PRIMS Full-text transcription (HTML)
[figure]
Aſiatiſche Baniſe /
Oder blutiges doch muthiges Pegu /
Jn Hiſtoriſcher und mit dem Mantel einer Helden - und Liebes-Geſchicht bedeckten Warheit beruhende. Dieſem fuͤget ſich bey eine aus dem Jtaliaͤniſchen uͤberſetzte Theatraliſche Handlung / benennet: Der tapffere Heraclius.
[figure]
LEJPZJG /beyThomas Fritſch. 1700.

Dem Durchlauchtigſten Fuͤrſten und Herrn / Hn. Johann Georgen Erb-Printzen der Chur / und Hertzogen zu Sachſen / Juͤlich / Cleve und Berg / Land-Graffen in Thuͤringen / Marggraffen zu Meiſſen / auch Ober - und Nieder Laußnitz / Gefuͤrſteten Graffen zu Henneberg / Graffen zu der Marck / Ravensberg und Barby / Herrn / zu Ravenſtein. Meinem Gnaͤdigſten Herrn.

DUrchlauchtigſt-Groſſer Printz!
Ein Himmel-hoher Geiſt /
en das Verhaͤngniß hat zur Majeſtaͤt gebohren /
en ſelbſt der Sternen-Printz ein Bild der Goͤtter heiſt /
en GOtt zum Abila des Regiments erkohren:
a 2Der
Der wird durch Muͤh und Kunſt der Menſchen nicht er weckt.
Die hohe Bildungs-Krafft der Mutter aller Sachen /
Hat dieſen Helden-Stern beſtimmt und angeſteckt /
Eh man den zarten Leib ſieht in den Windeln lachen.
Zeigt uns nun die Geburt der Seelen kleinen Sitz /
So ſpielt die Tugend-Gluth bereit mit tauſend Flammen.
Auch in der Wiegen ſtr ahlt der Sinnen hoher Blitz /
Und ieder ſpricht: So muß ein Held von Helden ſtammen.
Wenn ietzt des Loͤwen Frucht ſo Nacht als Mutter bricht /
So ſchauet man mit Luſt die naſſen Locken ſchütteln.
Wodurch er Muth und Art der Loͤwen ſtellt aus Licht.
Aleides laͤſſet ſich noch in der Wiege rütteln /
So reiſſet er mit Luſt den Schlangen Balg entzwey.
Eh die bemuͤhte Kunſt / das Gold durch Schmeltzen ſcheidet /
So blitzet deſſen Glantz durch Schlacken / Ertzt und Bley.
Es ſtrahlt der Diamant / eh ihn der Kuͤnſtler ſchneidet.
Und alſo ſiehet man die Fuͤrſten-Roſe bluͤhn /
Wenn Blat und Farbe ſich noch in der Knoſpe zeiget:
Wie ſich Verſtand und Geiſt von Kindheit auff bemuͤhn /
Biß Jahr und Weißheit ſelbſt den Atlaß überſteigt.
Alsdenn laͤſt Julius auff einem Erden-Ball
Mit Buch und Schwerdte ſich in beyden Haͤnden ſchauen.
(†)cum lemmate: Ex utroque Cæſar.
(†)
Durch welche Stuͤtzen wird der Printzen hoher Fall
Verhinbert / und das Land laͤßt ſich in Friede bauen.
Es muß der blancke Stahl / der Waffen heller Glantz /
Der Printzen Ancker ſeyn / des Fuͤrſteu Hoheit ſchuͤtzen.
Helm / Schweꝛdt u. Stuͤckẽ-Knall / eꝛwirbt den Sieges-Kꝛantz /
Und ein gerechter Krieg kan mehr als Friede nuͤtzen /
Der ſich nur voll Verdacht in unſre Graͤntzen ſpielt.
Doch wird ſo Strahl als Stahl vergebens ſich bemühen /
Wo nicht Geſetz und Rath der Waffen Hitze kuͤhlt;
Und wo nicht Kunſt und Recht im Fuͤrſten-Garten bluͤhen.
Wenn Weißheit und Verſtand das kluge Schwerdt regiert /
So kan Tiberius die frechen Feinde ſchlagen.
(††)Tacit. lib. 2. Annal.
(††)
Wenn
Wenn Weißheit und Verſtand des Printzen Scheitel ziert /
So muß auch bloſſe Furcht die Welt in Harniſch jagen:
Ob gleich Philippens Fuß Madrit niemals verlaͤßt.
(†)Saav. Embl. 84.
(†)
Und alſo kan ein Printz auch in dem Zimmer ſiegen /
Jhn fuͤhrt des Ruhmes Schiff nach Nord / Oſt / Sůd und
Weſt.
Vor ſeines Namens Blitz muß Feind und Neid erliegen.
Ein Printz / der ſich der See des Herrſchens auvertraut /
Und der Gelehrten Schaar zu Ruder-Knechten wehlet /
Der ſchifft mit Ruhm / wo man des Herculs Saͤulen ſchaut /
Und hat den ſichern Port der Ehren nie verfehlet.
Durchlauchtigſt-Groſſer Printz! Hier ſchweiget Reim
und Kiel /
Weil deſſen Armuth ſich zu viel hat unternommen;
Er wil mehr / als er ſchreibt: er ſchreibt nicht / wie er wil /
Und ſeine Ohnmacht rufft: Demoſthenem laßt kommen!
Er unterwindet ſich ein Cronen-faͤhigs Bild /
Und Goͤtter-gleichen Geiſt / in etwas vorzuſtellen:
Den Pallas mit der Milch der Weißheit hat erfuͤllt /
Dem ſich die Tapfferkeit als Freund wil beygeſellen.
Des Vaters Helden-Art / der Mutter Tugend Glut /
Hat ſich genau in dir / du groſſer Printz / verbunden.
Es qvillt / es flam̃t / es brennt / das theure Sachſen-Blut /
Das ſich zum vierdten mal hat ruͤhmlichſt eingefunden /
Jm Namen / welcher laͤngſt mit Diamantner Schrifft /
Den Sternen einverleibt. So kan ein Held nicht ſterben /
Wenn GOtt / Natur und ER ein ſolches Denckmal ſtifft /
Das in gevierdter
(††)Virtutes quatuor Cardinales.
(††) Zahl die Tugend pflegt zu erben.
Es jauchtzt das frohe Land / der treue Unterthan
Laͤßt ſich mit Nectar-Koſt der ſuͤſſen Hoffnung ſpeiſen:
Die Hohe Raute ſey beſreyt vom Todes Zahn /
Weil noch der werthe Stock kan Printz und Zweige
weiſen.
a 3Mi -
Minervens heller Schild wirfft einen Wunder-Strahl /
Auff das Palladium / das unſer Sachſen kennet:
Weil ein ſo groſſer Printz in der Gelehrten Zahl /
Mehr als ein Phoſphorus am Tugend-Himmel brennet.
Bellona leget ſich den Blitz der Waffen an /
Und wil durch Helden-Art dem Printzen ſich vermaͤhlen.
Denn weil des Dritten Ruhm beſiegt der Sternen Bahn /
So kan unmoͤglich es ihr bey dem Vierdten fehlen.
Selbſt Cypris / welche ward aus Flut und Saltz gezeugt /
Koͤmt auff der Cimber-See in Muſcheln hergefahren /
(Weil ſich Magnet und Held ſtets nach dem Norden
neigt:)
Und iſt bemüht nach Wunſch ein hohes Paar zu paaren.
So wird von GOtt und Welt ein groſſer Printz geliebt /
Den Weißheit und Verſtand / und Tapfferkeit bezieren.
Dem ſelbſt der gelbe Neid diß holde Zeugniß giebt:
Man koͤnne nichts / als Gnad und Saufftmuth an Jhm
ſpuͤhren.
Daß nun Baniſe ſich darff in das Heiligthum /
Und den geweihten Ort der irrdſchen Gottheit wagen:
Diß ſchafft / Durchlauchtigſter! Dein hoher Gnaden -
Ruhm.
Denn wie die ferne Welt muß ruͤhmen / loben / ſagen:
Daß gegen Sclaven auch DEJN Gnaden-Oele flammt /
Der Sanfftmuth Ampel brennt: So lehrt mich Ruhm und
Guͤte /
Daß ſchlechter Weihrauch nicht von Goͤttern wird verdammt:
Drum nah, ich mich getroſt mit Demuths-vollem Schritte.
Es ſencket ſich mein Knie vor Deinen Altar hin.
Baniſe fleht: Laß ſie durch gnaͤdiges Beſchützen /
Vor Mißgunſt ſicher ſeyn. Ach laſſe zum Gewinn
Der Augen Gnaden-Strahl auff mich / mich Aermſte / bli -
tzen.
Schau nicht die Wuͤrdigkeit des ſchlechten Werckgens an /
Die
Die Unvollkommenheit hat ſolches aufferzogen.
Der Sonnen Majeſtaͤt zeucht von der Erden-Bahn
Den Dunſt / und ſchafft daraus die ſchoͤnſten Regenbogen:
Und ein Durchlauchter Blick vergoͤttert Werck und
Kiel /
Das ſeinem Weſen nach nur Finſterniß verdienet.
Zwar Neid und Einwurff ſpricht: Es ſey nur allzu viel /
Baniſe habe ſich hierdurch zu viel erkuͤhuet:
Daß ihr geringes Blat die Sternen uͤberſteigt /
Zu Groſſen Printzen tritt / in ſchlechtem deutſchen Klei -
de /
Vor denen Svada ſich / als uͤberwunden / neigt:
So fuͤhrt die Hoffnung doch mich zu der ſuͤſſen Weide:
Daß zwar der Sonnen Glantz der Cedern Pracht anblickt /
Und hohe Tannen meiſt das holde Liecht genieſſen:
Doch wird ein niedrig Reiß zugleich dadurch erquickt /
Wenn ihrer Strahlen Macht den gantzen Wald umſchlieſ -
ſen.
Das Perlen reiche Meer verſchmaͤhet keinen Fluß /
Der doch nur Waſſer zinſt / in ſeine Schooß zu nehmen.
Corinth entſchuldiget den wohlgemeynten Schluß /
Philippi groſſen Sohn / als Buͤrger auffzunehmen;
Mit dieſem: daß ſie nie erwehntes Bürger-Recht /
Als nur dem Herenles / iemanden angetragen.
Hier unterfaͤnget ſich ein unterthaͤngſter Knecht /
Mit beßrer Folgerung und Grunde diß zu ſagen:
Man habe ja vor mir kein Opffer noch geſehn /
Das ſich nach Wuͤrden Dir / Durchlauchtigſter / ver -
gleichet.
Und alſo wirſt DU nicht diß Wenige verſchmaͤhn /
Was Dir Dein Sclave hier in Demuth überreichet:
Weil groſſe Printzen offt nur Waſſer hat vergnuͤgt /
Das eine treue Hand geſchoͤpfft. Ja ſelbſt mein Hertze /
Das mehr als dieſe Schrifft zu Deinen Fuͤſſen liegt /
Zuͤndt dieſes Opffer gu / als eine treue Kertze /
a 4Die
Die nach Vermoͤgen wuͤnſcht / gleich andern / vor Dein Heil /
Jn Unterthaͤnigkeit zu ſterben und zu brennen /
Wird mir ein Funcken nun von Deiner Huld zu theil:
So werd ich biß zur Grufft mich unterthaͤnigſt nennen

Eurer Chur-Printzl. Durchl.

Treu-gehorſamſt - und demuͤthigſt - ergebener Knecht H. A v. Z. U. K.

Nach Standes-Gebuͤhr Beehrter Leſer!

ENdlich erkuͤhnet ſich meine Aſiati - ſche Baniſe / als eine unzeitige Frucht ſeichter Lippen / unter der Preſſe her - vor zu wagen / und ſich auff dem Schau-Platz der Schrifft-eckeln Welt vorzuſtellen; der angenehmen Hoffnung lebende: daß / ungeachtet vieler Mißguͤnſti - gen / (derer ich eine ziemliche Bataillon wider den Jenghien Baſſa ins Feld ſtellen wolt /) wel - che nicht ermangeln werden / dieſe Blaͤtter durch alle Prædicamenta durchzuziehen / ſich dennoch viel honette Gemuͤther finden werden / die die - ſes mein wohlmeynendes Unterfangen mehr lo - ben als ſchelten / und aus dem Willen erkennen werden: was ich mir wuͤnſchte / in der That wuͤrcklich zu leiſten / Jch kan mich zwar mit der Unwiſſenheit nicht entſchuldigen / was vor ein gefaͤhrliches Unternehmen es ſey / ſich der ſcru - puleuſen Welt durch Schrifften zu offenbaren / angeſehen ſolche ohne diß mit ſo vielen gelehrten Sachen in allen Wiſſenſchafften dermaſſen an - gefuͤllet / ja uͤberhaͤuffet iſt / daß faſt keine Verbeſ - ſerung zu hoffen: Dennoch wird dieſe Jndiani - ſche Princeßin verhoffentlich pasſiret werdẽ / weñ ſie gantz gerne bekennet / daß ſie keinen locum ina 5inAn den Leſer. in denẽ Actis Eruditorum meritire; zu gleich abeꝛ beweglichſt bittet / ſie mit einem ungleichen Judi - cio Otioſorum zu verſchonen; Angeſehen ſie ſich nur in einem ſchlechten deutſchen Kleide / nicht aber im Harniſch / wodurch ſie einige Be - gierde zu fechten andeuten moͤchte / vorſtellet. Jn ſolcher Bloͤdigkeit hat ſie ſich billich unter die maͤchtigen Schutz-Fluͤgel des Durchlauch - tigſten Chur-Printzens zu Sachſen / deſſen beruͤhmte Sanfftmuth und hohe Guͤtigkeit auch in Aſien erſchollen / demuͤthigſt begeben / uud um gnaͤdigſte Beſchirmung wider alle Pfeile der gifftigen Mißgunſt fuͤßfaͤllig geflehet.

Hier ſolte ich nun ferner bemuͤhet leben / alle beſorgende Einwuͤrffe / welche ich bereits anzu - hoͤren bemuͤßiget worden / gruͤndlich zu widerle - gen: bevoraus die Catonianiſche Meynung / ob waͤren die Romainen ſchlechter Dings unnuͤtze Schrifften: Allein ich verlaſſe mich auf die Guͤ - tigkeit des Geneigten Leſers / und uͤbergehe alles mit Stillſchweigen. Denen ungegruͤndeten Haſſern aber der Helden-Schrifften / und andern Ubel-Geſinneten rathe ich dienſtfreundlich / die - ſes geringfuͤgige Werckgen / welches ſich nur als eine unwuͤrdige Auffwaͤrterin der heutig-vor - trefflichen Romanen aufgefuͤhret / beyſeite zu le - gen / und ein nuͤtzlicher Buch nach ſeiner Capri - ce zu ergreiffen / aus welchem er beweiſen koͤnne:Dica -An den Leſer. Dicatur in eo, quodnon dictum ſit prius. Den Jnhalt der wenigen Blaͤtter belangen - de / ſo ſind es mehrentheils warhafftige Bege - benheiten / welche ſich zu Ende des funffzehen - hunderten Seculi bey der grauſamen Veraͤnde - rung des Koͤnigreichs Pegu / und deſſen angren - tzenden Reichen zugetragen haben: Wobey zu - gleich ein wolgeſinnter Leſer die wunderſamen Gewohnheiten und Gebraͤuche der Barbari - ſchen Aſiater / bey Heyrathen / Begraͤbniſſen und Kroͤnungen / welche ich / nebſt der Hiſtoriſchen Warheit / mit Fleiß aus denen gelehrten Schrifften des nie genung geprieſenen Franciſci, Saarens / Schultzens und Balby Reiſe-Be - ſchreibungen / Rogeri Heydenthum / Roſſens Religonen / und andern curieuſen Schrifften colligiret / verhoffentlich nicht ſonder Anmuth bemercken wird. Und wie ich mich moͤglichſt befliſſen / alle unartige und aͤrgerliche Redens - Arten aͤuſſerſt zu meyden / auch niemanden mit Fleiß zu touchiren / (es ſey denn / daß ſich ie - mand getroffen faͤnde / da ich verſichere / es ſey von ungefehr geſchehen) alſo verhoffe um ſo viel eher / aller uͤbeln Meynung entuͤbriget zu bleiben.

Des Styli und eingeſtreueten Barbariſmi wegen / werde ich verhoffentlich zu perdonniren ſeyn / wenn ich ſage: daß ich hierinnen den ei -eigent -An den Leſer. eigentlichen End-Zweck der Romanen / die deut - ſche Sprache zu erheben / nicht ſo genau beobach - tet habe: weil ich mich viel zu wenig erachtet / unſerer werthen Mutter-Sprache den wenig - ſten Zierrath durch mich zu ertheilen: Zu dem auch der Jnhalt ſich mehr einer Hiſtoriſchen Beſchreibung / als Helden-Gedichte gleichet: Dahero ich durch vergebene Bemuͤhung die Ar - muth meiner Zunge nicht verrathen / ſondern mich durchgehends einer leichten und gewoͤhn - lichen Redens-Art bedienen wollen. Solte aber dem Geehrten Leſer die Vollkommenheit deutſcher Sprache zu ſehen belieben / ſo wird ehe - ſtens der unvergleichliche Arminius nebſt ſeiner Durchlauchtigſten Thusnelda, des weitbe - ruͤhmten und vortrefflichen Daniel Ca - ſpar von Lohenſteins / ſein Verlangen ſattſam ſtillen.

En fin; Jch bitte nochmahls / dieſe Schrifft nicht nach Wuͤrden / ſondern nach dem wohlge - meynten Abſehen de meliori zu judiciren / und mir durch geneigtes Auffnehmen meiner Bani - ſen fernere Gelegenheit geben: daß ich kuͤnfftig meine Danckbarkeit hiervoꝛ / noch durch zwey un - terſchiedene Bemuͤhungen deꝛ ſtrebenden Fedeꝛ / welche durch ihre Benahmungen: Helden - Liebe der Schrifft / und Diarium Hiſtorico - Poëticum, den Jnhalt ſollen zu verſtehen ge -ben /An den Leſer. ben / kuͤhnlich darzulegen / moͤge Urſach haben. Denen uͤbeldeutenden Momis und Zoilis aber ſetze ich den Wahlſpruch eines hohen Ordens wohlbedaͤchtig entgegen: Honni ſoit, qui mal y penſe. VALE.

Neue Buͤcher.

  • Arnoldi Gothofredi tabulæ chronologicæ a nato Chriſto ad annum 1697. 3 folüs in plano.
  • Biblia ex Seb. Caſtellionis interpretatione, cum annota - tionibus ejusdem. fol.
  • de Fenelon Franc. de Salignac Archi-Epiſcopi Came - rac. placita ſanctorum explicata. 8.
  • Gailhard Joh. de venæ ſectione 12.
  • du Hamel Joh. Bapt. biſtoria academiæ Regiæ ſcientia - rum in Gallia. 4.
  • Hartknoch Chriſt. de republica Polonica, editio nova au - cta. 8.
  • Krumbholzens Chriſtiani compendium homileticum 8.
  • Luc. Cœly Lactanty Firmiani opera a Chriſtoph. Cel - lario edita & notis illuſtrata. 8.
  • Verheyen Philip. anatomia. nova corporis bumani c. fig. 8.
  • Arnolds Gottfrids kurtzgefaſte Kirchenhiſtorie des alten und neuen teſtaments. 8.
  • ejusd. unparteyiſche Kirchen - und Ketzer-Hiſtorie von anfang des neuen teſtaments bis 1688. in 4 teilen. f.
  • ejusd. das Geheimnuͤß der Goͤttlichen Weisheit / nebſt poetiſchen Lob und Liebes-Spruͤchen von der ewigenWeißheit. 8.Weißheit nach anleitung des Hohen-Liedes Salomo - nis, und neuen Goͤttlichen Liebes-Funcken. 8.
  • ejusd. vom gemeinen Secten-Weſen / Kirchen - und Abendmahl gehen / wie auch recht Evangeliſchen Lehr-Amt und recht Chriſtlicher freyheit: nebſt ei - nes freundes Erinnerungen gegen Cypriani An - merckungen uͤber die Ketzerhiſtorie 4.
  • Connor Bernhard Beſchreibung des Koͤnigreichs Polen und Großhertzogthums Littauen 8.
  • Einleitung zur Roͤmiſchen und Deutſchen Hiſtorie. 8.
  • von St. Evremont ungluͤckſeliger Galant / beſchrie - ben in dem Leben des Grafen C *** aus dem Fran - zoͤſiſchen. 8.
  • Juͤnckens Joh. Helffrich Vernuͤnfftiger Leib-Artzt / anweiſend wie ein menſch / ſo von der Medicin keine Profesſion macht / ſich ſelber rathen mag / mit fig. 8.
  • Von mehr als einer Welt / Geſpraͤch / aus dem Franzoͤ - ſiſchen. 12.
  • Prideaux leben Mahomets. 12
  • Venette von erzeugung der Menſchen. 8.
1

der Aſiatiſchen Baniſe Erſtes Buch.

BLitz / Donner / und Hagel / als die raͤchenden Werckzeuge des gerech - ten Himmels / zerſchmettere den Pracht deiner Gold-bedeckten Thuͤrme / und die Rache der Goͤtter verzehre alle Beſitzer der Stadt: welche den Un - tergang des Koͤniglichen Hauſes befoͤrdert / oder nicht ſolchen nach euſerſtem Vermoͤgen / auch mit Darſetzung ihres Blutes / gebuͤhrend verhindert haben. Wolten die Goͤtter! es koͤnten meine Au - gen zu Donner-ſchwangern Wolcken / und dieſe meine Thraͤnen zu grauſamen Suͤnd-Fluthen werden: Jch wolte mit tauſend Keilen / als ein Feuerwerck rechtmaͤſſigen Zorns / nach dem Her - tzen des vermaledeyten Blut-Hundes werffen / und deſſen gewiß nicht verfehlen: Ja / es ſolte al - ſobald dieſer Tyranne / ſammt ſeinem Goͤtter - und Menſchen-verhaßten Anhange / uͤberſchwem - met und hingeriſſen werden: Daß nichts / als ein veraͤchtliches Andencken uͤberbliebe. Doch / Ach! wie irre ich? Was rede ich? Solte wohl ſolche Rache ohne Unterſcheid und ohne einiges Beden -Acken2Der Aſiatiſchen Baniſe. cken vollzogen werden? Wo bliebe denn die uͤber - irrdiſche Baniſe? Um derentwillen einig und al - lein der Himmel noch die abſcheulichſte Straffe uͤber Pegu zuruͤcke haͤlt / und welche das guͤtige Verhaͤngnis noch ſonder Zweiffel von dem gan - tzen Kaͤyſerlichen Stamme wird uͤbrig / ach! wer weiß? ob nicht in der Hand eines grauſamen Be - ſitzers / gelaſſen haben: um ſo viel mehr die ge - ſchlagenen Gemuͤther der faſt entſeelten treuen Unterthanen wieder aufzurichten / und zuerinnern: Es ſey noch ein Stern verhanden / welcher leicht wiederum zu einer Sonne werden koͤnte: Wenn man ihm aus ietziger Finſternis zu ſeinem vori - gen Glantze verhuͤlffe. Auff! derowegen / Printz von Ava! Erinnere dich desjenigen / womit du Baniſen verpflichtet biſt / und wiſſe: daß du die gluͤckſelige Beſitzung einer ſo him̃liſchen Schoͤn - heit nicht eher wuͤrdig genieſſen kanſt: du habeſt dich dann durch wuͤrckliche Rache an ihren Fein - den ſattſam um ſie verdienet gemacht.

Ach! aber / was ſchwermeſt du noch weiter / ungluͤckſeliger Printz! Erinnerſt du dich nicht / daß du zwar ein Koͤnig vom Stande / doch nicht vom Lande / biſt? Ein ohnmaͤchtiger Printz / wel - chen das Leben ſeines unbarmhertzigen Vaters aller Mittel beraubet hat / ſeine innigſt-geliebteſte Baniſe von Schande und Tod maͤchtigſt zu be - freyen. Jch wuͤndſche mir den Tod / wenn ich be - dencke: wie ich ihr in ietzigem Zuſtande nicht mehr / als einer ihrer geringſten Sclaven / zu ra -then3Erſtes Buch. then oder zu helffen vermag: Und wie hingegen auch der wenigſte Verzug zu ihrem und meinem hoͤchſten Nachtheil gerathen kan. Jedoch / kan ich ihr nicht mit meinem Leben dienen: ſo ſoll ſie doch mein Tod von dem Tyrannen befreyen. Jch will in die Burg / mich mitten unter die Feinde wagen / ja ſo bald ich mich dem Mord-Koͤnige dermaſſen genaͤhert habe / daß ich ihn werde er - reichen koͤnnen / dieſe meine Fauſt mit ſeinem moͤr - deriſchen Blute faͤrben / und ſeinen ſchwartzen Geiſt / als ein hoͤlliſches Rach-Opfer / der bren - nenden Finſternis zuſchicken. Mit ſolchen ver - zweiffelten Worten ließ ſich Balacin vernehmen: als ihm bey aufgehender Sonne der Glantz / de - rer auff der Kaͤyſerlichen Burg mit purem Gol - de gedeckten Thuͤrme / die Augen blendete / und er von einem Huͤgel die groſſe und praͤchtige Stadt Pegu uͤberſehen konte: Nachdem er die gantze Nacht durch / bloß allein von tauſend widerwaͤr - tigen Gedancken begleitet / geritten / und ſein er - muͤdetes Pferd in die Weide geſchlagen / ſich aber ſelbſt / um ſeine Ruh-beduͤrfftige Glieder in dem bethauten Graſe zuerquicken / auf ſeinen Mantel geleget hatte. Allein bey Endigung der letzten Worte erſahe er drey verwegene Bramaner / mit entbloͤſten Sebeln / aus einem Strauche hervor geſprungen kommen / welche ihn ſo fort mit entſetz - lichen Geberden anſchrien: Und du biſt der eini - ge Verraͤther / welchem das rechtmaͤſſige Ver - fahren unſers maͤchtigſten Kaͤyſers mißfallen /A 2und4Der Aſiatiſchen Baniſe. und ſich / als ein Sclave / in Feſſeln raͤchen will? Halt / dein Kopff ſoll uns tauſend Peſos gelten! So fort wurde Balacin von ihnen ohne ferneres Wortwechſeln uͤberfallen / daß er kaum aufſprin - gen / und den ins Graß gelegten Sebel ergreiffen konte. Weil ſich aber zu allem Ungluͤcke ein Riemen uͤber das Gefaͤſſe geſchlungen hatte / ver - mochte ihn Balacin nicht auff den erſten Zug zu - entbloͤſen: Dahero er von dem einen Boͤſewicht einen ziemlichen Hieb in die lincke Schulter be - kam / daß ſein Himmel-blauer Rock in kurtzer Zeit mit Blute gefaͤrbet war. Doch der Him - mel / welcher dieſen tapffern Printzen noch zu et - was groͤſſern aufbehalten / als daß er von ſo ſchnoͤ - der Fauſt liederlich verderben ſolte / gab Gnade / daß er bald ſeines Sebels maͤchtig ward / und im andern Streich den Thaͤter ſo ungeſtuͤm an den Hals zeichnete / daß er gleich zur Erden ſtuͤrtzte. Hierauf erſahe der Printz ſein Vorthel / und ſprang / um den Ruͤcken zuverſichern / an einen Baum: Da ſich denn dieſe Schelmen uͤber den Tod ihres Mit-Geſellen dermaſſen ereyfferten / daß ſie gleichſam als blind und raſend einzulauf - fen ſich bemuͤheten. Dahero ſich auch einer den vorgehaltenen Sebel des Printzen unter der lin - cken Bruſt dermaſſen einlieff / daß er todt davon niederſanck / und den vorgeſetzten Streich nicht vollziehen konte. Es wuͤrde aber unſern Balacin noch ein groͤſſerer Unfall betroffen haben / wenn nicht das Verhaͤngnis ſelbſt vor ihn den Streichaus -5Erſtes Buch. ausgenommen haͤtte. Denn als er den Sebel nicht ſo geſchwinde / wie es die Noth erfoderte / aus dem Leibe des Eingelauffenen ziehen konte / ver - ſuchte der Dritte durch einen grauſamen Hieb / den Tod ſeiner Cameraden zu raͤchen / und holte demnach aus allen Kraͤfften aus / dem Printzen den Kopff zu ſpalten: Welches ihm auch richtig gelungen waͤre / wenn nicht ein treuer / und uͤber - hangender Aſt den Streich aufgefangen haͤtte. Denn als der Moͤrder vor Raſerey den Aſt nicht bemerckte / hieb er ſo grimmig hinein / daß er nicht allein den Sebel muſte ſtecken laſſen: ſondern auch / als Balacin hiedurch ſeinen Sebel wieder zu gewinnen / Zeit bekam / von ſelbten einen ſchwe - ren Streich in die Achſel empfing / daß er ſo fort / wo er nicht den andern beyden gleich werden wol - te / das Reiß aus ſpielen muſte: Wiewohl er leicht wuͤrde einzuholen gewefen ſeyn / wann nicht Bala - cin ſo wohl gegen der fernen Reiſe / als auch ziem - lichen Verwundung dermaſſen ermuͤdet / daß er vor Ohnmacht in das Graß nieder ſanck / und ſich in ziemlicher Weile nicht zu entſinnen wuſte / in was vor elenden Zuſtande und gefaͤhrlichem Or - te er waͤre.

Als nun der verwundete Printz faſt bey einer Stunde gantz entkraͤfftet gelegen hatte / erholte er ſich endlich in etwas wiederum / und bemerckte von fernen einige redende Stimmen. Dahero er ſich nicht unbillich eines fernern Uberfalls be - ſorgte / und deßwegen einen ſichern Ort / allwo erA 3nur6Der Aſiatiſchen Baniſe. nur etliche Stunden der hoͤchſt-benoͤthigten Ru - he pflegen / und ſo dann des Himmels Schickung mit Gedult erwarten koͤnte / zu ſuchen bedacht war. Jn ſolcher Entſchlieſſung bemuͤhte er ſich zu erheben. Als er ſich aber kaum auff einen Schenckel ſteuerte / fiel er vor groſſer Schwach - heit / ſo ihm der groſſe Verluſt des Gebluͤtes ver - urſachte / wieder dahin. Weil aber die Stimmen ſich naͤherten / verſuchte er ſein euſerſtes / auf allen Vieren dieſen gefaͤhrlichen Platz zu verlaſſen: in - dem er ſich befuͤrchtete / der Entriſſene moͤchte ein groͤſſeres Ungluͤck uͤber ihn herbey fuͤhren: Dero - wegen kroch er voller Mattigkeit und Furcht bey dreyhuntert Schritte fort / bis er an einen breiten Fluß gelangte / welcher ihm Hoffnung und Flucht benahm. Nachdem er aber ein ſtarckes Geraͤu - ſche hinter ſich vernahm / entſchloß er / ſich dem ſandichten Ufer anzuvertrauen: Welches / ob es zwar ziemlich erhoͤhet war / dennoch etliche Schꝛit - te breit truckenen Sand unter ſich zeigete / und von einigen Baͤumen beſchattet wurde. Dannenhe - ro er ſich / ſo viel ſeine Schwachheit zuließ / ſanffte am Ufer herunter ließ / alwo ihm das Gluͤcke eine weite Hoͤle unter den Wurtzeln der Baͤume / die das reiſſende Waſſer unterwaſchen hatte / dar - bot / ſich derer in dieſer Gefahr zu bedienen. Wel - che angenehme Gelegenheit er willigſt ergriff / und ſich nach Vermoͤgen eilends darein verbarg: in - dem er bereits einige Perſonen auff dem hohen U - fer alſo reden hoͤrte: Haͤtten wir unſer Vorha -ben7Erſtes Buch. ben eine Stunde eher beſchleunigt / wir haͤtten den fremden Vogel auf Stuͤcken zerreiſſen koͤnnen. Jmmittelſt laſſet uns fleiſſig ſuchen / wer weiß / ob nicht der Fund die Muͤhe belohnet. Welchem der andere antwortete: Er kan nicht ferne von hier ſeyn: Weil er gleichfals ſein Theil bekam / daß er unmoͤglich weite Springe wird haben machen koͤnnen. Unterdeſſen laſſet uns unſere entſeelte Cameraden dem Ufer dieſes Fluſſes anbefehlen / derſelbe mag ſie bey anwachſendem Waſſer hin - fuͤhren / wo ihr Grab beſtimmet iſt. Bekommen wir aber den moͤrderiſchen Verraͤther / ſo ſoll er ih - nen ein grauſames Schlacht-Opfer werden. Hiemit ſtuͤrtzten ſie die zwey vom Printzen entleib - te Coͤrper vom Ufer auf den Sand / daß ſie gleich vor die Hoͤle zu liegen kamen / und giengen mit harten Bedrohungen davon. Solches ſahe und hoͤrte Balacin alles an. Weil ihn aber die Wun - de ſehr ſchmertzte / und er des Schlaffes ſehr be - noͤthiget war: als reiß er den Saum von ſei - nem Japaniſchen Rocke / verhuͤllte die Wunde / ſo viel moͤglichen / daß nur das Gebluͤte geſtillet wur - de / wickelte ſich in den Mantel / welchen er nebſt den Sebel wohl bedachtſam mit ſich genommen hatte / und ſchlieff alſo vor hoͤchſter Mattigkeit ein. Jn ſolcher Ruhe verhahrrte er bis an ſpaͤten A - bend da bereits der Mond mit vollem Liechte auf - gegangen war / vermittelſt deſſen er das Silber des rauſchenden Fluſſes / und zugleich die zwey Lei - chen auff dem Sande erſehen konte. Hier kan ſichA 4ein8Der Aſiatiſchen Baniſe. ein furchtſames Hertze die entſetzlichſten Vorſtel - lungen einbilden / welche auch der Hertzhafftigkeit ſelbſt eine Furcht einzujagen vermoͤgen: Eines Theils quaͤlte den Printzen die Wunde / und zu - gleich der Hunger / welchen er in zweyen Tagen durch ſtetes Reiſen und Faſten erwecket hatte. Andern Theils ſahe er ſich von der Nacht / die ein Schrecken an ſich ſelbſten iſt / an einem ſo unbe - kanten ſchrecklichen Orte uͤberfallen. Die vor der Hoͤle liegende / und mit Schand und Blut beſu - delten Coͤrper aber / deren ieder ſo ein graͤß - liches Geſichte zeigete / als ob er drohete / ſich auch im Tode an dem Printzen noch zu raͤchen / ver - mehrten das natuͤrliche Entſetzen. Ja was noch abſcheulicher war / ſo befand er neben ſich in der Hoͤle unterſchiedene andere Leichen / welche vor zwey Wochen der tyraniſche Chaumigrem bey dem jaͤmmerlichen Blut-Bade in Pegu in den angelauffenen Fluß werffen laſſen / und ſo dann das Waſſer in dieſe Hoͤle gefuͤhret hatte / worin - nen ſie nach getrocknetem Ufer waren liegen blie - ben: und ſchiene es / als ob ein todtes Element dieſen Blut-Hund an Barmherhertzigkeit uͤbertreffen / und die Todten mit einem Begraͤbnis verfehen wollen. Jn ſolcher abſcheulichen Todten-Geſell - ſchafft befand ſich nun der armſelige Printz: Wie - wohl ſolches ſeinen Augen wegen der Finſternis wohl wuͤrde verborgẽ geblieben ſeyn / weñ er nicht / als er ſeinen Sebel zu ſuchẽ bemuͤhet war / und alſo um ſich greiffende / ſtadtt des Sebels / bald eine eiß -kalte9Erſtes Buch. kalte Hand / bald einen Kopff voll Haare / und an - dere bereits vermoderte Menſchen-Glieder / in die Hand bekommen haͤtte: Welches ihm dermaſ - ſen entſetzlich vorkam / daß er faſt ſeiner Schmer - tzen vergaß / und nach ergrieffenen Sebel und Mantel auff allen Vieren ſich eilend nach dem Ausgang der Hoͤlen begab: alda er ſich / um ſeinen elenden Zuſtand recht zu betrachten / und mit ſich zu rathe zu gehen / was und wie er ferner ſeine Sa - che anſtellen / und wohin er ſich bey ſo eiteler Nacht wenden wolte / auf ſeinen zuſammengeroll - ten Mantel ſetzte. Denn in der furchtſamen Hoͤlen die gantze Nacht zu bleiben / wolte er lieber den Tod erwehlen: zumahl der Mond den Un - tergang draͤute. Jhr Goͤtter! hub er bey ſich ſelb - ſten an / ſo muͤſſen mich auch durch euer ungerech - tes Schickſal die Todten verfolgen und aͤngſti - gen / nachdem die Lebendigen euren Befehl / mich in das Grab zuſtuͤrtzen / nicht vollbringen koͤnnen. Jſt dieſes die Ruhe / deren ihr mich durch euren Prieſter zu Pandior verſichern laſſen? Doch ſol - te mir dieſes Elend eine Erfuͤllung euer Zuſage ſeyn: wenn ich nur wuͤſte / daß hiedurch der him̃ - liſchen Baniſen im geringſten geholffen wuͤrde. Ja / koͤnte ich ihre Befreyung und Sicherheit be - foͤrdern: ich wolte mich gern als ein Todter dieſen Todten beygeſellen. Verhaſten Goͤtter! Jch ſehe es wohl / daß ihr meinen Untergang beſchloſſen habt: ich bitte euch aber um euer vermeinten Ge - rechtigkeit willen; ihr wollet mein Leben verſpa -A 5ren /10Der Aſiatiſchen Baniſe. ren / biß die erzuͤꝛnten Bꝛamaner mich zerfleiſchen / und ihren von mir ermordeten Koͤnig an mir raͤ - chen werden: damit ich alſo durch meinen Tod der Engliſchen Baniſen einen erſprießlichen Dienſt leiſten koͤnne.

Unter ſolchen Sterbens-Gedancken wurde unſer Printz von einem herab-ſpringenden Tyger nicht wenig erſchrecket / welches die Leichen gewit - tert / und alſobald aufs grauſamſte in die Coͤrper hinein fraß. Solchem aber zu zuſehen / erachtete der Printz nicht vor rathſam / aus Furcht / es moͤch - te die Todten verlaſſen / und die Lebendigen ſuchen. Dañenhero wagte ers getroſt / als er ſeinen Vor - thel an dem heiß-hungrigen Thiere / welches bloß auf ſeine Speiſe Achtung gab / erſahe / und wolte ihm mit entbloͤſtem Sebel einen ſpaltenden Streich uͤber das Haupt verſetzen: verfehlte aber ſolches zu beſſerm Gluͤcke / und hieb ihm die rechte Tatze / welche es in das Fleiſch eingeſchlagen hat - te / glat hinweg: daß es alſo / indem es nach ihm zu ſpringen vermeinte / auf die Seite fiel / und er es nach vielen Hieben und Stichen vollend hinrich - ten konte. Solches erkeñete Balaein als ein gutes Vorzeichen / woruͤber er ein innerliches Vergnuͤgẽ empfand / und in dieſe Worte heraus brach: Ver - zeihet mir / guͤtigſten Goͤtter! wo mir etwa allzu groſſe Ungedult ſolche Worte abgedrungen / wel - che zu euerer Beleidigung gereichen koͤnnen. Denn wo Schmertz und Verzweiffelung den Sitz neh - men; da muß Gedult und Vernunfft oͤffter hin -dan11Erſtes Buch. dan ſtehen. Schauet vielmehr mein Elend / und laſſet ab / Koͤnigliches Blut zu verfolgen / und mich ferner zu quaͤlen. Laſſet das bereits vergoſſene Blut von Pegu genung ſeyn / die Glut eures allzu feurigen Zornes auszuloͤſchen / und mach[e]t mich zu einem Werckzeuge / wodurch Pegu gerettet / der Kaͤyſer gerochen / und die Princeſſin erloͤſet werde. Ja laſſet dieſes Tyger ein begluͤcktes Vorbild ſeyn: daß auch der Tyranne durch meine Fauſt auf ſolche Art fallen muͤſſe. Vor ietzo aber zeiget mir verirrten Printzen Weg und Steg / wie ich aus dieſer Moͤrder-Grube meinen Fuß ziehen / und wohin ich mich / meinen Vorſatz gluͤcklich zu voll - ſtrecken / wenden moͤge. Ehe er aber ſolche An - dachts-volle Seuftzer endigte / hoͤrte er abermal einen Laut redender Perſohnen uͤber ſich. Und ob ihm ſolches gleich Anfangs einen Schrecken bey - brachte / hielt er ſich doch / ſo weit es die Sicherheit erlaubte / auſſer der Hoͤle / um deſto beſſer alle Re - den zu bemercken: Welche er denn in folgenden Worten vernahm: Und auf wen ſolte ſich wohl unſere Hoffnung gruͤnden? Der Kaͤyſer iſt todt: Die Princeſſin iſt verlohren: Der Printz von A - va kan / und ſein Vater der Koͤnig / will uns nicht helffen / in dem er vermeinet zu ſchwach zu ſeyn; nicht bedenckende / daß eine gerechte Sache / und des Himmels Beyſtand / mehr als zehn Armen auszurichten vermoͤgen. Mein Vater / fiel ihm der andere in die Rede / regierten nur die Goͤtter den Printzen von Ava / daß er ſeiner Pflicht gegen un -ſere12Der Aſiatiſchen Baniſe. ſere Princeſſin ingedenck waͤre / und ſich in geheim zu uns verfuͤgte: ich verſichere / es wuͤrden ſo viel tauſend treue Peguaner / welche ihr Blut und Vermoͤgen / zur Rache ihres unſchuldigſt-ermor - deten Kaͤyſers / willigſt aufzuopffern bereit ſeyn / auf ſeine Seite treten / daß er keiner andern Huͤlffe benoͤthiget ſeyn wuͤrde. Jch weiß nicht / mein Sohn / hub der erſtere an / was ich mir vor Ge - dancken von dem Printzen faſſen ſoll? Jch habe bereits vor ſechzehen Tagen einen ſchleunigen Be - richt von dem jaͤmmerlichen Zuſtande des Kaͤy - ſerlichen Hauſes / und der euſerſten Gefahr ſeiner Princeſſin / nach Ava abgeſendet / welchen er auch / wie ich vernehme / richtig erhalten / und gleichwohl ſiehet und hoͤret man nichts von ſeiner Verrich - tung / da doch iedweder Augenblick der troſtloſen Princeſſin den endlichen Untergang drohet. Je - doch wird er ſeine edele Pflicht bedencken / und auf grauſamſte Rache bedacht ſeyn. Hieruͤber er - ſeuffzete der Printz ſo tieff / daß ſie auch ſolches auf dem Ufer vernehmen konten / welches ihnen eine entſetzende Verwunderung verurſachte / und dem Talemon dieſe Worte heraus lockte: Jch halte davor / daß auch die ſtummen Baͤume durch ſolche Tyranney beweget werden / und ihr Mitleiden durch deutliche Seuffzer zu verſtehen geben wol - len Als aber der Printz ſolches Seuffzen wieder - holete / konte ſich Talemon nicht enthalten / weil er eine nothleidende Perſon in der Naͤhe vermuthe - te / etwas lauter zu forſchen / ob iemand vorhanden /wel -13Erſtes Buch. welcher Huͤlffe benoͤthiget waͤre. Auf ſolche Nach - frage entſchloß ſich Balacin / welcher ſolches vor eine Goͤttliche Schickung annahm / zu antwor - ten / und ſagte: Wer ihr auch ſeyd von Goͤttern oder Menſchen an dieſen Ort begleitet / erbarmet euch uͤber eine Perſon / derer Gemuͤthe verwun - det / und der Leib beſchaͤdiget iſt. Ponnedro / alſo nennete ſich der juͤngere / ward durch ſolche Stim - me dermaſſen bewegt / daß er ſich alſobald am U - fer herunterließ / und hefftigſt erſchrack / als er bey Monden-Schein die todten Coͤrper und das nie - dergehauene Tyger erblickte; der Printz aber er - munterte ihn mit dieſen Worten: Entſetzet euch nicht / mein Freund / vor dieſem heßlichen Anblick. Dieſe zwey entſeelten Moͤrder haben nach mei - nem Leben unverſchuldeter Weiſe getrachtet: der Schutz des Himmels aber hat ſie der Schaͤrffe meines Sebels uͤbergeben / wiewohl ich zugleich einen Theil meines Gebluͤtes ihrer Mord-Begier aufopffern muͤſſen. Weil ich denn nun ſchon ſo lange an dieſem einſamen Orte / von allen Men - ſchen entfernt / und in meinem Blute hier liegen muͤſſen / da ohne Zweiffel dieſe Hoͤle mein Grab ſeyn wuͤrde / ſo bitte ich euch um des Himmels wil - len / wo ihr ja von dem Anhange des Tyranniſchen Kaͤyſers ſeyd / durchſtoſſet mein Hertz / und be - freyet Leib und Gemuͤthe von Qvaal und Schmer - tzen. Seyd ihr aber aus dem Geſchlechte der Menſchen / und aufrichtige Peguaner / ſo erbar - met euch uͤber den / welchen der bekuͤmmerte Printzvon14Der Aſiatiſchen Baniſe. von Ava an alle getreue Peguaner zu ihrem be - ſten abgeſchicket hat. Von wem? fragte Ponne - dro gantz begierig. Vom Printzen Balacin / ant - wortete er ſelbſt / welcher / ſeine geliebte Princeſſin zu retten / ſich bald in Perſon einſtellen wird. Ach! rieff Ponnedro ſeuffzende / zum raͤchen / aber nicht zum retten. Wie ſo? fragte der beſtuͤrtzte Printz / iſt Baniſe bereit geſchaͤndet / oder vielleicht gar todt? Es iſt ietzt nicht Zeit / hiervon zu reden / ant - wortete Talemon. Begebet euch nur mit uns nach jenem Schloſſe / und genieſſet allda benoͤthigte Ruhe und Speiſe: Morgen ſoll euch alles zur Gnuͤge entdecket werden. Ob nun zwar ſolche Ungewißheit unſerm Printzen hoͤchſt beſchwerlich vorkam / ſo folgete er ihnen doch endlich mit ſachten Schritten / biß in das nahgelegene Schloß / da ſie ihn nach geſchehenem Eintritt durch eine hohe Wendel-Stiege / welche ihm wegen der Wunde ſchmertzlich zu ſteigen war / in ein finſteres Gemach fuͤhreten / auch ihn / ſo bald er hinein getreten / ver - lieſſen / und die Thuͤr hinter ihm zuſchloſſen. Hier war der Printz abermahl in tauſend Sorgen und Aengſten / und wuſte nicht / ob er Freunden oder Feinden ſich vertrauet hatte. Das Gemach ſchie - ne gantz ſchwartz zu ſeyn / und nach eroͤffnetem Fenſter ſahe er einen ſteilen Felſen hinunter / deſſen Thal voller Baͤume und Straͤucher ſtund / darin - nen einige Woͤlffe entſetzlich heuleten / welche un - angenehme Muſic etliche Eulen mit ihrem Ster - be-Geſchrey vermehreten / daß unſerm Printzendie15Erſtes Buch. die Haare zu Berge ſtunden / und nicht anders ver - meynte / er waͤre aus einer Moͤrder-Grube ins Grab gerathen. Als er nun in ſolcher Furcht und Sorge faſt zwey Stunden verharret / kam ein al - ter Mann mit einer Laternen hinein / welcher ihn mit folgenden Worten ſeiner Angſt entledigte: Verzeihet mir / mein Freund / daß ich euch ſo lange einſam gelaſſen / und nicht ſo wohl euern Magen mit Speiſe / als auch den muͤden Leib mit einem geruhigen Lager / verſehen habe. Jnmittelſt laſ - ſet mich euere Wunde gebuͤhrend auswaſchen und verbinden / nehmet ein wenig Speiſe zu euch / und ruhet ſo dann ohne Furcht und Bekuͤmmer - niß. Die Goͤtter verlohnen es euch / antwortete der Printz / daß ihr ſo ſorgfaͤltig vor meine Ge - ſundheit und Beruhigung ſey. Jnzwiſchen wolte ich wuͤnſchen / euren Nahmen zu wiſſen: angeſe - hen mir die Sprache vorkoͤmmt / als ob ich die Perſon kennen wuͤrde / wenn ich ſie bey mehrerm Liechte betrachen ſolte. Es iſt euch ſolches nicht noͤthig zu wiſſen / wiederredete der Alte. Jch will mich ſchon offenbahren / wenn ich das Gluͤcke ha - ben werde / den wehrten Printzen von Ava in Per - ſon zu bedienen. Mit dieſen Worten langte er das Liecht hervor / und erleuchtete durch zwey an - gezuͤndete Lampen das gantze Gemach: vermit - telſt deren der Printz den Alten voͤllig erkante / und ihm gantz entzuͤckt um den Halß fiel. Ach Tale - mon! rieff er / mein allerwehrteſter Talemon! wie wohl hat mich der Himmel verſorget / daß er michzu16Der Aſiatiſchen Baniſe. zu euch gefuͤhret hat! Der alte Taleom erſchrack anfangs hefftig hieruͤber / endlich aber / wie er den Printzen ſahe / fiel er vor ihm nieder / und kuͤßte deſſen Knie / ſagende: O ihr Goͤtter! was vor eines Gluͤckes wuͤrdiget ihr mich? Jſt es moͤglich / Durchlauchtigſter Printz / daß es ſeine hohe Per - ſon iſt? oder wollen mich nur die Geiſter aͤffen / und meine Augen betruͤgen? Der Printz / welcher ſich wegen ſeiner Wunde allzuhefftig beweget hatte / ermahnte ihn / ſolche Freud - und Ehren-Be - zeigungen zu verſparen / biß zu gelegener Zeit: Und weil er wuſte / daß er ſich auff die Wunden-Cur wohl verſtund / bat er vor allen Dingen / nach der Wunde zu ſehen / und ihn zu verbinden. Welches Talemon fleißig verrichtete / und als er den Prin - tzen mit Speiß und Tranck ſattſam erqvicket / be - reitete er ihm ein ſolches Lager / worauff er beſſer / als in der Todten-Hoͤle / ruhen konte: wuͤndſch - te ihm ſo dann eine gute Nacht / und begab ſich auch zur Ruhe.

Es wurde aber kaum die Annaͤherung der Sonnen durch einige Liecht-Strahlen bemercket; Als der muntere Talemon ihr zuvor kam / das La - ger verließ / und ſich in ſeinen Garten verfuͤgte / al - da aufs fleißigſte zu ſorgen: Wie ſo ein hoher Gaſt wuͤrdig und ſicher moͤchte bewirthet / bevor - aus aber ihm der ſchmertzliche Verluſt ſeiner Princeſſin auff ſolche Art hinterbracht werden / daß noch einige Hoffnung die Verzweifflung hin - dern koͤnne. Wegen der Sicherheit nun / hielt ervor17Erſtes Buch. vor rathſam / bey dem Vorgeben eines Hoff-Jun - ckers von Ava zu beruhen: Das andere aber wolte er bey erſter Nachfrage mit zweiffelhaffter Rede beantworten / bis voͤllige Beſſerung ſeiner Wunde ſich verſpuͤren lieſſe. Als aber waͤhren - den Nachſinnens das angenehme Welt-Auge / in dem ſpringenden Waſſer eines in den Garten ſte - henden Kunſt-Brunnens artige Vorſtellungen machte / und ſolches den Talemon erinnerte / nach zuſehen / ob den Printzen der Schlaff verlaſſen / und ob er was benoͤthiget waͤre: eilte er zufoͤrderſt ſeiner Frauen / der Haſſana / zu / und ermahnte ſie / etwas von einem Fruͤhſtuͤcke zu verfertigen / wel - ches zugleich ſtaͤrckte und ſaͤttigte: weil ſich der geſtrig-ſpaͤte Gaſt etwas uͤbel auf befaͤnde. Da denn gedachte Haſſana / theils aus angebornem weiblichen Vorwitze / theils aus Antrieb ihrer Pflege-Tochter Lorangy / nicht unterließ / fleißigſt nach zuforſchen: Wer doch erwehnter Gaſt ſeyn muͤſte? Welche er aber mit der im Garten er - ſonnenen Antwort befriedigte. Hierauff gieng er gantz leiſe nach des Printzen Zimmer / und eroͤfne - te die Thuͤre in moͤglichſter Stille: in willens / die annoch brennden Nacht-Lampen ihres Ammtes zu erlaſſen / und auszuloͤſchen. Als er nun unfern dem Lager kam / bemerckte er / daß ſich des Prin - tzen Mund bewegte / auch / nach etlichen tieffgehol - ten Seufftzern / dieſe Worte im Schlaffe vor - brachte: Baniſe muß auch im Tode leben / und ich ſterbe lebendig. Worauff er gantz ſanffteBwie -18Der Aſiatiſchen Baniſe. wieder eingeſchlaffen ſchien. Jndem aber Tale - mon durch eilende Uuvorſichtigkeit eine Lampe herunter ſtieß / wachte der Printz uͤber ſolchem Ge - toͤſe auf / und wuͤndſchte / ſo bald er den Talemon erblickte / ihm einen begluͤckten Morgen / zugleich danckende / daß er ihn von einem ſchweren Trau - me entlediget haͤtte / welcher ihn nicht unbillich be - kuͤmmerte / und ein ſchmertzliches Nachdencken verurſachte. Talemon war begierig / ſolchen Traum zu wiſſen: Dannenhero ſolchen Balacin folgender Geſtalt erzehlete: Es iſt mir die unver - gleichliche Baniſe vor wenig Stunden erſchienen: Da ich bemerckte / wie ſie mir mit thraͤnenden Au - gen und ringenden Haͤnden zuwinckte / und mich / weil ſie mit vielen grimmigen Elephanten umge - ben war / gleichſam um ſchleunige Huͤlffe aufs be - weglichſte anflehete. Als ich mich nun bemuͤhe - te die Elephanten mit viel ſchmeichelnden Wor - ten / und vorhaltendem Futter / zu beſaͤnfftigen: erwiſchte ich die Princeßin bey der Hand / und ſchien es / als ob wir durch eine ſanffte Lufft denen Elephanten aus den Augen gefuͤhret wuͤrden. So hoch mich nun dieſe vermeinte Beſitzung ver - gnuͤgte / ſo hefftig ward ich beſtuͤrtzt / als mich dauchte: wie mir durch eine ſtarcke Flamme die Princeßin von der Hand geraubet wuͤrde. Da ich ihr nun mit klaͤglichen Geberden nachfolgete / und ſie wehmuͤthigſt ſuchte / erblickte ich ſie zwar wiederum: muſte aber mit bekuͤmmerten Augen anſehen / wie mich ein breiter Fluß verhinderte / zuihr19Erſtes Buch. ihr zu kommen: und ob ich mich gleich bemuͤhte / ſolchen zu uͤberſchwimmen / ſo wurde ich doch von vielen entſetzlichen Crocodilen zuruͤcke gehalten / welche mir mit auffgeſperrten Rachen den Tod draͤueten. Jn ſolcher Angſt habt ihr mich nun erwecket / und mich ſchleunigſter Andacht erin - nert / die erzuͤrnten Goͤtter anzuflehen / daß ſie alle uͤble Deutung verhindern / und mich mit er - wuͤndſchter Huͤlffe beſeligen wollen. Aber / ach mein Talemon / entdecket mir doch aufrichtig / in was vor einem Zuſtande ich meine wehrte Prin - ceßin wiſſen ſoll? Talemon entfaͤrbte ſich / und erinnerte mit kurtzen Worten / vor ietzo nur ſeiner Geſundheit zu pflegen / und den vorhin matten Leib durch uͤbriges Sorgen nicht ferner zu ſchwaͤ - chen. Solches aber betruͤbte den Printzen um ſo viel mehr / daß er im Bette auffuhr / und mit klaͤg - licher Stimme fragte: Talemon! ich beſchwere euch bey dem Geiſte / der ohne Zweiffel entſeelten Baniſe ſaget mir: Jſt die Princeßin todt oder lebendig? Welche Worte von einer ſolchen her - vor ſcheinenden Verzweiffelung begleitet worden / daß ſich Talemon kaum erholen / und alſo beant - worten konte: Ey was todt! hat es doch dem Printzen dieſen Augenblick getraͤumet / daß Ba - niſe noch lebet; und ſolcher Traum giebet meiner Wiſſenſchafft Beyfall / ein mehrers zu wiſſen / iſt vor dißmal nicht noͤtig: es ſey dann: daß einige Großmuth die Empfindligkeit daͤmpffe. Lebet nur Baniſe noch / wiederredete Balacin / ſo herr -B 2ſchet20Der Aſiatiſchen Baniſe. ſchet eine großmuͤthige Hoffnung / und dieſer feſte Entſchluß / in mir / ſie mit meinem Blute zu retten und zu raͤchen. Ein ſolcher Vorſatz iſt Ruhms wuͤrdig! war Talemons Gegen-Rede; denn ich muß bekennen: wir leben alle ſo weit in der Un - gewißheit / daß wir zwar / leider! wiſſen / und mit Augen angeſehen haben / wie das gantze Kaͤyſer - liche Hauß von Pegu / nebſt dem Kaͤyſer Xemi - nelo / erbaͤrmlich hingerichtet worden: allein / ob die Princeßin ſich in der Zahl der Lebendigen oder Todten befinde; ſolches beruhet in der angeneh - men Hoffnung: daß die Goͤtter viel zu gnaͤdig ſind / ein ſolches Bild der Vollkommenheit ver - derben zulaſſen. Jnzwiſchen ſorge er nur vor ſei - ne Geſundheit / vertraue den Goͤttern / und wiſſe / daß ſie auch vom Tode erretten koͤnnen. Es wird noch heute mein Sohn / welcher aus tyranniſcher Heucheley Ober-Hoffmeiſter des Kaͤyſerlichen Frauen-Zimmers iſt / und mich dieſen Nachmit - tag beſuchen wird / beſſere Nachricht hiervon ge - ben koͤnnen.

Auff ſolche Worte blieb der Printz gantz unbe - weglich liegen / und ließ durch die geſchloſſenen Au - gen einige Thraͤnen hervor flieſſen / welche den Talemon bewegten / ihn noch ferner auffzumun - tern: Durchlauchtigſter Printz! es hat mich Selbter vorhin bey dem Geiſte der Baniſen be - ſchworen / ihr Leben oder Tod zu entdecken. Was hindert aber mich: daß ich deſſen zweiffelmuͤthi - ge Seele gleichfals bey dem / annoch in dem ſchoͤ -nen21Erſtes Buch. nen Leibe wohnenden Geiſte der uͤberirrdiſchen Princeßin beſchwere: ſich allen ſchaͤdlichen Kum - mers zu entſchlagen / Leib und Gemuͤthe heilen zu laſſen / und alsdenn auf ihre Rache und Rettung bedacht zu ſeyn. Jch bin verſichert / die Goͤtter werden uns inzwiſchen mit ſo gewuͤndſchter Nachricht erfreuen: daß wir die groͤſte Urſache haben werden / ihnen vor den ſuͤſſen Lohn unſerer Muͤhe gnugſam zu dancken. Solches Einreden vermochte den Printzen ſo weit; daß er verſprach / biß zugewiſſerer Nachricht von ihrem Zuſtande / ſein Gemuͤthe zu beruhigen / und inzwiſchen mit Gedult den Ausgang der beſten Hoffnung zu er - warten. Nach ſothanen Verſprechen / loͤſete Ta - lemon das Band der Wunden auff / und erſahe mit Vergnuͤgen / wie ſich ſolche ſo wohl geſetzet und gereiniget hatte: dahero that er ein wenig Sand von dem(α)Jſt ein ſchwartzer Felß / mit weiſſen Steinen un - termenget / in der Landſchafft de los Conchucos: Wel - cher alle Wunden / wenn er klein zerſtoſſen gebrauchet wird / an Menſchen und Viehe heilet. Beſiehe ferner hiervon Franciſci Kunſt - und Sitten-Spiegel p. 258. Wund-Steine aus Peru in die Wunde / gab ihm auch hiervon etwas in warmen Wein ein / und band den Schaden / mit Verſiche - rung / in acht Tagen voͤllige Bewegung zu erlau - ben / wieder zu.

Nach dieſer Verbindung wurden einige ſtaͤr - ckende Sachen von der Haſſana und ihrer Pfle - ge-Tochter uͤberbracht / welche den Printzen / als einen ihres Standes / empfiengen: Haſſana aberB 3ſtellete22Der Aſiatiſchen Baniſe. ſtellete ſich uͤber ihre Gewonheit ſehr freundlich an; ob ſie gleich ſonſten / als des Talemos vierdte Ehefrau / durch ſteten Wider-Sinn ihrem alten Ehe-Herrn die allgemeine Lehre gab: Es ſey nichts gefaͤhrlicher / als eine offt wiederholte Ehe; weil man nothwendig ſich einmal verbrennen muͤſſe: wann man die Flamme zu offte verſuchen wil. Lorangy ließ ſich hingegen den erſten An - blick des Printzen dermaſſen entzuͤnden: daß man die Buchſtaben der Liebe gantz deutlich in ihren Augen leſen kunte. Aller maſſen ſie ſich ſehr ge - ſchaͤfftiget um den Printzen erwieſe / und ſich an - genehm zu machen / der geſtalt bemuͤhete / daß es dem Printzen leicht war / etwas mehrers / als eine haͤußliche Auffwartung daraus abzunehmen. Sie war ſonſt von gemeiner Schoͤnheit / mehr lang und ſtarck / als wol gewachſen / blaſſer Far - be / verliebter Augen / etwa 24. Jahr alt / und end - lich einer Standesgleichen Liebe noch wol wuͤr - dig: Auſſer / daß man einigen Mangel / des ſonſt dem Frauen-Zimmer anſtaͤndigen Verſtandes / an ihr verſpuͤhrte: indem ſie die Flammen ihrer Begierde durchaus nicht verbergen / noch ſich in allzu hefftiger Liebes-Bezeugung maͤßigen kunte. Und ſolches ließ ſie auch hier dermaſſen mercken: daß es ſchiene / als ob ſie durch des Printzen Ge - ſtalt gantz bezaubert waͤre. Dennoch aber ließ ſie hierinnen einen Funcken ihres Verſtandes / in Urtheilen der Liebe / ſo weit blicken / wenn man ſaget / daß ſie in der Wahl ihrer Liebe nicht geirrethabe.23Erſtes Buch. habe. Denn / zu geſchweigen des hohen und ihr unbewuſten Standes / ſo war er eine wolgewach - ſene / mehr lang als kurtze Perſon. Sein Haupt war mit Caſtanien-braunen / und von der Natur gelockten Haaren umgeben. Er hatte ſchoͤne groſſe und graulicht-blaue Augen / woraus nichts als Anmuth und ein hoher Verſtand blitzte. Dem ſchoͤnen / wiewol itzt etwas blaſſen Munde / ſtund ein freundliches Lachen und Reden uͤber die maſſen wol an; und aus der wol geſtalten / in der Mitten etwas erhabenen Naſe / kunte man deſſen Großmuͤtigkeit erkennen. Seine freye und un - gezwungene Anſtaͤndigkeit der Geberden / wolte immer ſeines Standes Verraͤther ſeyn. Jn Summa: Leib / Verſtand und Gemuͤthe war mit einer ſolchen Vollkommenheit begabet / daß ſeine Perſon die Abbildung eines vollſtaͤndigen Printzens ſattſam vorſtellen kunte. Jn ſolche Leibes - und Gemuͤths-Gaben war nun Lorangy nicht unbillig verliebt / und hatte hierinnen mit einer Princeßin etwas gemeines / daß ſie gleichfalls ihre Liebe / wiewol mit Unterſcheid des Jrrthums / einem Printzen wiedmen wolte. Die - ſer Jrrthum verleitete ſie ſo weit / daß ſie / ihre Auf - wartſamkeit zu bezeugen / durch oͤffters zu rechte Ziehen des Hauptkuͤſſens ſich dermaſſen zu ihm buͤckte / daß es ſchiene / als ob ſie ihre Lippen auff des Printzen Mund legen / und ihn gar kuͤſſen wol - te. Allein der Printz / welcher das Kleinod belieb - ter Keuſchheit ſeiner Tugend-Crone angehefftet /B 4und24Der Aſiatiſchen Baniſe. und iederzeit vor allen unordentlichen Begierden mercklichen Abſcheu getragen hatte / wurde hier - uͤber derm aſſen ungedultig / daß er faſt ſeines Zuſtandes vergeſſen / und eine Verſchonung an - befohlen haͤtte: wann nicht indem die Ankunfft des Ponnedro waͤre berichtet worden; woruͤber Haſſana und Lorangy das Zimmer verlieſſen. Talemon aber gieng ſeinem Sohne entgegen / vermeldete ihm des Printzen Anweſenheit / und fuͤhrte ihn hinein: da er ſich alſobald dem Prin - tzen ehrerbietig nahete / die Hand kuͤſſete / und alſo anredete: Durchlauchtigſter Printz! Die Freu - de uͤber dero hohen Gegenwart und die innigſte Begierde / vor dero Koͤnigliches Wolſeyn zu ſter - ben / halten einen angenehmen Wettſtreit in mir. Jnmittelſt zwinget mich meine Pflicht / gehor - ſamſt auffzuwarten / um gnaͤdigſten Befehl / wor - innen ich dienen ſoll / anzunehmen. Wertheſter Ponnedro / antwortete der Printz / es iſt mir leid: daß ihr mich nicht in dem Stande findet / worin - nen ich eure bekandte Treue vergelten / und ſolche nach Wuͤrden belohnen koͤnte. Jch wil aber in - zwiſchen hoffen: es werde die fremde Herrſchafft / oder vielmehr Tyranney nicht etwan auch euer Gemuͤthe entfremdet / noch veraͤndert haben. Al - lergnaͤdigſter Herr / wiederredete Ponnedro / wañ ich nicht wuͤſte / daß ich in meinem Zuſtande / we - gen in Haͤnden habenden Gelegenheit / mehr / als ſonſten / dienen koͤnte: ſo wolte ich von Stund an mein Ammt ablegen / mit eigener Fauſt den ty -ran -25Erſtes Buch. ranniſchen Chaumigrem auffopffern / und mich in dero Schutz und Dienſte begeben. Auff ſolche Art aber verſichere ich / bey Verluſt des ewigen(*)Die Peguaner glauben drey Oerter nach dieſem Leben: als nemlich: den Ort der Pein und Marter / den Ort der fleiſchlichen Wolluft / und den Ort der Selig - keit / welchen ſie Niba nennen. Wer nun in das ewige Niba kommen wolle; der muͤſſe zu erſt vorermeldete Oerter beſuchen und ausſtehen. Roger. Heydenthum pag. 775. 776. Niba: daß dieſer ietzige Dienſt / welchen ich dem Tyrannen leiſten muß / zur Gelegenheit aͤrg - ſter Rache / wegen ſo vielen vergoſſenen Bluts / angeſehen ſey. Jch zweiffele nicht an eurer Treue / werther Freund / war des Printzen Gegen - Rede: Allein die wunderliche Anſtalt eures Koͤy - ſers befremdet mich nicht wenig / daß er gleichwol denen gebornen Peguanern / welche er / durch grauſamſte Blutſtuͤrtz - und Verwuͤſtung ihres Vaterlandes / zum toͤdtlichen Haß wider ſich ge - reitzet hat / dennoch ſolche Ehren-Aemmter / und zwar gleichſam mit denſelben den Schluͤſſel ſei - nes Lebens und Vergnuͤgung anvertrauet. Sol - ches darff ſich mein Printz gar nicht befremden laſſen / gab ihm Talemon hiervon Nachricht / denn nachdem der Bluthund von Brama gantz Pegu eingenommen / den Kaͤyſerlichen Stam̃ grauſam ausgerottet / und alle Groſſen des Reiches meh - rentheils umgebracht und verſtoſſen hatte: Wie dañ auch ich den Schluͤſſel / als bekandter Reichs - Schatzmeiſter / ablegen / und mich in dieſen einſo -B 5men26Der Aſiatiſchen Baniſe. men Stand begeben muͤſſen / bloß den Goͤttern danckende / daß mir das Leben und dieſer Auff - und Unterhalt zur Beute gelaſſen worden: ſo kun - te er ſich leicht die Rechnung machen / ſein Name wuͤrde allen Peguanern ein Haß / und ſeine Per - ſon ein Fluch ſeyn. Uber ſolche vergaͤllte Gemuͤ - ther aber gluͤcklich zu herrſchen / hielte er vor rath - ſam / durch eine und andere Wolthat die abge - wendeten Hertzen ſich wiederum zuzuneigen: Weßwegen er dann zufoͤrderſt allenthalben / ob ſich gleich niemand einiges Verbrechens ſchuldig wuſte / eine allgemeine Verzeihung ausruffen ließ. Uber das beruffte er die Soͤhne der entleibten und verſtoſſenen Vaͤter nach Hofe / theilte die vor - nehmſten Ehren-Aemmter unter ſie aus / und ſtel - lete ſich gegen iedweden dermaſſen freundlich an / als ob er niemals einig Waſſer betruͤbet haͤtte. Auff ſolche Art nun iſt auch mein Sohn zu dieſer hohen Ehre gelanget / daß er Ober-Hoffmeiſter uͤber das Kaͤyſerliche Frauen-Zimmer geworden iſt. Und / O wolten die Goͤtter! die Princeßin Baniſe waͤre unter ſeiner Hand / ſie wuͤrde bald ihren Printzen kuͤſſen / und ſolte noch einmal ſo viel Blut vergoſſen werden. Ach ſchmertzliches Erinnern! rieff Balacin / Jammer-volles An - dencken! treueſter Ponnedro / lebet Baniſe? oder heiſſet mich ihr Tod ſterben? Nicht ſterben / gnaͤ - digſter Herr! antwortete Ponnedro / ſondern raͤchen. Denn Weh mir! fiel ihm der Printz in die Rede / Baniſe iſt todt. So machetdenn27Erſtes Buch. denn / O ihr grimmigen Goͤtter / doch ein Ende / einen vorhin halb entſeelten Menſchen mit ferne - rer Qvaal zu belegen. Nunmehro ſoll mich auch nichts abhalten koͤnnen / mir ſelber das allgemeine Ende alles Ungluͤcks zuzufuͤgen. Entdecket mir nur zuvor mit kurtzen Worten / auff welche Art mir die himmliſche Baniſe im Tode vorgegangen ſey / damit ich deſto behertzter ſterben / und ihr fol - gen koͤnne. Gnaͤdigſter Herr! fuhr Ponnedro fort / ſie laſſen ſich ſo wenig Worte nicht in ſolche Verzweifelung ſtuͤrtzen / indem es ja noch nicht klar / daß die Princeßin todt iſt. Und ſolte ja das grauſame Verhaͤngniß ſo unbarmhertzig verfah - ren haben / ſo wuͤrde des Printzen Tod dem Fein - de mehr zur Ergoͤtzligkeit / als zur Rache dienen. Solte ſie aber / mehrer Vermuthung nach / noch am Leben ſeyn / wen wuͤrde alsdenn deſſen Todes - fall am empfindlichſten betreffen / als die armſe - lige Princeßin? Jhr haltet mich nur umſonſt mit vergebenen Worten auff / antwortete der ver - zweiffelnde Printz. Verhindert mich nur nicht / der jenigen nachzufolgen / welche mir den Tod ſuͤſ - ſe macht. Jch ſterbe / und befehle den Goͤttern die Rache. Hiermit ſprang er als raſende von dem Lager auf / in willens / ſich des an der Wand han - genden Sebels zu bemaͤchtigen / und den eingebil - deten Tod ſich ſelbſt zu beſchleunigen: ſie fielen ihm aber alsbald in die Armen / und brachten ihn mit groſſer Muͤhe wieder ins Bette / da ihn der al - te Talemon etwas haͤrter anreden muſte: Wie? vor -28Der Aſiatiſchen Baniſe. vormals tapfferer Printz / ſagte er / iſt es moͤglich / daß ein zweiffelhaffter Zufall den ſonſt großmuͤ - thigen Geiſt beſiegen koͤnne? Eine ſolche Ver - zweiffelung ſtehet nur niedrigen Gemuͤthern an. Wer zum Scepter gebohren iſt / der muß ſich - ber keinen Unfall aͤndern: Und Großmuͤthigkeit iſt der Printzen hoͤchſte Zierde. Dahero muß man auch in dieſem Fall den Muth nicht ſincken laſſen / ſondern ſich auff die Hoffnung eines beſſern gruͤnden. Heiſſet dieſes dem vorigen nachleben: als er ſeiner Princeßin verſprach / ſein ihr gewied - metes Leben zu ihrem Beſten moͤglichſt zu erhal - ten? Wie wird ſolches ins kuͤnfftige bey ihr zu verantworten ſeyn / wenn ſie wird Rechenſchafft der Liebe fodern? Grauſame Verhinderer mei - ner Ruhe! hub endlich der Printz an / ſo wollet ihr mir denn verwehren / die geſchworne Treu biß in den Tod zu beobachten? Nicht wir / antwortete Ponnedro / ſondern die Pflicht / gnaͤdigſter Herr / womit er der Princeßin verbunden / haͤlt ihm die Hand zuruͤcke. Dieſe Verzweifflung hat die Un - gewißheit zum Grunde / und moͤchte eine Mutter ſchmertzlichſter Reue auch nach dem Tode ſeyn. Jch ſage ja nicht: die Princeßin ſey todt; ſondern nur: daß man nicht wiſſe / wie / oder wo ihr Zu - ſtand und Auffenthalt ſey? Solches nun zu er - kundigen / und ſie zu retten / iſt ein tapfferes Hertz und kluger Geiſt hoͤchſt vonnoͤthen. Ein ver - zweiffelter Muth aber / ja ein todter Printz / wird ſie noch hefftiger betruͤben / und gewiß in den ietztun -29Erſtes Buch. ungewiſſen Tod ſtuͤrtzen. Auff derowegen / tapf - ferer Printz! er verbanne allen Zweiffel-Muth / und traue ſicherlich denen Goͤttern: ſo wird ge - wiß deſſen Hoffnung von ihnen mit einem er - wuͤndſchten Außgange beſeliget werden. Jhr troͤſtet mich mit erdichteten Worten / wendete der ſorgſame Printz ein / und wollet mir es nur ver - heelen / was das unguͤtige Schickſal an Baniſen veruͤbet hat: Hiedurch aber vermehret ihr nur meine Qvaal / und ich ſchwere euch: ihr ſollet als - denn viel zu wenig ſeyn / meinen Tod zu verhin - dern. Durchlauchtigſter Printz! war des Pon - nedro fernere Gegen-Rede. Sie geben dero hohen Vernunfft nur noch ſo viel Raum / und glauben denen Worten / welche von dero ergeben - ſten Diener ohne einigen Verdacht der Unwar - heit vorgebracht werden. Jch ſchwere bey der vor - bittenden Krafft(*)Fotoko iſt ein Abgott in Pegu / von gemiſchten Ertz gegoſſen. Dieſer Abgott hat / ihrer Meynung nach / den hoͤchſten GOtt / Duma, durch ſonderbare Vorbitte dahin vermocht / daß allen Seelen / welche an die dun - ckeln Oetter verwieſen waren / Gnade wiederfahren iſt. Roger. Heydenth. p. 795. des Fotoko / daß weder mir noch faſt einigen Menſchen in Pegu bekandt ſey / wo die Princeßin hingekom̃en / ob ſie lebendig oder todt / gefangen oder entgangen ſey? Man ſahe wohl ein enthalſetes Weibs-Bild bey drey Stun - den auff dem Marckte liegen / welches von dem Abaxar und allen Soldaten / vor die entſeelte Princeßin ausgegeben ward: Alleine / wen nurdie30Der Aſiatiſchen Baniſe. die Natur mit einiger Vernunfft begabet hatte / der kunte aus den ſtaͤrckern Gliedmaſſen leicht ab - nehmen / daß ein Sclaviſcher Coͤrper in der Prin - ceßin Kleidung ſtecken muͤſte. Solches Vor - geben wurde nun von einigen Unverſtaͤndigen vor bekandt angenommen: Hierdurch aber ſind wir in einen kummerhafften Zweiffel verſetzet / daß wir nicht wiſſen / wo unſere Princeßin geblieben ſey / und ob man ſie unter den Todten oder Leben - digen ſuchen ſolle? Die ſtarcke Muthmaſſung aber ihres Lebens dienet uns zum Troſte / und eine tapffere Hoffnung verſichert uns gewiſſer Erlan - gung des verlohrnen Kleinods. Ach / treueſten Freunde / ſagte hierauff der Printz / dieſen Scha - den kan faſt kein Pflaſter / weder der Gedult noch Hofnung heilen. Denn in der Liebe muß man ſtets das ſchlimmeſte hoffen / und alsdenn den Goͤt - tern dancken / wann das beſte erfolget. Und wenn alle Welt verzagte / hub endlich Talemon an / ſo muß doch ein Printz nicht kleinmuͤthig werden / ſondern er ſoll auch ſo gar alles Ungluͤck eher uͤber - winden als fliehen. Es behalte derowegen mein Printz auch in dieſem Fall ein beſtaͤndiges tapffe - res Gemuͤthe / und laſſe ſich von den Drohungen kuͤnfftigen Unfalls nicht abſchrecken: Denn un - terweilen heben uns die Wellen aus einem ſin - ckenden Schiffe / und werffen uns in ein anders / welches gluͤcklich in Hafen lendet. Ja einem ſol - chen Hertzen iſt der Himmel guͤnſtig / und laͤſſet nicht geſchehen / daß es in ſeiner Hoffnung zuſchan -31Erſtes Buch. ſchanden werde. Derowegen / ſo bilde man ſich gewiß ein / die Princeßin ſey annoch im Leben / und bemuͤhe ſich aͤuſerſt / ihren Zuſtand zu erforſchen. Nach deſſen Erfahrung ein kluger Geiſt und tapf - fere Fauſt viel verrichten kan; ja es wird unfehl - bar die Eroberung dieſer Schoͤnen alle Bemuͤ - hung verſuͤſſen / und ſothane Beſtaͤndigkeit beloh - nen. Haͤtten aber ja die Goͤtter es uͤber das un - ſchuldige Blut verhangen / daß ſie auch durch die - ſen Kaͤyſer-Moͤrder gefallen ſey / ſo ſoll nicht nur der Printz / ſondern auch ich und mein Sohn / ge - troſt ihr im Tode nachfolgen / iedoch nicht eher / biß ieder ſeine Fauſt mit dem moͤrderiſchen Blu - te des Tyrannen beſpruͤtzet habe. Worzu ich nicht nur meinen Arm / ſondern auch mein altes Haupt willig darſtrecken will. Eure Klugheit / erholte ſich Balacin / trauteſter Talemon! iſt kraͤf - tig / auch die todten Steine zu bewegen / und ſpuͤh - re ich hieraus nicht ſo wohl euren Verſtand / als eure gegen mich tragende Treue. So verſiche - re ich euch denn / eurer Lehre gemaͤß mich zu ver - halten / gedultig zu leiden / getroſt zu hoffen / und al - ler Widerwertigkeit mit tapfferem Muthe entge - gen zu gehen. Jnzwiſchen rathet nur / auff was Art und Weiſe man hinter das Geheimniß der verborgenen Princeßin kommen moͤge? Hierzu kan uns niemand dienlicher ſeyn / antwortete Pon - nedro / als Abaxar / Ober-Hauptmann der Kaͤy - ſerlichen Leibwacht / welcher den grauſamen Be - fehl an der Princeßin vollziehen muͤſſen. DieſerAba -32Der Aſiatiſchen Baniſe. Abaxar nun ſoll / der heimlichen Sage nach / et - was hoͤhers / als er ſich ausgiebt / und bey den Zer - ſtoͤrungen ſo vieler Reiche unbekandter Weiſe ge - fangen worden ſeyn / ſich aber kluͤglich verbergen / und durch ſein Wolverhaltem in des Chaumi - grem Gnade / und zu dieſer Ehrenſtelle gelanget ſeyn. Wie nun aber der heimliche Groll / vielleicht wegen Beraubung ſeines Vermoͤgens und ſchmertzlicher Hinrichtung der hohen Seinigen / billig annoch im Hertzen ſchwebt: Alſo wird er auch in geheim auff moͤglichſte Rache nebſt uns bedacht ſeyn. Auff meinen Zweck aber zu kom - men: ſo hat erwehnter Abaxar iederzeit eine ſon - derbahre Freundſchafft zu mir geſucht / welche ich mit heimlicher Vergnuͤgung an ihm auch oͤffters mit mir heraus genommen / und in meines Va - ters Bekandtſchafft gebracht. Jn zwiſchen laſ - ſen wir uns nicht das geringſte von der Muthmaſ - ſung ſeines hohen Standes mercken / ſondern ma - chen uns gleichſam gantz vertraulich und gemein mit ihm / ſo gar / daß wir auch bereits etwas von der Liebe zwiſchen der Princeßin von Pegu / und dem Printzen von Ava / gegen ihn erwehnet ha - ben: Welches er ſehr merckſam angehoͤret / und ein hefftiges Mitleiden hieruͤber ſpuͤhren laſſen. Dieſen Abaxar will ich morgen heraus vermoͤ - gen / und ihn bedeuten / es ſey ein Vornehmer vom Avaniſchen Hofe in geheim ankommen / um eini - ge Gewißheit von der Princeßin Zuſtande einzu - ziehen. Jn welcher Meynung man ihn ſo weiter -33Erſtes Buch. erhalten kan / daß er auch ungeſcheuet in dieſes Zimmer darff gefuͤhret / und von dieſer Sache / ſo viel als noͤthig / mit ihm geredet werden. Die - ſen Vorſchlag / ſagte Balacin gantz freudig / ha - ben euch ohne Zweiffel die Goͤtter eingegeben / und kan ich kaum das morgende Licht erwarten: Weil ich gleichſam einen Schritt ungewiſſer Furcht und angenehmer Hoffnung in meinem Gemuͤthe verſpuͤhre: worinnen es ſcheinet / als ob das letz - tere den Sieg erhalten wuͤrde. So gehet dem - nach unter dem Schutz der Goͤtter / laſſet euch mein Anliegen befohlen ſeyn / und ſeyd verſichert / Ava ſey noch maͤchtig genug / eure muͤhſame Treue ſattſam zu vergelten. Worauff denn Ponnedro ehrerbietigſt Abſchied nahm / und ſich wieder nach Hofe verfuͤgte. Der alte Talemon aber wolte ſich inzwiſchen um fernere Auffwar - tung bemuͤhen / und nahm einen Abtritt / weil er nunmehro den Printzen vollkom̃en beruhiget ſahe.

Nach deſſen Entfernung ſchauete Balacin mit hoͤchſtem Verdruß die Haſſana und Lorangy das Zimmer betreten / welche ſich dann gantz freymuͤ - thig zu ihm naheten / und ihm mit vielerley Fra - gen verdrießlich fielen. Die Lorangy aber ſchie - ne dermaſſen von der Liebe uͤberwunden zu ſeyn / daß ihr oͤffters die hellen Thraͤnen Wangen-ab rolleten. Endlich erkuͤhnete ſich Haſſana nach deſſen Stand und Vermoͤgen zu forſchen / und zu fragen: Ob auch in Ava der Adel beruͤhmt ſey? und von welchem Geſchlechte er ſich ruͤhme? nebſtCan -34Der Aſiatiſchen Baniſe. angehaͤngter Verſicherung / es wuͤrde| zu eignem Gluͤcke dienen / wann er ſich hierinnen offenher - tzig erwieſe. Der Printz antwortete hierauff: Jch erkenne ſo unverdientes Anerbieten mit ver - pflichtetem Dancke: ſehe aber hieraus weder vor ſie / noch vor mich / kein Gluͤcke / ob ſie ſchon wiſſen ſolten / daß dero Herr aus ſonderbarer Barmher - tzigkeit einen unbegluͤckten Hoff-Bedienten von Ava auffgenommen hat / welchen mehr das Gluͤ - cke / als einiger Stand oder Reichthum befoͤrdert hat. Und dieſe Wolthat werden ihm die Goͤtter vergelten / weil ich auſſer meiner wenigen Beſol - dung nichts im Vermoͤgen habe / mich wuͤrcklich danckbar zu erweiſen. Jch muß geſtehen / hub hierauf Lorangy an / daß ich das Verhaͤngniß ſelbſt nicht wenig beneide / indem es euch nicht ſo viel Gluͤcke als Schoͤnheit ertheilet hat. Jedoch verſichert euch / daß ihr hier / nach uͤberſtandenem Sturm / in den Hafen eurer Wolfarth angelandet ſeyd. Balacin ſtellete ſich / als ob dieſe Reden zu hoch vor ihm waͤren / und ſprach: Mein gantzes Gluͤcke beruhet in der Hoffnung / und die Hoff - nung im Tode. Ein ſolcher Menſch / wendete Haſſana ein / darff in dem Fruͤhlig ſeiner Jahre nicht vom Winter reden / welches vielmehr einem verzweiffelten / als tapffern Gemuͤthe anſtehet. Und mein Freund / ſetzte Lorangy dazu / verſichert euch nochmals / daß / ob euch gleich das Gluͤcke haſſet / dennoch die Menſchen lieben. Wie ſolten mich die Menſchen lieben / verſetzte der Printz / daſie35Erſtes Buch. ſie doch die Qvellen meines Ungluͤcks ſind. Jch ſchwere / wiederredete Lorangy / daß ich euch allen Menſchen / ja dem Verhaͤngniß ſelbſt zu Trutze / meiner Liebe wuͤrdigen wil. Wer in die Sonne ſiehet / antwortete Balacin / der blendet ſeine Au - gen: Und wer den Schluß des Himmels hem - men wil / der ſtuͤrtzet ſich ins Verderben. Einfaͤl - tiger Menſch! vertrat Haſſana der Lorangy Stelle / der gewiß ſehr jung aus der Liebes-Schu - le entlauffen iſt. Freylich iſt es ein groſſes Un - gluͤck / wer die Sonne ſeines Gluͤckes nicht erken - nen kan. Jnzwiſchen laſſet euch bedeuten / und wiſſet / daß gegenwaͤrtige meine Pflege-Tochter / welche bereits vornehme Bemuͤhungen um ihre Huld unkraͤfftig gemacht hat / dennoch anietzo freywillig entſchloſſen iſt / den Ancker eurer Gewo - genheit in das Meer ihrer Gegen-Liebe verſen - cken zu laſſen. Jch ſichere euch / daß alsdenn euer Wolfahrts-Schiff durch lauter Gluͤcks - und Lie - bes-Winde ſoll fortgetrieben werden. Der ſich einfaͤltig ſtellende Balacin verſetzte hierauff: Nachdem ich zweymal ungluͤcklich zur See ge - weſen bin / ſo ſtellet mir ietzo iedweder Gedancke einen Schiffbruch vor. Alberes Geſchoͤpffe / fuhr die ungedultige Lorangy herauß / wie hat ſich doch Schoͤnheit mit Einfalt ſo unrecht vermaͤhlen koͤn - nen? Jch liebe euch / und begehre / wiederum von euch geliebet zu werden. Diß erfordern die Goͤtter / fuhr Balacin in ſeiner verſtellten Einfalt fort / daß ich ſie beyderſeits / als meine Wolthaͤ e -C 2rin -36Der Aſiatiſchen Baniſe. rinnen lieben ſoll. So iſt euch auch / ſagte Loran - gy / der Unterſcheid der Liebe allerdings bewuſt. Jch vermeyne Bey dieſen Worten kam Talemon wieder zuruͤcke / und erſahe aus des Printzen verwirreten Geſichte / daß ihn die Ge - genwart ſeines Frauenzimmers nicht allzu ange - nehm mochte geweſen ſeyn. Hierinnen ward er um ein groſſes beſtaͤrcket / als ihn der Printz frag - te: Warum er ſeine Wiederkunfft ſo verzoͤgert haͤtte? Welches er ſo fort beantwortete: Die natuͤrliche Liebe / und die aͤuſſerſte Noth eines ar - men Menſchen / welcher in dem Strome bereits mit Tod und Wellen kaͤmpffte / hat mich ange - trieben / ihn retten zu laſſen: Welche Bemuͤhung ſolchen Verzug verurſachet hat. So werden wir alſo / fieng die vor Zorn gluͤende Haſſana an / zwey undanckbare Fremdlinge unter unſerm Da - che haben. Jndeſſen komme Lorangy / und laſſe uns bedacht ſeyn / zu erweiſen / wie eine verachtete Liebe toͤdtlichen Haß bringen koͤnne. Nach wel - chen Droh-Worten ſie ſich eylends aus dem Zim - mer begaben / und die Thuͤr mit ſolchem Unge - ſtuͤm hinter ſich zuſchmiſſen; Daß es waͤre zu wuͤndſchen geweſen / es haͤtten damals aller boͤſen Weiber Koͤpffe darzwiſchen geſtecket.

Wie ſich nun Balacin dieſer beſchwerlichen Geſellſchafft entlediget ſahe / fragte er den Tale - mon / ob ihm die errettete Perſon gantz unkaͤntlich ſey? Mehr als zu bekandt / Gnaͤd. Herr! ant - wortete Talemon. Es iſt der getreue Scandor. wel -37Erſtes Buch. welcher bald ſein Leben im Waſſer verlohren haͤt - te. Wer? Scandor? fragte der ſich verwun - dernde Printz. Was ſolte doch wol ſeine An - kunfft bedeuten / indem ich ihm ja befohlen / Ava nicht eher zu verlaſſen / er habe denn gewiſſe Nach - richt von mir / wo ich mich oͤffentlich auffhielte. Daß er aber von hier einige Gewißheit haben ſol - te / ſolches ſcheinet unmoͤglich zu ſeyn. Jch weiß nicht / antwortete Talemon / was ihn hieher bewo - gen habe. Daß er aber den Printzen hier ſuchen ſolte / iſt nicht zu vermuthen. Jndeſſen wil ich ihn wol warten / und zu ſich ſelber kommen laſſen: ſonder Zweiffel iſt ſeine Ankunfft nicht ohne wich - tige Urſachen. Seyd doch bedacht / erinnerte ihn Balacin / daß er wieder zu recht / und zu mir ins Zimmer / ohne einige Nachricht meiner Gegen - wart / gebracht werde. Solches fleißig ins Werck zu richten / ließ ſich Talemon bald angelegen ſeyn: Und als er den Scandor ſattſam getrocknet / er - qvicket / und gantz ermuntert hatte / nahm er ihn bey der Hand / und fuͤhrte ihn in des Printzen Zim - mer / in welchem er kaum etliche Schritte fortge - ſetzet / und den Printzen auff dem Bette erſehen hatte / als er mit vollem Schreyen zuruͤcke ſprang: O ihr Goͤtter / rieff er / errettet mich von dieſem Zauber-Orte. Talemon / ihr alter Hexen-Mei - ſter / ihr verblendet meine Augen. Mit welchen Worten er zur Thuͤr hinaus reiſſen wolte: Als ihn aber Talemon beym Arme zuruͤcke hielte / und ihm der Printz zuredete / kam er endlich mit zittern -C 3dem38Der Aſiatiſchen Baniſe. dem Fuſſe wieder zuruͤcke / wiewol ihn das zaube - riſche Mißtrauen noch nicht allerdings verlaſſen hatte: indem er Talemon ſtets anſahe / und zu ihm ſagte: Talemon / ich beſchwere euch bey den ſieben Elementen / eroͤffnet mir meine Augen / oder gewehret mir meinen Printzen und Herrn in leib - hafftiger Geſtalt. So naͤhert euch nur / antwor - tete Talemon / und fuͤhlet / ob nicht dieſer Zauber - Geiſt Fleiſch und Bein habe. Als ihm nun der Printz ferner zurieff / fiel er auff die Knie / kuͤßte ihm die Hand / und ſprach: Ach Gnaͤdigſter Herr! iſt es moͤglich / daß ich ſie hier / und zwar in ſolchem bettlaͤgerigen Zuſtande antreffen ſoll. Jch bin noch nicht allerdings verſichert / ob ich etwan Traͤume oder ſonſt eine andere Perſon in dero Gleichheit antreffe. Nein / nein! mein Scan - dor! redete ihm der Printz ein / ich bin es freylich ſelber / und muß beklagen / daß / da ich in eyfrigſter Bemuͤhung / meine Princeßin auszuforſchẽ / leben ſolte / ich hier mit verwundetem Leibe und kran - cken Gemuͤthe des Lagers huͤten muß. Was be - deutet aber deine unanbefohlene Herkunfft? Jſt etwan zu Hauſe noch was mehr vorgefallen / wel - ches mein Elend vergroͤſſern koͤnte? Gnaͤdigſter Herr! antwortete Scandor / meine Verrichtung iſt von ſolcher Wichtigkeit / daß ich um Erlaubnis bitten muß / mich ein wenig verſchnieben zu laſſen. Denn gewiß / ich bin in ſolcher Gefahr geweſen / daß ich nunmehr glaube / ich ſey von den Goͤttern zu einem lufftigen Tode verſehen; weil ſie michvor39Erſtes Buch. vor dißmal nicht den Klauen der furchtſamen Waſſer-Nympffen uͤbergeben wollen. Ver - ſichert / ich ſahe bereit ein Hauffen ſchuppichte Po - ſten unter dem Waſſer lauffen / welche die Fiſche zuſammen beruffen / und auff eine Mahlzeit einla - den ſolten / wobey ich das vornehmſte Gerichte haͤtte ſeyn muͤſſen. Wie nahe mir nun der Tod muͤſſe geweſen ſeyn / iſt hieraus abzunehmen / weñ ich ſage: daß ich ſchon wie die Hechte auf dem Ruͤcken zu ſchwimmen begunte: welches denn meinen Glauben beſtaͤrckte / daß ich kein Frauen - zimmer ſey / als welches von der ſchamhafftigen Natur bey dergleichen naſſen Faͤllen dazu verſe - hen / daß ſie iederzeit dem Waſſer den Foͤrdertheil des Leibes goͤnnen / und auf dem Geſichte ſchwim - men muͤſſen. Kurtz: ob ich gleich die Beſchaf - fenheit meiner Todes-Angſt / und drauff erfol - genden Rettung / welch ich den Goͤttern / und dem ehrlichen Talemon / zu dancken habe / außfuͤhrli - cher erzehlen wolte / ſo iſt es mir doch unmoͤglich; weil mich damals mein Waſſer-ſcheuer Geiſt gantz verlaſſen hatte / und ſich erſt wieder einſtell - te / als ich bereits hier auf dem Schloſſe in trucke - ner Waͤrme lag / da ich denn alle Menſchen vor Fiſche anſahe / nicht anders meinende: ich laͤge noch in der feuchten Herberge / und ſolte ietzt den Braten meines Lebens anſchneiden laſſen. Nachdem ich mich aber gantz unangebiſſen fuͤhle / ſo bin ich nun nichts mehr beſorget / als um mein Pferd / welches mich in diß Ungluͤck gebracht / undC 4her -40Der Aſiatiſchen Baniſe. hernach leichtfertiger Weiſe verlaſſen hat. Bey dieſen Worten wurde ihm angedeutet / ſein Pferd ſey in den Schloß-Hoff gelauffen kommen / waͤre bereits wohl eingeſtallet / und braͤchte man hier das Felleiſen / welches ziemlich benetzt / nur noch an einen Riemen gehangen haͤtte. Dieſer Bericht ſtellte den Scandor in hoͤchſte Vergnuͤgung / daß er auch ſein Pferd nicht ſattſam loben konte / und vorgab: diß Pferd ſey unſchaͤtzbar / denn wenn es ſeinen Herrn verloͤhre; ſo fragte es ſo lange nach / biß es ihn wieder gefunden haͤtte. Hierauff er - oͤffnete er das Felleiſen / langete einige Brieffe her - vor / und uͤberreichte ſie dem Printzen mit folgen - den Worten: Aller gnaͤdigſter Herr! hier neh - men ſie / von der Hand ihres geringſten Die - ners / zwey Koͤnigreiche an. Was ſchwaͤrmeſt du? antwortete Balacin. Jch halte das Sprich - wort wird wahr an dir: Alle Freyer / Narren und Trunckene ſind reich. Nein / wiederredete Scandor / der Jnnhalt dieſer Brieffe wird mich ſolchen Verdachts entledigen. Welchen zu ver - nehmen / der Printz gantz begierig das Paqvet er - brach / in dem erſten Brieffe die Unterſchrfft ſeiner geliebten Fraͤulein Schweſter / Higvanama er - ſahe / und mit ſonderbahrer Regung folgenden Jnnhalt daraus leß:

Durchlauchtigſter Printz!

JCh weiß nicht / ob ich in meinem Gemuͤthe einer uͤbermaͤßigen Freude / oder Traurigkeit / den Vorzog goͤnnen ſoll? Angeſehen mich zu die -ſem41Erſtes Buch. ſem Kindliches Andencken / zu jenem aber Schwe - ſterliche Zuneigung / verbindet. Weil aber der vaͤterlichen Liebe von den Goͤttern anbefohlen iſt / die Wolfarth ihrer Kinder genau zu beobachten; ſolcher Vorſorge aber / ich Ungluͤckſelige / mich nie von meinem Vater ruͤhmen koͤnnen: als achte ich davor / es ſey mir von den Goͤttern wohl erlaubet / mich mehr uͤber den nunmehro bluͤhenden Wohl - ſtand meines innigſt-geliebteſten Printzens / als Bruders / zu erfreuen: als jenes zu betrauren / und alles Leid mit unſerm unartigen Vater zu ver - ſcharren. Denn wie das unerforſchliche Ver - haͤngnis / als ein unfehlbarer Aug-Apffel der Gottheit / nicht iederzeit ſeinen Diamantenen Schluß / denen Menſchen durch Blitz und Sturm / ſondern auch oͤffters durch erfreuliche Sonnen - Blicke will zu verſtehen geben; alſo hat es dem - ſelben auch vor ietzo beliebet / auf einer Seiten den Thron von Ava in einen Sarg / und deſſen Crone in einen Cypreſſen-Krantz zu verwandeln; ich will ſagen: J. Maj. unſern Herrn Vater durch einen ſchleunigen Todes-Fall / vor kurtzer Zeit / aus die - ſer Welt in die unſichtbare Hoͤhe zu erheben: An - dern Theils aber / die Crone von Ava durch recht - maͤßige Folge auf das Haupt des Erb-Printzens zu ſetzen / welcher denn von allen getreuen Avanern mit hoͤchſtem Verlangen erwartet / das ſtarcke Regiments-Ruder aber immittelſt durch meine ſchwache Hand / zu Verhuͤtung alles unordentli - chen Weſens / ſo lange gefuͤhret wird / biß mich derC 5tapfe -42Der Aſiatiſchen Baniſe. tapfere Arm zu kuͤnfftiger Majeſtaͤt / durch er - wuͤndſchte Gegenwart / deſſen uͤberhebet.

Wie thoͤrlich es auch gehandelt ſey / ich will nicht ſagen / von einem Vater / ſondern insgemein von uns ſterblichen Menſchen / wenn wir uns un - terfangen wollen / den unwiedertꝛeiblichen Schluß des Himmels ohnmaͤchtig zu hintertreiben / ſolches wird aus beygelegtem leicht zu ermeſſen ſeyn. Denn E. L. ſollen wiſſen / daß kurtz vor J. M. des Koͤniges Tode einige Abgeſandten aus Aracan Audientz geſuchet / und auch erhal - ten / deren Verrichtung aber dermaſſen geheim gehalten worden / daß weder ich / noch die Reichs - Raͤthe / nicht das geringſte davon erforſchen koͤn - nen. Nachdem aber die Goͤtter den Koͤnig / als ei - nen groſſen Stein vieler Verhinderungen unſers Gluͤckes / aus dem Wege geraͤumet / ſo iſt deren Verrichtung in dem Koͤnigl. Cabinet gefunden und eroͤffnet worden / welches auch ſo fort / als eine ſonderbahre Gluͤcks - und Freuden-Poſt durch unſern treuen Scandor hiemit uͤberſchicket wird: mit unmaßgeblicher Bitte / ſich ſchleunigſt nach Ava zu erheben / die Vaͤterliche Crone aufzuſetzen / und die andere nicht zu verſaͤumem. Jnmittelſt habe ich ſo fort einige Geſandten nach Aracan ge - ſendet / ſelbtes Reich bey wohlgefaßten Gedan - cken zu erhalten / ſie des Printzen zu verſichern / und das beſte vor uns an ſelbigem Hofe zu beobachten: welches alles vor die Wohlfahrt meines innigſt -ge -43Erſtes Buch. geliebteteſten Bruders geſchiehet / von deſſen treu - Ergebenſten Schweſter

Higvanama / Princeßin von Ava.

Jhr Goͤtter! hub der Printz an / wie verſuchet ihr mich / und ſetzet mich in einen ſorgſamen Zweif - fel / ob ich euch dancken / oder wegen Verzugs ſo langſamer Huͤlffe / ſchelten ſoll? Als ich mit maͤch - tiger Hand den Fall des Koͤnigl. Baums von Pe - gu / auff welchen mein Vergnuͤgen bluͤhte / ver - hindern und erhalten ſolte / wurde mir der Arm durch meinen unbarmhertzigen Vater dermaſ - ſen verkuͤrtzet / daß ich nur von weiten mit naſſen Augen zuſehen / und mein Schickſal verfluchen muſte. Anietzo aber / o wunderliche Goͤtter! ſeyd ihr allzufreygebig / und gebt mir ein gedoppeltes Schwerd in die Hand / da ich dasjenige verlohren / was ich mehr als gantz Aſien ſchaͤtze. Jnmittelſt ſoll mir dieſes das Geheimniß wegen der Crone von Aracan beſſer entdecken. Mit welchen Wor - ten er auch dieſes Siegel erbrach / und zu foͤrderſt den Titul erſahe:

Dem Hochmaͤchtigſten Koͤnig und Herrn / Da - coſem / Hn. von dem guͤldenen Hauſe / Beſitzer des rothen Elephantens / und Beherrſcher des groſſen Reichs Ava! Großmaͤchtigſter Koͤnig / Gnaͤdigſter Herr!

DJe maͤchtige Hand / welche Cronen ſtuͤrtzet / und Scepter zerbricht / welche den Fuͤrſten auff den Thron ſetzet / und gekroͤnte Haͤupter in den Sarg leget / hat auch / leider! an unſerm Pur -pur44Der Aſiatiſchen Baniſe. pur erwieſen / wie leicht deſſen hohe Roͤthe in eine blaſſe Todten-Farbe / und deſſen Gewandt in ei - nen Sterbe-Kittel koͤnne verwandelt werden. Denn als verwichenen Neu Monden ietzigen JahrsRoger. p. 128. Pramadi unſer allermaͤchtigſter Koͤnig und Herr Vedam / Koͤnig von Aracan und Bo - axam / Herr von dem guͤldenen Hauſe / und von dem weiſſen Elephanten / Beſitzer uͤber alle groſſe Reiche in Bengala ꝛc. als eine muͤhſame Reichs - Sonne in dem Staats-Himmel unſers Reichs und Geheimen Raths oͤffentlich erſchien / durch ſeinen kraͤfftigen Einfluß und Gegenwart die Ge - muͤther der Rathenden beſeelte / und alles zu kraͤf - tiger Wuͤrckung zubringen bemuͤhet war: Als welches eine der voꝛnehmſten Tugenden gekroͤnteꝛ Haͤupter iſt: ſo uͤberfiel unſere Augen eine dermaſ - ſen hefftige Finſterniß / welche wir noch mit Blu - te beweinen: indem das bloſſe Verhaͤngniß durch einen gaͤhlichen Schlag J. M. des Lebens und uns alles Troſtes und Hoffnung beraubte.

Wie nun der toͤdtliche Abgang eines ſo guͤti - gen und Ruhms-wuͤrdigen Hauptes billich vor eine hohe Straffe der Goͤtter zu achten: ſo dan - cken wir doch der erzuͤrneten Gottheit / daß ſie uns noch mit der angenehmen Hoffnung und Will - kuͤhr beſeeliget / als ein Wahl-Reich den ſchmertz - lichen Verluſt durch ein anderes guͤtiges Haupt zu erſetzen. Und daß wir in ſolcher Wahl nicht fehlen moͤgen / hat bereits auf unſere Verordnungund45Erſtes Buch. und eigenen Antrieb iedweder treuer Unterthaner den gnaͤdigen Him̃el ſehnlich angeflehet / und den Goͤttern geopffert. Daß nun auch ſolches Ge - bet erhoͤret worden ſey / ſchlieſſen wir feſte hieraus / wenn unſer einmuͤthigeꝛ Sinn und Wahl-Stim - men auff den Durchlauchtigſten Erb-Printzen von Ava / Printz Nautier Balacin gefallen / wel - cher durch ſeine unſchaͤtzbaꝛe Tugenden und Tapf - ferkeit ſich in allen Gemuͤthern der Aracaner der - maſſen befeſtiget hat / daß auch nur deſſen hoher Ruhm iedweden begierig gemacht hat / unter der Regierung und Schutz eines ſo tapffern Prin - tzens zu leben / und die Crone von Aracan auf ſein Haupt zu ſetzen. Wann denn ſothaner hohen Zuverſicht die Ermanglung einigen Koͤniglichen Erbens beyfaͤllet; Als ergehet an J. K. M. unſer und des gantzen Reichs unterthaͤnigſt-gehorſam - ſtes Flehen und Bitten / ſie geruhen gnaͤdigſt / dero hocherwehnten Printzen unſerm Staats-Coͤrper zu einem hohen Haupte zu vergoͤnnen / unſern Thron mit dero Koͤnigl. Gebluͤte zu beſetzen / und uns durch ſchleunige Gegenwart unſerer kuͤnffti - gen Majeſtaͤt begluͤckt zu machen.

Großmaͤchtigſter Koͤnig / wir verſichern J. M. mit unverfaͤlchtem Hertzen / daß ein ieder / auch von den geringſten Unterthanen des Reichs / be - gierig iſt / ſein Gut und Blut vor die Wolfahrt des Preißwuͤrdigſten Printzens auffzuſetzen; Und werden ſich einer vor alle / und alle vor einen gegen denſelben mit verpflichteſtem Gehorſam und Re -ſpect46Der Aſiatiſchen Baniſe. ſpect dermaſſen zu erweiſen wiſſen / wie es die Wuͤrde dieſes Reichs und das Koͤnigliche Blut erfordert: Ja wir werden uns auch begluͤckt ach - ten / wann wir unſere Danckbarkeit vor ein ſo werthes Pfand gegen das Reich Ava durch eine angenehme Verbuͤndniß in der That werden er - weiſen koͤnnen: Wie wir uns denn unausgeſetzt bezeigen werden / als E. und Unſerer kuͤnfftigen K. M. unterthaͤnigſt-gehorſamſte

Reichs-Rath und Staͤnde des maͤchti - gen Reichs Aracan.

Wunderliche Goͤtter / hub der Printz ſeufftzen - de an / mit einer Hand ſetzet ihr mir zwey Cronen auff / und mit der andern raubet ihr mir die drit - te / welches die Crone meines Lebens / und dannen - hero jenen weit vorzuziehen iſt. Allein / ich verſi - chre euch / eure Schmeicheley iſt viel zu wenig / daß ſie den anderwertigen Verluſt im geringſten erſe - tzen / oder mich von eyfferigſter Nachforſchung meiner Princeßin abhalten koͤnne. Denn jenes ohne dieſes iſt mir eine geſaltzene Speiſe ohne Tranck. Ja ich werde mich keiner Crone an - maſſen / vielweniger mich euch mit dem gering - ſten Dancke verpflichtet achten / biß ich in einer Hand den Scepter / mit der andern meine Prin - ceßin / zum Throne fuͤhren koͤnne. Geſchiehet dieſesnicht / ſo ſoll der Sarg mein Thron / und das Grab mein Koͤnigreich werden. Gnaͤdig - ſter Herr / redete ihm hier Talemon ein / es iſt all - zu ein unzeitiger Verdacht / wo nicht ein Trutz /wo -47Erſtes Buch. womit man die guͤtigen Goͤtter beleget / und er - zuͤrnet: ja es iſt ein Zeichen mercklicher Ungedult / welche das Hertz betruͤbet / und alle gute Anſchlaͤ - ge verſtoͤret. Gedult iſt die lincke Hand der Tapfferkeit / welche endlich von der Rechten mit einem erwuͤnſchten Ausgange bekroͤnet wird. Billich ſind J. M. den Goͤttern tauſendfachen Danck ſchuldig / daß ſie nunmehro ſo anſehnliche Mittel erlanget / entweder die Princeßin mit maͤchtiger Hand zu retten / oder mit grauſamſter Art zu raͤchen. Wer Geld hat / fiel ihm Scan - dor in die Rede / kan leicht Schaͤtze ſuchen / und wer viel Hunde hat / kan leicht Haſen fangen. Mit zwey - oder dreymal hundert tauſend Mann laͤßt ſich noch wohl ein Wild ausſpuͤhren und fangen / welches den Jaͤger vergnuͤgen / und ſeine Einbil - dung befriedigen kan. Ach zu ſpaͤt / zu ſpaͤt / mein Scandor / antwortete ihm der Printz / wo ein Wild in der Hunde Gewalt ohne einen Retter verfaͤllt / da iſt Hoffnung und Leben verlohren. Wenn aber / wendete Scandor ein / das Wild nur unter ſolche Hunde geraͤth / welche mehr rah - men / als gefaͤnglich ſeyn / ſo laͤſſet ſich das Leder noch wohl gebrauchen. Du redeſt mir zu hoch / ſagte der Printz / inmittelſt wollen wir noch einige Tage zuſehen / auff deine Abfertigung bedacht ſeyn / und der Goͤtter Huͤlffe erwarten.

Nach Endigung dieſer Worte ließ ſich Ponne - dro mit dem Abaxar bey dem Printzen anmelden / wiewol dieſer in deꝛ Unwiſſenheit wegen des Prin -tzen48Der Aſiatiſchen Baniſe. tzen Perſon gelaſſen ward; Weil ihm auch der Printz / in Bedeutung eines Bedienten / vor dem Printz Balacin ſehr gelobet worden / verfuͤg - te er ſich alsbald nach geſchehenem Eintrit zu ihm / und redete ihn folgender Geſtalt an: Mein Freund / ich trage ſonderes Mitleiden / ſowol vor eure Per - ſon / welche mir durch gegenwaͤrtige Freunde ſon - derlich geruͤhmet worden / als auch vornehmlich wegen eures Printzens / welcher wol eines beſſern Gluͤckes nebſt ſeiner liebſten Princeßin waͤre wuͤꝛ - dig geweſen / wenn nicht der Himmel bißweilen auch ſo gar die Tugend unverſchonet lieſſe: Der Printz ſahe ſo fort etwas hohes aus des Abaxars Angeſicht / und antwortete ihn gantz beweglich: Jch ſage Danck / mein Herr Ober-Hauptmann / vor ſothanes Mitleiden / welches ich gegen meinen Printzen werde hochzuruͤhmen wiſſen. Wo ja aber noch einige Seele in dieſem Reich verhanden iſt / welche ſich des armen Printzen troſtloſen Zu - ſtand einiger maſſen zu Heꝛtzen gehen laͤſſet / ſo ver - ſichere ich / es werde ſolches nicht nur der Himmel zu vergelten / ſondern auch mein Printz / als ein nunmehro maͤchtiger Beherrſcher zweyer Koͤnig - reiche / dermaſſen zu erwiedern wiſſen / wie es ein ſolcher verdienet hat / welcher das ſchmertzliche Verlangen ſeines Hertzens / durch Entdeckung moͤglichſter Wiſſenſchafft / von dem Leben oder Tode der Princeßin / in etwas beſaͤnfftigen wird. Wie? redete Ponnedro ein / iſt der Koͤnig von Ava todt? Ja / antwortete Scandro / nicht nurtodt49Erſtes Buch. todt / ſondern der Printz Balacin iſt auch gekroͤn - ter Koͤnig von Ava und Aracan / welches letztere Reich bey gleichfalls toͤdtlichen Hintritt ihres Koͤ - niges / unſern Printzen zur Crone ver - und erlan - get hat. Weh dir / grauſamer Chaumigrem / hub Abaxar an / nunmehro duͤrffte die gerechte Rache des Himmels auffwachen / und das un - ſchuldig vergoſſene Blut auff deinen Kopff kom - men. Und ob ich gleich ein gezwungener Diener von dieſem Tyrannen bin / ſo wiſſet doch / mein Freund / daß mich die Rache zum Sclaven / und die Noth zum Knechte gemacht hat. Ja ich ver - ſichere euch bey dem Qviay Vogarem,(†)Roger. p. 813. als maͤchtigen Beſchuͤtzer der Bedraͤngten / daß ich mich wolte gluͤckſelig ſchaͤtzen unter dem tapffern Printzen von Ava wider dieſen Bluthund zu fech - ten / und mein Leben zu Dienſt der ſchoͤnen Prin - ceßin von Pegu auffzuopffern. Koͤnte ich nun ſo begluͤckt ſeyn / eine und die andere angenehme Nachricht von dem Leben dieſes Lobwuͤrdigen Printzẽ und Princeßin zu vernehmen / ſo wuͤrde ich alsdeñ auch nicht ermangeln / ſo viel als moͤglich / beyzutragen / was zu des Printzen Vergnuͤgung gereichen moͤchte. Welche Worte den Printzen gantz aus ſich ſelber brachten / daß er faſt ſeine Verſtellung vergeſſen / und ſich ſelbſt verrathen / wann nicht Talemon ſich alsbald begriffen / und geſagt haͤtte: Den Anfang hiervon wird Scan - dor am beſten verrichten koͤnnen / welches dennDbey50Der Aſiatiſchen Baniſe. bey dieſen ohne diß muͤßigen Stunden mit dero al - lerſeits Erlaubniß gar fuͤglich geſchehen kan. Als nun ſolches von allen beliebet ward / ſetzten ſie ſich um des Printzen Bette herum / und Scandor fieng folgender Geſtalt an zu erzehlen:

Lebens-Geſchichte Printz Balacins und der Princeßin Higvanama.

ES wiꝛd niemand ſo gar ein Fꝛemdling in den Aſiatiſchen Begebenheiten ſeyn / dem nicht die mehr tadel-als lobwuͤrdige Regierung des Koͤ - nigs von Ava / Dacoſem / meines Printzens Herr Vater / in etwas bekandt ſeyn wird: bevoraus / wie er eine groſſe Urſache des jaͤmmerlichen Un - tergangs von Pegu geweſen ſey. Dieſer Daco - ſem hatte eine Tochter des Koͤniges von Bengala zur Gemahlin / mit welcher er zwey Printzen und eine Princeßin zeugete / wovon der aͤlteſte Printz gleichfals den Namen ſeines Herrn Vaters / Da - coſem / fuͤhrete; Der juͤngere / als mein gebieten - der Herr / Balacin / die Princeßin aber Higvana - ma / genennet ward. Weil er nun gerne vor ie - dem Printzen eine Krone gewuͤndſchet haͤtte / Ava aber nicht zulaͤnglich ſeyn wolte: als warff er ein ſehnſuͤchtiges Auge auff das Reich Pegu / welches ſein leiblicher Bruder / als Kaͤyſer beherrſchete / und nach deſſen Tode den ungluͤckſeligen Prin - tzen Xemindo / als einigen Erben und Beſitzer des groſſen Reichs Pegu / hinterlaſſen hatte. Sol - ches ſtach nun unſern alten Dacoſem gewaltigin51Erſtes Buch. in die Augen / und wolte das Siammiſche Recht einfuͤhren / krafft deſſen kein Sohn ſuccediren koͤn - ne / ſo lange ein Bruder verhanden waͤre. Weß - wegen er denn auch der Croͤnung zu Pegu nicht beywohnen / vielweniger die Lehens-Pflicht gleich andern Lehen-Koͤnigen ablegen / noch einige Lie - ferung der Praͤſenten erſtatten wolte / welches er doch zuvor ſeinem Bruder gethan / angeſehen A - va iederzeit ein Lehn von Pegu geweſen. Uber - das lieſſe er auch den Jubelen-Handel ſperren / und gantz nichts in Pegu abfolgen. Solches al - les wolte dem Xemindo nicht anſtaͤndig ſeyn: Dannenhero er alſobald Gelegenheit ſuchte / dem alten Herrn Vetter im Harniſch eine Viſite zu - geben / ließ ſeine Armee zuſammen ruͤcken / und zog mit dreymal huntert tauſend Mann nach den Gꝛaͤntzen von Ava / indem er es vor viel beſſer hielte ſein Pferd an einen fremden / als eignen Zaum / zu binden. Dacoſem verließ ſich inzwiſchen auff eine heimliche Verbuͤndniß / die |er mit etlichen hohen Bedienten von Pegu auffgerichtet / beſonders mit dem Xenimbrun / Vice-Koͤnig von Brama / wel - cher auch in geheim ſeinen Bruder Chaumigrem / mit etliche tauſend Mann nach Ava geſchickt hatte: Und ob ſolches zwar eine gar unzulaͤngliche Huͤlffe wider ſo einen maͤchtigen Feind war / den - noch war unſer alter Dacoſem dermaſſen hier - uͤber vergnuͤgt / daß er dem Chaumigrem nicht gnugſam Ehre zu erweiſen vermochte. Kurtz hierauff lieff die ſchreckende Poſt zu Ava ein / esD 2habe52Der Aſiatiſchen Baniſe. habe Xemindo mit einer gewaltigen Armee die Grentzen bereits auf zwantzig Meilen uͤberſchrit - ten / und duͤrffte wol ſein Haupt-Qvartier in Ava nehmen wollen. Woruͤber Dacoſem hefftig erſchrack / die Armee eylend zuſammen zog / und den aͤltern Printz Dacoſem hieruͤber zum Feld - Marſchall ſetzte / iedoch ſolte Chaumigrem uͤber alles ein wachendes Auge haben. Mein Printz war damahls im 15. Jahre / und achtete es ſich vor die hoͤchſte Schande / eine ſolche Gelegenheit / wobey er die Probe ſeiner Tapfferkeit ablegen koͤnte / zu verſaͤumen. Derowegen hielt er in - ſtaͤndig bey dem Herrn Vater an / daß er ihn end - lich mit dieſen ſelbſtſchmeichelnden Worten er - ließ: Nun / ſo zeuch hin / mein Sohn / und hilff deinem Bruder eine Krone erwerben / damit du die von Ava nicht theilen duͤrffeſt. Untergab ihn auch ſo fort gleichfals der Auffſicht des Chaumi - grems / welcher dieſen kuͤnfftigen Stein des An - ſtoſſes gewiß bey dieſer guten Gelegenheit wuͤrde aus dem Wege geraͤumet haben / wenn er das be - vorſtehende gewuſt haͤtte. Chaumigrem / und zwar eben dieſer ietzige Kaͤyſer und Tyrann von Pegu / begab ſich hierauff mit unſern zweyen Printzen nach der Armee / und ruͤckte ſchleunigſt ins Feld / weil Xemindo nur noch acht Meilen von Ava ſtund. Hier durfften ſie nun nicht lange den Feind ſuchen / und weiß ich am beſten / wie mir damals zu Muthe war / als der ich unter meines Printzen Leib-Wacht ein Hellebardierer war. Denn53Erſtes Buch. Denn wir Soldaten vermeinten / uns noch etliche Wochen vor unſerm Ende luſtig zu machen / und uns des Landes zu erkundigen / wo es am beſten zu freſſen und zu ſauffen waͤre: Allein wir waren kaum 2. Tage marſchiret / ſo kamen unſere Leute Partheyen-weiſe gelauffen / als wenn das Graß unter ihnen brennte / und berichteten mit tieffen Athem-holen / der Feind ſtuͤnde nur noch eine Mei - le von uns. Welches uns gantz unglaublich vorkom̃en waͤre / wenn nicht faſt ein ieder ein blu - tig Zeugnis vorgelegt haͤtte. Solches lernte un - ſere Herren Generales ein wenig behutſamer ſeyn / daß ſie ſich nunmehr auf Kundſchafft legten / und die Armee beſſer zuſammen zogen: denn es lagen damals wohl noch tauſend Mann um Ava herum / die erſt auff das Gewehr warteten / wel - ches von Malboa aus dem Zeughauſe ſolte ge - bracht werden. Jch vergaß nun aller Gedan - cken / und haͤtte man mich moͤgen hundert mahl Scandor nennen / ſo haͤtte ich nicht gewuſt / ob es ein Mannes-Nahme geweſen / oder ob es mich an - gienge? Ja ich wuͤndſchte wohl hertzlich / gar ein Maͤdgen zu ſeyn / ſo doͤrffte es noch eher ohne ſon - derliches Blutvergieſſen ablauffen. Denn ich meinte Wunder / was es vor eine herrliche Sache um das Soldaten-Leben ſey? Allein ich hatte mein Tage noch keinen Feind geſehen / und zitter - te ſchon / als ich ihn nur nennen hoͤrte. Jnmit - telſt kam mein Printz auff einen ſchoͤnen Caſtani - en-braunen Hengſte daher gerennt / und unter -D 3ſtund54Der Aſiatiſchen Baniſe. ſtund ſich uns allen ein Hertze einzuſprechen / gleich als waͤre er laͤngſt bey der Erfahrung in die Schule gangen. Die Angſt vermehrte ſich aber um ein groſſes / als das Geſchrey kam / der Feind kaͤme in voller Schlacht-Ordnung angezo - gen / und wolte es auff ein Haupt-Treffen ankom - men laſſen. Da erhub ſich nun ein grauſames Getuͤmmel / es wuͤrde uͤberall Lermen geblaſen / und geſchlagen / die Generals-Perſonen rennten bald hie bald dort hin / und ſchrien / daß ſie gantz ſchwartz wurden / da ſie ſich doch ſelbſt nicht hoͤr - ten. Der Feind hatte auch einige Feld-Stuͤcke auf einen Huͤgel gepflantzet / und begruͤſte uns mit etli - chen Salven / daß uns Hoͤꝛen und Sehen vergieng. Und hier verließ mich nun die Courage auff ein - mal / daß ich auf der Stelle umkehrte / und mich zur Bagage begeben wolte. Allein ich wurde hieruͤber ſo ungeſtuͤm zur Rede geſetzet / daß mein Ruͤcken geſchworen haͤtte / es kaͤmen einige Pillen vom Berge geflogen. Ob es nun zwar nur ein verkehrtes Gewehre war / ſo preßte es mir doch / weil ich meine Hertzhafftigkeit nicht bekennen wolte / dieſe in der Eil erſonnene Entſchuldigung aus / ich wolte nur den Muſter-Schreiber mein Teſtament aufſetzen laſſen / weil ich doch wol ſehe / es muͤſte geſtorben ſeyn: ich wurde aber beym Arme ſo ungeſtuͤm wieder in das Glied gefuͤhret / daß ich anfieng / meinen Geiſt den Goͤttern zu be - fehlen. Was nun das groͤſte Verſehen von un - ſerm neuen Feld-Herrn war / ſo waren alle Stuͤ -cke55Erſtes Buch. cke zuruͤcke blieben / mit dem Befehl / erſt inner 4. Tagen zu folgen / weil man wegen uͤbler Kund - ſchafft den Feind nich ſo nahe vermuthet hatte. Jnmittelſt vermehrten ſich die feindlichen Stuͤcke dermaſſen / daß es ſchien / als ſolte Himmel und Erden einfallen. Und dieſes Schieſſen verur - ſachte / daß wir unſern Vortheil und das geraume Feld verlaſſen / und uns auff tauſend Schritte zu - ruͤcke ziehen muſten: Bey welchem Ruͤck-Mar - ſche ich hertzlich erfreuet wurde / in Meynung / es wuͤrde ſo biß in Ava hinein waͤhren / da ich deñ ge - wiß nicht der Letzte zum Thore wolte geweſen ſeyn / und freute ich mich ſchon / wie mich meine liebe Mutter aus dem gefaͤhrlichen Kriege ſo ſehnlich empfangen wuͤrde. Allein wie ich das entſetzliche Wort hoͤrte: Setzt euch / ſchließt die Glieder! macht das Gewehr fertig! ſo vermeinte ich nicht anders / es haͤtten mich zehn Kugeln getroffen: ja ich konte mein Gewehr nicht mehr regieren / und war dermaſſen verwirret / daß ich meinen Prin - tzen / welcher voller Feuer vor unſerm Hauffen hielte / gantz aͤngſtlich ſragte: Gnaͤdiger Herr / ſollen wir auch Feuer geben? da wir doch nichts als Spieſſe und Sebel hatten: Welches denn unſern Printzen zu hefftigen Lachen bewegte / wor - uͤber ich mich oͤffters gewundert / daß er bey ſolcher Gelegenheit / da auch wohl die groͤſten Helden zum erſtenmal gezittert / habe lachen koͤnnen. Mit ſol - cher Frage hatte ich meinen Neben-Cameraden gleichfals dermaſſen irre gemacht / daß er mich umD 4einen56Der Aſiatiſchen Baniſe. einen Spanner anſprach / da wir doch gleiche Ge - wehr hatten. Meine Perſon aber zu verlaſſen / ſo erhub ſich erſt das Treffen durch kleine Hauf - fen / da bald dieſer / bald jener / unten lag / biß es end - lich zur vollkommenen Schlacht ausbrach / und mein Printz kaum die Zeit erwarten konte / daß er angreiffen ſolte. Wir wurden aber / ehe wir uns verſahen / ſelbſt angegriffen; denn Chaumi - grem that den Angriff mit der Reuterey / und wurde ſo fort von der Menge des Feindes geſchla - gen. Als ihn nun Printz Dacoſem mit den Ele - phanten gebuͤhrend ſecundirte / fuͤget es das Un - gluͤcke / daß dieſe beyde Vettern / Xemindo und Dacoſem einander ſelbſt begegneten / und einen Streit um die Crone Pegu perſoͤhnlich antraten. Erſt brauchten ſie Rohr und Pfeile gegen einan - der: worinnen ſich Xemindo aber von dem Da - coſem weit uͤberlegen ſahe; und dannenhero ſein Schwerd / welches ihm der Stadthalter von Goa / Luigi di Taida, verehret hatte / entbloͤßte / daß alſo ein ernſtes Fauſt-Gefechte unter ihnen entſtund / da inzwiſchen die Elephanten / welche dieſe Koͤnigliche Fechter trugen / gleichfals nicht feyerten / ſondern einander feindſelig zuſetzten / biß des Xemindo Elephante einen Zahn verlohr / und daher voller Grimm und Schmertzen auf den andern einſtuͤrmte. Wodurch Xemindo Gele - genheit bekam / unſerm Printzen einen toͤdtlichen Stoß zu verſetzen / und ihm zugleich des Lebens / und aller Hoffnung zur Krone / zu berauben. Da -co -57Erſtes Buch. coſem ſtuͤrtzte nicht ſo geſchwinde vom Elephan - ten / als der fluͤchtige Soldate dem Feinde den Ruͤcken zukehrte / gleichſam als wenn mit ihrem Printzen auch ihre Tapfferkeit gute Nacht gaͤbe; da ſie doch vielmehr durch ſolchen klaͤglichen Fall haͤtten zu grauſamſter Rache ſollen angetrieben werden. Allein da halff kein Ruffen / Bitten / Drohen noch Schlagen / ſondern ein ieder rann - te / als ob ein Wettlauffen nach Ava angeſtellet waͤre. Hierdurch nun wurde der gantze Schwaꝛm vom Feinde auff unſern Hals gezogen; und muß ich gewiß ſagen / wir hielten uns zu Fuſſe dermaſ - ſen / daß die Reuter einen weiten Vorſprung tha - ten / ehe der Feind ohne Verhinderniß nachhauen konte. Hier erzeigte nun unſer Printz Balacin ungemeine Proben ſeiner kuͤnfftigen Tapfferkeit / und machte mich hierdurch ſo behertzt / daß / als ich nur warm worden / ich dermaſſen grauſam um mich hieb und ſtach / daß ich mich noch uͤber meine damahlige Tapffeꝛkeit verwundere. Endlich abeꝛ / als der Feind uns allzu hefftig zuſetzte / trennete er unſere Glieder / und wir geriethen dermaſſen ins Handgemenge / daß wir offt nicht wuſten / ob wir Feind oder Freund traffen. Jch meines Theils hielt mich / ſo viel moͤglich / bey meinem Pꝛintzen / da mir denn das guͤtige Gluͤcke die erſte und ſchoͤne Gelegenheit gab / mich bey demſelben in ſonder - bahre Gnade zu ſetzen. Denn es kam ein groſſer baumſtarcker Jndianer gelauffen / und verſetzteD 5dem58Der Aſiatiſchen Baniſe. dem Pferde meines Printzen mit einem Spieſſe einen dermaſſen gewaltigen Stoß / daß es ſo fort uͤbern Hauffen / und meinem Printzen auf den Leib fiel; weil nun von ſo hefftigem Stoſſe der Schaft am Spieſſe zerbrochen / als griff der ungeſchickte Kerl zum Sebel / und wolte hier auch den letzten Zweig des Koͤniglichen Stammes abhauen. Al - lein es beſeligten mich die Goͤtter mit einer ta - pfern Begierde / meinem Printzen / ſo bald ich das Pferd fallen / und den Feind mit bloſſem Se - bel uͤber ihm ſahe / ſchleunigſt beyzuſpringen; ich ſprang uͤber etliche Leichen weg / und kam gleich zu rechte / als der Jndianer den Sebel auffgehoben / und den Streich recht auff des Printzen Halß ge - richtet hatte. Hier ergrieff ich nun meinen Spieß zu beyden Haͤnden / und ſtieß ihn dem feindlichen Geſellen unter den rechten Arm / welchen er auff - gehoben hatte / hinein / daß er den Sebel entfallen ließ / nieder ſtuͤrtzte / und die ſchwartze Seele ſam̃t dem Blute ausblaſen muſte. Weil nun hier nicht lange zu ſaͤumen war / ſo riß ich den Prin - tzen unter dem Pferde hervor / woruͤber mir ein plumper Kerl einen ziemlichen Streich uͤber den lincken Arm verſetzte / daß ich mich ſattſam pruͤf - fen konte / ob ich auch mein eigen Blut ſehen koͤn - te. Jnzwiſchen ward der Printz auff ein ander Pferd / und aus dem Gedraͤnge gebracht. Nach dem aber der Feind uns weit uͤberlegen war / und die Reuterey nebſt dem Feld-Marſchall Chau - migrem uns durch die Flucht verlaſſen hatten; ſowa -59Erſtes Buch. waren wir ohne Anfuͤhrer / daher denn ein ieder ſeine Fuͤſſe um Rath fragte / und ſich ſo viel moͤg - lich / dem feindlichen Sebel zu entfliehen / bemuͤhe - te. Jch ſelbſt vermeinte an ermeldter Helden - That gnugſam verrichtet zu haben / ſahe mich de - rowegen nach meinen Printzen um / und eilte ihm dermaſſen nach / daß ich nicht wuſte / ob Feind oder Freund hinter mir war. Nach einer Stun - de erreichte ich einen Wald / und ſchaͤtzte mich nunmehr ſicher zu ſeyn / ſatzte mich nieder / und verband meine Wunden / ſo gut ich konte. Als ich aber von weiten ein ſtarckes Getuͤm̃el vernahm / hielte ich ferner nicht vor rathſam / mich noch ein - mal in die Gefahr zu begeben / dahero ich mich auf den Weg machte / und des andern Tages gantz matt und krafftlos vor den Thoren zu Ava an - langte / woſelbſt ich vieler meiner Cameraden an - traff / welche durch die Flucht ihr Leben gerettet hatten. Es kamen auch deren noch ſtuͤndlich zu gantzen Trouppen in voller Unordnung gelauf - fen / von denen man das Ende der Schlacht / und den groſſen Verluſt der Unſrigen / gnugſam ver - nehmen kunte. Jn Summa / die Schlacht war verlohren / drey und zwanzig tauſend der Unſri - gen wurden vermißt / und es war alles in hoͤchſten Sorgen und Furcht / wenn der Feind kommen / und uns gar in Ava beſuchen moͤchte. Welches denn auch gewiß geſchehen waͤre / wenn nicht in waͤhrender Schlacht dem Kaͤyſer von Pegu die gefaͤhrliche Nachricht waͤre hinterbracht worden /was60Der Aſiatiſchen Baniſe. was maſſen deſſen Stadtverweſer in Brama / vorerwehnter Xenimbrum / in deſſen Abweſen ſich einen groſſen Anhang gemacht / Brama ein - genommen / und ietzt in vollen Marſche nach Pe - gu begriffen waͤre / um ſich daſelbſt zum hoͤchſten Haupte des groſſen Reichs zu machen / welchen fernern Verlauff ſie beyderſeits beſſer wiſſen werden / als wir / die wir damahls noch gnung an den eignen Wunden zu heilen hatten. Jch fah - re nur fort in unſern eignen Angelegenheiten / die ſich nach ſolchem Verluſt erzehlter Schlacht fer - ner ereigneten. Chaumigrem war faſt mit den erſten in die Stadt gekommen / und hatte perſoͤhn - lich dieſe leidige Nachricht dem Koͤnige hinter - bracht / welcher hieruͤber dermaſſen beſtuͤrtzt wor - den / daß er ſo fort die Stadt verlaſſen / und ſich nach Malbao begeben wollen / wann ihn nicht Chaumigrem getroͤſtet / und durch ſchrifftlichen Beweiß verſichert haͤtte: es koͤnne der Kayſer von Pegu ſolchen Sieg nicht verfolgen / indem ſein Bruder Xenimbrum bereits Brama zum Abfall bewegt / erobert / und die Hand nach der voͤlligen Crone ausgeſtrecket haͤtte / welche zu retten / er nothwendig ſich eilend zuruͤcke wenden / und die Glut ſeines eignen Hauſes daͤmpffen muͤſſe. Solches ſein Vorbringen ward durch fernere Kundſchafft beſtaͤtiget / welche den ſchleunigen Ruͤck-Marſch des Feindes / und daß er gleichwie in voller Flucht die Graͤntzen von Ava verlaſſen haͤtte / voller Freuden verkuͤndigte. Hierdurchnun61Erſtes Buch. nun machte ſich Chaumigrem zu einem Abgotte bey dem Koͤnige; Und welcher zuvor durch Un - verſtand den Cron-Erben und die Schlacht ver - lohren hatte / dieſer muſte anietzo der eintzige Er - halter des Koͤnigreichs genennet werden. Und ge - wiß / wo einige Verraͤtherey kan gut geſprochen werden / ſo waren dieſe zwey ungerechte Bruͤder rechte Schutz-Engel des Koͤnigs Dacoſem / auſſer deren Huͤlffe er gewiß einen ſtrengen Lehns-Herꝛn an dem Xemindo wuͤrde gefunden haben / ange - ſehen Ava ſo gut als verlohren ſchien / und nicht die geringſte Anſtalt zu einiger Gegenwehr zu ſpuͤhren war.

Hier mag nun Chaumigrem in dem Schoſſe des Koͤnigs ruhen / und ich will etwas von mir ge - dencken / in was vor Angſt ich abermal des drit - ten Tages nach der Schlacht gerieth / als mir an - gedeutet ward / ich ſolte nebſt andern vor unſerm Befehlshaber erſcheinen / und zufoͤrderſt meinen Namen von mir geben.

Jch vermeinte nun nicht anders / denn es wuͤr - de die gewoͤhnliche Kriegs-Straffe an mir we - gen meines Außreiſſens veruͤbet / und ich mit ei - nem ſchimpfflichen Lufft-Arreſte belegt werden; wiewohl ich ſtets daran gedachte / wo es ja an ein hencken gienge / ſo muͤſte nothwendig der Rang beobachtet / und unſer Feld-Herr Chaumigrem / welcher zum erſten das Feld ſcheute / oben anlo - girt werden / alsdenn wolte ich mich gerne neben ihm auffknuͤpffen / und auch im Tode eine dermaſ -ſen62Der Aſiatiſchen Baniſe. ſen hohe Mine blicken laſſen / daß mich iedweder Fremder vor einen Unter-Feld-Herrn angeſehen und reſpectiren muͤſte. Mit ſolchen ſelbſt-ſchmei - chelnden Todes-Gedancken verfuͤgte ich mich nach dem hohen Marckte / allwo ich den gantzen Reſt von der uͤberbliebenen Leib-Wacht meines Printzens ohne Gewehr antraff / da doch keiner dem andern die Urſache ihrer Zuſammenkunfft zu ſagen wuſte; wiewohl einige ihre Einbildung vor gewiſſe Wahrheit ausgeben wolten / ſie waͤ - ren von dem Chaumigrem angegeben / als haͤtten ſie nicht allerdings ihre Pflicht in waͤhrendem Treffen beobachtet / deßwegen denn Kriegsrecht uͤber ſie ſolte gehalten werden Solches vermehr - te meine vorhin dem Chaumigrem gehaͤßige Ge - dancken dermaſſen / daß ich zum oͤfftern dieſen Seufftzer zu den Goͤttern in geheim abſchickte:

Jhr Goͤtter! ſoll ich unverhofft
Mein Leben ſchlieſſen in der Lufft;
So ſoll mich dieſer Tod nicht kraͤncken /
Laßt Chaumigrem nur bey mir hencken.

Wegen der Andacht aber / erblickte ich mit ſonderlicher Gemuͤths-Aenderung meinen Prin - tzen / welcher in gelbem Habit / als der gewoͤhnli - chen Jndianiſchen Trauer-Farbe um deſſen Herrn Bruder / auf einem ſchoͤnen Rappen daher geſprenget kam / und ſich vor unſern Troupp ſetz - te / da er denn alſobald begierig ſagte: Es ſolte der - jenige / welchem er bey vorgegangenem Tref - fen ſein Leben zu dancken haͤtte / ungeſcheut hervortreten /63Erſtes Buch. treten / und fernerer gnaͤdiger Verordnung ge - waͤrtig ſeyn. Solches vernahm ich mit freu - digſter Beſtuͤrtzung / und weil mich mein Gewiſ - ſen verſicherte / ich haͤtte hierdurch keine Henckens - ſondern Beſchenckens-wuͤrdige That begangen / als maßte ich mich einer ſonderbahren Hertzhaff - tigkeit an / und trat mit einem / meiner Einbildung nach / ſonderbar-heroiſchem Geſichte hervor / ſa - gende: Durchlauchtigſter Printz / daß ich zu Ret - tung dero hohen Lebens ein unwuͤrdiger Werck - zeug geweſen / ſolches iſt vielmehr der guͤtigen Schickung unſerer Goͤtter / welche meine Fauſt regieret / als etwa meinem geringſchaͤtzigen Ver - moͤgen zuzuſchreiben. Hierauff fragte mein Printz mit einer gantz gnaͤdigen Mine nach meinem Nahmen und Stande / welche Frage ich mit kur - tzem Berichte vergnuͤgte: Man nennet mich Scandor / und bin aus dem alten adelichen Ge - ſchlechte der Frenojamer entſprungen / es wohnet mein Vater nicht unfern von Ava / welcher mich denn nach Landes-Art beſt-moͤglichſt erzogen hat. Als er aber nach ſechsjaͤhrigem Witber-Stande ſich mit der falſchen Einbildung geſchwaͤngert be - fande: es koͤnne deſſen Wirthſchafft ohne einem weiblichen Befehshaber nicht ſattſam verſorget werden: So verknuͤpffte er ſich mit dem gefaͤhr - lichen Liebes-Bande der eckeln Jugend / und legte eine gluͤende Kohle in ſein Eh-Bette / unbeſorgt / ob nicht der Schnee ſeiner grauen Haare bey ſol - cher Glut ſchmeltzen / oder gar fremde Nachtſtei -ger64Der Aſiatiſchen Baniſe. ger den Wachsſtock ihrer Begierde bey dieſem vermeinten Eigenthum anzuͤnden moͤchten. Kurtz / er nahm eine junge Dame von 17. Jahren / welche ihn beherrſchte und mich verfolgte. Ob mich nun zwar mein Vater / als ſein einiges Kind / der vaͤterlichen Huld ſattſam genieſſen ließ / ſo wuͤrde ich doch deren durch ſtetes Verleumden bald be - raubet: denn / indem ſie wol wuſte / wie wol es der Katzen thue / wenn man ihren Ruͤcken ſtreicht; alſo brachte ſie endlich durch vieles Liebkoſen zu wege / daß eine eingebildete Vergnuͤgung / die vaͤ - terliche Liebe / und mich in Krieg verjagte. Wor - innen ich nun unter dero Befehl bey ſechs und dreyſig Monaten geſtanden / mein Zug und Wa - che wohl verſehen / und mich als ein getreuer und rechtſchaffener Soldate iederzeit verhalten habe. Bitte ſo dann unterthaͤnigſt / mein gnaͤdigſter Herr zu verbleiben. Solche Freymuͤthigkeit ge - fiel meinem Printzen uͤber die Maſſen / und als er zugleich mein Wolverhalten aus dem Munde meiner Officirer vernahm / war es ihm um ſo viel deſto angenehmer / daß ich von gutem unver - faͤlſchten Adel war. Dannenhero er denn mich mit einhelliger Bewilligung meiner Cameraden zum Hauptmann der ſaͤmtlichen Compagnie vor - ſtellete / und mir unwuͤrdigſt die hohe Gnade an - that / daß ich als Hof - und Cammer-Juncker auch bey Hofe einen freyen Zutrit haben moͤch - te. Ob ich mich nun wol aͤuſſerſt entſchuldigte / und mein Unvermoͤgen vorſchuͤtzte / wie ich mich /be -65Erſtes Buch. bevoraus in das gefaͤhrliche Hof-Leben / nicht wuͤrde zu ſchicken wiſſen / ſo war es doch alles ver - gebene Bemuͤhung / indem mir mein Printz zu ge - horſamen aufferlegte / auch ſo fort eine anſtaͤndige Summa Geldes auszahlen ließ / wodurch ich mich beſtens auskleiden / Bediente annehmen / und mich als einen unſchuldigen Hofmann auf - fuͤhren kunte. Vor ſolche unvermuthete hohe Gnade ließ ich es zwar an unterthaͤnigſter Danckſagung nicht ermangeln / und kunte ich mich in meine Hauptmanns-Stelle noch ziem - lich finden / zumalen ich und mein Lieutenant er - fahrne Soldaten waren. Allein / was den Hof anlangte / da muß ich biß dieſe Stunde noch ein Schuͤler bleiben; (vid. Fig. 1.) Am allermeiſten huͤtete ich mich vor der gemeinen Hof-Peſt / un - gemeſſener Cinbildung / und befliß mich / durch an - ſtaͤndige Demuth / mir iederman / er mochte ein Hof - oder Land-Mann ſeyn / zu verpflichten; aus Urſachen / weil ich nicht unbillig beſorgte / es moͤch - te dieſe ungemeine Gnaden-Sonne einen ſchaͤd - lichen Nebel des Neides uͤber mein Haupt zu - ſammen ziehen / und ich etwan in ſolcher Finſter - niß auff dem ſchluͤpfferichen Eiſe der Herren - Gnade gar fallen. So ich mir nun durch un - nuͤtze Hochmuth iederman verhaßt gemacht haͤt - te / ſo wuͤrde ich in ſolchem Fall von den Hoͤhern verſtoſſen / und von den Geringern wolverdienter maſſen wiederum verachtet werden. Jn Sum - ma / ich ward uͤber alles Verhoffen ein vornehmerEKriegs -66Der Aſiatiſchen Baniſe. Kriegs-Bedienter / und wider meinen Willen ein Hofmann. Es kam mir aber die ſonderliche Gnade meines Printzen trefflich zu ſtatten / indem er mich gar zu ſeinem Vertrauten machte / weil ihm meine Veꝛſchwiegenheit und luſtiger Humeuꝛ trefflich wohl gefiel / wodurch meine Fehler bede - cket / und der Mangel erſetzet wurde.

Jch uͤberkam auch einen freyen Zutritt von al - lem denjenigen ein leibhafftiger Zeuge zu ſeyn / was ich ferner erzehlen werde. Chaumigrem be - feſtigte ſich inzwiſchen dermaſſen in der Koͤnigli - chen Gnade / daß Printz Dacoſem gar leicht ver - geſſen ward / gleichſam als ob er in Chaumigrems Perſon wiederum lebendig worden waͤre / ja / er wurde in gewiſſen Dingen auch gar meinem Printzen vorgezogen / angeſehen ſich Dacoſem in der Vaͤterlichen Liebe ohne diß gar wol zu maͤßi - gen wuſte / wie er ſolches ſattſam gegen die Prin - ceßin Higvanama / die er doch iederzeit ſein lieb - ſtes Kind zu nennen pflegte / mercken ließ. Dieſe Princeßin war nun ſowohl am Stande / als an Schoͤnheit und Tugend die Crone in gantz Ava / ihres Alters im 17. Jahre / und von ſo angeneh - men Weſen / daß Nherandi / Koͤniglicher Erb - Printz aus Siam / gewiß hierinnen nicht irrete / als er vor einer Jahres-Friſt / unſern Hof beſu - chende / ſich durch ſie feſſeln laſſen / und es vor ein hohes Gluͤcke achtete / als er ihre Gegen-Huld / und den Vaͤterlichen Willen / voller Vergnuͤ - gung / mit ſich nach Siam nehmen kunte. Wel -che67Erſtes Buch. che Liebes-Vollziehung auch bereits geſchehen waͤre / wenn nicht erwehnte Kriegs Flamme ſol - ches verhindert haͤtte / zumal / weil Xemindo und Higvero / Koͤnig in Siam / in genauem Buͤndniß ſtunden. Chaumigrem / welcher die Gewalt hat - te / auch unangemeldet in das Koͤnigl. Cabinet zu gehen / nahm ſich ebenfalls einſten die Freyheit / in den Koͤniglichen Luſt-Garten zu gehen / und ob zwar der Gaͤrtner ihm hierinnen nicht bald will - fahren wolte / mit Vermelden / es ſey die Prin - ceßin hinein gegangen / und haͤtte / um ihre Ein - ſamkeit zu ſuchen / auch ſo gar ihr Frauenzimmer in den aͤuſſern Garten-Zimmern hinterlaſſen; ſo wurde doch / deſſen ungeachtet / der treue Gaͤrtner vor ſeine Nachricht mit dem Pruͤgel belohnet / und der Garten mit Gewalt eroͤffnet. Welchen Tumult die Princeßin / wegen Groͤſſe des Gar - tens / nicht vernehmen koͤnnen. Als nun der un - geſchickte Chaumigrem in den Garten gekom̃en / und die Princeßin nicht geſehen / iſt er getroſt nach denen begruͤnten Gallerien hingegangen / gleich als ob er durch ſeine Gegenwart der Princeßin eine ſonderbare Freude erwecken wuͤrde. Und iſt deſſen unverſchaͤmtes Weſen um ſo viel mehr hieraus abzunehmen / indem er die Princeßin ſein Tage nicht geſehen hatte. So bald er ſich der Gallerie genaͤhert / hoͤret er von weiten eine Laute ſpielen / welches er vor die Princeßin erachtet / und ſich dannenhero gantz unvermerckt dermaſſen hinan verfuͤget / daß er iedes Wort vernehmen /E 2auch68Der Aſiatiſchen Baniſe. auch dero Geberden ſeitwerts genau bemercken koͤnnen / als ſie gleich mit entzuͤckender Anmuth und Stimme folgende Arie / durch die Lufft nach ihrem geliebteſten Printzen Nherandi ſeufftzen - de abgeſchickt / und in die Laute / welche ſie von ei - nem Portugieſen Wunder-wol gelernet / abſunge.

1.
Mein Hoffen ſtirbt / mein Kummer lebt /
Der Ancker meiner Ruh iſt nun zerbrochen.
Mein Schickſal / das beyn Sternen ſchwebt /
Hat wider mich diß Urthel ausgeſprochen:
Der Liebe ſuͤſſer Schertz
Soll feſſeln zwar dein Hertz /
Doch ferne Huld bringt Zweifel-vollen Schmertz.
2.
Jch bin vergnuͤgt / und unvergnuͤgt /
Wenn ich an jenen Blick und Blitz gedencke /
Durch den mein Hertze ward beſiegt:
Um welchen ich abweſende mich kraͤncke.
Zwar meine Liebes-Pflicht /
Erinnert mich / und ſpricht:
Wo Liebe bluͤht / da waͤchſt kein Zweiffel nicht.
3.
Doch meine Lieb iſt allzu zart;
Das Auge kan ein Staub empfindlich ruͤhren.
Die Furcht iſt reiner Hertzen Art:
Ein fremder Blick kan offt den Geiſt verfuͤhren.
Das Leben wird verſuͤßt /
Wo man beyſammen iſt /
Und Gegenwart die holden Lippen kuͤßt.
4.69Erſtes Buch.
4.
Jndeſſen ſoll die treue Glut
Biß in das Grab in meinem Hertzen brennen /
Wo dir mein Fuͤrchten unrecht thut:
So wirſt du doch hieraus mein Feuer kennen.
Die Hoffnung ſoll allein
Nun mehr mein Zucker ſeyn /
Jch weiß: Der Himmel wird mich bald erfreun.

Bey dieſen Worten ſprang Chaumigrem mehr mit naͤrriſchen als anſtaͤndigen Geberden hervor / und ſchrey mit vollem Halſe: Chaumi - grem ſtelt ſich ein / lachte auch hierauff mit vollem Halſe dermaſſen / als ob er die artigſte Sache vor - gebracht haͤtte. Hierauff ſtund er ſtille / und ſa - he die Princeßin mit ſolchen Blicken an / daß ſie vielmehr Urſache hieruͤber zu lachen als zu erſchre - cken gehabt haͤtte. Die Princeßin aber erſchrack / daß ihr die Laute ins Graß fiel / und ſie gantz un - beweglich ſitzen bliebe / biß endlich Chaumigrem in dieſe Worte heraus brach: Schoͤnſte Prin - ceßin / ſie vergebe mir / daß ich mir die Ehre der erſten Auffwartung ſelber genommen / und ihr deutlich zu verſtehen gebe / wie hoch es mich er - freuen wuͤrde / wenn der Jnhalt dieſes Liedes auff mich gerichtet waͤre. Als ſich nun die Princeßin wieder in etwas erholte / antwortete ſie mit zorni - gen Blicken: Herr Gꝛaff / weꝛhat ihm die Kuͤhnheit erlaubet / derer ſich auch Koͤnigliche Perſonen wi - der meinen Willen nicht unterfangen duͤrffen? Chaumigrem / welcher ſich / weiß nicht was / vor einE 3freund -70Der Aſiatiſchen Baniſe. freundlich Geſichte eingebildet hatte / angeſehen er noch nicht mit ſo hohem Frauenzimmer umge - gangen war / erſchrack anfangs hieruͤber / iedoch antwortete er alſobald mit ſonderbarem Uber - muthe: Wem des Koͤniglichen Herrn Vaters Cabinet und Hertze unverſchloſſen iſt / der darff auch deſſen Tochter ungeſcheuet beſuchen. Ent - fernet euch / unverſchaͤmter Graff / ſagte ſie mit er - hitztem Gemuͤthe / und wiſſet / daß die Vaͤterliche Gnade der Tochter zu keinem Nachtheil gerei - chen kan. Mit dieſen Worten verwieß ſie den beſtuͤrtzten Chaumigrem / welcher ſich deſſen nim - mermehr verſehen / ſondern vielmehr in der Ein - bildung gelebet / es muͤſte iederman ſeine Gunſt vor eine Gnade ſchaͤtzen. Jn ſolchen Gedancken ſtellete er ſich zugleich die anmuthigen Geberden / und verwunderliche Schoͤnheit / welche er waͤh - renden Singens ſattſam betrachtet / vor Augen / und befand ſich dermaſſen geruͤhret / daß er nicht anders als raſende zu ſeyn ſchiene / wann er be - trachtete / wie ihn ſo etwas angenehmes verwun - det und zugleich verſtoſſen hatte. Und daß ich nicht irre / ſo koͤnnen meine Herren unſchwer hier - aus abnehmen / wie ewig es Wunder geweſen ſey / daß ſich ein ſolcher Barbariſcher Menſch durch ſo kurtzes Anſchauen habe entzuͤnden laſſen / wann ich ihre Perſon nach meinem ſchlechten Verſtande moͤglichſt beſchreibe: Sie war einer anſtaͤndigen Laͤnge / ſehr wol gewachſen / ihr Haupt war mit Kohl-ſchwartzen natuͤrlichen Locken be -decket71Erſtes Buch. decket / wie denn auch die Zierrath ihrer groſſen Augen durch ſchmale Augbraunen um ein groſſes vermehret ward. Die reine Haut gab die blauen Adern lieblich zu erkennen / zudem waren die Ro - ſen-gleichen Wangen gleichſam beſchaͤmt / gegen die etwas erhabenen Corallen-Farbene Lippen / unter welchen ſich ein wolgebildetes Kinn / ſchnee - weiſſer Hals / und / (ach ich werde ſelbſt verliebt /) alabaſterne Berge der Liebe anmuthigſt zeigeten. Die Haͤnde waren dermaſſen beſchaffen / daß / wer ſie mit den artigen Fingern ſo kuͤnſtlich auff der Laute ſpielen ſahe / nichts anders / als ſelbte zu kuͤſ - ſen / wuͤnſchen konte. Mit einem Worte / auſſer der Princeßin Baniſe getraue ich nicht / in gantz Aſia ihr Gleichniß zu finden. Solche Schoͤn - heit ward durch einen Gold / in blau gewuͤrckten / Rock trefflich erhaben / zumahl die Diamanten haͤuffig durch die ſchwartzen Locken blitzten / und auch wohl lebloſe Blumen hiedurch konten be - wegt werden. Allein was vor reitzende Urſa - chen zu einiger Gegen-Liebe an den Chaumigrem zu finden waren / das weder meine Herren / wel - che ihn taͤglich ſehen / beſſer im friſchen Gedaͤcht - nis haben / als ich von langer Zeit herzehlen kan. Weil er ſich aber doch koͤnte geaͤndert haben / ſo muß ich nur deſſen damalige Geſtalt beſchreiben: Er war gantz klein von Perſon / und hatte der Ruͤ - cken mit dem Schenckel einen Vergleich getrof - ſen / ſie wolten einander in der Kruͤmme nichts nachgeben. Sein bis an den Guͤrtel reichendesE 4und72Der Aſiatiſchen Baniſe. und braunrothes Haar / war hingegen ſo aufrich - tig / ſchlecht und gerecht / als wenn es auf einen Fie - delbogen geſpannet / und ſtatt des Hartzes mit Speck beſtrichen waͤre / welches einen trefflichen Wieder-Glantz bey der Sonne gab. Der Kopff war von einer ungewoͤhnlichen Groͤſſe / iedoch das Geſichte lang / und ſchmal / ſehr hager und mit ei - ner ſolchen groſſen Naſe beſetzt / daß es ſchien / als ob der Kopff ein kleiner Anhang von der Naſe waͤre / welche noch darzu durch ſo eine unanſtaͤndi - ge Kruͤmme verſtellet war / daß ſie wie ein Sebel / deſſen Spitze gleich auff die Unter-Lippe traff / - ber dem Maule hieng / die Augen ſtunden tieff im Kopffe / deren Augaͤpffel man vor den uͤberhan - genden rothen Augbraunen nichl wohl erkennen konte: von welcher Farbe auch ein duͤnner Bart um die Angel-weite Lippen geſaͤet ſtund: und wundert mich nur / daß ihn die Princeßin nicht von fernen mercken koͤnnen / indem ſein Athem ſo durchdringende war / daß er den Feind gar wohl damit aus dem Felde haͤtte jagen koͤnnen / wenn er nicht mit den Stuͤcken gereichert / und den Stanck dadurch vertrieben haͤtte. Von was vor hohen Farben er muͤſſe geweſen ſeyn / iſt hier - aus zu ſchlieſſen: daß / weil er gleich in die Hof - Trauer / und zwar in ſchwartz-gelb gekleidet war / man das Kleid nicht von deſſen Haut unterſchei - den konte: in Summa / es war ein recht Crocodil der Liebe / und eine Mißgeburt der Affection. Was thaͤt aber der verliebte Bucephalus ferner? er73Erſtes Buch. er gieng die Gallerie etliche mahl auf und ab / und wuſte nicht ob Zorn oder Scham die Oberhand behalten ſolte. Endlich troͤſtete er ſich doch wie - derum / und vermeinte / er haͤtte es vor dißmal nicht recht angefangen / ſie waͤre vielleicht mehr - ber die Verſtoͤhrung ihrer verliebten Gedancken / als uͤber deſſen Gegenwart erzuͤrnt geweſen; De - rowegen wolte er die Entdeckung ſeiner Liebe zu anderer Zeit beſſer anbringen. Woruͤber er der maſſen entzuͤckt ſchien / daß er ſich allbereit in ver - liebten Minen uͤbte / und in dem Graſe ſeltzame Stellungen machte / biß er ſich endlich einem ge - wiſſen Baume nahte / welcher aus Mexico dahin verſetzet war / und(†)Franciſci Staats-Garten p. 812. Qvamochtil genennt wird. Dieſer Baum iſt an allen Aeſten und Zweigen / wie auch an dem gantzen Stamme mit Stacheln beſetzet / welche Stacheln / wenn man ſie anruͤhret oder druͤcket / mit ſolcher Gewalt und Krachen heraus platzen / als wuͤrden ſie aus einem Geſchoß getrieben. Dieſen Baum nun ſtellte ſich dieſe vor Liebe blinde Seele nicht anders vor / als haͤtte er durch neue Liebes-Anſchlaͤge ſeine Hi - gvanama dahin gebracht / daß er voͤllige Gewalt ſie zu umarmen / ja gar zu kuͤſſen haͤtte: Dannen - hero druͤckte er ſeine finſtere Augen zu / und um - fieng erwehnten Baum mit ſolcher Brunſt / daß es nicht zu verwundern war / wenn ſich auch ein lebloſes Holtz vor ihm entſatzte / und durch heffti - ges Krachen und Stechen ihm zu verſtehen gab /E 5mit74Der Aſiatiſchen Baniſe. mit was vor Anmuth er mit ſeinem Liebes-Vor - trage bey der Princeßin wuͤrde ferner empfangen werden. Der Schrecken und Schmertz zwang ihn / hierauff / etliche Schritte zuruͤcke zu ſpringen / und hefftig auf den Gaͤrtner zu ſchelten / gleichſam als ob er der Natur gebieten koͤnte / wie ſie der ver - liebten Narren ſchonen ſolte. Nachdem er aber gleichſam aus einem Traume ermuntert ſchien / gieng er von dieſem empfindlichen Holtze weg / und legte ſich in den Schatten eines andern Bau - mes / um ſein verliebtes Elend in genauere Be - trachtung zu ziehen; allein auch hier wurden ſei - ne Gedancken durch das Anſchauen empfindlichſt verſtoͤhret: denn es hatte ihm ſein wahrſagendes Verhaͤngniß abermal unter den in Ava gleich - fals unbekanten Baum(*)Franciſci Staats-Garten p. 812. Hoitzmamaxalli / oder auff deutſch den Horntragenden Baum / ge - fuͤhret. Dieſer Baum iſt mit Blaͤttern gleich den Tamarinden belaubet / mit gelben Blumen uͤberzogen / und laͤſſet ſo wohl an den Aeſten als auch am Stamme haͤuffige Hoͤrner / welche aller - dings den Ochſenhoͤrnern gleichen / hervor gehen; wie ſolches ferner ein gelehrter Europaͤer von unſern Gewaͤchſen beſchreibet. Hier erzuͤrnte ſich Chaumigrem dermaſſen aufs neue. daß er gehling auffſprang / und mit dem Sebel alle un - ſchuldige Hoͤrner / die er erlangen konte / mit dieſen erhitzten Worten herunter hieb.

So75Erſtes Buch.

So will ich die Raͤuber / die Diebe belohnen / Die meiner mit Hoͤrnern nicht wollen verſchonen. Jch ſchwere: wo etwan dergleichen geſchicht: So ſey man verſichert / ich leide das nicht.

Nach ſolcher entſetzlichen Hoͤrner-Schlacht ſteckte er den muͤden Sebel ein / und gieng mit ſol - chen gravitaͤtiſchen Schritten nach der Garten - Thuͤre zu / als ob er dem Actaͤon ein Horn abge - rannt haͤtte / daß auch ein Gaͤrtner-Junge / wel - cher verſteckter Weiſe ſolches alles geſehen / gehoͤ - ret / und hernach meinem Printzen erzehlt / ſich nicht enthalten koͤnnen / uͤberlaut zu lachen. Als er nun zur Garten Thuͤre ausgetreten / erſahe er noch ein hinterſtelliges Maͤgdgen von der Prin - ceßin Frauenzimmer / welche er zu ſich beruffte / und ihr einen ſchoͤnen Rubin verehrte / mit Bitte / ihn ihrer Princeßin beſtens zu befehlen / und ſie ſei - ner innigſten Liebe zu verſichern / welches Geſchen - cke dieſes Maͤgdgen begierigſt annahm / und ihm mit dieſen Worten danckte: Hievor verſichere ich ihn meiner Gegen-Liebe. Welche Worte er aber gantz unrecht verſtand. Folgenden Tages ließ ihn der Koͤnig zur Tafel erſuchen / welches er aber durch den Vorwand einiger Unpaͤßligkeit abſchlug / wo - durch der Koͤnig ſich dermaſſen betruͤbt erzeigte / als ob die gantze Wohlfarth von Ava an einem Faden hienge / ja mein Printz ſagte oͤffentlich / er haͤtte uͤber den Tod ſeines Sohnes Dacoſem nach der Schlacht nicht ſolches Leidweſen / als uͤber die verſtellte Kranckheit dieſes Menſchens / ſpuͤhrenlaſ -76Der Aſiatiſchen Baniſe. laſſen. Wie denn alſofort zwey Koͤnigliche Leib - Aertzte ſich zu ihm verfuͤgen / und die Beſchaffen - heit des zugeſtoſſenen Unfalls genau unterſuchen muͤſſen / nebſt angehengter Verſichrung / ſolte auch die Helffte der Crone deſſen Geſundheit wieder - bringen koͤnnen / es ſolte nicht geſparet werden. Solches gnaͤdige Anerbieten machte ſich Chaumi - grem bald zu nutze / und fertigte die Aertzte wieder - um ab / ließ vor die hohe Koͤnigl. Gnade unterthaͤ - nigſten Danck abſtatten / und zugleich berichten / es wuͤrde alle angewandte Artzney vergeblich ſeyn / ſo lange das Gemuͤthe mit Schwachheit behafftet waͤre / welches niemand / denn J. Maj. heilen koͤnte. Jnmittelſt erſtaunte der gantze Hof / uͤber die un - gemeſſene Gnade / derer ein ſolcher unwuͤrdiger Menſch genoß. Der Printz ſahe ſich in vaͤterlicher Gnade hindan-geſetzt / die Princeßin muſte glei - ches beſorgen / die Groſſen des Hofes / wolten ſie ſich anders befeſtiget wiſſen / muſten ihm faſt Koͤ - nigl. Ehre erweiſen: ja ſo gar die Reichs-Raͤthe muſten ſeinem Eingeben den Vorzug goͤnnen / daß auch viel vermeinten / es gehe durch uͤbernatuͤrliche Kunſt zu. Mein Printz aber beſuchte indeſſen die Princeßin Higvanama fleißig / welche voller Be - truͤbniß uͤber die ſpaꝛſame Nachricht von ihrem ge - liebten Printzen Nherandi war / alſo / daß mein Printz gnungſam zu troͤſten hatte / ob er wohl zur Zeit nicht viel von dieſem Leiden empfunden. Ei - nes Tages ward mir durch einen unbekanden La - qveyen ein Schreiben eingehaͤndiget / mit fleißigerBitte /77Erſtes Buch. Bitte / ſolches ſchleunigſt der Princeßin zu uͤber - antworten / woruͤber ich hoͤchſt erfreuet ward / nicht anders vermeinende / denn ich werde die Princeßin mit einer angenehmen Poſt von ihrem Printzen erfreuen. Weswegen ich mich denn ſo fort nach Hofe und in das Frauenzimmer Gemach verfuͤg - te / durch welches ich um ein gnaͤdiges Gehoͤr bey der Princeßin anhalten ließ / weil ich einige / verhof - fentlich angenehme Verrichtungen abzulegen haͤt - te. Jch ward hierauff alsbald in dero Zimmer er - fodert / allwohin ich mich verfuͤgte / und mein Com - pliment / ſo viel / als es von einem halbjaͤhrigen Hof - mann konte erfodert werden / vorbrachte / zugleich auch ermeldten Brief mit tieffſter Reverentz uͤber - reichte / nebſt dem Berichte: es ſey mir ſelbter von einem unbekandten Menſchen uͤbeꝛantwoꝛtet wor - den / ſolches gebuͤhrende zu beſtellen / und hoffe ich / hierdurch mich in dero Gnade zu ſetzen. Die Prin - ceßin nahm ſolches mit gnaͤdiger Hand / und gantz erfreutem Geſichte / von mir an / trat an ein Fen - ſter / und erbrach dieſes. Allein / da ſie etwas hier - von geleſen / o ihr Goͤtter / in was vor Beſtuͤrtzung und Erſtaunen gerieth ich / als die Princeßin den Brieff anſpie / zur Erden warff / und mit Fuͤſſen trat / zugleich aber mich mit dieſen freundlichen Worten anredete: Und du / verfluchter Hund / darffſt dich unterfangen / mir von einer ewig-ver - bannten Perſon ſolche Sachen einzuhaͤndigen / welche wuͤrdig waͤꝛen / mit dem Hencker beantwor - tet zu werden. Hiervon ſolte gewiß an dir der An -fang78Der Aſiatiſchen Baniſe. fang gemacht werden / wenn ich nicht des Printzen verſchonte. Jmmittelſt laſſe dich nicht geluͤſten / vor meinem Angeſichte mehr zu erſcheinen / ſonſten ſoll dein Kopff auff dem Rumpffe wackeln. Nach welchen harten Worten ſie ſich in ihr Cabinet be - gab / und mich gantz auſſer mir ſelbſten ließ. Jch hielte es hierauff nicht vor rathſam / vor der Hoͤle einer erzuͤrnten Loͤwin laͤnger zu verziehen / ſondern verließ das Zimmer / und gieng mit ſo leiſen Trit - ten vom Schloſſe / als wie ein Pfau / welcher ſeine Fuͤſſe betꝛachtet hat. Ja ich ſahe mich immer fleißig um / ob nicht einer von der loͤblichen Buͤttel-Geſell - ſchafft mich zuruͤcke und auff einen Trunck Eiſen - Kraut-Wein laden wuͤrde. Nachdem ich aber un - gehindert das Schloß auff dem Ruͤcken hatte / be - gegnete mir zu allem Gluͤcke der Vogel / von wel - chem ich den Brieff empfangen hatte / denſelben ſetzte ich alſobald zur Rede / wer ſein Herr waͤre? worauff er mir gantz trotzig antwortete: er waͤre ſein eigen Herr. Hierauff erwiſchte ich meinen Stock / und ſagte: ſo mag dein Herr der aͤrgſte Schelm ſeyn / und mit dieſen Worten ſchlug ich aus allen Kraͤfften auff ihn zu / daß er lauter Lufft - Spruͤnge that / und in ſolcher Angſt kein Wort mehr / als Chaumigrem / auffbringen konte. Hier - aus merckte ich ſchon / in welcher Muͤntze dieſes Geld geſchlagen war / ich ſtellte mich aber / als wuͤſte oder verſtuͤnde ich ihm nichts / und ſagte bey Endigung dieſes Stock-Ballets zu ihm: Sage deinem Herrn / er ſey wer er wolle / die Princeßinwolte79Erſtes Buch. wolte ihn durch den Hencker antworten / und dich neben ihn auffknuͤpffen laſſen. Jch aber begab mich zu meinem Printzen / wartete ihm auff / und ſtellte mich hoͤchſt betruͤbt an / deſſen Urſache der Printz auff vieles Fragen nicht erfahren konte / biß er mir bey Vermeidung ſeiner Ungnade aufferleg - te / ich ſolte es ihm entdecken. Darauff faßte ich ei - nen Muth / und bꝛachte es auf das beweglichſte vor / wie mich einer von des Chaumigrem Leuten / den ich nicht gekennet / ſo ſchaͤndlich betrogen / indem er mir einen Brieff an die Princeßin eingehaͤndiget haͤtte / und weil ich nicht anders vermeinet / er wuͤr - de in geheim von Jndia kommen ſeyn / weil ſonſt alle Poſten von Siam geleget waren / ſo haͤtte ich ein angenehmes Boten-Brod zu erhaſchen ver - hofft / und erzehlte ferner den gantzen Verlauff / mit angehengter Bitte / in ſolcher Unſchuld mein gnaͤ - diger Herr zu ſeyn / und mich ſothaner unverdien - ten Ungnade bey der Princeßin zuentledigen. Weil ich nun auch in der hoͤchſten Angſt gleichwohl ſo bedaͤchtig geweſen / und den Brieff / welchen die Princeßin weggeworffen / wieder auffgehoben und eingeſtecket hatte; als uͤbergab ich das ungluͤckliche Papier meinem Printzen / welcher mich ſo fort vor unſchuldig hielt / weil der Titel in Siammiſcher / der Jnhalt aber in Peguaniſcher Sprache geſtel - let war / und laß er folgende Worte der Uberſchrift: Der Durchlauchtigſten / unvergleichlichen Son - nen in Ava / Higvanama / Princeßin des Groß - maͤchtigſten Koͤniges / Dacoſem / Beherrſcherinder80Der Aſiatiſchen Baniſe. der Liebe / und einigem Leitſterne meiner See - len. Citò.

Der Jnhalt klapte gantz verwirret / und zwar dergeſtalt:

Schoͤnſte Princeßin!

JCh weiß nicht / ob ich die Goͤtter / als den Ur - ſprung ihrer uͤberirrdiſchen Schoͤnheit / oder dero angenehmen Geiſt / welcher mich durch an - muthigſte Geberden verſteinerte / die Qvelle mei - nes Jammers nennen / und mich uͤber ihre Grau - ſamkeit beſchweren ſoll. Jch will nicht geſund hier in meinem Siechen-Bette liegen / wo ich nicht bey Henckerholen geſchwoꝛen haͤtte / als ich ſie im Gar - ten lautenieren ſahe / es waͤre ein Geſpenſt / indem unmoͤglich ſolche Entzuͤckungen von einem bloſſen Menſchen herruͤhren koͤnnen. Princeßin / ich will verſincken / wo ich nicht von derſelben Stunde an bey mir beſchloſſen / ſelbte mit meiner Liebe zu be - ſeligen. Jch verſichere ſie / daß Himmel und Hoͤlle / meinen Vorſatz zu ſtoͤren / viel zu ohnmaͤchtig ſind. Durch mich ſoll ihr Haupt erhoͤhet / und ſie gluͤck - ſelig werden. Sie befehle nur / ſchoͤnſter Rubin meines verliebten Hertzens / welches von denen neunen / dem Reich Pegu unterworffenen Koͤnig - reichen / ihr am beſten anſtehet / ſo will ich als ein Blitz mich dahin begeben / die Staͤdte verbrennen / das Land verwuͤſten / und die Crone deſſelben Rei - ches zu dero Fuͤſſen legen; denn ich verſichere / ob zwar Venus mir im Geſichte ſitzet / ſo herrſchet doch Mars im Hertzen. Jch liege hier / als ein ar -mer81Erſtes Buch. mer Wurm / aus bloſſem Erſchrecken vor dero verſtelltem Eiver / mit welchem ſie mir bey erſter / von den Goͤttern verſehenen / Zuſammenkunfft im Garten ſo entſetzlich vorkam: Die Zuentbietung aber ihrer Gnade und Verſicherung ihrer Liebe wird meine Geſundheit eher befoͤrdern als das ſtaͤrckſte Vomitiv der Koͤniglichen Leib-Aertzte. Es reiſſet mich hefftig im lincken Schenckel / wo - bey ſich auch ein Durchfall befindet; allein ihre Huld kan mich heilen / und allen Schmertzen ver - treiben.

Was den Willen ihres Koͤniglichen Herrn und Vaters anbelanget / davor laſſen ſie mich ſor - gen. Es wird ihm die hoͤchſte Freude und ihr die groͤſte Ehre ſeyn / wenn man ſie eine Gemahlin des allgemeinen Erloͤſeꝛs und Sieges-Fuͤꝛſten von Ava begruͤſſen wird. Adieu / meine kuͤnfftige Vergnuͤ - gung! Und wo es nicht zu ablegen / ſo wird dero per - ſoͤhnliche Beſuchung in meiner Schwachheit vor ein ſonderbahres Liebes-Zeichen von mir erkennet werden.

Dero Liebenswuͤrdiger Chaumigrem.

Mein Printz wuſte nicht / ob er lachen oder ſich hieruͤber erzuͤrnen ſolte / doch bezwang er ſich in ſo weit / daß er in dieſe Worte heraus brach: Es hat der Hochmuth / Unverſtand und Grobheit ein Verbuͤndniß in dieſem Menſchen gemacht / das Reich Ava / mich und mein Fraͤulein Schweſter auffs empfindlichſte zu beleidigen. Weil es aberFſchei -82Der Aſiatiſchen Baniſe. ſcheinet / es habe der Hochmuth den hoͤchſten Gi - pfel ſeiner Vollkommenheit erreichet / und Hoffart gemeiniglich vorm Fall koͤmmt / ſo laſſe ich mich troͤſten / daß deſſen Untergang vor der Thuͤr ruhet / und dieſer muß erfolgen / ſolte er auch durch meine Hand befoͤrdert werden. Du aber / Scandor / biſt unſchuldig / und laſſe es dir zur Warnung dienen / daß du bey Hofe nicht allem vorgebrachten glau - beſt und traueſt / vielweniger ſolches ohne genauſte Unterſuchung denen Hoͤhern hinterbringeſt. Jch will immittelſt auff deine Ausſoͤhnung bedacht ſeyn / und kanſt du mir nur in einer halben Stun - den folgen / biß ich dich werde erfodern laſſen. Vor ſolche Gnade ſtattete ich verpflichteſten Danck ab / und verharrte nach dieſem biß zu der vom Printzen anbefohlnen Zeit in dem Zimmer. Hier uͤberlegte ich nun den gantzen Handel in meiner Einfalt / und ließ es mir zu ſonderbarem Troſte dienen / daß ich nicht der Ungeſchickteſte an unſerm Hofe allein war / ſondern an Unverſtand und Unhoͤffligkeit von dem Koͤniglichen Augapffel weit uͤbertroffen wurde. Denn meine Staats-Faute ruͤhrte aus ei - ner Unwiſſenheit / welche noch zu enſchuldigen war / jene aber aus einem unverantwortlichen Hochmuthe her: und alſo hatte ich / wie im Auß - reiſſen / alſo auch in der Unhoͤffligkeit einen treuen Cameraden an dem Chaumigrem. Jn folchen Gedancken war faſt eine Stunde verfloſſen / da ich mich meines Printzens Befehl erinnerte / auffs ſchleunigſte nach Hofe zu eilen / allwo ich mit fluͤch -tigem83Erſtes Buch. tigem Geſichte erfahren muſte / daß bereits einige Nachfrage nachmir geſchehen waͤre / wel - che auch indem wiederholet / und ich in der Prin - ceßin Zimmer beruffen ward / dahin ich mich mit zitterndem Fuſſe begab / und bey dem erſten Hin - eintritt mit einem klaͤglichen Fußfall um Verzei - hung meines Fehlers anhielt. Die Princeßin a - ber befahl mir mit dieſen troſtreichen Worten auffzuſtehen: Es hat bereits Jhr Liebden der Printz deine Unſchuld mir ſattſam vor Augen ge - ſtellet / als ſoll hiemit meine Ungnade gegen dich auffgehaben ſeyn / iedoch mit ernſter Verwar - nung / dich kuͤnfftig in Uberantwortung ſolcher Brieffe beſſer in acht zu nehmen / und zum wenig - ſten den Boten ſo lange anzuhalten / biß er wie - derum gebuͤhrend abgefertiget werde. Hier ſchuͤttete ich nun wiederum einen gantzen Sack voll Danck-Complimenten aus / die ich nach mei - nem Vermoͤgen vor ſo hohen Perſohnen zu ver - antworten getraute / und verſicherte / ich haͤtte den ſchlimmen Bothen / als ich ihn wieder angetrof - fen / dermaſſen abgefertiget / daß ſein Herr leicht - lich hieraus wuͤrde abgenommen haben / wenn man den Sack ſchluͤge / ſo meinte man den Eſel. Jndem nun mein Printz / welchem ich vor ſo gnaͤ - dige Vorſorge meiner Verſoͤhnung demuͤthigſt die Hand kuͤßte / der Princeßin zu gefallen noch einen und andern Einfall von mir heraus locken wolte / ſo ließ ſich Mangoſtan / Ober-Cammer - Herr des Koͤnigs bey der Princeßin als ein Abge -F 2ord -84Der Aſiatiſchen Baniſe. ordneter von dero Herrn Vater anmelden / wel - cher alſobald vorgelaſſen / und von der Princeßin bey dem Eingange mit geziemender Anſtaͤndig - keit empfangen ward. Und als dergleichen auch von dem Printzen verrichtet war / brachte Man - goſtan ſo fort Koͤnigl. Anſinnen vor: Wie daß nemlich Koͤnigl. Maj. die Princeßin Koͤnig - und Vaͤterlicher Gnade verſichern lieſſe / welche ſie auch um ein groſſes vermehren wuͤrde / wenn ſie dem Chaumigrem / als welchem das gantze Koͤ - nigliche Haus hoch verpflichtet waͤre / einen freyen Zutritt und Beſuchung erlauben wolte. Uber welches die Princeßin ſich dermaſſen entſetzte / daß ſie etliche Schritte zu ruͤcke wich / und mit et - was harter Stimme antwortete: Wie nun? hat der Koͤnig / mein Herr Vater / vergeſſen / daß ich eines Koͤniges Tochter / und eines Koͤniglichen Erb-Printzens verſprochne Braut bin / und will er mir zu Schimpffe unſers hohen Hauſes zu - muthen / mich mit einem ſolchen Schandfleck der Natur gemein zu machen / welcher vielmehr Schimpf als Ehre verdienet hat. Die Schlacht hat er durch Unerfahrenheit verlohren / durch uͤble Aufſicht hat er das Reich ſeines Cron-Printzens beraubet / und wo ja Verraͤtherey eniger Ver - bindligkeit wuͤrdig iſt / ſo hat man ſolches vielmehr ſeinem Bruder Xenimbran / als ihm zu dancken. Doch er habe ſich ſo hoch verdient gemacht / als er wolle / ſo iſt er doch noch lange nicht wuͤrdig ge - nung / eine Koͤnigl. Princeßin zu bedienen. Durch -lauch -85Erſtes Buch. lauchtigſte Princeßin / wiederredete Mangoſtan / die Koͤnigliche Gnade erſetzet deſſen Unwuͤrdig - keit. Doch ohne Nachtheil des Koͤnigl. Hau - ſes / fuhr die Princeßin fort. Jch frage euch mein Herr Mangoſtan / auf euer Ehre und Pflichten / ob mir eine ſolche Erniedrigung anſtaͤndig oder zurathen ſey. Nicht zielet hier mein Abſehen auff deſſen Stand / als welcher an und vor ſich ſelbſt oͤffters ein wuͤrdiger Anfang zur Crone ge - weſen: Untugend aber kan auch den Koͤnigl. Thron erniedrigen. Und dieſe hat gleichſam ih - ren Sitz in dem Chaumigrem erwehlet / in ihm / lage ich / halten alle Laſter ihre gewoͤhnliche Zu - ſammenkunfft / wie ſolches der gantze Hoff / ich will nicht ſagen / das gantze Reich / einhellig bezeugen wuͤrde / wo anders ohne Scheu duͤrffte geredet werden. Daß ſich nun J. M. mein Herr Va - ter / ich weiß nicht wodurch / die Augen verblenden laſſen / das iſt Mitleidens wuͤrdig: daß aber ſe - hende Augen auch verdunckelt werden ſollen / ſol - ches iſt Jammerns werth / und laͤufft wider mei - ne Natur. Endlich ſo ſey auch Chaumigrem / wer er wolle / ich will ihn in unverdienten Wuͤr - den laſſen / ſo iſt es doch gemeinem Frauenzimmer eine unanſtaͤndige und nachtheilige Sache / wenn ſie / indem die rechte verſprochen / mit der lincken Hand fremde Beſuchungen annehmen. Nun aber werden die Finſterniſſen der Sonnen viel genauer durch das Fern-Glaß der politiſchen Welt bemercket / als etwan eines gemeinenF 3Sterns:86Der Aſiatiſchen Baniſe. Sterns: wie viel mehr wuͤrde dieſe verhaßte Ge - meinſchafft von mir im gantzen Reiche beredet / und durch das geſchwaͤtzige Geruͤchte mit vielen Vermehrungen meinem verlobten Printzen zu Ohren gebracht werden. Als wollet ihr nur J. M. meinen Kindlichen Kuß und Reſpect ver - melden / und Selbten zugleich unterthaͤnigſt erſu - chen / die Ehre ſeines Kindes dem Verlangen ei - nes Fremden nicht nachzuſetzen / ſondern vielmehr mir von dergleichen vaͤterlich abzurathen. Daß dieſe Antwort / ſagte Mangoſtan hierauf / eine falſche Auslegung einigen Ungehorſams bey dero Herrn Vater verurſachen moͤchte / ſolches be - fuͤrchte ich gar ſehr. Solte es aber in Gnaden vermercket werden / ſo waͤre wohl unmaßgeblich zu rathen / man lieſſe bey ſothaner Beſchaffenheit eine Verſtellung die eigenen Affecten in etwas beherrſchen / und erlaubte / dem Befehl des Herrn Vaters zu Ehren / eine kurtze Beſuchung: welche doch ſo eingerichtet werden koͤnte / daß Chaumi - grem ſolche nicht mehr verlangen wuͤrde / wenn er weniger Vergnuͤgen / als er ſuchet / gefunden haͤt - te. Und kein verſtaͤndiger Menſch / redete hier mein Printz ein / wird euch in keinem Verdacht einiger Gewogenheit gegen dem Chaumigrem haben / welcher deſſen Geſtalt / Thun und Weſen nur in etwas weiß. Hieruͤber ſchien die Prin - ceßin etwas beſaͤnfftiget zu ſeyn / und ſagte: Wer Tugend liebt / der muß auch den falſchen Schein der Laſter meiden: kan ich aber hierdurch J. M. dem87Erſtes Buch. dem Herrn Vater einigen Gefallen erweiſen / und mein geliebter Herr Bruder / will mir hierinn treulichſt rathen / ſo ſoll dem verhaßten Menſchen eine kurtze-Gegenwart erlaubet ſeyn. Nach wel - cher Einwilligung Mangoſtan ſo fort ſeinen Ab - ſchied und Abritt nahm / die Princeßin aber fiel meinem Printzen beweglich umb den Hals / und ſagte: Sehet / allerwerteſter Herr Bruder / in was vor Hochachtung eure Perſon bey mir beru - het / daß ein bloſſes Einreden mehr bey mir gilt / als ein Koͤnigl. Befehl. Denn bloß eurem Ein - rath gemaͤß habe ich ſolche gefaͤhrliche Beſuchung nachgegeben; ich lebe aber der Schweſterlichen Zuverſicht / es werde mich Printz Balacin nicht verlaſſen / ſondern unvermerckt von allem dem / was bey dieſer gezwungenen Zuſammenkunfft vorgehen moͤchte / ein gegenwaͤrtiger Zeuge ſeyn. Mein Printz antwortete mit ſonderbahrer Be - wegung: Liebſte Schweſter / wiſſet / daß mein Leben an eurer Seele hanget / und daß meine Eh - re und euer Ruhm genau zuſammen verknuͤpffet ſind; Dannenhero verſichere ich / daß ich gantz gerne dieſem beywohnen wolte / wenn ich nicht be - fuͤrchtete / er duͤrffte meine Abweſenheit mit in die Bedingungen ſetzen wollen. Daß ſich Chaumi - grem hieruͤber nicht zu beſchweren habe / wieder - redete die Princeßin / ſo ſollen dieſe Tapeten ver - hindern / daß er euch nicht ſehen koͤnne. Solte ich mich aber von ſeiner bekanten Unhoͤffligkeit allzu ſehr beleidiget finden / ſo wird mein geliebteſterF 4Bru -88Der Aſiatiſchen Baniſe. Bruder bey Anhoͤrung des Wortes: Es iſt ge - nung / vernehmen koͤnnen / wie noͤthig deſſen Ge - genwart und die Verſtoͤrung unſers Geſpraͤchs ſey. Jch gehorſame als ein treuer Bruder / ant - wortete der Printz / und verpflichte mich durch dieſes bruͤderliche Zẽichen eines ungefaͤrbten Her - tzens. Worauff ſie mit dieſem Verlaß / daß des Chaumigrems Ankunfft bey Zeiten ſolte verſtaͤn - diget werden / einander kuͤſſende verlieſſen. Als wir unſer Zimmer beſchritten / muſte ich von mei - nem Printzen eine ſtraffende Lehre annehmen / daß es ſich nemlich nicht gezieme / bey den Hoͤhern laͤnger auffzuhalten / wenn ſie in einem und an - dern nothwendigen Unterredungen begriffen waͤ - ren / ſondern gebuͤhrenden Abtritt zu nehmen: es wuͤrde ſich auch ſolche Erklaͤrung dieſes Hofe - Texts um ein ziemliches verlaͤngert haben / wenn nicht unterſchiedliche Vornehme des Hofes ihre Auffwartung bey dem Printzen abgeleget haͤt - ten / bey derer Ankunfft ich alſobald nach des Printzens Lehre meinen Abtritt nehmen wolte / er ruffte mich aber zuruͤcke / und erinnerte mich / ich ſolte meinen Gehorſam biß zu noͤthiger Zeit ver - ſparen. Hier erfuhr ich nun den Zuſtand des Chau - migꝛems umſtaͤndlich / und wie eꝛ von dem Koͤnige ſelbſt beſuchet worden / welches gewiß eine ſolche Gnade / daß ſie ihm wegen ſeiner Unwuͤrdigkeit von iedweden muſte mißgoͤnnet werden. Bey dieſer Beſuchung nun hat ſich der liſtige Fuchs ſehr kranck angeſtellt / und mit vielen Worten be -zeu -89Erſtes Buch. zeuget / wie er viel geruhiger ſterben wolte / wenn er nur dem Koͤnige noch einige angenehme Dien - ſte erweiſen / und ſeinen Vorſatz bewerckſtel - ligen koͤnte / indem er ſich feſte vorgeſetzet / einige tauſend Mann bey J. M. außzubitten / und bey ietziger Verwirrung in Pegu in das Reich Andeſa einzufallen / ſelbtes wegen heimlichen Verſtaͤndniſſes leicht zu erobern / und deſſen Crone zu freyer Willkuͤhr J. M. zu uͤberliefern. Solches waren nun dem Koͤnige hefftige Sta - cheln des Ehrgeitzes geweſen / daß er hieruͤber gantz vergnuͤgt den Chaumigrem umarmet / und mit dieſen verpflichteten Worten den Zweck ſeines Verlangens beruͤhret hat. Allerwerthſter Chau - migrem / einige Grund-Seule dieſes Reichs / nim - mermehr werden die guͤtigen Goͤtter dieſes zulaſ - ſen / daß ich eines ſolchen Freundes durch den Tod ſolte beraubet werden / an welchem der Ruhm meiner Crone hanget. Jch bitte euch um des Got - tes der Ewigkeit willen / entdecket mir euern Ge - muͤths-Kummer / damit ſelbter geheilet / und der Leib erhalten werde. Jch ſchwere euch bey dem Gott der tauſend Goͤtter / die Helffte meines Reichs ſoll zu eurer Artzney angewendet werden. Laſſet euch derowegen rathen und helffen / werdet geſund / vollfuͤhret euer tapfferes Vorhaben / und verſichert euch / daß ich mich alsdenn um ein Cro - nen-wuͤrdiges Gemahl vor euch bewerben will. Hierdurch wurde Chaumigrem dermaſſen geruͤh - ret / daß er gantz auſſer ſich ſelbſt war / und durchF 5viele91[90]Der Aſiatiſchen Baniſe. viele Ermunterungen des Koͤniges kaum konte dazu gebracht werden / daß er mit tieffem Seuff - tzen heraus brach: Ach waͤre ich mit dieſer Hoff - nung beſeliget / ich duͤrffte mit verſicherter Gunſt einer Cronwuͤrdigen Gemahlin meinen Sebel ausziehen / und mir eine Crone erobern / ſo waͤre mein Gemuͤthe beruhiget / und meine Tapfferkeit ſolte mich ihrer bald wuͤrdig machen. Dieſe dun - ckele Worte konten dem Koͤnige noch keinen Ver - ſtand eroͤffnen / weswegen er denn begierigſt nach - forſchte: Wie? tapfferer Chaumigrem / iſt etwan eine verborgene Liebe / die euer Gemuͤthe feſſelt; entdecket ſie uns ungeſcheuet / es ſoll euch gerathen werden / und ſolte alle Welt ihre Huͤlffe verſagen. Chaumigrem ſahe den Koͤnig ſehnlichſt an / und ſagte mit ſchwacher Stimme: Ach! J. Majeſt. zwingen mich nicht hierzu / indem ſie ſelbſten mir diejenige Artzney verſagen werden / die mich bloß dem Tode entreiſſen kan. Der Koͤnig ſaß hier - uͤber in beſtuͤrtzten Gedancken / und wuſte nicht / ob er ſchweigen / oder ob er in ſeinem Anhalten fort - fahren ſolte? endlich brach er in dieſe nachdruͤck - liche Worte heraus: Chaumigrem / entdecket eu - er Anliegen! Euch ſoll geholffen werden / und ſolte auch mein Kind zum Opffer dienen. Dieſe Rede ſtuͤrtzte den Chaumigrem von dem Lager zu des Koͤniges Fuͤſſen / welche er umfaßte / und mit innig - ſtem Seufftzen dieſe Worte entfallen ließ: Ach / Gnaͤdigſter Herr / mein Blut iſt viel zu wenig / ein ſolches gnaͤdiges Anerbieten auch nur im gering -ſten92[91]Erſtes Buch. ſten danckbar zuerkennen. J. M. ſind der rechte Artzt / und aus ihrem geheiligten Munde fleuſt die rechte Artzeney meiner Seelen. Higvanama / ach / Higvanama / iſt die Feindin meiner Ruhe / in ihren Augen ruhet mein Tod und Leben. Großmaͤchtig - ſter Koͤnig und Herr / ich genieſſe unwuͤrdigſt dero uͤberfluͤßige Gnade; allein ohne der Princeßin Gunſt iſt mir dieſer Zucker nur Galle / und dero verſagte Huld wird mich bald aus J. M. Augen ruͤcken. Derowegen hanget mein Wohl und Weh an J. M. Lippen / ſie bitten / ermahnen / ſie befehlen / ſo wird Higvanama / will ſie anders den Ruhm Kindlichen Gehorſams haben / folgen / und mich in das Paradieß erwuͤnſchter Vergnuͤgung verſetzen. Bey dieſer Entdeckung ließ der Koͤnig einige Beſtuͤrtzung mercken / demnach hub er den Chaumigrem ſanffte von der Erden / und ſagte zu ihm: Jhr begehret etwas hartes / trauter Chau - migrem / ja ihr verlanget etwas / welches in mei - nen Kraͤfften nicht mehr ſtehet. Higvanama iſt nicht mehr in dem Zuſtande / worinnen ſie ihr Hertze einem andern ſchencken koͤnne: mit einem Worte / Higvanama iſt eine verlobte Braut des Printzen von Siam. Wie? Gnaͤdigſter Koͤnig und Herr / redete hier Chaumigrem ein / wolten ſie wohl ein ſo werthes Kind ihrem Feinde goͤnnen? Stehet nicht Siam mit Pegu im Bunde / und ſolten nicht viel tauſend Siammer unter des Xe - mindo Anfuͤhrung wider J. M. Wohlfarth ge - ſtritten haben? ſolches iſt von einer KoͤniglichenWeiß -92Der Aſiatiſchen Baniſe. Weißheit nicht zu vermuthen. Chaumigrem hat recht / widerredete der Koͤnig / allein durch jener Bund laͤſſet Higvanama ihren Bund nicht bre - chen. Hierzu laſſen ſie mich rathen / antwortete Chaumigrem / und befehlen nur vermoͤge Koͤnig - und Vaͤterlicher Gewalt / daß mir bey der Prin - ceßin ein freyer Zutritt erlaubet werde / ſo will ich bald erweiſen / daß das leichtſinnige Frauenzim - mer entferntes Metall nicht achte / wenn ſie nahes Gold mercken. Und alsdenn nach erworbener Gunſt ſoll Higvanama nicht eher mein Lager be - treten / ſie habe denn zuvor einen Koͤnigl. Thron beſtiegen. Es ſey alſo / endigte der Koͤnig dieſe Be - ſuchung / bemuͤhet euch beſten Fleiſſes ſie zu gewin - nen / an meiner Gnade und Einwilligung ſoll nichts ermangeln. Woꝛauff er bemeldten Mango - ſtan ſo fort befehlichet hatte / der Princeßin das Vorerzehlte zu hinterbringen. Wenig Tage dar - auff erhielt mein Printz durch eigene Poſt unter - ſchiedene Briefe aus Siam / von dem Printzen Nherandi / welchen zugleich ein mit guͤldenem Le - der uͤberzogenes Paqvet beygefuͤget / und die Uber - ſchrifft an die Princeßin Higvanama geſtellet war. Hierdurch ward mein Printz hoͤchlich er - freuet / weil er wohl wuſte / was vor ungemeine Freude er bey ſeinem innigſt geliebten Fraͤulein er - wecken wuͤrde. Er ſchickte mich ſo fort nach der Princeßin / um ihr ſeine Ankunft zu hinterbringen / welche ſich im Garten finden / und den Printzen da - hin erſuchen ließ. Weil nun mein Printz keinenZeu -93Erſtes Buch. Zeugen dieſer Zuſammenkunfft verlangete / ſo nahm er mich / als ſeinen unwuͤrdigſt-vertrauten Diener / nur allein mit ſich / und verfuͤgte ſich alſo - bald in den Garten / woſelbſt ihn die Princeßin mit einem dermaſſen anmuthigen Kuſſe bewillkom - mete / daß mir auch nur durch bloſſes Gedencken der Mund voll Waſſer laͤufft. Denn gewiß / ihre Schoͤnheit hatte ſich an dieſem Tage um ein ho - hes vermehret / gleichſam als ob ihr die angeneh - me Zeitung von ihrem Printzen ahnte. Sie hatte ſich in gruͤn und Silber gekleidet / und waren ieder - zeit die ſchwartzen Locken mit Diamanten reich - lich durchflochten: alſo daß ihre Pracht einen un - gemeinen Wett-Streit mit dero blitzenden Au - gen verurſachten. Jn Summa / dergleichen Schoͤnheit war mir damahls noch nie vorgekom - men / daß ich oͤffters dem Chaumigrem recht gab / wann nur auch ſeiner ſeits etwas Wuͤꝛdiges waͤre verhanden geweſen. Allein wieder auff ihre Per - ſon zu kommen / ſo merckte ſie bald aus des Prin - tzens munterm Geſichte / daß ſein Hertze etwas an - genehmes vorzubringen haͤtte / derowegen ihr er - ſtes Nachforſchen war / was den Printzen zu ſol - chem muntern Weſen veranlaſſen moͤchte? Wel - ches er mit lachendem Munde beantwortete: Ein Poſtillon der Liebe wird ja nicht ſauer ausſehen. Was vor ein Poſtillon / fragte die Princeßin gantz begierig / ich vermeyne nicht / daß Scandor ſich wieder wird einen Brieff haben einſchwatzen laſ - ſen. Nein / meine Hertzens-Schweſter / widerre -dete95[94]Der Aſiatiſchen Baniſe. dete der Printz / ſondern ihr ſolt eure Liebe veraͤn - dern. Was? veraͤndern? antwortete ſie aͤngſtig nicht eher / biß die Goͤtter mein Leben in den Todt verwandeln. Chaumigrem / wolte der Printz fort - fahren. Was / Chaumigrem? fiel ihm die Prin - ceßin in die Rede / qvaͤlet mich ja nicht mit dieſem ewig verhaſſeten Nahmen / ſondeꝛn entdecket doch / worinnen die Veraͤnderung meiner Liebe beſtehen ſoll. Hierinnen ſoll ſie beſtehen / antwortete der Printz / daß ſich eure zweiffelhaffte Furcht in ge - wiſſe Zuverſicht verwandeln / und die Verſiche - rung des Geliebten euch hierzu verbinden ſoll. Ach wertheſter Bruder / bat ſie ſeufftzende / qvaͤlet doch mein vorhin geplagtes Gemuͤthe nicht ferner / ſon - dern erklaͤret mir eure dunckele Reden / welche mich mehr verwirren als unterrichten. Auff wel - ches bewegliche Erſuchen ſich mein Printz nicht laͤnger enthalten kunte / ihr das verguͤldete Paqvet - gen / welches ich unter meinem langen Ober-Rocke verborgen trug / zu uͤberreichen: Welches bey Le - ſung der Uberſchrifft eine ſolche Beſtuͤrtzung und Freude in ihr verurſachte / daß die Farbe der Wangen ſich nach der Stirn zogen / und alſo dem gantzen Geſichte eine angenehme Roͤthe verur - ſachte. Endlich erbrach ſie das voͤllige Paqvet mit bebender Hand / und laß zufoͤrderſt folgende Zeilen ab:

Durchlauchtigſte Princeßin!

DJe hoͤchſte Freude / ſchoͤnſte Higvanama! ſo mir Zeit meines Lebens begegnet / iſt / daß ichſie96[95]Erſtes Buch. ſie geſehen: Die tieffſte Traurigkeit aber / daß ich ſie nicht mehr ſehe. Zu Ava iſt alle meine Luſt ver - blieben / ſtatt deren ich hier in Judia tauſend Ver - druß erdulden / und empfindlichſt empfinden muß: Wie der ſchmertzliche Verluſt einer angenehmen Sache die Freude einer ſteten Gegenwart weit uͤbertreffe. Jedoch verſichere ich / daß ein einiger Gedancken an ſie mir mehr Anmuth / weder alles Ungluͤck in der Welt Betruͤbniß zufuͤgen koͤnne. Ja eben die ietzige Stunde / da mich ihre Abwe - ſenheit kraͤncket / wolte ich mit den allerzaͤrtſten Schooß-Kindern des Gluͤckes nicht vertauſchen. Dieſe behertzte Entſchlieſſung / bey ſo wichtiger Urſache zu trauren / uͤberredet mich / daß ihre Rede nicht falſch geweſen / als ſie ſagte: Sie haͤtte mir ihr Hertz gegeben. Denn gewiß / daferne ich kein anders / als das meinige haͤtte / wuͤrden mich ſo viel widrige Anſtoͤſſe leicht uͤberwinden. Sonder Ein - buſſe der Warheit: Es iſt wohl ein ſeltzamer Zu - fall / an einer eintzigen Perſon / alles / was die Welt ſchoͤnes hat / antꝛeffen / dieſelbe zugleich ſchauen und lieb gewinnen: ihrer auch ja ſo bald / als man in ihre Liebe kommen / wiederum verluſtig werden. Jn gleichem Augenblicke ſein Gluͤcke lachen und weinen / ſcheinen und verſchwinden ſehen / und in ſolcher Zeit-Kuͤrtze beydes zu jauchtzen und kla - gen befugt ſeyn. Dieſes ſind die Gedancken / wo - mit ich die ſchmertzende Abweſenheit mir etlicher maſſen verſuͤſſe / und hertzlich wuͤndſche / durch dero Engliſche Gegenwaꝛt alles Andenckens uͤberhobenzu96Der Aſiatiſchen Baniſe. zu ſeyn. Jmmittelſt wird die unſchaͤtzbare Higva - nama ihre beſchworne Treue ebenfalls auf den Felß der Beſtaͤndigkeit gebauet haben / als wie ich Seelen-innigſt verſichere / daß ich ſey biß in die Grufft dero Ewig-getreueſter

Nherandi / Printz von Siam.

Durch welche Verſicherungen ſich dieſes gluͤckſelige Blat unzehliche Kuͤſſe von dieſem ſchoͤ - nen Munde zuzog / und ward ihr Vergnuͤgen um ein merckliches vermehret / als ihr der Printz / wel - cher indeſſen das Paqvet durchſuchte / eine darin - nen gefundene Arie uͤbereichte / welche ſie / weiln deren Melodie darzu geſetzet war / mit entzuͤckender Stimme folgender Geſtalt zu meines Printzens ſonderbahrer Vergnuͤgung abſange:

1.
MEin Schickſal nehret mich mit Flammen /
Und raubt das Oel der reinen Glut /
Es will mich ſonder Schuld verdammen /
Und preſſet manche Perlen-Fluth
Aus dem entfernten Augen-Paar /
Das mir ein Brand und dir ein Zunder war.
2.
Der Himmel ſcheint mir ſelbſt zuwider /
Ob gleich ſein Einfluß mich beſeelt /
Er leget meine Hoffnung nieder /
Und hat den Schmertzen mir verheelt.
Der auff ſo Zucker-ſuͤſſe Luſt /
Gantz unverdient qvaͤlt mein und deine Bruſt.
3.97Erſtes Buch.
3.
Was ſonſten Aug und Ohr entzuͤcket /
Der Anmuth holder Liebes-Schertz /
Bleibt wohl von mir unangeblicket /
Es glaͤntzt mein Stern nur Norden-werts.
So lang ich deſſen bin beraubt /
Hab ich dem Hertzen keine Luſt erlaubt.
4.
Wil ich in Waͤldern mich bemuͤhen /
Zu ſuchen meiner Seelen Ruh /
So ſeh ich deinen Namen bluͤhen:
Es winckt mir Higvanama zu /
Und iſt den Baͤumen eingepraͤgt /
Durch meine Hand wird dieſer Schmertz erregt.
5.
Das ſchnelle Rauſchen heller Fluͤſſe /
Hat meinen Geiſt zwar offt ergoͤtzt /
Jetzt mehrt es nur die Thraͤnen-Guͤſſe /
Wenn meinen Fuß das Ufer netzt.
Es rufft der Wieſen bunter Klee:
Entfernung bringt Verliebten groͤſtes Weh.
6.
Jndeſſen ſoll mich ewig zieren
Die Crone der Beſtaͤndigkeit.
Man ſoll der Palmen Wachsthum ſpuͤhren /
Durch ſchwere Laſt entfernter Zeit.
Und meine Grabſchrifft ſoll diß ſeyn:
Die reinſte Glut bedecket dieſer Stein.

Nach abgeſungener Arie zog der Printz ein guͤldenes mit groſſen Perlen gleichſam uͤberſchnei -Gtes98Der Aſiatiſchen Baniſe. tes Schmuck-Kaͤſtgen hervor / welches die Prin - ceßin / wegen verborgener Kunſt-Eroͤffnung kaum auffzumachen wuſte / biß ein groſſer Sa - phir / welcher unter den Perlen hervor ſpielete / ſanffte geſchoben ward / da das Kaͤſtgen zu ihrem groſſen Erſchrecken jehling auffſprang / und ihr erlaubte ein paar Armbaͤnder mit Wunder ſpie - lenden Diamanten herauß zu nehmen / nebſt ei - nem Peguaniſchen Haupt-Schmucke / deſſen Blitz und Pracht faſt Koͤnigliche Wuͤrde zu uͤber - treffen ſchiene. Was aber der Pinceßin am an - genehmſten war / das war des Printzen von Si - am Bildniß in einer mit koſtbaren Diamanten verſetzten Capſul / welche auff beyden Seiten ſehr artig geaͤtzet / und auf dem Deckel dieſes Sinnen - bild vorgeſtellet war: Es zeigte ſich bey truͤber Nacht eine Sonnen-Wende / welche ihren Blu - men Kopff nach der Erden hieng / uͤber ihr ließ ſich durch die Wolcken ein Stern blicken / nebſt dieſer Uberſchrifft: Jch haſſe fremdes Licht.

Auſſerhalb an den Boden aber hatte des Kuͤnſt - lers Hand einen fliegenden Pfeil vorgebildet / wel - cher ſich gleichſam vor Muͤdigkeit nach der Erden ſenckete / mit dieſer Beyſchrifft: Weil mir das Ziel gebricht.

Als nun dieſes alles von der Princeßin eine ge - raume Zeit gantz entzuͤckt betrachtet worden / brach ſie endlich in dieſe Worte heraus:

Tceueſter Nherandi / wertheſter Printz! ver -zeihe99Erſtes Buch. zeihe mir das bißweilen geſchoͤpffte Mißtrauen wegen deiner beſtaͤndigen Liebe / worzu mich dein ſo langes Stillſchweigen veranlaſſet. Doch wen die Liebe mit gleichen Feſſeln beleget hat / der wird wiſſen / wie die groͤſte Furcht mit der treueſten Liebe verbunden ſey. Die Goͤtter wiſſen es / mit was Sorgen ich die Ruhe geſuchet / und mit was Kummer ich iederzeit das Licht der Sonnen auff - gehen geſehen. Jhr ſeyd allzu beſorgt geweſen / redete hier der Printz ein / indem die beſchuldigte Wanckelmuth ſich mehr bey dem Frauenzim - mer / als denen ſtandhafften Mannsbildern ver - ſpuͤhren laͤſt. Und haͤtte Printz Nherandi mit mehrerm Recht einiges Mißtrauen ſchoͤpffen koͤn - nen / deſſen er doch mit keinem Worte gedencket. Ach ſchweiget / Hertzens-Bruder / antwortete die Princeßin / das Frauenzimmer und die Liebe iſt ein zartes Weſen / und wollen auch dahero zaͤrt - lich mit ſich umgegangen wiſſen. Was aber zart iſt / das erfordert deſto mehr Auffſicht / auch ſich vor dem geringſten Fehler zu huͤten / ja ich wolte ſonder Muͤhe behaupten / daß das Frauen - zimmer im Lieben viel vollkommener ſey / als das Maͤnnliche Geſchlechte. Denn ein Mannsbild bildet ſich ein / es ſey ihm in der Ferne alles erlau - bet / und achtet ſich eine Sonne zu ſeyn / von wel - cher auch andere Sterne ohne einige Verminde - rung Liecht und Vergnuͤgung ſchoͤpffen koͤnten. Ein Frauen-Bild hingegen bemuͤhet ſich auch in der Ferne / durch einſames Weſen erſt recht be -G 2liebt100Der Aſiatiſchen Baniſe. liebt bey dem Geliebten zu machen / und achtet ie - den Blick vor einen Ehebruch. Ja wenn ein leichtſinniges Manns-Hertz abweſende ſeinen Hunger auff fremden Lippen ſaͤttiget / ſo laſſen wir in deſſen unſere Seelen Durſt leiden / da es doch ihnen eben ſo wohl anſtuͤnde / daß ſie ſolche unberuͤhrte Lippen / wie ſie von denen hinterlaſſe - nen Liebſten erfordern / mit zuruͤcke braͤchten. Und weil dieſes eine allgemeine und bekandte Sache iſt / ſo iſt uns ein ſorgſamer Argwohn nicht zu ver - dencken. Jch gebe es zu / antwortete der Printz / daß des Frauenzimmers Gebluͤte mit mehr Flam - men begeiſtert / und dahero deſto verliebter. Nicht verliebter / mein Bruder / fiel ihm hier Higvana - ma in die Rede / ſondern nur reiner und vollkom - mener in der Liebe. Denn wie die Liebe einen Unterſcheid kennet / und ſich gleichſam in zwo Straſſen theilet / deren eine zur Tugend / die ande - re aber zur Unreinigkeit und Laſtern leitet. Alſo gebe ich es gar gerne zu / daß wir auff der er - ſtern etwas emſiger fortwandeln; Denn die Liebe iſt eine Schwachheit des Gemuͤthes / und alſo von ſchwachen Werckzeugen keine Staͤrcke zu vermuthen. Jnzwiſchen beſtehet doch unſer Ruhm hierinnen / daß wir eher faͤhig ſind / uns der Laſter-Straſſe zu entſchlagen / als die Manns - Bilder / deren ſich faſt keiner ruͤhmen kan / daß er nie die verbotenen Wege der Liebe gewandelt ha - be. Den Unterſchied der Liebe / beantwortete mein Printz / wiſſet ihr ſehr wol zu nennen / aberder101Erſtes Buch. der Unterſchied der Liebhabenden wird gar hind - an geſetzet. Denn ſo wenig diß letztere von den Maͤnnern ein gewiſſer Schluß iſt / ſo wenig wird man ſich bereden laſſen / es ſey iedwedes Frauen - Zimmer Sonnenrein / da ſie doch iederzeit dem Monden zu vergleichen ſeyn / welchem von den Sternkuͤndigern viel Flecken beygeleget werden. Ja es lieſſe ſich dieſer Satz gar leichte durch haͤuf - fige Erempel umſtoſſen / wenn nicht das geſchwaͤ - tzige Geruͤchte auch oͤffters in der Printzen Cabi - nete nachfolgte. Man ſchauet ja hin und wieder viel ſchoͤne Bilder / welche der Himmel mit ſattſa - men Verſtande begabet / daß ſie die Liebe wol zu unterſcheiden wiſſen: Dennoch ſiehet man ſie viel begieriger den Neben-Weg der Liebe lauf - fen / als iemals ein Mann thun kan. Wer locket aber die unſchuldigen Maͤnner-Hertzen mehr auf ſolchen Weg / als eben dieſe Syrenen? Und kan man alſo das Frauenzimmer nicht ſo gar Engel - rein abbilden / als ſie es haben wollen / und ſich vor - ſtellen. Bey den Roſen ſind Dornen / fieng die Princeßin hierauff an / ja auch die Sternen ſind nicht von geſtirnten Mißgeburten befreyet: Wie ſolten ſich nicht auch oͤffters Teuffel denen reinen Geiſtern beygeſellen / und vor Engel ausgeben; So auch alle Engel-rein waͤren / ſo wuͤrde Keuſch - heit keine ſeltzame Tugend / ſondern ein gemeines Weſen genennet werden. Freylich iſt es zu be - klagen / ja mit blutigen Thraͤnen zu beweinen / daß unſer Aſiatiſches Frauenzimmer faſt mehr Co -G 3me -102Der Aſiatiſchen Baniſe. meten / als reine Sterne blicken laͤſſet; da eine bereits durch das Band der Liebe gebundene Ve - nus den Wechſel dermaſſen liebet / daß oͤffters die ſaͤmmtlichen Planeten nicht gnugſam ſind / ſie durch ihren Einfluß zu ſtillen. Und brennet ja noch wo ein reines Liecht / welches ſich keine Laſter - Wolcke wil ſchwaͤrtzen laſſen / ſo heiſſen deſſen Strahlen einfaͤltig / und muß oͤffters von den an - dern einen verdrießlichen Gegenſchein erdulden. Wenn aber ein ſolcher Stern Raum und Gele - genheit bekommt / mit den Strahlen reiner Liebe zu ſpielen / alsdenn iſt meine Meynung erfuͤllet / daß deſſen Glantz und Beſtaͤndigkeit viel hefftiger / reiner und vollkommener ſey / als des vornehmſten Planetens der Wechſel-liebenden Manns-Bil - der. Jch muß / erwiederte der Printz / Beyfall geben / weil meine Meynung auch vor bekandt angenommen wird; Und ſchlieſſe ſelbſt / daß ein tugendhafftes Frauenzimmer die reine Pflicht der Liebe viel genauer beobachtet / als einig Mañs - bild / weiln ſich ſolche iederzeit mehr Freyheit an - maſſen. Jndeſſen verbeut uns die Ermange - lung eines unpartheyiſchen Richters fernern Streit / es waͤre denn / daß Scandor durch kurtze Eroͤffnung ſeiner Gedancken den Außſchlag der Sachen thaͤte. Gnaͤdigſter Herr / fielen meine Worte / bey dieſer Materie haben die Gedancken mehr Freyheit als die Worte / daß es alſo viel ſich[er]er iſt zu ſchweigen / als ſich bey dem rachgie - rigen Frauenzimmer durch unzeitiges Urtheilenin103Erſtes Buch. in verhaßte Gefahr zu ſetzen. Zu dem bin ich ſo alber / daß ich die Liebe nur nach ihrem Nahmen / nicht aber nach ihrem Weſen kenne. Ja ſie wuͤrde mir gantz unbekannt ſeyn / wenn ich nicht die kurtze Zeit / in welcher ich dero hohe Gnade ge - noſſen / ſolche Dinge geſehen / daß ich nicht weiß / ob man die Liebe einen Engel oder eine Mißgeburt nennen ſoll. Die einfaͤltige Warheit iſt die be - ſte / redete mir die Princeßin ein / ſo rede demnach deines Hertzens Meynung ohne einige Beſor - gung / von dem Unterſcheid der Liebe. Durch - laucht. Princeßin / erwiderte ich / ſie haben dieſe wichtige Sache ſchon dermaſſen wol entſchieden / daß mein geringes Erachten ein tadelhaffter Uber - fluß ſeyn wuͤrde. Damit ich aber nicht einiges Ungehorſams duͤrffte bezuͤchtiget werden / ſo ge - ſtehe ich gar gerne / daß ich keiner andern Mey - nung bißher geweſen / als die Liebe ſey ein vollkom - menes Laſter / weil ich aller Orthen keine andere Wirckung verſpuͤhret / als daß ſie lediges Frauen - zimmer vor der Zeit in Eheſtand gebracht / oder auch verheyrathete Perſonen dahin veranlaſſet / daß ſie ſtets bemuͤhet geweſen / eines dem andern ein haͤrmicht Schmach-Alter auffzubauen / und dergleichen tauſendfaͤltige Greuel mehr / welche auch von der Einſalt ſelbſt verfluchet werden. Wenn ich nun nachgefraget / wo ſolches alles her - ruͤhre / ſo iſt mir geantwortet worden: Von der Liebe. Ja dieſe Liebe hat ſo gar eine neue Spra - che erfunden / wie die Beutelſchneider / denn wennG 4ich104Der Aſiatiſchen Baniſe. ich ſahe / wie oͤffters ſich die Lippen verirreten / und nach fremder Lufft ſchnappeten / oder wie man durch Wincken / Haͤnde-Druͤcken / auch wol gar durch bruͤnſtiges Umfangen einander Geheimniſ - ſe offenbahrete / ſo nennete man diß Freundligkeit / wolanſtaͤndige Geberden; welche ſich aber deſ - ſen enthielten / die wurden einfaͤltig und unver - ſtaͤndig genennet; ja was die Prieſter unſerer Goͤtter oͤffentlich vor Ehebruch ſchelten / das wird durchgehendes eine Galanterie geheiſſen. Jn Summa / die Liebe waͤre mir ewig verhaßt geblie - ben / wenn ich nicht an ihrer Hoheit nunmehr den Unterſchied ſelber bemercken koͤnte / wie rein und unverfaͤlſcht ihr Liebes-Weyhrauch / welchen ſie ihrem Printzen angezuͤndet haben / gegen den an - dern heßlichen Brunſt-Opffern hervor leuchte. Jch waͤre hierinnen fortgefahren / wann nicht indem ein Gaͤꝛtner eilend waͤꝛe gelauffen kommen / und die verdruͤßliche Ankunfft des Chaumigrems angekuͤndiget haͤtte / wie er alſobald unangemeldet ſeinen Eintritt in den Garten nehmen wollen / weiln er in den Gedancken ſtehe / die Princeßin a - bermahls allein anzutreffen. Solches aber habe der Gaͤrtner durch Schlieſſung des Garten-Tho - res verhindert / und ſolches zuvor gehorſamſt hin - terbringen wollen. So hoch nun die Princeßin zu - vor erfreuet und vergnuͤget war / ſo beſtuͤrtzt ſchiene ſie hieruͤber zu ſeyn / daß ſie ſich faſt anfangs nicht erhohlen kunte / endlich meinen Printzen er - ſuchte / ihr zu rathen / ob ſie ihrer widrigen Nei -gung105Erſtes Buch. gung folgen / und ihm allen Zutritt verwehren / oder dem Koͤniglichen Befehl nachleben / und ſeine verhaßte Gegenwart auf kurtze Zeit vertragen ſol - te. Mein Printz aber rieth ihr / ſich einer klugen Verſtellung anzumaſſen / durch kaltſinniges Be - zeigen ihn von fernerer Beſuchung abzuſchrecken / und alſo dem Willen des Koͤniglichen Herrn Va - ters ein Genuͤgen zu thun. Allein wird nicht hier - durch / wendete die Princeßin vor / mein Printz ab - weſend beleidiget? Mit nichten / antwortete der Printz / ſondern ihr werdet vielmehr hiedurch zu wege bringen / daß auch die Feinde von eurer Be - ſtaͤndigkeit werden zeugen / und eure Liebe ruͤhmen muͤſſen. So ſey es denn / entſchloß ſie ſich hierauff / inmittelſt werde ich mich auff den Beyſtand eines tapffern Printzens und treuen Bruders zuverlaſ - ſen wiſſen / wenn ja der unverſchaͤmte Menſch die Grentzen gebuͤhrender Ehrerbietung uͤberſchreiten wolte / denn man weiß nicht / worzu einen der Hoch - muth oͤffters verleitet. Auff derowegen / mein Geiſt / und hilff mir ſo wohl dieſes Unthier beſtrei - ten / als auch den Sturm verhaßten Anbringens ritterlich abſchlagen. Du aber / befahl ſie dem Gaͤrtner / eroͤffne das Thor / und vermelde unſere Einſamkeit. Worauff ſich der Printz nebſt mir in eine dicht-belaubte Gallerie begab / die Princeſ - ſin aber verfuͤgte ſich nach einem Spring-Brun - nen / welcher unferne von uns ſpielte / ſo / daß wir nicht allein die Geberden genau bemercken / ſon - dern auch ihre Worte wohl verſtehen konten. G 5Das106Der Aſiatiſchen Baniſe. Das uͤbrige Frauenzimmer ward / wie zuvor / be - fehlichet / ihre Vergnuͤgung bey den Blumen zu ſuchen. Nach weniger Zeit ſahen wir den Chau - migrem mit hohen Tritten ſeinen Eintritt neh - men / da er ſich denn alsbald nach der Princeßin wendete / und ſich derſelben mit ſolcher Ehrerbie - tung nahte / daß es ſchien / als ob er mit deꝛ Naſe an die Erde gewachſen waͤre / weil iedweder Schritt mit einer tieffen Neigung begleitet wurde. Die Princeßin aber hatte ſich auf den Fuß des Spꝛing - Brunnens geſetzet / und ſtellte ſich / als ob ſich ihre Gedancken in das Luſt-Spiel der ſpringenden Fluth dermaſſen vertieffet haͤtten / daß ſie ſonſt nichts mehr beobachten koͤnte; deßwegen ſie denn den Kopff auff ihren Arm lehnte / und gantz unbe - weglich ſitzen blieb / ob ſich gleich Chaumigrem dermaſſen genaͤhert hatte / daß er ſie auch allbereit anzureden begunte. Da wir denn das Geſpraͤche folgender Geſtalt gar wohl veꝛnehmen konten / und zwar waren dieſes des Chaumigrems erſte Wor - te: Wie ſo einſam und betruͤbt / Schoͤnſte Prin - ceßin? Wer von vergnuͤgten Gedancken begleitet wird / antwortete ſie hierauff / der iſt nicht einſam / und die Vergnuͤgung verſtattet keine Traurigkeit. Dennoch / erwiederte er / laͤſſet ſich einiges Be - truͤbniß gar deutlich aus dero Engliſchen Ange - ſichte leſen. Wo ja / ſagte ſie / einiges Betruͤbniß verhanden / ſo wird die Urſache billich dem zuge - ſchꝛieben werden / welcher mich in ſolchen angeneh - men Gedancken verſtoͤret.

Chau -107Erſtes Buch.

Chaumigrem fuhr fort: Das wollen die Goͤtter nicht / daß ich ein Zerſtoͤrer der Anmuth ſeyn ſolte; vielmehr wolte ich wuͤndſchen / daß ich ſothane vergnuͤgte Gedancken verurſachen / und mich in deꝛo veꝛliebtes Andencken einſchlieſ - ſen koͤnte.

Higvanama erwiederte: weil keine Vergnuͤgung ſo vollkom̃en iſt / welche nicht von einiger Unluſt begleitet werde / ſo kan er leicht auch in meine Gedancken kommen.

Chaumigrem gab zuruͤcke: Solches wird mich mehr vergnuͤgen / als ein Paradieß / und ſol - ches Andencken uͤbertrifft die Hoheit des Him - mels.

Hier haͤtte ſich mein Printz faſt durch Lachen ver - rathen / indem die verliebte Einfalt nicht verſtund / wohin die Unluſt zielte. Jmmittelſt fuhr Chaumi - grem fort: Es wird aber / Schoͤnſte Princeßin / meine unterthaͤnigſte Auffwartung nicht uͤbel ge - deutet werden / wenn ich vor allen andern / als ein genau verbundner Freund und Diener dieſes Hofs / zu allererſt mein ſonderbahres Beyleid / wegen des Unfalls / welcher dero hohe Perſon am meiſten betrifft / ſchuldigſt zu bezeugen / bemuͤhet lebe. Was vor einen Unfall? fragete die Prin - ceßin gantz begierig: Jch will nicht hoffen / daß der Herr Graff noch darzu ein Ungluͤcks-Bote ſeyn wird. Ehe ich der erſte Anbringer / erwiederte Chaumigrem / eines noch unbewuſten Trauer - Falls ſeyn wolte / ſo will ich lieber ſchweigen / unddie -108Der Aſiatiſchen Baniſe. dieſe verhaſte Zeitung zu uͤberbringen / einem an - dern goͤnnen. Hierdurch aber / hoͤrten wir die Princeßin reden / werde ich um ſo viel mehr belei - diget / nachdem ich durch Selbten in kummerhaf - ten Zweiffel / und durch deſſen nunmehro unzeiti - ges Stillſchweigen in ſorgſame Ungewißheit ver - ſetzet werde. So ſoll dero Befehl / antwortete Chaumigrem / gehorſamſt vollzogen werden / weñ ich durch denſelben gezwungen berichte / wie vor zweyen Tagen ein Courier aus Siam die betruͤb - te Zeitung von toͤdtlichem Hintritt des tapffern Printzens Nherandi / gebracht / und hierdurch / ſo wohl dero Koͤnigl. Herr Vater / als auch der gantze Hof / in ſonderbahres Leidweſen geſtuͤrtzet worden. Und dieſes / fragte die Princeßin mit fluͤchtigen Augen und erblaßten Lippen / ſolte mir mein Herr Vater verſchwiegen haben? Sol - ches wird J. M. hoͤrten wir Chaumigrem erwie - dern / kluͤglich verbergen / und zu gelegener Zeit erſt hinterbringen wollen / damit dero Gemuͤth durch allzu geſchwinde Nachricht nicht zu hefftig betruͤbt werde. Jch beklage mein Ungluͤck / daß ich ſolche Vorſichtigkeit unterbrechen / und der er - ſte Trauer-Bothe ſeyn muͤſſen / welches dero ſtrenger Befehl verurſachet hat. Jnmittelſt weil ich weiß / daß durch dieſen Verluſt ein ziemlich An - theil ihres Hertzens verlohren gangen / als bin ich kommen / mein ungefaͤrbtes Beyleid zu bezeugen / und Seelen-innigſt zu wuͤnſchen / daß die Goͤtter durch dieſen erblaßten Stern durch eine Sonne erſetzen wollen.

Hier109Erſtes Buch.

Hier wurde mein Printz anfangs ſelbſt in etwas beſtuͤrtzt / als er aber ſich erholte / und die Umſtaͤnde genau uͤberlegte / ſo konte er ſich nicht gnugſam uͤber die Argliſtigkeit dieſes verliebten Feindes verwundern / und erwarteten wir mit Verlangen / wie ſolche erdichtete Zeitung von der Princeßin wuͤrde auffgenommen werden. Dieſe nun konte ſich anfangs alleꝛdings nicht begreiffen / indem auch nur die bloſſe Erinnerung von ihrem geliebten Printzen maͤchtig gnung war / ſie in be - truͤbtes Nachſinnen zu ſetzen. Derohalben ſaß ſie eine weile mit niedergeſchlagenen Augen gantz unbeweglich / auſſeꝛ / daß man einige Wangen-ab - rollende Thraͤnen verſpuͤren konte. Wie aber ihꝛe himmliſche Schoͤnheit mit einem vollkomme - nen Verſtande iederzeit vermaͤhlet war / alſo merckte die kluge Princeßin alsbald / worauf ſolch liſtiges Vorbringen zielte / dannenhero ſie ſich im Gemuͤthe / nicht aber in betruͤbten Geberden faſſe - te / und ſich anſtellte / als ob ſie allem vollkomme - nen Glauben zuſtellte / auch gantz wehmuͤthig fꝛag - te: Mein Herr Graff / er betruͤbe mich nicht ohn Urſach / ſondeꝛn entdecke mir die Waꝛheit. Durch - lauchtigſte Princeßin / erwiederte Chaumigrem / die Goͤtter wollen das nicht zugeben / daß ich dero hohe Perſon durch einige Unwarheit beleidigen ſolte. Jnmittelſt wuͤnſche ich / daß mein Vor - bringen / durch bald ausbrechende Hof-Trauer / nicht moͤge bekraͤfftiget / und der betruͤbte Fall allzu wahr erfunden werden. Und weil man ei -nen110Der Aſiatiſchen Baniſe. nen Zweiffel in meine Worte ſetzen will / ſo ſollen dieſe Zeilen von dem ſterbenden Printzen zwar ſtumme Zeugen meiner Warheit / zugleich aber eine herbe Vermehrung ihres Betruͤbniſſes ſeyn. Mit dieſen Worten er einen Brieff hervor zog / den er ausgab / als haͤtte ihn ſolchen der Courrier mitgebracht / und er ihn von dem Koͤnige erhalten. Wie wiꝛ aber hernach eꝛfahren / ſo hatte Chaumi - grem einen / von dem Printzen Nherandi erlaſſe - nen / Geheim-Schreiber auff ſeine Seite durch Geld gebracht / welcher ſich unterſtanden / des Printzen Hand nachzumahlen / und dieſen Brieff zu verfertigem. Die Princeßin kunte ſich anfangs wiederum in die liſtige Verwirrung nicht finden / angeſehen ſie auff den Titel-Blate einige Gleich - heit von ihres Printzen Schreib-Art erblickte / da ſie ihn denn mit zitternder Hand erbrach / und die - ſe Worte daraus laß:

Schoͤnſte Princeßin!

ES ſcheinet / als ob mich der Himmel nicht wuͤrdig gnung achten wolte / kuͤnfftiges eine ſolche uͤberirrdiſche Schoͤnheit in dero Engliſchen Perſon zu beſitzen: dannenhero er mir nicht al - lein durch harte Schwachheit meine Geſtalt ent - zogen / ſondern auch gleich den ſterbens-begieri - gen Geiſt zu ſich abfordern will. Mit kurtzem: ich ſterbe / und nehme durch ein bereit gebroche - nes Adjeu entfernten Abſchied / von der liebgewe - ſenen Higvanama. Weil nun der Todes - Zwang unſere Liebe trennet / ſo wird ſie nach an -ge -111Erſtes Buch. gebohrner Klugheit meine kalte Stelle durch ei - nen wuͤrdigen Nachfolger zu erſetzen / und mich lebenslang in dero guten Andencken zu erhalten wiſſen / als der Princeßin von Ava

Treu - geweſenen Nherandi.

Zugleich war dieſe Abſchieds-Arie beygefuͤget.

1.
Jch ſterbe;
Weil das Verhaͤngniß ſpricht:
Daß dieſe Glut verderbe /
So leſche Flamm und Liecht.
Jch ſterbe.
2.
Jch ſterbe.
Des Lebens Balſam ſchwindt /
Die Grufft iſt Thron und Erbe /
Der Adern Qvell gerinnt.
Jch ſterbe.
3.
Jch ſterbe.
Hier kommt der letzte Kuß /
Es ſchmeckt das Scheiden herbe /
Wann man ſich trennen muß.
Jch ſterbe.
4.
Jch ſterbe.
Nun haſt du freye Macht /
Die ich wie du erwerbe.
Princeßin gute Nacht.
Jch ſterbe.
Sol -112Der Aſiatiſchen Baniſe.

Solche ſcheinbare Vorſtellung haͤtte ein leicht - glaͤubiges Gemuͤthe leicht beſiegen koͤnnen / wenn nicht die Princeßin ihre Kluge Vernunfft zu rathe gezogen / und ihres Printzen wahrhaffte Hand - ſchrifft gegen dieſen Betrug-vollen Zeilen gehal - ten haͤtte: da ſie nicht allein einigen Unterſcheid der Hand / ſondern auch die ungleichliche Zeit be - merckte / indem der falſche Brieff faſt acht Tage aͤlter war / als das letztere / mit vorerwehnten Lie - bes-Geſchencken begleitete / Schreiben. Ob nun zwar die Princeßin durch ſothanes vernuͤnf - tiges Nachſinnen augenſcheinlich erkennen kun - te / wie argliſtig Chaumigrem ſie zu hintergehen ſuchte / ſo konte ſie ſich doch nicht zwingen / daß ſie bey ſo traurigem Andencken / ob ſie es gleich falſch befand / dennoch mit einigen Thraͤnen ihre reine Liebe zu erkennen gab / welche ihr aber zu ange - nommener Verſtellung / als ob ſie es glaubte / ar - tig zu ſtatten kommen: dahero ſie in dieſe betruͤbte Worte heraus brach: Ungluͤckliche Higvana - ma! verlaſſene Princeßin! ſo muſtu denn nur al - lein das Ziel der unbarmhertzigen Goͤtter ſeyn / nach welchem ſie alle Pfeile des Ungluͤcks richten / und ſchlaͤgt nur ihr Blitz immer auf eine Stelle? Grauſames Verhaͤngniß! wie verwandelſtu die Crone meiner Hoffnung in einen Cypreſſen - Krantz / wenn mein werthſter Printz / ſtatt wohl - verdienten Purpurs / in einen Sterbe-Kuͤttel ge - huͤllet wird. Ach Nherandi / mein Leben! Nhe - randi mein Liecht! du Seele meiner Seelen! Esſchwe -113Erſtes Buch. ſchweben meine Lebens-Geiſter ſchon um deinen Schatten / weil mein Lebens-Schiff nothwendig ſcheitern muß / nachdem du als mein Ancker zer - brochen biſt. Doch ach! Liebſter Printz! was beweget dich zu dieſem Zweifelmuth / daß du mir die Freyheit nach deinem Tode erlauben wilſt / deine kalte Stelle mit einem andern zu erſetzen? Nein / nein engliſcher Printz / wahre Liebe trotzet den Tod / und ihre Fackel brennet auch in dem Sarge; ja die Liebe iſt das ewig-waͤhrende Feuer / welches viel Kunſtverſtaͤndige anzuzuͤnden ſich vergebens bemuͤhet haben. Die Liebe / welche die Goͤtter mit den Menſchen und die Erde mit dem Himmel verbunden hat / wird zwar durch des Todes Pfeil verwundet / aber nicht getoͤdtet / ihre Glut wird nicht ausgeloͤſcht / es moͤgen auch die Winde der ſterbenden Zufaͤlle raſen / wie ſie immer wollen. Derowegen ſoll auch dir / nun - mehro unſterblicher Printz / meine unſterbliche Liebe gewiedmet / und dieſer irrdiſche Leib ein ewi - ges Opffer der goͤttlichen Keuſchheit ſeyn und ver - bleiben. Ja ich will meine Geluͤbde vor einen brennenden(†)Dewetaes heiſt bey denen Aſiatiſchen Voͤlckern Goͤtter / und halten ſie das Feuer auch vor einen Dewe - ta / bey welchem ſie ihre Eyde ablegen und ſchweren. Roger. Heydenthum p. 184. Deweta leiſten / daß meine See - le in unverruͤckter Treue deine Seele begleiten / und mein Leib / biß zu geſetztem Lebens-Ziel / in ſte - ter Einſamkeit / ſein Auge vor fremder Liebe be -Hwah -114Der Aſiatiſchen Baniſe. wahren ſoll. Dieſe Worte waren lauter ſtach - lichte Dornen in Chaumigrems Hertzen / alſo daß man ſeinen Verdruß aus dem finſtern Ange - ſichte leichte erkennen konte / wiewohl erſolche Ge - muͤths-Bewegungen moͤglichſt zu verbergen trachtete / und der Princeßin mit dieſen Worten einzureden ſich unterfieng: Wie Schoͤnſte Prin - ceßin! ſoll die Sonne ihres beruͤhmten Verſtan - des in einem Todten-Meere untergehen? und will ſie das Liecht hoher Vernunfft bey den Ster - benden anzuͤnden? Nein / das verſtattet dero weltbekante Tugend nimmermehr / und dero Ver - nunfft / welche als ein Bleymaaß iedes Meer zu ergruͤnden vermag / raͤth ihr viel ein anders / als daß ſie ſolte eine todte Liebe lebendiger Anmuth vorziehen. Denn es wuͤrde der Himmel / ſtatt verhoffter Belohnung der Treue / eine ſcharffe Rechnung wegen anvertrauten Schatzes ſotha - ner Schoͤnheit fodern / wenn ſie deſſen Werth gleich ungenuͤtzten Eiſen durch den Roſt verzehren lieſſe. Vergrabne Schaͤtze / und ein Qvel / wel - cher in den Sand verſincket / wird von duͤrfftigen Haͤnden und durſtigen Lippen verflucht / weil ſie denen Menſchen / ihren von dem Himmel gewied - meten Nutzen / verweigern. Wir muſten uns gleichwohl uͤber dieſe Reden des Chaumigrems hoͤchlich verwundern / weñ wir ſonſt deſſen vorge - dachte Reden und ungeſchickte Schrifften darge - gen hielten / deren Unfoͤrmligkeit wir einer heffti - gen Liebes-Wuͤrckung zuſchreiben muſten. Deñwo115Erſtes Buch. wo die Liebe raſet / da ſtrauchelt der Verſtand / ja der kluͤgſte Mann wird zum Narren. Von die - ſer Verwunderung aber zogen uns der Princeßin Worte bald ab / als wir ſie ſo reden hoͤrten: Die - ſe Gruͤnde ſind viel zu ſchwach / den feſten Vorſatz zu hindern / denn wohl dem / welcher ſeine Klugheit in dem Sarge ſuchet / und das Gold ſeines Ver - ſtandes auff den Probierſtein der Sterbligkeit ſtreichet. Gewiß aus dieſer Mitternacht ſchei - net die Sonne / und wer in dieſer Lebens-See ſei - ne Augen ſtets nach der Baare richtet / dem muß die Tugend wie ein heller Pharos leuchten. Zu dem achte ich davor / daß wie die Goͤtter unſerm Leben nur ein Ziel / nemlich den Tod / alſo auch das Verhaͤngniß unſerer Liebe nur ein Ziel geſetzet habe: welches ſo es uns der Himmel aus den Au - gen ruͤcket / wir dennoch im Hertzen behalten / und die voͤllige Genieſſung biß ins ewige Niba ver - ſparen / uns aber deſſelben inmittelſt durch keine fremde Wahl unwuͤrdig / noch dem / in das ge - ſtirnte Buch des Himmels eingeſchriebenẽ / Nath - ſchluß / widerſtreben ſollen. Denn wo einmahl reine Liebe durch den Tod betruͤbet wird / da iſt die Keuſchheit der beſte Schatz in der Welt / und alle Liebe iſt alsdenn nur ein Jrrwiſch / deſſen Glantz von unreinen Seelen entſpringet. Durchlauch - tigſte Princeßin / erwiederte Chaumigrem / ſie ge - neuſt zwar des Nectars der Liebe / aber nur aus einem leeren Becher: ſie kan zwar das Weſen der Liebe in etwas vormahlen / worinnen ſie aberH 2be -116Der Aſiatiſchen Baniſe. beſtehe / ſolches weiß ſie nicht zu ſagen. Dero - wegen laſſe ſie die Todten ihre Todten begraben / ſie aber / als eine Gleichheit der vollkommenſten Goͤttin / liebe die Lebenden / und verſichere ſich / wo ſie einmal auff die rechte Spur der Liebe gera - then / ſie den Wegweiſer kuͤſſen werde. Mit Printz Nheranden / antwortete die Princeßin / faͤllt mein Stern ins Grab / und auſſer dieſem Lichte erwehle ich die Finſterniß: ja mein Geiſt ſoll nunmehro nur mit ſeinem eignen Schatten buhlen. Meine Seele ſoll aus ſeiner Aſche Luſt ſchoͤpffen / und ſein Tod ſoll alles / was in mir Liebe heiſt / vertilgen. Denn wo Hertz und Lufft truͤbe iſt / da wird Sonne und Brunſt dunckel. Nicht ſo / Durchlauchte Higvanama / redete Chaumi - grem ferner ein / wo Sterne ſchwinden / dagehet die Sonne auff / und Nherandi Anmuth iſt hun - dert Seelen eingepflantzet / welche ſich eben ſo wohl ihrer Liebe wuͤrdig machen koͤnnen. Der Him̃el ſelbſt zehlet ſie nunmehro durch den Mund des ſterbenden Printzen loß von aller Pflicht / wo - durch ſich verliebte Hertzen verbinden / und iſt ſchon vergnuͤgt / uͤber die zwey jaͤhrige Beſtaͤndig - keit / welche ſie ihrem noch lebenden Printzen er - wieſen hat / ja er will ſie nunmehro durch einen an - genehmen Liebes-Wechſel bekroͤnen / wo nicht verbeſſern. Denn wie die Sonne bald dieſen bald jenen Stern kuͤſſet / und ſich auch der Mond bemuͤhet durch oͤfftere Veraͤnderung ſeiner Ge - ſtalt dem Himmel durch ſein einfaches Licht kei -nen117Erſtes Buch. nen Eckel zu erwecken; alſo glaube ſie nur / uͤber - irrdiſche Princeßin / daß keine groͤſſere Anmuth / denn in dem Wechſel der Liebe / gefunden werde. Der Sonnen / wiederlegte die Princeßin / ſchrei - bet man Finſterniſſen zu / und dem Monden leget man Flecken bey / eine keuſche Seele aber ſoll be - dencken / daß ſie ein Spiegel der reinen Gottheit ſey / welcher ſich durch kein luͤſtern Auge beflecken laſſe. Jch aber bin dem Printzen Nherandi mit Leib und Geiſt biß in die dunckele Grufft ver - pflichtet: und wie ich biß daher in keuſcher Liebe und reiner Anmuth ſeiner Perſon beſtaͤndig ge - blieben; alſo ſoll auch hinfort in der rauhen Scha - le der Einſamkeit die Keuſchheits-Perle gezeuget und ernehret werden / biß mich der Tod / als das Ende der Natur / dem unvergleichlichen Nheran - di / der Unſterbligkeit nach / beygeſellet.

Biß hieher hatte die Princeßin ihre verſtellte Perſon ſo wohl geſpielet / daß wir ſelbſt nicht wu - ſten / ob es Ernſt oder Schertz / indem ſie ſolche Worte mit ſo anmuthiger Traurigkeit vorbrach - te / daß man faſt zu einigem Mitleiden beweget wurde. So artig ſie nun ihren falſchen Beyfall vorzubringen wuſte / ſo kuͤnſtlich entdeckte Chau - migrem ſeine Hertzen-Meynung / daß / wem nicht ſeine Anſchlaͤge zuvor bekandt waren / bißher un - moͤglich aus ſeinen Reden etwas gewiſſes ſchlieſ - ſen konte / biß endlich die verliebte Ungedult hervor brach / und er ſich mit folgenden Worten etwas deutlicher / wo nicht allzu deutlich / zu erkennenH 3gab:118Der Aſiatiſchen Baniſe. gab: Das Verhaͤngniß aber / ſagte er / und dero Koͤniglicher Herr Vater befiehlt / ſie ſoll lieben. Jch weiß zwar wohl / verſetzte die Princißin / wie man den Schluß des Himmels verehren ſoll: allein hier kan ich keinen Befehl noch Anlaß zur Liebe vermercken / wenn er mir dasjenige / was ich lieben ſoll raubet / und dadurch das Geſetze der Lie - be auffhebet. Mein Herr Vater aber kan mir hierinnen nicht befehlen / weil ſeine Crone dem Verhaͤngniſſe / und ſein Scepter der Liebe ſelbſt unterwoffen iſt. Zu dem laͤſſet ſich meine Liebe durch keinen Befehl zwingen / ſo lange kein lie - benswuͤrdiger Nherandi verhanden iſt / welchem ich doch nur ein freywilliges Liebes-Opffer brin - gen wuͤrde. iſt gleich kein Nherandi verhanden / brach endlich Chaumigrem herauß / ſo iſt doch noch wohl der tapffere Chaumigrem einer Prin - ceßin wuͤrdig. Ob ſie ſich nun zwar uͤber ſolche Freymuͤthigkeit nicht wenig entruͤſtete / ſo faßte ſie ſich doch moͤglichſt / und beantwortete es glim - pflich mit dieſen Worten: Es ſey Chaumigrem wer er wolle / ſo wird doch Nherandi / deſſen Tapf - ferkeit mir weit beſſer bekandt / ewig mein Hertz beſitzen: dem erwehnten tapffern Chaumigrem aber will ich ſein anderwertiges Vergnuͤgen nicht mißgoͤnnen. Hierauff nun lieſſe Chaumigrem ſeiner großſprechenden Hochmuth den Zuͤgel voͤl - lig ſchieſſen / als er mit veraͤnderter Stimme her - aus fuhr: Und dieſe Vergnuͤgung wird ſie ihm auch goͤnnen muͤſſen. Dem tapffern Chaumi -grem /119Erſtes Buch. grem / welcher durch ſeinen Bruder neun Cronen beſtreiten laͤſt um ſie auff ſein Haupt zu ſetzen / und alsdenn von allen denjenigen Rache zu fo - dern / welche anietzt ſeine Liebe kaltſinnig hindan - ſetzen. Ja ich / ich bin die rechte Hand und die Stuͤtze dieſes Koͤnigreichs / vor mir zitterte Xe - mindo / und als ich ihm nur den Ruͤcken / geſchwei - ge das Angeſichte kehrte / ward er feldfluͤchtig. Jch habe in dem Blute der Feinde biß an die Knie geſtanden / und mein Arm erſtarrte uͤber der Niedermetzelung ſo vieler kuͤhnen Peguaner / de - rer oͤffters ihrer fuͤnffe zugleich die grauſame Wuͤrckung eines Lantzen-Stoſſes von mir em - pfunden haben. Die Stuͤck-Kugeln / welche gleich denen Muͤcken im Sommer Hauffen - weiſe durch meine Haare flogen / ermunterten meinen vorhin heroiſchen Geiſt zu deſto groͤſſerer Tapfferkeit: und wo ich ich nur meine blitzende Augen hinwendete / da fleheten mich die kniende Feinde mit Thraͤnen um ihr Leben an; ja ich glaube nicht / daß ein Winckel auff Erden ſey in in welchem nicht mein Nahme erſchollen / und aufs glorwuͤrdigſte angebetet werde. So gar / daß ich befuͤrchte / man moͤchte Abgoͤtterey mit mir treiben / und mein Bild ſtatt eines Kriegs - Gottes anbeten: dieſes allein / welches noch wie nichts gegen dem / was ich verſchweige / zu rechnen / iſt mehr als wuͤrdig / daß ſothane ungemeine Tapfferkeit mit wuͤrcklicher Gegenhuld einer Princeßin / vor dero Wohlfarth ſie angewendetH 4wor -120Der Aſiatiſchen Baniſe. worden / belohnet werde. Der Herr Graff entruͤſte ſich nur nicht / antwortete ihm die Prin - ceßin mit veraͤchtlichem Geſichte / indem ich er - zehlter Tapfferkeit gantz unwiſſend bin / auch nie - mals von dem tapffern Chaumigrem etwas ge - hoͤret habe / auſſer / als unſere ungluͤckſelige Troup - pen verwichener Zeit von dem Xemindo / durch uͤble anfuͤhrung ihres mir unbewuſten Feld - Herrns / geſchlagen worden / und ſich Hauffen - weiſe vor dieſe Veſtung reiterirten / da erſahe ich unter andern Heldfluͤchtigen / einen in gantz-ver - guͤldten Harniſch verſteckten Reuter / daher ren - nen / welchem Furcht und Schrecken aus dem Augen ſahe / zumal er in der Angſt die Sturm - haube verlohren hatte; dieſen lieſſe ich mir vor einen Chaumigrem bedeuten: daß es aber der tapffere Chaumigrem geweſen ſey / ſolches kan ich nicht glauben. Den ſoll der Blitz ruͤhren / fuhr er im Zorn heraus / welcher mich ſo uͤbel angedeutet / und wolte mir die Princeßin deſſen Nahmen kun - dig machen / ſo ſchwere ich / er ſolte durch einen Streich meines maͤchtigen Sebels in tauſend Stuͤcke zergliedert werden. Allein auf dem Zweck unſers Vorhabens endlich zu kommen / ſo wiſſe ſie / Princeßin / daß des Koͤnigl. Herrn Vaters ernſtlicher Wille und Befehl iſt / die Stelle des verblichenen Printzen von Siam mit meiner / der Liebe nicht unfaͤhigen Perſon zu erſetzen / und ihr Hertze dem zu wiedmen / welcher ſie kuͤnfftig als als ein maͤchtiger Koͤnig wird zu lieben wiſſen.

Hoch -121Erſtes Buch.

Hochmuͤthige Einfalt! erwiederte die Prin - ceßin / auch Sclaviſche Gemuͤther ſuchen im Lie - ben ihre Freyheit / und ich als eine freygeborne Koͤnigl. Princeßin ſoll mich zwingen laſſen einen Sclaven der Laſter zu lieben. Unverſchaͤmter Graff / ſchaͤmet euch in euer Hertze / daß ihr euch unterſtehet / mit ſo handgreifflichen Luͤgen mir den Todt meines geliebten Printzen einzubilden / von welchem ich doch vor zwey Stunden erſt ſchrifft - liche Verſicherung ſeines Lebens und beſtaͤndiger Liebe eꝛhalten: Daß ihr alſo nothwendig mit eu - rem erdichteten Vorgeben zu ſchanden werden muͤſſet. Welche Worte ſie mit Vorzeigung des rechten Briefes begleitete / und den Chaumi - grem nicht wenig ſchamroth machte. Wie aber den Hochmuth gemeiniglich eine unverſchaͤmte Tollkuͤhnheit begleitet / alſo ſagte er gantz ver - zweiffelt: Printz Nherandi ſey todt oder lebendig / ſo will ich doch das Wort des Koͤniges von Ava erfuͤllet wiſſen / welcher mir verſprochen / ſeine Tochter ſolle mich lieben. Widrigen Falls ſoll dieſes Land durch meine Waffen uͤberſchwem - met / und alles Frauenzimmer in gantz Ava mei - ner verachteten Liebe aufgeopffert werden. Ja das Koͤnigl. Blut ſoll lange nicht kraͤfftig genung ſeyn / meine Rache nur im minſten zu kuͤhlen / Printz Nherandi aber ſoll im gluͤenden Ofen ſei - nen unzeitigen Eintrag der Liebe bereuen. Hier kunte mein Printz kaum die Loſung von der Prin - ceßin erwarten / als er ſolche freche Droh-Wor -H 5te122Der Aſiatiſchen Baniſe. te anhoͤren muſte: Jedennoch hielt ihn der Prin - ceßin Antwort noch etwas zuruͤcke / welche wir folgender Geſtalt hoͤreten: Huͤtet euch / Herr Graff / und mißbrauchet nicht meine Gedult: Denn ob zwar eure Vermeſſenheit was anders verdienet haͤtte / ſo giebet man euch doch noch Be - denckzeit / die raſende Begierde zu daͤmpffen / ſon - ſten wird man euch lehren / mit Koͤniglichen Per - ſonen gebuͤhrend umzugehen. Auch die gantze Welt iſt zu wenig / fuhr er gantz raſend fort / meine Liebe zu hindern: Und meine Macht zu bezeugen / ſo raube ich dieſen Kuß mit Gewalt von ihren Lippen. Worauff er die Princeßin hoͤchſt ver - meſſen anfiel / daß ſie kaum dieſe Worte: Es iſt genung / Printz Balacin / ſchreyen kunte. Allein / ehe ſie noch folche Loſungs-Worte geendiget hat - te / war mein Printz dem Chaumigrem ſchon auff dem halſe / und ſtieß ihn mit der Hand ſo unſanff - te von der Princeßin hinweg / daß er geſtreckt auff den Ruͤcken fiel / und ſich lange nicht beſinnen kunte / was vor ein Zufall ihn zu dieſer Niederlage gezwungen hatte. Endlich / als er meinen Prin - tzen erkandte / ſprang er wiederum auff / und fuhr ihn mit dieſen Worten an: Verwegener Printz / dieſe Schmach ſoll euch gereuen / und indem ihr den Aug-Apffel eures Vaters beleidiget / und mich an meiner vorgeſetzten Vergnuͤgung verhin - dert / ſo ſchwehre ich bey allen Furien / mich an euch und der unempfindlichen Higvanama zu raͤchen. Zu erweiſen aber / was Chaumigrem gelte undver -123Erſtes Buch. vermoͤge / ſo ſollen Goͤtter und Menſchen mich nicht an meinem Vorſatze hindern. Nach wel - chen Worten er wiederum als raſende auff die Princeßin zulieff / und ſchiene es / als wolte er zu Sturme lauffen / nicht weiß ich / ob er die Prin - ceßin kuͤſſen / oder ſich gar an ihr vergreiffen wolte. Dieſer Sturm aber wurde ihm heßlich abge - ſchlagen / denn mein Printz antwortete ihm kurtz und ſagte: Du unverſchaͤmter Cujon biſt mei - nes Sebels nicht wuͤrdig; womit er ihm zugleich mit der Hand ein ſolches accidens in das Ange - ſichte warff / daß die Raſe durch ſolchen Ader - ſchlag eine blutige Empfindlichkeit zu erkennen gab. Hierauff ſprang Chaumigrem zuruͤcke / ent - bloͤſete ſeinen Sebel / und rieff ſeinen Leuten zu / welches ſechs vewegene Kerlen waren / ſie ſolten zuhauen / und ihres Herrn Ehre retten. Dieſe kuͤhne Geſellen nun durfften ſich unterſtehen / nebſt ihrem Herrn / geſammter Hand auff einen Koͤ - niglichen Printzen / in ſeiner Burg und Vaͤterl. Reſidentz / mit bloſſen Sebeln einzuſtuͤrme. Weß - wegen denn mein Printz gleichfalls gezwungen wurde / ſeinen Sebel zu zuͤcken / dem ich mich treu - lich beygeſellte / und alſo unſeꝛ zwey ſich gegẽ ſieben in einen ungleichen Kampff einlieſſen. Wie nun mein Printz durch ſeine Tapfferkeit ſich des einen Feindes durch einen Gurgel-Hieb entledigte / und einen andern durch Beraubung der rechten Hand zum Gefechte untuͤchtig machte / alſo dummelte ich mich auch rechtſchaffen unter dieſen Schel -men124Der Aſiatiſchen Baniſe. men herum / und gedachte / haben dich die Goͤt - ter in verwichener Schlacht unter ſo viel tauſend Feinden erhalten / ſo werden dich auch dieſe we - nige nicht freſſen. Welches mir auch dermaſ - ſen gluͤckte / daß ich dem einen / welcher hefftig auf mich loß gieng / mit dem blancken Linial einen ſol - chen rothen Strich uͤber das Geſichte zog / daß er vor Blut nicht mehr ſehen kunte / und faſt todt zur Erden fiel: Wiewohl ich von einem andern hier uͤber die lincke Hand zur Rache gezeichnet wurde / welches mich / wiewol zu ſpaͤt / lehrete / ich ſolte / wann es an ein Hauen gienge / nicht die lin - cke Hand vorwerffen / ſonſt wuͤrde man auff den Schild geklopfft. Chaumigrem hielte ſich indeſ - ſen friſch hinter ſeinen Leuten / ſeine Tapfferkeit durch hefftiges Zuſchreyen erſetzende. Und ob zwar ſo wohl der Printz als ich bemuͤhet waren / dem Haupte dieſes Streits eine veꝛdiente Schlap - pe anzuhaͤngen / ſo wuſte er doch ſo behende hin - ter ſeinen Vorfechtern herum zu ſpringen / daß man geſchworen haͤtte / er gebe einen Seil-Taͤn - tzer ab. Waͤhrenden Kampffes war das Frau - enzimmer nach dem Garten-Thore gelauffen / und hatte die Burg-Wache herzu geruffen / von welcher denn in zwantzig mann ſtarck bald her - zu eyleten / und mit verkehrtem Gewehr uns der - maſſen entſetzten / daß Chaumigrem und ſeine Leu - te im Augenblicke ihre Sebel verlohren / und ſich ungeachtet vieles Widerredens gefangen geben muſten: Da ſie denn der Printz in dem Thurm /biß125Erſtes Buch. biß auff fernere Verordnung / zu fuͤhren befahl. Wie ſich nun Chaumigrem gantz Ava zu Feinden gemacht hatte / alſo empfand eꝛ auch bey dieſeꝛ Ge - legenheit den wircklichen Haß der Soldaten / in - dem faſt ieder Schritt mit einem Rippen-Stoß begleitet ward. Allein / was Wunder? Chau - migrem war unter ſo unanſtaͤndiger Begleitung kaum hundert Schritte von dem Garten gelan - get / ſo kamen uͤber fuͤnffzig bewehrte Mann / welche auff des Koͤnigs Befehl nicht allein den Chaumigrem mit ſeinem Anhange auff freyen Fuß ſtellten / ſondern auch die Wacht dargegen in gefaͤngliche Hafft einzogen. Wie hefftig ſol - ches meinen Printzen verdroß / und wie unbillig ſolches von einem Vater / ja von einem Monar - chen verfahren war / dieſes uͤberlaſſe ich dero reif - ferem Nachdencken. Was wolten wir thun? Wir muſten an der tꝛockenen Rache / welche Chau migrem von der Wache empfangen hatte / ver - gnuͤget ſeyn / und mein Printz verfuͤgte ſich voller Verdruß nach ſeinem Zimmer. Morgens dar - auff wurden ſo fort die Reichs-Raͤthe beruffen / als ob ein groſſer Feind verhanden waͤre / welchen der Koͤnig den geſtrigen Streit entdecket hatte / mit Begehren / erſprießlichen Rath zu ertheilen / auff was Art und Weiſe ſolche Uneinigkeit moͤch - te beygeleget / und der Printz mit Chaumigrem verſoͤhnet werden. Chaumigrem hatte dieſes kaum erfahren / ſo war er unſcheut vor den Koͤnig und die Raͤthe getreten / hatte mit hochtrabendenWor -126Der Aſiatiſchen Baniſe. Worten und vielen Unwahrheiten die Urſache geſtrigen Kampffes vorgebracht / und gebeten / weiln ihm der erwieſe Schimpff unmoͤglich zu ertragen waͤre / man wolte ihm erlauben / ſeine Sache wider den Printz durch einen Zwey - kampf auszufuͤhren. Ob nun zwar die ſaͤmt - lichen Raͤthe dieſem unanſtaͤndigen Begehren durchaus widerſprochen / ſo war doch die raſende Gewogenheit gegen dem verhaßten Chaumigrem in des Koͤniges Hertzen dermaſſen eingewurtzelt / daß er ſich nicht entbloͤdete / das Leben ſeines eini - gen Erb-Printzens / und die Wolfahrt des gan - tzen Reichs auff die Spitze zu ſetzen / und an einen ſtockfremden Menſchen zu wagen: Deßwegen ihm denn der Koͤnig Vollmacht ertheilete / ſeine Sache nach eigenem Begehren auszufuͤhren.

Noch ſelbigen Tages wurde meinem Prin - tzen von dieſem verwegenenen Menſchen durch ei - nen Bramaner folgende Ausforderung eingehaͤn - diget:

Printz von Ava!

WO eure Fauſt ſo tapffer den Sebel zu fuͤhren / als verwegen einen Feldherrn zu beſchimpf - fen iſt / ſo werdet ihr euch morgen fruͤhe vor dem Schloß-Thore ohne andere Waffen / als Sebel und Schild einfinden / und allda der grauſam - ſten Rache von meiner Hand gewaͤrtig ſeyn. Sol - ches geſchiehet auff Koͤnigl. Befehl und Erlaub - niß / und es erwartet Euer Chaumigrem.

Ver -127Erſtes Buch.

Verfluchte Raſerey! Unartiger Vater! re - dete der Printz hierauff zu ſich ſelbſt / iſt dieſes wol iemals in gantz Aſien er hoͤrt worden / daß ein Koͤ - nigl. Printz / auch in dem Schooſſe ſeines Vaters / vor Schimpff und Uberfall nicht koͤnne geſichert ſeyn / ja daß ein gebohrner Koͤnig einem fremden und nichtswuͤrdigen Menſchen blutige Rechen - ſchafft von eigener Hand geben ſoll? Blitz und Schwefel auff deinen verdammten Kopff / du frevelhaffter Boͤſewicht / ich kenne bereits die Zu - neigung der getreuen Avaner / welche auff mein bloſſes Wincken viel eher bey tauſenden ihr Leben aufopffern / als einen Blutstropffen von mir neh - men laſſen wuͤrden. Dieſe will ich dir vorſtellen / und von dieſen magſt du deine vermeynte Rache nehmen. Doch nein! ſolte mir dieſes wol an - ſtaͤndig ſeyn / mich fremder Huͤlffe zu bedienen / und zwar gegen einen ſolchen Feind / deſſen Tapf - ferkeit in den Fuͤſſen / und der Muth auff der Zun - gen beruhet. Weil ihn denn mein Vater wuͤr - dig erkennet / mit einem Printzen zu fechten / ſo ſey es denn. Gehe demnach hin / wendete er ſich zu dem Bramaner / und ſage deinem naͤrriſchen Herrn / ich wolle mir endlich die Muͤhe nehmen / und ihn um meines Vaters willen die Ehre goͤn - nen / daß er von meiner Fauſt ſterbe / ob er wol des Henckers Bemuͤhung verdienet haͤtte. Fol - genden Morgen verfuͤgte ſich mein Printz nebſt mir gantz allein nach dem beſtimmten Platz / hatte einen Viol-braunen Rock / ſeinen Verdruß anzu -deu -128Der Aſiatiſchen Baniſe. deuten / angezogen / und eine rothe Feld-Binde daruͤber gebunden. An der Seiten hieng ihm ein mit Tuͤrckoiſſen reichlich verſetzter Sebel / und den lincken Arm beſchwerte ein hell-polirter Schild. Als wir uns dem Platze genaͤhert hatten / ſahen wir den blutduͤrſtigen Vater an einem Fenſter liegen / welcher bey widrigem Erfolg ſich gar wol getraute / den blutigen Tod ſeines Sohnes mit anzuſchauen. Es war ein Creyß von zwey tau - ſend bewehrten Soldaten geſchloſſen / welches mehr auff die Sicherheit des Chaumigrems / als Beſchuͤtzung des Printzens / angeſehen war. Bey unſerer Ankunfft wurde der Creyß geoͤffnet / und wir ehrerbietig eingelaſſen / alles aber gieng mit ſo einer ungemeinen Stille zu / als wenn iedes / vor Verlangen nach der Sachen Ausgang / ver - ſtummet waͤre. Wir funden noch keinen Feind vor uns / dahero denn der Printz voller Bitterung fragte: Wo denn der kuͤnfftige Erbe von Ava bliebe? er wuͤrde gewiß bey dem Koͤnige zuvor ein Fruͤhſtuͤck einnehmen / damit er deſto beſſere Kraͤf - te habe / den Avaniſchen Stamm auszurotten. Nachdem man aber angedeutet / man haͤtte noch keine Nachricht von ſeiner Ankunfft / ſetzte ſich mein Printz auff die bloſſe Erde / und erwar - tete voll brennenden Zorns ſeines Feindes. Es vergiengen inzwiſchen mehr als zwey Stunden / daß man nichts feindſeliges merckte noch ſahe. Endlich nach ſo vergeblichen Harren / kam ein kleiner Mohr in den Creyß gelauffen / welcher dem Printzen ein Bꝛiefgen einhaͤndigte / dieſes Jnhalts:

Printz! 129Erſtes Buch.

Printz!

NAchdem uns die guͤtigen Goͤtter in einen ſol - chen Zuſtand geſetzet / daß wir nicht vor noͤ - thig erachten / durch einen Zweykampff unſere Perſon / woran nunmehro der halben Welt viel gelegen / in einige Gefahr zu ſetzen: Als wollet ihr euch nur kurtze Zeit gedulden / da wir als ein Blitz euch heimſuchen / und durch viel hundert tauſend Sebel den angethanen Schimpff und Verachtung an euch und eurer ſtoltzen Schwe - ſter / grauſamſt raͤchen wollen. Gegeben Ava / im erſten Jahr unſerer Regierung / an einem Succerawaram.

Chaumigrem / Koͤnig von Brama.

An den Koͤnig aber hatte er zugleich einige Zei - len eingeliefert / welche wir hernach folgenden Jnnhalts geweſen zu ſeyn erfuhren:

Großmaͤchtiger Koͤnig und Herr!

DEr unvermuthete Todes-Fall unſers Bru - ders Xeminbrun ruffet uns eilend von hin - nen zu der Bramaniſchen Crone / welche uns / durch wolgelegten Grund unſers Bruders / auch bald den Trohn von Pegu verſpricht. Nun waͤ - ren wir zwar E. L. vor bißher genoſſene Freund - ſchafft ziemlich verbunden / wenn ſie nicht dero ei - gene Kinder einiger Vergeltung unfaͤhig mach - ten: Maſſen wir uns vielmehr feſte vorgeſetzet / den von Printz Balacin erlittenen Schimpff der - maſſen zu raͤchen / daß auch das Kind in Muter -Jleibe130Der Aſiatiſchen Baniſe. leibe den Tag beweinen ſoll / an welchem mich die eigenſinnige Higvanama verachtet hat / und iſt uns nur leid / daß wir E. L. hierdurch beleidigen ſollen. Wir ſind deßwegen heute fruͤh auff be - ſtellter Poſt nach Brama gangen / und wird Printz Balacin vergebens der Ehre / mit uns zu ſtreiten / erwarten. Ava am Succera-Waram.

Chaumigrem / Koͤnig von Brama.

Wie? hub mein Printz uͤberlaut an / als er dieſes geleſen / iſt nun ſo geſchwinde aus ei - nem Baͤrenheuter ein Koͤnig worden? Doch hat ein verzagter Tyrann offt beſſer Gluͤcke / als das tapfferſte Gemuͤthe. Jnzwiſchen wird mir ein iedweder braver und treuer Avaner das Zeugniß geben / daß ich mehr gethan / als mir gebuͤhret / des Feindes erwartet / und mit ihm zu ſchlagen begie - rig geweſen bin. Hierauff erhub ſich von allen Anweſenden ein Freuden-Geſchrey und tauſend - faches Gluͤckwuͤndſchen / ja es fehlete nicht viel / daß nicht einige Schmach-Reden wider den alten Koͤnig geflogen waͤren / wenn ſich nicht mein Printz eiligſt in ſein Zimmer / von dar aber nach der Princeßin begeben haͤtte / welche ihn mit un - glaublicher Freude und Schweſterlicher Liebe empfieng / daß ich nicht weiß / ob die Liebe unter Geſchwiſter hoͤher ſteigen koͤnne / als welche ietzi - ger Zeit dermaſſen erfroren / daß fremde Perſonen ihre Liebe viel hitziger / als Bruͤder und Schwe - ſtern / erzeigen / ja wo heutiges Tages drey Ge - ſchwiſter ſind / ſo bemuͤhet ſich das dritte / wie esdie131Erſtes Buch. die andern zwey in einander hetzen moͤge. Allein wieder auff unſere Erzehlung zu kommen / ſo ward dieſer Triumph bald wieder in ein Trauren ver - kehret / denn es war Chaumigrem dem Koͤnige dermaſſen aus Hertze gewachſen / daß er vermein - te / unſinnig zu werden / als er aus vorerwehntem Briefe ſeinen Abzug vernommen. Und dieſes wir - ckete eine ſolche Raſerey in ihm / daß er alſobald meinem Printzen andeuten ließ / er ſolte Hof und Reich ein gantzes Jahr lang meiden / die Prin - ceßin aber ſolte ſich gleiche Zeit des vaͤterlichen Angeſichtes enthalten. Ob nun zwar die Reichs - Raͤthe / wie auch der gantze Hof hefftig hierwider waren / ja es ſich gar zu einem Auffruhr ſchicken wolte / ſo drang doch Koͤnigliche Gewalt durch / und dieſer harte Befehl ward dem Koͤnigl. Ge - ſchwiſter hinterbracht. Worauff mein Printz gantz beſtuͤrtzt antwortete: Wie? Jſt denn ſo gar alle Liebe und Gnade in dem vaͤterlichen Her - tzen des Koͤniges erloſchen / daß er auch die Wol - fahrt ſeiner Kinder hindan ſetzen / und ſich durch deren Verluſt einen ungewiſſen Feind verſoͤhnen wil. Ha Tyranne! verhaßter Vater / welch Tyger jagt ſeine Jungen von ſich / oder welcher Drache verlaͤſt ſeine Frucht? Und mein Vater wil mich als einigen Erben ſeiner Crone / ja / als ſeyn erſtes Pfand der Liebe / ohne einige Urſache in fremdes Elend jagen? Jedoch die Tugend findet uͤberal ihr Vaterland / und mein Vater iſt viel zu ſchwach / ob er gleich ein maͤchtiger Koͤnig iſt / dasJ 2Ab -132Der Aſiatiſchen Baniſe. Abſehen des Himmels zu hintertreiben. Jch verlaſſe dieſes Reich / nicht aber die Hoffnung / mich einſt meinen verleumderiſchen Feinden auff dem Trohn von Ava erſchrecklich zu zeigen. Und wie mir der gantze Hof das ungeheuchelte Zeug - niß geben kan / daß ich niemals im geringſten die Grentze Kindlichen Gehorfams gegen meinen Herrn Vater uͤberſchritten habe; alſo wil ich auch zum Uberfluſſe durch dieſen meinen Abſchied erweiſen / wie begierig ich ſey / Vaͤterlichen Befehl zu erfuͤllen / um durch ſolchen Gehorſam mir die Goͤtter geneigt zu machen.

Die betruͤbte Higvanama war indeſſen in eine Ohnmacht geſuncken / alſo daß ſie mein Printz ne - benſt ihrem Frauenzimmer kaum wiederum er - muntern kunten. Ungluͤckliche Higvanama / hub ſie endlich nach langem Stillſchweigen an / ſo ſolſt du nun die andere Helffte deines Hertzens vollend verlieren / nachdem du das eine Theil faſt zwey Jahr entbehren muͤſſen. Soll ich den / welcher nicht mein Bruder / ſondern mehr als mein Vater geweſen / von mir ſcheiden laſſen? Worzu nuͤtzet mir deñ mein Leben? Grauſamer Vater! Sind denn alle Wolcken leer / und heget ihre Finſterniß keinen Blitz mehr in ſich / ſolche Greuel-That zu raͤchen? Doch wil ich mich nicht durch Ungedult verfuͤhren laſſen / der Goͤtter Geſetze wegen kind - lichen Gehorſams zu beleidigen: Sondern mein reines Blut ſoll den harten Fehler des Vaters verſoͤhnen / und ein Dolch ſoll der bedraͤngten See -len133Erſtes Buch. len freye Lufft machen / daß ſie ungeſcheut um ih - ren liebſten Nherandi / und wertheſten Balacin ſchweben moͤge. Ja ich ſchwere / Hertzens-Bru - der / daß die erſte Stunde eures Verluſts / die letzte meines Lebens ſeyn ſoll. Nein / liebſte Schwe - ſter / redete ihr mein Printz ein / diß iſt nicht die re - chte Bahn / worauff wir wandeln ſollen. Jch meines Theils achte dieſes vor ein Geringes / daß mir das verhaſſete Anſchauen dieſes Hofes be - nommen wird / ob mich zwar die Schweſterliche Abweſenheit hefftig ſchmertzen wird. Jnzwi - ſchen bin ich verſichert / daß der guͤtige Himmel zu ſeiner Zeit alles aͤndern / und die ietzt verwirreten Sachen in erwuͤndſchten Stand verſetzen werde: Worauff ſie etwas beſaͤnfftiget zu ſeyn ſchiene / und von ihrem Frauenzimmer ein ſilbern Kaͤſt - gen foderte / nach deſſen Auffſchlieſſung ſie dem Printzen drey uͤberaus koſtbare Kleinodien mit dieſen Worten uͤberreichte: Trautſter Bruder / nehmet hier von eurer ewig-treuen Schweſter ein geringes Andencken hertzlicher Liebe / und veruͤbelt mir es nicht / daß ich mich ſo gſchwinde in euern Abzug ſchicken lerne / weil mir gleichſam mein Geiſt ins Ohr ſaget / es werde kuͤnfftiges Gluͤcke uns voller Vergnuͤgung wieder vereinigen. Zie - het hin / gedencket an mich! die Goͤtter begleiten euch. Mein Printz konte ſich gleich ihr der Thraͤ - nen nicht enthalten / daher er ihr vor ſothanes An - dencken mit einem hertzlichen Kuß danckte / und zu - gleich naſſen Abſchied nahm. Weil nun auchJ 3die134Der Aſiatiſchen Baniſe. die Zeit uns des Scheidens erinnert / als werde ich das uͤbrige / doch mit dero Erlaubniß / bis morgen verſparen / da ich noch ſeltzamere und verwirrtere Zufaͤlle erzehlen will.

Abaxar danckte hoͤfflich vor ſo geneigte Muͤh - waltung / und bezeigete ſonderbahre Vergnuͤgung uͤber dieſer Erzehlung / dannenhero er verſprach / morgendes Tages / wo es anders ſeine Verrich - tungen zulieſſen / wieder zu erſcheinen / und mit ho - hem Verlangen das uͤbrige anzuhoͤren. Nach genommenem Abſchiede ließ ſich der Printz noch - maln verbinden / genoß ein wenig Speiſe / und legte ſich vollend zur Ruhe. Tages darauff / als Talemon ſeiner Gewohnheit nach bey aufgehen - der Sonne ſeinen Garten beſuchen / und vor ſei - nes hohen Gaſtes Wohlfahrt ſorgen wolte / ver - nahm er ein hartes Wort-Geſpraͤch zweyer Wei - bes Perſonen / dannenhero er dem Schall folgete / und ſeine Frau und Pflege-Tochter folgender Geſtalt reden hoͤrte: Was? ſagte Haſſana / ſoll man ſich in ſeinem eignen Hauſe von den frem - den Lumpen-Hunden verachten laſſen? du ſieheſt es ja vor Augen / wie veraͤchtlich er dich haͤlt / und wie wenig mein Vorſprechen bey ihm gilt. Frau Mutter / erwiederte Lorangy / die Liebe iſt wie ein Tyger / welcher ſich eher durch Glimpff / als mit gewaltſamen Feſſeln baͤndigen laͤſt. Sie wird mit gelinden Saͤfften am erſten eingfloͤſſet. Die Zeit wird und kan alles aͤndern. Ein Pfahl wird nicht auff einen Stoß in die Erde gebracht / alſowird135Erſtes Buch. wird ſich der liebe Menſch meine verliebte Noth wohl endlich laſſen zu Hertzen gehn. So wol - teſtu wohl / verſetzte Haſſana / dem weiblichen Ge - ſchlechte zu ewigem Schimpffe / um Gegenhuld bittliche Anſuchung thun? Pfuy ſchaͤme dich! das Bitten und Flehen koͤmmt den Mannsbil - dern zu. Und ob wir noch ſo verliebt in unſern Hertzen ſeyn / ſo ſollen wir uns doch ſtellen / als ob wir unempfindlich waͤren. Hiedurch erfahren wir / ob es eine beſtaͤndige oder Flatter-Liebe ſey? Jſt es auff Beſtaͤndigkeit angeſehen / und hat ſich einer einen Narren an dir gefreſſen / ſo entlaͤufft er dir nicht / und du kanſt ihn endlich / nach ſolcher Probe / den Zweck ſeines Verlangens wohl errei - chen laſſen; iſt es aber / nach heutiger Welt-Art / nur auff eine kurtze Wolluſt angefangen / ſo wird er nach ſothaner verſtellten Weigerung bald ab - laſſen / und dich uͤberall vor die Keuſchheit ſelbſten ausſchreien / ob du es gleich am wenigſten biſt. Und dieſes iſt eine nothwendige Regul vor uns Frauenzimmer / welches Profeßion von der Liebe zu machen ſuchet / die du auch in acht nehmen muſt. Frau Mutter / antwortete Lorangy / ich begehre zwar keine Profeßion von der Liebe zu ma - chen / welches ſonſt gar eine verdaͤchtige Art zu re - den iſt / allein / daß ich nicht ſolte verliebt ſeyn / weñ mir das Verhaͤngniß ein feines Geſichte in den Weg ſtellet / das kan ich nicht leugnen. Und e - ben dieſer junge Fremdling / er ſey / wer er ſey / hat mich dermaſſen verwundet / daß ich fuͤrchte / woJ 4nicht136Der Aſiatiſchen Baniſe. nicht das Pflaſter ehlicher Liebe darauff geleget wird / es doͤrffte auff eine verbothene Cur naus lauffen. Wer die Tochter haben will / ſetzte ihr Haſſana entgegen / der halte es mit der Mutter; Nachdem aber dieſes nicht geſchiehet / und wir ie - derzeit das veraͤchtlichſte Geſichte zugekehret wird; als wirſt du zu wenig ſeyn / meinen Vorſatz zu hindern. Jch will noch heute nach Hoffe lauf - fen / und meinen Alten verrathen / daß er verdaͤch - tige Fremdlinge aus Ava beherberget: hierdurch raͤche ich meine Schmach / und kan mit Gelegen - heit auch meines Alten loß werden. Ach Frau Mutter / fiel ihr Lorangy gantz unbeweglich in die Rede / wo ihre Adern einen Blutstropffen in ſich hegen / welcher mir nur etwas gewogen iſt ſo er - barme ſie ſich der armen Lorangy / welche ſich le - bendig verſcharren / und ihr Elend auch nach dem Tode bejammern wuͤrde. Sie weiß ja ſelbſt / wie ſtarck das ſuͤſſe Gifft der Liebe ſey / und hat de - ren Wuͤrckung ſo wohl gegen den bewuſten Hof - Juncker / als auch den Portugiſiſchen Cammer - diener / ſattſam empfunden. Ach ſo trage ſie doch auch Mitleiden mit meiner Jugend / und gedencke / daß mich die Goͤtter raͤchen / ſie auch im Alter mit verliebten Hertzen belegen / und dabey ungluͤcklich machen koͤnnen. Denn mein endlicher Vorſatz iſt entweder zu ſterben / oder meine Liebe zu voll - fuͤhren. Du kanſt nach dem Hertzen greiffen / fieng die alte endlich an / und ich geſtehe es gerne / daß ich mich durch das ſuͤſſe Andencken vorigerLie -137Erſtes Buch. Liebe gantz verjuͤngt befinde. Jch gebe dir Bey - fall / und verſpreche dir Krafft meiner alten Liebe moͤglichen Beyſtand. Nur ſiehe zu / daß du nicht alleine liebeſt / ſondern auch geliebet werdeſt / wo - von du doch noch nicht das geringſte Zeichen ab - nehmen koͤnnen. Ach ja / liebe Frau Mutter / troͤſtete ſich Lorangy / ich habe es ſattſam verſpuͤh - ret / daß ſein Gemuͤthe durch meine Anmuth ſo ſehr / als der Leib / verwundet ſey. Maſſen er al - ſobald / als er mich nur erblickte / tieff feufftzete / und mir gantz ſanffte die Hand druckte. Ein ver - liebtes Hertze / wiederredete die Alte / haͤlt ieden Sonnenblick vor einen Sommertag; allein nimm dich in acht / und wiſſe / daß ich dich aus Erfahrung lehren koͤnne. Der fluͤchtige Mer - cur iſt oͤffrers denen Maͤnnern ins Hertze ge - praͤgt. Das Gegenwaͤrtige kuͤſſen ſie / und das Entfernte meinen ſie. So alber ſind wir theils / wenn wir einer guten Mine gewahr werden / ſo bilden wir uns ein / es ſind lauter Stricke / wel - che uns und ſie verbinden. Ein falſcher Schwur iſt uns ſo gewiß / als tauſend Eyde. Ein gemahltes Fuͤnckgen kan uns in volle Flamme ſetzen / daß wir auff den Hochzeit-Schmuck bedacht ſeyn / ehe noch von einiger Bewilligung geredet worden / wir werden oͤffters vor der Zeit allzu treuhertzig / und laſſen uns fangen / ehe der Jaͤger auff die Jagd zeucht. Ja was das aͤrgſte / den erſten Be - trug / der uns mit geſpielet worden / nennen wir ei - nen Zufall: den andern ein Ungluͤck / und laſſenJ 5kaum138Der Aſiatiſchen Baniſe. kaum den dritten vor eine Warnung gelten. Jch bin zum hoͤchſtem Leidweſen mehr als ſechsmahl dergeſtalt angelauffen / daß man mit mir / wie mit einem verſaltzenen Brey umgegangen / wel - chen ieder / wenn er ein paar Loͤffel davon genoſ - ſen / ſtehen laſſen: Hier wolte der alte Talemon nicht laͤnger zuhoͤren / ſondern gieng ſeufftzende da - von / begab ſich aber bald nach des Printzen Zim - mer / den er wachende befand / und nach Aner - wuͤndſchung eines begluͤckten Morgens nach dem Zuſtande ſeiner Geſundheit forſchete / welche denn nach dieſer Ruhe mercklich zuzunehmen ſchien. Als er auch nach der Wunde ſahe / befand er die - ſelbe dermaſſen / daß er ſeinen Haus-Mitteln eine ſonderbahre Krafft zuſchreiben muſte. Worauff er den Printzen ferner anredete: Gnaͤdigſter Herꝛ / wo iemahls der Rath eines alten und treuen Die - ners gegolten hat / ſo bitte ich nicht uͤbel zu deuten / wenn ich / nicht ohne Urſache / erinnere / ſich gegen meine Frau ehrerbietig / und gegen meine Pflege - Tochter verliebt anzuſtellen: widrigen Falles ſtehet uns ein groſſer Unfall vor. Wie? antwor - tete der Printz / ſolte ich mich wohl auff ſolche un - verantwortliche Art und Weiſe an meiner himm - liſchen Baniſen verſuͤndigen? das ſey ferne! So ſind wir des Todes / wiederredte Talemon / denn die Goͤtter haben die Suͤnden meiner Jugend durch meine ietzige Ehe gerochen. Jch habe mit Entſetzen angehoͤret / wie meine Frau entſchloſ - ſen / des Printzen Anweſenheit / ob zwar in un -be -139Erſtes Buch. bekandter Perſon / dem Kaͤyſer zu entdecken / wel - ches Vorhaben aber meine Pflege-Tochter durch vorgeſchuͤtzte Liebe hintertrieben / iedoch mit die - fem Bedinge / wenn ſie in ihrer Liebe gegen den Printzen gluͤcklich waͤre. Der Himmel wird ja / hub der Printz hierauff an / einmahl muͤde wer - den mich zu verfolgen / und nicht auch ſchwache Weibes-Bilder wider mich erwecken. Jch glaube -- -- Hiemit traten Haſſana und Loran - gy hinein / wodurch der Printz ſo erſchrecket ward / daß ihm der Angſt-Schweiß ausbrach. Tale - mon aber wurde zu mehrem Ungluͤcke von ſeiner Frauen benachrichtiget / es ſey iemand aus Pegu angelanget / der ihn ſprechen wolte. Weswegen er durch ſeinen Abſchied den Printz voller Angſt hinterließ / welcher ihn beweglich bat / den faulen Scandor auffzuwecken / und ihm zu befehlen / ſchleunigſt auffzuwarten. Als nun diß erbare Frauen-Zimmer ſolche erwuͤndſchte Gelegenheit / ihre Liebes-Geſchaͤffte vollend auszufuͤhren / er - ſahe / bediente ſich die Alte deren bald mit dieſen Worten! Mein Freund / wie habt ihr heinte ge - ruhet / hat euch nicht etwa ein guter Traum / durch Vorſtellung einer Perſon / welche meiner Toch - ter aͤhnlich ſiehet / empfindlicher gemacht. Der Printz konte ſich kaum faſſen / dieſe naͤrriſche Fra - ge zu beantworten / dahero er zuvor eine kurtze Be - denckzeit nahm / und endlich ſagte: Mein unbe - gluͤckter Zuſtand erlaubet nicht / mir etwas ange - nehmens einzubilden / vielweniger vorzuſtellen. Jn -140Der Aſiatiſchen Baniſe. Jnzwiſchen habe ich hohe Urſache der wehrten Frau Mutter / als welche Ehren-Benahmung ſie billich um mich verdienet / unterthaͤnigſt zu dancken / vor die unverdiente Gnade und Wohl - that / welche ich unwuͤrdigſt unter dero Dache ge - nieſſe / und trage das Vertrauen zu dero Guͤte / ſie werde die Erwiederung / biß zu kuͤnfftiger Gele - genheit / ausgeſetzt verbleiben laſſen. Hierdurch vermeinte nun der bedraͤngte Printz ſie auff ande - re Reden zu fuͤhren / und die verdruͤßlichen Liebes - Erinnerungen zu hintertreiben; allein durch dieſe Liebkoſungen / welche der Printz mit einer ſonder - bahren Anmuth vorzubringen wuſte / wurde die Alte viel freymuͤthiger / und die Juͤngere deſto ver - liebter. Dahero die Haſſana Anlaß nahm / fol - gender Geſtalt zu antworten: Werther Freund und lieber Sohn! ihr thut gantz wohl / daß ihr einige Erkaͤntligkeit gegen eure Wohlthaͤter ver - ſpuͤren laſſet / und ſind wir auch allerſeits begierig / nicht allein euch alle Annehmligkeit zu erweiſen / ſondern auch gar in unſere Freundſchafft auff und anzunehmen / wenn ihr nur nicht euch ſelbſt in Lich - ten ſtehen / noch uns durch Ungehorſam betruͤben / und zu widrigen Gedancken bringen wollet. Da ſeyn die Goͤtter vor! verſetzte der Priutz / daß ich mich ſothaner Wohlthat durch vorſetzliche Fehler unwuͤrdig machen ſolte: ſondern ich wuͤrde mich vielmehr begluͤckt achten / wenn mir wegen ietzigen Unvermoͤgens / einiger Anlaß zu wuͤrcklicher Ver - geltung / an die Hand gegeben wuͤrde. Dieſe Worte ſetzten unſere verliebte Lorangy in ſolcheVer -141Erſtes Buch. Vergnuͤgung / daß ſie ſich nicht enthalten konte / des Printzen Hand zu faſſen / und ihre Brunſt / durch ziemliches Druͤcken / ſattſam an den Tag zu legen. Endlich als ihre Liebe und Glut gleich - ſam aus den Augen brandten / loͤſte ſie ihre Zunge und redete den Printzen an: Wolten die Goͤtter / dieſe Worte haͤtten ihren Urſprung aus einem veꝛ - liebten Hertzen genommen / ſo wuͤrdet ihr gluͤckſe - lig und ich vergnuͤget ſeyn. Gewiß / das Gluͤcke ſelbſt giebet euch Anlaß / euer Beſtes zu bedencken. Denn hier / ich bin zu ſchwach / es zu verheelen / brennet Lorangy / und ihr Gemuͤthe erwehlet euch zu ihrem Abgott / dem ſie Weyrauch ergebenſter Liebe begierig anzuzuͤnden verlanget. Erweget demnach den Brand meiner Seelen / und beden - cket die Pflicht / womit iedes Mannesbild dem Frauenzimmer verbunden iſt. Der Printz haͤt - te ſich ſothaner freyen Erklaͤrung nimmermehr verſehen / derowegen er ſich um ſo viel weniger in ſolcher Eil auff eine geſchickte Antwort bedencken konte / biß ihm endlich dieſe Ausflucht einfiel: Schoͤnſtes Fraͤulein! ich kan kaum glaͤuben / daß ſich dero Tugend ſo tieff erniedrigen / und eine un - wuͤrdige Perſon mit ihrer Liebe beſeligen ſolte. Jn - mittelſt wird zwar dieſe hohe Gnade mit unſterb - lichem Dancke von mir erkennet; allein ich be - klage zugleich mein Ungluͤck / daß mich eine ander - waͤrtige Verbindung in Ava ſothaner Liebe un - faͤhig machet. Wer ſich in die Zeit ſchicket / ver - trat Haſſana der Lorangen Stelle / der wird vorklug142Der|Aſiatiſchen Baniſe. klug geachtet / und wo das Verhaͤngniß die Hand im Spiele hat / da muß man ſich in die Zeit ſchi - cken. Mein Freund / ihr muͤſt gedencken / daß ihr ietzt in Pegu / und nicht in Ava ſeyd. Jn Pegu / ſage ich / wo euer Gluͤck und Ungluͤck bluͤhen kan. Zwar meine Tochter hat ſich ziemlich weit ver - gangen / daß ſie / als ein Frauenzimmer / gantz ver - kehrter weiſe ihre Liebe ſelbſt verrathen / und ſich einem fremden Mannesbilde gleichſam angetra - gen: Allein die hefftige Wuͤrckung der Liebe / und die feſte Hofnung / zu euch / daß ihr dieſes viel eher vor eine wahre Probe ungefaͤrbter Huld / als eini - ge Leichtſinnigkeit erkennen werdet / entſchuldiget ſie / und verſpricht uns eine gewierige Erkaͤntlig - keit von eurer Perſon. Jch ſehe meine Wohl - farth bluͤhen / erwiederte mein Printz / wenn mich nicht ein theurer Eyd / welchen ich meiner Gelieb - ten in Ava gethan / zuruͤcke hielte. Daß man / verſetzte Haſſana / Eyde thut und Geluͤbde haͤlt / iſt gantz ruͤhmlich / wenn es nur in unſerm Ver - moͤgen ſtehet / ſolche zu halten. Allein die Liebe laͤſt ſich weder durch Eyd noch Geſetze binden. wo ſonſt ein ieder bemuͤhet leben ſoll / Treu und Glauben zu halten / ſo iſt es ihm doch in Liebes - Sachen eꝛlaubet auch mit Eyden zu ſpielen. Wel - cher Aberglaube / antwortete hierauff der Printz / hat ihnen diß eingepflantzet / daß man im Lieben das Gewiſſen hindanſetzen ſolle? Gewiß / wo das Garn der Liebe nicht aus reiner Unſchulds-Seide geſponnen wird / da freſſen ſich unfehlbar die Mot -ten143Erſtes Buch. ten des Ungluͤcks ein. Drum ſtellet man dieſes Fallbret nur vergebens auff. Hieruͤber wurde die Alte gantz ungedultig / wo nicht erzuͤrnt / indem ſie ſich vernehmen ließ: So achtet ihr dieſes vor ein Ungluͤcke / wenn euch diejenige / welche bereits viel Stuͤrme der Liebe abgeſchlagen / ihrer Huld wuͤrdiget. Und da euer ietziger Zuſtand es doch erfodert / daß ihr euch um beſtaͤndige Freundſchaft bewerbet / ſo duͤrfft ihr noch eine entfernte Unge - wißheit gegenwaͤrtiger Schoͤnheit vorziehen: Pfuy! Schaͤmet euch ſolcher Undanckbarkeit! Beſinnet euch demnach in kurtzem eines beſſern / o - der wiſſet / daß verſchmaͤhete Liebe Haß und Tod im Koͤcher fuͤhre. Mit dieſen Worten verließ ſie das Zimmer / und ließ ihre Pflege-Tochter gantz allein bey dem Printzen. Hier ſuchte nun Loran - gy alle moͤglichſte Liebes-Reitzungen hervor / wel - che nur ein Frauenzimmer angenehm / und ein Manns-Hertze empfindlich machen koͤnnen: die Augen ſchienen gleichſam als gebrochen / und die ungemeine Roͤthe ihrer Wangen verriethen den ſtarcken Brand ihrer Seelen / welcher in dem Ge - bluͤte ſteckte / und die ſichtbaren Adern auff Stirn und Bruſt in die hoͤhe triebe. Die Armen zitter - ten / und die Knie ſenckten ſich zu[r]Erden / auff wel - chen ſie des Printzen Hand faßte / und ihn durch dieſe bewegliche Rede gantz aus ſich ſelbſt ſetzte: Ach Allerſchoͤnſter / und ohne Zweiffel von den Goͤttern mir zugewiedmeter Engel! Wie lange ſoll doch die verlaſſene Lorangy den Fruͤhling ihrerJah -144Der Aſiatiſchen Baniſe. Jahre mit Seuffzen zubringen? Wenn wird mir doch die laͤngſt gewuͤndſchte Ruhe durch deine Gegen-Gunſt gewaͤhret werden? Es iſt ja un - moͤglich / daß den Tempel dieſer Schoͤnheit ein ſteinerner Abgott beſitzen koͤnne! Den Marmel bezwinget der Regen / und der Diamant wird durch ſchlechtes Blut erweichet; dein Hertze aber will ſich einem Amboſſe vergleichen / welcher ſich nur durch Schlaͤge verhaͤrtet: ie mehr nun mein Hertze klopffet / ie eiſerner wirſtu. Ach ungluͤck - ſelige Lorangy! ſo muß dich dein eigen Feuer ver - zehren. Jch brenne / ach / ich brenne! und wo du / mein Augentroſt / mir keine Rettung wieder - fahren laͤſt / ſo muß ich das Land der Todten betre - ten. Mein Hertze ſchwitzet Blut / und meine Au - gen ſind naſſe Zeugen / daß Lorangy ohne Gegen - Liebe ſterben muͤſſe. Schau doch / du Abgott meines Hertzens / wie mich die milden Goͤtter auch nicht ſo gar aller Liebe unwuͤrdig gemacht haben. Sind gleich meine Augen keine Sonne zu nennen / ſo laſſen ſie ſich doch noch wohl denen Sternen ver - gleichen. Meine zwar blaſſe Wangen zeugen eine gemaͤßigte Glut an / welche durch kein frem - des Oel ſoll genaͤhret werden. Die Lippen wer - den durch oͤffters Kuͤſſen den Scharlach uͤbertref - fen / und meine Haare haben wohl eher verliebte Seelen gefeſſelt; Ja dieſe Bruſt bezeuget / daß die Goͤtter meinen Leib zu keinem wilden Manne verſehen haben. Wilſtu nun den reinen Trieb der Natur hemmen? Wie / wilſtu deine Augenvon145Erſtes Buch. von mir wenden? Laſſe mich doch das Ziel deines Anſchauens ſeyn / ſchaue doch / wie mein Hertze kochet / und meine Seele nach dem Labſal lechzet / welches aus deiner Anmuth qvillt. Jch will dir / mein Engel / die Haͤnde unterlegen / ja meine See - le ſoll ſich dir auffopffern. Jch wuͤndſche / daß noch hundert Hertzen in mir waͤren / ſo ſolten ſie alle in Liebe gegen dich zerrinnen / und ſich in deine Seele einfloͤſen. Ach wilſtu mich durch Schweigen be - truͤben / unempfindliche Seele? die todten Felſen antworten ja denen Fragenden duꝛch ein Echo / und du wilſt mich Troſtloſe keiner Antwort wuͤrdigen. Der Printz lag hieruͤber faſt wie entzuͤckt / und wuſte ſich aus ſolcher Verwirrung gantz nicht zu finden. Eines theils wunderte er ſich uͤber ihre ungemeine Hefftigkeit der Liebe / welche ſie zu die - ſer Kuͤhnheit veranlaſſete / ihre Gedancken ſo un - geſcheut zu offenbahren / und mit verliebten Ge - berden vorzutragen / als ob ſie laͤngſt bey der Liebe waͤre in die Schule gegangen. Andern theils fuͤhlte er einiges Mitleiden / und wuͤndſchte ihr auff ſolche Art geholffen zu ſeyn / womit ihr gedienet / und ſein Gewiſſen nicht beflecket / vielweniger ſeyn hoher Stand benachtheiliget werdẽ moͤchte. Wie ſie nun nach eigener Erinnerung nicht ſo gar unge - ſtalt war / daß nicht ein leichter Vogel an dieſem Leime haͤtte koͤnnen kleben bleiben / zumahl ſich ihr eine ungewoͤhnliche Anmuth beygeſellte; ſo war ſich uͤber unſers Printzen ungemeine Tugend um ſo vielmehr zu verwundern / daß er ſich ſo kluͤglichKbe -146Der Aſiatiſchen Baniſe. bezwingen konte / nicht allzu verliebt anſtellen / und auch ihr nicht alle Hoffnung benehmen wolte. Derohalben er ihr denn einen freundlichen Blick und dieſe Antwort ertheilte: Wertheſte Lorangy / ich bin der Liebe nicht wuͤrdig / womit ihr mir un - verdient zugethan ſeyd / und erblicket hieraus nicht ungefehr einige Schickung der Goͤtter: weswe - gen ich denn thoͤrlich handelte / wenn ich dieſem allzuhefftig wiederſtreben wolte; zumal ich nicht laͤugnen kan / daß ſich durch eure Anmuth hin und wieder einige Funcken der Gegen-Liebe in mir entzuͤndet haben / welche gewiß zu ihrer Vollkom - menheit gelangen moͤchten / wo es anders der Goͤt - ter Wille iſt / ſo man nur ſolche Liebes-Glut durch das Oel der Vorſicht / ich will nicht ſagen / Voll - ziehung keuſcher Liebe treulich unterhaͤlt. Denn ich ſicheꝛe / daß ich eurenthalben eine ſolche Schoͤn - heit verlaſſen muͤſte / welche ſich mit der euren gar leicht in einen Wettſtreit einlaſſen koͤnte. Dieſe nun hindan zu ſetzen / und eure Liebe zu erfuͤllen / er - fodert Klugheit / damit nicht vor der Zeit ſolches in Ava kund / und wir an unſerer Liebe verhindert wuͤrden. So iſt denn vor allen Dingen noͤthig / daß vorietzo auch der geringſte Verdacht / welchen unſere einſame Zuſammenkunfft nicht unbillich erwecken kan / vermieden werde. Dannenhero erwartet der Zeit / meidet mein Zimmer / liebet in der Stille / und verſichert euch / daß den Schluß des Himmels nichts zu hintertreiben vermoͤge. Ach armſelige Lorangy / antwortete ſi darauff mitthraͤ -147Erſtend Buch. thraͤnenden Augen und ringenden Haͤnden / ſo haſtu das Todes-Urtheil aus dem Munde desje - nigen vernehmen muͤſſen / von dem du das Leben gehoffet haſt. Wehe mir / ich bin verlohren! ach ich kenne allzuwohl den Verzug kaltſinniger Her - tzen / welche die Zeit zum Mantel ihres Haſſes ge - brauchen / zumahl iedweder Verzug denen Ver - liebten eine Hoͤllen-Pein iſt. Man weiß ja der Liebe Macht / wie ſie tauſend Mittel habe / ihr Recht zu beſchleunigen; hingegen / wo ihr nicht gerathen wird / ſo iſt ſie auch faͤhig / unſern Geiſt zu verkuͤrtzen. Dieſe auff Verzweifelung zielende Worte preßten unſerm Printzen einen Angſt - Schweiß nach dem andern aus. Endlich fand er ſich doch gezwungen / ihr Begehren etwas ge - nauer zu unterſuchen / und zu ſagen: Liebſte Lo - rangy! ihr werdet hieraus ein ſattſames Zeugnis meiner Liebe gegen euch verſpuͤren / wenn ich bil - liche Vorſorge vor eure Ehre trage / und mich be - fuͤrchte / ſo iemand uns alleine antreffe / es moͤchte euch nicht wenig Nachtheil bringen. Und weil mir euer Begehren noch nicht allerdings bekandt iſt / auch in ſo kurtzer Zeit mich nicht darauff werde entſchlieſſen koͤnnen / ſo entdecket mir euren Vor - ſchlag in aller Kuͤrtze / und erwartet alsdenn in einigen Tagen mein reifferes Bedencken hieruͤ - ber / welches gewiß zu eurer Vergnuͤgung aus - ſchlagen ſoll. Es iſt zu ſpaͤt / antwortete Lorangy hierauff / an einigen Auffſchub zu gedencken / wo nicht zugleich mein Leben mit der Sonne unter -K 2gehen148Der Aſiatiſchen| Baniſe. gehen ſoll. Denn ſehet meinen feſten Vorſatz / ſolte ich ja ungluͤcklich in meiner Liebe ſeyn / ſo ſoll dieſes Meſſer meine Bruſt durchgraben / und die Rache ſoll mit meinem Blute angeſchrieben wer - den. Heget ihr aber einen Blutstropffen in euch / welcher mich eurem Vorgeben nach etwas liebet / und gehet euer Vorwand / wegen einiges Ver - dachts unſerer offenen Zuſammenkunfft / von Hertzen / ſo beſchwere ich euch bey allen Goͤttern / daß ihr mir erlaubet heinte noch bey naͤchtlicher Zeit / wenn alles in der Ruhe liegt / euch durch Huͤlffe des Haupt-Schluͤſſels zu beſuchen / und den letzten Spruch meines Lebens oder Todes von euren Lippen zu holen. Niemals ware der Printz in groͤſſern Aengſten geweſen / zu dem ihr nunmehro ſtatt der Liebe die Verzweiffelung aus den Augen ſahe. Dannenhero muſte er ſich in dieſer Noth etwas entſchlieſſen / und zu ihr ſagen: Sehet / beſtaͤndige Lorangy / daß ihr kein Miß - trauen in mich ſetzen duͤrffet / ſo will ich morgen zu Nacht euer in dieſem Zimmer erwarten / weil die - ſe Nacht Talemon bey mir zu bleiben verſpro - chen; Allein ihr muͤſſet mir angeloben / ohne Licht zu erſcheinen / nicht viel zu reden / und euch ſo viel als moͤglich ſtille zu verhalten / damit nicht iemand ſothane verdaͤchtige Zuſammenkunfft mercken moͤge. Wodurch die verzweiffelte Lorangy gantz wieder zu ſich ſelbſt kam / alles getreulich zu halten verſprach / und mit einem Kuſſe / welchen der Printz unmoͤglich verwehren konte / endlichen Ab -ſchied149Erſtes Buch. ſchied nahm. Nach ihrem Abtritt ſtellte ſich Scandor ein / und erwieſe durch ſein mattes We - ſen / daß er noch nicht allerdings ausgeſchlaffen haͤtte / weswegen ihm denn der Printz einigen Verweiß gab. Er aber wendete zu ſeiner Ent - ſchuldigung vor / daß er die uͤberfluͤßigen Feuch - tigkeiten / welche er im Fluſſe eingeſchlucket / noch nicht vertauen koͤnte / welche ihm denn oͤffters den Kopff ſo beſchwerten / daß er nothwendig ſchlaffen muͤſte / wolte er anders bey unverruͤckter Ver - nunfft bleiben.

Nach wenig Stunden ſtellte ſich Abaxar ver - ſprochener maſſen gleichfals wieder ein / mit dem Bericht / daß ſich der Kaͤyſer in ein nahe bey Pe - gu gelegenes Holtz auff die Jagt begeben / und ihn fernerer Auffwartung uͤberhoben haͤtte. Als ſich nun auch nachgehends Talemon und Pon - nedro einfunden / erſuchte der begierige Abaxar den Printzen gantz freundlich / ſeinem Bedienten anzubefehlen / daß er doch die angenehme Lebens - Begebenheiten des Printzen von Ava fortſetzen / und durch deſſen Erzehlung ſein Gemuͤthe ver - gnuͤgen moͤchte; weil er ein ſonderliches Verlan - gen den Anfang der Liebe zwiſchen dem Printzen und der Baniſen zu vernehmen truͤge. Ob nun zwar ſolches dem Printzen ſchwer vorkam / ſolchen Erinnerungen / welche ihm nichts anders / als ein trauriges Andencken verurſachen konten / beyzu - wohnen: dennoch wolte er dem Abaxar / als einer vermuthlich-hohen Perſon nicht gerne entfallen /K 3ſon -150Der Aſiatiſchen Baniſe. ſondern befahl dem Scandor / ſeinem Begehren nachzuleben / und alles / was ihm wiſſend waͤre / zu erzehlen. Demnach ſetzte er ſich abermals etwas abſeits / und erzehlte die

Lieb-und Lebens-Geſchichte Printz Ba - lacins und der Princeßin Baniſen.

WJr ſind geſtern bey dem traurigen Abſchiede des Printzen von ſeiner geliebten Fraͤulein Schweſter / der Princeßin Higvanama / geblie - ben: Nun wenden wir uns zu unſerer Zuruͤ - ſtung und Abreiſe von Ava. Mein Printz / als welcher meiner Treue und Hertzhafftigkeit ſatt - ſam verſichert war / erwehlte mich aus ſonderba - ren Gnaden vor allen andern zu ſeiner Bedie - nung / und zugleich nur fuͤnff wolgeſetzte Klepper zur Reiſe / nebſt zwey Reitknechten / welche er alle wol ausruͤſtete / ſich aber ließ er ein koſtbar Jn - dianiſch Kleid verfertigen / welches ich hernach bey Erzehlung von deſſen Gebrauch beſchreiben wil. Das vornehmſte Bedencken bey unſerer Reiſe / war die Frage / Wohin? Und ob ich gleich meinem Printzen faſt alle Winckel der Welt her - erzehlte / ſo war ihm doch kein Ort gelegen / in wel - chem er ſattſames Vergnuͤgen zu haben vermeyn - te. Seine meiſte Begierde ſtund dahin / ſich in Kriegs-Dienſte einzulaſſen / es war aber damals in Aſien eine ſolche friedſame Zeit / daß ein Sol - date gar nicht fortkommen kunte. Und unſert wegen wolte auch niemand keinen Krieg anfan -gen.151Erſtes Buch. gen. Wolten die Goͤtter! hub der Printz an / der unruhige Chaumigrem lieſſe ſich in einigen Krieg mit ſeinen Nachbarn ein / ſo haͤtte ich erwuͤnſchte Gelegenheit / die an meinem Herrn Vater began - gene Zauberey zu raͤchen. Was aber nun an - zufangen? Hierauff gaben mir ſonder Zweiffel die Goͤtter in Sinn / dem zweiffelhafften Printzen folgenden guten Rath zu ertheilen: Gnaͤdigſter Herr / ſagte ich / man ſoll zwar in allen Dingen die Vernunfft fleißig zu rathe ziehen / allein wo dieſe nicht zulaͤnglich iſt / da iſt wol der beſte Weg / den Rath der Goͤtter anzuflehen. Wollen wir nun unſers Vorhabens gewiß ſeyn / ſo waͤre meine un - vorgreiffliche Meynung / wir erwehleten uns ei - nen gewiſſen Goͤtzen Tempel in-oder auſſer Lan - des / verrichteten allda unſere Andacht / und erwar - teten ſo denn eines Goͤttlichen Ausſpruchs / nach welchem wir am ſicherſten unſere Reiſe anſtellen koͤnnen. Dieſes Eingeben gefiel dem Printzen ſehr wohl / dannenhero wir morgenden Tages noch vor auffgehender Sonnen unſere Reiſe an - traten / mit dem Vorſatz / uns gegen Mittag zu wenden / und den erſten Tempel zu beſuchen. Als wir nun nach drey taͤgiger Reiſe / den wegen ſeines Goͤtzen Tempels beruͤhmten Graͤntz-Flecken / Pandior / erlanget hatten / entſchloß mein Printz / hier zu verziehen / und den fernern Weg bey den Goͤttern zu erforſchen. Jch muſte mich ſo fort nach dem oberſten Talipon oder Prieſter bege - ben / deſſen Behauſung mir unfern des TempelsK 4ge -152Der Aſiatiſchen Baniſe. gewieſen wurde. Daſelbſt klopffte ich ſachte an / erſchrack aber uͤber alle maſſen / als die Thuͤr / nur durch bloſſes Anruͤhren / mit einem ſtarcken Knal - le auffſprang / und ich eine duͤſtere Stimme ver - nahm:

Ein Frommer darff die Schwelle uͤberſchreiten: Wer unrein iſt / entferne ſich beyzeiten.

Dieſe Worte machten mich ſo beſtuͤꝛtzt / daß ich kuͤrtzlich mein gantzes Leben durchlieff / ob ich mich einiger Todt-Suͤnde ſchuldig wuͤſte. Jedennoch dachte ich / wo du nur von lauter Frommen wilſt beſucht ſeyn / ſo wirſt du ſelten in menſchliche Ge - ſellſchafft kommen duͤrffen. Jch ſahe nichts als lauter Finſterniß in dem Hauſe / biß ich endlich von fernen ein Liecht ſchimmern ſahe; da befahl ich mich den Goͤttern / gienge getroſt hinein / und fuͤhrte mich ein langer Gang zu einem Zimmer / welches offen ſtund / und von dreyen angezuͤndten Lampen erleuchtet wurde. Als ich in dieſes hin - trat / ſahe ich mir einen langen Mann entgegen kommen / welcher weder auff dem Kopffe noch im Angeſichte einiges Haͤrlein hatte / ſondern gantz kahl beſchoren war / und kleidete ihn ein langer / mit rother Erde gefaͤrbter Rock / deſſen Ermel auf die Fuͤſſe hiengen: Dieſen hielte ich nun nicht unbil - lich vor den rechten Prieſter; Derowegen ich mich einiger Andacht anmaſſete / und mich gantz demuͤ - thig vor ihm niederwarff / biß er mich anredete: Du / der du unſere Gottheit ehreſt / entdecke unge - ſcheut dein Anliegen. Woruͤber ich mir alſo -bald153Erſtes Buch. bald ein Hertze faſſete / und ihm antwortete: Du groſſer Talipon der unſterblichen Gottheit / laß es dir gefallen / daß einige verirrete Fremdlinge aus fernen Landen durch deinen Mund den rechten Weg und Zweck ihres Vorhabens erfahren moͤ - gen: Hievor ſoll den Goͤttern ſo Andacht als Opf - fer gewaͤhret werden. Hieruͤber fieng er uͤberlaut an zu lachen / daß ich nicht wuſte / wie ich mich da - bey verhalten ſolte. Endlich richtete er mich auf / und fertigte mich mit dieſen Worten ab: Gehe hin mein Sohn / und entdecke deinem Herrn / dem Printzen Balacin von Ava / daß er thoͤrlich han - dele / wo er ſich vor der allwiſſenden Gottheit ver - bergen wolle. Vermelde ihm ferner / daß / wie wir hier die Gottheit des Apalita /(†)Von dieſem Apalita ſiehe Roger. Heydenthum p. 795. als einen maͤchtigen Beyſtand der Reiſenden / verehren / al - ſo wuͤrde um ſo viel eher ſein Verlangen erfuͤllet werden. Jnmittelſt ſoll er maͤßig und nuͤchtern um Mitternacht nur ſelbander erſcheinen / und ſich auf Gebet und Opffer gefaßt machen. Jch wu - ſte nicht / wie mir geſchahe / als ich den Printzen nennen hoͤrte / und furchte mich nicht wenig / er moͤchte auch meine Gedancken errathen; denn ich gedachte / das hat dir wol der Teuffel geſagt. Hier ſaͤumte ich nun nicht lange / ſondern verfuͤgte mich alsbald zu dem Pꝛintzen / welcher duꝛch dieſe Nach - richt nicht wenig erfreuet wurde / und kaum dieK 5Mit -154Der Aſiatiſchen Baniſe. Mitternacht erwarten kunte. Als nun das hel - le Monden-Liecht mitten am Himmel ſtund / und ſich iedwedere Seele zur Ruhe begeben hatte / ver - fuͤgte ſich der Printz in aller Stille nach der Va - relle oder Tempel des Apalitaͤ. Dieſes war nun von auſſen ein ſteinern Gebaͤude / wie ein Thurm gebauet / auff deſſen Spitze ein kuͤpfferner Apffel ruhete: Sonſt ſchiene ſie auswendig gleichſam auff Blaͤtter-Art verguͤldet / und mit Eiſenwerck wol verſehen. Jndem wir dieſes betrachteten / kam der Talipon / welcher die Varelle eroͤffnete / und uns mit gebuͤhrender Andacht hinein zu treten be - fahl. Als wir hinein getreten / war es anfangs ſtockfinſter darinnen / es wurde aber der gantze Tempel durch ein verborgenes Feuer gleichſam im Augenblicke dermaſſen erhellet / daß wir nicht wuſten / wie uns geſchach. Dieſer Tempel nun war inwendig rund / und gantz verguͤldet / daß auch der Widerſchein des Liechtes unſere Augen blende - te. Gegen den Auffgang ſtund ein erhabener Altar / auff dieſem aber der Gott Apalita / in der Groͤſſe und Geſtalt eines Menſchen / von purem Golde / welcher auff dem Haupte mit einer Cro - ne und vielen Edelgeſteinen haͤuffig gezieret war. An der Stirne ſaß ihm ein Rubin / ſo groß als eine Pflaume / und zu beyden Seiten hiengen ſehr ſchoͤ - ne Saphire. Um den Leib / von der lincken Schulter an biß zu der lincken Huͤffte / war er mit einem guͤldenen / und mit vielen Edelgeſteinen be - ſetzten Gehencke umgeben. Vor dieſer praͤchti -gen155Erſtes Buch. gen Gottheit fielen wir andaͤchtig nieder / und ver - richteten unſer Gebet / biß der Prieſter den Prin - tzen aufforderte / ihn zum Opffer ermahnete / und bey dem Arme einige Stuffen hinauff zum Altar begleitete. Daſelbſt legte der Printz mit tieffer Ehrerbietung eines von den koſtbaren Kleinodien / welches ihm die Princeßin Higvanama mit gege - ben / auff den Altar: Woruͤber ſich das gantze Bild hefftig erſchuͤtterte / und zugleich eine liechte Flam̃e aus dem Altar hervor ſchluge / welches der Prieſter vor ein gnaͤdiges Wolgefallen ausdeute - te. Hierauf fuͤhrte er den Printzen dreymal um den Altar / und nach dieſem zu einem an der Seite des Altars ſtehenden Bette / in welches er ihn legte / er ſelbſt aber fiel vor dem Altar nieder / und verrich - tete mit vielen Murmeln und wunderlichen Ge - berden ſeine Andacht. Jndeſſen muſte ich knien - de verharren / welches mich ſehr ſauer ankam. Als nun der Talipon ſein Gebet verrichtet hatte / lan - gete er unter dem Altar eine Schachtel hervor / und faͤrbete daraus des Printzen Angeſichte / wo - durch er ſo verſtellet war / daß nicht nur die Farbe / ſondern auch ſo gar die Geſichts-Linien veraͤndert ſchienen / und ich ihn nicht zu erkennen vermochte. Nach dieſem gab er ihm eine Wurtzel in den Mund / von welcher der Printz gantz unempfind - lich ward / und in einen tieffen Schlaff fiel. Her - nach legte er einen weiſſen Zeddul auff den Altar / erlaubte mir auffzuſtehen / und mich auff den Fuß des Altars zu ſetzen. Nach welchem der Prieſtergleich -156Der Aſiatiſchen Baniſe. gleichſam als todt darnieder fiel / und ohne eintzige Bewegung liegen blieb. Hier begunten mir die Haare zu berge zu ſtehen / und ein kalter Schauer uͤberlieff meinen gantzen Leib / denn zu dem / daß mein Printz feſte ſchlieff / der Prieſter aber todt zu ſeyn ſchiene / verwandelte ſich auch vorerwehntes Liecht in eine ſolche Finſterniß / daß ich nichts als eine kleine blaue Flamme auff dem Altar hin und her fahren ſahe. Was mir damahls vor wun - derliche Gedancken einkamen / wuͤrde mir ſchwer fallen zu erzehlen. Denn weil ich dieſem Gottes - dienſte niemahls beygewohnet / hielte ich alles vor Zauberey / und trug nur Sorge vor meinen Prin - tzen / welchen ich gerne auffgewecket haͤtte / wenn mich nicht des Prieſters Verboth / daß ich mich nicht von der Stelle ruͤcken ſolte / hiervon abgehal - ten haͤtte. Als nun dieſe furchtſame Stille mei - nem Beduͤncken nach mehr als eine Stunde ge - waͤhret hatte / erſchreckte mich auffs hefftigſte ein ſtarcker Knall / als ob es ein Donnerſchlag waͤre; Worauff es in der gantzen Varelle wieder ſo helle als zuvor ward. Der Abgott ſchuͤtterte ſich aber - mal / daß die Erde unter mir zu beben ſchiene / und zugleich richtete ſich der Prieſter auf / welcher ſich nach den Printzen verfuͤgte / ihn durch bloſſes An - ruͤhren aufweckte / und beyden ein Stillſchweigen auferlegte. Jch ſchwehre / daß ich damals nicht wuſte / ob es der Printz war / ſo hatte ihn der Ta - lipon verſtellet; Als er ihn aber mit einigen Blaͤt - tern wieder abriebe / erſahe ich mit Freuden dievori -157Erſtes Buch. vorige Geſtalt meines Herrns. Hierauff nahm der Prieſter den Zeddul vom Altar / legte ihn zu - ſammen / und uͤbergab ihm denſelben nebenſt zwey Schachteln und dieſen Worten: Die gnaͤ - dige Gottheit hat deine Andacht und reichliches Opffer angeſehen: ſo gehe denn hin in Frieden. Dieſer Zeddul / welchen du bey untergehendem Monden leſen ſollſt / wird dir Weg und Steg zei - gen / und dir offenbahren / was du zu wiſſen ver - langeſt. Die zwey Schachteln aber haͤndigen dir zugleich durch mich die milden Goͤtter ein / aus deren einer du dich verbergen / aus der andern aber wieder kommen kanſt. Solche bewahre auffs beſte / denn es kommt die Zeit / da du durch Ver - ſtellung Liebe und Reich zu erhalten ſuchen moͤch - teſt. Darauff fielen wir nochmals nieder / und verfuͤgten uns alsdenn eilende nach unſerer Be - hauſung. Was nun hierbey das verdrießlichſte war / ſo durfften wir vor Untergange des Monden kein Wort gegen einander reden / wiewohl ich in des Printzen Geſichte einiges Vergnuͤgen und ſehnliches Verlangen erſahe / ich aber kunte nichts als brummen / biß endlich gegen den Morgen der Mond gute Nacht gab: Da denn der Printz zum erſten das Stillſchweigen brach: O ihr Goͤtter! hub er an / iſt es euer Ernſt / oder beliebet euch ſo mit uns ſterblichen Menſchen zu ſchertzen. Jch weiß nicht / ob ihr durch Verſtoͤhrung meiner Ru - he meinen Voꝛwitz beſtraffen / oder meine Andacht belohnen wollet. Denn / ach Himmel! was voreine158Der Aſiatiſchen Baniſe. eine uͤberirrdiſche Schoͤnheit hat ſich denen Ge - muͤths-Augen im Schlaffe vorgeſtellet: Jhr bloſ - ſes Anſchauen hat mich entgeiſtert / und das An - dencken ſetzet meine Seele in empfindlichſte Flam - men. Ach treueſter Scandor / wo dieſes nur ein bloſſer Traum ohne erfuͤllende Bedeutung gewe - ſen iſt / ſo geſtehe ich gar gerne / daß ich keinen Au - genblick laͤnger zu leben / ſondern nur in das ſchoͤ - ne Niba auffgenommen zu werden begehre / all - wo ſich auſſer allem Zweiffel dieſe Goͤttergleiche Schoͤnheit auffhalten muß / und ich nur durch ſte - tes Anſchauen mich zu veꝛgnuͤgen wuͤndſche. Gnaͤ - digſter Herr / redete ich hier ein / Traͤume ſind Schatten / und ein kluger Geiſt achtet ihre An - muth nichts / wie auch ihr Schrecken keine Furcht in uns erwecken ſoll. Ach ſchweig / unverſtaͤndiger Scandor / verwieß mir der Printz / ein anders iſt eine Fantaſie / welche aus einem beſorgten Hertzen ihren Urſprung nimmt / und die Geiſter verfuͤh - ret; ein anders iſt hingegen eine Goͤttliche Offen - bahrung: Denn dieſe vorgeſtellte Anmuth hat mir im Schlaffe etwas mehrers eingepraͤget / als daß ich ſie wachende ſo bald vergeſſen ſolte. Ja ich ſchwere / dieſes Bild ſoll mir nimmermehr aus meinem Hertzen geriſſen werden. Jch will alle Ecken der Welt durchreiſen / und die Schoͤnheit ſuchen. Bin ich hierinnen ungluͤcklich / ſo wil ich ſie doch im Himmel antreffen. Als ich des Prin - tzen ſtarcke Einbildung merckte / erkandte ich mei - nen Fehler / daß man ſolchen Herrn nicht allzuſehr159Erſtes Buch. ſehr Widerpart halten ſoll: Derowegen ich ihm endlich Beyfall gab / und nur erinnerte / den Aus - ſpruch der Gottheit aus dem Zeddul zu erſehen / vielleicht ließ ſich erwuͤnſchte Nachricht hiervon finden. Dieſem zu Folge nahm er den Zeddul mit begierigen Haͤnden hervor / und laß daraus die mit guͤldenen Buchſtaben geſetzte Schrifft:

Zeuch hin / betruͤbter Printz / dir wincket Pegu zu / Errette deinen Feind aus ſeines Feindes Haͤnden: Es wird ein fremdes Bild / ſo Aug als Liebe blenden: Doch endlich findet man die eingebildte Ruh. Schau! dein Vergnuͤgen liegt in Schrecken / Furcht und Ketten: Drey Kronen muͤſſen erſt die vierdte Krone rettẽ. Das Opffer kroͤnet dich als einen Talipu.

O Wunder-volles Geheimniß! rieff der Printz! Aus dieſen Worten bluͤhet meine Hoffnung / daß ich meine Schoͤnheit in Pegu finden werde. Auff / auff / Scandor / laß uns fort eilen / denn die Goͤt - ter weiſen uns ſelbſt den Weg zu unſerm Gluͤcke. Allein dieſes wolte mir nicht in Kopff / daß / da ich die gantze Nacht gewachet / und in Furcht und Sorgen zugebracht hatte / ich ſo ungeruhet mich auf das Pferd werffen / und dem in einen Schat - ten verliebten Printzen folgen ſolte. Derowegen ich mich entſchuldigte / und bat / nuꝛ ein paar Stun - den auszuruhen / und alſo denn die Reiſe anzutre - ten / welches auch endlich beliebet ward. Als uns nun das auffgehende Sonnen-Liecht erinnerte /un -160Der Aſiatiſchen Baniſe. unſere Reiſe zu bewerckſtelligen / war der Printz der erſte / welcher ſein Lager verließ / und die Pfer - de fertig zu machen befahl. Wir begaben uns ingeſammt auff die Reiſe / und muſten uns wohl in acht nehmen / weil wir ein ziemlich Theil des Reichs Brama / worinnen Chaumigrem als Koͤ - nig regierte / durchreiſen muſten / ehe wir die Gren - tzen von Pegu erreichen kunten. Wie uns nun auff dieſer vierzehen-taͤgigen Reiſe nichts ſonder - liches begegnete / welches ich einiger Erzehlung wuͤrdig achte; alſo wurden wir nicht wenig er - freuet / da wir von einer kleinen Hoͤhe die praͤchtige Stadt Pegu erblickten. Und ſolches war auch hoͤchſt von noͤthen / daß ſich die Reiſe endigte / weil unſere Pferde die Begierde unſers verliebten Prin - tzen ſattſam empfunden / indem ſie abgemattet waren / daß ſie ſich faſt mit uns zur Ruhe legen wolten. Als wir etwan tauſend Schritte fort - geritten waren / verlohren wir Pegu aus unſerm Geſichte / und gelangten in das bekandte Tyger - Holtz / welches luſtige Waͤldlein oͤffters die Koͤni - ge von Pegu auff die Jagd locket. Wir hatten ſolches kaum erreichet / ſo vernahmen wir von fer - nen ein ſtarckes Schreyen / und zugleich ein Ge - tuͤmmel / als ob ein harter Streit vorgienge. Wie nun meines Printzen Tapfferkeit bißweilen auff einen Vorwitz hinaus lieff / alſo wendete re ſich gleich / ungeachtet meines Widerrathens / nach dem Schalle dieſes Getuͤmmels / da wir denn nach kurtzer Zeit einen ungleichen Kampff zu Ge -ſichte161Erſtes Buch. ſichte bekamen. Denn es hatten ſich drey Jndia - niſche Ritter zu Fuſſe an einen dicken Baum / um ihren Ruͤcken in Sicherheit zu haben / gelehnet / vor ihnen lagen uͤber zwantzig Leichen und todte Pferde / welche ihnen noch zur Bruſtwehre wider funffzehen verwegene Raͤuber zu Pferde dienen muſten. Es ſchiene / als ob es in kurtzer Zeit mit dieſem Kampffe zu Ende lauffen moͤchte / wo de - nen drey bedraͤngten Rittern nicht eilende Huͤlffe wiederfuͤhre / maſſen ſie nicht allein verwundet / ſondern auch weit uͤbermannet waren. Mein Printz hielte ſich alſobald verpflichtet / denen Nothleidenden beyzuſpringen: dahero er in Eil abpacken / und ſich die auff alle Faͤlle mitgenom - mene Sturm-Haube reichen ließ. Wie er nun iederzeit unter ſeinem langen Rocke mit einem leichten Bruſt-Harniſche verwahret war / alſo hieng er an den lincken Arm ſeinen Schild / und in die rechte Fauſt nahm er eine ſcharffe Lantze / wel - che er jederzeit mit ſich fuͤhren ließ / uns andern a - ber befahl er abzuſteigen / die Pferde anzubinden / und mit unſerm Gewehr getroſt zu folgen. Halt / ihr verwegene Raͤuber / ſchrie ſie der Printz noch von weitem an / iſt das Rittermaͤßig gefochten / wenn die Menge ihrer Gewalt mißbraucht? Auff dieſe Worte kamen als im Blitz ihrer drey auff den Printzen angerannt / und weil ſie nur bloſſe Sebel in der Hand fuͤhrten / ſo faßte der Pꝛintz mit der Lantzen den einen ſo wohl / daß er im Augenblick binder dem Pferde lage / und ſich imLSan -162Der Aſiatiſchen Baniſe. Sande kruͤmmte. Weil aber die andern beyde herzu eilten / und der Printz nicht Platz hatte / we - gen Muͤdigkeit des Pferdes ſich mit der Lantze zu wenden / muſte er ſie fahren laſſen / und den Sebel ergreiffen. Was hier vorerwehnte Sturm - Haube vor Dienſte leiſtete / wieſe die tieffeinge - hauene Narbe in dem Stahl ſattſam auß. Jch lieff alſobald nach dem gefaͤlleten Raͤuber / zog ihm die Lantze aus dem Leibe / und bemuͤhte mich ſo lange / biß ich noch einen von meines Printzen Beſtreitern herunter langte / welchem ich denn unter dem rechten Arm ſo wohl einfuhr / daß das Eiſen oben am Halſe auf der lincken Achſel wie - der ausgieng / und er ſich gleich ſeinem Camera - den im Sande zu tode ſturbe. Jndeſſen wur - de der Printz mit dem dritten durch einen Sebel - ſtoß auch fertig / daß er die Lantze wieder zur Hand nehmen / und nach dem rechten Kampff-Platze eilen konte / alwo ſich bereits die Zahl der wenigen vermindert hatte / indem gleich einer zu Boden fiel / als mein Printz deſſen Tod durch einen grau - ſamen Lantzen-Stoß raͤchete / und ſich mitten un - ter dieſen feindſeligen Hauffen einmengete. Weil nun deſſen Pferd von einer ſo fernen Reiſe ſehr muͤde war / und darzu eine tieffe Hals-Wunde empfangen hatte; als war es hohe Zeit / daß ich mit unſern beyden Dienern herzu eilete. Dieſe waren nun auch in keiner uͤbeln Schule geweſen / und konten mit ihren Wurff-Spieſſen dermaſ - ſen wohl zu rechte kommen / daß nicht allein derPrintz /163Erſtes Buch. Printz / welcher mit dem Pferde ſtuͤrtzte / gluͤcklich errettet / ſondern auch ihrer drey mit dem Leben be - zahlen muſten. Jndeſſen hatten ſich die beyden Ritter am Baume / von welchen ſich der Streit abgezogen / in etwas erholet / wiewohl das Blut an etlichen Orten hervor rieſelte / und fingen deſſen ungeachtet nach euſerſtem Vermoͤgen wiederum an uns beyzuſtehen. Weil wir ihnen nun an der Zahl faſt gleiche waren / an Tapfferkeit aber ſie weit uͤbertraffen / ſo muß ich zwar bekennen / daß die Raͤuber gantz verzweiffelt fochten / und durch ihre Wut ſattſam bezeigeten / wie viel ihnen an dem Tode der beyden Ritter gelegen war. Nach - dem aber einer nach dem andern herunter ſtuͤrtz - te / ſo nahmen endlich die uͤbꝛigen fuͤnffe die Flucht / welche zu verfolgen die Pferde zu matt / und unſe - re Kraͤffte zu ſchwach waren. So bald nun die - ſer gefaͤhrliche Kampff geendiget / und man von allen fernern feindlichen Anfaͤllen geſichert war / ſanck einer von den zwey uͤberbliebenen Rittern wegen hefftiger Verwundung in Ohnmacht / der andere aber / aus welchem man wegen ſeines Ma - jeſtaͤtiſchen Anſehens / koſtbaren Kleidung / und den mit Smaragden reichlich-verſetzten Sebel etwas vornehmes ſchlieſſen konte / fiel auff ſeine Knie / und danckte den Goͤttern vor dieſe wunder - bare Errettung / inzwiſchen daß wir den in Ohn - macht Geſunckenen wieder in etwas ermuntert / und ſo viel moͤglich zu rechte gebracht hatten. Hierauff trat ietzt ermeldter Ritter zu meinemL 2Prin -164Der Aſiatiſchen Baniſe. Printzen / und umfieng ihn mit hoͤchſtanſtaͤndigen Geberden und dieſen Worten: Nechſt denen Goͤttern ſo dancke ich auch euch / tapfferer Fꝛembd - ling / daß ihr euch / durch die verborgene Hand der Gottheit / ſo willig zu einen kraͤftigen Werck-Zeu - ge meiner Errettung habet wollen gebrauchen laſſen. Eurer Tapfferkeit bin ich mein Leben ſchuldig / und auſſer eurer Huͤlffe haͤtte ich ohne Zweifel ein Todes-Opffer dieſer Verraͤther wer - den muͤſſen. So entdecket mir demnach euer Suchen in dieſem Lande / weil ich doch an euerer Kleidung ſehe / daß euch Pegu nicht gezeuget habe / ſaget mir kuͤhnlich / womit euch kan gedienet wer - den / es ſoll alles geſchehen / was eure Vergnuͤgung erfuͤllen kan. Mein Printz begegnete ihm mit nicht minderer Hoͤffligkeit / und antwortete: Tapfferer Ritter / es wuͤrde einiger Beyſtand un - vonnoͤthen geweſen ſeyn / wenn nicht oͤffters die Tugend der Menge weichen muͤſte. Und weil mich denn die guͤtigen Goͤtter zu ſo erwuͤndſchter Gelegenheit hergefuͤhret / ſo iſt ihre Gnade um ſo viel groͤſſer / als mein Verdienſt deſto geringer. Wo ja aber meine wenige Huͤlffe in einige Be - trachtung gezogen wird / ſo bitte ich nichts mehr / als mich in beharrliche Gewogenheit einzuſchlieſ - ſen / mich an dem Kaͤyſerlichen Hofe in Pegu be - kandt zu machen / und zu entdecken / wem meine ſchwache Fauſt zu Dienſten geſtanden habe? Dieſes alles / erwiederte jener / iſt viel zu wenig / eure treue Dienſte / die ihr in Beſchuͤtzung meinesLe -165Erſtes Buch. Lebens angewendet habet / nur in etwas zu beloh - nen: doch den Anfang einiger Danckbarkeit / durch Willfahrung eurer geringen Bitte / zu ma - chen / ſo wiſſet / daß ihr eine ſolche Helden-That verrichtet habet / wovor euch der Kaͤyſerl. Hof / auf ewig verbunden iſt. Wiſſet demnach / daß als der Kaͤyſer oͤfterer Gewohnheit nach / dieſen Wald als ein Liebhaber der Jagd durchſtreichen / und zwar nur in weniger Geſellſchafft von acht Per - ſonen / welche hier geſtreckt liegen / und als treue Leute ihr Leben vor ihren Koͤnig aufgeſetzet haben / ſich etliche zwantzig verwegene Raͤuber unterſte - hen duͤrffen / den Kaͤyſer ſamt ſeinen Leuten verraͤ - theriſcher Weiſe zu uͤberfallen / und ſich euſerſt zu bemuͤhen / durch den Tod des Xemindo ihren ver - dammten Zweck zu erreichen. Wie aber die Goͤtter ihre Hand meiſt uͤber die Gekroͤnten ha - ben / alſo habet ihr durch eure Mannheit den Kaͤy - ſer von Pegu in meiner Perſon vom Tode erret - tet / und ihn aufs neue gebohren. Damit ich nun meine Danckbarkeit nach Wuͤrden koͤnne ſpuͤren laſſen / ſo entdecket mir gleichfals euren Nahmen / und Zuſtand; ich ſchwere bey der Krone dieſes Reichs / eure ietzt veruͤbte That ſoll euch mit einem Koͤnigreiche belohnet weꝛden. Wie wir uͤbeꝛ dieſen Bericht theils erſchreckt / theils erfreuet wurden / iſt leicht zu erachten / und bildete ſich mein Printz damals feſte ein / der Goͤtter Außſpruch wolte hier bereits den Anfang ſeiner Erfuͤllung machen / in welcher ſie ſo fortfahren wuͤrden / biß er die BrautL 3und166Der Aſiatiſchen Baniſe. und das Gluͤcke in Armen haͤtte / indem wir von der Princeßin von Pegu vor laͤngſt viel gehoͤret hatten. Allein wie ſchlecht dieſe Meynung ein - getroffen / ſolches muͤſſen wir noch anietzo mit Thraͤnen beklagen. Doch wieder auff voriges zu kommen / ſo warff ſich der Printz / nebſt uns / als er vernahm / daß es der Kaͤyſer ſelbſt waͤre / alſo - bald ehrerbietigſt zu deſſen Fuͤſſen / und antworte - te! Großmaͤchtigſter Kaͤyſer und Herr / ich bitte demuͤthigſt / unſere Unwiſſenheit vor eine gnugſa - me Entſchuldigung gelten zu laſſen / daß wir nicht ſo fort unſern allerunterthaͤnigſten Reſpect beſſer in acht genom̃en haben: inmittelſt ſehe ich / daß die - ſes ein bloſſes Werck der Goͤtter ſey / wenn meine geringſchaͤtzige Hand den groͤſten Monarchen der Welt vom Tod und Verraͤtherey errettet hat. Jch begehre dennoch nichts / als bloß die hohe Kaͤyſerliche Gnade. Und wie mich E. M. in der Perſon Pantoja / eines Sohnes des Erb-Fuͤrſten in Tannaſſery / und Vaſallen des Koͤnigs in Si - am / wiſſen ſollen; alſo verſichere Seelen-innigſt / daß ich es mir vor das groͤſte Gluͤcke in der Welt rechnen wuͤrde / wenn ich vor dero hohe Wohl - farth mein Leben auffopffern ſolte. So ſind wir Bunds-Genoſſen / erwiederte der Koͤnig / und bin euch mit deſto groͤſſerer Gnade gewogen / weil aber fernerer Uberfall zu beſorgen ſeyn moͤchte / ſo laſſet uns dieſen ungluͤcklichen Ort verlaſſen / und in beſſere Sicherheit begeben. Jndem nun des Kaͤyſers Pferde bey dieſem Kampffe alle geblie -ben167Erſtes Buch. ben waren / ſo befahl er uns / unſere Pferde herbey zubringen / wovon er dem Kaͤyſer mit hoͤfflichen Worten eines anbot / und ſich auff das andere ſetzte / deme wir zu Fuſſe nachfolgen. Ehe die Diener aber dieſen Befehl verrichteten / ſahe mein Printz / daß ſich noch einer von den Raͤubern regte / weil nun der Kaͤyſer noch ſelbſt nicht wuſte / wo dieſe Verraͤtherey herruͤhrete / ſo verfuͤgte er ſich zu demſelben / und kehrete ihn um / ſetzte ihm auch die Lantze an die Bruſt / und ſtellete ſich / als wolte er ihn vollend hinrichten. Hertz und Haupt aber war noch friſch / derowegen hub er unvermuthet an zu reden: Haltet inne / ruffte er / und hoͤret zu erſt mein letztes Bekaͤntniß mit geneigten Ohren an / weil doch nicht eher meine Seele dieſen Coͤrper verlaſſen kan / ſie habe denn zuvor entdecket / was vor ein Befehl mich in diß Ungluͤcke geſtuͤꝛtzet habe. Auf dieſe Worte eilte der Kaͤyſer gantz begierig herbey / und redete ihn ſelber an: So ſage denn / du boßhafftiger Raͤuber / welch Mord-Befehl hat dich zu dieſer Verwegenheit angetrieben? ver - ſchweige ja nichts / denn auſſer dieſem ſoll dein Le - ben biß zu grauſamſter Marter verſchonet wer - den / welches annoch einige Gnade zu hoffen hat. Der Raͤuber entſetzte ſich hefftig uͤber den harten Anſpruch des Kaͤyſers / und brach in dieſe Klage heraus: Ach wehe mir! verflucht ſey die Stunde / da ich mich zu dieſem Morde verleiten laſſen. Jch bitte E. M. um aller Goͤtter willen / dieſe unver - antwortliche Beleidigung einer ſterbenden See -L 4len168Der Aſiatiſchen Baniſe. len zu verzeihen. Jch und dieſe meine Mitgeſellẽ / de - ren die meiſten ihren allzugelinden Lohn empfan - gen / ſind gebohrne Bramaner / und durch Befehl unſers grauſamen Chaumigrems / welcher iedem hundert Bizen Goldes zu geben verſprochen / dar - zu veranlaſſet worden / daß wir J. M. als deren oͤfftere und einſame Beſuchung dieſes Waldes verkundſchaffet war / hier verwarten / und um das Leben bringen ſolten. Wie ich nun hieruͤber eine hertzliche Reue trage / alſo ſterbe ich nun ver - gnuͤgt / nachdem ich dieſen boͤſen Anſchlag ruͤck - gaͤngig / und E. M. noch am Leben ſchaue. Nach welcher Bekaͤntniß ihm deꝛ Printz die Lantze duꝛchs Hertze ſtieß / wiewohl es der Koͤnig lieber geſehen / daß man durch ſein Leben ein mehrers aus ihm ge - bracht haͤtte. Dieſes Schelmſtuͤcke des Chau - migrems verurſachte nun eine gemeine Verwun - derung und Fluch / und wir eileten ohne ferneres Saͤumen nach Pegu: da uns denn / ſo bald wir den Wald auff den Ruͤcken hatten / bey zwey tau - ſend Mann entgegen kamen / weil bereit einiges Geruͤchte in der Stadt erſchollen / als ob der Kaͤy - ſer in Gefahr waͤre. Hiedurch waren wir in vol - le Sicherheit geſetzet / und zogen unter tauſend fro - lockenden Zuruffen der Peguaner in die Stadt ein / woſelbſt alſobald auf hohen Befehl meinem Printzen ein ſchoͤner Pallaſt / nechſt dem Schloſſe / eingeraͤumet ward / welchen wir auch ſo fort bezo - gen / und darinnen einen ungemeinen Uberfluß von koſtbahren Haußrath / und aller Beqvemlichkeitan -169Erſtend Buch. antraffen. Noch ſelbten Abend ward eine Leib - wacht von funfzig Mann vor unſere Thuͤre ge - ſtellet / welche in zwey Reihen ſich laͤngſthin auff die Erden ſetzten / und ihre Ruͤſtung vor ſich auff Stangen hiengen. Jngleichen erſchienen zwoͤlf Koͤnigl. Bedienten in langen weiſſen Roͤcken mit goldnen Binden / welche Koͤnigl. Befehl hatten / unſern Printzen zu bedienen. An Speiſe und Tranck fehlte es auch nicht / und lebten wir in ſo erwuͤndſchtem Zuſtande / daß wir es ewig begehr - ten. Folgenden Morgen uͤberſendete der Kaͤyſer unſerm Printzen zehn ſchoͤne Pferde / ſo gut ſie nach hieſiger Landes-Art unter den beſten kunten aus - geleſen werden / nebſt zweyen groſſen und wohlge - putzten Elephanten / um / wie er zugleich vermel - den ließ / den geringſten Verluſt des Pferdes in etwas zu erſetzen. Dieſen waren zugleich gnug - ſame Waͤrter und Futter beygefuͤget / welche der Koͤnig als leibeigen mit gab. Das beſte aber / welches ein Kaͤmmerling uͤberbrachte / waren(†)Ein Bizen wieget 2. Pfund / 5. Untzen Gold / Ve - nediſchen Gewichts. tauſend Bizen guͤldene Muͤntze / daß ſich alſo der Printz ſehr wohl / und Standes-maͤßig aufffuͤh - ren konte. Jnmittelſt verlangte der Printz ſehr nach Hofe / wohin aber ohne Kaͤyſerlichen Be - fehl niemand kommen durffte / und muſte in die - ſem Verlangen auch mein Printz drey Tage ver - harren / nach deren Verflieſſung ihm endlich an - gedeutet ward / der Kaͤyſer verlange ihn zu ſehen. L 5Da170Der Aſiatiſchen Baniſe. Da wir denn nicht ſaͤumten / ſondern uns alſo fort in das Schloß begaben / und weil mich der Printz vor einen vornehmen Edelmann aus Tan - naſſery ausgegeben hatte / ſo durffte ich bey ſolcher Gelegenheit allenthalben gegenwaͤrtig ſeyn. Als wir nun unter die foͤrderſten Bogen des Eingangs gelanget waren / hoͤrten wir zwoͤlf ſilberne Trom - peten blaſen / welches ein Zeichen war / daß es nun - mehr dem Kaͤyſer gelegen ſey / Verhoͤr zu erthei - len. Derowegen wir uns in den innern Hoff verfuͤgten / und einige Stuffen nach dem hohen Saal gefuͤhret worden. Dieſer Ort war ziem - lich weit und hoch / uͤber die maſſen ſchoͤn vergol - det / und himmelblau gemahlet. Er ſaß auff ei - nem mit Edelgeſteinen verſetzten Throne / ſein Haupt ward von einer vierfachen Krone bedecket / eine iede Krone aber ruhete auf beſondern Staͤng - lein / und ſtellte dannenhero eine ziemliche Hoͤhe vor. Auf der rechten Hand ſaß der Erb-Printz Xemin / und auf der lincken ſtunden einige hohe Bedienten / worunter auch gegenwaͤrtiger Herr Talemon / als damahliger Reichs-Schatzmei - ſter war. Als wir nach Gebrauch mit dreyma - ligem Fußfall unſere Ehrerbietung verrichtet / ruf - te der Kaͤyſer meinen Printz zu ſich / reichte ihm die Hand zum Kuſſe / und befahl ihm / auff die ober - ſte Staffel des Thrones zu ſitzen / worauff er eine weitlaͤufftige Rede an die ſaͤmmtliche Anweſen - den hielt / meines Printzen Tapfferkeit gewaltig heraus ſtrich / und ihnen allerſeits zu Gemuͤthefuͤh -171Erſtes Buch. fuͤhrete / was vor Danck man ihm ſchuldig waͤre: Nach kurtzer Antwort aber meines Printzens / erhub ſich der Kaͤyſer von dem Thron / nahm den Printzen bey der Hand / und fuͤhrte ihn in ein ge - heimes Zimmer / welchen niemand / als Printz Xemin / folgen durffte. Hier hatte ihn nun der Kaͤyſer / wie mir der Printz hernach alles ausfuͤhr - lich erzehlte / abermahls mit beweglichen Worten angeredet: Mein werthſter Pantoja / ich weiß es nicht allein / ſondern habe es auch ſattſam erfahren / wie verbindlich ihr euch gemacht habet: ja ich weiß es mehr als wohl / daß die Danckbar - keit der Tugend beſte Zierde ſey / und wo dieſe den Scepter fuͤhret / da koͤnne nichts als Seegen und Wolfarth bluͤhen. Daß nun dieſe Tugend den Ruhm eines gekroͤnten Hauptes um ein groſſes vermehre / ſolches will ich allerdings an euch erfuͤl - let wiſſen. Nach welcher Rede er an eine Thuͤ - re geklopffet hatte / aus welcher ſo fort eine ſchoͤne Princeßin / von unterſchiedenen Frauenzimmer begleitet / gekommen war / welche der Kaͤyſer bey der Hand genommen / und dem Printzen mit die - ſen Worten zugefuͤhret hatte: Hier nehmet tapf - ferer Fuͤrſt / dieſes Kleinod unſers Hofes / von mei - ner Hand / als ein hohes Zeugniß wahrer Danck - barkeit: und wie das Koͤnigreich Cambaya / Tan - naſſerey um ein groſſes uͤbertrifft / ſo nehmet es mit dieſer Princeßin zu einem Heyrath-Gut an. Jedoch daß ihr unſerm Reiche einverleibet und getreu verbleiben moͤget. Der Him̃el ſegne euch /und172Der Aſiatiſchen Baniſe. und die Goͤtter verleihen / daß durch beyderſeitige Erkaͤntligkeit / ein ſtetes Wohlergehen bluͤhe. Mein Printz hatte hier nicht gewuſt / ob ihm aber - mals traͤumte / oder ob es in der Wahrheit ſo ge - ſchehe / und weil er ſich nicht alſobald faſſen koͤn - nen / hat er ſich auff die Knie geſetzet / und geant - wortet: Es iſt zuviel / Großmaͤchtigſter Kaͤyſer und Herr / es iſt zu viel / daß dieſe Schuldigkeit / wozu mich meine Pflicht und der Goͤtter Vorſe - hung getrieben hat / zugleich mit einer Krone und einer ſo ſchoͤnen Princeßin / meines theils un - wuͤrdigſt / ſoll belohnet werden. Und weil ich nicht geſchickt bin / mich bey ſolcher Eil in ein ſo groſſes Gluͤcke zu finden; als bitte ich E. M. in Unterthaͤnigkeit / mir einige Tage Friſt zu erlau - ben / worinnen ich mich beſſer faſſen / und dieſes hohe Gnaden-Geſchencke mit gebuͤhrender Er - kaͤntligkeit annehmen koͤnne. So einen hohen Dienſt ihr mir ewieſen / waren des Kaͤyſers Ge - genworte geweſen / ſo einen groſſen Gefallen wer - det ihr mir auch erzeigen / wenn ihr dieſe meine danckbare Gnade alſofort gebuͤhrend erkennet / und von meiner Hand annehmet. Worauf ſich mein Printz nicht ferner zu widerſprechen getrau - et / dannenhero er / nicht wiſſende / wie ihm ge - ſchaͤhe / ſich der Princeßin genaͤhert / ihre Hand gekuͤſſet / und ſie kurtz angeredet: So nehme ich dann dieſes hohe Gluͤcke von der Hand eines ſo groſſen Monarchens mit Freuden an / und wie ich nicht zweiffele / es werde dero Schoͤnheit ſich demKaͤy -173Erſtes Buch. Kaͤyſerlichen Willen gleichfoͤrmig erzeigen / alſo befehle ich mich in dero Gunſt / und E. M. Gna - de / welche Worte ſie mit nichts als einigen Thraͤ - nen beantwortet / und auff des Xemindo Befehl ihn mit ihrem Bildniß beſchencket hatte / Printz Xemin aber hatte das Zimmer gar verlaſſen. Mittages muſten wir bey der Taffel bleiben / wo - bey ſich auch Printz Zarang von Tangu befand / welcher ſich eine geraume Zeit an dieſem Hofe aufgehalten / deſſen Urſache bey folgender Erzeh - lung ſoll erwehnet werden. Als ich nun in ober - wehntem Verhoͤr-Saal eine geraume Zeit auf - gewartet / ſahe ich endlich meinen Printzen mit gantz verwirrten Geſichte wieder in den Saal tre - ten / welches mich denn nicht wenig verwunderte / vielmehr aber betruͤbte. Wir wurden aber bald hierauf in ein ander Zimmer gefuͤhret / in welchem die Taffel in etwas von der Erden erhoͤhet / gede - cket war / und befand ſich Xemin und vorerwehn - ter Zarang Printz von Tangu darinnen. Dieſer letztere ſtellete ſich ſehr freundlich gegen meinen Printzen an / wuͤnſchete ihm Gluͤcke / ſo wohl we - gen der Errettung als auch der reichlichen Beloh - nung. So angenehm ſich aber Zarang zuthat / ſo murriſch ſtellete ſich hingegen Xemin / alſo / daß er auch meinen Printzen nicht einigen Wortes wuͤrdigte / ſondern ſeine Verachtung mercklich bezeigete. Worein wir uns gantz nicht zu finden wuſten / und meinte ich nicht anders / er zuͤrnete / daß man ſeinen Herrn Vater errettet / und ihmdie174Der Aſiatiſchen Baniſe. die Hofnung zur Krone geraubet haͤtte. Jn ſol - che Verwirrung wurde ich noch tieffer geſtuͤrtzet / als der Kaͤyſer vorige Princeßin bey der Hand ins Zimmer begleitete / und ſie meinem Printzen zufuͤhrete. Welches mich vollends in tieffſte Ver - wunderung ſetzte / weil ich noch nicht wuſte / was vorgegangen war. Der Printz ſahe beſtuͤrtzt aus / ſie aber verrieth ihr Mißvergnuͤgen durch haͤuffige Zaͤhren / biß wir endlich nach Morgen - laͤndiſcher Art auff koſtbare Teppichte uns zur Tafel niederſetzten / wobey ich gleichfals meinen Rang unten an beobachtete. Dieſes war nun eine ſeltzame Mahlzeit / wobey mehr Gemuͤths - Bewegungen / als Speiſen zu ſehen waren: wie - wohl auch an dieſen ein ſattſamer Uberfluß vor - handen. Der Kaͤyſer ſahe ſtets meinen Prin - tzen / und die Princeßin / welche bey einander ſaſ - ſen / mit bekuͤmmerten Augen an / mein Herr ſaß voller betruͤbten Gedancken / die Princeßin ver - goß mehr Thraͤnen / als ſie Speiſe zu ſich nahm / und Xemin / welcher der Princeßin gegen uͤber ſaß / gab ſein ſonderbahres Anliegen durch ſtetes Seufzen zu erkennen. Ja wenn nicht Zarang / welcher am vergnuͤgteſten zu ſeyn ſchien / ein und das andere mal meinen Printzen aufzumuntern geſucht haͤtte / ſo waͤre alles in ſolcher Stille zuge - gangen / weder bey ſo einer vornehmen Geſell - ſchafft nicht zu vermuthen geweſen. Jch hinge - gen / als aller Dinge unwiſſende / ſahe dieſem Schauſpiel voller Verwunderung zu / und hatmich175Erſtes Buch. mich der Weg von Pandior biß nach Pegu nicht ſo verlanget / als ich damahls das Ende der Mahl - zeit wuͤnſchte / um meinen Printzen bald alleine zu ſprechen / in Hofnung / er wuͤrde mir dieſen Zweif - fels-Knoten aufloͤſen. So bald nun die Tafel aufgehoben / ſchuͤtzte mein Printz einige Unpaͤß - ligkeit vor / und verfuͤgte ſich ohne einige Weit - laͤufftigkeit nach ſeinem Pallaſt. So bald er das Zimmer betreten / warff er Sebel und Rock von ſich / und gieng eine geraume Zeit voller Ge - dancken auf und ab / daß ich mich alſo nicht erkuͤh - nen durffte / ihn durch einiges begieriges Nachfra - gen zu beunruhigen / biß er endlich von ſich ſelbſt anfieng zu reden: O ihr betrieglichen Goͤtter / hub er an zu klagen / iſt dieſes die vorgeſtellte Schoͤn - heit / die ihr nur im Traume zu zeigen / nicht aber im Leben darzuſtellen vermoͤget. Jſt dieſes die beruͤhmte Princeßin von Pegu? Jſt dieſes die ſchoͤne Tocher des Koͤnigs Xemindo / von dero uͤberirrdiſchen Schoͤnheit das Geruͤchte faſt gantz Aſien begierig gemacht hat / ſie zu ſehen? O ſo darff ſich meine Schweſter vor begluͤckt achten / daß ſie dieſer gar gerne den Lorbeer aus der Hand reiſſet. Haͤttet ihr nicht meinen Geiſt durch eine traͤumende Schoͤnheit verunruhiget / ſo haͤtte ich einfaͤltig geliebet / und mich gluͤckſelig geachtet / daß ich ſo bald eine Braut mit einem Koͤnigreich uͤberkaͤme: ja ich haͤtte nicht gewuſt / worinn die wahre Schoͤnheit beſtuͤnde. Allein / nachdem es mir unmoͤglich faͤllt / das in dem Tempel zu Pan -dior176Der Aſiatiſchen Baniſe. dior erſchienene Bild aus meinem Hertzen zu reiſſen / ſo iſt es mir auch unmoͤglich etwas anders zu lieben / was nicht jene vollkommene Gleichheit meinen Augen vorſtellet. Auf derowegen / mein Scandor / hier iſt nicht laͤnger Zeit zu warten / weil der Goͤtter Rath auff was anders zielen muß / wel - ches zu ſuchen und anzutreffen / mein Geiſt nicht eher / denn in dem Grabe / ruhen wird. Dieſes war mir nun eine gantz unangenehme Zeitung / indem ich mich auch in meinem Vaterlande nicht zu verbeſſern wuſte. Derowegen forſchete ich erſt / was in dem innern Zimmer vorgegangen war / wornach ich denn mein Einreden richtete. Gnaͤdigſter Herr / ſagte ich / wie koͤnnen ſie ſich den Schatten eines Traumes ſo feſte einbilden? Vielleicht haben die Goͤtter durch die traͤumende Schoͤnheit / welche dieſer Princeßin abgehet / das anhangende Heyrathsgut / als das Koͤnigreich Cambaya / bedeuten wollen: angeſehen eine Cro - ne in aller Menſchen Augen das ſchoͤnſte Geſich - te weg ſticht. Denn jene iſt beſtaͤndig und maͤch - tig genung / ſich ſelbſt zu erhalten / dieſe aber kan durch ein geringes Fieber verzehret werden. Zu dem muß ich doch auch geſtehen / daß dieſe Prin - ceßin / meiner Einfalt nach / noch wol liebens wuͤr - dig ſey. Ach / antwortete der betruͤbte Printz / welche ſich indeſſen auff das Bette geworf - fen hatte / ſie iſt nur ein Schatten gegen jenem Traume. Denn wie jener Alabaſterne Stirne durch die liechten Locken um ein groſſes erha -ben177Erſtes Buch. ben ward: alſo mißfallen mir an dieſer nicht we - nig die roͤthlich-ſcheinenden Haare / welche nicht ſelten einen boͤſen Sinn verrathen. Und wie jenes Angeſichte durch eine runde Geſtalt ſeine anmuthige Vollkommenheit darſtellete: alſo - berſchreitet dieſes durch einige Laͤnge die Grentzen der Schoͤnheit. Jhre Augen ſind zwar mehr ſchwartz als blau / iedoch ſind ſie nur wie ausge - leſchte Kohlen / bey denen ſich kein Schwefel der Liebe entzuͤnden kan. Jhre Lippen ſind zwar Co - rallen ohne Magnet / und ihre Wangen ein mit Roſen allzu haͤuffig uͤberſtreutes Feld. Jn Sum - ma / es mißfaͤllet mir etwas an ihr / welches ich ſelber nicht verſtehe noch ſagen kan J. hre Freund - ligkeit iſt mir zu wider / und ihr Schoͤnſtes komt mir verdrießlich vor / ob ich ſie gleich nur kurtze Zeit betrachten koͤnnen. Weßwegen ich denn lieber alle Cronen entbehren / ja ſterben / ehe ich mir das Heyraths-Band zu einer Sclaven-Kette ma - chen wil. Dieſem kraͤfftigen Einwurffe und feſtem Vorſatze befand ich mich damals zu ſchwach / gnugſam zu widerſtehen: Dahero es mir ſehr gelegen war / als ſich der General Ran - guſtan / und gegenwaͤrtiger Herr Talemon / da - maliger Reichs-Schatzmeiſter / anmeldeten / wel - che der Printz alſobald vor ſich ließ. Dieſer Ran - guſtan war nun eben derjenige Ritter / welchem wir nebſt dem Xemindo das Leben erhalten hat - ten / dahero er noch den Arm in einer Binde tra - gen muſte / und ſich an unterſchiedenen Fleiſch -MWun -178Der Aſiatiſchen Baniſe. Wunden nicht allerdings wolauff befand. Die - ſer legte bald anfangs eine Danckſagung vor er - wehnte Lebens-Rettung ab / und erhub abermals meines Printzen Tapfferkeit biß an den Himmel / daß ihm auch endlich der Printz hierinnen Ein - halt thun muſte. Der Herr Talemon aber ve - ſuchte uns Amts halber / indem ihm unſere Ver - pflegung von dem Kaͤyſer anbefohlen war. Und weil er bey waͤhrender Auffwartung uͤber der Mahlzeit die ſonderbare Verwirrung meines Printzen gleichfals bemercket hatte / ſo ware er be - gierig / deſſen Urſache zu vernehmen / welches ihm aber der Printz nicht eher entdeckte / biß Rangu - ſtan nach Hofe erfordert / und Talemon alſo bey uns allein gelaſſen wurde. Dieſer kunte ſich nun nicht enthalten / alſobald den Printzen anzureden: Wie? nunmehro Koͤnig von Cambaja / kan ein ſo maͤchtiges Koͤnigreich und ſo eine ſchoͤne Braut nicht maͤchtig genung ſeyn / ein betruͤbtes Gemuͤ - the auffzurichten? Oder iſt hieraus unſers Groß - maͤchtigſten Kaͤyſers Danckbarkeit noch nicht genug zu ſpuͤhren? Mein Printz hoͤrete dieſe ver - weißliche Frage mit gedultigen Ohren an / beant - wortete ſie aber dergeſtalt: Mein Herr Schatz - meiſter / ich erkenne mich freylich dieſer Princeßin unwuͤrdig / und haͤtte mich deſſen nimmermehr verſehen / daß ich durch meine geringe Dienſte / nicht ſo wol einen Koͤniglichen Thron beſteigen / als auch eines ſo groſſen Monarchens Eydam werden ſolte. Allein / ſaget mir von Grund eu -res179Erſtes Buch. res Hertzens / ob mein Betruͤbniß zu tadeln ſey / wenn ich keine Gegen-Liebe verſpuͤre / und von dem Cron-Printzen mit ſchelen Augen angeſehen werde? Wie nun ſolcher Liebes-Zwang nur ie - derzeit Wermuth im Munde / und Eckel im Her - tzen mit ſich fuͤhren wird / alſo ſcheinen mir aus des Printzen Geſichte lauter gefaͤhrliche Cometen / deren Bedeutung erſt nach des Herrn Vaters Tode auff meinen Kopff fallen moͤchte. Tale - mon verſpuͤrte des Printzen Jrrthum / iedoch wolte er ſich nach Art kluger Hofe-Leute nicht all - zu geſchwinde bloß geben / ſondern hub einen weit - laͤufftigen Diſcours von der Landſchafft Tan - naſſery an / alſo / daß mein Printz genung zuthun hatte / gebuͤhrende Antwort zu geben. Denn weil er in ſeiner Jugend Siam durchreiſet / und ſich auch einige Zeit an dem Hofe zu Tannaſſery auf - gehalten hatte / ſo wuſte er mehr zu fragẽ / als mein Printz zu antworten. Ja als Talemon fortfuh - re / nach der Stamm-Linie der Tannaſſeriſchen Regenten zu forſchen / gab mir der Printz einen Winck / dieſen Diſcours zu unterbrechen. Jch ſaß ſelber wie ein Feuer / und wuſte in der Angſt nichts zu ſagen / als daß ich fragte: Ob der Herr Schatzmeiſter auch eine feine Gemahlin haͤtte? Wie kommt dem Herrn dieſe Frage in Sinn? antwortete er laͤchelnde: ich will nicht hoffen / daß dieſe Frage einige Bedeutung nach ſich ziehen werde. Nach dieſem verließ er mich / und wen - dete ſich wieder zum Printzen / welcher ſich ſchlaf -M 2fende180Der Aſiatiſchen Baniſe. fende anſtellte. Als er aber nach einer halben Stunde die Augen wieder aufſchlug / verfolgte ihn Talemon mit dieſer Rede: Gnaͤdigſter Herr / ſie verzeihen meinem Vorwitz / welcher vielleicht zu ihrem beſten angeſehen iſt. Ja ich ſage / daß es dero eigne Wohlfarth erfordert / mich in die Zahl derer vertrauten Diener auffzunehmen. Sie vermercken es demnach in hohen Gnaden / wenn ich zwar aus deren angebohrnen Majeſtaͤt eine hohe Perſon muthmaſſe: allein daß ſie ein Printz aus Tannaſſery ſeyn ſolten / ſolches dero Wiſſenſchafft verneinen / und mir heimlichen Beyfall geben laſſe. Denn mir einig und allein an dieſem Hofe iſt bekandt / wie der letzte ungluͤck - liche Printz Pantoja in Tannaſſery von ſeiner boßhafften Stieffmutter mit Gifft vergeben wor - den / in Meynung ihrem ſechs jaͤhrigen Sohne den Thron vorzubehalten / welcher aber nach 2. Jahren im Tode folgete / und alſo der gantze Stamm / biß auff den alten Vater / mit welchem auch die Hofnung zu einigen Erben zu Grabe ge - het / abgegangen iſt. Dahero ſo unmoͤglich / als ſie nun ein Printz von Tannaſſery ſeyn koͤnnen / ſo gewiß und unfehlbar ſchlieſſe ich / daß ſie aus wichtigen Urſachen an dieſem Hofe ihren hohen Stand verdecken / und ſich unbekandter Weiſe aufhalten wollen. Wie nun ſolches bisweilen eine kluge Staats-Vorſicht erfodert / alſo iſt es zu - gleich hochnoͤthig / ſich ingeheim auffrichtige Freunde zu ſchaffen / welche aus Erfahrung inde -181Erſtes Buch. deren Angelegenheiten mit Rath und That die - nen / und ihre Anſchlaͤge erſprießlich befoͤdern koͤn - nen. Wollen nun E. M. in meine wenige Per - ſon / welche bereits in Koͤnigl. Dienſten 32. Jahr getreu geweſen / einiges Vertrauen ſetzen / ſo gelo - be ich alle / iedoch meinem Kaͤyſer unſchaͤdliche / Treue und Aufrichtigkeit. Ja ich ſchwere bey al - len Goͤttern und verſpreche an Eydes ſtatt / nicht allein deren Stand in geheim zuhalten / ſondern auch E. M. in ietzigem verwirrten Zuſtande der - maſſen treulich beyzuſtehen / und ſolche Geheim - niſſe zu entdecken / welche ſie hoch nothwendig wiſ - ſen muͤſſen / daß ich mich deſſen lebenslang um E. M. werde zu erfreuen haben. Hier fand ſich nun der Pꝛintz deꝛmaſſen betꝛeten / daß er theils an - fangs verſtummte / theils auch ſich uͤber die Klug - heit des Talemons verwundern muſte / und in - dem er ſein hohes Betheuren hoͤrte / auch iederzeit eine ſonderbahre Zuneigung gegen dieſen Mann in ſich verſpuͤhrte hatte / ſo brach er endlich in dieſe Worte heraus: Weil ich mich denn durch eure Klugheit verrathen ſehe / ſo traue ich eurer Auff - richtigkeit. Wiſſet demnach / daß ich ein Kron - Printz aus Ava bin / welchen die Grauſamkeit des Vaters / und die Boßheit des Bramaniſchen Koͤ - niges Chaumigrems / welcher ſich eine geraume Zeit an ſelbtem Hofe auf gehalten / gezwungen hat / ſein Gluͤcke durch Verſtellung anderwerts zu ſuchen / und wie mir die Goͤtter zu Pandior nach Pegu gerathen / und mir allda meine Ver -M 3gnuͤ -182Der Aſiatiſchen Baniſe. gnuͤgung verſprochen / ſo bin ich nicht wenig be - ſtuͤrtzt / wenn ich deren Außſpruch auf widrige Art erfuͤllet ſehe. Denn ihr ſolt ferner wiſſen / nun - mehro vertrauter Talemon / daß ich mein Ver - gnuͤgen nicht in Land und Leuten ſuche / als wel - ches mir die Goͤtter nach meines Vaters Tode an dem maͤchtigen Koͤnigreiche Ava ſattſam ſtillen werden: ſondern es haben mir die Goͤtter in dem Tempel Pandior eine Schoͤnheit im Traum vor - geſtellet / und mich ſolche zu ſuchen angereitzet / daß ich mir nicht getraue / laͤnger dieſe Zeitligkeit zu ge - nieſſen / wo nicht eine Gleichheit dieſes naͤchtlichen Geſichtes ſich von mir finden laͤſt. Großmaͤch - tigſter Printz / antwortete Talemon hierauff eh - rerbietigſt / ich erkenne ihren Jrrthum / und mercke ihr Mißvergnuͤgen: ſo haben ſie ſich denn die Helffte gerathen / indem ſie mir den wahren Zu - ſtand ihrer hohen Perſon entdecket. Die Prin - ceßin nun / womit unſer Kaͤyſer ſeine Danckbar - keit zu bezeigen vermeinet hat / iſt nicht deſſen Tochter / wie der Printz in den irrſamen Gedan - cken ſtehet / ſondern eine Princeßin von Savady / welches Land als ein Lehnreich von Pegu ver - wichener Jahre der Tyrann von Brama / als des Chaumigrems Bruder mit tauſend drey hun - dert Schiffen zu Waſſer belagert / eingenommen / den Koͤnig gefangen / und dieſe Princeßin verja - get / welche ſo dann ihre Zuflucht zu unſerm Hofe genommen / und ſich einige Zeit als eine Geſpielin / der Durchlauchtigſten Baniſen / Erb-Princeßinvon183Erſtes Buch. von Pegu / hier auffgehalten hat. Dieſen Be - richt hoͤrte mein Printz mit auffmerckſamen Oh - ren an / und wurde begierig / durch vieles Fragen alle Umſtaͤnde zu wiſſen. So iſt dieſes nicht die ſchoͤne Princeßin von Pegu / von welcher gantz Aſien zu ſagen weiß? Nein / dieſe iſt es nicht / antwotete Talemon / ja hier unter der Ro - ſe / ſie iſt nicht ein Schatten gegen jenem Liechte zu rechnen: und weil ſie ſich gar ſelten ſehen laͤſſet / auſſer wenn es der Kaͤyſer ihr Herr Vater befieh - let: ſo hat es auch heute gefehlet / daß ſie nicht bey deꝛ Tafel erſchienen: Hier muſte nun Talemon ihre gantze Geſtalt beſchreiben / welches den Printzen in ſolche vergnuͤgte Verwunderung ſetzte / daß er uͤberlaut ausrieff: O ihr guͤtigen Goͤtter / verge - bet mir das in euch geſetzte Mißtrauen / welches die Ungedult / als aller Verliebten ſtete Begleite - rin / in mir verurſachet hat. Dieſe / ach ja dieſe Schoͤnheit iſt es / an welcher ihr eure Bildungs - Kunſt erweiſen / und mit eurem Meiſterſtuͤcke ge - gen mich prangen wollen. Wie artig wiſſet ihr eure Worte zu erfuͤllen? Es wird ein fremdes Bild ſo Aug als Liebe blenden: lautete der ver - deckte Ausſpruch / ach ſo laſſet doch auch das fol - gende ſeine gluͤckliche Erfuͤllung erreichen / weñ ihr verſprechet / ich ſolte endlich die Ruhe finden. Al - lein / fuhr er fort / den Talemon zu fragen / wie daß ſich denn der Printz Xemin ſo widerſinniſch an - ſtellet / wie wird denn derſelbe durch mich beleidi - get? Hierunter ſtecket / antwortete Talemon /M 4ein184Der Aſiatiſchen Baniſe. ein ſonderbahres Geheimniß. Denn erwehn - ter Printz hat ſich in die Princeßin von Saava - dy unſterblich verliebet / und gehet mit dem feſten Vorſatz ſchwanger / ſie dermaleins auff den Thron von Pegu neben ſich zu ſetzen / welchem aber der Wille des Herrn Vaters durchaus nicht beypflichtet / weil ſie vors erſte eine Vaſallin von Pegu iſt / vors andere / ſich Pegu mit Siam durch eine Heyrath des Printzens mit der Princeßin Fylane verbinden ſoll. Dieſes gedencket nun der Kaͤyſer kluͤglich hintertrieben zu haben / wenn er die Princeßin von Saavady anderwerts ver - maͤhlet / und dem Sohne alle Hofnung / ſie zu er - langen / raubet. Wie / fragte mein Printz / ſolte ſie wohl ſo thoͤrlich handeln / und den Thron von Pegu ausſchlagen? Warum ſtellet ſie ſich denn ſo betruͤbt an / da ſie weder mich noch den Verluſt des Printzen von Pegu beweinet? Die Gemuͤ - ther der Menſchen / erwiederte Talemon / ſind un - terſchiedlich / indem manches die Liebe Cron und Thron vorzeucht. Und dieſes thut faſt die Prin - ceßin von Saavady / indem ſie ſich vergnuͤgter einbildet / den geringen Thron von Tangu zu be - ſitzen / weil die Perſon des Printzen Zarang ihre Augen und Hertz dermaſſen eingenommen / daß ſich auch die gantze Welt vergebens bemuͤhen wuͤrde ſie von dieſer Liebe abzuziehen. Wiewohl ihre Unempfindligkeit gegen dem Xemin ſattſam gerochen wird / indem ſie gleichfals von dem Za - rang keiner Gegen-Liebe gewuͤrdiget wird. Undwas185Erſtes Buch. was verhindert / fragte mein Printz ferner / denn den Zarang an ſolcher Gegen-Liebe? Die ſchoͤne Princeßin von Pegu / antwortete Talemon. U - ber welchen Worten mein Printz dermaſſen er - ſchrack / daß er gantz aus ſich ſelber zu ſeyn ſchiene / und wuͤrde er eine neue Klage angeſtimmet ha - ben / wenn nicht Talemon fortgefahren / und ihm getroͤſtet haͤtte: Er liebet ſie hefftig / ſagte er: ſo ungluͤcklich aber Printz Xemin gegen die Prin - ceßin von Saavady / und hingegen dieſe gegen den Printz Zarang iſt / ſo ungluͤcklich / ja weit ungluͤck - licher iſt Zarang gegen unſere Princeßin Baniſe. Denn ob ihm gleich die Gnade und Gewogen - heit unſers Kaͤyſers nicht wenig zu ſtatten koͤmmt / ſo iſt doch ihr nicht ſo wohl ſeine Perſon / als auch ſeine viele Untugenden / die er durch Hochmuth / Ruhmraͤtigkeit / vieles Sauffen / und auch kund - baren Unzucht oͤffters mercken laͤſt / dermaſſen zu - wider: daß ſie lieber eine Schlange als deſſen Gegenwart erdulden kan: wiewohl ſie der vaͤ - terliche Befehl zwinget / ſich von ihm bedienen zu laſſen. Sie wendet zwar vor / weil Tangu auch ein Lehnreich von Pegu waͤre / warum ſie weni - ger als ihr Bruder / Printz Xemin / ſolte geachtet ſeyn / welchem die Liebe gegen die Princeßin von Saavady deswegen unterſaget wuͤrde / weil ſie eine Vaſallin waͤre. Nun waͤre ja Zarang auch ein Vaſall: warum wuͤrde es ihr denn nicht er - laubet / ſich dem Kaͤyſerlichen Willen gleichfals gemaͤß zu bezeigen? Allein der Kaͤyſer ſchuͤtzetM 5ſolche186Der Aſiatiſchen Baniſe. ſolche Staats-Urſachen vor / welche auf eine bloſ - ſe Zuneigung gegen den Zarang auslauffen / daß auff ſolche maſſe die arme Princeßin nicht wenig geqvaͤlet wird. Und alſo haben ſie das gantze Raͤtzel unſers verliebten Hofes aufgeloͤſet / nach welchem ſich denn mein Printz richten / und ſich meiner wenigen / doch getreuen Dienſte dabey ver - ſichern kan. Jſt das nicht ein verwirrtes Liebes - Spiel / hub mein Printz hierauff an / da ſo viel Perſonen lieben / zugleich haſſen / und doch keines vergnuͤget wird. Ja was verwunderlicher / ſo werde ich auch in dieſes Spiel mit eingeflochten: helffet derowegen ihr guͤtigen Goͤtter / daß ich in dieſem Kampffe den beſten Krantz davon trage. Jmmittelſt werdet ihr / mein werthe - ſter Talemon / bedacht leben / alles was vorge - het / mir genau zu hinterbringen. Jch verſiche - re euch voͤllige Gnade und reiche Belohnung. Nach einigen Tagenward uns von dem Kaͤyſe r Erlaubniß zugeſchicket / unſere Vergnuͤgung in dem Kaͤyſerlichen Luſt-Garten zu ſuchen / welches denn meinem Printzen ſehr angenehm war / weil er von dem Talemon beꝛichtet ward / daß die Pꝛin - ceßinnen denſelben oͤffters beſuchten. Dannen - hero / als wir eines Tages verſtaͤndiget worden / daß ſich Xemindo mit denen Princeßinnen im Garten befinden wuͤrde / legte mein Printz einen von gꝛuͤnen Atlaß mit Golde reichlich duꝛchwuͤrck - ten Rock an / ſetzte einen kuͤnſtlich-gewundenen Bund / an welchen einige Federn von dem Sine -ſiſchen187Erſtes Buch. ſiſchen Sonnen-Vogel / durch ein koſtbares Klei - nod geheftet war / auf ſein Haupt: der rechten Bruſt hieng er der Princeßin von Saarady Bild - niß an / und ſeinen mit Diamanten reichlich ver - ſetzten Sebel vermittelſt einer guͤldenen Ketten um den Leib / welches ihn dermaſſen anſehnlich mach - te / daß es anders unmoͤglich war / ein Frauenzim - mer muſte ſich in ihm verlieben. Hierauff ver - fuͤgten wir uns nach dem Garten / welcher zur Seiten des Schloſſes / und in drey Theile abge - theilet war. Die erſte Abtheilung ſtellete einen gewaltig-ſchoͤnen Baum-Garten vor / welcher ei - nem anmuthigen Luſtwalde nicht unaͤhnlich war / in deſſen Mitten gab es einen Teich / auf welchem Schwanen / Reiher und Enten herum ſchwam - men. Die andere Abtheilung beſtund in einem Zier-und Luſt-Garten / in demſelben war alles anzutreffen / was die Natur und Kunſt hervor zu bringen faͤhig war. Hier ſprang ein kuͤnſtliches Waſſer / dort bluͤhete ein rares Gewaͤchſe / und war alles in ſo verwunderliche Ordnung einge - theilet / daß ich nicht glaube / daß ſeines gleichen in Aſien mehr ſey. Welches denn um ſo viel - mehr zu bejam̃ern / daß dieſer herrliche und recht Koͤnigl. Luſt-Garten ſonder Zweiffel bey verwi - chenen allgemeinen Landverderben wird zerſtoͤret worden ſeyn. Das dritte Theil dieſes Gartens war mit einer hohen Mauer abgeſondert / hinter welchem einige fremde Thiere aufbehalten wur - den. Als wir nun den Baum-Garten betreten /und188Der Aſiatiſchen Baniſe. und deſſen zierliche Pflantzung der Baͤume be - trachteten / indem immer eine Reihe Pomeran - tzen-Liemonien-Dattel - und Oel-Baͤume / nebſt andern fremden Gewaͤchſen / wechſels-weiſe geſe - tzet waren / ſo hoͤrten wir zur Seiten eine Perſon ſingen / welche durch ihre beweg-und klaͤgliche Stimme ihr hefftiges Leiden ſattſam zu erkennen gab / da wir bey Annaͤherung folgende Worte vernahmen:

1.
Gute Nacht / ihr harten Sinnen /
Gute Nacht / du Felſen-Hertz.
Soll mein Hoffnungs-Wachs zerinnen?
Jſt mein Lieben nur dein Schertz?
Ey ſo will ich dir beyzeiten /
Eine gute Nacht andeuten.
2.
Diamanten muͤſſen ſpringen /
Wenn ſie ſchlechtes Bocks-Blut kuͤhlt:
Und ein Tyger laͤſt ſich zwingen /
Daß er mit dem Menſchen ſpielt.
Hier muß Diamant und Tyger /
Dich erkennen als Beſieger.
3.
Stahl muß weichen / Gold muß flieſſen /
Wenn es nur die Glut beſeelt:
Und durch oͤffteres Begieſſen /
Wird der Stein gleich ausgehoͤhlt.
Aber du wilſt dich erweiſen /
Mehr zu ſeyn als Stein und Eiſen.
4. Du189Erſtes Buch.
4.
Du verachteſt meine Thraͤnen /
Du verlacheſt meine Treu:
Jch darff niemals faſt erwehnen /
Wie mein Geiſt entzuͤndet ſey.
Alſo koͤnnen ſelbſt die Zeiten /
Nicht den harten Sinn beſtreiten.
5.
Wider das Verhaͤngniß leben /
Jſt den Menſchen nicht erlaubt:
Harte Eichen widerſtreben /
Biß der Blitz die Haͤrte raubt.
Darum huͤte dich / du Schoͤne /
Daß die Reue dich nicht kroͤne.
6.
Zwar ich will dich gerne goͤnnen /
Dem / dem du dich zugedacht:
Wirſt du dich verbeſſern koͤnnen /
Sag ich willig gute Nacht!
Doch wenn es dich wird gereuen /
Wird der Himmel mich erfreuen.

Welche letztere Worte von einem tieffen Seuff - zer begleitet / und wir in ſorgſames Nachdencken verſetzet wurden: Wer doch immer ſolche Ab - ſchieds-Gedancken hegete. Solches aber zu er - fahren / und aufzupaſſen / haͤtte uns moͤgen vor ei - nigen Vorwitz ausgedeutet / und als Fremden veruͤbelt werden / dahero wir uns ſo fort zuruͤcke / und nach dem innern Garten begaben / und weil kurtz hernach Printz Xemin hinter uns folgete / ſomuth -190Der Aſiatiſchen Baniſe. muthmaßten wir bald / daß er die betruͤbte Stim - me muͤſſe geweſen ſeyn. Weßwegen denn mein Printz ſagte: Armſeliger Printz / ich meines theils wuͤnſche dir von Hertzen die Vergnuͤgung / welche du in Beſitzung der Princeßin von Saa - vady zu haben vermeineſt / ich ſchwere dir / keinen Eintrag zu thun / ſondern wuͤrde mich vielmehr begluͤckt und verpflichtet achten / wenn ich durch dich einer ſolchen verdrießlichen Liebe uͤberhaben wuͤrde. Unter dieſen Reden gelangeten wir in den Luſt-Garten / worinnen unſere Augen ſo viel zu ſehen vor uns fanden / daß wir vermeinten / in ein irrdiſch Paradieß zu kommen. Wir ſahen niemand in dem Garten / muthmaſſeten doch / daß ſie ſich wol vor der Sonnen-Hitze / in denen bedeckten Spatzier-Gaͤngen aufhalten wuͤrden. Als wir aber faſt die Mitten / allwo ein herrliches Luſt-Haus ſtund / erreichet hatten / wurden wir die Princeßin von Saavady hinter uns gewahr / welche wir im Vorbeygehen wegen vieler Auff - merckſamkeit uͤberſahen / und weil ſich Printz Xe - min bereits bey ihr eingefunden / ſo wolte mein Printz nicht erſt wieder umkehren / ſondern ſtellte ſich an / als ſaͤhe er ſie nicht / dahero wir uns iemehꝛ und mehr unter die erhabenen Gewaͤchſe bega - ben / hinter welchen wir ſie / ſie aber nicht uns / be - mercken kunten. Hier ſahe ich nun mit Luſt / mein Printz aber mit ſonderbahrem Mitleiden zu / wie ſich der arme Xemin vergebens bemuͤhte / ihre Gunſt nur durch ein geringes Zeichen zu erlangen. Jhre191Erſtes Buch. Jhre Augen waren von ihm abgewandt / und ob er ſich gleich ſtets mit Reden zu unterhalten ſchien / ſo erhielie er doch keine Antwort / ſondern ſie ſtell - te ſich / als ob ſie mehr Achtung auff die Blu - men / als ſeine Worte gaͤbe / dahero ſie denn nur durch Singen ihre vertieffte Gedancken zu erkennen gab. Als ſie ſich aber uns naͤherten / ver - fuͤgten wir uns weiter nach einem langen und of - fenen Spatzier-Gang / welchen wir auszugehen erwehlten. Wir hatten kaum zehn Schritte fort - geſetzet / ſo erhub ſich ein hefftiges Geſchrey hinter einem kleinen Roſen-Gebuͤſche / in kurtzem aber ſahen wir zur Seiten den Kaͤyſer / und den Printz Zarang nebſt unterſchiedenen Frauenzimmer voller Schrecken und Angſt lauffen / daß wir alſo nicht wenig erſchracken / indem wir keine Urſache ſolcher aͤngſtlichen Flucht ſahen oder wuſten. Wir wolten gleichfalls umkehren / und dem Kaͤy - ſer entgegen eilen / ihm auff allen Nothfall beyzu - ſtehen / ſiehe o wunderliches Schickſal des Him - mels! ſo lieff uns die ſchoͤnſte Schoͤnheit voller Angſt und Schreyen entgegen / weil ſie ein grau - ſames Panterthier / welches aus Nachlaͤßigkeit des Thier-Gaͤrtners durch ein Gatter geriſſen / und alſo in den Luſt-Garten kommen war / ver - folgte. Mein Printz waͤre entzuͤckt ſtehen geblie - ben / wenn ich ihn nicht eilend erinnert haͤtte / die Princeßin in ſo augenſcheinlicher Lebens-Gefahr zu retten. Worauff ſich mein Printz ermunterte / und ihr mit bloſſem Sebel entgegen eilte. Wie erdenn192Der Aſiatiſchen Baniſe. denn zu hoher Zeit ankam / indem das grimmige Thier bereits die Tatze hinten in ihren Rock ein - geſchlagen / und zur Erden zu reiſſen bemuͤhet war. Der Printz wuſte in der Angſt nicht / ob er hauen oder ſtechen ſolte / derowegen er einen Stoß nach dem Thiere fuͤhrete / welcher in ein Auge gerieth / und ihm ſo hefftig ſchmertzte / daß es die Princeſ - ſin verließ / um dieſen Stoß an meinem Printzen zu raͤchen / und ihn ſo grauſam anfiel / daß es ihm den Bund vom Kopffe riß. Jch lieff demnach auch herbey / meinen Herrn zu retten / ehe ich aber herzu kam / hatte er ihm bereits durch einen ge - waltigen Hieb das Haupt geſpalten / daß es todt zur Erden ſtuͤrtzte. Jndeſſen lag die ſchoͤne Blu - me / die Princeßin / ſage ich / in dem Graſe in einer tieffen Ohnmacht / dahero mein Printz alſobald den blutigen Sebel wegwarff / und ſich neben ſie auff die Knie ſetzte / auch durch ſanfftes Schuͤt - teln ſie zu ermuntern trachtete. Hier lag nun die Roſe / welche alle Schoͤnheit des Gartens uͤber - traff / mein Printz verwendete kein Auge von ihr / und ſagte heimlich: Diß iſt der Goͤtter Schoͤn - heit / die ſie mir zu Pandior gewieſen. Endlich haͤtte es nicht viel gemangelt / daß nicht der Printz neben ſie ins gruͤne Graß geſuncken waͤre / ſo ſehr hatte ihn Liebe / Verwunder - und Beſtuͤrtzung eingenommen. Endlich eilte der Kaͤyſer / Zarang und das Frauen-Zimmer / gantz erſchrocken her - bey / und vermeinten nicht anders / weil der Schweiß des Panthers hin und wieder das Graßge -193Erſtes Buch. gefaͤrbet / die Princeßin ſey bereits erwuͤrget / und nur ihr Tod gerochen worden; dannenhero ſich ein ſolches Zeter-Geſchrey erhub / daß es weit er - ſchallete. Xemindo fiel neben ſie nieder / Printz Zarang ſtund als ein Stock / Xemin und die Fr. von Saavady kamen endlich auch dazu / mein Printz ſaß unbeweglich / und hatte ſeine Au - gen an ihre Wangen gehefftet / ja das Frauen - Zimmer beweinte ſie als todt / und ich glaube / die - ſes unnoͤthige Trauer-Geſchrey haͤtte noch nicht ſeine Endſchafft erreicht / wenn ich ihnen nicht den gantzen Verlauff berichtet haͤtte / wie die Princeſ - ſin nur vom Erſchreckniß in eine Ohnmacht ge - rathen / und gantz unbeſchaͤdiget waͤre / worauff ſie ſich allerſeits wieder zu faſſen begunten. Der Kaͤyſerliche Herr Vater hub ſie mit thraͤnenden Augen auff / und legte ſie meinem Printzen in die Schoß / welcher dahero noch entzuͤckter / und mehr einem Bilde als einem Menſchen gleich wurde. Als ſie nun mit koͤſtlichem Balſam beſtrichen / und durch friſches Waſſer etwas erqvicket war / ſchlug ſie die holdſeligen Augen auf / und wuſte nicht / wo ſie war. Endlich / als ſie ſich etwas maͤchtiger befand / richtete ſie ſich vollend auff / und ſetzte alle Anweſende in eine ungemeine Freude. Printz Za - rang aber ließ ſeine Eyferſucht aus den Augen blicken / da es ihm doch eben ſo wohl freygeſtanden ſich auff dergleichen Art um die Princeßin ver - dient zu machen / wenn es ſeine furchtſame Tapf - ferkeit zugelaſſen haͤtte. Nachdem es ſich nunNvoͤllig194Der Aſiatiſchen Baniſe. voͤllig mit der Princeßin gebeſſert hatte / betrach - teten ſie insgeſamt den grauſamen Panther / wel - cher auch noch im Tode entſetzlich war / weswe - gen ſich denn der Kaͤyſer zu meinem Printzen wendete / und ihn mit der freundlichſten Umar - mung alſo anredete: Allerwertheſter Pantoja / ſo haben euch denn die Goͤtter hergeſchicket / mein Leben zu erhalten / und dieſes mein liebſtes Kind mir auffs neue wieder zu ſchencken? wodurch ihr mich zu freyer Bekaͤntniß zwinget / daß / ob mir zwar die Goͤtter auſſer der Unſterbligkeit alles moͤglich zu machen / erlaubet / mir es dennoch an vollkommener Danckbarkeit ermangeln will / wo - mit ich euch dieſe unvergleichlichen Helden-Dien - ſte ſattſam belohnen koͤnne. So nehmet denn von mir dieſen Kuß / und von der Princeßin Baniſe eine muͤndliche Danckſagung / als ein Zeichen hoͤchſter Danckbegierigkeit an: ja weil ich nichts erſinnen kan / womit Pegu ſeine Erkaͤntligkeit koͤnne darthun / ſo ſoll euch eine freye Bitte erlau - bet / und ſolche auch mit der Helffte meiner Crone gewehret werden. Nach dieſem eroͤfnete die him̃ - liſche Baniſe ihre Roſen-Lippen / und ſagte zu mei - nem Printzen: Tapfferer Pantoja! ob ich mich zwar nicht wenig beſchaͤmt finde / daß ich einem fremden Manns-Bilde in den Armen befunden worden / ſo wird doch ſolche Scham durch euer ho - hes Verdienſt gaͤntzlich getilget / und wie ich euch lebenslang vor meinen Erloͤſer halten werde / alſo habet ihr euch auch aller anſtaͤndigen Gnade vonmir195Erſtes Buch. mir zuverſichern Dieſe Zuckerworte wurffen meinen Printzen zu der Erden / daß er mit den ver - liebteſten Geberden den Saum ihres Rockes kuͤſte / und mit ſchwacher Stimme antwortete: Großmaͤchtigſter Kaͤyſer / Uberirrdiſche Prin - ceßin! Jch als ein geringes Werckzeug der Goͤtter bin viel zu unwuͤrdig / ſothaner hohen Gnade / wo - mit mich deꝛo hohe Fꝛeygebigkeit uͤbeꝛſchuͤttet Jch habe gethan / was meine Pflicht erfodeꝛt / und wor - zu mich der innerliche Trieb / in dero Dienſten zu ſterben / anfuͤhret. Jch bitte nichts mehr / als ein gnaͤdiges Auge / und freyen Zutritt / ſo wird mir iederzeit die Wohlfarth dieſes hohen Hauſes auf meine Seele gebunden ſeyn. Worauff ihm die Princeßin ihre Hand zum Kuſſe / als ein Zeichen hoher Gnade / darreichte / und nebſt dem Kaͤyſer den Garten verließ. Von dieſer Stunde warff Zarang einen toͤdtlichen / doch unverſchuldeten Haß / auff meinen Printzen / und verlohr ſich bald hernach zugleich aus dem Garten. Printz Xe - min aber / nebſt der Princeßin von Savady / und dem andern Frauenzimmer / blieben zuruͤcke / und wolten bey den Blumen ihre geaͤngſteten Kraͤffte wieder erholen: als mein Printz voller Gedan - cken ſich nach einer Gallerie begab / in welcher er ſeineꝛ Liebe voͤllig den Zaum wolte ſchlieſſen laſſen / daher ich ihn denn nicht verſtoͤren / ſondern allein laſſen wolte. Jch gieng indeſſen gleichfals mei - nem Willen nach / und betrachtete das Peguani - ſche Frauenzimmer / welches mich zu ſich rieff / undN 2mich196Der Aſiatiſchen Baniſe. mich in ihre beliebte Geſellſchafft mit auffnahm. So angenehm mir nun dieſes war / ſo verdrießlich hingegen fiel mir die Gauckeley / welche ſie als Luſt-Spiele zu ihrer Zeit-Vertreibung anfien - gen / und mich hierzu mit einſchloſſen / biß mich endlich eine von dieſem Frauenzimmer erledigte. Dieſe / weil ich nicht uͤbel gekleidet / auch noch ſonſt anſehnlich gnung war / hatte ſich vielleicht vorge - nommen einen Fuchs der Liebe nach mir zu ſchieſ - ſen / dannenhero ſie mich bey der Hand ergriff / und unter dem Vorwand / daß ſie erwehnten Spielens auch uͤberdruͤßig ſey / mich zu einem und andern Luſt-Brunnen fuͤhrte. Waͤhrenden Ge - hens fuͤhrte ſie allerhand Reden gegen mich / wel - che aber alle auff eine Nachforſchung wegen ei - gentlichen Zuſtandes meines Printzen hinaus lieffen: als ich aber meinem Beduͤncken nach auff alle Fragen richtig geantwortet hatte / fragte ſie zuletzt auch nach meiner Beſchaffenheit. Hier zog ich nun mein groſſes Meſſer hervor / und ſchnitt ſolche Lufft-Streiche von meinem vorneh - men Adel / ſtattlichem Vermoͤgen und groſſer Gnade meines Printzen / daß ſich das Waſſer in denen Spring-Brunnen haͤtte hemmen moͤgen. Sie hoͤrte mit ſonderbahrer Vergnuͤgung zu / und erzehlte mir zugleich aus eigner Bewegniß ihren Zuſtand mit ſolchen reichen Umſtaͤnden / daß faſt alles mit dem meinigen uͤberein traff / und ich leicht mercken kunte / wie Speck und Butter zuſammen kommen waͤren. Der Endzweck ih -res197Erſtes Buch. res Diſcurſes aber lieff auff eine Liebe zwiſchen uns beyden hohen Perſonen hinaus; indem ſie ſich nicht ſcheute zu ſagen / wie ſie den erſten Au - genblick / als ſie mich geſehen / eine Geluͤbde ge - than / mich ihrer Liebe wuͤrdig zu machen. Ob mir nun zwar nichts weniger in Sinn gekommen war / als daß ich eine ſolche heßliche Schoͤnheit lieben ſolte: ſo dauchte es mich doch ſehr erſprieß - lich vor meinen Printzen zu ſeyn / wenn ich mich mit iemand von ſeiner geliebten Princeßin Frau - enzimmer bekandt machte. Denn / ſie nicht zu lieben / war dieſes die Urſache / daß es zu beklagen iſt / wenn die verliebteſten Hertzen oͤffters mit den heßlichſten Angeſichtern begabet ſeyn. Sie war endlich dem Wachsthum nach gut gnung: allein wie ihr Geſichte vermittelſt breiter uͤberhangen - der Stirne und ſpitzigen Kinnes einen rechten Triangel machte / alſo war ſie ſo unvergleichlich mager / daß ich vermeinet haͤtte / es waͤre unmoͤg - lich / daß ſie vom Fleiſch und Blut einige Anfech - tung haben ſolte. Ja ihr Angeſichte haͤtte einen Mahler zu Vollkommenheit ſeiner Kunſt verhelf - fen koͤnnen / angeſehen er die Vertieffungen aus denen Gruben ihrer gedoͤrrten Wangen / die Schattierung aber aus ihren Farben / da ſich gel - be in ſchwartzbraun verlohr / ſattſam lernen koͤn - nen. Durch Beſchreibung des uͤbrigen will ich meinen hochgeehrten Zuhoͤrern keinen Eckel er - wecken. Das beſte an ihr war / daß ſie bey der Princeßin Baniſe ſehr wohl gelitten und inN 3ſon -198Der Aſiatiſchen Baniſe. ſonderbahren Gnaden ſtund. Welches mich denn auch veranlaſte / ſie meiner Gegen-Liebe zu verſichern / wodurch ſie mir eines und anders von ihrer Princeßin entdeckte / und zwar / wie ſie ſo ſehr mit der verdrießlichen Liebe des Zarangs ge - plaget wuͤrde / nach deren Erloͤſung ſie taͤglich ſeuf - zete! Nach dieſen Unterredungen ſahen wir uns nach unſern Hoͤhern um / da wir denn niemanden / als den Printzen Xemin voller Gedancken be - merckten / von welchem ſich die Princeßin von Savady verlohren hatte: endlich kam auch mein Printz wieder hervor / welcher auff den Xemim zugieng. Jch verließ meine neue Liebe / und wen - dete mich nach meinem Herrn / welchen ich den Printz Xemin alſo anreden hoͤrte: Wie ſo be - truͤbt? Gnaͤdigſter Herr / iſt dieſer ſchoͤne Garten nicht ſo faͤhig / ihre Gedancken zu befriedigen? Worauf aber Xemin ein hoͤhniſches und zugleich ſaures Geſichte machte / auch dieſe unanſtaͤndige Gegẽ-Antwort ertheilte: Es iſt vor einen Fremd - ling zu viel / ſich um unſere Gedancken zu bekuͤm - mern. Ob nun zwar mein Printz ſolcher Ant - wort nicht ſonders gewohnt war / ſo wuſtu er ſich doch kluͤglich in die Zeit zu ſchicken / dahero er denn gantz glimpflich verſetzte: Wenn aber ſothaner Kummer aus ergebenſtem Gemuͤthe und wohl - meinender Auffrichtigkeit ſeinen Urſprung nim̃t / ſo kan ſolcher nicht veruͤbelt werden. Worauff ihm der Printz den Ruͤcken zukehren / und nur mit dieſer kurtzen Antwort / verunruhiget uns nichtfer -199Erſtes Buch. ferner / und ſchweiget / abfertigen wolte. Dieſes empfand aber mein Printz nicht wenig / wendete ſich ihm nach / und redete ihn ferner an: Jch weiß nicht / mein Printz / wie ich ſo gar unverdient in deſſen Ungnade gerathen bin? Wie mir nun ſol - che gantz unertraͤglich faͤllt; alſo bitte gehorſamſt / ſo einige Verleumdung mich angegeben / mir ſol - ches in Gnaden zu offenbahren / und alsdenn mei - ne gerechte Vertheidigung guͤtigſt anzuhoͤren. Keine Verleumdung / erwiederte Xemin / ſondern ihr ſelbſt reitzet mich zu dieſem Zorne / denn ihr ſolt wiſſen / daß ſo lange die Princeßin von Savady in eurem Hertzen und auff der Bruſt henget / ich mich euſerſt bemuͤhen werde / euren Untergang zu befoͤrdern. Wollet ihr nun meiner Gewogen - heit theilhafftig ſeyn / ſo verbannet dieſe Princeßin aus eurem Hertzen / und gebet mir das Bildniß / welches euch der Kaͤyſer mein Herr Vater gege - ben hat / wieder / ſo ſollet ihr euch alsdenn / uͤber mich zu beſchweren / keine Urſach haben. Hier ſahe mein Printz die Worte des Talemons er - fuͤllet / daß Xemin von dieſer Saavaderin gefeſ - ſelt ſey: weil er aber zuvor aus ſeinem Singen verſtanden / als wenn er ſelbſt dieſe Liebe verlaſſen wolte / ſo haͤtte er ſich nimmermehr eingebildet / daß deſſen Gunſt noch ſo feſte an ihr kleben ſolte. Mein Printz antwortete demnach: Ob ich zwar nicht ſagen will / daß ich die Princeßin von Sa - vady aus meinem Hertzen verbannen wolte: ſo befinde ich es meiner Ehre doch nicht vor rath -N 4ſam /200Der Aſiatiſchen Baniſe. ſam / das Bildniß / welches mir von der Hand ei - nes ſo groſſen Kaͤyſers anvertrauet worden / ſchlechter dings hinzugeben: bittet dannenhero / meinen Gehorſam auff andere Art zu probiren. Jch rathe / antwortete Xemin draͤuende / daß ihr mein Begehren ohne ferneres Weigern erfuͤllet / widrigen Falles wird euch die Schaͤrffe meines Sebels beſſern Gehorſam lehren. Hierdurch ward nun das Band der Gedult bey meinem Printzen faſt zerriſſen; iedoch wolte er es noch mit Worten verſuchen / ob er den Xemin auf an - dere Gedancken bringen moͤchte / indem er ſich befurchte / ſo wohl den Kaͤyſer als die Princeßin hoͤchſt zu beleidigen / ſo er ſich einiger Thaͤtligkeit wider dieſen Printzen unterfienge / dannenhero ſagte er: Printz von Pegu / erinnert euch euers Standes / und laſſet euch die Liebe zu keiner un - anſtaͤndigen That verleiten: denn ihr ſolt wiſſen / daß ihr eine Perſon vor euch habet / welche euch an hohem Stande / weniger am Hertzen / ein Haar breit weichet. Sehet hier iſt das Bild - niß / welches er zugleich von der Bruſt nahm / wel - ches zwar mit keiner ſonderlichen Andacht von mir verehret wird: ſo lange aber ein warmer Blutstropffen in mir ſchwebet / ſoll es mir durch keine Gewalt entfremdet werden. Denn ein edles Gemuͤthe und tapffere Fauſt / laͤſt ſich nichts nehmen. Xemin knirrſchte hierauff mit den Zaͤhnen / und ſagte: Ha! verwegener Menſch / darfſtu dich unterſtehen / einen gebohrnen Erb -Prin -201Erſtend Buch. Printzen von Pegu zu trutzen? Ob ich nun zwar gnugſame Mittel haͤtte / dich auf andere Art ab - zuſtraffen / ſo will ich doch der unvergleichlichen Princeßin von Savady zu Ehren / mir die Muͤhe der Straffe ſelbſt nehmẽ / und erweiſen / daß du die - ſes Bildniſſes nicht wuͤrdig ſeyſt. Jndeſſen ſoll es an dieſem Roſen-ſtocke unſerm Kampffe zuſehen / und dem ſiegenden Theile als eine Belohnung zu fallen. Dieſes bewilligte mein Printz alsbald / und hieng es an einen unſern einer Gallerie ſtehenden Roſenſtock. Kaum hatte er dieſes verrichtet / ſo ſtuͤrmte Xemin bereits mit entbloͤßten Sebel auff ihn ein / daß ſich mein Printz genoͤthiget befand / tapffere Gegenwehre zu thun. Hier kaͤmpfften nun zwey ſo groſſe Printzen aus gantz widriger Regung: meines Printzen Sebel regierte die Ehr - ſucht / dem Xemin aber die Liebe / und beyde kaͤmpf - ten um ein bildniß / welches jener nicht wolte / und dieſer nicht ſolte lieben. Endlich / als ſie einander allzu hefftigen Ernſt erwieſen / und die zunehmen - de Verbitterung einen uͤbeln Ausgang weiſſagte / wobey allem Anſehen nach Xemin ſeine allzu treue Liebe mit ſeinem Blute wuͤrde verſiegelt haben; ſo ſprang unverſehens die Princeßin von Sava - dy aus der Gallerie hervor / hinter deren Ver - deckung ſie den Urſprung dieſes Kampffs angehoͤ - ret / und alles bemercket hatte / riß ihr Bildniß von dem Roſenſtocke / ſteckte es ein / und ſprach mit veraͤchtlichen Geberden: Haltet ein / unbe - ſonnene Printzen / ihr bemuͤhet euch vergebens /N 5um202Der Aſiatiſchen Baniſe. um eine Sache / worzu keiner berechtiget / noch das geringſte davon entraͤumet worden iſt. Spa - ret euer Blut / biß ihr beſſere Gewißheit von euer Liebe habet / und ſeyd verſichert / daß keiner von euch beyden mich zu lieben faͤhig ſeyn ſoll. Hie - mit verbarg ſie ſich im Augenblick wiederum / und hinterließ der ſtreitenden Parthey ein verwirrtes Nachſehen. Die Printzen ſenckten die Spitzen ihrer Sebel zur Erden / und ſahen einander be - ſchaͤmt an: endlich brach Xemin zum erſten das Stillſchweigen / und ſchrie ihr gleichſam nach: Fahre hin du ſtoltze Seele! und wiſſe / daß dein Verfahren ruͤhmlich ſey / indem du dich derjeni - gen Liebe / derer du nicht wuͤrdig biſt / ſelbſt enteu - ſerſt. Verflucht ſeyn demnach die verlohrnen Stunden / die ich in Bemuͤhung / deine nunmehr verhaßte Gegen-Gunſt zu erwerben / vergebens angewendet habe. Euch aber / an Leib und Ge - muͤthe tapfferer Pantoja / bin ich ewig verpflich - tet / daß ihr mich zu rechtem Erkaͤntniß meines verliebten Jrrthums gebracht habet. Jch erken - ne eure Tugend / noch mehr eure Klugheit / daß ihr euch nicht habt durch dieſe Syrene fangen laſ - ſen. Verzeihet mir demnach meinen Fehler / und verſichert euch / daß kuͤnfftige Freundſchafft von nun an dieſe Beleidigung erſetzen ſoll. Mit wel - chen Worten er den Sebel wegwarff / und mei - nen Printzen freundlich umarmete. Mein Printz bezeigete hingegen ſein verſoͤhntes Hertz und Freundſchafft-begieriges Gemuͤthe mit den ver -pflich -203Erſtes Buch. pflichteſten Worten / und wurden alſo die vertrau - teſten Freunde. Welches recht wunderlich zu ſe - hen war / daß zwey verbitterte Hertzen / deren ieden des andern Tod ſuchte / gleichſam im Augenblicke einander kuͤßten / und ſich zu genauſter Freund - ſchafft verbunden. Nachdem ſich nun dieſe neue Hertzens-Freunde ſattſam umarmet hatten / foderte Xemin eine Geluͤbde von meinem Prin - tzen / der Princeßin von Savady auf ewig zu ver - geſſen / auch ſich nimmermehr um ihre Liebe zu bewerben / welches denn mein Printz mit willi - gem Hertzen eingieng / und es aufs hoͤchſte betheu - erte / ſie nimmermehr zu lieben. Und hiemit nahmen ſie Abſchied von einander. Wir ver - fuͤgten uns alſobald wieder nach unſerm Pallaſt / allda uͤberlegte mein Printz allererſt die wunderli - chen Zufaͤlle / welche er innerhalb etlicher Stun - den gehabt. Jndem ich ihn zugleich etlicher maſſen entkleidete / vermißte er ſeiner Fraͤulein Schweſter / der Higvanama / Bildniß / welches ſie ihm bereits vor etlichen Jahren gegeben / und er ſtets am Halſe zu tragen pflegte. Hieruͤber be - kuͤmmerte ſich mein Printz nicht wenig / bevoraus / weil hinter der kleinen Platte des Bildes gezeich - net ſtund: zu ſtetem Andencken ihrem werthſten Bruder / Balacin / Printzen von Ava. Higva - nama. Welches / daß es ihn verrathenwuͤrde / er nicht unbillig beſorgete. Die Vergnuͤgung aber / welche er uͤber Erkaͤntniß ſeiner von den Goͤttern vorgezeigten Princeßin empfand / hieß ihn dieſesKum -204Der Aſiatiſchen Baniſe. Kummers bald vergeſſen / und in dieſe Worte her - aus brechen: O angenehmſtes Verhaͤngniß! be - gluͤckter Tag! an welchem mir die Sonne meines Lebens auffs neue auffgegangen iſt. Nunmehro bin ich geneſen / und die wahrhafftigen Goͤtter ha - ben mein Hoffen geſegnet. Ach uͤberirrdiſche Schoͤnheit! deren Glantz die Sterne uͤbertrifft / und ſich durch kein Gleichniß beſchreiben laͤſt. Es erhellet nur eine Sonne den Himmel / und die Erde heget nur einen Phoͤnix / alſo iſt nur eine Gottheit in Aſien / welche anbetens wuͤrdig iſt / ſo laſſet mich demnach / O ihr Goͤtter / ihr Prieſter werden. Jch muſte hierinne in allem meinem Printzen Beyfall geben: denn gewiß / ich glaube / daß derjenige eine vergebene Arbeit thun wuͤrde / welcher in Aſten ſich eine gleiche Schoͤnheit aus - zuſuchen bemuͤhen wolte. Jch ſelbſt wurde gantz verblendet / als nach uͤberſtandner Ohnmacht der Purpur wiederum ihre Wangen bekleidete: ja es kam mir faſt unglaublich vor / daß eine ſolche Schoͤnheit von ſteꝛblichen Menſchen koͤnne gezeu - get werden. Jhre Geberden hatten ſo ein hohes und Majeſtaͤtiſches Anſehen / daß man ſie un - moͤglich / ohne in hohen Ehren zu halten / und ſich uͤber dieſelbe zu verwundern / anſehen konte. Sie hatte ein ſo freyes und leutſeliges Weſen / daß / ungeachtet ihrer mit einſpielenden Ernſthafftig - keit / die ſie ſtets im Geſichte behielte / in allen ihren Reden und Thun nichts als lauter Freundligkeit und hoͤchſte Anmuth zu ſpuͤren war. Die205Erſtes Buch. Die Soñen ihrer Augen ſpielten mit ſolchen Bli - tzen / wodurch auch ſtaͤhlerne Hertzen wie Wachs zerflieſſen muſten. Und wenn ſie die ſchwartzen Aug-Aepffel nur einmal umwendete / ſo muſten alle Hertzen brennen / und die Seelen / welche ſie nur anſchaueten / in volle Flammen geſetzet wer - den. Jhre lockichten Haare / welche um ihr Haupt gleichſam mit Wellen ſpielten / waren etwas dunckleꝛ als weiß / und dienten zu rechten Stricken / einen Printzen in das Garn der Dienſtbarkeit einzuſchlingen. Jhre Lippen / welche einen etwas auffgeworffenen Mund bildeten / beſchaͤmten die ſchoͤnſten Cor allen / und bedeckten die wohlgeſetz - te Reihen der Zaͤhne / welche die Orientaliſchen Perlen verdunckelten: ob man ſie zwar ſo wohl in Reden / als in Lachen / wenig konte zu ſehen be - kommen. Die Wangen ſtellten ein angeneh - mes Paradieß vor / in welchem Roſen und Lilien zierlich untereinander bluͤheten / ja die Liebe ſchie - ne ſich ſelbſt auf dieſer weichen Roſen-Saat zu weiden. Die wohlgeſetzte Naſe vermehrte die Proportion des ſchoͤnen und runden Angeſichts um ein groſſes. Der mehr lang als kurtze Halß / welchen der Adern ſubtiles Weſen zierlichſt durch - flochte / war nebſt der andern Farbe ihrer Haut / ſo weit es die Wohlanſtaͤndigkeit zu ſehen erlaub - te / ſo wunderſchoͤn / daß ich nicht glaube / daß auch der kaͤlteſte Winter ihrer Purpur-Roͤthe / welche ſich mit der ſchneeweiſſen Farbe artlich vermiſch - te / einigen Abbruch thun koͤnte. Jhre wohlge -bilde -206Der Aſiatiſchen Baniſe. bildeten Haͤnde luden durch ihre zarte Finger / und weiſſe Haut / iedweden Mund zu einem demuͤthi - gen Hand-Kuͤſſen: und daß ich den geballten Schnee mit Stillſchweigen uͤbergehe / ſo darf ich an die uͤbrigen Theile des Leibes / welche doch mei - nen unwuͤrdigen Augen verborgen blieben / nicht einmal gedencken / wo ich mir nicht ſelbſt die groͤſte Qvaal verurſachen will. Dieſes war nun ein ziemlicher Gegenſatz / wenn ich meine verliebte Eſwara betrachtete. Endlich ſo ſchien es / als ob ſie ſich wenig um einigen Zierath oder Schmuck bekummerte / indem ſie ſich nicht allzu koͤſtlich ge - kleidet / ſondern ihꝛen wohlgewachſenen Leib einem gleichfals gruͤn und guͤldenen Leib-Rocke / wie mein Printz aus wunderlicher Schickung trug / anvertrauet hatte / auſſer daß durch die Haare ei - nige blitzende Diamanten ſpielten: ja ihre natuͤr - liche Schoͤnheit war ihr groͤſter Schmuck / nicht zwar / daß / wenn ſie angeputzt geweſen / nicht al - les uͤber die maſſen wohl angeſtanden / wo nicht gar ihre Schoͤnheit vermehret haͤtte; ſondern ſie verließ ſich auf ihre ſchoͤne Bildung / und begehrte nichts von der Kunſt zu entlehnen. Jn der Geſchicht-Erzehlung aber fort zu fahren / ſo ſtellte ſich der ehrliche Herr Talemon zu rechter Zeit wieder bey uns ein / und brachte zur erfreuli - chen Zeitung / daß Printz Zarang / wegen ſeiner Zaghafftigkeit / die er bey vorgegangener Gefahr erwieſen / ziemlich aus des Koͤniges Gnade gefal - len: indem er in der Flucht gleichſam der erſte ge -we -207Erſtes Buch. weſen / und ſo wohl den Kaͤyſer als ſeine geliebte Princeßin im Stiche gelaſſen: hingegen waͤre Printz Pantoja am gantzen Hofe beliebt / und von ihm etwas Groͤſſeres gemuthmaſſet / auch wuͤrde von allen davor gehalten / daß ſein Suchen an die - ſem Hofe etwas ſonderliches hinter ſich haben muͤſte / weil er ſich ſo ſehr bemuͤhete / ſich aufs eu - ſerſte um das Kaͤyſerliche Haus verdient zu ma - chen. Und ſchiene es / als ob die Goͤtter mit im Spiele waͤren / daß er ſein Geſuchtes finden / und den Zweck ſeiner Liebe vor andern erreichen duͤrf - te. Uber dieſen Troſt-Worten fiele mein Printz dem Talemon um den Hals / und kuͤßte ihn vor lauter Freuden / ſagende: Werthſter und ver - trauteſter Talemon! Euch habe ich es zu dancken / daß ich mich wegen eurer getreuen Nachricht in alle Faͤlle ſchicken / und mein beſtes beobachten koͤnnen: und dieſe Treue will ich auch mit meinem Blute vergelten. Fahret nur fort / und ſtehet mir ferner mit gutem Rathe bey / ob es rathſam / daß ich meinen rechten Stand entdecke / oder ob ſolches noch zur Zeit zu verſchweigen ſey? Es iſt beſſer / riethe Talemon / noch zur Zeit zu ſchwei - gen: es waͤre denn / daß uns der Nahme von Tan - naſſery wegen Ungleichheit gegen dieſes Kaͤyſerl. Haus nachtheilig waͤre / oder ſonſt eine andere Gelegenheit hierzu veranlaſſe. Genung iſt es / daß ihr euch dem Kaͤyſer verbindlich / und die Princeßin geneigt gemachet habet / welches al - les einen gluͤcklichen Fort - und Ausgang unſersver -208Der Aſiatiſchen Baniſe. verliebten Vorhabens bedeutet. Jch haͤtte die - ſem laͤnger zugehoͤret / wenn ich nicht durch einen kleinen Mohren waͤre nach Hofe beruffen wor - den. Da ich denn bald merckte / daß meine ſchoͤ - ne Eſwara mich wuͤrde fodern laſſen: hierinnen befand ich mich auch nicht betrogen / denn indem mich dieſer kleine Mohr durch die Schloß-Pforte nach einer Stiegen / und dieſelbe hinauf fuͤhrte / fiele mir die Eſwara um den Hals / und verſetzte mir einen ſolchen Kuß / welcher noch durch bloſſes Andencken ein Aufſtoß bey mir verurſachet: denn weil ihr viel Heimligkeiten der Liebe in dem Ma - gen mochten verfaulet ſeyn / ſo empfand ich aus ihrem Halſe einen ſolchen Geruch / welcher auch die(†)Von den grauſamen Martern der Chriſten in Ja - von beſiehe Franciſci Kunſt - und Sitten-Spiegel pag. 1148. Japoneſer zum Abfall haͤtte zwingen koͤn - nen. Hieruͤber erſchrack ich nun nicht wenig / ſie aber lachte ſo freundlich / daß man den wenigen / Vorrath ihrer Zaͤhne gar deutlich ſehen kunte / welche einer alten Mauer mit Schieß-Scharten nicht unaͤhnlich ſchienen. Jch ſtellte mich ſo freundlich / wie eine todte Katze / welche noch bey ihrem Abſchiede die Zaͤhne weiſet / und erfreute mich uͤber ihrer Gegenwart / fragte auch zugleich nach ihrem Begehren / welches in nichts als ei - nem hertzlichen Verlangen mich zu ſehen beſtund: endlich fuͤhrte ſie mich in ein ſauber Zimmer / und ſetzte ſich neben mich auf ein niedriges Bette. Da ſich denn / wie bey Verliebten pfleget / hunder -ter -209Erſtes Buch. terley Gelegenheit zu reden fand / unter andern fragte ſie nach meinem Printzen / welchen ich in Einſamkeit verlaſſen zu haben berichtete. Sie fragte ferner / ob mein Printz nicht ein Bildniß vermiſſete? Hieruͤber erroͤthete ich / und ſchwieg ſtille. Sie aber fuhr fort / und ſagte: verberget es nur nicht vor mir / mein Engel: und bey dieſen Worten verſetzte ſie mir wieder einen ſolchen Schmatz / daß mir Hoͤren / Sehen und Riechen vergieng / und mir der balſamirte Geiffer ins Maul lieff. Jch ließ es meinem Printzen zum beſten ſo dabey bewenden / als ich ſie ferner reden hoͤrte: Jch will es euch im Vertrauen / doch bey angelobten Stillſchweigen / vertrauen / daß eine von unſern Cammer-Jungfern im Graſe ein Bildniß einer ſchoͤnen Princeßin gefunden / deſſen Verluſt ſie alle euerm Herrn zuſchreiben: dieſes Bildniß hat ſie bald meiner Princeßin uͤber - bracht / welche aus einiger dabey geſtelltẽ Schrifft etwas anders von eurem Herrn urtheilet / und da - hero gerne Gewißheit davon haben moͤchte. Hier raffte ich nun meinen Printz zuſammen / und zwang mich euſerſt / ſie uͤber Vermoͤgen / zu chareſ - ſiren: ich nahm ſie in die Arme / und redete ſie gantz liebaͤuglende an: Allerſchoͤnſter Engel! ſagte ich mit hoͤchſter Unwarheit / ich erkenne die - ſes als eine Probe ungefaͤrbter Liebe / daß mich mein Kind ſolcher Geheimniſſe wuͤrdiget / woran mir und unſerer Liebe viel gelegen iſt: ſie entdecke mir doch ferner / ob auch meinem Herrn einigeOGe -210Der Aſiatiſchen Baniſe. Gefahr hieraus zuwachſen koͤnne / wenn ja uͤber Verhoffen diß Bild ein Verraͤther waͤre. Ey Poſſen / was Gefahr? erwiederte Eſwara / mei - ne Princeßin! (ich beſchwere euch aber bey un - ſerer Liebe / ſolches auch eurem Herrn nicht zu ent - decken) wuͤndſchet / daß ihr Lebens-Erretter eine ſolche Perſon waͤre / wie es das bildniß faſt zeu - get / alsdenn hoffet ſie von dem verhaßten Zarang / wie von dem Panther / erloͤſet zu werden: ja ich wolte ſchweren / ihm alle Gegen-Liebe zu ver - ſchaffen. Wie angenehm mir dieſes zu hoͤren war / ſo hertzlich wuͤnſchte ich / das es mein Printz bald wuͤßte. Ob ich nun zwar gerne fortgefah - ren und noch ein mehrers aus ihr gebracht haͤtte / ſo ließ ſie ſich doch die Liebe zu ſehr einnehmen / welche ſie gantz auf andere und mir hoͤchſtwidrige Reden brachte / daß ich nicht wuſte / was ſie eigent - lich hierunter verſtehen wolte / iedoch ihr Abſehen von weiten wohl merckte / alſo daß ich wuͤndſchte / aus lauterm Abſcheu / wiederum bey meinem Printzen zu ſeyn. Wie ich nun in ſolchen Aeng - ſten war / begab ſie ſich ungefaͤhr an ein Fenſter / thaͤt einen lauten Schrey / und erſchreckte mich aufs euſerſte / als ſie ſagte: Da ſchlage der Hen - cker drein / hier koͤmt mein Teuffel. ich fragte ſie nun aͤngſtiglich / wer es denn waͤre? da entdeck - te ſie mir / es waͤre ihr Mann / welcher Ober-Ele - phanten-Waͤrter waͤre. Und alſo erfuhr ich / daß mein lieber Engel eine verheyrathete Perſon ſey / welches mich theils erfreute / theils bekuͤm -mer -211Erſtes Buch. merte. Drauff ſagte ſie: Hier iſt nich lange wartens / verberget euch um des Himmels willen / ſonſt bin ich des Todes. Wieſe mir auch hier - auff einen mit einem biß auf den Boden bedeck - ten Schranck / unter deſſen holen Fuß ich mich verſtecken ſolte. Auff ſolches bewegliche Zure - den / da ſie mir gar Todes-Gefahr vor Augen ſtellete / ließ ich mich endlich bewegen / und verbarg mich auff allen Vieren unter dieſen Teppich. Jch hatte mich kaum eingelagert / ſo kam der gute Mann zur Thuͤre hienein / welcher ſie alſobald an - fuhr / und ſagte: Du altfraͤnckiſche Kuppel-Hu - re / wo haſtu den fremden Kerlen hingeſteckt / wel - chen dir der kleine Mohr zu deiner Leichtfertigkeit herholen muͤſſen. Sag es bald / oder du und dein Boͤſewicht ſollt meinen Elephanten zu einem Futter dienen. Wie mir da das Hertze klopfte / laſſe ich einen andern davon urtheilen / welcher ſein Gewiſſen / in dieſem Fall / mehr als ich / beſchweret befindet. Was / hub ſie gantz trotzig an / ſieheſtu mich vor eine ſolche gemeine Perſon an / welche ſich von der Straſſen andere Leute zu ihrer Be - dienung wuͤrde holen laſſen / als ob ich nicht Auf - wartung von den Hofleuten zu Hauſe gnung haͤtte. Derowegen ſo ſiehe zu / ob du auch deine Reden verantworten kanſt / und gedencke / daß ich dich ſo geſchwinde wieder von deinem Elephan - ten-Dienſte bringen koͤnne / als ich dich dazu ge - bracht habe. Er aber wolte mit dieſer Entſchul - digung nicht zu frieden ſeyn / ſondern ſagte: Dei -O 2nes212Der Aſiatiſchen Baniſe. nes Redens ungeachtet / ſo muß ich doch ſehen / wer in meinen Hauß-Frieden ſtoͤren will. Es iſt heutiges Tages eine verdaͤchtige Sache / um eine Frau / welche weiß / daß zwey Steine beſſer mahlen / als einer: und nach dieſen Worten be - gunte er uͤberall herum zu ſuchen. Waͤhrenden Suchens nun wuſte Eſwara vor Angſt nicht / was ſie thun ſolte: und weil hin und wieder eini - ge Jagd-Hunde auff dem Boden lagen / welche in ihrer Unſchuld ihrer Ruhe pflegten / nahm ſie einen Stecken / und wolte ſie aus dem Zimmer ja - gen / ob ſie zwar deſſen keine Urſache wuſte. Die Hunde aber furchten ſich ihre Beqvehmligkeit zu verlieren / und wolten nicht aus dem Zimmer / ſon - dern ſuchten hier und dar / die Winckel zu ihrer Sicherheit. Endlich wolte ſich auch ein groſſer Reckel / welcher ſcheckicht war / unter den Teppich / worunter ich ſtack / verbergen: als er aber etwas lebendiges / welches ſeiner Art unaͤhnlich war / vermerckte / hub das Raben-Aaß an zu bellen / und ſetzte mich in die euſerſte Hertzens-Angſt. Ob ihn nun zwar Eſwara ſuchte abzutreiben / ließ er doch nicht ab / ſondern brachte die andern Hunde zugleich mit an / daß ſie ingeſamt mit bellen und turnieren meinen Poſto beſtuͤrmten / auch endlich den Teppich mit ihren Zaͤhnen anfielen / herunter riſſen / und alſo meine arme Geſtalt entdeckten. Hier ſaß ich nun / wie eine Ganß uͤber den Eyern / und wuſte nicht ob ich beten oder fluchen ſolte. Siehe da / fieng endlich der Mann an / HerrSchwa -213Erſtes Buch. Schwager / hat er in meinem Teiche fiſchen wol - len / und laͤſt ſich ſelber fangen? Sucht er mich zu einem Hirſchen zu machen / und die Hunde ſehen ihn vor einen Haſen an? Nur hervor / die Ele - phanten ſollen ein artig Ballet mit euch tantzen. Jch wuſte hierauff nichts zu antworten / denn ob ich gleich ein gut Gewiſſen hatte / ſo war doch der aͤuſſerliche Schein verrathen / und haͤtte ich mich nicht / ihr zu folge / verkriechen ſollen. Endlich als ich ſahe / daß es nur ein kleines und duͤrres Maͤñ - chen war / ſo vermeinte ich noch wohl mit ihm aus - zukommen / begab mich demnach aus meinem La - ger hervor / und machte mich zum Abzuge fertig. Weil ich aber merckte / daß er nach ſeinen Knech - ten ruffen wolte / welche mich leicht haͤtten einho - len koͤnnen / ſo faßte ich eine kurtze und gute Reſo - lution / nahm den herunter geriſſenen Teppich / uͤberfiel hiemit das kleine gute Maͤnnchen / und wickelte ihn ſo feſte hinein / daß er ohne der Frau - en Huͤlffe unmoͤglich wieder heraus konte. Hie - mit ſprang ich nach dem Ausgange des Zimmers / und nahm meinen Abſchied ſo fluͤchtig / als ob mich noch die verraͤtheriſchen Hunde verfolgten / biß ich unſern Palaſt gluͤcklich wiederum erreichte. Wie das liebe Paar ferner mit einander ausgekommen iſt / ſolches habe ich nicht erfahren. So bald ich nun wieder bey meinem Printzen angelangt / er - zehlte ich ihm die artige Begebenheit / nach allen Umſtaͤnden / welche er denn hefftig belachte / und innigſt vergnuͤgt befande / als ich ihm auch dasO 3ent -214Der Aſiatiſchen Baniſe. entdeckte / was mir Eſwara von der Princeßin wegen des Bildniſſes vertrauet hatte. Dahero ſich mein Printz feſte einbildete / er ſaͤſſe bereits dem Gluͤcke im Schooſſe / und koͤnte unmoͤglich heraus fallen. Weil wir auch auf morgenden Tag von dem Kaͤyſer zu einem Schiff-Feſte / welches ſie Sapan Donon nennten / eingeladen wurden / ſo konte mein Printz kaum den Morgen erwarten / nicht ſo wohl die Pracht des Kaͤyſers / als bevoraus die Sonnen-gleiche Baniſe / ſeinen Augen vorzuſtellen. Der erwuͤndſchte Morgen brach an / da ſich denn mein Printz auf das be - ſte heraus ſchmuͤckte / und ſeinen koſtbaren und un - vergleichlichen Sineſiſchen Rock anlegte: dieſer war von einem ſonderlichen Zeuge / in welchen die wunderſchoͤnen Federn des Koͤniges-Vogel aus Sina kuͤnſtlich eingewuͤrcket waren / welche we - gen ihrer bunten Schoͤn - und Seltenheit dem Golde weit vorgezogen werden / die Knoͤpffe dar - auff waren von gediegenem Golde / deren ieden ein groſſer Diamant zuſpitzte. Vorn herunter uͤber die Laͤnge des Rocks giengen auf iedweder Seite einer qveer Hand breit geſchlagene / und mit kuͤnſtlichen Gelencken verſehene / Gold-Plat - ten / welche dermaſſen reichlich mit Diamanten verſetzet waren / daß man ſie faſt / ohne Verletzung der Augen / nicht anſehen konte. Ein Aſiatiſcher und auf ſonderbahre Art gewundener Bund be - deckte ſein Haupt / woran das von Higvanama mitgegebene Kleinod hieng / und an dem Sebelkonte215Erſtes Buch. konte man gleichfals vor den haͤuffigen Diaman - ten faſt nicht erkennen / von was vor Materie das Gefaͤß und die Scheide gemacht waͤre: alſo daß dieſer Koͤnigl. Schmuck meinen Printzen ſattſam verrieth / er ſey etwas hoͤhers / als eines kleinen Koͤ - nigs aus Tannaſſery Sohn. Jn ſolcher Pracht ſetzten wir uns zu Pferde / und begaben uns vor die Stadt / alda an dem Fluſſe des Kaͤyſers zu er - warten / und deſſen praͤchtigen Auffzug anzuſe - hen. Was hier vor ein Zulauff des Volckes war / als wir durch die Stadt ritten / iſt nicht zu be - ſchreiben / und konte ich mir einbilden / daß dieſes Volck entweder mich oder meinen Printzen be - wunderten. Als wir nun eine halbe Stunde vor der Stadt bey dem Fluſſe angelanget waren / ſahen wir ein groß Theil des Waſſers mit kleinen Schiffen bedecket / welche meiſtentheils vergoldet / und mit vielen bunten Flaggen und Segeln von Atlaß gezieret waren / das denn ein vortrefflich ſchoͤnes Anſehen machte / indem zugleich die Son - ne dieſen Aufzug mit anſchaute. Vor allen an - dern fiel das groſſe Koͤnigs-Schiff in die Augen / welches des Kaͤyſers Herr Vater noch hatte ma - chen laſſen. Dieſes war aus - und inwendig reichlich und ſtarck vergoldet / und mit ſo vielen kuͤnſtlichen Blum - und Schnitzwercke ausgezie - ret / daß wir uns nicht gnugſam daruͤber verwun - dern konten. Die Segel waren von roth - und gelben Damaſt / alle Stricke aber von rother Sei - de mit Golde durchflochten. Es war ziemlichO 4lang216Der Aſiatiſchen Baniſe. lang / iedoch etwas enger / als es ſonſt Proportion halber haͤtte ſeyn ſollen. Auff ieder Seide wa - ren hundert und funfftzig Ruder / welche hinun - ter bis an die Breite ſtarck verguldet waren. Die Ruderer ſaſſen auff beyden Seiten / und uͤbten ſich indeſſen mit vielen hin - und wiederfahren / biß zu des Kaͤyſers Ankunfft. Ein ieder hatte ein be - ſonder kurtzes Ruder in der Hand / mit welchem ſie das Waſſer fein zugleich an ſich zu ziehen / und dem Schiffe dermaſſen geſchwinde fort zu helffen wuſten / daß faſt kein Pfeil geſchwinder fliegen kan / zumahl keiner ſein Ruder eher aus dem Waſ - ſer hub / als der andere / welches denn eine ſonder - und wunderbahre Augenluſt war. Jn der Mitten ſtund ein verdecktes Haͤußgen / mit un - terſchiedenen Fenſtern gezieret / und hatte einen ziemlichen Umfang. Als wir dieſer Luſt eine weile zugeſehen / hoͤrten wir durch das ferne Ge - tuͤmmel und Blaſen der Trompeten / daß der Kaͤyſer ankaͤme / dannenhero ſich alles im Au - genblick in Ordnung begab / und ſolche Ankunfft erwartete. Wir blieben am Ufer unfern des groſſen Schiffs halten / iedoch daß wir keine Hin - derung verurſachten. Nach weniger Zeit-ver - flieſſung erblickten wir den Vorzug / welcher in 3. Ordnungen beſtand / und zwar in dem erſten die mit den Lantzen / nachmahls die Schuͤtzen mit Feuer-Roͤhren / und dann die mit Schwerdtern und Schilden; mitten zwiſchen dieſen Hauffen giengen einige gewapnete Elephanten. Hinterdie -217Erſtes Buch. dieſer Ordnung folgete Printz Xemin auff einem ſchoͤnen ſchwartzbraunen Hengſte mit verwun - derlicher Pracht / worauff die vornehmſten Her - ren des Reichs und Hofes / ingleichen alle Kriegs - Oberſten und Hauptleute in ſchoͤner Ordnung zogen. Nach dieſem giengen zwar rothe Ele - phanten mit Gold und Seyden reichlich gezieret / denen vier weiſſe folgeten / welche mit Gold - und Edelgeſteinen faſt bedeckt waren. Dieſe hatten uͤber ieden Zahn ein Futteral von gediegenem Golde / dichte mit Rubinen verſetzt / welches ihnen ein praͤchtiges Anſehen machte. Hierauff kam der Kayſer ſelbſt auf einem erhabenen / und aus ei - nem Stuͤcke gemachten Triumph-Wagen / mit einem koſtbaren / und gantz verguͤldeten Himmel. Dieſer Wagen ward von acht ſchoͤnen Hermeli - nen gezogen / deren Zeug Carmoſin und Gold war / neben denen Pferden giengen viel Hauptleu - te / welche Stricke in Haͤnden hatten / und ſich an - ſtellten / als ob ſie den Wagen ziehen huͤlffen. Sein Haupt ward von keiner Krone / ſondern mit groſſen Perlen eines unſchaͤtzbaren Werthes be - decket. Auff jeder Seiten hieng ein Rubin / biß an die Ohren / deren Groͤſſe ieder zwey Dat - teln uͤbertraff. Es hieng ihm auch eine Schnu - re der koͤſtlichen Edelgeſteine von dem Halſe biß an den Guͤrtel / deren Glantz die Augen blendete. Der vielen Rubinen / Diamanten / Schmarag - den und Saphieren zu geſchweigen / die er hin und wieder an ſich truge. Neben ihm ſaß ſtatt derO 5Kaͤy -218Der Aſiatiſchen Baniſe. Kaͤyſerl. Gemahlin / welche vor zwey Jahren ge - ſtorben / das unſchaͤtzbare Kleinod Aſiens / die him̃ - liſche Baniſe / welche ſich / ihrer Gewonheit nach / nicht ſonderlich ausgeſchmuͤcket / ſondern nur ei - nen ſchneeweiſſen Rock angeleget hatte / welcher / wie auch die fliegenden Locken mit einigen vor - trefflichen Diamanten beworffen war / deren Blitz aber / gegen ihre Augen und Engliſcher Ge - ſtalt / gleichſam zu verdunckeln ſchiene. Hinter die - ſen kam auf einem gleichfalls koſtbaren Wagen die Princeßin von Savady gefahren / deren Sei - te Printz Zarang von Tangu beſaß; und kunte man des Zarangs Mißvergnuͤgen und der Prin - ceßin beaͤngſtigte Liebe / beyden aus den Augen le - ſen. Dieſen folgete das uͤbrige Frauenzimmer nach / unter welchen ich die holdſelige Eſwara er - blickte / welche mich ſeuffzende anblickte / nicht weiß ich / ob ſie hierdurch ihre Liebe oder ihre Straffe von dem Manne / welchen ich ihr hertzlich goͤn - nete / andeuten wolte. Zuletzt beſchloſſen zwey - hundert Soldaten zu Fuſſe den gantzen Auffzug. Dieſer Zug gieng nun gleich auf das praͤchtige Schiff zu / wenn aber die foͤrderſten an das Ufer kamen / ſchwenckten ſie ſich nach der rechten Hand von dem Waſſer ab / daß alſo die hinterſten / biß auf den Kaͤyſer / an den Fluß gelangen kunten. Als nun Printz Xemin meinen Herrn erſahe / ſtieg er von dem Pferde / welches mein Printz gleichs - falls that / und ſich recht bruͤderlich umarmeten / biß der Kaͤyſer ankam / welchen der Printz mitzur219Erſtes Buch. zur Erde geſchlagenem Angeſichte gleichſam anbe - tete. Wie ihn aber der Kaͤyſer zuwinckte / verfuͤg - te er ſich an den Wagen und kuͤſſete ſeine Hand. Die Princeßin Baniſe verwendete indeſſen kein Auge von meinem Printzen / welches ich genau bemerckete / und ließ ſolche Blicke ſchieſſen / die et - was feuriges anzudeuten ſchienen / wiewol ſie ſich ſo angenehm hierinnen zu maͤßigen wuſte / daß man billich nur muthmaſſen durffte. Der Kaͤy - ſer eꝛlaubte zugleich meinem Printzen das Koͤnigl. Schiff zu betreten / und ſolte er die Princeßin von Savady hinein begleiten. Welchen Befehl mein Printz gehorſam verrichten muſte / und war es gut / daß Xemin ſolches mit anhoͤrte / ſonſt haͤtte er waͤhnen moͤgen / mein Printz waͤre meineydig worden. So bald der Kayſer vom Wagen ge - ſtiegen / fielen alle Anweſende nieder / huben die Haͤnde dreymal empor / und kuͤſſeten die Erde / welches die gewoͤhnliche Ehre eines Kaͤyſers von Pegu iſt. Hierauf begab ſich der Xemindo ver - mittelſt eines kleinen Schiffes nach dem Haupt - Schiffe / welchen Printz Xemin nebſt der Bani - ſen begleiteten. Mein Printz aber fuͤhrete die Princeßin von Savady / welches ihm Zarang gerne erlaubte / in einem Schiffe / worein ſich Za - rang nebſt mir gleichfalls begab / und geſchah die - ſe Uberfahrt auf unſerm Schiffe mit ſolcher Stil - le / daß / wenn der Wind ſo ſtille geweſen waͤre / wir unmoͤglich anſtoſſen koͤnnen. Als wir nun allerſeits das groſſe Schiff betreten / auch alle An -we -220Der Aſiatiſchen Baniſe. weſende ſich in die andern Schiffe begeben hatten / ſo fuhren wir unter dem Schalle vieler Trompe - ten und anderer unzehlicher Jnſtrumenten freu - digſt dahin / nach Macaon / allwo dieſes Schif - Feſt jaͤhrlich begangen wird. Gegen den Abend bekamen wir erwehnte Stadt zu Geſichte / wel - ches eine ziemliche Feſtung zu ſeyn ſchiene: Und als wir uns derſelben genaͤhert hatten / empfieng ſie uns dermaſſen mit Stuͤcken / daß ſich der Fluß gleichſam von dem ſchrecklichen Knallen ſchwell - te / und man eine geraume Zeit die Stadt vor hefftigem Dampffe nicht ſehen kunte. Nach - dem wir aber angelendet / wurden wir mit groſ - ſem Freuden-Geſchrey des Volckes angenom - men / und ſo fort ein ieder in der Stadt angewie - ſen / wo er biß zu folgendem Morgen ſeine Be - qvemligkeit haben ſolte: Dahin wir uns denn verfuͤgten / und alſo mein Printz / auch nur des bloſ - ſen Anſehens / von ſeiner Princeßin wenig genoß. Folgenden Morgen begaben wir uns nach dem Pallaſt des Kaͤyſers / welcher / wie faſt alles ande - re / gleichfalls aus - und inwendig mit Golde ge - zieret / und mit luſtigen Gaͤrten umgeben war. Aus dieſem Pallaſte verfuͤgten ſich alle hohe Per - ſonen nach einem andern / welcher an dem Fluß gebauet war / in welchem der Kaͤyſer nebſt denen Princeßinnen ſich an die Fenſter begaben / und die - ſem Schiffs-Feſte zuſahe. Solches beſtund nun hierinnen / daß alle Vornehme des Hofes / und wem es beliebte / auff den kleinen Schiffen dieWette221Erſtes Buch. Wette renneten / da denn ein ieder ſelb-ander das Ruder regieren muſte. Wer nun zum er - ſten an den Pallaſt unter des Kaͤyſers Fenſter kam / der trug den Preiß davon / und bekam von der Princeßin Baniſe einen guͤldenen Krantz / die nechſten aber einen ſilbeꝛnen / und ſo fort an. Wel - che aber zuruͤcke blieben / die wurden ziemlich durchgezogen / der letzte aber hatte von dem ſaͤmt - lichen Frauenzimmer ein bloſſes Tuch zu gewar - ten. Solchen guͤldenen Krantz von der ſchoͤnen Princeßin Hand zu erlangen / bewegte meinen Printz / daß er ſich unterſieng / dieſem Wettſtreite beyzuwohnen / welches dem Kaͤyſer ſehr wohl gefiel / und dannenhero die andern Printzen ihm nachfolgeten / deren ieder ſich ein Schiff erwehle - te. Mein Printz nahm mich zu ſich / und ermah - nete mich zu euſerſter Darſtreckung meiner Kraͤff - te / mit Verſprechen dreyßig Bizen Goldes / wo wir den Preiß erlangten: Und legte er einen an - dern Rock an / ich aber warf meinen gar weg / um deſto geſchickter zum Rudern zu ſeyn. Als wir uns nun alle zu Schiffe begeben / und eine gleiche Linie qver uͤber den Strom gemacht hatten / wur - de das Zeichen mit 24. ſilbernen Trompeten ge - geben. Was nun da vor eine aͤngſtliche Bemuͤ - hung auf allen Seiten zu ſehen war / ſolches iſt unbeſchreiblich / wiewohl mich meine hefftige Ar - beit nicht viel umſehen ließ. Ob uns nun zwart et - liche Schiffe faſt bey zwanzig Schritten zuvor ge - kommen waren / ſo ſchickten es doch die guͤtigenGoͤt -222Der Aſiatiſchen Baniſe. Goͤtter / daß ſie an einander fuhren / und ſich der - maſſen verwirreten / daß wir Zeit genung hatten / ſeitaus zu fahren / und einen weiten Vorſprung zu nehmen / welcher uns denn dermaſſen zu ſtatten kam / daß der Hinterſtelligen Bemuͤhung nur ver - gebens war / und wir gantz gluͤcklich unter der Princeßin Baniſen Fenſter zu erſt ankamen / wel - che mein Printz mit einer tieffen Neigung beehr - te. Der nechſte hinter uns war Printz Xemin / nach dieſem aber Printz Zarang / welcher vor Ver - druß gantz blind zu ſeyn ſchiene / und mit ſolcher Gewalt an die vorgeſetzten Ziel-Pfaͤle anlieff / daß er ruͤcklings ins Waſſer fiel / und mit Muͤhe mu - ſte errettet werden: Welches denn die Princeſ - ſin von Savady dermaſſen erſchreckte / daß wir ei - nen lauten Schrey von ihr hoͤren kunten. Als nun alle Schiffe angelanget / ſtiegen die Printzen ans Land / die uͤbrigen Schiffe aber wiederholten ihr rennen noch zu unterſchiedenen malen. Die Printzen legten ſich allerſeits an / und verfuͤgten ſich nach dem Kaͤyſer / um die ausgeſtellten Preiſ - ſe zu empfangen / iedoch mit ungleicher Vergnuͤ - gung: Denn als mein Printz mit einem guͤlde - nen / Printz Xemin aber mit einem ſilbernen Krantze von der ſchoͤnen Hand der Princeßin Baniſen gekroͤnet ward / erhielte Zarang nur von der Hand der Savaderin einen glaͤſernen Blu - men-Topf mit Blumen gefuͤllet / welchen er zwar annahm / iedoch denſelben / gleich ob es aus Ver - ſehen geſchehen / unachtſam auf die Erden fallenließ223Erſtes Buch. ließ / daß er in tauſend Stuͤcken zerbrach: wo - durch er ſein Mißvergnuͤgen ſattſam zu verſtehen gab. Nach dieſem wendete er ſich bald zu der Princeßin Baniſe / welche deſſen Rede / ſo viel ich anmerckte / iederzeit mit einer Roͤthe / und gantz verdrießlich-ſcheinende / beantwortete. Mein Printz ſtund von ferne / und ſahe mit tieffſter See - len-Empfindung zu; ja ſo offte nun Zarang ihre Hand zum Munde fuͤhrete / ſie zu kuͤſſen / ſo offte empfand ſein Hertz einen toͤdtlichen Stich. End - lich erblickte ich an der Princeßin das verlohrne Bildniß der Higvanama / welches ſie auf ihre lin - cke Bruſt gehefftet hatte. Dieſes entdeckte ich ſo bald bey erſter Gelegenheit meinem Printzen / woꝛuͤber er ſich nicht wenig entfaͤꝛbete / iedoch nach Art der Verliebten alles zu ſeinem beſten ausdeu - tete. Jnzwiſchen wurde alles zu einem Kaͤyſer - lichen Panqvete angeſchicket / welches auf einem groſſen Saale / der faſt mit Cryſtall uͤberzogen war / ſolte gehalten werden. Wir wurden in kurtzem durch der Trompeten Schall zur Mahl - zeit beruffen / und muſte auf Kaͤyſerlichen Befehl mein Printz wiederum die Princeßin von Sava - dy nach dem Saal begleiten / welches er endlich ſo weit willig verrichtete / als er nur ſahe / daß die Princeßin Baniſe nicht von dem Zarang / ſondern von ihrem Bruder dem Xemin gefuͤhret wurde. Welches ein Zeichen Kaͤyſerlicher Ungnade ge - gen den Zarang war / deſſen Urſache uns Tale - mon ſchon entdecket hatte. Wir wurden auffden224Der Aſiatiſchen Baniſe. den mit koſtbaren Tapeten belegten Boden zur Taffel geſetzet / und zwar oben der Kaͤyſer / ei - nige Schritte von deſſen lincken Hand ſaß die Princeßin Baniſe / neben ihr aber wurde doch Za - rang geſetzt / um / meines Erachtens / ihn nicht all - zu ſehr vor den Kopff zu ſtoſſen / welche beliebte Stelle er auch mit ſonderbarem Hochmuth ein - nahm / und meinem Printzen nichts als veraͤchtli - che und ſaure Blicke mittheilte. Zur rechten Hand des Kaͤyſers wurde der Cron-Printz Xe - min / neben den die Princeßin Savady / und alsdenn mein Printz geſetzet / welchen auff beyden Seiten eine ziemliche Reyhe der vornehmſten Herren folgeten. Ob ich nun zwar auch an dieſe Taffel genoͤthiget wurde / ſo wolte doch ich lieber meinem Printz aufwarten / um deſto genauer al - les zu bemercken / welches mir endlich zugelaſſen ward. Bey dieſer Mahlzeit nun wurde die herr - lichſte Muſic gehoͤret / welche ſich Chor-weiſe an unterſchiedenen Ecken vernehmen ließ: So ſtel - leten ſich auch nach hieſiger Landes-Art unter - ſchiedene Taͤntzerinnen und Poſſen-Spieler ein / damit alle Sinnen wohl ergoͤtzet wuͤrden. Der Schiraſſer Wein / welcher jaͤhrlich in ziemlicher Menge aus Perſien nach Hofe verſchrieben wird / gienge ziemlich ſtarck herum / und erhitzte ſo wohl die Koͤpffe / als die Gemuͤther. Es war aber nichts geſchaͤfftiger / als die Augen der ſchoͤnſten Baniſen und meines Printzen / welche einander unzehlich mal im Anſchauen begegneten / und ſichhier -225Erſtes Buch. hierdurch iederzeit beſchaͤmt zuruͤcke und nieder - ſchlugen. Unſer verliebter Zarang aber ließ ſich den Wein dermaſſen ſchmecken / daß hierdurch / ungeachtet voriger Beſchaͤmung / ſeine Liebe gleichſam wieder aufgewaͤrmet ward / alſo daß er der ſchoͤnen Princeßin ſehr beſchwerlich fiele / in - dem er ihr entweder / ob ſie gleich der Speiſe ge - nieſſen wolte / die Haͤnde raubte / oder ihre Achſeln mit ſeinem Kopffe beſchwerte / und was derglei - chen verliebte Poſſen durch trunckene Liebe mehr begangen werden. Ja endlich ſchuͤttete er ihr gar ein Geſchirre mit Wein auff den Halß / wo - durch er bey der Princeßin ein erſchrockenes / bey dem Kaͤyſer ein ſaures Geſichte / bey meinem Printzen aber ein heimliches Frolocken erweckte. Damit nun die allgemeine Freude durch dieſe Grobheit nicht moͤchte verſtoͤret werden / ſo wurde es endlich in ein Stillſchweigen hiervon ver - wandelt.

Wie aber nichts vergaͤnglicher iſt / als die Welt-Freude und Ergoͤtzlichkeit des Zeitlichen: alſo wuͤrde man dieſes auch gerne nachgegeben haben / wenn die Zeit nur noch zur Zeit zu Voll - ziehung dieſer Kaͤyſerlichen Luſt erlaubet haͤtte. Denn / als der Kaͤyſer in voller Majeſtaͤt ſeine Pracht erwieſe / und ſeine Vergnuͤgung durch al - le erſinnliche Ergoͤtzligkeit / welche das Gluͤcke ei - nem ſolchen Monarchen goͤnnet / ſuchte / ja nie - mand von den Anweſenden an einige Hinderung gedachte / ſiehe / ſo kam ein Courir aus Pegu / wel -Pcher226Der Aſiatiſchen Baniſe. cher einen andern aus dem Koͤnigreich Martaba - ne / und zugleich dieſe erſchreckliche und betruͤbte Zeitung mit brachte / daß Chaumigrem / Koͤnig von Brama / unverwarnter Sache ſelbtes Reich mit einer gewaltigen Armee uͤbeꝛzogen / die Haupt - Stadt Martabane durch Verraͤtherey erobert / und den Koͤnigl. Stamm erbaͤrmlich umgebracht haͤtte. Weil nun der erwuͤrgete Koͤnig / Cham - bainha / ein Eydam des Kaͤyſers war / indem er ſich die aͤltiſte Princeßin von Pegu vor ſieben Jahren vermaͤhlen laſſen: als wurde der gantze Hof hieruͤber ungemein beſtuͤrtzt. Die Muſic ſchwieg im Augenblick ſtille / alle Taͤntzer wurden abgeſchaffet / und einieder ließ ſein hertzliches Bey - leid aus den Augen blicken. Auſſer dem Kaͤyſer ſahe man eine ungemeine Großmuͤtigkeit an / wel - cher auch den Uberbringer dieſer ungluͤcklichen Poſt vor ſich kommen / und ſich den Verlauff des kurtzen / doch jaͤmmerlichen Krieges vor unſern Ohren erzehlen ließ.

Eur. Maj. hub er an / gehorſamſte Folge zu leiſten / ſo berichte in Unterthaͤnigkeit / daß ich ein geborner Marabaner und treuer Unterthaner meines liebgeweſenen Koͤnigs bin / welcher mich auch ſeine Koͤnigl. Gnade ſattſam empfinden laſ - ſen / indem er mich gewuͤrdiget / einen Hauffen von drey tauſend Mann zu Roß zu commandiren; Dahero ich denn ſo ungluͤcklich geweſen / daß ich alles mit meinen Augen anſehen muͤſſen / woruͤ - ber mein Hertze noch blutet. E. M. wird es ſatt -ſam227Erſtes Buch. ſam bekandt ſeyn / wie der Haupt-Rebelle Chau - migrem / eingebildeter Koͤnig von Brama / ieder - zeit einen toͤdtlichen Haß gegen J. Maj. getragen / wegen tapfferer Beſtraffung / womit J. M. dero gerechteſte Rache an ſeinem gleichfalls rebelli - ſchen Bruder ausgefuͤhret / und ihn den verdien - ten Lohn bey dieſer Stadt Majao vor einem Jah - re ertheilet. Solche Niederlage hat nun dieſen Bluthund aus ſeinen Winckeln wieder hervor gezogen / deſſen Frevel ſich nicht allein unterſtan - den / den unrechtmaͤßigen Beſitz von dem Reiche Brama / als ein Erb-Recht und Cron-Folge zu behaupten / ſondern auch gar mit Bedrohung ver - meynter Rache an dem heiligen Haupte J. M. zu vergreiffen. Weiln er aber ſich nicht getrau - te / dero gerechteſte Waffen / oder die Peguaniſche Tapfferkeit zu verſuchen; als wolte er an den Schwaͤchern ſeine Grauſamkeit ausuͤben / umb nicht ſo wohl ſich an dieſem hohen Kaͤyſerl. Hau - ſe wegen naher Anverwandſchafft meiner entſeel - ten Koͤnigin zu raͤchen / als auch ſeine Macht zu verſtaͤrcken: Deßwegen er einige Zeit her unter - ſchiedene hoͤchſtunbilliche Foderungen an das Reich Martabane gethan / welche ihm allemal großmuͤthig von unſerm tapffern / und eines beſ - ſern Gluͤckes wuͤrdigen Koͤnige abgeſchlagen wor - den. Dahero der Tyranne durch ſolche Ver - weigerung ſich wol berechtiget erachtete / einen un - vermutheten Krieg anzufangen. Jch ſage recht / unvermuthet / indem wir des feindlichen Einfal -P 2les228Der Aſiatiſchen Baniſe. les nicht eher gewahr worden / als biß es das fluͤch - tige Land-Volck in unfern Feſtungen mit Scha - den bekraͤfftigte / daß der Feind in vollem Anzuge ſey. Es wurde ſo bald bey finſterer Nacht eilen - der Befehl an alle Kriegs-Haͤupter geſendet / un - verzuͤglich mit ihren Trouppen ſich nach der Haupt-Stadt Martabane zubegeben / und ſich da zuſammen zu ziehen / weil man doch wol ſahe / daß der grauſamen Macht des Feindes / welche in viermal hundert tauſend bewehrter Mann be - ſtund / nicht zu widerſtehen war; dannenhero man das gantze Land muſte Preiß geben / und den Ausgang dieſeꝛ ſchnellen Fehde auff einen Haupt - ſtreich ankommen laſſen. Unſere Voͤlcker ruͤck - ten zwar in moͤglichſter Eyl herbey / und formirten ein ſchoͤnes Lager von achtzig tauſend Mann. Al - lein was war dieſe geringe Macht gegen des Fein - des wuͤtende Gewalt; Denn dieſer kam als ei - ne rauſchende Fluth daher / und zog auff das Hertz des Reichs / will ſagen auff Martabane an. Deſſen Grauſamkeit kunten wir nun in der Koͤnigl. Burg bey Nachtzeit mit feurigen Buchſtaben an dem Himmel leſen / indem man uͤber hundert Feuer zehlete / mit welchen der Ty - ranne ſeine Wut gegen die verlaſſenen Huͤtten der armen Martabaner ausliß. So bald der Mor - gen angebrochen / begab ſich unſer Heldenmuͤthi - ger Koͤnig ſelbſt ins Lager / nachdem er Stadt und Burg wol beſetzt / und ſeine Gemahlin und Kinder denen Goͤttern anbefohlen hatte. Er ſtellete uns ſo fort wegen Annaͤherung des Fein -des229Erſtes Buch. des kluͤglich ins Feld / und dehnete unſeꝛe Schlacht - Ordnung dermaſſen weit aus / daß es ſchiene / als ob wir dem Feinde allen Vorthel benommen haͤtten. Um den Mittag ſahe man den Feind von ferne als einen groſſen Wald mit einem di - cken Staube daher rauſchen / welcher uns auch mit einem erſchroͤcklichen Geſchrey dermaſſen an - fiel / als ob er geſonnen waͤre / uns auf einmal zu verſchlingen. Allein wir empfiengen ihn der - geſtalt / daß wir in kurtzem Meiſter des Feldes waren / indem er wegen allzugroſſer Unordnung bald das Feld raͤumete. So hoch uns nun die - ſes erfreuete / ſo ſehr wurden wir erſchrecket / als wir durch unſere Kundſchafft benachrich - tiget wurden / es waͤren nur die Vor-Troup pen in funfftzig tauſend Mann ſtarck von uns geſchlagen worden. Zudem hatten wir bey die - ſem blutigen Anfange bey zehen tauſend Mann eingebuͤſſet / da hingegen auch bey fuͤnſund zwan - tzig tauſend feindliche Leichen das Feld bedecke - ten. Nach dieſem Siege ruͤckten wir wieder in unſer Lager / um des Feindes Vorhaben folgen - den Morgen zu erwarten. Dieſer kam aber - mals mit der voͤlligen Macht angezogen / und griff uns dergeſtalt auff allen Seiten an / daß inner - halb drey Stunden / ungeachtet aͤuſſerſten Wi - derſtandes / faſt alle niedergemacht / unſer Koͤnig gefangen / und kaum drey tauſend der Unſrigen in die Stadt entkommen waren. Was dieſes vor eine entſetzliche und grauſame Schlacht ge -P 3we -230Der Aſiatiſchen Baniſe. weſen / kan Eur. Maj. hieraus abnehmen / wenn ich berichte / daß der Feind wegen Menge der Todten in fuͤnff Tagen ſich nicht der Stadt naͤh - ern koͤnnen / obgleich taͤglich ihrem Bericht nach ſechs tauſend Mann die Todten einſcharren muͤſ - ſen. Als die Wahlſtatt in etwas geraͤumet / und der Feind truckenen Fuß ſetzen kunte / hub er ſo bald eine ernſte Belagerung an / welche aber in nichts als in einem ſtetswaͤrenden Sturm be - ſtund / indem er ſechs Tage und Naͤchte iedwedes mal mit funfftzig tauſend Mann grauſam ſtuͤr - men ließ. Ob wir nun zwar unſer werthes Haupt verlohꝛen hatten / und in des Feindes Hand wuſten / ſo lieſſen wir doch nichts von unſerer Treue und Tapfferkeit erwinden / womit wir uns unſerm vorlohrnen Koͤnige noch verbunden zu ſeyn erachteten / indem wir ieden Sturm dermaſ - ſen ritterlich abſchlugen / daß die Waͤlle vom feind - lichen Blute uͤberal gefaͤrbet waren / und der Feind wegen deſſen Schlipfferigkeit keinen feſten Fuß mehr ſetzen kunte. Was wir nun durch unſere Tapfferkeit wider ſolche Gewalt erhalten / dieſes verlohren wir durch ewig verdammte Ver - raͤtherey in einer Nacht / deſſen Urheber bloß dem gerechten Himmel bekandt iſt. Denn als der Feind ſeinen Kopff grauſam zerſtoſſen / und doch nicht viel damit ausgerichtet hatte / ließ er endlich von dieſem ſechs taͤgigen Sturme abblaſen / und fuͤhrte die ziemlich geſchwaͤchte Armee zuruͤcke. Worauff wir voller Freuden uns auch zur noͤthi -gen231Erſtes Buch. gen Ruhe begaben; wiewol wir durch fleißige Wachten alle Poſten wohl beſetzet lieſſen. Als wir aber am ſicherſten zu ſeyn vermeyneten / er - ſcholle das erſchreckliche Geſchrey / der Feind ſey ſchon in der Stadt / und ſey durch das Waſ - ſer-Thor hinein gedrungen. Ob nun zwar ein ieder nach den Waffen griff / ſo war es doch ver - gebens / weil Schrecken und Finſterniß uns ver - wehrete / zuſammen zu kommen / und alſo muſten wir gantz zerſtreuet des traurigen Morgens er - warten. Dieſer war kaum angebrochen / ſo er - hub ſich ein ſolch grauſames Wuͤten / Wuͤrgen und Niederhauen / dergleichen in Aſien wol nie mag geſchehen ſeyn. Ein Theil / und zwar die wenigſten / worunter auch mich das Gluͤck oder vielmehr das Ungluͤck ſchloß / wurden gefangen genommen: Ein theil flohe der Koͤniglichen Burg zu / wie wol zu hoͤchſtem Ungluͤck des Koͤ - nigl. Hauſes / denn der Feind drang ſich zugleich mit hinein / und verfuhr doch ſo weit gelinder / daß er der Koͤnigin / ihrer Kinder / des ſaͤmmtlichen Frauenzimmers und einiger groſſen Herren ver - ſchonete / und ſie nur gefaͤnglich annahm. Wie nun dieſen wuͤtenden Hunden ihre Fauſt an dem Blut-trieffenden Schwerdte faſt erſtarrete / hu - ben ſie an die herrliche und ſchoͤne Stadt nieder - zureiſſen in willens / ſie der Erden gleich zu machen / welchem der mit ſchweren Ketten belegte Koͤnig mit blutendem Hertzen zuſehen muſte. Was ich aber zuvor von einiger Gelindigkeit gegen dieP 4im232Der Aſiatiſchen Baniſe. im Schloſſe hohen Gefangene gemeldet / ſolches war nur ein kleiner Auffſchub ihrer verteuffelten Tyranney zu nennen. Denn als auch die ande - re Nacht verſchwunden / ſahe man die Sonne gantz blutig auffgehen / und ſchiene dermaſſen traurig zu ſeyn / gleichſam als ob ſie ſich ſelbſt be - truͤbte / eine ſolche nie erhoͤrte Grauſamkeit mit enzuſchauen. Nachdem wir wenigen Gefan - gene in das Feld geſtellet worden / ſahe man drey tauſend Mañ mit Spieſſen und Muſqveten daher kommen / welche hundert und viertzig Kernſchoͤne Weibes-Bilder / deren |iedesmal vier und viere zuſammen gebunden waren / unter ſich fuͤhreten / bey iedweder Kuppel aber gieng einer von den Bramaniſchen Prieſter oder Talegrepos / wel - che ſie troͤſten / und einen Muth zum Sterben ma - chen ſolten. Unter ſolchen betruͤbten Hauffen leuchtete die ſchoͤne Nhai Canato als eine Son - ne unter den Sternen hervor / welche ietzt in dem Todten-Meere untergehen ſolte; Und weil ſie von ſo hohem Kaͤyſerl. Stamme entſproſſen war / ſo ſchiene es / als ob der Tyranne ihr auch im To - de einige ſchuldige Ehre erweiſen wolte / indem zwoͤlff Thuͤrhuͤlter / mit ſilbernen Kolben auff den Achſeln / vor ihr her traten. Zur Seiten wur - den ihre vier Kinder / alß zwey Printzen und zwey Princeßinnen von ſo viel Maͤnnern auff Pferden gefuͤhret. Das uͤbrige Frauenzimmer war al - les von hohem Stande / und der Martabaniſchen Fuͤrſten Weiber und Toͤchter / deren Geſichteralle233Erſtes Buch. alle dermaſſen ſchoͤne waren / daß ſie unter den ab - ſcheulichen hauffen ihrer Fuͤhrer und Henckers - Knechte wie die Sonnen-Strahlen unter den ſchwartzen Wolcken hervor leuchteten. Man erblickte an ihnen das zaͤrteſte Weſen / und ſpiel - ten die vor Angſt erblaſſeten Roſen ihrer Wan - gen noch mit ſolcher Anmuth / daß auch die Stei - ne hierdurch haͤtten ſollen erweichet werden / an - geſehen alle zwiſchen funffzehen und fuͤnff und zwantz Jahren ihre Jugend mit einer ſchmertzli - chen Todes-Art verwechſeln muſten. Dieſer vor Augen ſtehende ſchmaͤhliche Tod / und erbaͤrm - liche Unbilligkeit preſſete einen Seufftzer und Zet - ter-Geſchrey nach dem andern heraus / worbey dieſe ſchwache / doch holdſelige Creaturen / faſt iedesmal in eine Ohnmacht fielen. Ob nun zwar viel andere Weiber / welche ihnen das Ge - leite gaben / ihnen allerhand Staͤrckungen und Confect reicheten / ſo kunten und wolten ſie doch nichts koſten / ſintemal die Bitterkeit des Todes alle Suͤßigkeit in Wermuth verwandelte. Hin - ter dieſem armſeligen Frauenzimmer folgeten 60. Grepos oder gemeine Prieſter / ie zwey nach einander / welche mit niedergeſchlagenen An - geſichtern in ihren Buͤchern laſen / und zum oͤff - tern rieffen: HErr / der du von keinem andern / weder von dir ſelbſten / das Weſen haſt / richte un - ſere Wercke / damit ſie deiner Gerechtigkeit gefal - ten moͤgen. worauff andere antworteten: HErr / verleyhe / daß dieſes alſo geſchehe / auffP 5daß234Der Aſiatiſchen Baniſe. daß wir die reichen Gaben deiner Verheiſſung wegen unſerer Suͤnden nicht verlieren.

Was nun das erbaͤrmlichſte Anſehen gab / das waren vier hundert kleine Kinder / welche hinter den Prieſtern in einer langen Reyhe daher lieffen: Dieſe waren unterwerts des Leibes gantz bloß / hatten Stricke um ihre Haͤlßgen / und weiſſe bren - nende Wachs-Kertzen in ihren Haͤnden. Dar - auf marchirte die Bramaniſche Wache mit Spieſſen und Mußqveten: Dieſem nach folgten hundert Elephanten / und uͤber das eine groſſe menge Volcks zu Roß und Fuß / daß alſo zwey tauſend Reuter / zehen tauſend Fußvolck / und zwey hundert Elephanten dieſe betruͤbte Ausfuͤhrung begleiteten / des uͤbrigen Volckes aber war keine Zahl. Mit dieſem anſehnlichen Auffzuge gien - gen dieſe Koͤnig - und Fuͤrſtliche Engel / welche ei - ner gluͤckſligen Unſterbligkeit wuͤrdig geweſen / durch das Feld nach dem erſchrecklichen Richt - Platz zu / allwo ein und zwantzig Galgen ihrer er - warteten. So bald man daſelbſt angelanget / machten ſich zu Pferde etliche Herolden hervor / welche uͤberlaut ausrufften: Jedermaͤnniglichen ſey diß Blut-Urthel kund / welches der lebendige GOtt verhaͤngt / der da will / daß gegenwaͤrtige hundert und viertzig Frauen ſterben / und in die Luft geworffen werden ſollen: Alldieweil aus ih - rem Rath und Anſtifften ihre Maͤnner und Vaͤ - ter rebelliret haben. Dieſes wurde nun vorge - ſchuͤtzet / weil der Bluthund das Koͤnigreich Mar -ta -235Erſtes Buch. tabane als Lehn-Reich von Brama wiſſen / und uns zu Vaſallen haben wolte. Dieſes Urthel war kaum ausgeſchrien / ſo erhub ſich von den Gerichts-Beamten und Henckers-Knechten ein ſo abſcheu - und duͤſterlich Geſchrey / daß einem die Haare zu Berge ſtunden: Und hiermit griffen die Hencker die Verurtheilten an. Was man nun hier vor ein jaͤmmerliches Schreyen und Weinen anhoͤren / und vor hertzbrechende Geber - den ſehen muſte / wie ſie einander um den Halß fielen / und mit tauſend Thraͤnen von einander Abſchied nahmen / ſolches wird mir niemand ver - uͤblen / wenn ich / als der ich es mit angeſehen / vor uͤbriger Wehmuth faſt nicht mehr reden kan. Zu - gleich hemmeten ihn auch die Thraͤnen die Rede / daß er eine ziemliche Weile ſchweigen muſte / und wir ihme faſt alle Geſellſchafft leiſteten / auſſer der Kaͤyſer / welchem man nur dann und wann ei - nen Tropffen abfallen ſahe. Als ſich nun dieſer be - truͤbte Ungluͤcks-Bothe in etwas wieder erholte / fuhr er alſo fort:

Unſere werthe Koͤnigin ſteuerte ſich inzwiſchen auf eine alte Frau / und war vor unausſprechli - chen Betruͤbniß ſchon mehr als halb todt. Ehe die andern aber ſich von den unbarmhertzigen Henckern wegſchleppen lieſſen / wolte gleich - wohl eine von dieſen armſeligen Damen im Na - men ihrer aller / der Koͤnigin zuvor noch die unter - thaͤnige Ehren-Pflicht erzeigen / und die letzte gute Nacht ſagen; Derowegen ſie ſie denn auf ſol -gen -236Der Aſiatiſchen Baniſe. gende Art / wiewohl mit ſchwacher und klaͤglicher Stimme / anredete: Durchlauchtigſte Frau! Nachdem wir anietzt in dem Stande demuͤthi - ger Sclavinnen zu der betruͤbten Wohnung des Todes hintreten / ſo troͤſtet ihr / als die ſchoͤne roſen-Krone unſerer Haͤupter / uns mit eurem anmuthigen Geſichte / auf daß wir mit deſto leichterm Kummer dieſen geaͤng - ſteten Leib verlaſſen / und vor der maͤchtigen Hand des gerechten Richters erſcheinen / zu dem wir / um unendliche Rache dieſer uns ange - thanen unbilligen Schmach mit bethraͤnten Au - gen ſchreyen wollen. Die hoch beaͤngſtigte Koͤ - nigin antwortete hierauf erſtlich mit einem klaͤg - lichen Blick / und einem ſolchen Angeſichte / dar - ein der Tod allbereit den erſten Entwurff ſeiner Geſtalt gemacht hatte / hernach mit folgender leiſen Stimme: Nehmet nicht ſo bald Abſchied / liebſte Schweſtern / ſondern helffet mir vor dieſe kleine Kinder tragen. Aber das lieſſen die eylen - den Scharffrichter / die mit ihrem Koͤnige die Barmhertzigkeit gemein hatten / nicht zu / welche unter wehmuͤthigſtem Ach und Eeh / Winſeln und Rach-Geſchꝛey alle dieſe ſchoͤne Leute erwiſch - ten / und ohn einiges Verſchonen ſie an zwanzig Galgen erbaͤrmlichſt aufhencketen / und zwar an iedweden ſieben / was aber noch das aͤrgſte war / ſo wurden ſie bey den Fuͤſſen aufgehenckt / weßwe - gen ſie denn unter ſchmertzlichem Seuffzen erſt in einer Stunde in ihrem Blut erſtickt waren. Hier -nechſt237Erſtes Buch. nechſt galt es der Koͤnigin / welche von vier Frau - en nach dem Galgen gefuͤhret ward / daran ſie mit groͤſſeſter Hertzens-Qvaal ihre Kinder ſolte zap - peln ſehen / welches ihr weit mehr als der eigene Tod zu Hertzen gieng. Der Rolimmunay / als ein groſſer Heiliger redete ihr fleißig zu / wie ſie den Tod unerſchrocken leiden ſolte. Jndeſſen foder - te ſie ein wenig Waſſer / nahm es in dem Mund / und ſpruͤtzte es uͤber ihre vier Kinder / deren iedes ſie nach einander auf die Arme nahm / ihnen ei - nen Abſchieds-Ruß nach dem andern auf den Mund druckte / mit ſo inbruͤnſtiger Bewegung / daß einem Tyger darvon die Augen haͤtten uͤber - gehen moͤgen. Endlich brach ſie in folgende Klag - Worte heraus: Ach / meine Kinder / die ich aufs neue in dem Eingeweide meiner Seelen gebohren / wie wolte ich mich ſo hoch begluͤcket achten / wann mir erlaubet waͤre / euer Leben durch einen tau - ſendfachen Tod zu erkauffen! Alsdenn wuͤrde ich alle Furcht / darinnen ihr mich / und ich euch ſehe / verlaſſen / und von dieſen grauſamen Henckern den Tod ſo willig erwarten / als gerne ich werde vor dem HErrn aller Dinge / in der Ruhe ſeiner himmliſchen wohnung erſcheinen.

Diß geſagt / ließ die betruͤbte Koͤnigin ihre Au - gen auf den Nachrichter ſchieſſen / welcher allbe - reit die zwey kleinen Printzen gebunden hatte / und ſagte zu ihm: Sey nicht ſo unbarmhertzig / daß du meine Kinder vor meinen Augen um - bringeſt. Richte mich erſt hin / und ſchlage mirdie238Der Aſiatiſchen Baniſe. die letzte Gunſt nicht ab / die mein ſterbender Mund von dir begehret. Mit dieſen Worten riſſe ſie die Kinder wieder zu ſich / umfieng / druͤckte und hertzete ſie / und gab ihnen tauſend Schei - dungs-Kuͤſſe / ſo lange / biß ſich der guͤtige Him - mel ſelbſt uͤber ſie erbarmete / und ihr Seele und Athem benahm / ehe ſie den Hencker-Strick fuͤhlete. Alſo ſanck ſie unter den Haͤnden der Frauen / auff welche ſie ſich ſteurete / todt dar - nieder. Wie der Hencker dieſes erblickete / ſprang er behende hinzu / raffte und henckete ſie geſchwin - de auf / hernach die vier andern Frauen / und end - lich zu ihrer Rechten die zwey jungen Printzen / zur Lincken aber die zwey kleine Princeßinnen.

Hier ſanck zugleich die Princeßin Baniſe uͤber der traurigen Erzehlung des ſchmertzlichen To - des ihrer Frauen Schweſter in eine ſtarcke Ohn - macht / alſo / daß ſie faſt nicht wieder zu ermun - tern war / und ſie dannenhero in ein ander Zim - mer muſte getragen werden. Die Thraͤnen haͤuf - feten ſich auch bey allen Zuhoͤrenden dermaſſen / daß man ſtatt vorigen Jauchtzens und Muſtici - rens / nichts als Klagen und weinendes Kluch - zen vernahm / welches deñ eine erbaͤrmliche Ver - aͤnderung des menſchlichen Zuſtandes war. Der großmuͤthige Kaͤyſer aber fuhr fort zu fragen / wir es ferner und bevoraus mit dem Koͤnige abgelauf - fen ſey? wovon er folgenden Bericht erſtattete: Dieſes erbaͤrmliche Mod-Spiel erweckete in Freund und Feinden ein ungemeines Trauren /wel -239Erſtes Buch. welches endlich in eine Verbitterung und Auff - ruhr ausſchlagen wolte / indem Chambainha / der ein Sohn und rechtmaͤßiger Erb-Printz des Rei - ches Brama war / deſſen Herr Vater nach eignem hohen Bewuſt durch des Tyrannen vorigen Bru - der / den Xenimbrum gleichfalls des Reiches und Lebens beraubet worden; Derowegen wachte die alte und natuͤrliche Liebe der Bramaner gegen ihren rechtmaͤßigen Herrn in etwas wiederum auf / und ließ es ſich allerdings zu einem gefaͤhrli - chen Aufruhr an. Hierzu halff nicht wenig das grauſame Zeter - und Klag-Geſchrey der unglaub - lichen zuſchauenden Menge / wovon auch die Erde erzitterte / und kam es ſo weit / daß hundert und zwantzig tauſend Mann ins Feld ruͤckten / und ſich der Tyrann in die Burg begeben muſte; wie - wohl dieſer loͤbliche Eyffer bald wiederum erkalte - te / und mit der einbrechenden Nacht gaͤntzlich ge - ſtillet ward. Unter dieſem ſchaͤndlich-erwuͤrgeten Frauenzimmer ſind drey Jungſern geweſen / die das Mord-Kind vorhin zu heyrathen begehret gehabt; weil er aber damals noch in dem Graͤfl. Stande von ihren Eltern abſchlaͤgige Antwort bekommen / hat er ſeine grauſame Liebe mit dem Stricke gerochen.

Zu Verhuͤtung aber ferneren Auffſtandes ließ der tuͤckiſche Hund dem gefangenen Koͤnige noch in derſelbigen Nacht einen ſchweren Stein an den Hals hencken / und in das tieffe Meer werffen / in welcher jaͤmmerlichen Todes-Art ihm noch ſech -zig240Der Aſiatiſchen Baniſe. zig vornehme Herren / welche alle der erwuͤrgeten Frauen Vaͤter / Maͤnner und Bruͤder waren / be - truͤbte Geſellſchafft leiſteten. Dieſes iſt nun der blutige / und Thraͤnen-wuͤrdige Untergang un - ſers Hochpreißlichen Koͤnigl. Hauſes / wowider wir armen Leute nichts ferner vermoͤgen / als den gerechten Himmel und E. Maj. maͤchtigſte Waffen um brennende Rache und Huͤlffe anzu - ruffen.

Hiermit endigte der Menſch ſeine trautige Er - zehlung / woraus der hoͤchſt-betruͤbte Kaͤyſer die Haͤnde in einander ſchlug / und mit Seuffzen ſag - te: Wie unerforſchlich iſt doch der Schluß des Himmels? Dieſem ſchenckt er einen Lorbeer - Krantz / und jenem einen Hencker-Strick. Hier hebet er einen empor / und dort ſtuͤrtzet er den an - dern zur Hoͤlle. O Himmel! wie hat es deine Gerechtigkeit zulaſſen koͤnnen / daß der Gerechte untergangen / und der Gottloſe erhaben iſt? Daß ſich der Scepter in einen blutigen Moͤrder-Stal / der Thron in einen ſchwartzen Sarg / und die Krone in ein Rad des wandelbaren Gluͤcks ver - wandelt hat? Ach Nhai Canato / meine werthe Tochter! haben mich die Goͤtter deßwegen mit dir beſchencket / daß ſie mich auf dieſe harte Pro - be ſtellen wollen / wenn ich mein liebſtes Kind ſoll am Galgen ſterben ſehen. Moͤchte nicht das tapfferſte Gemuͤthe weichmuͤthig gemacht wer - den / wenn es ſein Fleiſch und Blut unter des Hen - ckers Hand wiſſen ſoll. O unertraͤgliches Leid! O241Erſtes Buch. O Schmertz / welchem kein Schmertz zu verglei - chen! Vermaledeyter Wuͤterich! Verdamm - ter Chaumigrem! Jſt dieſes iemahls erhoͤret worden / daß man gegen zarte Weibs-Perſonen ſo abſcheulich verfahren hat? Verdammter Hund! kunte dich nicht die Schoͤnheit welche auch Tyger bezwinget / uͤberwinden? kunte dich das jaͤmmerliche Schreyen und Weinen der zarten Angeſichter nicht bewegen? ja / kunte dich nicht die Unſchuld der kleinen Kinder / und ihr Koͤnigli - cher Stamm einiges Mitleiden in dir erwe - cken? Gewiß / die Goͤtter ſind bißweilen allzu un - gerecht gegen uns Menſchen / indem ſie einer ſol - chen Greuel-That / wovon die Sonne erroͤthet / ohne Empfindlichgkeit zuſehen koͤnnen. Ach mein Kind / mein Troſt! mein Ancker / welcher mir zu einer Schiffbruchs-Klippe wird! Ach daß ich doch mit dir in die Erden ſolte verſcharret ſeyn / weil mir nunmehro das Leben doch nur ein ſteter Tod ſeyn wird. Großmaͤchtigſter Kaͤyſer / rede - te ihm hier mein Printz ein / dieſer hohe Trauer - Fall / welcher dero Hertz verwundet / betruͤbet mei - ne Seele / und ihr Jammer iſt meine Qvaal; Derowegen wird mir erlaubet ſeyn / zu ſagen / nicht allein / wie man dem Verhaͤngniß ſich ge - dultig unterwerffen / ſondern auch / wie man das unſchuldige Blut auffs grauſamſte an dem ver - dammten Moͤrder raͤchen moͤge. Hierzu aber dienet ein uͤbriges Klagen und Trauren am we - nigſten / welches dem Feinde vielmehr zur Ergoͤ -Qtzung242Der Aſiatiſchen Baniſe. tzung dienet / wenn er ſiehet / wie er uns auff das empfindlichſte geruͤhret habe. Zwar die Goͤtter haben denen Menſchen eine ſonderbare Liebe ge - gen ihre Kinder eingepflantzet / alſo daß ihnen nichts empfindlichers / als deren Verluſt / wieder - fahren kan: Allein auch ein wildes Their greifft den Raͤuber ſeiner Jungen behertzt an / und ver - ſaͤumt durch uͤbrige Wehmuth keine Gelegenheit ſich zu raͤchen. ſo nehmen denn E. M. dero gerechteſte Waffen zur Hand / als das beſte Mit - tel / welches die Goͤtter zur Rache geſchaffen / ver - gieſſen ſtatt uͤbriger Thraͤnen das ſchwartze Blut der Feinde / und ruhen nicht eher / biß des Moͤrders Kopff in einem Moͤrſel zerſtoſſen / und die verhaß - ten Anſtiffter dieſer Mordthat denen Entſeelten ein blutiges Rach-Opffer ſeyn moͤgen. Ach trau - teſter Pantoja / erwiederte der Kaͤyſer / ihr habt recht / doch wie bald kan der fehlen / welchen die Goͤtter nach eurem eignen Geſtaͤndniß auff das empfindlichſte angreiffen. Hierdurch muß auch ein Amboß / geſchweige ein menſchliches Hertze gekruͤm̃et und weich gemacht werden / wo der Un - gluͤcks-Hammer ſo gar harte hinſchlaͤgt. Die Glut der Rache / verſetzte mein Printz / kan alles wieder gerade machen / und dieſe Wunden koͤn - nen nicht anders / denn mit dem Blute des Tyran - nen geheilet werden. Jch ſchwere es bey der e - wigen Gottheit / daß / wo mir nicht durch einen Fall das Leben verkuͤrtzet wird / ich dermaleinſt noch mit eigner Hand die grauſamſte Rache vondie -243Erſtes Buch. dieſem Frauen-Moͤrder nehmen wil. Zarang hatte bißher gantz unbeweglich geſeſſen / und kein Zeichen einiges Beyleides von ſich ſpuͤhren laſſen. Jnmittelſt weil ſein Reich mit Brama graͤntzte / und er daher nicht wenig zur Rache beytragen kunte / ſo wolte er hier im Truͤben fiſchen / und ſich dieſen Jammer-Fall ſo weit zu nutz machen / daß er nunmehro den vorhin beaͤngſteten Kaͤyſer zwin - gen wolte / ihm die Princeßin Baniſe nicht allein ſelbſt anzutragen / ſondern auch wuͤrcklich zu uͤber - lieffern. Welches alles er ſattſam zu erkennen gab / wenn er ſich nicht ſcheute / den Tod-Feind von Pegu ins Angeſicht des Kaͤyſers zu ruͤhmẽ und zu ſagen: Dieſes Ungewitter habe ich nicht allein laͤngſt uͤber Martabane zuvor geſehen / ſondern ſehe es auch bereits uͤber Pegu herrauſchen / wo nicht durch Klugheit und angraͤntzende Verbin - dung dieſem Ubel bey zeiten begegnet wird. Chau - migrem iſt ein kluger Koͤnig / vorſichtig in An - ſchlaͤgen / und begluͤckt als tapffer in deren Aus - fuͤhrung. Es haͤtten ſich| E. Maj. vielmehr be - muͤhen ſollen / vorlaͤngſt dieſen Helden-muͤthigen Nachbar zu einen Freund und Bunds-Ver - wandten zu machen / ſo haͤtte er vielleicht nicht Ur - ſache gehabt / ſich ſo grauſam zu raͤchen. Dieſe Worte mochten den Kaͤyſer gnung durchs Hertze ſchneiden / weil er aber ſolches kluͤglich zu verber - gen wuſte / als antwortete er gantz glimpflich / ie - doch mit einer ernſthafften Majeſtaͤt: Und dieſes koͤnte uns geꝛathen weꝛden / uns mit einem Haupt -Q 2Re -244Der Aſiatiſchen Baniſe. Rebellen / welcher das Unſrige boßhaffter Weiſe an ſich gebracht / und unrechtmaͤßig beſitzet / noch in Freundſchafft und Buͤndniß einzulaſſen. Nim - mermehr ſoll dieſes von einem gꝛoßmuͤthigen Her - tzen erhoͤret werden / daß es Freundſchafft bey ei - nem Drachen / und Artzney bey einer Spinnen ſuchen ſoll. Und ob auch dieſe Freundſchafft gut waͤre / wiewol einem verſoͤhnten Feinde nimmer - mehr zu trauen iſt / ſo laͤſſet es doch die Goͤttliche Gerechtigkeit nicht zu / daß wir durch Huͤlffe der Feinde unſern Zweck erlangen: vielmehr wird uns der Himmel ſtraffen / weñ wir einer ſo Welt - kuͤndigen Auffruhr durch die Finger ſehen wolten. Man muß ſtraffen / wenn man kan / und nicht wenn man wil / antwortete Zarang gantz hoͤh - niſch / und weil er denn nicht auff hoͤrete / die Tapf - ferkeit und Großmuth des unwuͤrdigen Chaumi - grems auff das hoͤchſte heraus zu ſtreichen / und hierdurch den betruͤbten Xemindo noch mehr ſchmertzlichſt zu beleidigen / als kunte mein Printz ſich nicht enthalten / ihm folgenden Einwurff zu thun: Es muͤſte ſich / ſagte er / denn der moͤrde - riſche Chaumigrem in kurtzer Zeit ſo ſehr veraͤn - dert haben / indem ich ſonſt mit meinen Augen ge - ſehen / wie das Spruͤchwort wahr ſey: Die groͤſ - ſeſten Tyrannen ſind die verzagteſten Hertzen. Denn als er in Ava von dem Printzen ſelbiges Reiches eine derbe Ohrfeige bekam / ſo brauchte er zwar ſechs Vorfechter / die gebuͤhrende Rache aber iſt er demſelben biß ietzo ſchuldig geblieben. Und245Erſtes Buch. Und ob ſich zwar auff deſſen Ausforderung der Printz anerbot / perſoͤnliche Rache von ſich neh - men zu laſſen / und ſich dannenhero an beſtimten Ort zu angeſetzter Zeit verfuͤgete / ſo war doch Chaumigrem wie ein Haaſe bey der Drummel durchgegangen / daß alſo gantz Ava ein ſchlechtes Hertz und geringe Tapfferkeit in dem Chaumi - grem urtheilte. Wer weiß / vertheidigte ihn Za - rang ferner / was ihn vor wichtiges Bedencken hiervon abgehalten / zudem beruhet auch nicht die Tapfferkeit in einem ſolchen Privat-Gefechte / ſondern verdunckelt vielmehr den Glantz unſerer Hertz hafftigkeit / weil ſonſt mancher Muſqvetie - rer den Titul eines Tapffern / als eine Generals - Perſon verdienen wuͤrde / Urſach / weil ſich jener oͤffterer vor der Spitze gezeiget / und mit ſeines gleichen einen Zwey-Kampff gewaget / als dieſer. Alleine die wahre Tapfferkeit laͤſſet ſich in hertz - hafftiger Klugheit eines Feld-Herrn / und tapffe - rer Ausfuͤhrung eines Helden-muͤthigen Anſchla - ges ſpuͤhren; Und daß ſolche Chaumigrem ſatt - ſam beſitze / indem er die Eroberung eines gantzen Koͤnigreichs ſo hertzhafft in kurtzer Zeit zu Ende gebracht / ſolches wird kein Verſtaͤndiger laͤugnen koͤnnen. Dieſe Reden machten meinem Prin - tzen die Stirn ziemlich warm / iedoch wolte er deſ - ſen fernere Erklaͤrung hoͤren / indem er ſagte: So es ja einem ſolchen Praler nicht zu viel iſt / eine Ohrfeige zu verſchmertzen / und die Tapfferkeit bloß in dem Felde zu erkennen iſt / ſo muß ich alsQ 3ein246Der Aſiatiſchen Baniſe. ein lebendiger Zeuge geſtehen / daß keine verzagte - re Memme / als eben der Chaumigrem / kan ge - funden werden. Denn als er im Treffen vor Ava die Armee als unwuͤrdiger Feld-Herr wider S. M. von Pegu anfuͤhrete / und durch ſeine Un - wiſſenheit den Cron-Printzen auff die Schlacht - banck lieferte / ſo war er der erſte / welcher durch unnoͤthige Flucht das gantze Heer in Unordnung / und zu einer ſchaͤdlichen Nachfolge brachte. Daß nun dieſe ietze ſchleunige Eroberung geſchehen / ſol - ches iſt nicht ihm / ſondern zufoͤrderſt denen erzuͤr - neten Goͤttern / welche ihn als eine zuͤchtigende Ruthe gebrauchen / hernach aber der unbeſchreib - lichen Menge / womit er einen ſo kleinen Hauf - fen bekrieget / zuzuſchreiben; Und wo ja ein unred - licher Uberfall eine Tapfferkeit zu nennen iſt / ſo iſt traun Chaumigrem der Tapfferſte in gantz Aſien. So aber auch dieſes nicht waͤre / ſondern er haͤtte durch rechtmaͤßige Gewalt und eigene Tapfferkeit dieſen Sieg erhalten / wie es doch nichts weniger iſt / ſo verdunckelt doch der uner - hoͤrte Mord an dem unſchuldigen Frauenzimmer ſolches alles dermaſſen / daß er vielmehr den Ti - tul eines unehrlichen Moͤrders und ſchaͤndlichen Bluthundes / als eines tapffern Soldatens / ver - dienet hat; worinnen mir gewiß auch ein iedwe - des tapfferes Gemuͤthe wird muͤſſen Beyfall ge - ben. Gemach / gemach / hub Zarang gantz ent - ruͤſtet an zu| antworten / ihr ſeyd gewiß in einer uͤb - len Schule erzogen worden / daß ihr nicht beſchei -de -247Erſtes Buch. dener von hohen Haͤuptern zu reden wiſſet. Und weil euch die Verantwortung eurer Reden zu ſchwer fallen moͤchte / als hielte ich euer Schwei - gen vor ſehr noͤthig. Woruͤber ſich denn mein Printz dermaſſen ereyfferte / daß ich nur immer ſahe / wenn er nach dem Sebel greiffen wuͤrde / hiervon hielte ihm aber ſo weit die hohe Gegen - wart des Kaͤyſers ab / daß er nur dieſes ſagte: Verflucht ſey derjenige / welcher die betruͤbte Ma - jeſtaͤt durch Erhebung ihrer Feinde noch ferner beleidiget. Und weil ihr der erſte ſeyd / der mir das Schweigen auffleget / ſo wil ich meine Mey - nung von dem unredlichen Chaumigrem gegen euch behaupten. Seyd ihr nun ein ehrlicher Printz / welcher ſich mit keinem Rebellen gemein zu ma - chen begehret / ſo werdet ihr mir morgen zu Pegu mit eigener Fauſt Rechenſchafft von euren Wor - ten geben: Wohin ich euch denn mit J. Maj. Verguͤnſtigung zu einem Sebel-Kampff auff Leib und Leben wil ausgefordert haben. Weil ſich denn Zarang ungeachtet des Kaͤyſers an mei - nem Printzen auff der Stelle vergreiffen wolte / als gebot ihm Xemindo Friede mit dieſen Worten: Verwegener Printz / wie lange ſollen wir euren Hochmuth anhoͤren / und wenn werdet ihr auffhoͤren / uns empfindlichſt zu beleidigen? Behauptet demnach morgen eure Sache / oder meidet unſern Hof. Womit Zarang den Saal verließ; Wir aber / nebſt dem Kaͤyſer / begaben uns alſofort ſaͤmtlich zu Pferde / und ritten / unge -Q 4ach -248Der Aſiatiſchen Baniſe. achtet der einbrechenden Nacht / nach Pegu. Zu - gleich bemerckten wir an dem heitern Himmel ei - nen entſetzlichen Comet-Stern / welcher ſeinen Strahl recht uͤber Pegu ſtellete / woruͤber ſo wohl der Kaͤyſer / als auch wir / uns nicht wenig entſetz - ten. Wie wir um Mitternacht vor Pegu anlan - geten und zu dem Thore einritten / ſtuͤrtzete der Kaͤyſer auf ebener Erde / ob wir gleich Schritt vor Schritt ritten / mit dem Pferde / daß ihm das Blut haͤuffig guꝛ Naſe heꝛaus floß / welches deñ alles von uns uͤbel gedeutet / u. leider allzuwahr erfuͤllet wor - den. Als der Morgen angebrochen / und die Sonne bereits einige Stunden die Stadt Pegu beleuch - tet hatte / verfuͤgte ſich mein Printz abermal / wie in Ava / bloß mit Sebel und Schild verſehen / an den Ort / welcher unfern des Schloſſes auf einem gruͤnen Platze mit Palliſaden umſchrencket war. Der Kaͤyſer ſelbſt ſahe durch ein verborgen Fen - ſter zu / und die Menge der Zuſchauer verwehrete uns faſt den Eintritt. Nach Verflieſſung einer halben Stunde meldete ſich ein Baum-ſtarcker Ritter an / und begehrte in den Schrancken einge - laſſen zu werden / welches ihm aber abgeſchlagen ward / und muſte er ſein Anbringen auſſer dem Platze ſagen / welches hierinne beſtunde: Weil ſein Gn. Herr / als der Printz von Tangu nicht vor rathſam erachtet haͤtte / ſich perſoͤnlich in die Geſahr zu begeben / deren er ſich wegen Kaͤyſerl. Ungnade beſorgete: gleichwohl aber die verwe - gene Ausforderung nicht ungeanthet haͤtte koͤnnenhin -249Erſtes Buch. hingehen laſſen: als waͤre er zugegen / ſeines Prin - tzen Ehre zu ſchuͤtzen / und zu erweiſen / daß ſeine Sache gerecht ſey. So bald dieſes der Kaͤyſer erfuhr / ließ er meinem Printzen zuentbieten / weil der rechte Gegner nicht erſchiene / ſo waͤre es dem - nach gantz unnoͤthig / ſich mit einem andern einzu - laſſen. Welches aber mein Printz durchaus nicht eingehen wolte / ſondern vorwendete: Er wolte des Kaͤyſers Hoheit und ſeine Ehre gegen iedwe - den handhaben / derowegen er in Unterthaͤnigkeit baͤte / ihm zu erlauben / die Sache auszufuͤhren / welches ihm endlich zugelaſſen ward: Und alſo trat dieſer ſchwartze Ritter hinein / welcher einen Schild an den lincken Arm fuͤhrete / womit ſich mein Printz gantz haͤtte bedecken koͤnnen. Der Sebel war gleichfalls von ſo ungleicher Laͤnge / daß ſich mancher wuͤrde bedacht haben / ehe er ſeinem Feinde einen ſolchen Vorthel eingeraͤumet haͤtte. Deſſen ungeachtet / verließ ſich mein Printz auff ſeine Hurtigkeit und gerechte Sache. Die - ſem nach ſahe er ſeinen Feind mit einem ernſthaf - ten Lachen uͤber zwerch an / und nach dem er ver - meynte / daß es Zeit ſey / ihn anzugreiffen / gieng er mit ſtarcken Schritten / geraden leibe und fun - ckenden Augen auf ihn loß / und ſchlug dergeſtalt auf ihn zu / daß er bald ſeinen Fehler wegen Uber - eylung merckete / und ſich dannenhero in etwas zu - ruͤcke zog. Jener hingegen veraͤnderte vor Zorn ſeine gantze Geſtalt / und ſtellete ſich / als ob er mei - nem Printzen durch bloſſe Geberden einen Schre -Q 5cken249[250]Der Aſiatiſchen Baniſe. cken einjagen wolte. Das Feuer ſtieg ihm ins Geſchichte / die Haare ſtunden gen Berge / die Stir - ne runtzelte ſich zuſammen / und alle ſeine Adern bleheten ſich auf / bald ſchnaubete er vor Grimm / bald hielt er den Athem zuruͤck / und biſſe die Zaͤh - ne ſo grauſam zuſammen / daß ihm der Jaͤſcht die Lippen bedeckte; ja / er fuͤhrte ſolche gewaltige Streiche auf meinen Printzen / daß ich iedesmal beſorgte / er wuͤrde ihn mitten von einander hauen. Und empfand alſo mein Printz ſattſam / was er vor einen ſtarcken Feind vor ſich habe / welchem nichts als die Geſchwindigkeit mangelte. Mein Printz brachte inzwiſchen das erſte Verſehen reichlich wieder ein / indem er ſeinen Feind ſich ſatt abarbeiten ließ: hingegen nahm er alle Hiebe / theils durch ſeine Hurtigkeit / theils durch ſeinen ſtaͤhlernen und Spiegel-glatten Schild aus / in - dem er bald in die Hoͤhe ſprang / bald ſich zuſam - men ſchmiegete / nachdem es die Nothdurfft ſeiner Sicherheit erforderte. Endlich muſte mein Printz beſorgen / es moͤchte ſeinem Feinde unter ſo vielen Streichen einer gerathen / wodurch er wohl gar den Siege verliehren duͤrffte; als begunte er ihm etwas naͤher einzuruͤcken / und indem jener einen ſtarcken Streich nach dem Kopffe fuͤhrete / warff mein Printz den Schild vor / und that zugleich ei - nen gewaltigen Hieb / welcher auch ſo wol gerie - the / daß des Feindes rechtes Knie gantz geſpalten ward. Und dieſes war hoͤchſt noͤthig / indem ihm der feindliche Streich den Arm dermaſſen erſchellthat -250[251]Erſtes Buch. hatte / daß er den Schild fallen zu laſſen gezwun - gen ward. Als nun der ſtarcke Gegener zur Er - den ſtuͤrtzte / ſchaͤumete er vor Eyfer wie ein wildes Schwein. Mein Printz aber ſaͤumete nicht / ſon - dern ergriff den Schild hurtig / ſtuͤrmete / weil je - ner keine Gnade begehrete / deſto muthiger auff ihn ein / und verſetzte ihm unterſchiedene Wun - den / deren aber keine ihn wehrloß machen kunte / biß ihm endlich ein kraͤfftiger Streich durch das Haupt fuhr / wodurch er Geiſt und Sebel ver - lohr / und alſo meinem Printzen der voͤllige Sieg zu theil ward. Hieruͤber entſtund nun ein ſolches allgemeines Jubel-Geſchrey / als ob hierdurch Chaumigrem ſelbſt erlegt waͤre. Ja / die Pegua - ner verehrten meinen Printzen mit ſo haͤuffigen und wunderlichen Geberden / daß wir kaum das Schloß erreichen kunten. Jch muſte des Entleib - ten Schild und Sebel hinter meinem Herrn her - tragen / welcher alſobald vor den Kaͤyſer gelaſſen wurde / dem es mein Printz mit dieſen kurtzen Worten zun Fuͤſſen legte: So muͤſſen alle Fein - de des Reichs Pegu geſtuͤrtzet werden! Xemindo umhalſete ihn aufs bruͤnſtigſte / und fuͤhrte ihn abermahls in ein beſonder Zimmeꝛ / daß ich wieder nichts zu ſehen noch zu hoͤren bekam / biß mir der Printz ſein zugeſtoſſenes Gluͤck erzehlte.

Allerwertheſter Pantoja / hatte ihn der Kaͤyſer angeredet / es ſcheinet / als ob die Goͤtter dieſem Reiche zum beſten etwas ſonderliches durch euch beſchloſſen haͤtten / indem wir euch ſo viel Gutes zudan -252Der Aſiatiſchen Baniſe. dancken haben / daß es am Vermoͤgen fehlet / ſol - ches mit wuͤrcklicher Vergeltung zu erſetzen. Und ob wir zwar vermeynet / euch durch Zufuͤhrung der Princeßin von Savady einige Vergnuͤgung zu verſchaffen / ſo befinden wir doch / daß es ſchei - net / als ob deren Annehmung mehr eine Hoͤftig - keit / als wahre Liebe verurſachet habe. Dero - wegen ſind wir nicht wenig bekuͤmmert / indem wir nicht wiſſen / auf was Art euch koͤnne einige Vergeltung angenehm gemacht werden / woran uns denn gleichfalls die Unwiſſenheit eures wah - ren Zuſtandes mercklich verhindert. Denn ihr ſolt wiſſen / daß wir euch nicht vor einen Printzen aus Tannaſſery halten / ſondern vor einen Prin - tzen des Reichs Ava / welches ein von euch verlohr - nes Bildniß bekraͤfftiget. Derowegen entdecket uns ungeſcheuet / ob wir in unſerer Muthmaſſung irren oder nicht. Laſtet euch dieſes nicht abſchre - cken / daß uns euer Vater ziemlich zuwider / ich will nicht ſagen / ein Nahrungs-Oel gegenwaͤrtiger Rebellion geweſen / ſondern verſichert euch / daß ihr die Fehler eures Herrn Vaters reichlich er - ſetzet habet. Dannenhero duͤrfte euch dieſe Of - fenbahrung ein groſſes zu eurer Vergnuͤgung bey - tragen. Ob nun zwar mein Printz hieruͤber ſehr beſtuͤrtzt worden / ſo hatten ihn doch die letzteren Verſicherungen wiederum auffgerichtet / daß er ſich entſchloſſen / des Kaͤyſers Worten zu trauen / und ſich folgender Geſtalt zu offenbahren: Groß - maͤchtigſter Kaͤyſer und Herr! wenn ich dero ho -hen253Erſtes Buch. hen Gnade und unvergleichlichen Tugend nicht verſichert waͤre / daß ſie die Miſſethat eines un - gerechten Vaters die Unſchuld eines Kindes nicht wuͤrde entgelten laſſen / ſo truͤge ich billiches Be - dencken / mich demjenigen zu offenbahren / wel - cher die Rache in Haͤnden hat; Nachdem ich mich aber verpflichte / nicht allein nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen die Vaͤterliche Scharte wiederum auszuwetzen / ſondern auch vor die hohe Wohl - farth dieſes Kaͤyſerl. Hauſes mein Leben auffzu - ſetzen / ſo lebe ich der feſten Zuverſicht / es werde dero Kaͤyſerliche Gnade nicht vermindert werden / ob ich ſchon bekenne / daß ich warhafftig ein Printz / und zwar der nechſte zur Crone von Ava bin / welchen ein unbarmhertzjger Vater vertrie - ben / und die guͤtigen Goͤtter ſeine Vergnuͤgung in Pegu zu ſuchen gerathen haben. Der Kaͤy - ſer hatte meinen Printzen durch einiges Still - ſchweigen etwas bekuͤmmert / iedoch durch folgen - des Anreden bald wieder ermuntert: Wertheſter Printz! wahr iſt es / euer Vater hat uns nicht we - nig betruͤbet / ja er hat ſich nicht als ein naher Vetter und Bluts-Freund / ſondern als ein ge - ſchworner Todt-Feind gegen uns erwieſen / wel - ches uns aber iedoch keines weges verhindert / euch mit aller Gnade und Wohlthat zu uͤber - ſchuͤtten; Angeſehen ihr den harten Fehler eures Vaters mit reichem Wucher erſetzet / und uns dahero nicht allein zu einer allgemeinen Verzei - hung / ſondern auch zu einer genauern Verbin -dung253[254]Der Aſiatiſchen Baniſe. dung bewogen habet. Denn euch ſoll es gantz Ava zu dancken haben / daß es kuͤnfftig von aller Both - maͤßigkeit des Peguaniſchen Throns befreyet / die hoͤchſte und unbeſchrenckte Gewalt allein ha - ben / und deſſen Koͤnige niemand als die Goͤtter vor ihre Ober-Herren erkennen ſollen. Ja eure hohen Verdienſte bewegen uns auch / euer muth - maßliches Abſehen gut zu heiſſen / und durch ein feſtes Liebes-Band Pegu und Ava zu verbinden / wodurch der alte Haß getilegt / und beyde Reiche in bluͤhendem Wolſtande erhalten werden ſollen. Sehet / mein Printz / und ſaget / ob wir erkaͤntli - cher ſeyn koͤnten / indem wir unſer Liebſtes / ja un - ſer Fleiſch und Blut das Opffer eines Danck - begierigen Hertzens ſeyn laſſen / in Hoffnung / das Reich Pegu werde eurem tapffern Arme noch kuͤnfftigen Wohlſtand zu dancken haben. Dieſe Worte hatten meinen Printzen dermaſſen aus ſich ſelbſt geſetzet / und entzuͤcket / daß er nicht ge - wuſt / wie ihm geſchaͤhe / oder womit er ſeine in - nerſte Hertzens-Vergnuͤgung ſattſam ausdruͤ - cken moͤchte. Endlich war er vor dem Kaͤyſer nie - dergefallen / hatte deſſen Knie umfaſſet / gekuͤſſet / und mit ſchwacher Stimme geantwortet: Al - ler gnaͤdigſter Kaͤyſer und Herr / deſſen Tugend und Guͤtigkeit hoͤher iſt / als ſie von mir kan erken - net oder begriffen werden! Jch weiß nicht / ob mich die Goͤtter abermahls durch einen ſuͤſſen Traumm veranuͤgen / oder das im Tempel zu Pan - dior angenehme Schlaff-Geſichte erſt erfuͤllenwol -254[255]Erſtes Buch. wollen. Denn E. Majeſt. ſollen wiſſen / daß / ehe ich noch das werthe Pegu geſehen / ich zuvor die Goͤtter zu Pandior ſehnlichſt / um den Ausgang meiner Reiſe zu zeigen / erſuchet / da ſie mir die vortreffliche Geſtalt der uͤberirrdiſchen Princeßin von Pegu im Schlaffe gezeiget / mich aber biß auff dieſe Stunde in verwirreten Nachdencken gelaſſen haben. Solte ich nun nach dero hohen Worten dieſes unerforſchlichen Gluͤckes faͤhig werden / womit koͤnte ich alsdenn dieſe unaus - ſprechliche Gnade im geringſten erwiedern? Deñ ob ich auch ein tauſendfaches Leben vor iedweden Peguaner / geſchweige vor E. Maj. auffſetzte / ſo reichete es doch noch lange nicht / an dem ſchoͤnen Verdienſt / welchen mir E. Majeſt. zuerkennen. Jch opffere mich demnach mit Leib und Gemuͤ - the / und allem / was mir die Goͤtter ietzt und kuͤnf - tig goͤnnen werden / zu ewigen Dienſten vor E. Majeſt. und deſſen Kaͤyſerlichen Hauſes Wohl - ergehen. Und ob ich mich zwar eines ſolchen him̃ - liſchen Schatzes im geringſten nicht wuͤrdig er - kenne / ſo flehet doch mein verlangendes Hertz um gnaͤdigſte Erfuͤllung dero hohen Verſprechens. Haben wir hier den rechten Zweck getroffen / hat - te der Kaͤyſer laͤchelnde geantwortet / und kunte die Princeßin von Savady nicht ſolchen Danck heraus preſſen? Jmmittelſt verziehet hier / und. verberget euch hinter dieſe Tapeten / wir wollen die Princeßin herruffen laſſen / da ihr denn unſern Vortrag und ihren Entſchluß ſelbſt mit anhoͤrenkoͤn -256Der Aſiatiſchen Baniſe. koͤnnet. Dieſem zu gehorſamſter Folge hatte ſich der Printz verſtecket / und in kurtzem durch einen kleinen Ritz der Tapete dieſe Sonne in dem Zim - mer auffgehen ſehen / welche der Kaͤyſer bey der Hand an ein Fenſter gefuͤhret / und ſie mit lauter Stimme / alſo / daß es mein Printz ſattſam ver - ſtehen koͤnnen / angeredet hatte: Liebſte Tochter / ihr werdet meine Vaͤterliche Gewogenheit und Gnade bißher ſattſam verſpuͤhret / und darauß er - kennet haben / wie ich iederzeit als ein treuer Vater vor eure Wolfahrt geſorget / um euch zu vergnuͤ - gen / damit ich nicht ſolchen Schmertzen / als an der Koͤnigin von Martabane erleben moͤge / wo - vor mich die guͤtigen Goͤtter in Gnaden behuͤten wollen! Nachdem es aber an dem / daß ihr wol wiſſet / wie beharrlich euch Zarang / der Printz o - der vielmehr Koͤnig von Tangu bißhero bedienet / und eure Liebe geſuchet hat. Dieſem nach hat er auch noch heute bey mir / als eurem Vater / in - ſtaͤndigſte Anſuchung um Vollziehung dieſer Lie - be thun laſſen. Weil nun der betruͤbte Zuſtand unſers Reiches / und die androhende Gefahr des Feindes erfordert / ſich der Freundſchafft des Hauſes von Tangu zu verſichern; als habe ich den Geſandten nicht anders / denn mit einem will - faͤhrigen Entſchluß / abfertigen koͤnnen. Dieſem euch nun gleichfoͤrmig zu bezeigen / iſt mein Be - gehren / und werdet ihr hiedurch ein merckliches Zeichen kindlichen Gehorſams ſpuͤhren laſſen. Die Princeßin war hiedurch gantz erſtaunet under -257Erſtes Buch. erblaſſet / alſo / daß ſie auch die Wand faſſen und ſich daran lehnen muͤſſen / da ſie denn eine gute weile kein Wort geredet / ſondern ſich nur bemuͤ - het / durch bewegliches Anſehen dem Herrn Vater zu einigem Mitleiden zu bewegen. Als ſie aber der Herr Vater zu entſchlieſſender Antwort an - gemahnet / war ſie endlich gar vor ihm auff die Knie geſuncken / hatte deſſen Hand mit Thraͤnen gekuͤſſet / und endlich alſo geantwortet: Aller - gnaͤdigſter Herr und Vater! ich weiß wohl / daß ſich mein kindlicher Gehorſam biß ins Grab er - ſtrecken ſoll / ja ich bin bereit / ſolchen mit meinem Blute zu beſtaͤtigen: allein / wo deſſen Hertze ei - nen vaͤterlichen Blutstropffen gegen mich heget / wo ein fußfaͤlliges Kind Erbarmungs-werth iſt / wo meine Thraͤnen einen Marmel erweichen koͤn - nen / ja wo meine Seuffzer den vaͤterlichen Geiſt nur etwas bewegen koͤnnen / ſo bitte ich / ſo flehe ich / mich eher zu einem Opffer / als zu einer Braut des Zarangs zu beſtellen / ich will eher ſeinen Se - bel / als ſeine Lippen kuͤſſen / weil mich der Tod mehr / als ſein Purper ergoͤtzen ſoll. Was hat ihn euch aber ſo verhaßt gemacht? hatte der Kaͤy - ſer gefragt. Ach / E. M. war ihre Antwort ge - weſen / erwegen doch / ob dieſer zu lieben ſey / welcher ſich gleich denen Beſtien faſt ſtuͤndlich in aͤrgſten Laſtern beſudelt / und ſeine Brunſt taͤglich durch ſriſchen Wechſel zu kuͤhlen trachtet. Seine Hoch - muth verwandelt ſich oͤffters in Grobheit / und kan hierdurch auch der gemeinſten Seelen einenREckel258Der Aſiatiſchen Baniſe. Eckel erwecken. Ja es mißfaͤllet mir deſſen gan - tze Perſon dermaſſen / daß ich ſpuͤhre / wie dieſer Haß durch einen Einfluß des Himmels entſprin - get / welchem ich nicht widerſtehen kan noch wil. So bin ich demnach verſichert / es werde deſſen vaͤterliches Hertz ein gehorſamſtes Kind nicht ſo empfindlich betruͤben / ſondern vielmehr wiſſen / daß er mehr Schmertzen an mir / als an meiner entſeelten Schweſteꝛ eꝛlebẽ wuͤꝛde. Und gleich wol / hatte der Kaͤyſer erwiedert / weiß ich euch nicht beſ - ſer zu verſorgẽ. Wir ſind zwar alleꝛſeits dem Pan - toja ſehr verpflichtet / alleine das kleine Tannaſſe - ry iſt euch nicht anſtaͤndig / und daß ein Koͤnig von Siam eine freye Princeßin beherrſchen ſolle / ſol - ches iſt uns nachtheilig. Derowegen entlediget mich meines Kummers / Gnaͤdigſter Herr Va - ter / hatte ſie verſetzet / ſo es ja die Goͤtter beſchloſ - ſen haͤtten / daß meine Blumen nicht in der Knoſpe verbluͤhen / noch in dem Grabe verwelcken ſollen / ſo iſt doch dieſes gegen ſelbten mein geheimer und freyer Entſchluß / eher den Printzen aus Tannaſ - ſery in einer belaubten Huͤtte / als den Zarang auf einer Koͤniglichen Burg zu lieben. Denn er iſt ja der / welcher verhuͤtet / daß ich nicht zu einer un - zeitigen Waͤyſe geworden / er iſt es der mein Leben errettet / und unſere Ehre gegen den verhaßten Za - rang vertheidiget hat. Zudem bin ich verſichert / daß er einer hoͤhern Ankunfft iſt / als er vorgiebet; und liebe ich das Bildniß ſeiner Fraͤulein Schwe - ſter / welches mir das Gluͤck in die Hand gefuͤhret /hertz -259Erſtes Buch. hertzlich / alſo daß ich hieraus einen hohen Bruder urtheile. Jch ruffe dieſe ſtumme Tapeten zu Zeugen an / daß ob ich zwar dem Pantoja nicht mit Liebe / dennoch mit einer ſon - dern Zuneigung / aus einem verborgenen An - trieb / zugethan bin. Weil ihr denn / war des Kaͤyſers Erwiederung geweſen / die ſtummen Ta - peten zu Zeugen eurer Liebe anruffet / ſo moͤgen ſie auch antworten. Jch werde euch etwas verlaſ - ſen / und befehle euch / denen Tapeten guͤtige Ant - wort zu ertheilen. Jn welcher Verwirrung er ſo wol die Princeßin / als den verborgenen Prin - tzen gelaſſen hatte / der in ſolcher Angſt geweſen / daß er dekennete / es ſey vor ſeinem Feinde zu er - ſcheinen ein Kinderſpiel zu achten / gegen dieſem / da man einer Perſon begegnen ſoll / derer Mund un - ſer Tod und Leben auff der Zunge fuͤhret. Jn ſolchem Zweiffel nun hat die ſchoͤne Princeßin vermeynet / ſie waͤre in ſicherſter Einſamkeit: Dannenhero ſie ihren Gedancken den Zuͤgel ziem - lich ſchieſſen laſſen / und durch ihre Rede mit ſich ſelbſt dem Printz noch etwas Bedenckzeit gelaſ - ſen. Verwirreter Zuſtand! hatte ſie der Printz reden hoͤren / in welchen mich mein Herr Vater verſetzet hat! Eines theils betruͤbet er mich mit dem unanſtaͤndigen Zarang / andern theils hat mich deſſen Mund mit dem tapffern und unfehl - bar Printzen von Ava erfreuet / welchen zu lieben mir die Tugend befiehlet. Was ſoll ich aber aus des Herrn Vaters dunckein Worten neh -R 2men?260Der Aſiatiſchen Baniſe. men? Jch werde mich ja nicht in lebloſe Tape - ten verlieben ſollen? Doch / wie ich ſie vormals zu Zeugen angeruffen / ſo kan ich es ihrer Verſchwie - genheit wohl entdecken / daß mich noch der Printz von Ava von der verdrießlichen Liebe des Za - rangs befreyen ſoll. Zu dieſem Entſchluß trei - bet mich / ihr Goͤtter wiſſets / keine geile Brunſt / ſondern die Tugend und die Noth. Denn wie ich die Roſen der Wolluſt iederzeit aus dem Gar - ten meines Hertzen gereutet / alſo habe ich hinge - gen die Lilien der Keuſchheit hinein gepflantzet. Wil ich nun dieſe zu einem reinen Opffer wied - men / ſo zwinget mich die Noth / und zugleich ein innerlicher Trieb / einen tugendhafften Pantoja / ſtatt des Laſter-vollen Zarangs zu einem keuſchen Gaͤrtner zu erwehlen / welcher = = = Dieſe Wor - te / wie ſie meinen Printzen entzuͤckt / alſo hatten ſie ihn auch gantz behertzt gemacht / daß er ſich endlich erkuͤhnet / als den Gaͤrtner vorzuſtellen: Uber deſ - ſen Erſcheinung die Princeßin dermaſſen erſchro - cken / daß ſie einen lauten Schrey gethan / und nach dem Fenſter gelauffen war. Als nun Schrecken und Scham die ſchoͤne Purpur-Far - be ihrer Wangen um ein groſſes vermehrte / und ein anmuthiges Zeugniß ihrer zuͤchtigen Scham - hafftigkeit gegeben / oder vielmehr angedeutet hat - ten / daß der Printz noch dermaleins ihre Voll - kommenheit und keuſches Hertze / als die edelſten Schaͤtze der triumphirenden Natur / fuͤr Lieb - und Leibeigen beſitzen wuͤrde / alſo war mein Prirtz einegute261Erſtes Buch. gute weile mit ſeinen Augen an den ihrigen ge - hefftet verblieben / deren Magnet / als zwey hell - funckelnde Nord-Sterne / ihn gantz an ſich gezo - gen hatten: Endlich aber hatte doch mein Printz auff den Knien das Stillſchweigen zu erſt gebro - chen / und geſagt: Schoͤnſte Princeßin! Die Goͤtter ſind meine Zeugen / daß mich nicht einiger Vorwitz / noch allzu wenige Hochachtung gegen dero himmliſche Perſon zu dieſer Kuͤhnheit ver - leitet / wenn ich ſo frey dero Einſamkeit verſtoͤre / und mich unterfange / ſo ungeſcheut den durch ihre Gegenwart geheiligten Ort / zu betreten. Der gnaͤdigſte Befehl von Jhr. Maj. dero Herrn Va - ter iſt hierinne die Richtſchnur meines unterthaͤ - nigſten Gehorſams geweſen. Solte ich aber wegen allzu genauer Beobachtung dieſes ange - nehmen Befehls geſuͤndiget / und durch dieſe Ver - wegenheit dero Tugend zu ſehr beleidiget haben / ſo wil ich dieſen Fehler auch mit meinem Blute buͤſſen. Die Princeßin hatte hierauff eine ziem - liche Weile ſtille geſchwiegen / und dadurch mei - nen Printzen abermahls nicht wenig bekuͤmmert gemacht / endlich aber doch folgender Geſtalt ge - antwortet: Tapfferer Pantoja! wann ich mich nicht wegen Errettung meines Lebens euch ver - pflichtet wuͤſte / und euch nicht Kaͤyſerliche Gnade dieſes Unterfangen verſtattet haͤtte / ſo muͤſte ich bekennen / daß dieſes ein hoͤchſt ſtraffbares Begin - nen waͤre / wodurch ihr euch unterſtuͤndet / meine Tugend und Gedult auf eine harte Probe zu ſe -R 3tzen.262Der Aſiatiſchen Baniſe. tzen. Nachdem aber dieſes mein Herr Vater ſonder Zweiffel wohl wird uͤberleget haben / und ich alſo mein uͤbriges Bedencken nur hindan ſe - tzen muß: So ſoll euch nicht allein dieſes verge - ben / ſondern auch erlaubet ſeyn / demjenigen / was mein Herr Vater euch befohlen hat / nachzukom - men. Weiln nun mein Printz in den Gedan - cken geſtanden hatte / es wuͤrde der Kaͤyſer bereits dieſe wichtige Sache mit ihrer Genehmhaltung abgehandelt haben / als war er um ſo viel deſto be - hertzter zu Entdeckung ſeines ſchmertzlichen An - liegens geworden / indem er geſagt: Durchlauch - tigſte Princeßin! Dero hohe Erlaubniß zwin - get mich zu einer Bekaͤntniß / welche ich ſonſt wohl verſchwiegen / und in mein Grab mit genom - men haͤtte. Jch bekenne aber mein Unvermoͤ - gen / daß ich zu ſchwach / wil nicht ſagen / zu bloͤde ſey / etwas zu entdecken / wodurch ich biß in Him - mel koͤnne erhaben / auch biß zur Hoͤllen geſtuͤrtzet werden / es waͤre denn / daß eine nochmahlige Ver - ſicherung aus dero holdſeligen Munde mich ſo weit ſtaͤrckte / es ſolte nicht ſowohl erlaubt / als auch gnaͤdigſt aufgenommen werden. Jch beſchwe - re euch / Printz Pantoja / hatte ſie hierauff geant - wordet / daß ihr euch frey entdecket / und mich gluͤckſelig machet / wenn ich durch einige Huͤlffe in eurem Anliegen die Pflicht meiner Danckbar - keit in etwas bezeugen koͤnne. Hier / ſagte mir mein Printz / waͤre er mit ſolcher Bangigkeit des Hertzens befallen worden / als immermehr einMenſch263Erſtes Buch. Menſch in letzten Zuͤgen erfahren koͤnte. Er haͤtte ſein Vornehmen bey ſich auf tauſender - ley Art uͤberleget / und doch geſchloſſen / es muͤſte bey dieſem Endſchluſſe verbleiben. Nachdem er aber nach einem ſo muͤhſamen Streite ſich oh - ne Zweiffel wuͤrde ſehr betruͤbet haben / wenn er ſo gute Gelegenheit / welche er Zeit ſeines Lebens nicht wieder erlangen moͤchte / aus bloſſer Bloͤdig - keit ſolte aus den Haͤnden haben gehen laſſen / als hat er dieſer gefaͤhrlichen Nachfolge mit dieſen endlichen Worten zuvor kommen wollen: Hoch - wertheſte Princeßin! Weiln ich es mir denn vor die hoͤchſte Ehre ſchaͤtze / meine Pflicht iederzeit durch gehorſame Folge zu bezeugen: So breche demnach die Kette meiner ſchwachen Zunge / und bekenne aus innerſtem Grunde ſeines Hertzens / daß Balacin / Printz von Ava / bereits mit dem einen Fuſſe das Grab beruͤhre / wo ihn nicht die uͤberirdiſche Leutſeligkeit der himmliſchen Ba - niſen vom Tode errettet. Denn wie die Sonne auch abweſende wuͤrcket / und man den unſichtba - ren Goͤttern die meiſten Opffer gewaͤhret; alſo ſchwere ich / daß mich dero Schoͤnheit auch in der Ferne verwundet / und die Strahlen ihrer Tugend entzuͤndet haben. Die Begierden haben durch dero hohes Lob auch von weiten als ein Zunder Glut gefangen / welche aber nunmehro durch den Blitz gegenwaͤrtiger Krafft vollkom̃ene Flammen zeigen. Hemmet ſie nun nicht / unvergleichliche Baniſe / dieſe Brunſt / und laͤſſet die brennendeR 4Son -264Der Aſiatiſchen Baniſe. Sonne ſich nicht in ein guͤldnes Licht ſuͤſſer Ge - gen-Huld verwandeln / ſo muß Balacin zu Aſche werden. Jch erkuͤhne mich nunmehro unge - ſcheut zu ſagen: Jch bin verliebt. Baniſe iſt die Sonne / ich ihre Wende: Sie iſt mein Nord - Stern / ich ihr Magnet. Schoͤnſte Vollkom - menheit; Mein gluͤendes Hertz zuͤndet ihr den Weyrauch reineſter Liebe an / und ich ſchwere / auch mein getreues Leben auffzuopffern. Weil nun der Goͤtter Tempel dem offen ſtehen / welcher ſie zu verehren ſuchet: ſo eroͤffne ſie demnach ihr himmliſches Heiligthum der Seelen / und ver - ſchmaͤhe nicht das flammende Opffer ihres ewig - gewiedmeten Balacins. Die Princeßin hat - te hierdurch ihr ſonderbares Erroͤthen ſattſam zu verſtehen gegeben / daß ſie ſothaner Liebes - Entdeckung nicht vermuthen geweſen; nach - dem ſie aber ſonder Zweiffel wohl bedacht ge - habt / wie ſie ſich ſelbſt unwiſſende verrathen ha - be / ſo hat ſie endlich durch folgende Antwort mei - nen Pꝛintzen in nicht geꝛinge Veꝛgnuͤgung geſetzet: Es iſt etwas ungewoͤhnliches / daß ſich eine Prin - ceßin / welche die Liebe faſt noch nicht zu nennen weiß / ſolte ſo bald gefangen geben / und gantz Aſien wird mich eines Fehltritts beſchuldigen / wenn ich einem frembden Printzen auf erſtes An - ſuchen die Hand reichte: Als wuͤrde Printz Ba - lacin den Ruhm ſonderbahrer Klugheit verdie - nen / ſo er die Flammen ſeiner Liebe mit Gedult maͤßigte / und mit dieſer Verſicherung vergnuͤgtleb -265Erſtes Buch. lebte / daß die Goͤtter mit der Zeit ſein Verlangen wohl erfuͤllen werde. Wie nun der Printz mit Vergnuͤgung erſehen / daß ſeine Liebe nicht uͤbel aufgenommen wuͤrde / ſo hat er um ſo viel behertz - ter ſolchen guten Anfang verfolget und geſaget: Allerſchoͤnſte Princeßin! dieſe Worte leget zwar dero keuſche Tugend in ihren Mund / und giebet ihr den Rath / ſich als eine Sonne der Vollkom - menheit / vor allen Finſterniſſen einiger Nachre - de / zu huͤten. Allein es iſt ein groſſer Jrrthum / wo man meinen Brand eine jehlinge Glut nennen will. Die Flammen haben mir vorlaͤngſt die Goͤtter ſelbſt angezuͤndet / und von derſelben Zeit an brenne ich / ja ieder Tag hat meinem Schmer - tzen friſch Oel eingefloͤſt. Jch habe ihrer Schoͤn - heit ſchon vorlaͤngſt einen Tempel in meinem Heꝛ - tzen gebauet / welches mich erſt dieſe gluͤckſelige Stunde entdecken heiſt. Zudem wird mir dero eigene hohe Vernunfft begluͤckt zu ſtatten kom̃en / wenn ſie erwegt / mit was aufrichtigem Hertzen und Darſtellung meines Lebens ich mich vor die hohe Wohlfahrt dieſes hohen Hauſes bemuͤhet / und wie auch durch fernern Verzug dem Zarang koͤnte Gelegenheit zu Ausfuͤhrung verzweiffelter Anſchlaͤge gegeben werden: Ja ich will nichts ſa - gen von dem drohenden Chaumigrem. Sollen nun dieſe Vernunfft-Schluͤſſe etwas gelten / ach ſo erfreue ſie doch den vor Liebe faſt entſeelten Ba - lacin mit einer ſolchen Entſchlieſſung / woraus ei - ne allſeitige Vergnuͤgung entſpringen koͤnne. EsR 5iſt266Der Aſiatiſchen Baniſe. iſt unnoͤthig / hatte hierauf die Princeßin etwas freymuͤthiger erſetzet / meine Glut zu verbergen / wovon Balacin bereits die Flammen ſattſam ge - ſpuͤret hat. Jch mercke der Goͤtter guͤtiges Ver - haͤngniß / welches mir heimlich befiehlet / denjeni - gen zu lieben / welcher ſich verpflichtet hat: Und / einer unanſtaͤndigen Liebe vorzukom̃en / ſo ſey ihm hiermit das jenige zur Danckbarkeit gewiedmet / was er ſelbſt dem groſſen Panther aus dem Klau - en / und dem Tode aus dem Rachen geriſſen hat.

Wie hier dem Printzen / als ſie ihm zugleich die Lilien-Hand zum Kuſſe uͤberreichet hat / muͤſſe zu Muthe geweſen ſeyn / ſolches uͤberlaſſe ich an - dern / welche dieſe Vergnuͤgung empfunden ha - ben / zu reifferm Nachdencken. Gnug / wenn ich des Printzen Worte erzehle / daß ihm vor Freu - den Hoͤren und Sehen vergangen / und er ihre Hand an ſeinen Mund druͤckende / faſt unbeweg - lich ſitzen blieben / biß endlich der Kaͤyfer das Zim - mer wiederum betreten / und die Princeßin gefra - get: Was die Tapeten beſchloſſen haͤtten? Da denn endlich der Printz wieder zu ſich ſelbſt gekom - men / und die Beantwortung durch folgende Worte auf ſich genommen hatte: E. M. uͤber - hoher Verſtand hat freylich die Stummen redend gemacht / und mich in dieſer Stunde auf den hoͤch - ſten Gipffel des angenehmſten Gluͤckes geſtellet: Dannenhero bitte ich in tieffſter Demuth / das hoͤchſt angenehme Werck / wie es erwuͤndſcht an - gefangen worden / alſo auch gnaͤdigſt zu vollziehen /und267Erſtes Buch. und durch dero vaͤterliches Macht-Wort voͤllig zu beſtaͤrcken. Hierauf hatte der Kaͤyſer die Prin - ceßin bey der Hand genommen / ſie dem Printzen zugefuͤhret / und mit dieſen Worten uͤbergeben: So uͤberreichen wir euch demnach / Printz von Ava / den letzten Antheil unſers Hertzens / und verſichern euch / daß wir nicht faͤhig ſind / etwas hoͤhers und angenehmers / zur Bezeigung unſers Danckbegierigen Gemuͤthes / zu ſchencken. Er - kennets demnach vor ein ſonderliches Gnaden - Geſchencke / und erwiedert ſolches mit treuer Auf - richtigkeit und moͤglichſtem Beyſtande wider un - ſere Feinde. Wir haben uns um euret willen einen nicht geringen Feind an dem Printzen von Tangu gemacht / welches denn bey ietzig-weit ausſehenden Zeiten eine geringe Staats-Klug - heit iſt / eure bekandte Tapfferkeit aber verſpricht uns / ſolchen Verluſt reichlich zu erſetzen. Die Goͤtter beſeligen euren verliebten Vorſatz / und erfuͤllen eure Hertzen mit angenehmſter Luſt. Der Himmel laſſe aus dieſem Sonnenſchein nimmer - mehr einen ſchaͤdlichen Blitz fahren / und ver - wandele alle Cometen in Gluͤcks-Sterne. Wie nun das Kuͤſſen der Kern / ja die Seele der Liebe iſt / alſo verſiegelt dieſen heiligen Bund mit einem feſten und ſuͤſſen Kuſſe. Wie gehorſam dieſem angenehmen Befehl mein Printz nachgelebet / iſt hieraus abzunehmen / wenn ſich dieſer einfache Kuß dermaſſen vielmal verdoppelt hat / daß man faſt neue Ziffern erdencken muͤſſen / wenn man ſiealle268Der Aſiatiſchen Baniſe. alle haͤtte nachzehlen ſollen. Hierbey aber hat - ten die Goͤtter abermal ein Vorzeichen kuͤnfftiger blutigen Trennung geben wollen / indem der Prin - ceßin / als ſie dero Herrn Vater ſtatt kindlicher Danckſagung die Hand kuͤſſen wollen / drey Bluts-Tropffen unverſehens aus der Naſen auf des Kaͤyſers Rock geſchoſſen / woruͤber ſie ſich allerſeits nicht wenig betruͤbet / und ſothane ange - nehme Zuſammenkunft zu meines Printzen hohen Mißvergnuͤgen deſto eher geendiget hatten. So bald wir nun unſer Qvartier betreten / machte mich mein Printz zu ſeinem Liebes-Vertrauten / und erzehlte mir mit hoͤchſtem Vergnuͤgen / wie weit die guͤtigen Goͤtter ihren Ausſpruch erfuͤllet haͤtten. Dieſem nach dauchte meinen Printzen dieſer Hof ein Himmel zu ſeyn / in welchem nichts denn ſein ewiges Wohl ohne einiges Verhindern wohnen muͤſte. Die Vergnuͤgung ſahe ihm aus den Augen / und iedwede Geberde ſtellete ein Lie - bes-Zeichen vor. Ja ſeine Liebe konte ſo wenig ruhen / als ein zartes Kind / welches nicht ſchlaf - fen / noch ſonder Thraͤnen allein bleiben kan. Sei - ne Gedancken und Reden mochten vor den Leuten herum ſchweiffen / ſo weit ſie immer wolten: Der Mittel-Punct ihres Zieles blieb doch allezeit die ſchoͤne Baniſe. Jhr Name war ihm ein Zucker in Ohren / und gemeiniglich bey dem andern oder dritten Woꝛte fuhr er ihm aus dem Munde. Sein Hertze wohnete mehr in ihr / als in unſerm Palla - ſte / ſo gar / daß allerdings Wild-fremde ohne Muͤ -he269Erſtes Buch. he daraus urtheilen kunten / wie hefftig verliebet und empfindlich verwundet er ſey. Jn ſolcher innigſten Vergnuͤgung bildete er ſich oͤffters ein / es waͤre nur ein Traum / welcher durch ein unan - genehmes Aufwachen verſchwinden / und ihn in vorige bekuͤmmerte Nachforſchung verſetzen wuͤr - de / angeſehen ihm faſt eben ſo im Tempel zu Pan - dior zu Muthe geweſen. Ja / er hielte es manch - mal vor eine Unmoͤgligkeit / daß es ihr Ernſt ge - weſen ſey / und er ſich einige gewiſſe Hofnung hier - auf machen duͤrfte / welches gleichſam faͤhig waͤ - re / auch die Goͤtter zu vergnuͤgen. Jn ſolchem verliebten Zweiffel entſchloß er ſich einſten / ihr ei - ne ſchrifftliche Verſicherung abzufordern / wo - durch er ſich iedeꝛzeit in ſeiner Hofnung befeſtigen / und allen Zweiffel-Muth durch oͤfteres Uberleſen verjagẽ koͤnte. Dannenheꝛo ſtellete er mir eine ver - ſchloſſene Schrifft zu / welche mir doch vorhero zu leſen erlaubet war / in welcher er nicht allein ſeine innigſte Liebe wiederholte / und um dero Gegen - Liebe anhielte / ſondern auch / weil er vermeynte / es koͤnte nicht fehlen / ſolch hohes Gluͤcke wuͤꝛde ihm von vielen beneidet / und dahero durch heimliche Verleumdung bey ſeiner Princeßin verhaßt ge - macht werden / beweglichſt um Beſtaͤndigkeit an - hielte / und letztens eine ſchrifftliche Verſicherung ihrer Gegen-Huld verlangete. Meinem weni - gen Behalt nach floſſen ohngefehr dieſe gebunde - ne Worte:

Hier270Der Aſiatiſchen Baniſe.
HJer koͤmmt ein kleiner Brief / durch Liebe ſty -
liſiret /
Und legt ſich / ſchoͤnſtes Kind / zu deinen Fuͤſſen
hin /
Jch ſchwere / daß diß Blat nichts falſches in ſich
fuͤhret /
Beſondern iedes Wort umſchrenckt der treu -
ſte Sinn.
Der Woͤrter ſchlechte Pracht entſpringt aus
frommen Kiele /
Die Dinte ſchreibt zwar ſchwartz / doch iſt das
Hertze weiß.
Er ſetzet reine Treu ſich nur zum keuſchen Ziele /
Kurtz: Deſſen Abſehn iſt ein gruͤnes Myrthen -
Reiß.
Bewundre nicht / mein Kind / mein allzu kuͤhnes
Schreiben /
Den Ausſpruch hat ja ſelbſt dein ſchoͤner Mund
gethan /
Es ſtuͤnde bloß bey mir untreu treu zu bleiben;
Drumb nehm ich billich mich des holden Ur -
thels an.
Dein reines Tugend-Gold beleget mich mit
Ketten /
Und deiner Schoͤnheit Macht ſchlieſt mich in
Feſſel ein /
Woraus mich nichts / als nur der blaſſe Tod ſoll
retten /
Und die Erloͤſung ſoll bloß in dem Grabe ſeyn.
Er271Erſtes Buch.
Erlaube / Engels-Bild / dich numehr frey zu liebẽ /
Dem / der ſein gantzes Sich dir aufgeopffert
hat.
Ein heimlich Schickſal hat mich zu dir her ge -
trieben /
Und meine Freyheit hemmt des Himmels ho -
her Rath.
Wilſt du nun / ſchoͤnſtes Kind / die reine Glut ver -
dammen /
Und will dein harter Sinn dem Schickſal wi -
derſtehn?
So ſtrafft der Himmel dich mit gleichen Liebes -
Flammen /
Deñ ſeiner Rache kan kein Sterblicher entgehn.
Ach laſſe meine Glut dir nicht zuwider fallen.
Mein Engel / goͤnne mir beliebte Gegen-Huld.
Jch ſichre / ſonder Ruhm / mein Lieben ſoll vor
allen /
Des Vorzugs faͤhig ſeyn / wie bey Metallen
Gold.
Will gleich der gelbe Molch des Neides mich be -
flecken /
Stuͤrmt gleich ein Natter-Maul mit Luͤgen
auf mich ein:
Doch ſoll das Silber-Kleid der Unſchuld mich be -
decken /
Und die Beſtaͤndigkeit ſoll ihre Schande ſeyn.
Nicht traue / ſchoͤnes Bild / verdammten Laͤſter -
Tuͤcken /
Nur glaube / was mein Mund ſo heilig dir
verſpricht:
Laß272Der Aſtatiſchen Baniſe.
Laß ferner nun kein Netz des Zweiffels dich be -
ruͤcken /
So lieb ich deinen Geiſt / biß mir das Hertze
bricht.
Was wil ich aber viel von meinem Feuer ſagen?
Wer weiß / ob Gegentheil auch etwas Flam -
men hegt.
Die Feſſel werden nur vielleicht von mir getragẽ /
Da Sie hingegen doch das Gold der Freyheit
tragt.
Jedennoch wil ich nicht ſo etwas uͤbels hoffen /
Ob ſolte Grauſamkeit mit Schoͤnheit ſeyn
vermaͤhlt.
Denn hat des Himmels Schluß mit Liebe / mich
getroffen /
So trau ich ſeiner Gunſt / er hab auch dich er -
wehlt
Darumb erlaube mir / mich deinen Knecht zu
nennen /
Nimm an das treue Hertz / das ſich dir eigen
giebt.
Und laſſe Gegen-Huld mit gleicher Flamme
brennen /
So wiſſe / daß die Glut ſelbſt Stern und Him -
mel liebt.
Wil mich nun deine Gunſt ins Buch der Liebe
ſchreiben:
Ach ſo erfreue mich durch eine Gegenſchrifft.
Und laſſe biß ins Grab / mich Dein dich Meine
bleiben:
So273Erſtes Buch.
So hat der Himmel ſelbſt diß Liebes-Werck
geſtifft.

Dieſes zu uͤberbringen wurde ich befehlichet / worzu ich durch Huͤlffe meiner alten Liebe / der Eſwara / auch leicht gelangete / welche mir in kur - tzem wiederum eine kleine verſiegelte Schrifft ein - haͤndigte / ſolche meinem Printzen / ſtatt eꝛwuͤndſch - ter Antwort zu ruͤcke zu bringen. Dieſes ver - richtete ich eiligſt / und erfreute meinen Printzen hierdurch auffs hoͤchſte / welcheꝛ es ſo bald erbrach / und faſt iedes Wort mit einem Kuß beehrte. Den kurtzen Jnnhalt erfuhr ich hernach folgender geſtalt:

EJn Brieff / von deiner Hand / erfreuet und
betruͤbet /
Die / deren Geiſt und Hertz von dir ja Flam -
men faͤngt:
Die / welche dich faſt mehr / als ihre Seele liebet /
Und ihrer Sinnen Schiff nach deinen Au -
gen lenckt.
Jch bin erfreut / wenn mir dein Kiel von Liebe
ſchreibet /
Betruͤbt / wenn Zweiffelmuth faſt iede Sylbe
ruͤhrt;
Da doch die Zuverſicht des Liebens Zucker bleibet:
Wie daß denn Balacin mich auff die Probe
fuͤhrt?
Jedoch die Liebe iſt ein etwas zartes Weſen /
Jſt ſie gleich Ertz: Die Furcht macht ſie zur
Mertzen-Blum.
SGe -274Der Aſiatiſchen Baniſe.

Genug / wenn Balacin ſoll dieſe Worte leſen:

Baniſ iſt ihm verpflicht / als Schatz und Ei - genthum.

Und dieſes wiederholete er zum oͤfftern dermaſ - ſen / daß er faſt aus ſich ſelbſten zu ſeyn ſchiene: Jch halte auch darvor / er waͤre in ſolcher Verzuͤ - ckung noch laͤnger verharret / wenn ihm nicht die Ankunfft des Talemons verſtoͤhret haͤtte. Die - ſer brachte die leidige Zeitung / wie der Tyranne Chaumigrem dem Kaͤyfer einen Krieg / um den Tod ſeines Bruders Xenimbruns zu raͤchen / an - gekuͤndiget haͤtte; Gleich als ob ein Koͤnig / ſo er einen ſeiner Unterthanen / uͤberwieſenen Auff - ruhrs wegen / abgeſtraffet / einem andern hiervon Rechenſchafft zu geben / verbunden waͤre. Dero - halben wurde mein Printz zugleich durch dieſen in den geheimen Kriegs-Rath erfordert / da er ſeine verliebte Gedancken aͤndern / und dem Talemon folgen muſte / welches er auch willigſt verrichtete / und alle Gelegenheit ſuchte / ſich dieſes herrlichen Kleinods von Pegu recht wuͤrdig zu machen. Weil ich nun befehlicht war / im Pallaſt zu ver - bleiben / als vertrieb ich meine Zeit ſehr wohl duꝛch das Fenſter / indem ich des Talemons Vorbrin - gen durch einen ſtarcken Tumult nicht wenig be - ſtaͤrcket ſahe. Denn was vor Getuͤmmel von Soldaten / Pferden / und Elephanten auff denen Gaſſen und dem Marckte war / ſolches iſt unbe - ſchreiblich; und ſahe ich uͤber zwantzig Laͤuffer mit offenen Befehlen aus dem Schloſſe lauffen /wel -275Erſtes Buch. welche die weit entlegene Armee zuſammen beruf - fen ſolten; Ja es war eine ſolche Verwirrung / daß ich nicht anders meynte / der Feind haͤtte ſchon Pegu berennet / da er doch noch uͤber ſiebentzig Meilen von dannen war. Als ich dieſem Weſen bey zwey Stunden zugeſehen / kam mein Printz gantz tieffſinnig wieder nach Hauſe / und kunte ich in langer Zeit nichts von ihm erfahren / biß er mir endlich nur dieſes eroͤffnete / daß wir in drey Ta - gen eiligſt auffbrechen / und uns wieder nach Ava wenden wuͤrden. Welches mich hefftig erſchre - ckete / und in die falſche Meynung ſetzte / es haͤtte irgend Zarang meinem Printzen einen Stein ins Bret geworffen / und ſeine Liebe verhindert. End - lich aber erfuhr ich / daß meinem Printzen in dem Kriegs-Rath waͤre zugemuthet woꝛden / weil man ſich durch Vergebung der Princeßin auff Seiten gegen Tangu / in nicht wenige Unſicherheit geſe - tzet / hingegen durch dieſe Heyrath die Crone Ava dem Reiche Pegu hoch verbunden gemacht haͤtte; Als ſolte ſich mein Printz perſoͤnlich nach Ava verfuͤgen / ſeinem Herrn Vater dieſe Bindung hinterbringen / und um wircklichen Beyſtand wi - der den rebelliſchen Chaumigrem anhalten. Hin - gegen ſolte der Koͤnig von Ava aller Lehn-Pflicht erlaſſen / und mit der unumſchrenckten Gewalt ei - nes Reichs erfreuet werden. Wie nun theils meinem Printzen die Begierde dieſes Kaͤyſerliche Hauß zu retten / theils die innigſte Liebe / und der ſchleunige Verluſt ſo angenehmſter GegenwartS 2ſon -276Der Aſiatiſchen Baniſe. ſonderlich anfochte: und mit einem Worte / Eh - re und Liebe einen hefftigen Wett-Streit in ihm verurſachten / ſo ließ er doch endlich der Ehre die Oberhand / in Betrachtung / daß ſolche ſeine Ge - wogenheit gegen die Princeßin deſto mehr bekraͤf - tigen / und ſeiner Liebe einen groſſen Vortheil ver - ſchaffen koͤnte. Jnmittelſt gebrauchte er dieſe wenige Zeit dermaſſen / daß ich / auſſer gegen die Nacht-Zeit / indem daß ich mit Einpacken und moͤglichſter Zubereitung zu bevorſtehender Reiſe beſchaͤfftiget war / meinen Printzen nie zu ſehen bekam; Dannenhero ich auch von dieſen ver - liebten Zuſammenkuͤnfften keine Nachricht er - theilen kan: Genung / wenn ich ſage / daß dieſes hohe Paar mit ſo reiner und bruͤnſtiger Liebe be - geiſtert geweſen / als es dero beyderſeitige Tugend und Schoͤnheit immermehr erfodern koͤnnen. Nunmehro aber brach das betruͤbte Liecht an / da ſich die Hertzen trennen / und ein trauriger Ab - ſchied die Gemuͤther empfindlichſt ruͤhren ſolte. Es waren auff Kaͤyſerlichen Befehl dreyhundert tapffere Reuter nebſt gnugſamen Pferden und Reiſe-Kaſten uns zugeordnet / welche eines Theils bereits vor der Pforte uns auffwarteten. Dan - nenhero mein Printz mit ſchwerem Hertzen das Lager verließ / ſich ankleidete / und ſo fort nach Ho - fe verfuͤgte / woſelbſt er zufoͤrderſt von dem Kaͤyſer gebuͤhrenden Abſchied genommen / welchem ich gleichfalls nicht beygewohnet / und dahero von meines Printzen geheimen Verrichtungen nichtsſa -277Erſtes Buch. ſagen kan. Nach dieſem verfuͤgte er ſich nach dem Frauenzimmer / und erlaubte mir unwuͤr - digſt / dieſem traurigen Abſchiede perſoͤnlich bey - zuwohnen. Wir wurden alſobald in der Prin - ceßin Zimmer eingelaſſen / welche wir auff einem Stule in ſolcher erbaͤrmlichen Geſtalt vor uns ſitzend fanden / daß die Unbarmhertzigkeit ſelbſt zu einigem Mitleiden haͤtte muͤſſen beweget werden. Die ſchoͤnen Haare waren zu Felde geſchlagen / ein dunckel-gelber Atlaß verhuͤllte den ſchoͤnen Leib / und gab zugleich die innerſte Teaurigkeit ih - res Hertzens zu erkennen; Die haͤuffigen Thraͤnen ſchienen einen Theil der vorigen Anmuth wegge - ſchwemmet zu haben / und das Engliſche Haupt war von der lincken Hand / als einer Marmor - Saͤule / unterſtuͤtzet. Durch ſolchen traurigen Anblick ward mein Printz dermaſſen geruͤhret / daß er nichts weiter vermochte / als ſich vor ihr auf die Knie zu ſetzen / und dero rechte Hand eine ge - raume Zeit an den Mund zu druͤcken / gleichſam / als ob dieſe Wehmuth ein Stillſchweigen verur - ſachte. Endlich nach etwas getrockneten Wan - gen ſtieß ſie mit halbgebrochener Stimme dieſe klaͤgliche Worte heraus: So ſtehet es denn / O grauſames Verhaͤngniß / nicht zu aͤndern / daß ich das jenige / was meine Seele ſeinem eigenen Le - ben vorzeucht / ſo ſchleunig entbehren ſoll? Und iſt der Schluß unwidertreiblich / daß ſich mein Hertze theilen / ja meine Seele ſich ſelbſt verlaſſen muß? Mein Hertze bricht mir / die Augen ver -S 3dun -278Der Aſiatiſchen Baniſedunckeln / und ich befinde mich nicht geſchickt / die - ſen Verluſt lebendig zu ertragen. Ein ferneres vorzubringen / verboten ihr die haͤuffigen Thraͤ - nen / biß ſich der Printz in etwas erholete / und be - weglichſt antwortete: Liebſte / wertheſte / ſchoͤnſte Princeßin! Jhre Thraͤnen ſind mein Weh - muth / und dero Klage betruͤbet mich biß in den Tod / ja was meinen Augen an Waſſer gebricht / das erſetzet mein Hertze durch Blut. Jch ſoll ſcheiden / ja ich muß ſcheiden! weil mich unſere Feinde zwingen. Jch ſage recht unſere Feinde / weil ich ſie kuͤnfftig vor keine andere / als auch mei - ne erkennen werde / indem auch ihr Blut viel zu ſchwach iſt / meine beſtaͤndige Liebe zu hintertrei - ben. Jch muß ſcheiden! aber / ach ihr Goͤtter! nicht auff ewig! Und wo ich mich einiges Tro - ſtes von meiner ſchoͤnen Princeßin verſichern darff / ſo geruhe ſie doch dieſe Thraͤnen / welche mein Hertze durchdringen / zu maͤßigen / und durch uͤberfluͤßige Traurigkeit mich nicht ſterben zu laſ - ſen. Grauſamer Printz / erwiederte ſie wehmuͤ - tigſt / ihr redet wider euch ſelbſt / daß ihr meine Thraͤnen verhindern / und mir nicht eꝛlauben wol - let / ſolches ſchmertzliche Scheiden ſchmertzlichſt zu bejammern. Denn dieſe Thraͤnen ſind die be - ſten Zeugen ungefaͤrbter Treue / und wo ihr dieſe zu hemmen ſuchet / ſo verbietet ihr mir / euch zu lie - ben. Jch bin / verſetzte mein Printz / erwehlte Princeßin / biß in das Grab hiervor verpflichtet / es wuͤrde mich aber mehr erfreuen / wenn meinAb -279Erſtes Buch. Abzug mit groͤſſerer Hertzhafftigkeit als Weh - muth ertragen wuͤrde / iedoch ohne einigen Abgang unſerer geſchwornen Liebe. Zu dem / liebſte Prin - ceßin / was wolte ſie denn thun / wenn ſie mich vor ſich in einem Sarge liegen ſehen / und mir die letz - te Pflicht erweiſen ſolte. Allein hiedurch wurde die betruͤbte Princeßin empfindlichſt geruͤhret / daß ſie mit lauter Thraͤnen ſagte: Ach unbarm - hertziger Printz / womit draͤuet ihr mir / uud mit was vor ungluͤckſeliger Vorbedeutung wollet ihr mein Elend und Jammer vermehren? Jch weiß ohne diß nicht / was es iſt / das eine ſo ſonderbare Traurigkeit in meinem Hertzen erwecket / und mir ein Ungluͤck vorbildet / welches ich noch zur Zeit nicht begreiffen kan. Solte es nun ja an ein Sterben gehen / ſo werde ich viel eher dem To - de zum Schlacht-Opffer dienen muͤſſen / als ihr / der ihr euch in die Sicherheit begebet / und gar leicht eurer getreuen Princeßin bey der Wieder - kunfft / als einer Leichen / den letzten Kuß gewaͤhren duͤrfftet. Hiedurch hatte ſich die Princeßin ſatt - ſam an dem Printzen gerochen / indem er ſich haͤuf - figer Thraͤnen nicht ferner enthalten kunte / wie - wol er ſich nicht wenig ſchaͤmete / und ſelbe zu ver - bergen ſuchte. Worzu dienet es / hub er nach ei - nigem Stillſchweigen an / uns ſelbſten zu fernerer Betruͤbniß Anlaß zugeben / da wir doch bereits in ſolchen Schmertzen verſetzet worden / daß er / auſſer dem Tode / unmoͤglich kan vergroͤſſert wer - den. Jch bin vielmehr kommen / weil mir dasS 4Ver -280Der Aſiatiſchen Baniſe. Verhaͤngniß / dero Kaͤyſerl. Herr Vater / die Wol - fahrt dieſes Reichs / ja meine Liebe / womit ich mich der ſchoͤnſten Seelen in der Welt verpflich - tet weiß / es ſo befielet / demjenigen auff eine Zeit lang den Abſchieds-Kuß zu ertheilen / welches ich auſſer dieſem nicht eher / denn mit dem Leben ent - behren wuͤrde. Mit der gewiſſen Verſicherung / daß / wie die Hoffnung das einige Labſal aller Schmertzen iſt / alſo auch eine gluͤckliche Wieder - kunfft uns ietzige Wehmuth ziemlich verweiſen werde / daß wir nicht beſſer unſer Vertrauen ge - gen die Goͤtter / durch groͤſſere Standhafftig - keit erwieſen haben. Uber das ſoll dieſer Ab - ſchied und dieſe Abweſenheit ein vollkomme - nes Zengniß unſerer innigſten Liebe ſeyn: Ob mir zwar iedwede Minute zu einem Jahre gera - then / und lauter ungedultiges Sehnen nach der Wiederſehung meines Augen-Troſtes / ge - baͤhren wird. Lebet wohl! Gute Nacht! Die betruͤbte Princeßin wolte den Printzen noch nicht verlaſſen / ſondern verfolgte ihre wehmuͤ - thige Klage mit dieſen Worten: Ach verziehet / mein Printz / und goͤnnet noch eine Viertelſtunde eure Gegenwart derjenigen / welche vor Weh - muth faſt zu ſterben vermeynet. Denn ich ver - ſichere / das ſchaͤrffſte Meſſer wuͤrde mit geringe - rem Schmertzen mein Hertze durchſchneiden / als das ſchmertzhaffte Wort / Lebet wohl! und kein Donnerſchlag wuͤrde in meinen Ohren haͤrter er - ſchallen / als die unverhoffte gute Nacht! MeinPrintz281Erſtes Buch. Printz / welcher moͤglichſt eylte / dieſen traurigen Abſchied zu endigen / und ſich ſelbſt vor Betruͤb - niß nicht zu laſſen wuſte / kuͤßte ihre Hand mit thraͤnendem Munde / und ſagte: Ach ſchoͤnſte und wertheſte Princeßin! ſie glaube / daß kein Gifft meine Seele ſo qvaͤlen / noch keine Galle mir ſo bitter ſeyn kan / als dieſes Scheiden: Wie aber derjenige / welcher an den ſuͤſſen Port ſeiner Liebe gluͤcklich anlenden will / die Großmuth zu einem ſteten Compaß haben muß; Alſo bilde ich mir ein / daß / wo ich einer ſo vortrefflichen Schoͤnheit / wie ich in dero Engliſchen Perſon angetroffen / wuͤrdigſt genieſſen will / ich mich allem Ungluͤck großmuͤthigſt widerſetzen / ſtandhafft widerſtehen / durch alle Widerwertigkeit dringen / und doch endlich in dero Arme kommen muͤſſe. So begreif - fe ſie demnach / und laſſe die vorgebildete Freude / welche bey eheſtem Wiederſehen unſere Hertzen beſeligen wird / ietzigen Wehmuths-Kummer - bertreffen / ſo wird ſie ſehen / wie eine großmuͤthi - ge Hoffnung das Ungluͤck ſelber trotzen koͤnne. Hierdurch ſchiene die Princeßin etwas beſaͤnffti - get zu ſeyn / dahero ſie denn meinen Printzen an - muthigſt kuͤſſete / und mit beweglichſten Wor - ten den letzten Abſchied nahm: So fahret wohl / mein Printz / mein Engel / mein Leben / fahret wohl / und bedencket / daß ihr etwas hinter euch gelaſſen / welches ſich durch langes Abſeyn ſelbſt verzehren wuͤrde. Fahre wohl / liebſter Schatz / den mich die Liebe du zu nennen zwinget! Fahre wohl / weilS 5es282Der Aſiatiſchen Baniſe. es doch muß geſchieden ſeyn. Die Goͤtter fuͤhren und begleiten dich! Es muͤſſe lauter Sicherheit auf allen Wegen wachſen / wo du nur deinen matten Fuß hinſetzen wirſt: Wo du dein Haupt hinlegeſt / da umſchatte dich der Goͤtter Schutz; Ja es muͤſſen alle deine Tritte zu Roſen werden. Fahre wol! Welches letztere Wort ſie mit einem bruͤnſtigen Kuß auf des Printzen Lippen verſiegel - te. Wodurch denn mein Printz gezwungen ward / diß kurtze Adjeu darzu zu ſetzen: So lebe demnach auch wol / unſchaͤtzbarer Engel / und vergiß nicht deßjenigen / deſſen innigſte Liebe auch in der Aſchen brennen wird. Gute Nacht / liebſte Baniſe / le - be wol / ſchoͤnſte Princeßin! Jch ſchelde dem Lei - be nach von Pegu / und hinterlaſſe dir doch mein Hertze zu einem unverfaͤlſchten Liebes-Pfande. Verſichre dich / daß mein Schatten / ja mein Geiſt Tag Nacht dich begleiten / und um dich ſchwe - ben werde. Lebe wohl! Der Himmel laſſe dich keine rauhe Luft beruͤhren / und erhalte dich geſund / biß ich dieſes Zimmer wieder froͤlich beſchritten / und die Roſen auf deinen Lippen brechen koͤnne. Lebe wohl! Wie nun der Schluß durch unzehli - che Kuͤſſe gemacht / und mein Printz mit einigen koſtbaren Kleinodien / wie auch ich mit einem Sa - phir-Ringe beſchencket wurde / ſo eilte mein Printz gleichſam gantz daumelnde aus dem Zimmer / und begab ſich nach dem Pallaſt / allwo unterſchiedene Groſſe vom Hofe aufwarteten / um von meinem Printzen gebuͤhrenden Abſchied zu nehmen / welcheer283Erſtes Buch. er aber gantz kuꝛtz voller Gedancken beurlaube - te / ſich nebſt uns allen zu Pferde begab / und in vol - lem Galoup mit thraͤnenden Augen Pegu verließ. Und dieſes iſt auch leider! das letzte mal geweſen / daß ſie mein Printz geſehen. Hier wendete ſich der Printz um / und haͤtte ſich in ſothaner ſchmertzli - chen Erinnerung faſt verrathen / indem er ſeinen Augen nicht mehr zu gebieten vermochte / dannen - hero Scandor ſeine Erzehlung moͤglichſt verkuͤrtz - te / und ſie durch folgende Worte endigte:

Nachdem wir nun nach einiger Zeit gluͤcklich in Ava angelanget / ſo bildete ſich mein Printz nichts feſter ein / denn er wuͤrde ein angenehmer Gaſt ſeyn / und durch gutes Vorbringen ſich Koͤ - niglicher und Vaͤterlicher Gnade wiederum wuͤr - dig machen. Wie denn auch in der gantzen Stadt eine ungemeine Freude uͤber unſere Ankunfft ent - ſtund. Allein was uns zum erſten ein uͤbles Zei - chen gab / war / daß nicht allein niemand bey dem Printzen eine Willkommens-Beſuchung able - gen durfte / ſondern auch ſo gar keine Veꝛordnung / unſere mitgebrachte Geleits-Voͤlcker zu verpfle - gen / ertheilet wurde / welche zwar von den Jn - wohnern willig und gerne aufgenommen / von ihnen reichlich verſorget worden. Nach zwey Ta - gen / als wir etwas ausgeruhet hatten / ließ ſich der Printz bey dem Herrn Vater endlich anmel - den / welcher auch den Ober-Reichs-Schencken abfertigte / und an ſtatt einer Vaͤterlichen Bewill - kommung / ihn mit einem harten Verweiß / we -gen284Der Aſiatiſchen Baniſe. gen Ubertretung des Gebots / inner Jahr und Tag nicht wieder zu kommen / anſehen ließ. Ob nun zwar mein Printz die Urſache ſeiner Wiederkunft beweglichſt vortragen ließ / und alles dasjenige that / was einem tapffern Printzen und treuen Liebhaber gebuͤhrte / ſo handelte doch der Koͤnig ſo unbeſonnen / und ließ uns anbefehlen / uns ſo lan - ge / ohne iemands Beſuchung / inne zu halten / biß dem Koͤniglichen Befehl ein Gnuͤgen geſchehen / und das Jahr verfloſſen ſey. Ja / wir ſahen un - ſer Hauß mit zweyhundert Mann umringet / wel - che uns ungeſcheuet bewachen / und allen Ausgang verwehren muſten. Wie nun meinem Printzen damahls zu Muthe war / ſolches iſt daraus abzu - nehmen / daß er ſich gaͤntzlich vorſetzte / mit bloſſem Sebel auszufallen / und durch ſolche Gewalt die Wache ſo lange zu zwingen / biß ſie ihn niederma - chete. Welches ich aber vernuͤnfftig widerrieth / in Betrachtung / daß die Wache nicht nach deſſen Tode / ſondern nach der Perſon trachten wuͤrde / wodurch denn der ohne diß raſende Koͤnig zu noch groͤſſerer Unbeſonnenheit moͤchte angetrieben / und durch ſein ferneres Ungluͤck die arme Prin - ceßin wohl gar in Tod geſtuͤrtzet werden. Alſo ſaſſen wir nun bey zwey Monat lang / daß uns auch alle Zuſammenkunfft mit der Princeßin Hi - gvanama verwehret wurde. Endlich lieff die grauſame und blutige Zeitung ein / wie inzwiſchen Chaumigrem gantz Pegu erobert / und den Kaͤy - ſerlichen Stam̃ ausgerottet habe. Was ich nachdie -285Erſtes Buch. dieſem mit dem Printzen ausgeſtanden / iſt unbe - ſchꝛeiblich / indem ich ihn zwey Tage faſt ſtets ohn - maͤchtig unter meinen Haͤnden gehabt habe / und da deſſen elender Zuſtand nach Hofe berichtet ward / kam endlich Befehl / die Wache ſolte uns verlaſſen / und der Printz auf freyem Fuß geſtel - let ſeyn. Ob uns nun zwar dieſe Befreyung nun - mehr viel zu langſam zu ſtatten kam / ſo erholte ſich doch mein Printz in etwas; Und wie er ſich in ſei - nem groͤſten Leidweſen iederzeit des Goͤttlichen Ausſpruchs zu Pandior feſte getroͤſtete / und es vor unmoͤglich hielte / daß die Goͤtter einem Tyrannen erlauben wuͤrden / ſolches ihr Ebenbild zu toͤdten: So befehlichte er gegenwaͤrtigen ſeinen vorneh - men Bedienten nach Pegu zu eilen / und in geheim der Sachen wahre Beſchaffenheit zu erkundigen / bevoraus / ob ſeine werthe Princeßin noch lebte / wiewol er mit lauter verzweiffelten Anſchlaͤgen zu rathe gieng. Vor vierzehen Tagen aber ſchick - ten es die guͤtigen Goͤtter / daß / als der Koͤnig Da - coſem die Princeßin Higvanama ſeine Tochter / ungeachtet ſie dem Printzen von Siam verſpro - chen / dennoch an einen / ihr gantz unanſtaͤndigen Fuͤrſten aus Ava / mit Gewalt verheyrathen wol - te / und deßwegen der erſten Zuſammenkunft / wo - bey ſonder Zweiffel die Vollziehung dieſes Zwan - ges geſchehen ſollen / beywohnte / der alte Koͤnig ſich in dem Truncke heftig uͤbernommen / und fol - genden Morgens todt im Bette gefunden worden. Hierdurch wurde nun die Princeßin Higvanamaer -286Der Aſiatiſchen Baniſe. erloͤſet / und mein Printz ein gewaltiger Monar - che; Und waͤre zu wuͤnſchen / die guͤtigen Goͤtter haͤtten irgendwo die ſchoͤne Baniſe vor meinen Printzen auf behalten: Angeſehen ihm zugleich das Reich Aracan / durch Hintritt des Koͤnigs zu - gefallen / und er nunmehro dem Peguaniſchen Blut-Hunde ſattſam gewachſen iſt / ſeine Prin - ceßin mit viel hundert tauſend Sebeln maͤchtigſt zu erloͤſen.

[figure]
Der287Anderes Buch.

Der Aſiatiſchen Baniſe Anderes Buch.

HJermit beſchloſſe Scandor ſeine Er - zehlung: Abaxar aber erſeuftzete tief / und ſagte: Gewiß / ich empfinde ein innigſtes Mitleiden gegen den tapf - fern Printzen Balacin / welcher traun eines beſſern Gluͤckes wuͤrdig geweſen / nachdem ihn aber die Goͤtter mit einer doppelten Krone be - ſchencket / ſo wird er vielleicht deſto eher alles zuge - ſtoſſenen Ungemachs / wo nicht gar der bereits vor verlohren-geachteten Princeßin vergeſſen / und ſich nach anderwertiger Vergnuͤgung umſehen koͤnnen. Jhr irret / wertheſter Freund / fiel ihm Balacin ins Wort / denn ihr ſollt wiſſen / daß ſich der Printz gaͤntzlich entſchloſſen / auſſer der Prin - ceßin Kron und Scepter zu verlaſſen / durch ei - genhaͤndige Rache an dem Tyrannen ſeinen Todt zu ſuchen / und alſo ſeiner Baniſen im Tode zu fol - gen. Das wollen die Goͤtter nicht / erwiederte Abaxar / daß ein ſo tapfferer Printz ſterben ſolte; und will ich gerne mein moͤglichſtes beytragen / zu erforſchen / ob die Princeßin noch am Leben ſey. Ja wer weiß / ob ich nicht die erſprießlichſte Nach - richt hiervon ertheilen koͤnte. Ja freylich / verſetz - te Talemon / denn eben der Herr Ober-Haupt - mann wird wiſſen / wie er den grauſamen Mord -Be -288Der Aſiatiſchen Baniſe. Befehle des Kaͤyſers nach gelebet habe. Abaxar erroͤthete uͤber dieſen Worten / iedoch erholte er ſich bald wiederum / und ſagte: So ſey es denn / ich wil zu dieſes unbekandten Pꝛintzens Veꝛgnuͤgung / welchen ich bereits in meinem Hertzen hoch achte / meine Wiſſenſchafft / ja mein gantzes Vermoͤgen beytragen. Und weil es heute zu ſpaͤte / und mein Amt mich zur Aufwartung ruffet / ſo werde ich morgen nach Moͤglichkeit wiederum aufwarten / und gewiß nicht unangenehme Dinge offenbah - ren / weil ich verſichert bin / daß ich bey vertrauten Freunden mein Hertze wohl ausſchuͤtten moͤge. Mit dieſen Worten nahm er freundlichen Ab - ſchied / und hinterließ den Printzen in tauſend Ge - dancken / indem er aus des Abaxars Reden ſich viel gutes wahrſagete.

Als ſie nun alle / biß auff den Scandor / des Printzen Zimmer verlaſſen hatten / und der Printz eine ziemliche Weile des Abaxars Worte bey ſich uͤberleget hatte / fiel ihm die mit deꝛ Lorangy gehal - tene Abrede ein / welche ihn denn gantz von vorigen Gedancken abzog / und in kummerhafftes Nach - dencken verſetzte / wie er ſich doch dieſes nachtheili - gen Verſprechens ohne Gefahr entledigen moͤch - te. Endlich nach vielen Rathſchlaͤgen fiel ihm ein / ob nicht Scandor ins Mittel treten / und dieſer Sache durch eine Heyrath erwuͤnſcht abhelffen koͤnte. Solches ihm nun vorzubringen befahl er dem Scandor / ſich vor das Bette zu ſetzen / und durch einigen Wort-Wechſel den Verdruß ſei -ner289Anderes Buch. ner Gedancken zu ſtoͤren / da ihn denn der Printz ſofort anredete: Mein Scandor / wir befinden uns beyderſeits am fremden Orte / und dazu in Feindes Lande / da wir nichts mehrers als guter und wahrer Freunde benoͤthiget ſeyn: Nun hal - te ich davor / es ſey keine hoͤhere Freundſchafft / als die eheliche / worzu du leichte gelangen / und mir und dir dadurch in allen bevorſtehenden Zufaͤllen befoͤrderlich ſeyn koͤnteſt. Gnaͤdigſter Herr / er - wiederte Scandor / ich weiß nicht / wie ſie auf die - ſe Gedancken gerathen: Wenn mir nicht dero hoher Sinn bekandt waͤre / ſo wolte ich meynen / ihr Rath gienge dahin / ich ſolte mir einen Nagel einſchlagen / woran ſie bißweilen ihren Haupt - Bund hengen koͤnten. Nein / verſetzte der Printz / mein Scandor / es hat gar nicht dieſe tadelhaffte Meynung / ſondern ich bin bedacht / dir zu rathen / und mir zu helffen / auf eine ſolche Art / welche ein gutes Abſehen hat / derowegen wirſt du die Sache wohl uͤberlegen / und dich aller Gnade dabey von mir verſichern. Gnaͤdigſter Herr / war des Scan - dors Antwort / die Zeiten ſind gefaͤhrlich / und die vielen Beyſpiele gekroͤnter Haͤupter ſchꝛecken mich von dem Verlangen ſolcher Wuͤrde. Solte ich nun meines bißgen Koꝛns halben eine eigene Muͤh - le bauen / ſo fuͤrchte ich immer / es moͤchten die Nachbarn fremde Getꝛeyde aufſchuͤtten / und wild Waſſer meine Raͤder treiben. Dieſes halte ich nun nicht vor rathſam / ob ich mir zwar in allem zu gehorſamen vorgenommen habe. NaͤrriſcherTMen -290Der Aſiatiſchen Baniſe. Menſch / redete ihm der Printz ein / eine uͤbele Mey - nung kan ja nicht allen nachtheilig ſeyn / indem ei - ne Schwalbe keinen Sommer machet. Viel - mehr wirſt du dir zu Gemuͤthe fuͤhren / was vor taͤgliche Anmuth ein ſchoͤnes Weibs-Bild ſey / und wie dir alle Morgen / weñ du erwacheſt / gleichſam die Sonne im Bette aufgehet: denn die Schoͤn - heit iſt ja ein Brunn der Wolluſt / aus welchem die Augen Vergnuͤgung / und das Hertze lauter Anmuth ſchoͤpffet. Wie ſolteſt denn du der ein - tzige ſeyn / welcher dieſe Himmels-Koſt mit eckeln Lippen verachten wolte? Gantz recht / antworte - te Scandor / die Schoͤnheit iſt freylich ein ſolcher Gaſt / welchem viel tauſend Opffer der luͤſtern - den Augen gewiedmet werden. Allein wo ich mich auch dieſe bethoͤren lieſſe / wer erſetzte mir denn den Schaden / wenn ein Fieber / oder Po - cken / oder hundert andere Zufaͤlle das feine Fleck - gen verderbten / und mir hernach dieſe Bett-Son - ne eine ſtete Finſterniß vorſtellete: Zudem iſt es ein wurmſtichig Weſen um die Schoͤnheit / denn wie die ſchoͤnſten Kirſchen am meiſten von den Vogeln verfolget / und wo ſie nicht ſtets durch ein fleißiges Auge bewachet / gar leicht angebiſſen werden; alſo befuͤrchte ich auch / man moͤchte mir in dieſem Fall nichts neues machen / ſondeꝛn gleich - falls mit einem Tuͤrckiſchen Bunde zieren / wie die Ochſen tragen / denn ſchoͤne Weiber ſind Jrr - wiſche / die verfuͤhren die Leute bey Tag uud Nacht. Du biſt einem Thiere zu vergleichen /wel -291Anderes Buch. welches ſeine langen Ohren vor Hoͤrner anſiehet / war des Printzen ferneres Einreden / ſo ja aber ei - ne ungewiſſe Furcht ſolche Anmuth in dir verban - net / ſo nim dir eine etwas ungeſtalte / welche dir voꝛ uͤbꝛigeꝛ Beſuchung ſattſame Sicheꝛheit ſchaffẽ wird. Auch dieſes laͤſt ſich hoͤren / gnaͤdigſter Herr / erwiederte Scandor / denn eine heßliche Frau iſt wie ein Fleiſcherſtock / welcher nicht geſtohlen wird / ob er gleich Tag und Nacht vor der Thuͤre ſtehet; Allein hierdurch thue ich mir ſelbſt das groͤſſeſte Unrecht / indem ich mir ſolche Waare gekaufft haͤtte / welche andere Leute verachtet ha - ben / und muͤſte ich eine ſolche Larve ſtets vor mir ſehen / da ich des Kuͤſſens vor Eckel nicht gedencken wil. Jch achte mich aber auch deßwegen nicht allzu ſicher; denn wie ein ungeſtalter Leib oͤffters ein unartiges Gemuͤthe / und ein heßliches Ge - ſichte mehrentheils ein verliebtes Hertze andeutet / ſo muͤſte ich beſorgen / zumahl wenn ich ſie unmoͤg - lich lieben koͤnte / es moͤchte ſich doch wohl ein nie - driges Gemuͤthe in meine Freundſchafft eindrin - gen / und ſolte es auch mir zum Verdruß geſche - hen. Jch gebe dir endlich hierinnen Beyfall / ver - laͤngerte der Printz dieſe Unterredung; dieſem a - ber nun vorzukommen / ſo heyrathe eine Wittbe / welche nicht allein ihren Verſtand durch die Jah - re erreichet / ſondern auch bereits die Jugend-Hi - tze abgekuͤhlet hat / denn es heiſt: die Alten / die beſten. So waͤre es eben / verſetzte Scandor / als wenn der gute Morgen zur Mitternacht kaͤ -T 2me.292Der Aſiatiſchen Baniſe. me. Denn wo ſich die Ungleichheit des Alters befindet / da wil gemeiniglich das Alter die Ju - gend beherrſchen. Diß traͤffe mir nun ſehr ſchlimm ein / daß ich meine jungen Tage einer Alten verpflichten / und meine bißher unbefleckte Jugend in ſolche Gefahr verbotener Gerichte ſe - tzen ſolte / wenn mir irgend zu Hauſe / wie es nicht anders ſeyn koͤnte / fuͤr der ſchlechten Hauß-koſt eckelte. Nein / davor bedancke ich mich. Geitz / Argwohn / Eyfer / Zanck / ſind die taͤglichen Spei - ſen / welche eine alte Frau ihrem jungen Manne vorſetzet. Die Zufriedenheit des Gemuͤths iſt des Menſchen ſein groͤſter Reichthum; dieſe aber wuͤrde ich ſchwerlich bey ſolcher Heyrath antref - fen. Sonderlich wuͤrde mich dieſes am meiſten ſchmertzen / wenn mir bey Hochzeiten / Spazier - Fahrten und dergleichen Zuſammenkuͤnfften an - dere Maͤnner meines Alters mit ihren ſchoͤnen jungen Weibergen begegneten / und ich kaͤme da mit meinem Alten verdrießlichen Muͤttergen von ſechzig Jahren aufgezogen / vor deren Eiferſucht ich keine Schoͤnheit anblicken duͤrffte. Es iſt ein widerwaͤrtiges Ding um einen boͤſen Kauff / denn die Waare ruͤckt ihrem Herrn allzeit ſeine Thor - heit auff. Kan man ſich aber ja woran eine ſtetswaͤrende Reu erkauffen / ſo geſchiehts gewiß - lich durch eine ungleiche Heyrath / welche einem ſeine Unbedachtſamkeit bey Tag und Nacht / Tiſch und Bette / in Stube und Cammer / im Hauſe und auf der Gaſſe / fuͤrwirfft und vor Au -gen293Anderes Buch. gen ſtellet. Zudem iſt ein ſolches Weib / wie das viertaͤgige Fieber / welches man nicht eher / denn im Tode / loß wird. Denn ob man gleich den - cken ſolte / ein altes Weib koͤnne wegen ihres Al - ters unmoͤglich lange leben / ſo begehre ich doch die - ſem nicht zu trauen / denn die alten Weiber haben gar ein zaͤhes Leder / und geben uns offt eher / als wir ihnen / das Geleite zum Grabe. Daß es nun auch eine Witwe dazu ſeyn ſol / darauf ant - worte ich nichts als dieſes: Eine Jungfer / wie ich wil: Eine Witwe / wie ſie wil / und die ſchon zwey Maͤnner gehabt hat: Huͤte dich / mein Pferd ſchlaͤgt dich. Du biſt allzu nachdencklich / war des Printzen Wieder-Rede / und weil ich auch hierinnen deiner Meynung nicht ſo gar entfallen kan / ſo gebe ich es zu / und riethe dir vielmehr / ein fein junges Maͤdgen / welches ſich durch eine ſtille Froͤmmigkeit beliebt machen kan / zu deiner Ehe auszuſuchen. Und dieſes ſchiene mir nicht ſon - derlich entgegen zu ſeyn / antwortete Scandor / wenn nicht nur dieſer Verdruß mit unterlieffe / daß ich erſt etliche Jahre gleichſam ihr Hoffmei - ſter ſeyn / und ſie ziehen muͤſte / da ich doch noch in der Ungewißheit lebte / wie dieſe Zucht geriethe. Sonſt iſt wohl eine Jungfer / oder Fraͤulein / wie ſie heutiges Tages wollen getaufft ſeyn / am beſten zu heyrathen / welche man am leichteſten erlangen kan / weiln ſich iedweder Vater nichts daran zu er - halten getrauet / indem ſie unter die Sachen gehoͤ - ren / wovon das Recht ſaget: Quæ ſervando ſer -T 3vari294Der Aſiatiſchen Baniſe. vari non poſſunt; Jedennoch iſt auch ein allzu - ſtilles Weſen oder Froͤmmigkeit nicht allemahl zu loben / angeſehen ſolches von andern vor eine Einfalt und Bloͤdigkeit ausgeleget wird / und iſt auch ſolches nicht iederzeit dem Manne anſtaͤn - dig / welcher bißweilen durch einige Beredſamkeit ſeines lieben Weibes nicht wenig ergetzet wird; vielweniger aber iſt ſolcher Stille iederzeit zu trauen: Denn zu dem / daß nach dem bekandten Spruͤchwort / ſtille Waſſer tieff zu ſeyn pflegen: ſo treten ſie oͤffters in der ſtilleſten Weiſe darne - ben / und verhoffen / der Mann werde ſolchen Fehl - tritt in das Regiſter ihrer Einfalt eintragen / ob er gleich hernach die Feder uͤber das Ohre ſtecken muͤſte. Ja ich wil hier nicht behaupten / daß ein Frauenzimmer / es ſey ſo ſtill / oder ſo fromm / als man es nur wuͤndſchen moͤge ſich doch bißweilen unterſtehe / nach dem Regiment zu ſtreben / und des Scepters zu gebrauchen / ſonderlich wenn Cammer-Sachen auszutragen ſeyn. Erlaubet man ihr nun ſolches / ſo verwehnet man ſie / thut man es nicht / ſo darff ſie einem wohl vorwerffen / man habe ſie nicht lieb / und zwinget uns durch ih - re verſtelte Traurigkeit / daß man ſie zu ergoͤtzen wiederum herrſchen laͤſt. Denn wer ein Weib nimmt / der bilde ſich nur ein / ſie werde das Regi - ment haben / es geſchehe gleich heimlich / mit Ge - walt / oder Bittweiſe. Und alſo iſt auch ſelbſt in der Froͤmmigkeit und Jugend keine Sicherheit zu finden. So ſuche dir eine muntere und be -ſchwatz -295Anderes Buch. ſchwatzte / rieth ihm der Printz ferner. Da kaͤ - me ich recht an / widerredete es Scandor / daß ich mir eine kluͤgere / als ich ſelbſt waͤre / beygeſellete. Die koͤnte mich zu einer Gemſe machen / welche ihre eigene Hoͤrner nicht ſehen kan. Allzu mun - ter iſt faſt wilde / und ein zu hurtiges Pferd wirfft ſeinen Reuter leicht ab / womit mir nicht ſonder - lich gedienet waͤre. Die Beredſamkeit ſtehet zwar einem Frauenzimmer gar fein an / ſo lange ſie nicht mit dem Mißbrauch Schweſterſchafft machet / indem ſie oͤffters nicht faͤhig ſind / durch beredte Umſchweiffe ihre heimliche Liebe zu entde - cken / ja wol gar dunckele Worte / Zeit und Ort verbotener Zuſammenkuͤnffte zu benennen / daß der arme Mann dabey ſitzet / und mit hoͤrenden Ohren taub ſeyn muß. Mercket er auch gleich durch angeborne Klugheit etwas davon / ſo weiß doch ihre argliſtige Zunge ſolche Worte vorzu - bringen / wodurch deſſen Verſtand verdunckelt / und er in den Wahn geſetzet wird / erhabe ſeinen keuſchen Schatz auch durch den geringſten Arg - wohn beleidiget. Jn ſolcher irrſamen Meynung wird er keine Zuſammenkunfft ohne ſeine Haus - Ehre beſuchen / welche ſich denn ſolcher Gelegen - heit ſehr wohl zu bedienen weiß / bevoraus / wo ſie auff dieſem Wein-Meer ein anſtaͤndiges Schiff bemercket / welches ſeinen Ancker in fremden Grund zu werffen ſuchet: Da wird ſie den trun - ckenen Mann durch tanſend verſchmitzte Liebko - ſungen dahin zu bereden wiſſen / wie er ſeiner Ge -T 4ſund -296Der Aſiatiſchen Baniſe. ſundheit ſchonen / den Trunck meiden / und ſich zur Ruhe begeben ſolte / ſie wuͤrde / wenn ihn der Schlaf uͤberfallen / ſchleunige Geſellſchafft leiſten. So bald nun der treuhertzige Mann folget / und ſich durch ſolche Sireniſche Worte in Schlaff bringen laͤſſet / ſo traͤumet ihn denn nicht unbillich / als waͤre ſeine Frau zur Taube worden / welche ſich unter lauter Stoß-Voͤgeln befaͤnde / ſolche a - ber zu retten / verhinderten ihn die vielen Haupt - beſchwerungen. Wenn er aber erwachet / ſo zwin - get ihn die Unwiſſenheit an dieſer gewiſſen War - heit zu zweiffeln. Jch wil hier gleichfalls nicht deßjenigen Mißbrauchs der Beredtſamkeit ge - dencken / wodurch dem Manne oͤffters groſſe Feindſchafft auff den Halß gezogen wird / wenn ein ſolcher ungezaͤumter Mund faſt keinen Men - ſchen vor dem Fenſter kann unberedet vorbey paßiren laſſen: und ſolches vor eine treffliche Art der galanten Welt achtet / wenn ſie von dieſer und jener Perſon faſt iede Geberde / Rede und Klei - dung durchzuhecheln weiß / und ſich in allen Stuͤ - cken vor viel vollkommener ſchaͤtzet / ob gleich das ſchwartze von den weiſſen redet. Alſo werde ich auch verhoffentlich in dieſem Stuͤcke Beyfall er - langen. Dem ſey wie ihm wolle / that ihm der Printz Einhalt / ſie ſey nun alt / verliebt / heßlich / krumm oder lahm / ſo werden doch alle Gebrechen durch Geld verbeſſert. Geld machet den Mann / und wer dieſes hat / der darff reden / wann andere ſchweigen muͤſſen. Weil du nun ſo gar furcht -ſam297Anderes Buch. ſam biſt / ſo wuͤſte ich dir nicht beſſer zu rathen / denn daß du eine reiche Frau heyratheſt. Denn geraͤth ſie dir / ſo iſt das Gluͤcke doppelt / ſchlaͤgt dir aber deine Hoffnung an ihrer Perſon fehl / ſo kanſt du dich doch an ihrem Gelde erhohlen / und alles Vergnuͤgen darinnen finden. Ja wohl / Gnaͤ - digſter Herr / beantwortete ſolches Scandor / ein reiches Weib iſt leicht zu ernehren: Zudem iſt dieſes eine Grund-Regul der heutigen Welt / daß ein Pfund Gold im Heyrathen / einen Centner Tugend uͤberwiegen muß: Aber wehe dem / der ein Weib aus Liebe zum Gelde / und nicht zur Perſon nimt. Denn zu geſchweigen / wie offt ein ſolches geitziges Auge durch den Nebel des pra - lenden Vorwendens verblendet wird / daß er zwar den Sack bekoͤmmt / wie es aber ums Geld ſtehe / hernach mit ſeinem Schaden erfaͤhret; So iſt die Ehe doch ſchon halb verdorben / ob gleich Geld die Menge vorhanden iſt. Denn ein Pferd / welches ſeine Staͤrcke weiß / laͤſſet ſich keinen Menſchen zaͤumen: und eine Frau / welche ihr Vermoͤgen kennet / wird vielweniger einem Mañ einer Spannen breit einraͤumen / wodurch er ſich als Herr bezeugen koͤnne: Alſo wird er mit dem erſten Hochzeit-Tage / wo nicht eher / ſein Scla - venthum betreten / und ein ſteter Befehl wird die Richtſchnur ſeines Lebens ſeyn. Ja es waͤre beſſer / ein Mann ohne Geld / als ſo viel Geld oh - ne Mann zu ſeyn. Hier wuͤrde ich recht erfahren / daß das Weiber-Regiment die aͤlteſte Monar -T 5chie298Der Aſiatiſchen Baniſe. chie ſey / und hier wuͤrde ich alles vorerzehlte Unge - mach auff einmahl tragen muͤſſen. Nein / da behuͤten die Goͤtter! Du wunderlicher Menſch / wolte ihn der Printz ferner bereden / ſo iedweder das Heyrathen in ſolche genaue Betrachtung zie - hen wolte / ſo muͤſte die Welt untergehen. Denn nachdem ich dir faſt alle Beſchaffenheiten des Frauenzimmers vor / du ſie aber insgeſammt ausgeſchlagen / ſo iſt nichts mehr vor dich uͤbrig / als eine Arme / welche durch Armuth gezwungen wird / dich zu lieben / dir zu dienen / und ſich als ein treues Weib in allen Stuͤcken zu verhalten. Die - ſe wird dir verhoffentlich am beſten anſtaͤndig ſeyn. Wo Mangel und Armuth Hochzeit ma - chen / wendete Scandor ein / da iſt Hunger das erſte Kind. Wo nun der Mann arm iſt / und die Frau kein Geld hat / da kan unmoͤglich eine ge - wuͤnſchte Ehe erfolgen. Denn iſt ſie gleich ſchoͤ - ne / ſo heiſt es / von der Schoͤnheit iſſet man nicht. Jſt ſie fromm und tugendhafft / darauf lehnet mir kein Menſch ein biſſen Brodt. Jſt ſie gleich haͤuß - lich / ſo haben wir nichts / woran ſie ihre gute Wirthſchafft erweiſen koͤnne. Jn Summa / die Sache laͤufft auf ein verzweiffeltes Weſen hin - aus / da der Mann zu einem Widder worden / wel - chem die Hoͤrner vor die Augen gewachſen ſind / und er ſie doch nicht davor halten muß: welches das groͤſte Elend vorgebildet. Du redeſt nicht anders / fiel ihm der Printz ein / als ob du bereits in einem und dem andern bey der Erfahrung indie299Anderes Buch. die Schule gegangen waͤreſt. Ob ich gleich / ver - ſetzte Scandor / den Goͤttern ſey Danck! ſolches noch nie erfahren / ſo verſichere ich doch / daß der - gleichen haͤuffig in der Welt vorgehet / und wuͤr - de ein iedweder Menſch / dem ich es erzehlen wuͤr - de / noch ein mehrers beyzutragen wiſſen. Jn Summa / ein Weib iſt ein nothwendigs Ubel / ei - ne natuͤrliche Anfechtung / eine einheimiſche Ge - fahr / und ein luſtiger Schade. So dir ja alle dieſe Vorſchlaͤge / hub endlich der Printz an / ſo gar zu wider ſind / ſo moͤchte ich gerne wiſſen / ob du hierinnen auch einen Entſchluß faſſen koͤnteſt / weñ ich ſolches / als eine Probe deiner Treue gegen mich / von dir eꝛforderte. Scandor wuꝛde hieruͤber gantz fluͤchtig / endlich erholte er ſich aber mit die - ſen Worten: Gn. Herr / mein Vorſatz iſt zwar iederzeit geweſen / den Krantz meiner Jugend mit in das Grab zu nehmen: Wo aber einige Treue gegen einen ſo groſſen Herrn durch eine geringe Heyrath kan bewieſen werden / ſo wolte ich mich wohl unterfangen / das aͤlteſte / heßlichſte / boßhaf - tigſte und aͤrmſte Weib in gantz Aſien aufzuſu - chen / und mich dadurch den Goͤttern ſo weit an - genehm zu machen / daß ſie nach dieſem Leben mei - ner gewiß verſchonen wuͤrden / weil ich die Hoͤlle ſattſam auf Erden gehabt haͤtte. Dem Prin - tzen gefiel dieſer Entſchluß ſehr wohl / dahero er dem Scandor die Hand reichete / und ſagte: Sie - he da mein Scandor / ich verſpreche dir zehen tau - ſend Peſos zum Heyrath-Gute / wenn du die Toch -ter300Der Aſiatiſchen Baniſe. teꝛ hieſiges Hauſes zu deinem kuͤnftigen Ehegemahl erwehleſt. Scandor kuͤßte zwar des Printzen Hand / doch wuſte er ſich in langer Zeit nicht zu faſſen / indem er antwortete: Jch wuͤrde auch dieſes vor eine geringe Probe meiner Treue / und mich vor ein ſehr groſſes Geſchencke unterthaͤnigſt verpflichtet achten / wenn ich nur einige Gelegen - heit erlangen koͤnte. Denn ich habe ein ſonderli - ches Geſpraͤche vernommen / worinnen ich der Lo - rangy unrechte Liebe ſattſam verſtanden: Sie liebet eine Perſon / welche ihre Liebe vor ſehr un - geraͤumt halten wird. Ja ich habe dabey hoͤren muͤſſen / wie die alte Haſſana einen Anſchlag duꝛch einen verdammten Liebes-Trunck machen duͤrf - fen / welches ich aber gebuͤhrend werde zu entde - cken wiſſen. Jch kenne ſchon die Perſon / erwie - derte der Printz / indem mich die Lorangy lange mit ihrer verhaßten Liebe geqvaͤlet hat. Du ſolſt aber wiſſen / mein Scandor / daß ich noch heute gantz verzweiffelt geweſen / und wolte ich nicht et - was aͤrgers beſorgen / ſo habe ich ihr verſprechen muͤſſen / morgen auf die Nacht ihr zu erlauben / mich zu beſuchen. Wie mir nun ſolche Beſu - chung hoͤchſt unanſtaͤndig iſt / alſo wirſt du dir durch treuen Rath einen noch gnaͤdigern Herrn an mir machen. Gar recht / gnaͤdiger Herr / antwortete Scandor / dieſes war der Lorangy Ein - wenden auf der alten Haſſana verzweiffelten An - ſchlag / daß ſie Erlaubniß haͤtte / morgen zu Nacht deſſen Zimmer zu beſuchen. Woruͤber ſich dieAlte301Anderes Buch. Alte nicht wenig erfreut anſtellte / und vermeynte / wenn dieſes geſchaͤhe / ſo haͤtte ſie in ihrer Liebe voͤl - ligen Sieg erlanget. Denn ſie ſolte ſich nur be - muͤhen / daß ihr ein Theil des Lagers eingeraͤu - met wuͤrde / ſo wolte ſie bald mit einen Talegre - pen hinter ihr her ſeyn / und ſie beyderſeits im Bet - te auf ewig verbinden laſſen. Daß nun mein gnaͤdigſter Herr verſichert ſey / ich wolte mich auch an die Stelle ihres Todes legen / ſo iſt diß mein fe - ſter Entſchluß / morgende Nacht der Lorangy hier zu erwarten / und ihre Stelle zu vertreten. Es lauffe nun ab / wie es wolle / ſo laſſen ſie mich nur vor das uͤbrige ſorgen. Treueſter Scandor / ver - ſetzte der Printz / iſt diß moͤglich / daß du mir zu Liebe deine Wolfarth hindan ſetzen willſt? Ja / gnaͤdigſter Herr / antwortete Scandor / ich bin be - reit vor ſie zu ſterben / geſchweige ein ſolches Gluͤ - cke und Reichthum anzunehmen. Nun ſo ſey es denn / war des Printzen letzte Antwort / ich ver - ſichere dich aller Gnade und reicher Belohnung. Jnmittelſt wirſt du dieſe Nacht bey mir verhar - ren / und den Morgen erwarten. Nach geendig - teꝛ Rede und alsdenn genoſſener Speiſe begab ſich der Printz zur Ruhe / und verlangete mit Schmer - tzen nach dem anbrechenden Tage / umb von dem Abaxar fernere Nachricht ſeines Lebens Ster - bens zu erhalten. Dieſer ſtellete ſich nun folgen - den Tages fruͤh wiederum ein / mit dem Bericht / daß ſich der Kaͤyſer in geheimen Rath verfuͤget haͤtte und veꝛhoffte er / ſelben gantzen Tag von allerAuf -302Der Aſiatiſchen Baniſe. Aufwartung befreyet zu ſeyn. Dieſem nach ließ der Printz ebenfalls den alten Talemon erfordern / welchen Scandor folgender geſtallt anreden mu - ſte: Jch habe geſtern und vorgeſtern dero Ohren mit meiner unfoͤrmlichen Erzehlung nicht wenig belaͤſtiget: Nun wolte ich wuͤnſchen / von dem Herrn Talemon fernere Nachricht zu erhalten / wie es nach unſerem Abzuge zu Pegu ergangen / und auf was Art ein ſo ſchleuniger Untergang die - ſes maͤchtigen Reiches erfolget ſey. Dieſem nach wird der Herr Ober-Hauptmann dieſe gantze Er - zehlung beſchlieſſen / und uns mit erfreulicher Nachricht von der Princeßin an die Hand gehen. Wie nun dieſer Vortrag allerſeits vor bekandt angenommen ward / ſo ſetzte ſich ieder an den vo - rigen Ort / und Talemon hub ſeine Erzehlung fol - gender Geſtalt an:

Tod und Untergang des ungluͤckſe - ligen Kaͤyſers Xemindo / ſamt deſſen Prin - tzen und gantzem Reich.

JCh unterfange mich einer Sache / welche ich ſonder Vergieſſung haͤuffiger Thraͤnen nicht auszufuͤhren getraue. Ehe und bevor ich aber dieſen letztern ob zwar kurtzen doch blutigen Krieg erzehle / ſo muß ich zufoͤrderſt mit wenigem geden - cken / was unſerm verblichenen Kaͤyſer und Herrn zuruͤcke gehalten / daß er den maͤchtigen Sieg vor Ava nicht verfolgen / viel weniger Ava belaͤgern koͤnnen.

So303Anderes Buch.

So iſt nun zu wiſſen / daß / ehe noch dieſer Krieg zwiſchen uns und dem Koͤnige Dacoſem angien - ge / ſich nicht wenig Verraͤtherey in unſerm Rei - che ereignete: wiewol Xemindo gluͤcklich war / daß er noch vor dem Feld-Zuge die meiſten Ver - raͤther ertappet / und nach Verdienſt abſtraffen konte. Ungluͤcklich aber zugleich / daß ihn der groͤſte Verraͤther unentdecket verblieb. Dieſes war nun Xeminbrun / ietzigen Tyrannens leiblicher Bruder / welchen der Kaͤyſer aus ſonderbaren Gnaden zum Stadthalter in Brama gemacht hatte. Dieſer untreue Hund wuſte ſeine Sachen dermaſſen klug und heimlich zu fuͤhren / daß er un - vermerckt dieſe beyde nahe Vettern unſern Kaͤy - ſer und den Koͤnig von Ava in einander hetzte / und alſo er eintzig und allein der rechte Urheber des Krieges zwiſchen Pegu und Ava / welchen Scan - dor vorgeſtern erzehlet / geweſen iſt. Solches blieb faſt dem gantzen Reich Pegu verborgen / und ob er gleich ſeinen Bruder Chaumigrem mit ſechs tau - ſend Mann in geheim dem Koͤnige von Ava zu Huͤlffe ſchickte / ſo war doch deren Zug nicht an - ders bemercket / als ſolten ſie unſerm Kaͤyſer bey dem Feld-Zuge zu Dienſten ſtehen. So bald a - ber unſer Xemindo mit einer tapffern Armee die - ſes Reich verlaſſen / und das feindliche Land betre - ten hatte / ſo ließ die Verraͤtherey gar bald an dem Xeminbrun ihre Klauen mercken. Jnner acht Tagen rieff ihn gantz Brama vor einen Koͤnig aus / und die rebelliſchen Bramaner zogen ihmmit304Der Aſiatiſchen Baniſe. mit Hauffen zu / daß er mit fuͤnffmal hundert tau - ſend Mann ſich unterſtehen durffte / in das Reich Pegu wuͤrcklich einzufallen / ſich nicht anders als der aͤrgſte Feind anzuſtellen / und Macao zu belaͤ - gern: welchen Ort er einbekam / gegen ſelben ei - nen gantzen Tag die raſende Hand ſeiner Solda - ten wuͤten / und alsdenn ſich ihm die Uberbliebe - nen / als einen Kaͤyſer von Pegu die Huldigung leiſten ließ. Printz Xemin / welchem indeſſen der Kaͤyſer das Reich zu verwalten hinterlaſſen hatte / wurde nebſt uns allen nicht wenig beſtuͤrtzt / zuma - len der Feind ſich an die Hauptſtadt zu machen dꝛohete. Wiꝛ ſchickten einen Couꝛier nach dem an - dern nach der Haupt-Armee / wir kunten aber in drey Wochen keine Antwort erhalten / daß wir uns alſo in aͤuſſerſten Noͤthen befunden / zumal als wir endlich die feindlichen Hauffen vor unſern Mauern ſahen. Printz Xemin that / was einem tapfferen Printzen zuſtunde / und gieng mit ſech - zig tauſend Mann dem Feinde entgegen / welche aber ſehr uͤbel zugerichtet / das Thor von Pegu wieder ſuchten: Dannenhero moͤglichſte Anſtalt zur aͤuſſerſten Gegenwehr das noͤthigſte war. Jn zwey Tagen ſahen wir uns vollkommen belagert / alſo / daß auf dꝛey Seiten niemand weder aus noch einkommen kunte. Der rebelliſche Xeminbrun ließ uns alſobald auffordern / der Anbringer aber wurde einem Stricke bedrohet / wo er wieder kaͤ - me. Welches wir an dem Weſten-Thor durch einen grauſamen Sturm bald empfunden / daßſol -305Anderes Buch. ſolches den Tyrannen hefftig muſte verdroſſen ha - ben. Wie nun dieſer Sturm ritterlich abgeſchla - gen wurde / ließ er gegen Suͤden noch viel grau - ſamer anlauffen / welcher von Mittage / biß tieff in die Nacht / bey Mondenſchein waͤhrete. Aber auch dieſer Anlauff war vergebens / und ſchien es / daß ſich der Feind hefftig hierdurch mochte abge - mattet haben. Tages darauff gegen Abend er - hielten wie die froͤliche Zeitung / daß nicht allein unſer Kaͤyſer einen herrlichen Sieg wider Ava er - halten / ſelbigen Kron-Printz mit eigner Hand ent - leibet / ſondern auch mit der ſaͤmmtlichen Armee im Begriff waͤre / uns zu entſetzen. Und weil auf den dritten Tag ſie ſich wol getrauten / voͤllig anzunaͤhern / als ſolten drey Stuͤck-Schuͤſſe die Loſung ſeyn / nach welchem Xemindo den Feind im Ruͤcken angreiffen wolte / und ſolten wir als - denn durch einen ſtarcken Ausfall auch das unſri - ge darbey thun. Wie ſicher der Feind hierbey geweſen / und wie uͤble Kundſchafft er muͤſſe ge - habt haben / kunten wir leicht hieraus ſchlieſſen / daß / als er zwey Tagge ausgeruhet / er den Tag / an welchem wir Entſatz hofften / einen Haupt - Sturm vorzunehmen / geſonnen war. Und die - ſes bewerckſtelligte er ſo fort durch einen ungemei - nen Anlauff / welcher uns nicht wenig beſtuͤrtzt machte / angeſehen wir noch nichts von unſeꝛer Ar - mee ſahen / und wir gleichwol ziemlich geſchwaͤchet waren. Ja es ſchiene / als ob der Feind bey dem Weſten-Thore den Meiſter ſpielen wuͤrde / weß -Uwegen306Der Aſiatiſchen Baniſe. wegen ſich denn Printz Xemin mit zwey tauſend tapffern Soldaten perſoͤnlich dahin verfuͤgte / und den Feind ritterlich zuruͤcke hielte. Endlich ſahen wir die Stuͤrmenden ploͤtzlich zuruͤcke weichen / und hoͤrten zugleich die frolichen Loſungs-Car - thaunen knallen: worauff ſich der Feind von der Stadt zuruͤcke zog / und ins freye Feld ſtellete. Printz Xemin ſaͤumete gleichfalls nicht / und laſe funffzehen tauſend Mann der braveſten Leute aus / ließ die verſchuͤtteten Thore eroͤffnen / und / als ſich die Haupt-Armee in voͤlliges Treffen einge - laſſen / fiel er wie ein Loͤwe zum Suͤden-Thore hinaus / und gieng dem Feinde in den Ruͤcken. Wie grauſam auff beyden Seiten gefochten wurde / maſſen wir von den Thuͤrmen und Mau - ren beſorgte Zuſchauer waren / iſt nicht zu beſchrei - ben. Endlich gegen den Abend ſahen wir des Xeminbruns Haupt-Fahne fallen / nach welchem in kurtzen der Feind auszureiſſen begunte. So bald wir nun den Feind in voller Flucht ſahen / wurden alle Thore eroͤffnet / und was nur beritten war / dem fluͤchtigen Feinde nachgeſchicket / biß endlich nach voͤlligem Siege die untergehende Sonne den Abzug bedeutete. Folgendes Tages wurde Beute gemachet / und die gebliebene Coͤr - per beerdiget / deren man feindlicher Seiten auff hundert und dreyßig tauſend Mann zehlete / da wir kaum fuͤnff und viertzig tauſend vermißten. Des andern Tages zog unſer ſieghaffter Kaͤyſer in herrlichſtem Triumphe / als ein doppelter Uber -win -307Anderes Buch. winder / in die Stadt / und zierte dieſen Einzug vor andern der Elephant / auf welchem der Erb-Pꝛintz von Ava / Dacoſem / geſeſſen / als er von dem Xe - mindo entleibet woꝛden. Dieſes Thier / welches merckwuͤrdig / gieng gantz traurig herein / ließ den Schnabel biß zur Erden hengen / und vergoß ordentliche Thraͤnen / wie ein Menſch / ja es hat in funffzehen Tagen nicht das geringſte freſſen wollen. Noch angenehmer und herrlicher war des Ertz-Rebellen Xeminbruns auff eine Lantze geſtecktes Haupt / welches ihm in der Schlacht abgehauen worden. Und mit dem Leben dieſes Verraͤthers endigte ſich auch dieſer Krieg / biß anff die Ankunfft des Chaumigrems / welcher A - va verlaſſen / und ſich vor einen Koͤnig in Brama auffwarff / worzu wir wegen geſchwaͤchter Armee eine Zeitlang ſtille ſeyn muſten / weil wir nicht wu - ſten / was wir uns gegen Ava zu verſehen hatten. Dieſes waͤhrete auch ſo lange / biß der jaͤmmer - liche Martabaniſche Krieg vorgieng / und noch in Gegenwart Printz Balacins der Krieg wider Brama von uns erneuert wurde.

Wie nun damals erwehnter Printz Balacin Pegu verlaſſen / und was ſich nach dieſem zuge - tragen / ſolches wird nunmehr der vornehmſte Zweck meiner Erzehlung ſeyn. Was die Prin - ceßin anbelanget / ſo hat man ſie nach des Printzen Abzuge faſt nie zu ſehen bekommen / ſondeꝛn ſie hat ſich ſtets in ſtiller Einſamkeit aufgehalten / unddas bevorſtehende Ungluͤck gleichſam zuvor beweinet. U 2Der308Der Aſiatiſchen Baniſe. Der Kaͤyſer immittelſt / als ein tapffer Herr / war mit nichts als Kriegs-Sachen beſchaͤfftiget / und hatte inner vierzehen Tagen eine Armee von ſechs - mal hundert tauſend Mann wieder beyſammen / welche er vor der Stadt taͤglich muſtern ließ. Als auch die ſchreckliche Zeitung eingelauffen / Chau - migrem ſey mit neunmal hundert tauſend Mann bereits in Pegu eingebrochen / beſchloß der Kaͤy - ſer / dem Feinde behertzt entgegen zu gehen. Dan - nenhero beſetzte er die Stadt auffs beſte / ließ die Princeßin / welche hoͤchſt-klaͤglichen Abſchied nahm / zuruͤcke / der Printz aber muſte mit zu Felde gehen / und verließ uns alſo zwiſchen Furcht und Hoffnung. Daß ich es nun kurtz mache / inner - halb vier Tagen erfuhren wir die jaͤmmerliche Zeitung / daß eine grauſame blutige Schlacht zwi - ſchen beyden Heeren vorgegangen / worinnen die Unſrigen nothwendig der Menge weichen muͤſ - ſen / der Printz ſey geblieben / und der Kaͤyſer gar verlohren worden. Was ſolches vor eine Be - ſtuͤrtzung durch die gantze Stadt verurſachte / iſt nicht zu ſagen. Das Geſchrey ſo vieler tauſend Seelen verurſachte faſt einen Wiederſchall biß an die Wolcken / ein iedes ſuchte ſich zu verbergen / und ſahe doch keinen Feind. Die Reichs-Raͤ - the verſammleten ſich alle in der Burg / um einen erſprießlichen Rath zu ſuchen / wie doch ſolchem verwirreten Zuſtande abzuhelffen ſey. Allein Furcht und Angſt hatten ihre Zungen gebun - den / und ihre Hertzen gefeſſelt / daß es ſchiene / alsob309Anderes Buch. ob ſie Stillſchweigens halben waͤren zuſammen kommen. Ja was uns am meiſten verwirrete / das war der Unter-Feldherr Qvendu / dem der Kaͤyſer die Stadt anvertrauet hatte. Dieſer wol - te niemals mit ſeiner Sprache heraus / und die Verraͤtherey blitzte ihm aus den ſchelmiſchen Au - gen. Jn ſolchem Zuſtande kam ein Bramaner mit einer weiſſen Fahne vor die Stadt / und for - derte ſolche im Namem des Chaumigrems auff / mit Bedrohung / wo man ihm die Stadt nicht oh - ne Bedingung alsbald eroͤffnen / den Kaͤyſerlichen Schatz und Frauenzimmer voͤllig aushaͤndigen / und ihn als Kaͤyſer von Pegu annehmen wuͤrde / ſo ſolte kein Stein auff den andern gelaſſen / und auch des Kindes in Mutterleibe nicht verſchonet werden. Hier war nun guter Rath ſeltzam: Ein Theil ſchrie / das andere und zwar die meiſten / wol - ten die Thore geoͤffnet haben / und ſchien es auch endlich / ob wuͤrde der verraͤtheriſche Qvendu mit ſeinem Anhange die Oberhand behalten. Hier - auff entſtund auff der Burg unter dem Frauen - zimmer das jaͤmmerlichſte Schreyen und Weh - klagen / ja die Princeßin war faſt nicht zu ermun - tern / ſo hefftig ſetzten ihr die Ohnmachten zu / und kunte ich mich unmoͤglich laͤnger bey ihnen auff - halten / derowegen ich mich auff den Schloß - Thurm begab / um eine ſichtliche Kundſchafft von dem Feinde einzuziehen. Solche erhielt ich mehr als zuviel / indem ich / ſo weit meine Augen ſahen / kein Feld / ſondern eitel Elephanten / Pferde / Wa -U 3gen /310Der Aſiatiſchen Baniſe. gen / Gezelter und Soldaten ſahe: Und weil we - gen innerlicher Unruhe die Stadt noch nicht er - oͤffnet war / ſo ließ Chaumigrem alle Anſtalt zu ei - ner grauſamen Belaͤgerung machen. Weil aber dem Feind unſere Verwirrung ſattſam bekandt war / als unterſtund er ſich / uns durch Schrecken zu erobern / welches ihm auch gar wol gelunge. Denn er ließ die voͤlligen Stuͤcke / welche er in groſſer Anzahl mit ſich fuͤhrte / und von vielen E - lephanten und Puͤffeln gezogen wurden / in einer langen Reihe vor das Oſten-Thor pflantzen / und zugleich die gantze Armee theils in eine Schlacht / theils in eine Sturm-Ordnung ſtellen. Hierauff hatte der Tyranne befohlen / alle Trummeln und Paucken zu ruͤhren / und zu ſchlagen / ingleichen muſten die Trompeten / Hoͤrner und Pfeiffen ins - geſamt mit einſtimmen. Die gantze Armee er - hub ein entſetzliches Feld-Geſchrey / und die Stuͤ - cken wurden alle zugleich wider die Stadt geloͤſet / daß es ſchiene / als ob Himmel und Erden in ein - ander fallen wolte. Als nun ein jaͤmmerliches Weh-Geſchrey durch die gantze Stadt mit ein - ſtimmete / ſo kan ich nicht glauben / daß etwas ent - ſetzlichers und erſchrecklichers koͤnne gehoͤret oder geſehen werden / davon auch den tapfferſten Hel - den die Haare haͤtten muͤſſen zu Berge ſtehen. Das Hertz in meinem Leibe ſchlug nicht ſo ſehr vor Angſt und Entſetzen / als der ſtarcke Thurm von dem grauſamen Knallen des Geſchuͤtzes erſchuͤt - terte / und das Himmel-ſchallende Geſchrey be -taͤubte311Anderes Buch. taͤubte mir faſt die Ohren. Noch unter waͤhren - dem Feld-Geſchrey ſahe ich leider! den Feind gantz ſchwartz durch die Thore eindringen / und ſich in die Gaſſen vertheilen: wiewol dieſer Ein - bruch bald verhindert wurde / weil der Tyranne die Stadt nicht wolte pluͤndern laſſen: Dannen - hero geſchahe nichts ferner / als daß ein Oberſter mit zwey tauſend Mann nach der Burg ſich be - gab / und das Kaͤyſerliche Frauenzimmer / nebenſt der Princeßin Baniſe / und derer von Savady / ge - fangen nahm. Solchem Jammer begehrte ich nicht beyzuwohnen / indem meine Gegenwart doch nicht die geringſte Gewalt auffzuhalten vermoch - te: Dannenhero blieb ich auff dem Thurme ſi - tzen / biß gegẽ den Abend / da ich mich ſachte heꝛun - ter begab / in Meynung / mich unter dem gemeinen Volcke zu verbergen. Allein ich hatte kaum die unterſte Staffel beruͤhret / ſo wurde ich von einer Schildwache erkannt / und ſo fort von andern ge - fangen angenommen. Ob ich mich nun zwar zu verleugnen ſuchte / ſo war ich doch ſchon durch an - dere Gefangene verrathen / dannenhero ich auff Befehl des Oberſten nach der Princeßin Zim - mer gefuͤhret wurde / um ſie zu troͤſten / weil ſie aus Verzweifelung ihren Tod ſuchte. Dieſe fand ich unter dem andern Frauenzimmer / wie eine Son - ne unter den Sternen / welche faſt unterzugehen ſchiene. Das Hertze wolte mir brechen / als ich ihre Schenckel und Armen mit guͤldenen Feſſeln und Ketten muſte beleget ſehen / da hingegen dieU 4Prin -312Der Aſiatiſchen Baniſe. Princeßin von Savady nur ſilberne trug / das uͤbrige vornehme Frauenzimmer aber alles war mit ſeidenen Stricken gebunden. Als ich mich der Princeßin genahet / ſchlug ſie ihre Augen auff / ſahe mich mit erbaͤrmlichſten Blicken an / und ſag - te mit halb-gebrochenen Worten: Ach Talemon / erbarmet euch eurer vorhin gebietenden Princeſ - ſin / und ſtoſſet einen Dolch in meine Bruſt / um die beaͤngſtigte Seele von bevorſtehender Schmach zu erretten / welche ſich mein Hertz erſchrecklicher als einen hundertfachen Tod vorſtellet. Jch wu - ſte hierauff vor Schmertzen nichts / als dieſe troſt - loſe Worte zu ſagen: Durchlauchtigſte Princeſ - ſin! Man ſuchet umſonſt Huͤlffe bey einem halb-todten Menſchen / indem ich ſelbſt Hencker und Sebel kuͤſſen wolte / wenn nur der Tod fer - nern betruͤbten Anblicken meine Augen| ſchlieſ - ſen wolte. Ach verfluchte Tyranney! fuhr die Princeßin unter tauſend Thraͤnen fort / da man auch die Auffenthaltung des Lebens zur neu - en Folter machet / und uns verhindert zu ſterben / wodurch wir unſere Ruhe ſuchen. Allein / das iſt mein Troſt / daß die Seele tauſend Ausgaͤnge weiß / dieſen ſterblichen Leib zu verlaſſen: Und weil ich weiß / daß ihr die Vollziehung meines Vorſatzes erleben werdet / ſo bemuͤhet euch moͤg - lichſt / meinem liebſten Printzen die letzte gute Nacht aus dieſem ſterbenden Munde zu uͤber - bringen / und ihn zu verſichern / daß die Blume meiner Keuſchheit / und Liebe gegen ihn / auch indem313Anderes Buch. dem Grabe Wurtzel faſſe. Als meine feindſe - ligen Begleiter ſahen / daß ich ſtatt Troſtes ſie nur mehr betruͤbte / fuͤhrten ſie mich wieder hin - weg; Und weil der Oberſte erfahren / daß ich Reichs-Schatzmeiſter waͤre / ſo befahl er mir im Namen ſeines Koͤniges / die Schluͤſſel und ein ꝛich - tiges Verzeichniß aller Schaͤtze von mir zu ſtel - len. Ob ich nun zwar meine Pflicht vorſchuͤtz - te / ſo halff es doch nichts / ſondern man drohete mir mit grauſamſter Pein / dannenhero ich ver - meldete / wie ſo wol die Schluͤſſel als das weitlaͤuf - tige Schatz-Verzeichniß in ſolchem Tumult waͤ - re verlohren gangen / ſie wuͤrden wol den gewoͤhn - lichen Hand-Schluͤſſel der Soldaten bey ſich fuͤh - ren / und ſich begnuͤgen laſſen / wenn ich die Be - haͤltniſſe des Schatzes anzeigete. Womit ſie denn ſehr wol vergnuͤget waren / als ich ihnen nur etliche Gewoͤlber wieſe / und die unterirrdiſche Schatz-Gruͤffte in meiner Pflicht beruhen ließ. Nach dieſem wurde mir erlaubet / frey in der Burg herum zu gehen / iedoch hatte die Wache Befehl / mich nicht vor das Burg-Thor zu laſſen. Jngleichen wurde mir auch alle Beſuchung der Princeßin unterſaget / daß ich ſie alſo das letzte mal geſprochen. Jndeſſen kunte ich alles be - mercken und erfahren / was in und auſſer deꝛ Buꝛg vorgieng. Endlich wurde mir doch erlaubet / unter gnugſamer Aufſicht den Koͤnigl. Einzug des Chaumigrems mit anzuſchauen / dieſes geſchahe erſt nach zweyen Tagen / da er Morgens vor dieU 5Stadt314Der Aſiatiſchen Baniſe. Stadt kam. Bey dem Oſten-Thore / welches ſonſt Cabanbainhe genennet wird / empfiengen ihn ſechs tauſend Prieſter der zwoͤlf Secten / ſo in die - ſem Koͤnigreiche zu finden ſind. Einer unter ih - nen / Namens Capizundo / thaͤte das Wort / und redete ihn alſo an: Gelobet und geſegnet ſey der HErr / der warlich von iedermann davor muͤſſe erkannt / und deſſen heilige Wercke / die durch ſei - ne Goͤttliche Haͤnde geſchehen / muͤſſen durch die Klarheit der Nacht bezeuget werden. Gelobet ſey er / daß ihm durch die Wercke der unendlichen Macht / die ihm angenehm ſind / beliebet hat / euch uͤber alle Koͤnige / die auf Erden herrſchen / zu er - heben. Und dieweil wir davor halten / ihr ſeyd ſein Mitgenoß / ſo bitten wir / daß ihr der Suͤnden / die wir wider euch begangen / nicht mehr geden - cket / damit eure betruͤbte Unterthanen auf die Zu - ſage / ſo ſie von E. M. erwarten / ſich koͤnnen zufrie - den geben. Darauf knieten fuͤnf tauſend Gre - pos zur Erden / baten ihn gleichfalls mit erhabe - nen Haͤnden um Verzeihung / und redeten ihn mit verwirreter Stimme an: Herr und Koͤnig / ver - leihet Friede und Verzeihung wegen des began - genen Ubels / uns und allem Volcke in dieſem Koͤ - rigreiche Pegu / damit ſie aus Furcht ihrer Miſſe - thaten / die ſie oͤffentlich vor euch bekennen / nicht verunruhiget werden. Der Koͤnig ſchien uͤber ſol - che Demuth gantz vergnuͤgt / und verſprach ihnen die Verzeihung eydlich / bey dem Haupte des hei - ligen Qviay Novandels. Auf dieſe Zuſage fielalles315Anderes Buch. alles Volck aufs Angeſicht zur Erden / und ſchrien: GOtt gebe euch lange Jahre Gluͤck / eure Feinde zu uͤberwinden / damit ihr derſelben Haͤupter un - ter eure Fuͤſſe treten moͤget.

Wie ſchmertzlich mir dieſe Worte der ſchmei - chelnden Pfaffen und des unbeſtaͤndigen Volckes durch das Hertze giengen / ſolches kan ſich ein ie - der treuer Diener / welcher begierig iſt vor ſeinen Herrn zu ſterben / leichtlich vorſtellen. Ja hier ſahe man ein rechtes Beyſpiel des wanckenden Poͤbels / wie wenig ſich auf dero beſtaͤndige Treue zu verlaſſen ſey. Den / welchem ſie zuvor als ih - rem rechtmaͤßigem Kaͤyſer faſt Goͤttliche Ehre er - wieſen hatten / veꝛfluchten ſie anietzo / einen Tyran - nen zu Liebe / welcher doch ſo wohl ein Unterthan / als ſie alle war. Sie gaben dieſes als Suͤnde und Verbrechen an / daß ſie ihrem Kaͤyſer / Eyd und Pflichten gemaͤß / gehorſam und getreu gewe - ſen / und erroͤtheten nicht / vor des Bluthundes Ohren oͤffentlich zu ruffen: Verflucht ſey Xemin - do / welcher uns zu ſolchem Ungehorſam verleitet. Jhre Wangen faͤrbeten ſich nicht einmal uͤber dieſe laſterhaffte Liebkoſung / weil die Schandfle - cke alle zuſammen traffen / und keinem eine abſon - derliche Roͤthe anſtrichen: Hergegen weil die Be - ſchimpffung unzertheilet allein auff eine Perſon angeſehen war / ſo wurde auch das innerſte Marck der Seelen viel durch dringlicher angegriffen. Ja ſo Ehre als Schamhafftigkeit ſchiene aus ihrem Hertzen verbannet zu ſeyn; Und ſahe man hierden316Der Aſiatiſchen Baniſe. den Unterſcheid hoher und niedriger Gemuͤther / weil jene viel eher ſterben wuͤrden / als ſich in ihrer Unſchuld ſchuldig geben.

Jch fahre nun fort / mit kurtzem das fernere Beginnen dieſes neuen Kaͤyſers und gewaltſamen Bluthundes zu beſchreiben: Denn als ietzt erzehl - te Scheltens-wuͤrdige Schmeicheleyen vorbey waren / ward zu einem Freuden-Zeichen auff al - lerhand Jnſtrumenten geſpielet / und der Grepos Capizundo ſetzte dem Chaumigrem eine koſtbare Crone von Gold und Edelgeſteinen auffs Haupt / in Geſtalt einer Biſchoffs-Muͤtze / welche ſie aus dem Regalien-Zimmer geraubet / und / welches mir die Goͤtter zeugen muͤſſen / nicht aus meiner Hand empfangen haben / wie mir zwar zugemu - thet ward. Jn dieſer Crone begab er ſich mit hochmuͤthigen Geberden / welche eine Majeſtaͤt vorſtellen ſolten / auff einen groſſen Elephanten / der mit Golde gewaffnet war / rings um ihn her giengen viertzig Trabanten mit groſſen ſilbernen Keulen. Vor ſich her ließ er allen Raub der Ele - phanten und Wagen / ſamt den Bildniß des uͤber - wundenen Xemindo / welches erbaͤrmlich anzu - ſehen / und an eine dicke eiſerne Kette gebunden war / neben viertzig Fahnen / die auff der Erden vor ihm her geſchleppet worden / fuͤhren. Alle ſei - ne Hoff-Leute und Bedienten folgeten zu Fuſſe / und trugen verguͤldete Sebel auff den Achſeln. Hinter dieſen kam die Leibwache von ſechs tau - ſend Pferden und drey tauſend ſtreitbaren Ele -phan -317Anderes Buch. phanten mit fremden Thuͤrmen / ingleichen viel andere Leute mehr zu Roß und Fuß in unzehliger Menge.

Nach dieſem blieb er ſieben und zwantzig Tage in der Stadt / und ließ unterdeſſen die uͤbrigen Feſtungen / die es noch mit dem Xemindo hielten / und noch nichts von deſſen Uberwindung wuſten / erobern. Jngleichen ſchrieb er viel hoͤfliche Brie - fe an die Jnwohner ſolcher Feſtungen / nennete ſie bißweilen Kinder ſeiner Seelen / und verziehe ihnen alles / was ſie wider ihn begangen / gleich - ſam als ob ſie an Beobachtung ihres Eydes / und geſchworne Treue / eine groſſe Suͤnde begangen haͤtten. Dieſe verſchmitzte Hoͤfligkeit betrog alle Staͤdte / Staͤnde und Fuͤrſtenthuͤmer / daß ſie ſich nach einander ihm ergaben. Jn waͤhrender Zeit aber / welches hoch zu verwundern / beſuchte er niemahl das gefangene Frauenzimmer / viel - weniger ließ er die Princeßin oder iemand davon vor ſich kommen / welche inzwiſchen / wie ich ver - nahm / in ſteter Traurigkeit verharrete. Waͤh - render Zeit unterließ er auch nicht / den entflohe - nen Xemindo durch viele ausgeſchickte Reuter auffzuſuchen: Und dieſe Spuͤr-Hunde funden endlich / ach leider! den ungluͤckſeligen Kaͤyſer an einen Orte / Fauclen genannt / und brachten ihn mit groſſen Freuden vor den Tyrannen / welcher den / der ihn gefunden / alſobald zu einem Herrn von dreyßig tauſend Ducaten Einkom̃ens mach - te. Dieſen ergriffenen Kaͤyſer fuͤhreten ſie anHalß318Der Aſiatiſchen Baniſe. Halß und Haͤnden mit eiſernen Feſſeln und Ket - ten beleget / vor den hochmuͤthigen Uberwinder / welcher den armen Printzen ſo fort mit dieſen hoͤh - niſchen Worten anredete: Seyd mir willkom - men / Kaͤyſer von Pegu! Jhr moͤget dieſe Erde wohl kuͤſſen / die ihr hier ſehet / denn ich verſichre euch / daß ich allbereit meine Fuͤſſe darauff geſe - tzet habe / daraus zu ſpuͤren / wie guͤnſtig ich euch ſey / weil ich euch eine Ehre erweiſe / deren ihr euch wohl nimmermehr vermuthet habt / daß ihr nem - lich die Erde kuͤſſen duͤrffet / welche ich betreten habe. Als aber hierauff der truͤbſelige Xemin - do die Augen nur ſtets niederſchlug / nnd gantz kei - ne Antwort gab / fuhr der ſieghaffte Bluthund fort / ihn ferner zu verſpotten: Was iſt das? ſagte er / erſchrickſt du daruͤber / daß du dich in ſolchen Ehren ſieheſt / oder wie ſoll ichs verſtehen / daß du mir ſo gar nicht auff meine Frage antwor - teſt? Solche ſchimpfliche Reden giengen endlich dem hoch-bekuͤmmerten Xemindo dermaſſen zu Hertzen / daß er ſich nicht enthalten kunte / folgen - der Geſtalt zu antworten: Wann / ſagte er / die Wolcken des Himmels / die Sonne / der Mond und andere Geſtirne / welche ihre zum Dienſt des Menſchen von GOTT gewiedmete Pflicht nicht mit Woꝛten / ſondeꝛn die reichen Schaͤtze der hohen Allmacht / durch ſchreckliches Donnern und Bli - tzen natuͤrlicher Weiſe verkuͤndigen und erklaͤren / denen / die mich hier / in dieſem Zuſtande / worin - nen ich vor dich gebracht worden / ſehen / ja wannſie191[319]Anderes Buch. ſie / ſage ich / die innerliche Betruͤbniß und den groſſen Schmertzen koͤnten andeuten / den anietzo meine Seele fuͤhlet / ſo wuͤrden ſie vor mich ant - worten / und die Urſache anmelden / warum ich bey gegenwaͤrtiger Beſchaffenheit / darein mich meine Suͤnden geſetzet / ſo ſtumm befunden wer - de. Und gleich wie du von dem / was ich rede / als mein Gegen-Part und Feind / nicht urtheilen kanſt / alſo ſchaͤtze ich mich nicht vor verpflichtet / dir dermaſſen zu antworten / wie ich ſonſt wohl vor dem groſſen Herrn des Himmels / der mich ohne Zweiffel mit groͤſſerer Gnade und Barmhertzig - keit anſehen wuͤrde / thun wolte. Jnzwiſchen ſoll doch mein unſchuldiges Recht dich beſiegen / ob gleich mein Leib auff der Folter lieget. Nach die - ſen Worten ſanck er nieder / fiel zur Erden auff ſein Angeſicht / und bat zweymahl nach einander umb ein wenig Waſſer. Dieſes ihm nun zu ge - waͤhren / und ſein Hertzeleid deſto mehr zu ver - groͤſſern / befahl der verfluchte Tyrann / daß ihm ſolches Waſſer die ſchoͤne Princeßin Baniſe ſelbſt bringen ſolte. Das Hertze blutet mir noch / wenn ich mir die betruͤbte Geſtalt dieſes ſchoͤnen Fraͤu - leins in Gedancken vorſtelle / welche zwiſchen eini - gen Henckers-Knechten ein Geſchirr voll Waſſer mit gefeſſelten Haͤnden und ſachten Schritten brachte. So bald ſie aber hinzu kam / fiel ſie vor ihm nieder / umbarmete ihren lieben Herrn Va - ter mit kindlichſter Jnbruͤnſtigkeit / kuͤſſete drey - mahl ſein Angeſicht / und ſprach mit thraͤnendenAu -320Der Aſiatiſchen Baniſe. Augen und benetzten Wangen: Ach Herr Va - ter! mein Herr! mein Koͤnig! ich bitte umb der getreueſten Liebe willen / die ich allezeit zu ihm ge - tragen / und er gleichfalls gegen mir deſſen gehor - ſamſtes Kind hat: Er laſſe ſich doch gefallen / mich alſo mitzunehmen / wie ich hier in ſeinen Armen liege / damit ich ihn bey dieſem traurigen Gange mit einem kalten Trunck Waſſer labe / weiln mir die Welt verweigert / auf andere Art meine ſchul - dige Kindes-Pflicht zu erweiſen. Dieſes alles ge - ſchahe auff dem Marckte in Anſchauung vieler tauſend Menſchen / inmittelſt / daß ſich der Ty - ranne in etwas von dieſem traurigen Anblick ent - fernet hatte / vielleicht befuͤrchtende / es moͤchte ei - nige Wehmuth den grauſamen Vorſatz beſiegen. Auff vorerwehnte Trauer-Worte wolte Xemin - do der Princeßin antworten / er vermochte aber nicht / ſolches zu bewerckſtelligen / indem ihn hier - an die groſſe vaͤterliche Liebe verhinderte / und der - maſſen von hertzlichem Betruͤbniß uͤbernommen ward / daß er in eine tieffe Ohnmacht fiel / und eine geraume Zeit darinnen verharrete. Woruͤ - ber etliche groſſe Herren / wie auch ich ſelbſt / weil wir zugegen waren / dermaſſen beweget worden / daß uns aus natuͤrlichen Mitleiden die Thraͤnen in die Augen ſtiegen. Aber wir wuſten nicht / daß uns das Ungluͤck am naͤchſtem war / denn der Tyrann nahm ſolches auch von fernen in acht / und weil wir alle aus Pegu waren / deutete er un - ſere Thraͤnen anders aus / und befahl / ohn alleGna -321Anderes Buch. Gnade und Verlierung einiger Zeit / uns die Koͤpffe herunter zu ſchlagen. Ob wir nun zwar insgeſammt auffs beweglichſte hiervor baten / und unſere Unſchuld bezeugeten / ſo wurde doch kei - nes einigen andern / als meine Einwendung an - genommen / indem ich vorgab: Mein Leben wuͤr - de S. Majeſt. viel erſpruͤßlicher ſeyn / als mein Tod / indem die voͤllige Nachricht der Kaͤyſerli - chen Schaͤtze bey mir beruhete. Und dieſes zwang mir die Todes-Furcht aus / indem ich uͤber vorige noch andere Schaͤtze entdeckte / welche ich ſonſt wohl wuͤrde verſchwiegen haben. Jedoch troͤſtete ich mich damit / daß es nicht alle / vielweniger die beſten waren. Ob ich nun zwar wiederum entle - diget ward / ſo muſten doch die andern / welche nur das geringſte Zeichen ihres Beyleids von ſich bli - cken laſſen / insgeſammt dem Sebel herhalten / nachdem ſie der Bluthund zuvor mit grauſamen Geberden angeredet: Weil ihr mit eurem Kaͤy - ſer Xemindo ſo groſſes Mitleiden habt / ſo ſpatzie - ret ein wenig voraus / und beſtellet ihm das Qvar - tier / da er euch denn die ietzt bezeigte Gewogenheit reichlich vergelten wird. Dieſes Mord-Spiel war kaum geendiget / ſo verdoppelte ſich des Wuͤ - terichs Grauſamkeit dermaſſen / daß er zur Stun - de befahl / die holdſelige Princeßin / das getreue Kind / auff dem Ruͤcken ihres Vaters / den ſie umhalſete / nieder zu ſebeln. Welches warlich mehr als eine Beſtialiſche Wuth und abſcheuli - che Grauſamkeit war / daß dieſer unmenſchlicheXTy -322Der Aſiatiſchen Baniſe. Tyrann und greuliche Unhold / die menſchliche / von der Natur ſelbſt eingepflantzte / Treue und Liebes-Neigungen / ſo unmenſchlicher Weiſe ver - hindern wolte. Dieſer grauſame Befehl betraff nun gleich gegenwaͤrtigen Hn. Hauptmann / wel - cher ſich nicht ſaͤumen durffte / ſolches zu vollzie - hen / dannenhero er mit bloſſem Sebel und zehen Mann von der Leibwache ſich an den betruͤbten Ort verfuͤgte. Hier vergieng uns nun allen Hoͤren und Geſicht / und wendete iedwedes die Augen ab / ein ſolches unerhoͤrtes / und der Natur zuwider ſcheinendes Urthel vollziehen zu ſehen. Kurtz / wir bemerckten nichts mehrers / als daß die Princeßin aus unſern Augen kam / da wir alle vermeynten / ſie habe bereits den unbarmhertzigen Stahl ge - kuͤſſet: wiewohl wir eines andern verſtaͤndiget worden / als bey ſeiner Wiederkunfft ihn Chau - migrem mit rauhen Worten anfuhr / und fragte / warum er nicht ſeinen Befehl auff oͤffentlichem Marckte alſobald vollzogen haͤtte? Was ſie be - fohlen / antwortete er / iſt bereits geſchehen. Jn - mittelſt habe ich nicht ſonder Bedacht ſolches in meinem Hauſe vollziehen laſſen / weil ich beſorget / es moͤchte die Gemuͤther der Peguaner allzu heff - tig bewegen. Ob nun zwar der Tyranne ſein Mißvergnuͤgen ferner wolte zu verſtehen geben / ſo ſchiene er doch wieder beguͤtiget zu ſeyn / als der enthalſete Coͤrper in ſeiner gewoͤhnlichen Klei - dung / auff offenen Marckte vor iedermanns Au - gen hingeworffen ward. Welcher erſchrecklicheAn -323Anderes Buch. Anblick die beſtuͤrtzten Peguaner dermaſſen be - wegte / daß ſie / um ihr Betruͤbniß zu verbergen / ſich im Augenblick verlohren / und man keinen Menſchen aus Pegu mehr auff dem Marckte er - ſehen kunte. Xemindo aber ward unterdeſſen in ein hartes Gefaͤngniß gefuͤhret / und ſtarck verwa - chet. Folgenden Morgen wurde in allen Straſ - ſen ausgeruffen / das Volck ſolte ſich herbey fin - den / anzuſehen die toͤdtliche Ausfuͤhrung des un - gluͤckſeligen Xemindo / vormaligen Kaͤyſers zu Pegu. Solches ließ der Tyrann deßwegen thun / damit ihnen die Einwohner / wenn ſie ietzo den Xemindo ſterben ſehen / hinfuͤhro keine Hoff - nung machen duͤrfften / ihn zum Kaͤyſer wiederum zu erlangen / ſintemal ihm wol bewuſt / daß ſie / un - geachtet oͤffentlicher Schmeicheley / dennoch im Hertzen ſolches wuͤndſchten: Angeſehen Xemin - do ſehr wohl und loͤblich regieret hatte; Hinge - gen war dieſer ein Auslaͤnder / welcher einen ſol - chen Tyrannen zum Bruder gehabt hatte / der faſt keinen Tag hingehen laſſen / an welchem er nicht biß funffzehen hundert Menſchen erwuͤrget haͤtte: manchmal war auch dieſe Zahl auff vier biß fuͤnff tauſend geſtiegen / daß ſie um der allerliederlichſten Urſache willen ihre Koͤpffe laſſen muͤſſen. Die - ſen Morgen ließ der Tyrann mich vor ſich for - dern / und begehrte von mir eine auffrichtige Be - kaͤntniß aller bewuſten Schaͤtze / darbey er mir groſſe Gnade verſprach / widrigen Falls aber / wo ich das geringſte verſchwiege / mir den aͤrgſten TodX 2dro -324Der Aſiatiſchen Baniſe. drohete. Dieſem nun zu Folge / that ich was ich kunte / weil ich doch die Schickung des Himmels vor Augen ſahe / und niemanden wuſte / dem ich ſie zum beſten verſchweigen ſolte / iedoch habe ich mei - nem Gewiſſen zwey unterirrdiſche und mehr als Koͤnigl. Schaͤtze vorbehalten / welche ich dem Printzen von Ava / wo die Goͤtter ihre Gnade hier - zu verleihen wollen / zugedacht habe. Nach die - ſem ſtellete mir der Tyrann freye Wahl / ob ich ſeine Gnade ferner bey Hofe ſuchen / oder mich auff mein Land-Schloß hieher begeben wolte: welches letztere mir denn eine der froͤlichſten Zei - tung zu vernehmen war / und es ſo fort mit hohem Dancke annahm. Wiewol ich nicht ſonder Sor - gen meinen Sohn zuruͤcke laſſen muſte / welchen wie bewuſt / hernach Chaumigrem zum Hofemei - ſter uͤber das Frauenzimmer geſetzt hatte. Un - ter deſſen Hand auch die Princeßin von Savady nebſt vielen andern gethan worden. Auff den allerungluͤckſeligſten Xemindo aber wieder zu kommen / ſo ward ſelbiger ungefehr um zehn Uhr aus dem Kercker herfuͤr geholet / wobey ich fol - gende Ordnung bemerckte: Vor ihm her mar - chirten durch die Gaſſen / da man ihn durchbrin - gen ſolte / viertzig Reuter / die in ihren Haͤnden Lantzen fuͤhreten / um das Volck auff die Seite zu ſchaffen. Hinter dieſen kamen eben ſo viel mit bloſſen Schwerdtern in der Hand / welche uͤber - laut ausrufften / das Volck / welches nicht zu zeh - len war / ſolte Platz machen. Nach denen kamenfunff -325Anderes Buch. funffzehen hundert Buͤchſen-Schuͤtzen / mit bren - nenden Lunden / welche man Tixe Lakoo / oder Vorlaͤuffer des Koͤnigl. Zorns zu nennen pfleget: Hierauff ſahe man hundert und ſechtzig Elephan - ten mit ihren Thuͤrmen auff den Ruͤcken / welche alle mit ſeidenen Teppichen behangen waren. Dieſer giengen fuͤnffe neben einander / und mach - ten zwey und dreyßig Glieder. Hinter denen fol - geten funffzig Mann / ebenfalls fuͤnffe im Gliede / zu Pferde / welche ſchwartze blutige Fahnen tru - gen / und mit ſtarcker Stimme ausrieffen: Daß dieſe Elende / die des Hungers Sclaven / und durch Mißgunſt des Gluͤcks ſtets verfolget wuͤrden / hoͤ - ren ſolten / den Ruff und Geſchrey des maͤchtigen Zorn-Arms / ſo wider diejenige exeqviret wuͤrde / die ihren Kaͤyſer erzuͤrnet / damit das Schrecken der aufferlegten Straffe ihrem Gedaͤchtniſſe tieff eingewurtzelt bleibe. Nach dieſen Herolden folgeten funffzehen hundert andere / mit rothen Kleidern / welches ihnen ein ſchreckliches Anſehen gab. Dieſe ſprachen auff den Klang von fuͤnff Gloͤcklein / womit ſie gar geſchwinde klingelten / nachfolgende Worte mit einer ſo traurigen Stimme / daß die / ſo es hoͤrten / zum Weinen be - weget wurden: Dieſes ſtrenge Gerichte wird ge - heget durch den lebendigen GOtt / den HErrn al - ler Warheit / und des heiligen Leibes / daran die Haare unſerer[H]aͤupter die Fuͤſſe ſind / derſelbe wil / daß man〈…〉〈…〉 en ſoll den Xemindo / welcher ſich dem groſſen〈…〉〈…〉 ige von Brama widerſetzet /X 3und326Der Aſiatiſchen Baniſe. und deſſen Staat und Recht angefochten hat. Auff ſolches Ausruffen antwortete ein gewiſſer Hauffe Volcks / ſo im Gedraͤnge vor der gantzen Menge herlieff / daß einem das Hertz davor erzit - terte: Ohne alle Barmhertzigkeit muͤſſe derjeni - ge ſterben / der eine ſolche Suͤnde begangen hat. Folgends marchirten fuͤnff hundert Bramaner zu Pferde / und nach denſelben wiederum ſo viel zu Fuſſe / unter welchen etliche in ihren Haͤnden bloſſe Degen und Schilde fuͤhreten / die andern aber mit Pantzern und Bruſt-Harniſchen ver - ſehen waren. Mitten unter dieſen erblickte man den betruͤbten Xemindo / welcher auff einer ma - gern / nichts werthen / verſchmachteten Schind - mehre ſaß / und den Scharffrichter / auff deſſen Achſeln ſich ſeine Haͤnde ſteuren muſten / hinter ſich hatte. Dieſer armſelige Printz hatte ein ſo zerriſſenes und zerlumpetes Bettel-Kleid an / daß ihm allenthalben die Haut dadurch ſchien. Uber - das trug er zu groͤſſerer Verſpottung eine ſtroher - ne Crone / welche auswendig mit Muſchel-Scha - len / ſo auff einen blauen Faden gezogen / wie auch das eiſerne Halsband / ſtatt der Perlen / beſetzet war. Ob man ihn nun gleich in ſo ſchmaͤhlicher Geſtalt darſtellete / und ſein Geſichte faſt keinem lebendigen Menſchen mehr aͤhnlich ſahe / ſo leuch - tete doch aus ſeinen Augen / wenn er dieſelben em - por hub / ein Majeſtaͤtiſcher Blick herfuͤr / der von ſeiner Beſchaffenheit und hohem Stande ein ſattſames Zeugniß gab / wie ſehr ihm auch dasUn -327Anderes Buch. Ungluͤck und die Tyranney ſeines Feindes ver - ſtellet hatte: Und in ſeinen Blicken ließ ſich eine beſondere mit Majeſtaͤt vermengte Sanfftmuth ſpuͤhren / welche alle diejenigen / ſo ihn anſahen / zum Weinen bewegte. Rings um dieſe Leib - wacht / damit er umgebẽ war / ritten tauſend Mañ zu Pferde / mit vielen Elephanten untermenget. Dergeſtalt paßirte der geſamte Auffzug durch die zwoͤlff vornehmſten Straſſen der Stadt / woſelbſt eine unzehlbare Menge Volcks gleichſam ge - pfropfft auf einander ſtund / und gelangete endlich auff eben die Straſſe / allwo er vor etlichen Wo - chen in unbeſchreiblicher Pracht wider dieſen Ty - rañen aus-und zu Felde gezogen. O wunderliches Verhaͤngniß! O veraͤnderliches Gluͤck! O Spiegelglattes Eiß der Herrſchafft! da ſich die Crone in einen Cypreſſen-Krantz / und der Sce - pter in einen blutgen Moͤrder-Stahl veꝛwandelt. Hier ſehen wir / wie vergebens wir arme Men - ſchen bemuͤhet ſind / wenn wir uns unterſtehen / den Schluß zu meiden / welchen das Verhaͤngniß in das Himmels-Buch mit ſolchen Ziffern / wel - che nur die Goͤtter verſtehen / eingeſchrieben hat. Dieſer / welcher vor kurtzen Tagen als ein Uber - winder in Hoffnung auszog / ſeinen Feind zu ſu - chen / der hat ihn allzu zeitig gefunden / und muß als ein Sclave in Feſſeln einher ziehen. Auff deſſen Winck vorhin viel tauſend Augen warte - ten / der hat ietzo nicht Macht einem Buben zu be - fehlen: Ja welche ihn zuvor als einen GOtt an -X 4be -328Der Aſiatiſchen Baniſe. beteten / dieſe ſahen ihn mit halb-eroͤffneten Au - gen ohne einige Ehrerbietung an. Doch wollen wir zu dem Ende dieſer Schmach ſchreiten / weil es mir die Wehmuth nicht laͤnger erlaubet / dieſes Elend auch nur in Gedancken anzuſchauen. Die Groͤſte Schmach ſo ihm angethan ward / und wohl am meiſten / ja aͤrger als der Tod ſelbſt / kraͤn - cken mochte / war ein unverſchaͤmter Backen - ſtreich / ſo ihm ein ſchlimmer Henckers-Knecht verſetzte. Denn als ſich Xemindo mit einem Portugieſen in ein Geſpraͤch eingelaſſen / und un - ter andern Worten dieſe fallen ließ: Jch muß geſtehen / wann es GOtt gefiehle / moͤchte ich ietzo noch eine Stunde leben / um zu bekennen / die Vor - treffligkeit des Glaubens / welchem ihr andern zu - gethan ſeyd. Dann nachdem ich vormals da - von habe reden hoͤren / ſo iſt euer GOtt allein der wahre / und alle andere Goͤtter ſind Luͤgner. Ob nun zwar ſolche Rede nicht wenig harte lautete / ſo hatte doch niemand dieſem verdammten Boͤſe - wichte / einem Henckers-Knechte / die Macht gege - ben / hierinnen Richter zu ſeyn / noch dieſem betruͤb - ten Herrn mehr zu betruͤben / indem er ihm eine ſo harte Maulſchelle auff Anhoͤrung dieſer Wor - te gab / daß ihm das Blut zu der Naſen heraus ſtuͤrtzete / welches hoͤchſt erbaͤrmlich anzuſehen war / an einem / der noch vor drey Wochen einer von den maͤchtigſten Koͤnigen in der gantzen Welt / und ein Beherrſcher uͤber ſo viel hundert tauſend Seelen war: Der großmuͤthige Kaͤyſeraber329Anderes Buch. aber vertrug ſolches mit hoͤchſter Gedult / indem er nur dieſe Worte drauff ſagte: Mein Freund! laß mich mit dieſem Blute Nutzen ſchaffen / auff daß dir nichts abgehe / ſonder du mein Fleiſch dar - inne backen und roͤſten koͤnnneſt. Unter ſo viel tauſend verkehrten Gemuͤthern aber hielt ſich doch noch ein tapfferes Hertze auff / welches ungeachtet eyfferigſter Nachforſchung biß ietzo unerkant / ſein Name aber in das Buch der getreuen Hel - den eingetragen verblieben iſt. Dieſer kunte die dem vorhin unbegluͤckten Xemindo angethane Beleidigung durchaus nicht vertragen: Dan - nenhero er als ein Blitz aus dem Hauffen hervor bꝛach / und den fꝛechen Henckeꝛs-Buben mit einem Wurff-Spieß durch und durch rannte / daß der Spieß in ihm ſtecken blieb / und er todt zu des Xe - mindo Fuͤſſen fiel. So geſchwinde dieſe Rache vollzogen war / ſo hurtig wuſte ſich dieſer treue Raͤcher wiederum unter dem Hauffen zu verber - gen / daß alle angewandte Muͤhe ihn auffzuſuchen / nur vergebens war. Dieſe That war des elen - den Herrns letzte Vergnuͤgung auff dieſer Welt / welche ihn dermaſſen bewegte / daß er einige Thraͤnen fallen ließ / und ſagte: Tapffere Seele / wer du auch ſeyſt / wolten die Goͤtter / es waͤre allen meinen Unterthanen gleiche Treue und Tapffer - keit eingepflantzet geweſen / es ſolte mich dieſer Jammer nicht betroffen haben. Jnmittelſt haſt du verdienet / daß du mit ewigen Lorbeern gekroͤ - net werdeſt - Hiermit fuͤhrte man ihn weiter fort /X 5biß330Der Aſiatiſchen Baniſe. biß an den Gerichts Platz / da ihn das Leben ſo zu verlaſſen ſchien / daß er faſt auff nichts mehr Ach - tung gab. Zuletzt ſtieg er eine hohe Gerichts - Buͤhne hinauff / die fuͤr ihn inſonderheit gebauet war / und der Chirca oder Ober-Gerichts-Vor - ſteher laß ihm uͤberlaut von einem hohen Stul ſein Urtheil vor / dieſes kurtzen Jnhalts: Der le - bendige GOtt unſerer Haͤupter / der groſſe Herr uͤber die Cronen / befiehlet / daß Xemindo ſoll hin - gerichtet werden / als ein Zerruͤtter der Voͤlcker auf Erden / Moͤrder des Xeminbruns / und Todt - Feind des Volckes von Brama. Nach ſolchem Ausſpruch gab er mit der Hand ein Zeichen / wor - auff der Hencker alſobald das Haupt in einem Streiche weg ſchlug / welches er dem Volcke zei - gete / und den Leib in acht Stuͤcke zertheilete. Das Eingeweide und die uͤbrigen innern Theile des Leibes legte man gantz beſonders und allein / und bedeckte ſie mit einem gelben Tuche. Al - ſo ließ man den zerſchnittenen Leib biß zu der Sonnen Untergang liegen / da ſie denn eine un - ſaͤgliche Menge Volcks beſahe / biß um drey Uhr / nach Mittage. Nachmals / als ſich das Volck ſatt geſehen / und das Getuͤmmel ein wenig geſtil - let / auch zu dem Ende etliche gewiſſe Perſonen zu Pferde / dem Volcke bey hoher Straffe ſtille zu ſeyn geboten / da ward mit einem Gloͤcklein fuͤnff mal nach einander gelaͤutet / auff welches Zeichen zwoͤlff Maͤnner in ſchwartzen mit Blut beſudel - ten Roͤcken / mit verhuͤlleten Angeſichtern / und ſil -ber331Anderes Buch. bernen Kolben auff ihren Schultern / aus einem hierzu abſonderlich zugerichteten hoͤltzernen Hau - ſe / ſo ungefehr fuͤnff oder ſechs Schritte von dem Blut-Geruͤſte ſtund / hervor traten. Denen fol - geten zwoͤlff Heydniſche Ober-Prieſter oder Ta - legrepos / nechſt dieſen erſchien des Tyrannen Vet - ter / Pocaſſer / ein dem Anſehen nach hundert jaͤh - riger Greiß / eben / wie alle die andern / in gelben Trauer-Habit. Rings um ihn her giengen zwoͤlff kleine Kinder / die gar koͤſtliche Kleider und zierliche Beile auff den Achſeln trugen. Wie dieſer Alte an den Ort / wo der zerſtuͤckte Coͤrper lag / kommen / kniete er dreymal nach einander zu der Erden / und redete wegen ſeines Vettern / des Koͤnigs von Brama / den gemetzelten Coͤrper mit ehrerbietig-ſcheinenden / doch recht hoͤhniſchen Worten an: O du heiligſtes Fleiſch / ſagte er / Lobwuͤrdigſtes Blut! Jch bitte dich / vernimm die Rede meines Mundes mit geneigten Ohren / auff daß die in dieſer Welt an dir veruͤbte Miſſe - that moͤge ausgeſoͤhnet werden. Dein Bruder Oretenau Chaumigrem / Printz von Brama / laͤſſet durch mich / deinen Sclaven / dich bitten / im Fall er dich beleidiget / ſo wolleſt du ihm ſolches / ehe dann er von dieſer Welt ſcheidet / verzeihen / hingegen alle ſeine Koͤnigreiche in Beſitz nehmen; Maſſen er dir ſolchen Titul daruͤber abtritt / und davon nicht das geringſte zu behalten gewillet iſt. Durch mich / ſeinen Sclaven / bezeuget er / dieſe ſeine Ubergabe geſchehe freywillig / damit dieKlage332Der Aſiatiſchen Baniſe. Klage nicht vor GOttes Ohren gelangen moͤge / welche du etwan droben im Himmel wieder ihn anſtrengen moͤchteſt. Hiernechſt verheiſſet er / die dir zugefuͤgte Unbilligkeit ſolcher geſtalt zu buͤſ - ſen / daß er auff der Pilgerfarth dieſes zeitlichen Lebens / uͤber dieſes dein Reich Pegu nur Waͤch - ter und Hauptmann ſeyn / und ſelbiges von dir zur Lehen empfangen wolle. Wie er dann dir hier - mit den Eyd der Treue leiſtet / dem / was du ihm aus dem Himmel wirſt gebieten / ieder - zeit auff Erden getreulich nachzuleben / und zwar mit dieſer Bedingung / daß du ihm moͤgeſt zn ſeinem Unterhalt von allen dem / was von den Zoͤllen einkoͤmt / nur Allmoſen reichen / weil ihm ſehr wohl bewuſt / daß ihm anderer geſtalt die Be - ſitzung des Reiches nicht erlaubet iſt / die Meni Grepos auch ſonſten weder drein willigen / noch ihm in ſeiner letzten Stunde die Suͤnden verge - ben wuͤrden. Hierauff vertrat einer aus den fuͤrnehmſten Prieſtern des Entleibten Selle / und trieben gleichſam wie ein Gauckelſpiel mit dem todten Coͤrper / indem er dieſe Antwort ertheilte: Nachdem du deine Mißhandlung bereueſt / und in gegenwaͤrtiger oͤffentlicher Verſamlung mir Abbitte thuſt: wohlan! ſo ſey dir hiermit alle Verzeihung von mir gerne und willig ertheilet / und als dem kuͤnfftigen Hirten meiner Heerde / dieſes mein Koͤnigreich uͤberlaſſen / mit angeheng - ter Bedingung / daß du dein beſchwornes Ver - ſprechen unverbruͤchlich halteſt; widrigen Falleswuͤr -333Anderes Buch. wuͤrde ſolches eine ſo ſchwere Suͤnde ſeyn / als legteſt du ietzt ohne Erlaubniß des Himmels aufs neue Hand an mich.

Wie der Pfaffe dieſe Worte geendiget / hub alles Volck frolockende an zu ſchreyen: Gott ver - leihe ſolches! Jnzwiſchen verfuͤgte ſich der Pfaf - fe nach dem hohen Stul / von welchem zuvor das Blut-Urthel war verleſen worden / und rieff dem Volcke ferner alſo zu: Schencket mir zur Nah - rung meiner Seelen einen Theil der Thraͤnen eu - rer Augen / um der angenehmen Zeitung willen / die ich euch verkuͤndge / daß nemlich hinfuͤhro die - ſes Land nach Gottes willen ſoll unſerm Kaͤyſer Chaumigrem verbleiben / und er ſolches nimmer - mehr wieder erſtatten duͤrffe: Dannenhero ihr / als fromme und getreue Knechte wohl befugt ſeyd / hieruͤber euch froͤlich zu bezeigen. Hierauff ſchrie der geſammte Hauffe mit erſchrecklicher Stim - me: Gelobet ſeyſt du Herr! Nach allen geen - digten Heucheleyen und Spott-Reden trugen die Prieſter die Stuͤcke des zertheilten Leibes mit groſ - ſer Ehrerbietung von dem Trauer-Geruͤſte hinab / zu einem von koͤſtlichem Holtze gemachten Feuer / wurffen alles Fleiſch mit dem Eingeweide hinein / und lieſſen es brennen / wuͤrgeten darneben viel Hammel und andere Thiere zum Opffer / dem hingerichteten Kaͤyſer zu Ehren. Dieſes Feuer brannte die gantze Nacht durch biß an den hellen Morgen / da ſie die uͤberbliebene Aſche des verzehr - ten Leichnams in eine ſilberne Kiſte ſammleten /mit334Der Aſiatiſchen Baniſe. mit einer ſehr groſſen Anzahl Leichen-Begleiter / von mehr denn zehntauſend Prieſtern in den Tem - pel unſers Abgottes / des Gottes der tauſend Goͤt - ter genannt / trugen / und allda in einer verguͤlde - ten Capelle in ein ſehr praͤchtiges Grab beyſetze - ten. Und dieſes war das jaͤmmerliche Ende dieſes lobwuͤrdigſten Kaͤyſers / welchen nicht ſo wohl ſei - ne Schuld / als das unguͤtige Verhaͤngniß ge - ſtuͤrtzet hat. Als ich nun dieſes alles mit trockenen Augen und blutenden Hertzen mit anſchauen muͤſ - ſen / ſuchte ich Erlaubniß der verſprochenen Gna - de zu genieſſen / und mich hieher auff mein Land - Schloß zu begeben / allda ich in willens war / das bedraͤngte Hertze zu entledigen / und meinem ent - ſeelten Kaͤyſer ein taͤgliches Thraͤnen-Opffer zu gewaͤhren. Allein ich fand mich ſehr betrogen / in - dem mir der Tyrann andeutete / ich muͤſte noch einen Feldzug mit thun / und ein Zuſchauer ſeiner Gerechtigkeit ſeyn. Was mir dieſes vor eine er - ſchreckliche Poſt war / iſt leicht zu ermeſſen / und durffte ich mich nicht erkuͤhnen / meine Bitte zu wiederholen. Kurtz: Die Armee wurde zuſam̃en gezogen / und der Zug ward gleich auff Prom ein - gerichtet. Jn ſelbtem Reiche herrſchte eine Koͤni - gin / als Vormuͤnderin ihres dreyzehen-jaͤhri - gen Printzens / nachdem ihr Herr / der Koͤnig / verſtorben / und der aͤlteſte Cron-Printz verloh - ren war / daß niemand noch dieſe Stunde weiß / wo er hin kommen. Weil nun damahls der Herr Ober-Hauptmann auf Befehl zuruͤcke blei -ben /335Anderes Buch. ben / und die Burg beſetzen muſte / als kan ich ſelb - ten / weil er nicht zugegen geweſen / zugleich eine und die andere Nachricht von dieſem Zuge er - theilen. Unſere Armee beſtund in ſiebenmahl hundert tauſend Mann und zwoͤlfhundert Schif - fen / mit welcher entſetzlichen Macht wir inner vierzehen Tagen vor der Stadt Prom anlange - ten / und alſobald eine wirckliche Belagerung zu Waſſer und Lande auffs grauſamſte angeſtellet / das Schloß aber fuͤnff gantzer Tage entſetzlich be - ſchoſſen ward. Des ſechſten Tages ſandte die Koͤnigin einen mehr als hundertjaͤhrigen Tale - grepos mit einem koͤſtlichen Geſchencke heraus / dem ſie auch volle Macht / einen Frieden zu ſchlieſ - ſen / mitgegeben hatte. Dieſer uͤberreichte von ſeiner Koͤnigin dem Tyrannen ein demuͤthiges Schreiben / folgenden Jnhalts:

Groſſer und maͤchtiger Herr / welcher in dem Hauſe