PRIMS Full-text transcription (HTML)
[figure]
Aſiatiſche Baniſe /
Oder blutiges doch muthiges Pegu /
Jn Hiſtoriſcher und mit dem Mantel einer Helden - und Liebes-Geſchicht bedeckten Warheit beruhende. Dieſem fuͤget ſich bey eine aus dem Jtaliaͤniſchen uͤberſetzte Theatraliſche Handlung / benennet: Der tapffere Heraclius.
[figure]
LEJPZJG /beyThomas Fritſch. 1700.

Dem Durchlauchtigſten Fuͤrſten und Herrn / Hn. Johann Georgen Erb-Printzen der Chur / und Hertzogen zu Sachſen / Juͤlich / Cleve und Berg / Land-Graffen in Thuͤringen / Marggraffen zu Meiſſen / auch Ober - und Nieder Laußnitz / Gefuͤrſteten Graffen zu Henneberg / Graffen zu der Marck / Ravensberg und Barby / Herrn / zu Ravenſtein. Meinem Gnaͤdigſten Herrn.

DUrchlauchtigſt-Groſſer Printz!
Ein Himmel-hoher Geiſt /
en das Verhaͤngniß hat zur Majeſtaͤt gebohren /
en ſelbſt der Sternen-Printz ein Bild der Goͤtter heiſt /
en GOtt zum Abila des Regiments erkohren:
a 2Der
Der wird durch Muͤh und Kunſt der Menſchen nicht er weckt.
Die hohe Bildungs-Krafft der Mutter aller Sachen /
Hat dieſen Helden-Stern beſtimmt und angeſteckt /
Eh man den zarten Leib ſieht in den Windeln lachen.
Zeigt uns nun die Geburt der Seelen kleinen Sitz /
So ſpielt die Tugend-Gluth bereit mit tauſend Flammen.
Auch in der Wiegen ſtr ahlt der Sinnen hoher Blitz /
Und ieder ſpricht: So muß ein Held von Helden ſtammen.
Wenn ietzt des Loͤwen Frucht ſo Nacht als Mutter bricht /
So ſchauet man mit Luſt die naſſen Locken ſchütteln.
Wodurch er Muth und Art der Loͤwen ſtellt aus Licht.
Aleides laͤſſet ſich noch in der Wiege rütteln /
So reiſſet er mit Luſt den Schlangen Balg entzwey.
Eh die bemuͤhte Kunſt / das Gold durch Schmeltzen ſcheidet /
So blitzet deſſen Glantz durch Schlacken / Ertzt und Bley.
Es ſtrahlt der Diamant / eh ihn der Kuͤnſtler ſchneidet.
Und alſo ſiehet man die Fuͤrſten-Roſe bluͤhn /
Wenn Blat und Farbe ſich noch in der Knoſpe zeiget:
Wie ſich Verſtand und Geiſt von Kindheit auff bemuͤhn /
Biß Jahr und Weißheit ſelbſt den Atlaß überſteigt.
Alsdenn laͤſt Julius auff einem Erden-Ball
Mit Buch und Schwerdte ſich in beyden Haͤnden ſchauen.
(†)cum lemmate: Ex utroque Cæſar.
(†)
Durch welche Stuͤtzen wird der Printzen hoher Fall
Verhinbert / und das Land laͤßt ſich in Friede bauen.
Es muß der blancke Stahl / der Waffen heller Glantz /
Der Printzen Ancker ſeyn / des Fuͤrſteu Hoheit ſchuͤtzen.
Helm / Schweꝛdt u. Stuͤckẽ-Knall / eꝛwirbt den Sieges-Kꝛantz /
Und ein gerechter Krieg kan mehr als Friede nuͤtzen /
Der ſich nur voll Verdacht in unſre Graͤntzen ſpielt.
Doch wird ſo Strahl als Stahl vergebens ſich bemühen /
Wo nicht Geſetz und Rath der Waffen Hitze kuͤhlt;
Und wo nicht Kunſt und Recht im Fuͤrſten-Garten bluͤhen.
Wenn Weißheit und Verſtand das kluge Schwerdt regiert /
So kan Tiberius die frechen Feinde ſchlagen.
(††)Tacit. lib. 2. Annal.
(††)
Wenn
Wenn Weißheit und Verſtand des Printzen Scheitel ziert /
So muß auch bloſſe Furcht die Welt in Harniſch jagen:
Ob gleich Philippens Fuß Madrit niemals verlaͤßt.
(†)Saav. Embl. 84.
(†)
Und alſo kan ein Printz auch in dem Zimmer ſiegen /
Jhn fuͤhrt des Ruhmes Schiff nach Nord / Oſt / Sůd und
Weſt.
Vor ſeines Namens Blitz muß Feind und Neid erliegen.
Ein Printz / der ſich der See des Herrſchens auvertraut /
Und der Gelehrten Schaar zu Ruder-Knechten wehlet /
Der ſchifft mit Ruhm / wo man des Herculs Saͤulen ſchaut /
Und hat den ſichern Port der Ehren nie verfehlet.
Durchlauchtigſt-Groſſer Printz! Hier ſchweiget Reim
und Kiel /
Weil deſſen Armuth ſich zu viel hat unternommen;
Er wil mehr / als er ſchreibt: er ſchreibt nicht / wie er wil /
Und ſeine Ohnmacht rufft: Demoſthenem laßt kommen!
Er unterwindet ſich ein Cronen-faͤhigs Bild /
Und Goͤtter-gleichen Geiſt / in etwas vorzuſtellen:
Den Pallas mit der Milch der Weißheit hat erfuͤllt /
Dem ſich die Tapfferkeit als Freund wil beygeſellen.
Des Vaters Helden-Art / der Mutter Tugend Glut /
Hat ſich genau in dir / du groſſer Printz / verbunden.
Es qvillt / es flam̃t / es brennt / das theure Sachſen-Blut /
Das ſich zum vierdten mal hat ruͤhmlichſt eingefunden /
Jm Namen / welcher laͤngſt mit Diamantner Schrifft /
Den Sternen einverleibt. So kan ein Held nicht ſterben /
Wenn GOtt / Natur und ER ein ſolches Denckmal ſtifft /
Das in gevierdter
(††)Virtutes quatuor Cardinales.
(††) Zahl die Tugend pflegt zu erben.
Es jauchtzt das frohe Land / der treue Unterthan
Laͤßt ſich mit Nectar-Koſt der ſuͤſſen Hoffnung ſpeiſen:
Die Hohe Raute ſey beſreyt vom Todes Zahn /
Weil noch der werthe Stock kan Printz und Zweige
weiſen.
a 3Mi -
Minervens heller Schild wirfft einen Wunder-Strahl /
Auff das Palladium / das unſer Sachſen kennet:
Weil ein ſo groſſer Printz in der Gelehrten Zahl /
Mehr als ein Phoſphorus am Tugend-Himmel brennet.
Bellona leget ſich den Blitz der Waffen an /
Und wil durch Helden-Art dem Printzen ſich vermaͤhlen.
Denn weil des Dritten Ruhm beſiegt der Sternen Bahn /
So kan unmoͤglich es ihr bey dem Vierdten fehlen.
Selbſt Cypris / welche ward aus Flut und Saltz gezeugt /
Koͤmt auff der Cimber-See in Muſcheln hergefahren /
(Weil ſich Magnet und Held ſtets nach dem Norden
neigt:)
Und iſt bemüht nach Wunſch ein hohes Paar zu paaren.
So wird von GOtt und Welt ein groſſer Printz geliebt /
Den Weißheit und Verſtand / und Tapfferkeit bezieren.
Dem ſelbſt der gelbe Neid diß holde Zeugniß giebt:
Man koͤnne nichts / als Gnad und Saufftmuth an Jhm
ſpuͤhren.
Daß nun Baniſe ſich darff in das Heiligthum /
Und den geweihten Ort der irrdſchen Gottheit wagen:
Diß ſchafft / Durchlauchtigſter! Dein hoher Gnaden -
Ruhm.
Denn wie die ferne Welt muß ruͤhmen / loben / ſagen:
Daß gegen Sclaven auch DEJN Gnaden-Oele flammt /
Der Sanfftmuth Ampel brennt: So lehrt mich Ruhm und
Guͤte /
Daß ſchlechter Weihrauch nicht von Goͤttern wird verdammt:
Drum nah, ich mich getroſt mit Demuths-vollem Schritte.
Es ſencket ſich mein Knie vor Deinen Altar hin.
Baniſe fleht: Laß ſie durch gnaͤdiges Beſchützen /
Vor Mißgunſt ſicher ſeyn. Ach laſſe zum Gewinn
Der Augen Gnaden-Strahl auff mich / mich Aermſte / bli -
tzen.
Schau nicht die Wuͤrdigkeit des ſchlechten Werckgens an /
Die
Die Unvollkommenheit hat ſolches aufferzogen.
Der Sonnen Majeſtaͤt zeucht von der Erden-Bahn
Den Dunſt / und ſchafft daraus die ſchoͤnſten Regenbogen:
Und ein Durchlauchter Blick vergoͤttert Werck und
Kiel /
Das ſeinem Weſen nach nur Finſterniß verdienet.
Zwar Neid und Einwurff ſpricht: Es ſey nur allzu viel /
Baniſe habe ſich hierdurch zu viel erkuͤhuet:
Daß ihr geringes Blat die Sternen uͤberſteigt /
Zu Groſſen Printzen tritt / in ſchlechtem deutſchen Klei -
de /
Vor denen Svada ſich / als uͤberwunden / neigt:
So fuͤhrt die Hoffnung doch mich zu der ſuͤſſen Weide:
Daß zwar der Sonnen Glantz der Cedern Pracht anblickt /
Und hohe Tannen meiſt das holde Liecht genieſſen:
Doch wird ein niedrig Reiß zugleich dadurch erquickt /
Wenn ihrer Strahlen Macht den gantzen Wald umſchlieſ -
ſen.
Das Perlen reiche Meer verſchmaͤhet keinen Fluß /
Der doch nur Waſſer zinſt / in ſeine Schooß zu nehmen.
Corinth entſchuldiget den wohlgemeynten Schluß /
Philippi groſſen Sohn / als Buͤrger auffzunehmen;
Mit dieſem: daß ſie nie erwehntes Bürger-Recht /
Als nur dem Herenles / iemanden angetragen.
Hier unterfaͤnget ſich ein unterthaͤngſter Knecht /
Mit beßrer Folgerung und Grunde diß zu ſagen:
Man habe ja vor mir kein Opffer noch geſehn /
Das ſich nach Wuͤrden Dir / Durchlauchtigſter / ver -
gleichet.
Und alſo wirſt DU nicht diß Wenige verſchmaͤhn /
Was Dir Dein Sclave hier in Demuth überreichet:
Weil groſſe Printzen offt nur Waſſer hat vergnuͤgt /
Das eine treue Hand geſchoͤpfft. Ja ſelbſt mein Hertze /
Das mehr als dieſe Schrifft zu Deinen Fuͤſſen liegt /
Zuͤndt dieſes Opffer gu / als eine treue Kertze /
a 4Die
Die nach Vermoͤgen wuͤnſcht / gleich andern / vor Dein Heil /
Jn Unterthaͤnigkeit zu ſterben und zu brennen /
Wird mir ein Funcken nun von Deiner Huld zu theil:
So werd ich biß zur Grufft mich unterthaͤnigſt nennen

Eurer Chur-Printzl. Durchl.

Treu-gehorſamſt - und demuͤthigſt - ergebener Knecht H. A v. Z. U. K.

Nach Standes-Gebuͤhr Beehrter Leſer!

ENdlich erkuͤhnet ſich meine Aſiati - ſche Baniſe / als eine unzeitige Frucht ſeichter Lippen / unter der Preſſe her - vor zu wagen / und ſich auff dem Schau-Platz der Schrifft-eckeln Welt vorzuſtellen; der angenehmen Hoffnung lebende: daß / ungeachtet vieler Mißguͤnſti - gen / (derer ich eine ziemliche Bataillon wider den Jenghien Baſſa ins Feld ſtellen wolt /) wel - che nicht ermangeln werden / dieſe Blaͤtter durch alle Prædicamenta durchzuziehen / ſich dennoch viel honette Gemuͤther finden werden / die die - ſes mein wohlmeynendes Unterfangen mehr lo - ben als ſchelten / und aus dem Willen erkennen werden: was ich mir wuͤnſchte / in der That wuͤrcklich zu leiſten / Jch kan mich zwar mit der Unwiſſenheit nicht entſchuldigen / was vor ein gefaͤhrliches Unternehmen es ſey / ſich der ſcru - puleuſen Welt durch Schrifften zu offenbaren / angeſehen ſolche ohne diß mit ſo vielen gelehrten Sachen in allen Wiſſenſchafften dermaſſen an - gefuͤllet / ja uͤberhaͤuffet iſt / daß faſt keine Verbeſ - ſerung zu hoffen: Dennoch wird dieſe Jndiani - ſche Princeßin verhoffentlich pasſiret werdẽ / weñ ſie gantz gerne bekennet / daß ſie keinen locum ina 5inAn den Leſer. in denẽ Actis Eruditorum meritire; zu gleich abeꝛ beweglichſt bittet / ſie mit einem ungleichen Judi - cio Otioſorum zu verſchonen; Angeſehen ſie ſich nur in einem ſchlechten deutſchen Kleide / nicht aber im Harniſch / wodurch ſie einige Be - gierde zu fechten andeuten moͤchte / vorſtellet. Jn ſolcher Bloͤdigkeit hat ſie ſich billich unter die maͤchtigen Schutz-Fluͤgel des Durchlauch - tigſten Chur-Printzens zu Sachſen / deſſen beruͤhmte Sanfftmuth und hohe Guͤtigkeit auch in Aſien erſchollen / demuͤthigſt begeben / uud um gnaͤdigſte Beſchirmung wider alle Pfeile der gifftigen Mißgunſt fuͤßfaͤllig geflehet.

Hier ſolte ich nun ferner bemuͤhet leben / alle beſorgende Einwuͤrffe / welche ich bereits anzu - hoͤren bemuͤßiget worden / gruͤndlich zu widerle - gen: bevoraus die Catonianiſche Meynung / ob waͤren die Romainen ſchlechter Dings unnuͤtze Schrifften: Allein ich verlaſſe mich auf die Guͤ - tigkeit des Geneigten Leſers / und uͤbergehe alles mit Stillſchweigen. Denen ungegruͤndeten Haſſern aber der Helden-Schrifften / und andern Ubel-Geſinneten rathe ich dienſtfreundlich / die - ſes geringfuͤgige Werckgen / welches ſich nur als eine unwuͤrdige Auffwaͤrterin der heutig-vor - trefflichen Romanen aufgefuͤhret / beyſeite zu le - gen / und ein nuͤtzlicher Buch nach ſeiner Capri - ce zu ergreiffen / aus welchem er beweiſen koͤnne:Dica -An den Leſer. Dicatur in eo, quodnon dictum ſit prius. Den Jnhalt der wenigen Blaͤtter belangen - de / ſo ſind es mehrentheils warhafftige Bege - benheiten / welche ſich zu Ende des funffzehen - hunderten Seculi bey der grauſamen Veraͤnde - rung des Koͤnigreichs Pegu / und deſſen angren - tzenden Reichen zugetragen haben: Wobey zu - gleich ein wolgeſinnter Leſer die wunderſamen Gewohnheiten und Gebraͤuche der Barbari - ſchen Aſiater / bey Heyrathen / Begraͤbniſſen und Kroͤnungen / welche ich / nebſt der Hiſtoriſchen Warheit / mit Fleiß aus denen gelehrten Schrifften des nie genung geprieſenen Franciſci, Saarens / Schultzens und Balby Reiſe-Be - ſchreibungen / Rogeri Heydenthum / Roſſens Religonen / und andern curieuſen Schrifften colligiret / verhoffentlich nicht ſonder Anmuth bemercken wird. Und wie ich mich moͤglichſt befliſſen / alle unartige und aͤrgerliche Redens - Arten aͤuſſerſt zu meyden / auch niemanden mit Fleiß zu touchiren / (es ſey denn / daß ſich ie - mand getroffen faͤnde / da ich verſichere / es ſey von ungefehr geſchehen) alſo verhoffe um ſo viel eher / aller uͤbeln Meynung entuͤbriget zu bleiben.

Des Styli und eingeſtreueten Barbariſmi wegen / werde ich verhoffentlich zu perdonniren ſeyn / wenn ich ſage: daß ich hierinnen den ei -eigent -An den Leſer. eigentlichen End-Zweck der Romanen / die deut - ſche Sprache zu erheben / nicht ſo genau beobach - tet habe: weil ich mich viel zu wenig erachtet / unſerer werthen Mutter-Sprache den wenig - ſten Zierrath durch mich zu ertheilen: Zu dem auch der Jnhalt ſich mehr einer Hiſtoriſchen Beſchreibung / als Helden-Gedichte gleichet: Dahero ich durch vergebene Bemuͤhung die Ar - muth meiner Zunge nicht verrathen / ſondern mich durchgehends einer leichten und gewoͤhn - lichen Redens-Art bedienen wollen. Solte aber dem Geehrten Leſer die Vollkommenheit deutſcher Sprache zu ſehen belieben / ſo wird ehe - ſtens der unvergleichliche Arminius nebſt ſeiner Durchlauchtigſten Thusnelda, des weitbe - ruͤhmten und vortrefflichen Daniel Ca - ſpar von Lohenſteins / ſein Verlangen ſattſam ſtillen.

En fin; Jch bitte nochmahls / dieſe Schrifft nicht nach Wuͤrden / ſondern nach dem wohlge - meynten Abſehen de meliori zu judiciren / und mir durch geneigtes Auffnehmen meiner Bani - ſen fernere Gelegenheit geben: daß ich kuͤnfftig meine Danckbarkeit hiervoꝛ / noch durch zwey un - terſchiedene Bemuͤhungen deꝛ ſtrebenden Fedeꝛ / welche durch ihre Benahmungen: Helden - Liebe der Schrifft / und Diarium Hiſtorico - Poëticum, den Jnhalt ſollen zu verſtehen ge -ben /An den Leſer. ben / kuͤhnlich darzulegen / moͤge Urſach haben. Denen uͤbeldeutenden Momis und Zoilis aber ſetze ich den Wahlſpruch eines hohen Ordens wohlbedaͤchtig entgegen: Honni ſoit, qui mal y penſe. VALE.

Neue Buͤcher.

  • Arnoldi Gothofredi tabulæ chronologicæ a nato Chriſto ad annum 1697. 3 folüs in plano.
  • Biblia ex Seb. Caſtellionis interpretatione, cum annota - tionibus ejusdem. fol.
  • de Fenelon Franc. de Salignac Archi-Epiſcopi Came - rac. placita ſanctorum explicata. 8.
  • Gailhard Joh. de venæ ſectione 12.
  • du Hamel Joh. Bapt. biſtoria academiæ Regiæ ſcientia - rum in Gallia. 4.
  • Hartknoch Chriſt. de republica Polonica, editio nova au - cta. 8.
  • Krumbholzens Chriſtiani compendium homileticum 8.
  • Luc. Cœly Lactanty Firmiani opera a Chriſtoph. Cel - lario edita & notis illuſtrata. 8.
  • Verheyen Philip. anatomia. nova corporis bumani c. fig. 8.
  • Arnolds Gottfrids kurtzgefaſte Kirchenhiſtorie des alten und neuen teſtaments. 8.
  • ejusd. unparteyiſche Kirchen - und Ketzer-Hiſtorie von anfang des neuen teſtaments bis 1688. in 4 teilen. f.
  • ejusd. das Geheimnuͤß der Goͤttlichen Weisheit / nebſt poetiſchen Lob und Liebes-Spruͤchen von der ewigenWeißheit. 8.Weißheit nach anleitung des Hohen-Liedes Salomo - nis, und neuen Goͤttlichen Liebes-Funcken. 8.
  • ejusd. vom gemeinen Secten-Weſen / Kirchen - und Abendmahl gehen / wie auch recht Evangeliſchen Lehr-Amt und recht Chriſtlicher freyheit: nebſt ei - nes freundes Erinnerungen gegen Cypriani An - merckungen uͤber die Ketzerhiſtorie 4.
  • Connor Bernhard Beſchreibung des Koͤnigreichs Polen und Großhertzogthums Littauen 8.
  • Einleitung zur Roͤmiſchen und Deutſchen Hiſtorie. 8.
  • von St. Evremont ungluͤckſeliger Galant / beſchrie - ben in dem Leben des Grafen C *** aus dem Fran - zoͤſiſchen. 8.
  • Juͤnckens Joh. Helffrich Vernuͤnfftiger Leib-Artzt / anweiſend wie ein menſch / ſo von der Medicin keine Profesſion macht / ſich ſelber rathen mag / mit fig. 8.
  • Von mehr als einer Welt / Geſpraͤch / aus dem Franzoͤ - ſiſchen. 12.
  • Prideaux leben Mahomets. 12
  • Venette von erzeugung der Menſchen. 8.
1

der Aſiatiſchen Baniſe Erſtes Buch.

BLitz / Donner / und Hagel / als die raͤchenden Werckzeuge des gerech - ten Himmels / zerſchmettere den Pracht deiner Gold-bedeckten Thuͤrme / und die Rache der Goͤtter verzehre alle Beſitzer der Stadt: welche den Un - tergang des Koͤniglichen Hauſes befoͤrdert / oder nicht ſolchen nach euſerſtem Vermoͤgen / auch mit Darſetzung ihres Blutes / gebuͤhrend verhindert haben. Wolten die Goͤtter! es koͤnten meine Au - gen zu Donner-ſchwangern Wolcken / und dieſe meine Thraͤnen zu grauſamen Suͤnd-Fluthen werden: Jch wolte mit tauſend Keilen / als ein Feuerwerck rechtmaͤſſigen Zorns / nach dem Her - tzen des vermaledeyten Blut-Hundes werffen / und deſſen gewiß nicht verfehlen: Ja / es ſolte al - ſobald dieſer Tyranne / ſammt ſeinem Goͤtter - und Menſchen-verhaßten Anhange / uͤberſchwem - met und hingeriſſen werden: Daß nichts / als ein veraͤchtliches Andencken uͤberbliebe. Doch / Ach! wie irre ich? Was rede ich? Solte wohl ſolche Rache ohne Unterſcheid und ohne einiges Beden -Acken2Der Aſiatiſchen Baniſe. cken vollzogen werden? Wo bliebe denn die uͤber - irrdiſche Baniſe? Um derentwillen einig und al - lein der Himmel noch die abſcheulichſte Straffe uͤber Pegu zuruͤcke haͤlt / und welche das guͤtige Verhaͤngnis noch ſonder Zweiffel von dem gan - tzen Kaͤyſerlichen Stamme wird uͤbrig / ach! wer weiß? ob nicht in der Hand eines grauſamen Be - ſitzers / gelaſſen haben: um ſo viel mehr die ge - ſchlagenen Gemuͤther der faſt entſeelten treuen Unterthanen wieder aufzurichten / und zuerinnern: Es ſey noch ein Stern verhanden / welcher leicht wiederum zu einer Sonne werden koͤnte: Wenn man ihm aus ietziger Finſternis zu ſeinem vori - gen Glantze verhuͤlffe. Auff! derowegen / Printz von Ava! Erinnere dich desjenigen / womit du Baniſen verpflichtet biſt / und wiſſe: daß du die gluͤckſelige Beſitzung einer ſo him̃liſchen Schoͤn - heit nicht eher wuͤrdig genieſſen kanſt: du habeſt dich dann durch wuͤrckliche Rache an ihren Fein - den ſattſam um ſie verdienet gemacht.

Ach! aber / was ſchwermeſt du noch weiter / ungluͤckſeliger Printz! Erinnerſt du dich nicht / daß du zwar ein Koͤnig vom Stande / doch nicht vom Lande / biſt? Ein ohnmaͤchtiger Printz / wel - chen das Leben ſeines unbarmhertzigen Vaters aller Mittel beraubet hat / ſeine innigſt-geliebteſte Baniſe von Schande und Tod maͤchtigſt zu be - freyen. Jch wuͤndſche mir den Tod / wenn ich be - dencke: wie ich ihr in ietzigem Zuſtande nicht mehr / als einer ihrer geringſten Sclaven / zu ra -then3Erſtes Buch. then oder zu helffen vermag: Und wie hingegen auch der wenigſte Verzug zu ihrem und meinem hoͤchſten Nachtheil gerathen kan. Jedoch / kan ich ihr nicht mit meinem Leben dienen: ſo ſoll ſie doch mein Tod von dem Tyrannen befreyen. Jch will in die Burg / mich mitten unter die Feinde wagen / ja ſo bald ich mich dem Mord-Koͤnige dermaſſen genaͤhert habe / daß ich ihn werde er - reichen koͤnnen / dieſe meine Fauſt mit ſeinem moͤr - deriſchen Blute faͤrben / und ſeinen ſchwartzen Geiſt / als ein hoͤlliſches Rach-Opfer / der bren - nenden Finſternis zuſchicken. Mit ſolchen ver - zweiffelten Worten ließ ſich Balacin vernehmen: als ihm bey aufgehender Sonne der Glantz / de - rer auff der Kaͤyſerlichen Burg mit purem Gol - de gedeckten Thuͤrme / die Augen blendete / und er von einem Huͤgel die groſſe und praͤchtige Stadt Pegu uͤberſehen konte: Nachdem er die gantze Nacht durch / bloß allein von tauſend widerwaͤr - tigen Gedancken begleitet / geritten / und ſein er - muͤdetes Pferd in die Weide geſchlagen / ſich aber ſelbſt / um ſeine Ruh-beduͤrfftige Glieder in dem bethauten Graſe zuerquicken / auf ſeinen Mantel geleget hatte. Allein bey Endigung der letzten Worte erſahe er drey verwegene Bramaner / mit entbloͤſten Sebeln / aus einem Strauche hervor geſprungen kommen / welche ihn ſo fort mit entſetz - lichen Geberden anſchrien: Und du biſt der eini - ge Verraͤther / welchem das rechtmaͤſſige Ver - fahren unſers maͤchtigſten Kaͤyſers mißfallen /A 2und4Der Aſiatiſchen Baniſe. und ſich / als ein Sclave / in Feſſeln raͤchen will? Halt / dein Kopff ſoll uns tauſend Peſos gelten! So fort wurde Balacin von ihnen ohne ferneres Wortwechſeln uͤberfallen / daß er kaum aufſprin - gen / und den ins Graß gelegten Sebel ergreiffen konte. Weil ſich aber zu allem Ungluͤcke ein Riemen uͤber das Gefaͤſſe geſchlungen hatte / ver - mochte ihn Balacin nicht auff den erſten Zug zu - entbloͤſen: Dahero er von dem einen Boͤſewicht einen ziemlichen Hieb in die lincke Schulter be - kam / daß ſein Himmel-blauer Rock in kurtzer Zeit mit Blute gefaͤrbet war. Doch der Him - mel / welcher dieſen tapffern Printzen noch zu et - was groͤſſern aufbehalten / als daß er von ſo ſchnoͤ - der Fauſt liederlich verderben ſolte / gab Gnade / daß er bald ſeines Sebels maͤchtig ward / und im andern Streich den Thaͤter ſo ungeſtuͤm an den Hals zeichnete / daß er gleich zur Erden ſtuͤrtzte. Hierauf erſahe der Printz ſein Vorthel / und ſprang / um den Ruͤcken zuverſichern / an einen Baum: Da ſich denn dieſe Schelmen uͤber den Tod ihres Mit-Geſellen dermaſſen ereyfferten / daß ſie gleichſam als blind und raſend einzulauf - fen ſich bemuͤheten. Dahero ſich auch einer den vorgehaltenen Sebel des Printzen unter der lin - cken Bruſt dermaſſen einlieff / daß er todt davon niederſanck / und den vorgeſetzten Streich nicht vollziehen konte. Es wuͤrde aber unſern Balacin noch ein groͤſſerer Unfall betroffen haben / wenn nicht das Verhaͤngnis ſelbſt vor ihn den Streichaus -5Erſtes Buch. ausgenommen haͤtte. Denn als er den Sebel nicht ſo geſchwinde / wie es die Noth erfoderte / aus dem Leibe des Eingelauffenen ziehen konte / ver - ſuchte der Dritte durch einen grauſamen Hieb / den Tod ſeiner Cameraden zu raͤchen / und holte demnach aus allen Kraͤfften aus / dem Printzen den Kopff zu ſpalten: Welches ihm auch richtig gelungen waͤre / wenn nicht ein treuer / und uͤber - hangender Aſt den Streich aufgefangen haͤtte. Denn als der Moͤrder vor Raſerey den Aſt nicht bemerckte / hieb er ſo grimmig hinein / daß er nicht allein den Sebel muſte ſtecken laſſen: ſondern auch / als Balacin hiedurch ſeinen Sebel wieder zu gewinnen / Zeit bekam / von ſelbten einen ſchwe - ren Streich in die Achſel empfing / daß er ſo fort / wo er nicht den andern beyden gleich werden wol - te / das Reiß aus ſpielen muſte: Wiewohl er leicht wuͤrde einzuholen gewefen ſeyn / wann nicht Bala - cin ſo wohl gegen der fernen Reiſe / als auch ziem - lichen Verwundung dermaſſen ermuͤdet / daß er vor Ohnmacht in das Graß nieder ſanck / und ſich in ziemlicher Weile nicht zu entſinnen wuſte / in was vor elenden Zuſtande und gefaͤhrlichem Or - te er waͤre.

Als nun der verwundete Printz faſt bey einer Stunde gantz entkraͤfftet gelegen hatte / erholte er ſich endlich in etwas wiederum / und bemerckte von fernen einige redende Stimmen. Dahero er ſich nicht unbillich eines fernern Uberfalls be - ſorgte / und deßwegen einen ſichern Ort / allwo erA 3nur6Der Aſiatiſchen Baniſe. nur etliche Stunden der hoͤchſt-benoͤthigten Ru - he pflegen / und ſo dann des Himmels Schickung mit Gedult erwarten koͤnte / zu ſuchen bedacht war. Jn ſolcher Entſchlieſſung bemuͤhte er ſich zu erheben. Als er ſich aber kaum auff einen Schenckel ſteuerte / fiel er vor groſſer Schwach - heit / ſo ihm der groſſe Verluſt des Gebluͤtes ver - urſachte / wieder dahin. Weil aber die Stimmen ſich naͤherten / verſuchte er ſein euſerſtes / auf allen Vieren dieſen gefaͤhrlichen Platz zu verlaſſen: in - dem er ſich befuͤrchtete / der Entriſſene moͤchte ein groͤſſeres Ungluͤck uͤber ihn herbey fuͤhren: Dero - wegen kroch er voller Mattigkeit und Furcht bey dreyhuntert Schritte fort / bis er an einen breiten Fluß gelangte / welcher ihm Hoffnung und Flucht benahm. Nachdem er aber ein ſtarckes Geraͤu - ſche hinter ſich vernahm / entſchloß er / ſich dem ſandichten Ufer anzuvertrauen: Welches / ob es zwar ziemlich erhoͤhet war / dennoch etliche Schꝛit - te breit truckenen Sand unter ſich zeigete / und von einigen Baͤumen beſchattet wurde. Dannenhe - ro er ſich / ſo viel ſeine Schwachheit zuließ / ſanffte am Ufer herunter ließ / alwo ihm das Gluͤcke eine weite Hoͤle unter den Wurtzeln der Baͤume / die das reiſſende Waſſer unterwaſchen hatte / dar - bot / ſich derer in dieſer Gefahr zu bedienen. Wel - che angenehme Gelegenheit er willigſt ergriff / und ſich nach Vermoͤgen eilends darein verbarg: in - dem er bereits einige Perſonen auff dem hohen U - fer alſo reden hoͤrte: Haͤtten wir unſer Vorha -ben7Erſtes Buch. ben eine Stunde eher beſchleunigt / wir haͤtten den fremden Vogel auf Stuͤcken zerreiſſen koͤnnen. Jmmittelſt laſſet uns fleiſſig ſuchen / wer weiß / ob nicht der Fund die Muͤhe belohnet. Welchem der andere antwortete: Er kan nicht ferne von hier ſeyn: Weil er gleichfals ſein Theil bekam / daß er unmoͤglich weite Springe wird haben machen koͤnnen. Unterdeſſen laſſet uns unſere entſeelte Cameraden dem Ufer dieſes Fluſſes anbefehlen / derſelbe mag ſie bey anwachſendem Waſſer hin - fuͤhren / wo ihr Grab beſtimmet iſt. Bekommen wir aber den moͤrderiſchen Verraͤther / ſo ſoll er ih - nen ein grauſames Schlacht-Opfer werden. Hiemit ſtuͤrtzten ſie die zwey vom Printzen entleib - te Coͤrper vom Ufer auf den Sand / daß ſie gleich vor die Hoͤle zu liegen kamen / und giengen mit harten Bedrohungen davon. Solches ſahe und hoͤrte Balacin alles an. Weil ihn aber die Wun - de ſehr ſchmertzte / und er des Schlaffes ſehr be - noͤthiget war: als reiß er den Saum von ſei - nem Japaniſchen Rocke / verhuͤllte die Wunde / ſo viel moͤglichen / daß nur das Gebluͤte geſtillet wur - de / wickelte ſich in den Mantel / welchen er nebſt den Sebel wohl bedachtſam mit ſich genommen hatte / und ſchlieff alſo vor hoͤchſter Mattigkeit ein. Jn ſolcher Ruhe verhahrrte er bis an ſpaͤten A - bend da bereits der Mond mit vollem Liechte auf - gegangen war / vermittelſt deſſen er das Silber des rauſchenden Fluſſes / und zugleich die zwey Lei - chen auff dem Sande erſehen konte. Hier kan ſichA 4ein8Der Aſiatiſchen Baniſe. ein furchtſames Hertze die entſetzlichſten Vorſtel - lungen einbilden / welche auch der Hertzhafftigkeit ſelbſt eine Furcht einzujagen vermoͤgen: Eines Theils quaͤlte den Printzen die Wunde / und zu - gleich der Hunger / welchen er in zweyen Tagen durch ſtetes Reiſen und Faſten erwecket hatte. Andern Theils ſahe er ſich von der Nacht / die ein Schrecken an ſich ſelbſten iſt / an einem ſo unbe - kanten ſchrecklichen Orte uͤberfallen. Die vor der Hoͤle liegende / und mit Schand und Blut beſu - delten Coͤrper aber / deren ieder ſo ein graͤß - liches Geſichte zeigete / als ob er drohete / ſich auch im Tode an dem Printzen noch zu raͤchen / ver - mehrten das natuͤrliche Entſetzen. Ja was noch abſcheulicher war / ſo befand er neben ſich in der Hoͤle unterſchiedene andere Leichen / welche vor zwey Wochen der tyraniſche Chaumigrem bey dem jaͤmmerlichen Blut-Bade in Pegu in den angelauffenen Fluß werffen laſſen / und ſo dann das Waſſer in dieſe Hoͤle gefuͤhret hatte / worin - nen ſie nach getrocknetem Ufer waren liegen blie - ben: und ſchiene es / als ob ein todtes Element dieſen Blut-Hund an Barmherhertzigkeit uͤbertreffen / und die Todten mit einem Begraͤbnis verfehen wollen. Jn ſolcher abſcheulichen Todten-Geſell - ſchafft befand ſich nun der armſelige Printz: Wie - wohl ſolches ſeinen Augen wegen der Finſternis wohl wuͤrde verborgẽ geblieben ſeyn / weñ er nicht / als er ſeinen Sebel zu ſuchẽ bemuͤhet war / und alſo um ſich greiffende / ſtadtt des Sebels / bald eine eiß -kalte9Erſtes Buch. kalte Hand / bald einen Kopff voll Haare / und an - dere bereits vermoderte Menſchen-Glieder / in die Hand bekommen haͤtte: Welches ihm dermaſ - ſen entſetzlich vorkam / daß er faſt ſeiner Schmer - tzen vergaß / und nach ergrieffenen Sebel und Mantel auff allen Vieren ſich eilend nach dem Ausgang der Hoͤlen begab: alda er ſich / um ſeinen elenden Zuſtand recht zu betrachten / und mit ſich zu rathe zu gehen / was und wie er ferner ſeine Sa - che anſtellen / und wohin er ſich bey ſo eiteler Nacht wenden wolte / auf ſeinen zuſammengeroll - ten Mantel ſetzte. Denn in der furchtſamen Hoͤlen die gantze Nacht zu bleiben / wolte er lieber den Tod erwehlen: zumahl der Mond den Un - tergang draͤute. Jhr Goͤtter! hub er bey ſich ſelb - ſten an / ſo muͤſſen mich auch durch euer ungerech - tes Schickſal die Todten verfolgen und aͤngſti - gen / nachdem die Lebendigen euren Befehl / mich in das Grab zuſtuͤrtzen / nicht vollbringen koͤnnen. Jſt dieſes die Ruhe / deren ihr mich durch euren Prieſter zu Pandior verſichern laſſen? Doch ſol - te mir dieſes Elend eine Erfuͤllung euer Zuſage ſeyn: wenn ich nur wuͤſte / daß hiedurch der him̃ - liſchen Baniſen im geringſten geholffen wuͤrde. Ja / koͤnte ich ihre Befreyung und Sicherheit be - foͤrdern: ich wolte mich gern als ein Todter dieſen Todten beygeſellen. Verhaſten Goͤtter! Jch ſehe es wohl / daß ihr meinen Untergang beſchloſſen habt: ich bitte euch aber um euer vermeinten Ge - rechtigkeit willen; ihr wollet mein Leben verſpa -A 5ren /10Der Aſiatiſchen Baniſe. ren / biß die erzuͤꝛnten Bꝛamaner mich zerfleiſchen / und ihren von mir ermordeten Koͤnig an mir raͤ - chen werden: damit ich alſo durch meinen Tod der Engliſchen Baniſen einen erſprießlichen Dienſt leiſten koͤnne.

Unter ſolchen Sterbens-Gedancken wurde unſer Printz von einem herab-ſpringenden Tyger nicht wenig erſchrecket / welches die Leichen gewit - tert / und alſobald aufs grauſamſte in die Coͤrper hinein fraß. Solchem aber zu zuſehen / erachtete der Printz nicht vor rathſam / aus Furcht / es moͤch - te die Todten verlaſſen / und die Lebendigen ſuchen. Dañenhero wagte ers getroſt / als er ſeinen Vor - thel an dem heiß-hungrigen Thiere / welches bloß auf ſeine Speiſe Achtung gab / erſahe / und wolte ihm mit entbloͤſtem Sebel einen ſpaltenden Streich uͤber das Haupt verſetzen: verfehlte aber ſolches zu beſſerm Gluͤcke / und hieb ihm die rechte Tatze / welche es in das Fleiſch eingeſchlagen hat - te / glat hinweg: daß es alſo / indem es nach ihm zu ſpringen vermeinte / auf die Seite fiel / und er es nach vielen Hieben und Stichen vollend hinrich - ten konte. Solches erkeñete Balaein als ein gutes Vorzeichen / woruͤber er ein innerliches Vergnuͤgẽ empfand / und in dieſe Worte heraus brach: Ver - zeihet mir / guͤtigſten Goͤtter! wo mir etwa allzu groſſe Ungedult ſolche Worte abgedrungen / wel - che zu euerer Beleidigung gereichen koͤnnen. Denn wo Schmertz und Verzweiffelung den Sitz neh - men; da muß Gedult und Vernunfft oͤffter hin -dan11Erſtes Buch. dan ſtehen. Schauet vielmehr mein Elend / und laſſet ab / Koͤnigliches Blut zu verfolgen / und mich ferner zu quaͤlen. Laſſet das bereits vergoſſene Blut von Pegu genung ſeyn / die Glut eures allzu feurigen Zornes auszuloͤſchen / und mach[e]t mich zu einem Werckzeuge / wodurch Pegu gerettet / der Kaͤyſer gerochen / und die Princeſſin erloͤſet werde. Ja laſſet dieſes Tyger ein begluͤcktes Vorbild ſeyn: daß auch der Tyranne durch meine Fauſt auf ſolche Art fallen muͤſſe. Vor ietzo aber zeiget mir verirrten Printzen Weg und Steg / wie ich aus dieſer Moͤrder-Grube meinen Fuß ziehen / und wohin ich mich / meinen Vorſatz gluͤcklich zu voll - ſtrecken / wenden moͤge. Ehe er aber ſolche An - dachts-volle Seuftzer endigte / hoͤrte er abermal einen Laut redender Perſohnen uͤber ſich. Und ob ihm ſolches gleich Anfangs einen Schrecken bey - brachte / hielt er ſich doch / ſo weit es die Sicherheit erlaubte / auſſer der Hoͤle / um deſto beſſer alle Re - den zu bemercken: Welche er denn in folgenden Worten vernahm: Und auf wen ſolte ſich wohl unſere Hoffnung gruͤnden? Der Kaͤyſer iſt todt: Die Princeſſin iſt verlohren: Der Printz von A - va kan / und ſein Vater der Koͤnig / will uns nicht helffen / in dem er vermeinet zu ſchwach zu ſeyn; nicht bedenckende / daß eine gerechte Sache / und des Himmels Beyſtand / mehr als zehn Armen auszurichten vermoͤgen. Mein Vater / fiel ihm der andere in die Rede / regierten nur die Goͤtter den Printzen von Ava / daß er ſeiner Pflicht gegen un -ſere12Der Aſiatiſchen Baniſe. ſere Princeſſin ingedenck waͤre / und ſich in geheim zu uns verfuͤgte: ich verſichere / es wuͤrden ſo viel tauſend treue Peguaner / welche ihr Blut und Vermoͤgen / zur Rache ihres unſchuldigſt-ermor - deten Kaͤyſers / willigſt aufzuopffern bereit ſeyn / auf ſeine Seite treten / daß er keiner andern Huͤlffe benoͤthiget ſeyn wuͤrde. Jch weiß nicht / mein Sohn / hub der erſtere an / was ich mir vor Ge - dancken von dem Printzen faſſen ſoll? Jch habe bereits vor ſechzehen Tagen einen ſchleunigen Be - richt von dem jaͤmmerlichen Zuſtande des Kaͤy - ſerlichen Hauſes / und der euſerſten Gefahr ſeiner Princeſſin / nach Ava abgeſendet / welchen er auch / wie ich vernehme / richtig erhalten / und gleichwohl ſiehet und hoͤret man nichts von ſeiner Verrich - tung / da doch iedweder Augenblick der troſtloſen Princeſſin den endlichen Untergang drohet. Je - doch wird er ſeine edele Pflicht bedencken / und auf grauſamſte Rache bedacht ſeyn. Hieruͤber er - ſeuffzete der Printz ſo tieff / daß ſie auch ſolches auf dem Ufer vernehmen konten / welches ihnen eine entſetzende Verwunderung verurſachte / und dem Talemon dieſe Worte heraus lockte: Jch halte davor / daß auch die ſtummen Baͤume durch ſolche Tyranney beweget werden / und ihr Mitleiden durch deutliche Seuffzer zu verſtehen geben wol - len Als aber der Printz ſolches Seuffzen wieder - holete / konte ſich Talemon nicht enthalten / weil er eine nothleidende Perſon in der Naͤhe vermuthe - te / etwas lauter zu forſchen / ob iemand vorhanden /wel -13Erſtes Buch. welcher Huͤlffe benoͤthiget waͤre. Auf ſolche Nach - frage entſchloß ſich Balacin / welcher ſolches vor eine Goͤttliche Schickung annahm / zu antwor - ten / und ſagte: Wer ihr auch ſeyd von Goͤttern oder Menſchen an dieſen Ort begleitet / erbarmet euch uͤber eine Perſon / derer Gemuͤthe verwun - det / und der Leib beſchaͤdiget iſt. Ponnedro / alſo nennete ſich der juͤngere / ward durch ſolche Stim - me dermaſſen bewegt / daß er ſich alſobald am U - fer herunterließ / und hefftigſt erſchrack / als er bey Monden-Schein die todten Coͤrper und das nie - dergehauene Tyger erblickte; der Printz aber er - munterte ihn mit dieſen Worten: Entſetzet euch nicht / mein Freund / vor dieſem heßlichen Anblick. Dieſe zwey entſeelten Moͤrder haben nach mei - nem Leben unverſchuldeter Weiſe getrachtet: der Schutz des Himmels aber hat ſie der Schaͤrffe meines Sebels uͤbergeben / wiewohl ich zugleich einen Theil meines Gebluͤtes ihrer Mord-Begier aufopffern muͤſſen. Weil ich denn nun ſchon ſo lange an dieſem einſamen Orte / von allen Men - ſchen entfernt / und in meinem Blute hier liegen muͤſſen / da ohne Zweiffel dieſe Hoͤle mein Grab ſeyn wuͤrde / ſo bitte ich euch um des Himmels wil - len / wo ihr ja von dem Anhange des Tyranniſchen Kaͤyſers ſeyd / durchſtoſſet mein Hertz / und be - freyet Leib und Gemuͤthe von Qvaal und Schmer - tzen. Seyd ihr aber aus dem Geſchlechte der Menſchen / und aufrichtige Peguaner / ſo erbar - met euch uͤber den / welchen der bekuͤmmerte Printzvon14Der Aſiatiſchen Baniſe. von Ava an alle getreue Peguaner zu ihrem be - ſten abgeſchicket hat. Von wem? fragte Ponne - dro gantz begierig. Vom Printzen Balacin / ant - wortete er ſelbſt / welcher / ſeine geliebte Princeſſin zu retten / ſich bald in Perſon einſtellen wird. Ach! rieff Ponnedro ſeuffzende / zum raͤchen / aber nicht zum retten. Wie ſo? fragte der beſtuͤrtzte Printz / iſt Baniſe bereit geſchaͤndet / oder vielleicht gar todt? Es iſt ietzt nicht Zeit / hiervon zu reden / ant - wortete Talemon. Begebet euch nur mit uns nach jenem Schloſſe / und genieſſet allda benoͤthigte Ruhe und Speiſe: Morgen ſoll euch alles zur Gnuͤge entdecket werden. Ob nun zwar ſolche Ungewißheit unſerm Printzen hoͤchſt beſchwerlich vorkam / ſo folgete er ihnen doch endlich mit ſachten Schritten / biß in das nahgelegene Schloß / da ſie ihn nach geſchehenem Eintritt durch eine hohe Wendel-Stiege / welche ihm wegen der Wunde ſchmertzlich zu ſteigen war / in ein finſteres Gemach fuͤhreten / auch ihn / ſo bald er hinein getreten / ver - lieſſen / und die Thuͤr hinter ihm zuſchloſſen. Hier war der Printz abermahl in tauſend Sorgen und Aengſten / und wuſte nicht / ob er Freunden oder Feinden ſich vertrauet hatte. Das Gemach ſchie - ne gantz ſchwartz zu ſeyn / und nach eroͤffnetem Fenſter ſahe er einen ſteilen Felſen hinunter / deſſen Thal voller Baͤume und Straͤucher ſtund / darin - nen einige Woͤlffe entſetzlich heuleten / welche un - angenehme Muſic etliche Eulen mit ihrem Ster - be-Geſchrey vermehreten / daß unſerm Printzendie15Erſtes Buch. die Haare zu Berge ſtunden / und nicht anders ver - meynte / er waͤre aus einer Moͤrder-Grube ins Grab gerathen. Als er nun in ſolcher Furcht und Sorge faſt zwey Stunden verharret / kam ein al - ter Mann mit einer Laternen hinein / welcher ihn mit folgenden Worten ſeiner Angſt entledigte: Verzeihet mir / mein Freund / daß ich euch ſo lange einſam gelaſſen / und nicht ſo wohl euern Magen mit Speiſe / als auch den muͤden Leib mit einem geruhigen Lager / verſehen habe. Jnmittelſt laſ - ſet mich euere Wunde gebuͤhrend auswaſchen und verbinden / nehmet ein wenig Speiſe zu euch / und ruhet ſo dann ohne Furcht und Bekuͤmmer - niß. Die Goͤtter verlohnen es euch / antwortete der Printz / daß ihr ſo ſorgfaͤltig vor meine Ge - ſundheit und Beruhigung ſey. Jnzwiſchen wolte ich wuͤnſchen / euren Nahmen zu wiſſen: angeſe - hen mir die Sprache vorkoͤmmt / als ob ich die Perſon kennen wuͤrde / wenn ich ſie bey mehrerm Liechte betrachen ſolte. Es iſt euch ſolches nicht noͤthig zu wiſſen / wiederredete der Alte. Jch will mich ſchon offenbahren / wenn ich das Gluͤcke ha - ben werde / den wehrten Printzen von Ava in Per - ſon zu bedienen. Mit dieſen Worten langte er das Liecht hervor / und erleuchtete durch zwey an - gezuͤndete Lampen das gantze Gemach: vermit - telſt deren der Printz den Alten voͤllig erkante / und ihm gantz entzuͤckt um den Halß fiel. Ach Tale - mon! rieff er / mein allerwehrteſter Talemon! wie wohl hat mich der Himmel verſorget / daß er michzu16Der Aſiatiſchen Baniſe. zu euch gefuͤhret hat! Der alte Taleom erſchrack anfangs hefftig hieruͤber / endlich aber / wie er den Printzen ſahe / fiel er vor ihm nieder / und kuͤßte deſſen Knie / ſagende: O ihr Goͤtter! was vor eines Gluͤckes wuͤrdiget ihr mich? Jſt es moͤglich / Durchlauchtigſter Printz / daß es ſeine hohe Per - ſon iſt? oder wollen mich nur die Geiſter aͤffen / und meine Augen betruͤgen? Der Printz / welcher ſich wegen ſeiner Wunde allzuhefftig beweget hatte / ermahnte ihn / ſolche Freud - und Ehren-Be - zeigungen zu verſparen / biß zu gelegener Zeit: Und weil er wuſte / daß er ſich auff die Wunden-Cur wohl verſtund / bat er vor allen Dingen / nach der Wunde zu ſehen / und ihn zu verbinden. Welches Talemon fleißig verrichtete / und als er den Prin - tzen mit Speiß und Tranck ſattſam erqvicket / be - reitete er ihm ein ſolches Lager / worauff er beſſer / als in der Todten-Hoͤle / ruhen konte: wuͤndſch - te ihm ſo dann eine gute Nacht / und begab ſich auch zur Ruhe.

Es wurde aber kaum die Annaͤherung der Sonnen durch einige Liecht-Strahlen bemercket; Als der muntere Talemon ihr zuvor kam / das La - ger verließ / und ſich in ſeinen Garten verfuͤgte / al - da aufs fleißigſte zu ſorgen: Wie ſo ein hoher Gaſt wuͤrdig und ſicher moͤchte bewirthet / bevor - aus aber ihm der ſchmertzliche Verluſt ſeiner Princeſſin auff ſolche Art hinterbracht werden / daß noch einige Hoffnung die Verzweifflung hin - dern koͤnne. Wegen der Sicherheit nun / hielt ervor17Erſtes Buch. vor rathſam / bey dem Vorgeben eines Hoff-Jun - ckers von Ava zu beruhen: Das andere aber wolte er bey erſter Nachfrage mit zweiffelhaffter Rede beantworten / bis voͤllige Beſſerung ſeiner Wunde ſich verſpuͤren lieſſe. Als aber waͤhren - den Nachſinnens das angenehme Welt-Auge / in dem ſpringenden Waſſer eines in den Garten ſte - henden Kunſt-Brunnens artige Vorſtellungen machte / und ſolches den Talemon erinnerte / nach zuſehen / ob den Printzen der Schlaff verlaſſen / und ob er was benoͤthiget waͤre: eilte er zufoͤrderſt ſeiner Frauen / der Haſſana / zu / und ermahnte ſie / etwas von einem Fruͤhſtuͤcke zu verfertigen / wel - ches zugleich ſtaͤrckte und ſaͤttigte: weil ſich der geſtrig-ſpaͤte Gaſt etwas uͤbel auf befaͤnde. Da denn gedachte Haſſana / theils aus angebornem weiblichen Vorwitze / theils aus Antrieb ihrer Pflege-Tochter Lorangy / nicht unterließ / fleißigſt nach zuforſchen: Wer doch erwehnter Gaſt ſeyn muͤſte? Welche er aber mit der im Garten er - ſonnenen Antwort befriedigte. Hierauff gieng er gantz leiſe nach des Printzen Zimmer / und eroͤfne - te die Thuͤre in moͤglichſter Stille: in willens / die annoch brennden Nacht-Lampen ihres Ammtes zu erlaſſen / und auszuloͤſchen. Als er nun unfern dem Lager kam / bemerckte er / daß ſich des Prin - tzen Mund bewegte / auch / nach etlichen tieffgehol - ten Seufftzern / dieſe Worte im Schlaffe vor - brachte: Baniſe muß auch im Tode leben / und ich ſterbe lebendig. Worauff er gantz ſanffteBwie -18Der Aſiatiſchen Baniſe. wieder eingeſchlaffen ſchien. Jndem aber Tale - mon durch eilende Uuvorſichtigkeit eine Lampe herunter ſtieß / wachte der Printz uͤber ſolchem Ge - toͤſe auf / und wuͤndſchte / ſo bald er den Talemon erblickte / ihm einen begluͤckten Morgen / zugleich danckende / daß er ihn von einem ſchweren Trau - me entlediget haͤtte / welcher ihn nicht unbillich be - kuͤmmerte / und ein ſchmertzliches Nachdencken verurſachte. Talemon war begierig / ſolchen Traum zu wiſſen: Dannenhero ſolchen Balacin folgender Geſtalt erzehlete: Es iſt mir die unver - gleichliche Baniſe vor wenig Stunden erſchienen: Da ich bemerckte / wie ſie mir mit thraͤnenden Au - gen und ringenden Haͤnden zuwinckte / und mich / weil ſie mit vielen grimmigen Elephanten umge - ben war / gleichſam um ſchleunige Huͤlffe aufs be - weglichſte anflehete. Als ich mich nun bemuͤhe - te die Elephanten mit viel ſchmeichelnden Wor - ten / und vorhaltendem Futter / zu beſaͤnfftigen: erwiſchte ich die Princeßin bey der Hand / und ſchien es / als ob wir durch eine ſanffte Lufft denen Elephanten aus den Augen gefuͤhret wuͤrden. So hoch mich nun dieſe vermeinte Beſitzung ver - gnuͤgte / ſo hefftig ward ich beſtuͤrtzt / als mich dauchte: wie mir durch eine ſtarcke Flamme die Princeßin von der Hand geraubet wuͤrde. Da ich ihr nun mit klaͤglichen Geberden nachfolgete / und ſie wehmuͤthigſt ſuchte / erblickte ich ſie zwar wiederum: muſte aber mit bekuͤmmerten Augen anſehen / wie mich ein breiter Fluß verhinderte / zuihr19Erſtes Buch. ihr zu kommen: und ob ich mich gleich bemuͤhte / ſolchen zu uͤberſchwimmen / ſo wurde ich doch von vielen entſetzlichen Crocodilen zuruͤcke gehalten / welche mir mit auffgeſperrten Rachen den Tod draͤueten. Jn ſolcher Angſt habt ihr mich nun erwecket / und mich ſchleunigſter Andacht erin - nert / die erzuͤrnten Goͤtter anzuflehen / daß ſie alle uͤble Deutung verhindern / und mich mit er - wuͤndſchter Huͤlffe beſeligen wollen. Aber / ach mein Talemon / entdecket mir doch aufrichtig / in was vor einem Zuſtande ich meine wehrte Prin - ceßin wiſſen ſoll? Talemon entfaͤrbte ſich / und erinnerte mit kurtzen Worten / vor ietzo nur ſeiner Geſundheit zu pflegen / und den vorhin matten Leib durch uͤbriges Sorgen nicht ferner zu ſchwaͤ - chen. Solches aber betruͤbte den Printzen um ſo viel mehr / daß er im Bette auffuhr / und mit klaͤg - licher Stimme fragte: Talemon! ich beſchwere euch bey dem Geiſte / der ohne Zweiffel entſeelten Baniſe ſaget mir: Jſt die Princeßin todt oder lebendig? Welche Worte von einer ſolchen her - vor ſcheinenden Verzweiffelung begleitet worden / daß ſich Talemon kaum erholen / und alſo beant - worten konte: Ey was todt! hat es doch dem Printzen dieſen Augenblick getraͤumet / daß Ba - niſe noch lebet; und ſolcher Traum giebet meiner Wiſſenſchafft Beyfall / ein mehrers zu wiſſen / iſt vor dißmal nicht noͤtig: es ſey dann: daß einige Großmuth die Empfindligkeit daͤmpffe. Lebet nur Baniſe noch / wiederredete Balacin / ſo herr -B 2ſchet20Der Aſiatiſchen Baniſe. ſchet eine großmuͤthige Hoffnung / und dieſer feſte Entſchluß / in mir / ſie mit meinem Blute zu retten und zu raͤchen. Ein ſolcher Vorſatz iſt Ruhms wuͤrdig! war Talemons Gegen-Rede; denn ich muß bekennen: wir leben alle ſo weit in der Un - gewißheit / daß wir zwar / leider! wiſſen / und mit Augen angeſehen haben / wie das gantze Kaͤyſer - liche Hauß von Pegu / nebſt dem Kaͤyſer Xemi - nelo / erbaͤrmlich hingerichtet worden: allein / ob die Princeßin ſich in der Zahl der Lebendigen oder Todten befinde; ſolches beruhet in der angeneh - men Hoffnung: daß die Goͤtter viel zu gnaͤdig ſind / ein ſolches Bild der Vollkommenheit ver - derben zulaſſen. Jnzwiſchen ſorge er nur vor ſei - ne Geſundheit / vertraue den Goͤttern / und wiſſe / daß ſie auch vom Tode erretten koͤnnen. Es wird noch heute mein Sohn / welcher aus tyranniſcher Heucheley Ober-Hoffmeiſter des Kaͤyſerlichen Frauen-Zimmers iſt / und mich dieſen Nachmit - tag beſuchen wird / beſſere Nachricht hiervon ge - ben koͤnnen.

Auff ſolche Worte blieb der Printz gantz unbe - weglich liegen / und ließ durch die geſchloſſenen Au - gen einige Thraͤnen hervor flieſſen / welche den Talemon bewegten / ihn noch ferner auffzumun - tern: Durchlauchtigſter Printz! es hat mich Selbter vorhin bey dem Geiſte der Baniſen be - ſchworen / ihr Leben oder Tod zu entdecken. Was hindert aber mich: daß ich deſſen zweiffelmuͤthi - ge Seele gleichfals bey dem / annoch in dem ſchoͤ -nen21Erſtes Buch. nen Leibe wohnenden Geiſte der uͤberirrdiſchen Princeßin beſchwere: ſich allen ſchaͤdlichen Kum - mers zu entſchlagen / Leib und Gemuͤthe heilen zu laſſen / und alsdenn auf ihre Rache und Rettung bedacht zu ſeyn. Jch bin verſichert / die Goͤtter werden uns inzwiſchen mit ſo gewuͤndſchter Nachricht erfreuen: daß wir die groͤſte Urſache haben werden / ihnen vor den ſuͤſſen Lohn unſerer Muͤhe gnugſam zu dancken. Solches Einreden vermochte den Printzen ſo weit; daß er verſprach / biß zugewiſſerer Nachricht von ihrem Zuſtande / ſein Gemuͤthe zu beruhigen / und inzwiſchen mit Gedult den Ausgang der beſten Hoffnung zu er - warten. Nach ſothanen Verſprechen / loͤſete Ta - lemon das Band der Wunden auff / und erſahe mit Vergnuͤgen / wie ſich ſolche ſo wohl geſetzet und gereiniget hatte: dahero that er ein wenig Sand von dem(α)Jſt ein ſchwartzer Felß / mit weiſſen Steinen un - termenget / in der Landſchafft de los Conchucos: Wel - cher alle Wunden / wenn er klein zerſtoſſen gebrauchet wird / an Menſchen und Viehe heilet. Beſiehe ferner hiervon Franciſci Kunſt - und Sitten-Spiegel p. 258. Wund-Steine aus Peru in die Wunde / gab ihm auch hiervon etwas in warmen Wein ein / und band den Schaden / mit Verſiche - rung / in acht Tagen voͤllige Bewegung zu erlau - ben / wieder zu.

Nach dieſer Verbindung wurden einige ſtaͤr - ckende Sachen von der Haſſana und ihrer Pfle - ge-Tochter uͤberbracht / welche den Printzen / als einen ihres Standes / empfiengen: Haſſana aberB 3ſtellete22Der Aſiatiſchen Baniſe. ſtellete ſich uͤber ihre Gewonheit ſehr freundlich an; ob ſie gleich ſonſten / als des Talemos vierdte Ehefrau / durch ſteten Wider-Sinn ihrem alten Ehe-Herrn die allgemeine Lehre gab: Es ſey nichts gefaͤhrlicher / als eine offt wiederholte Ehe; weil man nothwendig ſich einmal verbrennen muͤſſe: wann man die Flamme zu offte verſuchen wil. Lorangy ließ ſich hingegen den erſten An - blick des Printzen dermaſſen entzuͤnden: daß man die Buchſtaben der Liebe gantz deutlich in ihren Augen leſen kunte. Aller maſſen ſie ſich ſehr ge - ſchaͤfftiget um den Printzen erwieſe / und ſich an - genehm zu machen / der geſtalt bemuͤhete / daß es dem Printzen leicht war / etwas mehrers / als eine haͤußliche Auffwartung daraus abzunehmen. Sie war ſonſt von gemeiner Schoͤnheit / mehr lang und ſtarck / als wol gewachſen / blaſſer Far - be / verliebter Augen / etwa 24. Jahr alt / und end - lich einer Standesgleichen Liebe noch wol wuͤr - dig: Auſſer / daß man einigen Mangel / des ſonſt dem Frauen-Zimmer anſtaͤndigen Verſtandes / an ihr verſpuͤhrte: indem ſie die Flammen ihrer Begierde durchaus nicht verbergen / noch ſich in allzu hefftiger Liebes-Bezeugung maͤßigen kunte. Und ſolches ließ ſie auch hier dermaſſen mercken: daß es ſchiene / als ob ſie durch des Printzen Ge - ſtalt gantz bezaubert waͤre. Dennoch aber ließ ſie hierinnen einen Funcken ihres Verſtandes / in Urtheilen der Liebe / ſo weit blicken / wenn man ſaget / daß ſie in der Wahl ihrer Liebe nicht geirrethabe.23Erſtes Buch. habe. Denn / zu geſchweigen des hohen und ihr unbewuſten Standes / ſo war er eine wolgewach - ſene / mehr lang als kurtze Perſon. Sein Haupt war mit Caſtanien-braunen / und von der Natur gelockten Haaren umgeben. Er hatte ſchoͤne groſſe und graulicht-blaue Augen / woraus nichts als Anmuth und ein hoher Verſtand blitzte. Dem ſchoͤnen / wiewol itzt etwas blaſſen Munde / ſtund ein freundliches Lachen und Reden uͤber die maſſen wol an; und aus der wol geſtalten / in der Mitten etwas erhabenen Naſe / kunte man deſſen Großmuͤtigkeit erkennen. Seine freye und un - gezwungene Anſtaͤndigkeit der Geberden / wolte immer ſeines Standes Verraͤther ſeyn. Jn Summa: Leib / Verſtand und Gemuͤthe war mit einer ſolchen Vollkommenheit begabet / daß ſeine Perſon die Abbildung eines vollſtaͤndigen Printzens ſattſam vorſtellen kunte. Jn ſolche Leibes - und Gemuͤths-Gaben war nun Lorangy nicht unbillig verliebt / und hatte hierinnen mit einer Princeßin etwas gemeines / daß ſie gleichfalls ihre Liebe / wiewol mit Unterſcheid des Jrrthums / einem Printzen wiedmen wolte. Die - ſer Jrrthum verleitete ſie ſo weit / daß ſie / ihre Auf - wartſamkeit zu bezeugen / durch oͤffters zu rechte Ziehen des Hauptkuͤſſens ſich dermaſſen zu ihm buͤckte / daß es ſchiene / als ob ſie ihre Lippen auff des Printzen Mund legen / und ihn gar kuͤſſen wol - te. Allein der Printz / welcher das Kleinod belieb - ter Keuſchheit ſeiner Tugend-Crone angehefftet /B 4und24Der Aſiatiſchen Baniſe. und iederzeit vor allen unordentlichen Begierden mercklichen Abſcheu getragen hatte / wurde hier - uͤber derm aſſen ungedultig / daß er faſt ſeines Zuſtandes vergeſſen / und eine Verſchonung an - befohlen haͤtte: wann nicht indem die Ankunfft des Ponnedro waͤre berichtet worden; woruͤber Haſſana und Lorangy das Zimmer verlieſſen. Talemon aber gieng ſeinem Sohne entgegen / vermeldete ihm des Printzen Anweſenheit / und fuͤhrte ihn hinein: da er ſich alſobald dem Prin - tzen ehrerbietig nahete / die Hand kuͤſſete / und alſo anredete: Durchlauchtigſter Printz! Die Freu - de uͤber dero hohen Gegenwart und die innigſte Begierde / vor dero Koͤnigliches Wolſeyn zu ſter - ben / halten einen angenehmen Wettſtreit in mir. Jnmittelſt zwinget mich meine Pflicht / gehor - ſamſt auffzuwarten / um gnaͤdigſten Befehl / wor - innen ich dienen ſoll / anzunehmen. Wertheſter Ponnedro / antwortete der Printz / es iſt mir leid: daß ihr mich nicht in dem Stande findet / worin - nen ich eure bekandte Treue vergelten / und ſolche nach Wuͤrden belohnen koͤnte. Jch wil aber in - zwiſchen hoffen: es werde die fremde Herrſchafft / oder vielmehr Tyranney nicht etwan auch euer Gemuͤthe entfremdet / noch veraͤndert haben. Al - lergnaͤdigſter Herr / wiederredete Ponnedro / wañ ich nicht wuͤſte / daß ich in meinem Zuſtande / we - gen in Haͤnden habenden Gelegenheit / mehr / als ſonſten / dienen koͤnte: ſo wolte ich von Stund an mein Ammt ablegen / mit eigener Fauſt den ty -ran -25Erſtes Buch. ranniſchen Chaumigrem auffopffern / und mich in dero Schutz und Dienſte begeben. Auff ſolche Art aber verſichere ich / bey Verluſt des ewigen(*)Die Peguaner glauben drey Oerter nach dieſem Leben: als nemlich: den Ort der Pein und Marter / den Ort der fleiſchlichen Wolluft / und den Ort der Selig - keit / welchen ſie Niba nennen. Wer nun in das ewige Niba kommen wolle; der muͤſſe zu erſt vorermeldete Oerter beſuchen und ausſtehen. Roger. Heydenthum pag. 775. 776. Niba: daß dieſer ietzige Dienſt / welchen ich dem Tyrannen leiſten muß / zur Gelegenheit aͤrg - ſter Rache / wegen ſo vielen vergoſſenen Bluts / angeſehen ſey. Jch zweiffele nicht an eurer Treue / werther Freund / war des Printzen Gegen - Rede: Allein die wunderliche Anſtalt eures Koͤy - ſers befremdet mich nicht wenig / daß er gleichwol denen gebornen Peguanern / welche er / durch grauſamſte Blutſtuͤrtz - und Verwuͤſtung ihres Vaterlandes / zum toͤdtlichen Haß wider ſich ge - reitzet hat / dennoch ſolche Ehren-Aemmter / und zwar gleichſam mit denſelben den Schluͤſſel ſei - nes Lebens und Vergnuͤgung anvertrauet. Sol - ches darff ſich mein Printz gar nicht befremden laſſen / gab ihm Talemon hiervon Nachricht / denn nachdem der Bluthund von Brama gantz Pegu eingenommen / den Kaͤyſerlichen Stam̃ grauſam ausgerottet / und alle Groſſen des Reiches meh - rentheils umgebracht und verſtoſſen hatte: Wie dañ auch ich den Schluͤſſel / als bekandter Reichs - Schatzmeiſter / ablegen / und mich in dieſen einſo -B 5men26Der Aſiatiſchen Baniſe. men Stand begeben muͤſſen / bloß den Goͤttern danckende / daß mir das Leben und dieſer Auff - und Unterhalt zur Beute gelaſſen worden: ſo kun - te er ſich leicht die Rechnung machen / ſein Name wuͤrde allen Peguanern ein Haß / und ſeine Per - ſon ein Fluch ſeyn. Uber ſolche vergaͤllte Gemuͤ - ther aber gluͤcklich zu herrſchen / hielte er vor rath - ſam / durch eine und andere Wolthat die abge - wendeten Hertzen ſich wiederum zuzuneigen: Weßwegen er dann zufoͤrderſt allenthalben / ob ſich gleich niemand einiges Verbrechens ſchuldig wuſte / eine allgemeine Verzeihung ausruffen ließ. Uber das beruffte er die Soͤhne der entleibten und verſtoſſenen Vaͤter nach Hofe / theilte die vor - nehmſten Ehren-Aemmter unter ſie aus / und ſtel - lete ſich gegen iedweden dermaſſen freundlich an / als ob er niemals einig Waſſer betruͤbet haͤtte. Auff ſolche Art nun iſt auch mein Sohn zu dieſer hohen Ehre gelanget / daß er Ober-Hoffmeiſter uͤber das Kaͤyſerliche Frauen-Zimmer geworden iſt. Und / O wolten die Goͤtter! die Princeßin Baniſe waͤre unter ſeiner Hand / ſie wuͤrde bald ihren Printzen kuͤſſen / und ſolte noch einmal ſo viel Blut vergoſſen werden. Ach ſchmertzliches Erinnern! rieff Balacin / Jammer-volles An - dencken! treueſter Ponnedro / lebet Baniſe? oder heiſſet mich ihr Tod ſterben? Nicht ſterben / gnaͤ - digſter Herr! antwortete Ponnedro / ſondern raͤchen. Denn Weh mir! fiel ihm der Printz in die Rede / Baniſe iſt todt. So machetdenn27Erſtes Buch. denn / O ihr grimmigen Goͤtter / doch ein Ende / einen vorhin halb entſeelten Menſchen mit ferne - rer Qvaal zu belegen. Nunmehro ſoll mich auch nichts abhalten koͤnnen / mir ſelber das allgemeine Ende alles Ungluͤcks zuzufuͤgen. Entdecket mir nur zuvor mit kurtzen Worten / auff welche Art mir die himmliſche Baniſe im Tode vorgegangen ſey / damit ich deſto behertzter ſterben / und ihr fol - gen koͤnne. Gnaͤdigſter Herr! fuhr Ponnedro fort / ſie laſſen ſich ſo wenig Worte nicht in ſolche Verzweifelung ſtuͤrtzen / indem es ja noch nicht klar / daß die Princeßin todt iſt. Und ſolte ja das grauſame Verhaͤngniß ſo unbarmhertzig verfah - ren haben / ſo wuͤrde des Printzen Tod dem Fein - de mehr zur Ergoͤtzligkeit / als zur Rache dienen. Solte ſie aber / mehrer Vermuthung nach / noch am Leben ſeyn / wen wuͤrde alsdenn deſſen Todes - fall am empfindlichſten betreffen / als die armſe - lige Princeßin? Jhr haltet mich nur umſonſt mit vergebenen Worten auff / antwortete der ver - zweiffelnde Printz. Verhindert mich nur nicht / der jenigen nachzufolgen / welche mir den Tod ſuͤſ - ſe macht. Jch ſterbe / und befehle den Goͤttern die Rache. Hiermit ſprang er als raſende von dem Lager auf / in willens / ſich des an der Wand han - genden Sebels zu bemaͤchtigen / und den eingebil - deten Tod ſich ſelbſt zu beſchleunigen: ſie fielen ihm aber alsbald in die Armen / und brachten ihn mit groſſer Muͤhe wieder ins Bette / da ihn der al - te Talemon etwas haͤrter anreden muſte: Wie? vor -28Der Aſiatiſchen Baniſe. vormals tapfferer Printz / ſagte er / iſt es moͤglich / daß ein zweiffelhaffter Zufall den ſonſt großmuͤ - thigen Geiſt beſiegen koͤnne? Eine ſolche Ver - zweiffelung ſtehet nur niedrigen Gemuͤthern an. Wer zum Scepter gebohren iſt / der muß ſich - ber keinen Unfall aͤndern: Und Großmuͤthigkeit iſt der Printzen hoͤchſte Zierde. Dahero muß man auch in dieſem Fall den Muth nicht ſincken laſſen / ſondern ſich auff die Hoffnung eines beſſern gruͤnden. Heiſſet dieſes dem vorigen nachleben: als er ſeiner Princeßin verſprach / ſein ihr gewied - metes Leben zu ihrem Beſten moͤglichſt zu erhal - ten? Wie wird ſolches ins kuͤnfftige bey ihr zu verantworten ſeyn / wenn ſie wird Rechenſchafft der Liebe fodern? Grauſame Verhinderer mei - ner Ruhe! hub endlich der Printz an / ſo wollet ihr mir denn verwehren / die geſchworne Treu biß in den Tod zu beobachten? Nicht wir / antwortete Ponnedro / ſondern die Pflicht / gnaͤdigſter Herr / womit er der Princeßin verbunden / haͤlt ihm die Hand zuruͤcke. Dieſe Verzweifflung hat die Un - gewißheit zum Grunde / und moͤchte eine Mutter ſchmertzlichſter Reue auch nach dem Tode ſeyn. Jch ſage ja nicht: die Princeßin ſey todt; ſondern nur: daß man nicht wiſſe / wie / oder wo ihr Zu - ſtand und Auffenthalt ſey? Solches nun zu er - kundigen / und ſie zu retten / iſt ein tapfferes Hertz und kluger Geiſt hoͤchſt vonnoͤthen. Ein ver - zweiffelter Muth aber / ja ein todter Printz / wird ſie noch hefftiger betruͤben / und gewiß in den ietztun -29Erſtes Buch. ungewiſſen Tod ſtuͤrtzen. Auff derowegen / tapf - ferer Printz! er verbanne allen Zweiffel-Muth / und traue ſicherlich denen Goͤttern: ſo wird ge - wiß deſſen Hoffnung von ihnen mit einem er - wuͤndſchten Außgange beſeliget werden. Jhr troͤſtet mich mit erdichteten Worten / wendete der ſorgſame Printz ein / und wollet mir es nur ver - heelen / was das unguͤtige Schickſal an Baniſen veruͤbet hat: Hiedurch aber vermehret ihr nur meine Qvaal / und ich ſchwere euch: ihr ſollet als - denn viel zu wenig ſeyn / meinen Tod zu verhin - dern. Durchlauchtigſter Printz! war des Pon - nedro fernere Gegen-Rede. Sie geben dero hohen Vernunfft nur noch ſo viel Raum / und glauben denen Worten / welche von dero ergeben - ſten Diener ohne einigen Verdacht der Unwar - heit vorgebracht werden. Jch ſchwere bey der vor - bittenden Krafft(*)Fotoko iſt ein Abgott in Pegu / von gemiſchten Ertz gegoſſen. Dieſer Abgott hat / ihrer Meynung nach / den hoͤchſten GOtt / Duma, durch ſonderbare Vorbitte dahin vermocht / daß allen Seelen / welche an die dun - ckeln Oetter verwieſen waren / Gnade wiederfahren iſt. Roger. Heydenth. p. 795. des Fotoko / daß weder mir noch faſt einigen Menſchen in Pegu bekandt ſey / wo die Princeßin hingekom̃en / ob ſie lebendig oder todt / gefangen oder entgangen ſey? Man ſahe wohl ein enthalſetes Weibs-Bild bey drey Stun - den auff dem Marckte liegen / welches von dem Abaxar und allen Soldaten / vor die entſeelte Princeßin ausgegeben ward: Alleine / wen nurdie30Der Aſiatiſchen Baniſe. die Natur mit einiger Vernunfft begabet hatte / der kunte aus den ſtaͤrckern Gliedmaſſen leicht ab - nehmen / daß ein Sclaviſcher Coͤrper in der Prin - ceßin Kleidung ſtecken muͤſte. Solches Vor - geben wurde nun von einigen Unverſtaͤndigen vor bekandt angenommen: Hierdurch aber ſind wir in einen kummerhafften Zweiffel verſetzet / daß wir nicht wiſſen / wo unſere Princeßin geblieben ſey / und ob man ſie unter den Todten oder Leben - digen ſuchen ſolle? Die ſtarcke Muthmaſſung aber ihres Lebens dienet uns zum Troſte / und eine tapffere Hoffnung verſichert uns gewiſſer Erlan - gung des verlohrnen Kleinods. Ach / treueſten Freunde / ſagte hierauff der Printz / dieſen Scha - den kan faſt kein Pflaſter / weder der Gedult noch Hofnung heilen. Denn in der Liebe muß man ſtets das ſchlimmeſte hoffen / und alsdenn den Goͤt - tern dancken / wann das beſte erfolget. Und wenn alle Welt verzagte / hub endlich Talemon an / ſo muß doch ein Printz nicht kleinmuͤthig werden / ſondern er ſoll auch ſo gar alles Ungluͤck eher uͤber - winden als fliehen. Es behalte derowegen mein Printz auch in dieſem Fall ein beſtaͤndiges tapffe - res Gemuͤthe / und laſſe ſich von den Drohungen kuͤnfftigen Unfalls nicht abſchrecken: Denn un - terweilen heben uns die Wellen aus einem ſin - ckenden Schiffe / und werffen uns in ein anders / welches gluͤcklich in Hafen lendet. Ja einem ſol - chen Hertzen iſt der Himmel guͤnſtig / und laͤſſet nicht geſchehen / daß es in ſeiner Hoffnung zuſchan -31Erſtes Buch. ſchanden werde. Derowegen / ſo bilde man ſich gewiß ein / die Princeßin ſey annoch im Leben / und bemuͤhe ſich aͤuſerſt / ihren Zuſtand zu erforſchen. Nach deſſen Erfahrung ein kluger Geiſt und tapf - fere Fauſt viel verrichten kan; ja es wird unfehl - bar die Eroberung dieſer Schoͤnen alle Bemuͤ - hung verſuͤſſen / und ſothane Beſtaͤndigkeit beloh - nen. Haͤtten aber ja die Goͤtter es uͤber das un - ſchuldige Blut verhangen / daß ſie auch durch die - ſen Kaͤyſer-Moͤrder gefallen ſey / ſo ſoll nicht nur der Printz / ſondern auch ich und mein Sohn / ge - troſt ihr im Tode nachfolgen / iedoch nicht eher / biß ieder ſeine Fauſt mit dem moͤrderiſchen Blu - te des Tyrannen beſpruͤtzet habe. Worzu ich nicht nur meinen Arm / ſondern auch mein altes Haupt willig darſtrecken will. Eure Klugheit / erholte ſich Balacin / trauteſter Talemon! iſt kraͤf - tig / auch die todten Steine zu bewegen / und ſpuͤh - re ich hieraus nicht ſo wohl euren Verſtand / als eure gegen mich tragende Treue. So verſiche - re ich euch denn / eurer Lehre gemaͤß mich zu ver - halten / gedultig zu leiden / getroſt zu hoffen / und al - ler Widerwertigkeit mit tapfferem Muthe entge - gen zu gehen. Jnzwiſchen rathet nur / auff was Art und Weiſe man hinter das Geheimniß der verborgenen Princeßin kommen moͤge? Hierzu kan uns niemand dienlicher ſeyn / antwortete Pon - nedro / als Abaxar / Ober-Hauptmann der Kaͤy - ſerlichen Leibwacht / welcher den grauſamen Be - fehl an der Princeßin vollziehen muͤſſen. DieſerAba -32Der Aſiatiſchen Baniſe. Abaxar nun ſoll / der heimlichen Sage nach / et - was hoͤhers / als er ſich ausgiebt / und bey den Zer - ſtoͤrungen ſo vieler Reiche unbekandter Weiſe ge - fangen worden ſeyn / ſich aber kluͤglich verbergen / und durch ſein Wolverhaltem in des Chaumi - grem Gnade / und zu dieſer Ehrenſtelle gelanget ſeyn. Wie nun aber der heimliche Groll / vielleicht wegen Beraubung ſeines Vermoͤgens und ſchmertzlicher Hinrichtung der hohen Seinigen / billig annoch im Hertzen ſchwebt: Alſo wird er auch in geheim auff moͤglichſte Rache nebſt uns bedacht ſeyn. Auff meinen Zweck aber zu kom - men: ſo hat erwehnter Abaxar iederzeit eine ſon - derbahre Freundſchafft zu mir geſucht / welche ich mit heimlicher Vergnuͤgung an ihm auch oͤffters mit mir heraus genommen / und in meines Va - ters Bekandtſchafft gebracht. Jn zwiſchen laſ - ſen wir uns nicht das geringſte von der Muthmaſ - ſung ſeines hohen Standes mercken / ſondern ma - chen uns gleichſam gantz vertraulich und gemein mit ihm / ſo gar / daß wir auch bereits etwas von der Liebe zwiſchen der Princeßin von Pegu / und dem Printzen von Ava / gegen ihn erwehnet ha - ben: Welches er ſehr merckſam angehoͤret / und ein hefftiges Mitleiden hieruͤber ſpuͤhren laſſen. Dieſen Abaxar will ich morgen heraus vermoͤ - gen / und ihn bedeuten / es ſey ein Vornehmer vom Avaniſchen Hofe in geheim ankommen / um eini - ge Gewißheit von der Princeßin Zuſtande einzu - ziehen. Jn welcher Meynung man ihn ſo weiter -33Erſtes Buch. erhalten kan / daß er auch ungeſcheuet in dieſes Zimmer darff gefuͤhret / und von dieſer Sache / ſo viel als noͤthig / mit ihm geredet werden. Die - ſen Vorſchlag / ſagte Balacin gantz freudig / ha - ben euch ohne Zweiffel die Goͤtter eingegeben / und kan ich kaum das morgende Licht erwarten: Weil ich gleichſam einen Schritt ungewiſſer Furcht und angenehmer Hoffnung in meinem Gemuͤthe verſpuͤhre: worinnen es ſcheinet / als ob das letz - tere den Sieg erhalten wuͤrde. So gehet dem - nach unter dem Schutz der Goͤtter / laſſet euch mein Anliegen befohlen ſeyn / und ſeyd verſichert / Ava ſey noch maͤchtig genug / eure muͤhſame Treue ſattſam zu vergelten. Worauff denn Ponnedro ehrerbietigſt Abſchied nahm / und ſich wieder nach Hofe verfuͤgte. Der alte Talemon aber wolte ſich inzwiſchen um fernere Auffwar - tung bemuͤhen / und nahm einen Abtritt / weil er nunmehro den Printzen vollkom̃en beruhiget ſahe.

Nach deſſen Entfernung ſchauete Balacin mit hoͤchſtem Verdruß die Haſſana und Lorangy das Zimmer betreten / welche ſich dann gantz freymuͤ - thig zu ihm naheten / und ihm mit vielerley Fra - gen verdrießlich fielen. Die Lorangy aber ſchie - ne dermaſſen von der Liebe uͤberwunden zu ſeyn / daß ihr oͤffters die hellen Thraͤnen Wangen-ab rolleten. Endlich erkuͤhnete ſich Haſſana nach deſſen Stand und Vermoͤgen zu forſchen / und zu fragen: Ob auch in Ava der Adel beruͤhmt ſey? und von welchem Geſchlechte er ſich ruͤhme? nebſtCan -34Der Aſiatiſchen Baniſe. angehaͤngter Verſicherung / es wuͤrde| zu eignem Gluͤcke dienen / wann er ſich hierinnen offenher - tzig erwieſe. Der Printz antwortete hierauff: Jch erkenne ſo unverdientes Anerbieten mit ver - pflichtetem Dancke: ſehe aber hieraus weder vor ſie / noch vor mich / kein Gluͤcke / ob ſie ſchon wiſſen ſolten / daß dero Herr aus ſonderbarer Barmher - tzigkeit einen unbegluͤckten Hoff-Bedienten von Ava auffgenommen hat / welchen mehr das Gluͤ - cke / als einiger Stand oder Reichthum befoͤrdert hat. Und dieſe Wolthat werden ihm die Goͤtter vergelten / weil ich auſſer meiner wenigen Beſol - dung nichts im Vermoͤgen habe / mich wuͤrcklich danckbar zu erweiſen. Jch muß geſtehen / hub hierauf Lorangy an / daß ich das Verhaͤngniß ſelbſt nicht wenig beneide / indem es euch nicht ſo viel Gluͤcke als Schoͤnheit ertheilet hat. Jedoch verſichert euch / daß ihr hier / nach uͤberſtandenem Sturm / in den Hafen eurer Wolfarth angelandet ſeyd. Balacin ſtellete ſich / als ob dieſe Reden zu hoch vor ihm waͤren / und ſprach: Mein gantzes Gluͤcke beruhet in der Hoffnung / und die Hoff - nung im Tode. Ein ſolcher Menſch / wendete Haſſana ein / darff in dem Fruͤhlig ſeiner Jahre nicht vom Winter reden / welches vielmehr einem verzweiffelten / als tapffern Gemuͤthe anſtehet. Und mein Freund / ſetzte Lorangy dazu / verſichert euch nochmals / daß / ob euch gleich das Gluͤcke haſſet / dennoch die Menſchen lieben. Wie ſolten mich die Menſchen lieben / verſetzte der Printz / daſie35Erſtes Buch. ſie doch die Qvellen meines Ungluͤcks ſind. Jch ſchwere / wiederredete Lorangy / daß ich euch allen Menſchen / ja dem Verhaͤngniß ſelbſt zu Trutze / meiner Liebe wuͤrdigen wil. Wer in die Sonne ſiehet / antwortete Balacin / der blendet ſeine Au - gen: Und wer den Schluß des Himmels hem - men wil / der ſtuͤrtzet ſich ins Verderben. Einfaͤl - tiger Menſch! vertrat Haſſana der Lorangy Stelle / der gewiß ſehr jung aus der Liebes-Schu - le entlauffen iſt. Freylich iſt es ein groſſes Un - gluͤck / wer die Sonne ſeines Gluͤckes nicht erken - nen kan. Jnzwiſchen laſſet euch bedeuten / und wiſſet / daß gegenwaͤrtige meine Pflege-Tochter / welche bereits vornehme Bemuͤhungen um ihre Huld unkraͤfftig gemacht hat / dennoch anietzo freywillig entſchloſſen iſt / den Ancker eurer Gewo - genheit in das Meer ihrer Gegen-Liebe verſen - cken zu laſſen. Jch ſichere euch / daß alsdenn euer Wolfahrts-Schiff durch lauter Gluͤcks - und Lie - bes-Winde ſoll fortgetrieben werden. Der ſich einfaͤltig ſtellende Balacin verſetzte hierauff: Nachdem ich zweymal ungluͤcklich zur See ge - weſen bin / ſo ſtellet mir ietzo iedweder Gedancke einen Schiffbruch vor. Alberes Geſchoͤpffe / fuhr die ungedultige Lorangy herauß / wie hat ſich doch Schoͤnheit mit Einfalt ſo unrecht vermaͤhlen koͤn - nen? Jch liebe euch / und begehre / wiederum von euch geliebet zu werden. Diß erfordern die Goͤtter / fuhr Balacin in ſeiner verſtellten Einfalt fort / daß ich ſie beyderſeits / als meine Wolthaͤ e -C 2rin -36Der Aſiatiſchen Baniſe. rinnen lieben ſoll. So iſt euch auch / ſagte Loran - gy / der Unterſcheid der Liebe allerdings bewuſt. Jch vermeyne Bey dieſen Worten kam Talemon wieder zuruͤcke / und erſahe aus des Printzen verwirreten Geſichte / daß ihn die Ge - genwart ſeines Frauenzimmers nicht allzu ange - nehm mochte geweſen ſeyn. Hierinnen ward er um ein groſſes beſtaͤrcket / als ihn der Printz frag - te: Warum er ſeine Wiederkunfft ſo verzoͤgert haͤtte? Welches er ſo fort beantwortete: Die natuͤrliche Liebe / und die aͤuſſerſte Noth eines ar - men Menſchen / welcher in dem Strome bereits mit Tod und Wellen kaͤmpffte / hat mich ange - trieben / ihn retten zu laſſen: Welche Bemuͤhung ſolchen Verzug verurſachet hat. So werden wir alſo / fieng die vor Zorn gluͤende Haſſana an / zwey undanckbare Fremdlinge unter unſerm Da - che haben. Jndeſſen komme Lorangy / und laſſe uns bedacht ſeyn / zu erweiſen / wie eine verachtete Liebe toͤdtlichen Haß bringen koͤnne. Nach wel - chen Droh-Worten ſie ſich eylends aus dem Zim - mer begaben / und die Thuͤr mit ſolchem Unge - ſtuͤm hinter ſich zuſchmiſſen; Daß es waͤre zu wuͤndſchen geweſen / es haͤtten damals aller boͤſen Weiber Koͤpffe darzwiſchen geſtecket.

Wie ſich nun Balacin dieſer beſchwerlichen Geſellſchafft entlediget ſahe / fragte er den Tale - mon / ob ihm die errettete Perſon gantz unkaͤntlich ſey? Mehr als zu bekandt / Gnaͤd. Herr! ant - wortete Talemon. Es iſt der getreue Scandor. wel -37Erſtes Buch. welcher bald ſein Leben im Waſſer verlohren haͤt - te. Wer? Scandor? fragte der ſich verwun - dernde Printz. Was ſolte doch wol ſeine An - kunfft bedeuten / indem ich ihm ja befohlen / Ava nicht eher zu verlaſſen / er habe denn gewiſſe Nach - richt von mir / wo ich mich oͤffentlich auffhielte. Daß er aber von hier einige Gewißheit haben ſol - te / ſolches ſcheinet unmoͤglich zu ſeyn. Jch weiß nicht / antwortete Talemon / was ihn hieher bewo - gen habe. Daß er aber den Printzen hier ſuchen ſolte / iſt nicht zu vermuthen. Jndeſſen wil ich ihn wol warten / und zu ſich ſelber kommen laſſen: ſonder Zweiffel iſt ſeine Ankunfft nicht ohne wich - tige Urſachen. Seyd doch bedacht / erinnerte ihn Balacin / daß er wieder zu recht / und zu mir ins Zimmer / ohne einige Nachricht meiner Gegen - wart / gebracht werde. Solches fleißig ins Werck zu richten / ließ ſich Talemon bald angelegen ſeyn: Und als er den Scandor ſattſam getrocknet / er - qvicket / und gantz ermuntert hatte / nahm er ihn bey der Hand / und fuͤhrte ihn in des Printzen Zim - mer / in welchem er kaum etliche Schritte fortge - ſetzet / und den Printzen auff dem Bette erſehen hatte / als er mit vollem Schreyen zuruͤcke ſprang: O ihr Goͤtter / rieff er / errettet mich von dieſem Zauber-Orte. Talemon / ihr alter Hexen-Mei - ſter / ihr verblendet meine Augen. Mit welchen Worten er zur Thuͤr hinaus reiſſen wolte: Als ihn aber Talemon beym Arme zuruͤcke hielte / und ihm der Printz zuredete / kam er endlich mit zittern -C 3dem38Der Aſiatiſchen Baniſe. dem Fuſſe wieder zuruͤcke / wiewol ihn das zaube - riſche Mißtrauen noch nicht allerdings verlaſſen hatte: indem er Talemon ſtets anſahe / und zu ihm ſagte: Talemon / ich beſchwere euch bey den ſieben Elementen / eroͤffnet mir meine Augen / oder gewehret mir meinen Printzen und Herrn in leib - hafftiger Geſtalt. So naͤhert euch nur / antwor - tete Talemon / und fuͤhlet / ob nicht dieſer Zauber - Geiſt Fleiſch und Bein habe. Als ihm nun der Printz ferner zurieff / fiel er auff die Knie / kuͤßte ihm die Hand / und ſprach: Ach Gnaͤdigſter Herr! iſt es moͤglich / daß ich ſie hier / und zwar in ſolchem bettlaͤgerigen Zuſtande antreffen ſoll. Jch bin noch nicht allerdings verſichert / ob ich etwan Traͤume oder ſonſt eine andere Perſon in dero Gleichheit antreffe. Nein / nein! mein Scan - dor! redete ihm der Printz ein / ich bin es freylich ſelber / und muß beklagen / daß / da ich in eyfrigſter Bemuͤhung / meine Princeßin auszuforſchẽ / leben ſolte / ich hier mit verwundetem Leibe und kran - cken Gemuͤthe des Lagers huͤten muß. Was be - deutet aber deine unanbefohlene Herkunfft? Jſt etwan zu Hauſe noch was mehr vorgefallen / wel - ches mein Elend vergroͤſſern koͤnte? Gnaͤdigſter Herr! antwortete Scandor / meine Verrichtung iſt von ſolcher Wichtigkeit / daß ich um Erlaubnis bitten muß / mich ein wenig verſchnieben zu laſſen. Denn gewiß / ich bin in ſolcher Gefahr geweſen / daß ich nunmehr glaube / ich ſey von den Goͤttern zu einem lufftigen Tode verſehen; weil ſie michvor39Erſtes Buch. vor dißmal nicht den Klauen der furchtſamen Waſſer-Nympffen uͤbergeben wollen. Ver - ſichert / ich ſahe bereit ein Hauffen ſchuppichte Po - ſten unter dem Waſſer lauffen / welche die Fiſche zuſammen beruffen / und auff eine Mahlzeit einla - den ſolten / wobey ich das vornehmſte Gerichte haͤtte ſeyn muͤſſen. Wie nahe mir nun der Tod muͤſſe geweſen ſeyn / iſt hieraus abzunehmen / weñ ich ſage: daß ich ſchon wie die Hechte auf dem Ruͤcken zu ſchwimmen begunte: welches denn meinen Glauben beſtaͤrckte / daß ich kein Frauen - zimmer ſey / als welches von der ſchamhafftigen Natur bey dergleichen naſſen Faͤllen dazu verſe - hen / daß ſie iederzeit dem Waſſer den Foͤrdertheil des Leibes goͤnnen / und auf dem Geſichte ſchwim - men muͤſſen. Kurtz: ob ich gleich die Beſchaf - fenheit meiner Todes-Angſt / und drauff erfol - genden Rettung / welch ich den Goͤttern / und dem ehrlichen Talemon / zu dancken habe / außfuͤhrli - cher erzehlen wolte / ſo iſt es mir doch unmoͤglich; weil mich damals mein Waſſer-ſcheuer Geiſt gantz verlaſſen hatte / und ſich erſt wieder einſtell - te / als ich bereits hier auf dem Schloſſe in trucke - ner Waͤrme lag / da ich denn alle Menſchen vor Fiſche anſahe / nicht anders meinende: ich laͤge noch in der feuchten Herberge / und ſolte ietzt den Braten meines Lebens anſchneiden laſſen. Nachdem ich mich aber gantz unangebiſſen fuͤhle / ſo bin ich nun nichts mehr beſorget / als um mein Pferd / welches mich in diß Ungluͤck gebracht / undC 4her -40Der Aſiatiſchen Baniſe. hernach leichtfertiger Weiſe verlaſſen hat. Bey dieſen Worten wurde ihm angedeutet / ſein Pferd ſey in den Schloß-Hoff gelauffen kommen / waͤre bereits wohl eingeſtallet / und braͤchte man hier das Felleiſen / welches ziemlich benetzt / nur noch an einen Riemen gehangen haͤtte. Dieſer Bericht ſtellte den Scandor in hoͤchſte Vergnuͤgung / daß er auch ſein Pferd nicht ſattſam loben konte / und vorgab: diß Pferd ſey unſchaͤtzbar / denn wenn es ſeinen Herrn verloͤhre; ſo fragte es ſo lange nach / biß es ihn wieder gefunden haͤtte. Hierauff er - oͤffnete er das Felleiſen / langete einige Brieffe her - vor / und uͤberreichte ſie dem Printzen mit folgen - den Worten: Aller gnaͤdigſter Herr! hier neh - men ſie / von der Hand ihres geringſten Die - ners / zwey Koͤnigreiche an. Was ſchwaͤrmeſt du? antwortete Balacin. Jch halte das Sprich - wort wird wahr an dir: Alle Freyer / Narren und Trunckene ſind reich. Nein / wiederredete Scandor / der Jnnhalt dieſer Brieffe wird mich ſolchen Verdachts entledigen. Welchen zu ver - nehmen / der Printz gantz begierig das Paqvet er - brach / in dem erſten Brieffe die Unterſchrfft ſeiner geliebten Fraͤulein Schweſter / Higvanama er - ſahe / und mit ſonderbahrer Regung folgenden Jnnhalt daraus leß:

Durchlauchtigſter Printz!

JCh weiß nicht / ob ich in meinem Gemuͤthe einer uͤbermaͤßigen Freude / oder Traurigkeit / den Vorzog goͤnnen ſoll? Angeſehen mich zu die -ſem41Erſtes Buch. ſem Kindliches Andencken / zu jenem aber Schwe - ſterliche Zuneigung / verbindet. Weil aber der vaͤterlichen Liebe von den Goͤttern anbefohlen iſt / die Wolfarth ihrer Kinder genau zu beobachten; ſolcher Vorſorge aber / ich Ungluͤckſelige / mich nie von meinem Vater ruͤhmen koͤnnen: als achte ich davor / es ſey mir von den Goͤttern wohl erlaubet / mich mehr uͤber den nunmehro bluͤhenden Wohl - ſtand meines innigſt-geliebteſten Printzens / als Bruders / zu erfreuen: als jenes zu betrauren / und alles Leid mit unſerm unartigen Vater zu ver - ſcharren. Denn wie das unerforſchliche Ver - haͤngnis / als ein unfehlbarer Aug-Apffel der Gottheit / nicht iederzeit ſeinen Diamantenen Schluß / denen Menſchen durch Blitz und Sturm / ſondern auch oͤffters durch erfreuliche Sonnen - Blicke will zu verſtehen geben; alſo hat es dem - ſelben auch vor ietzo beliebet / auf einer Seiten den Thron von Ava in einen Sarg / und deſſen Crone in einen Cypreſſen-Krantz zu verwandeln; ich will ſagen: J. Maj. unſern Herrn Vater durch einen ſchleunigen Todes-Fall / vor kurtzer Zeit / aus die - ſer Welt in die unſichtbare Hoͤhe zu erheben: An - dern Theils aber / die Crone von Ava durch recht - maͤßige Folge auf das Haupt des Erb-Printzens zu ſetzen / welcher denn von allen getreuen Avanern mit hoͤchſtem Verlangen erwartet / das ſtarcke Regiments-Ruder aber immittelſt durch meine ſchwache Hand / zu Verhuͤtung alles unordentli - chen Weſens / ſo lange gefuͤhret wird / biß mich derC 5tapfe -42Der Aſiatiſchen Baniſe. tapfere Arm zu kuͤnfftiger Majeſtaͤt / durch er - wuͤndſchte Gegenwart / deſſen uͤberhebet.

Wie thoͤrlich es auch gehandelt ſey / ich will nicht ſagen / von einem Vater / ſondern insgemein von uns ſterblichen Menſchen / wenn wir uns un - terfangen wollen / den unwiedertꝛeiblichen Schluß des Himmels ohnmaͤchtig zu hintertreiben / ſolches wird aus beygelegtem leicht zu ermeſſen ſeyn. Denn E. L. ſollen wiſſen / daß kurtz vor J. M. des Koͤniges Tode einige Abgeſandten aus Aracan Audientz geſuchet / und auch erhal - ten / deren Verrichtung aber dermaſſen geheim gehalten worden / daß weder ich / noch die Reichs - Raͤthe / nicht das geringſte davon erforſchen koͤn - nen. Nachdem aber die Goͤtter den Koͤnig / als ei - nen groſſen Stein vieler Verhinderungen unſers Gluͤckes / aus dem Wege geraͤumet / ſo iſt deren Verrichtung in dem Koͤnigl. Cabinet gefunden und eroͤffnet worden / welches auch ſo fort / als eine ſonderbahre Gluͤcks - und Freuden-Poſt durch unſern treuen Scandor hiemit uͤberſchicket wird: mit unmaßgeblicher Bitte / ſich ſchleunigſt nach Ava zu erheben / die Vaͤterliche Crone aufzuſetzen / und die andere nicht zu verſaͤumem. Jnmittelſt habe ich ſo fort einige Geſandten nach Aracan ge - ſendet / ſelbtes Reich bey wohlgefaßten Gedan - cken zu erhalten / ſie des Printzen zu verſichern / und das beſte vor uns an ſelbigem Hofe zu beobachten: welches alles vor die Wohlfahrt meines innigſt -ge -43Erſtes Buch. geliebteteſten Bruders geſchiehet / von deſſen treu - Ergebenſten Schweſter

Higvanama / Princeßin von Ava.

Jhr Goͤtter! hub der Printz an / wie verſuchet ihr mich / und ſetzet mich in einen ſorgſamen Zweif - fel / ob ich euch dancken / oder wegen Verzugs ſo langſamer Huͤlffe / ſchelten ſoll? Als ich mit maͤch - tiger Hand den Fall des Koͤnigl. Baums von Pe - gu / auff welchen mein Vergnuͤgen bluͤhte / ver - hindern und erhalten ſolte / wurde mir der Arm durch meinen unbarmhertzigen Vater dermaſ - ſen verkuͤrtzet / daß ich nur von weiten mit naſſen Augen zuſehen / und mein Schickſal verfluchen muſte. Anietzo aber / o wunderliche Goͤtter! ſeyd ihr allzufreygebig / und gebt mir ein gedoppeltes Schwerd in die Hand / da ich dasjenige verlohren / was ich mehr als gantz Aſien ſchaͤtze. Jnmittelſt ſoll mir dieſes das Geheimniß wegen der Crone von Aracan beſſer entdecken. Mit welchen Wor - ten er auch dieſes Siegel erbrach / und zu foͤrderſt den Titul erſahe:

Dem Hochmaͤchtigſten Koͤnig und Herrn / Da - coſem / Hn. von dem guͤldenen Hauſe / Beſitzer des rothen Elephantens / und Beherrſcher des groſſen Reichs Ava! Großmaͤchtigſter Koͤnig / Gnaͤdigſter Herr!

DJe maͤchtige Hand / welche Cronen ſtuͤrtzet / und Scepter zerbricht / welche den Fuͤrſten auff den Thron ſetzet / und gekroͤnte Haͤupter in den Sarg leget / hat auch / leider! an unſerm Pur -pur44Der Aſiatiſchen Baniſe. pur erwieſen / wie leicht deſſen hohe Roͤthe in eine blaſſe Todten-Farbe / und deſſen Gewandt in ei - nen Sterbe-Kittel koͤnne verwandelt werden. Denn als verwichenen Neu Monden ietzigen JahrsRoger. p. 128. Pramadi unſer allermaͤchtigſter Koͤnig und Herr Vedam / Koͤnig von Aracan und Bo - axam / Herr von dem guͤldenen Hauſe / und von dem weiſſen Elephanten / Beſitzer uͤber alle groſſe Reiche in Bengala ꝛc. als eine muͤhſame Reichs - Sonne in dem Staats-Himmel unſers Reichs und Geheimen Raths oͤffentlich erſchien / durch ſeinen kraͤfftigen Einfluß und Gegenwart die Ge - muͤther der Rathenden beſeelte / und alles zu kraͤf - tiger Wuͤrckung zubringen bemuͤhet war: Als welches eine der voꝛnehmſten Tugenden gekroͤnteꝛ Haͤupter iſt: ſo uͤberfiel unſere Augen eine dermaſ - ſen hefftige Finſterniß / welche wir noch mit Blu - te beweinen: indem das bloſſe Verhaͤngniß durch einen gaͤhlichen Schlag J. M. des Lebens und uns alles Troſtes und Hoffnung beraubte.

Wie nun der toͤdtliche Abgang eines ſo guͤti - gen und Ruhms-wuͤrdigen Hauptes billich vor eine hohe Straffe der Goͤtter zu achten: ſo dan - cken wir doch der erzuͤrneten Gottheit / daß ſie uns noch mit der angenehmen Hoffnung und Will - kuͤhr beſeeliget / als ein Wahl-Reich den ſchmertz - lichen Verluſt durch ein anderes guͤtiges Haupt zu erſetzen. Und daß wir in ſolcher Wahl nicht fehlen moͤgen / hat bereits auf unſere Verordnungund45Erſtes Buch. und eigenen Antrieb iedweder treuer Unterthaner den gnaͤdigen Him̃el ſehnlich angeflehet / und den Goͤttern geopffert. Daß nun auch ſolches Ge - bet erhoͤret worden ſey / ſchlieſſen wir feſte hieraus / wenn unſer einmuͤthigeꝛ Sinn und Wahl-Stim - men auff den Durchlauchtigſten Erb-Printzen von Ava / Printz Nautier Balacin gefallen / wel - cher durch ſeine unſchaͤtzbaꝛe Tugenden und Tapf - ferkeit ſich in allen Gemuͤthern der Aracaner der - maſſen befeſtiget hat / daß auch nur deſſen hoher Ruhm iedweden begierig gemacht hat / unter der Regierung und Schutz eines ſo tapffern Prin - tzens zu leben / und die Crone von Aracan auf ſein Haupt zu ſetzen. Wann denn ſothaner hohen Zuverſicht die Ermanglung einigen Koͤniglichen Erbens beyfaͤllet; Als ergehet an J. K. M. unſer und des gantzen Reichs unterthaͤnigſt-gehorſam - ſtes Flehen und Bitten / ſie geruhen gnaͤdigſt / dero hocherwehnten Printzen unſerm Staats-Coͤrper zu einem hohen Haupte zu vergoͤnnen / unſern Thron mit dero Koͤnigl. Gebluͤte zu beſetzen / und uns durch ſchleunige Gegenwart unſerer kuͤnffti - gen Majeſtaͤt begluͤckt zu machen.

Großmaͤchtigſter Koͤnig / wir verſichern J. M. mit unverfaͤlchtem Hertzen / daß ein ieder / auch von den geringſten Unterthanen des Reichs / be - gierig iſt / ſein Gut und Blut vor die Wolfahrt des Preißwuͤrdigſten Printzens auffzuſetzen; Und werden ſich einer vor alle / und alle vor einen gegen denſelben mit verpflichteſtem Gehorſam und Re -ſpect46Der Aſiatiſchen Baniſe. ſpect dermaſſen zu erweiſen wiſſen / wie es die Wuͤrde dieſes Reichs und das Koͤnigliche Blut erfordert: Ja wir werden uns auch begluͤckt ach - ten / wann wir unſere Danckbarkeit vor ein ſo werthes Pfand gegen das Reich Ava durch eine angenehme Verbuͤndniß in der That werden er - weiſen koͤnnen: Wie wir uns denn unausgeſetzt bezeigen werden / als E. und Unſerer kuͤnfftigen K. M. unterthaͤnigſt-gehorſamſte

Reichs-Rath und Staͤnde des maͤchti - gen Reichs Aracan.

Wunderliche Goͤtter / hub der Printz ſeufftzen - de an / mit einer Hand ſetzet ihr mir zwey Cronen auff / und mit der andern raubet ihr mir die drit - te / welches die Crone meines Lebens / und dannen - hero jenen weit vorzuziehen iſt. Allein / ich verſi - chre euch / eure Schmeicheley iſt viel zu wenig / daß ſie den anderwertigen Verluſt im geringſten erſe - tzen / oder mich von eyfferigſter Nachforſchung meiner Princeßin abhalten koͤnne. Denn jenes ohne dieſes iſt mir eine geſaltzene Speiſe ohne Tranck. Ja ich werde mich keiner Crone an - maſſen / vielweniger mich euch mit dem gering - ſten Dancke verpflichtet achten / biß ich in einer Hand den Scepter / mit der andern meine Prin - ceßin / zum Throne fuͤhren koͤnne. Geſchiehet dieſesnicht / ſo ſoll der Sarg mein Thron / und das Grab mein Koͤnigreich werden. Gnaͤdig - ſter Herr / redete ihm hier Talemon ein / es iſt all - zu ein unzeitiger Verdacht / wo nicht ein Trutz /wo -47Erſtes Buch. womit man die guͤtigen Goͤtter beleget / und er - zuͤrnet: ja es iſt ein Zeichen mercklicher Ungedult / welche das Hertz betruͤbet / und alle gute Anſchlaͤ - ge verſtoͤret. Gedult iſt die lincke Hand der Tapfferkeit / welche endlich von der Rechten mit einem erwuͤnſchten Ausgange bekroͤnet wird. Billich ſind J. M. den Goͤttern tauſendfachen Danck ſchuldig / daß ſie nunmehro ſo anſehnliche Mittel erlanget / entweder die Princeßin mit maͤchtiger Hand zu retten / oder mit grauſamſter Art zu raͤchen. Wer Geld hat / fiel ihm Scan - dor in die Rede / kan leicht Schaͤtze ſuchen / und wer viel Hunde hat / kan leicht Haſen fangen. Mit zwey - oder dreymal hundert tauſend Mann laͤßt ſich noch wohl ein Wild ausſpuͤhren und fangen / welches den Jaͤger vergnuͤgen / und ſeine Einbil - dung befriedigen kan. Ach zu ſpaͤt / zu ſpaͤt / mein Scandor / antwortete ihm der Printz / wo ein Wild in der Hunde Gewalt ohne einen Retter verfaͤllt / da iſt Hoffnung und Leben verlohren. Wenn aber / wendete Scandor ein / das Wild nur unter ſolche Hunde geraͤth / welche mehr rah - men / als gefaͤnglich ſeyn / ſo laͤſſet ſich das Leder noch wohl gebrauchen. Du redeſt mir zu hoch / ſagte der Printz / inmittelſt wollen wir noch einige Tage zuſehen / auff deine Abfertigung bedacht ſeyn / und der Goͤtter Huͤlffe erwarten.

Nach Endigung dieſer Worte ließ ſich Ponne - dro mit dem Abaxar bey dem Printzen anmelden / wiewol dieſer in deꝛ Unwiſſenheit wegen des Prin -tzen48Der Aſiatiſchen Baniſe. tzen Perſon gelaſſen ward; Weil ihm auch der Printz / in Bedeutung eines Bedienten / vor dem Printz Balacin ſehr gelobet worden / verfuͤg - te er ſich alsbald nach geſchehenem Eintrit zu ihm / und redete ihn folgender Geſtalt an: Mein Freund / ich trage ſonderes Mitleiden / ſowol vor eure Per - ſon / welche mir durch gegenwaͤrtige Freunde ſon - derlich geruͤhmet worden / als auch vornehmlich wegen eures Printzens / welcher wol eines beſſern Gluͤckes nebſt ſeiner liebſten Princeßin waͤre wuͤꝛ - dig geweſen / wenn nicht der Himmel bißweilen auch ſo gar die Tugend unverſchonet lieſſe: Der Printz ſahe ſo fort etwas hohes aus des Abaxars Angeſicht / und antwortete ihn gantz beweglich: Jch ſage Danck / mein Herr Ober-Hauptmann / vor ſothanes Mitleiden / welches ich gegen meinen Printzen werde hochzuruͤhmen wiſſen. Wo ja aber noch einige Seele in dieſem Reich verhanden iſt / welche ſich des armen Printzen troſtloſen Zu - ſtand einiger maſſen zu Heꝛtzen gehen laͤſſet / ſo ver - ſichere ich / es werde ſolches nicht nur der Himmel zu vergelten / ſondern auch mein Printz / als ein nunmehro maͤchtiger Beherrſcher zweyer Koͤnig - reiche / dermaſſen zu erwiedern wiſſen / wie es ein ſolcher verdienet hat / welcher das ſchmertzliche Verlangen ſeines Hertzens / durch Entdeckung moͤglichſter Wiſſenſchafft / von dem Leben oder Tode der Princeßin / in etwas beſaͤnfftigen wird. Wie? redete Ponnedro ein / iſt der Koͤnig von Ava todt? Ja / antwortete Scandro / nicht nurtodt49Erſtes Buch. todt / ſondern der Printz Balacin iſt auch gekroͤn - ter Koͤnig von Ava und Aracan / welches letztere Reich bey gleichfalls toͤdtlichen Hintritt ihres Koͤ - niges / unſern Printzen zur Crone ver - und erlan - get hat. Weh dir / grauſamer Chaumigrem / hub Abaxar an / nunmehro duͤrffte die gerechte Rache des Himmels auffwachen / und das un - ſchuldig vergoſſene Blut auff deinen Kopff kom - men. Und ob ich gleich ein gezwungener Diener von dieſem Tyrannen bin / ſo wiſſet doch / mein Freund / daß mich die Rache zum Sclaven / und die Noth zum Knechte gemacht hat. Ja ich ver - ſichere euch bey dem Qviay Vogarem,(†)Roger. p. 813. als maͤchtigen Beſchuͤtzer der Bedraͤngten / daß ich mich wolte gluͤckſelig ſchaͤtzen unter dem tapffern Printzen von Ava wider dieſen Bluthund zu fech - ten / und mein Leben zu Dienſt der ſchoͤnen Prin - ceßin von Pegu auffzuopffern. Koͤnte ich nun ſo begluͤckt ſeyn / eine und die andere angenehme Nachricht von dem Leben dieſes Lobwuͤrdigen Printzẽ und Princeßin zu vernehmen / ſo wuͤrde ich alsdeñ auch nicht ermangeln / ſo viel als moͤglich / beyzutragen / was zu des Printzen Vergnuͤgung gereichen moͤchte. Welche Worte den Printzen gantz aus ſich ſelber brachten / daß er faſt ſeine Verſtellung vergeſſen / und ſich ſelbſt verrathen / wann nicht Talemon ſich alsbald begriffen / und geſagt haͤtte: Den Anfang hiervon wird Scan - dor am beſten verrichten koͤnnen / welches dennDbey50Der Aſiatiſchen Baniſe. bey dieſen ohne diß muͤßigen Stunden mit dero al - lerſeits Erlaubniß gar fuͤglich geſchehen kan. Als nun ſolches von allen beliebet ward / ſetzten ſie ſich um des Printzen Bette herum / und Scandor fieng folgender Geſtalt an zu erzehlen:

Lebens-Geſchichte Printz Balacins und der Princeßin Higvanama.

ES wiꝛd niemand ſo gar ein Fꝛemdling in den Aſiatiſchen Begebenheiten ſeyn / dem nicht die mehr tadel-als lobwuͤrdige Regierung des Koͤ - nigs von Ava / Dacoſem / meines Printzens Herr Vater / in etwas bekandt ſeyn wird: bevoraus / wie er eine groſſe Urſache des jaͤmmerlichen Un - tergangs von Pegu geweſen ſey. Dieſer Daco - ſem hatte eine Tochter des Koͤniges von Bengala zur Gemahlin / mit welcher er zwey Printzen und eine Princeßin zeugete / wovon der aͤlteſte Printz gleichfals den Namen ſeines Herrn Vaters / Da - coſem / fuͤhrete; Der juͤngere / als mein gebieten - der Herr / Balacin / die Princeßin aber Higvana - ma / genennet ward. Weil er nun gerne vor ie - dem Printzen eine Krone gewuͤndſchet haͤtte / Ava aber nicht zulaͤnglich ſeyn wolte: als warff er ein ſehnſuͤchtiges Auge auff das Reich Pegu / welches ſein leiblicher Bruder / als Kaͤyſer beherrſchete / und nach deſſen Tode den ungluͤckſeligen Prin - tzen Xemindo / als einigen Erben und Beſitzer des groſſen Reichs Pegu / hinterlaſſen hatte. Sol - ches ſtach nun unſern alten Dacoſem gewaltigin51Erſtes Buch. in die Augen / und wolte das Siammiſche Recht einfuͤhren / krafft deſſen kein Sohn ſuccediren koͤn - ne / ſo lange ein Bruder verhanden waͤre. Weß - wegen er denn auch der Croͤnung zu Pegu nicht beywohnen / vielweniger die Lehens-Pflicht gleich andern Lehen-Koͤnigen ablegen / noch einige Lie - ferung der Praͤſenten erſtatten wolte / welches er doch zuvor ſeinem Bruder gethan / angeſehen A - va iederzeit ein Lehn von Pegu geweſen. Uber - das lieſſe er auch den Jubelen-Handel ſperren / und gantz nichts in Pegu abfolgen. Solches al - les wolte dem Xemindo nicht anſtaͤndig ſeyn: Dannenhero er alſobald Gelegenheit ſuchte / dem alten Herrn Vetter im Harniſch eine Viſite zu - geben / ließ ſeine Armee zuſammen ruͤcken / und zog mit dreymal huntert tauſend Mann nach den Gꝛaͤntzen von Ava / indem er es vor viel beſſer hielte ſein Pferd an einen fremden / als eignen Zaum / zu binden. Dacoſem verließ ſich inzwiſchen auff eine heimliche Verbuͤndniß / die |er mit etlichen hohen Bedienten von Pegu auffgerichtet / beſonders mit dem Xenimbrun / Vice-Koͤnig von Brama / wel - cher auch in geheim ſeinen Bruder Chaumigrem / mit etliche tauſend Mann nach Ava geſchickt hatte: Und ob ſolches zwar eine gar unzulaͤngliche Huͤlffe wider ſo einen maͤchtigen Feind war / den - noch war unſer alter Dacoſem dermaſſen hier - uͤber vergnuͤgt / daß er dem Chaumigrem nicht gnugſam Ehre zu erweiſen vermochte. Kurtz hierauff lieff die ſchreckende Poſt zu Ava ein / esD 2habe52Der Aſiatiſchen Baniſe. habe Xemindo mit einer gewaltigen Armee die Grentzen bereits auf zwantzig Meilen uͤberſchrit - ten / und duͤrffte wol ſein Haupt-Qvartier in Ava nehmen wollen. Woruͤber Dacoſem hefftig erſchrack / die Armee eylend zuſammen zog / und den aͤltern Printz Dacoſem hieruͤber zum Feld - Marſchall ſetzte / iedoch ſolte Chaumigrem uͤber alles ein wachendes Auge haben. Mein Printz war damahls im 15. Jahre / und achtete es ſich vor die hoͤchſte Schande / eine ſolche Gelegenheit / wobey er die Probe ſeiner Tapfferkeit ablegen koͤnte / zu verſaͤumen. Derowegen hielt er in - ſtaͤndig bey dem Herrn Vater an / daß er ihn end - lich mit dieſen ſelbſtſchmeichelnden Worten er - ließ: Nun / ſo zeuch hin / mein Sohn / und hilff deinem Bruder eine Krone erwerben / damit du die von Ava nicht theilen duͤrffeſt. Untergab ihn auch ſo fort gleichfals der Auffſicht des Chaumi - grems / welcher dieſen kuͤnfftigen Stein des An - ſtoſſes gewiß bey dieſer guten Gelegenheit wuͤrde aus dem Wege geraͤumet haben / wenn er das be - vorſtehende gewuſt haͤtte. Chaumigrem / und zwar eben dieſer ietzige Kaͤyſer und Tyrann von Pegu / begab ſich hierauff mit unſern zweyen Printzen nach der Armee / und ruͤckte ſchleunigſt ins Feld / weil Xemindo nur noch acht Meilen von Ava ſtund. Hier durfften ſie nun nicht lange den Feind ſuchen / und weiß ich am beſten / wie mir damals zu Muthe war / als der ich unter meines Printzen Leib-Wacht ein Hellebardierer war. Denn53Erſtes Buch. Denn wir Soldaten vermeinten / uns noch etliche Wochen vor unſerm Ende luſtig zu machen / und uns des Landes zu erkundigen / wo es am beſten zu freſſen und zu ſauffen waͤre: Allein wir waren kaum 2. Tage marſchiret / ſo kamen unſere Leute Partheyen-weiſe gelauffen / als wenn das Graß unter ihnen brennte / und berichteten mit tieffen Athem-holen / der Feind ſtuͤnde nur noch eine Mei - le von uns. Welches uns gantz unglaublich vorkom̃en waͤre / wenn nicht faſt ein ieder ein blu - tig Zeugnis vorgelegt haͤtte. Solches lernte un - ſere Herren Generales ein wenig behutſamer ſeyn / daß ſie ſich nunmehr auf Kundſchafft legten / und die Armee beſſer zuſammen zogen: denn es lagen damals wohl noch tauſend Mann um Ava herum / die erſt auff das Gewehr warteten / wel - ches von Malboa aus dem Zeughauſe ſolte ge - bracht werden. Jch vergaß nun aller Gedan - cken / und haͤtte man mich moͤgen hundert mahl Scandor nennen / ſo haͤtte ich nicht gewuſt / ob es ein Mannes-Nahme geweſen / oder ob es mich an - gienge? Ja ich wuͤndſchte wohl hertzlich / gar ein Maͤdgen zu ſeyn / ſo doͤrffte es noch eher ohne ſon - derliches Blutvergieſſen ablauffen. Denn ich meinte Wunder / was es vor eine herrliche Sache um das Soldaten-Leben ſey? Allein ich hatte mein Tage noch keinen Feind geſehen / und zitter - te ſchon / als ich ihn nur nennen hoͤrte. Jnmit - telſt kam mein Printz auff einen ſchoͤnen Caſtani - en-braunen Hengſte daher gerennt / und unter -D 3ſtund54Der Aſiatiſchen Baniſe. ſtund ſich uns allen ein Hertze einzuſprechen / gleich als waͤre er laͤngſt bey der Erfahrung in die Schule gangen. Die Angſt vermehrte ſich aber um ein groſſes / als das Geſchrey kam / der Feind kaͤme in voller Schlacht-Ordnung angezo - gen / und wolte es auff ein Haupt-Treffen ankom - men laſſen. Da erhub ſich nun ein grauſames Getuͤmmel / es wuͤrde uͤberall Lermen geblaſen / und geſchlagen / die Generals-Perſonen rennten bald hie bald dort hin / und ſchrien / daß ſie gantz ſchwartz wurden / da ſie ſich doch ſelbſt nicht hoͤr - ten. Der Feind hatte auch einige Feld-Stuͤcke auf einen Huͤgel gepflantzet / und begruͤſte uns mit etli - chen Salven / daß uns Hoͤꝛen und Sehen vergieng. Und hier verließ mich nun die Courage auff ein - mal / daß ich auf der Stelle umkehrte / und mich zur Bagage begeben wolte. Allein ich wurde hieruͤber ſo ungeſtuͤm zur Rede geſetzet / daß mein Ruͤcken geſchworen haͤtte / es kaͤmen einige Pillen vom Berge geflogen. Ob es nun zwar nur ein verkehrtes Gewehre war / ſo preßte es mir doch / weil ich meine Hertzhafftigkeit nicht bekennen wolte / dieſe in der Eil erſonnene Entſchuldigung aus / ich wolte nur den Muſter-Schreiber mein Teſtament aufſetzen laſſen / weil ich doch wol ſehe / es muͤſte geſtorben ſeyn: ich wurde aber beym Arme ſo ungeſtuͤm wieder in das Glied gefuͤhret / daß ich anfieng / meinen Geiſt den Goͤttern zu be - fehlen. Was nun das groͤſte Verſehen von un - ſerm neuen Feld-Herrn war / ſo waren alle Stuͤ -cke55Erſtes Buch. cke zuruͤcke blieben / mit dem Befehl / erſt inner 4. Tagen zu folgen / weil man wegen uͤbler Kund - ſchafft den Feind nich ſo nahe vermuthet hatte. Jnmittelſt vermehrten ſich die feindlichen Stuͤcke dermaſſen / daß es ſchien / als ſolte Himmel und Erden einfallen. Und dieſes Schieſſen verur - ſachte / daß wir unſern Vortheil und das geraume Feld verlaſſen / und uns auff tauſend Schritte zu - ruͤcke ziehen muſten: Bey welchem Ruͤck-Mar - ſche ich hertzlich erfreuet wurde / in Meynung / es wuͤrde ſo biß in Ava hinein waͤhren / da ich deñ ge - wiß nicht der Letzte zum Thore wolte geweſen ſeyn / und freute ich mich ſchon / wie mich meine liebe Mutter aus dem gefaͤhrlichen Kriege ſo ſehnlich empfangen wuͤrde. Allein wie ich das entſetzliche Wort hoͤrte: Setzt euch / ſchließt die Glieder! macht das Gewehr fertig! ſo vermeinte ich nicht anders / es haͤtten mich zehn Kugeln getroffen: ja ich konte mein Gewehr nicht mehr regieren / und war dermaſſen verwirret / daß ich meinen Prin - tzen / welcher voller Feuer vor unſerm Hauffen hielte / gantz aͤngſtlich ſragte: Gnaͤdiger Herr / ſollen wir auch Feuer geben? da wir doch nichts als Spieſſe und Sebel hatten: Welches denn unſern Printzen zu hefftigen Lachen bewegte / wor - uͤber ich mich oͤffters gewundert / daß er bey ſolcher Gelegenheit / da auch wohl die groͤſten Helden zum erſtenmal gezittert / habe lachen koͤnnen. Mit ſol - cher Frage hatte ich meinen Neben-Cameraden gleichfals dermaſſen irre gemacht / daß er mich umD 4einen56Der Aſiatiſchen Baniſe. einen Spanner anſprach / da wir doch gleiche Ge - wehr hatten. Meine Perſon aber zu verlaſſen / ſo erhub ſich erſt das Treffen durch kleine Hauf - fen / da bald dieſer / bald jener / unten lag / biß es end - lich zur vollkommenen Schlacht ausbrach / und mein Printz kaum die Zeit erwarten konte / daß er angreiffen ſolte. Wir wurden aber / ehe wir uns verſahen / ſelbſt angegriffen; denn Chaumi - grem that den Angriff mit der Reuterey / und wurde ſo fort von der Menge des Feindes geſchla - gen. Als ihn nun Printz Dacoſem mit den Ele - phanten gebuͤhrend ſecundirte / fuͤget es das Un - gluͤcke / daß dieſe beyde Vettern / Xemindo und Dacoſem einander ſelbſt begegneten / und einen Streit um die Crone Pegu perſoͤhnlich antraten. Erſt brauchten ſie Rohr und Pfeile gegen einan - der: worinnen ſich Xemindo aber von dem Da - coſem weit uͤberlegen ſahe; und dannenhero ſein Schwerd / welches ihm der Stadthalter von Goa / Luigi di Taida, verehret hatte / entbloͤßte / daß alſo ein ernſtes Fauſt-Gefechte unter ihnen entſtund / da inzwiſchen die Elephanten / welche dieſe Koͤnigliche Fechter trugen / gleichfals nicht feyerten / ſondern einander feindſelig zuſetzten / biß des Xemindo Elephante einen Zahn verlohr / und daher voller Grimm und Schmertzen auf den andern einſtuͤrmte. Wodurch Xemindo Gele - genheit bekam / unſerm Printzen einen toͤdtlichen Stoß zu verſetzen / und ihm zugleich des Lebens / und aller Hoffnung zur Krone / zu berauben. Da -co -57Erſtes Buch. coſem ſtuͤrtzte nicht ſo geſchwinde vom Elephan - ten / als der fluͤchtige Soldate dem Feinde den Ruͤcken zukehrte / gleichſam als wenn mit ihrem Printzen auch ihre Tapfferkeit gute Nacht gaͤbe; da ſie doch vielmehr durch ſolchen klaͤglichen Fall haͤtten zu grauſamſter Rache ſollen angetrieben werden. Allein da halff kein Ruffen / Bitten / Drohen noch Schlagen / ſondern ein ieder rann - te / als ob ein Wettlauffen nach Ava angeſtellet waͤre. Hierdurch nun wurde der gantze Schwaꝛm vom Feinde auff unſern Hals gezogen; und muß ich gewiß ſagen / wir hielten uns zu Fuſſe dermaſ - ſen / daß die Reuter einen weiten Vorſprung tha - ten / ehe der Feind ohne Verhinderniß nachhauen konte. Hier erzeigte nun unſer Printz Balacin ungemeine Proben ſeiner kuͤnfftigen Tapfferkeit / und machte mich hierdurch ſo behertzt / daß / als ich nur warm worden / ich dermaſſen grauſam um mich hieb und ſtach / daß ich mich noch uͤber meine damahlige Tapffeꝛkeit verwundere. Endlich abeꝛ / als der Feind uns allzu hefftig zuſetzte / trennete er unſere Glieder / und wir geriethen dermaſſen ins Handgemenge / daß wir offt nicht wuſten / ob wir Feind oder Freund traffen. Jch meines Theils hielt mich / ſo viel moͤglich / bey meinem Pꝛintzen / da mir denn das guͤtige Gluͤcke die erſte und ſchoͤne Gelegenheit gab / mich bey demſelben in ſonder - bahre Gnade zu ſetzen. Denn es kam ein groſſer baumſtarcker Jndianer gelauffen / und verſetzteD 5dem58Der Aſiatiſchen Baniſe. dem Pferde meines Printzen mit einem Spieſſe einen dermaſſen gewaltigen Stoß / daß es ſo fort uͤbern Hauffen / und meinem Printzen auf den Leib fiel; weil nun von ſo hefftigem Stoſſe der Schaft am Spieſſe zerbrochen / als griff der ungeſchickte Kerl zum Sebel / und wolte hier auch den letzten Zweig des Koͤniglichen Stammes abhauen. Al - lein es beſeligten mich die Goͤtter mit einer ta - pfern Begierde / meinem Printzen / ſo bald ich das Pferd fallen / und den Feind mit bloſſem Se - bel uͤber ihm ſahe / ſchleunigſt beyzuſpringen; ich ſprang uͤber etliche Leichen weg / und kam gleich zu rechte / als der Jndianer den Sebel auffgehoben / und den Streich recht auff des Printzen Halß ge - richtet hatte. Hier ergrieff ich nun meinen Spieß zu beyden Haͤnden / und ſtieß ihn dem feindlichen Geſellen unter den rechten Arm / welchen er auff - gehoben hatte / hinein / daß er den Sebel entfallen ließ / nieder ſtuͤrtzte / und die ſchwartze Seele ſam̃t dem Blute ausblaſen muſte. Weil nun hier nicht lange zu ſaͤumen war / ſo riß ich den Prin - tzen unter dem Pferde hervor / woruͤber mir ein plumper Kerl einen ziemlichen Streich uͤber den lincken Arm verſetzte / daß ich mich ſattſam pruͤf - fen konte / ob ich auch mein eigen Blut ſehen koͤn - te. Jnzwiſchen ward der Printz auff ein ander Pferd / und aus dem Gedraͤnge gebracht. Nach dem aber der Feind uns weit uͤberlegen war / und die Reuterey nebſt dem Feld-Marſchall Chau - migrem uns durch die Flucht verlaſſen hatten; ſowa -59Erſtes Buch. waren wir ohne Anfuͤhrer / daher denn ein ieder ſeine Fuͤſſe um Rath fragte / und ſich ſo viel moͤg - lich / dem feindlichen Sebel zu entfliehen / bemuͤhe - te. Jch ſelbſt vermeinte an ermeldter Helden - That gnugſam verrichtet zu haben / ſahe mich de - rowegen nach meinen Printzen um / und eilte ihm dermaſſen nach / daß ich nicht wuſte / ob Feind oder Freund hinter mir war. Nach einer Stun - de erreichte ich einen Wald / und ſchaͤtzte mich nunmehr ſicher zu ſeyn / ſatzte mich nieder / und verband meine Wunden / ſo gut ich konte. Als ich aber von weiten ein ſtarckes Getuͤm̃el vernahm / hielte ich ferner nicht vor rathſam / mich noch ein - mal in die Gefahr zu begeben / dahero ich mich auf den Weg machte / und des andern Tages gantz matt und krafftlos vor den Thoren zu Ava an - langte / woſelbſt ich vieler meiner Cameraden an - traff / welche durch die Flucht ihr Leben gerettet hatten. Es kamen auch deren noch ſtuͤndlich zu gantzen Trouppen in voller Unordnung gelauf - fen / von denen man das Ende der Schlacht / und den groſſen Verluſt der Unſrigen / gnugſam ver - nehmen kunte. Jn Summa / die Schlacht war verlohren / drey und zwanzig tauſend der Unſri - gen wurden vermißt / und es war alles in hoͤchſten Sorgen und Furcht / wenn der Feind kommen / und uns gar in Ava beſuchen moͤchte. Welches denn auch gewiß geſchehen waͤre / wenn nicht in waͤhrender Schlacht dem Kaͤyſer von Pegu die gefaͤhrliche Nachricht waͤre hinterbracht worden /was60Der Aſiatiſchen Baniſe. was maſſen deſſen Stadtverweſer in Brama / vorerwehnter Xenimbrum / in deſſen Abweſen ſich einen groſſen Anhang gemacht / Brama ein - genommen / und ietzt in vollen Marſche nach Pe - gu begriffen waͤre / um ſich daſelbſt zum hoͤchſten Haupte des groſſen Reichs zu machen / welchen fernern Verlauff ſie beyderſeits beſſer wiſſen werden / als wir / die wir damahls noch gnung an den eignen Wunden zu heilen hatten. Jch fah - re nur fort in unſern eignen Angelegenheiten / die ſich nach ſolchem Verluſt erzehlter Schlacht fer - ner ereigneten. Chaumigrem war faſt mit den erſten in die Stadt gekommen / und hatte perſoͤhn - lich dieſe leidige Nachricht dem Koͤnige hinter - bracht / welcher hieruͤber dermaſſen beſtuͤrtzt wor - den / daß er ſo fort die Stadt verlaſſen / und ſich nach Malbao begeben wollen / wann ihn nicht Chaumigrem getroͤſtet / und durch ſchrifftlichen Beweiß verſichert haͤtte: es koͤnne der Kayſer von Pegu ſolchen Sieg nicht verfolgen / indem ſein Bruder Xenimbrum bereits Brama zum Abfall bewegt / erobert / und die Hand nach der voͤlligen Crone ausgeſtrecket haͤtte / welche zu retten / er nothwendig ſich eilend zuruͤcke wenden / und die Glut ſeines eignen Hauſes daͤmpffen muͤſſe. Solches ſein Vorbringen ward durch fernere Kundſchafft beſtaͤtiget / welche den ſchleunigen Ruͤck-Marſch des Feindes / und daß er gleichwie in voller Flucht die Graͤntzen von Ava verlaſſen haͤtte / voller Freuden verkuͤndigte. Hierdurchnun61Erſtes Buch. nun machte ſich Chaumigrem zu einem Abgotte bey dem Koͤnige; Und welcher zuvor durch Un - verſtand den Cron-Erben und die Schlacht ver - lohren hatte / dieſer muſte anietzo der eintzige Er - halter des Koͤnigreichs genennet werden. Und ge - wiß / wo einige Verraͤtherey kan gut geſprochen werden / ſo waren dieſe zwey ungerechte Bruͤder rechte Schutz-Engel des Koͤnigs Dacoſem / auſſer deren Huͤlffe er gewiß einen ſtrengen Lehns-Herꝛn an dem Xemindo wuͤrde gefunden haben / ange - ſehen Ava ſo gut als verlohren ſchien / und nicht die geringſte Anſtalt zu einiger Gegenwehr zu ſpuͤhren war.

Hier mag nun Chaumigrem in dem Schoſſe des Koͤnigs ruhen / und ich will etwas von mir ge - dencken / in was vor Angſt ich abermal des drit - ten Tages nach der Schlacht gerieth / als mir an - gedeutet ward / ich ſolte nebſt andern vor unſerm Befehlshaber erſcheinen / und zufoͤrderſt meinen Namen von mir geben.

Jch vermeinte nun nicht anders / denn es wuͤr - de die gewoͤhnliche Kriegs-Straffe an mir we - gen meines Außreiſſens veruͤbet / und ich mit ei - nem ſchimpfflichen Lufft-Arreſte belegt werden; wiewohl ich ſtets daran gedachte / wo es ja an ein hencken gienge / ſo muͤſte nothwendig der Rang beobachtet / und unſer Feld-Herr Chaumigrem / welcher zum erſten das Feld ſcheute / oben anlo - girt werden / alsdenn wolte ich mich gerne neben ihm auffknuͤpffen / und auch im Tode eine dermaſ -ſen62Der Aſiatiſchen Baniſe. ſen hohe Mine blicken laſſen / daß mich iedweder Fremder vor einen Unter-Feld-Herrn angeſehen und reſpectiren muͤſte. Mit ſolchen ſelbſt-ſchmei - chelnden Todes-Gedancken verfuͤgte ich mich nach dem hohen Marckte / allwo ich den gantzen Reſt von der uͤberbliebenen Leib-Wacht meines Printzens ohne Gewehr antraff / da doch keiner dem andern die Urſache ihrer Zuſammenkunfft zu ſagen wuſte; wiewohl einige ihre Einbildung vor gewiſſe Wahrheit ausgeben wolten / ſie waͤ - ren von dem Chaumigrem angegeben / als haͤtten ſie nicht allerdings ihre Pflicht in waͤhrendem Treffen beobachtet / deßwegen denn Kriegsrecht uͤber ſie ſolte gehalten werden Solches vermehr - te meine vorhin dem Chaumigrem gehaͤßige Ge - dancken dermaſſen / daß ich zum oͤfftern dieſen Seufftzer zu den Goͤttern in geheim abſchickte:

Jhr Goͤtter! ſoll ich unverhofft
Mein Leben ſchlieſſen in der Lufft;
So ſoll mich dieſer Tod nicht kraͤncken /
Laßt Chaumigrem nur bey mir hencken.

Wegen der Andacht aber / erblickte ich mit ſonderlicher Gemuͤths-Aenderung meinen Prin - tzen / welcher in gelbem Habit / als der gewoͤhnli - chen Jndianiſchen Trauer-Farbe um deſſen Herrn Bruder / auf einem ſchoͤnen Rappen daher geſprenget kam / und ſich vor unſern Troupp ſetz - te / da er denn alſobald begierig ſagte: Es ſolte der - jenige / welchem er bey vorgegangenem Tref - fen ſein Leben zu dancken haͤtte / ungeſcheut hervortreten /63Erſtes Buch. treten / und fernerer gnaͤdiger Verordnung ge - waͤrtig ſeyn. Solches vernahm ich mit freu - digſter Beſtuͤrtzung / und weil mich mein Gewiſ - ſen verſicherte / ich haͤtte hierdurch keine Henckens - ſondern Beſchenckens-wuͤrdige That begangen / als maßte ich mich einer ſonderbahren Hertzhaff - tigkeit an / und trat mit einem / meiner Einbildung nach / ſonderbar-heroiſchem Geſichte hervor / ſa - gende: Durchlauchtigſter Printz / daß ich zu Ret - tung dero hohen Lebens ein unwuͤrdiger Werck - zeug geweſen / ſolches iſt vielmehr der guͤtigen Schickung unſerer Goͤtter / welche meine Fauſt regieret / als etwa meinem geringſchaͤtzigen Ver - moͤgen zuzuſchreiben. Hierauff fragte mein Printz mit einer gantz gnaͤdigen Mine nach meinem Nahmen und Stande / welche Frage ich mit kur - tzem Berichte vergnuͤgte: Man nennet mich Scandor / und bin aus dem alten adelichen Ge - ſchlechte der Frenojamer entſprungen / es wohnet mein Vater nicht unfern von Ava / welcher mich denn nach Landes-Art beſt-moͤglichſt erzogen hat. Als er aber nach ſechsjaͤhrigem Witber-Stande ſich mit der falſchen Einbildung geſchwaͤngert be - fande: es koͤnne deſſen Wirthſchafft ohne einem weiblichen Befehshaber nicht ſattſam verſorget werden: So verknuͤpffte er ſich mit dem gefaͤhr - lichen Liebes-Bande der eckeln Jugend / und legte eine gluͤende Kohle in ſein Eh-Bette / unbeſorgt / ob nicht der Schnee ſeiner grauen Haare bey ſol - cher Glut ſchmeltzen / oder gar fremde Nachtſtei -ger64Der Aſiatiſchen Baniſe. ger den Wachsſtock ihrer Begierde bey dieſem vermeinten Eigenthum anzuͤnden moͤchten. Kurtz / er nahm eine junge Dame von 17. Jahren / welche ihn beherrſchte und mich verfolgte. Ob mich nun zwar mein Vater / als ſein einiges Kind / der vaͤterlichen Huld ſattſam genieſſen ließ / ſo wuͤrde ich doch deren durch ſtetes Verleumden bald be - raubet: denn / indem ſie wol wuſte / wie wol es der Katzen thue / wenn man ihren Ruͤcken ſtreicht; alſo brachte ſie endlich durch vieles Liebkoſen zu wege / daß eine eingebildete Vergnuͤgung / die vaͤ - terliche Liebe / und mich in Krieg verjagte. Wor - innen ich nun unter dero Befehl bey ſechs und dreyſig Monaten geſtanden / mein Zug und Wa - che wohl verſehen / und mich als ein getreuer und rechtſchaffener Soldate iederzeit verhalten habe. Bitte ſo dann unterthaͤnigſt / mein gnaͤdigſter Herr zu verbleiben. Solche Freymuͤthigkeit ge - fiel meinem Printzen uͤber die Maſſen / und als er zugleich mein Wolverhalten aus dem Munde meiner Officirer vernahm / war es ihm um ſo viel deſto angenehmer / daß ich von gutem unver - faͤlſchten Adel war. Dannenhero er denn mich mit einhelliger Bewilligung meiner Cameraden zum Hauptmann der ſaͤmtlichen Compagnie vor - ſtellete / und mir unwuͤrdigſt die hohe Gnade an - that / daß ich als Hof - und Cammer-Juncker auch bey Hofe einen freyen Zutrit haben moͤch - te. Ob ich mich nun wol aͤuſſerſt entſchuldigte / und mein Unvermoͤgen vorſchuͤtzte / wie ich mich /be -65Erſtes Buch. bevoraus in das gefaͤhrliche Hof-Leben / nicht wuͤrde zu ſchicken wiſſen / ſo war es doch alles ver - gebene Bemuͤhung / indem mir mein Printz zu ge - horſamen aufferlegte / auch ſo fort eine anſtaͤndige Summa Geldes auszahlen ließ / wodurch ich mich beſtens auskleiden / Bediente annehmen / und mich als einen unſchuldigen Hofmann auf - fuͤhren kunte. Vor ſolche unvermuthete hohe Gnade ließ ich es zwar an unterthaͤnigſter Danckſagung nicht ermangeln / und kunte ich mich in meine Hauptmanns-Stelle noch ziem - lich finden / zumalen ich und mein Lieutenant er - fahrne Soldaten waren. Allein / was den Hof anlangte / da muß ich biß dieſe Stunde noch ein Schuͤler bleiben; (vid. Fig. 1.) Am allermeiſten huͤtete ich mich vor der gemeinen Hof-Peſt / un - gemeſſener Cinbildung / und befliß mich / durch an - ſtaͤndige Demuth / mir iederman / er mochte ein Hof - oder Land-Mann ſeyn / zu verpflichten; aus Urſachen / weil ich nicht unbillig beſorgte / es moͤch - te dieſe ungemeine Gnaden-Sonne einen ſchaͤd - lichen Nebel des Neides uͤber mein Haupt zu - ſammen ziehen / und ich etwan in ſolcher Finſter - niß auff dem ſchluͤpfferichen Eiſe der Herren - Gnade gar fallen. So ich mir nun durch un - nuͤtze Hochmuth iederman verhaßt gemacht haͤt - te / ſo wuͤrde ich in ſolchem Fall von den Hoͤhern verſtoſſen / und von den Geringern wolverdienter maſſen wiederum verachtet werden. Jn Sum - ma / ich ward uͤber alles Verhoffen ein vornehmerEKriegs -66Der Aſiatiſchen Baniſe. Kriegs-Bedienter / und wider meinen Willen ein Hofmann. Es kam mir aber die ſonderliche Gnade meines Printzen trefflich zu ſtatten / indem er mich gar zu ſeinem Vertrauten machte / weil ihm meine Veꝛſchwiegenheit und luſtiger Humeuꝛ trefflich wohl gefiel / wodurch meine Fehler bede - cket / und der Mangel erſetzet wurde.

Jch uͤberkam auch einen freyen Zutritt von al - lem denjenigen ein leibhafftiger Zeuge zu ſeyn / was ich ferner erzehlen werde. Chaumigrem be - feſtigte ſich inzwiſchen dermaſſen in der Koͤnigli - chen Gnade / daß Printz Dacoſem gar leicht ver - geſſen ward / gleichſam als ob er in Chaumigrems Perſon wiederum lebendig worden waͤre / ja / er wurde in gewiſſen Dingen auch gar meinem Printzen vorgezogen / angeſehen ſich Dacoſem in der Vaͤterlichen Liebe ohne diß gar wol zu maͤßi - gen wuſte / wie er ſolches ſattſam gegen die Prin - ceßin Higvanama / die er doch iederzeit ſein lieb - ſtes Kind zu nennen pflegte / mercken ließ. Dieſe Princeßin war nun ſowohl am Stande / als an Schoͤnheit und Tugend die Crone in gantz Ava / ihres Alters im 17. Jahre / und von ſo angeneh - men Weſen / daß Nherandi / Koͤniglicher Erb - Printz aus Siam / gewiß hierinnen nicht irrete / als er vor einer Jahres-Friſt / unſern Hof beſu - chende / ſich durch ſie feſſeln laſſen / und es vor ein hohes Gluͤcke achtete / als er ihre Gegen-Huld / und den Vaͤterlichen Willen / voller Vergnuͤ - gung / mit ſich nach Siam nehmen kunte. Wel -che67Erſtes Buch. che Liebes-Vollziehung auch bereits geſchehen waͤre / wenn nicht erwehnte Kriegs Flamme ſol - ches verhindert haͤtte / zumal / weil Xemindo und Higvero / Koͤnig in Siam / in genauem Buͤndniß ſtunden. Chaumigrem / welcher die Gewalt hat - te / auch unangemeldet in das Koͤnigl. Cabinet zu gehen / nahm ſich ebenfalls einſten die Freyheit / in den Koͤniglichen Luſt-Garten zu gehen / und ob zwar der Gaͤrtner ihm hierinnen nicht bald will - fahren wolte / mit Vermelden / es ſey die Prin - ceßin hinein gegangen / und haͤtte / um ihre Ein - ſamkeit zu ſuchen / auch ſo gar ihr Frauenzimmer in den aͤuſſern Garten-Zimmern hinterlaſſen; ſo wurde doch / deſſen ungeachtet / der treue Gaͤrtner vor ſeine Nachricht mit dem Pruͤgel belohnet / und der Garten mit Gewalt eroͤffnet. Welchen Tumult die Princeßin / wegen Groͤſſe des Gar - tens / nicht vernehmen koͤnnen. Als nun der un - geſchickte Chaumigrem in den Garten gekom̃en / und die Princeßin nicht geſehen / iſt er getroſt nach denen begruͤnten Gallerien hingegangen / gleich als ob er durch ſeine Gegenwart der Princeßin eine ſonderbare Freude erwecken wuͤrde. Und iſt deſſen unverſchaͤmtes Weſen um ſo viel mehr hieraus abzunehmen / indem er die Princeßin ſein Tage nicht geſehen hatte. So bald er ſich der Gallerie genaͤhert / hoͤret er von weiten eine Laute ſpielen / welches er vor die Princeßin erachtet / und ſich dannenhero gantz unvermerckt dermaſſen hinan verfuͤget / daß er iedes Wort vernehmen /E 2auch68Der Aſiatiſchen Baniſe. auch dero Geberden ſeitwerts genau bemercken koͤnnen / als ſie gleich mit entzuͤckender Anmuth und Stimme folgende Arie / durch die Lufft nach ihrem geliebteſten Printzen Nherandi ſeufftzen - de abgeſchickt / und in die Laute / welche ſie von ei - nem Portugieſen Wunder-wol gelernet / abſunge.

1.
Mein Hoffen ſtirbt / mein Kummer lebt /
Der Ancker meiner Ruh iſt nun zerbrochen.
Mein Schickſal / das beyn Sternen ſchwebt /
Hat wider mich diß Urthel ausgeſprochen:
Der Liebe ſuͤſſer Schertz
Soll feſſeln zwar dein Hertz /
Doch ferne Huld bringt Zweifel-vollen Schmertz.
2.
Jch bin vergnuͤgt / und unvergnuͤgt /
Wenn ich an jenen Blick und Blitz gedencke /
Durch den mein Hertze ward beſiegt:
Um welchen ich abweſende mich kraͤncke.
Zwar meine Liebes-Pflicht /
Erinnert mich / und ſpricht:
Wo Liebe bluͤht / da waͤchſt kein Zweiffel nicht.
3.
Doch meine Lieb iſt allzu zart;
Das Auge kan ein Staub empfindlich ruͤhren.
Die Furcht iſt reiner Hertzen Art:
Ein fremder Blick kan offt den Geiſt verfuͤhren.
Das Leben wird verſuͤßt /
Wo man beyſammen iſt /
Und Gegenwart die holden Lippen kuͤßt.
4.69Erſtes Buch.
4.
Jndeſſen ſoll die treue Glut
Biß in das Grab in meinem Hertzen brennen /
Wo dir mein Fuͤrchten unrecht thut:
So wirſt du doch hieraus mein Feuer kennen.
Die Hoffnung ſoll allein
Nun mehr mein Zucker ſeyn /
Jch weiß: Der Himmel wird mich bald erfreun.

Bey dieſen Worten ſprang Chaumigrem mehr mit naͤrriſchen als anſtaͤndigen Geberden hervor / und ſchrey mit vollem Halſe: Chaumi - grem ſtelt ſich ein / lachte auch hierauff mit vollem Halſe dermaſſen / als ob er die artigſte Sache vor - gebracht haͤtte. Hierauff ſtund er ſtille / und ſa - he die Princeßin mit ſolchen Blicken an / daß ſie vielmehr Urſache hieruͤber zu lachen als zu erſchre - cken gehabt haͤtte. Die Princeßin aber erſchrack / daß ihr die Laute ins Graß fiel / und ſie gantz un - beweglich ſitzen bliebe / biß endlich Chaumigrem in dieſe Worte heraus brach: Schoͤnſte Prin - ceßin / ſie vergebe mir / daß ich mir die Ehre der erſten Auffwartung ſelber genommen / und ihr deutlich zu verſtehen gebe / wie hoch es mich er - freuen wuͤrde / wenn der Jnhalt dieſes Liedes auff mich gerichtet waͤre. Als ſich nun die Princeßin wieder in etwas erholte / antwortete ſie mit zorni - gen Blicken: Herr Gꝛaff / weꝛhat ihm die Kuͤhnheit erlaubet / derer ſich auch Koͤnigliche Perſonen wi - der meinen Willen nicht unterfangen duͤrffen? Chaumigrem / welcher ſich / weiß nicht was / vor einE 3freund -70Der Aſiatiſchen Baniſe. freundlich Geſichte eingebildet hatte / angeſehen er noch nicht mit ſo hohem Frauenzimmer umge - gangen war / erſchrack anfangs hieruͤber / iedoch antwortete er alſobald mit ſonderbarem Uber - muthe: Wem des Koͤniglichen Herrn Vaters Cabinet und Hertze unverſchloſſen iſt / der darff auch deſſen Tochter ungeſcheuet beſuchen. Ent - fernet euch / unverſchaͤmter Graff / ſagte ſie mit er - hitztem Gemuͤthe / und wiſſet / daß die Vaͤterliche Gnade der Tochter zu keinem Nachtheil gerei - chen kan. Mit dieſen Worten verwieß ſie den beſtuͤrtzten Chaumigrem / welcher ſich deſſen nim - mermehr verſehen / ſondern vielmehr in der Ein - bildung gelebet / es muͤſte iederman ſeine Gunſt vor eine Gnade ſchaͤtzen. Jn ſolchen Gedancken ſtellete er ſich zugleich die anmuthigen Geberden / und verwunderliche Schoͤnheit / welche er waͤh - renden Singens ſattſam betrachtet / vor Augen / und befand ſich dermaſſen geruͤhret / daß er nicht anders als raſende zu ſeyn ſchiene / wann er be - trachtete / wie ihn ſo etwas angenehmes verwun - det und zugleich verſtoſſen hatte. Und daß ich nicht irre / ſo koͤnnen meine Herren unſchwer hier - aus abnehmen / wie ewig es Wunder geweſen ſey / daß ſich ein ſolcher Barbariſcher Menſch durch ſo kurtzes Anſchauen habe entzuͤnden laſſen / wann ich ihre Perſon nach meinem ſchlechten Verſtande moͤglichſt beſchreibe: Sie war einer anſtaͤndigen Laͤnge / ſehr wol gewachſen / ihr Haupt war mit Kohl-ſchwartzen natuͤrlichen Locken be -decket71Erſtes Buch. decket / wie denn auch die Zierrath ihrer groſſen Augen durch ſchmale Augbraunen um ein groſſes vermehret ward. Die reine Haut gab die blauen Adern lieblich zu erkennen / zudem waren die Ro - ſen-gleichen Wangen gleichſam beſchaͤmt / gegen die etwas erhabenen Corallen-Farbene Lippen / unter welchen ſich ein wolgebildetes Kinn / ſchnee - weiſſer Hals / und / (ach ich werde ſelbſt verliebt /) alabaſterne Berge der Liebe anmuthigſt zeigeten. Die Haͤnde waren dermaſſen beſchaffen / daß / wer ſie mit den artigen Fingern ſo kuͤnſtlich auff der Laute ſpielen ſahe / nichts anders / als ſelbte zu kuͤſ - ſen / wuͤnſchen konte. Mit einem Worte / auſſer der Princeßin Baniſe getraue ich nicht / in gantz Aſia ihr Gleichniß zu finden. Solche Schoͤn - heit ward durch einen Gold / in blau gewuͤrckten / Rock trefflich erhaben / zumahl die Diamanten haͤuffig durch die ſchwartzen Locken blitzten / und auch wohl lebloſe Blumen hiedurch konten be - wegt werden. Allein was vor reitzende Urſa - chen zu einiger Gegen-Liebe an den Chaumigrem zu finden waren / das weder meine Herren / wel - che ihn taͤglich ſehen / beſſer im friſchen Gedaͤcht - nis haben / als ich von langer Zeit herzehlen kan. Weil er ſich aber doch koͤnte geaͤndert haben / ſo muß ich nur deſſen damalige Geſtalt beſchreiben: Er war gantz klein von Perſon / und hatte der Ruͤ - cken mit dem Schenckel einen Vergleich getrof - ſen / ſie wolten einander in der Kruͤmme nichts nachgeben. Sein bis an den Guͤrtel reichendesE 4und72Der Aſiatiſchen Baniſe. und braunrothes Haar / war hingegen ſo aufrich - tig / ſchlecht und gerecht / als wenn es auf einen Fie - delbogen geſpannet / und ſtatt des Hartzes mit Speck beſtrichen waͤre / welches einen trefflichen Wieder-Glantz bey der Sonne gab. Der Kopff war von einer ungewoͤhnlichen Groͤſſe / iedoch das Geſichte lang / und ſchmal / ſehr hager und mit ei - ner ſolchen groſſen Naſe beſetzt / daß es ſchien / als ob der Kopff ein kleiner Anhang von der Naſe waͤre / welche noch darzu durch ſo eine unanſtaͤndi - ge Kruͤmme verſtellet war / daß ſie wie ein Sebel / deſſen Spitze gleich auff die Unter-Lippe traff / - ber dem Maule hieng / die Augen ſtunden tieff im Kopffe / deren Augaͤpffel man vor den uͤberhan - genden rothen Augbraunen nichl wohl erkennen konte: von welcher Farbe auch ein duͤnner Bart um die Angel-weite Lippen geſaͤet ſtund: und wundert mich nur / daß ihn die Princeßin nicht von fernen mercken koͤnnen / indem ſein Athem ſo durchdringende war / daß er den Feind gar wohl damit aus dem Felde haͤtte jagen koͤnnen / wenn er nicht mit den Stuͤcken gereichert / und den Stanck dadurch vertrieben haͤtte. Von was vor hohen Farben er muͤſſe geweſen ſeyn / iſt hier - aus zu ſchlieſſen: daß / weil er gleich in die Hof - Trauer / und zwar in ſchwartz-gelb gekleidet war / man das Kleid nicht von deſſen Haut unterſchei - den konte: in Summa / es war ein recht Crocodil der Liebe / und eine Mißgeburt der Affection. Was thaͤt aber der verliebte Bucephalus ferner? er73Erſtes Buch. er gieng die Gallerie etliche mahl auf und ab / und wuſte nicht ob Zorn oder Scham die Oberhand behalten ſolte. Endlich troͤſtete er ſich doch wie - derum / und vermeinte / er haͤtte es vor dißmal nicht recht angefangen / ſie waͤre vielleicht mehr - ber die Verſtoͤhrung ihrer verliebten Gedancken / als uͤber deſſen Gegenwart erzuͤrnt geweſen; De - rowegen wolte er die Entdeckung ſeiner Liebe zu anderer Zeit beſſer anbringen. Woruͤber er der maſſen entzuͤckt ſchien / daß er ſich allbereit in ver - liebten Minen uͤbte / und in dem Graſe ſeltzame Stellungen machte / biß er ſich endlich einem ge - wiſſen Baume nahte / welcher aus Mexico dahin verſetzet war / und(†)Franciſci Staats-Garten p. 812. Qvamochtil genennt wird. Dieſer Baum iſt an allen Aeſten und Zweigen / wie auch an dem gantzen Stamme mit Stacheln beſetzet / welche Stacheln / wenn man ſie anruͤhret oder druͤcket / mit ſolcher Gewalt und Krachen heraus platzen / als wuͤrden ſie aus einem Geſchoß getrieben. Dieſen Baum nun ſtellte ſich dieſe vor Liebe blinde Seele nicht anders vor / als haͤtte er durch neue Liebes-Anſchlaͤge ſeine Hi - gvanama dahin gebracht / daß er voͤllige Gewalt ſie zu umarmen / ja gar zu kuͤſſen haͤtte: Dannen - hero druͤckte er ſeine finſtere Augen zu / und um - fieng erwehnten Baum mit ſolcher Brunſt / daß es nicht zu verwundern war / wenn ſich auch ein lebloſes Holtz vor ihm entſatzte / und durch heffti - ges Krachen und Stechen ihm zu verſtehen gab /E 5mit74Der Aſiatiſchen Baniſe. mit was vor Anmuth er mit ſeinem Liebes-Vor - trage bey der Princeßin wuͤrde ferner empfangen werden. Der Schrecken und Schmertz zwang ihn / hierauff / etliche Schritte zuruͤcke zu ſpringen / und hefftig auf den Gaͤrtner zu ſchelten / gleichſam als ob er der Natur gebieten koͤnte / wie ſie der ver - liebten Narren ſchonen ſolte. Nachdem er aber gleichſam aus einem Traume ermuntert ſchien / gieng er von dieſem empfindlichen Holtze weg / und legte ſich in den Schatten eines andern Bau - mes / um ſein verliebtes Elend in genauere Be - trachtung zu ziehen; allein auch hier wurden ſei - ne Gedancken durch das Anſchauen empfindlichſt verſtoͤhret: denn es hatte ihm ſein wahrſagendes Verhaͤngniß abermal unter den in Ava gleich - fals unbekanten Baum(*)Franciſci Staats-Garten p. 812. Hoitzmamaxalli / oder auff deutſch den Horntragenden Baum / ge - fuͤhret. Dieſer Baum iſt mit Blaͤttern gleich den Tamarinden belaubet / mit gelben Blumen uͤberzogen / und laͤſſet ſo wohl an den Aeſten als auch am Stamme haͤuffige Hoͤrner / welche aller - dings den Ochſenhoͤrnern gleichen / hervor gehen; wie ſolches ferner ein gelehrter Europaͤer von unſern Gewaͤchſen beſchreibet. Hier erzuͤrnte ſich Chaumigrem dermaſſen aufs neue. daß er gehling auffſprang / und mit dem Sebel alle un - ſchuldige Hoͤrner / die er erlangen konte / mit dieſen erhitzten Worten herunter hieb.

So75Erſtes Buch.

So will ich die Raͤuber / die Diebe belohnen / Die meiner mit Hoͤrnern nicht wollen verſchonen. Jch ſchwere: wo etwan dergleichen geſchicht: So ſey man verſichert / ich leide das nicht.

Nach ſolcher entſetzlichen Hoͤrner-Schlacht ſteckte er den muͤden Sebel ein / und gieng mit ſol - chen gravitaͤtiſchen Schritten nach der Garten - Thuͤre zu / als ob er dem Actaͤon ein Horn abge - rannt haͤtte / daß auch ein Gaͤrtner-Junge / wel - cher verſteckter Weiſe ſolches alles geſehen / gehoͤ - ret / und hernach meinem Printzen erzehlt / ſich nicht enthalten koͤnnen / uͤberlaut zu lachen. Als er nun zur Garten Thuͤre ausgetreten / erſahe er noch ein hinterſtelliges Maͤgdgen von der Prin - ceßin Frauenzimmer / welche er zu ſich beruffte / und ihr einen ſchoͤnen Rubin verehrte / mit Bitte / ihn ihrer Princeßin beſtens zu befehlen / und ſie ſei - ner innigſten Liebe zu verſichern / welches Geſchen - cke dieſes Maͤgdgen begierigſt annahm / und ihm mit dieſen Worten danckte: Hievor verſichere ich ihn meiner Gegen-Liebe. Welche Worte er aber gantz unrecht verſtand. Folgenden Tages ließ ihn der Koͤnig zur Tafel erſuchen / welches er aber durch den Vorwand einiger Unpaͤßligkeit abſchlug / wo - durch der Koͤnig ſich dermaſſen betruͤbt erzeigte / als ob die gantze Wohlfarth von Ava an einem Faden hienge / ja mein Printz ſagte oͤffentlich / er haͤtte uͤber den Tod ſeines Sohnes Dacoſem nach der Schlacht nicht ſolches Leidweſen / als uͤber die verſtellte Kranckheit dieſes Menſchens / ſpuͤhrenlaſ -76Der Aſiatiſchen Baniſe. laſſen. Wie denn alſofort zwey Koͤnigliche Leib - Aertzte ſich zu ihm verfuͤgen / und die Beſchaffen - heit des zugeſtoſſenen Unfalls genau unterſuchen muͤſſen / nebſt angehengter Verſichrung / ſolte auch die Helffte der Crone deſſen Geſundheit wieder - bringen koͤnnen / es ſolte nicht geſparet werden. Solches gnaͤdige Anerbieten machte ſich Chaumi - grem bald zu nutze / und fertigte die Aertzte wieder - um ab / ließ vor die hohe Koͤnigl. Gnade unterthaͤ - nigſten Danck abſtatten / und zugleich berichten / es wuͤrde alle angewandte Artzney vergeblich ſeyn / ſo lange das Gemuͤthe mit Schwachheit behafftet waͤre / welches niemand / denn J. Maj. heilen koͤnte. Jnmittelſt erſtaunte der gantze Hof / uͤber die un - gemeſſene Gnade / derer ein ſolcher unwuͤrdiger Menſch genoß. Der Printz ſahe ſich in vaͤterlicher Gnade hindan-geſetzt / die Princeßin muſte glei - ches beſorgen / die Groſſen des Hofes / wolten ſie ſich anders befeſtiget wiſſen / muſten ihm faſt Koͤ - nigl. Ehre erweiſen: ja ſo gar die Reichs-Raͤthe muſten ſeinem Eingeben den Vorzug goͤnnen / daß auch viel vermeinten / es gehe durch uͤbernatuͤrliche Kunſt zu. Mein Printz aber beſuchte indeſſen die Princeßin Higvanama fleißig / welche voller Be - truͤbniß uͤber die ſpaꝛſame Nachricht von ihrem ge - liebten Printzen Nherandi war / alſo / daß mein Printz gnungſam zu troͤſten hatte / ob er wohl zur Zeit nicht viel von dieſem Leiden empfunden. Ei - nes Tages ward mir durch einen unbekanden La - qveyen ein Schreiben eingehaͤndiget / mit fleißigerBitte /77Erſtes Buch. Bitte / ſolches ſchleunigſt der Princeßin zu uͤber - antworten / woruͤber ich hoͤchſt erfreuet ward / nicht anders vermeinende / denn ich werde die Princeßin mit einer angenehmen Poſt von ihrem Printzen erfreuen. Weswegen ich mich denn ſo fort nach Hofe und in das Frauenzimmer Gemach verfuͤg - te / durch welches ich um ein gnaͤdiges Gehoͤr bey der Princeßin anhalten ließ / weil ich einige / verhof - fentlich angenehme Verrichtungen abzulegen haͤt - te. Jch ward hierauff alsbald in dero Zimmer er - fodert / allwohin ich mich verfuͤgte / und mein Com - pliment / ſo viel / als es von einem halbjaͤhrigen Hof - mann konte erfodert werden / vorbrachte / zugleich auch ermeldten Brief mit tieffſter Reverentz uͤber - reichte / nebſt dem Berichte: es ſey mir ſelbter von einem unbekandten Menſchen uͤbeꝛantwoꝛtet wor - den / ſolches gebuͤhrende zu beſtellen / und hoffe ich / hierdurch mich in dero Gnade zu ſetzen. Die Prin - ceßin nahm ſolches mit gnaͤdiger Hand / und gantz erfreutem Geſichte / von mir an / trat an ein Fen - ſter / und erbrach dieſes. Allein / da ſie etwas hier - von geleſen / o ihr Goͤtter / in was vor Beſtuͤrtzung und Erſtaunen gerieth ich / als die Princeßin den Brieff anſpie / zur Erden warff / und mit Fuͤſſen trat / zugleich aber mich mit dieſen freundlichen Worten anredete: Und du / verfluchter Hund / darffſt dich unterfangen / mir von einer ewig-ver - bannten Perſon ſolche Sachen einzuhaͤndigen / welche wuͤrdig waͤꝛen / mit dem Hencker beantwor - tet zu werden. Hiervon ſolte gewiß an dir der An -fang78Der Aſiatiſchen Baniſe. fang gemacht werden / wenn ich nicht des Printzen verſchonte. Jmmittelſt laſſe dich nicht geluͤſten / vor meinem Angeſichte mehr zu erſcheinen / ſonſten ſoll dein Kopff auff dem Rumpffe wackeln. Nach welchen harten Worten ſie ſich in ihr Cabinet be - gab / und mich gantz auſſer mir ſelbſten ließ. Jch hielte es hierauff nicht vor rathſam / vor der Hoͤle einer erzuͤrnten Loͤwin laͤnger zu verziehen / ſondern verließ das Zimmer / und gieng mit ſo leiſen Trit - ten vom Schloſſe / als wie ein Pfau / welcher ſeine Fuͤſſe betꝛachtet hat. Ja ich ſahe mich immer fleißig um / ob nicht einer von der loͤblichen Buͤttel-Geſell - ſchafft mich zuruͤcke und auff einen Trunck Eiſen - Kraut-Wein laden wuͤrde. Nachdem ich aber un - gehindert das Schloß auff dem Ruͤcken hatte / be - gegnete mir zu allem Gluͤcke der Vogel / von wel - chem ich den Brieff empfangen hatte / denſelben ſetzte ich alſobald zur Rede / wer ſein Herr waͤre? worauff er mir gantz trotzig antwortete: er waͤre ſein eigen Herr. Hierauff erwiſchte ich meinen Stock / und ſagte: ſo mag dein Herr der aͤrgſte Schelm ſeyn / und mit dieſen Worten ſchlug ich aus allen Kraͤfften auff ihn zu / daß er lauter Lufft - Spruͤnge that / und in ſolcher Angſt kein Wort mehr / als Chaumigrem / auffbringen konte. Hier - aus merckte ich ſchon / in welcher Muͤntze dieſes Geld geſchlagen war / ich ſtellte mich aber / als wuͤſte oder verſtuͤnde ich ihm nichts / und ſagte bey Endigung dieſes Stock-Ballets zu ihm: Sage deinem Herrn / er ſey wer er wolle / die Princeßinwolte79Erſtes Buch. wolte ihn durch den Hencker antworten / und dich neben ihn auffknuͤpffen laſſen. Jch aber begab mich zu meinem Printzen / wartete ihm auff / und ſtellte mich hoͤchſt betruͤbt an / deſſen Urſache der Printz auff vieles Fragen nicht erfahren konte / biß er mir bey Vermeidung ſeiner Ungnade aufferleg - te / ich ſolte es ihm entdecken. Darauff faßte ich ei - nen Muth / und bꝛachte es auf das beweglichſte vor / wie mich einer von des Chaumigrem Leuten / den ich nicht gekennet / ſo ſchaͤndlich betrogen / indem er mir einen Brieff an die Princeßin eingehaͤndiget haͤtte / und weil ich nicht anders vermeinet / er wuͤr - de in geheim von Jndia kommen ſeyn / weil ſonſt alle Poſten von Siam geleget waren / ſo haͤtte ich ein angenehmes Boten-Brod zu erhaſchen ver - hofft / und erzehlte ferner den gantzen Verlauff / mit angehengter Bitte / in ſolcher Unſchuld mein gnaͤ - diger Herr zu ſeyn / und mich ſothaner unverdien - ten Ungnade bey der Princeßin zuentledigen. Weil ich nun auch in der hoͤchſten Angſt gleichwohl ſo bedaͤchtig geweſen / und den Brieff / welchen die Princeßin weggeworffen / wieder auffgehoben und eingeſtecket hatte; als uͤbergab ich das ungluͤckliche Papier meinem Printzen / welcher mich ſo fort vor unſchuldig hielt / weil der Titel in Siammiſcher / der Jnhalt aber in Peguaniſcher Sprache geſtel - let war / und laß er folgende Worte der Uberſchrift: Der Durchlauchtigſten / unvergleichlichen Son - nen in Ava / Higvanama / Princeßin des Groß - maͤchtigſten Koͤniges / Dacoſem / Beherrſcherinder80Der Aſiatiſchen Baniſe. der Liebe / und einigem Leitſterne meiner See - len. Citò.

Der Jnhalt klapte gantz verwirret / und zwar dergeſtalt:

Schoͤnſte Princeßin!

JCh weiß nicht / ob ich die Goͤtter / als den Ur - ſprung ihrer uͤberirrdiſchen Schoͤnheit / oder dero angenehmen Geiſt / welcher mich durch an - muthigſte Geberden verſteinerte / die Qvelle mei - nes Jammers nennen / und mich uͤber ihre Grau - ſamkeit beſchweren ſoll. Jch will nicht geſund hier in meinem Siechen-Bette liegen / wo ich nicht bey Henckerholen geſchwoꝛen haͤtte / als ich ſie im Gar - ten lautenieren ſahe / es waͤre ein Geſpenſt / indem unmoͤglich ſolche Entzuͤckungen von einem bloſſen Menſchen herruͤhren koͤnnen. Princeßin / ich will verſincken / wo ich nicht von derſelben Stunde an bey mir beſchloſſen / ſelbte mit meiner Liebe zu be - ſeligen. Jch verſichere ſie / daß Himmel und Hoͤlle / meinen Vorſatz zu ſtoͤren / viel zu ohnmaͤchtig ſind. Durch mich ſoll ihr Haupt erhoͤhet / und ſie gluͤck - ſelig werden. Sie befehle nur / ſchoͤnſter Rubin meines verliebten Hertzens / welches von denen neunen / dem Reich Pegu unterworffenen Koͤnig - reichen / ihr am beſten anſtehet / ſo will ich als ein Blitz mich dahin begeben / die Staͤdte verbrennen / das Land verwuͤſten / und die Crone deſſelben Rei - ches zu dero Fuͤſſen legen; denn ich verſichere / ob zwar Venus mir im Geſichte ſitzet / ſo herrſchet doch Mars im Hertzen. Jch liege hier / als ein ar -mer81Erſtes Buch. mer Wurm / aus bloſſem Erſchrecken vor dero verſtelltem Eiver / mit welchem ſie mir bey erſter / von den Goͤttern verſehenen / Zuſammenkunfft im Garten ſo entſetzlich vorkam: Die Zuentbietung aber ihrer Gnade und Verſicherung ihrer Liebe wird meine Geſundheit eher befoͤrdern als das ſtaͤrckſte Vomitiv der Koͤniglichen Leib-Aertzte. Es reiſſet mich hefftig im lincken Schenckel / wo - bey ſich auch ein Durchfall befindet; allein ihre Huld kan mich heilen / und allen Schmertzen ver - treiben.

Was den Willen ihres Koͤniglichen Herrn und Vaters anbelanget / davor laſſen ſie mich ſor - gen. Es wird ihm die hoͤchſte Freude und ihr die groͤſte Ehre ſeyn / wenn man ſie eine Gemahlin des allgemeinen Erloͤſeꝛs und Sieges-Fuͤꝛſten von Ava begruͤſſen wird. Adieu / meine kuͤnfftige Vergnuͤ - gung! Und wo es nicht zu ablegen / ſo wird dero per - ſoͤhnliche Beſuchung in meiner Schwachheit vor ein ſonderbahres Liebes-Zeichen von mir erkennet werden.

Dero Liebenswuͤrdiger Chaumigrem.

Mein Printz wuſte nicht / ob er lachen oder ſich hieruͤber erzuͤrnen ſolte / doch bezwang er ſich in ſo weit / daß er in dieſe Worte heraus brach: Es hat der Hochmuth / Unverſtand und Grobheit ein Verbuͤndniß in dieſem Menſchen gemacht / das Reich Ava / mich und mein Fraͤulein Schweſter auffs empfindlichſte zu beleidigen. Weil es aberFſchei -82Der Aſiatiſchen Baniſe. ſcheinet / es habe der Hochmuth den hoͤchſten Gi - pfel ſeiner Vollkommenheit erreichet / und Hoffart gemeiniglich vorm Fall koͤmmt / ſo laſſe ich mich troͤſten / daß deſſen Untergang vor der Thuͤr ruhet / und dieſer muß erfolgen / ſolte er auch durch meine Hand befoͤrdert werden. Du aber / Scandor / biſt unſchuldig / und laſſe es dir zur Warnung dienen / daß du bey Hofe nicht allem vorgebrachten glau - beſt und traueſt / vielweniger ſolches ohne genauſte Unterſuchung denen Hoͤhern hinterbringeſt. Jch will immittelſt auff deine Ausſoͤhnung bedacht ſeyn / und kanſt du mir nur in einer halben Stun - den folgen / biß ich dich werde erfodern laſſen. Vor ſolche Gnade ſtattete ich verpflichteſten Danck ab / und verharrte nach dieſem biß zu der vom Printzen anbefohlnen Zeit in dem Zimmer. Hier uͤberlegte ich nun den gantzen Handel in meiner Einfalt / und ließ es mir zu ſonderbarem Troſte dienen / daß ich nicht der Ungeſchickteſte an unſerm Hofe allein war / ſondern an Unverſtand und Unhoͤffligkeit von dem Koͤniglichen Augapffel weit uͤbertroffen wurde. Denn meine Staats-Faute ruͤhrte aus ei - ner Unwiſſenheit / welche noch zu enſchuldigen war / jene aber aus einem unverantwortlichen Hochmuthe her: und alſo hatte ich / wie im Auß - reiſſen / alſo auch in der Unhoͤffligkeit einen treuen Cameraden an dem Chaumigrem. Jn folchen Gedancken war faſt eine Stunde verfloſſen / da ich mich meines Printzens Befehl erinnerte / auffs ſchleunigſte nach Hofe zu eilen / allwo ich mit fluͤch -tigem83Erſtes Buch. tigem Geſichte erfahren muſte / daß bereits einige Nachfrage nachmir geſchehen waͤre / wel - che auch indem wiederholet / und ich in der Prin - ceßin Zimmer beruffen ward / dahin ich mich mit zitterndem Fuſſe begab / und bey dem erſten Hin - eintritt mit einem klaͤglichen Fußfall um Verzei - hung meines Fehlers anhielt. Die Princeßin a - ber befahl mir mit dieſen troſtreichen Worten auffzuſtehen: Es hat bereits Jhr Liebden der Printz deine Unſchuld mir ſattſam vor Augen ge - ſtellet / als ſoll hiemit meine Ungnade gegen dich auffgehaben ſeyn / iedoch mit ernſter Verwar - nung / dich kuͤnfftig in Uberantwortung ſolcher Brieffe beſſer in acht zu nehmen / und zum wenig - ſten den Boten ſo lange anzuhalten / biß er wie - derum gebuͤhrend abgefertiget werde. Hier ſchuͤttete ich nun wiederum einen gantzen Sack voll Danck-Complimenten aus / die ich nach mei - nem Vermoͤgen vor ſo hohen Perſohnen zu ver - antworten getraute / und verſicherte / ich haͤtte den ſchlimmen Bothen / als ich ihn wieder angetrof - fen / dermaſſen abgefertiget / daß ſein Herr leicht - lich hieraus wuͤrde abgenommen haben / wenn man den Sack ſchluͤge / ſo meinte man den Eſel. Jndem nun mein Printz / welchem ich vor ſo gnaͤ - dige Vorſorge meiner Verſoͤhnung demuͤthigſt die Hand kuͤßte / der Princeßin zu gefallen noch einen und andern Einfall von mir heraus locken wolte / ſo ließ ſich Mangoſtan / Ober-Cammer - Herr des Koͤnigs bey der Princeßin als ein Abge -F 2ord -84Der Aſiatiſchen Baniſe. ordneter von dero Herrn Vater anmelden / wel - cher alſobald vorgelaſſen / und von der Princeßin bey dem Eingange mit geziemender Anſtaͤndig - keit empfangen ward. Und als dergleichen auch von dem Printzen verrichtet war / brachte Man - goſtan ſo fort Koͤnigl. Anſinnen vor: Wie daß nemlich Koͤnigl. Maj. die Princeßin Koͤnig - und Vaͤterlicher Gnade verſichern lieſſe / welche ſie auch um ein groſſes vermehren wuͤrde / wenn ſie dem Chaumigrem / als welchem das gantze Koͤ - nigliche Haus hoch verpflichtet waͤre / einen freyen Zutritt und Beſuchung erlauben wolte. Uber welches die Princeßin ſich dermaſſen entſetzte / daß ſie etliche Schritte zu ruͤcke wich / und mit et - was harter Stimme antwortete: Wie nun? hat der Koͤnig / mein Herr Vater / vergeſſen / daß ich eines Koͤniges Tochter / und eines Koͤniglichen Erb-Printzens verſprochne Braut bin / und will er mir zu Schimpffe unſers hohen Hauſes zu - muthen / mich mit einem ſolchen Schandfleck der Natur gemein zu machen / welcher vielmehr Schimpf als Ehre verdienet hat. Die Schlacht hat er durch Unerfahrenheit verlohren / durch uͤble Aufſicht hat er das Reich ſeines Cron-Printzens beraubet / und wo ja Verraͤtherey eniger Ver - bindligkeit wuͤrdig iſt / ſo hat man ſolches vielmehr ſeinem Bruder Xenimbran / als ihm zu dancken. Doch er habe ſich ſo hoch verdient gemacht / als er wolle / ſo iſt er doch noch lange nicht wuͤrdig ge - nung / eine Koͤnigl. Princeßin zu bedienen. Durch -lauch -85Erſtes Buch. lauchtigſte Princeßin / wiederredete Mangoſtan / die Koͤnigliche Gnade erſetzet deſſen Unwuͤrdig - keit. Doch ohne Nachtheil des Koͤnigl. Hau - ſes / fuhr die Princeßin fort. Jch frage euch mein Herr Mangoſtan / auf euer Ehre und Pflichten / ob mir eine ſolche Erniedrigung anſtaͤndig oder zurathen ſey. Nicht zielet hier mein Abſehen auff deſſen Stand / als welcher an und vor ſich ſelbſt oͤffters ein wuͤrdiger Anfang zur Crone ge - weſen: Untugend aber kan auch den Koͤnigl. Thron erniedrigen. Und dieſe hat gleichſam ih - ren Sitz in dem Chaumigrem erwehlet / in ihm / lage ich / halten alle Laſter ihre gewoͤhnliche Zu - ſammenkunfft / wie ſolches der gantze Hoff / ich will nicht ſagen / das gantze Reich / einhellig bezeugen wuͤrde / wo anders ohne Scheu duͤrffte geredet werden. Daß ſich nun J. M. mein Herr Va - ter / ich weiß nicht wodurch / die Augen verblenden laſſen / das iſt Mitleidens wuͤrdig: daß aber ſe - hende Augen auch verdunckelt werden ſollen / ſol - ches iſt Jammerns werth / und laͤufft wider mei - ne Natur. Endlich ſo ſey auch Chaumigrem / wer er wolle / ich will ihn in unverdienten Wuͤr - den laſſen / ſo iſt es doch gemeinem Frauenzimmer eine unanſtaͤndige und nachtheilige Sache / wenn ſie / indem die rechte verſprochen / mit der lincken Hand fremde Beſuchungen annehmen. Nun aber werden die Finſterniſſen der Sonnen viel genauer durch das Fern-Glaß der politiſchen Welt bemercket / als etwan eines gemeinenF 3Sterns:86Der Aſiatiſchen Baniſe. Sterns: wie viel mehr wuͤrde dieſe verhaßte Ge - meinſchafft von mir im gantzen Reiche beredet / und durch das geſchwaͤtzige Geruͤchte mit vielen Vermehrungen meinem verlobten Printzen zu Ohren gebracht werden. Als wollet ihr nur J. M. meinen Kindlichen Kuß und Reſpect ver - melden / und Selbten zugleich unterthaͤnigſt erſu - chen / die Ehre ſeines Kindes dem Verlangen ei - nes Fremden nicht nachzuſetzen / ſondern vielmehr mir von dergleichen vaͤterlich abzurathen. Daß dieſe Antwort / ſagte Mangoſtan hierauf / eine falſche Auslegung einigen Ungehorſams bey dero Herrn Vater verurſachen moͤchte / ſolches be - fuͤrchte ich gar ſehr. Solte es aber in Gnaden vermercket werden / ſo waͤre wohl unmaßgeblich zu rathen / man lieſſe bey ſothaner Beſchaffenheit eine Verſtellung die eigenen Affecten in etwas beherrſchen / und erlaubte / dem Befehl des Herrn Vaters zu Ehren / eine kurtze Beſuchung: welche doch ſo eingerichtet werden koͤnte / daß Chaumi - grem ſolche nicht mehr verlangen wuͤrde / wenn er weniger Vergnuͤgen / als er ſuchet / gefunden haͤt - te. Und kein verſtaͤndiger Menſch / redete hier mein Printz ein / wird euch in keinem Verdacht einiger Gewogenheit gegen dem Chaumigrem haben / welcher deſſen Geſtalt / Thun und Weſen nur in etwas weiß. Hieruͤber ſchien die Prin - ceßin etwas beſaͤnfftiget zu ſeyn / und ſagte: Wer Tugend liebt / der muß auch den falſchen Schein der Laſter meiden: kan ich aber hierdurch J. M. dem87Erſtes Buch. dem Herrn Vater einigen Gefallen erweiſen / und mein geliebter Herr Bruder / will mir hierinn treulichſt rathen / ſo ſoll dem verhaßten Menſchen eine kurtze-Gegenwart erlaubet ſeyn. Nach wel - cher Einwilligung Mangoſtan ſo fort ſeinen Ab - ſchied und Abritt nahm / die Princeßin aber fiel meinem Printzen beweglich umb den Hals / und ſagte: Sehet / allerwerteſter Herr Bruder / in was vor Hochachtung eure Perſon bey mir beru - het / daß ein bloſſes Einreden mehr bey mir gilt / als ein Koͤnigl. Befehl. Denn bloß eurem Ein - rath gemaͤß habe ich ſolche gefaͤhrliche Beſuchung nachgegeben; ich lebe aber der Schweſterlichen Zuverſicht / es werde mich Printz Balacin nicht verlaſſen / ſondern unvermerckt von allem dem / was bey dieſer gezwungenen Zuſammenkunfft vorgehen moͤchte / ein gegenwaͤrtiger Zeuge ſeyn. Mein Printz antwortete mit ſonderbahrer Be - wegung: Liebſte Schweſter / wiſſet / daß mein Leben an eurer Seele hanget / und daß meine Eh - re und euer Ruhm genau zuſammen verknuͤpffet ſind; Dannenhero verſichere ich / daß ich gantz gerne dieſem beywohnen wolte / wenn ich nicht be - fuͤrchtete / er duͤrffte meine Abweſenheit mit in die Bedingungen ſetzen wollen. Daß ſich Chaumi - grem hieruͤber nicht zu beſchweren habe / wieder - redete die Princeßin / ſo ſollen dieſe Tapeten ver - hindern / daß er euch nicht ſehen koͤnne. Solte ich mich aber von ſeiner bekanten Unhoͤffligkeit allzu ſehr beleidiget finden / ſo wird mein geliebteſterF 4Bru -88Der Aſiatiſchen Baniſe. Bruder bey Anhoͤrung des Wortes: Es iſt ge - nung / vernehmen koͤnnen / wie noͤthig deſſen Ge - genwart und die Verſtoͤrung unſers Geſpraͤchs ſey. Jch gehorſame als ein treuer Bruder / ant - wortete der Printz / und verpflichte mich durch dieſes bruͤderliche Zẽichen eines ungefaͤrbten Her - tzens. Worauff ſie mit dieſem Verlaß / daß des Chaumigrems Ankunfft bey Zeiten ſolte verſtaͤn - diget werden / einander kuͤſſende verlieſſen. Als wir unſer Zimmer beſchritten / muſte ich von mei - nem Printzen eine ſtraffende Lehre annehmen / daß es ſich nemlich nicht gezieme / bey den Hoͤhern laͤnger auffzuhalten / wenn ſie in einem und an - dern nothwendigen Unterredungen begriffen waͤ - ren / ſondern gebuͤhrenden Abtritt zu nehmen: es wuͤrde ſich auch ſolche Erklaͤrung dieſes Hofe - Texts um ein ziemliches verlaͤngert haben / wenn nicht unterſchiedliche Vornehme des Hofes ihre Auffwartung bey dem Printzen abgeleget haͤt - ten / bey derer Ankunfft ich alſobald nach des Printzens Lehre meinen Abtritt nehmen wolte / er ruffte mich aber zuruͤcke / und erinnerte mich / ich ſolte meinen Gehorſam biß zu noͤthiger Zeit ver - ſparen. Hier erfuhr ich nun den Zuſtand des Chau - migꝛems umſtaͤndlich / und wie eꝛ von dem Koͤnige ſelbſt beſuchet worden / welches gewiß eine ſolche Gnade / daß ſie ihm wegen ſeiner Unwuͤrdigkeit von iedweden muſte mißgoͤnnet werden. Bey dieſer Beſuchung nun hat ſich der liſtige Fuchs ſehr kranck angeſtellt / und mit vielen Worten be -zeu -89Erſtes Buch. zeuget / wie er viel geruhiger ſterben wolte / wenn er nur dem Koͤnige noch einige angenehme Dien - ſte erweiſen / und ſeinen Vorſatz bewerckſtel - ligen koͤnte / indem er ſich feſte vorgeſetzet / einige tauſend Mann bey J. M. außzubitten / und bey ietziger Verwirrung in Pegu in das Reich Andeſa einzufallen / ſelbtes wegen heimlichen Verſtaͤndniſſes leicht zu erobern / und deſſen Crone zu freyer Willkuͤhr J. M. zu uͤberliefern. Solches waren nun dem Koͤnige hefftige Sta - cheln des Ehrgeitzes geweſen / daß er hieruͤber gantz vergnuͤgt den Chaumigrem umarmet / und mit dieſen verpflichteten Worten den Zweck ſeines Verlangens beruͤhret hat. Allerwerthſter Chau - migrem / einige Grund-Seule dieſes Reichs / nim - mermehr werden die guͤtigen Goͤtter dieſes zulaſ - ſen / daß ich eines ſolchen Freundes durch den Tod ſolte beraubet werden / an welchem der Ruhm meiner Crone hanget. Jch bitte euch um des Got - tes der Ewigkeit willen / entdecket mir euern Ge - muͤths-Kummer / damit ſelbter geheilet / und der Leib erhalten werde. Jch ſchwere euch bey dem Gott der tauſend Goͤtter / die Helffte meines Reichs ſoll zu eurer Artzney angewendet werden. Laſſet euch derowegen rathen und helffen / werdet geſund / vollfuͤhret euer tapfferes Vorhaben / und verſichert euch / daß ich mich alsdenn um ein Cro - nen-wuͤrdiges Gemahl vor euch bewerben will. Hierdurch wurde Chaumigrem dermaſſen geruͤh - ret / daß er gantz auſſer ſich ſelbſt war / und durchF 5viele91[90]Der Aſiatiſchen Baniſe. viele Ermunterungen des Koͤniges kaum konte dazu gebracht werden / daß er mit tieffem Seuff - tzen heraus brach: Ach waͤre ich mit dieſer Hoff - nung beſeliget / ich duͤrffte mit verſicherter Gunſt einer Cronwuͤrdigen Gemahlin meinen Sebel ausziehen / und mir eine Crone erobern / ſo waͤre mein Gemuͤthe beruhiget / und meine Tapfferkeit ſolte mich ihrer bald wuͤrdig machen. Dieſe dun - ckele Worte konten dem Koͤnige noch keinen Ver - ſtand eroͤffnen / weswegen er denn begierigſt nach - forſchte: Wie? tapfferer Chaumigrem / iſt etwan eine verborgene Liebe / die euer Gemuͤthe feſſelt; entdecket ſie uns ungeſcheuet / es ſoll euch gerathen werden / und ſolte alle Welt ihre Huͤlffe verſagen. Chaumigrem ſahe den Koͤnig ſehnlichſt an / und ſagte mit ſchwacher Stimme: Ach! J. Majeſt. zwingen mich nicht hierzu / indem ſie ſelbſten mir diejenige Artzney verſagen werden / die mich bloß dem Tode entreiſſen kan. Der Koͤnig ſaß hier - uͤber in beſtuͤrtzten Gedancken / und wuſte nicht / ob er ſchweigen / oder ob er in ſeinem Anhalten fort - fahren ſolte? endlich brach er in dieſe nachdruͤck - liche Worte heraus: Chaumigrem / entdecket eu - er Anliegen! Euch ſoll geholffen werden / und ſolte auch mein Kind zum Opffer dienen. Dieſe Rede ſtuͤrtzte den Chaumigrem von dem Lager zu des Koͤniges Fuͤſſen / welche er umfaßte / und mit innig - ſtem Seufftzen dieſe Worte entfallen ließ: Ach / Gnaͤdigſter Herr / mein Blut iſt viel zu wenig / ein ſolches gnaͤdiges Anerbieten auch nur im gering -ſten92[91]Erſtes Buch. ſten danckbar zuerkennen. J. M. ſind der rechte Artzt / und aus ihrem geheiligten Munde fleuſt die rechte Artzeney meiner Seelen. Higvanama / ach / Higvanama / iſt die Feindin meiner Ruhe / in ihren Augen ruhet mein Tod und Leben. Großmaͤchtig - ſter Koͤnig und Herr / ich genieſſe unwuͤrdigſt dero uͤberfluͤßige Gnade; allein ohne der Princeßin Gunſt iſt mir dieſer Zucker nur Galle / und dero verſagte Huld wird mich bald aus J. M. Augen ruͤcken. Derowegen hanget mein Wohl und Weh an J. M. Lippen / ſie bitten / ermahnen / ſie befehlen / ſo wird Higvanama / will ſie anders den Ruhm Kindlichen Gehorſams haben / folgen / und mich in das Paradieß erwuͤnſchter Vergnuͤgung verſetzen. Bey dieſer Entdeckung ließ der Koͤnig einige Beſtuͤrtzung mercken / demnach hub er den Chaumigrem ſanffte von der Erden / und ſagte zu ihm: Jhr begehret etwas hartes / trauter Chau - migrem / ja ihr verlanget etwas / welches in mei - nen Kraͤfften nicht mehr ſtehet. Higvanama iſt nicht mehr in dem Zuſtande / worinnen ſie ihr Hertze einem andern ſchencken koͤnne: mit einem Worte / Higvanama iſt eine verlobte Braut des Printzen von Siam. Wie? Gnaͤdigſter Koͤnig und Herr / redete hier Chaumigrem ein / wolten ſie wohl ein ſo werthes Kind ihrem Feinde goͤnnen? Stehet nicht Siam mit Pegu im Bunde / und ſolten nicht viel tauſend Siammer unter des Xe - mindo Anfuͤhrung wider J. M. Wohlfarth ge - ſtritten haben? ſolches iſt von einer KoͤniglichenWeiß -92Der Aſiatiſchen Baniſe. Weißheit nicht zu vermuthen. Chaumigrem hat recht / widerredete der Koͤnig / allein durch jener Bund laͤſſet Higvanama ihren Bund nicht bre - chen. Hierzu laſſen ſie mich rathen / antwortete Chaumigrem / und befehlen nur vermoͤge Koͤnig - und Vaͤterlicher Gewalt / daß mir bey der Prin - ceßin ein freyer Zutritt erlaubet werde / ſo will ich bald erweiſen / daß das leichtſinnige Frauenzim - mer entferntes Metall nicht achte / wenn ſie nahes Gold mercken. Und alsdenn nach erworbener Gunſt ſoll Higvanama nicht eher mein Lager be - treten / ſie habe denn zuvor einen Koͤnigl. Thron beſtiegen. Es ſey alſo / endigte der Koͤnig dieſe Be - ſuchung / bemuͤhet euch beſten Fleiſſes ſie zu gewin - nen / an meiner Gnade und Einwilligung ſoll nichts ermangeln. Woꝛauff er bemeldten Mango - ſtan ſo fort befehlichet hatte / der Princeßin das Vorerzehlte zu hinterbringen. Wenig Tage dar - auff erhielt mein Printz durch eigene Poſt unter - ſchiedene Briefe aus Siam / von dem Printzen Nherandi / welchen zugleich ein mit guͤldenem Le - der uͤberzogenes Paqvet beygefuͤget / und die Uber - ſchrifft an die Princeßin Higvanama geſtellet war. Hierdurch ward mein Printz hoͤchlich er - freuet / weil er wohl wuſte / was vor ungemeine Freude er bey ſeinem innigſt geliebten Fraͤulein er - wecken wuͤrde. Er ſchickte mich ſo fort nach der Princeßin / um ihr ſeine Ankunft zu hinterbringen / welche ſich im Garten finden / und den Printzen da - hin erſuchen ließ. Weil nun mein Printz keinenZeu -93Erſtes Buch. Zeugen dieſer Zuſammenkunfft verlangete / ſo nahm er mich / als ſeinen unwuͤrdigſt-vertrauten Diener / nur allein mit ſich / und verfuͤgte ſich alſo - bald in den Garten / woſelbſt ihn die Princeßin mit einem dermaſſen anmuthigen Kuſſe bewillkom - mete / daß mir auch nur durch bloſſes Gedencken der Mund voll Waſſer laͤufft. Denn gewiß / ihre Schoͤnheit hatte ſich an dieſem Tage um ein ho - hes vermehret / gleichſam als ob ihr die angeneh - me Zeitung von ihrem Printzen ahnte. Sie hatte ſich in gruͤn und Silber gekleidet / und waren ieder - zeit die ſchwartzen Locken mit Diamanten reich - lich durchflochten: alſo daß ihre Pracht einen un - gemeinen Wett-Streit mit dero blitzenden Au - gen verurſachten. Jn Summa / dergleichen Schoͤnheit war mir damahls noch nie vorgekom - men / daß ich oͤffters dem Chaumigrem recht gab / wann nur auch ſeiner ſeits etwas Wuͤꝛdiges waͤre verhanden geweſen. Allein wieder auff ihre Per - ſon zu kommen / ſo merckte ſie bald aus des Prin - tzens munterm Geſichte / daß ſein Hertze etwas an - genehmes vorzubringen haͤtte / derowegen ihr er - ſtes Nachforſchen war / was den Printzen zu ſol - chem muntern Weſen veranlaſſen moͤchte? Wel - ches er mit lachendem Munde beantwortete: Ein Poſtillon der Liebe wird ja nicht ſauer ausſehen. Was vor ein Poſtillon / fragte die Princeßin gantz begierig / ich vermeyne nicht / daß Scandor ſich wieder wird einen Brieff haben einſchwatzen laſ - ſen. Nein / meine Hertzens-Schweſter / widerre -dete95[94]Der Aſiatiſchen Baniſe. dete der Printz / ſondern ihr ſolt eure Liebe veraͤn - dern. Was? veraͤndern? antwortete ſie aͤngſtig nicht eher / biß die Goͤtter mein Leben in den Todt verwandeln. Chaumigrem / wolte der Printz fort - fahren. Was / Chaumigrem? fiel ihm die Prin - ceßin in die Rede / qvaͤlet mich ja nicht mit dieſem ewig verhaſſeten Nahmen / ſondeꝛn entdecket doch / worinnen die Veraͤnderung meiner Liebe beſtehen ſoll. Hierinnen ſoll ſie beſtehen / antwortete der Printz / daß ſich eure zweiffelhaffte Furcht in ge - wiſſe Zuverſicht verwandeln / und die Verſiche - rung des Geliebten euch hierzu verbinden ſoll. Ach wertheſter Bruder / bat ſie ſeufftzende / qvaͤlet doch mein vorhin geplagtes Gemuͤthe nicht ferner / ſon - dern erklaͤret mir eure dunckele Reden / welche mich mehr verwirren als unterrichten. Auff wel - ches bewegliche Erſuchen ſich mein Printz nicht laͤnger enthalten kunte / ihr das verguͤldete Paqvet - gen / welches ich unter meinem langen Ober-Rocke verborgen trug / zu uͤberreichen: Welches bey Le - ſung der Uberſchrifft eine ſolche Beſtuͤrtzung und Freude in ihr verurſachte / daß die Farbe der Wangen ſich nach der Stirn zogen / und alſo dem gantzen Geſichte eine angenehme Roͤthe verur - ſachte. Endlich erbrach ſie das voͤllige Paqvet mit bebender Hand / und laß zufoͤrderſt folgende Zeilen ab:

Durchlauchtigſte Princeßin!

DJe hoͤchſte Freude / ſchoͤnſte Higvanama! ſo mir Zeit meines Lebens begegnet / iſt / daß ichſie96[95]Erſtes Buch. ſie geſehen: Die tieffſte Traurigkeit aber / daß ich ſie nicht mehr ſehe. Zu Ava iſt alle meine Luſt ver - blieben / ſtatt deren ich hier in Judia tauſend Ver - druß erdulden / und empfindlichſt empfinden muß: Wie der ſchmertzliche Verluſt einer angenehmen Sache die Freude einer ſteten Gegenwart weit uͤbertreffe. Jedoch verſichere ich / daß ein einiger Gedancken an ſie mir mehr Anmuth / weder alles Ungluͤck in der Welt Betruͤbniß zufuͤgen koͤnne. Ja eben die ietzige Stunde / da mich ihre Abwe - ſenheit kraͤncket / wolte ich mit den allerzaͤrtſten Schooß-Kindern des Gluͤckes nicht vertauſchen. Dieſe behertzte Entſchlieſſung / bey ſo wichtiger Urſache zu trauren / uͤberredet mich / daß ihre Rede nicht falſch geweſen / als ſie ſagte: Sie haͤtte mir ihr Hertz gegeben. Denn gewiß / daferne ich kein anders / als das meinige haͤtte / wuͤrden mich ſo viel widrige Anſtoͤſſe leicht uͤberwinden. Sonder Ein - buſſe der Warheit: Es iſt wohl ein ſeltzamer Zu - fall / an einer eintzigen Perſon / alles / was die Welt ſchoͤnes hat / antꝛeffen / dieſelbe zugleich ſchauen und lieb gewinnen: ihrer auch ja ſo bald / als man in ihre Liebe kommen / wiederum verluſtig werden. Jn gleichem Augenblicke ſein Gluͤcke lachen und weinen / ſcheinen und verſchwinden ſehen / und in ſolcher Zeit-Kuͤrtze beydes zu jauchtzen und kla - gen befugt ſeyn. Dieſes ſind die Gedancken / wo - mit ich die ſchmertzende Abweſenheit mir etlicher maſſen verſuͤſſe / und hertzlich wuͤndſche / durch dero Engliſche Gegenwaꝛt alles Andenckens uͤberhobenzu96Der Aſiatiſchen Baniſe. zu ſeyn. Jmmittelſt wird die unſchaͤtzbare Higva - nama ihre beſchworne Treue ebenfalls auf den Felß der Beſtaͤndigkeit gebauet haben / als wie ich Seelen-innigſt verſichere / daß ich ſey biß in die Grufft dero Ewig-getreueſter

Nherandi / Printz von Siam.

Durch welche Verſicherungen ſich dieſes gluͤckſelige Blat unzehliche Kuͤſſe von dieſem ſchoͤ - nen Munde zuzog / und ward ihr Vergnuͤgen um ein merckliches vermehret / als ihr der Printz / wel - cher indeſſen das Paqvet durchſuchte / eine darin - nen gefundene Arie uͤbereichte / welche ſie / weiln deren Melodie darzu geſetzet war / mit entzuͤckender Stimme folgender Geſtalt zu meines Printzens ſonderbahrer Vergnuͤgung abſange:

1.
MEin Schickſal nehret mich mit Flammen /
Und raubt das Oel der reinen Glut /
Es will mich ſonder Schuld verdammen /
Und preſſet manche Perlen-Fluth
Aus dem entfernten Augen-Paar /
Das mir ein Brand und dir ein Zunder war.
2.
Der Himmel ſcheint mir ſelbſt zuwider /
Ob gleich ſein Einfluß mich beſeelt /
Er leget meine Hoffnung nieder /
Und hat den Schmertzen mir verheelt.
Der auff ſo Zucker-ſuͤſſe Luſt /
Gantz unverdient qvaͤlt mein und deine Bruſt.
3.97Erſtes Buch.
3.
Was ſonſten Aug und Ohr entzuͤcket /
Der Anmuth holder Liebes-Schertz /
Bleibt wohl von mir unangeblicket /
Es glaͤntzt mein Stern nur Norden-werts.
So lang ich deſſen bin beraubt /
Hab ich dem Hertzen keine Luſt erlaubt.
4.
Wil ich in Waͤldern mich bemuͤhen /
Zu ſuchen meiner Seelen Ruh /
So ſeh ich deinen Namen bluͤhen:
Es winckt mir Higvanama zu /
Und iſt den Baͤumen eingepraͤgt /
Durch meine Hand wird dieſer Schmertz erregt.
5.
Das ſchnelle Rauſchen heller Fluͤſſe /
Hat meinen Geiſt zwar offt ergoͤtzt /
Jetzt mehrt es nur die Thraͤnen-Guͤſſe /
Wenn meinen Fuß das Ufer netzt.
Es rufft der Wieſen bunter Klee:
Entfernung bringt Verliebten groͤſtes Weh.
6.
Jndeſſen ſoll mich ewig zieren
Die Crone der Beſtaͤndigkeit.
Man ſoll der Palmen Wachsthum ſpuͤhren /
Durch ſchwere Laſt entfernter Zeit.
Und meine Grabſchrifft ſoll diß ſeyn:
Die reinſte Glut bedecket dieſer Stein.

Nach abgeſungener Arie zog der Printz ein guͤldenes mit groſſen Perlen gleichſam uͤberſchnei -Gtes98Der Aſiatiſchen Baniſe. tes Schmuck-Kaͤſtgen hervor / welches die Prin - ceßin / wegen verborgener Kunſt-Eroͤffnung kaum auffzumachen wuſte / biß ein groſſer Sa - phir / welcher unter den Perlen hervor ſpielete / ſanffte geſchoben ward / da das Kaͤſtgen zu ihrem groſſen Erſchrecken jehling auffſprang / und ihr erlaubte ein paar Armbaͤnder mit Wunder ſpie - lenden Diamanten herauß zu nehmen / nebſt ei - nem Peguaniſchen Haupt-Schmucke / deſſen Blitz und Pracht faſt Koͤnigliche Wuͤrde zu uͤber - treffen ſchiene. Was aber der Pinceßin am an - genehmſten war / das war des Printzen von Si - am Bildniß in einer mit koſtbaren Diamanten verſetzten Capſul / welche auff beyden Seiten ſehr artig geaͤtzet / und auf dem Deckel dieſes Sinnen - bild vorgeſtellet war: Es zeigte ſich bey truͤber Nacht eine Sonnen-Wende / welche ihren Blu - men Kopff nach der Erden hieng / uͤber ihr ließ ſich durch die Wolcken ein Stern blicken / nebſt dieſer Uberſchrifft: Jch haſſe fremdes Licht.

Auſſerhalb an den Boden aber hatte des Kuͤnſt - lers Hand einen fliegenden Pfeil vorgebildet / wel - cher ſich gleichſam vor Muͤdigkeit nach der Erden ſenckete / mit dieſer Beyſchrifft: Weil mir das Ziel gebricht.

Als nun dieſes alles von der Princeßin eine ge - raume Zeit gantz entzuͤckt betrachtet worden / brach ſie endlich in dieſe Worte heraus:

Tceueſter Nherandi / wertheſter Printz! ver -zeihe99Erſtes Buch. zeihe mir das bißweilen geſchoͤpffte Mißtrauen wegen deiner beſtaͤndigen Liebe / worzu mich dein ſo langes Stillſchweigen veranlaſſet. Doch wen die Liebe mit gleichen Feſſeln beleget hat / der wird wiſſen / wie die groͤſte Furcht mit der treueſten Liebe verbunden ſey. Die Goͤtter wiſſen es / mit was Sorgen ich die Ruhe geſuchet / und mit was Kummer ich iederzeit das Licht der Sonnen auff - gehen geſehen. Jhr ſeyd allzu beſorgt geweſen / redete hier der Printz ein / indem die beſchuldigte Wanckelmuth ſich mehr bey dem Frauenzim - mer / als denen ſtandhafften Mannsbildern ver - ſpuͤhren laͤſt. Und haͤtte Printz Nherandi mit mehrerm Recht einiges Mißtrauen ſchoͤpffen koͤn - nen / deſſen er doch mit keinem Worte gedencket. Ach ſchweiget / Hertzens-Bruder / antwortete die Princeßin / das Frauenzimmer und die Liebe iſt ein zartes Weſen / und wollen auch dahero zaͤrt - lich mit ſich umgegangen wiſſen. Was aber zart iſt / das erfordert deſto mehr Auffſicht / auch ſich vor dem geringſten Fehler zu huͤten / ja ich wolte ſonder Muͤhe behaupten / daß das Frauen - zimmer im Lieben viel vollkommener ſey / als das Maͤnnliche Geſchlechte. Denn ein Mannsbild bildet ſich ein / es ſey ihm in der Ferne alles erlau - bet / und achtet ſich eine Sonne zu ſeyn / von wel - cher auch andere Sterne ohne einige Verminde - rung Liecht und Vergnuͤgung ſchoͤpffen koͤnten. Ein Frauen-Bild hingegen bemuͤhet ſich auch in der Ferne / durch einſames Weſen erſt recht be -G 2liebt100Der Aſiatiſchen Baniſe. liebt bey dem Geliebten zu machen / und achtet ie - den Blick vor einen Ehebruch. Ja wenn ein leichtſinniges Manns-Hertz abweſende ſeinen Hunger auff fremden Lippen ſaͤttiget / ſo laſſen wir in deſſen unſere Seelen Durſt leiden / da es doch ihnen eben ſo wohl anſtuͤnde / daß ſie ſolche unberuͤhrte Lippen / wie ſie von denen hinterlaſſe - nen Liebſten erfordern / mit zuruͤcke braͤchten. Und weil dieſes eine allgemeine und bekandte Sache iſt / ſo iſt uns ein ſorgſamer Argwohn nicht zu ver - dencken. Jch gebe es zu / antwortete der Printz / daß des Frauenzimmers Gebluͤte mit mehr Flam - men begeiſtert / und dahero deſto verliebter. Nicht verliebter / mein Bruder / fiel ihm hier Higvana - ma in die Rede / ſondern nur reiner und vollkom - mener in der Liebe. Denn wie die Liebe einen Unterſcheid kennet / und ſich gleichſam in zwo Straſſen theilet / deren eine zur Tugend / die ande - re aber zur Unreinigkeit und Laſtern leitet. Alſo gebe ich es gar gerne zu / daß wir auff der er - ſtern etwas emſiger fortwandeln; Denn die Liebe iſt eine Schwachheit des Gemuͤthes / und alſo von ſchwachen Werckzeugen keine Staͤrcke zu vermuthen. Jnzwiſchen beſtehet doch unſer Ruhm hierinnen / daß wir eher faͤhig ſind / uns der Laſter-Straſſe zu entſchlagen / als die Manns - Bilder / deren ſich faſt keiner ruͤhmen kan / daß er nie die verbotenen Wege der Liebe gewandelt ha - be. Den Unterſchied der Liebe / beantwortete mein Printz / wiſſet ihr ſehr wol zu nennen / aberder101Erſtes Buch. der Unterſchied der Liebhabenden wird gar hind - an geſetzet. Denn ſo wenig diß letztere von den Maͤnnern ein gewiſſer Schluß iſt / ſo wenig wird man ſich bereden laſſen / es ſey iedwedes Frauen - Zimmer Sonnenrein / da ſie doch iederzeit dem Monden zu vergleichen ſeyn / welchem von den Sternkuͤndigern viel Flecken beygeleget werden. Ja es lieſſe ſich dieſer Satz gar leichte durch haͤuf - fige Erempel umſtoſſen / wenn nicht das geſchwaͤ - tzige Geruͤchte auch oͤffters in der Printzen Cabi - nete nachfolgte. Man ſchauet ja hin und wieder viel ſchoͤne Bilder / welche der Himmel mit ſattſa - men Verſtande begabet / daß ſie die Liebe wol zu unterſcheiden wiſſen: Dennoch ſiehet man ſie viel begieriger den Neben-Weg der Liebe lauf - fen / als iemals ein Mann thun kan. Wer locket aber die unſchuldigen Maͤnner-Hertzen mehr auf ſolchen Weg / als eben dieſe Syrenen? Und kan man alſo das Frauenzimmer nicht ſo gar Engel - rein abbilden / als ſie es haben wollen / und ſich vor - ſtellen. Bey den Roſen ſind Dornen / fieng die Princeßin hierauff an / ja auch die Sternen ſind nicht von geſtirnten Mißgeburten befreyet: Wie ſolten ſich nicht auch oͤffters Teuffel denen reinen Geiſtern beygeſellen / und vor Engel ausgeben; So auch alle Engel-rein waͤren / ſo wuͤrde Keuſch - heit keine ſeltzame Tugend / ſondern ein gemeines Weſen genennet werden. Freylich iſt es zu be - klagen / ja mit blutigen Thraͤnen zu beweinen / daß unſer Aſiatiſches Frauenzimmer faſt mehr Co -G 3me -102Der Aſiatiſchen Baniſe. meten / als reine Sterne blicken laͤſſet; da eine bereits durch das Band der Liebe gebundene Ve - nus den Wechſel dermaſſen liebet / daß oͤffters die ſaͤmmtlichen Planeten nicht gnugſam ſind / ſie durch ihren Einfluß zu ſtillen. Und brennet ja noch wo ein reines Liecht / welches ſich keine Laſter - Wolcke wil ſchwaͤrtzen laſſen / ſo heiſſen deſſen Strahlen einfaͤltig / und muß oͤffters von den an - dern einen verdrießlichen Gegenſchein erdulden. Wenn aber ein ſolcher Stern Raum und Gele - genheit bekommt / mit den Strahlen reiner Liebe zu ſpielen / alsdenn iſt meine Meynung erfuͤllet / daß deſſen Glantz und Beſtaͤndigkeit viel hefftiger / reiner und vollkommener ſey / als des vornehmſten Planetens der Wechſel-liebenden Manns-Bil - der. Jch muß / erwiederte der Printz / Beyfall geben / weil meine Meynung auch vor bekandt angenommen wird; Und ſchlieſſe ſelbſt / daß ein tugendhafftes Frauenzimmer die reine Pflicht der Liebe viel genauer beobachtet / als einig Mañs - bild / weiln ſich ſolche iederzeit mehr Freyheit an - maſſen. Jndeſſen verbeut uns die Ermange - lung eines unpartheyiſchen Richters fernern Streit / es waͤre denn / daß Scandor durch kurtze Eroͤffnung ſeiner Gedancken den Außſchlag der Sachen thaͤte. Gnaͤdigſter Herr / fielen meine Worte / bey dieſer Materie haben die Gedancken mehr Freyheit als die Worte / daß es alſo viel ſich[er]er iſt zu ſchweigen / als ſich bey dem rachgie - rigen Frauenzimmer durch unzeitiges Urtheilenin103Erſtes Buch. in verhaßte Gefahr zu ſetzen. Zu dem bin ich ſo alber / daß ich die Liebe nur nach ihrem Nahmen / nicht aber nach ihrem Weſen kenne. Ja ſie wuͤrde mir gantz unbekannt ſeyn / wenn ich nicht die kurtze Zeit / in welcher ich dero hohe Gnade ge - noſſen / ſolche Dinge geſehen / daß ich nicht weiß / ob man die Liebe einen Engel oder eine Mißgeburt nennen ſoll. Die einfaͤltige Warheit iſt die be - ſte / redete mir die Princeßin ein / ſo rede demnach deines Hertzens Meynung ohne einige Beſor - gung / von dem Unterſcheid der Liebe. Durch - laucht. Princeßin / erwiderte ich / ſie haben dieſe wichtige Sache ſchon dermaſſen wol entſchieden / daß mein geringes Erachten ein tadelhaffter Uber - fluß ſeyn wuͤrde. Damit ich aber nicht einiges Ungehorſams duͤrffte bezuͤchtiget werden / ſo ge - ſtehe ich gar gerne / daß ich keiner andern Mey - nung bißher geweſen / als die Liebe ſey ein vollkom - menes Laſter / weil ich aller Orthen keine andere Wirckung verſpuͤhret / als daß ſie lediges Frauen - zimmer vor der Zeit in Eheſtand gebracht / oder auch verheyrathete Perſonen dahin veranlaſſet / daß ſie ſtets bemuͤhet geweſen / eines dem andern ein haͤrmicht Schmach-Alter auffzubauen / und dergleichen tauſendfaͤltige Greuel mehr / welche auch von der Einſalt ſelbſt verfluchet werden. Wenn ich nun nachgefraget / wo ſolches alles her - ruͤhre / ſo iſt mir geantwortet worden: Von der Liebe. Ja dieſe Liebe hat ſo gar eine neue Spra - che erfunden / wie die Beutelſchneider / denn wennG 4ich104Der Aſiatiſchen Baniſe. ich ſahe / wie oͤffters ſich die Lippen verirreten / und nach fremder Lufft ſchnappeten / oder wie man durch Wincken / Haͤnde-Druͤcken / auch wol gar durch bruͤnſtiges Umfangen einander Geheimniſ - ſe offenbahrete / ſo nennete man diß Freundligkeit / wolanſtaͤndige Geberden; welche ſich aber deſ - ſen enthielten / die wurden einfaͤltig und unver - ſtaͤndig genennet; ja was die Prieſter unſerer Goͤtter oͤffentlich vor Ehebruch ſchelten / das wird durchgehendes eine Galanterie geheiſſen. Jn Summa / die Liebe waͤre mir ewig verhaßt geblie - ben / wenn ich nicht an ihrer Hoheit nunmehr den Unterſchied ſelber bemercken koͤnte / wie rein und unverfaͤlſcht ihr Liebes-Weyhrauch / welchen ſie ihrem Printzen angezuͤndet haben / gegen den an - dern heßlichen Brunſt-Opffern hervor leuchte. Jch waͤre hierinnen fortgefahren / wann nicht indem ein Gaͤꝛtner eilend waͤꝛe gelauffen kommen / und die verdruͤßliche Ankunfft des Chaumigrems angekuͤndiget haͤtte / wie er alſobald unangemeldet ſeinen Eintritt in den Garten nehmen wollen / weiln er in den Gedancken ſtehe / die Princeßin a - bermahls allein anzutreffen. Solches aber habe der Gaͤrtner durch Schlieſſung des Garten-Tho - res verhindert / und ſolches zuvor gehorſamſt hin - terbringen wollen. So hoch nun die Princeßin zu - vor erfreuet und vergnuͤget war / ſo beſtuͤrtzt ſchiene ſie hieruͤber zu ſeyn / daß ſie ſich faſt anfangs nicht erhohlen kunte / endlich meinen Printzen er - ſuchte / ihr zu rathen / ob ſie ihrer widrigen Nei -gung105Erſtes Buch. gung folgen / und ihm allen Zutritt verwehren / oder dem Koͤniglichen Befehl nachleben / und ſeine verhaßte Gegenwart auf kurtze Zeit vertragen ſol - te. Mein Printz aber rieth ihr / ſich einer klugen Verſtellung anzumaſſen / durch kaltſinniges Be - zeigen ihn von fernerer Beſuchung abzuſchrecken / und alſo dem Willen des Koͤniglichen Herrn Va - ters ein Genuͤgen zu thun. Allein wird nicht hier - durch / wendete die Princeßin vor / mein Printz ab - weſend beleidiget? Mit nichten / antwortete der Printz / ſondern ihr werdet vielmehr hiedurch zu wege bringen / daß auch die Feinde von eurer Be - ſtaͤndigkeit werden zeugen / und eure Liebe ruͤhmen muͤſſen. So ſey es denn / entſchloß ſie ſich hierauff / inmittelſt werde ich mich auff den Beyſtand eines tapffern Printzens und treuen Bruders zuverlaſ - ſen wiſſen / wenn ja der unverſchaͤmte Menſch die Grentzen gebuͤhrender Ehrerbietung uͤberſchreiten wolte / denn man weiß nicht / worzu einen der Hoch - muth oͤffters verleitet. Auff derowegen / mein Geiſt / und hilff mir ſo wohl dieſes Unthier beſtrei - ten / als auch den Sturm verhaßten Anbringens ritterlich abſchlagen. Du aber / befahl ſie dem Gaͤrtner / eroͤffne das Thor / und vermelde unſere Einſamkeit. Worauff ſich der Printz nebſt mir in eine dicht-belaubte Gallerie begab / die Princeſ - ſin aber verfuͤgte ſich nach einem Spring-Brun - nen / welcher unferne von uns ſpielte / ſo / daß wir nicht allein die Geberden genau bemercken / ſon - dern auch ihre Worte wohl verſtehen konten. G 5Das106Der Aſiatiſchen Baniſe. Das uͤbrige Frauenzimmer ward / wie zuvor / be - fehlichet / ihre Vergnuͤgung bey den Blumen zu ſuchen. Nach weniger Zeit ſahen wir den Chau - migrem mit hohen Tritten ſeinen Eintritt neh - men / da er ſich denn alsbald nach der Princeßin wendete / und ſich derſelben mit ſolcher Ehrerbie - tung nahte / daß es ſchien / als ob er mit deꝛ Naſe an die Erde gewachſen waͤre / weil iedweder Schritt mit einer tieffen Neigung begleitet wurde. Die Princeßin aber hatte ſich auf den Fuß des Spꝛing - Brunnens geſetzet / und ſtellte ſich / als ob ſich ihre Gedancken in das Luſt-Spiel der ſpringenden Fluth dermaſſen vertieffet haͤtten / daß ſie ſonſt nichts mehr beobachten koͤnte; deßwegen ſie denn den Kopff auff ihren Arm lehnte / und gantz unbe - weglich ſitzen blieb / ob ſich gleich Chaumigrem dermaſſen genaͤhert hatte / daß er ſie auch allbereit anzureden begunte. Da wir denn das Geſpraͤche folgender Geſtalt gar wohl veꝛnehmen konten / und zwar waren dieſes des Chaumigrems erſte Wor - te: Wie ſo einſam und betruͤbt / Schoͤnſte Prin - ceßin? Wer von vergnuͤgten Gedancken begleitet wird / antwortete ſie hierauff / der iſt nicht einſam / und die Vergnuͤgung verſtattet keine Traurigkeit. Dennoch / erwiederte er / laͤſſet ſich einiges Be - truͤbniß gar deutlich aus dero Engliſchen Ange - ſichte leſen. Wo ja / ſagte ſie / einiges Betruͤbniß verhanden / ſo wird die Urſache billich dem zuge - ſchꝛieben werden / welcher mich in ſolchen angeneh - men Gedancken verſtoͤret.

Chau -107Erſtes Buch.

Chaumigrem fuhr fort: Das wollen die Goͤtter nicht / daß ich ein Zerſtoͤrer der Anmuth ſeyn ſolte; vielmehr wolte ich wuͤndſchen / daß ich ſothane vergnuͤgte Gedancken verurſachen / und mich in deꝛo veꝛliebtes Andencken einſchlieſ - ſen koͤnte.

Higvanama erwiederte: weil keine Vergnuͤgung ſo vollkom̃en iſt / welche nicht von einiger Unluſt begleitet werde / ſo kan er leicht auch in meine Gedancken kommen.

Chaumigrem gab zuruͤcke: Solches wird mich mehr vergnuͤgen / als ein Paradieß / und ſol - ches Andencken uͤbertrifft die Hoheit des Him - mels.

Hier haͤtte ſich mein Printz faſt durch Lachen ver - rathen / indem die verliebte Einfalt nicht verſtund / wohin die Unluſt zielte. Jmmittelſt fuhr Chaumi - grem fort: Es wird aber / Schoͤnſte Princeßin / meine unterthaͤnigſte Auffwartung nicht uͤbel ge - deutet werden / wenn ich vor allen andern / als ein genau verbundner Freund und Diener dieſes Hofs / zu allererſt mein ſonderbahres Beyleid / wegen des Unfalls / welcher dero hohe Perſon am meiſten betrifft / ſchuldigſt zu bezeugen / bemuͤhet lebe. Was vor einen Unfall? fragete die Prin - ceßin gantz begierig: Jch will nicht hoffen / daß der Herr Graff noch darzu ein Ungluͤcks-Bote ſeyn wird. Ehe ich der erſte Anbringer / erwiederte Chaumigrem / eines noch unbewuſten Trauer - Falls ſeyn wolte / ſo will ich lieber ſchweigen / unddie -108Der Aſiatiſchen Baniſe. dieſe verhaſte Zeitung zu uͤberbringen / einem an - dern goͤnnen. Hierdurch aber / hoͤrten wir die Princeßin reden / werde ich um ſo viel mehr belei - diget / nachdem ich durch Selbten in kummerhaf - ten Zweiffel / und durch deſſen nunmehro unzeiti - ges Stillſchweigen in ſorgſame Ungewißheit ver - ſetzet werde. So ſoll dero Befehl / antwortete Chaumigrem / gehorſamſt vollzogen werden / weñ ich durch denſelben gezwungen berichte / wie vor zweyen Tagen ein Courier aus Siam die betruͤb - te Zeitung von toͤdtlichem Hintritt des tapffern Printzens Nherandi / gebracht / und hierdurch / ſo wohl dero Koͤnigl. Herr Vater / als auch der gantze Hof / in ſonderbahres Leidweſen geſtuͤrtzet worden. Und dieſes / fragte die Princeßin mit fluͤchtigen Augen und erblaßten Lippen / ſolte mir mein Herr Vater verſchwiegen haben? Sol - ches wird J. M. hoͤrten wir Chaumigrem erwie - dern / kluͤglich verbergen / und zu gelegener Zeit erſt hinterbringen wollen / damit dero Gemuͤth durch allzu geſchwinde Nachricht nicht zu hefftig betruͤbt werde. Jch beklage mein Ungluͤck / daß ich ſolche Vorſichtigkeit unterbrechen / und der er - ſte Trauer-Bothe ſeyn muͤſſen / welches dero ſtrenger Befehl verurſachet hat. Jnmittelſt weil ich weiß / daß durch dieſen Verluſt ein ziemlich An - theil ihres Hertzens verlohren gangen / als bin ich kommen / mein ungefaͤrbtes Beyleid zu bezeugen / und Seelen-innigſt zu wuͤnſchen / daß die Goͤtter durch dieſen erblaßten Stern durch eine Sonne erſetzen wollen.

Hier109Erſtes Buch.

Hier wurde mein Printz anfangs ſelbſt in etwas beſtuͤrtzt / als er aber ſich erholte / und die Umſtaͤnde genau uͤberlegte / ſo konte er ſich nicht gnugſam uͤber die Argliſtigkeit dieſes verliebten Feindes verwundern / und erwarteten wir mit Verlangen / wie ſolche erdichtete Zeitung von der Princeßin wuͤrde auffgenommen werden. Dieſe nun konte ſich anfangs alleꝛdings nicht begreiffen / indem auch nur die bloſſe Erinnerung von ihrem geliebten Printzen maͤchtig gnung war / ſie in be - truͤbtes Nachſinnen zu ſetzen. Derohalben ſaß ſie eine weile mit niedergeſchlagenen Augen gantz unbeweglich / auſſeꝛ / daß man einige Wangen-ab - rollende Thraͤnen verſpuͤren konte. Wie aber ihꝛe himmliſche Schoͤnheit mit einem vollkomme - nen Verſtande iederzeit vermaͤhlet war / alſo merckte die kluge Princeßin alsbald / worauf ſolch liſtiges Vorbringen zielte / dannenhero ſie ſich im Gemuͤthe / nicht aber in betruͤbten Geberden faſſe - te / und ſich anſtellte / als ob ſie allem vollkomme - nen Glauben zuſtellte / auch gantz wehmuͤthig fꝛag - te: Mein Herr Graff / er betruͤbe mich nicht ohn Urſach / ſondeꝛn entdecke mir die Waꝛheit. Durch - lauchtigſte Princeßin / erwiederte Chaumigrem / die Goͤtter wollen das nicht zugeben / daß ich dero hohe Perſon durch einige Unwarheit beleidigen ſolte. Jnmittelſt wuͤnſche ich / daß mein Vor - bringen / durch bald ausbrechende Hof-Trauer / nicht moͤge bekraͤfftiget / und der betruͤbte Fall allzu wahr erfunden werden. Und weil man ei -nen110Der Aſiatiſchen Baniſe. nen Zweiffel in meine Worte ſetzen will / ſo ſollen dieſe Zeilen von dem ſterbenden Printzen zwar ſtumme Zeugen meiner Warheit / zugleich aber eine herbe Vermehrung ihres Betruͤbniſſes ſeyn. Mit dieſen Worten er einen Brieff hervor zog / den er ausgab / als haͤtte ihn ſolchen der Courrier mitgebracht / und er ihn von dem Koͤnige erhalten. Wie wiꝛ aber hernach eꝛfahren / ſo hatte Chaumi - grem einen / von dem Printzen Nherandi erlaſſe - nen / Geheim-Schreiber auff ſeine Seite durch Geld gebracht / welcher ſich unterſtanden / des Printzen Hand nachzumahlen / und dieſen Brieff zu verfertigem. Die Princeßin kunte ſich anfangs wiederum in die liſtige Verwirrung nicht finden / angeſehen ſie auff den Titel-Blate einige Gleich - heit von ihres Printzen Schreib-Art erblickte / da ſie ihn denn mit zitternder Hand erbrach / und die - ſe Worte daraus laß:

Schoͤnſte Princeßin!

ES ſcheinet / als ob mich der Himmel nicht wuͤrdig gnung achten wolte / kuͤnfftiges eine ſolche uͤberirrdiſche Schoͤnheit in dero Engliſchen Perſon zu beſitzen: dannenhero er mir nicht al - lein durch harte Schwachheit meine Geſtalt ent - zogen / ſondern auch gleich den ſterbens-begieri - gen Geiſt zu ſich abfordern will. Mit kurtzem: ich ſterbe / und nehme durch ein bereit gebroche - nes Adjeu entfernten Abſchied / von der liebgewe - ſenen Higvanama. Weil nun der Todes - Zwang unſere Liebe trennet / ſo wird ſie nach an -ge -111Erſtes Buch. gebohrner Klugheit meine kalte Stelle durch ei - nen wuͤrdigen Nachfolger zu erſetzen / und mich lebenslang in dero guten Andencken zu erhalten wiſſen / als der Princeßin von Ava

Treu - geweſenen Nherandi.

Zugleich war dieſe Abſchieds-Arie beygefuͤget.

1.
Jch ſterbe;
Weil das Verhaͤngniß ſpricht:
Daß dieſe Glut verderbe /
So leſche Flamm und Liecht.
Jch ſterbe.
2.
Jch ſterbe.
Des Lebens Balſam ſchwindt /
Die Grufft iſt Thron und Erbe /
Der Adern Qvell gerinnt.
Jch ſterbe.
3.
Jch ſterbe.
Hier kommt der letzte Kuß /
Es ſchmeckt das Scheiden herbe /
Wann man ſich trennen muß.
Jch ſterbe.
4.
Jch ſterbe.
Nun haſt du freye Macht /
Die ich wie du erwerbe.
Princeßin gute Nacht.
Jch ſterbe.
Sol -112Der Aſiatiſchen Baniſe.

Solche ſcheinbare Vorſtellung haͤtte ein leicht - glaͤubiges Gemuͤthe leicht beſiegen koͤnnen / wenn nicht die Princeßin ihre Kluge Vernunfft zu rathe gezogen / und ihres Printzen wahrhaffte Hand - ſchrifft gegen dieſen Betrug-vollen Zeilen gehal - ten haͤtte: da ſie nicht allein einigen Unterſcheid der Hand / ſondern auch die ungleichliche Zeit be - merckte / indem der falſche Brieff faſt acht Tage aͤlter war / als das letztere / mit vorerwehnten Lie - bes-Geſchencken begleitete / Schreiben. Ob nun zwar die Princeßin durch ſothanes vernuͤnf - tiges Nachſinnen augenſcheinlich erkennen kun - te / wie argliſtig Chaumigrem ſie zu hintergehen ſuchte / ſo konte ſie ſich doch nicht zwingen / daß ſie bey ſo traurigem Andencken / ob ſie es gleich falſch befand / dennoch mit einigen Thraͤnen ihre reine Liebe zu erkennen gab / welche ihr aber zu ange - nommener Verſtellung / als ob ſie es glaubte / ar - tig zu ſtatten kommen: dahero ſie in dieſe betruͤbte Worte heraus brach: Ungluͤckliche Higvana - ma! verlaſſene Princeßin! ſo muſtu denn nur al - lein das Ziel der unbarmhertzigen Goͤtter ſeyn / nach welchem ſie alle Pfeile des Ungluͤcks richten / und ſchlaͤgt nur ihr Blitz immer auf eine Stelle? Grauſames Verhaͤngniß! wie verwandelſtu die Crone meiner Hoffnung in einen Cypreſſen - Krantz / wenn mein werthſter Printz / ſtatt wohl - verdienten Purpurs / in einen Sterbe-Kuͤttel ge - huͤllet wird. Ach Nherandi / mein Leben! Nhe - randi mein Liecht! du Seele meiner Seelen! Esſchwe -113Erſtes Buch. ſchweben meine Lebens-Geiſter ſchon um deinen Schatten / weil mein Lebens-Schiff nothwendig ſcheitern muß / nachdem du als mein Ancker zer - brochen biſt. Doch ach! Liebſter Printz! was beweget dich zu dieſem Zweifelmuth / daß du mir die Freyheit nach deinem Tode erlauben wilſt / deine kalte Stelle mit einem andern zu erſetzen? Nein / nein engliſcher Printz / wahre Liebe trotzet den Tod / und ihre Fackel brennet auch in dem Sarge; ja die Liebe iſt das ewig-waͤhrende Feuer / welches viel Kunſtverſtaͤndige anzuzuͤnden ſich vergebens bemuͤhet haben. Die Liebe / welche die Goͤtter mit den Menſchen und die Erde mit dem Himmel verbunden hat / wird zwar durch des Todes Pfeil verwundet / aber nicht getoͤdtet / ihre Glut wird nicht ausgeloͤſcht / es moͤgen auch die Winde der ſterbenden Zufaͤlle raſen / wie ſie immer wollen. Derowegen ſoll auch dir / nun - mehro unſterblicher Printz / meine unſterbliche Liebe gewiedmet / und dieſer irrdiſche Leib ein ewi - ges Opffer der goͤttlichen Keuſchheit ſeyn und ver - bleiben. Ja ich will meine Geluͤbde vor einen brennenden(†)Dewetaes heiſt bey denen Aſiatiſchen Voͤlckern Goͤtter / und halten ſie das Feuer auch vor einen Dewe - ta / bey welchem ſie ihre Eyde ablegen und ſchweren. Roger. Heydenthum p. 184. Deweta leiſten / daß meine See - le in unverruͤckter Treue deine Seele begleiten / und mein Leib / biß zu geſetztem Lebens-Ziel / in ſte - ter Einſamkeit / ſein Auge vor fremder Liebe be -Hwah -114Der Aſiatiſchen Baniſe. wahren ſoll. Dieſe Worte waren lauter ſtach - lichte Dornen in Chaumigrems Hertzen / alſo daß man ſeinen Verdruß aus dem finſtern Ange - ſichte leichte erkennen konte / wiewohl erſolche Ge - muͤths-Bewegungen moͤglichſt zu verbergen trachtete / und der Princeßin mit dieſen Worten einzureden ſich unterfieng: Wie Schoͤnſte Prin - ceßin! ſoll die Sonne ihres beruͤhmten Verſtan - des in einem Todten-Meere untergehen? und will ſie das Liecht hoher Vernunfft bey den Ster - benden anzuͤnden? Nein / das verſtattet dero weltbekante Tugend nimmermehr / und dero Ver - nunfft / welche als ein Bleymaaß iedes Meer zu ergruͤnden vermag / raͤth ihr viel ein anders / als daß ſie ſolte eine todte Liebe lebendiger Anmuth vorziehen. Denn es wuͤrde der Himmel / ſtatt verhoffter Belohnung der Treue / eine ſcharffe Rechnung wegen anvertrauten Schatzes ſotha - ner Schoͤnheit fodern / wenn ſie deſſen Werth gleich ungenuͤtzten Eiſen durch den Roſt verzehren lieſſe. Vergrabne Schaͤtze / und ein Qvel / wel - cher in den Sand verſincket / wird von duͤrfftigen Haͤnden und durſtigen Lippen verflucht / weil ſie denen Menſchen / ihren von dem Himmel gewied - meten Nutzen / verweigern. Wir muſten uns gleichwohl uͤber dieſe Reden des Chaumigrems hoͤchlich verwundern / weñ wir ſonſt deſſen vorge - dachte Reden und ungeſchickte Schrifften darge - gen hielten / deren Unfoͤrmligkeit wir einer heffti - gen Liebes-Wuͤrckung zuſchreiben muſten. Deñwo115Erſtes Buch. wo die Liebe raſet / da ſtrauchelt der Verſtand / ja der kluͤgſte Mann wird zum Narren. Von die - ſer Verwunderung aber zogen uns der Princeßin Worte bald ab / als wir ſie ſo reden hoͤrten: Die - ſe Gruͤnde ſind viel zu ſchwach / den feſten Vorſatz zu hindern / denn wohl dem / welcher ſeine Klugheit in dem Sarge ſuchet / und das Gold ſeines Ver - ſtandes auff den Probierſtein der Sterbligkeit ſtreichet. Gewiß aus dieſer Mitternacht ſchei - net die Sonne / und wer in dieſer Lebens-See ſei - ne Augen ſtets nach der Baare richtet / dem muß die Tugend wie ein heller Pharos leuchten. Zu dem achte ich davor / daß wie die Goͤtter unſerm Leben nur ein Ziel / nemlich den Tod / alſo auch das Verhaͤngniß unſerer Liebe nur ein Ziel geſetzet habe: welches ſo es uns der Himmel aus den Au - gen ruͤcket / wir dennoch im Hertzen behalten / und die voͤllige Genieſſung biß ins ewige Niba ver - ſparen / uns aber deſſelben inmittelſt durch keine fremde Wahl unwuͤrdig / noch dem / in das ge - ſtirnte Buch des Himmels eingeſchriebenẽ / Nath - ſchluß / widerſtreben ſollen. Denn wo einmahl reine Liebe durch den Tod betruͤbet wird / da iſt die Keuſchheit der beſte Schatz in der Welt / und alle Liebe iſt alsdenn nur ein Jrrwiſch / deſſen Glantz von unreinen Seelen entſpringet. Durchlauch - tigſte Princeßin / erwiederte Chaumigrem / ſie ge - neuſt zwar des Nectars der Liebe / aber nur aus einem leeren Becher: ſie kan zwar das Weſen der Liebe in etwas vormahlen / worinnen ſie aberH 2be -116Der Aſiatiſchen Baniſe. beſtehe / ſolches weiß ſie nicht zu ſagen. Dero - wegen laſſe ſie die Todten ihre Todten begraben / ſie aber / als eine Gleichheit der vollkommenſten Goͤttin / liebe die Lebenden / und verſichere ſich / wo ſie einmal auff die rechte Spur der Liebe gera - then / ſie den Wegweiſer kuͤſſen werde. Mit Printz Nheranden / antwortete die Princeßin / faͤllt mein Stern ins Grab / und auſſer dieſem Lichte erwehle ich die Finſterniß: ja mein Geiſt ſoll nunmehro nur mit ſeinem eignen Schatten buhlen. Meine Seele ſoll aus ſeiner Aſche Luſt ſchoͤpffen / und ſein Tod ſoll alles / was in mir Liebe heiſt / vertilgen. Denn wo Hertz und Lufft truͤbe iſt / da wird Sonne und Brunſt dunckel. Nicht ſo / Durchlauchte Higvanama / redete Chaumi - grem ferner ein / wo Sterne ſchwinden / dagehet die Sonne auff / und Nherandi Anmuth iſt hun - dert Seelen eingepflantzet / welche ſich eben ſo wohl ihrer Liebe wuͤrdig machen koͤnnen. Der Him̃el ſelbſt zehlet ſie nunmehro durch den Mund des ſterbenden Printzen loß von aller Pflicht / wo - durch ſich verliebte Hertzen verbinden / und iſt ſchon vergnuͤgt / uͤber die zwey jaͤhrige Beſtaͤndig - keit / welche ſie ihrem noch lebenden Printzen er - wieſen hat / ja er will ſie nunmehro durch einen an - genehmen Liebes-Wechſel bekroͤnen / wo nicht verbeſſern. Denn wie die Sonne bald dieſen bald jenen Stern kuͤſſet / und ſich auch der Mond bemuͤhet durch oͤfftere Veraͤnderung ſeiner Ge - ſtalt dem Himmel durch ſein einfaches Licht kei -nen117Erſtes Buch. nen Eckel zu erwecken; alſo glaube ſie nur / uͤber - irrdiſche Princeßin / daß keine groͤſſere Anmuth / denn in dem Wechſel der Liebe / gefunden werde. Der Sonnen / wiederlegte die Princeßin / ſchrei - bet man Finſterniſſen zu / und dem Monden leget man Flecken bey / eine keuſche Seele aber ſoll be - dencken / daß ſie ein Spiegel der reinen Gottheit ſey / welcher ſich durch kein luͤſtern Auge beflecken laſſe. Jch aber bin dem Printzen Nherandi mit Leib und Geiſt biß in die dunckele Grufft ver - pflichtet: und wie ich biß daher in keuſcher Liebe und reiner Anmuth ſeiner Perſon beſtaͤndig ge - blieben; alſo ſoll auch hinfort in der rauhen Scha - le der Einſamkeit die Keuſchheits-Perle gezeuget und ernehret werden / biß mich der Tod / als das Ende der Natur / dem unvergleichlichen Nheran - di / der Unſterbligkeit nach / beygeſellet.

Biß hieher hatte die Princeßin ihre verſtellte Perſon ſo wohl geſpielet / daß wir ſelbſt nicht wu - ſten / ob es Ernſt oder Schertz / indem ſie ſolche Worte mit ſo anmuthiger Traurigkeit vorbrach - te / daß man faſt zu einigem Mitleiden beweget wurde. So artig ſie nun ihren falſchen Beyfall vorzubringen wuſte / ſo kuͤnſtlich entdeckte Chau - migrem ſeine Hertzen-Meynung / daß / wem nicht ſeine Anſchlaͤge zuvor bekandt waren / bißher un - moͤglich aus ſeinen Reden etwas gewiſſes ſchlieſ - ſen konte / biß endlich die verliebte Ungedult hervor brach / und er ſich mit folgenden Worten etwas deutlicher / wo nicht allzu deutlich / zu erkennenH 3gab:118Der Aſiatiſchen Baniſe. gab: Das Verhaͤngniß aber / ſagte er / und dero Koͤniglicher Herr Vater befiehlt / ſie ſoll lieben. Jch weiß zwar wohl / verſetzte die Princißin / wie man den Schluß des Himmels verehren ſoll: allein hier kan ich keinen Befehl noch Anlaß zur Liebe vermercken / wenn er mir dasjenige / was ich lieben ſoll raubet / und dadurch das Geſetze der Lie - be auffhebet. Mein Herr Vater aber kan mir hierinnen nicht befehlen / weil ſeine Crone dem Verhaͤngniſſe / und ſein Scepter der Liebe ſelbſt unterwoffen iſt. Zu dem laͤſſet ſich meine Liebe durch keinen Befehl zwingen / ſo lange kein lie - benswuͤrdiger Nherandi verhanden iſt / welchem ich doch nur ein freywilliges Liebes-Opffer brin - gen wuͤrde. iſt gleich kein Nherandi verhanden / brach endlich Chaumigrem herauß / ſo iſt doch noch wohl der tapffere Chaumigrem einer Prin - ceßin wuͤrdig. Ob ſie ſich nun zwar uͤber ſolche Freymuͤthigkeit nicht wenig entruͤſtete / ſo faßte ſie ſich doch moͤglichſt / und beantwortete es glim - pflich mit dieſen Worten: Es ſey Chaumigrem wer er wolle / ſo wird doch Nherandi / deſſen Tapf - ferkeit mir weit beſſer bekandt / ewig mein Hertz beſitzen: dem erwehnten tapffern Chaumigrem aber will ich ſein anderwertiges Vergnuͤgen nicht mißgoͤnnen. Hierauff nun lieſſe Chaumigrem ſeiner großſprechenden Hochmuth den Zuͤgel voͤl - lig ſchieſſen / als er mit veraͤnderter Stimme her - aus fuhr: Und dieſe Vergnuͤgung wird ſie ihm auch goͤnnen muͤſſen. Dem tapffern Chaumi -grem /119Erſtes Buch. grem / welcher durch ſeinen Bruder neun Cronen beſtreiten laͤſt um ſie auff ſein Haupt zu ſetzen / und alsdenn von allen denjenigen Rache zu fo - dern / welche anietzt ſeine Liebe kaltſinnig hindan - ſetzen. Ja ich / ich bin die rechte Hand und die Stuͤtze dieſes Koͤnigreichs / vor mir zitterte Xe - mindo / und als ich ihm nur den Ruͤcken / geſchwei - ge das Angeſichte kehrte / ward er feldfluͤchtig. Jch habe in dem Blute der Feinde biß an die Knie geſtanden / und mein Arm erſtarrte uͤber der Niedermetzelung ſo vieler kuͤhnen Peguaner / de - rer oͤffters ihrer fuͤnffe zugleich die grauſame Wuͤrckung eines Lantzen-Stoſſes von mir em - pfunden haben. Die Stuͤck-Kugeln / welche gleich denen Muͤcken im Sommer Hauffen - weiſe durch meine Haare flogen / ermunterten meinen vorhin heroiſchen Geiſt zu deſto groͤſſerer Tapfferkeit: und wo ich ich nur meine blitzende Augen hinwendete / da fleheten mich die kniende Feinde mit Thraͤnen um ihr Leben an; ja ich glaube nicht / daß ein Winckel auff Erden ſey in in welchem nicht mein Nahme erſchollen / und aufs glorwuͤrdigſte angebetet werde. So gar / daß ich befuͤrchte / man moͤchte Abgoͤtterey mit mir treiben / und mein Bild ſtatt eines Kriegs - Gottes anbeten: dieſes allein / welches noch wie nichts gegen dem / was ich verſchweige / zu rechnen / iſt mehr als wuͤrdig / daß ſothane ungemeine Tapfferkeit mit wuͤrcklicher Gegenhuld einer Princeßin / vor dero Wohlfarth ſie angewendetH 4wor -120Der Aſiatiſchen Baniſe. worden / belohnet werde. Der Herr Graff entruͤſte ſich nur nicht / antwortete ihm die Prin - ceßin mit veraͤchtlichem Geſichte / indem ich er - zehlter Tapfferkeit gantz unwiſſend bin / auch nie - mals von dem tapffern Chaumigrem etwas ge - hoͤret habe / auſſer / als unſere ungluͤckſelige Troup - pen verwichener Zeit von dem Xemindo / durch uͤble anfuͤhrung ihres mir unbewuſten Feld - Herrns / geſchlagen worden / und ſich Hauffen - weiſe vor dieſe Veſtung reiterirten / da erſahe ich unter andern Heldfluͤchtigen / einen in gantz-ver - guͤldten Harniſch verſteckten Reuter / daher ren - nen / welchem Furcht und Schrecken aus dem Augen ſahe / zumal er in der Angſt die Sturm - haube verlohren hatte; dieſen lieſſe ich mir vor einen Chaumigrem bedeuten: daß es aber der tapffere Chaumigrem geweſen ſey / ſolches kan ich nicht glauben. Den ſoll der Blitz ruͤhren / fuhr er im Zorn heraus / welcher mich ſo uͤbel angedeutet / und wolte mir die Princeßin deſſen Nahmen kun - dig machen / ſo ſchwere ich / er ſolte durch einen Streich meines maͤchtigen Sebels in tauſend Stuͤcke zergliedert werden. Allein auf dem Zweck unſers Vorhabens endlich zu kommen / ſo wiſſe ſie / Princeßin / daß des Koͤnigl. Herrn Vaters ernſtlicher Wille und Befehl iſt / die Stelle des verblichenen Printzen von Siam mit meiner / der Liebe nicht unfaͤhigen Perſon zu erſetzen / und ihr Hertze dem zu wiedmen / welcher ſie kuͤnfftig als als ein maͤchtiger Koͤnig wird zu lieben wiſſen.

Hoch -121Erſtes Buch.

Hochmuͤthige Einfalt! erwiederte die Prin - ceßin / auch Sclaviſche Gemuͤther ſuchen im Lie - ben ihre Freyheit / und ich als eine freygeborne Koͤnigl. Princeßin ſoll mich zwingen laſſen einen Sclaven der Laſter zu lieben. Unverſchaͤmter Graff / ſchaͤmet euch in euer Hertze / daß ihr euch unterſtehet / mit ſo handgreifflichen Luͤgen mir den Todt meines geliebten Printzen einzubilden / von welchem ich doch vor zwey Stunden erſt ſchrifft - liche Verſicherung ſeines Lebens und beſtaͤndiger Liebe eꝛhalten: Daß ihr alſo nothwendig mit eu - rem erdichteten Vorgeben zu ſchanden werden muͤſſet. Welche Worte ſie mit Vorzeigung des rechten Briefes begleitete / und den Chaumi - grem nicht wenig ſchamroth machte. Wie aber den Hochmuth gemeiniglich eine unverſchaͤmte Tollkuͤhnheit begleitet / alſo ſagte er gantz ver - zweiffelt: Printz Nherandi ſey todt oder lebendig / ſo will ich doch das Wort des Koͤniges von Ava erfuͤllet wiſſen / welcher mir verſprochen / ſeine Tochter ſolle mich lieben. Widrigen Falls ſoll dieſes Land durch meine Waffen uͤberſchwem - met / und alles Frauenzimmer in gantz Ava mei - ner verachteten Liebe aufgeopffert werden. Ja das Koͤnigl. Blut ſoll lange nicht kraͤfftig genung ſeyn / meine Rache nur im minſten zu kuͤhlen / Printz Nherandi aber ſoll im gluͤenden Ofen ſei - nen unzeitigen Eintrag der Liebe bereuen. Hier kunte mein Printz kaum die Loſung von der Prin - ceßin erwarten / als er ſolche freche Droh-Wor -H 5te122Der Aſiatiſchen Baniſe. te anhoͤren muſte: Jedennoch hielt ihn der Prin - ceßin Antwort noch etwas zuruͤcke / welche wir folgender Geſtalt hoͤreten: Huͤtet euch / Herr Graff / und mißbrauchet nicht meine Gedult: Denn ob zwar eure Vermeſſenheit was anders verdienet haͤtte / ſo giebet man euch doch noch Be - denckzeit / die raſende Begierde zu daͤmpffen / ſon - ſten wird man euch lehren / mit Koͤniglichen Per - ſonen gebuͤhrend umzugehen. Auch die gantze Welt iſt zu wenig / fuhr er gantz raſend fort / meine Liebe zu hindern: Und meine Macht zu bezeugen / ſo raube ich dieſen Kuß mit Gewalt von ihren Lippen. Worauff er die Princeßin hoͤchſt ver - meſſen anfiel / daß ſie kaum dieſe Worte: Es iſt genung / Printz Balacin / ſchreyen kunte. Allein / ehe ſie noch folche Loſungs-Worte geendiget hat - te / war mein Printz dem Chaumigrem ſchon auff dem halſe / und ſtieß ihn mit der Hand ſo unſanff - te von der Princeßin hinweg / daß er geſtreckt auff den Ruͤcken fiel / und ſich lange nicht beſinnen kunte / was vor ein Zufall ihn zu dieſer Niederlage gezwungen hatte. Endlich / als er meinen Prin - tzen erkandte / ſprang er wiederum auff / und fuhr ihn mit dieſen Worten an: Verwegener Printz / dieſe Schmach ſoll euch gereuen / und indem ihr den Aug-Apffel eures Vaters beleidiget / und mich an meiner vorgeſetzten Vergnuͤgung verhin - dert / ſo ſchwehre ich bey allen Furien / mich an euch und der unempfindlichen Higvanama zu raͤchen. Zu erweiſen aber / was Chaumigrem gelte undver -123Erſtes Buch. vermoͤge / ſo ſollen Goͤtter und Menſchen mich nicht an meinem Vorſatze hindern. Nach wel - chen Worten er wiederum als raſende auff die Princeßin zulieff / und ſchiene es / als wolte er zu Sturme lauffen / nicht weiß ich / ob er die Prin - ceßin kuͤſſen / oder ſich gar an ihr vergreiffen wolte. Dieſer Sturm aber wurde ihm heßlich abge - ſchlagen / denn mein Printz antwortete ihm kurtz und ſagte: Du unverſchaͤmter Cujon biſt mei - nes Sebels nicht wuͤrdig; womit er ihm zugleich mit der Hand ein ſolches accidens in das Ange - ſichte warff / daß die Raſe durch ſolchen Ader - ſchlag eine blutige Empfindlichkeit zu erkennen gab. Hierauff ſprang Chaumigrem zuruͤcke / ent - bloͤſete ſeinen Sebel / und rieff ſeinen Leuten zu / welches ſechs vewegene Kerlen waren / ſie ſolten zuhauen / und ihres Herrn Ehre retten. Dieſe kuͤhne Geſellen nun durfften ſich unterſtehen / nebſt ihrem Herrn / geſammter Hand auff einen Koͤ - niglichen Printzen / in ſeiner Burg und Vaͤterl. Reſidentz / mit bloſſen Sebeln einzuſtuͤrme. Weß - wegen denn mein Printz gleichfalls gezwungen wurde / ſeinen Sebel zu zuͤcken / dem ich mich treu - lich beygeſellte / und alſo unſeꝛ zwey ſich gegẽ ſieben in einen ungleichen Kampff einlieſſen. Wie nun mein Printz durch ſeine Tapfferkeit ſich des einen Feindes durch einen Gurgel-Hieb entledigte / und einen andern durch Beraubung der rechten Hand zum Gefechte untuͤchtig machte / alſo dummelte ich mich auch rechtſchaffen unter dieſen Schel -men124Der Aſiatiſchen Baniſe. men herum / und gedachte / haben dich die Goͤt - ter in verwichener Schlacht unter ſo viel tauſend Feinden erhalten / ſo werden dich auch dieſe we - nige nicht freſſen. Welches mir auch dermaſ - ſen gluͤckte / daß ich dem einen / welcher hefftig auf mich loß gieng / mit dem blancken Linial einen ſol - chen rothen Strich uͤber das Geſichte zog / daß er vor Blut nicht mehr ſehen kunte / und faſt todt zur Erden fiel: Wiewohl ich von einem andern hier uͤber die lincke Hand zur Rache gezeichnet wurde / welches mich / wiewol zu ſpaͤt / lehrete / ich ſolte / wann es an ein Hauen gienge / nicht die lin - cke Hand vorwerffen / ſonſt wuͤrde man auff den Schild geklopfft. Chaumigrem hielte ſich indeſ - ſen friſch hinter ſeinen Leuten / ſeine Tapfferkeit durch hefftiges Zuſchreyen erſetzende. Und ob zwar ſo wohl der Printz als ich bemuͤhet waren / dem Haupte dieſes Streits eine veꝛdiente Schlap - pe anzuhaͤngen / ſo wuſte er doch ſo behende hin - ter ſeinen Vorfechtern herum zu ſpringen / daß man geſchworen haͤtte / er gebe einen Seil-Taͤn - tzer ab. Waͤhrenden Kampffes war das Frau - enzimmer nach dem Garten-Thore gelauffen / und hatte die Burg-Wache herzu geruffen / von welcher denn in zwantzig mann ſtarck bald her - zu eyleten / und mit verkehrtem Gewehr uns der - maſſen entſetzten / daß Chaumigrem und ſeine Leu - te im Augenblicke ihre Sebel verlohren / und ſich ungeachtet vieles Widerredens gefangen geben muſten: Da ſie denn der Printz in dem Thurm /biß125Erſtes Buch. biß auff fernere Verordnung / zu fuͤhren befahl. Wie ſich nun Chaumigrem gantz Ava zu Feinden gemacht hatte / alſo empfand eꝛ auch bey dieſeꝛ Ge - legenheit den wircklichen Haß der Soldaten / in - dem faſt ieder Schritt mit einem Rippen-Stoß begleitet ward. Allein / was Wunder? Chau - migrem war unter ſo unanſtaͤndiger Begleitung kaum hundert Schritte von dem Garten gelan - get / ſo kamen uͤber fuͤnffzig bewehrte Mann / welche auff des Koͤnigs Befehl nicht allein den Chaumigrem mit ſeinem Anhange auff freyen Fuß ſtellten / ſondern auch die Wacht dargegen in gefaͤngliche Hafft einzogen. Wie hefftig ſol - ches meinen Printzen verdroß / und wie unbillig ſolches von einem Vater / ja von einem Monar - chen verfahren war / dieſes uͤberlaſſe ich dero reif - ferem Nachdencken. Was wolten wir thun? Wir muſten an der tꝛockenen Rache / welche Chau migrem von der Wache empfangen hatte / ver - gnuͤget ſeyn / und mein Printz verfuͤgte ſich voller Verdruß nach ſeinem Zimmer. Morgens dar - auff wurden ſo fort die Reichs-Raͤthe beruffen / als ob ein groſſer Feind verhanden waͤre / welchen der Koͤnig den geſtrigen Streit entdecket hatte / mit Begehren / erſprießlichen Rath zu ertheilen / auff was Art und Weiſe ſolche Uneinigkeit moͤch - te beygeleget / und der Printz mit Chaumigrem verſoͤhnet werden. Chaumigrem hatte dieſes kaum erfahren / ſo war er unſcheut vor den Koͤnig und die Raͤthe getreten / hatte mit hochtrabendenWor -126Der Aſiatiſchen Baniſe. Worten und vielen Unwahrheiten die Urſache geſtrigen Kampffes vorgebracht / und gebeten / weiln ihm der erwieſe Schimpff unmoͤglich zu ertragen waͤre / man wolte ihm erlauben / ſeine Sache wider den Printz durch einen Zwey - kampf auszufuͤhren. Ob nun zwar die ſaͤmt - lichen Raͤthe dieſem unanſtaͤndigen Begehren durchaus widerſprochen / ſo war doch die raſende Gewogenheit gegen dem verhaßten Chaumigrem in des Koͤniges Hertzen dermaſſen eingewurtzelt / daß er ſich nicht entbloͤdete / das Leben ſeines eini - gen Erb-Printzens / und die Wolfahrt des gan - tzen Reichs auff die Spitze zu ſetzen / und an einen ſtockfremden Menſchen zu wagen: Deßwegen ihm denn der Koͤnig Vollmacht ertheilete / ſeine Sache nach eigenem Begehren auszufuͤhren.

Noch ſelbigen Tages wurde meinem Prin - tzen von dieſem verwegenenen Menſchen durch ei - nen Bramaner folgende Ausforderung eingehaͤn - diget:

Printz von Ava!

WO eure Fauſt ſo tapffer den Sebel zu fuͤhren / als verwegen einen Feldherrn zu beſchimpf - fen iſt / ſo werdet ihr euch morgen fruͤhe vor dem Schloß-Thore ohne andere Waffen / als Sebel und Schild einfinden / und allda der grauſam - ſten Rache von meiner Hand gewaͤrtig ſeyn. Sol - ches geſchiehet auff Koͤnigl. Befehl und Erlaub - niß / und es erwartet Euer Chaumigrem.

Ver -127Erſtes Buch.

Verfluchte Raſerey! Unartiger Vater! re - dete der Printz hierauff zu ſich ſelbſt / iſt dieſes wol iemals in gantz Aſien er hoͤrt worden / daß ein Koͤ - nigl. Printz / auch in dem Schooſſe ſeines Vaters / vor Schimpff und Uberfall nicht koͤnne geſichert ſeyn / ja daß ein gebohrner Koͤnig einem fremden und nichtswuͤrdigen Menſchen blutige Rechen - ſchafft von eigener Hand geben ſoll? Blitz und Schwefel auff deinen verdammten Kopff / du frevelhaffter Boͤſewicht / ich kenne bereits die Zu - neigung der getreuen Avaner / welche auff mein bloſſes Wincken viel eher bey tauſenden ihr Leben aufopffern / als einen Blutstropffen von mir neh - men laſſen wuͤrden. Dieſe will ich dir vorſtellen / und von dieſen magſt du deine vermeynte Rache nehmen. Doch nein! ſolte mir dieſes wol an - ſtaͤndig ſeyn / mich fremder Huͤlffe zu bedienen / und zwar gegen einen ſolchen Feind / deſſen Tapf - ferkeit in den Fuͤſſen / und der Muth auff der Zun - gen beruhet. Weil ihn denn mein Vater wuͤr - dig erkennet / mit einem Printzen zu fechten / ſo ſey es denn. Gehe demnach hin / wendete er ſich zu dem Bramaner / und ſage deinem naͤrriſchen Herrn / ich wolle mir endlich die Muͤhe nehmen / und ihn um meines Vaters willen die Ehre goͤn - nen / daß er von meiner Fauſt ſterbe / ob er wol des Henckers Bemuͤhung verdienet haͤtte. Fol - genden Morgen verfuͤgte ſich mein Printz nebſt mir gantz allein nach dem beſtimmten Platz / hatte einen Viol-braunen Rock / ſeinen Verdruß anzu -deu -128Der Aſiatiſchen Baniſe. deuten / angezogen / und eine rothe Feld-Binde daruͤber gebunden. An der Seiten hieng ihm ein mit Tuͤrckoiſſen reichlich verſetzter Sebel / und den lincken Arm beſchwerte ein hell-polirter Schild. Als wir uns dem Platze genaͤhert hatten / ſahen wir den blutduͤrſtigen Vater an einem Fenſter liegen / welcher bey widrigem Erfolg ſich gar wol getraute / den blutigen Tod ſeines Sohnes mit anzuſchauen. Es war ein Creyß von zwey tau - ſend bewehrten Soldaten geſchloſſen / welches mehr auff die Sicherheit des Chaumigrems / als Beſchuͤtzung des Printzens / angeſehen war. Bey unſerer Ankunfft wurde der Creyß geoͤffnet / und wir ehrerbietig eingelaſſen / alles aber gieng mit ſo einer ungemeinen Stille zu / als wenn iedes / vor Verlangen nach der Sachen Ausgang / ver - ſtummet waͤre. Wir funden noch keinen Feind vor uns / dahero denn der Printz voller Bitterung fragte: Wo denn der kuͤnfftige Erbe von Ava bliebe? er wuͤrde gewiß bey dem Koͤnige zuvor ein Fruͤhſtuͤck einnehmen / damit er deſto beſſere Kraͤf - te habe / den Avaniſchen Stamm auszurotten. Nachdem man aber angedeutet / man haͤtte noch keine Nachricht von ſeiner Ankunfft / ſetzte ſich mein Printz auff die bloſſe Erde / und erwar - tete voll brennenden Zorns ſeines Feindes. Es vergiengen inzwiſchen mehr als zwey Stunden / daß man nichts feindſeliges merckte noch ſahe. Endlich nach ſo vergeblichen Harren / kam ein kleiner Mohr in den Creyß gelauffen / welcher dem Printzen ein Bꝛiefgen einhaͤndigte / dieſes Jnhalts:

Printz! 129Erſtes Buch.

Printz!

NAchdem uns die guͤtigen Goͤtter in einen ſol - chen Zuſtand geſetzet / daß wir nicht vor noͤ - thig erachten / durch einen Zweykampff unſere Perſon / woran nunmehro der halben Welt viel gelegen / in einige Gefahr zu ſetzen: Als wollet ihr euch nur kurtze Zeit gedulden / da wir als ein Blitz euch heimſuchen / und durch viel hundert tauſend Sebel den angethanen Schimpff und Verachtung an euch und eurer ſtoltzen Schwe - ſter / grauſamſt raͤchen wollen. Gegeben Ava / im erſten Jahr unſerer Regierung / an einem Succerawaram.

Chaumigrem / Koͤnig von Brama.

An den Koͤnig aber hatte er zugleich einige Zei - len eingeliefert / welche wir hernach folgenden Jnnhalts geweſen zu ſeyn erfuhren:

Großmaͤchtiger Koͤnig und Herr!

DEr unvermuthete Todes-Fall unſers Bru - ders Xeminbrun ruffet uns eilend von hin - nen zu der Bramaniſchen Crone / welche uns / durch wolgelegten Grund unſers Bruders / auch bald den Trohn von Pegu verſpricht. Nun waͤ - ren wir zwar E. L. vor bißher genoſſene Freund - ſchafft ziemlich verbunden / wenn ſie nicht dero ei - gene Kinder einiger Vergeltung unfaͤhig mach - ten: Maſſen wir uns vielmehr feſte vorgeſetzet / den von Printz Balacin erlittenen Schimpff der - maſſen zu raͤchen / daß auch das Kind in Muter -Jleibe130Der Aſiatiſchen Baniſe. leibe den Tag beweinen ſoll / an welchem mich die eigenſinnige Higvanama verachtet hat / und iſt uns nur leid / daß wir E. L. hierdurch beleidigen ſollen. Wir ſind deßwegen heute fruͤh auff be - ſtellter Poſt nach Brama gangen / und wird Printz Balacin vergebens der Ehre / mit uns zu ſtreiten / erwarten. Ava am Succera-Waram.

Chaumigrem / Koͤnig von Brama.

Wie? hub mein Printz uͤberlaut an / als er dieſes geleſen / iſt nun ſo geſchwinde aus ei - nem Baͤrenheuter ein Koͤnig worden? Doch hat ein verzagter Tyrann offt beſſer Gluͤcke / als das tapfferſte Gemuͤthe. Jnzwiſchen wird mir ein iedweder braver und treuer Avaner das Zeugniß geben / daß ich mehr gethan / als mir gebuͤhret / des Feindes erwartet / und mit ihm zu ſchlagen begie - rig geweſen bin. Hierauff erhub ſich von allen Anweſenden ein Freuden-Geſchrey und tauſend - faches Gluͤckwuͤndſchen / ja es fehlete nicht viel / daß nicht einige Schmach-Reden wider den alten Koͤnig geflogen waͤren / wenn ſich nicht mein Printz eiligſt in ſein Zimmer / von dar aber nach der Princeßin begeben haͤtte / welche ihn mit un - glaublicher Freude und Schweſterlicher Liebe empfieng / daß ich nicht weiß / ob die Liebe unter Geſchwiſter hoͤher ſteigen koͤnne / als welche ietzi - ger Zeit dermaſſen erfroren / daß fremde Perſonen ihre Liebe viel hitziger / als Bruͤder und Schwe - ſtern / erzeigen / ja wo heutiges Tages drey Ge - ſchwiſter ſind / ſo bemuͤhet ſich das dritte / wie esdie131Erſtes Buch. die andern zwey in einander hetzen moͤge. Allein wieder auff unſere Erzehlung zu kommen / ſo ward dieſer Triumph bald wieder in ein Trauren ver - kehret / denn es war Chaumigrem dem Koͤnige dermaſſen aus Hertze gewachſen / daß er vermein - te / unſinnig zu werden / als er aus vorerwehntem Briefe ſeinen Abzug vernommen. Und dieſes wir - ckete eine ſolche Raſerey in ihm / daß er alſobald meinem Printzen andeuten ließ / er ſolte Hof und Reich ein gantzes Jahr lang meiden / die Prin - ceßin aber ſolte ſich gleiche Zeit des vaͤterlichen Angeſichtes enthalten. Ob nun zwar die Reichs - Raͤthe / wie auch der gantze Hof hefftig hierwider waren / ja es ſich gar zu einem Auffruhr ſchicken wolte / ſo drang doch Koͤnigliche Gewalt durch / und dieſer harte Befehl ward dem Koͤnigl. Ge - ſchwiſter hinterbracht. Worauff mein Printz gantz beſtuͤrtzt antwortete: Wie? Jſt denn ſo gar alle Liebe und Gnade in dem vaͤterlichen Her - tzen des Koͤniges erloſchen / daß er auch die Wol - fahrt ſeiner Kinder hindan ſetzen / und ſich durch deren Verluſt einen ungewiſſen Feind verſoͤhnen wil. Ha Tyranne! verhaßter Vater / welch Tyger jagt ſeine Jungen von ſich / oder welcher Drache verlaͤſt ſeine Frucht? Und mein Vater wil mich als einigen Erben ſeiner Crone / ja / als ſeyn erſtes Pfand der Liebe / ohne einige Urſache in fremdes Elend jagen? Jedoch die Tugend findet uͤberal ihr Vaterland / und mein Vater iſt viel zu ſchwach / ob er gleich ein maͤchtiger Koͤnig iſt / dasJ 2Ab -132Der Aſiatiſchen Baniſe. Abſehen des Himmels zu hintertreiben. Jch verlaſſe dieſes Reich / nicht aber die Hoffnung / mich einſt meinen verleumderiſchen Feinden auff dem Trohn von Ava erſchrecklich zu zeigen. Und wie mir der gantze Hof das ungeheuchelte Zeug - niß geben kan / daß ich niemals im geringſten die Grentze Kindlichen Gehorfams gegen meinen Herrn Vater uͤberſchritten habe; alſo wil ich auch zum Uberfluſſe durch dieſen meinen Abſchied erweiſen / wie begierig ich ſey / Vaͤterlichen Befehl zu erfuͤllen / um durch ſolchen Gehorſam mir die Goͤtter geneigt zu machen.

Die betruͤbte Higvanama war indeſſen in eine Ohnmacht geſuncken / alſo daß ſie mein Printz ne - benſt ihrem Frauenzimmer kaum wiederum er - muntern kunten. Ungluͤckliche Higvanama / hub ſie endlich nach langem Stillſchweigen an / ſo ſolſt du nun die andere Helffte deines Hertzens vollend verlieren / nachdem du das eine Theil faſt zwey Jahr entbehren muͤſſen. Soll ich den / welcher nicht mein Bruder / ſondern mehr als mein Vater geweſen / von mir ſcheiden laſſen? Worzu nuͤtzet mir deñ mein Leben? Grauſamer Vater! Sind denn alle Wolcken leer / und heget ihre Finſterniß keinen Blitz mehr in ſich / ſolche Greuel-That zu raͤchen? Doch wil ich mich nicht durch Ungedult verfuͤhren laſſen / der Goͤtter Geſetze wegen kind - lichen Gehorſams zu beleidigen: Sondern mein reines Blut ſoll den harten Fehler des Vaters verſoͤhnen / und ein Dolch ſoll der bedraͤngten See -len133Erſtes Buch. len freye Lufft machen / daß ſie ungeſcheut um ih - ren liebſten Nherandi / und wertheſten Balacin ſchweben moͤge. Ja ich ſchwere / Hertzens-Bru - der / daß die erſte Stunde eures Verluſts / die letzte meines Lebens ſeyn ſoll. Nein / liebſte Schwe - ſter / redete ihr mein Printz ein / diß iſt nicht die re - chte Bahn / worauff wir wandeln ſollen. Jch meines Theils achte dieſes vor ein Geringes / daß mir das verhaſſete Anſchauen dieſes Hofes be - nommen wird / ob mich zwar die Schweſterliche Abweſenheit hefftig ſchmertzen wird. Jnzwi - ſchen bin ich verſichert / daß der guͤtige Himmel zu ſeiner Zeit alles aͤndern / und die ietzt verwirreten Sachen in erwuͤndſchten Stand verſetzen werde: Worauff ſie etwas beſaͤnfftiget zu ſeyn ſchiene / und von ihrem Frauenzimmer ein ſilbern Kaͤſt - gen foderte / nach deſſen Auffſchlieſſung ſie dem Printzen drey uͤberaus koſtbare Kleinodien mit dieſen Worten uͤberreichte: Trautſter Bruder / nehmet hier von eurer ewig-treuen Schweſter ein geringes Andencken hertzlicher Liebe / und veruͤbelt mir es nicht / daß ich mich ſo gſchwinde in euern Abzug ſchicken lerne / weil mir gleichſam mein Geiſt ins Ohr ſaget / es werde kuͤnfftiges Gluͤcke uns voller Vergnuͤgung wieder vereinigen. Zie - het hin / gedencket an mich! die Goͤtter begleiten euch. Mein Printz konte ſich gleich ihr der Thraͤ - nen nicht enthalten / daher er ihr vor ſothanes An - dencken mit einem hertzlichen Kuß danckte / und zu - gleich naſſen Abſchied nahm. Weil nun auchJ 3die134Der Aſiatiſchen Baniſe. die Zeit uns des Scheidens erinnert / als werde ich das uͤbrige / doch mit dero Erlaubniß / bis morgen verſparen / da ich noch ſeltzamere und verwirrtere Zufaͤlle erzehlen will.

Abaxar danckte hoͤfflich vor ſo geneigte Muͤh - waltung / und bezeigete ſonderbahre Vergnuͤgung uͤber dieſer Erzehlung / dannenhero er verſprach / morgendes Tages / wo es anders ſeine Verrich - tungen zulieſſen / wieder zu erſcheinen / und mit ho - hem Verlangen das uͤbrige anzuhoͤren. Nach genommenem Abſchiede ließ ſich der Printz noch - maln verbinden / genoß ein wenig Speiſe / und legte ſich vollend zur Ruhe. Tages darauff / als Talemon ſeiner Gewohnheit nach bey aufgehen - der Sonne ſeinen Garten beſuchen / und vor ſei - nes hohen Gaſtes Wohlfahrt ſorgen wolte / ver - nahm er ein hartes Wort-Geſpraͤch zweyer Wei - bes Perſonen / dannenhero er dem Schall folgete / und ſeine Frau und Pflege-Tochter folgender Geſtalt reden hoͤrte: Was? ſagte Haſſana / ſoll man ſich in ſeinem eignen Hauſe von den frem - den Lumpen-Hunden verachten laſſen? du ſieheſt es ja vor Augen / wie veraͤchtlich er dich haͤlt / und wie wenig mein Vorſprechen bey ihm gilt. Frau Mutter / erwiederte Lorangy / die Liebe iſt wie ein Tyger / welcher ſich eher durch Glimpff / als mit gewaltſamen Feſſeln baͤndigen laͤſt. Sie wird mit gelinden Saͤfften am erſten eingfloͤſſet. Die Zeit wird und kan alles aͤndern. Ein Pfahl wird nicht auff einen Stoß in die Erde gebracht / alſowird135Erſtes Buch. wird ſich der liebe Menſch meine verliebte Noth wohl endlich laſſen zu Hertzen gehn. So wol - teſtu wohl / verſetzte Haſſana / dem weiblichen Ge - ſchlechte zu ewigem Schimpffe / um Gegenhuld bittliche Anſuchung thun? Pfuy ſchaͤme dich! das Bitten und Flehen koͤmmt den Mannsbil - dern zu. Und ob wir noch ſo verliebt in unſern Hertzen ſeyn / ſo ſollen wir uns doch ſtellen / als ob wir unempfindlich waͤren. Hiedurch erfahren wir / ob es eine beſtaͤndige oder Flatter-Liebe ſey? Jſt es auff Beſtaͤndigkeit angeſehen / und hat ſich einer einen Narren an dir gefreſſen / ſo entlaͤufft er dir nicht / und du kanſt ihn endlich / nach ſolcher Probe / den Zweck ſeines Verlangens wohl errei - chen laſſen; iſt es aber / nach heutiger Welt-Art / nur auff eine kurtze Wolluſt angefangen / ſo wird er nach ſothaner verſtellten Weigerung bald ab - laſſen / und dich uͤberall vor die Keuſchheit ſelbſten ausſchreien / ob du es gleich am wenigſten biſt. Und dieſes iſt eine nothwendige Regul vor uns Frauenzimmer / welches Profeßion von der Liebe zu machen ſuchet / die du auch in acht nehmen muſt. Frau Mutter / antwortete Lorangy / ich begehre zwar keine Profeßion von der Liebe zu ma - chen / welches ſonſt gar eine verdaͤchtige Art zu re - den iſt / allein / daß ich nicht ſolte verliebt ſeyn / weñ mir das Verhaͤngniß ein feines Geſichte in den Weg ſtellet / das kan ich nicht leugnen. Und e - ben dieſer junge Fremdling / er ſey / wer er ſey / hat mich dermaſſen verwundet / daß ich fuͤrchte / woJ 4nicht136Der Aſiatiſchen Baniſe. nicht das Pflaſter ehlicher Liebe darauff geleget wird / es doͤrffte auff eine verbothene Cur naus lauffen. Wer die Tochter haben will / ſetzte ihr Haſſana entgegen / der halte es mit der Mutter; Nachdem aber dieſes nicht geſchiehet / und wir ie - derzeit das veraͤchtlichſte Geſichte zugekehret wird; als wirſt du zu wenig ſeyn / meinen Vorſatz zu hindern. Jch will noch heute nach Hoffe lauf - fen / und meinen Alten verrathen / daß er verdaͤch - tige Fremdlinge aus Ava beherberget: hierdurch raͤche ich meine Schmach / und kan mit Gelegen - heit auch meines Alten loß werden. Ach Frau Mutter / fiel ihr Lorangy gantz unbeweglich in die Rede / wo ihre Adern einen Blutstropffen in ſich hegen / welcher mir nur etwas gewogen iſt ſo er - barme ſie ſich der armen Lorangy / welche ſich le - bendig verſcharren / und ihr Elend auch nach dem Tode bejammern wuͤrde. Sie weiß ja ſelbſt / wie ſtarck das ſuͤſſe Gifft der Liebe ſey / und hat de - ren Wuͤrckung ſo wohl gegen den bewuſten Hof - Juncker / als auch den Portugiſiſchen Cammer - diener / ſattſam empfunden. Ach ſo trage ſie doch auch Mitleiden mit meiner Jugend / und gedencke / daß mich die Goͤtter raͤchen / ſie auch im Alter mit verliebten Hertzen belegen / und dabey ungluͤcklich machen koͤnnen. Denn mein endlicher Vorſatz iſt entweder zu ſterben / oder meine Liebe zu voll - fuͤhren. Du kanſt nach dem Hertzen greiffen / fieng die alte endlich an / und ich geſtehe es gerne / daß ich mich durch das ſuͤſſe Andencken vorigerLie -137Erſtes Buch. Liebe gantz verjuͤngt befinde. Jch gebe dir Bey - fall / und verſpreche dir Krafft meiner alten Liebe moͤglichen Beyſtand. Nur ſiehe zu / daß du nicht alleine liebeſt / ſondern auch geliebet werdeſt / wo - von du doch noch nicht das geringſte Zeichen ab - nehmen koͤnnen. Ach ja / liebe Frau Mutter / troͤſtete ſich Lorangy / ich habe es ſattſam verſpuͤh - ret / daß ſein Gemuͤthe durch meine Anmuth ſo ſehr / als der Leib / verwundet ſey. Maſſen er al - ſobald / als er mich nur erblickte / tieff feufftzete / und mir gantz ſanffte die Hand druckte. Ein ver - liebtes Hertze / wiederredete die Alte / haͤlt ieden Sonnenblick vor einen Sommertag; allein nimm dich in acht / und wiſſe / daß ich dich aus Erfahrung lehren koͤnne. Der fluͤchtige Mer - cur iſt oͤffrers denen Maͤnnern ins Hertze ge - praͤgt. Das Gegenwaͤrtige kuͤſſen ſie / und das Entfernte meinen ſie. So alber ſind wir theils / wenn wir einer guten Mine gewahr werden / ſo bilden wir uns ein / es ſind lauter Stricke / wel - che uns und ſie verbinden. Ein falſcher Schwur iſt uns ſo gewiß / als tauſend Eyde. Ein gemahltes Fuͤnckgen kan uns in volle Flamme ſetzen / daß wir auff den Hochzeit-Schmuck bedacht ſeyn / ehe noch von einiger Bewilligung geredet worden / wir werden oͤffters vor der Zeit allzu treuhertzig / und laſſen uns fangen / ehe der Jaͤger auff die Jagd zeucht. Ja was das aͤrgſte / den erſten Be - trug / der uns mit geſpielet worden / nennen wir ei - nen Zufall: den andern ein Ungluͤck / und laſſenJ 5kaum138Der Aſiatiſchen Baniſe. kaum den dritten vor eine Warnung gelten. Jch bin zum hoͤchſtem Leidweſen mehr als ſechsmahl dergeſtalt angelauffen / daß man mit mir / wie mit einem verſaltzenen Brey umgegangen / wel - chen ieder / wenn er ein paar Loͤffel davon genoſ - ſen / ſtehen laſſen: Hier wolte der alte Talemon nicht laͤnger zuhoͤren / ſondern gieng ſeufftzende da - von / begab ſich aber bald nach des Printzen Zim - mer / den er wachende befand / und nach Aner - wuͤndſchung eines begluͤckten Morgens nach dem Zuſtande ſeiner Geſundheit forſchete / welche denn nach dieſer Ruhe mercklich zuzunehmen ſchien. Als er auch nach der Wunde ſahe / befand er die - ſelbe dermaſſen / daß er ſeinen Haus-Mitteln eine ſonderbahre Krafft zuſchreiben muſte. Worauff er den Printzen ferner anredete: Gnaͤdigſter Herꝛ / wo iemahls der Rath eines alten und treuen Die - ners gegolten hat / ſo bitte ich nicht uͤbel zu deuten / wenn ich / nicht ohne Urſache / erinnere / ſich gegen meine Frau ehrerbietig / und gegen meine Pflege - Tochter verliebt anzuſtellen: widrigen Falles ſtehet uns ein groſſer Unfall vor. Wie? antwor - tete der Printz / ſolte ich mich wohl auff ſolche un - verantwortliche Art und Weiſe an meiner himm - liſchen Baniſen verſuͤndigen? das ſey ferne! So ſind wir des Todes / wiederredte Talemon / denn die Goͤtter haben die Suͤnden meiner Jugend durch meine ietzige Ehe gerochen. Jch habe mit Entſetzen angehoͤret / wie meine Frau entſchloſ - ſen / des Printzen Anweſenheit / ob zwar in un -be -139Erſtes Buch. bekandter Perſon / dem Kaͤyſer zu entdecken / wel - ches Vorhaben aber meine Pflege-Tochter durch vorgeſchuͤtzte Liebe hintertrieben / iedoch mit die - fem Bedinge / wenn ſie in ihrer Liebe gegen den Printzen gluͤcklich waͤre. Der Himmel wird ja / hub der Printz hierauff an / einmahl muͤde wer - den mich zu verfolgen / und nicht auch ſchwache Weibes-Bilder wider mich erwecken. Jch glaube -- -- Hiemit traten Haſſana und Loran - gy hinein / wodurch der Printz ſo erſchrecket ward / daß ihm der Angſt-Schweiß ausbrach. Tale - mon aber wurde zu mehrem Ungluͤcke von ſeiner Frauen benachrichtiget / es ſey iemand aus Pegu angelanget / der ihn ſprechen wolte. Weswegen er durch ſeinen Abſchied den Printz voller Angſt hinterließ / welcher ihn beweglich bat / den faulen Scandor auffzuwecken / und ihm zu befehlen / ſchleunigſt auffzuwarten. Als nun diß erbare Frauen-Zimmer ſolche erwuͤndſchte Gelegenheit / ihre Liebes-Geſchaͤffte vollend auszufuͤhren / er - ſahe / bediente ſich die Alte deren bald mit dieſen Worten! Mein Freund / wie habt ihr heinte ge - ruhet / hat euch nicht etwa ein guter Traum / durch Vorſtellung einer Perſon / welche meiner Toch - ter aͤhnlich ſiehet / empfindlicher gemacht. Der Printz konte ſich kaum faſſen / dieſe naͤrriſche Fra - ge zu beantworten / dahero er zuvor eine kurtze Be - denckzeit nahm / und endlich ſagte: Mein unbe - gluͤckter Zuſtand erlaubet nicht / mir etwas ange - nehmens einzubilden / vielweniger vorzuſtellen. Jn -140Der Aſiatiſchen Baniſe. Jnzwiſchen habe ich hohe Urſache der wehrten Frau Mutter / als welche Ehren-Benahmung ſie billich um mich verdienet / unterthaͤnigſt zu dancken / vor die unverdiente Gnade und Wohl - that / welche ich unwuͤrdigſt unter dero Dache ge - nieſſe / und trage das Vertrauen zu dero Guͤte / ſie werde die Erwiederung / biß zu kuͤnfftiger Gele - genheit / ausgeſetzt verbleiben laſſen. Hierdurch vermeinte nun der bedraͤngte Printz ſie auff ande - re Reden zu fuͤhren / und die verdruͤßlichen Liebes - Erinnerungen zu hintertreiben; allein durch dieſe Liebkoſungen / welche der Printz mit einer ſonder - bahren Anmuth vorzubringen wuſte / wurde die Alte viel freymuͤthiger / und die Juͤngere deſto ver - liebter. Dahero die Haſſana Anlaß nahm / fol - gender Geſtalt zu antworten: Werther Freund und lieber Sohn! ihr thut gantz wohl / daß ihr einige Erkaͤntligkeit gegen eure Wohlthaͤter ver - ſpuͤren laſſet / und ſind wir auch allerſeits begierig / nicht allein euch alle Annehmligkeit zu erweiſen / ſondern auch gar in unſere Freundſchafft auff und anzunehmen / wenn ihr nur nicht euch ſelbſt in Lich - ten ſtehen / noch uns durch Ungehorſam betruͤben / und zu widrigen Gedancken bringen wollet. Da ſeyn die Goͤtter vor! verſetzte der Priutz / daß ich mich ſothaner Wohlthat durch vorſetzliche Fehler unwuͤrdig machen ſolte: ſondern ich wuͤrde mich vielmehr begluͤckt achten / wenn mir wegen ietzigen Unvermoͤgens / einiger Anlaß zu wuͤrcklicher Ver - geltung / an die Hand gegeben wuͤrde. Dieſe Worte ſetzten unſere verliebte Lorangy in ſolcheVer -141Erſtes Buch. Vergnuͤgung / daß ſie ſich nicht enthalten konte / des Printzen Hand zu faſſen / und ihre Brunſt / durch ziemliches Druͤcken / ſattſam an den Tag zu legen. Endlich als ihre Liebe und Glut gleich - ſam aus den Augen brandten / loͤſte ſie ihre Zunge und redete den Printzen an: Wolten die Goͤtter / dieſe Worte haͤtten ihren Urſprung aus einem veꝛ - liebten Hertzen genommen / ſo wuͤrdet ihr gluͤckſe - lig und ich vergnuͤget ſeyn. Gewiß / das Gluͤcke ſelbſt giebet euch Anlaß / euer Beſtes zu bedencken. Denn hier / ich bin zu ſchwach / es zu verheelen / brennet Lorangy / und ihr Gemuͤthe erwehlet euch zu ihrem Abgott / dem ſie Weyrauch ergebenſter Liebe begierig anzuzuͤnden verlanget. Erweget demnach den Brand meiner Seelen / und beden - cket die Pflicht / womit iedes Mannesbild dem Frauenzimmer verbunden iſt. Der Printz haͤt - te ſich ſothaner freyen Erklaͤrung nimmermehr verſehen / derowegen er ſich um ſo viel weniger in ſolcher Eil auff eine geſchickte Antwort bedencken konte / biß ihm endlich dieſe Ausflucht einfiel: Schoͤnſtes Fraͤulein! ich kan kaum glaͤuben / daß ſich dero Tugend ſo tieff erniedrigen / und eine un - wuͤrdige Perſon mit ihrer Liebe beſeligen ſolte. Jn - mittelſt wird zwar dieſe hohe Gnade mit unſterb - lichem Dancke von mir erkennet; allein ich be - klage zugleich mein Ungluͤck / daß mich eine ander - waͤrtige Verbindung in Ava ſothaner Liebe un - faͤhig machet. Wer ſich in die Zeit ſchicket / ver - trat Haſſana der Lorangen Stelle / der wird vorklug142Der|Aſiatiſchen Baniſe. klug geachtet / und wo das Verhaͤngniß die Hand im Spiele hat / da muß man ſich in die Zeit ſchi - cken. Mein Freund / ihr muͤſt gedencken / daß ihr ietzt in Pegu / und nicht in Ava ſeyd. Jn Pegu / ſage ich / wo euer Gluͤck und Ungluͤck bluͤhen kan. Zwar meine Tochter hat ſich ziemlich weit ver - gangen / daß ſie / als ein Frauenzimmer / gantz ver - kehrter weiſe ihre Liebe ſelbſt verrathen / und ſich einem fremden Mannesbilde gleichſam angetra - gen: Allein die hefftige Wuͤrckung der Liebe / und die feſte Hofnung / zu euch / daß ihr dieſes viel eher vor eine wahre Probe ungefaͤrbter Huld / als eini - ge Leichtſinnigkeit erkennen werdet / entſchuldiget ſie / und verſpricht uns eine gewierige Erkaͤntlig - keit von eurer Perſon. Jch ſehe meine Wohl - farth bluͤhen / erwiederte mein Printz / wenn mich nicht ein theurer Eyd / welchen ich meiner Gelieb - ten in Ava gethan / zuruͤcke hielte. Daß man / verſetzte Haſſana / Eyde thut und Geluͤbde haͤlt / iſt gantz ruͤhmlich / wenn es nur in unſerm Ver - moͤgen ſtehet / ſolche zu halten. Allein die Liebe laͤſt ſich weder durch Eyd noch Geſetze binden. wo ſonſt ein ieder bemuͤhet leben ſoll / Treu und Glauben zu halten / ſo iſt es ihm doch in Liebes - Sachen eꝛlaubet auch mit Eyden zu ſpielen. Wel - cher Aberglaube / antwortete hierauff der Printz / hat ihnen diß eingepflantzet / daß man im Lieben das Gewiſſen hindanſetzen ſolle? Gewiß / wo das Garn der Liebe nicht aus reiner Unſchulds-Seide geſponnen wird / da freſſen ſich unfehlbar die Mot -ten143Erſtes Buch. ten des Ungluͤcks ein. Drum ſtellet man dieſes Fallbret nur vergebens auff. Hieruͤber wurde die Alte gantz ungedultig / wo nicht erzuͤrnt / indem ſie ſich vernehmen ließ: So achtet ihr dieſes vor ein Ungluͤcke / wenn euch diejenige / welche bereits viel Stuͤrme der Liebe abgeſchlagen / ihrer Huld wuͤrdiget. Und da euer ietziger Zuſtand es doch erfodert / daß ihr euch um beſtaͤndige Freundſchaft bewerbet / ſo duͤrfft ihr noch eine entfernte Unge - wißheit gegenwaͤrtiger Schoͤnheit vorziehen: Pfuy! Schaͤmet euch ſolcher Undanckbarkeit! Beſinnet euch demnach in kurtzem eines beſſern / o - der wiſſet / daß verſchmaͤhete Liebe Haß und Tod im Koͤcher fuͤhre. Mit dieſen Worten verließ ſie das Zimmer / und ließ ihre Pflege-Tochter gantz allein bey dem Printzen. Hier ſuchte nun Loran - gy alle moͤglichſte Liebes-Reitzungen hervor / wel - che nur ein Frauenzimmer angenehm / und ein Manns-Hertze empfindlich machen koͤnnen: die Augen ſchienen gleichſam als gebrochen / und die ungemeine Roͤthe ihrer Wangen verriethen den ſtarcken Brand ihrer Seelen / welcher in dem Ge - bluͤte ſteckte / und die ſichtbaren Adern auff Stirn und Bruſt in die hoͤhe triebe. Die Armen zitter - ten / und die Knie ſenckten ſich zu[r]Erden / auff wel - chen ſie des Printzen Hand faßte / und ihn durch dieſe bewegliche Rede gantz aus ſich ſelbſt ſetzte: Ach Allerſchoͤnſter / und ohne Zweiffel von den Goͤttern mir zugewiedmeter Engel! Wie lange ſoll doch die verlaſſene Lorangy den Fruͤhling ihrerJah -144Der Aſiatiſchen Baniſe. Jahre mit Seuffzen zubringen? Wenn wird mir doch die laͤngſt gewuͤndſchte Ruhe durch deine Gegen-Gunſt gewaͤhret werden? Es iſt ja un - moͤglich / daß den Tempel dieſer Schoͤnheit ein ſteinerner Abgott beſitzen koͤnne! Den Marmel bezwinget der Regen / und der Diamant wird durch ſchlechtes Blut erweichet; dein Hertze aber will ſich einem Amboſſe vergleichen / welcher ſich nur durch Schlaͤge verhaͤrtet: ie mehr nun mein Hertze klopffet / ie eiſerner wirſtu. Ach ungluͤck - ſelige Lorangy! ſo muß dich dein eigen Feuer ver - zehren. Jch brenne / ach / ich brenne! und wo du / mein Augentroſt / mir keine Rettung wieder - fahren laͤſt / ſo muß ich das Land der Todten betre - ten. Mein Hertze ſchwitzet Blut / und meine Au - gen ſind naſſe Zeugen / daß Lorangy ohne Gegen - Liebe ſterben muͤſſe. Schau doch / du Abgott meines Hertzens / wie mich die milden Goͤtter auch nicht ſo gar aller Liebe unwuͤrdig gemacht haben. Sind gleich meine Augen keine Sonne zu nennen / ſo laſſen ſie ſich doch noch wohl denen Sternen ver - gleichen. Meine zwar blaſſe Wangen zeugen eine gemaͤßigte Glut an / welche durch kein frem - des Oel ſoll genaͤhret werden. Die Lippen wer - den durch oͤffters Kuͤſſen den Scharlach uͤbertref - fen / und meine Haare haben wohl eher verliebte Seelen gefeſſelt; Ja dieſe Bruſt bezeuget / daß die Goͤtter meinen Leib zu keinem wilden Manne verſehen haben. Wilſtu nun den reinen Trieb der Natur hemmen? Wie / wilſtu deine Augenvon145Erſtes Buch. von mir wenden? Laſſe mich doch das Ziel deines Anſchauens ſeyn / ſchaue doch / wie mein Hertze kochet / und meine Seele nach dem Labſal lechzet / welches aus deiner Anmuth qvillt. Jch will dir / mein Engel / die Haͤnde unterlegen / ja meine See - le ſoll ſich dir auffopffern. Jch wuͤndſche / daß noch hundert Hertzen in mir waͤren / ſo ſolten ſie alle in Liebe gegen dich zerrinnen / und ſich in deine Seele einfloͤſen. Ach wilſtu mich durch Schweigen be - truͤben / unempfindliche Seele? die todten Felſen antworten ja denen Fragenden duꝛch ein Echo / und du wilſt mich Troſtloſe keiner Antwort wuͤrdigen. Der Printz lag hieruͤber faſt wie entzuͤckt / und wuſte ſich aus ſolcher Verwirrung gantz nicht zu finden. Eines theils wunderte er ſich uͤber ihre ungemeine Hefftigkeit der Liebe / welche ſie zu die - ſer Kuͤhnheit veranlaſſete / ihre Gedancken ſo un - geſcheut zu offenbahren / und mit verliebten Ge - berden vorzutragen / als ob ſie laͤngſt bey der Liebe waͤre in die Schule gegangen. Andern theils fuͤhlte er einiges Mitleiden / und wuͤndſchte ihr auff ſolche Art geholffen zu ſeyn / womit ihr gedienet / und ſein Gewiſſen nicht beflecket / vielweniger ſeyn hoher Stand benachtheiliget werdẽ moͤchte. Wie ſie nun nach eigener Erinnerung nicht ſo gar unge - ſtalt war / daß nicht ein leichter Vogel an dieſem Leime haͤtte koͤnnen kleben bleiben / zumahl ſich ihr eine ungewoͤhnliche Anmuth beygeſellte; ſo war ſich uͤber unſers Printzen ungemeine Tugend um ſo vielmehr zu verwundern / daß er ſich ſo kluͤglichKbe -146Der Aſiatiſchen Baniſe. bezwingen konte / nicht allzu verliebt anſtellen / und auch ihr nicht alle Hoffnung benehmen wolte. Derohalben er ihr denn einen freundlichen Blick und dieſe Antwort ertheilte: Wertheſte Lorangy / ich bin der Liebe nicht wuͤrdig / womit ihr mir un - verdient zugethan ſeyd / und erblicket hieraus nicht ungefehr einige Schickung der Goͤtter: weswe - gen ich denn thoͤrlich handelte / wenn ich dieſem allzuhefftig wiederſtreben wolte; zumal ich nicht laͤugnen kan / daß ſich durch eure Anmuth hin und wieder einige Funcken der Gegen-Liebe in mir entzuͤndet haben / welche gewiß zu ihrer Vollkom - menheit gelangen moͤchten / wo es anders der Goͤt - ter Wille iſt / ſo man nur ſolche Liebes-Glut durch das Oel der Vorſicht / ich will nicht ſagen / Voll - ziehung keuſcher Liebe treulich unterhaͤlt. Denn ich ſicheꝛe / daß ich eurenthalben eine ſolche Schoͤn - heit verlaſſen muͤſte / welche ſich mit der euren gar leicht in einen Wettſtreit einlaſſen koͤnte. Dieſe nun hindan zu ſetzen / und eure Liebe zu erfuͤllen / er - fodert Klugheit / damit nicht vor der Zeit ſolches in Ava kund / und wir an unſerer Liebe verhindert wuͤrden. So iſt denn vor allen Dingen noͤthig / daß vorietzo auch der geringſte Verdacht / welchen unſere einſame Zuſammenkunfft nicht unbillich erwecken kan / vermieden werde. Dannenhero erwartet der Zeit / meidet mein Zimmer / liebet in der Stille / und verſichert euch / daß den Schluß des Himmels nichts zu hintertreiben vermoͤge. Ach armſelige Lorangy / antwortete ſi darauff mitthraͤ -147Erſtend Buch. thraͤnenden Augen und ringenden Haͤnden / ſo haſtu das Todes-Urtheil aus dem Munde desje - nigen vernehmen muͤſſen / von dem du das Leben gehoffet haſt. Wehe mir / ich bin verlohren! ach ich kenne allzuwohl den Verzug kaltſinniger Her - tzen / welche die Zeit zum Mantel ihres Haſſes ge - brauchen / zumahl iedweder Verzug denen Ver - liebten eine Hoͤllen-Pein iſt. Man weiß ja der Liebe Macht / wie ſie tauſend Mittel habe / ihr Recht zu beſchleunigen; hingegen / wo ihr nicht gerathen wird / ſo iſt ſie auch faͤhig / unſern Geiſt zu verkuͤrtzen. Dieſe auff Verzweifelung zielende Worte preßten unſerm Printzen einen Angſt - Schweiß nach dem andern aus. Endlich fand er ſich doch gezwungen / ihr Begehren etwas ge - nauer zu unterſuchen / und zu ſagen: Liebſte Lo - rangy! ihr werdet hieraus ein ſattſames Zeugnis meiner Liebe gegen euch verſpuͤren / wenn ich bil - liche Vorſorge vor eure Ehre trage / und mich be - fuͤrchte / ſo iemand uns alleine antreffe / es moͤchte euch nicht wenig Nachtheil bringen. Und weil mir euer Begehren noch nicht allerdings bekandt iſt / auch in ſo kurtzer Zeit mich nicht darauff werde entſchlieſſen koͤnnen / ſo entdecket mir euren Vor - ſchlag in aller Kuͤrtze / und erwartet alsdenn in einigen Tagen mein reifferes Bedencken hieruͤ - ber / welches gewiß zu eurer Vergnuͤgung aus - ſchlagen ſoll. Es iſt zu ſpaͤt / antwortete Lorangy hierauff / an einigen Auffſchub zu gedencken / wo nicht zugleich mein Leben mit der Sonne unter -K 2gehen148Der Aſiatiſchen| Baniſe. gehen ſoll. Denn ſehet meinen feſten Vorſatz / ſolte ich ja ungluͤcklich in meiner Liebe ſeyn / ſo ſoll dieſes Meſſer meine Bruſt durchgraben / und die Rache ſoll mit meinem Blute angeſchrieben wer - den. Heget ihr aber einen Blutstropffen in euch / welcher mich eurem Vorgeben nach etwas liebet / und gehet euer Vorwand / wegen einiges Ver - dachts unſerer offenen Zuſammenkunfft / von Hertzen / ſo beſchwere ich euch bey allen Goͤttern / daß ihr mir erlaubet heinte noch bey naͤchtlicher Zeit / wenn alles in der Ruhe liegt / euch durch Huͤlffe des Haupt-Schluͤſſels zu beſuchen / und den letzten Spruch meines Lebens oder Todes von euren Lippen zu holen. Niemals ware der Printz in groͤſſern Aengſten geweſen / zu dem ihr nunmehro ſtatt der Liebe die Verzweiffelung aus den Augen ſahe. Dannenhero muſte er ſich in dieſer Noth etwas entſchlieſſen / und zu ihr ſagen: Sehet / beſtaͤndige Lorangy / daß ihr kein Miß - trauen in mich ſetzen duͤrffet / ſo will ich morgen zu Nacht euer in dieſem Zimmer erwarten / weil die - ſe Nacht Talemon bey mir zu bleiben verſpro - chen; Allein ihr muͤſſet mir angeloben / ohne Licht zu erſcheinen / nicht viel zu reden / und euch ſo viel als moͤglich ſtille zu verhalten / damit nicht iemand ſothane verdaͤchtige Zuſammenkunfft mercken moͤge. Wodurch die verzweiffelte Lorangy gantz wieder zu ſich ſelbſt kam / alles getreulich zu halten verſprach / und mit einem Kuſſe / welchen der Printz unmoͤglich verwehren konte / endlichen Ab -ſchied149Erſtes Buch. ſchied nahm. Nach ihrem Abtritt ſtellte ſich Scandor ein / und erwieſe durch ſein mattes We - ſen / daß er noch nicht allerdings ausgeſchlaffen haͤtte / weswegen ihm denn der Printz einigen Verweiß gab. Er aber wendete zu ſeiner Ent - ſchuldigung vor / daß er die uͤberfluͤßigen Feuch - tigkeiten / welche er im Fluſſe eingeſchlucket / noch nicht vertauen koͤnte / welche ihm denn oͤffters den Kopff ſo beſchwerten / daß er nothwendig ſchlaffen muͤſte / wolte er anders bey unverruͤckter Ver - nunfft bleiben.

Nach wenig Stunden ſtellte ſich Abaxar ver - ſprochener maſſen gleichfals wieder ein / mit dem Bericht / daß ſich der Kaͤyſer in ein nahe bey Pe - gu gelegenes Holtz auff die Jagt begeben / und ihn fernerer Auffwartung uͤberhoben haͤtte. Als ſich nun auch nachgehends Talemon und Pon - nedro einfunden / erſuchte der begierige Abaxar den Printzen gantz freundlich / ſeinem Bedienten anzubefehlen / daß er doch die angenehme Lebens - Begebenheiten des Printzen von Ava fortſetzen / und durch deſſen Erzehlung ſein Gemuͤthe ver - gnuͤgen moͤchte; weil er ein ſonderliches Verlan - gen den Anfang der Liebe zwiſchen dem Printzen und der Baniſen zu vernehmen truͤge. Ob nun zwar ſolches dem Printzen ſchwer vorkam / ſolchen Erinnerungen / welche ihm nichts anders / als ein trauriges Andencken verurſachen konten / beyzu - wohnen: dennoch wolte er dem Abaxar / als einer vermuthlich-hohen Perſon nicht gerne entfallen /K 3ſon -150Der Aſiatiſchen Baniſe. ſondern befahl dem Scandor / ſeinem Begehren nachzuleben / und alles / was ihm wiſſend waͤre / zu erzehlen. Demnach ſetzte er ſich abermals etwas abſeits / und erzehlte die

Lieb-und Lebens-Geſchichte Printz Ba - lacins und der Princeßin Baniſen.

WJr ſind geſtern bey dem traurigen Abſchiede des Printzen von ſeiner geliebten Fraͤulein Schweſter / der Princeßin Higvanama / geblie - ben: Nun wenden wir uns zu unſerer Zuruͤ - ſtung und Abreiſe von Ava. Mein Printz / als welcher meiner Treue und Hertzhafftigkeit ſatt - ſam verſichert war / erwehlte mich aus ſonderba - ren Gnaden vor allen andern zu ſeiner Bedie - nung / und zugleich nur fuͤnff wolgeſetzte Klepper zur Reiſe / nebſt zwey Reitknechten / welche er alle wol ausruͤſtete / ſich aber ließ er ein koſtbar Jn - dianiſch Kleid verfertigen / welches ich hernach bey Erzehlung von deſſen Gebrauch beſchreiben wil. Das vornehmſte Bedencken bey unſerer Reiſe / war die Frage / Wohin? Und ob ich gleich meinem Printzen faſt alle Winckel der Welt her - erzehlte / ſo war ihm doch kein Ort gelegen / in wel - chem er ſattſames Vergnuͤgen zu haben vermeyn - te. Seine meiſte Begierde ſtund dahin / ſich in Kriegs-Dienſte einzulaſſen / es war aber damals in Aſien eine ſolche friedſame Zeit / daß ein Sol - date gar nicht fortkommen kunte. Und unſert wegen wolte auch niemand keinen Krieg anfan -gen.151Erſtes Buch. gen. Wolten die Goͤtter! hub der Printz an / der unruhige Chaumigrem lieſſe ſich in einigen Krieg mit ſeinen Nachbarn ein / ſo haͤtte ich erwuͤnſchte Gelegenheit / die an meinem Herrn Vater began - gene Zauberey zu raͤchen. Was aber nun an - zufangen? Hierauff gaben mir ſonder Zweiffel die Goͤtter in Sinn / dem zweiffelhafften Printzen folgenden guten Rath zu ertheilen: Gnaͤdigſter Herr / ſagte ich / man ſoll zwar in allen Dingen die Vernunfft fleißig zu rathe ziehen / allein wo dieſe nicht zulaͤnglich iſt / da iſt wol der beſte Weg / den Rath der Goͤtter anzuflehen. Wollen wir nun unſers Vorhabens gewiß ſeyn / ſo waͤre meine un - vorgreiffliche Meynung / wir erwehleten uns ei - nen gewiſſen Goͤtzen Tempel in-oder auſſer Lan - des / verrichteten allda unſere Andacht / und erwar - teten ſo denn eines Goͤttlichen Ausſpruchs / nach welchem wir am ſicherſten unſere Reiſe anſtellen koͤnnen. Dieſes Eingeben gefiel dem Printzen ſehr wohl / dannenhero wir morgenden Tages noch vor auffgehender Sonnen unſere Reiſe an - traten / mit dem Vorſatz / uns gegen Mittag zu wenden / und den erſten Tempel zu beſuchen. Als wir nun nach drey taͤgiger Reiſe / den wegen ſeines Goͤtzen Tempels beruͤhmten Graͤntz-Flecken / Pandior / erlanget hatten / entſchloß mein Printz / hier zu verziehen / und den fernern Weg bey den Goͤttern zu erforſchen. Jch muſte mich ſo fort nach dem oberſten Talipon oder Prieſter bege - ben / deſſen Behauſung mir unfern des TempelsK 4ge -152Der Aſiatiſchen Baniſe. gewieſen wurde. Daſelbſt klopffte ich ſachte an / erſchrack aber uͤber alle maſſen / als die Thuͤr / nur durch bloſſes Anruͤhren / mit einem ſtarcken Knal - le auffſprang / und ich eine duͤſtere Stimme ver - nahm:

Ein Frommer darff die Schwelle uͤberſchreiten: Wer unrein iſt / entferne ſich beyzeiten.

Dieſe Worte machten mich ſo beſtuͤꝛtzt / daß ich kuͤrtzlich mein gantzes Leben durchlieff / ob ich mich einiger Todt-Suͤnde ſchuldig wuͤſte. Jedennoch dachte ich / wo du nur von lauter Frommen wilſt beſucht ſeyn / ſo wirſt du ſelten in menſchliche Ge - ſellſchafft kommen duͤrffen. Jch ſahe nichts als lauter Finſterniß in dem Hauſe / biß ich endlich von fernen ein Liecht ſchimmern ſahe; da befahl ich mich den Goͤttern / gienge getroſt hinein / und fuͤhrte mich ein langer Gang zu einem Zimmer / welches offen ſtund / und von dreyen angezuͤndten Lampen erleuchtet wurde. Als ich in dieſes hin - trat / ſahe ich mir einen langen Mann entgegen kommen / welcher weder auff dem Kopffe noch im Angeſichte einiges Haͤrlein hatte / ſondern gantz kahl beſchoren war / und kleidete ihn ein langer / mit rother Erde gefaͤrbter Rock / deſſen Ermel auf die Fuͤſſe hiengen: Dieſen hielte ich nun nicht unbil - lich vor den rechten Prieſter; Derowegen ich mich einiger Andacht anmaſſete / und mich gantz demuͤ - thig vor ihm niederwarff / biß er mich anredete: Du / der du unſere Gottheit ehreſt / entdecke unge - ſcheut dein Anliegen. Woruͤber ich mir alſo -bald153Erſtes Buch. bald ein Hertze faſſete / und ihm antwortete: Du groſſer Talipon der unſterblichen Gottheit / laß es dir gefallen / daß einige verirrete Fremdlinge aus fernen Landen durch deinen Mund den rechten Weg und Zweck ihres Vorhabens erfahren moͤ - gen: Hievor ſoll den Goͤttern ſo Andacht als Opf - fer gewaͤhret werden. Hieruͤber fieng er uͤberlaut an zu lachen / daß ich nicht wuſte / wie ich mich da - bey verhalten ſolte. Endlich richtete er mich auf / und fertigte mich mit dieſen Worten ab: Gehe hin mein Sohn / und entdecke deinem Herrn / dem Printzen Balacin von Ava / daß er thoͤrlich han - dele / wo er ſich vor der allwiſſenden Gottheit ver - bergen wolle. Vermelde ihm ferner / daß / wie wir hier die Gottheit des Apalita /(†)Von dieſem Apalita ſiehe Roger. Heydenthum p. 795. als einen maͤchtigen Beyſtand der Reiſenden / verehren / al - ſo wuͤrde um ſo viel eher ſein Verlangen erfuͤllet werden. Jnmittelſt ſoll er maͤßig und nuͤchtern um Mitternacht nur ſelbander erſcheinen / und ſich auf Gebet und Opffer gefaßt machen. Jch wu - ſte nicht / wie mir geſchahe / als ich den Printzen nennen hoͤrte / und furchte mich nicht wenig / er moͤchte auch meine Gedancken errathen; denn ich gedachte / das hat dir wol der Teuffel geſagt. Hier ſaͤumte ich nun nicht lange / ſondern verfuͤgte mich alsbald zu dem Pꝛintzen / welcher duꝛch dieſe Nach - richt nicht wenig erfreuet wurde / und kaum dieK 5Mit -154Der Aſiatiſchen Baniſe. Mitternacht erwarten kunte. Als nun das hel - le Monden-Liecht mitten am Himmel ſtund / und ſich iedwedere Seele zur Ruhe begeben hatte / ver - fuͤgte ſich der Printz in aller Stille nach der Va - relle oder Tempel des Apalitaͤ. Dieſes war nun von auſſen ein ſteinern Gebaͤude / wie ein Thurm gebauet / auff deſſen Spitze ein kuͤpfferner Apffel ruhete: Sonſt ſchiene ſie auswendig gleichſam auff Blaͤtter-Art verguͤldet / und mit Eiſenwerck wol verſehen. Jndem wir dieſes betrachteten / kam der Talipon / welcher die Varelle eroͤffnete / und uns mit gebuͤhrender Andacht hinein zu treten be - fahl. Als wir hinein getreten / war es anfangs ſtockfinſter darinnen / es wurde aber der gantze Tempel durch ein verborgenes Feuer gleichſam im Augenblicke dermaſſen erhellet / daß wir nicht wuſten / wie uns geſchach. Dieſer Tempel nun war inwendig rund / und gantz verguͤldet / daß auch der Widerſchein des Liechtes unſere Augen blende - te. Gegen den Auffgang ſtund ein erhabener Altar / auff dieſem aber der Gott Apalita / in der Groͤſſe und Geſtalt eines Menſchen / von purem Golde / welcher auff dem Haupte mit einer Cro - ne und vielen Edelgeſteinen haͤuffig gezieret war. An der Stirne ſaß ihm ein Rubin / ſo groß als eine Pflaume / und zu beyden Seiten hiengen ſehr ſchoͤ - ne Saphire. Um den Leib / von der lincken Schulter an biß zu der lincken Huͤffte / war er mit einem guͤldenen / und mit vielen Edelgeſteinen be - ſetzten Gehencke umgeben. Vor dieſer praͤchti -gen155Erſtes Buch. gen Gottheit fielen wir andaͤchtig nieder / und ver - richteten unſer Gebet / biß der Prieſter den Prin - tzen aufforderte / ihn zum Opffer ermahnete / und bey dem Arme einige Stuffen hinauff zum Altar begleitete. Daſelbſt legte der Printz mit tieffer Ehrerbietung eines von den koſtbaren Kleinodien / welches ihm die Princeßin Higvanama mit gege - ben / auff den Altar: Woruͤber ſich das gantze Bild hefftig erſchuͤtterte / und zugleich eine liechte Flam̃e aus dem Altar hervor ſchluge / welches der Prieſter vor ein gnaͤdiges Wolgefallen ausdeute - te. Hierauf fuͤhrte er den Printzen dreymal um den Altar / und nach dieſem zu einem an der Seite des Altars ſtehenden Bette / in welches er ihn legte / er ſelbſt aber fiel vor dem Altar nieder / und verrich - tete mit vielen Murmeln und wunderlichen Ge - berden ſeine Andacht. Jndeſſen muſte ich knien - de verharren / welches mich ſehr ſauer ankam. Als nun der Talipon ſein Gebet verrichtet hatte / lan - gete er unter dem Altar eine Schachtel hervor / und faͤrbete daraus des Printzen Angeſichte / wo - durch er ſo verſtellet war / daß nicht nur die Farbe / ſondern auch ſo gar die Geſichts-Linien veraͤndert ſchienen / und ich ihn nicht zu erkennen vermochte. Nach dieſem gab er ihm eine Wurtzel in den Mund / von welcher der Printz gantz unempfind - lich ward / und in einen tieffen Schlaff fiel. Her - nach legte er einen weiſſen Zeddul auff den Altar / erlaubte mir auffzuſtehen / und mich auff den Fuß des Altars zu ſetzen. Nach welchem der Prieſtergleich -156Der Aſiatiſchen Baniſe. gleichſam als todt darnieder fiel / und ohne eintzige Bewegung liegen blieb. Hier begunten mir die Haare zu berge zu ſtehen / und ein kalter Schauer uͤberlieff meinen gantzen Leib / denn zu dem / daß mein Printz feſte ſchlieff / der Prieſter aber todt zu ſeyn ſchiene / verwandelte ſich auch vorerwehntes Liecht in eine ſolche Finſterniß / daß ich nichts als eine kleine blaue Flamme auff dem Altar hin und her fahren ſahe. Was mir damahls vor wun - derliche Gedancken einkamen / wuͤrde mir ſchwer fallen zu erzehlen. Denn weil ich dieſem Gottes - dienſte niemahls beygewohnet / hielte ich alles vor Zauberey / und trug nur Sorge vor meinen Prin - tzen / welchen ich gerne auffgewecket haͤtte / wenn mich nicht des Prieſters Verboth / daß ich mich nicht von der Stelle ruͤcken ſolte / hiervon abgehal - ten haͤtte. Als nun dieſe furchtſame Stille mei - nem Beduͤncken nach mehr als eine Stunde ge - waͤhret hatte / erſchreckte mich auffs hefftigſte ein ſtarcker Knall / als ob es ein Donnerſchlag waͤre; Worauff es in der gantzen Varelle wieder ſo helle als zuvor ward. Der Abgott ſchuͤtterte ſich aber - mal / daß die Erde unter mir zu beben ſchiene / und zugleich richtete ſich der Prieſter auf / welcher ſich nach den Printzen verfuͤgte / ihn durch bloſſes An - ruͤhren aufweckte / und beyden ein Stillſchweigen auferlegte. Jch ſchwehre / daß ich damals nicht wuſte / ob es der Printz war / ſo hatte ihn der Ta - lipon verſtellet; Als er ihn aber mit einigen Blaͤt - tern wieder abriebe / erſahe ich mit Freuden dievori -157Erſtes Buch. vorige Geſtalt meines Herrns. Hierauff nahm der Prieſter den Zeddul vom Altar / legte ihn zu - ſammen / und uͤbergab ihm denſelben nebenſt zwey Schachteln und dieſen Worten: Die gnaͤ - dige Gottheit hat deine Andacht und reichliches Opffer angeſehen: ſo gehe denn hin in Frieden. Dieſer Zeddul / welchen du bey untergehendem Monden leſen ſollſt / wird dir Weg und Steg zei - gen / und dir offenbahren / was du zu wiſſen ver - langeſt. Die zwey Schachteln aber haͤndigen dir zugleich durch mich die milden Goͤtter ein / aus deren einer du dich verbergen / aus der andern aber wieder kommen kanſt. Solche bewahre auffs beſte / denn es kommt die Zeit / da du durch Ver - ſtellung Liebe und Reich zu erhalten ſuchen moͤch - teſt. Darauff fielen wir nochmals nieder / und verfuͤgten uns alsdenn eilende nach unſerer Be - hauſung. Was nun hierbey das verdrießlichſte war / ſo durfften wir vor Untergange des Monden kein Wort gegen einander reden / wiewohl ich in des Printzen Geſichte einiges Vergnuͤgen und ſehnliches Verlangen erſahe / ich aber kunte nichts als brummen / biß endlich gegen den Morgen der Mond gute Nacht gab: Da denn der Printz zum erſten das Stillſchweigen brach: O ihr Goͤtter! hub er an / iſt es euer Ernſt / oder beliebet euch ſo mit uns ſterblichen Menſchen zu ſchertzen. Jch weiß nicht / ob ihr durch Verſtoͤhrung meiner Ru - he meinen Voꝛwitz beſtraffen / oder meine Andacht belohnen wollet. Denn / ach Himmel! was voreine158Der Aſiatiſchen Baniſe. eine uͤberirrdiſche Schoͤnheit hat ſich denen Ge - muͤths-Augen im Schlaffe vorgeſtellet: Jhr bloſ - ſes Anſchauen hat mich entgeiſtert / und das An - dencken ſetzet meine Seele in empfindlichſte Flam - men. Ach treueſter Scandor / wo dieſes nur ein bloſſer Traum ohne erfuͤllende Bedeutung gewe - ſen iſt / ſo geſtehe ich gar gerne / daß ich keinen Au - genblick laͤnger zu leben / ſondern nur in das ſchoͤ - ne Niba auffgenommen zu werden begehre / all - wo ſich auſſer allem Zweiffel dieſe Goͤttergleiche Schoͤnheit auffhalten muß / und ich nur durch ſte - tes Anſchauen mich zu veꝛgnuͤgen wuͤndſche. Gnaͤ - digſter Herr / redete ich hier ein / Traͤume ſind Schatten / und ein kluger Geiſt achtet ihre An - muth nichts / wie auch ihr Schrecken keine Furcht in uns erwecken ſoll. Ach ſchweig / unverſtaͤndiger Scandor / verwieß mir der Printz / ein anders iſt eine Fantaſie / welche aus einem beſorgten Hertzen ihren Urſprung nimmt / und die Geiſter verfuͤh - ret; ein anders iſt hingegen eine Goͤttliche Offen - bahrung: Denn dieſe vorgeſtellte Anmuth hat mir im Schlaffe etwas mehrers eingepraͤget / als daß ich ſie wachende ſo bald vergeſſen ſolte. Ja ich ſchwere / dieſes Bild ſoll mir nimmermehr aus meinem Hertzen geriſſen werden. Jch will alle Ecken der Welt durchreiſen / und die Schoͤnheit ſuchen. Bin ich hierinnen ungluͤcklich / ſo wil ich ſie doch im Himmel antreffen. Als ich des Prin - tzen ſtarcke Einbildung merckte / erkandte ich mei - nen Fehler / daß man ſolchen Herrn nicht allzuſehr159Erſtes Buch. ſehr Widerpart halten ſoll: Derowegen ich ihm endlich Beyfall gab / und nur erinnerte / den Aus - ſpruch der Gottheit aus dem Zeddul zu erſehen / vielleicht ließ ſich erwuͤnſchte Nachricht hiervon finden. Dieſem zu Folge nahm er den Zeddul mit begierigen Haͤnden hervor / und laß daraus die mit guͤldenen Buchſtaben geſetzte Schrifft:

Zeuch hin / betruͤbter Printz / dir wincket Pegu zu / Errette deinen Feind aus ſeines Feindes Haͤnden: Es wird ein fremdes Bild / ſo Aug als Liebe blenden: Doch endlich findet man die eingebildte Ruh. Schau! dein Vergnuͤgen liegt in Schrecken / Furcht und Ketten: Drey Kronen muͤſſen erſt die vierdte Krone rettẽ. Das Opffer kroͤnet dich als einen Talipu.

O Wunder-volles Geheimniß! rieff der Printz! Aus dieſen Worten bluͤhet meine Hoffnung / daß ich meine Schoͤnheit in Pegu finden werde. Auff / auff / Scandor / laß uns fort eilen / denn die Goͤt - ter weiſen uns ſelbſt den Weg zu unſerm Gluͤcke. Allein dieſes wolte mir nicht in Kopff / daß / da ich die gantze Nacht gewachet / und in Furcht und Sorgen zugebracht hatte / ich ſo ungeruhet mich auf das Pferd werffen / und dem in einen Schat - ten verliebten Printzen folgen ſolte. Derowegen ich mich entſchuldigte / und bat / nuꝛ ein paar Stun - den auszuruhen / und alſo denn die Reiſe anzutre - ten / welches auch endlich beliebet ward. Als uns nun das auffgehende Sonnen-Liecht erinnerte /un -160Der Aſiatiſchen Baniſe. unſere Reiſe zu bewerckſtelligen / war der Printz der erſte / welcher ſein Lager verließ / und die Pfer - de fertig zu machen befahl. Wir begaben uns ingeſammt auff die Reiſe / und muſten uns wohl in acht nehmen / weil wir ein ziemlich Theil des Reichs Brama / worinnen Chaumigrem als Koͤ - nig regierte / durchreiſen muſten / ehe wir die Gren - tzen von Pegu erreichen kunten. Wie uns nun auff dieſer vierzehen-taͤgigen Reiſe nichts ſonder - liches begegnete / welches ich einiger Erzehlung wuͤrdig achte; alſo wurden wir nicht wenig er - freuet / da wir von einer kleinen Hoͤhe die praͤchtige Stadt Pegu erblickten. Und ſolches war auch hoͤchſt von noͤthen / daß ſich die Reiſe endigte / weil unſere Pferde die Begierde unſers verliebten Prin - tzen ſattſam empfunden / indem ſie abgemattet waren / daß ſie ſich faſt mit uns zur Ruhe legen wolten. Als wir etwan tauſend Schritte fort - geritten waren / verlohren wir Pegu aus unſerm Geſichte / und gelangten in das bekandte Tyger - Holtz / welches luſtige Waͤldlein oͤffters die Koͤni - ge von Pegu auff die Jagd locket. Wir hatten ſolches kaum erreichet / ſo vernahmen wir von fer - nen ein ſtarckes Schreyen / und zugleich ein Ge - tuͤmmel / als ob ein harter Streit vorgienge. Wie nun meines Printzen Tapfferkeit bißweilen auff einen Vorwitz hinaus lieff / alſo wendete re ſich gleich / ungeachtet meines Widerrathens / nach dem Schalle dieſes Getuͤmmels / da wir denn nach kurtzer Zeit einen ungleichen Kampff zu Ge -ſichte161Erſtes Buch. ſichte bekamen. Denn es hatten ſich drey Jndia - niſche Ritter zu Fuſſe an einen dicken Baum / um ihren Ruͤcken in Sicherheit zu haben / gelehnet / vor ihnen lagen uͤber zwantzig Leichen und todte Pferde / welche ihnen noch zur Bruſtwehre wider funffzehen verwegene Raͤuber zu Pferde dienen muſten. Es ſchiene / als ob es in kurtzer Zeit mit dieſem Kampffe zu Ende lauffen moͤchte / wo de - nen drey bedraͤngten Rittern nicht eilende Huͤlffe wiederfuͤhre / maſſen ſie nicht allein verwundet / ſondern auch weit uͤbermannet waren. Mein Printz hielte ſich alſobald verpflichtet / denen Nothleidenden beyzuſpringen: dahero er in Eil abpacken / und ſich die auff alle Faͤlle mitgenom - mene Sturm-Haube reichen ließ. Wie er nun iederzeit unter ſeinem langen Rocke mit einem leichten Bruſt-Harniſche verwahret war / alſo hieng er an den lincken Arm ſeinen Schild / und in die rechte Fauſt nahm er eine ſcharffe Lantze / wel - che er jederzeit mit ſich fuͤhren ließ / uns andern a - ber befahl er abzuſteigen / die Pferde anzubinden / und mit unſerm Gewehr getroſt zu folgen. Halt / ihr verwegene Raͤuber / ſchrie ſie der Printz noch von weitem an / iſt das Rittermaͤßig gefochten / wenn die Menge ihrer Gewalt mißbraucht? Auff dieſe Worte kamen als im Blitz ihrer drey auff den Printzen angerannt / und weil ſie nur bloſſe Sebel in der Hand fuͤhrten / ſo faßte der Pꝛintz mit der Lantzen den einen ſo wohl / daß er im Augenblick binder dem Pferde lage / und ſich imLSan -162Der Aſiatiſchen Baniſe. Sande kruͤmmte. Weil aber die andern beyde herzu eilten / und der Printz nicht Platz hatte / we - gen Muͤdigkeit des Pferdes ſich mit der Lantze zu wenden / muſte er ſie fahren laſſen / und den Sebel ergreiffen. Was hier vorerwehnte Sturm - Haube vor Dienſte leiſtete / wieſe die tieffeinge - hauene Narbe in dem Stahl ſattſam auß. Jch lieff alſobald nach dem gefaͤlleten Raͤuber / zog ihm die Lantze aus dem Leibe / und bemuͤhte mich ſo lange / biß ich noch einen von meines Printzen Beſtreitern herunter langte / welchem ich denn unter dem rechten Arm ſo wohl einfuhr / daß das Eiſen oben am Halſe auf der lincken Achſel wie - der ausgieng / und er ſich gleich ſeinem Camera - den im Sande zu tode ſturbe. Jndeſſen wur - de der Printz mit dem dritten durch einen Sebel - ſtoß auch fertig / daß er die Lantze wieder zur Hand nehmen / und nach dem rechten Kampff-Platze eilen konte / alwo ſich bereits die Zahl der wenigen vermindert hatte / indem gleich einer zu Boden fiel / als mein Printz deſſen Tod durch einen grau - ſamen Lantzen-Stoß raͤchete / und ſich mitten un - ter dieſen feindſeligen Hauffen einmengete. Weil nun deſſen Pferd von einer ſo fernen Reiſe ſehr muͤde war / und darzu eine tieffe Hals-Wunde empfangen hatte; als war es hohe Zeit / daß ich mit unſern beyden Dienern herzu eilete. Dieſe waren nun auch in keiner uͤbeln Schule geweſen / und konten mit ihren Wurff-Spieſſen dermaſ - ſen wohl zu rechte kommen / daß nicht allein derPrintz /163Erſtes Buch. Printz / welcher mit dem Pferde ſtuͤrtzte / gluͤcklich errettet / ſondern auch ihrer drey mit dem Leben be - zahlen muſten. Jndeſſen hatten ſich die beyden Ritter am Baume / von welchen ſich der Streit abgezogen / in etwas erholet / wiewohl das Blut an etlichen Orten hervor rieſelte / und fingen deſſen ungeachtet nach euſerſtem Vermoͤgen wiederum an uns beyzuſtehen. Weil wir ihnen nun an der Zahl faſt gleiche waren / an Tapfferkeit aber ſie weit uͤbertraffen / ſo muß ich zwar bekennen / daß die Raͤuber gantz verzweiffelt fochten / und durch ihre Wut ſattſam bezeigeten / wie viel ihnen an dem Tode der beyden Ritter gelegen war. Nach - dem aber einer nach dem andern herunter ſtuͤrtz - te / ſo nahmen endlich die uͤbꝛigen fuͤnffe die Flucht / welche zu verfolgen die Pferde zu matt / und unſe - re Kraͤffte zu ſchwach waren. So bald nun die - ſer gefaͤhrliche Kampff geendiget / und man von allen fernern feindlichen Anfaͤllen geſichert war / ſanck einer von den zwey uͤberbliebenen Rittern wegen hefftiger Verwundung in Ohnmacht / der andere aber / aus welchem man wegen ſeines Ma - jeſtaͤtiſchen Anſehens / koſtbaren Kleidung / und den mit Smaragden reichlich-verſetzten Sebel etwas vornehmes ſchlieſſen konte / fiel auff ſeine Knie / und danckte den Goͤttern vor dieſe wunder - bare Errettung / inzwiſchen daß wir den in Ohn - macht Geſunckenen wieder in etwas ermuntert / und ſo viel moͤglich zu rechte gebracht hatten. Hierauff trat ietzt ermeldter Ritter zu meinemL 2Prin -164Der Aſiatiſchen Baniſe. Printzen / und umfieng ihn mit hoͤchſtanſtaͤndigen Geberden und dieſen Worten: Nechſt denen Goͤttern ſo dancke ich auch euch / tapfferer Fꝛembd - ling / daß ihr euch / durch die verborgene Hand der Gottheit / ſo willig zu einen kraͤftigen Werck-Zeu - ge meiner Errettung habet wollen gebrauchen laſſen. Eurer Tapfferkeit bin ich mein Leben ſchuldig / und auſſer eurer Huͤlffe haͤtte ich ohne Zweifel ein Todes-Opffer dieſer Verraͤther wer - den muͤſſen. So entdecket mir demnach euer Suchen in dieſem Lande / weil ich doch an euerer Kleidung ſehe / daß euch Pegu nicht gezeuget habe / ſaget mir kuͤhnlich / womit euch kan gedienet wer - den / es ſoll alles geſchehen / was eure Vergnuͤgung erfuͤllen kan. Mein Printz begegnete ihm mit nicht minderer Hoͤffligkeit / und antwortete: Tapfferer Ritter / es wuͤrde einiger Beyſtand un - vonnoͤthen geweſen ſeyn / wenn nicht oͤffters die Tugend der Menge weichen muͤſte. Und weil mich denn die guͤtigen Goͤtter zu ſo erwuͤndſchter Gelegenheit hergefuͤhret / ſo iſt ihre Gnade um ſo viel groͤſſer / als mein Verdienſt deſto geringer. Wo ja aber meine wenige Huͤlffe in einige Be - trachtung gezogen wird / ſo bitte ich nichts mehr / als mich in beharrliche Gewogenheit einzuſchlieſ - ſen / mich an dem Kaͤyſerlichen Hofe in Pegu be - kandt zu machen / und zu entdecken / wem meine ſchwache Fauſt zu Dienſten geſtanden habe? Dieſes alles / erwiederte jener / iſt viel zu wenig / eure treue Dienſte / die ihr in Beſchuͤtzung meinesLe -165Erſtes Buch. Lebens angewendet habet / nur in etwas zu beloh - nen: doch den Anfang einiger Danckbarkeit / durch Willfahrung eurer geringen Bitte / zu ma - chen / ſo wiſſet / daß ihr eine ſolche Helden-That verrichtet habet / wovor euch der Kaͤyſerl. Hof / auf ewig verbunden iſt. Wiſſet demnach / daß als der Kaͤyſer oͤfterer Gewohnheit nach / dieſen Wald als ein Liebhaber der Jagd durchſtreichen / und zwar nur in weniger Geſellſchafft von acht Per - ſonen / welche hier geſtreckt liegen / und als treue Leute ihr Leben vor ihren Koͤnig aufgeſetzet haben / ſich etliche zwantzig verwegene Raͤuber unterſte - hen duͤrffen / den Kaͤyſer ſamt ſeinen Leuten verraͤ - theriſcher Weiſe zu uͤberfallen / und ſich euſerſt zu bemuͤhen / durch den Tod des Xemindo ihren ver - dammten Zweck zu erreichen. Wie aber die Goͤtter ihre Hand meiſt uͤber die Gekroͤnten ha - ben / alſo habet ihr durch eure Mannheit den Kaͤy - ſer von Pegu in meiner Perſon vom Tode erret - tet / und ihn aufs neue gebohren. Damit ich nun meine Danckbarkeit nach Wuͤrden koͤnne ſpuͤren laſſen / ſo entdecket mir gleichfals euren Nahmen / und Zuſtand; ich ſchwere bey der Krone dieſes Reichs / eure ietzt veruͤbte That ſoll euch mit einem Koͤnigreiche belohnet weꝛden. Wie wir uͤbeꝛ dieſen Bericht theils erſchreckt / theils erfreuet wurden / iſt leicht zu erachten / und bildete ſich mein Printz damals feſte ein / der Goͤtter Außſpruch wolte hier bereits den Anfang ſeiner Erfuͤllung machen / in welcher ſie ſo fortfahren wuͤrden / biß er die BrautL 3und166Der Aſiatiſchen Baniſe. und das Gluͤcke in Armen haͤtte / indem wir von der Princeßin von Pegu vor laͤngſt viel gehoͤret hatten. Allein wie ſchlecht dieſe Meynung ein - getroffen / ſolches muͤſſen wir noch anietzo mit Thraͤnen beklagen. Doch wieder auff voriges zu kommen / ſo warff ſich der Printz / nebſt uns / als er vernahm / daß es der Kaͤyſer ſelbſt waͤre / alſo - bald ehrerbietigſt zu deſſen Fuͤſſen / und antworte - te! Großmaͤchtigſter Kaͤyſer und Herr / ich bitte demuͤthigſt / unſere Unwiſſenheit vor eine gnugſa - me Entſchuldigung gelten zu laſſen / daß wir nicht ſo fort unſern allerunterthaͤnigſten Reſpect beſſer in acht genom̃en haben: inmittelſt ſehe ich / daß die - ſes ein bloſſes Werck der Goͤtter ſey / wenn meine geringſchaͤtzige Hand den groͤſten Monarchen der Welt vom Tod und Verraͤtherey errettet hat. Jch begehre dennoch nichts / als bloß die hohe Kaͤyſerliche Gnade. Und wie mich E. M. in der Perſon Pantoja / eines Sohnes des Erb-Fuͤrſten in Tannaſſery / und Vaſallen des Koͤnigs in Si - am / wiſſen ſollen; alſo verſichere Seelen-innigſt / daß ich es mir vor das groͤſte Gluͤcke in der Welt rechnen wuͤrde / wenn ich vor dero hohe Wohl - farth mein Leben auffopffern ſolte. So ſind wir Bunds-Genoſſen / erwiederte der Koͤnig / und bin euch mit deſto groͤſſerer Gnade gewogen / weil aber fernerer Uberfall zu beſorgen ſeyn moͤchte / ſo laſſet uns dieſen ungluͤcklichen Ort verlaſſen / und in beſſere Sicherheit begeben. Jndem nun des Kaͤyſers Pferde bey dieſem Kampffe alle geblie -ben167Erſtes Buch. ben waren / ſo befahl er uns / unſere Pferde herbey zubringen / wovon er dem Kaͤyſer mit hoͤfflichen Worten eines anbot / und ſich auff das andere ſetzte / deme wir zu Fuſſe nachfolgen. Ehe die Diener aber dieſen Befehl verrichteten / ſahe mein Printz / daß ſich noch einer von den Raͤubern regte / weil nun der Kaͤyſer noch ſelbſt nicht wuſte / wo dieſe Verraͤtherey herruͤhrete / ſo verfuͤgte er ſich zu demſelben / und kehrete ihn um / ſetzte ihm auch die Lantze an die Bruſt / und ſtellete ſich / als wolte er ihn vollend hinrichten. Hertz und Haupt aber war noch friſch / derowegen hub er unvermuthet an zu reden: Haltet inne / ruffte er / und hoͤret zu erſt mein letztes Bekaͤntniß mit geneigten Ohren an / weil doch nicht eher meine Seele dieſen Coͤrper verlaſſen kan / ſie habe denn zuvor entdecket / was vor ein Befehl mich in diß Ungluͤcke geſtuͤꝛtzet habe. Auf dieſe Worte eilte der Kaͤyſer gantz begierig herbey / und redete ihn ſelber an: So ſage denn / du boßhafftiger Raͤuber / welch Mord-Befehl hat dich zu dieſer Verwegenheit angetrieben? ver - ſchweige ja nichts / denn auſſer dieſem ſoll dein Le - ben biß zu grauſamſter Marter verſchonet wer - den / welches annoch einige Gnade zu hoffen hat. Der Raͤuber entſetzte ſich hefftig uͤber den harten Anſpruch des Kaͤyſers / und brach in dieſe Klage heraus: Ach wehe mir! verflucht ſey die Stunde / da ich mich zu dieſem Morde verleiten laſſen. Jch bitte E. M. um aller Goͤtter willen / dieſe unver - antwortliche Beleidigung einer ſterbenden See -L 4len168Der Aſiatiſchen Baniſe. len zu verzeihen. Jch und dieſe meine Mitgeſellẽ / de - ren die meiſten ihren allzugelinden Lohn empfan - gen / ſind gebohrne Bramaner / und durch Befehl unſers grauſamen Chaumigrems / welcher iedem hundert Bizen Goldes zu geben verſprochen / dar - zu veranlaſſet worden / daß wir J. M. als deren oͤfftere und einſame Beſuchung dieſes Waldes verkundſchaffet war / hier verwarten / und um das Leben bringen ſolten. Wie ich nun hieruͤber eine hertzliche Reue trage / alſo ſterbe ich nun ver - gnuͤgt / nachdem ich dieſen boͤſen Anſchlag ruͤck - gaͤngig / und E. M. noch am Leben ſchaue. Nach welcher Bekaͤntniß ihm deꝛ Printz die Lantze duꝛchs Hertze ſtieß / wiewohl es der Koͤnig lieber geſehen / daß man durch ſein Leben ein mehrers aus ihm ge - bracht haͤtte. Dieſes Schelmſtuͤcke des Chau - migrems verurſachte nun eine gemeine Verwun - derung und Fluch / und wir eileten ohne ferneres Saͤumen nach Pegu: da uns denn / ſo bald wir den Wald auff den Ruͤcken hatten / bey zwey tau - ſend Mann entgegen kamen / weil bereit einiges Geruͤchte in der Stadt erſchollen / als ob der Kaͤy - ſer in Gefahr waͤre. Hiedurch waren wir in vol - le Sicherheit geſetzet / und zogen unter tauſend fro - lockenden Zuruffen der Peguaner in die Stadt ein / woſelbſt alſobald auf hohen Befehl meinem Printzen ein ſchoͤner Pallaſt / nechſt dem Schloſſe / eingeraͤumet ward / welchen wir auch ſo fort bezo - gen / und darinnen einen ungemeinen Uberfluß von koſtbahren Haußrath / und aller Beqvemlichkeitan -169Erſtend Buch. antraffen. Noch ſelbten Abend ward eine Leib - wacht von funfzig Mann vor unſere Thuͤre ge - ſtellet / welche in zwey Reihen ſich laͤngſthin auff die Erden ſetzten / und ihre Ruͤſtung vor ſich auff Stangen hiengen. Jngleichen erſchienen zwoͤlf Koͤnigl. Bedienten in langen weiſſen Roͤcken mit goldnen Binden / welche Koͤnigl. Befehl hatten / unſern Printzen zu bedienen. An Speiſe und Tranck fehlte es auch nicht / und lebten wir in ſo erwuͤndſchtem Zuſtande / daß wir es ewig begehr - ten. Folgenden Morgen uͤberſendete der Kaͤyſer unſerm Printzen zehn ſchoͤne Pferde / ſo gut ſie nach hieſiger Landes-Art unter den beſten kunten aus - geleſen werden / nebſt zweyen groſſen und wohlge - putzten Elephanten / um / wie er zugleich vermel - den ließ / den geringſten Verluſt des Pferdes in etwas zu erſetzen. Dieſen waren zugleich gnug - ſame Waͤrter und Futter beygefuͤget / welche der Koͤnig als leibeigen mit gab. Das beſte aber / welches ein Kaͤmmerling uͤberbrachte / waren(†)Ein Bizen wieget 2. Pfund / 5. Untzen Gold / Ve - nediſchen Gewichts. tauſend Bizen guͤldene Muͤntze / daß ſich alſo der Printz ſehr wohl / und Standes-maͤßig aufffuͤh - ren konte. Jnmittelſt verlangte der Printz ſehr nach Hofe / wohin aber ohne Kaͤyſerlichen Be - fehl niemand kommen durffte / und muſte in die - ſem Verlangen auch mein Printz drey Tage ver - harren / nach deren Verflieſſung ihm endlich an - gedeutet ward / der Kaͤyſer verlange ihn zu ſehen. L 5Da170Der Aſiatiſchen Baniſe. Da wir denn nicht ſaͤumten / ſondern uns alſo fort in das Schloß begaben / und weil mich der Printz vor einen vornehmen Edelmann aus Tan - naſſery ausgegeben hatte / ſo durffte ich bey ſolcher Gelegenheit allenthalben gegenwaͤrtig ſeyn. Als wir nun unter die foͤrderſten Bogen des Eingangs gelanget waren / hoͤrten wir zwoͤlf ſilberne Trom - peten blaſen / welches ein Zeichen war / daß es nun - mehr dem Kaͤyſer gelegen ſey / Verhoͤr zu erthei - len. Derowegen wir uns in den innern Hoff verfuͤgten / und einige Stuffen nach dem hohen Saal gefuͤhret worden. Dieſer Ort war ziem - lich weit und hoch / uͤber die maſſen ſchoͤn vergol - det / und himmelblau gemahlet. Er ſaß auff ei - nem mit Edelgeſteinen verſetzten Throne / ſein Haupt ward von einer vierfachen Krone bedecket / eine iede Krone aber ruhete auf beſondern Staͤng - lein / und ſtellte dannenhero eine ziemliche Hoͤhe vor. Auf der rechten Hand ſaß der Erb-Printz Xemin / und auf der lincken ſtunden einige hohe Bedienten / worunter auch gegenwaͤrtiger Herr Talemon / als damahliger Reichs-Schatzmei - ſter war. Als wir nach Gebrauch mit dreyma - ligem Fußfall unſere Ehrerbietung verrichtet / ruf - te der Kaͤyſer meinen Printz zu ſich / reichte ihm die Hand zum Kuſſe / und befahl ihm / auff die ober - ſte Staffel des Thrones zu ſitzen / worauff er eine weitlaͤufftige Rede an die ſaͤmmtliche Anweſen - den hielt / meines Printzen Tapfferkeit gewaltig heraus ſtrich / und ihnen allerſeits zu Gemuͤthefuͤh -171Erſtes Buch. fuͤhrete / was vor Danck man ihm ſchuldig waͤre: Nach kurtzer Antwort aber meines Printzens / erhub ſich der Kaͤyſer von dem Thron / nahm den Printzen bey der Hand / und fuͤhrte ihn in ein ge - heimes Zimmer / welchen niemand / als Printz Xemin / folgen durffte. Hier hatte ihn nun der Kaͤyſer / wie mir der Printz hernach alles ausfuͤhr - lich erzehlte / abermahls mit beweglichen Worten angeredet: Mein werthſter Pantoja / ich weiß es nicht allein / ſondern habe es auch ſattſam erfahren / wie verbindlich ihr euch gemacht habet: ja ich weiß es mehr als wohl / daß die Danckbar - keit der Tugend beſte Zierde ſey / und wo dieſe den Scepter fuͤhret / da koͤnne nichts als Seegen und Wolfarth bluͤhen. Daß nun dieſe Tugend den Ruhm eines gekroͤnten Hauptes um ein groſſes vermehre / ſolches will ich allerdings an euch erfuͤl - let wiſſen. Nach welcher Rede er an eine Thuͤ - re geklopffet hatte / aus welcher ſo fort eine ſchoͤne Princeßin / von unterſchiedenen Frauenzimmer begleitet / gekommen war / welche der Kaͤyſer bey der Hand genommen / und dem Printzen mit die - ſen Worten zugefuͤhret hatte: Hier nehmet tapf - ferer Fuͤrſt / dieſes Kleinod unſers Hofes / von mei - ner Hand / als ein hohes Zeugniß wahrer Danck - barkeit: und wie das Koͤnigreich Cambaya / Tan - naſſerey um ein groſſes uͤbertrifft / ſo nehmet es mit dieſer Princeßin zu einem Heyrath-Gut an. Jedoch daß ihr unſerm Reiche einverleibet und getreu verbleiben moͤget. Der Him̃el ſegne euch /und172Der Aſiatiſchen Baniſe. und die Goͤtter verleihen / daß durch beyderſeitige Erkaͤntligkeit / ein ſtetes Wohlergehen bluͤhe. Mein Printz hatte hier nicht gewuſt / ob ihm aber - mals traͤumte / oder ob es in der Wahrheit ſo ge - ſchehe / und weil er ſich nicht alſobald faſſen koͤn - nen / hat er ſich auff die Knie geſetzet / und geant - wortet: Es iſt zuviel / Großmaͤchtigſter Kaͤyſer und Herr / es iſt zu viel / daß dieſe Schuldigkeit / wozu mich meine Pflicht und der Goͤtter Vorſe - hung getrieben hat / zugleich mit einer Krone und einer ſo ſchoͤnen Princeßin / meines theils un - wuͤrdigſt / ſoll belohnet werden. Und weil ich nicht geſchickt bin / mich bey ſolcher Eil in ein ſo groſſes Gluͤcke zu finden; als bitte ich E. M. in Unterthaͤnigkeit / mir einige Tage Friſt zu erlau - ben / worinnen ich mich beſſer faſſen / und dieſes hohe Gnaden-Geſchencke mit gebuͤhrender Er - kaͤntligkeit annehmen koͤnne. So einen hohen Dienſt ihr mir ewieſen / waren des Kaͤyſers Ge - genworte geweſen / ſo einen groſſen Gefallen wer - det ihr mir auch erzeigen / wenn ihr dieſe meine danckbare Gnade alſofort gebuͤhrend erkennet / und von meiner Hand annehmet. Worauf ſich mein Printz nicht ferner zu widerſprechen getrau - et / dannenhero er / nicht wiſſende / wie ihm ge - ſchaͤhe / ſich der Princeßin genaͤhert / ihre Hand gekuͤſſet / und ſie kurtz angeredet: So nehme ich dann dieſes hohe Gluͤcke von der Hand eines ſo groſſen Monarchens mit Freuden an / und wie ich nicht zweiffele / es werde dero Schoͤnheit ſich demKaͤy -173Erſtes Buch. Kaͤyſerlichen Willen gleichfoͤrmig erzeigen / alſo befehle ich mich in dero Gunſt / und E. M. Gna - de / welche Worte ſie mit nichts als einigen Thraͤ - nen beantwortet / und auff des Xemindo Befehl ihn mit ihrem Bildniß beſchencket hatte / Printz Xemin aber hatte das Zimmer gar verlaſſen. Mittages muſten wir bey der Taffel bleiben / wo - bey ſich auch Printz Zarang von Tangu befand / welcher ſich eine geraume Zeit an dieſem Hofe aufgehalten / deſſen Urſache bey folgender Erzeh - lung ſoll erwehnet werden. Als ich nun in ober - wehntem Verhoͤr-Saal eine geraume Zeit auf - gewartet / ſahe ich endlich meinen Printzen mit gantz verwirrten Geſichte wieder in den Saal tre - ten / welches mich denn nicht wenig verwunderte / vielmehr aber betruͤbte. Wir wurden aber bald hierauf in ein ander Zimmer gefuͤhret / in welchem die Taffel in etwas von der Erden erhoͤhet / gede - cket war / und befand ſich Xemin und vorerwehn - ter Zarang Printz von Tangu darinnen. Dieſer letztere ſtellete ſich ſehr freundlich gegen meinen Printzen an / wuͤnſchete ihm Gluͤcke / ſo wohl we - gen der Errettung als auch der reichlichen Beloh - nung. So angenehm ſich aber Zarang zuthat / ſo murriſch ſtellete ſich hingegen Xemin / alſo / daß er auch meinen Printzen nicht einigen Wortes wuͤrdigte / ſondern ſeine Verachtung mercklich bezeigete. Worein wir uns gantz nicht zu finden wuſten / und meinte ich nicht anders / er zuͤrnete / daß man ſeinen Herrn Vater errettet / und ihmdie174Der Aſiatiſchen Baniſe. die Hofnung zur Krone geraubet haͤtte. Jn ſol - che Verwirrung wurde ich noch tieffer geſtuͤrtzet / als der Kaͤyſer vorige Princeßin bey der Hand ins Zimmer begleitete / und ſie meinem Printzen zufuͤhrete. Welches mich vollends in tieffſte Ver - wunderung ſetzte / weil ich noch nicht wuſte / was vorgegangen war. Der Printz ſahe beſtuͤrtzt aus / ſie aber verrieth ihr Mißvergnuͤgen durch haͤuffige Zaͤhren / biß wir endlich nach Morgen - laͤndiſcher Art auff koſtbare Teppichte uns zur Tafel niederſetzten / wobey ich gleichfals meinen Rang unten an beobachtete. Dieſes war nun eine ſeltzame Mahlzeit / wobey mehr Gemuͤths - Bewegungen / als Speiſen zu ſehen waren: wie - wohl auch an dieſen ein ſattſamer Uberfluß vor - handen. Der Kaͤyſer ſahe ſtets meinen Prin - tzen / und die Princeßin / welche bey einander ſaſ - ſen / mit bekuͤmmerten Augen an / mein Herr ſaß voller betruͤbten Gedancken / die Princeßin ver - goß mehr Thraͤnen / als ſie Speiſe zu ſich nahm / und Xemin / welcher der Princeßin gegen uͤber ſaß / gab ſein ſonderbahres Anliegen durch ſtetes Seufzen zu erkennen. Ja wenn nicht Zarang / welcher am vergnuͤgteſten zu ſeyn ſchien / ein und das andere mal meinen Printzen aufzumuntern geſucht haͤtte / ſo waͤre alles in ſolcher Stille zuge - gangen / weder bey ſo einer vornehmen Geſell - ſchafft nicht zu vermuthen geweſen. Jch hinge - gen / als aller Dinge unwiſſende / ſahe dieſem Schauſpiel voller Verwunderung zu / und hatmich175Erſtes Buch. mich der Weg von Pandior biß nach Pegu nicht ſo verlanget / als ich damahls das Ende der Mahl - zeit wuͤnſchte / um meinen Printzen bald alleine zu ſprechen / in Hofnung / er wuͤrde mir dieſen Zweif - fels-Knoten aufloͤſen. So bald nun die Tafel aufgehoben / ſchuͤtzte mein Printz einige Unpaͤß - ligkeit vor / und verfuͤgte ſich ohne einige Weit - laͤufftigkeit nach ſeinem Pallaſt. So bald er das Zimmer betreten / warff er Sebel und Rock von ſich / und gieng eine geraume Zeit voller Ge - dancken auf und ab / daß ich mich alſo nicht erkuͤh - nen durffte / ihn durch einiges begieriges Nachfra - gen zu beunruhigen / biß er endlich von ſich ſelbſt anfieng zu reden: O ihr betrieglichen Goͤtter / hub er an zu klagen / iſt dieſes die vorgeſtellte Schoͤn - heit / die ihr nur im Traume zu zeigen / nicht aber im Leben darzuſtellen vermoͤget. Jſt dieſes die beruͤhmte Princeßin von Pegu? Jſt dieſes die ſchoͤne Tocher des Koͤnigs Xemindo / von dero uͤberirrdiſchen Schoͤnheit das Geruͤchte faſt gantz Aſien begierig gemacht hat / ſie zu ſehen? O ſo darff ſich meine Schweſter vor begluͤckt achten / daß ſie dieſer gar gerne den Lorbeer aus der Hand reiſſet. Haͤttet ihr nicht meinen Geiſt durch eine traͤumende Schoͤnheit verunruhiget / ſo haͤtte ich einfaͤltig geliebet / und mich gluͤckſelig geachtet / daß ich ſo bald eine Braut mit einem Koͤnigreich uͤberkaͤme: ja ich haͤtte nicht gewuſt / worinn die wahre Schoͤnheit beſtuͤnde. Allein / nachdem es mir unmoͤglich faͤllt / das in dem Tempel zu Pan -dior176Der Aſiatiſchen Baniſe. dior erſchienene Bild aus meinem Hertzen zu reiſſen / ſo iſt es mir auch unmoͤglich etwas anders zu lieben / was nicht jene vollkommene Gleichheit meinen Augen vorſtellet. Auf derowegen / mein Scandor / hier iſt nicht laͤnger Zeit zu warten / weil der Goͤtter Rath auff was anders zielen muß / wel - ches zu ſuchen und anzutreffen / mein Geiſt nicht eher / denn in dem Grabe / ruhen wird. Dieſes war mir nun eine gantz unangenehme Zeitung / indem ich mich auch in meinem Vaterlande nicht zu verbeſſern wuſte. Derowegen forſchete ich erſt / was in dem innern Zimmer vorgegangen war / wornach ich denn mein Einreden richtete. Gnaͤdigſter Herr / ſagte ich / wie koͤnnen ſie ſich den Schatten eines Traumes ſo feſte einbilden? Vielleicht haben die Goͤtter durch die traͤumende Schoͤnheit / welche dieſer Princeßin abgehet / das anhangende Heyrathsgut / als das Koͤnigreich Cambaya / bedeuten wollen: angeſehen eine Cro - ne in aller Menſchen Augen das ſchoͤnſte Geſich - te weg ſticht. Denn jene iſt beſtaͤndig und maͤch - tig genung / ſich ſelbſt zu erhalten / dieſe aber kan durch ein geringes Fieber verzehret werden. Zu dem muß ich doch auch geſtehen / daß dieſe Prin - ceßin / meiner Einfalt nach / noch wol liebens wuͤr - dig ſey. Ach / antwortete der betruͤbte Printz / welche ſich indeſſen auff das Bette geworf - fen hatte / ſie iſt nur ein Schatten gegen jenem Traume. Denn wie jener Alabaſterne Stirne durch die liechten Locken um ein groſſes erha -ben177Erſtes Buch. ben ward: alſo mißfallen mir an dieſer nicht we - nig die roͤthlich-ſcheinenden Haare / welche nicht ſelten einen boͤſen Sinn verrathen. Und wie jenes Angeſichte durch eine runde Geſtalt ſeine anmuthige Vollkommenheit darſtellete: alſo - berſchreitet dieſes durch einige Laͤnge die Grentzen der Schoͤnheit. Jhre Augen ſind zwar mehr ſchwartz als blau / iedoch ſind ſie nur wie ausge - leſchte Kohlen / bey denen ſich kein Schwefel der Liebe entzuͤnden kan. Jhre Lippen ſind zwar Co - rallen ohne Magnet / und ihre Wangen ein mit Roſen allzu haͤuffig uͤberſtreutes Feld. Jn Sum - ma / es mißfaͤllet mir etwas an ihr / welches ich ſelber nicht verſtehe noch ſagen kan J. hre Freund - ligkeit iſt mir zu wider / und ihr Schoͤnſtes komt mir verdrießlich vor / ob ich ſie gleich nur kurtze Zeit betrachten koͤnnen. Weßwegen ich denn lieber alle Cronen entbehren / ja ſterben / ehe ich mir das Heyraths-Band zu einer Sclaven-Kette ma - chen wil. Dieſem kraͤfftigen Einwurffe und feſtem Vorſatze befand ich mich damals zu ſchwach / gnugſam zu widerſtehen: Dahero es mir ſehr gelegen war / als ſich der General Ran - guſtan / und gegenwaͤrtiger Herr Talemon / da - maliger Reichs-Schatzmeiſter / anmeldeten / wel - che der Printz alſobald vor ſich ließ. Dieſer Ran - guſtan war nun eben derjenige Ritter / welchem wir nebſt dem Xemindo das Leben erhalten hat - ten / dahero er noch den Arm in einer Binde tra - gen muſte / und ſich an unterſchiedenen Fleiſch -MWun -178Der Aſiatiſchen Baniſe. Wunden nicht allerdings wolauff befand. Die - ſer legte bald anfangs eine Danckſagung vor er - wehnte Lebens-Rettung ab / und erhub abermals meines Printzen Tapfferkeit biß an den Himmel / daß ihm auch endlich der Printz hierinnen Ein - halt thun muſte. Der Herr Talemon aber ve - ſuchte uns Amts halber / indem ihm unſere Ver - pflegung von dem Kaͤyſer anbefohlen war. Und weil er bey waͤhrender Auffwartung uͤber der Mahlzeit die ſonderbare Verwirrung meines Printzen gleichfals bemercket hatte / ſo ware er be - gierig / deſſen Urſache zu vernehmen / welches ihm aber der Printz nicht eher entdeckte / biß Rangu - ſtan nach Hofe erfordert / und Talemon alſo bey uns allein gelaſſen wurde. Dieſer kunte ſich nun nicht enthalten / alſobald den Printzen anzureden: Wie? nunmehro Koͤnig von Cambaja / kan ein ſo maͤchtiges Koͤnigreich und ſo eine ſchoͤne Braut nicht maͤchtig genung ſeyn / ein betruͤbtes Gemuͤ - the auffzurichten? Oder iſt hieraus unſers Groß - maͤchtigſten Kaͤyſers Danckbarkeit noch nicht genug zu ſpuͤhren? Mein Printz hoͤrete dieſe ver - weißliche Frage mit gedultigen Ohren an / beant - wortete ſie aber dergeſtalt: Mein Herr Schatz - meiſter / ich erkenne mich freylich dieſer Princeßin unwuͤrdig / und haͤtte mich deſſen nimmermehr verſehen / daß ich durch meine geringe Dienſte / nicht ſo wol einen Koͤniglichen Thron beſteigen / als auch eines ſo groſſen Monarchens Eydam werden ſolte. Allein / ſaget mir von Grund eu -res179Erſtes Buch. res Hertzens / ob mein Betruͤbniß zu tadeln ſey / wenn ich keine Gegen-Liebe verſpuͤre / und von dem Cron-Printzen mit ſchelen Augen angeſehen werde? Wie nun ſolcher Liebes-Zwang nur ie - derzeit Wermuth im Munde / und Eckel im Her - tzen mit ſich fuͤhren wird / alſo ſcheinen mir aus des Printzen Geſichte lauter gefaͤhrliche Cometen / deren Bedeutung erſt nach des Herrn Vaters Tode auff meinen Kopff fallen moͤchte. Tale - mon verſpuͤrte des Printzen Jrrthum / iedoch wolte er ſich nach Art kluger Hofe-Leute nicht all - zu geſchwinde bloß geben / ſondern hub einen weit - laͤufftigen Diſcours von der Landſchafft Tan - naſſery an / alſo / daß mein Printz genung zuthun hatte / gebuͤhrende Antwort zu geben. Denn weil er in ſeiner Jugend Siam durchreiſet / und ſich auch einige Zeit an dem Hofe zu Tannaſſery auf - gehalten hatte / ſo wuſte er mehr zu fragẽ / als mein Printz zu antworten. Ja als Talemon fortfuh - re / nach der Stamm-Linie der Tannaſſeriſchen Regenten zu forſchen / gab mir der Printz einen Winck / dieſen Diſcours zu unterbrechen. Jch ſaß ſelber wie ein Feuer / und wuſte in der Angſt nichts zu ſagen / als daß ich fragte: Ob der Herr Schatzmeiſter auch eine feine Gemahlin haͤtte? Wie kommt dem Herrn dieſe Frage in Sinn? antwortete er laͤchelnde: ich will nicht hoffen / daß dieſe Frage einige Bedeutung nach ſich ziehen werde. Nach dieſem verließ er mich / und wen - dete ſich wieder zum Printzen / welcher ſich ſchlaf -M 2fende180Der Aſiatiſchen Baniſe. fende anſtellte. Als er aber nach einer halben Stunde die Augen wieder aufſchlug / verfolgte ihn Talemon mit dieſer Rede: Gnaͤdigſter Herr / ſie verzeihen meinem Vorwitz / welcher vielleicht zu ihrem beſten angeſehen iſt. Ja ich ſage / daß es dero eigne Wohlfarth erfordert / mich in die Zahl derer vertrauten Diener auffzunehmen. Sie vermercken es demnach in hohen Gnaden / wenn ich zwar aus deren angebohrnen Majeſtaͤt eine hohe Perſon muthmaſſe: allein daß ſie ein Printz aus Tannaſſery ſeyn ſolten / ſolches dero Wiſſenſchafft verneinen / und mir heimlichen Beyfall geben laſſe. Denn mir einig und allein an dieſem Hofe iſt bekandt / wie der letzte ungluͤck - liche Printz Pantoja in Tannaſſery von ſeiner boßhafften Stieffmutter mit Gifft vergeben wor - den / in Meynung ihrem ſechs jaͤhrigen Sohne den Thron vorzubehalten / welcher aber nach 2. Jahren im Tode folgete / und alſo der gantze Stamm / biß auff den alten Vater / mit welchem auch die Hofnung zu einigen Erben zu Grabe ge - het / abgegangen iſt. Dahero ſo unmoͤglich / als ſie nun ein Printz von Tannaſſery ſeyn koͤnnen / ſo gewiß und unfehlbar ſchlieſſe ich / daß ſie aus wichtigen Urſachen an dieſem Hofe ihren hohen Stand verdecken / und ſich unbekandter Weiſe aufhalten wollen. Wie nun ſolches bisweilen eine kluge Staats-Vorſicht erfodert / alſo iſt es zu - gleich hochnoͤthig / ſich ingeheim auffrichtige Freunde zu ſchaffen / welche aus Erfahrung inde -181Erſtes Buch. deren Angelegenheiten mit Rath und That die - nen / und ihre Anſchlaͤge erſprießlich befoͤdern koͤn - nen. Wollen nun E. M. in meine wenige Per - ſon / welche bereits in Koͤnigl. Dienſten 32. Jahr getreu geweſen / einiges Vertrauen ſetzen / ſo gelo - be ich alle / iedoch meinem Kaͤyſer unſchaͤdliche / Treue und Aufrichtigkeit. Ja ich ſchwere bey al - len Goͤttern und verſpreche an Eydes ſtatt / nicht allein deren Stand in geheim zuhalten / ſondern auch E. M. in ietzigem verwirrten Zuſtande der - maſſen treulich beyzuſtehen / und ſolche Geheim - niſſe zu entdecken / welche ſie hoch nothwendig wiſ - ſen muͤſſen / daß ich mich deſſen lebenslang um E. M. werde zu erfreuen haben. Hier fand ſich nun der Pꝛintz deꝛmaſſen betꝛeten / daß er theils an - fangs verſtummte / theils auch ſich uͤber die Klug - heit des Talemons verwundern muſte / und in - dem er ſein hohes Betheuren hoͤrte / auch iederzeit eine ſonderbahre Zuneigung gegen dieſen Mann in ſich verſpuͤhrte hatte / ſo brach er endlich in dieſe Worte heraus: Weil ich mich denn durch eure Klugheit verrathen ſehe / ſo traue ich eurer Auff - richtigkeit. Wiſſet demnach / daß ich ein Kron - Printz aus Ava bin / welchen die Grauſamkeit des Vaters / und die Boßheit des Bramaniſchen Koͤ - niges Chaumigrems / welcher ſich eine geraume Zeit an ſelbtem Hofe auf gehalten / gezwungen hat / ſein Gluͤcke durch Verſtellung anderwerts zu ſuchen / und wie mir die Goͤtter zu Pandior nach Pegu gerathen / und mir allda meine Ver -M 3gnuͤ -182Der Aſiatiſchen Baniſe. gnuͤgung verſprochen / ſo bin ich nicht wenig be - ſtuͤrtzt / wenn ich deren Außſpruch auf widrige Art erfuͤllet ſehe. Denn ihr ſolt ferner wiſſen / nun - mehro vertrauter Talemon / daß ich mein Ver - gnuͤgen nicht in Land und Leuten ſuche / als wel - ches mir die Goͤtter nach meines Vaters Tode an dem maͤchtigen Koͤnigreiche Ava ſattſam ſtillen werden: ſondern es haben mir die Goͤtter in dem Tempel Pandior eine Schoͤnheit im Traum vor - geſtellet / und mich ſolche zu ſuchen angereitzet / daß ich mir nicht getraue / laͤnger dieſe Zeitligkeit zu ge - nieſſen / wo nicht eine Gleichheit dieſes naͤchtlichen Geſichtes ſich von mir finden laͤſt. Großmaͤch - tigſter Printz / antwortete Talemon hierauff eh - rerbietigſt / ich erkenne ihren Jrrthum / und mercke ihr Mißvergnuͤgen: ſo haben ſie ſich denn die Helffte gerathen / indem ſie mir den wahren Zu - ſtand ihrer hohen Perſon entdecket. Die Prin - ceßin nun / womit unſer Kaͤyſer ſeine Danckbar - keit zu bezeigen vermeinet hat / iſt nicht deſſen Tochter / wie der Printz in den irrſamen Gedan - cken ſtehet / ſondern eine Princeßin von Savady / welches Land als ein Lehnreich von Pegu ver - wichener Jahre der Tyrann von Brama / als des Chaumigrems Bruder mit tauſend drey hun - dert Schiffen zu Waſſer belagert / eingenommen / den Koͤnig gefangen / und dieſe Princeßin verja - get / welche ſo dann ihre Zuflucht zu unſerm Hofe genommen / und ſich einige Zeit als eine Geſpielin / der Durchlauchtigſten Baniſen / Erb-Princeßinvon183Erſtes Buch. von Pegu / hier auffgehalten hat. Dieſen Be - richt hoͤrte mein Printz mit auffmerckſamen Oh - ren an / und wurde begierig / durch vieles Fragen alle Umſtaͤnde zu wiſſen. So iſt dieſes nicht die ſchoͤne Princeßin von Pegu / von welcher gantz Aſien zu ſagen weiß? Nein / dieſe iſt es nicht / antwotete Talemon / ja hier unter der Ro - ſe / ſie iſt nicht ein Schatten gegen jenem Liechte zu rechnen: und weil ſie ſich gar ſelten ſehen laͤſſet / auſſer wenn es der Kaͤyſer ihr Herr Vater befieh - let: ſo hat es auch heute gefehlet / daß ſie nicht bey deꝛ Tafel erſchienen: Hier muſte nun Talemon ihre gantze Geſtalt beſchreiben / welches den Printzen in ſolche vergnuͤgte Verwunderung ſetzte / daß er uͤberlaut ausrieff: O ihr guͤtigen Goͤtter / verge - bet mir das in euch geſetzte Mißtrauen / welches die Ungedult / als aller Verliebten ſtete Begleite - rin / in mir verurſachet hat. Dieſe / ach ja dieſe Schoͤnheit iſt es / an welcher ihr eure Bildungs - Kunſt erweiſen / und mit eurem Meiſterſtuͤcke ge - gen mich prangen wollen. Wie artig wiſſet ihr eure Worte zu erfuͤllen? Es wird ein fremdes Bild ſo Aug als Liebe blenden: lautete der ver - deckte Ausſpruch / ach ſo laſſet doch auch das fol - gende ſeine gluͤckliche Erfuͤllung erreichen / weñ ihr verſprechet / ich ſolte endlich die Ruhe finden. Al - lein / fuhr er fort / den Talemon zu fragen / wie daß ſich denn der Printz Xemin ſo widerſinniſch an - ſtellet / wie wird denn derſelbe durch mich beleidi - get? Hierunter ſtecket / antwortete Talemon /M 4ein184Der Aſiatiſchen Baniſe. ein ſonderbahres Geheimniß. Denn erwehn - ter Printz hat ſich in die Princeßin von Saava - dy unſterblich verliebet / und gehet mit dem feſten Vorſatz ſchwanger / ſie dermaleins auff den Thron von Pegu neben ſich zu ſetzen / welchem aber der Wille des Herrn Vaters durchaus nicht beypflichtet / weil ſie vors erſte eine Vaſallin von Pegu iſt / vors andere / ſich Pegu mit Siam durch eine Heyrath des Printzens mit der Princeßin Fylane verbinden ſoll. Dieſes gedencket nun der Kaͤyſer kluͤglich hintertrieben zu haben / wenn er die Princeßin von Saavady anderwerts ver - maͤhlet / und dem Sohne alle Hofnung / ſie zu er - langen / raubet. Wie / fragte mein Printz / ſolte ſie wohl ſo thoͤrlich handeln / und den Thron von Pegu ausſchlagen? Warum ſtellet ſie ſich denn ſo betruͤbt an / da ſie weder mich noch den Verluſt des Printzen von Pegu beweinet? Die Gemuͤ - ther der Menſchen / erwiederte Talemon / ſind un - terſchiedlich / indem manches die Liebe Cron und Thron vorzeucht. Und dieſes thut faſt die Prin - ceßin von Saavady / indem ſie ſich vergnuͤgter einbildet / den geringen Thron von Tangu zu be - ſitzen / weil die Perſon des Printzen Zarang ihre Augen und Hertz dermaſſen eingenommen / daß ſich auch die gantze Welt vergebens bemuͤhen wuͤrde ſie von dieſer Liebe abzuziehen. Wiewohl ihre Unempfindligkeit gegen dem Xemin ſattſam gerochen wird / indem ſie gleichfals von dem Za - rang keiner Gegen-Liebe gewuͤrdiget wird. Undwas185Erſtes Buch. was verhindert / fragte mein Printz ferner / denn den Zarang an ſolcher Gegen-Liebe? Die ſchoͤne Princeßin von Pegu / antwortete Talemon. U - ber welchen Worten mein Printz dermaſſen er - ſchrack / daß er gantz aus ſich ſelber zu ſeyn ſchiene / und wuͤrde er eine neue Klage angeſtimmet ha - ben / wenn nicht Talemon fortgefahren / und ihm getroͤſtet haͤtte: Er liebet ſie hefftig / ſagte er: ſo ungluͤcklich aber Printz Xemin gegen die Prin - ceßin von Saavady / und hingegen dieſe gegen den Printz Zarang iſt / ſo ungluͤcklich / ja weit ungluͤck - licher iſt Zarang gegen unſere Princeßin Baniſe. Denn ob ihm gleich die Gnade und Gewogen - heit unſers Kaͤyſers nicht wenig zu ſtatten koͤmmt / ſo iſt doch ihr nicht ſo wohl ſeine Perſon / als auch ſeine viele Untugenden / die er durch Hochmuth / Ruhmraͤtigkeit / vieles Sauffen / und auch kund - baren Unzucht oͤffters mercken laͤſt / dermaſſen zu - wider: daß ſie lieber eine Schlange als deſſen Gegenwart erdulden kan: wiewohl ſie der vaͤ - terliche Befehl zwinget / ſich von ihm bedienen zu laſſen. Sie wendet zwar vor / weil Tangu auch ein Lehnreich von Pegu waͤre / warum ſie weni - ger als ihr Bruder / Printz Xemin / ſolte geachtet ſeyn / welchem die Liebe gegen die Princeßin von Saavady deswegen unterſaget wuͤrde / weil ſie eine Vaſallin waͤre. Nun waͤre ja Zarang auch ein Vaſall: warum wuͤrde es ihr denn nicht er - laubet / ſich dem Kaͤyſerlichen Willen gleichfals gemaͤß zu bezeigen? Allein der Kaͤyſer ſchuͤtzetM 5ſolche186Der Aſiatiſchen Baniſe. ſolche Staats-Urſachen vor / welche auf eine bloſ - ſe Zuneigung gegen den Zarang auslauffen / daß auff ſolche maſſe die arme Princeßin nicht wenig geqvaͤlet wird. Und alſo haben ſie das gantze Raͤtzel unſers verliebten Hofes aufgeloͤſet / nach welchem ſich denn mein Printz richten / und ſich meiner wenigen / doch getreuen Dienſte dabey ver - ſichern kan. Jſt das nicht ein verwirrtes Liebes - Spiel / hub mein Printz hierauff an / da ſo viel Perſonen lieben / zugleich haſſen / und doch keines vergnuͤget wird. Ja was verwunderlicher / ſo werde ich auch in dieſes Spiel mit eingeflochten: helffet derowegen ihr guͤtigen Goͤtter / daß ich in dieſem Kampffe den beſten Krantz davon trage. Jmmittelſt werdet ihr / mein werthe - ſter Talemon / bedacht leben / alles was vorge - het / mir genau zu hinterbringen. Jch verſiche - re euch voͤllige Gnade und reiche Belohnung. Nach einigen Tagenward uns von dem Kaͤyſe r Erlaubniß zugeſchicket / unſere Vergnuͤgung in dem Kaͤyſerlichen Luſt-Garten zu ſuchen / welches denn meinem Printzen ſehr angenehm war / weil er von dem Talemon beꝛichtet ward / daß die Pꝛin - ceßinnen denſelben oͤffters beſuchten. Dannen - hero / als wir eines Tages verſtaͤndiget worden / daß ſich Xemindo mit denen Princeßinnen im Garten befinden wuͤrde / legte mein Printz einen von gꝛuͤnen Atlaß mit Golde reichlich duꝛchwuͤrck - ten Rock an / ſetzte einen kuͤnſtlich-gewundenen Bund / an welchen einige Federn von dem Sine -ſiſchen187Erſtes Buch. ſiſchen Sonnen-Vogel / durch ein koſtbares Klei - nod geheftet war / auf ſein Haupt: der rechten Bruſt hieng er der Princeßin von Saarady Bild - niß an / und ſeinen mit Diamanten reichlich ver - ſetzten Sebel vermittelſt einer guͤldenen Ketten um den Leib / welches ihn dermaſſen anſehnlich mach - te / daß es anders unmoͤglich war / ein Frauenzim - mer muſte ſich in ihm verlieben. Hierauff ver - fuͤgten wir uns nach dem Garten / welcher zur Seiten des Schloſſes / und in drey Theile abge - theilet war. Die erſte Abtheilung ſtellete einen gewaltig-ſchoͤnen Baum-Garten vor / welcher ei - nem anmuthigen Luſtwalde nicht unaͤhnlich war / in deſſen Mitten gab es einen Teich / auf welchem Schwanen / Reiher und Enten herum ſchwam - men. Die andere Abtheilung beſtund in einem Zier-und Luſt-Garten / in demſelben war alles anzutreffen / was die Natur und Kunſt hervor zu bringen faͤhig war. Hier ſprang ein kuͤnſtliches Waſſer / dort bluͤhete ein rares Gewaͤchſe / und war alles in ſo verwunderliche Ordnung einge - theilet / daß ich nicht glaube / daß ſeines gleichen in Aſien mehr ſey. Welches denn um ſo viel - mehr zu bejam̃ern / daß dieſer herrliche und recht Koͤnigl. Luſt-Garten ſonder Zweiffel bey verwi - chenen allgemeinen Landverderben wird zerſtoͤret worden ſeyn. Das dritte Theil dieſes Gartens war mit einer hohen Mauer abgeſondert / hinter welchem einige fremde Thiere aufbehalten wur - den. Als wir nun den Baum-Garten betreten /und188Der Aſiatiſchen Baniſe. und deſſen zierliche Pflantzung der Baͤume be - trachteten / indem immer eine Reihe Pomeran - tzen-Liemonien-Dattel - und Oel-Baͤume / nebſt andern fremden Gewaͤchſen / wechſels-weiſe geſe - tzet waren / ſo hoͤrten wir zur Seiten eine Perſon ſingen / welche durch ihre beweg-und klaͤgliche Stimme ihr hefftiges Leiden ſattſam zu erkennen gab / da wir bey Annaͤherung folgende Worte vernahmen:

1.
Gute Nacht / ihr harten Sinnen /
Gute Nacht / du Felſen-Hertz.
Soll mein Hoffnungs-Wachs zerinnen?
Jſt mein Lieben nur dein Schertz?
Ey ſo will ich dir beyzeiten /
Eine gute Nacht andeuten.
2.
Diamanten muͤſſen ſpringen /
Wenn ſie ſchlechtes Bocks-Blut kuͤhlt:
Und ein Tyger laͤſt ſich zwingen /
Daß er mit dem Menſchen ſpielt.
Hier muß Diamant und Tyger /
Dich erkennen als Beſieger.
3.
Stahl muß weichen / Gold muß flieſſen /
Wenn es nur die Glut beſeelt:
Und durch oͤffteres Begieſſen /
Wird der Stein gleich ausgehoͤhlt.
Aber du wilſt dich erweiſen /
Mehr zu ſeyn als Stein und Eiſen.
4. Du189Erſtes Buch.
4.
Du verachteſt meine Thraͤnen /
Du verlacheſt meine Treu:
Jch darff niemals faſt erwehnen /
Wie mein Geiſt entzuͤndet ſey.
Alſo koͤnnen ſelbſt die Zeiten /
Nicht den harten Sinn beſtreiten.
5.
Wider das Verhaͤngniß leben /
Jſt den Menſchen nicht erlaubt:
Harte Eichen widerſtreben /
Biß der Blitz die Haͤrte raubt.
Darum huͤte dich / du Schoͤne /
Daß die Reue dich nicht kroͤne.
6.
Zwar ich will dich gerne goͤnnen /
Dem / dem du dich zugedacht:
Wirſt du dich verbeſſern koͤnnen /
Sag ich willig gute Nacht!
Doch wenn es dich wird gereuen /
Wird der Himmel mich erfreuen.

Welche letztere Worte von einem tieffen Seuff - zer begleitet / und wir in ſorgſames Nachdencken verſetzet wurden: Wer doch immer ſolche Ab - ſchieds-Gedancken hegete. Solches aber zu er - fahren / und aufzupaſſen / haͤtte uns moͤgen vor ei - nigen Vorwitz ausgedeutet / und als Fremden veruͤbelt werden / dahero wir uns ſo fort zuruͤcke / und nach dem innern Garten begaben / und weil kurtz hernach Printz Xemin hinter uns folgete / ſomuth -190Der Aſiatiſchen Baniſe. muthmaßten wir bald / daß er die betruͤbte Stim - me muͤſſe geweſen ſeyn. Weßwegen denn mein Printz ſagte: Armſeliger Printz / ich meines theils wuͤnſche dir von Hertzen die Vergnuͤgung / welche du in Beſitzung der Princeßin von Saa - vady zu haben vermeineſt / ich ſchwere dir / keinen Eintrag zu thun / ſondern wuͤrde mich vielmehr begluͤckt und verpflichtet achten / wenn ich durch dich einer ſolchen verdrießlichen Liebe uͤberhaben wuͤrde. Unter dieſen Reden gelangeten wir in den Luſt-Garten / worinnen unſere Augen ſo viel zu ſehen vor uns fanden / daß wir vermeinten / in ein irrdiſch Paradieß zu kommen. Wir ſahen niemand in dem Garten / muthmaſſeten doch / daß ſie ſich wol vor der Sonnen-Hitze / in denen bedeckten Spatzier-Gaͤngen aufhalten wuͤrden. Als wir aber faſt die Mitten / allwo ein herrliches Luſt-Haus ſtund / erreichet hatten / wurden wir die Princeßin von Saavady hinter uns gewahr / welche wir im Vorbeygehen wegen vieler Auff - merckſamkeit uͤberſahen / und weil ſich Printz Xe - min bereits bey ihr eingefunden / ſo wolte mein Printz nicht erſt wieder umkehren / ſondern ſtellte ſich an / als ſaͤhe er ſie nicht / dahero wir uns iemehꝛ und mehr unter die erhabenen Gewaͤchſe bega - ben / hinter welchen wir ſie / ſie aber nicht uns / be - mercken kunten. Hier ſahe ich nun mit Luſt / mein Printz aber mit ſonderbahrem Mitleiden zu / wie ſich der arme Xemin vergebens bemuͤhte / ihre Gunſt nur durch ein geringes Zeichen zu erlangen. Jhre191Erſtes Buch. Jhre Augen waren von ihm abgewandt / und ob er ſich gleich ſtets mit Reden zu unterhalten ſchien / ſo erhielie er doch keine Antwort / ſondern ſie ſtell - te ſich / als ob ſie mehr Achtung auff die Blu - men / als ſeine Worte gaͤbe / dahero ſie denn nur durch Singen ihre vertieffte Gedancken zu erkennen gab. Als ſie ſich aber uns naͤherten / ver - fuͤgten wir uns weiter nach einem langen und of - fenen Spatzier-Gang / welchen wir auszugehen erwehlten. Wir hatten kaum zehn Schritte fort - geſetzet / ſo erhub ſich ein hefftiges Geſchrey hinter einem kleinen Roſen-Gebuͤſche / in kurtzem aber ſahen wir zur Seiten den Kaͤyſer / und den Printz Zarang nebſt unterſchiedenen Frauenzimmer voller Schrecken und Angſt lauffen / daß wir alſo nicht wenig erſchracken / indem wir keine Urſache ſolcher aͤngſtlichen Flucht ſahen oder wuſten. Wir wolten gleichfalls umkehren / und dem Kaͤy - ſer entgegen eilen / ihm auff allen Nothfall beyzu - ſtehen / ſiehe o wunderliches Schickſal des Him - mels! ſo lieff uns die ſchoͤnſte Schoͤnheit voller Angſt und Schreyen entgegen / weil ſie ein grau - ſames Panterthier / welches aus Nachlaͤßigkeit des Thier-Gaͤrtners durch ein Gatter geriſſen / und alſo in den Luſt-Garten kommen war / ver - folgte. Mein Printz waͤre entzuͤckt ſtehen geblie - ben / wenn ich ihn nicht eilend erinnert haͤtte / die Princeßin in ſo augenſcheinlicher Lebens-Gefahr zu retten. Worauff ſich mein Printz ermunterte / und ihr mit bloſſem Sebel entgegen eilte. Wie erdenn192Der Aſiatiſchen Baniſe. denn zu hoher Zeit ankam / indem das grimmige Thier bereits die Tatze hinten in ihren Rock ein - geſchlagen / und zur Erden zu reiſſen bemuͤhet war. Der Printz wuſte in der Angſt nicht / ob er hauen oder ſtechen ſolte / derowegen er einen Stoß nach dem Thiere fuͤhrete / welcher in ein Auge gerieth / und ihm ſo hefftig ſchmertzte / daß es die Princeſ - ſin verließ / um dieſen Stoß an meinem Printzen zu raͤchen / und ihn ſo grauſam anfiel / daß es ihm den Bund vom Kopffe riß. Jch lieff demnach auch herbey / meinen Herrn zu retten / ehe ich aber herzu kam / hatte er ihm bereits durch einen ge - waltigen Hieb das Haupt geſpalten / daß es todt zur Erden ſtuͤrtzte. Jndeſſen lag die ſchoͤne Blu - me / die Princeßin / ſage ich / in dem Graſe in einer tieffen Ohnmacht / dahero mein Printz alſobald den blutigen Sebel wegwarff / und ſich neben ſie auff die Knie ſetzte / auch durch ſanfftes Schuͤt - teln ſie zu ermuntern trachtete. Hier lag nun die Roſe / welche alle Schoͤnheit des Gartens uͤber - traff / mein Printz verwendete kein Auge von ihr / und ſagte heimlich: Diß iſt der Goͤtter Schoͤn - heit / die ſie mir zu Pandior gewieſen. Endlich haͤtte es nicht viel gemangelt / daß nicht der Printz neben ſie ins gruͤne Graß geſuncken waͤre / ſo ſehr hatte ihn Liebe / Verwunder - und Beſtuͤrtzung eingenommen. Endlich eilte der Kaͤyſer / Zarang und das Frauen-Zimmer / gantz erſchrocken her - bey / und vermeinten nicht anders / weil der Schweiß des Panthers hin und wieder das Graßge -193Erſtes Buch. gefaͤrbet / die Princeßin ſey bereits erwuͤrget / und nur ihr Tod gerochen worden; dannenhero ſich ein ſolches Zeter-Geſchrey erhub / daß es weit er - ſchallete. Xemindo fiel neben ſie nieder / Printz Zarang ſtund als ein Stock / Xemin und die Fr. von Saavady kamen endlich auch dazu / mein Printz ſaß unbeweglich / und hatte ſeine Au - gen an ihre Wangen gehefftet / ja das Frauen - Zimmer beweinte ſie als todt / und ich glaube / die - ſes unnoͤthige Trauer-Geſchrey haͤtte noch nicht ſeine Endſchafft erreicht / wenn ich ihnen nicht den gantzen Verlauff berichtet haͤtte / wie die Princeſ - ſin nur vom Erſchreckniß in eine Ohnmacht ge - rathen / und gantz unbeſchaͤdiget waͤre / worauff ſie ſich allerſeits wieder zu faſſen begunten. Der Kaͤyſerliche Herr Vater hub ſie mit thraͤnenden Augen auff / und legte ſie meinem Printzen in die Schoß / welcher dahero noch entzuͤckter / und mehr einem Bilde als einem Menſchen gleich wurde. Als ſie nun mit koͤſtlichem Balſam beſtrichen / und durch friſches Waſſer etwas erqvicket war / ſchlug ſie die holdſeligen Augen auf / und wuſte nicht / wo ſie war. Endlich / als ſie ſich etwas maͤchtiger befand / richtete ſie ſich vollend auff / und ſetzte alle Anweſende in eine ungemeine Freude. Printz Za - rang aber ließ ſeine Eyferſucht aus den Augen blicken / da es ihm doch eben ſo wohl freygeſtanden ſich auff dergleichen Art um die Princeßin ver - dient zu machen / wenn es ſeine furchtſame Tapf - ferkeit zugelaſſen haͤtte. Nachdem es ſich nunNvoͤllig194Der Aſiatiſchen Baniſe. voͤllig mit der Princeßin gebeſſert hatte / betrach - teten ſie insgeſamt den grauſamen Panther / wel - cher auch noch im Tode entſetzlich war / weswe - gen ſich denn der Kaͤyſer zu meinem Printzen wendete / und ihn mit der freundlichſten Umar - mung alſo anredete: Allerwertheſter Pantoja / ſo haben euch denn die Goͤtter hergeſchicket / mein Leben zu erhalten / und dieſes mein liebſtes Kind mir auffs neue wieder zu ſchencken? wodurch ihr mich zu freyer Bekaͤntniß zwinget / daß / ob mir zwar die Goͤtter auſſer der Unſterbligkeit alles moͤglich zu machen / erlaubet / mir es dennoch an vollkommener Danckbarkeit ermangeln will / wo - mit ich euch dieſe unvergleichlichen Helden-Dien - ſte ſattſam belohnen koͤnne. So nehmet denn von mir dieſen Kuß / und von der Princeßin Baniſe eine muͤndliche Danckſagung / als ein Zeichen hoͤchſter Danckbegierigkeit an: ja weil ich nichts erſinnen kan / womit Pegu ſeine Erkaͤntligkeit koͤnne darthun / ſo ſoll euch eine freye Bitte erlau - bet / und ſolche auch mit der Helffte meiner Crone gewehret werden. Nach dieſem eroͤfnete die him̃ - liſche Baniſe ihre Roſen-Lippen / und ſagte zu mei - nem Printzen: Tapfferer Pantoja! ob ich mich zwar nicht wenig beſchaͤmt finde / daß ich einem fremden Manns-Bilde in den Armen befunden worden / ſo wird doch ſolche Scham durch euer ho - hes Verdienſt gaͤntzlich getilget / und wie ich euch lebenslang vor meinen Erloͤſer halten werde / alſo habet ihr euch auch aller anſtaͤndigen Gnade vonmir195Erſtes Buch. mir zuverſichern Dieſe Zuckerworte wurffen meinen Printzen zu der Erden / daß er mit den ver - liebteſten Geberden den Saum ihres Rockes kuͤſte / und mit ſchwacher Stimme antwortete: Großmaͤchtigſter Kaͤyſer / Uberirrdiſche Prin - ceßin! Jch als ein geringes Werckzeug der Goͤtter bin viel zu unwuͤrdig / ſothaner hohen Gnade / wo - mit mich deꝛo hohe Fꝛeygebigkeit uͤbeꝛſchuͤttet Jch habe gethan / was meine Pflicht erfodeꝛt / und wor - zu mich der innerliche Trieb / in dero Dienſten zu ſterben / anfuͤhret. Jch bitte nichts mehr / als ein gnaͤdiges Auge / und freyen Zutritt / ſo wird mir iederzeit die Wohlfarth dieſes hohen Hauſes auf meine Seele gebunden ſeyn. Worauff ihm die Princeßin ihre Hand zum Kuſſe / als ein Zeichen hoher Gnade / darreichte / und nebſt dem Kaͤyſer den Garten verließ. Von dieſer Stunde warff Zarang einen toͤdtlichen / doch unverſchuldeten Haß / auff meinen Printzen / und verlohr ſich bald hernach zugleich aus dem Garten. Printz Xe - min aber / nebſt der Princeßin von Savady / und dem andern Frauenzimmer / blieben zuruͤcke / und wolten bey den Blumen ihre geaͤngſteten Kraͤffte wieder erholen: als mein Printz voller Gedan - cken ſich nach einer Gallerie begab / in welcher er ſeineꝛ Liebe voͤllig den Zaum wolte ſchlieſſen laſſen / daher ich ihn denn nicht verſtoͤren / ſondern allein laſſen wolte. Jch gieng indeſſen gleichfals mei - nem Willen nach / und betrachtete das Peguani - ſche Frauenzimmer / welches mich zu ſich rieff / undN 2mich196Der Aſiatiſchen Baniſe. mich in ihre beliebte Geſellſchafft mit auffnahm. So angenehm mir nun dieſes war / ſo verdrießlich hingegen fiel mir die Gauckeley / welche ſie als Luſt-Spiele zu ihrer Zeit-Vertreibung anfien - gen / und mich hierzu mit einſchloſſen / biß mich endlich eine von dieſem Frauenzimmer erledigte. Dieſe / weil ich nicht uͤbel gekleidet / auch noch ſonſt anſehnlich gnung war / hatte ſich vielleicht vorge - nommen einen Fuchs der Liebe nach mir zu ſchieſ - ſen / dannenhero ſie mich bey der Hand ergriff / und unter dem Vorwand / daß ſie erwehnten Spielens auch uͤberdruͤßig ſey / mich zu einem und andern Luſt-Brunnen fuͤhrte. Waͤhrenden Ge - hens fuͤhrte ſie allerhand Reden gegen mich / wel - che aber alle auff eine Nachforſchung wegen ei - gentlichen Zuſtandes meines Printzen hinaus lieffen: als ich aber meinem Beduͤncken nach auff alle Fragen richtig geantwortet hatte / fragte ſie zuletzt auch nach meiner Beſchaffenheit. Hier zog ich nun mein groſſes Meſſer hervor / und ſchnitt ſolche Lufft-Streiche von meinem vorneh - men Adel / ſtattlichem Vermoͤgen und groſſer Gnade meines Printzen / daß ſich das Waſſer in denen Spring-Brunnen haͤtte hemmen moͤgen. Sie hoͤrte mit ſonderbahrer Vergnuͤgung zu / und erzehlte mir zugleich aus eigner Bewegniß ihren Zuſtand mit ſolchen reichen Umſtaͤnden / daß faſt alles mit dem meinigen uͤberein traff / und ich leicht mercken kunte / wie Speck und Butter zuſammen kommen waͤren. Der Endzweck ih -res197Erſtes Buch. res Diſcurſes aber lieff auff eine Liebe zwiſchen uns beyden hohen Perſonen hinaus; indem ſie ſich nicht ſcheute zu ſagen / wie ſie den erſten Au - genblick / als ſie mich geſehen / eine Geluͤbde ge - than / mich ihrer Liebe wuͤrdig zu machen. Ob mir nun zwar nichts weniger in Sinn gekommen war / als daß ich eine ſolche heßliche Schoͤnheit lieben ſolte: ſo dauchte es mich doch ſehr erſprieß - lich vor meinen Printzen zu ſeyn / wenn ich mich mit iemand von ſeiner geliebten Princeßin Frau - enzimmer bekandt machte. Denn / ſie nicht zu lieben / war dieſes die Urſache / daß es zu beklagen iſt / wenn die verliebteſten Hertzen oͤffters mit den heßlichſten Angeſichtern begabet ſeyn. Sie war endlich dem Wachsthum nach gut gnung: allein wie ihr Geſichte vermittelſt breiter uͤberhangen - der Stirne und ſpitzigen Kinnes einen rechten Triangel machte / alſo war ſie ſo unvergleichlich mager / daß ich vermeinet haͤtte / es waͤre unmoͤg - lich / daß ſie vom Fleiſch und Blut einige Anfech - tung haben ſolte. Ja ihr Angeſichte haͤtte einen Mahler zu Vollkommenheit ſeiner Kunſt verhelf - fen koͤnnen / angeſehen er die Vertieffungen aus denen Gruben ihrer gedoͤrrten Wangen / die Schattierung aber aus ihren Farben / da ſich gel - be in ſchwartzbraun verlohr / ſattſam lernen koͤn - nen. Durch Beſchreibung des uͤbrigen will ich meinen hochgeehrten Zuhoͤrern keinen Eckel er - wecken. Das beſte an ihr war / daß ſie bey der Princeßin Baniſe ſehr wohl gelitten und inN 3ſon -198Der Aſiatiſchen Baniſe. ſonderbahren Gnaden ſtund. Welches mich denn auch veranlaſte / ſie meiner Gegen-Liebe zu verſichern / wodurch ſie mir eines und anders von ihrer Princeßin entdeckte / und zwar / wie ſie ſo ſehr mit der verdrießlichen Liebe des Zarangs ge - plaget wuͤrde / nach deren Erloͤſung ſie taͤglich ſeuf - zete! Nach dieſen Unterredungen ſahen wir uns nach unſern Hoͤhern um / da wir denn niemanden / als den Printzen Xemin voller Gedancken be - merckten / von welchem ſich die Princeßin von Savady verlohren hatte: endlich kam auch mein Printz wieder hervor / welcher auff den Xemim zugieng. Jch verließ meine neue Liebe / und wen - dete mich nach meinem Herrn / welchen ich den Printz Xemin alſo anreden hoͤrte: Wie ſo be - truͤbt? Gnaͤdigſter Herr / iſt dieſer ſchoͤne Garten nicht ſo faͤhig / ihre Gedancken zu befriedigen? Worauf aber Xemin ein hoͤhniſches und zugleich ſaures Geſichte machte / auch dieſe unanſtaͤndige Gegẽ-Antwort ertheilte: Es iſt vor einen Fremd - ling zu viel / ſich um unſere Gedancken zu bekuͤm - mern. Ob nun zwar mein Printz ſolcher Ant - wort nicht ſonders gewohnt war / ſo wuſtu er ſich doch kluͤglich in die Zeit zu ſchicken / dahero er denn gantz glimpflich verſetzte: Wenn aber ſothaner Kummer aus ergebenſtem Gemuͤthe und wohl - meinender Auffrichtigkeit ſeinen Urſprung nim̃t / ſo kan ſolcher nicht veruͤbelt werden. Worauff ihm der Printz den Ruͤcken zukehren / und nur mit dieſer kurtzen Antwort / verunruhiget uns nichtfer -199Erſtes Buch. ferner / und ſchweiget / abfertigen wolte. Dieſes empfand aber mein Printz nicht wenig / wendete ſich ihm nach / und redete ihn ferner an: Jch weiß nicht / mein Printz / wie ich ſo gar unverdient in deſſen Ungnade gerathen bin? Wie mir nun ſol - che gantz unertraͤglich faͤllt; alſo bitte gehorſamſt / ſo einige Verleumdung mich angegeben / mir ſol - ches in Gnaden zu offenbahren / und alsdenn mei - ne gerechte Vertheidigung guͤtigſt anzuhoͤren. Keine Verleumdung / erwiederte Xemin / ſondern ihr ſelbſt reitzet mich zu dieſem Zorne / denn ihr ſolt wiſſen / daß ſo lange die Princeßin von Savady in eurem Hertzen und auff der Bruſt henget / ich mich euſerſt bemuͤhen werde / euren Untergang zu befoͤrdern. Wollet ihr nun meiner Gewogen - heit theilhafftig ſeyn / ſo verbannet dieſe Princeßin aus eurem Hertzen / und gebet mir das Bildniß / welches euch der Kaͤyſer mein Herr Vater gege - ben hat / wieder / ſo ſollet ihr euch alsdenn / uͤber mich zu beſchweren / keine Urſach haben. Hier ſahe mein Printz die Worte des Talemons er - fuͤllet / daß Xemin von dieſer Saavaderin gefeſ - ſelt ſey: weil er aber zuvor aus ſeinem Singen verſtanden / als wenn er ſelbſt dieſe Liebe verlaſſen wolte / ſo haͤtte er ſich nimmermehr eingebildet / daß deſſen Gunſt noch ſo feſte an ihr kleben ſolte. Mein Printz antwortete demnach: Ob ich zwar nicht ſagen will / daß ich die Princeßin von Sa - vady aus meinem Hertzen verbannen wolte: ſo befinde ich es meiner Ehre doch nicht vor rath -N 4ſam /200Der Aſiatiſchen Baniſe. ſam / das Bildniß / welches mir von der Hand ei - nes ſo groſſen Kaͤyſers anvertrauet worden / ſchlechter dings hinzugeben: bittet dannenhero / meinen Gehorſam auff andere Art zu probiren. Jch rathe / antwortete Xemin draͤuende / daß ihr mein Begehren ohne ferneres Weigern erfuͤllet / widrigen Falles wird euch die Schaͤrffe meines Sebels beſſern Gehorſam lehren. Hierdurch ward nun das Band der Gedult bey meinem Printzen faſt zerriſſen; iedoch wolte er es noch mit Worten verſuchen / ob er den Xemin auf an - dere Gedancken bringen moͤchte / indem er ſich befurchte / ſo wohl den Kaͤyſer als die Princeßin hoͤchſt zu beleidigen / ſo er ſich einiger Thaͤtligkeit wider dieſen Printzen unterfienge / dannenhero ſagte er: Printz von Pegu / erinnert euch euers Standes / und laſſet euch die Liebe zu keiner un - anſtaͤndigen That verleiten: denn ihr ſolt wiſſen / daß ihr eine Perſon vor euch habet / welche euch an hohem Stande / weniger am Hertzen / ein Haar breit weichet. Sehet hier iſt das Bild - niß / welches er zugleich von der Bruſt nahm / wel - ches zwar mit keiner ſonderlichen Andacht von mir verehret wird: ſo lange aber ein warmer Blutstropffen in mir ſchwebet / ſoll es mir durch keine Gewalt entfremdet werden. Denn ein edles Gemuͤthe und tapffere Fauſt / laͤſt ſich nichts nehmen. Xemin knirrſchte hierauff mit den Zaͤhnen / und ſagte: Ha! verwegener Menſch / darfſtu dich unterſtehen / einen gebohrnen Erb -Prin -201Erſtend Buch. Printzen von Pegu zu trutzen? Ob ich nun zwar gnugſame Mittel haͤtte / dich auf andere Art ab - zuſtraffen / ſo will ich doch der unvergleichlichen Princeßin von Savady zu Ehren / mir die Muͤhe der Straffe ſelbſt nehmẽ / und erweiſen / daß du die - ſes Bildniſſes nicht wuͤrdig ſeyſt. Jndeſſen ſoll es an dieſem Roſen-ſtocke unſerm Kampffe zuſehen / und dem ſiegenden Theile als eine Belohnung zu fallen. Dieſes bewilligte mein Printz alsbald / und hieng es an einen unſern einer Gallerie ſtehenden Roſenſtock. Kaum hatte er dieſes verrichtet / ſo ſtuͤrmte Xemin bereits mit entbloͤßten Sebel auff ihn ein / daß ſich mein Printz genoͤthiget befand / tapffere Gegenwehre zu thun. Hier kaͤmpfften nun zwey ſo groſſe Printzen aus gantz widriger Regung: meines Printzen Sebel regierte die Ehr - ſucht / dem Xemin aber die Liebe / und beyde kaͤmpf - ten um ein bildniß / welches jener nicht wolte / und dieſer nicht ſolte lieben. Endlich / als ſie einander allzu hefftigen Ernſt erwieſen / und die zunehmen - de Verbitterung einen uͤbeln Ausgang weiſſagte / wobey allem Anſehen nach Xemin ſeine allzu treue Liebe mit ſeinem Blute wuͤrde verſiegelt haben; ſo ſprang unverſehens die Princeßin von Sava - dy aus der Gallerie hervor / hinter deren Ver - deckung ſie den Urſprung dieſes Kampffs angehoͤ - ret / und alles bemercket hatte / riß ihr Bildniß von dem Roſenſtocke / ſteckte es ein / und ſprach mit veraͤchtlichen Geberden: Haltet ein / unbe - ſonnene Printzen / ihr bemuͤhet euch vergebens /N 5um202Der Aſiatiſchen Baniſe. um eine Sache / worzu keiner berechtiget / noch das geringſte davon entraͤumet worden iſt. Spa - ret euer Blut / biß ihr beſſere Gewißheit von euer Liebe habet / und ſeyd verſichert / daß keiner von euch beyden mich zu lieben faͤhig ſeyn ſoll. Hie - mit verbarg ſie ſich im Augenblick wiederum / und hinterließ der ſtreitenden Parthey ein verwirrtes Nachſehen. Die Printzen ſenckten die Spitzen ihrer Sebel zur Erden / und ſahen einander be - ſchaͤmt an: endlich brach Xemin zum erſten das Stillſchweigen / und ſchrie ihr gleichſam nach: Fahre hin du ſtoltze Seele! und wiſſe / daß dein Verfahren ruͤhmlich ſey / indem du dich derjeni - gen Liebe / derer du nicht wuͤrdig biſt / ſelbſt enteu - ſerſt. Verflucht ſeyn demnach die verlohrnen Stunden / die ich in Bemuͤhung / deine nunmehr verhaßte Gegen-Gunſt zu erwerben / vergebens angewendet habe. Euch aber / an Leib und Ge - muͤthe tapfferer Pantoja / bin ich ewig verpflich - tet / daß ihr mich zu rechtem Erkaͤntniß meines verliebten Jrrthums gebracht habet. Jch erken - ne eure Tugend / noch mehr eure Klugheit / daß ihr euch nicht habt durch dieſe Syrene fangen laſ - ſen. Verzeihet mir demnach meinen Fehler / und verſichert euch / daß kuͤnfftige Freundſchafft von nun an dieſe Beleidigung erſetzen ſoll. Mit wel - chen Worten er den Sebel wegwarff / und mei - nen Printzen freundlich umarmete. Mein Printz bezeigete hingegen ſein verſoͤhntes Hertz und Freundſchafft-begieriges Gemuͤthe mit den ver -pflich -203Erſtes Buch. pflichteſten Worten / und wurden alſo die vertrau - teſten Freunde. Welches recht wunderlich zu ſe - hen war / daß zwey verbitterte Hertzen / deren ieden des andern Tod ſuchte / gleichſam im Augenblicke einander kuͤßten / und ſich zu genauſter Freund - ſchafft verbunden. Nachdem ſich nun dieſe neue Hertzens-Freunde ſattſam umarmet hatten / foderte Xemin eine Geluͤbde von meinem Prin - tzen / der Princeßin von Savady auf ewig zu ver - geſſen / auch ſich nimmermehr um ihre Liebe zu bewerben / welches denn mein Printz mit willi - gem Hertzen eingieng / und es aufs hoͤchſte betheu - erte / ſie nimmermehr zu lieben. Und hiemit nahmen ſie Abſchied von einander. Wir ver - fuͤgten uns alſobald wieder nach unſerm Pallaſt / allda uͤberlegte mein Printz allererſt die wunderli - chen Zufaͤlle / welche er innerhalb etlicher Stun - den gehabt. Jndem ich ihn zugleich etlicher maſſen entkleidete / vermißte er ſeiner Fraͤulein Schweſter / der Higvanama / Bildniß / welches ſie ihm bereits vor etlichen Jahren gegeben / und er ſtets am Halſe zu tragen pflegte. Hieruͤber be - kuͤmmerte ſich mein Printz nicht wenig / bevoraus / weil hinter der kleinen Platte des Bildes gezeich - net ſtund: zu ſtetem Andencken ihrem werthſten Bruder / Balacin / Printzen von Ava. Higva - nama. Welches / daß es ihn verrathenwuͤrde / er nicht unbillig beſorgete. Die Vergnuͤgung aber / welche er uͤber Erkaͤntniß ſeiner von den Goͤttern vorgezeigten Princeßin empfand / hieß ihn dieſesKum -204Der Aſiatiſchen Baniſe. Kummers bald vergeſſen / und in dieſe Worte her - aus brechen: O angenehmſtes Verhaͤngniß! be - gluͤckter Tag! an welchem mir die Sonne meines Lebens auffs neue auffgegangen iſt. Nunmehro bin ich geneſen / und die wahrhafftigen Goͤtter ha - ben mein Hoffen geſegnet. Ach uͤberirrdiſche Schoͤnheit! deren Glantz die Sterne uͤbertrifft / und ſich durch kein Gleichniß beſchreiben laͤſt. Es erhellet nur eine Sonne den Himmel / und die Erde heget nur einen Phoͤnix / alſo iſt nur eine Gottheit in Aſien / welche anbetens wuͤrdig iſt / ſo laſſet mich demnach / O ihr Goͤtter / ihr Prieſter werden. Jch muſte hierinne in allem meinem Printzen Beyfall geben: denn gewiß / ich glaube / daß derjenige eine vergebene Arbeit thun wuͤrde / welcher in Aſten ſich eine gleiche Schoͤnheit aus - zuſuchen bemuͤhen wolte. Jch ſelbſt wurde gantz verblendet / als nach uͤberſtandner Ohnmacht der Purpur wiederum ihre Wangen bekleidete: ja es kam mir faſt unglaublich vor / daß eine ſolche Schoͤnheit von ſteꝛblichen Menſchen koͤnne gezeu - get werden. Jhre Geberden hatten ſo ein hohes und Majeſtaͤtiſches Anſehen / daß man ſie un - moͤglich / ohne in hohen Ehren zu halten / und ſich uͤber dieſelbe zu verwundern / anſehen konte. Sie hatte ein ſo freyes und leutſeliges Weſen / daß / ungeachtet ihrer mit einſpielenden Ernſthafftig - keit / die ſie ſtets im Geſichte behielte / in allen ihren Reden und Thun nichts als lauter Freundligkeit und hoͤchſte Anmuth zu ſpuͤren war. Die205Erſtes Buch. Die Soñen ihrer Augen ſpielten mit ſolchen Bli - tzen / wodurch auch ſtaͤhlerne Hertzen wie Wachs zerflieſſen muſten. Und wenn ſie die ſchwartzen Aug-Aepffel nur einmal umwendete / ſo muſten alle Hertzen brennen / und die Seelen / welche ſie nur anſchaueten / in volle Flammen geſetzet wer - den. Jhre lockichten Haare / welche um ihr Haupt gleichſam mit Wellen ſpielten / waren etwas dunckleꝛ als weiß / und dienten zu rechten Stricken / einen Printzen in das Garn der Dienſtbarkeit einzuſchlingen. Jhre Lippen / welche einen etwas auffgeworffenen Mund bildeten / beſchaͤmten die ſchoͤnſten Cor allen / und bedeckten die wohlgeſetz - te Reihen der Zaͤhne / welche die Orientaliſchen Perlen verdunckelten: ob man ſie zwar ſo wohl in Reden / als in Lachen / wenig konte zu ſehen be - kommen. Die Wangen ſtellten ein angeneh - mes Paradieß vor / in welchem Roſen und Lilien zierlich untereinander bluͤheten / ja die Liebe ſchie - ne ſich ſelbſt auf dieſer weichen Roſen-Saat zu weiden. Die wohlgeſetzte Naſe vermehrte die Proportion des ſchoͤnen und runden Angeſichts um ein groſſes. Der mehr lang als kurtze Halß / welchen der Adern ſubtiles Weſen zierlichſt durch - flochte / war nebſt der andern Farbe ihrer Haut / ſo weit es die Wohlanſtaͤndigkeit zu ſehen erlaub - te / ſo wunderſchoͤn / daß ich nicht glaube / daß auch der kaͤlteſte Winter ihrer Purpur-Roͤthe / welche ſich mit der ſchneeweiſſen Farbe artlich vermiſch - te / einigen Abbruch thun koͤnte. Jhre wohlge -bilde -206Der Aſiatiſchen Baniſe. bildeten Haͤnde luden durch ihre zarte Finger / und weiſſe Haut / iedweden Mund zu einem demuͤthi - gen Hand-Kuͤſſen: und daß ich den geballten Schnee mit Stillſchweigen uͤbergehe / ſo darf ich an die uͤbrigen Theile des Leibes / welche doch mei - nen unwuͤrdigen Augen verborgen blieben / nicht einmal gedencken / wo ich mir nicht ſelbſt die groͤſte Qvaal verurſachen will. Dieſes war nun ein ziemlicher Gegenſatz / wenn ich meine verliebte Eſwara betrachtete. Endlich ſo ſchien es / als ob ſie ſich wenig um einigen Zierath oder Schmuck bekummerte / indem ſie ſich nicht allzu koͤſtlich ge - kleidet / ſondern ihꝛen wohlgewachſenen Leib einem gleichfals gruͤn und guͤldenen Leib-Rocke / wie mein Printz aus wunderlicher Schickung trug / anvertrauet hatte / auſſer daß durch die Haare ei - nige blitzende Diamanten ſpielten: ja ihre natuͤr - liche Schoͤnheit war ihr groͤſter Schmuck / nicht zwar / daß / wenn ſie angeputzt geweſen / nicht al - les uͤber die maſſen wohl angeſtanden / wo nicht gar ihre Schoͤnheit vermehret haͤtte; ſondern ſie verließ ſich auf ihre ſchoͤne Bildung / und begehrte nichts von der Kunſt zu entlehnen. Jn der Geſchicht-Erzehlung aber fort zu fahren / ſo ſtellte ſich der ehrliche Herr Talemon zu rechter Zeit wieder bey uns ein / und brachte zur erfreuli - chen Zeitung / daß Printz Zarang / wegen ſeiner Zaghafftigkeit / die er bey vorgegangener Gefahr erwieſen / ziemlich aus des Koͤniges Gnade gefal - len: indem er in der Flucht gleichſam der erſte ge -we -207Erſtes Buch. weſen / und ſo wohl den Kaͤyſer als ſeine geliebte Princeßin im Stiche gelaſſen: hingegen waͤre Printz Pantoja am gantzen Hofe beliebt / und von ihm etwas Groͤſſeres gemuthmaſſet / auch wuͤrde von allen davor gehalten / daß ſein Suchen an die - ſem Hofe etwas ſonderliches hinter ſich haben muͤſte / weil er ſich ſo ſehr bemuͤhete / ſich aufs eu - ſerſte um das Kaͤyſerliche Haus verdient zu ma - chen. Und ſchiene es / als ob die Goͤtter mit im Spiele waͤren / daß er ſein Geſuchtes finden / und den Zweck ſeiner Liebe vor andern erreichen duͤrf - te. Uber dieſen Troſt-Worten fiele mein Printz dem Talemon um den Hals / und kuͤßte ihn vor lauter Freuden / ſagende: Werthſter und ver - trauteſter Talemon! Euch habe ich es zu dancken / daß ich mich wegen eurer getreuen Nachricht in alle Faͤlle ſchicken / und mein beſtes beobachten koͤnnen: und dieſe Treue will ich auch mit meinem Blute vergelten. Fahret nur fort / und ſtehet mir ferner mit gutem Rathe bey / ob es rathſam / daß ich meinen rechten Stand entdecke / oder ob ſolches noch zur Zeit zu verſchweigen ſey? Es iſt beſſer / riethe Talemon / noch zur Zeit zu ſchwei - gen: es waͤre denn / daß uns der Nahme von Tan - naſſery wegen Ungleichheit gegen dieſes Kaͤyſerl. Haus nachtheilig waͤre / oder ſonſt eine andere Gelegenheit hierzu veranlaſſe. Genung iſt es / daß ihr euch dem Kaͤyſer verbindlich / und die Princeßin geneigt gemachet habet / welches al - les einen gluͤcklichen Fort - und Ausgang unſersver -208Der Aſiatiſchen Baniſe. verliebten Vorhabens bedeutet. Jch haͤtte die - ſem laͤnger zugehoͤret / wenn ich nicht durch einen kleinen Mohren waͤre nach Hofe beruffen wor - den. Da ich denn bald merckte / daß meine ſchoͤ - ne Eſwara mich wuͤrde fodern laſſen: hierinnen befand ich mich auch nicht betrogen / denn indem mich dieſer kleine Mohr durch die Schloß-Pforte nach einer Stiegen / und dieſelbe hinauf fuͤhrte / fiele mir die Eſwara um den Hals / und verſetzte mir einen ſolchen Kuß / welcher noch durch bloſſes Andencken ein Aufſtoß bey mir verurſachet: denn weil ihr viel Heimligkeiten der Liebe in dem Ma - gen mochten verfaulet ſeyn / ſo empfand ich aus ihrem Halſe einen ſolchen Geruch / welcher auch die(†)Von den grauſamen Martern der Chriſten in Ja - von beſiehe Franciſci Kunſt - und Sitten-Spiegel pag. 1148. Japoneſer zum Abfall haͤtte zwingen koͤn - nen. Hieruͤber erſchrack ich nun nicht wenig / ſie aber lachte ſo freundlich / daß man den wenigen / Vorrath ihrer Zaͤhne gar deutlich ſehen kunte / welche einer alten Mauer mit Schieß-Scharten nicht unaͤhnlich ſchienen. Jch ſtellte mich ſo freundlich / wie eine todte Katze / welche noch bey ihrem Abſchiede die Zaͤhne weiſet / und erfreute mich uͤber ihrer Gegenwart / fragte auch zugleich nach ihrem Begehren / welches in nichts als ei - nem hertzlichen Verlangen mich zu ſehen beſtund: endlich fuͤhrte ſie mich in ein ſauber Zimmer / und ſetzte ſich neben mich auf ein niedriges Bette. Da ſich denn / wie bey Verliebten pfleget / hunder -ter -209Erſtes Buch. terley Gelegenheit zu reden fand / unter andern fragte ſie nach meinem Printzen / welchen ich in Einſamkeit verlaſſen zu haben berichtete. Sie fragte ferner / ob mein Printz nicht ein Bildniß vermiſſete? Hieruͤber erroͤthete ich / und ſchwieg ſtille. Sie aber fuhr fort / und ſagte: verberget es nur nicht vor mir / mein Engel: und bey dieſen Worten verſetzte ſie mir wieder einen ſolchen Schmatz / daß mir Hoͤren / Sehen und Riechen vergieng / und mir der balſamirte Geiffer ins Maul lieff. Jch ließ es meinem Printzen zum beſten ſo dabey bewenden / als ich ſie ferner reden hoͤrte: Jch will es euch im Vertrauen / doch bey angelobten Stillſchweigen / vertrauen / daß eine von unſern Cammer-Jungfern im Graſe ein Bildniß einer ſchoͤnen Princeßin gefunden / deſſen Verluſt ſie alle euerm Herrn zuſchreiben: dieſes Bildniß hat ſie bald meiner Princeßin uͤber - bracht / welche aus einiger dabey geſtelltẽ Schrifft etwas anders von eurem Herrn urtheilet / und da - hero gerne Gewißheit davon haben moͤchte. Hier raffte ich nun meinen Printz zuſammen / und zwang mich euſerſt / ſie uͤber Vermoͤgen / zu chareſ - ſiren: ich nahm ſie in die Arme / und redete ſie gantz liebaͤuglende an: Allerſchoͤnſter Engel! ſagte ich mit hoͤchſter Unwarheit / ich erkenne die - ſes als eine Probe ungefaͤrbter Liebe / daß mich mein Kind ſolcher Geheimniſſe wuͤrdiget / woran mir und unſerer Liebe viel gelegen iſt: ſie entdecke mir doch ferner / ob auch meinem Herrn einigeOGe -210Der Aſiatiſchen Baniſe. Gefahr hieraus zuwachſen koͤnne / wenn ja uͤber Verhoffen diß Bild ein Verraͤther waͤre. Ey Poſſen / was Gefahr? erwiederte Eſwara / mei - ne Princeßin! (ich beſchwere euch aber bey un - ſerer Liebe / ſolches auch eurem Herrn nicht zu ent - decken) wuͤndſchet / daß ihr Lebens-Erretter eine ſolche Perſon waͤre / wie es das bildniß faſt zeu - get / alsdenn hoffet ſie von dem verhaßten Zarang / wie von dem Panther / erloͤſet zu werden: ja ich wolte ſchweren / ihm alle Gegen-Liebe zu ver - ſchaffen. Wie angenehm mir dieſes zu hoͤren war / ſo hertzlich wuͤnſchte ich / das es mein Printz bald wuͤßte. Ob ich nun zwar gerne fortgefah - ren und noch ein mehrers aus ihr gebracht haͤtte / ſo ließ ſie ſich doch die Liebe zu ſehr einnehmen / welche ſie gantz auf andere und mir hoͤchſtwidrige Reden brachte / daß ich nicht wuſte / was ſie eigent - lich hierunter verſtehen wolte / iedoch ihr Abſehen von weiten wohl merckte / alſo daß ich wuͤndſchte / aus lauterm Abſcheu / wiederum bey meinem Printzen zu ſeyn. Wie ich nun in ſolchen Aeng - ſten war / begab ſie ſich ungefaͤhr an ein Fenſter / thaͤt einen lauten Schrey / und erſchreckte mich aufs euſerſte / als ſie ſagte: Da ſchlage der Hen - cker drein / hier koͤmt mein Teuffel. ich fragte ſie nun aͤngſtiglich / wer es denn waͤre? da entdeck - te ſie mir / es waͤre ihr Mann / welcher Ober-Ele - phanten-Waͤrter waͤre. Und alſo erfuhr ich / daß mein lieber Engel eine verheyrathete Perſon ſey / welches mich theils erfreute / theils bekuͤm -mer -211Erſtes Buch. merte. Drauff ſagte ſie: Hier iſt nich lange wartens / verberget euch um des Himmels willen / ſonſt bin ich des Todes. Wieſe mir auch hier - auff einen mit einem biß auf den Boden bedeck - ten Schranck / unter deſſen holen Fuß ich mich verſtecken ſolte. Auff ſolches bewegliche Zure - den / da ſie mir gar Todes-Gefahr vor Augen ſtellete / ließ ich mich endlich bewegen / und verbarg mich auff allen Vieren unter dieſen Teppich. Jch hatte mich kaum eingelagert / ſo kam der gute Mann zur Thuͤre hienein / welcher ſie alſobald an - fuhr / und ſagte: Du altfraͤnckiſche Kuppel-Hu - re / wo haſtu den fremden Kerlen hingeſteckt / wel - chen dir der kleine Mohr zu deiner Leichtfertigkeit herholen muͤſſen. Sag es bald / oder du und dein Boͤſewicht ſollt meinen Elephanten zu einem Futter dienen. Wie mir da das Hertze klopfte / laſſe ich einen andern davon urtheilen / welcher ſein Gewiſſen / in dieſem Fall / mehr als ich / beſchweret befindet. Was / hub ſie gantz trotzig an / ſieheſtu mich vor eine ſolche gemeine Perſon an / welche ſich von der Straſſen andere Leute zu ihrer Be - dienung wuͤrde holen laſſen / als ob ich nicht Auf - wartung von den Hofleuten zu Hauſe gnung haͤtte. Derowegen ſo ſiehe zu / ob du auch deine Reden verantworten kanſt / und gedencke / daß ich dich ſo geſchwinde wieder von deinem Elephan - ten-Dienſte bringen koͤnne / als ich dich dazu ge - bracht habe. Er aber wolte mit dieſer Entſchul - digung nicht zu frieden ſeyn / ſondern ſagte: Dei -O 2nes212Der Aſiatiſchen Baniſe. nes Redens ungeachtet / ſo muß ich doch ſehen / wer in meinen Hauß-Frieden ſtoͤren will. Es iſt heutiges Tages eine verdaͤchtige Sache / um eine Frau / welche weiß / daß zwey Steine beſſer mahlen / als einer: und nach dieſen Worten be - gunte er uͤberall herum zu ſuchen. Waͤhrenden Suchens nun wuſte Eſwara vor Angſt nicht / was ſie thun ſolte: und weil hin und wieder eini - ge Jagd-Hunde auff dem Boden lagen / welche in ihrer Unſchuld ihrer Ruhe pflegten / nahm ſie einen Stecken / und wolte ſie aus dem Zimmer ja - gen / ob ſie zwar deſſen keine Urſache wuſte. Die Hunde aber furchten ſich ihre Beqvehmligkeit zu verlieren / und wolten nicht aus dem Zimmer / ſon - dern ſuchten hier und dar / die Winckel zu ihrer Sicherheit. Endlich wolte ſich auch ein groſſer Reckel / welcher ſcheckicht war / unter den Teppich / worunter ich ſtack / verbergen: als er aber etwas lebendiges / welches ſeiner Art unaͤhnlich war / vermerckte / hub das Raben-Aaß an zu bellen / und ſetzte mich in die euſerſte Hertzens-Angſt. Ob ihn nun zwar Eſwara ſuchte abzutreiben / ließ er doch nicht ab / ſondern brachte die andern Hunde zugleich mit an / daß ſie ingeſamt mit bellen und turnieren meinen Poſto beſtuͤrmten / auch endlich den Teppich mit ihren Zaͤhnen anfielen / herunter riſſen / und alſo meine arme Geſtalt entdeckten. Hier ſaß ich nun / wie eine Ganß uͤber den Eyern / und wuſte nicht ob ich beten oder fluchen ſolte. Siehe da / fieng endlich der Mann an / HerrSchwa -213Erſtes Buch. Schwager / hat er in meinem Teiche fiſchen wol - len / und laͤſt ſich ſelber fangen? Sucht er mich zu einem Hirſchen zu machen / und die Hunde ſehen ihn vor einen Haſen an? Nur hervor / die Ele - phanten ſollen ein artig Ballet mit euch tantzen. Jch wuſte hierauff nichts zu antworten / denn ob ich gleich ein gut Gewiſſen hatte / ſo war doch der aͤuſſerliche Schein verrathen / und haͤtte ich mich nicht / ihr zu folge / verkriechen ſollen. Endlich als ich ſahe / daß es nur ein kleines und duͤrres Maͤñ - chen war / ſo vermeinte ich noch wohl mit ihm aus - zukommen / begab mich demnach aus meinem La - ger hervor / und machte mich zum Abzuge fertig. Weil ich aber merckte / daß er nach ſeinen Knech - ten ruffen wolte / welche mich leicht haͤtten einho - len koͤnnen / ſo faßte ich eine kurtze und gute Reſo - lution / nahm den herunter geriſſenen Teppich / uͤberfiel hiemit das kleine gute Maͤnnchen / und wickelte ihn ſo feſte hinein / daß er ohne der Frau - en Huͤlffe unmoͤglich wieder heraus konte. Hie - mit ſprang ich nach dem Ausgange des Zimmers / und nahm meinen Abſchied ſo fluͤchtig / als ob mich noch die verraͤtheriſchen Hunde verfolgten / biß ich unſern Palaſt gluͤcklich wiederum erreichte. Wie das liebe Paar ferner mit einander ausgekommen iſt / ſolches habe ich nicht erfahren. So bald ich nun wieder bey meinem Printzen angelangt / er - zehlte ich ihm die artige Begebenheit / nach allen Umſtaͤnden / welche er denn hefftig belachte / und innigſt vergnuͤgt befande / als ich ihm auch dasO 3ent -214Der Aſiatiſchen Baniſe. entdeckte / was mir Eſwara von der Princeßin wegen des Bildniſſes vertrauet hatte. Dahero ſich mein Printz feſte einbildete / er ſaͤſſe bereits dem Gluͤcke im Schooſſe / und koͤnte unmoͤglich heraus fallen. Weil wir auch auf morgenden Tag von dem Kaͤyſer zu einem Schiff-Feſte / welches ſie Sapan Donon nennten / eingeladen wurden / ſo konte mein Printz kaum den Morgen erwarten / nicht ſo wohl die Pracht des Kaͤyſers / als bevoraus die Sonnen-gleiche Baniſe / ſeinen Augen vorzuſtellen. Der erwuͤndſchte Morgen brach an / da ſich denn mein Printz auf das be - ſte heraus ſchmuͤckte / und ſeinen koſtbaren und un - vergleichlichen Sineſiſchen Rock anlegte: dieſer war von einem ſonderlichen Zeuge / in welchen die wunderſchoͤnen Federn des Koͤniges-Vogel aus Sina kuͤnſtlich eingewuͤrcket waren / welche we - gen ihrer bunten Schoͤn - und Seltenheit dem Golde weit vorgezogen werden / die Knoͤpffe dar - auff waren von gediegenem Golde / deren ieden ein groſſer Diamant zuſpitzte. Vorn herunter uͤber die Laͤnge des Rocks giengen auf iedweder Seite einer qveer Hand breit geſchlagene / und mit kuͤnſtlichen Gelencken verſehene / Gold-Plat - ten / welche dermaſſen reichlich mit Diamanten verſetzet waren / daß man ſie faſt / ohne Verletzung der Augen / nicht anſehen konte. Ein Aſiatiſcher und auf ſonderbahre Art gewundener Bund be - deckte ſein Haupt / woran das von Higvanama mitgegebene Kleinod hieng / und an dem Sebelkonte215Erſtes Buch. konte man gleichfals vor den haͤuffigen Diaman - ten faſt nicht erkennen / von was vor Materie das Gefaͤß und die Scheide gemacht waͤre: alſo daß dieſer Koͤnigl. Schmuck meinen Printzen ſattſam verrieth / er ſey etwas hoͤhers / als eines kleinen Koͤ - nigs aus Tannaſſery Sohn. Jn ſolcher Pracht ſetzten wir uns zu Pferde / und begaben uns vor die Stadt / alda an dem Fluſſe des Kaͤyſers zu er - warten / und deſſen praͤchtigen Auffzug anzuſe - hen. Was hier vor ein Zulauff des Volckes war / als wir durch die Stadt ritten / iſt nicht zu be - ſchreiben / und konte ich mir einbilden / daß dieſes Volck entweder mich oder meinen Printzen be - wunderten. Als wir nun eine halbe Stunde vor der Stadt bey dem Fluſſe angelanget waren / ſahen wir ein groß Theil des Waſſers mit kleinen Schiffen bedecket / welche meiſtentheils vergoldet / und mit vielen bunten Flaggen und Segeln von Atlaß gezieret waren / das denn ein vortrefflich ſchoͤnes Anſehen machte / indem zugleich die Son - ne dieſen Aufzug mit anſchaute. Vor allen an - dern fiel das groſſe Koͤnigs-Schiff in die Augen / welches des Kaͤyſers Herr Vater noch hatte ma - chen laſſen. Dieſes war aus - und inwendig reichlich und ſtarck vergoldet / und mit ſo vielen kuͤnſtlichen Blum - und Schnitzwercke ausgezie - ret / daß wir uns nicht gnugſam daruͤber verwun - dern konten. Die Segel waren von roth - und gelben Damaſt / alle Stricke aber von rother Sei - de mit Golde durchflochten. Es war ziemlichO 4lang216Der Aſiatiſchen Baniſe. lang / iedoch etwas enger / als es ſonſt Proportion halber haͤtte ſeyn ſollen. Auff ieder Seide wa - ren hundert und funfftzig Ruder / welche hinun - ter bis an die Breite ſtarck verguldet waren. Die Ruderer ſaſſen auff beyden Seiten / und uͤbten ſich indeſſen mit vielen hin - und wiederfahren / biß zu des Kaͤyſers Ankunfft. Ein ieder hatte ein be - ſonder kurtzes Ruder in der Hand / mit welchem ſie das Waſſer fein zugleich an ſich zu ziehen / und dem Schiffe dermaſſen geſchwinde fort zu helffen wuſten / daß faſt kein Pfeil geſchwinder fliegen kan / zumahl keiner ſein Ruder eher aus dem Waſ - ſer hub / als der andere / welches denn eine ſonder - und wunderbahre Augenluſt war. Jn der Mitten ſtund ein verdecktes Haͤußgen / mit un - terſchiedenen Fenſtern gezieret / und hatte einen ziemlichen Umfang. Als wir dieſer Luſt eine weile zugeſehen / hoͤrten wir durch das ferne Ge - tuͤmmel und Blaſen der Trompeten / daß der Kaͤyſer ankaͤme / dannenhero ſich alles im Au - genblick in Ordnung begab / und ſolche Ankunfft erwartete. Wir blieben am Ufer unfern des groſſen Schiffs halten / iedoch daß wir keine Hin - derung verurſachten. Nach weniger Zeit-ver - flieſſung erblickten wir den Vorzug / welcher in 3. Ordnungen beſtand / und zwar in dem erſten die mit den Lantzen / nachmahls die Schuͤtzen mit Feuer-Roͤhren / und dann die mit Schwerdtern und Schilden; mitten zwiſchen dieſen Hauffen giengen einige gewapnete Elephanten. Hinterdie -217Erſtes Buch. dieſer Ordnung folgete Printz Xemin auff einem ſchoͤnen ſchwartzbraunen Hengſte mit verwun - derlicher Pracht / worauff die vornehmſten Her - ren des Reichs und Hofes / ingleichen alle Kriegs - Oberſten und Hauptleute in ſchoͤner Ordnung zogen. Nach dieſem giengen zwar rothe Ele - phanten mit Gold und Seyden reichlich gezieret / denen vier weiſſe folgeten / welche mit Gold - und Edelgeſteinen faſt bedeckt waren. Dieſe hatten uͤber ieden Zahn ein Futteral von gediegenem Golde / dichte mit Rubinen verſetzt / welches ihnen ein praͤchtiges Anſehen machte. Hierauff kam der Kayſer ſelbſt auf einem erhabenen / und aus ei - nem Stuͤcke gemachten Triumph-Wagen / mit einem koſtbaren / und gantz verguͤldeten Himmel. Dieſer Wagen ward von acht ſchoͤnen Hermeli - nen gezogen / deren Zeug Carmoſin und Gold war / neben denen Pferden giengen viel Hauptleu - te / welche Stricke in Haͤnden hatten / und ſich an - ſtellten / als ob ſie den Wagen ziehen huͤlffen. Sein Haupt ward von keiner Krone / ſondern mit groſſen Perlen eines unſchaͤtzbaren Werthes be - decket. Auff jeder Seiten hieng ein Rubin / biß an die Ohren / deren Groͤſſe ieder zwey Dat - teln uͤbertraff. Es hieng ihm auch eine Schnu - re der koͤſtlichen Edelgeſteine von dem Halſe biß an den Guͤrtel / deren Glantz die Augen blendete. Der vielen Rubinen / Diamanten / Schmarag - den und Saphieren zu geſchweigen / die er hin und wieder an ſich truge. Neben ihm ſaß ſtatt derO 5Kaͤy -218Der Aſiatiſchen Baniſe. Kaͤyſerl. Gemahlin / welche vor zwey Jahren ge - ſtorben / das unſchaͤtzbare Kleinod Aſiens / die him̃ - liſche Baniſe / welche ſich / ihrer Gewonheit nach / nicht ſonderlich ausgeſchmuͤcket / ſondern nur ei - nen ſchneeweiſſen Rock angeleget hatte / welcher / wie auch die fliegenden Locken mit einigen vor - trefflichen Diamanten beworffen war / deren Blitz aber / gegen ihre Augen und Engliſcher Ge - ſtalt / gleichſam zu verdunckeln ſchiene. Hinter die - ſen kam auf einem gleichfalls koſtbaren Wagen die Princeßin von Savady gefahren / deren Sei - te Printz Zarang von Tangu beſaß; und kunte man des Zarangs Mißvergnuͤgen und der Prin - ceßin beaͤngſtigte Liebe / beyden aus den Augen le - ſen. Dieſen folgete das uͤbrige Frauenzimmer nach / unter welchen ich die holdſelige Eſwara er - blickte / welche mich ſeuffzende anblickte / nicht weiß ich / ob ſie hierdurch ihre Liebe oder ihre Straffe von dem Manne / welchen ich ihr hertzlich goͤn - nete / andeuten wolte. Zuletzt beſchloſſen zwey - hundert Soldaten zu Fuſſe den gantzen Auffzug. Dieſer Zug gieng nun gleich auf das praͤchtige Schiff zu / wenn aber die foͤrderſten an das Ufer kamen / ſchwenckten ſie ſich nach der rechten Hand von dem Waſſer ab / daß alſo die hinterſten / biß auf den Kaͤyſer / an den Fluß gelangen kunten. Als nun Printz Xemin meinen Herrn erſahe / ſtieg er von dem Pferde / welches mein Printz gleichs - falls that / und ſich recht bruͤderlich umarmeten / biß der Kaͤyſer ankam / welchen der Printz mitzur219Erſtes Buch. zur Erde geſchlagenem Angeſichte gleichſam anbe - tete. Wie ihn aber der Kaͤyſer zuwinckte / verfuͤg - te er ſich an den Wagen und kuͤſſete ſeine Hand. Die Princeßin Baniſe verwendete indeſſen kein Auge von meinem Printzen / welches ich genau bemerckete / und ließ ſolche Blicke ſchieſſen / die et - was feuriges anzudeuten ſchienen / wiewol ſie ſich ſo angenehm hierinnen zu maͤßigen wuſte / daß man billich nur muthmaſſen durffte. Der Kaͤy - ſer eꝛlaubte zugleich meinem Printzen das Koͤnigl. Schiff zu betreten / und ſolte er die Princeßin von Savady hinein begleiten. Welchen Befehl mein Printz gehorſam verrichten muſte / und war es gut / daß Xemin ſolches mit anhoͤrte / ſonſt haͤtte er waͤhnen moͤgen / mein Printz waͤre meineydig worden. So bald der Kayſer vom Wagen ge - ſtiegen / fielen alle Anweſende nieder / huben die Haͤnde dreymal empor / und kuͤſſeten die Erde / welches die gewoͤhnliche Ehre eines Kaͤyſers von Pegu iſt. Hierauf begab ſich der Xemindo ver - mittelſt eines kleinen Schiffes nach dem Haupt - Schiffe / welchen Printz Xemin nebſt der Bani - ſen begleiteten. Mein Printz aber fuͤhrete die Princeßin von Savady / welches ihm Zarang gerne erlaubte / in einem Schiffe / worein ſich Za - rang nebſt mir gleichfalls begab / und geſchah die - ſe Uberfahrt auf unſerm Schiffe mit ſolcher Stil - le / daß / wenn der Wind ſo ſtille geweſen waͤre / wir unmoͤglich anſtoſſen koͤnnen. Als wir nun allerſeits das groſſe Schiff betreten / auch alle An -we -220Der Aſiatiſchen Baniſe. weſende ſich in die andern Schiffe begeben hatten / ſo fuhren wir unter dem Schalle vieler Trompe - ten und anderer unzehlicher Jnſtrumenten freu - digſt dahin / nach Macaon / allwo dieſes Schif - Feſt jaͤhrlich begangen wird. Gegen den Abend bekamen wir erwehnte Stadt zu Geſichte / wel - ches eine ziemliche Feſtung zu ſeyn ſchiene: Und als wir uns derſelben genaͤhert hatten / empfieng ſie uns dermaſſen mit Stuͤcken / daß ſich der Fluß gleichſam von dem ſchrecklichen Knallen ſchwell - te / und man eine geraume Zeit die Stadt vor hefftigem Dampffe nicht ſehen kunte. Nach - dem wir aber angelendet / wurden wir mit groſ - ſem Freuden-Geſchrey des Volckes angenom - men / und ſo fort ein ieder in der Stadt angewie - ſen / wo er biß zu folgendem Morgen ſeine Be - qvemligkeit haben ſolte: Dahin wir uns denn verfuͤgten / und alſo mein Printz / auch nur des bloſ - ſen Anſehens / von ſeiner Princeßin wenig genoß. Folgenden Morgen begaben wir uns nach dem Pallaſt des Kaͤyſers / welcher / wie faſt alles ande - re / gleichfalls aus - und inwendig mit Golde ge - zieret / und mit luſtigen Gaͤrten umgeben war. Aus dieſem Pallaſte verfuͤgten ſich alle hohe Per - ſonen nach einem andern / welcher an dem Fluß gebauet war / in welchem der Kaͤyſer nebſt denen Princeßinnen ſich an die Fenſter begaben / und die - ſem Schiffs-Feſte zuſahe. Solches beſtund nun hierinnen / daß alle Vornehme des Hofes / und wem es beliebte / auff den kleinen Schiffen dieWette221Erſtes Buch. Wette renneten / da denn ein ieder ſelb-ander das Ruder regieren muſte. Wer nun zum er - ſten an den Pallaſt unter des Kaͤyſers Fenſter kam / der trug den Preiß davon / und bekam von der Princeßin Baniſe einen guͤldenen Krantz / die nechſten aber einen ſilbeꝛnen / und ſo fort an. Wel - che aber zuruͤcke blieben / die wurden ziemlich durchgezogen / der letzte aber hatte von dem ſaͤmt - lichen Frauenzimmer ein bloſſes Tuch zu gewar - ten. Solchen guͤldenen Krantz von der ſchoͤnen Princeßin Hand zu erlangen / bewegte meinen Printz / daß er ſich unterſieng / dieſem Wettſtreite beyzuwohnen / welches dem Kaͤyſer ſehr wohl gefiel / und dannenhero die andern Printzen ihm nachfolgeten / deren ieder ſich ein Schiff erwehle - te. Mein Printz nahm mich zu ſich / und ermah - nete mich zu euſerſter Darſtreckung meiner Kraͤff - te / mit Verſprechen dreyßig Bizen Goldes / wo wir den Preiß erlangten: Und legte er einen an - dern Rock an / ich aber warf meinen gar weg / um deſto geſchickter zum Rudern zu ſeyn. Als wir uns nun alle zu Schiffe begeben / und eine gleiche Linie qver uͤber den Strom gemacht hatten / wur - de das Zeichen mit 24. ſilbernen Trompeten ge - geben. Was nun da vor eine aͤngſtliche Bemuͤ - hung auf allen Seiten zu ſehen war / ſolches iſt unbeſchreiblich / wiewohl mich meine hefftige Ar - beit nicht viel umſehen ließ. Ob uns nun zwart et - liche Schiffe faſt bey zwanzig Schritten zuvor ge - kommen waren / ſo ſchickten es doch die guͤtigenGoͤt -222Der Aſiatiſchen Baniſe. Goͤtter / daß ſie an einander fuhren / und ſich der - maſſen verwirreten / daß wir Zeit genung hatten / ſeitaus zu fahren / und einen weiten Vorſprung zu nehmen / welcher uns denn dermaſſen zu ſtatten kam / daß der Hinterſtelligen Bemuͤhung nur ver - gebens war / und wir gantz gluͤcklich unter der Princeßin Baniſen Fenſter zu erſt ankamen / wel - che mein Printz mit einer tieffen Neigung beehr - te. Der nechſte hinter uns war Printz Xemin / nach dieſem aber Printz Zarang / welcher vor Ver - druß gantz blind zu ſeyn ſchiene / und mit ſolcher Gewalt an die vorgeſetzten Ziel-Pfaͤle anlieff / daß er ruͤcklings ins Waſſer fiel / und mit Muͤhe mu - ſte errettet werden: Welches denn die Princeſ - ſin von Savady dermaſſen erſchreckte / daß wir ei - nen lauten Schrey von ihr hoͤren kunten. Als nun alle Schiffe angelanget / ſtiegen die Printzen ans Land / die uͤbrigen Schiffe aber wiederholten ihr rennen noch zu unterſchiedenen malen. Die Printzen legten ſich allerſeits an / und verfuͤgten ſich nach dem Kaͤyſer / um die ausgeſtellten Preiſ - ſe zu empfangen / iedoch mit ungleicher Vergnuͤ - gung: Denn als mein Printz mit einem guͤlde - nen / Printz Xemin aber mit einem ſilbernen Krantze von der ſchoͤnen Hand der Princeßin Baniſen gekroͤnet ward / erhielte Zarang nur von der Hand der Savaderin einen glaͤſernen Blu - men-Topf mit Blumen gefuͤllet / welchen er zwar annahm / iedoch denſelben / gleich ob es aus Ver - ſehen geſchehen / unachtſam auf die Erden fallenließ223Erſtes Buch. ließ / daß er in tauſend Stuͤcken zerbrach: wo - durch er ſein Mißvergnuͤgen ſattſam zu verſtehen gab. Nach dieſem wendete er ſich bald zu der Princeßin Baniſe / welche deſſen Rede / ſo viel ich anmerckte / iederzeit mit einer Roͤthe / und gantz verdrießlich-ſcheinende / beantwortete. Mein Printz ſtund von ferne / und ſahe mit tieffſter See - len-Empfindung zu; ja ſo offte nun Zarang ihre Hand zum Munde fuͤhrete / ſie zu kuͤſſen / ſo offte empfand ſein Hertz einen toͤdtlichen Stich. End - lich erblickte ich an der Princeßin das verlohrne Bildniß der Higvanama / welches ſie auf ihre lin - cke Bruſt gehefftet hatte. Dieſes entdeckte ich ſo bald bey erſter Gelegenheit meinem Printzen / woꝛuͤber er ſich nicht wenig entfaͤꝛbete / iedoch nach Art der Verliebten alles zu ſeinem beſten ausdeu - tete. Jnzwiſchen wurde alles zu einem Kaͤyſer - lichen Panqvete angeſchicket / welches auf einem groſſen Saale / der faſt mit Cryſtall uͤberzogen war / ſolte gehalten werden. Wir wurden in kurtzem durch der Trompeten Schall zur Mahl - zeit beruffen / und muſte auf Kaͤyſerlichen Befehl mein Printz wiederum die Princeßin von Sava - dy nach dem Saal begleiten / welches er endlich ſo weit willig verrichtete / als er nur ſahe / daß die Princeßin Baniſe nicht von dem Zarang / ſondern von ihrem Bruder dem Xemin gefuͤhret wurde. Welches ein Zeichen Kaͤyſerlicher Ungnade ge - gen den Zarang war / deſſen Urſache uns Tale - mon ſchon entdecket hatte. Wir wurden auffden224Der Aſiatiſchen Baniſe. den mit koſtbaren Tapeten belegten Boden zur Taffel geſetzet / und zwar oben der Kaͤyſer / ei - nige Schritte von deſſen lincken Hand ſaß die Princeßin Baniſe / neben ihr aber wurde doch Za - rang geſetzt / um / meines Erachtens / ihn nicht all - zu ſehr vor den Kopff zu ſtoſſen / welche beliebte Stelle er auch mit ſonderbarem Hochmuth ein - nahm / und meinem Printzen nichts als veraͤchtli - che und ſaure Blicke mittheilte. Zur rechten Hand des Kaͤyſers wurde der Cron-Printz Xe - min / neben den die Princeßin Savady / und alsdenn mein Printz geſetzet / welchen auff beyden Seiten eine ziemliche Reyhe der vornehmſten Herren folgeten. Ob ich nun zwar auch an dieſe Taffel genoͤthiget wurde / ſo wolte doch ich lieber meinem Printz aufwarten / um deſto genauer al - les zu bemercken / welches mir endlich zugelaſſen ward. Bey dieſer Mahlzeit nun wurde die herr - lichſte Muſic gehoͤret / welche ſich Chor-weiſe an unterſchiedenen Ecken vernehmen ließ: So ſtel - leten ſich auch nach hieſiger Landes-Art unter - ſchiedene Taͤntzerinnen und Poſſen-Spieler ein / damit alle Sinnen wohl ergoͤtzet wuͤrden. Der Schiraſſer Wein / welcher jaͤhrlich in ziemlicher Menge aus Perſien nach Hofe verſchrieben wird / gienge ziemlich ſtarck herum / und erhitzte ſo wohl die Koͤpffe / als die Gemuͤther. Es war aber nichts geſchaͤfftiger / als die Augen der ſchoͤnſten Baniſen und meines Printzen / welche einander unzehlich mal im Anſchauen begegneten / und ſichhier -225Erſtes Buch. hierdurch iederzeit beſchaͤmt zuruͤcke und nieder - ſchlugen. Unſer verliebter Zarang aber ließ ſich den Wein dermaſſen ſchmecken / daß hierdurch / ungeachtet voriger Beſchaͤmung / ſeine Liebe gleichſam wieder aufgewaͤrmet ward / alſo daß er der ſchoͤnen Princeßin ſehr beſchwerlich fiele / in - dem er ihr entweder / ob ſie gleich der Speiſe ge - nieſſen wolte / die Haͤnde raubte / oder ihre Achſeln mit ſeinem Kopffe beſchwerte / und was derglei - chen verliebte Poſſen durch trunckene Liebe mehr begangen werden. Ja endlich ſchuͤttete er ihr gar ein Geſchirre mit Wein auff den Halß / wo - durch er bey der Princeßin ein erſchrockenes / bey dem Kaͤyſer ein ſaures Geſichte / bey meinem Printzen aber ein heimliches Frolocken erweckte. Damit nun die allgemeine Freude durch dieſe Grobheit nicht moͤchte verſtoͤret werden / ſo wurde es endlich in ein Stillſchweigen hiervon ver - wandelt.

Wie aber nichts vergaͤnglicher iſt / als die Welt-Freude und Ergoͤtzlichkeit des Zeitlichen: alſo wuͤrde man dieſes auch gerne nachgegeben haben / wenn die Zeit nur noch zur Zeit zu Voll - ziehung dieſer Kaͤyſerlichen Luſt erlaubet haͤtte. Denn / als der Kaͤyſer in voller Majeſtaͤt ſeine Pracht erwieſe / und ſeine Vergnuͤgung durch al - le erſinnliche Ergoͤtzligkeit / welche das Gluͤcke ei - nem ſolchen Monarchen goͤnnet / ſuchte / ja nie - mand von den Anweſenden an einige Hinderung gedachte / ſiehe / ſo kam ein Courir aus Pegu / wel -Pcher226Der Aſiatiſchen Baniſe. cher einen andern aus dem Koͤnigreich Martaba - ne / und zugleich dieſe erſchreckliche und betruͤbte Zeitung mit brachte / daß Chaumigrem / Koͤnig von Brama / unverwarnter Sache ſelbtes Reich mit einer gewaltigen Armee uͤbeꝛzogen / die Haupt - Stadt Martabane durch Verraͤtherey erobert / und den Koͤnigl. Stamm erbaͤrmlich umgebracht haͤtte. Weil nun der erwuͤrgete Koͤnig / Cham - bainha / ein Eydam des Kaͤyſers war / indem er ſich die aͤltiſte Princeßin von Pegu vor ſieben Jahren vermaͤhlen laſſen: als wurde der gantze Hof hieruͤber ungemein beſtuͤrtzt. Die Muſic ſchwieg im Augenblick ſtille / alle Taͤntzer wurden abgeſchaffet / und einieder ließ ſein hertzliches Bey - leid aus den Augen blicken. Auſſer dem Kaͤyſer ſahe man eine ungemeine Großmuͤtigkeit an / wel - cher auch den Uberbringer dieſer ungluͤcklichen Poſt vor ſich kommen / und ſich den Verlauff des kurtzen / doch jaͤmmerlichen Krieges vor unſern Ohren erzehlen ließ.

Eur. Maj. hub er an / gehorſamſte Folge zu leiſten / ſo berichte in Unterthaͤnigkeit / daß ich ein geborner Marabaner und treuer Unterthaner meines liebgeweſenen Koͤnigs bin / welcher mich auch ſeine Koͤnigl. Gnade ſattſam empfinden laſ - ſen / indem er mich gewuͤrdiget / einen Hauffen von drey tauſend Mann zu Roß zu commandiren; Dahero ich denn ſo ungluͤcklich geweſen / daß ich alles mit meinen Augen anſehen muͤſſen / woruͤ - ber mein Hertze noch blutet. E. M. wird es ſatt -ſam227Erſtes Buch. ſam bekandt ſeyn / wie der Haupt-Rebelle Chau - migrem / eingebildeter Koͤnig von Brama / ieder - zeit einen toͤdtlichen Haß gegen J. Maj. getragen / wegen tapfferer Beſtraffung / womit J. M. dero gerechteſte Rache an ſeinem gleichfalls rebelli - ſchen Bruder ausgefuͤhret / und ihn den verdien - ten Lohn bey dieſer Stadt Majao vor einem Jah - re ertheilet. Solche Niederlage hat nun dieſen Bluthund aus ſeinen Winckeln wieder hervor gezogen / deſſen Frevel ſich nicht allein unterſtan - den / den unrechtmaͤßigen Beſitz von dem Reiche Brama / als ein Erb-Recht und Cron-Folge zu behaupten / ſondern auch gar mit Bedrohung ver - meynter Rache an dem heiligen Haupte J. M. zu vergreiffen. Weiln er aber ſich nicht getrau - te / dero gerechteſte Waffen / oder die Peguaniſche Tapfferkeit zu verſuchen; als wolte er an den Schwaͤchern ſeine Grauſamkeit ausuͤben / umb nicht ſo wohl ſich an dieſem hohen Kaͤyſerl. Hau - ſe wegen naher Anverwandſchafft meiner entſeel - ten Koͤnigin zu raͤchen / als auch ſeine Macht zu verſtaͤrcken: Deßwegen er einige Zeit her unter - ſchiedene hoͤchſtunbilliche Foderungen an das Reich Martabane gethan / welche ihm allemal großmuͤthig von unſerm tapffern / und eines beſ - ſern Gluͤckes wuͤrdigen Koͤnige abgeſchlagen wor - den. Dahero der Tyranne durch ſolche Ver - weigerung ſich wol berechtiget erachtete / einen un - vermutheten Krieg anzufangen. Jch ſage recht / unvermuthet / indem wir des feindlichen Einfal -P 2les228Der Aſiatiſchen Baniſe. les nicht eher gewahr worden / als biß es das fluͤch - tige Land-Volck in unfern Feſtungen mit Scha - den bekraͤfftigte / daß der Feind in vollem Anzuge ſey. Es wurde ſo bald bey finſterer Nacht eilen - der Befehl an alle Kriegs-Haͤupter geſendet / un - verzuͤglich mit ihren Trouppen ſich nach der Haupt-Stadt Martabane zubegeben / und ſich da zuſammen zu ziehen / weil man doch wol ſahe / daß der grauſamen Macht des Feindes / welche in viermal hundert tauſend bewehrter Mann be - ſtund / nicht zu widerſtehen war; dannenhero man das gantze Land muſte Preiß geben / und den Ausgang dieſeꝛ ſchnellen Fehde auff einen Haupt - ſtreich ankommen laſſen. Unſere Voͤlcker ruͤck - ten zwar in moͤglichſter Eyl herbey / und formirten ein ſchoͤnes Lager von achtzig tauſend Mann. Al - lein was war dieſe geringe Macht gegen des Fein - des wuͤtende Gewalt; Denn dieſer kam als ei - ne rauſchende Fluth daher / und zog auff das Hertz des Reichs / will ſagen auff Martabane an. Deſſen Grauſamkeit kunten wir nun in der Koͤnigl. Burg bey Nachtzeit mit feurigen Buchſtaben an dem Himmel leſen / indem man uͤber hundert Feuer zehlete / mit welchen der Ty - ranne ſeine Wut gegen die verlaſſenen Huͤtten der armen Martabaner ausliß. So bald der Mor - gen angebrochen / begab ſich unſer Heldenmuͤthi - ger Koͤnig ſelbſt ins Lager / nachdem er Stadt und Burg wol beſetzt / und ſeine Gemahlin und Kinder denen Goͤttern anbefohlen hatte. Er ſtellete uns ſo fort wegen Annaͤherung des Fein -des229Erſtes Buch. des kluͤglich ins Feld / und dehnete unſeꝛe Schlacht - Ordnung dermaſſen weit aus / daß es ſchiene / als ob wir dem Feinde allen Vorthel benommen haͤtten. Um den Mittag ſahe man den Feind von ferne als einen groſſen Wald mit einem di - cken Staube daher rauſchen / welcher uns auch mit einem erſchroͤcklichen Geſchrey dermaſſen an - fiel / als ob er geſonnen waͤre / uns auf einmal zu verſchlingen. Allein wir empfiengen ihn der - geſtalt / daß wir in kurtzem Meiſter des Feldes waren / indem er wegen allzugroſſer Unordnung bald das Feld raͤumete. So hoch uns nun die - ſes erfreuete / ſo ſehr wurden wir erſchrecket / als wir durch unſere Kundſchafft benachrich - tiget wurden / es waͤren nur die Vor-Troup pen in funfftzig tauſend Mann ſtarck von uns geſchlagen worden. Zudem hatten wir bey die - ſem blutigen Anfange bey zehen tauſend Mann eingebuͤſſet / da hingegen auch bey fuͤnſund zwan - tzig tauſend feindliche Leichen das Feld bedecke - ten. Nach dieſem Siege ruͤckten wir wieder in unſer Lager / um des Feindes Vorhaben folgen - den Morgen zu erwarten. Dieſer kam aber - mals mit der voͤlligen Macht angezogen / und griff uns dergeſtalt auff allen Seiten an / daß inner - halb drey Stunden / ungeachtet aͤuſſerſten Wi - derſtandes / faſt alle niedergemacht / unſer Koͤnig gefangen / und kaum drey tauſend der Unſrigen in die Stadt entkommen waren. Was dieſes vor eine entſetzliche und grauſame Schlacht ge -P 3we -230Der Aſiatiſchen Baniſe. weſen / kan Eur. Maj. hieraus abnehmen / wenn ich berichte / daß der Feind wegen Menge der Todten in fuͤnff Tagen ſich nicht der Stadt naͤh - ern koͤnnen / obgleich taͤglich ihrem Bericht nach ſechs tauſend Mann die Todten einſcharren muͤſ - ſen. Als die Wahlſtatt in etwas geraͤumet / und der Feind truckenen Fuß ſetzen kunte / hub er ſo bald eine ernſte Belagerung an / welche aber in nichts als in einem ſtetswaͤrenden Sturm be - ſtund / indem er ſechs Tage und Naͤchte iedwedes mal mit funfftzig tauſend Mann grauſam ſtuͤr - men ließ. Ob wir nun zwar unſer werthes Haupt verlohꝛen hatten / und in des Feindes Hand wuſten / ſo lieſſen wir doch nichts von unſerer Treue und Tapfferkeit erwinden / womit wir uns unſerm vorlohrnen Koͤnige noch verbunden zu ſeyn erachteten / indem wir ieden Sturm dermaſ - ſen ritterlich abſchlugen / daß die Waͤlle vom feind - lichen Blute uͤberal gefaͤrbet waren / und der Feind wegen deſſen Schlipfferigkeit keinen feſten Fuß mehr ſetzen kunte. Was wir nun durch unſere Tapfferkeit wider ſolche Gewalt erhalten / dieſes verlohren wir durch ewig verdammte Ver - raͤtherey in einer Nacht / deſſen Urheber bloß dem gerechten Himmel bekandt iſt. Denn als der Feind ſeinen Kopff grauſam zerſtoſſen / und doch nicht viel damit ausgerichtet hatte / ließ er endlich von dieſem ſechs taͤgigen Sturme abblaſen / und fuͤhrte die ziemlich geſchwaͤchte Armee zuruͤcke. Worauff wir voller Freuden uns auch zur noͤthi -gen231Erſtes Buch. gen Ruhe begaben; wiewol wir durch fleißige Wachten alle Poſten wohl beſetzet lieſſen. Als wir aber am ſicherſten zu ſeyn vermeyneten / er - ſcholle das erſchreckliche Geſchrey / der Feind ſey ſchon in der Stadt / und ſey durch das Waſ - ſer-Thor hinein gedrungen. Ob nun zwar ein ieder nach den Waffen griff / ſo war es doch ver - gebens / weil Schrecken und Finſterniß uns ver - wehrete / zuſammen zu kommen / und alſo muſten wir gantz zerſtreuet des traurigen Morgens er - warten. Dieſer war kaum angebrochen / ſo er - hub ſich ein ſolch grauſames Wuͤten / Wuͤrgen und Niederhauen / dergleichen in Aſien wol nie mag geſchehen ſeyn. Ein Theil / und zwar die wenigſten / worunter auch mich das Gluͤck oder vielmehr das Ungluͤck ſchloß / wurden gefangen genommen: Ein theil flohe der Koͤniglichen Burg zu / wie wol zu hoͤchſtem Ungluͤck des Koͤ - nigl. Hauſes / denn der Feind drang ſich zugleich mit hinein / und verfuhr doch ſo weit gelinder / daß er der Koͤnigin / ihrer Kinder / des ſaͤmmtlichen Frauenzimmers und einiger groſſen Herren ver - ſchonete / und ſie nur gefaͤnglich annahm. Wie nun dieſen wuͤtenden Hunden ihre Fauſt an dem Blut-trieffenden Schwerdte faſt erſtarrete / hu - ben ſie an die herrliche und ſchoͤne Stadt nieder - zureiſſen in willens / ſie der Erden gleich zu machen / welchem der mit ſchweren Ketten belegte Koͤnig mit blutendem Hertzen zuſehen muſte. Was ich aber zuvor von einiger Gelindigkeit gegen dieP 4im232Der Aſiatiſchen Baniſe. im Schloſſe hohen Gefangene gemeldet / ſolches war nur ein kleiner Auffſchub ihrer verteuffelten Tyranney zu nennen. Denn als auch die ande - re Nacht verſchwunden / ſahe man die Sonne gantz blutig auffgehen / und ſchiene dermaſſen traurig zu ſeyn / gleichſam als ob ſie ſich ſelbſt be - truͤbte / eine ſolche nie erhoͤrte Grauſamkeit mit enzuſchauen. Nachdem wir wenigen Gefan - gene in das Feld geſtellet worden / ſahe man drey tauſend Mañ mit Spieſſen und Muſqveten daher kommen / welche hundert und viertzig Kernſchoͤne Weibes-Bilder / deren |iedesmal vier und viere zuſammen gebunden waren / unter ſich fuͤhreten / bey iedweder Kuppel aber gieng einer von den Bramaniſchen Prieſter oder Talegrepos / wel - che ſie troͤſten / und einen Muth zum Sterben ma - chen ſolten. Unter ſolchen betruͤbten Hauffen leuchtete die ſchoͤne Nhai Canato als eine Son - ne unter den Sternen hervor / welche ietzt in dem Todten-Meere untergehen ſolte; Und weil ſie von ſo hohem Kaͤyſerl. Stamme entſproſſen war / ſo ſchiene es / als ob der Tyranne ihr auch im To - de einige ſchuldige Ehre erweiſen wolte / indem zwoͤlff Thuͤrhuͤlter / mit ſilbernen Kolben auff den Achſeln / vor ihr her traten. Zur Seiten wur - den ihre vier Kinder / alß zwey Printzen und zwey Princeßinnen von ſo viel Maͤnnern auff Pferden gefuͤhret. Das uͤbrige Frauenzimmer war al - les von hohem Stande / und der Martabaniſchen Fuͤrſten Weiber und Toͤchter / deren Geſichteralle233Erſtes Buch. alle dermaſſen ſchoͤne waren / daß ſie unter den ab - ſcheulichen hauffen ihrer Fuͤhrer und Henckers - Knechte wie die Sonnen-Strahlen unter den ſchwartzen Wolcken hervor leuchteten. Man erblickte an ihnen das zaͤrteſte Weſen / und ſpiel - ten die vor Angſt erblaſſeten Roſen ihrer Wan - gen noch mit ſolcher Anmuth / daß auch die Stei - ne hierdurch haͤtten ſollen erweichet werden / an - geſehen alle zwiſchen funffzehen und fuͤnff und zwantz Jahren ihre Jugend mit einer ſchmertzli - chen Todes-Art verwechſeln muſten. Dieſer vor Augen ſtehende ſchmaͤhliche Tod / und erbaͤrm - liche Unbilligkeit preſſete einen Seufftzer und Zet - ter-Geſchrey nach dem andern heraus / worbey dieſe ſchwache / doch holdſelige Creaturen / faſt iedesmal in eine Ohnmacht fielen. Ob nun zwar viel andere Weiber / welche ihnen das Ge - leite gaben / ihnen allerhand Staͤrckungen und Confect reicheten / ſo kunten und wolten ſie doch nichts koſten / ſintemal die Bitterkeit des Todes alle Suͤßigkeit in Wermuth verwandelte. Hin - ter dieſem armſeligen Frauenzimmer folgeten 60. Grepos oder gemeine Prieſter / ie zwey nach einander / welche mit niedergeſchlagenen An - geſichtern in ihren Buͤchern laſen / und zum oͤff - tern rieffen: HErr / der du von keinem andern / weder von dir ſelbſten / das Weſen haſt / richte un - ſere Wercke / damit ſie deiner Gerechtigkeit gefal - ten moͤgen. worauff andere antworteten: HErr / verleyhe / daß dieſes alſo geſchehe / auffP 5daß234Der Aſiatiſchen Baniſe. daß wir die reichen Gaben deiner Verheiſſung wegen unſerer Suͤnden nicht verlieren.

Was nun das erbaͤrmlichſte Anſehen gab / das waren vier hundert kleine Kinder / welche hinter den Prieſtern in einer langen Reyhe daher lieffen: Dieſe waren unterwerts des Leibes gantz bloß / hatten Stricke um ihre Haͤlßgen / und weiſſe bren - nende Wachs-Kertzen in ihren Haͤnden. Dar - auf marchirte die Bramaniſche Wache mit Spieſſen und Mußqveten: Dieſem nach folgten hundert Elephanten / und uͤber das eine groſſe menge Volcks zu Roß und Fuß / daß alſo zwey tauſend Reuter / zehen tauſend Fußvolck / und zwey hundert Elephanten dieſe betruͤbte Ausfuͤhrung begleiteten / des uͤbrigen Volckes aber war keine Zahl. Mit dieſem anſehnlichen Auffzuge gien - gen dieſe Koͤnig - und Fuͤrſtliche Engel / welche ei - ner gluͤckſligen Unſterbligkeit wuͤrdig geweſen / durch das Feld nach dem erſchrecklichen Richt - Platz zu / allwo ein und zwantzig Galgen ihrer er - warteten. So bald man daſelbſt angelanget / machten ſich zu Pferde etliche Herolden hervor / welche uͤberlaut ausrufften: Jedermaͤnniglichen ſey diß Blut-Urthel kund / welches der lebendige GOtt verhaͤngt / der da will / daß gegenwaͤrtige hundert und viertzig Frauen ſterben / und in die Luft geworffen werden ſollen: Alldieweil aus ih - rem Rath und Anſtifften ihre Maͤnner und Vaͤ - ter rebelliret haben. Dieſes wurde nun vorge - ſchuͤtzet / weil der Bluthund das Koͤnigreich Mar -ta -235Erſtes Buch. tabane als Lehn-Reich von Brama wiſſen / und uns zu Vaſallen haben wolte. Dieſes Urthel war kaum ausgeſchrien / ſo erhub ſich von den Gerichts-Beamten und Henckers-Knechten ein ſo abſcheu - und duͤſterlich Geſchrey / daß einem die Haare zu Berge ſtunden: Und hiermit griffen die Hencker die Verurtheilten an. Was man nun hier vor ein jaͤmmerliches Schreyen und Weinen anhoͤren / und vor hertzbrechende Geber - den ſehen muſte / wie ſie einander um den Halß fielen / und mit tauſend Thraͤnen von einander Abſchied nahmen / ſolches wird mir niemand ver - uͤblen / wenn ich / als der ich es mit angeſehen / vor uͤbriger Wehmuth faſt nicht mehr reden kan. Zu - gleich hemmeten ihn auch die Thraͤnen die Rede / daß er eine ziemliche Weile ſchweigen muſte / und wir ihme faſt alle Geſellſchafft leiſteten / auſſer der Kaͤyſer / welchem man nur dann und wann ei - nen Tropffen abfallen ſahe. Als ſich nun dieſer be - truͤbte Ungluͤcks-Bothe in etwas wieder erholte / fuhr er alſo fort:

Unſere werthe Koͤnigin ſteuerte ſich inzwiſchen auf eine alte Frau / und war vor unausſprechli - chen Betruͤbniß ſchon mehr als halb todt. Ehe die andern aber ſich von den unbarmhertzigen Henckern wegſchleppen lieſſen / wolte gleich - wohl eine von dieſen armſeligen Damen im Na - men ihrer aller / der Koͤnigin zuvor noch die unter - thaͤnige Ehren-Pflicht erzeigen / und die letzte gute Nacht ſagen; Derowegen ſie ſie denn auf ſol -gen -236Der Aſiatiſchen Baniſe. gende Art / wiewohl mit ſchwacher und klaͤglicher Stimme / anredete: Durchlauchtigſte Frau! Nachdem wir anietzt in dem Stande demuͤthi - ger Sclavinnen zu der betruͤbten Wohnung des Todes hintreten / ſo troͤſtet ihr / als die ſchoͤne roſen-Krone unſerer Haͤupter / uns mit eurem anmuthigen Geſichte / auf daß wir mit deſto leichterm Kummer dieſen geaͤng - ſteten Leib verlaſſen / und vor der maͤchtigen Hand des gerechten Richters erſcheinen / zu dem wir / um unendliche Rache dieſer uns ange - thanen unbilligen Schmach mit bethraͤnten Au - gen ſchreyen wollen. Die hoch beaͤngſtigte Koͤ - nigin antwortete hierauf erſtlich mit einem klaͤg - lichen Blick / und einem ſolchen Angeſichte / dar - ein der Tod allbereit den erſten Entwurff ſeiner Geſtalt gemacht hatte / hernach mit folgender leiſen Stimme: Nehmet nicht ſo bald Abſchied / liebſte Schweſtern / ſondern helffet mir vor dieſe kleine Kinder tragen. Aber das lieſſen die eylen - den Scharffrichter / die mit ihrem Koͤnige die Barmhertzigkeit gemein hatten / nicht zu / welche unter wehmuͤthigſtem Ach und Eeh / Winſeln und Rach-Geſchꝛey alle dieſe ſchoͤne Leute erwiſch - ten / und ohn einiges Verſchonen ſie an zwanzig Galgen erbaͤrmlichſt aufhencketen / und zwar an iedweden ſieben / was aber noch das aͤrgſte war / ſo wurden ſie bey den Fuͤſſen aufgehenckt / weßwe - gen ſie denn unter ſchmertzlichem Seuffzen erſt in einer Stunde in ihrem Blut erſtickt waren. Hier -nechſt237Erſtes Buch. nechſt galt es der Koͤnigin / welche von vier Frau - en nach dem Galgen gefuͤhret ward / daran ſie mit groͤſſeſter Hertzens-Qvaal ihre Kinder ſolte zap - peln ſehen / welches ihr weit mehr als der eigene Tod zu Hertzen gieng. Der Rolimmunay / als ein groſſer Heiliger redete ihr fleißig zu / wie ſie den Tod unerſchrocken leiden ſolte. Jndeſſen foder - te ſie ein wenig Waſſer / nahm es in dem Mund / und ſpruͤtzte es uͤber ihre vier Kinder / deren iedes ſie nach einander auf die Arme nahm / ihnen ei - nen Abſchieds-Ruß nach dem andern auf den Mund druckte / mit ſo inbruͤnſtiger Bewegung / daß einem Tyger darvon die Augen haͤtten uͤber - gehen moͤgen. Endlich brach ſie in folgende Klag - Worte heraus: Ach / meine Kinder / die ich aufs neue in dem Eingeweide meiner Seelen gebohren / wie wolte ich mich ſo hoch begluͤcket achten / wann mir erlaubet waͤre / euer Leben durch einen tau - ſendfachen Tod zu erkauffen! Alsdenn wuͤrde ich alle Furcht / darinnen ihr mich / und ich euch ſehe / verlaſſen / und von dieſen grauſamen Henckern den Tod ſo willig erwarten / als gerne ich werde vor dem HErrn aller Dinge / in der Ruhe ſeiner himmliſchen wohnung erſcheinen.

Diß geſagt / ließ die betruͤbte Koͤnigin ihre Au - gen auf den Nachrichter ſchieſſen / welcher allbe - reit die zwey kleinen Printzen gebunden hatte / und ſagte zu ihm: Sey nicht ſo unbarmhertzig / daß du meine Kinder vor meinen Augen um - bringeſt. Richte mich erſt hin / und ſchlage mirdie238Der Aſiatiſchen Baniſe. die letzte Gunſt nicht ab / die mein ſterbender Mund von dir begehret. Mit dieſen Worten riſſe ſie die Kinder wieder zu ſich / umfieng / druͤckte und hertzete ſie / und gab ihnen tauſend Schei - dungs-Kuͤſſe / ſo lange / biß ſich der guͤtige Him - mel ſelbſt uͤber ſie erbarmete / und ihr Seele und Athem benahm / ehe ſie den Hencker-Strick fuͤhlete. Alſo ſanck ſie unter den Haͤnden der Frauen / auff welche ſie ſich ſteurete / todt dar - nieder. Wie der Hencker dieſes erblickete / ſprang er behende hinzu / raffte und henckete ſie geſchwin - de auf / hernach die vier andern Frauen / und end - lich zu ihrer Rechten die zwey jungen Printzen / zur Lincken aber die zwey kleine Princeßinnen.

Hier ſanck zugleich die Princeßin Baniſe uͤber der traurigen Erzehlung des ſchmertzlichen To - des ihrer Frauen Schweſter in eine ſtarcke Ohn - macht / alſo / daß ſie faſt nicht wieder zu ermun - tern war / und ſie dannenhero in ein ander Zim - mer muſte getragen werden. Die Thraͤnen haͤuf - feten ſich auch bey allen Zuhoͤrenden dermaſſen / daß man ſtatt vorigen Jauchtzens und Muſtici - rens / nichts als Klagen und weinendes Kluch - zen vernahm / welches deñ eine erbaͤrmliche Ver - aͤnderung des menſchlichen Zuſtandes war. Der großmuͤthige Kaͤyſer aber fuhr fort zu fragen / wir es ferner und bevoraus mit dem Koͤnige abgelauf - fen ſey? wovon er folgenden Bericht erſtattete: Dieſes erbaͤrmliche Mod-Spiel erweckete in Freund und Feinden ein ungemeines Trauren /wel -239Erſtes Buch. welches endlich in eine Verbitterung und Auff - ruhr ausſchlagen wolte / indem Chambainha / der ein Sohn und rechtmaͤßiger Erb-Printz des Rei - ches Brama war / deſſen Herr Vater nach eignem hohen Bewuſt durch des Tyrannen vorigen Bru - der / den Xenimbrum gleichfalls des Reiches und Lebens beraubet worden; Derowegen wachte die alte und natuͤrliche Liebe der Bramaner gegen ihren rechtmaͤßigen Herrn in etwas wiederum auf / und ließ es ſich allerdings zu einem gefaͤhrli - chen Aufruhr an. Hierzu halff nicht wenig das grauſame Zeter - und Klag-Geſchrey der unglaub - lichen zuſchauenden Menge / wovon auch die Erde erzitterte / und kam es ſo weit / daß hundert und zwantzig tauſend Mann ins Feld ruͤckten / und ſich der Tyrann in die Burg begeben muſte; wie - wohl dieſer loͤbliche Eyffer bald wiederum erkalte - te / und mit der einbrechenden Nacht gaͤntzlich ge - ſtillet ward. Unter dieſem ſchaͤndlich-erwuͤrgeten Frauenzimmer ſind drey Jungſern geweſen / die das Mord-Kind vorhin zu heyrathen begehret gehabt; weil er aber damals noch in dem Graͤfl. Stande von ihren Eltern abſchlaͤgige Antwort bekommen / hat er ſeine grauſame Liebe mit dem Stricke gerochen.

Zu Verhuͤtung aber ferneren Auffſtandes ließ der tuͤckiſche Hund dem gefangenen Koͤnige noch in derſelbigen Nacht einen ſchweren Stein an den Hals hencken / und in das tieffe Meer werffen / in welcher jaͤmmerlichen Todes-Art ihm noch ſech -zig240Der Aſiatiſchen Baniſe. zig vornehme Herren / welche alle der erwuͤrgeten Frauen Vaͤter / Maͤnner und Bruͤder waren / be - truͤbte Geſellſchafft leiſteten. Dieſes iſt nun der blutige / und Thraͤnen-wuͤrdige Untergang un - ſers Hochpreißlichen Koͤnigl. Hauſes / wowider wir armen Leute nichts ferner vermoͤgen / als den gerechten Himmel und E. Maj. maͤchtigſte Waffen um brennende Rache und Huͤlffe anzu - ruffen.

Hiermit endigte der Menſch ſeine trautige Er - zehlung / woraus der hoͤchſt-betruͤbte Kaͤyſer die Haͤnde in einander ſchlug / und mit Seuffzen ſag - te: Wie unerforſchlich iſt doch der Schluß des Himmels? Dieſem ſchenckt er einen Lorbeer - Krantz / und jenem einen Hencker-Strick. Hier hebet er einen empor / und dort ſtuͤrtzet er den an - dern zur Hoͤlle. O Himmel! wie hat es deine Gerechtigkeit zulaſſen koͤnnen / daß der Gerechte untergangen / und der Gottloſe erhaben iſt? Daß ſich der Scepter in einen blutigen Moͤrder-Stal / der Thron in einen ſchwartzen Sarg / und die Krone in ein Rad des wandelbaren Gluͤcks ver - wandelt hat? Ach Nhai Canato / meine werthe Tochter! haben mich die Goͤtter deßwegen mit dir beſchencket / daß ſie mich auf dieſe harte Pro - be ſtellen wollen / wenn ich mein liebſtes Kind ſoll am Galgen ſterben ſehen. Moͤchte nicht das tapfferſte Gemuͤthe weichmuͤthig gemacht wer - den / wenn es ſein Fleiſch und Blut unter des Hen - ckers Hand wiſſen ſoll. O unertraͤgliches Leid! O241Erſtes Buch. O Schmertz / welchem kein Schmertz zu verglei - chen! Vermaledeyter Wuͤterich! Verdamm - ter Chaumigrem! Jſt dieſes iemahls erhoͤret worden / daß man gegen zarte Weibs-Perſonen ſo abſcheulich verfahren hat? Verdammter Hund! kunte dich nicht die Schoͤnheit welche auch Tyger bezwinget / uͤberwinden? kunte dich das jaͤmmerliche Schreyen und Weinen der zarten Angeſichter nicht bewegen? ja / kunte dich nicht die Unſchuld der kleinen Kinder / und ihr Koͤnigli - cher Stamm einiges Mitleiden in dir erwe - cken? Gewiß / die Goͤtter ſind bißweilen allzu un - gerecht gegen uns Menſchen / indem ſie einer ſol - chen Greuel-That / wovon die Sonne erroͤthet / ohne Empfindlichgkeit zuſehen koͤnnen. Ach mein Kind / mein Troſt! mein Ancker / welcher mir zu einer Schiffbruchs-Klippe wird! Ach daß ich doch mit dir in die Erden ſolte verſcharret ſeyn / weil mir nunmehro das Leben doch nur ein ſteter Tod ſeyn wird. Großmaͤchtigſter Kaͤyſer / rede - te ihm hier mein Printz ein / dieſer hohe Trauer - Fall / welcher dero Hertz verwundet / betruͤbet mei - ne Seele / und ihr Jammer iſt meine Qvaal; Derowegen wird mir erlaubet ſeyn / zu ſagen / nicht allein / wie man dem Verhaͤngniß ſich ge - dultig unterwerffen / ſondern auch / wie man das unſchuldige Blut auffs grauſamſte an dem ver - dammten Moͤrder raͤchen moͤge. Hierzu aber dienet ein uͤbriges Klagen und Trauren am we - nigſten / welches dem Feinde vielmehr zur Ergoͤ -Qtzung242Der Aſiatiſchen Baniſe. tzung dienet / wenn er ſiehet / wie er uns auff das empfindlichſte geruͤhret habe. Zwar die Goͤtter haben denen Menſchen eine ſonderbare Liebe ge - gen ihre Kinder eingepflantzet / alſo daß ihnen nichts empfindlichers / als deren Verluſt / wieder - fahren kan: Allein auch ein wildes Their greifft den Raͤuber ſeiner Jungen behertzt an / und ver - ſaͤumt durch uͤbrige Wehmuth keine Gelegenheit ſich zu raͤchen. ſo nehmen denn E. M. dero gerechteſte Waffen zur Hand / als das beſte Mit - tel / welches die Goͤtter zur Rache geſchaffen / ver - gieſſen ſtatt uͤbriger Thraͤnen das ſchwartze Blut der Feinde / und ruhen nicht eher / biß des Moͤrders Kopff in einem Moͤrſel zerſtoſſen / und die verhaß - ten Anſtiffter dieſer Mordthat denen Entſeelten ein blutiges Rach-Opffer ſeyn moͤgen. Ach trau - teſter Pantoja / erwiederte der Kaͤyſer / ihr habt recht / doch wie bald kan der fehlen / welchen die Goͤtter nach eurem eignen Geſtaͤndniß auff das empfindlichſte angreiffen. Hierdurch muß auch ein Amboß / geſchweige ein menſchliches Hertze gekruͤm̃et und weich gemacht werden / wo der Un - gluͤcks-Hammer ſo gar harte hinſchlaͤgt. Die Glut der Rache / verſetzte mein Printz / kan alles wieder gerade machen / und dieſe Wunden koͤn - nen nicht anders / denn mit dem Blute des Tyran - nen geheilet werden. Jch ſchwere es bey der e - wigen Gottheit / daß / wo mir nicht durch einen Fall das Leben verkuͤrtzet wird / ich dermaleinſt noch mit eigner Hand die grauſamſte Rache vondie -243Erſtes Buch. dieſem Frauen-Moͤrder nehmen wil. Zarang hatte bißher gantz unbeweglich geſeſſen / und kein Zeichen einiges Beyleides von ſich ſpuͤhren laſſen. Jnmittelſt weil ſein Reich mit Brama graͤntzte / und er daher nicht wenig zur Rache beytragen kunte / ſo wolte er hier im Truͤben fiſchen / und ſich dieſen Jammer-Fall ſo weit zu nutz machen / daß er nunmehro den vorhin beaͤngſteten Kaͤyſer zwin - gen wolte / ihm die Princeßin Baniſe nicht allein ſelbſt anzutragen / ſondern auch wuͤrcklich zu uͤber - lieffern. Welches alles er ſattſam zu erkennen gab / wenn er ſich nicht ſcheute / den Tod-Feind von Pegu ins Angeſicht des Kaͤyſers zu ruͤhmẽ und zu ſagen: Dieſes Ungewitter habe ich nicht allein laͤngſt uͤber Martabane zuvor geſehen / ſondern ſehe es auch bereits uͤber Pegu herrauſchen / wo nicht durch Klugheit und angraͤntzende Verbin - dung dieſem Ubel bey zeiten begegnet wird. Chau - migrem iſt ein kluger Koͤnig / vorſichtig in An - ſchlaͤgen / und begluͤckt als tapffer in deren Aus - fuͤhrung. Es haͤtten ſich| E. Maj. vielmehr be - muͤhen ſollen / vorlaͤngſt dieſen Helden-muͤthigen Nachbar zu einen Freund und Bunds-Ver - wandten zu machen / ſo haͤtte er vielleicht nicht Ur - ſache gehabt / ſich ſo grauſam zu raͤchen. Dieſe Worte mochten den Kaͤyſer gnung durchs Hertze ſchneiden / weil er aber ſolches kluͤglich zu verber - gen wuſte / als antwortete er gantz glimpflich / ie - doch mit einer ernſthafften Majeſtaͤt: Und dieſes koͤnte uns geꝛathen weꝛden / uns mit einem Haupt -Q 2Re -244Der Aſiatiſchen Baniſe. Rebellen / welcher das Unſrige boßhaffter Weiſe an ſich gebracht / und unrechtmaͤßig beſitzet / noch in Freundſchafft und Buͤndniß einzulaſſen. Nim - mermehr ſoll dieſes von einem gꝛoßmuͤthigen Her - tzen erhoͤret werden / daß es Freundſchafft bey ei - nem Drachen / und Artzney bey einer Spinnen ſuchen ſoll. Und ob auch dieſe Freundſchafft gut waͤre / wiewol einem verſoͤhnten Feinde nimmer - mehr zu trauen iſt / ſo laͤſſet es doch die Goͤttliche Gerechtigkeit nicht zu / daß wir durch Huͤlffe der Feinde unſern Zweck erlangen: vielmehr wird uns der Himmel ſtraffen / weñ wir einer ſo Welt - kuͤndigen Auffruhr durch die Finger ſehen wolten. Man muß ſtraffen / wenn man kan / und nicht wenn man wil / antwortete Zarang gantz hoͤh - niſch / und weil er denn nicht auff hoͤrete / die Tapf - ferkeit und Großmuth des unwuͤrdigen Chaumi - grems auff das hoͤchſte heraus zu ſtreichen / und hierdurch den betruͤbten Xemindo noch mehr ſchmertzlichſt zu beleidigen / als kunte mein Printz ſich nicht enthalten / ihm folgenden Einwurff zu thun: Es muͤſte ſich / ſagte er / denn der moͤrde - riſche Chaumigrem in kurtzer Zeit ſo ſehr veraͤn - dert haben / indem ich ſonſt mit meinen Augen ge - ſehen / wie das Spruͤchwort wahr ſey: Die groͤſ - ſeſten Tyrannen ſind die verzagteſten Hertzen. Denn als er in Ava von dem Printzen ſelbiges Reiches eine derbe Ohrfeige bekam / ſo brauchte er zwar ſechs Vorfechter / die gebuͤhrende Rache aber iſt er demſelben biß ietzo ſchuldig geblieben. Und245Erſtes Buch. Und ob ſich zwar auff deſſen Ausforderung der Printz anerbot / perſoͤnliche Rache von ſich neh - men zu laſſen / und ſich dannenhero an beſtimten Ort zu angeſetzter Zeit verfuͤgete / ſo war doch Chaumigrem wie ein Haaſe bey der Drummel durchgegangen / daß alſo gantz Ava ein ſchlechtes Hertz und geringe Tapfferkeit in dem Chaumi - grem urtheilte. Wer weiß / vertheidigte ihn Za - rang ferner / was ihn vor wichtiges Bedencken hiervon abgehalten / zudem beruhet auch nicht die Tapfferkeit in einem ſolchen Privat-Gefechte / ſondern verdunckelt vielmehr den Glantz unſerer Hertz hafftigkeit / weil ſonſt mancher Muſqvetie - rer den Titul eines Tapffern / als eine Generals - Perſon verdienen wuͤrde / Urſach / weil ſich jener oͤffterer vor der Spitze gezeiget / und mit ſeines gleichen einen Zwey-Kampff gewaget / als dieſer. Alleine die wahre Tapfferkeit laͤſſet ſich in hertz - hafftiger Klugheit eines Feld-Herrn / und tapffe - rer Ausfuͤhrung eines Helden-muͤthigen Anſchla - ges ſpuͤhren; Und daß ſolche Chaumigrem ſatt - ſam beſitze / indem er die Eroberung eines gantzen Koͤnigreichs ſo hertzhafft in kurtzer Zeit zu Ende gebracht / ſolches wird kein Verſtaͤndiger laͤugnen koͤnnen. Dieſe Reden machten meinem Prin - tzen die Stirn ziemlich warm / iedoch wolte er deſ - ſen fernere Erklaͤrung hoͤren / indem er ſagte: So es ja einem ſolchen Praler nicht zu viel iſt / eine Ohrfeige zu verſchmertzen / und die Tapfferkeit bloß in dem Felde zu erkennen iſt / ſo muß ich alsQ 3ein246Der Aſiatiſchen Baniſe. ein lebendiger Zeuge geſtehen / daß keine verzagte - re Memme / als eben der Chaumigrem / kan ge - funden werden. Denn als er im Treffen vor Ava die Armee als unwuͤrdiger Feld-Herr wider S. M. von Pegu anfuͤhrete / und durch ſeine Un - wiſſenheit den Cron-Printzen auff die Schlacht - banck lieferte / ſo war er der erſte / welcher durch unnoͤthige Flucht das gantze Heer in Unordnung / und zu einer ſchaͤdlichen Nachfolge brachte. Daß nun dieſe ietze ſchleunige Eroberung geſchehen / ſol - ches iſt nicht ihm / ſondern zufoͤrderſt denen erzuͤr - neten Goͤttern / welche ihn als eine zuͤchtigende Ruthe gebrauchen / hernach aber der unbeſchreib - lichen Menge / womit er einen ſo kleinen Hauf - fen bekrieget / zuzuſchreiben; Und wo ja ein unred - licher Uberfall eine Tapfferkeit zu nennen iſt / ſo iſt traun Chaumigrem der Tapfferſte in gantz Aſien. So aber auch dieſes nicht waͤre / ſondern er haͤtte durch rechtmaͤßige Gewalt und eigene Tapfferkeit dieſen Sieg erhalten / wie es doch nichts weniger iſt / ſo verdunckelt doch der uner - hoͤrte Mord an dem unſchuldigen Frauenzimmer ſolches alles dermaſſen / daß er vielmehr den Ti - tul eines unehrlichen Moͤrders und ſchaͤndlichen Bluthundes / als eines tapffern Soldatens / ver - dienet hat; worinnen mir gewiß auch ein iedwe - des tapfferes Gemuͤthe wird muͤſſen Beyfall ge - ben. Gemach / gemach / hub Zarang gantz ent - ruͤſtet an zu| antworten / ihr ſeyd gewiß in einer uͤb - len Schule erzogen worden / daß ihr nicht beſchei -de -247Erſtes Buch. dener von hohen Haͤuptern zu reden wiſſet. Und weil euch die Verantwortung eurer Reden zu ſchwer fallen moͤchte / als hielte ich euer Schwei - gen vor ſehr noͤthig. Woruͤber ſich denn mein Printz dermaſſen ereyfferte / daß ich nur immer ſahe / wenn er nach dem Sebel greiffen wuͤrde / hiervon hielte ihm aber ſo weit die hohe Gegen - wart des Kaͤyſers ab / daß er nur dieſes ſagte: Verflucht ſey derjenige / welcher die betruͤbte Ma - jeſtaͤt durch Erhebung ihrer Feinde noch ferner beleidiget. Und weil ihr der erſte ſeyd / der mir das Schweigen auffleget / ſo wil ich meine Mey - nung von dem unredlichen Chaumigrem gegen euch behaupten. Seyd ihr nun ein ehrlicher Printz / welcher ſich mit keinem Rebellen gemein zu ma - chen begehret / ſo werdet ihr mir morgen zu Pegu mit eigener Fauſt Rechenſchafft von euren Wor - ten geben: Wohin ich euch denn mit J. Maj. Verguͤnſtigung zu einem Sebel-Kampff auff Leib und Leben wil ausgefordert haben. Weil ſich denn Zarang ungeachtet des Kaͤyſers an mei - nem Printzen auff der Stelle vergreiffen wolte / als gebot ihm Xemindo Friede mit dieſen Worten: Verwegener Printz / wie lange ſollen wir euren Hochmuth anhoͤren / und wenn werdet ihr auffhoͤren / uns empfindlichſt zu beleidigen? Behauptet demnach morgen eure Sache / oder meidet unſern Hof. Womit Zarang den Saal verließ; Wir aber / nebſt dem Kaͤyſer / begaben uns alſofort ſaͤmtlich zu Pferde / und ritten / unge -Q 4ach -248Der Aſiatiſchen Baniſe. achtet der einbrechenden Nacht / nach Pegu. Zu - gleich bemerckten wir an dem heitern Himmel ei - nen entſetzlichen Comet-Stern / welcher ſeinen Strahl recht uͤber Pegu ſtellete / woruͤber ſo wohl der Kaͤyſer / als auch wir / uns nicht wenig entſetz - ten. Wie wir um Mitternacht vor Pegu anlan - geten und zu dem Thore einritten / ſtuͤrtzete der Kaͤyſer auf ebener Erde / ob wir gleich Schritt vor Schritt ritten / mit dem Pferde / daß ihm das Blut haͤuffig guꝛ Naſe heꝛaus floß / welches deñ alles von uns uͤbel gedeutet / u. leider allzuwahr erfuͤllet wor - den. Als der Morgen angebrochen / und die Sonne bereits einige Stunden die Stadt Pegu beleuch - tet hatte / verfuͤgte ſich mein Printz abermal / wie in Ava / bloß mit Sebel und Schild verſehen / an den Ort / welcher unfern des Schloſſes auf einem gruͤnen Platze mit Palliſaden umſchrencket war. Der Kaͤyſer ſelbſt ſahe durch ein verborgen Fen - ſter zu / und die Menge der Zuſchauer verwehrete uns faſt den Eintritt. Nach Verflieſſung einer halben Stunde meldete ſich ein Baum-ſtarcker Ritter an / und begehrte in den Schrancken einge - laſſen zu werden / welches ihm aber abgeſchlagen ward / und muſte er ſein Anbringen auſſer dem Platze ſagen / welches hierinne beſtunde: Weil ſein Gn. Herr / als der Printz von Tangu nicht vor rathſam erachtet haͤtte / ſich perſoͤnlich in die Geſahr zu begeben / deren er ſich wegen Kaͤyſerl. Ungnade beſorgete: gleichwohl aber die verwe - gene Ausforderung nicht ungeanthet haͤtte koͤnnenhin -249Erſtes Buch. hingehen laſſen: als waͤre er zugegen / ſeines Prin - tzen Ehre zu ſchuͤtzen / und zu erweiſen / daß ſeine Sache gerecht ſey. So bald dieſes der Kaͤyſer erfuhr / ließ er meinem Printzen zuentbieten / weil der rechte Gegner nicht erſchiene / ſo waͤre es dem - nach gantz unnoͤthig / ſich mit einem andern einzu - laſſen. Welches aber mein Printz durchaus nicht eingehen wolte / ſondern vorwendete: Er wolte des Kaͤyſers Hoheit und ſeine Ehre gegen iedwe - den handhaben / derowegen er in Unterthaͤnigkeit baͤte / ihm zu erlauben / die Sache auszufuͤhren / welches ihm endlich zugelaſſen ward: Und alſo trat dieſer ſchwartze Ritter hinein / welcher einen Schild an den lincken Arm fuͤhrete / womit ſich mein Printz gantz haͤtte bedecken koͤnnen. Der Sebel war gleichfalls von ſo ungleicher Laͤnge / daß ſich mancher wuͤrde bedacht haben / ehe er ſeinem Feinde einen ſolchen Vorthel eingeraͤumet haͤtte. Deſſen ungeachtet / verließ ſich mein Printz auff ſeine Hurtigkeit und gerechte Sache. Die - ſem nach ſahe er ſeinen Feind mit einem ernſthaf - ten Lachen uͤber zwerch an / und nach dem er ver - meynte / daß es Zeit ſey / ihn anzugreiffen / gieng er mit ſtarcken Schritten / geraden leibe und fun - ckenden Augen auf ihn loß / und ſchlug dergeſtalt auf ihn zu / daß er bald ſeinen Fehler wegen Uber - eylung merckete / und ſich dannenhero in etwas zu - ruͤcke zog. Jener hingegen veraͤnderte vor Zorn ſeine gantze Geſtalt / und ſtellete ſich / als ob er mei - nem Printzen durch bloſſe Geberden einen Schre -Q 5cken249[250]Der Aſiatiſchen Baniſe. cken einjagen wolte. Das Feuer ſtieg ihm ins Geſchichte / die Haare ſtunden gen Berge / die Stir - ne runtzelte ſich zuſammen / und alle ſeine Adern bleheten ſich auf / bald ſchnaubete er vor Grimm / bald hielt er den Athem zuruͤck / und biſſe die Zaͤh - ne ſo grauſam zuſammen / daß ihm der Jaͤſcht die Lippen bedeckte; ja / er fuͤhrte ſolche gewaltige Streiche auf meinen Printzen / daß ich iedesmal beſorgte / er wuͤrde ihn mitten von einander hauen. Und empfand alſo mein Printz ſattſam / was er vor einen ſtarcken Feind vor ſich habe / welchem nichts als die Geſchwindigkeit mangelte. Mein Printz brachte inzwiſchen das erſte Verſehen reichlich wieder ein / indem er ſeinen Feind ſich ſatt abarbeiten ließ: hingegen nahm er alle Hiebe / theils durch ſeine Hurtigkeit / theils durch ſeinen ſtaͤhlernen und Spiegel-glatten Schild aus / in - dem er bald in die Hoͤhe ſprang / bald ſich zuſam - men ſchmiegete / nachdem es die Nothdurfft ſeiner Sicherheit erforderte. Endlich muſte mein Printz beſorgen / es moͤchte ſeinem Feinde unter ſo vielen Streichen einer gerathen / wodurch er wohl gar den Siege verliehren duͤrffte; als begunte er ihm etwas naͤher einzuruͤcken / und indem jener einen ſtarcken Streich nach dem Kopffe fuͤhrete / warff mein Printz den Schild vor / und that zugleich ei - nen gewaltigen Hieb / welcher auch ſo wol gerie - the / daß des Feindes rechtes Knie gantz geſpalten ward. Und dieſes war hoͤchſt noͤthig / indem ihm der feindliche Streich den Arm dermaſſen erſchellthat -250[251]Erſtes Buch. hatte / daß er den Schild fallen zu laſſen gezwun - gen ward. Als nun der ſtarcke Gegener zur Er - den ſtuͤrtzte / ſchaͤumete er vor Eyfer wie ein wildes Schwein. Mein Printz aber ſaͤumete nicht / ſon - dern ergriff den Schild hurtig / ſtuͤrmete / weil je - ner keine Gnade begehrete / deſto muthiger auff ihn ein / und verſetzte ihm unterſchiedene Wun - den / deren aber keine ihn wehrloß machen kunte / biß ihm endlich ein kraͤfftiger Streich durch das Haupt fuhr / wodurch er Geiſt und Sebel ver - lohr / und alſo meinem Printzen der voͤllige Sieg zu theil ward. Hieruͤber entſtund nun ein ſolches allgemeines Jubel-Geſchrey / als ob hierdurch Chaumigrem ſelbſt erlegt waͤre. Ja / die Pegua - ner verehrten meinen Printzen mit ſo haͤuffigen und wunderlichen Geberden / daß wir kaum das Schloß erreichen kunten. Jch muſte des Entleib - ten Schild und Sebel hinter meinem Herrn her - tragen / welcher alſobald vor den Kaͤyſer gelaſſen wurde / dem es mein Printz mit dieſen kurtzen Worten zun Fuͤſſen legte: So muͤſſen alle Fein - de des Reichs Pegu geſtuͤrtzet werden! Xemindo umhalſete ihn aufs bruͤnſtigſte / und fuͤhrte ihn abermahls in ein beſonder Zimmeꝛ / daß ich wieder nichts zu ſehen noch zu hoͤren bekam / biß mir der Printz ſein zugeſtoſſenes Gluͤck erzehlte.

Allerwertheſter Pantoja / hatte ihn der Kaͤyſer angeredet / es ſcheinet / als ob die Goͤtter dieſem Reiche zum beſten etwas ſonderliches durch euch beſchloſſen haͤtten / indem wir euch ſo viel Gutes zudan -252Der Aſiatiſchen Baniſe. dancken haben / daß es am Vermoͤgen fehlet / ſol - ches mit wuͤrcklicher Vergeltung zu erſetzen. Und ob wir zwar vermeynet / euch durch Zufuͤhrung der Princeßin von Savady einige Vergnuͤgung zu verſchaffen / ſo befinden wir doch / daß es ſchei - net / als ob deren Annehmung mehr eine Hoͤftig - keit / als wahre Liebe verurſachet habe. Dero - wegen ſind wir nicht wenig bekuͤmmert / indem wir nicht wiſſen / auf was Art euch koͤnne einige Vergeltung angenehm gemacht werden / woran uns denn gleichfalls die Unwiſſenheit eures wah - ren Zuſtandes mercklich verhindert. Denn ihr ſolt wiſſen / daß wir euch nicht vor einen Printzen aus Tannaſſery halten / ſondern vor einen Prin - tzen des Reichs Ava / welches ein von euch verlohr - nes Bildniß bekraͤfftiget. Derowegen entdecket uns ungeſcheuet / ob wir in unſerer Muthmaſſung irren oder nicht. Laſtet euch dieſes nicht abſchre - cken / daß uns euer Vater ziemlich zuwider / ich will nicht ſagen / ein Nahrungs-Oel gegenwaͤrtiger Rebellion geweſen / ſondern verſichert euch / daß ihr die Fehler eures Herrn Vaters reichlich er - ſetzet habet. Dannenhero duͤrfte euch dieſe Of - fenbahrung ein groſſes zu eurer Vergnuͤgung bey - tragen. Ob nun zwar mein Printz hieruͤber ſehr beſtuͤrtzt worden / ſo hatten ihn doch die letzteren Verſicherungen wiederum auffgerichtet / daß er ſich entſchloſſen / des Kaͤyſers Worten zu trauen / und ſich folgender Geſtalt zu offenbahren: Groß - maͤchtigſter Kaͤyſer und Herr! wenn ich dero ho -hen253Erſtes Buch. hen Gnade und unvergleichlichen Tugend nicht verſichert waͤre / daß ſie die Miſſethat eines un - gerechten Vaters die Unſchuld eines Kindes nicht wuͤrde entgelten laſſen / ſo truͤge ich billiches Be - dencken / mich demjenigen zu offenbahren / wel - cher die Rache in Haͤnden hat; Nachdem ich mich aber verpflichte / nicht allein nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen die Vaͤterliche Scharte wiederum auszuwetzen / ſondern auch vor die hohe Wohl - farth dieſes Kaͤyſerl. Hauſes mein Leben auffzu - ſetzen / ſo lebe ich der feſten Zuverſicht / es werde dero Kaͤyſerliche Gnade nicht vermindert werden / ob ich ſchon bekenne / daß ich warhafftig ein Printz / und zwar der nechſte zur Crone von Ava bin / welchen ein unbarmhertzjger Vater vertrie - ben / und die guͤtigen Goͤtter ſeine Vergnuͤgung in Pegu zu ſuchen gerathen haben. Der Kaͤy - ſer hatte meinen Printzen durch einiges Still - ſchweigen etwas bekuͤmmert / iedoch durch folgen - des Anreden bald wieder ermuntert: Wertheſter Printz! wahr iſt es / euer Vater hat uns nicht we - nig betruͤbet / ja er hat ſich nicht als ein naher Vetter und Bluts-Freund / ſondern als ein ge - ſchworner Todt-Feind gegen uns erwieſen / wel - ches uns aber iedoch keines weges verhindert / euch mit aller Gnade und Wohlthat zu uͤber - ſchuͤtten; Angeſehen ihr den harten Fehler eures Vaters mit reichem Wucher erſetzet / und uns dahero nicht allein zu einer allgemeinen Verzei - hung / ſondern auch zu einer genauern Verbin -dung253[254]Der Aſiatiſchen Baniſe. dung bewogen habet. Denn euch ſoll es gantz Ava zu dancken haben / daß es kuͤnfftig von aller Both - maͤßigkeit des Peguaniſchen Throns befreyet / die hoͤchſte und unbeſchrenckte Gewalt allein ha - ben / und deſſen Koͤnige niemand als die Goͤtter vor ihre Ober-Herren erkennen ſollen. Ja eure hohen Verdienſte bewegen uns auch / euer muth - maßliches Abſehen gut zu heiſſen / und durch ein feſtes Liebes-Band Pegu und Ava zu verbinden / wodurch der alte Haß getilegt / und beyde Reiche in bluͤhendem Wolſtande erhalten werden ſollen. Sehet / mein Printz / und ſaget / ob wir erkaͤntli - cher ſeyn koͤnten / indem wir unſer Liebſtes / ja un - ſer Fleiſch und Blut das Opffer eines Danck - begierigen Hertzens ſeyn laſſen / in Hoffnung / das Reich Pegu werde eurem tapffern Arme noch kuͤnfftigen Wohlſtand zu dancken haben. Dieſe Worte hatten meinen Printzen dermaſſen aus ſich ſelbſt geſetzet / und entzuͤcket / daß er nicht ge - wuſt / wie ihm geſchaͤhe / oder womit er ſeine in - nerſte Hertzens-Vergnuͤgung ſattſam ausdruͤ - cken moͤchte. Endlich war er vor dem Kaͤyſer nie - dergefallen / hatte deſſen Knie umfaſſet / gekuͤſſet / und mit ſchwacher Stimme geantwortet: Al - ler gnaͤdigſter Kaͤyſer und Herr / deſſen Tugend und Guͤtigkeit hoͤher iſt / als ſie von mir kan erken - net oder begriffen werden! Jch weiß nicht / ob mich die Goͤtter abermahls durch einen ſuͤſſen Traumm veranuͤgen / oder das im Tempel zu Pan - dior angenehme Schlaff-Geſichte erſt erfuͤllenwol -254[255]Erſtes Buch. wollen. Denn E. Majeſt. ſollen wiſſen / daß / ehe ich noch das werthe Pegu geſehen / ich zuvor die Goͤtter zu Pandior ſehnlichſt / um den Ausgang meiner Reiſe zu zeigen / erſuchet / da ſie mir die vortreffliche Geſtalt der uͤberirrdiſchen Princeßin von Pegu im Schlaffe gezeiget / mich aber biß auff dieſe Stunde in verwirreten Nachdencken gelaſſen haben. Solte ich nun nach dero hohen Worten dieſes unerforſchlichen Gluͤckes faͤhig werden / womit koͤnte ich alsdenn dieſe unaus - ſprechliche Gnade im geringſten erwiedern? Deñ ob ich auch ein tauſendfaches Leben vor iedweden Peguaner / geſchweige vor E. Maj. auffſetzte / ſo reichete es doch noch lange nicht / an dem ſchoͤnen Verdienſt / welchen mir E. Majeſt. zuerkennen. Jch opffere mich demnach mit Leib und Gemuͤ - the / und allem / was mir die Goͤtter ietzt und kuͤnf - tig goͤnnen werden / zu ewigen Dienſten vor E. Majeſt. und deſſen Kaͤyſerlichen Hauſes Wohl - ergehen. Und ob ich mich zwar eines ſolchen him̃ - liſchen Schatzes im geringſten nicht wuͤrdig er - kenne / ſo flehet doch mein verlangendes Hertz um gnaͤdigſte Erfuͤllung dero hohen Verſprechens. Haben wir hier den rechten Zweck getroffen / hat - te der Kaͤyſer laͤchelnde geantwortet / und kunte die Princeßin von Savady nicht ſolchen Danck heraus preſſen? Jmmittelſt verziehet hier / und. verberget euch hinter dieſe Tapeten / wir wollen die Princeßin herruffen laſſen / da ihr denn unſern Vortrag und ihren Entſchluß ſelbſt mit anhoͤrenkoͤn -256Der Aſiatiſchen Baniſe. koͤnnet. Dieſem zu gehorſamſter Folge hatte ſich der Printz verſtecket / und in kurtzem durch einen kleinen Ritz der Tapete dieſe Sonne in dem Zim - mer auffgehen ſehen / welche der Kaͤyſer bey der Hand an ein Fenſter gefuͤhret / und ſie mit lauter Stimme / alſo / daß es mein Printz ſattſam ver - ſtehen koͤnnen / angeredet hatte: Liebſte Tochter / ihr werdet meine Vaͤterliche Gewogenheit und Gnade bißher ſattſam verſpuͤhret / und darauß er - kennet haben / wie ich iederzeit als ein treuer Vater vor eure Wolfahrt geſorget / um euch zu vergnuͤ - gen / damit ich nicht ſolchen Schmertzen / als an der Koͤnigin von Martabane erleben moͤge / wo - vor mich die guͤtigen Goͤtter in Gnaden behuͤten wollen! Nachdem es aber an dem / daß ihr wol wiſſet / wie beharrlich euch Zarang / der Printz o - der vielmehr Koͤnig von Tangu bißhero bedienet / und eure Liebe geſuchet hat. Dieſem nach hat er auch noch heute bey mir / als eurem Vater / in - ſtaͤndigſte Anſuchung um Vollziehung dieſer Lie - be thun laſſen. Weil nun der betruͤbte Zuſtand unſers Reiches / und die androhende Gefahr des Feindes erfordert / ſich der Freundſchafft des Hauſes von Tangu zu verſichern; als habe ich den Geſandten nicht anders / denn mit einem will - faͤhrigen Entſchluß / abfertigen koͤnnen. Dieſem euch nun gleichfoͤrmig zu bezeigen / iſt mein Be - gehren / und werdet ihr hiedurch ein merckliches Zeichen kindlichen Gehorſams ſpuͤhren laſſen. Die Princeßin war hiedurch gantz erſtaunet under -257Erſtes Buch. erblaſſet / alſo / daß ſie auch die Wand faſſen und ſich daran lehnen muͤſſen / da ſie denn eine gute weile kein Wort geredet / ſondern ſich nur bemuͤ - het / durch bewegliches Anſehen dem Herrn Vater zu einigem Mitleiden zu bewegen. Als ſie aber der Herr Vater zu entſchlieſſender Antwort an - gemahnet / war ſie endlich gar vor ihm auff die Knie geſuncken / hatte deſſen Hand mit Thraͤnen gekuͤſſet / und endlich alſo geantwortet: Aller - gnaͤdigſter Herr und Vater! ich weiß wohl / daß ſich mein kindlicher Gehorſam biß ins Grab er - ſtrecken ſoll / ja ich bin bereit / ſolchen mit meinem Blute zu beſtaͤtigen: allein / wo deſſen Hertze ei - nen vaͤterlichen Blutstropffen gegen mich heget / wo ein fußfaͤlliges Kind Erbarmungs-werth iſt / wo meine Thraͤnen einen Marmel erweichen koͤn - nen / ja wo meine Seuffzer den vaͤterlichen Geiſt nur etwas bewegen koͤnnen / ſo bitte ich / ſo flehe ich / mich eher zu einem Opffer / als zu einer Braut des Zarangs zu beſtellen / ich will eher ſeinen Se - bel / als ſeine Lippen kuͤſſen / weil mich der Tod mehr / als ſein Purper ergoͤtzen ſoll. Was hat ihn euch aber ſo verhaßt gemacht? hatte der Kaͤy - ſer gefragt. Ach / E. M. war ihre Antwort ge - weſen / erwegen doch / ob dieſer zu lieben ſey / welcher ſich gleich denen Beſtien faſt ſtuͤndlich in aͤrgſten Laſtern beſudelt / und ſeine Brunſt taͤglich durch ſriſchen Wechſel zu kuͤhlen trachtet. Seine Hoch - muth verwandelt ſich oͤffters in Grobheit / und kan hierdurch auch der gemeinſten Seelen einenREckel258Der Aſiatiſchen Baniſe. Eckel erwecken. Ja es mißfaͤllet mir deſſen gan - tze Perſon dermaſſen / daß ich ſpuͤhre / wie dieſer Haß durch einen Einfluß des Himmels entſprin - get / welchem ich nicht widerſtehen kan noch wil. So bin ich demnach verſichert / es werde deſſen vaͤterliches Hertz ein gehorſamſtes Kind nicht ſo empfindlich betruͤben / ſondern vielmehr wiſſen / daß er mehr Schmertzen an mir / als an meiner entſeelten Schweſteꝛ eꝛlebẽ wuͤꝛde. Und gleich wol / hatte der Kaͤyſer erwiedert / weiß ich euch nicht beſ - ſer zu verſorgẽ. Wir ſind zwar alleꝛſeits dem Pan - toja ſehr verpflichtet / alleine das kleine Tannaſſe - ry iſt euch nicht anſtaͤndig / und daß ein Koͤnig von Siam eine freye Princeßin beherrſchen ſolle / ſol - ches iſt uns nachtheilig. Derowegen entlediget mich meines Kummers / Gnaͤdigſter Herr Va - ter / hatte ſie verſetzet / ſo es ja die Goͤtter beſchloſ - ſen haͤtten / daß meine Blumen nicht in der Knoſpe verbluͤhen / noch in dem Grabe verwelcken ſollen / ſo iſt doch dieſes gegen ſelbten mein geheimer und freyer Entſchluß / eher den Printzen aus Tannaſ - ſery in einer belaubten Huͤtte / als den Zarang auf einer Koͤniglichen Burg zu lieben. Denn er iſt ja der / welcher verhuͤtet / daß ich nicht zu einer un - zeitigen Waͤyſe geworden / er iſt es der mein Leben errettet / und unſere Ehre gegen den verhaßten Za - rang vertheidiget hat. Zudem bin ich verſichert / daß er einer hoͤhern Ankunfft iſt / als er vorgiebet; und liebe ich das Bildniß ſeiner Fraͤulein Schwe - ſter / welches mir das Gluͤck in die Hand gefuͤhret /hertz -259Erſtes Buch. hertzlich / alſo daß ich hieraus einen hohen Bruder urtheile. Jch ruffe dieſe ſtumme Tapeten zu Zeugen an / daß ob ich zwar dem Pantoja nicht mit Liebe / dennoch mit einer ſon - dern Zuneigung / aus einem verborgenen An - trieb / zugethan bin. Weil ihr denn / war des Kaͤyſers Erwiederung geweſen / die ſtummen Ta - peten zu Zeugen eurer Liebe anruffet / ſo moͤgen ſie auch antworten. Jch werde euch etwas verlaſ - ſen / und befehle euch / denen Tapeten guͤtige Ant - wort zu ertheilen. Jn welcher Verwirrung er ſo wol die Princeßin / als den verborgenen Prin - tzen gelaſſen hatte / der in ſolcher Angſt geweſen / daß er dekennete / es ſey vor ſeinem Feinde zu er - ſcheinen ein Kinderſpiel zu achten / gegen dieſem / da man einer Perſon begegnen ſoll / derer Mund un - ſer Tod und Leben auff der Zunge fuͤhret. Jn ſolchem Zweiffel nun hat die ſchoͤne Princeßin vermeynet / ſie waͤre in ſicherſter Einſamkeit: Dannenhero ſie ihren Gedancken den Zuͤgel ziem - lich ſchieſſen laſſen / und durch ihre Rede mit ſich ſelbſt dem Printz noch etwas Bedenckzeit gelaſ - ſen. Verwirreter Zuſtand! hatte ſie der Printz reden hoͤren / in welchen mich mein Herr Vater verſetzet hat! Eines theils betruͤbet er mich mit dem unanſtaͤndigen Zarang / andern theils hat mich deſſen Mund mit dem tapffern und unfehl - bar Printzen von Ava erfreuet / welchen zu lieben mir die Tugend befiehlet. Was ſoll ich aber aus des Herrn Vaters dunckein Worten neh -R 2men?260Der Aſiatiſchen Baniſe. men? Jch werde mich ja nicht in lebloſe Tape - ten verlieben ſollen? Doch / wie ich ſie vormals zu Zeugen angeruffen / ſo kan ich es ihrer Verſchwie - genheit wohl entdecken / daß mich noch der Printz von Ava von der verdrießlichen Liebe des Za - rangs befreyen ſoll. Zu dieſem Entſchluß trei - bet mich / ihr Goͤtter wiſſets / keine geile Brunſt / ſondern die Tugend und die Noth. Denn wie ich die Roſen der Wolluſt iederzeit aus dem Gar - ten meines Hertzen gereutet / alſo habe ich hinge - gen die Lilien der Keuſchheit hinein gepflantzet. Wil ich nun dieſe zu einem reinen Opffer wied - men / ſo zwinget mich die Noth / und zugleich ein innerlicher Trieb / einen tugendhafften Pantoja / ſtatt des Laſter-vollen Zarangs zu einem keuſchen Gaͤrtner zu erwehlen / welcher = = = Dieſe Wor - te / wie ſie meinen Printzen entzuͤckt / alſo hatten ſie ihn auch gantz behertzt gemacht / daß er ſich endlich erkuͤhnet / als den Gaͤrtner vorzuſtellen: Uber deſ - ſen Erſcheinung die Princeßin dermaſſen erſchro - cken / daß ſie einen lauten Schrey gethan / und nach dem Fenſter gelauffen war. Als nun Schrecken und Scham die ſchoͤne Purpur-Far - be ihrer Wangen um ein groſſes vermehrte / und ein anmuthiges Zeugniß ihrer zuͤchtigen Scham - hafftigkeit gegeben / oder vielmehr angedeutet hat - ten / daß der Printz noch dermaleins ihre Voll - kommenheit und keuſches Hertze / als die edelſten Schaͤtze der triumphirenden Natur / fuͤr Lieb - und Leibeigen beſitzen wuͤrde / alſo war mein Prirtz einegute261Erſtes Buch. gute weile mit ſeinen Augen an den ihrigen ge - hefftet verblieben / deren Magnet / als zwey hell - funckelnde Nord-Sterne / ihn gantz an ſich gezo - gen hatten: Endlich aber hatte doch mein Printz auff den Knien das Stillſchweigen zu erſt gebro - chen / und geſagt: Schoͤnſte Princeßin! Die Goͤtter ſind meine Zeugen / daß mich nicht einiger Vorwitz / noch allzu wenige Hochachtung gegen dero himmliſche Perſon zu dieſer Kuͤhnheit ver - leitet / wenn ich ſo frey dero Einſamkeit verſtoͤre / und mich unterfange / ſo ungeſcheut den durch ihre Gegenwart geheiligten Ort / zu betreten. Der gnaͤdigſte Befehl von Jhr. Maj. dero Herrn Va - ter iſt hierinne die Richtſchnur meines unterthaͤ - nigſten Gehorſams geweſen. Solte ich aber wegen allzu genauer Beobachtung dieſes ange - nehmen Befehls geſuͤndiget / und durch dieſe Ver - wegenheit dero Tugend zu ſehr beleidiget haben / ſo wil ich dieſen Fehler auch mit meinem Blute buͤſſen. Die Princeßin hatte hierauff eine ziem - liche Weile ſtille geſchwiegen / und dadurch mei - nen Printzen abermahls nicht wenig bekuͤmmert gemacht / endlich aber doch folgender Geſtalt ge - antwortet: Tapfferer Pantoja! wann ich mich nicht wegen Errettung meines Lebens euch ver - pflichtet wuͤſte / und euch nicht Kaͤyſerliche Gnade dieſes Unterfangen verſtattet haͤtte / ſo muͤſte ich bekennen / daß dieſes ein hoͤchſt ſtraffbares Begin - nen waͤre / wodurch ihr euch unterſtuͤndet / meine Tugend und Gedult auf eine harte Probe zu ſe -R 3tzen.262Der Aſiatiſchen Baniſe. tzen. Nachdem aber dieſes mein Herr Vater ſonder Zweiffel wohl wird uͤberleget haben / und ich alſo mein uͤbriges Bedencken nur hindan ſe - tzen muß: So ſoll euch nicht allein dieſes verge - ben / ſondern auch erlaubet ſeyn / demjenigen / was mein Herr Vater euch befohlen hat / nachzukom - men. Weiln nun mein Printz in den Gedan - cken geſtanden hatte / es wuͤrde der Kaͤyſer bereits dieſe wichtige Sache mit ihrer Genehmhaltung abgehandelt haben / als war er um ſo viel deſto be - hertzter zu Entdeckung ſeines ſchmertzlichen An - liegens geworden / indem er geſagt: Durchlauch - tigſte Princeßin! Dero hohe Erlaubniß zwin - get mich zu einer Bekaͤntniß / welche ich ſonſt wohl verſchwiegen / und in mein Grab mit genom - men haͤtte. Jch bekenne aber mein Unvermoͤ - gen / daß ich zu ſchwach / wil nicht ſagen / zu bloͤde ſey / etwas zu entdecken / wodurch ich biß in Him - mel koͤnne erhaben / auch biß zur Hoͤllen geſtuͤrtzet werden / es waͤre denn / daß eine nochmahlige Ver - ſicherung aus dero holdſeligen Munde mich ſo weit ſtaͤrckte / es ſolte nicht ſowohl erlaubt / als auch gnaͤdigſt aufgenommen werden. Jch beſchwe - re euch / Printz Pantoja / hatte ſie hierauff geant - wordet / daß ihr euch frey entdecket / und mich gluͤckſelig machet / wenn ich durch einige Huͤlffe in eurem Anliegen die Pflicht meiner Danckbar - keit in etwas bezeugen koͤnne. Hier / ſagte mir mein Printz / waͤre er mit ſolcher Bangigkeit des Hertzens befallen worden / als immermehr einMenſch263Erſtes Buch. Menſch in letzten Zuͤgen erfahren koͤnte. Er haͤtte ſein Vornehmen bey ſich auf tauſender - ley Art uͤberleget / und doch geſchloſſen / es muͤſte bey dieſem Endſchluſſe verbleiben. Nachdem er aber nach einem ſo muͤhſamen Streite ſich oh - ne Zweiffel wuͤrde ſehr betruͤbet haben / wenn er ſo gute Gelegenheit / welche er Zeit ſeines Lebens nicht wieder erlangen moͤchte / aus bloſſer Bloͤdig - keit ſolte aus den Haͤnden haben gehen laſſen / als hat er dieſer gefaͤhrlichen Nachfolge mit dieſen endlichen Worten zuvor kommen wollen: Hoch - wertheſte Princeßin! Weiln ich es mir denn vor die hoͤchſte Ehre ſchaͤtze / meine Pflicht iederzeit durch gehorſame Folge zu bezeugen: So breche demnach die Kette meiner ſchwachen Zunge / und bekenne aus innerſtem Grunde ſeines Hertzens / daß Balacin / Printz von Ava / bereits mit dem einen Fuſſe das Grab beruͤhre / wo ihn nicht die uͤberirdiſche Leutſeligkeit der himmliſchen Ba - niſen vom Tode errettet. Denn wie die Sonne auch abweſende wuͤrcket / und man den unſichtba - ren Goͤttern die meiſten Opffer gewaͤhret; alſo ſchwere ich / daß mich dero Schoͤnheit auch in der Ferne verwundet / und die Strahlen ihrer Tugend entzuͤndet haben. Die Begierden haben durch dero hohes Lob auch von weiten als ein Zunder Glut gefangen / welche aber nunmehro durch den Blitz gegenwaͤrtiger Krafft vollkom̃ene Flammen zeigen. Hemmet ſie nun nicht / unvergleichliche Baniſe / dieſe Brunſt / und laͤſſet die brennendeR 4Son -264Der Aſiatiſchen Baniſe. Sonne ſich nicht in ein guͤldnes Licht ſuͤſſer Ge - gen-Huld verwandeln / ſo muß Balacin zu Aſche werden. Jch erkuͤhne mich nunmehro unge - ſcheut zu ſagen: Jch bin verliebt. Baniſe iſt die Sonne / ich ihre Wende: Sie iſt mein Nord - Stern / ich ihr Magnet. Schoͤnſte Vollkom - menheit; Mein gluͤendes Hertz zuͤndet ihr den Weyrauch reineſter Liebe an / und ich ſchwere / auch mein getreues Leben auffzuopffern. Weil nun der Goͤtter Tempel dem offen ſtehen / welcher ſie zu verehren ſuchet: ſo eroͤffne ſie demnach ihr himmliſches Heiligthum der Seelen / und ver - ſchmaͤhe nicht das flammende Opffer ihres ewig - gewiedmeten Balacins. Die Princeßin hat - te hierdurch ihr ſonderbares Erroͤthen ſattſam zu verſtehen gegeben / daß ſie ſothaner Liebes - Entdeckung nicht vermuthen geweſen; nach - dem ſie aber ſonder Zweiffel wohl bedacht ge - habt / wie ſie ſich ſelbſt unwiſſende verrathen ha - be / ſo hat ſie endlich durch folgende Antwort mei - nen Pꝛintzen in nicht geꝛinge Veꝛgnuͤgung geſetzet: Es iſt etwas ungewoͤhnliches / daß ſich eine Prin - ceßin / welche die Liebe faſt noch nicht zu nennen weiß / ſolte ſo bald gefangen geben / und gantz Aſien wird mich eines Fehltritts beſchuldigen / wenn ich einem frembden Printzen auf erſtes An - ſuchen die Hand reichte: Als wuͤrde Printz Ba - lacin den Ruhm ſonderbahrer Klugheit verdie - nen / ſo er die Flammen ſeiner Liebe mit Gedult maͤßigte / und mit dieſer Verſicherung vergnuͤgtleb -265Erſtes Buch. lebte / daß die Goͤtter mit der Zeit ſein Verlangen wohl erfuͤllen werde. Wie nun der Printz mit Vergnuͤgung erſehen / daß ſeine Liebe nicht uͤbel aufgenommen wuͤrde / ſo hat er um ſo viel behertz - ter ſolchen guten Anfang verfolget und geſaget: Allerſchoͤnſte Princeßin! dieſe Worte leget zwar dero keuſche Tugend in ihren Mund / und giebet ihr den Rath / ſich als eine Sonne der Vollkom - menheit / vor allen Finſterniſſen einiger Nachre - de / zu huͤten. Allein es iſt ein groſſer Jrrthum / wo man meinen Brand eine jehlinge Glut nennen will. Die Flammen haben mir vorlaͤngſt die Goͤtter ſelbſt angezuͤndet / und von derſelben Zeit an brenne ich / ja ieder Tag hat meinem Schmer - tzen friſch Oel eingefloͤſt. Jch habe ihrer Schoͤn - heit ſchon vorlaͤngſt einen Tempel in meinem Heꝛ - tzen gebauet / welches mich erſt dieſe gluͤckſelige Stunde entdecken heiſt. Zudem wird mir dero eigene hohe Vernunfft begluͤckt zu ſtatten kom̃en / wenn ſie erwegt / mit was aufrichtigem Hertzen und Darſtellung meines Lebens ich mich vor die hohe Wohlfahrt dieſes hohen Hauſes bemuͤhet / und wie auch durch fernern Verzug dem Zarang koͤnte Gelegenheit zu Ausfuͤhrung verzweiffelter Anſchlaͤge gegeben werden: Ja ich will nichts ſa - gen von dem drohenden Chaumigrem. Sollen nun dieſe Vernunfft-Schluͤſſe etwas gelten / ach ſo erfreue ſie doch den vor Liebe faſt entſeelten Ba - lacin mit einer ſolchen Entſchlieſſung / woraus ei - ne allſeitige Vergnuͤgung entſpringen koͤnne. EsR 5iſt266Der Aſiatiſchen Baniſe. iſt unnoͤthig / hatte hierauf die Princeßin etwas freymuͤthiger erſetzet / meine Glut zu verbergen / wovon Balacin bereits die Flammen ſattſam ge - ſpuͤret hat. Jch mercke der Goͤtter guͤtiges Ver - haͤngniß / welches mir heimlich befiehlet / denjeni - gen zu lieben / welcher ſich verpflichtet hat: Und / einer unanſtaͤndigen Liebe vorzukom̃en / ſo ſey ihm hiermit das jenige zur Danckbarkeit gewiedmet / was er ſelbſt dem groſſen Panther aus dem Klau - en / und dem Tode aus dem Rachen geriſſen hat.

Wie hier dem Printzen / als ſie ihm zugleich die Lilien-Hand zum Kuſſe uͤberreichet hat / muͤſſe zu Muthe geweſen ſeyn / ſolches uͤberlaſſe ich an - dern / welche dieſe Vergnuͤgung empfunden ha - ben / zu reifferm Nachdencken. Gnug / wenn ich des Printzen Worte erzehle / daß ihm vor Freu - den Hoͤren und Sehen vergangen / und er ihre Hand an ſeinen Mund druͤckende / faſt unbeweg - lich ſitzen blieben / biß endlich der Kaͤyfer das Zim - mer wiederum betreten / und die Princeßin gefra - get: Was die Tapeten beſchloſſen haͤtten? Da denn endlich der Printz wieder zu ſich ſelbſt gekom - men / und die Beantwortung durch folgende Worte auf ſich genommen hatte: E. M. uͤber - hoher Verſtand hat freylich die Stummen redend gemacht / und mich in dieſer Stunde auf den hoͤch - ſten Gipffel des angenehmſten Gluͤckes geſtellet: Dannenhero bitte ich in tieffſter Demuth / das hoͤchſt angenehme Werck / wie es erwuͤndſcht an - gefangen worden / alſo auch gnaͤdigſt zu vollziehen /und267Erſtes Buch. und durch dero vaͤterliches Macht-Wort voͤllig zu beſtaͤrcken. Hierauf hatte der Kaͤyſer die Prin - ceßin bey der Hand genommen / ſie dem Printzen zugefuͤhret / und mit dieſen Worten uͤbergeben: So uͤberreichen wir euch demnach / Printz von Ava / den letzten Antheil unſers Hertzens / und verſichern euch / daß wir nicht faͤhig ſind / etwas hoͤhers und angenehmers / zur Bezeigung unſers Danckbegierigen Gemuͤthes / zu ſchencken. Er - kennets demnach vor ein ſonderliches Gnaden - Geſchencke / und erwiedert ſolches mit treuer Auf - richtigkeit und moͤglichſtem Beyſtande wider un - ſere Feinde. Wir haben uns um euret willen einen nicht geringen Feind an dem Printzen von Tangu gemacht / welches denn bey ietzig-weit ausſehenden Zeiten eine geringe Staats-Klug - heit iſt / eure bekandte Tapfferkeit aber verſpricht uns / ſolchen Verluſt reichlich zu erſetzen. Die Goͤtter beſeligen euren verliebten Vorſatz / und erfuͤllen eure Hertzen mit angenehmſter Luſt. Der Himmel laſſe aus dieſem Sonnenſchein nimmer - mehr einen ſchaͤdlichen Blitz fahren / und ver - wandele alle Cometen in Gluͤcks-Sterne. Wie nun das Kuͤſſen der Kern / ja die Seele der Liebe iſt / alſo verſiegelt dieſen heiligen Bund mit einem feſten und ſuͤſſen Kuſſe. Wie gehorſam dieſem angenehmen Befehl mein Printz nachgelebet / iſt hieraus abzunehmen / wenn ſich dieſer einfache Kuß dermaſſen vielmal verdoppelt hat / daß man faſt neue Ziffern erdencken muͤſſen / wenn man ſiealle268Der Aſiatiſchen Baniſe. alle haͤtte nachzehlen ſollen. Hierbey aber hat - ten die Goͤtter abermal ein Vorzeichen kuͤnfftiger blutigen Trennung geben wollen / indem der Prin - ceßin / als ſie dero Herrn Vater ſtatt kindlicher Danckſagung die Hand kuͤſſen wollen / drey Bluts-Tropffen unverſehens aus der Naſen auf des Kaͤyſers Rock geſchoſſen / woruͤber ſie ſich allerſeits nicht wenig betruͤbet / und ſothane ange - nehme Zuſammenkunft zu meines Printzen hohen Mißvergnuͤgen deſto eher geendiget hatten. So bald wir nun unſer Qvartier betreten / machte mich mein Printz zu ſeinem Liebes-Vertrauten / und erzehlte mir mit hoͤchſtem Vergnuͤgen / wie weit die guͤtigen Goͤtter ihren Ausſpruch erfuͤllet haͤtten. Dieſem nach dauchte meinen Printzen dieſer Hof ein Himmel zu ſeyn / in welchem nichts denn ſein ewiges Wohl ohne einiges Verhindern wohnen muͤſte. Die Vergnuͤgung ſahe ihm aus den Augen / und iedwede Geberde ſtellete ein Lie - bes-Zeichen vor. Ja ſeine Liebe konte ſo wenig ruhen / als ein zartes Kind / welches nicht ſchlaf - fen / noch ſonder Thraͤnen allein bleiben kan. Sei - ne Gedancken und Reden mochten vor den Leuten herum ſchweiffen / ſo weit ſie immer wolten: Der Mittel-Punct ihres Zieles blieb doch allezeit die ſchoͤne Baniſe. Jhr Name war ihm ein Zucker in Ohren / und gemeiniglich bey dem andern oder dritten Woꝛte fuhr er ihm aus dem Munde. Sein Hertze wohnete mehr in ihr / als in unſerm Palla - ſte / ſo gar / daß allerdings Wild-fremde ohne Muͤ -he269Erſtes Buch. he daraus urtheilen kunten / wie hefftig verliebet und empfindlich verwundet er ſey. Jn ſolcher innigſten Vergnuͤgung bildete er ſich oͤffters ein / es waͤre nur ein Traum / welcher durch ein unan - genehmes Aufwachen verſchwinden / und ihn in vorige bekuͤmmerte Nachforſchung verſetzen wuͤr - de / angeſehen ihm faſt eben ſo im Tempel zu Pan - dior zu Muthe geweſen. Ja / er hielte es manch - mal vor eine Unmoͤgligkeit / daß es ihr Ernſt ge - weſen ſey / und er ſich einige gewiſſe Hofnung hier - auf machen duͤrfte / welches gleichſam faͤhig waͤ - re / auch die Goͤtter zu vergnuͤgen. Jn ſolchem verliebten Zweiffel entſchloß er ſich einſten / ihr ei - ne ſchrifftliche Verſicherung abzufordern / wo - durch er ſich iedeꝛzeit in ſeiner Hofnung befeſtigen / und allen Zweiffel-Muth durch oͤfteres Uberleſen verjagẽ koͤnte. Dannenheꝛo ſtellete er mir eine ver - ſchloſſene Schrifft zu / welche mir doch vorhero zu leſen erlaubet war / in welcher er nicht allein ſeine innigſte Liebe wiederholte / und um dero Gegen - Liebe anhielte / ſondern auch / weil er vermeynte / es koͤnte nicht fehlen / ſolch hohes Gluͤcke wuͤꝛde ihm von vielen beneidet / und dahero durch heimliche Verleumdung bey ſeiner Princeßin verhaßt ge - macht werden / beweglichſt um Beſtaͤndigkeit an - hielte / und letztens eine ſchrifftliche Verſicherung ihrer Gegen-Huld verlangete. Meinem weni - gen Behalt nach floſſen ohngefehr dieſe gebunde - ne Worte:

Hier270Der Aſiatiſchen Baniſe.
HJer koͤmmt ein kleiner Brief / durch Liebe ſty -
liſiret /
Und legt ſich / ſchoͤnſtes Kind / zu deinen Fuͤſſen
hin /
Jch ſchwere / daß diß Blat nichts falſches in ſich
fuͤhret /
Beſondern iedes Wort umſchrenckt der treu -
ſte Sinn.
Der Woͤrter ſchlechte Pracht entſpringt aus
frommen Kiele /
Die Dinte ſchreibt zwar ſchwartz / doch iſt das
Hertze weiß.
Er ſetzet reine Treu ſich nur zum keuſchen Ziele /
Kurtz: Deſſen Abſehn iſt ein gruͤnes Myrthen -
Reiß.
Bewundre nicht / mein Kind / mein allzu kuͤhnes
Schreiben /
Den Ausſpruch hat ja ſelbſt dein ſchoͤner Mund
gethan /
Es ſtuͤnde bloß bey mir untreu treu zu bleiben;
Drumb nehm ich billich mich des holden Ur -
thels an.
Dein reines Tugend-Gold beleget mich mit
Ketten /
Und deiner Schoͤnheit Macht ſchlieſt mich in
Feſſel ein /
Woraus mich nichts / als nur der blaſſe Tod ſoll
retten /
Und die Erloͤſung ſoll bloß in dem Grabe ſeyn.
Er271Erſtes Buch.
Erlaube / Engels-Bild / dich numehr frey zu liebẽ /
Dem / der ſein gantzes Sich dir aufgeopffert
hat.
Ein heimlich Schickſal hat mich zu dir her ge -
trieben /
Und meine Freyheit hemmt des Himmels ho -
her Rath.
Wilſt du nun / ſchoͤnſtes Kind / die reine Glut ver -
dammen /
Und will dein harter Sinn dem Schickſal wi -
derſtehn?
So ſtrafft der Himmel dich mit gleichen Liebes -
Flammen /
Deñ ſeiner Rache kan kein Sterblicher entgehn.
Ach laſſe meine Glut dir nicht zuwider fallen.
Mein Engel / goͤnne mir beliebte Gegen-Huld.
Jch ſichre / ſonder Ruhm / mein Lieben ſoll vor
allen /
Des Vorzugs faͤhig ſeyn / wie bey Metallen
Gold.
Will gleich der gelbe Molch des Neides mich be -
flecken /
Stuͤrmt gleich ein Natter-Maul mit Luͤgen
auf mich ein:
Doch ſoll das Silber-Kleid der Unſchuld mich be -
decken /
Und die Beſtaͤndigkeit ſoll ihre Schande ſeyn.
Nicht traue / ſchoͤnes Bild / verdammten Laͤſter -
Tuͤcken /
Nur glaube / was mein Mund ſo heilig dir
verſpricht:
Laß272Der Aſtatiſchen Baniſe.
Laß ferner nun kein Netz des Zweiffels dich be -
ruͤcken /
So lieb ich deinen Geiſt / biß mir das Hertze
bricht.
Was wil ich aber viel von meinem Feuer ſagen?
Wer weiß / ob Gegentheil auch etwas Flam -
men hegt.
Die Feſſel werden nur vielleicht von mir getragẽ /
Da Sie hingegen doch das Gold der Freyheit
tragt.
Jedennoch wil ich nicht ſo etwas uͤbels hoffen /
Ob ſolte Grauſamkeit mit Schoͤnheit ſeyn
vermaͤhlt.
Denn hat des Himmels Schluß mit Liebe / mich
getroffen /
So trau ich ſeiner Gunſt / er hab auch dich er -
wehlt
Darumb erlaube mir / mich deinen Knecht zu
nennen /
Nimm an das treue Hertz / das ſich dir eigen
giebt.
Und laſſe Gegen-Huld mit gleicher Flamme
brennen /
So wiſſe / daß die Glut ſelbſt Stern und Him -
mel liebt.
Wil mich nun deine Gunſt ins Buch der Liebe
ſchreiben:
Ach ſo erfreue mich durch eine Gegenſchrifft.
Und laſſe biß ins Grab / mich Dein dich Meine
bleiben:
So273Erſtes Buch.
So hat der Himmel ſelbſt diß Liebes-Werck
geſtifft.

Dieſes zu uͤberbringen wurde ich befehlichet / worzu ich durch Huͤlffe meiner alten Liebe / der Eſwara / auch leicht gelangete / welche mir in kur - tzem wiederum eine kleine verſiegelte Schrifft ein - haͤndigte / ſolche meinem Printzen / ſtatt eꝛwuͤndſch - ter Antwort zu ruͤcke zu bringen. Dieſes ver - richtete ich eiligſt / und erfreute meinen Printzen hierdurch auffs hoͤchſte / welcheꝛ es ſo bald erbrach / und faſt iedes Wort mit einem Kuß beehrte. Den kurtzen Jnnhalt erfuhr ich hernach folgender geſtalt:

EJn Brieff / von deiner Hand / erfreuet und
betruͤbet /
Die / deren Geiſt und Hertz von dir ja Flam -
men faͤngt:
Die / welche dich faſt mehr / als ihre Seele liebet /
Und ihrer Sinnen Schiff nach deinen Au -
gen lenckt.
Jch bin erfreut / wenn mir dein Kiel von Liebe
ſchreibet /
Betruͤbt / wenn Zweiffelmuth faſt iede Sylbe
ruͤhrt;
Da doch die Zuverſicht des Liebens Zucker bleibet:
Wie daß denn Balacin mich auff die Probe
fuͤhrt?
Jedoch die Liebe iſt ein etwas zartes Weſen /
Jſt ſie gleich Ertz: Die Furcht macht ſie zur
Mertzen-Blum.
SGe -274Der Aſiatiſchen Baniſe.

Genug / wenn Balacin ſoll dieſe Worte leſen:

Baniſ iſt ihm verpflicht / als Schatz und Ei - genthum.

Und dieſes wiederholete er zum oͤfftern dermaſ - ſen / daß er faſt aus ſich ſelbſten zu ſeyn ſchiene: Jch halte auch darvor / er waͤre in ſolcher Verzuͤ - ckung noch laͤnger verharret / wenn ihm nicht die Ankunfft des Talemons verſtoͤhret haͤtte. Die - ſer brachte die leidige Zeitung / wie der Tyranne Chaumigrem dem Kaͤyfer einen Krieg / um den Tod ſeines Bruders Xenimbruns zu raͤchen / an - gekuͤndiget haͤtte; Gleich als ob ein Koͤnig / ſo er einen ſeiner Unterthanen / uͤberwieſenen Auff - ruhrs wegen / abgeſtraffet / einem andern hiervon Rechenſchafft zu geben / verbunden waͤre. Dero - halben wurde mein Printz zugleich durch dieſen in den geheimen Kriegs-Rath erfordert / da er ſeine verliebte Gedancken aͤndern / und dem Talemon folgen muſte / welches er auch willigſt verrichtete / und alle Gelegenheit ſuchte / ſich dieſes herrlichen Kleinods von Pegu recht wuͤrdig zu machen. Weil ich nun befehlicht war / im Pallaſt zu ver - bleiben / als vertrieb ich meine Zeit ſehr wohl duꝛch das Fenſter / indem ich des Talemons Vorbrin - gen durch einen ſtarcken Tumult nicht wenig be - ſtaͤrcket ſahe. Denn was vor Getuͤmmel von Soldaten / Pferden / und Elephanten auff denen Gaſſen und dem Marckte war / ſolches iſt unbe - ſchreiblich; und ſahe ich uͤber zwantzig Laͤuffer mit offenen Befehlen aus dem Schloſſe lauffen /wel -275Erſtes Buch. welche die weit entlegene Armee zuſammen beruf - fen ſolten; Ja es war eine ſolche Verwirrung / daß ich nicht anders meynte / der Feind haͤtte ſchon Pegu berennet / da er doch noch uͤber ſiebentzig Meilen von dannen war. Als ich dieſem Weſen bey zwey Stunden zugeſehen / kam mein Printz gantz tieffſinnig wieder nach Hauſe / und kunte ich in langer Zeit nichts von ihm erfahren / biß er mir endlich nur dieſes eroͤffnete / daß wir in drey Ta - gen eiligſt auffbrechen / und uns wieder nach Ava wenden wuͤrden. Welches mich hefftig erſchre - ckete / und in die falſche Meynung ſetzte / es haͤtte irgend Zarang meinem Printzen einen Stein ins Bret geworffen / und ſeine Liebe verhindert. End - lich aber erfuhr ich / daß meinem Printzen in dem Kriegs-Rath waͤre zugemuthet woꝛden / weil man ſich durch Vergebung der Princeßin auff Seiten gegen Tangu / in nicht wenige Unſicherheit geſe - tzet / hingegen durch dieſe Heyrath die Crone Ava dem Reiche Pegu hoch verbunden gemacht haͤtte; Als ſolte ſich mein Printz perſoͤnlich nach Ava verfuͤgen / ſeinem Herrn Vater dieſe Bindung hinterbringen / und um wircklichen Beyſtand wi - der den rebelliſchen Chaumigrem anhalten. Hin - gegen ſolte der Koͤnig von Ava aller Lehn-Pflicht erlaſſen / und mit der unumſchrenckten Gewalt ei - nes Reichs erfreuet werden. Wie nun theils meinem Printzen die Begierde dieſes Kaͤyſerliche Hauß zu retten / theils die innigſte Liebe / und der ſchleunige Verluſt ſo angenehmſter GegenwartS 2ſon -276Der Aſiatiſchen Baniſe. ſonderlich anfochte: und mit einem Worte / Eh - re und Liebe einen hefftigen Wett-Streit in ihm verurſachten / ſo ließ er doch endlich der Ehre die Oberhand / in Betrachtung / daß ſolche ſeine Ge - wogenheit gegen die Princeßin deſto mehr bekraͤf - tigen / und ſeiner Liebe einen groſſen Vortheil ver - ſchaffen koͤnte. Jnmittelſt gebrauchte er dieſe wenige Zeit dermaſſen / daß ich / auſſer gegen die Nacht-Zeit / indem daß ich mit Einpacken und moͤglichſter Zubereitung zu bevorſtehender Reiſe beſchaͤfftiget war / meinen Printzen nie zu ſehen bekam; Dannenhero ich auch von dieſen ver - liebten Zuſammenkuͤnfften keine Nachricht er - theilen kan: Genung / wenn ich ſage / daß dieſes hohe Paar mit ſo reiner und bruͤnſtiger Liebe be - geiſtert geweſen / als es dero beyderſeitige Tugend und Schoͤnheit immermehr erfodern koͤnnen. Nunmehro aber brach das betruͤbte Liecht an / da ſich die Hertzen trennen / und ein trauriger Ab - ſchied die Gemuͤther empfindlichſt ruͤhren ſolte. Es waren auff Kaͤyſerlichen Befehl dreyhundert tapffere Reuter nebſt gnugſamen Pferden und Reiſe-Kaſten uns zugeordnet / welche eines Theils bereits vor der Pforte uns auffwarteten. Dan - nenhero mein Printz mit ſchwerem Hertzen das Lager verließ / ſich ankleidete / und ſo fort nach Ho - fe verfuͤgte / woſelbſt er zufoͤrderſt von dem Kaͤyſer gebuͤhrenden Abſchied genommen / welchem ich gleichfalls nicht beygewohnet / und dahero von meines Printzen geheimen Verrichtungen nichtsſa -277Erſtes Buch. ſagen kan. Nach dieſem verfuͤgte er ſich nach dem Frauenzimmer / und erlaubte mir unwuͤr - digſt / dieſem traurigen Abſchiede perſoͤnlich bey - zuwohnen. Wir wurden alſobald in der Prin - ceßin Zimmer eingelaſſen / welche wir auff einem Stule in ſolcher erbaͤrmlichen Geſtalt vor uns ſitzend fanden / daß die Unbarmhertzigkeit ſelbſt zu einigem Mitleiden haͤtte muͤſſen beweget werden. Die ſchoͤnen Haare waren zu Felde geſchlagen / ein dunckel-gelber Atlaß verhuͤllte den ſchoͤnen Leib / und gab zugleich die innerſte Teaurigkeit ih - res Hertzens zu erkennen; Die haͤuffigen Thraͤnen ſchienen einen Theil der vorigen Anmuth wegge - ſchwemmet zu haben / und das Engliſche Haupt war von der lincken Hand / als einer Marmor - Saͤule / unterſtuͤtzet. Durch ſolchen traurigen Anblick ward mein Printz dermaſſen geruͤhret / daß er nichts weiter vermochte / als ſich vor ihr auf die Knie zu ſetzen / und dero rechte Hand eine ge - raume Zeit an den Mund zu druͤcken / gleichſam / als ob dieſe Wehmuth ein Stillſchweigen verur - ſachte. Endlich nach etwas getrockneten Wan - gen ſtieß ſie mit halbgebrochener Stimme dieſe klaͤgliche Worte heraus: So ſtehet es denn / O grauſames Verhaͤngniß / nicht zu aͤndern / daß ich das jenige / was meine Seele ſeinem eigenen Le - ben vorzeucht / ſo ſchleunig entbehren ſoll? Und iſt der Schluß unwidertreiblich / daß ſich mein Hertze theilen / ja meine Seele ſich ſelbſt verlaſſen muß? Mein Hertze bricht mir / die Augen ver -S 3dun -278Der Aſiatiſchen Baniſedunckeln / und ich befinde mich nicht geſchickt / die - ſen Verluſt lebendig zu ertragen. Ein ferneres vorzubringen / verboten ihr die haͤuffigen Thraͤ - nen / biß ſich der Printz in etwas erholete / und be - weglichſt antwortete: Liebſte / wertheſte / ſchoͤnſte Princeßin! Jhre Thraͤnen ſind mein Weh - muth / und dero Klage betruͤbet mich biß in den Tod / ja was meinen Augen an Waſſer gebricht / das erſetzet mein Hertze durch Blut. Jch ſoll ſcheiden / ja ich muß ſcheiden! weil mich unſere Feinde zwingen. Jch ſage recht unſere Feinde / weil ich ſie kuͤnfftig vor keine andere / als auch mei - ne erkennen werde / indem auch ihr Blut viel zu ſchwach iſt / meine beſtaͤndige Liebe zu hintertrei - ben. Jch muß ſcheiden! aber / ach ihr Goͤtter! nicht auff ewig! Und wo ich mich einiges Tro - ſtes von meiner ſchoͤnen Princeßin verſichern darff / ſo geruhe ſie doch dieſe Thraͤnen / welche mein Hertze durchdringen / zu maͤßigen / und durch uͤberfluͤßige Traurigkeit mich nicht ſterben zu laſ - ſen. Grauſamer Printz / erwiederte ſie wehmuͤ - tigſt / ihr redet wider euch ſelbſt / daß ihr meine Thraͤnen verhindern / und mir nicht eꝛlauben wol - let / ſolches ſchmertzliche Scheiden ſchmertzlichſt zu bejammern. Denn dieſe Thraͤnen ſind die be - ſten Zeugen ungefaͤrbter Treue / und wo ihr dieſe zu hemmen ſuchet / ſo verbietet ihr mir / euch zu lie - ben. Jch bin / verſetzte mein Printz / erwehlte Princeßin / biß in das Grab hiervor verpflichtet / es wuͤrde mich aber mehr erfreuen / wenn meinAb -279Erſtes Buch. Abzug mit groͤſſerer Hertzhafftigkeit als Weh - muth ertragen wuͤrde / iedoch ohne einigen Abgang unſerer geſchwornen Liebe. Zu dem / liebſte Prin - ceßin / was wolte ſie denn thun / wenn ſie mich vor ſich in einem Sarge liegen ſehen / und mir die letz - te Pflicht erweiſen ſolte. Allein hiedurch wurde die betruͤbte Princeßin empfindlichſt geruͤhret / daß ſie mit lauter Thraͤnen ſagte: Ach unbarm - hertziger Printz / womit draͤuet ihr mir / uud mit was vor ungluͤckſeliger Vorbedeutung wollet ihr mein Elend und Jammer vermehren? Jch weiß ohne diß nicht / was es iſt / das eine ſo ſonderbare Traurigkeit in meinem Hertzen erwecket / und mir ein Ungluͤck vorbildet / welches ich noch zur Zeit nicht begreiffen kan. Solte es nun ja an ein Sterben gehen / ſo werde ich viel eher dem To - de zum Schlacht-Opffer dienen muͤſſen / als ihr / der ihr euch in die Sicherheit begebet / und gar leicht eurer getreuen Princeßin bey der Wieder - kunfft / als einer Leichen / den letzten Kuß gewaͤhren duͤrfftet. Hiedurch hatte ſich die Princeßin ſatt - ſam an dem Printzen gerochen / indem er ſich haͤuf - figer Thraͤnen nicht ferner enthalten kunte / wie - wol er ſich nicht wenig ſchaͤmete / und ſelbe zu ver - bergen ſuchte. Worzu dienet es / hub er nach ei - nigem Stillſchweigen an / uns ſelbſten zu fernerer Betruͤbniß Anlaß zugeben / da wir doch bereits in ſolchen Schmertzen verſetzet worden / daß er / auſſer dem Tode / unmoͤglich kan vergroͤſſert wer - den. Jch bin vielmehr kommen / weil mir dasS 4Ver -280Der Aſiatiſchen Baniſe. Verhaͤngniß / dero Kaͤyſerl. Herr Vater / die Wol - fahrt dieſes Reichs / ja meine Liebe / womit ich mich der ſchoͤnſten Seelen in der Welt verpflich - tet weiß / es ſo befielet / demjenigen auff eine Zeit lang den Abſchieds-Kuß zu ertheilen / welches ich auſſer dieſem nicht eher / denn mit dem Leben ent - behren wuͤrde. Mit der gewiſſen Verſicherung / daß / wie die Hoffnung das einige Labſal aller Schmertzen iſt / alſo auch eine gluͤckliche Wieder - kunfft uns ietzige Wehmuth ziemlich verweiſen werde / daß wir nicht beſſer unſer Vertrauen ge - gen die Goͤtter / durch groͤſſere Standhafftig - keit erwieſen haben. Uber das ſoll dieſer Ab - ſchied und dieſe Abweſenheit ein vollkomme - nes Zengniß unſerer innigſten Liebe ſeyn: Ob mir zwar iedwede Minute zu einem Jahre gera - then / und lauter ungedultiges Sehnen nach der Wiederſehung meines Augen-Troſtes / ge - baͤhren wird. Lebet wohl! Gute Nacht! Die betruͤbte Princeßin wolte den Printzen noch nicht verlaſſen / ſondern verfolgte ihre wehmuͤ - thige Klage mit dieſen Worten: Ach verziehet / mein Printz / und goͤnnet noch eine Viertelſtunde eure Gegenwart derjenigen / welche vor Weh - muth faſt zu ſterben vermeynet. Denn ich ver - ſichere / das ſchaͤrffſte Meſſer wuͤrde mit geringe - rem Schmertzen mein Hertze durchſchneiden / als das ſchmertzhaffte Wort / Lebet wohl! und kein Donnerſchlag wuͤrde in meinen Ohren haͤrter er - ſchallen / als die unverhoffte gute Nacht! MeinPrintz281Erſtes Buch. Printz / welcher moͤglichſt eylte / dieſen traurigen Abſchied zu endigen / und ſich ſelbſt vor Betruͤb - niß nicht zu laſſen wuſte / kuͤßte ihre Hand mit thraͤnendem Munde / und ſagte: Ach ſchoͤnſte und wertheſte Princeßin! ſie glaube / daß kein Gifft meine Seele ſo qvaͤlen / noch keine Galle mir ſo bitter ſeyn kan / als dieſes Scheiden: Wie aber derjenige / welcher an den ſuͤſſen Port ſeiner Liebe gluͤcklich anlenden will / die Großmuth zu einem ſteten Compaß haben muß; Alſo bilde ich mir ein / daß / wo ich einer ſo vortrefflichen Schoͤnheit / wie ich in dero Engliſchen Perſon angetroffen / wuͤrdigſt genieſſen will / ich mich allem Ungluͤck großmuͤthigſt widerſetzen / ſtandhafft widerſtehen / durch alle Widerwertigkeit dringen / und doch endlich in dero Arme kommen muͤſſe. So begreif - fe ſie demnach / und laſſe die vorgebildete Freude / welche bey eheſtem Wiederſehen unſere Hertzen beſeligen wird / ietzigen Wehmuths-Kummer - bertreffen / ſo wird ſie ſehen / wie eine großmuͤthi - ge Hoffnung das Ungluͤck ſelber trotzen koͤnne. Hierdurch ſchiene die Princeßin etwas beſaͤnffti - get zu ſeyn / dahero ſie denn meinen Printzen an - muthigſt kuͤſſete / und mit beweglichſten Wor - ten den letzten Abſchied nahm: So fahret wohl / mein Printz / mein Engel / mein Leben / fahret wohl / und bedencket / daß ihr etwas hinter euch gelaſſen / welches ſich durch langes Abſeyn ſelbſt verzehren wuͤrde. Fahre wohl / liebſter Schatz / den mich die Liebe du zu nennen zwinget! Fahre wohl / weilS 5es282Der Aſiatiſchen Baniſe. es doch muß geſchieden ſeyn. Die Goͤtter fuͤhren und begleiten dich! Es muͤſſe lauter Sicherheit auf allen Wegen wachſen / wo du nur deinen matten Fuß hinſetzen wirſt: Wo du dein Haupt hinlegeſt / da umſchatte dich der Goͤtter Schutz; Ja es muͤſſen alle deine Tritte zu Roſen werden. Fahre wol! Welches letztere Wort ſie mit einem bruͤnſtigen Kuß auf des Printzen Lippen verſiegel - te. Wodurch denn mein Printz gezwungen ward / diß kurtze Adjeu darzu zu ſetzen: So lebe demnach auch wol / unſchaͤtzbarer Engel / und vergiß nicht deßjenigen / deſſen innigſte Liebe auch in der Aſchen brennen wird. Gute Nacht / liebſte Baniſe / le - be wol / ſchoͤnſte Princeßin! Jch ſchelde dem Lei - be nach von Pegu / und hinterlaſſe dir doch mein Hertze zu einem unverfaͤlſchten Liebes-Pfande. Verſichre dich / daß mein Schatten / ja mein Geiſt Tag Nacht dich begleiten / und um dich ſchwe - ben werde. Lebe wohl! Der Himmel laſſe dich keine rauhe Luft beruͤhren / und erhalte dich geſund / biß ich dieſes Zimmer wieder froͤlich beſchritten / und die Roſen auf deinen Lippen brechen koͤnne. Lebe wohl! Wie nun der Schluß durch unzehli - che Kuͤſſe gemacht / und mein Printz mit einigen koſtbaren Kleinodien / wie auch ich mit einem Sa - phir-Ringe beſchencket wurde / ſo eilte mein Printz gleichſam gantz daumelnde aus dem Zimmer / und begab ſich nach dem Pallaſt / allwo unterſchiedene Groſſe vom Hofe aufwarteten / um von meinem Printzen gebuͤhrenden Abſchied zu nehmen / welcheer283Erſtes Buch. er aber gantz kuꝛtz voller Gedancken beurlaube - te / ſich nebſt uns allen zu Pferde begab / und in vol - lem Galoup mit thraͤnenden Augen Pegu verließ. Und dieſes iſt auch leider! das letzte mal geweſen / daß ſie mein Printz geſehen. Hier wendete ſich der Printz um / und haͤtte ſich in ſothaner ſchmertzli - chen Erinnerung faſt verrathen / indem er ſeinen Augen nicht mehr zu gebieten vermochte / dannen - hero Scandor ſeine Erzehlung moͤglichſt verkuͤrtz - te / und ſie durch folgende Worte endigte:

Nachdem wir nun nach einiger Zeit gluͤcklich in Ava angelanget / ſo bildete ſich mein Printz nichts feſter ein / denn er wuͤrde ein angenehmer Gaſt ſeyn / und durch gutes Vorbringen ſich Koͤ - niglicher und Vaͤterlicher Gnade wiederum wuͤr - dig machen. Wie denn auch in der gantzen Stadt eine ungemeine Freude uͤber unſere Ankunfft ent - ſtund. Allein was uns zum erſten ein uͤbles Zei - chen gab / war / daß nicht allein niemand bey dem Printzen eine Willkommens-Beſuchung able - gen durfte / ſondern auch ſo gar keine Veꝛordnung / unſere mitgebrachte Geleits-Voͤlcker zu verpfle - gen / ertheilet wurde / welche zwar von den Jn - wohnern willig und gerne aufgenommen / von ihnen reichlich verſorget worden. Nach zwey Ta - gen / als wir etwas ausgeruhet hatten / ließ ſich der Printz bey dem Herrn Vater endlich anmel - den / welcher auch den Ober-Reichs-Schencken abfertigte / und an ſtatt einer Vaͤterlichen Bewill - kommung / ihn mit einem harten Verweiß / we -gen284Der Aſiatiſchen Baniſe. gen Ubertretung des Gebots / inner Jahr und Tag nicht wieder zu kommen / anſehen ließ. Ob nun zwar mein Printz die Urſache ſeiner Wiederkunft beweglichſt vortragen ließ / und alles dasjenige that / was einem tapffern Printzen und treuen Liebhaber gebuͤhrte / ſo handelte doch der Koͤnig ſo unbeſonnen / und ließ uns anbefehlen / uns ſo lan - ge / ohne iemands Beſuchung / inne zu halten / biß dem Koͤniglichen Befehl ein Gnuͤgen geſchehen / und das Jahr verfloſſen ſey. Ja / wir ſahen un - ſer Hauß mit zweyhundert Mann umringet / wel - che uns ungeſcheuet bewachen / und allen Ausgang verwehren muſten. Wie nun meinem Printzen damahls zu Muthe war / ſolches iſt daraus abzu - nehmen / daß er ſich gaͤntzlich vorſetzte / mit bloſſem Sebel auszufallen / und durch ſolche Gewalt die Wache ſo lange zu zwingen / biß ſie ihn niederma - chete. Welches ich aber vernuͤnfftig widerrieth / in Betrachtung / daß die Wache nicht nach deſſen Tode / ſondern nach der Perſon trachten wuͤrde / wodurch denn der ohne diß raſende Koͤnig zu noch groͤſſerer Unbeſonnenheit moͤchte angetrieben / und durch ſein ferneres Ungluͤck die arme Prin - ceßin wohl gar in Tod geſtuͤrtzet werden. Alſo ſaſſen wir nun bey zwey Monat lang / daß uns auch alle Zuſammenkunfft mit der Princeßin Hi - gvanama verwehret wurde. Endlich lieff die grauſame und blutige Zeitung ein / wie inzwiſchen Chaumigrem gantz Pegu erobert / und den Kaͤy - ſerlichen Stam̃ ausgerottet habe. Was ich nachdie -285Erſtes Buch. dieſem mit dem Printzen ausgeſtanden / iſt unbe - ſchꝛeiblich / indem ich ihn zwey Tage faſt ſtets ohn - maͤchtig unter meinen Haͤnden gehabt habe / und da deſſen elender Zuſtand nach Hofe berichtet ward / kam endlich Befehl / die Wache ſolte uns verlaſſen / und der Printz auf freyem Fuß geſtel - let ſeyn. Ob uns nun zwar dieſe Befreyung nun - mehr viel zu langſam zu ſtatten kam / ſo erholte ſich doch mein Printz in etwas; Und wie er ſich in ſei - nem groͤſten Leidweſen iederzeit des Goͤttlichen Ausſpruchs zu Pandior feſte getroͤſtete / und es vor unmoͤglich hielte / daß die Goͤtter einem Tyrannen erlauben wuͤrden / ſolches ihr Ebenbild zu toͤdten: So befehlichte er gegenwaͤrtigen ſeinen vorneh - men Bedienten nach Pegu zu eilen / und in geheim der Sachen wahre Beſchaffenheit zu erkundigen / bevoraus / ob ſeine werthe Princeßin noch lebte / wiewol er mit lauter verzweiffelten Anſchlaͤgen zu rathe gieng. Vor vierzehen Tagen aber ſchick - ten es die guͤtigen Goͤtter / daß / als der Koͤnig Da - coſem die Princeßin Higvanama ſeine Tochter / ungeachtet ſie dem Printzen von Siam verſpro - chen / dennoch an einen / ihr gantz unanſtaͤndigen Fuͤrſten aus Ava / mit Gewalt verheyrathen wol - te / und deßwegen der erſten Zuſammenkunft / wo - bey ſonder Zweiffel die Vollziehung dieſes Zwan - ges geſchehen ſollen / beywohnte / der alte Koͤnig ſich in dem Truncke heftig uͤbernommen / und fol - genden Morgens todt im Bette gefunden worden. Hierdurch wurde nun die Princeßin Higvanamaer -286Der Aſiatiſchen Baniſe. erloͤſet / und mein Printz ein gewaltiger Monar - che; Und waͤre zu wuͤnſchen / die guͤtigen Goͤtter haͤtten irgendwo die ſchoͤne Baniſe vor meinen Printzen auf behalten: Angeſehen ihm zugleich das Reich Aracan / durch Hintritt des Koͤnigs zu - gefallen / und er nunmehro dem Peguaniſchen Blut-Hunde ſattſam gewachſen iſt / ſeine Prin - ceßin mit viel hundert tauſend Sebeln maͤchtigſt zu erloͤſen.

[figure]
Der287Anderes Buch.

Der Aſiatiſchen Baniſe Anderes Buch.

HJermit beſchloſſe Scandor ſeine Er - zehlung: Abaxar aber erſeuftzete tief / und ſagte: Gewiß / ich empfinde ein innigſtes Mitleiden gegen den tapf - fern Printzen Balacin / welcher traun eines beſſern Gluͤckes wuͤrdig geweſen / nachdem ihn aber die Goͤtter mit einer doppelten Krone be - ſchencket / ſo wird er vielleicht deſto eher alles zuge - ſtoſſenen Ungemachs / wo nicht gar der bereits vor verlohren-geachteten Princeßin vergeſſen / und ſich nach anderwertiger Vergnuͤgung umſehen koͤnnen. Jhr irret / wertheſter Freund / fiel ihm Balacin ins Wort / denn ihr ſollt wiſſen / daß ſich der Printz gaͤntzlich entſchloſſen / auſſer der Prin - ceßin Kron und Scepter zu verlaſſen / durch ei - genhaͤndige Rache an dem Tyrannen ſeinen Todt zu ſuchen / und alſo ſeiner Baniſen im Tode zu fol - gen. Das wollen die Goͤtter nicht / erwiederte Abaxar / daß ein ſo tapfferer Printz ſterben ſolte; und will ich gerne mein moͤglichſtes beytragen / zu erforſchen / ob die Princeßin noch am Leben ſey. Ja wer weiß / ob ich nicht die erſprießlichſte Nach - richt hiervon ertheilen koͤnte. Ja freylich / verſetz - te Talemon / denn eben der Herr Ober-Haupt - mann wird wiſſen / wie er den grauſamen Mord -Be -288Der Aſiatiſchen Baniſe. Befehle des Kaͤyſers nach gelebet habe. Abaxar erroͤthete uͤber dieſen Worten / iedoch erholte er ſich bald wiederum / und ſagte: So ſey es denn / ich wil zu dieſes unbekandten Pꝛintzens Veꝛgnuͤgung / welchen ich bereits in meinem Hertzen hoch achte / meine Wiſſenſchafft / ja mein gantzes Vermoͤgen beytragen. Und weil es heute zu ſpaͤte / und mein Amt mich zur Aufwartung ruffet / ſo werde ich morgen nach Moͤglichkeit wiederum aufwarten / und gewiß nicht unangenehme Dinge offenbah - ren / weil ich verſichert bin / daß ich bey vertrauten Freunden mein Hertze wohl ausſchuͤtten moͤge. Mit dieſen Worten nahm er freundlichen Ab - ſchied / und hinterließ den Printzen in tauſend Ge - dancken / indem er aus des Abaxars Reden ſich viel gutes wahrſagete.

Als ſie nun alle / biß auff den Scandor / des Printzen Zimmer verlaſſen hatten / und der Printz eine ziemliche Weile des Abaxars Worte bey ſich uͤberleget hatte / fiel ihm die mit deꝛ Lorangy gehal - tene Abrede ein / welche ihn denn gantz von vorigen Gedancken abzog / und in kummerhafftes Nach - dencken verſetzte / wie er ſich doch dieſes nachtheili - gen Verſprechens ohne Gefahr entledigen moͤch - te. Endlich nach vielen Rathſchlaͤgen fiel ihm ein / ob nicht Scandor ins Mittel treten / und dieſer Sache durch eine Heyrath erwuͤnſcht abhelffen koͤnte. Solches ihm nun vorzubringen befahl er dem Scandor / ſich vor das Bette zu ſetzen / und durch einigen Wort-Wechſel den Verdruß ſei -ner289Anderes Buch. ner Gedancken zu ſtoͤren / da ihn denn der Printz ſofort anredete: Mein Scandor / wir befinden uns beyderſeits am fremden Orte / und dazu in Feindes Lande / da wir nichts mehrers als guter und wahrer Freunde benoͤthiget ſeyn: Nun hal - te ich davor / es ſey keine hoͤhere Freundſchafft / als die eheliche / worzu du leichte gelangen / und mir und dir dadurch in allen bevorſtehenden Zufaͤllen befoͤrderlich ſeyn koͤnteſt. Gnaͤdigſter Herr / er - wiederte Scandor / ich weiß nicht / wie ſie auf die - ſe Gedancken gerathen: Wenn mir nicht dero hoher Sinn bekandt waͤre / ſo wolte ich meynen / ihr Rath gienge dahin / ich ſolte mir einen Nagel einſchlagen / woran ſie bißweilen ihren Haupt - Bund hengen koͤnten. Nein / verſetzte der Printz / mein Scandor / es hat gar nicht dieſe tadelhaffte Meynung / ſondern ich bin bedacht / dir zu rathen / und mir zu helffen / auf eine ſolche Art / welche ein gutes Abſehen hat / derowegen wirſt du die Sache wohl uͤberlegen / und dich aller Gnade dabey von mir verſichern. Gnaͤdigſter Herr / war des Scan - dors Antwort / die Zeiten ſind gefaͤhrlich / und die vielen Beyſpiele gekroͤnter Haͤupter ſchꝛecken mich von dem Verlangen ſolcher Wuͤrde. Solte ich nun meines bißgen Koꝛns halben eine eigene Muͤh - le bauen / ſo fuͤrchte ich immer / es moͤchten die Nachbarn fremde Getꝛeyde aufſchuͤtten / und wild Waſſer meine Raͤder treiben. Dieſes halte ich nun nicht vor rathſam / ob ich mir zwar in allem zu gehorſamen vorgenommen habe. NaͤrriſcherTMen -290Der Aſiatiſchen Baniſe. Menſch / redete ihm der Printz ein / eine uͤbele Mey - nung kan ja nicht allen nachtheilig ſeyn / indem ei - ne Schwalbe keinen Sommer machet. Viel - mehr wirſt du dir zu Gemuͤthe fuͤhren / was vor taͤgliche Anmuth ein ſchoͤnes Weibs-Bild ſey / und wie dir alle Morgen / weñ du erwacheſt / gleichſam die Sonne im Bette aufgehet: denn die Schoͤn - heit iſt ja ein Brunn der Wolluſt / aus welchem die Augen Vergnuͤgung / und das Hertze lauter Anmuth ſchoͤpffet. Wie ſolteſt denn du der ein - tzige ſeyn / welcher dieſe Himmels-Koſt mit eckeln Lippen verachten wolte? Gantz recht / antworte - te Scandor / die Schoͤnheit iſt freylich ein ſolcher Gaſt / welchem viel tauſend Opffer der luͤſtern - den Augen gewiedmet werden. Allein wo ich mich auch dieſe bethoͤren lieſſe / wer erſetzte mir denn den Schaden / wenn ein Fieber / oder Po - cken / oder hundert andere Zufaͤlle das feine Fleck - gen verderbten / und mir hernach dieſe Bett-Son - ne eine ſtete Finſterniß vorſtellete: Zudem iſt es ein wurmſtichig Weſen um die Schoͤnheit / denn wie die ſchoͤnſten Kirſchen am meiſten von den Vogeln verfolget / und wo ſie nicht ſtets durch ein fleißiges Auge bewachet / gar leicht angebiſſen werden; alſo befuͤrchte ich auch / man moͤchte mir in dieſem Fall nichts neues machen / ſondeꝛn gleich - falls mit einem Tuͤrckiſchen Bunde zieren / wie die Ochſen tragen / denn ſchoͤne Weiber ſind Jrr - wiſche / die verfuͤhren die Leute bey Tag uud Nacht. Du biſt einem Thiere zu vergleichen /wel -291Anderes Buch. welches ſeine langen Ohren vor Hoͤrner anſiehet / war des Printzen ferneres Einreden / ſo ja aber ei - ne ungewiſſe Furcht ſolche Anmuth in dir verban - net / ſo nim dir eine etwas ungeſtalte / welche dir voꝛ uͤbꝛigeꝛ Beſuchung ſattſame Sicheꝛheit ſchaffẽ wird. Auch dieſes laͤſt ſich hoͤren / gnaͤdigſter Herr / erwiederte Scandor / denn eine heßliche Frau iſt wie ein Fleiſcherſtock / welcher nicht geſtohlen wird / ob er gleich Tag und Nacht vor der Thuͤre ſtehet; Allein hierdurch thue ich mir ſelbſt das groͤſſeſte Unrecht / indem ich mir ſolche Waare gekaufft haͤtte / welche andere Leute verachtet ha - ben / und muͤſte ich eine ſolche Larve ſtets vor mir ſehen / da ich des Kuͤſſens vor Eckel nicht gedencken wil. Jch achte mich aber auch deßwegen nicht allzu ſicher; denn wie ein ungeſtalter Leib oͤffters ein unartiges Gemuͤthe / und ein heßliches Ge - ſichte mehrentheils ein verliebtes Hertze andeutet / ſo muͤſte ich beſorgen / zumahl wenn ich ſie unmoͤg - lich lieben koͤnte / es moͤchte ſich doch wohl ein nie - driges Gemuͤthe in meine Freundſchafft eindrin - gen / und ſolte es auch mir zum Verdruß geſche - hen. Jch gebe dir endlich hierinnen Beyfall / ver - laͤngerte der Printz dieſe Unterredung; dieſem a - ber nun vorzukommen / ſo heyrathe eine Wittbe / welche nicht allein ihren Verſtand durch die Jah - re erreichet / ſondern auch bereits die Jugend-Hi - tze abgekuͤhlet hat / denn es heiſt: die Alten / die beſten. So waͤre es eben / verſetzte Scandor / als wenn der gute Morgen zur Mitternacht kaͤ -T 2me.292Der Aſiatiſchen Baniſe. me. Denn wo ſich die Ungleichheit des Alters befindet / da wil gemeiniglich das Alter die Ju - gend beherrſchen. Diß traͤffe mir nun ſehr ſchlimm ein / daß ich meine jungen Tage einer Alten verpflichten / und meine bißher unbefleckte Jugend in ſolche Gefahr verbotener Gerichte ſe - tzen ſolte / wenn mir irgend zu Hauſe / wie es nicht anders ſeyn koͤnte / fuͤr der ſchlechten Hauß-koſt eckelte. Nein / davor bedancke ich mich. Geitz / Argwohn / Eyfer / Zanck / ſind die taͤglichen Spei - ſen / welche eine alte Frau ihrem jungen Manne vorſetzet. Die Zufriedenheit des Gemuͤths iſt des Menſchen ſein groͤſter Reichthum; dieſe aber wuͤrde ich ſchwerlich bey ſolcher Heyrath antref - fen. Sonderlich wuͤrde mich dieſes am meiſten ſchmertzen / wenn mir bey Hochzeiten / Spazier - Fahrten und dergleichen Zuſammenkuͤnfften an - dere Maͤnner meines Alters mit ihren ſchoͤnen jungen Weibergen begegneten / und ich kaͤme da mit meinem Alten verdrießlichen Muͤttergen von ſechzig Jahren aufgezogen / vor deren Eiferſucht ich keine Schoͤnheit anblicken duͤrffte. Es iſt ein widerwaͤrtiges Ding um einen boͤſen Kauff / denn die Waare ruͤckt ihrem Herrn allzeit ſeine Thor - heit auff. Kan man ſich aber ja woran eine ſtetswaͤrende Reu erkauffen / ſo geſchiehts gewiß - lich durch eine ungleiche Heyrath / welche einem ſeine Unbedachtſamkeit bey Tag und Nacht / Tiſch und Bette / in Stube und Cammer / im Hauſe und auf der Gaſſe / fuͤrwirfft und vor Au -gen293Anderes Buch. gen ſtellet. Zudem iſt ein ſolches Weib / wie das viertaͤgige Fieber / welches man nicht eher / denn im Tode / loß wird. Denn ob man gleich den - cken ſolte / ein altes Weib koͤnne wegen ihres Al - ters unmoͤglich lange leben / ſo begehre ich doch die - ſem nicht zu trauen / denn die alten Weiber haben gar ein zaͤhes Leder / und geben uns offt eher / als wir ihnen / das Geleite zum Grabe. Daß es nun auch eine Witwe dazu ſeyn ſol / darauf ant - worte ich nichts als dieſes: Eine Jungfer / wie ich wil: Eine Witwe / wie ſie wil / und die ſchon zwey Maͤnner gehabt hat: Huͤte dich / mein Pferd ſchlaͤgt dich. Du biſt allzu nachdencklich / war des Printzen Wieder-Rede / und weil ich auch hierinnen deiner Meynung nicht ſo gar entfallen kan / ſo gebe ich es zu / und riethe dir vielmehr / ein fein junges Maͤdgen / welches ſich durch eine ſtille Froͤmmigkeit beliebt machen kan / zu deiner Ehe auszuſuchen. Und dieſes ſchiene mir nicht ſon - derlich entgegen zu ſeyn / antwortete Scandor / wenn nicht nur dieſer Verdruß mit unterlieffe / daß ich erſt etliche Jahre gleichſam ihr Hoffmei - ſter ſeyn / und ſie ziehen muͤſte / da ich doch noch in der Ungewißheit lebte / wie dieſe Zucht geriethe. Sonſt iſt wohl eine Jungfer / oder Fraͤulein / wie ſie heutiges Tages wollen getaufft ſeyn / am beſten zu heyrathen / welche man am leichteſten erlangen kan / weiln ſich iedweder Vater nichts daran zu er - halten getrauet / indem ſie unter die Sachen gehoͤ - ren / wovon das Recht ſaget: Quæ ſervando ſer -T 3vari294Der Aſiatiſchen Baniſe. vari non poſſunt; Jedennoch iſt auch ein allzu - ſtilles Weſen oder Froͤmmigkeit nicht allemahl zu loben / angeſehen ſolches von andern vor eine Einfalt und Bloͤdigkeit ausgeleget wird / und iſt auch ſolches nicht iederzeit dem Manne anſtaͤn - dig / welcher bißweilen durch einige Beredſamkeit ſeines lieben Weibes nicht wenig ergetzet wird; vielweniger aber iſt ſolcher Stille iederzeit zu trauen: Denn zu dem / daß nach dem bekandten Spruͤchwort / ſtille Waſſer tieff zu ſeyn pflegen: ſo treten ſie oͤffters in der ſtilleſten Weiſe darne - ben / und verhoffen / der Mann werde ſolchen Fehl - tritt in das Regiſter ihrer Einfalt eintragen / ob er gleich hernach die Feder uͤber das Ohre ſtecken muͤſte. Ja ich wil hier nicht behaupten / daß ein Frauenzimmer / es ſey ſo ſtill / oder ſo fromm / als man es nur wuͤndſchen moͤge ſich doch bißweilen unterſtehe / nach dem Regiment zu ſtreben / und des Scepters zu gebrauchen / ſonderlich wenn Cammer-Sachen auszutragen ſeyn. Erlaubet man ihr nun ſolches / ſo verwehnet man ſie / thut man es nicht / ſo darff ſie einem wohl vorwerffen / man habe ſie nicht lieb / und zwinget uns durch ih - re verſtelte Traurigkeit / daß man ſie zu ergoͤtzen wiederum herrſchen laͤſt. Denn wer ein Weib nimmt / der bilde ſich nur ein / ſie werde das Regi - ment haben / es geſchehe gleich heimlich / mit Ge - walt / oder Bittweiſe. Und alſo iſt auch ſelbſt in der Froͤmmigkeit und Jugend keine Sicherheit zu finden. So ſuche dir eine muntere und be -ſchwatz -295Anderes Buch. ſchwatzte / rieth ihm der Printz ferner. Da kaͤ - me ich recht an / widerredete es Scandor / daß ich mir eine kluͤgere / als ich ſelbſt waͤre / beygeſellete. Die koͤnte mich zu einer Gemſe machen / welche ihre eigene Hoͤrner nicht ſehen kan. Allzu mun - ter iſt faſt wilde / und ein zu hurtiges Pferd wirfft ſeinen Reuter leicht ab / womit mir nicht ſonder - lich gedienet waͤre. Die Beredſamkeit ſtehet zwar einem Frauenzimmer gar fein an / ſo lange ſie nicht mit dem Mißbrauch Schweſterſchafft machet / indem ſie oͤffters nicht faͤhig ſind / durch beredte Umſchweiffe ihre heimliche Liebe zu entde - cken / ja wol gar dunckele Worte / Zeit und Ort verbotener Zuſammenkuͤnffte zu benennen / daß der arme Mann dabey ſitzet / und mit hoͤrenden Ohren taub ſeyn muß. Mercket er auch gleich durch angeborne Klugheit etwas davon / ſo weiß doch ihre argliſtige Zunge ſolche Worte vorzu - bringen / wodurch deſſen Verſtand verdunckelt / und er in den Wahn geſetzet wird / erhabe ſeinen keuſchen Schatz auch durch den geringſten Arg - wohn beleidiget. Jn ſolcher irrſamen Meynung wird er keine Zuſammenkunfft ohne ſeine Haus - Ehre beſuchen / welche ſich denn ſolcher Gelegen - heit ſehr wohl zu bedienen weiß / bevoraus / wo ſie auff dieſem Wein-Meer ein anſtaͤndiges Schiff bemercket / welches ſeinen Ancker in fremden Grund zu werffen ſuchet: Da wird ſie den trun - ckenen Mann durch tanſend verſchmitzte Liebko - ſungen dahin zu bereden wiſſen / wie er ſeiner Ge -T 4ſund -296Der Aſiatiſchen Baniſe. ſundheit ſchonen / den Trunck meiden / und ſich zur Ruhe begeben ſolte / ſie wuͤrde / wenn ihn der Schlaf uͤberfallen / ſchleunige Geſellſchafft leiſten. So bald nun der treuhertzige Mann folget / und ſich durch ſolche Sireniſche Worte in Schlaff bringen laͤſſet / ſo traͤumet ihn denn nicht unbillich / als waͤre ſeine Frau zur Taube worden / welche ſich unter lauter Stoß-Voͤgeln befaͤnde / ſolche a - ber zu retten / verhinderten ihn die vielen Haupt - beſchwerungen. Wenn er aber erwachet / ſo zwin - get ihn die Unwiſſenheit an dieſer gewiſſen War - heit zu zweiffeln. Jch wil hier gleichfalls nicht deßjenigen Mißbrauchs der Beredtſamkeit ge - dencken / wodurch dem Manne oͤffters groſſe Feindſchafft auff den Halß gezogen wird / wenn ein ſolcher ungezaͤumter Mund faſt keinen Men - ſchen vor dem Fenſter kann unberedet vorbey paßiren laſſen: und ſolches vor eine treffliche Art der galanten Welt achtet / wenn ſie von dieſer und jener Perſon faſt iede Geberde / Rede und Klei - dung durchzuhecheln weiß / und ſich in allen Stuͤ - cken vor viel vollkommener ſchaͤtzet / ob gleich das ſchwartze von den weiſſen redet. Alſo werde ich auch verhoffentlich in dieſem Stuͤcke Beyfall er - langen. Dem ſey wie ihm wolle / that ihm der Printz Einhalt / ſie ſey nun alt / verliebt / heßlich / krumm oder lahm / ſo werden doch alle Gebrechen durch Geld verbeſſert. Geld machet den Mann / und wer dieſes hat / der darff reden / wann andere ſchweigen muͤſſen. Weil du nun ſo gar furcht -ſam297Anderes Buch. ſam biſt / ſo wuͤſte ich dir nicht beſſer zu rathen / denn daß du eine reiche Frau heyratheſt. Denn geraͤth ſie dir / ſo iſt das Gluͤcke doppelt / ſchlaͤgt dir aber deine Hoffnung an ihrer Perſon fehl / ſo kanſt du dich doch an ihrem Gelde erhohlen / und alles Vergnuͤgen darinnen finden. Ja wohl / Gnaͤ - digſter Herr / beantwortete ſolches Scandor / ein reiches Weib iſt leicht zu ernehren: Zudem iſt dieſes eine Grund-Regul der heutigen Welt / daß ein Pfund Gold im Heyrathen / einen Centner Tugend uͤberwiegen muß: Aber wehe dem / der ein Weib aus Liebe zum Gelde / und nicht zur Perſon nimt. Denn zu geſchweigen / wie offt ein ſolches geitziges Auge durch den Nebel des pra - lenden Vorwendens verblendet wird / daß er zwar den Sack bekoͤmmt / wie es aber ums Geld ſtehe / hernach mit ſeinem Schaden erfaͤhret; So iſt die Ehe doch ſchon halb verdorben / ob gleich Geld die Menge vorhanden iſt. Denn ein Pferd / welches ſeine Staͤrcke weiß / laͤſſet ſich keinen Menſchen zaͤumen: und eine Frau / welche ihr Vermoͤgen kennet / wird vielweniger einem Mañ einer Spannen breit einraͤumen / wodurch er ſich als Herr bezeugen koͤnne: Alſo wird er mit dem erſten Hochzeit-Tage / wo nicht eher / ſein Scla - venthum betreten / und ein ſteter Befehl wird die Richtſchnur ſeines Lebens ſeyn. Ja es waͤre beſſer / ein Mann ohne Geld / als ſo viel Geld oh - ne Mann zu ſeyn. Hier wuͤrde ich recht erfahren / daß das Weiber-Regiment die aͤlteſte Monar -T 5chie298Der Aſiatiſchen Baniſe. chie ſey / und hier wuͤrde ich alles vorerzehlte Unge - mach auff einmahl tragen muͤſſen. Nein / da behuͤten die Goͤtter! Du wunderlicher Menſch / wolte ihn der Printz ferner bereden / ſo iedweder das Heyrathen in ſolche genaue Betrachtung zie - hen wolte / ſo muͤſte die Welt untergehen. Denn nachdem ich dir faſt alle Beſchaffenheiten des Frauenzimmers vor / du ſie aber insgeſammt ausgeſchlagen / ſo iſt nichts mehr vor dich uͤbrig / als eine Arme / welche durch Armuth gezwungen wird / dich zu lieben / dir zu dienen / und ſich als ein treues Weib in allen Stuͤcken zu verhalten. Die - ſe wird dir verhoffentlich am beſten anſtaͤndig ſeyn. Wo Mangel und Armuth Hochzeit ma - chen / wendete Scandor ein / da iſt Hunger das erſte Kind. Wo nun der Mann arm iſt / und die Frau kein Geld hat / da kan unmoͤglich eine ge - wuͤnſchte Ehe erfolgen. Denn iſt ſie gleich ſchoͤ - ne / ſo heiſt es / von der Schoͤnheit iſſet man nicht. Jſt ſie fromm und tugendhafft / darauf lehnet mir kein Menſch ein biſſen Brodt. Jſt ſie gleich haͤuß - lich / ſo haben wir nichts / woran ſie ihre gute Wirthſchafft erweiſen koͤnne. Jn Summa / die Sache laͤufft auf ein verzweiffeltes Weſen hin - aus / da der Mann zu einem Widder worden / wel - chem die Hoͤrner vor die Augen gewachſen ſind / und er ſie doch nicht davor halten muß: welches das groͤſte Elend vorgebildet. Du redeſt nicht anders / fiel ihm der Printz ein / als ob du bereits in einem und dem andern bey der Erfahrung indie299Anderes Buch. die Schule gegangen waͤreſt. Ob ich gleich / ver - ſetzte Scandor / den Goͤttern ſey Danck! ſolches noch nie erfahren / ſo verſichere ich doch / daß der - gleichen haͤuffig in der Welt vorgehet / und wuͤr - de ein iedweder Menſch / dem ich es erzehlen wuͤr - de / noch ein mehrers beyzutragen wiſſen. Jn Summa / ein Weib iſt ein nothwendigs Ubel / ei - ne natuͤrliche Anfechtung / eine einheimiſche Ge - fahr / und ein luſtiger Schade. So dir ja alle dieſe Vorſchlaͤge / hub endlich der Printz an / ſo gar zu wider ſind / ſo moͤchte ich gerne wiſſen / ob du hierinnen auch einen Entſchluß faſſen koͤnteſt / weñ ich ſolches / als eine Probe deiner Treue gegen mich / von dir eꝛforderte. Scandor wuꝛde hieruͤber gantz fluͤchtig / endlich erholte er ſich aber mit die - ſen Worten: Gn. Herr / mein Vorſatz iſt zwar iederzeit geweſen / den Krantz meiner Jugend mit in das Grab zu nehmen: Wo aber einige Treue gegen einen ſo groſſen Herrn durch eine geringe Heyrath kan bewieſen werden / ſo wolte ich mich wohl unterfangen / das aͤlteſte / heßlichſte / boßhaf - tigſte und aͤrmſte Weib in gantz Aſien aufzuſu - chen / und mich dadurch den Goͤttern ſo weit an - genehm zu machen / daß ſie nach dieſem Leben mei - ner gewiß verſchonen wuͤrden / weil ich die Hoͤlle ſattſam auf Erden gehabt haͤtte. Dem Prin - tzen gefiel dieſer Entſchluß ſehr wohl / dahero er dem Scandor die Hand reichete / und ſagte: Sie - he da mein Scandor / ich verſpreche dir zehen tau - ſend Peſos zum Heyrath-Gute / wenn du die Toch -ter300Der Aſiatiſchen Baniſe. teꝛ hieſiges Hauſes zu deinem kuͤnftigen Ehegemahl erwehleſt. Scandor kuͤßte zwar des Printzen Hand / doch wuſte er ſich in langer Zeit nicht zu faſſen / indem er antwortete: Jch wuͤrde auch dieſes vor eine geringe Probe meiner Treue / und mich vor ein ſehr groſſes Geſchencke unterthaͤnigſt verpflichtet achten / wenn ich nur einige Gelegen - heit erlangen koͤnte. Denn ich habe ein ſonderli - ches Geſpraͤche vernommen / worinnen ich der Lo - rangy unrechte Liebe ſattſam verſtanden: Sie liebet eine Perſon / welche ihre Liebe vor ſehr un - geraͤumt halten wird. Ja ich habe dabey hoͤren muͤſſen / wie die alte Haſſana einen Anſchlag duꝛch einen verdammten Liebes-Trunck machen duͤrf - fen / welches ich aber gebuͤhrend werde zu entde - cken wiſſen. Jch kenne ſchon die Perſon / erwie - derte der Printz / indem mich die Lorangy lange mit ihrer verhaßten Liebe geqvaͤlet hat. Du ſolſt aber wiſſen / mein Scandor / daß ich noch heute gantz verzweiffelt geweſen / und wolte ich nicht et - was aͤrgers beſorgen / ſo habe ich ihr verſprechen muͤſſen / morgen auf die Nacht ihr zu erlauben / mich zu beſuchen. Wie mir nun ſolche Beſu - chung hoͤchſt unanſtaͤndig iſt / alſo wirſt du dir durch treuen Rath einen noch gnaͤdigern Herrn an mir machen. Gar recht / gnaͤdiger Herr / antwortete Scandor / dieſes war der Lorangy Ein - wenden auf der alten Haſſana verzweiffelten An - ſchlag / daß ſie Erlaubniß haͤtte / morgen zu Nacht deſſen Zimmer zu beſuchen. Woruͤber ſich dieAlte301Anderes Buch. Alte nicht wenig erfreut anſtellte / und vermeynte / wenn dieſes geſchaͤhe / ſo haͤtte ſie in ihrer Liebe voͤl - ligen Sieg erlanget. Denn ſie ſolte ſich nur be - muͤhen / daß ihr ein Theil des Lagers eingeraͤu - met wuͤrde / ſo wolte ſie bald mit einen Talegre - pen hinter ihr her ſeyn / und ſie beyderſeits im Bet - te auf ewig verbinden laſſen. Daß nun mein gnaͤdigſter Herr verſichert ſey / ich wolte mich auch an die Stelle ihres Todes legen / ſo iſt diß mein fe - ſter Entſchluß / morgende Nacht der Lorangy hier zu erwarten / und ihre Stelle zu vertreten. Es lauffe nun ab / wie es wolle / ſo laſſen ſie mich nur vor das uͤbrige ſorgen. Treueſter Scandor / ver - ſetzte der Printz / iſt diß moͤglich / daß du mir zu Liebe deine Wolfarth hindan ſetzen willſt? Ja / gnaͤdigſter Herr / antwortete Scandor / ich bin be - reit vor ſie zu ſterben / geſchweige ein ſolches Gluͤ - cke und Reichthum anzunehmen. Nun ſo ſey es denn / war des Printzen letzte Antwort / ich ver - ſichere dich aller Gnade und reicher Belohnung. Jnmittelſt wirſt du dieſe Nacht bey mir verhar - ren / und den Morgen erwarten. Nach geendig - teꝛ Rede und alsdenn genoſſener Speiſe begab ſich der Printz zur Ruhe / und verlangete mit Schmer - tzen nach dem anbrechenden Tage / umb von dem Abaxar fernere Nachricht ſeines Lebens Ster - bens zu erhalten. Dieſer ſtellete ſich nun folgen - den Tages fruͤh wiederum ein / mit dem Bericht / daß ſich der Kaͤyſer in geheimen Rath verfuͤget haͤtte und veꝛhoffte er / ſelben gantzen Tag von allerAuf -302Der Aſiatiſchen Baniſe. Aufwartung befreyet zu ſeyn. Dieſem nach ließ der Printz ebenfalls den alten Talemon erfordern / welchen Scandor folgender geſtallt anreden mu - ſte: Jch habe geſtern und vorgeſtern dero Ohren mit meiner unfoͤrmlichen Erzehlung nicht wenig belaͤſtiget: Nun wolte ich wuͤnſchen / von dem Herrn Talemon fernere Nachricht zu erhalten / wie es nach unſerem Abzuge zu Pegu ergangen / und auf was Art ein ſo ſchleuniger Untergang die - ſes maͤchtigen Reiches erfolget ſey. Dieſem nach wird der Herr Ober-Hauptmann dieſe gantze Er - zehlung beſchlieſſen / und uns mit erfreulicher Nachricht von der Princeßin an die Hand gehen. Wie nun dieſer Vortrag allerſeits vor bekandt angenommen ward / ſo ſetzte ſich ieder an den vo - rigen Ort / und Talemon hub ſeine Erzehlung fol - gender Geſtalt an:

Tod und Untergang des ungluͤckſe - ligen Kaͤyſers Xemindo / ſamt deſſen Prin - tzen und gantzem Reich.

JCh unterfange mich einer Sache / welche ich ſonder Vergieſſung haͤuffiger Thraͤnen nicht auszufuͤhren getraue. Ehe und bevor ich aber dieſen letztern ob zwar kurtzen doch blutigen Krieg erzehle / ſo muß ich zufoͤrderſt mit wenigem geden - cken / was unſerm verblichenen Kaͤyſer und Herrn zuruͤcke gehalten / daß er den maͤchtigen Sieg vor Ava nicht verfolgen / viel weniger Ava belaͤgern koͤnnen.

So303Anderes Buch.

So iſt nun zu wiſſen / daß / ehe noch dieſer Krieg zwiſchen uns und dem Koͤnige Dacoſem angien - ge / ſich nicht wenig Verraͤtherey in unſerm Rei - che ereignete: wiewol Xemindo gluͤcklich war / daß er noch vor dem Feld-Zuge die meiſten Ver - raͤther ertappet / und nach Verdienſt abſtraffen konte. Ungluͤcklich aber zugleich / daß ihn der groͤſte Verraͤther unentdecket verblieb. Dieſes war nun Xeminbrun / ietzigen Tyrannens leiblicher Bruder / welchen der Kaͤyſer aus ſonderbaren Gnaden zum Stadthalter in Brama gemacht hatte. Dieſer untreue Hund wuſte ſeine Sachen dermaſſen klug und heimlich zu fuͤhren / daß er un - vermerckt dieſe beyde nahe Vettern unſern Kaͤy - ſer und den Koͤnig von Ava in einander hetzte / und alſo er eintzig und allein der rechte Urheber des Krieges zwiſchen Pegu und Ava / welchen Scan - dor vorgeſtern erzehlet / geweſen iſt. Solches blieb faſt dem gantzen Reich Pegu verborgen / und ob er gleich ſeinen Bruder Chaumigrem mit ſechs tau - ſend Mann in geheim dem Koͤnige von Ava zu Huͤlffe ſchickte / ſo war doch deren Zug nicht an - ders bemercket / als ſolten ſie unſerm Kaͤyſer bey dem Feld-Zuge zu Dienſten ſtehen. So bald a - ber unſer Xemindo mit einer tapffern Armee die - ſes Reich verlaſſen / und das feindliche Land betre - ten hatte / ſo ließ die Verraͤtherey gar bald an dem Xeminbrun ihre Klauen mercken. Jnner acht Tagen rieff ihn gantz Brama vor einen Koͤnig aus / und die rebelliſchen Bramaner zogen ihmmit304Der Aſiatiſchen Baniſe. mit Hauffen zu / daß er mit fuͤnffmal hundert tau - ſend Mann ſich unterſtehen durffte / in das Reich Pegu wuͤrcklich einzufallen / ſich nicht anders als der aͤrgſte Feind anzuſtellen / und Macao zu belaͤ - gern: welchen Ort er einbekam / gegen ſelben ei - nen gantzen Tag die raſende Hand ſeiner Solda - ten wuͤten / und alsdenn ſich ihm die Uberbliebe - nen / als einen Kaͤyſer von Pegu die Huldigung leiſten ließ. Printz Xemin / welchem indeſſen der Kaͤyſer das Reich zu verwalten hinterlaſſen hatte / wurde nebſt uns allen nicht wenig beſtuͤrtzt / zuma - len der Feind ſich an die Hauptſtadt zu machen dꝛohete. Wiꝛ ſchickten einen Couꝛier nach dem an - dern nach der Haupt-Armee / wir kunten aber in drey Wochen keine Antwort erhalten / daß wir uns alſo in aͤuſſerſten Noͤthen befunden / zumal als wir endlich die feindlichen Hauffen vor unſern Mauern ſahen. Printz Xemin that / was einem tapfferen Printzen zuſtunde / und gieng mit ſech - zig tauſend Mann dem Feinde entgegen / welche aber ſehr uͤbel zugerichtet / das Thor von Pegu wieder ſuchten: Dannenhero moͤglichſte Anſtalt zur aͤuſſerſten Gegenwehr das noͤthigſte war. Jn zwey Tagen ſahen wir uns vollkommen belagert / alſo / daß auf dꝛey Seiten niemand weder aus noch einkommen kunte. Der rebelliſche Xeminbrun ließ uns alſobald auffordern / der Anbringer aber wurde einem Stricke bedrohet / wo er wieder kaͤ - me. Welches wir an dem Weſten-Thor durch einen grauſamen Sturm bald empfunden / daßſol -305Anderes Buch. ſolches den Tyrannen hefftig muſte verdroſſen ha - ben. Wie nun dieſer Sturm ritterlich abgeſchla - gen wurde / ließ er gegen Suͤden noch viel grau - ſamer anlauffen / welcher von Mittage / biß tieff in die Nacht / bey Mondenſchein waͤhrete. Aber auch dieſer Anlauff war vergebens / und ſchien es / daß ſich der Feind hefftig hierdurch mochte abge - mattet haben. Tages darauff gegen Abend er - hielten wie die froͤliche Zeitung / daß nicht allein unſer Kaͤyſer einen herrlichen Sieg wider Ava er - halten / ſelbigen Kron-Printz mit eigner Hand ent - leibet / ſondern auch mit der ſaͤmmtlichen Armee im Begriff waͤre / uns zu entſetzen. Und weil auf den dritten Tag ſie ſich wol getrauten / voͤllig anzunaͤhern / als ſolten drey Stuͤck-Schuͤſſe die Loſung ſeyn / nach welchem Xemindo den Feind im Ruͤcken angreiffen wolte / und ſolten wir als - denn durch einen ſtarcken Ausfall auch das unſri - ge darbey thun. Wie ſicher der Feind hierbey geweſen / und wie uͤble Kundſchafft er muͤſſe ge - habt haben / kunten wir leicht hieraus ſchlieſſen / daß / als er zwey Tagge ausgeruhet / er den Tag / an welchem wir Entſatz hofften / einen Haupt - Sturm vorzunehmen / geſonnen war. Und die - ſes bewerckſtelligte er ſo fort durch einen ungemei - nen Anlauff / welcher uns nicht wenig beſtuͤrtzt machte / angeſehen wir noch nichts von unſeꝛer Ar - mee ſahen / und wir gleichwol ziemlich geſchwaͤchet waren. Ja es ſchiene / als ob der Feind bey dem Weſten-Thore den Meiſter ſpielen wuͤrde / weß -Uwegen306Der Aſiatiſchen Baniſe. wegen ſich denn Printz Xemin mit zwey tauſend tapffern Soldaten perſoͤnlich dahin verfuͤgte / und den Feind ritterlich zuruͤcke hielte. Endlich ſahen wir die Stuͤrmenden ploͤtzlich zuruͤcke weichen / und hoͤrten zugleich die frolichen Loſungs-Car - thaunen knallen: worauff ſich der Feind von der Stadt zuruͤcke zog / und ins freye Feld ſtellete. Printz Xemin ſaͤumete gleichfalls nicht / und laſe funffzehen tauſend Mann der braveſten Leute aus / ließ die verſchuͤtteten Thore eroͤffnen / und / als ſich die Haupt-Armee in voͤlliges Treffen einge - laſſen / fiel er wie ein Loͤwe zum Suͤden-Thore hinaus / und gieng dem Feinde in den Ruͤcken. Wie grauſam auff beyden Seiten gefochten wurde / maſſen wir von den Thuͤrmen und Mau - ren beſorgte Zuſchauer waren / iſt nicht zu beſchrei - ben. Endlich gegen den Abend ſahen wir des Xeminbruns Haupt-Fahne fallen / nach welchem in kurtzen der Feind auszureiſſen begunte. So bald wir nun den Feind in voller Flucht ſahen / wurden alle Thore eroͤffnet / und was nur beritten war / dem fluͤchtigen Feinde nachgeſchicket / biß endlich nach voͤlligem Siege die untergehende Sonne den Abzug bedeutete. Folgendes Tages wurde Beute gemachet / und die gebliebene Coͤr - per beerdiget / deren man feindlicher Seiten auff hundert und dreyßig tauſend Mann zehlete / da wir kaum fuͤnff und viertzig tauſend vermißten. Des andern Tages zog unſer ſieghaffter Kaͤyſer in herrlichſtem Triumphe / als ein doppelter Uber -win -307Anderes Buch. winder / in die Stadt / und zierte dieſen Einzug vor andern der Elephant / auf welchem der Erb-Pꝛintz von Ava / Dacoſem / geſeſſen / als er von dem Xe - mindo entleibet woꝛden. Dieſes Thier / welches merckwuͤrdig / gieng gantz traurig herein / ließ den Schnabel biß zur Erden hengen / und vergoß ordentliche Thraͤnen / wie ein Menſch / ja es hat in funffzehen Tagen nicht das geringſte freſſen wollen. Noch angenehmer und herrlicher war des Ertz-Rebellen Xeminbruns auff eine Lantze geſtecktes Haupt / welches ihm in der Schlacht abgehauen worden. Und mit dem Leben dieſes Verraͤthers endigte ſich auch dieſer Krieg / biß anff die Ankunfft des Chaumigrems / welcher A - va verlaſſen / und ſich vor einen Koͤnig in Brama auffwarff / worzu wir wegen geſchwaͤchter Armee eine Zeitlang ſtille ſeyn muſten / weil wir nicht wu - ſten / was wir uns gegen Ava zu verſehen hatten. Dieſes waͤhrete auch ſo lange / biß der jaͤmmer - liche Martabaniſche Krieg vorgieng / und noch in Gegenwart Printz Balacins der Krieg wider Brama von uns erneuert wurde.

Wie nun damals erwehnter Printz Balacin Pegu verlaſſen / und was ſich nach dieſem zuge - tragen / ſolches wird nunmehr der vornehmſte Zweck meiner Erzehlung ſeyn. Was die Prin - ceßin anbelanget / ſo hat man ſie nach des Printzen Abzuge faſt nie zu ſehen bekommen / ſondeꝛn ſie hat ſich ſtets in ſtiller Einſamkeit aufgehalten / unddas bevorſtehende Ungluͤck gleichſam zuvor beweinet. U 2Der308Der Aſiatiſchen Baniſe. Der Kaͤyſer immittelſt / als ein tapffer Herr / war mit nichts als Kriegs-Sachen beſchaͤfftiget / und hatte inner vierzehen Tagen eine Armee von ſechs - mal hundert tauſend Mann wieder beyſammen / welche er vor der Stadt taͤglich muſtern ließ. Als auch die ſchreckliche Zeitung eingelauffen / Chau - migrem ſey mit neunmal hundert tauſend Mann bereits in Pegu eingebrochen / beſchloß der Kaͤy - ſer / dem Feinde behertzt entgegen zu gehen. Dan - nenhero beſetzte er die Stadt auffs beſte / ließ die Princeßin / welche hoͤchſt-klaͤglichen Abſchied nahm / zuruͤcke / der Printz aber muſte mit zu Felde gehen / und verließ uns alſo zwiſchen Furcht und Hoffnung. Daß ich es nun kurtz mache / inner - halb vier Tagen erfuhren wir die jaͤmmerliche Zeitung / daß eine grauſame blutige Schlacht zwi - ſchen beyden Heeren vorgegangen / worinnen die Unſrigen nothwendig der Menge weichen muͤſ - ſen / der Printz ſey geblieben / und der Kaͤyſer gar verlohren worden. Was ſolches vor eine Be - ſtuͤrtzung durch die gantze Stadt verurſachte / iſt nicht zu ſagen. Das Geſchrey ſo vieler tauſend Seelen verurſachte faſt einen Wiederſchall biß an die Wolcken / ein iedes ſuchte ſich zu verbergen / und ſahe doch keinen Feind. Die Reichs-Raͤ - the verſammleten ſich alle in der Burg / um einen erſprießlichen Rath zu ſuchen / wie doch ſolchem verwirreten Zuſtande abzuhelffen ſey. Allein Furcht und Angſt hatten ihre Zungen gebun - den / und ihre Hertzen gefeſſelt / daß es ſchiene / alsob309Anderes Buch. ob ſie Stillſchweigens halben waͤren zuſammen kommen. Ja was uns am meiſten verwirrete / das war der Unter-Feldherr Qvendu / dem der Kaͤyſer die Stadt anvertrauet hatte. Dieſer wol - te niemals mit ſeiner Sprache heraus / und die Verraͤtherey blitzte ihm aus den ſchelmiſchen Au - gen. Jn ſolchem Zuſtande kam ein Bramaner mit einer weiſſen Fahne vor die Stadt / und for - derte ſolche im Namem des Chaumigrems auff / mit Bedrohung / wo man ihm die Stadt nicht oh - ne Bedingung alsbald eroͤffnen / den Kaͤyſerlichen Schatz und Frauenzimmer voͤllig aushaͤndigen / und ihn als Kaͤyſer von Pegu annehmen wuͤrde / ſo ſolte kein Stein auff den andern gelaſſen / und auch des Kindes in Mutterleibe nicht verſchonet werden. Hier war nun guter Rath ſeltzam: Ein Theil ſchrie / das andere und zwar die meiſten / wol - ten die Thore geoͤffnet haben / und ſchien es auch endlich / ob wuͤrde der verraͤtheriſche Qvendu mit ſeinem Anhange die Oberhand behalten. Hier - auff entſtund auff der Burg unter dem Frauen - zimmer das jaͤmmerlichſte Schreyen und Weh - klagen / ja die Princeßin war faſt nicht zu ermun - tern / ſo hefftig ſetzten ihr die Ohnmachten zu / und kunte ich mich unmoͤglich laͤnger bey ihnen auff - halten / derowegen ich mich auff den Schloß - Thurm begab / um eine ſichtliche Kundſchafft von dem Feinde einzuziehen. Solche erhielt ich mehr als zuviel / indem ich / ſo weit meine Augen ſahen / kein Feld / ſondern eitel Elephanten / Pferde / Wa -U 3gen /310Der Aſiatiſchen Baniſe. gen / Gezelter und Soldaten ſahe: Und weil we - gen innerlicher Unruhe die Stadt noch nicht er - oͤffnet war / ſo ließ Chaumigrem alle Anſtalt zu ei - ner grauſamen Belaͤgerung machen. Weil aber dem Feind unſere Verwirrung ſattſam bekandt war / als unterſtund er ſich / uns durch Schrecken zu erobern / welches ihm auch gar wol gelunge. Denn er ließ die voͤlligen Stuͤcke / welche er in groſſer Anzahl mit ſich fuͤhrte / und von vielen E - lephanten und Puͤffeln gezogen wurden / in einer langen Reihe vor das Oſten-Thor pflantzen / und zugleich die gantze Armee theils in eine Schlacht / theils in eine Sturm-Ordnung ſtellen. Hierauff hatte der Tyranne befohlen / alle Trummeln und Paucken zu ruͤhren / und zu ſchlagen / ingleichen muſten die Trompeten / Hoͤrner und Pfeiffen ins - geſamt mit einſtimmen. Die gantze Armee er - hub ein entſetzliches Feld-Geſchrey / und die Stuͤ - cken wurden alle zugleich wider die Stadt geloͤſet / daß es ſchiene / als ob Himmel und Erden in ein - ander fallen wolte. Als nun ein jaͤmmerliches Weh-Geſchrey durch die gantze Stadt mit ein - ſtimmete / ſo kan ich nicht glauben / daß etwas ent - ſetzlichers und erſchrecklichers koͤnne gehoͤret oder geſehen werden / davon auch den tapfferſten Hel - den die Haare haͤtten muͤſſen zu Berge ſtehen. Das Hertz in meinem Leibe ſchlug nicht ſo ſehr vor Angſt und Entſetzen / als der ſtarcke Thurm von dem grauſamen Knallen des Geſchuͤtzes erſchuͤt - terte / und das Himmel-ſchallende Geſchrey be -taͤubte311Anderes Buch. taͤubte mir faſt die Ohren. Noch unter waͤhren - dem Feld-Geſchrey ſahe ich leider! den Feind gantz ſchwartz durch die Thore eindringen / und ſich in die Gaſſen vertheilen: wiewol dieſer Ein - bruch bald verhindert wurde / weil der Tyranne die Stadt nicht wolte pluͤndern laſſen: Dannen - hero geſchahe nichts ferner / als daß ein Oberſter mit zwey tauſend Mann nach der Burg ſich be - gab / und das Kaͤyſerliche Frauenzimmer / nebenſt der Princeßin Baniſe / und derer von Savady / ge - fangen nahm. Solchem Jammer begehrte ich nicht beyzuwohnen / indem meine Gegenwart doch nicht die geringſte Gewalt auffzuhalten vermoch - te: Dannenhero blieb ich auff dem Thurme ſi - tzen / biß gegẽ den Abend / da ich mich ſachte heꝛun - ter begab / in Meynung / mich unter dem gemeinen Volcke zu verbergen. Allein ich hatte kaum die unterſte Staffel beruͤhret / ſo wurde ich von einer Schildwache erkannt / und ſo fort von andern ge - fangen angenommen. Ob ich mich nun zwar zu verleugnen ſuchte / ſo war ich doch ſchon durch an - dere Gefangene verrathen / dannenhero ich auff Befehl des Oberſten nach der Princeßin Zim - mer gefuͤhret wurde / um ſie zu troͤſten / weil ſie aus Verzweifelung ihren Tod ſuchte. Dieſe fand ich unter dem andern Frauenzimmer / wie eine Son - ne unter den Sternen / welche faſt unterzugehen ſchiene. Das Hertze wolte mir brechen / als ich ihre Schenckel und Armen mit guͤldenen Feſſeln und Ketten muſte beleget ſehen / da hingegen dieU 4Prin -312Der Aſiatiſchen Baniſe. Princeßin von Savady nur ſilberne trug / das uͤbrige vornehme Frauenzimmer aber alles war mit ſeidenen Stricken gebunden. Als ich mich der Princeßin genahet / ſchlug ſie ihre Augen auff / ſahe mich mit erbaͤrmlichſten Blicken an / und ſag - te mit halb-gebrochenen Worten: Ach Talemon / erbarmet euch eurer vorhin gebietenden Princeſ - ſin / und ſtoſſet einen Dolch in meine Bruſt / um die beaͤngſtigte Seele von bevorſtehender Schmach zu erretten / welche ſich mein Hertz erſchrecklicher als einen hundertfachen Tod vorſtellet. Jch wu - ſte hierauff vor Schmertzen nichts / als dieſe troſt - loſe Worte zu ſagen: Durchlauchtigſte Princeſ - ſin! Man ſuchet umſonſt Huͤlffe bey einem halb-todten Menſchen / indem ich ſelbſt Hencker und Sebel kuͤſſen wolte / wenn nur der Tod fer - nern betruͤbten Anblicken meine Augen| ſchlieſ - ſen wolte. Ach verfluchte Tyranney! fuhr die Princeßin unter tauſend Thraͤnen fort / da man auch die Auffenthaltung des Lebens zur neu - en Folter machet / und uns verhindert zu ſterben / wodurch wir unſere Ruhe ſuchen. Allein / das iſt mein Troſt / daß die Seele tauſend Ausgaͤnge weiß / dieſen ſterblichen Leib zu verlaſſen: Und weil ich weiß / daß ihr die Vollziehung meines Vorſatzes erleben werdet / ſo bemuͤhet euch moͤg - lichſt / meinem liebſten Printzen die letzte gute Nacht aus dieſem ſterbenden Munde zu uͤber - bringen / und ihn zu verſichern / daß die Blume meiner Keuſchheit / und Liebe gegen ihn / auch indem313Anderes Buch. dem Grabe Wurtzel faſſe. Als meine feindſe - ligen Begleiter ſahen / daß ich ſtatt Troſtes ſie nur mehr betruͤbte / fuͤhrten ſie mich wieder hin - weg; Und weil der Oberſte erfahren / daß ich Reichs-Schatzmeiſter waͤre / ſo befahl er mir im Namen ſeines Koͤniges / die Schluͤſſel und ein ꝛich - tiges Verzeichniß aller Schaͤtze von mir zu ſtel - len. Ob ich nun zwar meine Pflicht vorſchuͤtz - te / ſo halff es doch nichts / ſondern man drohete mir mit grauſamſter Pein / dannenhero ich ver - meldete / wie ſo wol die Schluͤſſel als das weitlaͤuf - tige Schatz-Verzeichniß in ſolchem Tumult waͤ - re verlohren gangen / ſie wuͤrden wol den gewoͤhn - lichen Hand-Schluͤſſel der Soldaten bey ſich fuͤh - ren / und ſich begnuͤgen laſſen / wenn ich die Be - haͤltniſſe des Schatzes anzeigete. Womit ſie denn ſehr wol vergnuͤget waren / als ich ihnen nur etliche Gewoͤlber wieſe / und die unterirrdiſche Schatz-Gruͤffte in meiner Pflicht beruhen ließ. Nach dieſem wurde mir erlaubet / frey in der Burg herum zu gehen / iedoch hatte die Wache Befehl / mich nicht vor das Burg-Thor zu laſſen. Jngleichen wurde mir auch alle Beſuchung der Princeßin unterſaget / daß ich ſie alſo das letzte mal geſprochen. Jndeſſen kunte ich alles be - mercken und erfahren / was in und auſſer deꝛ Buꝛg vorgieng. Endlich wurde mir doch erlaubet / unter gnugſamer Aufſicht den Koͤnigl. Einzug des Chaumigrems mit anzuſchauen / dieſes geſchahe erſt nach zweyen Tagen / da er Morgens vor dieU 5Stadt314Der Aſiatiſchen Baniſe. Stadt kam. Bey dem Oſten-Thore / welches ſonſt Cabanbainhe genennet wird / empfiengen ihn ſechs tauſend Prieſter der zwoͤlf Secten / ſo in die - ſem Koͤnigreiche zu finden ſind. Einer unter ih - nen / Namens Capizundo / thaͤte das Wort / und redete ihn alſo an: Gelobet und geſegnet ſey der HErr / der warlich von iedermann davor muͤſſe erkannt / und deſſen heilige Wercke / die durch ſei - ne Goͤttliche Haͤnde geſchehen / muͤſſen durch die Klarheit der Nacht bezeuget werden. Gelobet ſey er / daß ihm durch die Wercke der unendlichen Macht / die ihm angenehm ſind / beliebet hat / euch uͤber alle Koͤnige / die auf Erden herrſchen / zu er - heben. Und dieweil wir davor halten / ihr ſeyd ſein Mitgenoß / ſo bitten wir / daß ihr der Suͤnden / die wir wider euch begangen / nicht mehr geden - cket / damit eure betruͤbte Unterthanen auf die Zu - ſage / ſo ſie von E. M. erwarten / ſich koͤnnen zufrie - den geben. Darauf knieten fuͤnf tauſend Gre - pos zur Erden / baten ihn gleichfalls mit erhabe - nen Haͤnden um Verzeihung / und redeten ihn mit verwirreter Stimme an: Herr und Koͤnig / ver - leihet Friede und Verzeihung wegen des began - genen Ubels / uns und allem Volcke in dieſem Koͤ - rigreiche Pegu / damit ſie aus Furcht ihrer Miſſe - thaten / die ſie oͤffentlich vor euch bekennen / nicht verunruhiget werden. Der Koͤnig ſchien uͤber ſol - che Demuth gantz vergnuͤgt / und verſprach ihnen die Verzeihung eydlich / bey dem Haupte des hei - ligen Qviay Novandels. Auf dieſe Zuſage fielalles315Anderes Buch. alles Volck aufs Angeſicht zur Erden / und ſchrien: GOtt gebe euch lange Jahre Gluͤck / eure Feinde zu uͤberwinden / damit ihr derſelben Haͤupter un - ter eure Fuͤſſe treten moͤget.

Wie ſchmertzlich mir dieſe Worte der ſchmei - chelnden Pfaffen und des unbeſtaͤndigen Volckes durch das Hertze giengen / ſolches kan ſich ein ie - der treuer Diener / welcher begierig iſt vor ſeinen Herrn zu ſterben / leichtlich vorſtellen. Ja hier ſahe man ein rechtes Beyſpiel des wanckenden Poͤbels / wie wenig ſich auf dero beſtaͤndige Treue zu verlaſſen ſey. Den / welchem ſie zuvor als ih - rem rechtmaͤßigem Kaͤyſer faſt Goͤttliche Ehre er - wieſen hatten / veꝛfluchten ſie anietzo / einen Tyran - nen zu Liebe / welcher doch ſo wohl ein Unterthan / als ſie alle war. Sie gaben dieſes als Suͤnde und Verbrechen an / daß ſie ihrem Kaͤyſer / Eyd und Pflichten gemaͤß / gehorſam und getreu gewe - ſen / und erroͤtheten nicht / vor des Bluthundes Ohren oͤffentlich zu ruffen: Verflucht ſey Xemin - do / welcher uns zu ſolchem Ungehorſam verleitet. Jhre Wangen faͤrbeten ſich nicht einmal uͤber dieſe laſterhaffte Liebkoſung / weil die Schandfle - cke alle zuſammen traffen / und keinem eine abſon - derliche Roͤthe anſtrichen: Hergegen weil die Be - ſchimpffung unzertheilet allein auff eine Perſon angeſehen war / ſo wurde auch das innerſte Marck der Seelen viel durch dringlicher angegriffen. Ja ſo Ehre als Schamhafftigkeit ſchiene aus ihrem Hertzen verbannet zu ſeyn; Und ſahe man hierden316Der Aſiatiſchen Baniſe. den Unterſcheid hoher und niedriger Gemuͤther / weil jene viel eher ſterben wuͤrden / als ſich in ihrer Unſchuld ſchuldig geben.

Jch fahre nun fort / mit kurtzem das fernere Beginnen dieſes neuen Kaͤyſers und gewaltſamen Bluthundes zu beſchreiben: Denn als ietzt erzehl - te Scheltens-wuͤrdige Schmeicheleyen vorbey waren / ward zu einem Freuden-Zeichen auff al - lerhand Jnſtrumenten geſpielet / und der Grepos Capizundo ſetzte dem Chaumigrem eine koſtbare Crone von Gold und Edelgeſteinen auffs Haupt / in Geſtalt einer Biſchoffs-Muͤtze / welche ſie aus dem Regalien-Zimmer geraubet / und / welches mir die Goͤtter zeugen muͤſſen / nicht aus meiner Hand empfangen haben / wie mir zwar zugemu - thet ward. Jn dieſer Crone begab er ſich mit hochmuͤthigen Geberden / welche eine Majeſtaͤt vorſtellen ſolten / auff einen groſſen Elephanten / der mit Golde gewaffnet war / rings um ihn her giengen viertzig Trabanten mit groſſen ſilbernen Keulen. Vor ſich her ließ er allen Raub der Ele - phanten und Wagen / ſamt den Bildniß des uͤber - wundenen Xemindo / welches erbaͤrmlich anzu - ſehen / und an eine dicke eiſerne Kette gebunden war / neben viertzig Fahnen / die auff der Erden vor ihm her geſchleppet worden / fuͤhren. Alle ſei - ne Hoff-Leute und Bedienten folgeten zu Fuſſe / und trugen verguͤldete Sebel auff den Achſeln. Hinter dieſen kam die Leibwache von ſechs tau - ſend Pferden und drey tauſend ſtreitbaren Ele -phan -317Anderes Buch. phanten mit fremden Thuͤrmen / ingleichen viel andere Leute mehr zu Roß und Fuß in unzehliger Menge.

Nach dieſem blieb er ſieben und zwantzig Tage in der Stadt / und ließ unterdeſſen die uͤbrigen Feſtungen / die es noch mit dem Xemindo hielten / und noch nichts von deſſen Uberwindung wuſten / erobern. Jngleichen ſchrieb er viel hoͤfliche Brie - fe an die Jnwohner ſolcher Feſtungen / nennete ſie bißweilen Kinder ſeiner Seelen / und verziehe ihnen alles / was ſie wider ihn begangen / gleich - ſam als ob ſie an Beobachtung ihres Eydes / und geſchworne Treue / eine groſſe Suͤnde begangen haͤtten. Dieſe verſchmitzte Hoͤfligkeit betrog alle Staͤdte / Staͤnde und Fuͤrſtenthuͤmer / daß ſie ſich nach einander ihm ergaben. Jn waͤhrender Zeit aber / welches hoch zu verwundern / beſuchte er niemahl das gefangene Frauenzimmer / viel - weniger ließ er die Princeßin oder iemand davon vor ſich kommen / welche inzwiſchen / wie ich ver - nahm / in ſteter Traurigkeit verharrete. Waͤh - render Zeit unterließ er auch nicht / den entflohe - nen Xemindo durch viele ausgeſchickte Reuter auffzuſuchen: Und dieſe Spuͤr-Hunde funden endlich / ach leider! den ungluͤckſeligen Kaͤyſer an einen Orte / Fauclen genannt / und brachten ihn mit groſſen Freuden vor den Tyrannen / welcher den / der ihn gefunden / alſobald zu einem Herrn von dreyßig tauſend Ducaten Einkom̃ens mach - te. Dieſen ergriffenen Kaͤyſer fuͤhreten ſie anHalß318Der Aſiatiſchen Baniſe. Halß und Haͤnden mit eiſernen Feſſeln und Ket - ten beleget / vor den hochmuͤthigen Uberwinder / welcher den armen Printzen ſo fort mit dieſen hoͤh - niſchen Worten anredete: Seyd mir willkom - men / Kaͤyſer von Pegu! Jhr moͤget dieſe Erde wohl kuͤſſen / die ihr hier ſehet / denn ich verſichre euch / daß ich allbereit meine Fuͤſſe darauff geſe - tzet habe / daraus zu ſpuͤren / wie guͤnſtig ich euch ſey / weil ich euch eine Ehre erweiſe / deren ihr euch wohl nimmermehr vermuthet habt / daß ihr nem - lich die Erde kuͤſſen duͤrffet / welche ich betreten habe. Als aber hierauff der truͤbſelige Xemin - do die Augen nur ſtets niederſchlug / nnd gantz kei - ne Antwort gab / fuhr der ſieghaffte Bluthund fort / ihn ferner zu verſpotten: Was iſt das? ſagte er / erſchrickſt du daruͤber / daß du dich in ſolchen Ehren ſieheſt / oder wie ſoll ichs verſtehen / daß du mir ſo gar nicht auff meine Frage antwor - teſt? Solche ſchimpfliche Reden giengen endlich dem hoch-bekuͤmmerten Xemindo dermaſſen zu Hertzen / daß er ſich nicht enthalten kunte / folgen - der Geſtalt zu antworten: Wann / ſagte er / die Wolcken des Himmels / die Sonne / der Mond und andere Geſtirne / welche ihre zum Dienſt des Menſchen von GOTT gewiedmete Pflicht nicht mit Woꝛten / ſondeꝛn die reichen Schaͤtze der hohen Allmacht / durch ſchreckliches Donnern und Bli - tzen natuͤrlicher Weiſe verkuͤndigen und erklaͤren / denen / die mich hier / in dieſem Zuſtande / worin - nen ich vor dich gebracht worden / ſehen / ja wannſie191[319]Anderes Buch. ſie / ſage ich / die innerliche Betruͤbniß und den groſſen Schmertzen koͤnten andeuten / den anietzo meine Seele fuͤhlet / ſo wuͤrden ſie vor mich ant - worten / und die Urſache anmelden / warum ich bey gegenwaͤrtiger Beſchaffenheit / darein mich meine Suͤnden geſetzet / ſo ſtumm befunden wer - de. Und gleich wie du von dem / was ich rede / als mein Gegen-Part und Feind / nicht urtheilen kanſt / alſo ſchaͤtze ich mich nicht vor verpflichtet / dir dermaſſen zu antworten / wie ich ſonſt wohl vor dem groſſen Herrn des Himmels / der mich ohne Zweiffel mit groͤſſerer Gnade und Barmhertzig - keit anſehen wuͤrde / thun wolte. Jnzwiſchen ſoll doch mein unſchuldiges Recht dich beſiegen / ob gleich mein Leib auff der Folter lieget. Nach die - ſen Worten ſanck er nieder / fiel zur Erden auff ſein Angeſicht / und bat zweymahl nach einander umb ein wenig Waſſer. Dieſes ihm nun zu ge - waͤhren / und ſein Hertzeleid deſto mehr zu ver - groͤſſern / befahl der verfluchte Tyrann / daß ihm ſolches Waſſer die ſchoͤne Princeßin Baniſe ſelbſt bringen ſolte. Das Hertze blutet mir noch / wenn ich mir die betruͤbte Geſtalt dieſes ſchoͤnen Fraͤu - leins in Gedancken vorſtelle / welche zwiſchen eini - gen Henckers-Knechten ein Geſchirr voll Waſſer mit gefeſſelten Haͤnden und ſachten Schritten brachte. So bald ſie aber hinzu kam / fiel ſie vor ihm nieder / umbarmete ihren lieben Herrn Va - ter mit kindlichſter Jnbruͤnſtigkeit / kuͤſſete drey - mahl ſein Angeſicht / und ſprach mit thraͤnendenAu -320Der Aſiatiſchen Baniſe. Augen und benetzten Wangen: Ach Herr Va - ter! mein Herr! mein Koͤnig! ich bitte umb der getreueſten Liebe willen / die ich allezeit zu ihm ge - tragen / und er gleichfalls gegen mir deſſen gehor - ſamſtes Kind hat: Er laſſe ſich doch gefallen / mich alſo mitzunehmen / wie ich hier in ſeinen Armen liege / damit ich ihn bey dieſem traurigen Gange mit einem kalten Trunck Waſſer labe / weiln mir die Welt verweigert / auf andere Art meine ſchul - dige Kindes-Pflicht zu erweiſen. Dieſes alles ge - ſchahe auff dem Marckte in Anſchauung vieler tauſend Menſchen / inmittelſt / daß ſich der Ty - ranne in etwas von dieſem traurigen Anblick ent - fernet hatte / vielleicht befuͤrchtende / es moͤchte ei - nige Wehmuth den grauſamen Vorſatz beſiegen. Auff vorerwehnte Trauer-Worte wolte Xemin - do der Princeßin antworten / er vermochte aber nicht / ſolches zu bewerckſtelligen / indem ihn hier - an die groſſe vaͤterliche Liebe verhinderte / und der - maſſen von hertzlichem Betruͤbniß uͤbernommen ward / daß er in eine tieffe Ohnmacht fiel / und eine geraume Zeit darinnen verharrete. Woruͤ - ber etliche groſſe Herren / wie auch ich ſelbſt / weil wir zugegen waren / dermaſſen beweget worden / daß uns aus natuͤrlichen Mitleiden die Thraͤnen in die Augen ſtiegen. Aber wir wuſten nicht / daß uns das Ungluͤck am naͤchſtem war / denn der Tyrann nahm ſolches auch von fernen in acht / und weil wir alle aus Pegu waren / deutete er un - ſere Thraͤnen anders aus / und befahl / ohn alleGna -321Anderes Buch. Gnade und Verlierung einiger Zeit / uns die Koͤpffe herunter zu ſchlagen. Ob wir nun zwar insgeſammt auffs beweglichſte hiervor baten / und unſere Unſchuld bezeugeten / ſo wurde doch kei - nes einigen andern / als meine Einwendung an - genommen / indem ich vorgab: Mein Leben wuͤr - de S. Majeſt. viel erſpruͤßlicher ſeyn / als mein Tod / indem die voͤllige Nachricht der Kaͤyſerli - chen Schaͤtze bey mir beruhete. Und dieſes zwang mir die Todes-Furcht aus / indem ich uͤber vorige noch andere Schaͤtze entdeckte / welche ich ſonſt wohl wuͤrde verſchwiegen haben. Jedoch troͤſtete ich mich damit / daß es nicht alle / vielweniger die beſten waren. Ob ich nun zwar wiederum entle - diget ward / ſo muſten doch die andern / welche nur das geringſte Zeichen ihres Beyleids von ſich bli - cken laſſen / insgeſammt dem Sebel herhalten / nachdem ſie der Bluthund zuvor mit grauſamen Geberden angeredet: Weil ihr mit eurem Kaͤy - ſer Xemindo ſo groſſes Mitleiden habt / ſo ſpatzie - ret ein wenig voraus / und beſtellet ihm das Qvar - tier / da er euch denn die ietzt bezeigte Gewogenheit reichlich vergelten wird. Dieſes Mord-Spiel war kaum geendiget / ſo verdoppelte ſich des Wuͤ - terichs Grauſamkeit dermaſſen / daß er zur Stun - de befahl / die holdſelige Princeßin / das getreue Kind / auff dem Ruͤcken ihres Vaters / den ſie umhalſete / nieder zu ſebeln. Welches warlich mehr als eine Beſtialiſche Wuth und abſcheuli - che Grauſamkeit war / daß dieſer unmenſchlicheXTy -322Der Aſiatiſchen Baniſe. Tyrann und greuliche Unhold / die menſchliche / von der Natur ſelbſt eingepflantzte / Treue und Liebes-Neigungen / ſo unmenſchlicher Weiſe ver - hindern wolte. Dieſer grauſame Befehl betraff nun gleich gegenwaͤrtigen Hn. Hauptmann / wel - cher ſich nicht ſaͤumen durffte / ſolches zu vollzie - hen / dannenhero er mit bloſſem Sebel und zehen Mann von der Leibwache ſich an den betruͤbten Ort verfuͤgte. Hier vergieng uns nun allen Hoͤren und Geſicht / und wendete iedwedes die Augen ab / ein ſolches unerhoͤrtes / und der Natur zuwider ſcheinendes Urthel vollziehen zu ſehen. Kurtz / wir bemerckten nichts mehrers / als daß die Princeßin aus unſern Augen kam / da wir alle vermeynten / ſie habe bereits den unbarmhertzigen Stahl ge - kuͤſſet: wiewohl wir eines andern verſtaͤndiget worden / als bey ſeiner Wiederkunfft ihn Chau - migrem mit rauhen Worten anfuhr / und fragte / warum er nicht ſeinen Befehl auff oͤffentlichem Marckte alſobald vollzogen haͤtte? Was ſie be - fohlen / antwortete er / iſt bereits geſchehen. Jn - mittelſt habe ich nicht ſonder Bedacht ſolches in meinem Hauſe vollziehen laſſen / weil ich beſorget / es moͤchte die Gemuͤther der Peguaner allzu heff - tig bewegen. Ob nun zwar der Tyranne ſein Mißvergnuͤgen ferner wolte zu verſtehen geben / ſo ſchiene er doch wieder beguͤtiget zu ſeyn / als der enthalſete Coͤrper in ſeiner gewoͤhnlichen Klei - dung / auff offenen Marckte vor iedermanns Au - gen hingeworffen ward. Welcher erſchrecklicheAn -323Anderes Buch. Anblick die beſtuͤrtzten Peguaner dermaſſen be - wegte / daß ſie / um ihr Betruͤbniß zu verbergen / ſich im Augenblick verlohren / und man keinen Menſchen aus Pegu mehr auff dem Marckte er - ſehen kunte. Xemindo aber ward unterdeſſen in ein hartes Gefaͤngniß gefuͤhret / und ſtarck verwa - chet. Folgenden Morgen wurde in allen Straſ - ſen ausgeruffen / das Volck ſolte ſich herbey fin - den / anzuſehen die toͤdtliche Ausfuͤhrung des un - gluͤckſeligen Xemindo / vormaligen Kaͤyſers zu Pegu. Solches ließ der Tyrann deßwegen thun / damit ihnen die Einwohner / wenn ſie ietzo den Xemindo ſterben ſehen / hinfuͤhro keine Hoff - nung machen duͤrfften / ihn zum Kaͤyſer wiederum zu erlangen / ſintemal ihm wol bewuſt / daß ſie / un - geachtet oͤffentlicher Schmeicheley / dennoch im Hertzen ſolches wuͤndſchten: Angeſehen Xemin - do ſehr wohl und loͤblich regieret hatte; Hinge - gen war dieſer ein Auslaͤnder / welcher einen ſol - chen Tyrannen zum Bruder gehabt hatte / der faſt keinen Tag hingehen laſſen / an welchem er nicht biß funffzehen hundert Menſchen erwuͤrget haͤtte: manchmal war auch dieſe Zahl auff vier biß fuͤnff tauſend geſtiegen / daß ſie um der allerliederlichſten Urſache willen ihre Koͤpffe laſſen muͤſſen. Die - ſen Morgen ließ der Tyrann mich vor ſich for - dern / und begehrte von mir eine auffrichtige Be - kaͤntniß aller bewuſten Schaͤtze / darbey er mir groſſe Gnade verſprach / widrigen Falls aber / wo ich das geringſte verſchwiege / mir den aͤrgſten TodX 2dro -324Der Aſiatiſchen Baniſe. drohete. Dieſem nun zu Folge / that ich was ich kunte / weil ich doch die Schickung des Himmels vor Augen ſahe / und niemanden wuſte / dem ich ſie zum beſten verſchweigen ſolte / iedoch habe ich mei - nem Gewiſſen zwey unterirrdiſche und mehr als Koͤnigl. Schaͤtze vorbehalten / welche ich dem Printzen von Ava / wo die Goͤtter ihre Gnade hier - zu verleihen wollen / zugedacht habe. Nach die - ſem ſtellete mir der Tyrann freye Wahl / ob ich ſeine Gnade ferner bey Hofe ſuchen / oder mich auff mein Land-Schloß hieher begeben wolte: welches letztere mir denn eine der froͤlichſten Zei - tung zu vernehmen war / und es ſo fort mit hohem Dancke annahm. Wiewol ich nicht ſonder Sor - gen meinen Sohn zuruͤcke laſſen muſte / welchen wie bewuſt / hernach Chaumigrem zum Hofemei - ſter uͤber das Frauenzimmer geſetzt hatte. Un - ter deſſen Hand auch die Princeßin von Savady nebſt vielen andern gethan worden. Auff den allerungluͤckſeligſten Xemindo aber wieder zu kommen / ſo ward ſelbiger ungefehr um zehn Uhr aus dem Kercker herfuͤr geholet / wobey ich fol - gende Ordnung bemerckte: Vor ihm her mar - chirten durch die Gaſſen / da man ihn durchbrin - gen ſolte / viertzig Reuter / die in ihren Haͤnden Lantzen fuͤhreten / um das Volck auff die Seite zu ſchaffen. Hinter dieſen kamen eben ſo viel mit bloſſen Schwerdtern in der Hand / welche uͤber - laut ausrufften / das Volck / welches nicht zu zeh - len war / ſolte Platz machen. Nach denen kamenfunff -325Anderes Buch. funffzehen hundert Buͤchſen-Schuͤtzen / mit bren - nenden Lunden / welche man Tixe Lakoo / oder Vorlaͤuffer des Koͤnigl. Zorns zu nennen pfleget: Hierauff ſahe man hundert und ſechtzig Elephan - ten mit ihren Thuͤrmen auff den Ruͤcken / welche alle mit ſeidenen Teppichen behangen waren. Dieſer giengen fuͤnffe neben einander / und mach - ten zwey und dreyßig Glieder. Hinter denen fol - geten funffzig Mann / ebenfalls fuͤnffe im Gliede / zu Pferde / welche ſchwartze blutige Fahnen tru - gen / und mit ſtarcker Stimme ausrieffen: Daß dieſe Elende / die des Hungers Sclaven / und durch Mißgunſt des Gluͤcks ſtets verfolget wuͤrden / hoͤ - ren ſolten / den Ruff und Geſchrey des maͤchtigen Zorn-Arms / ſo wider diejenige exeqviret wuͤrde / die ihren Kaͤyſer erzuͤrnet / damit das Schrecken der aufferlegten Straffe ihrem Gedaͤchtniſſe tieff eingewurtzelt bleibe. Nach dieſen Herolden folgeten funffzehen hundert andere / mit rothen Kleidern / welches ihnen ein ſchreckliches Anſehen gab. Dieſe ſprachen auff den Klang von fuͤnff Gloͤcklein / womit ſie gar geſchwinde klingelten / nachfolgende Worte mit einer ſo traurigen Stimme / daß die / ſo es hoͤrten / zum Weinen be - weget wurden: Dieſes ſtrenge Gerichte wird ge - heget durch den lebendigen GOtt / den HErrn al - ler Warheit / und des heiligen Leibes / daran die Haare unſerer[H]aͤupter die Fuͤſſe ſind / derſelbe wil / daß man〈…〉〈…〉 en ſoll den Xemindo / welcher ſich dem groſſen〈…〉〈…〉 ige von Brama widerſetzet /X 3und326Der Aſiatiſchen Baniſe. und deſſen Staat und Recht angefochten hat. Auff ſolches Ausruffen antwortete ein gewiſſer Hauffe Volcks / ſo im Gedraͤnge vor der gantzen Menge herlieff / daß einem das Hertz davor erzit - terte: Ohne alle Barmhertzigkeit muͤſſe derjeni - ge ſterben / der eine ſolche Suͤnde begangen hat. Folgends marchirten fuͤnff hundert Bramaner zu Pferde / und nach denſelben wiederum ſo viel zu Fuſſe / unter welchen etliche in ihren Haͤnden bloſſe Degen und Schilde fuͤhreten / die andern aber mit Pantzern und Bruſt-Harniſchen ver - ſehen waren. Mitten unter dieſen erblickte man den betruͤbten Xemindo / welcher auff einer ma - gern / nichts werthen / verſchmachteten Schind - mehre ſaß / und den Scharffrichter / auff deſſen Achſeln ſich ſeine Haͤnde ſteuren muſten / hinter ſich hatte. Dieſer armſelige Printz hatte ein ſo zerriſſenes und zerlumpetes Bettel-Kleid an / daß ihm allenthalben die Haut dadurch ſchien. Uber - das trug er zu groͤſſerer Verſpottung eine ſtroher - ne Crone / welche auswendig mit Muſchel-Scha - len / ſo auff einen blauen Faden gezogen / wie auch das eiſerne Halsband / ſtatt der Perlen / beſetzet war. Ob man ihn nun gleich in ſo ſchmaͤhlicher Geſtalt darſtellete / und ſein Geſichte faſt keinem lebendigen Menſchen mehr aͤhnlich ſahe / ſo leuch - tete doch aus ſeinen Augen / wenn er dieſelben em - por hub / ein Majeſtaͤtiſcher Blick herfuͤr / der von ſeiner Beſchaffenheit und hohem Stande ein ſattſames Zeugniß gab / wie ſehr ihm auch dasUn -327Anderes Buch. Ungluͤck und die Tyranney ſeines Feindes ver - ſtellet hatte: Und in ſeinen Blicken ließ ſich eine beſondere mit Majeſtaͤt vermengte Sanfftmuth ſpuͤhren / welche alle diejenigen / ſo ihn anſahen / zum Weinen bewegte. Rings um dieſe Leib - wacht / damit er umgebẽ war / ritten tauſend Mañ zu Pferde / mit vielen Elephanten untermenget. Dergeſtalt paßirte der geſamte Auffzug durch die zwoͤlff vornehmſten Straſſen der Stadt / woſelbſt eine unzehlbare Menge Volcks gleichſam ge - pfropfft auf einander ſtund / und gelangete endlich auff eben die Straſſe / allwo er vor etlichen Wo - chen in unbeſchreiblicher Pracht wider dieſen Ty - rañen aus-und zu Felde gezogen. O wunderliches Verhaͤngniß! O veraͤnderliches Gluͤck! O Spiegelglattes Eiß der Herrſchafft! da ſich die Crone in einen Cypreſſen-Krantz / und der Sce - pter in einen blutgen Moͤrder-Stahl veꝛwandelt. Hier ſehen wir / wie vergebens wir arme Men - ſchen bemuͤhet ſind / wenn wir uns unterſtehen / den Schluß zu meiden / welchen das Verhaͤngniß in das Himmels-Buch mit ſolchen Ziffern / wel - che nur die Goͤtter verſtehen / eingeſchrieben hat. Dieſer / welcher vor kurtzen Tagen als ein Uber - winder in Hoffnung auszog / ſeinen Feind zu ſu - chen / der hat ihn allzu zeitig gefunden / und muß als ein Sclave in Feſſeln einher ziehen. Auff deſſen Winck vorhin viel tauſend Augen warte - ten / der hat ietzo nicht Macht einem Buben zu be - fehlen: Ja welche ihn zuvor als einen GOtt an -X 4be -328Der Aſiatiſchen Baniſe. beteten / dieſe ſahen ihn mit halb-eroͤffneten Au - gen ohne einige Ehrerbietung an. Doch wollen wir zu dem Ende dieſer Schmach ſchreiten / weil es mir die Wehmuth nicht laͤnger erlaubet / dieſes Elend auch nur in Gedancken anzuſchauen. Die Groͤſte Schmach ſo ihm angethan ward / und wohl am meiſten / ja aͤrger als der Tod ſelbſt / kraͤn - cken mochte / war ein unverſchaͤmter Backen - ſtreich / ſo ihm ein ſchlimmer Henckers-Knecht verſetzte. Denn als ſich Xemindo mit einem Portugieſen in ein Geſpraͤch eingelaſſen / und un - ter andern Worten dieſe fallen ließ: Jch muß geſtehen / wann es GOtt gefiehle / moͤchte ich ietzo noch eine Stunde leben / um zu bekennen / die Vor - treffligkeit des Glaubens / welchem ihr andern zu - gethan ſeyd. Dann nachdem ich vormals da - von habe reden hoͤren / ſo iſt euer GOtt allein der wahre / und alle andere Goͤtter ſind Luͤgner. Ob nun zwar ſolche Rede nicht wenig harte lautete / ſo hatte doch niemand dieſem verdammten Boͤſe - wichte / einem Henckers-Knechte / die Macht gege - ben / hierinnen Richter zu ſeyn / noch dieſem betruͤb - ten Herrn mehr zu betruͤben / indem er ihm eine ſo harte Maulſchelle auff Anhoͤrung dieſer Wor - te gab / daß ihm das Blut zu der Naſen heraus ſtuͤrtzete / welches hoͤchſt erbaͤrmlich anzuſehen war / an einem / der noch vor drey Wochen einer von den maͤchtigſten Koͤnigen in der gantzen Welt / und ein Beherrſcher uͤber ſo viel hundert tauſend Seelen war: Der großmuͤthige Kaͤyſeraber329Anderes Buch. aber vertrug ſolches mit hoͤchſter Gedult / indem er nur dieſe Worte drauff ſagte: Mein Freund! laß mich mit dieſem Blute Nutzen ſchaffen / auff daß dir nichts abgehe / ſonder du mein Fleiſch dar - inne backen und roͤſten koͤnnneſt. Unter ſo viel tauſend verkehrten Gemuͤthern aber hielt ſich doch noch ein tapfferes Hertze auff / welches ungeachtet eyfferigſter Nachforſchung biß ietzo unerkant / ſein Name aber in das Buch der getreuen Hel - den eingetragen verblieben iſt. Dieſer kunte die dem vorhin unbegluͤckten Xemindo angethane Beleidigung durchaus nicht vertragen: Dan - nenhero er als ein Blitz aus dem Hauffen hervor bꝛach / und den fꝛechen Henckeꝛs-Buben mit einem Wurff-Spieß durch und durch rannte / daß der Spieß in ihm ſtecken blieb / und er todt zu des Xe - mindo Fuͤſſen fiel. So geſchwinde dieſe Rache vollzogen war / ſo hurtig wuſte ſich dieſer treue Raͤcher wiederum unter dem Hauffen zu verber - gen / daß alle angewandte Muͤhe ihn auffzuſuchen / nur vergebens war. Dieſe That war des elen - den Herrns letzte Vergnuͤgung auff dieſer Welt / welche ihn dermaſſen bewegte / daß er einige Thraͤnen fallen ließ / und ſagte: Tapffere Seele / wer du auch ſeyſt / wolten die Goͤtter / es waͤre allen meinen Unterthanen gleiche Treue und Tapffer - keit eingepflantzet geweſen / es ſolte mich dieſer Jammer nicht betroffen haben. Jnmittelſt haſt du verdienet / daß du mit ewigen Lorbeern gekroͤ - net werdeſt - Hiermit fuͤhrte man ihn weiter fort /X 5biß330Der Aſiatiſchen Baniſe. biß an den Gerichts Platz / da ihn das Leben ſo zu verlaſſen ſchien / daß er faſt auff nichts mehr Ach - tung gab. Zuletzt ſtieg er eine hohe Gerichts - Buͤhne hinauff / die fuͤr ihn inſonderheit gebauet war / und der Chirca oder Ober-Gerichts-Vor - ſteher laß ihm uͤberlaut von einem hohen Stul ſein Urtheil vor / dieſes kurtzen Jnhalts: Der le - bendige GOtt unſerer Haͤupter / der groſſe Herr uͤber die Cronen / befiehlet / daß Xemindo ſoll hin - gerichtet werden / als ein Zerruͤtter der Voͤlcker auf Erden / Moͤrder des Xeminbruns / und Todt - Feind des Volckes von Brama. Nach ſolchem Ausſpruch gab er mit der Hand ein Zeichen / wor - auff der Hencker alſobald das Haupt in einem Streiche weg ſchlug / welches er dem Volcke zei - gete / und den Leib in acht Stuͤcke zertheilete. Das Eingeweide und die uͤbrigen innern Theile des Leibes legte man gantz beſonders und allein / und bedeckte ſie mit einem gelben Tuche. Al - ſo ließ man den zerſchnittenen Leib biß zu der Sonnen Untergang liegen / da ſie denn eine un - ſaͤgliche Menge Volcks beſahe / biß um drey Uhr / nach Mittage. Nachmals / als ſich das Volck ſatt geſehen / und das Getuͤmmel ein wenig geſtil - let / auch zu dem Ende etliche gewiſſe Perſonen zu Pferde / dem Volcke bey hoher Straffe ſtille zu ſeyn geboten / da ward mit einem Gloͤcklein fuͤnff mal nach einander gelaͤutet / auff welches Zeichen zwoͤlff Maͤnner in ſchwartzen mit Blut beſudel - ten Roͤcken / mit verhuͤlleten Angeſichtern / und ſil -ber331Anderes Buch. bernen Kolben auff ihren Schultern / aus einem hierzu abſonderlich zugerichteten hoͤltzernen Hau - ſe / ſo ungefehr fuͤnff oder ſechs Schritte von dem Blut-Geruͤſte ſtund / hervor traten. Denen fol - geten zwoͤlff Heydniſche Ober-Prieſter oder Ta - legrepos / nechſt dieſen erſchien des Tyrannen Vet - ter / Pocaſſer / ein dem Anſehen nach hundert jaͤh - riger Greiß / eben / wie alle die andern / in gelben Trauer-Habit. Rings um ihn her giengen zwoͤlff kleine Kinder / die gar koͤſtliche Kleider und zierliche Beile auff den Achſeln trugen. Wie dieſer Alte an den Ort / wo der zerſtuͤckte Coͤrper lag / kommen / kniete er dreymal nach einander zu der Erden / und redete wegen ſeines Vettern / des Koͤnigs von Brama / den gemetzelten Coͤrper mit ehrerbietig-ſcheinenden / doch recht hoͤhniſchen Worten an: O du heiligſtes Fleiſch / ſagte er / Lobwuͤrdigſtes Blut! Jch bitte dich / vernimm die Rede meines Mundes mit geneigten Ohren / auff daß die in dieſer Welt an dir veruͤbte Miſſe - that moͤge ausgeſoͤhnet werden. Dein Bruder Oretenau Chaumigrem / Printz von Brama / laͤſſet durch mich / deinen Sclaven / dich bitten / im Fall er dich beleidiget / ſo wolleſt du ihm ſolches / ehe dann er von dieſer Welt ſcheidet / verzeihen / hingegen alle ſeine Koͤnigreiche in Beſitz nehmen; Maſſen er dir ſolchen Titul daruͤber abtritt / und davon nicht das geringſte zu behalten gewillet iſt. Durch mich / ſeinen Sclaven / bezeuget er / dieſe ſeine Ubergabe geſchehe freywillig / damit dieKlage332Der Aſiatiſchen Baniſe. Klage nicht vor GOttes Ohren gelangen moͤge / welche du etwan droben im Himmel wieder ihn anſtrengen moͤchteſt. Hiernechſt verheiſſet er / die dir zugefuͤgte Unbilligkeit ſolcher geſtalt zu buͤſ - ſen / daß er auff der Pilgerfarth dieſes zeitlichen Lebens / uͤber dieſes dein Reich Pegu nur Waͤch - ter und Hauptmann ſeyn / und ſelbiges von dir zur Lehen empfangen wolle. Wie er dann dir hier - mit den Eyd der Treue leiſtet / dem / was du ihm aus dem Himmel wirſt gebieten / ieder - zeit auff Erden getreulich nachzuleben / und zwar mit dieſer Bedingung / daß du ihm moͤgeſt zn ſeinem Unterhalt von allen dem / was von den Zoͤllen einkoͤmt / nur Allmoſen reichen / weil ihm ſehr wohl bewuſt / daß ihm anderer geſtalt die Be - ſitzung des Reiches nicht erlaubet iſt / die Meni Grepos auch ſonſten weder drein willigen / noch ihm in ſeiner letzten Stunde die Suͤnden verge - ben wuͤrden. Hierauff vertrat einer aus den fuͤrnehmſten Prieſtern des Entleibten Selle / und trieben gleichſam wie ein Gauckelſpiel mit dem todten Coͤrper / indem er dieſe Antwort ertheilte: Nachdem du deine Mißhandlung bereueſt / und in gegenwaͤrtiger oͤffentlicher Verſamlung mir Abbitte thuſt: wohlan! ſo ſey dir hiermit alle Verzeihung von mir gerne und willig ertheilet / und als dem kuͤnfftigen Hirten meiner Heerde / dieſes mein Koͤnigreich uͤberlaſſen / mit angeheng - ter Bedingung / daß du dein beſchwornes Ver - ſprechen unverbruͤchlich halteſt; widrigen Falleswuͤr -333Anderes Buch. wuͤrde ſolches eine ſo ſchwere Suͤnde ſeyn / als legteſt du ietzt ohne Erlaubniß des Himmels aufs neue Hand an mich.

Wie der Pfaffe dieſe Worte geendiget / hub alles Volck frolockende an zu ſchreyen: Gott ver - leihe ſolches! Jnzwiſchen verfuͤgte ſich der Pfaf - fe nach dem hohen Stul / von welchem zuvor das Blut-Urthel war verleſen worden / und rieff dem Volcke ferner alſo zu: Schencket mir zur Nah - rung meiner Seelen einen Theil der Thraͤnen eu - rer Augen / um der angenehmen Zeitung willen / die ich euch verkuͤndge / daß nemlich hinfuͤhro die - ſes Land nach Gottes willen ſoll unſerm Kaͤyſer Chaumigrem verbleiben / und er ſolches nimmer - mehr wieder erſtatten duͤrffe: Dannenhero ihr / als fromme und getreue Knechte wohl befugt ſeyd / hieruͤber euch froͤlich zu bezeigen. Hierauff ſchrie der geſammte Hauffe mit erſchrecklicher Stim - me: Gelobet ſeyſt du Herr! Nach allen geen - digten Heucheleyen und Spott-Reden trugen die Prieſter die Stuͤcke des zertheilten Leibes mit groſ - ſer Ehrerbietung von dem Trauer-Geruͤſte hinab / zu einem von koͤſtlichem Holtze gemachten Feuer / wurffen alles Fleiſch mit dem Eingeweide hinein / und lieſſen es brennen / wuͤrgeten darneben viel Hammel und andere Thiere zum Opffer / dem hingerichteten Kaͤyſer zu Ehren. Dieſes Feuer brannte die gantze Nacht durch biß an den hellen Morgen / da ſie die uͤberbliebene Aſche des verzehr - ten Leichnams in eine ſilberne Kiſte ſammleten /mit334Der Aſiatiſchen Baniſe. mit einer ſehr groſſen Anzahl Leichen-Begleiter / von mehr denn zehntauſend Prieſtern in den Tem - pel unſers Abgottes / des Gottes der tauſend Goͤt - ter genannt / trugen / und allda in einer verguͤlde - ten Capelle in ein ſehr praͤchtiges Grab beyſetze - ten. Und dieſes war das jaͤmmerliche Ende dieſes lobwuͤrdigſten Kaͤyſers / welchen nicht ſo wohl ſei - ne Schuld / als das unguͤtige Verhaͤngniß ge - ſtuͤrtzet hat. Als ich nun dieſes alles mit trockenen Augen und blutenden Hertzen mit anſchauen muͤſ - ſen / ſuchte ich Erlaubniß der verſprochenen Gna - de zu genieſſen / und mich hieher auff mein Land - Schloß zu begeben / allda ich in willens war / das bedraͤngte Hertze zu entledigen / und meinem ent - ſeelten Kaͤyſer ein taͤgliches Thraͤnen-Opffer zu gewaͤhren. Allein ich fand mich ſehr betrogen / in - dem mir der Tyrann andeutete / ich muͤſte noch einen Feldzug mit thun / und ein Zuſchauer ſeiner Gerechtigkeit ſeyn. Was mir dieſes vor eine er - ſchreckliche Poſt war / iſt leicht zu ermeſſen / und durffte ich mich nicht erkuͤhnen / meine Bitte zu wiederholen. Kurtz: Die Armee wurde zuſam̃en gezogen / und der Zug ward gleich auff Prom ein - gerichtet. Jn ſelbtem Reiche herrſchte eine Koͤni - gin / als Vormuͤnderin ihres dreyzehen-jaͤhri - gen Printzens / nachdem ihr Herr / der Koͤnig / verſtorben / und der aͤlteſte Cron-Printz verloh - ren war / daß niemand noch dieſe Stunde weiß / wo er hin kommen. Weil nun damahls der Herr Ober-Hauptmann auf Befehl zuruͤcke blei -ben /335Anderes Buch. ben / und die Burg beſetzen muſte / als kan ich ſelb - ten / weil er nicht zugegen geweſen / zugleich eine und die andere Nachricht von dieſem Zuge er - theilen. Unſere Armee beſtund in ſiebenmahl hundert tauſend Mann und zwoͤlfhundert Schif - fen / mit welcher entſetzlichen Macht wir inner vierzehen Tagen vor der Stadt Prom anlange - ten / und alſobald eine wirckliche Belagerung zu Waſſer und Lande auffs grauſamſte angeſtellet / das Schloß aber fuͤnff gantzer Tage entſetzlich be - ſchoſſen ward. Des ſechſten Tages ſandte die Koͤnigin einen mehr als hundertjaͤhrigen Tale - grepos mit einem koͤſtlichen Geſchencke heraus / dem ſie auch volle Macht / einen Frieden zu ſchlieſ - ſen / mitgegeben hatte. Dieſer uͤberreichte von ſeiner Koͤnigin dem Tyrannen ein demuͤthiges Schreiben / folgenden Jnhalts:

Groſſer und maͤchtiger Herr / welcher in dem Hauſe des Gluͤckes mehr beguͤnſtiget wird / als alle Koͤnige des gantzen Erdbodens. Krafft von aͤuſſerſter Staͤrcke / Wachsthum des ge - ſaltzenen Meeres / da hinein alle andere kleine Baͤche flieſſen. Schild / voll von ſchoͤnen Bild - Spruͤchen / Beſitzer des allergroͤſten Staats / in deſſen Thron ſeine Fuͤſſe ruhn / mit einer hoͤchſt-verwunderlichen Majeſtaͤt.

JCh armes Weib / Nhay Nivolan / Regen - tin und Vormuͤnderin meines unmuͤndigen Sohnes / werffe mich vor euch mit thraͤnenden Augen nieder / und mit ſolcher Ehrerbietung / dieman336Der Aſiatiſchen Baniſe. man euch zu geben ſchuldig iſt: demuͤthigſt bit - tende / ihr wollet doch wider meine Schwachheit den Sebel nicht in die Hand nehmen / zumahl ihr wiſſet / daß ich nur ein Weib / das auſſer den Thraͤnen keine andere Waffen hat / womit ich das zugefuͤgte Leid GOtt klagen koͤnne / deſſen Goͤttlicher Natur es gemaͤß iſt / daß er durch ſei - ne Barmhertzigkeit den Menſchen zu Huͤlffe kom - me: Vor dem ſich auch die / welche in dem tieffen Hauſe des Rauches wohnen / fuͤrchten / und vor einen ſo maͤchtigen Herrn erzittern muͤſſen. Jch bitte / und beſchwehre euch / daß ihr mir das mei - nige nicht nehmet / in Betrachtung / daß ſolches / wie ihr wiſſet / ein ſo geringes iſt / daß ihr durch deſſen Beſitz nicht groͤſſer / noch durch die Entbeh - rung geringer werden koͤnnet. Gleich wie im Ge - gentheil / daferne ihr euch gegen mich barmhertzig erzeiget / eine ſolche gnaͤdige Handlung euch ein ſo groſſes Anſehen bringen koͤnne / daß allerdings die kleinen Saͤuglinge von den weiſſen Bruͤſten ihrer Muͤtter ablaſſen / und euch mit den reinen Lippen ihrer Unſchuld loben werden. Zu dem werden alle Einwohner meines Landes / als auch die Fremden an dieſe mir erwieſene Gnade ge - dencken / ich ſelbſt will es auff alle Begraͤbniſſe der Todten ſtechen und graben laſſen / auff daß nicht allein die Lebendigen / ſondern auch die Tod - ten euch dancken moͤgen / wegen einer Sache / die ich ſo inſtaͤndig und in tieffſter Demuth von euch bitte. Der heilige Avemlach im / der euch dieſesSchrei -337Anderes Buch. Schreiben uͤberliefert / ſo ich ſelber geſchrieben / hat vollkommene Gewalt / im Nahmen meines unmuͤndigen Sohnes mit euch zu handeln / und alles / was billig ſeyn wird / zu ſchlieſſen: auch ſo gar wegen des Tributs und Huldigung / welchen ihr uns auffzulegen belieben werdet / und das mit ſolcher Bedingung / daß euch hingegen moͤge ge - fallen / uns in dem Beſitz unſeres Hauſes zu laſſen / damit wir in verſicherter Warheit unſere Kinder aufferziehen / und die Frucht von unſerer Arbeit / zur Nahrung und Unterhalt der armen Untertha - nen dieſes elenden Fleckens / welche euch dienen werden / einſamlen / und ich ſamt ihnen in demuͤ - thigſter Ehrerbietung / in allen euch beliebenden Sachen uns gebrauchen laſſen moͤgen.

Nhay Nivolan.

Dieſe bewegliche Zeilen laß der Tyranne zwar / nahm die Geſchencke an / und bewilligte einen Stillſtand / biß alles geſchloſſen waͤre: Deſſen ungeachtet aber ließ er doch rings umher alles ver - wuͤſten / und die Jnwohner niederhauen. Da - her der alte Prieſter ſeine Falſchheit leicht mer - cken kunte / und deßwegen um Erlaubniß anhielte / wieder in die Stadt zu kehren / welches ihm / nach - dem er ſich 5. Tage im Lager auffgehalten / ver - goͤnnet ward / mit der Anforderung an die Koͤni - gin / daß ſie ihm ihre Schaͤtze / Unterthanen und Koͤnigreich abtreten / hingegen dieſer Verluſt durch ein ander Mittel erſetzet werden ſolte. Wel - ches aber der Koͤnigin nicht anſtaͤndig ſeyn moch -Yte /338Der Aſiatiſchen Baniſe. te / indem ſie lange verzog / ſich hierauff zu erklaͤ - ren / ſondern vielmehr alle Anſtalt zu moͤglichſter Gegenwehr machte. Wie der Tyranne dieſes ſahe / daß er vergeblich auff eine Antwort wartete / ſtaͤrckete er ſein Lager / ließ eine groſſe Anzahl Sturmleitern verfertigen / und ſeinen Soldaten andeuten / daß ſie ſich inner drey Tagen zum Stuꝛ - me fertig halten ſolten. Wie nun alles in Be - reitſchafft war / wurden die Mauren mit ſolchem abſcheulichen Geſchrey beſtuͤrmet / daß es ſchiene / als wenn Himmel und Erde in einander gemen - get waͤre: ja der Streit war ſo grauſam / daß in kurtzer Zeit die Lufft voll heller Flammen / der Erdboden aber von dem Blut der Erſchlagenem gantz durchweichet worden war / wobey der Blitz der Schwerdter und Spieſſe ſtets die Augen blen - dete / welches dermaſſen grauſam anzuſehen war / daß ich vermeynte / in Ohnmacht zu fincken. Mein Gebet war inzwiſchen ſtets zu den Goͤttern gerich - tet / daß ſie der bedraͤngten Stadt beyſtehen / und ſie aus der Hand dieſes Tyrannen erretten moͤch - ten / welches auch vor dieſes mal gnaͤdigſt erhoͤret wurde. Denn als dieſer Sturm ſechs Stun - den lang gewaͤhret hatte / und der Bluthund ver - nahm / daß ſich die Feſtung ſo tapffer wehrte / hin - gegen die Seinigen gantz abgemattet wurden / ſo ließ er die Stuͤrmenden durch hundert und zwan - tzig tauſend Mann der beſten Leute abloͤſen / welche den Sturm erneuern muſten. Dieſer andere Anfall waͤhrete biß in die Nacht / ehe zum Abzugege -339Anderes Buch. geblaſen wurde / ungeachtet vielen Einrathens. Er wuͤtete / ja raſete faſt vor Verdruß / daß ihm ſein Vorhaben ſolte ruͤckgaͤngig gemacht werden: Denn Er hatte geſchwohren / er wolte entweder dieſe Nacht innerhalb der Mauer ſchlaffen / oder es ſolten alle Hauptleute / welche nicht verwundet waͤren / ihre Koͤpffe ſpringen laſſen. Deſſen a - ber ungeachtet / ob ſich gleich der Sturm biß 2. Stunden nach Mitternacht / gleich als der Mond dieſem Blut-Weſen ſein Liecht entziehen wolte / verzog / ſo muſte doch der Fruchtloſe Streit geen - diget / und das Zeichen zum Abzuge gegeben wer - den. Dieſer Sturm hatte vier und zwantzig tauſend Mann unſer Seits gefreſſen / und befun - den ſich noch uͤber dieſe dreyßig tauſend hart ver - wundet / deren / wegen uͤbler Wartung / noch viel drauff giengen. Solches verurſachte eine ſtar - cke Peſt in unſerm Lager / daß uͤber 80000. Mann hinfielen / welche alle denen Voͤgeln zur Speiſe hin geworffen worden. Wie nun der Tyrann betrachtete / daß ihn dieſer Sturm ſo theuer ange - kommen / wolte er ſeine Leute ſolcher geſtalt nicht mehr wagen / ſondern ließ eine hohe Batterie auf - werffen / die zwey Klafftern hoͤher als die Stadt - Mauer war. Auff dieſe ließ er achtzig Canonen fuͤhren / mit welchen er innerhalb neun Tagen den mehrern Theil der Stadt zu Grunde ſchoß / und / der Uberlaͤuffer Bericht nach / vierzehn tauſend Mann in der Stadt umbrachte. Dieſes moch - te wohl der armen Koͤnigin allen Muth vollendY 2be -340Der Aſiatiſchen Baniſe. benehmen / inſonderheit weil wir Knndſchafft hat - ten / daß nur noch ſechs tauſend geſunder Leute zu ihren Dienſten ſtuͤnden. Darum hatte ſie ih - ren Rath verſamlet / in welchem ſie beſchloſſen / ſich insgeſamt mit dem Oele / aus der Lampen des Gottes der Feld-Schlachten / Qviay Nirandel zu ſalben / ſich demſelben zu befehlen / und die ſchaͤd - liche Batterie anzugreiffen / mit dem feſten Vor - ſatz / entweder zu ſiegen oder zu ſterben. Zum O - berſten hatte ſie ihren Vetter den Manica Votau erwehlet. Dieſen Rathſchlag empfunden wir in der That mehr als zu hefftig: Denn als wir auff vorige Nachricht uns der Sicherheit allzu ſehr anvertrauten / ja / der Nahme des Feindes iedweden veraͤchtlich fiel / und dannenhero nicht allein die Wachten uͤbel beſtellet / ſondern auch faſt alle in der Ruhe begraben waren: ſo fiel erwehn - ter Manica mit den ſechs tauſend Mann / bey fin - ſterer Nacht durch zwey Pforten auff erwehnte Batterie aus. Was nun hier vor eine Verrwir - rung war / das iſt unmoͤglich zu ſagen. Es wur - de zwar alſobald Lermen im gantzen Lager / und die verwirreten Hauffen nach Moͤgligkeit in der Finſterniß zuſammen gezogen: Allein weil ſich der Feind in 2. Theile getheilet / und gleich auff das Koͤnigl. Gezelt zueilete / ſo war die Verwir - rung deſto groͤſſer / weil kein Hauptmann wuſte / wo er ſeine Leute anfuͤhren / oder wem er widerſte - hen ſolte. Der Chaumigrem ſelbſt war in bloſ - ſen Schlaf-Kleidern zu Pferde kommen / undſchrie341Anderes Buch. ſchrie auff ſeine Leute / ſich wohl zu verhalten / da man doch weder Feind noch Freund kante. Nie - mand ſahe ſeinen Feind eher / biß er ihn fuͤhlte / und todt vor ihm nieder ſanck. Mit einem Wort / dieſer Naͤchtliche Einfall war ſo erſchrecklich / daß er an Grauſamkeit vorigen Sturm zu uͤbertref - fen ſchien. Die Erde erbebete unter meinen Fuͤſſen / wegen des hefftigen Getuͤmmels ſo vie - ler tauſend Mann und Pferde: Das Geſchrey ſchallte biß in die finſtern Wolcken hinein / und das Winſeln und Wehklagen der Sterbenden / welche ſo unvermuthlich fallen muſten / durch - drang dem / der es anhoͤrte / Seel und Marck. Solches Entſetzen wurde nicht wenig vermehret / als das Elephanten-Lager in Brand gerieth / wo - durch nicht allein die Elephanten das Feuer ſcheueten / und ausriſſen / ſondern auch die Unord - nung um ein groſſes vermehrten / indem ſie mit erſchrecklichem Gebruͤlle herum raſeten / und alles / was ihnen vorkam / mit ihren Ruͤſſeln und Fuͤſſen zermalmeten und zertraten. Hier muſten wir nun einen neuen Krieg mit den Elephanten an - heben / und ſie faͤllen / wie man kunte. Dieſer Brand aber oͤffnete uns allererſt die Augen / in - dem wir den Feind ſchon auff der groſſen Bat - terie fleißig arbeiten ſahen / welcher nicht allein die Stuͤcken ſchon alle vernagelt hatte / ſondern auch bereits ſelbe zu ſchleiffen begunte. Worauff ſich alles zuſammen zog / um den raſenden Feind ab - zutreiben: Allein ſie ſtritten geſamter Hand ſoY 3tapf -342Der Aſiatiſchen Baniſe. tapffer / ja gantz verzweiffelt / daß ſie die Ankom - menden der Unſrigen alſobald in die Flucht ſchlu - gen / und ſo lange die andern auffhielten / biß die Batterie in Grund niedergeriſſen / und alle Stuͤ - cke verderbet waren. Nach welcher Helden-That ſie ſich fechtende zuruͤcke / und wieder in die Stadt begaben / da ſie doch nicht mehr als ſieben hundert Mann verlohren hatten. Hingegen war unſer Tyranne ſelbſt mit einer Lantze in die Schulter verwundet / der oberſte Feld-Herr Xoram war geblieben / und mit ihm funfftzehen tauſend Mann. Ja was noch mehr / ſie hatten acht hundert Bra - maner und viertzig Elephanten gefangen mit in die Stadt genommen. Dieſer Verluſt ſchmertz - te den Chaumigrem dermaſſen / daß er ſolchen kurtzum den Hauptleuten beymeſſen wolte / und alle diejenigen / welche damals die Wache gehabt hatten / in zwey tauſend Mann niederhauen ließ. Auff dieſes Nacht-Stuͤcke hielten ſich die Belaͤ - gerten zehen gantzer Tage ſtille / und lieſſen uns Zeit / wohl zu bedencken / was vor eine gefaͤhrliche Sache es um die Sicherheit im Kriege ſey / wie man ſeinen Feind nicht verachten ſolle / und wie alle Macht und Gewalt ſeine umſchrenckte Maſſe ha - be. Dennalle Verachtung bringt Sicherheit / Si - cherheit Gefahr / und dieſe den Tod. Ja die Ver - achtung des Feindes iſt eine Vorlaͤufferin der Niederlage / welches wir vor dißmal mit unſerm Blute bezeugen kunten. Wo aber Gefahr von auſſem / und Verraͤtherey von innen blitzet / damuß343Anderes Buch. muß auch die ſtaͤrckeſte Feſtung ihre Thore er - oͤffnen. Dieſes empfand auch die tapffere Stadt Prom. Denn es wurde die Feſtung ſo wohl zu Krieges-als Friedens Zeiten von vier Hauptleu - ten regieret / deren einer ließ ſich entweder die Furcht / oder ſein Schelmiſches Hertz bereden / daß er ſich mit unſerm Tyrannen in heimliche Hand - lung einließ / und verſprach / die Stadt zu uͤberlief - fern / wo er in ſeinem Amte friedlich gelaſſen / nie - mand von den Seinigen beſchaͤdiget / und uͤber das zu einem Stadthalter von Anſeda / im Koͤnig - reich Pegu gelegen / gemacht wuͤrde. Welches ihm alles verſprochen ward. Hingegen machte dieſer Boͤſewicht ſeine Verraͤtherey werckſtellig / und eroͤffnete drey Stunden nach Mitternacht die Pforten. Worauff der Tyranne ſolche Grau - ſamkeit erwieß / wie er in dergleichen Faͤllen zu thun gewohnet war. Die Stadt wurde ge - ſchleiffet / die Jnwohner ausgerottet / und nie - mand verſchonet. Die Koͤnigin mit ihrem min - derjaͤhrigen Printzen wurde gefangen / ihre Schaͤ - tze geraubet / die Kirchen und andere herrliche Haͤuſer auff den Grund niedergeriſſen / und was einige Tyranney bedeuten kunte / wurde nicht un - terlaſſen. Ja alles geſchahe mit ſolcher Grau - ſamkeit / daß es ihm kein Menſch einbilden kan / er habe es denn mit ſeinen Augen / wie ich / angeſe - hen. Denn der Bluthund wolte wegen Verluſt ſo vieler Voͤlcker faſt vor Zorn zerberſten / und ſich dannenhero durch Veruͤbung ſolcher Greuel raͤ -Y 4chen.344Der Aſiatiſchen Baniſe. chen. Nach dieſem blutigen Untergang der Stadt zog er im Triumph durch die auf ſeinen Befehl eroͤffnete Mauer. So bald er in des jun - gen Koͤnigs Hof kam / ließ er ſich als einen Koͤnig von Prom kroͤnen / und den jungen Printzen / wel - chen er des Reichs beraubet / ſo lange die Croͤnung waͤhrete / auf den Knien liegen. Dieſer betuͤbte Printz hub ſeine Haͤnde empor / als wolte er einen Gott anbeten / ſchlug auch offtmahlen ſein Haupt zur Erden / und kuͤſſete dem Tyrannen die Fuͤſſe / welcher ihn doch iederzeit veraͤchtlich zuruͤcke ſtieß. Hernach ſtieg er auf eine Schaubuͤhne / von wel - cher man einen groſſen Marckt uͤberſehen konte / und befahl / daß man alle kleine Kinder / ſo auf den Gaſſen hin und wieder in ihrem Blute lagen / zu - ſammen tragen / auf Stuͤcken zerhauen / ſolches zarte Fleiſch mit Reiß und Graß vermengen / und ſeinen Elephanten zur Speiſe vorwerffen ſolte. Jngleichen brachte man darnach auf den Schall der Trommeln und Trompeten mehr als hundert Pferde / die alle mit geviertheilten Maͤnnern und Weibern beladen waren / dieſe ließ er ebenmaͤßig klein hacken / und in ein dazu gemachtes Feuer werffen. So hoͤre demnach auf / du Mordkind der Hoͤllen / und laß ab / die Schand-Haͤnde fer - ner im Blute zu waſchen! Doch nein! ie mehr eine Beſtie Menſchen-Blut genoſſen / ie begieri - ger wird ſie / deſſen noch mehr zu verſchlingen! Dieſes verdammte Mord-Aaß ließ auch die Koͤ - nigin herbey bringen / welches eine Dame vonſechs345Anderes Buch. ſechs und dreißig Jahren / weiſſer und ſchoͤner Geſtalt war / welche / wie ich mich berichten laſ - ſen / des Tyrannen Bruder Xeminbrun / als er nur noch Stadthalter geweſen / von ihrem Herrn Vater / dem Koͤnige von Ava / gleichwie Chaumi - grem die holdſelige Higvanama / zur Ehe begeh - ren duͤrffen: Wie aber dazumahl der Koͤnig von Ava bey beſſerer Vernunfft gegen ſeine Kin - der geweſen / alſo hat er ſie ihm auch abgeſchlagen. Solche verjaͤhrte Schmach nun ſeines Bru - ders / als auch ſeine eigene Korb-Schande an der Princeßin Higvanama zu raͤchen / ließ er / daß ich dieſen Jammer mit fluͤchtigen Worten beſchrei - be / dieſes ſchoͤne Bild ausziehen / durch die gantze Stadt fuͤhren / biß auffs Blut geiſſeln / und end - lich durch allerhand Marter erbaͤrmlich hinrich - ten; was aber noch unerhoͤrter war / ſo ließ er den jungen Printzen lebendig an den entſeelten Coͤr - per ſeiner Frau Mutter binden / mit Steinen be - ſchweren / und alſo ins Waſſer werffen. Den folgenden Tag beſchloß er dieſes Mord-Spiel durch Hinrichtung dreyhundert Edelleute / wel - che er an Pfaͤle binden / und gleichfalls in den Strohm werffen ließ. Dem Verraͤther hielt er zwar ſein Wort / und beſtaͤtigte ihn in der ver - langten Stadthalterſchafft / nahm ihn auch bey dem Auffbruch nach Pegu mit ſich; als wir aber unterwegens in der Feſtung Meleytay angelan - get / ließ er ihm den verraͤtheriſchen Kopff vor die Fuͤſſe legen / welches wohl die einige lobwuͤrdigeY 5Ver346Der Aſiatiſchen Baniſe. Verrichtung ſeines gantzen Lebens war; oder es lehrte ihm vielmehr die bekandte Regel: Die Ver - raͤtherey ſolle man lieben / und den Verraͤther haſſen / hierinnen / wie man ſolche Voͤgel beloh - nen muͤſſe. Nach dieſem zog er in groſſem Tri - umph wieder zuruͤcke und in Pegu ein / welchen zu beſchreiben ich vor unnoͤthig achte; ich aber erhielt endlich Erlaubniß / mich / nachdem meine Augen vor ſo vielen Blutvergieſſen faſt brechen wolten / hieher auff dieſe Landwohnung zu begeben / und ſolche blutige Begebenheiten biß ins Grab zu be - weinen. Jndeſſen habe ich die empfundene Weh - muth faſt niemahls ſonderlich erwehnet / angeſe - hen keine Zunge noch Feder faͤhig iſt / ſolchen Jam - mer / welchen ich innerlich erdulden muͤſſen / auch nur im geringſten auszudruͤcken. Solte ich nun hierbey etwas vergeſſen / oder mein Herr Abarar wegen der Princeßin etwas erſprießliches zu er - innern haben / ſo werde ich mich nicht allein gerne weiſen laſſen / ſondern auch mit innigſtem See - len-Verlangen einige erwuͤndſchte Nachricht von unſerer Engliſchen Princeßin anhoͤren.

Solches nun zu beantworten / nahm Abaxar folgender Geſtalt auf ſich: Mein Herr Talemon! Jch / nebſt dieſen werthen Frembdlingen / erken - nen uns verpflichtet / vor die ſonderbahre Muͤh - waltung / die er in trauriger Erzehlung dieſer blu - tigen Begebenheiten angewendet / indeſſen erken - ne ich die ſonder - und wunderbahren Gerichte der ſtrengen Gottheit ſattſam / in Untergang des Koͤ -nig -347Anderes Buch. nigreichs Prom. Jch beſeuffze der Koͤnigin Tod / und beweine des Printzen Fall: Die Goͤtter wer - den es kuͤnfftig zu ſchicken wiſſen / daß dieſes uhr - alte Stamm-Reich wieder durch einen rechtmaͤſ - ſigen Thron-Beſitzer dermahleinſt beherrſchet werde. Was aber die Princeßin von Pegu anbe - langet / welche ich freylich zu erwuͤrgen grauſamen Befehl empfieng / ſo will ich aus heimlicher Hoch - achtung des werthen Printzen von Ava dieſe er - freuliche Nachricht ertheilen / in zuverſichtlicher Hoffnung / es werde dieſes mein Vorbringen in dero Hertzen begraben ſeyn / vielweniger deswe - gen durch ſie mir eine toͤdtliche Ungelegenheit zu - gezogen werden. So bald / ſage ich / als ich den Befehl vernommen / wie bereits Talemon erzeh - let / verfuͤgte ich mich ſofort mit entbloͤſtem Sebel / durch einen blutigen Streich die holde Seele von der mir annoch unbekandten ſchoͤnen Wohnung zu trennen. Aber / ach Himmel! indem ich meine Fauſt zum Schlage auffhub / ſahe mich dieſes Engliſche Bild mit einem ſo anmuthigen und be - weglichen Blicke an / daß ich / gleichſam vom Blitze geruͤhrt / erſtarret / und mit auffgehabener Hand vor ihr ſtehen blieb. Jhre durchdringende Schoͤnheit und die benetzten Roſen-Wangen ver - wundeten mich weit mehr / als ich ihr zu thun ge - dachte: und ich ließ mich alſobald durch meine Gedancken uͤberreden / auch durch meinen Tod ihr Leben zu erhalten. Was ſolte ich hierbey thun? Kaum kunte Abaxar dieſe Worte endigen / ſo er -hub348Der Aſiatiſchen Baniſe. hub ſich in dem Schloſſe ein ungemeines Getuͤm - mel / welches unſere redende Geſellſchafft nicht wenig erſchreckte. Dannenhero Scandor ſich ſo fort aus dem Zimmer begab / deſſen Urſache zu erforſchen. Worauff er alſobald mit der leidigen Nachricht zuruͤcke kam: Es ſey das gantze Schloß mit Soldaten umſetzet / ohne das man wuͤſte / was ihr Begehren waͤre. Der Printz / nicht an - ders meynende / denn es ſey auf ihn gemuͤntzt / und dem Chaumigrem verrathen worden / ſprang aus dem Bette / warff ſeinen Japaniſchen Rock um ſich / und guͤrtete ſeinen Sebel mit dieſen Worten um ſich: So ſoll der Bluthund nimmermehr die Seele des lebendigen Printzen von Ava in ſei - ne Gewalt bekommen / und dieſer Sebel ſoll mir einen blutigen Tod von meinen Feinden erzwin - gen. Welche unbedachte Worte dem Abaxar die Augen eroͤffneten / daß er den Printzen ſehen und erkennen kunte / dannenhero er ihn alſo an - redete: Durchlauchtigſter Printz / ich bitte mit kurtzem um Vergebung / wegen unterlaſſener Ehrerbietigkeit gegen dero hohe Perſon / worin - nen mich meine Unwiſſenheit entſchuldigen wird. Jnzwiſchen ſchwehre ich bey allen Goͤttern / daß ich mich eher in Stuͤcken zerreiſſen / als ein Haar von dero Haupte kruͤmmen laſſen will. Was nun ihre Foderung ſey / will ich perſoͤnlich vernehmen / Nach welchen Worten er das Zimmer verließ / und ſich herunter zu den Soldaten verfuͤgte. So bald er ſich aber denſelben genaͤhert hatte / trat einHaupt -349Anderes Buch. Hauptmann hinzu / und foderte den Sebel von ihm / im Nahmen des Kaͤyſers / bey deſſen Uber - lieferung der ungluͤckſelige Abaxar in Ketten und Feſſeln geſchloſſen / und alſo nach Pegu gefuͤhret ward. Weil nun Talemon von erwehntem Hauptmann verſichert wurde / er haͤtte keinen fer - neren Befehl / etwas von ihm zu fodern! als legte ſich zwar das Schrecken bey allen / das Mitleiden aber mit dem Abaxar wurde ſo wohl bey dem Printzen als ſaͤmtlichen hefftig hiedurch erwecket: Noch mehr wurde in dem Printzen ein groſſes Verlangen / die Urſache erwehnter Gefangen - ſchafft zu wiſſen / entzuͤndet: Und wie er ſich durch letztere unausgefuͤhrte Erzehlung des Abaxars nicht wenig getroͤſtet befand / alſo bildete er ſich nunmehr feſte ein ſeine geliebte Princeßin ſey noch im Leben.

Warum aber Abaxar ſo unvermuthet die Feſ - ſel kuͤſſen muͤſſen / ſolches ſoll hernach weitlaͤufftig entdecket werden: inzwiſchen wenden wir uns zu der verliebten Lorangy / und dem geaͤngſteten Printzen. Die Sonne begunte bereits ein Theil ihrer Strahlen in die See zu verbergen / als die Gluth der Lorangy erſt rechte Flammen fieng / welche durch Herannaͤherung der Zeit / in welcher ſie den erwuͤnſchten Ausgang ihrer Liebe verhoff - te / ungemein vermehret wurden. Die alte Haſ - ſana hatte bereits zwey Pfaffen in ihrer Kammer verborgen / und Lorangy kunte kaum die Stunde erwarten / in welcher ſie den Fuß in das Lager ih -res350Der Aſiatiſchen Baniſe. res geliebten Fremdlings ſetzen ſolte. Jedwede Minute dauchte ihr ein Monat zu ſeyn / und alle Augenblick ſahe ſie durchs Fenſter / wenn die Nacht / als eine Schutz-Goͤttin der Verliebten / anbrechen wuͤrde. Der Printz qvaͤlte ſich indeſ - ſen mit Furcht und Hoffnung auffs aͤuſſerſte / mit Furcht / wie ſein Anſchlag mit Lorangy ablauffen / mit Hoffnung / daß des Abaxars Gefaͤngniß et - was gutes bedeuten wuͤrde. Wegen dieſes wu - ſte ihm Talemon ſattſamen Troſt einzuſprechen / wegen jenes aber war Scandor ſo behertzt / daß er dem Printzen auff hundert Arten einen Muth machte / und ihn verſicherte / es ſolte nach eigenem Verlangen ablauffen. Jndeſſen daß ſich der Printz mit Talemon unterredete / verfuͤgte ſich Scandor nach dem Frauenzimmer / zuſehen / ob er von ihren fernern Anſchlaͤgen nichts erfahren koͤnte. Hier war nun Scandor ein hoͤchſt ange - nehmer Gaſt / Lorangy wuſte ihn ſeines Herrn wegen dergeſtalt zu liebkoſen / daß er ſich im Ernſt beſtrickt fand / und ſich heimlich vor gluͤckſelig ach - tete / wenn er ein Beſitzer dieſer Freundligkeit ſeyn koͤnte. Endlich war nun das bißher verhaßte Tages-Liecht gaͤntzlich verſchwunden / und die Finſterniß verſprach gnugſame Sicherheit zu ih - rem Anſchlage. Weil nun die liſtige Haſſana be - ſorgete / Scandor duͤrffte / weil er nechſt an des Printzen Zimmer lag / allzu ſachte ſchlaffen / und dahero einige Verhinderung verurſachen / ſo muſte Lorangy den beſten und ſtaͤrckeſten Weinin351Anderes Buch. in geheim hervor langen / und ſolchen dem Scan - dor vorſetzen / in Meynung / er wuͤrde durch deſ - ſen haͤuffige Genieſſung in deſto ſtaͤrckern Schlaff verſencket werden. Da ſich denn Lorangy er - kuͤhnte / ſeines Herrn Geſundheit ihm fleißig zu - zutrincken / und ob ſie ſich zwar allezeit die Helffte verſchonte / ſo ſchien es doch / als ob ſie ſich vorge - nommen / den Wein um guten Muth zu bevor - ſtehendem Wercke anzuſprechen. Wie nun der Wein ein ſonderbarer Liebes-Balſam iſt / alſo ver - ſpuͤrte man hier auch nicht wenig deſſen ſtarcke Wuͤrckung; indem Scandor ſich dermaſſen ent - zuͤndet befand / daß er faſt die Trunckenheit ſeine Zunge uͤbermeiſtern laſſen / biß er endlich an den Printzen gedachte / und ſich nach deſſen Zimmer verfuͤgte. Dieſer erſchrack nicht wenig / als er den Scandor daumeln ſahe / und ſich dahero einen uͤblen Ausgang wahrſagte / als er aber vernom - men / wer ihn ſo fleißig zum Truncke ermahnet haͤtte / merckete er bald ihre Argliſtigkeit. Unter - deſſen hielt er den trunckenen Scandor noch eine gantze Stunde auff / in Meynung / ihm durch die Zeit ein wenig den Rauſch zu vermindern / wel - ches auch[ni]cht vergebens war / und kam Scandor ziemlich wieder zu ſich ſelbſten; Worauff ihn der Printz mit bekuͤmmerten Hertzen verließ / und ihn beweglich ermahnete / bey Vermeidung ewiger Ungnade / die Sache nicht zu verderben / noch durch Unvorſichtigkeit einen uͤblen Ausgang zu verurſachen. Welches Scandor feſte angelo -bete /352Der Aſiatiſchen Baniſe. bete / und ſich ſehr vergnuͤgt ſtellete. Die lauſchen - de Lorangy hatte den Printzen kaum des Scan - dors Gemach betreten hoͤren / und das ausgeloͤſch - te Liecht in dem Zimmer bemercket / ſo lieff ſie mit vollen Freuden-Spruͤngen nach der Frau Kup - pel-Mutter / welche ſie entkleidete / und wie eine Braut / welche ihrem Braͤutigam zu erſter Ent - bluͤhmung ſoll zugefuͤhret werden / gantz weiß an - zog. Jnmittelſt ſchickte ſich der nunmehr recht ver - liebte Scandor voller ſuͤſſen Hoffnung und ange - nehmer Gedancken / auch zur Ruhe / machte ſein Lager zu rechte / und weil er ſolches zum Haͤupten etwas zu niedrig befand / legte er des Printzen Ja - paniſchen Rock unter den Kopff / leſchte die Lampe aus / und legte ſich in der Goͤtter Nahmen nieder / denen er / iedoch mit ſchwacher Stimme / folgen - des Nacht-Liedgen opfferte:

1.
HJer koͤm̃t Scandor / der Goͤtter Affenſpiel /
Und leget ſich nieder;
Der jenen Tag ins tieffe Waſſer fiel /
Der ſinget ietzt Lieder /
Und preiſet der Goͤtter verborgene Macht /
Daß ſie ihn an den weichen Ort gebracht.
2.
Hier liegt Scandor / doch nicht mehr in der Fluth /
Und traͤget Verlangen /
Daß jenes Kind / zu ſtillen ſeine Gluth /
Bald komme gegangen.
Es353Anderes Buch.
Es zappelt das Hertze des Leibes an mir /
Und wuͤnſchet ſtets: Ach waͤr ich bald bey dir.
3.
Hier ruht Scandor / und weiß von keiner Ruh /
Jhn qvaͤlet das Plaͤtzgen.
So bald er druͤckt die matten Augen zu /
So kuͤßt er ſein Schaͤtzgen.
Wenn aber das Schlaffen die Augen verlaͤßt /
So find ich nichts / als nur ein leeres Neſt.
4.
Hier weint Scandor um ſeine Jungferſchafft /
Mit lachendem Munde.
Er opffert dir der Jugend erſte Krafft /
Nach heiligem Bunde /
Er ſorget und zweiffelt / und wuͤnſchet dabey:
Daß / gleich wie er / Lorangy Jungfer ſey.
5.
Hier ſingt Scandor / und rufft die Goͤtter an /
Doch ſeiner zu ſchonen /
Daß er der Laſt nicht werde zugethan /
Unſichtbarer Cronen.
Er hat ja das Naſchen ſein Tage verhoͤhnt /
Darum ſo bleibt erbillich ungekroͤnt.
6.
Doch fleht Scandor: wo ich ja ſonder Schuld /
Den Orden ſoll mehren /
So gebt mit doch / ihr Goͤtter nur Gedult /
Auch andere zu lehren:
Daß ietzo die Huͤlffe der Ehlichen Muͤh
Genennet wird: Es ſey Galanterie.
Z7. Nun354Der Aſiatiſchen Baniſe.
7.
Nun rufft Scandor! Lorangy komm / mein
Schatz!
Und laß dich betruͤgen.
Jch mache dir im Hertz und Lager Platz /
Mich an dich zu ſchmiegen.
So wird man / wirſt du mich nicht heinte ver -
ſchmaͤhn /
Jn Jahres-Friſt drey junge Narren ſehn.

Woruͤber endlich Scandor mit einen tieffen Seuffzer einſchlieff. Der Printz hoͤrte dieſes mit inniglichen Lachen / und wartete mit Verlan - gen / wenn Lorangy kommen / und wie ſie ihre Sa - chen angreiffen wuͤrde / da er unterdeſſen keinen Schlaff in ſeine Augen kommen ließ. Dieſe kam erſt nach Verflieſſung einer Stunde in ih - rem weiſſen Nacht-Habit / eroͤffnete die Thuͤr in aller Stille / und ſtellete ſich zu den Fuͤſſen des ſchlaffenden Scandors / welcher ſeine ſanffte Ru - he durch ein hefftiges Schnarchen zu verſtehen gab. Wie nun eine hefftige Liebe von ſteter Un - gedult begleitet wird / alſo begehrte ſie nicht ſein Auffwachen zu erwarten / ſondern fuͤhlte mit der Hand deſſen Koffe / um ihn durch einen Kuß zu zu ermuntern. Als er aber durch ſolches Beruͤh - ren erwachte / und der Wein den Wirbel noch nicht allerdings verlaſſen hatte / kunte er ſich in der Eyl nicht entſinnen / wo er waͤre / oder wo er laͤge? Und als die weiſſe Geſtalt der Lorangy vor ſich ſahe / auch zugleich die Helffte der Spangen vondem355Anderes Buch. dem zum Haupte gelegten Japaniſchen Rocke in ſeinen Haaren dermaſſen feſte verwickelt hat - ten / daß / wenn er ſich auffrichten wolte / ihn die Schwere des Rockes wieder nieder zog; ſo meyn - te er nicht anders / er ſey mit Geſpenſten umgeben / und der Teuffel habe ihn ſchon beym Kopffe. Jn welcher Meynung er ſich nicht wenig beſtaͤr - cket fand / als er beſanne / wie er ſich nicht ſo gar auff guten Wegen befaͤnde. Dahero er durch ein ſtarckes Schreyen ſein Schrecken dermaſſen bezeugete / daß ihn die ebenfalls erſchrockene Lo - rangy kaum befriedigen kunte. Jn was vor Angſt nun der Printz hierdurch geſetzet ward / iſt unſchwer zu vermuthen: Angeſehen der unbeſon - ne Scandor gar leicht das gantze Weſen verder - ben / und ſich ſelbſt bey der Lorangy haͤtte verra - then koͤnnen. Die verwirrete Lorangy aber fiel ihm endlich um den Halß / hielt ihm den ſchreyen - den Mund mit beyden Haͤnden zu / und verhinder - te hiedurch ſelbſt die benoͤthigte Erkaͤntligkeit / biß endlich Scandor wieder zu ſich ſelbſten kam / und uͤber ſein Erſchrecken erſchrack / auch ſich ſo fort faßte / und ſeine geliebte Lorangy in aller Stille umarmete. Dieſe erſuchte ihn bald anfangs wegen vorgeſchuͤtzter Nacht-Kaͤlte um einen klei - nen Raum in deſſen Lager / welches Scandor a - bermals in moͤglichſter Stille zuließ / auch / ſo er gleich zu reden gezwungen ward / ſolches gantz ſachte verrichtete / daß unmoͤglich ein Unterſcheid der Stimme kunte bemercket werden. Mit ei -Z 2nem356Der Aſiatiſchen Baniſe. nem Worte / Scandor bemuͤhete ſich aͤuſſerſt / den vorigen Fehler einzubringen / indem er auch nicht unterließ / die Haare / welche ziemlich von dem Printzen unterſchieden waren / unter eine Schlaff-Muͤtze zu zwingen / und alſo durch Huͤlf - fe der Dunckelheit ſich in allem dem Printzen gleichfoͤrmig zu machen. Kaum hatte er dieſes verrichtet / und ſich wiederum nach Beqvemlig - keit gelagert / ſo eroͤffnete ſich die Thuͤre / durch wel - che die alte Haſſana zu erſt mit einer blinden Leuch - te hinein trat / hinter ihr folgeten zwey Pfaffen / und nach dieſen ſchloſſen zwey gewaffnete Kerlen mit bloſſen Schwerdtern in der Hand den Rei - hen / welche die Thuͤre hinter ſich zumachten. Scandor ſahe dieſes alles mit zitterndem Her - tzen an / und wuͤnſchete ſich weit darvon / denn er vermeynte / wo er ſich den Prieſtern zeigen ſolte / ſo wuͤrde es ſonder Zweyffel uͤber die unrechte Per - ſon ausgehen. Lorangy aber / als ſie deſſen Furcht merckete / troͤſtete ihn auff das anmuthigſte / mit angehengter Nachricht / daß / wo er nur in der Fr. Mutter Begehren / und in ihre Liebe willigen wuͤr - de / er auſſer aller Gefahr ſey. Der beſorgte Scandor ſteckte den Kopff unter die Ober-De - cke / und verſicherte mit leiſer Stimme die Loran - gy / er ſehe wol den Ausgang der Sachen / und waͤre er zu allem erboͤthig und bereit / er baͤte um der Goͤtter willen / ihm nicht mit der Leuchte zu nahen / noch ihn zu einiger ſichtlichen Vorſtellung zu veranlaſſen / indem er ſonſt vor Scham ſterbenmuͤſte /357Anderes Buch. muͤſte / ja er wuͤrde das Gewehren dieſer erſten Bitte vor ein unfehlbares Zeichen ihrer Liebe erkennen. Als nun die Lorangy ſahe / daß er be - fuͤrchteter maſſen ſich ihrer Liebe nicht hefftiger widerſetzte / ſo war ſie hieruͤber ungemein ver - gnuͤgt / verſprach ihm ſolches mit einem Kuß / und erwartete der Frau Mutter Annaͤherung mit Verlangen / welche ſich mit der Leuchte vor das Bette begab / und ſolche eroͤffnet haͤtte / wenn nicht die Lorangy durch ſtetes Bedeuten gewincket haͤt - te / daß die Sache nach Wunſch lieffe / und man bey dieſer dunckeln Zuſammenkunfft keines Liech - tes benoͤthiget waͤre. Haſſana ſetzte zwar end - lich die Leuchte beyſeite / iedennoch trat ſie mit ei - ner angemaſten Ernſthafftigkeit und Unwiſſen - heit vor das Bette zu ihren Fuͤſſen / und ſagte: Siehe da / du ſchoͤnes Paar / laſſet ihr euch hier als die Kinder der Finſterniß betreten / und darff ſich ſo ein Fremdling erkuͤhnen / mein Hauß zu enteheren? Jſt dieſes der Danck vor bißher er - wieſene Wolthat und Beherbergung? Und du luͤſterne Seele / Lorangy / ſtehet das einem Fraͤu - lein wohl an / ſich bey Nachtzeit zu fremden Manns-Bildern zu legen / und dir und uns allen einen ſolchen Schandfleck in unſer Geſchlecht zu machen? Pfuy! ſchaͤmet euch beyderſeits in eure Hertzen! Jhr haͤttet verdienet / daß ich euch an - ietzo erwuͤrgen / und zu einem Schauſpiel morgen zu dem Fenſter heraus hencken lieſſe / ja ich haͤtte Urſache / wunderlich mit euch zu verfahren / wennZ 3ich358Der Aſiatiſchen Baniſe. ich den Eyffer uͤber die Vernunfft herrſchen lieſſe: Jn Betrachtung aber eurer zarten Jugend / wel - che ſich die Wolluſt wie ein weiches Wachs leicht einpraͤgen laͤſſet / und der Leitung ihrer hitzigen Be - gierden blind hin folget / wie auch der ſtarcken Lie - be / welche iederzeit eine Schwachheit des Gemuͤ - thes / und ein Fehler der Jugend geweſen iſt; ſo trage ich vielmehr ein ſonderbares Mitleiden mit euch / und bin anietzo bemuͤhet / nicht allein vor Schimpff und Schande euch zu bewahren / ſon - dern auch den Anfang eurer Liebe durch Prieſter - liche Hand zu vollziehen / und euch auff ewig zu verbinden. Werdet ihr ſolche meine Muͤtterliche Vorſorge mit gebuͤhrendem Danck erkennen / euren Willen ohne einige Ausflucht dem meini - gen gleich foͤrmig machen / und augenblicks den Schandfleck eurer Ehre durch die geiſtl. Hand abwaſchen laſſen / ſo ſolt ihr mehr als muͤtterliche Gnade genieſſen / und euer Wolfarth kein Ende ſehen. Solte aber dieſes Sonnen-helle Ver - brechen etwan mit einiger Beſchoͤnigung oder Ausflucht zu bemaͤnteln geſuchet / oder auch mei - nen feſten und wolgemeynten Entſchluß im ge - ringſten widerſprochen werden / ſo ſchwere ich bey allen Furien / dieſe Schande ſoll mit eurem Blu - te durch dieſe Schwerdter getilget und gebuͤſſet ſeyn. Auff welche Worte ſich zu iedweder Sei - te des Bettes ein Pfaffe / und einer mit einem bloſ - ſen Schwerdte begab / die Haſſana aber fuhr in ihrer Rede fort / und fragte gleichſam die Lorangyzu359Anderes Buch. zu erſt um ihre Bewilligung. Lorangy / ſagte ſie / mein iederzeit liebgeweſenes und gehorſames Kind! entdecke mir ungeſcheuet / ob du es geſte - heſt / daß du dich die Liebe bethoͤren / und zu dieſer naͤchtlichen und verdaͤchtigen Zuſam̃enkunfft haſt verleiten laſſen: Und ob du dich bey mir wieder auszuſoͤhnen entſchloſſen ſeyſt / durch ein rechtmaͤſ - ſiges Eho-Verbuͤndniß deine Ehre zu retten? Ja / von Hertzen / antwortete Lorangy. Hierauff wen - dete ſie ſich zu dem Scandor / welcher ſich verſtel - leter Weiſe aus Furcht vor den bloſſen Schwerd - tern faſt gantz unter die Ober-Decke verborgen hatte / damit ja kein Zeichen einiges Verdachts moͤchte erblicket werden / und redete ihn gleichfals an: Noch zur Zeit / werther Fremdling! erken - net ihr gleichfalls euer Verbrechen / und die gegen dieſes Hauß er wieſene Undanckbarkeit. Wollet ihr aber auch dieſes Laſter erſetzen / euch der Ehre unſerer beruͤhmten Freundſchafft theilhafftig / und dieſes mein liebſtes Kind durch Prieſterliche Hand verbuͤndlich machen / ſo ſoll alles in Vergeſſen ge - ſtellet / und eure Bewilligung durch ein deutliches Jawort von euch erwartet ſeyn. Welches Scandor mit einem leiſen Ja beantwortete / und zwar ſo leiſe / daß gleichſam Lorangy der Wieder - ſchall ſeyn / es unter dem Bette hervor holen / und der Mutter voͤllig entdecken muſte. Auff dieſe ge - wuͤnſchte Erklaͤrung hieß ſie die Bewaffneten ei - nen Abtritt nehmen / ſie aber ſetzte ſich auff einen Stuhl / und weil ſie ſonder Zweiffel zuvor auffZ 4gluͤck -360Der Aſiatiſchen Baniſe. gluͤcklichen Fortgang dieſer Heyrath allzu viel Beſcheid gethan / ſo gab ſie das uͤbrige durch die Ober-Pforte ihrer Weiblichen Beredtſamkeit in ziemlicher Menge wieder von ſich / angeſehen ſie ohne dieß eine ziemliche Liebhaberin uͤbriges Trunckes war. Die Pfaffen / welche gleichfals ihre naſſe Freygebigkeit mochten genoſſen haben / daumelten hin und wieder / alſo / daß Scandor von dieſen wol waͤre unerkennet blieben / wenn er nicht ein ſcharffes Auge von der Lorangy befuͤrch - tet haͤtte. Weil aber auch dieſe vor Liebe blind zu ſeyn ſchiene / ſo hatte er deſto weniger Sorge wegen ſeiner Erkaͤntniß vonnoͤthen. Jnmittelſt befahl die erleichterte Fr. Mutter denen Pfaffen ihr Ambt zu verrichten / und ſich nichts verhindern zu laſſen. Welches ſie auch ſo fort bewerckſtel - ligten / und mitten in dem Zimmer ein kleines Feuer zubereiteten / welches Homam genennet / und vom Holtze des Baums Rawaſitton ange - zuͤndet wird. Dieſes Feuer iſt ein Zeuge der Ehe / uͤber welches die Pfaffen einige Gebete ſpra - chen. Hernach nahm iedwedeꝛ Bramin odeꝛ Pfaf - fe drey Haͤnde voll Reiß / und gaben ſie dem Scan - dor und der Lorangy / welche ſolchen einander auff ihre Haͤupter werffen muſten / welches denn dem Scandor trefflich ungelegen war / weil er ſich vor dem Wiederſchein des angezuͤndeten Feuers / als vor einem Verraͤther / fuͤrchtete. Nach dieſer Verrichtung muſten ſie die Fuͤſſe aus dem Bette ſtrecken / und ſolche von dem Pfaffen waſchen laſ -ſen /361Anderes Buch. ſen / worzu Haſſana / als der Braut Mutter / Waſſer auffgoß. Hierauff nahm Haſſana der Lorangy Hand / und legte ſie dem Scandor in ſei - ne Hand / mit dieſen Worten: Jch habe weiter nichts mehr mit dir zu thun / und uͤbergebe ſie euch. Worauff beyde Haͤnde von einem Pfaffen durch ein Schnuͤrgen / woran ein guͤldenes Haupt ei - nes Abgottes war / welches Tali genennet wird / zuſammen gebunden wurde. Dieſes Tali oder Schnuͤrgen nun machet / ſo bald der Knoten zu iſt / das Band der Ehe feſte / und auſſer dieſem Tali iſt die Ehe unkraͤfftig. Als hierauff noch einiger Segen und Gluͤckwundſch uͤber beyderſeits neue Eheleute geſprochen worden / leſchten ſie das Feuer wieder aus / und verlieſſen dieſe beyde in einſamer Finſterniß / welche wir auch in ihrer Folgerung ein Weilgen nicht verſtoͤhren wollen.

Haſſana vermeynte nun durch ihre Klugheit den Krantz von allen liſtigen Weibern darvon zu tragen / und bildete ſich ein / als ob ſie einen groſſen Fiſch gefangen haͤtte / begab ſich in ſolcher Einbil - dung zu Bette / und erwartete mit halb-ſchlaffen - den Augen des anbrechenden Morgens. Der Printz aber / welcher iedes Wort deutlich verneh - men koͤnnen / danckete den Goͤttern innigſt / daß ſie dieſe Gefahr ſo gnaͤdig abgewendet / und dieſe liſti - ge Verſtellung mit er wuͤnſchtem Fortgange beſe - liget haͤtten: Bat auch zugleich um einen gluͤckli - chen Ausgang der Sache / und legte ſich auff des Scandors Lager zur Ruhe. Kaum hatte dieZ 5Mor -362Der Aſtatiſchen Baniſe. Morgenroͤthe den Auffgang der Sonnen verkuͤn - diget / ſo verließ Haſſana ihr Lager / weckte ihren Liebſten / wie auch die entſchlaffenen Pfaffen und andere / ſo viel ihrer in dem Schloſſe waren / auff / und foderte ſie in ein Zimmer zuſammen / welche wegen groſſen Verlangens / ihr Vorhaben zu er - fahren / willigſt erſchienen. Hier entdeckte ſie nun dem Talemon und andern ihre naͤchtliche Verrichtung mit ſonderbaren Worten: Lieb - ſter Eh-Schatz / ſagte ſie / ſaͤmtliche Anweſende! Daß der beſte Kern hoͤchſter Weißheit nicht all - zeit bey klugen Maͤnnern / ſondern vielmehr in dem Gehirne vernuͤnfftiger Weiber beruhe / ſol - ches muß ich / ſonder Ruhm / durch meine eigene Perſon beweiſen. Jch entroͤthe mich nicht zu ſa - gen / daß / wo hundert Maͤnner nicht zu rathen ver - moͤgen / da ſey eine eintzige Frau klug genug / ihren Zweiffel durch erſprießlichen Beyrath und An - ſchlag ſattſam auffzuloͤſen. Dieſem nach muß ich euch nur klagen / wie ſich unſere Lorangy / wel - che ſonſt iederzeit ein Spiegel der Keuſchheit / und ein Ebenbild meiner Tugend geweſen / gleichwol ſich auf das Eyß der Liebe gewaget / und darauff nicht wenig gelitten / nemlich / ſie hat ſich die an - nehmliche Geſtalt unſers fremden Gaſtes der - maſſen gefallen laſſen / daß ſie ſich nicht geſcheuet / hinter mein Wiſſen und Willen ihre Liebe dem - ſelben bey naͤchtlicher Weile zu offenbaren / und ihn auff ſeinem Lager heunte zu beſuchen. Daß nun dieſe Zuſammenkunfft ohne einigen Nach -thei363Anderes Buch. theil ihrer Ehren ſolte abgelauffen ſeyn / ſolches wird kein Verſtaͤndiger / geſchweige dieſer / wel - cher die Macht der Liebe empfunden / davor hal - ten. Was war nun hierbey zu thun? Ein hi - tziger Manns-Kopff wuͤrde alſobald mit Eiſen und Stahl ſolche heimliche Liebe beſtrafft haben / weil er in Eyl kein ander Mittel / die Ehre ſeines Hauſes zu retten / wuͤrde gewuſt haben. Was that aber die kluge Haſſana? Sie nahm den von den Goͤttern verliehenen Verſtand zuſammen / ſchickte bald nach dieſen zwey Ehrwuͤrdigen Bra - minen / und begab ſich in aller Stille / nebſt gegen - waͤrtigen zwey Hausknechten / welche mit bloſſen Schwerdtern benoͤthigte Furcht einjagen muſten / nach dem Schlaff-Zimmer. Hier fanden wir nun das liebe Paar in eingebildeter Vergnuͤgung gar ſanffte ruhen / und weil ſie ſich dermaſſen be - treten ſahen / ſo fleheten ſie mich um Gnade an / und uͤbergaben alles meinem Willen. Wie nun dieſer Ehren-Verluſt nicht anders denn durch eheliches Verbuͤndniß kunte erſetzet werden / als ließ ich ſie ſo fort durch das heilige Tali binden / und ſie alsdenn als rechte Ehleute das Recht der Liebe vollziehen. Daß auch dieſem alſo ſey / und es auff begebenden Fall an noͤthigen Zeugen die - ſer Heyrath nicht eꝛmangele / ſo werden nicht allein gegenwaͤrtige Braminen und Haußknechte / als lebendige Zeugen ſich iederzeit erkennen: ſondern ihr werdet euch allerſeits belieben laſſen / mir zu folgen / und die Warheit meiner Worte aus demAu -364Der Aſiatiſchen Baniſe. Augenſchein erkennen. Talemon wuſte nicht / ob er wachte oder ſchlieffe / oder ob ſeine Frau gar mit einiger Zauberey umgienge. Wie? ſagte er bey ſich ſelbſt / ſolte ſich der ſo tugendhaffte Printz ſo ſchaͤndlich vergangen haben? oder iſt er gar durch einige Gewalt beleidiget und gezwun - gen worden / welches mir doch ſeine bekandte Hertzhafftigkeit und ungezwungene Großmuth gewaltig widerſpricht. Solches nun deſto ge - wiſſer in Erfahrung zu ziehen / ſo verfuͤgte er ſich mit ſeiner Frauen und ſaͤmtlichen Anweſenden nach des Printzen Zimmer / in welches ſie unver - hindert hinein traten. Wie Scandorn damals mochte zu Muthe ſeyn / als er ſolte erkant werden / ſolches iſt nicht wohl fuͤrzuſtellen / als wer etwan auff faſt gleiche Arth iemals ertappet worden. Weil aber die verhangenen Fenſter den Einbruch des Morgen-Liechts noch ziemlich verhinderten / ſo wurde er nicht alſobald erkennet. Guten Mor - gen / hub die alte Haſſana an / was hat dem Herrn Sohne getraͤumet; vielleicht vom Kriege. Wie iſt aber derſelbe abgelauffen? und welchem Theile ſoll man den Sieg zuſchreiben. Wer - theſte Frau Mutter / erkuͤhnete ſich endlich Scan - dor zu antworten / ich bin uͤberwunden / theils durch Vergnuͤgung: theils durch allzu groſſe Guͤ - tigkeit derſelben / daß ſie mich eines ſo angenehmen Gluͤckes haben wollen faͤhig / und mich hiervor e - wig verpflichtet machen. Weil nun ihr die Stim - me etwas veraͤnderlich vorkam / als befahl ſie / dieFen -365Anderes Buch. Fenſter zu eroͤffnen / wodurch denn der neue Braͤu - tigam von allen vor den Scandor erkennet und angeſehen wurde. Hier lag nun der ehrliche Scandor und wendete ſich mit verliebten Augen nach ſeiner vertrauten Lorangy / welche aber vor groſſem Erſchrecken / ſo bald ſie ihn recht ange - ſchauet / in bloſſem Hemde aus dem Bette ſprang / und ſich hinter einige Tapeten verſteckete. Haſſa - na war dermaſſen beſtuͤrtzt / daß ſie ſich ohn eini - ges Wortſprechen auff den Stul / vor welchem noch ihre Gegenwart zu verſpuͤren war / nieder - ſetzte / und eine geraume Zeit mit ſtarren Augen ſitzen blieb. Talemon begab ſich zu dem Scan - dor / und ſetzte ihn zur Rede / was ihn bewogen haͤt - te / ein ſolches nachtheiliges Gauckelſpiel anzufan - gen: Dieſer entdeckte ihm hierauff heimlich die gantze Sache / vom Anfange biß zum Ende / wo - durch er gantz beguͤtiget ward / und ſich zu ſeiner Frauen mit dieſen Worten wendete: Jſt dieſes nun der treffliche Beweiß Weiblicher Klugheit? und ſind dieſes die Fruͤchte deines uͤberklugen An - ſchlages / daß du dich mit ſehenden Augen ver - blenden laſſen. Von dieſer Weißheit halte ich nicht viel / beſondern ich wuͤrde dich vor viel ge - ſcheider achten / wenn du zu geſchehenen Sachen das beſte reden / und dich kluͤglich begreiffen wuͤr - deſt / daß nichts von den Goͤttern ohngefehr geſche - he. Zu dem iſt auch dieſer Menſch unſerer Pfle - ge-Tochter wol wuͤrdig / als welcher ihr am Ge - ſchlechte und Stande nichts nachgiebet / am Ver -moͤ -366Der Aſiatiſchen Baniſe. moͤgen aber weit vorgehet. So faſſe dich dem - nach / und goͤnne ihm ſein Gluͤcke / welches du ihm ſelbſt zugefuͤhret / und er mit Danck erkennet. Jn - mittelſt hatte ſich Scvndor unvermercket in des Printzen Japaniſchen Rock geworffen / alſo / daß er bekleidet auffſtehen kunte / dannenhero er ſich ſo fort nach der Haſſana wendete / und vor ihr auff die Knie mit folgenden Worden fiel: Wertheſte Frau Mutter! wo iemals ein gehorſamſter Sohn von einer guͤtigen Mutter was erlangen koͤnnen / ſo bitte ich inſtaͤndigſt / mir dasjenige / was mir die Goͤtter nicht mißgoͤnnen / zu erlauben / und verſi - chert zu leben / daß ich Lebenslang diejenige Hand / welche mir meine innigſt-geliebte Lorangy zuge - fuͤhret und uͤbergeben / ehrerbietigſt kuͤſſen werde. Was zugefuͤhret? fuhr ihn Haſſana an / ihr wer - det mich vor eine Kuplerin ausſchreyen. Nein / liebſte Frau Mutter / verſetzte Scandor / ſondern die Goͤtter haben ſie mir durch ein guͤtiges Ver - haͤngniß zugefuͤhret. Jch bitte aber nichts mehr / als dero heintige Bekraͤfftigung nicht allein guͤl - tig / ſondern auch ſtetswaͤhrend und geneigt ver - bleiben zu laſſen. Womit er zugleich ihre Hand - kuͤſſete / und / weil ſie ſahe / daß es nicht zu endern ſtund / ſich endlich durch ſolche Schmeicheleyen be - wegen ließ / daß ſie auffſtund / und ſagte: Der Goͤt - ter Wille ſey mein Wille: Verhaltet euch nur / wie ſichs geziemet / ſo ſoll mir auch dieſer Jrrthum gefallẽ. Nach welchen Worten ſie deꝛ Loꝛangy ihre Kleider hinter die Tapeten brachte: Und als ſie inge -367Anderes Buch. geheim mit ihr geredet / und verſtanden / daß ſie endlich wol zu frieden waͤre / weil ſie es vor eine ſonderliche Schickung des Himmes hielte / ange - ſehen alle perſoͤnliche Liebe eine Einbildung waͤre / derer Wirckung doch auff eine Gleichheit hinaus lieffe: So brachte ſie ſie endlich hervor / fuͤhrte ſie mit haͤuffiger Scham-Roͤthe zu dem Scandor / und uͤbergab ſie ihm nochmals mit den freundlich - ſten Worten / welcher ſie auch mit verpflichteſtem Dancke annahm. Als nun der Printz mit er - freuetem Hertzen den guten Ausgang mit anhoͤr - te / ſo wagte er ſich endlich hervor / und ſetzte die Haſſana und Lorangy faſt in eine neue Beſtuͤr - tzung durch den Eintritt ins Zimmer / welche ihn anzureden nicht vermochten. Der Printz aber kam ihnen zuvor / und ſagte: Wertheſte Freundin - nen / ſie werden keinen Widerwillen wegen vorge - gangenen Jrrthums auff mich werffen / wel - chen ich / weil ich bereits verheyrathet / mit gutem Vorbedacht alſo angeſtellet. Damit ſie aber ein Zeichen meiner ſonderlichen Vergnuͤgung - ber dieſe getroffene Heyrath von mir ſehen moͤ - gen / ſo werden ſie dieſes Wenige mit erkaͤntlichem Hertzen von mir annehmem / und ſich dabey ver - ſichern / daß dieſes Verbindniß gewiß zu allerſei - tiger Vergnuͤgung ausſchlagen wird. Womit er zugleich einen ſchoͤnen Ring der Lorangy an den Finger ſteckete / der Haſſanen aber ein zierli - ches Kleinod uͤberreichete / woruͤber ſie noch be - ſtuͤrtzter wurden / und etwas Vornehmes aus deſ -ſen368Der Aſiatiſchen Baniſe. ſen Perſon wegen ſothaner Freygebigkeit ſchloſ - ſen / dahero ſie beyderſeits vor Scham kein Wort vorbringen kunten / weil ſie wohl wuſten / daß der Printz um ihren Anſchlag vollkommene Wiſſen - ſchafft hatte. Talemon vertrat hierauff ihre Stelle mit gebuͤhrendem Dancke: Scandor a - ber fuͤhrete ſeine neue Liebſte voller Vergnuͤgung aus dem Zimmer / und verlieſſen den Printzen.

Von dieſer verwirreten Hochzeit wenden wir unſere Augen nach dem hart gefangenen Abaxar / welcher bey ſeiner Ankunfft in Pegu in ein tieffes Gefaͤngniß geleget ward. Deſſen Urſach nun genauer zu erkundigen / ſich Talemon nach Pegu verfuͤgte / und daſelbſt umſtaͤndlichen Bericht von ſeinem Sohne empfieng; ſolches verhielt ſich a - ber folgender Geſtalt: Wie Abaxar vorerzehlter maſſen ſich die Schoͤnheit der Princeßin dermaſ - ſen hatte bezaubern laſſen / daß er nicht allein gleichſam vor ihr erſtarret / ſondern auch den Mord-Befehl an ihr eigenhaͤndig zu vollziehen nicht vermocht / ſo faſſet er in der Eyl einen kur - tzen Entſchluß / wendete vor / es ſey allzu ſchaͤnd - lich / eine Kaͤyſerliche Princeßin vor den Augen der noch nicht gekuͤhlten Peguaniſchen Gemuͤther hinzurichten / und befahl / ſie in ſein nechſt gelege - nes Hauß zu fuͤhren / und in dem innern Hofe den Befehl an ihr zu vollſtrecken. So bald ſie deſ - ſen Hauß betreten / ließ Abaxar eine Sclavin in ihrer Lebens-Groͤſſe herzu fuͤhren / welche der Princeßin Kleider anlegen / und den Kopff imAu -369Anderes Buch. Augenblick verlieren muſte: den Coͤrper aber die - ſer ungluͤckſeligen Sclavin ließ er ohne Kopff auff offenen Marckt hinwerffen / welchen ieder - man vor die entſeelte Princeßin hielte: Die Prin - ceßin wurde inmittelſt in einem geheimen Zim - mer verwahret / biß die Goͤtter einige Sicherheit verleihen wuͤrden / ſie an einen unbeſorgten Ort zu fuͤhren. Erwehnte Sclavin aber hatte noch eine Schweſter im Leben / welcher der Tod ihrer ſo nahen Freundin dermaſſen zu Hertzen gieng / daß ſie der Princeßin daher entſproſſene Lebens - Rettung wenig oder gar nichts behertzigte / ob ſie gleich nicht allein von dem Abaxar frey geſpro - chen / ſondern auch anſehnlich deßwegen beſchen - cket worden. Weil nun unter des Tyrannen Frauenzimmer ein Fraͤulein von Anſeda dem A - baxar mit ungemeiner Liebe zugethan war / und doch nicht das geringſte Zeichen einiger Gegen - Liebe genieſſen kunte / ſo war ohne diß ihre halb - verzweiffelte Liebe auff eine harte Rache bedacht geweſen. Hierzu bekam ſie erwuͤnſchte Gele - genheit / als ſie durch den verraͤtheriſchen Mund der Sclavin das Leben und den Auffenthalt der Princeßin Baniſe vernahm / und gab ſie derſel - ben einig und allein die Hinderung ihrer Liebe Schuld: Weßwegen ſie deñ ſolches alſobald dem Rolim entdeckete / und dadurch ſich ſattſam zu raͤ - chen verhoffte. Dieſes ſchlug ihr auch nicht fehl / indem es der Rolim auff eine ſonderbare Art vor - zubringen wuſte / wodurch die Verraͤtherin ver -A abor -370Der Aſiatiſchen Baniſe. borgen bliebe. Denn wie die groͤſten Tyran - nen iederzeit mit der groͤſten Fuꝛcht umgeben ſind / und ſie auch ein rauſchendes Blat in den Arg - wohn einiger Drohung ziehen: Alſo war auch Chaumigrem hierinnen nicht wenig ſorgſam; Dannenhero ſuchte er ſich nach ſo grauſamen Mord-Thaten wiederum beliebt zu machen / be - voraus war er begierig / die Gemuͤther zu erfor - chen / und was vor Urtheile ins gemein uͤber ſein Beginnen gefaͤllet wuͤrden. Solches verhoffte er zum Theil aus dem Ponnedro / welchen er ſich vermeynte verbuͤndlich gemacht zu haben / zu er - fahren / und ließ ihn eben an dieſem Tage / an wel - chen Abaxar den Printz Balacin beſuchte / in den hohen Rath / in welchem ſich zugleich der Rolim / und der Bramaniſche Feldherr Martong befand / erfodern / gegen welche Chaumigrem ſeine Ty - ranney mit weitlaͤufftigen praͤchtigen Worten zu beſchoͤnen / und die Urſache ſolcher blutigen Staats-Befeſtigung zu entdecken wuſte. Wir meynen / hub er an / daß / wo unſere Wolfarths - Lilien am beſten bluͤhen ſollen / man nothwendig die Felder mit des Feindes Blute duͤngen / und wo wir unſer Reich befeſtigen wollen / man die Stuf - fen zum Throne durch feindliche Leichen bauen muͤſſe. Dieſer vom Blut annoch rauchende Se - bel / womit er zugleich ſeine Hand an den Sebel legte / giebet der tapffern Fauſt ſattſames Zeug - niß / wie erwuͤnſcht nunmehro das Verlangen ei - nes Thron - und Cronbegierigen Hertzens von ihrer -371Anderes Buch. erfuͤllet ſey. Brama nennet uns ſeinen Erb - Herrn / Pegu kuͤſſet uns als Uberwinder / Siam und Ava erzitttern vor dieſem ſiegreichen Stahl / ja gantz Jndien windet bereits Lorbeer-Kraͤntze / uns als einen Beherrſcher gantz Aſiens / fußfaͤllig zu beehren / ſo bald nur unſer maͤchtiger Fuß die Graͤntzen beruͤhren wird. Solchen herrlichen Sieg nun hat unſere Tapfferkeit / die Sicherheit aber und Erhaltung des eroberten Throns die hoͤchſt-benoͤthigte Unbarmhertzigkeit zuwege ge - bracht. Denn euch / O ihr Goͤtter / dancken wir billich / daß ihr unſer Hertze von Stahl / und un - ſere Seele unempfindlich erſchaffen habet. Ge - wiß / die Beſtraffung des Reiches Martabane / die rechtmaͤßige Ausrottung des Peguaniſchen Stammes / und die letztere Rache an der Stadt Prom iſt uns die ſchoͤnſte Augen-Luſt / und das Wehklagen der Alten ein erfreulicher Spott ge - weſen. Ja es kunte uns auch ſo gar nicht die Schoͤnheit ſo vieler Weiber und Jungfrauen / vielweniger das Winſeln und Schreyen der klei - nen Kinder bewegen / daß wir uns vielmehr die Beſchleunigung ihres Todes deßwegen gereuen laſſen / weil wir unſern Augen die Vergnuͤgung an ihrer Qvaal allzu geſchwinde entzogen haben. Welches warlich eine recht Koͤnigliche Großmuth zu nennen iſt. Dieſe Staats-Regul hat uns der Himmel eingepflantzet / daß man eine Crone zu erwerben / oder einen Thron zu erhalten / ſeine Zaͤh - ne in das vaͤterliche Hertze ſetzen / und auch derA a 2muͤt -372Der Aſiatiſchen Baniſe. muͤtterlichen Bruſt nicht verſchonen muͤſſe. Ja / ſeine Haͤnde in der Bruͤder Blut zu waſchen / ſey eine erſprießliche Nothwendigkeit. Hier muß man die Barmhertzigkeit bey den Tygern ſuchen / und die Gnade bey unſern Nachbarn / den(†)Jm Koͤnigreich Dacin ſind Voͤlcker / Batacchi genennet / welche Menſchen-Fleiſch freſſen / die ihre alte Eltern ſchlachten / und nebſt denen erbetenen Nachbarn verzehren. Der Koͤnig braucht ſie an ſtatt der Hen - cker / welche den armen Suͤnder todtſchlagen / Haͤnde und Fuͤſſe abhauen / mit Saltz und Pfeffer beſtreuen / und al - ſo auf freſſen. Balby, pag. 97. Batacchi / entlehnen. Mord / Brand / Galgen / Spieß und Schwerdt ſind die beſten Thron - Stuͤtzen. Ein todter Hund und ein entſeelter Feind haben gleiche Macht zu beleidigen. Jedoch / werthe Getreuen! ſolt ihr nicht wehnen / als ob dieſer Ruhm rechtmaͤßiger Rache etwan aus ei - nem allgemeinen Haß gegen dieſes Reich Pegu ſeinen Urſprung naͤhme: Nein / keines weges / ſondern wir wiſſen uns gar wol zu beſcheiden / daß bey anfangender neuen Regierung eine durchge - hende Guͤtigkeit erfordert werde / welches wir auch ziemlich vermeynen / erwieſen zu haben / wenn wir viel eingeborne Peguaner / in Befoͤrderun - gen hoher Aembter / andern vorgezogen / ja unter andern euch / Ponedro / unſer liebſtes Frauenzim - mer anvertrauet haben. Laſſet euch dieſes bewe - gen / die auffgehende Sonne anzubeten / und der untergangenen zu vergeſſen: ſo ſoll unſer Gna - den-Strahl das Reich Pegu in erwuͤnſchtenWol -373Anderes Buch. Wolſtand und Frieden ſetzen. Jnmittelſt eroͤff - net uns doch freymuͤthig eure Meynung / ob wir das Schwerdt auff einige andere Art haͤtten fuͤh - ren koͤnnen oder ſollen? und ob uns nicht der Ti - tul eines edlen nnd großmuͤthigen Uberwinders mit Recht gebuͤhre? Dieſe gefaͤhrliche Frage zu beantworten / ſolte nun Ponnedro auff ſich neh - men / welcher ſich aber mit dieſen kurtzen Worten loß zuwickeln vermeynte: Unuͤberwindlichſter Monarche! Geringe Sterne koͤnnen nicht von der Sonnen ein Urtheil faͤllen / und denen Men - ſchen iſt es nicht erlaubt / die Goͤtter zu tadeln. Al - lein er fand ſich ziemlich betrogen / indem ihm Chaumigrem noch ferner mit dieſen Worten zu - ſetzte: Durch beſſere Entdeckung eures Gemuͤths geſchiehet unſerm Befehl ein Genuͤgen. Ponne - dro war Zeit ſeines Lebens nicht in groͤſſeꝛn Aeng - ſten geweſen / und weil er ſich nicht hierauff un - verfaͤnglich zu antworten getraute / ſo verſuchte er nochmal durch eine demuͤthige Entſchuldigung / ſich zu entledigen / indem er ſagte: Die unterthaͤ - nigſte Pflicht / welche mir verbeut / einige unzeitige Meynungen beyzubringen / wird meinen Unge - horſam entſchuldigen / und meine ſchuldigſte Ehr - erbietung leget mir den Finger auff den Mund. Aber auch dieſes wurde nicht angenommen / ſon - dern vielmehr Chaumigrem zu dieſen harten Worten veranlaſſet: Jhr werdet durch euer fer - neres Verweigern unſer gnaͤdiges Begehren in einen zornigen Befehl verwandeln. Denn wirA a 3be -374Der Aſiatiſchen Baniſe. begehren ausdruͤcklich von euch zu vernehmen / was ihr und das Reich Pegu von unſerm Ver - fahren vor Gedancken und Meynungen ſchoͤpfft. Wir verſichern euch / es ſoll alles in Gnaden auf - genommen werden. Als nun Ponnedro ſolchen Ernſt ſahe / und wohl wuſte / wie wenig mit dem Tyrannen zu ſchertzen waͤre / ſo faſſete er endlich einen Muth / und gab folgende Antwort: Groß - maͤchtigſter Keyſer und Herr! Der Goͤtter Ge - rechtigkeit iſt unerfoſchlich / und alſo bemuͤhet man ſich nur vergebens / dem Geheimniſſe des Wun - der-vollen Schickſals nachzugruͤblen: warum es dem groſſen GOtt der tauſend Goͤtter gefallen hat / den ſo alten und maͤchtigen Kaͤyſer-Stamm von Pegu in den Sand eines blutigen Vergeſ - ſens zu verſcharren / und die Stelle des verblaßten Sternes mit einem hellen und tapffern Jove zu erſetzen. gleichſam des Reichs Gedancken zu er - oͤffnen; ſo iſt zwar ſolches wegen bekandter Un - wiſſenheit ein unmoͤgliches Weſen / indeſſen aber zwinget mich doch ſchuldigſter Gehorſam / diß / was die auffrichtige Muthmaſſung erlaubet / kuͤrtzlich anzudeuten. Wir Peguaner haben ie - derzeit das Gebot der Goͤtter / welches uns anbe - ſiehlet / die vorgeſetzte Obrigkeit zu ehren und zu lie - ben / in hohen Ehren und genauer Beobachtung gehalten; Dahero wir denn auch der blutig - untergegangenen Sonnen die nechſte Ehre nach den Goͤttern gewiedmet / und unſer Gut und Blut vor dero Wolfarth dargeſtrecket haben. Nach -dem375Anderes Buch. dem es aber den Goͤttern beliebet hat / dieſen Staats-Horizont durch einander hohes Liecht zu erleuchten / ſo koͤnnen wir nicht anders / wo wir wahre Nachbarn der Weißheit ſeyn wollen / ver - fahren / als daß wir der genoſſenen Waͤrme im beſten gedencken / und die auffgehende Strahlen anbeten. Zuverſichtlichſter Hoffnung lebende / unſere hohe und neue Reichs-Sonne werde uns dermaſſen zu beſtrahlen wiſſen / daß wir mehr Ur - ſache / dero erwaͤrmende Sanfftmuth zu ruͤhmen / als uͤber allzu groſſe Hitze zu klagen haben werden. Welche wolgeſetzte Meynung dem Chaumigrem ſehr wol gefiel / und zwar dermaſſen / daß er den Ponnedro auff die Achſeln klopffte / und zu ihm ſagte: Wir laſſen uns dieſes gnaͤdigſt gefal - len / und werden dieſes Reich iederzeit mit reichlichen Gnaden-Strahlen zu erhellen wiſſen / ſo lange uns kein Nebel des Ungehorſams oder Widerſpenſtigkeit zu einiger Finſterniß Gelegen - heit geben wird. Jnzwiſchen / fuhr der Wiſſens - begierige Chaumigrem fort / moͤchten wir wiſ - ſen / weil wir gleichwol bey Eroberung dieſes Reichs keinen Umgang nehmen koͤnnen / uns des Schwerdts und Feuers / ſo wol gegen Herr als Unterthan zu bedienen / ob nicht etwan dieſes bey dem Volcke einen Haß wider uns moͤchte verur - ſachet haben / und ob wir auch ein zuverſichtliches Vertrauen im Fall der Noth in ſie ſetzen duͤrff - ten. Ponnedro hatte bereits einen Muth geſaſſet / dannenhero er auch bald mit dieſer Antwort fer - tig war: Gn. Herr und Kaͤyſer! Es weiß ſchonA a 4ein376Der Aſiatiſchen Baniſe. ein ieder / wenn ſich groſſe Herren rauffen / daß die Unterthanen ihre Haare darzu hergeben muͤſſen / und wenn gekroͤnte Haͤupter Nuͤſſe auffbeiſſen wollen / ſo muß es mit den Zaͤhnen der Untertha - nen geſchehen. Auch dieſe Antwort wurde von dem Chaumigrem gnaͤdig angenommen / wiewol er nichts mehr als dieſes darauf antwortete: Wir verſtehen ſchon eure Meynung. Von dieſem nun kam er mit dem Rolim zu reden / und begehrte auch ſeine Meynung hieruͤber zu vernehmen / weñ er ihn alſo anredete: Alter Vater / ihr werdet als ein gewiedmeter Ober-Prieſter der Gottheit die - ſes Reiches / uns auffrichtigſt entdecken / worinnen wir zu viel oder zu wenig gethan / und welcher Grund zu den Seulen dieſes Throns zu erweh - len ſey? Dieſe weit ausſehende Frage zu beant - worten / wolte anfangs der Rolim in einiges Be - dencken ziehen / iedennoch ließ er ſich endlich mit dieſen etwas weitſchweiffigen Reden vernehmen: Jch wuͤnſchte zwar / ſagte er / mit der Beantwor - tung dieſer hochwichtigen Frage verſchont zu blei - ben / angeſehen ſolche beſſer im Staats-Cabinet als in der Sacriſtey kan und ſoll eroͤrtert werden: zumal auch ein Geiſtlicher Rath in Politiſchen / ich wil nicht ſagen Geiſtlichen Sachen / bey un - ſern Hoͤflingen mehr Spott und Verachtung / als ſchuldige Folge nach ſich ziehet: Jedoch mein Gewiſſen zu befreyen / ſo muß ich meine Gedan - cken ungeſcheut eroͤffnen / und bekennen / daß E. M. nichts anders denn eine feurige Ruthe der Goͤtterſey /377Anderes Buch. ſey / womit dieſes Reich um ſeiner Suͤnden willen heimgeſuchet / und der ungluͤckſelige Stamm des Xemindo gaͤntzlich ausgerottet worden. Sol - ches nun wolle E. M. ja nicht eigner Macht noch Tapfferkeit zuſchreiben / ſondern vielmehr wiſſen / daß GOtt und das Verhaͤngniß dieſes Schwerdt oder Ruthe / als maͤchtige Haͤnde / regieren. Die Worte in dem abgefaſſeten Urthel zu Martaba - ne / welche ſagen: Jedermaͤnniglichen ſey kund diß Blut-Urtheil / welches der lebendige GOtt verhaͤnget / entdecken oͤffentlich / wer es ſey / der die - ſe grauſame Schlachten eurer Hand erlaubet. Xemindo wuͤrde ſich gewiß bey vorigem Zuſtande nichts haben nehmen laſſen: Und ſchiene es vor Menſchlichen Augen unmoͤglich zu ſeyn / daß er durch die anfangs ſchwach-ſcheinende Waffen von Brama dermaſſen ſolte geſtuͤrtzet / ausgerot - tet / und ſo Reichs-als Lebens verluſtig gemacht werden. Xemindo / ja Xemindo / das ungluͤckſe - lige Beyſpiel aller Regenten / iſt der Spiegel / wel - chen die Zeit und das Verhaͤngniß E. M. vorhal - ten / ſich darinnen wolzu beſehen / und zu bedencken: Das Gluͤck ſey eine Tochter des Schickſals / um welche man zwar freyen / nicht aber ſich vermaͤh - len koͤnne. Denn wer die ewige Bewegligkeit der Winde ſtillen / den Monden mit der Hand be - greiffen / und das wandelbare Gluͤck zum Stande bringen wil / der thut einerley und verlohrne Ar - beit. Zu dem iſt keine Art des Gluͤckes dem Un - beſtande mehr unterworffen / als die gekroͤnteA a 5Gluͤck -378Der Aſiatiſchen Baniſe. Gluͤckſeligkeit / wo eine gaͤhlinge Erhoͤhung vor - handen / auff welche gemeiniglich eine gaͤhe Stuͤr - tzung erfolget. Jhr Maj. ſtellen ſich zu einem klugen Sinnen-Bilde vor Augen das Thier Hy - æna oder Vielfraß / welches an den Todten-Bei - nen naget / unverſehens aber von einem grauſa - men Drachen ergriffen und verſchlungen wird / welchen Drachen zuletzt der Himmel durch einen Strahl verzehret: ſo werden ſie nach angebor - ner Scharffſtinnigkeit die Deutung leicht zu er - rathen / und ſich vor deren Erfuͤllung weißlich zu huͤtẽ wiſſen: Soll nun ſolches kluͤglich ins Werck gerichtet werden / ſo muß man weder eine durch - gehende Dienſtbarkeit / vielweniger eine voͤllige Fꝛeyheit einfuͤhrẽ. Vor allen Dingẽ muß man zu - ſehẽ / daß man ſich weder verhaßt noch veraͤchtlich mache. Den Haß kan man von ſich lehnen / weñ man die angefangene Strengigkeit in eine ſchleu - nige Gnade und Guͤte verwandelt / die Gemuͤther durch allerhand Wolthaten an ſich ziehet / und der Unterthanen Schweiß und Blut nicht allzu be - gierig an ſich ſaugt / ſondern vielmehr ihnen einen Theil erlaͤßt. Fuͤr der Verachtung aber kan man ſich huͤten / wenn man maͤnniglich zu verſtehen giebet / wie daß man ſich dißfalls weder verfuͤhren noch betruͤgen laſſe / ſondern vielmehr in Rath - ſchlaͤgen verſtaͤndig / und in Vollziehung wichti - ger Sachen beſtaͤndig ſey.

Welche etwas freymuͤthige Rede den Chaumigrem einiger maſſen verdroß / und dan -nen -379Anderes Buch. nenhero es auff widrige Art auslegte / ſagende: Wol! Eure Meynung pflichtet der unſrigen bey / und weil uns die Goͤtter einmal zur Ruthe dieſes Reichs erkohren / ſo wollen wir unſer Straff - Ambt-auch redlich verrichten / ſo lange dieſer Arm den kalten Stahl in der Peguaner Blute erwaͤr - men kan. Durchaus iſt dieſes meine Meynung nicht / erwiederte der Rolim / ſondern es iſt viel - mehr den Goͤttern zu dancken / daß ſie nunmehro die voͤllige Eroberung dieſes Reichs durch dero Armen gluͤcklich vollbringen laſſen. Und nach - dem der Xemindiſche Stamm durch voͤllige Aus - rottung ſattſam gezuͤchtiget worden / ſo iſt forthin der Goͤtter ernſtlicher Befehl / nach ſo grauſamer Beſtraffung des Hirtens der armen Schaafe zu verſchonen. Woruͤber wollen denn J. Maj. das Scepter fuͤhren / wenn ſie ſich ſelbſt der Untertha - nen berauben / und das Schwerdt in eignen An - dern wuͤten laſſen wollen. Alle Herrſchafften / darinnen man allzu viel Schaͤrffe brauchet / beſte - hen nicht lange. Denn welchen man zu viel fuͤrchten ſoll / den haſſet man / und welchen man ſchon haſſet / der ſolte viel lieber todt denn lebendig ſeyn. Wo Recht iſt / da muß auch Gnade ſeyn: Dieſe beyden zieren einen Monarchen / wie Sonn und Mond den blauen Himmel / und hierdurch kan er nur den Goͤttern am nechſten kommen. Verflucht ſey aber die allzu groſſe Guͤtigkeit / er - wiederte Chaumigrem gantz zornig / welche den eignen Fall befoͤrdern kan. So ſchneide undbren -380Der Aſiatiſchen Baniſe. brenne man denn ſo lange / biß der Staats-Coͤr - per friſch Gebluͤte von ſich giebet Beyde muͤſſen gemaͤßiget ſeyn / wolte ihn der Rolim beſaͤnftigen / doch hat die Gnade den Vorzug / wo etwa ein U - berfluß ſolte begangen werden. Zudem iſt auch ein Regente an die Geſetze gebunden / daß er nicht allenthalben frey zu verfahren hat. Durch wel - che Worte ſich Chaumigrem ziemlich beleidiget fand / und dannenhero ſeine Ungedult deutlich mercken ließ. Vermaledeyet ſey das Geſetze / hub er an / welches die Macht eines freyen Koͤni - ges einzuſchrencken ſich bemuͤhet. Ratio Status iſt die eintzige Richtſchnur groſſer Herren / und hat die Gerechtigkeit zur Stieff-Schweſter. Der Rolim wolte iedennoch ſein geiſtliches Anſehen behaupten / und hielt ihm ungeſcheut das Wider - ſpiel. Dem gekroͤnten Haupte / fuhr er ferner fort / ſtehet es ſehr wol an / wenn es ſeinen Scep - teꝛ nach dem Wincke der Geſetze und Rechten fuͤh - ret. Denn / wo ſich ein Reich in begluͤcktem Wolſtande befinden ſoll / ſo muß Herr und Unter - thanen denen Rechten verpflichtet ſeyn; Ob zwar iedes in umſchraͤcknter Maſſe. Ratio Status aber iſt hingegen die verdammte Rathgeberin / daß man weder Vater noch Mutter / weder Kinder noch Geſchwiſter / weder Treu noch Glauben / we - der Goͤttliches noch Weltliches Geſetze verſcho - net / ſondern durch Liſt / Falſchheit Tyranney al - le Rechte unterdrucket / die Unterthanen ins Elend ſtuͤrtzet / ſich aber ſelbſt ein erſchreckliches Endeauff381Anderes Buch. auff den Halß zeucht. Was Rechte? Was Treu und Glauben? endigte Chaumigrem dieſe Rede / welche ihm gar nicht anſtaͤndig war / wenn wir durch ſolche Gelegenheit dem Volcke das Schwerdt in die Hand geben / uns den Halß zu brechen / ſo ſeyd ihr alsdenn viel zu unvermoͤgen / uns zuhelffen. Darum antwortet nach unſerm Willen. Hier nahm ſich nun der Rolim Gele - genheit / die von der Fraͤulein von Anſeda entdeck - te Heimligkeit zu hinterbringen / welches er aber auff dunckele Art vorzubringen bemuͤhet war / in - dem erſagte: Weil denn J. M. um die Sicher - heit ihres Staats allzu ſehr bekuͤmmert ſeyn / und ſie ein treues Beyrathen von meiner Politiſchen Unvermoͤgenheit erfodern / ſo ſehe ich wol aus dem Liechte eines reiffern Nachdenckens / nachdem durch der Goͤtter Verhaͤngniß der gantze Maͤnn - liche Stamm von Xemindo dermaſſen ſeinen Un - tergang empfunden / daß auch nicht ein einiger mehr verhanden ſey / auff welchen das unwillige Volck einig Abſehen haben koͤnte / wie es hoͤchſt von noͤthen ſey / ſich auch durch den Tod eines Frauenzimmers den Weg zur vollkommenen Sicherheit zu bahnen. Weil nun dieſe Rede dem Chaumigrem zu dunckel ſchien / als begehrte er eine deutlichere Erklaͤrung hiervon / welches iedoch der Rolim nicht viel klaͤrer von ſich gab. Jch mey - ne / ſagte er / des Xemindo Stamm muß auch in dem Weiblichen Geſchlechte nicht verſchonet werden. Denn die Princeßin / welche bey Lebens -zeit382Der Aſiatiſchen Baniſe. zeit rechtmaͤßigen Anſpruch zur Crone haben / auch durch ihre Gegenwart die Gemuͤther des Volckes an ſich ziehen kan / muß dennoch / ihrer Schoͤnheit ungeachtet / ein Opffer der Unbarm - hertzigkeit und des Todes ſeyn. Als nun Chau - migrem hieruͤber ziemlich ungedultig wurde / und ihm anbefahl / ſeine Gedult nicht laͤnger zu miß - brauchen / ſo brach er endlich mit dieſen Worten herauß: Getreue Raͤthe ſind eines Fuͤrſten Fern - Glaͤſer / wodurch er das jenige in Erfahrung und zu Geſichte bekoͤmt / was ſonſten wohl ſeinen Au - gen verborgen bliebe. So wiſſe demnach J. M. daß Fraͤulein Baniſe / des Xemindo juͤngſte Prin - ceßin / uͤber welche doch ein toͤdtlicher Spruch geſchehen / annoch im Leben / und in dieſer Stadt heimlich verborgen ſey. Das wollen die Goͤtter nicht! hub der entruͤſtete Chaumigrem an / daß ſich einige Creatur unterſtehen ſolte / unſerm Be - fehl im geringſten einigen Abbruch zu thun. Ent - decket uns alſobald bey eurem Gewiſſen / wer ſich durch dieſes frevele Beginnen / als ein Feind des Kaͤyſers erzeiget. Es iſt mir / endeckte der Rolim ferner / mit des Abaxars Untergange nicht gedie - net: ich haͤtte auch ſolches bey einem ewigen Stillſchweigen bewenden laſſen / wenn mich nicht mein Gewiſſen / und die hohe Treue / womit ich Jhr. Maj. verpflichtet bin / hierzu angetrieben haͤtte / daß ich gezwungen ſagen muß: Abaxar iſt der Princeßin Lebens-Erhalter. Hieruͤber ent - ruͤſtete ſich nun Chaumigrem dermaſſen / daß erfaſt383Anderes Buch. faſt zu raſen ſchiene: Wo iſt die Baͤſtie /; rieff er voller Wuth / wo iſt der Ertz-Verraͤther? Alſo - bald Martong ſchaffet ihn bey Verluſt eures Kopffes nach Verflieſſung einer Stunden hie - her. Worauff er ſich in das innere Zimmer be - gab / dem Rolim / Ponnedro und andern aber an - befahl / biß auff des Abaxars Ankunfft zu verzie - hen. Hier ſendete nun Martong vier hundert Mann nach dem Schloſſe des Talemons / und ließ den Abaxar gemeſſenem Befehl nach in Ket - ten und Banden herzu hohlen: Welcher auch nach verfloſſenen Stunden angemeldet / und vor des Tyrannen Augen gebracht wurde. Du ſchelmiſcher Verraͤther! fuhr ihn Chaumigrem an / ſo bald er ihn nur anſichtig wurde / iſt nicht der Befehl an dich ergangen / die Tochter des beſtraff - ten Xemindo gleichfalls hinzurichten? E. M. Be - fehl / antwortete Abaxar mit unerſchrockenem Angeſichte / iſt ſo ſchleunig von mir vollzogen wor - den / daß ich mit eigner Hand den Sebel durch den Alabaſter-Halß ſchluge. Zudem iſt ja der enthaupte Coͤrper von ſo viel tauſend Augen oͤf - fentlich beſchauet / und die todte Princeßin bejam - mert worden! daß ich alſo dieſes Vorgebrachte mit Recht eine geiſtliche Unwarheit nennen kan. Der Rolim redete ihm zu / und ſagte: Abaxar / gebet der Warheit die Ehre / und geſtehet es bey zeiten / vielleicht kan durch eine reuige Bekaͤntniß die Pforte der Kaͤyſerlichen Gnade noch eroͤffnet werden. Alsbald entdecke / wuͤtete Chaumigremfer -384Der Aſtatiſchen Baniſe. ferner / du verteuffelter Boͤſewicht / auff was vor eine Verraͤtherey der ſo boßhafftige Verzug mei - nes Befehls ſein ſchlimmes Abſehen habe / damit du alsdenn noch die Ehre haben kanſt / von Kaͤy - ſerlicher Hand niedergeſebelt zu werden. Als ſich nun Abaxar dermaſſen betreten / und von dem Rolim verrathen ſahe / hielte er ferneres Laͤugnen nur vor unnoͤthig / dannenhero er mit tapffermuͤ - thigen und ernſten Worten dieſes Bekaͤntniß vorbrachte: Meinen Tod werden die Goͤtter an dir verdammten Pfaffen raͤchen: Vor das un - ſchuldige Blut der unvergleichlichen Princeßin aber zu buͤſſen / ſcheinet auch die Hoͤlle mit aller ihrer Qvaal zu wenig vor dich zu ſeyn. So ſol - len demnach J. Maj. ein freymuͤthiges Bekaͤnt - niß von mir zu gewarten haben / und wiſſen / daß ihre Lebens-Erhaltung mir die Betrachtung ih - rer uͤberirrdlſchen Schoͤnheit abgezwungen. Jh - re blitzende Augen zerſchmeltzeten die Schaͤrffe des Sebels / und ihre ungemeine Anmuth raube - ten mir alle Kraͤffte / den Befehl zu vollziehen. De - rowegen ich einer Sclavin von meinen Leuten das Leben nehmen / und ſie ſtatt der Princeßin auf den Marckt werffen laſſen: Sie aber habe ich in meinem Hauſe unter dem Schutz der Goͤtter verborgen gehalten / aus keinen andern Urſa - chen / als ihr ſchoͤnes Leben zu erhalten / und ver - hoffentlich mich ſelbſt bey Jhrer Majeſtaͤt da - durch angenehm zu machen. Jch bin willig /auff385Anderes Buch. auff(†)Jſt bey den Japonern eine Art der Lebens-Straf - fe / welche ſich es vor eine groſſe Gnade und Ehre halten / wann ſie ſich ſelbſt mit einem Meſſer den Bauch kreutz - weiſe auffſchneiden duͤrffen. Je behertzter ſich nun einer hierinnen bezeiget / ie groͤſſern Ruhm hat er davon. Happel, Rel. Car. Thom. I. p. 146. Japoniſche Art meinen Bauch vor J. M. Augen eigenhaͤndig auffzuſchneiden / wo - ferne nur ſolches zu Erhaltung dieſer Schoͤnen einigen Beytrag thun kan. Chaumigrem wol - te vor raſendem Zorne faſt zerberſten / und fehlete nicht viel / er haͤtte den Abaxar im Zimmer nieder - geſebelt / wo ihm nicht der Rolim vernuͤnfftigen Einhalt gethan haͤtte. Jnmittelſt ließ er ſeinen Grimm durch folgende Worte und grauſamen Befehl ausduͤnſten: Daß nicht alſobald tau - ſend Hencker erſcheinen / und dir verfluchten Hund den verdammten Lohn durch Pech und Schwe - fel ertheilen. Darffſt du vermaledeyter Erd - Wurm dich deſſen unterſtehen / dem ſtrengen Be - fehl unſerer geheiligten Majeſtaͤt boßhafftig zu widerſtreben? Ein Tod iſt viel zu wenig / auff die - ſes Verbrechen / du ſolſt hundert Arten davon empfinden. Alſobald laſſet ihn noch haͤrter mit Ketten und Banden belegen / und ihn in dem ab - ſcheulichſten Gefaͤngniſſe das grauſamſte End - Urtheil ſeines Lebens erwarten. Nach dieſem verfuͤget euch eilend mit gewaffneter Hand nach des Verraͤthers Hauſe / und laſſet keinen Hund drinnen leben: Vor allen Dingen zerreiſſet dieB bjunge386Der Aſiatiſchen Baniſe. junge Natter / und den gifftigen Uberreſt des Xe - mindiſchen Ottergezuͤchts in tauſend Stuͤcke / den Kopff bringet uns zum Zeugniß eines beſſern Ge - horſams hieher. Welches der Unter-Feld-Herr Martong zu verrichten / auff ſich nehmen muſte. Und ſo ward der ungluͤckſelige und getreue Aba - xar in das grauſamſte Gefaͤngniß hingefuͤhret / welches alles / ja die vor Augen ſchwebende grau - ſame Todes-Art ihm nicht ſo zu Hertzen gieng / als der jaͤmmerliche Untergang der ſchoͤnen Princeſ - ſin. Er verſuchte den Martong auff unterſchie - dene Art / zu einiger Barmhertzigkeit zu bewegen / und bemuͤhete ſich aͤuſerſt / die Vollſtreckung des grauſamen Befehls nur noch in etwas auffzuzie - hen / ob nicht die Goͤtter des Tyrannen Hertze er - weichen moͤchten / daß er ſie nur zuvor zu ſehen be - gehrte: Allein Martong ſpiegelte ſich an des A - baxars Fall / nnd eilte ſonder einige Antwort mit ihm ins Gefaͤngniß. Dem Ponnedro drang der Baniſen Tod durch das Hertze / und als ſich nie - mand / auſſer dem Rolim / mehr bey dem Chau - migꝛem befand / kunte er ſich unmoͤglich enthalten / der armſeligen Princeßin durch einige Vorbitte zu ſtatten zu kommen / und ſolte es auch ſein Leben koſten. Dannenhero er ſich auch mit demuͤthig - ſten Geberden naͤherte / und den Tyrannen alſo anredete: E. M. erlauben ihrem geringſten Die - ner / dieſes wenige beyzutragen / daß ich aus bloſſer Liebe zur Warheit und mit verpflichtetem Her - tzen ſagen duͤrffe / es ſey zwar das Kaͤyſerliche mirun -387Anderes Buch. unwuͤrdigſt anvertrauete Frauenzimmer ein Himmel voller Sternen: Allein durch den Tod der unvergleichlichen Baniſen wuͤrde die Sonne untergehen Chaumigrem ſtund hierauff etwas in Gedancken / und ein tieffes Nachdencken ſchien ſeine Zunge zu binden: Endlich antwortete er dem Ponnedro / ſagende: Huͤtet euch / Ponnedro / daß dieſes Vorbringen nicht aus einer alten Ge - wogenheit gegen vorige Herrſchafft herruͤhre / ſonſt werden wir euch dem Xemindo zur Auffwar - tung in jenes Leben nachſchicken. Mein Kopff ſoll der Zungen Vorwitz bezahlen / war Ponnedro mit der Antwort bald fertig / wenn nicht J. M. eine dreyfache Erfuͤllung meiner Worte in den ſchoͤnen Augen eꝛblicken wird. Der Rolim gab in - deſſẽ mit einigem Kopffſchuͤtteln ſein Mißvergnuͤ - gẽ zu verſtehẽ / ſo gar / daß er endlich in dieſe Wor - te heraus brach: Getreue Raͤthe ſollen den Aertz - ten gleichen / welche dem Krancken nicht alles / was ihm beliebt / ſondern was deſſen Geſundheit befoͤrdert / darreichen ſollen. Dieſer Rath aber des Ponnedro ſcheinet verdaͤchtig / ja hoͤchſt ge - faͤhrlich zu ſeyn. J. M. laſſen um der Goͤtter willen die Vernunfft hier gelten / und bedencken / daß der Vorwitz / die vermeynte Schoͤnheit zu ſe - hen / einen ſolchen ſtrengen Gifft mit ſich fuͤhre / welcher durch die Augen in das Hertz dringen / und die gantze Majeſtaͤt verderben kan. Denn durch das Anſchauen beherrſchen die ſchwachen Weibsbilder die ſtaͤrckſten Maͤnner / ihr FlehenB b 2und388Der Aſiatiſchen Baniſe. und Bitten ſind Gebote / ihre Thraͤnen wilde Waſſer / welche den Damm des beſten Vorſa - tzes durchdringen / und ihre Seufftzer ſind Sturm - Winde / denen auch der unbeweglichſte Coloſſus nicht widerſtehen kan. Die Augen ſind die Ver - raͤther unſerer Freyheit. Es iſt ein kurtzes Ding um einen Augenblick / hat aber ein langes und ge - faͤhrliches Auſſehen / wenn es zur Unzeit geſchicht. Zugeſchweigen / wie unanſtaͤndig es einem ſo groſ - ſen Printzen ſey / wenn er zwar viel Voͤlcker / nicht aber ſein Gemuͤthe beherrſchen koͤnne. So laſſen denn E. M. den Wurm in der Ferne toͤdten / ehe er in der Naͤhe verletzen kan. Nach dieſen Wor - ten ſchiene Chaumigrem im Hertzen gleichſam mit ſich ſelbſt zu kaͤmpffen / und die Begierden hielten mit der Ehrſucht einen gewaltigen Streit / wodurch denn Ponnedro in groͤſte Angſt verſetzet ward / weil er nicht unbillig beſorgete / des Rolims vielvermoͤgender Ein-und Blut-Rath moͤchte die Oberhand erhalten. Endlich trugen doch die Be - gierden den Sieg davon / welchen er durch dieſe Worte zu verſtehen gab: Gleichwol muͤſſen wir erfahren / ob Ponnedro die Warheit geſaget habe. Eilet derowegen / Ponnedro / ehe ihre Hin - richtung unſern Befehl erfuͤllet hat / und laſſet ſie Angeſichts hieher bringen. Dem Ponnedro haͤtte kein angenehmer Befehl auffenleget werden koͤnnen: Dannenhero er Fuß-faͤllig vor ſo gnaͤ - diges Auffnehmen ſeiner Worte danckete / und in vollen Spruͤngen ſeinen Gehorſam erwieß. DerRo -389Anderes Buch. Rolim aber fand ſich hierdurch nicht wenig be - leidiget / dannenhero er mit dieſen Worten ſeinen Abtritt nahm: So nehme ich gebuͤhrenden Ur - laub von E. M. indem ich kein Zeuge derjenigen Thorheit ſeyn mag / welche ein Weibesbild in ei - nes Kaͤyſers Gemuͤthe erwecken kan. Jch erin - nere aber zuletzt / nur wol zu bedencken: ie ſchoͤner der Molch / ie ſtaͤrcker und gefaͤhrlicher ſey auch der Gifft. Nach deſſen Abſchied ſich Chaumi - grem gantz einſam befand. Jn ſolcher Einſam - keit verneuerte er vorigen Begierdens-Kampff / und uͤberlegte des Rolims Warnung auffs ge - naueſte / pflichtete auch ſelbtem / ſo weit es die Staats-Klugheit erfoderte / willig bey / ſo bald es aber an die Vorſtellung ihrer Schoͤnheit kam / ſo hieß es nach jenes gelehrten Poetens wahren Be - ſchreibung:

Wahr iſts / die Schoͤnheit iſt Achillens Spieß
und Schwerdt /
Die einen Telephur verletzt und wieder
heilet /
Die Schoͤnheit iſt ein Gifft / das toͤdtet und
ernehrt /
Ein Blitz / der Ruhe ſtoͤrt / und Unmuth doch
zertheilet.
Ein Brand / der Staͤdte tilgt / und Laͤnder doch
erhaͤlt /
Ein Pfeil / der Wunden macht / und gleich -
wol Luſt erwecket /
B b 3Durch390Der Aſiatiſchen Baniſe.
Durch ſie ward Troja grauß / doch Rom das
Haupt der Welt:
Ein Wein / der Wermuth iſt / und doch wie
Zucker ſchmecket.

Ja freylich / hub er endlich zu ſich ſelbſten an / Treueſter Rolim / ſolte dein Rath mit beyden Haͤnden ergriffen werden / wenn nicht bereits ein gefaͤhrlicher Augenſchein das vorhin Felſen - gleiche Hertz dermaſſen eingenommen haͤtte: daß Ehre und Liebe ſchon damals einen haꝛten Kampf - Platz in meiner Seelen hielten. Die Goͤtter wiſ - ſen es / wie mir zu Muthe war / als ich den toͤdt - lichen Ausſpruch uͤber dieſes Bild ergehen lieſſe / welches mich auch von ferne mit ſeinen Strahlen entzuͤndete / und durch ſeine Blicke mehr beleidig - te / als es einem Monarchen zu erdulden anſtaͤn - dig iſt. Doch erhielt die Ehre damahls den Sieg / und wolten die Goͤtter / der treuloſe Abaxar haͤtte ſein unzeitiges Erbarmen eingeſtellet / ſo waͤre ih - re Seele zur Ruhe / und mein Geiſt in unwiſſen - der Vergnuͤgung geblieben. Allein / da ich ſie / als die einige Unruhe meiner Seelen / noch am Leben wiſſen ſoll / ſo fuͤrchte ich ſehr / es moͤchte die Liebe den Lorbeer / und ihre Schoͤnheit den Sie - ges-Crantz uͤber einen Monarchen / davon tra - gen. Jedoch wird auch die Engel-gleiche Prin - ceßin den Vortrag meiner Liebe mit willigem Hertzen annehmen? Wird ſie auch demjenigen einen holden Blick goͤnnen / welchen ſie im Hertzen als einen Moͤrder ihres Vaters / und einen Hen -cker391Anderes Buch. cker aller ihrer Verwandten / ja als einen ge - ſchwornen Feind ihres Geſchlechts anſiehet? wird ſie mich auch einiger Gegen-Liebe wuͤrdigen / oder nur ihr Ohre zu Entdeckung meiner Flammen er - theilen. Ach ſchwerlich! Denn die Natur gehet aller Liebe vor. Halt derowegen inne / tapfferer Chaumigrem! was wilſt du deine Gunſt einer verfluchten und abgeſagten Feindin wiedmen / und einem Crocodile ſchmeicheln? Was wilſt du dei - nen Thron durch eine ſo verhaßte Brunſt befle - cken? Es heget ja dieſes groſſe Reich ſo viel ſchoͤ - ne Sterne / welche es ſich vor das hoͤchſte Gluͤcke ſchaͤtzen / wenn ſie ſich bey meinen Strahlen waͤr - men / und von meiner Sonnen ihr Liecht em - pfangen duͤrffen. Doch ach / vergebene Worte! ſo wolte ich reden / wenn ich ſie nie geſehen haͤtte. So bald ich mir in etwas die von ferne nur er - blickte Roſen-Wangen / die ob zwar benetzten / doch voller Anmuth blitzende Augen / den wohlge - ſetzten Leib / mit einem Worte / die vollkommenſte Schoͤnheit / vorſtelle / ſo werde ich gleichſam vom Blitze geruͤhret / und der toͤdtliche Befehl verwan - delt ſich in lauter ſuͤſſe Liebes-und Lebens-Worte. So tadle denn gantz Brama und Pegu dieſe Flammen: Gnug / daß ich thue / was mir gefaͤllt / und daß ich in einem ſolchen Stande lebe / welcher von andern keine Erklaͤrung leidet. Allein / wo - hin? Chaumigrem! wohin? wo bleibet die Eh - re? wo bleibet deine Sicherheit? wo bleibet des Reiches Nutzen / welchem die Wolluſt billichB b 4wei -392Der Aſiatiſchen Baniſe. weichen muß? durch der Princeßin Erhebung kriegen die mißguͤnſtigen Peguaner Lufft und Ge - legenheit / ihr boͤſes Abſehen zu bewerckſtelligen / und ſich des Bramaniſchen Jochs zu entledigen. Zudem iſt bereits Gifft und Haß in ihrem Her - tzen gegen mich / durch grauſames Verfahren ge - gen ihr Hauß / ohne allen Zweiffel dermaſſen tieff eingewurtzelt / daß ich ſie und einen gereitzten Dra - chen mit gleicher Sicherheit umfaſſen werde. Doch nein! von einer ſchoͤnen Seelen iſt dieſes nicht zu vermuthen. Baniſe wird ſich bekehren. Denn die Liebe iſt maͤchtig genung / allen Vor - ſatz des Frauenzimmers einzureiſſen. Und alſo / O ihr Goͤtter / wird Chaumigrem geqvaͤlet. Schauet / wie Furcht / Liebe und Ehre in meiner Bruſt kaͤmpffen / weil ich den rechten Zweck ver - fehlet habe. Doch ſoll die Liebe die Oberhand be - halten. Baniſe ſoll leben? Was leben? ihr Le - ben iſt mein Todt / ihre Liebe mein Untergang. Jhre Gegenwart aber ſoll hierinnen den Aus - ſchlag geben. Bezwinge dich derowegen / du ſonſt unuͤberwindliches Hertze / und laſſe mehr Grau - ſamkeit als Liebe gegen dieſe Sirene ſpuͤren.

Nach ſo langem Seelen-Streite wurde ihm die Ankunfft der Princeßin bedeutet / welche auff deſſen Befehl ſo fort in das Zimmer von dem Martong und Ponnedro begleitet wurde / da denn ihre Anmuth und Schoͤnheit / ſo langen Leid - weſens ungeachtet / annoch / wo nicht vermehret / doch in ſeiner Vollkommenheit zu ſeyn ſchiene. Die393Anderes Buch. Die haͤuffig flieſſenden Thraͤnen vermochten nichts von ihrer Wangen-Zierde wegzuſchwem - men / und ihr holdſeliges Weſen ſetzte den Chau - migrem in eine ſo tieffe Betrachtung / daß er ſie eine geraume Zeit nicht anzureden vermochte. So muß ſie / ſchoͤne Feindin / fieng er endlich an / dieje - nige ſeyn / welche durch ihr Leben meinen Willen widerſtehet. Die Princeßin hingegen bemuͤhete ſich auffs aͤuſſerſte / durch hefftigſte Zorn-Blicke / ſich nicht allein ihm verhaßt zu machen / ſondern auch durch viele Schelt-Worte den Tyrannen dahin zu zwingen / daß er an ihr den Todes-Be - fehl moͤge vollziehen laſſen. Weder den Goͤttern / hub ſie thraͤnende an / noch dir / du Blut-begieri - ger Tyrann / vielweniger dem Abaxar / welcher mir wider meinen Willen das Leben gefriſtet / er - keñe ich mich mit dem wenigſtẽ Dancke verpflich - tet. Denn ich ſchaͤtze dieſes vor die hoͤchſte Straffe der Goͤtter / daß ich mit meinen Augen den Ver - raͤther meines Vaterlandes / den Hencker meiner Freunde / und den Moͤrder meiner Landes-Leute ſehen / mich aber nicht nach Wunſche an ihm raͤ - chen ſoll. Haͤtte der Himmel doch noch ietzo dem Ponnedro das haͤrteſte Ungluͤcke unterwegens be - gegnen laſſen / ehe er den Todes-Streich auff mich zuruͤcke ziehen kunte: ſo waͤre ich hoͤchſt ver - gnuͤgt geſtorben / und koͤnte dich bereits in der E - wigkeit / nebſt meinen werthen Eltern / bey den Goͤttern / als einen Tyrannen anklagen / und ſie um grauſamſte Rache wider dich anruffen. SieB b 5bemuͤ -394Der Aſiatiſchen Baniſe. bemuͤhet ſich vergebens / erwiederte Chaumigrem mit bereit entflammten Hertzen / holdſelige Prin - ceßin / durch ihre harte Worte mich zu einiger Un - gedult oder Zorn zu bewegen. Sie geuſt vielmehr Oel in das bereits lodernde Liebes-Feuer / indem auch dieſe Entruͤſtung ihre Anmuth um ein groſ - ſes vermehret. Ach wolten die Goͤtter / fuhr die ungedultige Baniſe fort / ich koͤnte eine lebendige Hoͤlle vorſtellen / ſo wolte ich mich gluͤckſelig ſchaͤ - tzen / wenn ich durch deinen Untergang / du Blut - hund / die ſuͤſſe Selbſt-Rache befoͤrdern koͤnte. Allein weder dieſe noch andere Schmaͤhe-Worte waren maͤchtig genung / ſeine Glut zu daͤmpffen / welcher ſich nunmehr auff das empfindlichſte ge - ruͤhret befand / und ſich feſte entſchloſſen hatte / ih - rer Liebe in kurtzem durch Bitten oder Gewalt / theilhafftig zu werden. Dannenhero er ihr eine kurtze Bedenck-Zeit mit dieſen Worten ertheile - te. Weibliche Gemuͤther ſind leicht in Harniſch zu jagen. Jch habe aber gute Hoffnung / der A - bend werde mir gewehren / was der Morgen ver - weigert hat. Jch will ihr ſechs Tage Bedenck - Zeit erlauben / ſo wohl der erſten Hitze einige Aus - flucht zu goͤnnen / als auch wohl zu uͤberlegen / ob nach verſchwundener Hoffnung aller Huͤlffe / des Kaͤyſers Haß oder Liebe zu wehlen ſey. Jnzwi - ſchen binden wir euch / Ponnedro / dieſe Schoͤne auff eure Seele / laſſet das ſchoͤnſte Zimmer zu ihrer Wohnung / und Koͤnigliche Auffwartung zu ihrem Dienſte beſtellen. Nach ſechs Tagenhof -395Anderes Buch. hoffen wir dasjenige gutwillig zu genieſſen / was ſie ietzt vermeynt / uns nimmermehr zu erlauben: denn die Zeit kan alles aͤndern. Mit welchen Worten er ihnen den Ruͤcken zukehrete / und das Zimmer verließ. Ponnedro nahm hierauff die vertraute Auffſicht mit Freuden an / troͤſtete die Princeßin mit den beweglichſten Worten / und ſuchte ein ſolches Zimmer auff der Burg zu ihrer Beqvemligkeit aus / welches nicht allein unter - ſchiedene Ausgaͤnge hatte / ſondern auch zu Aus - fuͤhrung eines und des andern Anſchlages ſehr be - qvem war.

Die ſchoͤne Princeßin hatte kaum das Zim - mer als ein freyes Gefaͤngniß betreten / ſo hatte ſie Ponnedro mit Hinterlaſſung ſeines Dolches et - was verlaſſen / in welcher Einſamkeit ſie denn ih - rer Wehmuth den Zuͤgel voͤllig ſchieſſen ließ / und den Dolch / aus uͤbeln Vorſatz / in ihre Hand nahm: So muß ich euch / redete ſie mit benetzten Lippen / O ihr wertheſte Seelen meiner Anver - wandten / auch wider meinen Willen die ewige Gluͤckſeligkeit mißgoͤnnen / als die ihr bereits in der geſtirnten Ewigkeit eure vollkommene Ver - gnuͤgung erreichet / mich aber / mich Elende / in der Angſt-Grube dieſer Welt / der Himmel weiß / zu was noch vor Ungluͤcke hinterlaſſen habt. Ach haͤtte ich doch zugleich der bekuͤmmerten Seelen durch einen verborgenen Dolch einen rothen Aus - gang geſucht / als mir der Tyranne nicht zwar aus Barmhertzigkeit / ſondern zu Vermehrung mei -ner396Der Aſiatiſchen Baniſe. ner Hertzens-Qvaal / erlaubte / den ohnmaͤchtigen Geiſt meines ſterbenden Vaters durch ein Glaß Waſſer zu erqvicken: ſo waͤre ich an dem Ort der Ruhe / und duͤrffte keiner fernern Raſerey eines Tyrannens gewaͤrtig ſeyn / und es haͤtte ſich meine kindliche Pflicht auch im Tode dem Vaͤterlichen Geiſte beygeſellet. O ich verlaſſene! Ach ich E - lende! die ihr hoͤchſtes Gluͤcke in einem ſchleuni - gen Tode ſuchen muß. Auff derowegen bedraͤng - te Baniſe! das wunderſame Verhangniß giebet dir nicht ohngefehr dieſen Dolch in die Hand. Laſſe dich die Todes Larve nicht ſchrecken. Bloͤ - den Augen ekelt nur vor dem Tode / und verwehn - te Lippen wollen nicht Aloe koſten. Jch ſehe doch wol / daß der Himmel keine frembde Hand mit meinem Blute beſpruͤtzen wil: ſo dancke ich ihm um ſo viel deſto mehr / daß er dennoch meiner Fauſt und dieſem dienſtfertigen Stahl die Macht uͤberlaſſen hat / den Kercker des geaͤngſteten Lei - bes zu eroͤffnen / und die geqvaͤlte Seele in er - wuͤndſchte Freyheit zu ſetzen. So komme denn / du edler Dolch / und ſey das Werckzeug einer tapffermuͤthigen Erloͤſung: Denn ein ruͤhmli - cher Tod iſt doch die beſte Bahn zu unſerer Frey - heit. Nach welchen Worten ſie ihre Bruſt auff - riß / und durch einen toͤdtlichen Stoß ſich des Le - bens berauben wolte. Ponnedro aber trat gleich / als geruffen / zur Thuͤre hinein / und wie er ihr ver - zweiffeltes Vorhaben bemerckete / ſprang er hin - zu / und begriff ihre Fauſt / mit welcher ſie bereitsden397Anderes Buch. den Dolch zum Stoſſe gefaßt hatte. Sie hal - te zuruͤcke / Gnaͤdigſte Princeßin / ſchrie er ihr zu / denn Großmuth und Verzweiffelung koͤnnen nicht in einer Seele beyſammen wohnen. Sie laſſe die Vernunfft herrſchen / und verbanne ſolche unanſtaͤndige Todes-Gedancken. Denn ſein eigener Hencker werden / und des Feindes ver - ſchonen / iſt eine Frucht der Thorheit; Womit er ihr den Dolch aus der Hand / und wieder zu ſich nahm. Wie / untreuer Ponnedro / ſahe ſie ihn mit zornigen Augen uͤber die Achſeln an / kanſt du wol deine rechtmaͤßige Erb-Princeßin geſchaͤndet ſehen? Hat nicht mein Vater um dich und dein Geſchlechte ſo viel verdienet / daß du ſeiner Toch - ter viel eher befoͤrder-als hinderlich fallen ſollſt. Eben durch dieſe Verhinderung / erwiederte Pon - nedro / belieben ſie meine Treue zu erkennen / mit was vor Pflichten ich ihr als dem letzten Zweige des / um gantz Pegu hoͤchſt-verdienten Stammes noch verbunden lebe. Denn ihr Todes-Fall wuͤr - de dem Tyrannen eine ſchlechte Rache / vielmehr eine hertzliche Freude ſeyn. Wenn nunmehro ſein Verlangen erfuͤllet / und er ſich in voͤlliger Si - cherheit ſehen wuͤrde: Des Elephanten Fall er - druͤcket ſeinen Feind zugleich mit: Hier aber wuͤrde das letzte Liecht und einige Hoffnung des gantzen Reichs verleſchen / da doch nicht der ge - ringſte Feind durch ihren Tod untergehen wuͤrde. Wo ſo viel tauſend Maͤnner-Haͤnds / war ihrEin -398Der Aſiatiſchen Baniſe. Einwenden / nichts auszurichten vermoͤgen / da kan billich eine ſchwache Weibeꝛ-Fauſt nichts an - ders thun / als vor Wehmuth den Dolch in eigene Bruſt begraben. O unbeſonnener Zweiffel / verſetzte Ponnedro / welcher aus einer verwirreten Seelen entſpringet: gleichſam / als wenn diß et - was unerhoͤrtes waͤre / daß ein ſchwach Weibes - Bild mehr / als tauſend Maͤnner-Hertzen / ver - richtet haͤtte. Sie verſichere ſich / daß / wo Erd und Hoͤlle nichts vermag / bloß die Liſt eines Frau - enzimmers auch ſelbſt die Unmoͤgligkeit uͤberwin - den koͤnne. Dieſe Reden verwirren mich viel - mehr / antwortete Baniſe / als daß ſie mir einigen Unterricht geben ſolten. Jch weiß nicht / ob es moͤglich ſey / einige Hoffnung zur Rache und Thron ſchoͤpffen zu duͤrffen / und ob es auch rath - ſam ſey / einem feindlichen Bedienten zu trauen. Dieſes Mißtrauen merckende / bemuͤhete ſich Ponnedro eyfferigſt / ihr ſolches zu benehmen: Es muͤſſe mich / ſchwur er / die Gottheit mit ewiger Straffe belegen / wo einige Schlange der Untreue in meinem Hertzen wohnet: Sie wolle es / gebie - tende Princeßin / vielmehr vor eine unfehlbare Schickung der Goͤtter achten / daß der Kaͤyſer mich / als eine hoͤchſt verdaͤchtige Perſon mit ſol - chen wichtigen Verrichtungen beleget / wodurch ſich leicht erwuͤndſchte Gelegenheit ereignen koͤn - te / dem Reiche zu helffen / und das Kaͤyſerliche Blut zu raͤchen. Jch beſchwere euch bey der Zukunfftunſe -399Anderes Buch. unſerer(†)Die Peguaner glauben: Die Welt ſey allbereit von vier Goͤttern regieret worden / welche alle dahin waͤ - ren: der fuͤnffte Gott aber ſey noch nicht angekommen / nach deſſen Hintritt die gantze Welt verbrennen werde. Alex Roſſ. pag. 141. fuͤnfften Gottheit / redete ihn die gleich - ſam erwachende Baniſe an / daß ihr euch zu dieſer unerlaͤßlichen Suͤnde ja nicht verleiten laſſet / eine vorhin hoͤchſt-ungluͤckſelige Princeßin noch ferner zu betruͤben / ſondern wo euch der Himmel mit dem geringſten Mitleiden beſeliget hat / ſo erthei - let mir einen erſprießlichen Rath / wie ich Leben und Ehre retten / und meine Sicherheit in den Ar - men meines geliebten Printzens von Ava ſuchen und finden moͤge. Wo die Gefahr zu Pferde ſitzet / redete Ponnedro ferner / da muß guter Rath freylich nicht auf Steltzen gehen. Weil ſich a - ber dieſes hochwichtige Werck nicht erzwingen laͤſſet / ſo wird eine kluge Verſtellung einen er - wuͤndſchten Anfang machen. Sie haben ſatt - ſam verſpuͤret / wie entzuͤndet der Kaͤyſer durch de - ro Schoͤnheit ſey. Solches beduͤncket mich ein Traum / redete Baniſe ein. Ponnedro bedeute - te ſie aber bald / ſagende: Die allzu groſſe Weh - muth und Rachgier haben ihre Augen verdun - ckelt / daß ſie ſolches nicht beobachten koͤnnen. Sie ſetzen aber kein Mißtrauen in mein Vorbringen / und wiſſen / daß ſolches Feuer gleichfalls von dem guͤtigen Verhaͤngniß der Goͤtter herſtamme. Sie laſſe demnach alle uͤbrige Haͤrtigkeit gegen dem Kaͤyſer fahren / und ſtelle ſich gegen ihn der -maſ -400Der Aſiatiſchen Baniſe. maſſen an / daß er mehr Urſache zur Liebe / als Grauſamkeit haben moͤge. Diß ſcheinet aber gefaͤhrlich / wendete die beſorgte Princeßin ein / denn ſolte der Tyrann meine Verſtellung vor be - kandt annehmen / ſo wuͤrde er zu voͤlliger Genieſ - ſung der Liebe eylen / bey deren Verweigerung a - ber wol gar ſich einiger Noth-Zucht unterfangen duͤrffen / ſo wuͤrde ich doch alsdenn mit befleckter Seele ſterben / da ich anietzo denen Goͤttern einen reinen Geiſt opffern koͤnte. Goͤttliche Huͤlffe und eigener Verſtand / erwiederte Ponnedro / muß hierinnen den beſten Rath ertheilen / wie man auff alle Weiſe und Wege der Sachen Auffſchub zu wege bringen / und des Kaͤyſers Hitze mit erdach - ten Schein-Gruͤnden / wo nicht leſchen / doch auff - haltẽ moͤge. Jch nehme ſolches endlich an / war der beſaͤnfftigten Princeßin Gegen-Rede / und bitte die Gottheit / daß ſie dem ſchweren und wichtigen Vorhaben ein erwuͤnſchtes Ende geben wolle. Jnmittelſt ſoll die Verweigerung der Liebe auſſer der Ehe die erſt Ablehnung der Hitze ſeyn. Welches ihm Ponnedro ſehr wol gefallen ließ / und ihr einen ſonderbaren Troſt ertheilete. Doch / redete Ponnedro noch ferner / habe ich noch eines und zwar etwas noͤthiges zu erinnern / welches eine ſtarcke Mitwirckung zu erwuͤnſchter Vollziehung des gantzen Werckes ſeyn koͤnte; Nemlich / daß ſie bey dem Kaͤyſer bemuͤhet lebe / bey erſter Gele - genheit Gnade / Erlaſſung und vorigen Ehren - Standt vor den / um ihr Leben gefangenen Aba -rar /401Anderes Buch. rar / auszuwuͤrcken. Jch werde auch hierinnen nichts ermangeln laſſen / antwortete Baniſe. Worauff endlich Ponnedro ſie nicht laͤnger auff - halten wolte / und ſagte: Großmuͤthige Princeſ - ſin! weil ich dero tapfferes Entſchlieſſen wider alle Faͤlle mit Freuden vernehme / ſo ſchlieſſe ich nicht allein der Goͤtter Gegenwart / und dahero gluͤcklichen Erfolg hieraus / ſondern ich kan ihr auch nicht ferner verheelen / was maſſen der treue Printz Balacin bereits ſich auff des Talemons Schloſſe eingefunden / um ſo wohl vor dero Wol - farth zu ſorgen / als auch vornehmlich ſie aus der Hand dieſes Wuͤterichs zu erloͤſen. Er iſt nun - mehro ein maͤchtiger Koͤnig / weil ſein Herr Va - ter geſtorben / und ihm auch die Crone von Ara - can zugefallen. Ob er ſie nun zwar mit gewaff - neter Hand maͤchtigſt befreyen koͤnte / ſo wil er doch zuvor durch eine beqveme Liſt ſich ihrer Per - ſon verſichern / und alsdenn der Rache wider die - ſen Tyrannen freyen Lauff laſſen. Hilff Him - mel! traumet mir? hub die erfreuete Princeßin an / ich weiß nicht / ob ich wache? Trauteſter Pon - nedro / ſolte es wol moͤglich ſeyn / daß mir in ſo truͤ - ber Nacht des Ungluͤcks ein ſolches Liecht des Heyls / an meinem Printzen aufgehen ſolte? Doch / ach / ſolte es wol ein vergebner Troſt ſeyn. Der Himmel ſtraffe mich nicht verſicherte Ponnedro / mit ſolcher Verwegenheit / daß ich ſie durch einige Unwarheit beleidigen ſolte. Er iſt verhanden / und wird ſein Leben wagen / ſie in veraͤnderter Ge -C cſtalt402Der Aſiatiſchen Baniſe. ſtalt zu kuͤſſen. Nun ſchmeltzet mein Hertze / fuhr Baniſe fort / und die Seele krieget Fluͤgel / ja ich vergoͤttere mich gantz / daß ich meinen Printzen / meinen Schutz-Engel / ſo nahe wiſſen ſoll. Du wirſt demnach / treueſter Ponnedro / ſelbtem eine kleine Schrifft uͤberbringen / und dir meine Wol - farth nebſt ihm treulich anbefohlen ſeyn laſſen. Nachdem ſie nun ſolche veꝛfertiget / und dem Pon - nedro uͤberreichet / nahm er ehrerbietigſten Ab - ſchied / machte alle benoͤthigte Anſtalt zu ihrer Be - dienung / und ſuchte Gelegenheit / auf etliche Stun - den den Printzen zu beſuchen. Welches ihm auch die Abweſenheit des Chaumigrems erlaub - te / und er ſich ſo fort auff einem fluͤchtigen Klepper nach ſeines Vaters Wohnung begab. So bald er daſelbſt abgeſtiegen / verfuͤgte er ſich ohne an - dere Beſuchung nach des Printzen Zimmer / wel - chen er auff einem Stule / ſeinen Vater vor ihm ſitzen / und den Scandor neben ihm ſtehend fand. Ponnedro hatte kaum die Schwelle betreten / ſo ruffte ihm der Printz mit wehmuͤthiger Stimme entgegen: Ach Ponnedro! ſoll ich ſterben oder leben? Wo eine ſchoͤne Princeßin lebet / antwor - tete Ponnedro / da darff ein geliebter Printz an kei - nen Tod gedencken. Haltet mich nicht auff / fuhr der betruͤbte Printz fort / und entdecket es mit beſ - ſerm Grunde / als Talemon / welcher beſorgliche Unwiſſenheit aus Pegu uͤberbracht hat / was ich zu hoffen habe. Ponnedro erwiederte: Die Princeßin lebet / und der Printz ſoll auch leben. Sie403Anderes Buch. Sie lebet / und zwar in vermeyntem Wolſtande / allein der geringſte Zeit-Verluſt kan ſie ungluͤck - lich machen. Dieſer Brieff von ihrer Hand wird meinen Worten noͤthige Erklaͤrung thun. Womit er den von der Princeßin anvertrauten Brieff ehrerbietigſt uͤberreichte. So bald er nun aus der Uberſchrifft ſeiner Princeßin wahre Schreib-Art erkennete / kuͤſſete erſolche Zeilen in - bruͤnſtig / und ſagte: Ach angenehmſte Zeilen / de - ren Schrifft nicht irrdiſche Augen / ſondern Son - nen zu leſen wuͤrdig ſind. Dieſes Pfand bekraͤff - tiget / was mir der guͤldene Ponnedro geſaget hat. Wohlan / es ſey gewaget / ich erbreche den Brieff / um bey dieſem Zucker der Galle nicht zu entwoh - nen. Worauff er das Siegel eroͤffnete / und folgende Worte darauß laß:

Wertheſter Printz!

DEſſen nahe Gegenwart iſt die Urſache mei - nes Lebens / auſſer welcher ich bereits die Grufft erkieſet haͤtte. Jndeſſen bin ich vergnuͤ - get / wenn mein Engliſcher Printz in ſolchem Zu - ſtande lebet / wie es meine Wolfarth erfordert / ob mich gleich die eiſerne Hand des wilden Ungluͤcks faſt erdruͤcken wil. Wo mich vor Verlauff des vierdten Tages eine kluge Hand befreyet / ſo werde ich erweiſen koͤnnen / wie kein Ungluͤck die Pfeiler der Liebe einzuaͤſchern vermocht habe. Auſſer dieſem werde ich zwar ſterben / iedoch eine unbe - fleckte Seele und unverbruͤchliche Treue mit ins Grab nehmen. Lebet wohl / und errettet diejeni -C c 2ge /404Der Aſiatiſchen Baniſe. ge / welche einen Fuß im Sarge / und ihr Hertze bey ihrem Printzen hat.

Baniſe.

Wehe mir! rieff der ſeufftzende Printz / die Zeit iſt zu kurtz / und ich bin verlohren! Ach! ſo iſt denn kein beſtaͤndiger Sonnenſchein mehr zu hoffen / und muß ein ieder Stern zum Cometen werden? Zwar derjenige ſolte ſich wol vor keinem Ungewit - ter mehr fuͤrchten / welchen der unguͤtige Himmel ſchon oͤffters durch harte Blitze verſehret und be - truͤbet hat: Allein wo er zugleich mit den Keu - len ſeines Zorns ſpielet / da muß auch der feſteſte Grund erzittern. Wie ſo zweiffelhafftig? Gnaͤ - digſter Herr / redete ihm Talemon ein / der Zweif - fel iſt kein Zeichen eines großmuͤthigen Hertzens. Bey ſo geſtallten Sachen muß man den Gottern vor der Princeßin Leben dancken / ſie aber nicht durch Ungedult erzuͤrnen. Hier aber muß man Gedult und Großmuth herrſchen laſſen. Jene erleichtert das Ungluͤcke / dieſe aber iſt der Anfang allerwichtigſten Dinge / durch welche auch die Un - moͤgligkeit ſelbſt bekrieget und beſieget wird. Das Gluͤcke iſt rund / vollfuͤhrte Ponnedro dieſe Rede / und gewinnet oͤffters das Anſehen / als wenn alles verlohren / und kein Mittel dem Ubel zu begegnen mehr vorhanden waͤre. Wenn man aber deſ - ſelben Umſtaͤnde Großmuͤthigſt betrachtet / ſo ver - kehret es ſich oͤffters dergeſtalt / daß / gleich wie es zuvorhero den Untergang gedraͤuet / es hernach - mals zu unſerm beſten ausſchlaͤgt / darum nur ge -troſt /405Anderes Buch. troſt / ſo lange ein Patient den geringſten Athem noch von ſich ſpuͤren laͤſſet / ſo lange hat ein behertz - ter Artzt noch Hoffnung zu des Menſchen Leben. Ein kluger Rath und behender Anſchlag kan der ſchwereſten Sache / und alſo auch hier / am beſten rathen. Ach verſchonet mich mit vergebener Hoffnung / fiel ihm der in dieſem Fall etwas kleinmuͤthige Printz in die Rede / denn ſie in ſo kur - tzer Zeit mit Gewalt zu erretten / laͤſſet die Unmoͤg - ligkeit nicht zu / weil viel hundert tauſend Mann hierzu erfodert werden. Liſt ſcheinet zu gefaͤhr - lich / weil deren mißlingender Ausgang nur ihren und viel anderer Unſchuldigen Tod befoͤrdern moͤchte. Den Chaumigrem aber zu einer guͤtlichen Abfolge zu behandeln / iſt ſo vergebliche Arbeit / als ob wir einen Mohren zu waſchen / und unſer ewiges Gedaͤchtniß in die See zu ſchreiben / bemuͤ - het waͤren. Die Bedingung aber / welche ſich der Tyranne nach verfloſſenen 4. Tagen vorbe - halten hat / moͤchte ich doch gerne wiſſen. Ponne - dro erſtattete folgenden Bericht: Die durchdrin - gende Schoͤnheit der Princeßin hat auch dieſes Tyger-Hertz bezwungen / dannenhero er von dem Gifft eingeſogener Liebe faſt zu boͤrſten vermey - net. Und weil ſich bey erſter Zuſammenkunfft die Princeßin vorſichtiger Weiſe ſehr ungeberdig ſtellete / als hat er ihr fuͤnff Tage Bedenck-Zeit eingeraͤumet / nach deren Verflieſſung er ſonder Zweiffel ſeine hefftige Liebe verfolgen duͤrffte / wo nicht der Goͤtter Huͤlffe eine gewuͤnſchte Erret -C c 3tung406Der Aſiatiſchen Baniſe. tung verſchaffet. Dem Bedraͤngten aber zu helffen / hat der Himmel mehr als ein Mittel. Zwar einige Gewalt durch unſere ſchwache Hand anietzo vorzunehmen / iſt eine Arbeit der Canini - chen / eine Loͤwen-Hoͤle zu ſtuͤrmen: den Bluthund zu einiger Guͤte zu bewegen / ſcheinet gleichfalls Diamanten mit Fingern zu zerreiben: eine von dem Him̃el geſegnete Liſt aber / hat oͤffters Stahl in Gold verkehret. Jch bin unſchluͤßig / redete Talemon ein / welcher Meynung ich beypflichten ſoll. Einige Gewalt vorzunehmen / ſolches iſt nur mit Stillſchweigen zu uͤbergehen: durch Liſt ſie dieſen Raub-Klauen zu entfuͤhren / ſcheinet eine Sache zu ſeyn / welche faſt dem Verhaͤngniß tro - tzet / worzu uns einige Ungewißheit den Segen des Himmels verweigert. Den ſicherſten Weg ſchaͤ - tze ich hierinnen zu ſeyn / wenn man ſich bemuͤhe - te / durch verſtellete Schrifften / als ob ſie aus Ava kaͤmen / dem Wuͤterich mit beweglichen Gruͤn - den die Unſchuld der Prinßin vor Augen zu ſtel - len / und um deren Erlaſſung und Abfolge freund - lich anzuhalten. O bloſſer Schatten vergebe - ner Hoffnung! widerlegte es der Printz / welchen bey voriger Grauſamkeit weder das bewegliche Flehen der Alten / das jaͤmmerliche Zuruffen der angenehmſten Schoͤnheiten / noch das eꝛbaͤrmliche Schreyen der kleinen Kinder / in Summa / das unbeſchreibliche Mord-Elend ſo vieler tauſend unſchuldigen Menſchen nicht im geringſten zu be - wegen / noch einige Seele zu erretten vermocht /den407Anderes Buch. den wird vielweniger ein todter Buchſtabe zu ei - niger Vernunfft noch Erbarmung bringen. Nein / nein / wir wuͤrden hier nur Pfeiler in die See bauen / und bey der Natter Gunſt ſuchen. Viel ſicherer und tapfferer wird dieſes ſeyn / daß ich mich in die Burg / und ſo nahe an den Blut - hund verfuͤge / daß dieſe Hand ſeine moͤrderiſche Bruſt erreichen kan. Alsdenn wil ich einen ſcharffen Dolch in das Laſter-volle Hertze ſtoſ - ſen / und hernach auch des grauſamſten Todes ge - waͤrtig ſeyn: wenn nur aus meinem Blute die Wohlfahrts-Roſe der Princeßin bluͤhet. Die - ſer Anſchlag iſt zu hitzig / erwiederte Ponnedro / ich wil nicht ſagen / verzweiffelt. Denn ſolte gleich des Tyrannen Tod erfolgen / ſo waͤre doch deſſen Anhang durch den Verluſt ihres Hauptes noch lange nicht ſo unkraͤfftig gemacht / daß nicht viel - mehr die Princeßin zugleich in andere und noch viel grauſamere Haͤnde gerathen koͤnte. So waͤ - re der Printz verlohren / deſſen maͤchtige Reiche verwaͤyſet / und der Princeßin nichts geholffen. Jnmittelſt / wendete er ſich zum Scandor / habe ich aus vorigen Erzehlungen nicht einen unebenen Verſtand geurtheilet / welcher bey ſo gaͤhlingen Faͤllen billich mit in den Rath gezogen wird. Kan ſelbter nun einen erſprießlichen Beytrag thun / ſo wird er ſich dem Printzen gnaͤdig / uns aber ver - bindlich machen. Scandor zuͤckete die Achſeln / und naͤherte ſich mit dieſen Worten: Wo ſolche Galeren das Meer der Weißheit beſchiffen / daC c 4muß408Der Aſiatiſchen Baniſemuß mein Jagt-Schiffgen des Unverſtandes billich die Segel ſtreichen. Wo aber / verſetzte ihm Talemon / die Galeeren auf verborgene Klip - pen ſtoſſen / da muͤſſen ſie ſcheitern: ein Jagd - Schiff aber ſtreichet uͤber hin. Jch kan es nicht kaͤugnen / fiel der Printz in die Rede / daß ich oͤffters in andern ob zwar nicht ſo wichtigen Geſchaͤfften / einen nicht undienlichen Rath von dir vernom - men. Zudem muß man in wichtigen Vorhaben ſich mehr als eines Raths bedienen: ſo dir nun die Goͤtter einen Einfall verleyhen / ſo melde ihn ungeſcheut. Gnaͤdigſter Herr / antwortete Scan - dor / ich habe bereits meine fúnff Sinnen auff das Rathhauß meines Gehirns zuſammen gefordert / und mit ihnen wohl uͤberleget: ob hier Liſt oder Gewalt den Vorzug haben koͤnne. So haben ſie mir insgeſamt meine Thorheit ziemlich ver - wieſen / daß ich des Wortes Gewalt auch nur er - wehnet habe. Denn ob zwar nicht zu laͤugnen / daß Ava und Aracan mit vereinigter Macht gar leicht den Tyrannen auch zu einer Fußfaͤlligen Abbitte zwingen koͤnten: ſo moͤchte ich doch gerne den Mantel / auff welchem eine ſo maͤchtige Ar - mee inner drey biß vier Tagen ſolte hergefuͤhret werden / noch vor der Hinfarth meiner Seelen ſehen. Wir aber / insgeſamt / und ob ich gleich meine Frau zur Gehuͤlffin mit nehme / ſind viel zu ſchwach / auch nur das foͤrderſte Burg-Pfoͤrtgen zu eroͤffnen. Und wenn ein Elephanten-Junge / wer da? ruffte / ſo moͤchten wir uns immer wie -der409Anderes Buch. der zu Hauſe wuͤnſchen. Der jenige aber / wel - cher das Wort Liſt im Munde fuͤhrete / der ſchie - ne beſſern Beyfall zu uͤberkommen. Die Liſt / ſage ich / wird hier mehr / als alle unſere Gewalt ausrichten. Solche kan nicht anders / denn durch eine kluge Entfuͤhrung ausgeuͤbet werden / welche mein gnaͤdigſter Herr gantz leichte ſelbſt bewerck - ſtelligen kan. Ja es kan ſelbter ungeſcheut die Princeßin in Perſon ſprechen / kuͤſſen / und er - wuͤnſchte Abrede nehmen / wie / wenn und wohin ſie folgen ſoll? Scandor ſchwermeſt du? redete ihm der Printz ein / ſchertze nicht / ſondern ſchweige viel - mehꝛ. Hieꝛ iſt keines Scheꝛtzes zu gedencken / erwie - derte Scandoꝛ / und wiꝛd mir iedwedeꝛ Bey fall ge - ben / weñ ich den Sack meiner Anſchlaͤge nur wer - de ausgeſchuͤttethaben. Es beliebe doch der Printz mit ſeinen Gedanckẽ zuruͤcke nach Pandior zu lauf - fen / und des Prieſters Worte zu holen / als wir die Gottheit des Apalita um Rath in unſerer Reiſe erſuchten. Auch dieſes iſt uns ohne dein Erinnern bewuſt / ſagte der Printz. Wiſſen ſie auch / fuhr Scandor fort / wie uns der Talipon zwey Schach - teln mit gab. Worzu dienet dieſe Erinnerung / redete ihm der Printz abermal ein / du ſucheſt nur deine Boßheit in der Weitlaͤufftigkeit zu verber - gen. Es iſt zu erbarmen / hub Scandor hierauf an / daß wir Menſchen in Goͤttlichen Sachen / ob ſie gleich unſere hoͤchſte Wolfarth befoͤrdern koͤn - nen / ſo gar nachlaͤßig ſeyn. Die letztern Zeilen / welche ich von der Princeßin uͤberbrachte / werdenC c 5dem410Der Aſtatiſchen Baniſe. dem Gedaͤchtniſſe weit beſſer eingepflantzet ſeyn / als der treue und hoͤchſt-erſprießliche Rath der ſorgfaͤltigen Goͤtter. Damit aber gegenwaͤrtige Herren / nach etwas deutlicherm Bericht / mir de - ſto eher beypflichten koͤnnen: ſo werden ſie wol in meiner vorigen Erzehlung / als ich der Beſuchung des Tempels zu Pandior erwehnte / ſich zu entſin - nen wiſſen / wie ich bey Abfertigung des Prieſters zweyer Schachteln gedachte / welche er uns mit dieſen Worten uͤberreichte: Dieſe zwey Schach - teln haͤndigen dir die Goͤtter ein / aus deren einer du dich verbergen / aus der andern wieder kom - men kanſt. Dieſe bewahre auffs beſte / denn es koͤmt die Zeit / da du durch Verſtellung Liebe und Reich zu erhalten ſuchen wirſt. Solte nun nicht die benennte Zeit ietzt vorhanden ſeyn / in welcher Liebe und Reich in Gefahr ſtehet / und wir Urſa - che haͤtten / durch Liſt und Verſtellung ſolches zu erhalten. Jch habe den Printzen verſtellet ge - ſehen / daß ich ihn ſelbſt nicht erkant habe. Solte er nun nicht / vermittelſt ſolcher Farbe / die Prin - ceßin beſuchen / und alles nach Willen bewerck - ſtelligen koͤnnen? Dieſen Rath / war des Ponne - dro Einrede / ſchaͤtze ich vor einen Einfluß des guͤti - gen Himmels / und halte ich dieſes Mittel vor ſo kraͤfftig / als wenn ich bereits die ſchoͤne Princeßin voller Freyheit ihren geliebten Printzen kuͤſſen ſaͤ - he. Jnzwiſchen holte Scandor die eine Schach - tel herzu / und verſtellete den Printzen in kurtzem dermaſſen / daß ſie faſt den Scandor vor einenZau -411Anderes Buch. Zauberer ausſchreyen wolten. Als er aber dem Printzen / vermittelſt der Blaͤtter aus der andern Schachtel / ſeine vorige Geſtalt wieder gegeben hatte / zogen ſie ſolches in hoͤchſte Verwunderung. Der Printz lobte des Scandors kluges Einra - then uͤber die maſſen / und verſprach ihm ſolche Gnade / als er ſich immermehr wuͤnſchen kunte. Mein liebſter Scandor / redete ihn der Printz an / es ſcheinet / als weñ die Goͤtter durch dich redeten / indem du nicht allein durch dieſe Erinnerung mei - nem Gedaͤchtniß zu Huͤlffe kommen biſt / ſondern auch einen erwuͤnſchten Anfang zu unſerm Vor - haben gemacht haſt. So gebrauche dich denn des himmliſchen Einfluſſes zu meinem beſten noch ferner / und erſinne eine kluge Art / wie man die Princeßin beyzeiten errette. Auch dieſes wird ſich wohl thun laſſen / antwortete Scandor / und wird die Zeit die beſte Rathgeberin ſeyn. Man mache ſich indeſſen auff gute und fluͤchtige Pferde gefaßt / und lebe bedacht / auff wa[s]vor Art man ſie unvermerckt aus ihrem Zimmer nach der Ty - ger-Pforte bringe. Diß ſcheinet ein ſchweres Unterfangen zu ſeyn / wendete Ponnedro ein / weil eine doppelte Wache vor der Thuͤre / welche zur Freyheit helffen koͤnte / geſetzet iſt. Was waͤre diß vor eine Liſt / erwiederte Scandor / wenn man nicht 1000. Augen betruͤgen koͤnte. Es faͤllet mir gleich dieſen Augenblick etwas beſſers ein / welchem ich fleißiger nachdencken / und alsdenn / wenn es vollkommen ausgearbeitet iſt / voͤllig ent -de -412Der Aſiatiſchen Baniſe. decken will. Wolan! Liebſter Scandor / er - munterte ihn der Printz / eine koͤnigliche Gnade wird deine Treue vergelten. Jnmittelſt wehr - teſter Ponnedro / werdet ihr mir behuͤlfflich ſeyn / daß ich die Princeßin wuͤrcklich zu ſehen bekom - me. Der gegebene Anſchlag wird alle Muͤhe er - leichtern. Gantz wohl / erwiderte Ponnedro / ſol - ches wird aber nicht eher / als uͤbermorgen geſche - hen koͤnnen / weil ſie der Kaͤyſer zu fleiſſig beſuchet. Damit wir aber beſſere Zeit gewinnen / ſo ſoll die Princeßin noch um einige Tage Auffſchub an - halten: alsdenn werden die Goͤtter unſer Vor - haben mit erwuͤnſchtem Segen beſeligen.

Nach welchen Worten Ponnedro zugleich Abſchied nahm / ſich wieder nach der Burg zu ſei - ner anvertrauten Princeßin verfuͤgte / und ſie durch ertheilte Nachricht ihrer Abrede in hoͤchſte Freude ſetzte. Weiln aber die Princeßin von Saavady / das Fraͤulein von Anſeda / und etlich ander Frauenzimmer ihr als Geſpielinnen zuge - ordnet waren / ſo war dem Printzen eine Verſtel - lung um ſo viel deſto noͤthiger: dannenhero er ſich nebſt dem Scandor entſchloß / ſich bey ver - ſtelltem Angeſichte / als Portugieſen / anzukleiden / und mit allerhand Wahren ſich auff der Burg bey dem Frauenzimmer anzugeben. Welcher Anſchlag zugleich dem Ponnedro durch den Ta - lemon hinterbracht wurde / welcher es der Prin - ceßin entdeckte / und ſie dadurch ein hertzliches Verlangen trug / dieſem Portugieſen was abzu -kauf -413Anderes Buch. kauffen. Talemon muſte zugleich vor etliche 1000. Ducaten werth koſtbare Wahren einkauf - fen / welche in zwey Kauff-Faͤßgen eingeſchlagen / und hernach von dem Printzen und Scandor ge - tragen wurden. Als nun der angenehme / doch ſorgſame Tag erſchienen / ſtrichen ſich der Printz und Scandor mit offt erwaͤhnter Farbe ſo wohl das Geſichte / als Haͤnde und Haare auffs fleiſ - ſigſte an / legten ihre dazu beſtellte Portugiſiſche Kleidung an / hingen ieder ein Faͤßgen auff den Ruͤcken / und traten alſo in der Haſſanen Zimmer / welche ſich hefftig zu erzuͤrnen begunt / daß ſolche fremde Geſellen ſich ſo unverſchaͤmter weiſe er - kuͤhnen duͤrfften / ihr Gemach zu betreten. Ob nun zwar Scandor ihr einige Wahren anbot / ſo konte ſie ihn doch nicht erkennen / ſondern ſchalt und ſchmaͤhte auffs hefftigſte. Scandor wolte ſie noch beſſer auff die Probe ſetzen / ſagende: er haͤtte eine vortrefliche Gallen-Tinctur, welche gleich nach dem Gebrauch eine boͤſe Frau beſaͤnff - tigen koͤnte. Allein hiedurch haͤtte Scandor ſich bald in Ungelegenheit geſetzet / indem ſie vor Zorn vielweniger ſehen / oder ihn erkennen konte / ſon - dern ſie ſchrie auff ihre Knechte um Huͤlffe / wel - che ſich auch ſo fort mit ziemlichen Pruͤgeln in der Hand dienſtfertig einſtellten / und ihrer Frauen in ſo vermeinter Gefahr beyſtehen wolten. Der Printz hatte ſich bey zeiten wieder entfernt / und Scandor befand ſich alleine in ſolcher Gefahr / daß die Knechte bereits fuͤhlten / ob es ſein eigenHaar414Der Aſiatiſchen Baniſe. Haar waͤre / weil er aber zu ſeinem Gluͤcke einige Blaͤtter bey ſich hatte / womit er ſich in hoͤchſter Eyl / und unter ziemlicher Verhinderung der gro - ben Gehuͤlffen / etwas abreiben / und ſeine Geſtalt einiger maſſen entdecken konte: ſo ſchrie er / weil er den Ernſt fuͤhlte / er ſey ja vom Hauſe / und haͤtte ſich nur verkleidet. Als nun Haſſana den Knech - ten inne zu halten befahl / erkannten ſie ihn endlich / und ließ ihn mit fernerm Zuſprechen verſchonen. Lorangy aber / welche inzwiſchen auch war herbey gekommen / wolte es noch nicht glauben / daß diß ihr lieber Scandor waͤre / biß er ſich des Anſtrichs gaͤntzlich befreyte! und eine ungemeine Verwun - derung verurſachte / womit er ſich doch ſo heßlich verſtellen koͤnte. Denn dieſes ſcharffe Weſen verzog ſo gar alle Geſichts-Bildungen / daß ſich / nebſt der Farbe auch die Aenligkeit verlohr. Als nun ein Gelaͤchter darauff erfolgte / begab ſich Scandor wieder nach dem Printzen / welcher ihn nicht wenig / wegen empfangener Hand-Ehre / auslachte: nachdem er ſich aber wiederum ver - ſtellet / giengen ſie mit einander der Stadt zu / und verfuͤgten ſich alſofort vor die Burg. Scandor wolte gleich zu gehen / allein er waͤre abermahls unter unbarmhertzige Faͤuſte gerathen / wenn nicht Ponnedro dazu gekommen waͤre / welcher der Wache Ruhe gebot. Der Printz redete den Ponnedro alſobald auf Portugiſiſch an / ihm doch zu einem guten Handel behuͤlfflich zu ſeyn / er wol - te es mit einer Danckbarkeit zu erwiedern wiſ -ſen.415Anderes Buch. ſen. Ponnedro ſahe ſie beyderſeits an / und erkenn - te ſie zwar an ihren Stimmem / die Perſonen aber deuchteten ihn unmoͤglich diejenigen zu ſeyn / welche ſie ſeyn ſolten. Solcher Zweifel verur - ſachte ein langes Stillſchweigen / und eine genaue - re Betrachtung bey dem Ponnedro / ie fleißiger er ſie aber anſchaute: ie weniger konte er die ge - ringſte Muthmaſſung nehmen / daß es der Printz ſeyn ſolte. Dieſen Zweiffel ihm nun zu beneh - men / redete ihn der Printz ferner an: Mein Herr / er zweiffele nicht an guter Wahre / er hat mir auff Talemons-Schloſſe wol eher was davon abge - kaufft. Wodurch ſich endlich Ponnedro bere - den ließ / daß er nicht ferner zweifelte / ſondern ſie et - was verziehen ließ. Ponnedro verfuͤgte ſich als - bald zu der Printeßin / und bedeutete ihr in geheim des Printzen Gegenwart / nebſt beygefuͤgtem Un - terricht / daß ſie ſich die gantz unerkaͤntliche Ver - ſtellung nichts irren laſſen / beſondern den / welcher ſich des Redens enthalten wuͤrde / vor ihren gelieb - ten Printz erkennen ſolte. Die Princeßin ent - deckte es alſobald dem ſaͤmtlichen Frauenzimmer / wie einige Portugieſen mit ſeltzamen Wahren verhanden waͤren / welche ſie zu feilem Kauffe an - tragen lieſſen: ſo ihnen nun was zu kauffen be - liebte / ſo ſolten ſie eingelaſſen werden. Wie nun hierauff eine allſeitige Bewilligung erfolgte / ging Ponnedro hin / ſie herauf zu holen. Als er ſich a - ber mit ſeinen Portugieſen dem Zimmer genaͤ - heꝛt hatte / veꝛnahmen ſie mit hoͤchſtem Schꝛecken /wie416Der Aſiatiſchen Baniſe. wie daß Chaumigrem gegenwaͤrtig waͤre: wel - cher zwar dieſer Tage eine Luſt-Reiſe vorgenom - men / ſolche aber unverſehens eingeſtellt / und in ei - ne verliebte Beſuchung verwandelt hatte. Pon - nedro verbarg den Printzen alſobald zwiſchen ei - ne gedoppelte Wand / welche ihm wegen ihrer Schwaͤche alle im Zimmer geſprochene Worte / zu ſeinem Schmertzen / zu hoͤren erlaubte. Er a - ber / Ponnedro / verfuͤgte ſich gleichſam zur Auff - wartung ins Zimmer / und ſahe / wie das ſaͤmtli - che Frauenzimmer entwichen war. Wie nun die Princeßin unwiſſende nicht ferne von der Wand / welche ihren Printzen bedeckte / in tieff - ſten Trauer-Gedancken / auf einem Stule ſaß / ſo ging Chaumigrem anfangs ſonder einige Anre - de eine geraume Zeit in dero Zimmer auff und ab / endlich aber verfuͤgte er ſich nach der Princeſ - ſin / und redete ſie mit dieſen freundlichen Worten an: Wie ſo betruͤbt / meine Schoͤne / wenn wer - den uns die benetzten Wangen trockene Roſen / und die traurigen Augen froͤliche Sonnen gewaͤh - ren? Wenn der Himmel ſein Ziel / antwortete die betruͤbte Baniſe / und mein Elend ſeine End - ſchafft wird erreicht haben. Chaumigrem er - wiederte: Denen Monarchen hat der Himmel auch die Macht ertheilet / daß ſie ein unguͤtiges Verhaͤngniß verbeſſern / und die Betruͤbten er - freuen koͤnnen. Jch weiß nicht / verſetzte Baniſe / ob bey ſo unerſetzlichen Schaden und Betruͤbniß ein ſo kraͤfftiges Pflaſter moge gefunden werden /wel -417Anderes Buch. welches mein Hertz heilen / und mich vergnuͤgen koͤnne. Jch ſichere Sie / fuhr Chaumigrem fort / daß die Sonne ihres Gluͤckes anietzo am hoͤch - ſten ſtehe / und ſie ſich im Praradieß befinden ſoll / wo ihr nur nicht vor eignem Wolſtande eckelt. Solch Paradieß / war ihre Gegen-Rede / kan mir von deſſen Hand nicht anders / als durch einen ſchleunigen Tod gewaͤhret werden. Denn wo man einen Wald auszurotten bedacht iſt / da pflegt man keiner jungen Staͤmme zu verſchonen: und wo man ſich einen geſchwornen Todt-Feind von Vater und Mutter nennet / da wird auch eine Ungluͤckliche Tochter den Antheil ſolchen Haſſes empfinden muͤſſen. Ach ſchoͤnſte Baniſe / hub hier - auff der grauſam Verliebte an / ſie qvaͤle nicht meine Seele mit dergleichen Vorwuͤrffen. Jch geſtehe es / daß ich dero Schoͤnheit durch ſolche / von der Staats-Sucht abgezwungene Grau - ſamkeit / hoͤchſt beleidiget habe. Jch verſichere mich aber / es werde eine ſo guͤtige Seele den ſchoͤ - nen Leib beſitzen / welche bey verſpuͤrter Reue alle Mißhandlung vergeſſen / und mit angenehm - ſter Erfuͤllung meines Wunſches beſeligen wird. Biß hieher hatte der lauſchende Printz mit eini - ger Vergnuͤgung zugehoͤret / wie wohl die Prin - ceßin ihm ſeine Grauſamkeit vorgehalten: Als er aber von einer angenehmen Erfuͤllung ſchwa - tzen hoͤrte / ſo ſchien es als ob der Verdruß ſeinen Einzug bey ihm hielte / dannenhero hoͤrte er mit ſonderbaren Auffmercken die fragende BaniſeD dalſo418Der Aſiatiſchen Baniſe. alſo ferner reden: Wo ja in dieſer Welt noch et - was zu finden waͤre / womit ein gefeſſeltes Frau - enzimmer einen ſolchen Monarchen / welchem die Vergnuͤgung ſelbſt zu Fuße faͤllt / vergnuͤgen koͤn - ne / ſo wuͤſte ich doch nicht / worinnen ſolche Erfuͤl - lung beruhen ſolte? O beliebte Frage! O ſchwe - re Antwort! fielen Chaumigrems Worte dem Printzen in die Ohren; der / welcher niemahls die hoͤchſte Gefahr geſcheuet / traͤget anietzo ein furchtſames Bedencken / einem ſchwachen Weibes-Bilde ſeine Liebe zu entdecken / ich wil nicht ſagen / ihn zu lieben anzubefehlen. Mit ei - nem Worte: Chaumigrem brennet / und erkieſet Baniſens Liebe zu Kuͤhlung ſeiner Flammen. Der ietzige Stand / war der Princeßin Einwen - den / meine Niedrigkeit iſt viel zu wenig / deſſen Hoheit zu vergnuͤgen. Mein Glantz / beantwor - tete er ſolches / kan den vorgewendeten Schatten zur Sonnen machen. Eingewurtzelter Haß ver - bannet die Liebe / wendete ſie ferner ein. Chau - migrem antwortete: Jn meiner Seele herrſchet Brunſt und Flamme / welcher allen Haß nun - mehro verzehret hat. Die bedraͤngte Baniſe ſuchte alles hervor / was nur einzuwerffen moͤglich war / ſich der verhaſſeten Liebe zu entledigen / und ihm zu erweiſen / wie unmoͤglich es ſey / ihn zu lie - ben. Dannenhero fuhr ſie fort / und ſagte: Es laͤſſet auch mein durchdringendes Betruͤbniß nicht zu / deſſen begierige Seele durch einen froͤlichen Blick zu ergoͤtzen / weil ich meine Augen zu ſteten Thraͤnen gewiedmet habe. Allein dieſe Wortewa -419Anderes Buch. waren viel zu ſchwach / den heiſſen Vorſatz im ge - ringſten zu ſtoͤren / deßwegen er ihr auch bald mit dieſer Antwort begegnete: Schoͤnſtes Kind! Saltzicht Waſſer beflecket die Schoͤnheit. Et - was vergangenes und unwirderbringliches aber zu beweinen / iſt ein Zeichen nicht wohl uͤberlegter Klugheit. Sie erfreue ſich vielmehr / wann ihr der groſſe Beherrſcher des groͤſten Theils von Jn - dien ſeinen Purpur anzeucht / und ihr ſein hertz opffert. Der groͤſte Rebell und Bluthund in Jndien / hub der ungedultige Printz in geheim ge - gen dem Scandor an / welcher ſeinen Purpur in unſchuldigem Blute gefaͤrbet hat. Ehe du aber dein Hertz opfferſt / muß zuvor meines geopffert ſeyn. Er haͤtte noch mehr geredet / wenn ihn nicht der Princeßin Stimme zu fernerm Auffmercken angemahnet haͤtte: Zu dem / ſagte ſie / iſt ja die Kaͤyſerliche Burg vorhin ein Himmel / mit ſchoͤn - ſten Sonnen bezieret / deren iede mich als einen ge - ringen Stern verdunckelt. Einem ſolchen Herrn aber muͤſſen geſtirnte Kertzen / und nicht ſchlechte Jrr-Liechter zu Bette leuchten. Sich ſelbſt zu ver - achten / widerlegte ihr Chaumigrem auch dieſes / iſt eine Art der Demuth: Wer nicht ihre Schoͤn - heit als ein vollkommenes Weſen betrachtet / den muß die Natur der Augen beraubet haben. Ach keine / keine reichet ihr den Schatten / dieſer Him - mel wird nur durch ſie erhellet. Jch erkenne mehr als zu wohl / wie der fruchtreiche Herbſt ihre Bruſt / und der anmuthige Fruͤhling ihre LippenD d 2beſee -420Der Aſiatiſchen Baniſe. beſeelet. Weil ſich auch der Sommer in volli - ger Pracht auf den Roſen-Wangen zeiget: Wie kan doch der verdrießliche Winter im Hertzen wohnen. Jch ſichere / daß tauſend Sonnen ih - rer Schoͤnheit Fuß-faͤllig werden muͤſſen. Es iſt Bedenckens-wuͤrdig / redete ihm die Princeßin gantz ſittſam ein / ſchlechtes Glaß vor Diamanten zu erwehlen. Welches J. M. wohl zu uͤberlegen belieben / damit die Vernunfft nicht einſt diß vor Thorheit ſchelten moͤge / was ietzt die Ubereilung vor Vergnuͤgung haͤlt. Hier meynte der Printz / es habe ſich die Princeßin zu weit vergangen / daß ſie / ob zwar ſehr dunckel / ihm bereits einige Hoff - nung zur Liebe gemacht / gleichſam als ob ſie nach reiffer Uberlegung des Wercks ihn einiger Huld vergewiſſerte. Allein die kluge Baniſe wuſte wohl / wie man einen Tyger zaͤhmen / und ſich bey Gelegenheit deſſen Klauen entreiſſen ſolte. Chau - migrem fuhr unterdeſſen fort / und ſagte: Die Sache iſt mehr als wol erwogen. Jhre Schoͤn - heit iſt mir ſchon dermaſſen ins Hertze gepfropfft / daß auch der groͤſte Sturm dieſe Wurtzel nicht verſehren kan: Ach! ſo betruͤbe ſie uns doch nicht ferner durch ungegruͤndete Einwuͤrffe. So ſchoͤ - ne Augen / Lippen und Bruͤſte haben die Goͤtter gewiß nicht umſonſt erſchaffen: ſondern vielmehr / daß ſie nur wuͤrdig ſeyn ſollen / ein Koͤnigliches Hertz zu vergnuͤgen. Ach! ſo ſchaue doch / Eng - liſche Seele / wie mein Angeſicht gluͤhet / und wie mein Geiſt nach den Roſen lechzet / welche auffihren421Anderes Buch. ihren Lippen bluͤhen. Ja dieſe Liebe iſt ſo heff - tig / daß auch fernerer Verzug meinen Tod be - ſchleunigen kan. Wie ſolte ſich diejenige / ſetzte ſie ſolcher Liebes-Verſicherung entgegen / unge - faͤrbter Liebe bereden laſſen / derer Entſeelung doch ſo hefftig verlanget / und derjenige mit Ketten und Tod beleget wird / welcher mein Leben erhalten hat. Ach wolten die Goͤtter! antwortete der be - gierige Chaumigrem / die himmliſche Baniſe wol - te die abgezielte Befreyung des Abaxars vor eine wahre Probe meiner bruͤnſtigen Liebe erkennen: ſo ſolte Abaxar dieſe Stunde zu ihren Fuͤſſen fuß - faͤllig vor ſeine Erloͤſung dancken. J. M. wer - den mich / hub ſie hierauff an / durch ſolche Wol - that an meinen Wolthaͤter ſonderlich erfreuen / und mir Urſache geben / dero verliebten Vorbrin - gen einiger maſſen beyzupflichten. Dieſe weit - laͤufftige Verſicherung ſetzte den Chaumigrem in ſothanes Vergnuͤgen / daß er alſobald dem Pon - nedro zuruffte / und ſagte: So eilet denn / Ponne - dro / nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen: Eroͤffnet Ge - faͤngniß und Ketten / und ſtellet den Abaxar nach Befehl der Princeßin auff freyen Fuß. Welches gehorſamſt zu verrichten / Ponnedro das Zimmer verließ / und durch ſolche Einſamkeit ihm Gelegen - heit gab / von der Princeßin mit dieſen Worten einen Kuß zu begehren: Hievor / ſagte er / begehre ich nichts mehr / als durch einen Kuß das Honig ihrer Lippen zu koſten. Es iſt genung / ſagte der ungedultige Printz / und wolte zugleich dieſe Angſt -D d 3Stelle422Der Aſiatiſchen Baniſe. Stelle verlaſſen: Scandor aber hielt ihn zuruͤ - cke / ſagende: Gnaͤd. Herr / wir ſind nicht in dem Garten zu Ava / da wir dem verwegenen Chau - migrem mit Ohrfeigen abfertigen koͤnnen: ſon - dern wir ſind arme Portugieſen / welche ſo lange / als man nicht mit Gewalt nach der Waare greiffet / in der Guͤte handeln muͤſſen. Der Printz ließ ſich endlich beguͤtigen / als er der Princeßin ab - ſchlaͤgige Antwort vernahm: J. M. enthalten ſich annoch allzu hitziger Ubereilung: indem zu Bezeugung wahrer Liebe mehr als eine Probe er - fodert wird. Jnmittelſt beklage ich doch / daß dieſe gnaͤdigſte Willfahrung noch lange nicht den Zweck begehrter Gnade erreichet habe: indem Abaxar der eintzige Erhalter meines Lebens / viel - mehr mich undanckbar zu heiſſen / und zu verflu - chen / als mir einigen Danck abzuſtatten / Urſa - che hat: Weil die Beraubung ſeiner Ehren - Stelle ihn viel ſchmertzlicher / als Kercker und Tod vorkommen wird. So lebe denn Abaxar in vorigen Ehren / erwiederte der willfaͤrtige Chau - migrem / meine Unanade ſoll den betreffen / wel - cher ſich einigen Vorwurffs erkuͤhnen wird. Die beſorgete Baniſe gab ihren Zweiffel folgendes zu erkennen / indem ſie ſagte: Das Kaͤyſerliche Ver - ſprechen iſt ein Zucker im Munde / deſſen Erfuͤl - lung aber erfreuet das Hertze. Solchen wuſte Chaumigrem durch hohe Betheurung bald abzulehnen: Bey dem Leben der unſichtbaren Gottheit / ſchwur er / und der geheiligten Cronevon423Anderes Buch. von Brama / ſoll Abaxar noch heute bey unſerer Taffel erſcheinen / und vorigen Ehren-Stand voͤllig wiederum bekleiden. Nunmehro aber wird ſie ja / ſchoͤnſter Abgott meines Hertzens / erlau - ben / daß ich meiner Vergnuͤgung in etwas den Zuͤgel ſchieſſen laſſe / und den ſuͤſſen Thau ihrer Lippen beruͤhre. Womit er ſich abermal / ſie zu kuͤſſen / naͤherte. Nun iſt es Zeit / ſagte der em - pfindliche Printz / nimmermehr laſſe ich meine Princeßin auch nur zu einem Kuſſe noͤthigen. Gnaͤdigſter Herr / thaͤt ihm Scandor Einhalt / wir werden durch ſolche Kleinigkeiten den Haupt - Zweck verruͤcken. Geſetzt auch / es lieffe ein Kuß mit unter / ſo wackelt deßwegen ja nicht flugs der Krantz. Das iſt ein Wahn des Poͤfels / antwor - tete der Printz: eine Keuſche Liebe aber ſoll auch im geringſten unbeflecket ſeyn. Hier legte ihnen auch dieſesmal der Princeßin ferneres Reden ein Stillſchweigen auff. J. M. laſſen ſich die Ge - dult beſaͤnfftigen / hoͤrten ſie ſie reden. Denn ob ich gleich dieſes zu ruͤhmen hoͤchſt Urſache habe / daß J. Maj. das vermeynte Gold meiner Schoͤnheit hoͤher ſchaͤtzen / als es wuͤrdig iſt / und ſo gnaͤdigſt in mein Begehren gewilliget haben / ſo werde ich zwar meinen Geiſt hiervor zu deſſen Dienſt wied - men / iedoch nur ſo weit / als es Tugend und Ver - nunfft erlauben. Welche ungleiche Weigerung aber dem Chaumigrem faſt einigen Verdruß er - wecken wolte / den er auch durch dieſe Worte ſatt - ſam zu verſtehen gab: Fuͤrſten iſt alles erlaubet /D d 4weil424Der Aſiatiſchen Baniſe. weil ihre Fehle der Purpur bedeckt. Jedoch weiß ich nicht / was ein ſo kaltſinniges Bezeigen vor eine Bedeutung nach ſich ziehen ſoll. Jch wuͤnſche des Auffzugs entuͤbriget zu ſeyn. Dahero die die Princeßin in nicht geringen Aengſten ſich be - funde / und faſt nicht mehr Worte erſinnen kunte / wodurch ſie weder den Tyrannen zur Ungedult / noch dem Printzen zu einigem Mißtrauen Anlaß geben moͤchte: Jhr kluger Verſtand aber legte ihr folgende Worte in den Mund: Großmaͤch - tigſter Kaͤyſer und Herr / die Goͤtter wiſſen es / daß die Verweigerung ſolcher Liebe aus keinem Vor - ſatz / vielweniger Verachtung entſpringet: als die ich vielmehr ein ſo hohes Gluͤcke mit beyden Haͤn - den ergreiffe / und ihn / nachdem mich die Goͤtter al - ler Hoffnung beraubet / und mich Verlaſſene troſtloß gemacht haben / im Hertzen Schatz und Herr heiſſe / weil ich es dem Verhaͤngniß ferner zu widerſtreben / vor hoͤchſt unbillich achte. Es wiſſen aber J. M. daß doch gleichwol mein Ur - ſprung mit Kaͤyſerlichen Ahnen glaͤntzet / und mein Vater Cronen trug. Ob ihn nun gleich das Verhaͤngniß deren beraubete / ſo iſt er doch als ein Kaͤyſer dem Gebluͤte nach geſtorben / und hat mich Elende / als eine Keyſerliche Tochter hinterlaſſen. So erwegen demnach J. M. ob es mir anſtaͤn - dig und ihm Ruͤhmlich ſey / daß ich als Fuͤrſtin ſclaviſche Laſter begehen / und mich als eine Hure unterwerffen ſolte / die doch nur Ehre als ihren Braut-Schatz / und Tugend vor ihr Reichthumhaͤlt.425Anderes Buch. haͤlt. Meine Wehmuth verdoppelt ſich / wenn ich mir deſſen Anſinnen zu Gemuͤthe ziehe. Ein verborgener Trieb entzuͤndet mich / das muß ich geſtehen / und ein innerlicher Zug heiſſet mich lie - ben / das kan ich nicht laͤugnen. Allein auff ſo verdammliche / und Princeßinnen unanſtaͤndige Art der Liebe / mich beflecken zu laſſen / ſolcher ver - hindere der Himmel durch meinen Tod / welchen ich ſelbſt zu befoͤrdern behertzt genug bin. Dem Chaumigrem verlangete hefftig / die eigentliche Meynung ihrer Rede zuvernehmen / und warff ihr dieſe verpflichte Worte ein: Jch ſterbe vor Verlangen / bald zu vernehmen / wohin doch dero weitlaͤufftige Reden zielen. Auch mein Leben ſoll zu ihrem Opffer dienen. Welche gnaͤdige Verſicherung ſie ſich bald ferner nuͤtze zu machen wuſte / und ihre Rede verfolgete: Jſt ja / ſagte ſie / des Kaͤyſers Liebe ſo bruͤnſtig / und deſſen Vorge - ben kein Fall-Bret erdichteter Brunſt / ſo beliebe er zu entdecken: Warum er uns nicht durch den Tempel ins Bette fuͤhret. Oder dentlicher zu ſagen: Warum machet er ſich nicht meir er durch ordentliche Vermaͤhlung theilhafftig. Bin ich ihm zu heßlich? Warum beſchweret er ſich denn / daß ihn meine Schoͤnheit entzuͤnde? Bin ich ihm zu arm? ſo hat er ſich meines Heyrath-Guths be - reits ſelbſt angemaſſet. Daß alſo dieſe Heyrath und meine rechtmaͤßige Wiedererſtattung eine Verſoͤhnung der Goͤtter wegen allzu harter Grau - ſamkeit ſeyn koͤnte: wodurch das Reich in Ruhe /D d 5und426Der Aſiatiſchen Baniſe. und deſſen Perſon / durch ſolche Eroberung der Gemuͤther / in erwuͤnſchte Sicherheit geſetzet wuͤr - de. Jſt nun ſolcher Vortrag / welcher aus einer verliebten Seele entſpringet / angenehm und be - liebt: ſo ſollen alsdenn dem Kaͤyſer / die erſten Ro - ſen meiner Liebe zu ſamlen / mit Freuden erlaubet ſeyn. Solte aber deſſen Zweck auff andere und mir hoͤchſt nachtheilige Art zu erlangen geſuchet werden: ſo wird zwar der Kaͤyſer mein Hertze / nicht aber den Willen brechen / mir zwar mein Leben / aber nicht die Ehre / rauben koͤnnen. So viel Worte / ſo viel Schwerder jagte ſie dem Prin - tzen durch das Hertze / welcher ſich vor Eyfferſucht nicht mehr bergen kunte. Ha / knirſchte er mit den Zaͤhnen bey ſich ſelbſt / ungetreue Baniſe! ſol - te es moͤglich ſeyn / daß du noch ein Hertze zu ver - ſchencken haͤtteſt. Auff / Balacin / ſtuͤrme in das Gemach hinein / und opffere den Tyrannen zur Rache ihres Meineydes / vor ihren Augen. Jn welchem verzweiffelten Vorſatz er ſich hervor zu begeben geſinnet war. Scandor aber zog ihn bey dem Ermel abermals zuruͤcke: Sie beden - cken doch / ſagte er / ihren Zuſtand / und erwegen des Ponnedro Worte / welcher dieſe Reden der Prin - ceßin eingefloͤſſet hat / um den Tyrannen in einen ſuͤſſen Liebes-Slaff zu wiegen / damit er durch ſuͤſſe Hoffnung bewogen / ihr noch einige Friſt er - theile. Der Printz erkandte bald ſeinen Fehler / und ſtraffte ſich ſelbſt mit dieſen Worten: Schaͤ - me dich / unbeſonnener Balacin / die Himmel-rei -nen427Anderes Buch. nen Flammen deiner Princeßin durch falſches Mißtrauen zu ſchwaͤrtzen. Die Eyfferſucht / wel - che auch Lilien beflecket / hat mich zu dieſer Thor - heit verleitet / und dieſe iſt ein Trieb hoͤchſter Liebe. Weil nun dieſe Entruͤſtung nicht ſo gar ohne alles Gepolter abgehen kunte / als hatte Chaumigrem / ſolches zu bemercken / ſeine Rede unterbrochen / ie - doch hub er bald wiederum an / der Princeßin vor - gebrachte Rede zu beantworten: Jch ſchaͤme mich / ſagte er / unbewuſten Kaͤlte bey ſo hefftigen Liebes-Flammen / und ruͤhme ihre Tugend / wel - che mich um ſo viel mehr entzuͤndet / daß ich ent - ſchloſſen / noch dieſen Tag den Grund-Stein ih - rer Wohlfarth und meiner Vergnuͤgung durch Braminiſche Hand zu legen / damit nicht mein loderndes Hertze ſolches Verſehen / durch die Pein langer Gedult / buͤſſen muͤſſe.

Wie nun die Princeßin durch dieſe Worte in hoͤchſte Beſtuͤrtzung geſetzet wurde / ſo kunte ſie ſich lange Zeit nicht faſſen / auch dieſen Sturm der eilfertigen Liebe abzuſchlagen. Dennoch ſiege - te ihr Verſtand / und ein kluges Vorwenden kuͤh - lete dieſe Hitze in etwas. So wiſſe demnach / mein Herr / verlaͤngerte ſie dieſe Unterredung mit verſtellten Liebes-Geberden / und wo es mir nun - mehr erlaubet / zu ſagen: Mein Schatz! daß mein entflammtes Hertze gantz entzuͤckt den Wey - rauch beliebter Gegen-Liebe auf den Altar ſeiner Seelen ſtreuet / und ſich dieſe Gluth in mir laͤn - ger verbergen laͤſſet. Sie ſchlaͤget zu Mund undAu -428Der Aſiatiſchen Baniſe. Augen heraus / weil mein Geiſt von Liebe und Luſt gleichſam uͤberſchwemmet wird. Dieſe Worte erregten einen neuen Streit des Zweiffels und der Eyfferſucht in des Printzen Seele / welcher ſich in dieſe Verſtellung durchaus nicht zu ſchicken wuſte / und dahero vor Ungedult zu boͤrſten meynte: Doch wurde er auff vorige und beſſere Gedancken wie - derum gebracht / als er der Princeßin Meynung durch Fortſetzung ihrer Rede vernahm. Mir faͤllet zwar / fuhr ſie ferner fort / iedweder Verzug hierinnen auffs ſchmertzlichſte / und wuͤnſche ſo - thane Liebes-Beſchleunigung auffs hefftigſte: ich muß aber hierbey die Gedult in etwas gelten laſ - ſen / welche mir billich dieſen Einwurff thut: Jch wuͤrde mir / wenn ich bereits / da der Vaͤterliche Coͤrper vor wenig Tagen noch Blut geſchwitzet / in das Braut-Bette ſteigen wolte / bey allem Volcke einen Haß / und von der Welt ein unglei - ches Urthel verurſachen. So beliebe denn / mein Augen-Troſt / unſere hefftige Liebe mit einiger Gedult zu bekroͤnen. Denn die Liebe iſt von Na - tur feurig / drum ſoll man auch mit ihr / wie mit dem Feuer behutſam umgehen. Wer allezeit / war die ungedultige Gegen-Antwort / in der glatten Welt ſeine Schritte nach der Schnur einrichten will / der darff nur das Gehen gar einſtellen. Die - ſe Furcht iſt nur vergebens: Denn alles / was ge - kroͤnten Haͤuptern beliebet / das haben die Goͤtter erlaubet. Wer aber darff ſich unterfangen / ihr Verfahren zu beurtheilen. Die gantze Welt ſie -het429Anderes Buch. het auff einen Fuͤrſten / redete ihm Baniſe ferner ein / und ſchreibet man nur die Finſterniſſen der Sonnen auf / wenn man gleich die Verleſchung gemeiner Liechter mit Stillſchweigen uͤbergehet. Ach mein Engel! hub der entflammte Chaumi - grem an / Verzug iſt Hoͤllen-Pein. Entweder ich muß ſterben / oder mein Recht der Liebe an der un - vergleichlichen Baniſe ausfuͤhren / und ſolches ſollen auch die Geiſter der Hoͤllen nicht hintertrei - ben koͤnnen. Eben dieſe Flammen / antwortete die beaͤngſtigte Baniſe / qvaͤlen mein Hertze / und ich bin nicht weniger begierig / unſere Liebe vollkom - men zu machen. Es goͤnne mir aber / mein Herr und Schatz / nur noch drey Tage Friſt / worin - nen ich mich recht faſſen koͤnne / ſo wohl dem Vol - cke die wahre Beſchaffenheit meiner Verheyra - thung gebuͤhrend beyzubringen: als auch dieſes hohe Gluͤcke mit bedachtſamer Seelen und bren - nenden Hertzen zu umfaſſen. Dieſe ſo angenehme Worte beſiegten endlich den verliebten Willen / daß er einwilligte / und ſagte: Ob zwar dieſe drey taͤgige Friſt eine drey taͤgige Hoͤllen-Qvaal ver - urſachen wird / ſo will ich doch auch hierinnen dem Befehl meiner Goͤttin nachleben / und die unfehl - bare Vergnuͤgung alsdenn erwarten. Jnmit - telſt lebe ſie bemuͤhet / wie ſie alle unnoͤthige Trau - rigkeit verbannen / und ihren Ergebenen mit froͤ - lichen Armen und lachenden Lippen umfangen moͤge. Worauff er mit einem Hand-Kuß die Princeßin und das Zimmer zu groſſer Freude desPrin -430Der Aſiatiſchen Baniſe. Printzen verließ / welcher faſt vor Verlangen ſter - ben wolte / mit der Princeßin gleiche Unterredung zu pflegen. Ja / ja / vergnuͤge dich nur in Ge - dancken / redete Baniſe ihm nach / die Goͤtter ſol - len dir ſtatt meiner / einen Schatten in die Arme gewaͤhren. Ach aber / der kalte Schweiß befaͤllt meine Glieder / wenn ich an die Kuͤrtze der Zeit / und an die hefftige Brunſt des Tyrannen geden - cke. Ach Ponnedro / redete ſie den gleich eintre - tenden Ponnedro an / in dreyen Tagen muß ich ſterben oder erloͤſet ſeyn. Nicht ſterben / nicht ſter - ben / Gnaͤdigſte Princeßin / antwortete Ponne - dro / der Himmel kan offt in einem Augenblicke mehr gewaͤhren / als man in vielen Jahren kaum gehoffet hat. Jnmittelſt wird es ſelbter nicht ent - gegen fallen / den beliebten Portugieſen einzulaſ - ſen. Welches ſie von Hertzen bewilligte / und Ponnedro den Printzen herein fuͤhrete. Dieſer fiel alsbald bey ſeinem Eintritt aus innigſter Be - wegung vor der Princeßin nieder / ihre Hand zu kuͤſſen / welche ſie ihm aber anfangs verweigerte / und nicht glauben wolte / daß dieſes der verſtellte Printz ſey. Endlich aber auf Zureden des Pon - nedro / und einige Verſichrung des Printzen / ſtel - lete ſie ihnen Glauben bey / und ließ es geſchehen / daß er ihre Hand mit thraͤnenden Augen kuͤſſete / und ſie alſo anredete: Ach / innigſt geliebteſte Princeßin! ſo ſoll ich Sie in ſolchem Zuſtande antreffen / welchen mein Hertz laͤngſt mit blutigen Thraͤnen beweinet / und mich gezwungen hat / aushertz -431Anderes Buch. hertzlicher Liebe Scepter und Krone zu verlaſſen / und mich in dieſe geringe Tracht zu verbergen: um meine hohe Braut nicht allein zu ſehen / ſondern auch mit meinem Blute zu erloͤſen. Er haͤtte ferner geredet / wenn ihn nicht das ſaͤmmtliche Frauenzimmers Ankunfft auffzuſtehen / und ſeine Worte abzubrechen gezwungen haͤtte. Scan - dor redete alsbald mit veraͤnderter Stimme die Ankommenden an / und ermahnete ſie ihnen abzu - kauffen: Sehet da / ſchoͤne Fraͤule / ſagte er / und legte zugleich ſeinen Krahm aus / kauffet etwas von ſchoͤnen friſchen Waaren / welche wir erſt mit Leib-und Lebens-Gefahr aus Europa geholt / und ſolche gerne vornehmen Haͤnden goͤnnen wolten. Dieſe Point d Eſpaigne koͤmmt von Pariß aus Sachſen / und iſt dermaſſen wohl genaͤht / daß man Floͤhe darinne fangen koͤnte. Sie koſtet 30. Du - caten / und wird um 50. gelaſſen. Naͤrriſcher Menſch / redete ihn die Fraͤulein von Anſeda an / man wird ja nicht mehr geben / als das Bieten fodert. Uberkluges Fraͤulein / antwortete Scan - dor / 50. Thaler ſind ja weniger als 30. Ducaten. Nein / wie gefaͤlt ihr euch / ſagte ſie / und ſchwieg mit beſchaͤmten Wangen darauff ſtille. Scan - dor aber redete fort. Sie goͤnnen uns ihr Geld vor andern / und verſichern ſich / daß in gantz Pe - gu wir die beſten Waaren bey uns fuͤhren. Hier ſind treffliche Saphiere / womit man ſich ein ge - haͤßiges Gemuͤthe verbinden kan. Gnaͤdiges Fraͤulein / redete er die Princeßin von Saavadyan:432Der Aſtatiſchen Baniſe. an: Sie kauffen was davon / laſſen ihr Bildniß darein faſſen / und geben es derjenigen Perſon / die ſie zu lieben gedencken: ich will die gantze Waare verlohren haben / wo er ſie nicht dermaſſen lieb ge - winnen wird / als ſie es faſt ſelbſt nicht zu thun ver - moͤchten. Die Princeßin fand ſich in etwas ge - troffen / dahero eine anmuthige Roͤthe ihre Stirn bezog / nachdem ſie es aber vor eine ohngefehre Rede hielte / wolte ſie ſich dieſes Anerbieten zu nu - tze machen / und ſagte: Jch nehme den Ruhm eu - rer Waare vor bekandt an / und verſpreche euch vor iedes Stuͤcke tauſend Ducaten / ſo ſie dieſe Wirckung erreichen / daß mich derjenige / welchem ich ſie geben werde / lieben muͤſſe. Ja gnaͤdiges Fraͤulein! antwortete Scandor / was ich geſagt habe / das wird geſchehen: Nem - lich / daß die geſchenckten Saphiere / nicht aber dero Perſon / werden geliebet werden. Koͤnnen ſie ſich aber zugleich einige Gegen-Liebe damit er - kauffen / ſo iſt meine Waare deſto Ruhms-wuͤr - diger. Das iſt was hertziges / antwortete das Fraͤulein / und uͤbergieng alles uͤbrige mit einem verbitterten Stillſchweigen. Scandor aber re - dete noch ferner: Schoͤnes Frauenzimmer / ſie treten herzu / und kauffen / weil der Marckt noch waͤhret / denn ſolche Waare wird ihnen ge - wiß nicht alle Tage vor Augen kommen. Sie wehlen ſich was aus / und verſichern ſich / daß ich ohne Geld mit mir handeln laſſe. So bald er die - ſes geſagt / trat eine vorwitzige Dame aus demFrau -433Anderes Buch. Frauenzimmer hervor / und ergriff ein paar Ohr - gehencke / ſagende: Weil man hier ohne Geld handeln darff / ſo werden mir dieſe Ohrgehencke trefflich anſtaͤndig ſeyn. Scandor aber nahm ſie ihr mit dieſen Worten wieder: Bey dem Han - del verlange ich freylich kein Geld: Allein ich be - fuͤrchte / mein Fraͤulein moͤchte bey der Bezah - lung / da ich alsdenn erſt Geld haben muß / einen leeren Beutel haben. Wodurch ſie ſich nicht we - nig beleidiget fand / und ſich wieder unter die an - dern verbarg. Endlich wolte auch die gelbe Eſwa - ra an dem Scandor zum Ritter werden / und die oͤfftere Beſchaͤmung auff einmahl raͤchen: Dan - nenhero nahm ſie einen Perſianiſchen Teppicht zur Hand / beſahe ihn / und ſprach: Die Numer iſt von Ardebil / und das Gemaͤchte von Pegu. Scandor aber verurſachte ein jaͤhlinges Still - ſchweigen bey ihr / als er ihr antwortete: Sie hat recht / meine Frau / der Teppicht iſt von Pegu / aber nicht aus ihrem Zimmer / ſonſt haͤtten ihn die Hunde zerriſſen. Wie wunderlich ſich die drey Farben ſchwartz / roth und gelbe vermiſchten / ſol - ches kunte man in der Eſwara Geſichte bemercken / als welche den Teppicht gantz ſachte niederlegte / und ſich nicht mehr ſehen ließ. Hierdurch nun hat - te ſich Scandor faſt alle verſchlagen / daß ſie ihn gantz allein ſtehen lieſſen. Doch er lockete ſie ziemlich wieder herbey / als er ſich ruͤhmete / eine ſonderbahre Europaͤiſche Schmincke zu haben / womit alle verfallene Schoͤnheit wieder zu brin -E egen /434Der Aſiatiſchen Baniſe. gen / ja das Alter faſt zu verjuͤngern waͤre. Hier wurde Scandor von allen / auſſer der Princeßin von Saavady / welche ſich an eigener Schoͤnheit vergnuͤgen kunte / und der Eſwara / die ſich aus Scham nicht wolte ſehen laſſen / gleichſam bela - gert. Scandor aber hielte ſie eine lange Weile durch vieles Ruͤhmen von dieſer Schoͤnheits - Salbe auff. Ja / ſagte er / dieſes herrliche Oel iſt von ſo vortrefflicher Tugend / daß auch nur ein Tropffen davon / nicht nur dem Geſichte ſeine Roſen / und den Haͤnden ihre Lilien / ſondern auch dem gantzen Leibe ſeinen befleckten Marmor wie - derum gantz rein und zart erſetzen kan. Die fin - nichten Wangen / kuͤpffernen Naſen / und runtz - lichte Stirnen weiß es dermaſſen zu veraͤndern / daß ſich die Schoͤnheit ſelbſt uͤber ihr Ebenbild verwundeen muß. Es reiniget alle trieffende Au - gen / und ſo man es alle Abend drey Stunden vor der Sonnen Auffgang fein trocken in einen Loͤffel Wein einnimmt / ſo wuͤrde der hundertſte ſchwe - ren / dieſe Jungfer / oder Fraͤulein wolte ich ſagen / haͤtte ſein Tage keinen uͤbelriechenden Athem ge - habt. Jn Summa / es iſt das fuͤnffte Weſen der Schoͤnheit / und wer ſolches hat / der beſitzet einen trefflichen Schatz. Das ſaͤmtliche Frauenzim - mer bat ihn hierauff mit den beweglichſten Wor - ten / doch eine Eintheilung zu machen / damit ied - wede etliche Tropffen davon bekommen moͤchte. Ein Theil lieff nach dem Geld-Beutel / in Hoff - nung / die andern zu uͤberſetzen / damit ſie den mei -ſten435Anderes Buch. ſten Theil bekaͤhme. Andere traten vor die Spie - gel / und examinirten ihre Schoͤnheit / welcher Ort des Angeſichts der Schoͤnheit am meiſten be - noͤthiget waͤre. Ja etliche baten gar den Scan - dor in geheim / dieſes Oel ihnen doch nur allein zu goͤnnen: Denn ſonſt wuͤrde es ja keine Seltſam - keit nach ſich ziehen / wenn iedwede mit einem glat - ten Spiegel auffgezogen kaͤme. Endlich verſam - leten ſie ſich insgeſamt wieder um den Scandor / und ermahneten ihn eyffrigſt / ihnen ſolches Oel zu zeigen / und vor ihr Geld zu uͤberlaſſen. Als er aber ihren Eyffer ſahe / bat er ſie / ihm zuvor die - ſe wenige Frage zu beantworten: Ob dieſes nicht eine unverantwortliche Suͤnde gegen die Goͤtter / und eine groſſe Thorheit vor den Menſchen waͤre / wenn ſich ein vorhin von dem Him̃el mit Schoͤn - heit ſattſam begabtes Angeſichte durch die Kunſt noch ſchoͤner zu machen / unterſtuͤnde welches ſie alle zugleich bejaheten. Nun weiß ich / fuhr er fort / daß nicht eine von mir leiden wuͤrde / daß ich ſie heßlich nennete / ſondern iedwede wird ſich eine ein - gebildete Schoͤnheit beylegen / und ſolte es auch der arme Spiegel entgelten / daß deſſen falſches Glaß das ſonſt wohlgebildete Geſichte verſtellete. Nachdem ſie ja nun alle ſchoͤne ſeyn / ſo begehen ſie / laut eigenem Geſtaͤndniß / eine groſſe Thor - heit und Suͤnde / daß ſie die Goͤtter meiſtern / und ſich verbeſſern wollen. Dannenhero ihnen auch dieſes Oel ein Uberfluß ſeyn wuͤrde. Mit welchen Worten er wieder einzupacken begunte. DasE e 2begie -436Der Aſiatiſchen Baniſe. begierige Frauenzimmer aber rieff ihm zu / er ſol - te ihnen nur das Oel verkauffen / ſie muͤſten es freylich geſtehen / daß ſie das Armuth der Schoͤn - heit ſehr druͤckte / dahero ſolte er ihrer Duͤrfftig - keit mit dem Oel zu ſtatten kommen. Scandor lachte / und ſagte: Haͤtte ich das / was ſie ſelbſt be - kennen / zuvor geſagt / ich glaube / man haͤtte mir einen gnaͤdigen Staup-Beſen ertheilet / da mir denn gewiß die heßlichſte den erſten Streich geben ſollen. Nun aber ſage ich / daß es viel eine groͤſ - ſere Narrheit iſt / die Goͤtter / welche uns durch heßliche Geſtalt nicht allen Augen / wegen bewu - ſter innerlichen Luͤſternheit / wollen beliebt machen / zu trotzen / und das verſtellete Weſen unſerer Haut durch einige Kunſt zu beſchoͤnen. So wenig ein Elephant auf dem Seile tantzen / und ein alt Weib ihre Haut wie eine Schlange abſtreiffen / und ſich verjuͤngern kan: ſo wenig / ja ſo unmoͤglich iſt es auch / daß ein greulich Geſichte ſchoͤn gemacht werden koͤnne. Es gehet zwar an / daß man die Haut Muͤller-maͤßig beſtreuet / und die Lippen nebſt den Wangen mit rother Narren-Salbe und Krebsſcheeren beſchmieret: Allein zu dem / daß es nach wenigen Stunden verſchwindet / und eine viel heßlichere Larve / als ſie die Natur erfor - dert / darſtellet: ſo iſt es auch eine allzu augen - ſcheinliche Sache / welche den Leuten gar zu leich - te in die Augen / und hernach nicht unbillich auff die Zunge faͤllt. Waͤre alſo mein wohlgemeyn - ter Rath / man behielte ſeine Geſtalt / und dan -ckete437Anderes Buch. ckete den Goͤttern / daß ſie uns nicht blind / oder ſchielende / werden laſſen: wohl erwegende / daß aus einem geſchminckten Angeſichte / nichts ge - wiſſers / als ein falſches und Laſterbegieriges Her - tze zu ſchlieſſen ſey. Was aber mein koͤſtliches Schminck-Oel anbelanget / ſo habe ich deſſen Beſchreibung in einem Buche / welches ich noch von meiner Groß-Mutter Schweſter Sohns - Tochter bekommen habe / geleſen: So bald ich nun in Europa komme / will ich fleißig darnach fragen / und durch deſſen uͤberbringen dero aller - ſeitiges Vergnuͤgen ſtillen. Was vor Ehren - Titul nun dem Scandor ſeine Haare einbudeꝛten / das empfunden die gedultigen Ohren am beſten. Dieſe hieß ihn einen Narren / jene einen Baͤren - heuter / und die dritte wolte ihn gar ins Loch ſtecken laſſen. Biß ſich ihm endlich die Princeßin von Savady wiederum naͤherte / und einige Saphi - re an ſich erhandelte. Waͤhrenden dieſes wun - derlichen Handels / hatte ſich die Princeßin mit dem verſtellten Printzen in ihr innerſtes Cabinet begeben / unter dem Vorwand / ihm einige Dia - manten zu zeigen / von deren Art er ihr noch un - terſchiedene ſchaffen ſolte. So bald ſie ſolches be - treten / und nicht mehr an des Printzen Perſon zweiffelte / redete ſie ihn alſobald an: Ach mein wertheſter Printz! die Zeit iſt kurtz / und die Sa - che / wovon ich reden ſoll / iſt wichtig: Derowe - gen ich denn nicht geſonnen bin / ihn durch viel Verſicherungen / meiner ſattſam bekandten Lie -E e 3be /438Der Aſiatiſchen Baniſebe auffhalten. Jch ſage diß / daß ich durch ver - ſtelltes Liebkoſen den Tyrannen auff drey Tage gezaͤhmet / in welcher kurtzen Zeit er ſeine Baniſe retten oder ſterben laſſen muß. Er entdecke mir nur ungeſcheut / ob es moͤglich ſey / meine Erloͤſung auf einige Art vorzunehmen. Hat ihn aber das Verhaͤngniß aller Mittel beraubet / mich Troſt - loſe aus der Hand meines Verfolgers zu retten / ſo erlaube er mir / daß ich hier vor ſeinen Augen mit deſto groͤſſerm Muthe ſterbe / damit er mein Zeu - ge meiner unbefleckten Liebe und beſtaͤndigen Trcue ſeyn / und mir den Ruhm mit in das Grab geben muͤſſe: Eine iede keuſche Seele muͤſſe mein Beyſpiel lieben. Nein / ſchoͤnſte Princeßin! ant - wortete der Printz / es iſt nicht noͤthig / den Stahl auf eigene Bruſt zu kehren: ſondern viel beſſer / wenn ſolcher bey vorfallender Noth zu Rettung ihrer Ehren wider den Tyrannen gewendet wuͤr - de. Jedoch wird dieſes aͤuſſerſte Mittel verhof - fentlich nicht zu ergreiffen ſeyn: weil uns die Goͤt - ter noch nicht allen Beyſtand verſaget haben. Die Erloͤſung beruhet in der Flucht / und ihr Gluͤcke gruͤnet in frembder Lufft. Doch fuͤrchte ich / es werde die rauhe Wuͤſte dero zarten Fuͤſſen ſehr be - ſchwerlich vorkom̃en / und die gewohnte Gemaͤch - ligkeit wird ſich einem ſchnellen Roſſe nicht fuͤg - lich anvertrauen laſſen. Ach ſchweige er / ant - wortete die halberfreute Princeßin / hier iſt nicht nach dem Willen zu fragen / ſondern es heiſt: Jch muß. Jch folge / wo man mich hinfuͤhret. Jch439Anderes Buch. Jch will mit ihm die verbrannten Mohren beſu - chen / ja auch die kalten Nord-Laͤnder / wo ſich die weiſſen Baͤren aufhalten / nicht ausſchlagen / denn ſolte mich gleich der Himmel zu ihrer Koſt verſehen haben / ſo wuͤrde ich doch viel ſanffter in ſeiner Schoß ſterben / als hier in verhaßtem Pur - pur leben. Allerſchoͤnſte Princeßin! Treuſte Seele / verſetzte der entzuͤckte Printz / iſt es wohl moͤglich daß eine vollkommene Schoͤnheit auch eine vollkommene Tugend beſeelet. So wiſſe ſie denn / mein Engel / daß es noͤthig ſeyn wird / ſich auff einen ſtarcken Schlaff-Trunck gefaßt zu machen / welcher auff benennte Zeit des Fein - des Brunſt in einen harten Schlaff verwandeln kan. Deſſen Kleidung kan ſo denn das ſcharff - ſichtige Auge der Wache leicht betriegen: und weñ ſie die ſo genannte Tyger-Pforte gluͤcklich errei - chet hat / ſo werden uns einige fluͤchtige Roſſe aus dieſer Gefahr entfuͤhren / und ein begluͤckter Aus - gang wird unſere Muͤhe kroͤnen. Dieſe ſaure Reiſe wird mich ihr / und ſie mir verbinden / die Noth wird unſer Stab / und die Liebe unſer Liecht ſeyn: biß wir die Grentzen von Ava erreichen / und alsdenn dem Tyrannen Trutz bieten koͤnnen: Wohl! Liebſter Schatz / erwiederte Baniſe / ich nehme dieſes ſchwere Werck willigſt auff mich / und weil Behutſamkeit das meiſte hiebey thun muß / ſo werde ich und er ſolches mit dem Pon - nedro noch fleißiger uͤberlegen. Jch wuͤnſche von Hertzen / ſchon in der groͤſten Wuͤſten zu ſeyn. E e 4Adieu!440Der Aſiatiſchen Baniſe. Adieu! Mein Engel! auff zwey Tage. Wir muͤſſen anietzo durch Eilen dem Verdachte vor - kommen / und uns wieder denen andern beyge - ſellen. Worauff ſie ihn kuͤſſende beurlaubte / und gleichſam mit ihm handelnde wieder in das Zimmer trat. Als nun Scandor wieder einge - packet hatte / verlieſſen die verliebten Portugieſen das Zimmer / nebſt der Burg / und begaben ſich eilends nach des Talemons Schloß / allwo er dem Talemon alles entdeckte / was die letzte Abrede mit der Princeßin geweſen / und wie eine ſchleunige Flucht das euſerſte Mittel ihrer Erloͤſung waͤre. Dannenhero als die Sache nochmals in Gegen - wart des Ponnedro wohl uͤberleget wurde / mach - te der Printz alle Anſtalt zu dieſer fluͤchtigen Reiſe. Er kauffte ſechs Perſianiſche Klepper / welche ſich mit den Hirſchen in einen Wettlauff einlaſſen duͤrffen: deren drey ſolten vor der Tyger-Pforte zum erſten Auffſitze bereit ſtehen / die andern drey aber ſolten vier Meilen von Pegu an einem ge - wiſſen Ort auffwarten / damit durch Abwechſe - lung die Flucht beſchleuniget wuͤrde. Was ſonſt hierzu noͤthig war / muſte Scandor fleißig herbey ſchaffen / die eingekaufften Wahren aber ſchenck - te der Printz der Haſſanen und Lorangen / welche uͤber ſolcher Freygebigkeit ſo beſtuͤrtzt wurden / daß ſie eine muͤndiiche Danckſagung zu thun unfaͤhig waren.

Hierauff kam nun der von dem Chaumigrem laͤngſt-erwuͤnſchte Tag / an welchem er ſich feſteein -441Anderes Buch. einbildete / die jenige Vergnuͤgung zu genieſſen / derer er ſich einig und allein nur wuͤrdig ſchaͤtzte. Es verdroß ihn nichts hefftiger / als daß er nicht auch der Sonnen zu befehlen hatte / um ihr als - denn zu gebieten / deſto geſchwinder zu lauffen / und den Tag zu endigen. Ja er konte nicht die hereinbrechende Finſterniß erwarten / ſonder ſeine Princeßin zu ſehen. Er verfuͤgte ſich in ihr Zim - mer / und forſchete / an welchem Orte ſie das Ta - li verlangete. Weiln ſie aber dieſe Braminiſche Verknuͤpffung nicht rathſam dauchte: So wen - dete ſie vor / eine engere Verbuͤndniß lieſſe ihr Zu - ſtand noch nicht zu: inmittelſt wuͤrde dennoch ihr Zimmer dem Kaͤyſer offen ſtehen. Welches dem Chaumigrem umb ſo viel angenehmer zu hoͤren war / und mit hefftiger Zwang-Gedult die Nacht erwartete. Der Printz ſaͤumete ſei - nes Ortes hingegen auch nicht / alle benoͤthigte Anſtalt zu machen / damit ja nichts in einem ſo wichtigen Wercke verſehen wuͤrde. Diß einige Hinderniß wolte noch die Sache ſchwer machen / wie nemlich die Tyger-Pforte zu eroͤffnen ſey. Hieꝛzu fand ſich nun die erwuͤndſchte Gelegenheit / daß die Braminen / oder Prieſter / welche den Kaͤy - ſer mit der Princeßin verknuͤpfen ſollẽ / nicht durch das Burg-Thor / ſondern durch erwehnte Pforte / ſolten eingelaſſen werden: zu welchem Ende ſol - che eroͤffnet ward.

Nachdem aber nach widrigem Entſchluß ſol - chen zuruͤcke zu bleiben anbefohlen ward / wurdeE e 5auch442Der Aſiatiſchen Baniſe. auch dieſe Pforte wieder zu ſchlieſſen ins Vergeſ - ſen geſtellet: welches der Printz als eine beſondere Schickung der Goͤtter auffnahm / und ſich einen erwuͤndſchten Ausgang verſprach. So bald nun die Nacht durch ihre Schatten-Decke alle Si - cherheit verſprach / begab ſich der Printz ſonder verweilen mit den beſtellten Pferden vor die Pfor - te. Chaumigrem hingegen bemuͤhte ſich gleichfals vor der Liebes-Pforte anzuklopffen: Dannenhe - ro er auch / ſich gantz ſicher ſchaͤtzende / die Wach - ten zu vermindern gebot: Baniſe hatte indeſſen das in gantz Jndien bekannte Kraut Dutroa(*)Dutroa waͤchſt als ein gemeines Kraut in Oſt-Jn - dien auff dem Felde / wann man daſſelbe in Getraͤncke oder Speiſe einnimmt / ſo veraͤndert ſich der Menſch daß er entweder einſchlaͤfft / oder ſich naͤrriſch ſtellt / da er nichts ſehen / erkennen oder verſtehen kan / es ge - ſchehe auch in ſeiner Gegenwart / was es wolle. Wel - ches zwoͤlff biß vier und zwantzig Stunden waͤhrt / ehe der Menſch wieder zu ſich ſelbſt koͤmmt / es ſey denn / daß man ihm die Fuͤſſe bald mit kalten Waſſer wa - ſche. Deſſen bedienen ſich oͤffters die unkeuſchen Wei - ber in Oſt-Jndien / vermittelſt deſſen ſie Angeſichts ihrer Maͤnner die unſichtbahre Schmach pfropffen. Linſchott. part. 4. c. 7. in Wein abgekocht / daſſelbe als einen lieblichen Tranck zubereitet / und ſtellete ſolchen in einem guͤldenen Geſchirre zum Dienſte des Kaͤyſers vor ſich. Chaumigrem gieng voller vergnuͤgten Hoff - nung dem Zimmer ſeiner Geliebten zu / welche er auch ziemlich wohlgemuth vor ſich fand. Sie ſtellete ſich ſehr freundlich an / und ſetzte ihn in ſol -che443Anderes Buch. che Flamme / welche ihr faſt ſchaͤdlicher / als er - ſprießlich / haͤtten ſeyn moͤgen. Allerſchoͤnſter En - gel / redete er ſie an / iſt dieſes die angenehmſte Stunde / worinnen ihr Gluͤcke / und meine Ver - gnuͤgung bluͤhen ſoll: ſo laſſe ſie ja keinen Zeit - Blick vorbey gehen / in das Paradiß der Wolluſt zu ſchreiten. Weil es die Wunderhand / antwor - tete ſie / der Goͤtter alſo fuͤget / mich dem Kaͤyſer - lichen Willen zu unterwerffen / ſo werde ich gehor - ſamſt folgen. Nachdem ich mir aber durch die Hand des Leib-Artztes einen Geſundheit-Tranck zubereiten laſſen / welchen ich ietzt genieſſen / und auff deſſen Gebrauch eine Stunde ruhen ſoll / ſo werden J. Majeſt. wohl erlauben / daß ich nur noch eine Stunde Zeit deſſen Begehren unterbre - che. Der ungedultige und vor Liebe faſt blinde Chaumigrem ergriff ſo fort den Becher mit dieſen Worten: Die Geſundheit wird um ein groſſes befoͤrdert werden / ſo ich es ſelbſt auff dero Wohl - ergehen austrincke / und hingegen unſerer Flam - me keinen Auffſchub goͤnne. Worauff er dieſen Tranck begierigſt in ſich ſchuͤttete: auch ſich ſo bald erheben / und die Roſen der Wolluſt ſuchen wolte: aber im Augenblick erreichte der Tranck ſeine Wuͤrckung. Er ſanck wieder zuruͤcke / lachte eine kurtze Zeit / und gerieth endlich in einen ſolchen tieffen Schlaff / daß er mehr todt als lebendig zu ſeyn ſchiene. Die Princeßin ſolches erſehende / ver - ließ eilende ihren Sitz / wickelte etwas von Kleino - dien zuſammen / zog dem unempfindlichen Liebha -ber444Der Aſiatiſchen Baniſe. ber ſeinen langen Rock aus / und ſich an / ſetzte deſ - ſen Schlaffbund auff / und vergaß nichts / was ſie als den rechten Kaͤyſer konte vorſtellig machen. Hierauff trat ſie behertzt aus dem Zimmer / wie - wohl ſie das Angeſichte moͤglichſt verbarg. Die Wache thaͤt ihr als dem Kaͤyſer mit niederge - ſchlagenen Haͤuptern tieffe Ehrerbietung / welches ſie an benoͤthigter Auffmerckſamkeit deſto mehr verhinderte: Sie aber gieng mit langſamen Schritten nach dem Kaͤyſerlichen Zimmer. So bald ſie d[ie]Wache aus den Augen verlohr / wen - dete ſie ſich nach einer kurtzen Stiegen / welche ſie auff eine lange Gallerie leitete. Als ſie dieſe unge - hindert geendiget / fuͤhrte ſie der Weg zwiſchen etlichen Mauern gerade der Tyger-Pforten zu / welche zu erreichen / ſie ihre Schritte verdoppelte / und ihren geliebten Printzen froͤlichſt vor derſelben antraff. Der Printz konte ſich vor Freuden nicht faſſen / vielweniger einbilden / daß es ſeine werthe Princeßin waͤre. Scandor aber ermahnte ihn / ſich nicht zu ſaͤumen / vielweniger an ihrer Perſon zuzweiffeln: ſondern ſolte ſie nur angreiffen / ſo wuͤrde er an ihrem Fleiſch und Blute wohl fuͤhlen / daß es kein Geiſt waͤre. Dannenhero ſtieg ſie ſelbſt ohne weitlaͤufftiges Reden friſch zu Pferde / und trat alſo im Nahmen der Goͤtter die gefaͤhr - liche Flucht mit Vergnuͤgen an. Jndeſſen rei - ſe nur hin / du vergnuͤgtes doch ungluͤckliches Paar / reiſe getroſt: bilde dir aber nicht ein / daß die hurtigen Schenckel deiner Roſſe ſchneller denndas445Anderes Buch. das Ungluͤcke ſey / welches doch geſchwinden Luch - ſen vorlaͤufft. Ziehet hin / der Himmel begleite euch / und zeige euch die rechte Bahn: doch ver - fehlet nicht der rechten Straſſe. Jndem nun der Schlafftrunckene Chaumigrem die gantze Nacht in hoͤchſter Unempfindligkeit zugebracht / und die Wuͤrckung des Krautes ſeine Endſchafft errei - chet hatte: begunte er endlich bey hoher Sonnen die Augen auffzuſchlagen. Er wuſte aber noch nicht / ob er wachte oder noch traͤumte? Entklei - det ſahe er ſich / Baniſe hatte ſich ſeinen Augen entzogen / eine allgemeine Stille nahm das Zim - mer ein: ja er ſtellete ſich gar einige Bezaube - rung vor. Endlich verließ er ſeinen Ruh-Platz / hieng einen Weiber-Rock um ſich / und ruffte auff die Wache: ſtatt deren ſich aber Ponnedro gehorſamſt einſtellte / und nach deſſen Verlangen forſchete. Wo iſt die Princeßin? fragte er gantz beſtuͤrtzt. Deren Gegenwart / antwortete Ponnedro / wird J. Majeſt. ſattſam empfunden haben. Schertzet nicht / Ponnedro / wiederre - dete Chaumigrem / ſondern ſaget alsbald / wo die Zauberin ſey. J. Majeſt haben mich heinte mei - ner Auffſicht uͤberhoben / verſetzte Ponnedro / und ſo folgbar auch fernerer Verantwortung. Jch habe ſie J. Majeſt. in die Armen geliefert / vor das uͤbrige werden ſie ſelbſt geſorget haben. Sie hat mich bezaubert / fuhr der Kaͤyſer fort / und mich durch einen Trunck aller Sinnen beraubet. Auff / durchſuchet alle Zimmer / und verſchonetauch446Der Aſiatiſchen Baniſe. auch das naheliegende Frauenzimmer nicht. Al - lein / es war alles Suchen vergebens / die Prin - teßin irrete bereits in Waͤldern herum. Die Wa - che berichtete / wie ſie / auſſer dem Kaͤyſer niemand aus dem Zimmer gehen ſehen / aus welchen Umb - ſtaͤnden er den Betrug zu mercken begunte: End - lich auch hieran gar nicht mehr zweiffelte / als ihm die Eroͤffnung der Tyger-Pforte hinterbracht wurde. Hier verwandelte ſich deſſen Grimm in eine Raſerey: Blitz / Brand / Schwefel / Bley und hundert Hencker ſollen dieſe Schmach raͤ - chen / rieff er / gantz wuͤtende in dem Gemach her - um lauffende / und ihr alle ſolt es mit euren Haͤl - ſen bezahlen / daß ihr dieſes Hoͤllen-Kind entreiſſen laſſen. O verfluchte Falſchheit! O verdammte Argliſt! Ein ſchwaches Weibes-Bild darff ſich erkuͤhnen / einen ſo maͤchtigen Kaͤyſer ſchimpff - lichſt zu entkleiden / und / indem er nach ihr greifft / ihm den bloſſen Schatten zu gewaͤhren. O Ro - lim / Rolim! haͤtte Chaumigrem gefolget / ſo waͤ - re der Kaͤyſer unbeſchimpffet blieben. Ach frey - lich kan ein ſchlimmer Stamm keine gute Zweige tragen: Vermaledeyet ſey die Hand / welche auch die Wurtzel verſchonet hat.

Nach welchen Worten er halb bloß nach ſei - nem Gemach lieff / und in ſolcher Wuth ſeinen Sebel holte welchen auch ſo fort etliche von der Wacht toͤdtlich empfinden muſten. Ponnedro hatte ſich ſo weit unſichtbar gemachet / und alſo ſolte das unſchuldige Frauenzimmer die blutigeReiye447Anderes Buch. Reihe treffen: welche ſich aber auffs beſte verrie - gelten / und alſo dem erſten Zorne entgiengen: wiewohl hernach uͤber funfftzig Weiber uͤber die Klinge ſpringen muſten. Als aber der Feld-Herr Martong / der Rolim / und einige andere hohe Perſonen / ſich einfunden / und den wuͤtenden Chaumigrem moͤglichſt beſaͤnfftigen: Befahl er alſobald / es ſolten zwey tauſend der Beſt-beritte - nen auffſitzen / der fluͤchtigen Princeßin nachſetzen / und ſie todt oder lebendig liefern. Welcher aber ohne ſie / ſich einiges Ruͤck-kehrens unterſtehen wuͤrde / der ſolte den Verluſt ſeines Kopffes em - pfinden.

Wir wollẽ aber einen kleinen Voꝛſprung thun / unſeren verliebten Fluͤchtlingen in etwas nachge - hen. Dieſe befunden ſich nun in einem bekuͤmmer - ten Zuſtande: indem die Dunckelheit der Nacht ih - nen die Stꝛaſſe geꝛaubet hatte: und da ſie ſich gegẽ den Morgen wenden ſollen / waren ſie gegen Mit - ternacht auff einen unbekandten Weg gerathen. Als ihnen aber der anbrechende Morgen-Schim - mer ihren Jrrthum entdeckte / wendete ſich zwar der Printz der Morgenroͤthe entgegen: Allein hierdurch hatten ſie ſo wohl den friſchen Pferde - Wechſel verfehlet / als auch ihre Roſſe be - reits ſehr abgemattet. Eine breite Straſſe fuͤhr - te ſie in einen dicken Wald / welchen ſie gleich aus vor ſich nahmen: Und als ſie faſt den Mittag er - reichet / ſiehe / ſo befanden ſie ſich / zu ihrem hoͤchſten Leidweſen / in dem bekandten Tyger-Holtze / wel -ches448Der Aſiatiſchen Baniſe. ches der Printz aus dem Orte / wo er vorm Jahre den Ungluͤckſeligen Xemindo vom Tode errettet / leicht bemerckete. Wehe uns / rieff die Princeſ - ſin / die Goͤtter haben noch was Groſſes uͤber uns verhangen. Welche Worte ſie kaum geendi - get hatte / ſo hoͤrten ſie die Menge der ſchallenden Wald-Hoͤrner / gleichſam als ob ſie ein Wild zu fangen ausgezogen waͤren. Der Printz wehlete ſich ſo fort einen ungebahnten Weg / und befahl dem Scandor / mit der Princeßin friſch nachzu - folgen: Welches Scandor zwar aus allen Kraͤf - ten zu thun ſich bemuͤhete: Allein die Mattigkeit der Pferde wolte ihnen faſt allen Dienſt auff kuͤn - digen. Ach Scandor / rieff die Princeßin / wir ſind des Todes! als ſie bereits von fernen uͤber zwantzig Reuter erblickte. Und damit ihr Un - ſtern ja deſto heller ſcheinen moͤchte / ſo ſtuͤrtzte zu - gleich der Princeßin Pferd / dermaſſen / daß ſich Scandor nicht unbillig eines groſſen Schadens / welchen die Princeßin moͤchte empfunden haben / beſorgete. Der Printz nicht anders meynende / denn ſie folgeten ihm hurtig nach / eilete / ſo ſehr ſein Pferd vermochte / und ſahe ſich auch nicht einmal um / biß er ſie gantz aus dem Geſichte verlohren hatte. Unterdeſſen ſaß die erſchrockene und Troſt - loſe Princeßin auf den harten Baum-Wurtzeln / und ſahe ihre Verfolger von weiten ſich heran naͤhern. Scandor wuſte ſich auch nicht zu ra - then / dannenhero ließ er ſein Pferd lauffen / und ſetzte ſich zur Princeßin / ſagende: Jch kan mirnicht449Anderes Buch. nicht weiter helffen. Hier wollen wir ſitzen blei - ben / und uns vor zwey Haaſen ausgeben: weil es nun im Geheege iſt / ſo werden ſie uns wol unge - bruͤhet laſſen Ach ſchertzet nicht / ſagte die faſt ohn - maͤchtige Princeßin / ſondern gebet mir euren Se - bel her / damit ich die geaͤngſtete Seele befreyen / und dem Tyrannen nichts / als einen blutigen Coͤr - per gewaͤhren koͤnne. Ach ich armſeliges Kind! warum bin ich doch gebohren worden / nachdem ich aus einem Ungluͤck ins andere fallen / und doch den Tod nirgend finden ſoll. Mein Printz hat mich verlaſſen / meinen Feind ſehe ich vor Augen / alle Flucht iſt mir benommen / und keine Seele nimt ſich meiner an. O daß doch mein Elend die ſtum - men Baͤume bewegen koͤnte / daß ſie mich in ihre Geſellſchafft auffnehmen / und augenblicks in ei - nen Lorbeer-Baum / gleich der Daphne verwan - delten / ſo wolte ich mich ſelbſt mit Lorbeer-Blaͤt - tern kroͤnen / und uͤber die Keuſchheit triumphiren.

Jndeſſen waren die feindſeligen Verfolger faſt herbey gekommen / welche voller Freuden ab - ſtiegen / und ſie ſonder einiges Wortſprechen bey - derſeits gefangen nahmen. Scandor hatte zwar ſchlechte Luſt hierzu / und wolte die benoͤthigte Ruhe vorſchuͤtzen / allein eine ſtaͤrckere Hand warf ihnmit Gewalt auff ſein Pferd / und alſo wurde die hoͤchſt-ungluͤckſelige Princeßin zuruͤcke / und unter dem Zulauf vieler tauſend Perſonen / in Pe - gu eingefuͤhret. Der eilfertige Printz ſahe ſich endlich nach ſeiner folgende Liebe um / und erſa -F fhe450Der Aſiatiſchen Baniſe. he ihren Verluſt mit hoͤchſtem Schrecken: Er wandte bald ein / und eilte ſeinem Huffſchlage nach zuruͤcke / allein / ie weiter er ſich ruͤckwerts begab / ie naͤher ſahe er ſich dem verhaßten Pegu / die Princeßin aber zu erlangen / war eine Unmoͤglig - keit / weil ſie bereits von tauſend gewaffneten Haͤnden umgeben war. Weil nun das Pferd ſehr muͤde war / ſtieg er ab / band es an / und durch - ſuchte zu Fuſſe das gantze Holtz / ob er nicht das je - nige antreffen koͤnte / was er mit groſſer Sorg - ſalt biß hieher gebracht hatte. Er wendete ſeine Augen allenthalben umher / er gab durch Schrey - en und Pfeiffen vielfaͤltiges Bedeuten: allein ein trauriger Wiederſchall jagete Stimme und Hof - nung zuruͤcke. Weil er auch niemand von den Verfolgern mehr verſpuͤrte / ſo ſchloß er ſchmertz - lichſt / ſie muͤſſe in ihre Raub-Klauen gerathen ſeyn. Hier wolte Verzweifflung und Großmuth einen gefaͤhrlichen Wett-Streit in ſeiner Seele antreten: Wie / nachlaͤßiger Balacin! ſagte er zu ſich ſelbſt / iſt wohl dieſer ſchmertzliche Verluſt iemand anders beyzumeſſen / als dir? Haben dir die Goͤtter deßwegen ein ſo werthes Kleinod uͤber - antwortet / daß du es aus deinen Augen laſſen / und nur auff eigene Sicherheit bedacht ſeyn ſol - teſt? O verfluchtes Schickſal! Bin ich denn nur allein das Ziel / nach welchem das Ungluͤckswet - ter alle ſeine Keile richtet. O verhaßtes Son - nen-Liecht / kunteſt du uns nicht einen Theil deiner Strahlen dieſe Nacht verleihen / damit wir nichtauf451Anderes Buch. auf dieſen Jrrweg und in ſolche Wehmuth gera - then duͤrffen? Ach wehe mir! Jch bin die einige Urſache / daß Baniſe verlohren iſt. Allein / ſolte auch dein Arm ſo maͤchtig geweſen ſeyn / deine Princeßin aus der Hand ſo viel Jaͤger zu erretten? Jedoch haͤtteſt du zu Bezeugung deiner wahren Liebe dein Blut vor ihren Augen auffopffern / und vor ihre Wohlfahrt ſterben ſollen. Was waͤre ihr aber mit meinem Tode gedienet geweſen / wenn ſie hingegen im Leben / dem Tyrannen in Armen / und von aller Welt verlaſſen geblieben waͤre. Auf derowegen mein Geiſt / und erkenne dieſe Ver - blendung vor eine Schickung der Goͤtter / welche dein Leben vor die Princeßin ſparen wollen. Deñ gewiß / lebendig haͤtten auch die Hoͤllen-Geiſter ſie nicht ſollen aus meinen Armen reiſſen: Nach - dem ich mich aber in der Freyheit und in dem Zu - ſtande befinde / daß / wo kluge Liſt fehl ſchlaͤget / ich ſolche durch tapffere Gewalt erſetzen koͤnne: ſo will ich keinen Augenblick ſaͤumen / die von dem Himmel geſchenckten Zepter ergreiffen / gantz Pegu mit Blut und Brand uͤberſch wemmen / und mich nicht eher verſoͤhnen laſſen / biß die himmli - ſche Baniſe mit unbeflecktem Leibe und Gemuͤthe meiner Macht uͤberliefert wird. Die Goͤtter ſte - hen dir / wertheſte Baniſe / indeſſen bey / verhin - dern des Tyrannen unkeuſche Anſchlaͤge / und be - ſchuͤtzen dein Leben. Mit welchen Worten er ſich wieder zu Pferde / und nach dem Orte der ge - ruheten Klepper begab / vermittelſt deꝛer er in moͤg -F f 2lich -452Der Aſiatiſchen Baniſe. lichſter Eil den geradeſten Weg nach Ava fortſetz - te. Wie wird aber die eines beſſern Gluͤckes wuͤr - dige Baniſe in Pegu empfangen? Schlecht ge - nung. Chaumigrem hatte indeſſen den Rolim nicht von ſich kommen laſſen / welchem forthin beſ - ſere Folge zu leiſten / er ſich gaͤntzlich entſchloſſen. So bald nun die Gefangenſchafft der Princeßin angekuͤndiget ward / wurde er hoͤchſt erfreuet. Und erſuchte den Rolim um treuen Rath / was er mit dieſer fluͤchtigen Natter / wie er ſie nennete / vor - nehmen ſolte? J. Maj. erfordern abermahl / ant - wortete der Rolim / ein ungefaͤrbtes Beyrathen / welches vielleicht wiederum mit ungleichen Gna - den moͤchte auffgenommen werden Jch trage zwar ſonderbahres Mitleiden mit deſſen entflam̃ - ten Gemuͤthe / welches das hefftige Weſen der Liebe gantz eingenommen: iedoch ſorge ich auch zugleich vor ihr Heil. So ſchlagen J. Maj. doch deſſen Rath nicht ſo gar in Wind / welchen die Erfahrung laͤngſt als redlich gepruͤfet hat: ja der auch ſeines Blutes vor dero Wohlfarth nicht ſchonen wuͤrde. Jch weiß mich zwar von allen groſſen Guͤtern arm / in dieſem aber reich / daß niemahls mein Hertz das Gifft der Wolluſt ge - ſchmecket habe. Denn die Liebe iſt eine Fanta - ſie / und ein ungewiſſer Zweck. Es fuͤhlet zwar ein ieder ihren Aetna-gleichen Brand / iedoch weiß ſie keiner mit ihrem Namen recht zu nennen. Sie iſt blind: und dennoch ſiehet ſie ſchaͤrffer als ein Luchs. Sie bauet ihren Thron in die Hertzen /und453Anderes Buch. und iſt doch ein unbegreifliches Weſen. Jch weiß auch gar wohl / daß ſich die Liebe durch Klugheit nicht binden laſſe. Denn ein Vogel ſiehet den Leim / und die Muͤcke das Liecht / dennoch laͤßt ſich jener kirren / und dieſe verbrennet ſich ſelber / das ſchnelle Rehe ſchauet das Garn / und der Schiffer kennet die Fahrt der Ancker-loſen See: Doch kan jenes das Sehen nicht klug / noch dieſen die Gefahr verzagt machen. So rennet auch der / der da liebet / ſichtbar in das Verderben / indem er nur zwey Hafen vor ſich ſiehet / entweder die Wol - luſt oder den Tod. Wie nun dieſen zu meiden / jene allerdings zu fliehen iſt / alſo ſichere / daß nichts mehr ſchaͤdlich / als die Wolluſt den Gemuͤthern. Gegen die geharniſchten Armeen darff ſich unſer Alter nicht ſo auff Gegenwehr gefaſt machen / als gegen die Wolluſt / welche uns in ihr Garn zu lo - cken / mit ſuſſen Koͤrnern ſtreuet. Sie wincket uns mit Engel-Augen / und gewaͤhret uns den Abgrund der Hoͤllen. Wer nun ſothane Wolluſt uͤberwindet / der thut mehr / als wer ſeinen Feind in den Sieges-Wagen einſpannet indem Her - cules eine weit groͤſſere Helden-That begienge / da er beym Scheide-Wege die Tugend erwehle - te / und die Wolluſt verließ / als er an Rieſen / Schlangen und Loͤwen erwieſen hat. Nun dieſe Tugend muͤſſen auch J. Majeſt. erkieſen / wo ſie ihren Nahmen dem Sonnen-Zirckel wollen ein - verleibet wiſſen. Eine Hand voll Ehre uͤberwie - get tauſend Centner Wolluſt. Sie laſſen dieſeF f 3Schoͤn -454Der Aſiatiſchen Baniſe. Schoͤnheit durch den Todt verſtellen / ſo wird die Vergeſſenheit eine erwuͤnſchte Ruhe wiederbrin - gen. Denn es iſt hohe Zeit / daß man den Tyger erwuͤrge / wenn er die Klauen in unſere Kleider ein - ſetzet / ehe er uns mit den Zaͤhnen vollend zerfleiſche. So ſey es denn / antwortete Chaumigrem / laſ - ſet das ſchoͤne Unthier eintreten / und den Todes - Spruch aus unſerm Munde anhoͤren. Wel - ches ſobald erfolgete / und trat diß ſchoͤne Bild un - ter den unbarmhertzigen Laſt eiſerner Ketten nebſt dem Scandor vor das grauſame Geſichte des Kaͤyſers. Wie ſo fluͤchtig? Schoͤne Zauberin! redete er ſie mit veraͤchtlichen Augen an. Wie ſo grauſam? Blutdurſtiger Tyrann / erwiederte die Princeßin. Jch verfluche meine Unbedacht - ſamkeit / daß ich nicht ſtatt des unſchaͤdlichen Krauts Dutroa, den ſtaͤrckeſten Gifft in den Tranck eingemiſchet habe / ſo haͤtte ich mich gero - chen / und duͤrffte nicht dieſe Sclaviſche Ketten tragen. So hat die Schlange noch nicht ihr Gift verlohren? redete ihr Chaumigrem ein. Laſſet doch ſehen / ob ſo ein Heldenmuͤthiges Hertz die gifftige Bruſt beſitze. Die Todes-Qvaal ſoll dieſe Stimme bald veraͤndern. Diß eben ſuch ich / erwiederte die Princeßin / denn du verfluch - ter Hund ſolt wiſſen / daß ich dir zu trutz mein Le - ben verachte. Reiche mir nur einen Dolch her / ſo ſolſtu ſehen / wie behertzt mein Blut dieſe Ket - ten beſpruͤtzen ſoll. Raſende Baniſe / verſetzte er / ſo laͤſſeſt du dich eine tadelhaffte Verzweiffe -lung455Anderes Buch. lung dermaſſen beherrſchen / daß du die Grufft dem Throne / und ein Hencker-Beil den Zepter / ja die grauſamſte Marter einer Kaͤyſerlichen Lie - be vorzeuchſt. Bedencke dich wohl / unbeſonnene Princeßin / und wiſſe / daß verſchmaͤhete Gunſt Haß und Tod bringe. Wohl! antwortete Ba - niſe / laſſe nur deine Zunfft-maͤßige Geſellſchafft / die Henckers-Buben ankommen! laſſe ſie Pech und Schwefel herbringen / und ſiedendes Oel - ber den gantzen Leib flieſſen. Ja / du kanſt zu deiner Luſt ſelbſt zugreiffen / und mir das Marck aus den Beinen preſſen / doch wiſſe / daß ich weit leiber geſchmoltzen Ertz als deine Lippen kuͤſſen will. Fuͤhret die raſende Seele beyſeite / befahl Chaumigrem / und goͤnnet ihr wenige Stunden / wieder zu ſich ſelbſt zu kommen. So bald nun dieſes geſchehen / redete er den Rolim an: Jch weiß nicht / ob diß zauberiſche Bild mich auf na - tuͤrliche Art entzuͤndet hat: Denn ob ich mir zwar die Beſchleunigung ihres Todes auch durch mei - ne Hand vorgenommen / ſo erſtarrete doch mein Arm / und das Hertze bebete / als ich nur einen Blick auff ſie geworffen. Jhr ſteinhartes Her - tze und verbitterte Woꝛte ſolten mich wol bewegen / auch die Unſchuld ſelbſt zu ermorden: Allein auch unter den truͤben Wolcken ihres Geſichtes / drang ein ſolcher Anmuths-Blitz in mein Hertze / daß ich faſt entgeiſter ſchiene. Ach grauſame Baniſe! welche ein Arimaſpiſcher Wolff mit Gifft und Blute muß geſaͤuget haben. Jhr kaltes HertzeF f 4muß456Der Aſiatiſchen Baniſe. muß auch das Eyß aus Zembla uͤbertreffen / weil mein heiſſes Bitten weder vormals / noch mein flammendes Begehren ietzund zu ſchmeltzen ver - mochte. Rathet derowegen / treueſter Rolim / rathet / wie der Kayſer zu retten / und ſeine bren - nende Unruhe zu ſtillen ſey.

Dieſen alten Greiß / den Rolim / hatte nun / ich weiß nicht was vor eine heimliche Regung betrof - fen / daß / indem er die Baniſe noch niemals geſe - hen / vielweniger dero Schoͤnheit in einige Be - trachtung gezogen / er faſt mit dem Kaͤyſer in glei - ches Fieber zu gerathen ſchiene: Dannenhero er alle Gedancken ihres Todes vergaß / und bloß auff ihre Erhaltung bedacht war. Weil denn J. M. antwortete er dem Chaumigrem / ſich ſo gar nicht getrauen den Feſſeln der Liebe zu entgehen / ja be - reits ſolchen Verluſt dem Leben gleich achten: ſo wil ich mich auch hierinnen als ein treuer Diener erweifen / und mich bemuͤhen / die verſtockte Prin - ceßin durch mein Anſehen und Beredſamkeit ſo weit zu vermoͤgen / daß ſie endlich vernunfftmaͤßig ſich des Kaͤyſers Liebe erwehlet / und den einge - wurtzelten Haß durch eine beſtaͤndige Liebe ver - tilgen laſſe. Vergoͤnnets mir nur J. M. ſo ge - traue ich mir wohl / ihr die Liebes-Pillẽ erwuͤnſcht einzubringen. Angeſehen ſie nur noch ein Kind iſt / das noch in Schalen ſtecket / und ein Baum / auff welchem der Kuͤtzel noch nie gebluͤhet hat. Jch aber wil ihr ſchon durch ſuͤſſe Lehren die Knoſ - pen aufthun. Ach wertheſter Vater / umarmeteihn457Anderes Buch. ihn Chaumigrem / auff euch beruhet das Heyl meiner Seelen. Thut / was ihr ſaget / und ver - ſichert euch / wo ihr dieſe Schoͤne beſieget / ſo ſoll mir zwar Baniſe in Armen / der Rolim aber im Hertzen liegen. Jch wuͤnſche / ſagte der Rolim hierauf / ſo begluͤckt als muͤhſam zu ſeyn. Wo - mit er zugleich ſich nach dem Zimmer verfuͤgte / worinnen die armſelige Baniſe gefangen ſaß: ſo bald er aber ſolches betrat / befahl er im Namen des Kaͤyſers / ſie aller Ketten zu entledigen / worauf er die weinende Princeßin anredete: Schoͤnſte Princeßin! ſie hemme den Lauff ihrer Thraͤ - nen / und verſichere ſich / daß ſie / wenn ſie wil / ein Paradieß hier ſchmecken koͤnne. Jch komme hier als eine Biene / welche Klee ſuchet / und vor ih - ren Kaͤyſer ſorget: deſſen Mund ſo ſehr nach ihr lechſet. Der Blitz ihrer Augen hat ihn entzuͤn - det / und ich ſehe ſelbſt / wie anmuthig der Schar - lach ihren Mund / und der Purpur ihre Wangen decket. Hier brennet lebendiger Schnee / und dort qvillt Zinober: Und dieſe Schoͤnheit iſt wuͤr - dig / einen Kaͤyſer zu vergnuͤgen. Ehrwuͤrdigſter Vater / erwiederte die Princeßin / ich betaure / daß ihr mich mit bloͤden Augen anſehet: nachdem ich aber eures hohen Verſtandes ſattſam vergewiſ - ſert bin / ſo bitte ich wehmuͤthigſt / doch der geſun - den Vernunfft einigen Platz einzuraͤumen / und zu erwegen: ob es moͤglich ſey / den Moͤrder der Seinigen / und den Raͤuber ſeines Vaterlandes mit verliebten Augen noch anzuſehen. WaͤreF f 5dieſes458Der Aſiatiſchen Baniſe. dieſes nicht ein Zeichen hoͤchſter Leichtſinnigkeit / ja ein vollkommenes Merckmahl eines laſterhaf - ten und geilen Gemuͤthes / wenn ich mich die Lip - pen / welche kurtz zuvor das Todes-Urthel uͤber meinen Vater ausgeſprochen / kuͤſſen / und die Hand / welche noch von dem warmen Blute der lieben meynigen rauchet / beruͤhren lieſſe. Es iſt zwar wohl gethan / fiel ihr der Rolim in die Rede / und hoͤchſtloͤblich / den Tod der Seinigen zu be - trauren / ja auch / wenn uns die Goͤtter die Gewalt verliehen / ſolchen auffs grauſamſte zu raͤchen. Wo aber dieſes ermangelt / ſo ſehen wir daraus / wie ſich der Himmel die Rache ſelbſt vorbehal - ten / und wir unvermoͤgende Menſchen uns indeſ - ſen gebuͤhrend in die Zeit ſchicken ſollen. Dieſes iſt eine Art der groͤſten Klugheit / und wuͤrde ſich hiedurch die Princeßin einen Krantz ewigen Ruh - mes winden: wenn ſie allen Haß bey dieſem un - veraͤnderlichen Zuſtande hindan ſetzte / und ſich durch Einwilligung in des Kaͤyſeꝛs verliebtes Be - gehren gleichſam in den vaͤterl. Thron einſetzte. Werthſter Rolim / war der Princeßin Gegenre - de: dieſes iſt eine Staats-aber keine Tugend - Regul. Mich wuͤrde ich zwar einiger maſſen vergnuͤgen / wo ja diß eine Vergnuͤgung zu nen - nen iſt / wenn uns iedweder Tritt / ein blutiges An - dencken der werthen Eltern vorſtellet: hingegen aber wuͤrde ich mir auch zugleich ein ſolches Schand-Mahl bey allen Voͤlckern anbrennen / welches meinen Ruhm verfinſterte / und meineTu -459Anderes Buch. Tugend begrube / denn die Tugend kan uns nur vergoͤttern / und ſo lange ich dieſe im Hertzen fuͤh - le / iſt mir Thron und Krohn verhaßt. Ja wenn uns auch / bemuͤhte ſich der Rolim ferner / auſſer dieſem unſere Freyheit und Leben erlaubet wuͤrde / daß wir unſer Leben in ſtiller Einſamkeit zubrin - gen / und nicht vielmehr Marter und Tod / welches der Kaͤyſer draͤuet / ausſtehen duͤrfften. Auch dieſer / verſetzte Baniſe / jaget mir keinen Schrecken ein / denn die Eigenſchafft der Tugend gleicht den Palmen / welche durch die unterdruͤckende Laſt nur deſto kraͤfftiger werden. Sturm / Ungluͤck und Hertzeleid iſt die beſte Luſt der Tugend / Angſt iſt ihre Mutter / und Elend ihre Amme. Ja alle ihr Schmuck beſtehet|in Thraͤnen / Blut und Aſche. Es ſchneide und brenne der Tyranne / wie er wil / ſo werde ich doch durch Stahl und Feu - er ſo rein als Gold und Diamant werden. Jch muß ihren Engel-hohen Sinn ruͤhmen / erwieder - te der Rolim / und mich uͤber dero Standhafftig - keit verwundern. Allein je hoͤher ich ſolches ſchaͤ - tze und ruͤhme: ie groͤſſers Mitleiden muß ich mit dero Untergang haben. Jhre Tugend muß ein Rolim loben / und dero Schoͤnheit ein Kaͤyſer lie - ben: So erbarme ſie ſich doch uͤber ſich ſelbſt / und loͤſche nicht ſelbſt die herrliche Fackel ihres Le - bens vor der Zeit aus. Sie beraube doch nicht gantz Aſien einer ſolchen Schoͤnheit / womit die uͤbrigen Theile der Welt ſchwerlich prangen koͤn - nen. Sie rathe ſich ſelbſt / und zaͤhme den Loͤwendurch460Der Aſiatiſchen Baniſe. durch Sanfftmuth und Liebe. Ach trauteſter Rolim / antwortete ſie mit entzuͤckenden Geber - den / redet mir nicht ferner vergebens ein. Jch kan / ich ſoll / ich will den Chaumigrem nicht lieben: ſondern wo ja mein Trutz buͤſſen / und die Schuld meiner natuͤrlichen Liebes-Pflicht den Tod ver - dienet hat / ſo ſoll mein unentweiheter Leib mit Freuden die ſchaͤrffeſten Sebel faͤrben. Wollet ihr aber euch / als ein Vater / uͤber diejenige erbar - men / welche euch vor des Kaͤyſers Hertze / und ih - ren Engel haͤlt / werdet ihr / ſage ich / nach Vermoͤ - gen / dem Kaͤyſer die ſchwaͤrmende Begierden ver - nuͤnfftig ausreden / ſo ſoll euch mein Hertze ewig verpflichtet ſeyn / und der Himmel wird euch vor ſolchen heiligen Dienſt ewiges Heil zulegen. Mein Kind / hub der halb entzuͤndete Rolim an / diß iſt eine Bitte / welche von der Unmoͤgligkeit beſieget wird. Denn wer ſich des Kaͤyſers Brunſt zu daͤmpffen unterſtehen wil / der geuſt nur Oel ins Feuer / und Waſſer auff gluͤende Steine. Doch weil ich ihre Wolfahrt der meinen gleich ſchaͤtze / ſo wil ich thun / was mein Vermoͤgen erlauben wird / ja ich wil auch mit meiner Gefahr vor ſie handeln / und reden / was mir Beredtſamkeit und Liſt eingeben wird. Jedennoch ſtehet es nicht zu ꝛathen / daß man bloſſeꝛ Dings alle Liebe dem Kaͤy - ſer verſage / ſondern ein ſo wichtiges Werck der Zeit anbefehle. Solche aber zu gewinnen / ſo wende man eine Geluͤbde vor / wie ſie nicht eher in des Kaͤyſers Begehren einwilligen koͤnne / ſie habedenn461Anderes Buch. denn den jaͤmmerlichen Verluſt der Jhrigen ſechs Monat in dem Tempel Conqviay des Gottes der tauſend Goͤtter / wo ihres Vaters Gebeine ruhen / beweinet: So nun ihr Wille meinem wohlmey - nenden Rathe beypflichtet / ſo eile ich / den Kaͤyſer hierzu zu bereden. Solches war der Princeßin / welche aus keuſcher Einfalt des alten Rolims Ab - ſehen nicht merckete / hoͤchſt angenehm: weil bey ſolchem Erfolg ihr Printz Zeit und Raum bekaͤ - me / ſie mit Gewalt zu erloͤſen: Der Tempel aber ſtund ihr ſo weit wohl an / weil ſie in ſelbtem vor dem Kaͤyſer wohl geſichert war / indem ſolchen niemand / auſſer dem Rolim / betreten durffte. Jnzwiſchen war dem Chaumigrem des Scan - dors Geſichte ziemlicher maſſen bekandt vorge - kommen: dannenhero er ſolchen in dem innern Burg-Hofe vor ſich bringen ließ / und ihn ſo bald vor den Scandor erkandte. Siehe da! redete er ihn an / du ſauberer Vogel deines Herrn! fuͤh - ret dich die Rache in unſere Gewalt? Entdecke alſobald / aus weſſen Antrieb du dieſen Menſchen - Raub zu begehen / dich unterſtanden haſt. Scan - dor antwortete behertzt: Jch bin ein Diener mei - nes Herrn / dem nicht nachzugruͤblen gebuͤhret / ob der Befehl ſeines Herrn recht oder unrecht ſey. Jch gehorſame / und wenn er mir befohlen haͤtte / die Burg zu ſtuͤrmen / ſo waͤre ich mit der Naſe wider die Mauer gelauffen / und haͤtte ich ein blu - tiges Zeichen meines Gehorſams ſollen zuruͤcke bringen. So hat es dir dein Herr befohlen? redete428[462]Der Aſiatiſchen Baniſe. redete Chaumigrem weiter: Wo iſt aber derſel - be? Er iſt heute / antwortete Scandor / auff der Poſt vorbey gegangen / und hat mich mit dem Fell-Eiſen zuruͤcke gelaſſen. Dein Printz iſt ſelbſt zugegen geweſen? fragte er gantz verwundernde / und hat wohl ſelbſt dieſen Raub begehen helffen? Warum hat er uns aber nicht die Ehre ſeiner Gegenwart goͤnnen wollen / fragte er ferner mit hoͤhniſchen Geberden. Weil der Poſtilion nicht warten wolte / erwiederte Scandor / er wird ſich aber eine eigene Muͤhe machen / J. M. zu beſu - chen / welches in kurtzem geſchehen duͤrffte. Jn - deſſen / verſetzte Chaumigrem / ſolſt du vor der Stadt in freyer Lufft deines Herrn erwarten / in - dem wir dich dem Stricke anvertrauen wollen. Von der Hand eines Kaͤyſers zu ſterben / war Scandors Einrede / achte ich vor eine groſſe Ehre: und durch mich werden hernach auch die Raben von des Kaͤyſers Gnade zeugen koͤnnen. Wor - auff ihn der Kaͤyſer wieder an ſeinen Qrt zu fuͤh - ren befahl.

So bald Chaumigrem ſein Zimmer betrat / wartete ihm der Rolim bereits auff / welchen er alsbald anredete: Was bringt ihr uns / mein Rolim / Vergnuͤgung oder Pein? Die Zeit kan alles aͤndern / antwortete der Rolim / ein Baum faͤllt nicht durch einen Schlag. So laͤſſet ſich / hub der Kaͤyſer an / das Felſen-Hertze nicht bewe - gen / O Himmel! und ſchlaͤgt ſie des Kaͤyſers Lie - be trutzig in Wind? Nein! verſetzte der Rolim /ſie429[463]Anderes Buch. ſie ruͤhmet diejenigen ſelig / welche einen ſolchen Kaͤyſer zu lieben faͤhig ſind. So ſtoͤſſet ſie denn / fragte er ferner / ſolche Seligkeit mit Fuͤſſen von ſich: Jſt das moͤglich / daß ſich ein groſſer Fuͤrſt von einem ſchwachen Weibes-Bilde ſoll abhen - ckern laſſen? Des Nachts laͤſſet ſich ihr zaube - riſch Bild im Traume umarmen: Des Ta - ges knie ich als ein Sclave ſeuffzende vor ihr / und dennoch kan ich durch ſolche Hoͤllen-Pein nicht ih - re Gunſt erlangen. Soll ich denn nun ihrent - wegen unvergnuͤgt ſterben. Großmaͤchtigſter Kaͤyſer / bemuͤhete ſich der Rolim ihm einzureden / Holtz das bald Feuer faͤngt / haͤlt nicht lange Koh - len. Der Hunds-Stern / welcher faſt die halbe Welt durch Hitze verzehret / hat nicht lange Friſt zu brennen. So hoffe ich auch / es werde Zeit / Witz und Vernunfft den gaͤhlingen Seelen - Brand in E. M. leſchen. Jch muß es ſelber geſtehen: auch ſchlechte Blumen gefallen bißwei - len Augen: Allein / wo ich urtheilen kan / ſo ſtehet Baniſe dem Chaumigrem nicht an. Ach / leidet! ſeuffzete der Troſtloſe / diß iſt kein Pflaſter vor mei - ne Wunden. Die Seiffe der Verachtung iſt zu wenig / ihr Bildniß aus meinem Hertzen zu tilgen. Wie mag euch doch nun die Goͤttin veraͤchtlich vorkommen / welche euch zuvor durch den erſten Anblick zu einem Beyfall meiner Liebe bewegen kunte. Der Rolim erwiederte: Des Menſchen Vorwitz faͤllt bißweilen auff nichtswuͤrdige Din - ge: und ein geringes Liecht / welches man zu erſter -464Der Aſiatiſchen Baniſe. erſiehet / kan unſere Augen verblenden. Nach - dem ich aber ihre Schoͤnheit etwas genauer be - trachtet: ſo ſchwere ich / daß ihre Schoͤnheit bey weitem nicht ſo vollkommen iſt / als ſie ſich im er - ſten Anblick vorſtellete. Die Augen ſind zwar ſchoͤne / doch ohne Strahlen / welche ein Hertz ent - zuͤnden ſollen. Jhre Lippen ſcheinen mehr von einer Einfalt / als Anmuth beſeelet zu ſeyn. Die Bruͤſte ſind zwar Schneeberge / iedoch ohne Flammen. Die Wangen ſind mit einer unan - ſtaͤndigen Roͤthe beſchrencket / und ihre gantze Ge - ſtalt verſichert uns / es waͤre leicht eine groͤſſere Schoͤnheit anderswo zu finden. Ach ſchweiget Rolim! redete ihm der Kaͤyſer ein / denn auch die - ſes / was ihr als Maͤngel auffſetzet / entzuͤcket mei - ne Augen am meiſten: denn ihr / als ein Feind der Wolluſt / wiſſet nicht von der Schoͤnheit zu ur - theilen. Was vor ein grauſames Verhaͤngniß a - ber hat mir dieſes Liebes-Gifft eingefloͤſſet / daß ich brennen und verbrennen muß? Auff derowe - gen! ich wil erweiſen / daß Zwang und Tod eine verachte Liebe begleiten. Weil denn / hielt ihn der Rolim auff / J. M. auſſer ihrer Liebe zu ſterben vermeynen: ſo habe ich mit gutem Vorbedacht anfangs ihre endliche Bewilligung verſchweigen wollen: Nachdem aber keine andere Artzney als ihre Gegen-Huld hier anſchlagen wil: ſo wiſſe J. M. daß ſie ſich nunmehr entſchloſſen / dem Verhaͤngniſſe / welches ihr ſelbſt zuwider ſcheinet / nicht ferner zu widerſtreben / ſondern den Kaͤyſerihrer465Andrees Buch. ihrer Liebe wuͤrdig zu ſchaͤtzen. Sie verbannet allen Haß / und will den Kaͤyſer als ihren Ehe - ſchatz willig kuͤſſen. Weil aber das bittere An - dencken der ertoͤdteten Freunde ſtete Wehmuth in ihr kochet / und ihre verborgene Glut noch ſtets zuruͤcke haͤlt / ſo bittet ſie um der Liebe willen / wo - mit ihr der Kaͤyſer zugethan zu ſeyn / vorgiebet / ihr doch nur zu erlauben / daß ſie der Natur und kind - lichen Liebe gemaͤß / die ihrigen ſechs Monat lang beweinen / und dann hernach mit deſto faͤhigerm Geiſte J. Majeſt. lieben und vergnuͤgen koͤnne. Einfaͤltiger Rolim / ſtellete ihm Chaumigrem ent - gegen / iſt euer Verſtand zu wenig / den Sinn die - ſer Argliſtigen zu erforſchen? Koͤnnet ihr nicht mercken / was vor einen Gifft dieſe Schlange unter dieſer ſechs Monatlichen Trauer-Zeit ver - borgen haͤlt? die uns in ſechs Tagen hintergangen / und ſchimpflich betrogen hat / wird in ſechs Mona - ten noch eine weit groͤſſere Liſt bewerckſtelligen / und die Klugheit ſelbſt uͤbermeiſtern koͤnnen. Nein! J. Maj. verſetzte der Rolim / dieſen Arg - wohn uns allen zu benehmen / bittet ſie um Er - laubniß / ihre Trauer-Zeit in dem mir anvertrau - ten Tempel des Gottes der tauſend Goͤtter zuzu - bringen / aus welchem ſie nicht eher / denn in des Kaͤyſers Armen ſchreiten will J. Maj. uͤberlegen es wohl. Es iſt ein billiches Begehren / wodurch ihr Gewiſſen befriediget / und der Kaͤyſer vergnuͤ - get werden kan. Auſſer dieſem iſt ſie gaͤntzlich ent - ſchloſſen / ſich ſelbſt durch den Tod eine ewigeG gTrau -466Der Aſiatiſchen Baniſe. Trauer-Zeit / und hierdurch J. Majeſt. eine ſtete Wehmuth zu verſchaffen. Wer will ſie aber mir / fragte der beſorgte Chaumigrem / hernach in die Arme liefern? Oder wer will mich ihrer Liebe ver - ſichern / daß nicht ein abermahliger Betrug / wel - cher den erſten uͤbertreffen moͤchte / darunter ver - borgen ſey. Derſelbe Buͤrge / antwortete der Ro - lim / wil ich ſeyn. Der wohl-verwahrte Tempel / und die ſtete Einſamkeit verbietet ihr alle Flucht / und machet mich ſo kuͤhne / daß ich verſpreche / ſie ſelbſt in J. Majeſt. Bette zu liefern / und ſie mit Segen zu belegen. Hierdurch werden J. Majeſt. erweiſen / wie ſie maͤchtig genung ſind / ihre Be - gierden zu beherrſchen / die Princeßin aber wird dieſes zu deſto groͤſſerer Gegen-Liebe verbindlich machen. So ſey es denn / entſchloß ſich der Kaͤy - ſer / Rolim / ich binde ſie auff eure Seele: und wiſ - ſet / daß ihr mir mit eurer Heiligkeit und Leben davor hafften ſollet. Laſſet ſie aber alſobald in den Tempel begleiten / damit ſie nicht durch friſches Anſchauen das Feuer meines Verlangens noch hefftiger entzuͤnde. Jhren Mitgefangenen aber ſey zu wahrer Bezeugung meiner gegen ſie tragen - den Huld zugleich die Freyheit geſchencket. Wie nun der erfreuete Rolim unterthaͤnigſt im Nah - men der Princeßin gedancket / verfuͤgte er ſich ſo bald zu der Princeßin / hinterbrachte ihr ſeine be - gluͤckte Verrichtung / und fuͤhrete ſie mit ihrer Vergnuͤgung in ſeinen Tempel / allwo ſie in ein Zimmer / welches faſt einer Capellen aͤhnlichte /einge -467Anderes Buch. eingeleget / und ihr niemand als die Eſwara zuge - geben wurde. Jn dieſer Zelle wollen wir ſie eine zeitlang ihren elenden Zuſtand beweinen laſſen / und inmittelſt unſer Gemuͤthe nach Ava ſenden.

Scandor hatte ſeine Freyheit kaum erlanget / ſo verließ er Pegu / und eilte ſeinem Printzen nach / welchen er zu Ava gluͤcklich antraff / und durch die ſechs Monatliche Friſt vor die Princeßin hochſt erfreute. Weil ihm nun die Zeit ſehr edel zu ſeyn dauchte / und iedwode Stunde hoͤher denn Gold ſchaͤtzte: Als beruffte er in aller Eil den Reichs - Rath und Vornehmſten des Reichs gen Hofe: welche / in Meynung ihren Printz zu kroͤnen / ſich allerſeits gehorſamſt einſtelleten. So bald ſi a - ber in einem groſſen Saal verſamlet waren / hielt er in Perſon eine weitlaͤufftige und wohlgeſetzte Rede an ſie / in welcher Er ihnen die viel und un - billich zugefuͤgte Schmach / ſo er von ſeinem Va - ter / und ſo folgbar als ein Vertriebener / an fremb - den Orten erdulden muͤſſen / beweglichſt vorſtelle - te: Und wie er ſich iedennoch eyfferigſt bemuͤhet / den kindlichen Gehorſam iederzeit zu beobachten: Weswegen ihn auch die Goͤtter geſegnet / daß er nicht allein die Crone von Ava auffſetzen / ſondern auch den Thron von Aracan beſteigen koͤnte. Weil er ſich aber zu ſchwach / wo nicht zu untuͤch - tig befaͤnde / zwey ſolche maͤchtige Voͤlcker zu be - herrſchen / welche beyderſeits eine ſtete Gegenwart erfoderten: Als waͤre er mit ihrer allſeitiger Ge - nehmhaltung gewillet / ſeine Fraͤulein Schwe -G g 2ſter -468Der Aſiatiſchen Baniſeſter / als eine / ihres hohen Verſtandes wegen / wohlbekannte Princeßin / ihnen als Koͤnigin vor - zu ſtellen / indem Ava / als ein Erb-Reich gar wohl ein Weibliches Ober-Haupt erdulden koͤn - te. Solches wuͤrde er nicht allein gnaͤdigſt zu erkennen wiſſen / ſondern auch das Wahl-Reich Aracan dermaſſen mit Ava verknuͤpffen / daß ſie in ſtetem Wohlſtande leben koͤnten / und ſich vor keiner auswaͤrtigen Gefahr fuͤrchten duͤrfften. Weil nun die Princeßin durchgehends faſt beliebt und in ſonderbarer Hochachtung war / ſo baten ſie umb wenige Stunden Bedenckzeit / weil ſich gleichwohl einige unruhige Koͤpffe dawider ſetz - ten: welches ihnen auch bewilliget ward. Nach - dem aber die meiſten Stimmen dem Printz bey - fielen / ſo erfolgete endlich eine allgemeine Be - willigung / welche ſie ſo fort dem Printzen zu ſon - derbarer Vergnuͤgung hinterbringen lieſſen. Der Printz verfuͤgte ſich in der Princeßin Gemach / und bote ihr mit bruͤderlicher Jnbruͤnſtigkeit die Kro - ne von Ava an / welche ſich hieruͤber nicht wenig entſetzte / und ſich kaum konte bereden laſſen: daß ein Bruder auch mit Kronen ſo freygebig ſeyn koͤnte. Als er aber ſie voͤllig bedeutete / ſie auch durch einige Abgeordnete von den Reichs-Staͤn - den zur Krone erſuchet ward: wuſte ſie ſich nicht danckbar gnug gegen dem Printzen anzuſtellen. Folgenden Morgen wurde ein hohes Geruͤſte auf dem Marckt-Platz auffgerichtet / welches mit Gold-durchwuͤrckten Teppichten haͤuffig behen -get469Anderes Buch. get war. Auff dieſem lag die Krone unter einen Himmel auff einem Tiſche. Umb 9. Uhr kam der Printz / fuͤhrete die Princeßin bey der Hand / und wurde von allen Groſſen des Hofes und Rei - ches / wie auch vielem Frauenzimmer begleitet. So bald ſie das Geruͤſte erreichet und beſtiegen hatten / fragte der Printz die geſammten Reichs - Staͤnde zu dreyen mahlen / ob ſie zu frieden waͤ - ren / daß die Princeßin Higvanama als ihre Erb - Koͤnigin gekroͤnet wuͤrde. Als nun hierauff ein uͤberall-ſchallendes Ja erfolgte: nahm der Printz die Krone mit eigner Hand / und ſetzte ſie der Prin - ceßin mit dieſen Worten auff: So ſetze ich dir denn! wertheſte Schweſter / die Krone von Ava im Nahmen der Goͤtter auff: Und zwar erſtlich als ein Koͤnigliches Regierungs-Zeichen: wel - ches ſie iederzeit ihres hohen Ambtes erinnern: Vors andere / als ein bruͤderliches Liebes-Zei - chen: wobey ſie iederzeit ihres treu-ergebenſten Bruders gedencken ſoll. Als nun alle uͤbliche Kroͤnungs-Gebraͤuche dabey vorgegangen: er - hub ſich ein ungemeines Freuden-Geſchrey un - ter dem gantzen Volcke / und wurden drey Tage hierauff in hoͤchſten Freuden gefeyert. So bald auch der Printz alles in gute Ordnung und Ver - faſſung / ſeiner Fraͤulein Schweſter zum beſten geſetzet: verließ er ſtillſchweigende Ava / und be - gab ſich nach Aracan / allwo er mit unſaͤglichen Frolocken des ſaͤmmtlichen Volckes empfangen ward: als welches vorlaͤngſt nach einem recht -G g 3maͤßi -470Der Aſiatiſchen Baniſe. maͤßigen Koͤnige geſeuffzet: weil es der ſchweren Regierungs-Art einiger Reichs-Raͤthe gantz uͤberdruͤßig war.

So bald er nun von den anweſenden Reichs - Raͤthen und ſaͤmtlichen Volcke gebuͤhrend em - pfangen worden: begab er ſich ſo fort nach der Koͤniglichen Burg. Und nachdem der Vortrag wegen Annehmung der Krone geſchehen: wurde ſolches von dem Printzen gnaͤdigſt und willigſt angenommen: dannenhero gleichfalls nach we - nig Tagen zur Kroͤnung geſchritten wurde / zu welcher alle Unterthanen des Reichs / ſo wohl Maͤnner als Weiber / welche uͤber ſechzehn Jah - re waren / erſcheinen muſten. Da man denn das Volck zu Waſſer und Lande haͤuffig herzu - kommen ſahe. Alle Groſſen erſchienen in ihrem praͤchtigſten Habit / mit koͤſtlichen Schiffen / Die - nern und Sclaven / ſo / daß die Menge nicht zu zehlen war. Als nun der Tag der Kroͤnung end - lich erſchienen / ſahe man vor dem Koͤniglichen Schloſſe / welches mitten in der Stadt liegt / alle Plaͤtze gekehret und geſchmuͤcket / und mit hocher - habenen Schaubuͤhnen gezieret. Eine groſſe Menge Soldaten ſtunden im Gewehre / umb al - le Unordnung zu verhindern / damit der Koͤnig von allen moͤchte geſehen werden. Endlich kam S. Koͤnigl. Maj unter dem Schalle der Trom - peten / Schalmeyen / Paucken und Trommeln aus ſeinem Pallaſt auf einem weiſſen Elephan - ten geritten / bekleidet mit den koͤſtlichen Aſiati -ſchen471Anderes Buch. ſchen Kieidern / mit Perlen / Kleinodien und un - ſchatzbarn Edelgeſteinen gezieret. Seinen Tuͤr - ckiſchen Bund uͤberdeckete eine koͤnigliche Krone / welches ſeine Majeſtaͤt praͤchtigſt vermehrete. Er ſaß in einem Gezelte / welches auff den Ruͤ - cken des Elephanten erbauet war: Auff deſſen Genicke ein Aracaniſcher Edelmann ſaß / welcher die ungeheuere Beſtie regierte. Dieſer Ele - phant war mit koͤſtlichen und geſticken Decken behangen / und gieng abgerichteter Maſſen / mit langſamen Schritten fort: damit er dieſes groſ - ſen Koͤniges Ehre und Herrligkeit an dieſem Ta - ge vergroͤſſern moͤchte. Uber dem Haupte des Koͤniges wurde durch einige Edelleute / ein uͤber - aus koſtbarer Sonnen-Schirm getragen: Viel anſehnliche Staats-Leute aber / nebſt eini - gen Aracuiſchen Helden giengen mit ihren Waffen zu Fuſſe um den Koͤnig. Wor - auff ein vornehmer Mohren-Printz nebſt dem groͤſten(†)Sicken ſind Reichs-Raͤthe vid. Scultet. Reiſe - Beſchreibung pag. 95. Sicken des Reichs auff einem koͤſtlich-gezierten Elephanten / mit vielen Dienern und Trabanten folgeten. Nach dieſem ritten Mann fuͤr Mann / alle hohe Perſonen des Koͤ - nigreichs / ordentlich nach einander / auf Elephan - ten / und wurden gleichfals von Spiel-Leuten / Dienern und Beylaͤuffern begleitet. Niemahls hat man eine groͤſſere Pracht an Kleidern / Gold / Silber und Edelgeſteinen / als zu der Zeit geſehen /G g 4ja /472Der Aſiatiſchen Baniſe. ja / meine Feder iſt zu ſchwach / dieſen Majeſtaͤti - ſchen / und unvergleichlichen Koͤniglichen Auff - zug / der Gebuͤhr nach zu beſchreiben. Hier ſahe man Sebel / Helleparthen / Lantzen / Pfeile / Bo - gen / Aſſagyen und dergleichen Gewehr / in unbe - ſchreiblicher Menge. Die Sonnen-Schirme / Fahnen und Wimpel / wodurch der Auffzug herr - licher gemacht ward / nebſt den Muſicaliſchen Jnſtrumenten / waren unzehlbar. Die Araca - niſchen Talpooys / oder Prieſter / nebſt den Mu - ſicanten ſchloſſen den Reihen. Die Mauern des Koͤniglichen Pallaſts / Maͤrckte und Straſſen nach dem Schloſſe zu / ſahe man an beyden Sei - ten mit tapffern Soldaten / in Lieberey / und in weiſſe Baum wollen-Leinwand gekleidet / mit bloſ - ſen Sebeln / Picken und Aſſagyen / in den Haͤnden / beſetzet / damit der Koͤnigliche Auffzug ohne ver - hinderliche Unordnung / geendiget werden moͤch - te. Auf ſolche Weiſe zog der Koͤnig durch alle fuͤrnehme Straſſen und Plaͤtze der groſſen Haupt-Stadt Aracan / ſo / daß er von viel tauſend Menſchen zugleich konte geſehen werden. Wor - auf er auf einer / mit Golde faſt bedeckten Buͤhne die Krone empfieng / und ihn von den Untertha - nen der Eyd der Treue abgeleget wurde / welches von allen Ecken mit groſſem Frolocken / und ver - miſchtem Geſchrey geſchahe. Als dieſes verrich - tet / wurden unter dem Klange der Pfeiffen / Trompeten und Paucken / alle Stuͤcke auff den Stadt - und Schloß-Mauern geloͤſet: zugleichſahe473Anderes Buch. ſahe man allerhand Kunſt - und Freuden-Feuer / worinnen die Aracaner alle Oſt-Jndiſche Voͤl - cker uͤbertreffen / angezuͤndet und in die Lufft flie - gen: welcher Auffzug endlich mit abermahliger Loͤſung der Stuͤcken geendiget wurde. Dieſe Kroͤnung war kaum geendiget / ſo bemuͤhte er ſich / wie in Ava / alle Unordnungen genau zu unterſu - chen und abzuſchaffen / die gekraͤnckten Geſetze zu verbeſſern / und durch Erlaſſung der ſchweren An - lagen ſich die Gemuͤther des Volcks zu verbinden. Bevoraus hub er die zwey harten Gewohnheiten der regierenden Koͤnige gaͤntzlich auff: Krafft de - ren ſich ein Koͤnig nur alle fuͤnff Jahr einmahl von ſeinen Unterthanen durffte ſehen laſſen: in - gleichen / daß er ſeine Schweſter ehligen muſte: Urſche / weil Adams Sohn auch ſeine Schweſter zum Weibe genommen habe. Und nachdem auch dieſe heilſame Vorſorge ruͤhmlichſt voll - bracht worden / ſchrieb er eine allgemeine Zuſam - menkunfft der Reichs-Staͤnde aus. Als nun dieſe haͤuffig gehorſamſt erſchienen / und begierig waren / ihres neuen Koͤnigs und Herrn Anſinnen zu erfahren / ließ er ſie alle in den foͤrdern Schloß - Platz zuſammen kommen: der Koͤnig aber ſtel - lete ſich an einen etwas erhabenen Ort / von wel - chem er wohl kunte geſehen und gehoͤret werden / und redete ſie folgender Geſtalt an: Getreueſte Reichs-Saſſen: Wie wir eure ſonderbare Zu - neigung aus der an uns vollzogenen Wahl ſatt - ſam erkennet haben: Alſo verſprechen wir unsG g 5zuver -474Der Aſiatiſchen Baniſe. zuverſichtlich eine durchgehende reine Treu und unterthaͤnigen Gehorſam von euch: Verſichern uns auch zugleich dabey / daß ihr / wie es getreuen Unterthanen gebuͤhret / vor die Wohlfarth eures Ober-Herrn / und deſſen Schmach zu raͤchen / euer Gut und Blut nicht verſchonen wuͤrdet: welches wir iederzeit gnaͤdigſt zu erkennen / und gleiches vor euch zu leiſten / wiſſen werden. Jn ſolcher Zuverſicht koͤnnen wir euch nicht bergen / was maſſen annoch bey Leben unſers Herrn Va - ters / mildeſten Andenckens wir nicht allein von dem damahligen Grafen Chaumigrem / ietzigen Tyrannen von Pegu / zu unterſchiedenen mahlen empfindlichſt beleidigt / ja von unſerm vaͤterlichen Hofe gar verjaget worden: ſondern auch / wie wir uns mit des großmaͤchtigſten Kaͤyſers Xemindo in Pegu Fraͤulein Tochter / der Princeßin Baniſe wuͤrcklich verlobet haben: welche / als eine uns rechtmaͤßig verſprochene Braut / erwehnter Ty - rann / aus unkeuſchem Trieb / zuruͤcke haͤlt / und ſich des gantzen Reichs Pegu / deſſen Crone wir uns nunmehro / vermittelſt dieſer hohen Heyrath / anzumaſſen haben / gewaltſamer Weiſe bemaͤch - tiget hat. Wir wollen dieſes zu eurer reiffern Er - wegung uͤberlaſſen / wie noͤthig es ſey / nach dem bekandten Sprichworte beyzeiten zu loͤſchen / weñ des Nachbars Hauß brennet. Denn dieſer herſch - ſuͤchtige Tyrann will nach einer allgemeinen Mo - narchie uͤber gantz Aſien ſtreben / und wird ſo folg - bar nicht unterlaſſen / auch dieſes Reich mit ſeinenRaub -475Anderes Buch. Raubklauen anzutaſten. Weil nun dieſes alles ſolche dringende Beweg-Urſachen ſind / welche nicht ſo wohl zu Beſchirm-als wuͤrcklicher Be - kriegung dieſes allgemeinen Feindes / zwingende Anleitung geben: Als fragen wir euch / tapffere Aracaner! ob ihr den Angriff eines ſo maͤchtigen Feindes mit laͤßigen Haͤnden erwarten / euch be - raubet / eure Weiber geſchaͤndet / und die Kinder vor euren Augen denen Elephanten zur Speiſe hingeworffen ſehen: oder ſolchem vielmehr tapfer - muͤthig vorkommen / und den Feind in ſeinem eignen Lager auffſuchen wollet. Begehret ihr nun die Fruͤchte des edlen Friedens vollkommen zu ge - nieſſen / ſo koͤnnet ihr euch deren nicht anders als durch eine Tapfferkeit / welche im Kriege bluͤhet / theilhafftig machen. Denn um des Friedens willen wird das Schwerd gefuͤhret / und ein oͤffent - licher Krieg iſt beſſer / als ein beſorglicher Frie - den: ja ein verdaͤchtig - und maͤchtiger Nachbar iſt ſchlimmer / als ein offenbahrer Feind. Wie wir uns aber wohl zu beſcheiden wiſſen / was vor eine Schwere Sache es um den Anſang eines Krieges / und wie ſolcher zwar in der Menſchen / der Aus - gang aber deſſelben in der Goͤtter Haͤnden ſey: So haben wir ſolches mit gutem Vorbedacht / und reiffer Uberlegung / zufoͤrderſt mit Zuziehung derjenigen / welche ihr Vaterland und Ehre hoͤ - her / als ſich ſelbſt lieben / vornehmen / und euch hieher beſcheiden wollen: So wohl uns eures ge - treuen Beyſtandes zu verſichern / als auch eurenRath /476Der Aſiatiſchen Baniſe. Rath / wie und auff was Weiſe ſolche ſchwere Sache anzufangen / mit gnaͤdigen Ohren anzu - hoͤren. Wie nun eine ſtuͤndige Unterredung der Sicken und des ſaͤmtlichen Adels / wegen dieſer Wichtigkeit gehalten worden / antwortete im Nahmen ihrer aller / Korangerim / ein Vetter des vorigen Koͤniges / und vornehmſte Fuͤrſt unter den Reichs-Staͤnden.

Großmaͤchtigſter Koͤnig von Aracan / Tipara / Chacomas / Jangoma / und Bengalen / Herr von Pegu! Wir in tieffſter Unterthaͤnigkeit treu - ergebenſte Staͤnde und Unterthanen dieſes Reichs / ſtatten gegen E. Koͤnigl. Majeſt. demuͤ - thigſt-gehorſamſten Danck ab / nicht ſo wohl vor die bereits gnaͤdigſt-erwieſene Reichs-vaͤterliche Vorſorge / in Erhalt - und Verbeſſerung unſerer Grund-Geſetze / und daher-ſproſſenden heiligen Gerechtigkeit: ſondern auch vor ietztermeldte hoͤchſt-ruͤhmliche Sorgfalt / dieſes unſer werthes Vaterland vor den Mordklauen unſers verdaͤch - tigen Nachbars maͤchtigſt zu beſchirmen: auch das Reich Pegu / welches die Goͤtter nebſt deſſen Princeßin E. Majeſt. von Rechtswegen gewied - met / mit dieſer Krone zu vereinbahren. Wann wir nun denn wohl wiſſen / und mit gellenden Oh - ren die Grauſamkeit des wuͤtenden Chaumigrems gehoͤret / wie er Brama mit Auffruhr behauptet / Martabane geſchleiffet / Pegu verwuͤſtet / Prom zerſtoͤret / und wie gewiſſe Zeitung einlaͤufft / ſeine Unrechts-volle Fauſt auch nach Siam ausgeſtre -cket:477Anderes Buch. cket: ſo erinnern wir uns zugleich unſerer unter - thaͤnigſten Pflicht und Gehorſam / womit wir in aller Treue J. Majeſt. verbunden: Krafft deſſen wir Guth und Blut / Leib und Leben vor dero hohe Wohlfarth / und unſer liebes Vaterland auffſe - tzen ſollen. Weil aber nach J. M. eigenen Ge - ſtaͤndniß ein Krieg von uns angefangen / nicht a - ber nach Willen geendiget werden kan / und der jenige / welcher den Harniſch anlegt / ſich ſo wenig ruͤhmen ſoll / als der / welcher ihn ablegt: ſo thun J. M. hoͤchſt-loͤblich / daß ſie nechſt den Goͤttern auch ihre getreuſte Staͤnde zu rathe ziehen wollen. Wie nun dieſe ſolches nochmahls mit unterthaͤ - nigſtem Dancke erkennen: alſo ſind ſie bereit / vor J. M. und ihres lieben Vaterlandes Wohl - farth / ihr euſerſtes dran zu ſetzen / und ihren Se - bel nicht anders / als nach erlangten Siegen / mit Ruhm und Ehren wieder einzuſtecken. Bitten aber zugleich in Unterthaͤnigkeit / ihren treuge - meinten Rath ſo weit gelten / und / dero Waffen deſto gerechter zu machen / durch eine anſehnliche Geſandſchafft / ſo wohl die Princeßin / als dero Erb-Reich Pegu / in hoͤflicher Guͤte / abfordern zu laſſen. Will ſolches alsdenn der Tyrann ab - ſchlagen / und uns durch ſolche unrechtmaͤßige Verweigerung ein billiches Nachdencken verur - ſachen: ſo heben wir das Recht auff / und den Sebel an unſerer Seiten / welcher alsdenn den maͤchtigen Koͤnig von Aracan / und den von Bra - ma tapffer entſcheiden ſoll.

Sol -478Der Aſiatiſchen Baniſe.

Solches ruͤhmliche Entſchlieſſen vergnuͤgte den Koͤnig dermaſſen / daß er nicht unterlaſſen konte / mit freymuͤthigen Worten ihre treue Tapf - ferkeit oͤffentlich zu erheben / und ſie hoͤchſter Gna - de zu verſichern. Und wie wir uns / beſchloß er / euer wohlbedaͤchtiges Einrathen gnaͤdigſt gefal - len laſſen: ſo uͤbergeben wir euch zu fernerem Be - dencken / wie nothwendig es ſey / die Waffen zu ergreiffen / ehe noch der Krieg angefangen wird. Daheꝛo es ſehr noͤthig ſeyn wird / ſich in volle Ver - faſſung zu ſetzen / damit im Fall der Weigerung durch dieſe Geſandſchafft der Krieg zugleich an - gekuͤndigt / und ſo fort der Feind in ſeinem Lande angegriffen werde / welches ingleichen von den ge - ſamten Staͤnden beliebet / und ein gewiſſer Aus - ſchuß erwehlet wurde: durch welche die Art und Weiſe / Geld / Volck / Lebens - und alle zum krie - ge gehoͤrige Mittel / ſolten herbey und angeſchaffet werden.

Als nun dieſes alles zu des Koͤniges hoͤchſter Vergnuͤgung ausgeſchlagen war / und er ſich in eigner hoher Perſon vor ſolche treue Zuneigung bedancket hatte / fragte er ſie insgeſamt nochmals mit dieſen Worten: So iſt es / getreuſte und tapffere Aracaner / eure ernſtliche Meinung / euch bey erfolgender Weigerung / als Feinde des Chau - migrems zu erklaͤren? Worauff der ſaͤmtliche Adel ihre Sebel entbloͤſten / und mit einmuͤthiger Stimme: Es lebe unſer großmaͤchtigſter Koͤnig Balacin / und alle ſeine Feinde muͤſſen durch die -ſe479Anderes Buch. ſe Sebel ſterben! ihre Einwilligung bezeugeten.

Folgende Tage wurden mit lauter Krieges - Bereitſchafften zugebracht / und auff alle Plaͤtze der Stadt rothe Blut-Fahnen ausgeſtecket. Der Koͤnig ſelbſt verſaͤumte niemahls perſoͤnlich dem Kriegs-Rathe beyzuwohnen: Und wurden vor allen Dingen die Geſandten erwehlet / welche nach Pegu gehen / und ſelbtes Reich / nebſt der Princeßin / von des Chaumigrems Haͤnden fo - dern / widrigen Fals ihm ſo bald den Krieg ankuͤn - digen ſolten. Zu welcher ſchweren Verrichtung vorerwehnter Korangerim / erwehlet / und ihm Karangeri / der dritte Reichs-Rath zugegeben wurde. Welche ſo fort ihre Abfertigung erhiel - ten / und den Chaumigrem vor der belagerten Stadt Odia ſuchen muſten: woſelbſt wir ſie bald anzutreffen vermeinen.

Jnmittelſt verſicherte ſich der Koͤnig der Por - tugieſen / welche ſich in Aracan wohnhafftig ge - macht / als deren Tapfferkeit ihm wohl bewuſt. Jngleichen wurde in hoͤchſter Eyl eine unſaͤgliche Menge Pferde aus Pegu und Bengala verſchrie - ben / weil deren faſt keine in Aracan zu finden ſeyn. Die Elephanten wurden geruͤſtet / die Voͤlcker zuſammmen gezogen / und um ein groſſes vermeh - ret / und / in Summa / nichts unterlaſſen / was zu einem weit ausſehenden Kriege / wider einen maͤchtigen Feind / noͤthig war.

Wir verlaſſen auff kurtze Zeit das Waffen-be - muͤhete Aracan / und ſchicken die Feder nach Pe -gu /480Der Aſiatiſchen Baniſe. gu / welches gleichfalls mit ſeinem Kaͤyſer auch die Friedens - volle Zeiten verlohren hatte. Denn / wie herrſch-ſuͤchtige Gemuͤther von keiner Ver - gnuͤgung wiſſen: indem ihre Begierden ſich keine gewiſſe Graͤntzen vorſchreiben laſſen / und dahero wie der Krebs ſtets weiter um ſich freſſen: alſo war auch Chaumigrem noch nicht vergnuͤgt / daß er aus einem duͤrftigen Grafen ein gekroͤnter Kaͤy - ſer worden / ſondern gantz Pegu war dem weiten Rachen ſeines Land-Hungers kaum ein Fruͤhſtuͤ - cke. Dahero er ein luͤſternes Auge auf ſeine Nach - barſchafft herum warff / und Siam zum erſten Biſſen erwehlete / unter dem Vorwand Politi - ſcher Betrachtung / daß die Menge ſeiner Solda - ten immerdar in der Ubung zu halten waͤren / da - mit ihre Tapfferkeit nicht verwelcke / oder der Muͤßiggang ihnen Anlaß zu einiger Auffruhr ge - be. Dieſem nach erſonne er eine beqveme Gele - genheit / unter dem Schein einigen Rechtens / den Koͤnig von Siam zu bekriegen. Es lieſſen ſich nemlich unterſchiedene Koͤnige in Aſien damahls Herrn des weiſſen Elephantes ſchelten / als nem - lich der Koͤnig von Bengala / Ava / Aracan / Si - am und auch Pegu. Der Beſitzer aber des weiſ - ſen Elephantens war damahls Koͤnig Higvero in Siam / welcher ſich dieſes Tituls allein mit Recht anmaſſen kunte. Solchen aber / als ein Zeichen hoͤchſter Gewalt / wolte ihm Chaumigrem nicht verſtatten: ſondern unterſtund ſich wol gar / durch eine uhralte / doch falſche Zeit-Rechnung das ReichSiam481Anderes Buch. Siam / als ein Lehnbares Stuͤcke von Pegu an - zugeben. Dannenhero ſendete er ſo fort eine un - anſehnliche Geſandſchafft nach Siam ab / und begehrte von dem Koͤnige Higvero / nicht ſo wohl ihm alsbald den weiſſen Elephanten auszuhaͤndi - gen und zu uͤberſchicken / ſondern auch ſich als ein Vaſall von Pegu / mit Lehns-Pflichten einzuftel - len. Wie ungereimt und hoͤchſt unbillich ſolches Anfordern dem Koͤnige in Siam nun vorkam / ſo fertigte er doch dieſe ſchlechte Geſandten mit einer abſchlaͤgigen / doch gantz hoͤflich-und wohlgegruͤn - deten Antwort / wiederum ab.

Nach welcher Verweigerung ſich Chaumi - grem ſattſam berechtiget erachtete / Siam mit Gewalt zu bekriegen / und ſich unterwuͤrffig zu machen. Dahero er denn eine entſetzliche Macht von(*)Balby ſetzet gar funffzehen mahl hundert tauſend Mann. zwoͤlffmahl hundert tauſend Mann in kurtzer Zeit zuſammen brachte. Solche beſtun - den nun zweymahl hundert tauſend zu Pferde / die uͤbrigen aber alle zu Fuſſe / welche in drey Theile geſondert waren. Die erſten in hundert und funffzig tauſend ſtarck / waren mit Muſqveten / welche ſo gut als in Europa / verſehen: zweymal hundert tauſend trugen Lantzen von vollen und ſtarcken Rohren / welche oben mit einem ſpitzigen Eiſen beſchlagen waren: Die uͤbrigen fuͤhrten nur Schild und Schwerdt: Solche Schwerd - ter waren drey Viertel Ellen lang / einer qverH hHand482Der Aſiatiſchen Baniſe. Hand breit / und ohne Spitzen / das Gefaͤß glei - chete denen Cortelaſſen / und ſchnitten nur auff ei - ner Seiten / die Schilde aber waren drey Haͤnde breit / und ſechſe lang von gedoppelten Leder ge - macht / und mit einer hellen und ſchwartzen Mix - tur / Archiran genannt / gehaͤrtet. Von welcher Materie auch ihre Sturm-Huͤte / welche aller - dings den Europaͤiſchen gleichen / gemacht waren. Das Geſchuͤtz ließ er meiſtens zuruͤcke / weil er ei - nen ſonderlichen Abgang an hierzu geſchickten Perſonen verſpuͤrte / indem er ſich die Portugie - ſen durch Verhinderung ihres Handels gantz ab - ſpenſtig gemacht hatte. Dahero nur hundert und zwantzig groß und kleine Stuͤcke mit zu gehen befehligt waren / welche von groſſen leicht-blau - en / und an Groͤſſe den Elephanten faſt gleichen - den Buͤffeln gezogen worden. Solche vertrau - te er etlichen gewiſſen Mohren von Bendala / wel - chen doch / als Fremden / wenig zu trauen war. An denen Elephanten vermerckete er den groͤſten Mangel / weil ihm die meiſten und ſtreitbareſten vor Prom in dem verzweiffelten Ausfalle drauff gangen waren / alſo / daß er deren nicht mehr denn acht hundert Stuͤcke kunte mit zu Felde nehmen. Weil er aber kuͤnfftig deren mehr benoͤthiget zu ſeyn erachtete / als ſtellete er noch vor dem Auff - bruche eine groſſe Elephanten-Jagt an / wobey alle Feld-Herren und Kriegs-Oberſten der gan - tzen Armee erſcheinen muſten. Dieſe Jagt aber war folgender Geſtalt angeſtellet:

Jn483Anderes Buch.

Jn der neuen Stadt Pegu war auff einem ge - raumen Platze bey dem Thor ein weiter Schran - cken / mit ſtarcken hoͤltzernen Seulen eingefaſſet / zwiſchen welchen ein Menſch den Elephanten leicht entwiſchen / nicht aber von ihm verfolget werden kunte. Hierauff wurden zwey hundert Elephan - ten-Weiblein / welche zu dieſer Jagt abgerichtet / und auch das Anreden verſtunden / heraus gefuͤh - ret / und in einen groſſen Wald / welcher drey Meilen von Pegu gelegen / und mit wilden Ele - phanten gleichſam beſetzet iſt / gelaſſen. Dieſe Weiblein wurden zuvor an gewiſſen Orten mit einem beſondern Oel beſtrichen / welches durch ſtarcken Geruch die wilden an ſich zu locken pfle - get. So bald nun die Elephanten durch ſolches Oel zur Begierde gereitzet waren / begunten ſie ſich haͤuffig denen Weiblein zu naͤhern. Dieſe abeꝛ als ſchon abgerichtet / wichen gleichſam vor ihnen der Stadt zu / da jene in ſolcher Brunſt als blind folgeten / und keinen Menſchen ſcheueten / ob ſelbte gleich Hauffen-weiſe die Weiblein anmahneten / was ſie thun ſolten. Nachdem ſich in deſſen die Elephanten vermehreten / und iewedes Weiblein einen Begleiter hatte / wurde dem Volcke ein Zeichen mit Jagt - Hoͤrnern gegeben / ſich zuruͤcke zu halten / um die Elephanten an ihrer Heimfuͤh - rung nicht zu hindern. Als die wilden Elephan - ten an das Thor gelangeten / begunten ſie alle zu ſtutzen: gleichſam / als wenn ſie es zuvor uͤberlegen wolten / ob es rathſam ſey / daß ſie ferner folgeten. H h 2End -484Der Aſiatiſchen Baniſe. Endlich aber lieſſen ſie ſich doch ihre Begierden verleiten / und giengen in Hoffnung wohl wieder einen Ausgang zu finden / mit langſamen Schrit - ten biß in die verſchloſſenen Schrancken hinten nach. Wie ſie nun ſaͤmtlich in den Schrancken waren / wurden die Gatter durch darzu verord - nete Leute hinter ihnen niedergelaſſen / und alſo al - ler Ausgang verwehret. Die Weiblein verfuͤg - ten ſich wiederum in ihre Staͤnde / und wurden gleichfals von den Jaͤgern mit Fall-Thuͤren ver - ſchloſſen. So bald ſie ſich nun von den Weiblein verlaſſen ſahen / merckten ſie erſt / wie ſie gefan - gen / und ihrer Freyheit beraubet waren: Dahe - ro ſie denn grauſam anfiengen zu wuͤten / und alle ihre Staͤrcke zu verſuchen / ob ſie ſich kunten mit Gewalt einen Ausgang machen: Da denn die Jaͤger und andere Leute Zeit hatten / ſich aus den Schrancken zu machen / wo ſie nicht den rachgie - rigen Elephanten ein blutiges Opffer ihrer Frey - heit werden wolten / indem ſie ſolchen biß an die Seulen nachlieffen / und wenn ſie nicht nachfolgen kunten / ſo gꝛimmig in die dicken Pfoſten einhieben / daß die Zaͤhne zerbrachen. Endlich huben ſie ins - geſamt an zu heulen / weinen und wehklagen / und ſich nicht anders / als hoͤchſt-bekuͤmmerte Men - ſchen anzuſtellen / welches bey drey Stunden waͤh - rete / und mit fonderbarer Anmuth und Mitleiden anzuſehen / und zu hoͤren war. Als ſie aber der - maſſen ermuͤdet / daß ihnen der Schweiß uͤber den gantzen Leib herab lieff / ſteckten ſie ihre Ruͤſſel indie485Anderes Buch. die Erde / und brachten alsdenn eine ſolche Menge Waſſer aus dem Leibe hervor / daß ſie mit ihren Spruͤtzen alle um den Schrancken ſtehende Zu - ſchauer haͤuffig benetzeten / welches denn denen Jaͤgern / welche ſich beyzeiten entfernet / das groͤſ - ſeſte Gelaͤchter verurſachte. Nachdem man ſie nun gleich den zahmen einſperren wolte / wurden die Weiblein wieder heraus gelaſſen / welche die wilden auffs neue bruͤnſtig machen / und ſie zum Folgen anreitzen muſten. Dieſe abgerichtete Weiblein giengen bald wieder in ihre Staͤnde / und wurden aus denſelben wieder in andere gelaſ - ſen. Die folgenden wilden aber muſten ſich in ſolchen verſperren laſſen / und alſo vollend ge - fangen geben. Dieſe Staͤnde waren nicht groͤſ - ſer / als daß eben ein ſolches Thier nur fuͤglich Raum haben kunte. Jn denſelben wurden ſie angebunden / da ſie vor Traurigkeit in fuͤnff Ta - gen weder eſſen noch trincken wolten / biß ſie gantz matt / und endlich gleich den andern zahm wur - den. Welches geſchwinde Zahm werden meh - rentheils daher ruͤhrt / weil kein Thier in deꝛ Welt zu finden / welches dem Menſchen am Verſtan - de ſo ein Nachbar / und deſſen Rede ſo wohl zu ver - ſtehen / faͤhig waͤre. Ja es hat das Anſehen / als mangele ihm nichts / denn die Rede. Dieſes Thier nun iſt das nuͤtzlichſte Weſen der Aſiatiſchen Krie - ge / indem vier ſtarcke Maͤnner in voller Ruͤſtung ſich darauf enthalten / und mit ihren Lantzen / Mu - ſqveten und Bopen dem Feinde gewaltigen Ab -H h 3bruch486Der Aſiatiſchen Baniſe. bruch thun koͤnnen. Hingegen iſt ihre Haut ſo dicke / daß ſie keine Kugel noch Pfeil durchdrin - gen kan / auſſer bey den Schlaͤffen und Augen / woſelbſt ſie leicht zu beſchaͤdigen ſind. Wie nun dieſe Elephanten - Jagt denen luͤſternen Welt - Hertzen / die ſich durch das Geilheits-Oel gleich - fals bethoͤren laſſen / und ihren Sirenen / welche von dem Teuffel in den Wald dieſer Welt aus - gelaſſen worden / in den Schrancken der Unzucht / ja endlich gar in den engen Hoͤllen-Stall / woſelbſt die Fall-Thuͤr der Ewigkeit allen Ruͤckweg ver - weigert / blind folgen / ein feines Vorſpiel zeiget: alſo wenden wir unſer Gemuͤthe auff die Blut - Jagt / welche Chaumigrem in Siam anzuſtellen beſchloſſen / und dahero ſeinen Auffbruch be - ſchleuniget.

Er wolte zufoͤrderſt die Princeßin Baniſe noch einmal im Tempel beſuchen / und einen Abſchieds - Kuß hohlen: welches aber der Rolim / theils durch vorgeſchuͤtzte Heiligkeit des Orts / theils durch an - dere kluge Bewegungen / zu der Princeßin hoͤch - ſten Vergnuͤgen / hintertrieb. Als nun der Tag zum Auffbrechen erſchienen / begab ſich Chaumi - grem / gleichſam im Triumphe / auff einem mit Gold und Edelgeſteinen bedeckten Elephanten / ein bloſſes Schwerdt in der Hand haltende / aus der Stadt: ſo bald er ſich aber dem Lager / vor welchem die gantze Armee auff Anordnung des Feld - Herrn Martong in voller Schlacht-Ord - nung hielt / genaͤhert hatte / wurde er mit einemſolchen487Anderes Buch. ſolchen Feld-Geſchrey empfangen / daß die Erde bebete. Endlich / als dieſe Ordnung wieder zer - trennet / und ieder zum Fortzuge fertig war / wur - de das Zeichen mit den Trompeten gegeben: wor - auf ſie nach eingetheilter Qrdnung zu marchieren begunten. Den Vorzug hatte Soudras / der Bramiſche Feld-Herr / mit dreyßig tauſend zu Pferde und ſiebenzig tauſend zu Fuß. Den Mit - tel-Zug fuͤhrete Chaumigrem ſelbſt / vorher zo - gen dreyßig tauſend Mann mit Lanzen / denen fol - geten die Erephanten / und hinter denen der Ty - rann / welchen Abaxar mit der Leibwacht und viel andere Fuͤrſten und Groſſen begleiteten. Dar - auff kam Bartrouherri / Oberſter uͤber die Stuͤ - cke / als General-Feld-Zeugmeiſter / ſeiner Ge - burt nach ein Mohr aus Bandala / welcher ſich das Geſchuͤtze / und die darzu gehoͤrigen Munition - Wagen in verwirreter Ordnung nachfuͤhren ließ. Hinter den Stuͤcken kamen fuͤnff und dreißig tau - ſend zu Roſſe / und alsdenn achtmal hundert tau - ſend Mann zu Fuſſe / welche wiederum mit fuͤnff und dreyßig tauſend Reutern beſchloſſen wurden. Endlich folgete der Nachzug / welchen der Feld - Herr Martong fuͤhrete / und in hundert und funf - zig tauſend zu Fuſſe / und funffzig tauſend zu Pfer - de beſtund / bey welchen die ſaͤmtliche Bagage in viel tauſend mit Puͤffeln beſpanneten Wagen be - ſtehende / ſich auffhielt. Mit dieſer erſchreckli - chen Macht zog er denen Graͤntzen von Siam zu / und zwar in ſo guter Ordnung / daß allezeit dieH h 4Hauf -488Der Aſiatiſchen Baniſe. Hauffen / ſo des erſten Tages voran gezogen / des andern Tages folgen / und die letzten ſeyn muſten.

Als er aber die feindlichen Graͤntzen erreichet / ließ er unterſchiedliche Hauffen zu Pferde in das Land voꝛan gehen / und alles mit Mord und Brand erfuͤllen. Martong / als ſie noch drey Tagereiſen von der Hauptſtadt Odia waren / ward mit zwey - mahl hundert tauſend Mann befehlichet / den Vorzug zu nehmen / und den Koͤnig von Siam zur Ubergabe auffzufordern: welches auch dieſer ge - horſamſt verrichtete / und ſo ſchleunig vor Odia anlangte / ehe noch das fluͤchtige Land-Volck eini - ge gewiſſe Nachricht von dem Anzuge des Fein - des berichten koͤnnen. Wie ſich nun Koͤnig Hi - gvero eines ſchweren Krieges mit Pegu beſorget hatte / ſo war zwar bereits gleichfalls alles in Waffen / und ſolche Anſtalt gemacht / als es die Kuͤrtze der Zeit erlaubte: Weil aber ein ſo ge - ſchwinder Einfall ohne vorhergehende Kriegs - Ankuͤndigung von Seiten Siams nicht veꝛmuthet worden / als waren die Siammer gar nicht ge - faßt / dem Feinde im Felde zu begegnen: Und ob zwar Nherandi bey hundert und achtzig tauſend Mann zuſammen gebracht / und vor die Stadt gezogen hatte / ſo waren ſie doch der Peguaniſchen Macht bey weitem nicht gewachſen. Mit dieſer ungleichlichen Macht hatte Printz Nherandi un - fern der Stadt ein Lager geſchlagen / in dem Be - griff / noch mehr Voͤlcker an ſich zu ziehen / und als - denn den Feind auch von den Graͤntzen abzuhal -ten.489Anderes Buch. ten. Allein Martong kam denen Siammern zu - vor / und ſo er fleißige Kundſchafft auff den Feind geleget haͤtte / ſo haͤtte er die Siammer / welche aus Sicherheit die Wachten gleichfalls maͤßig beſtel - let hielten / gar leicht uͤberrumpeln / und ſie in die Pfanne hauen koͤnnen. Dieſes Siammiſche La - ger aber wurde ihm nicht eher / als durch einige Vor-Troppen entdecket / welche iedoch bereits von den Siammern erſehen / und als Feinde erkennet waren. Dahero Printz Nherandi die Augen oͤff - nete / und durch fleißige Kundſchafft den Zuſtand des Feindes erfuhr. Martong ſtutzte hierauff / und erkannte ſeinen Fehler / weil es aber nicht zu aͤndern war / und er vernahm / wie der Printz Nherandi perſoͤnlich das Lager commandirte / ſchickte er einen hochmuͤthigen Bramaer mit zwantzig Pferden begleitet / nach dem Lager / ſol - ches und gantz Siam im Nahmen ſeines Kaͤyſers auffzufordern. Als ſolcher vor dem Lager ange - langet / und den Printzen zu ſprechen begehrte: Ließ er ihn in einem Gezelte / nahe bey dem Ein - gange des Lagers / damit der Bramaer die Be - ſchaffenheit des Lagers nicht genauer betrachten konte / vor ſich: Dieſer / ſo bald ihm das Gezelt bedeutet worden / ſprang er vom Pferde / und be - fahl ſeinen Leuten / in dem Lager ſeiner zu warten: Er aber begab ſich mit hochtrabenden Schritten nach dem Gezelte / in welchem er den Printzen: nebſt unterſchiedenen hohen Kriegs-Haͤuptern / ſtehende fand. Er trat ſonder groſſe Ehrerbie -H h 5tung490Der Aſiatiſchen Baniſe. tung hinein / und fieng mit bedecktem Haupte an zu reden: Jch / als ein Abgeordneter des all - gemeinen Uberwinders / und Kaͤyſers von Pegu / erſcheine vor dem Printzen Nherandi von Siam / und begehre im Nahmen meines Oberhaupts zu wiſſen / ob die bißher erlaubte Gnaden-Zeit von dem Koͤnige Higvero / zu Betrachtung ſeiner Wohlfarth / und Erinnerung ſeiner Pflicht / ſey angewendet worden. Dieſem nach ſo fordere ich im Nahmen des Hoͤchſten und Großmaͤchtigſten der gantzen Welt / Oretenan Chaumigrems / Kaͤyſers in Pegu und Brama / Koͤniges aller Koͤ - nige: den Koͤnig Higvero / die Stadt Odia und gantz Siam auff: daß ſie ſich mit Leib / Weib / Gut / Blut und Kindern ihm ergeben / und ſich oh - ne fernern Zwang als gehorſame und Pflichtſchul - dige Unterthanen ihm unterwerffen. Wird nun Higvero ſich mit ſeiner Gemahlin und Kindern / und mit ihm gantz Odia / alſobald zu Fuſſe auff - machen / den weiſſen Elephanten an der Hand zu - fuͤhren / und dem anziehenden Grimme des Kaͤy - ſers durch einen Fußfall begegnen: ſo ſoll dieſes Land und Stadt mit angedroheter Verwuͤſtung verſchonet / und Higvero / als ein Vaſall / Koͤnig bleiben. Bey deſſen Verweigerung aber / ſo ſolt ihr wiſſen / daß e[rw]ehnter Kaͤyſer mit einer ſo ent - ſetzlichen Macht im Auffzuge iſt / daß auch deſſen Roſſe das um Odia flieſſende Waſſer auszuſauf - fen vermoͤgen / wodurch das Volck trocknes Fuſ - ſes gehen / und die Stadt einnehmen kan. Als -denn491Anderes Buch. denn ſoll der Koͤnig ſterben / und ſeine Kinder in die Feſſel geſchlagen werden. Alles was nur lebet / ſoll dem Sebel herhalten / und die Kinder ſollen in dem Blute ihrer Eltern erſauffen. Kein Stein ſoll auff dem andern liegen bleiben / und die Glut ſol ein rauchendes Merckmahl Kaͤyſerlichen Zorns aus der Stadt machen. So fertige man mich denn bald ab / durch Ja oder Nein / indem uns ſol - ches gleich guͤltig ſeyn wird. Der Printz wolte vor Ungedult zerſpringen / und ſo es ihm die Wohl - ſtaͤndigkeit des Krieges erlaubet haͤtte / ſo wolte er ihm das trotzge Wort mit dem Sebel vorm Mau - le weg ſchneiden. Er fertigte ihn aber / ihn nur nicht mehr anzuſehen / mit dieſer rauhen Ant - wort ab: Du verwegener Kerl / ich glaube dein Tyranne habe unter ſeiner gantzen Armee keinen Unhoͤfflichern und Groͤbern finden koͤnnen / wel - cher an Buͤffel / und nicht an Menſchen / geſchwei - ge an Koͤnigliche Perſonen ſolte abgeſchicket wer - den. Die Rache aber von dir zu nehmen / ſoll ins freye Feld geſparet werden. Jnzwiſchen ſage dei - nem Kaͤyſer / daß er nicht als ein Koͤnig / ſondern als ein Tyrann und Meuchel-Moͤrder gehandelt habe / indem er unverwarnter Sache / ohne eintzi - ges rechtmaͤßiges Befuͤgniß ein freyes Reich / wel - ches ihm nichts / als Pulver / Bley / und Sebel ſchuldig iſt / anzugreiffen ſich unterſtehet. Jndeſ - ſen ſoll er nur heran nahen / und den Lohn ſeiner Tyranney von der Goͤtter Hand empfangen. Welcher großmuͤthigen Antwort ſich der Bra -maner492Der Aſiatiſchen Baniſe. maer nicht verſehen haͤtte / dannenhero er mit ver - aͤchtlichen / doch grauſamen Geſichte ſich unter - ſtund zu drohen: So werde ich mir bey meinem Kaͤyſer die Gnade ausbitten / daß ich mit dieſem meinem Sebel euch in Stuͤcken zerhauen duͤrffe. Mit welchen Worten er zugleich die Hand an den Sebel legte / und halb auszog: nicht weiß ich / ob nur damit zu drohen / oder ſich gar einiger Thaͤtlig - keit zu unterfangen. Hier dauchte es dem Printzen ſattſam Zeit zu ſeyn / ſeinem Eyffer freyen Zaum zu laſſen / dannenhero er mit entbloͤſtem Sebel auff den Bramaer zuſprang / und ſo einen gewal - tigen Streich nach deſſen Halſe fuͤhrete / daß der Kopff nur noch an etlichen Adern und der Haut behangen bliebe / womit er todt zur Erden ſtuͤrtzte. Der Printz aber befahl / ihn aus dem Zelte zu ſchleppen / und ſeinen Leuten zu uͤbergeben / mit an - gehengter Verwarnung / ſich alſobald aus dem Lager zu packen / oder gleichen Verluſts ihre Koͤpf - fe gewaͤrtig ſeyn. Welche ſich denn nicht ſaͤume - ten / den Coͤrper auff ein Pferd legten / und ſich Sporenſtreichs zuruͤcke nach ihren Voͤlckern be - gaben.

Wie ſich nun der Printz den auff dieſen Blitz erfolgenden Donnerſchlag leicht einbilden kunte: als entſchloß er ſich mit Genehmhaltung der ſaͤmt - lichen Kriegs-Oberſten dem Feinde zu begegnen / und ihn anzugreiffen / ehe die Macht des Kaͤyſers heran ruͤckete: Worauff das gantze Lager auff - geboten / und die Voͤlcker ins freye Feld gefuͤhret /zu -493Anderes Buch. zugleich alles in Schlacht-Ordnung geſtellet / und dem Feinde mit langſamen Zuge entgegen geruͤ - cket wurde. Als ſie ſich aber etwan auff zwey tau - ſend Schritte einem groſſen Walde genaͤhert hat - ten / ſahen ſie den Feind durch das Gepuͤſche / wie eine wilde Fluth / daher gerauſchet kommen. Der Printz befahl alſobald ſtille zu halten / und verbeſ - ſerte die Ordnung nach Gelegenheit des Ortes / und indem er vermerckte / daß der Feind faſt uͤber die Helffte das freye Feld erreichet hatte / befahl er dem Siammiſchen Feld-Herrn Padukko / mit funfftzigtauſend Mann loßzubrechen / welches er auch willigſt verrichtete / und in den noch nicht recht geſtellten Feind dermaſſen einſtuͤrmete / als ob er den Sieg allein darvon tragen wolte. Wel - cher Anfall ihm auch ſo weit gluͤckte / daß er den Feind biß an den Wald zuruͤcke ſchlug / und ihn die Erſchlagenen faſt verhinderten / weichende den Feind zu verfolgen. Weil ſich aber der Feind auff allen Seiten aus dem Walde ins Liechte begab / ſo fehlete nicht viel / Padukko waͤre mit den Seini - gen umringet und niedergeſebelt worden / indem er ſich aus hitzigem Grimm ſo weit mit dem Feinde eingelaſſen hatte / daß ihm bey heran nahender Macht des Feindes aller Ruͤckweg benommen war Solehem nun vorzukommen / zumahln ſich der Feind aus dem Walde ſehr verſtaͤrckete / brach der Printz endlich mit der geſamten Macht loß / da denn Padukko gar zeitlich Lufft bekam / und ſich auffs neue wieder ſetzen kunte. Der Printzer -494Der Aſiatiſchen Baniſe. erwieß ſich ungemein tapffer / und ein iedweder Siammer bemuͤhete ſich eyffrigſt / einem ſolchen Heldenmuͤthigen Vorgaͤnger behertzt nachzufol - gen: Zu dem kunte ſich auch wegen Enge des Or - tes der Feind nicht wenden / noch einigen Vor - theil des Raumes gewinnen. Derowegen er - folgte deſſelben endliche Niederlage / die ſich unge - mein wuͤrde vergroͤſſert haben / wenn nicht der Wald ein groß Theil der feindlichen Peguaner bedecket haͤtte: welche / ſo bald ſie den Verluſt des Feldes von ihren weichenden Cameraden verſtan - den / ſich alſobald auf die Flucht begaben / und alſo denen Geſchlagenen gnugſamen Raum zur fluͤch - tigen Folge machten. Ob nun zwar der hitzige Printz den Feind zu verfolgen / eyfferigſt riethe / ſo wolte doch ſolches der vorſichtige Padukko nicht geſtatten / ſondern hielt vor rathſam / ſich an dem erhaltenen Siege begnuͤgen zu laſſen: weil man nicht wuͤſte / wie ſtarck der Feind noch ſeyn / oder ſich wohl gar in einen Hinterhalt ſetzen / und das durch Tapferkeit erhaltene Feld im Walde / durch Liſt wieder abjagen moͤchte. Ja man waͤre noch nicht durch gewiſſe Kundſchafft verſichert / wie weit die Haupt-Armee entlegen waͤre / welcher man durch hitzige Nachfolge leicht in die Haͤnde gerathen koͤnte / und alſo den Sieg mit gedoppel - tem Verluſt bezahlen muͤſte. Zudem waͤre es noͤ - thig / die wenigen Voͤlcker zu ſparen / biß ſie bey anderer Gelegenheit dem Feinde ſichern und beſ - ſern Abbruch thun koͤnten. Als nun ſolcher Rathvon495Anderes Buch. von allen Kriegs-Oberſten gebilliget / auch endlich von dem Printzen beliebet ward / ſo wurden die Nachſetzenden zuruͤcke / die uͤbrigen aber zuſam - men beruffen: Und nachdem man den Feind ge - nungſam geſchlagen / und vor ihm geſichert zu ſey vermeynte / wurde die Helffte der Armee wieder in Schlacht-Ordnung geſtellet / umb dem Feinde gebuͤhrend zu begegnen / welcher ſich etwa unvermuthet wieder ſetzen / oder verſtaͤrcket ha - ben / und alſo noch einmahl ſein Heil verſuchen moͤchte: Der andern Helffte wurde zu pluͤndern erlaubet / iedoch / daß die Beute alsdenn gleich ge - theilet werden ſolte. Hiebey nun wurden uͤber drey und achtzig tauſend todte Peguaner gezehlet / da doch der Printz nicht uͤber ſechzehen tauſend vermiſſete. Daß alſo dieſes ein anſehnlicher Sieg wuͤrde geweſen ſeyn / wenn der Verluſt ſo wohl die Haupt-Armee / als nur den Vorzug be - troffen haͤtte.

Nach gehaltener Pluͤnderung zog ſich die gan - tze Armee zuruͤcke ins Lager / allwo die Beute ge - theilet / und hernach das Lager geſchleiffet ward / damit ſich der herannahende Feind deſſen nicht zu einigem Vortheil bedienen moͤchte. Die Voͤlcker aber wurden alle in die Stadt gefuͤhret / weil auſ - ſer denen funfftzig tauſend Buͤrgern / welche auff ihre eigene Koſten in Kriegs-Zeiten dem Koͤnige dienen / und ihre Stadt beſchirmen muͤſſen / keine andere Beſatzung vorhanden war. Welche wir indefſen alle Anſtalt zur aͤuſſerſten Gegenwehrmachen496Der Aſiatiſchen Baniſe. machen laſſen / und ſtatt des blitzenden Sebels den fluͤchtigen Martong mit unſerer Feder verfolgen wollen.

Wie nun Chaumigrem nur noch eine halbe Tagereiſe zuruͤcke / und des Padukko Muthmaſ - ſung nicht vergebens war: Alſo erreichten die fluͤchtigen Peguaner gar zeitig ihre Sicherheit / und ſetzten durch das blutige Zeugniß ihres Ver - luſts die gantze Armee in nicht geringes Schre - cken / den Chaumigrem aber in ſolches Wuͤten / daß er alſobald den erſten Anbringer mit eigener Hand niederſebelte. Den Feld-Herrn Mar - tong ließ er unverhoͤrter Sache in Ketten und Banden ſchlagen / und alſo hoͤchſt ſchimpflich der Armee nachfuͤhren: welches ihm hernach mehr geſchadet / als wenn die gantze Armee geſchlagen waͤre. Die uͤbrigen Peguaner / welche dem Si - ammiſchen Sebel durch die Flucht entgangen waren / muſten gleichfalls ihren ſonſt tapfferen Feld-Herrn hinter der Armee ohne Gewehr be - gleiten / und aus dem gefaͤhrlichen Vorzuge in den ſchimpfflichſten Nachzug gerathen. Jn ſolchem Grimme beſchleunigte der Tyrann ſeinen Anzug auff Odia / und ſchwur / ſolche Niederlage auffs grauſamſte zu raͤchen. Der Feld-Herr Sou - dras muſte deswegen mit ſiebentzig tauſend Reu - tern voraus gehen / und die Stadt dermaſſen be - rennen / daß er alle Paͤſſe und Wege verlegte / und was auſſer der Stadt war / gefangen nahm Zwey Tage darauf folgte die gantze Armee nach / welcheChau -497Anderes Buch. Chaumigrem Angeſichts der Veſtung in eine zier - liche Ordnung ſtellet / und ſich nach dieſem in Per - ſon die Befeſtigung der Stadt zu erkundigen / er - kuͤhnete. Die Stadt Odia nun / auch Jndia / von theils gar Siam genannt / liegt zehen Meilen von dem Meere in einer ſchoͤnen Flaͤche / eine treff - liche Handels-Stadt / und wird von dem Fluſſe Menan / welcher ſeinen Urſprung aus dem be - ruͤhmten See Chiamay nimmet / uͤber hundert Meilen das Land durchſtroͤhmt / und ſich unweit Odia ins Meer ergeuſt / als eine Jnſul umfloſſen / deſſen Breite auf ieder Seite zwey Rohr-Schuͤſ - ſe breit. Sie iſt ohngefehr drey Frantzoͤſiſche Mei - len im Umkreiß / und legte ihrem Feinde eine ſtarcke Mauer entgegen / welche nach alter Art mit treff - lichen Bollwercken verſehen iſt. Das Koͤnigliche Schloß iſt mit einer Mauer von der Stadt abge - ſondert / iedoch innerhalb der Stadt / und iſt we - gen ſeiner Pracht ein Aſiatiſches Wunderwerck zu nennen. Erwehnter Fluß Menan durchſchlaͤn - gelt die Stadt zu acht mahlen / und ſchaffet hier - durch ſelbter ſo wohl ein zier-als nuͤtzliches Anſe - hen / welches durch tauſend Goͤtzen-Tempel treff - lich vermehret wird.

Als nun der Chaumigrem alles genau in Au - genſchein genommen / und die meiſte Verhinde - rung durch den Strohm des Fluſſes geſpuͤhret hatte / ließ er zufoͤrderſt ein weites und geraumes Lager abſtechen / in welchem ſich die Armee fuͤglich enthalten / und einer ſo langwierig-ſcheinendenJ iBela -498Der Aſiatiſchen Baniſe. Belagerung abwarten koͤnte. Weil er aber die Stadt auff beyden Seiten anzugreiffen vor noͤ - thig erachtete / ſo ließ er den Soudras mit fuͤnff mahl hundert tauſend Mann auff die andere Sei - te uͤberſetzen. Jngleichen wurden zehen tauſend Mann befehlichet / den Strom auffwerts zu ge - hen / alle Schiffe und Fahrzeug anzuhalten / und ſolche herunter nach der Stadt zu treiben: Wel - ches auch ſo wohl gluͤckte / daß uͤber tauſend ſechs hundert allerhand Fahrzeug / worunter nicht we - nig beladene Kauff-Schiffe aufgetrieben worden. Solche ließ er ausladen / hingegen meiſtens mit Sand / Erd und Steinen fuͤllen / und an die ſeich - teſten Oerter des Fluſſes vor die Stadt fuͤhren / da ſie alle verſencket / und der Lauff des Strohms mercklich verhindert wurde. Ob nur zwar die aus Siam hefftig bey dieſer Arbeit mit ihrem Geſchuͤtze auff den Feind loß donnerten / ſo geſcha - he den Peguanern den wenigſte Schaden / weil zu dieſer Verrichtung lauter gefangene Siammer / welche bey dem Einfall auff dem Lande wegge - nommen / gebraucht worden / welche meiſtentheils jaͤmmerlich erſauffen muſten. Durch dieſe Hem - mung nun des Strohms wurde der Fluß nicht wenig auffgeſchwellet / alſo daß er den Soudras mit Verluſt etlicher tauſend Mann aus ſeinem La - ger trieb / und er mit hoͤchſter Muͤhe und Gefahr ſich wieder heruͤber / und in das etwas hoͤher-gele - gene Lager diſſeits verfuͤgen muſte. Jnzwiſchen wurden unterſchiedene Geſchuͤtz-Stellungen ver -fertiget /499Anderes Buch. fertiget / von welchen ſo wohl das Schloß als auch vornehmlich die Schiffe / welche in den innern Einfluͤſſen der Stadt lagen / Tag und Nacht hefftig / wiewohl wegen Unerfahrenheit der Moh - ren / meiſtentheils fruchtloß beſchoſſen wurden. Zu voͤlliger Ausfuͤllung des Strohms wurde gleichfalls weder Muͤhe noch Fleiß geſpahrt: in - dem taͤglich uͤber 200000. Mann Sand / Stei - ne / Holtz und andere fuͤllende Materien herzu ſchaffen / und in den Fluß werffen muſten / wo - durch endlich ein Damm von tauſend Schritten breit durch den Fluß biß an die Mauer der Stadt hinan gemacht / der Strohm gantz auff die ande - re Seite gedaͤmmet / und daſelbſt / alles weit und breit uͤberſchwemmet wurde. Die Siammer feyreten zwar indeſſen nicht / ſondern thaten durch ungeheures Schieſſen / als auch unterſchiedene Ausfaͤlle zu Waſſer bey der Nacht mercklichen Abbruch: Allein ſie waren zu ſchwach / einer ſol - chen Menge zu widerſtehen: denn wo einer von dem Feinde blieb / da wurde ſo bald deſſen Stelle durch zwey biß drey friſche Soldaten erſetzet: und konten ſie alſo ſolches Werck nicht verhindern / biß es zu ſeiner Vollkommenheit gelanget / und biß an ihre Mauern gefuͤhret war.

Mit wie vielen Blute nun dieſes neue Werck eingeweihet wurde / iſt leicht hieraus zu ſchlieſſen / weil die Siammer alle ihre Macht dran ſtrecke - ten / ſo wohl den Damm an ihrem Ufer wegzureiſ - ſen / als auch den Feind allen Uberzug / und der da -J i 2herruͤh -500Der Aſiatiſchen Baniſe. herruͤhrenden Gelegenheit des Stuͤrmens zu ver - wehren: hingegen ſpahrte Chaumigrem keine Voͤlcker / den Damm zu behaupten / und die Si - ammer dermaſſen einzuſchlieſſen / daß ſie ihm nicht ferner verhinderlich ſeyn koͤnten. Ob er nun zwar unſaͤglich viel Volck hiebey verlohr / indem der Damm von beyden Seiten der Stadt mit Stuͤcken konte beſtrichen werden: ſo erhielt doch endlich die Menge die Oberhand / und muſten die Siammer nicht allein weichen / ſondern auch zuſehen / wie der Feind ihnen unter die Stuͤcken kam / und ſich auf dem feſten Lande vor der Stadt eingrub; Als nun der Tyrann ſeinen blutigen Zweck erreichet / machte er alle Anſtalt / die Stadt mit Sturme anzugreiffen: weil ihn hier - an kein Graben verhinderte. Dannenhero ließ er viel Sturm-Breter zurichten / welche dermaſ - ſen verfertiget waren / daß ſie auff Raͤdern an die Mauern gebracht werden / und darauff ſechs Mann neben einander lauffen kunten. Dieſen erſten Sturm ließ er von hundert und funffzig tau - ſend Mann anlauffen / iedoch dermaſſen / daß nur iederzeit funffzig tauſend Mann lieffen / die andern aber ausruhten / und dieſe alsdenn entſetz - ten. Hiebey muſten die beſtellten Mohren mit ihrem Geſchuͤtz gleichfalls hefftig auff die Stadt ſchieſſen: welche aber entweder aus Unwiſſenheit / oder mit Vorſatz / den Jhrigen mehr hinder-als foͤrderlich waren / indem ſie die Stuͤcke alle zu nie - drig richteten / und die Kugeln ziemlichen Raumunter501Anderes Buch. unter den ſtuͤrmenden Peguanern machten. Weil ſich nun zugleich die Siammer unbeſchreiblich wehreten / indem ſie nicht allein auff der Mauer wie Mauern ſtunden / ſondern auch durch haͤuffig - geſtreute Fußangeln den Feind mercklich verhin - derten und beſchaͤdigten: Als muſte endlich nach ſiebenſtuͤndigen Gefechte Chaumigrem zum Ab - zuge blaſen laſſen. Die meiſte Verhinderung in dieſem Sturm / war der liſtige Anſchlag des Pa - dukko geweſen / indem er das Oel und Fett / zuſam - men bringen / ſchmeltzen / und ſolches haͤuffigauff die angelegte Sturmbreter ſchuͤtten laſſen. Hier - durch wurden ſolche dermaſſen ſchlipfferich und glat / daß kein feſter Fuß darauff zu ſetzen war / ſondern der anlauffende Feind gleiten und fallen muſte. Welcher fiel / der verfiel zugleich in den Tod: indem ihnen nichts als rollende Balcken / Steine / heiß Waſſer / Kugeln und Pfeile entge - gen kamen / die wenigſten aber erlangten die Ehre / daß ſie kunten mit dem Sebel von der Mauer ab - gehalten werden.

Chaumigrem vermeinte zu berſten / als ihm ſein ſo wohl erſonnener Anſchlag zu Waſſer wur - de / und wuſte nicht / wen er beſchuldigen ſolte. Weil er aber unter der gantzen Armee kein nuͤtzli - cher Haupt / als den Martong wuſte: ſo brachte ſolches dieſem die Erloͤſung / vorige Gnade und Ehren-Stand. Solches nahm dieſer mit ver - ſtellter Freude und Dienſt-Verpflichtung an / doch ließ er die / allen edelen Gemuͤthern ange -J i 3bohrne502Der Aſiatiſchen Baniſe. bohrne Rache / wegen unverdienter Schmach / in ſeinem Hertzen glimmen: Weil aber ſolche hier brennen zu laſſen keine Gelegenheit vorhanden / als ließ er ſolche noch zur Zeit in der Aſche ruhen / und verrichtete alles / was einem tapffern Solda - ten anſtaͤndig war. Ob nun zwar hin und wie - der einige Stuͤrme verrichtet wurden / ſo erwieſe doch das Kriegs-Gluͤcke / wie es denn Siammern nicht ſo gar ungeneigt waͤre: indem die Pegua - ner iederzeit die Mauern mit ihrem Blute faͤr - ben / und dennoch weichen muſten. Jngleichen erwieſen die Slammer ſonderlich ihre Tapfferkeit in unterſchiedenen Ausfaͤllen / unter welchen in - ſonderheit ein naͤchtlicher Ausfall zu ruͤhmen. Denn indem der Feind bemuͤhet war / unferne der Mauer eine ſolche Erhoͤhung zu verfertigen / von welcher er gleichſam auch die Straſſen der Stadt mit Mußqveten und Pfeilen beſtreichen koͤnte: Und dannenhero eine groſſe Menge der arbeitenden Soldaten ſich Tag und Nacht da - bey auffhalten muſten: erkuͤhnte ſich Printz Nhe - randi dieſes Werck in Perſon zu ſtoͤren / dahero auch Zeit ihrer Arbeit kein Stuͤck auff ſie geloͤſet wurde. Tages vorhero aber wurde alles Ge - ſchuͤtz auff denſelben Ort gerichtet / und der Printz erwehlete ſich drey tauſend Reuter / und fuͤnff tau - ſend Fuß-Volck. Als nun die Finſterniß Stadt und Lager bedecket hatte / und ſich die Wolcken von den vielen Wach-Feuern erroͤtheten / begab ſich der Printz in aller Stille mit den Reutern ausder503Anderes Buch. der Stadt / das Fußvolck aber verlegte er hinter ſich an einen Paß-Weg nach der Stadt. Nach - dem er etwan auff etliche hundert Schritte ſich dem ſichern Feinde genaͤhert hatte / gab er ein ge - wiß Loſungs-Zeichen denen in der Stadt / wor - auff die von allen Seiten des Tages gerichtete Stuͤcke auff den Feind geloͤſet worden / da denn der Feind nicht unbillich einem geſtoͤhreten Bie - nen-Schwarm zu vergleichen war: maſſen ein ieder in verwirrtem Schrecken hin und her lieff / und ſich doch in die Urſach des Schreckens nicht finden konte / obgleich die toͤdtlichen Pillen eine ziemliche Menge in den ewigen Schlaff geleget hatten. Der Printz ließ ihnen nicht viel Be - denck-Zeit / ſondern ſtuͤrmte dermaſſen in ſie hin - ein / daß ſie nicht wuſten / wider wen ſie ihre Ge - genwehr richten / oder ſich ſchlieſſen ſolten. Das Schwerd des hitzigen Printzen wuͤtete indeſſen immer fort / der Feind aber hielt endlich die Flucht vor eine Nothwendigkeit / welches / ſo bald es der Printz merckte / ließ er die Fuß-Voͤlcker zugleich anruͤcken / und in die Lauff-Graͤben einfallen: wo - durch der Feind in allgemeine Flucht nach dem Damme gebracht wurde / den der Printz mit der Reuterey dermaſſen verfolgete / daß derer viel in das Waſſer geſprengt und erſaͤufft worden. Das Fuß-Volck aber arbeitete indeſſen fleißig an der Niederreiſſung vor erwehnter Erhohung und Lauff-Graͤben / zogen etliche Stuͤcke mit ſich nach der Stadt / die uͤbrigen aber wuſten ſie / auff Ein -J i 4geben504Der Aſiatiſchen Baniſe. geben der Portugieſen / meiſterlich zu vernageln und zu verderben. Jn ſolchem Lermen wurde das gantze Lager jenſeit des Dammes munter / und ſo bald Chaumigrem den gefaͤhrlichen Zu - ſtand ſeiner Voͤlcker vernommen / ſchickte er ih - nen zehen tauſend Reuter entgegen und zu Huͤlf - fe / welche den mitten aus dem Damme den Lauff der ſiegenden Waffen hemmeten / dannenhero der Printz vor dißmahl gnung Ehre eingeleget zu ha - ben vermeinte / und ſich dergeſtalt zuruͤcke zu zie - hen wuſte / daß der Feind leichtlich ſehen konte / wie er mit unuͤberwundenem Gemuͤthe das Feld raͤumete. Dieſer friſche Entſatz aber draͤngte doch den Printzen dermaſſen / daß es hoͤchſtnoͤ - thig war / den Stand des verlegten Fuß-Voicks zu erreichen / welche alſobald den verfolgenden Feind durch eine nachdruͤckliche Salve zuruͤcke hielten / der auch / weil er im finſtern die Staͤrcke der Siammer nicht wiſſen konte / ſtutzte / und ſich in das vor der Stadt verlaſſene Lager begab / biß ſolches wiederumb beſetzet / und mit aller Noth - durfft vor ferneren Ausfaͤllen / und Bedeckung vor dem Geſchuͤtze / welchen Fehler ſie mit ihren Schaden bemercket / verſehen war. Waͤre nun dieſer Ausfall ſo wohl bey Tage mit dergleichen gluͤcklichen Erfolg geſchehen / daß der Printz mit einer groͤſſern Macht haͤtte koͤnnen entſetzet wer - den / ſo haͤtte es einen gefaͤhrlichen Wettſtreit um die Eroberung des Dammes ſetzen duͤrffen.

Hier wollen wir gleichfals die bedraͤngten Si -ammer505Anderes Buch. ammer im Blut und Dampff verlaſſen / und nach Pegu eilen / umb die einſame Princeßin in ihrem Tempel zu beſuchen / welche / auſſer dem Rolim und der Eſwara niemand umb ſich / dieſe letztere aber umb ſo viel mehr Freyheit hatte / daß ſie im Tempel aus und ein / und andern Verrichtun - gen nachgehen durffte. Die Princeßin nun achte - te ſich in ſolcher einſamen Sicherheit uͤber die maſ - ſen vergnuͤgt / und vermeinte / an dem Chaumi - grem ihren groͤſten Feind verlohren / hingegen an dem Rolim ihren beſten Freund gefunden zu ha - ben. Was aber das Abſehen der Freundſchafft des Rolims bißhero geweſen / ſolches konte fie mit neuer Beſtuͤrtzung aus des Rolims verliebter Be - zeigung und folgenden Reden leichtlich ermeſſen. Denn / als Chaumigrem den Zug nach Siam bereits vor einigen Wochen angetreten / verfuͤgte ſich der Rolim / in Abweſenheit der Eſwara / eins - mahls zu der Princeßin / in ungewoͤhnlichem Schmucke / und redete ſie mit verliebten Augen und Hertzen folgender Geſtalt an:

Schoͤnſte Princeßin! Dero Schoͤnheit zwin - get mich zu reden / und die Pflicht / womit ſie mir wegen Befreyung der Gewalt verbunden / befieh - let ihr / mich geneigt anzuhoͤren. Jhre Schoͤn - heit / ſage ich / zwinget mich / die jenige vor ſelig zu preiſen / welche GOtt in die zarte Seide geſchick - ter Glieder eingehuͤllet hat: weil ihr durchdrin - gender Blitz auch nicht der Goͤtter verſchonet / und dahero ihre Prieſter derſelben opffern muͤſſen. Jh -J i 5re506Der Aſiatiſchen Baniſere Schoͤnheit / ſage ich nochmahls / welche als ein Meiſterſtuͤcke des Himmels den Kaͤyſer gefeſſelt / und den Prieſter gebunden hat / glaͤntzet praͤchti - ger als Diana in dem geſtirnten Reiche / und kein Sterblicher kan ihre blitzende Augen vertragen. Der Schnee ihrer Wangen machet den Alabaſt zu nichte / ihr kluger Mund beſieget Corallen / und ihr Haar beſchaͤmet die Morgenroͤthe. Die Lilien - zarten Haͤnde wuͤnſchen die Goͤtter zu kuͤſſen / und indem ein verliebter Wind die Segel meiner Sin - nen auff das unbeſchiffte Meer ihrer Marmel - Bruſt hintreibt / ſo erblicke ich gleichſam die Ve - nus in zweyen Muſcheln ſchwimmen / wo lauter Anmuths-Milch um die Rubinen gerinnet. Das Uhrwerck der geraden Schenckel zieret den Dia - mantnen Rock / und der gantze Tempel-Schmuck wird durch den wolgewoͤlbten Leib verhoͤnet: kurtz: der gantze Erdkreyß erſtaunet uͤber ſolchen Wun - der-Gaben / und preiſet denjenigen ſelig / welchen ein ſolcher Engel labet / und welcher den Hafen ſeiner Vergnuͤgung bey ſolcher Schoͤnheit findet. Was iſt denn nun Wunder / daß meine Heilig - keit der jenigen verliebt zu Fuſſe faͤllt / welcher die Goͤtter ſelbſt ihre Opffer wiedmen. Sie wird mir erlauben / ſchoͤnſtes Kind / daß ich die Maßke verdeckter Worte ablege / und oͤffentlich bekenne / wie ich der Gottheit Prieſter / und zugleich ein Opffer-Knecht ihrer uͤberirrdiſchen Schoͤnheit ſey. Wie ſie mich nun als den Grundſtein ihrer Wohlfarth wohl zu betrachten hat: alſo verſeheich507Anderes Buch. ich mich geneigter Gegenhuld und erwuͤnſchter Vergnuͤgung von ihrer Guͤte / verſichernde / daß ſie dieſe Danckbarkeit zu einem Engel machen werde. Die Princeßin / welche nicht wuſte / ob Schertz oder Ernſt dieſe Rede begleitete / blieb an - fangs unbeweglich ſitzen / und ſahe den alten ver - liebten Pfaffen mit Verwunderungs vollen Au - gen und Gemuͤthe an. Jch weiß nicht / war end - lich ihre Antwort / Heiligſter Vater: ob dieſes bey meinem ietzigen betruͤbten Zuſtande zu loben oder zu ſchelten iſt: daß man eine vorhin bekuͤm - merte Princeßin auff eine ſo ſcharffe Probe ihrer Tugend zu ſetzen ſich bemuͤhet / welche mich doch iederzeit auch in Todes-Gefahr begleitet hat. Je - doch dieſer harten Probe ungeachtet / ſo verſiche - re ich euch / daß mich meine Tugend ſattſam leh - ret / wie weit ich euer heiliges Ambt verehren / und eure ehrwuͤrdige Perſon als meinen Erloͤſer und Vater lieben ſoll. Dem Rolim war dieſe un - gleiche Auslegung nicht anſtaͤndig / und vermeyn - te dannenhero / er habe ſeine Liebe allzu dunckel vorgeſtellet / daher er ſich etwas freyer und deutli - cher heraus zu laſſen entſchloß. Engliſche Ba - niſe! ſagte er / es iſt keine Probe ihrer Tugend / ſondern ihrer Danckbarkeit. Es iſt kein verſtell - ter Schertz / ſondern ein verliebter Ernſt / welcher mich bey Betrachtung ihrer himmliſchen Schoͤn - heit zwinget / meines Ambtes und Alters ungeach - tet meine Brunſt zu entdecken / und frey zu beken - nen: Daß Baniſens Schoͤnheit das heilige An -ſehen580[508]Der Aſiatiſchen Baniſe. ſehen dermaſſen verblendet hat / daß er nunmehr ein fremder Prieſter eines verborgenen Heilig - thums zu ſeyn begehret. Princeßin! ich liebe ſie / und wo die Roſe ihres Wohlſtandes bluͤhen ſoll / ſo wiſſe ſie / daß ſolche auff den Grund mei - ner Liebe muͤſſe gepflantzet werden. Jch lodere / ich brenne / ich ſterbe: wo nicht die unvergleichli - che Schoͤnheit den jenigen in ihre Arme nimmt / welche ihn magnetiſcher Weiſe an ſich zeucht. Wie er nun ſolches mit ſo verliebtem Eyfer / als immermehr von der juͤngſten Glut zu hoffen / vor - brachte / zweiffelte die Princeßin nicht mehr an deſſen wahrhafftiger Verliebung / dahero ſie um ſo viel beſtuͤrtzter war / weil ſie wohl wuſte / in was Anſehen der Rolim ſo wohl bey dem Kaͤyſer als geſammten Volck ſtunde / und wie er leicht ihr Schande und Tod zuwege bringen koͤnte: dahe - ro ſie abermal ihre Beredſamkeit hervor ſuchen muſte: und ihm ihre Schoͤnheit auszureden an - fangs ſich unterſtunde: Ehrwuͤrdigſter Vater / redetete ſie ihm ein / ich will nicht hoffen / daß ein bloͤdes Auge werde Urſache haben / ſich uͤber mei - ne unſchuldige Geſtalt zu beſchweren. Solte aber ja ein Funcken der Schoͤnheit / deſſen Vorge - ben nach / an mir zu erblicken ſeyn: ſo iſt ſolcher vielmehr von den Goͤttern als eine Tugend-Fa - ckel / nicht aber als ein Jrrwiſch geiler Luͤſte ange - zuͤndet worden: worbey wir ihre Allmacht / nicht aber unſere Brunſt / betrachten ſollen. Zu dem muß die Schoͤnheit mit der Tugend feſte verknuͤpf -fet509Anderes Buch. fet ſeyn / und ihr Liecht wie der Mond von der Sonnen empfangen: auſſer dieſem iſt ſie nur ein ſtummer Betrug / und ein Leitſtern zu den Suͤn - den / ja ein rechtes Aaß / welches nur den Raub - Vogeln gefaͤllt / und Raben an ſich locket. Schoͤn und from ſeyn / ſtehet ſelten bey einander / und die Tugend trifft nicht allezeit mit der Geſtalt uͤber - ein: diejenigen irren aber ſehr weit / welche ein wohlgebildetes Geſichte ohne Tugend unter die Schoͤnheit rechnen / die doch nur ein Comet zu nennen iſt / deſſen Strauß iederzeit auff ein neues Unheil deutet; ja ein Abgott / welchem ſtatt Wey - rauchs / ſtinckend Hartz angezuͤndet wird. Zu dem beruhet die Schoͤnheit mehr in einer bloſſen Einbildung / als wahren Beſchaffenheit / denn was einem ieden gefaͤllt / das nennet er ſchoͤn: und ich verſichere euch / daß ihrer viel dasjenige / was ihr an mir lobwuͤrdig ſchaͤtzet / auffs hoͤchſte tadeln wuͤrden. So ſey es demnach ferne / daß ſich eure heilige Weißheit durch Einbildung und falſches Weſen ſolte verblenden laſſen. Jch will hier nicht gedencken der ungemeinen Veraͤnderung / womit die Schoͤnheit am meiſten ſtets bedrohet wird. Bald wird ſie durch das ſcharffe Schwerdt der Sorgen / bald durch die Sichel der Zeiten / endlich wohl gar durch den grimmigen Pfeil des Todes dermaſſen beſtritten / und verſtellet; daß man in kurtzem ein allgemeiner Eckel der verlieb - ten Welt muß genennet werden. Kurtz: ich ſtel - le euch ihre Vergaͤnglichkeit und eigendliches Weſen mit jenem ſingenden Europaͤer alſo vor:

Was510Der Aſiatiſchen Baniſe.
WAs iſt ſie? als der Zeit gemeines Gauckel -
ſpiel /
Nichts als ein kurtzer Wahn / ein ungewiſſe
Wahre /
Die auf uns ſelber ſtirbt / und uns gebraucht zur
Bahre /
Ein Zeug / der unſer Haut nicht Farbe halten
will.
Kein reines Spiegel-Glaß kriegt eher boͤſe Fle -
cken /
Kein Stern laͤſt ſich ſo bald die truͤben Wolcken
decken:
Kein ungelegter Schnee verſtaͤubt und ſchmiltzt
ſo leicht.
Ein Blitz wird nicht ſo bald vergehen und ver -
ſtreichen /
Und ſo geſchwinde wird die Roſe nicht erbleichen /
Als Schoͤnheit der Geſtalt aus unſern Augen
weicht.

Und werdet ihr / ehrwuͤrdiger Vater / eurer ho - hen Vernunfft ſo viel Raum ertheilen / daß keine unanſtaͤndige Phantaſie bey euch Platz gewin - nen koͤnne. Jch werde euch iederzeit mit ſolcher Liebe zugethan verbleiben / als es eure Wuͤrde und meine Tugend erfodert und erlaubet. Der alte Schimmel-Kopff war uͤber den ſchlechten Fortgang ſeiner Liebe hoͤchſt mißvergnuͤget / wel - ches er mit vielen Kopff-Schuͤtteln zu erkennen gab. Sie irret / Princeßin / war deſſen Gegen - Rede / wenn ſie ſich verachten / und mir die ſcharf -fen511Anderes Buch. fen Augen meiner Vernunfft mit dem Schleyer der Einbildung verbinden weil. Jch wuͤnſchte zwar / daß ihre Schoͤnheit niemals in meine Au - gen / vielweniger ins Hertze kommen waͤre: Nach - dem es aber der Himmel ſo gefuͤget / daß ſie unter meiner Hand den Tempel bewohnet / ſo erkenne ich es vor eine Schickung der Goͤtter / durch deren Verhaͤngniß ich ſie vor einen Engel halten muß / welcher Verlangen im Gemuͤthe / Entſetzen in den Augen / und Begierde im Hertzen erwecket. So widerſtrebe ſie nun nicht dem Schluſſe der Gott - heit / welche keine weltliche Perſon ihrer Schoͤn - heit wuͤrdig achtet / ſondern wil / daß der oberſte Prieſter des Heiligthums die Erſtlinge ihrer Blu - men brechen ſoll / und ihm hierdurch ein fleiſchli - ches Jubel-Jahr auszuſchreiben / gar wol erlau - bet ſey. Durch ſolche Freyheit ſeiner Reden be - fand ſich zwar die keuſche Princeßin dermaſſen geruͤhret / daß ſie bey hoͤherer Gewalt ſolchen Fre - vel auch mit dem Tode wuͤrde gerochen haben: Weil ſie aber die Noth als Tugend muſte gelten laſſen / ſo befliß ſie ſich ferner einer gezwungenen Freundligkeit / in Hoffnung / ihn von ſolchem ver - haßten Vorſatz durch kluges Einwenden abwen - dig zu machen. Dahero ſie ſich durch folgende Worte ferner bemuͤhete: Heiliger Vater! Wie ſchicket ſich dieſes zuſammen / ein Rolim der rei - nen Gottheit / und zugleich ein Prieſter unreiner Liebe zu ſeyn? Wird nicht das gantze Heiligthum beflecket / wenn geile Brunſt im Hertzen ſitzet? Die512Der Aſiatiſchen Baniſe. Die Goͤtter erfodern zu ihrem Dienſte nicht nur reine Haͤnde / ſondern auch keuſche Hertzen: ich aber wuͤrde mich ewiger Verdammniß wuͤrdig ſchaͤtzen / wenn durch mich die Goͤtter ſolten belei - diget und erzuͤrnet werden. Ach ſchlechter Ein - wurff / antwortete der Rolim hierauff / ſo muͤſten die Opffer / welche von den Goͤttern geſchaffen / und durch der Prieſter Hand geopffert werden / den Goͤttern auch ein Greuel ſeyn: Und der Wein iſt deßwegen denen Weltlichen verboten / weil er nur allein von den Prieſtern getruncken zu wer - den wuͤrdig iſt. Solte nun deßwegen die Heilig - keit der Goͤtter vermindert werden / wenn ihre Prieſter eine von der Gottheit erſchaffene Schoͤn - heit / welche an ſich ſelbſt ein Heiligthum und E - benbild der Goͤtter iſt / vor andern nicht ſo wohl ihrer Luſt / als bevoraus denen Goͤttern / welchen ſie dienen / aufopfferten. Das ſey ferne. Zu dem weiß man die Macht der Liebe / welche Tempel und Altar hindan ſetzet / und ſich weder an Geſetze noch Heiligthum binden laͤſſet. Es haben mich Rabbinen verſichert / daß vor langen Zeiten ein Koͤnig in Palaͤſtina /(†)Frane, Trauer-Saal dritter Theil. p. 998. welcher an Weißheit die Weißheit ſelbſt zu uͤbertreffen geſchienen / viel Gold aus dieſen Landen / welche vorhin Ophir ge - heiſſen / abholen laſſen. Dieſer weiſe Koͤnig / ob er gleich an Heiligkeit dem Juͤdiſchen Hohe - Prieſter vorgegangen / ſo habe er ſich doch die Lie - be auch im hohen Alter dermaſſen feſſeln laſſen /daß513Anderes Buch. daß er die Gottheit hindan geſetzet / und die Schoͤn - heit zu ſeinem Abgott erwehlet hat. Solte der Gebrauch einer Schoͤnheit denen Prieſtern un - zulaͤßig ſeyn / ſo wuͤrde ſich es der Samorin in Ca - licut vor keine ſo groſſe Ehre halten / wenn der vor - nehmſte Bramin ſeine Gemahlin eines andaͤch - tigen Beyſchlaffes wuͤrdiget. (†)Aloyſius Cadamaſtus cap. 71. Naviagat. ad terrat ignotas. Wer wolte es demnach mir tadeln / wenn ich auff dem Eiſe / wo vorhin weiſe Koͤnige gar gefallen ſind / nur ein we - nig gleite. So koſte ſie doch den Zucker meiner wuͤrdigen Liebe / und verſichere ſich / daß / wo ja die - ſes ein Verſehen zu nennen iſt / ſolches viel leichter bey den Goͤttern wieder zu verſoͤhnen ſey / als weñ ſie ſich ein Welt-Auge anblicken lieſſe. Hier haͤt - te nun die Princeßin lieber ihren Verdruß in et - was mercken laſſen / dannenhero ſie nicht unter - laſſen wolte / ihm durch Vorhaltung ſeines Alters ſein ungereimtes Beginnen zu verweiſen. Es ſey nun / alter Vater / hub ſie an / eure Liebe Ernſt oder Schertz / verboten oder erlaubet / ſo werdet ihr euch doch wohl zu beſcheiden wiſſen / das derjenige / wel - cher ſein beſchneytes Haupt noch mit Venus - Myrthen zu bekraͤntzen ſuchet / nur Feuer in dem Schnee / und im Winter Roſen ſuchet. Und wie ſich ein bleyerner Liebes Pfeil der Alten / gar nicht nach dem guͤldnen Ziel gruͤnender Jugend richten laͤſſet / alſo weiß ich nicht / ob ich zuviel rede / wenn ich ſage: es verdiene meine Jugend ein groͤſſeresK kMit -514Der Aſiatiſchen Baniſe. Mitleiden / als daß man ſie mit einem nach dem Grabe ſchmeckenden Kuſſe qvaͤlen wolte. Weil ich mir auch Lebenslang die Lehre / wie man das Alter in Ehren halten ſolle / wohl bey - bringen laſſen / ſo erachte ich nicht vor rathſam / den jenigen wie einen Braͤutigan zu lieben / wel - cher meiner Jugend beſſer vor einen Ehr - wuͤrdigen Vater diene kan. Die Liebe der Al - ten iſt mit Recht ein kalter Brand zu nennen / welcher zugleich gefaͤhrlich und verdrießlich iſt / und ſchicket ſich vorgeſagter maſſen / wie ein zer - brochener Pfeil zum Ziele. Ob ich nun zwar dieſes nicht zu einiger Beleidigung des Ehrwuͤr - digen Alters wil beygebracht haben: ſo wird doch mein Vater die Unmoͤgligkeit unſerer Liebe hier - aus leicht ſchlieſſen koͤnnen. Der alte Rolim vermeynte uͤber ſolchen Vorwuff zu boͤrſten / ie - doch machte er ſich dennoch Hoffnung / ſeinen Zweck zu erlangen / wenn er ihr auff dieſen Ein - wurff / welchen er laͤngſt vermuthet / widerlegte. Jſt dieſes / antwortete er hierauff / ein Zeichen der bißher geruͤhmten Tugend / daß ſie eine leichtſin - nige Jugend dem klugen Alter vorziehen wil: und belieben ihr nur die jungen Jahre / welche durch ein glattes Maul und weißroͤthliche Haut ihr ſchlechtes Alter und noch ſchlechtere Vernunft andeuten? Gewiß / ein ſchrecklicher Jrrthum! Was iſt doch fluͤchtiger / weder dieſe Blumen - Luſt / deren man nach etlichen Kuͤß-Monaten bald genug / mit den Jahren aber ſo viel als ietzund vonmir515Anderes Buch. mir hat. Dieſe Narciſſen aber meines Haupts / ſind etwas tieffer in die Erden gewachſen / mit Koͤniglichen Namen beſchrieben / und ſind zu dem Krantze ihrer vorigen Wuͤrde und Wolfahrt hoͤchſt noͤthig. Sie ſey verſichert / daß durch dieſe Liebe der hoͤchſte Grad des Gluͤckes ſich ihr zueig - nen wird / und ſie wird es dem Himmel dancken / daß ſie ſich ſo wol durch mich berathen hat. Durch mich / ſage ich / der ich meines hohen Amtes und Anſehens zu geſchweigen / die gantze Welt geſe - hen / Froſt und Hitze / Gutes und boͤſes ausgeſtan - den / deſſen Leben ein Auszug vieler Erfahrung / und der recht mit Vernunfft zu lieben weiß. Es ſolte mich ſehr jammern / wenn eine ſolche Schoͤn - heit einem jungen Lecker ſolte zu theil werden / der nach Art der heutigen Jugend ſeine blinde Luſt buͤſſen / und alsdenn ſie nicht ferner zu verehren wiſſen ſolte. Denn die Liebe zwiſchen jungen Leuten iſt wie die ſuͤſſen Schleckereyen / deren man bald einen Eckel iſſet / indem ſie anfangs zwar wohl ſchmecken / und doch weder den Leib nehren / noch die Geſundheit erhalten koͤnnen. Alt und Jung / das ſpeiſet am beſten / und ſchicket ſich fein auff einander / wie nach dem Eſſen das Confect. Denn der Alten Thun bleibet doch auff Beſtaͤn - digkeit gerichtet / und wiſſen ihre Sachen kluͤgli - cher anzugreiffen / weder ein junger Kluͤgling. Die Rathſchlaͤge der Alten unteꝛſtuͤtzen die Wohl - farth gantzer Laͤnder und Cronen / warum nicht auch das Gluͤcke und Gedeyen einer jungen Prin -K k 2ceßin?516Der Aſiatiſchen Baniſe. ceßin? Alter Soldaten Kriegs-Rath verrichtet mehr / weder die Spieſſe und Sebel junger Wag - haͤlſe. Ein alter Fechter behaͤlt allemal noch ei - nen Streich zuruͤcke. Darum ſoll man ſich zu den Alten halten / und von ihnen lernen. Wer ſich beſſern wil / muß mit einem umgehen / der beſ - ſer und kluͤger iſt / weder er / denn von ſeines glei - chen hat man ſich geringer Beſſerung zu getroͤ - ſten. Zu dem iſt auch mein weiſſes Haar kein gewiſſer unfehlbarer Beweiß des Alters / angeſe - hen es vielen in der Natur iſt / daß ſie zeitig grau werden. Mich betreffende / hat mich die Sorge meines ſchweren Amtes mit ſolchem Schnee - berſtreuet. Solten aber auch die Jahre hieran Schuld ſeyn / ſo hoffe ich vielmehr / ſie werde es ſich eine groſſe Ehre und Triumph ſchaͤtzen / daß ſich auch die weiſen Greiſen den Netzen ihrer An - muth und Huld willig darſtellen und gefangen geben / da man doch ſonſt ins gemein davor haͤlt: Ein alter Fuchs ſey uͤbel zufangen. Und alſo kan ich es nicht laͤnger verbergen / oͤffentlich zu be - kennen / wie das Eiß meiner Jahre vor der Son - nen ihrer Schoͤnheit gantz zerſchmoltzen / und was fuͤr Unruhe mir die Liebe durch ſie erwecke / in den Zeiten / darinnen mir freylich die Ruhe am noͤ - thigſten waͤre. Mit einem Worte: ich bin ver - liebt / und weiß auff dieſen Schaden kein ander Pflaſter / als diejenige ſelbſt / ſo mich verwundet hat. Darum entſchlieſſe ſie ſich / meine Schoͤne / zu ihrem beſten / meinem Verlangen und unſerbey -517Anderes Buch. beyder Vergnuͤgen gemaͤß. Schaͤmet euch! wolte hier die halb erzuͤrnete Princeßin ihm be - gegnen / als die verſtellete Eſwara die Thuͤr des Zimmers eroͤffnete: Jndem ſolche nun den Ro - lim erblickete / wolte ſie wieder zuruͤcke gehen / die Princeßin aber ruffte ihr zu / ſie ſolte im Zimmer bleiben / dahero ſie mit verhuͤlltem Geſichte hinein trat / und durch ihre Gegenwart die fernere Unter - redung verſtoͤrete / daß der Rolim gantz mißver - gnuͤgt ſich in den aͤuſern Tempel begab. Jch ſage hier nicht ohne Urſach / die verſtellte Eſwara / weil ſolches nicht Eſwara / ſondern Zarang der Printz von Tangu war. Denn dieſer Printz hatte ſich der Liebe gegen die Princeßin Baniſe ſo wenig begeben / daß er vielmehr nach fleißig er - haltener Kundſchafft ſich in geheim nach Pegu verfuͤgte / und ſich allda aͤuſſerſt bemuͤhete / nur die Princeßin perſoͤnlich zu ſprechen. Und nachdem er eigentliche Nachricht von ihrem betruͤbten Zu - ſtande und einſamen Auffenthalt erhielte / ſo ver - ſicherte er ſich ſelbſt / es werde ihm nunmehro die Princeßin willig folgen / und ihre Liebe wuͤrde ihm ſtatt der Danckbarkeit vor ſolche Erloͤſung auff - geopffert werden. So hoch ihn aber die ſonder - bare Heiligkeit des Tempels / welcher / damit ihn kein fremder Fuß beruͤhre / iederzeit mit tauſend Mann / nach Anzahl der Goͤtter bewachet wurde / erſchreckete / ſo ſehr erfreuete ihn die Auffwartung der bekandten Eſwara / welche leicht zu ſprechen war / weil ſie taͤglich vorerzehlter maſſen im Tem -K k 3pel518Der Aſiatiſchen Baniſe. pel aus und eingehen durffte. Dieſe nun / als er ihr ſein hertzliches Verlangen / die Princeßin zu ſehen / entdecket hatte / wuſte ihm anfangs die Ge - fahr dermaſſen vorzuſtellen / daß er faſt der Un - moͤgligkeit einen Platz in ſeinem Hertzen eingeraͤu - met haͤtte: So bald aber Zarang durch einige Saphire und einem Beutel voll Golde ſeinen Worten zu Huͤlffe kam / ſo veraͤnderte auch Eſwa - ra ihre Sprache / und bezeigte / wie durch einen guͤldnen Schluͤſſel auch die Felſen zu eroͤffnen waͤ - ren. Dannenhero / als ſie einen Tag Bedenck - Zeit gebeten hatte / gab ſie endlich dieſen liſtigen Anſchlag / er ſolte ſich in ihre Kleider verbergen / und alſo durch ihre Geſtalt mit verhuͤlltem Ge - ſichte / womit ſie bereits zu dem Ende unterſchie - dene mahl durch die Wache aus und ein gegan - gen / die Waͤchter verblenden / koͤnte er alsdenn der Princeßin Zimmer / welches ſie ihm wohl bedeu - tete / gluͤcklich erreichen / ſo wuͤrde er wohl zu reden wiſſen / was ihm Zeit und Liebe in den Mund le - gen wuͤrde. Dieſes wurde ſo fort von dem ver - liebten Printzen beliebet / dannenhero er alle be - noͤthigte Anſtalt zu einem ſchleunigem Abzuge machte / ſich in der Eſwara Kleider warff / und in ſolcher Geſtalt dem Tempel zu eilte. Nachdem er nun gluͤcklich und unerkennet durch die Wache gekommen / gieng er mit gleichen Schritten durch den Tempel nach der bedeuteten Thuͤre / allwo er denn nach deren Eroͤffnung / wie vor erwehnet / den Rolim / zu ſeinem hoͤchſten Erſchrecken / un -ver -519Anderes Buch. vermuthet antraff. Nachdem aber der Rolim das Zimmer verlaſſen / faſſete Zarang ein Hertze / und gab ſich mit entbloͤſetem Geſichte der Prin - ceßin zu erkennen. Welche hierdurch aufs neue in ſolche Beſtuͤrtzung gerieth / daß ſie vor Angſt und Entſetzen nicht zu reden vermochte: dahero er das Stillſchweigen zu erſt brach / ſich vor ihr auff die Knie ſetzte und ſie folgender Geſtalt anre - dete: Allerſchoͤnſte Princeßin! wo iemals ein biß in den Tod getreuer Sclave von ſeinem Hals - herrn wegen einigen Verbrechens Gnade und Verzeihung zu gewarten hat: ſo werde ich mich deren anietzo auch billich aus dero holdſeligen Munde zu getroͤſten haben. Kein Vorwitz / ſon - dern die inbruͤnſtige Liebe / welche alle Gefahr / auch den Tod / verachtet / und die getreuſte Vor - ſorge / welche ich zu der Zeit / da Ehre und Leben der ſchoͤnſten Princeßin auff der Spitze ruhet / vor ſie trage / haben mich in dieſe Kleider / und vor dero Engliſches Angeſicht zur Erden geworffen. Jch bin kommen / ſie / werthſte Baniſe / aus der Hand eines grauſamen Wuͤterichs zu erreten / und mich derjenigen Liebe / um welche ich laͤngſt ſo ſehnlich geſeuffzet / dadurch vollkommen wuͤrdig zu ma - chen. So ertheile ſie demnach ihrem gewiedme - ten Knechte einen beliebten Blick / und ermun - tere ihn / durch ihre Liebe / daß er das angenehme Werck ihrer Befreyung / deſto behertzter und ge - ſchwinder antrete. Die Princeßin konte ſich hier - auff nicht entſchlieſſen / ob ſie ihn mit harten oderK k 4ſanff -520Der Aſiatiſchen Baniſe. ſanfften Worten von dieſem gefaͤhrlichen / und theils verhaſſeten Vorſatz ableiten ſolte: doch / in Betrachtung / daß ſein Vorbringen nicht ſo gar uͤbel gegruͤndet / und er ſich gleichwohl um ihrent willen in ſolche Gefahr des Lebens begeben hatte / erachtete ſie es vorbillicher zu ſeyn / ihn mit freund - lichen Worten ab zumahnen / dahero ſie zu ihm ſagte: Mein Printz von Tangu! Wo ich mich nicht einiger Undanckbarkeit ſchuldig erkennen wil / ſo muß ichs geſtehen / daß ich euch nicht wenig verpflichtet bin / indem ihr auch mit Gefahr eures Lebens und Hindanſetzung eures Reichs ſo treu - lich auf meine Freyheit bedacht ſeyd. Nachdem aber die Goͤtter ſchon einmal ihr Mißfallen uͤber ſelbſt genommener Freyheit erwieſen / und mich dadurch angemahnet / ihrer rechten Huͤlffe zu er - warten: als bin ich des feſten Entſchluſſes / denen Goͤttern gehorſame Folge zu leiſten / und mich ſo lange in dem Kercker zu ſchmiegen / biß ſie mir ſelbſt Thor und Riegel eroͤffnen / und mir die guͤl - dene Crone der Freyheit auffſetzen werden. Za - rang / welcher ſich nichts weniger / als dieſer Wei - gerung verſehen / erſtaunte gantz hieruͤber / und wolte durch ſcharffes Anſehen ihren Ernſt oder Schertz erkundigen. Als er aber in ihrem un - veraͤnderten Angeſichte lauter Ernſt verſpuͤrte / kunte er ſich nicht enthalten / ſie ferner zu der Flucht zu bereden.

Wie? Schoͤnſte Baniſe ſagte er! iſt dieſes moͤglich / daß von einer freygebornen Seelen einbe -521Anderes Buch. beſchloſſener Raum der edlen Freyheit ſolte vor - gezogen werden? Der Adler ſehnet ſich nach der unbeſchrenckten Lufft / und der Loͤwe ſeuffzet in dem Keſichte: Wie ſolte denn ſie die Freyheit / welche alle Schaͤtze der Welt beſieget / und ſich ihr antraͤgt / ſo leichtſinnig ausſchlagen? Sie reitze doch nicht die Goͤtter durch ſolch verzweiffeltes Entſchlieſſen wider ſich / und bedencke / daß / wie ſie niemals unmittelbar ſich denen Menſchen huͤlff - bar erweiſen / alſo ſie auch mich zu einem Werck - zeuge ihrer Wolfarth und Freyheit auseꝛſehen ha - ben. Die Goͤtter / ſage ich / haben auch mich hierzu durch gewiſſe Mittel angetriebẽ / nemlich durch die Liebe / welche wie ein Chamaͤleon alle Farben an - nimt / wenn ſie nur dem Geliebten hierdurch zu ra - then weiß. Ach ſo verſpiele ſie doch keine Zeit / und befoͤrdere die angebothene Flucht. Es iſt zugefaͤhr - lich / wendete die Princeßin ein / ja ein Werck der Unmoͤgligkeit. Keine Unmoͤgligkeit / war Zarangs Gegen-Rede / denn den Goͤttern und der Liebe iſt nichts unmoͤglich. Jch habe bereits ſolche Anſtalt zur Flucht gemacht / daß uns auch ein ſchnelles Tyger nicht einholen ſoll. Hier verberge ſie ſich in Eſwarens entlehnte Kleider / und gehe ungeſcheu - et mit verhuͤlletem Geſichte durch die Wache. Jch will inzwiſchen mit dieſem Dolche den alten Rolim zu einem toͤdtlichen Stillſchweigen noͤthi - gen / mich gleichfalls der heiligen Kleidung bedie - nen / und unter dem Schutz der Gottheit getroſt folgen. O verzweiffelter Anſchlag! antworteteK k 5die522Der Aſiatiſchen Baniſe. die Princeßin hierauff / ſollen die Goͤtter ſolche Flucht ſegnen / ſo muß kein geweihtes Blut die Bahne beſpruͤtzen. Dem ſey aber wie ihm wolle / und ob alles nach Wundſch hinaus lieffe / ſo iſt doch das Loͤſe-Geld vor ſolche Freyheit allzu koſt - bar / indem ich meine Keuſchheit hier retten / und anderswo einbuͤſſen ſoll. Solte aber gleich das Abſehen auff ein reineres Verbuͤndniß gerichtet ſeyn / ſo ſtehet doch dieſes im Wege / daß ich mich nicht mehr vergeben / noch meine Liebe theilen koͤn - ne. Dannenhero will ich viel lieber in Gedult an - derwertige Huͤlffe erwarten: Der Printz von Tangu aber wird vergnuͤgt ſeyn / wenn ich mich ſelbten mit ſolchem Dancke vor dieſe Vorſorge verpflichtet achte / als es Ehre und Tugend zulaͤſ - ſet. Dem Zarang war mit Danckſagung alleine nicht ſonders gedienet / dannenhero er ſeinen Zweck gantz verruͤcket ſahe Unempfindliſte Princeßin! redete er ſie ferner an / ſo koͤnnen den auch die Zei - ten und das Ungluͤck / welche ſonſten Ertzt und Marmor bezwingen / ihr Hertze nicht entſteinern? Jſt denn meine Liebe ſo gar verhaßt / daß ſie nur iederzeit mit verſtopfftem Ohr und ſtaͤhlernem Ge - muͤthe ſoll angenommen werden? O ſo weiß ich nicht / ob ich mich der Wehmuth ergeben / oder die Goͤtter umb Rache anflehen ſoll? Gewiß / eine ſolche Haͤrte kan nicht unbeſtraffet bleiben / indem der Himmel ſelbſt mit mir Mitleiden haben / und ihr dermaleinſt ſolches Unrecht empfindlichſt vor - ſtellen wird. Die Princeßin empfand auff dieſesbe -523Anderes Buch. bewegliche Vorbringen / welches ſie nicht anders / als auff Tugend gegruͤndet zu ſeyn vermeynte / faſt einiges Mitleiden / daher ſie ihn mit dieſen Worten troͤſtete: Mein Printz / ich wolte euch gerne ein Beyleid goͤnnen / wenn ich nicht auch nur durch ſolches ein anderweitiges Band verletz - te. Jedoch wo ihr euch keine thoͤrichte Liebe blen - den laſſen / noch die Graͤntzen einiger Erbarkeit uͤberſchreiten wollet / ſo wird euch meine Hoͤflig - keit niemahls ein keuſches Unterreden / auch bey beſſern Zeiten einen hoͤflichen Schertz verſagen. Ja ich ſchencke euch als eine Freundin meine Gunſt / wornach ihr ſo ein hefftiges Verlangen traget. Zarang deutet dieſes alles zu ſeinem beſten aus / und ſetzte ſich ſelbſt in lauter Vergnuͤgung: ja er kunte ſich nicht enthalten / ihre Hand zu kuͤſ - ſen / welches ſie ihm endlich auch erlaubte / in Hoff - nung / ihn durch ſolche linde Pflaſter zu heilen / und zu geſunder Vernunfft zu bringen. Allein die - ſe erlaubete Freyheit wurde in gellem Verſtande von ihm angenommen / und er unterließ nicht / ſei - ne verhaßte Funcke durch folgende Worte zu ver - rathen: Jch kuͤſſe ihre Klugheit / ſchoͤnſter Engel / und den wohlbedachten Schluß / welchen ſie gnaͤ - digſt gegen mich gefaſſet. Weil aber die Roſen ohne Mittheilung ihres Geruchs und der erſtickte Ambra wenig Nutzen ſchaffen: So wird ſie mir / guͤtigſte Baniſe / nicht veruͤblen / wenn ich umb ein wuͤrckliches Merckmahl ihrer Huld von ihren Lippen bitte. Denn wie kan ein zartes Kind derMut -524Der Aſiatiſchen Baniſe. Mutter Liebe verſichert ſeyn / wenn ſie nicht daſ - ſelbe bißweilen kuͤſſen wolte? Die Princeßin fand ſich hierdurch nicht wenig beleidiget / iedoch ver - barg ſie noch ihr Mißvergnuͤgen / und ſagte nur dieſes zu ihm: Haltet eure Luſt im Zaum / und verſtattet eurer Begierde doch nicht ſo den Zuͤgel / indem ihr wiſſen ſollet / daß ich vereit ſo gut als vermaͤhlet bin. Das iſt gantz unſchaͤdlich / verrieth er ſeine unzuͤchtige Gedancken ferner / denn es koͤn - nen viel Schwane in einem Fluſſe baden / da doch deſſen Fluth im wenigſten gemindert wird. Be - zaͤumet eure Lippen / redete ihm die princeßin mit etwas haͤrterer Stimme em / und gebet euch nicht ſo gar bloß. Mich wundert / daß ihr euch durch thoͤrichte Brunſt auff ſolche tolle Reden verleiten laſſet. Heiſſet dieſes toll / verſetzte Zarang / was uns die Natur befiehlet? Die Natur / erwiederte Baniſe / wil nicht / daß man die Ehe zerruͤtten ſoll. Die Ehe bleibet unzertrennet / war Zarangs Ein - wenden / ob man gleich andere liebet. Wehe dem / antwortete Baniſe / welcher durch ſolche Liebe Aergerniß verurſachet. Ey / die Liebe iſt vielerley / wolte ſich Zarang rechtfertigen / man muß in den Graͤntzen bleiben. Ja / erwiederte Baniſe / wer auff die Graͤntzen koͤmmt / der will ſich auch ins Land wagen. Dieſer Einwurff thut mir nichts / fieng endlich Zarang an / gnug / daß ich ſie lieben / und dasjenige mit Gewalt nehmen muß / was ſie mir ſo lange vorenthalten hat. Mit welchen Wor - ten er mehr als halb verzweiffelt nach einem Kuſſeſchnap -525Anderes Buch. ſchnapte. Die Princeßin aber ſtieß ihn mit die - ſen Worten zuruͤck: Unverſchaͤmter Printz! wel - cher Wahnwitz verblendet euch / daß ihr euch wuͤrcklich unterſtehen duͤrffet / eine verſprochene Braut / ich will nicht ſagen / Kaͤyſerliche Princeſ - ſin / mit verbothener Liebe zu beleidigen. Zarang beſann ſich zwar ſo bald / und wolte dieſen Fehler mit Worten buͤſſen / indem er ſagte: Schoͤnſte Goͤttin / ſie verzeihe dem -- Ja / wenn ich Goͤt - tin waͤre / fiel ſie ihm in die Rede / ſo wolte ich Blitz und Bley auff eure Vewegenheit regnen laſſen / und das unzuͤchtige Hertze in tauſend Stuͤcke zerreiſſen. So fahre denn hin / ergrimm - te Princeßin / antwortete der beleidigte Zarang / in eurer ſtoltzen Meynung / iedoch ſollet ihr noch ſattſam erfahren / was eine verzweiffelte Liebe im Schilde fuͤhre. Welche harte Worte und ſtarcke Reden den Rolim bewegten / ſich wiederum in das Zimmer zu verfuͤgen: Da er denn alſobald die falſche Eſwara erkennete / und ſolche auffzu - fangen / die Wache herbey ruffen wolte: Zarang aber war ihm zu hurtig / indem er zu erſt die Thuͤr erreichte / und ſolche von auſſen verriegelte / daß er in ſolcher Verſtellung ungehindert wieder nach Hauſe gelangete / wiewohl er ſich einiger Gefahr beſorgete / und Pegu noch ſelbigen Tages verließ. Jnzwiſchen wolte ſich Eſwara / als welche des un - gluͤcklichen Ausſchlages noch unbeꝛichtet war / wie - der zu der Princeßin begeben / welche zu erſt die verriegelte Thuͤr eroͤffnete; ſo bald ſie aber derRo -526Der Aſiatiſchen Baniſe. Rolim anſichtig wurde / verwieß er ihr dieſe Ver - raͤtherey mit hefftigen Schelt-Worten / ließ ſie alsbald gefangen nehmen / und als ſie ohne Zwang ein freyes Bekaͤntniß that / wurde ſie / indem ſie durch fremden Tritt die Heiligkeit des Tempels entweihet / jaͤmmerlich geſebelt. Der Princeßin aber wurden nunmehro zwey beeydigte Frauen zugegeben. Jn welcher Einſamkeit wir ſie / nach dieſem zwey hefftigen Liebes-Stuͤrmen / wollen ruhen laſſen / und mit unſerer Feder einen Ruͤck - Flug nach dem Lager vor Odia nehmen / allwo wir die Aracaniſchen Geſandten vor uns finden werden.

Dieſe hatten ſich einige Tage zuvorhero ge - buͤhrend bey dem Chaumigrem anmelden laſſen / welcher ihnen mit dieſer Antwort begegnet wat: Es ſolte ihm angenehm ſeyn / wenn ſie lebendige Zeugen der grauſamen Rache / welche er von dem Koͤnige in Siam nehmen wuͤrde / ſeyn wolten. Jn - mittelſt / als ſich erwehnte Geſandten dem Lager genaͤhert hatten / ſchickte ihnen Chaumigrem eini - ge Groſſen mit drey tauſend Pferden entgegen / und ließ ſie ſehr praͤchtig in das Lager begleiten. Die Geſandten ſaſſen auff zwey wohlgeputzten E - lephanten / welche ihnen gleichfalls entgegen ge - ſchicket waren: Jhre eigene Begleitung aber / wel - che aus hundert und viertzig Aracanern beſtunde / muſte vor den Geſandten herreiten. Bey ſolchem Einzuge ließ Chaumigrem alle Stuͤcke loͤſen / und mit hlaſen der Trompeten ein grauſames Feld -Ge -527Anderes Buch. Geſchrey erthoͤnen: zugleich aber auch ausſpren - gen: es lieſſe der Koͤnig von Aracan einen Bund wider Siam und alle Bramaniſche Feinde durch dieſe Geſandten antragen: umb / wie er hoffte / die Stammer deſto eher zur Ubergabe zu zwin - gen. Als nun die Geſandten in ein herrliches Gezelte eingelagert / und ihre Leute umb ſie her - umb verleget waren / ließ ſie Chaumigrem alſo - bald durch den Feld-Herrn Martong willkommen heiſſen / auch noch ſelbten Abend koͤniglich bewir - then. Wobey ſich viel Grofſen des Reichs von Pegu als auch Kriegs-Haͤupter einfunden / wel - che Befehl hatten / ſo wohl durch ſtarckes Zutrin - cken / als auch ſonſten ſich euſerſt zu bemuͤhen / da - mit ſie noch vor der Audientz die Urſache ihrer An - kunfft erfahren moͤchten. Weil man aber zu die - ſer Geſandſchafft die Kluͤgſten des Reichs genom - men hatte: ihren Leuten auch bey Straffe des ſchmertzlichſten Todes alle verdaͤchtige Gemein - ſchaft mit den Peguanern verbothen war: als war ein ieder vergebens bemuͤhet / auch nur ein Wort hiervon zu erſchnappen. Die Geſandten hiel - ten indeſſen umb ſchleuniges Gehoͤr an: welche aber uͤber acht Tage auffgehalten worden / ohne daß man ihnen die geringſte Hoffnung zu einiger Audientz gab. Denn Chaumigrem vermeinte / Odia zuvor zu erodern / dahero er mit grauſamer Gewalt dieſe Zeit uͤber faſt Tag und Nacht ſtuͤr - men ließ: weil aber die tapffern Siammer faſt unuberwindlich zu ſeyn ſchienen / muſten die Stuͤr -men -528Der Aſiatiſchen Baniſe. menden iederzeit mit blutigem Verluſt die Mau - ern verlaſſen; Als nun die Zeit denen Geſandten allzu lange fallen wolte / hielten ſie noch einmahl um Gehoͤr an / mit Bedrohung ſie wuͤrden ſonſt ihre Verrichtuug ſchrifftlich hinterlaſſen / und wieder davon ziehen muͤſſen. Worauff ſich end - lich Chaumigrem entſchloß / ihnen einen Tag / ſie zu hoͤren / anzuberaumen. Weil er aber des feſten Vorſatzes war / die Stadt Angeſichts der Araca - niſchen Geſandten zu erorbern / und ſich dadurch in ein ſchreckliches Anſehen bey ihnen zu ſetzen: ließ er Tages zuvor noch einen entſetzlichen Sturm auff die Veſtung wagen / in welchem es ſchien / nicht als ob er willens waͤre / im Triumphe hinein zu reiten / ſondern auff einem gantzen Strohm von Blute hinein zu ſchiffen. Er trieb ſelbſt mit ent - bloͤſtem Sebel die Seinigen zum Sturme / und hieb zuweilen vor Grimm die Weichenden mit eigner Hand nieder. Es ſchien als wolte er diß - mahl die Stadt erobern / ſolte gleich alles daruͤber zu Boden ſincken / und er / vermittelſt einer Bruͤ - cken von lauter Leichen uͤber die Mauern ſchreiten. Allein / zu geſchweigen der innerlichen klugen Ge - gen-Befeſtigung / womit ſie ihre Mauern mehr als verdoppelt hatten / ſo erwieſen ſich die Bela - gerten dergeſtalt / gleich als ob ihnen der Platz / wie einer Schnecken die Schale / angewachſen waͤre. Jhre Mauern ſpeyten Dampf und Feuer von ſich / und die Schuͤtzen aus Tannaſſery ga - ben aus ihren gewiß-zielenden Roͤhren einenBley -529Anderes Buch. Bley-Regen nach dem andern ſo haͤufig / daß die Feinde von ihrem eignen Blute durch und durch genetzt wurden. Den groͤſten Verluſt in dieſem Sturme / muſte Abaxar an ſeinem Orte / der ihm mit zehen tauſend Mann zu behaupten angewie - ſen war / empfinden. Denn als dieſer muthige Held in Angeſicht des Tyrannen ſich unter die foͤrderſten ſtellte / auch am erſten die Hoͤhe der Mauer erreichte / und mit eigner Fauſt ein Peguaniſch Faͤhnlein drauff ſteckte / welchem die andern friſch nachfolgeten: gaben die li - ſtige Siammer willig die Flucht / und lockten den Feind bey fuͤnff tauſend ſtarck / welche in vol - ler Hoffnung des eroberten Sieges hinter ihnen eindrungen. Nachdem es aber die Belagerten Zeit dauchte: lieſſen ſie vermittelſt einiger Ab - ſchnitte ſtarcke und verborgene Gegatter vor - ſchieſſen / wodurch die Hinterſten an der Nachfol - ge verhindert / die Foͤrderſten aber gaͤntzlich abge - ſchnitten wurden. Worauff es denn an ein greu - liches Metzeln gieng / alſo / daß nur Abarar mit ungefehr funffzig Mann gefangen und lebendig erhalten wurde. Die Ausgeſchloſſenen aber wur - den theils zwiſchen den Mauern niedergemacht / theils uͤber die Mauern dermaſſen wieder zuruͤcke gejaget / daß ſie / in Hoffnung ihr Leben zu retten / Hals und Bein brachen. Alſo hatte endlich auch dieſer blutige Sturm / welcher uͤber drey und zwantzig tauſend Mann gefreſſen hatte / nach ze - hen Stunden / ein auff Seiten der Belaͤgerer / un - gluͤckliches Ende. Jedoch konte dieſe rothe FluthL lbey530Der Aſiatiſchen Baniſe. bey dem Chaumigrem den Willen / Odia weiter mit Macht zu verſuchen / nicht ausloͤſchen: ſon - dern ie mehr ſich das Gluͤcke / oder vielmehr die Streitbarkeit der Belaͤgerten / mit tapfferſter Ge - genwehr bezeigete / deſto verſtockter beharrete er in ſeiner Eigenſinnigkeit: ja ie groͤſſern Schaden ihm der muthige Feind zufuͤgte: ie heiſſer ent - brannte in ihm die Begierde / ſich zu raͤchen. Ehe er aber was weiters wider Odia vornehmen ließ / wolte er zuvor die Aracaniſchen Geſandten ab - fertigen / damit ſie nicht fernere Zeugen ſeines blu - tigen Verluſts ſeyn moͤchten: dannenhero er ſie abermals auff wohlgezierten Elephanten herzu holen / und alles auf das praͤchtigſte anſtellen ließ. Uber funffzig tauſend Mann der Beſt-bewehr - teſten muſten in vielfacher langen Ordnung von des Kaͤyſers / biß an der Geſandten Gezelt ſtehen / durch welche die Aracaner durchziehen muſten. Nachdem ſie etwan zwey hundert Schritte von dieſem Gezelte / welches wie eine kleine Feſtung von dem Lager abgeſondert / und mit auffgeworf - ſener Erde umſchantzet war / angelanget / begaben ſie ſich von den Elephanten herunter / und gingen mit ihren Leuten unter Begleitung derjenigen / welche ſie abholen muͤſſen / biß an den foͤrderſten Eingang: bey welchem vier Perſonen ſtunden / die ieden Geſandten bey den Armen faßten / und ſie ſolcher Geſtalt mit Zuruͤcklaſſung der andern Aracaner vor den Kaͤyſer fuͤhrten. Dieſer ſaß nun auff einem erhobenen und mit Golde reich -lich531Anderes Buch. lich gezierten Throne in einer vollen Kriegs-Ruͤ - ſtung: auf beyden Seiten ſtunden vier und zwan - tzig der vornehmſten Kriegs-Haͤupter / zu deſſen Fuͤſſen aber ſaſſen unterſchiedene Reichs - und Kriegs-Raͤthe. Den Thron umgaben zwey hundert Trabanten mit ſilbernen Kolben. Die Decke aber des Gezeltes war von blauen Gol - denſtuͤck / in welches Sonne Mond und Sterne kuͤnſtlich eingewircket waren: und die uͤbrige Pracht ſchien mehr ein koͤniglicher Hoff / als ein Feld-Lager zu ſeyn. So bald nun die Geſand - ten nach dreymaliger Ehrbezeigung ſich dem Throne nahten / wurden ſie ermahnet / mit bedeck - tem Angeſichte auff den Knien ihre Werbung vorzubringen / welches ſie aber durchaus nicht ein - gehen wolten / ſondern Korangeri fieng alſobald folgender Geſtalt an zu reden:

Daß man / o Koͤnig von Brama / niemals mit den jenigen / welches uns die Goͤtter an Stand und Vermoͤgen ertheilen / vergnuͤgt und zu frieden ſey / ſolches iſt eine allgemeine Wuͤrckung ver - derbter Natur / welche zu Bedeckung ihrer Schanden iederzeit den geflickten Mantel des verdammlichen Ratio Status entlehnen muß. Und wie uns deſſen Xenimbrun / voriger Stadthalter von Brama ein klares Beweißthum giebet / alſo ſehen wir anietzo in des Chaumigrems Perſon einen friſchen Nachfolger. Nun ſind wir nicht deßwegen von unſerm Großmaͤchtigſten Koͤnige und Herrn der Reiche von Aracan abgeſendet /L l 2das532Der Aſiatiſchen Baniſe. daß wir die gewaltſame Eroberung von Brama und Martabane unterſuchen ſollen: ob ſolche durch einiges Recht oder bloſſe Herrſchſucht / o - der / welches am fuͤglichſten zu ſagen / aus uner - forſchlichem Verhaͤngniß der erzuͤrnten Goͤtter geſchehen ſey / welches wir an ſeinen Ort / und zu des Uberwinders kuͤnfftiger Verantwortung vor der Gottheit geſtellet ſeyn laſſen: ſondern es zwin - get unſer hohes Ober-Haupt ein rechtmaͤßiges Mitleiden und die heilige Gerechtigkeit / uns ſeine Diener / gnugſam bevollmaͤchtigte Geſandten / an den Koͤnig von Brama abzufertigen / und die gefangene Princeßin Baniſe / als eine verſproche - ne Braut des groſſen Koͤnigs von Aracan / nebſt ihren / durch unberechtigte Gewalt / eroberten Erb - Reichen von Pegu / aus ſeiner Hand unverſehret wieder abzufodern. Wird nun dieſem billigen Begehren Chaumigrem gebuͤhrend nachleben / die Princeßin unter ſicherm Geleite unbeleidigt / nebſt dem bißher gewaltſam-beſeſſenen Reiche Pegu abtreten / und ausantworten: ſo ſoll ihm das Koͤnigreich Brama und Martabane willig gelaſ - ſen / und alle wohlverſchuldete Rache wegẽ des un - ſchuldigen Blutes Xemindo / wider ihm gaͤntzlich eingeſtellet verbleiben. Bey unbefugteꝛ Veꝛweige - rung aber wird das Schwerdt ein unparthey - ſcher Richter ſeyn / und die Rache wird Brama biß an das euſerſte Theil der Erden verfolgen. Chaumigrem verſtellte ſeine Geberden uͤber die - ſer Anſoderung dermaſſen / daß man den funcken -den533Anderes Buch. den Grimm gleichſam aus den Augen blitzen ſa - he. Ob nun zwar dem Bramaniſchen Ober - Kriegs-Rath die Beantwortung im Nahmen des Kaͤyſers gebuͤhret haͤtte / ſelbter auch bereits durch Auffſtehen ſich hierzu geſchickt machte: ſo konte doch der ergrimmte Chaumigrem ſeine Ge - dult nicht ſo weit verlaͤngern / ſondern antwortete den Geſandten ſelbſt mit grauſer Stimme: Es iſt zwar etwas unerhoͤrtes / einen freyen Kaͤyſer / welchen man das Haupt der Erden nennet / un - ter den glaͤntzenden Waffen ſeiner ſiegreichen Macht mit ſolchen unbeſonnenen Forderungen beſchwerlich zu fallen: angeſchen der Koͤnig von Aracan vielmehr mein Schwerdt / als ein Va - ſall kuͤſſen / und nicht damit drohen ſolte: Dan - nenhero auch ihr wegen eurer Verwegenheit deſ - ſelben Schaͤrffe zu erſt erfahren ſoltet: Weil uns aber das allgemeine Recht der Geſandten / und die Jugend eures Koͤniges vorbittlich in die Armen faͤllet / und den wolverdienten Streich zu - ruͤcke zeucht / ſo ziehet ohne einiges Verweilen wie - der hin / beſchreibet ihm unſere Gewalt / und hin - terbringet ihm unſern Zorn / welcher ihn / wo nicht Bekehrung erfolget / wie Siam treffen duͤrffte. Jnmittelſt ſoll er vergnuͤgt leben / daß er Aracan unter unſerm Schutz und Lehn-Rechte geruhig beſitzen moͤge. Die Princeßin ſoll ihm auch / ſo bald wir Pegu im Triumph erreichet haben / - berſendet werden / iedoch nicht eher / biß auch die Stall-Buben ihre Luſt ſattſam mit ihr gebuͤſſetL l 3ha -534Der Aſiatiſchen Baniſe. haben: alsdenn ſoll ſie in einem Huren-Kleide ihrem Braͤutigam willig uͤberliefert werden. So entfernet euch denn Angeſichts aus Gezelt und Lager / und wiſſet / daß auch die Macht des Him - mels unſern Vorſatz nicht endern ſoll. Als nun die Geſandten dieſe wohl vermuthete Antwort mit verdrießlichen Ohren angehoͤret / trat endlich Korangeri ohne einige Weitlaͤufftigkeit oder Ehr - erbietung hervor / und redete den Chaumigrem folgender Geſtalt an: Weil demnach euch / ihr vom unſchuldigen Blute trieffende Bramaer / nicht mit dem edlen Frieden gedienet iſt: ſo rau - bet / mordet / ſchaͤndet / ſenget und brennet nach eu - rem Belieben und Wohlgefallen: Es ſey aber euch und eurem Koͤnige hiermit von wegen und im Namen des Großmaͤchtigſten Koͤniges Ba - lacin / und ſeiner ſaͤmtlichen Reiche ein offentli - cher und blutiger Krieg angekuͤndiget / in welchem ihr euer unrechtmaͤßiges Vorenthalten und Blutvergieſſen in eignem Blute buͤſſen ſollet. Nach welchen Worten beyde Geſandten ihre vorhin mit Blut gefaͤrbte Sebel entbloͤſten / und ſolche in aller Gegenwart vor den Thron hin - wurffen / ſich auch alſobald aus dem Gezelte be - gaben / nach ſchleunigern Einpacken das Lager verlieſſen / und ihre Ruͤckreiſe wieder antraten. Chaumigrem wolte faſt raſend werden / und ſo er nicht von den Seinigen waͤre auffgehalten wor - den / ſo haͤtten die Geſandten den Friedens-Bruch mit ihrem Blute beſtaͤtigen muͤſſen.

Es535Anderes Buch.

Es hatten erwehnte Geſandten kaum die Tho - re zu Aracan erreichet / ſo wuſte bereits iedwedes Kind von dem Kriege wider Pegu zu lallen: ja auch die ſchwachen Weibesbilder wolten ihr Le - ben vor die gefangene Princeßin auffopffern / und die Felder um Aracan wurden in kurtzem mit Waffen bedecket: indem die Wachſamkeit des tapffern Koͤnigs / und die unermuͤdete Treue der gehorſamen Unterthanen die Zeit dermaſſen edel machten / daß es ſchien / als ob die Goͤtter ſelbſt Hand anlegten. Jn welchem Eyfer wir die be - muͤhten Aracaner in etwas wollen beharren laſ - ſen / und wieder zuruͤcke nach Siam lauffen.

Nachdem nun zwey gantzer Monat unter ſtetem Gefechte verſtrichen / und ſich die Pegua - ner an Odia ziemlich das Maul zerfallen hat - ten: Chaumigrem auch ein gefaͤhrliches Wetter von Aracan her beſorgte: als fing die Ungedult an ihn zu erhitzen / daß er deſto hefftiger auff die gewaltſame Eroberung drang / ie ferner die Hoff - nung war. Jnzwiſchen machten ſich die tapf - fern Siammer zu moͤglichſter Gegenwehr ge - faſſet / weil ſie ſich wohl einbilden konten / daß ein offt wiederholter Schlag allzeit gefaͤhrlicher wuͤr - de. Es wurde aber / indem gantz Odia mit Dampf und Blut erfuͤllet und umbringet war / auch das Koͤnigliche Hauß zu mehrerm Leidweſen mit einer hohen Trauer-Wolcke verdunckelt: indem un - verſehens die Seele der juͤngſten Princeßin von Siam / Salagramma / ihren Leib und die beaͤng -L l 4ſtigte536Der Aſiatiſchen Baniſeſtigte Burg verlaſſen hatte. Welche Entſee - lung dem Koͤnige / beſonders der Koͤnigin / als ih - res einig-wehrſten Kindes / hoͤchſtſchmertzlich fiel. Weil ſich demnach bey deren Verbrennung ſon - derliche Zufaͤlle ereigneten / welche bey folgender Geſchichts-Erzehlung noͤthig zu wiſſen ſind: als wird der guͤnſtige Leſer ein gedultiges Auge nach - geſetzter Leich-Beſtattung vergoͤnnen / und hier - aus die Heydniſchen Gebraͤuche der Aſiatiſchen Jndianer erſehen. So bald die Sonne ihre Strahlen dieſer Trauer-Handlung gewiedmet hatte / ſahe man auff dem weiten Platze vor dem Schloſſe fuͤnff hohe und von ſtarcken Maſtbaͤu - men auffgerichtete Thuͤrme / von welchen der mittelſte etwan dreyßig / die andern aber / welche ins Gevierdte um den mitlern herum ſtunden / zwantzig Klafftern hoch waren. Dieſe waren alle dermaſſen kuͤnſtlich gebauet / und mit Gold und gemahltem Laubwercke ſo artig gezieret / daß es allen Anſchauenden Luft und Verwunderung brachte. Jn der Mitten des groͤſſern Thurms ſtund ein mit Gold und Edelgeſteinen faſt bedeck - ter Altar / ſechs Fuß hoch von der Erden / auff welchen die entſeelte Princeßin / in einem von fei - nem Golde Daumens-dicken Sarge geſetzet war: worinnen ſie nicht lang / ſondern gleichſam mit gefaltenen Haͤnden / und nach dem Him - mel gerichteten Angeſichte betende / und auffge - richtet ſaß: Jhr haupt bedeckte eine koͤſtliche guͤl - dene Crone: und die uͤbrige Kleidung war vonguͤl -537Anderes Buch. guͤldenen Ketten / und Diamantnen Kleinodien recht Koͤniglich zuſammen gefuͤget: alſo daß man aus dem Leichen Schmuck die Liebe der Eltern ſattſam ſpuͤren konte. Hierauf kamẽ die vornehm - ſten Mandaryns nebſt ihren Frauen in gantz weiſ - ſer Kleidung / nur von feiner Leinwand / welche weder durch Gold / oder andern Zierrath beleget war. Dieſe beſtreueten nun die Verſtorbene mit den traurigſten Geberden / als welches die letzte Ehre / mit eigener Hand voll Blumen / und an - dern koͤſtlichen Raͤuchwerck. Nach dieſem wur - de die Leiche von dem Altar genommen / und auff einen erhabenen Thron oder vielmehr Triumph - Wagen mit Gold uͤberzogen / gebracht / und da - ſelbſt allen Groſſen des Reichs gewieſen. Auff welches Erblicken alle vornehme Frauen auff das jaͤmmerlichſte zu heulen und ſchreyen begunten / und dadurch ihre empfindlichſte Traurigkeit moͤg - lichſt zu erkennen gaben. Nach dieſem Weh - klagen wurde der Thron von einigen Staats - Maͤnnern gantz langſam nach dem Orte / wo die Leiche dem Feuer ſolte geopffert werden / hingezo - gen: welchen obgemeidtete Mandarynen und Frauen in guter Ordnung betruͤbt folgeten. Zu - foͤrderſt ritte Printz Nherandi auff einem ſchoͤnen jungen Elephanten in gantz weiß gekleidet / ſein Angeſichte entdeckte eine tieffe Traurigkeit / die brennenden Augen aber verriethen bald die feu - rige Begierde / ſich wieder auff die Mauern und dem Feinde behertzt entgegen zu ſtellen. NebenſtL l 5ihr538Der Aſiatiſchen Baniſe. ihm ritten auff beyden Seiten zwey vornehme junge Mandarynen auff Elephanten / deren ieder wie auch der Printz / einen langen ſeidenen Flor / welcher an den Sarg angemacht war / gleichſam als ob ſie den Thron zoͤgen / in der Hand hatten. Zu ieder Seiten des Wagens oder Throns gien - gen vierzehen Koͤnigl. Kinder zu Fuß / gleichfalls in weiſſe Leinwand gekleidet / deren iedwedes einen gruͤnen Zweig in der Hand trug / und durch bitter - liches Weinen ihr Betruͤbniß mit niedergeſchla - genen Augen ſattſam bezeigeten. Auff dem We - ge / welchen dieſe Trauer-Geſellſchafft durchwan - deln muſte / waren zu beyden Seiten etwa zwan - tzig Klafftern von einander / unterſchiedliche Schau-Buͤhnen auff gerichtet / auff welchen die Mandarynen vom gemeinen Staat ſaſſen / und iederzeit / ſo bald die Leiche vor ſie kam / eine groſſe Menge allerhand Kleider unter das gemeine Volck auswurffen. Andere ſtreueten Pomeran - tzen / deren theils mit Ticols(*)Ein Ticols iſt ein Stuͤck fein Silber von ein und ein Drittel Guͤlden. theils mit Ma - ſer(†)Maſer gilt halb ſo viel. gefuͤllet waren / wodurch ſo ein hefftiger Zulauff des Volckes entſtunde / daß durch den groſſen Gedrang acht Perſonen der Koͤniglichen Leiche gleich gemacht worden. Nachdem ſie nun vor dem Trauer-Altar angelanget / wurde die Leiche unter einer beweglichen Muſic von vieler - ley Jnſtrumenten / durch die groͤſſeſten Manda -rynen539Anderes Buch. rynen vom Wagen abgehoben / und mit tieffſter Ehrerbietigkeit auff den Altar geſetzet. Die Lei - che aber wurde mit viel Sandel - und Agor-Holtze umlegt / und zugleich vielerley Raͤuchwerck / an Specereyen / wohlriechenden Kraͤutern und Bal - ſam geworffen. Worauff ſich die Koͤniglichen Kinder nebſt den Mandarynen wendeten / und wieder nach dem Koͤniglichen Schloſſe begaben. Die Frauen aber blieben bey der Leiche / weil ſolche noch zwey Tage ohne Flammen ſtehen ſolte. Die - ſe ſaſſen Tag und Nacht um den Altar herum / mit ſo lautem Klag-Geſchrey und Weinen / daß ſich zu verwundern war / wie ſich ein Frauenzim - mer wider ihren Willen / angeſehen es den wenig - ſten ums Hertze war / zu ſolcher Wehmuth zwin - gen / und ſo klaͤglich geberden kunte. Wiewohl ſie auch hierzu ſich nicht wenig genoͤthiget befanden: Denn es waren gewiſſe Weiber beſtellet / welche die jenigen / welche nicht gnugſam weineten / mit Stricken dermaſſen zuſchlugen / daß ſie oͤffters vor Schmertzen wahrhafftig ſchreyen und weinen muſten. Neben erwehnten koſtbaren Thuͤrmen war eine treffliche Schaubuͤhne etwas davon auf - gerichtet / mit ſehr dicken und verguͤldten Papier bedecket / auff welcher die groͤſſeſten Pfaffen des Reichs / und vund umher auff Tonnelen noch an - dere / in unglaublicher Menge ſaſſen / die insge - ſamt ihr Gebet vor die Verſtorbene verrichteten. Aus andern zwantzig Thuͤrmen aber / welche von Bambus ſehr zierlich erhoͤhet / mit ſtarcken ver -guͤl -540Der Aſiatiſchen Baniſe. guͤldeten Papier / gleich der Schau-Buͤhne beklei - det / und in einer Ordnung neben einander geſetzet waren / wurden beyde Abende / nach untergan - gener Sonne biß an den Morgen / koͤſtliche Feu - erwecke angeſtecket. Alle dieſe Zuruͤſtungen nun und deren Unkoſten belieffen ſich auff fuͤnff tau - ſend(†)Fuͤnff tauſend Catti machen ſechs tauſend mahl tauſend Guͤlden. Catti Siams Silber / ohne die guͤldenen und ſilbernen Bilder / worunter zwey gantz guͤlde - ne / fuͤnfftehalb Fuß hoch / und zwey Daumen dicke waren: welche zu Ehren der verſtorbe - nen Princeßin in dem Haupt-Tempel des Reichs / als ein kuͤnfftiger Raub des Feindes / auf - geſetzet worden. Nach verfloſſenen zweyen Ta - gen wurde die endliche Verbrennung des Leich - nams mit groſſem Gepraͤnge / unter dem Klange vieler Jnſtrum enten / vorgenommen / da denn der Koͤnig mit eigner Hand durch eine Fackel den Brand anzuͤndete: wodurch nicht allein der koſt - bare Schmuck / ſondern auch der guͤldene Sarg verbrennet / und zu nichte gemacht wurde. Wel - ches ein klaͤgliches Vorſpiel des in etlichen Tagen erfolgenden Jam̃er-Brandes der gantzen Stadt war Hierbey begab ſich nun dieſer merckwuͤr - dige Fall / daß man / indem nach verloſchenem Brande die Aſche und uͤberbliebenen Gebeine in einen guͤldenen Krug zur Beyſetzung geſammlet worden / ein Stuͤcke blutiges Fleiſch / in der Groͤſ - ſe eines Kinder-Haupts / gantz unverſehret liegenfand:541Anderes Buch. fand: Woruͤber der Koͤnig / welcher abermahls mit eigener Hand die Gebeine / zu Bezeugung vaͤ - terlicher Liebe ſamlen helffen / hefftig erſchrack / und den dabey ſtehenden Sabartibam um ſein Be - duͤncken fragte / was dieſes bedeutete? Sabarti - bam / welcher dieſes vor eine Zauberey hielt / wol - te nichts anders ſagen / als S. Maj. wuͤrden die Bedeutung wohl ſelbſt leichtlich ermeſſen koͤnnen. Der Koͤnig ſchien vor Schrecken gantz aus ſich ſelbſt zu ſeyn / und ſagte: Nun befinde ich in der That / das jenige warhafftig zu ſeyn / woran ich lange gezweiffelt habe / nemlich / daß meine Toch - ter mit Gifft vergeben ſey / und ruffet mich dieſes rohe Fleiſch noch um blutige Rache an. Worauff er ſich alſobald ins Schloß verfuͤgte / und noch die - ſelbe Nacht alles Frauenzimmer / welches der Princeßin bey Leben auffgewartet / gefaͤnglich ein - ziehen ließ: Der folgende Tag ward gleichfalls mit Gefangen-Nehmung aller derjenigen / wel - che auch bereits vor einem Jahre nur mit der Princeßin umgegangen waren / zugebracht. Hier - auff ſahe man ein abermahliges jaͤmmerliches Vorſpiel der blutig-folgenden Eroberung. Denn der Koͤnig blieb dabey / ſeine Tochter ſey durch Gifft hingerichtet worden / ohne daß man die we - nigſte Gewißheit hievon haben / oder iemand be - ſchuldigen kunte. Solches aber genauer zu erfor - ſchen / wurde dieſe grauſame und betruͤgliche Un - terſuchung ins Werck geſtellet. Der Koͤnig ließ unterſchiedene Mandarynen und Herren / unterdem542Der Aſiatiſchen Baniſe. dem Vorwand wichtiger Berathſchlagung nach Hofe ruffen: als ſie aber erſchienen / alle ins Ge - faͤngniß werffen / wodurch viel unſchuldige und meiſtens groſſe Perſonen / ſo wohl Maͤnner als Frauen / in die Hafft geriethen. Jn dem Schloß - Zwinger wurden hierauff etliche ſeichte Loͤcher zwantzig Fuß weit ins gevierdte gemacht / und voll Holtz-Kohlen gelegt / welche durch hierzu beſtellete Soldaten angefeuret worden. Die Beklagten ſuͤhrte man mit gebundenen Armen herbey / wel - che man nicht eher loß machte / biß ſie in den ver - ſchloſſenen Creyß der Soldaten eingetreten wa - ren. Nach dieſem ſetzte man ihre Schenckel in ein Gefaͤß heiß Waſſer / damit die Haͤrte der Fußfoh - len weich gemacht wuͤrde / welches etliche Scla - ven mit Meſſern abfchaben muſten. Wie nun dieſes geſchehen / wurden ſie von einigen Pfaffen zu einer freywilligen Bekaͤntniß angemahnt / weil ſie aber ſolches beſtaͤndig laͤugneten / wurden ſie be - ſchworen / und den Soldaten uͤbergeben. Dieſe zwungen nun die armen Menſchen mit bloſſen / und zuvor biß auffs Blut geſchabten Fuͤſſen uͤber die in voller Gluth liegenden Kohlen zu lauffen: Nach welchem heiſſen Lauffe man iedwedem die Fuͤſſe beſahe / welche nun verletzt waren / die wur - den vor ſchuldig gehalten / und wiederum gebun - den. Es war aber kein einiger / welcher unverletzt geblieben war / ob gleich deren ein Theil mit ver - wunderlicher Geſchwindigkeit durch das Feuer flohen. Etliche fielen gar darein / kunten ſie nunher -543Anderes Buch. heraus kriechen / ſo waren ſie zwar vom Feuer / nicht aber vom Tode errettet / blieben ſie aber lie - gen / ſo mochten ſie jaͤmmerlich verderben: indem keinem / bey hoher Straffe einige Handreichung zu thun / erlaubet war: daß auff ſolche Weiſe un - terſchiedene lebendig braten und verbrennen mu - ſten. Unferne hiervon ſtunden etliche Elephanten / welche in Siam iederzeit des Henckers Stelle ver - treten muͤſſen. Welche nun / und zwar alle / vor ſchuldig erkennet worden / die band man an einen Pfahl / und legte ſie vor die Elephanten. Wenn nun der Elephant an einen dieſer bedeutenden Miſ - ſethaͤter angefuͤhret ward / gieng er etliche mahl mit grauſamen Bruͤllen um ihn herum / endlich faſſete er ihn mit dem Ruͤſſel / warff ihn mit Ge - walt in die Hoͤhe / und fieng ihn mit den ſcharffen Zaͤhnen durch den Leib wieder auff / von welchen er den Coͤrper ſchuͤttelte / und mit den ungeheuren Tappen dermaſſen zertrat / das ihm das Einge - weide heraus ſprang. Die zerſchmetterten Coͤr - per wurden nach einer groſſen Gruben geſchleiffet / und da hinein geworffen. Weil ſich nun die Zahl der ſo jaͤmmerlich hingerichteten Perſonen merck - lich vermehrete / als wurde der Boden uͤberall von dem haͤuffigen Menſchen-Blute dermaſſen gefaͤr - bet und glatt gemachet / daß auch die Henckermaͤſ - ſigen Elephanten keinen gewiſſen Tritt mehr thun kunten. Dieſes war nun die gemeine Straffe. Die andern muſten noch ſchmertzlichere Todes - Arten empfinden / denn ein Theil wurden auffdem544Der Aſiatiſchen Baniſe. dem Wege / wo man am meiſten zu gehen pflegte / in die Erde biß an den Hals eingegraben / und ein iedweder / der voruͤber gieng / muſte ſie bey Leibes - Straffe anſpeyen. Unterdeſſen durffte ſie nie - mand toͤdten / vielweniger ihnen einen Trunck Waſſer reichen / oder die geringſte Guͤte thun / biß dieſe armſelige Menſchen von der Sonnen halb gebraten / vor Durſt verſchmachteten. Tauſend - mahl baten ſie um die groſſe Gnade ihres Todes. Allein die Tyranney hatte ihre Ohren verſtopffet / und muſten alſo uͤber tauſend Perſonen erbaͤrm - lich umkommen. Man hielte davor / dieſe Ty - ranney des Koͤniges waͤre nicht ſo wohl auff die Gifft-Miſcher / als auff den Adel angeſehen / weil dem Poͤbel ein groſſer Gefallen geſchahe / und ſich dadurch der Koͤnig freyere Hand machte. Ob nun gleich Printz Nherandi aufs beweglichſte ſei - nen Heern Vater von ſolcher Tyranney abzu - fuͤhren trachtete / mit Vorſtellung / wie man ſolch Blut-Vergieſſen wider den Feind verſpahren ſolte / und wie leicht man den allbereit entbrann - ten Zorn der Goͤtter / zu aͤuſſerſtem Untergang des Reichs noch hefftiger vermehren koͤnte. Allein der Tugendhaffte Printz wurde mit einer ſo unange - nehmen Antwort abgefertiget / daß er ſich ent - ſchloß / Tag und Nacht auff der Mauer zu blei - ben. So ſtecke demnach / grauſamer Higvero / dein Mord-Meſſer wieder ein / und bedencke / daß die Rache dieſes unſchuldigen Bluts bereits vor dem Thore ruhe. Was ſage ich ruhe? vielmehrwache /545Anderes Buch. wache / weil der Feind bereits den Sebel auff dei - nen Halß wetzet / und in wenig Tagen eine ſolche Rache vollſtrecken wird / dergleichen in Aſien nie - mals erhoͤret worden. Doch ich rede mit Stei - nen / ja ich gieſſe nur Oel ins Feuer / welche Flam - me auch die unſchuldige Princeßin Fylane betref - fen ſolte. Dieſe war des Koͤniges leibliche / doch von der erſten Gemahlin erzielte Tochter / eine leibliche Schweſter des tapffern Printzen Nhe - randi / und muſte iederzeit den gewoͤhnlichen Haß ihrer Stief-Mutter / als jetzigen Koͤnigin / ſattſam empfinden. Wie aber dergleichen Perſonen allgemeine Probier-Steine kindlicher Gedult zu ſeyn pflegen: und dieſe Wurtzeln insgemein al - len Safft vaͤterlicher Gunſt denen Neben-Zwei - gen zu entziehen trachten: Alſo muſte auch hier die fromme Princeßin unſchuldig entgelten / was der Tod an ihrer Stieff-Schweſter veruͤbet hat - te. Hierzu kam nun die verliebte Rache vorer - wehnten Sabartibams / welcher als ein vorneh - mer Reichs-Fuͤrſte ehemahls ſich um ihre Liebe beworben / derſelben aber nicht theilhafftig wer - den koͤnnen: Weil er denn dieſes vor eine er - wuͤnſchte Gelegenheit / ſeine vergebene Liebe zu raͤ - chen / hielt / verfuͤgte er ſich ſo fort zu der Koͤnigin mit dieſem faͤlſchlichen Berichte: Er habe noch bey Lebezeiten der Verſtorbenen / die Princeßin Fy - lane ſich zu unterſchiedenẽ malen beklagen / hoͤren / wie die juͤngere Princeßin nicht allein mehr Ehre und Liebe von dem Koͤniglichen Herrn Vater /M mals546Der Aſiatiſchen Baniſe. als ſie / genoͤſſe / ſondern auch ſie hierdurch in nicht geringe Verachtung durchgehends geſetzet wuͤr - de: Dahero ſie ein Auge aus dem Kopffe verlie - ren wolte / wenn dieſer Hinderungs-Stein ihres Anſehens aus dem Wege geraͤumet waͤre. Aus welchen verdaͤchtigen Worten leichtlich eine ver - daͤchtige Folge koͤnte geſchloſſen werden. Die Koͤnigin empfieng / als ein guter Zunder / dieſe Funcken gar bald / und vertroͤſtete / ein groſſes Feu - er hieraus zu machen: Dahero ſie ſich in das Ge - mach des betruͤbten Koͤniges / mit zerſtreueten Haaren und thraͤnenden Augen begab / und ihm dieſe erdichtete Muthmaſſung dermaſſen ſchein - bar vorbrachte / daß es nicht allein der Koͤnig glau - bete / ſondern auch ohne Betrachtung ſeines Flei - ſches und Blutes / vielweniger ihres hohen Stan - des / befahl / die ungluͤckſelige Princeßin mit ſil - bernen Ketten zu binden / und nebſt ihrem Frau - enzimmer zur Feuer-Probe zu fuͤhren. Dieſe Zorn-Glut wuſte die arge Stieff-Mutter derge - ſtalt zu unterhalten / daß ſie um ein groſſes ver - mehret wurde / als ſie ferner vorbrachte: Die Princeßin Fylanehabe bey Ausfuͤhrung der Ent - ſeelten iederzeit gelaͤchelt / ob gleich gantz Odia ſein Bey-Leid durch Thraͤnen bezeuget haͤtte. Wor - an doch nicht ein laſterhaffter Vorſatz / ſondern ihre angebohrne holdſelige Freundligkeit Schuld war. Zu verwundern iſt es / wie ſich ein Vaͤter - liches Hertze durch fremdes Fleiſch / ſein eigenes Gebluͤte koͤnne laſſen verhaßt machen: Alleinhier547Anderes Buch. hier muſte die Verwunderung den Finger auff den Mund legen / weil oͤffters / ob zwar ein eheli - cher / doch unordenlicher Begierdens-Rauch die Flamme natuͤrlicher Liebe erſticket. Hier hatte nun eine boßhaffte Stieff-Mutter den Zweg ih - res Haſſes erreichet / und der ſcheltens-wuͤrdige Sabartibam erbloͤdete nicht / ſeine unbefugte Ra - che auch mit ſo zarten Blute zu kuͤhlen. Der Tag hatte kaum dem ungewiſſenhafften Vater die Ruhe verſtoͤhret / ſo befahl er / die betruͤbte Princeßin nebſt ihrem Frauenzimmer / vorer - zehlter maſſen / durch das Feuer zu leiten: Und damit ja keine Unbarmhertzigkeit unterlaſſen wuͤrde / ſo hielt die ungerechte Koͤnigin beweglich an / dem Sabartibam die Vollziehung dieſes grauſamen Befehls auffzutragen: worein der verblendete Koͤnig bald willigte / und jener dieſe Verrichtung mit Freuden auff ſich nahm. Wie - wohl ſolches alles in ſolcher Stille vorgenommen ward / daß Printz Nherandi nicht das geringſte davon erfuhr. Nachdem aber dieſes zarte Bild durch das Feuer getrieben worden / befand man / wie leicht zu erachten / die Schenckel erbaͤrmlich zugerichtet und verbrennet: Das andere Frauen - Zimmer / ob gleich keines unbeſchaͤdiget davon kam / wurde doch vor unſchuldig erklaͤret / und loß - gelaſſen: Die Princeßin ward ſo fort dem ho - hen Gerichte der alten Mandarynen vorgeſtellet / welche ihr mit Bedrohung aͤrgſter Marter zure - deten / wie ſie dieſe ſchaͤndliche That in der GuͤteM m 2Guͤ -548Der Aſiatiſchen Baniſe. Guͤte bekennen / und hernach die Beſchleunigung des Rechtens gewaͤrtig ſeyn ſolte.

Die troſtloſe Fylane vermochte vor haͤuffigen Thraͤnen kein Wort vorzubringen / und ſchmertz - te ſie nicht ſo ſehr das Feuer / als die grauſame Schmach / welche ihr aus verbittertem Haſſe ei - ner vergaͤlleten Stieff-Mutter / und gehaͤßigen Liebhabers / unſchuldigſt zugefuͤget worden. Ge - rechten Goͤtter! hub ſie endlich mit wehmuͤthig - ſter Stimme / und gen Himmel gerichteten naſſen Augen an / die ihr Hertzen und Gemuͤther zu er - forſchen pfleget; zehlet dieſe meine Thraͤnen / und laſſet euch meine Seuffzer / welche ihren Urſprung aus meiner Seele nehmen / befohlen ſeyn. Schau - et / wie dieſe Burg ein Schauplatz geworden iſt / wo man nichts als Unſchuld verbrennen ſiehet. Gerechter Himmel! hoͤre meine Wehmuth / weil mir das ſtumme Leid Rede und Zunge bindet. Die brennende Glut hat den Leib noch lange nicht ſo ſchmertzlich / als die ſchwartze Flamme der Ver - leumdung / mein Hertze beruͤhret / denn wo dieſes Feuer in den Palaͤſten brennet / da muß auch das guͤldene Bild der Unſchuld ſchmeltzen. Ob ich nun zwar von dem heiligen Angeſichte der Goͤtter / und eurer Gegenwart / O ihr Richter / mich auch der geringſten Miſſethat nicht ſchuldig geben kan / auch auſſer einer erboſten Stieffmutter / und ei - nem verbitterten Liebhaber / niemand wider mir doch nunmehro das Leben ein Ekel und Verdruß ſeyn: Dannenhero ich mich viel lieber zu dieſerun -549Anderes Buch. ungeſchehenen That freywillig bekennen / und den darauff geſetzten Tod gedultig leiden wil. Jch geſtehe dieſen Mord / und bitte nun nichts mehr / als um die Beſchleunigung meines Todes / damit ich nur nicht der Welt zu Spotte laͤnger leben duͤrffe. Durch dieſe Rede wurden viele der al - ten Mandarynen ſo ſehr zum Mitleiden bewo - gen / daß wo ihnen nicht des Koͤnigs Grimm vor Augen geſtanden haͤtte / ſie leichtlich Mittel zu der Princeßin Erloͤſung wuͤrden gefunden haben. Doch die Furcht kehrete ihre Hertzen von dieſem guten Vorſatz ab: und hinterbrachten ſie dem Koͤnige ihre freywillige Bekaͤntniß. Wie ſolches der tyranniſche Vater vernommen / befahl alſo - bald dem Sabartibam / einen Holtzſtoß zuberei - ten zu laſſen / auff welchem die truͤbſelige Fylane ihre Unſchuld auch in der Glut bewaͤhren ſolte. Des Koͤniges Befehl war nicht ſo bald geſche - hen / ſo waren inner wenig Stunden / auff Anord - nung der Koͤnigin / alle Zubereitungen fertig / und wurde mit ihrer Hinrichtung um ſo viel deſto mehr geeilet: weil das Geſchrey kam / wie der Feind einen allgemeinen Haupt-Sturm wolte anlauffen laſſen. Dieſe Verbrennung nun de - ſto anſehnlicher zumachen / befahl die vermeinte vaͤterliche Gnade / den Abaxar nebſt funffzig Mitt-Gefangenen bey dem Feuer zu opffern / und ſie ihr / nach Heyniſcher Meynung / zur Auffwar - tung in jene Welt nachzuſchichen. Welche denn noch eher / als die Princeßin / zu dem Holtz-StoſſeM m 3hin -550Der Aſiatiſchen Baniſe. hingeſchleppet wurden. Jn kurtzem ſahe man die betruͤbte Princeßin / zwiſchen vier Frauens - bildern mit vielen Soldateu umgeben / aus dem Schloſſe / unter ſchweren Ketten in ſo erbaͤrmli - cher Geſtalt / gefuͤhret kommen: daß auch die Steine zu Mitleiden haͤtten ſollen beweget wer - den: Der Koͤnig aber war von ſeiner ſchmeich - lenden Gemahlin dermaſſen eingenommen / daß er auch nicht erbloͤdete / den Tod dieſes ſeinen ſchoͤ - nen Kindes in Perſon anzuſehen: dannenhero er ſich nebſt der Gemahlin / auff einen unfern ge - ſetzten kleinen Thron verfuͤgte / dieſen Jammer unempfindlichſt mit anzuſehen. Sabartibam vertrat in deſſen die Stelle eines fleißigen Henckers / indem er ſo wohl alle Anſtalt zum Opf - fer der Gefangenen / als auch zum Brande / mit eyfrigſter Bemuͤhung machte.

Als nun die barbariſche Stieffmutter die Princeßin / in jaͤmmerlichſten Anblicke / ihren Tod erwarten ſahe: wurde ſie zu noch groͤſſerer Grauſamkeit / durch ihr boͤſes Gemuͤthe / ange - feuert / daß ſie auch ſagen durffte: Weil dieſe Moͤrderin meinem Kinde auch nicht die Ruhe ih - res Fleiſches in der Aſche goͤnnen wollen / alſo / daß ſonder Zweifel aus Zauberey ein Stuͤcke in ſei - nem Blute liegen muͤſſen: ſo iſt es hoͤchſtbillig / daß man ſie zwinge / ſich ebenfalls ein ſolches Stuͤcke Fleiſch aus ihrem Leibe mit eigner Hand zu ſchneiden / und ins Feuer zu werffen. Wie ſol - ches die vorhin elende Princeßin hoͤrte / befiel ſieein551Anderes Buch. ein rechtmaͤßiger Grimm / welcher ihr dieſe Wor - te in dem Mund legte: Ha / Blut-begierige Be - ſtie! du biſt zwar eine Henckerin meines Leibes / aber doch noch viel zu wenig / meinen Willen zu zwingen / oder mein Gemuͤthe zu beherrſchen. Die erſchreckliche Schlange des hoͤlliſchen Rauch - hauſes wird deine Draͤuung an dir erfuͤllen / und dich ſtatt meines Vaters mit ſchwartzen Gei - ſtern vermaͤhlen. Ob ich nun zwar von aller Welt verlaſſen bin / und mich derjenige / welcher mir das Lebenn gegeben / ſtatt deſſen den Tod ge - wehret: ſo will ich doch auch ſterbende die vaͤter - liche Hand kuͤſſen / und die kindliche Liebe nicht im geringſten beleidigen. Dieſer Wangenabrol - lende Angſt-Schweiß aber ſoll ein herber Zeuge meiner reinen Unſchuld ſeyn: ja meine Unſchuld ſoll ſiegen / und Mutter und Hencker verlachen / wenn ſchon mein unbeflecktes Blut in dem Feuer ziſchen wird. Jhm / werhrtſter Herr Vater / wuͤnſche ich / daß die Goͤtter dieſe That vergeſſen / und die Rache von deſſen Haupt abwenden wol - len. Jch ſterbe als ein unſchuldig-gehorſames Kind. Dir aber / allerliebſter Bruder Nheran - di / der du noch meinen Todt erſt mit innigſtem Jammer erfahren ſolſt / ſage ich die letze gute Nacht / und ſchicke dir durch die Lufft den letzten Abſchieds-Kuß. Mit welchen Worten ſie ſich zu dem heiſſen Antritt beqvemen wolte. Es war aber unmoͤglich / daß hier die Natur auch ſolte zur Stieffmutter werden: indem endlich dem Koͤni -M m 4ge552Der Aſiatiſchen Baniſe. ge die Thraͤnen aus den Augen drungen / und das brechende Hertze dieſe Worte unter einem tieffen Seuffzer heraus ſtieß: Ach! wolten die Goͤtter / es unterſtuͤnde ſich iemand deine Unſchuld zu be - haupten / ſo wolte ich leicht zum Beyfall zu bewe - gen ſeyn. Da ihn denn zugleich ein hefftiger Angſt-Schweiß uͤberfiel: ob zwar das moͤrderi - ſche Hoͤllen-Kind Sabartibam bereits den Stoß anzuzuͤnden begunte / befahl doch der Koͤnig / noch etwas inne zuhalten. Waͤhrenden dieſen Trau - er-Spiels ſtand nun Abaxar / unfern des Koͤnigl. Thrones / in Ketten und Banden / und hatte uͤber der Schoͤnheit der Princeßin / welche wie ein Liecht / welches jetzt zu loͤſchen beginnt / die meiſten Strahlen von ſich warff / faſt ſeinen eigenen To - des vergeſſen. Sein Helden-Muth konte ſich nicht zwingen / wehmuͤthige Thraͤnen uͤber den er - barmlichen Anblick der Fylane zu unterlaſſen: und haͤtte er gerne einen hundertfachen Tod er - duldet / wenn ſolcher nur das Leben der ſchoͤnen Princeßin haͤtte retten moͤgen. Weil er nun ſo nahe dem Throne ſtund / daß er das ſeuffzende Verlangen des Koͤnigs gar wohl venehmen kon - te: ſo ermunterte er ſich dermaſſen / daß er durch hefftiges Schwirren ſeiner Ketten alle Anweſen - de zu auffmercken bewog: dahero er nach ſotha - ner Stille ſich gegen den Koͤnig wendete / und ihn alſo anredete: Die Goͤtter haben meine Ohren eroͤffnet / daß ich den Wunſch / welcher aus einem mitleidigen Vater-Hertzen geqvollen / wohl ver -neh -553Anderes Buch. nehmen koͤnnen. Weil ich denn dieſer ſchoͤnen Princeßin ihrer Unſchuld wohl verſichert bin / ſo hindert mich die betruͤgliche Feuer-Probe gar nicht daß / weil andere Mittel voͤlligern Bewei - ſes anietzo gebrechen / ich erboͤtig bin / unter Be - deckung eines Schildes mit einem feſten Stabe in der Hand / ihre unfehlbare Unſchuld / wider ei - nen iedweden / er ſey bewaffnet wie er wolle / be - haupten und vertheidigen will.

Ob nun zwar die Koͤnigin viel Einwendens machen wolte / ſo war doch dieſer Vortrag dem Koͤnige angenehm / und Sabartibam wolte vor Eyfer berſten / daß er ſich in ſeiner blutigen Rache ſolte verhindert ſehen / weil ihm aber Abaxars Er - bieten ſehr veraͤchtlich vorkam / und ſolches einzu - gehen / vor ein leichtes Entſchlieſſen hielt: als erbot er ſich nur mit einem Sebel in der Hand dem Abaxar zu begegnen. Dannenhero zu iedermans Vergnuͤgen Abaxar / ſo bald aller Ketten benom - men / auff freyen Fuß geſtellet / und mit begehrten ſchlechten Waffen verſehen ward. Die Princeſ - ſin ſtund inzwiſchen als in einem Traum / und konte ſich nicht einbilden / daß einiger Menſch guͤ - tiger / als ein Vater ſeyn ſolte / iedoch bedung ſich Abaxar zuvor dieſes aus / daß ſein Sieg die Prin - ceßin gaͤntzlich befreyen / und die ihr zugedachte Glut des erlegeten Feindes Coͤrper verzehren ſol - te. Welches auch ſo fort von dem Koͤnige bewil - liget / und den Mandarynen / als vorigen Rich - tern / beſchworen ward: Sabartibam ſchaͤumeteM m 5in -554Der Aſiatiſchen Baniſe. inzwiſchen wie ein Eber / und weil es ſich in etwas verzog / hieb er vor Ungedult und Zorn in den Holtz - Stoß. Abaxar aber verließ ſich auff die Huͤlffe der Goͤtter / und auff ſeine ungemeine Staͤrcke / welche die Groͤſſe des Leibes weit uͤbertraff. Alle Anweſende ſchickten in geheim ihre Seufftzer vor den Abaxar Himmel-an: und niemand auſſer der laſterhafften Koͤnigin wolte auch nur mit einem erſprießlichen Wunſche den Sabartibam beyſte - hen. Hierauff nun ſtellete ſich Abaxar in ein be - qvemes Lager gegen ſeinen Feind / welcher ihn al - ſobald im erſten Streich von einander zu ſpalten vermeinte / und mit ſolcher Ungeſtuͤm auff ihn ein - ſtuͤrmte / daß man auch die Boßheit der Koͤnigin / an des Abaxars Schilde erkennen konte: indem ſie in geheim einen ſolchen loſen Schild reichen laſ - ſen / welcher auff den andern Streich den Sebel weichen und zerſpringen muſte: dannenhero A - baxar nicht rathſam erachtete / viel Feder-leſens zu machen: ſondern einen Streich auff den Ruͤcken / welcher doch flaͤchlings gerieth / auszuhalten / dahe - ro er mit gebuͤcktem Leibe / den vor Zorn raſenden Sabartibam / dermaſſen unterlieff / daß er mit ihm uͤbern Hauffen fiel. Hier hatte Abaxar den Sieg bereit in Haͤnden / indem er mit der lincken Hand des Sabartibams Fauſt / worinnen er den Sebel hielt / begriff / mit der Rechten ihm aber dermaſſen die Gurgel beklemmte / daß ihm der A - them und alle Krafft entgieng / und er alſo auch leicht den Sebel ihm auswinden konte / womit erihm555Anderes Buch. ihm im Augenblick uͤber die Gurgel fuhr / und mit einem Schnitte ihn vollend des Lebens beraubte / worauff er ihm das Haupt herunter ſebelte / und ſolches auff den Knien vor der Princeßin Fuͤſſe legete.

Es war kaum verrichtet / ſo war die Lufft von einem allgemeinen Freuden-Geſchrey des jauch - zenden Volckes erfuͤllet / zugleich aber ſtuͤrmete Printz Nherandi / welcher dieſes ſpaͤt erfahren / mit drey tauſend Mann auff den Platz / um ſei - ne geliebte Schweſter zu retten: haͤtte aber der tapffere Abaxar nicht ihren Tod auff dieſe Art hintertreiben / ſo wuͤrde der Printz allzuſpaͤt ange - langet ſeyn: welcher mit gleichen Schritten auff die Princeßin zueilete / ihr die Ketten abnehmen / und ſie unter der Verwahrung der treuen Voͤl - ckerließ. Nach dieſem vergaß er ziemlich ſeiner kindlichen Ehrerbietung / indem er ſich nach dem Koͤnige und ſeiner Gemahlin mit dieſen Worten umwendete: Unartiger Vater! verdammete Stieff-Mutter! Jſt dieſes in gantz Aſien erhoͤret worden / daß man aus vergaͤlltem Angeben eines unverſchaͤmten Weibes / ſein eigen Fleiſch und Blut / ich will nicht ſagen Koͤnigliche Princeßin / dem Hencker uͤberantwortet / und ſich nicht an - ders geberdet / als ob man in groͤſter Sicherheit lebte / da man nur in eignen Adern nach Belieben wuͤten moͤchte. Pfuy der Schande! welches auch von den Menſchen-Freſſern nicht wird gebilliget werden / als welche die feindlichen Coͤrper freſſen /556Der Aſiatiſchen Baniſe. der Jhrigen aber verſchonen. Kommet nur mit mir auff die Mauern / und ſchauet / wie der Feind den Sebel wetzet / und die Zaͤhne auff uns bloͤcket / ſo wird euch der Blut-Durſt leicht vergehen. Jch muß mit dieſen tapffern Leuten Tag und Nacht in Hitze und Froſt / unter den ſauſenden Kugeln und Pfeilen ohne Speiſe und Ruhe zubringen / und unſere Seelen dem Feinde vor die Stadt opf - fern: Jhr aber hingegen wollet auch den Feind an Grauſamkeit uͤbertreffen / und da nur der Feind gegen Feinde kaͤmpffet / ſo verſchonet ihr auch der Freunde nicht. Jch habe allbereit den Stiffter die - ſes Mord-Spiels erfahren / ſahe er die Koͤnigin mit ergrimmten Augen an / und wo ich nicht mei - nes Hauſes und meines Sebels / welchen ich nicht mit eines ſo vermaledeyten Weibs-Blute befle - cken will / verſchonte / ſo ſolte die Schmach meiner Schweſter mit eurem Blute abgewaſchen wer - den. Worauff der Koͤnig nebſt ihr / aus Scham des bloͤden Gewiſſen / alſobald den Platz verlieſ - ſen: Abaxar aber erzehlete dem Printzen alle Be - gebenheit umbſtaͤndlich / worauff der Coͤrper des Sabartibams dem Volcke uͤbergeben ward / wel - cher in tauſend Stuͤcke zerhackt / auff den Holtz - Stoß geworffen / und zu Pulver verbrennet wur - de: die Princeßin aber wurde unter der Hand des Abaxars in einem Pallaſt von fuͤnff hundert Mann bewacht / damit ihr ferner nichts uͤbels be - gegnen moͤchte. Welche Zeit denn Abaxar der - maſſen wohl anwendete / daß Fylane wuͤnſchte /Aba -557Anderes Buch. Abaxar moͤchte zu Cronen gebohren / und alſo ih - rer Liebe wuͤrdig ſeyn. Kurtz / Abaxar hatte ſich ſo weit bloß gegeben / daß die Princeßin Gelegenheit verlangte / in allem des Abaxars keuſchen Begeh - ren nachzuleben / welche verliebte Reden vorzu - bringen der enge Raum unterſaget / und der begie - rige Leſer wohl ſelbſt wiſſen wird / was er vor Worte in dergleichen Begebenheit gebrauchen wolte.

Wir laſſen nun unſere Feder abermahls zum Uberlaͤuffer werden / welche ſich aus der Stadt in des Feindes Lager begiebt; Dieſen treffen wir nach einer zwoͤlff-taͤgigen Ruhe in einem mun - tern Zuſtande an / und Chaumigrem flammte vor Begier / nach ſchleuniger Eroberung: welche Hoffnung ihn auch nicht fehlen ließ. Denn kei - ne Stadt in der Welt kan ihren Waͤllen und Mauren / waͤren ſie auch gleich von lauter Eiſen / ſo viel zutrauen / daß ſie der Unuͤberwindligkeit vergewiſſert waͤre: zumahl wenn ſie von keinem Entſatze weiß / und ihr entweder alle Zufuhr be - nommen iſt / oder ein Ehrſuͤchtiger und blutduͤrſti - ger Tyrann / der Menſchen Blut und Waſſer in gleichen Preiß ſtellet / ihr mit groſſer Gewalt zuſe - tzet / und mit ſeiner Menge allen Widerſtand uͤbertrutzen kan. Denn Chaumigrem wolte viel lieber ſeine Armee / weder ſeine Entſchlieſſung / zu ſchanden gehen laſſen. Sein Leben und Wille galt ihm gleich viel / und darum aller ſeiner Voͤl - cker Koͤpffe deſto weniger. Zu dem Ende foderteer558Der Aſiatiſchen Baniſe. er alle ſeine Generals / Oberſte und Haupt-Leute zuſammen / und gab ihnen zu verſtehen: Wie die - ſer Ort ihm ſo feſte an das Hertze geknuͤpfft waͤre / daß er viel lieber ſterben / als mit Schimpff davon abweichen wolte. Darum ſtehe ein-vor alle mahl der Entſchluß unumſtoͤßlich: noch einen Haupt - Sturm zu wagen / und darinnen ſein Leben / ent - weder heldenmuͤthig auffzuopffern / oder anders nicht / denn mit Triumph in die Stadt einzuzie - hen. Niemand durffte dieſem bruͤllenden Loͤwen widerſprechen; aus Furcht / die Sprache gar druͤ - ber zu verlieren. Dahero ſie bald darein willigten / und nur um einen Tag-Friſt baten: nach wel - chem ſie ihre euſerſte Kraͤffte / zu endlicher Erobe - rung der Stadt / anwenden wolten. Worauff alles / was nur Bogen und Sebel zu fuͤhren ver - mochte / ſich zum Sturme gefaſt machen muſte.

Als nun der blutige Tag angebrochen / an wel - chem es ſchien; ob wolten die Goͤtter / wegen des nechſt-unſchuldig-vergoſſenen Bluts / Rache von Odia fodern: Muſte ſich die gantze Armee in Schlacht-Ordnung ſtellen / welche Chaumigrem in eigner Perſon zu Pferde rings umb beſichtig - te. Hierauff forderte er abermals alle Kriegs - Haͤupter in einen Kreiß zuſammen / und redete ſie mit dieſen Worten an: Jhr meine Feld-Her - ren / Oberſten / Haupt-Leute / und alle andere / welche die Goͤtter unter meinen Gehorſam geſe - tzet haben! Gedencket nicht / daß ich heute dieſen Sturm endigen werde / ehe und bevor dieſer hart -naͤckig -559Anderes Buch. naͤckigte Ort erobert worden. Jch bin hier mit dieſer groſſen Armee / entweder zu ſiegen / oder zu ſterben; und ihr alle ſolt auch gleichen Entſchluß faſſen. Jch bin entſchloſſen / die Oberſten und Haupt-Leute / ſo ihre Pflicht nicht beobachten wer - den / mit eigner Hand zu erwuͤrgen: die Gerin - gern aber durch ſich ſelbſt / oder durch die Feinde / toͤdten zu laſſen / und alsdenn hernach mich ſelbſt meines Lebens zu berauben: damit man nicht ſa - gen koͤnne: Chaumigrem ſey von andern uͤber - wunden worden. Denn es findet zwar derjenige / welcher in guten Wercken ſtirbet / alles wohl nach ſeinem Tode beſtellet: aber der / welcher vor ſei - nem Feinde umkoͤmmt / wird noch viel gluͤckſeli - ger in dem Niba ſeyn. Jhr meine Vaͤter / (alſo nenne ich die Alten /) und ihr meine Bruͤder / die ihr meiner Jahre / und aus einerley Zeuge mit mir gemacht ſeyd! laſſet uns ein Werck verrich - ten / welches dem Qviay Gvatur, unſerm groſſen Krieges-Gotte / verbinden moͤge: daß er bey den Goͤttern unſer Vorſprecher ſey / und vor alle der - mahleinſt ſagen koͤnne: dieſes ſind die Helden / die vor den groſſen Ruhm der Peguaniſchen Gott - heit geſtritten haben. Auch daß man in unſerm Vaterlande von uns reden moͤge / daß wir / um in der andern Welt Ruhe zu erlangen / keine Un - ruhe in dieſer Welt geſcheuet haben. Hierzu aber zu gelangen / iſt noͤthig / daß man arbeite / und kei - ne Gefahr fuͤrchte. Und warum ſoltet ihr euch fuͤrchten? Jch glaube nicht / daß iemand von euchſo560Der Aſiatiſchen Baniſe. ſo verzagt ſey. Solte ich ſehen / daß einer oder an - dere nicht willig an den Streit gehet / ſo will ich denſelben mit eigner Hand niederſebeln.

Wie nun alle Umherſtehende ſolches anhoͤre - ten / ruͤhrten ſie mit der Hand die Erde an / und antworteten einhellig: Sie waͤren bereit / den Willen Sr. Majeſt. zu vollbringen. Worauff das geſammte Fuß-Volck / ſo viel auff dem feſten Lande / zwiſchen der Stadt und dem Fluſſe / Raum hatten / von den beyden Feld-Herren / Martong und Soudras / uͤber den breiten Damm gefuͤhret wurde / denen Chaumigrem ſelbſt / un - geachtet des grauſamen Schieſſens aus der Stadt / mit der Reuterey nachfolgete / und iedwe - dem Oberſten ſeinen Poſten / wo er anlauffen ſol - te / anwieſe; alſo / daß die Stadt an allen Orten zugleich ſolte angegriffen werden. Das Fuß - volck aber wurde von allen Seiten mit der Reu - terey umbringet / welche ſich / im Fall der Noth / auch zum Abſteigen muſten gefaſt halten. Wie nun waͤhrender Stellung / die Belagerten unſaͤg - lichen Schaden durch Schieſſen zufuͤgten / und ein Blitz nach dem andern gantze Glieder weg - ſchlug / ſo eilte Chaumigrem um ſo viel deſto mehr / und befahl die Loſung mit dem geſammten Ge - ſchuͤtze zu geben / welches denn mit einem vielfaͤlti - gen Donnerſchlage den ſchrecklichen Anfang machte / deſſen Grauſamkeit durch das Blaſen und Ruͤhren der ſaͤmtlichen Feldſpiele / wie auch das entſetzliche Geſchrey der Anlauffenden / der -maſſen561Anderes Buch. maſſen vermehret wurde / daß es ſchien / als ob die Lufft zu enge werden wolte / ein ſolches Gethoͤne zu ertragen.

Hier geſchahe nun ein ſolcher Sturm / derglei - chen man in den Aſiatiſchen Geſchichten nicht leichtlich finden wird. Es gieng alles mit ſo un - glaublicher Gewalt zu / daß es ſchien / als wolte al - les in den erſten verwirrten Klumpen der Welt zerfallen / und das unterſte oben gekehret werden. Die Lufft wurde anfangs von einem Pfeil-Re - gen gantz vertunckelt / iedoch aber durch den Blitz der Mußqveten und Stuͤcke bald dermaſſen er - leuchtet / daß die blancken Sebel uͤberall einen ro - then Schimmer von ſich gaben. Wiewohl end - lich der hefftige Dampff / Stadt und Volck dem Geſichte der Zuſchauenden entzog / da man nichts mehr / als das Geſchrey der Fechtenden / und das jaͤmmerliche Wehklagen der Sterbenden hoͤren kunte.

Chaumigrem rennte inzwiſchen / als unſinnig / auff einem ſchwartzen Hengſte herum / und unter - ließ nichts / was einem Siegs-begierigen Haupte anſtund. Hier trieb er die Hinterſten mit ſcharf - fen Worten und ſtrengen Ermahnungen an die Mauer; dort hieb er die Weichenden eigenhaͤn - dig nieder / und wuͤtete bißweilen dermaſſen / als ob er ſich ſelbſt bekriegen wolte. Die Stirne run - tzelte ſich / biß in die Augen / die Haare ſtreubten ſich / die Naſenloͤcher wurden weit und groß / und die Lippen geſchwollen vor Eyfer. Er knirſchteN nmit562Der Aſiatiſchen Baniſe. mit den Zaͤhnen / und ſchnaubte / wie ein ergrimm - ter Loͤwe. Seine Stimme / ſo heftig und durch - dringende ſie zuvor geweſen / ſo rauh und heiſer ward ſie endlich / daß ſie viel mal keinen Laut mehr geben wolte; und wenn er gleich etliche Worte zuſammen brachte / ſo ſtammelte doch die Zunge dermaſſen / daß er nur halb-gebrochene Worte vorbrachte: ja er wuſte zuletzt ſelbſt nicht / was er vor Zorn redete / als er die Seinigen an unter - ſchiedenen Orten heßlich geputzt weichen ſahe / welche er aber iedoch ſo bald durch Friſche entſe - tzen ließ. Endlich wurde der tapffere Printz Nhe - randi / durch eine Lantze / in die rechte Bruſt / ge - faͤhrlich verwundet / der kuͤhne Feld-Herr Pa - dukko aber wurde gleichfalls durch harte Ver - wundung zum Fechten untuͤchtig gemacht: da - hero ſich der Printz in der Fylanen Pallaſt fuͤh - ren ließ / woſelbſt ihnen der verliebte Abaxar alle Sicherheit verſprach.

Nachdem nun ein Portugieſe / die unerfahr - nen Stuͤckmeiſter des Chaumigrems / gegen ho - he Beſoldung / gelehret hatte / wie ſie nicht allein das Geſchuͤtze wohl ſtellen / ſondern auch die gluͤ - enden Kugeln gebrauchen ſolten / auch zur Pro - be die in der Stadt liegenden Schiffe in Brand ſchoß: ſo entfiel endlich denen ermuͤdeten Siam - mern dermaſſen der Muth / daß ſie die Kronen ih - rer Fahnen gegen den Feind ſenckten / und ſich er - geben wolten. Allein die erbitterten Peguaner ſtellten ſich hierzu taub und blind / und nachdemdie563Anderes Buch. die Siammer / aus Ermangelung ihrer Haͤup - ter / zu weichen begunten / wurde endlich Odia auff allen Seiten mit ſtuͤrmender Hand erobert. Hier ſolte ich zwar Feder und Zunge eines Beredten entlehnen / den Jammer der eroberten Stadt zu beſchreiben: es wird aber gnug ſeyn / wenn ich ſa - ge: daß alle Arten der Grauſamkeit damals in Odia zu ſehen waren.

Koͤnig Higvero fluͤchtete mit ſeiner Gemahlin in das Schloß / als aber auch durch dieſes die ge - waltſame Hand des ergrim̃ten Soldaten brach: ergriffen ſie beyde einen Gifft-Becher / truncken ſolchen ohne Weitlaͤufftigkeit aus / und ſturben neben einander; daß ſie alſo erſtarret von den Soldaten gefunden / ihre Coͤrper aber von ihnen nicht im geringſten beleidiget wurden. Was a - ber von Silber und Gold anzutreffen war / ſolches muſte alles der Raubſucht / zu Ergoͤtzligkeit ihrer gehabten Muͤhe dienen. Und alſo ſtarb dieſer maͤchtige Koͤnig durch Gifft / welcher nur aus bloſſem Argwohn des Giffts / uͤber tauſend un - ſchuldige Seelen hingerichtet hatte / und aus giff - tiger Muthmaſſung ſeines eignen Gebluͤtes nicht verſchonen wolte. Die jenige aber / welche aus gifftigem Haſſe andere zu ſtuͤrtzen ſuchte / muſte durch einen Gifft-Kelch Leben und Laſter endi - gen / und ein blaſſes Zeugniß der goͤttlichen Ra - che gegen alle ungerechte Stieffmuͤtter ſeyn / welches uns dieſe Warnung hinterlaͤſt:

N n 2GOtt564Der Aſiatiſchen Baniſe.

GOtt zahlet zwar nicht taͤglich aus:

Doch iſt er keinem ie was ſchuldig blieben /

Sein langſam Zorn druͤckt gar in Grauß

Und ſein Gemerck iſt in Metall geſchrieben.

Jnmittelſt begunte ſich das Feuer / der in Brand geſchoſſenen Schiffe hefftig zu mehren: denn es brandten uͤber ſechzig Schiffe / welche ob ſie wohl mitten im Waſſer ſtunden / dennoch einen gantzen Hauffen Flammen biß an die Wolcken von ſich gaben. Dieſe Flammen / ſo durch einen ſtarcken Wind fortgetrieben wurden / wendeten ſich gegen die Stadt / und ſahe man dieſelben im Augenbli - cke von einem Ort zum andern fahren. Denn es flogen die Seile / und alle Segel der Schiffe / brennende in der Lufft / und fielen Funcken-weiſe auff alle umliegende Haͤuſer. Weil nun der ſiegende Feind mit Morden / Raubẽ und Schaͤn - den alle Haͤnde voll zu thun hatte / die erſchrocke - nen und beſiegten Siammer aber / nur auff ver - gebene Lebens-Rettung / und deßwegen auff kein Loͤſchen bedacht waren: ſo nahm die Glut der - maſſen zu / daß auch ſelbſt die ergrimmten Feinde daruͤber ſtutzen muſten. Mitten unter dieſen hell - leuchtenden Flammen ſtieg ein dicker Rauch her - vor / welcher wegẽ ſeiner Dunckelheit den Schre - cken dieſes ſchrecklichen Brandes noch hefftiger vermehrte / und weil die groſſe Menge der Fun - cken wie ein feuriger Hagel oder Schnee auff die Stadt wieder herab fiele / ſo war ſolches deſto ent - ſetzlicher anzuſehen / ja der Rauch uͤberzog dieStadt565Anderes Buch. Stadt zu unterſchiedenen mahlen dermaſſen / daß ſich der helle Tag in eine abſcheuliche Mitter - nacht verſteckte; und indem ſich die Sonne gantz unter den dick-ſchwartzen Dampff verbarg / ſo ſchien es / als wenn die Nacht etliche Stunden zu fruͤh eingebrochen waͤre. Niemand haͤtte wiſ - ſen koͤnnen / wohin er fliehen ſollen / wenn nicht bißweilen die Flamme durch den Rauch geſchla - gen / und das erbaͤrmliche Wehklagen der Ver - brennenden die andern gewarnet haͤtte / zuruͤcke zu bleiben. Begaben ſich aber die guten Leute an einen von der Flamme noch unberuͤhreten Ort / ſo funden ſie das freſſende Schwerdt / wel - ches gleichfalls ſo grauſam wuͤtete / als ob das Feuer mit lauter Menſchen-Blute ſollte geloͤſchet werden. Unterweilen fielen die Giebel der Haͤu - ſer uͤber die Gaſſen / und verſcharrten die Men - ſchen in einem gluͤenden Grabe. Offtmahls fie - len die Haͤuſer einwaͤrts / und ſchien die Flamme begraben zu ſeyn / welche aber doch hiedurch nur mehr Nahrung bekam / deſto erſchrecklicher wie - der hervor zu brechen. Die Riegel und Balcken krachten und ſprungen dergeſtalt von einander / daß Boden und Waͤnde herunter / und uͤber einen Hauffen fielen. Zuweilen zuͤndete ein brennen - des Hauß das neben ihm ſtehende unten / oder in der mitten an. Hier ſtuͤrtzten gantze Daͤcher herunter / dort kamen brennende Stuͤcke mit ei - nem harten Winde in die Gaſſen geflogen: an - derswo erſchuͤtterte der Grund vom Falle der nie -N n 3der -566Der Aſiatiſchen Baniſe. derſtuͤrtzenden Thuͤrme. Ja man wuͤrde dieſe greuliche Schlaͤge / dieſes abſcheuliche Donnern und Poltern / Kniſtern und Knaſtern noch viel - mehr und weiter gehoͤret haben / wenn nicht ſol - ches das Mord - und Zetter-Geſchrey der Jungen und Alten / ſo theils die Flammen / theils den Se - bel fuͤhlten / gedaͤmpffet haͤtte. Die Feder wuͤrde endlich ermuͤden / den Jammer auff allen Seiten zu beſchreiben: denn was die Flamme verſchon - te / das wurde von den unbarmhertzigen Bra - manern mit Mord und Todtſchlag dermaſſen erfuͤllet / daß das Blut durch die trockenen Gaſſen gleichſam ſtroͤhmte. Hier ſahe man die Coͤrper der Alten und Jungen / auff entſetzliche Weiſe hingerichtet / in ihrem Blute liegen / und kunte man faſt keinen Fuß fortſetzen / daß man nicht auf Leichen wandelte: ja die Gaſſen ſchienen mit ab - gehauenen Koͤpffen / Armen / Schenckeln und halbgebratenen Leibern gepflaſtert zu ſeyn. Dort klebte noch an den Mauern das verſpritzte Ge - hirn der unſchuldigen Kinder / welche die verteuſ - felten Uberwinder zerſchmettert hatten / und die Saͤuglinge lagen noch den erwuͤrgten Muͤttern an ihren kalten Bruͤſten / ſaugeten ſtatt Milch das geronnene Blut in ſich / und lalleten / winſelten und ſchrien ſo erbaͤrmlich / daß die Steine daruͤber haͤtten ſpringen moͤgen.

Nun verlohr ſich der Tag / aber nicht die ent - ſetzliche Glut / welche ihre Grauſamkeit erſt recht zu erkennen gab. Denn auch die hoͤchſten undweit -567Anderes Buch. weitentlegenſten Berge dadurch ſo helle gemacht wurden / daß man ſie bey finſterer Nacht deutlich erkennen kunte / und der Himmel war mit einer feuer-rothen Morgen-Roͤthe gantz bedecket. Denn die erſchreckliche Menge der Feuerflam - men / ſo ſich von vielen niederſtuͤrtzenden Orten er - huben / weniger oder mehr / nachdem ſie eine Ma - terie / ſo ſie unterhielte / antraffen / ſchienen wegen des ſtarcken Windes / welcher dieſelbe umbtriebe / und von dem ſie bißweilen zuſammen geblaſen / bald wieder von einander geſtoͤbert wurden / als ob ſie mit einander um die Ehre ſtritten / welche unter ihnen am meiſten die Stadt verderben und be - ſchaͤdigen koͤnte. Man ſahe auch mitten in den Flammen noch einige Haͤuſer und Kirchen / die dem Feuer einigen Widerſtand thaten / und gleich - ſam um ihre Rettung erbaͤrmlichſt fleheten / weil man ihrer Schoͤnheit und unvermeidlichen Un - tergangs wegen / das hoͤchſte Mitleiden mit ih - nen haben muſte. Mit einem Worte: Dieſes erſchreckliche Element des Feuers legte drey Theile der herrlichen Stadt in die heiſſe Aſche: Welches denn ſo ein erbaͤrmlicher Anblick war / daß ſich niemand eines grauſenden Mitleidens enthalten kunte.

Endlich ergriff gegen den Morgen die uner - ſaͤttliche Flamme auch das Koͤnigliche Schloß; Da denn niemahls die Flamme greulicher gefla - ckert hatte / als da allhier die hohen Thuͤrme liech - terloh brannten. Es ſchiene / als wenn der BrandN n 4ſich568Der Aſiatiſchen Baniſe. ſich uͤber die Wolcken erheben / und dem Himmel drohen wolte. Welches ſo erſchrecklich anzuſe - hen war / daß endlich das ſtaͤhlerne Hertz des Chaumigrems ſchmeltzen muſte: Dannenhero er durch allgemeinen Ruff der Trompeten bey Leib - und Lebens-Straffe / alles fernere Wuͤrgen oder Beleidigen verbieten ließ. Welchem Verbot ſo ſchlennig nachgelebet wurde / daß in einer Stun - de faſt kein feindſeliger Arm in gantz Odia mehr zu ſehen war / und ſich nunmehr das arme uͤber - bliebene Volck ſicher in dem unverſehrten Theile der Stadt auffhalten kunte / weil auſſer den jeni - gen / welche Thor und Mauer beſetzet hielten / alle ins Feld ruͤcken muſten. Hierauff wurden ſech - zig tauſend Mann befehlicht / den Brand zu le - ſchen: welche dieſes mit ſolcher Geſchwindigkeit verrichteten / daß inner zwey Stunden keine Flam - me mehr zu ſehen war / weil die Stadt / wie vor er - wehnt / von achtmahliger Durchſtroͤhmung des Fluſſes Menan gnungſam mit Waſſer verſehen war / und die Leſchenden zugleich ſolchen Eyfer er - wieſen / daß das Feuer uͤber funffzehen hundert ſeiner Verhinderer fraß. Die Burg wurde die Helffte noch erhalten / und zugleich die zwey Lei - chen des Koͤniges Higvero / und ſeiner Gemahlin. Nachdem ſich nun / nach unerſetzlichem Verluſt / Mord und Brand geleget hatte / war Chaumi - grem darauff bedacht / wie er alles in moͤglichſter Eyl in gute Ordnung ſetzen / und dem androhenden Wetter von Aracan begegnen moͤchte.

Weil569Anderes Buch.

Weil aber der verwundete Printz Nherandi / nebſt der Princeßin Fylane / durch treue Auffſicht des Abaxars / ſo wohl von dem Grimm der Fein - de / als auch der wuͤtenden Flamme / gluͤcklich er - rettet / und noch vor dem Brande in Sicherheit auſſer der Stadt gebracht worden: ſo muſten ſich dieſe ungluͤckſelige Perſonen dem widrigen Ver - haͤngniſſe nur gedultig beqvemen / und ſich als Gefangene dem Uberwinder ergeben: welches / ſo Nherandi bey vollſtaͤndigen Kraͤfften geweſen / nimmermehr geſchehen waͤre. Hierauff ließ der Tyrann eine allgemeine Verzeihung und Gnade ausruffen / wodurch er die verſteckten Siammer wieder herbey brachte / von welchen er ſich / als ei - nen Koͤnig von Siam / kroͤnen ließ. Zuvor aber hielten die Grund-getreuen Siammer beweglich um Erlaubniß an / ihrem entſeelten Koͤnige die letzte Ehre zu bezeigen / und nach Siammiſchen Gebrauch zu verbrennen. Welche Treue dem Tyrannen ſehr wohl gefiel / und dahero ſolches deſto leichter zugab.

Jn kurtzem verſammleten ſich hierauff etliche tauſend Prieſter / welche beſchloſſen: Man ſolte ohne fernere Gebraͤuche / den Leichnam des Koͤ - niges / weil die Koͤnigin bereits ohne Weitlaͤuff - tigkeit die Glut empfangen / beyzeiten verbrennen / ehe ſolcher durch das eingenommene Gifft allzu ſehr angegriffen / und zu einiger Faͤulniß gebracht wuͤrde: Denn / wofern dergleichen geſchehen ſolte / ſo wuͤrde die Seele / laut ihrer Lehre / nichtN n 5ſelig570Der Aſiatiſchen Baniſe. ſelig werden. Darum richteten ſie einen Hauffen von allerhand wohlriechenden Holtze auff / legten den Coͤrper drauff / ſteckten das Holtz mit Feuer an / und verbrennten ſolchen alſo / unter erbaͤrmli - chen Heulen und Wehklagen des Volckes. Her - nach wurde die Aſche in einen ſilbernen Kaſten ge - than / in ein / nach Moͤgligkeit ihres Zuſtandes / wohlgeziertes Schiff geſetzet / und unter Beglei - tung von viertzig Seroos oder Schiffen / die vol - ler Talegrepos waren / den Fluß abwerts gefuͤh - ret. Darzu kamen noch viel andere von dem Brande uͤberbliebene Schiffe / alle mit Volck und Stuͤcken beſetzet. Weil auch ihr vornehm - ſter Tempel von der Gluth errettet worden: als kunten ſie uͤber hundert Barqven noch mit ihren Abgoͤttern beſetzen / deren theils wie Schlangen / Crocodile / Loͤwen / Tyger / Kroͤten / Fleder-Maͤu - ſe / Voͤgel / Boͤcke / Hunde / Katzen / Elephanten / Geyer / Habichte / Raben und andere Thiere an - zuſehen / und alle ſo wohl gemacht waren / als ob ſie lebeten. Dieſer Goͤtzen-Geſichter waren alle in der Trauer mit Seide bedecket. Jn einem an - dern groſſen Schiffe aber ſahe man den Koͤnig aller Abgoͤtter / die Schwelg-Schlange des tief - fen Rauch-Hauſes. Dieſes Goͤtzen-Bild hatte die Geſtalt einer erſchrecklichen Schlangen / ſo dicke / als ein groſſes Faß / und in neun Ringe geſchlun - gen / mehr denn hundert Spannen lang / mit em - por haltendem Kopffe. Aus den Augen / Kehlen und Bruſt kamen ſchreckliche Feuer-Flammenher -571Anderes Buch. hervor / alſo / daß ſich iedermann vor dieſem Un - geheuer entſetzen muſte.

Darneben war auff einem Geruͤſte / ſo drey Klafftern hoch / und koͤſtlich gebauet war / ein ſehr ſchoͤner fuͤnff jaͤhriger Knabe mit Perlen / guͤlde - nen Ketten und koͤſtlichen Edelgeſteinen / welche noch aus dem verborgenen Schatze des Heilig - thums waren / gantz bedecket / und mit Fluͤgeln und Haaren von Golde / wie die gemahlten Engel bezieret. Diß Kind hatte einen koſtbaren Sebel in der Hand / damit anzudeuten / als ob es ein En - gel vom Himmel waͤre / den GOtt geſandt haͤt - te / dieſe groſſe Menge der Teuffel zu fangen / da - mit ſie nicht des Koͤniges Seele raubten / ehe ſie in ihre obere Ruhe-Statt kaͤme. Als nun alle dieſe Schiffe in ihrer Ordnung bey einer Pagode / Nahmens Qviay Poutar, kamen / ſtiegen ſie ans Land / und nahmen zugleich die Koͤnigliche Aſche / nebſt allen Goͤtzen-Bildern und dem Knaben / mit ſich heraus. Darauff zuͤndeten ſie alle dieſe Bil - der an / und machten ein ſo grauſames Getoͤſe mit Stuͤcken / Glocken / Trommeln und Trompeten / daß es ſchiene / als ob ſie das Getuͤmmele des Sturmes wieder vorſtellig machen wolten. Da nun die Flamme auffgieng / war es anders nicht / als eine wahrhafftige Hoͤlle anzuſehen / und wur - den in kurtzer Zeit alle Bilder / Schiffe und was ſonſt drinne war / gantz eingeaͤſchert. Alſo muſte das Feuer / ſo wohl der Stadt / als dem Koͤnigeallent -572Der Aſiatiſchen Baniſe. allenhalben zu Grabe leuchten / und wolte faſt eine allgemeine Gegenwart bey den Siammern ge - winnen.

Nachdem nun dieſes alles verrichtet war / bega - ben ſie ſich zu Fuſſe wieder zuruͤcke in ihre noch ſte - hende Haͤuſer: da ſie den folgenden gantzen Tag mit geſchloſſenen Thuͤren und Fenſtern innen blie - ben / und durffte ſich niemand oͤffentlich ſehen laſ - ſen / auſſer etliche arme Leute / die bey naͤchtlicher Weile / mit ungewoͤhnlichen Heulen und Wehe - klagen / eine Allmoſen begehrten. Folgenden Ta - ges oͤffneten ſich wiederumb Thuͤr und Fenſter / ſamt ihren uͤbrigen / mit Tapezereyen moͤglichſt - gezierten Pagoden / vor welchen Taffeln mit al - lerhand Rauch-Wercke auffgerichtet waren. Hernach kamen ſonderliche Maͤnner zu Pferde / in weiſſen Damask gekleidet / auff allen Straſ - ſen / und rufften nach dem Klange eines abſonder - lichen Seytenſpiels / folgende Worte oͤffentlich aus: O ihr betruͤbten Jnwohner des Koͤnigreichs Siam / die ihr die harte Zorn-Hand GOttes ſattſam erfahren! Mercket / mercket auff das je - nige / was man euch von GOttes wegen anſagt / und preiſet alle ſeinen heiligen Nahmen / mit rei - nen und demuͤthigem Hertzen: Denn die Wer - cke ſeiner Goͤttlichen Gerechtigkeit ſind groß. Legt euer Leid ab / kommt aus euren Wohnungen her - vor / darinnen ihr verſchloſſen ſeyd / und lobſinget von der Guͤtigkeit eures GOttes / dieweil er euch einen neuen Koͤnig gegeben hat / der ihn fuͤrchtet /und573Anderes Buch. und ein Freund der Armen iſt. Als nun dieſe Er - mahnung geſchehen / hoͤrte man viel Seytenſpiele ſonderbahrer Perſonen / die zu Pferde ſaſſen / und in weiſſen Atlaß gekleidet waren. Darauff alle Umſtehende mit zur Erde geſchlagenen Angeſich - te / erhabenen Haͤnden und weinender Stimme rieffen: Wir ſtellen die Engel des HERRN zu unſern Anwalten / daß ſie ſtets den HErrn vor uns preiſen. Alsdenn giengen alle Siammer aus ihren Haͤuſern hervor / mit verſtelleten Freuden gleichſam tantzende / auff die Kirche Qviay Fana - rel / oder des Freuden-Gottes zu / woſelbſt ſie einen ſuͤſſen Geruch raͤucherten: Die Armen aber opf - ferten Fruͤchte / Reiß und anders / zu Unterhal - tung der Prieſter. Als nun dieſen Tag zugleich der Koͤnig gekroͤnet war / ließ er ſich durch die gantze Stadt in groſſer Pracht ſehen / wornach er ſich ins Lager begab.

Nachdem nun durch eine ſchreckende Poſt aus Pegu / die gewiſſe Nachricht einlieff / wie daß der Koͤnig von Aracan mit einer gewaltigen Armee im Anzuge ſey / ſo wohl das Reich Pegu / als auch die gefangene Princeßin Baniſe / durch gewaff - nete Hand dem Chaumigrem abzufordern: als ſtellete er ſchleunige Muſterung an / und befand / daß dieſe Belagerung uͤber dreymahl hundert tau - ſend zu Fuſſe / und funfftzig tauſend zu Roſſe der Seinigen gefreſſen hatte: wiewohl in der Stadt auch uͤber zweymal hundert tauſend Seelen / wel - che Schwerdt und Feuer auffgerieben / vermiſſetwor -574Der Aſiatiſchen Baniſe. worden. Deſſen ungeachtet / erlaubete er nur der Armee 3. Tage auszuruhen / als denn ſie ſich zum Ruͤckzuge nach Pegu ſolten gefaſt machen.

Soudras aber wurde alſo bald voran nach Brama geſchicket / eine neue Armee zuzurichten / und ſolche nach Pegu zu fuͤhren. Printz Nherandi aber nebſt der Princeßin / wurden noch als Gefan - gene / unter der Hand des Abaxars verwahret: welcher ſie denn dermaſſen wohl zu verhalten wu - ſte / daß ſie keinen groͤſſern Freund haͤtten finden koͤnnen. Und diß war der krancke Printz auch hoͤchſt benoͤthiget / weil ſich ſeine Wunde ſehr ge - faͤhrlich anließ / durch fleißige Vorſorge aber des Abaxars / und getreue Wartung der Princeßin / bald zur Beſſerung gebracht ward. Doch ſchmer - tze ihn dieſe Seelen-Wunde noch hefftiger / da er den vierdten Tag ſein Koͤnig-Reich mit dem Ruͤ - chen / als ein gefangener Sclav anſehen / und ſein Vaterland verlaſſen muſte. Die Hoffnung aber / welche ihm ſchleunige Erloͤſung verſprach / troͤſtete ihn ſo weit / daß er nicht eher / biß auſſer Siam / auf die Gelegenheit ſeiner Flucht bedacht war. Jn - zwiſchen wuſte Abaxar ſeine in geheim verlobte Fylane dermaſſen zu bedienen / und wohl in acht zu nehmen / daß ſie ſich auch in ihrem Gefaͤngniß gluͤckſelig ſchaͤtzte / und mitten in ihrem Ungluͤcke vergnuͤgter / denn zuvor im Vaͤterlichen Schloß und Schooſſe war.

Der575

Der Aſiatiſchen Baniſe Drittes Buch.

D vorige Poſt aus Pegu mit der Warheit allerdings uͤbereinſtimmig geweſen / ſolches erhellet ſattſam hier - aus / als Chaumigrem bereits das Koͤnigreich Martabane / durch welches er ſeinen Ruͤck-Zug nehmen muſte / mit Aracaniſchen Trouppen erfuͤllet / und alle Paͤſſe beſetzet fand: Jndem Balacin mit fuͤnff mahl hundert tauſend Mann / in Chaumigrems Abweſen / in Pegu ein - gefallen war / und weil das Land gantz von Waf - fen entbloͤſſet / bereits unterſchiedene Feſtungen und Staͤdte / ohne einigen Widerſtand eingenom - men hatte. Und ſo Balacin noch vor des Chau - migrems Ankunfft alſobald vor die Haupt - Stadt Pegu geruͤcket waͤre / ſo haͤtte eine ſchleuni - ge Eroberung ihme gar leicht den Sieges-Krantz uͤber gantz Pegu ertheilen moͤgen. Wie aber das guͤtigſte Haupt auch nicht von Verraͤthern ver - ſchonet bleibet / alſo war es auch hier ergangen / in - dem von unterſchiedenen Staats-Bedienten eyf - ferigſt widerrathen worden / daß man nicht alſo - bald das Hertz angreiffen / ſondern nur alle Adern verrennen ſolte / ſo wuͤrde es von ſich ſelbſt verblu - ten. Welchem unſeligen Rathe Balacin folgete /und576Der Aſiatiſchen Baniſe. und den Feld-Herrn Chatigan mit hundert tau - ſend Mann durch Pegu in Martabane einbrechen ließ / welchem ſo fort auch die Haupt-Stadt Mar - tabane ohne Schwerdt-Streich zufiel / und da - hero Chaumigrem einen ſchweren Durchzug ha - ben ſolte. Allein der liſtige Fuchs nahm einen Um - weg / und eilete nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen auff Pegu zu. Welches / als es Balacin erfuhr / ihm erſt die Augen eroͤffnete / und dannenhero der voͤl - lige Zug der Aracaniſchen Armee / ob zwar viel zu ſpaͤt / nach Pegu eingerichtet ward. Denn Chaumigrem war ihnen bereits zwey Tage zuvor gekommen / und hatte ihnen den feſten Paß Ab - diara vor der Naſe abgeſchnitten. Welches ein groſſes Verſehen des Chatigans geweſen / daß er uͤber den Paß Abdiara Pegu vorbey gegangen / ſolchen Paß unbeſetzet / und alſo dem Feinde ledig ſtehen laſſen. Welches alles endlich dem Koͤnig Balacin ſolchen Verdruß erweckte / daß er funff - zehen verdaͤchtige Haͤupter gefaͤnglich einziehen / und auff die Folter bringen ließ: da ſie denn ins - geſammt die ſtarcke Wuͤrckung des Bramani - ſchen Goldes vorſchuͤtzeten / und ſich dahero we - gen ſolcher Gelbſucht die Haupt-Ader am Halſe muſten ſchlagen laſſen. Deſſen ungeachtet / uͤber - wand der Koͤnigl. Großmuth des Balacins alle Beſchwerligkeiten / und ſetzte ſich vor / ſeine An - ſchlaͤge nicht mehr auff die Vielheit der Rathen - den / ſondern nur auf wenig Getreue zu gꝛuͤnden.

Jnmittelſt begieng Scandor eine ſonderbahreHel -577Drittes Buch. Helden-That: Denn indem ihm ſein Koͤnig auff ſein bittliches Anſuchen zwey tauſend Frey-Reu - ter untergeben / damit dem Feinde allen Abbruch nach eignem Belieben moͤglichſt zu thun; ſo gieng er iederzeit mit dieſen untergebenen Reutern vor - aus / und war nicht ungluͤcklich / ſo wohl in Kund - ſchafften als auch in Einbringung vieler Gefan - genen. Unter andern erhielt er von einigen Ge - fangenen gewiſſe Nachricht / was maſſen drey - hundert mit Pulver beladene Waͤgen / unter Be - gleitung ſechs tauſend Mann von Macaon nach Pegu in wenig Tagen ſolten gefuͤhret werden. Auff dieſe machte er alſobald einen Anſchlag / und weil er bey dem Schloſſe des alten Talemons / durch den ſonſt verhinderlichen Fluß / vor dieſem mit eigner Gefahr / einen Furth erfunden hatte: als gienge er nach drey Tagen bey anbrechendem Abend mit ſeinem Hauffen dahin / und weil die groſſe Duͤrre den Fluß noch ſeichter gemacht hat - te: ſo ſetzte er gluͤcklich hindurch: Und wie ihm Weg und Steg wohl bekandt war / worzu der Mond ſein Liecht reichlich ertheilte / alſo ruͤckte er in das offt erwehnte Tyger-Holtz / weil er ſich we - gen des nahgelegenen Feld-Lagers vor Pegu / im freyen Felde ſehen zu laſſen / nicht getrauete. Als er nun an die Macaoniſche Straſſe gelanget / und mitten in dem Walde eine geraume Wieſe an - traff / ſtellete er ſich auff derſelben / weil der Weg gleich uͤber den gruͤnen Weg gieng. Jndeſſen lieff die Gewißheit ein / wie daß der Feind in vol -O olem578Der Aſiatiſchen Baniſe. lem Anzuge waͤre / weilen ſich bereits die Vor - trouppen mercken lieſſen. Dannenhero verthei - lete er ſeine Leute in drey Hauffen / und verſteckte ſie an 3. Orten im Gehoͤltze / mit gegebenem Be - fehl / wie ſie ſich verhalten / und in gewiſſer Ord - nung angreiffen ſolten. Jn kurtzem darauff kam der Vorzug des Feindes zum Vorſchein / und weil die Wagen noch etwas zuruͤck blieben / ſetzten ſie ſich in vier tauſend ſtarck auf dieſem Platze / in wil - lens den Weg zu verſichern / biß die Wagen hin - durch waͤren. Als nun dieſe herbey kamen / brach Scandor mit ſieben hundert Pferden hervor / und ſetzete mit graͤßlichem Geſchrey unter die ſichern Peguaner / welche dahero ſich anfangs ziemlich trennen lieſſen; nachdem ſie aber die ungleiche Macht vermerckten / ſetzten ſie ſich bald wieder / und noͤthigten den Scandor / daß er ihnen den andern Hauffen muſte in der Seiten einbrechen laſſen / wodurch der Feind gantz verwirret ward / und nicht wuſte / wie er ſich wenden / oder wider wen er fechten ſolte. Endlich hatte Scandor die ſaͤmtlichen Trompeter zu dem letzten Hauffen ge - ſtellet / welche / alle zugleich blaſende / dem Feinde in den Ruͤcken einfielen / und dieſen zeigete erſt der Feind ſein Mißtrauen / daß er ſich in die Flucht be - gab. Jnmittelſt ſebelte Scandor tapffer hinter ihnen drein / und verjagte ſie ſo weit / als es Nacht und Sicherheit erlaubte. Hierauff packte er die Wagen an / welche alle mit Buͤffeln beſpannet waren: und weil es ſchon um Mitternacht / ließer579Drittes Buch. er ſie ſo geſchwinde / als dieſe Thiere kunten fort getrieben werden / nach obbemeldtem Furthe trei - ben. Er aber gieng mit zwoͤlff hundert Pfer - den / nachdem er mehr nicht / denn hundert und ſechs und funfftzig Mann verlohren / hinter ih - nen her / um ſie zu bedecken. Alſo kam er gluͤcklich wieder uͤber den Fluß: und war dieſe verwegene That dem Gluͤcke zuzuſchreiben / daß er ſich mit ſo wenig Koͤpffen unter eine ſolche herum liegende Armee wagen / und eine ſo langſame Beute weg - fuͤhren durffte / da er doch in vier meilen keinen Ruͤckenhalt oder Entſatz zu hoffen hatte. Bala - cin / als er gegen den Mittag ſeinen Scandor mit der Beute ankommen ſahe / verwunderte ſich uͤber alle Maſſen / wegen ſolcher Kuͤhnheit / und ruͤhmete ſeine Tapfferkeit. Nachdem aber das Pulver abgeladen war / befanden ſich uͤber funff - zig Wagen mit Golde beladen / welches gleich dem Pulver in Tonnen eingeſchlagen war / und uͤber zwey Millionen betrug. Der Koͤnig ſelbſt wurde nicht wenig hieruͤber erfreuet / und ſchencke - te dem Scandor und ſeinen Leuten fuͤnff Wagen voll Goldes hiervon: wodurch ſie dermaſſen auff - gemuntert wurden / daß ſie lieber alſobald noch ei - nen Streich gewaget haͤtten / wenn es der Schlaf / welchen ſie viertzig Stunden in ſteter Bemuͤhung entrathen muͤſſen / zugelaſſen haͤtte.

Nach wenig Tagen wurde durch abermahlige Gefangene / welche Scandor eingebracht / vor ge - wiß berichtet / daß Chaumigrem mit ſiebenmahlO o 2hundert580Der Aſiatiſchen Baniſe. hundert tauſend Mann zu Roß und Fuß / und vier tauſend Elephanten uͤber den Paß Abdiara gienge / in willens / die Aracaner mit Gewalt an - zugreiffen. Welches faſt ein allgemeines Schre - cken verurſachet haͤtte / wenn nicht Balacin / als ein kluges Haupt / die Zahl des Feindes alſobald um ein groſſes vermindern laſſen. Jndeſſen war dem Koͤnige von Aracan nicht allerdings wohl zu Muthe / weil er ſich in allem nicht uͤber vier mahl hundert tauſend Mann ſtarck wuſte / da hinge - gen der Feind faſt mit gedoppelter Macht im An - zuge war. Wie dem allen aber / ſo achtete er doch ſeine gerechte Sache viel hoͤher / als noch eine Ar - mee / dannenhero er ſo fort mit den vornehmſten Kriegs-Haͤuptern zu rathe gieng / und mit denſel - ben feſte beſchloß / dem Feinde keinen Fuß breit zu weichen. Weil aber bißweilen eine kluge Liſt den groͤſten Sieg erlanget / alſo war des weiſen Ko - rangerims Rath allen ſehr angenehm: indem er mit vielen Beweiß-Gruͤnden darlegte: wie noͤthig es ſey / bey ſo ungleicher Menge ſich der Liſt zu be - dienen / und dem Feinde einen ſolchen Schrecken einzujagen / wodurch ſeine Ordnung getrennet / und die Menge durch Furcht zur Flucht gebracht werde. Denn / ſagte er / mit offenbahrer Gewalt durch den Feind brechen / und ihn aus dem Felde zu treiben / ſich bemuͤhen / kan ein iedweder tapffe - rer Soldate: aber mit Vorthel / und ohne ſon - derliches Volck-Verlieren das Feld erhalten / iſt der kluͤgſten Kriegs-Haͤupter Eigenſchafft. Jneiner581Drittes Buch. einer viertel Stunde richtet ein verſchmitzter Ge - nerall offt mehr aus / weder ein toll-kuͤhner Wa - gehalß im gantzen Jahre. Wer ſeines Feindes Trutz ſich zu einem zweiffelhafften Treffen verlei - ten laͤſſet / da ihm der Sieg durch einen naͤhern Weg koͤnte zu theil werden / der iſt / als ein Ver - aͤchter des Sieges / der Uberwindung nicht werth / und hat / ſo es hernach mißlinget / nicht dem Gluͤ - cke / ſondern ſeiner Tollkuͤhnheit die Schuld bey - zumeſſen. Verſtand und Geſchwindigkeit thun / wie in allen Sachen / alſo auch im Kriege / das beſte. Was viel tauſend Geharniſchte verlohren haben / das gewinnet eine eintzige Erfindung zu - weilen im Augenblick wieder. Solches nun auch hier zu bewerckſtelligen / rieth er ferner / ſey zum ſchaͤdlichen Schrecken / und ſchreckenden Scha - den keine beqvemere Sache / als das blitzende Pulver / deſſen man anietzo durch Scandors Tapfferkeit einen groſſen Uberfluß haͤtte. Sol - ches ſolte man an einen gewiſſen Ort verbergen / wo man vermeynte / daß der Feind anſetzen wuͤr - de. So nun ſolches alsdenn durch ein lauffendes Feuer angeſtecket wuͤrde / ſo koͤnte der darauff er - folgende Schlag leicht die halbe Unordnung ſe - tzen / und der Sieg auch durch bloſſes Schrecken erhalten werden.

Dieſer Anſchlag wurde allerſeits beliebet / und hierzu ſchleunige Anſtalt gemacht. Es war aber ein ſehr groſſes und weites Feld / welches nicht zu uͤberſehen war: Auff demſelben nahm BalacinO o 3vor582Der Aſtatiſchen Baniſe. vor Ankunfft des Feindes den beqvemſten Platz ein. Nachdem man aber leicht wiſſen kunte / wo - her der Feind kommen / und wohin er ſich ſetzen und ſtellen wuͤrde / ſo wurde an einem ebenen Orte ei - ne groſſe Eroͤffnung / 600. Schritte lang / 150. Schritte breit / und etwa 3. Ellen tieff in die Erde gemacht / dieſelbe mit dem eroberten Pulver ziem - lich ſtarck uͤberſchuͤttet / hernach aber mit Erde / Stein und Raſen dermaſſen wiederum erfuͤllet und bedecket / daß man faſt keine Spur / vielweni - ger einigen Argwohn mercken kunte. Aus die - ſer Grube gieng eine mit Zunder angefuͤllte Roͤh - re unter der Erden biß in das Aracaniſche Lager / welche dermaſſen verwahrer war / daß ſie kein Ge - tuͤmmel zu zerruͤtten vermochte.

Jnmittelſt / nachdem ſattſame Kundſchafft von des Feindes maͤchtigem Anzuge eingelauffen war / wurde bey Leib und Lebens-Straffe bey der Ar - mee verbothen / weder auff Parthey zu gehen / noch ſich zu weit zu wagen / damit niemand gefangen / und dieſer Anſchlag des lauſchenden Pulvers ver - rathen wuͤrde. Damit aber ſolches noch weni - ger Verdacht geben moͤchte / dehnete Balacin ſeine Schlacht-Ordnung ſo weit aus / daß die Pul - ver-Grube von der Aracaniſchen Reuterey gantz bedecket wurde / und zwar aus dieſen Urſachen: Weil offtmahls der Feind die Elephanten / wel - ches Thier die Pferde nicht vertragen koͤnnen / ge - gen die Reuterey wendet / ſo wuͤrden die feindlichen Elephanten die groͤſſeſte Unordnung verurſachen /wenn583Drittes Buch. wenn das Pulver unter ſie geriethe: welches her - nach der Ausgang bekraͤfftigte / daß dieſes ſehr wohl ausgeſonnen waͤre.

Nachdem nun Balacin dieſen Vorthel hatte / daß er das Feld meiſtentheils vor dem Feinde ein - nehmen / und es ſich nach Belieben beqvem ma - chen kunte: ſo fuͤhrte er die ſaͤmtliche Armee aus dem Lager / und ſtellete ſie mit Beyrath des er - fahrnen Korangerims und tapffern Ragoa / Ara - caniſchen Unter-Feld-Herrns / dermaſſen / daß es nur anfangs eine allgemeine Eintheilung der Voͤl - cker zu ſeyn ſchiene / welche ſo wohl im Fall der Noth in vollkommener Ordnung fechten / als auch bey beobachtetem Vorhaben des Feindes ohne Unordnung getrennet / und veraͤndert wer - den kunte.

Als nun die Sonne faſt die Hoͤhe des Himmels erreichet hatte / ſahe man Oſten-werts / von Abdia - ra her / einen dermaſſen groſſen Staub auffſtei - gen / daß er faſt die Wolcken zu bedecken ſchiene / welches denn ein unfehlbahres Zeichen des feindli - chen Anzugs war: Dannenhero denn ein allge - meiner Lermen entſtund / und ſich iedweder an ſei - nen Ort verfuͤgte. Balacin / nebſt einigen hohen Generals-Perſonen / ließ ſich eyffrichſt angelegen ſeyn / alle Unordnung zu verhuͤten / dannenhero er / vermittelſt einiger friſchen Pferde / die gantze Armee durchrennete / und iedwedem Hauffen / ſo viel es Zeit und Gelegenheit erlaubete / einen tapf - feren Muth zuſprach: welche insgeſamt durch einO o 4ſtarckes584Der Aſiatiſchen Baniſe. ſtarckes Waffen-Geraͤuſche und Feld-Geſchrey / ihre Begierden zum Fechten anzeigeten. Weil auch einige Tage zuvor bereits aller Vorthel ab - geſehen / und viel Geſchuͤtz-Erhoͤhungen verferti - get waren / ſo wurden die Stuͤcken / deren eine groſſe Anzahl / alſobald auffgefuͤhret: Und weil ſolche durch lauter erfahrene Portugieſen gehan - habet wurden / ſo waren ſie den ungeſchickten Mohren des Chaumigrems weit uͤberlegen. Wie - wohl Chaumigrem kein Geſchuͤtze mit genommen hatte / indem er vermeynte / die Aracaner nur ſo trucken auffzureiben. Allein er wurde den Betrug ſeiner Meynung bald innen / als er von dem Ara - caniſchen Geſchuͤtz-Donner bey erſter Annaͤ - herung dermaſſen empfangen wurde / daß die Verwirrung des lincken Fluͤgels / die ſchaͤdliche Wirckung durch zeitiges Fluͤchten bald verrathen haͤtte.

Jnmittelſt hatte ſich die feindliche Ordnung in zwey geſpitzte Fluͤgel getheilet / gleichſam / als ob ſie die Aracaner zu umringen geſonnen waͤren / alſo / daß der Kern von auserleſenen Bramanern in gevierdter Ordnung das Mittel hielten / bey welchen ſich Chaumigrem in Perſon befand. Die Reuterey aber erſtreckte ſich auff beyden Fluͤgeln / daß ſie / obgemeldter maſſen / einer Scheeren glei - cheten / und waren die Elephantem dem rechten Fluͤgel zugegeben.

Korangerim / welcher vorhin ein tapfferer Feld - Herr geweſen / wegen Schwachheit des Altersaber585Drittes Buch. aber nicht mehr fechten kunte / merckte gar bald des Feindes Argliſtigkeit / wie er ſich auff ſeine Macht verlieſſe / und ſie gleichſam mit auffgeſper - reten Rachen zu verſchlingen trachtete. Dieſem nun vorzukommen / wurde in Eyl die Aracaniſche Ordnung gantz veraͤndert / und muſten ſich die Fluͤgel / welche in Reuterey / mit untermengtem Fuß-Volcke beſtunden / weit ausdehnen: Das Mittel der Armee aber / ſpitzte ſich / in Form eines Kegels / vornen zu / und zielete gleichſam auff des Feindes Trennung. Damit auch / vorerwehn - ter Geſtalt / der Feind moͤchte ſicher gemacht / und auff die Falle gelocket werden / ſo wurden zwar die foͤrderſten Hauffen alle in einer Gleichheit uͤber die Pulver-Grube geſtellet / iedoch hinter iedweden eine ſolche gnugſame Weite gelaſſen / auff welcher ſie ſich bey verſtelltem Weichen wieder ſetzen / und an die Hinterſten in einer Linie ſchieſſen kunten. Wie nun die Aracaniſche Reuterey meiſt auff den lincken Fluͤgel unter Anfuͤhrung des Ragoa geſtel - let war / alſo vermeynete ihnen Chaumigrem ei - nen gewaltigen Rang abzulauffen / wenn er ihnen die Elephanten entgegen ſetzte.

Als nun alſo beyde Heere in voller Schlacht - Ordnung gegen einander hielten / ſetzte ſich Ba - lacin in einem blau - und guͤldenen Kuͤraß auff ei - nen ſchoͤnen Apffel-grauen Hengſt / und wehlete ſich zu ſeinem Leib-Schutz ſechs hundert tapffere Aracaner / und vier hundert handfeſte Portugie - ſen / deren letzteren noch etliche tauſend bey der Ar -O o 5mee586Der Aſiatiſchen Baniſe. mee waren / und denen wilden Aracanern Helden - maͤßig vertraten. Weil ſich nun der Feind ſaͤume - te / den Angriff zu thun / indem er wegen abſcheuli - cher Menge nicht ſo hurtig ſich ſtellen kunte: ſo ließ Balacin nochmahls die geſammten Kriegs-Haͤu - pter vor ſich fodern / und redete ſie in geſchloſſenem Creyſſe vor der Schlacht alſo an:

Tapffere Helden! Unverzagte Hertzen! Die - ſes iſt der Tag / welcher uns mit der einen Hand Tod und Schande / mit der andern Ehr und Le - ben darbietet / und uns die freye Wahl laͤßt / nach welchem wir greiffen wollen. Weil ich denn des feſten Vertrauens lebe / es werde dieſes jenem von euch allen vorgezogen werden: ſo erweiſet euch demnach heute / als ſolche Leute / welche ihre Ehre dem Leben gleich achten / und den Sieges-Krantz mit eigenem Blute zu bepurpern / begierig ſeyn. Wir haben einen maͤchtigen Feind vor uns / deſ - ſen Krieg in Mord-Luſt beruhet / die Urſache aber des Krieges iſt mit grauſamſter Ungerechtigkeit erfuͤllet. Hingegen fuͤhret die Gerechtigkeit unſer Schwerdt mit eigner Hand. Jſt nun dieſe auff unſerer Seiten / wie wir alle mit deſſen gewiſſer Verſicherung den Sebel entbloͤſſen koͤnnen / ſo ha - ben wir gewißlich von den Goͤttern Huͤlffe und Beyſtand zu hoffen. Und wo nun dieſe huͤlffreiche Hand anlegen / da kan weder Himmel noch Er - de / weder die Gewalt der Menſchen / noch die Staͤrcke der Elephanten etwas ausrichten. Denn der / ſo ihnen das Weſen gegeben / kan auch ihnen die Macht benehmen.

So587Drittes Buch.

So ſaget demnach euren Unterhabenden / daß ſie ſich nicht vor der Menge der Feinde entſetzen ſollen. Denn die Menge der Waffen verſichert nicht das Hertze / ſondern eine gerechte Sache / tapfferer Entſchluß / und die Goͤttliche Gnade. Fuͤhret ihnen zu Gemuͤthe die Tapfferkeit ihrer Vorfahren / und wie ſie ſich an den ererbten Sie - ges-Zeichen und Ruhm ihrer Vor-Eltern / nicht ſollen begnuͤgen laſſen / ſondern viel mehr bedacht ſeyn / ihnen heute gleich zu werden / wo nicht zu - bertreffen. Stellet ihnen vor den Verluſt des heutigen Tages: Denn ſolten wir durch unnoͤ - thige Zaghafftigkeit dem Feinde weichen / ja ihm gar den Sieg durch allzu groſſe Liebe unſers Le - bens in die Haͤnde ſpielen / ſo wird es doch nur ver - gebens ſeyn / dem feindlichen Schwerdte zu ent - fliehen / und es wuͤrde ſcheinen / als ob dieſer Platz nicht ſo gut mit Ehren zu ſterben waͤre / als jener / den man erſt durch ſchaͤndliche Flucht erreichet haͤtte. Der Blutbegierige Tyrann wuͤrde ſie biß in ihre Huͤtten verfolgen / ſelbige uͤber ihren Koͤpf - fen anzuͤnden / ihre Weiber vor ihren Augen ſchaͤn - den / und die Kinder an den Waͤnden zerſchmet - tern: ja ein ſchmertzlicher Tod wuͤrde das Ende ihres Jammers / und die hoͤchſte Schande die Frucht ihrer Flucht ſeyn. Hingegen bildet ihnen ein den unbeſchreiblichen Nutzen heutiger Sieges - Erlangung. Auffdieſen Stunden beruhet Ehre und Wohlfarth des gantzen Reichs Aracan. Die - ſer Sieg machet uns ein ſo maͤchtiges Reich unter -wuͤrf -588Der Aſiatiſchen Baniſe. wuͤrffig / welches ſich wohl ehemahls geluͤſten laſ - ſen / den Scepter von Aracan zu entwenden / und einen Sclaviſchen Tribut von uns zu fodern. Reichthum und Vermoͤgen werden uns die ent - ſeelten Feinde ſo reichlich mittheilen / daß die Ar - muth auch bey dem aͤrmſten ein Frembdling ſeyn wird. Die Sicherheit wird uns wieder nach Hauſe begleiten / und nachdem wir von den Unſri - rigen mit Freuden empfangen worden / uns in un - ſern Wohnungen bewachen. Was aber uͤber diß alles gehet / iſt die unſterbliche Ehre / fuͤr welche gantz Aſien zu enge ſeyn wird: Ja / nachdem ihr mit den im̃ergruͤnenden Blaͤttern ewigen Ruhms bezieret worden / wird euch ſolcher auff ſeinen Fluͤ - geln weiter fuͤhren / als wo ſich der weiſſe Beer im Schnee waͤltzet. Jch will euch insgeſamt dermaſ - ſen vorgehen / daß ihr ſehen ſollet / wie auch ein ge - kroͤntes Haupt ſein Leben nichts achte / wenn es an die Ehre gehet. Folget mir nach / fechtet rittterlich / und wiſſet: daß dieſes Feld ein Schau-Platz un - ſerer Ehren ſeyn wird.

Diß geſagt / verfuͤgten ſich alle Oberſten und Hauptleute / iedweder nach ſeinem Trouppe / und hinterbrachten dieſe tapffermuͤthige Rede den Jh - rigen / welche hieruͤber ein abermahliges Feld-Ge - ſchrey / zu Bezeugung ihrer Tapfferkeit / der ge - ſtalt erſchallen lieſſen / daß auch die uͤber der Armee fliegenden Vogel gantz betaͤubt / als todt hernieder fielen. Hierauf vegunten die Aracaniſchen Stuͤck - Kugeln dermaſſen ſich unter die Feinde zu wagen /daß589Drittes Buch. daß gantze Glieder aus den hinterſten hervor ruͤ - cken / und die Stellen der Erſchlagenen wieder fuͤl - len muſten. Dannenhero erachtete Chaumigrem nicht vor rathſam / laͤnger unter dieſer donnernden Gefahr zu ſtehen / indem die Portugieſen ſo gewiß in ihrer toͤdtlichen Kunſt waren / daß iedwede Ku - gel von der Hoͤhe / bey den Koͤpffen der Foͤrderſten auſchlug / und biß zu den Fuͤſſen der Hinterſten durchdrang / wodurch ein unſaͤglicher Verluſt der Voͤlcker entſtund / und eine endliche Unordnung zu beſorgen war. Welchem vorzukommen / Chau - migrem Befehl ertheilte / mit den lincken Fluͤgel den Feind anzugreiffen. Welches auch ſo bald willigſt verrichtet ward / denn ſich die Peguaner erklaͤrten / lieber zu ſterben / als laͤnger unter den Stuͤcken zu ſtehen. Weil aber der rechte Fluͤgel auff Aracaniſcher Seiten haͤuffig mit Bengali - ſchen Rohr-Schuͤtzen durchflochten war: ſo lieffen die Peguaner auff einen hefftigen Stumpff / daß ſie bald die Hitze| ihres Anfalles erkalten lieſſen / und ſich nach der erſten Salve zum weichen be - qvemten. Nachdem ſie aber von den Aracanern unverfolgt blieben / ſetzten ſie ſich wieder / ſo gut ſie konten / wiewohl die Spitze des Fluͤgels ziemlich abgebrochen ſchien.

Als nun Chaumigrem ſahe / daß er auff dieſer Seiten nicht viel auszurichten vermochte / befahl er den rechten Fluͤgel / nebſt den Elephanten an - zufuͤhren / worauff es denn etwas hitziger auff beyden Theilen hergieng: indem der lincke Ara -cani -590Der Aſiatiſchen Baniſe. caniſche Fluͤgel ſeinem Rechten / die Ehre / den Feind zum Weichen zu bringen / nicht allein goͤn - nen wolte. Allein die Wuͤte der Elephanten trieb ſie endlich zuruͤcke / alſo / daß ſie nicht allein wei - chen / ſondern auch mit zehen tauſend Lantzen ver - ſtaͤrcket werden muſten. Weil denn bey dieſem Verlauff der vorgewichene Peguaniſche Fluͤgel wiederum anſetzen kunte / als wichen die Ara - caner mit Fleiß / welchen Balacin mit dem Cor - po folgete / um ſich iederzeit in gleicher Linie zu hal - ten. Chaumigrem verſtund dieſes Weichen un - recht / und legte es vor eine Furcht aus / dahero er mit der gantzen Macht nachzudruͤcken begunte. Weil auch die Elephanten / verlangter maſſen / das Pulver-Feld betreten hatten / ſo wurde dem Zunder im Lager beyzeiten Feuer gegeben: nach - dem aber ſolcher etwas zu langſam eingerichtet war / als muſten demnach die Aracaner eine grau - ſame Gewalt / wo nicht gar die Gefahr des Feld - Verluſts / ausſtehen. Denn nachdem Chaumi - grem mit der geſammten Macht / als eine Fluth daher rauſchte / und ſo nahe an die Aracaner ruͤck - te / daß ſie einander nunmehro faſt mit den Haͤn - den erreichten / konte es nicht anders ſeyn / denn daß ſie die Sebel zur Hand nahmen / und durch ſolches Hand-gemenge ein grauſames Blut-ver - gieſſen erregeten.

Hier fochte nun Mann vor Mann / und hiel - ten einander die Spitze des Sebels und der Lan - tze ins Geſichte. Es war keiner auff beyden Sei -ten591Drittes Buch. ten ſo verzaget / der ſich deſſen haͤtte entſchlagen koͤnnen / ſondern es muſte ſich ein ieder / auch wi - der Willen / ſeiner Haut wehren. Am ſchaͤrffſten aber gieng es auff dem lincken Fluͤgel Aracani - ſcher Seiten her: indem die wilden Elephanten die Reuterey faſt verjaget hatten; daher Balacin die Portugieſen eilende nebſt die Bengaler ſtellete / welche die Reuter wiederum zum Stande brach - ten. Nach dieſem erhub ſich nun auff allen Sei - ten das blutigſte Gefechte / und fochten alle mit un - verwendetem Fuſſe / Hand gegen Hand / als ob iedweder einen abſonderlichen Kampff anzugehen haͤtte. Es konte keiner ſeinen Platz veraͤndern / er machte ſich denn durch den Tod ſeines Feindes ei - nen Raum / da er doch nicht weiter / als nur einen Schritt fortſetzen konte / ſo fand er einen friſchen Feind vor ſich. Es konten auch die Verwundeten nicht aus dem Treffen weichen / weil ſie den Feind von fornen / und die Jhrigen von hinten her hat - ten / welche ihnen zugleich auff allen Seiten zu Halſe waren. Balacin gieng allein ungemein tapffer vor / indem er allenthalben wie ein Blitz durchbrach / und ſo grimmig um ſich hieb und ſtach / daß ihm ein ieder willigen Platz machte. Deme dann die Portugieſen ungeſcheut folgeten / und ſich gleichfalls ſattſamen Raum macheten. Ob ſich nun zwar ein ieder Aracaner ſo tapffer er - wieß / daß ein iedweder / wo er ſtand / niederfiel / und dem Feinde keinen Schritt einraͤumete: ſo duͤrfften doch endlich die Elephanten mit ihrenRuͤſ -592Der Aſiatiſchen Baniſe. Ruͤſſeln den Sieg zu ſich geriſſen haben: Jndem keine Rohr-Kugel auff dem harten Felle hafften wolte: dannenhero die Portugieſen alles Geſchuͤ - tze auff dieſen unvernuͤnfftigen Feind richten mu - ſten; welches ungemeine Wirckung that / und ei - nig und allein den Sieg auff feindlicher Seite verhinderte. Denn wenn ſo eine Haupt-Pille ein ſolches Thier ſchnellete / ſo ließ es ſich nicht mehr regieren / ſondern kehrete mit groͤſter Ungeſtuͤm zu - ruͤcke / und begab ſich ins freye Feld / da es nieder - fiel und ſtarb: biß endlich die Glut des glimmen - den Zunders erwuͤnſchter maſſen das Pulver er - reichte / welches ſich im Augenblick uͤber und uͤber entzuͤndete / und mit einem ſo entſetzlichen Knallen und Donnerſchlage hervor brach / daß das Er - ſchuͤttern der Erde einem ziemlichen Erdbeben nicht ungleich war. Da ſahe man mit erſchrecklicher Verwunderung die ungeheuren Elephanten in der Lufft fliegen / welche nebſt denen Steinen und anderer Ruͤſtung / nicht wieder an ihren Ort / ſon - dern auff ihr eigen Volck zuruͤcke fielen / und de - ren ſehr viel erſchlugen. Der grauſame Dampff uͤberzog das gantze Heer des Chaumigrems wie eine Wolcke / daß keiner den andern ſehen kunte. Und dieſer einige Schlag ſchlug auch dem Chau - migrem den bereits in Haͤnden habenden Sieg aus der Fauſt. Denn zu geſchweigen der ſchreck - lichen Verwirrung / ſo die Elephanten verurſach - ten / welche ſich alſobald zerſtreuten / alles / was ih - nen vorkam / zertraten / und in den zur Seiten ge -lege -593Drittes Buch. legenen Wald lieffen / woſelbſt ſie die Thuͤrme an den Baͤumen zu ſtuͤcken zerbrachen / und die Sol - daten / ſo darinnen ſaſſen / zu Boden warffen: ſo - berfiel auch die gantze Armee des Chaumigrems / welche den Urſprung dieſes / aus der Erden entſte - henden Donner-Wetters / nicht wuſten / ein ſo all - gemeiner Schrecken / daß ſie Hand und Hertze ſincken lieſſen / und ein ieder ſeine Sicherheit in der Flucht zu ſuchen trachtete. Hierdurch bekamen die Aracaner bald gewonnen Spiel / und fielen den Feind noch viel grimmiger an: dieſe vertheidigten ſich zwar noch etwas mit der Fauſt / endlich aber erwehlten ſie insgeſamt / bey ietztſinckender Son - ne / die Flucht / und hinterlieſſen den ſieghafften Aracanern das Feld.

Der erfreuete Balacin verfolgete ſie mit aller Macht / biß an den Paß Abdiara / allwo erſt der Feind die groͤſte Niederlage leiden muſte: weil die Fluͤchtenden nicht alle zugleich durchdringen kon - ten / und die Hinterſten nothwendig in der Ara - caner Haͤnde verfielen. Was nun gebohrne Pe - guaner waren / deren wurden ſo viel / als bey ſol - cher Gelegenheit geſchehen kan / gefangen ange - nommen: die Bramaner aber muſten ohne Unter - ſcheid dem Sebel herhalten; woruͤber die Araca - ner endlich ſo ermuͤdeten / daß ihnen die Fauſt am Sebel erſtarrete; weil ſolches Metzeln biß nach Mitternacht / zu Untergang des Monden / waͤhre - te / welcher durch ſeine Entfernung allen Unter - ſcheid zwiſchen Feinden und Freunden benahm /P pund594Der Aſiatiſchen Baniſe. und ihnen einen Stillſtand / biß zu anbrechendem Morgen-Liechte / aufferlegte.

So bald nun die Morgen-Roͤthe uͤber die fern - entlegene Berge ſpielete / ſo war weit und breit / auſſer den Fußſtapffen / nichts von dem Feinde zu erſehen / weil er den naͤchtlichen Schatten fleißig zu Huͤlffe genommen hatte: Worauff Ab - diara ohne einigen Widerſtand eingenommen und beſetzet wurde. Hier ließ nun Balacin die ermuͤdete Reuterey ausruhen / und erwartete mit Schmertzen den Nach-Zug der Fuß-Voͤlcker / welche ſich mit Beute-machen / und Auffhaſchung der Elephanten / etwas verſpaͤtet hatten. Denn Korangerim befahl ihnen / ſich der Elephanten zu bemaͤchtigen: Von denen ſie aber keinen einigen wuͤrden bekommen haben / wenn ihnen nicht ei - ner von denen Gefangenen darinnen waͤre behuͤlf - lich geweſen / und zwar dermaſſen / daß ſie uͤber fuͤnff hundert Stuͤck fiengen / welche Korangerim mitnahm / und den Koͤnig dahin beredete / daß er von dem an / iederzeit ſolche Thiere im Kriege ge - brauchete.

Nach dieſem herrlichen Siege / hielt Balacin nicht vor rathſam / dem geſchlagenen Feinde viel Zeit zu laſſen: ſondern hielt alſobald / nach 24. ſtuͤn - diger Ruhe / eine General-Muſterung / in wel - cher er zwey und funfftzig tauſend zu Roß / und hundert und fuͤnff und dreyßig tauſend zu Fuſſe vermiſſete: Daß alſo dieſer Sieges-Krantz viel blutige Dornen zeigete / ehe er ſich die Roſe dervoͤlli -595Drittes Buch. voͤlligen Uberwindung abbrechen ließ. Der Feinde wurden uͤber 200. u. 40000. auf der Wahlſtadt gezehlt / und bey 100. und 80000. verlohren in der Flucht ihr Leben / ohne die Gefangenen / deren ſich - ber 50000. Peguaner freywillig unterſtelleten / und das Aracaniſche Heer auff 200. und 63000. Mann verſtaͤrcketen. Weil ſolche Macht aber noch lange nicht zulaͤnglich waꝛ / eine ſolche Haupt - Belagerung / wie Pegu erfoderte / vorzunehmen: ſo wurde eilend zuruͤcke nach Aracan geſendet / um ſo wohl dieſe freudige Sieges-Poſt denen daſelbſt ſich befindenden Reichs-Raͤthen und Staͤnden zu hinterbringen / als auch noch hundert und funff - tzig tauſend benoͤthigte Mannſchafft abzufodern / welche ihren Zug eiligſt nach Pegu einrichten ſol - ten. Jndeſſen gienge Scandor mit ſeinen Frey - Reutern biß an das feindliche Lager vor Pegu / welches er in ſolche Verwirrung brachte / als ob die gantze Macht der Feinde vorhanden waͤre: in dem bereits ein ſolcher Schrecken ihre Gemuͤther beſeelet hatte / daß auch der bloſſe Nahme / Bala - cin / eine durchgehende Furcht erweckte. Als ſie aber endlich die Schwachheit des Scandors merckten / ſo hatte er hohe Zeit / wieder ſeinen Ab - tritt zu nehmen / weil ſie ihm ſonſt etwas uͤbels zu - gedacht hatten. Nachdem ſie ſich aber / ihn zu ver - folgen / nicht getrauten / kam er endlich mit ziemli - cher Beute davon.

So bald nun Scandor dieſes berichtete / daß der Feind vor der Stadt ein Feld-Lager geſchla -P p 2gen596Der Aſiatiſchen Baniſe. gen haͤtte: muſte alſobald Ragoa mit dreyßig tau - ſend zu Roß / und funffzig tauſend zu Fuſſe bey eiteler Nacht auffbrechen / und dem Feindlichen Lager zu ziehen / Balacin aber folgete mit dem Ge - ſchuͤtze / und der gantzen Macht hernach.

Ragoa ſahe bey auffgehender Sonnen das La - ger von fernen liegen / welches ſich von Pegu an / biß an einen groſſen Wald erſtreckte / dannenhero eꝛ ſich auf die lincke Hand nach dem Walde ſchlug / wodurch er gantz verdeckt / biß faſt an das Lager kam. So bald aber die Peguaniſchen Wachen / indem ſie ſeiner anſichtig worden / Lermen mach - ten: thaͤt auch Ragoa zu gleich den Angriff mit 20000. Mann. Weil nun der Feind vermeinte / es waͤre nur abermahls ſo eine verlohrne Partie / wie zuvor Scandor geweſen: So begunten ſie ſich an - fangs tapffer zu wehren / und wolten durchaus kei - nen Eintritt in ihr Lager verſtatten: in welcher Sicherheit und Meinung auch das meiſte Lager verblieb / und nur einige tauſend Mann zur Ge - genwehre ſtelleten. Nachdem ſich aber die uͤbrige Macht der Aracaner / ſo wohl Reuter als Fuß - Volck / aus dem Walde hervor begab / und ſich in dem weiten Felde weit ausdehnete / auch das Fuß-Volck zugleich das Lager beſtuͤrmte: Ent - ſtund ein Geſchrey / der Feind ſtuͤnde mit der gan - tzen Macht vorm Lager. Weil nun Furcht und Schrecken annoch alle Gemuͤther beherrſchte: ſo erhub ſich abermal ein allgemeines Fluͤchten nach der Stadt; und / indem niemand das Lager zu be -ſchuͤ -597Drittes Buch. ſchuͤtzen / bedacht war / ſo kam es die Aracaner leicht an / ſolches mit ſtuͤrmender Hand zu erobern / da ſich denn ein ſolches Metzeln und Wuͤrgen von neuen erhub / daß das gantze Lager mit Blute be - feuchtet wurde: indem uͤber hundert und zwantzig tauſend Mann die Stadt nicht erreichen konten: Alſo war die maͤchtige Armee von 700000 Mañ in wenig Tagen zerſchmoltzen.

Als nun gegen den Mittag Balacin mit der uͤbrigen Armee nachfolgete: ſahen erſt die Pegu - aner und Bramaner mit Schmertzen ihren Jrr - thum: Dahero ſie ſich theils vor Scham / theils vor Grimm nicht zu laſſen wuſten / und bald an - fangs mit ſtarcken Ausfaͤllen ſich zu raͤchen ſuch - ten. Hier fanden nun die Aracaner ein wohlbeſtell - tes Lager: Da ſie nicht allein zu deſſen Befeſti - gung keine Hand ferner anlegen / noch ſich um ei - nige Lebens-Mittel bekuͤmmern durfften; ſondern auch mit ſo reicher Beute verſehen wurden / daß es ſchien / als ob die Stadt ihren Uberfluß dem La - ger anvertrauet haͤtte. Balacin / als er ſahe / wie die goͤttliche Rache ſich wider den Chaumigrem zu ermuntern-ſchiene / faßte dahero einen tapffer - muͤthigen Entſchluß / der Aracaniſchen Huͤlffe unerwartet / eine wuͤrckliche Belagerung anzufan - gen. Dannenhero er das Lager gegen die Stadt gebuͤhrend erweitern / auch ſo fort Pegu von der Mitternacht-und Abend-Seite berennen ließ.

Es wird aber noͤthig ſeyn / die Stadt Pegu kuͤrtzlich zu entwerffen: Solche iſt nun in zweyP p 3Thei -598Der Aſiatiſchen Baniſe. Theile getheilet / deren das eine die Alte / das an - dere Theil die neue Stadt benennet wird. Die Alte ſtimmet den Gebaͤuden nach mit dem Nah - men uͤberein / welche ſehr alt / weitlaͤuffig und groß ſind / iedoch ohne einige ſonderliche Befeſtigung. Die neue aber / welche auch wegen des Kaͤyſerli - chen Sitzes die vornehmſte iſt / lieget an einem der allerluſtigen Orte / unter dem 16. Grad / und zwar gegen Mitternacht. Sie iſt in das Ge - vierdte gebauet / und mit einer ſehr ſtarcken Mau - er umfangen / durch welche vier Thore gehen / alſo / daß iedwede Seite gegen Oſten / Weſten / Suͤ - den und Norden ein Thor zeiget. Dieſe Mauer wird von einem ſehr breiten und tieffen Waſſer - Graben umgeben / welche durch die Crocodile ſo unſicher gemacht wird / daß dem Ufer niemahls zu trauen iſt: Jndem ſolche ungeheure Thiere ſich zu dreyßig Schuhen lang darinnen auffhalten / da faſt kein Tag vergehet / daß nicht einige Menſchen von ihnen gefreſſen werden. Dennoch werden ſolche Beſtien von dieſen thoͤrichten Leuten ſo hoch gehalten / daß ſie nicht im geringſten beleidiget / ſondern noch dazu verehret werden / weil ſie glau - ben / welcher Menſch von einem Crocodile erwuͤr - get wuͤrde / deſſen Seele fuͤhre von Mund auff gen Himmel. Es ſind dieſe Thiere ſo argliſtig / daß / wenn die Leute des Tages mit ihren Geſchirren kommen / Waſſer zu ſchoͤpffen / ſie ſich unter den Schilff verbergen / die Armſeligen alsdenn bey den Fuͤſſen oder Haͤnden erwiſchen / und ſie alſomit599Drittes Buch. mit ſich unter das Waſſer ſchleppen: da ſie ſolche Coͤrper in ihre Hoͤlen tragen / und nicht eher ver - zehren / biß ſie gantz verfaulet und vermodert ſind; Denen Elephanten aber / welche taͤglich in dieſem Waſſer baden / thun ſie nichts / weil ſie ſich vor ih - rer Groͤſſe entſetzen. Die Kaͤyſerliche Burg ſteher mitten in der Stadt / und iſt gleichſam eine ſonder - liche Feſtung / mit Graͤben und zwey Thoren von der Stadt abgeſondert: auſſer daß ein langer ſtei - nerner und gewoͤlbter Gang / biß an die Suͤden - Mauer der Stadt gehet / und ſich daſelbſt durch die ſo genannte Tyger-Pforte einen Ausgang machet.

Balacin bemuͤhete ſich indeſſen mit den vor - nehmſten Krieges-Haͤuptern fleißigſt / alles auffs genauſte zu erkundigen: wie ſtarck die Mauern / Thuͤrme und Thore waͤren? wie man die heim - lichen Ausfaͤlle entdecken / ſich davor verſichern; und wie man das Lager vor des Feindes Geſchuͤ - tze bedecken koͤnne? Ob die Graͤben moraſtig oder kießlich / und wie ſolche von dem Ungeziefer der Crocodile zu reinigen waͤren? Jngleichen / ob man die Schwaͤche oder Staͤrcke der Mauer zu erſt an - greiffen ſolle? Ob die Bruſtwehren von Stein / Erde oder Holtz / und was mehr dergleichen noͤ - thiges Bedencken in ſolchen Faͤllen erfodert wird: indem Balacin wohl wuſte: daß eine Feſtung zu erobern und einzunehmen / mehr auff der Gewalt und Geſchickligkeit / als auff dem Gluͤcke beruhe: ja / er hatte es bereit mehr als zu reifflich erwogen /P p 4und600Der Aſiatiſchen Baniſe. und ſich dieſe Rechnung beyzeiten gemacht: daß Pegu zu belaͤgern / und ſich deſſen zu bemaͤchtigen / ein ſolches Vorhaben ſey / daß ihm viel Muͤhe / Un - koſten und blutige Arbeit verurſachen wuͤrde: wel - che groſſe Beſchwerligkeiten er alle mit ſtandhaff - tem Entſchluß / wohlgefaßtem Rath / reiffem Ge - muͤthe und gnugſamer Staͤrcke uͤberwinden mu - ſte / wo er anders die Ehren-Palmen ſeines Sie - ges zu vollkommenem Wachsthum bringen / und ſich die ſchoͤne Baniſe / zur Belohnung ſeiner muͤh - ſamen Tapfferkeit zueignen wolte.

Jndem nun das gantze Lager im Begriff war / der Belagerung einen wuͤrcklichen Anfang zu ma - chen: Entſtund an der Mittags-Seite in der al - ten Stadt Pegu ein hefftiger Lermen / welcher auch ſo fort das gantze Lager in die Waffen brach - te: Jndem eine ſtarcke Armee zu Roß und Fuß der alten Stadt zuzog: Ohne / daß es Feind noch Freund wuſte / ob es Feind oder Freund waͤre? So bald aber dieſes unbekannte Krieges-Heer ſich der alten Stadt naͤherte: beſtuͤrmete es ſolche dermaſſen / daß man dieſelbe in einer Stunde mit Mord und Brand erfuͤllet ſahe. Folgenden Ta - ges befeſtigten dieſe fremde Sieger / zu iedermans Verwunderung die alte Stadt auff ſolche Art / daß man ihren Sinn / Pegu gleichfalls zu belaͤ - gern / leichte daraus abnehmen konte. Dem Koͤ - nige Balacin war nicht allerdings wohl zu Mu - the / indem er ſich gegen Pegu noch lange nicht ſtarck genung befand: Sonſt haͤtte er alt Peguwohl601Drittes Buch. wohl ſelbſt zuvor weggenommen: ſolte er nun et - wan einen gefaͤhrlichen Nachbar an die Seite bekommen / ſo hielt er ſich viel zu ſchwach / ſeine Macht zu theilen; Dannenhero er den Aracani - ſchen Huͤlffs-Voͤlckern Adlers-Fluͤgel anwuͤn - ſchete.

Wer nun dieſe unerſuchte Mitgehuͤlffen wa - ren / ſolches wurde dem beſorgten Balacin bald / durch einige Abgeordnete von ſelbigem Heer / ent - deckt. Dieſe legeten folgende Werbung ab: Es lieſſe nemlich Printz Zarang von Tangu ſich er - kundigen: Aus welcher Macht / oder aus was Urſachen ſich Balacin unterfangen haͤtte / den Kaͤyſer von Pegu zu bekriegen? da er doch wohl wuͤſte / wie er ſich zuvor haͤtte bemuͤhen ſollen / ihn / als einen alten Feind / zu daͤmpffen / und alsdenn unverhindert das Verlangte zu ſuchen. Nun wuͤſte er ſich zwar wohl zu entſinnen / welcher ge - ſtalt ſich Balacin / bey dem bluͤhenden Wohlſtan - de des Xemindiſchen Hauſes / einige vergebene Gedancken / wegen der Princeßin Baniſe / ma - chen duͤrffen: welche / daß ſie moͤchten erloſchen ſeyn / und er ſich nicht etwan ihrentwegen mit ei - ner ſolchen Macht vor Pegu bemuͤhet habe / er gaͤntzlich verhoffete: indem erwehnte Princeßin der eintzige Magnet waͤre / welcher das Eiſen ſei - ner Waffen vor dieſe Stadt gezogen haͤtte / des feſten Vorſatzes / entweder zu ſterben / oder ſie zu erwerben. Solte aber ja / uͤber Verhoffen / dieſe das unrechte Abſehen der Aracaniſchen WaffenP p 5ſeyn:602Der Aſiatiſchen Baniſe. ſeyn: ſo waͤre er zwar maͤchtig genug / ſie mit Ge - walt von ſolchem Vorhaben abzuhalten; und zu lehren / wie die Liebe keine Neben-Buhler leide; weil aber hieraus dem Feinde ein groſſer Vorthel erwachſen duͤrffte: ſo wuͤrde ein Zwey-Kampff dieſe Sache am beſten entſcheiden. Dannenhero fodere er Balacinen / zwiſchen beyde Armeen in voller Ruͤſtung / auff Leib und Leben aus / da denn der Fall des Uberwundenen dem andern den Sieg und die Princeßin uͤberlaſſen und zu erken - nen ſolte.

Balacin nahm ſolches auff eine Stunde Be - denck-Zeit an / und weil er nicht vor rathſam hielt / weder dieſen verzweiffelten Vorſchlag einzugehn / noch ihn durch harte Antwort / bey ſo ſchwachem Zuſtande der Armee / Anlaß zu einigem gefaͤhrli - chen Unternehmen zu geben / als ließ er ihm wieder zu entbieten: Daß es / vors erſte / denen Waffen an ihren Ruhme ziemlich nachtheilig waͤre / ſo man ſolche bloß um eines Frauenzimmers willen wider den Feind gebrauchte: Dahero lieſſe er den Printz von Tangu verſichern / daß ihn auſſer die - ſem noch viel hoͤhere Urſachen hieher getrieben haͤt - ten / welche ihm zu entdecken / er vor bedencklich hielte. Was die Ausforderung anlangete / ſo wuͤr - de er keine Urſache an ſeiner Tapfferkeit zu zweif - feln / ſondern wohl erfahren haben / wie er deſſen Abgeordneten in Pegu / mit eigener Hand des Zwey-Kampffes gewuͤrdiget / und ihm begegnet haͤtte. Vorietzo aber waͤre er in dem Zuſtande / daer603Drittes Buch. er nicht anders / denn ſich mit etliche hundert tau - ſend Mann im Felde herum zu ſchlagen / gewoh - net waͤre. Wegen der Princeßin / ſo koͤnte er nicht laͤugnen / wenn er die Stadt eroberte / daß er ſich dieſelbe Beute / vermoͤge der Kriegs-Raͤiſon / zu - eignen wuͤrde. Wuͤrden aber die Goͤtter dem Printzen von Tangu hierinnen den Vorzug goͤn - nen / ſo moͤchte er ſich gleichfalls ihrer anmaſſen.

Ob nun zwar dieſe tapffermuͤthige Antwort dem Zarang nicht allerdings anſtaͤndig war / ſo ließ er ſich doch den falſchen Vorſchlag belieben / daß der jenige / welcher die Stadt zu erſt eroberte / auch die Princeßin unter die Beute zehlen ſolte.

Hier wollen wir dieſe zwey Loͤwen den Tyger beſtreiten laſſen / und uns nach dem Printzen Nhe - randi umſehen / wo dieſer in ſolcher Unruhe geblie - ben ſey? Erwehnter Printz war in waͤhrendem Heraus-Zuge nach Pegu / voͤllig geſund worden / dahero ihm denn ſeine Gefangenſchafft deſto be - ſchwerlicher fiel / und / nachdem er von der Prin - ceßin / ſeiner Schweſter / und dem treuen Huͤter Abaxar / abgeſondert war / welche nach Pegu in die Burg zur Verwahrung geſchicket worden: ſo war ihm dieſes eine unertraͤgliche Seelen-Pein / alſo gleichſam / durch die Augen der Waͤchter ge - bunden / den Feinden ſeines Reiches zu folgen. Dannenhero er ſich aͤuſſerſt bemuͤhte / einen und andern / dem ſeine Obſicht anvertrauet war / auff ſeine Seite zu bringen: Welches ihm endlich / weil zumal bey ſolcher Kriegs-Verwirrung nichtſon -604Der Aſiatiſchen Baniſe. ſonderliche Achtung mehr auff ihn gegeben wur - de / auch gelunge / daß er durch vieles Verſprechen vier Bramaner bewegte / mit ihm durch / und nach Siam zu gehen. Sie verwandelten demnach ihre Kleider / und verlieſſen noch auff den Martabani - ſchen Graͤntzen gegen Pegu das Bramaniſche La - ger. Weil nun / wie vor erwehnet / Martaban be - reits durch den Aracaniſchen Feld-Herrn meiſtens erobert und beſetzet war: als funde der Printz bald ſeine Sicherheit / indem er ſich dem Chatigan zu erkennen gab / und von demſelben freudigſt an-und auffgenommen worde. Von hieraus ſendete er alſobald geheime Boden nach Odia / und andern Siammiſchen Orten / denen er ſeine Freyheit hinterbringen / und ſie ihrer Pflicht und Treue er - innern ließ. Wo ſie nun das Bramaniſche Joch vom Halſe werffen / und ihn / als rechtmaͤßigen Erben / vor ihren Koͤnig erkennen und annehmen wolten: ſo wolte er in kurtzer Zeit mit dreyßig tau - ſend Mann erſcheinen / und den vaͤterlichen Erb - Sitz mit Gewalt / durch ihre Huͤlffe behaupten. Denen Siammern war dieſes ein angenehmer Thon in ihren Ohren / deswegen ſie ihrem Prin - tzen tauſend freudige Willkommungen entgegen ſchickten / und um Beſchleunigung der verſpro - chenen Gegenwart beweglichſt anhielten. Ja ihre Freude kunten ſie ſo wenig bergen / daß es bald die von dem Chaumigrem hinterlaſſene Beſatzungen merckten / und ſich dahero nichts gutes traͤumen lieſſen / weil duͤrch das gantze Reich nur hunderttau -605Drittes Buch. tauſend Mann vertheilet waren / welche wider die - ſe Flut der erbitterten Siammer ein viel zu ſchwa - cher Damm waren. Nherandi ſaͤumete hierauff nicht / ſondern gieng mit zwantzig tauſend Araca - nern / welche ihm Chatigan untergab / auf Siam zu: ſo bald er aber nur die Graͤntzen erreichet hat - te / erregete ſich ein ſolcher Zu - und Auff-Lauff / daß er ſich in wenig Tagen mit zweymahl hun - dert tauſend Mann umgeben ſahe. Mit dieſer Macht ruͤckte er vor alle Staͤdte des Reichs Si - am / die er auch alle eroͤffnet / und vom Feinde ent - lediget fand / weil die Beſatzungen entwichen / und ſich gar verlauffen hatten.

Das einige Odia wolte ſich ſperren / indem Chaumigrem fuͤnf und dreyßig tauſend Brama - ner hinein gelegethatte / weil er den Peguanern nicht allerdings trauen durffte. Nachdem aber Nherandi ihnen hefftig drohen ließ / die Buͤrger - ſchafft ſich auch zu einem allgemeinen Aufflauff / wider die fremde Beſatzung / ruͤſtete: als nahmen ſie einen Accoꝛd willig an / wodurch ſie ſich bey dem heiligen Feuer verpflichten muſten / in Jahr und Tag ihrem Herrn wider keinen Feind zu dienen / ſondern ſich geraden Fuſſes nach ihrem Vater - lande / und darinnen zur Ruhe zu begeben. Wor - auff dieſe Beſatzung aus / und Nherandi mit un - beſchreiblichem Jauchzen und Frohlocken des Volckes einzog: Da er ſich den alſobald kroͤnen ließ / nachdem er innerhalb zehen Tagen das gan - tze Reich / faſt ohne Schwerdtſchlag / wiederumer -606Der Aſiatiſchen Baniſe. erobert hatte. Nachdem nun auch die gewiſſe Zeitung von dem angefangenen Kriege zwiſchen Pegu und Aracan einlieff: ſo ruͤſtete ſich Koͤnig Nherandi in Eil / denen Aracanern mit einer flie - genden Armee von hundert und funffzig tauſend Mann zu Huͤlffe zu gehen / und ſich hierdurch an dem Chaumigrem zu raͤchen. Zu welchem Ende eilends etliche tauſend Wagen angeſchaffet wur - den / alles / was zu einem fliegenden Lager noͤthig waͤre / zu verfuͤhren. Er nahm nicht mehr denn dreyßig Stuͤcke Geſchuͤtze mit ſich / und das Koͤ - nigliche Ruͤſt-Hauß in Odia / welches der Brand noch verſchonet hatte / muſte eine groſſe Menge Roͤhre / Schilde / Pfeile / Bogen und Sebel her - vor geben. An Pulver mangelte es auch nicht; weil hier zu Lande der Salpeter ſehr wohlfeil iſt / alſo / daß die Siammer kein Kriegs-Zeug von ent - legenen Orten herbey zu ſchaffen noͤthig haben / ſondern andern noch wol aushelffen koͤñen. Hier - bey haben ſie Maͤnnliche und tapffere Hertzen / ſind nicht tollkuͤhn / ſondeꝛn ſehr argliſtig auf Par - theyen / dabey zwar etwas langſam / doch vorſich - tig in Feldzuͤgen und Schlachten.

Jndem nun alſo halb Aſien in erſchrecklichen Kriegs-Flam̃en ſtunde / welche der gottloſe Chau - nigrem mit ſeiner verdam̃ten Regierſucht ange - zuͤndet hatte / hielte es die junge Koͤnigin von Ava vor ein Zeichen groſſer Undanckbarkeit / wenn ſie nicht bey ſolcher Gelegenheit ihr erkaͤntliches Ge - muͤthe / gegen ihren wertheſten Bruder Balacin /wuͤrck -607Drittes Buch. wuͤrcklich erzeigete: Dannenhero ſie ſich gleich - fals mit einem leichten Heer von dreyßig tauſend zu Roſſe / und ſiebentzig tauſend zu Fuſſe gefaſt machte / das Lager vor Pegu zu verſtaͤrcken. Weil nun die Entlegenheit ihr zu eilen gebot / als ſaͤumete ſie ſich nicht / in eigener Perſon auffzu - brechen / und den geraden Zug Suͤd-werts nach Pegu zu nehmen. Welche wir auff dem Wege verlaſſen / und ſie bald in Ketten und Banden wie - der finden wollen: nachdem wir zuvor die Pe - guaniſchen Mauren uͤberſprungen / und den ver - liebten Zuſtand des Chaumigrems und Rolims betrachtet haben.

Es begunte Chaumigrem allgemach gegen die Princeßin zu erkalten / weil ihn theils der Ro - lim von dero Anſchauen beweglichſt und argliſtig abgehalten / daß alſo die Zeit ihr Bildniß aus ſei - nem Hertzen ziemlich vertilget hatte: theils weil der ſchmertzliche Verluſt der Schlacht ſein Ge - muͤthe dermaſſen eingenommen hatte / daß die Lie - be vor Verdruß faſt keinen Platz mehr darinnen finden kunte. Wie aber der ungerechte Neid das jenige / was er nicht haben kan / auch andern nicht goͤnnen will: alſo war er eyffrichſt dahin bemuͤhet / ſie um das Leben zu bringen; welches aber der Rolim iederzeit kraͤfftigſt hintertrieb / in der Hoffnung lebende / es werde endlich die Prin - ceßin ſeine Treue erkennen / und ſolche mit wuͤrck - licher Liebes-Genieſſung belohnen. Jn welcher Meinung er ſich abermals zu der Princeßin ver -fuͤg -608Der Aſiatiſchen Baniſe. fuͤgte / und ſein abermahliges Anſuchen etwas ſchaͤffer wiederholte.

Princeßin / ſagte er / es iſt nun nicht mehr Zeit / ſich mit eingebildeter Keuſchheit / und vermeinter Tugend zu beſchirmen / ſondern ſie muß einmahl die Augen eroͤffnen / und denjenigen / welcher ihre Schande und Tod verhindert / mit verliebten Bli - cken betrachten. Der Kaͤyſer hat ſeine Liebe in toͤdlichen Haß verwandelt / und ſo mein Abſehen nicht im Wege ſtuͤnde / ſo haͤtte er ſie laͤngſt in tau - ſend Stuͤcke zerfleiſchen laſſen. Will ſie nun einem ſchmaͤhlichen Tode entgehen / ſo beqveme ſie ſich meinem verliebeten Willen / und wiſſe / daß das gruͤne Holtz von dem duͤrren leichter koͤn - ne entzuͤndet werden / als von ſeines gleichen. Sie befoͤrdere ihre Wohlfarth / rette ihr Leben / und ſtille mein Verlangen! Weil er nun dieſes mit ſehr frechen und nachdencklichen Geberden vorbrachte / ſo wurde die Princeßin / durch inner - lichen Tugend-Eyffer dergeſtalt zu hefftigem Zor - ne bewegt / daß ſie ſolches unverſchaͤmte Anſin - nen mit dieſen harten Worten beantwortete: Schaͤme dich ins Hertz / du alter ſtinckender Geil - heits-Bock! Sollen die Goͤtter durch deine un - zuͤchtige Scheinheiligkeit dermaſſen beleidiget werden? O ſo ſchlage doch der Blitz deinen grau - en Schedel entzwey! Jſt dieſes wohl iemals von einem ſolchen alten Bufieß / geſchweige einem ge - weiheten Ober-Prieſter der Gottheit / erhoͤret wor - den? darumb ſchweige / und beunruhige michnicht609Drittes Buch. nicht ferner! Denn du und der Kaͤyſer ſolt wiſſen / daß ich eher mein Eingeweide um einen gluͤenden Pfahl will winden / ja mich lebendig in einen A - meiß-Hauffen verſcharren laſſen / ehe ich das ge - ringſte / was Zucht und Tugend beleidiget / eurem vermaledeyten Willen einraͤumen will. Solte ja aber der Kaͤyſer mit Gewalt meinen Willen zu brechen ſuchen / ſo ſoll dieſes Meſſer meine Seele von aller Schande befreyen / und meinen todten Coͤrper eurer Tyranney hinterlaſſen. O unbeſon - nenes Weibes-Bild! antwortete der Rolim mit verzweiffelten Geberden / ſo biſt du denn / du ſchwa - ches Weſen / dermaſſen verblendet / daß du auch deine Ohnmacht nicht erkennen kanſt. Mißbrau - che derowegen meiner Gedult nicht ferner / oder ich will dir zeigen / was vor eine begeiſterte Krafft in meinen Armen nnd Lenden ſtecke. Woruͤber ſich die Princeßin dermaſſen ereyfferte / daß ihr die Thraͤnen aus den Augen drungen / und ihn mit dieſen Worten bedrohete: Entferne dich / du un - zuͤchtiger Hund! oder dieſes Meſſer ſoll dich leh - ren / wie du einer Kaͤyſerlichen Princeßin begeg - nen ſolſt. Verzweiffelte That! hub der Rolim an / darff ſich wohl ein ſterblicher Menſch unter - ſtehen / auff einen geheiligten Ober-Prieſter das Meſſer zu zuͤcken? Dieſe Frevelthat muß mit der Ehre bezahlet werden. Worauff er ſie gantz ver - wegen anfiel / ihre beyde Armen begriff / und ſeine alten Kraͤffte dermaſſen gebrauchte / daß ſie ſeiner Staͤrcke weichen / und zur Erden fallen muſte. Q qOb610Der Aſiatiſchen Baniſe. Ob ſie nun zwar in ſolchen Aengſten beweglich um Huͤlffe ruffete / ſo war doch der Ort von allen Menſchen Ohren dermaſſen entfernet / daß ſie oh - ne eigene Huͤlffe ungezweiffelt den ſchmertzlichen Verluſt ihrer Ehren wuͤrde haben erdulden muͤſ - ſen. Als er aber zu Vollziehung ſeines verdamm - ten Willens / nothwendig die eine Hand befreyen muſte / bekam ſie Gelegenheit / das Meſſer in die befreyte Fauſt zu nehmen / welches der Rolim vor raſende Brunſt nicht merckte. Mit dieſem fuhr ſie ihm unter der rechten Bruſt hinein / daß die Spitze im Hertzen ſtecken blieb / und er faſt im Au - genblick mit dem Blute die ſchwartze Seele von ſich ſtieß.

Hier ſahe nun zwar die Princeßin ihre Ehre gerettet / der Leib aber ſolte dieſes buͤſſen. Denn als kurtz nach verbrachter Ehren-Rettung / die zu - gegebenen Frauen in das Zimmer traten / und den Rolim in ſeinem Blute / die Princeßin auch da - mit gantz beſpritzet ſtehen ſahen / fiengen ſie ein entſetzliches Zeter-Geſchrey an / und lieffen in der Stadt als unſinnig herum / den Mord ihres groſ - ſen Rolims allen zu verkuͤndigen. Worauff al - lenthalben ein ſolch Getuͤmmel entſtunde / als ob der Feind bereits die Mauren uͤberſtiegen haͤtte. Es verſammleten ſich alſobald viel tauſend Men - ſchen um den Tempel herum / alſo / daß die von Chaumigrem dahin geſchickte Reichs-Raͤthe / die Sache zu unterſuchen / kaum durchzudringen vermochten.

Als611Drittes Buch.

Als nun dieſe den blutigen Coͤrper des Rolims erblickten / und zugleich die Princeßin / mit uner - ſchrockenem und ernſthafften Angeſichte / auff ei - nem Stule ſitzen ſahen / hub der erſte alſobald an zu reden: Welches Unmenſch hat ſich unterſtehen duͤrffen / dieſes heilige Blut zu vergieſſen? Keine Menſchliche / vielweniger eine Weiber-Hand / hat dieſe Greuel-That verrichten koͤnnen. Ge - wiß / ein hundertfacher Todt wird viel zu wenig ſeyn / dieſes grauſame Verbrechen nur im wenig - ſten zu buͤſſen. Ein tauſendfacher Tod / fiel ihm hier die Princeßin in die Rede / ſoll mir ertraͤgli - cher ſeyn / als der geringſte Verluſt meiner Eh - ren. Forſchet nur nicht lange nach dem Thaͤter: denn hier iſt die Fauſt / und das Meſſer / mit wel - chem kein heiliger Prieſter / ſondern ein Ehren - Schaͤnder / und alter Boͤſewicht nach Verdienſt iſt abgeftraffet worden. Denn ihr ſolt wiſſen / daß auch der Kaͤyſer / ſo er ſich ſolcher Gewaltthat / wie dieſer alte abgeſtochene Bock / unterfangen haͤtte / nichts anders / als Tod und Stich von mir ſolte zu gewarten haben. O hoͤchſte Verzweiffe - lung! war des andern Rede / O abſcheuliche Ver - blendung! die dir keine guten Goͤtter koͤnnen bey - gebracht haben / daß eine ſo heilige Liebe ſolte des Todes wuͤrdig ſeyn. Doch wirſt du deine Thor - heit bald mit Blut beweinen muͤſſen. Worauff der Coͤrper des Rolims auffgehaben / und in die Vor-Halle des Tempels geſetzet; die Princeßin aber dermaſſen mit Ketten beſchwehret wurde /Q q 2daß612Der Aſiatiſchen Baniſe. daß ſie unter ſolcher Laſt kaum fortzuſchreiten ver - mochte / und in ein beſonder Gefaͤngniß gefuͤhret.

Jn was vor Wuͤrden nun die Perſon des Ro - lims bey den Peguanern muͤſſe geweſen ſeyn / ſol - ches iſt leicht aus den praͤchtigen Umſtaͤnden der Verbrennung und Wahl eines neuen Rolims zu ermeſſen. Chaumigrem machte ſelbſt in Perſon alle Anſtalt zu folgendem Leich-Begaͤngniß / und die vom Blute geſauberte Leiche wurde auff eine erhabene Buͤhne geleget / welche mitten auff dem Marckte darzu auffgerichtet / mit Flor bekleidet / und mit drey Himmeln von gebluͤmten Atlaß be - decket war. Jn der Mitten ſahe man einen Thron / zu dem man auff zwoͤlff Staffeln ſteigen muſte / welcher / wie ein Grab zugerichtet / und mit vielen Gold und Edelgeſteinen bezieret war. Auſ - ſen herum ſtunden viel ſilberne Leuchter und Feu - er-Pfannen / darinnen man allerley Raͤuchwerck brannte / weil der Leichnam wegen groſſer Hitze / bereit zu riechen begunte. Solcher wurde die gantze Nacht von ſechstauſend Pfaffen / als Bi - cos / Grepos / Menigrepos / Taligrepos und Gvi - mons bewacht / welche ein unausſprechlichs Weh - klagen verfuͤhreten.

Zwo Stunden nach Mitternacht kam aus der Kirchen Qviay Figrau / das iſt / des Gottes der Sonnen-Staͤublein / ein Reihen / von mehr denn fuͤnff hundert nacketen Kindern / welche an dem Halſe / und mitten um den Leib / mit Stricken und Ketten gebunden waren. Auff ihren Haͤu -ptern613Drittes Buch. ptern trug iedes ein Buͤndlein Holtz / und in der Hand ein Meſſer / ſungen auch zugleich in zwey - en Choren einen ſo traurigen Thon / daß ſich die Zuhoͤrer des Weinens nicht wohl enthalten kun - ten. Unterdeſſen ſprach einer von den beyden Cho - ren: Du / der du die Guͤter des Himmels beſitzeſt / laß uns nicht als Gefangene in dieſer Pilgram - ſchafft! Darauff ihm der andere Chor antwor - tete: Auff das wir uns mit dir in den Guͤtern des HErrn erfreuen! Darnach fielen ſie alle vor dem Geruͤſte / auff welchem die Leiche ſtund / nieder / und ein Grepos / der uͤber hundert Jahr alt war / kniete zugleich / hub ſeine Haͤnde gen Himmel / und that im Nahmen dieſer Kinder einen Vor - trag; Darauff ihm ein ander Grepos / im Nah - men des Verſtorbenen / alſo antwortete: Die - weil es GOtt beliebet / mich durch ſeinen heiligen Willen aus der Erden zu erſchaffen: ſo hat es ihm auch gefallen / mich wieder zu Erde werden zu laſ - ſen. Jch befehle euch / meine Kinder! daß ihr dieje - nige Stunde fuͤrchtet / in welcher uns die Hand des HErrn in die Waag-Schale ſeiner Gerech - tigkeit ſtellet. Worauff alle andere mit groſſem Geſchrey antworteten: Der hoͤchſte HErr / der in der Sonnen herrſchet / wolle nicht anſehen unſe - re Wercke / auff daß wir von der Straffe des To - des erloͤſet werden.

Nachdem nun dieſe kleine Kinder abgezogen waren / kamen andere von zehen biß zwoͤlff Jah - ren / mit langen Roͤcken von weiſſen Atlaß ange -Q q 3than /614Der Aſiatiſchen Baniſe. than / welche mit guͤldenen Ketten an den Fuͤſſen / und vielen koͤſtlichen Kleinodien um den Halß be - leget waren. Dieſe / da ſie dem Entſeelten groſſe Ehrerbietung erwieſen hatten / giengen ſie rings um das Grab herum / und fochten mit bolſſen Se - beln: Gleichſam als ob ſie die Teuffel vertreiben wolten; wobey ſie zugleich uͤberlaut ſprachen: Weichet ihr Verfluchten in den Abgrund des Rauch-Hauſes / allda ihr zu einer ewigen Straf - fe / ohne Auffhoͤren ſterben / und doch nimmermehr erſterben werdet koͤnnen / damit ihr das ſtrenge Gerichte des hohen HErrns bezahlen muͤſſet. Darauff giengen ſie ab / nachdem ſie mit einem ſtarcken Geheule ſo viel zu verſtehen gegeben hat - ten / wie daß nunmehro die Leiche von der Teuffel Gewalt / die vorhin von ihnen belagert geweſen / allerdings erloͤſet und befreyt waͤre.

Alsdenn folgten ſechs und zwantzig von den vornehmſten Taligrepos / ſo alle uͤber achtzig Jahr alt / und in viol-braunen Damask gekleidet wa - ren / denen zwoͤlff Thuͤrhuͤter mit ſilbernen Kolben vortraten. Da nun dieſe das Grab zum vierdten mahl mit groſſer Ehrerbietung beraͤuchert hatten / fielen ſie alle auff ihre Angeſichter zur Erden nie - der / und redete einer von ihnen den entleibten Ro - lim alſo an: Wofern die Wolcken des Him - mels unſer Betruͤbniß den Thieren des Landes ſa - gen koͤnten / ſo wuͤrden dieſe gewißlich ihre Weide verlaſſen / und uns ſo wohl deinen gewaltſamen Tod / als auch unſere aͤuſerſte Wehmuth bewei -nen615Drittes Buch. nen helffen. Oder ſie wuͤrden dich O HErr / bit - ten / daß wir mit dir in dieſes traurige Hauß ein - gehen moͤchten / da wir dich nun alle ſehen / und doch von dir nicht geſehen werden: dieweil wir nemlich einer ſo groſſen Gnade nicht wuͤrdig ſind. Damit aber das Volck in dir getroͤſtet werden moͤge / ehe denn das Grab deinen Leichnam vor uns verbirget: ſo zeige uns zuvor die ruhige Freu - digkeit / und die annehmliche Vergnuͤgung deiner Ruhe / damit ſie alle aus dem ſchweren Schlaffe / darein ſie die Finſterniſſen des Fleiſches verwi - ckeln / auffgewecket werden / und wir elende Men - ſchen eine Anreitzung bekommen / dir nachzufol - gen / und dich in unſerm letzten Athem des Lebens in dem froͤlichen Hauſe der Sonnen zu ſehen. Hierauff antwortete alles Volck mit groſſem Schreyen: Der HErr beweiſe uns dieſe Gnade!

Folgends machten die zwoͤlff Trabanten mit ihren Kolben einen Weg durch das draͤngende Volck: Worauff man aus einem Hauſe / zur rechten Seiten des Leichen-Geruͤſtes / vier und zwantzig koͤſtlich-gekleidete Juͤnglinge hervor kom - men ſahe / die gleichfalls viel Gold und Edelgeſtei - ne um den Halß trugen: welche / als ſie in zwey Reihen vor dem Grabe nieder gekniet waren / ſehr lieblich muſicirten / und ſungen ihrer zween drein / denen ſtets fuͤnff andere antworteten: Welches denn alle Umſtehende zu haͤuffigen Thraͤnen be - wog / ſo gar / daß etliche von den Vornehmſten ſich groſſe Gewalt anthaten / und mit den KoͤpffenQ q 4wi -616Der Aſiatiſchen Baniſe. wider die Staffeln des Geruͤſts lieffen. Was noch erſchrecklicher war / ſo opfferten ſich ſechs junge Grepos von Adel ſelbſt auff / und ſoffen aus einem guͤldnen Geſchirr / das auff der Taffel ſtund / einen ſonderbahren gelben Safft / welches ein ſo ſtarcker Gifft war / daß ſie von Stund an todt zur Erden nieder fielen. Durch dieſe That wurden dieſe Teuffels-Maͤrtyrer unter die Heiligen gezehlet / und wegen ſolcher Gluͤckſeligkeit noch ſehr genei - det. Jhre Leiber aber nahm man alſobald / und verbrannte ſie in einem von koͤſtlichem Holtze an - gelegten Feuer.

Des andern Morgens entbloͤfte man den Trauer-Thron / und wurden die koͤſtlichen Stuͤ - cke von demſelben abgenommen: die Himmel a - ber / ſamt den Tapezereyen und Faͤhnlein blieben dabey: Und alsdenn ſteckten ſie mit lautem Schreyen / vielen Seufftzen / und klingendem Seitenſpiele das Feuer im Trauer-Gezelte an / beſprengten es auch zum oͤfftern mit wohlriechen - den Feuchtigkeiten / biß ſich das verbrandte Fleiſch in Aſche verwandelte. Alſo wurde der todte Ro - lim durch Feuer verzehret / und welcher in der Brunſt geſtorben / der muſte in der Glut ſein Be - graͤbniß finden. Der Kaͤyſer / und alle Groſ - ſen vom Hofe / wurffen unterdeſſen viel guͤldene Stuͤcke und koͤſtliche Kleinodien ins Feuer / wel - che ſammt den Leichnam und Gebeinen ver - brandten.

Folgenden Tages fruͤh / da die Aſche zu kuͤhlenbe -617Drittes Buch. begunte / kam Chaumigrem / ſamt allen Groſſen wieder an den Ort der verbrennten Leiche / in ei - ner Ordnung mit allen Grepos einher gegangen / unter denen hundert und dreyßig mit ſilbernen Rauchfaͤſſern / und vierzehen mit guͤldenen Bi - ſchoffshuͤten verſehen waren. Sie hatten lan - ge Kleider von gelber Seide an: die andern aber / ſiebenzehn tauſend an der Zahl / (woraus die Groͤſ - ſe der Stadt zu ermeſſen /) waren mit gelben Dafft / und Leinwandnen Ober-Roͤcken beklei - det. Da ſie nun alle an erſtbeſagter Brandſtelle gekommen / ſtieg ein alter Talegrepos auff einen erhabenen Stuhl / und hielt eine weitlaͤufftige Re - de an das Volck / deren Anfang in einer Lob-Re - de des Verſtorbenen beſtund / darinnen ſein Le - ben gewaltig heraus geſtrichen ward: Umb de - nen Europaͤern nichts nachzugeben / noch ihnen den Ruhm allein zu laſſen / daß nur ſie ihre Todten im Tode zu erheben / und mit verſchonter War - heit mehr im Grabe zu verſprechen wiſſen / als das Leben gewaͤhret hat. Hernach kam er von den Kaͤyſern zu reden / darunter er die guten ruͤhm - te / die boͤſen aber greulich laͤſterte. Wobey er de - nen Unterthanen dermaſſen das Wort redete / daß Chaumigrem bey der Aſche des Rolims ſchwur / ſo fern ihn die Goͤtter dißmal aus ſeiner Feinde Hand erretteten / ſo wolte er mit ſolcher Guͤte re - gieren / daß gantz Pegu ihm ein ewiges Leben wuͤnſchen ſolte.

Hierauff ſammlete man die Aſche zuſammen /Q q 5und618Der Aſtatiſchen Baniſe. und theilte ſie / als ein groſſes Heiligthum / in vier - zehen guͤldene Becken / davon Chaumigrem ſelbſt eines auff ſein Haupt ſetzte / die uͤbrigen trugen die vornehmſten Grepos. Die Aſche wurde in angefangener Ordnung unweit von dannen in die ſchoͤne Kirche Qviay Doco / oder zum Gott der Betruͤbten auf Erden / in ein Grab / das nechſt bey der Erden gemacht war / gebracht / und allda beygeſetzet. Solches Grab wurde nachmals mit zwey ſilbernen und einen kuͤpffernen Gegitter eingefaſſet / und hieng man an drey eiſerne Stan - gen / ſo qver uͤber die Kirche giengen / zwey und viertzig ſilberne Lampen / eine jede von zehen biß zwoͤlff Liechtern / an ſilbernen Ketten auff. Die Staffeln aber / welche in das Grab giengen / wur - den mit ſechs und dreyßig Kaͤſtlein voll Rauch - wercks / von Aloe-Holtz / Benjoin / und Ambra beſetzt. Mit dieſer Beyfetzung wurde der gantze Tag zugebracht / und ließ man gegen den Abend viel Vogel / welche man mehr als in drey tauſend Kefichten dahin gebracht hatte / loß: ſintemal die Peguaner davor halten / es waͤren ſo viel Seelen der Verſtorbenen / welche in die Leiber dieſer Vogel gefahren / und biß daher darinnen auffbehalten worden. Dieſe ſolten nun / nach - dem ſie frey gelaſſen / des Rolims Seele in jenem Leben bedienen / und ihr Geſellſchafft leiſten. Uber diß theilte man viel Allmoſen unter die Armen aus / biß indeſſen die Nacht herbey kam / da ſich denn Chaumigrem wieder| in die Burg verfuͤgte /das619Drittes Buch. das Volck aber ſich nach und nach verlohr / und alſo dieſer traurigen Handlung ein Ende gemacht wurde.

Tages darauff ließ der Kaͤyſer allen Prieſtern anbefehlen / die Wahl eines neuen Rolims in ihr Gebet zu ſchlieſſen / zu welcher er neuntzig Gre - pos erwehlte. Als aber dieſe uͤber ſolcher Wahl nicht einig werden kunten / verminderte er ſolche Zahl biß auff neune / welche inner vier und zwan - tzig Stunden einen achtzig jaͤhrigen Mann / Na - mens Mouchan / aus der Stadt Digum / mit ein - helliger Stimme zum Rolim ernenneten. Chau - migrem ſchiene uͤber dieſer Wahl hoͤchſt erfreuet zu ſeyn / dahero er denn ſo bald ſeinen Stieff-Bru - der nebſt dem groͤſten Adel nach ſeiner Behauſung ſchickte / und ihn abholen ließ / welchen er vor dem Tempel des Gottes der tauſend Goͤtter entgegen kam / ſich vor ihm neigte / und dreymahl die Erde kuͤſſete: Der neue Rolim aber hub ihn von der Erden auff / und ruͤhrte mit der Hand des Kaͤy - ſers Haupt an / welches er ſich vor die groͤſte Ehre achtete / indem er ihm zugleich / als er kniete / drey - mal auf das Haupt bließ / da denn alles Volck zur Erden fiel. Darauff ſetzte man den neuen Ro - lim auff einen guͤldenen / und mit koſtbaren Per - len beſetzten Stuhl / und trug ihn nach dem Tem - pel zu. Rings um ihn her giengen zwoͤlff Kinder in gelben Atlaß gekleidet / mit Huͤten von gebluͤm - ten Zeuge / und fuͤhreten guͤldene Zepter in ihren Haͤnden. Vor und hinter ihm folgten alle an -we -620Der Aſtatiſchen Baniſe. weſende Herren des Reichs / unter dem Klange vieler Seiten-Spiele / der Kaͤyſer ſchaͤtzte es ſich vor eine Ehre / daß er zu Fuſſe neben ihm herge - hen durffte.

Als er nun an den Tempel gelanget war / durfte er vor groſſer Heiligkeit die Erde nicht mit den Fuͤſſen beruͤhren / ſondern Chaumigrem trug ihn ſelbſt auff ſeinem Ruͤcken biß in den Tempel / allda ein herrliches Gezelt von gelben Atlas aufge - richtet war. Nachdem er ſich nun daſelbſt auff einem kleinen guͤldenen Bette nieder gelaſſen / ſtel - lete er ſich / als ob er todt waͤre: Da denn alle Gre - pos / nachdem ein Gloͤcklein zum dritten mal ge - klungen / vor ſich zur Erden niederfielen / und alſo bey einer halben Stunde liegen blieben: Die Umſtehenden aber hielten zum Zeugniß ihrer Traurigkeit die Haͤnde vor die Augen / und ſpra - chen uͤberlaut: HErr / ruffe dieſen deinen Die - ner wiederum zu einem neuen Leben / damit wir einen haben / der fuͤr uns bitte. Darauff nah - men ſie ihn / wickelten ihn in ein Stuͤck gelben At - laß und brachten ihn mit einem traurigen Geſan - ge zu Grabe / da ſie denn ihn / nachdem ſie drey - mal um den Tempel gegangen / in das hiezu ge - machte / mit ſchwartzen Flor bedeckte / und mit Todten-Koͤpffen umbgebene Grab hinunter lieſ - ſen. Alsdenn ſprachen ſie etliche Gebete / und zogen eine groſſe Glocke an / welcher alle Glocken in der Stadt antworteten / daß von ſolchem Ge - thoͤne die Gaſſen erbebeten. Nachdem dieſesGe -621Drittes Buch. Gelaͤute auffgehoͤret / ſtiegen zwey Talegrepos von hohem Anſehen / und in ihrem Geſetze wohl - erfahrne Maͤnner / auff zween / mit Tuͤrckiſchen Teppichen koͤſtlich-bekleidete Stuͤhle / und erklaͤr - ten von denſelben dem Volcke / was dieſe Gebraͤu - che vor heimliche Deutungen bey ſich fuͤhreten: Zugleich thaͤten ſie einen weitlaͤufftigen Bericht / von dem ungluͤcklichen Tode des alten / und Er - wehlung des neuen Rolims / deſſen Tugenden und Eigenſchafften ſie vortrefflich zu ruͤhmen wuſten. Da nun die vorige groſſe Glocke abermal angezo - gen ward / ſtiegen ſie herunter / ſtieſſen ihre Stuͤle um / und verbrannten ſie.

Nachdem alles wieder ſtille worden / ſahe man aus der nechſten Kirche einen groſſen Umbgang von lauter kleinen Kindern / ſo alle zum Beweiß ihrer Unſchuld / in weiſſen Dafft gekleidet waren / hervor kommen / welche viel Kleinodien umb den Halß / guͤldene Ketten an den Fuͤſſen / vergoldete Wachs-Kertzen in den Haͤnden / und mit Gold und Edelgeſteinen reichlich beſetzte Huͤte auff ih - ren Haͤuptern trugen. Mitten innen ſahe man einen Kaſten / mit einem guͤldenen Stuͤcke bede - cket / und rings um her mit viel guͤldnen Raͤuch - faͤſſern behangen / welche einen lieblichen Geruch von ſich ſtreueten. Dieſer Kaſten wurde von zwoͤlff Kinder getragen / die andern Kinder aber ſpieleten auff allerhand Seitenſpielen / und baten GOtt / daß er doch dieſen Verſtorbenen zu einem neuen Leben aufferwecken wolle. Als ſie nun anden622Der Aſiatiſchen Baniſe. den jenigen Ort kamen / da der Rolim lag / ſatzten ſie den Kaſten nieder / und da der Deckel abge - nommen wurde / ſtieg ein kleiner Knabe von ſie - ben Jahren gantz nackend heraus / welcher von hinten dermaſſen mit Gold und Edelgeſteinen be - decket war / daß man ſeinen bloſſen Leib faſt nicht ſehen kunte. Er hatte Fluͤgel von Golde / und eine koͤſtliche Krone auff dem Haupte. Die jeni - gen / ſo um ihn her ſtunden / knieten alſobald nie - der / und rieffen: O du Engel / der um unſerer Seligkeit willen vom Himmel geſandt biſt / bitte fuͤr uns / wenn du dich zu rechter Zeit wieder in den Himmel verfuͤgeſt. Der Kaͤyſer ſelbſt nahm dieſes Kind mit groſſer Ehrerbietung auff ſeine Armen / und brachte es zur Seiten des Grabes / allda ſolches / indem alle auff ihren Knien lagen / und die Prieſter den Rolim ſchon zum fuͤnfften male beraͤuchert hatten / den Todt-ſcheinenden alſo anredete: Du / der du in Suͤnden und Un - reinigkeit des Fleiſches empfangen biſt! GOtt ſendet mich / dir anzudeuten / daß du dich zu einem neuen Leben erwecken / welches ihm angenehm ſey / und iederzeit die Straffe ſeiner maͤchtigen Hand vor Augen haben ſolleſt / damit du in dem letztem Athem deines Lebens nicht ſtranchelſt / wie die Kinder der Welt; und daß du von Stund an auffſteheſt / weil es von dem Groͤſten der Groͤ - ſten alſo beſchloſſen iſt. Folge mir! Folge mir! Folge mir! Worauff Chaumigrem dieſes Kind wieder auff ſeine Arme nahm / der Rolim aberſtund623Drittes Buch. ſtund gantz verzuͤcket auff / fiel dem Kinde zu Fuſſe / und ſprach: Jch nehme dieſe neue Gnade von der Hand des HErrn an / und verpflichte mich / daß ich biß in den Tod ein Vorbild der Demuth / und der Geringſte unter den Seinigen ſeyn werde; da - mit die Menſchen der Erden nicht in dem Uber - fluſſe vergehen. Alsdenn wurde abermahl eine Glocke gezogen / auff deren Schall zum andern mahl alles Volck niederfiel / und ſprach: Geſeg - net ſeyſt du HErr / um ſo einer groſſen Gnade willen! Hier erſchalleten nun wiederum alle Glo - cken / die Stuͤcken aber wurden umb die gantze Stadt ſcharff auff den Feind geloͤſet / daß die Mauern erſchuͤtterten.

Nach Verrichtung alles des jenigen / wurde der Rolim in den neuen Stuhl geſetzet / und von den vornehmſten Herren in die Kaͤyſerliche Burg getragen. Der Kaͤyſer folgete abermahls zu Fuſ - ſe nach / ſolche Demuth und Andacht hatte ihm die Noth gelehret / und trug einen koͤſtlichen Hauer auff der Achſel. Als er dieſe Nacht in der Burg geruhet / wurde er in geſtriger Geſtalt / doch ohne des Kaͤyſers Gegenwart / auff den Marckt ge - tragen / allda er von vielen Menigrepos / welche in ſteter Einſamkeit leben / empfangen wurde. Dieſe nun uͤber etliche tauſend ſtarck / giengen mit bloſſen Fuͤſſen daher / und hatten ſchwartze Mat - ten um den Leib / zum Beweiß / daß ſie die Welt gantz verachteten. Sie trugen Hirnſchalen und Todten-Beine auff dem Haupte / dicke Strickeum624Der Aſiatiſchen Baniſe. um den Halß / und hatten ihre Angeſichter mit Kothe beſchmieret. An ihren Stirnen war die - ſe Schrifft angehefftet: Koth! Koth! ſiehe nicht an deine Niedrigkeit / ſondern auff die Vergel - tung / die GOTT denen jenigen verſprochen hat / welche ſich demuͤthigen / ihm zu dienen. Dieſe wur - den nun von dem Rolim ſehr freundlich empfan - gen / worauff ſie alle niederfielen / und einer von ih - nen mit ſtrengen Anblicke den Rolim alſo anrede - te: Derjenige / von dem du nun ſo groſſe Gnade empfangen / daß du der Oberſte uͤber alle die jeni - gen worden biſt / die auff Erden wohnen / gebe / daß du ſo fromm und heilig lebeſt / damit ihm alle deine Wercke angenehm ſeyn moͤgen. Gleichwie die Unſchuld derjenigen Kinder / welche ſchwei - gen / wenn ihnen die Mutter ihre Bruſt darreicht. Darauff die andern alle mit einer duͤſtern Stim - me / und lautem Geſchrey antworteten: Das ge - be der hohe Herr / durch ſeine maͤchtige Hand.

Als er nun in dieſer Geſellſchafft fort zog / kam er an den jenigen Ort / wo des verſtorbenen Ro - lims Aſche beygeſetzet war. Da neigete er ſein Angeſichte zur Erden / und redete mit einer klaͤg - lichen Stimme / glelchſam den Entſeelten folgen - der Geſtalt an: Der jenige / ſo uͤber der Sterne Schoͤnheit herrſchet / mache mich wuͤrdig / daß ich euer Sclave ſeyn moͤge / damit ich in dem Hauſe der Sonnen / darinnen ihr euch ietzt beluſtiget / zu einem Fuß-Hader der Sonnen werden moͤge. Denn ſolcher maſſen werde ich ſo zu einem koͤſtli -chen625Drittes Buch. chen Diamante werden / mit welchem aller Welt Reichthum nicht wird zu vergleichen ſeyn. Die Menigrepos antworteten hierauff: Maſiran faty - pan, das iſt / GOtt gebe es: dieſem nach nahm er eine Kette / die auff dem Grabe lag / als ein koͤſtli - ches Heiligthum um ſeinen Halß / und ſchenckete zu einem Allmoſen ſechs ſilberne Lampen / zwey Rauch-Faͤſſer / und ſieben Stuͤcke Viol-braunen Damaſt. Da er nun von dieſem Grabe / in ſeinen Pallaſt gekommen war / warff er etliche Haͤnde voll Reiß zum Fenſter hinaus / der von dem knien - den Volcke mit offenen Haͤnden auffgefangen wurde. Nachdem alſo auch dieſes Werck / wel - ches in die drey Stunden gewaͤhret hatte / geen - diget war / laͤutete man zum dritten mahle die groſſe Glocke / und wurde alſo die Wahl be - ſchloſſen.

Hierauff wurde der neue Rolim zum erſten mahl in den Reichs-Rath nach Hofe beruffen / in welchem alſobald Chaumigrem dieſe Sache ab - zuhandeln vorlegte: Welcher Geſtalt der grauſa - me Mord des vorigen Rolims an der Princeßin ſattſam abzuſtraffen ſey / damit nicht die bereits hefftig-erzuͤrneten Goͤtter / zu endlichem Verder - ben des Reichs moͤchten angereitzet werden. Wel - ches zu beantworten der Rolim / wegen erſt-ha - bender Stimme / willig auff ſich nahm / und mit beweglichen Worten den elenden Zuſtand des Reichs vorſtellig machte: ingleichen wie die Gott - heit / durch bißher veruͤhte grauſame Tyranney /R rder -626Der Aſiatiſchen Baniſe. dermaſſen beleidiget worden waͤre / daß der Unter - gang des Reichs nicht unbillich zu beſorgen ſtuͤnde. Bevoraus ſchiene es / als ob der groſſe Gott des Krieges Carcovita / ſeinen Zorn am hefftigſten - ber Pegu ausſchuͤtten wolte / indem die vorhin ſo gluͤckſeligen Waffen des Kaͤyſers / anietzo nicht allein das Reich Siam / Martabane / und die Schlacht bey Abdiara verlohren haͤtten / ſondern ſich auch dermaſſen in einer Stadt muͤſten ein - ſchlieſſen laſſen / daß ſich der Kaͤyſer nicht mehr ei - ner unbeſchrenckten Gewalt ruͤhmen koͤnte. Sol - che Zorn-Glut nun zu daͤmpffen / wuͤrde das Blut einer unbefleckien Keuſchheit am angenehmſten ſeyn: welche aber allenthalben zu finden / ein ſo ſchweres Werck ſey / als ob man weiſſe Tyger ſu - chen wolte. Nachdem nun die Princeßin ihre Eh - re und Keuſchheit ſo grauſam vertheidiget haͤtte: ſo waͤre hieraus ihr reines Weſen zu ſchlieſſen / und wuͤrde dahero ein ſolches unbeflecktes Blut / als ein Opffer / die unfehlbare Verſoͤhnung auswuͤr - cken. Dieſe Worte waren kaum den Blut-ſchaͤu - menden Lippen des grauſamen Rolims entfallen / ſo ſchrien ſie alle: Dieſe Meynung haͤtte einen Goͤttlichen Urſprung / und wurde die ſchoͤne Prin - ceßin von allen / als ein reines Opffer des Gottes Carcovita / beliebet und erwehlet.

Der Rolim ließ alſobald durch einen Grepos der ungluͤckſeligen Princeßin ihren Opffer-Tod ankuͤndigen / und darzu einweihen / nebſt der Be - deutung / wie ſie ſich hierzu geſchickt / und wuͤrdigma -627Drittes Buch. machen ſolle / vor die Wohlfarth ihres Vaterlan - des ihr Blut zu vergieſſen: Zu welcher Berei - tung ihr ein und zwantzig Tage Zeit eingeraͤumet worden. Welche Ankuͤndigung ſie mit ſtandhaff - tem Gemuͤthe / und dieſen Worten auffnahm: Gar wohl! ich werde mit Freuden ſterben / wenn die Ehre mein Leichen-Schmuck und die Tugend mein Grab-Stein ſeyn ſoll. Worauff ſie in ein ſonderes Zimmer gefuͤhret / und daſelbſt auffs beſte in acht genommen wurde / in welchem ſie ihre Zeit mit Faſten / Beten und Weinen zubrachte / und ſich als ein unſchuldiges Opffer mit verwunderli - cher Andacht ſelbſt einweihete.

Dieſes Opffer wird dem Kriegs-Gott Carco - vita / jaͤhrlich dermaſſen geleiſtet / daß in den Kir - chen reine Jungfrauen ernehret werden / die ſich zu einem verſprochenen Opffer muͤſſen auffbehal - ten laſſen / welche in ſolcher Hochachtung leben / daß / wenn ſie ihre Eltern oder Freunde beſuchen / alles mit groſſer Ehrerbietung und Anbeten ge - ſchehen muß / indem ſie ihre Toͤchter / als heilige und himmliſche Menſchen / bittlich erſuchen / ſie wollen doch ihrer eingedenck verbleiben / wenn ſie vor ihrem groſſen GOTT erſcheinen wuͤrden. Darum bringen ſie ihnen auch allerhand Speiſe / und andere Dinge zum Opffer mit. Zu dem Opffer aber nimmt man nun / auff den gefaͤlligen Tag / eine von dieſen geweiheten Jungfern / wel - che von den Palpas / oder Kriegs-Prieſtern / halb nackend auff einen Marmel-Stein / der vor demR r 2Altar628Der Aſiatiſchen Baniſe. Altar des Abgottes ſtehet / geſetzet wird; und wenn ſo wohl der Jungfrau als dem Abgotte gnugſam mit Weihrauch geraͤuchert worden / ſo erwuͤrgen ſie ſolche in Beyſeyn ihrer Eltern: welche fleißig Achtung geben / ob ſie auch recht todt ſey / damit ſie nicht eine zweyfache Marter ausſtehen duͤrffe. Hierauff ſchneiden ſie mit einem Steine / welcher ſo ſcharff als ein Scheer-Meſſer iſt / den erwuͤrge - ten Leichnam auf / reiſſen das Hertze heraus / werf - fen es dem Abgott ins Angeſichte / und verbren - nen es; Welche Aſche ſie hernach mit Waſſer anfeuchten / und den Abgott damit beſprengen: Das uͤbrige aber von dem Coͤrper wird mit wohl - riechendem Holtze verbannt. An etlichen Or - ten wird das Fleiſch gar von den Prieſtern ge - freſſen.

Ein ſolches jaͤmmerliches Opffer ſolte auch dieſes tugendhaffte Wunder-Bild der Schoͤnheit werden: worzu ſie ſich auch dermaſſen wohl zu bereiten wuſte / als ob ſie kuͤnfftig ihrem geliebten Printzen die Roſen ihrer Zucht opffern ſolte. Jn welcher Andacht wir ſie eine geraume Zeit nicht verſtoͤren / und einen Flug wieder uͤber die Mauern in die feindlichen Laͤger thun wollen.

Dieſe warennun auffs eyffrigſte bemuͤhet / ſich der Mauer zu naͤhern / und einen beqvemen Grund zu verfertigen / worauff man fuſſen / und einen Sturm antreten koͤnte. Bevoraus ließ ſich Za - rang ſolchesam hefftigſten angelegen ſeyn / und Tag und Nacht ſo gewaltig auff die Stadt loßdon -629Drittes Buch. donnern / als wolte er ſie bloß mit dem Geſchuͤtze erobern. Er war aber zugleich / durch unermuͤde - ten Fleiß der Tanguter / dermaſſen uͤber den Gra - ben geruͤcket / daß er ſich bereits unterſtehen durff - te / zuweilen anlauffen zu laſſen. Und that ihm hierinnen der Dampf / welcher auff der Mittags - Seite von der Stadt durch den Graben biß in das Feld gieng / nicht wenigen Vortheil: indem die Peguaner denſelben nicht gnugſam beſetzt hat - ten. Unſerm Balacin war indeſſen nicht wohl bey der Sache / indem er vor Ankunfft der Aracani - ſchen Voͤlcker ſich nichts unterfangen kunte / auch nicht wolte. Dahero er ſich gantz ſtille in ſeinem Lager verhielt / damit die Belagerten ihre Macht wider das Tangutiſche Lager wenden / und des Zarangs wuͤtendes Vorhaben deſto beſſer daͤmpf - fen koͤnten. Ja er ſahe mit Luſt zu / wie ſich Za - rang ſchwaͤchte; dahero er ſich eine gewiſſe Rech - nung machen kunte / wie er auff begebenden Fall beyden gewachſen ſeyn koͤnte / daß ihm doch die beſte Beute bliebe.

Jnzwiſchen hatte ſich Higvanama durch ſchleunigen Marſch dermaſſen genaͤhert / daß ſie verhoffte / in wenig Tagen ihren werthen Bru - der in dem Lager vor Pegu zu kuͤſſen / und ihre Danckbarkeit mit hundert tauſend tapfferen Leu - ten abzuſtatten. Vor welcher eingebildeten Freu - de ſie faſt nicht zu ruhen vermochte / und dannenhe - ro durch ſtarcke Tage-Reiſen die Voͤlcker nicht wenig ermuͤdete. Hier aber werden wir ein aber -R r 3mahli -630Der Aſiatiſchen Baniſe. maliges Beyſpiel der Unvollkommenheit Menſch - licher Freude vor uns ſehen. Denn als ſie bereits durch einigen Unweg die verhaſſeten Graͤntzen von Brama hinter ſich geleget / und zu Carpa ihr Lager geſchlagen hatte / von welchem Orte ſie nur noch eine Tagereiſe biß nach Pegu zu zehlen wu - ſte: Da uͤberlegte ſie mit tauſend Freuden / wie ſie durch eine Verſtellung das Aracaniſche Lager er - ſchrecken / und ſich hernach mit beliebter Anmuth zu erkennen geben wolte. Nach welchem Entſchluß ſie dem Mangoſtan / ihrem erwehlten Feld-Herrn Befehl ertheilte / wie er die Voͤlcker etwas ausru - hen laſſen ſolte / weil ſie erſt des andern Tages bey Abend-Zeit das Lager vor Pegu erreichen wolte. Dieſes alles aber war dem Bramaniſchen Feld - Herrn / Soudras / welchen Chaumigrem bereits von Siam aus nach Brama / um mehr Volck zu preſſen / geſchicket hatte / verraͤtheriſcher Weiſe durch einen Mohren entdecket: Worauff er alſo - bald mit dreymahl hundert tauſend Mann ihr auf dem Fuſſe nachgieng / und ſie bey Carpa in aller Sicherheit / ohne ſonderlich-beſtellte Wachten an - traff. Weil ihm denn nun auch die Nacht zu ſtat - ten kommen wolte / ließ er bey ſcheidender Tunckel - heit das ſchlaffende Lager mit einem erſchreckli - chen Anfalle dergeſtalt auffwecken / daß viel Koͤpf - fe verlohren giengen / ehe ſie die Augen eroͤffneten. Ob nun wohl alſobald durch das gantze Lager Ler - men ward / und ſich ein ieder nach Moͤgligkeit zur Wehre ſtellete / ſo war es doch wegen der Unord -nung631Drittes Buch. nung und der zertheilten Kraͤffte unmoͤglich / dem Feinde einigen Widerſtand zu thun. Ja die er - ſchrockenen Avaner wuſten nicht einmahl / wer ihr Feind waͤre. Higvanama ſelbſt ſprang in Schlaf - Kleidern auff ihr gewoͤhnliches Leib-Roß / einen ſchoͤnen Perſianiſchen Hermelin / und bezeigete ſich bey ſolcher Gefahr / aller Weiblichen Natur zu - wider / als eine ungemeine Heldin / indem ſie etli - che tauſend Mann an ſich zog / und dem nechſten Einbruch der Feinde dergeſtalt begegnete / daß ſie alsbald auff fluͤchtige Gedancken geriethen / und die Avaner allbereit / weil ihnen des Feindes weit uͤberlegene Macht unbewuſt war / ein Sieges-Ge - ſchrey erſchallen lieſſen / in Meynung / als ob es nur eine ſtarcke Parthey geweſen. Als ihnen aber Soudras mit funfftzig tauſend der Beſt-bewehr - teſten begegnete / verkehrten ſich dieſe Palmen in Cypreſſen / und die treuen Avaner wurden / unge - achtet ihrer unbeſchreiblichen Gegenwehr / weil ſie durchaus ihre Koͤnigin nicht verlaſſen wolten / der - maſſen niedeꝛgemetzelt / daß Higvanama ſich kaum mit dreyhundert Mann umgeben ſahe / als ſie auff ihre eigene Flucht bedacht war. Allein dieſe Ge - dancken waren zu ſpaͤt / indem nicht allein Man - goſtan mit der uͤbrigen Armee bereits auff fluͤchti - gem Wege begriffen / und das gantze Lager ver - lohren war / ſondern Soudras / als er des Hau - ptes Gegenwart vergewiſſert / ſtuͤrmete dergeſtalt auff ihr ein / daß er ſie / nachdem ihr der treuloſe Sebel / mit welchem ſie eigenhaͤndig unterſchiede -R r 4ne632Der Aſtatiſchen Baniſe. ne erleget / vor der Fauſt abgeſprungen / ſelbſt ge - fangen bekam: welchem ſie ſich auch ergeben mu - ſte. Dieſe ſchoͤne Koͤnigin wurde bald / Aſiatiſchen Gebrauch nach / mit Ketten beleget / und auff ei - nen Elephanten geſetzet / von welchem ſie mit thraͤ - nenden Augen / die biß in Tod getreuen Avaner entkleiden / pluͤndern / und aller Koſtbarkeiten be - rauben ſehen muſte.

Hier ſaß nun die armſelige Koͤnigin gebunden / welche vor wenig Tngen ein groſſes Reich be - herrſchte / und noch vor etlichen Stunden hun - dert tauſend Koͤpffe zu ihrem Winck ſtehen hatte. Ja die ſich nicht ſattſam an der ſuͤſſen Hoffnung veranuͤgen kunte / wenn ſie ihren liebſten Bruder mit einem Schweſterlichen Hertz-getreuen Kuſſe umfaſſen wuͤrde / die muß ſich ietzt / als Sclavin / in die Arme ihres Feindes werffen / und die praͤch - tige Laſt / will ſagen / ſilberne Feſſel kuͤſſen. Doch / großmuͤthige Higvanama! laſſe nur die Gedult des Geiſtes Pflaſter werden / und wiſſe / daß du in kurtzem das Verhaͤngniß loben und ruͤhmen wirſt.

Denn was geſchicht? Die Schickung der Goͤtter fuͤhret indeſſen den Printz Nherandi / nun - mehro Koͤnig in Siam / mit ſeiner oberwehnten Macht gewuͤnſcht heran. Jndem er aber ſeinen Zug gleich auff Pegu zuzunehmen entſchloſſen iſt / befindet er ſich wegen Auffſchwellung des Fluſſes / welcher die Schiffart nach Macoa befoͤrdert / der - maſſen verhindert / daß er drey Meilen Nord -werts /633Drittes Buch. werts / dem Fluß entgegen / und bey dem Paß Ab - diara / bey welchem vormahls die ungluͤckliche Schlacht des Chaumigrems geſchehen / und mit Aracanern wohl beſetzet war / uͤbergehen muſte. Denn ob zwar Pegu diſſeits des Haupt-Stroms gelegen war / ſo hinderte doch ein auffgeſchwellter Arm hiervon des Nherandi Uberzug / alſo daß er nothwendig dieſen Umbweg nahm. Hier ließ Nherandi die Voͤlcker ſich einen Tag erfriſchen / und beſahe die Wahlſtatt / worauff ſich Balacin einen ſo herrlich - und blutigen Sieg vor weniger Zeit erhalten hatte: Da er ſich denn nicht genung uͤber die wunderliche Liſt des Korangerims / und der entſetzlichen Gewalt des Pulvers / verwun - dern kunte.

Jndem er aber nebſt dem Feld-Herrn Paduk - ko / (welcher bey Eroberung von Odia ſich in ei - nem Prieſter-Kleide unter den Geiſtlichen ent - halten /) dieſen mit Blut geduͤngeten Kirch-Hoff beſichtigte / und ſich alles genau von einigen Ara - canern erzehlen und bedeuten ließ / werden ſie von fernen einiger fluͤchtigen Reuter gewahr / welche ſich endlich dermaſſen vermehrten / daß ſie einer kleinen Armee nicht unaͤhnlich ſchienen. Nheran - di verließ alſofort den Platz / und ließ in Eil zu Pferde blaſen: Padukko aber ließ gleichfalls Ler - men ſchlagen / als ob ein feindlicher Einbruch zu beſorgen waͤre / alſo / daß die Siammiſche Armee in kurtzem in freyem Felde / und zum Schlagen fertig ſtund. Als nun die fluͤchtigen Avaner derR r 5Si -634Der Aſiatiſchen Baniſe. Siammiſchen Schlacht-Ordnung gewahr wur - den / erſchracken ſie noch hefftiger / und begunten auff der Seite durchzugehen. Welche Furcht aber Nherandi bald merckte / und ihnen einige rei - tende Trouppen nachſchickte / welche ſich erkun - digen muſten / was ſie vor Volck waͤren? Da endlich die leidige Zeitung zuruͤcke gebracht wur - de / daß es fluͤchtige Voͤlcker von der geſchlagenen Armee der Koͤnigin von Ava waͤren / und wie ſie ihnen / in der Gewalt des Feindes gefaͤnglich nachfolgete.

Als nun Mangoſtan / nach erſreulicher Er - kaͤntniß des Koͤniges von Siam / alles umſtaͤnd - lich entdeckte / wie hinterliſtig ſie von den Brama - nern waͤren uͤberfallen worden / ergrimmete Nhe - randi auffs hefftigſte / und befahl dem Mango - ſtan / die Fluͤchtigen auffzuſammlen / und ſie in ei - ne abſonderliche Ordnung zu ſtellen. Welches denn auch ſo wohl angieng / daß ſich die Siammi - ſchen Armee folgenden Tag mit fuͤnff und ſechzig tauſend Avanern verſtaͤrcket ſahe / aus welchen man den Verluſt leicht abnehmen kan. Mit die - ſer wohl gefaßten Macht gienge Nherandi dem Soudras behertzt entgegen / iedoch richtete er den zug ſehr langſam ein / weil ihm doch der Feind begegnen muſte. Ja er haͤtte ſeiner wohl gar erwarten / und die Seinigen ausruhen laſſen koͤn - nen / ſo es Eyffer und Liebes-Verlangen geſtattet haͤtte. Hier durffte er nun ſeinen Feind nicht lange ſuchen: Jndem ihm gegen den Mittag be -reits635Drittes Buch. reits deſſen Vortrouppen begegneten / welche Pa - dukko alſobald uͤbern Hauffen warff / und dahin zwang / daß der Nachzug des Feindes aus ihrem Blute / ſeine Ankunfft erſehen kunte. Soudras / als ſonſt ein tapfferer Soldat / merckte wohl / was ihm vor eine Nuß zu beiſſen wuͤrde vorgeleget werden / iedennoch erwehlete er einen ehrlichen Tod / ſtatt ſchaͤndlicher Flucht / zu welcher er ſich auch nicht beurſachet ſahe / weil er im vorgen Tref - fen uͤber zwantzig tauſend Mann nicht eingebuͤſſet hatte. Nur bekuͤmmerte ihn dieſes / daß er meh - rentheils junge Leute / und noch Schuͤler im Krie - ge waren / die er wider dieſen wohlverſuchten Feind anfuͤhren ſolte. Weil es nun ſchiene / als ob ihm die Siammer nicht viel Zeit laſſen wuͤrden / ſo ſtellete er in moͤglichſter Eil die Seinigen in Ord - nung / der gefangenen Higvanama aber ordnete er tauſend alte Bramanet zu Fuſſe zu / mit har - tem Befehl / ohne die Koͤnigin nicht vor ſeinem An - geſichte zu erſcheinen. Nherandi hingegen verge - ſellte ſich mit den Mangoſtan / und nahm gleich - falls tauſend handfeſte Siammer zu Pferde zu ſich / uͤberließ dem Padukko die voͤllige Anordnung / und ſetzte ſich vor / nicht eher zu ruhen / biß er ſeine innigſt-geliebteſte Higvanama / welche er in zwey - en Jahren nicht geſehen / erloͤſet haͤtte. Er ſelbſt thaͤt mit ſeinem Hauffen auff der rechten Seiten des Feindes den Angriff / welchem die Avaner tapffer folgeten / und / nachdem ſich die Bramaner gleichfalls erwieſen / wie ſie nicht ungerochen fallenwol -636Der Aſiatiſchen Baniſe. wolten / entſtund ein ſo blutiges Gefechte / als ob iedweder den Tod ſuchte.

Nherandi raſete gleichſam unter den Brama - nern herum / und ſuchte die jenige mit Schmer - tzen / um derer willen ihm auch ſein Leben gering - ſchaͤtzig war. Statt ihrer aber begegnete ihm / zu eignem Ungluͤcke / der bemuͤhete Soudras / wel - cher gleich einen friſchen Hauffen an den Feind fuͤhren wolte. Nherandi erkennete ihn alſofort und als ſich Soudras nicht wenden wolte / ſchrie er ihn an: Halt Stand / du Fraͤulein-Raͤuber / und gieb meinem Sebel Rechenſchafft / wohin du die Koͤnigin von Ava gefuͤhret haſt? Jch bin kein Raͤuber / antwortete Soudras / ſondern ein recht - ſchaffener Soldate / welcher alle Feinde ſeines Kaͤyſers ohne Unterſcheid verfolget. Du ſeyſt wer du wolleſt / erwiederte der ergrimmete Nherandi / ſo fodere ich ſie doch von deinen Haͤnden. Nach welchen Worten er wie ein Blitz auff ihn einſtuͤr - mete / und den Soudras zu einer ernſten Gegen - wehr bereit fand. Alhier nun zitterte die Erde unter den Fuͤſſen ihrer Roſſe / und ſchiene / als ob ſie der Staub / welcher ſich Hauffen-weiſe um ſie erhub / gantz bedecken wolte. Nherandi fuͤhrte bald an - fangs einen ſo ſtarcken Streich nach des Soudras Haupt / daß er ihm den vorwerffenden Schild gantz entzwey ſpaltete: Hingegen traff ihn Sou - dras ſo gefaͤhrlich auff den Helm / daß er ihm ein Stuͤck vom Feder-Buſche weg hieb / und faſt tau - melnde machte. Jn ſolcher ſchaͤdlichen Bemuͤ -hung637Drittes Buch. hung verharreten ſie dermaſſen / daß ihre Pfer - de Athem loß / und von dem warmen Schaum gantz weiß worden.

Weil ſich nun Nherandi ſchaͤmete / daß ihm ſein Feind ſolchen unvermutheten Widerſtand that / ſo gebrauchte er ſich neben ſeiner Staͤrcke dieſe Liſt / und ſtellete ſich / als wolte er abermals nach des Soudras Kopffe ſchnellen: Jndem nun Sou - dras den zertheilten Schild vorwarff / ſich zu bede - cken / verſetzte ihm Nherandi eine tieffe Wunde in die lincke Schulter / daß das Blut haͤuffig die Waffen faͤrbete. Ob nun zwar dieſer Streich nicht allerdings unvergolten blieb / indem Nhe - randi in die rechte Seite eine ziemliche Fleiſch - Wunde empfieng / ſo betraff doch den Soudras dieſer Unfall / daß ſein Pferd uͤber etliche todte Coͤr - per ſtrauchelte: als er ihm aber allzu geſchwinde helffen wolte / ruͤckte er es gar uͤbern Hauffen. So bald nun Soudras fiel / druͤckten die bißher zu - ſchauenden Bramaneꝛ loß / und wolten ihren Feld - Herrn erretten. Allein die Siammer wolten ih - rem Koͤnige den Sieg nicht nehmen laſſen / dahe - ro ſie ſich bald einmiſcheten / und ein ſolches hitzi - ges Gefechte anfiengen / als ob hiedurch der Streit zwiſchen beyden Armeen ſolte geſchlichtet werden. Nachdem aber die Bramaner zu weichen begun - ten / ſprungen einige Siammer von den Pferden / nahmen den faſt ohnmaͤchtigen Soudras gefan - gen / und fuͤhrten ihn aus dem Gedraͤnge hinter die Armeen.

So638Der Aſiatiſchen Baniſe.

So bald Soudras weggefuͤhret war / ſo ſchiene es / als ob ein groſſer Baum gefallen waͤre / durch welchen alle Baͤume / ſo unter und neben ihm ge - ſtanden / wiedergeſchlagen wuͤrden: Denn es be - muͤhete ſich iedweder Bramaner / denen Feinden ihr Geſichte zu entziehen / und dieſe ungluͤckliche Staͤtte zu verlaſſen. Welches ſich denn Paduk - ko ſehr wohl nuͤtze zu machen wuſte / mit der gan - tzen Macht auff die Weichenden loßgieng / und den lincken Fluͤgel von dem Mittel trennete / wo - durch das gantze feindliche Heer auf die Flucht ge - bracht wurde / welche Mangoſtan mit vierzig tau - ſend Reutern verfolgen muſte. Der lincke Fluͤ - gel aber / ſo da greulich eingebuͤſſet hatte / war der - maſſen umringet / daß ſie alle ihr Gewehr weg - warffen / und um Qvartier rufften: welches ih - nen auch Nherandi alſobald ertheilete. Denn er / als ein tapfferer / doch beſcheidener Held / begehrte nicht wider wehrloſe Leute zu fechten. Ja ob es gleich mitten in dem hitzigen Gefechte das Anſehen hatte / als ob er fuͤr Grauſamkeit wuͤte und tobe / und daß ſein Grimm durch nichts / als Blut und Tod koͤnne geſtillet werden: So iſt doch gewiß / daß ſich niemand des Sieges maͤßiger zu gebrau - chen wuſte / als er / indem er keines weges uͤber - muͤthiger wurde / alſo / daß man wohl ſagen kun - te: Er habe ſeinem Zorne die Waffen genom - men / ſo bald er ſeinen Feind wehrloß gemacht.

Unter dieſem Hauffen befand ſich nun die faſt entzuͤckte Higvanama / welche auff ihre Erloͤſungmit639Drittes Buch. mit Freuden wartete / und nichts anders vermey - nete / als daß Balacin ihr ſo erwuͤnſcht zu Huͤlffe erſchienen ſey. Ob ſie auch gleich lauter Siam - mer um ſich ſahe / welche ſie der unanſtaͤndigen Pracht befreyeten / ſo ſtund ſie doch in den Ge - dancken / ſolche Voͤlcker waͤren nur von dem Ba - lacin / ihrer Tapfferkeit wegen angenommen / oder Nherandi habe ſie ihm zu Huͤlffe geſchicket. Jn ſolcher Uberlegung naͤherte ſich Nherandi / und ſprang / ungeachtet der ſchmertzenden Wun - de hurtig vom Pferde: welchem die Princeßin mit offenen Armen entgegen eilte / und ihn / weil die bereits eingebrochene Abend-Demmerung ihr die eigentliche Erkaͤntniß verhinderte / als einen lieben Bruder inbruͤnſtig / und mit dieſen Worten kuͤſſete: Ach trauteſter Seelen-Bruder! ſo ſetzet ihr mir nun die Krone von Ava noch einmal auf? Ja / was noch weit hoͤher zu ſchaͤtzen iſt / ſo ſchencket ihr mir die guͤldene Freyheit. Jhr erloͤſet mich aus feindlicher / und bindet mich mit freundlicher Hand dermaſſen / daß ich auch mein Leben zu ei - nem wuͤrdigen Schuld-Opffer viel zu wenig ach - te. Doch nehmet die treuen Kuͤſſe von Schwe - ſterlichen Lippen / als wahre Zeugen an / daß ich mich von einem werthen Bruder uͤberwunden er - kenne / und mich in dieſen angenehmen Liebes - Feſſeln / als eine Sclavin ewiger Treue / euch ergebe. Nherandi merckte zwar wohl den be - liebten Jrrthum / iedoch weil ihm die Zucker - Speiſe von ihren Lippen ſo wohl ſchmeckte / ſo truger604[640]Der Aſiatiſchen Baniſe. er Verlangen / noch laͤnger Taffel zu halten / und wolte ſich noch ferner vor einen lieben Bruder kuͤſ - ſen laſſen. Jndem er aber beſorgte / es werde ſeine Sprache den Printzen von Siam vorſtellen / ſo wolte er zuvor / ehe er ſich durch Reden verrieth / noch einige Kuͤſſe ernden / welches er mit ſo hoͤch - ſter Entzuͤckung bewerckſtelligte / daß er ſich dieſe Stunde vor den gluͤckſeligſten der Welt achtete / weil er dieſe Fruͤchte ewig ſammlen ſolte.

Die unſchuldige Princeßin wolte dem verlieb - ten Bruder die danckbaren Lippen nicht entziehen / indem ſie ſich ihm viel zu verbunden ſchaͤtzte; end - lich aber brach er ſein vergnuͤgtes Stillſchweigen / und ſagte: Allerwertheſte Higvanama! Jch bin = = = Hier ſprang die erſchrockene Princeßin mit lautem Schreyen zuruͤcke / und wuſte nicht / wo ſie ſich vor Scham laſſen ſolte? Der Printz aber verfolgete ſeine Rede / und ſagte: Ob ich zwar nicht / ſchoͤnſte Princeßin / ein Bruder bin / ſo wird ſie doch verhoffentlich die Ehre und das Gluͤcke ihrer Erloͤſung einem Printzen nicht miß - goͤnnen / welcher ſo lange Zeit die geſchwoꝛne Tꝛeue heiligſt beobachtet / und ſeine Liebe dieſen Tag mit ſeinem Blute / wo nicht mit ſeinem Tode verſie - gelt hat. Mit welchen Worten er in eine tieffe Ohnmacht hinſanck: weil durch heftige Gemuͤths - Bewegung ſich die Seiten-Wunde dergeſtalt eroͤffnet hatte / daß das Blut haͤuffig hervor rie - ſelte / und ihm durch uͤberfluͤßigen Ausgang die Lebens-Geiſter entzog. Hier bedachte ſich Hi -gva -641Drittes Buch. gvanama nicht lange / ob ſie Liebe oder Scham ſolte herrſchen laſſen / ſondern dieſe muſte jener weichen / indem ſie mit zitternden Armen und weinenden Augen / ihren Printzen auffzurichten / ſich bemuͤhete / auff die Erden ſetzte / und ihn gar auff ihre Schooß legte: Da denn ſo bald die Leib - Aertzte und Feldſcherer herbey geholet / und der halb-todte Nherandi wieder zu ſich ſelbſt gebracht ward / wobey doch die linde Hand / und die ange - nehme Lagerſtatt ſonder Zweiffel die groͤſte Wuͤr - ckung thaten / und alle andere Staͤrckungen weit uͤbertraffen.

Wie er nun endlich die Augen eroͤffnete / und ſeine Higvanama beweglichſt anſchaute / gleich - ſam als ob er einiges Mitleiden von ihr foderte / ge - waͤhrete ſie ihm ſolches reichlich durch haͤuffige Thraͤnen / und folgende Worte: Wie? Mein er - wehlter Printz! will er ſterben / da die Seinige zu leben anfaͤnget? Will er die jenige ſo ſchleunig wieder verlaſſen / die eine zwey jaͤhrige Hoͤllen - Pein durch Abweſenheit ausſtehen muͤſſen? Ach ſo waͤre ich ja weit gluͤckſeliger / wenn ich mich auch mit einem Dolche unter den dickſten Hauf - fen der ergrimmeten Feinde gewaget / und einen ruͤhmlichen Tod von ihrer gereitzten Hand em - pfangen haͤtte / damit die ſpaͤte Nach-Welt ſagen koͤnte: Higvanama hat durch Tapfferkeit und nicht durch Wehmuth ihr Leben verlohren. Denn er nehme dieſes / als ein wahres Zeugniß groͤſter Liebe von meinen betruͤbten Lippen an: daß dieS serſte642Der Aſiatiſchen Baniſe. erſte Stunde ſeines Todes / die letzte meines Le - bens ſeyn ſoll. Worauff ſie ſich vor reiner Gluth nicht enthalten kunte / in Gegenwart aller Umſte - henden / ihm einen ſanfften Kuß zu ertheilen: Wel - cher das kraͤfftigſte Seelen-Labſal war / wodurch ſich der Geiſt dergeſtalt ermunterte / daß er ſich auffrichten / und ein gedoppeltes Echo vorſtellen wolte / ſo aber die Aertzte widerriethen / und ihn in Begleitung der Princeßin / nach einem auff der Wahlſtatt auffgerichtetem Gezelte fuͤhren lieſſen / woſelbſt er ſich ſo fort zur Ruhe begab. Die Princeßin aber ließ neben ſolches noch ein Gezelt vor ſich und ihr Frauenzimmer auffſchlagen / weil ſie Wohlſtaͤndigkeit halber ihn dieſe Nacht ver - laſſen muſte.

Das groſſe Welt-Auge hatte kaum das bluti - ge Feld beſtrahlet / ſo war die muntere Higvana - ma ſchon bemuͤhet / ihres Printzen Ruhe zu erfor - ſchen / welcher denn durch Verſicherung erholter Kraͤffte / ihr ſorgendes Verlangen ſtillete. Weil ſie nun auff den verfolgenden Mangoſtan warte - ten / ſo erlaubte ihnen die Zeit ſattſam / eine verlieb - te Erinnerung des vergangenen Leid - und Freu - den-Wechſels / gegen einander anzuſtellen / und ſich nach verzogenem Ungewitter an der Liebes - Sonne / wie keuſch-Entflammte pflegen / wieder - um zu waͤrmen und zu ergoͤtzen: Woran ſie aber nach einigen Stunden / durch den zuruͤck kommen - den Mangoſtan verhindert worden / da denn die Haͤupter eine allgemeine Pluͤnderung erlaubten. Nach643Drittes Buch. Nach dieſer wurde der Zug wieder zuruͤck nach Abdiara eingerichtet: Mangoſtan aber muſte mit ſeinen muͤden Voͤlckern einen Tag ſtille liegen / und den Nachzug halten.

Folgenden Tages gelangeten ſie mit ſincken - der Sonnen vor dem Aracaniſchen Lager an / und verurſachten / weil ſie die eroberten Fahnen in de - nen foͤrderſten Hauffen fuͤhren lieſſen / einen heffti - gen Lermen durch das gantze Lager: Zumahl Ba - lacin bereits einige Nachricht von des Soudras Anzuge bekommen hatte. Als ſie nun von der aͤuſſerſten Wache erblicket / und alsbald vor Fein - de erkennet wurden / gaben alle Schildwachten durch das Lager Feuer / worauff alle Wachten rund um ins Gewehr kamen: Die Voͤlcker zu Roß und Fuß wurden ſo fort in Ordnung geſtel - let / die Gaſſen und Eingaͤnge mit Wagen ge - ſchloſſen / und das Geſchuͤtze ſahe den vermeynten Feind mit offenem Rachen an. Wie aber Nhe - randi ſolchen Ernſt ſahe / ließ er ſich begnuͤgen / und dem Koͤnige von Aracan durch einige Trompeter ihre Ankunfft verſtaͤndigen. Welchen aber Ba - lacin nicht trauen / ſondern die Stiffter dieſes Ler - mens ſelbſt ſehen wolte; indem er ſich nicht unbil - lich eines Martialiſchen Betrugs befuͤrchtete. Weßwegen denn Nherandi nebſt der Higvana - ma und etwan funfftzig Pferden auff tauſend Schritte voraus ritten / denen Balacin in glei - cher Anzahl begegnete.

Als ſie nun einander erkennet hatten / ſprungenS ſ 2ſie644Der Aſiatiſchen Baniſe. ſie allerſeits / einander zu bewillkommen / von den Pferden: Und will ich hier der Feder ein Still - ſchweigen aufferlegen / weil ſie / alle Vergnuͤgun - gen / Freundſchaffts-Kuͤſſe und hertzliche Worte vorzuſtellen / nur ihre Unvermoͤgenheit verrathen wuͤrde. Genung / daß ich ſage: Sie zogen hoͤchſt vergnuͤgt und voller Freuden in das Lager / und wurden mit Loßbrennung der Stuͤcke / erſchallen - dem Feld-Spiele / und durchgehendem Freuden - Geſchrey dermaſſen herrlich empfangen / daß gleichſam die Wolcken einen froͤlichen Wieder - ſchall erthoͤnen lieſſen.

Die Siammer aber und Avaner muſten dieſe Nacht den Himmel ihr Gezelte ſeyn laſſen / biß ſie folgenden Tag ihr Lager dem Aracaniſchen an - haͤngig machen / und die Morgen-Seite / biß an die alte Stadt gegen Mittag / einnehmen kunten. Weil nun auff ſolche Art die taͤglich-erwartenden Aracaniſchen Huͤlffs-Voͤlcker / wegen Mangel des Raums / im Ruͤcken des Lagers wuͤrden blei - ben muͤſſen / ſo wurde einhellig beſchloſſen / dem Printzen von Tangu einen Abzug rathen zu laſ - ſen: widrigen Falls wuͤrde man ihm mit Gewalt zu verſtehen geben / wie zwey Hunde an einem Knochen ſich durchaus nicht vertragen koͤnten. Dieſem aber kam eine ſonder - und wunderbahre Begebenheit / durch die Princeßin von Savady zuvor / von welcher bald fernerer Bericht erſtat - tet werden ſoll.

Was nun die Fortſetzung der Belagerung an -be -645Drittes Buch. belanget / ſo hatte Balacin / aus bereits-erwehnten Urſachen / bißher keine ſonderliche Gewalt gegen die Stadt verſpuͤhren laſſen / auſſer daß man ſich der Staͤrcke der Mauer durch das Geſchuͤtze ein wenig erkundiget / und zugleich die Zeit mit Weg - fangung der ſchaͤdlichen Crocodile / aus dem Gra - ben zugebracht hatte. Denn dieſe Thiere wa - ren dermaſſen gefaͤhrlich / daß ſie ſich auch erkuͤh - nen durfften / manchen guten Kerl von dem Lande wegzuhohlen / und auch die Schildwachen anzu - greiffen. Derowegen Korangerim abermahls eine nutzbahre Liſt erſonne / ſie gleich den Wallfi - ſchen zu fangen Er ließ ſtarcke eiſerne Hacken ma - chen / welche an lange und dicke Seile befeſtiget waren. Weil nun dieſes Ungeziefer verfaultes Fleiſch / vor ſeine beſte Speiſe hielt / ſo wurden ſol - che Aeſer / deren es in Laͤgern gnugſam giebet / an den Hacken / und alſo ins Waſſer geworffen. Ehe faſt ſolcher Koͤder das Waſſer erreichet / ſo war es ſchon neben dem Hacken von einem ſolchen ungeheuren Thiere verſchlucket / worauff denn alſobald viertzig biß funfftzig ſtarcke Maͤnner an dem Seile ziehen / und diß widerſtrebende Thier auff das Land zwingen muſten: Da es endlich / ie - doch nicht ohne groſſe Gefahr und Muͤhe / auf den Ruͤcken gebracht / und durch den Unter-Leib er - toͤdtet wurde. Denn das ſchuppichte Ruͤcken - Fell verachtete alle Waffen / und waren die Ku - geln nur wie Spreu. Durch dieſe Mittel wurden uͤber achtzig ſolche Thiere erleget / und in die ErdeS ſ 3ver -646Der Aſiatiſchen Baniſe. verſcharret. Jngleichen wuſten ſich auch die Portugieſen in ihrer Kunſt an dieſen unvernuͤnff - tigen Feinden meiſterlich zu uͤben / indem ſie mit den Feld-Stuͤcken / ſo bald ſich ein ſolches Thier jenſeit dem Ufer blicken ließ / ſolche ſo wohl zu er - reichen wuſten / daß ſie einen groſſen Geſtanck nach ihrem Tode uͤber das Waſſer zur Rache ſchickten.

Der groͤſte Verluſt / welchen Balacin ſonder - lich bedauerte / war / daß der tapffere Scandor in einem Ausfalle gefaͤnglich in die Stadt gezogen worden. Denn als er ſeine Lorangy von Tale - mons Schloſſe ins Lager abgehohlet / und ſie nach ſo langer Zeit das erſte mahl wiederumb geſehen hatte / wurde er ihr ſo ſchleunig geraubet / daß die Kriegs-Bedienten gnungſam an ihr zu troͤſten hatten.

Nherandi aber wuſte hierinnen wohl zu ra - then / indem er den gefangenen Soudras vorſtel - lete / welcher alſobald / ungeachtet der Ungleichheit eines Feld-Herrns / gegen einen Befehlshaber der Frey-Reuter / gegen den Scandor auszuwechſeln beſchloſſen ward / und dem Chaumigrem ein an - genehmer Wechſel war / indem er den Scandor wegen ſeiner luſtigen Einfaͤlle / als einen bloſſen Narren betrachtete: worinnen er ſich aber ſehr be - trog. Denn ob gleich bißweilen ein luſtiger Geiſt ſeine geſchickten Einfaͤlle in Geſellſchafft anzu - bringen ſich bemuͤhet / ſo kan doch wohl Schertz und Klugheit beyſammen ſtehen / daß er alſo nurvon647Drittes Buch. von der unverſtaͤndigen Welt vor naͤrriſch gehal - ten wird. Dieſes zu behaupten / war des Scan - dors Ankunfft dem Haupt Zwecke dieſer Bela - gerung noͤthiger / als ob Chaumigrem ſelbſt gefan - gen waͤre. Denn er brachte den gefaͤhrlichen Zu - ſtand der Princeßin mit ſich / und wie nur noch vierzehen Tage zwiſchen ihrem Leben und Tode waͤre. Als ſich nun Balacin hieruͤber aͤuſſerſt entſetzte / und in die tieffſte Sinnen-Verwirrung gerieth / wurde er doch bald wiederum durch einen Brieff / welchen Abaxar dem Scandor in geheim einhaͤndigen laſſen / und durch folgenden Jnhalt mercklich auffgerichtet:

Großmaͤchtigſter Koͤnig und Herr!

JCH ſchaͤtze mich begluͤcket / daß ich die Zeit er - lebet habe / worinnen ich Eu. Majeſt. und der unvergleichlichen Baniſen angenehme und hoͤchſt erſprießliche Dienſte leiſten kan. Baniſe ſoll ſter - ben! Ja was noch erſchrecklicher iſt / Baniſe ſoll dem Teuffel geopffert ſeyn. Allein mein Blut ſoll eher vergoſſen / als ihr nur eine Ader verletzet wer - den. Weil ich nun in dieſem Vorſatze durch hoͤhere Hand geſtaͤrcket werde / ſo ſoll die Art und Weiſe dieſes gefaͤhrlichen Anſchlages kuͤnfftig bey dem Norden-Thore durch einen bepfeilten Brieff ent - decket werden. Jnzwiſchen unterlaſſen Eur. Majeſt. nichts / was eine ſchleunige Eroberung gewaͤhren kan / welches noch ſicherer / als unſereS ſ 4An -648Der Aſiatiſchen Baniſe. Anſchlaͤge ſcheinet. Jch verſichere meine Treue / und bin

Eur. Majeſt. Gewiedmeſter Diener.

Die Unterſchrifft war mit Fleiß auſſen gelaſ - ſen worden.

Dieſem Berichte gemaͤß / war nun Abaxar mit dem Feld-Herrn Martong in vertrauliche Be - kandtſchafft gerathen / als bey welchem der in Si - am / vom Chaumigrem angethane Schimpf nun - mehro zu bluten begunte / und weil dieſe Rach-Be - gier durch ein billiges Mitleiden / gegen die ſchoͤne Baniſe mercklich vergroͤſſert wurde: ſo waren ſie beyderſeits bemuͤhet / noch mehrere Freunde zu ih - rem Beyſtande ſich in geheim zu verbinden: wel - ches die Goͤtter dermaſſen ſegneten / daß ſie ſich in - ner drey Tagen einen ſtarcken Anhang / wiewohl in hoͤchſter geheim machten.

Nach Verleſung aber erwehnten Briefes / wurde alſobald im Kriegs-Rath beſchloſſen / die Stadt mit allem Ernſt anzugreiffen / und weder Gut noch Blut zu ſpahren: Zu welchem Vorſatz die hohen Haͤupter / durch den froͤlichen Bericht des Anzuges der Aracaniſchen Huͤlffe deſto heffti - ger angefeuert wurden. Alſobald gieng Befehl zu Erfuͤllung der Graben alle benoͤthigte Anſtalt zu machen / welches ſo fleißig ins Werck gerichtet wurde / daß man innerhalb acht Tagen trockenes Fuſſes an die Mauern gelangen kunte. Dennes649Drittes Buch. es wurde von ſo viel tauſend Haͤnden das nahege - legene Holtz faſt gaͤntzlich ausgerottet / mit unſaͤg - licher Muͤhe und Gefahr in die Graͤben geworf - fen / und alsdenn mit Sand / Erden und Steinen auffs beſte erfuͤllet / welches denn manchen Kopff koſtete: indem ein Kugel-Regen nach dem andern von den Mauern blitzte. Deſſen ungeachtet / kunte doch dieſe Arbeit durch keine Gewalt hintertrieben werden / indem durch kluge Anſtalt des Korange - ꝛims ſolche Blendungen gemacht wuꝛden / dahinter die Arbeitenden ohne Gefahr fortfahren kunten. Waͤhrender Bemuͤhung der Aracaner / ſahen ſie eines Tages alt Pegu in vollem Brande ſtehen / welches die Taguter verlaſſen / und ſich in aller Stille unſichtbar gemacht hatten / deſſen Urſache niemand zu errathen vermochte / und mit Unge - wißheit von iedermann verwundert wurde.

Die Urſache und Beſchaffenheit aber dieſes ſchleunigen Abzugs / war die beſtaͤndig-brennende Liebe der Princeßin von Savady / gegen den un - erkaͤntlichen Printzen Zarang. Dieſe / ob ſie zwar wohl wuſte / daß er nicht ihrentwegen vor Pegu ſo hart anklopffte / war doch auff alle Weiſe bedacht / wie ſie ihren geliebten / doch harten Printzen nur noch einmahl ſehen / und durch bewegliches Vor - halten ihrer Liebe / einiges Feuer in ihm anzuͤnden moͤchte / worzu ſie ſich gewiſſe Hoffnung gemacht hatte. Solches nun am fuͤglichſten ins Werck zu richten / nahm ſie einen verzweiffelten Entſchluß / entweder in ihrer Liebe gluͤcklich zu ſeyn / oder zuS ſ 5ſter -650Der Aſiatiſchen Baniſe. ſterben. Da ſie denn vornehmlich dahin trachtete / wie ſie nur einen Brieff in des zarangs Haͤnde ſicher lieffern koͤnte. Die Gelegenheit aber des Schloſſes benahm ihr alle Hofnung hierzu / indem die Burg nicht allein / wie vorgemeldet / mitten in der Stadt lag / ſondern auch iederzeit mit einer ſtarcken und genauern Wacht beſetzet war Aus dieſem nun zu kommen / erſanne ſie dieſe Liſt / und wendete vor / ſie koͤnte ſich mit der ſtoltzen Princeſ - ſin von Siam / welche Ponnedro durch Einraͤu - mung eines beqvemen Zimmers / zu ihrer| Nach - barin gemacht hatte / nicht allerdings vertragen; indem ſie gleichſam unter den Ketten einige Hoch - muth gegen ſie ſpuͤhren lieſſe / und nicht bedaͤchte / daß ſie das Ungluͤck in gleichen Stand geſetzet haͤt - te. Als nun dieſe Klage vor dem Chaumigrem kam / erlaubte er der Princeßin von Savady die Burg zu verlaſſen / und ſich eine Wohnung in der Stadt nach eignem Belieben / iedoch unter gnug - ſamer Wacht zu erwehlen. Welches ihr die er - freulichſte Gnade von der Welt war / und ſich ſo fort ein Hauß an der Mauer gegen das Tanguti - ſche Lager erwehlete / welches / weil es denen Geiſt - lichen zuſtund / vor der Gefahr des feindlichen Ge - ſchuͤtzes / aus Guͤtigkeit des Zarangs gnungſam geſichert war. Von dieſem Hauſe kunte ſie Alt Pegu / und das gantze Lager uͤberſehen / und ihr Vorhaben um ſo viel beqvemer vollziehen. Sie entſchloß ſich demnach / dieſen Vogel durch ſolche Beeren zu kirren / welche er verlangte / ich will ſa -gen651Drittes Buch. gen / ihm mit verſtellter Hand einen Brieff im Nahmen der jenigen / welche er wahrhafftig liebe - te und ſuchte / zuzuſchicken / und folgenden Jnhalts einzurichten:

Mein Printz!

JCH empfinde die Straffe der Goͤtter allzu ſehr / womit ſie meine Hartnaͤckigkeit / die ich eurer treuen Liebe iederzeit erwieſen / raͤchen wol - len: und zwar dergeſtalt / daß es ſcheinet / als ob der Troſt Menſchlicher Huͤlffe allgemach ver - ſchwinden wolte. Jch habe zwar durch eigenhaͤn - dige Huͤlffe meine Keuſchheit wider den unver - ſchaͤmten Rolim genungſam vertheidiget: Hinge - gen bringet mir dieſes den Tod / und ich ſoll zu ei - nem grauſamen Opffer der erzuͤrnten Gottheit in wenig Tagen dienen. Eure getreue Waffen ſchei - nen die Goͤtter faſt ſtumpff zu machen / und der Printz von Aracan bezeiget durch ſeinen ſchlaͤffe - rigen Ernſt / daß er der Gefahr weichen / ſeine Lie - be hindan ſetzen / und ſeine Ohnmacht bekennen muͤſte. Jn ſolchem Zuſtande ſolte ich mich zwar ſcheuen und ſchaͤmen / nunmehro den jenigen um Rettung anzuflehen / welchen ich im begluͤckten Wohlſtande nicht eines geneigten Blickes wuͤrdi - gen wollen. Eure tugendhaffte Beſtaͤndigkeit aber verſichert mich einer unveraͤnderlichen Liebe / wel - che dieſe Fehler alle bedecken / und ins Vergeſſen ſtellen wird: Ja dieſes Vertrauen machet mich ſo kuͤhne / daß ich eine Probe eurer Treue von euch fordern darff / ob ſolche Liebe auch auff Beſtandge -652Der Aſiatiſchen Baniſe. gegruͤndet ſey? Denn ihr ſolt wiſſen / tapfferer Printz / daß folgende Mitternacht euch der Feind durch einen ſcharffen Ausfall beſuchen wird: Weil ich denn meinen Tod auff beſſere Art / als durch ſchmaͤhliches Auffopffern / zu ſuchen ent - ſchloſſen bin: Als habe ich die Treue der Wache dergeſtalt an mich erkaufft / daß ſie mich in Maͤnn - licher Kleidung / in ihre Geſellſchafft auff / und in dieſen Ausfall mit nehmen wollen. Jſt nun eure Liebe ungefaͤrbet / und euch mit meiner Gegen - Huld / und deren vollkommenen Genieſſung / et - was gedienet: ſo bedeutet mir durch ein auffge - ſtecktes Tuch / an welchen Ort ich mich / ſo bald ich in meine Freyheit gerathen / wenden / und eurer liebreichen Huͤlffe gewaͤrtig ſeyn ſoll. Die Goͤtter ſegnen unſern Anſchlag / und ich erſterbe.

Eure treue Baniſe / Princeßin von Pegu.

Dieſen Brieff wickelte ſie um einen Pfeil / und ſchoß ihn uͤber den Graben gegen das Lager / wel - cher Angeſichts ihrer von einigen Soldaten auff - gehaben / und unwiſſende / warum? Zu ihren vor - geſetzten Haͤuptern gebracht wurde / durch deren Hand es vor den Printzen gelangete / welcher nach Verleſung deſſen / der leichtglaͤubigen Liebe allzu viel Raum ertheilte / und den Brieff unzehlich mahl kuͤſſete. Der Befehl gieng alsbald dahin / ein weiſſes Tuch auff der lincken Hand des Ausfalles zu ſtecken / und ſich im uͤbrigen durchgehends auff einen ſchleunigen Auffbruch gefaſt zu machen:Weil653Drittes Buch. Weil er die Schalen dem Koͤnige von Aracan ger - ne goͤnnen wolte / wenn er nur den Kern genoſſen haͤtte. Ob nun zwar ſolches iedermann hoͤchſt-ver - wunderlich vorkam / ſo durffte ſich doch niemand erkuͤhnen / nach der Urſache zu fragen: ſondern des Printzen Befehl / ich will / erfoderte einen gleich - lautenden Gegen-Hall: Jch will.

Die Princeßin von Savady hatte das Zeichen weiſſer Treue kaum fliegen geſehen / ſo wurde ſie mit innigſten Freuden dermaſſen uͤbeꝛſchuͤttet / daß ſie an den ungewiſſen Ausſchlag / des verzweiffeltẽ unterfangens / nicht zu gedencke vermochte. Dem - nach forderte ſie drey Soldaten von ihrer Wache zu ſich ins Zimmer / und redete ſie dergeſtalt an: Tapffere Maͤnner! Jch glaube / daß eure Groß - muth auch iederzeit mit einem billigen Mitleiden gegen ein ungluͤckſeliges Frauenzimmer wird vergeſellſchafftet ſeyn. Mit einem Frauenzim - mer / welches den Tod ſuchet / und ihr in meiner Perſon vor euch ſehet. Wann mir denn die Tyrañey des Kaͤyſers auch zu ſterben verweigert / ſo iſt mir das Leben um ſo viel mehr verhaßt / und wuͤnſche ich nichts mehr / als eure Gluͤckſeligkeit / die ihr gnugſame Gelegenheit habet / ſolches mit einem ruͤhmlichen Tode zu verwechſeln. Schen - cket mir demnach ein Theil ſolcher Gluͤckſeligkeit! Erbarmet euch uͤber mich / und nehmet mich kuͤnf - tige Nacht bey geſetzten Ausfall in eure Geſell - ſchafft / ſo ſoll dieſes alles / was ihr hier an Koſtbar - keiten ſchauet / als eine verdiente Erbſchaft vor euer Mitleiden / euch anheim fallen.

Ob654Der Aſiatiſchen Baniſe.

Ob nun zwar dieſe Worte nicht ſonderliches Beyleid in dieſen roſtigen Hertzen zu erwecken ſchienen / ſo waren doch die ſtummen Zungen des verhandenen Goldes und Edelgeſteine dermaſſen beredt / daß eine ſchleunige Bewilligung der be - gehrten Sache einen erwuͤnſchten Ausſchlag gab. Die Nacht / auch endlich die Mitternacht ruͤckte herbey / da ſich die behertzte Princeßin in gemeine Soldaten-Kleider warff / ihre Haare in eine Sturm-Haube zwang / und ſich in ſolcher Ver - ſtellung denen andern / welche ſich zum Ausfalle bereits zuſammen gezogen hatten / getroſt beygeſel - lete. Die Pforte des heimlichen Ausfalles war kaum eroͤffnet / ſo drang ſie mit den foͤrderſten hin - durch / und gelangte gluͤcklich uͤber den Graben. Als aber auff gegebene Nachricht der Princeßin / die Ausfallenden heßlich empfangen wurden / und es ſich gefaͤhrlich anließ / daß die Ausgefallenen gaͤntzlich abgeſchnitten wuͤrden / ſo vermeynte die Princeßin von Savady nicht rathſam zu ſeyn / der naͤchtlichen Gefahr laͤnger bey zu wohnen / welches auch ihr Abſehen nicht geweſen / ſondern ſie ſchlug ſich alsbald auff die lincke Hand nach dem auff - geſteckten Zeichen / woſelbſt ſie eine zierliche Saͤnf - te ihrer wartende fand / worein ſie ſich geſchwind ſetzte / und von tauſend Reutern begleitet / dahin flog. Wie nun der Ausfall auff Seiten der Be - lagerer gluͤcklich abgelauffen war / und Zarang die angenehme Nachricht erhielte / wie die ver - meynte Baniſe bereits in Sicherheit gebrachtwaͤ -655Drittes Buch. waͤre / ſchiene er ſo vergnuͤgt zu ſeyn / als ob ihm das gantze Reich Pegu zugefallen waͤre. Er ſelbſt machte alle Anſtalt zu einem ſichern Auffbruch / und folgte auff den Tag mit fuͤnff hundert leich - ten Reutern / nebſt einigen hohen Generals-Per - ſonen / der werthen Beute nach / welche er aber / weil er mit ihr zu eilen befohlẽ / erſt des dritten Ta - ges an den Martabaniſchen Graͤntzen erreichte.

Er hatte kaum die reiſende Saͤnffte von fernen erblicket / ſo gab die Liebe ihm / und er dem Pferde dermaſſen die Sporn / daß er ſie in kurtzem einhol - te / und ſtille zu halten befahl. Weil nun Zarang ein koſtbares Frauen-Kleid in die Saͤnffte legen laſſen / ſo hatte ſich deſſen die Pꝛinceßin wohl zu be - dienen gewuſt / und es angelegt.

Als nun einige vornehme Kriegs-Haͤupter / welche ermeldter maſſen den eilenden Printzen be - gleiteten / die Saͤnffte umgeben hatten / und mit Schmertzen die jenige zu ſehen verlangten / um derer willen gantz Pegu in Waffen war / auch der Printz ſelbſt vor verliebter Ungedult den Ver - zug nicht erwarten kunte: ſo ſtieg endlich die nun - mehro hoͤchſt-beaͤngſtigte Princeßin / mit beben - dem Fuſſe und zitterndem Hertzen hervor / und warff ſich alſobald mit dieſen klaͤglichen Worten vor des Printzen Fuͤſſe: Ach mein Printz! er - barmet euch uͤber ein ſchwaches Weſen / welches der Macht aͤuſſerſter Liebe nicht zu widerſtehen vermocht. Sehet / hier lieget eine Princeßin / welche ſich euch und der Liebe gefangen giebet / undLe -656Der Aſiatiſchen Baniſe. Leben oder Tod von eurer Hand und Lippen er - wartet. Ach verzeihet / verzeihet! Wertheſter Printz! der grund-getreuen Princeßin von Sa - vady / den Ruhms-wuͤrdigen Betrug / womit ſie euch zu gewinnen / und ſich zu retten vermeynet. Laſſet euch doch meine Thraͤnen erweichen / und dieſe heiſſe Fluth das zaubernde Bildniß der Prin - ceßin von Pegu aus dem Hertzen tilgen / welche euch ſelbſt durch die Unmoͤgligkeit vorenthalten wird. Betrachtet doch mit geſuͤndern Ver - nunffts-Augen die Fuß-faͤllige Savadianerinꝛ wie ihre Geſtalt wohl ehemahls faͤhig geweſen / auch Kaͤyſerliche Printzen zu beſtricken / und wie oͤffters der ſeuffzende Printz von Pegu bloß um eurent willen von mir verſtoſſen worden. Ach goͤnnet mir doch die beliebten Strahlen eurer Au - gen / und laſſet euch dieſe unſterbliche Treue zu der geringſten Gegen-Liebe bewegen.

Zarang kunte ſich nicht entſchlieſſen / ob er die - ſe Begebenheit vor einen Traum / oder als ein warhaftiges Begeben halten ſolte. Er ſahe ſie mit ſtarrenden Augen an / ſchlug die Haͤnde in einan - der / und eine verbitterte Betrachtung hemmete ſeine Zunge. Endlich als er an der Gewißheit dieſes Betruges nicht mehr zweiffelte / redete er ſie mit grimmigſter Verſtellung an: Ha! verteuf - felte und Betrugs-volle Syrene! Bilde dir nur nicht ein / daß dein ſchmeichelndes Vorbringen meine Zorn-Rache verhindern werde. Dieſe Schmach / dieſer unverantwoꝛtliche Schimpf /den657Drittes Buch. den du mir durch verdammte Liſt vor allen Voͤl - ckern erwieſen haſt / kan auch mit deinem Blute nicht verſoͤhnet werden; und ſollſt du auff dieſer Stelle der himmliſchen Baniſen ein unwuͤrdiges Opffer werden. Worauff er den Sebel entbloͤſte / und ihre treue Liebe mit einem blutigen Zuge wuͤr - de belohnet haben / wenn nicht erwehnte Anweſen - de ihm in die Arme gefallen / und ihm das wunder - liche Verhaͤngniß / und die ungemeine Beſtaͤndig - keit der getreuen Princeßin beweglichſt vor Augen geſtellet haͤtten. Als ſie nun den beharrlichen Haß vermerckte / und ſich aller Hoffnung beraubet ſa - he / ließ ſie der Verzweiffelung den voͤlligen Zuͤgel ſchieſſen / entbluͤſte ihre Bruſt / und faſſete einen verborgenen Dolch mit dieſen Worten zur Hand: So ſchaue demnach / unbarmhertziger Tyranne / wie dieſes verſpritzte Blut auff ewig um Rache wider dich ſchreyen / und dein unerweichliches Hertze Tag und Nacht vor den Goͤttern verkla - gen ſoll. Ruͤhme dich nur nicht / Diamantene See - le! Daß dich eine Princeßin biß in Tod geliebet / und um dieſer Liebe willen ihre Bruſt durchbohret habe: denn dieſer Stich wird mir durchs Hertze / dir aber durch die Seele dringen / mir kurtze Schmertzen / und dir ewige Qvaal verſchaffen: weil dich mein blutiger Geiſt auch biß ans Ende der Welt verfolgen / ſtuͤndlich vor deinen Augen ſchweben / und dir deine Grauſamkeit vorruͤcken ſol. Worauf ſie den Stoß zu vollziehen vermeynte /T twel -658Der Aſtatiſchen Baniſe. welches ader die Hand eines wohlmeynenden Soldatens verhinderte.

Als ſie nun der Printz in ſo beweglicher Geſtalt vor ſich knien ſahe / die Alabaſter Haut der eroͤff - neten Bruſt betrachtete / und einer ſonderbahren Anmuth in dem gewiß liebens-wuͤrdigen Wan - gen-Felde gewahr wurde: brach ihm endlich das Hertz / daß er dieſe ſeltzame Beſtaͤndigkeit erkenne - te / den Sebel weg warff / und ſie mit dieſen Wor - ten auffhub: Jch gebe mich gefangen / ſchoͤnſte Princeßin / und bekenne / daß ich dieſer Schoͤnheit und Liebe nicht wuͤrdig bin / womit mich die guͤti - ge Schickung der Goͤtter beſeligen will. Treueſte Seele! ſie wende den Dolch auff dieſes mein un - erkaͤntliches Hertze / und vollſtrecke die wohlver - diente Rache auff meiner Bruſt. Jch habe geir - ret / und den Schluß des Himmels wiederſtrebet; Darum dancke ich der ewigen Gottheit / daß ſie mich dieſem Augenblick zur Erkaͤntniß gebracht hat: bey welcher Gottheit ich denn / in Gegen - wart dieſer Getreuen / will geſchworen haben: daß die Princeßin von Savady die Krone von Tangu vor ihre Beſtaͤndigkeit / und mein Hertz / als ein ſtetes Danck - und Suͤhn-Opffer ewiger Liebe / ſoll zu gewarten haben.

Worauff er ſie inbruͤnſtig kuͤſſete / und ſie unter freyem Himmel vor allen Augen zur Koͤnigin von Tangu / und ſeine liebwerthe Gemahlin erklaͤrete: Daruͤber die Princeßin dermaſſen vergnuͤget ward / daß ſie gleichfalls eine oͤffentliche Danckſa -gung659Drittes Buch. gung auff den Knien / wegen ſo erwuͤnſchten Aus - gangs ihrer Liebe / zu den Goͤttern und ihrem Prin - tzen abſchickte. Als auch die ſaͤmtliche Armee / wel - che ſich auff ſechs und zwantzig tauſend Mann vor Pegu vermindert hatte / angelanget / fuͤhrte er ſie im Triumphe in Tangu ein / ließ ſie kroͤnen / und ſich Koͤniglich beylegen. Da ſie denn lange Jah - re in groͤſter Zufriedenheit und Vergnuͤgung bey - ſammen gelebet / und unterſchiedene tapffere Zeu - gen ihrer Liebe erzielet haben.

Denen Poeten aber wurde hierdurch Anlaß gegeben / allen beſtaͤndigen und keuſch-verliebten Seelen dieſen Troſt-und Lob-Spruch der Be - ſtaͤndigkeit zu ertheilen:

Beſtaͤndigkeit beſteht / ob ſchon die Erde kracht /
Und durch die ſchwartze Nacht entbrañte Strah -
len dringen /
Ein treuer Sinn laͤſt ſich nicht Blitz noch Donner
zwingen:
Die feſte Liebe bleibt / wenn ſchon die ſtoltze
See /
Den grund-erboſten Schaum biß an die Sterne
ſchmeiſſet /
Und Segel / Maſt und Baum in Saltz und Waſ -
ſer reiſſet /
Sie dringt durch Sturm und Wind / durch
Abgrund und durch Hoͤh.
Biß endlich GOtt zu rechter Zeit
Selbſt kroͤnet die Beſtaͤndigkeit.
T t 2Wir660Der Aſiatiſchen Baniſe.

Wir laſſen hier den vergnuͤgten Zarang den Savadiſchen Guͤrtel loͤſen / und verfuͤgen uns wieder in das Aracaniſche Lager vor Pegu / wo - ſelbſt wir ſtatt lieblicher Kuͤſſe / donnernde Car - thaunen ſpielen / und ſtatt der Myrthen / die Mau - ren von Pegu mit blutigen Zypreſſen umgeben ſchauen. Denn Tages nach des Printzen von Tangu Abzuge / kam die erwuͤndſchte Huͤlffe aus Aracan gluͤcklich an / welche die getreuen Staͤnde des Reichs mit funfftzig tauſend Mann vermeh - ret / und alſo zweymahl hundert tauſend auserleſe - ne Mannſchafft ihrem Koͤnige zugeſchickt hatten. Dieſe bezogen ſo fort das alte Lager / die Printzen aber nahmen die alte Stadt ein / und machten ſich ſolche zu einem beqvemern Auffenthalt / weil der Brand ein Theil verſchonet hatte: Jedoch hoff - ten ſie bald in Neu-Pegu beſſere Beqvemligkei - ten zu haben. Weil nun die Tanguter die Bahn zum Stuͤrmen ſehr wohl gemacht hatten / ſo ließ der erhitzte Balacin faſt keinen Tag vergehen / an welchem er nicht in eigener Perſon die Voͤlcker zum Stuͤrmen antrieb / wiewohl ihre Muͤhe hier - innen nichts anders ausrichtete / als daß ſie ihren Ruhm mit rothen Buchſtaben denen Mauern einverleibten. Das Geſchuͤtze muſte Tag und Nacht blitzen / die unbeweglichen Mauern zu be - wegen / daß ſie doch einen freyen Eintritt erlauben wolten. Allein die verzweiffelte Tapfferkeit der Bramaner / und die ſtete Gegenwart des beaͤng - ſtigten Chaumigrems / machten alle gewaltſame Anſchlaͤge fruchtloß.

Als661Drittes Buch.

Als aber die Zeit biß auff drey Tage verfloſſen / da die ſchoͤne Princeßin den rauhen Opffer-Stein betreten ſolte / fand man in dem Norden-Lager ei - nen mit Papier umwundenen Pfeil / welcher als - bald dem Balacin eingehaͤndiget wurde. Dieſen entwickelte er mit zitternder Hand / weil er die Schreib-Art des Abaxars wohl kennete / und laß folgendes daraus:

Allergnaͤdigſter Koͤnig und Herr!

JEtzund ſetzet die leibreiche Princeßin einen Fuß ins Grab / und der Strick / welcher ihren Schwanen-Hals henckermaͤßig umſchlingen ſol / iſt verfertiget. Jhre ſtumme Gefahr aber / und das hertzliche Mitleiden heiſſet uns eilen / und auff maͤchtige Rettungs-Mittel bedacht ſeyn / weil ſie aus der Hand eines maͤchtigen Feindes ſoll erret - tet werden. Jn dreyen Tagen wird das blutige Opffer vollzogen / und die Loͤſung aller Stuͤcken wird alsdenn den traurigen Bericht erſtatten / wie die tugendhaffteſte Seele den ſchoͤnſten Leib verlaſ - ſen habe. Doch trauen J. Maj. den Goͤttern / und dem getreuen Abaxar / und verſichern ſich / daß nebſt dem General Martong und Ponnedro uͤber ſiebenzig tauſend Peguaner in dieſem Staats - Coͤrper ein gefaͤhrliches Geſchwuͤre ſind / welches / wo es auffbrechen ſolte / dem Chaumigrem den unfehlbahren Tod gewaͤhren wird. J. Majeſt. Gegenwart in unbekandter / und nach des Pon - nedro Bericht / Portugiſiſcher Geſtalt / wuͤrde das Werck erwuͤnſcht befoͤrdern helffen: welche zuT t 3er -662Der Aſiatiſchen Baniſe. erlangen / ich E. Majeſt. morgen um ſechs Uhr in einem Ausfalle / als gefangen abholen wolte / wenn ſie durch rothe Kleidung ſich erkaͤntlich machen werden. Die Anordnung des alsdenn nothwen - digen Haupt-Sturms wird der bekandten Tapf - ferkeit des Printzen von Siam wol anzuvertrau - en ſeyn. Jch ſchlieſſe und erwarte.

Jedwedes Wort bedauchte den Printzen ein Donnerſchlag zu ſeyn / weil aber Zeit und Noth keinen Verzug erſtattete / als ließ der Angſt-volle Balacin noch ſelbte Stunde Higvanama / Nhe - randi / Padukko / Korangerim / Mangoſtan und Ragoa zu ſich erfordern / und begehrte ihre rathſa - me Meynung uͤber dieſes wichtige Begehren des Abaxars zu vernehmen. Ob ſie zwar nun alle widriges Sinnes waren / und ſich / nicht ohne gu - ten Vorbedacht / gar einer liſtigen Verraͤtherey beſorgeten: So trauete doch Balacin der / durch Scandorn verſicherten Auffrichtigkeit des Aba - xars / und entſchloß ſich / dieſem Begehren nach - zuleben. Als ſie ihm nun ſolches nicht zu wider - rathen vermochten / bewilligten ſie endlich darein / und wurde nunmehr die Art und Weiſe eines all - gemeinen Haupt-Sturmes zur Gnuͤge abge - handelt.

Balacin erwehlte ſich ſeinen getreuen Scan - dor zum Geferten dieſes bedencklichen Unterfan - gens / und als die Morgen-Roͤthe kaum angebro - chen / verſtellten ſie ſich gewohnter maſſen mit den Faͤrbe-Blaͤttern / daß ſie von iedermann vor uner -kaͤnt -663Drittes Buch. kaͤntlich gehalten wurden. Jndem ſie ſich aber der Higvanama zum Schertz zeigen wolten / kam der Bericht / wie ſich der Feind durch einen Ausfall eingeſtellet / und ſich ſehr feindſelig erzeigte: Dan - nenhero Balacin einen guten Pantzer unter den Rock legte / eine Sturm-Haube auffſetzte / und ſich alſo nebſt dem Scandor in rother Kleidung / unter die Fechtenden einmiſchte. Weil nun A - baxar dieſen Ausfall in Perſon commandirt / ſo befahl er ſeinen Leuten / dieſe zwey Roth-Roͤcke / welche greulich hauſeten / anzupacken und auffzu - fangen / welches die Verſtellten / als ob ſie ihres Gewehres beraubet waͤren / endlich geſchehen / und ſich gefangen in die Stadt fuͤhren lieſſen: da ſie denn Abaxar vor zwey Portugiſiſche Haupt - Leute ausgab / und unter dem Vorwand eines ſtarcken Loͤſe-Geldes / ſie dermaſſen zu verwahren wuſte / daß wegen Menge der Gefangenen / ſie des andern Tages leicht zu vergeſſen waren.

Worauff Abaxar unterſchiedene geheime Zu - ſammenkuͤnffte anſtellete / welchen Ponnedro und Martong beywohneten / und ſich daſelbſt mit ei - nem Eyde verbunden / die Princeßin von dieſem grauſamen Tode zu befreyen / und den tyranni - ſchen Chaumigrem zu ſtuͤrtzen. Damit nun Ba - lacin unvermerckt dem Opffer beywohnen koͤnte / ſo wurde beſchloſſen / den Rolim durch Geſchencke dahin zu bewegen / daß er ihn unter die Zahl der Palpas oder Talipous auffnehme: weil nun der juͤngſte Prieſter iederzeit das Opffer erwuͤrgenT t 4muſte -664Der Aſiatiſchen Baniſe. muſte / als wuͤrde Leben und Tod der Geliebten de - ſto freyer in ſeiner Hand beruhen.

Nachdem nun auch Balacin den Goͤttlichen Ausſpruch zu Pandior bey ſich wohl uͤberlegte / wie alle Begebenheiten mit demſelben ſo wohl - berein geſtimmet / wie er dem Kaͤyſer Xemindo / als damahligen Feind von Ava / aus ſeines Fein - des Chaumigrems Haͤnden errettet / wie das frem - de Bild der Princeßin von Savady ihn verblen - det / endlich doch eine vergebene / und eingebildete Ruhe ſeiner Liebe in der Baniſe gefunden haͤtte. Wie ferner ſeine Princeßin / als ſein einiges Ver - gnuͤgen / in Ketten / in Schrecken und Furcht des Todes laͤge: wie drey Kronen / Ava / Aracan und Siam / die Krone von Pegu zu erretten bemuͤhet waͤren: wie / ſage ich / alles dieſes ſo genau erfuͤllet worden / daß nichts ermangele / ohne daß ihn das Opffer als einen Talipou oder Prieſter kroͤne. Weil nun dieſer Anſchlag hierauff zielte / als wur - de Balacin im Gemuͤthe dermaſſen geſtaͤrcket / daß er feſte davor hielt / es koͤnte zu endlicher Er - fuͤllung der Goͤttlichen Warheit / nicht anders / denn begluͤckt ausſchlagen: dahero er umb ſo viel freudiger einwilligte / und dem Abaxar ein koſtba - res Kleinod einhaͤndigte / umb dadurch bey dem Rolim eine Prieſter-Stelle zu erkauffen.

Abaxar verfuͤgte ſich ſo fort nach dem Rolim / und bedeutete ihn / wie daß er einen nahen Anver - wandten habe / welchem die Goͤtter in waͤhrender Belagerung auff ſonderbahre Art das Leben er -hal -665Drittes Buch. halten haͤtten / dahero er eine Geluͤbde gethan / zur ſchuldigen Danckbarkeit ſein uͤbriges Leben zum Dienſte der Gottheit / und zwar / weil er ein Sol - date geweſen / des Carcovitaͤ zu wiedmen / und darinnen zuzubringen. Weil aber der Rolim kommendes Opffer vorſchuͤtzete / welche Verrich - tung ſich der ietzige juͤngſte Prieſter / weil es ihn zu einer groͤſſern Wuͤrde faͤhig machte / nicht wuͤrde nehmen laſſen / und ihn dahero erſuchte / nach dem Opffer-Tage ſein Begehren zu wiederholen / da ihm willigſt ſolte gewillfahret werden: ſo muſte Abaxar eine andere Beredtſamkeit hervor ſuchen / und ihn durch die guͤldene Zunge des Kleinods / welches der vermeynte Freund als eine Beute in Siam ſolte erobert haben / dahin bereden / daß er verſprach / ſein Anſehen hierdurch zu behaupten / und dieſem neuen Prieſter zu Verrichtung dieſes Opffers behuͤlfflich zu ſeyn. Abaxar nahm ſol - ches zu Dancke an / und hinterbrachte dem Bala - cin den gluͤcklichen Fortgang ihrer Sachen mit Freuden: Nur beklagten ſie / daß der betruͤbten Princeßin / wegen allzu ſtarcker Wache / auch nicht ein Winck von ihrer vorhabenden Erloͤſung ertheilet werden kunte. Dieſem nach fuͤhrte Aba - xar den Printzen zu dem Rolim / gegen den er ſich dermaſſen fromm und heilig zu bezeigen wuſte / daß der Rolim den aͤuſſerlichen Schein vor den andern Prieſtern hoch zu ruͤhmen wuſte / und er ſo dann mit gewoͤhnlichen Gebraͤuchen zum Opffer - Prieſter in dem Tempel Carcovitaͤ eingeweihet /T t 5auch666Der Aſiatiſchen Baniſe. auch ihm zugleich der Opffer-Strick / nebſt dem ſteinern Meſſer / zu bevorſtehendem Opffer einge - haͤndiget wurde: woruͤber ſein Gemuͤthe ſich der - maſſen bewegte / daß es auch der Rolim merckte; weil er es aber vor eine Zagheit hielte / ſo ſprach er ihm auff gut Henckeriſch ein Hertze ein. Und hier - mit endigte das ſchwindende Sonnen-Liecht auch dieſen Tag / welchen die troſtloſe Baniſe ihren letzten zu ſeyn erachtete. Balacin aber vermochte die gantze Nacht keinen Schlaff in ſeine Augen zu bringen / ſondern es ſchwebete nur die gefeſſelte Princeßin in ſeinem Gemuͤthe / und die bekuͤm - merten Gedancken / wie es mit dieſer gewaltſa - men Erloͤſung ablauffen wuͤrde / verſtatteten ihm keine Ruhe.

Endlich zeigete ſich das Liecht / an welchem das letzte Blut vor die Wohlfarth des Peguaniſchen Kaͤyſerthums ſolte vergoſſen werden. Gantz Pe - gu erſeufftzete in geheim / ſo offt es ſich das trauri - ge Schlacht-Opffer ihrer Erb-Princeßin vor Au - gen ſtellete / und dieſer Tag ſchiene einer der be - ruͤhmteſten in den Aſiatiſchen Geſchicht-Buͤchern zu ſeyn Weil nun dieſes Opffer des Morgens muſte verrichtet werden / ſo war die Kaͤyſerliche Mißgeburt des Chaumigrems in Perſon bemuͤ - het / alles auffs praͤchtigſte in ſolcher Ordnung an - zuſtellen / wie es die Wuͤrde des ſonderbahren Opffers erſorderte. Er war willens / alle Gaſſen mit gedoppelter Mannſchafft zu beſetzen / und ſich dadurch zugleich eine ſichere Augen-Luſt zu ſchaf -fen:667Drittes Buch. fen: Allein der geſchaͤfftige Feind zwang ihn / daß er ſtatt der Gaſſen die Mauren wohl beſetzen mu - ſten; weil ſich das gantze Lager regete / und Ange - ſichts der Belagerten ſich zu einem allgemeinen Sturm ruͤſtete.

Nherandi erwieſe ſich hier als ein ungemeiner Kriegs-Stern / welcher ſeine Gegenwart auff allen Seiten ſtrahlen ließ / und ſich denen Fein - den als ein Blut-bedeutender Comete zeigete. Er ordnete in eigener Perſon den Sturm an / und leg - te eine gewaltige Probe ſeiner Kriegs-Erfahren - heit hierinnen ab. Auff die Norden-Seite ſtellte er die erſte Armee der Aracaner / welche er ſelbſt anzufuͤhren ſich vornahm. Gegen Morgen ſetzte ſich die Helden-gleiche Higvanama vor / dieſelbe Seite mit ihren Avanern zu beſtuͤrmen / zu wel - chen noch dreyßig tauſend Aracaner ſtoſſen mu - ſten / weil ſie in der Carpaniſchen Schlacht ſehr vermindert waren. Vom Abende her draͤuete Padukko mit ſeinen Siammern entweder zu ſie - gen oder zu ſterben: Mangoſtan aber wurde de - nen neuen Huͤlffs-Voͤlckern aus Aracan vorge - ſtellet / umb mit ihnen ſein Heil an der Mittags - Seite zu verſuchen. Weil nun Mangoſtan auff dieſer Seite den Vortheil wegen beſagten Dam - mes hatte / und die Mitternachts-Seite gleich - falls eine ziemliche Oeffnung zeigete / ſo wurde das Geſchuͤtze nur von Oſten und Weſten her / als grauſame Ungewitter / gegen die Stadt gerich - tet / und alles dermaſſen wohl angeordnet / daß zueiner668Der Aſiatiſchen Baniſe. einer ſchleunigen Eroberung nichts mehr / als der Angriff / konte erfodert werden / ob auch gleich von innen alle Huͤlffleiſtung waͤre verſaget worden.

Als nun bey angebrochnen Fruͤh-Stunden die Glocken zu bevorſtehendem Feſt-Opffer angezo - gen wurden / und ihr trauriger Schall die An - naͤherung der Todes-Gefahr einer hohen Per - ſon auſſer der Stadt verkuͤndigte / wurden zur Stunde die Voͤlcker aus allen vier Lagern gegen die Stadt in ſchoͤnſter Ordnung angefuͤhret / da iedes Lager etliche tauſend hohe Leitern / auff wel - chen drey Perſonen neben einander anlauffen konten / vor ſich hertragen ließ / welches die von den Siammern gefangene Bramaner verrich - ten muſten / zur Rache / wegen gleichfalls miß - brauchter Huͤlffe der armen Siammer vor O - dia / in Verſenckung der Schiffe. Jn ſolcher Ge - ſtalt warteten ſie mit hoͤchſtem Verlangen auff das verſprochene Zeichen / und gaben / ihre Be - gierde zu fechten / durch ein oͤffteres Feld-Ge - ſchrey ſattſam zu erkennen / wiewohl ſie uͤber drey Stunden mit hoͤchſter Ungedult hierauff warten muſten / indem Chaumigrem dieſe wichtige Sa - che mit groͤſter Vorſicht vorzunehmen vermeyn - te / und zufoͤrderſt alle moͤglichſte Anſtalt zu Be - ſchirmung der Stadt machte / auch bey Lebens - Straffe allen Peguanern und Jnwohnern der Stadt verboten wurde / ſich nicht auff der Geaſen / viel weniger bey dem Opffer ſehen zu laſſen.

Den Tempel des Carcovitaͤ muſte Abararmit669Drittes Buch. mit vier tauſend Mann in dreyfacher Reihe umb - ziehen laſſen / und die Reuterey wurde in allen Gaſſen vertheilet. Der Rolim war inzwiſchen gleichfalls auffs aͤuſerſte bemuͤhet / den Tempel herrlichſt zu zieren / und weil die armſelige Prin - ceßin dieſe tyranniſche Gnade erlanget / daß ſie / weil es ein ungewoͤhnliches Opffer / auch die Opffer-Gebraͤuche in etwas veraͤndern / und nach ihrem Belieben einrichten moͤchte / ſo wur - de eine herrliche Muſic darbey angeſtellet / und nichts unterlaſſen / was ein Kaͤyſerliches Opffer zieren konte.

Der Tempel war laͤnglich-rund / mit verguͤl - detem Ertz bedecket / und hatte zwoͤlff Thuͤren von polirter Arbeit. Jnwendig war er mit weiſſen Marmel durchaus geſetzet / und ſo kuͤnſtlich in einander gefuͤget / daß es ſchien / als ob der gantze Tempel nur aus einem Stuͤck gehauen waͤre. Die Fenſter waren von dem ſchoͤnſten Cryſtall gemacht / durch welche der Tag mit vermehrtem Lichte hinein drang / und doch den Augen nicht ſchaͤdlich war. Der Boden war mit bunten Jaſpis gepflaſtert / und rings um den Tempel ſtunden hundert Alabaſterne Saͤulen. An dem Ende des Tempels gegen Morgen ſahe man den Krieges-Goͤtzen Carcovita in einer ſchrecklichen / ja teufliſchen Geſtalt. Der Leib war wie ein Menſch gebildet ingleichen die Haͤnde / deren rech - te er auff der Bruſt / die lincke auff dem lincken Knie liegen hatte / weil er ſitzende vorgeſtellet war. Das670Der Aſiatiſchen Baniſe. Das Angeſichte gleichte einem alten Mann mit groſſen Hoͤrnern / zwiſchen welchen noch zwey klei - nere ſaſſen. Die Fuͤſſe waren auff Bocks-Art bereitet / und zwey Fluͤgel hiengen ihm auf dem Ruͤcken. Daß erhabene Geſtelle / worauf er ſaß / war von gruͤnen Jaſpis / mit ausgegrabener und erhobner Arbeit von Golde / auffs kuͤnſt-und koͤſt - lichſte gezieret. Vor dieſem Geſtelle oder Altar ſtund nun der bunte Marmel / auff welchem das abſcheuliche Opffer verrichtet wurde. Etwan zwanzig Schritte dem Abgott gegen uͤber war ein von ſechs Staffeln erhoͤhter Thron / mit ge - ſtickten Teppichten behangen / auff welchem das tyranniſche Mord-Kind / Chaumigrem / ſitzen / und ſeine Augen-Weide an dem jaͤmmerlichen Tode der unſchuldigen Princeßin ſehen wolte.

Zwo Stunden nach der Sonnen Auffgang verfuͤgte ſich Chaumigrem / von vielen groſſen Staats-und Kriegs-Haͤuptern begleitet / auff ei - nem Elephanten nach dem Tempel / allwo Aba - xar mit dreyßig Trabanten / welche ſilberne Bar - then fuͤhrten / den Thron um bgeben muſten / auff welchen er ſich / nachdem er eine und andere An - ſtalt ſelbſt betꝛachtet hatte / mitgꝛoͤſtem Hochmuth ſetzte / weil er des feſten Glaubens war / durch dieſes Opffer wuͤrde Carcovita verſoͤhnet / der Feind faſt ohne Waffen verjaget / und ſein Thron durch dieſes Blut befeſtiget werden.

Als ſich nun der Rolim nebſt neunzig Prieſtern gleichfals eingeſtellet hatte / wurden zum letztenmahl671Drittes Buch. mahl die Glocken angezogen / auff deren Gethoͤ - ne die hitzigen Aracaner alſobald angelauffen waͤ - ren / wenn ſie nicht Nherandi durch ernſtes Be - fehlen hiervon abgehalten haͤtte / da ſie denn wie ergrimmte Tyger die beſetzte Mauren anſahen / und von denſelben gleiches Blickes gewuͤrdiget wurden. Nach dem Klang der Glocken aber wur - de die Princeßin Baniſe / unter Begleitung hun - dert Pfaffen / nach dem Tempel zugefuͤhret. Sie war Koͤniglich gezieret / und zu Bezeigung ihrer Reinigkeit in gantz weiſſen Atlaß gekleidet; eine Krone von Perlen bezierte das zu Felde geſchla - gene Locken-Haar / und ein Diamantner Guͤrtel umgab die wohlgeſetzten Lenden. Fuͤſſe und Haͤn - de waren mit ſtarcken guͤldenen Ketten gefeſſelt / und in ſolcher traurigen Pracht kam ſie in den Tempel. Balacin ſtund bey dem Opffer-Stei - ne / und ſtellte ſich ſehr geſchaͤfftig / ja recht Blut - begierig an; ſo bald ihm aber das ſchoͤne Opffer in die Augen ſtrahlte / fiel ihm Strick und Meſ - ſer aus der Hand / ja er hatte von noͤthen alle ſeine Großmuth und tapffern Geiſter zuſammen zu for - dern / damit er in gleichem Weſen bleiben / und zu Ausfuͤhrung dieſer wichtigen Sache gnugſam ge - ſchickt ſeyn moͤchte. Die Prieſter ſtellten ſich in einer langen Reihe auff beyden Seiten des Ab - gotts / da denn der Rolim mit einem guͤldenen / die andern aber mit ſilbernen Rauchfaͤſſern dergeſtalt dem Abgott zu Ehren zu raͤuchern begunten / daß der gantze Tempel mit wohlriechendem Dampff erfuͤllet wurde.

Waͤh -672Der Aſiatiſchen Baniſe.

Waͤhrenden Raͤucherns fieng eine ſanffte und durchdringende Muſic von fernen an zu ſpielen / in welche nachfolgende Arie / auff der Princeßin Begehren / welche ſie ſelbſt geſetzet hatte / mit trau - rig-beweglichſten Stimmen abgeſungen wurde:

1.
HOllen nun die gruͤnen Jahre /
Und der Unſchuld Perlen-Kleid /
Auff die ſchwartze Todten-Bahre /
Jn die dunckle Ewigkeit?
Soll mein Blut die Erde faͤrben?
Soll Baniſe nicht mehr ſeyn /
Und ſo jaͤmmerlich verderben?
Himmel! das iſt Seelen Pein!
2.
Meine Jugend heiſt mich hoffen /
Weil die vollen Roſen ſtehn:
Und mein Fuß betritt die Stuffen /
Welche nach dem Grabe gehn.
Stern und Himmel rufft vergebens:
Suche Flammen in den Schnee /
Weil die Sonne meines Lebens
Sincket in die Todten-See.
3.
Statt verhoffter Liebes-Blicke
Kuͤſſet mich der blaſſe Tod /
Und der Tugend beſtes Gluͤcke
Jſt nur Jammer / Angſt und Noth.
Gold und Kronen ſolt ich erben /
Ja ein Kind der Goͤtter ſeyn.
Aber673Drittes Buch.
Ader / ach! ſo ſoll ich ſterben /
Und betreten Grufft und Stein.
4.
Doch getroſt! das Licht der Tugend
Blitzet auch durch Tod und Nacht.
Es iſt Schoͤnheit / Stand und Jugend /
Was den Tod dir bitter macht.
Dieſes ſind nur falſche Sterne /
Und ein Glantz der Eitelkeit:
Spreu und Schalen ſonder Kerne /
Welche ſchwinden mit der Zeit.
5.
Tugend kan den Tod verſuͤſſen /
Hoffnung zuckert Gallen ein.
Weil wir alle ſterben muͤſſen /
Will ich nicht die letzte ſeyn.
Es wird meine reine Seele
Reiſſen durch die Sterbligkeit /
Und entgehn des Grabes Hoͤle
Zur geſtirnten Ewigkeit.
6.
Zwar mein Printz wird ſich betruͤben /
Weil mein Fall die Liebe ſtoͤrt:
Doch ein keuſch-geſinntes Lieben
Wird durch keinen Tod verſehrt.
Jhre zarte Wurtzel dringet
Auch biß in die kalte Grufft:
Wenn ſich Geiſt und Seele ſchwinget
Durch die blau-gewoͤlckte Lufft.
U u7. Nun674Der Aſiatiſchen Baniſe.
7.
Nun die Zeit befiehlt zu ſcheiden /
Und mein Stunden-Glas zerbricht.
Jch ſoll Tod und Meſſer leiden /
Es verdunckelt Aug und Licht.
Dieſes iſt die letzte Stunde.
So vergeht der Jugend Pracht!
Wort und Sylb erſtirbt im Munde.
Welt und Printz zu guter Nacht!

Dieſem allen hoͤrte die großmuͤthige Princeßin gantz behertzt / und mit einem ſolchen Angeſichte zu / in welchem man ſtatt der Furcht eine ernſthaf - te Freundligkeit und ſolche Anmuth erblickte / wel - che die Steine zu durchdringen ſchien. Der ſonſt unbewegliche Printz konte ſich der Thraͤnen nicht enthalten / indem er kein Auge von der Prin - ceßin wendete / und ſich uͤber ihre Standhafftig - keit hoͤchlich verwunderte. Ja er wuͤnſchte / daß nur bald die Zeit verfloſſen / und die Stunde des Opffer-Wechſels vorhanden waͤre. Nach geen - digtem Singen wurden die Ketten von dem ſchoͤ - nen Opffer-Laͤmmgen abgenommen / und unter ſtetem Raͤuchern des Rolims vor den Abgott ge - fuͤhret / von welchem ſie ihr Engliſches Angeſichte ab-und dem Chaumigrem / nebſt allen Anweſen - den zuwendete / da ſie zugleich mit ungemeiner Hertzhaftigkeit und unerſchrockener Stimme fol - gende Rede vom Tode hielt:

Trauer -675Drittes Buch.

Trauer - und Abſchieds-Rede der ſterbenden Baniſe.

SO ja etwas eꝛſchreck-und entſetzliches kan oder mag geneñt werden / wovor die Helden zittern / die Starcken beben / und die Tyrannen erſchrecken; ja wo etwas zufinden iſt / welches die Gottloſen von der Suͤnde noch etwas zuruͤcke halten kan / ſo iſt es gewiß das blaſſe Reich des Todes / und deſſen Furcht-erweckende Betrachtung. Der Tod / ſage ich / das Erſchrecklichſte alles Schrecklichen / wel - cher alles zerbricht / was ſeinen Urſprung von der Erde nimmt / und was nur die Geburt an die Sonne ſtellt; welchen auch die wilden Thiere und gifftigſte Schlangen zu ſcheuen pflegen / und die menſchliche Natur vor ihren groͤſten Feind erken - net / wider den ſie bey allen Aertzten Entſatz / und dieſen abſcheulichen Grabes-Wurm moͤglichſt abzuhalten ſucht. Ja der Tod / welcher mir ietzt die Eiß-kalte Hand reichet / ihm auff einer bluti - gen Bahn zu folgen. Gewiß / wenn wir den Tod mit unſern Vernunffts-Augen etwas genauer be - trachten / ſo ſcheinet es / als ob unſerer Natur all - zugroſſe Gewalt angethan wuͤrde / und die erzuͤrn - te Gottheit denen Menſchen etwas auferleget hat - te / welches menſchlicher Schwachheit zu ertragen unmoͤglich waͤre. Allein / ſo wir den Kern koſten / und die Schalen verwerffen / ſo befinden wir / daß unſere groͤſte Gluͤckſeligkeit im Tode beruhe. Es wuͤrde uns das Gallen-bittere Leben noch viel her - ber ſchmecken / ſo wir kein Ende unſerer Noth / vielU u 2weni -676Der Aſiatiſchen Baniſe. weniger eine Verbeſſerung wuͤſten. Nicht wolle iemand wehnen / als ob mich die Noth lernte das Leben verachten / weil ich den Tod vor Augen ſehe / und mir ſelbten / als eine Sache / welche nicht zu aͤndern / ſuͤſſe vorzuſtellen mich bemuͤhete. Nein / keines weges; ſondern ich verſichere / daß ich mich in der Todes-Betrachtung mehr / als im Spiegel Lebenslang beſchauet habe / indem ich ein wahrer Zeuge des Gluͤcks und Ungluͤcks bin.

Jch meines Orts halte davor / daß der allge - gemeine Wunſch einiger Lebens-Verlaͤngerung bloß aus einer unzeitigen Liebe des Lebens herruͤh - re / welche ſodann den Tod verhaßt macht / und denſelben auff das greulichſte vorbildet; ſo wir aber den Urſprung ſolcher Liebe unterſuchen wol - len / ſo wird die Qvelle aus dem Jrrdiſchen ent - ſpringen. Was aber irdiſch ſey / ſolches ſehen und erfahren wir in unſerm irdiſch-geſinnten Leben taͤglich. Bilden wir uns ein / die hoͤchſte Gluͤckſe - ligkeit beruhe in Cron und Thron / und der Zepter koͤnne nur unſer Leben verſuͤſſen / ſo betruͤgen wir uns hefftig. Denn / ach! daß es nur die Welt glauben wolte! iede Crone und Fuͤrſten-Hut iſt ein Joch / deſſen Gold ſchwerer als Bley zu ertra - gen iſt. Die Diamanten ſind ſpitzige Pfriemen / welche gekroͤnten Haͤuptern ihre Ruhe verſtoͤren; die Perlen bedeuten Thraͤnen / und die ſchuͤttern - den Rubinen ſind geronnen Blut / welches oͤffters aus den Adern des gekroͤnten Knechts hervor qvil - let. Weh mir / daß ich meinen Herrn Vater zu ei -nem677Drittes Buch. nem klaͤglichen Beyſpiel vorſtellen muß! Suchen wir unſere Lebens-Verſuͤſſung an den Hoͤfen der Printzen / ſo begeben wir uns zur Herbſt-Zeit auff eine See / welche uns durch verborgene Klippen und Sand-Baͤncke einen taͤglichen Schiffbruch draͤuet. Ja die Vergnuͤgung iſt nirgend weniger denn hier / zu finden / weil ſtetes Mißtrauen und Furcht iedweden Schritt begleiten: Und ruͤhmet ſich gleich einer in dem Schooß der Gnaden zu ſi - tzen / ſo kan doch ein unzeitiges Wort oder Geber - de tauſend Donner-Keile aus dieſer Gnaden - Wolcke ziehen / welche ſein Gluͤcke im Augenblick zerſchmettern. Hier weinet offt das Auge bey la - chendem Hertzen / und ein Todt-Feind ſchmuͤcket ſich mit Freundſchaffts-Larven: ja die Liebe des Nechſten wird zu Hofe ein Ungeheuer / und dieſe Tochter der Natur eine Mißgeburth der Welt. Hier muß man allen Blicken einen Kapzaum an - legen / dem jenigen am meiſten heucheln / welcher uns am meiſten unterdruͤckt / und auch die ſchaͤnd - lichſten Gebrechen als Tugenden ausſtꝛeichen / daß alſo / da wir offt die groͤſten Sclaven ſeyn / wir uns doch aus ſtoltzer Einbildung Herren zu ſeyn beduͤncken. Viel weniger kan und ſoll uns Reich - thum / als die guͤldene Folter-Banck des Ge - muͤths / noch einig ſcheinbahres Gluͤcke oder Ehre das Leben dermaſſen beliebt machen / daß wir den Tod ſo gar haſſen / und ein ewiges Leben dieſer Zeitligkeit wuͤnſchen ſolten. Es muß ieder beken - nen / daß er ſich oͤffters uͤber die Laͤnge der Zeit be -U u 3ſchwe -678Der Aſiatiſchen Baniſe. ſchweren muͤſſe / und dahero bemuͤhet er ſich / ſolche nach Moͤglichkeit zu vertreiben / ja gleichſam zu verjagen / und bekennt alſo auch wider ſeinen Wil - len den Verdruß der Zeitligkeit.

Nun dieſer Feſſel / womit das Gemuͤthe an das Jrrdiſche ſich verbindet / iſt meine Seele gleichfalls gantz befreyet / und kuͤſſe ich vielmehr dieſes guͤlde - ne Licht / an welchem ich das Joch der Eitelkeit ab - legen / und mich denen Sternen beygeſellen ſoll: Ja ich achte das eitele Weſen dieſer Welt nicht mehr einiger Gedancken wuͤrdig. Denn wer wohl ſchlaffen will / der muß auch die Kleider ablegen / und wer wohl zu ſterben verlanget / der lege das Jrrdiſche von ſich. Der Tod iſt nicht ſo ſchrecklich / als man ſich einbildet / und wer ſich davor fuͤrchtet / oder die Verlaͤngerung des Lebens allzuhefftig ſu - chet / der muß ſo gottloß ſeyn / daß er Urſach hat / ſich vor der Verdammniß zu fuͤrchten; das jenige Leben aber / welches ſtets mit ſolcher Todes-Fuꝛcht und Gewiſſens-Angſt umbgeben / iſt kein Leben / ſondern nur eine Marter zu nennen. Wohl ſter - ben iſt nichts anders / als der Gefahr uͤbel zu leben / und fernerm Ungluͤck entfliehen / und doch empfin - den ihrer viel den groͤſten Abſcheu vor der Tren - nung des Leibes und der Seelen: ich aber will be - hertzt eine boͤſe Stunde vor ein gutes Jahr / und einen wenigen Schmertz vor eine ewige Freude ausſtehen. Und alſo ſterbe ich mit hoͤchſtem Ver - gnuͤgen / weil mich die Tugend lehret / wie man ſich bezwingen / und durch den Tod dahin kommenmuͤſſe /679Drittes Buch. muͤſſe / wo ein beperlter Rock der Ewigkeit meine Schultern bedecken wird.

Wird gleich der Drat meiner zarten Jugend zerſchnitten / und bleibet Kron und Zepter zuruͤcke / ſo wird doch meine Seele in dem glaͤntzenden Ni - ba auch Sonne und Sternen an Klarheit uͤber - treffen. Muß gleich der artige Bau meiner Glie - der zerbrechen / und der Purpur meiner Wangen und Lippen mit Todten-Farbe beſtrichen werden / ſo bin ich doch verſichert / daß an meinem Geiſte ſolcher Verluſt wird tauſendfach erſetzet werden. Jch weiß zwar / daß viel getreue Hertzen ihre Thraͤnen mit meinem Blute vermiſchen wolten / wenn nicht ein Damm der Grauſamkeit ihren Lauff hemmete: Allein glaubet / daß mir dieſer Trauer-Stein angenehmer / weder der Thron zu ſeyn beduͤncket: Und waͤre es demnach gantz un - noͤthig / daß ihr meine Aſche mit eurer Wehmuth beflecken woltet. Ein von Laſtern befreyter Geiſt laͤſſet ſich den Tod nicht ſchrecken / denn dieſer koͤmmt nur bloͤden Augen heßlich vor / und ver - wehnte Lippen wollen nicht Wermuth ſchmecken. So erkenne ich mich demnach dem Kayſer hoͤchſt verpflichtet / indem er mir hierdurch eine ſolche Gunſt bezeiget / daß ich ſeine vorige Schatten-Lie - be anietzo vor eine helle Sonne erkennen muß: wenn er mir durch den Tod ein ſolches Geſchencke ertheilet / welches mich weit mehr / als keine irrdi - ſche Liebe vergnuͤget. Jch werde in kurtzem mit verneuerten Lippen die beſten Freunde kuͤſſen / undU u 4ich680Der Aſiatiſchen Baniſe. ich ſehe bereits / wertheſter Herr Vater / ſein mit tauſend Sternen beflammtes Angeſichte durch die blaue Lufft glaͤntzen. Jch ſchaue im Geiſt / wie mir die liebſte Frau Mutter aus der Ewigkeit zu - wincket / und mich mit laͤchelndem Munde ihrer Vergnuͤgung verſichert. Ach ſeligſte Schweſter! die du auff unerhoͤrte Art am Galgen erſticken muͤſſen / ich ſehe gantz entzuͤckt / wie umb deinen Hals / ſtatt des verdammten Henckers-Strickes / Diamanten / und deine vier kleine Todes-Zeu - gen / wie die Morgen-Sterne um dich ſchimmern. Ja / liebſten Freunde! ich erblicke ſchon mit ſterb - lichen Augen eure vergoͤtterte Geſtalt / und wie ihr Arme und Haͤnde ausſtrecket / mich zu euch zu zie - hen.

Ach aber! was vor ein Angſt-Schweiß befaͤl - let meine bereits erkalteten Glieder / und welche Wehmuth heiſſet mich die letzten Thraͤnen ver - gieſſen? Mein Hertze ſchwitzet Blut / und ein blei - cher Jammer beſtuͤrmet mein Gemuͤthe. Allein / nicht mein ſterbendes Ungluͤck / nicht der Verluſt von. Kron und Zepter / oder daß ich den Purpur mit einem Sterbe-Kittel vertauſchen ſoll / verur - ſachet dieſe Schmertzen: ſondern das empfind - lichſte Andencken meines liebwertheſten Printzen Balacins / beunruhiget meine Seele. Ach liebſter Printz! in was vor eine Thraͤnen-See wird dein Hertz verſchlagen werden / wenn dieſe Trauer - Poſt in deinen Ohren erſchallen wird: Deine Baniſe / dein Schatz / ja deine verſprochene Brautiſt681Drittes Buch. iſt todt / und ihr getreues Blut klebet noch in Pegu an dem Opffer-Steine. Nunmehro wirſt du nicht mehr die Zucker-Frucht reiner Kuͤſſe von meinen Lippen ernden koͤnnen / und der Fruͤhling unſerer keuſchen Liebe hat ſich in einen kalten To - des-Winter verwandelt / welcher einen Fruchtge - nieſſenden Herbſt nicht eher / als in den Sternen - Auen verſpricht. Ach getreueſter Balacin! wie wird dein Hertz klopffen / und deine Großmuth mit Thraͤnen uͤberſchwemmet werden wenn man dir nach erfolgter Eroberung / den geringen Reſt meines verbrennten Leibes in einem engen Ge - ſchirre zeigen wird! Jn noch tieffere Traurigkeit und Mitleiden aber wirſt du verſetzet werden / weñ du erfahren wirſt / wie ich meine dir geſchworne Treue biß in Tod unbefleckt erhalten / und unſerer Liebe eine keuſche Seele auffgeopffert habe. So lebe demnach wohl / erwehltes Hertze! Lebe wohl / und empfange dieſen Abſchieds-Kuß durch die Lufft. Jch ſichere dich / die Flamme ſoll nicht ſo hefftig meinen Leib umfangen / als wie meine A - ſche in der Beſtaͤndigkeit gegen dich noch gluͤen ſoll. Ja wenn ſich das Wort im Blute netzen / und der Tod auch das Lallen verbieten wird / ſo ſollen doch die Seufftzer noch haͤuffig nach dem Himmel und zu dir fliegen. Gute Nacht / mein Printz! der Himmel ſegne dein Waffen / und goͤnne dir ſo viel gute Jahre / als ich boͤſe Stunden habe zehlen muͤſſen. Gute Nacht! Meine zu bevorſtehendem Todes-Kampffe benoͤthigte Groß-Muth verbeutU u 5mir /682Der Aſiatiſchen Baniſe. mir / ferner an dich zu gedencken / und erlaubet mir / nur noch einmahl zu ſagen: Die letzte gute Nacht!

Jndeſſen getroſt / mein Geiſt! und laſſe dich nichts irren / ob dich gleich ein zitterndes Grauen anfechten / und dir die Vernunfft deine Jugend / und das letzte Anſchauen der Welt vorſtellen will. Gedencke / es muͤſſe ſeyn / der Himmel habe es alſo beſchloſſen / daß dein reines Blut ein rother Zeuge der Keuſchheit ſeyn ſolle. Wer heute ſtirbt / der darff nicht morgen ſterben. Nun gute Nacht! Zeit und Wehmuth erlaubet nicht ferner die Tu - gend zu ruͤhmen / und das Leben zu verachten. Jch ſage: Gute Nacht / weil ich die lange Todes - Nacht antreten / und mich euren Augen auf ewig entziehen ſoll. Es iſt genung / ich bin vergnuͤgt / wenn ich weiß / daß ob ich gleich vergehe / dennoch mein Nahme bleiben werde. So komme denn / angenehmer Tod! und vermaͤhle mich mit dir. Du himmliſche Gottheit aber / laß dir meinen Geiſt zu geheiligter Hand befohlen ſeyn / und laſſe ihn ſtatt ietziger Galle / die ſuͤſſe Himmels-Koſt ſchmecken. Laſſe ihn bald dahin gelangen / wo er das geſtirnte Heer viel tauſend Meilen unter ſich ſehen / und alle Tyranney und Eitelkeiten dieſer Welt getroſt verlachen kan. Verwechſele meine Kummer-Dornen mit einer Roſen-ſanfften Luft / und bekroͤne mein Haupt mit einer Sternen-Kro - ne / ſo werde ich mit Luſt ſterben / wenn alle Welt mir dieſe Grabſchrifft ſtellen wird:

Weil683Drittes Buch.

Weil Baniſe Tod und Laſter beſieget hat / ſo iſt ſie eine Nachbarin der Son - nen geworden.

Nach welchen Worten ſie ſich mit etwas er - blaſſeten Wangen und wanckendem Fuſſe / dem traurigen Opffer-Steine naͤherte / und allda des moͤrderiſchen Strickes mit bereits geſchloſſenen Augen erwartete. Balacin aber ſtund unbe - weglich vor ihr / und ſchiene / als ob er vor Zorn / Wehmuth und Liebe gantz verſteinert waͤre. Ob ihn nun zwar der Rolim zu unterſchiedenen mah - len ſeines Amtes erinnerte / ſo verzog er doch der - maſſen / daß ihm endlich Chaumigrem ſelbſt zu - ruffte: Es iſt dein unzeitiges Erbarmen verge - bens! Verrichte dein Amt / und vermeyde deine Straffe. Du wirſt des Mordens beſſer gewohnt ſeyn / antwortete der ergrimmete Printz / grauſa - mer Bluthund! Derowegen ſo komme nur ſelbſt her / und verrichte dieſes Henckermaͤßige Opffer. Worauff er alſobald in moͤglichſter Eil mit denen bey ſich habenden Blaͤttern ſich erkaͤntlich machte / welches aber weder die halb-tode Princeßin / noch der vor Zorn raſende Chaumigrem bemerckete. Die Pfaffen aber / welche dieſe Veraͤnderung ſa - hen / ſchlugen alle die Haͤnde uͤber den Koͤpffen zu - ſammen / und ſchrien mit graͤßlicher Stimme: Verraͤtherey! Verraͤtherey! Verraͤtherey! Welches Geſchrey den Kaͤyſer dermaſſen verwir -ret684Der Aſiatiſchen Baniſe. ret machte / daß er deſſen Bedeutung nicht mercke - te / ſondern im Grimm vom Throne auffſprang / nach dem Printzen lieff / und ihm den Strick aus der Hand reiſſen wolte / in willens / die Princeßin mit eigener Hand zu erwuͤrgen. Balacin aber kam ihm hurtig zuvor / und warff ihm ſelbſt den Strick um den Halß / riſſe ihn zu Boden / und verſetzte ihm mit dem ſcharffen Opffer-Steine und dieſen Worten einen toͤdtlichen Stoß in die lincke Bruſt: Siehe / du Bluthund! So muß man den Teuffeln / und nicht den Goͤttern opffeꝛn! Chaumigrem aber kunte vor Schrecken nichts / als das wider-ſchallende Wort / Verraͤtherey / vorbringen.

Wie nun ſolches die Anweſenden Bramaner erſahen / ſtuͤrmeten ſie einmuͤthig mit bloſſen Se - beln auff den Printzen: Abaxar aber / welcher ſo wohl die Trabanten / als auch die um den Tem - pel geſtellten Voͤlcker / zu ſeinem Winck bereit wu - ſte / thaͤte den rachgierigen Bramanern einen blu - tigen Einhalt / und entſtund ein ſo hartes Gefechte in dem Tempel / daß das Blut auff dem glatten Jaſpis-Boden Strom-weiſe dahin floſſe: Ja die Goͤttliche Rache ſchickte es dermaſſen / daß der toͤdtlich-verwundete Chaumigrem / welcher ſich ſo offte mit unſchuldigem Blute beſudelt / ſich in dem haͤuffigen Blute bruͤllende herum weltzen / und mit Ach und Weh ſeinen ſchwartzen Geiſt der flammenden Hoͤlle zu ſchicken muſte. Der Printz ergriff indeſſen die gantz erſtarrete Princeßin / undſetzte685Drittes Buch. ſetzte ſie auf den erhoͤheten Altar des Abgottes / da - mit ihr der allenthalben wuͤtende Sebel nicht ei - niges Leid zufuͤgen moͤchte. Hierauff drungen die aͤuſſerſten Voͤlcker mit groſſem Geſchrey: Es le - be Princeßin Baniſe! in den Tempel / und hie - ben im Grimm alles nieder / was nur eine Bra - maniſche Ader regte: wodurch der Tempel-Streit ſeine Endſchafft erreichte:

Jndem aber / vorerwehnter maſſen / die Prin - ceßin ihre Trauer-Rede geendiget hatte / und das Opffer indem verrichtet werden ſolte / ſo war be - reits das Zeichen zu Loͤſung der Stuͤcke gegeben / welche denn um die gantze Stadt mit ſo entſetzli - chem Donner geloͤſet wurden / daß Haͤuſer und Tempel erbebeten. Solcher Knall hatte ſich kaum in den Luͤfften verlohren / ſo wurde von der Oſt-und Weſten-Seite ſo grimmig geantwortet / daß auff beyden Seiten eine dreyßig-klaffteriche Eroͤffnung die grauſame Wuͤrckung zeigete. Nach dieſem gienge der Sturm auff allen Sei - ten dergeſtalt an / daß es ſchiene / als ob ſich die Menſchen unterſtehen wolten / den Himmel mit der Erden zu vereinigen. Die Bramaner foch - ten als verzweiffelte Leute / und die Stuͤrmenden wolten von nichts / als Sterben oder Siegen hoͤ - ren. Die Todten verhinderten die Lebendigen / und das ſchlipfferige Blut verurſachte denen An - lauffenden ein gefaͤhrliches Gleiten. Als aber der tapffere Abaxar die erſte Probe ſeiner Treue abgeleget / uͤberließ er dem Printzen zu Beſchir -mung686Der Aſiatiſchen Baniſe. mung der Princeßin tauſend Mann: Ein tau - ſend Mann muſten in allen Gaſſen ausruffen: Es lebe die Princeßin Baniſe! Auff welches aus allen Haͤuſern ein hundert tauſendfaches Echo er - folgete. Mit zwey tauſend Mann eilte er dem Nor - den-Thore zu / allwo er bereits den General Mar - tong mit denen Bramanern wegen Behauptung des Thores / in vollem Kampff begriffen fand: da er als ein Blitz durchdrunge / und das Thor mit Gewalt auffhauen ließ. Solches war kaum er - oͤffnet / ſo drungen die Aracaner als eine dicke Wolcke hinein / und erfuͤlleten alle Gaſſen mit Blut und Tode / iedoch wurden die Haͤuſer ver - ſchonet. Nherandi kam mit den foͤrderſten hinein / und traff auff dem Marckte den Padukko mit den Siammern zu hoͤchſter Verwunderung an / wel - cher auff ſeiner Seiten die Mauren mit Gewalt erſtiegen hatte. Worauff denn inner zwey Stun - den alles uͤber und uͤber gieng / und wurde / was nur einen Bramaniſchen Nahmen fuͤhrete / nie - dergehauen.

Wo laſſen wir aber die entzuͤckte Baniſe / nebſt ihrem hoͤchſt-vergnuͤgten Printzen? Dieſe kunte ſich durchaus nicht faſſen noch begreiffen / ſondern die Todes-Angſt wolte ſie uͤberreden / ſie habe be - reits den Tod uͤberſtanden / und habe ſie die Ge - ſellſchaft ihres Printzen in dem Niba angetroffen. Als indeſſen das blutige Getuͤmmel in etwas ge - ſtillet / und ſie einiger maſſen / gleichſam aus einer tieffen Ohnmacht / wieder zu ſich ſelber kommenwar;687Drittes Buch. war; fiel ſie von dem Alter zu des Printzen Fuͤſ - ſen / und ſagte mit ſchwacher und beweglichſter Stimme zu ihm: Ach Engliſcher Balacin! lebe ich / oder bin ich todt: Schlaffe ich? Traͤumet mir? Oder ſind dieſes ſolche Begebenheiten / die ſich noch in der unterirrdiſchen Welt zutragen? Ach iſt es moͤglich / daß ich durch deine Hand aus der Gewalt des Todes geriſſen worden? Bethoͤ - ren mich meine Augen / daß ich den Moͤrder mei - ner Eltern / den Feind meiner Keuſchheit / und den nach meinem Blute duͤrſtenden Tyrannen in ſei - nem Blute vor mir liegen ſehe? Wie koͤnnen ſich denn die Doͤrner ſo geſchwinde in Roſen / und die Hoͤlle in ein Paradieß verwandeln? Jch kuͤſſe die huͤlffreiche Hand / und bin wie vor bereit / mein Blut vor dieſe Treue zu vergieſſen. Ach koͤnte ich doch mein Hertz aus dem Leibe reiſſen / und ſolches als ein freudiges Danck-Opffer vor deinen Augen verbrennen. Statt deſſen aber ſey dir / wertheſter Engel / Geiſt / Leib / Hand / Mund / Bruſt und Lie - be hievor auffgeopffert. Balacin hub ſie von der Erden / und antwortete: Allerſchoͤnſte Princeßin! Sie erhebe nicht mein ſchwaches Verrichten all - zu hoch / weil die Staͤrcke von den Goͤttern ent - ſproſſen / und ich ohne diß dero Wohlfarth mit meinem Blute verbunden bin. Jch erſtaune ſelbſt uͤber der ploͤtz-und gluͤcklichen Veraͤnderung / wor - innen die Gottheit ihre maͤchtige Hand im Spiele hat / und mercke ich aus dem Getuͤmmel daß auch die Stadt bereits in unſerer Hand ſey.

Jn -688Der Aſiatiſchen Baniſe.

Jndem ſie aber noch ein und anders / ihre Ver - gnuͤgung zu bezeugen / vorbrachten / traten Nhe - randi und Higvanama / nebſt andern hohen Per - ſonen in ihren Blut-beſpruͤtzten Ruͤſtungen in den Tempel. Was nun hier vor Empfang - und Gluͤckwuͤnſchungen vorgiengen / ja wie ſich die beyde Princeßinnen / Baniſe und Higvanama / welche das erſte mahl einander kennen lernten / ſo inbruͤnſtig und mit vielen Thraͤnen einander um - armeten / ſolches wuͤrde dieſes enge Papier der wohlſtaͤndigen Kuͤrtze berauben / und vielmehr ei - nen Eckel erwecken. Weil aber dieſer ſchoͤne Tempel nunmehro / gleich einer Moͤrder-Grube voll Blut und Leichen lag / und dieſen Vergnuͤ - gungen einen abſcheulichen Gegen-Stand hielt: als verlieſſe dieſe hohe Geſellſchafft den entweihten Tempel / und verfuͤgten ſich nach der gleichfalls eroberten Burg.

Als nun zugleich von denen Generalen ein all - gemeiner Stillſtand der Waffen in der Stadt geboten / und denen Soldaten die Gaſſen / nicht aber die Haͤuſer zu pluͤndern erlaubet worden / ſo ward die Stadt mit Aracanern beſetzt / die uͤbrigen Voͤlcker aber wurden wiederum in die Laͤger ge - fuͤhret / und ihnen reichliche Verpflegung / welche ein treuer Soldate auch verdienet / verſchaffet. Zu Hofe aber wurde fleißig Rath gehalten / wie aller fernern Verwirrung abzuhelffen / und alles in vorig-erwuͤnſchten Zuſtand zu ſetzen waͤre. Weil demnach durch hohe Vermaͤhlung d Prin -ceßin689Drittes Buch. ceßin Baniſe / die Koͤnigliche Krone des Reichs Pegu auf des Koͤnigs von Aracan Haupt geſetzet werden muſte: Als wurde durch vier Herolden unter dem Schall der Trompeten und Paucken in der Stadt folgendes ausgeruffen:

Demnach es durch die guͤtige Schickung der Gottheit / und Tapfferkeit des Großmaͤchtigſten Koͤniges von Aracan / nebſt deſſen hohen Bundes - Verwandten dahin gediehen / daß unſere Aller - gnaͤdigſte Erb-Princeßin vom Tode / und dieſes bißher unbegluͤckte Kaͤyſerthum Pegu aus der ge - waltſamen Hand des tyrañiſchen Chaumigrems gluͤcklich errettet worden: So geziemet zufoͤrderſt iedwedem getreuen Peguaner / den Goͤttern / als dem Urſprunge unſers Heils / Fuß-faͤlligen Danck abzuſtatten. Denn ihr ſolt wiſſen / daß nunmehro der allgemeine Feind der Natur / der ſchaͤdliche Krieg / gaͤntzlich ſoll auffgehoben / und der edle Friede eingefuͤhret werden. Heute ſollen ſich alle Sebel in Pflugſchaaren / die Spieſe in Egen / und die Lantzen in Wein-Pfaͤhle verkehren. Der Friede ſoll unſere Mauren beſitzen / und die Si - cherheit ſoll vor iedem Hauſe ihre Fahne auffſte - cken. Nun ſoll der Pflug getrieben / Handel und Wandel fortgeſetzet / und die Handwercke vor die Hand genommen werden. Was vergraben und verborgen geweſen iſt / ſoll herfuͤr gezogen werden / und durch alle Haͤnde gehen. Die Felder ſollen fruchtbar gemacht / die Staͤdte gezieret / und mit Reichthum erfuͤllet werden. Die bißhero ſchwei -X xgen -690Der Aſtatiſchen Baniſe. genden Geſetze / und die ſchlaffende Gerechtigkeit / ſoll hingegen ihr Schwerdt wiederum ergreiffen / und nur die Laſter bekriegen. Die Vaͤter / welche bißhero wider den Lauff der Natur ihre Kinder begraben haben / ſollen nunmehro von ihren Kin - dern in Frieden zur Ruhe gebracht werden. Der Adel ſoll nunmehro vor dem gemeinen Volcke er - kennet / alle Verwirrung abgethan / und alles in friedliche Ordnung geſetzet werden. Es ſoll auch zugleich eine allgemeine Verzeihung gegen die je - nigen / welche ſich allzu ſehr nach dem Lauffe der Zeiten gerichtet / und wider ihre Pflicht ſich mit Worten oder Wercken / an unſerer Allergnaͤdig - ſten Erb-Princeßin / oder dero hohen Eltern / mil - deſten Andenckens / vergriffen haben / ergehen / und ſolches Verbrechen todt und ab ſeyn / auch deſſen nimmermehr gedacht werden: wofern ein kuͤnffti - ges gehorſames Wohlverhalten / dieſe Fehler zu buͤſſen / bemuͤhet ſeyn wird. Weil nun alle dieſe edle Fruͤchte des Friedens / uns von der Hand des tapffern und unuͤberwindlichen Koͤniglichen Hel - dens von Aracan / mit Darſetzung ſeines Gutes und Muthes ertheilet worden; Als hat unſere Durchlauchtigſte Erb-Princeßin ſolche allgemei - ne Wohlthat / ſtatt unſer dermaſſen zu erkennen gewuſt / daß ſie ihre Liebe und ſelbſt ihm hiervor ergeben / und auffgeopffert: Alſo und dergeſtalt / daß aus dieſem edlen Friedens-Wercke / zugleich eine hoͤchſt-erſprießliche Vermaͤhlung entſpringet / und der Thron unſers allerguͤtigſten Kaͤyſers Xe -min -691Drittes Buch. mindo / mit einem hoͤchſt-anſtaͤndigen Regie - rungs-Haupte nunmehro beſetzet worden: wel - cher dieſen Frieden nicht allein erworben hat / ſon - dern auch maͤchtigſt erhalten wid. Zu deſſen Kroͤ - nung inner drey Tagen ſoll geſchritten werden. Friede! Friede! Friede!

Welches mit einem wiederſchallenden Freu - den-Geſchrey allenthalben beantwortet wurde / indem man in allen Ecken und Winckeln ruffen hoͤrte: Es lebe der unuͤberwindliche Kaͤyſer Bala - cin / mit ſeiner unvergleichlichen Baniſen!

Unterdeſſen verſammleten ſich alle Fuͤrſten des Reichs / und weil ſie noch vor der Kroͤnung alles / was ſie zu ſuchen oder zu erinnern hatten / vorbrin - gen muſten / ſo wurde ſolche noch einige Tage ver - ſchoben. Nachdem aber Balacin unter andern Fuͤrſtlichen Tugenden vornehmlich die Danck - barkeit beobachten wolte / ſo ließ er den Martong und Abaxar vor ſich kommen / und gab ihnen freye Wahl / ſich vor ihre unerſetzliche Treue eine freye Gnade zu erwehlen / wodurch ſie ſich vor ihre Muͤ - he vergnuͤgt befinden koͤnten: Worauff deñ Mar - tong unterthaͤnigſte Anſuchung that / das er das auffruͤhriſche Reich Brama mit zweymahl hun - dert tauſend Mann zuͤchtigen / und im Nahmen J. Majeſt. von Pegu einnehmen duͤrffte; Da er denn / ſo ihm die Stadthalterſchafft anvertrauet / ſeine Pflicht beſſer / als Xenimbrun / in acht neh - men wuͤrde. Welches ihm ſo fort / mit Darrei - chung einer guͤldenen Ketten / woran ein ſchweresX x 2Klei -692Der Aſiatiſchen Baniſe. Kleinod von Diamanten hieng / bewilliget wurde. Abaxar aber trat mit hoͤherm Anſehen hervor / und ſagte: Weil mir es denn erlaubet iſt / meine ſchuldige Muͤhwaltung mir gleichſam ſelbſt zu vergelten / ſo begehre ich weder Gold noch Kleinod / weder Macht noch Reichthum / ſondern etwas / welches uns die Goͤtter in die Armen werffen / wenn ſie uns vergnuͤgen wollen. Jch bitte umb dasjenige / was ich mit Darſetzung meines Lebens erworben habe / und mich mit Einwilligung des Geſchenckes wohl berechtiget darzu finde. Ja ich bitte / Großmaͤchtigſter Kaͤyſer und Herr / ſie ge - ruhen gnaͤdigſt / bey dem Koͤnige von Siam vor - zubitten / daß er es ſich gefallen laſſe / wenn die ſchoͤne Princeßin Fylane mein Verlangen ſtillet / und der Lohn meiner Treue wird. Worauff er etwas ſtille ſchwieg / und allen hohen Anweſenden ein ſtillſchweigendes Verwundern / wegen ſolcher kuͤhnen Bitte / verurſachete. Er aber fuhr fort / und ſagte: Durchlauchtigſte Geſellſchafft! Sie tadeln nicht zu zeitig mein hohes Begehren / ſon - dern wiſſen / daß ich nicht mehr Abaxar / ein Be - dienter eines unwuͤrdigen Tyrannen / ſondern der ungluͤckſelige und verlohren geſchaͤtzte Printz Pa - lekin von Prom bin / welchen das Ungluͤck ge - zwungen hat / unter einen Tyrannen mehr Liebe und Freundſchafft / als einer boßhafften Stieff - Mutter zu ſuchen: Wiewohl ſolches / den Goͤttern ſey Danck erſprießlich gerathen / und zu meinem beſten ausgeſchlagen iſt. Damit ſie nun meinesVor -693Drittes Buch. Vorbringens deſto beſſer geſichert ſeyn moͤgen / ſo will ich mich durch das / von der Natur eingepreg - tes Schwerdt-Zeichen rechtfertigen. Worauff er ſeinen rechten Arm entbloͤſſete / und ein Mahl / wie ein Schwerdt geſtaltet / auffwieſe. Weil auch von dieſem Schwerdt-Mahl nach der Geburt dieſes Printzen / gantz Aſien erfuͤllet / und ſolches ie - dermann bekandt war / alſo wurde deſto weniger an der Gewißheit ſeines Herkommens gezweiffelt / dannenhero er in ſeiner Rede fort fuhr: Wie mich nun / ſagte er / das guͤtige Verhaͤngniß auch zu Kronen gebohren hat / alſo verhoffe ich / dieſer ſchoͤnen Belohnung nicht ſo gar unfaͤhig zu ſeyn. Es iſt ihnen ohne mein Erinnern bekandt / wie mich der Haß meiner Stieff-Mutter / Nhay Ni - volan / welche ihrem Sohne die Krone von Prom auffzuſetzen bedacht war / dermaſſen verfolgete / daß ich meines Lebens nicht verſichert war: Wor - zu noch dieſes kam / daß dieſen Haß eine gewoͤhnli - che Ungnade des Vaters begleitete / welcher mich nicht wohl mehr vor ſeinen Augen erdulden kunte. Weil ich mich nun taͤglich einer Gifft-Miſchung beſorgen muſte / ſo hielt ich mein Leben vor eine Beute / welches zu erretten ich mein Vaterland gar verließ. Jch wandte mich hierauff nach Mar - tabane / allwo ich mich uͤber fuͤnff Jahre als ein Graff auffgehalten / und in ſolcher Zeit ſolche ver - wunderliche Zufaͤlle erfahren muͤſſen / welche zu erzehlen / einige Tage Zeit darzu erfordert wuͤrden. Als nun der allgemeine Untergang von Marta -X x 3bane694Der Aſiatiſchen Baniſe. bane erfolgete / ſo habe ich mich zwar als ein Haupt uͤber zehen tauſend Mann / wider den Chaumigrem nach ſolcher Kraft und Vermoͤgen / die mir die Goͤtter verliehen / tapffer gebrauchen laſſen: Weil es aber ſchiene / als ob dieſes Rei - ches Fall in einem hoͤhern Rath beſchloſſen wor - den / ſo habe auch ich damahls nebſt vielen andern erliegen / und mich gefangen geben muͤſſen. Nach - dem nun Chaumigrem / ich weiß nicht was vor ſonderbahres / aus meiner Bemuͤhung in der Schlacht bemercket / ſo wurde er mir wider ſeine Gewohnheit dermaſſen geneigt / daß er mir nicht nur die Freyheit ſchenckte / ſondern auch einige Voͤlcker anvertraute; Und weil er mein ferneres Wohlverhalten ſahe / ſo untergab er mir gar ſeine Leib-Wache. Wodurch er mir denn die ge - wuͤndſchte Gelegenheit ertheilte / der Durchlauch - tigſten Baniſen und dieſem Reiche einige ange - nehme Dienſte zu erweiſen. Weil denn nun die langſame / doch gerechte Rache des Himmels / die Krone von Prom der Kron-ſuͤchtigen Stieff - Mutter entriſſen / als wird die hohe Gerechtigkeit des gekroͤnten Ober-Hauptes von Pegu ſolche ins kuͤnfftige wohl zu vergeben wiſſen / damit ein verjagter Printz wiederum das rechtmaͤßige Erbe erlangen moͤge. Darf ich nun der in meinem Her - tzen unſchaͤtzbaren Princeßin von Siam die ver - bundene Hand kuͤſſen / ſo achte ich meine Muͤhe allzu reichlich belohnet / und das bißherige Elend dergeſtalt erſetzet zu ſeyn / daß ich die himmliſcheSchi -695Drittes Buch. Schickung mit ewigen Danck-Opffern verehren werde.

Balacin / Higvanama und Nherandi nebſt allen Groſſen erſtarreten gleichſam uͤber dieſem Vorbringen / und weil eine ſtete Muthmaſſung die Gemuͤther bißhero gefeſſelt hatte / daß Abaxar von hoͤherer Art entſproſſen ſeyn muͤſte / auch das bewuſte Schwerdt-Mahl dieſes bekraͤfftigte: ſo wurde ſolches von allen vor beglaubt und warhaf - tig angenommen / und der nunmehrige Palekin / als ein Koͤniglicher Printz beehret und empfan - gen. Nherandi aber holte ſeine Schweſter / die Princeßin Fylane / unvermerckt herbey / fuͤhrete ſie bey der Hand ins Zimmer / und dem Printzen von Prom mit dieſen Worten zu: Weil es dem - nach billich iſt / tapfferer Printz / daß man die Tapfferkeit nach Verdienſt belohne / ſo will ich nicht erſt bemuͤhet ſeyn / das jenige / was dieſen Eh - ren-Nahmen verdienet / von euch anzufuͤhren: in - dem es auch bereits die lallenden Kinder in Pegu zu ruͤhmen wiſſen: ſondern euch hiermit den ver - langten Danck-Preiß / welchen ihr bereit in Si - am mit Darſetzung eures Lebens euch zugeeignet habt / von treuer Hand uͤberreichet und geſchencket haben. Der Himmel befeſtige dieſes Band / und laſſe die Roſen eurer tugendhafften Liebe bluͤhen / biß ſie ein ſpaͤter Reiff des Todes zum Welcken zwinget. Balacin legte dieſe Worte bey: Und weil mir / Wertheſter Printz! durch euren ge - treuen Beyſtand ein Kaͤyſerthum / ja was nochX x 4mehr696Der Aſiatiſchen Baniſe. mehr iſt / eine unvergleichliche Liebe zu theil wor - den / ſo empfanget von meiner Hand die Krone von Prom / welche ihr und eure Nachkommen zu ewigen Lehn von mir tragen ſollet. Der Himmel laſſe den Thau ſeines Segens auff eure Liebes - Verbindung flieſſen / und erwecke ſolche Zweige durch euch / welche dem tapffern Stumme aller - dings nacharten. So werde auch ich mich / redete Higvanama / als eine Blume in den Krantz der Danckbarkeit mit einwinden laſſen / weil ich die jenige Freundſchaft / ſo mein allerwertheſter Bru - der genoſſen / vor mein Antheil rechne. Und nach dem mich nun der guͤtige Himmel gnugſam geſeg - net hat / wenn er mir meinen liebſten Printzen Nherandi / und ſo folgbar die Siammiſche Krone geſchencket hat; So begehre und verlange ich ein mehrers nicht / und ſetze euch hiermit die Krone von Ava / als ein angraͤntzendes Reich / wel - ches ihr beſſer / als das entlegene Siam ſchuͤtzen koͤnnet / auff euer Haupt / wuͤnſchende / daß der Himmel ſelbſt eure Flammen ſtaͤrcken / und ſie durch keinen Schmertzens Wind beſtuͤrmen laſ - ſen wolle. Worauff ihm die Princeßin Baniſe eine koſtbare Krone auffſetzete / und Palekin nicht wuſte / was er vor Freuden ſagen / oder vor Wor - te zu einiger Danck-Abſtattung vorbringen ſolte / biß ihn ſeine geliebte Fylane mit einer wohlgeſetz - ten Danck-Rede vertrat / und ſich dieſe hoch-ver - gnuͤgte Geſellſchafft zur Taffel erhub.

Nach auffgehabener Taffel ließ ſich der alteTale -697Drittes Buch. Talemon anmelden / welchem Balacin biß an die Thuͤr des Gemachs entgegen gieng. Dieſer bat die hohe Geſellſchafft / eine kleine Muͤhe ſich nicht verdrieſſen zu laſſen / und ihme nachzufolgen / wel - chen Gang er ihnen wohl bezahlen wolte. Je - doch wolte er niemanden mehr erlauben mit zu ge - hen / auſſer Balacin / Nherandi / Palekin / Bani - ſen / Higvanama und Fylanen. Da er ſie denn vermittelſt einer Lampen funffzig Staffeln unter den Burg-Thurm / und zu einer wohl-verwahr - ten Thuͤre fuͤhrte / welche zu eroͤffnen / ſie insge - ſamt Hand anlegen muſten. Nach deren Er - oͤffnung ſie in zwey unterirrdiſche Gewoͤlber ein - traten / worinnen ſie aber wegen Tunckelheit nichts erkennen kunten. Weil aber Talemon eine Flaſche Oel mit genommen / ſo zuͤndete er zwantzig groſſe / und gantz guͤldene Lampen an / vermittelſt deren ihnen allein ein ſolcher Schatz von Gold und Edelgeſteinen in die Augen blitzte / daß ſie es vor Zauberey hielten / und ſich nicht zu begreiffen vermochten. Cndlich hub der alte Ta - lemon an / und ſagte: Sehet / Allergnaͤdigſter Kaͤyſer und Herr! ſehet und beſchauet das wuͤrck - liche Pfand meiner unterthaͤnigſten Treue! Neh - met / Durchlauchtigſte Baniſe / dieſe reiche Erb - ſchafft eures erblaſſeten Herrn Vaters / von der Hand eines alten / und biß in Tod getreuen Die - ners / welcher lieber ſterben / als dieſen Schatz den Raub-Klauen des Chaumigrems entdecken wol - len. Hiedurch wird die erſchoͤpffte Reichs-Kam -X x 5mer698Der Aſiatiſchen Baniſe. mer keinen Mangel klagen duͤrffen. Jch aber be - gehre nichts hiervor / als dero hohe Gnade / und ei - ne geruhige Lebens-Beſchlieſſung.

Worauff ihm Baniſe aufs holdſeligſte dancke - te / Balacin aber ihn nebſt ſeinem Sohn Pon - nedro / nach reichlicher Beſchenckung / in ihrem Schatz-und Hoff-Meiſter-Ammt beſtaͤtigte: und nachdem ſie mit erſtaunender Verwunderung al - les betrachtet hatten / Balaein auch denen Anwe - ſenden unſchaͤtzbare Verehrungen that / verlieſſen ſie dieſe verborgene Koſtbarkeiten. Baniſe aber befahl / eine Million Goldes zu vermuͤntzen / und unter die Armen zu vertheilen.

Folgenden Tages wurde mit gewoͤhnlicher Pracht der kluge Korangerim als Rolim erweh - let / weil der vorige in dem Tempel-Gefechte nebſt ſechzig Pfaffen niedergehauen worden. Scandor aber bekleidete den Platz eines Ober - Hauptmanns uͤber die Kaͤyſerliche Leib-Wache / und wurde iedermann / welcher ſich durch Treue und Tapfferkeit verdient gemacht / nach Wuͤr - den beſchencket / und mit Ehren-Aemmtern ver - ſehen.

Endlich brach der Tag der Kroͤnung an / wel - che in freyem Felde zwiſchen den Lagern angeſtel - let wurde: Dahin ſich alle Printzen / nebſt der gantzen Hoffſtatt verfuͤgten. Der neue Rolim brachte den Printzen Balacin / nebſt der Princeſ - ſin Baniſen auff eine hohe Schau-Buͤhne von Steinen auffgerichtet / auff welche man uͤber eineBruͤcke /699Drittes Buch. Bruͤcke / mit Aſchenfarbenen Tuche bedecket / ge - hen muſte. Hierauf ruffte einer von denen Reichs - Raͤthen uͤberlaut: Jetzo erfodere es die Noth / und des Reichs beſtes / wiederum ein neues Haupt zu erwehlen. Dabey zeigte er dem Volcke eine groſſe Keule mit drey glaͤntzenden Spitzen / und hub ſolche empor / das Volck aber hielt ſich hier - bey gantz ſtille. Darauff offenbahrte er / wer zu erwaͤhlen ſey? und ſtellete ihnen zugleich den Prin - tzen vor / welcher auff einen Stein treten muſte. Da denn erwehnter Reichs-Rath noch ferner deſſen Rechtmaͤßigkeit zur Krone erklaͤrte / ſeine Tugenden nach Verdienſt erhub / und zugleich be - gehrte: Wer etwas dawieder einzuwenden haͤtte / der ſolle ſich geſtellen. Das Volck aber ſchrie hin - gegen: GOtt hat ihn geſegnet / und zu unſerm Kaͤyſer erkohren. Worauff ſich eine ungemeine Stille bey einer Viertel Stunde lang ereignete / um zu erwarten / ob iemand etwas zu klagen habe. Nach dieſer Stille fiengen alle Laͤger an mit Trompeten / Paucken und Schalmeyen zu ſpielen. Worauff der Rolim dem Balacin eine bleyerne Krone auffſetzte / ein Beil in die Hand gab / und zugleich einen weiſſen Mantel / welcher reichlich mit Gold und Perlen geſtickt war / umlegte: und ihn folgender Geſtalt anredete:

Sehet nunmehro / Großmaͤchtigſter Kaͤyſer! worzu euch das getreue Volck von Pegu erwaͤhlet hat / und was ſie euch vor ein hohes Pfand / nem - lich ihre Erb-Princeßin und Krone anvertrauen. So700Der Aſiatiſchen Baniſe. So nehmet zugleich dieſe Lehren meines Mundes / als das koſtbahreſte Geſchencke / mit geneigtem Hertzen an. Urtheilet alles / wie es an ſich ſelber iſt / und vermindert oder vermehrt keines weges durch Zuneigung die Gerechtigkeit / deſſen euch dieſes Beil erinnert. Laſſet den Zorn niemahls die Ver - nunfft beherrſchen: denn der Zorn iſt eine Motte / welche den Purpur verderbet. Fliehet den Neid / als einen ſelbſt eignen Moͤrder / weil dieſer mit nich - ten einem Fuͤrſten anſtehet / ſondern nur ein Laſter niedriger Gemuͤther iſt. Jm Reden ſeyd vorſich - tig / denn die Zunge iſt ein Werckzeug / wodurch das Gemuͤthe erkennet wird; Ja der Fuͤrſten - Worte ſollen / weil ſie von iedem erwogen werden / zufoͤrderſt wohl auf der Wageſchale der Bedacht - ſamkeit abgewogen ſeyn. Die Luͤgen bemuͤhet euch / durch fleißige Erforſchung der Warheit / an das Liecht zu bringen / und den Luͤgner zu beſchaͤ - men. Haltet dieſes vor gewiß / daß die Laſter eines Fuͤrſten mit tauſend Augen bemercket werden: ja der Vorwitz iſt das Fern-wo nicht Vergroͤſſe - rungs-Glaß / wodurch auch die geringſten Finſter - niſſe der Regierungs-Sterne auffgezeichnet wer - den. Denn was ſind die Fuͤrſten anders / als irr - diſche Planeten / in welchen ſich die Goͤttliche Sonne der Gerechtigkeit zur Regierung des Erd - bodens ausbreitet? Den guten Nahmen haltet hoͤher / als das Leben / denn dieſer iſt eine Fackel / welche auch im Tode brennet. Sehet zu / ob euer Thun und Laſſen mit der Vor-Eltern ruhmba -ren701Drittes| Buch. baren Verfahren uͤbereinſtimme / und ſo gleich ſolches ſich befaͤnde / ſo ſollt ihr euch doch bemuͤhen / euch auch uͤber dieſe / durch die zwey Fluͤgel der Tu - gend und Tapfferkeit / zu ſchwingen. Gedencket / daß euch dieſe Krone von der Hand des hoͤchſten GOttes ertheilet werde / und daß ihr auch ſolche den Nachkommen hinterlaſſen muͤſſet. Erinnert euch / daß der Zepter ein gutes / zugleich aber auch ein betruͤgliches Weſen ſey. Vor allen Dingen aber befeſtiget eure Majeſtaͤt durch die Geſetze mit Gerechtigkeit: Denn das Geſetze iſt eine ſchwei - gende Majeſtaͤt / und die Majeſtaͤt ein redendes Geſetze. Dieſem allen nun ſoll die Gottſeligkeit / wie das Gold dem Silber vorgehen: Denn in derſelbigen beſtehet des Reiches Feſte / und die Hoffnung aller Siege. Faͤllet euch etwas unge - meines und ſchweres vor / ſo berathet euch mit den Gelehrten / und verachtet ſolche nicht: Denn die Weißheit iſt des Reichs Ancker / und ein Compaß der Fuͤrſten. Nimmt aber dieſe Tugend ab / da lieget die Seele der Regierung in letzten Zuͤgen. Ja durch dieſe werdet ihr die Krone und das An - ſehen erhalten. Jm Gluͤck und Ungluͤck ſeyd un - veraͤnderlich: Denn wer mit dem Gluͤcke ſein Ge - muͤthe aͤndert / der bekennet / daß er deſſen nicht wuͤrdig ſey / ſondern hoffet und harret: ſo wird euch aus den Dornen der Wiederwertigkeit eine Roſe des Gluͤckes bluͤhen: und ſo ihr aus zweyen Ubeln das beſte erwehlet / ſo werdet ihr mit allen Win - den fahren. Bemuͤhet euch / daß ihr von allen ge -liebet702Der Aſiatiſchen Baniſe. liebet und gefuͤrchtet werdet: Denn die Liebe der Unterthanen iſt die beſte Feſtung / und die Furcht eine Stuͤtze der Majeſtaͤt. Die geheimen Anſchlaͤ - ge eures Hertzens vertrauet euch allein / und lernet die Klugheit von der Schlange / welche durch oͤff - tere Wendung ihren Lauff unwiſſende macht. Verlaſſet euch nicht allzuſehr auff eure Majeſtaͤt / ſondern gedencket allezeit / daß ihr koͤnnet hinter - gangen werden. Denn ein Menſch iſt das unbe - ſtaͤndigſte Thier / welchem niemahls zu trauen. Ja ein Hoffmann ſchreibet die Wohlthaten in Wachs / die Schmach in Marmel / und was er andern gutes erwieſen / in Ertzt. Dahero ſchlaffet unter euren Leuten mit offenen Augen / weil ſich offt die Heucheley unter den Mantel der Tugend verſtecket. Liebet getreue Raͤthe / und befoͤrdert die Alten: Denn ein Fuͤrſt / welcher ſo viel reden und hoͤren muß / ſolte billich von lauter Augen und Oh - ren zuſammen geſetzet ſeyn. Weil nun aber ſolches nicht ſeyn kan / ſo iſt es noͤthig / daß er ſich anderer gebrauche. So ihr was mit Recht zu erlangen ſu - chet / ſo brauchet Rath und Waffen / und betrach - tet ſtets / daß / wo die Reiche nicht vermehret wer - den / ſolche abnehmen. Wenn ihr nun etwas mit gutem Bedacht beſchloſſen habet / ſo ſehet zu / daß das Ende mit dem Anfange wohl uͤbereinſtimmet / und vollziehet ſolches in moͤglichſter Eil. Beſchwe - ret die getreuen Unterthanen nicht mit allzu groſ - ſen Aufflagen / und bedencket / daß dieſes kein Hirte / ſondern ein Tyranne iſt / welcher ſich nur ſelbſtwei -703Drittes Buch. weidet / und den armen Schaafen das Futter ent - zeucht. Handel und Wandel erhaltet / als die An - geln des Reiches / in welchem die Thuͤr des Reich - thums auff - und zu gehet; und wie ſolcher durch Friede am beſten unterhalten wird / alſo ſuchet ſel - bigen durch Stahl oder Gold / und fanget keinen Krieg an / als nur den Frieden zu erlangen / wel - ches denn oͤffters mehr durch Rath / als Waffen geſchiehet. Endlich gedencket / daß / wo ihr dieſem meinen wohlmeynenden Einrathen Folge leiſtet / ein ſtetes Wohler gehen / und ewiger Nachruhm ſolchen Gehorſam bekroͤnen wird.

Nach dieſer Rede brachte man ihm ein Gefaͤſ - ſe von Smaragd / darinnen die Aſche des erſten Kaͤyſers von Pegu war / woruͤber er ſchweren muſte / dieſem allen nachzukommen. Hierauff ward ihm die bleyerne Krone nebſt dem Mantel abgenommen / und die Princeßin Baniſe ſetzte ihm mit eigner Hand ein Bonnet von Carmeſin - golden Stuͤck / mit einem guͤldnen Krantz / und ei - ner mit Edelgeſteinen beſetzten Spitzen vornen an / auff das Haupt. Ferner legte ihm der Ro - lim einen Tuͤrckiſchen Rock / mit weiſſen Haſen - Fellen gefuͤttert / um / wobey er ihn erinnerte / wie ſolches Futter die gebuͤhrende Auffrichtigkeit ſei - nes Lebens vorbildete. Ja / wie die bleyerne Krone Maß und Gewichte in allen Dingen zu hal - ten erinnere: alſo ziele der Stein / worauff er ge - ſtanden / auf die Beſtaͤndigkeit ſeines Thuns. Die Aſchen-Farbe aber ſtellete ihm ſeinen Todt vorAugen /704Der Aſiatiſchen Baniſe. Augen / und daß er ſich im Leben einen ewigen Nahmen machen ſolle. Hierauff fuͤhreten ihn drey Fuͤrſten ins Lager / allwo dieſer neue Kaͤyſer ſpeiſen wolte. Der Falcada aber / als unterſter Reichs-Rath / gienge vor ihm in einem weiſſen Kleide her / und hatte ein guͤlden Beil in der Hand / wobey er ſtets ruffte: GOtt / und nicht das Volck hat ihn erwehlet. Wo nun der Kaͤyſer vorbey gieng / fielen alle zur Erden: die andern aber kuͤſſe - ten einander / zu Bezeugung ihrer Freude / die Ach - ſeln. Auff dem Felde / und um das Lager ſtunden viel bunte Huͤtten / in welchen Taffeln zugerichtet waren / worauff das Volck ſpeiſete. Denn alles Volck wurde auff des Kaͤyſers Unkoſten geſpei - ſet / und nahmen einen unglaublichen Platz ein / wiewohl dennoch alles mit guter Art und Ord - nung zugienge.

Nach dieſem allen entſchloſſen ſich die Kaͤyſer - und Koͤniglich-Verlobten / weil ihre Liebe mit lau - ter Waffen umgeben geweſen / und ſie mit ſo vie - lem Blute beſtaͤtiget und erhalten worden / ſo wol - ten ſie auch insgeſammt ſolche unter den Waffen vollziehen. Dannenhero in dem Norden-Lager die praͤchtigſte Anſtalt zu dieſem dreyfachen Bey - lager gemachet / und vier Koͤnigliche Gezelte auff - geſchlagen wurden / unter deren einem ſie das Tali empfangen ſolten / in denen andern aber ſolte das fuͤnffte Weſen der Liebe geſchehen. Solches alles wurde auch mit unbeſchreiblicher Pracht und Herrligkeit vollzogen.

Als705Drittes Buch.

Als nun die ſpaͤte Nacht einen Auffbot zur all - gemeinen Ruhe / und dieſem Freuden-vollen Ta - ge ein ſehnliches Ende machte / begaben ſich der Kaͤyſer Balacin mit der Princeßin Baniſe von Pegu; Nherandi / Koͤnig von Siam / mit der Princeßin Higvanama von Ava / und Palekin / Koͤnig von Prom / mit der Princeßin Fylanen von Siam in ihre Ruh-Gezelter: Worinnen die mit ſo vielen Dornen bißher verwahrete Roſen mit groͤſter Vergnuͤgung gebrochen / und alles Ungemach mit einem ſuͤſſen Ach-Geſchrey der lei - denden Princeßinnen erwuͤnſcht geendiget wurde.

Jndeſſen waren die muntern Generals-Per - ſonen / Padukko / Mangonſtan / Martong / Rogoa und andere bemuͤhet / wie ſie dieſe bemuͤhete Hel - den durch eine anmuthige Schuldigkeit beehren moͤchten: welches ſie denn gar artig durch eine wohlgeſetzte Nacht-Muſic bewerckſtelligten / in - dem ſie durch ſolche einen Streit zwiſchen der Ve - nus / und dem Kriegs-Gotte vorſtellig machten / und dahero die Muſicaliſche Ordnung dermaſſen eintheilten / daß jene / auff Seiten der Liebes-Goͤt - tin / in Lauten / Harffen und andern anmuthigen Seyten-Spielen / nebſt einer lieblichen Stimme von zwoͤlff Portugieſiſchen Knaben: Dieſe aber / auff Seiten des Kriegs-Gottes / in Trompeten / Paucken und andern Feld-Spielen / nebſt einer rauhen doch angenehmen Stimme von zwoͤlff er - wachſenen Portugieſen / beſtunde.

Als nun der Mond umb Mitternacht die ſil -Y ybernen706Der Aſiatiſchen Baniſe. bernen Hoͤrner einzog / und dem Naͤchtlichen Schatten voͤllige Gewalt einraͤumete / ſahe man aſitt deſſen / Lager und Feld mit viel tauſend hellen Pech-Fackeln erleuchtet: Worauff Trompeten und Paucken ein Lufft-ſchallendes Freuden - und Sieges-Zeichen erthoͤnen / das geſammte Lager aber ein ſolches Feld-Geſchrey erſchallen lieſſen / daß bey der ſtillen Nacht Lufft und Berge durch einen gedoppelten Wiederſchall ihr Mit-Ver - gnuͤgen mit groͤſter Anmuth bezeugeten / welchen ein erfreulicher Stuͤcken-Donner dermaſſen ant - wortete / daß man vermeynte / es wuͤrde anietzt die Lufft viel ſchaͤrffer und freudiger davon durch - drungen / als wenn ieder Knall Mord und Todt - ſchlag bedeutete. Wodurch die muͤden Verlieb - ten / wie leicht zu erachten / von der beduͤrfftigen Ruhe gantz wieder ermuntert wurden / den an - muthigen Sieges-Streit der Liebes-Goͤttin mit dem Mavors deſto auffmerckſamer zu bemercken.

Als nun hierauff die Seyten-Spiele abwech - ſelten / hoͤrte man den Kriegs-Gott / unter dem Schall gedaͤmpffter Trompeten folgender Ge - ſtalt ſingen:

Mars.
VIctoria! So ſieget Helm und Stahl!
Es liegt der Feind geſtreckt zu meinen Fuͤſſen.
Es ſteht entzuͤckt der Sternen blaſſe Zahl:
Diana neigt ſich meine Fauſt zu kuͤſſen.
Der Himmel beehrt mich mit blitzenden Keilen /
Weil ſchwirrende Sebel die Luͤffte zertheilen.
Hier -707Drittes Buch.

Hierauff that ihm der Venus Anhang / unter der Seyten-Anmuth / folgenden Einhalt:

Venus.
Victoria! So ſieget meine Hand:
Es muß der Feind zu meinen Fuͤſſen fallen.
Die Feſſel ſind ein zartes Liebes-Band /
Und Blicke ſind die ſtaͤrckſten Feuer-Ballen.
Wodurch ich in dieſem vergnuͤgendem Kriege /
Selbſt Printzen / und Goͤtter und Sclaven beſiege.
Mars.
Triumph! Triumph! der Feind giebt ſchnoͤ -
de Flucht.
Es tritt mein Fuß auff warme Feindes-Leichen /
Gold / Ehr und Furcht / iſt meines Sieges -
Frucht /
Die Hoͤlle muß erſchrecken / fallen / weichen:
Vor Moͤrſern / und blitzenden Donner-Carthau -
nen /
Wenn Mauern zerſpringen / und Wolcken er -
ſtaunen.
Venus.
Triumph! Triumph! der Feind kuͤßt meinen
Fuß:
Ein weicher Thron muß meine Wahlſtatt wer -
den.
Offt faͤllt ein Held durch einen Wechſel-Kuß.
Es feſſeln ihn anmuthige Geberden.
Denn reitzende Lippen und blitzende Sterne /
Beſiegen die Helden auch oͤffters von ferne.
Y y 2Mars. 708Der Aſiatiſchen Baniſe.
Mars.
Verweg’nes Weib! Schau dieſen blancken
Stahl /
Erſchrickſt du nicht vor meiner Waffen-Schim -
mer?
Es iſt mein Ruhm durch blaſſer Helden-Zahl
Erhoͤht / biß an das blaue Sternen-Zimmer.
Entweiche! ſonſt moͤchte mein zornig Erhitzen
Auff deine Verwegenheit krachen und blitzen.
Venus.
Verweg’nes Haupt! Schau dieſe Marmor -
Bruſt.
Erſtaunſt du nicht vor dieſen Mund-Rubinen?
Es iſt dir ja mehr als zu wohl bewuſt /
Wie deine Schaar der Helden mich bedienen.
Entweiche! ſonſt moͤchten die Roſen der Wangen
Dich endlich / als Feſſel der Liebe / ſelbſt fangen.
Mars.
So ſchaue denn der Waffen ſtrenge Macht /
Entbloͤſſet bald der Sebel krumme Menge.
Hoͤrt / wie bereit der Stuͤcken Donner kracht:
Senckt auf den Feind der Piqven ſcharffe Laͤnge.
Laßt Kugeln / Granaten / Schwerdt / Pfeile /
Mußqveten /
Die kaͤmpffenden Feinde zerſchmettern und toͤd -
ten.
Venus.
So ſchaue denn der Liebe ſtarcke Krafft!
Jhr Augen ſpielt mit tauſend Reitzungs-Flam -
men.
Du709Drittes Buch.
Du Roſen-Mund / ihr Purpur-Wangen /
ſchafft /
Daß iede Glut von eurer Glut muß ſtammen.
Erhebt euch ihr Ballen / mit euren Corallen:
So muͤſſen auch Printzen zu Fuſſe mir fallen.
Mars.
Jch bin beſiegt! Hier liegt das Schwerdt.
Ach / Venus / ach! laß Gnade wiederfahren!
Weil mir dein Blitz durch Seel und Adern
faͤhrt.
Es kan ſich wohl ein Held mit Liebe paaren.
Jch kuͤſſe die Venus / und liebe die Waffen /
Jch wache zu Felde / im Lager zu ſchlaffen.
Venus.
Io! Triumph! Die Venus hat geſiegt.
Ein ieder Printz muß mir diß Zeugniß geben /
Der ietzund ſelbſt in meinen Armen liegt /
Wo Kuß und Luſt und ſuͤſſe Seufftzer ſchweben:
Jch koͤnne Printz / Helden und Goͤtter beſiegen /
Weil Mavors ſich ſelber in Ketten muß ſchmie -
gen.
Endlich ſtimmten beyde Choͤre mit groͤſſeſter An -
muth zuſammen / und ſungen folgende letzte Verſe:
Mars und Venus.
1.
Ruhe du Kleeblat der tapfferſten Helden /
Ruhet und ſchlaffet / ihr habet geſieget!
Wenn ihr erwachet / ſo ſollt ihr vermelden /
Ob euch mehr Venus / mehr Mavors ver -
gnuͤgt.
Y y 3Schen -710Der Aſiatiſchen Baniſe.
Schencket uns Fruͤchte des naͤchtlichen Sieges /
Weil euch nicht ſtoͤret das Schrecken des Krie -
ges.
2.
Himmel / ertheile den flammenden Segen!
Hoͤr uns als Knechte der Schlaffenden an!
Laſſe den Segen in kurtzem ſich regen:
Stuͤrtze / was Liebenden ſchaͤdlich ſeyn kan.
Laſſe den Nord-Stern ſich nimmer be -
truͤben /
Wenn ſich die Printzen in Kronen ver -
lieben.

Jm Augenblick endigte ſich die volle Muſic / und erhub ſich zugleich auff kluge Anordnung in allen Lagern eine ſolche Stille / als von ſo viel tau - ſend Menſchen nicht leicht kunte vermuthet wer - den: damit die ſtille Ruhe deſto eher in den hohen Gezeltern ihren Eintritt nehmen / und unſere Helden und Heldinnen in ſanfften Schlaff brin - gen koͤnte.

Als nun folgenden Morgen unſere erwehnte Liebes-Helden bey ſpaͤter Sonnen die weiche Wahlſtatt verlaſſen hatten / warteten die Portu - gieſen unterthaͤnigſt auff: und weil ihnen ein frey - er Handel durch das gantze Reich zugelaſſen wor - den / baten ſie um allergnaͤdigſte Erlaubniß / ihre Danckbarkeit durch eine Theatraliſche Hand - lung / nach Europaͤiſcher Art / in der Burg vor -ſtellen711Drittes Buch. ſtellen zu laſſen: worzu ſie nach gnaͤdigſter Bewil - ligung / die hohen Perſonen insgeſamt einluden / welche ſich dannenhero aus dem Lager nach der Burg erhuben / und allenthalben mit unſaͤglichem Freuden-Geſchrey auff-und angenommen wur - den. Nach gehaltener Mittags-Taffel verfuͤg - ten ſie ſich ſaͤmtlich nach dem hohen Saal / allwo die Portugieſen einen praͤchtig-koſtbaren Schau - Platz auffgerichtet hatten / auff welchem ſie mit hoͤchſter Vergnuͤgung aller Anweſenden / angeſehen ſolches etwas unerhoͤr - tes in Aſien /

[figure]
Die712Der Aſiatiſchen Baniſe.

Die Handlung Der liſtigen Rache / oder Den Tapffern Heraclium / folgender maſſen vorſtellig machten.

Die Perſonen des Schauſpiels waren folgende:

  • Heraclius, Sohn des Heracleonas, verliebt in Theodoſiam.
  • Phocas, Tyrann zu Conſtantinopel.
  • Mauritius, der vom Phoca gefangene Kaͤyſer.
  • Theodoſia, eine von dem Kaͤyſer Martiano ent - ſproſſene Princeßin / verliebt in Heraclium, und in einem geheimen Orte auf der Conſtanti - nopolitaniſchen Burg ſich auffhaltende.
  • Honoria, des Kaͤyſers Mauritii Tochter / ver - liebt in den Printz Siroë.
  • Siroë, Elteſter Printz des Perſiſchen Monar - chens Coſroës.
  • Emilianus, des Phocas Favorit.
  • Priſcus, des Heraclii Vetter und vertrauter Freund.
  • Arconte, ein Perſianiſcher Fuͤrſt und Unterthan des Koͤnigs Coſroës, in Geſtalt eines Schaͤfers.
  • Aſpaſia, der Theodoſia alte Saͤug-Amme.
  • Idreno, der Honoria Diener.
Die713Drittes Buch.

Die Verwandlungen des kunſtrei - chen Schauplatzes ſtelleten ſich fol - gender Geſtalt vor:

Jn der Erſten Abhandlung.

Die Kaͤyſerliche Stadt Conſtantinopel. Der Theodoſia Zimmer. Ein groſſes Feld / mit ſehr vielen Leichen erfuͤllet / nebſt etlichen aus dem benachtbarten Gebuͤrge entſpringenden Waſſer-Baͤchen. Des Phocas Gemach / in Geſtalt eines Himmels.

Jn der Andern Abhandlung:

Ein Hirten-Haͤußlein mit einem Gepuͤſche. Eine Grotte / nebſt einer Fontaine, aus welcher man den Pallaſt mit einer koſtbaren Stiege ſiehet. Ein Gefaͤngniß an dem Meere / nebſt einem alten und hohen Thurme. Ein Luſt-Wald an dem Strande des Euxiniſchen Meers / nebſt einer Hoͤle auff der einen Seite / und einem verſchloſſenen Hirten-Haͤußlein in der Ferne.

Jn der Dritten Abhandlung.

Die Kaͤyſerliche Burg. Ein Luſt-Garten mit Statuen und Fontainen. Des Kaͤyſers Conſtantini warmes Bad / mit Waſſer-ſpritzenden Bildern. Der Kaͤyſerliche Saal.
Y y 5Jn -714Der Aſiatiſchen Baniſe.

Jngleichen ſtelleten ſie zwey ſchauwuͤrdige Ballete vor / als nemlich:

Der erdichteten Goͤtter / und Der Jaͤger mit allerhand wilden Thieren.

Wie ſich nun der gnugſam-erhellete Schau - Platz oͤffnete / ſtellete ſolcher in einem kuͤnſtlichen Perſpectiv die Kaͤyſerliche Stadt Conſtantinopel mit groͤſter Anmuth vor. Jndeſſen / daß ſich alle Augen und Gemuͤther in ihrem luſtigen Proſpect ergoͤtzeten: wurde die Application dieſer ferneren Handlung / auff des Reichs Pegu vergangenen Zuſtand / folgender maſſen in eine hoͤchſt-bewegli - che Muſic abgeſungen:

1.
MOrd-erfuͤlltes Pegu weine /
Doch / ſtatt Thraͤnen / lauter Blut /
Weil auch ſelbſt die harten Steine
Fuͤhlen deines Henckers-Wuth
Deine ſchoͤne Morgen-Roͤthe
Schwaͤrtzt ein blutiger Comete.
Xemindo dein Gemach
Fuͤllt Weh und Ach.
2.
Blaſſe Fuͤrſten-Geiſter irren /
Durch die Blut beſpritzte Stadt /
Und die Todten-Feſſel ſchwirren /
Wo ein Printz gewohnet hat.
Frau -715Drittes Buch.
Frauen / welche Cronen erben /
Muͤſſen an dem Galgen ſterben.
Die Kinder folgen nach.
Mord / Weh und Ach!
3.
Letzter Zweig von Pegens Stamme /
Laß dich kroͤnen die Gedult.
Daͤmpffe die verdammte Flamme
Durch der Tugend keuſches Gold.
Durch dich ſoll noch Pegu bluͤhen /
Weil ſich Printz und Himmel muͤhen.
Chaumigrem! dir folgt nach /
Mord / Weh und Ach!

Nach geendigter Muſic erſchiene Phocas auff einem mit Elephanten beſpanneten Triumphs - Wagen / umgeben mit dem Roͤmiſchen Kriegs - Heere / unter dem Schalle der Trompeten und Paucken. Emilianus ließ den gefeſſelten Kaͤyſer Mauritium hinter ihm herfuͤhren / da ſich denn Phocas mit einer hochmuͤthigen Baß-Stimme folgender Geſtalt ſingende vernehmen ließ:

SO liegt Mauritius beſiegt zu meinen Fuͤſſen.
Nun wird das Gluͤcke ſelbſt mein Schwerdt
bedienen muͤſſen.
Jch ruͤhme mich zu ſeyn / mehr als ein irrdiſch
Gott:
Weil ich umb meinen Thron in Aſche / Staub
und Koth
Fuß -716Der Aſiatiſchen Baniſe.
Fußfaͤllig liegen ſchau / beſiegte Volcker-Schaꝛen /
Die meiner Majeſtaͤt vorhin zu wider waren.
Schreibt meinen Nahmen bald ins Buch der
Goͤtter ein /
Denn alle Welt ſoll mir mit Opffern zinßbar
ſeyn.
Beſiegtes Aſien! Du muſt gelehret werden:
Daß Jupiter ein Gott des Him̃els / ich der Erden.
So muſt du Demuths-voll beruͤhren meinen
Fuß /
Weil mich dein harter Sinn / als Gott vereh -
ren muß.
Es ſchallet mein Triumph durch Paucken und
Trompeten /
Biß zu der blauen Burg / dz ſich die Sterne roͤthen.
Denn hab ich Aſien zur Sclavin mir gemacht /
So hat der Goͤtter-Schluß auch diß mir zuge -
dacht:
Daß meiner Scheitel Glantz der Roͤm’ſche Lor -
beer ziere /
Und auch der Roͤmer Volck erſtaunende verſpuͤre:
Es muͤſſe Mavors ſelbſt hier vorgebildet ſeyn /
Wo man des Phocas Bild aͤtzt Ertz und Mar -
mel ein.
Diß Eiſen-Labyrinth fuͤhrt dich ins Hauß der
Sclaven / (Haven
Dich Thraciſch Ungeheur: mich in den Sieges -
Dein krummer Ruͤcken muß mein Sieges -
Bogen ſeyn.
So faͤhret im Triumph Auguſtus wieder ein.
Zwey -717Drittes Buch.

Zweyter Aufftritt.

Zu ietzterwehnten Perſonen kommen Heraclius und Priſcus in Feſſeln geſchloſſen.
Heraclius
(im Verborgnen.)

Jhr Goͤtter! was iſt diß?

Priſc.

Ach was iſt hier verhanden.

Maur.

Weil ich mich wider Gott zu kaͤmpffen un - terſtanden / Den tollen Rieſen gleich; ſo ſchickt ſein blitzend Arm Auff mich den Donner-Keil. Ach Himmel dich erbarm!

Du Him̃els-Koͤnig biſt gerecht / und dein Gerichte.

Phoc.
(von dem Wagen ſteigende / und auff den Mauritium tretende.)

So wird der Feinde Rath durch meine Macht zu nichte. Der wider mich zuvor ſo Schwerdt als Schild ergriff / Und den verdammten Stahl auff mich verge - bens ſchliff: Der liegt nunmehr beſiegt / entkroͤnt zu meinen Fuͤſſen / Deñ wer Gott Jupitern beleidigt / der ſol wiſſen / Daß ihn nach Billigkeit verdienter Donner trifft.

Maur.

Treuloſer Hund! nicht du haſt dieſen Sieg geſtifft: Die blinde Goͤttin nur hat mich dir uͤbergeben / Die vieler Printzen Haupt / wenn ſie beyn Steꝛ - nen ſchweben /Vom718Der Aſiatiſchen Baniſe. Vom Gipffel ihrer Macht in tiefſten Abgrund ſtuͤrtzt. Die eben hat auch mir ſo Thron als Ziel ver - kuͤrtzt.

Phoc.

Darff der Verraͤther noch verdammte Wort ausſchuͤtten? Kan diß die Gegenwart des Kaͤyſers nicht ver - huͤten? Auff / ihr Trabanten auff! ergreifft den Frev - ler bald / Und uͤbergebet ihn der Beſtien Gewalt.

Emil.

Hier muß die Billigkeit ſich ſelbſt gefangen geben / Daß / welchen ſtets beſaßin ſeinem gantzen Lebẽ Die aͤrgſte Grauſamkeit / er auff des Charons Kahn Auch hin geriſſen wird durch grimmer Loͤwen Zahn.

Her.

Kan diß Heraclius auch wol geſchehen laſſen? Sol ſo ein gꝛoſſer Printz durch Beſtiẽ erblaſſen? Halt inne / Wuͤterich! und hemme deinen Zorn / Wo deine Seele ja zur Grauſamkeit gebohrn / Daß nichts als Mord und Blut dein Hencker - Hertz kan ſpeiſen / So kehre wider mich dein grimmig Moͤrder - Eiſen. Nur laß diß edle Haupt des Kaͤyſeꝛs unverſehꝛt / Daß du Tyranne ſelbſt / als Sclave haſt ver - ehrt.

Maur.

Vergoͤnne tapffrer Freund / alleine mir zu ſterhen /Es719Drittes Buch. Es ſoll mein Blut allein das duͤſtre Grabmahl faͤrben.

Phoc.

Wer biſtu toller Menſch / der andre tretten will / Und ſich aus falſchem Wahn ſelbſt kuͤrtzt ſein Lebens-Ziel.

Heracl.

Mein Ungluͤck wolte mich in freyen Felde ſtraffen. Mein Frey-ſein ward umſchrenckt durch frem - de Macht der Waffen. Kurtz: es ſey dir genug: ich bin des Phocas Feind.

Phoc.

Daß nicht bald Strick und Stahl die frevle Zung umzaͤunt. Wir haben keinen ſo verzweiffelt reden hoͤren. Geſchwinde / wer uns wil als Gott und Kaͤyſer ehren / Und wer ſich neñt getreu / der werfe dieſen Hund Vor Loͤw und Tyger hin / daß der verdammte Mund Bald muͤſſe nach Verdienſt ſo Gifft als Seel ausblaſen / Denn weil diß ſchoͤne Paar in gleichen Laſtern raſen: So treffe billich ſie auch gleiche Straff und Pein / Und ihr Geluͤcke ſoll im Tode gleiche ſeyn.

(Jndem Mauritius von den Soldaten ergriffen / zugleich auch Heraclius zu dem beſtimmten Tode ſolte gefuͤhret werden / fiel Priſcus dem Pho - cas zu Fuſſe / alſo redende:)
Priſ.
720Der Aſiatiſchen Baniſe.
Priſ.

Halt / groſſer Kaͤyſer / halt den Mord-Be - fehl zuruͤcke! Schau / dieſes zarte Kind verdient ein beſſer Gluͤcke. Denn eure Majeſtaͤt ſoll wiſſen / daß diß Bild / Daß ſich in dieſe Laſt des Helmes hat verhuͤllt / Des Kaͤyſers Tochter ſey. Ein Reſt von denen Zweigen Mauritii, der ſich hier muß in Ketten beugen.

Phoc.
(Heraclium betrachtende.)

Wie? Traͤumt mir wachende? Soll diß wohl moͤglich ſeyn? Ach ja! mich blendet ſchon der Schoͤnheits - volle Schein. Wie huldreich glaͤntzet ſie in dieſem hellen Stahle / Mein Hertz entzuͤndet ſich von ihrer Augen Strahle. Wohlan! Mauritium begrabe dieſer Thurm / An deſſen Grunde ſich kuͤhlt ab der Wellen Sturm / Befreyet dieſes Bild von Ketten / Band und Eiſen / Und laßt ſie in der Burg ins beſte Zimmer weiſen. Du aber / ſchoͤnes Kind / indeſſen ſey bemuͤht / Daß lauter Anmuths-Klee auff Lipp und Wangen bluͤht.

Dritter[721]Drittes Buch.

Dritter Aufftritt.

Heraclius, Priſcus, die Soldaten von ferne.
Priſ.

Gieb nach / vertrauter Freund! und laß dich Fraͤulein nennen / Verlaͤugne dein Geſchlecht: daß Atropos nicht trennen / So Leib als Seele kan.

Heracl.

Daß iſt nicht wohlbedacht. Soll ich ein Sclave ſeyn der weichen Weiber - Tracht?

Priſ.

Wer ſich mit Purpur will der wahren Weiß - heit ſchmuͤcken / Der lebe nur bemuͤht / ſich in die Zeit zu ſchicken. Weil Phocas Unzuchts-voll in dich entzuͤndet iſt. Wie leichte kans geſchehn / daß dich die Freyheit kuͤßt.

Heracl.

Soll dieſes ja die Bahn zu meinem Gluͤcke brechen / So folg ich deinem Rath. Der Himmel wird mich raͤchen. Jch lege Stahl und Laſt der ſchweren Waffen ab / Und folge dem Cryſtall / der mir Geſetze gab / Wie das zerſtreute Haar in Ordnñg ſey zu bringẽ: Die Schmincke ſol mich itzt zu einer Farbe zwingẽ Die ſelbſt die Liebe liebt. Es ſoll / wie ſichs gebuͤhrt / Statt Helmes / Haar und Haupt mit Blumen ſeyn geziert. Doch hat Heraclius ſich gleich verſtellen muͤſſen: Muß gleich ein Weiber-Rock ein Maͤnner-Hertz umſchlieſſen:Z zSo722Der Aſiatiſchen Baniſe. So zeiget dennoch ſtets mein friſches Angeſicht: Es aͤndre ſich das Kleid / iedoch das Hertze nicht.

(Heraclius ſang folgender maſſen:)
1.
OB Hercul ſchon / der groſſe Wunder-Held /
Jn eine Frau aus Liebe ſich verſtellt /
Und Omphalen den Rocken hilfft umwinden:
Doch wird man ihn ſtets einen Hercul finden.
2.
Es mag ſich auch Achillens Tapfferkeit
Aus Liebes-Brunſt verhuͤlln ins Weiber-Kleid:
Doch dieſes wird ſein Anſehn nicht vertreiben /
Achilles wird wohl ein Achilles bleiben.

Vierdter Aufftritt.

Der Theodoſia Zimmer. (Theodoſia mit einem Dolche in der Hand / Aſpaſia ſie zuruͤck haltende.)
Theod.

Laſt mich! ich habe mir zu ſteꝛben vorgenom̃en. Denn heute ſtirbt das Reich. Der letzte Tag iſt kommen. Mein Abgott iſt nun hin / erſtarret und erblaßt: Nun hat mein blaſſer Geiſt auch weder Ruh noch Raſt / Biß er durch Dolch und Tod ſich gleichfalls wird ererben Das Eliſaͤer Feld. Laſt mich! ich will nun ſterben.

Aſpaſ.

Princeßin! Fraͤulein! ach! was dient der Zweiffelmuth? Sie dencke / wie ein Stoß dem Fleiſch offt wehe thut. Mein723Drittes Buch. Mein Kind / ſie faſſe ſich / und laſſe ſich bedeuten / Sie laſſe Witz und Geiſt die Traurigkeit beſtrei - ten / Und werffe von ſich hin / ſo Dolch / als Tod und Grab. Sie trockne / Engels-Bild / die ſchoͤnen Augen ab. Sie lege ſich zuꝛecht den Schatz verwirꝛter Haaꝛe / Der durch die ſanffte Lufft vorhin zerſtreuet ware / Man ſchaut / wie Lock und Gold mit angenehm - ſter Luſt / Sich ſchertzend hat geſellt zur Schnee-gebuͤrgten Bruſt. Wir armen Menſchen ſind ohn dem von kurtzem Leben / Man darff nicht erſt durch Trotz den Parcen An - laß geben.

Theod.

Weil mit Heraclio mein Hoffen gantz ver - ſchwindt / Weil ich kein Hertze mehr in meinẽ Bruͤſten find / Und er / mein Schatz / iſt todt / ſo end ich auch mein Qvaͤlen: Jch will mich ihm / mein Liecht / auch ſterbende vermaͤhlen. Mich ſoll der Seufftzer-Wind durch Lethens Waſſer ziehn / Und meine Treue ſoll in Grufft und Grabe bluͤhn. Es ſoll die reine Bruſt ſo Blut als Treue faͤrben. Laßt mich!

Aſpaſ.

Sie halte doch!

Theod.

Laßt mich! ich will nun ſterben.

Z z 2Fuͤnff -724Der Aſiatiſchen Baniſe.

Fuͤnffter Aufftritt.

Theodoſia, Aſpaſia, Emilianus.
Emil.
(ihr den Dolch aus der Hand reiſſende.)

Halt inne / ſchoͤnſtes Bild! zuruͤcke Dolch und Hand! Es iſt der ſchwache Zorn vergebens angewandt / Zu toͤdten dieſe Bruſt. Hier muß der Tod ſelbſt weichen: Wo man voll Anmuth ſpuͤrt / der Schoͤnheit Lie - bes-Zeichen.

Aſpaſ.

Wie zu gelegner Zeit koͤmmt dieſer Cavalier?

Theod.

Raubt man gleich dieſen Dolch / ſo fehlet es doch mir An tauſend Mitteln nicht / das duͤſtre Grab zu fin - den /

Emil.

Sie laſſe Furcht und Angſt / und allen Zweiffel ſchwinden. Sie trockne den Cryſtall der ſchoͤnen Augen ab / Der ihres Hertzens Schmertz ein naſſes Zeugniß gab. Der groͤſſeſte Monarch von Oſt / Weſt / Suͤd und Norden / Jſt ihrer Anmuth Knecht / der Schoͤnheit Sclave worden / Weil er ihr Faden-Gold des Hauptes hoͤher haͤlt / Als ſelbſt das Kaͤyſerthum / mehr als die halbe Welt.

Aſpaſ.

Hier muß Princeßin bald der Schmertz ver - bannet werden. Was725Drittes Buch. Was kan begluͤckter ſeyn / als Kaͤyſerin auf Erdẽ? Gewiß / wo Phocas nur Aſpaſien begehrt: So ſey ihm heute noch die Jungfeꝛſchaft gewaͤhrt.

Theod.

Nein! Nein! Bemuͤht euch nicht. Das Schmeicheln iſt verlohren. Jch habe meine Tꝛeu der Aſchen auch geſchworen. Weil meine Liebes-Pflicht nicht hemmt der To - des-Raub: So acht ich Seepter / Cron und Kaͤyſerthum als Staub.

Emil.

Weil Cronen des Gebluͤts die guͤldnen Haa - re zieren: So laͤſſet ein Monarch die Glut der Liebe ſpuͤren. Der ſonſt auch Koͤnigin nur zu gebieten pflegt: Wuͤnſcht heute noch zu ſehn / was dieſe Flamm erregt.

Aſpaſ.

Die Haare des Geluͤcks zu faſſen / muͤht ſich ieder. Sie greiffe zu: es fleugt / und koͤmmt nicht morgen wieder.

Theod.

(vor ſich.) Mein Hertze / ſag es mir. Worzu entſchließ ich mich? Jſt dieſer Rathſchluß auch vor oder wider dich? Es heiſt verſtellte Liſt mich gantz entzuͤndet ſtellen: So faͤhrt nach Rach und Wunſch mein Moͤrder zu der Hoͤllen /

zu Emil.)

Vermelde / tapffrer Held / dem Kaͤyſer meine Huld / Verſichre ihn dabey / daß ſeiner Liebe Sold Mein Hertze ſelber ſey. Es ſuch ihn zu vergnuͤgen:Z z 3Es276[726]Der Aſiatiſchen Baniſe. Es ſey beſiegt: weil er den Erdkreiß kan beſiegen.

Emil.

Jch eile / was ich kan / bald in der Burg zu ſeyn / Mit dieſer Liebes-Poſt den Kaͤyſer zu erfreuen. Sie komm / und laſſe nichts an Huld und An - muth fehlen. Verzug und Warten pflegt die Liebenden zu qvaͤ - len.

Aſpaſ.

Wohlan! ſo ſey durch Lachen volle Luſt / Der Mund-Rubin erhoͤht. Die Marmor-Bruſt Die vormahls offt / gleich als entgeiſtert / ſchiene / Sey unverhofft die ſchoͤnſte Freuden-Buͤhne. Sie haſſe / was unter die Todten man zehlt / Weil lebende Seelen Cupido nur wehlt.

Sechſter Aufftritt.

Theodoſia.

So wird dein Schatten recht / mein Schatz / durch mich gerochen / Und meine Treue wird im minſten nicht gebrochen: Wenn unter Roſ und Klee / ſo Dorn als Natter ſteckt / Und wenn ein Zucker-Mund die Gall im Hertzen - deckt. Man ſoll die Lippen zwar als einen Him̃el nennen: Jm Hertzen aber ſoll Gluth / Rach und Hoͤlle bren - nen. Bereite dich demnach / du Angſt-erfuͤlltes Hertz / Verwandle Tod und Stich in einen Liebes-Schertz. Laß deine Freundligkeit zu einer Larve dienen / Und dein Geſichte ſpieln mit holden Einfals-Minen. Als -727Drittes Buch. Alsdenn ergreifft die Hand den Rach-beflammten Stahl / Und ſchickt den Moͤrder hin in Acherontens Thal. Der Liebes-Himmel pflegt ſich oͤffters zu verkehren / Jn Wolcken / welche Blitz und Donner-Keil ge - waͤhren. So ſterbe denn der Hund / der mir das Leben raubt / Der nur bey iedem Blick / Blut / Tod und Morden ſchnaubt. Diß / ſag ich / zu vollziehn / ſoll nur mein Hertze brennen. Der Anmuth Paradieß ſoll man mein Antlitz nen - nen. Bald aber ſoll die Gluth in Blut verkehret ſeyn / Und ich will Hoͤllen-gleich die Rach als Feuer ſpeyn.

Siebender Aufftritt.

(Ein groſſes Feld / erfuͤllet mit ſehr vielen Leichen des geſchlagenen Kriegs-Heeres des Kaͤyſers Mau - ritii, nebſt etlichen / aus dem benachbarten Gebir - ge entſpringenden Waſſer-Baͤchlein.)
Honoria,
als ein Soldat.
Siroë,
in Geſtalt eines Mohren / liegende unter dem Hauffen der getoͤdte - ten und halb-todten Soldaten.
Idreno.
Honoria
ſingende:
1.
BLinde Goͤttin! Falſches Gluͤcke!
Die du ſtehſt auff Fall und Flut:
Wofern deine Moͤrder-Tuͤcke
Qvaͤlen will mein Hertz und Blut:
Z z 4So728Der Aſiatiſchen Baniſe.
So wirſt du Blitz / Pfeil und Degen /
Nur umſonſt auff mich bewegen.
2.
Raſe / tolle Goͤttin! raſe!
Draue mir mit Angſt und Noth.
Du biſt eine Waſſer-Blaſe.
Jch verlache Pein und Tod.
Ja auch unter tauſend Leichen /
Will ich deinem Trutz nicht weichen.
Idreno
(koͤmmt gelauffen.)

Flieht / flieht / Princeßin / flieht! die Voͤlcker ſind geſchlagen / Und wo ihr euch verweilt / ſo muß man euch be - klagen / Weñ Biſantz Sclaveꝛey euch in die Feſſel ſchlaͤgt. Flieht! Wo ihr Furcht und Scheu vor Phocas Raſen hegt. Von fernen hoͤr ich ſchon der Waffen Mord-Ge - tuͤmmel.

Honor.

Wohin verberg ich mich? Ach rette mich / Q Himmel! Wir ſind veꝛgebens nur auf unſre Flucht bedacht / Weil Waffen und Soldat uns uͤberall bewacht. Ach werthſter Siroë! den ich und Perſ anbeten / Als Erben ihrer Cron! ach ſolt ich nur betreten / Dein Koͤnigliches Schloß. Es muͤſſen Roß und Mann / So viel der ſchnell Euphrat benetzt umgraͤntzen kan / Bald ungeſaͤumt / und zwar zu meinen Dienſten ſt hen:Sie729Drittes Buch. Sie muͤſten auff den Winck vor mich zu Felde ge - hen. Es muͤſte Schild und Schwerdt den Feind zur Rache ziehn.

Idren.

Wo man der Tyranney des Schickſals will entfliehn / So muͤſſen wir Verſtand u. alle Siñen ſchaͤrffen / Das wohl bekannte Kleid und Waffen von uns werffen. Es dient zu unſrer Flucht / nichts / als ein fremdes Kleid / Den Anfang mach ich ſelbſt. Hier iſt nicht Wartens-Zeit.

Honor.

So wil ich Schwerdt und Schild mit Thraͤ - nen von mir legen / Bey dieſer Helden-Schaar / die bloß um meinet wegen Verlohren Geiſt und Blut. So rath ich meiner Flucht / Daß mich in fremder Tracht kein Feind als Fein - din ſucht.

Idren.

Princeßin / ſchaut ſie hier den todten Mohren liegen / Es kan in dieſer Flucht uns deſſen Rock vergnuͤgẽ /

Honor.

Daß man ſich alſobald den braunen Moh - ren nah.

Idren.

Er dient recht wohl vor ſie.

(Idreno will ihn entkleiden)
Sir.

Honor, Honoria!

Honor.

Hilff Himmel / was iſt diß? Wie / daß ich mich entfaͤrbe? Z z 5Wer730Der Aſiatiſchen Baniſe. Wer rufft mir Ohnmachts-voll. Sir. Honoria! ich ſterbe.

Honor.

Ein halb-verbrochnes Wort nennt meinen Nahmen hier. Die Stimme lautet ſchwach. Wie iſt es? Traͤu - met mir?

Idr.

Auch ihre Gegenwart / Princeßin kan das Leben Und Lebensgeiſter ſelbſt den Todten wiedergeben. Hier dieſer / welchen uns Egypten ſehen ließ / Jſt / deſſen ſchwartzer Mund die Sterbens-Wort ausbließ. Sie ſchau / wie ſich der Geiſt entreiſt den Liebes - Ketten.

Honor.

Es heiſcht die Froͤmmigkeit / die Sterbenden zu retten.

Sir.

Barmhertz’ger Krieges-Held! du ſeyſt auch / wer du ſeyſt: Wofern der Himmel dir die Gnade noch erweiſt / Honoriam zu ſehn / Honoriam die Schoͤne / So ſprich: daß Siroën die Ewigkeit bekroͤne / Und daß in dieſer Schlacht / der / der ſie mehr ge - liebt / Als ſelbſt ſein eigen ſich / den treuen Geiſt aufgiebt.

Honor.

Was wollt ihr Goͤtter doch noch uͤber mich beſchlieſſen? Wer that dir Fall und Tod des Siroë zu wiſſen? Er ſchweigt. Erweck ihn doch / er iſt in Schlaff verſenckt.

(ſchenckt.
Idr.

Er hat die Stimme ſchon der andern Welt ge -

Hon.

Hol eilend Waſſer her aus jenen rothen Bache /Ver -731Drittes Buch. Verſuch es / wie du kanſt: Gib Rath zu dieſer Sache / Wie man den ſchwachen Geiſt / der durch die Lip - pen dringt / Jn ſeinen ſchwartzen Sitz des Coͤrpers wieder - bringt. Ach! iſt mein Troſt / mein Schatz / mein Abgott nun verblichen? Jſt nun mein Lebenſelbſt von dieſeꝛ Welt gewichẽ / So eilt mein Hoffnungs-Schiff dem Todes - Hafen zu / Und meine Seele ſucht der Eliſaͤer Ruh. Es kan das Schickſal mir nichts haͤrteres verſetzẽ.

Idren.

Jetzt will ich ſein Geſicht mit friſchem Waſ - ſer netzen.

Sir.

Wer rufft mich in die Welt? Wer bringt den Geiſt in mich?

Idren.

Was Wunder ſeh ich hier? der Mohr veraͤn - dert ſich. Der Rabe wird ein Schwan. Hier will ſich was verheelen.

Honor.

O Himmel! ſeh ich nicht den Abgott meiner Seelen? Der ſeiner Wangen-Liecht mit fremden Wol - cken deckt / Und mir die hoͤchſte Luſt mit dieſer Liſt erweckt.

Sir.

Honoria! Honor, Mein Schatz! Ach was muß ich erblicken? Ein hoͤchſt-verdammter Pfeil.

Idren.

Jch will mich eilend ſchicken /Zu732Der Aſiatiſchen Baniſe. Zu ziehn den krummen Stahl aus der verwund - ten Schooß. Princeßin / ſeyd erfreut / der Schade iſt nicht groß.

Honor.

Mein Seelgen!

Sir.

Werthſtes Hertz!

Hon.

Schatz / laſſe dich umfaſſen.

Sir.

Dich / Goͤttin / wird mein Arm auff ewig nicht verlaſſen.

Idren.

Man hoͤrt der Waffen Klang / es naͤhert ſich der Streit: Verſpart das Kuͤſſen nur biß zu gelegner Zeit. Jn jenem Walde laͤſt ſich Rauch u. Huͤtte ſpuͤren / Allwo ein Schaͤffer wohnt. Dahin will ich ſie fuͤhren: Da wird man euch / mein Printz / ein ſchlechtes Lager ſtreun / Und dieſe ſchoͤne Hand wird eure Aertztin ſeyn. Die wird den Schaden wohl in Schooß und Hertzen heilen.

Honor.

Er lehne ſich auff mich / mein Schatz / wir muͤſſen eilen.

Sir.

Du meiner Hoffnung Zweck! Wie ſelig iſt der Tag / Da ich in deinen Schooß mein Hertze ſencken mag! (gluͤcket.Die Wund iſt ſchon geheilt: Mein Lieben iſt be -

Honor.

Weil es der Himmel hat / mein Engel ſo ge - ſchicket / Daß mich dein Arm umfaßt / daß mich dein Hertz umſchließt: So ſag ich: daß mich heut das groͤſte Gluͤcke kuͤßt.

Achter733Drittes Buch.

Achter Aufftritt.

Des Kaͤyſers Gemach ſtellet ſich in der Ge - ſtalt eines Himmels vor.
Heraclius, als ein Frauen-Zimmer.

Es muß der blinde Gott den Auffzug ſelbſt belachen / Wenn ich aus Maͤnner-Haar muß Weiber-Locken machen: Die in dem Hertzen Peitſch und Scorpionen ſeyn. Huͤll ich gleich meinen Leib in Frauen-Kleider ein: Muß ſich mein Angeſicht gleich einer Venus ſtellen / So ſoll ein ieder doch diß Urtheil von mir faͤllen: Jch ſey / den Kraͤfften nach / ein andrer Krieges-Gott. Mars wohn in meiner Bruſt. Jch wuͤnſche mir den Todt! Was traͤumt mir? Bin ich klug? Cupido ſelbſt ver - lachet Die Wehmuths-Thraͤnen / wenn er uns entzuͤndet machet / Zugleich gantz unbegluͤckt. Die Straf iſt allzu ſcharf: Daß ein vermum̃tes Kleid mein Frey-ſein feſſeln darff. Jedoch erwecket diß die allerſchaͤrffſten Plagen / Und mein entflam̃tes Hertz muß dieſes nur beklagen: Daß Theodoſia ihr Sonnen-Paar entzeucht / Und aus den Augen mir / nicht aus dem Hertzen weicht. Du kleiner Liebes-Printz! Bey dem man Huͤlffe findet: Beſaͤnfftige die Brunſt / die meine Seel empfindet. Ver -734Der Aſiatiſchen Baniſe. Verwunde doch zugleich den ſchoͤnen Gegentheil; Wo nicht / ſo mache mich von Lieb und Hoffen heil. Jedoch wenn ich nur darff die holden Lippen kuͤſſen / Wird Theodoſia mich zu belohnen wiſſen.

Wenn ihr Verletzen wird der Seelen-Zucker ſeyn / So ſchreib ich mich ins Buch der hoͤchſt-Begluͤckten ein. Wo mich der ſuͤſſe Blitz erwuͤnſchter Liebe ruͤhret.

(Theodoſia erſcheinet.)

Was vor ein holder Strahl wird aber hier geſpuͤret / Der dieſes Dach erhellt? ich ſeh das Sternen-Paar. Was Sternen? Es iſt die / die meine Sonne war. Schaut ihren Fuͤrſten-Gang / wie ſie die Schenckel reget / Wie Majeſtaͤtiſch ſie der Schritte Wechſel traͤget. Jhr Gold beſchaͤmet ſelbſt der Morgenroͤthe Pracht / ihrer Wangen ſchnee hat mich entzuͤckt gemacht. Was vor ein neuer Stern geht aber ihr zur Seiten? Was vor ein Unſtern muß wohl meinen Schatz be - gleiten?

Hier wil ich merckſam ſeyn. Beſorgte Liebe ſieht Mehr / als wenn Argos ſich mit tauſend Augen muͤht.

Neundter Aufftritt.

Theodoſia, Emilianus, Aſpaſia, Hera - clius im Verborgenen.
Theod.

Ein kurtzer Hoffnungs-Glantz durchſtrahlet ietzt mein Hertze. Doch / ach! vergebne Luſt! Jch hoffe zwar / mein Schmertze /Den735Drittes Buch. Den wuͤrde ſelbſt die Zeit in Nectar-Koſt ver - kehren. Der Himmel aber weiß / ob er diß wird gewaͤhren. Den ob mich ſchon der Tod des Lebens uͤberhuͤbe / Daß ich mich endlich ſelbſt in Thraͤn und Fluth begruͤbe: So wuͤrde doch kein Menſch in gleichem Jammer ſtehn. Kurtz: mein verliebter Geiſt muß jaͤmmerlich ver - gehn.

Emil.

Sie ſchau den Himmel an / und die vermum̃ - te Staͤrcke / Des Griech’ſchen Jupiters. Sie nehme dieſe Wercke Der Kunſt / als Wunder an. Hier wird die Majeſtaͤt Des groſſen Kaͤyſers bald / als ein Morgenroͤth / Bey tauſend Ampeln ſich in Gold und Purpur zeigen / Und als ein groſſer Gott aus dieſen Wolcken ſtei - gen. Princeßin / heute wird ihr Gluͤcke vorgeſtellt: Weñ ihr das groſſe Reich der Welt zu Fuſſe faͤllt. Der Kaͤyſer kuͤſſet ſie / ſein Hertze ſteht ihr offen.

Heracl.
vor ſich.)

Die Treue wird verletzt. Was ſoll ich ferner hoffen?

Aſpaſ.

Princeßin / ſie geſteh / ob nicht viel beſſer iſt Ein ſolch Vergnuͤgen: als wenn man die Todten kuͤßt.

Theod.

Welch ein erleuchte Flam̃ erhellt den Schei - ter-Hauffen? Jch736Der Aſiatiſchen Baniſe. Jch wil dem Phoca ſelbſt entgegen willig lauffen.

Heracl.

Betruͤgende Siren!

Theod.

Es weiß der groſſe GOtt / Wie ihn mein Hertze haßt. Mich dringt ſo Liſt als Noth.

Aſpaſ.

Es muͤſſen Lilien um ihre Schlaͤffe gruͤnen! Das Kaͤyſerliche Bett umſtreu ich mit Jeſminen.

Her

Jch will im Phlegethon die Fackeln zuͤnden an: Daß ich dem ſchoͤnen Paar zu Bette leuchten kan Als eine Furie. Es ſollen Feuer-Schlangen / Statt Roſen / Dorn und Blitz / ſo Bett als Haupt umbfangen.

Aſpaſ.

Durch welchen Donner wird die hohe Burg erfuͤllt? Die Wolcken oͤffnen ſich. Theod. W[as vor]ein Wunder-Bild?

Zehender Aufftritt.

(Der Himmel eroͤffnet ſich unter Donner und Bli - tzen / allwo in der Geſtalt des Jupiters auff einer hel - leuchtenden Wolcken Phocas erſcheinet / umbgeben mit vielen erdichteten Goͤttern / welche ſich auff unterſchiedlichen Luſt-Geruͤſten durch den gantzen Schauplatz ausbꝛeiten.)
Phocas, Theodoſia, Emilianus, Aſpaſia, Heraclius (im Verborgenen.) Phocas ſang in der Lufft folgendes:
1.
JHr Sterblichen! erſchrecket nicht /
Ob meinen Donner-ſchwangern Liecht!
Schaut /737Drittes Buch.
Schaut / Jupiter / den tauſend Goͤtter kuͤſſen /
Will ietzund euch auff dieſem Platz begruͤſſen.
2.
Setzt alſobald Altaͤre auff!
Bringt Opffer mit geſchwinden Lauff!
Steckt Weihrauch an! Pflantzt guͤldne Lorbeer - Reiſer!
Weil euch beſtrahlt der Kaͤyſer aller Kaͤyſer.
Heracl.

Es hat die Hoffart mehr als Menſchlich zu - genommen. Des Kaͤyſers Thorheit iſt auffs allerhoͤchſte kommen. Er ſey ſelbſt Jupiter! Diß bildet er ſich ein:〈…〉〈…〉[d]as Gehirn wil nicht Minervens Urſprung ſeyn.

Phoc.
(ſich auff die Erde laſſende / und ſich der Theodoſia nahende.)

Des Donners-Krafft verſchwindt: Die rauhen Winde ſchweigen: Der heitre Himmel will ſein blaues Antlitz zeigen. Schau / wie auff meinen Winck der Blitz zu fol - gen weiß: Komm / Juno / komm / mein Schatz! Komm her zu mir / und ſchleuß Mich deiner Seelen ein. Heracl. Mein Hertze will zerſpringen:

Theod.

Daß deiner Strahlen-Macht mein Hertze kan durch dringen:(Schatz!Verſichert dich mein Mund. Jch folge dir mein

A a aHeracl.
738Der Aſiatiſchen Baniſe.
Heracl.

Hierzu verſchwiegen ſeyn / iſt ein verdammter Satz.

Phoc.

Komm / laß den Zucker-Tau von deinen Lip - pen flieſſen / Auff meinen matten Mund.

Heracl.

Eh ſoll der Tod dich kuͤſſen.

Emil.

Der Zufal iſt begluͤckt / der Fuͤrſten auch erfreut.

Aſpaſ.

Und wo die Liebe herꝛſcht / da iſt die ſchoͤnſte Zeit.

Phoc.

Ach Goͤttin! eile doch / dich in den Arm zu legen / Der mehr als maͤchtig iſt / die Goͤtter zu bewegen. Jtzt hat das Gluͤcke ſich zur Sclavin dir gemacht / Und unter deinen Fuß die Kugel ſelbſt gebracht.

Eilffter Aufftritt.

(Jndem Phocas die Theodoſiam umfaſſen und kuͤſ - ſen will / faͤllt ihm Heraclius in die Armen.)

Vorerwehnte Perſonen.

Heracl.

Halt / groſſer Kaͤyſer! diß kan nimmermehr geſchehen; Und dieſen Greuel ſoll mein Auge nicht erſehen: Daß eine Griech’ſche Frau den Kaͤyſer-Thron beſteigt / Die ſich bald Helena / bald wie Megæra zeigt.

Theod.

Wie? will ſich ſchon der Schlaff mit mei - nen Augen gatten? Washemmt mir das Geſicht? Es iſt ein Traum / ein Schatten!

Aſpaſ.

Wie? bin ich auch recht klug?

Hemel.

Mich nimmt der Kaͤyſer ein: Jch weiß / er laͤſſet mich des Vorzugs faͤhig ſeyn. Mich739Drittes Buch. Mich / die ich Tochter bin des Kaͤyſers: Und von Ahnen / Die ſich nicht durfften erſt den Weg zur Crone bahnen.

Theod.

O Himmel! dieſes iſt Heraelius, mein Schatz.

Aſpaſ.

Jhr Labſal.

Phoc.

Schoͤnſtes Kind! Sie ge - be fernern Platz Der Klugheit / welche ſie pflag vormahls zu be - kroͤnen.

Theod.

Beherrſcher dieſer Welt! Es ſoll mich nicht verhoͤhnen: Wenn mir gleich dieſes Bild ſo Hertz als Kaͤyſer raubt. Jch muß geſtehn / nachdem mir iſt zu ſehn erlaubt / Wie Morgenroͤth und Sonn im Antlitz ſich ver - maͤhlen: Daß ſie auch wuͤrdig ſey / als Kaͤyſerin zu wehlen.

Emil.

Beliebte Hoͤfligkeit!

Aſpaſ.

Die nicht ver - muthet ward.

Phoc.

Es iſt von noͤthen: daß ihr Klag und Trauren ſpart. Es ſoll euch beyderſeits des Kaͤyſers Liebe weiden.

Heracl.

Es kan ſo Lieb als Thron nicht Nebenbuh - ler leiden.

Phoc.

Was das Verhaͤngniß will / und was mein Wollen ſpricht: Diß wiſſet / daß es auch kein Donner nicht zer - bricht. Jch will mich ietzo recht als Jupiter erzeigen: Mein goͤldner Regen ſoll die Dangen beſteigen /A a a 2Und740Der Aſiatiſchen Baniſe. Und Lethens glatte Schooß kuͤß ich gleich einem Schwan; So ſind ſie wohl vergnuͤgt. Herbey / Emilian!

Emil.

Mein Kaͤyſer!

Phoc.

Laſſe ſie / Goͤttinnen unſrer Zeiten / Jns Kaͤyſers-Zimmer bald auffs praͤchtigſte be - gleiten / Jhr ſchoͤnen Augen ihr! ſtellt alles Trauren ein: Keut wird des Kaͤyſers Hertz umb euch zertheilet ſeyn.

Aſpaſ.

Nun iſt es Zeit / daß ich die ſchlaffe Bruſt ent - ſchnuͤre / Und zeige / wie auch ich recht weiſe Schenckel fuͤhꝛe. Denn weil er alle ja zu ſeiner Luſt begehrt / So iſt vielleicht vor mich ein Plaͤtzgen auch gelert.

Zwoͤlffter Aufftritt.

Phocas ſingt folgende Worte:
1.
JEde Nymfe / iede Goͤttin / bleibet meine Luſt und Freude /
Jedes Antlitz / iede Bruͤſte / werden meiner Augen Weide.
Jch bin gleichſam eine Motte / die bey iedem Licht ſich find /
Und ein Phoͤnix / deſſen Aſche wird von aller Glut entzuͤndt.
2.
Es kan mein verliebtes Hertze einem Protheus ſich vergleichen /
Welcher ieder zu Gefallen an ſich nimmt der Liebe - Zeichen.
Doch741Drittes Buch.
Doch es bringet Ruhm und Ehre / wen bald die / bald jene labt /
Weil der nackte Liebes-Schuͤtze auch mit Fluͤ - geln iſt begabt.
Hierauf wird dieſe Abhandlung mit einem zierlichen Ballet von acht Goͤttern beſchloſſen.

Der andern Abhandlung

Erſter Aufftritt.

Ein Hirten-Haͤußgen mit einem Gepuͤſche. Arconte in Geſtalt eines Schaͤfers.
Arc.

Jhr ſchoͤnen Tannen ihr! ihr hohen Waͤlder - Rieſen! Die ihr das Alterthum durch hundert Jahr er - wieſen: Jhr ſeyd von dem / was ſonſt die Seelen qvaͤlt / befreyt. Bey guͤldnen Daͤchern wohnt nur Laſter / Haß und Neid. Beliebte Einſamkeit! indem die Sorgen ſchwindẽ / So kan mein Hertze mehr Vergnuͤgung bey dir finden; Als in der Perſer Burg / wo meiner Jugend Lauff Und Freyheit gantz verdarb. Hier bluͤht ſie wie - der auff. Ach / Coſroës, Tyrann! daß nicht die Sonn er - roͤthet! Du haſt mir meinen Sohn aus Mord-Begier getoͤdtet.

A a a 3Der742Der Aſiatiſchen Baniſe.

Der Vater / welcheꝛ doch das minſte nicht gethan / Muß in das Elend ziehn. Ach / Coſroës, Tyrann! Allein / was vor ein Glantz der Waffen wird ge - ſpuͤhret / Um dieſen Wald / den doch Bellona nie beruͤhret. Die Sicherheit wohnt ſelbſt in dieſem tunckeln Haͤyn / Doch hinter dieſem Strauch will ich verborgen ſeyn.

(Er verſtecket ſich.)

Zweyter Aufftritt.

Siroë, gefuͤhret von der Honoria, Idreno. Arconte im Verborgenen.
Sir.

Es ſcheint zwar deine Hand / die ſelbſt den Schnee beſieget / Ein kaltes Eiß zu ſeyn; doch waͤrmet und vergnuͤ - get / Sie mehr als Flamm und Gluth: weil ſiezuruͤ - cke rieff / Die Seele / welche ſchon mit Charons Nachen lief Jns Eliſaͤer Feld. Mein Leben ward erſtattet: Als ſie mich wie ein Liecht des Prometheus umb - ſchattet.

Arc.

Jhr Goͤtter / was iſt diß? Der Perſen aͤltſter Printz. Zugleich ein Frauen-Bild. Ja / warlich / ja / ſie ſinds.

Honor.

Nunmehro bin ich gantz mir ſelbſt geraubet worden:Durch743Drittes Buch. Durch Feſſel deiner Haar trett ich in Frauen - Orden. Doch ſolche Bande hat mein Hertze ſtets begehrt: Drum wird ihm billich auch der holde Wunſch gewaͤhrt. Und diß Gefaͤngniß ſchaft in mir ſo groſſe Freudẽ / Als faſt die Unſchuld ſelbſt in Ketten koͤnte leiden.

Art.

Jn Warheit ja / er iſts: ich kenne ſein Geſicht: Jch kenne die Geſtalt. Arconte, ſaͤume nicht! Wohlan! ich will anietzt gerechte Rach ausuͤben / Weil ihn der Himmel ſelbſt zur Straffe herge - trieben.

Idren.

Herr / geht nicht ferner fort. Ein Schaͤffer koͤmmt herbey / Der dieſen Wald bewohnt. Wer weiß es / wer er ſey?

Dritter Aufftritt.

Arconte, Vorerwehnte Perſonen.
Arc.

Und welch Geſtirne fuͤhrt euch her / ihr Martis - Soͤhne / Alwo man nie gehoͤrt der Waffen Mordgethoͤne?

Honor.

Sey gutes Muths / mein Freund! du blei - beſt unverſehrt. Durch dieſe Waffen wird die Ruhe nicht geſtoͤrt.

Sir.

Es hat der dicke Wald uns Weg und Steg be - nommen / So / daß wir gantz verirrt in dieſes Gruͤne kom̃en.

Arc.

Mein Herr / begebt euch nur in jenes kleine Hauß Und ziehet ungeſaͤumt die ſchweren Waffen aus.

A a a 3(ab -744Der Aſiatiſchen Baniſe.
(abſeits)

So kan ich beſſer euch die letzte Oelung ge - ben.

Honor,

Es deckt offt grober Sand die Wein-erfuͤll - ten Reben: Und einen hohen Geiſt verbirgt geringe Tracht.

Arc.

Wo nicht mein Aug umwoͤlckt des Jrrthums falſche Nacht / So hab ich ihn / mein Herꝛ geſehẽ bey dem Koͤnig / Der Perſen / auff der Burg. Sir. Erkennet mich ein wenig.

Arc.

Jch bin des Coſroës gebohrner Unterthan / Und kom̃ gantz unveꝛſehns bey dieſen Waͤldeꝛn an / Vom Vaterland entfernt. Hier kan ich frey re - gieren / Mich ſelbſt und meine Schaff. Hier laͤßt ſich al - les ſpuͤhren / Was uns ergoͤtzt. Ja ſelbſt der Him̃el iſt geneigt.

Honor.

So hat denn dieſen Mann das Perſen-Land gezeugt?

Idren.

Des Himmets Schickſal hat ihn zu uns her - geſchicket.

Sir.

Jch bin des Koͤnigs Sohn; und ſchaͤtzte mich begluͤcket: Wenn ich aus dieſem Wald dahin geleitet waͤr / Alwo der Tyger Strom benetzt der Parthen Heeꝛ.

Arc.

Es reget ſein Befehl die Schenckel und die Sinnen. So bald die Soñe wird der Welt ihr Auge goͤñen: Daß nur das Licht erlaubt zu ſehen auf den Weg: So ſoll euch Mund und Hand bedeuten Weg und Steg.

Jn -745Drittes Buch.

Jndeſſen wil euch itzt ſo Ruh als Schlaf gebuͤhꝛen: Ein unbekandte Bahn ſol euch ſchon moꝛgen fuͤhꝛẽ Jn euer Koͤnigreich.

(abſeits)

Es wird von mir gemeynt / Des Todes finſtres Land. Sir. Jhr ſeyd mein be - ſter Freund.

Vierdter Aufftritt.

Siroë, Honoria, Arconte.
Idren.

Mein Schaͤffer / laſt uns gehn / doch nicht auff ſanffte Decken / Die uns Egypten ſchenckt. Nein / nein / wir muͤſ - ſen ſtrecken Der Glieder matte Laſt auff Graß u. Kieſelſtein / Und ein verworrner Strauch muß unſre Decke ſeyn.

(Er gehet in die Huͤtte.)
Honor.

Die Armuth muß mir ſelbſt bey dir zu Zucker werden /

Sir.

So komme denn / mein Schatz / und Engel dieſer Erden.

Honor.

Nimm du nur / holdes Licht / den Vortritt in das Hauß / Jch folge willigſt nach. Nun ſchlag ich alles aus. Es mag das Gluͤcke mir ſo Cron als Thron ent - reiſſen: Durch euch ihr Augen-Paar / kan ich gluͤckſelig heiſſen.

(Hierauff ſingen beyde im Hinein-Gehen folgende Verſe:)
A a a 51. Groſſe746Der Aſiatiſchen Baniſe.
1.
BRoſſe Venus / ſey geneigt /
Weil ſie eine Ruhſtatt zeigt /
Die auff Kraͤuter-reichen Kuͤſſen /
Uns die Schmertzen ſoll verſuͤſſen.
2.
Dieſer Pfeil iſt ja beliebt /
Der im Tod das Leben giebt;
Und zugleich / indem er kraͤncket /
Auch ein heilſam Pflaſter ſchencket.

Fuͤnffter Aufftritt.

(Eine unterirrdiſche Grotte / nebſt einer Fontaine woraus man den Pallaſt mit einer koſtba - ren Stiege ſiehet.)
Theodoſia. Aſpaſia hernach.
Theod.

Du feuchtes Felſen-Kind! du angenehmer Bach! Der gleichſam uns entwirft ein allzeit naſſes Ach! Der / wenn ſein Silber ſtets zermalmet zwiſchen Steinen / Aus Beyfall traurig iſt / vor Wehmuth ſcheint zu weinen. Verbirg auff kurtze Zeit dein flieſſendes Cryſtall / Dort hinter jenen Strauch. Hoͤr’an der Seuff - tzer-Schall / Und meiner Seelen-Schmertz / mein Angſt-er - fuͤlltes Stoͤhnen / Dein klaͤglichs Liſpeln ſey vermiſcht mit meinen Thraͤnen.

Aſpaſ.
747Drittes Buch.
Aſpaſ.

Wil ſie ohn Unterlaß ihr eigner Hencker ſeyn? Und ſtellt ſie nimmermehr das herbe Klagen ein?

Theod.

So ſoll / ich Aermſte / nicht genungſam Ur - ſach haben / Zu ſeufzen? ja ich muß in Thraͤnen mich begraben. Als eine / welche liebt / und nur den Schatten kuͤßt: Von dem / der allbereit / als Schatz / verblichen iſt. Jch ſchau in fꝛemder Art zwaꝛ añoch ſein Geſichte.

Aſpaſ.

Es ſtehet der Vernunfft die Kuͤmmerniß im Liechte. Das Schickſal und der Stahl hat ſeinen Fall ge - ſtifft: Und wer den Todtenfluß ſchon einmal uͤberſchift / Der kehret in das Reich des Lebens nicht zuruͤcke.

Theod.

Jch keñe mehr als wol der Augẽ holde Blicke.

Aſpaſ.

Ey / Ey / was glaubet ſie? Geſetzt / es waͤre diß Jhr Schatz Heraclius: Er wuͤrde ſich gewiß Jn dieſer weichen Tracht ſo ſchimpflich nicht ver - ſtellen / Vielweniger als Braut zum Kaͤyſer ſich geſellen.

Theod.

Jn welches Labyrinth hat ſich mein Geiſt ver - irrt? Diß Wunder hat mich gantz beſtuͤrtzet und ver - wirrt. Es kan Cupidens Hand nicht ſo viel Pfeile zim̃ern / Nicht kan die heitre Nacht mit ſo viel Sternen ſchimmern / Die See zehlt nicht ſo viel des Sandes / als mein Geiſt Nur Schmertzen hegt.

Aſpaſ.

Sie ſchau: wie ſich ihr Phœbus weiſt.

Sech -748Der Aſiatiſchen Baniſe.

Sechſter Aufftritt.

Theodoſia, Aſpaſia, Heraclius. iedes vor ſich.
Heracl.

Dort iſt die Untreu ſelbſt.

Theod.

Mein Ab - gott laͤßt ſich ſehen.

Heracl.

Jhr Sternen! warum laßt ihr dieſes doch geſchehen / Daß mir diß harte Bild ſo wohl gefallen muß / Jndem ſie von mir nim̃t den rauhen Abſchieds - Kuß.

Theod.

Wo mich ein Jrrthum nicht der ſchwachen Augen blendet / So hat Heraclius ſein holdes Liecht gewendet Auf meine Finſterniß. Ach ja! ſein ſchwartzer ſchein Der Augen / bildet mir zwey helle Sonnen ein.

Heracl.

Sie ſchaut mich emſig an. Die Untreu kan gewaͤhren / Daß ſie ſich muß in Stein / als uͤberzeugt verkehrẽ.

Aſpaſ.

Sie faß ihr einen Muth. Was hat ſie ſo er - ſchreckt? Des Hertzens Meynung ſey nur kuͤhnlich ihm ent - deckt.

Theod.

Diana wolle mir der Liebe Waffen leihen! Sie / ſchoͤnſte Dame / wird mir hochgeneigt ver - zeihen: Dz ſich mit ihrer Zier mein Augenſchein verbindt. Jhr himmliſch Antlitz hat den ſuͤſſen Wahn ent - zuͤndt: Es ſey das holde Bild der Seelen uͤberblieben /Das749Drittes Buch. Daß Theodoſia auch in der Grufft muß lieben.

Heracl.

Syrene voll Betrug! Es iſt mir wol bekandt / Wie Theodoſia dem Kaͤyſer ſich verbandt. Und alſo ſcheint es nun: Der alte Liebes-Orden / Die vor-beſeelte Glut ſey Dampff und Nebel woꝛden.

Theod.

Ach nein!

Heracl.

Ach nein! gewiß / ſein un - verworffner Geiſt / Beeyffert aus der Gruft / was Phocas itzt geneuſt. Und darum wird er auch ſich als Megæra ſtellen / Wenn er erſcheinen wird mit Fackeln aus der Hoͤllen. Weñ als ein Schatten er ſie ſtets verfolgen muß / Zu raͤchen ſeine Treu.

Theod.

Diß iſt Heraclius, Heraclius, mein Liecht! Mein Hertz! laß dich ver - ſoͤhnen.

Heracl.

Was ſchwaͤrmt / was redet ſie? Will man mich noch verhoͤhnen? Bin ich Heraclius, der ſich der gantzen Welt Hat ruͤhmlichſt dargethan / als wie ein Krieges - Held / Der ihrent wegen pflag großmuͤthig zu verachten Gefaͤhrligkeit und Todt in ſo viel gꝛoſſen Schlach - ten / Warum veraͤndert ſie ſo ſchleunig Hertz u. Treu? Sie ſchone mich viel mehr mit ſolcher Heucheley.

Theod.

Ach hoͤre mich doch an!

Heracl.

Jch halte das vor Suͤnde. Sie mache / daß zugleich ſo Lieb als Nahmen ſchwinde

Des750Der Aſiatiſchen Baniſe.

Des Phocas.

Theod.

Hoͤre doch / ach hoͤre / meine Sonn!

Aſp.

Seht / wie das Hertze breñt gleich einen Acheron.

Heracl.

Sie wiſſe / daß ſie noch ein mehrers hat ver - ſchuldet / Und daß die Liebe nicht die Neben-Buhlſchafft duldet. Ein klares Beyſpiel wird am Him̃el ſelbſt geſpuͤrt: Wo eine Sonne nur / ein Jupiter regiert.

(Er gehet zornig ab.)

Siebender Aufftritt.

Phocas, Theodoſia, Heraclius, Aſpaſia. Die Kaͤyſerlichen Trabanten /
(Phocas dem Heraclio begegnende / nimmt ihn bey der Hand.)
Phoc.

Jhr Augen / die ihr ſonſt von holden Flammen glimmet / Wie koͤm̃t es / daß ihr euch anietzt ſo ſehr ergrim̃et? Wie daß dein Sonnen-Liecht ſich in Cometen kehrt? Kan / wo ſich Lieb und Glut im Angeſichte nehrt / Auch eine Seele ſich mit Gꝛauſamkeit vermaͤhlen?

Theod.

Was vor ein neuer Schmertz wird meine Sinnen qvaͤlen?

Heracl.

Gerechter Zorn entſpringt aus einem edlen Muth. Jch ſichre / daß mein Heꝛtz zu dieſem nimmer ruht / Daß meines Kaͤyſers Huld ſich andre Schoͤnheit wehlet.

Phoc.
751Drittes Buch.
Phoc.

Beliebte Eyfferſucht!

Theod.

So ſey ihm die vermaͤhlet / Großmaͤchtigſter Monarch! Jch uͤberlaſſe ſie.

Phoc.

Jch bitte / ſchoͤnes Bild / ſie ſpare dieſe Muͤh. Sie ſpare dieſe Muͤh / mich ferner zu verbinden / Des Kaͤyſers Klugheit ſoll ein ſanfftes Mittel finden: Das ein beliebtes Band auff eure Wunden ſey. Jch muß es zwar geſtehn: Der Wolluſt kuͤhler Weg(qvilletKuͤhlt mich zu haͤuffig ab. Der Liebes-Nectar Zu haͤuffig. Meine Brunſt wird uͤber Durſt ge - geſtillet. (ein /Der Sternen holde Schaar ſtellt ſich gedoppelt Um unſre Majeſtaͤt.

(zum Heraclio)

Sie meyde Qvaal und Schein / Was ihre Seele kraͤnckt. Sie laſſe ſich begnuͤgen / Weñ ſie als Herrſcherin den Phocas kan beſiegen. Der ſeine Feſſel kuͤßt. Sie gebe ſich zur Ruh / Mir / als Alcides, koͤmmt / ja dieſes billich zu. Daß von ſie beyden ich Ompheden mir erwehle / Und mir die andre ſelbſt / als Iole vermaͤhle.

Aſp.

Wie daß ſich Phocas mehr als Hercules vermißt? Denn wo er voller Bꝛunſt faſt iede Schoͤnheit kuͤſt / Wo er mit allen will die ſuͤſſe Arbeit theilen / So braucht er warlich mehr / als tauſend guter Keulen.

Phoc.

Die Sorge ſey verbannt / weil heute Juno lacht / Die Anſtalt werde bald zu einer Jagt gemacht. Wo das Euxiner-Meer mit ſeinen blauen WellenDes752Der Aſiatiſchen Baniſe. Des Waldes Ufer netzt. Jch will das Wild ſelbſt faͤllen. Dort ſollt / ihr Schoͤnen / mich / als Jaͤgerinnen lehrn /(ſehrn /Ob mehr ein ſchoͤnes Aug / als Waffen / kan ver - Es wird Diana ſelbſt der Waffen Anmut ſchaͤrffẽ / Und ein beliebtes Wild dem Jaͤger unterwerffen.

Heracl.

Diß wird der Seelen-Gifft / ſtatt Liebes-Zu - cker ſtreun.

Theod.

Und dieſem Hertzen wird die Wolluſt Mar - ter ſeyn.

Phoc.

Jch bin vergnuͤgt: Nur folgt ihr holden Nym - fen beyde.

Her. Th. Th.
  • wir eilen allerſeits / und gehen hin
    • zum Leide.
    • zum Leide.
    • zur Freude.

Achter Aufftritt.

Phocas, Emilianus.
Emil.

Unuͤberwindlichſter! wir muͤſſen eilend ſchaun / Das zitternde Gebaͤu des Reiches auffzubaun. Egypten hat das Schwerdt auff unſern Halß ge - ſchliffen / Es hat der Waffen Laſt aus Liebe ſchon ergriffen: Aus Liebe / die es ſtets Mauritio geſchenckt. Die Noth erfodeꝛt es / daß man die Waffen lenckt / Auff Nilens Wunder-Strom. Man daͤmpfft die Crocodile / Durch eilende Gewalt bey ungeſchwelltem Nile / Der Kaͤyſer ſchaffe nur / daß der Tyranne ſtirbt /Und753Drittes Buch. Und daß ſein Ancker gleich dem Lebens-Schiff verdirbt.

Phoc.

Wir wollen dieſe Brunſt in erſter Flamm er - ſtecken / So ſterbe Mauritz denn! Laßt ihn den Schluß entdecken Durch Hencker / Beil und Blut. Jedoch weil mich entzuͤndt Honoria mein Liecht: Honoria ſein Kind / So werde mein Befehl / den Vater auf die Bahre Zu bringen / bald vollbracht: Doch / daß ſie nichts erfahre / Laß im Gefaͤngniß-Thurm durch der Trabanten Hand / Gleich / als von ungefehr / erwecken Flamm und Brand. So mag der Boͤſewicht in Aſche ſich verkehren; Und dem Vulcano ſich zum Opffer ſelbſt gewaͤhrẽ: Es ſterbe / wer mich Gott u. Herꝛ nicht nennen wil! Er ſey der Lufft geſchenckt zu ihrem Gauckelſpiel!

(Er ſinget:)

L immer tolles Gluͤck dein raſen auff mich gehn! Ja laß den Himmel ſelbſt in vollen Flam̃en ſtehn! Du wirſt / o Narrin / dich nur ſelber hier bethoͤren: Deñ mich als einen Gott kan keine Macht verſehren.

Neundter Aufftritt.

(Ein Gefaͤngniß nebſt einem Vorhaͤußgen / bey wel - chem zwiſchen grauſamen und ſpitzigen Felſen in dem Meere ein alter Thurm ſtehet.)
B b bDer754Der Aſiatiſchen Baniſe.

Der gefeſſelte / und von den Soldaten auſſer dem Thurme bewahrte Mauritius, Emilianus, ſo kurtz hernach erſcheinet.

Maur.

So will der Marmor-Schluß des Schick - ſals nicht verſchonen / Auch keine Majeſtaͤt; und ſtuͤrtzt es auch die Cronẽ? So geths! wo nur das Gluͤck als Herrſcherin re - giert: Wo man zum Grunde nur die blinde Kugel fuͤhrt. Wer ſeiner Fluͤgel-Macht will allzu hoch aus - breiten / Der faͤllt gefaͤhrlicher / und kan viel eher gleiten / Als der / der mehr vergnuͤgt auf feſter Erdẽ wohnt. Die Cedern ruͤhrt der Blitz / wenn er die Straͤu - cher ſchont. Die Ketten / welche mich zur Straffe muͤſſen druͤ - cken: Jn welche ſich / ach Schmertz! mein ſchwacher Fuß muß ſchicken: Die ſchreiben in den Sand die nachgeſetzte ſchrift; Die mich / und insgeſam̃t gekroͤnte Haͤupter trifft: Es iſt des Gluͤckes Art die Enderung zu lieben: Es hat ſich keinẽ noch als Eigenthum verſchꝛieben. Wer ſich des Moꝛgens ſchaut bekroͤnt / u. oben an / Der wiſſe / daß ſich viel vor Abends aͤndern kan.

Emil.

Trabanten! es iſt Zeit / die Stunden ſind ver - floſſen. Er hat bereits genung der friſchen Lufft genoſſen. Geht / fuͤhrt ihn wieder hin / wo er die Feſſel kuͤßt / Und ſeyd bemuͤht / daß ihr den Thurm ja wohl ver - ſchließt.

Maur.
755Drittes Buch.
Maur.

So iſt / o Him̃el mir nicht ſo viel Erde blieben Von meinem Kaͤyſerthum / worauff ich nur ver - ſchnieben / Worauf mein matter Fuß ein wenig ruhen darf? Jhr Goͤtter / toͤdtet mich! das Urthel iſt zu ſcharff.

(Er wird in den Thurm gefuͤhrt.)
Emil.

Geht / eilt ihr Hencker / fort! erfuͤllet eure Haͤnde / Mit Fackeln / Pech und Gluth / ergreiffet Schwe - fel-Braͤnde / Und ſteckt den alten Thurm mit ſchnellen Flam - men an / Biß man die Aſche nur davon erkennen kan. Diß Feuer ſoll zugleich Mauritium begraben / Die Aſche ſoll der Wind zu ſeinem Spiele haben. Deñ wer nur Dampff und Rauch in ſeinem Her - tzen hegt: Der iſt auch wuͤrdig / daß er Glut zu Lohne traͤgt.

(Er ſinget folgender maſſen:)
1.
PAllaͤſte ſind ein rechtes Meer /
Wo ſtets die tollen Wetter raſen.
Wo das Pech-ſchwartze Neides-Heer /
Und tauſend Ungluͤcks-Winde blaſen.
Es bilde ſich nur keiner ein /
Allhier im ſichern Port zu ſeyn.
2.
Wer dieſer See / wenn ihre Fluth /
Am allerſchoͤnſten ſpielt und ſchimmert /
Zu ſchnell vertrauet Seel und Guth /
Dem wird die Bahre ſtracks gezimmert.
B b b 2Hier /756Der Aſiatiſchen Baniſe.
Hier / hier ſieht man Charybden ſtehn /
Wo Cronen auch zu Grunde gehn.

Zehender Aufftritt.

(Der Thurm ſtehet in voller Flamme.)

Der in der Mitten des Thurms ſtehende / und ſich ins Meer ſtuͤrtzende Mauritius.

Maur.

Weil Himmel / Erd und Welt ſich wider den verſchworen / Den ſelbſt das Elend hat zum Ungeluͤck geboꝛen: So goͤnn / O Jupiter des Meeres / mir die See! Daß ſie zu Huͤlffe mir den Flammen widerſteh.

(Er ſtuͤrtzet ſich vom Thurme ins Meer.)

Eilffter Aufftritt.

Naͤchtliche Begebenheit. (Ein Luſt-Wald an dem Ufer des Euxiniſchen Meeres / nebſt einer Hoͤle auff einer Seiten / und einem verſchloſſenen Hirten-Haͤußlein in der Ferne.)

Arconte mit einem bloſſen Dolche in der Hand.

Arc.

Alecto! Furie! du Goͤttin ſchwartzer Hoͤllen! Du wolleſt deinen Zorn den Geiſtern beygeſellen; Die mir Plutonis Reich zur Rach und Huͤlffe ſchickt: Du / die du Schlangen mir ins Hertze haſt gedruͤckt. Hier meynet Siroë der Ruhe zu genieſſen: Doch ſoll er ſchlaffende ſein faules Blut vergieſſen. Eroͤffne ſeine Bruſt! Auff meine rechte Fauſt! Stoß zu! ſey unverzagt! wie aber / daß mir graußt; Ein unbekandte Macht hat mich mir ſelbſt genom̃en. Wo -757Drittes Buch. Wohin biſtu durch Zorn / Arconte, doch gekommen? Was denck und thu ich doch? der dir ſein Leben traut / Und der auf deine Treu / mehr als auf Felſen baut. Dein Printz / dein Koͤnig ſoll ſo Blut als Geiſt ver - lieren / Durch deine Moͤrder-Hand? Der Himmel wolle ruͤhren? Den Mord-erfuͤllten Sinn! Er laſſe nimmermehr Die grauſe That geſchehn / daß dieſes Blut-Gewehr / Ein Unſchuld-volles Hertz im Schlaffe ſoll burch - graben: Und daß der jenige ſolt einen Nahmen haben / Den ſelbſt der Himmel haßt. Solt ich Verraͤther ſeyn / Der Scheitel / Haupt und Haar ſonſt kraͤntzt in Lor - beern ein?

(Er wirfft den Dolch weg.)

Weg! weg! entferne dich / vermaledeytes Eiſen! Es iſt des Schickſals Spruch / du ſollſt dich nicht er - weiſen / Als eine Dienerin verdammter Grauſamkeit. Denn tapffern Seelen iſt auch uͤbles Wollen leid. Sie koͤnnen nimmermehr unedle Laſter uͤben. Allein / wen haͤt doch mehr der Himmel hergetrieben? Die / welche Waffen trug / huͤllt ſich in ſchlechte Tracht / Als eine Schaͤfferin. Wer haͤtte diß gedacht? Zwoͤlffter Aufftritt. Honoria, bekleidet als eine Schaͤfferin.

B b b 3Ar -
758Der Aſiatiſchen Baniſe.
Arconte.

Die Morgenroͤthe beginnet zu ſchimmern.

Honor.

Die Morgenroͤthe glaͤntzt mit lichten Roſen - Haaren / Der Sonnen-Wagen koͤmmt vom Ganges her - gefahren: Mit der verſchwundnen Nacht ſchlaͤfft das Ge - ſtirne ein / Die Nachtigal erwacht / und wil beſchaͤfftigt ſeyn. Das neue Tageslicht auffs ſchoͤnſte zu begruͤſſen. Jch / die ich mich anitzt aus Noth verhuͤllẽ muͤſſen / Jn dieſes ſchlechte Kleid / wil meinẽ hohen Stand Verbergen: daß er ſey dem Sieger unbekand. Wo wird man aber nun den alten Schaͤffer ſpuͤh - ren? Es iſt ſehr hohe Zeit uns in die Burg zu fuͤhren / Wo Haupt und Koͤnig wohnt.

Arc.

Sie ſchau / ich bin bereit / Der ſich zu ihrem Dienſt auffwaͤrtigſt anerbeut. Doch was voꝛ ein Geſchꝛey betaͤubet mein Gehoͤꝛe? Mich duͤnckt / als wenn es ſich ie mehr und mehr vermehre. Der Hunde bellen ſtim̃t mit ein. Es naͤhert ſich / Das auch der Wald erſchallt.

Hon.

Was ſeh / o Himmel / ich?

Dreyzehender Aufftritt.

(Phocas mit einer Menge Jaͤger umgeben / ver - folget mit einem Spieſſe in der Hand ei - nen groſſen Baͤren.)
Honoria, Arconte, Idreno ſo hernach erſcheinet.
Phocas759Drittes Buch.
Phocas
(den Baͤr toͤdtende.)

Dein Raſen iſt umſonſt! du Beſtie muſt ſterben. Es ſol dein rother Schweiß die gruͤne Erde faͤrben. Du haſt dich meinem Stahl vergebens widerſetzt: Beſondeꝛn dich vielmehr zur Stꝛaffe ſelbſt veꝛletzt. Allein was blendet mich bey fruͤher Morgenꝛoͤthe? Ein ſchoͤnes Ungeheuer. Jndem ich Baͤren toͤdte / So faͤllet mir ins Garn ein ſo beliebtes Wild / Das noch viel ſchoͤner iſt / als das geſtirnte Bild.

Arc.

Hier dienet keine Flucht / man muß die Liſt er - wehlen.

Phoc.

Wie kan die Liebe ſich dem Augen-Blitz ver - maͤhlen. Und wer iſt dieſes Bild?

Arc.

Ach Herr / ſie iſt mein Kind.

Phoc.

Ey / was? du alter Narr! das Alter macht dich blind. Sie hat als Goͤttin ſich gelaſſen von dem Throne Des Himmels / daß ſie hier in dieſen Waͤldern wohne.

Hon.

Jhr Goͤtter! wo er mich erkeñt / ſo iſts geſchehn.

Phoc.

Ein ſolches Liecht muß Wald und Finſterniß verſchmaͤhn. Jch will: daß alle Welt ſo Opffer als Altaͤre Auf Diamanten Thron der Goͤttin hier gewehre.

Honor.

So hoher Ehren iſt ein Schaͤffer-Kind nicht werth / Die dieſes rauhe Holtz zur Wohnung nur begehꝛt.

Phoc.

Es kan mein hohes Wort ſie Sternen gleich erheben? B b b 4Idreno760Der Aſiatiſchen Baniſe.

Idreno koͤmmt.)

Jch Elends-voller Menſch / was werd ich hier erleben? Diß iſt der Kaͤyſer ſelbſt. Was ſol ich ferner thun?

Arc.

Durchlauchtigſter Monarch! Er wolle doch geruhn(LeibesJn Gnaden mir diß Kind / den Antheil meines Des Vaters Augen-Troſt / die Blume meines Weibes / Zu goͤnnen: Daß ſie mir die Augenlieder ſchleuſt: Wenn Lacheſis den faſt verzehrten Faden reiſt.

Phoc.

Jch bin Gott Jupiter! du kanſt nicht Vater bleiben. Du wirſt des Kaͤyſers Wort vergebens hinter - treiben. Trabanten! alſobald begleitet ins Gemach Des Kaͤyſers / dieſes Kind.

Idr.

Mein Schmertz iſt tauſendfach.

Phoc.

Jhr ſchoͤnen Augen ihr / wo Blitz u. Liebe ſtralet / Die ihr der Liebe Sold mit Anmuts blicken zahlet. Weñ euch zu kuͤſſen mir einmal erlaubt wird ſeyn; So faͤhret Phocas leicht in Wolluſt-Hafen ein.

(Er gehet ab.)
Idren.

Jch unbegluͤckter Menſch / mein Leben muß verſchwinden: Weil wideꝛ dieſen Fal / ſich laͤſt kein Mittel finden. Es iſt zu unverhoft.

Hon.

Wo werd ich hingefuͤhrt? Jhr Goͤtter! wo mein Hertz ſein ander ſich verliert: So leb ich ohne Seel / ſo ſterb ich ſonder Leben.

(Sie wird abgefuͤhrt.)
Idren.
761Drittes Buch.
Idren.

Jch muß vor groſſer Angſt dem Tode mich ergeben.

Arc.

Jch eile: daß es nur bald Siroë erfahr.

Idren.

Statt Lauffens wuͤnſch ich mir das ſchnellſte Fluͤgel-Paar.

Vierzehender Aufftritt.

Siroë koͤmmt aus dem Hirten-Haͤußgen. Idreno und Arconte von weiten.
Sir.

Wenn Phaëton erwacht / muß ſich das Gold der Sternen / Und Lunens Silber-Horn verblaſſen und entfernen. Allein Cupido ſtellt mir Stern und Augen vor / Vor welchen Phœbus ſelbſt ſo Glut als Glantz ver - lohr. (ſchoͤmen:Ein Strahl von meiner Sonn kan jenes Liecht be - Daß es beſchaͤmte Flucht muß hintern Wolcken neh - men. Begierde meiner Bruſt! Ach waͤrſtu eilend da! Wo find ich dich / mein Schatz! Kom̃ / kom̃ / Honoria! Entdecke doch / mein Licht / dein liebliches Geſichte / Und mache jenen Glantz Aurorens ſelbſt zu nichte / Durch deine Gegenwart. Die ſchoͤnen Augen ſinds / Wornach mein Hertze lechſt

Funffzehender Aufftritt.

Siroë, Arconte, Idreno.

Ach weh / mein werthſter Printz!

Idr.

Ach Herr / Honoriam hat Phocas weggeraubet.

Sir.

Wie? traum ich wachende? Wird diß auch wohl geglaubet? B b b 5Wie?762Der Aſiatiſchen Baniſe. Wie? bleibt ſie ohne mich? Jch folge was ich kan / Und greiffe Phocam ſelbſt gleich einem Tyger an. Jch wil auf dieſen Platz mit Zaͤhnen ihn zerꝛeiſſen / Den raͤuberiſchen Hund. Doch / ach! was ſoll diß heiſſen? Mein Raſen iſt um ſonſt! der Schmertz verblen - det mich. Jch bin nicht bey mir ſelbſt. Ach Phocas, ſchaͤme dich!

(geben /
Arc.

Das Leben hab ich ihm ſchon einmahl wieder Nun wil ich ihn zugleich auf ſeinen Thron erhebẽ. Es wird ein groſſer Muth durch keine Raſerey Des Gluͤckes unterdruͤckt. Es rieth mir Huld und Treu; Die ihm mein Hertze ſchenckt: Daß Phocas die - ſes glaubte / Es ſey Honoria mein Kind / das er mir raubte / Und daß ich Vater ſey. So fuhrt er ſie davon. Was ſchadets? Wenn ihr euch auch nennet mei - nen Sohn. So koͤnnet ihr durch mich in ſchlechtem Hirten - Kleide / Gar bald in Byſantz ſeyn.

Idren.

Jch ſterbe faſt vor Freude! Wenn der verdam̃te Hund durch ſolche kluge Liſt Sich wird betrogen ſchaun: Weñ er den Schat - ten kuͤßt.

Sir.

Ach Hoffnung / laß mich nicht! Laß mich die Sonne ſchauen / Kan ich ſo Gold als Haar auff den bebluͤmten Auen /Der763Drittes Buch. Der Wangen nur erſehn / ſo mag mein Lebens - Liecht Jn ſtetem Kercker ſeyn. Ach Hoffnung / laß mich nicht!

Sechzehender Aufftritt.

Theodoſia, Aſpaſia.
(Es ziehen ſich allenthalben ſchwartze Wolcken zu - ſammen / welche den Himmel uͤberſchatten.)
Theod.

Wie wann der Wolcken Dampff den Him - mel finſter machet. Und ſeine Sonne raubt / ob gleich Aurora lachet / Wenn Liecht und Tag erſcheint: So wird durch Angſt und Schmertz / Jn tiefſte Nacht geſtuͤꝛtzt das vor vergnuͤgte Hertz.

Aſpaſ.

Man wird / Princeßin ſich vergebens nur be - muͤhen / Der Regen-ſchwangern Lufft im Walde zu ent - fliehen.

(Es wetterleuchtet ſtarck.)

Jhr Goͤtter! welcher Blitz ſteigt Oſten-werts empor / Es ſtellet Flamm und Gluth faſt eine Hoͤlle vor.

Theod.

Hier unter dieſen Baum und Blaͤtter-vollen Eichen / Als derer Gipffel faſt die Wolcken kan erreichen / Soll unſre Zuflucht ſeyn. Jhr gruͤner Arm be - ſchuͤtzt / Wenn gleich des Himmels Grimm auff Erden kracht und blitzt.

(Sie764Der Aſiatiſchen Baniſe.
(Sie fluͤchten ſich unter eine Eiche / worauff unter Windes-Brauſen und Blitzen ein ſtarckes Donner-Wetter kam.)

Siebenzehender Aufftritt.

Heraclius mit einem Wurf-Pfeile in der Hand / dem Wetter entfliehende / Theodoſia und Aſpaſia im verborgenen unter der Eiche.
Heracl.

Jhr Furien der Lufft! ihr Winde hem̃t das Wuͤten / Verſchont den gruͤnen Creyß der Erden zu be - ſchuͤtten / Mit ſtrenger Glut und Fluth. Jn dieſer Hoͤlen muß / Dem Wetter ich entfliehn.

Aſpaſ.

diß iſt Heraclius.

Theod.

Ach meine Sonn iſt diß! ſchau doch die Winde ſchweigen / So bald die Blicke ſich der holden Augen zeigen. Es glaͤntzt das Him̃el-Blau / die ſchwartze Wol - cke weicht / So bald mein Abgott nur den dunckeln Wald er - leucht.

(Der Himmel klaͤret ſich aus.)

Achtzehender Aufftritt.

Heraclius, Mauritius Honoria und Aſpaſia im Verborgenen.
(Heraclius verfolget Mauritium, ſo aus einer Hoͤle gekrochen koͤmmt.)
Heracl.

Halt Beſtie! Du wirſt vergebens dich be - muͤhen / Der Fauſt und meinem Zorn dich fluͤchtig zu ent - ziehen.

Jhr765Drittes Buch.

Jhr Himmel / was iſt diß?

Maur.

Halt an / Ama - zonin! Erbarm dich: weil ich alt und ungluͤckſelig bin.

Heracl.

Diß iſt Mauritius. Wie iſt er doch entkom̃en / Aus Thurm und Finſterniß? Wer hat ihn ab - genommen Der Ketten kalte Laſt?

Maur.

Du ſeyſt auch / wer du ſeyſt / Ob man dich Jaͤgerin gleich dieſer Waͤlder heiſt: Betrachte meinen Stand / des Schickſals Wun - der-Faͤlle / Wie grauſam es ſich auch gekroͤnten Haͤuptern ſtelle. Mir / den ſo Reich als Welt vor Gott und Kaͤyſer hielt / Mir / deſſen ſtarcke Fauſt hat Oſt Weſt erfuͤllt / Mir / deſſen bloſſer Winck den ſtaͤrckſten Feind er - ſchrecket: Bleibt ſo viel Sandes nicht / der meine Aſch be - decket.

Heracl.

Mein naſſes Augen-Saltz bejammert dieſen Fall /

Aſpaſ.

O Himmel! dieſer iſt des Gluͤckes Wunder - Ball!

Heracl.

Glorwuͤrdigſter Monarch! muß diß mein Aug erſehen / Daß der Tyrannen Macht die Majeſtaͤten ſchmaͤhen / Und unterdruͤcken darf. Verkehrtes Gauckelſpiel! Des Ungluͤcks Raſerey wehlt Kaͤyſer auch zum Ziel. Jch766Der Aſiatiſchen Baniſe. Jch bin Heraclius.

Theod.

Nun wird mein Geiſt erqvicket.

Hemcl.

Ob mich mein Kaͤyſer gleich in Weiber - Tracht erblicket: So hat ſich doch mein Muth in minſten nicht ge - legt. Weil aber ietzt ſein Knecht ein groß Verlangen traͤgt / Zu wiſſen: auf was aꝛt ſein Fuß die Fꝛeyheit buͤſſet: So ſag er: wie er ietzt die ſchnelle Flucht begruͤſſet.

Maur.

Mit was vor Luſt umfaß ich ſeine rechte hand / Eh Atropos zerſtickt mein ſchwaches Lebens-band. Deñ dieſe hand hat ſelbſt der Him̃el auserkohren / Zu raͤchen meine Schmach. Mein Frey-ſeyn ward gebohren / Durch angeſtellte Glut / die jenen Thurm ergrieff / Worinn mein matter Leib in Kett und Banden ſchlieff. Es meinte Phocas mich durch Flam̃en zu verderbẽ / Was ſolt ich Aermſter thun? So jaͤmmerlich zu ſterben / Entſetzte ſich mein Geiſt. Es rieth Verzweifelung / Daß ich mich rettete durch einen hohen Sprung / Jn die begraſte See. Hier kunt ich recht verſpuͤhrẽ / Deꝛ Goͤtter hohe gunſt. Die wellen muſten fuͤhꝛẽ / Mich jenem Ufer zu. Jch war gantz naß u. feucht / Und habe faſt entſeelt hier dieſe Hoͤl erreicht. Allein mein Ende wird des Lebens nun verſpuͤret / Jndem die Seele ſchon die blaſſen Lippen ruͤhret: Drum / eh ſie noch ergreift des Todes kalter Zahn /So767Drittes Buch. So nehm er diß Geſchenck von einem Bettler an / Der vorhin Kaͤyſer hieß.

(Er giebet ihm das / aus ſeiner Bruſt hervorge - zogene Kaͤyſerliche Siegel.)
Heracl.

Diß iſt der Kaͤyſer Siegel.

Maur.

Jch ſichere / diß ſey der rechte Wohlfarths - Huͤgel / Auf welchem er ſich bald eꝛhoͤht als Kaͤyſer ſchaut: Denn heute wird ihm Thron und Hoheit anver - traut. Es iſt des Himmels Schluß / der Goͤtter ihr Ge - ſchicke. Diß Zeichen hem̃t die Flucht der Voͤlcker: bringt zuruͤcke Mein gantz zerſtreutes Heer. So fahr ich freu - digſt hin.

Theod.

Wo dieſer Kaͤyſer wird / ſo werd ich Kaͤyſerin.

Heracl.

Mein Kaͤyſer / Koͤnig / Herr! Er wolle ſich be - qvemen / Und die behoͤrte Ruh in meinen Armen nehmen. Hilf Him̃el! er verblaſt! Er athmet! ach er ſtirbt!

Aſpaſ.

Jſt diß die ſuͤſſe Frucht / die uns der Thron er - wirbt.

Theod.

Jch wolte mich bereit zu ſeiner Huͤlffe finden: Wenn Furcht und Zweiffelmuth nur nicht im Wege ſtuͤnden.

Heracl.

Wo fuͤhrt mein ſchwacher Arm die werthe Leiche hin? Weil ich von Wach und Feind im Wald um - geben bin. Jn -768Der Aſiatiſchen Baniſe. Jndeſſen ſoll den Leib die dunckle Hoͤle decken: Bis beſſre Mittel wird ſo Gluͤck als Zeit erwecken / Die letzte Todten-Pflicht nach Wuͤrden ihm zu thun: Denn welcher Cronen trug / ſoll auch als Kaͤyſer ruhn.

(Er leget die Leiche in die Hoͤle.)
Theod.

O harter Schickſals-Schluß! Elende Trau - er-Buͤhnen! Es muß ein enger Ort zum Leichen-Topffe dienen / Der Aſchen / die zuvor in Purpur muſte bluͤhn / Und der die weite Welt faſt allzu enge ſchien.

Heraclius
(aus der Hoͤle gehende:)

Nun laſſe dir mein Hertz zu neuen Helden-Tha - ten / Des Kaͤyſers letztes Wort und dieſes Siegel rathen. So Waffen / Blitz als Schwerdt ſoll meine Speiſe ſeyn / So faͤhrt Heraclius im Port der Ehren ein.

(Er ſinget folgender maſſen:)
1.
AUf! meine Sinnen / auf! hurtig zum Streiten!
Marſpiter muͤß euch durch Schweꝛdter eꝛhoͤhn /
Und in den Tempel der Ehren begleiten!
Wo tauſend Lorbeern und Palmen ſtets ſtehn.
Jetzt muͤſſe Himmel und Erden erſchallen /
Durch der Bellonen hoͤchſt-ruͤhmliches Knallen.
2.
Waffne / Gradivus, mein eifriges Hertze /
Lege769Drittes Buch.
Lege mir ſelber den Pantzer ietzt an.
Daß der Tyranne mit grauſamſten Schmertze /
Falle durch mich in Proſerpinens Kahn.
Auf / meine Sinnen / auf hurtig zum Kaͤmpffen /
Laſt uns den Wuͤttrich zerſchmettern und daͤmpffen.

Neunzehender Aufftritt.

Theodoſia, Aſpaſia.
Theod.

Betruͤbtes Augen-Licht! die Sonne holder Freuden Klaͤrt deinen Him̃el aus. Es ſchwindet alles Leiden / So Marter / Pein als Schmertz: indem ich wie - der fand; Die Schoͤnheit / welche mich Heraclio verbandt.

Aſpaſ.

Princeßin / muß ſie nicht den Beyfall ſelbſt er - heben / Daß ein begrautes Haupt den beſten Rath kan geben: Denn ſie bedencke doch: Haͤtt ein verdammter Stahl / Den ſchoͤnen Leib entſeelt: ſo waͤre ſie der Zahl Der Geiſter einverleibt; die als Geſpenſter irren / Durch Hoͤlle / Lufft und Welt / wo Kroͤt und Schlangen girren. Sie haͤtte Huld und Glantz des Schatzes nie er - blickt / Und ſeine Gegenwart waͤr ewig abgeſtrickt. Wer nicht beſtaͤndig iſt / der wird ſich nicht erqvi - cken / Beſtaͤndigkeit allein kan ieden Geiſt begluͤcken.

(Hierauff ſinget Theodoſia folgendes:)
C c c1. Sey770Der Aſiatiſchen Baniſe.
1.
SEy nun zu frieden / o mein beklemmtes Hertz!
Laß von dir fliehen den eiſen-harten Schmertz:
Dein unbewegliches Verlangen /
Wird nun den ſuͤſſen Lohn empfangen.
2.
Denn eine Seele / die nur um Huͤlffe rufft /
Laͤſt Venus niemahls verſincken in der Grufft.
Sie reiſſet ſie aus allen Noͤthen /
Und kehrt in Sonnen die Cometen.
3.
So bald ich werde empfinden dieſes Gluͤck /
Und mich nicht feſſeln mehr wird der Sorgenſtrick:
So will / mein Engel / mit viel Kuͤſſen /
Jch dir die bittre Zeit verſuͤſſen.
4.
Kurtz: meine Seele / es bleibet doch dabey:
Daß treue Liebe der ſchoͤnſte Sieger ſey.
Und daß in Demant ſey geſchrieben:
Wer Lorbeern ſucht / muß ewig lieben.
Hierauff ward mit einem zierlichen Jaͤger-Ballet
auch dieſe andere Handlung beſchloſſen.

Der dritten Abhandlung

Erſter Aufftritt.

Die Kaͤyſerliche Burg. Phocas.
Phoc.

Laß / Venus / deinen Rath / des Zweiffels mich entbinden /Drey771Drittes Buch. Drey Scheiter-Hauffen ſinds / die meine Seel ent - zuͤnden. Drey Spitzen ſencken ſich in Bruſt und Hertzen ein / Und von drey Gratien muß ich gefeſſelt ſeyn. Und dennoch weiß ſich nicht mein Hertze zu ent - ſchlieſſen / Welch Goͤtter-Bild ich ſoll von dieſen dreyen kuͤſſen. Und welches Haupt noch ſol bekroͤnen Lieb u. Thron. So ſcheint die Liebe mir zu ſeyn ein Gerion, Der mit drey Koͤpffen ſpielt / mich deſto mehr zu plagen. Allein ich Thoͤrichter / was hab ich wohl zu klagen? Muß nicht diß groſſe Reich mir zu Gebote ſtehn? Wenn nur der Kaͤyſer winckt / ſo kan mir nichts ent - gehn. (gen /Es ſtrahlt mein Kaͤyſerthum mit ſo viel ſchoͤnen Au - Daß nur der Kaͤyſer darff ſo Luſt als Liebe ſaugen / Aus Wangen / Bruſt und Schooß / wo / wie und wenn er will? Befehl und letzter Zwang iſt ſeiner Bitte Ziel. Doch ſchaut: die Schoͤnheit will hier ihren Eintritt nehmen: Die ſelbſt die Goͤttin kan von A mat hunt beſchaͤmẽ. Die ſich ins Finſterniß der Waͤlder hat gewagt; Und derer Augen-Blitz den Jaͤger ſelbſt erjagt.

Zweyter Aufftritt.

Honoria, als eine Princeßin bekleidet. Phocas, die Pagen und Trabanten.
Honor.

So iſt mein Hoffnungs-Licht verdunckelt / ja verſchwunden! C c c 2Mein772Der Aſiatiſchen Baniſe. Mein ſchon entgeiſtert Hertz zaͤhlt grauſe Todten - Stunden. Die Glut Cupidinis verzehret meine Treu.

Phoc.

Ach ſie verſtelle nicht der Wangẽ holden May / Jn eine Winteꝛnacht. Jch kan das Gluͤcke binden / Sie kan ein feſtes Rad durch mich an Selbtem finden /(erfreut:Das ſie zum Throne hebt.

Hon.

Jch waͤre mehr Wenn mein verwirrtes Haar mit Blumen waͤr umſtreut / Womit mein Vaterland / als Edelſteinẽ pranget: Als wenn des Purpurs Laſt um meine Schultern hanget.

Phoc.

Daß einen Bauren-Geiſt ein ſchoͤne Leib um - giebt / Der ſchlechte Blumen mehr / als Kaͤyſer-Kro - nen liebt: Scheint wider die Natur. Doch / zeugten ſie gleich Waͤlder / So werde ſie gefuͤhrt in Kaͤyſerliche Felder / Wo Blum und Garten-Luſt / Geruch und Aug ergoͤtzt: Und wo die Silber-Fluth den reinen Marmor netzt. Aus deren Thraͤnen kan ſie meine Lieb erkennen: Und ſich als Schuͤlerin des ſtummen Waſſers nennen. Wenn ſie erſehen wird zu angeſtellter Zeit; Mit Anmuth und Verdruß / den Kunſt - und Waſſer-Streit. Wie773Drittes Buch. Wie das zertheilte Naß ſich muß beſchlieſſen laßẽ / Wie es ſich muß im Schoß des rauhen Steines faſſen. Und wie die ſtete Flut die haͤrtſten Steine zwingt / Daß eine Thraͤnen-See durch Ritz und Mar - mor dringt.

(Er gehet ab.)
Hon.

Vermaledeyter Hund! du findeſt dich betrogen: Jch bin dem Tyger-Thier weit mehr als dir ge - wogen. Wie man diß Waſſer ſieht / lebendig / klar und rein / So werd ich allzeit keuſch und unbeflecket ſeyn. Der Himmel mag auff mich ſo Blitz als Keile ſchicken: Jedoch Beſtaͤndigkeit ſoll ſtets mein Hertze ſchmuͤcken. Wenn Phocas voller Brunſt einſt wird zu ſchei - tern gehn: So wird bey Siroën mein Haupt bekroͤnet ſtehn.

Dritter Aufftritt.

Heraclius, Priſcus.
Heracl.

Die Sphæra meines Gluͤcks iſt dieſes runde Weſen: Mein ſchwacher Zuſtand iſt durch dieſes Gold ge - neſen. Das ſchickſal iſt verſoͤhnt: es ſol ſo Reich als Land / Durch mich geſetzet ſeyn in vor-begluͤcktẽ Stand. Nimm hin / vertrauter Freund! diß Kaͤyſerliche Zeichen:C c c 3Daß774Der Aſiatiſchen Baniſe. Daß ich von dem empfieng / der ietzo wolt erblei - chen: Und als Monarche ſtarb: ob er gleich Bettler ſchiẽ. Verfuͤge dich alsbald mit dieſem Siegel hin; Wo Conſtantin9 ſich mit den zerſtꝛeuten Scharen / Der Goͤtter Schickung nach / mit Flucht und Furcht muß paaren. Vermeld ihm: Wo er bald das Volck in Waf - fen ſtellt / Und ſie von Flucht und Furcht erwuͤnſcht zuruͤcke haͤlt; Daß er mir Huͤlffe leiſt / u. zwar in hoͤchſter Eile: So werd ein gꝛoſſes theil des Reiches ihm zu theile.

Priſ.

Ein Renn-Thier / welches ſelbſt den Morgen - Wind beſiegt / Und deſſen ſchneller Lauff die Lufft faſt uͤberwiegt / Das ſoll mich an den Ort der treuen Voͤlcker bringen. (gelingen!Jhr Himmel / laſſet Wunſch und Thaten wohl -

Heracl.

Nun wird mein rechter Grimm in vollen Flammen ſtehn / Wodurch der Wuͤterich hoͤchſt-ſchmertzlich ſoll vergehn / Wolan! es iſt nicht Zeit hier lange zu verbleiben / Man muß diß Ungeheur aus Reich und Welt ver - treiben.

(Theodoſia von fernen.)

Doch / welche Schoͤnheit hat die Sinnen mir verſtrickt! Welch Anmuths-Strahl hat Geiſt und Seele faſt entzuͤckt? Schaut!775Drittes Buch. Schaut! Theodoſia! ſoll ich mich ihr entdecken? Nein / nein / wer ſelber pflegt die Tꝛeue zu beflecken / Dem wird nach Billigkeit gebrochen Lieb und Huld. Ach aber / ſolt ich nicht nach ihrer Augen-Gold / Als Adler fliegen zu? Nein / nein / die Liebe leget An Hertz und Schenckel Bley.

Vierdter Aufftritt.

Theodoſia, Heraclius, Emilianus im Verborgenen.

Theod.

Wo ſich das Auge reget / Das wie ein heller Stern im Schoͤnheits-Him - mel ſitzt / Da ſchaut mein Hertze / wie ein reiner Pharos blitzt Von ferne / welcher ihm in Liebes-Hafen wincket. Dem Hertzen / welches gleich Leandern faſt ver - ſincket / Jn einer Thraͤnen-See. Schaut / was mein Geiſt begehrt / Das wird durch dieſen Blick nach Wunſche mir gewaͤhrt.

Heracl.

Jch muͤhe mich verſtellt / die Falſche zu ver - achten.

Theod.

Jhr Goͤtter! ſoll ich denn nur iederzeit be - trachten Mit Schmertzen und Verdruß das ſchoͤne Augen - Paar /(war.Durch deren Blitz mein Geiſt offt wie entgeiſtert Jhr holden Liechter ihr! Laßt eure Strahlen ſchieſſen / Auff mein halb-todtes Hertz. Wo nicht / ſo ſollt ihr wiſſen /C c c 4Daß776Der Aſiatiſchen Baniſe. Daß mein gewiſſer Tod durch gleiche Straff und Pein / Euch kraͤncken ſoll.

Heracl.

Mein Geiſt ſoll un - beweglich ſeyn. Bemuͤhe dich / mein Hertz / die Marter zu ertragen.

Theod.

Ach welche Grauſamkeit!

Heracl.

Welch Schmertzen! welche Plagen!

Theod.
(Heraclium hinten beym Rocke faſſende.)

Ach mein Heraclius! mein Schatz! erbarm dich! Verbanne Zorn und Haß! Komm / komm / um - faſſe mich! Ach neige dich zu mir / ich falle vor dir nieder / Und bitte: gieb mir das geraubte Hertze wieder.

Heracl.

Schaut! wie die Zirce noch ſo kuͤnſtlich heu - cheln kan.

Theod.

Mein Schatz / Aurora ſtieg auff ihre Roſen - Bahn / Dictinna war bereits vor jener Pracht erblichen / Als ich ihm heimlich war im Walde nachgeſchli - chen: Da ſah ich voller Luſt / wie er ſich unverzagt Das groſſe Kaͤyſerthum durch Jagen hat erjagt.

Heracl.

Jch bin nunmehr entdeckt durch ihre Liebes - Flammen. Jch muß Verdacht und Zorn als Uberfluß ver - verdammen. Weil ich durch Eyfferſucht in Nacht und Jrr - thum fiel: Als ich der Majeſtaͤt unrechtes Liebes-Ziel Auff ſie gerichtet ſah. Die Treue war verſchwun - den /Und777Drittes Buch. Und Theodoſia ſchien anderwerts verbunden.

Theod.

Wie kan Heracli9 ſo hoͤchſt empfindlich ſeyn? Jch ſchwere: Wort und Huld war ein verſtell - ter Schein / Wodurch ich dermaleinſt Tyrañen wolte ſtuͤrtzẽ / Und Phocas Leben ſelbſt zu meiner Rache kuͤrtzen.

Emil.
(im Verborgenen.)

Der Him̃el hat mich ſelbſt an dieſen Ort geſtellt: Daß ſein Geſalbter nicht durch ſchwache Weiber faͤllt.

Heracl.

So ſoll die tapffre Fauſt geſchaͤrffte Waffen tragen / Auf Phocas ſchwartze Bruſt. Jch ſelber wil mich wagen.

Emil.

Jch will Alcides ſeyn / ſo ſtirbt die Schlangen - Art.

Heracl.

Zu einer Helden-that wird keine Zeit geſpart. Jndeſſen laſſe dich / du ſchoͤnſter Engel / kuͤſſen / Laß deine zarte Hand durch meine Fauſt umb - ſchlieſſen: Das Schickſal ſchencket dir das Kleinod dieſer Welt / Und hat dir Cron und Thron im neuen Rom be - ſtellt. (Er gehet ab.)

Emil.

Schaut dieſe Beſtien! Hoͤrt die verfluchten Weiber! Noch heute ſoll man ſehn / wie die verhaßten Leiber Jn einer See voll Blut zu Grunde ſollen gehn. Wer kan der Majeſtaͤt des Kaͤyſers widerſtehn?

(Er gehet ab.)
C c c 5(Theo -778Der Aſiatiſchen Baniſe.
(Theodoſia ſinget:)

NUn fuͤrcht ich ferner nichts Cupidens Liebes - Strahl / Jch kuͤſſe ſeinen Pfeil / ſein ſanfftes Wunden-Mahl. Auf / Theodoſia! wofern du recht wilſt kuͤſſen: So muſtu dich alsbald in ſtrenge Waffen ſchlieſſen.

Fuͤnffter Aufftrit.

(Ein Luſt-Garten mit Statuen Waſſer-Fallen.) Phocas.
Phoc.

Hier wo des Fruͤhlings-Hand den Winter - berwindet / Wo Flora ihren Krantz von tauſend Blumen bindet: Wo naſſes Silber rauſcht durch das begruͤnte Graß! Daſelbſt koͤm̃t Phocas hin / von Liebe matt laß. Cupido leitet mich zu dieſen duͤſtern Zweigen / Die ſich zu meiner Luſt als einen Schatten zeigen. O angenehmſte Lufft / die du dich ietzt bewegſt / Und voller Anmuth ſtets die guͤldnẽ Federn regſt! Erzehle meine Qvaal den unentflam̃ten Hertzen / Das mich entzuͤndet hat. Sprich / daß ich ſie mit Schmertzen Anbete / biß ins Grab. Doch was vor ſanffte Ruh Schlieſt Aug und Sinnen mir durch ſtilles Rau - ſchen zu?

(Er ſetzet ſich zu einem Brunnen.)

Komm / komm / du ſuͤſſer Schlaff / begrabe meine Sorgen /Streu779Drittes Buch. Streu deine Federn aus / u. laſſe doch biß morgen Die ſchweren Seuffzer ruhn. Komm / Morpheus, druͤcke mir Die muͤden Augen zu / und ſchaffe / daß ſich hier / Mein Liecht und Augen-Troſt im Traume mir erzeige.

(Er ſchlummert ein.)

Sechſter Aufftritt.

Der ſchlaffende Phocas. Mauritii Geiſt mit einem Schwerd in der Hand.
Maur.

Schlaͤffſt du / gottloſer Hund! Nicht dencke / daß ich ſchweige / Weil die Geꝛechtigkeit des hoͤchſten Gottes wacht: Schau an / wie uͤber dir die Rache blitzt u. kracht. Du wirſt den ſtrengen Pfeil der Straffe nicht vermeiden: Jn deinem Blute ſolſt du Tod und Marter leiden. Jch bin ein blaſſer Geiſt / der Feuer / Zorn und Stahl Jn beyden Faͤuſten traͤgt. Der dich mit aͤrgſter Qvaal / So lang als Atropos dir noch das Leben goͤnnet / Belegen wird. Ja weñ ſich Leib und Seele treñet; So wil ich in der Gruft auch dir ein Teuffel ſeyn / Wenn ſich dein Mord-Geiſt ſenckt in Schwefel - volle Pein. So / ſo wird nach Verdienſt der Himmel auf dich blitzen: So wirſt du voller Angſt im Schwefel-Pfule ſchwitzen. Er -780Der Aſiatiſchen Baniſe. Ermuntre / Moͤrder / dich! Auff / auff / die Rache flammt! Du biſt mit Leib und Seel in Ewigkeit verdam̃t.

Phoc.

Wer ſtoͤret meine Ruh? Wer biſt du / Geiſt der Hoͤllen? Was vor ein Urtheil darffſt du uͤber Phocam faͤllen? Wie? was verkuͤndigſt du / daß Phocas ſterben muß? Was? ſoll mein Reich vergehn?

Maur.

Jch bin Mauritius, Der als ein Schatten-Bild wird ewig um dich ſchweben / Der dich verfolgen will / ſo lange du wirſt leben. Noch heute ſcharrt man dich Tyrannen in die Grufft.

Phoc.

Pack dich / du Ungeheur / in deine Todten-Kluft! Wo nicht / ſo wil ich dir ſo Straff als Wege weiſen.

(Er wil nach dem Geiſte ſtechen / welcher aber verſchwindet.)

Siebender Aufftritt.

Honoria, Phocas.
Honor.
(dem Kaͤyſer begegnende.)

Nur wende / Grauſamer / auf mich dein Moͤrder - Eiſen. Durchſtoſſe meine Bruſt.

Phoc.

Der Himmel wolle nicht / Daß dieſer Stahlauff dich / mein Engel / ſey ge - gericht. Jch781Drittes Buch. Jch will auff beſſre Art dir Bruſt und Schooß verletzen / Und dich u. mich vergnuͤgt in volle Flam̃en ſetzen.

(Er will ſie umarmen.)
Honor.

Weg! weg! Verfluchter Hund!

Phoc.

O hoͤchſt-verdammter Wahn! Jtzt ſchaue / was ein Printz nach ſeinẽ Willen kan.

(Er will ſie uͤberwaͤltigen.)

Achter Aufftritt.

Phocas, Honoria, Emilianus.
Emil.

Unuͤberwindligſter! Es muͤſſen Schwerdt und Waffen / Verraͤtherey u. Liſt bald nach Verdienſte ſtraffen.

Hon.

Fleuch / fleuch / Honoria! Halt dich nicht laͤnger auff!

(Sie laͤufft davon.)
Phoc.

Unfreundliche / wohin? Halt! hemme deinen Lauff! Allein die Grauſame will mich im minſten hoͤren. Und du haſt dich erkuͤhnt des Kaͤyſers Luſt zu ſtoͤrẽ? Vor dieſen Frevel ſoll dein Kopf und Leben ſtehn.

Emil.
(reicht dem Phocas kniende das Schwerdt.)

Mit Freuden will ich hin ins Land der Todten gehn / Und von des Kaͤyſers Hand / als hoͤchſt begluͤckt erkalten / Woferne durch mein Blut die Crone wird er - halten.

Phoc.

Wer darff ſich unterſtehn / auff dieſe Helden - Bruſt /Zu782Der Aſiatiſchen Baniſe. Zu ſchoͤrffen ſein Gewehr? Jſt diꝛ es denn bewuſt?

Emil.

Selbſt Theodoſia benebenſt der Honoren, Die haben auffſein Haupt untreulich ſich ver - ſchworen. Es iſt noch dieſen Tag des Kaͤyſers Tod beſtimmt.

Phoc.

Das Raſen fuͤrcht ich nicht / das nur von Wei - bern koͤmmt. Laß bald Honoriam die warmen Baͤder ſchauen / Die Conſtantinus ließ hoͤchſt praͤchtig auffer - bauen. Da will ich mich vergnuͤgt auf ihren Lippẽ muͤhn / Und meine Rache ſoll auff Schoos und Bruͤſten gluͤhn.

Emil.

Jch eile / ſolches bald gehorſamſt zu erfuͤllen:

Phoc.

Nun mag ſich Phœbus in die Schoos der The - tis huͤllen: Jn kalten Waſſern brennt die ſtaͤrckſte Liebes - Glut. Noch heute will ich ſehn / wie Lieben ſanffte thut.

Neundter Aufftritt.

Theodoſia in Harniſch und Waffen ſinget folgender Geſtalt:
1.
WUndert euch nicht / daß ich Waffen ergriffen /
Daß ſich der Helm meiner Scheitel vermaͤhlt:
Daß ich die Klinge gantz grimmig geſchliffen:
Daß ich den Harniſch vor Atlaß erwehlt.
Nicht nur Gradivus fuͤhrt Donner und Keile /
Sondern auch Cypripor toͤdtliche Pfeile.
2. Umb783Drittes Buch.
2.
Umb meinen Engel mich recht zu verbinden /
Umb meine Liebe zu bringen ans Liecht:
Muß ſich der Pantzer umb meine Bruſt winden /
Und der Stahl ſeyn meinen Armen verpflicht.
Hurtig / mein Hertze / du wirſt triumphiren /
Weil dich Dione und Marſpiter zieren.
3.
Auf! auf! zun Waffen! der Bluthund muß ſterben!
Auf! auf! zun Waffen! Hier ſtehet der Held.
Dieſes Schwerdt ſoll mir die Krone erwerben /
Welche mehr glaͤntzt als Dieſpiters Zelt.
Laß dich / Heraclius / nur nicht verlangen:
Phocas ſoll bald ſeine Straffe empfangen.

Zehender Aufftritt.

Theodoſia, Aſpaſia.
Aſpaſ.

Wo hat der Liebes-Schwarm ſie endlich hin - gefuͤhret / Daß ſie ſtatt Purpurs Pracht / Schwerdt / Helm und Kuͤraß zieret? Mich deucht: Cupido kan durch ſchoͤner Augen Brand / Durch einen holden Blick / durch eine Lilgen - Hand / Weit groͤſſre Thaten thun / mehr Hertzen uͤber - winden: Als wenn ein gantzes Heer ſich laͤſt im Felde fin - den. Gewiß: ein ſchwartzes Liecht / ein ſchoͤnes Wan - gen-Feld /Be -784Der Aſiatiſchen Baniſe. Bezwinget Helden auch / und feſſelt alle Welt.

Theod.

Jch habe mir zur Luſt den Pantzer umgeleget: Wozu Conſtantius, mein Bruder mich beweget: Mein Bruder / deſſen Winck die gantze Krieges - Macht / Von Ponto und Bithyn zu folgen iſt bedacht. Von dieſem ſolſt du diß durch dieſe Zeilen wiſſen: Daß / eh die Sonne noch wird Gold und Wel - len kuͤſſen / Er in die Kaͤyſer-Burg eindringen / und den Thron / Durch mich beſetzen will. So bluͤht die Kaͤy - Kron / Und Theodoſia koͤmmt unverhofft zum Reiche. Noch heute ſiehſt du mich gekroͤnet oder Leiche.

Aſpaſ.

Gewiß / der Anſchlag zielt auff toͤdtliche Ge - fahr: Und wird der Kaͤyſer ſie in dieſer Tracht gewahr: So duͤrffte Mord und Todt den Vorwitz ſchwer - lich buͤſſen.

Theod.

Verſtellte Liſt ſoll ihn leicht zu betruͤgen wiſ - ſen. Jch ſage Schertz und Luſt wirfft mich in dieſes Kleid / Zu fuͤhlen durch die Laſt der Waffen Unterſcheid. Jedoch / wer laͤſt ſich hier in Hirten-Kleidern fin - den?

Eilffter Aufftritt.

Theodoſia, Aſpaſia, Arconte, Siroë, Idreno als Schaͤffer bekleidet.
Theod. 785Drittes Buch.
Theod.

Sagt mir / welch Schickſal heiſt euch dieſes unterwinden: Daß ihr ſo ungeſcheut betretet dieſe Bahn?

Arc.

Jch bin ein Baͤuriſcher und armer alter Mann. Ein Vater jener Magd / aus deren holden Augen / Monarchen oͤffters auch den Liebes-Nectar ſau - gen. Durch deren Blick das Hertz dem Phocas ward geruͤhrt / Daß er mir dieſes Kind im Walde hat entfuͤhrt.

Aſpaſ.

So wird man euch gewiß des Maͤdgens Va - ter nennen / Durch deren Schoͤnheit ſelbſt der Kaͤyſer muſte brennen.

Arc.

Ach tapffrer Krieges-Held! Erbarmt euch mei - ner Noth / Und ſchaffet / daß ich noch / eh mich der blaſſe Tod Jn ſeine Klauen faßt / mein Kind zu ſehen kriege / Und vor dẽ Ende mich nur noch einmal vergnuͤge.

Theod.

Mein Freund / du haſt dich nicht vergebens her bemuͤht: Weil deine Tochter man hier gleich erſcheinen ſieht.

Idren.

Sie iſts / ich kenne ſie.

Arc.

O ſuͤſſe Freuden - Stunden!

Sir.

Nun hab ich meinen Schatz erfreulichſt wieder funden.

Theod.

Komm fort / Aſpaſia!

Aſpaſ.

Jch folge dieſe Bahn /(kan.Weil oͤffters der Verzug uns ſchmertzlich ſchaden

D d dTheod.
786Der Aſiatiſchen Baniſe.
Theod.

Ermuntre dich mein Hertz! du wirſt dich bald erfreun / Weil Phocas will ein Knecht der Bauer-Maͤgde ſeyn. Und als ein geiler Bock bedienet ſchlechte Ziegen: So wird mein Arm wol auch die Beſtie beſiegen.

Zwoͤlffter Aufftritt.

Honoria, Siroë, Arconte, Idreno.
Honor.

Mein Koͤnig / Printz und Schatz!

Sir.

Mein Engel / Hertz und Leben!

Hon.

Mein Arm umfaſſet ihn.

Sir.

Mein Hertz muß ſie umgeben.

Honor.

Durch deine Gegenwart wird mir der Schmertz verſuͤſt.

Sir.

Jch lebe hoͤchſt-begluͤckt / wenn mich mein Engel kuͤſt.

Arc.

Die Ohnmacht ſchmecket wohl / wo man ſolch Labſal findet.

Idren.

Jch ſichre / daß ein Kuß die Ohnmacht uͤber - windet.

Arc.

Allein was ſeh ich dort?

Idren.

Weh uns / der Kaͤyſer koͤmmt!

Arcont.

Au weh? nun ſind wir hin.

Dreyzehender Aufftritt.

Jetzt ermeldte Perſonen. Phocas, die Pa - gen und Trabanten.

Phoc.

Euch iſt der Tod beſtimmt: Weil ihr in Gegenwart des Kaͤyſers Frevel uͤbet.

Arc.

Wo Jhre Majeſtaͤt noch dieſe Schoͤne liebet. So wird ihr Vater auch noch in Genaden ſeyn. Und787Drittes Buch. Und diß iſt Adimir / mein Sohn.

Phoc.

Jch geh es ein / Daß er als Bruder darff der Schweſter Lippen kuͤſſen / Allein / wer dieſes ſey / das wil ich gleichfals wiſſen:

Idren.

Was ſag ich?

Arc

Dieſer iſt Dorilbo, auch mein Sohn / Der Juͤngſte meiner Frucht / der Liebe ſuͤſſer Lohn.

Phoc.

So koͤnnt ihr beyden euch nur in die Burg er - heben. Du Alter ſollſt verziehn.

Arcont.

Was wirds / O Himmel / geben?

Honor.

Was ſoll mein Hoffen ſeyn?

Idren.

Kommt Printz!

Sir.

Ach ſoll ich gehn? Ja / ja mein Schweigen ſoll das Reden uͤberhoͤhn. Die Augen ſollen ſtatt der ſtillen Zunge lallen / Und eine Thraͤnenbach ſol ſtatt der Worte fallen.

Phoc.

Mein Schaͤffeꝛ / wiſſe diß / daß meineꝛ Majeſtaͤt. Das hoͤchſte Gluͤcke ſelbſt zu ſteten Dienſten ſteht Und das Verhaͤngniß richt in meinen ſtarcken Haͤnden / Jch kan den Erden-Kreiß nur nach Belieben wenden. Und dennoch iſt dein Kind zu meinen Seufftzern taub: Sie achtet meine Huld / die Goͤttlich iſt / wie Staub. Du aber / ſchaffe: daß ſie ſich ſo fort beqveme / Und dieſe Brunſt mit Luſt von einem Kaͤyſer nehme /D d d 2Wo788Der Aſiatiſchen Baniſe. Wo nicht: ſo ſol ſie bald / eh noch die Nacht bricht ein / Bey meiner Statuen ein blutig Opffer ſeyn.

(Er gehet weg.)

Vierzehender Aufftritt.

Arconte, Honoria.
Hon.

Und warum blitzet nicht des Himmels ſtrenge Rache? Verzeucht noch Jupiter von ſeinem Sternẽ-dache / Mit Donner / Flamm und Glut zu ſpielen auff den Hund / Der Ehr und Leben raubt / die Seele mir verwund.

Arc.

Es kan die Großmuth offt den groͤſten Sturm beſiegen / Und ſie / Princeßin / kan ſich ſelbſt und uns ver - gnuͤgen: Ein Stoß von ihrer Hand kan dieſes Reich be - freyn / Und unſer Leben wird als neu gebohren ſeyn. Sie berge Zorn und Haß / und zwinge die Geber - den: Biß ſie von Phocas wird voll Brunſt umarmet werden: Alsdenn ſo kuͤſſe er den Todt an ihrer ſtatt.

Honor.

Hier iſt die Grauſamkeit der allerbeſte Rath.

(Hierauff ſang ſie alſo:)
1. Wohlan!789Drittes Buch.
1.
WOhlan! wohlan! der Schluß iſt feſt gemacht:
Diß Unthier ſoll durch meine Fauſt vergehen.
Der Wuͤtrich fall ins Grabes ſchwartze Nacht.
Mich aber ſoll der Keuſchheit Lilj erhoͤhen!
2.
Mein Siroë! Mein Engel und mein Kind!
Verſichre dich / der Himmel wird uns raͤchen.
Verſichre dich: ich ſey recht treu geſinnt /
Und daß kein Sturm wird meine Flammen ſchwaͤ -
chen.

Funffzehender Aufftritt.

(Des Kaͤyſers Conſtantini warmes Bad mit Vor - haͤußgen / und Waſſerſpritzenden Statuis.) Emilianus, Heraclius.
Emil.

Sie ſchaue / ſchoͤnes Bild des Marmels hohe Staͤrcke / Auff welchem praͤchtigſt ruhn der Kuͤnſte Wun - derwercke. Dort ſteht ein altes Bild. Hier ſpringt die Sil - ber-Fluth / Jn einem Alabaſt / und kuͤhlet Lufft und Muth. Man hoͤrt des Waſſers-Fall mit feuchter Stim - me klagen:

Heracl.

Der Himmel-gleiche Bau laͤſt dieſes von ſich ſagen: Daß er nur Thorheit ſey. Der Hoffarts-volle Witz /D d d 3Der790Der Aſiatiſchen Baniſe. Der Menſchen bauet viel / und denckt / weil ieder Blitz Den Augen naͤher faͤllt dem Furcht-erfuͤllten Grabe: Daß er durch dieſen Bau ſich nun verewigt habe.

Sechzehender Aufftritt.

Emilianus, Heraclius, Phocas.
Emil.

Der groſſe Kaͤyſer koͤmmt!

Heracl.

Jhr Goͤt - ter! ſteht mir bey.

Phoc.

Mein Abgott!

Heracl.

Jhm / mein Herr / ſteht nunmehr alles frey. Mein Kaͤyſer darff nunmehr ein holdes Urtheil faͤllen.

Emil.

Wie kan Verraͤtherey ſich doch ſo freundlich ſtellen!

Phoc.

Geh bald / Emilian! Die Pforten zu verſehn / Mit Waffen ſonder Zahl.

Heracl.

Was wird mir nun geſchehn?

Phoc.

Du wirſt / mein Engel / dich nunmehro bald entkleiden / Und deinen Kaͤyſer hier auff tauſend Roſen wei - den. Hier wo Cryſtallen ſelbſt vor Liebe flieſſend ſeyn /

Heracl.

Jhr Goͤtter! ſtellet euch zur Huͤlffe ſchleu - nig ein.

Phoc.

Wie? was verweilet ſie mein Wollen zu er - fuͤllen?

Heracl.

Mein Fuͤrſt / er wolle doch ſich gnaͤdigſt laſſen ſtillen:Biß791Drittes Buch. Biß Nacht und Schatten wird den Himmel - berziehn. Alsdenn ſo will ich mich auffs aͤuſſerſte bemuͤhn: Des Kaͤyſers ſteiffe Brunſt im Lager abzukuͤh - len /

Phoc.

Auff ferneren Verzug wird ſie vergebens zie - len.

Heracl.

Nun fehlet treuer Rath.

Phoc.

Sie mach / ſie mache fort /

Heracl.

Daß ich gehorſam ſey / befiehlt des Kaͤyſers Wort. Es muͤſſe dieſes Kleid den zarten Leib verlaſſen:

(Hier warff ſie ein Theil der Frauen - Kleider von ſich.)

Damit mein nackter Arm ihn beſſer kan umfaſ - fen.

Phoc.

Wohl! wohl! ſo komme denn / du Goͤttin die - ſer Zeit / Laß mich in deinen Schooß erregen Luſt und Streit.

(Heraclius laͤſt den Rock fallen / worunter er gantz ge - waffnet erſchien / ſeine Hand auff des Phocas Mund legte / und mit der andern ein verborgenes Schwerdt entbloͤſte / ſagende:)
Heracl.

Du muſt / verfluchter Hund / von meinen Haͤnden ſterben! Jch bin Heraclius, der Thron und Kron zu erben Vom Himmel iſt beſtimmt. Der Moͤrder iſt ge - faͤllt! D d d 4Wie792Der Aſiatiſchen Baniſe. Wie aber iſt es nun / Heraclius, beſtellt? Des Bades Pforten ſind bewahret mit Solda - ten. Doch ſoll mir dieſes Schwerdt zur Flucht und Sache rathen. Nur friſch / mein Geiſt! wo man Gefahr vor Au - gen ſchaut: Da hat der Tapfferkeit vorm Tode nie gegraut.

Siebenzehender Aufftritt.

Theodoſia kaͤmpffende mit Emiliano. Priſcus. Heraclius.
Theod.

Ergieb dich meiner Hand!

Priſc.

Du Beſtie! muſt weichen.

Emil.

Jch bin beſiegt / hier iſt mein Schwerd das Sieges-Zeichen.

Heracl.

Jhr Goͤtter! was iſt diß?

Theod.

Wie ſtehts? iſt Phocas todt?

Heracl.

Ja / ja / nunmehro iſt verſchwunden alle Noth. Der Unzuchts-volle Hund muſt in den Waͤſſern ſterben /

Theod.

Mich duͤnckt ich ſeh ihn ſchon Tarpejens Lor - beern erben. Die voller Ehrſucht nun auff ſeinem Haupte ſtehn / Und ihn / Heraclius, nach Wuͤrden zuerhoͤhn.

Heracl.

Und auf was Art bin ich durch ſie erloͤſet worden?

Theod.

Es gieng ſo ſchwer nicht her die Moͤrder zu er - morden. Denn793Drittes Buch. Denn als Conſtantius, der unbezwungne Held / Der / dem die Tapferkeit faſt ſelbſt zu Fuſſe faͤllt / Mit ſeiner Waffen Macht durch Erd und Kluft gedrungen / Und mir in dieſer Noth zu Huͤlffe beygeſprungen: So drang er neben mir / und Priſcum durch das Thor:(verlohr.Und ſchaffte / daß die Wacht ſo Blut als Muth Nachdem nun dieſer Ort durch unſer Schwerdt erfuͤllet / Mit vielen Leichen iſt: Emilian geſtillet / Und uͤberwunden war: ſo ward das Thor ge - ſprengt:(ſchenckt.Und ſo hab ich / mein Schatz / das Leben ihm ge -

Heracl.

So muß man billich dich ins Sieges-Buch einſchreiben.

Theod.

Dich oben in die Zahl der Helden einverleiben.

Heracl.

Und alſo kuͤß ich dich / als ein erworbne Braut.

Theod.

Weil dich als Braͤutigam mein Aug und Hertze ſchaut.

Heracl.

Nun kuͤß ich dieſe Bruſt / durch die ich uͤber - winde.

Theod.

Nun kuͤtz ich dieſen Mund / durch den ich Le - ben finde.

Heracl. Theod.

O Freuden-volles Liecht! O hoͤchſt begluͤck - Tag!

Daran ſich unſer Hertz hoͤchſt-ruͤhmlich freuen mag.

(Sie gehen / einander umarmende / ab.)
Acht -794Der Aſiatiſchen Baniſe.

Achtzehender Aufftritt.

Honoria. Siroë.
Honor.

Auf! was verweilet er? Jch will mein Blut vergieſſen: Eh / daß mich Phocas ſoll in ſeine Arme ſchlieſ - ſen. Es treffe meine Bruſt ein toͤdliches Gewehr. Jch ſterbe mehr vergnuͤgt. Auff! was verwei - let er?

Sir.

Jhr Goͤtter! ſolt ich wohl die holde Bruſt ver - wunden? Jn welcher nichts mein Geiſt als Anmuth hat ge - funden. Es hat / mein Engel / mich Megæra nicht geſaͤugt / Vielweniger hat mich ein Tygerthier gezeugt.

Honor.

So wil er mich der Glut des Phocas uͤberge - ben?

Sir.

Nein! ihr Beſtaͤndig-ſeyn kan dieſem widerſtre - ben.

Honor.

Jch werde mich umſonſt durch Schmeiche - ley bemuͤhn / Aus des Tyrannen Bruſt Begierd und Brunſt zu ziehn.

Sir.

So iſt / O Himmel! nun dein Siroë verdorben!

Honor.

Wer als ein Opffer nur der Ehren iſt geſtor - ben. Dem ſchencket Fama ſelbſt den Krantz der Ewig - keit / Und ſeines Nahmens Liecht verdunckelt keine Zeit.

Sir.
795Drittes Buch.
Sir.

So Lieb als Eyfferſucht / was wollt ihr mir er - lauben? Soll ich Geiſt / Seel und Liecht dem ſchoͤnen En - gel rauben? Nein / nein / mein Hertze / nein! Der Donner ſchmettre den / Der dir mit Vorſatz laͤſt das minſte Leid geſchehn!

Neunzehender Aufftritt.

Honoria, Siroë, Idreno, Arconte, Aſpaſia hernach.
Idren.

Der Himmel / Lufft und See und Erde ſoll ſich freuen. Die halbe Welt erſchallt durch ſtarckes Jubel - Schreyen.

Arc.

Durchlauchter Printz / es wird der Himmel ſelbſt erfuͤllt / Durch eine Helden-That / die allen Kum̃er ſtillt. Es hat Heraclius hoͤchſt-ruͤhmlich ſich gerochen / Weil er den geilen Wanſt des Phocas durchge - ſtochen / Den Leib entſeelet hat.

Honor.

Jſt der Tyran - ne todt?

Sir.

O Freuden-reiche Poſt! Nun hat es keine Noth.

Aſpaſ.

Jetzt jaucht / ietzt ſpringet man / ietzt muß man froͤlich lachen. Weil mit dem Kaͤyſer will mein Fraͤulein Hoch - zeit machen. Und weil man Uberfluß auff allen Ecken ſchaut / So lauf ich mitten durch / als eine Neben-Braut.

Honor.
796Der Aſiatiſchen Baniſe.
Honor.

Wir haben dieſe Poſt mit Freuden ange - nommen.

Idren.

Man ſieht Heraclium ſchon im Triumphe kommen.

Arc.

Man hoͤrt des Kaͤyſers Ruhm durch der Trom - peten Schall.

Sir.

Und daß er doppelt ſey / bezeigt der Wiederhall.

(Hier ward eine Muſic nebſt einer Sympho - nie von Trompeten gehoͤret.)

Zwanzigſter und letzter Aufftritt /

Heraclius und Theodoſia in Kaͤyſerlichem Habit. Honoria. Siroë. Arconte. Idreno. Aſpaſia. Eine groſſe Menge Griechiſch - und Roͤmiſcher Cavaliere / Haupt - Leute / Pagen / Trabanten und Soldaten. (Das gange Chor ſtimmet folgenden Gluͤckwunſch an:)

Es leb Heraclius! Er leb! Er leb! Erlebe! Daß Theodoſia ſich ſtets nebſt ihm erhebe!

Heracl.

Jhr / Theodoſia, gebuͤhrt die Kaͤyſer-Krone.

Theod.

Und er / mein Kaͤyſer / iſt hoͤchſt-wuͤrdig / daß ihm lohne Ein guͤldner Sternen-Krantz. Denn was die Tugend giebt / Jſt werth / daß man es mehr als Kaͤyſer-Kronen liebt.

Honor.

Großmaͤchtigſter Monarch! Hier liegt zu ſeinen Fuͤſſen / Die / die Mauritium als Tochter konte kuͤſſen. Die797Drittes Buch. Die von des Kaͤyſers Hand mit Thraͤnen was begehrt / Das mich gluͤckſelig macht / den Kaͤyſer nicht be - ſchwert.

Heracl.

Sie bitte / was ſie will / ich will es ihr ver - ſprechen / Und ſolt es auch den Thron / und Cron und Sce - pter ſchwaͤchen.

Honor.

Hier dieſer / den er ietzt als einen Hirten ſieht / Hat als ein Erb-Printz ſich aus Perſen her be - muͤht. Der Wahlſtatt Trauer-Feld entdeckte mir ſein Leben / Als faſt die Seele ſchien am Gaumen nur zu kle - ben: Da hab ich ihm begluͤckt die Geiſter wieder - bracht / Hingegen hat er mich ſo weit begluͤckt gemacht / Durch einen Wunder-Fall / daß er mich innigſt liebet / Und nebſt dem Hertzen mir auch ſeine Krone giebet.

Aſpaſ.

Der Ausgang iſt erfreut.

Arc.

Gluͤckſelig der Beſchluß.

Sir.

Verzeihe / groſſer Fuͤrſt! Was ich ietzt bit - ten muß. Daß uns erlaubet ſey / die Hertzen zu verbinden / Wenn man die Fackeln wird zu Hymens Feſt an - zuͤnden: Wenn ietzt Heraclius mit TheodoſiaBe -798Der Aſiatiſchen Baniſe. Begluͤckt erfuͤllen wird das laͤngſt-verſprochne Ja.

Heracl.

Schaut wie der Himmel ſpielt! Er laͤßt das minſte fehlen / Was unſern Geiſt vergnuͤgt. Er laſſe ſich ver - maͤhlen / Mein Printz / Honoriam, an ſeine werthe Hand. Sein Haupt bekroͤne ſtets ſo Palm als Dia - mant.

Honor.

So leb ich ihm / mein Schatz / zu ſteter Treu verbunden.

Sir.

So ſey um unſer Haupt ein Myrten-Krantz ge - gewunden.

(Sie kuͤſſen einander.)
Heracl.

Mein Schatz und Kaͤyſerin! Sie ſchaue doch beliebt / Wie jene Sonne lacht / und tauſend Kuͤſſe giebt. Weil dieſes Sternen-Paar ſo Glut als Luſt ge - nieſſen: So laͤßt ſie billich auch die holden Stralen ſchieſſen Auf mein entflammtes Hertz. So ſchwindet Furcht und Nacht / Und alles hat die Gunſt des Himmels wohlge - macht.

(Beyde ſingen zuſammen.)

GLuͤck zu! Gluͤck zu! ſo ſiegt Beſtaͤndigkeit! So kan Cupido uns den Ehren-Krantz bereiten! So koͤnnen wir mit Ruhm in Hymens Bette ſchrei - ten /Und799Drittes Buch. Und legen an das ſchoͤne Purpurkleid.

Theodoſia.

Heraclius! mein Abgott / ſey gegruͤßt! So lange Titan wird durch Lufft und Wolcken ge - hen / Wird Theodoſia dir ſtets zu Dienſten ſtehen. Heraclius! mein Abgott ſey gekuͤßt. Honoria. Mein Siroë! mein Engel ſey gegruͤßt! So lange Venus wird den guͤldnen Pol erhoͤhen / Wird auch Honoria dir ſtets zu Dienſten ſtehen. Mein Siroë! mein Engel / ſey gekuͤßt!

(Dieſe beyde zuſammen.)

Io! Triumph! Nun iſt das Labſal da! Nun koͤnnen wir vergnuͤgt die Hochzeit-Lieder ſin - gen / Wohl dieſen / die den Sturm des Ungluͤcks ſtets be - zwingen: Wie Theodoſ und die Honoria!

(Alle Anweſende ſingen zu dreyen mahlen:)

Es leb Heraclius und Theodoſia! Zugleich auch Siroë, mit der Honoria!

Und mit dieſem vollſtimmigen Gluͤcks-Wunſche endigte ſich dieſes wohl-abgelauffene Schau-Spiel.

Nach geendigter Vorſtellung / woruͤber ſich alle hoͤchſt vergnuͤgt erzeigeten / eileten alle Zu - ſchauende zur Ruhe.

Folgende Zeiten aber erinnerten unſere Gekroͤn - ten / daß iedes Reich ſeines Hauptes Gegenwarthoch800Der Aſiatiſchen Baniſe. hoch von naͤthen haͤtte: Dahero das ſchmertzliche Wort / Scheiden / auff die Bahn gebracht wurde. Als nun iede Armee nochmahln gemuſtert / und durchgehends reichlich beſchencket worden: nahmen dieſe Kaͤyſer - und Koͤnigliche Perſonen mit beweg - lichſten Worten / bruͤnſtigen Umarmungen / groͤſter Verſicherungen ewiger Freundſchafft und thraͤnen - den Augen von einander Abſchied / und zog iedweder Koͤnig mit ſeiner ſo theuer-erworbenen Gemahlin und bey ſich habenden Voͤlckern / unter dreymahli - ger Loͤſung aller Stuͤcken um Pegu / nach ſeinem Reiche: Den tapffern Balacin bey ſeiner ſchoͤnen Baniſen / als einen maͤchtigen Kaͤyſer und begluͤckten Kaͤyſerin / in hoͤchſter Vergnuͤgung hinterlaſſende: welche das Reich Aracan dem Kaͤyſerthum Pegu / iedoch als ein freyes Reich / einverleibten / und dem Himmel Lebenslang dancke - ten / vor ein ſo erwuͤnſchtes

ENDE.
[figure]
[801][802][803][804]

About this transcription

TextAsiatische Banise
Author Heinrich Anshelm von Ziegler und Kliphausen
Extent824 images; 164014 tokens; 19185 types; 1159944 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationAsiatische Banise Oder blutiges doch muthiges Pegu Heinrich Anshelm von Ziegler und Kliphausen. 2. Auflage. [8] Bl., 800 S. : Frontisp. FritschLeipzig1700. (Zum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deutschen Textarchiv lag keine vollständige sowie in guter Bildqualität vorhandene Ausgabe vor. Eine unvollständige Erstausgabe kann unter http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ziegler1689 eingesehen werden.)

Identification

HAB Wolfenbüttel HAB Wolfenbüttel, Xb 6559

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Roman; Belletristik; Roman; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:32:13Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.

Holding LibraryHAB Wolfenbüttel
ShelfmarkHAB Wolfenbüttel, Xb 6559
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.