch itzund in einem gewoͤlbe etliche ſtuͤk - lein von den balken des hauſes / darinnen die Jungfrau - mutter Marie ſol gewohnet haben / auf deſſen ſtein - hauffen man auch dieſe Kirche gebauet / gewieſen.
Ob aber uͤm dieſelbe zeit / als Joſef in Egipten an - gelanget / der koͤnigliche Hof zu Memfis geweſen / wird von vielen in zweifel gezogen. Dan Dreſſerus ſetzet darvor / in ſeinen tauſendjaͤhrigen Geſchichten am 152 bl. die ſtadt Tanis / welche er 68 meilen von He - bron abgelegen zu ſein ſchreibet: und Samuel Greif - fenſohn in ſeiner Geſchicht vom Joſef / die Stadt Tehbe; die aber alzuweit nach Mohrenland zu lieget. Robert Steffan in ſeinem Wortbuche der eigenen nahmen / Dezimator in ſeinem Schatze der Lateini - ſchen Sprache / und viel andere mehr ſcheinen auch in der meinung zu ſein: daß der Egiptiſchen Koͤnige Hof eher zu Tehbe geweſen / und von dar erſt nach Mem - fis / von Memfis nachmahls nach Alexandrien / und endlich nach Alkeir verleget worden. Weil aber die Geſchicht der Aſſenat ſelbſten / welche die Ebreer verfaſſet / als auch Joſefs letzter Wille / denen beidenZwir354Kurtzbuͤndigewir in unſerer verfaſſung am ſicherſten zu folgen erach - tet / bezeugen / daß dazumahl der Koͤnigliche Hof zu Memfis geweſen: ſo haben wir dieſe ſtadt billich vor allen andern behalten; zumahl weil ſie bei weitem ſo fern von Heliopel / und dem Heiligen lande nicht ab - gelegen / als Tehbe / und alſo unſere gantze geſchicht wahrſcheinlicher wird / wan wir den Koͤniglichen Hof uͤm dieſelbe zeit alhier geweſen zu ſein ſchreiben. Zu - dem befinden wir / wie es auch die heilige Schrift nicht undeutlich anweiſet / daß erſt nach Joſefs lebezeit / als Moſes aufkommen / die koͤnigliche Hofhaltung zu Tanis geweſen. Auch ſcheiner es / daß ſie zu unter - ſchiedlichen mahlen von Memfis weg / und doch wieder dahin verleget worden. Und alſo kan es wohl ſein / daß die Koͤnige / nach Joſefs tode / ihren ſitz von Memfis nach Tanis / und von dar wieder nach Memfis / ja endlich von hier nach Tehbe verſetzet; weil die ſtadt Tehbe ſehr ſpaͤhte / und faſt erſt recht beruͤhmt geworden zu ſein ſcheinet / als der ruhm der ſtaͤdte Memfis / und Tanis abzunehmen begonnen.
EHmahls pflegten die Egipter uͤm dieſe zeit des jahrs ein trauerfeſt zu halten / weil ſie ſahen / daß die Son - ne ſich von ihrer hoͤchſten hoͤhe / naͤhmlich aus dem ſtern - zeichen des Kraͤbſes / hinunter nach dem Steinbokke zu begab / und ſich daher beſorgeten / ſie wuͤrde ſich gantz von ihnen entfernen. Achilles Tatius l. περὶ παντὸς, ſive de univerſo: Quondam Ægyptii Solem videntes à Can - cro ad Capricornum deſcendere, & longiores contrahere dies, lugere conſueverant; veriti ne paulatim Sol eos relinqueret. Quod tempus incidebat in Jaſiorum fe - ſtum. Simulatque conſcendere cœperat, ac dierum ſpa - cia producere; tunc albati eoronatique procedebant. Aber355Anmaͤrkungen.Aber nach der zeit haben ſie die wahrheit mit maͤhrlein vermiſchet: dergeſtalt daß ſie itzund fuͤrnaͤhmlich das abweſen des Oſiris beweineten; den Iſis / ihrem wah - ne nach / mit großer hertzensangſt ſuchete: wie Plu - tarch in ſeinem buche von der Iſis und dem Oſiris weitleuftig beſchreibet.
DUrch den Hammelgoͤtzen verſtehen wir den alten Libiſchen Abgott Jupiter Hammon oder Am - mon / Αμοῦν, wie ihn die Egipter nennen / das iſt / den Sandichten Jupiter; wie es etliche nach dem Grie - chiſchen worte ἄμμον, welches ſand heiſſet / erklaͤhren wollen. Dan dieſer Abgott ſol ſeinem ſohne Oſiris / wie Nikolaus Perottus / Higinus aus dem Her - mippus / Atenagoras im 5 b. von der liebe / und an - dere erzehlen / in der Libiſchen ſandichten wuͤſte / als ein Hammel geſtaltet / erſchienen ſein: daher er auch nachmahls als ein Hammel oder Widder / oder mit Hammelshoͤrnern abgebildet ward. Wan wir aber dieſen Hammon bei dem lichte beſehen / ſo befinden wir / daß er kein ander geweſen / als der alte verfluchte Ham / des Noha ſohn / und Mizraims vater / ſelb - ſten: den die Libier und Egipter / ja alle Afriker als ei - nen Abgot geehret / und in einem ſchiffe / zum gedaͤcht - nuͤſſe der Suͤndfluht / ſo oft ſie ihn uͤm raht fragen wol - ten / wie Kurtz bezeuget / heruͤm getragen. Und wer mehr hiervon zu wiſſen begehret / der kan / in unſrem Dichteriſchen Sternhimmel / das Sternzeichen des Widders / dahin wir den Leſer wollen gewieſen haben / aufſchlagen.
OSiris war anders nichts / als des Hams ſohn Mizraim oder Miſorim / der erſte Egiptiſche Koͤ -Z ijnig356Kurtzbuͤndigenig nach der ſuͤndfluht. Und unter dieſem nahmen / der aus Miſorim / durch verſetzung der buchſt aben / gebildet / wie bei den Heiden / wan ſie ihre Wohltaͤh - ter vergoͤtlichten / gebreuchlich / ehreten die Egipter fuͤrnehmlich die liebreiche Kraft der irdiſchen und him - liſchen dinge. Als erſtlich die Sonne / ſo fern ſie den liechtloſen Mohn erleuchtet / und das kalte Erdreich erwaͤrmet: darnach den Niel / ſo fern er / durch ſeinen uͤberlauf das trukne und durſtige land traͤnket und fruchtbar machet; wie Seldenus erweiſet. Und alſo war Oſiris dort eine himliſche / hier eine irdiſche Gottheit; ich wil ſagen ein Sonnen - und Flus - goͤtze: den ſie ehreten / als andere Voͤlker ihren Apol - lo oder Foͤbus / und Bachus oder Liber; indem ſie ihm die erfindung des Weinbaues / und Gerſteſaͤens / wie Auguſtien bezeuget / zuſchrieben. Auch ſcheinet es / daß ſie ihm den nahmen Oſiris uͤm ſo viel lieber gege - ben; weil ſie geſehen / daß Oſir vielaͤugig / welches ſonſt der Sonne / die ſie die einige Gottheit des him̃els nenten / zugeeignet wird / bedeutet. Dan die Sonne wirft ihre ſtrahlen uͤberal hin / und beſchauet gleich als mit vielen augen den gantzen erdkreus / ſamt der ſee: daher auch Homerus / im 3 ſeiner Trojanerin / ſie alſo anredet:
Ἡέλιος ϑ̕ὅς πάντ̕ ἐφορᾷς, καὶ παντ̕ ἐπακούεις.
Das iſt / o Sonne / die du alles ſieheſt / und alles hoͤreſt. Und Eſchiel ſagt in ſeinem Prometeus;‘Καὶ τ̏ πανόπτην κύκλον ἡλίου καλῶ’. Das iſt / ich nenne ihn den Sonnenkreus / der alles ſiehet. Ja Oſi - ris ſelbſten gab dem Zipriſchen Koͤnige Nikokreon / als er ihn fragte / was er vor ein Gott ſei / folgende antwort:
γαῖα157[357]Anmaͤrkungen /Ἐιμὶ ϑεὸς, τοῖος δὲ μαθεῖν, οἷον κ̕ ἀγὼ εἴπω,ὀυϱάνιος κόσμος κεφαλὴ, ὁ ἀστὴρ δὲ ϑάλασσα,
γαῖα δὲ μοὶ πόδες εἰσὶ, τὰ δ̕ οὔατ̕ ἐν αἰϑέρι κεῖται,ὄμμά τε τηλαυγὲς, λαμπρὸν φάος ἠελίοιο.
Das iſt / Ich bin ein Gott. Aber ein ſolcher bin ich / wie ich mich ſelbſt nenne. Die himliſche welt iſt mein heupt / das geſtirn die ſee / die erde mei - ne fuͤße; aber meine ohren ſeind im himmel. Ich bin das Auge / das alles ſiehet / das glaͤntzende licht der Sonne. Und daruͤm haben ſie auch dem Oſiris / ſo fern er die Sonne bezeichnete / zum ſinbilde einen Reichsſtab mit einem Auge zugeeignet / der Son - ne / die ſie auch Jupiters Auge nenten / ſcharfſichtig - keit und macht / damit ſie durch alles hindringet / anzu - deuten. Macrob. Saturnal. l. 1, c. 21. Pierius Hiero - glyphic. p. 332, 545. Natal. Comes l. 2, c. 2. Voſſius de Idololatr. orig. & progreſſu p. 119, 198, 224, 316, 355, 422, 692, & 710, l. 2. Oſiris quatenus naturale, non animale eſt numen, partim eſt cœleſtis, & idem ac Sol: partim ſubcœleſtis, & idem eſt ac humor pota - bilis; qualis aqua Nilotica. Ja ſie nenneten den Oſi - ris / ſo fern er die Sonne war / auch Sirius / und Sirus; welches ſonſten des Hundeſterns eigner nahme: wie Diodoor in 1 b. bezeuget. Suidas:‘Σεὶρ, Σειρὸς ὁ ἥλιος, καὶ Σείριος.’Heſichius:
Σείριος ὁ ἥλιος, καὶ ὁ τοῦ κίνος ἀστὴρ,
das iſt / Sirius heiſt die Sonne / und der Hundeſtern. Siris ward ſonſt auch der Niel genennet. Daher ſagt Dioniſius Afer:
Σῖρις ὑϖ̕ Αιθιόπων κικλήσκεται. ὁι δὲ Συήνηςἐνναέται σστεϕθέντι μετ̕ οὔνομα Νεῖλον ἔθεντο.
das iſt / von den Mohren wird er Siris genen - net. Aber die Siener haben ihm den nahmen Niel gegeben: vielleicht daruͤm / weil das wort Νεῖλος die zahl der 365 Jahrstage begreiffet; als Ν 50, Ε 5, Ι 10, Λ 20, ο 70, Σ 200.
Z iijSonſten358KurtzbuͤndigeSonſten hatte dieſer Abgott Oſiris bei andern voͤlkern noch uͤberaus viel andere nahmen; welche zum teil Auſonius in ſeinem 29 kurtzbuͤndigem gedichte folgender geſtalt angezogen:
Ogygia me Bacchum vocat,Oſirin Ægyptus putat,Myſtæ Phanacen nominant,Dionyſon Indi exiſtimant,Romana ſacra Liberum,Arabica gens Adoneum,Lucaniacus Pantheum.
Die Griechen nenten ihn gemeiniglich Bachus; und die Lateiner / ſeine fuͤrtrefligkeit anzuzeigen / Liber, das iſt Sohn / naͤhmlich des Jupiters. Beide nahmen haben einerlei bedeutung: und dieſer ſcheinet von je - nem entſproſſen zu ſein. Bachus Βάκχος iſt aus ברבוש Bar-Chus, das iſt der Sohn des Chus, des ſohns Hams / gebildet. Dieſer war Nimrod / des Ninus vater / der erſte herſcher zu Babilon: das bei den Alten des beſten Weines wegen beruͤhmet.
Χαιρέας δὲ ὀν Βαϐυλῶνι οἶνον ϕησὶ γένεοϑαι τ̏ καλούμενον νεκταρ,
das iſt / Chæreas autem Babylone Vinum dicit eſſe, quod Nectar vocant, ſagt der von Atehn. Und daruͤm iſt Nimrod / das iſt Barchus / vor den erfuͤnder und Abgott des weines gehalten worden. Sonſt heiſſet er auch Belus: daher das Lateiniſche wort bellum, das iſt Krieg / ſol entſproſſen ſein: weil dieſer Belus oder Nimrod zum allererſten gekrieget / oder vielmehr zum allererſten / wie Higinus im 274 lehrgedichte an - gezeichnet / im kriege den degen gefuͤhret; da die Egip - ter und alle Afriker zuvor mit pruͤgeln gefochten. Bei den Kaldeern heiſſet Nimra, גמדא ein Tiger; welches auf den nahmen Nimrod ſpielet. Daher war - den dem Barchus oder Bachus die Tigerfelle zum[kleide] /159[359]Anmaͤrkungen.kleide / und die Tiger ſelbſten ſeinem wagen zuge - eignet. Eben alſo waren Luſus und Lyſa, von denen Luſitanien / anders Portugal / ſol genennet ſein / des Barchus / gefaͤhrten; wie Plinius aus dem Varro im 1 h. des 3 b. fuͤrgiebet. Luſum enim, ſchreibt er / Liberi patris, ac Lyſam cum eo bacchantem, nomen dediſſe Luſitaniæ, & Pana præfectum ejus univerſæ, i. e. Spaniæ. Dieſes hat er ohne zweifel aus den maͤhr - lein der Foͤnizier: welchen wohl bekant war / das לוז luz bei den Ebreern und Sirern / eben wie Laus bei den Arabern / ein mandelbaum / auch eine mandel heiſſet; daher ſie durch ſolches gedichte andeuten wol - len / wie ſehr wohl ſich die Mandeln zum Weine ſchikken. Eupolis ſagt / bei dem von Atehn / im 2 buche:
Δίδου μασᾶοϑαι, Ναξίας ἀμυγδάλας,ὀινόντε πίνειν Ναξίων ἀπ̕ ἀμπέλων.
das iſt / gib zu eſſen der Naxier Mandeln / darnach ſchenke Wein von Naxiſchen weinſtoͤkken. Naͤhm - lich weil die bittere Mandeln / welche ſonſten auch das luhmichte Nielwaſſer / zerſtoßen und darein gewor - fen / in einem tage klahr und trinkbar machen / der trunkenheit widerſtehen; wie die Aertzte einhaͤllig be - kraͤftigen. Dioſkorides ſchreibet im 1 b. von den man - deln / und Plinius im 8 h. ſeines 2 b. man ſol ihrer fuͤnfe vor dem trunke genieſſen. Faſt eben daſſelbe bezeuget Avizenna im 2 b. von den Mandeln; als auch der von Atehn / und Plutarch / im 1 ſeiner Frageſtuͤk - ke / mit der geſchicht von des Druſus Artzte. Auch wil der Mandelbaum bei dem Weinſtokke ſo gerne ſtehen / daß man die Mandelbeumlein / wie Teo - fraſt bezeuget / unter die weinſtoͤkke zu pflantzen pfleg - te; weil ſie ihnen gantz nicht ſchaͤdlich / indem ſie mit weniger nahrung vergnuͤget / zeitlich fruͤchte tragen /Z iiijund160[360]Kurtzbuͤndigeund wenig ſchattens von ſich geben. Weil nun לוז lus bei den Ebreern einen Mandelbaum / mit der frucht zugleich / eben wie das ſonſt gemeinere שקר ſa - ked, bedeutet; ſo bin ich verwundert / waruͤm etliche neue uͤberſetzer dieſes wort im 37 ſpr. des 30 h. im bu - che der Schoͤpfung / corylus oder Haſeln gegeben: da es doch Hieronimus ſchon vor ſo langer zeit virgas amyg - dalinas, das iſt Mandelruhten uͤbergeſetzet. Es wa - ren auch in alwege Mandelſtaͤbe / welche Jakob ſtreiffenweiſe ſchaͤhlete / und den ſchafen in die trinkren - nen legte; damit ſie bunte / und geſtreifte låmlein brin - gen ſolten. Aber das wort καρυΐνην, welches die 70 Tahlmetſcher alhier gebrauchet / hat ſie / nach meiner muhtmaßung / betrogen; weil κάρυον eine hartſchah - lichte frucht / aber nicht ins beſonder eine Haſelnus / ſondern ins gemein eine iede frucht mit harten ſchah - len / wie die Mandeln auch haben / bedeutet. Zu - dem haben die 70 Tahlmetſcher das wort סקרים ſake - dim, das ſonſt eigendlich Mandeln heiſſet / im 11 ſpr. des 43 h. aus dem buche der Schoͤpfung / und im 8 ſpr. des 8 h. aus dem 4 b. Moſ. auch κάρυα gegeben: welches wir alſo beileuftig erinnern wollen.
Wer nun dieſes / was wir alhier / durch veranlaßung des nahmens Luſus / angefuͤhret / betrachtet / der wird leichtlich ſehen koͤnnen / waruͤm wir auf den Trau - pfenning / den der fuͤrtrefliche Kuͤnſtler Kriſtof Rudolfs zu Amſterdam verfaͤrtiget / unter ande - ren / einen Zierkrantz von Weinreben / mit Mandel - zweigen durchflochten / abbilden laßen / und in der uͤberſchrift Bar-Chus vor Bacchus geſetzet: naͤhmlich
Bar-Chus amygdalinis Lyſæ fit amabilis ulnis.
Nun kommen wir zum nahmen Liber. Alſo haben die Lateiner den Oſiris oder Barchus / nach der redens - ahrt der Ebreer / zubenahmet; welche die Fuͤrſten חזריםhorim,361Anmaͤrckungen.horim, das iſt Soͤhne oder Kinder / eben auf die wei - ſe / wie die Spanier ihre Koͤniglichen Fuͤrſten und Fuͤr - ſtinnen / oder des Koͤniges erſtgebohrne Soͤhne und Toͤchter Hiſpaniæ Infantes, das iſt Kinder von Spanien / zu nennen pflegen. Im 17 ſpr. des 10 h. im Salomoniſchen Prediger ſtehet: Wohl dir land / deſſen Koͤnig ein Sohn iſt der חזרים das iſt der Kinder / naͤhmlich der wohlerzogenen / wohlgerahte - nen / der Edelen / der Herren / der Helden. Alſo nen - net Eſaias im 12 ſpr. des 34 h. die Babiloniſchen Fuͤr - ſten: da der Kaldeer ſetzet בגיהירין beni herin, das iſt Soͤne der Kinder / filios liberorum, ſive heroum. Dan hiervon ſcheinet das wort heros, als auch unſer Herꝛ entſproſſen zu ſein. Und alſo nennet Metodius den Nimrod nicht unrecht ἀδελφὸν τῶν ἡρώων: gleich - wie auch die Lateiner den Barchus Liber, das iſt ei - nen Sohn / naͤhmlich des Hams oder Chus; als welche Herren und Edele mit rechte heiſſen mochten / weil ihnen ein ſo großes teil der Welt zum erbe zuge - gefallen.
Wie nun die Egipter den nahmen Oſiris / als auch Sirius und Sirus oftmahls der Sonne zueigneten / ſo verſtunden zu weilen die Lateiner unter dem nah - men Liber ebenmaͤßig die Sonne: und alſo mus er bei dem Virgiel im 1 ſeiner Feldgedichte verſtanden werden / da er ſpricht:
Vos, ô clariſſima mundiſidera, labentem cœlo quæ ducitis annum,Liber & alma Ceres.
Ja den nahmen Dioniſus / der aus יהזהב סּ י Jehova Niſſi, das iſt der HERR mein Panier / wie die uͤberſchrift der aufgerichteten Siegeshoͤhe im 17. h. des 2 buchs Moſ. lautet / und aus dem Griechiſchen worte Διος, das iſt Jupiter / zuſammengeflikt ſcheinet / undZ veben362Kurtzbuͤndigeeben auch des Oſiris oder Barchus zunahme war / findet man gleicher geſtalt der Sonne zugeeignet. Eu - molp in den gedichten des Weingottes:
Ἀστροϕαῆ Διόνυσον, ἐν ἀκτίνεσσι πυρωπόν.
das iſt / den erleuchteten Dioniſen / den feurigen unter den ſtrahlen. Und Orfeus in ſeinen Lobge - ſaͤngen:
Πρῶτος δ̕ ἐς ϕάος ἦλϑε. Διόνυσος δ̕ ἐπεκλήϑη,οὕνεκα δινεῖται κατ̕ ἀπείρὸνα μαϰρὸν ὄλυμπον.
das iſt / er iſt zuerſt an das licht kommen. Dioni - ſus aber heiſſet er / weil er uͤm den großen und langen himmel uͤmgewaͤltzet wird. Bald darauf fuͤgt eben derſelbe hinzu:
Ἥλιος, ὅν Διόνυσον ἐπήκλησιν καλέουσι.
das iſt / die Sonne / welche ſie mit dem zunahmen Dioniſen heiſſen.
Etliche nennen den Oſiris auch Omfis; welches Hermeus / bei dem Plutarch / einen Wohltaͤhter erklaͤhret: und die Aſſirer אחד Achad / das iſt Ei - ner; darunter ſie gleichmaͤßig die Sonne verſtunden. Dahin hat auch ohne zweifel Eſaias / im 17 ſpr. des 66 h. mit dem worte אחד geſehen. Und dieſer nahme komt der Sonne ſonderlich zu / eben wie das lateiniſche Sol von ſolus, das iſt alleineinig; weil ſie das einige licht iſt / und allein aus ſich ſelbſten leuchtet. Makro - bius ſetzet im 23 h. ſeines 1 b. der Saturniſchen feier - tage zwar Adad. Adad, ſagt er / nomen dederant. Ejus nominis interpretatio ſignificat unus, das iſt / ſie haben ihm den nahmen Adad gegeben. Dieſes nah - mens tahlmetſchung heiſet Einer. אחד adad aber heiſſet nicht Einer; ſondern אחד achad, oder / nach der Sirer und Kaldeer mundahrt / חד chad. Daherhalte363Anmaͤrkungen.halte ich / daß / durch das abſchreiben oder druͤkken / vor das ח ein ד ſei eingeſchlichen.
Epifanius / Hieronimus / Tertullian / Ire - neus im 24 h. ſeines 1 b. wider die Ketzer / als auch Skaliger in einem briefe an den Kaſaubonus / ge - denken eines Abgottes Abraxas: darunter gleiches - fals die Sonne verſtanden ward. Dieſer nahme hat vielen Gelehrten zu ſchafen gemacht: und niemand hat den rechten uhrſprung ergruͤnden koͤnnen. Aber ich hal - te gaͤntzlich darfuͤr / daß er aus אברך abrech, wie der Heerold vor des Joſefs ſtahtswagen ausrufen muſte / da man ihn zum Schaltkoͤnige uͤber Egipten gemacht / und in einem oͤffentlichen gepraͤnge dem Volke ſehen lies / gebildet / und dem juͤngſten Oſiris / das iſt dem Joſef / als ein goͤttlicher nahme / zugeeignet worden. Hieronimus helt dieſen Abraxas mit dem Perſiſchen Sonnengoͤtzen Mitra oder Mitres / welches / wie es Skaliger im 6 buche von der zeit verbeſſerung erklaͤh - ret / ein Herꝛ heiſſet / vor einen und eben denſelben Ab - gott; vielleicht daruͤm / weil beide nahmen die zahl der jahrstage begreiffen: wiewohl in Μίθρης 365 nach der Perſer jahrrechnung / in Αϐραξ aber nur die tage des ge - meinen jahrs zu finden; als α 1, β 2, ρ 100, α 1, ξ 200. Aber es ſcheinet / daß dieſer Mitres erſtlich der Egip - ter eigener Sonnengoͤtze geweſen: von denen ihn die Perſier nachmahls entlehnet. Dan Mitras hies der - ſelbige Egiptiſche Koͤnig / der die Sonnenſeulen ge - bauet / und ſelbſt in der Sonnenſtadt hof gehalten.
Aber es wuͤrde zu lang fallen / wan wir alle zu - und bei - oder ehren-nahmen des Oſiris erzehlen und erklaͤh - ren wolten; welches wir unſerem Dichteriſchen Sternhimmel der ſieben Ir - oder ſchweif-ſterne vorſpahren: daruͤm laßet uns in der folge nur allein noch ſehen / wie die Egipter dieſe Oſiriſche Gottheit abgebildet. Weil Oſiris oder Mizraim den bau desge -364Kurtzbuͤndigegetreides / der durch Ochſen geſchahe / wie wir droben gemeldet / erfunden; ſo haben ihm die Egipter zuerſt den Ochſen / als ſein und des Akkerbaues eignes ſin bild / geheiliget. Darnach ward auch ſein goͤtzenbild zu weilen mit einem gehoͤrnten helme von Ochſenfellen ge zieret; und er endlich ſelbſten unter der geſtalt eines Ochſen / ja gar in einem lebendigen Ochſen / de ſchwartz mit weiſſen flekkern uͤberſchaͤkkert / und im Oſi - riſchen heiligtuhme verſperret ſt und / heiliglich geehret. Bos ſocius hominum in ruſtico opere, & Cereris mini - ſter, das iſt / der Ochſe iſt des Menſchen mitgeſelle bei dem akkerbau / und der Zehrungsgoͤttin frohndiener oder tageloͤhner / ſagt Varro l. 2, R. R. c. 5. Plin. Nat. Hiſtor. l. 8, c. 45. Daher ward auch bei leibesſtrafe verbohten die Rinder zu ſchlachten. Ælian. l. 5. Var. Hiſt. c. 14. Ja daher war auch der Ochſe den Egiptern ſo heilig / und ein ſinbild ihres O - ſiris. Zu Heliopel hatten ſie einen Stier der Sonne / welche ſie unter dem nahmen Oſiris / wie wir ſchon ge - nug erwieſen / ehreten / geweihet: auch ward er alda / mit der Sonne zugleich / weil ſie beiden die uhrſache des wachstuhms der fruͤchte zuſchrieben / goͤttlich ge - ehret. Dieſen Heliopelſchen Stier oder Ochſen nenneten ſie Mnevs Μνεῦις: und den zu Memfis / der juͤnger war / und dem juͤngſten Oſiris / das iſt dem Joſef / auch der Iſis und dem Mohne / wie etliche wollen / oder vielleicht der Aſſenat / als der juͤngſten Iſis / geheiliget / Apis und Serapis. Strabo l. 17. Ti - bullus l. 1, eleg. 7. Herodotus l. 2, 3. Ælianus l. 11. hiſt. anim. c. 11. Diodorus l. 1, & 3. Plutarchus l. de Iſide & Oſiride. Ammian. Marcellinus l. 22. Proſper Aquitanicus l. 3 de prædict. c. 38. Rufinus l. 2 hiſt. Ec - cleſiaſt. c. 22, 23. Jul. Maternus. Suidas. Hugo Gro - tius in Sophomphania. Voſſius Idololatr. l. 1, c. 29, & l. 2, p. 501.
Son -365Anmaͤrkungen.Sonſten bildeten ſie den Oſiris auch ohne gemelten Helm von Ochſenfellen und hoͤrnern ab: zu weilen in einem ſchiffe / wie den Hammon / aber mit einem Kro - kodille darunter / der es gleichſam forttrug; zu weilen auf einem trageſtuhle / in geſtalt eines unbebahrteten Juͤnglings / mit einer Fuhrmanspeitſche in der rechten hand / und mit Kornahren und dem Blitze in der lin - ken: welches alles Ammons oder Jupiters / und des Oſiris oder der Sonne vereinbahrte macht anzeigete. Euſebius, Plutarchus de Iſ. & Oſir. Joh. Pierius Hie - roglyph. p. 622. Voſſius Idololat. p. 355. Und dieſes bildes angeſicht ſtelleten ſie allezeit gegen den untergang / alſo daß die Egipter ſich nach dem morgen zu wende - ten / wan ſie es anbaͤhteten: dagegen die Kinder Is - raels nach dem abende zu gekehret ihren Gottesdienſt verrichteten. Ja ſie ehreten den Mizraim auch uͤber - das hiermit / daß ſie nicht allein / nach ſeinem nahmen / den erſten mohnd im jahre Μεσορὶ nenneten; ſondern auch ſein ſinbild den Ochſen oder Stier / zu ſeinem ewigen gedaͤchtnuͤſſe / in den himmel ſetzten. Dan wie ſie / ſeinem Vater dem Ham oder Ammon zu ehren / den Widder zum erſten und fuͤrnehmſten Sternbilde des Tierkreuſes machten; ſo gaben ſie auch / dem Miz - raim oder Oſiris zu ehren / dem Stiere / in eben dem - ſelben Tierkreuſe / die naͤchſte und zweite ſtelle. Samuel Bochard. in Phaleg. p. 293. Voſſius Idolol. l. 2, p. 501, & l. 1. c. 29, & p. 224.
Daß man aber die alten Egiptiſchen Koͤnige ſo gar hoch und heilig geehret / ſcheinet daruͤm geſchehen zu ſein / wie Iſokrates in der lobrede des Buſiris mei - net; damit das gemeine volk uͤm ſo viel mehr angetrie - ben wuͤrde den koͤniglichen ſatzungen und befehlen / als goͤtlichen / zu gehorchen. Auch war dieſer gantze Goͤtzen - dienſt der Egipter anders nichts / als eine nachahmung und vergleichung der Natur und alten geſchichte. Dandie366Kurtzbuͤndigedie Egiptiſchen Prieſter / die in beiderlei uͤberaus wohl erfahren / maͤrkten auf alles / worinnen die Natur mit den geſchichten uͤbereinkahm / und ſtelleten nach beiden allen ihren goͤtzendienſt / und alle ihre heilige gepraͤnge an; dergeſtalt daß ſie / durch einen vermiſchten goͤtzen - dienſt / der geſchehenen dinge gedaͤchtnuͤs / mit der Na - tur zugleich / vorſtelleten: jenes den verſtorbenen Koͤni - gen zu ehren / und ihren nachgelaßenen befreundten zum troſte; dieſes aber den anfangenden lehrlingen zum un - terrichte / damit ſie beides die heiligen Satzungen und die natuͤrlichen Wiſſenſchaften begreiffen moͤchten; wie Apulejus in letzten ſeiner Mileſiſchen buͤcher bezeuget.
Aber hierbei muͤſſen wir auch beileuftig erinnern / daß uns Mizraim mehr ein nahme des volkes / das Hams zweiter ſohn gezeuget / als ſein eigener / zu ſein ſcheinet. Und alſo muhtmaßen wir / daß er eigendlich Men oder Menes / wie er ſonſten genennet wird / ge - heiſſen. In dieſer meinung iſt auch Bochard in ſei - nem Faleg / da er am 292 bl. alſo ſchreibet: Misrajim non eſt nomen hominis. Id non patitur forma dualis. Itaque cum in Chami filiis ſecundus cenſetur Misra - jim, nomine Misrajim intellige partem incolarum ter - ræ Misrajim, id eſt Ægipti. Ja ich halte darfuͤr / daß die Egipter erſtlich Miſorim / darnach aber / als ſie ſich in zwei laͤnder oder teile geteilet / Miſorajim und zuſammengezogen Miſrajim ſeind genennet worden; weil man befindet / wie auch Oroſius / im 2 h. des 1 b. ſeiner geſchichte / und Aetikus / in ſeiner Aſiſchen be - ſchreibung / bezeugen / daß dieſes Reich in das Ober - ſte / da der Niel nur einen arm hat / und in das Unter - ſte / da er in viele ſich zerteilet / vor alters ſei unterſchie - den worden. Auch wird von Miſorim oder Miſo - rajim die einzele zahl Maſor oder Mazor מעוד in der heiligen Schrift oftmahls gefunden. Naͤhmlich im 2 b. der Koͤnige 19 / 24: בל יאזד םצזד alle FluͤſſeMa -367Anmaͤrkungen.Maſors; und bei dem Eſaias 19 / 6: וחרבו יאדי מעוד und die fluͤſſe Maſors ſollen truk - ken werden; dabei Kimchi anmaͤrket / daß Maſor eben ſo viel ſei / als Mizraim. Bei dem Mi - cha ſtehet auch im 7 / 12: von Maſor / das iſt von Egipten / bis an den flus זצד גהד, naͤhmlich Eu - frat / da Kanaans grentze iſt. Dieſes Maſor מצוד heiſſet ein feſter ort / auch wohl ein aͤnger oder ſchmaler; weil צוד zuſammenaͤngen / und צד ſchmahl oder aͤnge bedeutet. Beides komt Egip - ten zu: welches zuerſt vor andern Reichen der welt von natur uͤber die maße feſt iſt; wie Diodor am 18 bl. des 1 b. und am 478 des 5 / als auch Strabo am 819 bl. des 16 b. uͤberfluͤßig bezeugen: und darnach auch gantz ſchmahl und aͤnge; weil es von der ſee ab / bis nach Siene zu / ſehr lang / aber gantz nicht breit iſt: daher auch Eſaias 18 / 2 / die Egipter גוי מּ משך ein lang ausgeſtrektes / oder in die laͤnge gezogenes volk nennet.
ISis war des Oſiris ſchweſter und gemahlin / eine algemeine Egiptiſche Abgoͤttin; welcher man fuͤr - naͤhmlich die erfindung des gebrauchs der Fruͤchte / und dan der Buchſtaben / ja der Artzneikunſt ſelbſten / wie Auguſtien 18 / 4 / von der Stadt Gottes meldet / zuſchrieb. Sonſten bezeichnete ſie auch die gantze der Sonnen macht unterworfene Natur: da ſonderlich der Mohn / und die Erde in betrachtung kommen. Daher ſagt Euſebius im 6 h. des 1 b. von der vorbe - reitung der Heilverkuͤndigung / daß Oſiris die Son - ne / und Iſis der Mohn ſei. Auch iſt ſie zugleich die Erde; gleich wie Oſiris der Niel und alle trinckba - re feuchtigkeit: ja ſelbſten die Luft; da ſie von denEgiptern368KurtzbuͤndigeEgiptern auch Minerva / wie gemelter Euſebius am obangezogenen orte / im 2 h. des dritten b. bezeuget / genennet ward.
Oſiris war allein maͤnliches geſchlechtes: Iſis aber beides man und Fraue. Eine fraue war ſie / ſo Fern ſie Oſiris / das iſt die Sonne den Mohn / erleuchtet / und gleichſam ſchwaͤngert / ja der Niel die Erde be - feuchtet und fruchtbar machet: und ein Man / ſo fern ſie als der Mohn betrachtet wird / und alſo das em - pfangene licht durch die luft ausleſſet / und dem waſ - ſer ſo wohl als der erde die kraft zu gebaͤhren giebet: daher auch die Egipter den Mohn die Mutter der Er - de nenten.
Μητέρα τὴν σελήνην τοῦ κόσμου καλοῦσι, καὶ ῥύσιν ἔχειν ἀρσενόθηλην ὄιονται,
das iſt / ſie nennen den Mohn eine mutter der welt / und waͤhnen / daß er beiderlei natur einflus habe: ſchreibet Plutarch im b. von der Iſis. Luna Ægyptiis, ſagt Voſ - ſius von der Abgoͤtterei urſprunge am 422 bl. bifariam conſideratur. Primò quatenus lumen accipit à ſole, quo modo fæmineæ eſt virtutis, & Iſis dicitur: deinde qua - tenus lumen per aëra in terras, & aquas diffundit, ad ſtirpium & animantium generationem; quo pacto jam viri partes ſuſtinet, & Oſiridis quoque nomen ha - bet. Jo. Raviſius Textor in Theatro ſuo, p. 843, 863. Agellius l. 1 Noct. Attio. c. 28. Elias Schedius de Diis Germ. p. 135. Daher ſagten etliche unter den Latei - nern nicht allein in weiblicher endung Luna, welches aus Lucina, zuſammen gezogen ſcheinet; ſondern auch in maͤnlicher Lunus; wie Spartzian in ſeinem Ka - rakelle bezeuget. Quia Lunam magis ratione princi - pii activi, ut dignioris, id eſt maſculini, attenderent; quàm paſſivi, ſive fęminei; eò ſacerdotes Carreni pro Lu - na Lunum dicere juſſerunt. Voſſius de Idolol. l. 2. p. 466, 690, 696. Und alſo war Iſis ſo wohl / als Oſiris / eine himliſche und irdiſche Gottheit: welcher / nach ihren ſovielerlei369Anmaͤrkungen.vielerlei wuͤrkungen und eigenſchaften / auch vielerlei nahmen / daher ſie μυϱιώνυμα, das iſt die Gottheit mit tauſend nahmen / hies / zugeeignet worden. Dan wie alle der Heiden maͤnliche Goͤtzenſchaften der eini - gen Sonne / nach des Makrobius zeugnuͤſſe im 1 b. zugeeignet warden; ſo eignete man auch dem einigen Mohne alle / die weibliches geſchlaͤchtes waren / zu. Daher ſagt Ariſtoteles / in ſeinem buche von der Welt:
εἷς δὲ ὢν πολυώνυμος ἐστὶ, κατονομαζόμενος το͂ις πάϑεσι πᾶσιν ἅπερ αὐτὸς νεοχμεῖ:
das iſt / der einige Gott hat vielerlei nahmen; indem er nach allen ſeinen wuͤrkungen / die er ſelbſten tuht / genennet wird. Servius in l. 1 Georgic. Virgil. Und alſo ward die Iſis / welche zuvoͤrderſt des Mohnes gottheit be - zeichnete / Luna oder Lucina, Latona, Juno, Hecate, Proſerpina, Diana, Olympias, πολύμορφος δάιμων, Ily - thia, Lilith, Anaitis, Cabar, Rhamnuſia, Peſſinuncia, Tellus, Erthum oder Ertha, Rhea, Cybele, Ceres, Mul - timammea, Minerva, Pallas, Bellona, Venus, Aſtarte, u. ſ. f. genennet. Ammian. Marcellinus l. 22. Capito - linus in Pertinace & Macrino. Trebellius Pollio in Cel - ſo. Auguſtinus l. 2 de Civit. Dei, c. 9. Turnebus Adverſ. l. 22, c. 24. Salvianus c. 8 de provid. Dei. Apuleius. Athan Kircher. Panth. Ebreor. c. 16, &c. Diodohr meldet / daß Iſis von den Egiptern als eine Goͤttin der gebuhrt ſei geehret worden: daher ſie den nahmen Latona, oder Lucina, quòd ejus operâ fœtus in lucem prodeat, bekommen. Katullus:
Goropius wil auch / am 106 bl. des 5 b. ſeiner Her - matehne / aus dem Plutarch erweiſen / daß durch die Iſis die Goͤttliche Weisheit verſtanden werde; und daß der nahme Iſis ſo viel heiſſe / als iſtiſt. DaßA aIſis370KurtzbuͤndigeIſis und Zeres einerlei ſeind / bezeuget Apuleius im 2 b.
Wie hoch dieſe Iſis durch das gantze Egipten ſei gehalten worden / iſt zufoͤrderſt daraus abzunehmen; weil die Egipter ſonſten nicht alle einerlei Abgoͤtter ehreten / wie Herodotus in ſeiner Euterpe meldet / als allein die Iſis / und den Oſiris: die dem gantzen Egipten / als die hoͤchſten und guͤhtigſten Gottheiten / gemein waren. Darnach bezeugen es auch unterſchied - liche uͤberſchriften / die man / ihr zu ehren / hier und dar in ihren heiligtuͤhmern angeſchrieben. Naͤhmlich / Ich Iſis bin alles / das da ſein wird / das da iſt / und geweſen iſt; und meinen vorhang hat kein ſterb - licher iemahls aufgedekt. Faſt dergleichen uͤber - ſchrift ſtund zu Sais im Goͤtzenhauſe der Minerve / wie Plutarch im buche von der Iſis meldet: naͤhm - lich / Ich bin alles / was geweſen iſt / was da iſt / und was daſein wird: meine flammendekke hat keiner unter den ſterblichen iemahls aufgedekt. Und anderwaͤrts befand ſich dieſe: Te, Tibi una, quæ es omnia, Dea ISIS. In etlichen warden ihr auch die ehrennahmen / Koͤnigin / Fraue / Herſcherin / uͤberwinderin / unuͤberwindliche / ſiegsprahlen - de / fruchtbringende / und dergleichen zugeeignet. Zudem heiligten die Egipter teils dieſer ihrer Abgoͤt - tin / teils dem Oſiris faſt alles / was ihnen nutzen bei - brachte. Dan ihr war heilig der Hundeſtern / und ward ſelbſten nach ihrem nahmen Iſis genennet / ja dem Morgenſterne vorgezogen: weil der Niel / ſo bald der Hundeſtern aufgegangen / zu wachſen anfing; da - her ſie auch waͤhneten / daß dieſer ſtern ſolchen wachs - tuhm wuͤrkte. Porphyrius in Scholiis ad Aratum p. 19. Voſſius de Idololatr. p. 226, 498. Auch war ihr hei - lig das ſternzeichen der Jungfrau / wie dem Oſiris / oder der Sonne daſſelbe des Leuens; und ward auchnach371Anmaͤrkungen.nach ihr Iſis benahmet: weil der Niel / wan die Son - ne durch dieſes zeichen lief / auf das hoͤchſte geſtiegen / und die felder zur fruchtbarkeit befeuchtete. Ja der gantze Tierkreus / den die alten Egipter Olimpon nenten / daher ſie auch den nahmen Olimpias be - kommen / war ihr geweihet. Euſebius in Chronicis l. 1. Langius de annis Chriſti l. 1, p. 171. Auch kan man hiervon unſern Dichteriſchen Sternhimmel / im zeichen der Jungfrau / und des Hundegeſtirnes / leſen.
Wie nun dieſe Abgoͤttin ſo mancherlei nahmen ge - habt / ſo hat man ſie auch auf mancherlei weiſe abgebil - det. Zuweilen begrif man in einem bilde faſt alle zei - chen / die ihre manchfaͤltige macht und auswuͤrkungen andeuteten. Dergleichen ſeind in den bilderſtuͤkken die - ſes Buͤchleins hier und dar zu finden. Auf dem tittel wird ſie mit vielen bruͤſten / daher ſie auch Multimam - mea, das iſt die Vielbruͤſtige / heiſſet / entworfen. Dieſes bild war mit verborgenen roͤhren ſo kuͤnſtlich zugerichtet / daß die hitze der angezuͤndeten lichter un - ter der hohlen ſchirmdekke uͤber dem heupte / durch ſol - che roͤhren / die milch / welche unten im bekken ſtund / ſtraks hinauf in die bruͤſte zog; alſo daß ſie / ſo lange die lichter branten / ſtaͤhts mit milche floſſen: welche / als kleine ſtrahlen / herunter in das bekken geſchoſſen kahm / und von dar wieder hinauf gezogen ward. Und hierdurch machten die Prieſter dem gemeinen voͤlklein eine ſolche blaue dunſt vor die augen / daß es anders nicht gleubete / als daß ihre gewaͤhnte große Mutter der Goͤtter ſolche milch von ſich ſelbſten flieſſen lieſſe. Kir - cherius Oedipi Ægypt. tom. 2, part. 2, p. 333. Der - gleichen zwei gekuͤnſtelte Goͤtzenbilder des Oſiris und der Iſis ſtunden auch zu Sais. Das Oſiriſche gab Wein / und das Iſiſche Milch von ſich / ſo bald das feuer auf der goͤtzenhoͤhe angezuͤndet ward: ja ein Tra -A a ijche372Kurtzbuͤndigeche / wie ein Habicht geſtaltet / bewegte ſich unterdeſſen mit einem heftigen ziſchen. So bald aber das feuer ver - loſch / ſtund alles ſtil. Hero in Automatis. So kuͤnſt - lich und argliſtig wuſten die Egiptiſchen Prieſter das arme volk zu betruͤgen / und in ihrer abergleubiſchen gottesfurcht zu erhalten. Sonſten ward mehr gemel - dete Iſis / wan ſie den Mohn allein andeuten wolten / gemeiniglich mit hoͤrnern gebildet; weil der Mohn im ab - und zu-nehmen gehoͤrnet / und ihm der Ochſe / der ebenmaͤßig gehoͤrnet / als des Akkerbaues ſinbild / gleich ſo wohl / als der Sonne / geheiliget war / ſonderlich zu Memfis; wie Elian in 11 h. des 11 b. ſeiner Tier - geſchichte / Diodor im 1 b. und Plutarch von der Iſis und dem Oſiris / bezeugen.
Herodotus ſchreibet in ſeiner Euterpe:
τὸ γὰρ τῆς Ἴσιος ἄγαλμα ἐὸν γυναική[ι]ο[ν], βούκερών ἐστι, κατάπερ ἕλληνες τὴν Ἰοῦν γράϕουσι,
das iſt / der Iſis Bildſeule / welche ein weibesbild iſt / hat Ochſenhoͤrner; gleichwie die Griechen die Jo zu bilden pflegen. Dieſe Jo war Inachs tochter / die er mit des Foroneus ſchwe - ſter gezeuget; und wird auch vor die Egiptiſche Iſis / gleichwie ihr ſohn Epafus vor den Egiptiſchen A - pis / gehalten: wiewohl es die Egipter bloß vor ein ei - teles geſchwaͤtze der luͤgenhaftigen Griechen annehmen; bei denen nichts gemeiner war / als daß ſie anderer Voͤl - ker Abgoͤtter ihnen zueigneten. Daß aber die Egiptiſche Koͤnigin Iſis / die mutter des Libiſchen Herkels / nachdem ihr gemahl / der Koͤnig Oſiris / von ſeinem bruder Tifon ermordet worden / zum Gambriven in Deutſchland ſei kommen / das Getreidich / welches den menſchen zuvor unbekant / unter andern gewaͤchſen ge - funden / und ſolches zu ſåen / zu mahlen / zu bakken / auch den gebrauch der wolle / des oͤhls / und des weines geleh - ret / und daher von den Schwaben vor eine Goͤttin gehalten und aufgeworfen worden / bezeuget / ſamt andern /373Anmaͤrkungen.dern / Aventinus im 1 ſeiner Bojiſchen Jahrbuͤcher - Auch ſchreibet von den reiſen der Iſis Diodoor aus Sizilien: der in ſeinem 1 buche folgendes ſchriftmahl anziehet: Ich Iſis bin die Koͤnigin dieſes Reichs / welche Merkuhr unterwieſen; die ſol - che ſatzungen gegeben / die niemand aufhoͤben kan. Ich bin Gottes des juͤngſten Saturns erſtgebohrne tochter. Ich bin des Koͤniges Oſi - ris gemahlin. Ich bin dieſelbe / welche den ſterb - lichen zum allererſten die Fruͤchte gezeiget. Ich bin des Koͤniges Orus mutter. Ich bin dieſel - be / die im ſterne des Hundes aufgehet. Mir zu ehren iſt die ſtadt Bubaſt gebauet. Gehabe dich wohl / Egipten meine ernaͤhrerin. Gleichesfals ſagt Tazitus im buche von den ſitten der Deutſchen: Pars Svevorum & Iſidi ſacrificat. Unde cauſa & origo peregrino ſacro, parum comperi; niſi quòd ſignum ipſum in modum Liburnæ figuratum, docet advectam religionem. Und daß ſonderlich zu Augſpurg / wel - ches / wie Muͤnſter im 3 b. ſchreibet / unter Schwa - ben gehoͤret / der Iſis goͤtzendienſt im ſchwange gegan - gen / bezeuget / neben andern maͤrkzeichen / der Kien - apfel oder die Zwirbelnus im wapen dieſer ſtadt; weil der Kien - oder Fiechten-baum der großen Mutter der Goͤtter / das iſt der Iſis / heilig war. Ja dergleichen anzeigungen des Iſiſchen goͤtzendienſtes findet man auch anderwaͤrts ſo wohl im Nieder - als Hoch-deutſchlande. Eisleben / eine ſtadt in der Grafſchaft Mansfeld / da der Deutſche Moſes / der große Luhter / welcher das Deutſche Israel aus der Egiptiſch-Roͤhmiſchen dienſtbarkeit gefuͤhret / geboh - ren worden / hat ihren nahmen zweifels ohne von dieſer Iſis; als auch das Eiſenkraut / Iſidis herba. Ob - gemelter Aventien ziehet im 2 buche ſeiner Bojiſchen Jahrgeſchichte folgende uͤberſchrift an / welche man inA a iijBaͤuern /374KurtzbuͤndigeBaͤuern / als ein hinterlaßenes gedenkmahl der Roͤh - miſchen kriegsleute / gefunden.
‘ISIDI. MYRIONIMÆ. SACRUM. FESINUS. T. IULI. SUTURNINI. G. P. P. SERRARI. POSUIT. FORTUNATUS. EIUSDEM. SER. T. S. FACIUNDUM CURAVIT. ’
Eine andere hat man auch im Niederdeutſchlande / zum zeichen / daß die Roͤhmer alda die Iſis ebenmaͤßig geehret / gefunden; und zwar folgende:
‘ISIDI. SACRUM. SEX. POMPEIUS. SEX. L. SYRUS. MIL. LEG. V. AUG. V. S. L. M. ’
Servius bei dem 8 b. vom Eneas wil / das Iſis ſo viel heiſſet / als Erde. Iſis autem Ægyptiorum linguâ terra eſt, quam Iſin eſſe volunt. Macrob. l. 1 Saturnal. c. 20: Iſis cunctâ religione celebratur: quæ eſt vel terra, vel natura rerum ſubjacens ſoli. Hinc eſt, quòd conti - nuatis uberibus corpus deæ omne denſetur; quia vel terræ, vel rerum naturæ alta nutritur univerſitas. Aber Diodor ſchreibet / daß Iſis ſo viel geſagt ſei als alt; und daß ſie dieſen nahmen von der alten und ewigen er - zielung bekommen. Andere wollen / daß Iſis aus dem Ebreiſchen ביון, das iſt eine maͤnnin oder Jung - frau entſprieſſet; und daß die Egiptiſchen Prieſter da - mit auf die gebuhrt unſers Heilandes aus einer Jung - frau / davon ſie vielleicht aus dem munde der Ebreer ge - hoͤret / ein auge gehabt. Doch hier von genug.
ANubis / des Tifons und der Nefte / die des Oſi - ris und der Iſis bruder und ſchweſter waren / eini - ger ſohn / welcher ſonſt auch Enef oder Knef / wie Kircher / Tiſius und andere melden / genennet wird / war ebenmaͤßig ein Egiptiſcher Abgott. Man bildete ihn gemeiniglich mit einem hundeskopfe: weil er / als er dem Oſiris / ſeinem vetter / im Kriege gedienet / ei - nen Hund zum waffenzeichen / oder einen Helm oder ſturmhuht vom hundesfelle getragen; oder auch weil er ein Jaͤger geweſen; oder aber / wie Tiſius meinet / weil der Niel bei angebrochenem klahren ſcheine des Hundeſternes / vor den auch Anubis ſelbſten von et - lichen genommen wird / in Egipten ſich ergieſſet. Da - her ſagt Lukahn im 8 buche:
Non in templa tuam Romana accepimus Iſin,Semideumque Canem.
und Virgiel im 8 vom Eneas:
Omnigenumque deûm monſtra, & latrator Anubis.
Aber wer mehr von der hundeko̊pfichten geſtalt des A - nubis zu wiſſen luſt hat / der ſchlage das 268 und fol - gende blaͤtter unſers Dichteriſchen Sternhimmels auf; da wir alles weitleuftig ausgefuͤhret. Etliche / ja die Egipter ſelbſten / ſtehen in der meinung / daß dieſer Anubis / und Saturn einen und eben denſelben Ab - gott bezeichnen: weil Κύων bei den Griechen ein hund heiſſet; und Saturn ſo wohl bei den Ebreern / als Is - maelern und Perſern / wie Aben Esra bezeuget / Ki - jun genennet wird. Und daruͤm haben viele nicht be - greiffen koͤnnen / waruͤm die 70 Tahlmetſcher vor das Ebreiſche wort ביון Kijun / im 26 ſpr. des 25 hauptſt. bei dem Amos / in der Griechiſchen uͤberſetzung / das Egiptiſche Ραιφὰν oder Ρεφὰν geſetzet: weil Ρεϕὰν oder /A a iiijwie376Kurtzbuͤndigewie etliche leſen / Ρεμϕὰν, welches wort noch itzund bei den Koptern in Egipten uͤblich / ein gantz anderer Egip - tiſcher Abgott geweſen / als Anubis; nåhmlich eben derſelbe / den andere voͤlker Saturn genennet. Auch verſtehet Plautus ſelbſten / in einem ſeiner Schauſpie - le / durch das wort Ciun nicht den Anubis / ſondern den Saturn; wie Samuel Petit im 2 h. des 2. b. ſeiner Anmaͤrkungen anweiſet. Aber die gemelten 70 uͤberſetzer / weil ſie in Egipten ſchrieben / haben das ei - gentliche alte Egiptiſche wort lieber gebrauchen wollen; wie es auch der Bluhtzeuge Steffan / im 43 ſpr. des 7 h. der Apoſtelgeſchichte / behalten:
ἀνελάϐετε τὴν σκή - νην τοῦ Μολὸχ, καὶ τὸ ἄστρον τοῦ θεοῦ ὑμῶν Ραιφὰν
. Ihr nah - met die huͤtte des Molochs an / und den Stern eures goͤtzen Refans: das iſt / ihr machtet euch den Mars / welcher eben derſelbe als der Egiptiſche Mo - loch war / und den ſchweifſtern des Saturns zu Ab - goͤttern.
Sotis / ἡ Σῶϑις, das iſt der Hundesſtern / oder das Hundegeſtirn / ſonſt gemeiniglich σεὶριος, Si - rius genennet / war gleichesfals ein Egiptiſcher Abgott: deſſen wuͤrkung die Egipter den auf - und uͤber-lauf des Niels zuſchrieben; wie wir am 252 und 263 bl. un - ſers Dichteriſchen Sternhimmels weitleuftig an - gewieſen. Und daruͤm gaben ſie ihm die naͤchſte ſtelle nach der Sonne und dem Mohne / dergeſtalt daß ſie ihn allen andern ſternen / ja ſelbſt dem Morgenſterne vorzo - gen. Prophyrius in antro Nympharum: Ægyptiis prin - cipium anni eſt, non Aquarius, uti Romanis, ſed Cancer. In cancro enim eſt Sothis, quam Canis ſidus Grœci dicunt. Neomenia autem ipſis eſt Sothidis ortus, quæ generationis mundi ducit initium. Ja die Egipter fingen nicht allein ihr Großes jahr / welches aus vier Sonnenjahren beſtund / vom aufgange des Sotis oder hundeſternes an; ſondern nenneten es auch ſelbſt / nach ſeinem nah -men /377Anmaͤrkungen.men / das Sotiſche jahr / annum Sothidis ſive Canicu - larem. Voſſius de Idololatr. l. 1, c. 28. Langius de An - nis Chriſti l. 1, p. 224. Nic. Cauſſinus de Symbolica Ægypt. ſapient. p. 83. Auch kan hierbei unſer Dich - teriſcher Sternhimmel / Cœlum Aſtronomico-poë - ticum, am 266 bl. geleſen werden. Es ward aber nicht allein der Zungenſtern des Hundegeſtirnes / der dem Oſiris / wie der Stirnſtern in eben demſelben Stern - zeichen der Iſis / eigentlich geheiliget / abſonderlich Sirius genennet; ſondern auch das gantze Sternzeichen ingeſamt: wie wir am itzt angezogenen orte mit meh - rem angezeiget. Und unter dieſem nahmen iſt auch der Hundeſtern ſo wohl bei den Lateiniſchen / als Grie - chiſchen Dichtmeiſtern nicht wenig bekant.
Virgilius 4 Georgiκῶν:
Idem:
Et 10 Æneidos:
Hierbei hat Servius angemaͤrket: Sirius ſtella eſt in ore Canis, quæ, quantum in ipſa eſt, peſtifera eſt: ſed pro qualitate adjacentium aut vincitur, aut majoribus uti - tur viribus. Hinc eſt, quòd, cùm tempore certo ori - tur, non ſemper noxia eſt. Man hat ſich aber alhier nicht wenig zu verwundern / daß die Dichtmeiſter / ſon - derlich die Lateiniſchen / den Sirius gemeiniglich / nach des Hundegeſtirnes boßhaftiger / und nicht liebreicher kraft und eigenſchaft / beſchreiben: da doch durch dieſen nahmen / der ſonſt alles / was guͤhtig und liebreich iſt /A a vbedeutet /378Kurtzbuͤndigebedeutet / wie wir im mehr gemelten Dichteriſchem Sternhimmel erwieſen / allein das widerſpiel ſolte verſtanden werden.
Statius l. 3 Silvarum:
Acer anhelantes incendit Sirius agros.Idem:
Illos implacido lethalis Sir ius igni.Lucanus libro 10:
— rapidus qua Sirius ignesexerit.Valerius Flaccus l. 1:
Sic cùm ſtabulis, & meſſibus ingensira Deûm, & Calabri populator Sirius arviincubuit.Nonnus:
Μετὰ Σείριον, ἀστέρα Μαίρης,αἰϑέρος ἀστὸν ἐγώ σε, καὶ ἀστερόεντα τελέςςωἄγχι κυνὸς πρότερον, σταϕυλὴν ἵνα καὶ σὺ πεπαίνηςβότρυος ἐς λιϑείαν ἀκοντίζων σέϑεν αἴγλην.
das iſt / ſagt Oſiris oder Bachus zu ſeinem Hunde / oder vielmehr zum Anubis / oder aber Kaleb / der des Moſes / welchen Voſſius vor den dritten Oſiris helt / getreuer mitgefaͤhrte war: ich wil dich nach dem Sirius / der Mirjam oder Marien ſterne / (dan Maira ſcheinet aus Maria oder Mirjam / dem nahmen der ſchweſter des Moſes / gebildet zu ſein) zum buͤrger des Himmels / und mit vielen ſternen / bei dem voͤrderſten Hunde / leuchten ma - chen; damit du die weinbeeren zeitigeſt / indem du deine ſtrahlen auf die trauben wirfeſt.
ORus oder Horus / ὧρος, den die Egipter auch Kemin nenten / des Oſiris und der Iſis ſohn /war379Anmaͤrkungen.war ebenmaͤßig ein Egiptiſcher Abgott; welchen ſie vor den herſcher der zeit oder der jahre / wie aus den uͤberſchriften der gebalſemten leichen zu ſehen / hielten: wiewohl ihm ſonſten eigendlich nur das vierde und letzte teil ihres Sotiſchen oder großen jahres / wie das erſte teil dem Sotis oder dem Hundesſterne ſelbſten / das zweite der Iſis / und das dritte dem Oſiris / zu beherſchen zugeeignet war. Und davor hielten ſie ihn / ſo fern er aus dem himliſchen Oſiris und der him - liſchen Iſis / das iſt aus der Sonne und dem Mohne / gezeuget zu ſein verſtanden / und der himli - ſche Orus genennet ward. So fern er aber irdiſch / und aus dem irdiſchen Oſiris und der irdiſchen Iſis / das iſt aus der zuſammenfuͤgung des Niels und der Erde / gebohren zu ſein betrachtet ward; als - dan bezeichnete er ſo wohl der erde / als der luft frucht - bare geſtalt zum wachstuhme der dinge geſchikt / das iſt das fruchtbahre gewitter / die wolken / den regen / den tau / u. d. g. Daher ſagt Voſſius vom uhrſpr. der Abgoͤtterei am 614 bl. Ex Nili & Iſidis concubitu naſcitur Orus; nempe ſubcœleſt is; quo indicatur tum aë - ris, tum terræ temperies, rebus producendis apta. Und uͤm dieſer milterung der luft willen / ſcheinet er auch zum teil von den Egiptern mit unter die Artzneigoͤtter gerechnet zu ſein: da ſie ihn Harpokrates nenten; wie Kircher am 354 bl. des 2 t. ſeines Egiptiſchen Oedipus bezeuget. Ja er ward zu weilen gar vor den Apollo / den Sonnen - und Artznei-goͤtzen / ſelbſt genommen / Macrob. l. 1 Saturn. c. 21. Wie nun dem Orus die Luft gleichſam zugeignet war: ſo beſaß ſeine mutter Iſis die oberſte helfte der Erde / ſo weit ſie nåhmlich von der ſonne erleuchtet wird / und der tag reichet; und ſeiner mutter ſchweſter Nefte / des Ti - fons gemahlin / die andere und unterſte helfte der Erdkugel / ſo weit ſie die nacht uͤberſchattet; Anubisaber /380Kurtzbuͤndigeaber / der Nefte ſohn / den Kreusendiger / alſo daß er die oberſte und unterſte helfte der erde / gleich als ein hund / bewachte / und gleichſam anbaͤllete / wie Plutarch meldet. Iſidi terram dedere, ſagt auch Voſſius / qui horizonte noſtro continetur. Nephthyi partem terræ pedibus noſtris adverſam. Ipſum horizonta Anubi - dis eſſe dixerunt: qui filius Typhonis, cuique dedica - runt canem; quòd hemiſphærii utriuſque cuſtos ſit.
KAnopus / welches etliche Kanobus / nach dem Griechiſchen Κάνωϐος, ſchreiben / war des Troji - ſchen Koͤniges Menelaus ſchifshaupman / aus La - konien buͤrtig: wiewohl Ariſtides ſolches leugnet / und den Hekateus / der es bejahet / in ſeiner Rede von den uhrſachen des wachſenden Niels / widerleget; auch darbei fuͤget / daß Kanopus / eine nach gemel - ten Lakoniers nahmen alſo genente Egiptiſche ſtadt / etliche hundert jahre vor des Menelaus ankunft in Egipten ſchon dieſen nahmen gefuͤhret. Daß er aber in gemelter ſtadt von einem natterſtiche geſtorben / und begraben worden / bezeugen Strabo im 17 b. und Ta - zitus im 2 ſeiner Jahrbuͤcher / als auch Sulpitz. Nach ſeinem tode ſol ihm Menelaus / ſeine große treue zu vergelten / ein Goͤtzenhaus / deſſen Euſtatius / und Dioniſius gedenken / bei dem Kanopiſchen Niel - hafen geſtiftet haben. Ja die Egipter ſelbſt haben ihn als einen Waſſergoͤtzen geehret / und Neptuhn / wie Steffanus bezeuget / genennet. Sein gotzenbild / wie Euſebius in 2 b. ſeiner Kirchengeſch. meldet / ward mit einem uͤberaus dikken bauche / und ſehr fettem wanſte gebildet; vielleicht daruͤm / weil der Niel / den man ihm zueignete / fet machte: da doch die Egip - ter ſonſt allen ihren Abgoͤttern eine ſchlanke geſtalt ga -ben.381Anmaͤrkungen.ben. Dan ſie hielten darvor / wie Plutarch bezeuget / daß die ſchlanke leibesgeſtalt dem Goͤttlichen bilde am gleicheſten ſei. Daher muſten auch die Prieſter gantz nicht fet ſein. Das war ihnen ein greuel. Daruͤm lebten ſie ſo uͤber die maße maͤßig / ſchreibt Porfirius / und Tiſius vom Stahtsweſen der Egipter. Daruͤm trunken ſie auch das Nielwaſſer / welches die eigen - ſchaft hat fet zu machen / ſehr ſpahrſam. Ja damit die geheiligten Ochſen / Mnevs / und Apis / nicht fet wuͤrden / gab man ihnen kein Nielwaſſer zu trinken. Wie nun die Egipter mit rohthaͤhrichten und blaſſen Menſchen nicht gern uͤmgingen / ſo ſahen ſie auch die fetten waͤnſte nicht gern. Daruͤm war ihnen auch der Koͤnig Menis / ſeines ſchmeerbauches / und wohlluͤ - ſtigen ſchlemmeriſchen lebens wegen / ſo verhaſſet / daß ſie ihm nicht allein die Sau zum ſinbilde gaben / ſon - dern auch ſelbſt eine ſeule zu Tebe lieſſen aufrichten / welche mit lauter fluͤchen wider dieſen koͤnig beſchrie - ben; wie bei dem Pierius im 9 b. ſeiner Egipt. Bil - derſchriften zu leſen.
Sonſten bildeten die Egipter dieſen ihren Abgott Kanopus gemeiniglich ab mit einem runten Waſ - ſerkruge; welcher einen dikken bauch / und oben auf dem halſe des Kanopus kopf ſtehen hatte. Auch war an demſelben ein handgrif / darauf eine zuſammen - geflochtene Natter / vielleicht daruͤm / weil den Kano - pus eine natter getoͤdtet / ſich erhub. Apuleius in ulti - mo Mileſiarum: ejus orificium non altiuſculè eleva - tum, in canalem porrectum, longè rivulo promine - bat. Et aliâ parte multum recedens, ſpatioſâ dilatatio - ne adhærebat anſa, quam contorto nodulo ſuperſede - bat aſpis ſqameæ cervicis ſtricto tumore ſublimis. Zu weilen waren dieſe Kruͤge glat und ohne ſchrift / zu wei - len mit wunderlichen heiligen ſchriftzeichen und ſin - bildern der Egipter gezieret. Weil Kanopus einSchif -382KurtzbuͤndigeSchifinan / wie geſagt / geweſen / ſo heiligten ihm die Egipter auch das Sternzeichen des Schiffes; und nenneten nicht allein deſſelben groͤſſeſten ſtern / der am mittagsruder ſtehet / ſondern auch das ſchif ſelbſten nach ſeinem nahmen; wie wir in unſrem Dichteriſchen Sternhimmel am 325 bl. beruͤhret. Aber von dieſem Abgotte koͤnnen geleſen werden Stephanus in Κάνωϐος; Suidas in Κάνωπος; Rufinus Hiſt. Eccl. l. 2, c. 26; Petr. Crinitus l. 11 de honeſta diſciplina; item Voſſius Theol. gentil. l. 1, c. 31.
MOmft / Momphta, Monphta, das iſt Gott des waſſers / oder Waſſer Gottes / wie es Abene - fi erklaͤhret / war ein Abgott des wachſenden Niels / in - crementi Nilotici præſes numen, ſagt Kircher im 1 t. ſeines Egiptiſchen Oedipus / am 115 bl. Ihm war der Leue heilig: und das Leuengeſtirn / ſamt dem Leuenmohnde / ſtunden unter ſeinem gebiete. Da - her pflegte der Pfaffe dieſes Abgottes / wan er dem Niele ſeinen goͤtzendienſt leiſtete / mit einer Leuenhaut bekleidet zu ſein.
Omft / Omphta, war der Abgott des fallenden Niels: daher ihm auch das ſternzeichen der Wage / ſamt dem herbſt mohnde / darinnen der Niel faͤllet / ge - heiliget.
DIe Egipter pflegten ihren Goͤtzen waͤchſerne Ta - feln / darauf ihre bitte geſchrieben ſtund / an die kniehe zu haͤngen. Daher ſagt Juvenahl:
CYprianus in carmine de Chriſtiano apoſtatâ:
Lactantius l. 1 Inſtit. Apulejus l. 8 Metamorph. Herodot. l. 2. Clemens Alexandrinus Stromat. l. 6, p. 465, & l. 7, c, 8. Guido Pancirollus rer. memorabil. deperdit. l. 1. Beroald. ad Apuleji l. 11 Mileſ. Voſſius Theol. gentil. p. 203.
TIfon / Typhon, Typhaon, Typhoëus, den die E - gipter auch Set / Bebon / und Smi nenneten / des Oſiris und der Iſis / als auch der Nefte / ſeiner gemahlin / bruder / ward vor den anfang alles boͤſen / gleichwie Oſiris alles guhten / gehalten; weil jener ein wuͤhterich / der auch ſelbſt ſeinen bruder Oſiris ermor - det / dieſer aber ein frommer koͤnig geweſen. Ja ſie eig - neten jenem alles boͤſe / das in der gantzen Natur war / und dieſem alles guhte zu. Und daruͤm pflegten ſie ihm auch / ſeine wuͤhtende macht zu beſaͤnftigen / Eſel und rohte Kuͤhe zu opfern: und trugen ſchwartze kleider. Beſiehe hiervon weiter Atanaſius Kirchern im 1 t. ſeines Egipt. Oedipus / in der 2 abteil. am 23 bl. als auch unſern Dichteriſchen Sternhimmel / am 114 / 253 und 288 bl.
ALs Abraham im lande Kanaan / zwiſchen Be - tel und Ai / wohnete / uͤberfiel das land eine große teurung. Daruͤm begab er ſich / mit ſeiner fraue Sara / in das naͤchſtgelegene Egipten: dem / ſeiner uͤber - ſchwaͤnglichen fruchtbahrkeit wegen / keine misjahre /die384Kurtzbuͤndigedie man mit recht misjahre nennen konte / bewuſt wa - ren. Als nun Abraham in Egipten kahm / dieſes ſeind Moſes im 12 hauptſtuͤkke ſeines 1 b. eigene wor - te; da ſahen die Egipter das weib / daß es faſt ſchoͤne war. Und die Fuͤrſten des Farao ſahen ſie / und preiſeten ſie fuͤr ihm. Da ward ſie in des Farao haus gebracht. Und er taͤht Abraham guhtes uͤm ihret willen: und er hatte ſchafe / rin - der / eſel / knechte und maͤgde / eſelinnen / und ka - mehle. Aber der HErꝛ plagte Farao mit großen plagen / als auch ſein haus / uͤm Sara Abra - hams weibes willen / u.a.m. Dieſen Farao oder Egiptiſchen koͤnig nennet der Araber Abdalla Ben Geled / in ſeiner erzehlung der Egiptiſchen koͤnige / Tautis: welcher bei andern auch Faunus und Sa - ruch heiſſet. Seine eigene worte lauten verdeutſcht al - ſo: Tautis war derſelbe Farao / welcher die Sare des Abrahams Fraue behielt. Dieſem folgete ſei - ne tochter Hazubah; dan er hatte keinen ſohn. Sie war aber die erſte Frau / welche uͤber Egipten herſchete. Als ſie todt war / beſaß das Koͤnig - reich Amhaz Alfa / die tochter Mamums / des ſohns Malia: und nach dieſer / Alvalid. Sie lebe - ten eine lange zeit / und vermehreten ſich derge - ſtalt / daß ſie das gantze Egipten erfuͤlleten. Sie waren aber aus dem ſtamme des Amaleks / des ſohns Luds / des ſohns Sems. Und nach Al - valids abſterben / herſchete nach ihm Alrian. Die - ſer war dazumahl Koͤnig / als Joſef in Egipten verkauft ward: den er auch / weil er ſeinen traum auslegte / aus dem gefaͤngnuͤſſe zog / und zu den groͤſten wuͤrden in Egipten erhub. Als Alrian Ben Alvalid geſtorben war / beſaß nach ihm das Koͤ - nigreich Daran: bei deſſen lebezeit Joſef / friede ſei uͤber ihm / geſtorben / u. ſ.f.
Die -385Anmaͤrkungen.Dieſer Tautis aber war kein ander / als der weltbe - kante wahrhaftig dreimahlgroße Hermes / oder Hermes Trismegiſt / der gantzen Egiptiſchen Weis - heit ſpringbrun und uhrhoͤber / ja der erfinder der Son - nenſeulen / ſamt der heiligen Egiptiſchen Bilderſchrift: welchen die Foͤnizier / wie Euſebius im 7 h. des 1 b. be - bezeuget / Taut; die Egipter Tot / auch Ftat / das iſt den Gott der Goͤtter / und Hermes; die Ara - ber aber Idris / oder Adris nach dem Ebreiſchen Ha - dores / das iſt / einen fuͤrtreflichen Vernunft - fechter / diſputatorem inſignem, genennet. Die Ara - ber pflegen zwar alle dieſe nahmen / in ihren ſchriften / ge - meiniglich dem Enoch zuzueignen; den ſie ſonſt Ha - nuch / auch zugleich ſelbſt Oſiris / naͤhmlich den al - lererſten / nennen; wie aus dem Ahmed Ben Joſef Eltifaſi / Abenefi / Kaab Elchabar zu ſehen: welcher letztere / in ſeinen Sarazeniſchen Geſchichten / unter andern auch dieſes ſchreibet: Es war aber Adris ein ſchneider / und der erſte / der kleider ge - macht hat; und ſo oft er die nahtel durchzog / lo - bete er Gott / und heiligte Ihn. Dieſes bezeuget auch Vaſiab / als auch Ismael Schiahin: welcher ſaget / daß er ihm ſelbſt das erſte kleid gemacht / da die menſchen zuvor mit tierefellen uͤmhaͤnget geweſen; ja er habe zum erſten / im wege Gottes / die waffen ge - brauchet / und wider Kabiels ſoͤhne / Kains nach - kommen / geſtritten; auch zuerſt das maß und gewicht erfunden. Ja es ſcheinet / daß die Araber und Kal - deer alles / was die Griechen und andere vom Oſiris geſchrieben / dem Enoch oder Adris / wie ihn die mei - ſten nennen / zugeeignet. Aber der zweite und rechte Her - mes Trismegiſt / der die erſten Sonnenſeulen / uͤm das 2213 weltjahr / oder uͤm das 1840 vor der Heilge - buhrt / erfunden / und die Egiptiſche Prieſterſchaft geſtiftet / war / nach der ſuͤndfluht / nicht allein der erſteB bPrieſter386KurtzbuͤndigePrieſter in Egipten / ſondern auch der dritte Koͤnig; der dem Mizraim / und Mesramutiſis folgete. Da - hin kahm er erſt / aus Waͤlſchland / zum Mizraim; dem er / ſeiner großen weisheit wegen / ſo lieb war / daß er ihm alle ſeine heimligkeiten anvertrauete / ja ihn zu ſeinem geheimen Rahte machte. Nach deſſen / und dan auch ſeines ſohnes und reichserbens tode / erhub ihn ſeine weiheit gar auf den Egiptiſchen reichsſtuhl. Und alſo war er eben dazumahl koͤnig / als Abraham / mit der Sara / vor der teurung in Egipten flohe. Von ihm bezeugen auch die Ebreer in ihrem Buche / welches בית מלביצדק, das iſt das Haus Melchiſedeks / genennet wird: daß er eine ſehr große weisheit beſeſſen; daß er einer aus Kanaans nachkommen geweſen; daß er viel gelehrte Leute erzogen / die nach ihm Adris genennet worden. Eben daſſelbe / und noch mehr meldet auch von ihm der Araber Alkandi / bei dem Gelal - dien. Aber wir hetten des Juͤden Abraham Za - chuts / der uͤm das 1502 heiljahr geſchrieben / ſchier vergeſſen. Dieſer nennet / in ſeinem Buche Juchaſin, das iſt der Stambeſchreibung / den Egiptiſchen Koͤ - nig / der zu Abrahams zeiten geherſchet טוטיס Tu - tis: aber er meldet / daß er der funfzehende nach der ſuͤndfluht / und der erſte aus dem geſchlechte der Kob - ter geweſen. Saumbeni neunder ſohn / ſchreibt er / hies Tutis. Dieſer war der erſte Farao / der zu Abrahams zeiten gelebet / und geſtorben iſt / auch einen kleinen Sohn hinterlaßen. An deſ - ſen ſtat herſchete ſeine mutter Kuria. Naͤhm - lich dieſelbe / die der Saren ihre magd Hagar ge - geben. Andere wollen / daß Hagar des koͤnigs Tauts tochter ſelbſten geweſen. Jonatan der Kaldeer / in - dem er das 16 h. des Buchs der ſchoͤpfung erklaͤhret / ſchreibet alſo: dieſe Sara hatte eine Egiptiſche magd / die Agar hies / בדת פדעח eine tochterFaraons:387AnmaͤrkungenFaraons: die er ihr zur magd gab / als er uͤm deſſent willen / weil er ſie genommen / nach dem worte des HERꝛn geſchlagen ward. Und der Ebreiſche Schriftmeiſter Selomo ſetzet / in ſeinen Anmaͤrkungen bei dieſem orte / hinzu: daß Farao / als er die zeichen geſehen / die uͤm der Sara willen ge - ſchahen / zu ſeiner tochter Agar geſagt hette: Es iſt beſſer / daß du in dieſem hauſe eine Magd / als in einem andern eine Fraue biſt.
Abimelech der koͤnig der Filiſter / welcher zu Gerar hof hielt / lies nach der zeit Saren / weil ſie ſo ſchoͤne war / ebenmaͤßig zu ſich hohlen. Und daruͤm verſchlos der HERꝛ alle muͤtter des hauſes Abimelechs ſo hart / daß keine gebaͤhren konte. Auch erſchien Er ihm des nachts im traume / und ſprach zu ihm: ſiehe da! du biſt ein man des todes / uͤm des Weibes willen / das du genommen haſt: dan ſie iſt eines Man - nes Ehweib. Weil aber Abimelech ſolches aus einfaͤltigem hertzen getahn / indem er / nach Abra - hams und der Saren eigenem berichte / nicht anders wuſte / als daß ſie mehr nicht / als ſeine ſchweſter ſei / wie ſie dan auch vom vater / wiewohl nicht von der mut - ter / ſeine ſchweſter war: ſo bewahrete ihn Gott / daß er nicht wider ihn ſuͤndigte; indem er nicht zulies / daß er ſie beruͤhrete: wie Moſes im 20 h. des Buches der ſchoͤpfung weitleuftiger hiervon ſchreibet.
Daß aber dieſe Sare ſo uͤberaus ſchoͤn geweſen / kan uͤberdas auch daraus geſchloſſen worden / weil die Egipter ihre Abgoͤttin der ſchoͤnheit und liebe Za - hara oder Sahara genennet: welches wort ſie / nach meiner muhtmaßung / nirgend anders her / als aus dem nahmen Sara / gebildet; auch damit keine andere / als des Abrahams Fraue / die wunderſchoͤne Sara / ver - ſtanden. Sonſten wird itzund Libien von den einwoh - nern auf Arabiſch Sara oder Zaara oder Zahara / dasB b ijiſt388Kurtzbuͤndigeiſt eine Wuͤſte oder Einoͤde / weil es alda viel wuͤſte - neien giebet / genennet: wiewohl die Araber dieſen nah - men nur einem teile deſſelben / das ſteinicht und kieſe - licht iſt / zu geben pflegen.
DIe ſchoͤnheit dieſer Rebekka / des Betuels tochter / und Iſaaks Ehfraue / giebet Moſes im 16 ſpr. des 24 h. und im 7 ſpr. 26 h. ſeines 1 b. gnug - ſam zu verſtehen. Auch erzehlet er im letztgemelten h. was ſich mit ihr zu Gerar begeben.
DEr Rahel / die eine tochter Labans des Bruders der Rebekke / und Jakobs Ehfraue war / aus - buͤndige ſchoͤnheit beſchreibet Moſes ebenmaͤßig / im 17 ſpr. des 29 h. ſeines 1 buches / zwar kurtz / doch deut - lich genug.
HIervon ſchlage den 18 / 20 / und 30 ſpr. des itzt angezogenen 29 h. auf.
TAhre oder Tarah / Nahors des erſten dieſes nah - mens ſohn / und enkel Sarugs / Abrahams va - ter / war ein fuͤrtreflieher Bildhauer; wie viel Ge - ſchichtſchreiber der Ebeeer / Araber und anderer mor - genlaͤndiſchen voͤlker bezeugen. Ja er machte nicht al - lein die Goͤtzenbilder; ſondern dienete ihnen / ſeinen eignen gemaͤchten / auch ſelbſt. Er ſelbſt war es / der am allererſten / nach der ſuͤndfluht / und dem BabelſchenTurn -389Anmaͤrkungen.Turnbaue / den Goͤtzendienſt wieder aufgebracht; wie Epifanius bezeuget. Daher wollen ihrer viel urtei - len / daß ſein ſohn Haran / ihm zur ſtrafe / eher ſei weggeruͤkt worden / als er: welches zuvor noch niemahls geſchehen / als mit dem einigen Abel; den aber nicht Gott / ſondern Kain / wegruͤkte. Und daß er ein Goͤ - tzendiener geweſen / deutet die heilige Schrift ſelbſten an / im 24 h. des buchs Joſua: welcher alda die Staͤm - me Iſraels alſo anredet: Naͤhmlich / ſo ſagt der HERꝛ / der Gott Iſraels: eure Vaͤter wohne - ten vor zeiten jenſeit dem waſſer / Tarah / Abra - hams und Nahors Vater; und dieneten an - dern Goͤttern. Da nahm ich euren Vater Abra - ham jenſeit des Waſſers / und lies ihn wandern im gantzen lande Kanaans / u. ſ. f. Die uͤberſe - tzung der 70 Aelteſten lautet alhier alſo: πέραν τοῦ ποταμοῦ οἱ πατέρες ὑμῶν ἀπ᾽ ἀρχῆς, ϑάρα ὁ πατὴρ ἀσο ραὰμ, καὶ ὀ πατὴρ Ναχὼρ, καὶ ἐλάτρσυσαν ϑεοῖς ἑτέροις. Zudem bezeuget Serenus: daß Abraham / als er / im ſech - zigſten jahre ſeines alters / ſeinen vater Tarah vom goͤtzendienſte abgemahnet / und nichts ausgerichtet / das Goͤtzenhaus endlich gar angezuͤndet: da dan Ha - ran / Abrahams juͤngſter bruder / indem er die goͤtzen aus der flamme retten wollen / mit dem goͤtzenbaue zu - gleich verbrant ſei. Was aber fuͤr ein goͤtzendienſt in Abrahams vaterlande ſei im ſchwange gegangen / zei - get Moſes Ben Majemon in ſeinem ſo genenten More Nevochim / im 30 h. des 3 b. weitleuftig an. Unter andern ſchreibet er / daß man alda das Feuer geehret; und gegleubet / daß keine andere Goͤtter weren / als die Sterne; ja daß man die Sonne vor den groͤſten unter allen Goͤttern gehalten / und den Mohn naͤchſt ihr: welcher meinung Abraham widerſpro - chen / und angezeiget / daß einander wuͤrker und her - ſcher ſei / als die Sonne / u. a. m. Hieraus ſiehet man /B b iijdaß390Kurtzbuͤndigedaß Sonne / Mohn / und Sterne nach der ſuͤnd - fluht die allererſten Goͤtter oder vielmehr goͤtzen gewe - ſen: und daß man das griechiſche wort ϑεὸς, das ſo viel heiſſet / als Gott / und von ϑέειν, das iſt lauffen / ge - bildet / ihrer ſtaͤhtigen bewegung und ewigen lauffes wegen / ihnen am allererſten zugeeignet; dergeſtalt / daß es von ihnen entſproſſen / und nachmahls auch andern ſich gar nicht / oder nicht alzeit bewegenden / und bald vergaͤnglichen dingen / die man vergoͤtlichte / gegeben worden. Plato in Cratylo: ϕάινοντάι μοι ὁι πρῶτοι τῶν ἀνθρώπων περὶ τὴν Ἑλλάδα τούτους μόνους ϑεοὺς ἡγεισϑαι, οὕσπερ νῦν πολλοὶ τῶν βαρζάρων, Ἥλιον, καὶ Σελήνην, καὶ Γῆν, καὶ Ἄςρα, καὶ Ὀυρανὸν. Das iſt / die Griechenland zuerſt bewohnet / ſcheinen mir die Sonne / den Mohn / die Erde / die Sterne / und den Him - mel / wie noch itzund viel Ungriechen tuhn / al - lein vor Goͤtter gehalten zu haben. Und weil ſie ſahen / fuͤget er ſtraks darauf hinzu / daß alle dieſe dinge fort und fort lieffen; ſo haben ſie die - ſelben von dieſer eigenſchaft des lauffens / οὗ ϑέειν, ϑεοὺς, das ſo viel geſagt iſt / als goͤtter / genennet. Es iſt auch kein wunder / das dieſe voͤlker / denen der wahrhaftige lebendige Gott unbewuſt war / die Sterne / ihrer ſtaͤhtigen bewegung halben / vor goͤtter gehalten; ſonderlich aber die Sonne: welche ihnen un - auf hoͤhrlich und ſo ſchnaͤl zu lauffen ſchien / auch man - chem noch ſcheinet; wiewohl ſie ein uͤberaus großer klump / und hundert und ſechzig mahl groͤſſer iſt / als die Erdkugel / daß ſie in einer einigen ſtunde zehnmahl hundert tauſend meilen fort gelauffen zu ſein angeſe - hen wird. Aber hiervon kan Ludwich Karrio im 2 b. Laktantz im 5 h. des 2 b. Prudentz auch im 2 b. wider den Simmachus / als auch unſer Dichteri - ſcher Sternhimmel / am 261 und 262 bl. geleſen werden.
LEa / Jakobs Ehfrau / und Joſefs Stiefmut - ter / die des Labans aͤlteſte tochter war / hatte ein bloͤdes geſichte / ſagt Moſes in 17 ſpr. des 29 h. ſei - nes 1 buches. Etliche ſchreiben / daß ſie uͤberſichtig geweſen: andere / ſie habe einen ſtern in den augen gehabt.
VOn dieſen Goͤtzenbildern des Labans ſchreibet Moſes im 30 / 32 / 33 / 34 / 35 ſpr. des 31 h. und im 2 und 4 ſpr. des 35 h. ſeines 1 buches. Die Ebreer nennen ſie Terafim; welches etliche aus Serafim gebildet zu ſein meinen. Kauſſinus gedenket der Te - rafim auch / in ſeinen Anmaͤrkung bei dem Horus Apollo / am 110 blatte: aber wie ſie alda beſchrieben werden / kommen ſie mit den Labaniſchen gantz nicht uͤberein. Seine eigene worte ſeind dieſe: Nec diſſimi - les erant Theraphim, quorum meminit Elias Thesbi - tes in Lexico Ebræo, ad eandem vocem, diriſſima pror - ſus ſimulachra, & nefariis imbuta ſuperſtitionibus. Mactabant quippe puerum primogenitum, cujus ca - put à corpore revulſum ſale & aromatibus condiebant; hinc illi laminam imponebant, eam que immundi ſpiri - tus nomine & charactere ſignatam, mox odore & ſuffi - tu, cereisque accenſis, venerabantur. Et quamquam hoc ſecretis parietibus occultabatur ſcelus, nonnunquam tamen etiam occiſorum infantum præſegmina, laminis & bracteis incluſa, ſuperſtitioſoque ritu excantata ge - ſtabant. Sonſten hatten die Egipter ihre Serapen oder Serapides: welche kleine von ſteinmaͤlhle gebakke - ne und mit verborgenen ſinbildern beſchriebene goͤtzen - bilder waren; die ſie den Leichen / ſie vor aller gewaltder392Kurtzbuͤndigeder boͤſen geiſter zu beſchirmen / an ihr todtenkleid feſt naͤheten. Mit dieſen Beſchirmgoͤtzlein ſollen / wie et - liche meinen / des Labans Goͤtzenbilder oder Terafim eine und eben dieſelbe geſtalt gehabt haben. Auch helt ſie der große Kircher am 297 bl. ſeines Eg. Oedip. beide vor einerlei: dem ich zween abriſſe von dergleichen Egiptiſchen Serapen ſelbſten zugeſchikt; die er auch mit in gemeltes buch einverleibet. Der nahme ſolcher Serapen oder Beſchirmgoͤtzlein ſcheinet vom Egip - tiſchen Ochſengoͤtzen Serapis entſproſſen zu ſein. Und dieſer Ochſe ſei des Argiviſchen Koͤniges Apis oder Epafus / der in Egipten geſegelt / und daſelbſten geſtorben / ſinbild geweſen / meinen Klemens von Alexandrien / und Auguſtien in ſeinem buche von der ſtadt Gottes. Aber Suidas / Julius Mater - nus / Rufinus im 23. h. ſeines 2 b. der Kirchengeſch. der Ebreiſche Schriftgelehrte / Aben Esra / Hu - go Groht in ſeiner Sofomfania / Voſſius von der Abgoͤtterei / im 29 h. des 1 b. auch am 501 bl. des 2 b. und anderswaͤrs mehr / eignen dieſes Sinbild dem Joſef zu: aus deſſen nahmen auch der goͤtzen - nahme Apis gebildet ſcheinet. Der letzte ſchreibet hier - von alſo: In templo Joſepho formatum eſt ſimula - chrum, ob diviſionem frumenti, quo famis tempore ſubvenit Ægyptiis, &c. Joſeph defuncto, inſtitue - runt in honorem ejus templum apud Memphim, in quo bos quaſi optimi agricolæ indicium aleretur, ha - bens quædam honoris inſignia: qui ex nomine ejus Apis appellatus, &c. Joſephi nomen immutârunt in ſacris, ut auguſtius videretur numen, &c. Is honos ini - tio tantùm fuit civilis: propterea eum Joſeph admiſit. Tamen degeneravit poſt mortem in divinum, &c. Die - ſes bekraͤftigt auch der Araber Abnefi / wan er alſo ſchreibt: Und Joſef ſagte zum Koͤnige; ſetze mich uͤber den ſchatz des landes; dan ich wil ein ge -treuer393Anmaͤrkungen.treuer bewahrer ſein. Und der Koͤnig ſetzte ihn uͤber alle Koͤrnheuſer: auch ward Joſef gleich als ein koͤnig uͤber das gantze Egipten; und ſie nenneten ihn Apis. Dieſes wort heiſſet in Egipti - ſcher ſprache ſo viel als ein Ochſe. Alſo ward auch gemelter Ochſe / den man ſehr zaͤhrtlich hielt / ſo lange er lebete / genennet. Aber nach ſeinem tode / da er in einem todtenkaſten eingeſchoſſen lag / nennete man ihn Serapis. Dieſen nahmen ſol man ebenmaͤßig obge - meltem verſtorbnen Koͤnige Apis oder Epafus / oder vielmehr ſeinem todtenkaſten oder ſarge / darinnen er lag / weil er mit einer Ochſenhaut uͤberzogen war / ge - geben / und ihn goͤttlich geehret haben: wiewohl hiervon die Egipter nichts wiſſen wollen. So bald der Goͤtzen - ochſe todt war / ſuchten ſie einen andern / der eben alſo / wie der abgelebte / ſchwartz von farbe / und mit weiſſen flekkern durchſpraͤnkelt; und ehreten ihn an des vorigen ſtelle. Was aber Serapis geſagt ſei / davon ſeind unter - ſchiedliche erklaͤhrungen. Etliche wollen / Serapis heiſſe ſo viel als Sarapis / das iſt der fuͤrſt Apis oder Ochſe / oder ein fuͤrſt des oder der Ochſen: welche dem Koͤnige die ſieben fruchtbare jahre verkuͤn - diget. Andere ſagen / es heiſſe ſo viel als σόρος ἀπις, oder σο ράπις, das iſt der kaſten des Apis / oder der Ochſenkaſten; wie es Plutarch / Luzian / und Varro deuten: dan σόρος heiſt ein kaſten. Wieder andere meinen / es ſol ſo viel geſagt ſein / als ein Korn - kaſten des Apis / das iſt des Ochſen; weil Joſef / welcher der letzte Oſiris / Apis / und Serapis zu - gleich iſt / auch im 33 h. des 5 b. Moſes einem Ochſen verglichen wird / das getreide in kaſten aufſchuͤtten und verwahren / auch in der teurung wieder ausſpen - den laßen. Dem ſei nun wie ihm wolle / ſo ſiehet man doch hieraus genug / daß dieſe blinde heiden nichts ge - wiſſes von Gott gewuſt haben; und daher etliche ihrenOſiris /394KurtzbuͤndigeOſiris / Apis / oder Serapis auf der erde / andere im himmel geſucht / und dieſer ihn als einen Menſchen / naͤhmlich / unter andern / als einen ſchoͤnen Juͤngling / mit einem korbe vol getreides / und brohtes auf dem heupte / andere als einen bunten oder ſchwartzweiſſen Ochſen abgemahlet / ja einer dieſes / ein ander ein an - deres ſinbild des Oſiris und Serapis erdacht.
WIe derſelbe Egiptiſche koͤnig / unter deſſen her - ſchaft Joſef in Egipten kommen / geheiſſen / da - von ſeind vielerlei unterſchiedliche meinungen. Die H. Schrift giebet ihm / ihrer gewohnheit nach / nur den bloßen algemeinen koͤniglichen Ehrennahmen Farao: ſo tuhn auch die meiſten Geſchichtſchreiber. Doch der Araber Abdalla Ben Geled nennet ihn mit dem eigenen abſonderlichem nahmen Alrian; deſſen worte wir droben bei der 12 zeile des 5 blats angezogen: und der Ebreer Abraham Zachut ohne geſchlechtswort bloß דיאן Rian / wan er alſo ſchreibet: Hierauf her - ſchete Eman; nach dieſem Valid der ſohn des Do - ma; dem ſein ſohn Rian folgete. Dieſer iſt Joſefs Farao: nach welchem koͤnig ward Maadan / und dan derſelbe / der Talma heiſſet: welcher des Moſes / unſers Meiſters / uͤber welchem ſei friede! Farao iſt / und als ein ſtein in den abgrund ver - ſunken. Aber alle dieſe nahmen / weil ſie von der Egip - tiſchen mundahrt ſo gar abweichen / ſeind mir / als viel - leicht von den Arabern oder Ebreern erdichtete / nicht wenig verdaͤchtig. Euſebius hingegen nennet ihn / dem Maneton zur folge / Amaſis; welcher / als er 25 jahre geherſchet / dem Chebron die herſchaft hinter - laßen: unter welchen Kircher Joſefs verkauffung ſetzet. Samuel Greiffenſohn giebt ihm zwar kei -nen395Anmaͤrkungen.nen andern nahmen / als den algemeinen Farao. Aber ſeinen ſohn nennet er am 138 bl. in der Geſchicht vom Joſef / woher weis ich nicht / Tmaus: und ſchreibet / daß dieſer Tmaus / nach ſeines vaters ableiben / eben ſolte zum koͤnige gekroͤhnet werden / als er den Joſef aus dem gefaͤngnuͤſſe hohlen laßen ſeine treume zu deuten: welches wider alle Geſchichtſchreiber / die ich hiervon geleſen / auch wider der Aſſenat geſchicht / und die Ver - faſſung des letzten willens Joſefs ſelbſten ſtreitet. An - dere gedenken auch eines Koͤniges / der zu Joſefs zeiten in Egipten geherſchet / den ſie Konchares heiſſen. Dieſer ſol der 25 Egiptiſche koͤnig / und eben derſelbe ſein / nach deſſen kroͤhnung im fuͤnften jahre / und nach Mizraim im 700 / das oben erwaͤhnte große Sotiſche jahr ſei eingeſetzt und begonnen worden; wie Lange am 222 bl. des 1 b. von den jahren nach der Heilge - buhrt / aus dem Euſebius / anziehet. Weil aber die meiſten / auch der Aſſenat Geſchicht ſelbſten denſelben Farao oder Koͤnig / der damahls herſchete / als Joſef verkauft ward / Nefrem / oder Nefrem Tomeſtor nennen; ſo haben wir lieber dem meiſten hauffen fol - gen / und den nahmen Nefrem in unſerer geſchicht vor allen andern behalten wollen.
NItokris Νίτωκρϊς, war des Egiptiſchen Koͤniges einige Tochter. Euſebius meldet am 21 bl. des 1 ſeiner Zeitbuͤcher / daß dieſer Nahme eben ſo viel heiſ - ſe / als Ἀϑηνᾶ νικηφόρος, das iſt Atehne oder Minerve die uͤberwinderin. Und das heiſſet er auch. Dan Nit oder Neith bedeutete bei den Egiptern eben ſo viel / als Minerva oder Pallas / das iſt / die Alsgoͤttin der Weisheit; wie Plato / wan er von der ſtadt Sais / da dieſe Alsgoͤttin / als ihre ſtifterin / geehretward /396Kurtzbuͤndigeward / und derſelben gebiete ſchreibet / bezeuget: und in der Arabiſchen ſprache / die der Egiptiſchen ſehr nahe verwant iſt / heiſſet קהד Kahara uͤberwinden / und קהד Kahar, ſieg / oder uͤberwindung. Daher iſt der nahme אלקאהדה Alcahira, das iſt / eine uͤberwinde - rin; weil ſie Muaſſus im zeichen des Mars / der ein uͤberwinder der Welt iſt / erbauet; wie Elma - zin am 227 bl. ſeiner Sarazeniſchen Geſchichte bezeu - get. Und alſo iſt der nahme Nitokris aus Nit oder Neit / und kar / als ſagte man Nitokaris / oder Nit - karis / zuſammengefloſſen; und kan beſſer nicht / als ei - ne ſieghafte Minerve verdeutſchet werden.
DEr Krokodil iſt der Egiptiſchen Koͤnige ſinbild: 1 / weil er Egipten eigen iſt / und ſonſt nirgend / zum wenigſten ſo groß nicht / gefunden wird; 2 / weil er ein land - und waſſer-tier iſt / wie Pierius am 69 / und 186 bl. des 2 t. ſeiner Eg. ſinbilder bezeuget / und die Egip - tiſchen Koͤnige auch zu waſſer und lande gebieten; 3 / weil er gegen die boͤſen boͤſe / und gegen die guhten guht und dankbar zu ſein pfleget / wie Pierius eben - maͤßig am 97 bl. ſeines 2 t. meldet; 4 / weil er die boß - heit anzeiget / wie Diodohr im 1 b. anmaͤrket; 5 / weil er augen hat / die gleichſam aus der tieffe herfuͤr ragen; 6 / weil er des aufganges / und des niederganges ſinbild iſt / jenes durch itztgemelte aus der tieffe herfuͤr ragende augen / und dieſes durch ſeinen niedergebogenen und unter ſich ſehenden kopf: dan er iſt ἀυτόκυπτον καὶ κατω - ϕὲς τὸ ζῶον, von natur ein niederſehendes und nach der erde zu gebuͤktes tier; wie Horus Apol - lo in ſeinen Egiptiſchen Bilderſchriften angemaͤrket. Dahin zielet auch Ezechiel im 3 ſp. des 29 h. Siehe! Ich wil an dich / Farao / du Koͤnig in Egipten /du397Anmaͤrkungen.du großer Trache (d. i. Krokodil) der du in deinem waſſer (im Niele) liegeſt / u. ſ.f. und im 2 ſpr. des 32 h. Du biſt als ein Leue unter den Heiden / und als ein Meertrache (Waſſer - oder Niel-trache / das iſt ein Krokodil / aus der gattung der Trachen oder großen Schlangen) und ſpringeſt in deinen ſtroͤh - men / und truͤbeſt das waſſer mit deinen fuͤßen (pfohten) und machſt ſeine ſtroͤhme luhmicht. Ja eben dahin zielete auch der Keiſer Auguſt / als er / nachdem er Egipten erobert / eine muͤntze / mit einer Pal - me / und einem Krokodil / ſchlagen lies.
In der Arabiſchen ſprache / davon die Egiptiſche ſehr viel woͤrter entlehnet / heiſſet der Krokodil פדעון Fa - raon; von פדש Faris oder פדד Farid / das iſt ab - ſondern; weil er ein gar ſonderliches tier / das von den andern laͤndern der welt gleichſam abgeſondert / und Egipten allein eigen iſt. Aus dieſer wurtzel ent - ſprieſſet auch das nenwort פדיד parid oder ſarid / das iſt der Rundbaum / Zizyphus oder lotus, der gar ein ſonderlicher baum iſt; nicht das Rundkraut / davor es etliche halten: welches wir daruͤm alſo nennen / weil alles / wie Jamblich bezeuget / daran rund iſt / naͤhm - lich die blaͤtter / ſamt den bluhmen / und der frucht: da - durch die runduͤmſchweiffende und drehende goͤttliche bewegung oder wuͤrkung des gemuͤhtes angedeutet wird; daher es auch die Egipter ihrem hoͤchſten Abgot - te Oſiris geheiliget. Dan alles / was rund iſt / wird bei ihnen vor goͤttlich / oder der goͤttlichen natur gleich und gemaͤß gehalten. Daher trugen auch die Prieſter rund - geſchohrne kolben. Und Empsdokles / als er gefragt ward / was Gott ſei? antwortete: Er iſt ein runter Kreus / deſſen mitteltuͤpfel uͤberal iſt / und der uͤmſchweif oder uͤmzug nirgend.
Hier aus ſehen wir / daß das wort Farao / wie die Egipter vor zeiten etliche ihrer Koͤnige nacheinander /mit398Kurtzbuͤndigemit dieſem algemeinen nahmen / genennet / nicht Koͤnig bedeutet / wie der Geſchichtſchreiber Joſef wil / wan er ſchreibet: ὁ φαραὼν κατ᾽ Ἀιγυπτίους βασιλέα σημάινει, das iſt / Farao heiſſet bei den Egiptern Koͤnig. Zu - dem wan dieſes wahr were / ſo wuͤrde die h. Schrift / wie ſie vielmahls tuht / nicht ſagen / der Koͤnig Farao: welches eine ungereimte zuſammenfuͤgung zweier einer - lei bedeutenden worte were / ſo fern Farao vor ſich Koͤ - nig bedeutete. Aber die Egipter hatten in ihrer ſprache gantz ein anderes wort / welches ſo viel als Koͤnig be - deutete / wie er / im 1 b. wider den Apion / ſelbſten be - zeuget; da er das wort ὑκσὼς auf griechiſch giebet βα - σιλεὶς ποιμένας, koͤnige huͤrten: τὸ γὰρ ὑκ`, ſagt er / κατ᾽ Ιερὰν γλῶσσαν βασιλέα σημάινει, dan das woͤrtlein ὑκ Huͤk oder Hik heiſſet in der heiligen ſprache koͤnig. Dieſes ſcheinet aus dem Ebreiſchen הק hok / das iſt geſetz / herzuſtammen: auch wird das wort מהוקק das ſonſt eigendlich einen geſetzgeber bedeutet / von den 70 Aelteſten bald ἡγούμενος, das iſt fuͤhrer / ge - bieter / bald βασιλεὺς d. i. koͤnig / bald ἄρχων, das iſt / Fuͤrſt / gegeben. Ja wir ſehen zugleich aus allem / was wir alhier vom Krokodille gemeldet / daß Farao auch nicht ſo viel geſagt ſei als Baro, das iſt Freiherꝛ; wie Dreſſerus am 155 bl. ſeiner tauſendjaͤhrigen Ge - ſchicht waͤhnet. Aber laßet uns hiervon Kr. Bek - mans erklaͤhrung hoͤren. Pharao, פדעה, ſchreibt er in ſeinem Buche vom uhrſprunge der Lateiniſchen ſprache / id eſt, homo multis privilegiis & immunitatibus gaudens, exemtus jure communi: ex quo ſine omni du - bio eſt nobis uſitatum Baro, etiam Germanorum aſſen - ſu. Radix eſt פדע, id eſt, privilegio affecit, liberum red - didit, feriatus eſt, ut liberè & ſine jugo, aut absque la - bore vivat. Inde enim aliquis non ineptè quoque deri - vet latinum privus; niſi J. Cæſaris Scaligeri etymon malis: item germanicum frei. Literæ enim tanquamma -399Anmaͤrkungen.[materia], & ſignificatio tanquam forma, aſſentit. Ich mus zwar geſtehen / daß man den nahmen Farao ſehr wohl vom ebreiſchen פדע, para, das iſt frei machen / mit freiheit begaben / oder feiern / herleiten koͤnte. Aber dieſes ſtehet uns im wege / daß kein Egiptiſcher Koͤ - nig vor Joſefs zeiten / der ihnen zuerſt die volle freie macht ihres gebietes zu wege gebracht / alſo daß ſie dan erſt frei und an keine geſetze gebunden waren / ein freier herꝛ oder gebieter geweſen: da ſie doch ſchon lange zu - vor / ja ſelbſt der erſte nach der ſuͤndfluht Menis / der Memfis gebauet / das iſt Mizraim / wie etliche mel - den / den nahmen Farao gefuͤhret. Jedoch wan man ſagte / daß Farao ſo viel geſagt ſei / als ein freigebohr - ner / das iſt ein Sohn oder kind / wie das wort ָ כּ ָד, bar, welchs ohne zweifel aus gemelter wurtzel פדע gebil - det / bedeutet; ſo moͤchte man es noch wohl gelten laßen: zumahl weil die Edelen oder Fuͤrſten / ihrer fuͤrtref - ligkeit wegen / dieſen ehrennahmen gefuͤhret; wie wir droben bei dem nahmen des Nimrods / Barchus und Liber, erinnert. Und ich halte gaͤntzlich darvor / daß das wort Baro nirgend anders her / als aus dem worte בד, bar, gebildet / auch anders nicht / als nach gemelter bei den Morgenlaͤndern gewoͤhnlicher redens - ahrt / ſol verſtanden werden.
Alſo war der nahme Farao bei den alten Egiptern ein algemeiner ehrennahme der Koͤnige / oder ein nah - me der Koͤniglichen wuͤrde: eben wie / nach Alexan - dern / bei eben denſelben der nahme Ptolemeus / bei den Filiſtern der nahme Abimelech / bei den Juͤden der nahme Herodes; und noch bei den Perſern iſt der nahme Sofi / bei den Tartern der nahme Ham oder Cham, bei den Sinern der nahme Hoangt / bei den Japanern der nahme Vo oder Dairi / bei den Abiſſi - nern oder weiſſen Mohren der nahme Preſtagan / da - vor man gemeiniglich verdorben Preſte Jan, oder Prie -ſter400Kurtzbuͤndigeſter Jan ſaget / bei den voͤlkern im Guineiſchen Koͤ - nigreiche Kajor / uͤm das Gruͤhne Ekke heruͤm / der nahme Burdomel oder Budomel / ja bei den Deutſchen / wie ehmahls bei den Roͤhmern Cæſar oder Auguſtus, itzund Keiſer.
Hierbei muͤſſen wir nohtwendig erinnern / daß etli - che Holl aͤnder einen groben fehler begehen / wan ſie dem Siniſchen Großherꝛn / als auch dem Japaner / und Abiſſiner den nahmen Keiſer zueignen: da ſie doch wohl wiſſen / oder billich wiſſen ſolten / daß die - ſer nahme Keiſer oder Cæſar niemand / als allein den Roͤhmiſchen oder Roͤhmiſch-Deutſchen Welt - herren / den ſie vom erſten derſelben / der das Roͤhmi - ſche Weltreich angefangen / naͤhmlich Julius Zeſarn herhaben / als ein algemeiner erbnahme und als ein erb - eigentuhm zukommet; ja daß die Siniſchen bei den Sinern ſelbſten von ihrem dritten erwehltem Groß - herꝛn Hoangt / Hoangti / auch die Japaniſchen Vo oder Dairi / und die Abiſſiniſchen Preſtagan / das iſt rechtgleubig / oder Padeſcha Preſtagan / das heiſſet ein rechtgleubiger koͤnig / wie es auch in Perſiſcher ſprache lautet / eigendlich genennet werden. Dadurch tuhn ſie / die Hollaͤnder / nicht allein ſelbſt der hoͤheit der Roͤhmiſch-Deutſchen Weltherren zu kurtz / indem ſie ihren eigenen und vom erſten Roͤmiſchen Weltherꝛn angeerbten hohen Ehrennahmen / ſo gantz wildfremden Herren / die nicht das geringſte teil am Roͤhmiſchen Weltreiche haben / zuzueigenen ſich ſo un - beſonnen erkuͤhnen; ſondern ſie veranlaßen auch man - che Hochdeutſchen / naͤhmlich dieſelben / die nicht beſſer wiſſen / ſolcher geſtalt zu einer gefaͤhrlichen nachfolge: ja ſie geben ihren groben unverſtand und achtloßheit an den tag / indem ſie nicht einmahl acht ſchlagen / daß kein Lateiniſcher Schreiber / auch nicht der allertum - meſte / iemahls den nahmen Cæſar einem andern / alsden401Anmaͤrkungen.den Roͤmiſchen oder Roͤhmiſch-Deutſchen Weltherren / in ſeinen ſchriften gegeben. Eben alſo haben bisher / mit dem nahmen Keiſer / auch alle Hochdeutſchen ruͤhm - lich getahn: wiewohl der misbrauch bei etlichen neu - lingen / die es / als was ſonderliches / den Hollaͤndern abgeſehen / ſchon einzureiſſen beginnet; und man mir ſelbſt in meiner verhochdeutſchung etlicher in niederdeutſcher ſprache von gemelten fremden Voͤl - kern geſchriebener Geſchichte / mit einer uͤbel gewa - ſchenen hand / die woͤrter Großkoͤnig oder Groß - herꝛ in das wort Keiſer / ohne meine bewilli - gung / veraͤndert. Ja was wil ich viel ſagen? Sol - te wohl ein Siner des Siniſchen Großherꝛn eignen algemeinen Ehrennahmen Hoangt / oder ein Japa - ner der Japaniſchen Vo oder Dairi / oder ein Abiſſi - ner der Abiſſiniſchen Preſtagan / wan ſie in ihrer mutterſprache von uns Hochdeutſchen ſchrieben / un - ſrem Weltherꝛn oder Keiſer zueignen? Ich halte nein. Und eben daruͤm iſt es eine große tohrheit / wan wir unſerer Weltherren gantz eigenen Ehrennahmen Kei - ſer ſo luͤderlich wegwerfen / und ihrem Hoangt / ihrem Vo oder Dairi / und ihrem Preſtagan zuſchreiben wollen. Ich mus zwar geſtehen / daß alhier der nah - me Koͤnig / wie man bisher gemelte große Herren / darunter der Abiſſiner allein 72 koͤnigreiche beſitzet / wie Markus Antohn / Sabellikus / und P. Ges - lin / in ſeiner heiligen Weltbeſchreibung / bezeugen / aus mangelung anderer deutſchen woͤrter / gemeinig - lich genennet / viel zu wenig ſei. Daruͤm bin ich auch ſchon vorlaͤngſt bewogen worden andere hochdeutſche woͤrter / dadurch ihre macht uͤm ſo viel beſſer und ei - gendlicher angedeutet wuͤrde / aus dem brunnen unſe - rer wortreichen ſprache zu bilden / oder vielmehr zuſam - menzufuͤgen. In meiner Helikoniſchen Hechel iſt hiervon ebenmaͤßig erinnerung geſchehen. Wir wol -C clen402Kurtzbuͤndigelen al hier ein teil derſelben wieder hohlen. Die Ehrennah - men Ertzkoͤnig / oder Großkoͤnig / oder auch Groß - herꝛ / pflege ich denen hohen Heuptern / welche unter - ſchiedliche Koͤnige unter ihrem gebiete haben / und da - her nicht ſchlechthin Koͤnige koͤnnen genennet werden / zu geben. Das wort Ertzkoͤnig habe ich / nach dem ſchon vorlaͤngſt uͤblichem worte Ertzhertzog; Groß - koͤnig / und Großherꝛ / nach dem auch laͤngſt ge - breuchlichem nahmen Großfuͤrſt / Großhertzog / gebildet. Jenen ehrennahmen / naͤhmlich Ertzher - tzog / pflegen die Oeſterreichiſchen Heupter zu fuͤh - ren; dieſe aber / naͤhmlich Großfuͤrſt / der Mosko - vier / und Großhertzog / der von Florentz. Den Moskoviſchen oder Ruſſiſchen Großfuͤrſten pflegen etliche neue Schreiber auch Keiſer zu nen - nen; vielleicht weil er ſich ſelbſten Tzar / welches von Cæſar gebildet ſcheinet / in ſeiner ſprache nennet. Ja viel derſelben / unter denen die Hollaͤnder die erſten / wollen dem Siniſchen Großherren / weil er viel Koͤnigreiche beſitzt / wie auch dergleichen andern Ge - waltigen / den nahmen Keiſer ebenmaͤßig zueignen. Aber wie unrecht ſolches ſei / wiſſen dieſelben / welche wiſſen / daß der Ehrennahme Cæſar, oder Keiſer / wel - ches wir aus jenem gebildet / vom zunahmen des erſten Roͤmiſchen Weltherꝛn herruͤhret / und auf ſeine Nachfolger fortgepflantzet ſei / ja daher keinem andern Gewaltigen von rechtswegen zukomme / als den Roͤ - miſchen Weltherren; davor noch itzund die Deut - ſchen Keiſer gehalten werden. In etwas koͤnte es hingehen / wan etliche den Großtuͤrken auch Keiſer nennen: weil er das Griechiſche teil des Roͤmi - ſchen Weltreichs beſitzt / und daher zum teil ein Nachfolger des erſten Roͤhmiſchen Weltherꝛn iſt. Sonſt iſt es gantz ungereimt / und wider die ehre des Roͤhmiſchen Weltreichs gehandelt / wan man ſo zu -plumpet /403Anmaͤrkungen.plumpet / und den hohen Ehrennahmen / der / aus er - waͤhnten uhrſachen / den Roͤhmiſchen Weltherren allein und gantz eigen zukoͤmt / auch andern / die nicht ein doͤrflein von gemeltem Reiche beſitzen / zueignen wil / u. a. m.
DIe Egipter pflegten ihre geluͤbde und eidſchwuͤhre ſonſt gemeiniglich bei dem auf dem Filiſchen In - lande beigeſetztem Oſiris zu tuhn; wie Voſſius am 202 b. vom uhrſprunge und fortgange der Goͤtzenſchaft angemaͤrket.
NUbien iſt ein land in Afriken bei dem Niele / mit Egipten und Libien benachbahrt; deſſen einwoh - ner meiſt Araber ſeind.
HIervon ſtehen in Joſefs letztem Willen folgen - de worte: Als wir in Egipten kahmen / zank - ten und ſtritten ſie ſonderlich uͤm meinet willen / welcher von ihnen mich zum ſchatze haben ſolte. Und ſie warden miteinander eins / daß ich in Egipten / bei einem Kaufmanne / bleiben ſolte / welcher ihnen in ihrer handlung bedient war / ſo lange / bis ſie mit ihren kaufwahren wieder zu - ruͤkkaͤhmen. Und der HERꝛ verſchafte / daß mich der Kaufman ſehr lieb gewan / und mir ſein gantzes haus anvertrauete. Auch machte ihn der HERꝛ ſehr gluͤklich / und ſeegnete ihn in allem / ſo lange ich bei ihm war: ja er gab ihm viel goldes und ſilbers. Und ich wohnte bei ihm drei mohnden und fuͤnf tage.
DEr wunderſtein Bet wird auf dem Berge Alard / der zwiſchen Nubien und Zinchanke lieget / gefunden. Von dieſem ſchreiben die Araber / daß er dieſelben / welche ihn was lange anſehen / ſtum machet. Auch erzehlen ſie / daß Alexander der Große / den ſie Askander nennen / von dieſen ſteinen das Schlos der verwunderung bauen laßen: und daß ihm ſein Lehrmeiſter Ariſtoteles / den ſie Arka - to Talis nennen / den raht gegeben; er ſolte eben ſo viel leibeigne / als andere leute / ſolche ſteine zu hohlen / ſenden. Die leibeignen ſolten die ſteine / mit offenen augen be - ſichtigen und ausleſen; ſeine leute aber mit bedekten augen / darbei ſtehen / und wan ſie vernommen / daß die leibeignen ſtum worden / die ausgeleſenen ſteine kauffen.
DEs Potifars gemahlin / welche den Joſef zur unkeuſchheit angereitzet / hat weder in der heiligen Schrift / noch in der Aſſenat Begaͤbnuͤs / noch auch in Joſefs letztem Willen / keinen eignen Nahmen. Samuel Greiffenſohn aber nennet ſie / in ſeiner Lebensbeſchreibung des Joſefs / woher zeigt er nicht an / Saliche: und andere / denen der beruͤhmte Ritter Jakob Kats / in ſeinem Selbſtreite / und wir eben - maͤßig / gefolget / Sefira.
DAß die Iſmaeler den Joſef dem Koͤnige / ſeine gnade zu erlangen / zum geſchenke uͤberreichet / er aber ihn nicht behalten wollen / zeiget S. Greiffen -ſohn405Anmaͤrkungen.ſohn / in Joſefs Lebensbeſchreibung am 61 und fol - genden blaͤttern / aus den Arabern / an.
WIe Polemon die Augen des gemuͤhts tuͤh - ren nennet; ſo nennet der Prediger das Ange - ſicht des gemuͤhtes gaſſe / und die Augen die ſchauer durch die fenſter; weil im angeſichte ſich alle ſinne befinden / und die Seele / als auf einem of - fenen markte / mit den euſerlichen dingen handelt und wandelt. Daruͤm hat auch der Schoͤpfer den Augen den hoͤchſten ſitz / recht vor der ſinnenburg / gegeben; da - mit ſie / als von einer hohen warte / uͤm ſo viel fuͤglicher uͤm ſich ſehn / und eben ſo fuͤglich geſehen werden koͤnten. Durch jenes fuͤhren ſie uns / ſagt Plato / zur erkaͤntnuͤs Gottes; indem wir naͤhmlich zuvoͤrderſt den himmel / und deſſelben heers ſo unterſchiedliche und wunderliche / doch eben ſo richtige / als ſtaͤhtige bewegungen an - ſchauen: durch dieſes geben ſie unſer hertz / ſamt ſei - nen neugungen und gedanken / kund. Und alſo erkun - digen wir / durch die Augen / was auſſer uns / und machen auch / durch eben dieſelben / kund / was in uns geſchiehet. Ja wie ſie gemeiniglich die wahrheit eher und beſſer kund geben / als der Mund; ſo erkundigen ſie auch ein ding viel eher / viel richtiger / viel wahrhafti - ger / als die Ohren. Daher iſt das ſprichwort / das Auge bezeuget / was der mund ſchweiget: und ὠτίων πιςότεροι ὀϕθαλμοὶ, die Augen ſeind glaub - wuͤrdiger / als die Ohren. Ja Plautus ſagt: plu - ris eſt oculatus teſtis unus, quàm decem auriti, ein Augenzeuge gilt mehr / als zehen Ohrenzeugen. Dan vom hoͤrenſagen komt manches ſchlagen. Euripides ſagt in ſeinem Jupiter: Ἐις ὄμματ᾽ ευνου φωτὸς εἰσϕλέψαι γλυκύ:C c iijdas406Kurtzbuͤndigedas iſt / es iſt ſuͤße und lieblich in eines guhten mannes Augen zu ſchauen. Πολλὰ μὲν ὀφθαλμοὶ τῶ ἀνθροπίνων ἤθων ἑρμηνευουσι, d. i. die Augen zei - gen viel der menſchlichen ſitten an / ſagt Filo - ſtratus. Iſt das Auge guht / ſo iſt das gemuͤhte guht: und dan bewegt es den anſchauer / der auch guht iſt / zur Liebe; ja ſo wird das Griechiſche ſprichwort wahr: ἐκ οὗ ὁρᾷν γίνεται τὸ ἐρᾷν, Liebe bluͤhet / wo man ſiehet; oder anſchauen wuͤrkt trauen. Unſer Hei - land ſagt bei dem Heilverkuͤndiger Matteus im 22 ſpr. ſeines 6 hauptſtuͤkkes: Das Auge iſt des leibes licht. Wan dein Auge einfaͤltig iſt / ſo wird dein gantzer leib liecht ſein: wan aber dein Auge ein ſchalk iſt / ſo wird dein gantzer leib fuͤnſter ſein. Ἀνδρες ἀγαθοὶ ὀρτῶς βλέπουσι ὄμμασι, die guhten und frommen ſehen gerade aus den augen / ſeind Xe - nofons worte im 7 b. das iſt / ſie ſehen aufrichtig und redlich / nicht ſchalkhaftig / tuͤkkiſch und betruͤgeriſch aus: ſie laßen aus den Augen blikken / daß ihr gantzer leib vol tugend ſei; daß ihren gantzen menſchen die tu - gend erleuchtet / und kein laſter verfuͤnſtert: ja ihrer Au - gen einfaͤltige blikke zeigen an / daß ſie derſelben meiſter ſo wohl ſeind / als der haͤnde. Ὄυ μόνον δεῖ τὰς χείρας ἔχειν παρ᾽ ἀυτῷ, ἀλλὰ καὶ τοὺς ὀφθαλμοὺς, es geziemet ſich nicht allein die Haͤnde in ſeiner macht zu ha - ben / ſondern auch die Augen; ſagte Iſokrates zum Sofokles / als er einen ſchoͤnen Knaben alzuver - liebt lobete; wie Plutarch im leben der zehen Red - ner bezeuget.
DAß Potifar / den Flavius Joſef / im 2 b. ſeiner Juͤdiſchen Geſchicht / Petefres nennet / die drit - te ſtelle nach dem Koͤnige beſeſſen / iſt aus Joſefsletztem407Anmaͤrkungen.letztem Willen zu ſehen; da Joſef alſo ſpricht: als ich hineingebracht war / baͤhtete ich den Fuͤrſten an / und taͤht ihm ſeine gebůhrliche ehre: dan er war der dritte nach dem Koͤnige im ſtaht / und ein Oberſter uͤber alle Geſchnittenen. Daß er auch der oberſte koͤnigliche Kuͤchenmeiſter geweſen / be - zeuget / an itztgemeltem orte / Joſef / der ihn einen Fuͤr - ſten oder Oberſten uͤber Faraons kuͤche nennet / ebenmaͤßig: als auch Joſef der Juͤdiſche Geſchicht - ſchrelber; wiewohl er nur ſchlechthin ſaget / er ſei uͤber Faraons Koͤche geſetzt geweſen. Ja daß er zugleich des Oberſten Halsrichters beſtallung gehabt / mel - den die Kaldeer: welche ihn einen Meiſter der ge - toͤdteten / und einen Fuͤrſten uͤber die Halsſa - chen nennen. Aber Moſes nennet ihn im 36 ſpr. des 37 / und im 1 des 39. h. ſeines 1 B. des Farao Kaͤmmerer / und Hofmeiſter; welcher auch ge - meiniglich mit uͤber die Kuͤche zu gebieten pfleget: und der Aſſenat Geſchicht ſtraks im anfange / den ober - ſten Hauptman der Ritterſchaft Faraons. Etli - che ſagen / fuͤget ſie hinzu / Potifar ſei ein oberſter Fuͤrſt uͤber die Kuͤche geweſen: und das iſt der wahrheit auch wohl gleich. Dan bei vielen Voͤl - kern iſt der Fuͤrſten Vorkoſter oder Trank - und ſpeiſe-koſter / das iſt Vorſchneider / ehrlicher und anſehnlicher / als der Hofmeiſter. Eben dieſelbe Geſchicht ſchreibet auch in der folge dieſes: Und Joſef kahm in des Heliopelſchen Landes grentzen / deſſen Landsfuͤrſt Potifar war / ein Prieſter / und Fuͤrſt aller Fuͤrſten aus dem Rahte Faraons.
Ob nun der Potifar / der den Joſef gekauft / eben derſelbe Potifar geweſen / deſſen Tochter er ehligte / den Moſes einen Prieſter zu On / und Joſef der Ge - ſchichtſchreiber einen Prieſter zu Heliopel / welchesC c iiijeinerlei408Kurtzbuͤndigeeinerlei iſt / nennet; davon ſind unterſchiedliche mei - nungen. Hieronimus meinet / in ſeinen Anmaͤrkun - gen uͤber das Buch der Schoͤpfung / daß Joſefs Keuf - fer eben derſelbe geweſen / der ihm nachmals ſeine Toch - ter vermaͤhlet. In dieſer meinung ſtehen ebenmaͤßig die meiſten Ebreer: welche darbei fuͤgen / daß Potifar / aus Goͤttlicher ſchikkung / ſeine maͤnligkeit / weil er den Joſef zum misbrauche / naͤhmlich zum dienſte ſeiner geulheit / gekauffet / verlohren; daher man ihn auch nachmahls zum oberſten Prieſter zu Heliopel erwehlet: welches Amt niemand / als dergleichen Maͤnner / und die von den edleſten entſproſſen / bedienen koͤnnen. In mehr - gemelter Geſchicht der Aſſenat ſeind / unter andern / auch folgende worte zu leſen. Potifar war nicht aus des koͤniges Kammerdienern: dan dieſe ſchneidet man ſehr jung. Aber die Ebreer mel - den / daß er den Joſef / der ſo uͤberaus ſchoͤn war / geſehen / und ihn daruͤm gekauft / damit er ſei - ner misbrauchte. Doch der HErꝛ bewahrete den Joſef / weil er einem Geſchnittenen gantz gleich war. Als nun die Egipter ſahen / daß Potifar unfruchtbahr zu ſein ſchien; ſo machten ſie ihn / nach ihrer gewohnheit / zum Biſchof - fe zu Heliopel. Und alſo iſt er viel ehrlicher und anſehnlicher im Prieſtertuhme geweſen / als er zuvor im weltlichen Fuͤrſtenſtande war. Hier - mit ſtimmet faſt uͤberein Rupertus / im 27 und 32 h. des 8 b. Beſiehe ferner / was Salian am 309 / und 321 bl. des 1. t. ſeiner Jahrgeſchichte meldet. Hinge - gen wil Auguſtinus / daß des Joſefs Schwieger - vater ein ander Potifar geweſen / als derſelbe / der ihn gekauft. Und dieſer meinung pflichten bei Lipoma - nus / Oleaſter / Pererius / als auch mehrgemelter S. Grieffenſohn / und Voſſius; welcher am 218 bl. vom Goͤtzendienſte / unter andern / alſo ſchreibet: Aſnathfilia409Anmaͤrkungen.filia non carceris Præfecti, nomine פוטַיפַר; qui Jo - ſephum ab Iſmaëlitis emerat (nam, ob impudicitiam uxoris perſpectiſſimam, talis hominis filiam meritò fuiſſet avarſatus) ſed Cohen, hoc eſt Sacerdotis vel po - tius principis viri ſive Præfecti in On, hoc eſt Heliopoli, cui nomen פזֹטזפֶדַע Potiphera. Alhier wil Voſſius damit beweiſen / daß Aſſenat nicht deſſelben Potifars Tochter geweſen / der den Joſef gekauft: weil er erſt - lich eine ſolche Gemahlin gehabt / die ihrer unkeuſch - heit wegen einen ſo boͤſen nachklang bekommen; und darnach auch Potifar / jener aber / naͤhmlich Joſefs Schwiegervater / Potifera genennet werde. Aber war - uͤm Joſef eben die Tochter deſſelben / deſſen gemahlin ein ſolches brandmaͤrk hatte / fliehen ſollen / kan ich nicht ſehen. War die Gemahlin leichtfaͤrtig / das konte we - der dem Potifar / nach der Aſſenat zugemaͤſſen wer - den. Zudem war ſie nur ihre Stiefmutter / auch ſchon geſtorben / als ſich Joſef mit der Aſſenat vermaͤhlte: ja Aſſenat ſelbſten hatte ſie noch nie geſehen; weil ſie ſtraks nach ihrer gebuhrt gen Heliopel gebracht / und alda / gleich als in einem Kloſter / erzogen ward. Und alſo konte ihr das uͤbele verhalten ihrer Stief-mutter / in derer gegenwart ſie nicht erzogen / keines weges nach - teilig ſein / wan ſie auch ſchon ihre leibliche mutter ge - weſen. Was die nahmen Potifar / welches uͤber - flus oder ein fetter Ochſe heiſſen ſol / wie es Heide - nius erklaͤhret / und Potifera belanget; dieſe / wie - wohl ſie zween unterſchiedliche nahmen zu ſein ſchei - nen / konte doch gar wohl einer allein ſuͤhren. Jo - ſefs Obergroßvater ward erſt Abram / darnach Abra - ham / und ſeine Obergroßmutter erſt Sarai / dar - nach Sara genennet; wie Moſes im 17 h. des 1 b. bezeuget. Eben alſo nennet die heilige Schrift den Koͤniglichen Kaͤmmerer und Hofmeiſter / im 37 und 39 h. des Buchs der Schoͤpfung / erſtlich Potifar;C c vdarnach410Kurtzbuͤndigedarnach aber / als er Heliopelſcher Biſchof oder Prie - ſter zu On / von dannen er auch buͤrtig / wie Heide - nius meldet / worden / im 41 h. eben deſſelben buches / zweimahl Potifera. Zudem wird dieſer letzte nahme ſonſten bei keinem Geſchichtſchreiber gefunden. Ja Joſef ſelbſten bekennet in ſeinem letzten Willen / daß er ſeines Herꝛn Tochter geehliget. Seine eigene wor - te an ſeine Soͤhne und Bruͤder ſeind dieſe: uͤberwaͤ - get es wohl; dan ihr ſehet vor euren augen / daß ich / uͤm meiner langmuͤhtigkeit willen / meines Herꝛn Tochter zur ehe bekommen; und 60000 guͤldne Krohnen mit ihr / zum brautſchatze.
DEr nahme Aſſenat oder Asnat / welchen Flavi - us Joſef Aſanete / Bochart Askenes oder Aſcenes ſchreiben / wird alhier vom Arabiſchen worte Asna / welches ſchoͤn heiſſet / hergeleitet. Im Mit - tagsteile des Egiptiſchen Koͤnigreichs liegt eine Stadt / welche zuvor Siene genennet ward. Weil aber dieſer nahme mit dem Arabiſchen Worte Zeicha oder Seicha, das iſt haͤslich / faſt gleich lautet; ſo haben ihr nach - mahls die Araber / weil ſie eine ſehr ſchoͤne ſtadt iſt / den nahmen Asna gegeben; wie Livius Sanutus in ſei - nem 9 buche bezeuget. Sonſten heiſſet Asnat auch ſo viel als eine Heilandin oder Aertztin; oder vielmehr / als ſagte man Aſſa-neit / die Aertztin Minerve / die heilmachende Weisheit. Dan Nit oder Neit iſt in der Egiptiſchen Sprache ſo viel / als Minerve; wie wir bei dem 17 und am 395 bl. angewieſen.
JUlius Sirenus ſchreibet im 18 h. ſeines 9 b. vom Verhaͤngnuͤſſe: daß die Egipter und Sirer / wanſie411Anmaͤrkungen.ſie den Abgott uͤm raht fragen wollen / ein Baͤkken mit Waſſer gefuͤllet / und darnach den Abgott mit gewiſſen Worten angerufen: welcher ihnen aus dem Waſſer / mit einem haͤslichen ziſchen geantwortet. Auch hette er ſie im Waſſer das bild oder die geſtalt des dinges / oder des menſchen / darnach ſie gefraget / ſehen laßen. Sonſten geſchahe ſolches auch durch das Wachs: und dieſes ward Ceronomantia, wie jenes λεκονομαντία, genennet. Kircherius Oedipi Ægypt. tom. 2, part. 2, pag. 445.
HEliopel / Ἡλιόπωλις oder ἡλίου μητρό πολις, wie ſie Arrianus nennet / das iſt Sonnenſtadt / So - lis oppidum, wie ſie Plinius im 9 h. des 5 b. und Me - la auch im 9 h. des 3 b. benahmen / welche Mitres / das iſt Mizraim / gebauet / und die Iſraeler ergroͤſſert / hat von den Griechen dieſen nahmen bekommen. Die Ebreer und Kaldeer nennen ſie אזן, On / das iſt un - recht; vielleicht daruͤm / weil Iſraels Kinder alda ſo vieles unrecht gelitten; als auch die 70 uͤberſetzer im griechiſchen / jenen zur folge: Ptolemeus aber Onion: und der Araber Abenefi / wie Simon Se - ti bezeuget / Ainſchems oder Ainſemes / das iſt Au - ge oder brun der ſonne; andere Betſames oder Betſemes / das iſt haus der ſonne. Nomen ſuum adhuc integrè tuetur; non quidem græcè, ſed arabicè, ſagt Guilaldien / wie auch Bekahn im 6 b. von Spanien; und der Ebreer Raſſe / in ſeinem ſo ge - nenten Mikra haggedola / uͤber das 30 h. Ezechiels alſo: On / die Egiptiſche ſtadt / wird in der un - ebreiſchen ſprache Betſames / oder Ainſemes / das iſt Haus oder Auge der ſonne genennet. Ral - bag / und Aben Esra meinen / in ihren Anmaͤr -kungen412Kurtzbuͤndigekungen uͤber das 14 h. des buchs Moſ. daß On oder Heliopel / und Rameſſe / da die Ebreer wohneten / eine ſtadt geweſen. Und dieſes ſcheinet auch der wahr - heit nicht unaͤhnlich zu ſein: weil Rameſſe dichte bei Heliopel / wie andere bezeugen / gelegen. Aber He - liopel lag im winkel zwiſchen zwee Nielaͤrmen / und Rameſſe auf der andern ſeite / uͤber dem Niele / nach Kanaan zu. Daher urteile ich / daß nichts mehr / als der euſerſte ſchmahle Nielarm / zwiſchen beiden ſtaͤdten gelegen; und man ſie dannenher gleichwohl / weil ſie ſo nahe beieinander geſtanden / vor eine ſtadt gehalten. Auch mus es in ſolchem verſtande angenommen wer - den / wan etliche ſchreiben / daß die Kinder Iſraels Heliopel gebauet / oder vielmehr groͤſſer gebauet und erweitert.
Es ſcheinet aber / daß beide ſtaͤdte ihren nahmen von der Sonne bekommen / oder vor eine ſtadt ſeind gehal - ten worden; weil man in beiden die Sonne geehret: wiewohl nur in der rechten und alten Sonnenſtadt das Goͤtzenhaus der Sonne ſtund. Von dieſem Goͤtzenhauſe ſchreibet der Araber Artefi / in ſelbigem hauptſtuͤkke / da er beweiſet / daß alles aus einem tuͤpf - lein entſprieſſet / folgender geſtalt: Es war aber zu Heliopel das Heiligtuhm der Sonne: und in demſelben ſtunden zwoͤlf Sonnenſeulen / welche die zwoͤlf himliſchen Zeichen des Tierkreuſes / und der Uhrweſen verborgenheiten bedeuteten. Dieſes gebeu / wie ſonſten auch alle der Sonne zuge - weihete Goͤtzenheuſer / ſtieg mit einer runten mauer in die hoͤhe / und hatte oben ein halbruntes gewoͤlbetes tach / mit vielen loͤchern durchpohret: alſo daß dadurch die ſonne den gantzen tag / bald durch dieſes / bald durch jenes / einen ſtrahl auf des Oſiriſchen oder Serapi - ſchen goͤtzenbildes mund in das heiligtuhm hinein ſchos. Daher vermeinte das einfaͤltige blinde volk /das413Anmaͤrkungen.das dieſes von den Prieſtern erſonnene betruͤgliche kunſtſtuͤkke nicht wuſte / daß ihr Sonnengoͤtze Oſiris / den ſie vor die Seele der Sonne hielten / von ihr aus liebe mit ſtaͤhtigem kuͤſſen geehret wuͤrde. Ja es kah - men auch zugleich / durch eben dieſelben loͤcher der maur / die ſtrahlen der Sonne fort und fort auf den Sonnenſpiegel / der recht gegen uͤber hing / herab ge - ſchoſſen / alſo daß das Heiligtuhm / durch den wider - ſchein / und das zuruͤkprallen der ſtrahlen / den gantzen tag durch erleuchtet ward; wie die Arabiſchen Ge - ſchichtſchreiber Abenhakem / Aben Saira / und an - dere melden. Es waren aber die Egiptiſchen Goͤtzen - heuſer der Sonne daruͤm rund gebauet; weil die Son - ne / die Welt / ja Gott / wie die Egipter meineten / ſelbſten eine runte geſtalt hetten. Cornel. à Lapide in Geneſ. p. 684. Auſſer dieſem Goͤtzenhauſe der Son - ne / befanden ſich auch zu Heliopel / unter andern / die zwoͤlf Goͤtzenheuſer der zwoͤlf Egiptiſchen Hauptman - ſchaften; darinnen iede Hauptmanſchaft ihren beſon - deren Tiergoͤtzen ehrete. Zudem hatte man alda viel Schuhlen / und eine große maͤnge Kloͤſter. Cornel. à Lapide in Geneſ. p. 316. Dreſſerus Millenar. 3, p. 154.
VOn dieſer Sonnenburg / meldet die Geſchicht der Aſſenat folgendes: Eſ lag eine Burg bei Po - tifars hauſe / welche groß und hoch war. In derſelben ſtund ein Schlos / mit zehen zimmern verſehen. Das erſte war groß / und aus der maße gezieret; der bodem mit marmel belegt / und die mauren mit edlen ſteinen ausgeſetzt: ja die ſeulen waren von lauterem golde. Hierinnen ſtunden die guͤldenen und ſilbernen Abgoͤtter der Egipter: denen Aſſenat taͤglich dienete. Im andern ward der Aſſenat zierraht / welcher in golde / ſilber / ede - len ſteinen / und vielerlei koͤſtlichen prunktuͤchern be - ſtund / bewahret. Im dritten waren allerhand Goͤtterdes414Kurtzbuͤndigedes Landes; als auch das Baͤhthaus / da Aſſenat ihr gebaͤht alle tage verrichtete. In den uͤbrigen wohneten Jung - frauen / welche uͤberaus ſchoͤn waren / und der Aſſenat dieneten. Mit dieſen hatte kein Mansbild iemahls ge - ſprochen. Aber in der Aſſenat zimmer ſelbſten waren drei fenſter: das erſte / welches nach dem morgen zu ſtund / ſehr groß: das andere ging nach dem mittage zu / und das dritte gegen mitternacht. Auch befand ſich al - hier ein guͤldenes Bette / mit ſammet und golde / und mit ausgewuͤrktem leinwand uͤmhangen / ja von auſſen mit hiazinten / purpur / und koͤſtlichem zeuge gezieret. Dar - auf ſchlief Aſſenat allein: und kein mansbild hatte dar - auf iemahls geſeſſen. Um dieſes ſchlos heruͤm ging ein großer vorhof / mit einer großen mauer von vierekkichten ſteinen uͤmzogen. In denſelben Vorhof gelangte man durch vier eiſerne Tohre: welche von achtzehen ge - harnſchten maͤnnern bewahrt warden. Auf der rechten ſeite des vorhofs ſtund ein Brun des lebendigen und ſehenden waſſers: darneben ſich ein ausgehauener ſtein befand / in welchen das brunnenwaſſer gelauffen kahm / alle beume / die im vorhofe ſtunden / zu befeuchten.
VOn dieſer der Aſſenat ſpielgeſelſchaft ſpricht ihre eben angezogene Geſchicht alſo: Aſſenat ſagte zum Engel; Herꝛ / ich habe ſieben Jungfrauen: die ſeind mit mir auferzogen / und in einer nacht gebohren / u. a. m.
IM Afrikſchen lande Lime findet man allerhand wunderliche Bilderſteine / wie Aben Gezar und Marmol bezeugen. Die Araber nennen ſie ins ge - mein Hagaracht / und die Spanier los Hechizos. Auf oder in dieſen ſteinen hat die natur ſelbſten bald einen arm / bald einen kopf / bald ein anderes teil des menſchlichen leibes / ja zu weilen auch einen gantzen Menſchen abgebildet. Man pfleget ſie zur zauberei undzum415Anmaͤrkungenzum wahrſagen zu gebrauchen. Sonderlich aber helt man dieſelben in großem waͤhrte / in welchen die geſtalt eines volkommenen Menſchen abgebildet iſt; weil man feſtiglich gleubet / daß in denſelben eine kraft verborgen / der Fuͤrſten und Koͤnige gunſt / wan man ſie traͤget / zu gewinnen.
DIodor der Sizilier bezeuget im 28 h. des 11b. es ſei in Egipten kein winter: es regne wenig / ja uͤm Memfis heruͤm gantz nicht; weil es unweit vom duͤrren himmelsſtriche gelegen: nur bei der ſee ſpuͤhrete man gegen den winter einigen regen. Hiermit ſtim - met Plinius uͤberein / wan er in ſeinem 18 b. ſchreibet: In Egipten hat man entweder ſehr ſelten regen / oder wohl gar keinen: dan Gott macht durch den uͤberlauf des Niels das erdreich fruchtbar / u. a. m. Beſiehe hier - von unſern Dichteriſchen Sternhimmel / am 238 / 239 / 252 / 263 bl.
PLinius ſchreibet im 9 h. des 5 b. Der Niel be - ginnet alle jahr / im neuen mohne nach der ſon - nenwende / zu wachſen; und zwar algemach und ſpahrſam / ſo lange die ſonne durch den Kraͤbs leuft; uͤberflieſſig aber / wan ſie den Leuen durchwandert. End - lich faͤlt er wieder / in der Jungfer / auf eben dieſelbe wei - ſe / wie er geſtiegen. Und Teon am 19 bl. ſeiner An - maͤrkungen uͤber den Aratus: Das gantze zeichen des Leuen iſt der Sonne geheiliget. Dan da ſteiget der Niel / und gehet der Hundesſtern auf / uͤm die eilfte ſtunde. Und von hier beginnet man das jahr / u. a. m. Aber Teon irret / indem er dem beginne des Niliſchen wachſens eine gewiſſe ſtunde zuſchreibet; da man doch befindet / daß der Niel in einem jahre wohl gantze tagefruͤher /416Kurtzbuͤndigefruͤher / im andern ſpaͤhter waͤchſet / nachdem die witte - rung iſt an denen oͤrtern / da er entſpringet. Etliche pflegen den anfang ſeines auflaufs in den 12 brach - oder liljen-mohndes / und den begin ſeines falles auf den 14 aͤrntmohndes / da die Hundestage ſich endigen / zu ſe - tzen. Andere dagegen ſetzen beiderlei anfang wohl 14 oder 15 tage ſpaͤhter: welches auch mit der erfahrung beſſer uͤbereinſtimmet. Gleichwohl trift auch dieſer ſatz ſo gewis nimmermehr ein / daß er nicht zuweilen auf einen oder zween / ja wohl mehr tage ſolte verruͤkt werden; dergeſtalt daß es nur falſch und vergebens iſt eine gewiſſe ſtunde ſetzen wollen. Zudem bezeuget auch die erfahrung / daß zu unſern zeiten der Niel viel ſpaͤh - ter das erdreich uͤberſchwaͤmmet / auch lange ſo hoch uͤber den aͤkkern nicht ſtehet / wan er ſchon auf das hoͤch - ſte geſtiegen / als er vor etlichen hundert jahren getahn. Die uhrſache deſſen iſt das durch den jaͤhrlich zugefuͤhr - ten ſchlam immer mehr und mehr erhoͤhete erdreich. Daher dan itzund der anwachs von ſechzehen ellen / der im aͤrntmohnde ſich begiebet / nur die Koͤniglichen aͤk - ker uͤberwaͤſſert: und der von achtzehen erſt die andern. Aber der von zwoͤlfen giebet dem lande gantz keine feuch - tigkeit: und der von zwanzigen uͤberſchwaͤmmet es al - zugewaltig / ja ſo / daß er die beume auswaͤſchet und das erdreich verwuͤſtet. Wie die Egipter durch einen be - wahrten erdkloß erfahren / wan der tau vor dem wach - ſen des Niels faͤllet / ſchreibet Proſper Alpinus / Voſ - ſius / und andere. Von der laͤnge der zeit aber / in wel - cher der Niel ſteiget / ſeind die Naturkuͤndiger ſehr uneins. Herodotus / Diodohr / Marzellus / und andere ſchreiben ihm 98 / ja wohl 100 tage zu: Ari - ſtides faſt 4 mohnden. Die meiſten aber wollen / daß er 40 tage wachſe / und 40 tage falle.
PLinius in 9 h. des 5 b. Ægyptus duodecim cu - bitis in altitudinem aſcendentis Nili famen ſentit; in tredecim etiamnum eſurit: quatuordecim cubiti hi - laritatem afferunt; quindecim ſecuritatem; ſedecim delitias.
MItten in dem Leuen / oder etwas uͤber die mitte / hat der Niel ſeine hoͤchſte hoͤhe / naͤhmlich eine ſol - che / als zur fruchtbarkeit genug iſt.
EBen derſelbe Plinius ſchreibet am itzt angezogenen orte: Sementem faciunt Ægyptii ſole jam Libram tenente. Und alſo war in Egipten uͤm den herbſt - mohnd keine aͤrnte / wie in Europe. Dan uͤm den fruͤhling / ſagt Filo der Juͤde / im leben des Moſes / waren alle fruͤchte der erde und etlicher beume im Juͤdiſchen lande / in Egipten / und Babi - lonien reif.
LAnge ſchreibet an 218 und 223 bl. von den jahren der Heilgebuhrt: Als die Weiſen in Egipten ſahen / daß alda ſich etwas zutrug / das man ſonſten nirgend ie - mahls geſehen naͤhmlich daß der Niel jaͤhrlich ſechzehen ellen hoch auflief / und ihr gantzes land waͤſſerte und deſ - ſen uhrſache fleiſſig nach forſcheten; ſo gleubten ſie / daß der helleuchtende Hundesſtern / der ihnen uͤm dieſe zeit / unter dem nahmen Sous / aufging / dieſes große wun - derwerk der natur wuͤrkte. Und daruͤm hielten ſie ihn vorD deinen418Kurtzbuͤndigeeinen Gott / und begunten auf ſeine zeit fleiſſiger ach - tung zu geben. Ja ſie hielten darvor / daß uͤm dieſe jahrszeit / da der Hundesſtern aufging / die Welt er - ſchaffen worden. Proclus l. 4 in Tim. Platonis: Ægyp - tii horoſcopum mundi fecerunt Cancrum, eo quod lucida Canis cum ſigno Cancri oriatur. Auch ehreten ſie nicht allein den Hundesſtern / welchen ſie den uͤber - lauf des Niels zu wuͤrken waͤhneten / als einen Abgott: ſondern auch den Niel ſelbſten; weil er ihr land frucht - bar machte. Daher ſagt Solinus im 35 h. Nilo mul - tas ſuperſtitiones, imò ferè divinos honores exhibent. Plinius im 46 h. des 8 b. Voſſius aber ſchreibet / in ſeinem Buche von der Abgoͤtterei / vom uͤberlauffe des Niels alſo: Ægyptii quidem habent exitus, oſtiaque Nili: Æthiopes autem fontes. Nam ab aſperis rupibus, qui Lunœ montes dicuntur, decurrit in Ægyptum, per Æthiopiam. Rex Abyſſinorum ſcribitur Rex Goyo - me, ubi Nilus oritur, &c. Creſcere incipit mox à ſol - ſtitio circa xv Kal. quinctil. Cujus cauſa ſunt perpe - tui imbres juxta circulum æquinoctialem: ubi eſt hiems, quando æſtas eſt illis, qui ſub tropico cancri, & cis eum, habitant. His igitur imbribus ſeptentrio - nem verſus confertim ruentibus, tota inundatur Ægyptus, &c. Faſt eben daſſelbe von den Nielsbrun - nen findet man in der Arabiſchen Landbeſchrei - bung. Dan ſie ſagt auch / daß der Niel von den Mohndesbergen ſeinen uhrſprung / und zehen brunnen / habe. Hierzu fuͤget ſie: daß die erde in der flaͤche / da endlich die zehen Nielsbrunnen zuſammen - ſchoͤſſen / unten hohl ſei: ja das gantze benachbahrte land bei den Mohndesbergen ſei unterwaſchen. Beſiehe hier - von auch unſern Dichteriſchen Sternhimmel / am 252 bl.
HIer von kan Atanaſ. Kircher am 59 und fol - genden bl. ſeiner Egiptiſchen Landbeſchreibung / als auch Iſaak Voſſius / des großen Gerhards ſohn / vom uhrſprunge des Niels und anderer fluͤſſe / welche beide dieſes alles ſehr weitleuftig ausfuͤhren / geleſen werden.
DIe Egiptiſchen Prieſter ſchrieben dem uͤberlauffe des Niels dreierlei uhrſachen zu; daher ſie ihrem Nielgoͤtzen auch drei Waſſerkruͤge / wider der Dicht - meiſter gewohnheit / die iedem Flusgoͤtzen nur einen geben / zueigneten. Die erſte uhrſache war das Egip - tiſche Erdreich ſelbſten / welches aus ſeinem eigenen ſchlunde den Niel mit waſſer vermehrete: die andere das Meer; worinnen Eutimenes den Egiptiſchen Prieſtern beifiel: die dritte der ſchlagregen / der uͤm die zeit des Nieliſchen uͤberlaufs am mittagsende des Reichs meiſt zu fallen pflegte; weil als dan die jahrs - winde / wie Demokritus waͤhnete / die regenwolken darnachzu trieben. Anaxagoras aber legt es auf den ſchnee / der auf dem morgenlaͤndiſchen gebuͤrge lieget / und gegen die zeit des Nieliſchen uͤberlaufs ſchmaͤltzet: und Eforus ſcheinet die obangezogene erſte uhrſache der Egipter zu behaupten wollen; indem er vorgiebt / daß das Egiptiſche Erdreich bimsſteinhaftig und loͤ - chericht ſei / alſo daß es den winter durch die feuchtig - keit und naͤſſe einſoͤge / und des ſommers uͤm die ſon - nenwende / gleichſam wieder ausſchwitzte / und dadurch den Niel ſchwaͤngerte. Thales einer der ſieben Weiſen aus Griechenland / waͤhnete / daß die jahrswinde den ſtrohm des Niels zuruͤktrieben / und ihn alſo zum auf -D d ijſchwaͤllen420Kurtzbuͤndigeſchwaͤllen braͤchten. Andere / ſonderlich die heutigen Naturkuͤndiger / unter denen Odaart Lopes / in ſeiner beſchreibung des Koͤnigreichs Kongo / nicht der geringſte / ſchreiben es dem ſtaͤhtigen und ſtarkem regen zu; welcher gegen Oſtern durch das gantze Moh - renland zu fallen beginnet / und faſt zwanzig wochen lang anhaͤlt. Solche taͤgliche regen / ſagt gemelten Lopes / waͤhren fuͤnf gantze mohnden / vom Oſtermohnde bis auf den aͤrntmohnd. Und dis iſt es / daruͤber Tahles / Eforus / Anaxagoras / Oenopides / Timeus / Eudoxus / Agatarchi - des / Herodotus / Plutarch / ja faſt alle Egipti - ſche Prieſter und andere ihre koͤpfe / etliche tauſend jahre nacheinander zerbrochen. Dem ſei nun wie ihm wolle / ſo iſt es doch einmahl gewis / daß die ſchwaͤnge - rung des Niels fuͤrnehmlich aus gemelten ſchlagregen zum teile / zum teil auch aus den gewaltigen ſchneefluh - ten von den gebuͤrgen / welche dan eigentlich die Haupt - brunnen des Niels machen / entſtehet. Und dieſe Haupt - brunnen hat endlich Peter Pais / deſſen worte bei Kirchern zu leſen / im 1618 jahre / darnach ſo vielen verlanget / entdekket.
Der Sirer Moſes Barzefa wil / in ſeinem buche vom Garten Eden / des Niels uhrſprung gar aus dem Paradieſe herleiten. Dan er ſagt: er habe ſich von dar unter die erde begeben / und ſei darunter / ja ſelbſt unter der ſee / ſo lange hingelauffen / bis er endlich in Etiopien wieder heraus geſprun - gen: da er / mit dem ſchnee - und regen-waſſer vermehret / ſich ſo hoch ergoͤſſe. Auch nennen ihn die Etiopier ſelbſten die Ader des Paradieſes / und den brunnen goͤttlicher waſſer / ankaata marat ſchamatawi: Homerus einen flus / der aus dem Himmel oder Jupiters ſchoße gefallen: Par - inenon von Bizanz den Egiptiſchen Jupiter:Die421Anmaͤrkungen.die Arabiſchen Dichter Ibunſarid / und Eldeburg giatellarthim, das Leben der erde: und die Egipter ſelbſten des Oſiris arm; auch ſagen ſie / daß er gleich als eine Mittelader aus des Oſiris hertzen floͤſ - ſe: dan ſie ſahen / daß er von den Zairiſchen bergen her / die nicht weit vom Mohnesgebuͤrge liegen / durch Egip - ten in geſtalt eines armes ſchieſſet / und nach der ſee zu ſich / als eine hand mit fingern / ausbreitet; indem er oberhalb Memfis fuͤnf aͤrme bekommet. Ja er ward bei ihnen auch ein nachahmer des Himmels /
ἀντίμι - μος τοῦ οὐϱανοῦ
, wie Heliodoor im 9 b. ſchreibet / ge - nennet: weil er / an ſtat des regens vom himmel / das duͤrſtige erdreich traͤnket. Daher redet ihn auch Ti - bullus / im 7 ged. ſeines 1 b. alſo an:
DEr flus Helikon / ἑλικὼν flieſſet in Mazedonien bei der ſtadt Dium voruͤber; und ſcheinet eben[der - ſelbe] zu ſein / der bei dem Likofron ϐεφύϱος, bei dem Ptolemeus ϕαϱύϐος, und bei dem Livius im[4]4 b. Baphyrus heiſſet: weil Pauſanias bezeuget / daß[d]er flus Helikon ebenmaͤßig ϐαϕύϱας genennet wer -[d]e. Sonſten findet man auch einen flus in Sizilien /[d]er gleichmaͤßig Helikon / vom Fanellus aber Oli -[v]erio, oder Veria vom Leander / genennet wird.
IM 12 h. des buches der Schoͤpfung ſpricht Gott zu Abraham: Ich wil dich zum großen Volke[m]achen / und dich ſeegnen. Ich wil dir einen[g]roßen nahmen machen: und du ſolt ein ſeegenD iijſein. 422Kurtzbuͤndigeſein. Ich wil ſeegnen / die dich ſeegnen / und verfluchen die dich verfluchen. Und in dir ſol - len geſeegnet ſein alle Geſchlechter auf erden. Im folgenden 17 ſpr. Abraham hatte ſchafe / rinder / eſel / knechte und maͤgde / eſelinnen und kamehle. Im 2 ſpr. des 18 h. Abraham aber war ſehr reich vom viehe / ſilber und golde. Im 3 und 4 ſpr. Lot aber / der mit Abraham zog / hat - te auch ſchaffe / rinder / und huͤtten. Und das land mochte es nicht ertragen / daß ſie beieinan - der wohneten: dan ihre habe war groß. Im 15 und 16 ſpr. ſagt Gott zu Abraham: Alles land / das du ſieheſt / wil ich dir geben / und deinem ſaa - men ewiglich. Und ich wil deinen Saamen ma - chen / wie den ſtaub auf erden. Im 14 h. eben deſſelben buchs wird erzehlet: wie Abraham 318 knechte / die in ſeinem hauſe gebohren waren / gewaf - net / und vier Koͤnige die uͤber fuͤnf andere Koͤnige ge - ſieget / und ſeinen vetter Lot / gefaͤnglich wegfuͤhre - ten / geſchlagen und in die flucht getrieben: auch wie ihm / nach der ſchlacht / der Koͤnig von Sodom in das feld ſei entgegen gegangen; und Melchiſedek / der koͤnig von Salem / broht und wein heraus getragen / und ihn geſeegnet. Die große verheiſſungen / die Gott dem Abraham ferner tuht / ihn / und ſeine nachkom - men uͤberaus gewaltig zu machen / ſeind im 15 h. auch in etlichen folgenden mehrgemelten buchs weitleuftig zu leſen; ſonderlich im 16. Im 23 h. nennen ihn die Kinder des Hets einen Fuͤrſten Gottes unter ih - nen. Im 35 / 36 / 37 ſpr. des 24 h. ſagt Abrahams knecht: der HErꝛ hat meinen herꝛn reichlich ge - ſeegnet: und er iſt groß worden. Und Er hat ihm ſchafe und ochſen / ſilber und gold / knechte und maͤgde / kamehle und eſel gegeben. Darzu hat Sara / meines herꝛn / weib einen Sohn(Iſaak) 423Anmaͤrkungen.(Iſaak) gebohren meinem herꝛn: dem hat er alles gegeben / was er beſitzt / u. ſ. f. Von dieſem Iſaak / Abrahams ſohne / lautet der 13 / 14 und 16 ſpr. des 26 h. alſo: Und Iſaak ward ein großer Man / ging und nahm zu / bis er ſehr groß ward: daß er viel guhtes hatte an kleinem und großem viehe / und ein großes geſinde: daß auch Abimelech (der koͤnig) zu ihm ſprach: zeuch von uns; dan du biſt uns zu maͤchtig worden. Im folgenden 26 / 28 und 31 ſpr. komt der koͤnig der Filiſter ſelbſten zu Iſaak / und leſt ſich mit ihm in ei - nen bund ein; damit er ihnen keinen ſchaden taͤhte. Hieraus ſehen wir klaͤhrlich / wie maͤchtig Abraham / Iſaak / und Jakob geweſen: welche aus Sems / des Noah ſohnes / und aus Ebers / der Sems enkels ſohn war / nachkommen / naͤhmlich aus Faleg / Regu / Serug / Nahor / Tarah / entſproſſen; daher ſie / und ihre nachkommen / nach dem Eber / mit dem algemeinen nahmen Ebreer genennet wor - den. Auch kan von Jakobs achtbarkeit / Hedio / Rufinus im 2 h. und Fl. Joſef im 2 des 2 b. gele - ſen werden.
DIeſe gantze erzehlung von Jakobs Ehe / Efrauen / und Kindern[findet] man im 29 / 30 / und 35 h. des Buchs der ſchoͤpfung.
VOn der Bilha und Silpa ſagt Naftali in ſei - nem letzten Willen ſtraks im angefange alſo: ich bin von Bella geboren: welche Rahel dem Jakob an ihre ſtat beilegte / mit nicht geringem ruhme vor ſichD d iiijſelbſten,424Kurtzbuͤndigeſelbſten. Auch gebahr ſie mich auf der Rahel huͤfte; da - her ich den nahmen Neptalim bekahm. Und Rahel hatte mich lieb / weil ich auf ihrer huͤfte gebohren. Auch kuͤſte ſie mich / da ich noch jung war / und ſagte viel - mahls: Gott laße mich auch deinen bruder / aus eben demſelben leibe / daraus du gekommen biſt / ſehen; und gebe / daß er dir gleich ſei: daher ward mir auch Joſef in allem nach der Rahel begehren / aͤhnlich. Bella aber / meine mutter / war des Rohteus / Delboreus bruders / tochter / der Rebekke Kindermuhme; welche mit der Ra - hel auf einen tag gebohren. Und Rohteus war ein Kaldeer / aus Abrahams geſchlechte / ein gottesfuͤrchtiger / freier und edeler man. Dieſen kaufte Laban / als er gefangen war; und gab ihm ſeine bluhtsfreundin Eva zur fraue: welche eine tochter gebahr / die der vater nach dem ſchloſſe / darauf er gefangen gelegen / Selfa (Silpa) benahmte. Darnach kahm ſie auch mit der Bella nieder / und ſagte: mit einer ſeltſamen begierde eilete meine tochter. Dan ſo bald ſie gebohren war / fiel ſie an die bruſt zu ſaugen.
DIe begaͤbnuͤs der Dina und des Sichems be - ſchreibet das 34 h. gemelten Buchs.
SO lange war Sara / Joſefs mutter / unfrucht - bar / bis alle der Lea ihrer ſchweſter / als auch der zwo Mågde Kinder gebohren waren: und da ge - bahr ſie erſt den Joſef; wie aus dem 29 und 30 h. mehr gemeldeten Buchs der ſchoͤpfung zu ſehen.
FLav. Joſef. ſchreibet hiervon im 2 h. des 2 b. ſeiner Juͤdiſchen geſchichte folgender geſtalt: derVater425Anmaͤrkungen.Vater liebte den Joſef vor ſeinen andern kin - dern / ſo wohl ſeiner fuͤrtreflichen leibesgeſtalt / als der tugenden ſeines gemůhts wegen: dan er war der allerverſtaͤndigſte. Und dieſe vaͤterli - che liebe machte / daß ihn ſeine bruͤder haſſeten und neideten. Beſiehe zugleich / was S. Greiffen - ſohn / in der Lebensgeſchicht des Joſefs hiervon weit - leuftig ſchreibet.
MOſes ſpricht hiervon im 3 und 4 ſpr. des 37 h. ſeines 1 b. alſo: Iſrael hatte Joſef lieber / dan alle ſeine kinder; daruͤm daß er ihn im alter ge - zeuget: und machte ihm einen bunten Rok. Da nun ſeine bruͤder ſahen / daß ihn ihr Vater lieber hatte / dan alle ſeine bruͤder; waren ſie ihm feind / und konten ihm kein freundliches wort zuſprechen.
VOn dieſem traume des Joſefs ſchreibet Mo - ſes / im 2 / 4 / 5 / 6 und 7 ſpr. des 37 h. ſeines 1 b. als auch Flav. Joſef an obangezogenem orte. Matth. Dreſſerus Iſag. Hiſtor. millenar. 3, p. 149: Manſit enim (Joſeph) domi uſque ad annum ætatis 17, au - divitque conciones patris, & avi; & didicit officia œco - nomica inter fratres ſuos ex ancillis natos, omiſſis fratri - bus reliquis ſuperbis. Hinc mores quoque illius fue - runt modeſti prorſus, & ab omni faſtu & ſimulatione remoti. Propter hanc ſimplicitatem & moderationem charus fuit præ cæteris fratribus patri ſuo. Nihil enim diſſimulabat; nihil inſidioſè occultabat: ſed quæ vi - derat à fratribus ſuis ſuſcipi aut geri nefariè, ea ad pa -D d vtrem426Kurtzbuͤndigetrem deferebat, non quidem, ut proditor, ſed ut filius, Deo & parentibus debitam pietatem & obedientiam præſtans. Erat enim eo nomine charus patri, quòd ex chariſſima conjuge Rachele natus eſſet, multis & diuturnis votis expetitus, videlicet anno ætatis Jacobi 91, &c.
Aber alles dieſes erklaͤhret Gad / in ſeinem Letzten willen / unter andern noch deutlicher. Joſef / ſagt er / huͤhtete mit uns der heerde / ohngefaͤhr dreiſſig tage lang. Weil er aber ſehr zahrt und ſpilde war / ſo ward er / der großen hitze wegen / krank. Und daruͤm ging er wieder nach Hebron / zu ſeinem vater: welcher ihn bei ſich behielt; dan er hatte ihn lieb. Joſef aber ſagte ſei - nem vater daß die kinder der Bella und Selfa das guht unnuͤtzlich durchbraͤchten und verpraſſeten / daß es Ru - ben und Judah nicht wuͤſten. Dan er hatte geſehen / daß ich ein Lam aus eines baͤhren rachen / den ich todt ſchlug / gezogen / und das lam geſchlachtet / weil es doch daruͤber ich betruͤbt war / nicht laͤnger leben konte. Daſſelbe ver - zehrte ich mit meinen bruͤdern: und er verriet uns bei dem vater. Solches vertrugen wir ſo lange / bis er in Egipten verkauft ward. Und der geiſt des haſſes beſaß mich ſo ſehr / daß ich den Joſef weder ſehen / noch hoͤ - ren mochte. Dan er beſtrafte uns oͤffendlich / daß wir das Lam / ohne Judah / gegeſſen. Auch gleubte der va - ter alles / was er ſagte. Aber nun / meine Kinder / be - kenne ich meine ſuͤnden: der ich vielmahls den vorſatz gehabt ihn zu toͤdten. Dan ich haſſete ihn mit gantzem hertzen: und trug ihm gantz keine barmhertzigkeit zu. Ja uͤm ſeine treume haſſete ich ihn dermaßen / daß ich auch trachtete ihn zu toͤdten / und zu verſchlingen / gleichwie ein kalb das graß von der erde verſchlinget. Und daruͤm verkauften wir auch ihn / ich und Judah / den Iſmaelern vor dreiſſig ſilberlinge: davon wir zehen die - biſcher weiſe behielten / und nicht mehr als zwantzig un - ſern bruͤdern wieſen. Ja ich war ſo geldgeitzig / daß ich ihn uͤm ein ſtuͤkke geldes wohl wolte ermordet haben. Aber der Gott unſerer vaͤter errettete ihn aus meinen haͤnden / damit ich nichts gottloſes voldringen moͤchte / u. a. m. Dieſes habe ich zuletzt erkant / nachdem ich / uͤmJoſefs427AnmaͤrkungenJoſefs willen / zur reue getrieben ward / u. a. m. Und daruͤm / weil meine leber vol ungnade war gegen Joſef / bin ich auch ungnaͤdig gepeiniget worden / und habe das urteil / mit großen ſchmertzen / eilf mohnden lang gefuͤh - let: alſo daß die zeit meiner ſtrafe / mit der zeit / darinnen ich Joſefs verkauffung ſo hart triebe / gleich ſein muſte / u. a. m. Ich ſprach dem Joſef / in gegenwart unſers va - ters / freundlich zu: aber ſo bald ich hinaus war / ver - dunkelte mir der geiſt des haſſes meinen verſtand / und trieb meine ſecle fort und fort an / ihn uͤmzubringen.
DIeſes bezeuget Moſes im 8 ſpruche des 37 h. ſei - nes 1 b. als auch Flav. Joſef / an obangezoge - nem orte / am 150 bl.
DEr zweite Traum Joſefs wird im 10 ſpruche des 37 h. des B. der ſchoͤpf. erzehlet. Hiervon ſagt Flavius Joſef alſo: Gott aber ſtritte wider ih - re (der bruͤder Joſefs) misgunſt / und lies dem Joſef noch ein anderes geſichte / welches viel wunderlicher war / als das vorige / ſehen / u. ſ. f. Dieſen traum erzehlte er / in gegenwart ſeiner bruͤder / von denen er kein boͤſes argwaͤhnete / dem Vater / der ſich nicht wenig daruͤber ergetz - te; mit bitte / daß er ihn auslegte. Der Vater war auch in wahrheit recht froh / als er die be - deutung des traumes reiflich erwog / und dar - aus urteilete / daß ſeinem ſohne eine große gluͤk - ſeeligkeit angekuͤndiget wuͤrde: als welcher der - mahleins ſo wuͤrdig geachtet ſein ſolte / daß ihn ſo wolhl ſeine Eltern / als Bruͤder / anbaͤhten wuͤrden. Durch die Sonne und den Mohn verſtund er Vater und Mutter; weil der einealles428Kurtzbuͤndigealles vermehrete und naͤhrete / die andere den dingen ihre geſtalt und kraft einpflantzte: durch die Sterne aber die Bruͤder; weil die zahl uͤber - einkahm / und ſie von der ſonne und dem mohne ihre kraft hetten. Und Jakob hat zwar eine ſolche deutung nicht unweislich gemacht. Aber Joſefs bruͤder warden darůber ſehr traurig und unmuhts; nicht anders / als wan irgend einem fremden / und nicht ihrem bruder / ſolche gluͤk - ſeligkeit angezeiget wuͤrde; da ſie doch / als ſei - nes gluͤks und geſchlechts teilgenoſſen / alles guhten mit ihm zu genieſſen hatten / u. a. m. Moſes erzehlet dieſes mit gantz kurtzen worten / wan er im 11 ſpr. des obangefuͤhrten h. ſaget; und ſeine bruͤder neideten ihn: aber ſein Vater behielt dieſe worte.
DIeſes beſchreibet Moſes wieder gantz kurtz im 12 ſpruche des 37 h. Flav. Joſef aber ein wenig weitleuftiger: ſie beſchloſſen / ſagt er / den Juͤng - ling aus den wege zu reumen. Und nach ge - nehmgefundenem ſchluſſe / als das getreide nun eingeaͤrntet war / begaben ſie ſich / mit dem vieh / auf das Sichemſche feld / welches eine ſehr guh - te weide hatte / ohne vorbewuſt des Vaters; und nahmen alda der huͤrten ſorge wahr. Aber als niemand von den heerden kahm / und Ja - kob keine gewiſſe zeitung von ihnen hoͤrete; da ward er / ſeiner ſoͤhne wegen / bekuͤmmert / und traurig / alſo daß er den Joſef ausſchikte zu ſe - hen / wie es uͤm ſeine bruͤder ſtunde / und ihm die bohtſchaft zu bringen / was ſie machten.
DEr Vater hatte dem Joſef einen bunten Rok machen laßen; wie Moſes im 3 ſpr. des 37 h. ſeines 1 b. anzeiget. Dieſes war eine tracht der Koͤnig - lichen kinder. Samuel ſagt auch im 18 ſpr. der 13 h. ſeines 2 b. von der Tahmar / des Abſalons ſchweſter / welche Ammon / ihr bruder / genohtzuͤchtiget / alſo: Und ſie hatte einen bunten Rokan: dan ſolche Roͤkke trugen des Koͤniges toͤchter / wan ſie Jungfrauen waren.
DIeſe geſchicht von Iſmaels ausſtoßung / der Abrahams aus ſeiner magd Hagar ſohn war / beſchreibet Moſes im 21 hauptſt. ſeines 1 buchs.
WIe Jakob ſeinem bruder Eſau / der nachmahls Edom genennet ward / ſeine erſte gebuhrt / durch ein Linſengemuͤſe / abgekauft / beſchreibet uns Moſes im 25 h. ſeines 1 b. vom 29 ſpr. bis zum ende des hauptſtuͤkkes. Wie er aber eben demſelben Eſau ſei - nen ſeegen hinterliſtiglich entwendet / und zugleich ſei - nen Vater Iſaak betrogen / meldet Moſes gleiches - fals im 27 h. des 1 b. Wie er ferner dem Laban ſei - nem Schwiegervater / der ihm das ſeinige vorenthal - ten wolte / durch einen ſonderlichen liſtgrif / begegnet / das leſen wir eben auch im Buche der ſchoͤpffung faſt am ende des 30 h.
DAß Ruben / Judah / und Sebulon dem Jo - ſef nicht aller dinge abhold geweſen / ja ſein leben /als430Kurtzbuͤndigeals ihn etliche der andern uͤmzubringen trachteten / zu retten geſuchet / kan nicht allein zum teil aus dem 21 / 22 / 26 / 29 / und 30 ſpruche des 37 h. als auch aus dem 16 / 18 / 32 / 33 / und 34 ſpr. des 44 h. im Buche der Schoͤpfung geſehen werden: ſondern es be - zeugen es auch viele unter den zwoͤlf Ertzvaͤtern / des Jakobs Soͤhnen / einieder in ſeinem letzten Willen / noch ausfuͤhrlicher. Ruben / weil er ſich ſelbſten / aus eingezogenheit / deſſen nicht ruͤhmen wil / ſchweiget zwar darvon gantz ſtil: aber Simeon bricht aus in dieſe worte: in der zeit beneidete ich den Joſef / weil ihn ſein vater lieb hatte / dergeſtalt / daß ich mir fe - ſtiglich vorgenommen / ihn zu toͤdten. Dan der Fuͤrſt des irtuhms ſante in mein hertz den geiſt des neides und verblendete mein gemuͤht und meinen verſtand der - maßen / daß ich mich ſelbſt vor meinem vater Jakob nicht ſcheuete. Aber ſeiner vaͤter Gott ſante ſeinen Engel / der ihn aus meiner hand errettete. Als ich nach Sichem gegangen war / ſalbe zu hohlen vor die heerden / und Ru - ben nach Dotan / da alles / was uns noͤhtig / zu be - kommen war; hatte ihn Judah / unſer bruder / den Is - maelern verkauft. Daruͤber war Ruben / als er wieder - kahm / betruͤbt: dan er hatte beſchloſſen ihn ſeinem Va - ter unverletzt wiederzubringen. Aber ich ward auf den Judah / weil er ihn lebendig aus unſern haͤnden gelaßen / ſo ergrimmet / daß ich fuͤnf mohnde lang auf ihn grolle - te. Und Gott verhinderte mich / daß ich meine haͤnde an ihn nicht legen konte: dan die helfte meiner rechten hand verdorrete / und blieb alſo bis auf den ſiebenden tag / u. a. m. Ja Sebulon zeiget ſolches ſo wohl vom Ru - ben und Judah / als von ſich ſelbſten / noch deutlicher und weitleuftiger an / wan er unter andern alſo ſpricht: ich wuſte nicht / daß ich ſuͤndigte / auch dachte ich ſo weit nicht / als ich / aus unwiſſenheit / wider den Joſef mis - handelte: da ich vor meinem Vater verſchwieg / was ſich mit meinen bruͤdern begeben; wiewohl ich in geheim ſehr weinete. Dan ich fuͤrchtete mich vor meinen bruͤ - dern: welche mitein ander beſchloſſen / daß derſelbe / der die ſache lautbar machen wuͤrde / mit dem ſchwerte ſoltegetoͤdtet431Anmaͤrkungen.getoͤdtet werden. Gleichwohl gab ich ihnen / als ſie ihn toͤdten wolten / mit vielem weinen zu verſtehen / daß ſie dieſe boßheit nicht begehen ſolten. Aber Simeon und Gad lieffen auf den Joſef zu / ihn zu erwuͤrgen. Da fiel Joſef auf ſein angeſicht / und ſagte zu ihnen: O mei - ne bruͤder / erbarmet euch meiner / erbarmet euch uͤber die glieder unſers Vaters Jakobs; und ſchlagt doch eure haͤnde an mich nicht / damit ihr kein unſchuldiges bluht vergieſſet: dan ich habe nichts wider euch mishandelt: und habe ich ja mishandelt / ſo unterweiſet mich / durch eine bruͤderliche zuͤchtigung; aber legt eure haͤnde nicht an mich. Das bitte ich euch uͤm der liebe Jakobs un - ſers vaters willen. Indem er dieſe worte redete / ward ich dermaßen zum mitleiden bewogen / daß mir meine traͤh - nen hauffenweiſe uͤber die bakken lieffen; daß mein bluht / ja alle meine glieder erſtarreten. Joſef weinte / und ich mit ihm. Mein hertz boͤbete / und meine gebeine zitter - ten dermaßen / daß ich nicht mehr ſtehen konte. Als er nun ſahe / daß ich mit ihm weinete / und daß ſie zuge - lauffen kaͤhmen / ihn todt zu ſchlagen; da flohe er hinter mich / und baht uͤm gnade. Hierauf fing Ruben auch an. Bruͤder / ſagte er / laßet uns ihn nicht toͤdten: ſondern wir wollen ihn in jene grube werfen; die unſere vaͤter gru - ben / aber kein waſſer fanden. Und eben daruͤm lies Gott kein waſſer hinein kommen / damit ſie dem Joſef zur beſchirmung und lebenserrettung dienen ſolte. Ja er lies es alſo geſchehen / daß ſie ihn den Ismaelern ver - kauften. Auch bewilligte ich in die ſuͤnde / am Joſef begangen gantz nicht. Aber Simeon und Gad mit noch andern ſechs bruͤdern / nahmen vor Joſef geld / und kauf - ten vor ſich / vor ihre weiber / und vor ihre kinder ſchuhe; und ſagten: laſt es uns nicht unter die fuͤße traͤhten; dan es iſt bluhtgeld vor unſern Bruder. Aber in der unter - traͤhtung laßet uns das untertraͤhten / das er ſagte / er ſolte uͤber uns herſchen: und wir wollen ſehen / was ſei - ne treume bedeuten und auswuͤrken ſollen. Daruͤm ſte - het in Enochs Buche geſchrieben: denen / die ihren Bruͤ - dern keinen ſaamen erwekken wolten / habe ich aufge - ſchnallet die ſchuhe Joſefs. Auch warden ihnen / als ſie in Egipten kahmen / von Joſefs dienern / vor dem tohre / die ſchuhe entſchnallet und abgezogen: und alſo muſten ſie den Joſ[e]f / als den Koͤnig ſelbſten / anbaͤh -ten. 432Kurtzbuͤndigeten. Ja ſie baͤhteten ihn nicht allein an / ſondern fielen auch ſchaamroht vor ihmnieder / und warden alſo in ge - genwart der Egipter beſchaͤhmet. Zudem hoͤreten die Egipter alles das boͤſe / das wir Joſef getahn hatten. Als nun Joſef in die grube geworfen war / trugen mei - ne bruͤder die ſpeiſen auf zu eſſen. Aber ich aß in zwee tagen und zwo naͤchten nichts; indem ich uͤber den Joſef betruͤbt und mit wehleiden geſchlagen war. Auch aß Judah mit ihnen nicht: dan er bewachte die grube; weil er fuͤrchtete / Simeon und Gad moͤchten hinlauffen ihn zu toͤdten. Mitlerweile / indem ſie ſahen / daß ich nicht aß / ſtelleten ſie mich auch bei die grube / ihn zu bewahren / bis er verkauft war. Und er lag drei tage und drei naͤchte in der grube. Darnach verkauften ſie ihn ungeſpeiſet. Als nun Ruben hoͤrete / daß man ihn / in ſeinem abwe - ſen / verkauft / ward er ſehr ungehalten / und weinete. Ach! ſagte er / wie ſol ich nun duͤrfen unter meines va - ters augen kommen? Auch nahm er das geld / und wol - te den kaufleuten nacheilen: aber er fand niemand. Dan ſie hatten die heerſtraße verlaßen / und ſich ſtilſchweigens ſeitwaͤrts abgelenket. Und alſo koſtete Ruben in drei tagen kein broht. Daruͤm ging Dan zu ihm / und ſagte: weine nicht / und ſei uͤm den Juͤngling nicht traurig. Ich weis wohl / was wir zu unſerm Vater Jakob ſagen wollen. Wir wollen einen Bok ſchlachten / und mit deſſelben bluhte Joſefs Rok beſpraͤngen. Dan wollen wir hingehen / und zu unſrem vater ſpraͤchen: Siehe zu / ob dieſer Rok deines Sohnes Joſefs Rok ſei. Dan ſie hatten ihm / da ſie ihn verkauffen wolten / den Rok / den ihm ſein vater gegeben / ausgezogen / und dagegen ein altes zerlumptes kleid von einem Leibeigenen zugewor - fen. Simeon / der den Rok zu ſich genommen / wolte ihn zuerſt nicht hergeben; ſondern ihn / aus zorneifer daß Joſef noch lebete / und daß er ihn nicht ſtraks getoͤdtet / zerhauen. Aber die bruͤder ſtunden alle wider ihn auf / und ſagten: waruͤm wilſtu den Rok nicht hergeben / da du doch dieſes uͤbel in Iſrael allein begangen? Hierauf gab er den rok von ſich: und ſie taͤhten / wie Dan geſagt hatte / u. a. m. Um dieſer uhrſache willen / hat mich der HErꝛ geſegnet / und ſo gnaͤdig angeſehen / daß ich nie - mahls in einige krankheit fiel; da hingegen alle meine bruͤder allezeit krunken muſten. Auch warden ihre kin -der433Anmaͤrkungen.der mit krankheit geſchlagen / und muſten / uͤm Joſefs willen / dahin ſterben; weil ihre vaͤter ſo gar unbarmhertzig mit ihrem Bruder gehandelt. Aber meine kinder / wie ihr wohl wiſſet / ſeind allezeit geſund und friſch geb[l]ie - ben. Ja ich war einesmahls am Seeufer in Kanaan aus - gefahren vor unſern Vater zu fiſchen: da erſoffen ihrer viel in der ſee; aber ich kahm darvon. Dan ich war der erſte Menſch / der ſich unterfing mit einem ſchiffe die ſee zu befahren. Gott gab mir weisheit und verſtand dar - zu. Ich hing den ſchiffen hinten das rudel an. Ich ſpan - nete die ſegel an den maſt. Und alſo fuhr ich laͤngſt dem ufer hin / und fing fiſche vor meines vaters hausgeſinde / bis wir in Egipten kahmen / u. a. m. Als wir in Egip - ten reiſeten / vergolt uns Joſef das boͤſe / das wir an ihm begangen / nicht: ſondern erbarmte ſich unſerer / ſo bald er mich erblikte.
DAß Abraham den Iſmael ſeinen ſohn / ſamt der mutter Hagar / ausſties / hatte Sara / ſeine ehfraue / veruhrſachet; wie wir im 5 und 6 ſpr. des 16 h. und noch mehr im 9 / 10 und folgenden ſpr. des 21 h. im Buche der ſchoͤpfung leſen. Daß auch Re - bekke / des Iſaaks ehfraue / ihren ſohn Jakob be - redet und veranlaßet den vater zu betruͤgen / und den Eſau uͤm ſeinen vaͤterlichen ſeegen zu bringen / bezeu - get Moſes gleichfals / im 27 h. ſeines 1 b.
BEſiehe hiervon den 12 und 17 ſpr. des 37 h. im Buche der ſchoͤpfung: auch was wir droben bei der 25 zeile des 63 bl. aus dem Flav. Joſef angemaͤrket.
HIervon ſtehet im 18 / 19 / 20 / und folgenden ſpr. des mehr gemelten 37 h. aus dem Buche der ſchoͤp -E efung434Kurtzbuͤndigefung zu leſen: als auch droben in unſerer Anmaͤrkung bei der 19zeile des 65 bl.
WAs Ruben alhier ſeine bruͤder zu beſaͤnftigen und Joſefs leben zu retten / vorbringet / daſſelbe iſt faſt alles / wiewohl kuͤrtzer verfaſſet / im 3 hauptſt. des 2 b. der Juͤdiſchen Geſchichte des Flavius Joſefs zu leſen.
HIervon meldet Moſes / wiewohl mit ſehr kurtzen worten / im 22 ſpr. des 37 h. ſeines 1 Buches: aber was weitleuftiger Flav. Joſef in ſeinen Juͤdi - ſchen geſchichten / ſonderlich aber Greiffenſohn in Joſefs Lebens-beſchreibung.
DIeſes findet man im 25 und folgenden ſpr. des 37 h. aus dem Buche der ſchoͤpfung.
IN der heil. Schrift ſtehet zwar / im 28 ſpr. mehr - gemelten h. daß Joſef vor 20 ſilberlinge ſei ver - kauft worden: aber Gad bekennet ſelbſten / in ſeinem letzten Willen / daß er und Judah / im abweſen der andern bruͤder / 30 ſilberlinge / davor Judas auch un - ſern HERꝛn und Heiland verkaufte / von den Ismae - lern bekommen; wiewohl ſie nur 20 bekant gemacht. Seine eigene worte haben wir droben in den Anmaͤr - kungen bei der 7 zeile des 60 blattes angefuͤhret. Sa -muel435Anmaͤrkungen.muel Greiffenſohn / in Joſefs Lebensbeſchreibung am 30 bl. als auch mehr andere / ſetzen ebenmaͤßig dreiſſig ſilberlinge; wiewohl Dreſſer der h. Schrift folget / und eben alſo nur von 20 meldet: welche er auf 5 Reichstahler unſers geldes rechnet.
VOm Simeon / welcher / mit den zwee Maͤgdeſoͤh - nen / Dan und Gad / den Joſef am meiſten verfolgete / handelt Sebulon / in ſeinem letzten Wil - len / gantz weitleuftig: deſſen worte wir in den An - maͤrkungen bei der 19 zeile des 65 bl. angefuͤhret; als auch des Simeons eigene / aus ſeinem letzten Willen / welche der Leſer alda nachſchlagen kan.
WIe leid es nachmahls Joſefs bruͤdern geweſen / daß ſie ihn verkauffet / bezeugen ihrer viel in ihrem letzten Willen. Simeon ſelbſten / nachdem er ſeine ſtra - fe erzehlet / bricht aus in dieſe worte: ich ward gewahr / und erkante / daß mir ſolches uͤm Joſefs willen zuſties. Ich bereuete meine ſchuld / und weinete. Ich baht den HERꝛn / daß er mir meine hand wieder heilete: und ich nahm vor / mich vor aller boßheit / neidſucht / und aller tohrheit zu huͤhten. Ich bekante / daß ich uͤbels getahn hette vor dem HERꝛn / und vor unſrem Vater Jakob / am Joſef meinem bruder / den ich beneidete / u. a. m. Und mein Vater fragte mich / was mir fehlete / weil ich ſo traurig ſei? Und ich brachte ihm eine luͤgen vor / und ſagte: mein hertz tuht mir weh. Ich war betruͤbter / als ſie alle: dan es war meine ſchuld / daß Joſef verkauft ward. Und als wir in Egipten reiſeten / und Joſef mich binden lies / als einen kundſchaffer; da erkante ich / daß ich nicht unrecht litte: und ich ward deswegen nicht un - willig. Aber Joſef war ein aufrichtiger Man / in dem der geiſt Gottes wohnete. Er war barmhertzig und gnaͤ -E e ijdig /436Kurtzbuͤndigedig / und hatte keine gedanken mir einiges boͤſes zu tu hn; ſondern liebte mich / als ſeine andern bruͤder. Daruͤm / meine kinder / ſcheuet allen hitzigen has und neid / und wandelt in einfaͤltigkeit eurer ſeelen / und mit guhtem hertzen. Nehmet ein beiſpiel an eures Vaters Bruder: damit Gott euch gnade herligkeit und ſeegen wider - fahren laße; wie ihr ſehet / daß ihm geſchehen iſt. Nie - mahls und zu keiner zeit verwieſe er uns ſolches: ſondern er hatte uns lieb / als ſeine eigene ſeele / ja mehr als ſeine kinder. Er hat uns groß gemacht / und uns allen reich - tuhm / vieh / und fruͤchte mildiglich geſchenket / u. a. m. Daruͤm hatte Joſef ein liebliches und ſchoͤnes angeſicht: dan in ihm war keine galle / noch etwas boͤſes. Sein ant - litz war rein / und von des geiſtes gramſchaft unbeflekt.
Dan ſpricht auch zu ſeinen Kindern / in ſeinem letz - ten Willen / faſt dergleichen / und zwar unter andern alſo: ich bekenne euch heute / meine Kinder / daß ich mich in meinem hertzen erfreuete auf den tod Joſefs / des guhten und wahrhaftigen Mannes / und mich beluſtigte in ſei - ner verkauffung; weil ihn unſer Vater lieber hatte / als uns. Dan der geiſt der eiferſucht und der aufgeblaſen - heit ſagte zu mir: und du biſt ja auch ſein ſohn. Auch boht mir einer von Belials geiſtern ſeine huͤlfe / und ſag - te: nim dieſes ſchwert / und toͤdte damit den Joſef; dan wan er todt ſein wird / ſol dich dein Vater lieb haben. Dieſer iſt der geiſt des zornes / der mir riet / daß ich den Joſef / wie ein Pardel den bok / verſchlingen ſolte. Aber der Gott meines Vaters Jakobs lies ihn in meine haͤnde nicht kommen / daß ich ihn allein gefunden hette. Auch lies er nicht zu / daß ich dieſe boßheit veruͤbte; damit zwee Reichsſtaͤbe in Iſrael ſolten entbunden und erworben werden / u. a. m. Was Gad ebenmaͤßig von ſich ſelbſten bezeuget / das haben wir droben in den An - maͤrkungen bei der 7 zeile des 60 bl. angefuͤhret.
MOſes erzehlet dieſes im 29 und 30 ſpr. des 37 hauptſt. in ſeinem 1 buche kuͤrtzlich alſo: Alsnun437Anmaͤrkungen.nun Ruben wieder zur grube kahm / und den Joſef darinnen nicht fand: da zerris er ſein kleid; und ging zu ſeinen bruͤdern / zu denen er ſprach: der Juͤngling iſt nicht da. Wo ſol ich hin? Et - was deutlicher / wiewohl auch ſehr kurtz ſpricht hier - von Flavius Joſef: Ruben aber kahm bei der nacht / ohne vorbewuſt ſeiner bruͤder / zum brun - nen / und wolte den Joſef erretten. Weil er ihn nun vergebens rief / argwaͤhnete er / daß er / in ſeinem abweſen / uͤmgebracht worden / und beſchuldigte damit ſeine bruͤder / u. a. m.
JAkob hatte ſeinen Vater Iſaak mit ſeines ſoh - nes Eſaus kleidern / die er auf ſeiner Mutter ein - rahten angezogen / geteuſchet; und ihm alſo des Vaters ſeegen / den er dem Eſau zu geben geſonnen / abbetro - gen: wie Moſes im 27 h. ſeines 1 b. erzehlet.
VOm Krokodil haben wir droben / in den An - maͤrkungen bei dem 12 blatte / die uhrſachen ange - fuͤhret / waruͤm er der Egiptiſchen Koͤnige ſinbild ſei; auch darbei angezeiget / daß er von den Arabern farao genennet werde: welche ihn itzund / mit den Egipti - ſchen Juͤden / auch Korbi heiſſen; wie Megiſter be - zeuget. Kircher giebet ihm ſonſten in ſeinem Egipti - ſchen Wortbuche den nahmen Picharouki; und Hero - dotus meldet / daß ihn die alten Egipter / die uͤm die ſtadt Elefantine heruͤm gewohnet / Champfe, die Siener aber / wie Strabo aufgezeichnet / Suchus, und die Griechen oder vielmehr Joner Κϱοκοδειλὸν, ἀπὸ τοῦ δειλαίε〈…〉〈…〉 κϱοκὸν, weil er den geruch des SafransE e iijſcheuet /438Kurtzbuͤndigeſcheuet / genennet. Den die Indier Kayman heiſ - ſen / iſt zwar auch von der ahrt der Krokodillen / aber viel kleiner / als die Egiptiſchen; wiewohl er ſo ſtark zubeiſ - ſen kan / daß er einem menſchen mit einem biſſe ploͤtz - lich den fuß abloͤſet. Er wird gemeiniglich unter die gattungen der Schlangen gezehlet: welches auch ſein ſchwantz aus weiſet / der eben ſo lang iſt als der rumpf; in deſſen ruͤkkengrahte man 60 wuͤrbelbeine zehlet. Sein lauf iſt ſehr ſchnaͤl: aber des ſteiffen ruͤkken - grahts wegen / kan er ſich uͤbel uͤmdrehen oder kruͤm̃en. Wan ihn der hunger / den er vier tage vertragen kan / druͤkket; ſo pfleget er zu weinen / wie ein Menſch / die menſchen / wie man ſagt / anzulokken / damit er ſie fref - en moͤge. Daher werden die betruͤgeriſchen traͤhnen Krokodilstraͤhnen genennet. Wer mehr vom Kro - kodille zu wiſſen begehret / der kan den Aldrovand / und Jonſtohn von den Tieren aufſchlagen.
DEn Habicht nennen die Egipter Bai-et / das iſt ſeelen-hertz / oder eine behertzte ſeele; weil ſei - ne feurige natur mit der Seelen natur uͤbereinkommet. Daher iſt er auch bei ihnen der Seele ſinbild: derer uͤm - ſchweif / wie die Egipter meinen / das Hertz iſt. Daß aber die Seele eine feurige eigenſchaft an ſich habe / darinnen ſtimmen / mit den Egiptern / die Griechen und Roͤhmer uͤberein. Unter den Roͤhmern ſagt Fa - bius in ſeiner 10 Rede: Animam flammei vigoris im - petum, perennitatemque non ex noſtro igne ſumen - tem, ſed quo ſidera volant, & quo ſacri torquentur axes, inde venire, unde rerum omnium auctorem pa - rentemque ſpiritum ducimus, nec interire, nec ullo mortalitatis affici fato. Sed quoties humani corporis carcerem effregerit, & exonerata membris mortalibuslevi439Anmaͤrkungenlevi ſe igne luſtraverit, petere ſedes in aſtra. Ja es ha - ben etliche dafuͤr gehalten / daß die Seele nicht allein von den ſternen ihre feurige eigenſchaft ſchoͤpfe / ſondern auch gar / nach ihrer ausfahrt aus dem menſchlichen leibe / wie Ariſtofanes bezeuget / zum ſterne werde. Auch iſt der Habicht eben daher der Sonne ſinbild; ja Gottes ſelbſten. Daruͤm ward der Abgott Oſi - ris bei den Egiptern gemeiniglich / durch einen Ha - bicht / abgebildet; eben wie ſonſten durch einen Stier / oder Ochſen.
WIe der Habicht des Oſiris und der Sonne / ſo war der ſchwartze Egiptiſche Storch oder Eib / Ibis, der Iſis / und des Mohnes ſinbild; als auch des krummen Tierkreuſes / der unterſchied - lichen und mancherlei kruͤmmen wegen / die er mit den fuͤßen und den halſe machet: dadurch er auch / unter allen tieren zuvoͤrderſt / den Egiptern zur erfindung der zahlen und buchſtaben anlaß gegeben; wie Atana - ſius Kircher in ſeinem Egiptiſchen Oedipus weit - leuftig ausgefuͤhret. Ja er wird zugleich vor einen erfinder oder angeber der Spruͤtzmittel und des Ab - ſpuͤhlers / den wir ſonſt mit einem undeutſchen wor - te Kliſtier nennen / gehalten; weil er / wie Plinius 8 / 27 / bezeuget / wan er verſtopft oder krånklich iſt / mit ſeinem ſchnabel das Nielwaſſer aufnimt / und in das hinterteil / dadurch der unflaht und uͤberſchus der ſpeiſe von ihm gehet / hinein ſpruͤtzet / ſolches durch - oder abzuſpuͤhlen. Sonſten war dieſer Egiptiſche Storch auch ein ſinbild des Hertzens; weil er faſt wie ein hertz geſtaltet: und daher dem Merkuhr / als dem beherſcher des hertzens und der vernunft / heilig; wie Horus Apollo / in ſeiner 34 Aufgabe der Egip - tiſchen Bilderſchriften / angemaͤrket.
DAs Haͤrmlein oder Armelein / welches bei den Franzoſen hermine, bei den Englaͤndern hermin, bei den Lateinern mus Armeniacus, Ponticus und Al - pinus, unter dem gemeinen manne mus armelinus, ar - melina und harmela, auch ſonſten muſtela alba, das iſt ein weiſſes Wieſelchen / genennet wird / iſt ein ſchneeweiſſes tierlein / und helt ſein fel ſo rein / daß es lieber ſterben / als ſolches beſudeln wil. Und daruͤm haben wir es auch dem keuſchen Joſef auf dem erſten Kupfer dieſes buches / als ein ſinbild ſeiner keuſcheit / zugefuͤget. Ja daruͤm hat es auch Ritter Kats / vor ſeinem Selbſtreite / der gantzen ehrbahren Jugend / als ein feldzeichen / in einem ſchilde / rund uͤmher mit einem aufgeworfenen ſchlamme beſetzet / zugeeignet. Darbei unter andern dieſe reimbaͤnde zu leſen:
Eſſendo la propria natura dell’ Armellino di partir prima la morte, per ſame & per ſeto, che imbrattarſi,cercan -441Anmaͤrkungen.cercando di ſuggire, di non paſſar per il brutto, per non machiare il candore e la politezza della ſua pretio - ſa pelle. Paul. Jovius Dialog. dell’ Impreſe Mi - litari & Amoroſ. Malo mori, quàm pollui.
DIeſe begaͤbnuͤs erzehlet Joſef ſelbſten in ſeinem letz - ten Willen / mit kurtzen worten / folgender geſtalt: in dieſer zeit fuhr die vorgemelte Memfiſche Frau / des Potifars gemahlin / mit einem großen gepraͤnge vor un - ſerem hauſe uͤber / und warf ihre augen auf mich: dan die Geſchnittenen hatten ihr von mir bericht getahn. Und ſie ſagte zu ihrem Ehherꝛn: daß ein Kaufman / durch den dienſt eines Ebreiſchen Juͤnglings / ſei reich geworden: von dem der ruf ginge / daß man ihn im Lande Kanaan diebiſcher weiſe genommen. Daruͤm tuht dem Juͤnglin - ge recht; und nehmt ihn zu eurem Haushalter oder Hof - meiſter. Der Ebreiſche Gott wird euch ſeegnen und gluͤk - lich machen: dan die himliſche gnade wohnet ihm bei. Und Potifar gab ihr endlich gehoͤr / entboht den Kaufman zu ihm / und ſagte: was komt mir von euch zu ohren? Ich hoͤre / daß ihr in der Ebreer land ziehet die Menſchen zu ſtaͤhlen / und verkauffet ihre kinder. Der Kaufman fiel nieder auf ſein angeſicht / und ſagte: Herꝛ / ich bitte uͤm gnade: doch darvon / deſſen ihr mich beſchuldiget / weis ich gantz nichts. Potifar fuhr fort / und ſagte: wie komt ihr dan an den Ebreiſchen Juͤngling? Der Kaufman ant - wortete: die Iſmaeler haben mir befohlen ihn zu bewah - ren / bis ſie wiederkommen. Potifar aber gleubte ihm nicht / und befahl / ihn zu geiſſeln. Unterdeſſen daß man den Kaufman zuͤchtigte / ſprach Potifar: laßet den Juͤng - ling herkommen. Und als ich hineingebracht war / baͤh - tete ich den Fuͤrſten an / und taͤht ihm ſeine gebuͤhrende ehre: dan er war der dritte nach dem koͤnige Farao im ſtaht / ein Oberſter uͤber alle Geſchnittenen / und hatte ei - ne Gemahlin / auch kinder / und eine Beiſchlaͤferin. Straks zog er mich auf die ſeite / und fragte: biſtu frei / oder leib - eigen? Und ich antwortete: ich bin ein Leibeigner. Dar - auf fragte er ferner: weſſen leibeigner biſtu? Ich antwor -E e vtete;442Kurtzbuͤndigetete; der Ismaeler. Und er fragte wieder: wie biſtu dan ihr leibeigner worden? Ich gab zum beſcheide: ſie haben mich in Kanaan gekauft. Aber er wolte es nicht gleuben / und ſagte / du baſt gelogen. Und daruͤm lies er mich nakkend geiſſeln. Dieſes ſahe ſeine Gemahlin durch das fenſter; und lies ihrem Ehherren ſagen: ihr tuht nicht recht / daß ihr einen geſtohlenen freien ſchlaget und zuͤchtiget. Hierauf befahl er mich / weil ich bei meinen worten blieb / gefaͤnglich zu bewahren / bis mein herꝛ wiederkaͤhme. Aber ſeine Gemahlin ſagte zu ihm: war - uͤm ſetzt ihr doch den edelen Juͤngling gefangen? Es were beſſer / daß man ihn loß lieſſe / und euch geiſſelte. Sie war luͤſtern / in ihrer ſuͤndlichen luſt und begierde / mich zu ſehen: aber ich gedachte kein arges. Und Potifar ſagte zu ihr: es iſt bei den Egiptern nicht ehrlich / daß man eines andern guht / ohne vorbewuſt und gehoͤrigen beweis / wegnimt. Dieſes ſprach er von dem Kaufman - ne / und von mir: und ich muſte gefeſſelt bleiben. Aber nach 24 tagen kahmen die Iſmaeler wieder. Dieſe / weil ſie erfahren / daß Jakob mein Vater uͤm meinetweillen be - truͤbt war / ſagten zu mir: waruͤm habt ihr uns berich - tet / daß ihr ein Leibeigner weret? Wir wiſſen nun ſehr wohl / daß euer Vater ein maͤchtiger Man iſt im lande Kanaan. Er betruͤbet ſich in dieſer ſache / und iſt ſehr trau - rig. Ich hette hierauf gern geweinet: aber ich hielt mich hart / damit ich meine bruͤder nicht beſchaͤhmen moͤchte; und ſagte: es iſt dem nicht alſo / ich bin ein Leibeigner. Da berieten ſie ſich miteinander / wo ſie mich am beſten verkauffen moͤchten; damit ich bei ihnen nicht gefunden wuͤrde. Dan ſie fuͤrchteten ſich vor Jakob / und befahre - ten / er moͤchte ſich an ihnen rechen; weil ſie wohl wuſten / daß er vor Gott und Menſchen groß geachtet were. Hierauf ſagte der Kaufman zu ihnen: ſo erloͤſet ihn dan aus Potifars urteile. Als ſie dieſes hoͤreten / begehreten ſie mich wieder / und ſprachen: daß ſie mich uͤm ein ſtuͤkke geldes gekauft. Und Potifar lies mich loß.
Alles dieſes erzehlet Joſef in ſeinem letzten Willen; welchem ich alhier / als auch ſonſten / gefolget. Dar - uͤm wundere ich mich / daß Samuel Greiffenſohn dieſe gantze begaͤbnuͤs / in Joſefs Lebensbeſchreibung / ſo gar anders anfuͤhret: und / ich weis nicht woher /den443Anmaͤrkungen.den Potifar zu einem Witwer machet; der die Sefi - ra / die er Selicha nennet / und vor der Aſſenat ſchwe - ſter tochter ausgiebet / erſt nach der zeit / als Joſef ſchon lange in ſeinen dienſten geweſen / geehliget. Wer luſt hat / der kan das 62 / 63 / 66 / 68 / 69 / und 80 blat bei gemeltem Greiffenſohn aufſchlagen.
HIervon ſpricht erſt angezogener letzter Wille Jo - ſefs ferner alſo: Aber die Memfiſche Frau gab ihrem Gemahl ein / daß er mich kauffen ſolte. Dan ich verſtehe / ſagte ſie / daß ſie ihn verkauf - fen wollen. Und Potifar ſchikte einen Geſchnit - tenen zu den Iſmaelern / zu fragen / wie teuer ſie mich hielten. Weil er aber mit ihnen nicht han - deln wolte / kehrte er wieder zuruͤk: und ſagte zu ſeiner Frau / daß ſie eine alzugroße anzahl gel - des vor den Juͤngling begehreten. Hierauf faͤrtigte die Frau von ſtunden an einen andern Geſchnittenen ab / mit befehl / daß er mich kauffen ſolte. Wan ſie auch ſchon / ſagte ſie / 20 guͤldene krohnen begehren / ſo ſpahre doch kein geld: ſondern kauffe den Juͤngling / und bringe ihn zu mir. Und er gab 80 goldguͤlden vor mich: wiewohl er zu ſeiner Frauen ſagte / er hette 100 gegeben. Ich wuſte zwar dieſen einkauf: aber ichſchwieg ſtil / damit der Ge - ſchnittene nicht unterfraget wuͤrde.
DIe gantze uͤbrige geſchicht des Joſefs und der Sefira erzehlet Moſes im 39 h. ſeines 1 b. bis auf den 21 ſpr. kurtzbuͤndig: und was weitleuftigerFl. 444KurtzbuͤndigeFl. Joſef / der Juͤdiſche Geſchichtſchreiber / im 3 h. des 2 b. von der aͤlte der Juͤden; da er unter andern auch anzeiget / daß Potifar den Joſef in den freien kuͤnſten unterweiſen laßen / und ihn ehrlicher gehalten / als ſeine andern knechte.
JOſef ſagt in ſeinem letzten Willen: des mor - gens fruͤh erwachte ich zu dem HERꝛn / und weinte uͤm die Fraue von Memfis; weil ſie mich keines weges unangefochten lies. Des nachtes kahm ſie zu mir / als hette ſie mich be - ſuchen wollen. Und erſtlich ſtellete ſie ſich / weil ſie keinen Sohn hatte / als wolte ſie mich vor ihren Sohn halten. Ich aber baht den HERꝛn / daß er ihr ein gewuͤndſchtes Kind beſcheeren moͤchte. In aller dieſer zeit uͤmhaͤl - ſete ſie mich / als ihren Sohn; und ich wuſte es nicht.
Das Knabenkraut / deſſen wurtzel wie Geulen oder Hoden gebildet / wird von den Griechen ὄϱχις und κύνος ὄϱχις, daher das Lateiniſche Cynoſorchis, das iſt Hundesgeulen / covillon de chien, coglion de cane, Teſticulus canis, oder Teſticulus allein bei dem Dio - ſkorides / ſonſten auch Satyrion, weil es zur geulheit antreibet / genennet. Bei den Hochdeutſchen hat es den nahmen Knabenkraut; weil es die wuͤrkung ha - ben ſol / diejenige / die es einnimt / mit einem Knaͤblein zu befruchten.
Hertzwurtz haben wir von der geſtalt ſeiner wur - tzel / und wuͤrkung in den Hertzkrankheiten alſo genen - net. Sonſten heiſſet es bei den Aertzten gemeiniglich Anthora.
Zahnkraut / dentaria bei den Lateinern / hat dieſebeide445Anmaͤrkungen.beide nahmen von ſeiner kraft die zaͤhne guht und vor wehthum zu bewahren; als auch von der geſtalt der bluhmen welche der innerlichen kraft dieſes kraudes euſerliches kenzeichen iſt.
DIe abbildung dieſes achtfeldichten Gluͤks - oder Wahrſager-rades / welches die heilige Schrift Urim vethumim nennet / findet man bei Kirchern in ſeinem Egiptiſchen Oedipus am 472 b. Von den al - hier genenten Goͤtzenbildern haben wir droben in den Anmaͤrkungen bei dem 1 / und 2 bl. als auch bei der 12 und 13 zeile des 5 bl. uͤberfluͤßig gehandelt.
DEr Balſembaum waͤchſet weder in Egipten / noch Sirien von ſich ſelbſt / wie Teofraſt / Dio - ſkorides / Plinius / Juſtinus / Strabo / und ande - re vorgegeben; ſondern wird dahin aus dem Gluͤkli - chen Arabien / das ſein eignes vaterland iſt / gebracht / und in die Luſtgaͤrte gepflantzet. Dergleichen Balſem - beume waren mit unter den geſchenken / welche die koͤ - nigin von Saba / die der Salmantiſche Ebreer / in ſeinem buche Juchaſim / am 136 bl. Nikolaa / und Salomons Gemahlin / die ihm einen ſohn David gebohren / Joſefus aber Nikaule / und der Nubiſche Landbeſchreiber בלקיס Belkis nen - nen / dem koͤnige Salomon verehrete; wie Flavius Joſef im 8 b. der Juͤdiſchen Geſchichte meldet. Die zaͤklein dieſer beume ſeind hartzhaftig / und kleben / im angreiffen / an die finger. Sie haben einen lieblichen ge - ruch: wiewohl noch mehr die bluͤßen / derer fuͤnfe / als ein kroͤhnlein / an einem ſtiele haͤngen. Der Balſem /welchen446Kurtzbuͤndigewelchen die Aertzte / nach dem Griechiſchen / gemeinig[-]lich Opobalſamum nennen / truͤpfet des ſommers au[s]der aufgeritzten rinde des baums. Zuerſt wan er a[n]die luft komt / wird er weislich / darnach gruͤhn / da[n]goldfaͤrbig / und endlich honiggelbe. Wan er aus de[n]beumen rinnet / reucht er ſo uͤberaus ſtark / daß er kopf[-]weh / ja oftmahls naſenbluhten veruhrſachet. Abe[r]dieſer widrige geruch wird mit der zeit in einen gantz an[-]genehmen veraͤndert. Faſt zu unzehlichen gebreche[n]und krankheiten wird er gebrauchet / ſo wohl innerhalb[/]als auſſerhalb des menſchlichen leibes. Beſiehe auch[/]was wir am 115 blatte gemeldet.
Der Santbaum / welcher den Pflaumbeume[n]faſt gleich iſt / ohne daß er mit ſcharfen dornen bewach[-]ſen / und dieſe ahrt an ſich hat / daß ſeine blaͤtter mit der ſonnen untergange zu / und mit ihrem aufgang[e]wieder auf-gehen / iſt eben derſelbe baum / daraus das ſo genente und bei uns ſehr gebreuchliche Arabiſche hartz flieſſet: wiewohl etliche fuͤrgeben / daß ſolches hartz auch von andern / als Pflaum - und Kirſchen - beumen / welche doch weder in Egipten / noch in Ara - bien zu finden / einge ſamlet werde.
Der ſchwartze Zimmetbaum / der von den La - teinern Caſſia fiſtula, und daher von unſern undeut - ſchen Kaſſelfiſteln / von den Arabern aber Sagiar el Selichet, das iſt Schohtenbaum / und von den Tuͤr - ken Chai’ar Xambar, das iſt ſchwartze Kaſſie / ge - nennet wird / iſt unſerem Waͤlſchen Nusbaume faſt gleich / ohne daß er laͤngere blaͤtter hat / und an nuͤſſe ſtat lange pfeiffen oder ſchohten traͤget: die man in der artznei zu vielerhand gebrechen / ſonderlich wider die verſtopfung des ſtuhlganges gebrauchet. Die bluͤßen dieſes baumes / welche goldgaͤlbe ſeind / und faſt das gantze jahr durch bluͤhen / ruͤchen uͤber die maße lieblich / ſonderlich in der fruͤhſtunde. Daher pflegen auch dieEgipter447Anmaͤrkungen.Egipter ſich unter dieſen beumen mit luſtwandeln oft zu ergetzen.
HIervon kan Proſper Alpien in ſeinem Buche von den Egiptiſchen Pflantzen / als auch Vesling / in ſeinen Anmaͤrkungen hieruͤber geleſen werden.
JOſef gedachte alhier an dieſen ſpruch. Sæpe fa - miliaritas implicavit, ſæpe occaſio peccandi volun - tatem fecit. Iſidorus Soliloqu. l. 2. Und Innocens in - tuitus aſpectu fit nocens. Gregorius. Daruͤm flohe er den uͤmgang / die gemeinſchaft / die gelegenheit / den an - blik / ja alles miteinander / das ſeiner keuſcheit ſchaͤdlich ſein konte.
BEi dem 112 blatte haben wir den Balſem - baum / und den Balſem ſelbſten / der aus ſeiner rinde flieſſet / auch aus dem gruͤhnen holtze und zakken gekocht wird / welcher aber lange ſo kraͤftig nicht iſt / beſchrieben. Daß aber der Balſem oder trahn des Balſembaumes die kraft habe des Frauenzimmers angeſicht ſchoͤn und huͤbſch zu machen / auch vor run - tzeln und aͤlte zu bewahren / alſo daß es allezeit jung bleibet; davon ſchreibet Proſper Alpinus / als auch andere Aertzte.
HIervon ſagt der Schauſpielſchreiber Plautus: Qui amore vincuntur, vinctam habent linguam, ut non audeant hiſcere.
DIe Egiptiſche Bohne / wird von den Arabern Kulkas, von den Griechen und Lateinern κολοκα - σία, Colocaſia, auch Cyamon, und faba Pharia ge - nennet. Dioſcorides l. 2, c. 99. Plinius l. 21, c. 15: Eſt in Ægypto nobiliſſima Colocaſia, quam Cyamon alii vocant. Hanc è Nilo metunt. Proſper Alpien / als auch andere geben vor / daß ſie in Egipten gantz nicht bluͤhet / aber wohl auſſerhalb / in andern laͤn - dern; und ziehen auch die uhrſache an: naͤhmlich weil das Egiptiſche erdreich alzufet und alzugeul ſei; daher ſich die wurtzeln ſo ſehr beſtaudeten / vermehreten / und ausbreiteten / daß ſie dem gewaͤchſe die kraft entzoͤgen / bluhmen und fruͤchte zu tragen. Aber wan dem alſo were / woher hetten dan die Egipter ihre ſo genenten Bohnenſchahlen / oder ihre trinkgefaͤße aus Boh - nenſchahlen / daraus ſie ihr Niel - und Melohnen - waſſer zu trinken pflegen? Doch muhtmaßen wir / daß durch die Bohnenſchahle ein Bohnenblat muͤſſe verſtanden werden; gleichſam als were das blat des Bohnengewaͤchſes zur Trinkſchahle / das iſt zum Trinkbaͤcher / gebeuget und gemacht. Und hierzu veranlaßen uns des Plinius worte / wan er am itzt angezogenem orte ſchreibet: Ægyptii adeò Nili ſui dotibus gaudent, ut implexis Colocaſiæ foliis in variam ſpeciem vaſorum potare gratiſſimum habeant. Daß Plinius alhier die gemelten Bohnenſchahlen / oder trinkgefaͤße aus Egiptiſchen Bohnenblaͤttern / welche von den Griechen / als dem Nikander / und andern / κι〈…〉〈…〉 ώρια, und von den Lateinern Ciboria ge - nennet werden / beſchreibet und meinet / hat Hadrian Junius im 20 h. des 1 B. ſeiner Anmaͤrkungen ſehr wohl geurteilet. Κιζώριον aber / oder κιζώτιον ſol / nach des Dioſkorides erklaͤhrung / ſo viel geſagt ſein / alsein449Anmaͤrkungen.ein kaͤſtlein / oder ſchiflein / kaͤhnlein / darinnen die Egiptiſche Bohne / mit feuchtem ſchlamme beſchlagen / wan man ſie ſaͤete / ins waſſer gelaßen werde. Son - ſten nennet eben derſelbe das Egiptiſche Bohnenblat einen Schinken; weil es ſo groß und breit / auch der geſtalt nach / einem ſchinken nicht ungleich iſt. Daher hat es auch Teofraſt mit einem Teſſaliſchen huhte verglichen. Horatz gedenket des Egiptiſchen Trink - baͤchers aus Bohnenblaͤttern in ſeinem 7 liede des 1 b. ebenmaͤßig:
Aus dieſen von Bohnenblaͤttern gemachten Trink - gefaͤßen pflegten die Egipter / die hitzige leber / und den magen zu kuͤhlen / gemeiniglich ihr Melohnenwaſ - ſer / mit Zukker / auch zu weilen mit Amber / Moskes / und Roſenwaſſer vermiſchet / zu trin - ken. Dieſes waſſer aber nahmen ſie von derſelben ahrt ihrer Melohnen / welche Batechia el mavi heiſſet / und viel groͤſſer und gelber iſt / als die Europiſche Meloh - ne / auch inwendig nichts / als kernen und ein ſuͤßes waſſer / zu haben pfleget. Sonſten haben ſie noch eine andere ahrt / welche ſie Abdellavi nennen; und dan eine dritte / die Chajar heiſſet. Dieſe iſt unangenehm und waͤſſericht vom geſchmakke; und ihre kerne kuͤhlen un - ter allen Melohnenkernen am allermeiſten.
UNâ hâc in re blanditur ac ſupplicat, quæ in cæte - ris imperabat. Pel. ad Demetriadem. Der Juͤngling / ſagt eben derſelbe / ward von ſeiner Fraue begehrt / doch gleichwohl zu keiner begier - de bewegt. Er ward gebaͤhten / und floheF fgleich -450Kurtzbuͤndigegleichwohl. Das ehrliche Hertz konte / weder durch die kraft der bluͤhenden Jugend / noch durch das große anſehen Derſelben / die ihn an - ſuchte / auf einige weiſe zur unzucht verleitet wer - den. Dan ob er ſchon / nicht allein durch das anlokkende geſicht / ſondern auch durch taͤh - tige uͤmhaͤlſung / von einer Fraue genugſam gereitzet ward; ſo hat er ſie dannoch nicht be - gehret.
ADulterium cum ſervo ſordidius apud veteres ap - pellatum fuit; cùm ſola cohabitatio cum ſer - vo ſervitute coërceretur. Videbatur enim in ſervitu - tem conſenſiſſe, quæ ſervo ſeſe conjunxiſſet. Tacitus.
JOſef ſpricht / in ſeinem Letzten Willen / alſo: Wie oft hat mich die Egiptiſche Frau gedreuet zu toͤdten. Wie oft hat ſie mich / nachdem ſie mir viel dampfes angetahn / wieder zu ſich holen laßen? Wie oft hat ſie mich gedreuet zu toͤdten / wan ich weigerte mit ihr zu tuhn zu haben? Gleichwohl ſagte ſie zu mir: ihr ſolt uͤber mich und alle das meinige herſchen; ſofern ihr euch mir uͤbergebet / nnd meinen willen tuht. Ihr ſolt unſer Herꝛ und herſcher ſein. Aber ich gedachte der worte meines Vaters Jakobs: und ging in meine ſchlafkam̃er / baͤhtete den HERꝛn an / und faſtete ſieben tage. Doch ſchien ich in den augen der Egiptiſchen Fraue ſo wohl bei leibe / als einer / der in aller wohlluſt gelebet: dan die uͤm des HERren willen faſten / bekommen eine angenehme geſtalt. Den wein / den ich bekahm / trank ich nicht: und nachdem ich drei tage gefa - ſtet hatte / nahm ich meine taͤgliche koſt / und gab ſie den armen und kranken / u. a. m. Zuletzt ſuchte ſie mich zur hurerei zu bewegen. Aber ſo bald ich ſolches verſtund / ward ich betruͤbet bis in den tod. Und als ſie weggegan -gen451Anmaͤrkungen.gen war / kahm ich wieder zu mir ſelbſt; und befand mich eine lange zeit betruͤbt uͤm ihret willen. Dan ich ſahe ihren betrug den ſie im ſinne hatte. Und ich ermahnte ſie mit den worten des Allerhoͤchſten / ob ich ſie vielleicht bewe - gen moͤchte von ihren boͤſen begierden abzuſtehen Man - chesmahl gab ſie mir ſolche guhte worte / als ein heiliger man. Manches mahl prieſe ſie / doch nicht ohne argliſt / meine keuſcheit gegen ihren Ehherꝛn. Auch ſagte ſie ſo wohl offentlich / als heimlich / zu mir: Scheuet meinen Ehherꝛn nicht: dan er iſt eurer keuſcheit ſo feſt verſichert / daß er es nicht gleubeu wird / imfal man ihm etwas von uns ſagte. Um aller dieſer dinge willen lag ich auf der erden / angetahn mit einem ſakke: und baht den HErꝛn inbruͤnſtig / daß er mich doch von dieſer Egiptiſchen Fraue erloͤſete.
FLavius Joſef ſchreibet / in ſeinen Juͤdiſchen Geſchichten unter andern alſo: Joſef wolte lie - ber alles / was leidelich iſt / leiden / als ihren willen erfuͤllen. Und wiewohl einen knecht nicht gezie - met ſich gegen den willen ſeiner Fraue zu ſetzen; ſo iſt doch dieſes werk ſo ſchaͤndlich / daß man ſich deſſen billich entſchlagen ſolte. Maluit liber cri - minis mori, quàm potentiæ criminoſæ conſortium eli - gere. Ambroſius l. de Joſeph c. 5.
JOſef ſpricht hiervon / in ſeinem Letzten Willen / alſo: Nachdem ſie / durch dieſes mittel / nichts erwerben konte / ſo kahm ſie wieder mit ande - ren reden aufgezogen: naͤhmlich wie ſie Got - tes Wort lernen wolte. Indem ihr wollet / ſag - te ſie / daß ich meine Goͤtzen verlaßen ſol / ſo tuht meinen willen. Dan wil ich auch ſo viel tuhn / daß ſie mein Gemahl ebenmaͤßig verlaßen ſol:F f ijund452Kurtzbuͤndigeund alſo wollen wir nach dem Geſetze Gottes eures HERren wandeln. Darauf gab ich ihr zur antwort: Wie Gott von denen / die in un - reinigkeit lebten / nicht koͤnte / noch wolte gech - ret ſein. Auch hette er kein gefallen an denen / die mit Ehbruche ſich beſudelten. Sie aber ſchwieg: und begehrte gleichwohl ihr begehren zu volbringen. Ich hingegen faſtete / und baͤh - tete; damit mich Gott von ihr erloͤſen moͤchte.
HIervon ſpricht Joſef abermahl / in ſeinem Letzten Willen / folgender geſtalt: Wieder auf eine an - dere zeit ſagte ſie zu mir: wolt ihr keinen ehbruch begehen / ſo wil ich meinen Ehherꝛn toͤdten: und dan wil ich euch zur ehe nehmen. Als ich dieſes vernahm / zerris ich mein kleid / und ſprach: Fraue / ſchaͤhmet euch vor Gott ſolcher dinge; und fuͤrchtet den HERꝛn. Tuht ein ſo boͤſes ſtuͤkke nicht / noch verzweifelt nicht ſo gar / daß ihr euch dem boͤſen ſo gantz ergebet. Dan ſo fern ihr nicht ablaßet / wil ich euer boßhaftiges vor - nehmen offenbahren. Und ſie fuͤrchtete / ich moͤchte ihre boßheit iemand zu erkennen geben / u. a. m. Ornet prudentiam verecundia, quodque præcipuum in fæminis ſemper fuit, cunctas in te virtu - tes pudor ſuperet. Hieronimus ad Colant. l. 2. Epiſt. 20. Quod unum habent in malis bonum, perdunt peccan - di verecundiam. Seneca l. de vita beata, c. 12. Et Va - lerius Flaccus:
DArnach / ſpricht Joſef in ſeinem letzten Willen weiter / ſuchte ſie mich zu verfuͤhren mit geſchenken. Sie ſchikte mir alles / was das hertz erſinnen mochte / was ſchoͤn und koͤſtlich war zum gebrauche der menſchen: und dieſes ſchikte ſie mir mit allerhand ſpeiſen. Aber als der Geſchnittene dieſe ſpeiſen brachte / ſahe ich auf / und er - blikte einen erſchroͤklichen Man / der mir ein Meſſer in einer ſchuͤſſel zureichte. Daraus verſtund ich / daß ſie meiner ſeelen nachſtellete. Und wan er weg war / wei - nete ich. Auch aß ich weder itzt / noch ſonſten von ihrer ſpeiſe. Auf einen tag hiernach kahm ſie zu mir / und ſag - te: waruͤm habt ihr von der ſpeiſe / die ich euch geſchikt / nicht gegeſſen? Und ich antwortete: daruͤm daß ihr ſie mit dem tode erfuͤllet. Ja wiſſet / daß ich mit den Ab - goͤttern keine gemeinſchaft habe / noch ihnen diene; ſon - dern dem HERꝛn allein diene. Dieſer / der Gott mei - nes Vaters / hat mir / durch ſeinen Engel / eure boßheit geoffenbahret. Und daruͤm habe ich die ſpeiſe bewahret / euch zu beſtrafen: ob ihr vielleicht dadurch / wan ihr ſie erbliktet / zur reue moͤchtet bewogen werden; oder aber damit ihr ſehen moͤchtet / daß denen / die dem HERꝛn in reiner keuſcheit dienen / keine argliſt derer / die boß - heit wuͤrken / ſchaden / noch einige kraft haben kan. Und ich nahm / und aß ſie / in ihrer gegenwart / indem ich ſagte: der Gott meiner Vaͤter / und Abrahams Engel wird mich bewahren. Hierauf fiel ſie vor mir plat auf ihr angeſicht zur erde nieder / und weinete. Und nach - dem ich ſie aufgehoben hatte / ermahnte und unterrichtete ich ſie mit vielen ſchoͤnen lehren. Auch verſprach ſie mir dergleichen nicht mehr zu tuhn. Aber ſie weinte und ſeuf - zete aus dem grunde ihres hertzens: dan es brante vor großer begierde ehbruch mit mir zu begehen. Ihre an - gen ſchlug ſie nieder auf die erde / und lies das heupt haͤn - gen. Als ihr Ehherꝛ ſolches ſahe / fragte er ſie: was iſt euch? Waruͤm laßt ihr den kopf haͤngen? Und ſie ant - wortete: mein hertz tuht mir ſo weh / daß ich kaum ahte - men kan. Er aber trug ſorge vor ſie / wiewohl ſie nicht krank war.
F f iijAuch454KurtzbuͤndigeAuch ſpricht Ruben / in ſeinem letzten Willen / hier von folgende worte: Weil ſich Joſef von aller - lei weibern enthalten und bewahrt hat / ja alle ſeine gedanken von aller huhrerei und beflek - kung gereiniget; ſo iſt er angenehm geweſen bei Gott und Menſchen. Fuͤrwahr! die Egipti - ſche Fraue taͤht ihm viel dampfes an: welche die Zeuberer hohlen lies / und gab ihm betruͤgliche artzneien. Aber in ihn kahmen keine boͤſe begier - den. Daruͤm hat ihn Gott / der Gott meiner Vaͤter / vor dem ſichtbaren und unſichtbarem tode befreiet / u. a. m.
Tatura iſt bei den Egiptern eine gattung des Nachſchattens / vom Dodoneus Stramonia genen - net. Mattiolus meldet / daß dieſes kraut dem Nacht - ſchatten welcher ſonſt Solanus heiſſet / zwar gleich ſei / aber einen geruch habe als Schlaf kraut / opium, mit weiſſen wohlruͤchenden bluhmen / und dunkelbraunen gekerbten blaͤttern. Aus der bluhme komt eine runt - hafte frucht / mit einer dornichten ſchahle / wiewohl ſie auch zuweilen keine dornen hat: welche von etlichen vor die nus Metel bei dem Avizenne gehalten wird. In dieſer frucht lieget ein gelber ſame / der zuletzt bleich wird; und faſt eben die kraft hat / als das Slafkraut. Dan er machet die menſchen tum / tutzig / trunken und ſinneloß; ja ſie fallen in einen ſo tieffen ſchlaf / der wohl drei tage lang waͤhret. Daher pflegen ihn die Egipti - ſchen Straßenreuber den reiſenden Kaufleuten / klein zerſtoßen / und mit honige vermiſcht / einzugeben / ſie trunken und ſchlafend zu machen; damit ſie ihnen ihr geld und guht abnehmen koͤnnen. Dergleichen pflegen auch die Huhren in Egipten und Oſt-Indien zu tuhn / wan ſie einen Juͤngling zu ihrem willen zu bringen trachten. Dem geben ſie gemelten ſaamen gemeinig - lich im weine zu trinken: darauf er ſo ſinloß wird / daßer455Anmaͤrkungen.er nicht weis / was er tuht / oder redet / auch nicht ein - mahl / wan er wieder zu ſich ſelbſt kommen / was er ge - tahn oder geredet.
ALs ihr Ehherꝛ / ſeind abermahl Joſefs worte / wieder von hauſe war / beſtuͤrmete ſie mich aufs neue / und ſagte: ich verſchmachte dan / oder ich mus ſterben. Ich wil mich ſelbſten erſeuffen: oder ich wil irgend von oben hinunterſpringen / und den hals brechen; wofern ihr mein begehren nicht volbringet. Als ich nun ſahe / daß der geiſt Belials ſie beſaß / rief ich den HERꝛn an; und ſprach zu ihr: Waruͤm ſeid ihr ſo entſtellet / und waruͤm gebaͤhrdet ihr euch ſo uͤbel? Gedenket doch / ihr verblen - dete in den ſuͤnden / daß Sechon / eures Ehherꝛn Beiſchlaͤ - ferin / die euch feind iſt / euren kindern manche ſchlaͤge ge - ben / und euer gedaͤchtnuͤs von der welt vertilgen wird / im fal ihr euch ſelbſten das leben nehmet. Hierauf ant - wortete ſie: Nun ſehe ich gleichwohl noch / daß ihr mei - ner nicht gantz vergeſſen / noch mich aus eurem hertzen verbannet. Es iſt mir gnug / das ihr mein und meiner kinder leben beſchirmet. Ich habe guhte hofnung / daß ich noch heute bekommen werde / was ich ſuche. Aber ſie erkante nicht / daß ich ſolches aus der furcht meines Got - tes ſagte / und nicht uͤm ihret willen. Dan imfal ſich ie - mand einigen boͤſen Gemuͤhtsbewegungen und begier - den unterwirft / der wird derſelben leibeigner und dienſt - knecht / wie dieſe gemelte Fraue. Und wan er etwas guhtes hoͤret / weil er von ſolcher anfechtung uͤberwun - den iſt; ſo nimt er daſſelbe ſtraks zum vorteil ſeiner boͤ - ſen begierden / u. a. m.
GUido Panzirol bezeuget / aus dem Plinius / am 26 bl. des 1 b. von den verlohrnen gedenkwuͤr - digen dingen: daß der Egiptiſchen Prieſter kleider aus dem allerzaͤhrteſten / weichſtem / und weiſſeſtem lein -F f iiijwande456Kurtzbuͤndigewande oder baumwollenem zeuge gemacht geweſen; und nicht aus wolle von den tieren. Beroaldus ad Apu - leji l. 11. Mileſiacor. Daher ſagt Ovidius:
und Marzial:
als auch Juvenal:
Tertullian nennet / in ſeinem buche von der Kriegs - helden Krohne / des HERꝛn Kriſtus Gewand das eigene kleid des Oſiris / naͤhmlich ſeiner oder der Iſis Prieſter. Daß aber dieſe Prieſter das haar nicht al - lein auf dem heupte / ſondern auch uͤber den gantzen leib abgeſchohren / damit kein unflaht daran bleiben moͤchte / bezeuget Herodotus in ſeiner Euterpe. Da - her nennet ſie auch Laktantz im 1 b. ſeiner Unter - weiſ. deglabra pectora; und Marzial pilatam co - hortem, einen geſchohrnen hauffen.
Pilata cohors iſt hier in keinem andern verſtande geſagt / als eine geſchohrne ſchaar / die aller haare entbloͤßet. Und dieſes iſt in gemelten Dichtmeiſters 6 b. klaͤhr - lich zu ſehen / wan er alſo ſpricht:
Daher komt auch das wort expilator, welches ei - gendlich einen ſolchen reuber bedeutet / der alles ſo rein hinweg raubet / daß er auch faſt nicht ein haͤrlein an der beraubten leibe uͤbrig leſſet.
Seewermuht / welches von den Lateinern abſyn - thium marinum, von den Griechen στρίφιον, oderἀψύν -457Anmaͤrkungen.ἀψύνθιον σιρίφιον, nach dem Serifiſchen Inlande der Egeiſchen ſee / da es uͤberfluͤßig waͤchſet / genennet wird / war der Iſis heilig; gleichwie dem Oſiris der Eppich / und das Rundkraut. Daher ward es auch / mit den Fiechtenzweigen / in den Iſiſchen feſt gepraͤngen heruͤm getragen. Es pfleget eben uͤm die zeit / wan der Niel waͤchſet / zu bluͤhen.
Die Seitenſpiele warden an den heiligen tagen daruͤm gebraucht / damit / durch derſelben ſuͤßen klang / das volk zur heiligen andacht bewegt / und von weltli - chen gedanken abgehalten wuͤrde. Von allen dieſen Feſtgepraͤngen ſchreibet Apulejus in ſeinem 8 und 11 b. weitleuftig.
ALs nun der heilige Feſttag / ſchreibet Flavius Joſef im 3 b. des 2 b. vor handen war / welchen auch die Frauen zu begehen pflegten; da ſtellete ſie ſich gegen ihren Eh - herꝛn krank / ſuchte die einſamkeit / und dadurch gelegen - heit den Joſef zu gewinnen. Und als ſie dieſelbe gefun - den / ſprach ſie ihn / mit den allerſchoͤnſten und ſuͤßeſten worten / floͤhendlich an. Es were zwar / ſagte ſie / viel beſſer geweſen / daß ihr meiner erſten bitte nicht wider - ſtanden / und entweder das anſehen der bittenden / oder die heftigkeit der liebe etwas bei euch gelten laßen; wel - che mich zwinget zu vergeſſen / daß ich eure Fraue bin / indem ich euch mit ſo untertaͤhnigen worten anfloͤhen mus. Jedoch werdet ihr klug ſein / wan ihr euch noch itzund bekwaͤhmet / und alſo euren vorigen fehler verbeſ - ſert. Iſt es euch auch etwan daruͤm zu tuhn geweſen / daß ihr aufs neue woltet gebaͤhten ſein; ſo tuhe ich nun daſſelbe viel inbruͤnſtiger / als zuvor iemahls. Dan eben daruͤm habe ich mich krank gemacht / und eure lie - be geſelſchaft aller freude dieſes Feſtes vorgezogen. Oder habt ihr mir vielleicht nicht zugetrauet / daß ichs mit ernſte meinete; ſo koͤnt ihr nunmehr gewis ſchlieſſen / daß ich euch nicht betruͤglich verſuchet / weil ich in ſolcher meinung beſtaͤndig verharre. F f vDar -458KurtzbuͤndigeDaruͤm wehlet entweder die angebohtene wohlluſt zu gebrauchen / und derſelben die euch aufs hoͤchſte liebet / zu gehorchen / daraus ihr auch noch groͤſſeren nutzen zu ge - warten; oder aber machet euch gefaſt meinen grimmi - gen zorn und euſerſte ungnade / ſo fern ihr eure gewaͤhnte keuſcheit meiner gnade vorziehet / zu vertragen. Und das ſolt ihr wiſſen / daß euch dieſe keuſcheit nichts helfen wird / wan ich euch bei meinem Ehherꝛn angeben werde / daß ihr mich habet nohtzuͤchtigen wollen. Dan ob ihr ſchon die wahrheit ſagtet / ſo wuͤrde doch Potifar meinen worten mehr gleuben / als den eurigen. Aber Joſef konte auf alle dieſe worte / welche ſie noch darzu mit traͤhnen bezeugete / weder aus mitleiden bewogen / noch aus ſchroͤkken gezwungen werden / von ſeiner vorge - ſetzten keuſcheit abzuweichen. Und alſo hielt er beſtaͤn - dig an dieſen ſo unbilligen anfechtungen zu widerſtehen: ja er wolte lieber alles leiden / als des angebohtenen ge - nieſſen; indem er wohl wuſte / daß er ſich der rechtfaͤrti - gen ſtrafe teilhaftig machte / ſo fern er einer Fraue zu ge - fallen / dergleichen etwas beginge / u. a. m.
IN den Egiptiſchen ſuͤmpfen waͤchſet das kraut / das die Arabiſchen Aertzte Beid el Oſſar, oder ſchlechthin Oſſar und el Uſar nennen / und man auch in Europe / da es in etlichen Kreutergaͤrten zwar gruͤh - net und bluͤhet / aber keine frucht bekomt / zu bringen pfleget. Aus deſſen gebrochenen oder angeknikten oder aufgeritzten zakken / und bleichgruͤhnen jungen blaͤttern leuft eine ſcharfe und bittere milch; welche von der ſon - nenhitze zuſammenrinnet / und nach der gleicheit mit dem Manna oder zukker / Man und Saccar el Uſar ge - nennet wird. Mit dieſer Milch pflegen die Egiptiſchen Jungfrauen ihre haut zu beſtreichen / ſie ſchoͤn / klahr / und glat zu machen. Dan ſie vertreibet nicht allein die ſonnen - oder ſommer-ſproſſen / und andere flekker; ſon - dern ſie beiſſet zugleich das haar aus. Daher pflegtman459Anmaͤrkungen.man auch die Tierheute / ſie kahl zu machen / in dieſer milch einzuweichen. Die bluhmen ſeind ſafrahngaͤlbe / und haͤngen knuͤtſchelweiſe an den guͤpfeln der zakken / nach der erde zu gebogen. Die frucht ſiehet faſt aus wie ein paar kamehlsbaͤlle: daher auch der nahme Oſſar, das iſt ein bal / den fruͤchten / mit dem kraude / gegeben wird. Den ſaamen uͤmgiebet eine ſehr ſanfte wolle: welche man zum zunder gebrauchet / auch die betten / und ſo genenten matratzen damit fuͤllet.
AUch hat ſie / ſagt Joſef in ſeinem letzten Willen / vielmahls ihre aͤrme / bruſt / und beine ent - bloͤßet; da mit ſie mich zur liebe bewegen moͤchte. Dan es war eine ſchoͤne Frau / und wohlausge - zieret mich zu betruͤgen. Aber der HERꝛ be - wahrte mich fuͤr allen ihren anmuhtungen. Chæ - rea apud Terentium in Eunucho: Ego verò occaſionem tam optatam, tam inſperatam amitterem? tum ego pol! verè is eſſem, cui aſſimulabar. Aber ſo gedachte Joſef mit nichten.
COntinens eſt, qui ſe continet ab externâ laſciviâ, ſed non ſine dolore. Intus enim cupiditatum flam - mis vexatur; ſed nolens volens ſeſe continet. Paræus ad c. Geneſ. 39. & Num. 9.
IN poteſtate, inquit Imperator, ſunt ſervi domino - rum: quæ quidem poteſtas juris gentium eſt. Nam apud omnes peræque gentes animatvertere poſſumus,penes460Kurtzbuͤndigepenes dominos in ſervos vitæ necisque poteſtatem fuiſſe. l. 1. paragr. 1, ff. de his, qui ſui, vel alieni juris ſunt.
PLutarchus Erot. Dulce pomum, ubi cuſtos abeſt. Ovidius Remed. Amor. 2:
Solitudo enim eſt, quæ etiam virum fortem præcipi - tat in reatum. Petr. Bleſ. Epiſt. 9. Et Magna pars peccatorum tollitur, ſi peccaturis teſtis aſſiſtat. Seneca.
SUndige nicht: dan Gott ſiehet es / die Engel ſeind darbei / der Teufel wird dich anklagen / dein Ge - wiſſen wird zeuge ſein / und die hoͤlle deine ſtrafe. Ocu - lum in te intendit ſuum, qui tuum fecit. Auguſtinus, de Verbo Dom. Parietibus oculi hominum ſubmoven - tur. Divinum autem numen nec viſceribus ſub - movetur, quo minus totum hominem perſpiciat ac norit. Lactantius. Deus totus oculus, quia omnia vi - det; totus manus, quia omnia operatur; totus pes, quia ubique eſt. Auguſtin. ſup. Pſ. 120. Intra omnia, nec incluſus; extra omnia, nec excluſus. Hildebertus. So - lius DEI eſt in duobus locis, & per totum mundum in eodem momento inveniri. Athanaſius q. 26 ad An - tioch. Quid prodeſt non habere conſcium, habenti con - ſcientiam. Lactant. l. 6, c. 24, ex Senecâ. Mala conſcien - tia delictorum noſtrorum ipſa eſt teſtis, &c. Das boͤſe Gewiſſen iſt ſelbſten unſerer ſuͤnden zeuge / ſelbſten unſer richter / ſelbſten unſer haͤnker / ſelbſten unſer gefaͤngnuͤs. Es klaget uns auchſelb -461Anmaͤrkungen.ſelbſten an / es richtet / verurteilet / und verdam - met uns ſelbſten / ſagt Barnard. Conſcientia cu - jusque propria certum eſt teſtimonium judicii divini. Richterus Axiom. 48. Daruͤm ſagt unſer Joſef bei dem Flavius Joſef ſehr wohl: Satius eſſe conſcien - tiæ rectè factorum, quàm peccati latebris fidere, das iſt / es ſei beſſer ſich auf ſein guhtes Gewiſſen / als auf eine ungewiſſe bedekkung ſeiner ſuͤnden / zu verlaßen.
DAn auſſer dem / daß den Joſef ſeine Gottesfurcht / welche Barnard die tuͤhrhuͤhterin des gemuͤhts nennet / hiervon abhielt; ſo wuſte er auch ſehr wohl / daß die Ehbrecher in Egipten / nach Diodohrs zeugnuͤſſe / mit verluſt des maͤnlichen gliedes geſtraft warden. Daher ſagt Horatz:
Zudem war die ſtrafe der Leibeigenen / die einen Eh - bruch begangen / bei den Alten noch viel ſchaͤrfer; wie Aerod. im 19 h. des 8 b. von den Juͤdiſchen ſa - chen bezeuget.
GLeichwohl / ſpricht Joſef in ſeinem letzten Wil - len / zog ſie mich nachmahls mit gewalt bei den kleidern / damit ich ſie fleiſchlich erkennen ſolte. Und als ich ſahe / daß ſie mit aller gewalt unſinnig war / indem ſie mich bei den kleidern feſt hielt; da lief ich weg. Und Flavius Joſef ſchreibet hiervon alſo: Aber ſie hielt viel heftigeran:462Kurtzbuͤndigean: und weil ſie mit worten nichts ausrichtete / ſo ſchlug ſie die hand an den Juͤngling / ihn mit gewalt zu ihrem willen zu zwingen. Da ſprang Joſef / welcher des weibes unbaͤndige ungeſtuͤh - migkeit nicht laͤnger vertragen wolte / indem er auch ſeinen rok / daran ſie ihn feſt hielt / im ſtiche lies / zur kammer hinaus. Hierauf beſchlos ſie / teils weil es ſie ſchmertzete / daß ihr anſuchen abgeſchlagen worden / teils auch weil ſie ſich be - fahrete / ihr Ehherꝛ moͤchte ihr boͤſes vorhaben erfahren / den Joſef bei zeiten faͤlſchlich anzuge - ben / und ſich alſo an ihm zu raͤchen. Dan ſie / als eine argliſtige frau / gedachte ihm mit der anklage zuvorzukommen. Und daruͤm ſaß ſie betruͤbt und entruͤſtet: auch ſtellete ſie ſich / als wan dieſer aus vergebens verhofter ſaͤttigung ihrer begierden entſtandener unmuht ein recht - maͤßiger zorneifer wegen ihrer angefochtenen keuſcheit ſei / u. a. m. Ambroſius lib. de Joſeph, c. 5. Magnus vir Joſeph, qui venditus, ſervile neſcivit ingenium; adamatus, non adamavit; rogatus, non ad - quievit; comprehenſus, aufugit.
Pel. ad Demetriadem: Concupiſcitur à domina Ado - leſcens, nec ad concupiſcentiam provocatur: rogatur, & fugit: caſtum animum nec ætas adoleſcentiæ per - movet, nec diligentis auctoritas: nec aſpectu ſolùm, ſed ipſo penè complexu, provocatus à fæmina, fæmi - nam non concupivit.
AMici, qui ſeſe mereri omnia præſumunt, ſi quid - quam non extorſerint, atrociores ſunt ipſis quo - que hoſtibus. Aurelius Victor. Aut amat, aut odit Mu - lier: nihil eſt tertium. P. Syrus. Sic omne coactumtra -463Anmaͤrkungen.tragicum habet exitum. Baldus addit. neque ab initio c. de Nupt.
SCelere velandum eſt ſcelus. Seneca in Hippolito.
HIiervon ſchreibet Moſes im 39 h. ſeines erſten buches / in den drei letzten ſpr. mit kurtzen worten: als auch Joſef ſelbſten ſtraks im anfange ſeines letz - ten Willens.
DIeſes erzehlet Joſef in ſeinem letzten Willen fol - gender geſtalt: als ich alſo gebunden und gefeſſelt lag / ward die Egiptiſche Frau vor ſchmertzen krank. Und ſie ſtund / und horchte / wie ich den HERꝛn lobete / und ihm dankte / in der fuͤnſternuͤs meines gefaͤngnuͤſſes. Dan ich prieſe meinen Gott mit froͤhlicher ſtimme / und machte ſeinen ruhm groß; weil Er mich / durch dieſe ge - fangenſchaft / von der Egiptiſchen Frauen erloͤſet. Aber ſie fing auch alhier an / mich von neuen zu beſtuͤrmen. Wohlan dan / ſagte ſie / nehmt meinem vorſchlag an / und tuht / was ich begehre; ſo wil ich euch von euren banden befreien / und aus dieſem fuͤnſtern loche erloͤſen. Aber ſo weit konte ſie mich nicht bringen / daß ich auch nur die gedanken bekommen / boͤſes zu tuhn. Dan Gott liebet denſelben / der in einem dunkelen gefaͤngniſſe ſitzet / und in reinligkeit faſtet / vielmehr / als einen andern / der mit ſeiner Braut in wohlluͤſten lebet. Und wan iemand in ſauberheit lebet / und begehret ruhm und ehre; ſo be - komt er ſie von dem Allerhoͤchſten / gleichwie ich ſie be - kommen habe / ſo fern es Ihn guht duͤnket. Ja ſie kahm in ihrer krankheit vielmahls vor mein gefaͤngnuͤs / und wan ſie mich baͤhten hoͤrete / fiel ſie mir uͤm ſo viel mehr verdruͤßlich. Aber ſo bald ich ihr ſeufzen vernahm / ſchwieg ich ſtil / u. a. m.
HIeſige geſchicht beſchreibet Moſes im 40 haupt - ſtuͤkke ſeines erſten buchs zwar weitleuftig genug / doch gleichwohl ſetzt er nicht ausdruͤklich hinzu / waruͤm der Koͤnig ſeine zween Kaͤmmerer zum gefaͤngnuͤſſe verdam̃et. Aber die Arabiſchen Geſchichte nennen ihre verbrechen mit ausgedruͤkten worten: als auch mehr - gemelter Greiffenſohn in Joſefs Lebensbeſchrei - bung.
DIeſen zweifachen Traum des Koͤniges erzehlet Moſes / im 41 hauptſtuͤkke ſeines 1 buchs / aus - fuͤhrlich: als auch Flavius Joſef in ſeinen Juͤdiſchen Geſchichten / und Pierius am 28 bl. ſeiner heiligen Bilderſchriften.
SUnt enim Somnia ex diurna cogitatione quaſi in ſi - dibus ceſſantis impulſus extremæ quædam motio - nes, quæ ex impulſu reſultant, eoque ceſſante adhuc aliquandiu perdurant; inquit Gregor. Nicenus Tract. de opificio hominis c. 13. Wer mehr von den Treumen zu wiſſen begehret / der kan des Apomaſaris / ſonder - lich aber des Artemidorus Traumbuͤcher / aufſchla - gen; als auch den Ariſtoteles in ſeinem Buche von den Treumen / und unſren Schatz der ungeſund - heit / im 21 haupſt. des 2 B. am 162 bl. u. a. m.
DIeſes erzehlet Moſes / im 9 und folgenden ſpr. des 41 h. ſeines 1 buches.
ALles dieſes findet man im 33 und folgenden ſpr. des 41 haupſt. im Buche der Schoͤpfung.
DUrch das Reich der Schaͤllenbuͤgel verſtehen wir alhier Egipten. Es iſt eine raͤhtſleriſche re - dens ahrt / aus dem Eſaias genommen: welcher ſein 18 hauptſtuͤkke alſo anfaͤnget:〈…〉〈…〉〈…〉〈…〉: das iſt / weh dem Lande des Klingels oder der Schaͤllen mit dem rande / Cymbali orarum, id eſt Siſtri, (da die Iſiſchen Prieſter mit Klingelſpielen oder Schaͤllenbuͤgeln ſpielen) jen - ſeit den fluͤſſen des Kuſiſchen Arabiens / trans flumina Chus, id eſt Arabiæ Chuſææ: welches Bil - der (das Heupt des Oſiris) in die See ſendet / und zwar in gefaͤßen oder ſchiffen vom Papierſchilfe auf den waſſern. Oder kuͤrtzer und eigendlicher: weh dem Reiche / das die Schaͤllenſpiele ge - brauchet / und uͤber den Arabiſchen fluͤſſen lie - get: welches ſeine Goͤtzenbilder in die See ſen - det / mit ſeinen ſchiffen aufden waſſern. Dieſes iſt / nach meinem urteile / die eigendlichſte erklaͤhrung der worte des Eſaias / und derſelben verſtandes: der auch Hieronimus / in ſeiner uͤberſetzung ziemlich na - he / ja unter allen uͤberſetzern am naͤchſten kommet; welche alſo lautet: Væ terræ Cymbalo alarum, quæ eſt trans flumina Æthiopiæ. Qui mittit in mare lega - tos, & in vaſis papyri ſuper aquas. Das iſt / weh dem lande der Schaͤllenfluͤgel / das uͤber den Mohrenlaͤndiſchen fluͤſſen liegt. Der Geſanten in die ſee ſchikt / und in faͤſſern vom papierſchilfe uͤber den waſſern / u. a. m. Aber die ſiebenzig Tahl -G gmet -466Kurtzbuͤndigemetſcher gehen weiter darvon ab / wan ſie die gemelten Ebreiſchen worte der Weiſſagung in die Griechiſche ſprache folgender geſtalt uͤbertragen: ὀυαὶ γῆς πλάων πτε - ρύγων ἐπέκεινα πτταμᾶν ἀιϑιοπίας; ὁ ἀποςέλλων ὀν ϑαλάσ - σῃ ὄμηϱα, καὶ ἐπιςολὰς βι〈…〉〈…〉 λίνας ἐπάνω τοῦὗδατος. Dieſes hat der Lateiniſche uͤberſetzer alſo gegeben: Væ terræ navium alarum, trans flumina Æthiopiæ. Qui mittit in mari obſides, & epiſtolas papyraceas ſuper aquam. Das iſt / weh dem lande der ſchiffe mit fluͤgeln oder ſegeln / uͤber den fluͤſſen des Mohrenlan - des: der im meere buͤrgen oder pfandsleute / oder vielmehr pfaͤnde ausſchikket / als auch Sende - ſchreiben vom papierſchilfe / uͤber dem waſſer. Eben ſo weit weichet auch der Kaldeiſche uͤberſetzer oder erklaͤhrer vom Ebreiſchen grundverſtande folgender ge - ſtalt ab: væ terræ, ad quam veniunt in navibus de terra longinqua, & vela eorum extenſa ſunt, quaſi aquila, quæ volat alis ſuis; quæ eſt trans flumina Æthiopiæ. Quæ mittit in aquis nuncios, & in trieribus ſuper fa - ciem aquarum. Das iſt / weh dem lande / dahin man aus fernen laͤndern auf ſchiffen kommet / und derer ſegel ſich ausbreiten / wie ein Adler / wan er mit ſeinen fluͤgeln fluͤget; das uͤber den fluͤſſen des Mohrenlandes iſt. Welches in den waſſern Bohten ausſendet / und in dreirudrich - ten ſchiffen uͤber den flaͤchen der waſſer. Ja un - ſere Hochdeutſche uͤberſetzung komt dem eigendlichen ſinne des Eſaias nicht naͤher; wan ſie alſo lautet: weh dem lande / das / unter den ſegeln / im ſchat - ten faͤhret / diſſeit den waſſern des Mohrenlan - des: das Bohtſchaften auf dem Meere ſendet / und in Rohrſchiffen auf den waſſern faͤhret. Hier ſehen wir / daß der uͤberſetzer in betrachtung gezo - gen / daß Eſaias im Juͤdiſchen lande geſchrieben / und daher Egipten nicht beſchreiben koͤnnen / als ein landuͤber467Anmaͤrkungenuͤber den Mohrenlaͤndiſchen fluͤſſen; weil Mohrenland / nach dem Juͤdiſchen lande zu rechnen / nicht diſſeit / ſon - dern jenſeit Egipten lieget. Daruͤm hat er auch / ob ſchon alle vorigen uͤberſetzer das wort jenſeit gebraucht / darvor lieber diſſeit ſetzen wollen: damit ſeine uͤber - ſetzung nicht wider die gelegenheit der laͤnder lauffen moͤchte. Aber er hette gantz nicht noͤhtig gehabt / daß woͤrtlein jenſeit in diſſeit zu veraͤndern / wan er ge - wuſt hette / daß Eſaias durch das wort בוש Chus, nicht Mohrenland / ſondern Arabien / verſtanden. Und hierinnen hatten ihn die vorigen uͤberſetzungen / als auch die meinungen der Kirchenvaͤter und anderer verleitet. Dan faſt alle alte Schreiber / als Filo / Jo - ſefus / Euſebius / Hieronimus / Euſtatius / der Verfaſſer des Alexandriſchen Zeitbuches / ja alle Alt - vaͤter haben das land Kus vor Mohrenland ge - halten: auch ſelbſt die alten Ebreer und Araber; den einigen Jonatan ausgenommen / welcher in ſei - ner Erklaͤhrung des 6 ſpr. im 10 hauptſt. des buchs der Schoͤpfung vor das Ebreiſche בוש Chus עדביא Ara - bia geſetzet. Und daß dieſe letzte erklaͤhrung beſſer und wahrhaftiger ſei / hat der fuͤrtrefliche Bochart in ſei - nem Faleg am 238 und 239 bl. eben ſo gelehrt / als weitleuftig / eroͤrtert. Die fluͤſſe aber des Kuſſiſchen Arabiens / welches ein teil des gluͤklichen und ſteinich - ten Arabiens iſt / und zwiſchen Egipten und dem Juͤdi - ſchen lande lieget / ſeind Beſor / der ſich in die Mittel - laͤndiſche ſee ergieſſet; der flus Trajan / welcher bei der Heldenſtadt in das Rohte meer ſich ſtuͤrtzet; Koris / deſſen Herodotus in ſeiner Talia gedenket / und an - dere. Nur eines wollen wir noch errinnern: naͤhm - lich daß ſo vieler / ja faſt aller alten irtuhm aus der ei - nigen uͤberſetzung der ſiebenzig uͤberſetzer entſproſſen: welche / weil ſie hierinnen geirret / auch nachmahls alle ihre nachfolger irren gemacht.
G g ijDas468KurtzbuͤndigeDas obgemelte Ebreiſche wort〈…〉〈…〉, welches die meiſten fluͤgel erklaͤhren / haben wir rand verdeut - ſchet: weil〈…〉〈…〉 uͤberal vor den rand oder das euſer - ſte ende eines ieden dinges / ſo wohl der fluͤſſe und der erde / als der kleider und gebeue / genommen wird. Und alſo iſt ein klingel oder eine zimbel der raͤnder oder mit raͤndern〈…〉〈…〉 ein Schaͤllenſpiel mit raͤndern oder mit einem buͤgel uͤmgeben: welches die Griechen von σάιομαι, d. i. ruͤtteln / bewegen / σεῖςρον, die Lateiner ſiſtrum nennen. Dan es iſt eine gattung der ſo genenten Zimbeln: die Eſaias alhier, billich〈…〉〈…〉 das iſt / ein klingendes ſpielzeug / vom〈…〉〈…〉 klingen / tinnire, heiſſet. Dieſe Klingelſpiele waren von ertz / von ſilber / auch wohl von golde; wie Apuleius im 11 ſeiner Verwandlungsbuͤcher bezeuget: und hierinnen von den gemeinen Klingeln oder Zimbeln unterſchieden / daß dieſe rund waren / als ein runter baͤcher / und als ein blat vom Nabelkraude geſtaltet / wie Turnebus aus dem Schribonius Largus im 33 h. des 26 b. anweiſet; jene aber ei - oder laͤnglich-rund / mit einem rande / daran etliche ſchaͤllen hingen / und / im bewegen und anſchlagen / einen lieblichen klang von ſich gaben. Guido Pancirollus l. 1. rer. memorab. deperditar. p. 29. Alexand. ab Alexandro l. 7, c. 8. Demſterus paralipo - men. ad Roſini Antiquitat. Rom. c. ult. l. 2.
Von dieſem Klingelſpiele / cymbalo marginato, id eſt, ſiſtro, hat Eſaias das Egiptiſche land terram ſiſtratam, gleichwie andere die Egipter / oder vielmehr ihre Prieſter ſelbſt / ſiſtratam turbam, genennet; weil naͤhmlich das Schaͤllenſpiel oder der Klingelbuͤgel ihr eigenes ſpielzeug war. Marziahl:
Ovidius l. 3 Eleg.
Quid nunc ſacra juvant? quid nunc Ægyptia proſunt
Idem de Ponto l. 1, Eleg. 1:
Juvenalis:
Dan es war der Iſis / als ihr eignes ſpielzeug / gehei - liget / und ward von ihren Prieſtern / wan ſie ihre feier - tage begingen / ſtaͤhts gebrauchet. Daher ſingt auch Tibul / im 3 ged. des 1 buchs:
Wie nun / bei mehr gemeltem Eſaias / des Egip - tiſchen reichs eigene kenzeichen das Klingelſpiel / und deſſen gelegenheit uͤber den Kuſiſchen oder Ku - ſiſch-Arabiſchen fluͤſſen ſeind; ſo ſchreibet ihm eben derſelbe noch ein drittes zu: naͤhmlich die ſendung der Goͤtzenbilder in dieſee / in papiernen faͤſſern / uͤber den waſſern. Alhier geben etliche das Ebrei - ſche wort〈…〉〈…〉 Bohten / geſanten / oder boht - ſchaften / auch briefe; wir aber Bilder oder viel - mehr Goͤtzenbilder / vom zeitworte〈…〉〈…〉, das iſt bil - den. Dan alſo nennet eben derſelbe Eſaias im 16 ſpr. des 45 h. die Bildhauer oder Bildſchnitzer〈…〉〈…〉. Und hierdurch verſtehet der Weiſ - ſager anders nichts / als des Oſiris Heupt: welches von den Egiptern zu Alexandrien jaͤhrlich in die ſee geworfen / und von dar in ſieben tagen vom Teufel nach Biblus getrieben ward; wie Luzian / in ſeinem buche von der Siriſchen Goͤttin / bezeuget. Auch melden Zirillus / und Prokopius / in ihren Anmaͤrkungen uͤber den Eſaias faſt eben daſſelbe. Macrobius l. 1 Saturnal. Elias Schedius de Diis Germ. p. 74. Die Papierne faͤſſer / oder Gefaͤße aus Pa - pierrohre oder Papierſchilfe / ſeind auch andersG f iijnichts /470Kurtzbuͤndigenichts / als Egiptiſche ſchiffe / die man vor alters aus dieſem Egiptiſchen rohrſchilfe zu machen pflegte; wi[e]Teofraſt / und Plinius bezeugen. Des letzten wor - te ſeind dieſe[:]Ex ipſo papyro navigia texunt, & è libro vela tegetesque.
HIer haben wir auf die ſehr ſchmahle laͤnge des Egiptiſchen Reichs / da der Niel mitten durch hin flieſſet / alſo daß er zu beiden ſeiten laͤngſthin ein aͤn - ges zwiſchen den gebuͤrgen liegendes land / als zwee[n]eingezogene fluͤgel / hat / ein auge gehabt. Und die[-]ſer ſchmahlen laͤnge wegen / nennet Eſaias in eben dieſem itztgemeltem 18 h. die Egipter〈…〉〈…〉 gentem in longitudinem extenſam, ein ausge - ſtrektes / und in die laͤnge gezogenes volk: wel - ches / in unſerer Hochdeutſchen uͤberſetzung / uneigend - lich / ein volk / das ausgemaͤſſen iſt / gegeben wird. Hiervon ſiehe / was wir droben in den Anmaͤrkungen am 367 bl. geſagt.
MIt dieſen worten zielen wir auf die koͤniglichen Treume: welche Joſef gedeutet / und raht ertei - let / wie dem gedreueten uͤbel koͤnte begegnet werden.
ERrif / alſo ſchreibt es Leo der Afriker: welches eben ſo viel iſt / als das Arabiſche〈…〉〈…〉 mit dem vorangefuͤgtem Arabiſchen geſchlechtsworte: das vor dem R anders nicht ausgeſprochen wird. Sonſt wird es gemeiniglich ohne das geſchlechtswort gebraucht /als471Anmaͤrkungen.als ϱὶϐ oder ϱιϐὶ, welches in der alten Egiptiſchen ſprache / wie Horus im 7 h. des 1 b. ſeiner Bilder - ſchriften bezeuget / eine Birne geheiſſen. Und alſo ward eigendlich daſſelbe teil des Egiptiſchen Reichs / das itzund den nahmen Delta fuͤhret / nach ſeiner oben zugeſpitzten / und unten breitlichten geſtalt / von den Egiptern genennet; wiewohl man dadurch auch zuwei - len das gantze Egipten verſtund. Die Ebreer haben daraus〈…〉〈…〉 Rahab gemacht: und dieſes wort wird in der h. Schrift vielmahls ebenmaͤßig vor das gantze Egipten gebraucht: als im 11 ſpr. des 89 Harfenlie - des / im 9 ſpr. des 51 h. bei dem Eſaias / und bei dem Job im 12 ſpr. des 26 h. wiewohl es in dieſem letzten orte vielleicht in einem gantz andern verſtande ſtehen ſol. Sonſten iſt auch Errif / welches wir alhier gleich - maͤßig vor das gantze Egipten genommen / ein nah - me der 5 Landſchaft oder Reichshauptmanſchaft des Koͤnigreiches Fes: welche an die mittellaͤndiſche ſee ſtoͤßet / ſehr viel berge begreiffet / und ein rechtes Wein - land iſt; wiewohl der wein ſchwartz von farbe.
HIermit haben wir auf den Nahmen Joſef anſple - len wollen: welcher auf ſo genente Kabaliſtiſche weiſe / die uhrſachen / waruͤm ihn Jakob alſo genen - net / anzuzeigen / folgender geſtalt entknoͤhtelt wird:
〈…〉〈…〉Joſef. 〈…〉〈…〉Gott
〈…〉〈…〉hat mir benommen
〈…〉〈…〉den mangel.
〈…〉〈…〉Gott
〈…〉〈…〉ſetze mir hinzu /
〈…〉〈…〉mit hinzuſetzen / einen andern
〈…〉〈…〉Joſef / das iſt Sohn.
HIiermit haben wir auf den Nahmen Aſſenat oder Asnat gezielet: welcher ſchoͤn / und zugleich auch eine Heilandin / Heilmacherin / oder Aertztin heiſſet: wie auch auf Joſefs ehrennahmen / der ihm nachmahls zugeeignet ward.
DEr Baſiliske / wan ihm ein ſpiegel vorgehaͤnget wird / blaͤſet mit ſeinem giftigen ahtem / indem er ſein bildnuͤs darinnen erblikket / und es vor einen an - dern Baſilisken anſiehet / ſo ſtark und ſo lange dar - auf zu / den gewaͤhnten Baſilisken im ſpiegel todt zu blaſen / bis er ſich ſelben todt blaͤſet: und daruͤm wird er vor ein ſinbild der Neidhaͤmmel gehalten.
DIeſen Traum erzehlet Joſef ſeinen Soͤhnen ſelbſt / in ſeinem Letzten willen.
IM 41 haupſtuͤkke des Buches der Schoͤpfung / vom 39 ſpruche bis auf den 43 erzehlet Moſes die - ſe begaͤbnuͤs mit kurtzen worten: als auch die Geſchicht der Aſſenat / und Joſef der Juͤdiſche Geſchichtſchrei - ber. Bei gemeltem hauptſtuͤkke des Moſes kan eben - maͤßig Kornelius à Lapide, in ſeinen Anmaͤrkungen / geleſen werden.
Vom Elefanten / daß er der Koͤnige ſinbild gewe - ſen / ſchreibet Johan Pierius im 2 b. ſeiner heiligenBil -473Anmaͤrkungen.Bilderſchriften am 15 und 16 bl. weitleuftig. Daß er ſich nicht neugen oder beugen koͤnne / und keine ge - lenke in den kniehen habe / wird von etlichen bejahet / von andern verneinet; wie bei dem Aldrovanden / Jonſtohn / und andern zu leſen.
〈…〉〈…〉Tſaphnath Paaneach, der Egiptiſche Ehrennahme des Joſefs / den ihm der Koͤnig im 45 ſpr. des 41 h. aus dem Buche der Schoͤpfung giebet / wird auf unterſchiedliche weiſe geleſen / und erklaͤhret. Die ſiebenzig uͤberſetzer / die ihre uͤberſetzung in Egip - ten ſelbſt gemacht / ſchreiben Ψοντονφανὲχ: welches Hie - ronimus Salvator mundi, das iſt Heiland der welt / giebet; andere in großer anzahl / einen Ausleger der geheimnuͤſſe / oder Verkuͤndiger zukuͤnftiger dinge. Viel leſen Zophnath Paneah, auch Saphe - nath paneah; und wollen das erſte wort vom Griechi - ſchen σοφὸς, das iſt weiſe / oder ein weiſer / herleiten. Aber dazumahl wuſten die Egipter von der Griechi - ſchen ſprache noch nichts. Der ſeelige Luhter giebt es einen Heimlichen Raht. Doch hiervon kan Ama - ma uͤber das Buch der Schoͤpfung / als auch Kir - chers Koptiſcher Vortrab / im 5 hauptſt. und Jo - han Vikkars uͤber das 105 Harfenlied geleſen werden.
DIe Reichsſtaͤbe der Egiptiſchen Koͤnige hatten auf der ſpitze einen Storch oder Storchskopf / und endigten ſich unten mit einer klaue oder einem fu - ße vom Fluspferde / aus golde oder anderem ertze ge - macht; wie Suidas / und des Ariſto fanes Ausle -G g vger /474Kurtzbuͤndigeger / als auch Tiſius am 151 bl. und Joh. Pierius am 170 / und 295 bl. melden. Weil nun der Storch bei den Egiptern ein ſinbild der froͤmmigkeit und tu - gend / das flußpferd aber der boßheit und untu - gend war; ſo wolten ſie hiermit andeuten / daß die - ſelben / die den Egiptiſchen Reichsſtab fuͤhreten / die Tu - gend und froͤmmigkeit erhoͤben / und ihr folgen; die un - tugend aber und boßheit mit fuͤßen traͤhten und un - terdruͤkken ſolten. Dan wie der Storch ſeine Eltern ſo liebet und ehret / daß er ſie im alter ſpeiſet / ja ſelbſt auf ſeinen fluͤgeln forttraͤget; ſo pfleget das Flus - pferd / welches Hippopotamus genennet / und im Niele / auch zu weilen bei demſelben auf dem lande gefunden wird / ſeinen Vater ſtraks in der erſten ju - gend frefentlich anzufallen / und ſeine geulheit an der Mutter zu buͤßen; wie Plinius im 25 h. ſeines 8 b. und Ariſtoteles im 7 des 2 b. ſeiner Tiergeſchich - te bezeugen. Und dieſes beides hat den Egiptiſchen Prieſtern zur erfindung beider ſinbilder anlaß gege - ben. Auch iſt Keiſer Hadrian eben daher bewogen worden / einen Storch auf ſeine Muͤntzen / mit dieſer beiſchrift / Pietas Auguſta, bilden zu laßen.
HIervon ſchreibet Moſes alſo: und (der Koͤnig) lies ihn auf ſeinem andern wagen fahren / und vor ihm her ausrufen: der iſt des Landes Vater. So hat der ſeelige Luhter das wort Abrech verdeutſchet. Aber Hieronimus giebet es / pater re - gis tener annis, das iſt / der zahrte und junge Va - ter des Koͤniges: und Onkelus / als auch Sa - lomon Jarchi / und Judah / der juͤngere Va - ter.
DAher hat Polemon die Augen / als bohten des Hertzens / des Gemuͤhts tuͤhren genennet: und der Heilverkuͤndiger Matteus ſaget in ſeines 6 h. 22 ſpr. das Auge iſt des leibes licht. Wan dein au - ge einfaͤltig iſt / ſo wird dein gantzer leib liecht ſein. Wan aber dein auge ein ſchalk iſt / ſo wird dein gantzer leib fuͤnſter ſein. Aber beſiehe / was wir hiervon bei der 8 zeile des 21 blats geſagt.
VOn der Stadt Heliopel haben wir droben bei der 29 zeile des 26 blats ſchon uͤberfluͤßig gehandelt.
Das land Geſſen / wie es Hieronimus / und nach ihm die meiſten nennen / wird von den ſiebenzig uͤber - ſetzern γέσεμ, Geſem / von andern Goſſen / auch Go - ſen / denen der ſeelige Luhter gefolget / und vom Ar - tapan / bei dem Euſebius / Καίσαν, Kaͤſan benah - met. Auch ſchreibet Benjamin / daß es zu ſei - ner zeit Bulzir Zalbiz geheiſſen: und etliche wol - len / daß es itzund Tebais genennet werde.
Vom Hermes Trismegiſt haben wir bei der 12 zeile des 5 blats ebenmaͤßig genug geſprochen.
DEs Juͤdiſchen Schriftgelehrtens Elieſers ’wor - te vom Potifar lauten alſo:〈…〉〈…〉〈…〉〈…〉, hoc eſt, Philoſophus magnus, ac Prœſes literarum, & cultus Solis, &c.
ALles dieſes beſchreibet die Geſchicht der Aſſenat weitleuftig / und faſt mit eben denſelben worten / welche wir alhier gebrauchen: ja die gantze begaͤbnuͤs / wie ſie auf dem 204 und folgenden blaͤttern folget.
HIeronimus / im 1 b. wider den Jovian / ſagt von dem Weibesvolke alſo: Mulieris tactus quaſi contagioſus eſt ac venenatus, viroque fugiendus non minus, quàm rabidiſſimi canis morſus. Und Dioge - nes urteilete von ihnen / nach ſeiner weiſe: Mulier ſpe - cioſa eſt templum ædificatum ſuper cloacam.
DIe Keuſchheit iſt ein ſpiegel / der allein durch das anſchauen / und anhauchen ver - dunkelt wird / ſagt Egidius. Und Hieronimus ſchreibet in ſeinen Briefen: Memento ſemper, quòd Paradyſi colonum de poſſeſſione ſua Mulier ejecerit.
DAß dieſes uͤm das 2213 weltjahr / nicht lange vor Abrahams tode / geſchehen ſei / meldet Kircher in ſeinem Egiptiſchen Oedipus. Andere ſetzen es uͤm das 1840 jahr vor der Heilgebuhrt. Ja faſt kein Schrei - ber komt hierinnen mit dem andern in der jahrzahl uͤberein.
HIervon ſchreibet Plinius im 8 h. ſeines 36 B. von den ſitten der Egipter: da er zugleich meldet /daß477Anmaͤrkungen.daß Mitres / das iſt Mizraim / der in der Sonnen - ſtadt geherſchet / oder ſein ſohn Misramutiſis / den die Araber Nakraus nennen / der erſte geweſen / der die Sonnenſpitzen zu bauen angefangen: und daſſelbe ſei ihm / durch einen traum / befohlen worden. Aber dieſes hat er ohne zweifel nur daruͤm vorgegeben / da - mit es / als eine eingebung der Gotter / uͤm ſo viel hoͤ - her geachtet wuͤrde. Doch hiervon ſchreibet der Araber Abenefi viel anders.
Wer von den Sonnenſeulen mehr zu wiſſen begeh - ret / der leſe obgemelten Plinius im 8 / 9 und 10 h. des 36 buches; als auch Iſidoren im 31 h. des 18 b. Blonden im 1 b. ſeines wiedererneuerten Rohms; den Polidorus Virgilius im 11 h. des 3 b. von den Erfindern der dinge; den Panzirol im 1 b. von den verlohrnen dingen am 66 / 178 / und 179 bl. die Araber Abulfeda / Artefi / Aben Vaſchia / und Kirchern in ſeinem Werke von den Feuerſeulen / als auch im Egiptiſchen Oedipus / und in der Pamfiliſchen Sonnenſeule. Dieſe Seulen waren alle aus Tebi - ſchem Marmel: und man lieſet nur von einer einigen bei dem Teofraſt / die aus vier Smaragden / 40 ellen hoch / aufgefuͤhret geweſen / und in einem Egipti - ſchen Goͤtzenhauſe des Jupiters geſtanden. Plinius im 5 h. des 37 b.
DIeſen Seulen / welche wir nicht eigendlicher / als Sonnenſpitzen / nennen koͤnnen / wird von den Lateinern / ihrer ſpitzigen und ſchlanken geſtalt nach / ge - meiniglich der uhrſpruͤnglich griechiſche nahme Obe - liſcus gegeben; welches ſo viel heiſſet als ein kleiner Brahtſpis. Dan ὀ〈…〉〈…〉 ηλίςκος, veruculum, iſt das verkleinerungswort von ὄ〈…〉〈…〉 ηλος, veru, brahtſpis. Sie478KurtzbuͤndigeSie moͤchten zwar mit beſſerem fuge / als ſo gar große Seulen / große Brahtſpiſſe heiſſen: aber es ſchei - net / daß ihnen dieſer verkleinerungsnahme zuerſt aus ſchertze gegeben / und darnach alſo behalten worden. Die Araber nennen ſie ſonſten Meſſalet Pharaun, das iſt / Faraons ſpitzen oder nahteln: und die Waͤlſchen / ihnen zur folge / Aguglia; welches wort ſie aus dem Lateiniſchen acus, das iſt / eine nahtel / oder etwas / das oben ſpitzig und ſcharf iſt / gebildet. Daß man ſie aber in der Hochdeutſchen ſprache Nahteln / oder in der Niederdeutſchen Naalden / welches eigendlich Nadelen heiſſen ſolte / nach der Araber meſſelet, und der Waͤlſchen aguglia nennen wil / das leſſet beider worte uhrſprung und uhrſpruͤngliche bedeutung in unſerer ſprache nicht zu. Dan ſo wohl das Niederdeut - ſche nadel / oder verſetzt naalde / als das Hochdeutſche Nahtel / iſt aus naht gebildet / und heiſſet eigend - lich ein werkzeug / damit man eine naht naͤhet. Was hat nun eine Sonnenſpitze mit der naht oder dem naͤhen zu tuhn / und was vor eine gleicheit hat ſie mit einer geoͤhrten Nahtel / oder einem dinge / damit man naͤhet. Daruͤm komt den Sonnenſpitzen der nahme Nahtel / zumahl weil dieſe rund / und jene vierekkicht ſeind / anders nicht / als gantz uneigendlich / zu: ja noch viel uneigendlicher den Grabſpitzen / wel - che die Hollaͤnder auch Gꝛafnaalden nennen; weil dieſe ſo gar vierſchroͤhticht plump und dikke ſeind / daß man ſie eher Zaunſtaken / oder lieber Truͤmmel / als nahteln / nennen koͤnte: ja der nahme Zaunſtake / oder Truͤmmel ſelbſt were zu wenig ihre ſo ſehr dikke klumpfichte geſtalt damit zu verſtehen zu geben. Zu - dem was haben wir noͤhtig ein ſo gar uneigendliches wort zu ſuchen / da wir ſo ein guhtes und eigendliches / naͤhmlich Spitze / haben: welches zu beiderlei ſeulen ſich uͤberaus wohl ſchikket; weil es nicht allein einſcharf -489[479]Anmaͤrkungen.[ſ]charf - und ſchlank-ſpitziges / ſondern auch ein ſtumpf -[u]nd plump-ſpitziges ding bedeutet. Beſſer hat Her -[m]es Trismegiſt ſelbſten ſeinen erfundenen Son -[n]enſeulen den nahmen Sonnenfinger zugeeignet:[w]eil nicht allein die Strahlen der Sonne / ſondern auch[d]ie Sonnenſeulen / die er nach ihnen gebildet / den fin -[g]ern der geſtalt nach beſſer gleichen: und die ſonnenſtrah -[l]en ſeind auch als finger; damit die Sonne gleichſam[uͤ]m ſich greiffet / und ihre herſchaft in den vier Uhr -[w]eſen ausfuͤhret; ja manchem ſo hart auf den kopf und[i]n die augen taſtet / wan er lange darinnen ſtehet / daß[e]r es eine guhte weile fuͤhlet.
HIervon beſiehe den Vorbericht unſers Helikoni - ſchen Roſentahls / oder des Ertzſchreines der Deutſchgeſinneten Genoſſenſchaft Roſen -[z]unft / am 2 und 3 blatte. Daß Moſes in der Egiptiſchen weisheit ſei unterwieſen geweſen / lieſet[m]an in der Zwoͤlfbohten Geſchicht / im 7 hauptſtuͤkke:[j]a daß er darinnen in kurtzer zeit ſo zugenommen / daß[e]r alle Egipter / durch ſcharfſinniges nachdenken / uͤber -[t]roffen / bezeuget Filo der Juͤde / als auch Juſtinus[d]er Weiſemeiſter / in ſeinem Buche von den Heidni -[ſ]chen fragen / und Klemens im 5 ſeiner Prunk -[d]ekken.
TAnis / τάνις, wird bei dem Ezechiel / im 30 h. Tafnis Thaphnis, davor Hieronimus Zohan[o]der Zoan lieſet / und vom Antoninus Thanis, vom Egeſippus aber Thamna genennet. Dieſer ſtadt we -[g]en findet man ſo vielerlei meinungen / daß das endedar -480Kurtzbuͤndigedarvon weg iſt. Etliche halten es vor des Prolomeus πελούσιον, Peluſe / oder Eliopel / oder Helviopel; Arias Montanus vor Sin / und Libna / derer die heilige Schrift gedenket; Benjamin vor Kaftor bei dem Amos im 9 h. andere vor Tenes / und vor Damiate / oder des Steffans ταμίαπς. Aber weil Damiate dichte bei der ſee lieget / und Tanis nicht / welches von etlichen wohl 100 meilen darvon geſetzt wird; ſo kan unſer Tanis keines weges Damiate ſein; ja eben ſo wenig Heliopel / davor man es auch wil gehalten haben. Stephanus: Τάνις, ἡ πόλις τῆς Αι - γύπτου, παλ〈…〉〈…〉 μῶν ὀνομαζομένη Θάϕνις, das iſt / Tanis iſt eine Egiptiſche ſtadt / die vor alters Tafnis hies. Zwiſchen dieſer Stadt und Farbete / welche nahe bei - einander lagen / war der Kinder Iſraels heerlager; von dannen ſie Moſes durch das Rohte Meer fuͤh - rete.
ALles dieſes findet man in der Aſſenat Geſchicht / welcher wir in allem gefolget.
DElta iſt das Mitternaͤchtige teil des Egiptiſchen Reichs / bei der ſee gelegen / daruͤm wir es auch al - hier den Nordwinkel genennet. Hiervon beſiehe weiter / was wir bei der letzten zeile des 178 blats / auch anderwaͤrts erinnert.
VOr alters pflegte man eine Roſe uͤber die tiſche zu haͤngen / damit einieder / ſo bald er ſie erblikte /ein -481Anmaͤrkungen.eingedenk wuͤrde / daß er daſſelbe / was er hoͤrete / ver - ſchweigen ſolte. Daher iſt uns noch das ſprichwort geblieben / wan wir einem guhten freunde etwas ſon - derliches / das verſchwiegen ſol bleiben / offenbahren / daß wir zu ſagen pflegen: dis ſei unter der Roſe ge - redet. Und alſo iſt die Roſe ein ſinbild der Ver - ſchwiegenheit; und zwar daruͤm / weil ſie der Liebe ge - heiliget; derer tuhn und weſen verſchwiegenheit er - fordert.
Und eben dieſe Verſchwiegen heit iſt eine von den fuͤr - nehmſten uhrſachen / waruͤm einieder Mitgenoſſe in der Edelen Roſenzunft der Deutſchgeſinneten die Roſen / oder etwas darvon / in ſeinem Zunftzeichen fuͤhret.
ERwaͤgt es bei euch ſelbſt / ſagt Joſef in ſeinem letzten Willen / ihr ſehet vor euten augen / daß ich / uͤm meinerlang muͤhtigkeit willen / meines Herꝛn Tochter zur Gemahlin bekommen; und 100 guͤl - dene talenten / das ſeind 60000 guͤldene kronen / mit ihr. Dan Gott ſchikte es alſo / daß meine lang - muͤhtigkeit mich befoͤrderte: uñ darzu gab er mir eine ſolche ſchoͤnheit / daß ich war als eine Bluh - me uͤber alle / die in Iſrael ſchoͤn waren / u. a. m.
DAß der Koͤnig dem Joſef ſieben tage lang das freudenfeſt ſeines Beilagers / mit allem / wasH hdarzu482Kurtzbuͤndigedarzu erfordert ward / verſehen laßen / findet man in der Aſſenat Geſchicht / mit kurtzen worten / folgender ge - ſtalt beſchrieben. Des andern tages baht Joſef den koͤnig / daß er ihm die Aſſenat zur gemahlin geben ſolte. Und Farao gab ſie ihm / und ſetzte eine guͤldene Krohne auf ſein haͤupt / ja richtete ihm ſieben tage lang das Beilager aus.
In eben derſelben Geſchicht findet man auch die Sonnenburg faſt eben alſo / wiewohl viel kuͤrtzer / als wir getahn / beſchrieben.
VOm kraude Datura haben wir bei der 20 zeile des 128 blats ausfuͤrlich gehandelt.
Bei der ſtadt Alkeir wachſen auf den feldern zwei Kreuter / welche einander faſt aͤhnlich ſeind: als Moſchkraut / und das ſo genente Bammie. Bam - mie ſchieſſet wohl vier oder fuͤnf ellen hoch auf / und iſt an bluhmen und blaͤttern dem Kaͤschen - oder Pap - pelnkraude zimlich gleich; ohne daß die blaͤtter an lan - gen ſtielen haͤngen / groͤſſer / ja faſt ſo groß als Kuͤrbsblaͤt - ter / und was rauch und haaricht ſeind; auch die bluh - me bleichgaͤlbe / und fuͤnfblaͤttericht iſt. Die gantze frucht / welche zu weilen funf - zu weilen zehn-ekkicht / und den wilden Gurken nicht ungleich / wird von den Egiptern in fleiſchſuppe gekocht; und der ſamen auch abſonderlich / als bei uns die Erbſen und Bohnen / zur ſpeiſe zugerichtet. Das Moſchkraut nennen die Egipter ſonſt ſchlechthin Moſch / und deſſelben ſaa - men Abelmoſch; weil es einen geruch hat / wie der Oſt indiſche Moskus oder Muskes / dem auch ſein ſaame / dem geſchmak und der farbe nach / gleich iſt: und daruͤm wird hiermit der Moſchſaame / den man ſouͤber -483Anmaͤrkungen.uͤberfluͤßig auch in Egipten ſelbſt nicht hat / als den ſo genenten Indiſchen Muskes / verfaͤlſchet / und alles vor Moſchſaamen verkauft; wiewohl der unter - ſcheid / weil der Muskes ſeinen lieblichen geruch bald verlieret / mit der zeit erkant ward. Vor etlichen jahren ward mir ein teil ſolcher Muskeskoͤrner aus Oſt - indien mitgebracht: welche zwar im anfange / da ſie noch friſch waren / einen lieblichen geruch hatten / aber denſelben in kurtzer zeit / mit der ſchwartzgrauen far - be / gantz verlohren / und verblichen. Das Kraut ſelb - ſten ſchieſſet auf / wie das itzt gemelte Bammie. Aber die blaͤtter gleichen mehr den blaͤttern des Leuſekrau - des / und ſeind uͤber und uͤber mit weislichten haaren beſetzt; auch ſpruͤßen die bluhmen zwiſchen dem ſtaͤngel und den ſtielen der blaͤtter herfuͤr. Aus dieſen bluhmen werden runte ſchwaͤrtzlichte heuslein; darinnen kleine bitterhaftige koͤrner von eben derſelben farbe ſitzen. So wohl das kraut / als der ſaame / wird zu den Artzneien ſehr viel gebraucht; ſonderlich vor das aufſteigen der Baͤhrmutter / und die ausgebliebenen Mohndſtun - den.
Seewaͤrmuht / iſt in den Anmaͤrkungen bei dem 150 blatte ſchon genug beſchrieben: da der Leſer nach - ſehen kan.
Efeu oder Ep-heu / welches wir ins gemein Wintergruͤhn / die Griechen Κιοςὸς, κλύμενος, διονυ - σία, die Lateiner / Hedera von hærere, wie Feſtus wil / weil es an den mauren und rinden der beume gleich als feſt klebet / und ſich anklammert / auch laͤngſt denſel - ben in die hoͤhe ſteiget / daruͤm es die Niederdeutſchen klimop heiſſen / als auch grote Veil / die Franzoſen aber Lierre, und die Waͤlſchen Hellera, auch Hedera nennen / war dem Oſiris geheiliget. Daher hatte es auch in der Egiptiſchen ſprache den nahmen χενόσιρις, Chenoſiris, das iſt Planta Oſiridis, des Oſiris ge -H h ijwaͤchs484Kurtzbuͤndigewaͤchs oder pflantze; wie Plutarch im buche von der Iſis und dem Oſiris bezeuget. Und von dieſem Egiptiſchen Nahmen ſcheinet das wort〈…〉〈…〉 channa, oder〈…〉〈…〉 vechanna, im 80 Harfenliede / entſproſſen zu ſein: daruͤber ſonſten die Tahlmetſcher ihre koͤpfe dermaßen zerbrochen / daß man wohl ſiebnerlei verdeut - ſchungen findet / welche meiſt alle vom rechten verſtan - de ſehr weit abirren. Aber der Heilige Geiſt hat al - hier ein Egiptiſches wort gebrauchen willen / anzudeu - ten / daß er von einem ſolchen Gewaͤchſe oder einer ſol - chen Pflantze handelte / die aus Egipten in das heilige Land verſetzet und fortgepflantzet worden. Und alſo koͤnnen wir das work〈…〉〈…〉 an gemeltem orte anders nicht geben / als ϕυτὸν, plantam, ein gewaͤchſe / oder eine pflantze; weil es kein Ebreiſches / ſondern Egiptiſches wort iſt.
Aber die Egipter hatten nicht allein dieſes gewaͤchſe dem Oſiris / ſondern auch die Griechen ihrem Wein - und Baͤchergoͤtzen / den Bachus oder Dioniſen / darunter Oſiris / wie wir droben bei der 18 zeile des 1 blats angemaͤrket / verſtanden ward / gewiedmet. Waruͤm ſie ſolches getahn / wird im erſten teile unſe - res Schatzes der Ungeſundheit / am 46 blatte / an - gezeiget. Daß aber Plutarch / in ſeinen Roͤhmiſchen Fragen / meinet / daß das Efeu trunken und raſend mache / weil es die raſenden und halbtolſinnigen Goͤ - tzendienerinnen des Bachus zu eſſen pflegten; ſolches kan nicht allein mit demſelben / was der gelehrte Ateh - ner im 5 h. ſeines 15 b. aus dem Griechiſchen Artzte Filonides / erzehlet / ſondern auch mit der erfahrung ſelbſten widerleget werden. Dan die Alten pflegten anfangs das heupt / wan es vom trunke weh taͤhte / mit einem ſchlechten bande zu binden: darnach aber / an des bandes ſtat / einen Krantz von Efeu daruͤber zu ſtuͤlpen; weil dieſes kraut zugleich der Trunken -ſchaft /485Anmaͤrkungen.ſchaft / ja der Raſerei ſelbſten widerſtehet; wie Ter - tullian / von der Kriegskrohne / und Euſebius in ſei - ner Vorbereitung / bezeugen. Und daher haben es auch ohne zweifel die alten Dichtmeiſter zu ihren kraͤntzen er - wehlet; damit hierdurch ihre ſinnen / die vom vielen und ſcharfem nachdenken erhitzt / und in eine raſerei ge - rahten / moͤchte beſaͤnftiget werden. Aber hiervon kan ebengemelter Schatz der Ungeſundheit am 12 blatte des 2 teils geleſen werden. Auch ſcheinet es / daß die Kraͤntze und krohnen hiervon ihren uhrſprung ge - wonnen; und daß der erſte Krantz von Efeu geweſen / nicht allein in geſelſchaften der Zechenden / ſondern auch der Dichtmeiſter / und Helden. Daß ihn die Dichtmei - ſter getragen / meldet Horatz in ſeinem erſten gedichte von ſich ſelbſt / wan er ſpricht:
und Ovidius zielet auch dahin / wan er / im 3 buche ſeiner Kunſt zu lieben / ſchreibet:
Nach der zeit hat man auch Mirtenkraͤntze / Roſen - kraͤntze / Lorbeerkraͤntze / und dergleichen mehr auf - zuſetzen pflegen; damit nicht allein das geſicht / ſondern auch der geruch moͤchte ergetzet werden: wiewohl der Dichter Empedokles die Lorbeerkraͤntze gantz ver - bieten wil; vielleicht daruͤm / weil die Lorbeerblaͤtter alzuſtark riechen / und alzuſehr erhitzen.
Der Rundbaum / wird von den Griechen λωτὸς, und von den Lateinern Lotus genennet. Wir aber ha - ben ihm den nahmen Rundbaum / wie auch dem E - giptiſchen kraude / das auch Lotus genennet wird / den nahmen Rundkraut gegeben; weil an allen beidenH h iijalles /486Kurtzbuͤndigealles / naͤhmlich die Wurtzel / das blat / die bluhme / und die frucht / mit dem Saamen / rund iſt / wie Jamblich bezeuget. Der baum iſt in Afriken ſehr gemein / wird faſt ſo groß als ein Birnbaum / und hat ſolche ſuͤße Fruͤchte / die an groͤſſe den Bohnen gleich ſeind / und wie die Trauben reiffen / daß auch ein Afrikſches Land und Volk / dem dieſe fruͤchte zur ſtåhtigen ſpeiſe gedienet / darvon den nahmen bekommen. Ja daher wird auch das ſprichwort λωτὸν φαγεῖν, das iſt / von der frucht des Rundbaumes eſſen / von einem ſolchen geſagt / dem fremde laͤnder ſo angenehm und ſuͤße ſeind / daß er ſeines Vaterlandes vergiſſet. Homerus Odyſſ. 1. Pli - nius l. 13, c. 17, & l. 21, c. 17. Theophraſtus hiſt. pl. l. 7, c. 14. Auf gemeltes ſprichwort zielet auch Ovidius / wan er in ſeinem 4 buche ſchreibet:
als auch Virgiel / wan er dieſem baume das wort im - pia zueignet / indem er in ſeiner Muͤkke / folgender ge - ſtalt ſpricht:
Mit dem worte Ithacus meinet er den Uliſſes / welcher in dieſem ſo genenten Inlande herſchete / und durch ſturm in Afriken angetrieben war; da er ſo viel ver - druſſes / und ſo viel muͤhe hatte / ſeine gefaͤhrten wieder von dannen wegzubringen. Das holtz von dieſem bau - me ward ſehr viel zu den Schalmeien oder Pfeiffen ge - nommen; weil der klang / der aus ſolchen pfeiffen gehet / uͤberaus hel und lieblich zu ſein pfleget. Und daher wird die Schalmeie bei den Orfeus ſelbſten λωτὸς ge - nennet.
In eben dem verſtande brauchet auch das wort λωτὸς Euripides in ſeiner Foͤnizerin.
Das487Anmaͤrkungen.Das Rundkraut waͤchſet in den Egiptiſchen waſ - ſergraͤben / wie bei uns die Seebluhmen / oder das Seebluhmenkraut / Nymphæa oder alga paluſtris, dem es ſehr gleich iſt / und daher auch Egiptiſches Seebluhmen-kraut genennet wird. Ein ieder ſtaͤn - gel / der eben ſo lang / als das waſſer tief iſt / hat nur ein blat / welches oben auf dem waſſer ſchwimmet / und ſich allezeit nach der Sonne / wie man ſchreibet / zuwendet: oder aber nur eine bluhme; welche gleichesfals auf dem waſſer ſchwimmet / und wan ihre blaͤtter abgefal - len / einen runten knopf bekoͤmt. Die bluhme wird von den Egiptern Arais el nil, das blat aber Biſelnil, und die wurtzel Biarum genennet. Die blaͤtter ſeind rund heruͤm gekaͤrbet. Sonſt kommen ſie mit den blaͤttern der weiſſen Seebluhmen ſehr uͤberein: gleichwie auch ihre bluhmen; die einen lieblichen geruch haben / und vor alters zu den Siegeskraͤntzen genommen war - den / wie Heliodor bezeuget. Die Egipter pflegen / in den heiſſen ſommertagen / die ſtaͤngel / mit den knoͤpfen / welche ſuͤße / ſaftig / und ſehr kuͤhlende ſeind / zu eſſen. Auch wird von den knoͤpfen / und bluhmen ein artznei - ſaft gepreſſet / und mit zukker vermaͤnget: den die Ara - ber Sarbet nufar nennen / und wider alle innerliche ent - zuͤndungen gebrauchen. Theophraſt. hiſt. plant. l. 4, c. 10. Herodotus l. 2. Plinius l. 13, c. 17, & l, 22, c. 21. Homerus Iliad. ξ, Odiſſ. δ. Dioſcorides l. 4, c. 111, 112. Atbenœus l. 14.
Von den folgenden Kreutern haben wir in den An - maͤrkungen bei dem 102 blatte geſprochen.
Surnag / iſt ein kraut / welches ſonſt auf der abend - ſeite des berges Atlas heuffig waͤchſet. Deſſen wurtzel hat eine ſonderliche kraft den Saamen zu vermehren / und die luſt zum beiſchlafen zu erwekken. Ja dieſe kraft erſtrekket ſich auch ſo weit / daß ſie die jungen Maͤgdlein / wan ſie nur ihr waſſer darauf abſchlagen / ihrer Jung -H h iiijfer -488Kurtzbuͤndigeferſchaft beraubet; und daruͤm haben wir ihre kraft eine entjungfernde Manskraft genennet. Auch bezeugen die Bergleute alhier / daß ihre Toͤchter / welche das vieh auf gemeltem gebuͤrge zu huͤhten pflegen / wan ſie ihr waſſer auf dieſe wurtzel gelaßen / nicht nur ihre Jungferſchaft verlohren / ſondern auch uͤber den gantzen leib aufgeſchwollen weren.
Vom Sant-baume / als auch vom Schwartzen Zimmetbaume / und Balſembaume / haben wir bei der 1 zeile des 112 blattes weitleuftig gehandelt.
Karneb oder Karob / das iſt Mutter der Hoͤr - ner. Alſo nennen die Araber in Egipten denſelben baum / darauf das ſo benahmte Johannesbroht waͤchſet / von der hornhaftigen geſtalt dieſer fruͤchte. Er koͤnte ſonſten auch Schohtenbaum heiſſen; weil ſei - ne fruͤchte anders nicht / als Schohten / ſeind / und auch alſo ausſehen: und die fruͤchte ſelbſten Johannes - ſchohten; welche der Teuffer Johannes in der Wuͤ - ſte ſol gegeſſen haben: daher ſie auch den nahmen Jo - hannesbroht bekommen. Die Araber gebrauchen von dieſem baume anders nicht / als gemelte frucht: daraus ſie einen ſehr ſuͤßen ſaft ziehen / damit die Schwartzen Zimmetpfeiffen / wan ſie noch gruͤhn ſeind / als auch die Tamarinden / und der Ingber / an zukkers oder honigs ſtat / eingemacht werden. Und weil dieſer ſaft oder honig den leib / eben als das mark der ſchwartzen Zimmetpfeiffen / zu oͤfnen pfleget; ſo neh - men ſie ihn auch vielmahls zu den Abſpuͤhlern oder Kliſtieren.
Die Muſenbeume / die man / mit der frucht / ſon - ſten ſchlecht hin Muſa oder Maus nennet / wachſen in Egipten / ſonderlich aber in Mohrenland / und Guinee / als auch in Sine; in deſſen Landbeſchreibung dieſer Baum ausfuͤhrlich beſchrieben wird.
Der Wollenbaum / den die Araber Gotne el fe -giar489Anmaͤrkungengiar nennen / iſt derſelbe baum / darauf die Baum - wolle waͤchſet. Erſtlich bekomt er eine bleichgelbe bluͤße / mit purpurfaͤrbigen ſpitzen an den blaͤttern: darnach aus derſelben eine gruͤhne frucht oder nus / welche ſo groß iſt / als ein apfel. Aus dieſer frucht / ſo bald ihre ſchahle ſich / im reiffen / oͤffnet / komt eine ſchloßweiſſe wolle / mit dunkelbraunen koͤrnern / gekrochen. Aber die - ſe Wolle oder Baumwolle waͤchſet auch an einem Kraude in Kandien / Zipern / Apulien / und Si - rien; welches man Wollenkraut nennet: und wird aus gemelten laͤndern heuffig in Egipten gefuͤhret.
Die Atlenbeume ſeind den Tamariskenbeumen faſt gleich / ohne daß ſie viel hoͤher / ja zu weilen ſo hoch / als ein Eichenbaum / aufſchieſſen / auch laͤngere und ſchmåhlere blaͤtter haben; welche vol gruͤhner haare ſitzen. Ihre fruͤchte ſeind ſo groß / als eine nus / und anders nicht als Galaͤpfel.
Lablab / iſt ein baum / welcher / mit vielen ranken / wie ein Weinſtok / auch eben ſo hoch aufſchieſſet / und an geſtalt und blaͤttern den Roͤhmiſchen Bohnen gantz gleich iſt. Zwei mahl im jahre bekomt er bluͤßen: wel - che den Roͤhmiſchen Bohnenbluͤßen faſt aͤhnlich; und zu langen und breiten ſchohten werden / darinnen ſchwartze und roͤhtlichte Bohnen / mit dunkelbraunen flekkern / wie die Roͤhmiſche Bohnen / ſitzen. Und daher haben wir ihn auch Schohten - oder Bohnen-baum genennet. Gemelte Bohnen gebrauchen die Egipter zur ſpeiſe / eben wie wir die unſrigen: als auch zum tranke / den etliche vor den ſo genenten Koffee-trank halten.
Alkanne / oder Elhanne iſt ein vielzakkichter gruͤhnblaͤtterichter baum oder vielmehr hoher ſtrauch: deſſen blaͤtter den oͤhlblaͤttern / und bluͤßen den Flieder - bluͤßen / welche das Egiptiſche Frauenzimmer zur luſt mit in das bad zu nehmen pfleget / faſt gleich ſeind. MitH h vden490Kurtzbuͤndigeden blaͤttern / daraus eine gaͤlbe farbe gemacht wird / treiben die Egipter einen großen kaufhandel. Auch mahlen mit derſelben ſafte die Frauen ein zeichen auf die naͤgel der finger / gleich als einen halben mohnd: darauf es lange zeit ſtehen bleibet / eh es vergehet. Ja ſie faͤrben mit dem ſtaube der zerſtoßenen Blaͤtter / den ſie Archenda nennen / und mit waſſer befeuchten / ihre haͤnde und fuͤße: welches ſie vor eine große ſchoͤn - heit halten.
Die Sebeſtenbeume / die man auch Bruſtbee - renbeume nennen koͤnte / weil ihre fruͤchte / welche die Hochdeutſchen Artzneihaͤndler zu weilen auch Bruſt - beeren heiſſen / vor alle gebrechen der bruſt dienen / ſeind zweierlei: wilde / und zahme. Die zahmen tragen groͤſ - ſere Beeren / als die wilden: und werden eher reif. Die bluͤßen ſeind weis: und die fruͤchte / die darauf folgen / den kleinen runten pflaumen nicht ungleich; auch ha - ben ſie dreiekkichte kerne.
Der Dattelnbaum iſt eine gattung der Palmen - beume. Die Araber nennen ihn ſo wohl / als die frucht / Dachel. Er iſt zweierlei geſchlechtes: ein Maͤn - lein und Weiblein; welche beide mit den zakken muͤſſen zuſammengefuͤget werden / damit ſie einander gleichſam uͤmarmen und kuͤſſen koͤnnen: ſonſt tragen die Weib - lein keine frucht. Auch pfleget man den ſtaub / der in den huͤlſen / welche die Araber dux nennen / darinnen die Datteln wachſen / ſitzet / auf die zakken der Weiblein / ſie fruchtbar zu machen / vielmahls zu ſtreuen; wie - wohl Vesling / in ſeinen Anmaͤrkungen uͤber den Al - pien / eine andere uhrſache der fruchtbarkeit dieſer beu - me beibringet. Kein baum giebet ſo großen nutzen / als dieſer. Dan die fruͤchte ſeind nicht allein eine guhte ſpeiſe / und zu vielen gebrechen eine artznei; ſondern auch das holtz ſelbſten / mit dem baſte / und der rinde / als auch den blaͤttern / wird / im bauen der heuſer / und ſchiffe /auch491Anmaͤrkungen.auch ſonſten / zu vielerhand dingen / gebraucht. Und daruͤm halten die Araber den baum in ſolchen ehren / daß ſie faſt einem ieden teile deſſelben / und nachdem dieſe beſchaffen / einen ſonderlichen nahmen geben. Ein blat nennen ſie Zaaf: einen zakken mit datteln / Sa - marrich: eine junge unreiffe Dattel / Talla; eine was groͤſſere / Nin; eine halb reiffe / Ramich; eine gantz reiffe / Bellan; eine verfaulte / Rotob; und eine getruͤknete / Tamar. Ja eben daher iſt es kommen / daß man den Sieges-helden die Palmenzweige / als ein zeichen ihrer fuͤrtrefligkeit / zugeeignet. Es iſt ein wunder / daß dieſer baum / der ſo gar duͤnne und kurtze wurtzeln hat / und unten am ſtam-ende ſo gar ſchlank iſt / die große laſt ſeines heuptes / mit ſo vielen zakken und fruͤchten / tragen kan / und daß er von den winden nicht uͤmgeworfen wird. Und dieſes hat den Egiptern zu dem wahne / daß er von der luft lebete / an - laß gegeben. Ja wir koͤnten daher auch ſelbſten anlaß nehmen / dieſen Palm - oder Datteln-baum den ſchmaͤchtigen / doch darbei weiſen und vielgeſchaͤftigen Leuten / als ein Sinbild / zuzueignen. In der Grie - chiſchen ſprache wird ſeine frucht δάκτυλος, bei dem Dioſkorides / im 67 h. ſeines 1 b. als auch andern / genennet: und eben daraus ſcheinet das wort Dattel gebildet zu ſein. Sonſten heiſſet δάκτυλος eigendlich ein finger: und nach dem finger / weil ſein erſtes glied lang / und die zwei letzten kurtz ſeind / haben die Dichtmeiſter / bei dem Plutarchen in ſeinem Buche von der Singekunſt / dieſelbe gattung der Schritte ihrer Reimbaͤnde / derer erſtes glied auch lang / und die zwei andern kurtz ſeind / ebenmaͤßig δάκτυλος geneñet. Wir geben ihnen / in unſrem Hochdeutſchen Helikon / gemeiniglich den nahmen des Dattelſchrittes / oder ei - nes Lang-gekuͤrtzten: und den Reim ſelbſten heiſſen wir einen Dattel - oder Palmen-reim; ja die gantzeReim -492KurtzbuͤndigeReimahrt / die Datel - oder Palmen-ahrt. Auch wird dieſer Reimgattung ſolcher nahme nicht unbil - lich zugeeignet: weil ſie / unter andern uhrſachen / alle andere Reim-ahrten / eben wie der Datteln - oder Palmen-baum / alle andere beume / uͤbertrift; in - dem ſie viel ſchweerer zu machen / und / wan ſie wohl gemacht worden / die allerzierlichſte und fuͤrtreflichſte zu ſein pfleget. Ja man kan auch dan erſt denſelben vor einen Dichtmeiſter halten / wan er ſein Meiſterſtuͤkke mit dieſer Datel - oder Palmen-ahrt / indem er ſie wohl zu machen weis / erwieſen / und alſo den Palmenzweig / als ein zeichen ſeiner fuͤrtrefligkeit / darvon getragen. Aber hiervon kan unſer Hochdeutſcher Helikon / und unſere Helikoniſche Leiter / da wir von der Dattel - oder Palmen-ahrt ausfuͤhrlich handeln / geleſen werden.
Die Damarinden - oder Sonnen-beume werden von den Egiptern Terelſide / von den Arabern aber Tamarhendi / das iſt / eine Indiſche frucht / weil ſie aus Indien / in Arabien / und Egipten / ge - bracht worden / genennet. Wir haben ihnen den nahmen Sonnenbeume gegeben: weil ihre blaͤtter / welche fort und fort gruͤhnen / und den Mirtenblaͤttern gleich ſeind / ſich ſtaͤhts nach der Sonne zu kehren; auch / mit ihrem untergange / ſich ſchlieſſen / und mit ihrem auf - gange / wieder oͤfnen. Ja dieſe blaͤtter bewegen ſich / im zuſchlieſſen dermaßen / und gehen mit ſolcher kraft zu - ſammen / daß ſie auch die naͤchſthaͤngenden ſchohten mit einklaͤmmen / und nicht eher loß laßen / als bis die ſon - ne wieder aufgehet. Die gruͤhnen Schohten oder fruͤch - te dieſes baumes / welche eigendlich Tamarinden / das iſt Indiſche fruͤchte / genennet werden / machen die Araber mit Zukker ein; und genieſſen ſie / wan ſie durch wuͤſteneien / in heiſſem wetter / reiſen / vor den durſt und brand. Dan ſie treiben alle verbrante feuch - tigkeiten / durch den ſtuhlgang / ab.
Von493Anmaͤrkungen.Vom Balſambaume haben wir droben in den Anmaͤrkungen bei der 1 zeile des 112 blats / ſchon ge - nug geſprochen.
DIe Egiptiſchen Bohnen ſeind ebenmaͤßig in den Anmaͤrkungen bei der 3 zeile des 116 blats gnugſam betrachtet: wie auch Bammia bei dem vo - rigen 225 blatte.
Von den Egiptiſchen Melohnen / haben wir in den Anmaͤrkungen zu den 3 erſten zeilen des 116 blats gehandelt.
Der Babian / oder vielmehr Bafian vom baf - fen und klaffen der hunde / das er nachtuht / des - wegen er auch ſo wohl / als von der geſtalt / bei den Grie - chen κυνοκέϕαλος, cynocephalus, das iſt Hundes - kopf / caniceps, heiſſet / genennet / iſt eine ſonderliche gattung der Affen: und daher heiſſet er auch Cerco - pitecus; und bei uns Hundesaffe. Luc. in Hermat. Plin. l. 7, & l. 8, c. 54. Agellius l. 9, c. 4. Pancirollus in Nov. repert. p. 406. welcher alhier / unter andern / meldet / wie Hermes Trismegiſt / oder die Egipti - ſchen Priſter / nach dem zwoͤlfmahligem waſſer-abſchla - gen / und eben ſo vielmahligem baffen und baͤllen des Bafians in einem tage / indem er ſolches / ſo oft eine ſtunde verlauffen / allezeit wiederhohlet / das Waſſer - uhr erfunden / wie auch die einteilung des tages in zwoͤlf ſtunden. Ohne zweifel hat hier von unſer wort ſtunde ſeinen uhrſprung: weil dieſe ſtuͤndliche zeit uͤber / des Bafians waſſer / ſamt ſeinem gebaffe / gleich - ſam ſtil ſtund; oder aber / weil nachmahls in den waſ - ſer - und ſand-leuffern / wan eine ſtunde vorbei war / des waſſers oder ſandes lauf ſtund / und zu lauffen auf - hielt / indem alles waſſer / oder aller ſand ausgelauffen. Von494KurtzbuͤndigeVon einem ſolchen Waſſeruhre / das / in der Egipti - ſchen ſtadt Achante / die tage und ſtunden eines gan - tzen jahres angezeiget / meldet Pierius in ſeinem 6 bu - che von den heiligen Bilderſchriften / am 57 und 58 bl[.]Daß aber der Bafian dem Serapis geheiliget gewe[-]ſen / bezeuget Viktorinus / mit dem Tullius. Und Plinius meldet / daß er auch dem Merkuhr zuge[-]weihet worden. Was er vor eine wunderliche gleichein[-]ſtimmigkeit mit dem Mohne habe / zeiget Pierius a[m]56 bl. des gemelten buches an. Von der geſtalt und dem gebrauche des Waſſeruhrs kan Apuleius / i[n]ſeinem 3 buche vom guͤldenen Eſel / geleſen werden[/]als auch in ſeiner erſten Verantwortungs-ſchrift / und Wilhelm Budeus ad l. ult. § defenſores. ff. de Mu - neribus.
Der Adeler vom Adel / den er vor allen andern Vogeln beſitzet / daher er auch vor ihren koͤnig gehalten wird / alſo genennet / ſcheinet daruͤm von den Lateinern Aquila, als ſagte man Acula, benahmet zu ſein; weil er ein ſo gar ſcharfes geſichte hat / daß er auch mit un - verwanten augen in die ſtaͤrkſten ſonnenſtrahlen hinein ſehen kan. Plinius meldet im 3 h. ſeines 10 b. von ſechs ahrten der Adler: als da ſind / der Bein - oder ſtein-brecher / Oſſifragus oder Oſſifraga, welcher der ſtårkeſte und groͤſte unter allen iſt / und daruͤm alſo geneñet wird / weil er die beine von der hoͤhe auf den ſtei - nen in ſtuͤkke fallen leſſet: der Bunte Adler / Hete - ropus, deſſen rechtes bein himmelblau / das linke / mit dem ſchnabel / dunkelbraun und weislicht / der leib auch dunkelbraun / mit ſchwartzen flekkern durchſchaͤkkert / gleichwie der hals / ſamt der bruſt / das uͤbrige aber ſchwartz gefaͤrbt: der Entenſtoßer oder Entendieb / Aquila Anataria, und Clanga oder Planga: der Flek - adler / Aquila nævia, oder Schildkroͤhtenfreſſer / welcher die ſchildkroͤhten von der hoͤhe herab auf einenſtein495Anmaͤrkungenſtein in zwei fallen leſſet. Und durch einen ſolchen ſchildkroͤhtenwurf hat Eſchiles / der Trauerſchauſpie - le erfinder / wie Kwintilian bezeuget / ſein leben ein - gebuͤßet. Dan als er unter dem bloßen himmel bloßes heuptes ſaß / da warf ihm einer von dieſen Adlern / der ſeine glatze vor einen ſtein anſahe / im fluͤgen eine Schildkroͤhte auf das heupt / dergeſtalt daß es zer - ſchmettert ward; wie Valerius Maximus im 12 h. ſeines 9 b. erzehlet. Beſiehe auch unſere Horaziſche Sittenlehre / am 64 und 65 bl. des 2 Teiles. Der Fiſchadler / Haliæetus, Aquila marina, welcher der ſchwaͤchſte unter allen: der Weisſchwantz / Pygargus, welcher am allerlaͤngſten lebet; weil er ſein weiblein ſelten / und anders nicht / als mit großen ſchmertzen der augen / beſteiget. Welcher unter dieſen ſechs geſchlech - tern der Adler den Egiptern ſei heilig geweſen / ſtehet im zweifel. Doch urteilen etliche / daß es der erſte / naͤhmlich der Beinbrecher / als der edleſte / guhtahr - tigſte und ſtaͤrkeſte / ſei. Waruͤm er aber dem Jupiter geheiliget / und unter das Geſtirne geſetzt worden / darvon kan unſer Dichteriſcher Sternhimmel am 175 / 176 / 177 und 178 blatte geleſen werden.
Von den uͤbrigen Tieren und Vogeln haben wir ſchon hier und dar meiſtenteils erklaͤhrung getahn. Daruͤm wollen wir nur allein noch etwas vom Son - nenvogel beibringen. Alſo nennen wir den vogel Foͤnix auf Hochdeutſch / gleichwie er auch bei den La - teinern Avis Titania, und Soligena heiſſet: weil er / durch die aufgehenden ſonnenſtrahlen / gleichſam wie - dergebohren wird / und derſelben glaͤntzende farbe fuͤh - ret; daher er auch ϕοίνιξ heiſſet / und nicht vom bau - me Foͤnix / welcher eine gattung der Palmen iſt / und / nachdem er verwelket / ſich aus ſich ſelbſten ver -[j]uͤnget / wie Plinius in 2 h. des 10 b. meinet. Von ſeinem alter / als auch vom orte / da er ſich aufhelt /und496Kurtzbuͤndigeund dem tode / den er ihm ſelbſt antuht / oder vielmehr ſeiner verjuͤngung / ſeind ſehr viel unterſchiedliche mei - nungen: davon unſer Dichteriſcher Sternhim - mel / am 311 / 312 und 313 bl. als auch Pierius in ſeinen heiligen Bilderſchriften / am 198 / 199 bl. kan geleſen werden. Unter andern gedenken auch dieſes Vogels Hieronimus an den Preſidius / Klau - dian / Tzezes im 5 b. ſeiner Geſch. Ateneus im 14 b. Filoſtratus / Herodotus im 2 b. Seneka im 4 Sendeſchr. Solinus / Mela / Albertus / Ortel in Titana, Adamantzius / Laktantz / im 10 b. 2. h. Ovidius im 15 ſeiner Verwandlungsbuͤcher / und im 2 ſeiner Liebsgedichte / Artemidor von den treumen / Tazitus im 14 ſeiner Jahrgeſch. Aldrovand / und Jonſtohn am 152 bl. ſeiner Tiergeſch. Kauſſinus / von den Egiptiſch. Sinbild. am 71 und 127 bl. Ter - tullian von der Auferſtehung des fleiſches. Etliche wollen gleichwohl nicht geſtehen oder gleuben / daß ie - mahls ein ſolcher Vogel in der welt geweſen / unange - ſehen daß es ſo unzehlich viel Schreiber bejahet. Und dieſe / ob ſie ſchon ſo unterſchiedlich davon ſchreiben / ſeind doch in dem alle einhaͤllig / daß der Sonnenvo - gel ſich verjuͤnget oder ſelbſt wiedergebaͤhret. Ja die meiſten ſtimmen auch hierinnen zuſammen / daß ſol - ches in der Sonnenſtadt / das iſt zu Heliopel in Egipten / wie die Prieſter alda ſelbſten bezeugen / ge - ſchehe: wiewohl Ovidius ſchreibet / daß der alte Sonnenvogel ein neſt von vielerhand koͤſtlichen ge - wuͤrtzen auf einen Palmenbaum mache / und ſich darinnen / indem die heiſſen ſonnenſtrahlen das gewuͤrtz angezuͤndet / verbrennen laße; ja daß erſt darnach der junge Sonnenvogel / der aus des alten aſche ge - wachſen / ſolches neſt / als des alten grab / und des jungen wiege / nach Heliopel / vor das Goͤtzenhaus der Sonne trage: da der allererſte Sonnenvo -gel /497Anmaͤrkungen.gel / wie der von Atehn meldet / ſol entſproſſen ſein.
Muͤnſter ziehet / in ſeiner Weltbeſchreibung / ei - nen Brief des Mohrenlaͤndiſchen Koͤniges von dieſem Vogel an den Pabſt zu Rohm an; darinnen unter an - dern dieſe worte ſtunden: In unſerem Gebiete be - findet ſich der Vogel Foͤnix / deſſen lebensjah - re ſich auf 300 erſtrekken. Dieſer flieget uͤm das ende ſeines lebens ſo hoch gegen den Himmel auf / damit er durch die ſonne angezuͤndet wer - de. Hierauf ſchwingt er ſich wieder herunter in ſein neſt; da er gantz verbrennet. Aber aus der aſche wird ein Wurm gebohren; daraus endlich ein ander ſolcher Vogel waͤchſet. Man beſchreibet ihn ſo groß als einen Adler / mit goldſtrahlenden federn uͤm den hals heruͤm / und auf dem uͤbrigen leibe pur - purroht; auch mit einem himmelbauen ſchwantze / welcher mit roſenfaͤrbigen flekkern durchſpraͤnkelt / und auf dem heupte mit einer zierlichen federkrohne.
MAtarea oder Mattaria / welches zwiſchen ei - nem kleinen Seepfuhle und einem Waſſergraben / 7000 ſchritte von Alkeir / und 250 von Heliopel lie - get / iſt in den Geſchichten / als ein ort / dahin die Jungfrau-Mutter mit dem Heilkinde Jeſus / vor dem Wuͤhteriche Herodes geflohen / gnugſam bekant: wie auch der alte Egiptiſche Feigenbaum alda; wel - cher nicht ſehr hoch iſt / aber ſeine mit vielen reiſern be - wachſene zakken zimlich weit ausbreitet. Die Egipter nennen ihn Giumez oder Giumes / und die Egipti - ſche Kriſten / Tin el Pharaon, das iſt Faraons feige: die Griechen aber συκάμορος, als wolten ſie ſagen Fei - gen-maulbeerbaum / oder ein MaulbeerbaumJ imit498Kurtzbuͤndigemit Feigen; weil der gantze baum / dem ſtamme / den zakken / fruͤchten / der milch und farbe nach / dem Fei - baume / mit der geſtalt aber und groͤſſe der blaͤtter / dem Maulbeerenbaume gleichet; wiewohl ſeine blaͤtter dikker ſeind / und des winters niemahls abfal - len. Aber er waͤchſet nicht allein in Egipten / ſondern auch im heiligen Lande ſo heuffig / daß er in der heiligen Sprache nicht in der einzelen / ſondern mehrern zahl〈…〉〈…〉 genennet wird. Seine fruͤchte pflegen wir ſonſt Adams-feigen zu nennen. Eben ein ſolcher baum war derſelbe / darauf Zacheus / bei dem Heil - verkuͤndiger Lukas im 19 h. geſtiegen / den HERren Kriſtus zu ſehen. Daruͤm haben die uͤberſetzer / wel - che das wort συκομοράια an gemeltem orte Maul - beerenbaum gegeben / die rechte ahrt des baumes nicht getroffen. Dan es war gantz kein Maulbeer - baum; weil er dem Feigenbaume bei weitem mehr gliche / als jenem / ja gantz andere fruͤchte / naͤhmlich Feigen / trug. Dieſe Feigen ſeind von innen hohl / auch ſonſten an geſtalt von den andern gemeinen feigen in etwas unterſchieden. Sie wachſen auch nicht / wie jene / oben an den zakken / ſondern dicht bei dem ſtamme: welcher allezeit mus aufgeritzt werden / wan der baum tragen ſol; ſonſt bleibt er unfruchtbar / eben wie jener / daran der HERꝛ Kriſtus keine Feigen fand / und ihn deswegen verfluchte. Dergleichen beume / wel - che ſehr alt werden / auch / wan ein zweig darvon in die erde geſtekt wird / ſich bald bewurtzeln / und in die hoͤhe ſchieſſen / pflegt man laͤngſt den Nielstaͤmmen hin / wie bei uns die Weiden bei den waſſergraͤben / zu pflantzen; damit das erdreich / durch ihre wurtzeln / zuſammengehalten / und vom Niele nicht abgeſpuͤhlet werde. Und eben daher lieſet man bei dem beruͤhmten Rechtsgelehrten Ulpian / da er von auſſerhalbgewoͤhn - lichen Mistahten handelt / dieſe ſatzung: daß nie -mand499Anmaͤrkungen.mand ſich unterfangen ſol einen Egiptiſchen Feigenbaum auszurotten. Daß aber der uhralte Egiptiſche Feigenbaum bei Matarea keinen men - ſchen / der in unehren gezeuget iſt / unter ſeinen Zakken ſol hingehen laßen / wie etliche ſchreiben / ſcheinet nur ein maͤhrlein zu ſein. Hierunter gehoͤhren auch manche er - zehlungen vom Sonnenbrunnen; welcher nicht weit darvon lieget / und von den Tuͤrken ſelbſt / eben wie ge - melter Baum / gleichſam vor heilig gehalten wird.
BUbaſt / βού〈…〉〈…〉 αςο, lieget / nicht weit von Heliopel / am euſerſten arme des Niels / nach Kanaan zu. Ziegler meinet / daß es Vicus Judæorum ſei: wiewohl Wiſſenburg daran zweifelt. Joſefus meldet / aus dem Maneton / daß es vor alters Avaris geheiſſen: welches etliche Caſtra Judæorum nennen.
Tebe / welches Theodor aus Sizilien ſehr herꝛlich beſchrieben / pflegen viele Dioſpolis / auch wohl Buſi - ris / und die Ebreer No-ammon / oder Ammon-no zu nennen. Etliche wollen es vor eine nicht ſehr alte Stadt halten. Gleichwohl meldet Kircher / im 1 teile ſeines Egipt. Oedipus am 85 blatte / daß Misraim ihren grund geleget: und andere / daß Buſiris ſie ge - bauet / oder vielmehr ihren bau vermehret / und die ſtad erweitert. Homerus nennet ſie ἑκατόμπυλον, das iſt ei - ne hundert-tohrige. Auch ſchreibet Juvenal / in ſei nem 15 Schimpfgedichte:
Und dieſe Tohre ſollen alle haͤngende geweſen ſein / wi etliche wollen / alſo daß die Koͤnige gantze kriegs heere i ſolcher ſtille aus und ein gefuͤhret / daß es die buͤ gerſchaft nicht einmahl gewahr worden. Andere ſchreJ i ijben500Kurtzbuͤndigeben / daß es keine haͤngende Tohre geweſen: ſon - dern hundert unter der ſtadt hin gantz uͤberwoͤlbete Schwibbogen; dadurch die Koͤnige ihre voͤlker gleichſam unſichtbar aus der ſtadt / und wieder hinein fuͤhren koͤnnen. Wieder andere halten dieſe 100 tohre vor ſo viel fuͤrſtliche Schloͤſſer: noch andere vor ſo viel Prunktuͤhren der Goͤtzenheuſer; oder auch Pfer - deſtaͤlle / bei dem Niele / da man in einem ieden 200 pferde geſtallet. Von der macht dieſer herlichen Stadt ſagt Kato bei dem Steff an von Bizantz / daß ſie 30300 Doͤrfer / 700000 Menſchen / 3700 morgen lan - des / und 400 waͤlſche meilen in ihrer laͤnge / begriffen; und Euſtatius ſchreibet dieſer laͤnge noch 20 waͤlſche meilen mehr zu: da doch Strabo im 17 b. welches auch gleublicher / nur 80 zehlet; ja Diodor ihren uͤm - kreus auf 140 uͤmſchraͤnket. Aber hiervon ſchreibet Bochart / in ſeinem Faleg am 314 und 315 blate / ausfuͤrlicher. Zu Strabons zeiten lag dieſe praͤch - tige ſtadt ſchon uͤber einen hauffen / und ward nur ſtuͤk - weiſe bewohnet.
DAher iſt das Griechiſche ſprichwort: ἐκ τοῦ ὀρᾷν γί - νεσϑ〈…〉〈…〉 τὸ ἐρᾷν. Und wir ſagen faſt eben auf den ſchlag: durch ſchauen / komt trauen. Ja eben da - her gebrauchet der beruͤhmteſte Schauſpielſchreiber un - ter den Lateinern / vor chariſſimus, das wort oculiſſi - ms, das iſt / einer den man nie aus den augen laͤſ - ſel vor großer liebe; mit einem worte / der Aller - lioſte. Dan die Augen ſeind die fuͤhrer / und zugleich anzeiger der Liebe. Sehr ahrtig ſpielet Katullus / wan er an ſeinen Mitbuhler ſchreibet:
Der verſtand iſt: wan du wilſt / daß Katullus dich mehr / als hertzlich / lieben ſol; ſo mache ihm daſſelbe / das er mehr / als hertzlich / liebet / wan man ie etwas mehr / als hertzlich / lieben kan / nicht abwendig. Aber hiervon beſiehe / was wir bei der 8 zeile des 21 bl. angemaͤrket.
Διϕθέρα, diphthera, das iſt / ein fel von einem tie - re. Alſo nennet man gemeiniglich des Jupiters Ge - ſchichtbuch; darinnen er alles / was geſchiehet / auf - zuzeichnen gewaͤhnet wird. Wir heiſſen es alhier ſeiner Amme fel; weil es vom Pergament aus der zie - gen Amalteen felle / welche ihn geſeuget / wie die alten Dichtmeiſter gedichtet / ſol geweſen ſein. Mel - chior Guilaldinus, in tractatu de Papyro; Pancirollus l. 2, tit. 13, p. 627. Sonderlich kan hiervon unſer Dichteriſcher Sternhimmel am 90 / 91 / 126 / 127 / und 128 bl. geleſen werden; da wir ausfuͤhrlich erklaͤh - ret / wer dieſe Amaltee eigendlich geweſen / und was die alten Dichtmeiſter darvon gedichtet. Von dieſem Felle / oder vielmehr Tagebuche des Jupiters ſeind unter den Griechen unterſchiedliche ſprichwoͤrter ent - ſtanden. Wan einer etwas / das unbekant / ſeltzam / oder ſo alt und verjahret zu ſein ſchien / daß niemand mehr darvon wuſte / oder aber was ſonderliches ſein ſol - te / vorbrachte; ſo pflegte man gemeiniglich zu ſagen: ἀρχαιό τερα διφθέρας λαλεῖς, du bringeſt dinge vor / die aͤlter ſeind / als Jupiters Ziegenfel / das iſt / Verzeichnuͤs. Dieſem zur folge haben wir an einen kluͤgelſuͤchtigen Naſeweiſen / der ihm mehr zu wiſſen einbildete / als alle andere Menſchen / eines mahls ge - ſchrieben:
J i iijDu502KurtzbuͤndigeDan das wort diphthera heiſſet bei dem Ariſtofanes / da er von einem Ziegenhuͤrten redet / und dem Lu - zian / auch ein lederner oder beltzerner Mutzen / aus Ziegen - oder Schafs-fellen / den die Huͤr - ten / Schaͤfer / und Schaͤferinnen tragen / rheno, paſtoritius, Arnacis Varroni. Daher wird ein Huͤr - te bei dem Pollux Διϕϑερίτης, und eine Huͤrtin διϕτερίπς genennet. Auch pflegten die alten Griechen von ihrem Jupiter / wan er / nach langem verzuge / iemand boͤſes oder guhtes vergolt / zu ſagen: ὁ Ζεὺς κα - τεῖδε χρόνιος ἐις τὰς διϕϑέρας, das iſt / Jupiter hat endlich einmahl in ſein Ziegenfel geſehen. Faſt eben dahin zielet auch unſer ſprichwort: Gott kan uns wohl eine zeit lang unſere zeche borgen; oder durch die finger ſehen. Daß man aber nicht allein vor alten zeiten auf der Tiere felle geſchrieben / ſon - dern auch noch itzund; ſolches bezeuget unſer Perga - ment / welches ſo viel geſagt iſt / als Pergamiſches ſchreibefel. Dan in der beruͤhmten Aſiſchen ſtadt Pergam oder Pergamus / die der fuͤrtrefliche Artzt Galenus / als ſein Vaterland / wie Leuenklau ſchreibet / noch beruͤhmter gemacht / ſeind nach Var - rons und Plinius im 11 h. des 13 b. zeugnuͤſſe / die Schreibefelle zum erſten erfunden; und nach ihrem nahmen Pergament oder Pergameen / Charta Pergamena, gleichwie das wort Charta ſelbſt von der ſo benahmten Tiriſchen ſtadt / genennet worden. Man ſchreibet zwar die erfuͤndung des Pergaments dem Eumenes zu / welcher eben eine ſolche Buͤcherei / als Ptolemeus Filadelf / zu Alexandrien in Egip -ten /503Anmaͤrkungen.ten / angefangen / zu ſtiften geſonnen: weil aber Jo - ſefus in ſeinen Juͤdiſchen Geſchichten meldet / daß Eleaſar / der Hohe Prieſter zu Jeruſalem / die Hei - lige Schrift auf ſehr zahrtes Pergament geſchrie - ben / gemeltem Ptolemeus / ſchon vorher durch die ſiebenzig uͤberſetzer zugeſchikt; ſo iſt wahrſcheinlich / daß Eumenes der erſte erfinder nicht ſei / ſondern nur an - ſtalt gemacht / daß das Pergamentmachen eifri - ger fortgeſetzet worden. Zudem ſeind die meiſten buͤ - cher in der Alexandriſchen Buͤcherei / welche ſich / als ſie unter dem Koͤnige Baſiliskus verbrante / auf 120000 belieffen / meiſtenteils auf Pergament ge - ſchrieben geweſen. Unter andern war in dieſer herli - chen Buͤcherei ein Trachenfel oder Eingeweide von einem Trachen / 120 fuͤße lang: darauf man alle Werke des Homerus / ſamt der Geſchicht der Helden / mit guͤldenen buchſtaben geſchrieben; wie Jo - han Zonaras im 3 teile ſeiner Jahrbuͤcher aufge - zeichnet.
DIeſes alles findet man bei dem Araber Joſef Ben Altifaſi / und Ben Salamas / in ſeinem Garten der Wunder der welt: welcher auch zugleich meldet / daß des Schurs Großvater Schariak / ge - weſen.
EBen derſelbe Salamas erzehlet dieſes gleichfals an gemeltem orte. Hierbei kan auch Peter Bello - nius / da er von den Egiptiſchen Grabſpitzen han - delt / geleſen werden; als auch Fuͤrſt Radziviel in ſei - nem Reiſebuche.
VOn allen dieſen Goͤtzenbildern iſt droben / in den Anmaͤrkungen bei dem erſten und andern blatte / auch hier und dar in der folge gehandelt wor - den. Auch kan hierbei Kirchers Egiptiſcher Oe - dipus / da er dieſe Goͤtzenbilder / mit den heiligen Bilderſchriften der Leichen / weitleuftiger erklaͤhret / geleſen werden.
VOn den Sarapen haben wir ebenmaͤßig in den Anmaͤrkungen bei der 27 zeile des 7 bl. gnugſame erklaͤhrung getahn. Von den Papiernen Rollen / die man in die Saͤrge zu legen pflegte / kan obgemelter Kircher in ſeinem buche von den Gebalſemten und ausgeduͤrreten Leichen der Egipter geleſen werden. So kan man auch hiervon den Guhterus / in ſeinem bu - che von den Geiſtern / da er unter andern beweiſet / daß die Roͤhmer in den Leichengepraͤngen den Egiptern faſt gantz gefolget / aufſchlagen. Niemand aber hat al - les / was zu den Egiptiſchen gebalſemten Leichen gehoͤ - ret / beſſer und ausfuͤhrlicher beſchrieben / als gemelter Kircher in ſeinem Buche von der Egiptiſchen Bilder - ſchrift; als auch Johan Nardius / in ſeinen An - maͤrkungen uͤber den Lukretz / und Peter della Valle.
VOn den ewig brennenden Lichtern / ob ſie die Al - ten zu machen gewuſt / fallen vielerhand unter - ſchiedliche meinungen vor. Die ſolches bejahen / fuͤh - ren etliche beiſpiele zum beweis an: als unter andern das ewig brennende Licht / welches im 1401 jahre /ſamt505Anmaͤrkungen.ſamt des Pallas Rieſenleichnam / ein bauer / nicht weit von Rohm bei der Tiber / gefunden / mit dieſer Grabſchrift / welche Volaterran aufgezeichnet:
Dieſe Lampe hatte ſchon uͤber 2000 jahre gebrant / und brante noch / gegen wind und waſſer / bis ſie unverſe - hens ein loch bekahm / und die feuchtigkeit heraus lief; da ſie ſtraks verloſch. Noch ein anderes ewig brennen - des Licht hat man zur zeit Pabſt Pauls des dritten / auf dem Appiſchen wege vor der Stadt Rohm / in des Zizerons Tochter begraͤbnuͤſſe / gefunden; und darbei dieſe Grabſchrift:
Den unverbrenlichen ſteinichten Flachs / davon dieſe ewigbrennende daachte / welche die Franzoſen menthe ſans fin heiſſen / gemacht waren / nennen die Griechen ἀσ〈…〉〈…〉 έςινον Asbeſtinum, welches man von ἄσ〈…〉〈…〉 ε - ςον, das iſt unausleſchlich / gebildet. Dieſer Flachs ward aus einem eiſenfaͤrbigem ſteine gemacht; wie Plinius im 10 h. des 37 buchs aufgezeichnet. Von etlichen wird der ſtein ἀμίαντος, amiantus genennet: wiewohl andere jenen von dieſem unterſcheiden. Ἀμίαν - τος heiſſet ſonſt rein / unbeſudelt / unbeflekt. Da - her ἀμίαντος λίθος, lapis intemeratus, immaculatus, ein unbeflekter ſtein. Plinius nennet ihn linum vivum, lebendigen flachs: die Griechen aber ἄσ〈…〉〈…〉 εςον und ἀσ〈…〉〈…〉 εςινὸν λίνον, unausleſchlichen lei - nen flachs. Die Hochdeutſchen geben ihm vielerlei nahmen: als Federweis / Erdflachs / Salman - derhaar / Katzenſilber / Glimmer / Pliant / As - beſt / und Amiant. Der ſtein ſelbſten waͤchſet aufJ i vdem506Kurtzbuͤndigedem Inlande Zipern / iſt dem gegrabenen Allaun faſt gleich / und wan er ins feuer geworfen wird / bleibt er unverſeeret / und rein. Auch hat man ehmahls tuͤcher darvon gemacht; welche / wan ſie beſchmutzt waren / aus - gebrant / und durch das feuer / wie das Leinwand durch das waſſer / rein gemacht warden. Plinius l. 36, c. 19. Dioſcorides l. 5, c. 119, 148. Georg. Agricola, En - celius, &c,
DIeſer Irhof wird Labyrinthus ad Lacum Mæri - dis genennet / und lag nach Krokodilsſtadt zu / wie Herodotus / und Plinius melden: da auch Maͤris ſol begraben liegen. Herodotus teilet ihn in zwoͤlf Hoͤfe / Plinius aber in ſechzehen. Hierinnen lag / unter andern / des Simendis oder Iſmendis Grabbau / zwee morgen landes lang / und 45 ellen hoch.
DAß die Ebreer der Huͤrtenlieder erfinder gewe - ſen / haben wir in einem Gedichte vor unſrem Sa - lomoniſchen Geiſtlichem Huͤrten-liede / oder Ho - hem Liede / wie es ins gemein genennet wird / als auch noch mehr in einem unter der Hoͤchſtpreiswuͤrdi - gen Deutſchgeſinneten Genoſſenſchaft Sende - ſchreiben / erwieſen. Von den Schatten-liedern / das ſeind Huͤrtenlieder unter dem ſchatten / wel - che die Waͤlſchen itzund / mit einem neuen nahmen / Madrigalen nennen / hat Kaſpar Ziegler / ein Leip - ziger / im 1653 jahre einen zimlichen Unterricht her - aus gegeben. Aber ich wundere mich / daß er ſchreiben darf: das kleinſte Schattenliedlein habe bei den Waͤl - ſchen weniger nicht / als fuͤnfreimbaͤnde / und das laͤng - ſte niemahls mehr als funfzehn; ja er hette nur eines von ſechzehen bei Johan Baptiſt Leonen geſehen. Aber507AnmaͤrkungenAber ich finde bei dem Ritter Guarin eines von ein - undzwanzig reimen / ja ein anderes gar von dreiund - zwanzigen / nicht liederweiſe eingeteilet / ſondern in ei - nem zuge hin: und bei eben demſelben noch ein anderes mit vielen Saͤtzen; darinnen ieder ſatz nur vier reime begreiffet. Gleichwohl wil ich gern geſtehen / daß ich die - ſem Ritterlichen Dichtmeiſter / und mehr andern der Waͤlſchen / die dergleichen getahn / hierinnen keines weges folgen wolte; ſondern das gantze Schatten - liedlein / wan es in einem ſatze beſtehet / mit gemel - tem Ziegler / viel lieber auf das allerhoͤchſte mit funf - zehen reimbaͤnden ſchlieſſen. Vor dieſem haben die Waͤlſchen vom worte Madrigaal gantz nichts ge - wuͤſt; ſondern dergleichen Schattenliedlein / derer Petrarche ſelbſten etliche gemacht / zu und nach ſeiner zeit / nur ſchlecht hin Canzon ein lied / oder Canzo - nette ein liedlein genennet. Aber laßet uns hoͤren / was der Koͤnigliche Franzoͤſiſche Geheimverpfleger und Tahlmetſcher / der hoͤchſtloͤblichen Deutſchgeſin - neten Genoſſenſchaft Mitglied / unter dem Zunft - nahmen des Deutſchliebenden / P. Benſe-dupuis, in ſeinem Apollo von der Waͤlſchen und Spaniſchen Dichterei / am 177 / und 178 bl. hiervon ſchreibet. Le Madrigal, ſagt er / peut eſtre comparé auſſi bien, que le Sonnet, à l’ Epigramme des Latins & des Grecs, c’eſt le moindre de tous les Poëmes Liriques: & la ſeule difference, qu’il y peut avoir entre l’Epigramme, & le Madrigal, eſt, que le Madrigal ſe chante, & l’ Epi - gramme non. Je ne trouve point que le mot de Ma - drigal ait eſté connu des Anciens, au moins ay-je pris garde, que dans les vieilles impreſſions de Petrarque il n’en eſt de tout point fait de mention: & ceux, qui ont commenté les premiers cét Autheur, ſe ſont con - ten tez d’appeller du nom commun de Chanſon, ou du diminutif Chanſonette, ce que modernes appellent Ma -drigal508Kurtzbuͤndigedrigal. Bembo meſme en ſes Aſolans ne luy donne point d’autre nom, non plus qu’Horace n’appelle pas moins Odes, celles de huict vers, que celles, qui en contien - nent cinquante. Ainſi cét Autheur au dernier Livre parlant de la Chanſon, qui fit chantée par cette Da - moiſelle, qui ſervoit d’Eſchanſon à la Reine, la qualifie de Chanſonette. Queſta Canzonnetta cantò tanta pia - cevolezza, e con maniere coſi nuove, &c. Et Lodovico Dolce, en ſon Traité de la Poëſie vulgaire, l’allegue puor exemple des Madrigaux, qui ſortent des ſuiets Ruſtiques, pour traitter de matieres plus relevées.
Lorentz Franzoſien von Florentz beſchreibet das Schattenliedlein / daß es eine gattung der Ge - ſaͤnge / oder zuſammenfuͤgung der Reimbaͤnde ſei / welche die Huͤrten zu ſingen pflegen. Ma - drigale, ſagt er / una ſorte di canzone, o compoſizion di verſi, che ſolevano cantare i paſtori. Und an einem andern orte ſchreibet eben derſelbe: Madriale o Madri - gale, poëſia lirica, non ſoggetta à regola di rime, das iſt / das Schattenliedlein iſt eine liederdichterei / den geſetzen des reimes nicht unterworfen. Hierzu fuͤ - get er auf Spaniſch: Madrigal villanzico, das iſt / das Madrigaal iſt ein Feldgeſang / ein Geſang / denman509Anmaͤrkungen.man auf dem lande oder felde ſinget: welches eben ſo viel geſagt iſt / als ein Schaͤferlied / oder Huͤr - tengeſang. Alſo erklaͤhret auch des Spaniſche wort Villaneſcas der Herꝛ Iſola in einem an mich abgelaße - nem ſchreiben / da er von den Schattenliedern han - delt. Villaneſcas, ſchreibet er / canzoni, che ſoglion cantare i contadini, das iſt / ein geſang / den die landleute oder bauren zu ſingen pflegen. Aber ein ander beſchreibet das Spaniſche wort Villanzico, nicht als ein Feld - oder Huͤrten-lied / ſondern als einen Freudengeſang auf ein froͤhliches feſt: una ſorta di canzonetta allegra, che ſi canta in feſte d’alle - grezza, come per natale, &c. Und bei dem Korne - lius Kilian wird es Cantio celerior Italica, ſive Mu - ſica levicula genennet. Dem ſei nun wie ihm wolle / ſo erſcheinet doch aus allen uͤmſtaͤnden / daß dieſe Lie - derahrt vor alters anders nichts / als eine gattung der Schaͤfer - oder Huͤrten-lieder / geweſen; und darnach erſt zu allerhand andern vorfaͤllen / als ein kurtzbuͤndiges Sin-gedicht / gebraucht worden. Dan wir ſehen augenſcheinlich in allen dergleichen al - ten Liederahrten / daß ſie von nichts anders / als von buͤſchen / beumen / wieſen / taͤhlern / weiden / bluhmen / fluͤſſen / baͤchen / vogeln / ſchatten / und dergleichen in buͤſchen und auf feldern befindlichen dingen handeln. Aber wir wollen den beruͤhmten Deutſchliebenden noch einmahl hoͤren / was er am 179 bl. ſeines obge - melten Apollons hiervon urteilet. Les Italiens, ſchreibet er / l’appellent Madrigale, & par ſincope Ma - driale, du nom Mandra, qui veut dire troupeau, berge - rie, loge ou caverne, où les bergers ſe retirent. Le mot de Mandra eſt Grec, & ſignifie caverne: & de là vient, qu’en la primitive Egliſe celuy, qui eſtoit Superieur entre ces anciens Pere Grecs, qui vivoient dans les de - ſerts, & qui n’avoient pour demeure que les antres& les510Kurtzbuͤndige& les cavernes, qu’ils y pouvoient rencontrer, ſ’ap - pelloit Archimandrita, c’eſt à dire, Chef de troupeau. De ſorte qu’il nous faut dire, que le Madrigalen ſon commencement n’eſtoit autre choſe qu’une Chanſon pa - ſtorale & ruſtique, que les Bergers chantoient dans leus Bergeries, ou pluſtoſt, comme dit Couarruvias autheur Eſpagnol, dans les Cavernes, où ils ſe retiroient ſur le midy, pour laiſſer paſſer la grande chaleur. Et de fait Petrarque en ceux, qu’il nous a laiſſez, qui ſont en fort petit nombre, ne parle que d’eaux, de rivieres, de fontaines, de ruiſſeaux, de glace, d’arbres, de bois, d’herbes, de fleurs, d’oiſeaux, d’ ombrages & autres cho - ſes champeſtres, & boſcageres. Mais à preſent l’on ſ’en peut ſervir pour toutes ſortes de ſuiet. Et nous pou - vons dire des Madrigaux ce, que Ceſar Scaliger dit des Epigrammes, Epigrammatum genera tot ſunt, quot rerum, il y a d’autant de ſortes de Madrigaux, qu’il y a de ſortes de ſujets. Et à quelque matiere que le Ma - drigal puiſſe eſtre appliqué, pourveu que le ſuiet en ſoit bien pris, que la pointe ſoit ſubtile, & ſans cette contrainte, que Hugo Grotius condamne ouvertement dans les Epigrammes, nihil poteſt eſſe tam fatuum, quàm extortum Epigramma; il ſera touſjours de miſe, & pourra paſſer pour bon. Hier ſiehet man / daß der Deutſchliebende das wort Madrigal herleitet vom Griechiſchen μάνδρα: welches ſo viel heiſſet / als ein ſtal / oder eine bucht des viehes / oder die Huͤrden / darinnen man die ſchafe des nachtes einſperret; als auch eine hoͤhle / bei dem Teokritus in ſeinem 5 Ge - dichte; ja ſelbſten ein ort / da der wein / in den Wein - bergen / gekeltert wird. Vom worte gal / das dem gemelten μάνδρα, daraus man das ν oder n wegge - laßen / zu ende beigefuͤget wird / erinnert er zwar nichts. Aber ich halte / daß es ſo viel heiſſen ſol / als ein lied oder geſang / oder vielmehr hal / ſchal / klang. Dangallen511Anmaͤrkungen.gallen hat bei den alten Deutſchen hallen oder ſchal - len / auch wohl ſingen und klingen bedeutet: wie das noch itzt uͤbliche niederdeutſche galm / das iſt ein hal / oder widerſchal / ein zuruͤkprallender klang / und unſer Nachtigal / welches ſo viel heiſſen ſol / als ein Vogel / der des nachtes gallet / hallet / ſinget / klaͤhrlich bezeugen. Und alſo heiſſet das wort Madrigal ſo viel als ein Stal - oder Huͤrden-lied / ein Heer - den - oder Huͤrten-geſang / oder aber ein Hoͤhlen - lied; welches die Huͤrten oder Schaͤfer bei ihren Huͤr - den oder Heerden in den hoͤhlen geſungen. Wir haben es lieber ein Schattenlied geben wollen; weil es die Huͤrten / wan ſie uͤm den heiſſen mittag / vor der ſon - nenhitze / entweder in den hoͤhlen / oder unter dikbelaub - ten beumen / unter dem ſchatten geruhet / zu ſingen pflegen. Es iſt auch nichts fremdes / daß die Waͤlſchen das letzte wortglied gal in Madrigale von den Deut - ſchen entlehnet; weil nicht allein ſie / ſondern auch die Spanier / ob ſie uns ſchon ſo fern entlegen / ja noch weit mehr die Franzoſen mit vielen andern woͤrtern derglei - chen getahn. Die Waͤlſchen haben auch das wort gal - lillo, das iſt / ein gloͤklein / oder auch die Luftroͤh - re im ſchlunde oder halſe / dadurch der hal und klang der ſtimme gehet oder gemacht wird. Dieſes iſt nirgend anders her / als aus unſerem alten deutſchen gallen (daraus auch galm / eben wie aus hallen / hals / und halm / den die Huͤrten zur pfeiffe gebrau - chen / gebildet) entſproſſen. Ja eben daher hat das La - teiniſche wort Gallus, das iſt ein Hahn / der durch ſeinen haͤllen hal den tag anzeiget / ſelbſten / und nicht vom alten nahmen der Franzoſen Gallus, wie etliche / weil die Haͤhne zuerſt in Frankreich ſollen entſproſſen / oder in großer maͤnge / zum fechten oder Hahnenkampfe / erzogen ſein / fuͤrgeben / ſeinen uhrſprung gewonnen. Dan dieſer Voͤlker nahme Gallus, oder zuerſt des gan -tzen512Kurtzbuͤndigetzen Reichs / Gallia, iſt ohne zweifel vom Hahne / den ſie Gallus vom gallen oder hallen genennet / indem er ſich alda hauffenweiſe befunden / entſprungen. Und al - ſo heiſſet Gallia ſo viel als Hahnenland: gleichwie Spanien Kaninenland / und Luſitanien / wel - ches nun Portugal genennet wird / Mandelnland / weil man in jenem viel Kaninen / und in dieſem viel Mandelnbeume gefunden / dem uhrſprunge der woͤrter nach / bedeuten. Dan Spanien hat ſeinen nahmen nicht vom Waldgoͤtzen Pan / wie Soſtenes im 13 b. und andere treumen / ſondern vom Ebrei - ſchen oder Foͤniziſchem worte〈…〉〈…〉 ſaphan, daß iſt ein kanien / daraus〈…〉〈…〉 Sphanija oder Spania gebil - det: und Luſitanien auch nicht vom erdichteten Lu - ſus / wie Plinius / aus dem Varro / im 1 h. des 3 b. meldet / ſondern von〈…〉〈…〉 lus, das iſt eine Mandel oder ein Mandelbaum / bekommen. Und dieſe nahmen ſcheinen ihnen die Foͤnizier oder Kananeer / als ſie von den Kindern Iſraels aus Kanaan verjagt wor - den / und ſich in dieſen laͤndern niedergelaßen / gege - ben zu haben. Mir iſt im uͤbrigen auch ſehr wohl be - kant / daß andere das wort Madrigale lieber von madre herleiten wollen / alſo daß es ihnen ſo viel ſein ſol / wie ſie ſchreiben / als Madre della gale, das iſt eine Mut - ter der lieder. Und dieſes gefaͤllet mir auch nicht uͤbel; weil ein Schattenliedlein in der taht und wahrheit / indem es ſo klein iſt / eine Mutter / das iſt ein uhrſprung / begin oder anfang der andern lie - der und geſaͤnge genennet werden kan. Dan in dem verſtande wird / ſo wohl im Waͤlſchen / als Spaniſchen / das wort madre, als auch matrize vielmahls ge - braucht: naͤhmlich madre della ſtampa, cioè la forma che getta le lettere, o i caratteri, das iſt / ein werkzeug / dar - ein die drukbuchſtaben gegoſſen / oder darnach ſie gebildet werden: matriz de la emprenta; welchesunſere513Anmaͤrkungen.unſere Schriftgieſſer / den Waͤlſchen zur folge / auch Matrizen / als wolten ſie ſagen / die Mutter oder Muͤtter der Buchſtaben / zu heiſſen plegen. So be - nahmen wir auch die Muſchel / darinnen die Perlen wachſen / oder daraus ſie ihren uhrſprung haben / Per - lenmutter / wie die Spanier Madreperla, und die Waͤl - ſchen Madre de perlas, d. i. nacar, o concha de perlas. Madre del rio, Madre del fiume, das iſt ein uhrſprung der fluͤſſe / ein ſpring / ein kwaͤl / ſagen die Spa - nier und Waͤlſchen gleichfals auf eben den ſchlag. Von mehr andern erklaͤhrungen handelt der Hochgelehrte von Kempen / unter den Deutſchgeſinten der Un - ſterbliche / in ſeinem Berichte von den Schattenliedern oder ſo genenten Madrigalen. Wie nun die Waͤl - ſchen dieſe Schattenliedlein auf ſo vielerlei weiſe machen / kan man bei ihren Dichtmeiſtern ſehen: als bei dem Hieronimus Pret / Sachet / Bokaz / Arioſt / Bembus / Bernia / Navager / Taſſus / Stiglian / Orſien / Peter Michaeln / und andern; als auch bei der edlen Roͤhmerin Margareta Ko - ſta / in ihren Liebesbriefen: vor allen aber bei den zween beruͤhmten Rittern / Marin und Guarin / die in dieſer Liederahrt auch alle neuen und alten uͤbertref - fen. Unter andern findet man bei dem letzten ein ſo zu nennen zuſammengeketteltes Schattenlied / von 84 Reimzeilen; darinnen die ſaͤtze zuweilen 14 / zuweilen 4 / zuweilen 6 / zuweilen 12 / zuweilen 10 Reimbaͤnde haben.
IN dieſem Schattenliedlein werden die zur Eh - lichen Liebe gehoͤrige eigenſchaften beſchrie - ben: naͤhmlich im 1 ſatze geben wir zu erkennen / daß ſie rein / ungefaͤrbt / ohne falſchen ſchein und aller dinge unbeflekt ſein mus; gleichwie die reinenK kSchaͤflein514KurtzbuͤndigeSchaͤflein / die erſt aus der ſchwaͤmme kommen: im 2 / daß ſie ſanfte / lieblich / anmuhtig / und ohne eini - gen zorneifer / oder andere heftige gemuͤhtsbe - wegungen ſei; gleichwie die ſanftmuͤhtigen und ge - duͤltigen Schaͤflein: im 3 / daß ſie auf unverfaͤlſch - ter Treue beruhe; indem die Braut ihrem Gatten eben ſo treulich folget / als die Schaͤflein ihrem Schaͤ - fer: im 4 / daß ſie beſtaͤndig in ſolcher Treue bleibet; indem ſich die Braut endlich mit ihrem Breutigam in liebe und treue der maßen verbindet / daß beider Lie - be mehr und mehr zunimt: und im 5 / daß die ſolcher geſtalt reine / ſanftmuͤhtige / treue / beſtaͤndige und endlich vereinbahrte Liebe mit ſeegen vom Himmel gekroͤhnet werde / und den hoͤchſten preis / die ſchoͤnſte krohne des ruhmes / darvon trage.
DAß Joſef die meiſten Feuerſpitzen in Egipten / zur bewahrung des getreides / bauen laßen / haben viele darvor gehalten: derer meinung auch Nazian - zenus beipflichtet / und zugleich ſaget / daß ſolches der nahme πυραμὶς ſelbſten guht hieſſe; weil πυρὸς ſo viel geſagt ſei / als weitzen / oder getreide / und daher πυραμὶς auch eine Weitzen - oder Korn-ſcheune be - deute; wie dergleichen gebeue noch itzund von den Egip - tern genennet wuͤrden. Iſidorus l. 15, c. 2. Chaſſaneus in Catalogo gloriæ mundi part. 12, conſid. 75. Pierius l. 39. Hierogl. de Meta. Etymologus. Jul. Solinus. Pli - nius l. 36, c. 12. Zu Karaffar oder Maſſar / zwo meilen von Alkeir / findet man noch itzund ſieben alte gebeue / welche vor Joſefs Kornheuſer / wie Beauvau ſchreibet / gehalten werden.
COrnelius à Lapide, in verſ. 34, 35, 36 capitis 41 Geneſeos: Omnes Ægyptii hoc ſeptennio fertilitatis,juſſu515Anmaͤrkungen.juſſu regis, compulſi ſunt quintam partem frugum ſuarum vendere Regi, ſer vandam in ſeptennium ſterilitatis: aut certè, ut vult Toſtatus, durante iſto ſeptennio fertilitatis vetuit rex frumentum Ægypto efferri, & exteris vendi. Frumentum ſcilicet non trituratum, non excuſſum, ut ſi - mul jumentis recondatur ſuum pabulum, puta ſtramina, paleæ, &c. ut Philo annotat. Andere wollen / daß dieſer fuͤnfte teil / den der Koͤnig / oder Joſef vor den Koͤnig / vorweg genommen / mit koͤniglichen geldern ſei bezahlet worden: wieder andere / daß man ihnen andere mittel und wahren / als holtz aus den koͤniglichen buͤſchen / ſteine / und dergleichen dinge / darvor gegeben.
HIervon ſchreibet Herodotus / und andere. Auch haben die Griechen und Roͤhmer nachmahls / den Egiptern zur folge / dergleichen Unterſuchungen des lebens / welche ſie Judica Cenſoria nenten / ebenmaͤßig angeſtellet. Pancirolius l. 1. R er. deperditar. memorab. p. 282. Sonderlich hat Solon die Satzung / dadurch alle Egipter verbunden waren / ihre nahmen bei ihren Reichshauptleuten anzugeben / und zu ſagen / wovon ſie ſich erhielten / bei den Atehnern aufgebracht. Jo. Raviſius Textor in Theatro Hiſtorico l. 3, c. 6, de Æ - gypt. legib. p. 234.
VOn dieſer des Joſefs Korneinſamlung handelt auch Greiffenſohn in Joſefs Lebensbeſchrei - bung / am 170 / 171 / 172 bl. weitleuftig.
ISokrates ſchreibet / in ſeiner lobrede des Buſi - ris / die uhrſache des Goͤtzendienſtes bei den Egip - tern den Koͤnigen zu; und meinet / daß er daruͤm ein -K k ijgeſetzt516Kurtzbuͤndigegeſetzt ſei / damit das gemeine volk den Koͤniglichen ge - bohten gehorchen lerne. Thyſius in Deſcript. Ægyp - ti p. 137.
BEſiehe in der Anmaͤrkung bei der 19 zeile des 65 blats / was Ruben / in ſeinem Letzten willen / hier - von ſaget: als auch das 42 heupſt. des Buchs der Schoͤpfung / von den folgenden begaͤbnuͤſſen.
DElrio meinet / daß Joſef ſeine Bruͤder daruͤm drei tage im gefaͤngnuͤſſe liegen laßen: damit ſie vor das dreifache verbrechen / an ihm begangen / naͤhm - lich weil ſie vorgehabt ihn zu toͤdten / ihn in die grube geworfen / und dan verkauft / drei tage lang buͤßen moͤchten. Aber ſolches koͤnte beſſer auf die drei tage / ſo lange ſie ihn in der grube liegen und hungern laßen / gedeutet werden.
DAß Joſef daruͤm den Simeon vor allen andern binden laßen / weil er die meiſte ſchuld hatte / daß er zum leibeignen war verkauffet worden / iſt des Gen - nadius / Filo / Teokritus und vieler Altvaͤter mei - nung. Auch iſt ſolches aus der heiligen Schrift ſelb - ſten genug abzunehmen.
HIervon ſchreibet Moſes vom 16 ſpruche an / bis an das ende des 43 hauptſtuͤkkes ſeines 1 buches.
DIeſes wird im 44 haupſtuͤkke des Buches der Schoͤpfung / auch noch weitleuftiger vom Sa - muel Greiffenſohn / in Joſefs Lebensbeſchreibung am 198 / 199 / und 200 blatte / erklaͤhret.
HIeſige begaͤbnuͤs erzehlet Moſes ebenmaͤßig im 45 hauptſtuͤkke des Buchs der Schoͤpfung; als auch Greiffenſohn / und Joſef / der Juͤdiſche Ge - ſchichtſchreiber.
HIerbei kan gemelter Greiffenſohn am 214 / 215 / 216 blatte geleſen werden. Auch kan man Joſefs und Benjamins Letzten willen nachſehen / wie Jo - ſef ſeiner Bruͤder uͤbeltaht / an ihm begangen / allezeit zu vertuſchen / und guht zu machen getrachtet.
DIeſer Fuͤrſt / der das gelobte Land eingenommen / und unter die Kinder Iſraels ausgeteilet / war Joſua / des Nuns ſohn / der zuvor Hoſea hies / aus dem Stamme Efraims / des ſohns Joſefs / entſproſ - ſen; wie aus dem 13 hauptſtuͤkke des 4 buchs Moſes zu ſehen.
DIeſe beſchreibung der leibesgeſtalt Jakobs findet man in der Aſſenat Geſchicht: da / unter andern / auch von der anzahl der Kinder Iſraels / die / mit ihremK k iijVater /518KurtzbuͤndigeVater / in Egipten kahmen / dieſe worte zu leſen: dar - uͤm zog Jakob / durch ein geſicht von Gott ge - ſtaͤrkt / mit 66 Seelen in Egipten; alſo daß ihrer / er / und Joſef / mit ſeinen zwee Soͤhnen / darzu gerechnet / 70 beieinander waren. Und Jakob war 130 jahr alt / als ihn Joſef vor des Koͤniges angeſicht brachte. Im andern jahre des Hun - gers / am 22 tage des zweiten mohndes / kahm Iſrael / mit ſeinem gantzen Geſchlechte / in Egipten / u. a. m. Hierbei iſt zu maͤrken / daß die Geſchicht der Aſſenat / als auch das Buch der Schoͤp - fung / im 46 hauptſtuͤkke / da ebenmaͤßig nur 70 Seelen gezehlet werden / die Seelen der Weiber nicht mitge - rechnet / wie die Geſchicht der Zwoͤlfbohten / im 14 ſpr. des 7 hauptſt. getahn; da von 75 Seelen meldung ge - ſchiehet. Aber Hievon kan Lange in ſeinem Buche von den Jahren nach der Heilgebuhrt / am 262 blatte geleſen werden.
BEi den worten des 34 ſpruches am ende des 46 hauptſtuͤkkes im Buche der Schoͤpfung /〈…〉〈…〉 Alle Schafhuͤrten wa - ren den Egiptern ein greuel / finden ſich vielerlei unterſchiedliche meinungen. Etliche / unter denen auch einer iſt der fuͤrtrefliche Bochart am 374 blatte ſeines Kanaans / halten darvor / daß die Viehhuͤrten daruͤm den Egiptern ein greuel geweſen; weil die Foͤ - niziſchen Huͤrten / derer ſechſe 242 jahre / wie Mane - ton / bei dem Afriker / bezeuget / uͤber ſie geherſchet / ih - re Goͤtzenheuſer zerſtoͤhret / ihre ſtaͤdte verbrant / ſie ſelb - ſten teils erwuͤrget / teils mit harter dienſtbarkeit bele - get / und allen muhtwillen an ihnen veruͤbet: wie Jo - ſef der Juͤdiſche Geſchichtſchreiber in ſeinem 1 b. wi -der519Anmaͤrkungen.der den Apion meldet; welcher aber der Foͤnizier be - gaͤbnuͤſſe mit den geſchichten der Iſraeler vermiſchet. Hingegen meinet der Ebreer Rambam / und ande - re / daß die Egipter daruͤm die Viehhuͤrten verflu - chet / weil ſie das Vieh / welches jene vor Goͤtter gehal - ten / geſchlachtet: dan ſie hetten durch den Widder den Hammon / durch das Kalb den Apis / durch den Ochſen den Oſiris / durch den Bok den Priapus / als welche ſie vor eigene wohnungen dieſer Abgoͤtter hielten / geehret; und daruͤm geweinet / und getrauret / wan eines von dieſen Goͤtzentieren geſtorben. Ja daher were es kommen / daß die Ebreer dieſe Tiere zu heili - gen Schlachtgaben / und zum tode beſtimmet; damit dieſer gottloſe Gottesdienſt / durch einen gantz wider - waͤrtigen / verdammet / vernichtiget / und ſolcher greuel vertilget / ja die ſuͤnde zugleich ausgeſuͤhnet wuͤrde. Faſt eben daſſelbe leſen die Ebreer in ihrem Buche Tam - tam: da unter andern auch ſtehet / daß die Ebreer die Leuen / Baͤhren / Tieger / und dergleichen ande - re tiere daruͤm zu ihrem Gottesdienſte nicht gebrau - chet / weil es die Egipter getahn. Gemelter Ram - bam fuͤget hinzu: daß die Egipter / aus oberzehlten uhrſachen / das Himliſche zeichen den Widder geeh - ret: ja etliche Sabeer ſelbſt die Teufel / weil ſie in geſtalt eines Widders oder Bokkes erſchienen; und daher auch Seirim / das iſt Boksgeiſter genennet: von denen unſer Dichteriſcher Sternhimmel am 53 / 54 und 55 bl. kan geleſen werden.
HIervon meldet die Sarazeniſche Geſchicht von Joſefs tahten in Egipten / als auch die Nubi - ſche Landbeſchreibung: mit denen alle Arabiſche Geſchichtſchreiber uͤberinſtimmen. Von dieſem Niel -K k iiijmaße520Kurtzbuͤndigemaße kan auch Strabo geleſen werden. Ob nun das Nielmaß / das die itzigen Egipter auf dem Nieliſchen Inlande Michias haben / welches ein Maß heiſſet / und gegen der alten ſtadt Milfrulhetich / nicht weit von Alkeir / uͤber gelegen iſt / eben daſſelbe ſei / das Jo - ſef geſtiftet / darvon laßen wir andere urteilen. Man beſchreibet es / daß es ein runtes gebeu / und in der mit - te mit einem vierekkichten Waſſertroge / der 18 ellen tief / verſehen ſei: und daß mitten im gemelten Waſ - ſertroge eine ſeule ſtehe / die eben ſo hoch / auch in eben ſo viel ellen geteilet / als der trog tief iſt; darein das Nielwaſſer unter der erde hin / durch eine roͤhre / gelei - tet wird. Hierher pflegen alle jahr uͤm die zeit / wan der Niel zu wachſen beginnet / vom Stahtsrahte etli - che Beamten geſchikt zu werden: welche den anwachs des Niels beſichtigen / und deſſelben hoͤhe / durch Kin - der / mit gelben binden uͤm das heupt / in der ſtadt Alkeir ausrufen laßen. Auch pfleget man / un - ter waͤhrendem auflauffe des Niels / ſo wohl in andern ſtaͤdten / als in Alkeir / durch alle gaſſen die trummeln zu ſchlagen / und mit trompeten zu blaſen: und gemel - te kinder / welche / bei ihrem ausrufe / das volk Gott zu fuͤrchten ermahnen / werden von einem ieden mit ge - ſchenken begabet. Beſiehe / was Leo der Afriker in ſeinem 8 teile / als auch Kircher / im Egiptiſchen Oedipus / hiervon ſchreibet.
KIrcherius Oedipi Ægypt. tom. 2, part. 2, pag. 430. Diodorus Siculus l. 3, c. 2. Zu dieſer Goldarbeit warden nicht allein alle zum tode verwieſene und ande - re verbrecher / ſondern auch ihre ſaͤmtliche bluhtsver - wanten / und alle gefangene feinde verdammet.
ES ſcheinet daß die Scheidekunſt / ſonderlich dieſel - be / die mit dem Goldmachen eigendlich uͤmgehet / von den Egiptern entſproſſen iſt; wie hiervon Panzirol von den neuen erfindungen / am 313 blatte / Suidas / Libavius / Parazelſus / von dem die Scheidekunſt am allererſten Ars ſpagirica, ἀπὶτοῦ σπᾶν, & ἀργείρειν, das iſt vom zerteilen oder ſcheiden / und zuſammen - ſamlen / genennet worden / als auch Zedrenus / Pe - trus Severinus / Tohmas Muffet / Teobald Hogenlande / R. Lullius / Paul Skaliger / Mo - reſinus der Schotte / Fenot / Karrer / Niklaß Mirandulanus / Fernel / Kardanus / Kleopa - tra / eine Jungfrau von Tafunt / Maria die Juͤ - din / Roſinus von Alexandrien an ſeine Schweſter Teoſebie / Seidel / und viel andre mehr / die von die - ſer Scheidekunſt oder Scheidefůgekunſt / wie ſie nach des Teofraſts meinung koͤnte genennet werden / geſchrieben / in ihren buͤchern bezeugen.
DIeſe gantze begaͤbnuͤs wird / in der Aſſenat Ge - ſchicht / weitleuftig erzehlet.
DReſſerus Millenario 3, p. 154: Hoc officii genere functus eſt (Joſeph) annis 80, uſque ad finem vi - tæ, factumque eſt, ut annigloriæ ſexies ſuperârint annos miſeriæ ejus. In tanto enim temporis ſpacio non ſo - lùm Politicâ ſapientiâ & auctoritate anteivit omnibus Ægyptiis, ſed veram etiam doctrinam de Deo, & at - tium notitiam atque profeſſionem in ille regno fun -K k vdavit522Kurtzbuͤndigedavit atque propagavit. Nec dubium eſt, quin Helio - poli Scholam, in qua Aſtronomia, & cæteræ artes bonæ explicatæ ſunt, conſtituerit, & immunitatibus magnis ornârit; ex qua Dionyſius Areopagita etiam prodiit, &c. In hac Schola, quæ poſtmodum Iſéum dicta, imprimis floruit Matheſis, Aſtronomia, Aſtrologia, Phyſiogno - mia, Chiromantia, Ars item de Signaturâ rerum, aliæque ejusmodi artes.
DIeſes Mittel pflegt man den Ohnmaͤchtigen zu gebrauchen; weil ſolcher geſtalt die ſtaͤrkende kraft des Goldes und Safrans / durch die Luft - oder Hertz-aͤderlein / die unter dem vorletzten finger / der da - her auch der Hertzfinger heiſſen koͤnte / lieget / und von dar nach dem hertzen zu gehet / in das matte und ſchwache hertz / ſeine geiſter zu ſtaͤrken / gefuͤhret wird. Auch pfleget man eben daruͤm meiſtenteils einen guͤl - denen Ring an dieſem finger / den man deswegen ge - meiniglich den Goldfinger nennet / zu tragen; wie Jakob Horſt im 5 b. des 3 teils von den verborgenen wundern der Natur / am 182 und 183 bl. bezeuget.
DIeſe Aertzte warden Cephalici, Kopfsaͤrtzte / Cordiaci, Hertzensaͤrtzte / Ophthalmici, Au - genaͤrtzte / u. ſ. f. genennet. Proſper Alpinus lib. de Medicina Ægypt.
HIervon kan Eugubinus / Pierius / und andere geleſen werden.
DIeſes bezeuget Plutarch / in ſeinem buche vom Oſiris / und der Iſis.
VOm balſemen der Egiptiſchen Leichen hat Hero - dotus in ſeinem zweiten buche / naͤhmlich in der Euterpe / gantz weitleuftig und ausfuͤhrlich geſchrie - ben: dem wir auch alhier / was die Fuͤrſtlichen Leichen betrift / meiſtenteils gefolget. Beſiehe gleichfals unſere Anmaͤrkung bei dem 238 blatte. Der Arabiſche Artzt Hali haͤlt darvor / daß die Egipter ihre Leichen mit Asfalt / welches wir Juͤdenpech nennen / und mit Hahrtze vom Balſembaume / das der Artznei - haͤndler Opobalſamum iſt / als auch mit Mirren / und dergleichen gewuͤrtzen gebalſemt. Hingegen mei - net Johan Nardius / daß ſie nichts anders als ge - meltes Juͤdenpech darzu genommen; weil alle ge - balſemte Leichen keinen andern geruch hetten / als nach dieſem Peche. Asfalt / ἄσφαλτος, welches Suidas vom beraubenden wortteilichen α, und σφαλλεσϑαι, das iſt / mit den fuͤßen bewegt werden / zappeln / auf - ſpringen / herleitet / heiſſet eigendlich das hahrtz oder pech / welches auf dem Todten meere / das aus den verſunkenen ſtaͤdten Sodoma und Gomorra / auf 8 meilen lang / entſtanden / und daher ἀσφαλτίτης, das iſt / das Hahrtzmeer / oder das unbewegliche oder todte meer / weil alles darinnen todt iſt / genen - net wird / zu ſchwimmen pfleget. Honterus Coſmo - graph. l. 3:
Von dieſem Juͤdenpeche ſchreibet Dioſkorides im100 h.524Kurtzbuͤndige100 h. des 1 b. und Plinius im 15 h. des 3 b. als auch Solinus / Juſtinus / und Kornelius Tazitus weitleuftig. Auch wollen etliche / daß man zu ſolchem Juͤdenpeche / damit es beſſer fluͤßen moͤchte / den duͤn - nen Babiloniſchen Juͤdenleim genommen: den die Gricchen νάφϑα nennen / und Dioſkorides im 10 h. des 1 b. als auch Plinius im 105 h. des 2 b. Strabo / im 16 b. und Plutarch / mit mehr andern / beſchrieben. Viele halten dieſen Juͤdenleim vor das ſo genente Peter - oder ſtein-oͤhl; welches in unterſchiedlichen Egiptiſchen oͤrtern / mit gantzen pfuhlen / gefunden wird: daraus es die alten Egipter / durch roͤhren / un - ter der erde hin / in ihre ewigbrennende Grablampen geleitet; wie der Araber Schianga / in ſeinen Ge - ſchichten von den gedenkwuͤrdigſten Egiptiſchen din - gen bezeuget. Wan dieſes Balſempech alſo zubereitet war / und die Leichen darinnen eine zeit lang gelegen; ſo hatte es ſich mit ſolcher kraft ſelbſt in die allerinner - ſten teile hinein gezogen / ja den gantzen leib dergeſtalt zuſammengezogen / daß er faſt halb eingekruͤmpft / und aus einer mansleiche eine kinderleiche geworden zu ſein ſchien. Daher darf man ſich auch nicht verwundern / daß alle ſolche gebalſemte Leichen / die man heute zu ta - ge findet / von den unwiſſenden / mehr von Kindern / als erwachſenen Menſchen / weil ſie alle ſo klein ſeind / an - geſehen werden. Ich ſelbſten habe eine Hand / die von einem gebalſemten Koͤnige ſein ſol / und mir vom Herꝛn Johan Georg Brandauen in meine Kunſtkam - mer verehret worden. Dieſe ſcheinet / auch ſelbſten den knochen nach / ſo klein / als were ſie von einem drei - oder vier-jaͤhrigem Kinde. Von gemeltem Juͤden - peche / aus dem Sodom-Gomorriſchen Todtzen - pfuhle / hat mir ebenmaͤßig der Edele Boͤhmer / Herꝛ Paul Jahn / Ritter von Malta / unter den hoͤchſt - loͤblichen Deutſchgeſinneten der Vermehrende / einſtuͤklein /525Anmaͤrkungen.ſtuͤklein / weil es bei uns ſonſt ſehr ſelten gefunden wird / vor etlichen jahren zugeſchikt. Andere hingegen geben vor / daß ſolcher alſo zugerichtete Pechbalſam die kraft allein nicht haben koͤnte die Leiber der menſchen unverwaͤſelich zu machen: und daher muͤſten die Egip - ter nohtwendig Saltz darunter gemiſchet haben. Aber ob ſchon das Saltz die Leiber eine zeit lang vor der verderbligkeit bewahret / ſo verzehret es doch dieſelben auch zugleich algemach ſolcher geſtalt / daß ſie endlich gantz verſchwinden. Und hiervon haben wir ein wahres zeugnuͤs an einem Leichnam / welcher / wie Baronius in ſeinen Kirchengeſchichten ſchreibet / in den Saltz - bergen zu Saltzburg gefunden worden. Dieſer hat - te eine ſchneeweiſſe haut / und augen / als wan ſie lebe - ten. Auch ſchien er an allen gliedern noch gantz volkom - men / und das haar unverdorben zu ſein: ja er war ſo ſteif / als ein ſtake. Aber als er dreitage in der luft ge - legen / ward er gantz und gar zu waſſer. Und daruͤm haben die Egipter nur die Leichen der armen und ſchlechten leute 70 tage lang in ſaltz geleget: aber zum balſam der fuͤrnehmen gantz kein ſaltz genommen. Hierbei iſt zu maͤrken / daß nach dem einfalle des Perſi - ſchen Koͤniges Kambiſes in Egipten / welcher uͤm das 3430 jahr nach erſchaffung der welt geſchehen / das Balſamen der leichen / weil der uͤberwinder alle Prieſter verjagte / und alle dergleichen gewohnheiten ab - ſchaffete / gantz aufgehoͤret. Und daruͤm ſeind alle ge - balſemte Leichen / welche itzund aus den graͤbern uͤm das alte Memfis heruͤm aufgegraben werden / vor ge - melter zeit gebalſemet.
In Guinale / einem Koͤnigreiche des Landes der Schwartzen / auf dem Guineiſchen bodem / werden die Koͤnige auch gebalſemet; aber ihr eingeweide zuerſt vor dem Abgotte verbrant / und dan die Aſche darvon wieder in den gebalſemten Leichnam getahn.
EIn ſolches Goldblechlein / welches ein wenig mehr / als zwee Ungriſche Dukaten / wuͤget / findet man noch itzund unter der zunge faſt aller vornehmen gebalſemten Leichen / die in Egipten aufgegraben wer - den. Und daruͤm pflegen die Araber und andere Voͤlker / die zu unſerer zeit in Egipten wohnen / wan ſie einige gebalſemte Leichen bekommen / dieſelben / aus begierde zum golde / vor dem munde ſtraks aufzubre - chen / und das gold heraus zu nehmen.
HIervon ſchreibet Moſes / im 29 / und folgenden ſpr. des 47 h. ſeines 1 buches / und im 31 und 32 ſpr. des 49 h.
DAß Adam und Eva / nachdem ſie aus dem Pa - radieſe verſtoßen worden / ſich in Kanaan nie - dergeſetzt / und alda zu Hebron / welche zuvor Kiriat - Arbe / das iſt / die ſtadt der Viere / geheiſſen / begra - ben worden / lieſet man im Buche Bereſit Rabba: dem auch Hieronimus / im Grabſpruche der Paule / zum teile gefolget. Und hiervon kan Sixtinus Amama uͤber den 15 ſpr. des 14 h. aus dem Buche des Joſua geleſen werden.
ALſo erklaͤhren etliche Jakobs letzte worte des 47 h. im Buche der Schoͤpfung. Und hieruͤber kan Kornelius à Lapide geleſen worden. Die folgende gantze Geſchicht wird ebenmaͤßig im 48 und 49 h. weitleuftig erzehlet.
TErtullian / von der Tauffe / und der Altvater von Damask / im 12 h. des 4 b. ſtehen in der mei -nung /527Anmaͤrkungen.nung / daß dieſe des Jakobs uͤbereinander geſchraͤnkten haͤnde oder aͤrme das Kreutz unſers Heilandes vorge - bildet. Und Rupertus ſaget: Efraim ſeind die Heiden / welche durch die kreutzweiſe uͤbergeſchlagenen haͤnde / das iſt durch das Kreutz unſers Heilandes / dem ſie gegleubet / dem Manaſſe / das iſt den Juͤden / ſeind vorgezogen worden.
HIervon ſpricht Ruben in ſeinem Letzen willen / zu ſeinen Kindern alſo: Sehet! Ich nehme heu - te Gott vom himmel zum zeugen / damit ihr nicht wandelt in der unwiſſenheit der Jugend / und in Huhrerei: darinnen ich mich alzuſehr verbrochen / indem ich meines Vaters Ehbette beſudelt. Ich ſage euch in der wahrheit / daß mich der HERR ſehrſchlug; daß er mich ſieben mohnden lang in meinem eingeweide plagte. Und hette Jakob / mein Vater / den HERꝛn vor mich nicht gebaͤhten / dan Erſuchte mich zu toͤd - ten; ſo were ich vergangen. Ich war dreiſſig jahr alt / als ich dieſes uͤbel vor dem HERren be - ging: und war ſieben mohnden lang ſiech; da man anders nicht meinte / als daß ich ſterben wuͤrde. Aber ſieben jahre lang trug ich reue vor dem HERren / mit guhtem hertzen. Ich trunk keinen Wein / noch einigen andern ſtarken trank. Ich aß auch kein Fleiſch / noch koſtete einige lek - kerſpeiſe: ſondern weinete und kaͤrmete uͤber meine ſuͤnde; weil ſie ſehr groß war. u.a.m.
ALſo werden von etlichen die letzten worte des 21 ſpr. im 49 h. des buchs der Schoͤpfung erklaͤhret. Li - pomanus. Cajetanus. Cornel. à Lapide in hunc locum.
DIeſes erzehlet Moſes im letzten hauptſtuͤkke ſei - nes erſten buchs.
JOſef ſaget in ſeinem Letzten willen von ſeinen Bruͤ - dern alſo: Ich hielt ihre Kinder vor meine kinder; und meine Kinder als ihre diener und leibeignen. Ihre Seele war meine ſeele: alles ihr weh / mein weh; und alle ihre krankheit / mei - ne krankheit; ja mein land / ihr land; mein raht / ihr raht. Und ich erhub mich unter ihnen nicht / in hofahrt / meiner weltlichen herꝛligkeit wegen; ſondern war unter ihnen / als der geringeſte / u.a.m.
IN der Aſſenat Geſchicht wird gemeldet: daß Jo - ſef / nach koͤnig Nefrems tode / 48 jahr / an des koͤ - niglichen Fuͤrſtens ſtat / geherſchet; und ihm dan erſt die Krohne aufgeſetzt. Das folgende von Joſefs Soͤhnen / und derſelben Kindern erzehlet Moſes im 50 h. des 1 b.
DIeſe geſchicht / wie ſie auf den naͤchſten blaͤttern folget / erzehlet / aus dem Ben Abed Hakem / der Araber Gelaldin / in ſeinem erſten b. von den E - giptiſchen Koͤnigen.
DIodor ſchreibet auch / daß die Egiptiſchen koͤnige dieſes Land ein Geſchenk der unſterblichen Goͤtter / andere eine Gabe des Merkuhrs genennet.
ELphyum oder Phyum liegt an einem kleinen arme des Niels / nicht weit von Munie; welches 180 meilen von Alkeir entfernet. Leo Africanus 8 part. Livius Sanutus, Villamont, Maginus, Guiliam de Tyr, Kircher Oedip. Ægypt. tom. 1, p. 8. Benjamin[n]ent es in ſeinem Reiſebuche πυθὼν; deſſen in den Si -[b]illiſchen Ausſpruͤchen / am 180 bl. erwaͤhnet wird. Und Ortel ſchreibet / daß es zwoer ſtaͤdte freiheiten und[v]orrechte gehabt.
ZU oder bei Nitriote / ſchreibet / Sanut / ſol Jo - ſefs Grab / ein altes Gebeu / auf dem ekke von zween[aͤ]rmen des Niels / noch ſtehen.
NAftali / nachdem er / in ſeinem letzten willen / ſeine Treume erzehlet / fuͤget folgende worte hinzu: Da ſagte mein Vater / ich halte / daß Joſef noch[l]ebet: dan ich ſehe / daß ihn der HERꝛ allezeit[m]it euch zehlet. Und er fuhr weinende fort: Ach! Joſef / mein Sohn / du lebeſt / und ich ſehe dich[n]icht; auch ſieheſtu deinen Vater nicht / u. a. m.
FAſt eben dieſelben worte ſeind in Joſefs Letztem wil - len zu leſen: als auch die folgenden zu ende dieſes[1]31 / und im anfange des 132 blats. Hierher gehoͤren[a]uch die worte / welche bei Simeons Letztem willen[h]inten angefuͤget ſtehen: Aber Joſefs gebeine wer -[d]en von den Egiptern in des Koͤniges Schatz -[k]ammer bewahret. Dan die Zauberer ſagten zu[ih]nen: wan ſie Joſefs gebeine wegtragen lieſſen /[ſo]wuͤrde uͤber das gantze Egipten eine fuͤnſter -[n]uͤs kommen / mit großen plagen / alſo / daß nie -[m]and / auch bei dem lichte ſelbſt / ſeinen bruder[k]ennen ſolte.
AStarot / da Job ſeinen ſitz gehabt / wird uͤber den Jordahn / in das land des halben ſtammes Ma - naſſe / 14 meilen von Jeruſalem geſetzt. Bis hier - her / naͤhmlich bis an den Jordahn / erſtrekte ſich / vom der ſtadt Damaskus ab / das land Uz / des ſohnes Arams. Hieronimus meinet / daß gemelte ſtadt da - her dieſen nahmen bekommen / weil man die Abgoͤttin der ſchoͤnheit und liebe / welche bei den Sirern Aſtarot / auch Aſtarte heiſſet / alda geehret. Und Bernhard von Breitenbach ſchreibet / daß man des Jobs grab den reiſenden alda noch zu zeigen pflegte. Viele muht - maßen / daß Job aus des Eſaus nachkommen ent - ſproſſen. Aber es ſcheinet der wahrheit gemaͤßer zu ſein / was Hieronimus / in den Ebreiſchen fragen / und Luhter / uͤber das Buch der Schoͤpfung / ſchrei - ben: naͤhmlich daß Job aus dem Uz / der ein ſohn Nahors / des bruders Abrahams geweſen / herge - ſtammet: daher er auch Nahors ſohn genennet wird. Und etliche meinen / daß er ein koͤnig in Edom gewe - ſen: andere / daß er Jakobs Tochter / die Dina / geeh - liget. Von ſeiner uͤberſchwaͤnglich großen wohlfahrt und herligkeit / nach ausgeſtandenen truͤbſalen / lieſet man bei dem Suidas. Euſeb. l. 1. demonſtrat. Evang. Dreſſer. mill. 3. p. 157.
LEvi ſagt zwar in ſeinem Letzten willen: Joſef ſei im 118 jahre ſeines alters geſtorben. Aber ich halte / daß es ein drukfehler iſt / und daß die drukſetzer die nich - tigkeit 0 vor eine 8 angeſehen. Dan nicht nur Moſes / im letzten ſpruche ſeines erſten buches / ſondern auch al - le andere Geſchichtſchreiber / ja der Aſſenat Geſchicht ſelbſten / ſchreiben ihm einhaͤllig nicht mehr als 110 jah - re zu. Gemelte der Aſſenat Geſchicht wird mit fol - genden worten geſchloſſen: Und Joſef ward in einen ſarg gelegt / im 110 jahre ſeines alters / und im 80 ſeinesFuͤr -531Anmaͤrkungen.Fuͤrſtentuhms / von der erſten Verheiſſung / dem Abra - ham / auf der ſtraße nach Meſopotam[i]en / getahn / im 287 / und nach Ab[raham]gebuhrt / von welcher das dritte al - ter beginnet / im 361 aber vom anfange der Welt an / im 2309. Und Ju[das]iſt bis auf die zeit da die kinder Iſraels aus Egipten gingen / nicht bewegt worden. Sie andern Bruͤder ſeind nach ihrem tode meiſt alle weggefuͤhret / und zu Hebron begraben; ja darnach wieder zu Sichem. In welchem jahre nach erſchaffung der Welt Joſef geſtoͤrben / ſeind die Geſchichtſchreiber nicht einig. Etli - che ſetzen das 2390; aber ich muhtmaße / daß dieſe zahl verſetzt ſei / und 2309 heiſſen ſol. Andere zehlen gar das 2399; da vielleicht die erſte 9 vor eine 0 eingeſchli - chen: wieder andere noch anders. Die meiſten aber ſetzen / daß er im 2761 jahre vor der Heilgebuhrt / und im 633 nach der ſuͤndfluht gebohren; auch im 1651 ebenmaͤßig vor der Heilgebuhrt / und im 743 nach der ſuͤndfluht geſtorben ſei. Hiervon hetten wir ſehr viel zu ſagen: aber weder die zeit / nach der hieſige raum / noch auch des Leſers geduld wil ſolche weitſchweiffig - keit leiden.
HInter Joſefs letzten willen findet man folgende worte angefuͤget: Das gantze Iſrael / und das gan - tze Egipten / beweineten ihren Joſef / mit einer großen trauer. Dan er war barmhertzig und mitleidende gegen die Egipter / eben als gegen ſeine eigene gliedmaßen / ge - weſen: und er taͤht ihnen alles guhtes. Er war ihnen al - lezeit zugetahn mit guhtem rahte / und in allen dingen behuͤlflich.
BEſiehe hiervon die Anmaͤrkung bei der 16 zeilt des 331 blats.
DIeſes bezeugen unterſchiedliche Ebreiſche Ausleger des Buches der Schoͤpfung. Avizenna bringetL l ijviererlei532Kurtzbuͤndigeviererlei uhrſachen bei / waruͤm der Niel ſo fruchtbar ſei. Hiervon ſchreiben auch Galenus / Ariſtoteles / Plutarch / Johan Pierius / l. 46 Hier. Tit. de tribus Urnis; Joh. Langius Epiſtol. Medicinal. l. 1, epiſtol. 31; Alexander ab Alex. l. 14 Genial. dier. c. 17; Pancirollus de Nov. repert. und viel andere. Daher iſt es kommen / daß Egipten ſo uͤberaus volkreich / ja ſo reich an Staͤdten geweſen. Dan alda zehlet Diodor 18000 fuͤrtrefliche Staͤdte; und zu ſeiner zeit ohn - gefaͤhr 1300000 Einwohner / ja vor ſeiner zeit 1700000. Beſiehe was Bochart in ſeinem Faleg / am 314 bl. hiervon ſchreibet.
DIe Babiloniſchen Koͤnige haben das Nielwaſſer unter ihren ſchaͤtzen / als was ſeltſames und ſonder - bahres / das ſie ſo weit hohlen laßen / bewahret. Ja die Egipter ſelbſten pflegten es / als ein ſonderliches geſchen - ke / in fremde laͤnder zu ſenden. So ſchikte es der Koͤ - nig Filadelf ſeiner Tochter Berenize / welche dem Antioch vermaͤhlet war / in Sirien zu; wie Johan Lange / an obangezogenem orte / ſchreibet.
DIeſes bezeuget Abenesra / Abenefi / und Sui - das. Die Arabiſchen worte des Abenefi lauten in unſrer ſprache / alſo: Und Joſef ward gleich als ein Koͤnig des gantzen Egiptens; und ſie nen - neten ihn Apis.
Iſſe / oder / wie das Ebreiſche lautet / Iſcha /〈…〉〈…〉 das iſt eine Maͤnnin / Fraue / Virago, iſt aus〈…〉〈…〉 Iſch, das iſt ein Man / vir, gebildet / und heiſſet hier ſo viel / als eine Frau der frauen; wie man die fuͤr - nehmſten Alsgoͤttinnen genennet findet. Beſiehe un - ſern Dichteriſchen Sternhimmel / im Sternzei - chen der Jungfrau.
Ende.
AM 4 bl. in der 6 zeile / ſol ſtehen / vor meinen Vater. bl. 5 / 9 z. allervolkomneſte. bl. 6 / 30 z. ſeinem baume nachge - ahrtet / und die frucht nicht weit vom ſtamme gefallen. bl. 8. 20 z. vom ſchweermuhte. bl. 9 / 1 z. geſchenket. bl. 22 / 33 z. bei der einen. bl. 42 / 22 z. Ihm wird er ſo wohl / als. bl. 43 / 25 z. zuruͤk. bl. 46 / 10 z. verfuͤgen. bl. 60 / 19 z. deine Garben. bl. 70 / 20 z. den erſtgebohrnen. bl. 72 / 24 z. meiner ſicherheit. bl. 81 / 24 z. nicht angehoͤret. bl. 83 / 11 z. bei den federn: 21 z. feuerroht. bl. 90 / 18 z. brachte von der Aſſenat. bl. 92 / 22 z. Hiermit verlies mich der ſchlaf. bl. 110 / 13 z. aus weiſſem marmel. bl. 115 / in der letzten z. Aber er ſtellete ſich / als maͤrk - te er nichts. bl. 116 / in der letzten z. alle beide. bl. 127 / 32. z. dem boͤſen. bl. 157 / 4 z. noch der auslegung. bl. 160 / 25 z. daß ſie ihn denſelben. bl. 162 / 11 z. nichts anders: 28 z daß ihn im traume gedeuchtet. bl. 136 / 19 z. Das war bei ihnen ſo feſt. bl. 155 / 17 z. uͤber ſie heftig erzuͤrnet. bl. 164 / 31 z. mit einem koͤſtlichen ſeidenem. bl. 166 / 20 z. aller treume dun - kelen verſtand. bl. 170 / 7 z. Und ſolches. bl. 180 / 3 z. dan die augen. bl. 182 / 22 z. Sachte befahl. bl. 185 / 1 z. auch ſon - ſten bedurfte; 32 z. die der Koͤnig ihm anzutuhn. bl. 189 / 4 z. lebe ich der hofnung. bl. 201 / 2 z. ſtreueten Palmenzweige. bl. 208 / 25 z. uͤm das 1840. bl. 217 / 24 z. Dieſer Nordwin - kel. bl. 225 / 3 z. fremden gewaͤchſen: 8 z. Seewaͤrmuht / das Efeu: 13 z. anzeigete: 29 z. Schohtenbeume / Sebeſten - oder Bruſtbeeren-beume: 32 z. Sonnenbeume / Balſambeume. bl. 231 / 13 z. aus der maße: 15 z. Und wie ſie der ſchoͤnheit / und dem ſtande: 17 z. auch im alter: 18 z. ſo gleichmaͤßig jung / ſchoͤn / und. bl. 232 / 23 z. So taͤhten auch alle ſeine Gaͤſte. bl. 236. 29 z. welche in ieder hand eine. bl. 242 / 9 z. ſie den Koͤ - nig: 22 z. Nicht weniger trugen verlangen. bl. 248 / 9. z. Die Schaͤfelein. bl. 250 / 16 z. ausgegeben. bl. 253 / 17 z. wider - fahren. bl. 262 / 34 z. leibesſtrafe. bl. 268 / 29 z. das ver - trauen. bl. 272 / 30 z. das ihr in. bl. 275 / 34 z. Fragt ihr noch / waruͤm? Fraget ihr noch / woher? 35 z. Daruͤm / und da - her / weil. bl. 276 / 13 z. des aͤlteſten ſakke: 15 z. kahm er auch an des Juͤngſten ſeinen. bl. 283 / 23 z. alda gar bleiben. bl. 289 / 34 z. noch andere. bl. 303 / 9 z. zu ſo hohem verſtande. bl. 304 / 32 z. unterworfen: 34 z. traurigkeit. bl. 324 / 18. z. des Sohnes ſeines erſtgebohrnen. bl. 338 / 7 z. daß eben itzund der Koͤnig. bl. 342 / 35 z. ehrennahmen zugeeignet. bl. 353. 5 z. rerſtehen ſie das eigendlich alſo genente Alkair. bl. 366 /12 z.[551]12 z. Apalejus im letzten: 23 z. Ægypti. bl. 372 / 16 z. βέκι - ρώι〈…〉〈…〉 bl. 377 / 34 z. eigenſchaft / beſchrieben. bl. 386 / Ju - chaſim. bl. 389 /〈…〉〈…〉 u. a. m. Zudem bezeuget Zedrenus. bl. 396 / 5 z. Daher iſt der nahme Alkair: 6 z. weil Muaſſus dieſe Stadt im zeichen. bl. 423 / 33 z. im anfange. bl. 466 / bei dem Orfeus. bl. 478 / 12 z. meſſalet. bl. 492 / 16 z. Tamarinden. bl. 349 /〈…〉〈…〉. bl. 361 31 z. 〈…〉〈…〉. bl. 367 / 17 z. 〈…〉〈…〉. bl. 498 /〈…〉〈…〉.
Dieſes haben wir im durchblaͤttern fuͤrnehmlich angemaͤrket. Das uͤbrige wird der guͤnſtige Leſer ſchon ſelbſt verbeſſern. Hier - mit Gotte befohlen!
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