Denen Wol-Edlen / Veſten / Ehrenveſten / Vor - achtbaren / Wolweiſen und Wol - gelahrten Hn. Barthol von Wolffsberg / ꝛc. Jhrer Hochfuͤrſtl: Durchl: des Herrn Pfaltzgrafens und Generalisſimi Geheimen Secretarien / ꝛc. Herrn Chriſtian Brehmen / Jhrer Churfuͤrſtl. Durchl. zu Sachſen Ge - heimen Kammer-Diener / des Raths / und Bibliothecarien in Dreßden / ꝛc. Herrn Johann Rudolphen / wol - verordneten Eſtaats-Secretarien in Leipzig / ꝛc. Herrn Heinrich Alberten / Beyder Rechten Wolbefliſſenen in Nuͤrnberg. Meinen groſſen Goͤnnern / ꝛc.
WEnn wir die Zeiten ſo vor uns ge - weſen ſind / etwas in Augenſchein nemen / ſo befinden wir uͤberfluͤſſig / daß die Poeſie bey den alten Teut - ſchen nicht allein / als wie in einem Traume und Nebel / verborgen gelegen / ſondern auch wol gegen unſer ietzigen Zeit wie nichts zu - ſchaͤtzen geweſen ſey. Wir haben zwar ihren Fleiß / den ſie bey ſo groſſen und ſchweren Kriegen nicht ſterben laſſen / hoͤchlich zu ruͤh - men / iedoch aber ſcheinen ſie in deme tadel - haftig zu ſeyn / daß ſie faſt immerdar auf ei - nerley Art und Weiſe geblieben / wie aus den alten Meiſter-Geſaͤngen zuerſehen / biß ſie zun Zeiten Carolus des Groſſen herfuͤr ge - brochen / da ſie den Griechen und Roͤmern (welche ihre Poeſie erſt 410. Jahr nach er - bauung ihrer Stadt / wie es Cicero ansrech - net / uͤberkommen) nichts bevor geben wollen. Vnd haben ſich nicht nur gemeine Leute un - terwunden / ſolche zu erheben und zu vermeh - ren; ſondern es iſt auch Fuͤrſtlichen und an - dern hohes Standes Gemuͤthern belieblich gefallen / ihre beluſtigung zu ſuchen: GeſtaltA iijdenndenn bey Melchior Goldaſten / dem Ritter Teutſcher Zierligkeit / unter andern vieler Fuͤrſten / Grafen / Freyherren / Herren und vornehmer Adlichen Ritter / ja Kaͤyſer Hein - richs / und Conrads Roͤmiſchen Koͤnigs Lie - der und Gedichte angezogen und geruͤhmet werden. Von der Zeit an haben ſich immer je mehr und mehr viel feurige. Geiſter gefun - den / welche mit ihren ſcharffen Nachſinnen ſo weit empor geflogen / daß auch die andern in ihren Mutterſprachen ſie zuereilen nicht vermoͤcht haben. Wie ſchwer uns Teutſchen anfangs die Zunge geweſen / ſo leicht iſt ſie uns nun worden / datz wir nicht allein denen alten Roͤmiſchen / ſondern auch andern Auß - laͤndiſchen Dichtern / mit hoͤchſt-anmuthiger fertigkeit nachreden / ſondern auch mit ihrer reinen uud unverfaͤlſchten Zierde uͤmbſetzen koͤnnen. Wir geben nunmehr keinem frem - den Volcke was bevor. Hat Welſchland ſei - ne Petrarchen / Dantes / Anguillaren / Taxen / Arioſten / Alamannen / Bemben / Veniren / Goſelinen / Perotten / Sannazaren / Stoen / Fauſte / Bibbienen / Bargueſen / Jovien uñ Camillen; Franckreich ſeine Ronſarde / Sa - luſte / Marotten / Rabelaͤiſe; Engelland ſeine Sidneye; Spanjẽ ſeine Mondogneten; Nie -der -derland ſeine Heinſe / Scrivere / Lazen und Starter; So hat Teutſchland nunmehr ſei - ne Barthe / Werder / Opitze / Buchner / Ta - che / Flemminge / Lunde / Tzſcherninge / Ri - ſte / Harſtoͤrffer / Bremen / Roberthine / Fin - ckelthauſe / Rumpler / Cahlene / Hartmaͤnner / Zeſie / Clajen / Ziegler / und viel andere ſtat - liche Fruchtbringende Gemuͤther / daß es da - durch ſtoltz und hochmuͤhtig zu werden ſich wol aufblehen koͤnte / wenn es ſeine alte Auf - richtigkeit und Treue zugeben wolte. Vnd wenn wir nicht an ſo viel Mecenaten Man - gel erljtten / ſo wuͤrden ſich gewiß mehr Ma - rones und Horatzen / als Baff und Meffe bli - cken und ſehen laſſen. Die alten Roͤmiſchen Helden haben es in dieſem fall vor einẽ hohen Ruhm geachtet / ſolche trefliche Geiſter zu be - ehren / damit die Nachkommen etwas haͤtten / daß ſie beydes zu ihrem Lobe / und auch zu bil - liger Nachfolge anreitzen koͤnte. Scipio hat des Ennius Gedichte ſo hoch gehalten / daß er ſie auch vor das beſte Buch ſeiner Zeit geſchaͤ - tzet. Cheriius (wiewol er nicht ſehr anmuhtig) und Homerus / welcher zuerſt von dem Spar - taniſchen Geſetzgeber Lycurgus zuſammen gebracht wordẽ / ſind des groſſen Alexanders ſtete Reiſe-gefehrten geweſen. Darius hat(a) jvderder Stadt Thebe deßwegen verſchonet / weil der Pindarus in Jhr geboren und erzogen worden. Epius oder (wie Quintilianus aus dem Varro recht wil) Elius Stolo / hat des Plautus Luſt-Spiele in ſolchem Werth ge - halten / daß er auch ohne ſcheu ſagen doͤrffen: Wo die Muſen haͤtten reden ſollen / ſo wuͤrdẽ ſie ſich ohne zweifel ſeiner Verſe gebrauchet haben. Dieſen loͤblichen Exempeln ſind auch ihrer viel zu unſern Zeiten nachgefolget. Der Rath zu Rom hat den vortreflichen Petrar - chen am 8. Tage des Aprilis / wegen ſeiner ge - ſchickligkeit in Dichten / in dem Capitol oder Haupt Kirche oͤffentllch und vor allem Volck gekroͤnet Quinctianus Stoa bekam gleiches - fals ſeinen: Lo[r]ber Krantz / als ein Zeichen ho - her Ehre / von Koͤnig Ludwigen dem XII. in Franckreich. Fauſtns wurde zur Zeit Koͤnigs Franciſci (als wie bey uns Kaͤyſerliche.) Koͤ - niglicher Poet genennet. Bembus und Bib - biena wurden ſo hoch gewuͤrdiget / daß ſie auf einmahl mit zweyen unterſchiedenen Kraͤn - tzen / einem gruͤnen von Lorber / und einem Rothen / ohne zweifel von Roſen / ſind ver - ehret worden. Was dem Jrida vor Gunſt und Gnade wiederfahren / das wiſſen ſeine Lands - leute. Vnd damit ich unſers Sel. Opitzensnlchtnicht vergeſſe / ſo iſt er bey Kaͤyſerlichen Chur - und Fuͤrſtlichen / ſonderlich an dem uͤm die Teutſche Sprache wolverdienten Anhalti - ſchen Hofe ſo beliebt geweſen / daß er nicht al - lein gekroͤnet / ſondern auch dermaſſen be - gnaͤdiget worden / daß es in ſeinem Leben we - der Cr ſelbſt / noch nach ſeinem Tode der hoch - gelarte Riſt mit ihren Goͤttlichen Schriften gnugſam ruͤhmen und er heben koͤnnen. Wie hoch wurde der Edle Fleming gehalten? ſei - ne hinterbliebene und wolgeſetzte Sachen be - zeugen es gewaltig / daß er nicht in ſchlechten Gnaden bey den Ein - und Außlaͤndiſchen ho - hen Haͤuptern muß geſtanden ſeyn. Es iſt a - ber nicht nur bey ſo hoher Beehrung verblie - ben / ſondern auch in der That erwieſen wor - den / daß man ihrer viel noch heutiges Tages fuͤr freygebige und milde Printzen zu ruͤh - men und auszuruffen ſatſame Vrſach hat / weil ſie / nach des Syneſius Meynung / durch ihre Wolthaten den Goͤttern am aͤhnlichſten worden ſeyn. Cherilus bekam von Alexander dem Groſſen fuͤr einen ieden guten Vers eine Krone. Die Summa / die Virgilius von Kaͤy - ſer Auguſtens Schweſter empfangen / iſt noch aller Welt bekant. Des Edlen Sannazars uͤberſchrift von der Stadt Venedig hat nichtA vmehrmehr als 600. Ducaten getragen. Was der Herr von Baſſompiere in Franckreich dem Vandero fuͤr eine Comedie verehret / hat ſich (wie es Riſt in der Vorrede uͤber ſeine Teut - ſche Muſe erwehnet) auf dreißig tauſent Du - caten belauffen. Vor das eintzige und aus dem Seneca zuſammen getragene Lied: Wol dem der weit von hohen Dingen; ſol (wie mir glaubwuͤrdig erzehlet worden) der Se - lige Opitz von einem Frey-Herrn hundert Thaler bekommeu haben. Was vor freyge - bige Haͤnde unſer geliebtes Vaterland an - noch getragen / wiſſen die Muſen am beſten. Die Tugend bleibet doch nicht dahinden / ſie iſt immer als wie eine fruchtbare Erde / die in ſich Gold / und auf ſich allerhand Speiſe und Nahrung ſehen laͤſſet. Vnd ob es wol biß - weilen ſcheinet / als wenn ſie gantz und gar verhaſſet were / ſo finden ſich doch noch alle - zeit ſolche Goͤnner und Foͤrderer / daß ſie die Alten an Gutthaten uͤbertreffen / die Gegen - wertigen aber und naͤheſten zum heftigſten be - ſchaͤmen.
Jch erinnere mich hier nicht unbillich derer groſ - ſen Beliebligkeiten / die meine Großguͤnſtige Herren zu meiner wenigen Poeſie iederzeit getragen. Weß - wegen ichauch anlaß genommen / hieſige von vorneh - men und guten Freunden zur Ausfertigung erbeteneLie -Lieder unter Jhren Hoch-anſehnlichen Namen der ſpitzfindigen Welt darzuſtellen. Nicht zwar / als weñ ſie wuͤrdig weren / meine Großg: Herren zu beluſti - gen / ſondern daß ich nur ein Zeichenmeiner Schuldig - keit auffſtecken moͤchte. Jch befinde mich verpflichtet / Jhnen ſaͤmbtlich nach meinen hoͤchſten Vermoͤgen aufzuwarten. Ob ich gleich kein Opitz bin / ſo haben doch gegenwertige Lieder / wie fluͤchtig ſie auch ver - fertiget / noch iederzeit ihre Mecenaten gefunden / de - nen ſie gefallen haben. Der von Wolffsberg uud Herr Rudolph werden ſich noch unſchwer erinnern / mit was vor Luſt ſie dieſelben / benebenſt einer Viol - gambe / angehoͤret haben. Mein Großg: Herr Breh - me hat ſie ihm ingleichen belieben laſſen / daß er mir / als einen unbekanten / mit hoher Gunſt beygepflich - tet. Du auch mein Freund / Herr Albert / fuͤhreſt ſie noch taͤglich auf deiner lieblichen Zunge.
Weil dann nun Jhre guͤnſtige Gewogenheit mich verſichert haͤlt / es werde meine wenigkeit hierinnen gar nicht irren / Als hab ich ſie Jhnen zuſchreiben und uͤberſenden wollen / verhoffende / Sie werden mit ihren Sonnen dieſes ſonſt dunckle Sternlein erhel - len und er leuchten / Damit ich verbunden bleibe unter Gottes Schutz zu leben.
Jhr Wol-Edl. und Ehrenv. Leipzig / den XJ. Winter M. M DC XLJX. Allzeit Auffwartender der in der Loͤbl. Teutſch-geſinnten Genoſſenſchafft. Beſchirmende.
JCh ſehe es dir faſt an deinen Augen an / ſcharffſinniger Leſer / daß ich / wegen meiner hieſigen Roſen-Gepuͤſche rechenſchaft zu geben / durch dein alzuzeitiges Vhrtheil veranlaſſet werde. Verziehe ein wenig und hoͤre mich. Wieich verſpuͤhre / ſo wolteſt du mich gerne beſchuldigen / als wenn ich unter den Roſen der Liebe einen grauſamen Dor - nenſtrauch verborgen haͤtte / der ſeine unver - warneten Spitzen der eitelen Thorheit und thoͤrichten Eitelkeit zimlich blicken und ſehen lieſſe. Aber wiſſe hierauff mein verantworten; Wenn ich mich bey ſo thummen Sinnen be - fuͤnde / als wie etwan du mit deinen Tade - lern / ſo muͤſte ich freylich geſtehen / daß das jenige / was der Ehrliebenden Hoͤfligkeit von dir zum Feinde gemacht werden wil / dei - nen anſchauen nach nicht allein unloͤblich / ſondern auch gar verdamlich were; Die - weil ich aber ſo viel Exempel vornehmer und treflicher Leute (die auch noch ein geſundes Gehirn in ihrem Haupte tragen / und denen weder ich noch du das Waſſer reichen) vor mir habe / ſo werde ich billich veranlaſſet / dei - ne Momiſche Geiferſucht zu verlachen / undanan deinen groſſen Maͤngeln mich zu beluſti - gen. Wenn du nur die Brille der uͤbermach - ten und unzeitigen Klugheit von deiner ge - ruͤmpfften Naſe herunter nehmen wolteſt / ſo wuͤrde dir der Dorn nicht ſo groß ſcheinen / dz er die darneben bluͤhende Roſen der Anmuh - tigkeit in deinen bloͤdeñ Augen verkleinern wuͤrde. Hat der wolberedte Eraſmus von Roterdam die Narr - oder Thorheit / Apuleius und Heinſius den Eſel / der unvergleichliche Scaliger die Gans / Ovidius / oder wer es ſonſt geweſen iſt / die Nuß / Euripides Putea - nus das Ey / Virgilius die Muͤcke / Majora - gius den Koth / Angelus Politian den Bauer / Janus Guilielmus und Acidalius die Roſen / M. Barth. Spataphora die Dienſtbarkeit / der den Storch / ein ander die Fliege / und ich weiß nicht wer / das Fieber mit ſo ſtatlichen Ruhme begaben koͤnnen / Wer wolte es denn mir verargen / wenn ich meiner Jugend den Zaum laſſen und von den jenigen / in welchen ſich ein zweyfacher Zierrath / das iſt / die Tu - gend und unvergleichliche Schoͤnheit / befin - det / mir unterzeiten etwas auffzuſetzen / nach - gehangen habe. Ob ich aber dadurch ein ſche - les Auge zu verdienen berechtiget werden moͤchte / kan ich noch nicht ſehen. Sehr bey -faͤlligfaͤllig und auf meiner Seiten ſcheinet zu ſeyn was der vorneme Niderlaͤnder Daniel Hein - ſius an den Edlen Adrian Mainekern ſchrei - bet / daß wie ein weiſer Mañ / der niemals ge - lachet habe / nicht allerdinge zu loben ſey / alſo auch die jenigen nicht zu billigen werẽ / welche ihre Muſen mit den keuſchẽ Gratien niemals vereinbarten / und alſo allerhand Schertz - reden unnd luſtige Erquickungen / doch ohne verletzung der Zucht und Crbarkeit ſich nicht auch belieben lieſſen. Vnd diß wil uns auch die Natur zuverſtehen geben. Sie hat zwar faſt eine iede Zeit einer vergoͤnlichen Luſt und freyen Ergoͤtzligkeit gewidmet / doch aber mit einer bequemen unnd abſonderlchen die Liebe voraus bedencken wollen. Wer ſihet nicht / daß wir auff den rauhen und muͤrriſchẽ Win - ter die allerſchoͤnſte Liebligkeit des anmuthi - gen Fruͤhlings zu gewarten haben? Vnd dieſe iſt eben die geringe Zeit / welche bey den Alten der Venus geheiliget / uñ daher nicht unrecht von einem vornehmen Poeten die liebe Zeit genennet worden. Du muſt es ja / Leſer / ſelbſt geſtehen / weñ du es genauer erwegen wolteſt / daß die heitere und warme Lufft / wenn ſie die Mutter aller Dinge uͤmfaͤnget und in die Ar -menmen nim̃et / zu verſtehen geben wolle / daß wir nicht lebloſe Felſen uñ unempfindliche Kloͤtze ſeyn ſollen / die Roſenblaͤtter unſerer Jugend ſo gar verwelcken zu laſſen. Mann ſehe nur die unvernuͤnftige Vogel an / ob ſie allezeit trau - rig und voller Grillen ſeyn moͤgen? Man ſe - he ſie nur an / wie ſie / als der Liebe gleichgear - tete Kinder / in ihren gruͤnen Sommerlaͤuben uͤm die rauſthenden Quellen die allerbeſten Poeten geben / in dem ſie ihr bruͤnſtigs Leiden einander zuruffen / bald ihrer Bulſchaft er - freuliche gegenwart belachen / bald aber drauf das ſchmertzliche ab ſeyn beſeuftzen und bekla - gen. Ein Roß / das allezeit in den Wagen zur ſchweren Arbeit getrieben wird / tauret nicht ſo lange / als wenn es bißweilen zum Reiten und anderer Kurtzweil gebrauchet wird. Ein Lauteniſt ſpielet nicht ſtets traurige Padua - nen und Maſcaraden / ſondern er gebrauchet ſich auch der tantzenden Couranten und Sa - rabanden. Die Sonn und der Mond / ſind nicht allezeit / bey verurſachter Finſterniß / un - ter den Wolcken verborgen / ſondern ſie laſſen ihre liebliche Angeſichte bißweilen ſehen / daß man ſich druͤber erfreuen / und in ihren ſchoͤ - nen Golde beluſtigen koͤnne. Waruͤmb ſolteſichſich ein warmer und hitziger Muth die Kaͤlte der un - freundligkrit daͤmpffen unnd unterdruͤcken laſſen? Waruͤmb ſolte er ſich ſolcher anmutigen und ohne al - len Nachteil lieblichen Ergetzung entſchlagen? Wa - ruͤm ſolte das noch nicht gegenwertige Alter die Ede - le Jugend zur Furcht bewegen? Jch bekenne es frey / das ich nach meiner Wenigkeit manche trau - rige und ſaure Stunde mir mit Luſt etwas aufzuſe - tzen verſuͤſſet habe / weil zum theil die allerherrlichſten Wiſſenſchafften / als goͤldne aͤpfel auf einen ſchoͤnen Purpur / zum theil eine Sittſame Hoͤfligkeit / als ein koͤſtlicher Wein in einem theuren Pocale darun - ter verſtecket und verborgen ligen. Daß ich aber ſo vieler Namen und Bulſchaften gedacht / iſt kei - nes weges dahin zu deuten / als ſolte unter einer ie - den Schale eine Nuß / und unter einen ieden ver - bluͤmten Worte eine abſonderliche Perſon vermum̃et und verbildert ſtehen. Jch bin hier denen vortrefli - chen Leuten / als ein kleiner Schatten einen groſſen Leibe / nachgegangen / haben ſie mich verfuͤhret / ſo wil ich mit ihnen dem Vrtheil gerne dulden und leiden / Mich beduͤncket aber / Plato / Cicero / Plinius / Apuleius / Horatius / Naſo / Tibullus / Propertius / und andere tapfere Geiſter / denen es am meiſten ge - lungen / werden deßwegen nicht zuverwerffen ſeyn / daß ſie ihre Arbeit mit einer angebildeten Liebe / und zwar mit frembden und unbekanten Benamungen / durchſuͤſſet und beſaͤnftiget haben. Wer ſchilt die hohen und faſt Goͤttlichen Maͤnner vor vnnd zu unſerer Zeit? Angerianus liebet Ce -lienlien / Marullus Neeren / Secundus Julien / Stro - tza Antien / Eobanus Flavien / Petrarche Lauren / der uͤbermenſchliche Scaliger Criſpillen und Teleſillen / Lotichius Claudien und Callyrhoen / der Hollaͤnder Homer Heinſius Leßbien / Roſſen und die Phyllis / Meliſſus Roſinen / Lernutz Hyellen / Jan von der Doͤß ſeine Jda / Acidalius Ninen / Quintien / Pſychen und Venerillen / Opitz Flavien / Aſierien / Galatheen De - lien und Vandalen / Riſt ſeine Galatheen / Mynien / Dorinden / u. d. g. Homburg ſeine Julien / Fillis / Chloris und Dorillen / der tapffere Augſpurger ſeine Flora. Ja alle und iede Poeten haben ihre ſonderli - che Namen / die ſie als ihre Gebieterinnen / vereh - ren. Wer wolte ſagen / daß der Edle Fleming unnd ſein Finckelthaus ſo viel Weibesbilder ſolten geliebet haben / als ſich Namen in ihren Schrifften befinden? Wer ſihet nicht daß er ſie nach begebenheit der Zeit veraͤndert / unnd ſeine Einbildung / wenn ſie ihm Schmertzen erreget / Cordolien / wenn ſie aber ſeiner Meinung geweſen / Concordien / und ſo fort genen - net habe? Es wird es mir niemand verargen / daß ich meine Sinnen auch eben an dem Wetzſteine ge - ſchaͤrffet habe / welcher laͤngſt vor mir andern ver - goͤnnet geweſen. Es bleibet darbey / und iſt der Poe - ten Art / wie es Herr Opitz in Nuͤßlers Perſon in ſei - ner Hercynie ſetzet / daß ſie der Natur nichts nachzu - geben / offtmahls ſachen erdencken / die nie geweſen ſind / noch ſeyn werden / eine Liebe machen / die ſie nie in den Sinn gebracht. Vnd zum theil ander Leute Buhlſchafften / Eitelkeiten unnd muͤßige Vnruhe /Bdurchdurch ihre erdichtete fuͤrbilden zum theil die Einſam - keit / darinnen ſie ſich dieſer zeit befinden / lieber mit dieſen als mit nichts (ich ſetze hinzu als nichts uͤbels thun) erleichtern wollen. Steckt aber ja auch et - was von den anmuthigen uͤbel bey ihnen / ſo muͤſſen ſie dencken / das die gantze Welt der liebe als wie ein Ballenſpiel ſey / darinnen ſieauch uͤmgetrieben wer - den / und das war ſey was die Liebe in den Hollaͤndi - ſchen Sinnbildern ofterwehnten Heinſiens allen Menſchen fuͤrhelt.
Damit du aber auch von dem Titel unterricht einholen moͤgeſt (daß ich weis / daß du dich auch darumb bekuͤmmerſt) ſo wiſſe daß ich ihn darumb von den Roſen entlehnet / die weil ſie der Liebe gehei - liget ſeyn / wie Anacreon in der J. V. Ode ſolches be - zeuget. Die Vrſache gibt Ovidius in der Fabel von dem Adonis. Pauſanias ſpricht es ſey wegen des lieblichen geruchs / und der anmuthigen Farbe Da - her haben die alten den Haſtam / der der Venus zu ſtunde / zur Fruͤhlingszeit mit einem Apffel / den Apffel aber mit Roſen uͤmbſchloſſen / anzudeuten / das in die Lentzenzeit / in welcher alles zu lieben ſchei -net /net / herbey kommen / und die Ernde zu hoffen we - re. Weil ſie auch ein Zeichen des ſtillſchweigens und der Verſchwiegenheit iſt / und die Liebe Schwatz - hafftige Zungen nicht leiden kan / als wil ich es auch vor eine urſach anziehen. Denn die alten Griechen hielten abſonderlich dieſen Brauch / das damit aus ihren Gaſtereyen oder andern Zuſammenkuͤnfften nicht austragen wuͤrde / ſie dem Harpocrati dem Gott (die Roͤmer aber der Angorona der Goͤttin) des Stillſchweigens die Roſen aufgeſetzet / unnd dem / der irgend aus unbedacht etwas vorbringen wolte / gewieſen und gezeiget haben. Daher iſt das Sprichwort auch auff uns Teutſchen kommen / das wir das / was wir heimlich gehalten haben wollen / fuͤr unter der Roſen geredet / ausgegeben / wie denn an unterſchiedlichen Orten noch heutiges Tages groſſe Roſen aus Holtze uͤber den Tiſchen zu ſehen ſeyn. Anderer Vrſachen (als das die Roſe die liebe erwecke / das ſie bald wie die liebe wandelbar werde / daß ſie vordeſſen zu Kraͤntzen und zum Zier - rat der Zimmer (in deren eins die Cleopatra vor ein Talend hat ſtreuen laſſen) darein die verlieb - te zuſammen kommen / gebrauchet worden / vor - aus zu geſchweigen. Roſen-Gepuͤſche aber habe ich es nennen wollen / dieweil ich keine ſonderliche Ord - nung gehalten und in acht genommen habe. Diß ſey kuͤrtzlich die Antwort auff dem ungegruͤndtes vorbringen. Wirſtu nu die Roſen mit Glimpffe brechen / ſo wird dir kein Dorn zu wieder ſeyn / wirſt du aber mit Vnvernunfft hinzufahren / ſo wirſtu em -B ijpfin -pfinden / daß ſie dir mehr als du ihnen ſchaden zu fuͤ - gen werden. Jch gebrauche mich hier eintzig und al - lein deſſen / daß die Roſen Jungfern / das iſt / keuſche und reine Blumen ſeyn / welche niemand zu einigen argen veranlaſſen koͤnnen / unnd laſſe mir dieſe uͤber - ſchrifft gefallen / die an einem uͤberaus ſchoͤnen Luſt - garten in Niederland ſtehen ſol.
Denn wie manche den Wein zur luſt trincken das vollſauffen aber andern befehlen / alſo wil ich meine Poetiſche Ergetzligkeit auch gedeutet haben.
Lebe wol.
ES war nun allber[en]des blaſſen Mondes Gold - bruder durch den eroͤfneten Paß der der angrentzenden Erden gerennet / als ich an einen beſonders erfreulichen Orte eine loͤbliche Ge -ſell -111Roſen - Gepuͤſcheſellſchafft angetroffen / welche dermaſſen gefrolo - cket / das es ſchien / als wolte der guͤtige Himmel mit ſeinen weiß-blauen Angeſichte die angefangene Freu - de vermehren helffen. Nach den ich aber wiederuͤm urlaub genommen / kam ich in ein mit den runden Schnee-Ballen verfallnes Thal / in welchen ich eine klaͤgliche Stimme nur von weiten erklingen hoͤrete / ſo das ich nichts anders draus urtheilete / es weren denen beruͤhmten Schaͤffern an dem Saalen-ſtran - de umher ihr Heerdẽ geraubet! die huͤrden eingeriſſen / und ihre Trifften verunruhiget worden. Als ich aber naͤher hinzu kam / und den Saͤnger zuzuſprechen vor - nemens war / erhoͤret ich alſo bald / dz mein Aufenthalt Amyntas / der mit dem Daſnis an der flieſſenden Meyſſe ſeine Laͤmmer taͤglich zu weiden pflegt / dieſen Trauer-thon erſchallen lieſſe. Jch / nach dem ich ihm (weil wir einander ſonſt wol vermoͤgen) ruͤckwaͤrts zugeſprochen / wz ſein Thun hier ſeyn muͤſte? was in dẽ kalten Winter das ſo bruͤnſtige ſingen bedeutete? Gab er kuͤrtzlich dieſe Nachricht: Thyrſis iſt dahin / weil ihm Cynthia keine Gunſt-winde und Lebens-kraͤfte / wie ſonſten / wolte zukommen laſſen. Jch bat darauf / er moͤchte mir dieſes mal in Dienſten ſtehen / und mich das betruͤbte Lied / deſſen Thon ein weitberuͤhm - ter Orpheus-bruder neulich aufgeſetzet / anhoͤren und betrachten laſſen. Meine Bitte mir / als ſeinem Ver - trauteſten / zu gewehren / ſtimmte er gar zitternd an hieſige nach geſetzte.
J ijOde:112Wilſtu / mein Amyntas / ſagt ich nach angehoͤrter Oden / ein witziger Schaͤffer ſeyn / und laͤſſeſt dich durch die vielbezungte Goͤttin alſo aufſetzen und hinter - gehen. Gewiß Thyrſis lebet / glaͤub es gewiß / er lebet / und er lebet nicht allein / ſondern ſtehet in ſolchẽ Gnaden bey ſeiner Cynthien / als er vor niemals ge - geſtanden. Diß weiß ich zuvor wol daß er ihr vor we - nig Tagen dieſes zu wiſſen gethan / (nach Art der Buh - ler / die taͤglich ſterben / und doch niemals todt ſind) daß er ihrentwegen wuͤrde ſeinen Geiſt aufgebẽ muͤßẽ in dieſen Reimen / die er ihr in ein mit Silber beſchla - genes Buch / dz er ihr uͤberlieffern laſſen / geſchrieben / darneben allenthalben tropffen / die aus ſeinen Augen als Zeugen ſeiner gewiſſen Liebe / hinzu gefallen / anzu - ſchauen. Seine Worte waren dieſe:
Dieſe Reimen hab ich / ſagt Amyntas / auch geleſen / und nicht anders vermeynet / es were dem alſo / we[il]die ſchoͤne Cynthia ſie mir / benebenſt dem durch Sil - ber bewaretem Buche uͤberſchicket. Jhre klaͤgliche Worte und aͤngſtigen Geberden kunte der Coridon nicht gnugſam außreden / wie ſie mit Haar außrauf - fen / mit Haͤnde ringen / mit niedergeſchlagenen Au - gen ſeinen Todt betraurt haͤtte / auff dieſes nun habe ich diß neulich abgeſpieltes Lied hier in dieſer mir von den Schneeflocken erleuchteten Gruben / ihm zu Ehren / und der betruͤbten Cynthien zum Nachdencken / abgeſungen. Viel ein froͤlichers / fuhr ich fort / wil ich dir / mein Amytas / zeigen / zog der owegen eine Namens-Feyer-Ode herauß / die dem Thyrſis fuͤr Geſichte kom̃en ſolte / folgendes Jnhalts[:]
Als ſie Amyntas geleſen / ſagte er / ich ſolte unbeſchwert ihm doch die Art ſolches Gedichtes entwerffen / denn er bekaͤnte / er haͤtte Zeit ſeines Lebens keines dergleichen geſchauet / vielweniger ge - leſen. Es iſt / gab ich zur Antwort / eine Anacre - ontiſche Ode / nach Art der Griechen und Latei - ner geſetzet / unter welchen der weit geprieſene Poe - ten-Vater Taubmann ein Meiſter iſt. Mein Opitz klaget ſelbſt / es haͤtte nie kein Anacreon / weder in den Lateiniſchen noch in den goͤldnen Deutſchen / ihm wol abgehen wollen. So iſts / ſagt Amyntas / eine ungewoͤnliche Art bey den Deutſchen? Ja / ge - mein iſt ſie nicht / ſprach ich wieder / weil keiner zur Zeit ſolche aufzuſetzen ſich unternommen und erkuͤh - net / ohne einer / deſſen Namen ich mir vorbehalten wil. Kommſtu m̃ein Freund / fuhr Amyntas fort / zu den wolbelobten Thyrſis / bitt ich / unbeſchwert auch mein geringes Liedlein ſeinen Haͤnden einzuliefern / damit er verſpuͤre / wie ein Freund hierinnen ihn be - trauren und beklagen wollen. Nach verrichteter uͤ - bergebung wolleſtu ihm nichts anders als freund - lich zu wiſſen machen / das der Jenige / der es ſendet / hoͤchſtes Fleiſſes gebeten / ſolches in Eyl aufgeſetzte nicht uͤbel aufzunehmen / vielweniger fuͤr ſchaͤndli - Zoilus - Augen und Momus - Bruͤder kommen zu laſſen / weil der Anfang in einem jeden Dingedie129Roſen-Gepuͤſche. die Muͤh und Arbeit zur Mutter zu heben pflegt / wie denn du auch mit dergleichen Worten ihn bewegen wirſt / wenn du ihn vermeldeſt / das dieſes der erſte Deutſche Anacreon ſey / den du ihm / als einem guten Freunde / aufzuſchreiben dich befliſſen habeſt. Lebe wol / und verrichte das dir anbefohlen / kan ich wider in deinen Dienſten ſtehen / ſihe / ſo bin ich dir allzeit da. Nach dem der Amyntas urlaub genommen / hab ich durch meinen Knaben zu den vollkommenen Freundeszeichen den guͤldenen Ring abzufertigen mir angelegen ſeyn laſſen / hieſige mir vertraute Sachen / benebenſt beygelegten / gebuͤhrlich einzuhaͤndigen / mit angeheften Wunſche / daß der hochbelobte Thyrſis dieſen Tag / weil man der Poeten gedencket wird / Freu - den-voll tauſendmal und aber tauſendmal ſtets an - ſchauen / und in vollen Triften Feyerlich begehen moͤ - ge. Nach dem es nun der Thyrſis bekommen / hat der froͤliche Himmel und die widererfreute Cynthia den gantzen Tag in Lieb und Freude ſo lange zuge - bracht /
Denen Wol-Edlen / Geſtrengen / Veſten / Voracht - barn und Wolgelarten Herman von Wolframsdorf / ꝛc. Salomon von Canitz / ꝛc. Herrn Valentin-Andreas Moͤllen - brocken / der Artzney Lieentiaten. Herrn Heinrich-Andreas Mengerin - gen / der Artzney Candidaten / Herrn Jacob-Heinrich Lentzen / Herrn Alerander-Paul Lothen / Beyder Rechten Wolbeflieſſenen.
HJer ſehen Sie meine Marnia / die ſich nun lange genug inne gehalten. Jhre Kleidung iſt faſt ſchlecht / und in et - was unſcheinbar worden / daß ſie ſich wol ſchaͤmen moͤchte / fuͤr aller Welt herfuͤr zu treten. Weil aber das Frauen Zimmer unter zeiten ohne Gold und Perlen anmutiger zu ſcheinen pfleget / als habe ich ihr vergoͤnnet / nach ih - ren Gefallen der Schoͤnheit zu gebrauchen. Sie wird zwar manches donnerndes Vngewitter auf ſich muͤſ - ſen ſtoſſen laſſen. Jedoch aber wird ſie es / meines be - duͤnckens / nicht gar groß achten / weil ſie ſchon allbe - reit mit einen gruͤnen Lorber-Krantze verſehen iſt. Wer ſich an ihre Roſen wagen wil / der ſehe zu / daß es ihm nicht ergehe / als wie den Nymfen / die ſich ver - wichener Zeit in des Sinnreichen Cats Hollaͤndi - ſchen Roſen-Krieg begeben haben. Sie iſt zwar ver - blichen / dennoch aber lebet ſie noch ſo vollkoͤmlich / daß man ſie ins kuͤnfftige gar nicht vor todt halten kan. Meine Hochgeehrten Freunde und Bruͤder geruhen guͤnſtig Sie in ihren Schutz zu nehmen / damit Sie hinfuͤrder mir befehlen koͤnne / zu verbleiben Jhrer allerſeits
Dienſtfertigſter Leipzig / den XJ. Wintermo - nats M. DC. XLJX. D. S.
ENDE.
dieſes ſch dein guter Bekanter Joh. Georg Schoch.
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Fraktur
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